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Lehrbuch der Zoologie
für Studierende und Lehrer
Johan Erik Vesti Boas
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OP
COMPARATIVE ZOÖLOGY,
AI HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS.
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jouirtrt b5 ptftate «utacrfpUon, In 1861.
Depoeited by ALEX. AQASSIZ.
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LEHRBUCH
DER
Z 0 0 L 0 G I E.
FÜR STUDIRENDE UND LEHRER.
VON
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D* J. E. V. BOAS.
MIT 37ö ABBILDUNGEN.
JENA,
VERLAG VON GUSTAV FISCHER.
"^1890.
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Verlag von GUSTAV F I SCHER in JENA.
-ry Francis K., M.A., FRS., Fei/ö|f «dLedurer of Trinity ColW
15H»lIO III , Cambridge. üjjjüM>no|j <l(>r ggfejghggfiB l
bryologie. Zwei Bände. Jlit öewillijrijn/f <tes Verfassers au* <iem K
lischen übersetzt von Dr. B. Vetter, Vrofetsor am Polytechnikum in Dre<
I Band. 58<i S. und 275 Holz8chnirfe. 1880- Preis: 15 Mark.
II Band 740 S "nA 4nn xx~%— -t—u*- ,00° «w.. ig Mark.
Das Recht der Uebersetzung in andere Sprachen behält sich der Verfasser vor.
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Vorwort.
Das vorliegende Buch hat sich in erster Linie die Aufgabe ge-
stellt, denjenigen Studirenden als Leitfaden zu dienen, in deren
Studienplan die Zoologie einen Platz unter den naturwissenschaftlichen
Vorbildungsfachern einnimmt : es ist also zunächst für Studirende der
Medicin, Veterinär- und Forstwissenschaft etc. bestimmt. Diese Be-
stimmung ist für die ganze Anlage des Buches und für die speciellerc
Darstellung maassgebend gewesen. Der Verfasser hat sich überall be-
strebt, das Wesentlichere hervorzuheben und das Nebensächliche zu-
rücktreten zu lassen ; dabei wurde noch der Stoff möglichst begrenzt,
Manches — nicht selten mit Widerstreben — ausgeschlossen, was für
den Zweck nicht nothwendig erschien. Bei der Auswahl des Vor-
zutragenden wurde darauf Gewicht gelegt, ob dasselbe sich für den
Standpunkt der betreffenden Studirenden fasslich darstellen Hess und
einem Verständniss zugänglich war ; wenn solches nicht der Fall war,
wurde von einer Darstellung gänzlich abgesehen oder, wenn noth-
wendig, die Sache nur berührt. Die allgemeineren wissenschaftlichen
Ergebnisse der Forschung wurden möglichst in den Vordergrund ge-
stellt, jedoch nur wenn sie dem Verfasser genügend- erhärtet schienen ;
dagegen wurde von solchen theoretischen Erörterungen Abstand ge-
nommen, denen entweder dieser Charakter nicht zuerkannt werden
konnte, oder welche für den Standpunkt der betreffenden Studirenden
nicht elementar genug erschienen. Auf eine Discussion zweifelhafter
Fragen wurde, als in einem solchen Lehrbuch principiell unzulässig,
fast gänzlich verzichtet. In Bezug auf Einzelnes ist hervorzuheben,
da88 das „Systematische", d. h. die Darstellung der Gruppen niederen
Ranges, in der Weise behandelt wurde, dass meistens statt des
üblichen systematischen Skeletes lediglich Beispiele vorgeführt
wurden, welche dann aber wirklich charakterisirt worden sind; nur
Wi den Wirbelthieren hat sich der Verfasser manchmal eine mehr
skeletmässige Aufzählung der Formen erlauben dürfen, weil letztere
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Vorwort.
den Studirenden als für unseren Zweck hinlänglich bekannt voraus-
gesetzt werden konnten. Ueberall hat der Verfasser sich bemüht, dem
Studirenden die Aneignung des Stoßes durch Fasslichkeit der Dar-
stellung und Vermeidung überflüssiger Kunstausdrücke zu erleichtern.
Die zahlreichen Figuren, von welchen viele schematisch gehalten sind,
dienen demselben Zweck.
Das Buch ist eine Neubearbeitung meines im Jahre 1888 in dänischer
Sprache erschienenen Lehrbuches. Die vorliegende von mir selbst
besorgte deutsche Ausgabe — zu deren Veranstaltung ich von nam-
haften deutschen Fachgenossen aufgefordert wurde — unterscheidet
sich aber nicht unwesentlich von jenem. In der speciellen Dar-
stellung ist natürlich durchweg bei der Auswahl der Formen und bei
Angabe von Fundorten auf die Fauna Deutschlands Bezug genommen.
Ferner sind aber auch manche andere Aenderungen vorgenommen:
ein ganzer Abschnitt des Allgemeinen Theils (Biologie) ist hinzu-
gekommen, andere Stücke sind gänzlich umgearbeitet worden, überall
sind kleinere Aenderungen und Verbesserungen angebracht; eine an-
sehnliche Anzahl neuer Figuren sind hinzugekommen, resp. an die
Stelle älterer getreten.
Bei dem Umstände, dass das Deutsche, wenn ich mich desselben
auch ohne besondere Schwierigkeit bediene, doch nicht meine Mutter-
sprache ist, erschien es mir geboten, den von mir verfassten deutschen
Text von einem deutschen Fachgenossen durchsehen zu lassen. Ich
habe dabei das Glück gehabt, dass mein lieber Freund Professor
J. W. Spengel in Griessen mir den Freundschaftsdienst erwiesen
hat, diese Arbeit zu übernehmen. Ich verdanke es zum grossen Tbeil
seinen Bemühungen, dass das Buch in dem sprachlichen Gewände
erscheinen kann , in dem es jetzt vorliegt. Allein Prof. Spengel hat
sich nicht darauf- beschränkt, das Buch sprachlich zu verbessern,
sondern er hat mir auch eine ansehnliche Reihe von sachlichen Be-
merkungen zugehen lassen, welche an manchen Stellen zu wesent-
lichen Verbesserungen Anlass gegeben haben. Ich spreche ihm auch
an dieser Stelle meinen wärmsten Dank für das Opfer aus, welches
er damit unserer durch lange Jahre immer mehr befestigten Freund-
schaft gebracht hat.
Möge das Buch auch in Deutschland, dessen Forschern ich so
Vieles verdanke, eine wohlwollende Aufnahme finden!
Kopenhagen, März 1890.
J. E. V. Boas.
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Inhaltsverzeichnis^
Allgemeiner Theil.
I. Zelle und Gewebe , . , . . . . . , , , , . . , . , , , 3
II. Organe 12
I. Haut 12
g Skftlflt , . ■ ■ • ■ IA
3. Muskelsyatem 14
4. Nervensystem 15
5. Sinnesorgane 16
6. Darmkanal 22
7. Gefässsystem 25
8. Athmungsorgane 27
9. Excretions- oder Harnorgane .... 31
10. Fort pflanzung mul Fortpflanzungsorgane 32
II. Die Verbindung der Organe unter einander; die Leibeshöhle . . 40
12. Rudimentäre Organe . . 41
III. (rru mit ormeti und lUisnere Gestaltung des Körpers 42
IV. Entwicklungsgeschichte (Embryologie oder Ontogenle) 44
V. Die Verwandtschaft der Thlere: da« System. Die Abstammungs-
lehre 55
VL Biologie 62
1. Vertheilung der Thierwelt auf Land, Süsswasser und Meer ...
2. lieber das Verhältnis der Nahrung zur Gestaltung des Körpers. —
ParanitiHnina 67
3. Die verschiedene Art der Ortsbewegung. Ueber festsitzende Thiere 70
4. Umgestaltende Einwirkung der Lebensverhältnisse 71
ö. lTeber die Lebensperioden und die Lebensdauer der Thiere ... 73
H. Die Widerstandsfähigkeit der Thiere gegen Kälte und Wärme,
Austrocknen, Hunger 75
VII. Geographische Verbreitung der Thiere 77
VIII. Geologische Entwicklung der Thiere 79
Anhang. Ueber die Aehnlichkeit und den Gegensatz des Thier- und Pflanzen-
reiches , B3
Specieller Theil.
Protozoen oder Urthiere {l'rotoxon) \\\
1, ClaBse. Schlcimthlerchen (Snrcodina)
1. Ordnung. Rhi/.opodeu (ffltizopoda) '*3
2. — Radiolarien (Radiolaria) 95
VI Inhalt sverzoiohniae.
2. ('lasse. InfnslouBthicrchen (Infwsoria, Ciliata) 97
3. (.'lasse. (Iregarlnon (Gregarinida) 100
Cölenteraten (CoeJeriterala) 103
1. ('lasse. Korallenthierc (Antho:oa) 107
1. Ordnung. Achtarmige Korallenthicrc (Octactiniä) ■ ■ . 109
2. — Vielarmige Kurallenthiere (Polyactinia) . . . 111
2. Classc. Qnallenpolyitcn (Hydrozoa) 114
1. Ordnung. Saumquallen (Hydromedtuae) 115
2. — Schwimmpolypen (Siphonophora) 119
3. — Lappenquallen (Acatepkae) 121
3. Claase. Rippenquallen (Ctenophora) 123
Anhang zu den Cölenteraten: Schwämme (SpongUu oder Porifera) .... 124
Stachelhäuter {FshiiindcrmnUi) , , , 128
1. Claase. Seellllen (Crinoidea) 135
2. (.'lasse. Asteroiden (Asteroiden) 138
1. Ordnung. Seeaterne (Astcrida) 188
2. — Schlangensterne (Ophiuridä) 140
3. Claaac. Seeigel (Eehinoidea) 141
1. Ordnung. Keguliire Seeigel (Echinoidea regularia) . . 145
2. — Irreguläre Seeigel (Eehinoidea irreyularia) . 145
4. Classe. Seewalzcn (Holuthurioidca) 1 15
Plattwürmer (Platheiminthea) 148
1. (.'lasse. Struu>lwUrmpr (Turbellnria) 149
2. Classe. Saugwürmer (Trematoda) 151
1. Ordnung. Monogene Saug wunner (Polystomene) . . . 152
2. — Digene Sangwürmer (Distotncae) 153
3. ('lasse. Bandwürmer ( Cestoda) 155
4. Claase. Nemertlnen (Rhynchocoela) 160
Anhang zu den Plattwürmern : Kftderthierc (Rotutoria) . . 162
Rundwürmer (NemathclminÜiets) 165
1. Clasae. Echte Rundwürmer (Xematoda) . 1H5
2. ülaaae. KratEer (Acnnthoeephali) 171
Gliederwürmer (Amuiidu) 173
1. ('lasse. Borstenwürmer (Chaetopoda) 175
1. Ordnung. Polyehäten (Poh/ehaeta) 180
2. Oligochiiten (Oligachneta) 182
Atihang zu den Borstenwürniern : Sternwürmer (Gephyrea) .... 183
2. Claase. Egel (Discophora) 184
Anhang /.u den Gliederwürmern:
Moosthicrchen (Bryozoa) 187
ArnifÜHsler (Brachiopoda) 190
Gliederfüs8ler (Arihro/ivlu) ü>2
1. Claaae. Krchsthiere (Crxistacta) 197
1. Unterlasse. Eutomostraken (Entomnstrarg) 2<>2
1. Ordnung. Blattfüsalcr (Phyllopodn) 202
2. — Daphniden [Cladorern) 203
3. - - Schwertschwänze (Xiphura) 205
Inhaltaverzeichnias. VII
Spjtc
4. Ordnung. Trilobiten (Trilobita) 207
5. — Moachelkrebge (Ostracoda) 207
6. — Copepoden (Copepoda) 208
7. — RankenfÜBBler (Cirripediä) 212
2. Untere] asso. Malakostraken < Malacostraca) 216
1. Ordnung. Leuchtkrehse {Enphnusiacea) 220
H. - Mysidcn (Mysidarm) 221
3. — Cumaneen (C'umarea) 222
4 — lsopoden (Isopoda) 223
5. — Amphipoden (Amphipoda) 226
6. — Zehnfüwler (Decapoda) 228
7. — Heuschreckenkrebse (Stomatopnda) .... 237
2. C'lassp. Tausend fUssl er (Myriopoda) 238
I. Ordnung. Scolopcnder (Ckilopoda) 239
2. — Echte Tausendfüssler (ChUoQ»atha) .... 240
Anhang zu den Tausendfüsslern : Peripatus 241
3. Claase. Insekten (Insecta) 242
1. Ordnung. Geradflügler \Orthoptera) 263
2. - Schnabelkerfe [Rhynchota) 269
3. — Netzflügler (Neuroptera) 273
4. — Kater (Coleoptera) 276
5. — Hautflügler (Hymenoptera) 280
6. — Schmetterlinge (Lepidoptera) 288
7. — Zweiflügler (Diptera) 292
4. ('lasse. Spinnent hiere (Arachnida) 295
1. Ordnung. Oliederspinnen (Arthroyastra) 298
2. — Echte Spinnen (Aranema) 299
3. Milben (Acarina) 300
Anhang zu den Spinnenthieren :
Zungenwürmer (Pentastomum) 302
Krobaaptnnen (Pycnogonidae) 303
Bärthierchen (Tardigrada) 303
Weichthiere {Mollusca) 305
1. Clasae. Chitonen (Placophora) 308
2. ('lasse. Schnecken Gastropoda) 309
1. Ordnung. Vorderkiemer (Proeobranrhiata) 318
2. — Hinterkiemer (Opisthobranchiata) 320
3. — Lungenschnecken (Pulmoruita) 322
3. Claaae. Muscheln (Acephala) . • 323
4. Classe. Tintenfische (Cephalopoda) 332
1. Ordnung. Vierkiemer {Tetrabranchiata) 338
2. — Zweikiemer (Dibranchiata) 339
Wirbelthiere ( Vertebrata) 340
1. Claaae. Lame ttfl gehe (Leptocardii) 369
2. Clasae. Flache (Pisces) 371
1. Ordnung. Rundmäuler (Cyclostomi) 398
2. — Selachier (Selachii) 398
3. — Ganoiden (Ganoidei) 400
4. — Lungenfischc (Dipnoi) 402
5. — Knochenfische (Trleostei) 403
VIII Inhalts Verzeichnis».
3. Claaae. Lurche (Amphibia) 408
1. Ordnung. Schwanzlurche (Urodela) 421
2. — Froschlurche (Amira) 423
3. — Schleichenlurche (Gyiniinphiuna) 425
4. (Masse. Krlechthlere (Rrptilia) 42ti
1. Ordnung- »Saurier (Snuria) 440
2. — Schlangen {Opiii'Ha) 441
3. — Schildkröten ( /estudinatn) 443
4. — Krokodile (Crocodilia) 444
Ausgestorbene Kriechthier-Ordnungen 446
5. (lasse. Vltgei (Aves) 450
1. Ordnung. Echsenvögel (Saururae) 471
2. Zahnvögel (Oduntornithes) 472
3. — Straussvögel (Ratitae) 472
4. — Hühnervögel (Rasorrs) 473
">. - Schwimmvögel (Xatutorrfi) 475
_ Watvögel (GraUatores) 478
7. — Kaubvögel ( A> cipitrcs) . 480
8. — Singvögel ( Purinen) 482
9. — Schreivögel (Clamatores) 484
10. — Klettervögel (Scamores) 48<>
H. ('lasse. Siiugethiere (Main mal ia 487
1. Ordnung. Kloakenthiere (Monotreniuta) 517
2. — Beutelthiere (Maraupialia i 519
3. ■- Insektenfresser (lnsrctivora) 521
4. — Fledermäuse (Chiroptera) 523
6. — Hufthiere (Ungulata) 524
6. — Elephanten (Proboscidea) 683
7. — Seekühe (Sirenia) 535
8. — Raubt hi ere (Carnivora) 536
9. — Robben (Pinnipedia) 641
10. — Wale (Cetacca) 544
11. — Zahnarme (Edentata) 549
12. — Nagethiere Rodcntia) 551
13. — Halbaffen (Prorimiae) 555
14. — Primaten {Primates) 666
Anhang zu den Wirbelthieren : Mantelthlere (Tunicata) 561
Allgemeiner Theil.
I. Zelle und Gewebe.
Die niedrigste Stufe im Thierreich wird von einer Gruppe einfach
gebildeter Wesen eingenommen, welche man mit dem gemeinsamen
Namen Protozoen bezeichnet. Wir beginnen damit, eine einzelne
der vielen Formen, welche zu dieser Gruppe gehören, eine Amöbe,
zu betrachten, indem es für das Verständniss der thierischen Orga-
nismen im Allgemeinen von entscheidender Bedeutung ist, ein solches
Geschöpf genauer zu kennen und zu verstehen.
Die Amöben sind mikroskopische Organismen, welche man häufig
im Siisswas8er findet. Ihre äussere Form ist unregelmiissig und un-
bestimmt; sie bestehen aus einer Masse, welche als Protoplasma
bezeichnet wird, einer fein gekörnten, dickflüssigen Substanz, welche
chemisch betrachtet aus einer Mischung verschiedener Stoffe besteht,
unter denen Eiweisskörper die Hauptrolle spielen. Tn der Amöbe
eingeschlossen findet sich ein kugeliger
oder etwas ovaler Körper, der Kern, _/ — j
überhaupt sind dieTheilchen des kleinen
Körpers in beständiger Bewegung, was sich daran zu erkennen giebt,
dass die Körner hin und her bewegt werden. Diese Beweglichkeit
des Protoplasmas verleiht der Amöbe ferner das Vermögen, über die
im Wasser befindlichen Gegenstände mit geringerer oder grösserer
Schnelligkeit hinzugleiten, zu kriechen. Die Bewegungen können
stattfinden, ohne dass eine äussere Einwirkung auf die Amöbe statt-
findet: sie werden dann als spontan (freiwillig) bezeichnet. In
anderen Fällen ist eine äussere Einwirkung vorhanden ; der plötzlichen
Berührung irgend eines Gegenstandes folgt in der Regel eine Be-
1*
4
Allgemeiner Theil.
wegung, oft ein Zurückziehen der Pseudopodien; die Bewegung geht
aber auch in solchen Fällen von der Amöbe selbst aus, sie ist nicht
direkt durch die äussere Einwirkung verursacht, diese giebt viel-
mehr nur eine Veranlassung zu derselben ab. Man bezeichnet dieses
Vermögen der Amöbe, auf eine äussere Veranlassung zu reagiren, als
Irritabilität. Es zeichnet sich die Amöbe ferner dadurch aus,
dass sie aus der Umgebung Theile aufnimmt und dieselben zu Be-
standteilen des eigenen Körpers umbildet: sie ernährt sich,
was in der Weise vor sich geht, dass sie mit den Pseudopodien
andere kleine Organismen und leblose Theilchen umschliesst und die-
selben in ihr Protoplasma aufnimmt; aus diesem werden dann die-
jenigen Theile des aufgenommenen Gegenstandes nach einiger Zeit
wieder ausgestosseu, welche sich mit dem Protoplasma nicht dauernd
vereinigen können. Ausser solchen festen Körperchen nimmt die
Amöbe auch Wasser und den in allen natürlichen Gewässern vor-
handenen freien Sauerstoff auf; letzterer ist für ihre Existenz
unbedingt nothwendig; in Sauerstoff freiem Wasser kann die Amöbe
nicht leben, wenn auch alle übrigen Bedingungen vorhanden sind.
Der aufgenommene Sauerstoff geht eine Verbindung mit einem Theile
des im Protoplasma vorhandenen Kohlenstoffes ein und bildet mit
demselben Kohlensäure, \ welche entweicht : durch die Aufnahme des
Sauerstoffes verbrennt ein Theil der Amöbe, und durch eben diese
Verbrennung wird die Kraft frei, welche sich hei den Bewegungen
der Amöbe geltend macht. Die Amöbe ist so zu sagen eine kleine
Maschine, in welcher, ebenso wie in einer Dampfmaschine, Kohlen-
stoff verbrennt; durch die Verbrennung wird eine gewisse Menge
Kraft entwickelt, welche als Bewegung sichtbar wird. So viel ist klar
und sicher; dagegen sind die einzelnen Glieder in der Thätigkeit der
kleinen Maschine unbekannt. Die Aufnahme des Sauerstoffes ist
somit, wie man leicht einsehen wird, die Ursache einer stetigen par-
tiellen Zerstörung der die Amöbe zusammensetzenden Stoffe, einer
Verringerung der Masse der Amöbe; die*se Verringerung wird aber
gedeckt durch die oben erwähnte Ernährung, welche sogar im Stande
ist, einen Ueberschuss zu erzeugen, so dass die Amöbe wächst, ihre
Masse sich vergrössert. In naher Beziehung hierzu steht die letzte
Haupteigenschaft der Amöbe, ihr Vermögen, sich zu vermehren,
zu theilen. Die Theilung wird damit eingeleitet, dass der Kern sich
in zwei theilt; hierauf folgt eine Einschnürung des Protoplasmas,
welches schliesslich in zwei ungefähr gleich grosse Stücke, jedes mit
seinem Kern, geschieden wird : die ursprünglich eine Amöbe hat sich
in zwei ge theilt, von welchen jede in derselben Weise wie die
ursprüngliche fortlebt. — Durch die ganze Reihe von Eigenschaften,
welche wir hier angeführt haben, charakterisirt sich die Amöbe als
lebendig, als ein Organismus einfachster Art, den leblosen
Körperchen gegenüber, welche sich neben ihr im Wasser befinden.
Mit dem Tod, welcher durch verschiedenartige äussere Einflüsse
(z. ß. durch zu grosse Wärme) bewirkt wird, verliert die Amöbe diese
sämmtlichen Eigenschaften.
Der Hauptsache nach bieten die übrigen sogenannten Proto-
zoen ähnliche Verhältnisse dar wie die Amöbe. Weniger wesentliche
Abweichungen können dadurch zu Stande kommen, dass sich in dem
Protoplasma oder um dasselbe feste Theile (Kalk, Kiesel) als Stütz-
gebilde (Skelet) ausscheiden; oder die äusserste Lage des Proto-
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I. Zelle und Gewebe.
5
plasmas kann eine etwas festere Beschaffenheit als das übrige erhalten,
so dass keine eigentlichen Pseudopodien mehr hervorgestreckt werden
können, während übrigens das Protoplasma seine Beweglichkeit be-
wahrt (man beobachtet noch immer Strömungen der Körnchen und
gröbere Veränderungen der Form des ganzen Körpers); im Proto-
plasma können Oelkugeln und Aehnliches ausgeschieden werden; die
.Oberfläche des Körpers kann mit feinen haarartigen Fortsätzen des
Protoplasmas, Wimperhaaren, bedeckt erscheinen, welche in beständig
schwingender Bewegung sind; u. s. w. (Genaueres im Spec. Theil unter
Protozoen)/^
Alle übrigen Thiere, die Metazoen, sind anfänglich, als
Eier, ähnliche mit Kern versehene lebendige Protoplasmaklümpchen,
wie die Protozoen es Zeit Lebens sind, und stimmen auf diesem Sta-
dium im Wesentlichen mit der Amöbe überein. Aber im Gegensatz
zu den Protozoen bleiben sie nicht auf dieser Stufe stehen. Das
Ei theilt sich in eine grosse Anzahl von Stückchen, jedes mit seinem
Kern, aber diese Theile trennen sich nicht vollständig von einander,
sondern bleiben in Zusammenhang. Diese durch die Theilung des
Eies entstandenen Stücke, von denen jedes die wesentlichen Eigen-
schaften des Eies und somit auch der Amöbe besitzt,v werden mit
dem Namen Zellen bezeichnet; durch fortgesetzte Theilung und
Umbildung derselben entwickelt sich der Körper der Metazoen zu
seiner definitiven Form. Das ausgebildete Metazoon ist demnach eine
innig verbundene Gesellschaft von Zellen, von amöbenähnlichen Ge-
schöpfen in mehr oder weniger modificirter Gestalt.
Die Zellen bestehen entweder ihr ganzes Leben hindurch oder
jedenfalls in ihrer Jugend aus Protoplasma von ähnlicher Be-
schaffenheit wie das der Amöbe. Im Protoplasma findet sich ein bläs-
chenförmiger Kern mit einem oder mehreren Kernkörperchen,
welche als verdickte Stellen eines feinen Kernnetzes aufzufassen
sind, das im Innern des Kernes ausgespannt ist; der Kern ist übrigens
mit einer wässerigen Flüssigkeit (dem Kernsaft) angefüllt. Die Zelle
besitzt das Vermögen, sich zu t heilen; die
Theilung wird durch eigenthümliche Verände- gg,1
rungen des Kernnetzes eingeleitet, es theilt sich
dann der Kern, und schliesslich wird das Pro-
toplasma in zwei Theile geschieden. Auch die
übrigen Eigenschaften der Amöbe besitzt die
Zelle : sie nimmt Sauerstoff und Nahrung auf etc. i \<
Die Zellen führen, jede für sich, ihr eigenes •v'''HJv^lv^^^
Leben, unterscheiden sich aber insofern von der
Amöbe, als sie Glieder eines grösseren Ganzen
und diesem bis zu einem gewissen Grade unter- Fig. 2. Eine Zeile.
geordnet Sind. Ihre Selbständigkeit ist also « Kern, n Kernkörperchen,
relativ , aber doch immerhin so gross , dass Jerone'2. Protoplasma,
sie — für viele Zellen wenigstens ist dies nach-
gewiesen — für eine kürzere Zeit fortleben können, wenn sie vom
Organismus abgetrennt sind.
Die Selbständigkeit der verschiedenen den Körper zusammen-
setzen den Zellen ist übrigens recht verschieden. Einige Zellen, welche mit
dem gemeinsamen Namen Wanderzcllen bezeichnet werden, behalten
dauernd eine sehr bedeutende Unabhängigkeit und bleiben fast in allen
Beziehungen auf dem Standpunkte der Amöbe stehen : sie besitzen das
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Allgemeiner Theil.
Vermögen, Pseudopodien auszusenden, sie bewegen sich, jede für sieb, frei
in den Hohlräumen des Körpers umher. Während die meisten übrigen
Zellen die Nährstoffe (vergl. den Abschnitt Darmkanal) nur in flüssiger
Form aufnehmen können, besitzen die Wanderzellen durchweg dasVer-
mögen, auch feste Körperchen aufzunehmen und aufzulösen. Diese Eigen-
schaft zeigt sich z. B. dem Organismus selbst gegenüber, indem in
vielen Füllen (z. B. bei der Verwandlung der Insekten) gewisse Par-
tien desselben zu Grunde gehen — ohne dass der Organismus als
Ganzes abstirbt — , bei welcher Gelegenheit die absterbenden Theile
von den Wanderzellen aufgefressen und aufgelöst werden. Auch
fremde, in den Organismus eindringende Körperchen, namentlich
Bakterien, werden vielfach von denselben aufgefressen. Zu den Wander-
zellen gehören die Blutkörperchen der meisten wirbellosen1)
Thiere und die weissen Blutkörperchen der Wirbelthiere. —
Freie Zellen sind auch noch einige andere Zelleuformen, nament-
lich die rothen Blutkörperchen der Wirbelthiere, welche ebenso
wie die Wanderzellen nicht mit anderen Zellen dauernd verbunden
sind, sich aber von jenen dadurch unterscheiden, dass sie das Ver-
mögen, Pseudopodien auszusenden und sich selbständig zu bewegen,
verloreu haben; sie werden nur passiv (durch den Blutstrom) im
Körper fortbewegt.
Die meisten Zellen des thierischen Körpers sind aber fixe
Zellen: sie sind unbeweglich mit anderen Zellen verbunden, können
sich nicht frei fortbewegen; auch ihre Form ist insofern eine feste,
als sie nicht Pseudopodien aussenden können. Die fixen Zellen sind
im fertigen Organismus in sehr verschiedenartiger Weise ausgebildet;
sie sind spccialisirt, je nach dem verschiedenartigen Bedürfniss
des Körpers einseitig ausgebildet. Gewöhnlich sind die Zellen
gruppenweise in derselben oder in ähnlicher Weise ausgebildet;
eine solche Gruppe von Zellen, welche ähnlich entwickelt sind, wird
mit dem Namen Gewebe bezeichnet. Von Geweben unterscheidet man
vier Hauptabteilungen : Epithelien, Stützgewebe, Muskel-
gewebe, Nervengewebe.
1. Mit dem Namen Epithelien werden diejenigen Gewebe be-
zeichnet, welche als dickere oder dünnere Schichten die äusseren
oder inneren Oberflächen des Körpers bekleiden, und welche aus
Zellen ohne eine zwischen diesen entwickelte Intercellularsubstanz
(wie bei der folgenden
A Gruppe) zusammenge-
setzt sind. Die Zellen
der Epithelien bestehen
in der Regel aus Proto-
plasma, in welchem je-
doch Pigment - (Farb-
stoff-) Körnchen , Fett-
tröpfchen etc. ausge-
schieden werden können.
Die Form der Zellen ist
verschieden; gewöhnlich
sind sie eckig, seltener
rundlich ; zuweilen ist
\ rrrrrn i.
Fig. 8. A Einschichtiges Plattenepithcl, von der Fläche
gesehen. B Dasselbe in Querschnitt. C Einschichtigen
Cylinderepithcl in Querschnitt. — Nach Gcgcnbaur.
') Hierunter begreift man sämmtliche Metazocn mit Ausnahme der Wirbelthiere.
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X. Zelle und Gewebe. 7
die Höhe und Breite ungefähr die gleiche, zuweilen ist jene geringer
als diese : plattenförmige Zellen, oder die Höhe übertrifft die Breite :
prismatische Zellen, gewöhnlich als „Cylinderzellen" bezeichnet.
DieEpithelien können in e in schichtige und mehrschichtige
getheilt werden. Die ersteren bestehen aus einer einzigen Schicht
neben einander gelagerter Zellen, welche entweder plattenförmig sein
können: einschichtiges Plattenepithel, oder Cylinderzellen : ein-
schichtiges Cylinderepithel. — Die mehrschichtigen Epithelien
Fig. 4. A Mehrschichtiges Plattenepithel. B Mehrschichtiges Cylinderepithel. —
Nach Gegenbaur.
bestehen aus mehreren Zellenlagen, oder richtiger: ein mehrschichtiges
Epithel ist mehrere Zellen hoch, denn die Zellen derselben sind
meistens nicht schichtenweise geordnet. Während die tiefer liegenden
Zellen sich meistens mehr indifferent verhalten, bietet die äusserste
Zellenlage (resp. die äussersten Zellenlagen) mehrfache Verschieden-
heiten dar. Zuweilen sind die äussersten Lagen plattenförmig : mehr-
schichtiges Plattenepithel, in anderen Fällen ist die äusserste Lage
aus Cylinderzellen gebildet: mehrschichtiges Cylinderepithel.
Die Epithelzellen — sowohl der ein- wie der mehrschichtigen
Epithelien — können auf der freien Fläche mit feinen haarähnlichen
Anhängen ausgestattet sein, welche in stetiger regelmässiger, schwin-
gender Bewegung sind, Wimperhaaren; solche Zellen bezeichnet
man als Wimperzellen (Flimmerzellen) oder, wenn sie nur ein
einziges starkes Wimperhaar, eine W impergeissel , tragen, als
Geisselzellen. In einigen Fällen trifft man diese Zellen mehr
vereinzelt, resp. gruppenweise, zwischen anderen Zellen (in den mehr-
schichtigen Epithelien natürlich nur in der äussersten Lage), in
anderen Fällen besteht das ganze Epithel — bei den mehrschichtigen
Epithelien die äusserste Lage — ausschliesslich oder überwiegend aus
solchen Zellen. Derartige Epithelien werden häufig als Wimper-
epithelien bezeichnet.
Nicht selten sondern die Epithelzellen auf ihrer freien Fläche je
§
e
Fig. 5. A Wimperzellcn. B Cylinderzellcu mit
Cuticnlarplatte (c). - Orig.
B
-c
Fig. 6. Einschichtiges Epithel mit Cuticula (c).
— Orig.
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8
Allgemeiner Theil.
eine kleine Platte von festerer Consistenz ab, eine Cuticularplatte
(auch häufig Cuticularsaum genannt); gewöhnlich stehen die Cuticu-
larplatten benachbarter Zellen in engerem Zusammenhang und bilden
somit einen einheitlichen Ueberzug des Epithels, eine Cuticula,
welche zuweilen eine bedeutende Dicke und Festigkeit erlangen
kann.
Die Epithelien haben in erster Linie die Aufgabe, eine schützende
Decke für die anderen Gewebe zu bilden. Zu dieser Function können
noch andere treten, namentlich wirken die Epithelien häufig als Werk-
zeuge einer Absonderung (Secretion) von Stoffen, gewöhnlich
heraus}. B Andere einzellige Drüsen. (7 Echte Drüse in Längsschnitt. — Orig.
Flüssigkeiten, welche entweder eine Bedeutung und weitere Verwendung
im Körper haben, oder welche aus diesem ausgeschieden werden
sollen (Harn)» Oefters findet man in einem Epithel einzelne Zellen,
gewöhnlich von eigenthümlicherForm, welche irgend ein Absonderungs-
produet (Secret) liefern. Hierzu gehören z. B. die bei vielen Thieren
vorkommenden Becherzellen, Zellen, deren freies Ende eine Oeffnung
besitzt, welche in eine Aushöhlung hineinführt; letztere enthält eine
Fig. 8. Schemata von verschiedenen Drüsen. A Einfache
schlauchförmige Drüse; Bx ähnliche, welche in einen abson-
dernden Theil und einen Ausfuhrungsgang gesondert ist;
/?, verzweigte schlauchförmige Drüse; C traubige Drüse. —
Nach Hatschck.
vom Protoplasma ab-
§esonderte Masse, z. B.
ichleim, welche aus
der Oeffnung ausge-
führt wird. Häufig ist
der äussere Theil der
Becherzellen dünn und
gestreckt, während der
innere Theil sich brei-
ter erhält, und man
findet dann gewöhn-
lich, dass nur der
dünne Theil der Zelle
zwischen den übrigen
Epithelzellen liegt ,
während der breitere
Endabschnitt unter-
halb derselben Platz
gefunden hat. Man be-
zeichnetalle derartigen
secernirenden Zellen,
welche, wie die ge-
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I. Zelle und Gewebe.
9
nannten, Glieder eines gewöhnlichen Epithels sind, als einzellige
Drüsen, indem wir unter Drüsen alle Werkzeuge des thierischen
Körpers, welche ein Secret liefern, verstehen. — In anderen Fällen ist
die abscheidende Thätigkeit an grössere zusammenhängende Epithel-
partien gebunden, welche dann gewöhnlich in das unterliegende Gewehe
(Bindegewebe) eingestülpt sind ; derartige eingestülpte, absondernde (se-
cemirende) Epithelpartien werden als echte Drüsen bezeichnet. In
ihrer einfachsten Form ist die Drüse eine Grube, ein kleiner Sack oder
ein längerer Schlauch; in anderen Fällen ist der Schlauch wieder mit
Ausstülpungen versehen, welche ihrerseits wiederum Zweige besitzen
können etc., so dass die zusammengesetzteren Drüsen aus einem reich
verästelten System von Schläuchen bestehen, deren Wandung von
einer Epithelzellen-Schichte gebildet wird (die Schläuche werden durch
Bindegewebe — vergl. unten — zusammengehalten und gestützt). In
solchen grösseren Drüsen — häufig auch schon in ganz einfachen
Drüsen — ist die Absonderung gewöhnlich auf die Endabschnitte der
Aeste beschränkt, während die übrigen Theile des Schlauch Systems
als Behälter und Ausführungsgänge fungiren. Zuweilen sind diese
Endabschnitte kugelig erweitert, in welchem Fall die Drüse als
t raub ige (acinöse) bezeichnet wird, im Gegensatz zu den schlauch-
förmigen (tubulösen) Drüsen, welche derartige Erweiterungen ent-
behren.
Ueber die Entwicklung der Epithelien als 8inneswerkzeuge vergl.
„Sinnesorgane".
2. Die Stützgewebe zeichnen sich dadurch aus, dass sie aus
Zellen bestehen, zwischen denen eine mehr oder weniger mächtige
Intercellularsubstanz vorhanden ist. Auf einer frühen Ent-
wicklungsstufe im Leben des Thieres bestehen diese Gewebe ebenso
wie die Epithelien aus Zellen allein, später sondern aber die Zellen
eine Masse von verschiedener Art, die Intercellularsubstanz, um sich
her ab; diese Substanz bildet meistens die Hauptmasse des fertigen
Gewebes, ebenso wie sie es auch ist, welche diesen Geweben ihre
wesentliche Bedeutung im Thierkörper verleiht und welche in der
mannigfaltigsten und verschiedenartigsten Ausbildung auftritt, während
die Zellen sich verhältnissmässig einfacher und gleichartiger verhalten.
— Die Stützgewebe theilen wir in : Bindegewebe, Knorpel, Knochen-
gewebe. Im Bindegewebe ist die Intercellularsubstanz mehr oder
weniger weich ; die Zellen sind von verschiedener Form, spindelförmig,
sternförmig, flach etc. Das Bindegewebe kann wieder in zel-
liges Bindegewebe, Schleim- oder Gallertgewebe und
fibrilläres Bindegewebe getheilt werden. Im ersteren,
welches an das Parenchym der Pflanzen erinnert, ist die Intercellular-
substanz nur in geringer Menge vorhanden, bildet nur membranartige
Scheidewände zwischen den grossen, oft bläschenförmigen Zellen. Im
Schleimgewebe ist die Intercellularsubstanz gallertig, gleichartig ;
die Zellen abgerundet, sternförmig etc. Das fibrilläre Binde-
gewebe ist dadurch ausgezeichnet, dass die Intercellularsubstanz
aus feinen Fasern (Fibrillen) zusammengesetzt ist; öfters finden sich
unter denselben verzweigte elastische Fasern; sind solche in über-
wiegender Menge vorhanden, so wird das Gewebe als elastisches Ge-
webe bezeichnet. — Die Intercellularsubstanz des Knorpelgewebes
ist fester, gewöhnlich gleichartig, homogen (hyaliner Knorpel), enthält
jedoch zuweilen elastische Fasern (Netzknorpel) oder Fibrillen ; die
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10
Allgemeiner Theil.
Zellen sind in dieser Form des Stützgewebes, welche hauptsächlich
bei den Wirbelthieren verbreitet ist, in der Regel abgerundet. — Das
Knochengewebe zeichnet sich durch eine noch grössere Festigkeit
■fem
Fig. 9. Hyaliner Knorpel. — Nach
Gegenbaur, gelindert.
Fig. 10. Knochengewebe. — Nach
Gegenbaur.
Fig. 11. A-B Junge
C ausgebildete Fettzclle
Fettzellen,
mit sehr
grossem Fetttropfen. — Orig.
aus, welche dadurch zu Stande kommt, dass in die Intercellularsub-
stanz Kalksalze (besonders phosphorsaurer Kalk) eingebettet sind ');
die Zellen sind sternförmig, mit verästelten Ausläufern. Dieses Ge-
webe kommt nur bei Wirbelthieren vor.
In den Zellen der Stützgewebe, namentlich des Bindegewebes,
sind zuweilen Fett- oder Oeltropfen ausgeschieden, welche öfters in
so bedeutender Menge vorhanden sein
können, dass die Zelle zu einer Blase aus-
gedehnt wird, deren Wand aus Protoplasma
besteht, während der Inhalt Fett ist: Fett-
zellen. Finden sich derartige Zellen
massenhaft im Bindegewebe angehäuft, so
wird dieses als Fettgewebe bezeichnet.
— Die Zellen des Bindegewebes können
ferner pigmentirt, mit einer grösseren
oder kleineren Menge von verschieden-
farbigen (meistens dunklen) Farbstoffkörnchen ausgestattet sein :
Pigmentzellen.
3. Die Muskelgewebe sind dadurch ausgezeichnet, dass das
Protoplasma der Zellen ganz oder theilweise zu einer eigenthiimlichen
contractilcn Masse umgehildet ist, welche sich auf gewisse Reize zu-
sammenzieht. Die contra etile Substanz der Zellen der Muskel-
gewebe ist schon dadurch vom Protoplasma verschieden, dass ihre
Bewegungen nur in Folge äusserer Einwirkungen auf die Zellen er-
folgen, während die Bewegungen des Protoplasmas auch spontan
eintreten können. Aber auch in einer anderen Beziehung ist ihre
Substanz vom Protoplasma verschieden : die Bewegung, welche die
Muskelzellen ausführen können, geht immer nur nach einer be-
stimmten Richtung vor sich, indem sie sich immer äussert als eine
Auch im Knorpelgewebe können zuweilen Kalksalze abgelagert werden
(verkalkter Knorpel).
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I. Zelle und Gewebe.
11
')
Verkürzung und Verdickung der betreffenden Zelle, auf welche dann
eine entsprechende Verlängerung und Verdünnung der Zelle folgt, so
dass letztere nach dem Schluss der Bewegung wieder ihr ursprüng-
liches Ansehen hat. Die fliessende Bewegung der Theilchen der
Zelle, welche wir bei der Amöbe kennen gelernt haben, und welche
überhaupt dem Protoplasma eigen ist, findet man in der contractilen
Substanz der Muskelzellen nie.
In seiner einfachsten Form ist das Muskelgewebe aus sogenannten
glatten Muskelzellen zusammengesetzt. Dies sind meistens
spindelförmige, mehr oder weniger langge-
streckte, zuweilen bandförmige Zellen, welche
nach beiden Enden zugespitzt (zuweilen ge-
spalten) sind. Sie besitzen einen Kern, welcher
entweder, von einer geringen Menge Proto-
plasma umgeben, in der Mitte der Zelle liegt,
oder sich, von mehr oder weniger Protoplasma
umhüllt, auf der einen Seite der contractilen
Substanz befindet. Die contractile Substanz
ist homogen, etwas glänzend, nicht körnig oder
quergestreift (zuweilen etwas längsstreifig). Die
Muskeln der meisten wirbellosen Thiere (mit
Ausnahme der Arthropoden) bestehen aus
diesem Gewebe, welches auch in der Wand des
Darmkanals etc. der Wirbelthiere vorkommt. —
Den glatten Muskelzellen nahestehend sind die
quergestreiften Muskelzellen, welche
wesentlich nur dadurch abweichen, dass die
contractile Substanz quergestreift erscheint;
dieselbe ist nämlich in Querbänder getheilt,
welche abwechselnd verschiedenes Lichtbrechungsvermögen besitzen.
(Finden sich z. B. im Herzen der Wirbelthiere.)
Abweichender sind die quergestreiften Muskelfasern,
welche sich besonders dadurch von den eben erwähnten Muskelz eilen
unterscheiden, dass sie nicht als einfache Zellen, sondern als unvoll-
ständig geschiedene Coraplexe von Zellen aufzufassen sind. Eine quer-
gestreifte Muskelfaser ist anfänglich eine einfache Zelle mit einem
Kern, welcher sich demnächst mehrmals theilt, ohne dass der Zell-
körper sich theilt. Gewöhnlich liegen die Kerne der ausgebildeten
Muskelfaser nicht innen in der Axe derselben, sondern an der Ober-
fläche der contractilen Substanz. Diese ist quergestreift, d. h. in
Scheiben getheilt, welche abwechselnd verschieden lichtbrechend sind ;
femer bemerkt man eine mehr oder weniger ausgeprägte Längs-
streifung, welche auf einer Zusammensetzung der Faser aus feinsten
sogenannten Fibrillen beruht. Die ganze Muskelfaser ist von einer
dünnen Hülle, dem Sarkolemma, umgeben, welche sowohl den
glatten wie den quergestreiften Muskelz eilen abgeht. Die Muskeln
der Arthropoden und der grösste Theil der Wirbelthier-Muskeln be-
stehen aus quergestreiften Muskelfasern. — Sowohl diese als auch die
quergestreiften Muskelzellen contrahiren sich schneller und kräftiger
als die glatten Muskelzellen.
4. Das Nervengewebe besteht aus Zellen, Ganglien- oder
Nervenzellen, deren Function es ist, einerseits den Muskelzellen
(resp. -fasern) die Reize mitzutheilen , welche eine Vorbedingung für
9
Fig. 12. a Glatte, b quer-
gestreifte Muskelzelle, c quer-
gestreifte Muskelfaser.— Orig.
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12
Allgemeiner Thcil.
die Contraction derselben sind,1) andererseits Eindrücke von der
Aussenwelt zu empfangen. Die Gauglienzellen sind deswegen mit
zwei oder mehreren, gewöhnlich sehr langen Ausläufern versehen,
durch welche sie theils in inniger Ver-
bindung mit den Muskelzellen (-fasern),
theils mit verschiedenen anderen Thei-
len des Körpers, namentlich der Ober-
fläche, stehen; einige Ausläufer ver-
binden die Ganglienzellen unter ein-
ander. Die genannten Ausläufer, die
sich in der Regel während ihres Ver-
laufes wiederholt verzweigen, sind ge-
wöhnlich mit bindegewebigen Scheiden
umgeben, welche in verschiedenartiger
Weise ausgebildet sind; die Ausläufer
mit ihren Scheiden werden als N e r v e n -
fasern bezeichnet.
Bei den Wirbelthieren bestehen die meisten Nervenfasern zuinnerst
aus dem sogenannten Axencylinder, dem Ausläufer der Ganglienzelle;
derselbe wird umgeben von einer dicken, fettartigen, stark lichtbrechenden
Scheide, der Markscheide, welche wiederum von der sehr dünnen
Schwann'schen Scheide (oder dem Neurilemm a) umgeben wird.
8owohl die Markscheide als das Neurilemma sind als eine besonders ent-
wickelte bindegewebige Hülle aufzufassen. Bei den Wirbelthieren finden
sich ausser diesen sogenannten markhaltigen Nervenfasern auch noch
marklose Fasern, welche nur aus dem Axencylinder und einem dünnen
Neurilemma bestehen, und ähnlich wie diese verhalten sich die Nervenfasen
der meisten anderen Metazoen.
Fig. 18. A Ganglienzelle mit vielen
Ausläufern (multipolare G.), B Ganglien-
zelle mit zwei Ausläufern (.bipolare G.)
— Orig.
II. Organe.
Obwohl der ganze Körper eine zusammenhängende Einheit bildet,
kann man doch innerhalb desselben bei den meisten Metazoen sehr
deutlich eine grössere oder geringere Anzahl bis zu einem gewissen
Grad gesonderter Werkzeuge oder Organe unterscheiden, welche den
Körper zusammensetzen und welche ein jedes wieder aus einer oder
mehreren der vorhin beschriebenen Gewebsarten gebildet werden;
ihre allgemeineren Verhältnisse werden wir im Folgenden betrachten.
Eine sehr geringe Sonderung in Organe finden wir bei der niedersten
Metazoen- Abtheilung , den Cölenteraten , welche in mehrfacher Beziehung
eigentümliche Verhältnisse darbieten; vergl. den Spec. Theil.
1. Haut.
Die Haut, welche die äussere Begrenzung des Körpers bildet,
besteht in den einfachsten Fällen nur aus einem Epithel, der Epi-
dermis oder Oberhaut. An diese schliesst sich aber häufig eine
') Viele Drüsenzellen treten ebenfalls erst in Wirksamkeit, wenn Bie einen
Reiz von einer Ganglienzelle empfangen.
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II. Organe.
13
bindegewebige Schicht, die Lederhaut (Corium). Bei den meisten
Met: izoen ist die Oberhaut ein einschichtiges Epithel, bald ein
Cylinderepithel, bald ein Plattenepithel; nur bei den Wirbelthieren
ist sie ein mehrschichtiges Epithel, dessen äussere Zellen in der
Regel verhornen und dadurch eine schützende Decke für die inneren
bilden. Eine ähnliche Decke ist bei vielen anderen Metazoen in
Form einer dünneren oder dickeren Cuticula vorhanden, welche
zuweilen eine bedeutende Mächtigkeit und Festigkeit erreicht (In-
sekten, Krebsthiere). — Die Leder haut ist eine dünnere oder
ilickere, meistens ziemlich feste Bindegewebeschicht unterhalb der
Oberhaut; nach innen zu ist dieselbe in der Regel wenig scharf von
den benachbarten Theilen begrenzt; bei den meisten Wirbelthieren
geht sie z. B. ohne Grenze in das lockere Unterhautbindegewebe
(subcutane Bindegewebe) über. Nicht selten findet man bei niederen
Metazoen in der Lederhaut verkalkte Ablagerungen von verschiedener
Form und Grösse entwickelt (Stachelhäuter), bei den Wirbelthieren
öfters kleinere oder grössere Knochenplatten (die Schuppen der
Fische etc.). In der Lederhaut sind ferner sehr oft Muskelzellen
vorhanden.
In der Haut sind sehr häufig theils einzellige Drüsen, theils
echte Drüsen vorhanden, deren Function es ist, die Haut feucht oder
schleimig zu halten oder riechende Flüssigkeiten etc. zu produciren;
zuweilen sondern sie eine Schleiramasse ab, welche erhärtet und eine
Hülle um das Thier bildet. Die Haut kann ferner mit Anhängen
verschiedener Art versehen sein, unter welchen hier besonders die
sogenannten Haar- oder Borstenbildungen hervorgehoben werden
mögen. Mit diesem Namen werden übrigens Gebilde sehr verschie-
dener Art bezeichnet; die Borsten der Gliederwürmer sind z. B. solide
Cuticulargebilde, welche als Absonderungsproducte gewisser Oberhaut-
zellen entstehen; die Haare der Gliederfüssler, ebenfalls Cuticular-
gebilde, sind hohl und mit einer Fortsetzung der Epidermis ausgefüllt;
die Haare der Säugethiere bestehen dagegen aus verhornten Ober-
liautzellen.
Saugnäpfe sind speciell ausgebildete muskulöse Hautpartien, welche
manchen niederen und höheren Thieren als Haftwerkzeuge dienen. Die
betreffenden Organe, welche häufig über die übrige Haut hervortreten können,
haben meistens die Gestalt eines kleinen dickwandigen Napfes mit ebenem
Rande; die convexe Seite hängt mit der übrigen Haut zusammen, die coneave
•Seite ist frei. Die Saugnäpfe wirken meistens etwa in folgender Weise:
Der Rand des Napfes wird fremden Gegenständen angedrückt, und durch
Zusammenziehung der in der Wand des Saugnapfes reichlich vorhandenen
Muskulatur wird der kleine Hohlraum zwischen dem Napfe und dem fremden
Gegenstand vergrössert, es entsteht dadurch ein luftverdünnter Baum, und
der Saugnapf wird durch den äusseren Luftdruck (Wasserdruck) an den
Gegenstand fest angedrückt. Saugnäpfe der beschriebenen Art kommen
bei Plattwürmern, Egeln, Tintenfischen, Säugethieren etc. vor.
Vielfach finden bei den Thieren sogenannte Häutungen statt,
d. h. die äussere Lage der Oberhaut, entweder die Cuticula (Insekten,
Krebse) oder die Hornschichte (Wirbelthiere), wird in Zusammenhang
(seltener sttickenweise) von der übrigen Haut abgelöst und abgeworfen.
Einer solchen Abwerfung folgt immer eine Neubildung der Cuticula
re8p. der Hornschichte, welche Neubildung übrigens immer angefangen
H bevor das Thier die alte „Haut" abwirft.
14
Allgemeiner Theil.
2. Skelet.
Die vorhin erwähnten, an der Aussenfläche der Haut befind-
lichen Deckgebilde oder die in der Lederhaut vorhandenen Verkal-
kungen oder Verknöcherungen erlangen häufig eine bedeutende Dicke,
Festigkeit und Zusammenhang und erscheinen dann als Haut-
skelet, indem wir als Skelet überhaupt alle festen Stützgebilde
des Körpers zusammenfassen. Die an die Haut geknüpften Skelet-
gebilde verdanken entweder ihre Entstehung der Überhaut, wie z. B.
beim Hummer, wo die mächtig entwickelte, sehr verdickte und ver-
kalkte Cuticula das Skelet des Thieres darstellt; oder bei den Schnecken,
deren Schale ein Absonderungsproduct gewisser Theile der Oberhaut
ist. Oder das Hautskelet gehört der Lederhaut an, wie die aus
vielen Kalkplatten zusammengesetzte Schale eines Seeigels, oder die
ebenfalls in der Lederhaut gebildeten Knochenplatten, welche den
Panzer einer Schildkröte zusammensetzen. Aber auch völlig un-
abhängig von der Haut findet man bei manchen Thieren — nament-
lich bei den Wirbelthieren — im Innern des Körpers feste Stütz-
organe: ein inneres Skelet. Dieses besteht vorzugsweise aus
Knorpel- und Knochengewebe und kann öfters neben einem Haut-
skelet vorhanden sein, mit welchem es dann manchmal z. Th. innige
Verbindungen eingehen kann.
Zu der stützenden Function des Hautskelets tritt in den meisten Fällen
auch die eines Schutzorgans des Körpers, welche in vielen Fällen sogar
die Hauptfunction ist, wie z. B. bei den Schnecken und Schildkröten.
Für das innere Skelet gilt Aehnliches (wenn auch in beschränkterem Um-
fange) ; dasselbe ist meistens nicht nur Stützorgan des Körpers , sondern
auch Schutzwerkzeug gewisser Organe (z. B. der Schädel und die Wirbel-
säule der Wirbelthiere für das Central-Nervensystcm).
3. Muskelsystem.
Das Muskelgewebe kann als mehr untergeordneter Bestandtheil
in vielen Organen des Körpers, z. B. in der Haut, im Darmkanal etc.
vorkommen. Als Hauptbestandteil findet man es aber in den
Muskeln, denjenigen Organen, welche im Allgemeinen die Be-
wegungen des Körpers oder seiner einzelnen Abschnitte und der
Körperanhänge vermitteln. In diesen Organen, welche zusammen
das Muskelsystem ausmachen, ist das Muskelgewebe das wesent-
liche und wirksame Element. Bei vielen niederen Thieren ohne
äusseres und inneres Skelet schliesst das Muskelsystem sich eng an
die Haut an, bildet eine zusammenhängende Schicht unterhalb dieser,
mit welcher es innig verbunden ist; bei vielen „Würmern" wird in
dieser Weise ein Hautmuskelschlauch gebildet, welcher durch
seine Contractionen die Bewegungen des Thieres veranlasst. Die
Ausbildung eines Hautskeletes hat den grössten Einfluss auf die
Entwicklung des Muskelsystems, besonders in denjenigen Fällen, in
welchen das Hautskelet in eine Anzahl beweglicher Stücke (wie bei
den Krebsen u. A.) zerfällt. Der Muskelschlauch sondert sich dann
in eine Anzahl mehr oder weniger selbständiger Abschnitte, Muskeln,
welche von einem Stücke des Hautskelets zum anderen gehen und
dieselben gegen einander bewegen ; die Muskulatur ist aber noch immer
an die Haut gebunden, das Skelet stellt ja in diesen Fällen nur einen
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II. Organe.
15
Theil der Haut dar. Die Verbindung des MuskelBysteras mit der
Haut hört aber zum grössten Theil auf, wenn ein innerea Skelet
sich entwickelt, wie bei den Wirbelthieren ; die Muskulatur tritt dann
in innige Verbindung mit letzterem, und die Bewegungen des Körpers
kommen jetzt grösstenteils dadurch zu Stande, dass die einzelnen
Skeletstücke gegen einander bewegt werden.
Wie oben erwähnt, ist der wirksame Theil der Muskeln das
Muskelgewebe. Sie bestehen aber nicht ausschliesslich aus diesem
Gewebe, sondern enthalten meistens in grösserer oder geringerer Aus-
dehnung Bindegewebe, welches die Muskelelemente zusammenhält und
umscheidet und öfters an den Enden der Muskeln kürzere oder
längere Sehnen bildet, welche dünner als der übrige Theil des
Muskels sind und ausschliesslich aus straffem Bindegewebe gebildet
werden ; die Sehnen machen es möglich, dass der wirksame , dickere
(und öfters auch breitere) Theil des Muskels in kleinerem oder
grösserem Abstand von der Stelle angebracht werden kann, wo die
Kraft zur Geltung kommen soll. — Ausser diesen bindegewebigen
Sehnen werden auch andere Theile von ähnlicher Bedeutung, aber
anderem Baue, mit demselben Namen bezeichnet, wie wir bei den
öliederfüsslern des Näheren sehen werden.
Bei den niederen Metazoen finden wir noch vielfach eine Bewegung
des Körpers wenigstens theil weise durch die Wimper haare der Oberhaut
(oder gewisser Theile derselben) vermittelt. Besonders findet dies bei
vielen kleinen Larven (Cölentcraten , Stachelhäutern , Borstenwürmern,
Weichthieren etc.) statt , welche sich frei im Meere bewegen ; bei solchen
findet man häufig als wesentliches Fortbewegungsorgan entweder einen
gleichiuiissig entwickelten Wimperüberzug oder Streifen (Ringe) von mächtig
entwickelten Wimpern, durch deren Schwingungen der kleine Körper fort-
getrieben \?ird. Beim ausgebildeten Thier kommt dagegen nur selten (Platt-
würmer, Räderthiere) den Wimpensellen eine wesentlichere Bedeutung für
die Locomotion zu.
4. Nervensystem.
Man kann gewöhnlich das Nervensystem der Thiere in ein cen-
trales und ein peripherisches sondern. Ersteres wird haupt-
sächlich aus Ganglien gebildet, Gruppen von Nervenzellen, welche
von Bindegewebe zusammengehalten werden ; letzteres besteht wesent-
lich aus den nach allen Theilen des Körpers vom centralen Nerven-
system ausstrahlenden Bündeln von Nervenfasern, welche als Nerven
bezeichnet werden, und welche während ihres Verlaufes sich wiederholt
verzweigen, indem sie sich in immer dünner werdende Nerven theilen,
welche aus immer wenigeren Nervenfasern zusammengesetzt sind. ')
Auch im centralen Nervensystem kommen übrigens, sogar in be-
deutender Menge, Nervenfasern vor, welche z. B. die einzelnen Ganglien
mit einander verknüpfen; ebenso kann man andererseits in das peri-
pherische Nervensystem kleine Ganglien eingeschoben finden.
Dies ist besonders bei denjenigen Theilen des peripherischen Nerven-
systems häufig der Fall, welches zum Darmkanal geht, und als sym-
pathisches Nervensystem besonders unterschieden wird (bei den
*) Auch die Nervenfasern selbst können sich übrigens während des Verlaufes
der Nerven spalten.
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16
Allgemeiner Theil.
Wirbelthieren versorgt das sympathische Nervensystem auch noch andere
Eingeweide und das Gefässsystem mit Nerven).
Das centrale Nervensystem richtet sich in seiner Anordnung ge-
wöhnlich genau nach dem allgemeinen Bauplan des Körpers (vergl.
unten). Bei den Gliederwürmern besteht es z. B. aus einer Anzahl
durch kurze Nervenstämme verbundener Ganglienpaare, welche den
einzelnen Gliedern entsprechen; bei den Stachelhäutern finden wir
eine Anzahl von Ganglien , welche regelmässig auf die Strahlen ver-
theilt sind.
Das Centrainervensystem ist gewissermassen der Mittelpunkt des
Körpers: von demselben gehen durch gewisse Nerven, die Bewegungs-
nerven (motorische N.), die Reize aus zu den Muskelelementen und
bedingen die Bewegung letzterer; zu ihm kommen durch andere Nerven,
Empfindungsnerven oder sensible Nerven (welche zum Theil mit den
Bewegungsnerven innig verbunden sind), die von den verschiedenen
Sinnesorganen empfangenen Eindrücke.
In weniger innigem Verhaltniss zum Centrainervensystem stehen die
dem sympathischen NervenHystem zugehörigen Gebiete; die Be-
wegungen der Muskelelemente derselben sind jedenfalls relativ unabhängig
vom Centrainervensystem , die nöthigen Reize werden von den eigenen
Ganglien des sympathischen Systems empfangen.
5. Sinnesorgane.
Durch die Sinnesorgane empfängt das Thier Eindrücke, Em-
pfindungen, von der Aussenwelt. Gewöhnlich sind es Theile der Ober-
haut, welche in mehr oder weniger modificirter Form als Sinnesorgane
fungiren ; letztere verbinden sich immer mit Einpfindungsnerven,
deren äusserste Aestchen in die Zellen der Sinnesorgane übergehen.
Man theilt gewöhnlich die Sinnesorgane in niedere und höhere;
zu jenen werden dann die Organe des Tastsinnes, des Geruches
und des Geschmacks gerechnet, welche in der Regel von ein-
facherem Baue sind als die oft sehr complicirten höheren Sinnes-
organe, die Gehör- und Sehorgane.
Der Tastsinn ist im Gegensatz zu den übrigen Sinnen meistens
über die ganze Oberfläche oder grössere Partien des Körpers ver-
breitet; die ganze Haut wird somit ein Sinnesorgan. Es sind be-
sonders Oberhautzellen, welche als Tastorgane fungiren, indem Nerven-
fasern zu ihnen treten und sich mit ihnen verbinden. Nicht selten
sind gewisse Zellen der Oberhaut besonders als Tastzellen ent-
wickelt, indem sie z. B. mit stiftartigen Fortsätzen an der Oberfläche
ausgestattet sind (Medusen, Gliederwünner, Weichthiere). Bei den
Arthropoden (Insekten etc.), deren Körper von einem festen Cuti-
cularskelet umgeben ist, ist der Tastsinn besonders an gewisse Zellen
geknüpft, welche mit Nervenfasern in Verbindung stehen und an
dünnen Stellen des Chitinüberzuges liegen, wo Haare befestigt sind;
eine Berührung des Haares wird natürlich eine kleine Bewegung an
der dünnhäutigen Stelle und damit eine Einwirkung auf die dortigen
Zellen hervorrufen.
Bei den Wirbelthieren findet man verschiedene eigenthümliche Formen
von Tastapparaten, welche sich dadurch auszeichnen, dass sie nicht der
Oberhaut, sondern der Lederhaut angehören, ja sie können sogar im Binde-
gewebe im Innern des Körpers vorkommen. Sie werden in allen Fällen
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II. Organe.
17
von dem Endabschnitte einer Nervenfaser gebildet , welche zuweilen mit
einer geringen Anzahl dem Bindegewebe zugehöriger, aber durch Grösse
oder in anderer "Weise abweichender Zellen in Verbindung tritt; oder das
Ende der Nervenfaser ist einfach von einer Anzahl bindegewebiger Scheiden
umgeben, welche zwiebelschalenartig geordnet sind (Pacini'sche Körperchen),
oder der Apparat hat noch andere Formen.
Die tieruclisorgane sind Sinneswerkzeuge, auf welche gasförmige
Stoffe in eigenthümlicher Weise einwirken. Organe, denen eine Ge-
ruchsemp findung mit völliger Sicherheit zugeschrieben werden darf,
kennt man nur bei einer verhältnissmässig kleinen Anzahl von Thier-
gruppen, namentlich bei den höheren, auf dem Lande lebenden Wirbel-
thieren , deren Geruchsorgan ein Epithel ist, welches nach seinem
Ursprung einen Abschnitt der Oberhaut darstellt; es sind besonders
gewisse am freien Ende mit einem Stiftchen versehene Zellen dieses
Epithels, denen die Geruchsempfindung ohne Zweifel mit Recht zu-
geschrieben wird. Inwiefern das nach seiner Lage und übrigen
Verhältnissen jenem entsprechende Organ der Fische ebenfalls ein
Geruchsorgan ist, dürfte wohl sehr zweifelhaft sein, da die Fische be-
kanntlich in der Regel nicht mit gasförmigen Stoffen in Berührung
kommen. Bei den Insekten, welche, wie es aus vielen Beobachtungen
hervorgeht, einen feinen Geruchssinn besitzen, scheint derselbe an
eigentümliche, mit einem stabförmigen Körper ausgestattete Ober-
hautzellen gebunden zu sein, welche sich an den Fühlern finden.
Auf die trcschmacksorgaiic wirken nur Stoffe, welche sich in
flüssiger Form befinden. Bei den Wirbelthieren werden sie durch die
sogen. Geschmacksknospen vertreten, welche ihren Platz auf
der Zunge und an anderen Stellen der Mundhöhlenwand haben und
je aus einer Gruppe von Zellen bestehen , unter denen einige lange
dünne Zellen mit einer feinen hervorragenden Spitze am freien Ende
sich befinden; letztere stellen die eigentlichen Werkzeuge des Ge-
schmackssinnes dar (vergl. die Geruchszellen der Wirbelthiere). Die
Geschmackskuospen sind speciell ausgebildete Partien dos Mundhöhlen-
epit-hels und stehen mit Nerven in Verbindung; speciell scheint dieses
mit dem unteren fadenförmigen Ende der genannten dünnen Zellen
der Fall zu sein. Ausser in der Mundhöhle kommen die genannten
Organe auch noch an der äusseren Körperoberiläche vor. — Aehn-
liclie Gebilde finden sich auch bei manchen Borstonwürmern und
Weichthieren (Schnecken /.. B.). bei denen sie besonders in der Mund-
höhle und äusserlich am vorderen Endo des Körpers ihren Platz
haben. — Anderer Art sind die Organe, welche bei den Insekten, wie
es scheint, eine Geschmacksempfindung vermitteln. Ks sind kurze
Haare, welche einzeln in kleinen Gruben an der Unterlippe, den
Kiefern etc. angebracht sind und mit Nervenendigungen in Ver-
bindung stehen.
Den niederen Sinnesorganen sind noch verschiedene andere Organe
zuzuzählen, deren speciellero Function nicht näher bestimmt werden kann.
Dazu gehören die Sinneshügel der Fische (vergl. diese) und der Amphibien
nnd ähnliche Organo bei Borsten Würmern und Weichthieren.
Die Gehörorgane erscheinen im Allgemeinen als Blasen,
welche mit einer Flüssigkeit gefüllt sind ; die Blasen sind aus einer
eingestülpten Partie der Oberhaut gebildet und stehen entweder mit
der Oberfläche in offener Verbindung oder sind — meistens — ganz
von der Oberhaut abgeschnürt und somit geschlossene Blasen; ge-
Boas, Zoologie. 2
18
Allgemeiner Theil.
wohnlich sind sie ungefähr kugelig, nehmen nher bei den Wirbel-
thieren complicirtere Formen an, welche später besprochen werden
sollen. Die Blase besteht aus einem einschichtigen Epithel, dessen
Zellen — alle oder nur zum Theil — mit feinen in die Flüssigkeit
hineinragenden haarähnlichen Fortsätzen ausgestattet sind; die Zellen
sind au ihrer Basis mit den Fasern
des Hörnerven verbunden. Durch
die Schallwellen werden die Här-
chen der Zellen in Bewegung ge-
setzt und der in dieser Weise
hervorgerufene Eindruck wird
dann weiter durch den Hörnerven
nach dem Centrainervensystem
geleitet. In den Gehörblasen
finden sich gewöhnlich in der
Flüssigkeit schwebend ein oder
mehrere feste (kalkige) Körper-
chen, Otolithen (Hörstein-
chen). Bei den höheren Wirbel-
thieren treten verschiedene Ne-
benapparate in den Dienst des
Gehörwerkzeuges mit derAufgabe
der Schallverstärkung etc. — Ein etwas eigentümliches Verhältniss
zeigen die Gehörorgane gewisser höherer Krebsthiere. Bei diesen sind es
offene sackförmige Einstülpungen der Haut, welche ebenso wie letztere
von einer zusammenhängenden festen Cuticula ausgekleidet und mit
ähnlichen hohlen Cuticularhaaren ausgestattet sind. Aber die Haare
weichen in gewissen Beziehungen von den übrigen Haaren des Krebses
ab, indem sie an theilweise dünnhäutigen Vorsprüngen befestigt sind,
an welche Nervenfasern hinantreten. Diese Haare spielen hier die-
selbe Rolle wie die haarähnlichen Theile anderer Gehörwerkzeuge;
die Otolithen werden durch Sandkörnchen vertreten, welche der Krebs
selbst in die Blase hineinbringt, und welche nach jeder Häutung durch
neue ersetzt werden müssen , indem die schon vorhandenen zugleich
mit der Cuticula des Hörsäckchens abgeworfen werden. Bei einigen
anderen Krebsthieren finden sich noch einfachere Verhältnisse, indem
die Gehörwerkzeuge nur durch Hörhaare von ähnlicher Beschaffenheit
wie diejenigen , welche in dem Hörsäckchen bei den anderen sich
finden, ersetzt sind, welche aber hier unmittelbar auf einer platten,
nicht eingestülpten Hautstelle angebracht sind. — Ueber die eigen-
tümlichen Gehörorgane der Insekten vergl. den Spec. Theil.
Die Sehorgane sind bei den meisten Thieren, ebenso wie die im
Vorhergehenden erwähnten Sinnesorgane, eigenthümlich entwickelte
Theile der Oberhaut. In seiner einfachsten Form (Fig. 15, 1) ist das
Sehorgan ein kleiner pigmentirter Fleck der Oberhaut, mit dessen
Zellen (oder mit einigen derselben) Nervenfasern, der Sehnerv, sich
verbinden (gewisse Medusen, einzelne Muscheln). In anderen Fällen
(Fig. 15, 2) ist die Oberhautpartie, welche als Gesichtswerkzeug aus-
gebildet ist, mehr oder weniger vertieft, bildet eine kleine offene pig-
mentirte Grube (gewisse Schnecken, Cölenteraten). Das Verhältniss
kann zuweilen dadurch complicirt werden, dass die Cuticula, welche
bei vielen niederen Thieren die Oberhaut bekleidet, sich über der
grubenförmigen Partie stark verdickt, so dass eine Linse, ein licht-
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II. Organe.
19
brechender Körper, gebildet wird (Fig. 15, 3 ; gewisse Cölenteraten).
Oder die Grube vertieft sich zu einem Sack, welcher nur durch eine
kleine Oeffnung mit der Aussenwelt in Verbindung steht und mit
einer gallertigen Absonderung des Epithels angefüllt sein kann (Fig. 15,
4; einige Schnecken). Oder selbst diese Oeffnung kann vollständig
Fig. 15. Verseil icilcnc Formen von Sehorganen, schematich, n Sehnerv, r Netzhaut,
ep Oberhaut, g Glaskörper, / Linse. — <>rig.
geschlossen und die Verbindung des Epithels des Sehorgans mit der
übrigen Oberhaut abgebrochen sein , so dass das Sehorgan eine ge-
schlossene Blase unterhalb letzterer bildet; die von der Oberfläche
abgekehrte Seite der Blase ist verdickt, pigmentirt und bildet den
lichtempfindenden Theil des Auges, die Netzhaut (Retina), während
die entgegengesetzte Seite dünn und durchsichtig ist, ebenso wie der-
jenige Theil der Haut (die Hornhaut), welche oberhalb der Blase
liegt: der Hohlraum der Blase ist von einer Gallertmasse, dem Glas-
körper, ausgefüllt (Fig. 15,6; die meisten Schnecken, Borstenwürmer).
Bei anderen ist im vorderen Theil der Augenblase eine lichtbrechende
Linse abgesondert, welche im Glaskörper ruht und als ein speciell
entwickelter Theil desselben aufzufassen ist (Fig. 15,6; gewisse Borsten-
würmer und Schnecken). Mit der Entwicklung dieser Linse ist die
Augenblase zu einem wirklichen Auge geworden; auf dem Hintergrund
der Augenblase, auf der Netzhaut, kann jetzt ähnlich wie im mensch-
lichen Auge ein wirkliches Bild erzeugt werden, während in den ein-
facheren Formen des Sehorganes wohl meistens nur von einer Unter-
scheidung von Hell und Dunkel die Rede sein kann.
Eine eigentümliche Stellung nehmen die Sehorgane ein, welche
wir bei den Glied er fü sslern (Arthropoden) finden. In seiner
einfachsten Form (Fig. 16, A) erscheint das Arthropodenauge als
eine eingesenkte Oberhautpartie , welche unmittelbar in die übrige
Oberhaut übergeht, also insofern ein ähnliches Verhältniss wie etwa
in Fig. 15, S; es zeichnet sich aber immer dadurch aus, dass die
frapfindenden Zellen, die N e tzh au tzellcn, von der Oberfläche ab-
2*
20 Allgeraeiner Theil.
gerückt und von den angrenzenden Oberhautzellen überdeckt sind;
der äussere Theil der letzteren, welcher die Netzhantzellen bedeckt,
ist durchsichtig, während sie übrigens stark pigmentirt sind, welch
Letzteres auch mit den Netzhautzellen der Fall ist, ihren äussersten
stabförmigen Theil jedoch ausgenommen. Diejenige Partie der Cuti-
cula, welche das Auge überzieht, ist linsenförmig verdickt. Diese
Augenform findet man bei gewissen Insektenlarven. Eine folgende
A b cd
Fig. 16. Verschiedene Formen von G 1 i e de rfü ss 1 e r äugen , schematisch. A , B
PunkUugen, C, D einzelne Augen aus zusammengesetzten Arthropodenaugen. n Sehnerv,
r Netzhaut, * Stabtheil der Netzhautzellen, y Glaskörper, k Krystallkegel, / Linse, c der
angrenzende Theil der allgemeinen Cuttcula des Thiercs, ep Oberhautzellen. — Orig.
Stufe vertreten diejenigen Augen (Fig. 16, B; Spinnen, Punktaugen
bei Insekten und Insektenlarven), in welchen die Netzhautzellen
sich vollständig aus dem direkten Zusammenhang mit der übrigen
Oberhaut losgelöst haben ; in diesen Augen finden wir dann unterhalb
der Linse eine dünnere oder dickere Schicht durchsichtiger Zellen,
welche mit den angrenzenden Oberhautzellen unmittelbar zusammen-
hängen und denjenigen Zellen entsprechen, welche in der einfacheren
Augenform sich über die Netzhaut hinschieben ; unterhalb dieser
Zellenschicht, welche als Glaskörper bezeichnet wird, liegt die
Netzhaut. — Die zusammengesetzten Augen (Fig. 1 f>, C, D).
welche man bei den meisten Insekten und Krebsthieren findet, be-
stehen aus einer grossen Anzahl (bis mehrere Tausende) dicht zu-
sammengelagerter einzelner Augen, welche einen ähnlichen Bau wie
die soeben beschriebenen besitzen. Für das zusammengesetzte Auge
ist es jedoch eigenthümlich , dass die einzelnen Augen, aus welchen
es besteht, sehr schmal und gestreckt sind und jedes nur eine ganz
kleine Anzahl von Netzhautzellen (6 — 8) und Glaskörperzellen be-
sitzen. Wie in den Punktaugen besitzt jede Netzhautzelle einen stab-
artigen durchsichtigen Theil (am oberen Ende oder am inneren Rande
der Zellen); häufig findet man auch, dass in jeder Glaskörperzello
ein eigenthümlicher lichtbrechender Körper sich entwickelt, welcher
mit den entsprechenden der übrigen Glaskörperzellen zu einem so-
genannten Krystallkegel (D, h) verschmilzt.
Wesentlich verschieden von den beschriebenen Augenformen, deren
empfindender Theil, die Netzhaut, in allen Fällen einen besonders
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II. Organe.
21
entwickelten Theil der Oberhaut darstellt, ist das Auge der Wirbel-
thiere (Fig. 17), dessen Netzhaut kein Oberhautabschnitt, sondern
eine speciell umgeformte Partie des vorderen Theiles des centralen
Nervcnsystemes , des Gehirnes, ist. Dieses hat auf einer frühen
Entwicklungsstufe die Form einer Röhre, welche durch Einschnürungen
in mehrere Abschnitte zerfällt. Aus dem vordersten Abschnitte bildet
sich nach jeder Seite eine blasenförmige Ausstülpung, die primitive
Augen blase, welche durch einen kurzen Stiel mit dem übrigen
1 2 3
Fig. 17. Schematischo Darstellung der Entwicklung den W i r b cl t h ic r auges. / Schnit
durch den Kopf auf einem frühen Stadium: die primitiven Augenbla.sen sind gebildet.
2 Etwas spätere Stufe: die erste Anlage der Linse, die Augenblase liat angefangen sich
in sich selbst einzustülpen. 3 — 4 Weitere Entwicklung : Abschnllrung der Linse, Bildung
der seeuudüren Augenblase. 5 Auch die anderen Haupttheile des Auges sind gebildet. —
ch Aderbaut, ep Oberhaut, ep' Oberbautthcil der Hornhaut, y Glaskörper, h Hornhaut,
hj Gehirn, »" Iris, / Linse, m Mesodenn, n Sehnen*, o primitive Augenblasc, r Netzhaut,
S Sclerotica, t Pigmenthaut (äusserste Schicht der Netzhaut). — Orig.
Gehirn zusammenhängt, während ihr äusserer Theil unmittelbar unter-
halb der Haut liegt. Es erfolgt sodann eine Einstülpung des äusseren
Theiles der primitiven Augenblase in den inneren Theil derselben, so
dass sie zu einer doppelwandigen Schale, der secundären Augen-
blase (oder dem Augenbecher), umgebildet wird, während gleichzeitig
der Stiel zwischen der Augenblase und dem Gehirn sich verlängert;
darauf verschwindet ferner die Höhlung des Stieles sowie die Spalte
zwischen den beiden Blättern der Schale (die Höhlung der primitiven
Augenblase). Der Stiel entwickelt sich zum Sehnerven, die Schale zur
Netzhaut; das äussere Blatt der Schale wird sehr dünn und bildet
eine Lage stark pigmentirter Zellen, während das innere, dickere
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Allgemeiner Theil.
Blatt sich zum ganzen übrigen Theil der Netzhaut entwickelt, welcher
einen ziemlich complicirten Bau besitzt. Zur gleichen Zeit, wo die
primitive Augenblase anfängt, schalenförmig zu werden , nimmt auch
die Bildung der Linse ihren Anfaug. Dieselbe legt sich als eine
Einstülpung der Oberhaut an, welche sich schliesslich von der übrigen
Oberhaut abschnürt und unterhalb dieser, der schalenförmigen Netz-
haut gegenüber, Platz findet; aus dieser Epithelblase wird durch
weitere Umbildung der Zellen die durchsichtige Linse. In Anschluss
an diese Haupttheilo des Auges bilden sich dann die übrigen Theile
des Wirbelthierauges: aus dem Bindegewebe, welches zwischen der
Linse und der Netzhaut sich befindet, entwickelt sich der durchsichtige
Glaskörper; die Hautpartie vor der Linse wird zur Hornhaut;
zwischen letzterer und der Linse bildet sich ein Spaltraum, in welchen
die wässerige Flüssigkeit sich ausscheidet ; ausserhalb der Netz-
haut entwickelt sich aus dem umgebenden Bindegewebe eine schalen-
förmige, gefässreichc Hülle, die Aderhaut, deren freier Rand die
Randpartie der Linse umfasst und hier als Iris oder Regenbogenhaut
bezeichnet wird; ausserhalb der Aderhaut bildet sich, ebenfalls vom
Bindegewebe aus, eine feste, dickere, faserige (öfters theilweise
knorpelige oder verknöcherte) Hülle, die Sclcrotica, welche in die
Hornhaut sich fortsetzt und mit dieser zusammen den Augapfel
begrenzt, unter welchem Namen alle genannten Theile zusammenge-
fasst werden.
Die Netzhaut der Wirbelthiere besitzt ebenso wie die Netzhaut vieler
anderer Thiere stabformige lichtbrechende Theile , welche im Wirbelthier-
auge eine zusammenhängende Schicht (Stäbchenschicht) bilden. Während
aber die Stäbchen bei anderen Thieren fast immer derjenige Theil der Netz-
haut sind, welcher dem Licht am nächsten liegt, ist es bei den Wirbel-
thieren umgekehrt; hier liegt die Stäbchenschicht der Pigmentzellenlage
unmittelbar au, und das Licht muss, um zu den als die eigentlich empfindenden
Theile der Netzhaut angesehenen Stäbchen zu gelangen, durch alle übrigen
Schichten der Netzhaut (man unterscheidet in der ausgebildeten Netzhaut
eine ganze Anzahl dünner Schichten) hindurchtreten.
Der Gegensatz des Wirbel thierauges zu demjenigen anderer Thiere ist
übrigens nicht ganz so gross, wie es auf den ersten Blick erscheint. Wie wir
später sehen werden, wird nämlich das Nervensystem vom Ektoderm gebildet,
welches als die Oberhaut des Embryos bezeichnet werden kann und dessen
grösster Theil zur bleibenden Oberhaut wird. Der Unterschied zwischen dem
Wirbelthierauge und dem der wirbellosen Thiere besteht demnach wesentlich
darin, dass, während die Netzhaut der letzteren sich direkt aus der Oberhaut
entwickelt, sie bei den Wirbelthieren indirekt von derselben gebildet wird.
6. Darmkanal.
Ebenso wie die Amöbe erleiden auch die Zellen der Metazoen
einen stetigen Stoffverlust durch die chemischen Umbildungen, welche
eine nothwendige Bedingung für den Fortgang der Lebensfunctionen
sind. Dieser Verlust wird durch die Nahrung ersetzt, welche
meistens in ein besonderes Organsystem, den Darm k anal, auf-
genommen und darin bearbeitet wird. Die Bearbeitung der Nahrung
im Darmkanal verfolgt besonders das Ziel, dieselbe in einen löslichen
Zustand zu bringen (zu verdauen), so dass sie von der Wand des
Darmkanals aufgesogen und weiter in die Gewebe des Körpers
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II. Organe.
23
übergeführt werden kann. Diejenigen Theile, welche im Darmkanal
nicht aufgelöst und aufgesogen werden, gehen wieder nach aussen ab
(die Excremente). — Als Nahrung dienen den Thieren neben
anorganischen auch organische Substanzen, d. h. solche, welche ent-
weder von Thieren oder von Pflanzen stammen. Von anorganischen
Stoffen allein kann kein Thier sich ernähren, wenn auch solche,
namentlich Wasser und Kalksalze, in ausgedehntem Maasse aufge-
nommen werden.
In seiner einfachsten Form ist der Darmkanal ein Sack, welcher
nur durch eine Oeflfnung mit der Ausseuwelt in Verbindung steht;
diese Oeffnung dient dann sowohl als Eiufuhröffnung, Mund, wie als
Ausfuhröffnung für die unverdauten Theile (Cölenteratcn , Platt-
würmer). Oefters kann ein solcher sackförmiger Darmkanal mit
grösseren oder kleineren Ausstülpungen versehen sein, welche sich
wieder verzweigen können (Quallen, manche Plattwürmer).
Bei den meisten Thieren besitzt aber der Darmkanal zwei Oeff-
nungen. einen Mund und einen After (Anus). Der Darmkanal ist
dann gewöhnlich ein längerer Schlauch, mit der Mundöffnung am
einen, der Afteröffnung am anderen Ende. Meistens zerfällt der
Schlauch in mehrere Abschnitte, denen verschiedene Functionen zu-
gewiesen sind. In einfacheren Fällen kann man nur drei Abschnitte
unterscheiden: den Munddarm, welcher oft sehr musculös ist und
in verschiedener Weise dazu dient, die Nahrung in den Darmkanal
einzuführen; den gewöhnlich langen Mitteldarm, in welchem die
Auflösung und Aufsaugung vor sich geht; und den Enddarm,
welcher als Ausfuhrungskanal und Reservoir der unverdaulichen
Theile dient (Rund- und Gliederwürmer). Bei anderen ist der Mund-
darm wieder in eine geräumigere Mundhöhle, welche öfters mit
Werkzeugen zur mechanischen Bearbeitung der Nahrungsmittel
(Zähnen) ausgestattet ist, und eine gewöhnlich engere Speiseröhre
getheilt. Der Mitteldarm ist häufig (Wirbelthiere) in einen
vorderen geräumigeren Abschnitt, den Magen, und einen hinteren
längeren Abschnitt, den eigentlichen Darm (Dünndarm der Wirbel-
thiere) getheilt; ersterer besorgt dann mehr die Verdauung, indem
seine Wandung mit reichlichen Drüsen ausgestattet ist, welche auf-
lösende Flüssigkeiten absondern, während der Darm mehr aufsaugend
wirkt (der Verdauungsprocess wird übrigens auch im Darm fortge-
setzt). Seltener ist auch der Enddarm in mehrere Abschnitte ge-
theilt. — Nicht ganz selten ist der eine oder andere Abschnitt des
Darmkanals zu einem Kaumagen ausgebildet, in welchem eine
mechanische Bearbeitung der Nahrung vor sich geht; der Kaumagen
ist in einigen Fällen (z. B. bei den höheren Krebsen) der hintere
Theil der Speiseröhre, welcher erweitert, musculös und an seiner
inneren Seite mit festen Thcilen ausgestattet ist; in anderen Fällen
(bei den Vögeln) ist der hintere Theil des Magens zu einem Kaumagen
umgebildet.
An verschiedenen Stellen des Darmkanals findet man sehr häufig
Ausstülpungen. Blindsäcke, von verschiedener Form. Einige der-
selben haben die Aufgabe, als vorläufige Behälter für die aufge-
nommenen Nabrungsstoffe zu dienen (Ausstülpungen des Munddarmes :
Backentaschen der Affen, der Kropf bei Vögeln und Insekten), durch
andere wird eine Vergrösserung der verdauenden und aufsaugenden
inneren Oberfläche des Darmkanals erzielt (der Blindsack am Säuge-
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24
Allgemeiner Theil.
thiermagen, der Blinddarm der Saugethiere, die Ausstülpungen des
Darmkanals der Egel). Ausserdem wird die innere Oberfläche des
Darmes häufig dadurch vergrössert, dass sich an der inneren Seite
Falten oder feinere Fortsätze (Zotten) bilden (Wirbelthiere).
Die Flüssigkeiten, durchweiche die Nahrung aufgelöst wird, werden
theils von "dem Epithel des Darmkanals selbst abgesondert, theils
stammen sie von kleinen Drüsen, welche in die Waud namentlich des
Magens und des Darmes eingelagert sind, theils endlich von grösseren
Drüsen, welche ausserhalb des Darmkanals liegen und nur mit ihren
Ausführungsgängen dessen Wand durchbohren. Bei vielen niederen
Thieren ist diese absondernde Thätigkeit an das Epithel des Darm-
kanals allein geknüpft, während sie bei höher organisirten Thieren,
z. B. bei den Wirbelthieren. wesentlich oder ausschliesslich von be-
sonderen grösseren oder kleineren Drüsen besorgt wird. Die grösseren,
ausserhalb des Darmkanals liegenden Drüsen werden nach den ver-
schiedenen Abschnitten des Darmkanals, in welche sie ausmünden, mit
verschiedenen Namen belegt; es werden z. B. diejenigen, welche sich
in die Mundhöhle öffnen — und welche jedenfalls in vielen Fällen
für die Verdauung nur von geringer Bedeutung sind, öfters nur die
Aufgabe haben, die Nahrungsstoffe zu befeuchten und ihr Hinabgleiten
zu erleichtern — , Speicheldrüsen genannt, während diejenigen,
welche in den Darm münden, meistens mit dem Namen Leber be-
zeichnet werden. Die Secrete der betreffenden Drüsen sind übrigens
bei verschiedenen Thieren sehr verschieden ; die Einwirkung des „Leber"-
Secretes auf die Nahrungsstoffe ist z. B. keineswegs immer dieselbe.
Was die feinere Zusammensetzung betrifft, so besteht der Darm-
kanal in den einfachsten Fällen lediglich aus einer Epithelschicht ; an
diese schliessen sich dann bei anderen Bindegewebe und Muskel-
elemente, so das9 wir in einem entwickelteren Darmkanal die Wand
aus folgenden Schichten zusammengesetzt finden : zu innerst eine
Epithelschicht, ausserhalb derselben eine bindegewebige Lage, welche
mit dem Epithel innig verbunden ist und Öfters eine grosse Anzahl
kleiner Drüsen einschliesst (das Epithel und die Bindegewebslage
werden zusammen als die Schleimhaut bezeichnet), und nach aussen
eine oder mehrere Muskelzellen-Schichten (Muskelhaut), deren Con-
tractionen für die Wanderung der Nahrung durch den Darmkanal
von grosser Bedeutung sind.
Nur bei wenigen Metazoen fehlt ein Darmkaual ganz. Wir
finden in diesem Falle entweder, dass trotzdem eine wirkliche Mund-
öffnung vorhanden ist. durch welche die Nahrung in das weiche Ge-
webe des Körpers hineintritt, das dann die Verdauung besorgt (ge-
wisse Plattwürmer); oder es fehlt auch eine Mundöffnung, und die
Nahrung wird dann durch die Haut des Thieres, durch Eudosmose,
aufgenommen. Letzteres Verhältniss findet man nur bei Thieren,
welche als Schmarotzer leben, und namentlich bei solchen, welche sich
im Darrakanal anderer Thiere aufhalten, wo sie stets von halb oder
ganz aufgelösten Nährstoffen umgeben sind (Bandwürmer, Kratzer).
Nur als reine Ausnahmen kennt man Thiere, welche nicht nur keinen
Darmkanal besitzen, sondern auch ihr ganzes Lehon hindurch gar keine
Nahrung zu sich nehmen, und somit zu völliger Entwicklung allein durch
Umbildung des im Ei deponirten Stoffvorrathes gelangen. Dieses ist z. B.
mit der zweigeschlechtlichen Generation der Reblaus der Fall (vergl. den
Spec. Theil).
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II. Organe.
25
7. Gefässsystem.
Die aufgelösten Nährstoffe gehen, nachdem sie die Darmwandung
durchsetzt haben, bei manchen niederen Thieren durch eine Art
Eudosmose iu die verschiedenen Gewebe des Körpers über, werden von
denselben aufgesogen, dienen ihnen als Nahrung, indem sie übrigens
auf ihrem Wege durch den Körper ohne Zweifel in verschiedener
Weise verändert werden. Bei den meisten Thieren ist aber das Ver-
hältniss etwas complicirter , indem sicli ein verzweigtes Kanalsystem
ausbildet, welches einerseits die aufgelöste Nahrung aus der Darm-
wandung aufsaugt, andererseits dieselbe, welche übrigens während
ihres Aufenthaltes in dem Röhrensystem gewissen Veränderungen unter-
liegt, durch den Körper herum führt, wobei sie von den Geweben
theilweise aufgesogen wird. Dieses zusammenhängende Röhrcnnetz
wird als das Gefässsystem bezeichnet.
Das Gefäss system ist also ein System von bäum förmig ver-
zweigten Röhren, den Blutgefässen oder Adern, welche durch
den Körper verbreitet sind. Es ist bald sehr vollkommen und fein
verzweigt und durchdringt dann mit seinen Zweigen fast sämmtliche
Organe und Gewebe des Körpers; nur die Epithelien bleiben gefäss-
los, sie erhalten ihre Nahrung durch Durchsickerung aus den angren-
zenden Geweben. Tn anderen Fällen besteht es dagegen aus ver-
hältnissmässig wenigen abgegrenzten Kanälen, welche mit den Spalten
und Hohlräumen des Körpers in offener Verbindung stehen. In einem
wohl ausgebildeten Gefässsystem zeichnen sich einige der Gefässe
durch ihre bedeutende Weite vor den anderen aus, und diese Haupt-
stämme können dann als die centralen Theilc des Systems betrachtet
werden , von welchen nach den verschiedenen Körpertheilen andere
Gefässe ausgehen ; letztere verzweigen sich unterwegs, theilen sich in
immer feinere Aeste und diese lösen sich endlich in die feinsten netz-
förmig verbundenen Gefässe auf, welche die Organe durchdringen.
Die Flüssigkeit, welche von den grossen Stämmen in die kleineren
und kleinsten strömt, kehrt durch andere Gefässe , welche ebenfalls
mit den feinsteu Geftissen in Verbindung stehen, schliesslich wieder
in die Hauptstämme zurück, so dass wir — wenigstens ist dies meistens
der Fall — einen Kreislauf der Flüssigkeit beobachten. Die in
dem Kanalsystem befindliche Flüssigkeit, die Blut flüssigkeit, ist
wesentlich als die umgebildete aufgelöste Nahrung aufzufassen, wobei
jedoch zu bemerken ist, dass sie auch von den Körper-Geweben ge-
wisse Theile aufgenommen hat, Abfall-Produkte von den chemischen
Umbildungen . welche im Körper stattfinden ; die Blutflüssigkeit ist
gewöhnlich klar und farblos . seltener gefärbt (roth . grün etc.). In
derselben finden sich freie Zellen, die Blutzellen oder Blut-
körperchen, gewöhnlich amöboide (amöbenähnliche) farblose
Zellen ; seltener sind die Blutkörperchen, so bei den Wirbelthieren,
formbeständige, gefärbte Zellen von der Gestalt ovaler oder rundlicher
Scheiben (bei den Wirbelthieren finden sich ausser diesen „rothen
Blutkörperchen" übrigens auch amöboide ,,weisse Blutkörperchen",
aber in geringerer Anzahl). Die Blutflüssigkeit und die Blut-
körperchen bilden zusammen das Blut, dessen Farbe meistens von
der Farbe der Flüssigkeit, bei den Wirbelthieren dagegen von der-
jenigen der Blutkörperchen abhängt.
Da es von Wichtigkeit ist, dass sich das Blut in stetiger
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Allgemeiner Theil.
Strömung befindet, ist gewöhnlich an gewissen Stellen <les Röhren-
systems reichliches Muskelgewehe in der Wand vorhanden, so dass
diese Abschnitte im Stande sind, rhythmische Contractionen auszu-
führen, zu pulsiren, und dadurch das Blut fortzubewegen; man
nennt einen solchen Abschnitt des Gefässsystems ein Herz. Es
können mehrere solche bei demselben Thier vorhanden sein ; gewöhn-
lich findet sich jedoch nur ein einzelnes , oder , wenn mehrere vor-
handen sind, zeichnet sich eins derselben durch Grösse und kräftige
Entwicklung aus und wird als das Herz bezeichnet; dieses steht
immer mit einigen der grösstcn Gefässe des Körpers in direkter
Verbindung, bildet, so zu sagen, den Knotenpunkt des ganzen Gefäss-
systems. Oft finden sich an den Oeffnungen des Herzens eigenthüni-
liche Falten. Klappen, deren Aufgabe es ist, die Richtung des
Blutstroms zu reguliren, indem sie nur die Durchströnmng nach der
einen Richtung erlauben; wenn das Blut anfängt, nach der entgegen-
gesetzten Richtung zu strömen, versperren sie den \Veg(vergl. Fig. 18, l).
Oefters ist „das Herz" aus mehreren
selbständigen Abtheilungen zusammen-
gesetzt, welche streng genommen als
ebenso viele dicht beisammen gelagerte
Herzen aufzufassen sind. Meistens ist es
dann so, dass das Blut zunächst in eine
dünnwandigere Abtheilung. den Vor-
hof, eintritt und von dieser in eine dick-
wandigere , kräftigere , die Herzkam-
mer, gelangt, welche als die wichtigere
der beiden erscheint. Zuweilen finden
wir auch, dass in die Herzkammer meh-
rere Vorhöfe einmünden (bei manchen
Mollusken); oder es kann, wie bei
manchen Fischen, auf die Herzkammer
noch eine besondere röhrenförmige Herz-
abtheilung folgen etc. Die Gefässe, in
denen das Blut in der Richtung zum
Fig. 18. / Schema eine« einfachen Herzen hin verläuft, werden als Venen ,
^rr^20zr:.^f°:,":": «k?™«». » wich«, <iaS »«t » der
Kammer, v Vorhof, k Klappe. — Orig. entgegengesetzten Richtung, vom Herzen
weg, verläuft, ah Arterien bezeichnet.
Die feinsten, netzförmig verbundenen Gefässe, welche die äussersten
Aeste der Venen und Arterien verbinden, nennt man Capillaren: sie
fehlen übrigens sehr oft und sind durch die Spalten und Hohlräume
des Körpers gewissermassen ersetzt; die Venen und Arterien stehen dann
mit diesen in offener Verbindung, das Blut gelangt von den Arterien in
die Spalträume hinein und von diesen wieder in die Venen. — Von
grosser Bedeutung für das Gefässsystem ist sein Verhältniss zu den
Respirationsorganen, welches unten besprochen werden wird. — Der
feinere Bau der Gefässe ist ziemlich verschieden; die Grundlage ist
eine einfache, die Höhlung der Röhre begrenzende Schicht platter
Zellen, welche in den Capillaren ohne weitere Zuthat die Gefässe
bildet, während sie in den übrigen Gefässen gewöhnlich von Binde-
gewebe, glatten Muskelfasern etc. umgeben ist, so dass die grösseren
Gefässe ziemlich dickwandig sein können.
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IL Organe.
27
Ueber das ausschlieBslich bei den Wirbelthieron vorhandene Lymph-
gefässsystem vergl. diese.
8. Athmungsorgane.
Es ist früher (S. 4) erwähnt worden, dass die Amöbe und andere
Protozoen Sauerstoff aufnehmen müssen, ohne welchen die che-
mischen Processe, die „Verbrennung", worauf die Lebensfunctionen
beruhen, nicht stattfinden können. Dieselbe Notwendigkeit ist auch
für die Zellen des Mctazoenkörpers vorhanden, sie müssen Sauer-
stoff aufnehmen, um leben zu können. Es muss somit vom Körper
imraeifort Sauerstoff aufgenommen werden, und derselbe muss allen
Zellen der verschiedenen Körpertheile zugeführt werden. Ferner
müssen die Abfallprodukte, welche durch die in den Zellen statt-
findende Verbrennung gebildet werden, aus dem Körper ausgeschieden
werden. Einer dieser Abfallstoffe ist die Kohlensäure — eine
Verbindung von Kohlenstoff und Sauerstoff (CO..) — , deren Aus-
scheidung aus dem Körper in regelmässigem Wechsel mit der Auf-
nahme des Sauerstoffs stattfindet, während andere Abfallprodukte in
anderweitiger Weise fortgeschafft werden (vergl. die Excretionsorgane).
Man bezeichnet die Aufnahme des Sauerstoffs und die Ausscheidung
der Kohlensäure als die Athmung (Respiration) und diejenigen
Organe, welche dieser Function dienen, als die Athmungsorgane.
Der Sauerstoff wird bei einigen Thieren aus der atmosphärischen
Luft aufgenommen, von welcher bekanntlich ungefähr '/R Sauerstoff
ist (..luftathmende" Thiere); bei anderen ist es dagegen der in allen
natürlichen Gewässern vorhandene freie (gelöste) Sauerstoff, welcher
bei der Athmung verbraucht wird.
Viele niedere Thiere besitzen keine besonderen Athmungsorgane,
sondern athmen mit der ganzen freien Oberfläche des Körpers: der
im Wasser oder in der Luft enthaltene Sauerstoff wird endosmotisch
von der Haut aufgenommen und dringt von dieser weiter in den
Körper hinein, ebenso wie die Kohlensäure von der Haut abgegeben
wird. Bei denjenigen von diesen Thieren, welche ein Gefässsystem
besitzen, spielt dieses eine gewichtige Rolle in Bezug auf die Ueber-
führung des Sauerstoffs in den Körper und auf die Fortschaffung der
Kohlensäure; das Blut nimmt, indem es durch die Hautgefässe strömt,
den Sauerstoff auf, führt ihn in das Körperinnere hinein, giebt ihn
unterwegs ab und nimmt Kohlensäure auf und kehrt mit dieser be-
laden nach der Haut zurück, wo die Kohlensäure abgegeben und
Sauerstoff aufgenommen wird (Hautrespiration). — Auch der
Darmkanal kann bei den Thieren, welche keine Athmungsorgane be-
sitzen, eine Rolle bei der Athmung spielen, indem mit der Nahrung
immer Luft oder lufthaltiges Wasser hinabgeschluckt wird, dessen
Sauerstoff während der Wanderung der Nahrung durch den Darm-
kanal von letzterem aufgenommen wird (Darmrespirati on). - Es
sind namentlich eine grosse Anzahl Wasserthiere, welche besondere
Athmungsorgane entbehren; dazu kommen aber noch einzelne Land-
thiere (z. B. der Regenwurm). Fast immer sind es ziemlich „dünn-
häutige" Thiere, d. h. solche ohne eine dickere, feste Cuticula oder
einen anderen vom Sauerstoff schwer zu durchdringenden Ueberzug,
und fast immer kleinere oder sehr kleine Thiere (kleine Körper
haben bekanntlich eine verhältnissmässig grössere Oberfläche als grosse
Körper von derselben Form).
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Allgemeiner Theil.
Die meisten Thiere sind jedoch mit Einrichtungen ausgestattet,
welche für die Athtnungsfunction speeiell ausgebildet sind oder
dieser ausschliesslich dienen: A thmungsorgane. Das allgemein
durchgeführte Princip besteht darin, dass das lufthaltige Wasser oder
die atmosphärische Luft mit grösseren, dünnhäutigen Flächen in Be-
rührung gebracht wird, durch welche der Sauerstoff in ausgedehntem
Maasse aufgenommen und Kohlensäure ausgeschieden wird ; meistens
ist unmittelbar unter der betreffenden Oberfläche ein dichtes Capillar-
netz ausgebreitet. Diejenigen Thiere, welche den im Wasser ent-
haltenen Sauerstoff aufnehmen, athmen meistens durch Kiemen,
dünnhäutige Körperanhänge mit verhältnissmässig grosser Oberfläche,
welche entweder frei auf dem Körper sitzen oder in Höhlungen an-
gebracht sind, die mit der Ausscnwelt in offener Verbindung stehen
(Kieraenhöhlen) ; die Oberflächen vergrösscrung wird durch platten -
förmige Verbreitung, durch Faltung, Verzweigung etc. der Kieme
erreicht. Wenn die Kiemen in Höhlungen eingeschlossen sind, so ist
gewöhnlich durch besondere Einrichtungen dafür gesorgt, dass eine
Wasserströmung stetig oder wenigstens häufig über die Kiemen hin
stattfindet (so bei vielen Krebsthieren. z. ß. beim Hummer und bei
den Fischen), wodurch erreicht wird, dass immer neue Wassertheilchen
— und damit auch neuer Sauerstoff — mit den Kiemen in Berührung
kommen. Dasselbe erreichen die mit äusseren Kiemen ausgestatteten
Thiere theils durch die Bewegungen des ganzen Thieres im Wasser,
theils dadurch, dass die Kiemen geschwenkt werden, oder dadurch,
dass die Kiemen mit Wimperhaaren ausgestattet sind, welche das
Wasser über dieselben fortbewegen. — Selten findet man bei Wasser-
athmern statt Kiemen sogenannte Wasser lungen, sackförmige
Organe, in welche das Wasser ein- und ausgepumpt wird, und deren
Wand den im Wasser vorhandenen Sauerstoff aufnimmt (Seewalzen).
Bei den luftathmenden Thieren sind die Athmungsorgane dagegen
meistens hohle sack- oder schlauchförmige Einstülpungen : Lungen,
Luftröhren. In ihrer einfachsten Form ist die Lunge ein Sack,
welcher durch eine grössere oder kleinere Oeffnung mit der Ausscn-
welt in Verbindung steht; in der Wand findet sich ein feines enges
Gefässnetz dicht unter der inneren Oborttäche (Lungenschnecken).
Nur wenig complicirter erscheinen die Lungen der Wassersalamander
(Triton), welche ebenfalls einfache Säcke sind, die mit einer gemein-
samen Oeffnung in den hinteren Theil der Mundhöhle einmünden ;
bei anderen, z. B. bei den Fröschen, werden sie dadurch etwas com-
plicirt , dass sich in den Säcken stark hervorragende Falten bilden,
wodurch die innere Oberfläche der Lunge, an welcher das Gefässnetz
sich ausbreitet, bedeutend vergrössert wird. Noch weit vollkommener
sind z. B. die Lungen der Säugethiere, welche baumförmig verzweigte
hohle Organe sind, deren Aeste mit je einer kleinen blasenfÖrmigen
Erweiterung endigen, an deren innerer Seite das Gefässnetz sich findet :
hier ist die respirirende Fläche sehr gross im Verhältniss zum Umfang
der Lunge.
Ein eigentümliches Athmungswerkzeug ist das Tracheen- oder
Luftröhrensystem, welches wir bei den Insekten und anderen
luftathmenden Gliederfüsslem finden. Das Tracheensystem eines Insekts
kann als ein Complex stark verzweigter Lungen aufgefasst werden.
Durch mehrere Oeffnungen an der Oberfläche des Thieres steht das
System mit der Aussenwelt in Verbindung; von jeder Oeffnung ent-
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II. Organe.
29
springt ein starker Stamm , der sich in zahlreiche immer feiner
werdende Zweige theilt, welche eine Partie des Körpers gelassartig
durchdringen; meistens stehen die aus den verschiedenen Stämmen
entspringenden Tracheen mit einander in Verbindung, Der ganze
Körper ist somit von zahllosen feinen luftführenden Röhren durch-
webt . während sonst die Athmungsorgane auf einen kleineren Raum
des Körpers begrenzt sind. In den Wänden der Tracheen ist kein
Gefüssnetz vorhanden, überhaupt steht das Gefässsystem bei den mit
Tracheen ausgestatteten Thieren meistens auf einer sehr wenig aus-
gebildeten Stufe ; das Blut spielt bei diesen Thieren nur eine unter-
geordnete Rolle als Träger des Sauerstoffs, welcher den Geweben
direkt durch das Luftröhrensystem zugeführt wird.
Ebenso wie es für die Kiemen nothwendig war, dass sie immerfort
mit neuen Wassertheilen in Berührung kamen, so ist es auch für die
iuftathmenden Organe nothwendig, dass die Luft in denselben stetig
erneuert wird; bleibt dieselbe Luftmasse in einer Lunge stehen, so
wird der Sauerstoff allmählich verbraucht, die Luft wird mit Kohlen-
säure beladen, und wird die Luftmasse dann nicht erneuert, so hört
die Lunge auf, als Athmungsorgan zu wirken. Die Entfernung der Luft
geschieht im Allgemeinen in der Weise, dass die betreffenden Organe
zusammengepresst werden, die Aufnahme in der Regel dadurch, dass
sie sich wieder erweitern, wodurch die zurückgebliebene Luft verdünnt
wird und die äussere Luft einströmt; die näheren Einrichtungen sind
übrigens höchst verschieden.
Die Ausbildung besonderer Athmungswerkzeuge hat den grössten
Einfluss auf das Gefässsystem, dessen Anordnung zum grossen Theil
von den Athmungsorganen bedingt wird. Von besonderer Bedeutung
erscheint der Umstand , dass es für den Organismus vortheilhaft ist,
dass das Blut, welches in die verschiedenen Organe, die Athmungs-
organe ausgenommen, hineinströmt, möglichst sauerstoffreich und
kohlensäurefrei ist, während es andererseits zweckmässig ist, dass das
den Athmungswerkzeugen zufliessende Blut möglichst viel Kohlensäure
aus dein übrigen Körper mitgenommen hat, wodurch der Gasaustausch
in den Athmungsorganen intensiver wird. Dieses wird im Allgemeinen
in der Weise erreicht,
dass das Blut , nach-
dem es die Organe
durchströmt hat, sieh
zu einem grösseren
gemeinsamen Be-
hälter begiebt. aus
weichein das kohlen-
siiurehaltige , SOge- Fig. 19. Schema, um «Ins allgemeine Verhältnis» der AtliniuiiK>-
nailllte venöse Blut "r^al,e zum G*Ä*WJite«l z» ttlustriren. / Venöser, 'J arte-
. , ... i rteller Bfatbehttlter, a Athmungsorgane. Die Pfeile «U nten die
nach den Kiemen oder Hiehtun}? tlc< umströme* an. - Orig.
L u n gen b e f o r d er t w 1 r d .
Nachdem es hier die Kohlensäure abgegeben und Sauerstofl aufge-
nommen bat, geht das Blut, welches jetzt als arterielles bezeichnet
wird, in einen zweiten grossen Blutb eh älter, aus welchem es
in den Körper hineinströmt. Derartig ist die Anordnung durchgehends
bei den mit Athmungswerkzeugen und einem ausgebildeten Gefässsystem
versehenen Thieren; innerhalb dieses gemeinsamen Rahmens findet man
aber sehr grosse Unterschiede. Bei vielen wirbellosen Thieren (Weich-
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30
Allgemeiner Theil.
thieren, Krebsen) wird der oben genannte ., zweite grosse Blutbehälter"
(Fig. 19, 2) von dem Herzen repräsentirt; dieses empfängt also bei
jenen das arterielle Blut von den Kiemen, ist ein .,a rteri cl 1 e s
Herz", aus welchem dann das Blut in den Körper getrieben wird;
vom Körper geht das venöse Blut in einen grossen venösen, nicht
contractilen Behälter, einen venösen „ßlutsinus" (dem ersten der oben-
genannten grossen Blutbehälter [Fig. 19. 1] entsprechend), welcher
wieder das Blut an die Kiemen abgiebt. Bei den Fischen ist es ganz
anders; bei ihnen repräsentirt das Herz den ersten grossen Behälter,
welcher das venöse Blut aus dem Körper aufnimmt und dasselbe an
die Kiemen abgiebt, das Herz dieser Thiere ist ein „venöses
Herz"; von den Kiemen geht das Blut zur Aorta, einem grossen
(nicht pulsirenden) Gefäss, welches dem zweiten Behälter entspricht,
und von diesem in den Körper hinein. Bei Vögeln und Säugethieren
ist das Verhältniss wieder wesentlich anders, indem hier eigentlich,
wenn man die Function allein betrachtet, zwei Herzen vorhanden sind,
von welchen das eine, die rechte Seite des Herzens (rechter Vorhof
und rechte Herzkammer), den ersten, venösen Blutbehälter repräsen-
tirt, indem es das Blut aus dem Körper empfängt und in die Lungen
führt, während das andere (linker Vorhof und linke Herzkammer) den
zweiten, arteriellen Behälter darstellt, das Blut aus den Athmungs-
organen empfängt und in den Körper hineintreibt.
Es ist hier übrigens hervorzuheben, dass die Ausbildung besonderer
Athmungsorgane es in keiner Weise mit sich führt, dass die allgemeine
Haut- und Darmrespiration aufhört. Diese Seiten der Athmung sind
zwar bei manchen Thieren, z. B. bei den Säugethieren, von sehr unter-
geordneter Bedeutung, bei anderen können sie dagegen, besonders die
Hautathmung, eine bedeutende Rolle spielen; ein Frosch kann /. B.
einige Zeit fortleben, nachdem er seiner Lungen beraubt worden ist,
während er sehr schnell stirbt, wenn man — durch Bestreichen der
Haut mit Oel — die Hautrespiration unterdrückt, wenn auch die
Lungen in voller Thätigkeit sind.
In den rothen Blutkörperchen der Wirbclthiere ist ein rothfnrbiger
Stoff, Hämoglobin, vorhanden, welcher für die Athmung von grosser
Bedeutung ist, indem der grösste Theil des aufgenommenen Sauerstoffs nicht
einfach in der Blutflüssigkeit aufgelöst, sondern chemisch an das Hämo-
globin gebunden ist, von welchem er sich jedoch sehr leicht wieder trennt,
was eben geschieht, indem das Blut in den Capillaren durch die Gewebe
tritt; wenn das Hämoglobin sauerstoffreich ist, hat das Blut eine hochrothe
Farbe (arterielles Blut) ; wenn es sauerstoffarm ist, erscheint das Blut dunkel-
roth (venöses Blut). — Das Hämoglobin ist ausserdem noch in der Blut-
flüssigkeit verschiedener niederer Thiere nachgewiesen.
Durch die in den Zellen stattfindende Oxydation (Verbrennung)
werden nicht nur die Kräfte erzeugt, welche sich als die Lebens-
thätigkeiten äussern: die Protoplasmabewegung, die Muskelcon-
tractionen , die eigentümlichen Vorgänge in den Nervenzellen und
-fasern etc., sondern auch Wärme. Die so erzeugte Wärme geht
jedoch im Allgemeinen durch Ausstrahlung von der Oberfläche des
Körpers und in anderer Weise schnell wieder verloren, so dass die
Körperwärme bei den meisten Thieren nur sehr wenig höher ist als
die Wärme der sie umgebenden atmosphärischen Luft. Nur bei den
sogenannten ,. warmblütigen" Wirbelthieren (Vögeln und Säugethieren)
ist die Wärmeproduction so bedeutend und der Körper ist mit Vor-
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II. Organe.
31
richtungen ausgestattet, welche dazu geeignet sind, die erzeugte
Wärme besser als gewöhnlich zurückzuhalten, dass sie im Stande
sind, ihren Körper auf einem einigermassen Constanten, ziemlich hohen
Wärraegrad zu halten, welcher zuweilen sehr bedeutend von dem der
umgebenden Luft abweichen kann. Der Körper bedarf übrigens einer
gewissen inneren Wärme — welche bei verschiedenen Thieren ver-
schieden ist — , damit die Lebensthätigkeiten auf normale Weise
stattfinden können ; sinkt dieselbe, so tritt zunächt eine gewisse Träg-
heit ein, welche endlich in den Tod übergehen kann. Aehnliche
Folgen hat die Erhöhung der Wärme über eine gewisse Grenze hinaus.
Lautorgane. Viele Thiere haben das Vermögen, Laute von ver-
schiedener Art zu erzeugen. Wenn wir dieses Vormögen an dieser Stelle
erwähnen, so geschieht es nicht desshalb, weil dasselbe in irgend einem Ver-
hältnisse zu dem eigentlichen Respirationsprocess steht , sondern weil die
lauterzeugenden Organe bei den luftathmenden Thieren , welche besonders
mit diesem Vermögen ausgerüstet sind, gewöhnlich eng an die Athmungs-
organe geknüpft sind. Am Eingange zu den Luftathmungsorganen sind
öfters dünne Platten oder Hautfalten („Stimmbänder") vorhanden , welche
durch die aus den Athmungsorganen ausgepresste Luft in Schwingungen
versetzt werden können. In dieser Weise wird nicht nur die Stimme
der meisten Wirbelthiere erzeugt, sondern auch manche der Laute der In-
sekten werden in derselben Weise gebildet. Die Lautäusserung kann aber
auch von den Athmungswerkzeugen ganz unabhängig sein. Gewisse Schrei-
und Knarrlaute bei Insekten, Krebsen und Fischen kommen z. B. dadurch
zu Stande, dass feste Flächen gegen einander gerieben werden ; der summende
Laut der Bienen und anderer fliegender Insekten kaun durch Schwingungen
der Flügel erzeugt werden etc. Die verschiedenen Lautäusserungen haben
in erster Linie den Zweck, als Mittheilungsmittel anderen Individuen der-
selben Art gegenüber zu dienen, sie werden aber ausserdem häufig aus
anderen Gründen hervorgebracht, um einen Angreifer zu erschrecken etc.
Leuchtorgane. In einem nahen Verhältniss zum Respirationsprocess
steht das Leuchtvermögen , welches man bei manchen , namentlich wirbel-
losen Thieren trifft. Die Lichtentwicklung ist gewöhnlich an gewisse Zellen,
namentlich Oberhautzellen geknüpft, in deren Protoplasma fettartige Stoffe
vorhanden sind ; das Licht wird dadurch erzeugt, dass der Sauerstoff sich
mit diesen Stoffen verbindet, also durch eine Art „Verbrennung", welche
übrigens nicht mit einer Wärmeproduction verbunden zu Bein braucht.
Das Leuchten findet sich bei sehr vielen Thieren verschiedener Abtheilungen
(wenn auch die nichtleuchtenden allerdings in grosser Majorität sind) : bei
gewissen Protozoen, Cölenterateu, Stachelhäutern, Borstenwürmern, Krebsen,
Insekten, Muscheln, Mantel thieren, Fischen. — - Mit diesem Leuchtvermögen
lebender Thiere darf das Leuchten todter Thiere, z. B. Fische, nicht
zusammengestellt werden ; letzteres wird durch gewisse Bakterien bewirkt,
wobei es fraglich ist, ob das Licht von den in Zersetzung begriffenen Ge-
weben des Thieres oder von den Bakterien selbst ausstrahlt.
9. Excretions- oder Harnorgane.
Bei den chemischen Processen in den Zellen werden ausser
Kohlensäure auch gewisse andere, besonders stickstoffhaltige, Abfall-
nicht weiter verwendet werden können. Zum Wegschaffen derselben
sind bei der Mehrzahl der Thiere besondere drüsige Organe aus-
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32
Allgemeiner Theil.
gebildet, die Harn- oder Excretionsorgane (Nieren). Diese
treten bei verschiedenen Thieren in ziemlich verschiedener Form auf.
Oft sind die Harnorgano durch lange gewundene Drusenschläuche —
in anderen Fällen durch kürzere Säcke — vertreten , welche an der
Körperoberttäche oder in den hinteren Theil des üarmkanals aus-
münden; das Secret, der Harn, ist entweder ganz flüssig oder ent-
hält feste, körnige oder krystallinisehe Körperchen. Manchmal ist ein
Sack ausgebildet, welcher als Reservoir für den abgesonderten Harn
dient: Harnblase; diese kann z. B. eine erweiterte Partie eines Drüsen-
scblauches oder des Ausführungsganges mehrerer solcher sein. —
Ausserdem besitzen aber bei manchen Thieren andere Organe eine
exeretorische Nebenfunction: bei einigen Borstenwürmern
sondern die Zellen gewisser Abschnitte des Darmkanals feste Con-
cretionen aus, welche ohne Zweifel Harnstoffe sind; Aehnliches gilt
auch für den Enddarm der Räderthiere und für einen Theil der
Zellen der Leber bei den Schnecken etc.
Nicht immer jedoch werden die im Körper gebildeten Abfall-
produkte aus dem Körper weggeschafft ; in einigen (wahrscheinlich in
vielen) Fällen werden sie in Zellen abgelagert, welche keine Verbin-
dung mit der Aussenwelt besitzen. Solches ist z. B. mit gewissen
Fliegenlarven der Fall, bei denen eine Zellenmasse um das Herz sich
findet, in welche Excretionsstoffe abgelagert werden. Bei einer Nackt-
schnecke, deren eigentliche Niere rückgebildet ist. findet man im
ganzen Körper Zellen zerstreut, welche Harnsäure-Öoncremente ent-
halten.
Auch die bei den meisten Thieren in so ausgedehntem Maasse vorhandenen
Pigmentbildungen dürften zum grossen Theil eine exeretorische Bedeutung
besitzen. Es scheinen die Pigmente in manchen Fällen Abfallprodukte dar-
zustellen, welche ähnlich wie die soeben genannten in Zellen dauernd de-
ponirt werden. In anderen Fällen werden regelmässig grosse Pigmentraassen
au 8 dem Körper weggeschafft : bei der Häutung mancher Thicre , bei der
Härung der Säugethiere , bei der Mauser der Vögel werden die in der
Cuticula, resp. den Haaren und den Federn vorhandenen Pigmente aus dem
Körper entfernt. ')
10. Fortpflanzung und Fortpflanzungsorgane
Die Fortpflanzung, die Erzeugung neuer Individuen, erscheint
irn Thierreich in zwei ganz verschiedenen Formen, als ungeschlecht-
liche und als geschlechtliche Fortpflanzung. Wir betrachten
zunächst die erstere. innerhalb welcher wieder die Fortpflanzung durch
Theil ung und durch Sprossung (Knospung) unterschieden
werden.
Die Theilung findet in der Weise statt, dass an dem betreffenden
Individuum Längs- oder Querfurchen aultreten, welche immer tiefer
in den Körper hineindringen und denselben endlich in zwei gewöhn-
lich ungefähr gleich grosse Theile trennen, welche durch Waehsthum
vor, während oder nach der Trennung sich derartig vervollständigen,
dass jeder Theil dem ursprünglichen Individuum gleich wird: seltener
l) Das in der Oberhaut und den Hanren der Säugethiere vorhandene Pigment
wird — jedenfalls zum grossen Theil — nicht an Ort und Stelle gebildet, sondern
durch Wanderzellen, welche aus dem unterliegenden Bindegewebe in die Oberhaut
einwandern, in diese hineingebracht.
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II. Organe.
33
findet die Theilung ohne vorhergehende Einschnürung, als eine plötz-
liche Sprengung des Thieres in zwei Stücke, statt. Die Sprossnil g
ist dadurch von der Theilung abweichend, dass nur ein kleinerer
Theil *) des Körpers des ursprünglichen Individuums durch starkes
Wachsthum sich zu einem neuen Thiere entwickelt, so dass jenes sich
als Mutterindividuum , als erzeugendes, dem Sprössling gegenüber
verhält, "während bei der Theilung die beiden Individuen als gleich-
werthig erscheinen. Uebrigens gehen diese beiden Fortpflanzungs-
formen derartig in einander über, dass es vielfach unmöglich ist, zu
sagen, ob man einer Theilung oder einer Sprossung gegenüber steht.
Wir werden im Laufe der speciellen Darstellung verschiedenen Fällen
der ungeschlechtlichen Fortpflanzung begegnen, besonders (ausser
bei den Protozoen) bei Cölenteraten , Plattwürmern und Borsten-
würmern, seltener bei Stachelhäutern.
Öe.fters sondert sich das durch Theilung oder Sprossung erzeugte
neue Individuum nicht vollständig von dem anderen, sondern bewahrt
einen mehr oder weniger innigen Zusammenhang mit ihm; indem die
Sprossung oder Theilung sich wiederholt, entstellt ein grösserer oder
kleinerer Complex von Thieren, welche sännntlich mit einander in
Verbindung stehen und durch ungeschlechtliche Fortpflanzung aus
einem ursprünglichen Individuum entstanden sind: eine Colonie.
ein Thier stock. Die den Stock zusammensetzenden Individuen
haben in grösserem oder geringerem Grade ihre Selbständigkeit ein-
gebüsst, je nach der mehr oder weniger engen Verbindung mit den
übrigen Individuen des Stockes; vergl. den Spec. Theil. Stock-
bildungen finden sich besonders bei Korallen, Hydroiden, Plattwürmern
und Moosthieren.
SprossuDg, Theilung und Stockbildung kommt in der Regel nicht bei
Wirbelthieren, ebenso wenig wie bei Gliederfüsslern und bei Weichthieren vor.
Die Regel ist jedoch nicht ohne Ausnahmen, ja die erwähnten Fortpflanzungs-
formen können sogar bei den höchsten Wirbelthieren auftreten. Iis beruhen
z. 6. die beim Menschen vorkommenden Zwillingsgeburten zuweilen darauf,
dass sich der Embryo (die Frucht) auf einer sehr frühen Entwicklungsstufe
in einer Weise get heilt hat, welche völlig der Theilung niederer Thiere
entspricht. Ist diese Theilung unvollständig, so wird das Resultat ebenso
wie bei niederen Thieren die Bildung eines Stockes; die bekannten „sia-
mesischen Zwillinge" und ähnliche Phänomene (welche bei den Hausthieren
recht häufig vorkommen) sind durch unvollständige Theilung eines ursprüng-
lich einfachen Individuums auf einer sehr frühzeitigen Entwicklungsstufe
entstanden, sie bilden einen kleinen „Menschenstock". Diese ungeschlecht-
liche Fortpflanzung der Wirbelthiere ist jedoch immer an sehr frühe Stadien
der Entwicklung des Thieres, an das „Fruchtleben w geknüpft, während
das ausgebildete Wirbelthier sich nie in ungeschlechtlicher Weise fortpflanzt.
Regeneration. Mit der ungeschlechtlichen Fortpflanzung nahe verwandt
ist das Vermögen, durch Neubildung Körpertheile zu ersetzen (regeneriren),
welche durch äussere Eingriffe verloren gegangen sind, was durch Wachs-
thum von den dem Defect am nächsten befindlichen Gewebepartien geschieht.
Dieses Vermögen besitzen die verschiedenen Thiere in sehr verschiedenem
Grade. Sehr gering ist es z.B. bei den Säugethieren, welche verloren gegangene
Hautpartien und Aehnliches durch Regeneration ersetzen können, während
') Welcher jedoch immer Theile, die aus den verschiedenen Keimblättern
(vergl. den Abschnitt über Jßntwicklung) stamm™, enthalten mus«.
Bon, Zoologie. 3
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34
Allgemeiner Theil.
der Verlust grösserer Theile des Organismus (z. B. des Schwanzes, der
Gliedmaassen) nicht ersetzt wird. Grösser ist es bei gewissen niederen
Wirbelthieren , z. B. bei den Eidechsen , bei denen der Schwanz sich re-
generiren kann, oder bei den Wassersalamandern , welche nicht nur einen
neuen Schwanz, sondern auch neue Gliedmaassen bilden können. Bei wirbel-
losen Thieren, sogar bei einem verhältnissmässig so complicirten Geschöpf
wie dem Regenwurm, können sich grosse Stücke des Körpers regeneriren ;
ja bei einigen Thieren ist das Regenerationsvermögen so gross, dass sie, in
zwei oder mehrere Stücke zerschnitten, zu ebenso vielen neuen Individuen
auswachsen (das bekannteste Beispiel in dieser Richtung bietet der Süss-
wasserpolyp dar).
Während die ungeschlechtliche Fortpflanzung bei einigen Thier-
formen auftritt, bei anderen fehlt, besitzen dagegen alle Meta-
zoen eine geschlechtliche Fortpflanzung:, deren wesentlicher Cha-
rakter darin besteht, dass ei im; einzige Zelle sich zu einem
neuen Individuum entwickelt, gewöhnlich nachdem dieselbe mit einer
anderen Zelle verschmolzen ist, welche entweder in demselben Indi-
viduum oder in einem anderen derselben Art gebildet ist. An ge-
wissen Stellen des Körpers findet bei vielen thierischen Organismen
eine Entwicklung eigenthümlicher, gewöhnlich ziemlich grosser Zellen
statt, welche als Eier bezeichnet werden. Ferner entwickelt sich —
bei denselben oder anderen Individuen — eine andere Art von Zellen,
gewöhnlich von geringer Grösse und eigenthüralichem Aussehen,
welche als Samenkör perchen oder Spermatozoon bezeichnet
werden. Wenn ein Ei und ein Samenkörperchen, welche in Organismen
derselben thierischen Art ') gebildet sind, mit einander in Berührung
kommen, so dringt das Samenkörperchen in das Ei ein. der Kern
des ersteren verschmilzt mit dem Kern des Eies, der übrige Theil
des Körperchens löst sich im Protoplasma des Eies auf, und die
durch die Verschmelzung der beiden Zellen gebildete neue Zelle,
das befruchtete Ei, wie es genannt wird, entwickelt sich durch
eine Reihe von Umbildungen, welche wir später (Abschnitt IV) näher
betrachten werden, zu einem neuen Individuum derselben Art wie
diejenige, welcher das Ei und dns Samenkörperchen entstammen.
Diejenigen Individuen, welche Eier erzeugen, werden als Weib-
chen diejenigen, in welchen Samenkörperchen gebildet werden,
als Männchen (3) bezeichnet; diejenigen Thiere, welche beides er-
zeugen, nennt man Zwitter oder Hermaphroditen. Falls ein
Thier — was seltener der Fall ist — es nie dazu bringt, Eier oder
Samenkörperchen zu produciren, wird es als ungeschlechtlich
bezeichnet.
Bei verschiedenen niederen Thieren (Cölenteraten etc.) ist die
Bildung der Eier und Samenkörperchen nicht an bestimmte Organe
geknüpft, sondern an verschiedenen Stellen des Körpers können Zellen
sich zu Eiern oder Spermatozoon entwickeln. Bei den meisten Thieren
werden die Eier jedoch in mehr oder weniger bestimmt abgegrenzten
Organen gebildet, welche als Eierstöcke oder Ovarien bezeichnet
werden, und von welchen in demselben Individuum ein einziges, ein
Paar oder eine grössere Anzahl vorhanden sein können. Der Bau
der Eierstöcke ist bei verschiedenen Thiergruppen ziemlich verschieden,
sie stimmen jedoch insofern mit einander überein, als sie Eizellen von
') Vergl. den Abschnitt V.
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II. Organe.
35
verschiedenem Entwicklungsgrade enthalten , welche meistens durch
Bindegewebe zusammengehalten werden. Die Eierstöcke stehen ge-
wöhnlich mit Eileitern in Verbindung, welche die reifen Eier aus
dem Körper hinausführen und nicht selten zugleich als vorläufige
Aufbewahrungsstelle derselben dienen. In den Eileiter münden öfters
besondere Drüsen, die z. B. das Eiweiss absondern, welches bei
manchen Thieren das Ei umgiebt, oder deren Secret in erhärtetem
Zustande die häufig vorhandene Eischale bildet. Vielfach sind auch
sackförmige Ausstülpungen am Eileiter vorhanden, in welchen die bei
der Paarung aufgenommenen Samenkörperchen aufgehoben werden
(Samentasche, Receptaculura seminis); nicht selten ist ferner ein
Abschnitt des Eileiters zu einem Uterus (Gebärmutter) erweitert,
in welchem die Eier längere oder kürzere Zeit verweilen und öfters
einen grösseren oder kleineren Theil ihrer Entwicklung durchlaufen.
Häufig besteht, wie bei den meisten Wirbelthieren, kein unmittelbarer
Zusammenhang zwischen Eierstock und Eileiter; letzterer ist dann
ein an beiden Enden offenes Rohr, welches mit einer trichterförmigen
Oeffnung in die Leibeshöhle mündet; die Eier gelangen aus dem
Eierstock in die Leibeshöhle und werden von dem genannten Trichter
aufgenommen. Bisweilen fehlt ein besonderer Eileiter völlig, so bei
vielen Borstenwürmern , und die Eier werden dann aus dem Körper
durch Organe ausgeführt, deren Hauptfunction eine andere ist (bei den
Borstenwürmem von den Excretionsorganen), oder sie gelangen ein-
fach durch ein Loch in der Leibeswand nach aussen. — Die Organe,
in denen die Samenkörperchen, der Samen, gebildet werden, werden
als Hoden bezeichnet. Sie bestehen häufig aus drüsenähnlichen
Röhren, welche sich zu einem Samenleiter vereinigen, durch
welchen der Samen aus dem Körper geführt wird; sie können wie
die Eierstöcke in verschiedener Anzahl vorhanden sein. Der Samen-
leiter kann mit Drüsen ausgestattet sein, deren Secret dein Samen
beigemengt wird. Oefters finden sich an der Geschlechtsöffnung be-
sondere Anhänge, welche dazu geeignet sind, den Samen in die Ei-
leiter des Weibchens überzuführen (Begattungswerkzeuge, Penis). —
Bei den Hermaphroditen findet man entweder einen besonderen
Eierstock (oder mehrere solche) und einen besonderen Hoden, oder
eine gemeinsame Zwitterdrüse1), in welcher sowohl Eier als
Samenkörperchen gebildet werden. — Alle Organe, welche der ge-
schlechtlichen Fortpflanzung dienen, werden als Geschlechts-
organe bezeichnet.
Bei manchen Hermaphroditen werden zu gleicher Zeit reife Eier und
Samenkörperchen erzeugt. Bei anderen werden aber entweder zuerst Eier,
später Samenkörperchen gebildet, so dass die betreffenden Thiere zuerst als
Weibchen, später als Männchen fungiren (protogyne Hermaphroditen,
2. B. die Salpen), oder sie erzeugen zuerst Samen, später Eier (prot-
andrischeH. , z. B. gewisse Nematoden).
Das Ei ist, wie schon oben erwähnt wurde, eine einzige Zelle.
Dieselbe besitzt vielfach einen sehr einfachen Bau , besteht aus
Protoplasma mit einem centralen rundlichen Kern, dem Keim-
bläschen, in welches meistens ein deutliches Kernkörperchen, der
') Hoden und Eierstock werden mit dem gemeinsamen Namen Geschlechts-
drüsen bezeichnet. Es versteht sich, dass aas Wort „Drüse" hier wie öfters in
unpassender Weise gebraucht wird; Eierstock. Hoden, Zwitterdrüse sind keine
Drusen.
8*
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36
Allgemeiner Theil.
sogenannte Keimfleck, eingeschlossen ist; das ganze Ei ist meist
von rundlicher Form ; zuweilen führt es amöboide Bewegungen aus.
In der Regel sind die Bewegungen jedoch dadurch begrenzt, dass das
Ei von einer dünneren oder dickeren Hülle, der Dotter- oder Ei-
haut, umschlossen ist; diese ist zuweilen mit einer Ocffnung, der
Mikropyle, versehen, durch welche das Saiuenkörperchen in das
Fi«. 20. Ki de* Men-
schen, n Kiliant, b l'ru-
tonhumm. e Kern.
Nach Kölliker.
h
d
21. Schema
einen Kies mit einer
grossen Menge von
Dotterkugeln, d; «las
Protoplasma, h, mit
«lein Kern, c, gröbsten -
tlieils au einem Pul
Ita— mmeit. — Nach
Hartwig.
Ei eindringt. — In anderen Fällen erreicht das Ei dadurch eine be-
deutendere, zuweilen kolossale Grösse, dass sich im Protoplasma eine
Menge fett- oder eiweissartiger Körperchen von verschiedener Form :
D o tter körnchen, -kugeln, -plättcheu, ausgeschieden haben; solches
ist z. B. beim Frosch und noch mehr bei den Vögeln der Fall, deren
Ei — nach gewöhnlichem Sprachgebrauch als Eidotter bezeichnet ') —
eine kolossale Zelle ist, welche aus einer kleinen Menge Protoplasma
und einer ungeheuren Menge Dotterkügelcheu besteht; letztere bilden
den weitaus grösseren Theil des Eies, das Protoplasma mit dem
Kern ist hauptsächlich auf der einen Seite des Eies gelagert. In
anderen Fällen ist das Protoplasma, wie bei Insekten und Krebs-
thieren, dagegen über die ganze Oberfläche des Eies ausgebreitet und
umgiebt überall die innere, wesentlich aus Dotterkügelcheu bestehende
Masse.
Als ein Abschluss der Entwicklung der Eizelle finden in dein übrigenB
fertig ausgebildeten Ei eigentümliche Umbildungen des Kerns statt, durch
welche der Kern einen Theil seiner Substanz verliert und somit von ge-
ringerer Grösse wird. Meistens ist diese Umbildung von der Erzeugung so-
genannter P o 1 z e 1 1 e n oder Richtungskörperchen begleitet , welche
Gebilde, aus T heilen des Kernes und etwas Protoplasma bestehend, aus
dem Ei ausgestosaen werden. Die Bedeutung dieses Processes ist noch
räthselhait.
Das Samenkörperchen ist ebenso wie das Ei eine einzige,
meistens ziemlich kleine Zelle. Nur in selteneren Fällen hat es
jedoch eine so einfache Form wie das Ei; bei gewissen Krebsthieren
(Fig. 22, l) findet man z. B. Samenkörperchen . welche einfache,
rundliche Zellen sind mit centralem Kern, und Aehnliches ist auch
bei gewissen Rundwürmern (z. B. Heterodera) der Fall, deren Samen-
körperchen sogar Pseudopodien aussenden können und sich amöben-
artig fortbewegen. In der Regel ist das Samenkörperchen mit einem
sehr langen kräftigen Wimpergeissel , dem sogenannten Schwanz,
versehen, während der Kern zu dem sogenannten Kopf des Samen-
') Eiweiss und Schale des Vogeleies sind Absonderungsproducte des Eileiters
und gehören somit eigentlich nicht zum Ei.
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II. Organe. 37
körperchens umgebildet ist; der übrige Theil des Protoplasmas
schwindet während der Entwicklung des Samenkörperchens ; durch
Schwingungen des Schwanzes wird das Samenkörperchen lebhaft
fortbewegt. In einigen Fällen, wie bei manchen Krebsthieren, fehlt
Fig. 22. Spermatozoon verschiedener Thiere, / eine» Krebses
fT/iysanoputJ, 2 einer Krabbe, 3 des Menschen, 4 einen Sala-
manders (mit einem Saum längs des Wimperhaares), 5 eines
Küfers, h Kopf (Kern). — Nach verschiedenen Autt.
das Wimperhaar , das Protoplasma erhält sich in grösserem oder
kleinerem Maasse und ist in längere oder kürzere Fortsätze aus-
gezogen (Fig. 22, 2). Andere Formen sind in Fig. 22, 4—5 abgebildet.
Die Befruchtung, welche übrigens nur in wenigen Fällen voll-
ständig beobachtet worden ist, findet in der Weise statt, dass ein
Samenkörperchen in das Ei eindringt, in dessen Protoplasma der
Schwanz dann aufgelöst wird, während der Spermatozoenkopf mit
dem Kern des Eies verschmilzt. Die Befruchtung findet in vielen
Fällen, so bei den meisten Fischen, bei den Fröschen etc., ausserhalb
des Körpers der betreffenden Individuen, im Wasser, statt: das
Weibchen giebt die reifen Eier, das Männchen gleichzeitig oder kurz
nachher den Samen ab; beiderlei Geschlechtsstofte werden gemischt,
und die Samenkörperchen haben Gelegenheit, in die Eier einzudringen.
In anderen Fällen findet die Befruchtung im Eileiter des Weibchens
statt, in welchen der Samen durch die Begattungswerkzeuge des
Männchens übergeführt wird (die Begattung).
SecundHre Gosen lechtscharakterc. Die geschlechtliche Fort-
pflanzung, deren Hauptraomente oben erwähnt sind, greifen in der
mannigfaltigsten und tiefsten Weise in den Bau der Thiere ein.
Vielfach findet man ausser den Verschiedenheiten der Geschlechts-
organe (den primären Geschlechtscharakteren) auch in anderen Be-
ziehungen einen bedeutenden Unterschied zwischen Männchen und
Weibchen derselben Art (secundäre Geschlechtscharaktere). Oefters
*ind die Männchen mit besonderen Werkzeugen oder besonders
entwickelten Körpertheilen ausgestattet, welche dazu geeignet sind
das Weibchen während der Paarung festzuhalten (Wasserkäfer);
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38
Allgemeiner Theil.
oder sie besitzen besondere Waffen, um andere paarungslustige Männ-
„ eben zu bekämpfen (Hirsche); oder die Männchen besitzen einen
besonderen Schmuck in Gestalt schöner Farben, eigenthümlicher
Auswüchse etc. (viele Vögel). Andererseits können die Weibchen
mit Werkzeugen, welche für die Erziehung der Jungen von Be-
deutung sind, versehen sein (Milchdrüsen der Säugethiere), während
die Männchen seltener mit solchen ausgestattet sind (Seenadeln).
Oefters ist ein merklicher oder gar bedeutender Unterschied in
der Grösse beider Geschlechter vorhanden ; zuweilen übertrifft das
Männchen das Weibchen an Grösse (viele Säugethiere, Vögel und
Insekten), in anderen Fällen ist das Weibchen (Raubvögel, 'kund-
würmer etc.) das grössere; in letzterem Fall ist der Unterschied zu-
weilen ausserordentlich gross, so bei vielen Schmarotzerkrebsen,
deren Männchen nur einen geringen Bruchtheil der Grösse der
Weibchen erreichen, oder bei einem Gliederwurm (Bonellia), dessen
Männchen mikroskopisch klein sind und ganz anders aussehen als
die ansehnlichen Weibchen, in deren Eileiter sie sich aufhalten, wess-
halb sie früher als fremde Schmarotzer betrachtet wurden.
Parthenogenesis. Die Entwicklung des Eies zu einem neuen In-
dividuum ist, wie oben erwähnt, im Allgemeinen davon abhängig, dass
es befruchtet wird; wenn kein Samenkörperchen in dasselbe ein-
dringt und mit ihm verschmilzt, so wird im Allgemeinen eine weitere
Entwicklung ausbleiben. Man hat früher angenommen, es sei ein
unumstössliches Gesetz, dass das Ei sich ohne Befruchtung nie zu
einem neuen Individuum entwickeln könne. Durch Erfahrungen, welche
in den letzten Decennien gemacht sind, ist es jedoch nachgewiesen
worden, dass die Regel Ausnahmen hat, indem die Eier gewisser
Thiere sich auch ohne Befruchtung entwickeln können; man
bezeichnet diese Modifikation der geschlechtlichen Fortpflanzung als
Parthenogenesis. Dieselbe ist besonders bei Insekten, Krebs-
thieren und gewissen Plattwürmern verbreitet. Bei einigen Thieren
(Seidenspinner) kommt die Parthenogenese mehr als Ausnahme vor :
unbefruchtete Eier entwickeln sich nur zuweilen , nicht immer. Bei
anderen ist die Parthenogenese dagegen eine ganz regelmässige Er-
scheinung, so bei der Honigbiene, deren Eier, wenn sie nicht be-
fruchtet werden, sich stets zu Männchen entwickeln, während die be-
fruchteten Eier zu Weibchen werden. Bei anderen Formen entwickeln
sich überhaupt die meisten Individuen aus unbefruchteten Eiern,
indem nur hin und wieder Männchen erscheinen ; oder es kann sogar
dazu kommen, dass Männchen überhaupt — so weit bekannt — fehlen,
so dass die Eier scheinbar stets unbefruchtet abgelegt werden (was
z. B. bei gewissen Gallwespen der Fall ist).
Generationswechsel. Bei einigen Thierformen findet man. dass
dasselbe Individuum sich sowohl ungeschlechtlich als geschlechtlich
fortpflanzen kann; bei manchen Korallenthieren kann dasselbe Indi-
viduum sowohl neue Individuen durch Sprossung als auch Eier oder
Samen erzeugen, und dasselbe ist auch bei gewissen Borstenwürmern
und Mantclthieren der Fall. In anderen Fällen aber produciren die-
jenigen Individuen, welche Sprossen erzeugen, nicht zugleich Eier
oder Samen, die ungeschlechtliche Fortpflanzung ist an gewisse Indi-
viduen der Art, die geschlechtliche an andere geknüpft, und wir haben
in solchen Fällen einen mehr oder weniger regelmässigen Wechsel
ungeschlechtlicher und geschlechtlicher Brüten oder Generationen:
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II. Organe.
39
ungeschlechtliche Individuen erzeugen durch Sprossung oder Theilung
geschlechtliche Individuen, deren hefruchtete Eier wieder zu unge-
schlechtlichen Individuen werden etc.; oder aber es folgen nach ein-
ander zwei oder mehrere Generationen ungeschlechtlicher Individuen,
dann kommt eine geschlechtliche Generation, dann wieder mehrere
ungeschlechtliche Generationen etc. Man bezeichnet einen solchen
regelmässigen Wechsel geschlechtlicher und ungeschlechtlicher Brüten
als Generationswechsel. Die Generationen können in einigen
Fällen einander ähnlich sein, im Allgemeinen sind die geschlechtlichen
aber von den ungeschlechtlichen, oft sogar in hohem Grade; verschieden
(Hydroiden, Bandwürmer).
Hetcrogonle. Aehnlich wie wir in den soeben erwähnten Fällen
eine regelmässige Abwechslung geschlechtlicher und ungeschlechtlicher
Generationen vor uns haben, findet sich bei manchen Thieren ein
regelmässiger Wechsel von Generationen, welche ausschliesslich aus
Weibchen bestehen und sich parthenogenetisch fortpflanzen, und
anderen, welche aus Männchen und Weibchen bestehen und be-
fruchtete Eier erzeugen; zwischen den jungfräulichen und den
zweigeschlechtlichen Generationen besteht dabei meistens ein grösserer
oder kleinerer Unterschied. In einfacher, übersichtlicher Form finden
wir einen solchen Wechsel bei mehreren Arten von Gallwespen,
welche auf der Eiche Gallen erzeugen: eine weibliche Generation
wechselt hier regelmässig mit einer aus Männchen und Weibchen
bestehenden Generation ab; beide Generationen sind etwas, wenn auch
nicht sehr erheblich verschieden, während die Gallen, welche sie er-
zeugen, meistens sehr verschieden sind. Etwas complicirter gestaltet
sich die Fortpflanzung bei den Blattläusen; bei diesen erscheinen den
Sommer hindurch mehrere weibliche Generationen nach einander, von
welchen die letzte eine zweigeschlechtliche Generation erzeugt, deren be-
fruchtete Eier überwintern und zu der ersten jungfräulichen Generation
des folgenden Jahres werden ; zu jeder zweigeschlechtlichen haben wir
also bei diesen mehrere weibliche Generationen. Bei der Reblaus
haben wir noch dazu die Oomplication . dass nicht nur die zwei-
geschlecbtliche Generation von den weiblichen sehr verschieden, son-
dern unter letzteren eine von den übrigen bedeutend verschieden
ist. — Ausser bei den Insekten tritt ein solcher Wechsel weiblicher
und zweigeschlechtlicher Generationen noch bei verschiedenen Krebsen
und Plattwürmcrn auf.
Bei denjenigen Thieren, welche sich nur durch befruchtete Eier
fortpflanzen, sind die auf einander folgenden Generationen fast immer
gleich. Nur ausnahmsweise findet sich bei solchen in Folge besonderer
Lebensbedingungen ein regelmässiger Wechsel von Generationen ver-
schiedenen Aussehens. Bei gewissen Schmetterlingen z. B. findet man
alljährlich zwei (oder drei) Generationen, beide aus Männchen und
Weibchen bestehend, von welchen eine, die Wintergeneration, im
Frühling als vollkommene Insekten erscheint (sie hat im Puppenzustande
überwintert) und in Farbenzeichnung merklich von der anderen Gene-
ration, der Sommergeneration, sich unterscheidet, welche sich aus
den Eiern der ersteren im Laufe des Sommers entwickelt (Saison -
dimorphismus). — In der Lunge der Frösche und Kröten lebt ein
hermaphroditischer Rundwurm (Rhabdonema nigrovenosum), dessen
Junge sich zu einer Generation entwickeln, welche freilebend und ge-
trennten Geschlechts ist und wesentlich anders aussieht als die herma-
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40
Allgemeiner Theil.
phroditische Generation; die Jungen der freilebenden Generation
wandern wieder in Amphibien ein und werden herraaphroditische
Würmer wie ihre Grosseltern. Auch einige andere Rundwürmer zeigen
dasselbe Verhältniss : einen Wechsel einer hermaphroditischen Gene-
ration, welche ein Schmarotzerleben führt, und einer getrennt-
geschlechtlichen, freilebenden Generation.
Alle solche regelmässigen Wechselfolgen geschlechtlicher Genera-
tionen, welche von verschiedenem Aussehen oder verschiedenem Ver-
halten sind, werden mit dem gemeinsamen Namen Heterogonie
bezeichnet.
Erblichkeit. Die von einem Thier oder einem Paare vonThieren
erzeugte Brut wird im Allgemeinen im ausgebildeten Zustande den
Eltern ganz ähnlich sein. Diese Aehnlichkeit erstreckt sich nicht
allein auf die Charaktere, welche der betreffenden Art (vergl. den Ab-
schnitt V) eigen sind, sondern vielfach auch auf solche, welche den
Eltern speciell, individuell, angehören. Solche Charaktere werden
zwar nicht immer ererbt, einige können ausfallen; vielfach kann auch
das Junge entweder mehr dem männlichen oder mehr dem weiblichen
Erzeuger ähnlich sein. Ferner kann das Junge, z. B. unter Ein-
wirkung äusserer Umstände, in kleinen Punkten von den Eltern ab-
weichend werden.
Zuweilen findet man, dass Charaktere, welche bei einem Thiere
vorhanden waren, welche aber bei dessen Jungen ausgefallen sind,
bei Jungen der letzteren wieder zum Vorschein kommen; ein Thier
kann also individuelle Charaktere erhalten, welche nicht bei den
Eltern, sondern bei den Grosseltern vorhanden waren; ja es können
sogar Charaktere, welche noch weiter zurück in der Ahnenreihe
liegen, wieder erscheinen. Dieses Verhältniss wird als Atavismus
bezeichnet.
Die oben als Generationswechsel und Heterogonie erwähnten
Erscheinungen stehen nicht in Widerspruch mit dem allgemeinen
Erblichkeitsprincip. Wenn auch in jenen Fällen die Jungen den
Eltern unähnlich, zuweilen sogar sehr unähnlich werden, so stimmen
sie doch immer mit einer vorhergehenden Generation überein; etwas
bleibend Abweichendes wird somit auch nicht in diesen Fällen, welche
vielleicht sämintlich als regelmässige Atavismen bezeichnet werden
können, erzeugt.
11. Die Verbindung der Organe unter einander ; die Leibeshöhle.
Die oben erwähnten Organe bilden zusammen den Körper der
Metazoen und werden gewöhnlich durch Bindegewebe zusammengehalten,
welches bei manchen auch die Zwischenräume zwischen den Organen
ausfüllt, so dass das ganze Thier eine compacte Masse bildet (so
bei den Plattwürmern). Bei den meisten Thieren sind die Organe
jedoch nicht derartig zu einer zusammenhängenden Masse verbunden,
sondern es findet sich im Innern des Körpers ein grösserer Raum,
die Leibeshöhle, in welche ein Theil der Organe, namentlich der
Darmkanal, die Harn- und Geschlechtswerkzeuge, eingeschlossen sind,
indem sie meistens durch bindegewebige Fäden oder dünne binde-
gewebige Platten (Gekröse) an den Wänden befestigt sind. Die Leibes-
höhle kann öfters durch Scheidewände in mehrere Abschnitte ge-
schieden sein: bei den Sängethieren z. B. durch das Zwerchfell in
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II. Organe.
41
Brust- und Bauchhöhle; bei den Borsten würmern sogar durch Quer-
scheidewände in zahlreiche Abschnitte. Die Leibeshöhle wird meistens
mehr oder weniger vollständig von den in derselben angebrachten
Organen, „den Eingeweiden", ausgefüllt; den noch übrigen Raum
nimmt eine Flüssigkeit ein, welche zuweilen einfach Blut ist, indem
die Gefässe vielfach in offener Verbindung mit der Leibeshöhle
stehen. — Ausser der Leiheshöhle können bei manchen Thieren noch
an verschiedenen Stellen des Körpers Hohlräume, meistens Spalten,
von verschiedener Form. Grösse und Bedeutung vorhanden sein, welche
ebenfalls mit einer Flüssigkeit gefüllt sind, die meistens als diffundirte
Blutflüssigkeit aufzufassen ist. Solche Spalträume sind die Gelenk-
höhlen der Wirbelthiere.
12. Rudimentäre Organe.
Neben der grossen Mehrzahl von Organen, welche ganz deutlich
Werkzeuge mit bestimmten Functionen sind, findet man hin und
wieder Organe, welche ohne jegliche Bedeutung für das betreffende
Thier sind, sogenannte rudimentäre Organe.
Als Beispiel solcher Organe kann die Hintergliedmaasse des Grön-
landswales angeführt werden, welche aus einem Oberschenkelknochen
und einem Schienbein besteht, die beide im Körper des Thieres ver-
borgen und gänzlich bedeutungslos sind. Die sogenannten Wolfszähne
des Pferdes (der vorderste Backenzahn jeder Reihe) bieten ein weiteres
Beispiel rudimentärer Organe ; besonders geben diejenigen des Unter-
kiefers einen Fall von sehr weit hervorgeschrittener Reduction ab,
indem sie zwar in gewöhnlicher Weise angelegt werden, aber sehr
selten durchbrechen. Die Augen des Schleimfisches (Mt/xine), des
Olmes (Proteus) und zahlreicher anderer blinder Thiere, die Flügel
des Kiwi (Apteryx) und mehrerer anderer straussartiger Vögel, die
ganz kurzen Hinterflügel verschiedener flugunfähiger Käfer sind Bei-
spiele rudimentärer Organe.
Es mag sonderbar erscheinen, dass solche rudimentäre, für das
Thier bedeutungslose Organe überhaupt existiren. Bei einer näheren
Betrachtung wird ihre Existenz aber weniger unverständlich. Die
rudimentären Organe, welche jetzt unbrauchbare Theile des be-
treffenden Thieres sind, waren bei früher lebenden Formen, von welchen
jenes abstammt (vergl. den Abschnitt V). brauchbare und nützliche
Theile, welche aber während der Entwicklung im Laufe der Zeiten,
gewöhnlich unter Anpassung der Thiere an eigenthümliche und neue
Verhältnisse, unnütz geworden und dadurch zu einem reducirten und
unbrauchbaren Zustand herabgesunken sind. Man muss z. B. an-
nehmen, dass die Wale von Säugethieren abstammen, welche ebenso
wie die Mehrzahl der Säugethiere mit wohl entwickelten Hinterglied-
maassen ausgestattet waren ; diese sind aber allmählich unter Anpassung
der Thiere an das Leben im AVasser verkümmert, indem der Schwanz
die Function als das wesentliche Bewegungswerkzeug des Körpers
übernommen hat. Eine ganz ähnliche Betrachtung lässt sich auch
für die anderen oben citirten Fälle geltend machen.
Jedoch nicht für jedes rudimentäre Organ gilt diese Erklärung. Solche
Theile wie die rudimentären Milchdrüsen der Säugethiermännchen . der
rudimentäre Eileiter der Amphibienmännchen , die Rudimente eines Be-
gsttungsorganes bei manchen weiblichen Thieren etc. sind in anderer
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42
Allgemeiner Theil.
Weise zu erklären. Diese Theile, welche immer bei dem anderen Geschlecht
desselben Thieres in wohl entwickeltem und brauchbarem Zustande vor-
handen sind, wurden wahrscheinlich durch Vererbung von dem einen
Geschlecht — demjenigen, welches dieselben wohl entwickelt besitzt — auf
das andere übertragen. Die Milchdrüsen sind z. B. wahrscheinlich zunächst
nur bei den Weibchen vorhanden gewesen und von diesen dann auch auf
die Männchen vererbt worden ; umgekehrt sind z. B. die Begattungsorgane
der Eidechsen und Schlangen zuerst wohl nur bei den Männchen vorhanden
gewesen, daun aber in rudimentärem Zustande auch auf die Weibchen
übertragen worden.
III. Grundformen und äussere Gestaltung
des Körpers.
Bei einer kleineren Anzahl von Metazoen — Cölenteraten und
Stachelhäutern — ist der Körper derartig gebaut, dass er durch ge-
wisse Schnitte in eine Anzahl ungefähr congruenter, radiär gestellter
Stücke, Strahlen (Antimeren), getheilt werden kann; diese Thiere
besitzen einen radiären oder strahligen Bauplan. Die einzelnen
Organe eines solchen Thieres müssen natürlich entweder ebenfalls
einen radiären Bau besitzen oder iu einer Anzahl vorhanden sein,
welche derjenigen der Strahlen entspricht.
Die meisten Metazoen besitzen dagegen einen bilateralen
Typus: der Körper kann durch einen einzigen Schnitt in zwei ungefähr
gleich grosse Stücke getheilt werden , welche einander spiegelbildlich
gleich, aber nicht congruent sind; die Körpertheile sind hier sym-
metrisch in Bezug auf eine Mittelehene geordnet.
Einer dieser Typen beherrscht den Bau jedes Metazoons. Mit
voller mathematischer Strenge sind sie natürlich niemals durchgeführt,
in vielen Fällen sind sie aber in den grösseren Zügen überall im
Körper des Thieres deutlich ausgeprägt. In anderen Fällen sind die
Abweichungen augenfälliger; bei manchen Stachelhäutern z. B. kann
der Körper in fünf Abschnitte getheilt werden, welche zwar in vielen
Punkten übereinstimmende Verhältnisse darbieten , aber weit davon
entfernt sind, congruent zu sein. In ähnlicher Weise geht es mit
vielen bilateralen Thieren; bei den Wirbeltbieren sind z. B. gewöhn-
lich die meisten Organe symmetrisch gebaut oder angeordnet, hiervon
macht aber in der Regel der grösste Theil des Darmkanals des er-
wachsenen Thieres eine Ausnahme (beim Embryo ist auf einer frühen
Entwicklungsstufe auch der Darmkanal symmetrisch). Noch weit ab-
weichender gestalten sich die Verhältnisse bei anderen, indem der
symmetrische Typus nur iu gewissen Partien des Körpers deutlich ist.
während er in grösseren Abschnitten desselben nur schwierig erkenn-
bar ist (Schnecken).
In gewissen Thiergruppen zerfällt der bilateral symmetrische
Körper in eine Reihe von Segmenten (Metameren), aufeinander-
folgenden Abschnitten, welcho einen ähnlichen Bau besitzen. In ihrer
einfachsten Form findet man die Segmentbildung bei manchen Glieder-
würmern, deren Körper aus einer Anzahl sogenannter Glieder oder
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III. Grundformen und äussere Gestaltung des Körpers.
43
Ringe zusammengesetzt ist, welche äusserlich und innerlich, wenn
man von dem vordersten und dem hintersten Glied absieht, wesentlich
übereinstimmend gebaut sind (jedes Glied enthält ein Paar Excretions-
organe, ein Paar Nervenknoten, ist mit zwei Borsten fusspaaren aus-
gestattet etc.). Bei den Gliederfüsslern ist der Körper ebenfalls in
Glieder gesondert, welche aber meistens weniger gleichraässig aus-
gebildet sind, wenn auch ein gemeinsamer Plan im Baue der meisten
Segmente deutlich zu erkennen ist. In ähnlicher Weise verhalten sich
auch die Segmente, welche man im Wirbelthierkörper wahrnehmen
kann ; bei diesen ist die Segmentirung aber äusserlich nicht angedeutet
und überhaupt nur in gewissen Organsystemen, namentlich im Skelet,
ausgeprägt, während andere Organe von der Segmentirung immer un-
berührt bleiben (was auch bis zu einem gewissen Grade für die Arthro-
poden gilt).
Bei den bilateralen Thieren unterscheidet man eine Rücken- und
eine Bauchseite, ferner ein Vorderende und ein Hinterende. Die
Bauchseite ist diejenige Seite des Körpers, welche während der
Bewegung des Thieres nach unten gekehrt ist. die Rückenseite
die jener entgegengesetzte; oder richtiger: diejenige Seite des Körpers,
welche bei der Mehrzahl der zu einer grösseren natürlichen Abtheilung
angehörigen Thiere nach unten gekehrt ist, wird bei sämmtlichen
Mitgliedern derselben als Bauchseite, die gegenüberliegende als Rücken-
seite bezeichnet. Bei den Schnecken ist z. B. im Allgemeinen die-
jenige Seite nach unten gekehrt, welche mit dem sogenannten Fuss
ausgestattet ist; diese Seite des Körpers wird dann bei allen Schnecken
als die Bauchseite bezeichnet, auch bei denjenigen, bei welchen sie,
wie es bei gewissen pelagischen Formen der Fall, nach oben ge-
wendet ist. — Das Vorderende ist dadurch charakterisirt, dass die
Mundöffnuug, gewisse Sinnesorgane und ein grösserer Abschnitt des
Centrainervensystems (das Gehirn) meistens an und in ihm angebracht
sind, und dass es während der Bewegung gewöhnlich nach vorn ge-
richtet ist ; der vordere Theil ist öfters von dem übrigen Körper
abgesetzt oder in anderer Weise in einem gewissen Gegensatz zu dem-
selben entwickelt, und wird dann als Kopf bezeichnet. — Nicht
selten ist auch der entgegengesetzte, hintere Theil des Körpers eigen-
thümlich ausgebildet, z. B. dünner als der übrige Körper oder besonders
niusculös, und wird dann als Schwanz bezeichnet.
Als Gliedmaassen bezeichnet man bewegliche Körperanhänge,
welche im Dienste der Ortsbewegung stehen; meistens sind sie von
gestreckter Form, oft gegliedert. Bei den niederen Thieren spielen
derartige Theile gewöhnlich nur eine geringere Rolle, während sie
bei den Gliederfüsslern und bei den höheren Wirbelthieren als Be-
wegungswerkzeuge in den Vordergrund treten. (Dasjenige Ende einer
Gliedmaasse, welches, wenn die Gliedmaasse ausgestreckt ist, vom
Körper am entferntesten ist, wird das distale Ende, dasjenige,
welches dem Körper am nächsten liegt, das proximale Ende ge-
nannt.) — Andere grössere Körperanhänge sind die meistens als Tast-
oder Greifwerkzeuge verwendeten Tentakel, Antennen etc. ver-
schiedener Thiere. (Vergl. auch das unter „Haut" Mitgetheilte.)
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44 Allgemeiner Theil.
IV. Entwicklungsgeschichte (Embryologie
oder Ontogenie).
Die Entwicklungsgeschichte behandelt die Entwicklung
vom Ei bis zum fertigen Orgunismus, d. h. die Veränderungen, welche
das Individuum durchläuft, bis es seine definitive Form erreicht hat.
Streng genommen ist das Thier übrigens sein ganzes Leben hindurch
in Umbildung begriffen, und die Entwicklungsgeschichte sollte dem-
nach eigentlich den ganzen Lebenslauf umfassen. Praktisch beschränkt
man sie aber auf die erste Periode des Lebens, in welcher die Ver-
änderungen weitaus augenfälliger sind als später.
Ebenso wie das Ei stets eine Zelle ist, wenn auch eine Zelle
von sehr verschiedener Ausbildung und Grösse, so finden wir auch,
dass die ersten Entwicklungsstufen, welche das befruchtete
Ei durchläuft, bei allen Metazocn gewisse gemeinsame Hauptzüge
darbieten.
1. In den einfachsten Fällen fängt die Entwicklung damit an,
dass das Ei sich in zwei ungefähr gleich grosse Zellen theilt, jede der
letzteren theilt sich wieder, durch radiär gestellte Theilungsebenen,
in zwei etc., so dass das Resultat der F u r c h u n g , wie dieser Theilungs-
/ 2 3
Fig. '23. Stufen der Entwicklung «lex Eies einer Ncntertinc (fJneus). / Das Ei ist
in zwei Zellen getheilt. 2 Junge Blat«tula mit kleiner Furchungahöblc. 3-4 Spttere
Furchungsstadicn mit grösserer Furchungshöhle. 5-—t> .lungere und ältere Gastrula. 1 ist
van der Obertlnche gesehen, die übrigen sind Schnitte, es Furchungshöhle, cc Ekto-,
en Entodenn, CT Urdarm. — Nach Barroi».
process genannt wird, eine Anzahl ungefähr gleich grosser, radiär ge-
stellter Zellen ist, welche zusammen eine Kugel bilden. Diese Zellen
weichen allmählich in der Mitte aus einander, so dass sie einen mit
Flüssigkeit gefüllten Hohlraum in der Mitte der Kugel, die
Furchungshöhle, umschliessen; die Wand der Kugel, der sogen.
d by CjOO^lc
IV. Entwicklungsgeschichte (Embryologie oder Ontogenie).
45
Blast ula, besteht dem Angeführten zufolge aus einer einzigen Zellen-
schicht. AVenn die Entwicklung diese Stufe erreicht hat, findet eine
Einstülpung der einen Kugelhälfte in die andere statt; die Kugel
wird zu einem Napf oder Sack mit einer doppelten Wand umgebildet ;
die beiden Schichten dieser Wand sind von einander durch die Furchungs-
höhle geschieden, welche übrigens in vielen Fällen bei der Einstülpung
vollständig verschwindet, so dass die beiden Schichten sich dicht an
einander lagern. Diese sackförmige Entwicklungsstufe wird als das
Gastrula Stadium bezeichnet; von den beiden Schichten der Gastrula
/ 2 8 4
Fig. 24. Verschiedene Stufen «1er Entwicklung des Kies einer Teller Schnecke
(tlanorb;*). 1—2 1 urchungsstadien, 3 durchschnittene Hlastulu (unten sieht man die etwas
grösseren Entodenn/ellen», 4 Gastrula. cn Entodcmi, kh Furchungshöhle, in Mesoderui.
0 1'miuud, r Kichtungskörpcrchen. — Nach Knbl.
wird die äussere als Ektoderm oder äusseres Keimblatt, die
innere als Entoderm oder inneres Keimblatt bezeichnet; die
Höhlung des Sackes heisst Urdarm, ihre Oeffnung Urmund oder
Gastrulamund. — In manchen Fällen , welche sich dem soeben be-
schriebenen Entwicklungsgang übrigens unmittelbar anreihen, sind die
Zellen der Blastula nicht von gleicher Grösse (Fig. 24), sondern die-
jenigen, welche eingestülpt werden und das Entoderm bilden, sind
etwas grösser als die übrigen. Auch die Grösse der Furchungs-
höhle variirt sehr.
In der beschriebenen AVeise findet die erste Entwicklung bei einer
grossen Anzahl von Thieren statt: Cölenteraten (vergl. für diese
übrigens S. 49), Stachelhäutern, vielen Würmern, Weichthieren, ein-
zelnen Wirbelthieren (Lanzettfischchen), Mantelthieren.
2. In gewissen Fällen, in welchen die Furchung übrigens in der
oben beschriebenen Weise stattfindet, entwickelt sich nur eine geringe
oder gar keine Furchungshöhle (Fig. 25). Die Gastrula wird dann
12 3 4
Fig. 25. Schnitte durch das Ei eines Borste nwurms (Nereia) auf verschiedenen
Entwicklungsstufen. In 3 ist die Gastrula fertig gebildet, der Frmund (unten, links) aber
noch offen ; in 4 ist der Urniund geschlossen, und die llildung der Mundhöhle (s) hat an-
gefangen, ei Ekto-, en Entodenn, / Fetttropfen, m Mesoderm, * Anlage der Mundhohle.
Die Eihaut ist in den drei ersten Figuren weggelassen, in der letxten gezeichnet. —
Nach GStte.
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46
Allgemeiner Theil.
anscheinend nicht durch eine eigentliche Einstülpung gebildet, sondern
dadurch, dass die Zellen, welche zum Ektoderm werden, die übrigen
umwachsen. In derartigen Fällen sind gewöhnlich die Ektoderm-
zellen von den Entodermzellen sehr verschieden; die letzteren sehr
gross, oft (wie in dem in Fig. 25 abgebildeten Fall) mit Fetttropfen
gefüllt , und sie umschliessen häufig keinen Urdarm, sondern bilden
eine compacte Masse.
Bei der typischen Gastrulabildung (1) wird die Blast u In offenbar zur
Uastrula in Folge einer Veränderung der Form der zum Entoderm werdenden
Zellen (vergl. Fig. 23, .1—6): in der Blastula ist das äussere Ende
dieser Zellen das breitere, die betreffenden Zellen verändern dann all-
mählich in der Weise ihre Form, dass das innere Ende allmählich
breiter wird als das äussere, was natürlich einfach durch eine Umlagerung
der Protoplasmatheilchen der Zellen stattfindet ; diese Aenderung der Form
der betreffenden Zellen muss nothwendig zunächst eine Abflachung der
einen Seite der Blastula und dann eine Einstülpung derselben mit sich
führen. Die äussersten Entodermzellen geben dabei keinen Augenblick den
Zusammenhang mit den äussersten Ektodermzellen auf, von einer Wande-
rung der letzteren über die Entodermzellen hin ist nicht die Rede. Hierin
/ 2 3
Fig. 26. Schematiche Figuren zum Verständnis* der epibolischen (iastrula (vergl. den
Text). / jüngstes, 3 ältestes Stadium, t. Entodermzellen. Die Buchstaben a und b be-
zeichnen in allen drei Figuren dieselben Stellen. — Orig.
sollte nun die unter 2 erwähnte sogenannte epibolische (Umwachsungs-)
Gastrula abweichen. In der That scheint sie aber auch ohne eine wirk-
liche Wanderung der Ektodermzellen über die Entodermzellen hin ver-
ständlich zu sein. Denken wir uns, dass die breiten äusseren Enden der
Entodermzellen der Blastula (vergl. Fig. 26, 1) allmählich schmäler und
die inneren Enden derselben breiter werden, während die Ektodermzellen-
partie gleichzeitig an Ausdehnung zunimmt, so werden die Entodermzellen
durch denselben Process wie bei der Einstülpung der typischen Gastrula
allmählich von den Ektodermzellen umschlossen werden können, ohne dass
von einer activen Zellenwanderung die Rede ist, und ohne dass die Be-
rührungsflächen (a — b) der äussersten Ektodermzellen mit den Entoderm-
zellen sich verändern. Es scheint uns wahrscheinlich, dass die epibolische
Gastrula in dieser Weise aufzufassen ist ; die Thatsachen scheinen sich dieser
Deutung ungezwungen zu fügen.
3. Bei manchen niederen Wirbelthieren (Rundmäulern. Stör und
gewissen anderen Fischen, Lurchen) ist die Blastulawand nicht wie
in den oben erwähnten Fällen einschichtig, sondern mehrere Zellen
dick (Fig. 27. 1); die Zellen sind an der einen Seite der Blastula
grösser als an der anderen und enthalten reichliche Dotterkörnchen.
Dieser Theil der Blastula wird in den anderen eingestülpt; es wird
wie in den anderen Fällen eine Gastrula gebildet (Fig. 27, 4), deren
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IV. Entwicklungsgeschichte (Embryologie oder Ontogenie). 47
Entoderm aber theilweise stark verdickt ist, so dass sicli in der Ur-
tlarmhöhle ein grosser Hügel vom Entoderm erhebt. Die diesen Hügel
zusammensetzenden Zellen sind dazu bestimmt, späterhin zu zerfiiessen
und den übrigen als Nahrung zu dienen: Nahrungsdotter. Die
Fig. 27. Die Gastrulabildung bei <len Amphibien, schematisch ; Längsschnitte.
' BUk'tula. 2 Die Einstülpung hat bei t angefangen (die entaprecbcndc Stelle ist in / durch
-inen Pfeil bezeichnet); die Einstülpung ist rinnenfönnig, greift aber noch nicht um das ganze
Ei beruin. 3 Die KinstUlpung fortgeset7.t. 4 Fertige Gastrula; die Urdarinhühle grössten-
teils von einem vorspringenden Theil des Entoderms gefüllt, welcher später aufgelöst und
.'■in Embryo aufgesogen wird, et Ektoderm (hell). SN Entoderm (schattirt), g Gastrulamuud,
h r'archungshöhle, i Kinstulpungsrinne, H t'rdarmhöhle. — Orig.
Einstülpung findet übrigens in einer etwas eigenthümlichen Weise
*tatt: es bildet sich zunächst an der einen Seite der Blastula eine
Falte (Fig. 27, 2), welche allmählich zu einer das ganze Ei umgebenden
Ringfalte wird; diese Ringfalte überwächst den unteren Theil des
Eies, denjenigen, welcher später als ein Hügel im Urdarm hervorragt.
Die letztere Form der Gastrulabildung ist von der typischen leicht
ableitbar und zwar als eine Folge der bedeutenden Dicke der Entoderm-
zellenpartie der Blastula. Denken wir uns der Blastula Fig. 23, 4 unten
eine grössere Zellenmasse angefügt, welche sich bei der Einstülpung im
Wesentlichen passiv verhält, so werden wir zu einem ähnlichen Verhalten
der Einstülpung gelangen wie in Fig. 27.
4. Hieran schliesst sich die Entwicklungsform , welche wir bei
manchen Fischen, bei den Reptilien und den Vögeln finden. Die Ei-
zelle enthält hier eine grosse Menge von Dotterkugeln ; das Protoplasma
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48
Allgemeiner Theil.
ist wesentlich an der einen Seite des Eies angesammelt. Nur der
letztere Theil des Eies theilt sich in Furchungszellen, während der
grössere Theil desselheu ungefurcht bleibt: partielle Furchung.
Dieser ungefurchte Theil des Eies entspricht demjenigen Theil bei
den unter 3 erwähnten Formen . welcher zwar gefurcht wird . aber
später wieder zerHiesst; er wird mit. einer Partie der angrenzenden
1 2
Flg. il8. Schematiache Darstellung der («astrulalnldung bei \V ir b e 1 1 Ii i c r e n mit par-
tieller Kurchung (Selachicrn, Knochenfischen, Reptilien, Vögeln); vergl. die vorhergehend«*
Figur. Die Buchstaben sind dieselben wie in dieser, mit Ausnahme von en', dem ungefurchteu
Theil des Entodcrms (dem N a Ii r u n gsdo 1 1 er) ; en der gefurchte Theil des Entodcrms. Es
ist hervorzuheben, dass der Nahrungsdotter meistens verhältnissmassig weit grösser ist. — Orig.
Zellen in die übrige Zellenmasse eingestülpt; die Einstülpung ge-
schieht in ähnlicher Weise wie bei den zuletzt erwähnten ') (vergl.
Fig. 27 u. 28). In die Urdarmhöhle wird somit eine ungeheuer grosse
Masse von ungefurchter Eisubstanz, der Nahrungsdotter, ein-
geschlossen, welcher allmählich von den Zellen aufgesogen wird und
somit letztereu als Nahrung während der Entwicklung dient. Es ist
übrigens eigentümlich, dass die Gastrulaeinstülpung bei diesen Thieren
sehr langsam fortschreitet; die Entwicklung ist schon nach anderen
') Jedenfalls hei den Selachiern und den Knochenfischen; dagegen ist die
Bilduug einer Kingfalte nicht deutlich hei den Reptilien und Vögeln, bei welchen
übrigens dieselbe Umwachsung der untern Partie des Eies durch die obere stattfindet.
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IV. Entwicklungsgeschichte (Embryologie oder Ontogenie). 49
Richtungen weit vorgerückt, wenn die Gastrulabildung abgeschlossen
wird (in den schematiscben Figuren ist von diesem Verhältniss ab-
gesehen).
5. Bei den Glieder-
fdsslern findet im All-
gemeinen ebenso wie
bei den letztgenannten
Thieren eine parti-
elle Furchungstatt;
der un gefurchte Theil
des Eies , der Nah-
rungsdotter, liegt aber
in der Mitte, von den
Furchungszellen rings
umgeben ; eine Fur-
chungshöhle fehlt, der
Nahrungsdotter nimmt
gewissermaassen ihre
Stelle ein. Die Ein-
stülpung geschieht Wie Fig 29 Die Entwicklang dc9 Eics eineg Krebsthiere«
bei der typischen Gra- (Schnitte), bl Nahrungsdotter, rk Kkto-, en Ento-, m Mesoderm,
3tnila (1, S. 44); der o Urmund. — Nach Häckel.
Nahrungsdotter wird
allmählich von den Zellen aufgesogen.
6. Bei den Quallen geschieht die Gastrulabildung zuweilen (Fig.
30, A) in der oben unter 1 geschilderten "Weise durch einfache Einstülpung.
In anderen Fällen (Fig. 30, C) findet aber keine Einstülpung statt, sondern
es lösen sich an verschiedenen Punkten der Blastula Zellen aus dem Ver-
band der übrigen los und wandern in die Furchungshöhle ein, um hier das
Entoderm zu bilden. Zuweilen (B) ist diese Loslösung der Zellen auf die
eine Seite der Blastula beschränkt, was als ein Heb ergang zur typischen
D
B
Fig. 80. Schematuche Schnitte, um die Gastrulabildung der Quallen zu erläutern.
Erklärung im Text. — Orig. (z. Th. nach MetschnikofT).
Gastrulabildung aufzufassen sein dürfte. Andererseits findet man bei
einigen Quallen (D) eine Entstehungsweise dt* Entoderms, welche sich noch
einen weiteren Schritt von der typischen Bildungsweise entfernt: die von
der ganzen Wand der Blastula sich ablösenden Entodermzellen entstehen
durch Abspaltung von den Blastulazellen und zwar durch verschiedenartig
gerichtete Theilungsebenen , wie dies in der scheraatischen Figur D an-
gedeutet ist. Wenn das Entoderm wesentlich durch parallel der Blastula-
oberfläche gehende Zell-Theilungen (wie in D bei d) entsteht, spricht man von
Gastrulabildung durch Delamination (Abspaltung). — Die in Fig. C illustrirte
Boa Zoologie 4
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50
Allgemeiner Theil.
Form ist vielleicht als die allerursprünglichste Entstehungsweise des Euto-
dermB überhaupt aufzufassen; von dieser wäre dann die in Fig. B ab-
gebildete Form abzuleiten und von dieser wieder die typische Gastrula-
Bildung (A). Die Abspaltungs-Gastrula (D) ist ohne Zweifel ebenfalls von
C abzuleiten.
Ueberall, wo die Verhältnisse klar erkannt sind, findet man so-
mit als Resultat der ersten Entwicklung des Kies die Bildung einer
Gastrula, und zwar scheint die Art. in welcher dieselbe gebildet
wird, in jedem Falle mit derjenigen bei anderen Thieren eng zusammen-
zuhängen — wie oben des Näheren nachgewiesen wurde.
Zwischen den beiden Schichten oder Keimblättern, aus
welchen die Gastrula besteht , bildet sich bei den meisten Thieren
(die Cölenteraten ausgenommen) sehr bald, oft sogar gleichzeitig mit
der Gastrulaeinstülpung, eine dritte Schicht, das Id es o denn oder
das mittlere Keimblatt. Bei der Bildung desselben ist nicht
wie bei der Gastrulabildung überall ein gemeinsamer Typus erkennbar.
In einigen Fällen wird es z. B. dadurch gebildet, dass einige wenige
12 3 4
Fig. 31. Schematiche Figuren zur Erläuterung der Bildung des Mesudenn» bei den
Wirbelt hieren (Querschnitte) ; / jüngste, 4 Iii t est. Entwicklungsstufe. fkt en, m Ekto-, Ento-
und Mesoderm. — Orlg.
Zellen, welche am Urmund auf der Grenze des Ekto- und Entoderms
liegen, sich aus der Verbindung mit den übrigen loslösen, sich zwischen
das Ekto- und Entoderm einschieben und nach wiederholter Theilung
alseine selbständige Schicht zwischen jenen ausbreiten. (Fig. 24, 25.)
In anderen Fällen wird das Mesoderm in der "Weise gebildet, dass
ein Theil des Entoderms sich in der Form zweier Falten oder Säcke
ausbuchtet, welche sich dann vom übrigen Entoderm abschnüren
und zwischen letzterem und dem Ektoderm ihren Platz einnehmen
(Fig. 31).
Nach der Anlage des Mesoderms ist der in Entstehung begriffene
Organismus aus drei Keimblättern, dem Ekto-, Meso- und Entoderm
zusammengesetzt. Aus diesen drei Schichten bilden sich die ver-
schiedenen Theile des Thieres: aus dem Mesoderm alles Binde-
gewebe, das Skelet ') (insofern es kein Cuticularskelet ist), das Muskel-
gewebe, das Gefäs88ystera , die Excretions- und Geschlechtsorgane:
aus dem Ektoderm die Oberhaut, das Nervensystem, die meisten
Sinnesorgane; aus dem Entoderm die Epithelbekleidung (des ganzen
oder des grössten Theiles) des Darmkanals und dessen Drüsen. Die
Mesodermgebilde liefern meistens, namentlich bei den höheren Thieren.
den grösseren Theil der Körpermasse des ausgebildeten Organismus.
') Die Rückensaite (Chorda) der Wirbelthiere entwickelt sich jetloch vom Ento-
derm aus, als eine Falte, welche sich von letzterem abschnürt und dann einen
Strang oberhalb des Entoderms bildet.
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IV. Entwicklungsgeschichte (Embryologie oder üntogenie). 5]
Aus der Entwicklung der verschiedenen Organ syst eine be-
rühren wir hier nur mit einigen Worten die Bildung des Nerven-
systems und des Darmkanals. A /f
Das centrale Nervensystem
wird gewöhnlich in Gestalt von Ein-
faltungen. Einstülpungen oder Ver-
dickungen des Ektoderms angelegt,
welche sich nachher von letzterem
sondern ; manchmal (z.B. bei Stachel-
häutern und Borstenwürmern) bleibt
entweder in grösserer Ausdehnung
oder wenigstens an einigen Körper-
stellen der ursprüngliche Zusam- 32- z,,r »>i»"»«"»»5 <ier Bildung
hi vt i ,les Nervensystems und der Chorda bei deu
ang des Nervensystems und Wirl>e,t,liewn {^lvm&lhche <luunehnitta).
der vom übrigen Ektoderm stam- a jüngere, b altere stufe, dl Chorda, dk, <•«,
nieilden Oberhaut Zeitlebens be- "» Kkt.»-, Kntu-, Meauilerni, n Nervensystem.
stehen. - °*«
Was die Bildung des Darm kau als betrifft, so ist Folgendes zu
bemerken. Die ursprüngliche Oeffnung, der Urmund, wird in der
Regel geschlossen, so dass das Entodermrohr eine Zeit lang einen
geschlossenen Sack darstellt. Später bildet sich an jedem Ende des
Thieres gewöhnlich eine Einstülpung des Ektoderms, welche zur Mund-
höhle, resp. zum Enddarm wird; an den Stellen, wo die Einstülpungen
und das Entodermrohr zusammenstossen, erfolgt ein Durchbruch. Der
definitive Darmschlauch besteht somit theils aus dein ursprünglichen
Entodermrohr, theils aus gewissen Partien des Ektoderms; hier/u
kommen noch bei manchen Thieren Theile des Mesoderms, welche
sich dem Darmschlauch aussen anlagern und oftmals, z. B. bei Wirbel-
thieren , die grössere Masse des Darmkanals ausmachen. — Bei den
Cölenteraten wird der Darmkanal ausschliesslich aus dem Entodenn
gebildet; ferner wird bei Thieren, welche keinen Enddarm und keinen
After besitzen, die hintere Einstülpung nicht angelegt.
In denjenigen Fällen, in welchen der Darm-
kanal einen grossen Nahrungsdotter enthält, wird
das junge Thier (der Embryo) stark durch diesen
ausgedehnt. Oft bildet sich dann ein Dotter-
sack, eine den Nahrungsdotter enthaltende
Ausstülpung des Darmes, welche von einer ent-
sprechenden Ausstülpung der Leibeswand um-
geben ist. Der Dottersack kann häufig stark
abgeschnürt werden, so dass seine Höhlung nur
durch eine ziemlich enge Oeffnung mit dem ^ 33. Sduuna eine» jung«!
... ^ , . . ir j Ti, ..ct. fcmbryos mit Dottersack; zna
übrigen Darmkanal in Verbindung steht: öfters gfefch mt Illustration der Bildung
hat der Dottersack eine im Verhältniss zum der Mundhöhle und den Eud-
übrigen Organismus kolossale Grösse, so dass dann*. M Nahrunnsdotter,
das junge Thier mehr als ein Anhang am l>«««-™«*i ' Anlage des End-
. . . « , , , . t J J« 'larms, ek, tu, m Lkto-, huto-,
Dottersack als umgekehrt erscheint. Tndem die McÄ0)lerin> , Auluge ,ier Mund-
Entwicklung weiter fortschreitet, wird der Dotter- höhle. Orig.
sack allmählich kleiner und verschwindet zuletzt
völlig.
Die meisten Thiere sind eierlegend (ovipar), d. h. das Ei
wird, unbefruchtet oder befruchtet, von der Eihülle umschlossen, ab-
gelegt. Viele Thiere sind aber lebendiggebärend (vivipar)
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52
Allgemeiner Theil.
d. h. das befruchtete Ei verweilt im mütterlichen Körper, bis die
Entwicklung so weit vorgeschritten ist, dass das junge Thier im
Stande ist, ein actives Leben zu führen. Zwischen den eierlegenden
und den lebendiggebärenden Thieren lässt sich übrigens keine scharfe
Grenze ziehen; manchmal findet man bei den ersteren, dass das Ei
so lange im Mutterkörper zurückgehalten wird, dass die Entwicklung
bei der Eiablage mehr oder weniger, zuweilen bis wenig vor dem Aus-
schlüpfen des jungen Thieres aus der Eihülle, fortgeschritten ist.
Bei denjenigen Thieren, welche ihre Eier ohne andere Umhüllung
als eine Eihaut oder Eischale ablegen, durchläuft der junge Organis-
mus sämmtliche Entwicklungsvorgänge, bis er in mehr oder weniger
entwickelter Gestalt aus der Hülle hervorbricht, ohne dass er anderen
Zuschuss von Aussen erhält als Sauerstoff, welcher dem werdenden
Organismus ebenso nothwendig ist wie dem ausgebildeten; in einer
sauerstofffreien Umgebung kann sich kein Ei entwickeln. Wenn das
abgelegte Ei von einer Eiweissmasse umgeben ist, so wird diese
(solches ist z. B. beim Vogelei der Fall) während der Entwicklung
von dem jungen Organismus allmählich aufgesogen1), so dass dieser,
während er noch in der Eischale eingeschlossen ist, einen Zuschuss
über die Stoffmasse hinaus erhält, welche die Eizelle enthielt. Bei
manchen — aber keineswegs allen — lebendiggebärenden Thieren er-
hält der sich entwickelnde Organismus einen Zuschuss von dem Mutter-
thier entweder dadurch, dass gewisse, in den Uterus mündende Drüsen,
eine nährende Flüssigkeit absondern, welche von jenem aufgesogen
wird, oder dadurch, dass gewisse Theile des jungen Thieres sich zu
einem Aufsaugungswerkzeug entwickeln, welches in innige Verbindung
mit der Wand des Uterus tritt und — ähnlich wie eine Schmarotzer-
pflanze — die Blutflüssigkeit der Mutter aufsaugt (Säugethiere).
So lange das Thier in der Eihülle oder im mütterlichen Körper
eingeschlossen bleibt, wird es als Embryo (Fötus, Frucht) bezeichnet;
nach der Geburt, d. h. wenn es die Eihülle gesprengt oder den
Mutterkörper verlassen hat, um ein selbständigeres Leben zu führen
mit activer Nahrungsaufnahme etc., wird es Junges genannt. Das
neugeborene Junge weicht mehr oder weniger von dem ausgebildeten
Organismus ab. Der Unterschied ist in einigen Fällen relativ un-
bedeutend, indem er wesentlich in einer geringeren Körpergrösse und
in dem unreifen Zustand der Geschlechtsorgane (wie bei manchen
Säugethieren) besteht ; in anderen Fällen weicht das Junge stärker von
dem ausgebildeten Thiere ab, wie es z. B. bei den Vögeln der Fall
ist, deren neugeborene Jungen sich bekanntlich namentlich in der
Bekleidung des Körpers von den Erwachsenen erheblich unterscheiden.
Noch weit bedeutender werden die Unterschiede bei vielen anderen
Thieren, und man sagt dann, dass das Thier eine Metamorphose
(Verwandlung) durchläuft, ehe es das definitive Aussehen erlangt.
Die von dem Jungen, welches bei Thieren mit Metamorphose als
Larve bezeichnet wird, in solchen Fällen durchlaufenen Veränderungen
sind oft sehr eingreifend, und häufig hat die Larve nur eine äusserst
geringe Aehnlichkeit mit dem Erwachsenen.
Die Ursachen dieser Unterschiede zwischen der Larve und
dem Erwachsenen und damit auch die A r t derselben sind verschiedener
') Diese Aufsaugung geschieht meistens durch die ganze Oberfläche oder
durch irgend einen Tneir derselben, seltener wird das Eiweiss in den Darmkanal
de« jungen Organismus aufgenommen.
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IV. Entwicklungsgeschichte (Embryologie oder Ontogenie). 53
Natur. Vielfach ist als nächste Ursache zu erkennen, dass das Ei
zu klein dazu ist, dass ein dem Erwachsenen ähnlich gebautes Ge-
schöpf aus ihm gebildet werden könnte. Die unvollkommene Gestalt,
in welcher manche Fische geboren werden, ist vielfach (vergl. z. B.
die Abbildungen zur Hechtentwicklung im Spec. Theil, Fische) der
geringen Grösse des Eies zuzuschreiben; verwandte Formen mit
grösseren Eiern sind, wenn sie die Eihülle verlassen, den Erwachsenen
weit ähnlicher oder gar fast ganz übereinstimmend. Dasselbe gilt
auch für manche Krebsthiere, welche in sehr wenig entwickelter Ge-
stalt, mit einer ganz geringen Anzahl von Gliedmaassen (drei Paaren)
ausgestattet, die Eihülle verlassen; hier ist das Ei offenbar zu klein,
dass aus seiner Masse ein Thier mit der grossen Anzahl von Glied-
maassen, welche das Erwachsene besitzt, gebildet werden kann. Es
hat den Anschein, als ob es eine gewisse, bei verschiedenen Tbieren
übrigens verschiedene, Grenze giebt, unter welche die Grösse der
einzelnen Gliedmaassen etc. nicht hinabsinken kann ; bei einer Grössen-
zunahme der Eier, wie wir sie bei anderen Krebsthieren finden, sieht
man dann auch das Thier auf einer vollkommeneren Entwicklungsstufe
das Ei verlassen.
Als weitere Hauptursache des Unterschiedes zwischen den Larven
und den Erwachsenen ist die Verschiedenartigkeit der Lebens-
verhältnisse hervorzuheben ; oft ist dieselbe mit der oben erwähnten
innig verbunden. Bei einer Unzahl von Meeresthieren, welche im aus-
gebildeten Zustande an den Boden gebunden sind, leben die Larven
als frei schwimmende Thiere an der Oberfläche, was für die ganze
Gestaltung von durchgreifendem Einfluss wird (Borstenwürmer, Weich-
thiere, Krebse etc.). Zuweilen (z. B. bei den Lurchen) sind die Larven
Wasserthiere, die Erwachsenen Landthiere, was ebenfalls mit grossen
Unterschieden Hand in Hand geht. — In sehr eigenartiger Weise
erscheint die Metamorphose der Insekten aus der Verschiedenartigkeit
der Aufgaben der Larve und des erwachsenen Thieres ableitbar* indem
das letztere sich fast ausschliesslich der Fortpflanzung widmet, dieser
Aufgabe gemäss geflügelt etc. ist, während die immer flügellose Larve
sich der Ernährung und dem Wachsthum widmet und dieser Aufgabe
mehr oder weniger speciell angepasst ist (vergl. des Näheren den
Abschnitt über Insekten).
In Folge der verschiedenartigen Lebensweise fehlen bei den
Larven häutig Theile, welche den Erwachsenen zukommen; anderer-
seits besitzen sie aber oft besondere Werkzeuge, welche den Er-
wachsenen abgehen, sogenannte provisorische Larvenorgane:
Wimpersegel der Schneckenlarven, Kiemen der Lurchlarven, Bauch-
füsse der Schraetterlingsraupen. Diese Larvenorgane können in ge-
wissen Fällen einen so bedeutenden Umfang besitzen, dass nur ein
geringer Theil des ursprünglichen Larvenkörpers sich zu dem voll-
kommenen Thiere entwickelt, während der grössere Theil desselben
rückgebildet wird (Stachelhäuter).
Die Dauer des Larvenlebens ist meistens, mit der des ganzen
Lebens verglichen, eine kurze; in der Regel erlangt das Thier in der
Hauptsache die definitive Gestalt, lange bevor es seine definitive
Grösse und die Geschlechtsreife erreicht. Hiervon machen die In-
sekten eine sehr beachtenswerthe Ausnahme, indem sie die Gestalt
des „vollkommenen Insekts" meistens erst dann annehmen, wenn der
Organismus die definitive Grösse erlangt hat
54
Allgemeiner Thcil.
Der Uebergang vom Larvenstadium zu demjenigen des aus-
gebildeten Thieres ist niemals eine plötzliche Veränderung — wie die
Bezeichnung Metamorphose, Verwandlung, etwa vermuthen bissen
könnte — , sondern vollzieht sich immer allmählich. Oft finden die be-
treffenden Umbildungen jedoch im Laufe eines oder mehrerer ver-
hältnissmässig kurzer Zeitabschnitte statt: nachdem die Larve längere
Zeit dieselbe Gestalt gehabt hat. durchläuft sie im Laufe kürzerer
Zeit grosse Veränderungen, so dass sie gewissermaassen in einem oder
mehreren Sprüngen die Form des ausgebildeten Thieres annimmt.
Dies ist besonders bei den Gliederfüsslern auffällig, indem alle
äusseren Veränderungen bei diesen an die Häutungen gebunden sind.
Einige Zeit vor der Häutung löst sich der lebendige Theil der Haut
von der Cuticula ab, bildet sich mehr oder weniger um, so dass die
Larve, wenn sie die alte Cuticula abstreift , plötzlich wie mit einem
Sprunge in einer neuen und geänderten Gestalt erscheint. In der
That haben sich die Veränderungen aber auch hier im Laufe einiger
Zeit abgespielt, und nur für eine äusserliche Betrachtung ist die Ent-
wicklung eine sprungweise.
Häufig findet man, dass ein Thier während seiner Entwicklung, sei
es im Eie oder im Larvenstadium, gewisse dem Erwachsenen fehlende Cha-
raktere darbietet, welche einem niederen Typus angehören. Die Am-
phibienlarven besitzen z. B. Kiemen und eine ähnliche Anordnung grosser
Partien des Gefasssystems wie die Fische ; unter den Krebsthieren besitzen
manche Zehnfüssler im Larvcnzustande an den späteren Gehfüssen einen
später rückgebildeten Schwimmast, welcher bei manchen niederen Krebs-
thieren zeitlebens vorhanden ist; bei den höheren Wirbelthieren sind im
Embryonalzustande Kiemenspalten vorhanden etc. Häufig haben die be-
treffenden Bildungen , wie im letztgenannten Beispiel , den Charakter der
Nutzlosigkeit, sind also rudimentärer Art. — Diese Verhältnisse sind nur
verständlich, wenn wir annehmen, dass die betreffenden Formen von jenen
niederen Typen — oder von ihnen nahestehenden — abstammen, und dass
sich die erwähuten Charaktere auf den frühen Entwicklungsstufen erhalten
haben, während sie bei dem ausgebildeten Thiere verloren gingen (vergl.
den nächsten Abschnitt).
Brutpflege. In vielen Fällen kommt es vor, dass den aus dem
mütterlichen Körper ausgetretenen Eiern und den Jungen in ver-
schiedener Weise von Seiten des Mutterthieres (seltener des Vaters)
eine specielle Fürsorge zugewendet wird. Die Aufgabe dieser ist es
zunächst, die Eier oder Jungen gegen die Nachstellungen anderer
Thiere oder gegen anderweitige Gefahren zu schützen, dann aber
auch häufig, die Jungen zu ernähren; weniger allgemein ist speciell
darauf Rücksicht genommen, dass die Eier oder Jungen auf eine für
die Entwicklung günstige Temperatur erwärmt werden (Vögel). Zu-
weilen (z. B. bei manchen Insekten) ist die Brutpflege darauf be-
schränkt, dass das Mutterthier sorgfältig die Stelle auswählt, an
welcher die Eier abgelegt werden, so dass das Junge gleich eine
passende Nahrung vorfindet; in anderen Fällen sammelt die Mutter
vor der Eiablage, oft mit grossem Aufwand von Kräften, eine für
das Junge passende Nahrung oder vergräbt das Ei an einer sicheren
Stelle etc. In anderen Fällen sitzt die Mutter über den Eiern bis
zum Ausschlüpfen der Junten oder noch eine Zeit lang über den
letzteren, um sie zu beschützen oder zu erwärmen ; oder sie trägt Eier
und Junge auf ihrem Körper mit sich umher. Daran reiht sich dann
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IV. Entwicklungegeschichte (Embryologie oder Ontogenie).
55
eine mehr active Brutpflege in der Form, dass die Jungen, welche
zwar im Stande sind, Nahrung zu sich zu nehmen und zu verdauen,
aber nicht befähigt, sich dieselbe selbst zu verschaffen, kürzere
oder längere Zeit hindurch von der Mutter gefüttert werden. In
vielen Fällen greift die Brutpflege nicht nur tief in das Leben des
Mutterthieres ein, sondern führt auch zur Ausbildung besonderer
Werkzeuge an demselben oder zur Umbildung bereits existirender
(Brutsäcke, Milchdrüsen etc.). Von noch eingreifenderer Bedeutung
ist die Brutpflege in manchen Fällen für die Entwicklungsweise des
Eies und des Jungen ; viele Verhältnisse derselben erscheinen bei
näherer Betrachtung durch die Brutpflege bedingt (vergl. z. B. die
Mysiden, Isopoden etc.).
Bei einer eingehenderen Betrachtung erscheint auch das Zurückbehalten
der Eior im Innern des mütterlichen Organismus bei den lebendig-
gebärenden Thieren als eine Art Brutpflege; in der That scheint der
Unterschied zwischen dem Verweilen des jugendlichen Organismus im Ei-
leiter (wie bei den lebendiggebärenden Thieren) oder in einer Einstülpung
der Haut (wie es manchmal bei der Brutpflege, z. B. bei den Beutelthieren,
stattfindet) ein rein äusserlicher zu sein ; der Zweck ist auch derselbe, und
in beiden Fällen finden wir ganz älinliche Folgen für die Mutter und für
den jugendlichen Organismus: Ausbildung besonderer Einrichtungen bei
ersterer, Eigenthümlichkeiten der Entwicklung des letzteren.
V. Die Verwandtschaft der Thiere; das System.
Die Abstammungslehre.
Die zahllosen thierischen Organismen, welche auf der Erde leben,
theilt man in eine Anzahl Hauptgruppen, diese wieder in kleinere und
kleinere Abtheilungen. Diese stufenweise (iruppeneiiitheilung ist nicht
willkürlich, sondern in der mehr oder minder engen Uebereinstimmung
der Thiere begründet, so dass die in den Abtheilungen niedersten
Ranges zusammengefassten Thiere die grösste Uebereinstimmung dar-
bieten. Wir fangen damit an, den Begriff der Art (Sjxcies) etwas
näher zu betrachten.
Zu einer Art rechnet man erstens alle diejenigen Individuen,
welche auf derselben Altersstufe eine genaue Uebereinstimmung in
allen Einzelheiten ihres Baues zeigen. Ferner alle diejenigen Indi-
viduen, welche sich mit jenen unter normalen Verhältnissen paaren
und fruchtbare Nachkommen erzeugen, gleichgültig ob sie jenen gleich
oder unähnlich sind. Endlich auch die Jungen, es seien diese den
Eltern ähnlich oder nicht. Es gehören z. B. alle Feldhasen weibchen,
welche in Deutschland gefunden werden, zu ein e r Art. indem sie auf
derselben Altersstufe eine innige Uebereinstimmung in allen Theilen
des Körpers zeigen ; derselben Art gehören ferner alle deutscheu Feld-
hasenmänuchen an , obgleich sie besonders in den Verhältnissen des
Geschlechtsapparates abweichen, weil sie sich mit jenen freiwillig be-
gatten und fruchtbare Nachkommen erzeugen; endlich auch die Jungen,
welche in diesem Fall übrigens von den Eltern nicht abweichen. In
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56
Allgemeiner Theii.
anderen Fällen (bei Generationswechsel und Heterogonie) sind die
Jungen dagegen mehr oder weniger von den Eltern verschieden; jede
zweite oder dritte (vierte etc.) Generation ist ähnlich, aber von den
zwischenliegenden (oder einigen derselben) abweichend; alle gehören
trotzdem derselben Art an.
Der Begriff der Art beruht somit auf drei Momenten: der Ueber-
ein8timmung des Baues, dem Geschlechtsverhältniss und dem gene-
tischen Zusammenhang (der Abstammung). Die Uebereinstimmung
verschiedener Exemplare derselben Art ist übrigens keine absolute,
selbst wenn wir von denjenigen Unterschieden absehen, welche durch
das verschiedene Geschlecht, durch das Alter oder durch Verschieden-
artigkeit der Generationen (bei Generationswechsel und Heterogonie)
bedingt sind. Genau betrachtet sind sogar zwei Individuen niemals
ganz übereinstimmend; eine sorgfältige Untersuchung wird immer —
wenn wir von Geschöpfen absehen, welche so klein sind, dass sie
einer näheren Untersuchung unzugänglich siud — Unterschiede auf-
weisen: die Arten variiren, wie man es nennt, stets in geringerem
oder höherem Grade. Die Variation ist im Allgemeinen wenig hervor-
tretend; äu8serlich beschränkt sie sich meistens auf kleine Unter-
schiede der Farbe, der Form oder der relativen Grösse einzelner
Theile, der absoluten Grösse oder des Gewichts des ganzen Thieres;
innerlich sind entsprechende kleine Unterschiede zu beobachten. Jede
grössere Säugethierart bietet leicht zu beobachtende Beispiele dieser
gewöhnlichen Variation dar. Zuweilen wird die Variation aber augen-
fälliger: vom Fuchs, welcher meistens einen weisslichen Bauch hat,
kommen zuweilen Exemplare mit schwarzem Bauch vor oder solche
mit einer schwarzen Kreuzzeichnung auf der Schultergegend oder fast
schwarze Exemplare etc., und ähnliche Variationen kommen bei
manchen anderen Säugethieren und Vögeln vor; vom Hirschkäfer,
dessen Männchen meistens sehr grosse Vorderkiefer besitzen, findet man
zuweilen männliche Exemplare mit Vorderkiefern, deren Länge nur ein
Bruchtheil des gewöhnlichen Maasses ist, beim Fuchs fehlt zuweilen
der hinterste Höckerzahn des Unterkiefers etc. Alle derartigen, von
dem gewöhnlichen (typischen) Artgepräge abweichende Exemplare be-
zeichnen wir als individuelle Variationen. In mehr vereinzelten
Fällen findet man Individuen, welche sich in noch höherem Grade
von dem typischen Gepräge entfernen, die z. B. Theile besitzen, welche
der Art sonst fehlen, aber bei verwandten Thieren vorkommen (Pferde
mit überzähligen Zehen), oder denen Theile abgehen, welche typisch
vorkommen (geweihlose Hirsche).
Fälle wie die letztgenannten werden gewöhnlich unter den weiten Be-
griff der Missbildungen oder Monstrositäten gefasst, worunter
man übrigens auch Vieles versteht, was mit unserem jetzigen Gegenstande,
dem Variiren der Art, nichts zu thun hat. Zu den Missbildungen (Miss-
geburten) rechnet man z. B. Individuen, welche sich in Folge äusserer
schädlicher Einflüsse während des embryonalen Lebens (im Ei oder im
Mutterleibe) abweichend entwickelt haben oder an einem oder mehreren
Punkten der Entwicklung gehemmt sind, also krankhafte, pathologische
Gebilde, während wir uns hier lediglich mit dem von derartigen Ein-
wirkungen unabhängigen Variiren beschäftigen. Es muss übrigens zugegeben
werden, dass es nicht möglich ist, eine scharfe Grenze zwischen diesen
verschiedenen Kategorien von Missbildungen zu ziehen.
Bei einigen Thieren findet man, dass innerhalb derselben Art zwei,
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V. Die Verwandtschaft der Thiere; da» System. Die Abstammungslehre. 57
Ii
oder mehrere, in gewissen Charakteren bestimmt unterschiedene Formen
neben einander vorkommen, und zwar meistens ohne dass die Formen durch
Uebergänge (wie es bei den oben genannten individuellen Variationen in
der Regel der Fall ist) unter einander verbunden sind. Dieses Verhältniss
«ird als D i m o r p h i 8 m u s bezeichnet,
wenn die Art in zwei unterschiedenen
Formen auftritt, als Polymorphis-
mus, wenn mehr als zwei Formen
innerhalb der Art auftreten. Dimor-
phismus findet man z. B. innerhalb der
Wanzen, bei welchen verschiedeneArten
sowohl in einer geflügelten als in einer
ungeflügelten Form auftreten ; dieser
und ähnliche Fälle schliessen sich eng
an die gewöhnliche individuelle Varia-
tion an und sind leicht von derselben
abzuleiten. Ziemlich verbreitet ist der
Di- oder Polymorphismus bei stock-
bildenden Thieren (vergl. die Saum-
und Blasenquallen, die achtarmigen
Korallen, die Bryozoe'n), und hier ist
derselbe offenbar die Folge des innigen
Zusammenlebens der Personen der Co-
Fig. 34. Dimorphismus einer Wanze
{Bliaam Uucopterua). A flugfähige Form mit
Vorder- und Ilintcrllugcln ; B tlugunfahige
Form mit abgekürzten VorderHugcln und ohne
HintcrnUgcl. — Nach Rilcy.
louie: indem dieselben mit einander in
direktem organischen Zusammenhang stehen, können gewisse Arbeitsleistungen
diesen, andere jenen Personen überwiesen werden, und eine natürliche Folge
dieser Arbeitsteilung wird eine verschiedene Ausbildung der Personen sein.
Aebniiehes gilt auch vom Di- oder Polymorphismus der gesellig lebenden
Insekten (Bienen, Ameisen, Termiten).
Wenn eine Art eine weite Verbreitung hat, so findet man sehr
häufig, dass die Individuen einer Localität in einigen Hinsichten in
der Regel von den Individuen einer anderen Localität abweichen.
Man sagt dann, dass die Individuen jedes Ortes eine besondere
Varietät (Rasse, Unterart) bilden. Die Feldhasen z. B. , welche
durch den grössten Theil Europas verbreitet sind, gehören alle einer
Art an, zerfallen aber in drei Gruppen: eine südeuropäische, deren
Individuen sich durch kürzere, lockere Behaarung, längere Ohren und
intensiv rostfarbene Oberseite auszeichnen; eine mitteleuropäische mit
längerer und dichterer Behaarung; und eine nordöstliche mit sehr
langer und dichter Behaarung und stärkerem weisslichen Anflug als
die beiden Anderen. Diese drei Individuengruppen sind verschiedene
Varietäten, indem sie bei durchgehender Uebereinstimmung doch
in der Regel in den angegebenen Punkten von einander sich unter-
scheiden; verschiedene Arten sind sie aber nicht, weil es innerhalb
einer jeden Exemplare giebt, welche sich dem Gepräge einer der
anderen Gruppen nähern, so dass die Gruppen nicht scharf geschieden
sind. Dasselbe, was hier für den Hasen angegeben wurde, gilt in
ähnlicher Weise z. B. für verschiedene Säugethier- und Vogelarten,
welche durch Europa und Nordasien verbreitet sind: die sibirischen
Exemplare bilden eine besondere Varietät, indem sie in der Regel
W einigen Charakteren von den europäischen abweichen. Findet man
dagegen auf einem grösseren oder kleineren Land- oder Wassergebiete
eine Gruppe von Individuen , welche durch bestimmte Charaktere
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58
Allgemeiner Theil.
ohne Ausnahme von den ähnlichen Individuen anderer Localitäten
abweichen, dann bildet sie eine besondere, aber nahe verwandte
Art. Der Wapitihirsch (Cervus canadensis) Nordamerikas ist z. B.
eino andere Art als der europäische Edelhirsch, dem er aber sehr
nahe steht; ebenso ist der nordamerikanische Biber eine andere Art
als der nahe verwandte europäische Biber, indem man bei jedem In-
dividuum des ersteren bestimmte besondere Charaktere findet, welche
nie bei den europäischen vorhanden sind und umgekehrt (namentlich
im Schädel). Manchmal kann es sehr schwierig sein, zu entscheiden,
ob eine Gruppe von Individuen eine Varietät oder eine selbständige
Art bildet ; maassgebend ist es, ob die betreffenden Unterschiede c o n -
staut sind oder nicht, ob sie lediglich in der Regel (Varietät) oder
ausnahmslos (Art) gelten — und dieses kann man vielfach nicht mit
Sicherheit feststellen. Praktisch genommen nennt man eine Indi-
viduengruppe eine besondere Art, wenn „Uebergäuge" von ihr zu
einer anderen Art unbekannt sind. d. h. wenn man nicht Exem-
plare kennt, bei welchen die Charaktere, welche jene von einer nahe
stehenden Art trennen , mehr oder weniger verwischt sind ; sobald
derartige Uebergänge bekannt werden, wird die Gruppe als Varietät
der anderen untergeordnet. Eine scharfe Grenze ist in der That zwischen
„Varietät" und „Art" in der Natur nicht vorhanden.
Die Samcnkörperchen einer Thierart sind im Allgemeinen
nicht im Stande, die Eier einer anderen Art zu befruchten. Für
einander ferner stehende Arten (etwa Pferd — Kind etc.) gilt dies
sogar ausnahmslos 1): für näher verwandte Arten giebt es dagegen zahl-
reiche Ausnahmen, für ganz nahe stehende Arten ist die Ausnahrae
sogar Hegel. Zuweilen findet man, dass eine Befruchtung zwar statt-
findet, dass aber der Embryo auf einer frühen Entwicklungsstufe
abstirbt (Fasan — Huhn), oder dass das Embryonalleben durchlaufen
wird, dass dann aber das Junge schwächlich ist und leicht abstirbt.
Manchmal kommt es jedoch auch zu einer vollständigen Entwicklung
des durch die Kreuzbefruchtung erzeugten Individuums, des Ba-
stards oder Hybriden, aber dieses zeichnet sich meistens dadurch
aus, dass es — bei sonst völlig regulärer Ausbildung — unfrucht-
bar (steril) ist. d. h. dass es ausser Stande ist, reife Eier oder Samen-
körperchen hervorzubringen. In nicht ganz wenigen Fällen ist die
Unfruchtbarkeit jedoch nicht absolut, die Fruchtbarkeit nur bedeutend
verringert; in mehr vereinzelten Fällen sind die Bastarde ebenso
fruchtbar wie die Stammarten (Bastarde gewisser Hirscharten, ver-
schiedener Fasanenarten , Bastarde der europäischen und der von
dieser ziemlich bedeutend verschiedenen chinesischen Gans etc.). —
Im Gegensatz zu dem gewöhnlichen Verhältnis bei der Kreuzbefruch-
tung verschiedener Arten sind dagegen verschiedene Varietäten
derselben Art immer im Stande, einander zu befruchten, und die
Fruchtbarkeit der Mischlinge scheint fast niemals verringert zu sein.
Hiermit ist aber nicht etwa, wie man früher gemeint hat, ein ab-
soluter Unterschied der Begriffe Art und Varietät gegeben, denn,
wie eben erwähnt, verhalten gewisse zweifellos verschiedene Arten
J) In der neueren Zeit ist es jedoch durch Experimente nachgewiesen, dnss
die Eier einiger Arten durch Samen reeht lern stehender Formen befruchtet werden
können (Frosch — Triton; reguläre Seeigel — irreg. do.); die Entwicklung des
Eies ist dann aber meist unregelmässig und hört bald auf.
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V. Die Verwandtschaft der Thiere ; das System. Die Abstammungslehre. 59
>ich bei einer Kreuzung genau ebenso wie die Varietäten : i m A 1 1 -
gemeinen verhalten die Arten sich zwar bei einer Kreuzung ver-
schieden von den Varietäten, es giebt aber Ausnahmen. Es ist also
ebenso unmöglich, nach dem Verhalten bei der Kreuzung wie nach
den Charakteren des Baues eine Grenze zwischen „Varietät" und
..Art" festzustellen. — Alle fruchtbaren Hybriden, sowohl Arts- wie
Varictätsmischlinge , haben die Eigenschaft gemein, dass sie bei
Anpaarung, sei es an einander oder an eine der Stammarten oder
Stammvarietäten, meistens eine Nachkommenschaft erzeugen, welche
nach wenigen Generationen auf eine der Stammformen zurückschlägt
oder doch jedenfalls nicht den Zwischencharakter behält, welcher
gewöhnlich die erste Bastardgeneration auszeichnet, und überhaupt
schwer ein festes Gepräge behält, sondern bedeutender und regelloser
Variation anheimfällt (..Ausarten" der Mischlinge); letzteres Ver-
liältniss spielt für die Thierzucht, bei der Kreuzung verschiedener
Rassen (d. h. durch Cultur entstandener Varietäten) eine bedeutungs-
volle Rolle.
In der freien Natur kommen thierische Bastarde (Varietäts- sowohl als
Artebastarde) nur relativ selten vor. An der Grenze des Verbreitungs-
gebietes naheverwandter Formen trifft man jedoch zuweilen Mischlinge, und
innerhalb einzelner Thiorgruppen erscheinen Bastarde ziemlich häufig (Lachs-
fische des Süs8wasser8). Die Vermischung der Arten wird unter Anderem
dadurch verhindert, dass die Individuen verschiedener Arten, wenigstens unter
natürlichen Verhältnissen, meistens abgeneigt sind, sich mit einander zu paaren.
Wie die Domestication auch anderweitig in die Verhältnisse der be-
treffenden Thiere tief eingreift, so scheint sie auch die Folge zu haben,
das« die Fruchtbarkeit der Artsbastarde in manchen Fällen vergrössert
wird. Als Beispiele, welcho hierauf hinweisen, führen wir Folgendes an.
Die jetzt in Nordeuropa gehaltenen Schweine sind grüsstentheils durch
Kreuzung des alten nordeuropäischen Hausschweines mit einem asiatischen
Hauaschwein entstanden; jenes war ein Abkömmling des nordeuropäischen
Wildschweines, mit welchem es z. B. in den Einzelheiten des Schädels (von
der Grösse abgesehen) genau übereinstimmte, während das genannte asiatische
Schwein von einem oder mehreren asiatischen, von dem nordeuropäischen
zweifellos verschiedenen, Wildschweinen abstammte; beide im Schädel z. B.
ausgesprochen verschiedenen Hausschweine haben trotzdem Bastarde erzeugt,
von welchen die meisten jetzigen nordeuropäischen Hausschweine abstammen.
Der Uund scheint ebenfalls von mehreren Arten abzustammen ; das gewöhn-
liche Rind erzeugt vollkommen fruchtbare Hybride mit dem zweifellos eine
selbständige Art bildenden Zebu etc.
Mehrere einander ähnliche Arten werden zu einer Gattung
ideHMs) zusammengefasst; es bilden z. B. der Löwe, der Tiger, der
•Jaguar, die Hauskatze und Andere eine Gattung, dede Gattung des
Thierreichs wird nach einer festgesetzten Regel mit ihrom lateinischen
wler latinisirten Namen bezeichnet, welcher immer ein einzelnes Wort
i*t: z. B. wird die Gattung, welche die soeben genannten Thiere um-
fesst, Felix genannt. Die Arten werden mit dem Gattungsnamen nebst
?iner angefügten Bezeichnung benannt; letztere ist gewöhnlich ein
Adjectiv, zuweilen ein Substantiv in Apposition zum Gattungsnamen
'»der ein Substantiv im Genitiv: die Hauskatze nennt man /.. B.
h(h domextica, den Löwen Felis leo, die Cochenillelaus Cmcus caefi. —
Mehrere ähnliche Gattungen werden zu einer Familie zusammen-
gefasst; es gehören z. B. die Mardergattung (Mmlela). die Dachsgattung
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60 .
Allgemeiner Theil.
(Meies), die Ottergattung (Liitra) u. a. zu einer Familie, der Marder-
familie, Mmtelidae (die Familiennamen werden meistens von einem der
Gattungsnamen mit Hinzufügung der Endigung idae gebildet). Mehrere
Familien werden wieder zu einer Ordnung zusammengefasst; die
Katzenfamilie, die Marderfamilie, die Bärenfamilie u. A. bilden die
Ordnung Raubtbiere, Carnivora. Die Ordnungen bilden wieder
Classen; es gehören z. B. die Raubthiere und eine Anzahl anderer
Ordnungen zur Classe der Säugethiere {Mammalia). Die Classen
bilden ihrerseits Thierkreise; die Classen der Säugethiere, der
Vögel, der Reptilien etc. bilden den Kreis der Wirbelthiere (Vertebrata).
Diese Gruppirung der Tliiere in über- und untergeordnete Ab-
theilungen ist, wie oben bemerkt, nicht willkürlich, sondern in der
Natur selbst begründet. Die Thierformen sind durch eine nähere
oder entferntere Verwandtschaft, d. h. durch eine mehr oder
minder innige Uebereinstimmung des Baues mit einander verknüpft.
Dieser Zusammenhang gelangt in der genannten Gruppirung, in dem
sogenannten System des Thierreichs, zum Ausdruck. Das System
ist übrigens keineswegs ein vollständiger Ausdruck des Zusammen-
hanges der Thierformen. Wenn z. B. die Fische, Lurche, Reptilien,
Vögel und Säugethiere in einen Thierkreis vereinigt werden, so ist
hiermit zwar hinlänglich deutlich ausgedrückt, dass alle diese Ab-
theilungen in gewissen Hauptzügen des Baues mit einander überein-
stimmen, andererseits ist aber damit gar nichts darüber gesagt, dass
die genannten Classen, wie es thatsächlich der Fall ist, sich wie die
Glieder einer Kette an einander fügen, und zwar derartig, dass die
Lurche sich an die Fische, die Reptilien an die Lurche, die Vögel
und Säugethiere an die Reptilien anreihen. Es besteht im Thierreiche
thatsächlich ein weit innigerer Zusammenhang der Formen, als das
System es ausdrückt; eine derartige Verkettung, wie wir sie für die
Hauptgruppen des Wirbelthierkreises angedeutet haben, ist mehr oder
weniger leicht nachweisbar überall im Thierreiche vorhanden.
Es liegt nahe, zu fragen, was etwa die Ursache dieses merk-
würdigen Zusammenhanges der verschiedenen Thierformen sein mag.
Vor wenigen Decennien ging die Antwort allgemein dahin, dieses
ganze Verhältniss sei eines der grossen Räthsel der Natur, dem mensch-
lichen Geist unzugänglich. Jetzt ist es dagegen allgemein erkannt,
dass jener Zusammenhang, jene Uebereinstimmung verschiedener Thier-
formen eine Wirkung desselben Gesetzes ist, welches die Aehnlichkeit
von Eltern und Kindern, von Geschwistern, von entfernteren Ver-
wandten bedingt, nämlich des Gesetzes der Erblichkeit. Wenn
der Löwe, der Tiger, die Wildkatze und andere Arten kraft einer
engen Uebereinstimmung in den meisten Punkten des Baues zu einer
Gattung zusammengehören, so ist dies darin begründet, dass sie alle
ursprünglich von einer einzigen Art abstammen, welche sich all-
mählich in mehrere Arten gespalten hat; wenn die Bären. Marder,
Katzen etc. sich alle zu einer Ordnung zusammenfügen, so beruht
dieses darauf, dass sie alle von einer gemeinsamen Grundform ab-
stammen; ebenso für die höheren Abteilungen (z. B. Säugethiere,
Wirbelthiere). Die Verkettung zweier solcher Gruppen, wie der
Reptilien und der Vögel, beruht darauf, dass letztere Abtheilung
von ersterer abstammt; durch allmähliche Umbildung eines Zweiges
des Reptilien-Typus ist zunächst eine Vogelform gebildet worden,
von welcher die übrigen abstammen.
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V. Die Verwandtschaft der Thiere; das System. Die Abstammungslehre. 61
Eine consequente Durchführung dieser Auffassung führt uns zu
dem Resultat, dass alle Thiere von einer gemeinsamen Urform ab-
stammen, welche wahrscheinlich etwa die Gestalt einer Amöbe gehabt
hat. Dies ist der wesentliche Inhalt der Abstammungslehre
(des Darwinismus); danach sind alle Thiere (und Pflanzen) von
einer gemeinsamen Urform ausgegangen, welche sich allmählich im
Laufe enormer Zeiträume in die ganze unermesslich grosse Mannig-
faltigkeit verschiedener organischer Formen gespalten hat.
Die Richtigkeit dieser Theorie ergiebt sich einerseits
daraus, dass sie im Stande ist, nicht nur die schon längst bekannte
..natürliche Verwandtschaft" der Organismen in natürlicher Weise zu
erklären, sondern auch eine unendliche Menge anderer Erscheinungen
der organischen Welt verständlich zu machen, — andererseits
daraus, dass es trotz der eifrigsten Bestrebungen nicht gelungen ist,
Thatsachen aufzufinden, welche mit der Theorie unvereinbar wären. —
üeber die wichtigsten Punkte, welche für die Abstammungslehre
sprechen, resp. ohne die Annahme derselben unbegreiflich dastehen,
vergl. oben S. 41 (rudimentäre Organe), 54 (gewisse Erscheinungen
der Entwicklungsgeschichte) und im Folgenden die Abschnitte VI
bis VIII.
Während der Gedanke einer Abstammung schon längst von verschiedener
Seite ausgesprochen ist, gelangte er erst in den letzten Decennien zu all-
gemeiner Annahme, und zwar verdankt man dies in erster Linie dem eng-
lischen Naturforscher Chaklks Dakwin (1809 — 1882), namentlich seinem
zam ersten Mal 1859 erschienenen Werk „Origin of Species". Wir erblicken
das Verdienst Darwin s zunächst darin, dass er von allen Seiten Daten zu-
sammengebracht hat, welche die Notwendigkeit der Annahme einer Ab-
stammung beweisen. Er hat für eine grosse Anzahl von Erscheinungen
der Thiergeographie, der Geologie, der Embryologie, für die rudimentären
"rgane, für die ganze Lehre von der Verwandtschaft der Thiere nach-
gewiesen, dass sie unverständlich bleiben, wenn man eine isolirte Entstehung
der Arten annimmt. Er hat ferner, was ebenfalls von der grössten Wichtig-
keit war, dem hergebrachten Dogma von der Unveränderlichkeit der Art
and dem Wahn, dass der Artbegriff anderer Qualität sei als die übrigen
Begriffsbestimmungen der natürlichen Verwandtschaft, den Boden entzogen
(vergl. S. 58). — Von geringerer bleibender Bedeutung scheint uns seine
Theorie von den Kräften, welche in erster Linie die Abänderungen geleitet
haben sollen (die Selectionstheorie), eine Seite seiner Arbeit, welche
er übrigens mit der grössten Energie und mit Aufgebot der ausgedehntesten
Stadien durchgeführt hat. Darwin stellte sich vor, dass in der Natur ähnlich
wie bei der Züchtung der Hausthier e eine Auswahl stattfände, und zwar
derart, dass immer diejenigen Individuen am besten im Kampfe um's Dasein
bestanden, welche sich durch kleine günstige Abweichungen von dem ge-
wöhnlichen Artgepräge auszeichnen, und dass hierdurch eine Entwicklung
in fortschreitender Richtung bedingt wäre, indem die weniger gut aus-
statteten Individuen zu Grunde gingen, während die besseren überlebten :
natürliche Auswahl {natural sckäum). Ob eine derartige Auswahl
überhaupt in der Natur vorkommt, erscheint aber keineswegs gesichert, und
jedenfalls giebt es bei den Thieren eine grosse Menge von Charakteren,
welche als unnütz oder gleichgültig nicht durch die Annahme einer Auswahl
verständlich gemacht werden können. Neben der natürlichen Auswahl er-
kennt Darwin übrigens auch eine mehr direkte Einwirkung der umgebenden
Verhältnisse als Ursache der Umänderung an. Diese ganze Frage erscheint
62
Allgemeiner Theil.
nber noch zu weit von ihrer Lösung entfernt, als dass sie in einem Lehr-
buche wie dem vorliegenden näher behandelt werden könnte.
Homologie, Analogie. Bei der allmählichen Umbildung der
Thierformen im Laufe der Zeiten haben sich die einzelnen Theile
des Organismus oft sehr stark verändert, ja ein Organ hat sogar
nicht selten seine ursprüngliche Function verloren und eine neue
übernommen. Organe oder Körpertheile verschiedener Thiere, welche
auf einen gemeinsamen Ursprung zurückgeführt werden können, mag
die Function dieselbe oder eine verschiedene sein, werden als homo-
log bezeichnet: der Arm eines Menschen ist dem Vorderbein eines
Hundes und dem Flügel eines Vogels homolog, obgleich die Function
in allen Fällen eine verschiedene ist. Andererseits kommt es häutig
vor. dass dieselbe Function bei einem Thiere von einem Organ, bei
einem anderen von einem anderen Organ übernommen ist; derartige,
nach Ursprung verschiedene, nach Function gleir.hwerthige Theile
werden als analog bezeichnet: das Auge der Wirbelthiere ist z. B.
dem der Schnecken analog. Derjenige Theil der Wissenschaft, dem
es als besondere Aufgabe obliegt, den Homologien nachzuspüren und
die Umwandlungen der Organe darzustellen, wird als v e r g 1 e i c h e n d e
Anatomie bezeichnet; mit der Embryologie zusammen bildet
sie die Morphologie der Thiere; Dieser gegenüber ist es die
Aufgabe der Physiologie, die Functionen der Organe zu studiren.
VI. Biologie.
Die Biologie (in engerem Sinne)1) behandelt die Lebensweise
der Thiere, ihr Verhältnis» zur umgebenden Natur etc. Verschiedene
biologische Fragen sind schon gelegentlich bei den Organen und bei
der Entwicklungsgeschichte behandelt; wir betrachten im Folgenden
einige andere von allgemeinerem Interesse.
1. Die Vertheilung der Thierwelt auf Land, Süsswasser und Meer.
Nach den verschiedenen Verhältnissen der Umgebung ist die
Thierwelt sehr verschiedenartig entwickelt; gewisse Gruppen leben
besonders unter diesen, andere unter jenen Verhältnissen ; Mitglieder
derselben Abtheilung, welche sich unter ungleichen äusseren Verhält-
nissen befinden, sind in mehr oder weniger enger Anpassung an die
Umgebung verschieden ausgebildet. Andererseits können bestimmte
äussere Verhältnisse oft den Mitgliedern verschiedener Abteilungen,
welche in denselben leben, in gewissen Richtungen ein ähnliches
Gepräge aufdrücken.
Ausgeprägte Landthier-Gruppen sind die Säuge thiere, Vögel,
Reptilien, Insekten, Spinnenthiere und Tausendfüssler,
weniger ausgeprägt die Lurche, welche halbwegs Wasserthiere sind.
Ausserdem hat eine Anzahl Formen aus Gruppen, die übrigens
') Die Biologie in weiterem Sinne umfasBt die ganze Wissenschaft von den
Organismen, a!no die ganze Zoologie und Botanik.
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VI. Biologie.
63
wesentlich dem Meere angehören, sich dem Landleben angepasst, vor
Allem die grosse Abtheilung der Lungenschnecken, nicht wenige
Krebsthiere, einige Gr 1 i e d e r w ü r m e r (Regenwürmer, Egel), ein-
zelne Plattwürmer etc. Ein gemeinsamer Charakter der Landthiere
besteht darin, dass sie, insofern sie mit besonderen Athmungswerk-
zengen ausgestattet sind, fast immer vermittels Lungen oder lungen-
ahnlicher Organe athmen. — Nach dem verschiedenen Charakter der
Landschaft, des Erdbodens und des davon sehr abhängigen Ptianzen-
lebens ist auch die Thierwelt, die Fauna, in verschiedener Weise
entwickelt; die Arten, Gattungen, ja sogar Familien, die man z. B.
im Walde findet, sind theilweise andere als diejenigen, welche in
waldlosen Landstrichen angetroffen werden, so dass man von einer
AValdfauna, Steppenfauna, Gebirgsfauna etc. reden kann.
Das Thierleben des Süss Wassers hat ein verhältnissmässig wenig
charakteristisches Gepräge; von den grösseren Abtheilungen giebt es
kaum eine, welche als ein besonderer Süsswassertypus bezeichnet
werden könnte; das Thierleben der süssen Gewässer ist vielmehr
wesentlich aus Formen zusammengesetzt, welche theils ausgeprägten
Landthiertypen, theils Meerestypen angehören; es bekommt dadurch
ein eigenthüm liebes geborgtes und gemischtes Gepräge. Den Land-
tieren sind die zahlreichen Lungenschnecken, Insekten und
Spinnen th ie re entlehnt, welche im Süsswasser leben; aus den
Abheilungen der Säugethiere und Vögel hat das Thierleben des
Landes an das Süsswasser gar keine ständigen Bewohner abgegeben,
wenn auch nicht wenige Formen der genannten Gruppen hin und
wieder oder sogar überwiegend sich im Süsswasser aufhalten; die
Reptilien haben eine nicht geringe Anzahl Formen geliefert, welche
jedoch grösstenteils hin und wieder aufs Land gehen (Krokodile,
Schildkröten etc.). Die Lurche sind als Larven fast alle Süss-
wasserthiere ; viele trifft man auch im erwachsenen Zustande häufig
<*ler immer im Süsswasser. Vom Meere hat das Süsswasser em-
pfangen: zahlreiche Fische (ganze Familien gehören fast ausschliess-
lich dem Süsswasser an) , eine Anzahl Kiemenschnecken,
Muscheln, Krebsthiere, Borsten wür in er, Bry ozoeu,
Platt w ü r m e r, einzelne Cölenteraten, nicht wenige Rhizo-
poden etc.; ganz wenige Säugethiere, aus einer als Meerestypus
speciell ausgebildeten Ordnung (den Walen), leben im Süsswasser.
Die Egel, die Rädert liiere und die Infusionsthierchen,
Aufteilungen, welche sowohl im Süsswasser wie im Meere leben,
sind im Süsswasser so reich vertreten, dass sie vielleicht als Süss-
wassertypen aufzufassen sind. Die Modifikationen, welche die Land-
ser Meeresformen beim Uebergang in's Süsswasser erlitten haben,
sind gewöhnlich nicht sehr bedeutend; die Landthierformen bleiben
gewöhnlich luftathmend, und die Umbildung beschränkt sich wesent-
lich auf dasjenige, was durch die gewöhnlich eintretende Veränderung
der Bewegungsweise nothwendig bedingt ist; auch für die Meeres-
formen sind die Umänderungen in der Regel ziemlich unwesentlich.1)
Ausgeprägte Meerost Iiier-Gruppen sind die Classe der Fische,
der Kreis der Weiehthicrc. die Krebsthiere, Glieder-
Türmer, Bryozoen, Brach iopoden, Platt würm er, St achel-
') Es ist jedoch charakteristisch, dass manchen Süsswasserthieren ein frei
^hwimmendes Larvenstadium abgeht, während ihre Verwandten im Meere ein
Elches besitzen (Flasskrebs, Süsswassermuscheln etc.).
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64
Allgemeiner Theil.
häuter, Cölenteraten, Schwämme, Rhizopoden und Ra-
diolarien; von diesen gehören sogar die Brachiopoden, Stachelhäuter
und Radiolarien ausschliesslich, die Cölenteraten und Schwämme
mit wenigen Ausnahmen dem Meere an. — Von dem Landthierleben
hat das Meer grosse Beiträge empfangen, namentlich von Wirbel-
thieren. Zwei Ordnungen der Säuget liiere, die Wale und Sirenen,
erstere mit zahlreichen Grattungen und Arten, haben sich völlig dem
Meeresleben angepasst, und ihr Bau hat dementsprechend bedeutende
Modificationen erlitten; eine dritte Säugethierordnung, die Seehunde,
sind ebenfalls ausgeprägte Meeresthiere, wenn sie auch der Fort-
pflanzung wegen etc. aufs Land gehen. Auch die Reptilien haben
zu dem Thierlebon des Meeres einiges beigesteuert (Seeschlangen,
Seeschildkröten). Unter den Vögeln giebt es keine, welche aus-
schliessliche Meeresthiere geworden sind, wenn auch manche sich
mehr oder weniger innig an das Meer gebunden haben (am innigsten
die Pinguine, ferner viele andere Schwimmvögel). Unter den jetzt
lebenden Lurchen giebt es gar keine Meeresformen. Von den Spinne n-
thieren werden nur wenige, von den Insekten fast gar keine im
Meere angetroffen. — Aehnlich wie die Landthiere ist auch die Meeres-
fauna nach den sehr verschiedenartigen Verhältnissen, welche sich im
Meere finden, nach dem ungleichen Charakter des Bodens, nach
der Tiefe etc. verschieden entwickelt: im Küstengebiet ist die Fauna
eine andere als auf grösserer Tiefe, liier wiederum nach der Bodenart
verschieden etc. (über die Fauna der grossen Tiefen und über die
. pelagische Fauna vergl. den folgenden Paragraphen.) Von durch-
greifender Bedeutung ist auch die Grösse des Salzgehaltes, und zwar
derart, dass ein grösserer Salzgehalt im Allgemeinen dem Thierleben
günstiger ist, namentlich einen grösseren Artenreichthum bedingt (an
Individuen können auch salzarme Gewässer reich sein).
Es wird letzteres sehr deutlich illustrirt, wenn wir die Verhältnisse
des salzreichen Kattegatts mit denen der salzärmeren westlichen Ostsee
und der fast brackischen östlichen Ostsee vergleichen. Im Kattegatt lebt
eine ziemlich reiche Fauna, welche aber schon am nördlichen Ende des
Sundes, wo der Salzgehalt ein geringerer ist, ein etwas kümmerlicheres
Gepräge erhält: die meisten Arten, welche im Kattegatt leben, werden zwar
auch hier angetroffen, z. Th. aber in kleineren Exemplaren und geringerer
Anzahl. Südlicher im Sund sowie im ganzen westlichen Theil der Ostsee
(südlich von den dänischen Inseln) sind sehr viele der Kattegattsformen
verschwunden, andere zwar vorhanden, aber in zwerghaften oder (für die
Weichthiere) dünnschaligeren Exemplaren vertreten. Endlich finden wir
nur einen Bruchtheil der Fauna der westlichen Ostsee in der sehr salzarmen
östlichen Ostsee, und dies gilt auch von denjenigen Partien der letzteren
(südlich von Schweden), welche hinsichtlich des Klimas von der westlichen
nicht wesentlich verschieden sind.
Einige Süsswasserthiere (Hecht, Barsch etc.) können auch in schwach
salzigem Wasser an der Küste leben, und andererseits können gewißBe Meeres-
thiere im Süsswasser vorkommen (Flunder [Pkuronectes fl&nts]). Auch gehen
einige Fische des Laichens wegen entweder aus dem Süsswasser in's Meer
(Aal) oder umgekehrt (Maifisch, Lachs, Stör etc.). Auf die meisten Süss-
wasserthiere wirkt dagegen jedenfalls die plötzliche Ueberführung in See-
wasser als Gift, und ähnlich verhalten sich auch die meisten Meeresthiere
dem Süsswasser gegenüber; dagegen ertragen viele bis zu einem gewissen
Grade eine allmähliche Versalzung, resp. Versüssung des Wassers.
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VI. Biologie.
65
Auf die Vertheilung der Thiere auf der Erde hat offenbar die
Temperatur einen grossen Einfluss. Namentlich ist dies für die
Land t hier fauna sehr augenfällig, welche unter übrigens gleichen
Verhältnissen weit reicher in den heissen als in den kälteren Erd-
strichen entwickelt, in den kältesten sogar fast völlig erloschen oder
wenigstens auf ein Minimum herabgedrückt ist. Dies beruht nicht
nur darauf, dass eine höhere Temperatur den Thieren im Allgemeinen
günstig ist, sondern auch auf der Abhängigkeit der Thierwelt von
der Pflanzenwelt, welch letztere von der Temperatur sehr beeinflusst
wird. Bei dem Umstände, dass die Temperatur des Meereswassers
nicht annähernd so tief sinkt wie die der Luft, können dagegen auch
die Meere der kältesten Gegenden eine reiche Thierwelt beherbergen,
wenn letztere auch nicht mit derjenigen der heissen Meere wetteifern
kann.
Merkwürdig ist der Umstand, dass manche Säugethiere und Vögel der
kälteren Zone — resp. der mit letzterer im Wesentlichen übereinstimmenden
kalten Regionen des Hochgebirges — sich dadurch auszeichnen, dass sie
entweder immer oder nur im Winter weiss sind; manchmal behalten die-
seU>en Thierarten, welche in den kalten Gegenden im Winter weiss werden,
in den gemässigteren Theilen ihres Verbreitungskreises das ganze .fahr
hindurch die dunklere Farbe (das kleine Wiesel [Mustrto vul</ari.s\ wird im
nördlichen Skandinavien im Winter weiss, behält dagegen in Deutachland
fast immer seine braune Farbe) ; es scheint sich somit hier um einen mehr
direkten Einfluss der Temperatur auf das Thier zu handeln.
-
"Wfcährend wir oben die allgemeineren Erscheinungen der Ver-
theilung der Thiere behandelt haben, wollen wir im Folgenden einige
speciellere Anpassungsverhältnisse betrachten.
Dunkelfanna. Die „unterirdischen", völlig dunklen Höhlen,
welche in den Gebirgen verschiedener Theile der Erde vorkommen,
und die in denselben befindlichen Gewässer beherbergen eine eigen-
tümliche kleine Thierwelt. Die meisten der an diesen Stellen lebenden
Thiere besitzen im Gegensatz zu ihren im Tageslicht lebenden Ver-
wandten sehr rückgebildete Sehorgane oder entbehren solcher
völlig; häufig ist ihre Haut pigmentlos. Als charakteristisches Höhlen-
thier kann der blinde, blasse Olm der Krainer Höhlen angeführt
werden ; zur Höhlenfauna gehören ferner einzelne Fische, verschiedene
Krehsthiere, Insekten, Spinnenthiere. Uebrigens sind nicht alle
Höhlenthiere blind; einige haben die Augen bewahrt, sind somit
weniger vollständig dem Dunkelleben angepasst. — Aehnlich wie
die Höhlenthiere verhalten sich auch diejenigen Formen, welche
in den oberen Erdschichten ein grabendes, wühlendes Leben führen
und selten oder nur in tiefer Nacht an die Oberfläche kommen ; auch
bei solchen bilden sich die Augen mehr oder weniger zurück (Maul-
wurf. Regenwurm).
Einen ähnliehen Charakter wie die Höhlenfauna hat auch das
namentlich in den letzten Jahren bekannt gewordene reiche Thier-
leben der Tiefsee, wohin ebenfalls das Tageslicht nicht zu dringen
im Stande ist. Die Tiefseethiere sind nicht selten fast pigmentlos,
und häufig sind sie mit sehr rückgebildeten Augen versehen oder gar
völlig augenlos, selbst wenn sie Abtheilungen angehören, deren Mit-
glieder sonst mit wohlentwickelten Sehorganen ausgestattet sind (ver-
Boai, Zoologie. 5
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Allgemeiner Theil.
schiedene Tiefseekrebse und -Fische). Andere Formen der Tiefsee
sind aber sogar mit wohlentwickelten Augen versehen, was namentlich
von einer Mehrzahl der Fische gilt, welche als der Tiefsee angehörig
aufgeführt worden sind. *) Viele der Tiefseefische besitzen Leucht-
vermögen. Von den Tiefseethieren sind hervorzuheben: die Glas-
schwämme, die gestielten Seelilien, oigenthümliche Seeigel und Krebs-
thiere, zahlreiche Fische. Unter den Fischen und Krebsen giebt es
eine Anzahl Formen, welche den charakteristischsten Höhlenbewohnern
völlig analog gebildet sind.
Noch weit eigentümlicher ist die Thierwelt, welche auf offenem
Meer in bedeutendem Abstand vom Lande schwimmend lebt, die so-
genannte pelagische Fauna. Es finden sich hier eine Anzahl Thier-
eruppen, welche entweder gar nicht oder nur ausnahmsweise in die
Nähe der Küste gelangen und überhaupt anderswo nicht vorkommen.
Dazu gehören die Radiolarien und gewisse kleinere Protozoen-Ab-
theilungen, die Siphonophoren, Leuchtkrebse (Euphausien), Flossen-
füssler (Pteropoden), Kielfüssler (Heteropoden) und Salpen ; ausserdem
noch eine Menge Formen, deren nahe Verwandte dem Lande näher
leben; endlich eine ungeheure Anzahl Larven, welche Formen an-
gehören, die als Erwachsene am Boden des Meeres sich aufhalten.
Was aber die pelagische Thierwelt besonders auszeichnet, ist nicht
so sehr das Verhältniss, dass eine Anzahl Gruppen, wie eben be-
merkt, ihr allein zukommen, sondern weit mehr der Umstand, dass
das pelagische Leben den Mitgliedern der verschiedenen dort lebenden
Abtheilungen gewisse gemeinsame Charaktere aufdrückt, welche
übrigens bei einigen Formen weniger, bei anderen stärker ausgeprägt
sind. Es ist namentlich eine unverkennbare Tendenz nach der Richtung
vorhanden, dass die betreffenden Thiere derartig gebaut werden,
dass sie sich mit gross tmögli eher Leichtigkeit in der Schwebe er-
halten können. Dieses wird in einigen Fällen dadurch erreicht, dass
das Thier so zu sagen wassersüchtig wird, in seine Gewebe bedeutende
Wassermengen aufnimmt, so dass sein speeifisches Gewicht nur wenig
grösser als dasjenige des Wassers wird; derartige Thiere erhalten ein
gallertiges Aussehen (Medusen, manche Flossen- und Kielfüssler, die
Salpen). In anderen Fällen wird dasselbe dadurch erreicht, dass die
Oberfläche des Thieres sich vergrössert, entweder indem der Körper
abgeplattet wird, oder durch Verlängerung der Gliedmaassen, durch
Ausbildung langer Stacheln etc. (manche Krebsthiere und Larven von
Krebsen, junge Fische). In beiden Fällen findet man, dass die
zur Bewegung des Thieres dienende Musculatur gleichzeitig rück-
gebildet wird; zuweilen geht diese Rückbildung so weit, dass die be-
treffenden Thiere ungemein muskelarm werden und nur einer be-
schränkten activen Bewegung fähig sind; in anderen Fällen sind sie
trotz der schwächeren Musculatur dennoch gute oder sogar ausge-
zeichnete Schwimmer, indem der Körper fast ohne Muskelanstrengung
sich im Wasser schwebend erhält. Für die Mehrzahl der pelagischen
Thiere ist ferner eine grosse Durchsichtigkeit des Körpers charak-
teristisch. Manche pelagische Thiere besitzen ausgebildetere Seh-
M Es ist aber für manche derselben zweifelhaft, ob sie in der Nähe des
Meeresbodens oder nicht etwa weit näher der Oberfläche leben und vom Schlepp-
netze aufgefangen wurden, während dieses vom Boden des Heeres an die Ober-
fläche gehoben wurde.
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VI. Biologie.
67
organe als die Mehrzahl ihrer Verwandten (das ist z. B. bei gewissen
pelagischen Borstenwürmern der Fall); andere besitzen im Gegentheil
rückgebildete Sehorgane. Letzteres erklärt sich daraus, dass ein
grosser Theil der pelagischen Fauna nur des Nachts an der Ober-
Sache des Meeres erscheint, den Tag über sich dagegen in tieferen
Wasserschichten aufhält.
2. Ueber das Verhältniss der Nahrung zur Gestaltung des
Körpers. — Parasitismus.
Die Thiere verhalten sich, was die Nahrung betrifft, bekanntlich
in sehr verschiedener Weise. Die Nahrung kann aus lebenden oder
verwesenden Pflanzen, aus lebenden Thieren oder Aas etc. bestehen.
Einige Thiere nehmen sehr verschiedenartige Dinge, sowohl pflanz-
licher als thierischer Art, zu sich, während andere im Gegentheil auf
ein sehr enges Gebiet, z. B. auf ganz wenige Pflanzenarten, angewiesen
*ind; einige ernähren sich von Organismen von verhältnissmässig sehr
geringer Grösse, andere verzehren dagegen Thiere, die grösser sind
als sie selbst etc.
In sehr vielen Fällen zeigt es sich deutlich, dass die Art der
Nahrung von durchgreifendem Einfluss auf den Bau des Thieres ist.
Dieser Einfluss spricht sich zunächst in der Gestalt des Darmkanals
aus. Unter verwandten Thieren ist z. B. die Länge des Darmkanals
bei Pflanzenfressern bedeutender als bei Thieren, welche sich von
animalischen Stoffen ernähren : innerhalb der Säugethiere ist der Darm-
kanal z. B. weit länger bei den pflanzenfressenden Wiederkäuern als
bei den Raubthieren. Mancherlei andere Verschiedenheiten des Darm-
kanals lassen sich ebenfalls aus der Verschiedenartigkeit des Futters
ableiten. Besonders gilt dies auch von den in der Mundhöhle ange-
brachten, zur Zerkleinerung und zum Festhalten der Nahrung dienenden
festen Gebilden, z.B. den Zähnen der Wirbelthiere. Innerhalb der Säuge-
thiere ist dies in ausgezeichneter Weise zu erkennen : man vergleiche
z. B. die Zähne einer Katze mit denen eines Pferdes oder selbst die
Zähne verschiedener Raubthiere (Katze, Hund, Bär etc.) mit einander.
Tndem die Ausbildung und Verwendung der Zähne wieder z. B. auf
den Bau des Schädels einwirkt, erstreckt sich der Einfluss der Nahrung
mittelbar auch auf andere Organsysteme.
Die Art der Nahrung wirkt ferner häufig auf die Bewegungs-
organ e und die ganze äussere Körpeigestalt ein. Sehr deutlich
kommt dies bei den Insekten zum Vorschein : man vergleiche die
schlanken, mit gestreckten Beinen ausgestatteten, nach ihrer Beute
lebhaft umherlaufenden Larven der Laufkäfer mit den kurzbeinigen,
plumpen blattfressenden Larven der Blattkäfer oder gar mit den maden-
artigen. mit rudimentären Beinen ausgestatteten oder ganz beinlosen
Holz- und Rüsselkäferlarven, welche inmitten ihrer in reichster Fülle
vorhandenen Nahrung leben. Häufig erhalten ferner die Gliedmaassen
«ler räuberisch lebenden Thiere die Nebenverrichtung, als Greif-
*erkzeuge zu fungiren und werden dementsprechend umgebildet. —
In ähnlicher Weise wie auf die Gliedmaassen wirkt auch die Art und
namentlich die mehr oder weniger leichte Beschaffbarkeit der Nahrung
auf die Sinnesorgane, besonders die Augen, ein: Raubthiere be-
sitzen öfters grosse, gut ausgebildete Augen, während Pflanzenfresser,
deren Nahrung in Fülle gegeben ist, kleinere oder gar rückgebildete
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Allgemeiner Theil.
Augen besitzen; auch hierfür bieten die Insekten charakteristische
Beispiele dar.
Es ist hiermit nicht gesagt, dass die Bewegungs- und Sinnesorgane
bei Pflanzenfressern, deren Nahrung reichlich vorhanden ist, immer schlecht
ausgebildet sind. Unter den Säugethieren giebt es z. B. zahlreiche Pflanzen-
fresser, welche an Ausbildung der Bewegungs- und Sinnesorgane gegen
die Baubthiere nicht zurückstehen (Hirsche , Antilopen etc.) ; in diesen
Fällen ist die gute Ausbildung der betreffenden Theile ein Mittel, den Ver-
folgungen von Raubthieren zu entgehen, denen gegenüber sie sonst wehr-
los dastehen.
Der unmittelbare und mittelbare Einfluss der Ernährungsver-
hültnisse tritt nirgends deutlicher als bei einer Betrachtung der Para-
siten hervor. Als Parasiten oder Schmarotzer bezeichnet man
diejenigen Thiere, welche sich auf oder in anderen lebenden Thieren
aufbalten und auf deren Kosten ernähren. Die von den Parasiten
bewohnten Thiere werden als die Wirthe derselben bezeichnet; jene
ernähren sich entweder von Theilen des Körpers des Wirths (z. B.
vom Blut desselben) oder von der vom Wirthe aufgenommenen und
aufgelösten Nahrung (letzteres ist z. B. bei den Bandwürmern der
Fall). Die Schmarotzer sind theils temporäre, theils stationäre;
die ersteren (z. B. die Bettwanze) halten sich nicht ununterbrochen
am Körper des Wirths auf, sondern leben abwechselnd auf dem Wirthe
und frei, indem sie jenen wesentlich der Ernährung wegen aufsuchen,
während die stationären Parasiten auf oder in ihm dauernd Aufenthalt
nehmen. Je nachdem die Schmarotzer sich an der äusseren Ober-
fläche oder in den inneren Theilen des Wirths aufhalten, nennt man
sie Ektoparasiten ( Aussenschmarotzer) und Endoparasiten
(Binnenschmarotzer) ; eine scharfe Grenze ist übrigens zwischen diesen
beiden Gruppen schon aus dem Grunde nicht zu ziehen, weil die
Grenze zwischen „inneren" und „äusseren" Theilen bekanntlich keine
scharfe ist. Die Schmarotzer verbringen zum grossen Theil nicht ihr
ganzes Leben als solche, sondern führen in einem oder dem anderen
Abschnitt desselben ein vom Wirth unabhängiges Dasein ; einige sind
z. B. in der Jugend Schmarotzer, als Erwachsene freilebend (die
Bremen), während andere umgekehrt als Junge ein freies Leben
führen und späterhin Schmarotzer werden (schmarotzende Krebse).
Sehr charakteristisch ist nun die Einwirkung des Schmarotzerlebens
auf den Bau der Parasiten. Verhältnissmässig gering ist sie vielfach
bei den temporären Schmarotzern und bei denjenigen stationären Ekto-
parasiten, welche sich frei auf dem Körper des Wirths umherbewegen
können, sehr bedeutend aber bei den meisten sesshaften stationären
Ekto- und Endoparasiten. Der Umstand, dass die Nahrung in reicher
Fülle vorhanden und unmittelbar zugänglich ist, übt seinen gewöhn-
lichen Einfluss: die Beweglichkeit wird verringert, es zeigt sich eine
mehr oder weniger weitgehende Reduction der Gliedmaassen. soweit
die Schmarotzer Thiergruppen angehören, welche mit solchen aus-
gestattet sind; bei den schmarotzenden Copepoden kann man die
Rückbildung der Gliedmaassen z. B. in einer langen Stufenreihe be-
obachten, bis die Gliedmaassen bei den reducirtesten Formen völlig
verschwunden sind, während sie bei anderen zu plumpen Anhängen
ohne jegliche Bedeutung umgebildet sind etc. Ferner werden die
Sinnesorgane, z. B. die Augen, stark beeinflusst; die meisten stationären
Parasiten, namentlich Endoparasiten, sind blind. Dagegen entwickeln
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VI. Biologie.
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sich sehr häufig Haftwerkzeuge in Form von Saugnäpfen, Haken etc.,
oder es werden gewisse Gliedmaassen zu diesem Zwecke umgebildet.
Auch auf den ganzen Lebensgang übt das Schmarotzerthum einen
bestimmenden Einrluss. Eine natürliche Folge des Parasitismus ist es
z. B., dass die Schmarotzer meistens Wanderungen vornehmen
müssen, d. h. dass sie nicht ihren ganzen Lebenslauf, vom Ei bis zur
eigenen Fortpflanzung, in demselben Wirthe zubringen, sondern auf
irgend einem Punkte ihres Lebens activ oder passiv in einen anderen
übergerührt werden. Zu dieser einmaligen Wanderung des Schma-
rotzers gesellen sich oftmals weitere Wanderungen: manche Parasiten
werden regelmässig als Ei in einem Wirthe oder im Freien erzeugt,
verleben dann eiuige Zeit in einem anderen Wirth (dem Zwischen-
wirth) und erreichen endlich die Geschlechtsreife in einem dritten.
Die Parasiten gehören sehr verschiedenen Abtheilungen des
Thierreichs an, es giebt jedoch gewisse grosse Gruppen, von welchen
keine oder nur ganz einzelne Formen in dieser Richtung ausgebildet
sind, unter den Wirbelthieren z. B. nur ein paar Fische ; ebenso sind
es nur ganz wenige Weichthiere, Borstenwürmer, Cölenteraten und
gar keine Stachelhäuter, welche in dieser Weise leben. Ein reiches
Contingent liefern dagegen die Gliederfüssler , besonders die Krebs-
thiere; die schmarotzenden Gliederfüssler leben grösstenteils als
Ekto parasiten, die Schmarotzerkrebse ausschliesslich auf (in) Wasser-
thieren, die übrigen parasitischen Gliederfüssler fast ebenso ausschliess-
lich auf oder in Landthieren. Weiter sind unter den Gliederwürmern
ein grosser Theil der Egel Schmarotzer (temporäre Ektoparasiten);
von den Rundwürmern leben die meisten als Schmarotzer und sind
dann immer Endoparasiten, während die Plattwürmer, welche ebenfalls
eine grosse Anzahl Schmarotzer liefern, theils als Endo-, theils als
Ektoparasiten auftreten ; die schmarotzenden Rund- und Plattwürmer
werden häufig mit dem gemeinsamen Namen „Eingeweidewürmer"
bezeichnet. Auch von den Protozoen leben viele (die Gregarinen,
manche Infusionsthierchen) in dieser Weise. — Als Wirthe müssen
zahlreiche verschiedene Thiere aller Hauptabtheilungen des Thier-
reichs dienen, ganz besonders jedoch die Wirbelt hiere, welche
meistens durch bedeutende Grösse, zusammengesetzten Bau und ver-
hältnissmässig bedeutende Lebensdauer den Schmarotzern, inneren wie
äusseren, einen vorzüglichen Tummelplatz darbieten. Manche Schma-
rotzerarten sind in Bezug auf die Wahl des Wirths sehr begrenzt;
es leben z. B. einige immer nur bei einer Art, niemals bei anderen;
andere sind auf wenige verwandte Formen augewiesen, andere haben
wieder eine grössere, aber immer begrenzte Auswahl; es kann der-
selbe Schmarotzer z. B. nicht ohne Unterschied bei einem Fisch und
bei einem Säugethier leben. Dagegen kommt es häufig vor, dass
verschiedene Entwicklungsstufen desselben Schmarotzers in Thieren
von sehr verschiedener systematischer Stellung leben, die Kratzer
i- B. als Junge in Gliederfüsslern, als Erwachsene in Wirbelthieren.
Einige Thiere bilden den Uebergang von Raubthieren zu temporären
Schmarotzern, indem sie bald kleinere Thiere auffressen, bald als Blutsauger
grösserer Thiere auftreten ; dieses ist z. B. bei gewissen Egeln der Fall. —
Andere Thiere stellen insofern einen Uebergang zu den Schmarotzern dar,
aU sie sich zwar auf anderen Thieren aufhalten, jedoch ohne sich auf deren
Kosten zu ernähren ; höchstens nehmen sie an den Mahlzeiten derselben einen
f eecheidenen Antheil (Commensalen). Für einige dieser Fälle hat man
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Allgemeiner Theil.
sogar vermuthet, dass das Verhältniss der beiden zusammenlebenden Thiere
ein gegenseitiges sein möge ; das Zusammenleben sollte beiden nützlich sein
(Symbiose).
3. Die verschiedene Art der Ortsbewegung, üeber
festsitzende Thiere.
Die Art der Bewegung der Thiere ist bekanntlich eine sehr
mannigfache. Viele, namentlich niedere Thiere (Würmer etc.)
kriechen vermittels Zusammenziehungen der Musculatur der Leibes-
wand oder durch die Wimperbewegung der Körperoberfläche. Andere
schwimmen, was ebenfalls sehr häufig durch Bewegungen des
ganzen Körpers oder grösserer Abschnitte desselben ausgeführt wird;
in anderen Fällen geschieht es aber vermittels Gliedmaassen. Die
als Gang bezeichnete Bewegungsart ist dagegen an die Ausbildung
von Gliedmaassen gebunden ; eine eigentümliche Form desselben ist
das Laufen. Die Sprungbewegungen sind verschiedener Art; bei
Wasserthieren können sie vermittels Schläge eines Theiles des Kör-
pers gegen das Wasser stattfinden (bei den Zehnfüsslern unter den
Krebsen) ; bei den Landtieren erfolgt eine Sprungbewegung meistens
dadurch, das« gewisse Gliedmaassen mit Kraft vom Boden abgestossen
werden. Die Flugbewegung findet immer vermittels besonders ent-
wickelter Gliedmaassen statt. Ebenso die als G r a b e n und Klettern
bekannten Bewegungsformen.
Jede der genannten Arten der Ortsbewegung, welche teilweise
bei demselben Thiere combinirt sein können, kann nun mehr oder
weniger tief in den Bau des Thieres eingreifen. Sehr deutlich tritt
dies hervor , wenn wir verwandte Abtheilungen , welche typisch
durch eine verschiedene Bewegungsart ausgezeichnet sind, mit einander
vergleichen. Ein grosser Theil des besonders hervortretenden Unter-
schiedes der Fische und der höheren Wirbeltiere ist z. B. auf die
Rechnung der verschiedenen Bewegungsart zu schreiben. Bei jenen
sind die Gliedmaassen nur wenig entwickelt, die Musculatur des
Rumpfes und des mächtigen Schwanzes dagegen um so mehr, was
den Anforderungen der schwimmenden Lebensweise entspricht. Bei
dem am meisten ausgeprägten Gangtypus der Wirbeltiere, den
Säugetieren, finden wir den Schwanz nickgebildet, die Rumpf-
Schwanzmusculatur ebenso, die Gliedmaassen dagegen stark ausge-
bildet. Dass dies Alles als eine Folge der veränderten Art der Be-
wegung aufzufassen ist, geht weiter daraus hervor, dass, wenn
Säugetiere sich ausnahmsweise an ein schwimmendes Leben ange-
passt haben, sie wieder in einer ganz analogen Weise wie die Fische
ausgebildet werden können. Dies ist eben bei den von landlebenden
Säugetieren abzuleitenden Walen der Fall, deren Gliedmaassen durch
das schwimmende Leben rückgebildet worden sind, während der
Schwanz als mächtiges Bewegungsorgan sich entwickelte. Ebenso
tief greifen bei den Vögeln die dieser Abtheilung eigentümlichen
Arten der Bewegung (der Flug einerseits, der Gang auf den Hinter-
gliedmaassen andererseits) in den Bau des ganzen Körpers ein. In
ähnlicher Weise ist der Unterschied einer Garneele und einer Krabbe
grösstenteils davon abzuleiten, dass jene ein schwimmendes und
springendes Thier ist, während letztere eine ausgeprägte Gangform
ist. Vergl. auch verschiedene ausgeprägt grabende Thiere (Maulwurf,
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VI. Biologie.
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Maulwurfsgrille) mit ihren nächsten Verwandten. Uebrigens ist es keines-
wegs immer der Fall, dass die Art der Bewegung sicn so entschieden
wie in den genannten Fällen im Baue ausspricht; die Anpassung ist
nicht immer so innig, die Ausbildung nicht immer so exclusiv wie
bei jenen ; man vergleiche z. B. mit den Walen andere schwimmende
Säugethiere: Seehunde, Otter etc., oder mit dem Maulwurf und der
Maulwurfsgrille andere grabende Thiere: Kaninchen, Mistkäfer.
Festsitzende Thiere. Obgleich das Vermögen, sich frei umher-
zubewegen, bekanntlich für die Thierwelt besonders charakteristisch
ist, gießt es doch viele Thiere, welche wenigstens den grössten Theil
ihres Lebens1) an eine Stelle gebunden sind. Es geschieht dies
meistens in der Weise, dass ein begrenzter Theil der Oberfläche des
Thieres sich untrennbar mit einem fremden Gegenstand, einem Stein,
einer todten Muschelschale, der Oberfläche eines anderen Thieres etc. ver-
bindet; häufig ist es eine Guticularabscheidung, welche die Verbindung
bewerkstelligt. Manchmal, so bei vielen Borstenwürmern, ist die Ver-
bindung des Thieres mit dem Fremdkörper eine weniger innige, indem
sie lediglich durch ein vom Thiere gebildetes Gehäuse bewerkstelligt
wird, welches mit dem Thiere nicht in direktem Zusammenhang steht,
ja oftmals sogar von demselben unter Umständen verlassen werden
kann. Der Uebergang von den freilebenden zu den festsitzenden
Thieren wird von solchen Formen gebildet, welche zwar einer Orts-
bewegung fähig sind, aber meistens lange Zeit (Tage bis Jahre lang)
auf derselben Stelle verharren, wie dies z. B. bei gewissen Schnecken,
bei der Miessmuschel, dem Süsswasserpolypen u. a. der Fall ist.
Die nächstliegende und sehr natürliche Folge des Festsitzens ist
die, dass die Organe der Ortsbewegungen rückgebildet werden. Weiter
finden wir ungemein häufig bei festsitzenden Thieren (bei Korallen,
Hydroiden, Röhrenwürmern, Bryozoen, Brachiopoden etc.), dass der
Mund von langen Fangarmen oder Tentakeln umgeben ist, welche
geeignet sind, entweder zufällig in die Nähe kommende Thiere zu
ergreifen oder vermittels des auf denselben vorhandenen Wimper-
besatzes winzige Organismen in den Mund hineinzutreiben. Bei
anderen festsitzenden Thieren (Vorticellen , Schwämmen, Austern)
fehlen zwar Tentakel, es ist aber in anderer Weise dafür gesorgt,
dass ein Wimperstrom kleine organische Theile den Verdauungswerk-
zeugen zuführt. — Die festsitzende Lebensweise ist ferner offenbar
der Stockbildung besonders günstig; die allermeisten Thierstöcke,
besonders diejenigen, welche eine baumförmige Gestalt haben, sind
festsitzend.
4. Umgestaltende Einwirkung der Lebensverhältnisse.
Nachdem wir im Vorhergehenden eine Reihe verschiedener Formen
der Anpassung an die äusseren Lebensverhältnisse kennen gelernt
haben, gehen wir jetzt zu einer Betrachtung einiger Thatsachen über,
welche den direkt wirkenden Einfluss der Lebensverhältnisse auf
den Organismus darlegen.2)
Es gehört zu den sehr leicht zu beobachtenden Thatsachen, dass
') Manche durch Sprossung entstandene, in Stöcken lebende Thiere sind sogar
lebenslänglich an dieselbe Stelle gebunden.
*) Das Gebiet gehört nicht zu den sehr durchgearbeiteten, so dass die
folgenden Bemerkungen einen aphoristischen Charakter tragen müssen.
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Allgemeiner Theil.
der stärkere Gebrauch eines Organs dasselbe, wenigstens in manchen
Fällen, stärker ausbildet, während geringerer Gebrauch, resp. Nicht-
gebrauch eine relative Rückbildung zur Folge hat. Wir sehen dies
für den Menschen z. B. einerseits in der kräftigeren Ausbildung der
Arme derjenigen Personen, welche schwere Hundearbeit zu verrichten
haben, andererseits in der schwachen Ausbildung derselben Körper-
theile bei Personen, deren Arbeit überwiegend geistiger Art ist.
Aehnliche Thatsachen sind auch für die Hausthiere bekannt.
Man hat ferner in verschiedenen Fällen nachgewiesen, dass eine
bestimmte, von der gewöhnlichen abweichende Nahrung einen um-
ändernden Einfluss auf die Farbe gewisser Vögel haben kann; eine
bekannte lebhaft gelbrothe Abänderung des gewöhnlichen Kanarien-
vogels ist z. B. dadurch erzeugt worden, dass man den Vogel mit
spanischem Pfeffer gefüttert hat. Durch Fütterung von Tauben mit
Fleisch hat man erreicht, dass der Muskelmagen dem eines Raub-
vogels ähnlich (dünnwandig) wurde, während umgekehrt der Magen
normal fleischfressender Vögel (Möwen), welche gezwungen wurden
sich von Korn zu ernähren, ein Aussehen wie bei den körnerfressenden
Vögeln annahm.
Ueber den umgestaltenden Einfluss eines höheren oder
niederen Salzgehaltes hat man sehr merkwürdige Erfahrungen.
Einen in Salzseen lebenden Krebs, Artemia salina, einen nahen Ver-
wandten des Süsswasserkrebses ß rauch ipus, gelang es durch allmähliche
Erhöhung des Salzgehaltes in eine andere Form umzubilden, welche
als eigene, und zwar ausgeprägt verschiedene Art, A. Milhausenii, be-
schrieben war. Die Umänderung geschah allmählich durch mehrere
Generationen, nicht unmittelbar an denselben Individuen. Umgekehrt
wurde A. Milhausenii in die A. salina durch Züchtung in weniger
salzhaltigem Wasser übergeführt. Ferner wurde Artemia salina, wenn
das Wasser allmählich süsser gemacht und schliesslich ganz süss
wurde, allmählich in anderer Richtung umgebildet und zwar so, dass
sie schliesslich die Charaktere der Gatt. Branchipus annahm.
Auch eine Aenderung der Beleuchtung kann auf die Thiere
einwirken; die unter normalen Verhältnissen weissliche Höhlenform
Proteus (Olm) wird z. B. dem Lichte ausgesetzt gefleckt oder bräun-
lich : es entwickelt sich in seiner Haut ein sonst fehlendes Pigment.
In manchen Fällen übt die Ueberführung einer Thierform in eine
neue Localität eine merkwürdige Einwirkung auf dieselbe aus,
ohne dass die Ursache näher bestimmbar ist. Ein paar Beispiele
werden dieses erläutern. In den siebziger Jahren wurde eine kleine
Anzahl wilder Truthühner auf eine kleine Insel hei Californien über-
geführt; sie gediehen ausgezeichnet, und zehn Jahre später fanden sich
zahlreiche Nachkommen derselben auf der Insel, das Gewicht der
Exemplare war aber auf 1 ., desjenigen der eingeführten Exemplare
gesunken: im Laufe weniger Generationen hatte sich eine Zwergform
ausgebildet. Ueherhaupt scheint das Leben auf Inseln zu einer geringen
Grösse zu disponiren. Auch nach anderen Richtungen hat man bei
Ueberführung von Thieren in neue Umgebungen Aenderungen eintreten
sehen. Auf der Insel Porto Santo hat sich z. B. im Laufe der
Zeiten eine eigenthümliche wilde Kaninchenforra gebildet, welche
ganz als besondere Art erscheint, eine ausgeprägte besondere Farben-
zeichnung etc. besitzt; dieselbe stammt von spanischen Kaninchen
ab, welche vor 4 — 500 Jahren ausgesetzt wurden.
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VI. Biologie.
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Sehr deutlich tritt die Einwirkung veränderter äusserer Ver-
bältnisse auf den thierischen Organismus bei den Haust liieren
hervor. Viele der bei den Hausthierrassen hervortretenden Eigen-
thümlichkeiten sind einfach Producte localer Verhältnisse, besonderer
Nahrung etc.
Es ist hervorzuheben, dass die oben kurz angedeuteten Erschei-
nungen in ihrem Wesen meistens unverständlich sind. Dass die Artemia
durch Ueherführung in Süsswasser eine Gestaltsänderung erleidet,
dass sich beim Olm, wenn derselbe dem Licht ausgesetzt ist, Pigment
entwickelt, ist beides einem wirklichen Verständniss entzogen. Die
betreffenden Thatsachen sind aber desshalb von grösstem Werth, weil
sie die in den vorhergehenden Paragraphen erwähnten Eigentümlich-
keiten der verschiedenen Faunen, die Anpassung an verschiedene
Nahrung, die Um- und Rückbildung der Schmarotzer etc. mit aller
Wahrscheinlichkeit, wenigstens zum grossen Theil, als Wirkungen
äusserer Ursachen erkennen lassen.
■
5. Ueber die Lebensperioden und die Lebensdauer der Thiere.
Iin Leben der meisten Thiere lässt sich ungezwungen eine Reihe
von Stadien unterscheiden. Als erstes Stadium haben wir die
Embryonalperiode, ein zweites ist das darauf folgende Jugendstadium,
ein drittes die Periode der vollständigen Ausbildung, welcher sich
endlich ein Stadium des Rückschrittes anreihen kann.
Die Embryonalperiode haben wir schon vorhin (S. 52) genügend
charakterisirt. Das Juge nd Stadium erstreckt sich von der Geburt
bis zu der Zeit, wo das Individuum die Geschlechtsreife und damit
gewöhnlich ungefähr die definitive Grösse und Gestalt erreicht hat.
Während des Stadiums des Erwachsenen bleibt der Organismus
meistens ungefähr stationär, und dieses Stadium geht dann ganz all-
mählich in die senile Periode über, in welcher die Organe theilweise
eine Rückbildung erleiden und weniger funetionsfähig werden und
damit auch die Kraft des ganzen Organismus abgeschwächt wird, so
dass er leicht schädlichen äusseren Einwirkungen zum Opfer fällt.
Das letztere Stadium ist wohl übrigens nur bei den höheren Wirbel-
tbieren (Säugethieren und Vögeln) deutlich nachgewiesen. Dass die
verschiedenen Phasen des Lebens meistens keineswegs scharf begrenzt
sind, braucht kaum besonders hervorgehoben zu werden.
Die obige Angabe, dass die Geschlechtsreife mit der Erreichung
der definitiven Grösse zusammenfällt, trifft nicht für alle Fälle zu.
Bei manchen Thieren wird das Individuum schon lange vor der Be-
endigung des Wachsthums gcschlechtsreif ; der Dorsch z. B. fängt
schon bei verhältnissmässig geringer Grösse an. Eier zu legen, und
das Wachsthum schreitet nachher weiter fort. — Das Larvenstadium
fallt, wenn ein solches überhaupt vorkommt, fast immer innerhalb der
Jugendperiode, es ist abgeschlossen, wenn die Geschlechtsreife eintritt.
Auch hiervon giebt es aber bemerkenswerthe Ausnahmen, indem die
Larven Charaktere bis nach eingetretener Geschlechtsreife bestehen
bleiben können. Solches ist bei gewissen Amphibien der Fall, welche
entweder ausnahmsweise (Wassersalamander) oder regelmässig (Olm
u. a.) in der Larvengestalt geschlechtsreif werden und dann über-
haupt die Larvencharaktere zeitlebens bewahren. Während bei den
genannten Amphibien die Geschlechtsthätigkeit erst bei vollendetem
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Allgemeiner Theil.
"Wachsthum eintritt, findet man bei gewissen Rippenquallen, dass
junge, kleine Larven es zur Erzeugung von Eiern und Samen bringen
(ob sie nachher weiter wachsen und sich in die definitive Form um-
wandeln, ist unbekannt). Vergl. auch die ebenfalls hierhergehörige,
unten bei den Insekten besprochene „Padogenesis" gewisser Mücken.
Innerhalb jedes Lebensjahres und innerhalb jedes Lebenstages
finden wir ebenfalls sehr häufig regelmässige Perioden. Für jeden
Tag kann man bei vielen Thieren eine Thätigkeits- und eine
Ruheperiode unterscheiden. Manche Thiere schlafen während
der letzteren: d. h. sie verfallen in einen eigenthtimlichen bewusst-
losen Zustand, in welchem die Thätigkeit der Organe überhaupt
wesentlich herabgestimmt ist (Säugethiere, Vögel). Für die meisten
dieser Thiere fällt die Ruheperiode auf die Nacht, die Activitäts-
periode auf den Tag. Einige halten sich aber bekanntich den Tag
ruhig, während sie Abends oder Nachts in Thätigkeit sind (Nacht-
thiere).
Für sehr viele Thiere ist das Jahr ähnlich in zwei grosse Perioden
getheilt, von welchen die eine der Activität, die andere der Ruhe ge-
widmet ist; während der ersteren können natürlich tägliche Thätig-
keits- und Ruheperioden mit einander abwechseln. Es tritt dieses be-
sonders bei Thieren der gemässigten und kalten Zone hervor, welche
zum grossen Theil während des Winters durch die Kälte in einen Zustand
der völligen Unthätigkeit versetzt werden, während dessen die Lebens-
thätigkeiten auf ein Minimum herabgedrückt werden (z. B. über-
winternde Insekten). Manche Säugethiere (Bär, Siebenschläfer) ver-
fallen während dieser Zeit in einen sogenannten Winterschlaf,
einen Zustand, welcher dem gewöhnlichen Schlaf ähnlich ist, in dem
jedoch die Charaktere des letzteren weit ausgeprägter hervortreten:
die Bewusstlosigkeit ist tiefer, die Thätigkeit der Organe ausge-
sprochener herabgesetzt, die Körperwärme kann bis auf wenige Grade
sinken. — Aehnliche Ruheperioden können bei tropischen Thieren
während der trockenen Jahreszeit eintreten.
Viele Thiere, namentlich der kälteren Klimate, haben alljährlich
einmal eine Fortpflanzungsperiode, in welcher die Eier und
der Samen reif werden, die Begattung stattfindet etc. (Brunst).
Ausserhalb dieser Periode befinden sich die Eierstöcke und Hoden
in einem Zustand der relativen Ruhe und der Geschlechtstrieb ist
erloschen. In den wärmeren Klimaten besteht eine solche Periodicität,
wenigstens zum grossen Theil, nicht: viele Gruppen, welche in der
gemässigten Zone eine begrenzte Fortpflanzungsperiode haben, pflanzen
sich dort zu jeder Jahreszeit fort. Auch ist hervorzuheben, dass die
Periodicität für die Meeresthiere weniger als für die Landthiere aus-
geprägt ist; bei einigen Meeresformen der nördlichen Klimate kann
man zu jeder Jahreszeit reife Eier finden. Dieser Unterschied der
Meeresfauna und der Landfauna hängt natürlich damit zusammen,
dass die Temperaturdifferenzen des Meereswassers weit kleiner sind
als die der Luft.
Der Tod , d. h. das dauernde Aufhören aller Lebenserscheinungen,
tritt wohl meistens (sicher ist dies bei den höheren Thieren der
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VI. Biologie.
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Fall) in Folge der Functionsunfahigkeit eines für das Ganze unent-
behrlichen Organs ein. Wenn z. B. das Herz der Wirbelthiere auf-
hört sich zu contrahiren, so wird damit auch den übrigen Theilen
des Körpers eine unentbehrliche Existenzbedingung entzogen, nämlich
die Zufuhr mit Sauerstoff beladener Blutmassen, und alle Theile und
Gewebe des Körpers sterben dann allmählich ab. Von einem
Todesmoment kann man somit eigentlich nicht reden; wenn man
einem Säugethier das Leben durch einen gewaltsamen Schlag auf
den Kopf raubt, so hören die Herz- und die Athembewegungen aller-
dings fast augenblicklich auf, und man sagt, das Thier sei todt;
manche der Gewebe bleiben aber noch viele Stunden am Leben , die
Muskeln sind noch mehrere Stunden contractionsfähig etc.
Der Tod kann bekanntlich in jeder Lebensperiode eintreten, bei
Formen mit einer sehr grossen Production von Eiern gehen sogar
regelmässig die allermeisten Exemplare schon im Embryonal- oder
im Jugendzustande zu Grunde, nur ein geringer Bruchtheil erreicht
die Geschlechtsreife. Er erfolgt fast immer in Folge äusserer schäd-
licher Einwirkungen ; die allermeisten Thiere enden wohl ihr Dasein,
indem sie von anderen getödtet (und aufgefressen) werden ; zahlreiche
fallen krankheitserregenden Parasiten, namentlich aus dem Pflanzen-
reich (Bakterien, Pilzen), zum Opfer; wieder andere erliegen klima-
tischen Einflüssen etc. Ein Tod, lediglich durch normale innere Um-
stände des Organismus bedingt, findet wohl nicht häufig statt; selbst
wenn ein Thier anscheinend an Altersschwäche stirbt, oder wenn das-
selbe, wie es nicht selten der Fall ist, nach einmaliger Production
und Abgabe von Eiern oder Samen regelmässig stirbt, so spielen
vielleicht doch öfters äussere Umstände mit hinein.
Die Lebensdauer der Thiere, die Zeit, auf welche sich unter
günstigen Umständen ihr Leben ausdehnen kann, ist bei verschiedenen
Formen eine äusserst verschiedene; sie kann sich bei einigen regel-
mässig auf wenige Wochen oder noch weniger beschränken, bei
anderen auf hundert Jahre uud mehr ausgedehnt werden. Im All-
gemeinen kann man die Regel aufstellen, dass innerhalb einer natür-
lichen Abtheilung die grösseren Arten länger leben als die kleineren,
ebenso wie auch ihre Entwicklung längere Zeit beansprucht: der
Elephant lebt über 100 Jahre, das Pferd sehr selten mehr als 30 Jahre,
die Maus nur wenige Jahre; grössere Insekten leben öfters mehrere
•Jahre (der Maikäfer z. B. 4 Jahre), kleinere nur ein Jahr oder gar
nur einen Bruchtheil eines Jahres. Bei einigen ist die Lebensdauer
eine sehr bestimmte (z. B. bei den meisten Insekten, welche bald
nach der Eiablage sterben), bei anderen eine unbestimmtere.
6. Die Widerstandsfähigkeit der Thiere gegen Kälte und
Wärme, Austrocknen, Hunger.
Die meisten niederen Thiere halten ein bedeutendes Sinken der
Körpertemperatur gut aus; es liegen sogar anscheinend glaubwürdige
Mittheilungen vor, nach welchen Thiere (Insektenlarven), deren Körper-
Hüssigkeit zu Eis gefroren war, nachher wieder auflebten. Anders
ist es mit den warmblütigen Wirbelthieren , deren Körpertemperatur
unter normalen Umständen fast constant ist; dieselben können zwar
eine Erniedrigung der Körperwärme um eine Anzahl Grade ertragen,
sterben aber, wenn jene tiefer sinkt, und zwar schon während die
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Allgeraeiner Theil.
Körperwärme uoch weit oberhalb des Gefrierpunktes ist (das Kanin-
chen. dessen Körperwärme normal 31—32" C. ist, stirbt, wenn die-
selbe auf 15° sinkt). Nur die Winterschläfer machen hiervon eine
Ausnahme; bei ihnen kann die Körperwärme bis auf wenige Grade
über dem Gefrierpunkt sinken, ohne dass das Leben gefährdet wird.
Sehr häufig finden wir, dass die äusseren Körperschichten der Thiere eine
derartige Beschaffenheit besitzen, dass sie die inneren Theile gegen die Kälte
mehr oder weniger schützen können: Haarkleid mancher Säugethiere,
Fettschicht der Seehunde und Wale, Chitinpanzer der Insekten etc. Um
der Winterkälte zu entgehen, begehen sich viele Thiere in die Erde hinab
(Regenwurm) oder — wenn es sich um Wasserbewohner handelt — auf den
eisfreien Grund der Gewässer, resp. in den Schlamm hinein.
Noch weniger als eine Erniedrigung der Temperatur könneu die
Warmblüter eine Erhöhung der Körperwärme aushalten. Schon
wenn letztere wenige Grade über das Normale steigt, sterben sie ab.
Bei dem Umstände, dass das thierische Protoplasma bei 40—50° C.
gerinnt, versteht es sich von selbst, dass die Thiere überhaupt keine
höheren Wärmegrade als die genannten ertragen können; nur ein-
getrocknete Thiere machen vielleicht hiervon eine Ausnahme.
Wenn kleine Wassertümpel austrocknen, so verschwindet schein-
bar damit auch das darin befindliche Thierleben. Füllen sich aber
die betreffenden Localitäten wieder mit Wasser, so zeigt sich meistens
sehr bald wieder ungefähr dasselbe Thierleben wie vorher. Dies
beruht besonders darauf, dass viele Eier von einer festen Hülle um-
geben sind, innerhalb welcher sie sehr lange liegen können, ohne ein-
zutrocknen; ferner sind manche Protozoen im Stande, sich mit einer
ähnlichen Kapsel zu umgeben. Seltener besitzen die Thiere das
Vermögen, ein wirkliches Austrocknen, eine bedeutende Wasser-
entziehung der Gewebe, auszuhalten. Für einige ist solches jedoch
nachgewiesen: das Weizenälchen (Ti/knchus fritici) kann, nachdem es
sehr lange in stark eingetrocknetem j eingeschrumpftem Zustande da-
gelegen, wieder aufleben, wenn es in Wasser gebracht wird und
dieses in seine Gewebe aufsaugt; dasselbe gilt auch von manchen
Rotatorien und Bärthierchen. Die meisten Thiere sterben aber bei
einer derartigen bedeutenderen Wasserentziehung ab, während manche
(z. B. viele Schnecken) einen geringeren Wasserverlust ohne Schaden
ertragen.
Während einige Thiere kaum einen einzigen Tag ohne Nahruug
leben können, besitzen andere das Vermögen, kürzere oder längere
Zeit ohne Schaden zu hungern. Frösche, Schlangen und manche
andere können mehrere Monate ohne Nahrung leben. Manchmal
können die Thiere sehr lange aushalten, wenn sie mit Wasser ver-
sehen, dagegen von aller anderen Nahrung abgeschnitten sind, während
sie schnell sterben, wenn sie auch kein Wasser aufzunehmen Gelegen-
heit haben. — Manche Thiere hungern regelmässig einen grösseren
oder kleineren Theil ihres Lebens, namentlich sind die Ruheperioden,
welche so viele durchmachen, zugleich Hungerperioden. Für einige
Fische (Lachsfische) hat man nachgewiesen, dass sie vor und während
der Fortpflanzungszeit Wochen lang keine Nahrung zu sich nehmen
(der leere Magen zieht sich dabei stark zusammen), und dasselbe
findet wahrscheinlich bei manchen anderen Thieren statt. Manche
Insekten können sogar im ausgebildeten Zustande (welcher ebenfalls
eine Fortpflanzungsperiode ist) wegen des rudimentären Zustandes der
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VII. Geographische Verbreitung der Thiere.
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Mundtheile keine Nahrung zu sich nehmen. Während der Hunger-
perioden verliert natürlich der Körper an Gewicht, indem die Oxy-
dation der Gewebe stetig weiter geht.
VII. Geographische Verbreitung der Thiere.
Wenn man verschiedene grössere Theile der Erdoberfläche mit
einander vergleicht, so findet man, dass das Thierleben einen mehr
oder weniger verschiedenartigen Charakter besitzt, und dieses gilt
sowohl, wenn man verschiedene Landfaunen (incl. der Süsswasser-
faunen), als wenn man Meeresfaunen vergleicht: die Fauna, welche in
Südamerika lebt, ist eine andere als diejenige, welche in Europa
zu Hause ist, das Thierleben, welches man an den Küsten Ostindiens
antrifft, ist ein anderes als das an den europäischen Küsten etc..
Was die Land- und Süsswasserfaunen betrifft, so hat man ge-
funden, dass sich die Erdoberfläche in eine Anzahl grosser thier-
geographischer Regionen theilen lässt, von welchen jede ein
Thierleben beherbergt, das sich in gewissen Zügen im Vergleich
mit dem der übrigen auszeichnet. Von solchen Regionen hat man
folgende aufgestellt:
1. Die p aläark tische Region, welche Europa, das gemässigte
Asien, Nordafrika bis zum Atlasgebirge umfasst.
2. Die nearktische R.: Grönland und Nordamerika bis
Nordmexico.
3. Die äthiopische R.: Afrika südlich vom Atlas, Mada-
gaskar, Südarabien.
4. Die indisch eR.: Vorder- und Hinterindien mit anliegenden
Inseln.
5. Die australische R. : Der Welttheil Australien nebst
einigen Inseln, welche in der Geographie Asien zugerechnet
werden.
<i. Die neotropische R. : Südamerika, die Antillen , Süd-
mexico und Centraiamerika.
Jede dieser Regionen zeichnet sich dadurch aus, dass sie eine
grössere Anzahl Thierformen besitzt, welche in den anderen Regionen
nicht vorhanden sind, und erlangt dadurch ihren besonderen Charakter,
welcher übrigens bald mehr, bald weniger scharf ausgeprägt sein kann.
Die Regionen werden wieder getheilt; man zerlegt z. B. die palä-
arktische Region in 4 Subregionen: die europäische, welche
Europa mit Ausnahme der südeuropäischen Halbinseln umfasst, die
mittelländische (mediterrane), die Länder um das Mittelmeer,
die sibirische, den grössten Theil von Nordasien, die man-
tschurische, den östlichen Theil des chinesischen Reichs und
Japan; jeder dieser Abschnitte zeichnet sich durch kleinere Eigen-
thümlichkeiten aus.
Diese verschiedenartige Entwicklung des Thierlebens verdankt
ihre Entstehung mehreren Ursachen. Die Temperatur spielt dabei
eine grosse Rolle und erklärt z. B., warum die Regionen, welche die
tropischen Theile der Erde umschliessen , ein reicheres und mannig-
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Allgemeiner Theil.
faltigeres Thierleben als die kälteren besitzen; und es ist ferner
deutlich zu erkennen, dass gewisse Thierarten und Thiergruppen
einem wärmeren, andere einem kälteren Klima angepasst sind. Aber
alle Eigenthümlichkeiten , welche die grossen Regionen darbieten,
lassen sich keineswegs auf diese Weise erklären. Wenn z. ß. die
paläarktische Region eine grosse Anzahl Thierarten besitzt, welche
in der nearktischen Region nicht vorhanden sind, so kann man dies
nicht auf Rechnung der Temperatur, anderer klimatischer Verhältnisse
etc. allein schreiben, denn grosse Partien beider Regionen stimmen
in diesen Beziehungen durchaus überein, viele der Thierformen, welche
für die paläarktische Region charakteristisch sind, würden ganz sicher
auch in der nearktischen vortrefflich gedeihen ; das Experiment ist
mit mehreren Arten gemacht, darunter dem gemeinen Sperling, welcher,
vom Menschen in Nordamerika eingeführt, sich dort derartig ver-
mehrt hat, dass er eine Landplage geworden ist. Dasselbe gilt auch
von anderen Regionen ; weun Australien von Säugethieren mit einzelneu
Ausnahmen nur Beutelthiere und Schnabelthiere beherbergt, so ist
die Ursache nicht die, dass nicht manche der in anderen Regionen
lebenden Thiere sich dort wohl befinden würden, vielmehr ist eine
Anzahl europäischer Thiere in Australien eingeführt und gedeihen
dort vorzüglich (das Kaninchen z. B. ist in Australien verwildert und
jetzt zu Millionen vorhanden). Es müssen somit andere Gründe
vorhanden sein.
Untersucht man die Verhältnisse näher, so findet man, dass die
grossen Regionen im Allgemeinen von einander durch natürliche schwer
übersteigbare Grenzen verschiedener Art geschieden sind : grosse Meere,
hohe Gebirge, ausgedehnte Wüsten bilden die Grenzen. Wenn jede
Region ihr eigenthümliches Thierleben umschliesst, so liegt die Ur-
sache thatsächlich in erster Linie darin, dass ihre Fauna lange Zeiten
als ein verhältnissmässig abgeschlossenes Ganzes für sich gelebt hat
und während dieser Absonderung sich in einer Richtung entwickelt
hat, während das Thierleben in anderen Theilen der Erde sich in
anderen Richtungen entwickelte. Man hat sich die Differenzirung
zweier gesonderter, ursprünglich zusammenhängender und überein-
stimmender Regionen etwa in der Weise vorzustellen, dass einerseits
in jeder eine Anzahl eigenthümlicher Formen entsteht, andererseits
in der einen gewisse von den ursprünglichen Formen aussterben, wäh-
rend sie in der anderen Region ihre Existenz bewahren, und umge-
kehrt. Der grosse faunistische Unterschied z. B. der neotropischen und
der äthiopischen Region, welche ähnliche Naturverhältnisse darbieten,
aber durch ausgedehnte Meere getrennt sind und wahrscheinlich durch
ausserordentlich lange Zeiträume keinen Zusammenhang besessen
haben, ist danach leicht zu verstehen. Wenn einzelne der Regionen
von einer angrenzenden weniger scharf geschieden sind und trotzdem
(wie dies z. B. bei der australischen der indischen Region gegenüber
der Fall ist) derselben in thiergeographischer Beziehung scharf
gegenüberstehen, so rührt dies wahrscheinlich daher, dass früher eine
grössere Trennung bestanden hat. Andererseits muss der Umstand,
dass z. B. die nearktische und paläarktische Region, welche jetzt
scharf geschieden sind, in vielen Punkten eine erhebliche Ueberein-
stimmung darbieten (eine Anzahl Säugethierarten sind beiden Regionen
gemeinsam , andere Typen sind in den beiden Regionen durch nahe
verwandte Arten vertreten), in der Weise erklärt werden, dass diese
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VIII. Die geologische Entwicklung der Thierwelt.
79
Regionen früher, und zwar verhältnissmässig spät, in einem innigeren
Zusammenhang als jetzt gestanden haben. Die Unterschiede und
Aehnlichkeiten der thiergeographischen Regionen lassen sich somit
zu einem wesentlichen Theil als ein Product der wechselnden
Oberfläch enverhältnisse der Erde erklären.
Aehnliche Regionen wie für die Landthiere kann man auch für die
Meeresthiere , namentlich für die Küstenthiere, aufstellen. Sie
fallen natürlich nicht mit jenen zusammen; das Thierleben an der
Ostküste Südamerikas gehört z. ß. einer Region an, dass der West-
küste einer anderen, etc. — Das Thierleben der Tiefsee hat
dagegen in der Hauptsache in allen Meeren dasselbe Gepräge, viele
Tiefseearten haben die weiteste geographische Verbreitung; dies ist
leicht verständlich, denn die natürlichen Bedingungen , die Tempera-
tur etc.. sind in den grossen Tiefen überall verhältnissmässig ein-
förmig, und unübersteigbare Grenzen scheinen dort nicht vorhanden
zu sein. Aehnliches gilt auch von der pelagischen Fauna, welche
in allen Meeren der wärmeren Zonen ein sehr einförmiges Gepräge
besitzt, während man in den nördlichen und südlichen kalten Meeren
eine mit einem deutlichen Sondergepräge findet ; während eine ander-
weitige natürliche Begrenzung fehlt, wird hier die Temperatur von
entscheidender Bedeutung.
VIII. Die geologische Entwicklung der
Thierwelt.
Die Geologie, die Entwicklungsgeschichte der Erde, lehrt uns,
dass das thierische Leben durch unermessliche Zeiträume auf der
Erde existirt hat, und ferner, dass das Thierleben während dieser
langen Zeit keineswegs immer dasselbe Gepräge wie jetzt besessen
hat, vielmehr einem beständigen und ausserordentlich grossen Wechsel
unterworfen war. Die Quelle dieses Wissens bilden die in die Schichten
der Erdkruste eingeschlossenen, aus den verschiedenen Zeiten stam-
menden thierischen Ueberreste.
Dass die Erdrinde solche enthalten kann , wird aus dem Folgenden
verständlich sein. In allen natürlichen Gewässern der Erde, besonders aber
im Heere , findet eine beständige Absetzung von feineren oder gröberen
Theilchen statt, welche im Wasser aufgeschlemmt oder aufgelöst gewesen
sind: der Wellenschlag reiset Theile der Küsten los, oft durch die Ein-
wirkung der Luft auf dieselben unterstützt, und die so abgetragenen Theile
werden wieder gefallt, die gröberen (Sand, Gerölle) schon auf geringerer
Tiefe, die sehr feinen, welche durch die geringste Unruhe des Wassers in
Bewegung gesetzt werden, erst auf grösseren Tiefen, wohin die Wellen-
Bewegung nicht dringt; die Flüsse führen grosse Massen aufgeschlemmten
Materials in das Meer hinaus; die todten Schalen zahlloser kleiner Orga-
nismen , welche im Meere leben , sinken auf dessen Boden hinab. Auf
diese Weise entstehen auf dem Meeresboden ausgedehnte Ablagerungen in
form von Schlamm, Sand oder Geröll; im Laufe der Zeit sintern sie
Öfters zu festeren Massen, Thonschiefer, Kalksteinen, Sandsteinen etc. zu-
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Allgemeiner Theil.
sammen. Die Ablagerungen sondern sich in Schichten; das Aufhören
einer Schicht und der Anfang einer neuen bedeutet, dass entweder eine
Unterbrechung des Niederschlages stattgefunden hat, oder dass eine mehr
oder weniger veränderte Ablagerung ihren Anfang genommen hat. Ganz
ähnliche Verhältnisse finden sich in grösseren Binnenseen, in geringerem
Maassstabe auch in kleineren.
Eine derartige Bildung von Schichten hat seit den ältesten Zeiten
stattgefunden, und in diese Schichten wurden Ueberreste von den Thieren
früherer Zeiten eingebettet, insofern letztere im Wasser lebten oder nach
dem Tode zufällig in dasselbe geriethen. Es würde uns aber wenig helfen,
dass in den Ablagerungen auf dem Boden des Meeres oder in Binnenseen
thierische Ueberreste aus früheren Zeiten eingebettet liegen, wenn uns nicht
ein Zutritt zu denselben ermöglicht wäre. Durch die grossen Aenderungen
der Form der Erdoberfläche, welche im Laufe der Zeiten stattgefunden und
immer noch stattfinden, ist dies aber eben erreicht worden. Theile der
Erdoberfläche, welche in früheren Zeiten vom Meere bedeckt waren, sind
durch Hebungen zu trockenein Lande geworden, wodurch schon eine Mög-
lichkeit für eine Untersuchung gegeben ist, eine Möglichkeit, welche da-
durch vergrössert wird, dass an violen Stellen natürliche Durchschnitte
(Profile) der Schichten zu Stande gekommen sind, indem vulkanische Kräfte
dieselben zerbrochen und die ursprüngliche horizontale Lagerung gestört
haben. Ferner haben Flüsse häufig solche gehobenen Schichten durch-
schnitten, das Meer hat häufig wieder Theile von dem niedergebrochen, was
es selbst aufgebaut hatte; auf diese und andere Weise ist die Möglichkeit
zu Stande gekommen , die zu verschiedenen Epochen in die Ablagerungen
des Meeres eingebetteten Ueberreste wieder an's Licht zu fördern. Binnen-
seen sind eingetrocknet und ihre Ablagerungen ebenfalls später Um-
wälzungen unterworfen und leichter zugänglich gemacht.
Die tbieri8chen Ueberreste, welche in den Erdschichten gefunden
werden, bezeichnet man in der Regel mit dem gemeinsamen Namen
Versteinerungen oder Fossilien. Der erstere Name ist übrigens
nicht recht zutreffend, denn die betreffenden Ueberreste findet man
eigentlich nur mehr ausnahmsweise in einem solchen Zustande, dass
sie als „versteinert" bezeichnet werden können. Es sind in der
Regel nur die festen, besonders die verkalkten Theile, welche sich
erhalten haben; nur ganz ausnahmsweise haben weiche Theile Spuren
hinterlassen, und dann gewöhnlich als Abdrücke in der Gesteinmasse,
welche in diesen Fällen sehr feinkörnig sein muss (in dem litho-
graphischen Schiefer in Bayern, ursprünglich einem Kalkschlamm,
findet man zuweilen Abdrücke von Quallen und Aehiilichem). Die
festen Theile der Thiere, welche in den Schichten vorkommen, sind
in manchen Fällen ziemlich unverändert geblieben; man findet z. B.
oft die Knochen von Wirbelthieren völlig unverändert (abgesehen
davon, dass die organischen Stoffe derselben verschwunden, nur die
Kalksalze übriggeblieben sind , weshalb auch solche fossile Knochen
leichter sind als die frischen); ebenso findet man öfters die Schalen
von Weichthieren, Stachelhäutern etc. ziemlich unverändert. In anderen
Fällen sind Knochen oder Schalen von einem anderen Stoff, z. B. von
Kieselsäure, welche im Wasser aufgelöst gewesen, durchdrungen oder
ausgefüllt; man findet z. B. nicht selten Seeigelschalen aus der Kreide-
periode, welche mit Kieselsäure (Feuerstein) ausgefüllt sind, oder
steinharte , verkieselte Knochen , in deren feinste Lücken überall
Kieselsäure eingedrungen ist; in solchen Fällen kann man mit einem
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VIII. Die geologische Entwicklung der Thierwelt.
81
gewissen Recht von „Versteinerung" reden. Oft sind es nicht mehr
die festen Theile selbst, welche man findet, sondern blosse Ab-
drücke derselben in der Gesteinsmasse, in welche sie eingebettet
wurden ; zuweilen sind Schalen, welche zunächst von Kieselsäure aus-
gefüllt wurden, später aufgelöst, so dass allein der Feuersteinkern,
mit einem Abdruck der Innenseite der Schale an seiner Oberfläche,
übrig geblieben ist etc.
Es versteht sich von selbst, dass das Bild, welches man sich durch
das Studium der Versteinerungen (die Paläontologie) von dem Thierleben
früherer Zeiten bilden kann, ein höchst mangelhaftes sein muss. Nur ein
äusserst geringer Bruchtheil des zu einer gegebenen Zeit vorhandenen
Thierlebens wird in den Ablagerungen Ueberreste hinterlassen, der
weitaus grössere Theil wird spurlos verschwinden. Von den Thieren
werden erstens alle diejenigen, welche kein Skelet besitzen, so gut
wie ausnahmslos ganz verschwinden; von den übrigen werden die
Landthiere nur in günstigen Fällen Ueberreste hinterlassen, indem
alle diejenigen, welche nach ihrem Tode auf dem trockenen Lande
liegen bleiben, bald völlig aufgelöst werden; die Wasserthiere, be-
sonders die Meeresthiere, mit festen Theilen in oder um sich, haben
dagegen bessere Aussichten, der Nachwelt aufbewahrt zu werden, aber
selbst von diesen wird der allergrösste Theil der Individuen, selbst
wenn sie nicht von einem anderen Thiere aufgefressen werden, ganz
verschwinden, schon deshalb, weil sich keineswegs jede Stelle des
Meeresbodens für eine dauernde Aufbewahrung eignet. Und von den
Theilen, welche in früheren Zeiten an geeigneten Stellen eingebettet
und so erhalten wurden, sind später viele wieder verloren gegangen,
indem die Schichten z. B. vulkanischen Einwirkungen ausgesetzt wurden,
welche die Spuren des organischen Lebens auswischten. Endlich ist
hervorzuheben, dass nur ein äusserst geringer Theil des in den Schichten
bis auf unsere Tage erhaltenen Materials der Untersuchung des Menschen
zugänglich ist: das allermeiste ist gar zu gut verwahrt. Alles dies
muss man bedenken, wenn man die Bedeutung des Bildes beurtheilen
will, welches die Untersuchung der Fossilien von den Verhältnissen
des Thierlebens in vergangenen Zeiten liefert.
Es ergiebt sich nun aus dieser Untersuchung, dass das Thierleben
von den ältesten Zeiten bis jetzt grosse allmähliche Veränderungen
durchlaufen hat ; die verschiedenen Perioden (vergl. S. 83), in welche
die Entwicklungsgeschichte der Erde getheilt wird, werden eben durch
den verschiedenen Inhalt an pflanzlichen und thierischen Ueberresten
charakterisirt, welche in den während derselben abgelagerten Schichten
gefunden werden, durch die verschiedenen Floren und Faunen, welche
in ihnen gelebt haben. Je weiter wir in der Zeit zurück gehen, um
so abweichender von der jetztlebenden wird die Thier- (und die
Pflanzen-) Welt. Diejenigen Thiere, welche in den älteren Formationen
gefunden werden, können zwar meistens ohne Schwierigkeit in unsere
für die jetztlebenden Thiere aufgestellten Thierkreise und -klassen
eingeordnet werden ; sie gehören aber ohne Ausnahme anderen Arten
und Gattungen, öfters auch Familien und Ordnungen an, welche heut
zu Tage nicht vertreten Bind; und dazu kommt noch, dass grosse
Abtheilungen, welche zu den augenfälligsten Bestandteilen des jetzigen
Thierlebens gehören, damals gar nicht vorhanden waren. So sind
z. B. die Wirbel thiere in den ältesten Formationen bis auf die devo-
nische incl. nur durch Fische vertreten, während Amphibien, Reptilien,
Bon, Zoologie. 6
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82
Allgemeiner Theil.
Vögel und Säugethiere völlig fehlten. Nach den obigen Bemerkungen
muss man allerdings sehr vorsichtig damit sein, aus dem Umstände,
dass gewisse Thierformen in einer gegebenen Formation nicht gefunden
sind, zu schliessen, dass sie in der betreffenden Periode nicht gelebt
haben; so viel darf man jedoch sagen, dass, wenn die betreffenden
Abtheilungen in jenen alten Zeiten einigerraassen reichlich vertreten
gewesen wären, man ohne Zweifel einige Ueberreste derselben gefunden
haben würde. Je näher die Perioden, aus welchen die Formationen
stammen, der Jetztzeit liegen, desto mehr hat die Thierwelt ein Ge-
präge, welches dem der lebenden Thierwelt ähnlicher ist.
Dies stimmt genau mit dem, was man nach der Abstammungs-
lehre erwarten müsste. Von den Gegnern dieser Theorie wird zwar
die Meinung ausgesprochen, dass der Inhalt der Schichten, wenn die
Theorie richtig wäre, eine weit vollständigere Geschichte der Ent-
wicklung der Thierwelt liefern müsste; und sie heben weiter hervor,
dass man schon in der ältesten versteinerungsführenden Formation,
der kambrischen, eine kleine Thierwelt findet, welche, so arm sie auch
erscheint, jedenfalls hoch über dem Standpunkt erhaben ist, den die
ursprüngliche Thierwelt nach der Abstammungslehre eingenommen
haben sollte. Der erstere Einwand wird jedoch schon durch einen
Hinweis auf die vorhin gemachten Bemerkungen hinfällig, aus denen
hervorgeht, dass unsere Kenntniss von den Faunen der früheren Zeiten
nothwendigerweise äussert unvollständig sein muss. Und was
den zweiten Einwand betrifft, so muss hervorgehoben werden, dass
wir keineswegs sagen können, dass jene ältesten der bekannten
Thierformen auch die ältesten sind, welche überhaupt existirt haben ;
es ist vielmehr sehr möglich, dass sie eine lange Reihe unbekannter
Vorgänger gehabt haben; unterhalb jener Formation kann die Geologie
nämlich noch ältere nachweisen, welche wahrscheinlich auch im Wasser
abgelagert wurden, aber im Laufe der Zeit derartig umgebildet (meta-
morphosirt) sind, dass es nicht wunderbar ist, wenn das damalige,
vielleicht grösstenteils aus skeletlosen Formen bestehende Thierleben
keine Spuren hinterlassen hat.
Wenn man das Auftreten einzelner Abtheilungen im Laufe der
Zeiten betrachtet, so erhält man einen ähnlichen Eindruck von dem
engen Anschlüsse der Thatsachen an die Abstammungslehre. Solches
ist z. B. bei den Wirbelthierklassen der Fall. Wenn man, auf eine
Untersuchung des Baues der verschiedenen Hauptabtheilungen der
Wirbelthiere gestützt, einen Wirbelthier-„StammbaumM in den grossen
Zügen entwirft, so wird derselbe (wenn man von Amphioxus und den
Mantelthieren absieht) folgendermassen aussehen: die Fische sind die
ursprünglichsten, von diesen sind die Amphibien ausgegangen, von
den Amphibien wieder die Reptilien und von letzteren einerseits die
Vögel, andererseits die Säugethiere. Dem entspricht genau, was wir
in den Erdschichten finden : die Fische sind die einzigen Wirbelthiere
der Silur- und Devonformation; in der Kohlenformation finden wir
die ersten Amphibien, in der folgenden grossen Formation, der
permischen, die ersten Reptilien, in der Triasformation die ersten
Säugethiere, im Jura die ersten Vögel. — Aehnliches finden wir auch,
wenn wir speciellere Beispiele untersuchen. Unter den jetztlebenden
Säugethieren ist das Pferd bekanntlich eine in gewisser Hinsicht,
namentlich im Fussbaue, sehr eigenthümlich und abweichend gebildete
Form. Das Pferd ist erst spät aufgetreten; erst aus der jüngeren
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VUL Die geologische Entwicklung der Thierwelt.
83
Pliocänzeit kennt man wirkliche Pferde (Equvs) mit einer einzigen
Zehe an jedem Fuss ebenso wie die jetztlebenden. Aber schon im
jüngeren Theil der Miocänzeit lebte eine andere, mit dem Pferde nahe
verwandte Form, Hipparion, welche aber ausser der Mittelzehe die
Zehen 2 und 4, als kleine Nebenzehen ausgebildet, besass ; Hipparion
lebte bis in die Pliocänzeit hinein, starb aber in dieser aus. In den
tieferen (älteren) Schichten der Miocänformation, in welchen Hipparion
noch nicht auftritt, findet man eine dritte Gattung, welche mit dem Pferde
zwar verwandt ist, aber doch merklich ferner steht, Anchitherium,
welche dieselben Nebenzehen wie Hipparion besitzt, aber in kräftigerer
Gestalt; auch im Baue der Zähne etc. entfernt sie sich mehr vom
Pferde, nähert sich aber hierin wie auch in der Fussform der schon
in der Eocänformation auftretenden Gattung Palaeotherium. Wenn
man nach den Verhältnissen des Körperbaues den Stammbaum des
Pferdes con9truiren will, so ist es sicher, dass man das Pferd ( Equus)
von Hipparion, dieses von Anchitherium und letzteres von Palaeotherium
(oder von einer diesem nahe verwandten Form) ableiten muss; wie
man sieht, stimmt die geologische Reihenfolge genau dazu. Aehnliche
Reihen kann man für manche andere Gruppen aufstellen, wenn auch
unsere mangelhafte Kenntnis« von den ausgestorbenen Thieren es
nicht überall ermöglicht.
Uebersicht der versteinerungsführenden Formationen.
Die Neuzeit oder die k ä n o-
zoische Formations-
gruppe.
Das Mittelalter der Erde
oder die mesozoische
Formationsgruppe.
Das Alterthum der Erde
oder die paläozoische
Form ati on sgruppe.
Quartär-Formation.
Pliocän.
Tertiär-F.
Miocän.
Eocän.
Kreideformation.
Juraformation.
Triasformation.
Permische Formation.
Kohlenformation.
Devonformation.
Silur formation.
Kanibrische Formation.
Anhang.
Ueber die Aehnlichkeit und den Gegensatz de8 Thier- und des
Pflanzenreiches.
Nachdem wir uns im Vorhergehenden mit den Hauptpunkten
des Baues etc. der Thiere im Allgemeinen bekannt gemacht haben,
durfte es am Orte sein, das Verhältniss des Thierreichs zu dem anderen
grossen Reich organischer Geschöpfe, dem Pflanzenreich, zu
erwägen.
Den Thieren und Pflanzen gemeinsam ist es, dass sie aus
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84
Allgemeiner Theil.
Zellen zusammengesetzt sind, in den einfachsten Fällen nur aus
einer einzigen Zelle, gewöhnlich aber aus sehr vielen. Die Zellen
bestehen, jedenfalls so lange sie noch jung sind, aus Protoplasma
und enthalten bei den Thieren wie bei den Pflanzen gewöhnlich
(vielleicht immer) einen Kern; das Protoplasma zeigt bei den
Pflanzen dieselben wesentlichen Eigenschaften wie bei den Thieren
(vergl. S. 3 — 4) : es besitzt das Vermögen, sich zu bewegen, es besitzt
Irritabilität, es ernährt sich durch Aufnahme von Stoffen von aussen,
es nimmt Sauerstoff auf und scheidet Kohlensäure aus; die Zellen
wachsen und vermehren sich durch Theilung. — Eine geschlechtliche
Vermehrung, d. h. die Bildung eines neuen Individuums von einer
einzelnen Zelle aus, nachdem diese vorher mit einem anderen ähn-
lichen oder verschiedenen verschmolzen ist, findet bei den meisten
Pflanzen wie bei den meisten Thieren statt.
Bei der Betrachtung der Unterschiede der beiden Reiche
sehen wir zunächst von den niedersten, einzelligen Pflanzen und
Thieren, den Protophyten und Protozoen, ab und vergleichen vorläufig
allein die Metazoen und die mehrzelligen Pflanzen mit einander.
Im allgemeinen Bauplan finden wir bedeutsame Unterschiede. Die
Thiere besitzen mit ganz wenigen Ausnahmen einen Darmkanal, einen
Hohlraum, in welchen die Nahrung aufgenommen, und in welchem sie
aufgelöst und aufgesogen wird, und dieser Darmkanal legt sich, was
besonders charakteristisch ist, auf einem sehr frühen Stadium der
Entwicklung des Thieres an. Etwas dem Darrakanal Entsprechendes
oder auch nur Analoges fehlt den Pflanzen völlig, welche ihre
Nahrung in aufgelöstem oder in gasförmigem Zustande durch die
Oberfläche aufnehmen. Der genannte Unterschied ist übrigens kein
absoluter; denn bei einigen Thieren (z. B. den Bandwürmern)
fehlt ein Darmkanal. — Ferner fehlt ein Muskel- und ein Nerven-
system bei allen Pflanzen, während diese Systeme bei allen Metazoen
vorhanden zu sein scheinen ; Sinnesorgane, welche in der einfachsten
Form, als Sinneszellen, wohl allen Metazoen zukommen, sind bei
keiner Pflanze vorhanden; ein Gefässsystem und besondere
Excretionsorgane sind ebenfalls dem Thierreiche eigen, wenn
sie auch nicht bei allen Thieren vorkommen. Im Ganzen kann man
sagen, dass die Pflanzen innerhalb ihrer Oberfläche nur eine sehr
geringe Andeutung einer Sonderung in Organsysteme zeigen, welche
den bei den Thieren ausgesprochenen vergleichbar wären. Was man
bei den Pflanzen als Organe bezeichnet, sind die verschiedenartig gestal-
teten und ausgebildeten Abschnitte und Anhänge des Körpers.
Nicht geringer ist der Gegensatz in Bezug auf die den Körper
zusammensetzenden Gewebe. Bei den Thieren finden wir, dass
die ursprünglich gleichartigen Zellen sich in sehr verschiedener Rich-
tung entwickeln; einige bleiben in der Hauptsache auf dem ursprüng-
lichen Standpunkte, andere scheiden eine Intercellularstanz von ver-
schiedener Structur und chemischer Zusammensetzung zwischen sich
aus, in anderen entwickelt sich das Protoplasma zu einer eigentüm-
lichen contractilen Substanz etc. Bei den Pflanzen sind die
Zellen fast immer von einer Zellhaut umgeben, welche aus Cell ul ose
besteht, und die Ungleichartigkeit innerhalb des Pflanzenkörpers in
geweblicher Beziehung beruht in der Hauptsache auf einer ver-
schiedenen Entwicklung einerseits der Form der Zelle, andererseits
der Dicke, Festigkeit etc. der Cellulosehaut, weniger dagegen
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Anhang.
85
auf einer Umbildung des Protoplasmas, welches eigentlich bei den
Pflanzen immer Protoplasma bleibt, wenn es nicht, wie in manchen
ausgebildeten Pflanzenzellen, gänzlich verschwindet.
In Bezug auf die Ernährung findet man einen durchgreifenden
Unterschied zwischen den Thieren und der grossen Mehrzahl der
Pflanzen. Das Thier muss für seine Ernährung stets sogenannte
organische Substanzen aufnehmen, d. h. Stoffe, welche nicht
in der anorganischen Natur vorliegen, sondern Theile organischer Ge-
schöpfe sind oder gewesen sind; sie sind nicht im Stande, aus anor-
ganischen Stoffen allein ihren Körper aufzubauen oder den durch die
Lebensthätigkeit verursachten Stoffverlust zu ersetzen, wenn auch
anorganische Stoffe allerdings Bestandtheile ihrer Nahrung bilden
(Wasser, Kalksalze). Die Pflanze dagegen kann sich im Allge-
meinen aus Stoffen ernähren, welche ausschliesslich der leblosen Natur
entnommen sind, und es steht damit in engster Verbindung, dass ein
Theil ihrer Zellen mit einem eigenthümlichen grünen Farbstoff,
Chlorophyll, versehen ist , wodurch sie die Eigenschaft erhalten,
unter der Einwirkung des Lichtes den Kohlenstoff aus der Kohlen-
säure der Luft auszuscheiden, den Kohlenstoff zu assimiliren. Dieses
Vermögen geht der thierischen Zelle ab, indem derselben das Chloro-
phyll immer fehlt'); andererseits giebt es aber auch nicht wenige
Pflanzen (z. B. die sämmtlichen Pilze), welche ebenfalls das Chloro-
phyll und damit das Assimilationsvermögen entbehren, und welche
sich desshalb ebenso wie die Thiere, durch Aufnahme organischer
Stoffe, ernähren müssen.
Das Thier besitzt endlich im Gegensatz zu der Pflanze Empfindung
und das Vermögen, sich willkürlich zu bewegen; in dieser Beziehung
ist, wie es scheint, ein absoluter Unterschied zwischen den Metazoen
und den Pflanzen vorhanden.
Es wird nach dem Obigen, wenigstens nach einer einigermassen
gründlichen Untersuchung, niemals zweifelhaft sein können, ob man
ein Metazoon oder eine mehrzellige Pflanze vor sich hat. Anders
steht es mit den ei nzelligen Organismen. Die meisten der oben
erwähnten unterscheidenden Charaktere der mehrzelligen Pflanzen und
Thiere können bei diesen nicht in Betracht kommen : von Darmkanal,
von Muskel- und Nervensystem etc., überhaupt von Organsystemen,
kann man bei den einzelligen nicht reden ; es ist für die meisten der-
selben schwer zu sagen , ob Empfindung und willkürliche Bewegung
vorhanden sind oder nicht; die Ernährungsweise giebt (vergl. oben)
kein absolutes Unterscheidungsmerkmal ab. Wenn wir dann die ein-
zelligen Organismen auf die beiden grossen organischen Naturreiche
vertheilen , so kommt dabei nothwendig eine gewisse Willkürlichkeit
ins Spiel. Es ist natürlich und wohl begründet, wenn alle mit
Chlorophyll ausgestatteten einzelligen Organismen dem Pflanzenreich
zugerechnet werden, haben wir ja eben gefunden, dass das Chlorophyll
den Pflanzen eigenthümlich war und niemals bei den Metazoen vor-
handen ist ; dagegen darf man nicht die vielen einzelligen Organismen,
welche kein Chlorophyll besitzen, ohne Weiteres für Thiere erklären ;
') Man hat zwar früher angegeben, dass Chlorophyll bei einzelnen Thieren
vorhanden wäre, das vermeintliche Chlorophyll hat sich aber entweder als ein
anderer grüner Farbstoff erwiesen oder hat Algen angehört, welche im Thiere
schmarotzen.
86
Allgemeiner Theil. Anhang.
dieser Stoff kann ja bei vielen zweifellosen Pflanzen fehlen, und der
Mangel desselben ist desshalb nicht genügend, um einen einzelligen
Organismus zum Thier zu stempeln. Ferner muss man es als wohl be-
gründet bezeichnen, wenn man die mit einer Cellulose-Zellhaut aus-
gestatteten dem Pflanzenreich überweist. Es ist andererseits natürlich,
dass man dem Thierreich diejenigen Organismen zurechnet, welche in
ihrem Protoplasma Differenzirungen aufweisen, die an die Zellenum-
bildungen der Metazoen erinnern (muskelfaserähnliche Theile im
Protoplasma der Infusionstierchen). Zum Thierreiche werden ferner
gewöhnlich alle diejenigen gezählt, welche als Nahrung feste Fremd-
körper in ihr Protoplasma aufnehmen. Für manche Formen, welche
dem Thierreiche zugerechnet werden, hat man aber nicht einmal
solche Anhaltspunkte, und ihre Einordnung ist vielfach alseine ledig-
lich herkömmliche zu bezeichnen.
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Specieller Theil.
Das Thierreich wird in folgende Hauptgruppen eingetheilt:
1. Unterreich: Protozoen.
Einzellige Thiere (künnen zuweilen Stöcke bilden, deren einzelne Mit-
glieder wesentlich gleichartig Bind).
2. Unterreich: Metazoen.
Mehrzellige Thiere ; die Zellen sind verschiedenartig entwickelt (Arbeits-
theilung) ; Darmkanal , Nerven- und Muskelsystem etc. — Die Metazoen
theilt man in folgende Thierkreise ein:
1. Kreis. Cölenteraten. Radiäre Thiere von sehr einfachem Baue,
Körper sackförmig, aus drei Schichten zusammengesetzt, welche eine Darm-
höhle umgeben. Kein After. Keine Leibeshöhle. Die verschiedenen sonst
bei den Metazoen vorhandenen Organsysteme unter sich wenig gesondert.
— Anhang : Schwämme.
2. Kreis. Stachelhäuter. Radiärer Bauplan. Leibeshöhle. Organ-
eysteme gesondert. Verkalkungen in der Körperwand. Ein Gefasssystem.
Besonderes Wassergefässsystem in Verbindung mit Saugfüsscheu. Bilaterale
Larven.
3. Kreis. Plattwürmer. Symmetrische ungegliederte Thiere, ohne
Leibeshöhle, gewöhnlich ohne Gefasssystem und After. Verästeiter Ex-
cretionsapparat mit eigentümlichen Astspitzen. — Anhang: Räderthier e.
4. Kreis. Rundwürmer. Symmetrische ungegliederte Thiere von
cylindrischer Körperform, mit Leibeshöhle und After. m
5. Kreis. Gliederwürmer. Symmetrische gegliederte Thiere mit
ziemlich gleichartig ausgebildeten Segmenten. Gliedraaassen, wenn vorhanden,
ungegliedert. Dünne Cuticula. Leibeshöhle, Gefasssystem (gewöhnlich) und
After vorhanden. Gegliederter Bauchnervenstrang, welcher sich mit einem
oberhalb des Schlundes gelegenen Ganglienpaar verbindet. Schwach ent-
wickelte Sehwerkzeuge. Ein Paar röhrenförmige Excretionsorgane in den
meisten Segmenten (Segmentalorgane). — Anhang: Bryozoen, Brachio-
poden.
6. Kreis. Gliederfüssler. Symmetrische gegliederte Thiere mit
ungleichartig ausgebildeten Segmenten. Gegliederte Gliedraaassen. Haut-
skelet von der stark entwickelten Cuticula gebildet. Leibeshöhle. Herz
an der Rückenseite. Nervensystem wie bei den Gliederwürmern. Hoch
ausgebildete Sehwerkzeuge (zusammengesetzte Augen). Segmentalorgane
immer sehr an Zahl reducirt oder völlig fehlend.
7. Kreis. Weic hthi e re. Symmetrische ungegliederte Thiere. Mus-
colöser Fubs an der Bauchseite. Eine Hautfalte, der Mantel, bedeckt einen
Theil des Körpers. Keine zusammenhängende Cuticula. Gewisse Theilo
90
Speoieller Theil.
der Haut sondern eine Schale ab, welche an begrenzten Stellen inniger mit
dem Thiere zusammenhängt. Leibeshöhle. Herz an der Rückenseite.
Ganglienpaare ober- und unterhalb des Schlundes, kein gegliederter Bauch-
nervenstrang. Meistens eine mit Reihen von Chitinzähnen bewaffnete Zunge.
Die Segmentalorgane an Zahl reducirt.
8. Kreis. Wirbel thiere. Symmetrische Thiere; gewisse Theile
des Körpers (Skelet, Musculatur) segmental geordnet. Gewöhnlich 2 Paar
Gliedmaassen (niemals mehr). Leibeshöhle. Herz an der Bauchseite. Die
centralen Theile des Nervensystems in Form eines zusammenhängenden,
meistens vorn angeschwollenen dickwandigen Rohres längs der Rückenseite.
Unterhalb desselben ein strangförmiger Körper, die Rückensaite, welcher
den Grundstock des in der Regel hoch entwickelten inneren Skeletes bildet
Keine Segmentalorgane. — Anhang: Mantelthier e.
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Erstes Unterreicli.
Protozoen oder Urtbiere (Protozoa).
Wie es schon im allgemeinen Theil hervorgehoben wurde, sind
die zu den Protozoen gehörenden Thiere einfache Zellen: jedes
Individuum besteht nur aus einer einzigen Zelle. In gewissen Fällen
können jedoch mehrere Individuen zu Colonien vereinigt sein,
wodurch eine gewisse Annäherung an die Metazoen entsteht, welche
ebenfalls Gesellschaften von Zellen sind; es ist aber insofern ein
wesentlicher Unterschied zwischen einer Protozoen-Colonie und einem
Metazoon , als jene aus Zellen besteht , welche der Hauptsache nach
alle gleich sind, während das letztere aus Zellen besteht, welche ein
verschiedenes Aussehen und verschiedene Function besitzen (Ar-
beitstheilung).
Bei allen Protozoen besteht der Körper aus Protoplasma,
welchem ein Kern eingelagert ist; letzterer scheint jedoch bei einigen
sehr einfach gebauten Formen zu fehlen (?), während andererseits bei
einigen Protozoen mehrere Kerne vorhanden sein können. Der Kern
ist im Allgemeinen kugelig oder oval, zuweilen aber mehr gestreckt,
wnrstformig. Im Protoplasma finden sich häufig Vacuolen, kleine
mit Flüssigkeit gefüllte Hohlräume, von denen gewisse contractil
sind. d. h. sich zusammenziehen und wieder erweitern können, indem sie
Flüssigkeit nach aussen abgeben, resp. wieder aus dem Protoplasma
aufnehmen; ihre Contractionen hängen natürlich von gewissen Be-
wegungen des Protoplasmas ab; selbständige Wände besitzen sie
nicht. Sie scheinen vorwiegend eine excretorische Rolle zu spielen:
mit dem Wasser werden wahrscheinlich Abfallstoffe nach aussen
entleert. Nicht selten sind im Protoplasma verschiedene Stoffe aus-
geschieden wie Oeltropfen, Pigmentkörnchen und Aehnliches.
Gewisse Theile des Protoplasmas können (bei einigen Infusions-
tierchen) zu einer contractilen Substanz umgebildet werden,
welche dieselben Eigenschaften besitzt wie diejenige der Muskelzellen
der Metazoen. Vom Protoplasma aus geschieht ferner häufig eine
Absonderung fester, meistens aus kohlensaurem Kalk oder aus
Kieselsäure bestehender Theile, welche bald in der Form isolirter
Tadeln, bald als mehr zusammenhängende Schal enbildungen er-
92
Specieller Theil.
scheinen; die Nadeln bleiben immer im Protoplasma eingeschlossen,
die Schalen, welche mit einer oder mehreren Oeffnungen ausgestattet
sind, werden ebenfalls häufig ringsum von Protoplasma umflossen, in
anderen Fällen liegt aber die Schale ganz äusserlich.
Viele Protozoen — wie die Amöben — können von allen Theilen
der Oberfläche Pseudopodien aussenden; die äussere Form des
Körpers ist bei ihnen eine beständig wechselnde. Die Pseudopodien
haben entweder mehr die Form von Lappen, von abgerundeten Aus-
buchtungen, oder sie erscheinen als feine, dünne, zugespitzte Fäden.
AVenn der Körper von einer Schale umschlossen ist, werden die
Pseudopodien natürlich nur durch die Oeffnungen derselben hervorge-
streckt. Bei anderen fehlt das Vermögen, Pseudopodien auszu-
senden, ganz, die äusserste Schicht des Protoplasmas ist dann con-
sistenter geworden, jedoch häufig ohne von dem inneren weicheren
Theil scharf gesondert zu sein (Tnfusionsthierchen) ; oder die äussere
Schicht ist zu einer bestimmter unterschiedenen, aber biegsamen
Hülle geworden (Gregarinen) ; in beiden Fällen kann der Körper
zwar gewöhnlich bis zu einem gewissen Grad die Form wechseln,
aber nicht Pseudopodien aussenden. Bei solchen mehr formbeständigen
Protozoen findet man öfters den Körper mit Wimper haaren oder
Wimpergeissein von verschiedener Stärke und Anzahl versehen. —
Fast immer sind die Protozoen Organismen von sehr geringer,
„mikroskopischer" Grösse.
Die Fortpflanzung der Protozoen geschieht wie jede Zell-
vermehrung durch Th eilung; zuerst theilt sich der Kern, dann
das Protoplasma. Zuweilen sondert das Individuum vor der Theilung
eine Kapsel um seinen Körper ab und wird in einen Ruhezustand
versetzt, auf welchen eine Theilung in zwei oder mehrere Individuen
folgt. Einer wiederholten Theilung geht zuweilen eine Copulation
vorauf: zwei Individuen derselben Art nähern sich einander und
verschmelzen, und es folgt dann eine lebhafte Theilung des neuen
Individuums und der Nachkommen desselben. Die Copulation erinnert,
wie man leicht sieht, ganz an die Befruchtung der Metazoen: hier
wie dort findet eine Verschmelzung zweier Zellen statt, auf welche
Theilungen folgen ; die Aehnlichkeit des Processes mit der Befruchtung
wird bei einigen Protozoen dadurch noch grösser, dass das eine
copulirende Individuum an Grösse gegen das andere wesentlich
zurücksteht (Vorticelleu). Bei einigen Protozoen (Infusiousthierchen)
kommt statt einer Copulation eine Conjugation vor, welche sich
dadurch auszeichnet, dass die beiden Individuen nur theilweise ver-
schmelzen, sich aber später wieder trennen ; während der Vereinigung
linden gewisse noch nicht völlig aufgeklärte Veränderungen sowie
ein Stoffaustausch zwischen den Individuen statt.
Pseudopodien vorhanden Schleimthierchen.
[ Der Körper mit Wiinper-
Keine Pseudopodien1! haaren versehen Infusionsthierchen.
I Keine Wimperhaare . . . Gregarinen.
l. Classe. Schleimthierchen (Sarcodina).
Die zahlreichen hierher gehörigen Formen stimmen darin mit ein-
ander überein, dass sie im Stande sind, von der Oberfläche des
Körpers Pseudopodien auszusenden, vermittels welcher sie sich
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Protozoen. 1. Clasee: Schleimthierchen. 93
bewegen und ihre Nahrung aufnehmen; die meisten sind auch mit
festen Theilen im Protoplasma oder um dasselbe, mit einem Skel et,
versehen, welches übrigens in Form und chemischer Beschaffenheit
bedeutende Unterschiede darbietet. Sie sind grösstentheils Meeres-
thiere.
1. Ordnung. Rhizopoden (Mizopoda).
Bei einigen Rhizopoden, z. B. bei den früher erwähnten Amöben,
ist kein Skelet vorhanden. Die meisten sind jedoch mit einem solchen
in Form einer Schale ausgestattet, welche den grössten Theil des
Körpers umgiebt. Die Schale ist im einfachsten Fall mützenförmig
mit einer einzigen weiten Oeffnung, durch welche das Protoplasma
hervortritt. Bei anderen wird die Schale dadurch complicirt, dass
sie mehr kammerig, d. h. durch Scheidewände in mehrere kleine
Räume getheilt wird, welche jedoch durch kleine Oeffnungen der
AB C
Fig. 85. A (Difflugia) und B (Euglypha), zwei imperforate Rhizopoden des Susswassers
mit chitiniger Schale; an der Schale von A sind kleine Fremdkörper festgekittet, n Kern,
f Pjeudopodien. C ein Meeres-Rhizopod (liotalia). — A nach Stein, B nach Hertwig u.
L«ser, C nach IL Schultze.
Scheidewände mit einander in Verbindung stehen und sämmtlich
Protoplasma enthalten. Derartige mehrkammerige Schalen sind ent-
weder gerade oder spiralig gewunden — was auch bei den einkam-
merigen Schalen der Fall sein kann — und besitzen dann öfters eine
irrosse Aehnlichkeit mit einer Nautilusschale, natürlich in sehr ver-
feinertem Maassstabe. Sowohl die ein- wie die mehrkammerigen
»ind entweder perforat, d.h. ausser der grossen Oeffnung von zahl-
losen feinen Oeffnungen durchbohrt, durch weiche das Protoplasma
hervortreten kann, oder imperforat, ohne derartige Oeffnungen.
Bei den perforaten und bei einigen imperforaten liegt die Schale
eigentlich im Protoplasma, indem ihre Oberfläche von diesem um-
94
Specieller TheiL
flössen wird. — Die Schalen bestehen entweder aus einer chitinartigen
Masse, an welcher bisweilen Sandkörnchen oder anderweitige Fremd-
körperchen festgekittet sein können, oder wesentlich aus kohlen-
saurem Kalk, wie bei den meisten der im Meere lebenden Formen
(auch die Kalkschale kann bei einigen durch angekittete Fremd-
körperchen verstärkt sein).
Das Protoplasma ist in der Regel durch seine ganze Masse hin-
durch gleichartig, zuweilen ist aber eine oberflächliche Schicht dadurch
von dem übrigen verschieden, dass sie hyalin, körnerfrei erscheint,
ohne übrigens von dem inneren körnigen Theil scharf gesondert zu
sein. Zuweilen finden sich im Protoplasma Pigmentkörnchen. öfters
sind Vacuolen vorhanden, welche in der Regel nicht contractil sind.
Der Kern ist von einfacher rundlicher Form ; nicht selten sind mehrere
(bisweilen zahlreiche) Kerne vorhanden ; bei einigen Rhizopoden scheint
der Kern zu fehlen (?). Die Pseudopodien sind entweder breite Lappen
(Fig. 1, Fig. 35 A) oder feine Fädchen, welche dann in grosser Anzahl
vom Thiere ausstrahlen und häufig netzförmige Verbindungen unter
einander eingehen (Fig. 35 C); derartige dünne Pseudopodien besitzen
oft eine bedeutende Länge, sie können bis etwa zehnmal so lang wie
die Schale des Thieres werden. Mit Hülfe der Pseudopodien bewegt
sich das Thier kriechend über den Boden des Meeres, über Pflanzen
etc. fort; vermittels derselben umfliesst es mikroskopische Organismen
oder abgestorbene organische Theilchen, um dieselben in sich aufzu-
nehmen und als Nahrung zu verwerthen.
Ueber die Fortpflanzung ist verhältnissmässig nur wenig be-
kannt. Eine einfache Zweitheilung ist für verschiedene Rhizo-
poden beobachtet worden; bei den beschälten Formen bildet sich ge-
wöhnlich das eine der neugebildeten Individuen eine neue Schale,
während das andere in der alten Schale bleibt; oder letztere wird
ganz verlassen, und beide Individuen bilden sich je eine neue Schale.
Auch eine Theilung in eine grössere Anzahl von Individuen findet
bei einigen Rhizopoden statt. Eine Copulation, resp. Conju-
gation ist zuweilen beobachtet worden.
Von den Rhizopoden lebt ein Theil im Süss w asser; einige
werden sogar in Moos oder in feuchter Erde, einzelne auf Mist an-
getroffen, einzelne leben als Schmarotzer (z. B. Amoeba coli im Darm
des Menschen). Die Mehrzahl aber lebt im Meere, wo sie meistens
auf Meerespflanzen, Thierstöcken oder am Boden selbst kriechend an-
getroffen werden, zumeist in geringeren Tiefen. Einige wenige Formen
zeichnen sich dadurch aus, dass sie pelagiech, auf dem offenen Meere,
in ungeheuren Schaaren uraherschwimmen ; ihre Schalen sinken nach
dem Tode der Thiere auf den Grund des Meeres, wo man Ablage-
rungen trifft, welche zum grossen Theil aus ihren Ueberresten zu-
sammengesetzt sind (Globigerina). Auch in früheren Perioden haben
derartige Ablagerungen von Rhizopoden-Schalen stattgefunden, welche,
in mehr oder weniger zerstückeltem Zustand, eineu wichtigen Bestand-
teil mächtiger Erdschichten ausmachen (Schreibkreide).
Die Amöben (Amoeba) mit lappenförmigen Pseudopodien und ohne
Schale (vergl. S. 1—3) leben sowohl im Süßwasser wie im Meere. — Im
SüsBwasser findet man ferner mehrere Gattungen mit einfachen, einkammerigen.
chitinösen (zuweilen mit Fremdkörpern bedeckten) Schalen (Fig. 35 A — B). —
Von den zahlreichen im Meere lebenden, oft ungemein zierlichen, schalen-
tragenden Formen ist eine in Fig. 35 C abgebildet. Unter den ebenfalls
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Protozoen. 1. Classe: Sohleimthierchen. 95
sehr zahlreichen fossilen Formen nennen wir nur die durch ihre für ein
Protozoon ungeheure Grosse ausgezeichnete Gattung Nummtdües.
2. Ordnung. Rad Marien {Radtolaria).
Die Radiolarien unterscheiden sich dadurch von den Rhizopoden,
(kss der grössere Theil ihres Protoplasmas in eine poröse häutige
Kapsel, die Centraikapsel, eingeschlossen ist. Ausserhalb der
Centraikapsel findet sich noch eine dünne Protoplasmaschicht und
ausserhalb letzterer wieder eine dünnere oder dickere Lage einer
gallertigen Masse. Die Grundform des Körpers ist gewöhnlich eine
kugelige ; jedoch kommen mannigfache Abweichungen hiervon vor.
Von festen Theilen findet sich im Thiere ausser der Ceutralkapsel
ein gewöhnlich reich entwickeltes Skelet, in der Regel aus Kiesel-
säure (seltener aus einer organischen Substanz) bestehend. Das
A B
Fig. 86. A. Scheraatische Darstellung einen Radio Urs mit Weglassang des Skeletes.
e Centraikapsel, g GallerthtlUe, A Kern, p Pseudopodien. — Orig.
Fig. 36. B. Skelet eine« Radiolars. — Nach Hackel.
Skelet iBt bei verschiedenen Formen höchst verschieden. Bei einigen
besteht es aus einer Menge isolirter Stacheln, welche sämmtlich vom
Mittelpunkte des Thieres ausstrahlen, die Oentralkapsel und die ver-
schiedenen weichen Schichten des Thieres durchbohren und nach allen
Seiten über die Oberfläche hinausragen. Bei anderen bildet das Skelet
eine von vielen grossen Oeffnungen durchbrochene Gitterkugel, von
deren Oberfläche zuweilen Stacheln ausstrahlen (Fig. 36 B). Bei anderen
sind mehrere solche Gitterkugeln vorhanden, welche in einander ein-
geschachtelt liegen und durch radiäre, von der einen Kugel zur anderen
gehende, Stacheln verbunden sind ; wenn zwei solche Kugeln vorhanden
sind, liegt die eine innerhalb der Oentralkapsel, die andere ausserhalb
derselben; sind drei Kugeln vorhanden, kann die innerste in dem
centralen Kern liegen. In anderen Fällen ist die Schale mehr scheiben-
förmig oder helmförmig etc.; wie finden überhaupt in dieser Ab-
theilung die reichste Auswahl zierlicher Skeletbildungen.
In dem von der Oentralkapsel eingeschlossenen Protoplasma findet
sich ein Kern (zuweilen mehrere solche), ausserdem sind Vacuolen
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9R
Specieller Theil.
(nicht contractile), weisse, rothe oder gelbe Oeltropfen, Pigment (rothes,
gelbes, braunes) in demselben vorhanden. Von der dünnen Proto-
plasmalage, welche die Centralkapsel umgiebt, strahlen die feinen,
dünnen Pseudopodien gewöhnlich nach allen Seiten aus; sie gehen
öfters netzförmige Verbindungen mit einander ein. Sie durchsetzen
zunächst den wasserhellen Gallertmantel und ragen dann als lange
dünne Fäden in das Wasser hinaus. In dem Protoplasma ausserhalb
der Centralkapsel finden sich häufig Vacuolen, welche auch in
demjenigen Theil der Pseudopodien, der die Gallertlage durchsetzt,
vorhanden sein können, wodurch die Gallerte ein blasiges, schaumiges
Aussehen bekommt. Die Nahrung, einzellige Thiere und Pflanzen,
werden von den Pseudopodien gefangen und in das Protoplasma hinein-
gezogen.
Die Fortpflanzung ist ungenügend bekannt. Bei gewissen
Formen hat man gefunden, dass der Inhalt der Centralkapsel sich
in eine Anzahl kleiner, je mit 1—3 langen Wimpergeissein versehener
Zellen, „Schwärmsporenu, theilen kann; das nähere Schicksal letzterer
ist nicht bekannt, mau weiss nur, dass sie die Kapsel sprengen und
frei herausschwärmen. Einige Radiolarien bilden durch wiederholte
Theilung Colon ien, deren Individuen durch den gemeinsamen
Giillertmantel zusammenhängen.
In den Radiolarien findet man sehr oft, zuweilen in grosser An-
zahl, kleine gelbe Zellen, welche früher — mit anderen Verhält-
nissen zusammen — zu der Ansicht Veranlassung gaben, dass die
Radiolarien mehrzellige Organismen seien. Neuere Untersuchungen
haben jedoch nachgewiesen, dass diese Zellen in Wirklichkeit selbst-
ständige Organismen, kleine Algen, sind, welche in den Radiolarien
schmarotzen oder, richtiger : in denselben Aufenthalt nehmen, denn die
gelben Zellen scheinen den von ihnen bewohnten Radiolarien eher
nützlich als schädlich zu sein, namentlich durch die bei ihnen wie
bei anderen Pflanzen stattfindende Sauerstoffausscheidung, welche der
Respiration der Radiolarien zu Gute kommt.
Die Radiolarien leben ausschliesslich im Meere, wo sie auf
offener See schwimmend angetroffen werden; sie halten sich in sehr
verschiedener Tiefe auf, jedoch ohne Zweifel besonders an der Ober-
fläche , wo sie , namentlich in den wärmeren Meeren , in ungeheuer
grosser Anzahl und grossem Formenreichthum gefunden werden. Sie
bewegen sich im Wasser auf und nieder etc., ohne dass es übrigens
bisher klar wäre, wie die Bewegungen eigentlich ausgeführt werden.
Ebenso wie die Schalen der pelagischen Rhizopoden sinken auch die
Kiesel-Skelete der Radiolarien auf den Boden des Meeres, wo sie an
einigen Stellen die Hauptmasse ausgedehnter Tiefsee-Ablagerungen
bilden.1)
In Süsswasser (seltener im Meere) lebt eine kleine Protozoen-Gruppe,
die Sonnenthierchen {Uelioxoa), welche sich in mehreren Beziehungen den
Radiolarien anschliessen, von diesen aber durch den Mangel einer Central-
kapsel sowie durch eine gewöhnlich geringere Ausbildung des Skeletes sich
unterscheiden.
') Weshalb einige derartige Ablagerungen wesentlich aus pelagischen Rhizo-
podenschalen, andere aus Radiolarien bestehen, ist noch nicht sicher erkannt.
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Protozoen. 2. Classe: Infuaionsthierchen.
97
2. Classe. Infusionsthierchen (Infusoria, Ciliata).
Bei den Infusionsthierchen besitzt eine dünne äusserste Schicht
eine festere Beschaffenheit als das übrige Protoplasma, und damit
hängt es zusammen, dass den Infusionsthierchen das Vermögen abgeht,
Pseudopodien auszusenden. Eine Formveränderung des meistens ab-
gerundeten, ovalen oder mehr länglichen Leibes ist damit nicht aus-
geschlossen; der Körper kann sich verlängern, verkürzen, abrunden.
An zwei Stellen der Oberfläche fehlt übrigens die erwähnte festere
Schicht; die eine dieser Stellen dient zur Nahrungsaufnahme und
wird als Mund bezeichnet, durch die andere, den After, treten die
unverdauten Theile wieder nach aussen. Die beiden Öffnungen sitzen
meistens nahe den entgegengesetzten Enden des Körpers; (las Ende,
an welchem der Mund sitzt, wird als Vorderende, das andere als
Hiuterende bezeichnet; der Mund befindet sich meistens am Boden
einer öfters ziemlich tiefen, trichterförmigen Einseukung, während der
After nur dann als ein Spalt sichtbar wird, wenn etwas durch den-
selben entleert wird. Die Infusionsthierchen sind durchweg mit
Wimperhaaren versehen, welche bei der Bewegung die Hauptrolle
spielen. Sie sind bei einigen gleichmässig, öfters in Längsreihen an-
geordnet, über die gesammte Oberfläche verbreitet; bei anderen sind
in dem Wimperkleid einige besonders stark oder eigentümlich ge-
bildete (stachel-, hakenförmige) Wimperhaare vorhanden, oder es
finden sich eine oder mehrere Reihen derartiger Wimperhaare zwischen
den anderen; besonders häufig ist das Vorhandensein einer spiral-
förmigen Reihe kräftiger Wimperhaare am vorderen Körperende,
welche die Nahrung der Mundöffnung zustrudelt. Bei anderen wieder
ist das gesammte Wimperkleid mit Ausnahme der letztgenannten
(oder dieser und noch einer Wimperhaarreihe) in Wegfall gekommen1).
— Derartige feste Skeletbildungen wie bei den Schleimthieren kommen
hier nicht vor; einige Infusionsthierchen sondern aber ein gallertiges
oder häutiges, becher- oder röhrenförmiges Gehäuse ab, welches
den Körper lose umgiebt, und in welches sie sich zurückziehen können
(das Verhältniss des Thieres zum Gehäuse ist ein ähnliches wie
zwischen einem Röhrenwurm und dessen Röhre). Das Gehäuse ist
gewöhnlich fremden Körpern augeheftet ; bei einigen im Meere lebenden
Infusorien trägt das Thier aber das Gehäuse mit sich umher.
Im Protoplasma findet sich ein grösserer Kern (Hauptkern,
Macronucleus) , welcher bald rundlich, bald wurst- oder bandförmig
oder perlschnurformig ist; ausser diesem sind fast immer ein oder
mehrere kleinere Nebenkerne (Micromtclei) vorhanden. In der
Nähe der Oberfläche finden sich eine oder mehrere contractile
Vacuolen, welche das in ihnen enthaltene Wasser durch je eine
»der mehrere feine Poren nach aussen entleeren , um nachher wieder
Wasser aus dem Protoplasma aufzunehmen. Im äusseren Tbeil des
Protoplasmas findet man häufig feine Fädchen von contractiler Substanz,
') Bei einigen Infusorien findet man sogenannte Membranellen, schwingende
bUttförmige Gebilde, deren jedes als eine Kurze Reihe mit einander verschmolzener
Wimperhaare aufzufassen sind. Die sogenannten undulirenden Membranen,
lindere, bandartige, mit dem einen langen Rand angeheftete, schwingende Theile,
«eiche auch zuweilen verkommen, sind als Membranellen zu betrachten, welche
tut langen Reihen von Wimperhaaren entstanden sind.
Beil, Zoologie. 7
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98 Spccieller Theil.
Muskel fibrillen. Im Protoplasma können ausserdem noch Fett-
kügelchen und Pigmentkörnehen vorhanden sein.
Die Infusionsthierchen pflanzen sich durch Th eilung fort, welche
gewöhnlich senkrecht zur Längsachse erfolgt, also eine Quertheilung
ist; vor der Theilung theilen sich sowohl der Haupt- als der Neben-
kern. Zuweilen finden wir als Moditication der einfachen Theilung
eine Knosp ung, der Knospung der Metazoen (vergl. S. 32) analog:
ein kleiner Theil eines Individuums wächst zu einem neuen Indi-
viduum aus. Häufig geschieht die Theilung, während das Thierchen
sich in einem eingekapselten, ruhenden Zustand befindet. Es
umgiebt sich mit einer Kapsel und theilt sich nachher in zwei oder
mehrere neue Individuen. Eine derartige Einkapselung kann übrigens
A B CD
Fig. 37. A Balantidium coli. B Exemplare in Conjugatiou; 0, D Exemplare auf ver-
schiedenen Stufen der Quertheilung. Der nierenförmige Körper ist der Kern, die hellen
Flecken sind Vacuolen. — Nach Louckart.
auch zu anderen Zwecken als der Fortpflanzung wegen stattfinden;
namentlich besitzen viele Infusorien das Vermögen, wenn die äusseren
Verhältnisse ihnen ungünstig werden, z. B. beim Austrocknen der
Gewässer, in denen sie leben, eine feste Kapsel um sich abzusondern,
in denen sie eine vollständige Austrocknung der Umgebung aushalten
können. — Sehr oft beobachtet man bei den Infusorien eine Copu-
latiou und namentlich eine Conjugation; bei einigen Formen
findet die Copulation zwischen Individuen von sehr verschiedener Grösse
statt, z. B. bei den unten erwähnten Vorticellen, bei denen ein kleines
freischwimmendes Individuum sich an ein grosses festsitzendes heftet
und mit diesem verschmilzt.
Die Infusionsthierchen sind grösstentheils sehr lebhafte Geschöpfe,
welche vermittels ihres Wimperkleides und durch Contractionen des
Körpers im Wasser umherschwärmen oder über fremde Gegenstände
hingleiten. Nicht wenige sind zeitweilig oder dauernd festsitzend;
unter diesen bilden mehrere durch unvollständige Theilung (oder
Knospung) Colonien. Die Infusorien finden sich in grosser Individuen-
anzahl und durch zahlreiche Formen repräsentirt im Süsswasser,
wo viele derselben sich besonders an verwesenden Pflanzen und
Thierleichen sammeln; in verhältnismässig geringerer Anzahl
werden sie im Meere angetroffen; eine Abtheiluug gehäusetragender
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Protozoon. 2. Classe: Infusionsthierchen.
99
Infusorien ist pelagisch; die betreffenden Formen schwimmen auf dem
offenen Meere mit Radiolarien und pelagischen Rhizopoden zusammen
umher. Einzelne leben als Schmarotzer auf der Haut von
Fischen und anderen Wasserthieren ; nicht ganz selten werden
Fig. 38. Fig. 39. Fig. 40.
Fig. 38. Paramaecium aurclia. — Nach Blochmann.
Fig. 39. Stylonychia mytilus. Nach Stein.
Fig. 40. Vorti cellc, rechts ein Individuum in Theilung. — Nach Stein.
An After, er contractile Vacuole, n Nebenkero, X Kern, <v Mund, ir Wimper.
Infusorien im Darmkanal verschiedener Wirbelthiere gefunden. —
In eingekapseltem Zustande werden sie häufig nach dem Austrocknen
der Pfützen etc., in denen sie leben, von den Luftströmungen mit
auderem „Staub" zusammen fortgeschleppt, und überall, wo eine Mög-
lichkeit für das Gedeihen der Infusorien gegeben ist, treten sie dess-
halb sehr bald auf.
1. Von den zahlreichen im Süsswasser lebenden Infusorien nennen
wir beispielsweise folgende häufig vorkommenden Formen: Paramaecium,
Körper oval, ringsum gleichförmig mit Wimpern bedeckt. — Stylonychia,
oval, vorn mit einer zum Mund führenden Wimperreihe, an der Unterseite
mit starken stachel- und hakenförmigen Wimperhaaren. — Die Vorticcllen
(Glocken thierchen) sind gestielte Infusorien, welche am Vorderende mit einer
WimperBpirale versehen, sonst aber nackt sind ; sowohl Mund als After in
einer gemeinsamen Rinne am Vorderende ; am entgegengesetzten Ende ent-
springt der gewöhnlich von einem Muskelfaden durchlaufene , häufig sehr
lange Stiel, mit dem das Thier an Fremdkörpern festsitzt. Sie können sich
zuweilen vom Stiele ablösen und frei umherschwimmen. Manche Vorticellen
bilden verästelte Colonien.
2. Auf dem offenen Meere werden zuweilen massenhaft die mit einem
zierlichen Chitin-Gehäuse ausgestatteten Arten der Gattung Tintitmus u. a.
getroffen.
3. Unter den schmarotzenden Infusorien nennen wir das Balantidium
coli (Fig. 37), welches im Dickdarm des Schweines constant, beim Menschen
7*
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1 00
Specieller Theil.
seltener vorkommt; der Körper eiförmig, überall bewimpert, in der Nähe
des Mundes eine Reihe etwas stärkerer Wimperhaare. — Andere Infusorien
finden sich z. B. im Pansen der Wiederkäuer und im Dickdarm des Pferdes.
Unter dem Namen Fla^ellaten wird eine grosse Menge sehr ver-
schiedenartiger einzelliger Geschöpfe zusamniengefasst, welche sich durch das
Vorhandensein einer einzigen starken Wimpcrgeissel oder einer geringen
Anzahl solcher auszeichnen.
Eine natürliche Abtheilung bil-
den diese Organismen jedoch
nicht. Einige derselben scheinen
sich den Infusorien zunächst an-
zuschliessen, jedenfalls zweifel-
los dem Thierreich anzugehören,
andere sind unzweifelhaft pflanz-
liche , mit Chlorophyll ausge-
stattete Organismen (vergl. S.
8ö), wieder andere sind von ganz
zweifelhafter Stellung. Von den-
jenigen Flagellaten, welche thie-
rischer Natur sind, nennen wir
die Monadinen, kleine mit
einer oder mehreren Geissein
am Vorderende ausgestattete
rig. 41. Yorsolm'dene Monadinen. A Ct.rco- . , . ° ,
monas nm$ou (ans dem Chylusdarm der Stubenfliege), Organismen, welche in faulenden
B Bodo ovatus, V Deramita rottrata, r contractdo Substanzen und im Darmkanal
Vacuole, n Kern. — Nach Stein. verschiedener Thiere in unge-
heurer Anzahl gefunden werden; einige Arten finden sich z. B. constant
im Magen der Wiederkäuer, im Blinddarm des Schweines, im Enddarm der
Frösche und Kröten.
3. Classe. Gregarinen {(h-egnrimda).
Die Gregarinen, welche ohne Ausnahme als Schmarotzer leben,
sind ebenso wie die Infusionstierchen ausser Stande Pseudopodien
Fig. 42. Eine Grcgarine (Schema). / ein einzelnes Individuum, 2 zwei copulirte
Individuen, 3 zwei solche eingekapselt, 4 dieselben völlig verschmolzen, 5 sie haben sich
in Sporen gctheilt, C in den Sporen sind Keime gebildet. 7— i) eine Spore auf verschiedenen
Entwicklungsstufen, stärker vergr. — Orig.
auszusenden, unterscheiden sich aber von jenen unter Anderem dadurch,
dass sie keine Wimperhaare besitzen. Ihr einzelliger Körper ist ge-
wöhnlich, wenn auch nicht immer, mit einer deutlichen Hülle ver-
Google
Protozoen. 8. Clasae: Gregarinen.
101
sehen; häufig ist das Protoplasma in zwei Schiebten, eine innere
körnige und eine äussere mehr körnerfreie, gesondert, welche jedoch
von einander nicht scharf unterschieden sind. Fast immer ist nur
ein einziger rundlicher Kern vorhanden. Die Gregarinen sind meistens
lauggestreckt, abgeplattet, zuweilen bandförmig; hei manchen ist die
Zelle in einen vorderen kleineren und einen hinteren grösseren Ab-
schnitt (in dem der Kern sich befindet) getheilt, welche durch eine
dünne Scheidewand von einander gesondert sind; bei anderen ist die
Zelle dagegen ganz einfach. Zuweilen findet sich am vorderen Ende
ein rüsselartiger, öfters mit Haken bewaffneter Fortsatz, durch welchen
sie sich in der Darmwand des Wirthes festhält. Durch Zusammen-
ziehung und Ausstrecken des Körpers, durch Biegungen etc., welche
anf Strömungen des Protoplasmas beruhen, bewegen sich die Grega-
rinen in dem Wohnthiere. Die Nahrung wird endosmotisch durch
die Oberfläche des Körpers aufgenommen; eine Aufnahme fester Theile
fandet nicht statt.
Die Fortpflanzung ist eine sehr charakteristische. Sie fangt
damit an, dass der Körper des Thieres sich abrundet und eine Kapsel
um sich ausscheidet; zuweilen ist die eigentliche feste Kapsclwand
von einer Gallerthülle umgeben. Dieser Einkapselung geht meistens
eine Copulation zweier Individuen voraus, welche sich mit einander
verbinden, zunächst jedoch ohne mit einander zu verschmelzen; eine
wirkliche Verschmelzung findet erst nach der Einkapselung statt. Ein
einziges Individuum kann sich jedoch auch allein einkapseln. Der
Kapselinhalt theilt sich alsdann in eine grössere oder kleinere An-
zahl kleiner Zellen. Sporen, welche sich mit je einer besonderen
Hülle umgeben. Endlich theilt sich der Inhalt jeder Spore in eine
seringe Anzahl kleinster Zellen, gewöhnlich von langgestreckter Form,
die sogenannten Keime. Durch Sprengung der Kapsel werden letztere
frei; ihre weitere Entwicklung ist nicht verfolgt, es ist jedoch wahr-
scheinlich, dass jeder Keim sich zu einer Gregarine ausbildet. Die
Fortpflanzung der Gregarinen besteht somit, wem» wir das Wesent-
lichste derselben betrachten, in einer wiederholten, meistens von einer
Copulation eingeleiteten Theilung der ursprünglichen Zelle.
Die Gregarinen leben als Schmarotzer in einer Menge Metazoen
der verschiedensten Abtheilungen : Stachelhäuter, Plattwürmer, Glieder-
würmer. Arthropoden. Weichthiere, Wirbelthiere ; als Gruppen, welche
besonders von Gregarinen heimgesucht sind, können Tausendfüssler
and Insekten genannt werden. Sie halten sich theils in den natür-
lichen Höhlungen des Körpers (z. B. im Darmkanal), theils in den
Geweben auf.
Von den zahlreichen Formen führen wir folgende als Beispiele an:
1 . Porospora giyantm, sehr häufig im Darm des Hummers, ist eine sehr
langgestreckte, schmale Gregarine, welche die für ein Protozoon kolossale
hänge von lfi mm erreicht.
2. Coeridium otn forme sind kleine (0,035 mm lange) eiförmige Gre-
g&rinen, welche häufig im Epithel der Gallengänge beim Kaninchen, selten
taim Menschen vorhanden sind (die dadurch verursachte Krankheit kann
den Tod mit sich führen). Während das Coccidium jung ist , ist es noch
«ne nackte Zelle, später erfolgt eine Einkapselung. In diesem Zustande
taben sie eine grosse Aehnlichkeit mit gewissen Eingeweidewürmer-Eiern,
mit denen sie zuweilen verwechsolt worden sind. Nach der Einkapselung
gehen sie mit der Galle in den Darm und von hier mit den Excrementen
102
Specieller Theil.
Fig. -48. Coccidium ovifurme , -1 — B eingekapselt,
0 — D in Sporen- und Keimbildung. — Nach Leuckart.
in's Freie hinaus , wo erst die weiteren Ilmwandelungen vor sich gehen ;
diese bestehen darin, dass der Kapselinhalt sich in 4 8poren theilt, deren
jede sich wieder zu 2 Keimen ent-
wickelt. Wenn eine derartige
sporenhaltige Coccidienkapsel von
einem Kaninchen mit der Nah-
rung aufgenommen wird, löst
sich aller Wahrscheinlichkeit nach
die Kapselwand auf, die Keime
wandern durch den Gallengang
in die Leber ein und entwickeln
sich hier zu Coccidien.
3. In den quergestreiften Mus-
kelfasern findet man bei vielen
Säugethieren, z. B. ungemein häufig beim Schweine, kleine Körper, die soge-
nannten Rainey' sehen oder M iesch er 'sehen Schläuche (Sarcocystis)
eingebettet. Es sind cylindrische oder spindel-
förmige Körper von verschiedener (bis mehrere
mm) Länge, welche in je eine Muskelfaser ein-
geschlossen liegen; jeder ist von einer Hülle
umgeben und besteht aus einer protoplasma-
tischen Masse , welche stets eine grosse An-
zahl kleiner Keime enthält ; letztere sind
zu Gruppen vereinigt, welche von je einem
dünnen Häutchen umschlossen sind. Die Rai-
ney'schen Schlauche werden jetzt gewöhnlich
als Geschöpfe aufgefasst, welche mit den Gre-
garinen verwandt sind; die genannten Gruppen
von Keimen werden als den Sporen der Gre-
garinen gleichwerthig betrachtet. Falls dieser
Vergleich zutrifft, würde es ihnen jedoch eigen-
tümlich sein, dass die Sporen- und Keimbildung
sehr früh anfängt , ehe das Wachsthum des
Schlauches abgeschlossen ist (schon in sehr kleinen
Fig. 44. l Kainey'Hcher Schläuchen findet man Keime), und dass die-
2
s
Schlauch in einer Muskelfaser, 8en>e ganz allmählich fortgeht, SO dass immer
2 die Spitze einea Bolchen ■
vergr., 3 einzelne Keime.
2dieSpiUeeine89olchen,2tärker ^ Theile deg protopla8ma8 zu gporen und
Keimen werden. In welcher Weise der Wirth
mit den Rainey'schen Schläuchen inficirt wird,
ist unbekannt; in der Regel scheinen sie ihm nicht sehr lästig zu werden.
Sie sind bisher nicht beim Menschen gefunden.
Zweites Unterreich.
Metazoen (Metazoa).
I. Kreis. Cöleilterateil (Coelenterata).
Die Cölenteraten zeichnen sich in erster Linie durch die grosse
Einfachheit ihres Baues so wie durch die geringe Sonderung des
Körpers in verschiedene Organe aus. Unter allen bekannten Metazoen
nehmen sie die ursprünglichste Stelle ein.
Die Cölenteraten treten in verschiedenen Haupttypen auf. Im
einfachsten Fall ist der Körper ein kürzerer oder längerer, an
Fig. 45. Schematiche Figuren der Haupttypcn der Cölenteraten. A die einfachste Form,
5 die Medusen; - mu. C der Typus der Koralleuthierc. t Iuneulage, m Mittellage, y Ausscnlagc.
* Mundöffnung, n die Äussere OerTnung des Schlundrohres der Korallenthiere. — Orig.
dem einen Ende offener, am anderen Ende geschlossener Schlauch
mit dreischichtiger Wand (Fig. 45 A). Zuäusserst haben wir die aus
Zellen bestehende Aussenlage, innerhalb dieser findet sich eine
dünne Schicht, die Mittellage, welche aus einer structurlosen
Gallerte besteht, und zuinnerst die wieder aus Zellen bestehende
Innenlage, welche die Höhlung des Schlauches begrenzt; an der
Mündung des Schlauches, an der Mund Öffnung, gehen die Innen-
104
Specialer Theil.
und Aussenlage in einander über. Wie mau sieht, entfernen Cölen-
teraten des beschriebenen Baues sich im allgemeinen Bauplan sehr
wenig von der Gastrula, von welcher sie wesentlich nur darin ab-
weichen, dass die Aussen- und Innenlage, welche dem Ekto- resp.
dem Entoderm der Gastrula entsprechen, eine Gallertmasse (die Mittel-
lage) zwischen sich abgesondert haben. Da/u kommt aber noch, wie
wir weiter unten seheu werden, dass die Zellen jeder Schicht nicht
wie in der Gastrula gleichartig, sondern in verschiedener Weise, einige
als Muskelzellen, andere als Nervenzellen etc., entwickelt sind.
An diese einfachste Form schliessen sich nun andere Typen von
etwas complicirterer Gestaltung an, welche von jener abgeleitet werden
können. Vielfach finden wir (Fig. 45 B). dass das untere geschlossene
Ende des Schlauches sich zu einer breiten Scheibe ausgebreitet hat,
so dass das Thier einem altmodischen Handleuchter ähnlich wird.
Der scheibenförmige Theil besteht aus denselben Schichten wie der
übrige Körper; die Mittellage ist jedoch besonders stark ent-
wickelt, und die beiden Blätter der Innenlage, welche die obere resp.
die untere Wand der Höhlung dieses Theiles auskleiden, sind an
gewissen Stellen mit einander verwachsen, so dass wir anstatt
eines platten, einfachen Hohlraumes ein System von Kanälen in ihm
finden; an den verwachsenen Stellen schrumpft die Innenlage zu einem
dünnen Häutchen zusammen. Während Cölenteraten des ersten, ein-
fachsten Typus gewöhnlich festsitzend sind, sind diejenigen, welche
den soeben erwähnten Typus, die Medusenform, besitzen, gewöhn-
lich schwimmend; die Scheibe ist während des Schwimmens nach
oben, die Oeffnung des Schlauches nach unten gerichtet.
Einen dritten Typus finden wir bei den Koralle nthieren
(Fig. 45 C). Bei diesen ist der Schlauch mit einer sehr weiten Höhlung
versehen, in welche der oberste Theil desselben hinein gestülpt
ist, so dass die eigentliche Mundüffnung sich am unteren Ende des
eingestülpten Schlauchtheiles, des sogenannten Schlundrohres, befindet.
Die Cölenteraten sind gewöhnlich mit weichen Körperan-
hängen: Fangarmen, Tentakeln, versehen, welche Auswüchse oder
Ausstülpungen der Leibeswand sind und von denselben Schichten
zusammengesetzt werden wie letztere; sie sind gewöhnlich in der
Nähe der Mundöffnung, bei den Medusen jedoch auch am Rande der
Scheibe angebracht.
Im ganzen Körperbau, z. B. in der Weise, in welcher die soeben
genannten Anhänge angeordnet sind, und in der Weise, in welcher
die Kanäle sich in der Scheibe der Medusen vertheilen, macht sich
ein mehr oder wenig scharf ausgeprägter strahliger (radiärer)
Bauplan geltend, und zwar so dass die Hauptaxe, um welche die
Strahlen sich ordnen, mit der Mittelaxe des Schlauches zusammenfällt.
Die Anzahl der Strahlen ist bei den verschiedenen Gruppen der
Cölenteraten eine verschiedene; meistens kann der Körper in 4 oder
2X4 Strahlen getheilt werden, bei anderen in 6 oder ein Multiplum
von 6.
Die Aussenlage, welche die äussere Bekleidung des Körpers
bildet (entspricht zunächst der Oberhaut anderer Metazoeu), ist ein
eigenthümliches einschichtiges Epithel , dessen Zellen eine sehr ver-
schiedenartige Entwicklung erreicht haben. Einige derselben sind
einfache Epithelzellen, zuweilen Cylinderzellen mit einem oder mehreren
Wimperhaaren versehen, in anderen Fällen platte Zellen; solche
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Cölenteraten.
105
Zellen können den Oberhautzellen anderer Metazoen völlig gleichgestellt
werden, und wir bezeichnen sie desshalb als die eigentlichen Ober-
hautzellen. Andere sind diesen ähnlich und sitzen zwischen ihnen,
sind aber dadurch ausgezeichnet, dass ihr inneres Ende sich zu einem
contractilen Fäserchen umgewandelt hat, so dass ihr äusserer,
protoplasmatischer Theil als Epithelzelle, ihr innerer Theil als
Muskelfaser fungirt ; derartige Zellen, welche nur bei den Cölenterateu
vorkommen, werden als Epithelmuskelzellen bezeichnet1).
Aebnliche Zellen können aber auch aus der engeren Verbindung mit
den übrigen Oberhautzellen austreten und innerhalb derselben als
einfache Muskelzellen Platz nehmen ; bei solchen liegt dann das
nicht zu contractiler Substanz umgebildete Protoplasma mit dem
Kern (wie bei manchen Muskelzellen anderer Thiere) auf der einen
Fig. 46. Zellen eines Cölenteraten (Actinie). a Kpitbelmuxkclzcllon, b Muskelzelle,
-d Nervenzellen, e Sinneszelle, / Netwelzellc, ;/ Xesselkapsel mit hervorgescbnelltem Faden.
- Z. Tb. nach Hertwig, z. Tb. Orig.
(äusseren) Seite des coutractilen Fäserchens. Zwischen den eigentlichen
Oberhautzellen, oder zwischen den Epithelmuskelzellen, können ferner
Sinnes zellen vorkommen, feine, dünne Zellen, welche an ihrem
äusseren (freien) Ende je ein feines Stiftchen tragen, während das
innere Ende in einen oder mehrere feinste Fäden sich fortsetzt.
Zwischen den inneren Enden der Oberhautzellen oder ganz unterhalb
derselben liegen andere Zellen, welche nach ihrem ganzen Aussehen
als Nervenzellen aufgefasst werden müssen; von jeder solcher
gehen nach verschiedenen Richtungen mehrere ähnliche feine Fäden
aus wie von den Sinneszellen, mit deren Ausläufern sie verflochten
^ind und ohne Zweifel in direktem Zusammenhang stehen. — In der
Aussenlage findet sich ferner meistens eine Anzahl von Nesselzelleu,
deren jede an ihrem äusseren Ende ein feines Stiftchen trägt und in
ihrem Inneren eine sogenannte Nessel kapsei beherbergt, ein
olasenförmiges Körperchen, das einen aufgewundenen Faden einschliesst,
welcher unter gewissen Umständen, namentlich wenn das Thier berührt
wird, aus der Kapsel mit grosser Kraft hervorgeschleudert wird; an
dem Faden haftet eine ätzende Flüssigkeit, welche an der Haut des
Menschen eine brennende Empfindung hervorrufen kann (bei einigen
') In der neuesten Zeit hat man angeblich auch Epithelmuskelzellen bei ver-
schiedenen Stachelhäutern und bei einzelnen Borsten würmeru gefunden.
106
Specieller Theil.
Formen ist die Wirkung kräftiger als bei anderen), während sie
kleinere Thiere lähmen oder gar zum Absterben bringen kann.
Endlich können in der Aussenlage Zellen vorhanden sein, welche
Becherzellen ähnlich sind, und welche den diese Thiere öfters be-
deckenden Schleim absondern (Drüsenzellen). — Uebrigens muss
hervorgehoben werden, dass die beschriebenen, die Aussenlage zu-
sammensetzenden Zellen nicht gleicbmässig über den ganzen Körper
vertheilt, sondern im Gegentheil an verschiedenen Stellen sehr un-
gleich vertreten sind: einige Theile sind reicher an Muskelzellen,
Nervenzellen etc. als andere. — Es kann hier noch erwähnt werden,
dass bei einigen Cölenteraten ein Theil des Körpers mit einer von
der Aussenlage ausgeschiedenen Cuticula umgeben ist; ferner
können gewisse Theile der Aussenlage zu Augen oder Gehör-
werkzeugen einfacher Formen umgebildet sein.
Die Innenlage, dem Darmepithel anderer Metazoen entsprechend
und dem Entoderm der Gastrula entstammend, schliesst sich in ihrem
Bau eng an die Aussenlage an, indem in ihr ausser einfachen Epithel-
zellen auch Epithelmuskelzellen, Muskelzellen, Sinneszellen, Nerven-
zellen, Nesselzellen und Drüsenzellen vorhanden sein können. In
Einzelheiten, z. B. in der Form der Zellen, können übrigens nicht
ganz geringe Unterschiede der beiden Schichten bestehen1).
Die Mittellage ist bei einigen Cölenteraten eine dünne struc-
turlose Schicht ohne Zellen. Bei anderen ist sie mächtiger entwickelt,
und es wandern in dieselbe von der Aussen- und Innenlage Zellen
hinein, so dass die Mittellage ein bindege websartiges Gepräge annimmt.
(Seltener, bei den Rippenquallen, entwickelt sich ein Theil der ein-
gewanderten Zellen zu Muskel- und Nervenzellen.) In der Mittellage
können sich bei einigen Cölenteraten feste Körper entwickeln, worüber
Näheres unten.
Eier und Spermatozoon entwickeln sich bei einigen Cölente-
raten in der Aussenlage, bei anderen in der Innenlage, durch Um-
bildung der dortigen Zellen. Im Allgemeinen werden sie an be-
stimmten Stellen des Körpers gebildet, welche dann nach Analogie
mit anderen Thieren als Eierstöcke und Hoden bezeichnet werden,
bei einigen aber mehr zerstreut an verschiedenen Körperstellen.
Aus der obigen Schilderung wird es hervorgehen, dass sich eine
ausserordentliche Einfachheit im Baue der Cölenteraten geltend
macht. Der Hauptsache nach besteht das Thier zeitlebens aus den
zwei Blättern der Gastrula, welche sich lediglich insofern weiter ent-
wickeln, als die sie zusammensetzenden Zellen eine verschiedenartige
Ausbildung erleiden. Ein eigentliches Mesoderm, welches bei anderen
Metazoen frühzeitig als eine besondere Zellenraasse (oder als mehrere
solche) angelegt wird, aus welcher grosse Partien des Körpers sich
entwickeln, fehlt hier; die Muskelelemente und die Geschlechtszellen
(Eier und Samenkörperchen), welche sonst von Mesodermzellen ge-
bildet werden, entwickeln sich hier im Ekto- und Entoderm. Von
den meisten bei anderen Metazoen vorhandenen Organen kann man
*) In der Innenlage findet man bei verschiedenen Cölenteraten (Actinien,
Medusen, Hydroiden) öfters in grosser Anzahl rundliehe, grün - oder gelb-
gefärbte Zellen, von je einer deutlichen aus Cellulose bestehenden Zellhaut
umgeben. Diese Zellen wurden früher als Theile des Thieres aufgefasst, sind aber
in Wirklichkeit einzellige Pflanzen (Algen), welche in den betreffenden Cölente-
raten Aufenthalt genommen haben (vergl. die Iladiolarien).
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Cölenteraten.
kaum sprechen, sie sind jedenfalls sehr wenig von einander gesondert;
sogar ein Centrainervensystem, welches sonst bei anderen, selbst sehr
einfachen Metazoen meistens sehr wohl ausgebildet ist, kann hier kaum
unterschieden werden; höchstens sind die Nervenzellen an einigen
Stellen dichter gehäuft als an anderen. — Excretionsorgane, Grefäss-
sTstem, Athmung8organe fehlen; ebenso wenig ist jemals eine Leibes-
höhle vorhanden.
Die Fortpflanzung bietet dagegen bei den Cölenteraten oft
ziemlich complicirte Verhältnisse dar. Ganz allgemein durchlaufen
sie eine Metamorphose, indem das Thier als ein durch Wiraper-
bewegung frei umherschwimmendes, sehr einfaches, tentakelloses Ge-
schöpf das Ei verlässt, um sich später mehr oder weniger umzuge-
stalten, meistens nachdem es sich festgesetzt hat. Ferner spielt u n -
geschlechtliche Fortpflanzung durch Theilung oder Sprossung
eine bedeutende Rolle; häufig werden dabei Stöcke gebildet; bei
manchen findet man einen regelmässigen Generationswechsel.
Die Cölenteraten sind fast sämmtlich Meeresthiere; nur ganz
wenige leben im Süsswasser. Vermittels ihrer Nesselzellen bewältigen
sie öfters sogar verhältnissmässig grosse und kräftige Thiere, nehmen
dieselben in ihren Darmschlauch auf, wo die verdaulichen Theile von
den Zellen der Innenlage aufgenommen werden , während die unver-
dauten wieder durch die Muudöffnung ausgestossen werden.
l. Classe. Korallenthiere (Äntkojsoa).
Der Körper hat die Form eines kürzeren oder längeren Cylinders
mit einem grossen inneren Hohlraum, der Darmhöhle. In diese
hangt das Schlundrohr hinab,
welches, wie oben erwähnt, den um-
gestülpten oberen Theil der Körper-
wand vorstellt; die äussere Oeffnung
des Schlundrohrs wird gewöhnlich als
Mund bezeichnet, es muss aber daran
erinnert werden , dass die eigentliche
Mundöffnung, der Eingang zur Darm-
höhle (der Mundöffnung z. B. einer
Meduse entsprechend) am unteren Ende
des Schlundrohrs ihren Platz hat ; wir
wollen jene Oeffnung als Aussen-
mund, den eigentlichen Mund als
Innenmund bezeichnen. In der
Darmhöhle finden sich senkrecht ste-
hende, radiäre Scheidewände,
welche oben zwischen Schlundrohr
und Körperwand ausgespannt sind
während sie unterhalb des Schlund-
rohrs mit einem freien inneren Rand
l) Bei den meisten Actinica, welche
eine grosse Anzahl von Scheidewänden be-
sitzen, reichen nur einige derselben von der
Körperwand bis zum Schlundrohr, während
»ndere in ihrer ganzen Ausdehnung einen
freien Innenrand haben.
Fig. 47. Längsschnitt durch einen
Holitären Korallen (Schern»); der Schnitt
geht rechts durch eine Scheidewand, links
zwischen zwei solchen hindurch, i Innen-,
nii Mittel-, y Aussenlage, m Innen-,
m' Aussenmund, s Schlundrohr, t Ten-
takel. — Orig.
108
Specieller Theil.
endigen (etwa wie die Scheidewände einer Mohnkapsel). Die Anzahl der
Scheidewände ist eine verschiedene, hei manchen 8, bei andern 12 oder
ein Multiplum von 12. Am oberen Ende des Thieres befindet sich ein
Kreis von Fangarmen oder Tentakeln (ausnahmsweise eine Mehr-
zahl von Kreisen), deren Anzahl derjenigen der Scheidewände ent-
spricht; es sind hohle Ausstülpungen der Körperwand, welche von
den zwischen je zwei Scheidewänden gelegenen Räumen entspringen ;
sie sind reichlich mit Nesselzellen ausgestattet. Das mehr oder
weniger ausgeprägte scheibenförmige Feld innerhalb des Tentakel-
kranzes, in dessen Mitte der Aussenmund liegt, wird als Mund-
scheibe bezeichnet; das untere abgeplattete Ende des Körpers nennt
man die Fussscheibe.
Jede Scheidewand ist eine Falte der Innenlage, welche ein von
der Mittellage gebildetes Blatt bekleidet, das von der Mittellage der
Körperwand entspringt (vergl. Fig. 48). Ihr innerer freier Rand ist
schnurartig verdickt, stark gewunden und reichlich mit Wimperhaaren
(fast die ganze innere und äussere Oberfläche des Körpers ist übrigens
^ g bewimpert), mit Nessel- und Drüsen-
zellen versehen : „Mesenterialfila-
ment." ') In den Scheidewänden
finden sich zahlreiche Muskelzellen,
welche unter Anderem häufig in
jeder einen kräftigen Längsmuskel
bilden, der mit den entsprechenden
der anderen Scheidewände zusam-
men den oberen Theil des Thieres
b weiter unten, a Schiundhöhie, h Darmhöhle, ziehen kann. In den Scheidewänden
»in Muskel wulst. Die Ausseuia^e ist durch entwickeln sich auch die Eier
eine voll ausgetogenc Linie, die Innenlage un(J fae § a m 6 n k Ö r p e r C h e 11
^;Z"-s^T' "Cl- durch Umbildung der Zellen der
Innenlage; diejenigen Theile der
Scheidewände, in welchen die Bildung der Eier und des Samens
stattfindet, sind verdickt und werden als Eierstöcke und Hoden be-
zeichnet. Die Korallenthiere sind meistens getrennten Ge-
schlechts, nur ausnahmsweise hermaphroditisch. — Meistens ent-
wickeln sich in grösserem oder geringerem Umfang feste Theile,
welche bei den Ordnungen betrachtet werden sollen.
Der Bauplan der Korallenthiere ist zwar wie bei anderen Cölenteraten
ein radiärer, tritt aber als solcher nie ganz rein hervor. Das Schlundrohr
ist im Durchschnitt fast immer oval, der Aussenmund spaltförmig, so dass
schon hierdurch eine Mittelebene des Körpers bestimmt wird; jedem
Ende des Ovals entspricht ein Tentakel. Ferner sind in den Scheidewänden
die Muskelelemente meistens nicht an beiden Seiten gleich entwickelt, sondern
sie bilden auf einer Seite eine Verdickung ; die verdickte Seite kann bald
die eine, bald die andere sein, es ist aber immer so, dass die Verdickungen,
wenn wir alle Scheidewände auf einmal überblicken, in Bezug auf die oben
erwähnte Mittelebene symmetrisch geordnet sind (vergl. Fig. 48, welche
die Anordnung bei den Achtarmigen zeigt).
*) Von dem unteren Ende der Scheidewände entspringen bei einigen Actinien
eigenthümliche freie Faden, welche einen ähnlichen Bau besitzen wie die „Fila-
mente" (sie sind sehr reich an Nesselzellen): sie können durch die Körperwand
hervorgeschleudert werden und dienen zur Verteidigung resp. zum Angriff.
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Cölenteraten. 1. Classe: Korallenthiere.
109
Bei manchen der Vielarmigen Korallenthiere (jedenfalls bei den
Actinien) ist das Schlundrohr mit zwei stark bewimperten Rinnen ver-
sehen, welche den beiden Enden des ovalen Querschnittes entsprechen ; wenn
da« 8chlundrohr sonst zusammengeklappt ist, bleiben diese Rinnen noch
offen und dienen wahrscheinlich dazu, die für die Athmung wichtige Wasser-
Strömung durch das Körperinnere zu unterhalten. — Bei manchen Acht-
armigen ist eine ähnliche durch verdicktes Epithel und lange Wimper-
haare ausgezeichnete Rinne, aber nur an dem einen Ende des Querdurch-
schnittes, vorhanden; der Wimperstrom geht in ihr von aussen nach innen,
an den übrigen Theilen des Schlundrohrs in umgekehrter Richtung.
Bei den allermeisten Korallenthieren kommt eine ungeschlecht-
liche Vermehrung durch SprossuDg oder Theilung vor. Die
hierbei gebildeten jungen Individuen sondern sich nur ausnahmsweise
von dem Stammthiere, bleiben gewöhnlich mit diesem in Zusammen-
hang, so dass Stöcke entstehen. Diese bestehen meistens aus zahl-
reichen Individuen und erreichen häufig einen sehr anselmlichen Um-
fang. Ein Generationswechsel kommt nur selten vor, indem dieselben
Individuen sowohl durch Sprossuug als auch auf geschlechtlichem
Wege andere hervorbringen können.
Wenn die Korallenthiere das Ei verlassen, sind sie tentakellose
Larven, welche vermittels ihrer Bewimperung umherschwimmen.
Später setzen sie sich fast immer fest und bilden sich zu der defini-
tiven Gestalt um. Nur wenige sind zeitlebens einer, meist geringen,
Ortsverändening fähig (namentlich Actinien). Sie gehören sämmtlich
dem Meere an.
1. Ordnung. Achtarmige Korallenthiere (Octacünia).
Besitzen nur 8 Scheidewände und dementsprechend 8 Fangarme,
welche jederseits mit einer Reihe kleiner Aeste versehen sind (feder-
förmige Fangarme). In der Mittellage finden sich fast immer mikro-
skopisch kleine, mit Warzen oder Spitzen versehene Kalkkörperchen
von verschiedener Färbung, welche im oberen Tbeil des Thieres in
geringerer Anzahl vorhanden sind, so dass dieser Tbeil in den unteren,
festeren, mit sehr zahlreichen Kalkkörperchen ausgestatteten Abschnitt
zurückgezogen werden kann. Die Kalkkörperchen. welche meistens
nicht sehr innig mit einander verbunden sind, entstehen in Zellen,
welche von der Aussenlage in die Mittellage eingewandert sind.
Nur ganz wenige Arten sind solitär, die allermeisten bilden
Colonien. Seltener sind die Personen der Colonie durch dünnere
Ausläufer verbunden, die einen einfachen, mit ihren Darmböhlen in
Verbindung stehenden Kanal enthalten. Häufiger finden wir, dass
die unteren, festeren Theile der Personen durch grössere, hauptsäch-
lich aus der Mittellage bestehende Zwischenmassen vereinigt sind,
welche von zahlreichen Kanälen durchzogen werden ; letztere sind von
der Innenlage ausgekleidet und setzen die Coloniepersonen miteinander
in Verbindung (über die Verbindung der Individuen bei der Orgel-
koralle vergl. unten). Die äussere Form der Stöcke ist recht ver-
schieden ; nicht selten sind sie baumförmig verästelt. In letzterem Fall
ist häufig im Stamm und in den Aesten ein Axenskelet vorbanden,
das bei der Edelkoralle aus zahlreichen mit einander verschmolzenen
Kalkkörperchen entstanden ist und somit in der Mittellage Platz hat.
Ganz anders verhält sich dagegen das Axenskelet der Hornkorallen,
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110
Specieller Theil.
bei welchen die ganz junge Colonie an ihrer Fussfläche (zwischen
dieser und dem Fremdkörper, auf welchem sie befestigt ist) eine horn-
artige Masse ausscheidet, welche allmählich höher wird und mit der
ABC
Fig. 49. Schnitte durch junge Colonien verschiedener Achtarmiger Korallen (schcniatiach*.
Die Kürperschichten wie in Fig. 48 angedeutet. A einfachste Art der Verbindung der Individuen ;
B junge Colonie von Alcyonium; C do. einer Hornkoralle, Axenokclet schwarz gehalten. —
Nach Koch.
Colonie emporwächst; sie wird von der Aussen läge ausgeschieden
und ist eine reine Cuticularbildung (vergl. Fig. 49 C). Tn derselben
Weise verhält sich das theilweise verkalkte Axenskelet von Isis.
Interessant ist das bei verschiedenen Achtarmigen constatirte
Vorkommen von geschlechtslosen Zwergindividuen („Zooiden").
welche in den Colonien neben den normalen Personen vorhanden sind.
In den ausgeprägtesten Fällen sind sie völlig tentakellos und auch in
anderen Beziehungen von den übrigen verschieden ; in anderen Fällen
ist der Unterschied weniger eingreifend. Sie scheinen hauptsächlich
die Function zu haben, Wasser in Kanäle der Colonie ein- und aus-
zuleiten. In grosser Anzahl kommen sie bei den Federkorallen
vor, sind aber auch z. B. bei den Leder- und Edelkorallen, dagegen
nicht bei den Hornkorallen gefunden.
Von den hierher gehörigen Formen führen wir folgende an:
1. Die Lederkoralle {Alnjuiiiinn digitaUim) bildet gelbe oder weias-
liche, halbfeste Colonien von unregelmässiger, klumpiger Form, mit kurzen
dicken Aesten. Die Darmhöhlen setzen sich von dem freien, oberen, weichen
Theil der Individuen als schwach gebogene Rühren weit in den Stock hinein
fort und sind durch feine Kanäle mit einander verbunden. Kein Axen-
skelet. In der Nordsee.
2. Die Orgelkorallen (Tubijwra) bilden klumpenformige Colouien,
welche aus langen, röhrenförmigen, parallel gestellten Thieren zusammen-
gesetzt sind ; die Coloniepersonen sind nicht durch grössere Zwischen-
raassen , sondern durch wagerechte Platten verbunden , welche ein netz-
förmiges, mit den Darmhöhlen in Verbindung stehendes Röhrensystem ent-
halten. In jedem Individuum sind die Kalkkörperchen (wenn wir von dem
obersten weichen Theil absehen) zu einer festen röhrenförmigen Masse ver-
einigt, in den wagerechten Platten sind sie zu Kalkplatten verschmolzen, welche
mit den Kalkröhren zusammenhängen. Im Indischen und Stillen Ocean.
3. Die Hornkorallen (Gatt. Gorgmiia u. a.) bilden baumfÖrmig
verästelte Colonien mit einer festen dunklen Hornaxe sowohl im Stamme
wie in den Aesten ; der übrige, die Hornaxe bekleidende Theil der Colonie,
welcher als „Rinde" bezeichnet wird, enthält zahlreiche Kalkkörperchen und
wird von Kanälen durchzogen. Auf der Oberfläche des getrockneten Stockes
bemerkt man kleine Vertiefungen, die Stellen, an welchen der freie, weiche
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Tölenteraten. 1. Classe: Korallenfhiere.
111
Theil der Individuen gesessen hat. Bei einigen Formen (WäpidigQrgia)
liegen die Aeste der Colonie in einer Ebene und verwachsen theilweise mit
einander, so dass die Colonie einem durchlöcherten Blatt ähnlich wird. Be-
sonders in den wärmeren Meeren, einige Arten im Mittelmeer. ~ Die
Gliederkorallen {Isis) stehen den Hornkorallen nahe, die Axe ist aber
abwechselnd aus hornigen und verkalkten Stücken zusammengesetzt. Eine
Art im Mittelmeer.
4. Die Edelkoralle (Cf/raUium rubrum). Stock verästelt, mit fester,
kalkiger Axe. Sowohl letztere wie die Rinde sind schön roth, der freie
Theil der Individuen weiss. Im Mittelmeer.
5. Die Federkorallen (Gatt. Pennatula u. a.). Die Stöcke be-
stehen aus einem unteren nackten Stiel und einem oberen, breiteren, oft
federförmigen Theil, aus welchem die Individuen hervorragen. In die Axe
der Colonie ist ein verkalkter, unverzweigter Stab eingeschlossen. Mit dem
Stiel stecken sie lose im Boden des Meeres, die Colonie soll sich sogar
langsam fortbewegen können. In der Nordsee lebt die leuchtende, roth-
gei&rbte, federförmige Pennatula jthosjihorea.
2. Ordnung. Vielarmige Korallenthiere (Poh/actinia).
Die Anzahl der Scheidewände ist gewöhnlich 12 oder ein Multi-
plum von 12; die Anzahl der Arme entspricht fast immer derjenigen
der Scheidewände. Bei den meisten Formen findet sich ebenso wie
hei den Achtarmigen ein Skelet, welches aber von demjenigen dieser
Abtheilung sich im Allgemeinen sehr verschieden verhält. Das Skelet,
welches ausschliesslich im unteren Theil des Thieres Platz hat, während
der obere Theil vollkommen skeletlos ist, besteht aus einer zusammen-
hängenden, zuweilen sehr porösen, zuweilen mehr dichten, Masse von
kohlensaurem Kalk. Dieses Skelet entspricht genau dem Grundplan
des Thieres und besteht meistens aus folgenden Haupttheilen : einer
scheibenförmigen Fussplatte am unteren Ende des Thieres, einer
röhrenförmigen Mauerplatte, welche von diesem getragen wird, und
einer Anzahl — 12, 24, 48 etc. — radiärer Strahlen platten
(Sternleisten), welche mit der Mauer- und der Fussplatte verbunden
sind und auch häufig mit einander in der Mitte verwachsen.
Es lag nach der beschriebenen Anordnung des Skeletes nahe, zu ver-
muthen, dass die Mauerplatte eine Verkalkung in der äusseren Körperwand,
die Strahlenplatten ähnliche in den Scheidewänden und die Fussplatte eine
in dem unteren scheibenförmigen Theil des Thieres darstellten. Thatsächlich
verhalt es sich jedoch anders. Erstens ist hervorzuheben, dass das Skelet
nicht, wie man früher glaubte, in der Mittellage gebildet wird, sondern
eine Absonderung der Aussenlage ist. Wenn die kleine Korallenlarve
sich nach ihrem freien Leben festgesetzt hat, scheidet sie bald nachher von
ihrer unteren Fläche eine dünne Kalkscheibe aus , die Anlage der Fuss-
platte, welche sich somit zwischen dem Gegenstand, an welchem das Thier
sich festgesetzt hat, und der Aussenlage der unteren Fläche des Thieres
befindet. Von der Knlkscheibe erheben sich dann 12 radiäre Leisten, die
Anlagen der Strahlenplatten, welche allmählich höher und platten-
formig werden und dann , von Falten der weichen Fussscheibe umgeben,
zwischen den Bchon vorhandenen 12 weichen Scheidewänden in die Darm-
höhle des Thieres emporragen. Ferner wächst von der Fussplatte eine
ringförmige, die Strahlenplatten verbindende Leiste, die Anlage der Mauer-
platte, empor, ebenfalls als Absonderung der unteren Fläche des Thieres;
112
Specieller Theil.
dieselbe wird allmählich zu einer höheren Röhre und ragt, wie die Strahlen-
platten von einer Falte der Fussscheibe überzogen, in die Darmhöhle hinauf ;
sie befindet sich in dieser in einiger Entfernung innerhalb der weichen
Körperwand. Zwischen den ursprünglichen Strahlenplatten können sich
später andere entwickeln, welche ebenso wie jene mit den weichen Scheide-
wänden nichts zu thun haben. Ferner ist zu bemerken, dass die Fussplatte
Fig. 50. A Schcmatischcr Längsschnitt zwischen zwei Scheidewänden einer S teru korall en-
larve, welche sich kürzlich festgeheftet hat. Ii Querschnitt des unteren Endes derselben. Der
Einfachheit wegen sind anstatt 12 Scheidewände und 12 Strahlenjdatten nur je 6 gezeichnet.
i Inuenlage, m Inncninund, m' Aussenmund, »m» Mittellagc, sk Scheidewand, st Strahlenplarte,
t Tentakel, y Aussonlage. Das Skclet ist ganz schwarz, gehalten. — Orig.
sich bei einigen Korallen um die Seitenwand des Thieres hinauf fortsetzt
(in Fig. 50 A angedeutet), so dass wir in solchen Fällen eine cylindrische
Kalkablagerung ausserhalb der Körperwand (und somit natürlich auch
ausserhalb der Mauerplatte) haben (Aussenplatte). — Das Skelet ist also
ein rein äusseres, ein von der Aussenlage des Thieres ausgeschiedenes
Cuticularskelet.
Zwischen den Strahlenplatten entwickeln sich im unteren Theil des
Thieres oft kleine kalkige Querbalken oder wagerechte Platten, welche von
einer Strahlenplatte zur anderen gehen (Interseptalbalken). Im unteren
Theil verwachsen die Strahlenplatten meistens in der Mitte ; von dieser Stelle
erheben sich häufig ein oder mehrere senkrechte Stacheln. Nicht alle Strahlen-
platten sind gleich entwickelt, die letztgebüdeten reichen mit ihrem Innen-
rand nicht so weit nach der Mitte wie die älteren, mit welchen sie regel-
mässig abwechseln. In gleichem Maasse wie das Thier in die Höhe wächst,
verdicken sich die unteren Theile der Strahleuplatten und der Mauerplatte,
so dass der untere Theil des Skeletes compacter und solider ist als der
obere. — An älteren Korall enthieren ziehen sich die Weichtheile von den
unteren Partien zurück, nach oben, so dass diese Theile des Skeletes nackt
werden.
Die Mehrzahl der Vielarmigen Korallenthiere, besonders der-
jenigen, welche mit einem Skelet ausgestattet, sind, bilden durch
Sprossung oder Längstheilung Colon ien, die meistens aus einer
f rossen Anzahl von Individuen zusammengesetzt sind. Die äussere
Vm der Colonie — und dieser entspricht die des Skeletes — ist
ungemein verschieden. Bei einigen Formen sind sie baumförmig ver-
ästelt, bei anderen sind sie klumpenförmig oder kuchenfürmig, indem
die Personen neben einander wie die Zellen einer Bienenwabe sitzen;
die oberen Theile, in welche das Skelet sich nicht hinein streckt, sind
meistens frei, die das Skelet einschliessenden Theile dagegen entweder
.1
B
■B-i
Cölenteraten. 1. Classe: Korallenthiere.
113
in ihrer ganzen Ausdehnung oder nur unten mit den benachbarten
Personen vereinigt. Zuweilen — es ist dies indessen nur mehr aus-
nahmsweise der Fall — ist die Verbindung mit den Nachbarn inniger;
die Mundöffnungen sind zwar gesondert, die
Dannhöhlen scheinen aber in weit offener Ver-
bindung zu stehen, und am getrockneten Skelet
sieht man nicht wie sonst jedes Individuum durch
einen Stern angedeutet und von den übrigen
durch seine Mauerplatte geschieden; ganze
Reihen von Personen sind vielmehr durch Rinnen
angedeutet, von deren Seiten die Strahlenplatten
entspringen; dem entspricht es auch, dass die
Fangarme bei solchen Formen nicht in Kreisen ^ig. öl. Kleines Stück der
j< »»• j../r j • r* 1 Oberfläche einer Koralle, bei
um die MnndoffniioffeD« sondern in Doppel- ■ .• , , ,. .,
-«v< . " der die einzelnen Individuell
reihen längs der Rinnen sitzen (Fig. 51). unvollkommen geändert sind
Verhältnisamässig selten lösen sich die durch (Heliastrata). Man bemerkt
Sprossung oder Theilung erzeugten neuen Individuen drei Aussenmunde; Tentakeln
von dem Erzeuger ab. Solches geschieht z. B. bis- JJ Edward/'^ Haime. ^
weilen hei den skeletlosen Actinien, bei welchen so-
wohl Sprossung als Längs- und Quertheilung mit steter Ablösung der neuen In-
dividuen stattfinden kann. Auch bei einigen der mit Kalkskelet versehenen For-
men kommt eine Ablösung von Sprossen oder eine (Quertheilung, wenn auch
nur selten, vor, wobei die selbständig gewordenen Individuen auch einen Theil
des Kalkskeletes mit sich nehmen. Die solitäreu , eine sehr ansehnliche
Grösse erreichenden Pilzkorallen (Fungia) , welche dem Meeresboden lose
aufliegen, sind in dieser Weise in ihrer Jugend durch Quertheilung von
kleinen festsitzenden solitären (oder aus ganz wenigen Individuen zusammen-
gesetzten) Korallen abgelöst und später weiter gewachsen.
Die in den Meeren der heissen Zone so häufig auftretenden, oft
sehr grossen (meilenlangen) Korallenriffe verdanken ihre Ent-
stehung hauptsächlich verschiedenen mit Skelet versehenen Vielarmigen
Fig. 62.
Fig. 58.
Fig. 52. Eine A c t i n i e. - Nach O. Schmidt.
Fig. 58. Stück einer Steinkoralle (Dendrophyüia) mit stark gesonderten Individuen, —
Mai Edwards u. Haime.
Korallenthieren. Ausser diesen tragen auch noch andere Thiere,
namentlich gewisse Hydroiden {Millepora, S. 118) zur Bildung der
Hiffe bei. Die Riffe bestehen theils aus den Skeleten abgestorbener
Bon. Zoologie
8
114
Specieller Theil.
Stöcke , theils aus den lebendigen Stöcken , welche sich auf letzteren
angesiedelt haben; an und bei den Riffen lebt eine Menge anderer
Thierformen , welche theilweise diesen eigentümlichen Verhältnissen
speciell angepasst sind, so dass man von einer besonderen Riff-Fauna
reden könnte. Die Korallenriffe gehören zu den charakteristischsten
Erscheinungen der tropischen Meere.
1. In den nördlichen Meeren ist die Ordnung fast nur durch Actinien
(See- Anemonen, See-Rosen) vertreten : solitäre skeletlose Korallenthiere von
meistens verhältnissmässig ansehnlicher Grösse und gewöhnlich mit mehreren
Kreisen von Fangarmen; unten besitzen sie eine breite Fussscheibe, mit
welcher sie sich fremden Gegenständen anheften; sie sind eines langsamen
Ortwechsels fähig. Mehrere Arten in der Nordsee.
2. Die mit Kalkskelet versehenen Formen , die Steinkorallen
{Madrqxtraria), gehören fast ausschliesslich den heisseren Meeren an, in welchen
sie in grossem Reichthum, meistens als Colonien, seltener als solitäre
Formen auftreten. Im Mittelmeer sind sie durch einige wenige Arten ver-
treten.
2. Classe. Quallenpolypen (Hydrozoa).
Für diese Classe ist es in erster Linie charakteristisch, dass
durchgehends ein Generationswechsel stattfindet, und dass
die geschlechtliche und die ungeschlechtliche Generation sehr ver-
schieden sind.
Die ungeschlechtliche Generation, die Polypen form, besitzt die
einfachste Gestalt, die wir überhaupt bei den Cölenteraten finden,
indem sie als ein einfaches, kürzeres oder längeres Rohr erscheint,
welches an dem einen Ende mit einer Mundöffnung ausgestattet und
aus den gewöhnlichen drei Schichten zusammengesetzt ist (vergl.
Fig. 45 A) ; am oberen Ende des Thieres finden sich Fangarme oder
Tentakel in verschiedener Anzahl, welche meistens in einem Kreis
in einigem Abstand von dem das Oentrum des Kreises einnehmenden
Mund angeordnet sind. Die Polypen sind in der Regel mit ihrem
unteren Ende fremden Gegenständen (gewöhnlich unbeweglich) an-
geheftet; sie bilden meistens durch Sprossung Colonien.
Die geschlechtliche Generation, die Medusen form, ist dadurch
ausgezeichnet, dass derjenige Theil des Körpers, welcher dem unteren
Ende der Polypenform entspricht, zu einer kreisrunden gewölbten
Scheibe, der Glocke, erweitert ist (vergl. Fig. 45 ß), in welcher die
Mittellage besonders an der convezen Seite sehr stark entwickelt iBt;
in die Scheibe hinein erstrecken sich radiäre Fortsätze des Darm-
rohres, die Radiärkanäle, deren Enden meistens durch eine
dicht am Rande der Scheibe verlaufende Röhre, den Ringkanal,
verbunden sind. Die Medusenform ist (über Ausnahmen vergl. die
Saum- und Röhrenquallen) typisch freischwimmend, mit der Scheibe
nach oben gekehrt ; von der Mitte der Glocke hängt der röhrenförmige,
dem oberen Ende der Polypen entsprechende Theil des Thieres als
ein längerer oder kürzerer Klöpfel herab, welcher unten den Mund
trägt. Vom Rande der Glocke hängen contractile, oft sehr lange
Rand fä den herab, welche reichlich mit Nesselfäden versehen sind ;
am Rande entlang findet man auch Gehör- und Sehwerkzeuge
von einfacher Form, und unterhalb der Oberhautlage liegen (jedenfalls
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Cölenteraten. 2. Clasac: Quallenpolypen.
115
bei den Saumquallen) am ganzen Rande entlang zahlreiche Nerven-
zellen, welche mit ihren Ausläufern zusammen an dieser Stelle einen
Nervenring bilden. An der concaven Unterseite der Glocke findet
sich eine Schicht oft quergestreifter Muskelfasern, welche, vor-
zugsweise kreisförmig geordnet, durch ihre Zusammenziehungen die
Unterseite der Glocke concaver machen und dadurch das Thier fort-
bewegen. Eier und Samenkörperchen werden meistens in der
Aussenlage an der Unterseite der Scheibe längs der Radiärkanäle
oder an der Wand des Elöpfels gebildet; in einigen Fällen ent-
stehen sie jedoch durch Umbildung der Zellen der Innenlage; bei
einzelnen werden die Eier in der Innenlage, die Samenkörperchen in
der Aussenlage gebildet, bei anderen umgekehrt. In der Regel sind
die Medusen getrennten Geschlechts.
Aus dem befruchteten Ei entwickelt sich eine bewimperte Larve,
welche sich festsetzt und Tentakel bildet; durch Knospung kann der
so entstandene Polyp eine Colonie erzeugen, aber auch solitär bleiben.
Als Knospen der Polypen oder durch Quertheilung derselben entsteht
wieder die Medusen form. Seltener entwickelt sich das Ei der
Meduse direkt zu einer neuen Meduse, in welchen Fällen somit die
Polypenform (und damit auch ein Generationswechsel) fehlt.
Im Bau der Quallen ist gewöhnlich ein streng radiärer Grundplan
ausgeprägt ; die Zahl ist in der Regel 4 oder n X 4, seltener 6.
1. Ordnung. Saumquallen, Hydromedusen (Hydromedusae).
Die Polypengeneration, die sogenannten Hydroiden, bildet ge-
wöhnlich Colonien; seltener sind die Polypen solitär. Der röhren-
förmige, oft ungemein langgestreckte Körper des Polypen ist fast
immer von einer Gut icula umgeben, welche eine chitinartige, in der
Regel dünne, seltener dickere und verkalkte, Hülle bildet; dieselbe
umgiebt nicht den ganzen Körper, sondern ein grösserer oder kleinerer
Abschnitt des oberen Theiles bleibt von der Cuticularröhre unbedeckt ;
zuweilen besitzt letztere eine obere becherförmige Erweiterung, in
welche der nackte, breitere, tentakeltragende Abschnitt des Polypen
sich die Tentakel, entweder in einem oder mehreren Kreisen an-
geordnet oder mehr unregelmässig am oberen Ende des Thieres ver-
theilt (Fig. 54). Die Tentakel sind gewöhnlich nicht, wie die der Ko-
rallenthieren, hohl, sondern besitzen eine von einer einzigen Reihe grosser
Zellen gebildete solide Axe, welche der Innenlage des Polypen ent-
stammen ; ausserhalb derselben findet man eine Fortsetzung der Mittel-
lage und zu äusserst die Aussenlage mit zahlreichen Nesselzellen. Die
von den Polypen gebildeten Colonien sind im Vergleich mit denen
der Korallenthiere meistens von bescheidenem Umfang, ebenso wie
auch die Einzelthiere jenen durchgehends an Grösse weit nachstehen.
Zuweilen haben die Colonien einen ziemlich streng durchgeführten
baumförmigen Grundplan: der dem Eie entstammende Polyp ver-
längert sich immer mehr , indem er gleichzeitig Seitensprossen bildet,
welche sich zu neuen Polypen (Seitenpolypen) entwickeln, von denen
die untersten die ältesten sind und welche sich in ähnlicher Weise
wie der Hauptstamm verzweigen. In anderen Fällen hört das Wachs-
thum der ersten Polypen bald auf, er erzeugt nur eine oder zwei
Seitenknospen, deren Wachsthum ebenfalls aufhört, nachdem sie eine
8*
zuruc
en
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116
Specieller Theil.
oder zwei Knospen gebildet haben, etc. (vergl. die centrifugalen
Blüthen8tände der Pflanzen). Das untere Ende der Colonien ist mit
hohlen, wurzelähnlichen, von der Cuticula umgebenen Ausläufern
versehen; durch diese Ausläufer, welche sich zuweilen mit einander
netzförmig verbinden und von welchen öfters mehrere Stämmchen ent-
springen, werden die Colonien der Unterlage inniger angeheftet.
Wegen der Schwäche des Skeletes (der Cuticula) kriechen die Colonien
öfters über im Wasser befindliche Gegenstände hin, winden sich
um andere Thierstöcke etc.
2 l
3 4 5 6
Fig. 64. 1 Hydroidencolonie (8yncoryne frutxcoaa) in naL Gr. 2 Zwei Polypen der-
selben, die eine mit Mcduseukiiospcn, von welchen eine im Begriff ist sich abzulösen. 8 Larve
eines anderen Hydroiden (Cordylophora laeu$trit), 4 — 6 dieselbe, nachdem sie sich fest-
geheftet hat. — Nach Allna an.
Sehr häufig sind die Polypen derselben Colonie nicht alle gleich-
gebildet; namentlich findet man öfters, dass diejenigen Personen,
welche die Medusenknospen tragen, von den übrigen mehr oder weniger
abweichen, mit kleineren Tentakeln ausgestattet oder ganz tentakellos
sind, oder dass ihnen sogar die Mundöffnung abgeht (in welchem Fall
die Cuticula den ganzen Polypen bekleiden kann), so dass sie von den
übrigen Polypen, welche nicht Medusenknospen produciren (Nähr-
polypen), ernährt werden.
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Cölenteraten. 2. Clasae: Quallenpolypen.
117
Bei einzelnen Hydroiden findet sich noch eine dritte Form von In-
dividuen, welche dünn und mundlos sind und sehr kurze, mit zahlreichen
Nesselzellen versehene Tentakel tragen; diese Individuen rollen sich, wenn
die Colonie berührt wird, spiralig zusammen und strecken sich dann wieder
aas. Bei anderen fehlen denselben auch die Tentakel, und in diesem Falle
scheinen sie nur als Tastwerkzeuge der Colonie zu fungiren, während sie
im enteren Fall vielleicht als Vertheidiger („Wehrpolypen") derselben auf-
zufassen sind.
Die Medusengeneration, welche durch Sprossung von der
Polypengeneration gebildet wird, erreicht bei dieser Ordnung meistens
nur eine geringe Grösse. Am Rand der Scheibe entlang verläuft ein
Flg. 55. Verschiedene Formen der geschlechtlichen Generation der Saum-
quallen, »cbematuche Längsschnitte. A freilebende Meduse, ß festsitzende, verhältnismässig
wenig umgebildete Meduse, C—D mehr umgebildete Formen, E—F die am meisten rück-
gebildeten Formen, E ohne Glocke, F eine einfache warzenförmige Erhöhung an dem Po-
lypen, g GeschlechUstoffe, m Mund, r Radiirk anal, t Tentakel, v Randsaum. — Orig.
dünner, kragenartiger, wagrechter, nach innen gerichteter Saum, der
Randsaum (Velum), welcher die Oeffnung der Glocke einengt (hier-
nach der Name Saumquallen, Craspedota) *). Der Rand der Glocke,
welcher ganz, ohne Einschnitte ist, trägt die Sinnesorgane, bald
Gehörwerkzeuge, bald Augen (selten bei demselben Individuum beides),
welche unbedeckt sitzen. In der Glocke findet sich eine meistens
geringe Anzahl einfacher radiärer Kanäle (4, 8, etc.), welche durch
«) MfHumdov, Saum.
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118
Specieller Theil.
einen am Rand entlang verlaufenden Ringkanal verbunden sind. Eier
und Samenkör perchen entwickeln sich an diesen Kanälen oder
an der Aussenwand des Klöpfels. Die Randfaden sind entweder hohl
(ihre Höhlung steht dann mit derjenigen des Ringkanals in Ver-
bindung) oder solid, von ähnlichem Bau wie die Polypententakel.
Keineswegs immer jedoch entwickelt sich die geschlechtliche Ge-
neration so weit. Bei sehr vielen Hydromedusen lösen sich die Me-
dusenknospen nicht von den Hydroiden ab, sondern bleiben mit diesen
verbunden. Solche festsitzende Medusen (Fig. 55) bleiben auf
einer mehr oder weniger unvollkommenen Stufe stehen : in einigen
Fällen entwickelt sich noch eine mit Randfäden versehene Glocke,
die Randfäden sind aber schwach ; in anderen Fällen fehlen sie völlig,
die Glocke ist aber recht gut entwickelt; in anderen Fällen ist dann
die Glocke rückgebildet, um endlich bei vielen Formen völlig zu
fehlen, so dass die Meduse allein aus dem mundlosen Klöpfel besteht,
dessen innere'Höhlung sogar in den am weitesten rückgebildeten Fällen
völlig fehlt (Fig. 55, F ; Süsswasserpolyp). Ohne Kenntniss der ver-
schiedenen Uebergangsstufen müsste man natürlich die kleine Me-
dusenknospe, welche niemals über die erste Anlage hinauskommt, für
ein blosses Organ des Polypen erklären. In allen Fällen enthält aber
die Medusenknospe ebenso wie die freischwimmende Meduse die Ge-
schlechtsstoffe, Eier oder Samenkörperchen. — Aus den Eiern der
Medusenform entwickeln sich neue Polypen, resp. Polypencolonien.
In den meisten Fällen ist die Entwicklung innerhalb der Abtheilung
der Saumquallen die oben beschriebene mit einem regelmässigen Generations-
wechsel. Es giebt aber nicht ganz wenige Ausnahmen. Bei verschiedenen
Saumquallen findet man z. B., dass die Eier sich nicht zn Polypen, sondern
direkt zu neuen Medusen entwickeln. Von anderweitigen Abweichungen
hinsichtlich der Fortpflanzung ist hervorzuheben, dass die Medusengeneration
einiger Saumquallen sich ungeschlechtlich fortpflanzen kann, indem z. B.
durch Sprossung von dem Klöpfel oder vom Scheibenrande andere, gleich-
gebildete Medusen erzeugt werden; dieselben Arten besitzen übrigens eine
Polypengeneration, und die knospenbildenden Medusen pflanzen Bich auch
geschlechtlich fort.
Die allermeisten Hydromedusen gehören dem Meere an, und zahl-
reiche Vertreter finden sich auch in den nördlichen Meeren. Nicht
wenige, sowohl von der Polypen- wie der Medusengeneration,
sind mit Leuchtvermögen ausgestattet. Nur ganz einzelne Formen,
unter denen die Gattung Hydra die bekannteste ist, leben im
Süsswasser.
1. Unter den im Meere lebenden Formen verdienen die Milleporen
eine besondere Betrachtung. Wie oben erwähnt, entspringen von dem
unteren Ende der Hydroidenstöcke meistens Ausläufer, welche von einer
Fortsetzung der chitinigen Hülle der Polypen umgeben sind und häufig
unter sich netzförmige Verbindungen eingehen. Zuweilen ist das Ausläufer»
netz von ziemlich ansehnlichem Umfange, und es entspringt dann von dem-
selben eine grössere Anzahl kleiner Polypenstöcke oder isolirter Polypen.
Bei der Gattung Millepora und verwandten Formen ist die chitinige
Hülle verkalkt, und indem immer neue Ausläufer oberhalb der alten,
deren "Weichtheile allmählich absterben, entstehen, bilden diese Thiere
korallenähnliche Stöcke, zuweilen von bedeutendem Umfange, deren
äusserste Schicht aus lebendigen Ausläufern zusammengesetzt ist, von
denen die Polypen entspringen, während die inneren Theile der „Koralle11
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Cölenteraten. 2. Classe: tyiallenpolypen.
119
aus den verkalkten Wänden abgestorbener Ausläufer bestehen. Die Mille-
poren, welche ausschliesslich in den heisseren Meeren leben, spielen eine
nicht unwichtige Rolle bei der Bildung der Korallenriffe.
2. Die Süsswasserpolypen (Hydra) sind kleine langgestreckte
solit&re Polypen ohne Chitinhülle; um den Mund steht ein Kreis langer
Tentakel (4 — 10); bei Berührung ziehen sich letztere so wie der ganze
Körper stark zusammen. Die Thiere sitzen öfters längere Zeit an einer
Stelle, z. B. an der Unterseite von Wasserlinsen, mit dem unteren Ende
festgeheftet, besitzen aber das Vermögen, egelartig fortzukriechen. Wenn
ein Thierchen in die Nähe einer festsitzenden Hydra kommt, wird es von
den Tentakeln dieser ergriffen und von den Nesselfäden gelähmt in ihren
Mund geführt. Die Hydra hat das Vermögen, Sprossen zu erzeugen, bildet
aber keine Colonien, indem die neugebildeten Individuen bald vom Mutter-
thiere sich ablösen. Die Medusengeneration ist durch warzenförmige Aus-
wüchse der Körperwand, in denen Eier oder Samenkörperchen sich ent-
wickeln, repräaentirt. Berühmt ist die grosse Regenerationsfahigkeit der
Süsswasserpolypen; wenn man ein Individuum in mehrere Stücke zerschneidet,
wird jedes derselben zu einem vollständigen Individuum.
2. Ordnung. Schwimmpolypen oder Blasenquallen (Siphomphora).
Die Blasenquallen sind mit den Hydromedusen nahe verwandt
und weichen von diesen in erster Linie darin ab, dass die von ihnen
gebildeten Colonien nicht fremden Gegenständen angeheftet sind,
sondern frei im Meere umhertreiben. Die Siphonophorencolonien
entsprechen den Hydroidencolonien und bestehen ebenso wie diese
zunächst aus Polypen, welche in verschiedener Weise ausgebildet
sind. Ferner tragen die ColonienMed us en oderMedusenknospen,
welche sich ebenfalls in verschiedenartiger Weise entwickeln können.
Diese verschiedenen Personen werden von einem gemeinsamen Co-
loniestamm getragen, welcher meistens entweder eine längere Röhre
oder eine abgeplattete Scheibe ist; am oberen Ende ist der Stamm
mit einem Luftsack versehen, oder wenn er scheibenförmig ist,
schliesst er mehrere kleinere Luftbehälter in sich ein, durch welche
die Colonie sich im Wasser schwebend erhält. Der Stamm ist als
ein sehr stark verlängerter, resp. sehr verbreiteter Polyp aufzufassen ;
die Luftsäcke sind Einstülpungen desselben, welche durch je eine
feine Oeffnung mit der Aussenwelt in Verbindung stehen.
Die Polypengeneration tritt in folgenden Hauptformen auf:
1) Nährpolypen, schlauchförmige Thiere mit Mundöffnung und
mit nur einem einzigen, nahe an der Basis des Polypen entspringenden
Tentakel *), welcher aber dafür eine sehr bedeutende Länge erreicht
und mit Seitenästen und zahlreichen, gehäuften Nesselzellen („Nessel-
batterienw) versehen ist (Fangfaden); der Tentakel kann zuweilen
fehlen. Die Nährpolypen desselben Stockes können zuweilen von sehr
verschiedener Grösse sein. 2) Taster, den Nährpolypen ähnlich,
mit Fangfäden, aber ohne Mundöffnung. 3) Tentakel förmige
Personen, welche selbständig vom Stamme entspringen (nicht mit
den Fangfaden zu verwechseln) ; sie sind mundlos und mit Nesselzellen
versehen. *)
') Aach bei gewissen Hydroiden besitzen die Polypen nur je einen Tentakel.
*) Am Rande des scheibenförmigen Stammes der Gatt. Porpita finden sich
solche tentakelförmige Individuen.
120
Specieller Theil.
Die M e d u s e n generation entspringt entweder vom Stamm der
Colonie, von der Basis der Taster oder der Nährpolypen ; sie erscheint
in folgenden verschiedenen Formen : l)FruchtbareMedusen oder
Medusenknospen mit den Geschlechtsstoffen , der Medusengeueration
der Hydromedusen völlig entsprechend ; wenn diese Medusen , was
übrigens nur bei einer Minorität der Blasenquallen stattfindet, sich von
der Colonie ablösen, haben sie ein ähnliches Aussehen wie die freien
Medusen der Saumquallen (sie sind mit Randsaum etc. ausgestattet) ;
in der Kegel sind sie aber zeitlebens festsitzend und bieten dann
Fig. 56.
Fig. 57.
p
mf
Fig. 56. Schema eines Schwimmpolypen
mit verlängertem Stamm (Phytophora) ; die Kr-
nahrungskanale sind schwarz gehalten. — Orig.
Fig. 57. Schema eines Schwimmpolypen mit
platteniörmigcm Stamm (l'orpita). — Orig.
Gemeinsame Bezeichnung: d Deckschuppc,
/ Fangfaden, l Luftsack, mf fruchtbare Meduse,
X grosser Nährpolyp, r» kleiner do., j>
mit kleinen Luftbehttltern, * Schwimr
ta Taster, te tentakelförmige Person.
dieselben Erscheinungen dar wie die festsitzenden Medusen der
letzteren. 2)Schwimmglocken, festsitzende sterile Medusen, ohne
Klöpfel und Mundöffnung, aber mit wohl entwickelter Glocke
gewisse
Personen.
Aus diesen verschiedenen Individuen setzen sich die Colonien der
Blasenquallen zusammen. Sie sind nicht immer sämmtlich vorhanden,
die Schwimmglocken z. B. können fehlen, in welchem Fall die Colonien
passiv forttreiben ; ebenso können die Deckschuppen fehlen. Die An-
zahl und Anordnung der Individuen und damit das äussere Gepräge
der Stöcke sind äusserst verschieden.
Die Blasenquallen sind echt pelagisc h c Thierformen, welche fast
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Cölenteraten. 2. Claase: Quallenpolypen.
121
nur in den tropischen und wärmeren Meeren (z. B. zahlreich im Mittel-
meer) gefunden werden.
Beispielsweise nennen wir: Physoptiora und Verwandte (Fig. 56) mit
längerem, oben einen kleinen Luftsack einschliessendem Stamm, zahlreichen
Schwimmglocken am oberen Theil des Stammes ; Physalia mit ungeheuer
grossem Luftsack, welcher unten die Nährpolypen und Taster (mit langen
Fangfaden) trägt, ohne Deckstücke und Schwimmglocken; Porpiia (Fig. 57)
mit scheibenförmigem, kreisrundem, zahlreiche Lufträume einschliessendem
Stamm, welcher unten die verschiedenen Personen trägt (einen grossen Nähr-
polypen in der Mitte, tentakelformige Personen am Rande, keine Schwimm-
glocken und Deckstücke) ; Veleüa, der vorigen ähnlich, aber Scheibe elliptisch
mit aufrechtem Kamm. Alle im Mittelmeere vertreten.
3. Ordnung. Lappenquallen (Acalephae).
Die Meduse ngeneration ist im Allgemeinen durch wasserhelle
Thiere von ansehnlicher Grösse vertreten. Der Mundrand ist in 4
kräftige Mundarme verlängert, mit denen sie ihre Beute ergreifen ;
ähnliche, aber in der Regel weniger entwickelte, Fortsätze können
übrigens auch bei den Saumquallen vorhanden sein. Der Darm-
schlauch des Klöpfels erweitert sich in der Mitte der Glocke zu einer
Fig. 58. Schnitt durch eine L ap p e u q'u al 1 e , zwischen zwei Mundarmen, d Lappen,
welcher einen Randkörper Uberdeckt, h Aushöhlung unterhalb eines Geschlechtsorganes,
m Mund, o Eierstock, r Randkörper, rk Radiarkanal, t Magenhöhle, t' Magentascbe, U Ga-
•tralfilament. — Orig.
Höhle, der Magenhöhle, welche mit einer Anzahl weiter radiärer
Ausstülpungen (Magentaschen) ausgestattet sein kann, und von welcher
die oft verästelten radiären Kanäle entspringen. In der Magenhöhle
findet sich eine Anzahl tentakelartiger Fäden (Gastralfilamente), welche
bei den Saumquallen fehlen, und die Geschlechtsorgane, Eier-
stöcke und Hoden, gewöhnlich in Form von 4 gefalteten Bändern;
unterhalb jedes derselben findet sich auf der Unterseite der Glocke
eine Aushöhlung, welche nach oben durch eine dünne Partie von der
Magenhöhle geschieden ist (/< Fig. 58); letztere wird, wenn die Ge-
schlechtsorgane stark entwickelt sind, ausgebauscht, so dass diese
dann scheinbar von der Unterseite der Glocke herabhängen. Eier
und Samenkörperchen, welche sich im Allgemeinen in verschiedenen
Individuen entwickeln, fallen in die Magenhöhle und werden durch
den Mund nach aussen geführt; die Zellen, welche zu Eiern und
Samen werden, gehören der Innenlage der Meduse an. Die Glocke,
welche eine grosse Gallertmasse (die Mittellage) enthält und desshalb
eine bedeutende Dicke erreicht, ist am Rande mit 8 Einschnitten
122
Specieller Tbeil.
versehen ; in jedem Einschnitt sitzt, von Falten des Schirmrandes über-
deckt, ein kleiner, abgerundeter Randkörper, welcher ein Geh ör-
o r g a n , öfters auch ein A u g e trägt. Längs des Glockenrandes findet
sich ferner eine verschiedene, oft bedeutende, Anzahl von Randfaden,
welche häufig eine ansehnliche Länge erreichen; dagegen fehlt ein
Ha ml sa um. Die Eier durchlaufen ihre erste Entwicklung bis zum
Larvenzustand in der Magenhöhle der Mutter oder in den Rinnen an
den Mundarmen derselben.
7 8 9
Fig. 59. Die Entwicklung der Ohrenqualle. / Freibewegliche Larve. 2 Der
Polyp kurze Zeit nach der Festheftung, 3 derselbe etwas spater. 4 Die Theilung in ihrem
Anfang, 5 spatere Stufe; 6' der Polyp, nachdem eine Anzahl der jungen Medusen sich ab-
gelöst haben. 7— *J Die jungen Medusen auf verschiedenen Entwicklungsstufen. — Nach M. Sars.
Die Polypengeneration. Die bewimperte, aus dem Ei sich
entwickelnde Larve setzt sich, nachdem sie die Mutter verlassen hat,
auf einem fremden Gegenstand fest und wird zu einem kleinen Po-
lypen mit einem Kreis von Tentakeln. Der Polyp kann ebenso wie
die Hydra Knospen bilden, welche sich von ihm ablösen und zu ähn-
lichen Polypen werden ; dagegen bildet er keine eigentlichen Colonien.
Allmählich wächst der Polyp, welcher zunächst ziemlich kurz ist, zu
einer ansehnlicheren Länge heran, nimmt eine cylindrische Form an
(das untere Ende ist jedoch umgekehrt kegelförmig), und es bildet
sich an demselben eine Anzahl ringförmiger Einschnürungen, durch
welche der grösste Theil des Körpers in eine Anzahl scheibenförmiger
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Cölenteraten. 2. Classe: Quallenpolypen.
123
Stücke getheilt wird, welche sich von einander und von dem untersten
Theil des Polypen loslösen, und deren jedes zu einer kleinen Meduse
wird. — Ausnahmsweise fehlt die Polypengeneration, indem das Me-
dusen-Ei sich direkt zu einer neuen Meduse ausbildet.
Die Lappenquallen, unter denen mehrere leuchtende Formen sind,
finden sich ausschliesslich im Meere. Als Beispiele führen wir die
folgenden an.
1. Die Ohrenqualle (Aurdia aurüa) besitzt eine nur wenig ge-
wölbte Scheibe, welche am Bande mit zahlreichen kurzen Fäden ausgestattet
ist ; die Bandkörper enthalten sowohl ein Gehörwerkzeug als ein Auge. Die
Magenhöhle mit vier kurzen Magen sacken, in denen die 4 Geschlechtsorgane
ihren Platz haben, welche jede dem Bande eines menschlichen Ohres ähnlich
sind; der Mund mit 4 langen Mundarmen. Ebenso wie seine Verwandten
ist das Thier ungemein wasserhaltig (95 — 96°/0 Wasser, 4 — 5°/0 Trocken-
substanz). Sehr häufig in den nordeuropäischen Meeren.
2. Die Haarqualle (Cyanea capiikUa) ist eine grosse, schöne Meduse,
welche besonders dadurch ausgezeichnet ist, dass die ausserordentlich langen
Handfaden in 8 Gruppen an der Unterseite der stark gelappten Scheibe
angesammelt sind. Ihre Kesselkapseln erzeugen eine intensiv brennende
Empfindung an dünnhäutigen Stellen des menschlichen Körpers. An den-
selben Orten wie die Ohrenqualle häufig.
3. Classe. Rippenquallen {Ctenophora).
Die Bippenquallen können als Medusen aufgefasst werden, deren Klöpfel
fehlt und bei denen die Glocke so stark gewölbt und zusammengezogen
worden ist, dasB der Baum unterhalb derselben zu einer weiteren oder
engeren Bohre (dem sogenannten „Magen") geworden ist, in deren Grund
der Eingang zur Darmhöhle, also die Mundöffnung liegt. An der
Oberfläche des Körpers bemerkt man 8 schmale Streifen, welche wie die
Meridiane eines Globus verlaufen; jeder dieser Streifen oder Bippen, wie
sie genannt werden, ist zusammengesetzt aus einer Beihe kleiner Blättchen,
welche aus je einer Querreihe mit einander verschmolzener Wimperhaare
bestehen; diese Blättchen bilden die wichtigsten Bewegungswerkzeuge des
Thieres. Viele Bippenquallen sind mit 2 langen, verästelten Tentakeln
versehen, welche an entgegengesetzten Körperseiten entspringen und in je
eine besondere Tentakelhöhle zurückgezogen werden können ; übrigens ist
der Körper ohne Anhänge. Die oben genannte Hundöffnung führt in eine
kleine Darmhöhle (den sogenannten „Trichter"), von welcher unter
Anderem Kanäle entspringen, welche den Bippen entlang verlaufen. Am
oberen Körperpol findet sich ein Gehörwerkzeug. Nesselzellen fehlen.
Im Körper der Bippenquallen ist ein 8 strahliger Grundplan bis zu
einem gewissen Grad angedeutet, aber nicht durchgeführt. Thatsächlich
kann der Körper nur in zwei congruente Stücke getheilt werden: er ist
ziemlich streng zweistrahlig. Der zweistrahlige Grundplan ist z. B.
in der Anordnung der Tentakel, der Aeste der Darmhöhle etc. ausgeprägt.
Die Bippenquallen, von deren Bau oben nur gewisse Momente hervor-
gehoben sind, während von anderen abgesehen wurde, sind hermaphrodi-
tische Thiere ohne Generationswechsel, welche in mehrfacher Beziehung
eine Sonderstellung unter den Cölenteraten einnehmen. Die meisten leben
in den wärmeren Meeren; alle sind pelagische Thiere.
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124
Specieller Theil.
Von einzelnen Formen führen wir an : Berod, tonnenförmig, mit weitem
„Magen", ohne Tentakel; Oydippc, kugelig, mit engem „Magen" und langen
Tentakeln: Cestus Vcneris (Venusgürtel) mit stark zusammengedrücktem, zu
einem Bande gestrecktem Körper. Alle genannten im Mittelmeer, die
beiden ersten auch in der Nordsee vertreten.
Anhang zu den Cölenteraten:
Schwämme (ßpongia oder Fmfera).
Die Schwämme sind wahrscheinlich als eine besondere Modification
des Typus der Cölenteraten aufzufassen, ihre Stellung im System ist
jedoch noch nicht völlig sicher festgestellt, und da sie
jedenfalls in mannigfachen Punkten ausgeprägte Eigen-
thümlichkeiten darbieten, dürfte es das Richtigste sein,
sie gesondert zu betrachten. Bei dem Umstand, dass
das Studium dieser Thiere mit bedeutenden Schwierig-
keiten zu kämpfen gehabt hat, ist erst durch die Ar-
beit der späteren Jahre eine einigermassen klare Ein-
sicht in ihre Bauverhältnisse gebracht worden.
In seiner einfachsten Gestalt (Fig. 61 A)
ist der Körper, welcher stets fremden Gegenständen
angeheftet ist, ein an dem einen (oberen) Ende offener,
am entgegengesetzten Ende geschlossener Sack, welcher
aus drei Lagen zusammengesetzt ist : von diesen ist die
Aussenlage ein einschichtiges Plattenepithel, die Mittel-
lage besteht aus einer bindegewebigen Masse, und die
Innenlage ist aus einer besonderen Form von Wimper-
zellen (Fig. 60) zusammengesetzt, welche sich dadurch auszeichnen, dass
das freie Ende einer jeden eine dünne schornsteinartige Röhre trägt,
Fig. 60. Kragen
zollen eines
Schwämme».
k Kragen.
AB C
Hg. 61. Verschiedene Formen von S c h wr | m ni c n , srhematische Längsschnitte, o Haupt-
öffnung, p Poren. — Orig.
innerhalb welcher das einzige Wimperhaar sitzt (Kragenzell en).
Die Höhle des Schlauches, welche der Darmhöhle der Cölenteraten zu
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Schwämme.
125
vergleichen ist, steht nicht nur durch die grosse Endöffnung (Osculum),
sondern auch durch sogenannte Porenkanäle, welche die Wand
durchbohren und sich mit feinen Poren auf der Oberfläche öffnen,
mit der Aussenwelt in Verbindung. Durch die Poren geht ein steter
Wasserstrom in die grosse Höhle hinein und tritt durch die grosse
Oeffhung wieder nach aussen; die Bewegung des Wasserstroms wird
durch die Kragenzellen besorgt.
Die genannte einfachste Grundform kommt nur bei einer Minder-
zahl der Schwämme vor (bei gewissen Kalkschwämmen). Sie wird
bei anderen dadurch complicirt, dass die Darmhöhle nach allen Seiten
hin mit sackförmigen Ausstülpungen versehen ist (Fig. 61 B), auf
welche dann die Kragenzellen beschränkt sind, während der Haupt-
raum mit Plattenepithel ausgekleidet wird; in die Ausstülpungen
münden die Porenkanäle. Bei anderen (Fig. 61 C, die linke Seite
der Figur) sind die Ausstülpungen wieder mit kleineren Ausstülpungen
versehen, in welchen letzteren die Kragenzellen dann allein gefunden
werden und welche als Geisseikammern bezeichnet werden ; letztere
stehen mit der Oberfläche des Schwammes durch verzweigte Poren-
kanäle in Verbindung. Endlich können die Geisseikammern trauben-
förmig sein, indem sie durch kürzere oder längere Stiele mit den
Hauptästen verbunden sind (Fig. 61 C, die rechte Seite der Figur).
In allen Fällen tritt das Wasser durch die Poren hinein , durchströmt
die verschiedenen Kanäle und Hohlräume, um schliesslich den Schwamm
durch die Hauptöffnung zu verlassen. Mit dem Wasser treten die
mikroskopischen Theilchen, welche dem Schwamm als Nahrung dienen,
in seinen Körper hinein ; ausserdem ist der Wasserstrom zweifellos
für die Athmung von grosser Wichtigkeit.
Bei einigen Schwämmen münden die Poren zunächst in unregelmässige,
unterhalb der Oberfläche befindliche Räume, die Subdermalhöhlen,
von welchen dann Kanäle entspringen, welche zu den Geisseikammern gehen.
Die Subdermalhöhlen dürften als Erweiterungen der Porenkanäle aufzu-
fassen »ein.
Die Hauptmasse des Körpers bildet die oben genannte Mittel-
lage , welche gewöhnlich aus einer Art Bindegewebe mit gallertiger
Intercellularsubstanz besteht. In demselben finden sich neben den
gewöhnlichen, fixen Zellen (welche theilweise pigmentirt sein können)
amöboide Wanderzellen, welche in der Gallertmasse umher-
kriechen. In der Mittellage entwickeln sich ferner fast immer feste
Theile, welche ein mehr oder weniger zusammenhängendes Skelet
bilden. Letzteres besteht entweder aus netzartig verbundenen,
elastischen hornartigen Fasern, oder aus feinen Kalknadeln,
welche entweder einfach sind oder aus 3 — 4 am einen Ende verbundenen,
nach verschiedenen Richtungen ausstrahlenden Aesten bestehen, oder
es ist ein Kiesel skelet sehr verschiedener Art, welches entweder
aus isolirten, mit einander durch eine Kittmasse verbundenen Nadeln
oder aus direkt in einander übergehenden Kiesel fasern zusammen-
gesetzt ist; die Kieselnadeln sind häufig von complicirter, und zwar
mannigfaltiger, oft ungemein zierlicher Form (ankerförmig , stern-
förmig etc.). Nicht selten stecken die Kalk- oder Kieselnadeln theil-
weise aus der Oberfläche des Körpers hervor. Einige Schwämme be-
sitzen allein Kalktheile, andere allein Kieseltheiie, andere ein ausschliess-
liches Hornskelet; bei manchen sind aber gleichzeitig hornige und
kieselige Skelettheile vorhanden, während Kalknadeln und Hornfasem
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126
Specieller Theil.
nie zusammen gefunden werden. — In der Mittellage sind ausser den
schon genannten Theilen auch noch Muskelzellen vorhanden ; auch
Nervenzellen meint man in derselben gefunden zu haben. Bei
einigen Schwämmen sollen an gewissen Stellen der Oberfläche Sinnes-
zellen von ähnlicher Form wie bei den Cölenteraten vorhanden sein.
Sehr häufig bilden die Schwämme durch ungeschlechtliche Ver-
mehrung Colonien, deren einzelne Individuen nur in wenigen Fällen
deutlich unterscheidbar sind, während sie meistens so innig mit den
benachbarten Personen verbunden sind, dass äusserlich nur die Mehr-
zahl der Hauptöffnungen (Oscula) darauf hinweist, dass man es nicht
mit einem Individuum, sondern mit einer Colonie zu thun hat. —
Bei einigen Schwämmen kommt aber auch eine Sprossung vor, bei
welcher die neuen Individuen sich ablösen und selbständig weiter
wachsen; ferner kennt man bei einigen, namentlich bei Süsswasser-
schwämmen, eine eigenthümliche Form ungeschlechtlicher Fortpflanzung,
welche in der Weise stattfindet, dass Theile des Schwammkörpers
von einer festen Schale umschlossen werden, um sich nach einiger
Zeit der Ruhe zu einem neuen Schwamm zu entwickeln, nachdem
die Schale gesprengt ist (ein solcher eingekapselter Schwammtheil
wird als Keim, Gemmula, bezeichnet).
Die Schwämme pflanzen sich übrigens durchweg in gewöhnlicher
Weise durch Eier und Samen fort, welche, wie es scheint, bei
einigen in denselben Individuen, resp. Colonien, bei anderen in ver-
schiedenen gebildet werden. Das Ei ist nackt und einer amöboiden
Bewegung fähig; es entwickelt sich noch im mütterlichen Körper zu
einer bewimperten L arve , welche sich nach einem kurzen freien Leben
festsetzt und zu einem neuen Schwamm heranwächst.
Die äussere Form der Schwämme ist eine ungemein verschiedene,
sie sind bald klump enförmig, bald mehr gestreckt, oder becherförmig,
scheibenförmig etc. oder von ganz unregelmässiger Form. Sie sind
alle festsitzend und gehören zum allergrössten Theile dem Meere an ;
nur wenige Formen leben im Süßwasser.
Von den zahlreichen Formen fuhren wir nur einzelne an.
1 . Die Badeschwämme (Eusponpia), von welchen verschiedene Arten
und Varietäten den Gegenstand einer wichtigen Fischerei im Mittelmeer
bilden, sind Hornschwämme (mit ausschliesslichem Hornskelet), welche sich
dadurch auszeichnen, dass das Skelet ungemein elastisch ist und vollständig
austrocknen kann, ohne brüchig zu werden. Die frischen Schwämme haben
ein schwärzliches Aussehen ; erst wenn sämmtliche Weichtheile entfernt sind,
bekommt der Schwamm seine helle Farbe.
2. Die G 1 a s s c h w ä m m e (Hcxactinellidat) sind Kieselschwämme, welche
durch die hervorragende Schönheit ihres einem Glasgespinnst ähnlichen
Skeletes ausgezeichnet sind. Die oft mit einander zu einem zusammen-
hängenden Netze verschmolzenen Nadeln sind sechsstrahlig. Eine bekannte
Form dieser Gruppe ist die prachtvolle philippinische Eupledeüa aspergiUum
(Giesskannenschwamm), welche wie mehrere Verwandte in bedeutender
Tiefe lebt.
3. Die Bohrschwämme (Vioa) sind kleine Kieselschwämme, welche
sich in Kalksteine, Muschel- und Schneckenschalen — ohne Zweifel ver-
mittels einer chemischen Einwirkung — einzufressen vermögen; in den von
ihnen bewohnten Steinen oder Schalen (sie greifen nicht nur todte Schalen,
sondern auch die äusseren Theile der Schalen lebendiger Weichthiere an)
findet man ein System von Hohlräumen, welche von dem Körper des
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Schwämme.
127
Schwarames aufgefüllt sind und mit der Aussenwelt durch feine Löcher an
der Oberfläche des Steines oder der Schale in Verbindung stehen. Die
Bohrschwämme spielen eine wichtige Rolle in der Natur, indem sie Schalen
und Gesteine auflösen. In den europäischen Meeren überall häufig.
4. Der Süsswasserschwamm (Spvnyiüa fluviatüis), in den süssen
Gewässern Deutschlands häufig, bildet Colonien von verschiedener Form
ästig, klumpig etc.), welche an Wasserpflanzen, Pfählen u. A. festsitzen;
oft wird die äussere Form der Colonien wesentlich durch die der Unterlage
bedingt, welche der Schwamm überzieht. Es ist ein Kieselschwamm mit
einfachen Nadeln; im Herbst werden in grosser Anzahl Keime gebildet,
welche überwintern und im Frühjahr sich zu je einem Schwamm entwickeln.
2. Kreis. Stachelhäuter {Echinodermata).
Ebenso wie bei den Cölenteraten finden wir auch bei den Stachel-
häutern einen radiären Bauplan des Körpers, während diese im
Uebrigen von jenen — mit denen sie in früherer Zeit als Strahl-
thier e (Radiata) vereinigt wurden — sich in hohem Grade abweichend
verhalten. Es entwickelt sich z. B. hier frühzeitig ein Mesoderm;
wir finden beim entwickelten Thiere eine Leibeshöhle, ferner einen
Darmkanal, welcher nicht nur eine Höhlung im Körper des Thieres,
sondern ein besonderes unterschiedenes Organ ist, das auch meistens
mit einem After versehen ist; es ist ein Gefässsystem und ein Wasser-
gefässsystem vorhanden etc.
Flg. 62. Schematische Figuren zur Erläuterung des strahligen Baues der Stachelhäuter.
/ Seestern von unten, 2 Seeigel ebenso. 3 Seeigel von der Seite, 4 Seewalze ebenso.
a After, o Mund, r Radius, i Interradius; / Linien, welche die Schnitte andeuten, durch
welche die Thier« in Strahlen getheilt werdeu ; / Tentakel. — Orig.
Die Grundzüge des allgemeinen Bauplanes bei regulär ent-
wickelten Stachelhäutern sind folgende. Gewöhnlich ist die Grund-
zahl 5: das Thier kann durch 5 in einer Haupt- oder Mittelaxe
zusammentreffende Schnitte in 6 ungefähr congruente Strahlen
(Antimeren) getheilt werden. Nach der verschiedenen Länge der
Hauptaxe hat der Körper der Stachelhäuter sehr verschiedene äussere
Formen: ist die Hauptaxe länger als die Queraxen, so wird der
l
3
4
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Stachelhäuter.
129
Körper gurken- oder wurstförmig; ist sie von derselben Länge wie
die Qneraxen oder wenig kürzer, so nähert sich die Körpergestalt der
Kugelform; ist sie viel kürzer, so wird der Körper scheibenförmig.
Alle diese verschiedenen Formen, welche durch Uebergiinge mit ein-
ander verbunden sind, finden sich bei den Stachelhäutern vertreten.
Anden Polen der Hauptaxe liegen resp. Mund und After. Die
Oberfläche des Körpers kann durch meridionale Linien (vom Mund-
zum Afterpol) in 10 Segmente getheilt werden ; 5 derselben sind ein-
ander ähnlich und wechseln regelmässig mit den 5 anderen ab, welche
ebenfalls unter sich ähnlich, aber jenen unähnlich sind. An der einen
Gruppe der Segmente finden sich die unten näher zu beschreibenden
Füsschen, welche den übrigen 5 abgehen. Die mit Füsschen be-
setzten Segmente des Körpers werden als Radien, die zwischen-
liegenden als Interradien bezeichnet.
Mit voller Strenge ist die strahlige Anordnung der Körpertheile
übrigens bei den Stachelhäutern nicht durchgeführt; es finden sich
immer, wenigstens in einigen Organsystemen, grössere oder geringere
Abweichungen. Oefters werden diese so gross, dass sie schon bei
einer flüchtigeren äusseren Betrachtung in die Augen fallen. Zu-
weilen finden wir z. B. bei den mit einer langen Hauptaxe versehenen
Formen (Seewalzen), dass eine Seite des Körpers abgeplattet oder
sonstwie besonders ausgebildet ist. Bei anderen, mit einer kürzeren
Hauptaxe (Seeigeln), ist der Körper, anstatt wie bei den regulären
kreisrund zu sein, länglich (oval, eiförmig) geworden, mit einer längeren
Längsaxe und einer kürzeren Queraxe; oder der After, welcher bei
den regulären seinen Platz in dem einen Pol hat, rückt in einen der
Interradien hinaus, oder die Mundöffnung wird noch ausserdem ver-
schoben etc. (vergl. unten, namentlich bei den Seeigeln).
Zu den charakteristischesten Zügen des Baues der Stachelhäuter
gehört es, dass in den bindegewebigen Theilen der Körperwand fast
ausnahmslos Verkalkungen von verschiedener Grösse und Form
auftreten. Bald sind es ganz kleine (fast mikroskopische) Kalk-
körperchen, oft von zierlicher Form, kleine durchlöcherte Kalkplatten,
rad- oder ankerförmige Körperchen; bald grössere Platten, welche
mit einander beweglich verbunden sind; bald grosse unbeweglich ver-
bundene Platten. Wenn man von einigen ganz kleinen absieht, sind
die Kalkkörper stets von poröser, durchlöcherter, spongiöser Beschaffen-
heit. In den meisten Fällen sind die Verkalkungen in einem solchen
Umfange vorhanden , dass sie einen ansehnlichen Theil der ganzen
Masse des Körpers ausmachen; bei einer geringeren Anzahl (See-
walzen) sind dieselben dagegen mehr untergeordnet. — Die Ver-
kalkungen finden sich übrigens nicht allein in der Körperwand, son-
dern können zuweilen auch anderswo im Thiere vorkommen, z. B.
in der Wand des Steinkanals (vergl. unten) und am Schlund der
Seewalzen.
Die Haut ist sehr häufig äusserlich bewimpert, oft prächtig
gefärbt. Mit derselben sind verschiedenartige Anhänge verbunden,
*on welchen viele ebenso wie die Körperwand selbst innerlich ver-
ulkt sind. Das ist z. B. mit den bei der Mehrzahl der Stachel-
häuter vorhandenen beweglichen Stacheln1) der Fall, in denen die
') Häufig sind die Stacheln nicht ganr einfache Gebilde , sondern gespalten
Bon, Zoologie. 9
130
Specteller Theil.
Kalkmasse ganz überwiegend wird (wenn auch Bindegewebe und
Oberhaut keineswegs an den Stacheln fehlen). Bei Seesternen und
Seeigeln findet sich ferner eine eigenthümliche Art von Anhängen,
die sogenannten Greifzangen oder Pedicella-
rien, welche aus je zwei oder drei kurzen verkalkten
Stücken bestehen, die am einen Ende mit einander
verbunden sind, während die freien Enden, welche oft
mit einer umgebogenen Spitze versehen sind, kneip-
zangenartig an einander gelegt werden können; häufig
sitzen die Peilicellarien am Ende eines innerlich von
einem Kalkstab gestützten längeren oder kürzeren be-
weglichen Stieles. Ihre Aufgabe ist es, Kothpartikel
s und Fremdkörperchen von der Oberfläche des Körpers
zu entfernen, was in der Weise geschieht, dass die
kleinen Theile von der einen Greifzange zur anderen
gereicht werden, bis sie endlich am Rande des Kör-
Fig. 69. Podi- pers gänzlich entfernt werden können,
ceiiarie eine« Ein besonderes Interesse beanspruchen unter den
Seeigels^ m Mu- Körperanhängen der Stachelhäuter die Saugfüss-
ximäicr Theil cnen> feine, meistens cylindrische, weiche Anhänge,
stiele» nicht mit deren freies Ende entweder mit einer kleinen Saug-
gezeichnet). — scheibe ausgestattet oder abgerundet ist; nur im
N«ch Koehier. ersteren Fall wirken sie als Haftwerkzeuge. Die
Saugfüsschen können sich zu einer sehr bedeutenden
Länge ausdehnen und erscheinen dann häufig als sehr lange dünne
Fäden, während sie in zusammengezogenem Zustande auf einen
geringen Bruchtheil jener Länge einschrumpfen. Die mit einer
Saugscheibe versehenen Füsschen wirken als Bewegungswerkzeuge,
indem sie zunächst ausgestreckt werden, sich dann an fremden
Gegenständen festheften, dann sich wieder verkürzen und so den
Körper nach sich ziehen. Die Füsschen sind mit einer inneren Höh-
lung ausgestattet, welche mit dem den Stachelhäutern eigenthümlichen
Wassergefässsystem in Verbindung steht.
Das Wassergefässsy stem besteht aus einer Anzahl mit ein-
ander verbundener , mit Flüssigkeit gefüllter Röhren , von welchem
wir zunächst den Ringkanal nennen, welcher den Darmkanal dicht
an der Mundöffnung uragiebt, und von welchem 5Radiär-Kanäle
ausgehen, die an der Körperwand in der Mitte der Radien verlaufen
und an jedes Saugfüsschen ein kleines Gefäss abgeben. Der Ring-
kanal steht gewöhnlich mit der Aussenwelt durch den sogenannten
Steinkanal (der Name stammt daher, dass die Wand des Kanals
oft Kalkkörperchen enthält) in Verbindung; der Steinkanal heftet
sich an eine Platte der Körperwand, die Madreporenplatte,
welche von einem oder mehreren kleinen Löchern durchbohrt ist,
durch welche Meereswasser in die Wassergefässe aufgenommen wird.
Der Ringkanal ist gewöhnlich mit einer Anzahl blasenförmiger Er-
weiterungen (Poli'scher Blasen) besetzt ; ferner sind die Aeste, welche
die Radiärkanäle an die Saugfüsschen abgeben , öfters mit je einer
kleinen Aussackung (Ampulle) versehen. Durch Zusammenziehung
der Wassergefässe und der genannten Erweiterungen derselben wird
etc. Solches ist z. B. mit den bei einigen Seesternen vorkommenden l' a x i 1 1 e n
der Fall, welche auf dem Ende eines Schaftes eine Rosette feiner Spitzen tragen .
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Stachelhäuter.
131
das Wasser in die Saugfüsschen hineingetrieben und letztere werden
dadurch ausgedehnt; wenn die musculösen Saugfüsschen sich dann
wieder contrahiren, wird das Wasser in die Kanäle zurückgetrieben.1)
— Bei der Mehrzahl der See-
walzen und bei den Seelilien steht
der Steinkanal (oder die Steinkanäle,
denn es können mehrere solche vor-
handen sein) nicht mit der Körper-
oberfläche in Verbindung, sondern
endet in der Leibeshöhle mit einer
oder mehreren Oeffnungen, durch
welche die in der Leibeshöhle vor-
handene Flüssigkeit in die Wasser-
gefasse aufgenommen wird. Bei den
Seelilien ist die Körperwand mit
feinen Poren versehen, durch welche
das Meereswasser in die Leibeshöhle
hinein gelangt.
Bei den Larven steht das Wasser-
gefüsssystem übrigens immer durch
einen an der Körperoberfläche sich
öffnenden Steinkanal mit dem Meeres-
wasser in direkter Verbindung. Bei
den Larven ist auch immer nur ein
einziger Steinkanal vorhanden.
Das Wassergefässsy stein hat
keine Verbindung mit dem eigent-
lichen Blutgefässsystem, so
dass die Stachelhäuter zwei ge-
sonderte Systeme von Flüssigkeit
führenden Kanälen besitzen. Auch im Blutgefässsysstem finden
wir ein den Mund umgebendes Ringgefass, von welchem unter
Anderen ein Gefäss entspringt, welches in jedem Radius entlang
verläuft. Oft (bei Seesternen, Schlangensternen) ist noch ein zweites
Ringgefäss vorhanden, welches vom Munde entfernter liegt und mit
ersterem durch ein Gefässgeflecht in Verbindung steht. Ein Hera
fehlt.
Der Darmkanal ist (die Schlangensterne und einige Seesterne
ausgenommen) mit einem After versehen, welcher entweder in dem
dem Munde entgegengesetzten Pol des Körpers oder (Seelilien,
manche Seeigel) in einem der Interradien Platz hat. Bei den See-
und Schlangensternen hat der Darmkanal einen radiären Bau ; bei
den letzteren ist er ein kurzer weiter Sack mit kurzen radiären Aus-
buchtungen; bei den Seesternen erstrecken sich vom Darmsack in
jeden Arm 2 mit seitlichen Ausbuchtungen versehene Blindsäcke, die
Lebersäcke, hinein (vergl. Fig. 73). Bei den übrigen ist der Darmkanal
dagegen ein längeres cylindrisches Rohr, welches meistens eine oder
mehrere Windungen in der Leibeshöhle macht, und es ist somit bei
') An der Stelle, wo der Ast des Radiärkanals in das Saugfüsschen eintritt,
findet sich, wenigstens bei den Seesternen, ein Ventil, eine Falte der Wand des
K an ü Ichens, welche die Rückströmung des Wassers aus der Höhlung des Saug-
futschen» verhindert, wenn gleichzeitig das Kanälchen etwas zusammengeschnürt
wird.
9*
Fig. 64. Schematische Darstellung des
\V a » ser ge f Ä88 *y s t e m e s eines See-
sternB. np Ampulle, k Kingkanal, ma Ma
clreporenplatte, p Poli'sche Blase, r Radiär
kanal, * SaugtHssehen , al Steinkanal. —
Nach Gegenbaur, geändert.
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132
SpecieUer Theil.
Fig. 6B. Schematischer Längsschnitt eines Seeigel»
mit verschiedenen Organen darin, a After, ap Ampulle,
k Kiuggefass des Wasserkanalxystems , m Mund, ina Ma-
dreporenplatte, mu Muskel, n Kadiärnerv, p Poli'sche Blase,
r Kadilrkanal, s Saugfuss, l Parin, tu Zahn. — Nach
Huxley, geändert.
diesen, selbst in dem Fall, dass der After an dem einen Ende der
Hauptaxe sich befindet, von einem radiären Baue in der Regel nicht
die Rede.
Streng genommen liegt
der After vielleicht bei
keinem der Stachelhäuter
genau am Ende der Haupt-
axe, sondern immer wenig-
stens e t w a 8 excentrisch.
Dies ist z. B. bei den See-
sternen, deren After schein-
bar am oberen Pol liegt, der
Fall, so dass der Darm-
kanal bei letzteren auch
keine vollkommen radiäre
Form besitzt.
Ein sehr eigentümliches
mit dem Darmkanal in Ver-
bindung stehendes Gebilde
ist der sogenannte Neben-
darm mancher Seeigel, ein
feiner Kanal, welcher an
einem Theile des Darm-
kanaU entlang verläuft und
an beiden Enden in diesen
mündet.
Besondere Athmungsorgane sind gewöhnlich nur wenig ent-
wickelt oder werden völlig vermisst. Sie treten in verschiedenen
Formen auf: „Wasserlungen" bei den Seewalzen, Rückenpapillen bei
den Seesternen, buschige Kiemen am Munde der Seeigel; wir werden
sie bei den einzelnen Abtheilungen näher besprechen.
Besondere Excretionsorgane wurden früher allgemein den Stachel-
häutern abgesprochen. Neuerdings wird aber als solches bei den See-
igeln ein drüsiges Organ gedeutet, welches dem Steinkanal angelagert ist
und früher irrthümlich als „Herz" bezeichnet wurde. Es enthält einen von einem
Epithel ausgekleideten Hohlraum, von welchem feine Kanäle ausgehen, die
mit trichterförmigen Oeffnungen in die Leibeshöhle münden; von dem Hohl-
raum entspringt ein Ausführungsgang, welcher in den Steinkanal mündet. Ein
ähnliches Organ scheint auch bei den übrigen Stachelhäutern vorhanden zu sein.
Das Nervensystem besteht bei allen Stachelhäutern
aus einem den Mund umgebenden Nervenring, von welchem
Nerveustämme ausgehen, die in je einem Radius verlaufen. Bei den
Seesternen und Seelilien liegen sowohl der Ring als die radiären
Nervenstämme dicht unterhalb der Oberhaut, während sie bei den
übrigen tiefer hinein gerückt sind. — Von Sinnesorganen sind die
bei den Seesternen an der Spitze der Arme vorhandenen kleinen
Augen hervorzuheben. Ausser diesen sind Sehorgane unter den
Stachelhäutern nur noch bei einigen Seeigeln beschrieben, wo sie in
grosser Anzahl über den Körper verbreitet sind. Bläschenförmige
Gehörorgane sind nur bei einigen See walzen bekannt.
Die For tpflanzung ist mit wenigen Ausnahmen eine ge-
schlechtliche, und im Allgemeinen sind die Stachelhäuter
getrennten Geschlechts. Die Geschlechtswerkzeuge des
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Stachelhäuter.
133
Männchens und des Weibchens sind in der Form einander sehr ähn-
lich, können aber meistens dadurch auch ohne mikroskopische Unter-
suchung unterschieden werden, dass die Eierstöcke gelblich oder
röthlich, die Hoden weiss sind. Meistens sind sie ausgeprägt radiär
geordnet, und zwar so, dass in jedem Interradius ein Hoden oaer Eier-
stock, resp. eine kleine Gruppe solcher vorhanden ist; zuweilen
fehlen sie aber in einem oder mehreren Interradien (bei irregulären
Seeigeln) oder sind sogar nur in einem einzigen vorhanden (bei den
Seewalzen). Sie sind meistens schlauchförmig, öfters verästelt und
öffnen sich in den Interradien mit je einer Oeflnung, bei einigen in
der Nähe des Afterpols, bei anderen mehr oder weniger von diesem
entfernt oder gar in der Nähe des Mundes.
Die Befruchtung findet meistens erat nach der Ablage der in der
Regel kleinen Eier statt. Einige wenige Stachelhäuter sind aber lebendig-
gebärend, und bei diesen erfolgt die Befruchtung natürlich im mütter-
lichen Körper. Bei einigen Formen findet eine Brutpflege statt in der
Weise, daas die Eier aussen am mütterlichen Körper entweder unter dem
Schutz der Stacheln oder in besonderen Vertiefungen der Oberfläche umher-
getragen werden ; einige Seesterne bilden eine Art Bruthöhle für die Eier,
indem sie die Arme nach unten über dieselben zusammenbiegen.
Die Entwicklung der Stachelhäuter bietet dadurch ein be-
sonderes Interesse dar, dass diese grösstentheils eine complicirte
Metamorphose durchlaufen und dabei in einer Larvengestalt
A' A B C
Fig. 66. Schematische Figuren der wichtigsten Larvenformen der Stachelhäuter (junge
Larren). A, B, C von unten gesehen; A ist A von der linken Seite, a After, / Wimper-
whnur, m Mund. Der sattelförmig eingedrückte Thcil ist schraffirt. Vergl. übrigens den Text.
auftreten, welche im Gegensatz zum Erwachsenen keine Spur eines
radiären Baues aufweist, sondern imGegentheil entschieden bilateral
symmetrisch ist. Die Larven lassen, wenn wir von denjenigen
der Seelilien und einzelner anderen absehen, einen gemeinsamenGru nd-
plan erkennen. In ihrer einfachsten Form (vergl. Fig. 66), wie wir
sie bei der jungen Larve finden , ist die Stachelhäuterlarve rundlich,
etwas länger als breit, und auf der Bauchseite mit einer sattelförmigen
Vertiefung versehen. Der Rand des Sattels ist schnurförmig verdickt
und mit Wimperhaaren besetzt, vermittels welcher das Thier im Wasser
umherschwimmt. Die Mundöffnung hat ihren Platz vorn in der sattel-
förmigen Vertiefung, der After hinter dem Hinterrand der Wimper-
schnur. Vorn begrenzt die Wimperschnur einen hervorragenden
134
Specieller Theil.
Lappen (b Fig. 66 A), welcher in einigen Fällen nur durch eine schmale
Brücke mit dem übrigen nicht eingedrückten Theil der Oberfläche
des Körpers zusammenhängt (Fig. 66 B, Seewalzen) und in anderen
Fällen sogar von demselben völlig abgeschnürt ist und eine besondere
von einer kleinen Wimperschnur umsäumte Insel in dem vertieften
Theil bildet (Fig. 66 C, Seesterne). Bei älteren Larven wird der be-
wimperte Rand mehr oder weniger ausgebuchtet, ja meistens sogar in
lange Fortsätze oder Arme ausgezogen, welche dann häufig von feinen
inneren Kalkstäben gestützt werden (bei Schlangensternen und See-
igeln). Nachdem die Larve sich einige Zeit im Wasser umherbewegt
hat, fängt eine Partie ihres Körpers an, sich durch eine complicirte
Fig. 67. Larv en von : A Sccatcrn, B Schlangenstcrn, C Seeigel, Ü Seewalze. — Nach
J. Muller.
Umbildung in den Körper des erwachsenen Stachelhäuters zu ver-
wandeln, während der übrige Theil der Larve allmählich zusammen-
schrumpft. Das Endresultat der Metamorphose ist ein kleines Thier,
welches in den Hauptzügen die Gestalt des Erwachsenen besitzt, wenn
es auch noch in manchen Beziehungen sich von letzterem abweichend
verhält, z. B. darin, dass es eine geringere Anzahl von Saugfüsschen
besitzt etc. Der so entwickelte Stachelhäuter wird also durch eine
Umformung des Larvenkörpers gebildet, bei welcher grössere
Partien desselben rückgebildet werden, während andere desto mehr
wachsen und ausgebildet werden. — Bei einem Theil der Stachel-
häuter, besonders solchen, deren Eier sich in oder auf dem Körper
des Mutterthieres entwickeln, fehlt eine Metamorphose, oder dieselbe
ist weniger ausgeprägt oder in verschiedener Weise modificirt.
Nur in wenigen Fällen pflanzen sich die Stachelhäuter durch
Theilung fort; bei gewissen 6-arraigen Schlangensternen wird die
Körperscheibe querüber in zwei Hälften (jede mit 3 Armen) gesprengt,
welche sich dann zu zwei vollständigen Individuen entwickeln, indem
von den Wundrändern je 3 neue Arme hervorsprossen; Aehnliches ist
auch bei einzelnen Seesternen beobachtet worden, während man bei
gewissen Seewalzen eine in Bezug auf die Hauptaxe des Körpers
quer verlaufende Theilung gefunden hat. — Während eine freiwillige
Theilung bisher nur bei wenigen Stachelhäutern sicher constatirt ist
und jedenfalls nur ausnahmsweise vorkommt, besitzen die meisten ein
starkes Regenerations vermögen; bei See- und Schlangensternen
sprossen mit der grössten Leichtigkeit neue Arme an der Stelle ab-
gebissener oder abgebrochener hervor, ja ihr Regenerationsvermögen
ist so gross, dass ein einzelner abgerissener Arm (ohne die Körper-
scheibe) bei einigen Formen zu einem vollständigen Individuum an-
wachsen kann. Bei Seewal/en hat man in Aquarien eine Regenera-
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Stachelhäuter.
135
tion von Thailen des Darmkanals und anderen Eingeweiden beobachtet,
welche die eingefangenen Individuen durch eine gewaltsame Zusammen-
Alle Stachelhäuter leben im M e e r e , in grösseren oder kleineren
Tiefen; sie kriechen meistens auf dem Boden umher oder sind fest-
sitzend; nur ausnahmsweise sind sie einer Schwimmbewegung fähig.
Die Abtheilung war schon in den ältesten Perioden der Erdgeschichte,
aas denen überhaupt Thierüberreste bekannt sind, vertreten, und wegen
ihrer Häufigkeit und des gewöhnlichen Vorhandenseins eines stark
entwickelten Hautskelets haben sie sehr zahlreiche Versteinerungen
geliefert.
Die Seelilien zeichnen sich in erster Linie dadurch vor den
übrigen Stachelhäutern aus, dass sie entweder im erwachsenen
Zustande oder wenigstens in einem auf den ersten, freien Larvenzustand
folgenden Jugendstadium im Meeresboden oder auf Fremdkörpern
vermittels eines Stieles festsitzen, welcher von der Mitte der Rücken-
seite entspringt. Der eigentliche Körper ist im Verhältniss zum
ganzen Umfang des Thieres von geringer Grösse, auf der nach oben
gewendeten Bauchseite (Mundseite) meistens weich und abgeplattet,
auf der Rückenseite fest und gewölbt; am Rande des Körpers ent-
springt eine Anzahl, meistens 5 oder 10, Arme, welche sich oft, zu-
weilen zu wiederholten Malen, spalten; am Rande der Arme entlang
entspringt jederseits eine Reihe von Seitenästen (Pinnulae), ähn-
lich wie die Strahlen einer Feder. Die Rückenseite sowohl des
Körpers wie der Arme und der Seitenäste enthält grosse, dicke, dicht
an einander gefügte Kalkstücke, welche in jedem Arm eine Reihe
wirbelartig verbundener, beweglicher Glieder bilden, während die dem
Körper angehörigen einen Kelch bilden, in welchem die Eingeweide
liegen. Alle diese Kalkstücke, welche einen beträchtlichen Theil des
ganzen Thierkörpers ausmachen, sind Verkalkungen der dorsalen Wand
des Thieres. Im Stiel ist ebenfalls eine Reihe von Kalkgiiedern vor-
handen, welche den überwiegenden Theil desselben ausmachen; auch
die häufig vom Stiel entspringenden fadenförmigen (selten wurzelähn-
lichen, verästelten) Ranken enthalten ähnliche Kalkglieder. Im
Gegensatz zu der Rückenseite ist die Bauchseite sowohl des Körpers
wie der Arme gewöhnlich weich, wenig verkalkt. Auf der Bauchwand
befindet sich in der Mitte (seltener excentrisch) die Mundöffnung;
wenig von dieser entfernt der After, auf der Spitze einer kleinen
kegelförmigen Röhre in einem der Interradien. Vom Munde gehen
5 radiäre bewimperte Furchen aus, welche sich, wenn nur 5 Arme
vorhanden sind, ungetheilt auf letztere fortsetzen, während sie, wenn
das Thier 10 Arme besitzt , sich vorher gabelförmig theilen , ebenso
wie sie sich mit den Armen spalten und die kleinen Seitenäste derselben
mit je einer kleinen Furche versehen. Längs der beiden Seiten der
Furchen findet sich — sowohl am Körper wie auch an den Armen
und den Seitenästen — eine Reihe kleiner, weicher Füsschen ohne
Saugscheibe (sogen. Tentakel) ; unterhalb der Furchen läuft ein Wasser-
gefäss, welches zu den Füsschen Aeste abgiebt. Ueber die Stein -
kanäle vergl. S. 131. Die Geschlechtsorgane (ähnlich beim
1. Classe. Seelilien (Crinoidea).
136 Specieller Theil.
Männchen und beim Weibchen) erstrecken sich als eine lange Röhre
durch jeden Arm und geben an jeden Seitenast der Arme einen Ast
ab; nur diese Aeste der Geschlechtsorgane entwickeln reife Eier und
Samen, während die Hauptstämme steril bleiben; die Eier und der
Samen werden durch kleine Oeffnungen der Seiteuäste entleert; letztere
Fig. 68. Fig. 69.
Fig. 68. Rhizocrinut lofotenti*, vergr.
Fig. 69. Haarstern (Anttdon).
Fig. 70. Die nach oben gekehrte Seite (Bauchseite) einer See pal nie (Pentacrinut
Oerste/HiJ; die zehn Arme, welche sich wieder in je zwei spalten, sind dicht ani Ursprung
abgeschnitteu. a After , an der Spitze eines kegelförmigen Fortsatzes ; b Arm , / Furche,
m Mund. r Seitenast (Pinnula). — Nach LUtkcn.
sind, wenn sie reife Geschlechtsproducte enthalten, stark ange-
schwollen.
Die Entwicklung ist nur für die Haarsterne ( Antedon )
bekannt. Der eiförmige Körper der neugeborenen Larve ist mit 4
Wimpergürteln und an dem hinteren Ende mit einem Wimperbüschel
versehen. Nachdem dieselbe sich einige Zeit im Wasser frei bewegt
hat, setzt sie sich mit dem einen Ende fest, streckt sich in der Länge.
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Stachelhäuter. I. Claase: Seelilien.
137
ein Theil des Körpers wird verdünnt und bildet sich zum Stiel aus.
während am entgegengesetzten Ende die Arme hervorsprossen. Später
reisst sich der Körper mit den Armen vom Stiel los, und das Thier
ist in seinem übrigen Leben frei beweglich.
Fig. 72.
Fig. 71.
i
3
Fig. 71. Larven eines Haarsterne» (Anttdon rosaceaj
«of verschiedenen Entwicklungsstufen. / junge, 2 etwas ältere
Larve de* freischwimmenden Stadiums; im letzteren sind schon
ansehnliche Theile des Skeletes des liaarsternes angelegt. 3 Larve
kurz nach dem Festsetzen, g Gastrulamund, j» Fussscheibe, r Kump!,
* Stiel. — Nach Wyv. Thompson.
Fig. 72. Festsitzendes Stadium einer anderen Haar-
fAnUdon Etchrichtü), f. - Nach Levinsen.
Von den zwölf bisher bekannten Gattungen jetzt lebender See-
lilien ist die Hälfte gestielt und lebt fast ausschliesslich in grossen
Meerestiefen, an fremde Gegenstände angeheftet oder mit dem Ende
des Stieles im Meeresboden steckend; die Bekanntschaft mit diesen
Formen ist durch die Tiefsee-Untersuchungen der letzteren Jahre wesent-
lich gefördert worden. Die zweite Hälfte der Gattungen mit ziemlich
zahlreichen Arten umfasst ungestielte Formen, welche meistens auf
seichterem Wasser in der Nähe der Küste sich aufhalten. Die See-
lilien ernähren sich von mikroskopischen Organismen, welche in
den Mund geführt werden durch die Wirkung der Wimperhaare der
oben erwähnten Furchen. — In früheren Erdperioden, besonders in
der Silur- und Kohlenformation, haben die Seelilien (namentlich ge-
138
Specieller Theil.
stielte Formen, in den älteren Perioden bis zur Juraformation nur
gestielte) eine hervorragende Rolle gespielt, weit bedeutender als in
der Jetztzeit; sie traten damals sowohl in grosser Individuenanzahl
als auch in zahlreichen Gattungen und Arten auf.
Als Beispiele erwähnen wir die folgenden:
1. Ithixocn'nus lofotetisis ist eine kleine (mit dem Stiel bis 8 cm
lange), langgestielte Seelilie mit 5 (seltener 4, C oder 7) einfachen Armen;
der Stiel ist unten mit verzweigten wurzelähnlichen Banken versehen, mit
welchen er sich an Gegenständen auf dem Boden festheftet, während er
übrigens rankenlos ist. Das Thier wurde zuerst bei den Lofoten in Tiefen
von 100 — 300 Faden gefunden, später auch an verschiedenen anderen
Stellen in grossen Tiefen.
2. Die Seepalmen (PeiUacrinus) sind grosse Seelilien mit 10 Armen,
welche sich wieder spalten, bei einigen zu wiederholten Malen ; der kräftige
Stiel ist von oben bis unten mit Kreisen gegliederter Ranken besetzt. In
den Meeren der wärmeren Erdgegenden in bedeutender Tiefe.
3. Die Haarsterne (Antedon oder Comatula) sind ungestielte Seelilien
mit 10 oder einer grösseren Anzahl von Armen. In dem gestielten Jugend-
stadium besitzen sie Ranken nur an der Verbindungsstelle des Stieles und
des Körpers ; diese Ranken bleiben nach der Ablösung des Thieres vom
Stiel am Körper und dienen dem Thiere zum Anklammern an fremden
Gegenständen, während es sich mit den Armen schwimmend fortbewegen
kann. Im Mittelmeer und im Atlantischen Meer lebt A. rosacea.
2. Classe. Asteroiden (Asteroiden).
Bei dieser Abtheilung ist der Körper immer scheibenförmig
(die Hauptaxe verkürzt) und in eine Anzahl Arme (gewöhnlich 5)
ausgezogen, indem die Radien stärker als die Interradien entwickelt
sind. Die Saugfüsschen sind nur auf der Bauchseite (Mundseite)
entwickelt, welche im Gegensatz zu dem Verhältniss der Seelilien be-
deutendere Verkalkungen als die Rückenseite enthält. Die Asteroiden
zerfallen in zwei ziemlich verschiedene Ordnungen, die Seesterne
und die Schlangensterne.
1. Ordnung. Seesterne (Asterida).
Der abgeplattete Körper besteht aus einer Scheibe und 5 oder
mehreren von dieser entspringenden Armen, welche am Grunde,
wo sie mit einander zusaramenstossen, am breitesten sind, während
sie nach der Spitze zu schmäler werden. Scheibe und Arme gehen
ohne Grenze in einander über. Die Länge der letzteren ist sehr ver-
schieden; während sie bei einigen vielmals länger sind als die Scheibe
breit ist, sind sie bei anderen eben nur angedeutet, so dass das ganze
Thier als eine fünfeckige Platte erscheint; zwischen diesen Extremen
giebt es alle möglichen Zwischenformen.
Der Mund findet sich in der Mitte der Unterseite; er ist un-
bewaffnet, der Magen kann aber theilweise aus der Mundöffnung hervor-
gestülpt werden und die Beute aufnehmen. Der kleine After hat
seinen Platz ungefähr in der Mitte der Rückenseite ; bei einigen See-
sternen fehlt ein After. Die siebartig durchlöcherte Madreporen-
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Stachelhäuter. 2. Claase: Asteroiden.
139
platte liegt ebenfalls auf dem Rücken, in einem der Interradien.
Längs der Unterseite jedes Arms läuft eine Rinne, welche sich auch
auf der Unterseite der Körperscheibe bis zum Mund fortsetzt; in
dieser Rinne sitzen die Saugfüsschen, in der Regel in zwei, seltener
in ?ier Reihen geordnet; sie sind an der Spitze gewöhnlich mit je
einer Saugscheibe versehen. An dem äussersten Ende der Rinne sitzt
ein unpaares fadenförmiges Gebilde, welches auf seiner Unterseite
dicht ara Grunde mehrere kleine rothe Augen trägt; da die Spitze
der Arme aufwärts gebogen wird, kehren sich die Augen trotz ihrer
Stellung auf der Unterseite des Thieres dennoch nach oben. Die
Geschlechtsöffnungen finden sich meistens auf der Rückenseite
der Scheibe, zwei oder mehrere feine Oeffnungen in jedem Interradius.
A Ii
Fig. 73. Schematiche Figuren zur Krlttulcrung de» Haue» «1er See» lerne. .1 von
unteu, B von oben gesehen ; in B sind gewisse innere » >rgauc eingezeichnet, bt Bliuditäcke
-le« Magens, h Geschlechtsorgane, k' Oeschlechtsotfnungcn , i» Madreporenplattc , o Mund,
' Saugfüsschen, / Magen, ö Augon. - Orig.
Die Körperwand ist namentlich auf der Unterseite stark verkalkt;
hier findet sich oberhalb der oben erwähnten Rinne eine Reihe be-
weglich verbundener jochförmiger Kalkstücke; jedes derselben besteht
übrigens aus einem Paar eng verbundener Verkalkungen. In den
Weichtheilen oberhalb der Rinne liegt unter Anderem der radiäre
Wasserkanal. Die Oberseite des Körpers ist weniger stark verkalkt ;
auf dieser finden sich zahlreiche feine dünnwandige Ausstülpungen
der Körperwand, welche für Kiemen gehalten werden (sie stehen
nicht in Verbindung mit dem Wassergefasssystem und enthalten auch
keine Blutgefässe); auf der Oberseite, am Rande der Arme und auf
der Unterseite bis zum Rande der Rinne finden sich oft zahlreiche,
bewegliche oder unbewegliche Stacheln und ungestielte oder kurz-
gestielte P e d i c e 1 1 a r i e n.
Die Seesterne ernähren sich hauptsächlich von Muscheln und
140
Specieller Theil.
Schnecken, welche sie in den Magen aufnehmen, um die Schalen wieder
durch den Mund auszustossen, nachdem die Weichtheile aufgelöst sind :
wenn die Beute zu gross ist, um verschlungen zu werden, wird der
Magensaft über dieselbe ausgegossen und der Seestern saugt dann
die aufgelösten Theile auf. Sie werden in allen Meeren gefunden.
Als Beispiele führen wir folgende an:
1. Asterias rubens ist ein 5 armiger Seestern mit vierzeiligen Saug-
füsschen, welche je eine Saugscheibe besitzen. Sehr gemein vom Strande
bis in recht ansehnliche Tiefen in den nordeuropäischen Meeren. Den
Austernbänken sehr gefahrlich ; das Thier verursacht auch dadurch bedeutenden
Schaden, dass es die in Netzen oder mit der Angel gefangenen Fische auf-
frisBt. Die Exemplare des tieferen Wassers erreichen eine Breite von
50 cm, die des Strandes sind viel kleiner.
2. Solaster. Seesterne von ansehnlicher Grösse mit einer grösseren An-
zahl, ca. 10, Armen; Saugfüsschen mit Scheibe, in 2 Reihen. In den
nordeuropäischen Meeren.
2. Ordnung. Schlangensterne (OphiurUfa).
Die Arme (gewöhnlich 5) sind schmal und lang und stossen am
Grunde nicht mit einander zusammen, und der Rand der Körper-
scheibe zwischen je zwei Armen ist meistens gerade abgeschnitten
Fig. 74. Fig. 75.
Fig. 74. Schematische Figur zur Erläuteruug de» Baue» der Schlangensterne;
von unten gesehen, k Gcschlechtaspalte , m Madreporenplatte, o Mund, p eine der Platten
auf der Unterseite der Arme, s SaugfUsst-ucu, »' fr-prungsstellc eines solchen, •" Saugfüsschen
an der MundöfFnung. ta zahnahnlicher Stachel. — <>rig.
Fig. 76. Ein Schlange us t er n (von oben). — Nach <J. Schmidt.
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Stachelhäuter. 2. Claas© : Asteroiden.
141
oder etwas ausgebuchtet; dazu kommt noch, dass die obere Wand
der Arme meistens anders aussieht als die der Scheibe (die Kalk-
platten verhalten sich verschieden) ; die Arme erscheinen desshalb bei
den Schlangensternen, namentlich wenn man sie von oben betrachtet,
deutlich von der Scheibe abgegrenzt. Sie weichen ferner darin von den-
jenigen der Seesterne ab, dass die weiche Rinne der Unterseite fehlt;
die Unterseite ist im Gegentheil eben und gewöhnlich mit Kalkplatten
versehen, welche ausserhalb des radiären Wassergefässes liegen, während
innerhalb desselben ebensolche wirbelartige Kalkstücke wie bei den See-
sternen vorhanden sind; letztere sind hier etwas anders ausgebildet
als bei den Seesternen und füllen den grössten Theil des Armes aus.
DieFüsschen (welche keine Scheibe besitzen) sitzen in zwei Reihen
auf der Unterseite nahe den Rändern jedes Arms und auf der Scheibe
bis zum Mund hin. Die Oberseite der Arme ist meistens mit grösseren
Kalkplatten versehen, diejenige der Scheibe gewöhnlich weicher, mit
kleineren oder grösseren Kalkplatten. Die Beweglichkeit der Arme
ist grösser als bei den Seesternen; namentlich können sie, was bei
den Seesternen nur in beschränkterem Maasse der Fall ist, seitlich stark
gekrümmt werden. Trotzdem brechen sie aber sehr leicht ab, eine
Regeneration erfolgt jedoch sehr schnell. Der Mund liegt in einer
sternförmigen Vertiefung, deren vorspringende Ecken, eine in jedem
Interradius, mit zahnähnlichen Stacheln versehen sind. Ein After
fehlt. In einer Platte dicht beim Munde liegt die Oeffnung, oder die
Oeflnungen, des Steinkanals. Auf der Unterseite der Scheibe finden
sich in jedem Interradius an der Grenze der Radien zwei grössere
Spalten, welche in ebenso viele Säcke führen, in welche die Ge-
schlechtsorgane einmünden; seltener finden sich statt jeder der er-
wähnten Spalten zwei kleinere, indem sie je durch eine Querbrücke
in zwei gctheilt sind. Augen, Pedicellarien und Kiemen fehlen ; da-
gegen ist eine grössere oder kleinere Anzahl von Stacheln vorhanden,
besonders längs der Seiten der Arme.
1. Echte Schlangensterne (Gatt. Ophiura u. a.) mit 5 (selten
einer grösseren Anzahl) ungespaltenen Armen sind in allen Meeren, auch
in denjenigen des nördlichen Europa, in zahlreichen, einander recht ähn-
lichen Arten vertreten. Einige sind mehr stachelig, andere glatter. Man
ündet sie öfters mit ihren Armen an fremden Gegenständen angeklammert.
2. Die Medusenköpfe ( Axtrophyton) unterscheiden sich u. A. da-
durch von den echten Schlangensternen, dass die 5 Arme, welche gegen die
Mundöffnung hin zusammengebogen werden können, reich verzweigt sind.
Ihr Haotskelet ist etwas weniger entwickelt als das der echten Schlangen»
*terne, and sie sind im Stande, sich ähnlich wie die Haarsterne schwimmend
fortzubewegen. Sie erreichen eine ansehnliche Grösse. Arten dieser Gattung
finden sich auch in europäischen Meeren, aber viel weniger häufig als die
vorigen.
3. Classe. Seeigel (Echindidea).
Der Körper nähert sich bei einigen Seeigeln der Kugelform ; bei
den meisten ist aber die Hauptaxe verkürzt, so dass der Körper
niedriger ist als hoch, wenn auch nur selten scheibenförmig; Arme
fehlen stets. Der grösste Theil der Körperwand ist mit einem zu-
sammenhängenden Skelet unbeweglich verbundener Kalkplatten ver-
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142
Specieller Theil.
sehen. Bei den sogenannten regulären Seeigeln, deren Körper
in der Regel ungefähr kreisrund ist (die Seitenaxen von gleicher
Länge), finden sich 20 Reihen derartiger Platten, welche als Meridiane
Ä B
Kig. 76. Schale eines regulären Seeigel», Toxapneuatea drorlmchienaia (junges
Kxemplur, vergr.), von oben (A) iiml von unten (B). Die Radien »ind dunkel gehalten.
y (ienitulplattc , »< Madrcporcnplattc . i> Aiigenplatte. In der Mitte Von A sieht man das
Afterfeld mit dem After. — < >rig.
Fig. 77. Schale eine» irregulären Seeigels, Briaaopala lyri/ern (junges Kxemplar,
vergr.), von oben (A) und von unten (Ii). (Die Kadien in A «ind nicht dunkel genug ge-
worden.) Hinten in A sieht man da» Afterfeld. Die weissen Blinder sind Partien mit
sehr kleinen Stacheln. <>rig.
in der Richtung von einem Ende der Hauptaxe zum anderen geordnet
sind. Zehn dieser Plattenreihen tragen feine Poren, jede Platte ein
oder mehrere Paare1); jedem Porenpaar entspricht ein Saugfüsschen.
') Die Porenplatten enthalten ursprünglich nur je ein Porenpaar; in Folge
einer Verschmelzung mehrerer Platten findet man aber bei den meisten regulären
Seeigeln Platten mit mehreren Porenpaaren.
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Stachelhäuter. 3. Ciasso: Seeigel.
143
Die Keihen dieser Porenplatten oder Ambulacralplatten
sind paarweise zusaramengeordnet und wechseln mit je zweien der
anderen 10 Plattenreihen, der Zwischenplatten oder Inter-
ambulacralplatten, ab. Letztere sind öfters breiter als die
Porenplatten und sind ebenso wie diese mit grösseren oder kleineren,
ungefähr halbkugeligen Höckern besetzt, welche je eine kleinere,
warzenförmige, glatte Erhebung tragen; die grössten Höcker befinden
sich auf den stets porenlosen Zwischenplatten. Die oberen Enden
der genannten zwanzig Plattenreihen grenzen an einen Kreis von 10
Scheitelplatten, welche mit jenen unbeweglich verbunden sind;
5 dieser Platten sind etwas grösser und entsprechen je einer Doppel-
reihe von Zwischenplatten, während die 5 übrigen den Doppelreihen
der Porenplatten entsprechen. Jede der 5 grösseren Scheitelplatten
ist von der Ausmündungsöfifnung einer Geschlechtsdrüse durchbohrt,
sie werden desshalb als G cn italplatten bezeichnet; eine derselben
ist grösser als die übrigen und enthält ausser der Geschlechtsöffnung
noch eine Menge ganz feiner Löcher, durch welche das Wasser in
den an diese Platte sich anheftenden Steinkanal eintritt: die Madre-
porenplatte. Die 5 kleineren Platten sind ebenfalls mit je einer
Oeffnung versehen, welche kleiner ist als die Geschlechtsöffnung, und
durch welche ein Nerv hindurchtritt, der sich in der Haut in der
Umgegend der Oeffnung ausbreitet (die betreffende Stelle ist besonders
empfindlich). Diese Platten werden als Augenplatten bezeichnet,
weil man früher gemeint hat, an jeder derselben wäre ein Auge vor-
handen. Die Scheitelplatten umgeben ein kleines weicheres Feld, das
Afterfeld, in welchem die Afteröffnung, übrigens nicht genau in
der Mitte, sondern etwas excentrisch ihren Platz hat, und welches mit
kleineren, beweglich verbundenen Kalkplatten versehen ist. Die unteren
Enden der Poren- und Zwischenplattenreihen umgeben ein grösseres
Feld, das Mundfeld, welches ebenfalls kein zusammenhängendes
Skelet besitzt; in der Mitte dieses weicheren, mehr oder weniger
reichlich mit grösseren oder kleineren Kalkplatten versehenen Gebietes
findet sich die Mundöffnung.
In der beschriebenen Weise verhalten die Platten der Körper-
wand sich bei den vorzugsweise regelmässigen Seeigeln. Von diesem
Typus können nun andere, weniger regelmässige abgeleitet werden.
Eine leichte Abweichung finden wir bei gewissen Seeigeln, welche
noch zu den „regulären" gehören; sie besteht darin, dass die Schale,
statt kreisrund zu sein, oval ist, während die Verhältnisse übrigens
wie oben beschrieben sind (Gatt. Echinometra). Bei den sogenannten
irregulären Seeigeln sind die Abweichungen grösser; hier ist
das ganze Afterfeld mit dem After stets aus dem Kreis der Scheitel-
platten heraus in einen der Interradien gerückt und erhält seinen Platz
zwischen zwei Reihen von Zwischenplatten in geringerem oder grösserem
Abstand vom Scheitel, zuweilen sogar in der Nähe des Mundfeldes;
die Scheitelplatten schliessen dann oben zusammen, und der regel-
mässige Bau der Schale kann übrigens fast vollständig bewahrt, die
Form sogar kreisrund bleiben. Derjenige Interradius, in welchem
das Afterfeld liegt, wird als der hintere bezeichnet. Grösser ist
die Störung der radiären Anordnung, wenn, wie es bei vielen irregu-
lären Seeigeln der Fall ist (Fig. 77 B), der Mund nicht mehr im
Mittelpunkt der Unterseite liegt, sondern nach vorne rückt; dieses
hat einen wesentlichen Einfluss auf den ganzen Bauplan, indem der
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144
Specieller Theil.
Mund nicht etwa in einen Radius hineinrückt, sondern seinen Platz
in dem unteren Pol der Hauptaxe behauptet; für sämmtliche Radien
und Interradien ist der Mund noch immer der untere Sammelpunkt.
Hieraus müssen notwendigerweise bedeutende Aenderungen sich er-
geben: sowohl die Radien wie die Interradien entwickeln sich wesent-
lich verschieden (vergl. Fig. 77 B). Es mag aber hervorgehoben
werden, dass wir noch immer dieselben 20 Plattenreihen wie bei den
regulären vorfinden; und auch die Augen- und Genitalplatten be-
wahren wesentlich die ursprünglichen Verhältnisse, abgesehen davon,
dass meistens nur vier (oder gar eine geringere Anzahl) Genitalplatten
vorhanden sind. — Zu den schon erwähnten Abweichungen kommt
bei manchen irregulären Seeigeln noch, dass die Porenplatten an der
Oberseite der Schale anders als an der Unterseite entwickelt sind
(Verschiedenheiten der zugehörigen Saugfüsschen entsprechend, vergl.
unten); manchmal sind auch die Porenplatten des vorderen Radius
von den übrigen abweichend.
Den kleinen glatten Warzen der oben erwähnten Höcker, welche
in grosser Zahl die Schalenoberfläche bedecken, sind bewegliche
Kalk stach ein eingelenkt, welche durch Muskelfasern an der Schale
angeheftet sind. Die Stacheln erreichen bei den regulären Seeigeln
meistens eine ansehnliche Entwicklung, bei einigen derselben werden
sie sogar ungemein lang und dick und dienen dann als wichtige Be-
wegungswerkzeuge neben den Sfiugfüsschen ; bei den irregulären bleiben
sie dagegen kleiner und dünner, sind sogar oft borstenförmig. Bei
demselben Seeigel sind die Stacheln übrigens keineswegs alle von
gleicher Grösse; bei den mit grossen Stacheln versehenen sind auch
kleinere, ja sogar ganz kleine vorhanden. Die Stacheln sind gerade,
im Durchschnitt rundlich; es können aber auch gebogene und ab-
geplattete Formen vorkommen. Ebenso wie die Schale aus Ver-
kalkungen in der Körperwand besteht, sind diese Stacheln Ver-
kalkungen in Anhängen der Körperwand und ebenso wie die Schale
mit einem weichen Ueberzug bekleidet, welcher jedoch an der Spitze
derselben oft abgenutzt wird. — Der Schale sind auch (vergl. S. 130)
gestielte oder ungestielte Pedicellarien eingelenkt.
Die Saugfüsschen sind bei den regulären Seeigeln
meistens an demselben Thiere sämmtlich gleichgebildet, am Ende
mit einer Saugscheibe versehen, welche von einer durchlöcherten Kalk-
platte gestützt ist; seltener sind die Saugfüsschen der Rückenseite
etwas von den übrigen abweichend, zugespitzt und zusammengedrückt.
Bei manchen irregulären Seeigeln treten die Füsschen dagegen
in mehreren verschiedenen Formen auf: 1) als wirkliche mit einer
Scheibe versehene Saugfüsschen; 2) ähnlich, aber am Ende abge-
rundet; 3) als Fühler, pinselförmig, mit zahlreichen Fäden am Ende
(in der Nähe des Mundes); 4) als Kiemen füsschen, d. h. blatt-
förmige, am Rande eingeschnittene Anhänge (auf der Rückenseite).
Der Mund ist bei den regulären und bei einigen irregulären
Seeigeln mit einem Kreise von 5 sehr kräftigen Kalkzähnen be-
waffnet, welche von einem ziemlich complicirten Gerüst von Kalk-
stücken, der sogenannten Laterne des Aristoteles, gestützt
werden. Die Mehrzahl der irregulären ist dagegen vollständig zahnlos.
Bei den regulären Seeigeln ist die Laterne wieder von einem mit 5
aufwärts gerichteten Fortsätzen versehenen Kalkring umgeben und gestützt,
welcher mit dem unteren Rand der Schale zusammenhängt; bei diesen
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Stachelhäuter. 3. Classe: Seeigel.
ur,
Thieren füllt der Kauapparat einen ansehnlichen Theil des ganzen Hohl«
raumes der Schale aas.
Däs Mundfeld trägt bei den meisten regulären Seeigeln dicht
am Rande der festen Schale 10 Kiemen, verzweigte, buschige Aus-
stülpungen der Körperwand. Bei den übrigen fehlen solche.
An der Unterseite der Schale in der Nähe des Hundfeldes sind auf
den Porenplatten der meisten Seeigel einige ungefähr kugelige, kurz-
gestielte Körperchen eingelenkt, welche ein Kalkskelet von einem glasartig
glänzenden Aussehen enthalten. Diese sogenannten Sphäridien sind
wahrscheinlich Sinnesorgane, vielleicht Geschmacks- oder Geruchs Werkzeuge.
Die Seeigel leben in zahlreichen Gattungen und Arten in allen
Meeren. Auch in früheren Erdperioden waren sie reichlich vertreten.
1. Ordnung. Reguläre Seeigel (Echinoidea reyufaria).
Afterfeld am oberen Pol. Körper in der Regel ungefähr kreis-
rund. Stacheln kräftig. Zähne vorhanden. Kiemen meistens ent-
wickelt.
Die regulären Seeigel ernähren sich theils in der Weise, dass
sie vermittels ihrer Saugfüsschen andere Thiere, z. B. grössere Krebs-
thiere, einfangen, theils werden ßryozoen- und Hydroidenstöcke u.
Aehnl. mitsammt dem auf denselben vorhandenen kleineren Thier-
leben, ferner auch Algenbüschel, von ihnen abgeweidet. Einige graben
sich Löcher in Felsen und nehmen in denselben ihren Aufenthalt.
Als Beispiele nennen wir : Cidaris mit langen kräftigen Stacheln, kiemen-
los ; Ediimis mit kleineren Stacheln (mit ihm ist der in Fig. 76 abgebildete
Toxopneustes nahe verwandt); Eckitiomeira mit ovaler Schale. — Von den
übrigen Seeigeln weicht die Gatt. Asthenosoma dadurch ab, dass die Skelet-
platten, welche einander mit den Bändern schuppenartig decken, beweg-
lich verbunden sind.
2. Ordnung. Irreguläre Seeigel (Echinoidea irregidaria).
Afterfeld in einen Interradius gerückt. Körper kreisrund oder
(häufiger) oval. Stacheln klein, öfters borstenartig. Meistens zahnlos.
Kiemen fehlen.
1. Die Schildigel oder Cly peastriden (Gatt. Clypeaster u. a.)
weichen durch das Vorhandensein von Zähnen von den übrigen Irregu-
lären ab. 8chale dickwandig, Mund unten in der Mitte. Fast nur in
aussereuropäischen Meeren.
2. Die Herzige 1 oder Spatangiden (Gatt. Spaiangus u. a.) sind
ahnlos, Schale meistens dünn, Mund nach vorn gerückt. Ernähren sich
durch Aufnahme des Bodenroaterials in ihren Darmkanal. Mehrere Arten
in der Nordsee, darunter die in Fig. 77 abgebildete Brütsopsis lyrifera.
4. Classe. Seewalzen (Holuthurioidea).
Die Hauptaxe ist bei den Seewalzen immer länger als die Seiten-
axen, meistens sogar mehrmals so lang wie diese, so dass der Körper
gurken-, wurst- oder wurmförmig wird. Hiermit hängt es auch zu-
sammen, dass die Seewalzen nicht wie die übrigen auf einem Ende
Bot., Zoologe. 10
146
Specialer Theil.
der Hauptaxe, sondern auf der einen Seite des Körpers ruhen ; öfters
ist in Folge dessen eine Seite besonders entwickelt oder sogar ab-
geplattet (Fig. 79), wodurch der strahlige Typus äusserlich mehr oder
weniger gestört wird; die abwärts gekehrte Seite wird als Bauch-
seite, die andere als Rückenseite bezeichnet.
Fig. 78. Fi«. 79.
Fig. 78. Schema einer See walze; die Körperwand ist aufgeschnitten und ausgebreitet.
a Aller, c Cuvier'sche Organe, g Geschlechtsurgan, k Ringkanal de« Wassergefässsystema,
kp Kalkring, l Wasserlunge , via Madreporen platte, j> Poli'sche Blase, r radiäres Wasser-
gefäss, t Darm, tt Fangarme. — Nach Ludwig, geändert.
Fig. 79. Querschnitt der Körperwand einer See walze, schematisch. a radiäres
WassergcfiUs , / Längsrauskel , n RadiHrnerv (der weisse Fleck oberhalb n ist das radiäre
Blutgefäss), t Quermuskelschicht, r Köqierwand. — Nach Ludwig.
Fig. 80. Querschnitt durch einen Kadius der Körperwand einer See walze. nj>
Ampulle, 6 radiäres Blutgefäss, » Saugfusa ; Übrige Buchstaben wie in der vorigen Fig. —
Nach Ludwig.
Ein anderes für die Seewalzen sehr charakteristisches Verhältniss
ist die Weichheit der Körperwand; diese ist zwar ebenso wie bei
anderen Stachelhäutern mit Verkalkungen ausgestattet, dieselben
erreichen aber meistens nicht einen solchen Umfang, dass man von
einem Hautskelet reden könnte. Die Verkalkungen der Haut er-
scheinen meistens als sehr kleine, oft sogar mikroskopische Körperchen
von verschiedener, oft zierlicher Form, anker- oder radförmig etc.;
in einigen Fällen sind sie grösser, schuppenförmig, hervorragend. Den
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Stach elhäutcr. 4. Classe: Seewalzen.
147
vordersten Theil des Darmkanals umgiebt jedoch eine Anzahl grösserer
Kalkplatten, die einen Kalkring bilden, welcher verschiedenen
Muskeln zum Ursprung dient.
Die SaugfüS8chen sitzen bei einigen Seewalzen in 5 meridionalen
Feldern an den Seiten des Körpers entlang, also in ähnlicher Weise
wie bei den Seeigeln ; bei anderen sind sie mehr unregelmässig über
den ganzen Körper zerstreut. Bei einigen verhalten sich die Saug-
füsschen der Rückenseite von denjenigen der Bauchseite darin ab-
weichend, dass ihnen eine Saugscheibe fehlt, während letztere einen
solchen besitzen; bei einigen fehlen die Saugfüsschen der Rücken-
seite. Gewisse Seewalzen entbehren sogar völlig der Saugfüsschen.
— Mit dem Wassergefässsystem stehen bei den Seewalzen ausser den
Füsschen auch noch eine Anzahl sogenannter Fangarme in Ver-
bindung, welche in einem Kreis den Mund umgeben und jeder von einem
weiten Kanal durchzogen werden, welcher vom Wassergefässring ent-
spriogt. Die Fangarme sind entweder am Rande eingeschnittene
Platten oder baumförmig verästelt etc. ; ihre Anzahl ist verschieden
(10, 20 oder mehrere). — Bei den meisten Seewalzen öffnet sich der
Steinkanal (resp. die Steinkanäle, es sind öfters mehrere vorhanden)
nicht auf der Oberfläche, sondern in die Leibeshöhle.
Der After befindet sich am hinteren Ende, in dem einen
Körperpol. In den Enddarm münden bei den meisten Seewalzen mit
einem gemeinsamen kurzen Stamm zwei sogenannte Wasserlungen,
baumförmig verästelte Hohlorgane, von denen durch den Enddarm
Wasser aufgenommen und wieder ausgestossen wird ; sie sind jeden-
falls zum Theil von Blutgefässen umsponnen. Am Enddarm hängen
bei einigen Seewalzen noch die sogenannten Cuvi er' sehen Organe,
schlauchförmige oder traubige, drüsenartige Gebilde von unbekannter
Function (vielleicht Excretionsorgane). — Die Geschlechtsorgane
münden mit einer Oeffnung vorn auf der Rückenseite. Die meisten
sind getrenntgeschlechtlich, einzelne Hermaphroditen.
Die meisten Seewalzen ernähren sich ebenso wie die Herzigel
durch Aufnahme von Sand und Schlamm mit den darin enthaltenen
organischen Theilchen in den Darmkanal; einige sitzen mit ruhig
ausgestreckten Fangarmen und stecken von Zeit zu Zeit die Arme
einen nach dem anderen in den Mund hinein, um die auf ihrer Ober-
fläche gestrandeten kleinen Organismen abzulecken. Sie sind in allen
Meeren vertreten.
Als Beispiele können angeführt werden: Oncumaria, Füsschen in 5
Doppelreichen von Mund bis zum After, baumförmig verästelte Fangarme;
HoliUJniria mit zerstreuten Saugfüsschen, welche auf dem Rücken conisch,
auf der Bauchseite cylindrisch sind , Fangarme schildförmig ; Psalm, auf
der Bauchseite mit einer abgeplatteten Partie, auf welche die Saugfüsschen
beschränkt sind , auf dem Rücken mit Kalkschuppen ; Synapta , fusslos,
wurm form ig, mit kleinen Fangarmen, mikroskopische Kalkanker in der
durchsichtigen Haut. Die genannten Gattungen sind sämmtlich in euro-
päischen Heeren vertreten. — Aus der Tiefsee ist in der neuesten Zeit
eine ganze Anzahl eigentümlicher Seewalzen mit abgeplattetem Bauch,
langen Körperfortsätzen etc. (Elpidia u. a.) bekannt geworden.
10-
3. Kreis. Plattwürmer {Plathehmnihes).
Die Plattwürmer sind bilateral - symmetrische , ungegliederte,
meistens stark abgeplattete Thiere. Der Körper ist weich, Glied-
maassen fehlen; dagegen finden sich häufig musculöse Saugnäpfe an
der Unterseite des Körpers. Eine Leibeshöhle fehlt, alle Organe sind
in eine weiche Bindegewebsmasse eingebettet; auch ein After und
ein GefäsBsystem fehlen meistens (die Nemertinen ausgenommen). Der
Darmkanal ist entweder ein einfacher Sack, oder er ist mehr oder
weniger verästelt ; er fehlt bei vielen schmarotzenden und bei einigen
freilebenden Formen. Der Centraltheil des Nervensystems ist
durch einen doppelten, am vorderen Körperende liegenden Nerven-
knoten , das Gehirn , vertreten , von welchem nach den verschiedenen
Theilen des Körpers Nervenstämme ausgehen ; nach hinten verlaufen
vom Gehirn aus mehrere Längsstämme , unter denen ein jederseits
verlaufender S ei tennerven stamm sich durch seine Stärke beson-
ders auszeichnet; die Längsstämme sind oft durch feine Querstämme
(Oommissuren) verbunden. Zuweilen finden sich Augen, seltener
Gehörwerkzeuge, von einfachem Baue und geringer Grösse,
am vorderen Körperende. Der Excretionsapparat ist in der
Form eines reich verzweigten Röhrensystems vorhanden, welches sich
meistens am hinteren Tncil des Körpers mit einer einfachen oder
doppelten Mündung öffnet (seltener sind mehrere OefV-
nungen vorhanden); vor seiner Oeffnung besitzt der
Hauptstamm zuweilen eine contractile Erweiterung (Harn-
reservoir). Besonders charakteristisch verhalten sich die
feinsten Endäste des Röhrensystems; sie enden mit je
einer kleinen becherförmigen Anschwellung, welche
durch eine grosse Zelle geschlossen ist, die an ihrer dem
Lumen der Röhre zugekehrten Seite eine sehr kräftige in
die Röhre hineinragende Wimpergeissel trägt. — Die
<i mg'eVchwoi- männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane sind
Umen Astspi- meistens in demselben Individuum vereinigt und besitzen
tzeu des Ex- in der Regel einen sehr complicirten Bau, indem die
cretionsor- Hoden und Eierstöcke sehr oft in grösserer Anzahl vor-
^uttwumeT nan^en 8mQ< unQl nocn ausserdem verschiedene Drüsen
(schematisch), sich jedem System von Geschlechtsorganen anschliessen,
— Orig. ebenso wie auch häufig ein Uterus vorhanden ist etc.
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Plattwürmer.
149
Von den Anhangsdrüsen der Geschlechtswerkzeuge sind die bei manchen
Plattwürmern vorhandenen Dotterdrüsen (Dotterstöcke) besonders hervor-
zuheben. Wenn solche vorhanden sind, erreicht das Ei nicht die volle Grösse im
Eierstock, sondern erst, nachdem es letzteren verlassen hat, durch Auf-
nahme von Material, welches in den Dotterdrüsen gebildet ist. Von anderen
Drüsen nennen wir die allgemein vorhandenen Schalendrüsen, deren
Secret in gehärtetem Zustande die feste Schale bildet, welche das Ei vieler
Plattwürmer umgiebt.
A. Ohne After und Gefässsystem.
1. Strudelwürmer. In der Regel freilebend, Oberfläche mit
Wimperhaaren. Darmkanal (meistens) vorhanden.
2. Saugwürmer. 8chmarotzer, ohne Wimperhaare. Darmkanal
vorhanden.
3. Bandwürmer. Schmarotzer, ohne Wimperhaare. Darmkanal
stets fehlend. Bilden in der Regel kettenförmige Colonien.
B. Mit After und Gefässsystem.
4. Nemertinen.
1. Ciasse. Strudelwürmer (Turbellaria).
Die Strudelwürmer sind Thiere von verschiedener, meistens jedoch
geringer Grösse, deren Körper überall mit Wimperhaaren be-
kleidet ist, welche für die Bewegung des Thieres (sowie für die Ath-
mung) wichtig sind; viele sind lebhaft, manche prachtvoll, gefärbt.
Bisweilen findet man ähnliche Nesselzellen in der Haut wie bei
den Cölenteraten. Sie sind mit Augen von verschiedener Zahl,
zuweilen auch mit Gehörblasen versehen; häufig findet sich auch
ein Paar kurzer Tentakel am Vorderende, während der Körper
Fig. 82. Längsschnitt eines Strudelwunnes (Cycloporu* papülosua), um das Verhalten
des Schlundes zu zeigen ; von den durch den Schuitt getroffenen Organen ist nur der Darm
eingezeichnet. m Mundötfnung, p vorstreckbarer Schlund, r KUckenpapille , « Saugnapf,
/ Dann; männliche, 9 weibliche Gcschlcchtsöffnung. Vergr. — Nach Lang, geändert.
übrigens gewöhnlich glatt erscheint, nicht selten ist jedoch ein kleiner
Saugnapf an der Unterseite vorhanden. Die Mund Öffnung liegt
auf der Unterseite, bald in der Nähe des vorderen Endes, bald in
der Mitte, bald näher oder gar dicht am hinteren Ende; sie führt
in eine Mundhöhle hinein, welche oft mit einem eigentümlichen, vor-
streckbaren musculösen Schlund (Pharynx) ausgestattet ist; dieser
Schlund ist ein an beiden Enden offener, kürzerer oder längerer
Schlauch, welcher mit dem einen Ende hinten in der Mundhöhle fest-
geheftet ist, während das andere Ende aus der Mundöffnung hervor-
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150
Specieller Thoil.
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geschoben werden kann, um die Beute zu ergreifen; er ist als eine
grosse musculöse Ringfalte der Mundhöhle aufzufassen. In anderen
Fällen ist der als Schlund bezeichnete Theil eine einfache musculöse
ringförmige Verdickung der Mundhöhlenwand und kann nicht hervor-
geschoben werden ; in wenigen Fällen fehlt er sogar völlig. An die Mund-
höhle schliesst sich der eigentliche Darm, welcher bei einigen ein
einfacher Sack (Rhab-
Fig. 83. Fig. 84. docölen) ist, während
er bei anderen Aeste
aussendet (Dendrocö-
len), welche sich im
Körper ähnlich wie die
Rippen eines Blattes
verästeln. Bei gewissen
Strudelwürmern fehlt
der Darmkanal, wäh-
rend jedoch eineMund-
öffnung noch vorhan-
den ist ; die Nahrung
wird in die weiche
Grundmasse des Kör-
pers aufgenommen und
verdaut. Der herm-
aphroditische Ge-
schlechtsapparat
mündet auf der Unter-
seite entweder mit
einer einzigen Oeff-
nung oder mit einer
für den männlichen
Fig. 83. Umriss eines rhabdocölcu Strudelwurms {Mesosto- % _ i
gpUndidum) mit eingezeichnetem Dann und Gehirn, c Ge- U11Q emer Dimeren
hirn, da Dann, ge Gcschlechtsöffnung, vi Blundöffhung, « Schlund, für den weiblichen
Vcrgr. — Nach v. Graff. Geschlechtsapparat ;
Fig. 84. l'mrias eine» rhabdocölen Strudelwurms (Provorter Eierstöcke Und Hoden
affinis) mit den Geschlechtsorganen, d DotterdrU.se, g Drüseu • i n. • * 1 Ul '
mit dem männlichen Apparate verbunden, ge Geschlechtsöftuung, Sl°Q 0IC. ln V1Gle UCiPe
u Auge, ov Eierstuck, j> Penis, i Schlund (Dann fortgelassen), Abschnitte getheilt
t Hoden, r Samenleiter. Vergr. — Nach v. Graft*. über den ganzen Kör-
per zerstreut. — Bei
einzelnen Formen findet eine Fortpflanzung durch Sprossung vom
Hinterende statt. — Von den Meeres-Turbellarien durchlaufen einige
Fig. 85.
Fig. 86.
Fig. 85. Pümaria laden, ein Susswasscr - Strudelwunn , Schlund ausgestülpt, vcrgr.
Nach O. Schmidt.
Fig. 8Ü. Larve einer Meeres-Turbcllarie, vergr. — Nach Lang.
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Plattwürmer. 1. Classe: Strudelwürmer.
151
eine Metamorphose; die Larven schwimmen frei umher und sind
mit Fortsätzen ausgestattet, welche bei den erwachsenen Thieren
fehlen.
Die Strudelwürmer leben im Siisswasser und namentlich im
Meere, einzelne auf dem Lande an feuchten Stellen. Vermittels der
Schwingungen der "Wimperhaare und durch kleine Bewegungen des
Körpers gleiten sie im Wasser und über fremde in diesem befindliche
Gegenstände fort. Ihre Nahrung besteht aus anderen Thierchen,
z. B. kleinen Krebsen, welche durch den Schlund ergriffen und aus-
gesogen werden.
In Deutschland lebt auf dem Lande die seltene Geoplana terrestris,
welche durch die geringste Berührung zerfliesst. — Im Süsswasser kommen
verschiedene Formen häufig vor, unter denen die bis ein paar cm langen
Arten der Gatt. Pkmaria (mit verzweigtem Darmkanal, Fig. 85) die be-
kanntesten sind. — Zahlreiche Arten in allen Meeren.
2. Classe. SaugWÜrmer {Trematoda).
Die Saugwürmer, welche immer als Schmarotzer leben, sind
mit den Turbellarien nahe verwandt. Sie unterscheiden sich von diesen
dadurch, dass sie höchstens im Larvenzustande Wimperhaare an der
Oberfläche besitzen, während ihnen später solche fehlen; sie sind
meistens blass oder unansehnlich gefärbt. Der
Körper, welcher eine etwas festere Beschaffenheit
als derjenige der Strudelwürmer besitzt, ist mit
einer deutlichen Cuticula versehen, welche
zuweilen kleine Dornen trägt, und mit einer
verschiedenen Anzahl kräftiger Saugnäpfe,
zuweilen auch mit chitinigen Haken ausgestattet ;
diese Haftwerkzeuge sind besonders bei den-
jenigen Formen stark entwickelt, welche als
Schmarotzer auswendig au anderen Thieren
leben. Augen fehlen meistens bei den Binnen-
schmarotzern, während sie öfters bei den Aussen-
schmarotzern unserer Gruppe vorhanden sind.
Die Mundöffnung, welche häufig im Grunde
eines Saugnapfes sich befindet, liegt meistens
am Vorderende des Thieres ; sie führt in einen
mit musculöser Wand versehenen Schlund
hinein, welcher als Pumpapparat wirkt. Der
Schlund setzt sich in den eigentlichen Darm Darmkanal des Leb er -
fort, welcher selten ein einfacher Sack,1) son- »gel«, oa. \. *, vorderer,
dem in der Regel gabelförmig in zwei sym- ■ « hinter" Sau«"ai'f. '«
. . . . , ° . , °. , im • r Darm. — Nach Thomas.
metrische Aeste getheilt ist , welche bei einigen
wiederum feinere Aeste aussenden, während sie bei anderen un-
verzweigt bleiben. Die Geschlechtsöffnungen finden sich ge-
wöhnlich dicht beisammen an der Bauchseite, weit nach vorne. Die
Saugwürmer sind durchweg hermaphroditisch, bei einigen
Fig. 87. Umrisa und
') Bei vielen „Ammen" ist der Darm jedoch einfach sackförmig, bei anderen
fehlt er sogar völlig (vergl. das unten von Distomum hepaticum MUtgetheilte).
152
SpecieUer Theil.
(vergl. unten) kommen aber weibliche, parthenogenetische Genera-
tionen vor.
Die ektoparasitischen Saugwürmer durchlaufen einen bewimperten
Larven zustand, während dessen sie frei im Wasser umherschwärmen.
Viel complicirter gestaltet sich die Fortpflanzung der meisten endo-
parasitischen, bei denen verschiedene mit einander abwechselnde
Generationen, nämlich je eine hermaphroditische und eine oder mehrere
parthenogenetische Generationen auftreten, somit eine Heterogonie
stattfindet. Aus dem befruchteten Ei der hermaphroditischen Gene-
ration schlüpft eine bewimperte Larve aus, welche in ein niederes
Thier, meistens eine Schnecke, einwandert und sich dort in ein sehr
unvollkommenes weibliches Thier („Amme") verwandelt, in dessen
Körper sich Eier entwickeln (von dem complicirten Geschlechtsapparat
der nermaphroditischen Generation ist höchstens noch eine Ausfuhr-
öffnung vorhanden); ein Darm fehlt demselben oder ist als einfacher
Sack vorhanden. Die von dieser Generation erzeugten Eier entwickeln
sich ohne Befruchtung und schon im mütterlichen Körper, und die
so gebildeten neuen Individuen werden bei einigen, meistens nach
einer Verwandlung und nachdem sie in einen anderen Wirth (ein
Wirbelthier) übergeführt sind, zu der hermaphroditischen Generation,
während sie bei anderen zu einer zweiten weiblichen (parthenogene-
tischen) Generation werden, welche dann erst die hermaphroditische
Generation erzeugt. Die hermaphroditische Generation ist durchweg
den anderen an Ausbildung der Organe und an Grösse weit über-
legen, und bei den meisten ist jene allein bekannt.
1. Ordnung. Monogene Saugwürmer (Polystomme).
Fast immer Ektoparasiten , in der Regel mit mehr als 2 Saug-
näpfen , oft auch mit Haken ; ohne Heterogonie. Die meisten sind
Schmarotzer an Fischen (Haut und Kiemen).
1. Die Gatt. Tristomum umschliesst grosse (bis ungefähr 2 cm lange),
breite, mit einem sehr grossen Saugnapf am Hinterende und zwei kleinen
Saugnäpfen am Vorderende ausgestattete Arten, welche an verschiedenen
MeereBfischen schmarotzen.
2. Polystotmim integen-imum (Fig. 90) lebt in der Harnblase des
Frosches; am vorderen Ende 4 Augen, am hinteren Ende 6 grosse Saug-
näpfe und mehrere Haken von verschiedener Grösse. Im Frühjahr werden
die Eier abgelegt, welche durch den After des Wirthes nach aussen gelangen
und sich im Wasser im Laufe einiger Wochen entwickeln. Die Larven
sind mit Wimpergürteln, Augen und mit einem Kreis von 16 Haken auf
einer Scheibe am Hinterende versehen; die Saugnäpfe der Erwachsenen
fehlen noch. Die Larven wandern in die Kiemenhöhle der Froschlarven
hinein, wo sie die Wimperhaare verlieren und ein oder zwei Paare von
Saugnäpfen ausbilden ; sie bleiben hier , bis die Kiemen des Wirthes zu
schrumpfen anfangen, und wandern dann (wahrscheinlich durch den Darm-
kanal des Frosches) in die Harnblase hinein, wo sie sich weiter entwickeln.
3. Diploxoon paradoxum, das „Doppelthier", lebt an den Kiemen ver-
schiedener Süsswasserfische. Die Larve ist mit Wimperhaaren versehen,
welche verloren gehen, wenn sie sich an den Kiemen festgeheftet hat.
Der junge Schmarotzer ist ein langgestrecktes Thier mit zwei Sang-
näpfen am Vorderende und mehreren am Hinterende ; ausserdem besitzt er
an der Bauchseite etwas hinter der Mitte einen Saugnapf und an der
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Plattwürmer. 2. Clawe: Saugwürmer.
153
Rückenseite ungefähr gegenüber dem letzteren einen kegelförmigen Zapfen.
Nach einiger Zeit verbinden sich die jungen Thiere paarweise mit einander,
in der Webe, dass ein Individuum mit seinem Bauchsaugnapf den Bücken-
zapfen eines anderen ergreift und letzteres sich dann umdreht und mit seinem
ABC D
Fig. 88. Diplouwn paradoxum. A freischwimmende Larve. /.' Einzelnindividuum.
''Zwei Individuen, welche angefangen haben sich mit einander zu verbinden; das linke
hat mit seinem Bauchsaugnapf den Ruckenzapfen des anderen ergriffen. D Dieselben nach
erfolgter Vereinigung; jedes hat den RUckenzapfen des anderen erfaast. b Bauchsaug-
napf, d Darm, h Haftapparat am Hinterendc, m Mundöffnung, r RUckenzapfen. —
Sach Zeller.
Saugnapf den Rückenzapfen des ersteren ergreift, so dass die Thiere kreuz-
weise mit einander verbunden sind ; in dieser Stellung verwachsen beide und
bleiben lebenslänglich vereinigt ; nach der Verwachsung wächst das Doppel-
thier noch bedeutend.
2. Ordnung. Digene Saugwürmer (Distomeae).
Endoparasiten , mit 1 oder 2 Saugnäpfen (oder ganz ohne solche);
mit Heterogonie. Die hermaphroditische Generation in Wirbelthieren,
die jungfräulichen in niederen Thieren.
1. IHstomum hepaticum, der Leberegel. Die hermaphroditische Gene-
ration findet sich häufig in den Gallengängen der Leber, namentlich beim
Schafe und beim Kind (seltener in anderen Säugethieren) ; 3 cm lang.
Ausser dem Saugnapf am Vorderende, in dessen Grunde die Mundöffnung
liegt, findet sich in einigem Abstand vom Vorderende ein kleiner Bauch-
8augiiapf. Die mikroskopischen Eier gelangen mit der Galle in den Darm
des Wirthes und von letzterem in's Freie hinaus. Fallen sie in's Wasser
oder an eine feuchte Stelle , so entwickelt sich aus jedem eine mit zwei
Augen und mit Wimperhaaren ausgestattete Larve, welche am vorderen Ende
einen kleinen Zapfen besitzt, vermittels dessen sie sich durch die Haut
einer bestimmten Art von Süsswasserschnecken (Limnntus tmticatulus) ein-
l>ohrt; ist diese kleine Schnecke nicht an der betreffenden Stelle vor-
handen, so gehen die Larven zu Grunde. In die Schnecke eingedrungen,
wirft sie das Wimperkleid ab, und in dem kleinen darmlosen Thiere
(1. „Ammen" -Generation) bildet sich eine Anzahl von Eiern, während
das Thier gleichzeitig wächst. Die Eier entwickeln sich allmählich inner-
halb der Amme zu kleinen Saugwürmern, welche sich namentlich durch das Vor-
handensein eines Schlundes und eines einfachen sackförmigen Darmes von der
Mutter unterscheiden ; sie durchbrechen die Körperwand der Mutter und
wandern in der Schnecke umher, deren Leber sie verzehren (2. „Ammen-"
Generation). In ihnen entwickeln sich ebenfalls Eier, welche zu je einer
Specieller Theil.
kleinen mit gabeligem Darm und schwanzartigem Anhang ausgestatteten
„Cercarie" werden, die durch eine Oeffnung am mütterlichen Körper
auswandert, um nachher auch aus der Schnecke auszubrechen; die Cercarie
Bchwimmt einige Zeit lebhaft im Wasser umher, heftet sich dann an einer
Pflanze fest, wirft den Schwanz ab und sondert einen Schleim aus, welcher
um ihren Körper zu einer festen Kapsel erhärtet. Wird sie in diesem
Zustand von einem Schaf oder Kind mit der Nahrung aufgenommen, so löst
sich die Kapsel im Magensaft auf und der junge Saugwurm wandert in
•V 4 5
Fig. 8i>. Diatomum hepaticum, 1. Neugeboren« Larve. / Bohrzapfen, ö Auge. —
2. Dieselbe Ijuuge Amine erster Generation), nachdem sie in die Schnecke eingedrungen ist und
daa Wimperkloid verloren hat. k Ei — 3. Ausgebildete Amme erster Generation. — 4. Amme
zweiter Generation. / gliedmaasscnartigc Vorsprtlnge , A , — A 4 ausgebildete Cercarien inner-
halb der Amme, k Ccrcaricn-Embryo, m Mund, ta Darm, v Gcschlechtsöffnung. — 5. Cercarie.
ku Drüsen, deren Secret die Kapsel bildet, »V ,— S9 die beiden Saugnapfe, ta Darm. Alle
Figg. vergr. — Nach Thomas; 4 etwas geändert.
die Leber hinein, wo er sich zur Geschlechtsreife entwickelt (die hernia-
phroditische Generation). Eingekapselte Leberegel finden sich nicht
nur an Wasserpflanzen, sondern auch an Landpflanzen, indem die Schnecke
häufig das Wasser verlässt und auf angrenzenden Wiesen umherwandert.
2. Leucochbtridum parndoxttm ist eine Saugwurm-Amme, welche in der
an feuchten Stellen lebenden Schnecke Succinen amphibia schmarotzt. Diese
Ammenform ist dadurch merkwürdig, dass sie als ein vielfach verästelter
Schlauch erscheint, von dessen Aesten einige eine sehr starke Entwicklung
erlangen und als dicke lebhaft gefärbte Würste in die Fühlhörner der
Schnecke hineindringen und dieselben stark ausdehnen. Verschiedene insekten-
fressende Vögel reissen die soeben erwähnten Theile des Schmarotzers aus
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Plattwürmer. 2. Clause: Saugwürmer.
155
der Schnecke ; in diesem Fall kann die Schnecke weiter leben und ein neuer
Ast des Leucochloridium in das Fühlhorn hineinrücken; in dem Darmkanal
der betreffenden Vögel wie auch in demjenigen verschiedener Sumpfvögel,
Fig. 90. Fig. 91.
Fig. 90. Poly$tomnm integtrrimtm, von der Bauchseite, m Mund, e Saugnapf, / Darm.
— Nach Zeücr.
Fig. 91. A Schnecke mit Ltucochloridium parndorum in beiden Fühlern, B dasselbe
aui der Schnecke herauspraparirt, C Dittmnum tnacrosltnnum. p Penis, a , vorderer, s 9 hin-
lerer Sangnapf, t Darm. A und B natürl. Gr., C — Nach Zeller.
welche die ganze Schnecke verzehren, erlangen die in den Würsten ent-
haltenen jungen Saugwürmer ihre vollständige Entwicklung und werden zu
der uormalgebauten hermaphroditischen -Generation, welche unter dem
Namen Distomum macrostomum beschrieben ist.
3. Classe. Bandwürmer (Cestoda).
Die Bandwürmer unterscheiden sich dadurch von den Saugwürmern,
mit denen sie nahe verwandt sind, dass ihnen ein Darmkanal
fehlt, und dass sie fast immer durch Sprossung Ketten bilden.
Eine Bandwurmkette besteht zuvörderst aus einem ungeschlecht-
lichen Individuum, dem sogenannten „Kopf" (Scolex), welcher mit
Saugnäpfen, Haken oder anderen Haftapparaten an seinem Vorder-
ende ausgestattet ist. Hinter dem Kopfe folgt eine grössere oder
kleinere Reihe von „Gliedern" (Proglottiden) , d. h. Geschlechts-
individuen von verschiedener Entwicklungsstufe und verschiedener
Grösse, welche durch Einschnürungen von einander getrennt sind;
die dem Kopfe am nächsten sitzenden Glieder sind die jüngsten, die von
ihm entferntesten die ältesten und grössten; neue „Glieder" werden
dadurch gebildet, dass die hintersten Theile des Kopfes sich abschnüren.
Wenn die Entwicklung der Glieder so weit vorgeschritten ist, dass
sie reife Eier in grosserer Anzahl enthalten, trennen sie sich im All-
gemeinen von der Kette ab; in einzelnen Fällen trennen sie sich jedoch
schon auf einer früheren Stufe von dieser und wachsen selbständig
weiter ; in anderen Fällen bleibt die Kette dauernd in Zusammenhang.
Die Anzahl der Glieder einer Kette kann von ganz wenigen bis auf
viele Hunderte steigen.
Die ausgebildete Bandwurmkette findet sich ausschliesslich im
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Plattwürraer. 3. Classe: Bandwürmer.
157
Darm der Wirbelthiere , an dessen Wand sie durch die am Kopfe
vorhandenen Haftwerkzeuge angeheftet ist; sie ernährt sich durch
Aufsaugung des Darminhaltes (durch die Haut). Der Bandwurm ver-
lebt aber nicht sein ganzes Leben an dieser Stelle oder in demselben
Wirth ; auf einer jüngeren Stufe , im sogenannten Finnen zustande,
lebt er in einem anderen Wirth und in einem anderen Theil des
Wirtbkörpers. Im Finnenstadium besteht der Bandwurm öfters nur
aus dem „Kopfe"; in anderen Fällen jedoch aus dem Kopfe und einer
Anzahl von Gliedern, welche aber niemals geschlechtsreif
Bind. Die Geschlechtsreife wird erst erreicht, wenn die Finne in den
Darmkanal eines anderen Wirthes übergeführt wird, was gewöhnlich
in der Weise stattfindet, dass der zweite Wirth den ersten, und damit
den Schmarotzer, verzehrt. Der Finnenwirth wird meistens in der
Weise inficirt, dass er die dem Bandwurmwirth mit den Excrementen
abgegangenen Eier (resp. die abgegangenen, Eier enthaltenden Glieder)
in seinen Darmkanal aufnimmt; die Eier enthalten je eine Larve,
ein rundliches mit 6 Haken ausgestattetes Thierchen, welches sich,
nachdem die sie umgebende Schale1) vom Magensaft aufgelöst ist,
durch die Magenwand hindurchbohrt und zu einer Finne wird.
Mit Rücksicht auf den Bau schliessen die Bandwürmer sich, vom
Fehlen eines Darmkanals abgesehen, im Ganzen eng an die Saug-
würmer an. Die Geschlechtsorgane sind hermaphroditisch, von sehr
complicirtem Bau ; sie öffnen sich entweder, ebenso wie bei den Saug-
würmern, an der Bauchseite der Glieder, oder am Rande derselben.
Den Uebergang zu den Trematoden scheinen die bei verschiedenen
Fischen schmarotzenden Gattungen Amphüitia (beim Stör) und Caryopkyüaem
(hei Karpfenfischen) zu bilden, bei welchen es nicht zu einer Kettenbildung
kommt : der ungegliederte Körper enthält nur einen Geschlechtsapparat ;
wie andere Bandwürmer sind sie übrigens darmlos und stimmen auch mit
diesen in gewissen speciellen Verhältnissen des Geschlechtsapparates etc.
überein. Gewisse andere Bandwürmer sind den erwähnten Formen inso-
fern ähnlich, als sie äusserlich ungegliedert erscheinen, während sie that-
süchlich wesentlich andere Verhältnisse darbieten, indem eine deutliche
innere Gliederung durch die Mehrzahl der Geßchlechtsapparate ausgesprochen
ist ; bei solchen Formen kommt es nicht zu einer Ablösung der Geschlechts -
individuen, und eine derartige Kette kann etwa einer derjenigen Korallen-
colonien verglichen werden, deren einzelne Individuen mehr als gewöhnlich
mit einander zusammenmessen. Als Beispiel eines solchen, äusserlich un-
gegliederten, aber innerlich gegliederten Bandwurmes kann der im Dann
Fig. 91. Taenia »vlium, a Stücken des Thieres in natürl. Grösse, * Kopf
allein, vergr.
Fig. 92. Finnenzustand derselben, mit ausgestülptem («) und eingezogenem Kopfe (A).
Vergr. — Nach Leuckart.
Ftg. 98. Sechshakige Larve derselben, vergr. — Natfh Leuckart.
Fig. 94. Taniae mediocaneüata, Stücke de» Thieres in natürl. Gr. — Nach Leuckart.
Fig. 95. Finne derselben, mit eingezogenem Kopfe, durchgeschnitten. $ Saug-
napf. Tergr. — Nach Leuckart.
Fig. 96. Bothriotephalu» latut, nat. Gr. — Nach Leuckart.
Fig. 97. Finnenzustand desselben, vergr. — Nach Leuckart.
Fig. 98. Bewimperte Larve desselben, vergr. — Nach Leuckart.
') Diese Schale ist keine Eischale in der gewöhnlichen Bedeutung dieses
Wortes, sondern eine vom Embryo abgesonderte Hülle. Die „Eier" sind somit in
der That eingekaspelte Embryonen.
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ir,8
Specieller Theil.
verschiedener Wasservögel schmarotzende Riemenwarm (Ligula simpli-
cissima) genannt werden.
Die meisten Bandwürmer der Säugethiere und Vögel gehören
den Gattungen Taenia und Bothriocephalus, namentlich der ersten, an.
Zahlreiche andere Gattungen, besonders bei Fischen.
1. Taenia. Der Kopf ist mit 4 in einem Kreis stehenden Saugnäpfen
ausgestattet; mitten auf dem Vorderende findet sich bei vielen Arten ein
Kreis nach aussen gerichteter Haken , zuweilen eine grössere Anzahl an
einer Erhöhung; bei anderen fehlen die Haken völlig. Die reifen Glieder
sind bei einigen langgestreckt, bei anderen kurz und breit; sie enthalten
einen verzweigten Eierbehälter (Uterus). Die Geschlechtsöffnungen meist
am Rande, oft abwechselnd am rechten oder linken Rand an den auf einander
folgenden Gliedern.
a. T. solium lebt im Darmkanal des Menschen. Der Kopf mit
Hakenkranz, die reifen Glieder bedeutend länger als breit. Der Kopf un-
gefähr von Stecknadelkopfsgrösse, die reifen Glieder 5 mm breit. Die Kette
erreicht eine Länge von etwa 3 — Vjz m. — Die embryonenhaltigen
festschaligen Eier gehen ebenso wie die reifen Glieder mit den Excrementen
nach aussen. Wenn dieselben von einem Schwein verzehrt werden, wird
die Eischale aufgelöst und die sechshakige Larve bohrt sich durch den
Darm in den Körper ein, wo sie meistens in den Muskeln (seltener im Herz,
Gehirn etc.) ihren Aufenthalt nimmt, um daselbst bedeutend zu wachsen
und sich in eine Schweinefinne (Cysticercus cellulosae) zu verwandeln,
einen Bandwurmkopf von demselben Aussehen wie derjenige des erwachsenen
Bandwurmes, aber hinten mit einem Anhang in Form einer erbsen-
grossen, mit Flüssigkeit gefüllten Blase versehen, in welche der Kopf ein-
gestülpt ist. Wenn die Finne in den Darmkanal des Menschen übergeführt
wird, so geht die Blase zu Grunde, und der Kopf entwickelt sich zu einer
Bandwurmkette. — In selteneren Fällen können die Finnen auch bei ver-
schiedenen anderen Säugethieren vorkommen. Auch beim Menschen kommen sie
zuweilen vor, und zwar öfters an Stellen, wo sie verhängnisvoll werden können,
im Gehirn, im Auge, in der Herzwand; der Mensch erhält sie ebenso wie
das Schwein durch Aufnahme embryonenhaltiger Eier durch den Mund.
b. T. niediocanellafa {= T. saginata Leuck.), ebenfalls im Darm
des Menschen in den meisten Ländern häufiger als solium (in Deutschland
scheint es in den meisten Gegenden umgekehrt zu sein). Der Kopf ohne
Hakenkranz, aber mit sehr kräftigen Saugnäpfen; die Aeste des Eier-
behälters zahlreicher als bei T. solium, welcher diese Art übrigens sehr
ähnlich ist. Erreicht eine Länge von 7—8 m. Die Entwicklung ähn-
lich wie bei solium, die Finne, Rinds finne, in den Muskeln des Rindes
(fast nur bei diesem Thier), derjenigen von solium sehr ähnlich.
c. T. coenurus. Mit Hakenkranz, im Darm des Hundes, 1 m lang.
Ihre Finne, Quese oder Drehwurm (Coenurus cercbralis), lebt im Ge-
hirn des Schafes, bei welchem sie die Drehkrankheit verursacht. Bei der
Finne dieser Art wird die Blase sehr gross (bis hühnereigross und mehr)
und erzeugt durch Sprossung eine Mehrzahl von „Köpfen", so dass die
Quese eine Colonie von Bandwurmköpfen mit gemeinsamer Blase wird.
d. T. echinocoecus. Ein ganz kleiner Bandwurm (höchstens 5 mm
lang) mit 3—4 Gliedern ; im Darm des Hundes. Die Finne, der Ecliinococcus,
in Leber und anderen Organen deB Rindes, Schafes, Schweines und des
Menschen, ist eine Blase, welche oft eine bedeutende Grösse erreicht (bis
kindskopfgross und mehr) und von einer dicken, geschichteten Guticula
umgeben ist. Von der Blase sprossen ebenso wie bei T. coenurus viele
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Plattwürmer. 3. Classe: Bandwürmer.
159
kleine Köpfe hervor, welche aber bei dem Echinococcus immer an kleinen
Einstülpungen der Wand (vergl. Fig. 99 B), den sogenannten Brut-
kapseln, gebildet werden. (Die beim Menschen — an den meisten Stellen
selten, in Mecklenburg, auf Island, in Australien häufig - vorkommenden
A B
Echinococcen zeichnen sich dadurch aus, dass sie oft eine enorme Grösse
erreichen, und dass innerhalb der grossen Blase , der Mutterblase , viele
kleinere Blasen, Tochterblasen, gebildet werden, welche denselben Bau wie
jene besitzen; die Tochterblasen scheinen durch Umbildung von der Wand
losgerissener Köpfe zu entstehen.)
e. T. cucuineriiM. Der Kopf mit einem rüsselartigen, mit meh-
reren Hakenkränzen versehenen Fortsatz ; die reifen Glieder länglich, oval.
% m lang. Sehr häufig beim Hund und bei der Katze, selten beim
Menschen (Kindern). Die blasenlose Finne lebt im Hunde-Haarling (Tricho-
deetes canis), neueren Angaben zufolge auch im Hundefloh.
2. Bothriocephnlus. Der Kopf mit zwei länglichen Sauggruben, ohne
eigentliche Saugnäpfe und ohne Haken. Die Geschlechtsöffnungen an der
Bauchseite der immer kurzen und breiten Glieder; der Eierbehälter ist ein
unverzweigter gewundener Schlauch. B. latus, der breite Bandwurm des
Menschen, häufig in den russischen Ostseeprovinzen, in Finnland, in der
Westschweiz , erreicht eine Länge von 8 — 9 m. Die Finne lebt im
Fleisch des Hechts und verschiedener anderer Süsswasserfische ; sie ist
länglich , blasenloB , 1 cm lang. In welcher Weise der Fisch die Finne
erwirbt, ist unbekannt ; die Eier des Bandwurms entwickeln sich im Wasser,
die neugebornen Larven sind mit einem Wimperkleid versehen, und in
ihrem Inneren sieht man die gewöhnlichen 6 Haken; es ist aber nicht ge-
lungen, Fische mit diesen Larven zu inficiren, so dass es möglich ist, dass
die Finne zuerst in einem anderen Wirth lebt, bevor sie in den Fisch
kommt. Dagegen hat man durch Versuche nachgewiesen, dass die Hecht-
finne in den Darmkanal des Menschen (und des Hundes) übergeführt sich
zn B. latus entwickelt.
160
Specieller Theil.
4. Classe. Nemertinen (Rhynchocoda).
Die Nemertinen sind in der Regel langgestreckte, öfters sogar
bandförmige Thiere von bedeutender Länge. Am vorderen Ende
findet sich an jedem Seitenrande eine spaltenförmige wimperbekleidete
Grube, wahrscheinlich ein Sinnesorgan (diese Wimpergruben sind
auch bei gewissen Turbellarien vorhanden); oben am Vorderende ge-
wöhnlich eine Anzahl kleiner Augen. An der vordersten Spitze
A D C D
Fig. 100. Ä Umriss einer Nemertine mit eingezeichnetem Nervensystem, B do.
mit Gefasssystem, C do. mit Darm und Kussel ; D do., Vorderende, mit ausgestülptem Rüssel.
Schematisch, a After, c Wimperorgan, ce Gehirn, co Commissur, d Rückengefass, dtt Darm-
kanal, g Giftdrüse, l Seitengefaas, m Rückziehmuskel, r Rüssel, ro Oeffhung des Kussels,
rs Rüsselscheide, * seitlicher Nervenstamm, t Quergefass. — Orig.
des Thieres findet sich eine Oeffnung, welche in einen tiefen ausstülp-
baren Blindsack, den Rüssel, führt; im Grunde des eingestülpten
Blindschlauches findet sich bei manchen Nemertinen ein spitzer
Stachel, welcher, wenn der Rüssel ausgestülpt ist, an dessen Spitze
liegt, und häufig mündet an derselben Stelle eine Giftdrüse. Bei
anderen fehlt der Stachel, der Rüssel ist aber dann mit zahlreichen
Nesselzellen ausgestattet. Der eingestülpte Rüssel (Fig. 100 C) ist von
einer musculösen Rüsselscheide umgeben und der Raum zwischen
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Plattwürmer. 4. Clause: Nemertinen.
Ifil
beiden ist durch eine Flüssigkeit erfüllt; durch Oontractionen der
Rüsselscheide wird der Rüssel aus-(um-)gestülpt. Vom hinteren Ende
des eingestülpten Rüssels geht an die Wand der Rüsselscheide ein
langer Muskel, der Rückzieh muskel (lietractor), welcher den aus-
gestülpten Rüssel zurückzieht (vergl. Fig. 100 D). Der Rüssel, welcher
als Waffe und Greifwerkzeug aufzufassen ist, steht nicht mit dem
Darmkanal in Zusammenhang; letzterer nimmt seinen Anfang unten
am Vorderende (hinter der Rüsselöffnung) mit einer spaltförmigen
Mundöffnung, läuft als ein meistens mit kleinen seitlichen Aus-
stülpungen versehener Schlauch durch den Körper und öffnet sich
mit einem After am flinterende. Das Nervensystem zeigt den
gewöhnlichen Plattwurm- Typus; die Rüsselscheide durchbohrt den
die grossen Gehirnknoten verbindenden Nervenstrang; vom Gehirn
entspringt jederseits ein nach hinten ver-
laufender seitlicher Nervenstamm (welcher
zahlreiche Nervenzellen enthält); die beiden
Stämme sind bei manchen Nemertinen durch
zahlreiche feine, ober- und unterhalb des
Darmkanals verlaufende Quercommissuren
verbunden, und von ihnen gehen zahlreiche
Nerven ab. Ausser den oben genannten
Wimpergruben und Augen sind bei ein-
zelnen Nemertinen auch Gehörblasen
vorhanden. Im Gegensatz zu anderen Platt-
würrnern besitzen die Nemertinen ein Ge-
fässsystem, meistens aus 3 Hauptlängs-
stämmen bestehend, zwei seitlichen und
einem dorsalen, welche vorne und hinten scheide
mit einander in Verbindung stehen und
ausserdem durch Quergefässe verbunden sind; das Blut strömt im
Rückengefäss von hinten nach vorne, in den Seitenstämmen von vorne
Fig. 101. Schematischer Quer-
schnitt einer Nemertine. d
KüVkengefÄ«* , // Geschlechtsdrüse,
A Haut, i Dann, / SeitengetUss,
im Muskelschicht, n seitlicher Ner
veiistamin, y< Rüssel, ps Rdssel-
t'ig. 102. Drei Larven stufen einer Neincrt'me; die älteste Larve (C) ist ein sogeu.
f tUJium. < Geigsei. y Gaatrulaiuuud ; t und >' I laut einst ul|> Unheil, aus welchen ein grosser
Theil de> definitiven Nemertinenkörper* entsteht ; m Magen, oe Speiserühe. Nach Metschuikolf.
11
1R2
Specieller Theil.
nach hinten; es ist farblos oder roth gefärbt. Die Nemertinen sind fast
immer getrennten Geschlechts; die Geschlechtsorgane besitzen
einen weit einfacheren Bau als bei anderen Plattwürmern ; sowohl von
Eierstöcken wie von Hoden sind viele vorhanden, welche mit je einem
Ausführungsgang an der Seite des Körpers münden; es sind keine
Hülfsorgane vorhanden.
Einige Nemertinen durchlaufen eine Metamorphose, welche
dadurch ausgezeichnet ist, dass bedeutende Theile des Larvenkörpers
abgeworfen werden. Die Larve, welche zuweilen eine sehr eigen-
tümliche Form besitzt (Fig. 102), schwimmt frei im Meere umher.
Die Nemertinen leben grösstentheils im Meere, wo sie sich meistens
am Boden aufhalten ; einzelne im Süsswasser oder auf dem Lande.
Sie ernähren sich von anderen Thieren.
Eine in den europäischen Meeren lebende Nemertine, Linens longissimva,
erreicht bei einer Körperbreite von 8 mm zuweilen eine Länge von
13 m; die meisten Arten sind nur wenige cm oder gnr wenige mm lang.
Anhang zu den Plattwürmern:
Räderthiere {Rotatmi«).
Die Räderthiere sind meistens mikroskopisch kleine Geschöpfe,
welche in Grösse, Aufenthaltsort und Lebensweise an die Infusions-
tierchen erinnern. Die hinterste Partie des Körpers ist bei den
,l
/>'
Fig. 108. A Schein» des Baues eines weiblichen Riidcrthieres, von der Seite
genehen. Ii Desgl. eine« Männchens. « After, c (ichirn, ch coiitractile Blase, d Dotter-
stock, er Kxcrctionsorgan, k Keimstock, m Magen, o Mundöfl'nung, or Auge, r RadcrorKau.
s Schlundkopf, t Hoden, c? männliche (iesihlechtsöffnung. — Orig. (mit Benutzung von
Figuren von Plate).
meisten Räderthieren verschmälert (der Schwanz), vom übrigen
Theil (dem Rumpf) abgesetzt und mit einem Paar kurzer Anhänge
oder mit einer Haftscheibe an der Spitze versehen. Am vorderen
Ende des Körpers findet sich eine mehr oder weniger entwickelte
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Räderthiere.
1(53
(zuweilen gelappte) Scheibe, das Räderorgan, das an seinem Rande
mit kräftigen Wimperbaaren besetzt ist; das Räderorgan ist einerseits
ein Schwimmwerkzeug, andererseits strudelt es kleine Theile in die
unten liegende Mundöffnung. Der Rumpf ist bei einigen Räderthieren
von einem festen Chitinpanzer (einem verdickten Abschnitt der
den ganzen Körper bekleidenden Cuticula) umgeben, welcher mit
Dornen bewaffnet sein kann ; in anderen Fällen ist der Rumpf wie
auch der Schwanz mit feinen Quereiuschnürungen versehen, welche
eine G Ii e derun g vortäuschen, die jedoch keineswegs im Inneren
des Thieres ausgesprochen ist; der Schwanz ist oft sehr beweglich
mit dem Rumpf verbunden, so dass die Thiere mit seiner Hülfe egel-
artig fortkriechen können. Der Mund führt in einen musculösen
Schlundkopf, welcher mit mehreren kleinen Kiefern versehen ist,
die fortwährend gegen einander klappen ; der Darmkanal ist übrigens
kurz und einfach, der After befindet sich gewöhnlich auf der Rück-
seite am Grunde des Schwanzes (bei einigen Formen fehlt ein After).
Das Nervensystem ist dem der Plattw ärmer ähnlich (Gehirnknoten
am Vorderende und von demselben ausgehende Nervenstämme); ein
» oder zwei Augen finden sich öfters am vorderen Ende. Die Ex-
cretionsorgane schliessen sich eng ah die der Plattwürmer an:
es findet sich ein Paar Hauptstämme mit kleineren Aesten, deren
kolbige Endanschwellungen mit denen dir Plattwürmer übereinstimmen;
die Hauptstämme münden, meistens nachdem sie sich vorher vereinigt
und eine contractile Endblase erzeugt hnben, in den hintersten Theil
des Dannkanals, die Kloake. Ein Gefässsystem fehlt. Die Räder-
thiere sind getrennten Geschlechts; nur bei einzelnen Formen
stimmen die beiden Geschlechter in derHauptsache mit einander überein,
meistens sind sie ausserordentlich verschieden: die Männchen sind
kleiner als die Weibchen, es fehlt ihnen die Mundöffnung ganz, ihr
Darmkanal ist rudimentär, so dass sie keine Nahrung zu sich nehmen
können; es geht ihnen ein Panzer ab, selbst in den Fällen, wo das
Weibcheu einen solchen besitzt, und der Wimperapparat ist klein;
sie scheinen in geringerer Anzahl als die Weibchen aufzutreten und
sind lange nicht bei allen Gattungen bekannt. Der kurze Eileiter ')
öffnet sich in der Regel in den hintersten Theil des Darmkanals, der
Samenleiter auf der Rückenseite am Grunde des Schwanzes. Die Räder-
thiere legen zwei verschiedene Sorten von Eiern ab, nämlich dünn-
schalige Sommereier und dickschalige Wintereier, welche
letztere im Herbst gebildet werden und überwintern. *) Die Jungen
machen keine Metamorphose durch.
Ueber die systematische Stellung der Räderthiere haben lange Zweifel
obgewaltet: sie sind bald den GliederfUsslern , bald den „Würmern" zu-
gezahlt worden. Nach den in der letzten Zeit hinsichtlich ihres Baues
bekannt gewordenen Thatsachen scheint es sicher, dass sie von den Platt-
') Der (meistens unpaare) Eierstock ist nach neueren Untersuchungen in
einen eigentlichen Eierstock (Keimstock) und einen Dotterstock getheilt, welch
letzterer eine Dottermasse erzeugt, die von dem Ei aufgesogen wird.
*) Man hat vermuthet, dass nur die Wintereier befruchtet werden, während
die Sommereier unbefruchtet bleiben, dass also eine parthenogenetische Entwick-
lung bei letzteren im Gegensatz zu enteren stattfindet ; etwas Sicheres ist aber in
dieser Richtung nicht bekannt.
11*
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Specieller Theil. Räderthiere.
wUrmera abgeleitet werden müssen ; von ausschlaggebender Bedeutung ist
der Bau des Excretionsapparates , namentlich der Endäste desselben , dann
auch die Verhältnisse des Nervensystems ; der Bau der übrigen Organe
scheint jedenfalls einer solchen Zurückführung nicht zu widersprechen.
Die Räderthiere leben grösstenteils im Süsswasser, eine geringere
Anzahl im Meere. Die meisten bewegen sich lebhaft fort, einige sind
jedoch festsitzend (von einer gallertigen Hülle umgeben). Einzelne
sind Schmarotzer.
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4. Kreis. Ruildwttrmer (Nemathelminthes).
Die beiden Hauptgruppen, aus welchen der Kreis der Rund-
würmer besteht, sind derartig von einander verschieden, dass es in
der That sehr zweifelhaft erscheint, ob sie mit Recht zusammen-
gestellt werden. Beiden Gruppeu gemeinsam ist der gestreckte
cylindrische Körper und der kräftige Hautmuskelschlauch, welcher
eine wohl ausgeprägte Leibeshöhle umschliesst. Wimperhaare fehlen.
Die Geschlechter sind im Allgemeinen getrennt.
Welchem der übrigen Thierkreise die Rundwürmer sich am nächsten
anreihen, ist vor der Hand noch nicht deutlich zu erkennen : was bisher
von ihrem Bau bekannt wurde, scheint keine charakteristischen Anknüpfungen
an andere Gruppen darzubieten.
i. Ciaöse. Nematoden oder echte Rundwürmer
(Nematoda).
Der glatte Körper ist fast immer langgestreckt, cylindrisch, nicht
selten fadenförmig, gewöhnlich an beiden Enden etwas zugespitzt.
Er ist von einer dicken, elastischen, blassen
Cuticula umgeben, unter welcher eine
dünne Oberhaut liegt. Unterhalb dieser liegt
eine einzige Schicht oft sehr grosser Mus-
kelzellen von verschiedener Form; die
Muskelschicht ist jedoch von 4 sogenannten
Längslinien unterbrochen, strangförmigen
Theilen, welche der Länge nach den Körper
durchlaufen, eine in der Mitte des Rückens,
eine auf dem Bauche, eine auf jeder Seite,
und somit die Muskelschicht in vier lauge
Streifen theilen; von den vier Längslinien
sind die beiden Seitenlinien am stärksten
entwickelt. Der Darmkanal nimmt seinen Ungrfinie, d Da™, t Excretions-
Anfang am Vorderende des Thieres mit einer *m M*^eLnc!9? (Tben*
mehr oder weniger entwickelten Mundhöhle, de?BlchIItob« undeutlich) dornte
welche von einer festen Cuticula ausgekleidet Langsiinic, « Seitenlinie. — Orig.
Fig. 1(14. (Querschnitt eines
Nematoden, Schema, b ventrale
166
Specieller Theil.
ist, und an deren Rande öftere lippen- oder zahnartige Fortsätze vor-
handen sind. Der übrige Theil des Darmkanals, welcher in gerader
Linie durch den Körper verläuft, zerfällt in drei Abschnitte: ein
musculöses Schlundrohr, welches als Pumpwerkzeug fungirt, die
eigentliche Darmröhre, und den kurzen Enddarm; der After
befindet sich «auf der Unterseite, in der Nähe des hinteren Körper-
endes. Die centralen Theile des Nervensystems sind durch einen
mit Ganglienzellen ausgestatteten Nervenring um den Schlund herum
vertreten ; von diesem gehen mehrere Nervenstämme aus, unter denen
namentlich zwei hervorzuheben sind, welche nach hinten, der eine
längs der Rückenseite, der andere längs der Bauchseite, beide in der
Mittellinie, verlaufen; der ventrale Stamm endet hinten mit einem
kleinen Ganglion. Von Sinnesorganen sind die kleinen Tast-
p a p i 1 1 e n zu nennen, welche allgemein am vordersten und am hintersten
Theil des Körpers (letztere namentlich bei den Männchen) angebracht
sind; bei einigen freilebenden Nematoden hat man kleine Augen
am Vorderende gefunden. Der Excretionsapparat scheint bei
den Nematoden durch ein Paar feine Röhren vertreten zu sein, welche
in den Seitenlinien verlaufen und vorne auf der Unterseite mit einer
gemeinsamen Oeffnung ausmünden. Der Geschlechtsapparat
besteht beim Weibchen aus zwei langen, gewöhnlich stark gewundenen
Rühren , welche mit einem kurzen gemeinschaftlichen Gang auf der
Unterseite, meistens vor der Mitte der Körperlänge, ausmünden ; jeder
Schlauch besteht aus zwei, jedoch nicht scharf gesonderten Abschnitten,
dem Eierstocke und dem Eileiter, welch letzterer als Behälter, oft
auch als Brutstätte , der zahlreichen Eier dient und häufig bei dem
reifen Weibchen stark ausgedehnt ist. Beim Männchen sind Hode
und Samenleiter durch einen einzigen, in der Regel langen, gewundenen
Schlauch vertreten, welcher in den somit eine Kloake darstellenden
Enddarm einmündet; der Schlauch zerfällt in zwei Abschnitte, von
welchen der Samenleiter der weitere und kürzere, der Hode der längere
und dünnere ist. Das Männchen ist gewöhnlich mit einem Be-
gattungsorgan versehen, welches aus zwei krummen Chitinnadeln,
den sogenannten Spicula, besteht, die in je einem, in die obere
Wand der Kloake mündenden, Säckchen sitzen; die Spicula ragen
jedoch mit der Spitze in die Kloake hinein. Bei der Paarung werden
die Spicula aus dem After geschoben und in die weibliche Geschlechts-
öffnung eingeführt; bei einigen wird auch die Kloake bei derselben
Gelegenheit umgestülpt. (Ueber die speciellen Verhältnisse bei der
Trichine und bei den Strongyliden siehe unten.) Im Allgemeinen ist
das Männchen dem Weibchen an Grösse mehr oder weniger unterlegen,
zuweilen sind auch andere hervortretende Unterschiede vorhanden.
Die Nematoden legen in der Regel von einer festen Schale umgebene
Eier ab; häufig ist die Entwicklung mehr oder weniger vorgeschritten,
wenn das Ei abgelegt wird; nicht wenige sind lebendiggebärend.
Eine ausgeprägte Metamorphose wird im Allgemeinen nicht durch-
laufen, wenn auch die Jungen bisweilen von den Erwachsenen
nicht ganz unerheblich abweichen. Ungeschlechtliche Fortpflanzung
findet nicht statt.
Die meisten Nematoden sind Schmarotzer; eine nicht geringe
Anzahl, meistens kleine Formen, sind jedoch freilebend, im Süsswasser,
in feuchter Erde oder im Meere; einige in faulenden Substanzen oder
in lebenden Pflanzen. Viele der Schmarotzer leben in verschiedenen
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Rundwürmer. 1. Classe: Nematoden.
167
Perioden ihres Lebens in verschiedenen Wirthen oder eine Zeitlang
frei, zu einer anderen Zeit als Schmarotzer; überhaupt bieten die
Lebensverhältnisse dieser Thiere ein bedeutendes Interesse dar.
1. Die Spulwürmer (Ascaris). Rundwürmer von oft ansehnlicher
Grösse , am Vorderende mit drei vorstehenden , wohlentwickelten Lippen,
welche zusammen einen vom übrigen Körper abgesetzten zapfenförmigen
Theil bilden. Hierher gehören : Der Spulwurm des Menschen , A. luinbri-
r»ük8, häufig im Dünndarm, namentlich bei Kindern in grösserer Anzahl
vorhanden und dann nicht ungefährlich; auch beim Schwein. Nährt sich
wahrscheinlich vom Darmschleim (nicht Blutsauger). Ob der Wirth durch
die Ueberführung embryonenhaltiger Eier, also direkt, inficirt wird, oder
ob die Jungen zuerst einige Zeit in einem anderen (Zwischen-) Wirth ver-
leben, ist unsicher — ersteres aber nach neueren Beobachtungen das Wahr»
Bcbeinlichere. Das Weibchen wird bis 40 cm, das Männchen 25 cm
laug (beide aber meistens nur etwa halb so lang). Etwas grösser als lum-
bricoides ist die A. megalocephala des Pferdes, bedeutend kleiner die A. mystax
der Katze und des Hundes (£ bis 1 2 cm , £ bis 6 cm lang) ; die
letztere Art ist dadurch leicht kenntlich, dass sie eine flügel- oder leisten-
artige Hautfalte an jeder Seite des Vorderendes besitzt.
2. Der Pfriem enschwanz ( Oryuris venniciilaris). Mit drei rudi-
mentären Lippen ; oben und unten am Vorderende eine longitudinale Haut-
falte. 2 nrit pfriemenförmig verlängertem, schwanzartigem Hinterende,
l cm lang ; $ ohne Schwanz , kleiner und seltener als das Weibchen.
Häufig im Dickdarm des Menschen (namentlich bei Kindern), wo er sich
vom Darminhalte ernährt; öfters in sehr grosser Anzahl vorhanden und
kann dann ernste Leiden verursachen. Die Infection geschieht wahrscheinlich
einfach in der Weise, dass die Eier, welche aus dem Darme des Wirths
mit den Excrementen abgehen, zufällig in den Mund (desselben oder eines
anderen Menschen) hinein gerathen und von dort in den Magen gelangen,
wo die Schale vom Magensaft ') aufgelöst wird und das in ihr einge-
schlossene Junge frei wird. Eine weit grössere Art (0. ettmtla) im Blind-
darm des Pferdes.
3. Die Strongyliden (Gatt. Strongylun, Eustrongylus, IJorhmius
a.) zeichnen sich besonders dadurch aus, dass das Hinterende des
Männchen mit einer die Kloakenöffnung umgebenden häutigen Glocke ver-
sehen ist, welche als Haftwerkzeug während der Paarung dient; die Glocke
ist durch radiäre rippenartige Verdickungen gestützt. Spicula sind ausser-
dem wie gewöhnlich vorhanden. Die Strongyliden sind häufig Blutsauger ;
die Mundhöhle ist oft weit und mit Chitinzähnen oder -spitzen versehen.
a. Eustrongylus gigas, y bis meterlang (12 mm dick), $ bis '/« m
•*ng. Im Nierenbecken (d. h. dem vordersten erweiterten Theil des Harn-
leiters) beim Hunde, Otter, Seehunden u. a., sehr selten beim Menschen.
Lebensgeschichte unbekannt.
b. Dodimius duodenalis (Fig. 107). $ bis 2 cm lang, ^ 1 cm;
Mond mit kräftigen Hakenzähnen. Lebt als Blutsauger im Dünndarm des
Menschen; ein sehr gefährlicher Schmarotzer, findet sich in den Tropen
md in warmternperirten Ländern (Brasilien, Aegypten, Italien), ferner auch
nördlicher, z. B. an einigen Stellen in Deutschland, in Bergwerken („ägyp-
tische Chlorose**, „Grubenkrankheit"). Die Eier verlassen das Mutterthier
') Die Schale der Eier kann ebenso wenig wie die der meisten anderen
Dwipschmarotzer im Darm aufgelöst werden, sondern muss den Magen passiren,
•«mit dieses geschehen kann.
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168
Speoieller Theil.
und den Wirth des letzteren und durchlaufen ihre Entwicklung in feuchter
Erde oder Schlammpfützen, wo das Junge auch einige Zeit verlebt. Nach
kurzer Zeit kapselt es sich ein (die Kapsel besitzt die gestreckte Form
des Thieres und ist wahrscheinlich eine abgelöste Cuticula) und wird wahr-
scheinlich in diesem Zustande mit dem Trinkwasser oder in ähnlicher Weise
aufgenommen.
c. Strongylus armatiis, der Palissadenwurm (letzterer Name stammt
daher, dass ein Kranz von Chitinspitzen längs des Mundrandes sich befindet),
^ bis 5 cm, £ 2— 3 cm lang. Im Dickdarm (namentl. im Blinddarm) des
Pferdes sehr häufig. Im ersten Jugendzustand lebt er im Freien, gelangt
dann wahrscheinlich mit dem Trinkwasser in das Pferd hinein, wo er zu-
nächst in gewissen Arterien (besonders in der vorderen Gekrösearterie)
lebt, welche durch die Einwirkung des Schmarotzers bedeutende pathologische
Veränderungen erleiden (Wurm- Aneurysmen); später tritt er in den Darm
über, wo er geschlechtsreif wird. In welcher Weise die Wanderungen zu
und von der Arterie stattfinden, ist nicht näher bekannt. Weder der Auf-
enthalt des Wurmes in den Arterien noch der im Darme scheint das Wohl-
befinden des Pferdes direkt zu stören ; dagegen können geronnene Bluttheile
aus den Aneurysmen nicht selten Verstopfungen der Darmgefässe und somit
gefahrliche, oft tödtliche Krankheiten des Wirthes veranlassen. — Andere
Strongyliden leben in verschiedenen Hausthieren; darunter die gefährliche
6'. filaria in der Lunge des Schafes.
4. Der Peitschen wurm (Triehoce^halus d-ixpir), im Dickdarm (nament-
lich im Blinddarm) des Menschen sehr häufig; der vordere Theil des
Körpers zu einem langen dünnen Faden ausgezogen, welcher in die Darm-
schleimhaut eingebohrt ist; bis 5 cm lang. Das Embryo entwickelt sich
innerhalb der Eischale an feuchten Stellen oder im Wasser und kommt von
der Schale umschlossen in den Darmkanal hinein, wo das Junge die Schale
verlässt und Bich weiter entwickelt.
5. Die Trichine (Tiichina apiralü). Der Körper des geschlechts-
reifen Thieres, der sogenannten Darmtrichine, sehr dünn, ^ 3 — 3,/2 mm,
i5 l1/* mm lang; weibliche Geschlechtsöffnung weit vorne; Hinterende des
Männchens mit zwei Zapfen, die Kloake ausstülpbar, fungirt ab Begattungs-
organ, Spicula fehlen. In geschlechtsreifem Zustand im Dünndarm des
Menschen und verschiedener Säugethiere, namentlich des Schweines und der
Ratte. Die Darmtrichine gebärt im Darme des Wirths eine grosse Menge
mikroskopisch kleiner lebendiger Jungen (jedes Weibchen wenigstens ca.
1500), welche sich sofort durch die Darmwand in die Leibeshöhle desselben
Wirths durchbohren und sich von dort in die Muskeln begeben, wo jedes
Junge sich in eine Muskelfaser einbohrt, welche dadurch anschwillt; der
äussere Theil der angeschwollenen Muskelfaser erhärtet zu einer citronen-
förmigen Kapsel um die junge Trichine, welche allmählich bedeutend (bis
1 mm Länge) gewachsen ist und jetzt in der die Kapsel ausfüllenden
breiigen Masse aufgerollt hegt; die Kapsel nimmt nach einigen Monaten Kalk-
salze in sich auf und wird hart und undurchsichtig. Wenn ein Thier,
welches solche eingekapselten Muskeltrichinen enthält, von einem
anderen (bei welchem die Trichine leben kann) gefressen wird, werden die
Kapseln im Magen deB letzteren aufgelöst, die Trichinen werden frei und
entwickeln sich im Laufe weniger Tage zur Geschlechtsreife, paaren sich,
und schon eine Woche nach der Einwanderung in den neuen Wirth gebärt
die Darmtrichine ihre ersten Jungen; das $ lebt im Darm gewöhnlich nur
5 — 6 Wochen und stirbt dann ab, das gescblechtsreife Männchen lebt noch
kürzere Zeit. Als Muskeltrichinen können sie dagegen längere Zeit, bis
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Rundwürmer. 1. Claaee: Nematoden.
169
Fig. 105.
4 B Fig. 106. Fig. 108.
Fig. 105. D a r in t r i c h i ii c ii , A 9t B Vergr.
Fig. 106. II u> k el t ri c h i nc von Muskelfasern umgeben, oberhalb und unterhalb
ler Kapsel Fettzellen. Vcrgr.
Fig. 107. Duchmiua duodenali$, A B 9. Vergr.
Flg. 108. Guinea - Wurm ( Filaria mcJinntsU).
Fig. 105—108 nach 1-cuckart.
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170
Specieller Theil.
mehrere Jahre, leben; alte Muskeltrichinen fallen übrigens häufig einer
Verkalkung anbei in und sterben ab. Der Mensch wird mit Trichinen durch
den Genuss von rohem Schweinefleisch inficirt, das Schwein bekommt meistens
die seinigen, indem es Ratten frisst, letztere werden wahrscheinlich trichinös,
indem sie Abfälle von Schweiueschlächtereien oder abgestorbene Genossen
auffressen. Die Trichinen* Krankheit wird wesentlich durch die Wande-
lung der jungen Trichinen durch den Körper und durch ihren ersten Auf-
enthalt in den Muskeln verursacht: wenn die Wanderung abgeschlossen
ist und die Trichinen sich eingekapselt haben, hören die Krankheits-
symptome wesentlich auf; die Genesung erfolgt aber häufig erst sehr all-
mählich, und zahlreiche Fälle enden mit dem Tode.
6. Die Fadenwürmer (Gatt. Fibiria u. a.) sind Thiere von sehr
langgestreckter Körperform, welche in der Regel nicht im Darmkanal des
Wirths, sondern an andern Stellen des Körpers, namentlich im Binde-
gewebe leben. Hierher gehören:
a. Der Guinea- oder Medina-Wurm (F. [Dmcunculus] niedi-
nensis) lebt im Bindegewebe unterhalb der Haut oder zwischen den Muskeln
beim Menschen , jedoch nur in den warmen Theilen der alten Welt. Nur das
Weibchen ist bekannt ; es erreicht eine Länge von 80 cm. Beim erwachsenen
Thiere ist der Darm zusammengefallen und ein After fehlt (die Ernährung
geschieht durch Aufsaugen durch die Körperwand); der grösste Theil der
Leibeshöhle wird von dem kolossalen, eine Ausführungsöffnung entbehrenden
Eileiter eingenommen, in welchem mehrere Millionen Junge vorhanden sind.
Wenn das Thier vollständig entwickelt ist, bricht es durch die Haut des
Wirths an einer Stelle hindurch, wo sich durch den vom Schmarotzer er-
zeugten Reiz ein kleines Geschwür gebildet hat. Die Jungen bohren sich
in Wasserflöhe (Cycfops) hinein , in welchen sie gewisse Veränderungen er-
leiden ; der Mensch erhält wahrscheinlich den Schmarotzer, indem er zufällig
die Wasserflöhe mit dem Trinkwasser aufnimmt.
b. Filaria immUus (2 bis 25, £ bis 17 cm) im Herz und im Unter-
hautbindegewebe des Hundes; die Jungen im Blute. Häufig in Ost- Asien,
selten in Europa. — Auch im Blute des Menschen sind Filaria- Junge ge-
funden worden.
7. Merviis. Fadenförmige, afterlose Rundwürmer, welche in ver-
schiedenen Insekten leben, aus denen sie sich schliesslich herausbohren, um
ihre letzte Zeit in feuchter Erde zu verleben, wo sie geschlechtsreif werden,
sich begatten und Eier ablegen. Die Jungen bohren sich in Insekten ein. —
Eine ähnliche, aber etwas complicirtere Lebensgeschichte besitzt die in
ihrem Bau vom gewöhnlichen Nematoden-Typus sehr abweichende Gatt.
Gordiwi, welche im erwachsenen Zustande im Süsswasser lebt.
8. Die Anguillulinen sind eine Abtheilung grösstentheils sehr
kleiner Rundwürmer, welche meistens frei, entweder im Wasser, in ver-
schiedenen faulenden Substanzen oder in (an) lebenden Pflanzen leben. Als
Beispiele können folgende genannt werden:
a. Tyknchus tritiei, Weizenälchen. In Weizenkörnern findet
man zuweilen eine faserige Masse , welche bei näherer Untersuchung sich als
eine Anzahl kleiner eingetrockneter Rundwürmer erweist, die bei Anfeuch-
tung sich wieder beleben. Wenn solche, sogenannte „ Gichtkörner" mit ge-
sunden Körnern zusammen ausgesäet werden , verlassen die Rundwürmer
jene, steigen an den jungen keimenden Weizenpflanzen hinauf, an welchen
sie zwischen den Blattscheiden angetroffen werden ; zuletzt bohren sie sich
in die Fruchtknoten ein, in welchen sie geschlechtsreif werden und ihre
Eier ablegen ; aus diesen entwickeln sich die Jungen, welche in den durch
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Rundwürmer. 1. CUuwe: Nematoden.
171
Umbildung der Fruchtknoten entstandenen „Gichtkörnern" angetroffen
b. Hekrodera Sohaektü, Rübenälchen, verursacht die sogenannte
Rübenmüdigkeit. Die Larve bohrt sich in die feineren Wurzeln der Runkelrübe
(und verschiedener anderer Pflanzen) ein und entwickelt sich hier zur Geschlechts»
reife. Die reifen Weibchen, welche sich durch ihre kurze citronenformige
Gestalt auszeichnen, stecken mit dem hinteren Theil ihres Körpers aus der
Wurzel heraus, indem die Wurzel-Oberhaut durch sie gesprengt wird; die
langgestreckten reifen Männchen bohren sich dagegen ganz aus den Wurzeln
hervor und suchen die Weibchen zur Begattung auf. Das befruchtete
Weibchen wird zuletzt, indem die Organe zerfallen, zu einer mit Larven
und Eiern gefüllten Brutkapsel, welche schliesslich von der Wurzel abfallt.
c. Angttillula arrti, Essigälchen, lebt in saurem Kleister und
in Essig.
2. Classe. Kratzer {Acardkocephali).
Der Körper ist cylindrisch, gestreckt, oft querrunzelig, ziemlich
fest. Am vorderen Ende befindet sich ein Fortsatz, der sogenannte
Rüssel, welcher aus- und eingestülpt werden kann und mit mehreren
Querreihen nach hinten gerichteter Chitinhaken besetzt ist; am übrigen
Hg. 109. Hg 110.
Hg. 109. Kin Kratzer (Echinurhynchua). — Nach l.ctukart.
Hg. 110. Vier Stufen ans der Entwicklung von Echinorhynrhua proteua. Vergr. — Nach
Leuckart.
Körper oder nur am vorderen Theil desselben finden sich zuweilen
ähnliche, aber kleinere Dornen. In der Haut findet sich ein eigen-
tümliches, netzförmiges G efässsy stem, welches sich auf zwei im
vorderen Theil der Leibeshöhle befindliche, von der Körperwand ent-
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Specieller Theil. Rundwürmer. 2. dura: Krateer.
springende längliche Körper (die sogenannten Lemnisken) fortsetzt.
Ein Darmkanal fehlt völlig; die Nahrung wird durch die Ober-
fläche aufgesogen, und das Gefässsystem und die Lemnisken führen
wahrscheinlich die von der Haut aufgenommene Nahrungsflüssigkeit
weiter in den Körper hinein. Das Nervensystem ist durch einen
im vordersten Theil des Körpers (am Grunde des Rüssels) gelegenen
Nervenknoten vertreten, von welchem Nervenstämme nach vorn und
nach hinten gehen. Sinnesorgane fehlen. Beim Weibchen findet man
Eier von verschiedener Entwicklungsstufe frei in der Leibeshöhle;
es ist nur e i n Eileiter vorhanden, welcher in der Hauptsache (er hat
einen etwas complicirten Bau) ') ein an beiden Enden offener Schlauch
ist, dessen vordere Oeffnung die Eier auffängt; die hintere Oeffnung
ist die Ausfuhröffnung, welche am Hinterende des Körpers sich be-
findet. Das Männchen, welches gewöhnlich kleiner ist als das Weib-
chen , besitzt zwei Hoden, deren Ausführungsgänge sich zu einem
gemeinsamen Samenleiter vereinigen, in welchen einige Drüsen münden,
und welcher sich mit einem ziemlich weiten ausstülpbaren Sack am
Hinterende des Körpers öffnet.
Die Kratzer, welche sämmtlich zu einer Gattung, Echinorhynchm,
gestellt werden, leben im erwachsenen Zustande im Darmkanal ver-
schiedener Wirthe, besonders Säugethiere, mit dem Rüssel in der
Schleimhaut befestigt, und ernähren sich vom Darminhalte. Von
Interesse ist ihre Entwicklung. Die Eier des im Darm ver-
schiedener Süsswasserfische lebenden E. proteus (eines derjenigen
Kratzer, deren Lebensgeschichte am besten bekannt ist) gehen mit
den Excrementen der Fische ab und werden von einem kleinen Krebs-
thier (Gammanis pulex) verzehrt, in dessen Darmkanal dann aus jedem
Ei eine längliche Larve ausschlüpft; diese besitzt an ihrem Vorder-
ende einen aus etwa 10 Stacheln bestehenden Bohrapparat, vermittels
dessen sie sich durch die Darmwand in die Leibeshöhle des Krebses
einbohrt, in welcher sie dann umherwandert, wächst und allmählich
die Form des ausgebildeten Kratzers annimmt. Es ist eigenthümlich,
dass der grössere Theil des Körpers des erwachsenen Kratzers, die
Haut allein ausgenommen, sich aus einem kleinen Zellenklümpchen
entwickeln soll, welches im Innern der jungen Larve bemerkbar ist
(Fig. 110), während der übrige, weit grössere Theil der Larve sich
in die Haut des erwachsenen Thieres umbilden soll. Wenn der Krebs
von einem Fisch gefressen wird, so kommt der Kratzer in den Darm-
kanal des letzteren hinein und wird hier geschlechtsreif. — Der
Riesen kratz er (E. yigas), dessen £ eine Länge von 50 cm er-
reichen kann bis 9 cm), lebt als erwachsenes Thier im Darm des
Schweines, als Larve in den Larven des Rosenkäfers (Cetotiia aurata).
') Bemerkenswerth ist es, dass der Eileiterschlauch eine seitliche Oeffnung
besitzt, durch welche die unreifen, von der vorderen Oeffnung aufgenommenen
Eier wieder in die Leibeshöhle hinauspassiren, während die reifen Eier durch den
Schlauch weiter wandern.
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r>. Kreis. GliederwUrmer (Amewia).
Der langgestreckte, bilateral-symmetrische Körper bestellt aus
einer Anzahl Glieder oder Segm ente, welche äusserlich durch
Einschnürungen gesondert sind; die Segmente haben äusserlich und
innerlich zu einem gewissen Ann
Grade denselben Bau, wenn
sie auch nie alle gleich ge-
baut sind, indem das vor-
derste (oder mehrere der
vordersten) und das hin-
terste immer abweichend
sind; häufig sind auch son-
stige Unterschiede der Seg-
mente vorhanden, wenn sie
auch andererseits durch-
gängig selbst bei bedeuten-
der Verschiedenheit gewisse
gemeinsame Züge bewahren.
Eine dünne C u t i c u 1 a be-
kleidet den Körper. Die
Mundöffnung findet sich
dicht am vorderen Ende;
der aus mehreren Abschnit-
ten bestehende Darmka-
nal durchläuft gewöhnlich
den Körper ohne Windun-
gen, während er nicht sel-
ten mit seitlichen Ausstül-
pungen ausgestattet ist ; der
A fter befindet 8ich am hin- IH- Nervensystem verschiedener BorMcn-
teren Körperende. Die cen- wUrmcr t' Aphrodite), e Gehirn. 9 B»uch-
tralen Theile des Nerven- ßan*Hen' 0 Au^ Nad' (i"*,ref^-
Systems bestehen aus einem doppelten Ganglion oberhalb des vor-
deren Endes des Darmkanals, dem Gehirn, und zwei von diesem
ausgehenden Nervenstämmen, welche zunächst den Munddarm um-
fassen und dann neben einander unterhalb des Darmkanals, an der
Bauchwand des Körpers entlang, verlaufen; in jedem Segment
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174
Specialer Theil.
schwellen die Stämme zu je einem Ganglion an; die beiden Ganglien
eines Segmentes sind durch eine längere oder kürzere Quercommissur
verbunden. Die beiden Nervenstämme sind öfters einander dicht an-
gelagert oder gar verschmolzen, in welchen Fällen auch die Ganglien
jedes Paares innig vereinigt sind. Bei Verschmelzung mehrerer auf-
einander folgender Segmente rücken die zugehörigen Ganglien eben-
falls zusammen und verschmelzen dann öfters mit einander. Vom
Gehirn und von den genannten Bauchganglien gehen zu den ent-
sprechenden Segmenten Nerven ab. Von Sinnesorganen sind
die häufig vorhandenen Fühlfäden (Tentakel etc.) und die Augen
hervorzuheben; letztere, welche meistens einen einfachen Bau und
eine geringe Grösse besitzen, finden sich besonders am vorderen
Fig. IH.
i
Fig. 112. Vonlerer Theil des Gcfünmy-i > eine« Borstenwurms, d Racken-,
t Rauchgefass, c pulsireude Querbogen. - Nach Gegenbaur.
Fig. 113. Schcinatischer Flächenschnitt eines Borstenwurms. um die Verhältnisse der
Segmontalo rgane zu zeigen. Ds Scheidewand der Leibeshöhle (an der Hinterseite der
Scheidewund Geschlechtsorgane), Ittr Wimpcrtrichter. — Nach Semper.
Körperende, zuweilen aber auch an anderen Segmenten. Seltener
sind Gehör blasen vorhanden. Das Gefässsystem ist gewöhn-
lich sehr wohlentwickelt; in der Regel findet sich ein Längsstamm
an der Rückenseite, das Rückengefäss, und ein ähnlicher an der
Bauchseite, das Bauchgefäss, welche durch quere Grefässbögen
mit einander verbunden sind. Das Rückengefäss — zuweilen auch
einige der Querbögen — pulsirt und fungirt somit als Herz; der
Blutstrom ist im Rückengefäss von hinten nach vorne . im Bauch-
gefäss umgekehrt gerichtet. Von den genannten Gefässen gehen
feinere Aeste zu verschiedenen Theilen, zum Darm etc.. auch zu den
Kiemen, wenn solche vorhanden sind. Die Blutflüssigkeit ist meistens
gefärbt (in der Regel roth, bisweilen gelb oder grün). Das Gefäss-
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Gliederwürmer.
175
system ist bei eiuigen (Borstenwürmern) völlig von der eine besondere,
farblose Flüssigkeit enthaltenden Leibes höhle getrennt; letztere
ist durch Querscheidewände (Dissepimente) , welche den Einschnü-
rungen zwischen den Segmenten entsprechen, in Abschnitte ge-
theilt, von denen einer auf jedes Segment fallt. In anderen Fällen,
z. B. bei den Egeln, steht dagegen das Gefässsystem mit der Leibes-
höhle in Zusammenhang, welch letztere übrigens bei den Egeln von
geringem Umfange und in mehrere zu gefässähnlichen Blutbe-
hältern umgebildete Theile gesondert ist. Bei einigen Glieder-
würmern (gewissen Borstenwürmern) fehlt ein Gefässsystem völlig.
In den meisten Segmenten ist ein Paar sogenannter Segmental-
organe vorhanden , welche meistens stark gewundene , an beiden
Enden offene Drüsenkanäle sind, die in der Leibeshöhle mit einem
bewimperten, trichterförmig erweiterten Theile, dem Wimpertrichter,
ihren Anfang nehmen und unten auf der Seite ausmünden (bei den
Borstenwürmern am Grunde des Bauchfusses) ; öfters ist der äusserste,
der Mündung zunächst liegende, Theil der Segmentalorgane blasen-
förmig angeschwollen. Bei manchen Egeln fehlt die innere Oeffnung.
Diese Organe sind die Excretionsorgane der Gliederwürmer, ')
sie dienen aber auch öfters dem Thiere in anderweitiger Weise,
namentlich als Ausführungsgänge für Eier und Samen. Die Ge-
schlechtsorgane verhalten sich sehr verschieden (vergl. unten);
einige Gliederwürmer sind getrennt -geschlechtlich, andere herma-
phroditisch.
Die Gliederwürmer schliessen sich in manchen Beziehungen ziemlich
eng an die N e m e r t i n e n an, von welchen sie wahrscheinlich abzuleiten sind.
Denkt man sich, dasa die beiden seitlichen Längsnervenstämme der Nemer-
tinen auf die Bauchseite hinab und einander nahe gerückt sind, und dass
dieselben an den Abgangsstellen der Seitennerven mit Anschwellungen aus-
gestattet worden sind, so haben wir in der Hauptsache das Nervensystem der
Gliederwürmer. Das Rückengefäss der Nemertinen entspricht völlig dem
der Gliederwürmer, die seitlichen Längsgefasse der Nemertinen sind bei den
Gliederwürmern zum Bauchgefäss verschmolzen, die bogenförmigen Quer-
ge fasse sind in beiden Abtheilungen in gleicher Weise vorhanden. Manche
Ghederwürmer besitzen zwei Wimpergruben, welche denen der Nemertinen
entsprechen. Von grossem Interesse ist es auch, dass manche Gliederwurm-
larven mit einem provisorischen Excretion sapparat, den sogen. Urnieren,
versehen sind, welche jedenfalls bei manchen Borstenwurmlarven mit ganz
ähnlichen geschlossenen Endästen ausgestattet sind wie der dauernde
Excretionsapparat der Plattwürmer und ohne Zweifel diesem entspricht. —
Durch die Gliederung des Körpers, durch die eigentümlichen Segmental-
organe, durch die Ausbildung einer Leibeshöhle etc. sind aber andererseits
bedeutsame Unterschiede allen Plattwürmern gegenüber bezeichnet.
1. Classe. Borstenwürmer (Chaetopodal
Der Körper ist durch deutliche Einschnitte in eine grössere
Anzahl Glieder getheilt. Wenn man von dem letzten und den ersten
Gliedern absieht, trägt jedes Glied gewöhnlich vier sogenannte
l) Bei einigen Borsten würmern scheiden auch die Zellen des Leibeshöhlen-
Epithels Excretionsstoffe aus, welche wahrscheinlich von den Trichtern der Seg-
mentalorgane aufgenommen und durch letztere nach aussen geführt werden.
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176
Specieller Theil.
Borstenfüs8e oder Stummelbeine (Parapodia), zwei an jeder Seite
(Fig. 116). Letztere sind kurze Fortsätze von verschiedener Form,
welche je ein Bündel Chitinborsten enthalten, die in tiefen
sackförmigen Einstülpungen der Haut eingepflanzt sind; die Borsten
sind Cuticulargebilde, welche von einer grossen Zelle am Boden der
Fig. 114. Fig. 116.
Fig. 114. Schematicher Schnitt durch die Haut eines Boratenwurms. r Cuticula, tp
Oberhaut ; ep Oberhautzelle, welche die Borate, h, ausscheidet ; m Muskelschichte, m Muskel
zu dem unteren Ende des Boratensackes. — <>rig.
Fig. 115. Vorderes Ende eines Borateuwurms (Schema), h Kopflappeu, m Mundsegment
mit c, den Tentakelcirrcu ; / das folgende Segment. — Orig.
Einstülpung ausgeschieden sind; durch Muskeln, welche sich am
unteren Ende der Borstensäcke anheften, können die Borstenbündel
bewegt werden. Die Borsten haben verschiedene, oft zierliche
Formen; zuweilen ist der äusserste Abschnitt von dem schaftartigen
A B C D
Fig. 116. Schematische Querschnitte verschiedener Borstenwürmer. In B sind der
obere und der untere Borstenfuss verwachsen, in 0 ist der obere (mit Ausnahme des Cirrus)
rudimentär, in D (Regenwurm) sind die Borstenftlsse uur von je zwei Boraten reprttaentirt.
u Stütznadel, y Kieme, t Klicken-, t Bauchcirrus. — Orig.
Haupttheil gesondert und mit ihm beweglich verbunden; oft ist die
Spitze hakenförmig gebogen, oder der Endabschnitt kann kämm-
förmig sein etc.; die Borsten können sehr lang sein, so dass sie als
lange dünne Haare erscheinen, oder sie sind sehr kurz etc. In
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Gliederwürmer. 1. Clawe: Boratenwürmer.
177
jedem Borstenbündel befindet sich bei sehr vielen Borstenwürmern
eine eigenthümlich entwickelte, dicke und steife, dunkelgefärbte
Borste, welche weit tiefer als die übrigen eingepflanzt ist, die Stütz-
nadel {Acieulum), Sehr häufig sind die beiden Borstenfüsse der-
selben Seite entweder in ihrer ganzen Länge oder nur an der Basis
mit einander verwachsen , so dass scheinbar nur e i n Borstenfuss
jederseits vorhanden ist; jeder hat aber, selbst wenn sie derartig
verwachsen sind, sein Borstenbündel und seine Stütznadel. In
anderen Fällen ist der obere Fuss, der Rückenfuss, rudimentär oder
fehlt ganz. Zuweilen sind die Borstenfüsse gelappt, gross und kräftig
entwickelt; in anderen Fällen sind sie ganz niedrige Hautwarzen oder
fehlen als besondere Fortsätze ganz und sind nur durch die zuge-
hörigen Borstenbündel dargestellt, welche dann direkt der Körper-
wand eingepflanzt sind (wie z. B. bei den Regenwürmern). Sehr
selten kommt es vor, dass die Stummelbeine zwar vorhanden, aber
borstenlos sind; bei einigen Formen fehlen an einigen Segmenten
Borstenfüsse vollständig. Von der oberen Seite des Rückenfusses
und von der unteren des Bauchfusses entspringt am Grunde häufig
ein fühlerartiger Anhang, der Rückencirrus resp. der Bauch-
cirrus; bei gewissen Formen sind die Rückencirren an einigen oder
allen Segmenten zu grossen, den Rücken überdeckenden Blättern
umgebildet.
Die beiden vordersten Segmente verhalten sich abweichend. Das
erste Segment, der Kopflappen, welches über die Mundöffnung
hervorragt, besitzt keine Borstenfüsse, sondern eine Anzahl (meistens
1 - 9 , bei manchen Röhrenwürmern eine weit grössere Anzahl , bei
zahlreichen anderen Borstenwürmern dagegen gar keine) meistens faden-
förmige Anhänge, sogenannte Palpen und Tentakel. Das zweite
Segment, das Mundsegment, welches meistens die Mundöffnung
trägt (zuweilen ist diese übrigens weiter nach hinten gerückt), ist jeder-
seits mit einem rudimentären Borsten fuss ausgestattet, welcher wenige
oder keine Borsten trägt, während ihm dagegen ein oder zwei wohl-
entwickelte, nach vorn gerichtete Girren, die sogenannten Tentakel -
cirren, angefügt sind. Mit dem Mundsegment, dessen Anhänge
übrigens ebenso wie die des Kopflappens ganz fehlen können, sind
häufig ein oder mehrere der folgenden Segmente innig verbunden,
und die Borstenfüsse und Cirren der letzteren sind dann denjenigen
des Mundsegmentes mehr oder weniger ähnlich. Häufig sind das
Mundsegment und die folgenden Segmente stark zusammengeschoben
und schwierig zu unterscheiden. — Das letzte Körpersegment ist
borstenlos und häufig mit zwei langen Anhängen, den Analcirren,
ausgestattet.
Die Haut ist mit einer dünnen zusammenhängenden Cuticula
bedeckt, trägt aber trotzdem häufig an begrenzten Stellen W imp e r-
haare. Die Haut mit den unterhalb derselben befindlichen Muskel-
schichten bildet einen kräftigen Hautmuskelschlauch, welcher
eine geräumige Leibeshöhle umschliesst; letztere ist sehr häufig
durch quere Scheidewände (Dissepimente), welche den Einschnitten
zwischen den Segmenten entsprechen, in eine Reihe von Abschnitten
getheilt.
Der vorderste Abschnitt des Darmkanals ist gewöhnlich ein
musculöser Schlund, welcher rüsselartig vorgestülpt werden kann;
Bot,, Zoolotfe. 19
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178
Specieller Theil.
er ist häufig mit Chitinzähnen oder -haken in grösserer oder
kleinerer Anzahl versehen. Der übrige Theil des Darmkanals ist
meistens ein gerader Schlauch mit schwachen Einschnürungen an den
Stellen, wo er durch die Scheidewände der Leibeshöhle hindurchtritt,
seltener ist er gewunden, bei einigen kurzen Formen („Seeraupen")
ist der gerade Darm mit einer doppelten Reihe von Blindsäcken aus-
gestattet. Der After hat seiuen Platz an der hinteren Spitze des
Körpers oder auf der Oberseite nahe dem Hinterende.
Die Augen, welche übrigens bei vielen Borstenwürmern fehlen,
finden sich gewöhnlich in einer Anzahl von 2 oder 4 auf dem Kopf-
lappen, zuweilen aber an anderen Theilen des Körpers, bei gewissen
Röhrenwürmern * z. B. an den auf dem Kopflappen sitzenden faden-
förmigen Anhängen, oder bei einzelnen anderen Formen an mehreren
der Körpersegmente. — Ein Paar (oder mehrere Paare) Gehör-
blasen finden sich bei einigen (z. B. beim Sand wurm) in der Nähe
des Gehirns.
Kiemen von verschiedener Form — büschel-, kämm-, fadenförmig
— sind bei einem Theil der Borstenwürmer an einer grösseren oder
kleineren Anzahl von Segmenten vorhanden, auf jedem Segment ein
Paar; sie haben ihren Platz auf der Rückenseite, an der Basis des
Rückenfusses. Bei vielen Röhrenwürmern (Serpula u. a.) fungiren die auf
dem Kopflappen sitzenden Fäden zugleich als Kiemen. Die Mehr-
zahl der Borstenwürmer besitzt aber keine besonderen Athmungs-
organe.
Die Geschlechtsorgane verhalten sich sehr verschieden bei
den beiden Hauptabtheilungen, in welche die Borsten würmer getheilt
werden: den Polychäten und den Oligochäten. Die ersteren
sind fast immer getrennten Geschlechts; Eier und Samen-
körperchen werden bei ihnen an der Innenseite der Körperwand oder
an den Scheidewänden, in der Regel in einer grösseren Anzahl von
Segmenten gebildet, so dass sie also viele Eierstöcke oder Hoden be-
sitzen, welche übrigens nicht als wohl begrenzte Organe, sondern nur
als verdickte Stellen der Wand erscheinen ; die Eier und der Samen
fallen in die Leibeshöhle und werden durch die Segmental organe aus-
geführt. Die Oligochäten sind dagegen hermaphroditisch, und
die Eierstöcke und Hoden, welche abgegrenztere Organe sind, finden
sich nur in wenigen Segmenten, ein Paar in jedem Segment; von Eier-
stöcken findet sich im Ganzen nur ein Paar, von Hoden ein oder
zwei Paare. Die Oligochäten sind ferner dadurch abweichend, dass Eier
und Samen von besonderen Kanälen ausgeführt werden, welche sich
übrigens ebenso wie die Segmentalorgane mit einem Wimpertrichter
in die Leibeshöhle öffnen ; in denselben Gliedern sind aber ausserdem
Segmentalorgane vorhanden, und jene Kanäle stellen somit nicht
Segmentalorgane dar. Statt der Eileiter ist bei einigen Oligochäten
nur ein Paar Spalten der Körperwand vorhanden.
Bei den Regenwürmern entwickeln sich die Samenkörperchen nicht bis
zur Reife in den Hoden selbst, sondern die Zellen, aus welchen sie ge-
bildet werden, lösen sich von den Hoden ab und werden in eine Anzahl
besonderer, an der inneren Körperwand angebrachter Säcke (Samenblasen)
aufgenommen , welche mit je einer kleinen Oeffnung in die Leibeshöhle
münden; hier wandeln sie sich zu Spermatozoon um. Bei einigen
Regenwürmern finden sich ähnliche Behälter auch flir die Eier. — Bei den
Regenwürmern (und anderen Oligochäten) sind ferner einige Säcke (Samen-
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Gliederwürmer. I. ClaBse: Borstenwürmer.
179
taschen) vorhanden, welche auf der Oberfläche des Thieres, aber nicht in
die Leibeshöhle, münden, und welche während der wechselseitigen Paarung
den Samen von dem anderen Individuum aufnehmen.
Bezüglich des Nervensystems, des Gefässsy stenis und
des Excretionsap parates wird auf das über die Gliederwürmer
im Allgemeinen Mitgetbeilte hingewiesen.
Die Entwicklung der Polychäten ist mit einer ausgeprägten
Metamorphose verbunden, welche den Oligochäten abgeht. Die
Polychätenlarven sind frei schwimmende, mit Wimperhaaren ausge-
stattete Thiere; das Wimperkleid ist bei einigen über den ganzen
Fig. 117.
Fig. 117. Schematiche Darstellung des Ueschlechtsapparates eine« Regen-
wurms: das Thier ist in der Mittelline des Kückens aufgeschnitten und ausgebreitet. 8 — 14
»chtes — vierzehntes borstentragendes Segment, o Eierstock, od Kileiter, sh Samenblase,
»9 Samentasche, t Hoden, rd Samenleiter, rd' dessen äusseres Ende, a- Eierbehttlter. Die
tjuerlinien deuten die Scheidewände an. — Orig.
Fig. 118. Larve von Nerei». a After, m Mund, o Auge. — Nach Götte.
Körper gleichmässig verbreitet; bei anderen findet sich ein starker
Wimperreif an dem oft scheibenförmig verbreiteten Vorderende, öfters
ausserdem einer am Hinterende; oder es ist eine grössere Anzahl
Wimperreifen vorhanden , etc. Der Larvenkörper ist anfangs kurz,
Borstenfüsse sind keine oder wenige vorhanden ; dann streckt er sich
etwas in die Länge, theilt sich in einige wenige mit Borstenfüssen
ausgestattete Segmente; allmählich wird die Länge bedeutender, die
Anzahl der Segmente und der Borstenfüsse grösser. Zuweilen sind
bei Gliederwürmern, denen als Erwachsenen Augen und Gehörblasen
abgehen, solche im Larvenzustande vorhanden.
Eine ungeschlechtliche Fortpflanzung kommt bei einer
nicht geringen Anzahl Borstenwürmer beider Hauptgruppen vor. In
einzelnen Fällen findet eine einfache Querth eilung statt; das Thier
12*
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Specieller Theil.
theilt sich quer durch in zwei ungefähr gleich grosse Theile, von welchen
der hintere vor der Trennung an seinem vorderen Ende einen neuen
Kopflappen, eine Mundöffnimg etc. bildet, während das vordere ein
neues Hinterende erhält. In anderen Fällen haben wir es mit einer
Sprossung zu thun : das hinterste Segment oder eine Anzahl der
hinteren Segmente strecken sich in die Länge und entwickeln sich
zu einem neuen Individuum, welches sich nachher vom mütterlichen
Individuum abtrennt. Zuweilen
fängt das letztere schon vor der
Ablösung des neuen Individuums
an, aus seinem jetzigen Hinterende
ein zweites neues Individuum zu er-
zeugen (vor dem erstgebildeten),
was sich wiederholen kann, so dass
wir Ketten bekommen, welche je
aus einem vordersten Mutterindivi-
duum und mehreren Knospen be-
stehen, von denen die hinterste
die älteste und längste, die der
Mutter zunächst sitzende die jüngste
ist (Fig. 119). Es ist übrigens leicht
einzusehen, dass eine scharfe Grenze
zwischen Theilung und Kuospung
bei den Borstenwürmern nicht ge-
zogen werden kann; in beiden
Fällen wird eine Anzahl der hin-
teren Glieder des ursprünglichen
Individuums zu einem neuen In-
dividuum; im ersteren Fall geht
eine grössere Anzahl Segmente in
das neue Thier über, im letz-
teren Fall eine geringere Anzahl
oder ein einziges. — Bei einigen
Borstenwürmern hat man gefunden, dass die Sprossen erzeugenden
Individuen keine Geschlechtsstoffe entwickeln, während dieses bei
den durch Sprossung erzeugten der Fall ist, so dass wir in diesem
Fall einen regelmässigen Generationswechsel haben; in anderen
Fällen werden aber beide Sorten von Individuen geschlechtlich.
Eine seitliche Sprossung ist bis jetzt nur bei sehr wenigen (polychiten )
Borstenwürmern beobachtet worden. Einer derselben (SyUis ramosä) ist
eine ungemein langgestreckte Form, deren Sprossen, während sie noci mit
dem Mutterthier in Zusammenhang stehen, wiederum Knospen erzeugen,
so dass der ganze Wurmstock ein merkwürdiges verzweigtes Aussehen be-
kommt.
Fig. 119. Kettenbilden der Borsten-
wurm (Myrianida fasciata)% mit sehr laugen
ROokencirren. — Nach H, Milne Edwards.
1. Ordnung. Polychäten {Polychaeta).
Der Kopf läppen und das Mundsegment gewöhnlich mit Anhängen
(Cirren etc.); Augen häufig vorhanden. Die Borsten sitzen in uirk-
lichen Fussstummeln, welche häufig mit Cirren ausgestattet sind.
Kiemen können vorhanden sein. Getrennten Geschlechts (mit einz« Inen
Ausnahmen). Metamorphose.
Die Polychäten bilden eine sehr umfangreiche Abtheilung, c eren
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Gliederwürmer. 1. Classe: Boratenwürmer.
181
Mitglieder im Meere leben, wo sie meistenteils auf dem Grunde
umherkriechen oder in den weichen Boden eingegraben sind; einige
bohren sich sogar in festere Theile ein. Eine bedeutende Anzahl
leben in Röhren, welche in vielen Fällen aus fremden Theilen be-
stehen : Schlamm, Thon, Sand, Steinchen, kleineren oder grösseren Frag-
menten von Schnecken- und Muschelschalen, Rhizopodenschaleu etc.,
welche durch das Secret gewisser Hautdrüsen zusammengekittet werden;
die einzelnen Theilchen sind entweder mehr unregelmässig verbunden
oder zierlich, mosaikartig an einander gefügt. Manchmal ist das
Thier von einer chitinartigen, von den Hautdrüsen abgesonderten
Röhre umgeben, welcher fremde Körper angeklebt sind; in anderen
Fällen besteht die Röhre allein aus dem erhärteten Secrete der Haut-
drüsen und ist dann entweder chitinartig oder kalkig. Die Röhre
verlängert sich in dem Maasse wie das Wachsthum des Thieres fort-
schreitet; an den Kalkröhren kann man ebenso wie an Schnecken-
schalen die Zuwachslinien deutlich erkennen. Die Röhren sind ent-
weder fremden Gegenständen angeheftet oder liegen frei; selten ist
das Thier im Stande, die Röhre mit sich zu schleppen. — Manche
Polychäten sind im Stande im Wasser umherzuschwimmen (wenn sie
auch vorzugsweise kriechende Thiere sind); nur verhältnissmässig
wenige sind echte pelagische Formen. Unter diesen sind manche,
wie so viele andere pelagische Thierformen, prachtvoll wasserhell,
einige auch mit für Anneliden riesigen Augen ausgestattet.
Die meisten Polychäten sind Schlammfresser und ernähren sich
von den im Schlamm enthaltenen kleinen Organismen, andere ver-
zehren kleine Krebsthiere, Schwämme etc., wenige ernähren sich von
Tang oder anderen Algen.
Als Beispiele führen wir folgende Formen an:
1. Die Nereiden (Xereis) haben eine sehr gestreckte Körperform.
Der Kopflappen ist mit 4 kleinen Augen ausgestattet. Rücken- und Bauch-
fuss der Körperringe sind mit einander verschmolzen ; Rücken- und Bauch-
cirrus vorhanden, Kiemen fehlen. Der Rüssel besitzt ein Paar starker
Chitinkiefer. Die Haut irisirt ebenso wie die der Regenwürmer. Eine Art
dieser Gattung (Ar. diversicolor) ist in der Nord- und Ostsee häufig am
Strande, wo sie kriechend, schwimmend oder in den Sand eingebohrt an-
getroffen wird.
2. Die Seeraupen (Polynohlae), deren Körper meistens im Verhältniss
zu demjenigen anderer Borstenwürmer sehr kurz und breit ist, zeichnen sich
besonders dadurch aus, dass die Rückenseite von einer verschiedenen Anzahl
grosser, schuppenartiger Hautplatten überdeckt ist; diese Schuppen sind
umgebildete Rückencirren und sind nur an einigen Segmenten vorhanden,
während die übrigen Körpersegmente mit Rückencirren von gewöhnlicher
Form ausgestattet sind. Kiemen fehlen. Hierher gehören : Pohpto'c mjua-
viala mit rauhen höckerigen Rückenplatten, in der Nordsee und in der
westlichen Ostsee sehr häufig. Ferner die Seemaus (Aphrodite cvitlcata),
deren Rückenschuppen von sehr langen , filzartigen, den Rückenfüssen an-
gehörigen Borsten bedeckt sind, welche wie eine verfilzte Wergschicht über
den Rücken ausgedehnt ist; andere Rückenborsten sind dünne metall-
glänzende Haare, and wieder andere steife, dicke dunkle Stacheln. In der
Nordsee.
3. Der Sandwurm (Armicola pincatorum). Der vordere Theil des
cylindrischen Körpers etwas angeschwollen, Haut rauh, Kopflappen und
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182
Specieller Theil.
Mundsegment ohne Anhänge , Augen fehlen. Rücken- und Bauchfuss ge-
trennt, kurz ; letzterer ist ein niedriger Querwall mit wenig hervorstehenden
Hakenborsten ; beide ohne Cirren. Kiemen sind nur am mittleren Theil
des Körpers vorhanden, hier aber wohlentwickelt. Am hinteren Drittel
des Körpers fehlen die Borstenfüsse. Der Rüssel ohne Zähne. Der Sand-
wurm lebt in den Sand eingegraben dicht am Strande; er verschluckt den
Sand wegen der in demselben enthaltenen organischen Theile, die Excremente
werden oben auf dem Boden abgelegt. Sehr häufig in der Nord- und Ostsee.
4. Die Kalkröhrenwürmer (Setyula) leben in festsitzenden Kalk-
röhren, welche entweder unregelmässig gekrümmt oder spiralig gewunden
sind. Aus der Röhre steckt das Thier, wenn es ungestört ist, eine grosse
Anzahl von langen, mit je einer doppelten Reihe feiner Seitenäste aus-
gestatteten Fäden, welche in zwei Gruppen auf dem Kopflappen angebracht
sind; die genannten federformigen Fäden fungiren theils als Kiemen, theils
treiben die an denselben vorhandenen Wimperhaare mikroskopische Orga-
nismen in den Mund hinein. Einer der Fäden ist besonders kräftig, ohne
Seitenäste und mit einem kalkigen Deckel von verschiedener Form am
Ende versehen. Wenn das Thier gestört wird, zieht es sich sammt dem
ganzen Fadenbüschel in die Röhre zurück, und der Deckel passt dann in
die Oeffnung der Röhre. Am vorderen Theil des Thieres sind die Rücken-
füsse mit Haarborsten, die Bauchfüsse mit Hakenborsten versehen, während
am grösseren hinteren Theil des Körpers das Umgekehrte der Fall ist.
Mehrere Arten in der Nordsee auf Seepflanzen, Steinen etc.
2. Ordnung. Oligochäten (Oligochaeta).
Der Kopflappen und das Mundsegment fast immer ohne Anhänge.
Die Borstenfüsse sind nur durch die Borstenbündel vertreten (in jedem
Bündel nur wenige Borsten) ; keine Cirren. Kiemen fehlen. Herma-
phroditen. Keine Metamorphose.
Die Oligochäten leben mit wenigen Ausnahmen im Süsswasser
oder in der Erde. Im Vergleich mit den Polychäten ist es eine an
Arten ziemlich arme Abtheilung.
1. Die Regenwürmer (Lumbricus) haben einen gestreckten, cy-
lindrischen, vorne zugespitzten Körper. Die Segmente sind mit je 4 Borsten-
bündeln ausgestattet, in jedem Bündel sind aber nur 2 Borsten vorhanden.
Augen fehlen. Etwas vor der Mitte findet sich eine, mehrere Segmente
umfassende, verdickte Hautpartie, der Gürtel (Clitcäum), welcher eine grosse
Anzahl Drüsen enthält, deren zähes Secret die Individuen während der
Paarung zusammenhält und vielleicht auch die Cocons bildet, in welchen
die abgelegten Eier eingeschlossen sind (in jedem Cocon eine Mehrzahl
von Eiern). Der Schlund ist nicht ausstülpbar und Kiefer fehlen. — Die
Regenwürmer leben in verschiedenen Arten in der Ackererde, in welcher
sie Gänge bohren und welche sie fressen ; ausserdem verzehren sie auch
abgestorbene Pflanzentheile, deren Auflösung sie befördern, indem sie die-
selben in ihre Röhren hineinziehen und mit einer speichelartigen Flüssigkeit
übergiessen. Die Excremente werden grösstentheils auf der Erdoberfläche
abgelegt, wohin die Regenwürmer sich wesentlich nur Nachts begeben.
In strenger Kälte sowie bei sehr starker Hitze verlassen die Regenwürmer
die Ackererdschicht und gehen in den Untergrund hinab; hier sind lange,
ungefähr senkrechte, mit einer Excrementschicht ausgefütterte Gänge vor-
handen, welche unten mit einer kleinen Erweiterung versehen sind, in
welcher der Regenwurm in einem schlafahn liehen Zustande bis 2 — 3 m
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Gliederwürmer. 1. Classe: Borstenwürmer.
183
unterhalb der Oberfläche liegt. — Durch ihre soeben beschriebene Lebens-
weise, besonders dadurch, dass sie die Ackererde in ihren Darmkanal auf*
nehmen und dieselbe wieder auf der Oberfläche in Form ihrer körnigen
Excremente ablegen, tragen die Regewürmer mehr als irgend welche andere
Thiere zu der natürlichen Bearbeitung der oberen Erdschicht bei und er-
langen dadurch eine hervorragende Bedeutung in der Natur. An Stellen,
welche z. B. wegen des Mangels eines passenden Feuchtigkeitsgrades von
den Regenwürmern verlassen werden , ändert sich die Beschaffenheit der
oberen Erdschicht und sie nimmt einen torfartigen Charakter an; ist dies
in einem Walde der Fall, so ist das Resultat, dass die natürliche Verjüngung
(durch Selbstaussaat) ausbleibt, und der Wald wird dann, wenn der Mensch
nicht eingreift, allmählich zur Haide umgewandelt.
2. Die Na 'i den (Xäis) sind kleine (selten mehr als 1 cm lang«),
dünne, durchsichtige Würmer, welche meistens mit 2 Augen auf dem Kopf-
lappen ausgestattet sind; die Borstenbündel des Rückens mit langen Haar-
borsten, die des Bauches mit kürzeren Hakenborsten. Ungeschlechtliche
Fortpflanzung findet häufig statt. Leben im Süsswasser zwischen Wasser-
pflanzen. — Mit diesen verwandt ist der Tubifex rivulorum, welcher häufig
im Süs&wasser gefunden wird , wo er im Schlamme in einer Röhre lebt,
aus welcher das röthliche Thier, so lange es ungestört ist, den hinteren
Theil des Körpers in schwingender Bewegung hervorgestreckt hält. Häufig
viele Exemplare neben einander, so dass die Oberfläche des Schlammes
stellenweise roth gefärbt erscheint ; in Folge der leisesten Bewegung des
Wassers verschwindet die rothe Farbe, indem die Thiere sich zurückziehen.
Unter dem Namen Gephyreen oder Sternwürmer (Gqthyrea) wird
gewöhnlich eine Anzahl wurmartiger Geschöpfe als besondere Classe der
Gliederwürmer aufgeführt. Nach Ausscheidung einiger früher zu den
Gephyreen gezählten Formon, welche sich als Weichthiere erwiesen haben,
Bind die noch übriggebliebenen jetzt allgemein als aberrante, eigen-
thümlich ausgebildete Borstenwürmer erkannt worden. Einige der-
selben besitzen noch ähnliche Borsten wie die Borstenwürmer, welche
aber in geringer Anzahl vorhanden und nicht bündelweise angeordnet
sind. Eine äussere Gliederung fehlt durchweg ; statt der doppelten
ßauchganglienkette ist ein einfacher starker Nervenstrang ohne Ganglien-
anschwellungen vorhanden, welcher sich vorne in zwei den Munddarm um-
greifende Stränge spaltet, die sich mit dem oftmals sehr wenig ausgebildeten
Gehirn verbinden. Die Segmentalorgane sind sehr gross, aber nur
in geringer Anzahl vorhanden, höchstens 3 Paare, oft nur 1 Paar oder nur
ein einziges Segmentalorgan; sie dienen als Ausführungsgänge der an der
Wand der Leibeshöhle gebildeten Geschlechtsstoffe. Die Gephyreen sind
getrennten Geschlechts. Sie durchlaufen eine ähnliche Meta-
morphose wie die typischen Borstenwürmer ; hervorzuheben ist, dass in
einem Jugendstadium zuweilen eine Gliederung des Körpers angedeutet ist.
Sie führen eine ähnliche Lebensweise wie die Mehrzahl der anderen Borsten-
wärmer und gehören alle dem Meere an. — Eine der interessantesten Formen
der Gephyreen ist die in verschiedenen europäischen Meeren (z. B. im
Mittelmeer) vorkommende Bondlia viridis. Das Weibchen dieser Form
besitzt am vorderen Ende des kurzen sackförmigen Körpers einen sehr
langen tentakelähnlichen Kopflappen, dessen vorderes Ende gabelförmig ge-
theilt ist (Körper 5 cm, Kopflappen ausgestreckt 1 — 2 m lang); nur 2
Borsten, 1 Segmentalorgan. Das zwerghafte Männchen verhält sich ganz
anders; es ist 1—2 mm lang, einem Strudelwurm ähnlich, ringsum be-
184
Specieller Theil.
wimpert , ohne Mund und After , ohne Kopflappen etc. ; es hält sich im
Segmentalorgan des Weibchens auf.
2. Classe. Egel {Discophora).
Der Körper ist im Allgemeinen etwas abgeplattet, mit scharfen
Seitenrändern, seltener cylindrisch. Die Segmente sind äusserlich durch
Querrunzeln ein jedes in mehrere kleine Ringel getheilt, so dass die
Anzahl der Segmente anscheinend mehrmals grösser ist als in Wirk-
lichkeit (Aehnliche8 findet man auch bei einzelnen Borstenwürmern).
Borstenfüsse und Borsten fehlen immer; mit einer einzigen
Ausnahme sind auch keine Kiemen vorhanden. Das hintere Ende
des Körpers ist zu einem kräftigen Saugnapf umgebildet; um die
Mundöffnung herum findet sich ebenfalls eine Haftscheibe, welche bei
einigen ebenso wie die hintere napfförmig ist, während sie bei anderen
aus einer längeren, gegliederten Oberlippe und einer kürzeren Unter-
lippe besteht.
Der Darmkanal besteht aus drei Abschnitten, dem Schlund,
dem Chylu8darm und dem Enddarm. Bei der einen Hauptabtheilung,
Fig. l ;:<'. Dannkanal, Nervensystem und Excrctionsorgane eines Kgels in den L'mrias
des Thicres eingezeichnet, a After, b Dannblindsack, c Gehirn, e Euddann, >j Bauchganglion,
t» Saugnapf, te Segmentalorgane. — Nach Leuckart.
den Kieferegeln, ist der Schlund musculös und vorne mit drei hervor-
tretenden chitinisirten Längsfalten, den Kiefern versehen, welche an
ihrem scharfen Rand mit Zähnchen ausgestattet sind, so dass sie als
kleine Sägen benutzt werden können, um ein Loch in der Haut der
Beute hervorzubringen; darauf fängt das Einpumpen der Körper-
liüssigkeiten der letzteren an, welches durch den Schlund bewerk-
stelligt wird. Bei der anderen Abtheilung, den Rüsselegeln, ist da-
gegen am hinteren Ende des dünnwandigen Schlundes eine dünne
musculöse Röhre, der Rüssel, festgeheftet, welcher aus der Mund-
öffnung hervorgestreckt werden kann (vergl. den Rüssel der Strudel-
würmer). Der Chylusdarm ist eine weite gerade Röhre, welche
fast immer mit einer grösseren oder geringeren Anzahl paariger Blind-
säcke versehen ist. Der Enddarm ist enger (zuweilen ebenfalls mit
Blindsäcken) und öffnet sich auf der Rückenseite oberhalb des Sang-
napfes.
Eine Anzahl Augen findet sich allgemein am vorderen Ende
des Thiere8, bei einigen Fischegeln ausserdem noch am Hinterrande
des hinteren Saugnapfes. Am vorderen Ende der Egel sind ferner
kleine sogenannte becherförmige Organe vorhanden, welche Sinnes-
organe von unbekannter Function sind.
Die Egel, welche immer Zwitter sind, besitzen zwei längliche
oder rundliche Eierstöcke, welche sich mit einem gemeinsamen
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Gliederwürmer. 2. Glosse: Egel.
185
-o«j
4
O
Ausfuhrungsgang weit vorne auf der Bauchseite öffnen ; in den Eileiter
münden Eiweissdrüsen. Die rundlichen Hoden sind in grösserer
Anzahl vorhanden, es finden sich deren 6—12 Paare, jedes Paar in
einem Segment; jederseits verläuft ein langer Samen-
leiter, in welchen sämmtliche Hoden derselben Seite mit
je einem kurzen Gang einmünden; beide Samenleiter
vereinigen sich zuletzt und münden mit einer unpaaren
Oeffnung vor der weiblichen Geschlechtsöffnung. Meistens
ist ein Begattungsorgan vorhanden. — Die Eier werden
in chitinartigen Kapseln (Cocons) abgelegt, welche
meistens je mehrere Eier und Eiweiss umschliessen ; die
Kapseln, welche von einem erhärteten Secret der Haut-
drüsen gebildet sind, haben entweder eine glatte Ober-
däche oder sind, wie beim medicinischen Blutegel, von
einem schwammigen Ueberzug (gehärteten schaumartigen
Schleim) bedeckt. Wenn die jungen Egel die Cocons ver-
lassen, sind sie den erwachsenen ähnlich.
Jedes Ei ist natürlich von einer Eihülle umgeben, welche
bei den Kieferegeln, deren Eier sehr klein sind, früh von
dem Embryo gesprengt wird; der junge Egel liegt dann frei
im Eiweiss und wächst schnell heran, indem er das Eiweiss
verschluckt. Er ist in diesem Stadium sehr von seiner
späteren Gestalt abweichend und besitzt mehrere provisorische
Organe (einen Schlund , Muskeln etc.) , welche zu Grunde
gehen und von bleibenden Organen ersetzt werden, ehe da*
Thier den Cocon verläsBt. Der Kieferegel durchläuft somit
gewissermassen eine Metamorphose innerhalb des
Cocons. — Bei den Rüsselegeln, deren Eier grösser sind,
findet solches nicht statt.
Die Egel, welche in Vergleich mit den Borsten-
würmern eine kleine und formenarrae Gruppe bilden,
sind verhältnissmässig reich im Süsswasser vertreten, »traug, » Eicr-
doch gehört auch eine bedeutende Anzahl dem Meere ?*fiud"n^lt£
an; einige leben auf dem Lande (in den Tropen), andere monioiTcr, r« be-
gehen jedenfalls häufig auf das Ufer hinauf. Sie leben wundencr Thon
vom Raub oder saugen in halbparasitischer Weise das derselben, «/Dru-
Blut lebendiger Säugethiere ; einige sind wirkliche Schma- ^f/'sPp",!el~
rotzer. Sie kriechen in allbekannter Weise mittels der ÄC pe"K'c '
Saugnäpfe umher, sind aber auch im Stande mittels Biegungen des
Körpers zu schwimmen.
1. Kieferegel (GnothobdcUidat). Mit Kiefern. Vordere Haftscheibe
in eine längere Oberlippe und eine kürzere Unterlippe gesondert. Eier
klein ; die Jungen durchlaufen eine Art Metamorphose innerhalb des Cocons.
Alle im Süsswasser oder auf dem Lande.
a. Der Blutegel (Hirudo mcdicinalis) wird in verschiedenen Farben-
abänderungen an verschiedenen Stellen in Europa im Süsswasser gefunden
(auch in Deutschland). Seine Kiefer sind sehr kräftig, mit spitzen Zähnchen.
Die Grundfarbe ist oben schmutzig gelbbraun, die Bauchseite heller, ge-
fleckt; auf der Rückenseite rothe Längsstreifen mit dunkleren Flecken.
10 Augen. Die schwammigen Eierkapseln werden auf dem Lande, am Ufer,
abgelegt. — Derselben Gattung 'gehört der berüchtigte ostindische Land-
blutegel (H. ceyhnica) an. — Verwandt ist ferner der dem Blutegel in
Gestalt und Grösse ähnliche Jlaemojns vortue, welcher in Südeuropa und
Fig. 121. (le-
üchlechtsorgane
eines Egels, n
RiMichncrven-
186
Specieller Theil.
Nordafrika einheimisch ist, häufig in die Nasenhöhle, den Schlundkopf und
den Kehlkopf verschiedener Säugethiere beim Trinken kommt und zu ge-
fährlichen Zufällen Veranlassung geben kann.
b. Der Pferdeegel {Aiilutomum <julo), in den süssen Gewässern
Deutschlands sehr gemein, ist von ähnlicher Grösse wie der Blutegel; er
ist häufig mit dem Haemopis vorax verwechselt worden. Die Kiefer sind
weniger ausgebildet als beim Blutegel , der Pferdeegel greift nicht Säuge-
thiere an, sondern ernährt sich von Regenwürmern und kleineren Wasser-
thieren. Er ist grünlichschwarz mit gelbgrüner Bauchseite. 10 Augen.
Die Eierkapseln sind denjenigen des Blutegels ähnlich und werden auf dem
Lande abgelegt. — Im Süsswasser werden ausserdem häufig Arten der
Gatt. Xephclis getroffen, welche kleiner und schmäler sind, nur 8 Augen
und sehr schwache (nur angedeutete) Kiefer besitzen ; die Cocons sind glatt
und werden an Wasserpflanzen angeheftet.
2. Rüsselegel (RhynchoMellidae), Mit Rüssel. Vordere Haftscheibe
napfförmig. Eier grösser; keine Metamorphose. Im Süsswasser und im
Meere.
a. Die Knorpelegel {Clepsim), welche häufig im Süsswasser
gefunden werden, sind kleine, abgeplattete, fast knorpelharte Egel , welche
ihre in einem sehr dünnen Cocon eingeschlossenen Eier und die Jungen
an der Unterseite ihres Körpers umhertragen ; letztere erscheint dann napf-
förmig ausgehöhlt.
b. Die Fische gel {Pisdcoh), mit cylindrischem Körper und
glockenförmigem Saugnapf an beiden Enden, leben als Schmarotzer auf
Fischen, die meisten Arten auf Meeresfischen. — Denselben nahe verwandt
ist der grosse Rochenegel (Poiitobdetta muricala) mit grossen Hautwarzen,
auf Rochen, in der Nordsee.
An merk. Zu den Egeln rechnet man gewöhnlich einen kleinen, auf
dem Flusskrebs (u. A. an den Kiemen) schmarotzenden Wurm, ßraitcltio-
bdelfa axtaci, welcher sich jedoch in verschiedenen Punkten den Borsten-
würmern nähert und von Einigen dieser Abtheilung einverleibt wird. Der
Körper ist cylindrisch, der vordere Saugnapf undeutlich, er besitzt zwei
Kiefer und einen Darm ohne Blindsäcke. Die Verhältnisse der Geschlechts-
organe erinnern an die der Oligochäten.
Anhang zu den G 1 i e d e r w ii r m e r n.
Die beiden im Folgenden abzuhandelnden Gruppen, die Bry ozoen
und die Brachiopoden, nehmen jede für sich einen besonderen
und isolirten Platz im Thierreiche ein, so dass es vielleicht am
Richtigsten wäre, dieselben als zwei besondere Thierkreise aufzuführen.
Sie wurden früher mit den Weichthieren, mit denen sie aber gar nicht
näher verwandt sind, zusammengestellt; aus den Untersuchungen der
späteren Jahre scheint hervorzugehen, dass sie am nächsten — aber
immerhin entfernt genug — mit den Gliederwürmern verwandt sind,
wesshalb wir sie an dieser Stelle behandeln.
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Bryozoön.
187
Bryozoen oder Moosthierchen {Bnjozoa).
Mit einer einzelnen Ausnahme bilden alle Bryozoen durch Knospung
Stöcke, deren einzelne Mitglieder nur eine geringe Grösse erreichen,
während der Umfang des ganzen Stockes ziemlich ansehnlich werden
kann. Der meistens ziemlich kurze Körper jedes Individuums kann
in der Regel in einen Vorder- und einen Hinterkörper getheilt
werden, von welchen der letztere von einer festen, dicken, zuweilen
stacheligen Chitinhülle umgeben ist, die häufig verkalkt. Der
B C
Fig. 122. .4 — Ii Schematicher Längsschnitt eine» Bryoz ouns, .1 ausgestreckt, Ii
zurückgezogen, a After, b Hinterkörper, e Euddarm, / Vorderkörper, l Deckel, tu Magen.
■ Nervenknoten, o Mund, s Speiseröhre, t Tentakeln. Die ChitiuhUUc ist durch eine breitere
schwarze Linie angedeutet, die weiche Körperwaud ist schrattirt. — 0 Avicularic (Schema).
{ Deckel, tn Muskeln desselben, ta Dann. — Orig.
Vorderkörper ist dagegen ganz weich und trägt an seinem vorderen
Ende einen Kranz langer bewimperter Tentakel, welche bei einem
grossen Theil der Bryozoen einen einfachen Kreis bilden, während
der Tentakelkranz bei anderen eine starke Einbuchtung an der einen
Seite hat, so dass er nieren- oder hufeisenförmig wird. Der ganze
Vorderkörper kann vermittels langer Muskeln in den Hinterkörper
zurückgezogen werden; die Wand des Vorderkörpers wird dann um-
gestülpt und bildet eine Scheide um den zusammengelegten Tentakel-
kranz (Tentakelscheide). Bei einer Abtheilung der Meeresbryozoen
188
Specieller Thcil.
(den Chilostomen) findet sich am vorderen Ende des Hinterkörpers
eine bewegliche, stark chitinisirte Falte der Körperwand, welche, wenn
der Vorderkörper zurückgezogen ist. als ein Deckel die Oeffnung
der Tentakelscheide überdeckt. — Die Mundöffnung befindet sich
am Vorderende des Thieres, in der Mitte des Tentakelkranzes; der
After liegt ebenfalls am Vorderende, nicht weit vom Munde ent-
fernt, gewöhnlich dicht ausserhalb des Tentakelkranzes, selten inner-
halb desselben. Der Darmkanal hat desshalb die Form einer
Schlinge; er besteht aus einer Speiseröhre, einem in einen Blindsack
Fig. 123.
Fig. 125.
Fig. 124.
Fig. 123. Süss wasscrbryozoe'
( Fredericella), zwei Stöcke auf einem Stein.
Natur). Grösse.
Fig. 121. Ein einzelne* Individuum
des in voriger Figur abgebildeten Brvo/.oons,
vergr. Da» Individuum cnthttlt keine Ge-
schlechtsorgane, a Arter, e Enddarm , m
Mund, mn Magen, wh Muskel, welcher den
Vorderkörpor zurückzieht, n Nervenknoten,
str Funiculua.
Fig 125. Tlieil eines Individuums eines
anderen Süsswasserbryozoon* mit ausgebil-
deten Geschlechtsorganen. »j> Speiseröhre,
ot> Eierstock , ata Statohlaat , te Hoden,
l'ebrigo Bezeichnung wie in voriger Figur.
— Fig. 123 — 125 nach Allmann.
ausgezogenen Magen und einem Enddarm. Die Nahrung, welche aus
mikroskopischen Körperchen besteht, wird durch die VVimperhaare
der Tentakel in den Mund hineingestrudelt. — Das centrale Nerven-
system besteht aus einem Nervenknoten, welcher seinen Platz auf
der dem After zugewendeten Seite der Speiseröhre hat, und aus einem
von demselben entspringenden Ring, welcher die Speiseröhre umfasst;
von dem Nervenknoten gehen Nerven zu den verschiedenen Körper-
theilen aus. Augen und Gehörwerkzeuge fehlen. — Ein Gefässsystem
und besondere Athmungswerkzeuge sind nicht vorhanden ; der Tentakel-
kranz ist aber zweifellos für die Respiration sehr wichtig. Excretions-
organe sind bis jetzt nur bei wenigen Bryozoen gefunden worden,
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Bryozoen.
189
und zwar in der Form zweier dünner Kanäle, welche sich einerseits
in die Leibeshöhle, andrerseits auf der Oberfläche öffnen. — Die
Bryozoen besitzen in der Regel eine geräumige Leibeshöhle, welche
mit einer Flüssigkeit erfüllt ist, in der amöboide Zellen sich befinden.
In der Leibeshöhle ist ausser dem Darmkanal ein Strang (Funi-
cuius) vorhanden, welcher vom Magen zur Leibeswand geht. An
diesem Strang oder an der inneren Seite der Leibeswand werden die
Eier und S amen körperchen gebildet, beides gewöhnlich in dem-
selben* Individuum; besondere Ausführungsgänge fehlen, bei einigen
Bryozoen hat man aber feine Oeffnungen am vorderen Theil des
Thiereß gefunden, durch welche die Samenkörperchen austreten. Das
befruchtete Ei durchläuft seine erste Entwicklung in der mütterlichen
Leibeshöhle, bei manchen Meeresbryozoen in einer besonderen Aus-
stülpung der Leibeswand (Ovicelle).
Bei den SüsswasBer-Bryozoen findet man häufig neben der Fortpflanzung
durch befruchtete Eier eine Fortpflanzung durch sogenannte Statoblasten,
kleine abgeplattete rundliche Körper, welche in der Leibeshöhle am Funi-
culus, namentlich gegen das Ende des Sommers, gebildet werden, und welche
überwintern , um im nächsten Jahre zu je einem neuen Stock zu werden.
Jeder Statoblast ist von einer festen, oft zierlichen Chitinschale umgeben,
in deren Rand kleine lufthaltige Hohlräume vorhanden sind; innerhalb der
Schale findet man eine Anzahl Zellen, aus welchen das neue Thier gebildet
wird. Ein sicheres Verständniss der Statoblasten ist noch nicht er-
reicht ; nach der gewöhnlichen Auffassung sollten sie Knospen sein, welche
allerdings in sehr abweichender Weise entständen; nach einer anderen
Meinung wären sie parthenogenetische Wintereier.
Sehr merkwürdig ist es, dass bei vielen Bryozoen eine Rückbildung
des Tentakelkranzes und des Darmkanals zu einem sogenannten braunen
Körper stattfinden kann, welcher Rückbildung dann nach einiger Zeit eine
Neubildung derselben Theile folgen kann.
Wie schon oben erwähnt, bilden die Bryozoen durch Sprossung
Stöcke. Diese sind von sehr verschiedener Form: bei einigen sind
sie stark verästelt (Fig. 123) und dann entweder aufrecht oder über
fremde Gegenstände hinkriechend; bei anderen sind sie platteniormig,
der UnterInge anliegend oder aufrecht; oder sie sind von mehr
massiger Beschaffenheit etc. Fast immer sind die Stöcke unbe-
weglich festgeheftet; nur eine einzelne Süsswasserform (Cristaiella)
ist im Stande, sich fortzubewegen.
Bei vielen der mit einem Deckel ausgestatteten Bryozoen findet
eine ähnliche verschiedenartige Entwicklung der Individuen wie bei
den Hydroiden statt. Namentlich sind häufig ausser den gewöhn-
lichen Individuen sogenannte Avicularien entwickelt, kleine Indi-
viduen ohne Tentakel, Mund und Darmkanal (oder nur mit Rudimenten
dieser Theile), aber mit einem grossen beweglichen Deckel, welcher
auf- und zuklappen kann. Die am besten ausgebildeten Avicularien
sind einer Krebsscheere oder einem Vogelschnabel ähnlich, indem die
Spitze des Deckels hakenförmig umgebogen ist und gegen einen Fort-
satz des Körpers bewegt wird. Die beschriebenen Gebilde scheinen
eine Art Wehrpersonen zu sein, welche die über die Oberfläche des
Stockes kriechenden Thiercheu abfangen. Seltener findet man die so-
genannten Vibrakel (Vibracula) , ebenfalls kleine reducirte Indivi-
duen , deren Deckel sich zu einem langen geisselartigen Anhang ent-
wickelt hat, welcher über die Oberfläche des Stockes hinwegfegt.
190
Spezieller Theil.
Die Bryozoen durchlaufen eine Metamorphose. Die Larven
schwimmen frei umher mittels ihres Wimperkleides, welches entweder
gleichmässig über den Körper verbreitet oder an gewissen Stellen be-
sonders entwickelt ist (Wimperreifen, Wimperbüschel); zuweilen ist
ein Theil des Larvenkörpers mit einer festen Cuticula (Schale) ver-
sehen, gewöhnlich ist der ganze Körper nackt.
Sie leben in grosser Anzahl in allen Meeren, in geringerer Zahl
im Süsswasser.
Die meisten Süsswasserformen, welche an Wasserpflanzen, Bäumen etc.
gefunden werden, besitzen einen hufeisenförmigen Tentakelkranz ; gewöhnlich
sind es feine verästelte Stöcke, welche sich über die Unterlage nicht hoch
emporheben ; grössere Klumpen bildet die aus dicht neben einander ge-
stellten röhrenförmigen Einzelthieren bestehende , häufig vorkommende
AkyoneUa fungosa. — Unter den Meeresformen sind die Mrmbranipom- Arten
diejenigen, welche am häufigsten beobachtet werden, indem man sie als
dünne kalkige Krusten an der Oberfläche von allen grösseren Seepflanzen findet.
Brachiopoden oder Armfiissler (BracMopoda).
Der Körper der Brachiopoden ist grösstenteils in zwei kalkige
(seltener chitinartige) Schalen eingeschlossen, welche mit denen der
Muscheln eine gewisse Aehnlichkeit besitzen, wesshalb man in früherer
Zeit die Brachiopoden in die Nähe der Muscheln gebracht hat. That-
sächlich sind die beiden Abtheilungen indessen keineswegs mit ein-
ander näher verwandt, und dass auch nicht die Schalen etwa auf
eine Verwandtschaft hindeuten, ist schon daraus ersichtlich, dass die
Schalen der Brachionoden der Rücken- und Bauchseite des Thieres
entsprechen, während die der Muscheln resp. der rechten und linken
Seite angehören.
Fig. 1'26. Schcmatiseher Längsschnitt eines Hraehio potlen. a rechter Ann, <1
Dann, k Mantelblatt, n Nervenknoten, o Mund, s Kücken-, *' Bauchsclialc, st Stiel, t Ten-
takel. — Orig.
Der eigentliche R u m p f ist im Verhältniss zum ganzen Umfange des
Thieres von sehr geringer Grösse und sehr kurz. Von ihm entspringen zwei
nach vorn gerichtete, grosse, der Innenseite der Schalen angelagerte
Mantellappen, der eine von der oberen, der andere von der unteren
Seite. Die Schalen werden von den Mantellappen abgesondert und sind
als Cuticulargebilde aufzufassen ; sie stehen mit einander nicht in einer
innigeren Verbindung (wie die Muschelschalen); bei einigen greifen
sie jedoch hinten s c h 1 o s s a r t i g in einander. Am Mantelraude ent-
lang finden sich öfters Chitiuborsten, in Hauteinsenkungen ein-
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Brachiopoden.
191
gepflanzt V om hinteren Theil des Rumpfes entspringt gewöhnlich
ein dünnerer Fortsatz, der Stiel, welcher zwischen den Schalen oder
aus einem Loch im hinteren Ende der Bauchschale hervorragt; er ist
bei einigen länger als der übrige Körper, bei anderen dagegen ganz
kurz; meistens sind die Thiere mittelst des Stieles an fremden Kör-
pern festgeheftet, einige sind aber frei. Um den Mund findet sich
bei den jungen Brachiopoden ein Kreis von Tentakeln; während
der Entwicklung erhält aber der Kreis eine Einbuchtung, so dass er
die Form einer Niere oder eines Hufeisens bekommt, und allmählich
werden die beiden Aeste des Hufeisens zu langen Armen, mit je
einer Doppelreihe von Tentakeln besetzt; diese Arme sind gewöhnlich
spiralig aufgerollt und liegen in diesem Zustande zwischen den Mantel-
lappen; ihre Aufgabe ist es, einerseits durch ihren Wimperüberzug
die Nahrung (organische Körperchen) in den Mund hineinzutreiben,
andererseits als Athmungswerkzeuge zu dienen ; innerlich werden sie
häufig von einem verschieden gestalteten (bandförmigen etc.) Kalk-
gerüst gestützt, welches mit der Rückenschale zusammenhängt. —
Der Darmkanal ist kürzer oder länger; merkwürdigerweise fehlt
bei den meisten Brachiopoden ein After; ist ein solcher vorhanden,
so befindet er sich meist auf der rechten Seite des Rumpfes. Es ist
eine wohl entwickelte Leber vorhanden. Das centrale Nerven-
system wird durch einen die Speiseröhre umgebenden Nerven-
ring dargestellt , welcher auf der unteren Seite zu einem Nerven-
knoten anschwillt; von letzterem gehen die Nerven aus. Augen und
Gehörwerkzeuge fehlen. Das Gefässsystem ist wohlentwickelt;
oberhalb des Darmkanals findet sich ein sackförmiges Herz. Die
Excretionsorgane sind ein oder zwei Paare röhrenförmiger Or-
gane, welche sich mit einer trichterförmigen bewimperten Mündung
in die Leibeshöhle öffnen und mit dem anderen Ende an der Ober-
fläche ausmünden, — also Organe, welche die grösste Aehnlichkeit
mit den Segmentalorganen der Gliederwürmer darbieten. Sie
dienen zugleich als Ausführungsgäuge für die Geschlechtsstoffe, Eier
und Samen, welche an den Wänden der Leibes-
höhle gebildet werden. Die Brachiopoden sind
getrennten Geschlechts. — Die Larven
sind bewimpert, ihr Körper in mehrere Seg-
mente getheilt; häufig sind sie am vorderen
Ende mit Augen ausgestattet.
Die Brachiopoden sind ausschliesslich Meeres-
thiere; sie werden sowohl in wärmeren als in
kälteren Meeren gefunden, überall nur in geringer
Artenzahl. In früheren Perioden waren sie weitaus
zahlreicher ; schon aus der kambrischen Formation
sind sie bekannt; sehr reichlich waren sie in der Fig. 127. Larve eine«
Silur-, Devon- und Juraformation vertreten. Brachiopoden. — Nach
Als Beispiele nennen wir: Terebratnla, sowohl acaze" 1 uor8,
lebend als fossil, Bauch- und Rückenschale gewölbt, erstere hinten in einen
schnabelförmigen Fortsatz ausgezogen, welcher von einem Loch durchbohrt
ist für den kurzen Stiel, durch welchen das Thier Steinen etc. angeheftet
ist (bei anderen, ähnlichen Formen ein Ausschnitt an derselben Stelle) ;
Rückenschale innen mit einem schleifenförmigen Armgerüst. — Lingula,
lebend und fossil, zwei dünne, platte, hornartige, fast gleiche, schlosslose
Schalen, Stiel sehr lang, von einer Sandröhre umgeben.
C. Kreis. GHederftlSNler (Arthropoda).
Ebenso wie bei den Gliederwürmern ist der Körper in eine An-
zahl Glieder oder Segmente gesondert, welche äusserlich durch
Einschnürungen getrennt sind. Die Segmente unterscheiden sich aber
dadurch von denen der Gliederwürmer, dass sie mit gegliederten
Gliedmaassen ausgestattet sind, welche wichtige Bewegungs Werkzeuge
bilden. Weiter findet man eine grössere Ungleich artigkeit in
der Ausbildung der Körpersegmente als bei den Gliederwürmern ; bei
den Gliederfüsslern ist der Körper gewöhnlich in zwei oder mehrere
Abschnitte (ausser dem Kopfe) gesondert, deren jeder durch eine be-
sondere Ausbildung der sie zusammensetzenden Glieder ausgezeichnet
ist, und die einzelnen Glieder jedes Abschnittes sind oft unter sich
wesentlich verschieden ausgebildet. Diese Ungleichartigkeit ist sowohl
innerlich als äusserlich ausgeprägt. Oft ist ferner die Grenze zweier
oder mehrerer Segmente derartig verwischt, dass sie sich mehr oder
weniger innig zu einer Einheit zusaromenschliessen, deren Zusammen-
setzung aus einer Mehrzahl von Segmenten oft nur durch den Ver-
gleich mit anderen Formen oder durch eine Betrachtung der Ent-
wicklung zu erkennen ist. — Der vorderste Körperabschnitt, der Kopf,
ist stets aus mehreren verschmolzenen Segmenten zusammengesetzt;
einige der daran angebrachten Gliedmaassen dienen der Ernährung
und werden als Mundgliedmaassen bezeichnet; ausser diesen befinden
sich auf dem Kopfe meistens ein oder zwei Paare von Fühlern oder
Antennen.
Bei der Mehrzahl der Gliederfüssler findet man drei Mundgliedraoassen-
Paare: das 1. Paar sind die Vorderkiefer (Mandibeln), meistens starke,
feste Beisswerkzeuge ; das 2. und 3. Paar bezeichnen wir resp. als die
Mittel- und die Hinterkiefer; sie sind fast immer schwacher als die
Vorderkiefer ausgebildet. Diesen 3 Paaren können, indem einige der
folgenden Segmente sich mit dem Kopfe verbinden, weiter noch ein oder
mehrere Mundgliedmaassen-Paare sich anschliessen , welche dann meistens
als Kieferfüsse bezeichnet werden.
Der Körper und seine Anhänge sind überall ebenso wie bei den
Gliederwürmern von einer Cuticula bekleidet, welche von der Ober-
haut abgesondert ist. Diese Cuticula unterscheidet sich jedoch in einein
anscheinend untergeordneten, aber in seinen Wirkungen sehr wesent-
lichen Punkt von derjenigen der Gliederwürmer. Sie ist nämlich ge-
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Gliederfüssler.
19a
wohnlich von einer weit bedeutenderen Dicke und Festigkeit
als bei jenen und erscheint desshalb als ein Panzer des Körpers, als
Hautskelet. Nur an den eingeschnürten Stellen an der Grenze
der Segmente bewahrt sie eine gewisse Dünnheit, so dass eine Be-
wegung an diesen Stellen stattfinden kann (Gelenk häute). Alle
Arthropoden häuten sich in gewissen Zwischenräumen, wenigstens
so lange das Wachsthum dauert: es wird die ganze Cuticula ab-
geworfen, nachdem sie vorher von der unterliegenden Oberhaut ab-
gelöst ist; letztere scheidet, schon ehe die alte Cuticula abgesprengt
ist, eine neue, zunächst dünne Cuticula ab, welche sich später verdickt.
Solche periodische Häutungen sind eine Notwendigkeit, so lange das
Thier im Wachsthum begriffen ist, indem die wenig nachgiebige feste
Cuticula dem Thiere nur in geringem Grade gestattet, seinen Umfang
zu vergrössern. Das fortgesetzte
Wachsthum desThieres würde dess-
halb aufhören, wenn die umgebende
feste Kapsel nicht hin und wieder
entfernt und durch eine neue, weitere
ersetzt würde. Der Umfang des
Thieres vergrössert sich somit bei
jeder Häutung ziemlich plötzlich;
die in der Zwischenzeit erworbene
Vermehrung an Masse erhält erst
dann einen äusseren Ausdruck.1)
Am Körper derGliederfüssler finden
sich in grösserer oder geringerer
Ausdehnung Haare, Ausstülpun-
gen der Cuticula, welche eine Fort-
setzung der weichen Oberhaut ent-
halten; die Cuticula ist an der
Stelle, wo sie in das Haar Ubergeht,
verdünnt, so dass das Haar hier be-
wegt werden kann. — Die Cuticula
derGliederfüssler besteht aus einem
organischen Stoff von horaähnlichem
Aussehen, Chitin, welches übri- „
„ • t • v t> • v. l ~ Fig. 128. Schnitt durch ein Haar und
gens irt chemischer Beziehung etwas <Ue ^nnMXliXe „ullt eine8 Gliedernder*;
ganz Andres 18t als Hornstoff. Dem Schema. c Cuticula, <i dünnere Stelle der-
Chitin 8ind Öfters (namentlich bei »clhenl>einaJcbcrgangindaalIaar,A:<7>Oher-
den Krebsthieren) Kalksalze, beson- haat- — 0riK>
ders kohlensaurer Kalk, eingelagert.
— Die Haut ist bei den Gliederfüsslern immer unbewimpert; über-
haupt sind bei den Mitgliedern dieses Thierkreises niemals Wimper-
zellen (auch nicht in anderen Organen) vorhanden.
Das Muskelsystem ist ebenso wie bei den Gliederwürmern an
die Haut geknüpft, die Ausbildung eines gegliederten Hautskeletes
bedingt jedoch wesentliche Abweichungen von dem Verhalten der
Gliederwürmer. Statt eines zusammenhängenden Muskelschlauches
unterhalb der Haut finden wir hier meistens eine grosse Anzahl ge-
sonderter Muskeln, welche von einem Glied zum anderen gehen, sich
*) Aach bei manchen (allen?) Gliederwürmern finden ähnliche Häutungen
»tatt (z. B. bei den Egeln).
Boll, Zoologie.
13
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194
Specieller Theil.
mit ihren Enden der Innenseite der Haut anheften und durch ihre
Contractionen die Segmente des Körpers so wie die Glieder der Glied-
maassen gegen einander bewegen. Oft verbinden die Muskeln sich
mit sogenannten Sehnen, welche bei den Gliederfüsslern stets Ein-
Fig. 129. Fig. 130.
Fig. 129. Die vier letzten Glieder eines Arthropodenbcincs mit den zugehörigen
Muskeln, Schema, o Stellen, wo die Glieder einander berühren und die Gelenkhaut sehr
schmal ist, R und b Beugemuskeln, Sund «Streckmuskeln, I Gelenkhaut; / letzt«», 2 vor-
letztes Glied etc. — Orig.
Hg. 180. Längsschnitt durch ein Gelenk eines GliedcrfUsslers, Schema, c Cuticula,
ep Oberhaut, l Gelenkhaut, M Muskel, o Oeffuung der Sehne, an welche sich der Muskel
heftet. — Orig.
stülpungen der Cuticula der Haut sind (natürlich von einer ent-
sprechenden Oberhauteinstülpuug umgeben), also aus Chitin bestehen ;
sie werden bei jeder Häutung mit der übrigen Cuticula gewechselt
und neugebildet. — Das Muskelgewebe der Gliederfüssler besteht aus
quergestreiften, vielkernigen Muskelfasern.
Das Nervensystem schliesst sich eng an das der Glieder-
würmer an. Ebenso wie bei diesen findet sich längs der Bauchseite
eine Reihe von Ganglienpaaren, in jedem Segment ein Paar, welches
mit dem des vorhergehenden und nachfolgenden Segmentes durch
doppelte Nervenstränge verbunden ist; von dem vordersten dieser
Bauchganglienpaare entspringen zwei Nervenstränge, welche ieder-
seits vom Schlünde verlaufend sich oberhalb desselben im Kopfe mit
einem doppelten Ganglienknoten, dem Gehirn, verbinden. Das
Gehirn erreicht oft eine sehr bedeutende Grösse, was u. A. zu der
starken Entwicklung gewisser Sinneswerkzeuge , welche am Kopfe
ihren Platz haben (der zusammengesetzten Augen), in Beziehung
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Gliedcrfüssler.
195
steht. Aber auch die Bauchganglien zeigen oft bemerkenswerthe
Abweichungen von denen der Gliederwürmer, Abweichungen, welche
der oben erwähnten Ungleichartigkeit in der Ausbildung
der Körpersegraente und der Verbindung derselben zu ver-
schiedenen Abschnitten ihre Entstehung verdankeu. Es
werden z. B. in stark entwickelten Segmenten auch die
zugehörigen Ganglien stärker ausgebildet und eine engere
Vereinigung mehrerer Segmente hat sehr oft auch eine
Verschmelzung der betreffenden Ganglienpaare zur Folge;
in einigen Fällen können sogar sämmtliche Bauchganglien
zu einer einzigen ungegliederten Masse verschmelzen, was
dann immer mit einer Verkürzung des Körpers auch im
Aeusseren zusammenfällt (z. B. bei Krabben). Nicht
selten findet während der Entwicklung eine Verschiebung
der Ganglien statt, und zwar so, dass das einem Segment
angehörige Ganglienpaar weiter nach vorn rückt; die
demselben entspringenden Nerven biegen dann um und
laufen zu dem Segment zurück, dem das Ganglienpaar
eigentlich angehört. Die beiden zu demselben Paare ge-
hörenden Gauglien sind durch einen Querstrang verbunden,
welcher fast immer kurz, oft so kurz ist, dass die beiden
Ganglien zu einem verschmelzen, was auch mit den beiden,
die Ganglienpaare der verschiedenen Segmente verbinden-
den Längsnervensträngen der Fall sein kann.
Sinnesorgane. Die Ausbildung eines Cuticular-
Skeletes hat es mit sich geführt, dass der Tastsinn
nicht über die ganze Körperoberfläche verbreitet, sondern
auf einzelne Stellen derselben beschränkt ist. An die
weicheren Stellen, wo die Haare eingefügt sind, treten
oft Nerven, so dass die betreffenden Haare zu einer Art
Tastwerkzeug werden, zu Tasthaaren. Solche Tast-
haare sind über die Oberfläche vertheilt, an gewissen
Theilen zahlreicher als an anderen. — Als Geruchs-
organ betrachtet man feine, mit einer dünnen Cuticula
versehene Haare, welche an dem vorderen Fühlerpaare
der Krebse vorhanden sind, und zapfenförmige Gebilde
an den Fühlern der Insekten. — Gehörorgane sind
bei manchen Krebsthiereu und bei einigen Insekten be-
kannt; wir werden dieselben bei den betreffenden Abthei-
lungen betrachten. — Die Ge si ch ts werk ze u ge , welche
bei den Gliederfüsslern eine sehr bedeutende Entwicklung
erreichen, erscheinen unter zwei Formen, als einfache
Punktaugen und als zusammengesetzte Augen.
Wir haben schon im Allg. Th., S. 19 die Hauptpunkte des
Baues dieser Augen betrachtet. Bei den meisten findet
sich ein Paar zusammengesetzter Augen und oft gleichzeitig einige
Punktaugen; bei anderen sind nur Punktaugen entwickelt.
Der Darmkanal durchläuft gewöhnlich den Körper als ein
ziemlich gerader Schlauch ; die Mundöffnung befindet sich am vorderen
Ende, gewöhnlich auf der Unterseite, der After am hinteren Ende.
Oft münden in den vordersten Theil des Darmkanals Speichel-
drüsen, welche aber auch fehlen können; in den mittleren Theil
des Darmkanals mündet oft eine Leber, eine aus längeren oder kürzeren,
13*
Fig. 131. Das
Nervensystem
eiuesGamma-
nii c Gehirn,
o Auge, «erstes
Ganglienpaar
des Schwanx-
abschnittes , /
erstes ßauch-
gangliennaar.
— Nach Sara.
196
Specieller Theil.
verästelten oder unverästelten Schläuchen zusammengesetzte Drüse,
welche übrigens bei den Insekten und anderen völlig fehlt.
Gefässsystem. Das gewöhnlich röhrenförmige Herz, dem
Rückengefäs8 der Gliederwürmer entsprechend, befindet sich auf der
Rückenseite des Thieres (oberhalb des Darmkanals). Es ist mit
venösen Spaltöffnungen (meistens mehreren Paaren) ausgestattet,
durch welche das Blut in das Herz aus einem dasselbe umgebenden
Blutbehälter, dem Herzbeutel, eintritt; der Herzbeutel empfängt
das Blut von den Kiemen (Lungen), wenn solche vorhanden sind,
oder vom Körper. Uebrigens bietet das Gefässsystem bei verschiedenen
Gliederfüs8lern sehr verschiedenartige Verhältnisse dar, welche später
betrachtet werden sollen. In selteneren Fällen (Milben, kleine Krebs-
thiere) fehlt ein Gefässsystem völlig. — Das Blut ist gewöhnlich eine
farblose Flüssigkeit mit amöboiden, farblosen Blutkörperchen.
Athmungswerkzeuge fehlen bei gewissen Arthropoden völlig
(namentlich bei gewissen kleineren Krebsthieren) ; gewöhnlich sind aber
entweder Kiemen oder eigeuthümliche Luftathmungs-Werkzeuge vor-
handen (vergl. die einzelnen Classen).
Excretionsorgane. Die Segmentalorgane, welche wir
bei den Gliederwürmern kennen lernten, finden wir auch bei einem
Theil der Gliederfüssler wieder, wenn auch in einer ziemlich ver-
änderten und reducirten Gestalt; namentlich hat man in der soge-
nannten Antennendrüse und Schalendrüse der Krebsthiere
umgebildete Segmentalorgane erkannt, denen übrigens die innere
Oeffnung in die Leibeshöhle abgeht. Bei den Insekten, Tausend-
füsslern und Spinnenthieren fehlt jede Spur von Segmentalorganen.
Dagegen besitzen diese Abtheilungen statt dessen sogenannte Mal-
pighi'sche Gefässe, lange Drüsenschläuche, welche in verschiedener
Anzahl in den Enddarm einmünden und als Excretionsorgane fungiren.
Geschlechtsorgane. Die Gliederfüssler sind mit wenigen
Ausnahmen getrennten Geschlechts. Die männlichen und die
weiblichen Geschlechtsorgane stimmen in den Hauptzügen mit einander
überein. Es ist niemals mehr als ein Paar Geschlechtsdrüsen vor-
handen ; häufig sind beide mit einander verbunden oder gar zu einer
unpaaren Geschlechtsdrüse verschmolzen. Von jeder Geschlechtsdrüse
entspringt ein Ausführungsgang (resp. ein Ei- oder ein Samenleiter),
welcher an der Unterseite des Thieres in kürzerem oder längerem
Abstand vom After, immer vor diesem, ausmündet; oft sind die beiden
Ausführungsgänge in ihrem äusseren Theil mit einander vereinigt
und münden dann mit einer unpaaren Oeffnung. In dem Falle, dass
die Geschlechtsdrüsen verbunden oder verschmolzen sind, sind trotz-
dem gewöhnlich zwei Ausfuhrungsgänge vorhanden, einer an jeder
Seite. Oft sind die Ausfuhrungsgänge mit Drüsen versehen, beim
Weibchen zur Absonderung verschiedener Stoffe zur Umhüllung oder
zum Festkleben der Eier, beim Männchen zur Bildung von Sperma-
tophoren; weiter können sie mit sackförmigen Ausstülpungen zur
Aufbewahrung des Samens (sowohl bei den Männchen wie oei den
Weibchen) ausgestattet sein. Oft sind Begattungswerkzeuge vorhanden ;
diese sind entweder durch Umbildung der hinteren Körpersegmente
(wie bei manchen Insekten) entstanden, oder es sind gewisse Glied-
maassen, welche in besonderer Weise entwickelt sind (bei gewissen
Krebsthieren), etc. Oft ist ein bedeutender oder wenigstens merk-
licher Unterschied zwischen Männchen und Weibchen vorhanden. —
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Gliederfüßler.
197
Bei einer nicht geringen Anzahl von Gliederfüsslern (Krebsen und
Insekten) kommt parthenogenetische Entwicklung vor, worüber später
mehr. — Eine ungeschlechtliche Fortpflanzung findet bei den Glieder-
füsslern niemals statt.
l. Classe. Krebsthiere (Crustacm).
Der Kopf ist im Allgemeinen nicht durch eine scharfe Grenze
vom übrigen Körper (wie es z. B. bei den Insekten der Fall ist) ge-
sondert, und oft sind einige der folgenden Segmente mit dem Kopf
verschmolzen. Am Kopfe findet man ausser den Augen, auf welche
wir später zurückkommen, zwei Antennenpaare (Vorder- und
Hinterantennen) und drei Kieferpaare : Vorderkief er (Oberkiefer),
Mittelkiefer, Hinterkiefer. Die Antennen sind meistens
langgestreckte peitschenähnliche Anhänge, welche aus einem kürzeren,
aus wenigen Gliedern bestehenden, Basalabschnitt , dem Schaft,
und einem längeren, aus vielen kurzen Gliedern zusammengesetzten
biegsamen Endabschnitt, der sogenannten Geis sei, bestehen; statt
einer Geissei können auch zwei solche neben einander am Ende des
Schaftes (der Vorderantennen) entspringen. Der wichtigste Theil des
V order kie fers ist die grosse, feste, ungegliederte Basalpartie, der
eigentliche Vorderkiefer, welcher in der Regel an seiner nach innen
gewendeten Seite mit einem scharfen gezähnten Rand und oft mit
einer höckerigen Kauplatte ausgestattet ist (sowohl der scharfe Rand
als die Kauplatte wirken gegen die entsprechenden Theile des anderen
Vorderkiefers); diesem Basalabschnitt ist manchmal ein schmälerer
gegliederter Anhang, „P a 1 p u su, angefügt. Die beiden anderen Kiefer-
paare stehen an Stärke meistens den Vorderkiefern weit nach; sie
sind plattenförmig, ihr Innenrand ist in mehrere Lappen (Kauladen)
getheilt und mit steifen Borsten besetzt; sie besitzen ebenfalls öfters
einen schmäleren Endabschnitt, einen Palpus. Am übrigenKörper
findet sich eine verschiedene Anzahl Gliedmaas sen paare, welche
von der Bauchseite entspringen, an jedem Segment ein Paar; die
hintersten Segmente sind jedoch häufig gliedmaassenlos, was auch
zuweilen bei einzelnen der übrigen Segmente der Fall sein kann./ In
selteneren Fällen sind diese sämmtlichen Gliedmaassen gleich, oder
ungefähr gleich, gebildet, im Allgemeinen sind sie aber an verschiedenen
Segmenten oder Abschnitten des Körpers mehr oder weniger ungleich-
artig. Häufig sind z. B. die vordersten in den Dienst der Ernährung
getreten und dementsprechend umgebildet und werden dann Kiefer-
füsse genannt; die hintersten können als Schwimmwerkzeuge fungiren,
während andere weiter vorne am Körper Gehwerkzeuge sind, etc.
Die Gliedmaassen haben überhaupt eine höchst verschiedene Form
und Function.
Bei alledem besitzen jedoch sämmtliche Gliedmaassen, und zwar
nicht allein diejenigen, welche dem Rumpf angehören, sondern auch
die Gliedmaassen des Kopfes, d. h. die Hinterantennen x) und die
') Die Vorderantennen, welche oft als Gliedmaassen bezeichnet werden, schliessen
sich nicht an die übrigen genannten Anhänge an, sondern weisen eigentümliche
Verhältnisse auf (ein vom zweiten Glied entspringender Aussenast fehlt immer, etc.) ;
sie sind ebenso wie die Augenstiele als besondere Anhänge aufzufassen, welche die
Aufgabe haben, als Träger von Sinneswerkzeugen (Geruchs- und Gehörorganen) zu
fungiren.
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19«
Specieller Theil.
drei Kieferpaare, einen bestimmten gemeinsamen Typus. Eine
vollständig entwickelte Gliedmaasse eines Krebsthieres besteht aus
folgenden Theilen: 1) einem Stamm (Endopodit, Innenast), welcher
aus einer Anzahl Glieder zusammengesetzt ist und den Haupttheil
A u der Gliedmaasse darstellt;
2) einem vom zweiten Glied
des Stammes entspringenden
Aussenas t(Exopodit), unge-
gliedert oder wenigstens nicht
in eigentliche, einzeln gegen
einander bewegliche Glieder
getheilt, gewöhnlich abgeplat-
tet und mit Randhaaren ver-
sehen; 3) einem Nebenast (Epi-
podit), welcher vom ersten
(Basal-) Glied des Stammes
entspringt, immerungegliedert,
gewöhnlich spärlich behaart,
dünnhäutig ist (steht in der
Regel im Dienst der Respi-
Fig. 132. Beispiele typischer Krebst hier- ration) ; er fehlt übrigens stets
Giic.imaasson. ,i Kumpfiu** von x,b<üia, n nn den Gliedmaassen des Ko-
lctzter Kieferfuss einer CJumcclon - Larve 1 7 pfes (Jen Hinterantennen, deil
di^lieder ^Stammes, er Auwen-, rP Nebenamt. ^ Kieferpaaren)> Auf eincr
verschiedenartigen Ausbildung
dieser drei Theile beruht die grosse Mannigfaltigkeit, welche die
Krebsthiere im Baue ibrer Gliedmaassen darbieten: zuweilen fehlt
der Nebenast, zuweilen der Aussenast, zuweilen beide; einige Glieder
des Stammes können besonders stark ausgebildet sein — solches ist
z. B. mit den ersten Gliedern der Kiefer1) der Fall — während
andere wenig entwickelt oder gar rückgebildet sind etc.; davon werden
wir im Folgenden zahlreiche Beispiele kennen lernen.
Von anderen Körperanhängen ist das sogenannte Schild (oder
die Schale) hervorzuheben, eine von dem hinteren Theil des Kopfes
entspringende, nach hinten gerichtete mantelförmige Hautfalte, welche
einen grösseren oder kleineren Theil des Körpers überdeckt. Häufig
ist das Schild mit dem Rumpf längs der Mittellinie der Rückenseite
verwachsen. Zuweilen ist die Mittellinie des Schildes weicher als
das übrige, so dass es in zwei bewegliche Hälften zerfällt, welche etwa
wie eine Muschelschale den Körper umgeben. Die äussere Oberfläche
des Schildes ist gewöhnlich mit eincr dicken, festen Cuticula bedeckt,
so dass das Schild eine wirklich schützende Decke des Körpers wird;
die dem Köqier- zugekehrte Oberfläche des Schildes ist dagegen
weicher. Das Schild gehört zu den sehr charakteristischen Bestand-
teilen des Krebsthier-Körpers, wenn es auch allerdings bei einer
Anzahl derselben fehlt.
Die den Körper der Krebse bekleidende Cuticula besitzt oft
eine ansehnliche Dicke und Festigkeit; das Chitin enthält immer
Kalksalze (namentlich kohlensauren Kalk) in verschiedener Menge.
') Der eigentliche, als Beiss- oder Kauwerkzeug thätige Vorderkiefer ist z. B.
das sehr stark entwickelte Grundglied der betreffenden Gliedmaasse; der gegliederte
Anhang des Vorderkiefers, der Palpus, stellt den übrigen Theil des Stammes dar.
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GlicdcrfÜ8aler. 1. Claase: Krebathiere.
199
Die Geruchsorgane haben ihren Platz auf den Vorderantennen ;
es sind lange, fadenförmige, sehr dünne und weiche Haare, denen
man diese Function beilegt. — Ge hör Werkzeug e kennt man nur bei
gewissen Malakostraken (siehe die Mysiden und die Zehnfüssler). —
Von Seh Werkzeugen findet man bei den Krebsen theils das Stirn-
»uge (Nnuplius-Auge), oben in der Mittellinie des Kopfes, aus einem
einzigen oder einer kleinen Gruppe von Punktaugen bestehend, theils
ein Paar grosse zusammengesetzte Augen an der Seite des Kopfes, die
Seitenaugen, welche oft auf beweglichen Stielen sitzen (in anderen
Fällen sind sie unbeweglich). Bei einigen Krebsen sind sowohl das
Stirnauge als die Seitenaugen vorhanden, bei einigen nur jenes, bei
manchen nur die letzteren. Bei zahlreichen Formen ist das Stirnauge
im Larvenleben vorhanden, während es später verschwindet.
Der Darmkanal nimmt seinen Anfang vorne auf der Unterseite
des Kopfes mit einer zwischen den Vorderkiefern liegenden Mund-
öffnung, welche vorne und hinten oft von je einer hervorragenden Haut-
falte, der Oberlippe und der Unterlippe, begrenzt ist. Der
Darmkanal ist ein ungefähr gerader Schlauch, welcher sich auf der
Unterseite des letzten Körpersegmentes öffnet. Der mittlere Theil
ist mit Leberschläuchen von verschiedener Zahl ausgestattet.
Athmungswerkzeuge. Die Krebsthiere athmen durchweg,
indem sie den im Wasser aufgelösten Sauerstoff durch die Haut auf-
nehmen. Bei manchen, besonders kleinen, dünnhäutigen Krebsen
fehlen besondere Athmungs Werkzeuge; die ganze Körperoberfläche
oder ein grösserer Theil derselben fungirt als solches. Bei anderen
sind dagegen gewisse Theile des Körpers besonders als Kiemen
entwickelt. Zuweilen ist es einfach das Schild, welches neben seiner
Function als Schutzorgan zugleich durch seine dünnhäutige Innen-
seite als Athmungswerkzeug dient; in anderen Fällen fungiren der
abgeplattete Nebenast der Gliedmaassen oder andere Theile derselben
als Kiemen ; bei anderen sind die Kiemen besondere, meistens ver-
ästelte Anhänge, welche von einem der ersten Glieder der Glied-
maassen oder am Grunde derselben entspringen. Neben diesen eigent-
lichen, meistens durch ein sehr feines und dichtes Gefässnetz aus-
gezeichneten Kiemen kann auch die übrige Oberfläche ganz oder
theilweise ihre Bedeutung für die Respiration bewahren.
Nur wenige, anf dem Lande lebende, Krebse athmen atmosphärische
Lnft, und bei diesen kommt es in vereinzelten Fällen zur Ausbildung
lungenähnlicher Organe. Solches ist z. B. bei einem mit den Ein-
siedlerkrebsen verwandten , in Ostindien lebenden Krebs, Birgits lalro, der
Fall; seine Kiemen sind sehr klein, die von den Seitentheilen des Schildes
begrenzte Kiemenhöhle fungirt aber als luftathmendes Organ und ist dem-
entsprechend mit gefässreichen, die Oberfläche vergrössernden Auswüchsen
(welche von der Innenseite des Schildes entspringen) ausgestattet. Bei
einigen Isopoden haben sich in den Schwanzfussen verästelte Einstülpungen
der Haut entwickelt, welche in derselben Weise fungiren.
Das Gefä8ssystem ist ziemlich verschiedenartig ausgebildet.
Bei einigen ist das ganze Gefässsystem nur durch das Herz vertreten,
welches das Blut durch den Körper treibt, wo es in den Lücken
zwischen den verschiedenen Organen fliesst; in gewissen Fällen fehlt
sogar das Herz. Eine derartige geringe Ausbildung des Gefässsystems
steht meistens mit einer geringen Körpergrösse und dem Mangel
besonderer Athmungswerkzeuge in Verbindung. Wenn solche vor-
200
Specieller Theil.
handen sind, findet man in der Regel eine reichere Entwicklung des
Gefasssystems und wirklich abgegrenzte Gefässe, wenn solche auch
an manchen Stellen des Körpers nicht bestehen, wo dann das Blut
in den Lücken zwischen den Organen strömt: das Gefässsystem ist
somit auch hier nicht völlig abgeschlossen. Der Kreislauf verhält
sich bei kiementragenden Krebsthieren folgenderraassen (vergl. Fig. 133) :
Fig. 133. (jofässsy stein eines Hummers, Schema. Die Gefässe, welche arterielles Blut
enthalten, sind hell, die anderen dunkel gehalten ; die lYeile deuten die Richtung des Blut-
strouies an. </ Kiemen, h Hera, y> Herzbeutel, r venöser Blutbehalter, v Gefässe von diesem
nach den Kiemen, a von den Kiemen nach dem Herz. — Nach Gegenbaur.
Von dem Herzen wird das Blut durch mehr oder weniger ausgebildete
Arterien in die verschiedenen Theile des Körpers getrieben ; nachdem
es hier Kohlensäure aufgenommen und Sauerstoff abgegeben hat,
sammelt es sich in grösseren Blutbehältern und vertheilt sich von da
aus zu den Kiemen ; nachdem es hier wieder Sauerstoff aufgenommen
hat, geht es durch besondere Gefässe zum Herzbeutel und von diesem
lilutbehälter durch die Spalten des Herzens in das letztere hinein,
um schliesslich wieder in den Körper zu strömen.
Excretionsorgane. Man findet bei den Krebsthieren zwei
Paare schlauchförmiger Organe, welche wahrscheinlich den Segmen-
talorganen der Gliederwürmer entsprechen. Die betreffenden
Organe sind gewöhnlich von ansehnlicher Länge und liegen in zahl-
reichen Windungen; das vorderste Paar, die Antennendrüsen,
münden im Basalgliede der Hinterantennen, das zweite, die Schalen-
drüsen1), am Grunde der Hinterkiefer. Selten sind beide Paare
gleichzeitig bei demselben Thiere entwickelt; oft ist das eine Paar
im Larveuzustande vorhanden und verschwindet später, wenn das
andere sich ausgebildet hat. Oft fehlen beide.
Die Geschlechtsorgane münden auf der Unterseite des
Körpers, in der Regel ziemlich weit vom hinteren Ende entfernt,
gewöhnlich mit zwei getrennten Oeffnungen. Die Oeffnungen der
Eileiter befinden sich bei manchen weiter nach vorne als die der
Samenleiter. Die grosse Mehrzahl der Krebsthiere sind getrenn-
ten Geschlechts; davon machen aber die meisten Ranken Iii ssler
eine Ausnahme, indem bei ihnen in jedem Individuum sowohl Eier-
') Der Name stammt daher, das« diese Drüsen oftmals (z. B. bei Apus)
grÖsstentheils in dem Schild (der Schale) liegen.
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Gliederfüasler. 1. Clwse: Krebsthiere.
201
Stöcke als Hoden, jede mit besonderen Ausfuhrungsgängen, vorhanden
sind. — Nicht selten findet eine parthenogenetische Ent-
wicklung statt (siehe Branchipus, Apus, die Daphniden.)
Die Entwicklung bietet bei den Krebsen ein bedeutendes
Interesse dar. Gewöhnlich ist sie mit einer sehr ausgeprägten M e t a-
morphose verbunden, indem das Junge, wenn es das Ei verlässt,
von dem Erwachsenen wesentlich verschieden ist. Der Unterschied
beruht unter Anderem darauf, dass die Larve eine geringere Anzahl
Segmente und Gliedmaassen als das erwachsene Thier besitzt (vergl.
die Entwicklung der Gliederwürmer); ferner besitzen viele der Glied-
maassen einen anderen Bau und theilweise auch eine andere Function
als bei letzterem. Einer
grossen Anzahl von Krebs-
thieren ist es gemeinsam,
dass sie das Ei auf dem so-
genannten N a p 1 i u s Stadium
verlassen, als ein kleines ge-
drungenes Geschöpf, welches
nur mit dem ersten und zwei-
ten Antennenpaare und mit
den Vorderkiefern ausge-
stattet ist; diese Anhänge
sind alle als ziemlich kräf-
tige Schwimmwerkzeuge ent-
wickelt, die Hinterantennen
und die Vorderkiefer (welche
letztere von ihrer späteren
Form ganz abweichend ge-
staltet sind) mit einem lang-
behaarten Aussenast ver-
sehen ; von den Augen besitzt Fr mäivr*
der Nauplius nur das Stirn-
auge, die Seitenaugen fehlen völlig. Der Nauplius, welcher frei im
W asser umherschwimmt, wächst allmählich in die Länge, die nach-
folgenden Gliedmaassen sprossen hervor, und nach einer Reihe mit
Häutungen einhergehender Umgestaltungen erreicht der Krebs schliess-
lich die definitive Gestalt. Bei anderen Krebsthieren verlässt das
Junge aber das Ei in einem weiter ausgebildeten Zustand, mit
mehreren Gliedmaassenpaaren ausgestattet etc. (vergl. unten).
Die allermeisten Krebsthiere gehören dem Meere an, einige
kriechen auf dem Boden des Meeres umher, andere sind vorzügliche
Schwimmer, zahlreiche findet man auf dem offenen Meere; im Larven-
zustande schwimmen die allermeisten frei umher. Eine nicht sehr
grosse Anzahl Krebsthiere leben im Süsswasser, andere auf dem
Lande an feuchten Stellen.
Man theilt die Krebse in zwei Unterclassen : Entomostraken
und Malakostraken. Letztere Abtheilung bildet eingeschlossenes
Ganze, während die Entomostraken mehrere z. Th. nur entfernter ver-
wandte Gruppen umfassen.
184. Nauplius von l'enueua. Vergr. — Nacb
202
Speoieller Theil.
1. Unterclasse. Entomostraken (Entnmostraca).
1. Ordnung. Blattfüssler (Phi/llopoda).
Der Kopf ist mit einem Stirn auge und mit zusammengesetzten,
gestielten oder sitzenden Seiten äugen ausgestattet; die Kiefer sind
meistens schwach entwickelt, zuweilen auch die Antennen. Auf den
Kopf folgt ein meistens aus zahlreichen Segmenten zusammengesetzter
Rumpf; jedes Rumpfsegment trägt ein Paar stark abgeplattete blatt-
ähnliche Gliedmaassen, welche gleichzeitig als Schwimmwerk-
zeuge und als Kiemen fungiren, und welche an allen Segmenten un-
gefähr gleich gebildet sind. Die letzten Glieder des Körpers sind
gliedmaassenlos (Schwanz); an dem hintersten findet sich ein Paar ge-
gliederte oder ungegliederte nach hinten gerichtete Anhänge. Der
Körper (Rumpf und Schwanz) ist bei der Mehrzahl der Formen ganz
oder theilweise von einem Schild bedeckt, welches vom Kopfe ent-
springt. Sie verlassen das Ei als Nauplien. Die meisten Formen
dieser kleinen Abtheilung leben im Süsswasser, in der Regel in
kleinen Pfützen. Die Eier der Blattfüssler sind im Stande, eine voll-
ständige Austrocknung der Umgebung auszuhalten, einige ent-
wickeln sich sogar nicht, wenn sie nicht vorher einige Zeit eingetrocknet
gelegen haben.
1 . Thanrh ipus besitzt ein Paar gestielte bewegliche Seitenaugen,
das Schild fehlt. Das zweite Antennenpaar des Männchens ist derartig
umgebildet, dass es das Weibchen während der Paarung festhalten kann.
Der Rumpf trägt 11 Beinpaare, der Schwanz ist 9gliedrig, die Schwanz-
anhänge ungegliedert. (Die Geschlechtsorgane liegen im Schwanz und öffnen
sich an seinem vordersten Theil , welcher beim Weibchen sackförmig an-
Fig. 135. liranchipua rcrnalit, al Vorder-, Oo Hintcnwtenneii,/ Stirnforts&tzc. o Stiel-
auge, /< Penis, r ScliwAuzniihatige, I, II, XI: l., 2.. 11. Rumpfsegment. XII— XIII die zwei
vordersten Sohwanz.tegmente. - Nach Packard.
geschwollen ist, um den Eiern Platz zu gewähren.) Die /?.-Arten sind
durchsichtige, gestreckte (1 — 2 cm lange) Thierchen, welche man in kleinen
Süsswasserpfützen findet: sie schwimmen ununterbrochen, mit der Bauch-
seite nach oben, umher. Ein paar Arten in Deutschland (Ii. stagnalis etc.).
— Die Arten der nahe verwandten Gatt. Artcmia (vergl. S. 72) leben in
Salzlachen am flachen Meeresstrande oder in Salzseen (Utah) ; einige dieser
Formen pflanzen sich für gewöhnlich parthenogenetisch fort, Männchen
erscheinen nur hin und wieder (A. salina in Südeuropa).
2. Apus ist mit einem breiten, schwach gewölbten Schild aus-
gestattet, welches den Körper mit Ausnahme des hintersten Theils überdeckt.
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GliederfÜMler. 1. Classe: Krebsthiere. 1. Unterclasse: Entomostraken. 203
Die Seitenaugen sind ungestielt, sitzen dicht neben einander und
nahe dem kleinen Stirnauge auf der Oberseite des Kopfes. Die Antennen
sind sehr klein. Es sind ca. 60 Paare blattförmiger Füsse vorhanden, deren
Stamm ebenso wie bei anderen Blattfüsslern in Lappen ausgezogen ist, welche
auf dem vordersten Beinpaare bei Apus zu langen gegliederten Fäden ver-
längert sind. (Beim Weibchen ist der breite Aussenast des elften Bein-
paares uhrglasartig gewölbt, und der Nebenast desselben legt sich als ein
Deckel an' denselben, so dass beide zusammen eine kleine Schachtel bilden,
in welcher die Eier umhergetragen
werden.) Schwanzanhänge lange
gegliederte Fäden. Die Schalen-
drüsen liegen im Schilde und sind
durch die Haut hindurch sicht-
bar. Die A.' Arten sind recht
ansehnliche (mehrere cm lange),
bräunliche oder grünliche Ge-
schöpfe mit einem dünnen Haut-
skelet, welche man besonders im
Frühling in kleinen Süsswasser-
lachen findet, oft in solchen,
welche im Laufe des Sommers
austrocknen ; sie schwimmen auf
dem Rücken. Meistens findet
man blos Weibchen (bei einigen
Arten sind sogar ausschliesslich
solche bekannt), Männchen treten
nur selten auf : die Fortpflanzung
ist in der Regel eine parthe-
nogenetische. Mehrere Arten
in Deutschland.
3. Den Uebergang zur fol-
genden Ordnung bilden die Gat-
tungen Kütheria, Limtiadia u. a.,
welche sich dadurch auszeichnen,
dass das Schild in zwei bewegliche
Hälften getheilt, auf der Aussen-
seite mit einer sehr festen Cuticula
ausgestattet ist und den ganzen
Körper umschliesst (einer Mu-
schelschale zum Verwechseln ähn-
lich, kann wie eine solche ge-
schlossen werden); ferner dadurch, dass die Seitenaugen sehr nahe an einander
gerückt oder gar verschmolzen sind, und dass die Hinterantennen sehr kräftig
und mit zwei gegliederten Geissein (resp. dem Aussenast und dem distalen
Theil des Stammes) ausgestattet sind , während das erste Antennenpaar
nur eine geringe Grösse erreicht.
2. Ordnung. Daphniden (Chulocera).
Die Daphniden sind als eigenthümlich entwickelte Phyllopoden
aufzufassen mit einer geringenAnzahl von Gliedmaassen und
einem grossen, zusammengedrückten, zwciklappige n Schild,
welches den Körper mit den Gliedmussen umschliesst. Auf dem Kopf
Fif?. 13«. .4/«»« proilnrhiH, von unten genchcn.
«, Vorderall tenne, an After. /Oberlippe, nul Vorder-
kielcr, /», erster Fuss, r S«'h wanzfaden (Knde ab-
geschnitten ), 5 Schild. Nach II. Milne Kdward«.
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204
Specieller Thoil.
befindet sich ei n grosses zusammengesetztes, bewegliches, kurz-
gestieltes Auge, welches durch eine Verschmelzung der beiden
Seitenaugen entstanden ist; dieses Auge ist in eine besondere Höh-
lung eingeschlossen, welche dadurch entstanden ist, dass eine Falte
der Haut des Kopfes über das Auge hin gewachsen ist. Ausser
diesem Auge findet sich gewöhnlich das kleine unpaare Stirnauge
(das Naupliusauge). Das vorderste Antennenpaar ist gewöhnlich kurz,
mit Riech haaren versehen. Die Hinterantennen sind kräftige
Fig. 137. Daphniile, 8ida crystallina, mit S Wintereiern in der Bruthöhle.
«, Vorder-, a, Hinterantenne, an After, d Darm, A Herz, m Mundöffnung, O Eier, oc Auge,
od Eierstock, r Schwanzanhang, S Schild. — Nach Weismann.
zweiästige Schwimmwerkzeuge. Ausser den Vorderkiefern ist
nur noch ein schwach entwickeltes Kieferpaar vorhanden. Der kurze
Rumpf ist mit ähnlichen abgeplatteten Schwimm füssen wie bei
den Phyllopoden ausgestattet, es sind aber nur 4—6 Paare davon
vorhanden Der Schwanz ist nach unten gebogen und an der Spitze
mit zwei zugespitzten, ungegliederten Schwanzanhängen versehen. —
Es befindet sich ein kräftig pulsirendes Herz vorn auf der Rücken-
seite, eigentliche Gefässe fehlen sonst. Es ist eine wohlentwickelte
Schalendrüse vorhanden.
Einige Daphniden weichen von dem beschriebenen allgemeinen
Typus dadurch ab, dass das Schild fehlt oder nur schwach entwickelt
ist, durch die langgestreckte Form des Körpers und durch abweichende
Gestaltung der Rumpfgliedraaassen.
Die Daphniden sind kleine (höchstens wenige mm lange) durch-
sichtige Thiere, welche grösstentheils im Süsswasser, in geringerer
Anzahl im Meere leben; sie bewegen sich hüpfend im Wasser. Im
Laufe des Sommers findet man gewöhnlich nur Weibchen, welche sich
parthenogenetisch durch grosse dünnschalige „Sommereier" fort-
pflanzen, die in dem Räume zwischen der Rückenseite des Rumpfes
und dem Schilde „ausgebrütet" werden ; die Jungen verlassen diese
Bruthöhle ungefähr in der Gestalt der Mutter; Im Herbst erscheinen
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Gliederfusaler. 1. Classe: Krebsthiere. 1. Unterclasse: Entomostraken. 205
auch Männchen; die befruchteten Eier, „Wintereier" („Dauereier"),
welche dickschaliger sind als die Sommereier, überwintern, gewöhnlich
in eine eigenthümliche Hülle (Ej)hippium) eingeschlossen, welche die
verdickte Cuticula des Schildes (oder ein Theil derselben) ist, die
das Weibchen mit den Eiern zusammen abwirft. Die Wintereier ent-
wickeln sich erst im Frühling ; bei einigen Formen verlässt das Junge
das Winterei in der Naupliusgestalt.
3. Ordnung. Schwertschwänze {Xiphura).
Bei den jetzt lebenden Schwertschwänzen, welche nur eine einzige
Gattung, IAmuliis (die Molukkenkrebse), umfassen, zerfällt der Körper
in zwei ungegliederte Abschnitte,
Vorderkörper und Hin-
terkörper, welche durch ein
Gelenk mit einander verbunden
sind; jeder dieser Abschnitte
ist durch Verschmelzung meh-
rerer Segmente entstanden. Der
vordere Abschnitt trägt ein
Schild, welches oben mit der
Rückenseite des Thieres ver-
wachsen ist, während die Seiten-
theile die Beine dachförmig über-
decken. Auf der Oberseite des
Vorderkörpers findet sich ein
Paar grosser, zusammengesetz-
ter, sitzender Seitenaugen;
das Stirnauge ist durch ein
Paar kleiner Augen vertreten,
welche dicht neben einander
vorn auf dem Thiere sitzen.
An tennen und Kiefer (Vor-
der-, Mittel- und Hinterkiefer)
fehlen ganz. Auf der Unter-
seite des Vorderkörpers finden
sich 6 Paar drehrunde geglie-
derte Gehfüsse, welche beim
Weibchen sämmtlich mit Schee-
ren (vergl. die Zehnfüssler) aus-
gestattet sind, während solche
beim Männchen häufig an ei-
nigen Füssen fehlen. Die 6
Fusspaare umgehen die weit
nach hinten gerückte Mundöff-
nung; das vorderste Paar,
welches weit kleiner ist als die
übrigen, hat sogar seinen Platz
vor dem Munde; das Grundglied
der Beine ist mit Dornen be-
setzt, so dass sie gleichzeitig als Kauwerkzeuge dienen. Auf der Unter-
seite des Hinterkörpers sitzen 5 plattenförmige Glied-
maas sen -Paare, welche am Innenrande paarweise am Grunde ver-
Fig. 138. LimuluB pofepfeMM, 9, von der
Unterseite. Verkleinert. / — 6 GehfUnae, o der
Deckel der kiemen tragen den GliedmaasMMi, deren
Ränder man hinter jenem sieht.
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aoe
Specicller Theil.
wachsen sind ; jedes dieser Gliedmaassen trägt an seiner hinteren Seite
eine Reihe breiter niedriger Kiemenblätter. Vom hinteren Rand
des Vorderkörpers entspringt ein Paar ähnlicher plattenförmiger, aber
fester chitinisirter und kiemenloser Gliedmaassen, welche in der Mittel-
linie verwachsen sind und als ein Deckel die kiementragenden
Gliedmaassen bedecken ; an der hintereu Seite des Deckels befinden
sich sowohl beim Männchen als beim Weibchen die zwei Geschlechts-
öffnungen. Der Körper wird hinten durch einen langen, beweglich
eingelenkten, zugespitzten Schwanzstachel abgeschlossen. — Das
Hautskelet ist ziemlich fest, von horuartiger Consistenz und Farbe.
Die Jungen der Schwertschwänze verlassen das Ei auf einer
ziemlich vorgeschrittenen Entwicklungsstufe. Das neugeborene Junge
zeichnet sich dadurch aus, dass der Hinterkörper gegliedert und
der Schwanzstachel nur sehr wenig entwickelt ist.
Fig. 189. Junges von Limulus, A von «1er Oberseite, B von der Bauchseite. — Nach
Kingaley.
Die wenigen jetzt lebenden Arten dieser Gruppen sind grosse
(bis über '/* m lange) Formen , welche an den Küsten Asiens und
A Dl C . D
Fig. 140. A Limutus, B Belinunta, C Kuri/j>lrrus, D ein T r i lo b i t (Dalmanite* nocialis).
Amerikas leben. Bei der Bewegung spielt der Schwanzstachel eine
nicht unwichtige Rolle, indem er wie ein Stock benutzt wird, um
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Gliederfussler. 1. Classe: Krebsthiere. 1. Unterclasse: Entomostraken. 207
den Körper nach vorne zu schieben. Sie leben von animalischer
Nahrung.
Unter den ausgestorbenen Schwertschwänzen giebt es einige
(z. B. Belmurus aus der Kohlenformation) mit einem gegliederten
Hinterkörper ebenso wie das Junge von Limtdus. — Entferntere Ver-
wandte der Schwertschwänze sind die Gatt. Eurypterus (Silur) und
andere, mit einem verhältnissmässig kleinen Vorderkörper mit 5 Glied-
maassen-Paaren (in der Hauptsache von ähnlicher Form und Lagerung
wie die Vorderkörper-Gliedmaassen von Limulus), mit einem grossen
gegliederten Hinterkörper und einem kürzeren Schwanzstachel.
4. Ordnung. Trilobiten {Trihbita).
Der abgeplattete, im Allgemeinen ovale Körper der Trilobiten
zerfallt in drei Abschnitte (vergl. Fig. 140 D): Vorderkörper, Hinter-
körper und Schwanz, von welchen der Hinterkörper gewöhnlich der
grösste ist. Der Vorderkörpe r ist ungegliedert, vorn und seitlich
von einem gebogeuen Rand begrenzt, hinten gerade abgeschnitten ; die
Seitenecken sind nicht selten in je einen nach hinten gerichteten Dorn
verlängert. Auf der Oberseite befindet sich in der Kegel ein Paar
grosser, zusammengesetzter, sitzender Augen. Der H i n t e r k ö rp e r
besteht aus einer Anzahl (2 — 26) beweglicher, kurzer, breiter Seg-
mente. Der Schwanz ist aus einer Anzahl verwachsener Glieder
gebildet, deren Grenzen meistons deutlich, zuweilen aber verwischt
sind. Der ganze Körper ist auf seiner Oberseite mit zwei Längs-
furchen versehen, welche fast von einem Ende des Körpers bis zum
anderen verlaufen und die Oberfläche in ein Mittelfeld und zwei
Seitenfelder theilen. Die Unterseite des Körpers mit den Gliedmaassen
ist wahrscheinlich von sehr weicher, dünnhäutiger Beschaffenheit ge-
wesen, während die Oberseite fest war; von der Unterseite und den
daran sitzenden Gliedmaassen hat man
nur in wenigen Fällen undeutliche /7T\
Spuren gefunden , so dass man sich
nicht mit Sicherheit über den Bau
der Gliedmaassen aussprechen kann;
es ist wahrscheinlich, dass es weiche, QT\
schwache Gliedmaassen ebenso wie die ^5*
der Phyllopoden gewesen sind. Einige F,K. m. Kotwieklun^tadien eines
Trilobiten besaSSen das Vermögen, 8ich Trilobiten (Sao hirtutuj. — Nach Barran.lo.
ähnlich wie gewisse Asseln zusammen-
zurollen. Ueber ihre Entwicklung weiss man, dass sie als kleine Junge
eine geringere Anzahl Segmente als im erwachsenen Zustande besassen.
Die sehr artenreiche Ordnung der Trilobiten umfasst ausschliess-
lich ausgestorbene Formen. Die Abtheilung blühte namentlich
in der Silurformation , in geringerer Anzahl war sie in der Devon-
forraation vertreten, sie starb in der Kohlenformation aus. Manche
Mitglieder derselben waren von recht ansehnlicher Grösse.
5. Ordnung. MlJSChelkrebse {Ostracod(i).
Für eine oberflächlichere Betrachtung haben die Muschelkrebse eine
ziemlich grosse Aehnlichkeit mit den Daphniden, von welchen sie sich aber
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208
Specieller Theil.
bei näherer Betrachtung bedeutend unterscheiden. Der Körper ist kurz,
etwas zusammengedrückt und kann mit den Gliedmaassen zusammen völlig
von dem sehr festen Schild umschlossen werden; dieses ist in zwei be-
wegliche Hälften getheilt, die ebenso wie die Hälften einer Muschelschale
geöffnet und geschlossen werden können. Vorne auf dem Thiere befindet
sich ein (zuweilen in zwei getheiltes) Stirnauge und ausserdem noch bei
einigen Formen ein Paar beweglicher 8eitenaugen. Das erste und zweite
Antennenpaar sind kräftig ausgebildet und mit langen Schwimmborsten
versehen; beide, jedoch besonders das zweite Paar, sind Schwimm- und
Gehwerkzeuge. Der Vorderkiefer trägt einen wohlentwickelten Palpus,
F»g. 142. Fig. 148.
Fig. 142. Ein Muschelkrebs (Cypria). oc Stirnauge, an '^Vord*r-, a«* Hinter-
antenne; md Vorder-, mxl Mittel-, toj-* Hinterkiefer; px— p9 erstes— zweites Gehfusspaar,
c Schwanz. Vergr. — Nach Zenker.
Flg. 148. N au p Ii us eines Muschelkrebses. * Schale, die Übrigen Buchstaben wie
in der nebenstehenden Figur. — Nach Clans.
welcher häufig mit einem Aussenast ausgestattet ist. Der Kittel- und
der Hinterkiefer sind wohlentwickelt; ersterer trägt bei einigen einen
grossen plattenformigen Aussenast; auch der Hinterkiefer kann mit einem
Aussenast ausgestattet sein. Ausser den genannten Gliedmaassen sind nur
noch zwei Paar schlanke, gegliederte Rumpfgliedraaasaen vorhanden. Der
hinterste Theil des Körpers ist nach unten gebogen und endet gewöhnlich
mit zwei plattenförmigen Anhängen. — Was den inneren Bau betrifft, so ist
hervorzuheben, dass bei manchen Muschelkrebsen ein Herz fehlt. — Männ-
chen und Weibchen sind schon äusserlich kenntlich verschieden (im Baue
der Gliedmaassen etc.) ; merkwürdig ist die kolossale Grösse , welche die
8 am e nkörp e r chen erreichen: bei der Art Oypris ovum sind sie z. B.
in ausgestrecktem Zustand ein paar mm lang, cL h. mehr als dreimal so
lang wie das ganze Thier. — Bei manchen Muschelkrebsen verläset das
Junge das Ei auf der Nauplius - Stufe, also nur mit Antennen und Vorder-
kiefern ausgestattet ; das Schild ist übrigens schon auf diesem frühen Stadium
entwickelt.
Die Kuschelkrebse sind Thiere von geringer Grösse, welche schwimmend
und kriechend sowohl im Meere als im Süsswasser gefunden werden.
6. Ordnung. Copepoden (Copepoda).
Die Ordnung der Copepoden nmfasst theils eine grosse Anzahl
freilebender Formen, theils eine Menge Schmarotzer, welche sich zwar
jenen eng anschliessen , andererseits aber entsprechend ihren eigen-
thumlichen Lebensverhältnissen mehr oder weniger, zuweilen sogar in
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Gliederfüßler. 1. Claase: Krebsthiere. 1. TJnterclasse : Entomostraken. 209
hohem Grade, umgebildet sind. Wir werden zunächst die freilebenden
Copepoden betrachten.
Der Körper zerfällt in drei Abschnitte: Vorderkörper,
Hinterkörper und Schwanz. Auf dem Vorderkörper befandet
sich oben ein Stirnauge, welches aus 2, 3 oder mehreren Punkt-
augen besteht (die bei einigen pelagischen Copepoden eine bedeutende
Grösse erreichen); dagegen fehlen Seitenaugen immer. Der
Vorderkörper trägt ferner zwei Antennen paare, welche beide wohl-
entwickelt sind. Die vorderen Antennen sind gewöhnlich die
längsten und werden als Schwimmwerkzeuge verwendet ; beim Männchen
Fig. 144. Cyclop». a Nauplius, b — d spätere Entwicklungastadien , e erwachsenes
Thier (von den Mundgliedinaassen ist Oberkiefer und Kieferfuss nur auf der linken Seite der
Figur, der Mittel- und HinUrkiefer nur auf der rechten Seite dargestellt). Vcrgr.
haben sie häufig ausserdem die Aufgabe, das Weibchen während der
Paarung festzuhalten : sie sind dann in der Mitte wie geknickt, und
der distale Theil kann gegen den proximalen eingeschlagen werden.
Die hinteren Antennen besitzen manchmal einen Aussenast. Die
Vorderkiefer sind im Allgemeinen mit einem Palpus ausgestattet,
welcher oft einen kleinen Aussenast besitzt. Hinter den Vorderkiefern
finden sich die Mittel* und Hinterkiefer und ein Paar Kiefer«
füsse. Der Hinte r kör per besteht aus 5 Segmenten, von welchen
das vorderste häufig mit dem Vorderkörper verschmolzen ist; jedes
Segment — oder nur die vier vorderen — trägt ein Paar Schwimm-
beine, welche aus je einem kurzen in zwei Blätter ausgehenden
Schaft bestehen ; das äussere Blatt stellt den Aussenast dar, das innere
sammt dem Schaft den Stamm. Der Schwanz ist der verschmälerte,
Bon, Zoologie. 14
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210
Specieller Theil.
gliedmaassenlose, aus 5 Segmenten zusammengesetzte Endahschnitt des
Körpers; an seinem hinteren Ende finden sich ein Paar ungegliederte
platten- oder griffeiförmige Schwanzanhänge, zwischen denen der After
seinen Platz hat. — Das Gefässsystem ist wenig ausgebildet;
sogar das Herz fehlt meistens. Ebenso fehlen besondereAth-
mungs Werkzeuge. Die Eileiter münden auf der Unterseite des
ersten Schwanzsegmentes; die Eier werden, in ein oder zwei Eier-
säcke eingeschlossen, vom Weibchen umhergetragen; jene sind am
Grunde des Schwanzes festgeheftet, und ihre Wand besteht aus dem
gehärteten Secret von ein oder zwei Drüsen , welche entweder in die
Eileiter oder an der Oberfläche in der Nähe der Geschlechtsöffnungen
münden. Die Samenleiter öffnen sich ebenfalls auf dem 1. Schwanz-
glied ; der Samen wird, in Spermatophoren eingeschlossen, an den weib-
lichen Geschlechtsöffnungen angebracht. — Das Junge verlässt das
Ei als ovaler Nauplius mit Stirnauge und den für diese Entwick-
lungsstufe charakteristischen Gliedmaassen (Antennen, Vorderkiefern),
vermittels welcher es lebhaft im Wasser umherschwimrat. Die übrigen
Gliedmaassen sprossen allmählich hervor, indem der Körper nach und
Die freilebenden Oopepoden, deren Bau und Entwicklung
wir soeben betrachtet haben, sind kleine schwimmende Thiere, welche
man sowohl im Süsswasser wie im Meere, häufig in ungeheuren
Schaaren, findet; grosse Strecken der Oberfläche des Meeres können
von diesen Thierchon rothgefärbt sein. Die wichtigste Nahrung der
grossen Häringsschwärme besteht, wenigstens an manchen Stellen, aus
gewissen Arten dieser Abtheilung, welche auch einen bedeutenden
Beitrag zur Nahrung der Bartenwale liefert.
In den süssen Gewässern Deutschlands finden sich häufig Arten der
Gatt. Oyclops, Wasserfloh, mit zwei Eiersäcken, u. a.
Die schmarotzenden Copepoden umfassen eine Menge verschie-
dener Formen, welche auf (seltener in) verschiedenen Wasserthieren,
meistens Meeresthieren leben; man trifft sie besonders bei Fischen
(namentlich an der Haut und an den Kiemen), ferner auch bei Wür-
mern, Weichthieren etc. ; oft erreichen sie eine ansehnlichere Grösse als
die freilebenden (mehrere cm). Einige von ihnen, z. B. die Fiscb-
1 äuse (Caligus), weichen verbal tnissmässig wenig von den freilebenden
Copepoden ab: die Oberkiefer sind zu Stechwerkzeugen umgebildet,
welche in eine durch Verwachsung der Ober- und Unterlippe gebildete
Röhre, denRüssel, eingeschlossen sind; einige von den Gliedmaassen
(Hinterantennen, Hinterkiefer, Kieferfüsse) sind zu Greifhaken (Haft-
werkzeugen) umgebildet; im Uebrigen sind aber diese Formen, welche
man z. B. an der Haut der Fische findet, von den freilebenden nicht
auffallend verschieden '), die beiden Geschlechter sind nicht sehr un-
gleich, und sowohl Männchen als Weibchen sind beweglich, nicht an
dieselbe Stelle des Wirths gebunden. — Bei anderen ist aber die
Umbildung grösser, die Anpassung an das Schmarotzerleben inniger;
*) Es ist jedoch zu bemerken, dass die vorderen Antennen, welche bei den
freilebenden Copepoden gewöhnlich sehr lang sind, mehr oder weniger verkürzt
sind; der Mittelkiefer ist rudimentär; das Auge kann vorhanden sein oder fehlen.
Nicht selten (z. B. bei Caligus) ist der Körper abgeplattet, der Hautoberfläche des
Wirths angepasst.
nach an Lä
zunimmt.
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Gliederfussler. 1. Clwse: Krebsthiere. 1. Unterclaase : Entomostraken. 211
besonders wird das bei den Weibchen augenfällig. Die Umbildung,
welche übrigens bei verschiedenen Formen einen sehr verschiedenen
l 2 3
5 4
Fig. 145. / Xogagut borcalis, Männchen von unten. 2 Caligtis rapar, Weibchen von
oben. 3 Chondracanthus gibbotus, Weibchen von unten (o* das Männchen). 4 Brac/iiclln
(Aynni, Weibchen, 5 Männchen derselben Art (stärker vergr.). a, — <i9 Vorder- und Hinter-
atitenne, / Anhang am Hinterende, hk Hinterkiefer, hf Kieferfuss, /»*
r, o Eieraack. — 2, 4, 5 nach Stcenstrup & Lütken, 3 nach Claus.
Grad erreicht, bewegt sich in der Richtung des Plumpen, Unförm-
lichen, Unbeweglichen : der Schwanz bildet sich zurück, die Gliederung
verwischt sich, diejenigen
Gliedmaassen, welche nicht als
Haftwerkzeuge fungiren, ver-
schwinden oder werden un-
brauchbar , was namentlich
von den eigentlichen Beinen
gilt, welche entweder fehlen,
oder zu verschwindend kleinen
Theilen rückgebildet sind (Fig.
146 B) oder aber zu grossen,
plumpen , borstenlosen An-
hängen werden, welche nur Fig ,46 A Pendla tag!tta ^^-^ auf
schwache Andeutungen der gewissen Fischen), 9, natürl. Gr., B der vorderste
Ursprünglichen Form aufwei- Theil derselben, vergr. pi erstes, p* vierte* Bern-
sen. Oft sind solche Schma- p-t, o fj^. - jr^^« -rri,«« (Seh«.-
, , rotzer auf Borstcnwürmeru), V, vergr. o hiersack.
rotzerkrebse mit eigentnum- Uer anregeimäs8ig gelappte Abschnitt ist in den Kör-
bchen Auswüchsen Versehen, perdesWirthnelngosenkt.— NachSteeustrup-LUtkeu.
14*
212
Specieller Theil.
wodurch ihr Aussehen noch auffälliger wird. In der Regel sind sie.
blind. Wo die Reduction am weitesten vorgeschritten ist, ist das
ganze Thier ein Sack ohne Gliedraaassen (Fig. 146 G), nur mit zwei
kürzeren oder längeren (oft fadenförmigen) Eiersäcken ausgestattet.
Sie sind dem Wirth unbeweglich angeheftet, in einigen Fällen ver-
mittels der hinteren Antennen, der Hinterkiefer oder der zu langen
Armen umgebildeten Kieferfüsse, in anderen Fällen dadurch, dass der
ganze vordere Theil des Thieres in den Körper des Wirths eingesenkt
ist. Die Männchen dieser stärker umgebildeten Formen sind meistens
Zwergmännchen, welche nur einen geringen Bruchtheil der
Grösse der Weibchen erreichen und in der Regel an diesen, in der
Nähe der Geschlechtsöffnungen, festgeheftet sitzen; sie sind gewöhn-
lich nicht in dem Maasse umgebildet, wie die Weibchen es sein Können,
besitzen in der Regel mehrere deutliche Gliedmaassenpaare etc.
Die schmarotzenden Copepoden verlassen ebenso wie die frei-
lebenden das Ei als Nauplien, welche frei umherschwimmen , und
nach einigen Häutungen erreichen sie eine Gestalt, welche der bleibenden
Form der freilebenden ähnlich ist; wenn die Schmarotzer später im
ausgebildeten Zustand unförmliche Gestalten sind, so verdanken sie
dies einer nach der Festheftung stattfindenden „rückschreitenden
Metamorphose".
Bei einigen Schmarotzerkrebsen, z. B. der an den Kiemen des Dorsches
lebenden Lernaea branehialis , sind Männchen und Weihchen noch auf dem
Zeitpunkt, wo sie sich begatten, einander einigermassen ähnlich und besitzen
dann noch eine ziemlich normale Copepodenform ; nach der Paarung wächst
das Weibchen aber stark und wird ganz unförmlich, während das Männchen
zu Grunde geht, weshalb man an den erwachsenen Lernaea- Weibchen keine
Männchen findet.
7. Ordnung. Rankenfüssler {Cinipedia).
Die Rankenfüssler sind mit einem futteralartigen Schild, dem
sogenannten Mantel, versehen, welches nur am Kopfende mit dem
übrigen Thier zusammenhängt, während es im Uebrigen den Körper
lose umhüllt; der von demselben umschlossene Hohlraum steht nur
durch eine Spalte an der Bauchseite mit der Aussenwelt in Ver-
bindung. Bei einer Hauptabteilung der Rankenfüssler, den L e p a -
diden (Entenmuscheln), ist der Mantel an seinem vorderen Ende
in einen dicken, kürzeren oder längeren Stiel ausgezogen, vermittels
dessen das Thier an fremden Gegenständen festgeheftet ist. Der
Mantel ist bei den meisten Lepadiden (z. B. der Gatt. Lejxis) auf
seiner Aussenseite mit 5 Kalkplatten versehen, von welchen eine
schmal ist und längs des Rückenrandes des zusammengedrückten
Mantels liegt, während die übrigen 4, 2 auf jeder Seite, grössere
oder kleinere Theile der Seitenflächen des Mantels bedecken; die-
jenigen Theile der Aussenfläche , welche diese Platten unbedeckt
lassen (bei Lepas sind das übrigens nur die Grenzfurchen zwischen
den Platten, bei anderen können grössere Theile unbedeckt sein), sind
mit einer dünnen Cuticula überzogen, welche auch den Stiel, die
Innenseite des Mantels und den Körper bekleiden; die Kalkplatten
sind als besonders stark ausgebildete Partien der Cuticula aufzufassen.
Bei einigen Lepadiden (Scalpellum) findet man ausser diesen 5 Platten
noch eine Anzahl grössere und kleinere Platten an der Grenze des
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Glieder Plissier. I. Classe: Krebsthiere. I. Unterclasac: Entomostraken. 213
Stieles und des übrigen Mantels (Fig. 149 B). Bei den Balanen
(Seepocken), einer anderen Hauptabtheilung der Rankenfüssler, fehlt
Fig. 147. Fig. 148.
*,
Fig. 147. Lepas. Die rechte Mantelhälfte ist entfernt, der Körper in Längsschnitt
dargestellt. — Nach Claus.
Fig. 148. Baiann«. Die rechte Hälfte des Mantels und der Schale weggenommen.
— Nach Darwin.
Gemeinsame Bezeichnung: ■• und b die paarigen Mantelplattcn, c un paare RUckenplatte.
at Vorderantenne, an After, k KittdrUsc, l Leber, m Schliessmuskel des Mantels, m' RUckzieh-
muskel, o' weibliche Geschlechtsölluung, od Eileiter, ov Eierstock, j> Penis, r Schale, sl Samen-
leiter, t Hoden.
der Stiel, das Thier ist aber auch hier an fremden Gegenständen
festgeheftet und zwar mit demselben Theil des Mantels wie bei den
A B C D
Fig. 149. Schematische Figuren, welche den Uebergang von der Lepadiden- zur
ßalanengestalt zeigen. A Lrpa*, B Scalpcüum, C ciu Balanidc mit vielen kleinen Platten
(CatophragmusJ, D BaUmus. i Stiel, a — d Kalkplatten, a—b Seitenplatten, c RUckenplatte.
Die Buchstaben haben in allen Figuren dieselbe Bedeutung. — Orig.
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214
Specialer Theil.
Lepadiden ; die Haftfläche ist bei diesen Thieren gross und mit einem
Kalküberzug versehen. Diejenigen Platten, welche bei den letzt-
genannten Lepadiden (Scalpellum) an der Grenze des Stieles sitzen
(Fig. 149 B d), sind nebst der unpaaren der zuerst genannten
5 Platten (c) bei den Balanen zu einer festen Schale verbunden,
welche wie eine Schachtel den grössten Theil des Thieres uragiebt;
diese Schale besteht zuweilen, aber seltener, aus einer grossen Anzahl
von Platten in mehreren Kreisen (Fig. 149 C), weit häufiger aber aus
einer geringeren Anzahl (8, 6) grosser Platten, welche einen Kreis
bilden (D, d—c). Einen Deckel der Schachtel stellt der übrige Theil
des Mantels mit den vier grossen Platten (a, b) der Lepadiden dar,
welche hier verhältnissmässig klein sind; in diesem Theil des Mantels
findet sich die enge spaltförmige Oeffnung, welche in die Mantel-
höhle führt.
Von den Anhängen des Körpers ist das ersteAntennenpaar
in einem rudimentären Zustand vorhanden; es befindet sich bei den
Lepadiden auf der Haftfläche des Stieles, bei den Balanen an der
entsprechenden Stelle. In diesen Antennen öffnet sich je eine Kitt-
drüse, durch deren Secret das Thier an der Unterlage befestigt ist.
Das 2. Antennenpaar fehlt dagegen beim erwachsenen Thier
völlig. An der Mundöffnung sind die gewöhnlichen drei Kieferpaare
vorhanden; keines derselben ist stark entwickelt. Die Unterseite des
Rumpfes — welche, wie aus Fig. 147 — 148 ersichtlich, nach oben
gewendet ist — trägt 6 Paar Ranken füsse, die aus je einem zwei-
gliedrigen Schaft und zwei vielgliedrigen, sehr biegsamen, peitschen-
ähnlichen Aesten bestehen ; der äussere der letzteren ist der Aussen-
ast, der Schaft und der andere Ast bilden den Stamm. Die
Rankenfüsse, deren Aeste mit Haaren ausgestattet sind, können aus
der Mantelspaltc hervorgestreckt und wieder zurückgezogen werden ;
sie werden dazu benutzt, kleine Organismen, welche dem Thiere als
Nahrung dienen, in die Mantelhöhle hineinzustrudeln ; die Bewegung
der Rankenfüsse geschieht in der Weise, dass sie dicht zusammenge-
legt aus der Spalte hervorgestreckt, dann fächerförmig ausgebreitet,
darauf wieder zusammengelegt und mit einem Ruck in die Mantel-
höhle zurückgezogen werden. Bei den Balanen sind die vorderen
Rankenfüsse bedeutend kürzer als die hinteren. Der Körper ist
meistens undeutlich gegliedert und trägt häufig an der Spitze ein
Paar kleine gegliederte oder ungegliederte Schwanzanhänge. — Von
Augen besitzt das ausgebildete Thier nur ein doppeltes Stirnauge,
während die Seitenaugen fehlen. Herz und Blutgefässe
fehlen.
Die Bauchganglienkette ist sehr zusammengedrängt, bei den
Balanen sind sogar sämmtliche Bauchganglien zu einem einzigen grossen
Knoten verschmolzen. Der Darmkanal öffnet sich auf der Spitze des
Körpers. Bei den Balanen findet sich jederseits eine wohlentwickelte
Kieme, welche von der Innenseite des Mantels entspringt und als eine
Falte desselben aufzufassen ist; die Kieme ist wieder mit kleineren Quer-
falten versehen. Sie ist bei den meisten Lepadiden sehr schwach entwickelt
und hat bei diesen eine andere Aufgabe, nämlich diejenige, die Eierplatten
(vergl. unten) zu tragen. Besondere Excretionsorgane scheinen nicht
vorhanden zu sein.
Im Gegensatz zu beinahe allen anderen Krebsthieren sind die
meisten Rankenfüssler hermaphroditisch. Die Eierstöcke liegen
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Gliedcrfiissler. 1. Classe: Krebsthiere. 1. Unterclawe: Entomostraken. 215
bei den Lepadiden im Stiel, bei den Balanen an der Anheftungsfläche ;
auf jeder Seite des Körpers mündet ein Eileiter. Die verzweigten
Hoden finden sich im eigentlichen Körper; die Samenleiter münden
mit einer gemeinsamen Oeffnung an der Spitze eines lauggestreckten
Begattungsorgans, welches am Ende des Körpers angebracht ist. Sehr
merkwürdig ist es, dass man bei gewissen Lepadiden (z. B. Seal pell um)
ausser den zwittrigen Individuen ganz kleine Männchen findet, stark
reducirtc Geschöpfe, welche von den Hermaphroditen, auf denen sie
angeheftet leben, sehr verschieden sind: Ergänzungsmännchen.
Bei anderen ist eine wirkliche Trennung der Geschlechter vorhanden :
die Weibchen besitzen die gewöhnliche Form, die Männchen sind
Zwerge, den genannten Ergänzungsmännchen ganz ähnlich. — Die
Eier bleiben, zu grossen Eierplatten zusammengekittet, in der
Mantelhöhle, so lange bis das Junge sich entwickelt hat.
Die Rankenfüssler verlassen das Ei als Nauplien, mit einem
ersten und zweiten Antennenpaar und Vorderkiefern. Nach einigen
Häutungen geht die Larve in das sogenannte Cypris-Stadium
über, in welchem sie eine grosse Aehnlichkeit mit einem Muschelkrebs
besitzt (Cypris ist der Name einer Gattung der Muschelkrebse). In
diesem Stadium, in welchem das Thier ebenso wie im Nauplius-
Stadium frei umherschwimmt, ist das erste Antennenpaar wohlent-
wickelt vorhanden und an seinem vorletzten Glied mit einer Haft-
scheihe versehen; das zweite Antennenpaar ist ganz verschwunden,
dagegen aber haben sich 6 Paar Schwimmbeine, welche denen
der Copepoden ähnlich sind, entwickelt (die späteren Rankenfüsse) ;
ausser dem Nauplius-Auge findet sich ein Paar grosser zusammen-
gesetzter Seitenaugen, und es ist ein zweiklapp iges, den Körper
uraschliessendes Schild vorhanden. Nach einiger Zeit heftet sich
das Thier mit den Antennen fest, das Secret der Kittdrüsen strömt
durch letztere hinaus und fesselt für immer das Thier an den einmal
gewählten Platz, die grossen Augen verschwinden, dagegen bleibt das
Stirnauge erhalten, die Schwimmheinc bilden sich allmählich zu
Rankenfüssen um, indem ihre Aeste sich in die Länge strecken etc.,
und durch eine Reihe von Umbildungen erreicht das Thier die
Lepadiden- resp. Balanen-Gestalt.
Alle Rankenfüssler leben im Meere.
1 . Die Lepadiden (Entenmuscheln, Lejtadidac) sind mit einem kürzeren
oder längeren Stiel versehen; der Mantel mit 5 (oder mehr) Platten. Viele
Lepadiden heften sich an Gegenständen an , welche im Meere schwimmen
(Schiffen, schwimmenden Bimssteinstücken etc.); dies ist z. B. bei der Gatt.
Ispax der Fall, deren 5 Kalkplatten fast die ganze Oberfläche des Mantels
bedecken. — Andere Lepadiden, z. B. das mit zahlreicheren Kalkplatten
und mit Ergänzungsmännchen ausgestattete Scalpdlum , heften sich an un-
bewegten Gegenständen an, z. Th. in grösserer Tiefe.
Zu den Lepadiden gehört auch die Gatt. Lithothrya, welche vermittels
feiner, fester, dem sehr dicken Stiel aufsitzender Chitindornen sich eine
Höhle in Kalkstein, Korallenblöckteu etc. bohrt. — Ferner die sehr ab-
weichende Gatt. Alcijt/tr, welche getrennten Geschlechts ist (das Weibchen
besitzt nur das 1., 5. und 6. Paar Rankenfüsse, das Männchen ist ein Zwerg
ohne Darmkanal etc. ) ; sie bohrt sich Höhlungen in der Wand todter Schnecken-
gehäuse. — In die Haut gewisser Haie eingebohrt findet man eine eigen-
tümliche Lepadide, Anehsma mpialicola. von deren Stiel feine verästelte
Fäden entspringen, welche im Körper des Haies festsitzen; die Rankcn-
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216
Specieller Theil.
füsse sind borstenlos (erinnern an die Gliedmaassen gewisser schmarotzender
Copepoden), der Mantel ohne Kalkplatten, dagegen sind die Mundtheile
recht gut entwickelt. Ob diese Form ein echter Schmarotzer ist, welcher
sich vom Körper des Haies ernährt, oder ob sie lediglich auf diesem ihre
Wohnung hat, ist unsicher; ersteres dürfte aber das wahrscheinlichere sein.
2. Die Balanen (Seepocken, Balanidae) sind ungestielt und besitzen
eine meistens aus einem einzigen Kreis von Kalkplatten gebildete Schale
mit einem Deckel, welcher mit 4 Platten ausgestattet ist und eine 8palte
in der Mitte besitzt (vergl. oben). Dazu gehört die Gatt. Baianus, welche
z. B. oft in Schaaren grosse Steine am Meeresstrande überzieht, wo die Thiere
bald vom Wasser bedeckt, bald unbedeckt sind. Andere Gattungen findet
man auf Seeschildkröten festgeheftet oder an der Haut von Walen (mit dem
unteren Ende in die Oberhaut des Wales eingesenkt: Corotiula u. a.).
3. Die Wurzelkrebse (Rhizocej)hala) bilden eine dem Schmarotzer-
leben entsprechend umgebildete, höchst eigentümliche Abtheilung derRanken-
füssler, welche sich, wenn wir nur den ausgebildeten Zustand in Betracht
ziehen, von dem Bilde, das wir oben von der Ordnung gegeben haben,
weit entfernen. Der Körper des erwachsenen Thieres zerfallt in zwei Ab-
schnitte : einen vorderen, aus reich verästelten Fäden bestehend, welche im
Körper des Wirths versteckt liegen, und einen hinteren sackförmigen Ab-
schnitt, welcher ausserhalb des Körpers hängt und durch einen kurzen 8tiel
mit dem vorderen verbunden ist; die Fäden des vorderen Abschnittes um-
spinnen die inneren Organe des Wirths und nehmen endosmotisch Nahrung
aus demselben auf; sie lassen sich sowohl nach ihrem Aussehen als nach
ihrer Function mit dem Wurzelsystem einer Pflanze vergleichen. Der sack-
förmige Theil ist von einem weichen Mantel umgeben; die Mantelhöhle, in
weloher die Eier aufbewahrt werden, steht nur durch eine kleine Oeffnung
mit der umgebenden Welt in Verbindung. Darmkanal und sämmtliche
Gliedmaassen fehlen. — Die Wurzelkrebse durchlaufen eine Metamorphose,
deren erste Stufen denen der normalen Rankenfüssler ähnlich (Nauplius-,
Cypris-Stadium) sind ; nach der Festheftung am Wirth unterliegt das Thier aber
einer Umbildung, deren Resultat die oben beschriebene abenteuerliche Gestalt
ist. — Sie schmarotzen auf ZehnfÜsslern, eine Art (SaceiUina carcini) findet
man z. B. recht häufig auf der Unterseite des Schwanzes der gemeinen
Krabbe (Carcinwt maenas) der europäischen Küsten, eine andere (PcUogaster
paguri) am Schwänze der Einsiedlerkrebse (das Wurzelsystem durchzieht in
beiden Fällen den ganzen Körper des Wirths, dessen Geschlechtsorgane
nicht zur Reife kommen etc.).
2. Unterclasse. Malakostraken (Malacostraca).
Im Gegensatz zu den Entomostraken, deren Segment- und Glied-
maassen-Zahl innerhalb sehr weiter Grenzen schwankt, finden wir bei
den Malakostraken eine typische Zahl von Segmenten und Glied-
maassen, eine Zahl, welche bei gewissen Formen dadurch verringert
werden kann, dass einzelne Segmente oder Gliedin aas senpaare nicht
zur Entwicklung gelangen, welche aber niemals überschritten wird.
Der Körper der Malakostraken zerfallt in 3 Abschnitte : den Kopf,
den Rumpf, welcher aus 8 Segmenten besteht, und den 7gliedrigen
Schwanz. Vom Kopf entspringt bei den meisten Ordnungen ein
Schild, welches immer nur den Rumpf selbst (oft sogar nicht den
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Gliederiussler. 1. Classe: Krebsthiere. 2. Unterlasse: Malakostraken. 217
ganzen Rumpf) bedeckt, nicht aber die Rumpfgliedmaassen und den
Schwanz (vergl. die Verhältnisse bei den Daphniden, Phyllopoden etc.);
Fig. 160. Die G 1 i ed m a as s e n eines Hummers, <f \ alle gehören der linken Seite
•n und sind von hinten (unten) gesehen. In der oberen Kcihc sind dargestellt (von links
nach rechts): Vorderantenne, Hinterantenne, Vorder-, Mittel-, Hinterkiefer ; 1., 2., 3. Kiefer-
tus» (die drei vordersten Rumpffutse). In der mittleren Keihe der 4. — 8. Kuinpffuss (die Brust-
fassc). In der unteren Keihe die Schwanzfünse. i Stamm, y Aussenast, b Nebenast, >j Kieme,
k Oeffhung der AntcnnendrUse. — Orig.
das Schild ist stets mit einem kleineren oder grösseren Theil der
Rückenseite des Rumpfes verwachsen, während die Seitentheile frei
218
Specieller Theil.
sind; seine äussere Oberfläche ist mit einer festen Cuticula bedeckt,
welche oft eine bedeutende Dicke erreicht. Der Kopf trägt ferner:
ein Paar grosse , zusammengesetzte , meist gestielte und bewegliche
Seiten äugen, während das Stirnauge in der Regel beim ausge-
bildeten Thier fehlt ; die Vorderantennen, aus einem dreigliedrigen
Schaft und zwei vielgliedrigen Geissein bestehend, von welchen die
äussere die Riechhaare trägt (die andere fehlt nicht selten); die
Hinterantennen, mit einem fünfgliedrigen Schaft, welcher sich
in eine vielgliedrige Geissei fortsetzt, und von dessen zweitem Seg-
ment sehr häufig ein plattenförmiger, ungegliedeter Aussenast ent-
springt; endlich ein Paar kräftiger Vord er kief er, häufig mit drei-
gliedrigem Palpus, ein Mittel- und ein Hinterkieferpaar, beide
von abgeplatteter Form. Der Rumpf, welcher vom Kopf nicht
durch eine scharfe Grenze gesondert ist, und dessen Segmente, alle
oder zum Theil, mit einander oder mit dem Kopfe unbeweglich ver-
bunden sind, trägt 8 Paar Rumpffüsse, welche typisch aus je
einem 7gliedrigen, schlanken Stamm bestehen, dessen Grund-
glied einen plattenförmigen, ungegliederten Nebenast trägt, während
vom zweiten Glied ein gewöhnlich schmälerer, am Rande behaarter
feingliedriger Aussenast entspringt; häufig fehlt übrigens der
Aussenast oder der Nebenast oder beide, und in Folge von Ver-
wachsung einiger Glieder kann der Stamm eine geringere Glieder-
anzahl als sieben haben. Selten sind alle 8 Rumpffusspaare wesent-
lich gleich; gewöhnlich sind das erste oder die zwei bis drei ersten
Paare als Kieferfüsse ausgebildet, in den Dienst der Ernährung
getreten, während die übrigen der Bewegung dienen ; häufig sind einige
von den Rumpffüssen scheerenformig, indem das Endglied gegen einen
vom vorletzten Glied entspringenden Fortsatz eingeschlagen werden
kann (vergl. Figur 150, mittlere Reihe). Der Schwanz ist typisch
7gliedrig (das letzte Segment kann zuweilen fehlen, einige Segmente
können verwachsen); während die Eingeweide grösstentheils ihren
Platz im Rumpfe finden, ist jener gewöhnlich von kräftigen Muskeln
ausgefüllt und als wirksames Bewegungswerkzeug thätig; die 6 vor-
deren Segmente tragen in der Regel je ein Paar Gliedmaassen, die
Schwanzfüsse, welche aus einem zweigliedrigen Schaft und zwei
Blättern bestehen (das äussere Blatt stellt den Aussenast dar) und
meistens als Schwimmwerkzeuge fungiren ; das letzte Schwanzfusspaar
ist in der Regel, von den übrigen etwas abweichend, nach hinten gerichtet,
oft breit und mit kurzem Schaft; es bildet mit dem siebten, immer
gliedmaassenlosen Schwanzglied häufig einen Schwanzfächer. — Von
anderen gemeinsamen Charakteren sind die folgenden hervorzuheben.
Die Mundöffnung hat ihren Platz auf der Unterseite des Kopfes; vor
derselben befindet sich eine Oberlippe, hinter derselben eine zwei-
lappige Unterlippe, an den Seiten die Vorderkiefer. Die Malakostraken
besitzen einen mit festen Platten und Borsten ausgestatteten, chitini-
sirten Kaumagen, welcher auf die kurze Speiseröhre folgt; der
übrige Theil des Darmkanals ist schlauchförmig, der After befindet
sich auf der Unterseite des letzten Schwanzgliedes; hinter dem Kau-
magen mündet in den Darm die aus einer grösseren oder kleineren
Anzahl von Schläuchen zusammengesetzte Leber. Das Herz ist in
den meisten Fällen kurz und breit, zuweilen mehr gestreckt, fast
immer mit nur 3 Spaltenpaaren (oder weniger) versehen; die Ent-
wicklung des übrigen Gefässsystems ist sehr verschieden. Ale
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Güederfüsaler. 1. Clane : Krebathiere. 2. Unterclasse: Malakostraken. 219
Kiemen fungiren sehr verschiedene Theile (vergl. die einzelnen
Ordnungen). Als Excretionsorgane finden wir bei der Mehrzahl der
Ordnungen die Antennendrüsen, welche sich im Basalgliede der
Hinterantenneu öffnen und oft eine sehr ansehnliche Ausbildung er-
reichen (die ,. grüne Drüse" der Zehnfüssler), während sie bei anderen
fehlen (Isopoden). Die Eierstöcke sind meistens theilweise mit
einander verbunden ; die Eileiter sind dagegen gesondert und öffnen
sich an der Unterseite des drittletzten Rumpfsegmentes oder im Basal-
gliede der diesem Segmente angehörenden Gliedraaassen (des 6. Rumpf-
fusspaares). Die Hoden verhalten sich wesentlich wie die Eier-
stöcke, die Samenleiter öffnen sich auf dem letzten (8.) Rumpf-
segment oder im Basalgliede des 8. Rumpffusspaares.
Bei manchen Malakostraken verlässt das Junge das Ei als ein
Naup Ii us, welcher allerdings nur bei einer geringeren Anzahl Formen
(den Leuchtkrebsen und einigen Garneelen, Fig. 134) ein frei beweg-
licher Nauplius wie derjenige der Entomostraken ist; in der Regel
ist der Nauplius madenartig (Fig. 154), und die Larve verlässt
das Mutterthier, welches eine Bruthöhle besitzt, erst später, nachdem
sich eine grössere Anzahl von Gliedmaassen entwickelt hat (Mysiden,
Cumaceen, Isopoden). Bei anderen verlässt das Junge das Ei auf
einem vorgeschritteneren Stadium, durchläuft jedoch gewöhnlich eine
mehr oder weniger eingreifende Metamorphose.
Anmerkung. Eine Uebergangsform von den Entomostraken, speciell
den Blattfüaslern, zu den Malakostraken ist die am richtigsten den Blatt-
fusslern zuzurechnende Gattung Ncbalia, welche im Mittelmeer, in der Nordsee,
an der Küste von Grönland etc. lebt. Der Körper zerfällt in Kopf, Rumpf
Fig. 151. Nfbnlin Gtoffrtnji. VIII acht«?!« Kuni|if;>egmeiit ; I, 7 erstes und nicbtes
Schwanzsegment ; At H.t Vorder- und llhitcratitcnne, C'Kopf; //«,, erster und sechatcr
Si-hwanzfUM; h\, A\ enter und achter Kumpflaas, o Auge, r Schwanzanhiinge, S Schild
(linke Seite weggenommen). — Nach H. Müne Edwards.
und Schwanz ; der Rumpf ist 8 gliedrig mit 8 gleichgebildeton Gliedmaassen-
paaren, welche denen anderer Blattfüssler ähnlich sind: jede dieser Glied-
maassen (Fig. 132, A) ist siebengliedrig, abgeplattet, mit breitem Aussen-
und Nebenast Der Schwanz ist 8 gliedrig und an der Spitze mit einem
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220
Specieller Theil.
Paar von Schwanzanhängen wie die Blattfiissler ausgestattet, dabei aber mit
ähnlichen Schwanzfüssen (6 Paar) wie die Malakostraken versehen. Ein
grosser Theil des Körpers und der Gliedmaassen (nicht wie bei den Mala-
kostraken der Kampf allein) ist von einem grossen zusammengedrückten
Schild bedeckt, das lose über den Rumpf hin liegt, ohne mit demselben
verwachsen zu sein. Das Thier bietet überhaupt eine merkwürdige Ver-
einigung von Charakteren der Blattfüssler und der Malakostraken dar.
Uebersicht der Ordnungen.
Stielaugen.
Schild vorhanden,
wohlentwickelt.
Hinterannen mit Aussenast.
Sitzende Augen.
Schild klein oder fehlend.
Hinterantennen ohneAussenast.
6. Zehn füssler
7. Maulfüssler
1. Leuchtkrebse
2. Mysiden
3. Cumaceen
4. Isopoden
5. Amphipoden
Kein Brutsack.
Brutsack vorhanden.
Ein Paar Kiefer-
1. Ordnung. Leuchtkrebse (Euphausuicea).
Die Leuchtkrebse sind durchsichtige, ein paar cm lange, gar-
neelenähnliche Thiere, welche in grossen Schaaren auf dem
offenen Meere leben. Sie unterscheiden sich dadurch von allen an-
deren Malakostraken, dass keiner von den Rumpffüssen als
Fig. 152. Thytanopus tricuspidatu*. 1, 7 erste« und siebtes Schwanzsegment ;
Ax—At Vorder- und Hinterantennc ; J73 dritter Schwanzfuss ; A",, A'9, K-, erster, zweiter und
siebter Rumpffuss; K3ex und K*ex Aussenast des 3. und 8. Rumpffussos; ep Nebenast des
8. Rtunpfrnsses ; L Leuchtorgan; S Schild. — Nach Sars.
Kiefer fuss ausgebildet ist, sondern alle 8 Paare sind wesentlich
gleich (das hinterste oder die beiden hintersten Paare jedoch mehr
oder weniger rückgebildet) und alle dienen der Bewegung : sie bestehen
aus je einem 7gliedrigen, gestreckten und dünnen Stamm, einem
kräftigen, am Rande behaarten, als Schwimmwerkzeug thätigen A u s s e n-
a s t und einem Nebenast, welcher an allen Füssen mit Ausnahme
des vordersten Paares stark verästelt ist und als Kieme fungirt
(die Kiemen hängen frei an der Seite des Tbieres). Augen, Antennen,
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Gliederfüßler. 1. Classe: Krebsthiere. 2. Unterclaase: Malakostraken. 221
Schild, Schwanz und Schwanzfüsse verhalten sich im Wesentlichen
wie bei den Garneelen (vergl. diese). Die Leuchtkrebse zeichnen
sich ferner dadurch aus, dass sie ein Stirnauge durch das ganze
Leben bewahren, dass sie eigentümliche augenähnliche Leucht-
organe besitzen (je eines in den Augenstielen, im Basalglied des
2. und 7. Rumpffusses, ferner auf der Unterseite des 1. bis 4. Schwanz-
segmentes), und dass das neugeborene Junge ein frei schwimmender
N a u p 1 i u s ist. — Die an Arten verhältnissraässig arme Abtheilung
ist sowohl in wärmeren als in kälteren Meeren vertreten (Thysanopus,
Euphamia u.a.); gewisse Arten bilden einen wichtigen Bestandteil
der Nahrung der Bartenwale.
2. Ordnung. Mysiden (Mysidaced).
Diese Ordnung theilt man in zwei Hauptgruppen, die eigentlichen
Mysiden und dieLophogastriden, welch letztere Gruppe auf grössere
Meerestiefen beschränkt ist und mehrere merkwürdige und abweichende
Formen umfasst. In den folgenden Angaben beschäftigen wir uns nur mit
den eigentlichen Mysiden.
Das allgemeine Aussehen der Mysiden ist ebenso wie das der
Leuchtkrebse garneelenartig; der Körper ist jedoch weniger zu-
sammengedrückt, mehr abgerundet, und der Schwanz besitzt nicht
Fig. 153. Boreomysi» meyalops, ein Myaide, 9- /, 6 erstes und sechstes Schwanzseg-
ment; .1, — At Vorder- und Hinterantenne; ex Aussenast des letzten Rumpffusses; fünfter
Schwanzfuas; Ä, , A* dritter und achter Kutnplfuss; mtl Vorderkiefer-Taster; Ol Otolith;
h Bratsack; S Schild. - Nach Sars.
den ausgeprägten Knick, der die Garneelen (und Leuchtkrebse) aus-
zeichnet. Alle 8 Rumpffusspaare sind mit je einem Schwimmast,
dem Aussenast, versehen, ein Nebenast ist aber nur am ersten Paare
vorhanden. Das erste Rumpffusspaar ist zu Kieferfüssen ent-
wickelt; auch das zweite Paar ist von den folgenden etwas abweichend.
Die Schwanzfüsse mit Ausnahme des letzten Paares (des Schwanz-
fachers) sind beim Weibchen immer, oft auch beim Männchen, schwach
entwickelt. Im inneren Blatte des letzten Schwanzfusspaares befindet
sich eine geschlossene Gehörblase, welche innen mit einer Reihe
von Haaren ausgestattet ist, die einen grossen Otolithen trägt (die
Mysiden sind die einzigen Krebse, welche an dieser Stelle Gehör-
blasen besitzen). Als Athmungsorgan fungirt die innere, dünn-
häutige Seite des Schildes, welche mit einem dichten Gefässnetz ver-
sehen ist; der Nebenast des ersten Rumpffusses hat seinen Platz
unter dem Schilde und bewirkt durch seine Bewegungen die Er-
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222
Specialer Theil.
neuerung des
Seite des Bass
(D
Fi«. 154. »fruit-
X a u p 1 i u s , von
unteo gesehen
(verjfr.). at Vor-
der- , a t Hinter-
antcmie, md Vor-
derkiefer. — Orig.
"Wassers unterhalb des Schildes. — Von der inneren
lgliedes einiger Rumpffüsse entspringt je eine gebogene,
nach innen gerichtete dünne Platte; diese Platten
bilden zusammen einen Brutsack auf der Unterseite
des Körpers, welcher den Eiern und Jungen als
Aufenthaltsort dient. Die Jungen verlassen das Ei
als Nauplien mit den drei bekannten Paaren von
Anhängen (Antennen, Vorderkiefern), sind aber Maden
ähnlich, ausser Stande sich zu bewegen, ernähren sich
von dem aus dem Eie mitgebrachten Nahrungsdotter,
und verlassen erst den Brutsack, wenn sie im Wesent-
lichen das Aussehen der Erwachsenen angenommen
haben.
Einige Mysiden findet man auf offenem Meere,
andere sind Küstenthiere ; an den nordeuropäischen
Küsten leben z. B. Arten der Gattung Mysis, durch-
sichtige , schwach pigmentirte Thierchen , welche
schaarenweise umherschwimmen.
3. Ordnung. Cumaceen [Cnmaced).
Die Thiere dieser Ordnung sind zwar mit der vorhergehenden verwandt,
besitzen aber nicht dasselbe garneelenartige Gepräge and sind überhaupt in
manchen Punkten abweichend. Das Hautskelet ist fest und spröde. Das
Schild ist so klein, dasB es nur den vorderen Theil des Rumpfes deckt,
Fig. 1 56. Diastylta ncapolitana, ein Cumocee. V und VIII fünftes und achtes Rumpf-
; /, 2, 7 erstes, zweites, siebtes Schwanzsegment ; ex Anssenast eines Rumpffusses ;
//„ sechster Schwanzfuss -, A'4( A*8 vierter und achter Rumpffuss; o Auge, S Schild. — Nach Sar*.
während die fünf hinteren Rumpfsegmente unbedeckt sind. Die
Seitenaugen sind ungestielt, klein, gewöhnlich zu einem einzigen ver-
schmolzen; den Hinterantennen fehlt der Aussenast. Von den Rumpf«
f ü s s e n sind einige mit einem Schwimmast ausgestattet, an anderen
fehlt ein solcher; ein Nebenast (welcher eine Kieme trägt) findet sich ebenso
wie bei den Mysiden nur am 1. Rumpffuss, welcher als Kieferfuss aus-
gebildet ist (das 2. Glied des Kieferfusses ist mit einigen Haken versehen,
so das8 er mit dem gegenüberstehenden zusammengehakt werden kann) ; auch
der 2. Rurapffuss ist von den folgenden etwas abweichend (wie bei den Mysiden).
') Bei den MyBiden ist das Schild auch nicht mit diesen 5 Segmenten ver-
wachsen, erstreckt sich aber über den grössten Theil derselben hin (nur auf der
Rückenseite sind die zwei hintersten Segmente unbedeckt).
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Gliederfdssler. 1. Classe: Krebsthiere. 2. Unterlasse: Malakostraken. 223
Die Rumpffüsse sind übrigens — besonders ist dies mit den hintersten
Paaren der Fall — mehr zum Gang geeignet als bei den Mysiden und
Leuchtkrebsen. Der Schwanz ist lang, dünn, gerade, sehr beweglich. Von
den Schwanzfüssen besitzt das Weibchen nur das nach hinten gerichtete
hinterste Paar, welches schlank, nicht abgeplattet ist, und nicht als Schwimm-
facher wirken kann ; beim Männchen sind in der Regel auch die übrigen
Schwanzfüsse vorhanden. — Die Weibchen sind mit einem ebensolchen, aus
plattenförmigen Anhängen der Rumpfrusse zusammengesetzten, Brutsack
wie die Mysiden -Weibchen ausgestattet; wenn die Jungen aus dem Ei
kommen, sind sie ähnliche madenartige Nauplien wie bei letzteren;
wenn sie den Brutsack verlassen, sind sie den Erwachsenen ähnlich, es
fehlt ihnen aber noch das letzte Rumpffusspaar, welches sich erst später
entwickelt (vergl. die Isopoden).
Die Cumaceen sind kleinere Thiere, welche auf dem Meeresboden in
einiger Tiefe leben. Sie sind auch in der Nord- und Ostsee vertreten.
4. Ordnung. Isopoden (Isopoda).
Der Körper ist von oben nach unten abgeplattet, mit einem
festen, oft spröden Hautskelet umgeben, der Schwanz ist kurz, höch-
stens figliedrig, indem das letzte (7.) Segment fehlt; von den übrigen
Schwanzsegmenten ist das Endsegment (6.) gewöhnlich gross; durch
1 2 3
Fig. 156. / Argax 2—3 C'ffmothoa von oben und von unten. // und VIII zweites
und achtes Kuinpfse^iieiit ; /, 2 und 6 erstes, zweite» und sechstes Schwnnzse^ment ; //„ sechster
Schwanzfuss: A'2, Ä'4 etc. zweiter, vierter etc. Ruinpffuss; // Brutsack-Blatt. — Nach 11. Milne
Edwards.
Verwachsung ist oft scheinbar eine geringere Anzahl als 6 vorhanden.
Das Schild fehlt. Die A u g e n TSeitenaugen) sind sitzend, der
Aussenast der Hinterantennen fehlt (meistens). Das 1. Rumpfsegment
ist mit dem Kopf verschmolzen, die übrigen 7 sind dagegen
frei, beweglich und kräftig ausgebildet. Der erste Rumpffuss ist
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224
Specieller Theil.
als Kieferfuss entwickelt, an seinem innern Rand meistens mit
Haken ausgestattet, so dass die beiden Kieferfüsse zusammengeheftet
werden können. Die übrigen sieben Rumpffusspaare sind kräftige
Gehfüsse ohne Aussenast und ohne Nebenast. Die Schwanz-
füsse sind dadurch ausgezeichnet, dass das innere Blatt an einigen
derselben als Kieme ausgebildet ist; das Blatt ist dünnhäutig
und mit einem feinen, dichten Capillargefässnetz versehen; andere
Athmungswerkzeuge sind in der Regel nicht vorhanden. — Die Iso-
poden besitzen einen ähnlichen, aus blattförmigen Anhängen der
Basalglieder der Rumpffüsse gebildeten Brut sack unterhalb des
Rumpfes wie die Mysiden ; die Jungen verlassen das Ei als maden-
förmige Nauplien, mit den drei Paar als kurze Stummel ent-
wickelten Anhängen (oder ganz ohne dieselben); wenn sie den Brot-
sack verlassen, besitzen sie in der Hauptsache die Gestalt des aus-
gebildeten Thieres, es fehlt ihnen aber noch das letzte Rumpf-
fusspaar.
Die Isopoden leben sowohl im Meere als im Süsswasser und auf
dem Lande (an feuchten Stellen). Sie sind wesentlich zum Gang
ausgebildet; einige schwimmen iedoch vermittels der Schwanzfüsse
umher. Zahlreiche Isopoden sind Schmarotzer.
1. In der Nord- und Ostsee leben u. a. folgende: Mehrere Arten von
Klappenasseln (Idathea), ziemlich gestreckte Isopoden mit einer eigen-
tümlichen Ausbildung des letzten Schwanzfusspaares, das zwei thürähnliche
Klappen unterhalb des Schwanzes bildet, innerhalb welcher die übrigen
Schwanzfüsse sitzen; eine Art dieser Gattung (I. tricttspidata), welche auf
dem Strande zwischen Tang lebt, zeichnet sich dadurch aus, dass sie in
vielen verschiedenen Farbenvariationen auftritt (in verschiedener Weise
gefleckt etc.). Weiter die kleine Bohrassel (Limnoria terebrans), welche
in Holzwerk (Hafenbauten etc.) Gänge nagt und zuweilen ßehr schädlich wird.
2. In SüsswaBserlachen mit verwesenden Pflanzentheilen findet man
allgemein die platte, langbeinige Wasserassel (Aseüus aquaiicus).
3. Auf dem Lande leben zahlreiche Arten der Abtheilung der Land-
a s s e 1 n (Gatt. Oniscus tu a.). Sie zeichnen sich dadurch aus, dass die
Vorderantennen rudimentär sind und das Endsegment des Schwanzes un-
gemein klein ist. Einige derselben haben ausser dem gewöhnlichen Kiemen-
apparat eine Art Lungen ausgebildet, indem das äussere Blatt einiger
Schwanzfüsse eine verzweigte, mit einer spaltförmigen Oeffnung versehene
Höhlung einschliesst, welche ohne Zweifel als Athmungswerkzeug fungirt.
Die Landasseln („Mauerassel", „Kellerassel" etc.) sind lichtscheue Thiere
von unansehnlicher- Färbung; einige (ArmadiUidium) können sich ebenso
wie gewisse Tausendfüssler, mit denen sie eine oberflächliche Aehnlichkeit
besitzen, zusammenkugeln.
4. Die zahlreichen schmarotzenden Isopoden leben besonders
an Fischen und Krebsthieren. Wir finden bei denselben eine ähnliche
Stufenfolge in der durch das Schmarotzerleben bedingten Umbildung wie
bei den schmarotzenden Copepoden. Die Gatt. Aega, welche als Blutsauger
an Fischen lebt, ist z. B. noch wenig umgebildet: das 2.-4. Rumpffuss-
paar sind zwar als Hakenbeine zum Festhalten eingerichtet, die Thiere sind
aber im Stande, sich frei umherzubewegen, und mit grossen Augen aus-
gestattet; Männchen und Weibchen sind wenig verschieden. Inniger dem
Schmarotzerleben angepasst ist die mit Aega verwandte plumpe Cytnothoa ]),
') Für Cymothoa und einige andere schmarotzende Isopoden hat man die
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Gliederfussler. 1. Classe: Krebsthiere. 2. Unterclasse: Malakostraken. 225
mit kleineren Augen (oder augenlos) und 7 knrzen Hakenbeinpaaren ; sie
lebt in der Mond- und Kiemenhöhle bei Fischen. Noch weit mehr um-
gebildet sind die in der Kiemenhöhle von Garneelen nnd anderen Zehn-
füsslern schmarotzenden Bopyren (Dojrt/rus u. a.), deren Weibchen asym-
12 3
Fig. 167. / Crpon eUgatu, eine Bopyride aus der Kiemenhöhle einer Krabbe, Weih-
chen (das Männehen. c*, an der Basis des Schwanzes festgeheftet). Von oben gesehen. —
2—3 Portvnion Kotamanni, <j* (von der rechten Seite) und 9 (von der Unken Seite), eine
Entoniacide, welche in einer Krabbe schmarotzt ; a* weit stärker als 9 vergr.
//— VIII Rumpfsegmente, 1—6 Schwanzsegmente, 3' seitlicher Fortsatz des dritten
Schwanzsegmentes (diese Fortsätze der Schwanzsegmente sind hell, die SchwanzfUssc dunkel
gehalten), C Kopf (+ 1. Rumpfsegment), Ca Schwanz; TT,, TT,. Ha 1.. 5., 0. Schwanzfuss ;
Jß Brntsackblätter. — Nach Giard & Bounier.
metrisch, angenlos nnd mit ganz kleinen Hakenbeinen ausgestattet sind;
die Glieder des breiten Rumpfes sind unbeweglich verbunden. Die Männchen
der Bopyren besitzen eine mehr normale Isopodengestalt, aber eine sehr
geringe Grösse (Zwergmännchen) und sitzen am Schwanz des Weibchens
festgeheftet. Ganz oder fast gliedmassenlos, überhaupt von wunderbarer
Gestaltung sind die Weibchen der in gewissen Krebsthieren schmarotzenden
Entonisken (Enfotiiscwij Porttniioti u.a.), deren Zwergmännchen von
ziemlich normaler, wenn auch etwas reducirter Gestalt sind. — Die Jutigen
der parasitischen Isopoden besitzen in allen Fällen eine normale Isopoden-
geetalt und das Vermögen sich frei umherzubewegen.
5. Die Tan a'f den oder Scheerenasseln (die Gattungen Tuwis,
Apseiidc.s u. a.) bilden eine kleine Isopoden-Abtheilung, welche in mehreren
Hinsichten von den übrigen abweicht und sich den Mysiden und Cumaceen
nähert. Sie besitzen nur 6 freie Rumpfglieder, indem auch das 2. Rumpf-
segment (nicht blos das erste wie bei der Hehrzahl der Isopoden) mit dem
Kopf verbunden ist. Es ist ein kleines Schild vorhanden, welches oben
mit den beiden mit dem Kopfe verbundenen Segmenten verwachsen ist,
während seine Seitentheile frei sind und ebenso wie bei den Mysiden mit
interessante Beobachtung gemacht, dnss sie (im Gegensatz zu allen anderen Mala-
kostraken) Hermaphroditen sind, und zwar der Art, dsss sie in der Jugend eine
Zeitlang als Männchen fungiren, während der weibliche Geschlechtsapparat erst
später zur Entwicklung gelangt, zu gleicher Zeit wo der männliche sich rückbildet.
Boa», Zoologie. 15
22f>
Specieller Theil.
ihrer innern, dünnhäutigen Oberfläche als Kiemen fungiren ; unter dem
Schilde sitzt jederseits der dem 1 . Rumpffuss angehörende weiche Nebenast,
welcher ebenso wie bei den Mysiden die Erneuerung des Wassers bewirkt.
Die Augen oft auf kurzen, unbeweglichen, vom übrigen Kopf aber deutlich
Fig. Ii'iK. Ai'KMuhs Lalrt illd. 2, 3, 4, 8 zweiter, dritter etc. Rumpffuss ; Al — At Vorder -
und Ilinterantenne: r.r Aussenast des 2. Rumpffussea; 7/u sechster Schwanzfuas ; o Auge. —
Nach Surs.
abgegrenzten Stielen; der Aussenast der Hinterantennen ist zuweilen
vorhanden. Der zweite und der dritte Rumpffuss, von welchen ersterer
als Scheerenfuss ausgebildet ist, sind manchmal mit einem rudimentären,
aber deutlichen, Aussenast versehen. Die Schwan zfüsse dienen nicht
alB Kiemen. — An den europäischen Küsten.
5. Ordnung. Amphipoden (Amphipoda).
Das Hautskelet ist meistens weniger fest als bei den Isopoden.
Der Schwanz ist 7gliedrig (das letzte Segment klein). Das Schild
fehlt, die Augen sind sitzend, der Aussenast der Hinterantennen
Fig. löy. Kin mit (Jammurtta nahe verwandter Amphiphod (etwas vergr.). Ax — As Vor-
der- und Ilinterantfiinc, / Kieferfuss, 2 — 3 zweiter — dritter Rumpffuss, (r Brutsack, g Kieme,
//,. nk, //„ 3., 4. und G. Schwan/.fuss. — Nach Sars.
fehlt. Das erste Rumpfsegment ist mit dem Kopf verschmolzen, die
übrigen sieben sind frei und beweglich. An allen Rumpf-
füssen fehlt ein Aussen- und Nebenast, so dass sie blos aus dem
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Gliederfüssler. 1. Classe: Krebsthiere. 2. Unterclasse: Malakostraken. 227
Stamme bestehen; das vorderste Rumpffusspaar ist zu Kieferfüssen
entwickelt, welche mit einander am Grunde verwachsen sind; die
übrigen siebenPaare sind G e h f ü s s e , von denen einige, besonders
die vorderen, zugleich Greifwerkzeuge sind, indem das letzte Glied
gegen das vorletzte eingeschlagen werden kann ; das Grundglied dieser
Gliedmaassen (besonders der vier vorderen Paare) ist plattenförmig,
nach abwärts gerichtet, wodurch der Körper ein zusammenge-
drücktes Gepräge erhält (der Rumpf selbst ist nicht zusammen-
gedrückt, Fig. 160). Von der inneren Seite desselben Gliedes entspringt
an einigen Rumpffüssen ein dünnhäutiger plattenförmiger Anhang,
welcher als Kieme1) fungirt. Die drei vorderen Schwanzfuss-
Paare sind kräftige Schwirambeine, die
drei hinteren dagegen kleiner, ziemlich steif
und nach hinten gerichtet. — Die Amphipoden
besitzen einen eben solchen Brutsack wie die
Isopoden, die Jungen verlassen aber das Ei
schon mit sämmtlichen Gliedmaassen ausge-
stattet.
Die Amphipoden sind meistens lebhafte
Thiere, welche im Wasser umherschwimmen
und -hüpfen; ersteres geschieht vermittels des
1. — 3. Schwanzfusspaares, letzteres, indem die
Schwanzspitze nach hinten geschlagen wird;
andere (vergl. unten) sind trägerer Natur. Sie
leben in grosser Arten- und Individuenzahl im
Meere, sowohl dicht am Ufer als auf tieferem
Wasser und auf offenem Meer; wenige leben im
Süsswasser, einzelne zwischen angeschwemmtem
Tang auf dem Meeresstrande oder gar weit vom
Strande in feuchter Erde. Eine geringe Anzahl
leben als S c h m a r o t z e r.
1. Die Flohkrebse (Gammarua) können als
Repräsentanten der typischen Amphipoden-Gestalt
gelten. Augen ziemlich klein, 2. und 3. Rumpf-
fasspaar Greiforgane. Leben sowohl im Meere wie im Süsswasser ; in
der Nord- und Ostsee findet man z. B. am Strande den G. locusta häufig;
der sehr nahe verwandte G. jmlex ist im Süsswasser gemein; in Brunnen
lebt der blinde G. (Niphargus) puteanus.
2. Auf offenem Meere leben zahlreiche Gattungen der ITyperinen,
durchsichtige, mit kolossalen Augen ausgestattete Amphipoden, von welchen
einige in Quallen und anderen durchsichtigen Meeresthieren Aufenthalt
nehmen; in der gemeinen Ohrenqualle findet man z. B. nicht selten eine
Art, llyperia gallxt.
3. Eine abweichende Form ist die Gatt. CaprrUu, welche dadurch aus-
gezeichnet ist, dass der Schwanz ganz rudimentär (zu einer gliedmaassen -
losen Warze rückgebildet) ist, und dass sie nur 6 freie Rurapfsegmente
besitzt, indem auch das 2. Rumpfglied mit dem Kopfe verschmolzen
ist. Der Körper ist langgestreckt und dünn, fast fadenförmig, das 2. und
3. Rumpffusspaar sind Greiffüsse (das erste derselben ist klein, das andere
Fig. 160. Querschnitt des
Rumpfe« von GttMMMM (ver-
grössert). 1 — 2 erste?« —
zweites Glied eines Beines.
r Bruthöhle, b eines der die-
selbe unten begrenzenden
Blätter, g Kieme, A Herz,
o Kierstock, / Dann, / I.eber-
BchlXache, .. Bnuchganglien.
— Nnch Sars, gelindert.
') Dieser Anhang kann nicht als dem Nebenast entsprechend aufgefasst
werden, denn der Nebenast entspringt von der Aussenfleite des Grundgliedes
(vergL Fig. 160).
15*
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228
Specieller Theil.
gross), von dem 4. und 5. Paar ist nur das Basalglied mit der Kiemen-
platte ausgebildet (dagegen fehlen Kiemen an den übrigen Beinpaaren), das
6. — 8. Paar sind echte Gangbeine. Die Caprellen leben im Meere, wo sie
langsam auf Meerespflanzen und Thierstöcken umherwandern. — Mit ihnen
1 .?
2
Fig. 161. / — 2 Capreüa aeuti/rons, von üben und von der linken Stute. 3 Cyamns
mytticeti, von oben. /// — VIII Rumpfscgmeutc. At Vorderantenne, Aa Schwauzrudiincnt,
ij Kieme, if3 — A"9 zweiter — achter RiunpfYiiBs. — / — 2 nach Mayer, 3 nach I.ütkon (geändert).
nahe verwandt sind die Walfischläuse (Ctj(tmn$), deren 6 freie Rumpf-
segmente jederseits in je einen langen, an seiner Spitze das Bein tragenden
Fortsatz ausgezogen sind, wodurch der Körper eine abgeplattete, isopoden-
ähnliche Gestalt erhält; übrigens wesentlich wie Caprella. Sie leben als
Schmarotzer an der Haut der Wale.
C. Ordnung. ZehnfÜSSler (Decapoda).
Das wohlentwickelte Schild ist auf der Rückenseitc mit allen
8 Rumpfsegmenten verwachsen, die Seitentheile desselben sind aber
frei, und zwischen ihnen und dem Rumpf findet sich jederseits ein
geräumiger Hohlraum, die Kiemen höhle. Die Augen sitzen auf
beweglichen Stielen, die Hinterantennen haben in der Regel
(mit Ausnahme der Krabben) einen plattenförmigen , ungegliederten
Aussenast. Von den Rumpffüasen (siebe Fig. 150 , S. 217) sind die
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(iliederfüflsler. 1. C lasse: Krcbsthiere. ± Uuterelassc: Malakostrakeu. 229
drei vorderen Paare als Kiefer füsse ausgebildet; das erste Paar
ist ebenso wie die Mittel- und Hinterkiefer stark abgeplattet, die
beiden anderen Paare sind von den übrigen Rumpffüssen weniger ab-
weichend, gewöhnlich aber weit kürzer als diese. Die übrigen 5 Paar
Rumpffüsse bezeichnet man mit dem Namen Brustfüsse; sie
dienen wesentlich als Gang bei ne, ein oder mehrere Paare (meistens
das vorderste Paar) sind aber gewöhnlich als Scheeren beino aus-
gebildet, indem das vorletzte Glied sich in einen kräftigen Fortsatz
verlängert, gegen welchen das äusserste Glied greift; solche werden
dann zugleich oder ausschliesslich als Greifwerkzeuge verwendet. Die
Kieferfüsse besitzen in der Regel einen recht gut entwickelten, schlanken
Fig. 162. Palaemon. 1 — 7 Schwanzacgtncntc , Ax — At Vorder- und Hintcrautenno,
J|« Aussenast der letzteren ; fftt dritter und sechster Schwanzfua? ; A'* dritter Runipf-
hu» (— dritter Kieferfuss) , Kk vierter Kumpffuss (= erster ßrustfuss) , A'g achter Rumpf-
im (= fünfter Brustfuss); 8 Schild. — Nach II. Milne Edwards.
Aussenast, der dagegen an den Brustfüssen fast immer fehlt; so-
wohl an den Kieferfüssen wie an den Brustfussen kann ein Neben-
ast vorhanden sein, welcher immer in der Kicmenhöhle versteckt
liegt. Von den Nebenästen und von der Seite des Rumpfes (und von
der Gelenkhaut zwischen Rumpf und Rumpffüssen) entspringen die
Kiemen, welche aus je einem Stamm mit zwei Blätterreihen oder
mit einer grösseren Anzahl von Fäden bestehen ; von solchen Kiemen
sind iederseits 5 bis einige 20 vorhanden. Sie haben ihren Platz in
der Kiemenhöhle, in welche das Wasser gewöhnlich am Grunde der
Rumpffüsse eintritt, über die Kiemen hin fliesst, um dann am vorderen
Ende der Kiemenhöhle dieselbe wieder zu verlassen; die Strömung
in der Kiemenhöhle wird dadurch bewirkt, dass der grosse platten-
I
i
Di
230
Specieller Theil.
förmige, am Räude behaarte Aussenast des Hinterkiefers als
ein stetig schwingendes Ventil am vorderen Ende derselben sitzt.
Von den Schwanz fUssen bildet das letzte (6.) Paar, wenn es vor-
handen ist, zusammen mit dem letzten (7.) Schwanzsegment die breite
sogenannte Schwanzflosse (den Schwanzfächer) ; von den übrigen
5 Paaren sind das 1. und 2. beim Männchen in der Regel ganz oder
theilweise zu Begattungswerkzeugen umgebildet. Die Ent-
wicklung des Schwanzes ist übrigens eine sehr verschiedene bei den
verschiedenen Gruppen der Zehnfüssler.
Die Zehnfüssler sind mit einem Gehörorgan ausgestattet,
welches im Basalgliede der Vorderantennen seinen Platz hat. Bei
manchen (Garneelen, Hummer u. a.) ist es eine offene Hauteinstülpung,
welche auf der Oberseite des betreffenden Gliedes mündet; in der-
selben sind eigenthümlich eingelenkte Haare (Hörhaare) angebracht,
welche durch die Schallwellen in Bewegung gesetzt werden; auf den
Hörhaaren ruhen Sandkörner u. Aehnl., welche nach jeder Häutung von
dem Thiere in den Sack hineingebracht werden und die fehlenden
Otolithen ersetzt; bei anderen ist die Einstülpung ganz von der Aussen-
welt abgeschlossen, enthält aber dieselben Hörhaare und zuweilen
einen im Hohlräume abgesonderten Otolith; bei anderen Formen mit
geschlossenem Hörsack (den Krabben) fehlt dagegen ein Otolith. In
den allereinfachsten Fällen (bei gewissen Garneelen) ist gar keine
Einstülpung entwickelt, an der Stelle, wo sonst der Hörsack liegt,
linden sich aber Reihen von Hörhaaren1) an der Haut; solche freie
Hörhaare können übrigens auch bei Krebsen, welche einen Hörsack
besitzen, vorhanden sein, ebenso wie sie auch an anderen Stellen als
an Vorderantennen getroffen werden (auf dem Schwanz). — Die
Zehnfüssler besitzen einen kräftigen Kaumagen, oft mit grossen
verkalkten Mahlzähnen; in einer Einstülpung der Wand desselben
wird auf jeder Seite bei manchen Formen eine rundliche Kalkmasse
ausgeschieden, welche vor den Häutungen aufgelöst wird („Krebs-
augen"). Die Leber, welche mit einer Oeffnung jederseits hinter
dem Kaumagen in den Darm einmündet, ist aus einer grossen Menge
feiner Röhren zusammengesetzt (ähnlich bei den Leuchtkrebsen; bei
Mysiden, Cumaceen, Iso- und Amphipoden ist nur eiue geringe Anzahl
grosser Leberschläuche vorhanden). Das Herz ist kurz und breit,
liegt auf der Rückenseite des Rumpfes dicht unterhalb der Rücken-
haut. — Es ist eine grosse Antennendrüse, die sogenannte
„grüne Drüse", vorhanden; sie mündet mit einem feinen Loch im
Basalgliede der Hinterantenne. Bei einigen Zehnfüssler-Larven hat
man eine der „Schalendrüse" der Entomostraken entsprechende Drüse
nachgewiesen, welche sich am Hinterkiefer öffnet, später aber wieder
verschwindet. — Der Geschlechtsapparat zeigt den gewöhnlichen
Typus (zwei Geschlechtsdrüsen, welche durch ein unpaares Stück ver-
bunden sind; getrennte Ausführungsgänge). Die Eileiter münden im
Basalglied des drittletzten Rumpffusspaares oder (bei den Krabben)
auf der Bauchseite des entsprechenden Rumpfsegmentes, die Samen-
leiter im Basalgliede des letzten Rumpffusspaares. Wie oben erwähnt,
sind die beiden vorderen Schwanzfusspaare des Männchens in der
Regel mehr oder weuiger umgebildet, um die Spermatophoren auf das
Weibchen zu übertragen.
') Dasselbe Verhältniss findet mau auch bei den Leuchtkrebsen.
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(ilicderfdsaler. 1. Classe: Krcbsthiei c 2. l'nterclasse: Malakostraken. 231
Den Zehnfüssler- Weibchen geht immer ein Brutsack ab, trotzdem
tragen sie aber fast immer die Eier (aber nicht, oder nur ganz kurze
Zeit, die Jungen) mit sich umher, indem diese nach dem Austritt aus
den Eileitern an den Schwanzfüssen festgeklebt werden. Nur bei
einer geringen Anzahl tritt als erstes Jugendstadium ein frei umher-
scbwimmender Naupli us auf; solches ist bei der Garneelengattung
Penaeus (vergl. unten) und einigen damit nahe verwandten Formen
der Fall. Die Mehrzahl verlässt das Ei auf dem sogenannten Zoea -
stadium '), in welchem das Thier sich fortbewegt vermittels der später
als Kieferfüsse ausgebildeten
Anhänge, welche auf dieser Ent-
wicklungsstufe noch nicht der
Ernährung dienen . sondern als
Schwimmwerkzeuge fungiren; na-
mentlich sind es die Aussenäste
derselben, vermittels welcher das
Schwimmen ausgeführt wird. Die
Zoea ist ferner mit Stirnauge und
Seitenaugen, mit den beiden An-
tennenpaaren und den drei Kiefer-
paaren ausgestattet , auch das
Schild ist vorhanden, dagegen die
Brustfüsse und Schwanzfüsse noch
nicht, oder nur als kleine Anlagen,
ebenso wie auch der hintere Theil
des Rumpfes und der Schwanz
nicht so stark wie später ent-
wickelt sind. (Diejenigen Formen,
welche das Ei als Nauplien ver-
lassen , durchlaufen später das
Zoeastadium). Auf das Zoeasta-
dium folgt bei manchen Zehn-
füsslern ein sogenanntes Mysis-
stadium (es hat diesen Namen wegen
der Aehnlichkeit mit der ausgebil-
, \( i_ ix \ • l i rtc. 1G3. / nöa einer («urncele (ver^r. ).
deten Mysis erhalten), in welchem KjiL Kf, 2weitcr uml ,lritter Kietcr.u.,,. -
die Brustfüsse ausgebildet wor- Nach Clan»,
den sind und das Thier sich ver-
mittels der Aussenäste dieser (und der hinteren Kieferfüsse) schwimmend
fortbewegt; die Schwanzfüsse sind noch nicht oder nur unvollkommen
entwickelt. Nach dem Mysisstadium tritt das Thier in das G a r n e e 1 e n -
Stadium ein, in welchem die Aussenäste der Brustfüsse verschwunden
sind, während die Schwanzfüsse stark entwickelt sind und als
kräftige Schwimmwerkzeuge fungiren, vermittels welcher das Thier,
das auf dieser wie auf den vorhergehenden Stufen ganz oder fast durch-
sichtig ist, sich in den oberen Wasserschichten fortbewegt. Einige
Zehnfüssler (z. B. die Krabben) gehen von dem Zoeastadium direkt
i n das Garneelenstadium über, ü b e r s p r i n g e n d a s M y s i s s t a d i u m .
d. h. sie sind auf keiner Stufe mit einem Schwimmast an den Brust-
•
') Zehnfüssler dieser Entwicklungsstufe hat man in früherer Zeit als voll-
ständig ausgebildete Thiere aufgefasst und unter dem Gattungsnamen Zoea be-
schrieben; daher der Name dieser Entwicklungsstufe.
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232 Specieller Theil.
füsseu ausgestattet. Für die eine Hauptabtheilung der Zehnfüssler,
die Garneelen, fällt das Garneelenstadium mit der Stufe des Er-
wachsenen zusammen, sie bleiben zeitlebens in dieser Gestalt, die
Schwanzfüsse sind bleibend Schwimmwerkzeuge etc. : bei der anderen
Fig. Iti4. Mysisstadium von Penaen* (vergr.). / — V die fünf HrusttUsse mit
langem Aussenast und kurzem Stamm. — Nach Claus.
Hauptabtheilung, den kriechenden Zehnfüsslern , ist das Garneelen-
stadium kein bleibendes, sondern nach einiger Zeit werden die Schwanz-
füsse (mit Ausnahme des 6. Paares) zurückgebildet, sie hören auf,
Schwimmwerkzeuge zu sein, das Thier wird undurchsichtig und dem
vollständig entwickelten Thier geht das Vermögen eines eigentlichen
Schwimmen* ab.
Die meisten Arten der formenreichen Abtheilung der Zehnfüssler,
zu welcher die grössten unter den Malakostraken gehören, leben im
Meere; eine verhältnissmässig geringe Anzahl (Flusskrebse, gewisse
Garneelen) im Süsswasser, einzelne auf dem Lande.
1. Unterordnung. Garneelen oder schwimmende Zehnfüssler (Natantia).
Das Skelet der Garneelen ist nicht sehr fest, hornartig, das
Thier durchsichtig oder halbdurchsichtig. Der Körper (Fig. 162)
ist zusammengedrückt, der Schwanz kräftig und gebogen
(kann nicht ganz gerade gerichtet werden). Das Schild besitzt vorne
einen kräftigen, zusammengedrückten, gesägten Stirn Stachel. An
der Hinterantenne ein grosser, plattenförmiger Aussenast, lange, sehr
bewegliche Geissein an beiden Antennenpaaren, grosse, langge-
stielte Augen. Die Brust füsse sind dünn und schwach, der
3. Kieferfuss lang und beinähnlich. Die Schwanzfüsse, mit
kräftigem Schaft und langen Blättern, sind starke Schwimmwerkzeuge;
von dem inneren Rand des Innenblattes entspringt ein an der Spitze
mit kurzen kleinen Haken ausgestatteter Anhang, durch welchen der
Schwanzfuss mit dem andern desselben Paares zusammengeheftet wird,
so dass die Schwanzfüsse paarweise bewegt werden. — Die Garneelen
sind in der Regel lebhaft schwimmende Thiere, welche, indem sie die
Schwanzfüsse (die 5 ersten Paare) nach hinten schlagen, sich im
Wasser vorwärts bewegen (das eigentliche Schwimmen der Garneelen),
während sie auch im Stande sind, indem sie mit grosser Kraft den
y Googl
Gliederfüssler. 1. Clasae: Krebsthiere. 2. Unterlasse: Malakostrakeu. 233
hinteren Theil des Schwanzes mit ausgebreitetem Schwanzfächer gegen
die Bauchseite einschlagen, grosse Sprünge rücklings zu machen.
Einige Garneelen weichen von den übrigen dadurch ab , dass sie in
Schwämmen u. Aehnl. Aufenthalt nehmen, und sind dieser halbparasitischen
Lebensweise entsprechend mehr oder weniger umgestaltet: die Augen und
Antennen werden klein etc.
Von den sehr zahlreichen, meistens kleineren, Formen führen
wir nur einzelne an:
1. Penaeas ist eine Gattung grosser Garneelenformen (sie erreichen
die Grösse eines Flusskrebses und mehr), welche nur in den wärmeren
Meeren leben (ein paar Arten im Mittelmeer). Es sind zusammengedrückte,
langgestreckte Garneelen mit kleinen Scheeren an den drei vorderen Brust-
fusspaaren. Fenaeus und einige seiner Verwandten zeichnen sich vor allen
Zehnfüsslern dadurch aus. dass sie das Ei als Nauplien verlassen (Fig. 134).
2. In den europäischen Meeren findet man häufig Arten der Gatt.
Palaetnon (Crevette, Granat), welche weniger zusammengedrückt als Fenaeus
und nur an den zwei vorderen Brustfusspaaren mit Scheeren ausgestattet
sind; der Schwanz hat einen sehr starken Garneelenknick , die Platte (der
Aussenast) der Hinterantennen sehr gross, die Geissein der Antennen sehr
lang (3 GeisBeln an jeder Vorderantenne). Das neugeborene Junge ist, wie
bei der grossen Mehrzahl der Garneelen, eine Z o e a ; später durchläuft das
junge Thier ein Mysisstadium. Mehrere Arten dieser Gattung werden ge-
gessen. Dasselbe gilt auch von der im Sande an der Küste der Nord- und
Ostsee lebenden Sandgarneele (Orangon vulgaris), welche in mehrfacher
Beziehung von Palaemon abweicht.
2. Unterordnung. Kriechende Zehnfüssler (Reptantia).
Das Skelet ist im Allgemeinen dick, fest, hart, stark verkalkt,
das Thier g e f ä r b t , undurchsichtig. Der Körper ist abgerundet
oder abgeplattet, der Schwanz in einigen Fällen recht kräftig,
musculös, in anderen Fällen sehr rückgebildet; der Stirnstachel
kurz, nicht zusammengedrückt. Der Aussenast der Hinterantenne
ist klein oder fehlt, die Antennengeisseln gewöhnlich schwach. Die
Augen kleiner, kürzer gestielt als bei den Garneelen. Die
Brustfüsse sind mehr oder weniger kräftige Gehfüsse, das
vorderste Paar ist in der Regel weit kräftiger als die übrigen
und mit grossen Scheeren versehen ; der 3. Kieferfuss ist kurz, nicht
beinähnlich. Die Schwanzfüsse sind beim ausgebildeten Thier
niemals Schwimm Werkzeuge; sie haben wesentlich die Aufgabe
(von dem 6. Paare abgesehen), beim Weibchen die Eier zu tragen,
während beim Männchen die beiden ersten Paare als Begattungswerk-
zeuge fungiren ; die folgenden drei Paare haben nur eine geringe Be-
deutung und fehlen deshalb oft oder sind rückgebildet. Das 6. Paar
bildet bei einigen einen mächtigen Fächer, bei anderen (den Krabben),
die einen schwachen Schwanz haben, fehlt es ganz. — Die kriechenden
Zehnfüssler bewegen sich als ausgebildete Thiere auf dem Meeres-
boden vermittels der kräftigen Brustfüsse (welche bei den Garneelen
ganz untergeordnete Bewegungswerkzeuge waren), während das Ver-
mögen eines eigentlichen Schwimmens ihnen abgeht ; diejenigen, welche
einen musculösen Schwanz besitzen, können in derselben Weise wie
die Garneelen mächtige Sprünge rücklings machen.
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234
Specieller Theil.
1. Der Hummer (Ibmarus vulgaris) ist ein grosser, dunkelblauer
Krebs mit einem starken musculösen Schwanz mit breitem Schwanzfacher.
Hinterantennen mit Aussenast und langer kräftiger Geissei. Das 1. Brust-
fusspaar sind gewaltige Scheerenfusse, von welchen der eine (bald der rechte,
bald der linke) kräftiger und mit plumperen Zähnen ausgestattet ist als
der andere; das 2. und 3. Paar sind ebenfalls scheerentragend , aber nicht
stärker als die beiden letzten Beinpaare. — Der Hummer durchläuft kein
Fig. 165. Pfg. 166.
Fig. 165. (lanz junge II u m mcrlarvc (Mysisstadium). von oben und von der iScitc,
vergr. — Nach Sar».
Fig. 166. Neugeborener Fl ub «krebs, vergr. — Nach Huxlcy.
Zoeastadium, sondern ist , wenn er das Ei verlässt, sebou mit säuimtlicben
Brustfusspaaren versehen, die ebenso wie das dritte KieferfuBspaar Schwiraiu-
äste tragen, vermittels welcher das fast durchsichtige Thierchen sich im
Wasser fortbewegt. Auf dieses Mysisstadium folgt ein Garneelenstadium,
aus welchem endlich der ausgebildete Hummer hervorgeht. An den euro-
päischen Küsten, besonders an der Küste Korwegens häufig; eine verwandte
Art wird massenhaft an der Küste Nordamerikas gefangen.
2. Der Flusskrebs (A$tacnx flueiatilin) ist in den meisten Be-
ziehungen dem Hummer ähnlich (3 Scheerenfusspaare etc.), weicht aber u. A.
darin von diesem ab, dass der Körper kleiner und etwas plumper ist, das»
die beiden grossen Scheerenfusse gleich sind, und dass die Geissei der Hinter-
antenne kürzer und schwächer ist. In Bezug auf die Entwicklung ver-
hält der Flusskrebs sich aber sehr abweichend nicht allein vom Hummer,
sondern von fast allen Zehnfüsslern. Wenn das Junge das Ei verlässt,
ist es schon in den meisten Beziehungen dem ausgebildeten Thiere ähnlich,
namentlich sind alle Brustfüsse ungefähr wie bei diesem entwickelt und be-
sitzen keinen Aussenast; das Schild ist aber kürzer und breiter, der Schwanz
schwacher, und von den Schwanzfüssen ist das letzte Paar noch nicht vor-
handen. Es geht hieraus hervor, dass der Flusskrebs kein Mysisstadium
durchläuft, und, soweit man weiss, ist auch von einem Garneelenstadium
nicht die Rede. In der ersten Zeit halten sich die Jungen an den Schwanz-
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(iliederfüssler. I. Cla»se: Kicbsthiere. 2. Unterclasse : Malakustraken. 235
füssen der Mutter angeklammert. — Die Art ist über einen grossen Theil
von Europa verbreitet; verwandte Formen in gewissen Theilen Europas
und in anderen Welttheilen ; alle im Süsswasser.
3. Die Langusten (Pulimtru*) sind grosse, stachlige Krebse, welche
sich in den meisten Beziehungen dem Hummer anschliessen , sich jedoch
von diesem dadurch unterscheiden, dass keine der Brustfüsse ScheerenfüBse
fam 1. Paare, welches zuweilen etwas stärker ist als die folgenden, kann
eine Andeutung einer Scheere vorhanden sein), sondern alle 5 Paare einfache
<Tehfu88e sind; die Hinterantennen sind mit einer besonders langen und
starken Geissei ausgestattet. Eine im Mittelmeer lebende Art, P. nilyari*,
kann einen knarrenden Laut dadurch erzeugen , dass sie die Schäfte der
Hinterantennen gegen einen von der Mitte des Kopfes hervorstehenden Theil
mit glatten Seitenflächen reibt. — Mit den Langusten nahe verwandt sind
die Bärenkrebse (Scyl/aru.s), welche darin abweichen, dass die Hinter-
Fig. 167. Eiu Blatt krebs (I'hyllotumu), wenig vergr. Die 4 am stärksten ausge-
bildeten Gliedmaassenpanrc sind: 3. Kiefcrfuss, 1. — 8. Bmsttuss.
antenne statt der langen vielgliedrigen Geissei eine kurze, breite, un-
gegliederte Platte besitzt. — Beiden Gattungen eigentümlich ist das höchst
sonderbare Aussehen der Larven. Sie verlassen das Ei auf dem Mysis-
stadium , die hintersten Brustfüsse sind aber bei der neugeborenen Larve
noch nicht vorhanden. Das ganze, vollkommen durchsichtige Thier ist stark
blattartig abgeplattet; das Schild, in welchem man die Verästelungen der
Leber sieht, ist eine flache Platte, welche nicht den ganzen Rumpf über-
deckt; letzterer iBt eine rundliche Scheibe, an deren Rande die langen Be-
wegtiiigsgliedmaassen (der dritte Kieferfuss und die Brustfüsse, mit je einem
kleinen Schwimmast) angeheftet sind; der Schwanz ist ein unbedeutender
Anbang. Später ändern diese Blattkrebse (Phyütßsoma), wie sie genannt
werden, ihre Form, durchlaufen ein Oarneelenstadium, in welchem sie schon
in der Hauptsache das Aussehen der Erwachsenen besitzen, aber noch durch-
sichtig sind und mittels der Schwanzfüsse frei umherschwimmen, und nehmen
endlich die definitive Form an.
4. Die Einsiedlerkrebse {Payurus) zeichnen sich besonders dadurch
aus, dass der Schwanz zu einem grossen düpnhäutigen Sack um-
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236
Speeieller Theil.
gebildet ist, welcher fast keine Muskeln enthält, sondern von der grossen
Leber und den Geschlechtsdrüsen ausgefüllt ist, welche aus dem Rumpfe
in den Schwanz gerückt sind. Der Schwanz wird von dem Thiere in einer
leeren Schneckenschale versteckt, welche es mit sich herumschleppt; er ist
immer asymmetrisch, seine Unterseite ist ganz dünnhäutig, an der
Rückenseite finden sich als dünne Platten, welche durch grosse, weichhäutige
Zwischenräume geschieden sind, Spuren der Rückentheile der Schwanz-
segmente. Nur die beiden letzten Segmente
sind etwas fester, das vorletzte trägt ein kleines
6. Schwanzfusspaar, welches mit dem 7. Seg-
ment zusammen das Thier in der Schale fest-
hält. Von den übrigen Schwanzfüssen sind
nur die der linken Seite vorhanden
(das l. Paar fehlt oft ganz). Auch die Brust-
füsse sind eigenthümlich ; das 1. Paar sind
kräftige Scheerenfüsse, das 2. — 3. Paar ein-
fache Gehfüsse, das 4. — 5. sind sehr klein
und helfen das Thier in der Schale festhalten ;
... ... rm j. ... . , das 5. Paar hat ausserdem die Aufgabe, die
Hg. Ib8. /oc* eines Linsied- . . PJ ~J .
1 er krebsen (vergr.). /f9 Hinter- Jviemenhohle zu reinigen und wird dabei
antcnnc, 1—3 erster— dritter Kie- von hinten in diese eingeschoben. — Die
fcrfu*8, / erster Brustfu^, //„ Anlage Einsiedlerkrebse verlassen das Ei als Z o e e n ;
deuteten Schwanzfusses. - Nach ^ My8i88tadium wird übersprungen, das
junge Thier geht vom Zoeastadium direkt
in das Garneelenstadium über, in welchem es vermittels der Schwanzfüsse
umherschwimmt; der Schwanz ist in diesem Stadium musculös und voll-
kommen symmetrisch. Nach Abschluss dieses Stadiums sucht der Einsiedler-
krebs eine kleine leere Schale auf, welche später allmählich mit grösseren
Exemplaren vertauscht wird. — Einsiedlerkrebse finden sich in allen Meeren :
in der Nord- und Ostsee lebt der Bernhardinerkrebs (P. IkrnJiardus),
welcher in den Schalen des Wellhorns haust.
5. Als Krabben (Drachjura) bezeichnet man eine aus vielen Gat-
tungen und sehr zahlreichen Arten bestehende Abtheilung der Zehnfüssler,
welche gewissermaassen den Gipfel dieser Unterordnung bildet, indem einer-
seits die Ausbildung der Brust füsse als Gehwerkzeuge,
andererseits die Rcduction des Schwanzes hier am ausgeprägtesten
durchgeführt ist. Der Körper ist breit (die Kopf-Rumpf-Partie häufig
breiter als lang), der Schwanz ist stark abgeplattet, kurz und schwach,
und auf die Bauchseite des Rumpfes umgeschlagen, beim Weibchen
breiter als beim Männchen. Die Antennen sind kurz, Hinterantennen ohne
Aussenast, letztes Kieferfusspaar abgeplattet, bedeckt die übrigen Mund-
füsse wie eine Flügelthür. Nur das 1. Brustfusspaar Scheerenfüsse, die
übrigen starke Gangbeine. Das 6. Schwanzfuss paar (Schwanzfächer)
fehlt; beim Weibchen tragen das 2. — 5. Schwanz fusspaar die Eier (das
1 . Paar fehlt in der Regel) , beim Männchen sind meistens nur die als
Begattungswerkzeuge ausgebildeten Schwanzfüsse (1. — 2. Paar) vorhanden.
— Die Krabben verlassen das Ei als Zoeen mit dem 1. und 2. Kieferfuss
als Schwimmwerkzeuge ausgebildet (das 3. Paar entwickelt sich nicht in
Weise) ; die Krabben-Zoeen zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie auf
') Bei gewissen (wahrscheinlich bei vielen) Garneelen wird das vorderste,
ziemlich schwache, Brustfusspaar in derselben Weise verwendet; sie werden in die
Höhle von vorn und unten hineingesteckt und putzen und fegen die Kiemen rein.
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Gliederfusaler. 1. Classe: Krebsthiere. 2. TTnterclasse : Malakostraken. 237
dem kurzen Schild lange Stacheln besitzen. Ein MysissUdium haben sie
nicht, dagegen durchlaufen sie ein Garneelen Stadium (das sogenannte Me-
galops-Stadium), in welchem die junge Krabbe zwar in den meisten Be-
ziehungen dem auagebildeten Thiere ähnlich ist, aber einen kräftigeren,
nach hinten gerichteten Schwanz besitzt, welcher mit Füssen ausgestattet
ist, die als Schwimmwerkzeuge fungiren. Endlich werden Schwanz und
AB C
Fig. 169. A Zotfa einer Krabbe, B — C Garneelenstadiam derselben von oben and
von der Seite (vergr.). Ax — At Vorder- und Hintorantenne, /— 3 erster — dritter Kiefer-
fuss, Hn sechster SchwanzfuM, T RUckcnstachel. — Nach Rathke.
Schwanzfüsse reducirt, der Schwanz umgeschlagen, und die Krabbe ist für
den Rest ihres Lebens ein kriechendes Thier. — An den Küsten der Nord-
and Ostsee (und anderer europäischen Meere) lebt, schon dicht am Strande,
in grosser Anzahl die Strandkrabbe (Carduus maenas), ebenso wie
andere Krabben ein lebhaftes, schlaues Raubthier, welches sich, wenn es
angegriffen wird, muthig wehrt. In der Nordsee lebt auf tieferem Wasser
der grosse, dickschalige, sehr breite Taschenkrebs ((hurer jtagiirus).
7. Ordnung. Heuschreckenkrebse (Stomafopoda).
Die Heuschreckenkrebse sind Malakostraken mit grossen Stielaugen,
mit Schild und kräftigem Schwanz. Das Schild ist jedoch ziemlich
Fig. 170. Stfuilla. VIII achtes Rumpfsegment ; /, 7 erstes und siebtes Schwanz-
segment; Ax — A% Antennen ; y Kieme ; //,, //«, erster und sechster Schffanzfuss : K». KH zweiter
und achter Rnmpfross; o Auge; S Schild. — Nach Linken.
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238
Specieller Theil.
klein und die vier hinteren Rumpfsegmente sind frei , beweglich , kräftig
ausgebildet und nicht vom Schilde überdeckt. Der Schwanz ist stark, fast
gerade , mit den gewöhnlichen 6 Fusspaaren ausgestattet , von denen das
hinterste mit dem 7. Schwanzsegment zusammen den Schwanzfächer bildet,
während die übrigen fünf Paare alle kräftig ausgebildete, paarweise zu-
saromengehakte Schwimmfüsse sind, welche auf ihrem äusseren Blatt je eine
grosse verästelte Kieme tragen. Von den 8 Rumpffusspaaren sind die
5 vorderen sämmtlich Greiffüsse, deren äusserstes Glied gegen das vorletzte
eingeschlagen werden kann, das zweite Paar ist besonders stark entwickelt.
Die drei letzten Rumpffusspaare sind schwache Gehfüsse. — Die Heu-
schreckenkrebse, welche ihre Eier nicht mit sich umhertragen, durchlaufen
eine Metamorphose, deren erste Stufen nicht genau bekannt sind.
Weiter entwickelte Larven von recht ansehnlicher Grösse, zart und durch-
sichtig, aber übrigens von einem Baue, welcher in der Hauptsache dem des
erwachsenen Thieres entspricht, gehören zu den charakteristischsten Be-
standteilen des pelagischcn Thierlebens.
Die Gruppe, welche nur verhältnissraässig wenige und ziemlich gleich-
gebildete Formen umfasst, gehört den wärmeren Meeren an. Eine an-
sehnliche Art, fym'lla mun/is, ist im Mittelmeer häufig.
2. Classe. TSUSOndfÜSSler (Myriopoda).
Der vielgliedrige , in der Regel langgestreckte Körper ist von
einer unverkalkten oder verkalkten Chitiuhaut umgeben. Der deutlich
abgegrenzte Kopf ist jederseits mit einer Gruppe von Punktaugen
versehen , seltener ist jederseits ein wirkliches zusammengesetztes
Auge vorhanden ; der Kopf trägt ferner e i n Paar Antennen, welche
einfach fadenförmig oder schwach gekeult sind, und die drei ge-
wöhnlichen Kieferpaare, oder nur zwei solche. Der übrige Körper
ist nicht in mehrere Abschnitte getheilt, sondern besteht aus einer
meistens grossen Anzahl der Hauptsache nach gleichartiger Segmente,
welche meistens je ein Paar kurzer cylindrischer Beine tragen, jedes
aus einer einfachen Reihe von Gliedern (6 — 7) zusammengesetzt.
In ihrem inneren Bau sind die Myriopoden den Insekten ähnlich.
Der Darmkanal ist meistens gerade und zerfällt in eine engere
Speiseröhre, einen cylindrischen Mitteldnnn (Chylusdarm) und einen
engeren Enddarm; dicht am Munde öffnen sich einige Speicheldrüsen,
in den Enddarm münden an der Grenze des Chylusdarmes 2 (sel-
tener 4) Harnkanäle (Malpighi'sche Gefasse, vergl. die Insekten);
der After befindet sich im letzten Segment. Eine Leber fehlt. Das
Herz ist ein auf der Rückenseite befindlicher langer Schlauch mit
paarigen Seitenspalten, durch welche das Blut eintritt; von den»
vorderen Ende (und von den Seiten) gehen Arterien aus, während
das Blut sich übrigens in den Spalten und Hohlräumen des Körpers
bewegt. Die Tausendfüssler besitzen ebenso wie die Insekten ein
System luftführender Röhren, ein Trache ensy stein , welches sich
im Körper verzweigt und durch Athemlöcher öffnet, welche sich
meistens am Grunde einiger der Beinpaare befinden. Das Nerven-
system hat den für die Gliederfüssler gewöhnlichen Typus; die
Bauchnervenknoten sind meistens gleichartig ausgebildet, der gleich-
artigen Entwicklung der Körpersegmente entsprechend. Segmental-
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GliederfÜBsler. 2. Claase: Tausendfüssler.
239
organe fehleu; sie werden functionell durch die oben genannten
Malpighi'schen Gefässe ersetzt. Die Eierstöcke sind ebenso wie
auch die Hoden im Allgemeinen zu einem unpaaren
Organ verschmolzen, welches bei den Scolopendern mit
einer unpaaren Oeffuung unten am hinteren Ende des £
Körpers vor dem After mündet, während bei den echten
Tausendfüsslern ein PaarGeschlecutsoffnungen zwischen
dem 2. und 3. Beinpaare vorhanden ist. also weit vorne
auf der Bauchseite des Körpers. Bei den letzteren sind
die am 7. Segment sitzenden Beine meistens zu Bc-
gattungswerkzeugen umgebildet.
Sowohl bei den echten Tausendfüsslern wie bei
einigen Scolopendern wird eine Metamorphose
durchlaufen, indem das Junge eine geringere Glied-
Ä
Fig. 172. Neugeborene Larve eine* echten Tausendfüssler».
Nach Metschnikoff.
maassen- und Segmentenzahl besitzt als das erwach-
sene Thier. Bei den echten Tausendfüsslern ist das
neugeborene Junge nur mit 3, bei jenen Scolopendern
mit 7 Beinpaaren versehen.
Die Tausendfüssler bilden eine verhält nissmässig
kleine Abtheilung, deren Mitglieder ohne Ausnahme
Landbewohner sind; sie leben an feuchten, schattigen
Stellen, unter Laub, in der Erde etc.
Die Tausendfüssler stehen der folgenden grossen Classe.
den Insekten, in den meisten Punkten so nahe, das» es ohne
Zweifel das Richtigste sein würde, sie diesen einzuverleiben.
Wenn wir sie hier als besondere Olasse aufführen, so ge-
schieht das, weil sie immerhin in gewissen Beziehungen Eigentümlichkeiten
darbieten, welche sie unter den Insekten als etwas Fremdartiges erscheinen
lassen und die Abrundung jener Classe beeinträchtigen würden.
Fig. 171. Darm-
kanal von Litkv
fjiug aus dcrOrdji.
der Scolopender.
n After, h Hinter-
dann, tu Mittel-
dann, * Speichel-
drüse, n Malpi-
ghi'schcs « JefUs-,
<• Yorderdarni. —
Nach Plateau.
t. Ordnung. Scolopender (Chilopwla).
Der Kopf ist abgeplattet und trägt drei'Kieferpaare, von welchen
die Mittelkiefer sehr oft in der Mittellinie verwachsen sind ; das Grund-
glied des Hinterkiefers ist ebenfalls mit dem der andern Seite ver-
wachsen, während die übrigen Glieder einen Palpus bilden. Der
240
Specieller Theil.
übrige Körper, welcher
menten besteht, ist oben
oft aus einer sehr grossen Anzahl von Seg-
und unten abgeplattet ; die Beine entspringen
weit von einander entfernt, von den weichen
Seitentheilen der Segmente, an jedem Seg-
ment ein Paar. Das vorderste Paar
Beine ist von den übrigen sehr abweichend
gestaltet: es ist sehr kräftig entwickelt und
bildet ein Paar plumpe hakenförmige Werk-
zeuge, an denen dicht vor der Spitze die
Oeffnung einer Giftdrüse sich befindet (die
Gift haken). Auch das letzte Beinpaar ist
in der Regel etwas abweichend; es ist länger
als die vorhergehenden und nach hinten ge-
richtet. — Wie oben bemerkt, münden »die
Geschlechtsorgane am Hinterende.
Die Scolopender, von denen mehrere
Arten leuchten, sind lebhafte Raubthiere,
welche ihre Beute mit den Gifthaken tödten.
In den Ländern der gemässigten Zone leben nur ziemlich kleine
Arten; eine bedeutendere Grösse (etwa bis Fusslänge) erreichen sie
in den Tropen.
Fig. 173. Kopf von Lühobitts
von unten. A Antenne, mJb Mittel-,
hk Hinterkiefer, hkt Grundglied
des letzteren, o Ange. — Nach
2. Ordnung. Echte Tausendfüssler (Chüogmtha. oder
Diphpodn),
Mit nur zwei Kieferpaaren, welche gewöhnlich als Vorder- und
Mittelkiefer bezeichnet werden. Der Bau des Rumpfes ist sehr eigen-
tümlich. Während die zwei Beine jedes Paares bei den Scolopendern
weit von einander entspringen, durch eine breite Bauchplatte getrennt,
sind sie hier dicht neben einander auf der Unterseite eingelenkt; ferner
tragen die allermeisten Segmente je zwei Beinpaare, was wahrschein-
lich in der Weise aufzufassen ist, dass je zwei Segmente mit einander
verwachsen sind ; die zunächst auf den Kopf folgenden vier Segmente
besitzen jedoch nur ein Beinpaar (eines derselben ist sogar glied-
maassenlos). Die Form der Segmente ist verschieden; bei einigen
(Fig. 174 B) sind sie vollkommen cylindrisch, bei anderen ist jedes
A B C D
Fig. 174. Querschnitte von : A LiÜtobivs (einem Scolopender), B Jtdut, C Polydtsmus,
I) Qlonitris. F seitlicher Fortsatz. — Orig.
Segment ebenfalls ein kurzer Cylinder, welcher aber jederseits einen
kurzen nach aussen gerichteten Fortsatz besitzt, was dem Körper ein
mehr abgeplattetes Aussehen verleiht (Fig. 174 0); wieder bei anderen
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Gliederfüßler. 2. Classe: Tausendfüssler.
241
ist der Körper wirklich abgeplattet mit convexer Ober- und concaver
Unterseite (Fig. 174 D). Die Beine sind schwach und dünn und nach
aussen gerichtet; sie sind in der Hauptsache (abgesehen von denen,
welche beim Männchen als Begattungswerkzeuge fungiren, vergl. oben)
alle gleichgebildet. — Dass die echten Tausendfüssler die Geschlechts-
öffnungen vorne am Körper haben, dass sie Begattungsgliedmaassen
besitzen, und dass die Jungen eine Metamorphose durchlaufen, ist
schon oben hervorgehoben.
Die echten Tausendfüssler sind laugsame Thiere, welche sich von
verwesenden oder weichen Pflanzentheilen oder thierischen Ueberresten
ernähren. Sie rollen sich bei der Berührung spiralig zusammen.
Von den in Nord- und Mitteleuropa vorkommen-
den Formen (welche alle klein sind) führen wir an:
.Julus mit cylindriachem, gestrecktem Körper ; (Horner is
mit halbcylindrischem, kurzem, aus einer ziemlich ge-
ringen Gliederzahl zusammengesetztem Körper (assel-
artig).
Anmerkung. Wegen des Besitzes eines Luft-
röbrensysteras wird in der neueren Zeit die
früher den Gliederwürmern zugezählte Gattung Peri-
patus allgemein zu den Gliederfüsslern gerechnet, und
derselben ein Platz in der Nähe der Tausendfüssler
angewiesen. Thatsächlich erscheint es aber sehr
zweifelhaft, ob man hiermit das Richtige getroffen
hat, ob nicht vielmehr der Peripatus ein dem Leben
auf dem Lande in eigenthümlichcr Weise angepasster
(rliederwurm ist ; das Vorhandensein einer Reihe
typisch gebildeter Segmentalorgane stellt ihn in
entschiedenen Gegensatz zu den Tausendfüsslern so wie
überhaupt zu den mit Tracheen ausgestatteten Glieder-
füsslern, welche niemals Segmentalorgane besitzen,
und der Bau der Augen (vergl. unten) spricht noch
entschiedener gegen eine Verwandtschaft mit den
tracheenathmenden Gliederfüsslern. Wenn wir dess-
halb den Peripatus an dieser Stelle behandeln, so
geschieht es nur wegen der ausgesprochenen Ana-
logie, welche er mit den Tausendfüsslern darbietet.
Nach ihrem äusseren Aussehen sind die Peripatus-
Arten am meisten Schmetterlingsraupen ähnlich. Der
Körper ist gestreckt, cylindrisch, die Segmente nicht
sehr scharf unterschieden, die Haut ziemlich weich,
die Cuticula dünn. Der Kopf trägt ein Paar aus
kurzen Gliedern zusammengesetzte Fühler (auch
bei Borstenwürmern können derartige Anhänge ge-
ringelt sein) und ein Paar einfache Augen, welche
denjenigen mancher Borstenwürmer und Weichthiere
ähnlich Bind (von dem in Fig. 15, 5 abgebildeten
Typus). In der Mundöffnung befinden sich ein Paar
kieferartige Mundtheile. Die übrigen Körpersegmente
sind gleichartig ausgebildet und jedes trägt ein Paar
kurze, undeutlich gegliederte Glied maassen, welche
mit je zwei Chitinkrallen enden. Die Muskeln bestehen Bdtour.
Bon, Zoologie
Eft
Fi«. 175. Peripatus, von
der Klkken*eito. — Nach
lö
242
Specieller Theil.
grösstenteils aus glatten Muskelfasern. Das Nervensystem ist dadurch
ausgezeichnet, dass die beiden Bauchstränge auseinander gerückt sind, nur
schwache Anschwellungen in jedem Segment aufweisen und durch zahlreiche
feine Querstränge verbunden sind. Der Darmkanal ist ein gerader
Schlauch, der After befindet sich am hinteren Ende. Das Herz liegt auf
der Rückenseite und ist ein mit seitlichen Spalten ausgestatteter Schlauch.
Die Respirationsorgane sind durch ein stark entwickeltes System
luftführender Röhren, welche sich im Körper verzweigen und mit einer
grösseren Anzahl feiner, unregelmässig über die Körperoberfläche vertheilter
Athemlöcher öffnen. In den meisten Segmenten findet sich ein Paar ähnliche
Segmentalorgane wie bei den Gliederwürmern ; sie öffnen sich mit einem
grossen Trichter in die Leibeshöhle und mit einer feinen Oeffhung am Grunde
der Gliedmaassen nach aussen. Die paarigen Geschlechtsorgane münden
am hinteren Körperende. Die Geschlechter sind getrennt. Die Eier ent-
wickeln sich in den langen, erweiterten Eileitern . und die Jungen werden
„lebendig" geboren.
Die Peripatus- Arten leben ausschliesslich in den wärmeren Ländern
beider Erdhälften an ähnlichen Stellen wie die Tausendfüssler (in faulem
Holz etc.).
3. Classe. Insekten (Insecta).
Der Körper der Insekten zerfallt naturgemäss in drei Abschnitte :
Kopf, Brust und Hinterleib. Der Kopf ist scharf von der Brust
gesondert, oft theüweise von einer hervorragenden Kante des vorder-
sten Brustsegmentes bedeckt; er ist gewöhnlich sehr beweglich. Auf
dem Kopfe befindet sich jederseits ein ungestieltes, zusammengesetztes
Auge, welches aus einer gewöhnlich sehr grossen Anzahl kleiner
Augen besteht, deren jedem eine kleine, in der Regel sechseckige,
/ 2 3 4 5 tj 7
Juckich-Nitsche.
convexe Facette (die Linse) auf der Oberfläche des Kopfes entspricht;
von solchen Facetten finden sich 20 bis viele tausend in jedem zu-
sammengesetzten Auge. Die Augen nehmen bei vielen Insekten einen
sehr grossen oder sogar den grössten Theil des Kopfes ein (bei vielen
Zweiflüglern ist z. B. letzteres der Fall) ; ihr Umkreis ist am häufig-
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CHiederfüssler. 3. Classe: Insekten.
243
sten annähernd kreisrund, oft jedoch nierenfürmig etc. Selten sind
die zusammengesetzten Augen durch je eine kleine Gruppe von Punkt-
augen *) (so bei den Springschwänzen) oder gar von einem einzigen
Punktauge jederseits ersetzt (Flöhe, Läuse). Bei manchen Insekten
finden sich ausser den zusammengesetzten Augen 1 — 3 Punktauge n
auf der Mitte des Kopfes (vergl. das Stirnauge der Krebse). Auf
dem Kopfe entspringt ferner ein Paar Antennen oder Fühler,
welche entweder aus einer beschränkten Anzahl wohlentwickelter
Glieder oder aus einer grossen Anzahl sehr kurzer besteht. Die Form
der Antennen ist äusserst verschieden ; sie sind bald — die einfachste
Form — faden- oder borstenförmig, bald perlschnurförmig (die Glieder
stark eingeschnürt, wo sie sich mit einander verbinden), kammförmig
(die Glieder einer- oder beiderseits in Fortsätze ausgezogen), keulen-
förmig (die Spitze der Antenne angeschwollen) etc.
Der Kopf trägt ferner die Mundöffnung und die dieselbe um-
gebenden Mundtheile. Diese bieten bei den Insekten die mannig-
faltigste und verschiedenartigste Entwicklung dar ; trotzdem lässt sich
aber der innigste Zusammenhang der Mundtheile verschiedener Insekten
nachweisen. Das einfachste und ursprünglichste Verhalten bieten die
beissenden Mundtheile dar, welche man bei den Geradflüglern,
Käfern, Netz- und Hautflüglern findet. Bei diesen Insektengruppen
haben wir folgende Mundtheile : eine Oberlippe und je ein Paar
Vorder-, Mittel- und Hinterkiefer. Die Oberlippe ist eine beweg-
liche, breite, unpaare Platte, welche vor der Mundöffnung gelegen ist.
Hinter der Oberlippe sitzen die Vorderkiefer (Oberkiefer) welche
der Hauptsache nach denen der Krebse ähnlich sind ; der Palpus fehlt
jedoch immer, so dass jeder Vorderkiefer aus einem einzelnen, unge-
gliederten Stück besteht, welches nach innen (nach der Mittellinie zu)
und nach aussen bewegt werden kaun ; innen besitzt er einen schnei-
denden Rand und am Grunde einen gefurchten oder höckerigen Mahl-
zahn, welch letzterer am besten bei Pflanzenfressern entwickelt ist,
während ersterer bei Raubinsekten am stärksten ausgebildet ist.
Die Mittelkiefer (meistens als Unterkiefer bezeichnet) bestehen
gewöhnlich aus 6 — 8 Gliedern ; von diesen ist das Basalglied, die
Angel (Cardo), kurz, das zweite Glied, der Schaft (Stipes), dagegen
gross und vorne in zwei grosse Lappen oder Laden, die innere und
äussere Kaulade, verlängert, von denen die erstere an ihrem
inneren Rande gewöhnlich mit steifen Borsten oder Stacheln versehen
ist; die äussere Lade ist bei einzelnen Formen zweigliedrig; zuweilen
ist nur eine Lade vorhandeu. Der übrige meistens 4— 6gliedrige
Theil des Mittelkiefers bildet einen nach aussen gebogenen Palpus
oder Taster. Die Function des Mittelkiefers besteht hauptsächlich
darin, die Nahrung festzuhalten und zu betasten, während die Vorder-
kiefer dieselbe zerkleinern; zuweilen nehmen jedoch auch die Mittel-
kiefer an letzterer Aufgabe Theil. Die Hinterkiefer sind in ihrer
Zusammensetzung den Mittelkiefern ähnlich, unterscheiden sich jedoch
von diesen dadurch, dass sie in ihrem proximalen Abschnitt mit ein-
ander verwachsen sind ; die beiden Angeln sind immer zu einer un-
paaren Platte, dem Kinn (Mentum), verschmolzen, ebenso wie auch
die Schäfte mehr oder weniger vollständig verwachsen und die Laden
*) Wir reden hier nur von den erwachsenen Insekten ; über die Verhältnisse
der Insektenlarven vergl. unten.
16*
244
Specieller Theil.
oft mehr oder weniger in Vergleich mit denen der Mittelkiefer um-
geformt sind; die Taster verhalten sich wie an den Mittelkiefern,
bestehen aber nie aus mehr als vier Gliedern. Die Hinterkiefer der
12 3 4
12 3 4
Fig. 177. St-liemaiische Abbildungen der Hundtheile verschiedener Insekten. A eine»
Infektes mit bei «senden Mnndtheilen, B eines Schmetterlings, feines Zweiflügler*.
/ Oberlippe, 2 Vorderkiefer, 3 Mittelkiefer, 4 Unterlippe, c Angel, $ Schaft, /'— f" innere
und Äussere Knulade, / Lade des Mittelkicfcrs bei Schmetterlingen uud Zweiflüglern. /< Taster.
— Orig.
Insekten werden gewöhnlich mit dem Namen: der Unterlippe,
ihre Taster als Lippentaster, die Laden als Zunge und Neben-
zunge bezeichnet. Mit der Unterlippe der Krebsthiere darf dieser
Theil natürlich nicht verglichen werden; ebenso wie die Vorder- und
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Gliederfüßler. 3. C lasse: Insekten.
245
Mittelkiefer ist die Unterlippe der Insekten ein Gliedmaassenpaar,
den Hinterkiefern der Krebsthiere entsprechend, während die Unter-
lippe der letzteren eine Hautfalte ist, welche bei den Insekten fehlt.
Die Unterlippe bildet übrigens bei den Insekten die hintere Begrenzung
des Mundes, wie die Oberlippe die vordere.
Bei den mitsaugendenMundtheilen ausgestatteten Insekten
finden wir dieselben Elemente, welche aber in verschiedener Weise
den veränderten Aufgaben entsprechend umgeformt sind. Bei den
Schmetterlingen ist die Oberlippe eine kurze, breite Platte ohne
weitere Bedeutung; die Oberkiefer sind rudimentär oder fehlen. Da-
gegen sind die M i 1 1 e 1 k i e f e r mächtig entwickelt : sie besitzen aller-
dings jeder nur eine Lade, diese aber ist verlängert und halbrinnen-
förniig an ihrer nach innen gewendeten Seite ausgehöhlt und mit der-
jenigen der andern Seite derartig zusammengefalzt, dass beide Laden
ABC D
Fig. 178. Schematuche Querschnitte des Rüssels von: A Schmetterling, B
Schuabelkerf, 6'Tabanus (Bremse), D Muica (einem anderen Zweiflügler, dem Vorder-
kiefer und Mittelkieferladen fehlen), an die SaugrShre, durch welche die Flüssigkeit in den
Mund hinauf steigt; a Speichclkanal, o Oberlippe, m Vorderkiefer, k Mittelkiefer, u Unter-
lippe, h Hypopharynx. — Urig.
eine längere, nur an den Enden offene Röhre bilden: diese Röhre
bildet das Saugwerkzeug, den Rüssel, des Schmetterlings. Die
Mittelkiefertaster sind schwach, aber vorhanden. Der unpaare Theil
der Unterlippe ist schwach entwickelt, dagegen sind die Taster
derselben grosse behaarte Klappen, welche den in der Ruhe spiralig
aufgerollten Rüssel zwischen sich fassen. — Bei den Schnabelkerfen
(Wanzen und Cicaden) ist das Saugrohr ebenfalls von den Mittel-
kiefern gebildet, welche hier in Form zweier zusammengedrückter
Klingen ohne Taster auftreten; an ihrer inneren Fläche ist jede
Klinge mit zwei Rinnen versehen, und sie sind derart zusammengelegt
und zusammengefalzt, dass die Rinnen beider Klingen zusammen zwei
Röhren bilden, eine obere und eine untere; durch die obere Röhre,
welche die weitere ist, wird die Flüssigkeit in den Mund einge-
sogen; durch die untere, welcher sich hinten (proximal) die Oeffnung
des Ausführungsganges der Speicheldrüsen anschliesst, wird der
Speichel in die Nahrung hineingeleitet (der Speichel wird somit der
Nahrung beigemischt, ehe diese von dem Thiere aufgesogen wird).
An den Seiten der Mittelkiefer liegen zwei andere dolchfbrmige Werk-
zeuge, die umgebildeten Vorderkiefer, welche ebenso wie die
Mittelkiefer zugespitzt und dazu geeignet sind, als Stechwerkzeuge zu
fungiren; beide Paare sind in tiefe Gruben eingefügt und können nach
▼orn geschoben und wieder zurückgezogen werden. Die Unterlippe
ist dadurch ausgezeichnet, dass auch die Taster mit einander ver-
wachsen sind, so dass die ganze Unterlippe einen unpaaren 3— 4 gliedrigen
246
Specieller Theil.
Theil bildet, welcher stark rinnenförmig ausgehöhlt ist und als eine
Scheide Vorder- und Mittelkiefer umschliesst. Diese Scheide ist oben
offen, die Oeffnung übrigens im grössten Theile ihrer Länge eine
blosse Spalte ; nur am Grunde ist die Scheide oben weiter offen, die
Oeffnung wird aber hier von der dreieckigen Oberlippe bedeckt. Man
hat früher die Unterlippe der Schnabelkerfe als die eigentliche Saug-
röhre aufgefasst, später aber erkannt, dass dieselbe thatsächlich ein
Futteral für die eigentliche von den Mittelkiefern gebildete Saugröhre
ist. — Bei den Zweiflüglern wird die Saugröhre wieder auf eine
ganz andere Weise als bei den Schnabelkerfen gebildet, nämlich in
der Hauptsache von der Oberlippe, weiche von ansehnlicher Länge
und auf ihrer Unterseite stark rinnenförmig ausgehöhlt ist ; die Spalte,
welche längs der nach unten gewendeten Seite bleibt, wird entweder
von den degenartig verlängerten Vorderkiefern geschlossen, oder,
wenn letztere (was häufig der Fall ist) fehlen, von einem besonderen
langen, schmalen, abgeplatteten Theil, dem Hy p o phary nx, welcher
hinten von der Unterlippe entspringt, und an dessen Spitze der Aus-
fuhrungsgang der Speicheldrüsen ausmündet. Das so gebildete Saug-
werkzeug wird von der langen, rinnenförmig ausgehöhlten, aber taster-
losen Unterlippe umschlossen, welche ebenso wie bei den Schnabel-
kerfen nur ein Futteral für die eigentliche Saugröhre darstellt. Die
Vorderkiefer sind, wenn vorhanden, lange, schmale, klingenförmige,
stechende oder schneidende Werkzeuge; die Mittelkiefer, welche nur
je eine Lade besitzen, sind in ähnlicher Weise entwickelt und ebenso
wie die Vorderkiefer mit in die Unterlippenröhre eingeschlossen ; die
grossen Taster der Mittelkiefer befinden sich jedoch ausserhalb der
Röhre. Die Vorderkiefer und die Mittelkiefer mit Ausnahme der
Taster (und des Grundtheiles, von welchem die Taster entspringen)
fehlen bei manchen Zweiflüglern, z. B. bei der Stubenfliege etc. (vor-
handen z. B. bei den Mücken und Bremsen [Tabanus]). — Bei den
Hautflüglern (deren Mehrzahl einfache beissende Mundtbeile
besitzt) findet man zuweilen, z. B. bei der Biene, dass die Mundwerk-
zeuge zugleich beissend und saugend sind: die Vorderkiefer sind
kräftige Beisswerkzeuge, während Mittelkiefer und Unterlippe zusam-
men eine eigentümliche Saugröhre bilden.
Die Brust ist aus drei Segmenten zusammengesetzt: Vorder-,
Mittel- und Hinterbrust (Pro-, Meso-, Metathorax).
Meistens sind die beiden hinteren mit einander unbeweg-
lich verbunden, während die Vorderbrust frei beweglich
ist; in anderen Fällen sind alle drei Segmente unbeweg-
lich verbunden. Jedes derselben trägt ein Paar Beine
(als Vorder-, resp. Mittel- und Hinterbeine bezeichnet),
welche in die folgenden Abschnitte zerfallen : Hüfte (Coxa),
Schenkelring (Trochanter), Schenkel (Femur), Schiene (77-
bia) und Fuss (Tarsus); davon bestehen die vier ersteren
Ii nur aus je einem Glied, während der Fuss gewöhnlich
mehrgliedrig ist. Die Hüfte und der Schenkelring sind
Beweine* in- gewöhnlich kurz, der Schenkel und die Schiene dagegen
.nektes. h Huf- fast immer gestreckt, ersterer dicker als letztere ; am
te, r Schenkel- unteren Ende der Schiene ist häufig ein Paar bewegliche
keL «Schien1 Dorne (die Sporen) eingelenkt. Der Fuss besteht bei sehr
/ Fuss k Kral- viele*1 Insekten aus fünf Gliedern (bei anderen aus einer
ien. ' geringeren Anzahl) und trägt an seiner Spitze meistens zwei
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Gl ieder fü ssler. 3. Gaue: Insekten.
247
bewegliche Haken, die Krallen. Die Beine der Insekten sind wesent-
lich Gehwerkzeuge, Gangbeine; während des Ganges ruht das Thier
auf der Unterseite des Fusses, welche oft filzig ist; das distale Ende
des Schenkels ist nach aussen, das der Schiene nach unten, die Spitze
des Fusses nach aussen gerichtet (an den Vorderbeinen hat der Fuss
ausserdem noch eine Richtung nach vorne, an den Hinterbeinen nach
hinten). Bei manchen Insekten haben die Beine oder einige derselben
ausser der genannten Function noch andere : es dienen z. B. die Vor-
derbeine des Maikäfers nicht allein als Gehwerkzeuge, sondern auch zum
Graben; bei anderen sind die Beine zum Zweck der Nebenfunction so
einseitig ausgebildet, dass die ursprüngliche Hauptfunction ganz in den
Hintergrund tritt: die Vorderbeine der Maulwurfsgrille sind z. B. fast
nur Grab Werkzeuge, dasselbe Bein paar beim Wasserskorpion Fang-
werkzeuge; die Hinterbeine der Heuschrecken bilden hauptsächlich
einen Springapparat, bei den Schwimmkäfern sind dieselben ausge-
prägte Schwimmwerkzeuge.
Die Brust trägt ausserdem in der Regel zwei Paar Flügel,
welche oben von der Seite des Thieres, von der Mittel-, resp. Hinter-
brust entspringen. Jeder Flügel ist eine grosse, plattenforinige Haut-
falte, welche anfänglich dieselben Schichten wie die übrige Haut
besitzt, d. h. der Flügel ist jederseits mit einer Chitinschicht (der
Cuticula) bekleidet, innerhalb dieser befindet sich jederseits eine
Oberhautschicht, und zwischen den beiden Oberhautschichten laufen
Tracheen, Nerven etc. Wenn der Flügel aber fertig ausgebildet ist,
schwinden die weichen Theile zwischen den beiden Chitinlamellen,
so dass der Flügel dann fast allein aus den zwei, dicht zusammen-
geklappten Chitinblättern besteht. Die Flügel, welche mit der Brust
beweglich verbunden sind, sind im Allgemeinen dünne, durchsichtige
Platten, in welchen ein Netz von etwas dickeren, fester chitinisirten
(und dunkleren) Rippen vorhanden ist, deren Verlauf bei verschiedenen
Formen oft sehr verschieden ist; 'in einigen der dickeren Rippen
findet man zuweilen Tracheen. Die Vorder- und Hinterflügel sind
manchmal fast völlig gleich, auch was die Grösse betrifft (z. B. bei
gewissen Libellen), weit häufiger sind sie aber mehr oder weniger
verschieden, von ungleicher Grösse (bald sind die Vorder-, bald die
Hinterflügel die grösseren) und Form etc. Nicht selten können der
Vorder- und Hinterflügel jeder Seite zusammengeheftet werden, so
dass sie eine zusammenhängende Platte bilden (Hautflügler, Schmetter-
linge). Die gewöhnliche Function der Flügel besteht darin, den Flug zu
bewirken (sie werden durch einen in der Brust befindlichen Muskel-
apparat in Bewegung gesetzt), zuweilen übernehmen sie aber andere
Verrichtungen. So sind namentlich die Vorderflügel bei den Heu-
schrecken (und ihren Verwandten), den Wanzen und den Käfern als
mehr oder weniger vollkommene Flügeldecken ausgebildet: sie
sind steifer, dicker und fester chitinisirt und haben die Aufgabe, eine
schützende Decke für die Hinterflügel zu bilden, wenn letztere nicht
gebraucht werden, während ihre direkte Bedeutung für den Flug eine
geringe oder gar keine ist ; unter den Flügeldecken findet man dann,
wenn die Insekten nicht fliegen, die grösseren Hinterflügel liegen,
welche entweder nur der Länge nach (fächerförmig) oder zugleich
querüber zusammengefaltet sind (auch bei Insekten, welche keine
Flügeldecken besitzen, findet manchmal eine Zusammenfaltung der
Hinterflügel in der Ruhe statt). Die höchste Entwicklung erreichen die
248
Specieller Thcil.
Flügeldecken bei den Käfern, bei denen sie nicht nur vorzüglich
geeignet sind, eine schützende Decke für die dünnen Hinterflügel zu
bilden, sondern auch, iadem der innere Rand gerade ist und sich dem
des anderen Flügels eng anschliesst und der äussere sich dicht an
den Seitenrand des Körpers legt, eine Decke für die Oberseite des
Hiuterkörpers abzugeben, welche dementsprechend weicher als die
Unterseite ist; und wir finden denn auch, dass die nicht wenigen
Käfer, welche keine oder rudimentäre Hinterflügel besitzen, trotzdem
in der Regel vollkommen entwickelte Vorderflügel haben. Eine andere
Umbildung eines Flügelpaares findet man bei den Zweiflüglern, deren
Hinterflügel als kleine keulenförmige Anhänge, Schwingkolben,
entwickelt sind, deren Bedeutung nicht klar ist, welche aber jeden-
falls nicht Flugorgane sind. — Bei einer Anzahl Insekten verschie-
dener Gruppen sind die Flügel rudimentär oder fehlen ganz; viele
davon sind Schmarotzer.
Der Hinterleib, der hintere, gliedmaassenlose Abschnitt des
Körpers, besteht aus bis zu 10 Segmenten, welche in der Regel mit
einander beweglich verbunden sind, wenn auch nicht selten einige der-
selben verwachsen sind ; zwischen Brust und Hinterleib ist seltener
eine solche tiefere Einschnürung vorhanden wie zwischen Kopf und
Brust. An jedem Hinterleibssegment kann man in der Regel eine
Rücken- und eine Bauchplatte unterscheiden, welche jederseits durch
eine weichere Partie verbunden sind. Bei einigen Insekten (Maul-
wurfsgrille, Libellen etc.) findet man am hinteren Ende des Hinter-
Schwanz raife (Cerci), sonst aber keine Grliedmaassen oder glied-
maassenähnliche Anhänge ')•
Die chitinige Cuticula ist bei den Insekten nicht verkalkt,
erreicht aber trotzdem oft eine sehr bedeutende Festigkeit, und ist
g (.teschlechtsöflnung. h Hera, k Kropf, m Mund, n Hauchgauglion, sp Speicheldrüse, ■ Mal-
pighiVhcs Gefass, « Eierstock. — Orig.
oft von ansehnlicher Dicke. Unter derselben findet sich die gewöhnliche
einschichtige Oberhaut. Mit der Haut sind häufig Hautdrüsen
verbunden, welche auf der Oberfläche ausmünden ; von solchen nennen
wir die Stinkdrüsen an der Unterseite der Brust bei den Wanzen,
') Bei einigen Gattungen, welche zu den Thysanuren gehören — einer
Gruppe, welche ausschliesslich flügellose Insekten mit beissenden Mundtheilen um-
fasst, — findet man auf der Unterseite der Hinterleibssegmente kleine paarige
Anhänge, welche zwar nicht gegliedert sind, aber ihrem Ursprung nach ganz an
Gliedmaassen erinnern. Auch ist hervorzuheben, dass bei manchen Insekten-
enibryonen am 1. Hinterleibssegment (zuweilen an mehreren Hinterleibsseg-
menten) deutliche Gliedtnaassenanlagen hervorsprossen, welche aber später rück-
gebildet werden.
leibes ein Paar gegliederte od
liederte, nach hinten gerichtete
zed by Google
Gliederfüsaler. 3. Gaste: Insekten.
249
die Afterdrüsen der Laufkäfer, die Wachsdrüsen der Bienen und
Schildläuse, die Honigdrüsen der Blattläuse etc.
Das N er ven systera zeichnet , D ^
sich dadurch aus, dass das Gehirn
oft eine sehr bedeutende Grösse
erreicht. Das vorderste der Bauch-
ganglien, das untere Schlund-
ganglion, hat ebenso wie das
Gehirn seinen Platz im Kopf und
giebt Aeste an die Mundtheile ab.
Auf dasselbe folgen drei Ganglien
oder Ganglienpaare, eines für jedes
Brustsegment, und endlich eine
Reihe Hinterleibsganglien. Oft
rücken jedoch einige der Ganglien
zusammen und bilden eine Masse ;
es verschmelzen z. B. das 2. und
3. Brustganglion häufig mit ein-
ander, ferner können die hinteren
Hinterleibsganglien verschmelzen ;
oder das 2.-3. Brustganglion und
alle Hinterleibsknoten vereinigen
sich zu einer Masse, welcher in
extremen Fällen auch das erste
Brustganglion sich anschliesst.
Sinnesorgane. Als Ge-
ruchsorgane deutet man stab-
förmige Theile (feine, kurze Haare),
welche mit eigentümlichen Ober-
hautzellen (Sinneszellen) in Ver-
bindung stehen, welch letztere sich
wieder mit den Nervenfasern verbinden: solche Theile sind auf den
Antennen, oft in Gruben derselben, angebracht. Gehörwerk-
zeuge finden sich wahrscheinlich bei vielen oder allen Insekten, da
man einerseits durch Versuche nachgewiesen hat, dass manche eine
Lautempfindung besitzen, andererseits weiss, dass viele Laute erzeugen,
was mit grosser Wahrscheinlichkeit auch das Vermögen, solche zu
empfinden, voraussetzt: trotzdem sind aber Gehörwerkzeuge bis jetzt
mit Sicherheit nur für eine geringe Anzahl Insekten bekannt geworden.
Bei den Feldheuschrecken rindet man auf der Seite des 1. Hinterleib-
segmentes ein im Boden einer Grube ausgespanntes dünnes Häutchen
(das „Trommelfell", einen besonders entwickelten Abschnitt der Haut),
und bei den Laubheuschrecken sind ähnliche Häutchen an den Vor-
derschienen vorhanden ; an der Innenseite dieser Häutchen sind eigen-
thümliche Zellen angebracht, welche je ein stiftartiges Körperchen
einschliessen, und an welche Nebenfasern herantreten. Man meint,
dass die Häutchen durch die Schallwellen in Schwingungen versetzt
werden, und dass dabei auf die genannten Zellen eingewirkt wird;
die Wirkung der Schallwellen wird dadurch verstärkt, dass eine dicht
an dem „Trommelfell" liegende Tracheenblase als Resonanzboden
dient. Bei anderen Insekten hat man ähnliche Zellen wie die be-
schriebenen gefunden, ohne dass aber in der Nähe derselben ein
„Trommelfell" oder eine Tracheenblase vorhanden wäre, und man hat
Fig. IM. Nervensystem einer Ameise
(.!), eine» Maikäfer)* (B) und einer
So L in e is b f 1 i ege (V). h Gehirn, h unteren
Schlnndganglion, / — 3 die drei Brustganglien,
<»i— ",i Hinterleibsganglien, a verschmolzene
Iltiiterleibaganglien, »/> Durchtrittsöffnung für
die Speiseröhre. — Nach Brandt.
250
Specieller TheiL
in denselben ebenfalls einfache Gehörwerkzeuge gesehen. — Was die
Augen betrifft, so verweisen wir auf das S. 242 — 243 Mitgetheilte und
auf die im Allgemeinen Theil enthaltenen Angaben über den Bau der
Augen bei den Gliederfüsslern.
D arm k anal. Bei den saugenden Insekten gehen von der
Mundhöhle zur Innenseite des Kopfes starke Muskeln, welche durch
ihre Oontractionen die Mundhöhle erweitern und dadurch bewirken,
dass die Flüssigkeit, in welche die Saugröhre hineingesteckt wird,
besonderer beutelartiger Anhang erscheint, der durch einen engen
Gang mit der übrigen Speiseröhre in Verbindung steht (letzteres bei
manchen saugenden Insekten) ; der Kropf dient als vorläufiges Reser-
voir für die aufgenommene Nahrung. Nicht selten ist der allerletzte
Theil der Speiseröhre besonders musculös, mit festen Theilen an der
Innenseite versehen und als K a u m ag e n thätig. Der Chylusdarm
ist der eigentlich verdauende (doch ist auch das Secret der Speichel-
drüsen in dieser Beziehung wirksam) und aufsaugende Abschnitt des
Darmkanals; er ist schlauchförmig, zuweilen in mehrere Abschnitte
gesondert: in seine Wand sind kleine Drüsen eingebettet, welche auch
zuweilen als Warzen oder Zotten an seiner Aussenfläche hervorragen
können; eine gesonderte Leber ist nie vorhanden, sie wird von den
genannten Drüschen ersetzt. Der Enddarm zerfällt gewöhnlich in
einen vorderen, engeren, und einen hinteren, weiteren Abschnitt; der
After befindet sich am hintersten Körpersegment. In das vorderste
Ende des Enddarmes, an der Grenze des Chylusdarmes, münden die
Harnge fasse oder Malpighi' sehen Ge fasse, feine, dünne,
unverästelte, lebhaft gefärbte (weisse, gelbe, braune, grüne) Schläuche ;
meistens sind sie nur in geringer Anzahl vorhanden, 4-6, und er-
reichen dann eine bedeutende Länge, bei den Hautflüglern und einigen
Geradflüglern treten sie dagegen in grösserer Anzahl auf, sind dann
aber kürzer. Diese Schläuche sind die Excretionsorgane der
Insekten (es ist in denselben Harnsäure nachgewiesen worden);
Organe, welche den Segmentalorganen der Gliederwürmer entsprechen,
fehlen.
Die Athmungsorgane sind bei den Insekten durch ein System
luftführender Röhren, die Tracheen, vertreten, welche sich durch
den ganzen Körper verzweigen, die Organe umspinnen und durch-
dringen, und vermittels mehrerer Oeffnungen, der Athemlö eher
oder Stigmen (Spirakeln), welche wie das ganze System symmetrisch
angeordnet sind, mit der umgebenden Welt in Verbindung stehen.
in letztere und dann in die
Fig. 182. Scherontischer Längsschnitt des Kopfes
eines saugenden Insektes, tu Sangröhre, m Mund-
höhle, wim Muskeln, welche letztere erweitern,
or Speiseröhre — Orig.
! aber öfters zu einem Kropf
Mundhöhle hinaufsteigt. In
die Mundhöhle öffnen sich ein
oder mehrere Paare von
Speicheldrüsen. Der
übrige Theil des Darmkanals
zerfällt in die Speiseröhre,
den Chylusdarm und den End-
darm. Die Speiseröhre ist
gewöhnlich vorne eng, hinten
ausgedehnt, welcher entweder
als eine einfache Erweiterung
der Speiseröhre oder als ein
Gliederfüssler. 3. Classe: Insekten.
251
Von Stigmen finden sich höchstens 10 Paare, je eines auf der Mittel-
und Hinterbrust und auf den 8 vorderen Hinterleibsegmenten, wo die
Stigmen in der weichen Partie zwischen Rücken- und Bauchplatte
sitzen; der Kopf und die Vorderbrust sind stets stigmenlos1). Die
Stigmen sind in der Regel spaltförmige Oeffnungen, welche häufig
längs jedes Randes mit einer Reihe Borsten versehen sind, die über die
Oeffnung hin liegen und verhindern, dass
Fremdkörperchen in die Tracheen eindringen;
auch auf andere Weise kann derselbe Zweck
erreicht werden. Von der Oeffnung geht ge-
wöhnlich ein kurzer, querer Stamm nach
innen, welcher in einen der grossen Haupt-
Tracheenstämme einmündet; letztere laufen
in verschiedener Zahl der Länge nach durch
das Thier, stehen mit einander durch mehrere
Querstämme in Verbindung und geben zahl-
reiche Aeste ab, welche sich baumförmig
in allen Theilen des Körpers verästeln. Sel-
tener fehlen die genannten Längsstämrae, und
die von jedem Stigma entspringende Trachee
löst sich unmittelbar in eine Anzahl Aeste
auf, welche mit dem übrigen Tracheen-
system in keiner Verbindung stellen. Von
den Tracheen sind oft einige zu Blasen
erweitert, welche einen geringeren oder
grösseren, zuweilen aber bedeutenden Um-
fang besitzen; diese Blasen haben keine ^ l88< stuck einer Tr.chee.
Wesentliche Bedeutung für die Athmung, von einer Blattwespen-Lsrve (ein
wohl aber in einer anderen Beziehung ; wenig schemaüdrt). z eine Zeile
indem sie das speeifische Gewicht des Jer ^ and- —
Körpers verringern, werden sie von wesentlicher Bedeutung für den
Flug; das Tracheensystem ist mit anderen Worten nicht allein Ath-
mungsorgan, sondern bei manchen Insekten zugleich ein hochausge-
bildeter aerostatischer Apparat. Alle Tracheen sind von einer
dünnen Chitinhaut ausgekleidet, welche in den gröberen derselben
edoch nicht in den blasenformigen Anschwellungen) von einem feinen
piralfaden, einer spiraligen Verdickung der Chitinhaut gestützt
ist. Die Lufterneuerung geschieht durch Bewegungen des Hinter-
leibes : durch Zusammenziehung desselben wird ein Theil der in den
Tracheen befindlichen Luft ausgestossen, und wenn der Hinterleib
wieder erschlafft, so tritt wieder eine neue Luftmenge ein. Damit
die Luft in die äussersten Ausläufer der Tracheen eindringen kann,
ist an der von dem Stigma entspringenden Trachee eine eigenthüm-
liche Einrichtung vorhanden, vermittels welcher die Trachee völlig
zusammengeklemmt werden kann; wenn dies geschehen ist und das
Thier dann seinen Hinterleib zusammenzieht, so kann die Luft nicht
durch die Stigmen austreten und wird dann in die äussersten Ver-
ästelungen und in die blasigen Anschwellungen getrieben. Wird dann
der Hinterleib erschlafft und der Verschlussapparat gleichzeitig
geöffnet, so strömt eine neue Luftmenge von aussen in die Tracheen
') Ueber die Verhältnisse bei den Larven vergl. unten; die Bemerkungen
gelten nur für die Erwachsenen.
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252
Specieller Theil.
hinein; durch Zusammenziehung des Hinterleibs wird dann, indem
gleichzeitig der Verschlussapparat thätig ist, die neue Luftmenge in
die feinsten Aeste und in die Blasen getrieben. Durch wiederholte
Anwendung dieses Mittels kann das Tracheensystem mit Luft stark
ABC
Fig. 184. Verschlussapparat der Tracheen (schematisirt). A der Verschlussappar&t
ft)Mn i geöffnet, D derselbe, geschlossen, C die Trachce mit dem Verschlussapparat. Der
Apparat besteht aus drei Chitinstucken, welche zusammen die Trachee ringförmig umgeben ;
das eine StUck (&) ist so lang wie die beiden anderen zusammen, von diesen entsendet das
eine (a) einen hohen Fortaatz, an welchen sich ein von dem dritten Stück fc) entspringender
Muskel (m) heftet. Wenn der Muskel sich contrahirt , werden a und r gegen b hinab ge-
drückt und die Trachee wird zwischen den drei Stücken zusammengeklemmt. (A in 0 ist ein
StUck der äusseren Haut mit dem Stigma). — Nach Judeich-Nitsche, geändert.
gefüllt und sämmtliche Blasen völlig aufgebläht werden, was für die
Verwendung des Tracheensystems als aerostatischer Apparat besonders
von Bedeutung ist; vor dem Flug sieht man namentlich plumpere
Insekten sich in dieser Weise mit Luft vollpurapen.
Bei einer Anzahl im Wasser lebender Insektenlarven (Libellen, Ein-
tagsfliegen, Netzflüglern) ist das Tracheensystem geschlossen, d. h. ohne
offene Stigmen. Bei diesen wird die Luft durch sogenannte Tracheen-
kiemen aufgenommen , dünnhäutige Anhänge mit grosser Oberfläche und
einem reichen Netz von Tracheen, welche den im Wasser aufgelösten Sauer-
stoff endosmotisch aufnehmen.
Neben seiner Function als Athmungsorgan und aerostatischer Apparat
hat das Tracheensystem mancher Insekten auch die Aufgabe,- als laut-
erzeugendes Organ zu wirken. Dicht innerhalb der Stigmen findet man
in der Trachee recht häufig dünne Hautfalten (Stimmbänder), welche in Be-
wegung gesetzt werden, wenn die Luft aus den Tracheen ausgestossen wird,
und so gewisse Laute erzeugen (Brummen der Fliegen und des Maikäfers).
Die Lautäusserungen der Insekten finden übrigens noch auf mancherlei
andere Weise statt. Fliegen, Bienen und Mücken, welche sämmtlich durch
die Schwingungen der Stimmbänder Laute erzeugen, können auch einen
summenden Laut vermittels schnell auf einander folgender Schwingungen
der Flügel hervorbringen. Andere erzeugen einen Laut, indem sie ver-
schiedene Theile der Körperoberfläche gegen einander reiben : die Männchen
der Feldheuschrecken z. B., indem sie eine mit einer Reihe kleiner Spitzen
besetzte Leiste des Hinterschenkels über die Flügeldecke streichen ; andere
wieder, indem sie irgend einen Theil des Körpers gegen einen fremden
Gegenstand schlagen (die Bohrkäfer klopfen z. B. mit dem Kopfe gegen
die Wand ihrer im Holz genagten Gänge und erzeugen hierdurch das be-
kannte tickende Geräusch).
Einige Insekten besitzen das Vermögen, im Dunkeln zu leuchten.
Das Leuchten geht von grossen Zellen aus, welche im Innern des Körpers
innerhalb durchsichtiger Hautstellen sich befinden, und beruht auf einer
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(»Iiederfüsfller. 8. Classe: Insekten.
253
185.
Oxydation gewisser in den Zellen vorhandener Stoffe , wesshalb die Zellen
aach von einem reichen Tracheennetz umsponnen sind.
Das Gefässsystem ist bei den Insekten nur wenig ausgebildet,
was zu der hohen Ausbildung der Athmungsorgane in naher Beziehung
steht : indem die Luft allen Theilen des Körpers direkt zugeführt wird,
wird die Bedeutung des Blutes als Sauerstoffträger in wesentlichem
Grade verringert, und das Gefässsystem kann weniger ausgebildet sein.
Bs findet sich im Hinterleib auf der Rücken-
seite ein röhrenförmiges, hinten geschlossenes, Fi(?* 186-
vorn offenes Herz, welches durch Einschnürun-
gen, die den Einschnitten zwischen den Hinter-
leibsringen entsprechen, in eine Anzahl von
Kammern getheilt ist; jede Kammer ist mit
einem Paar von Spaltöffnungen versehen,
an welchen kläppenartige Einrichtungen sich
befinden; auch an der Grenze der Kammern
finden sich gewöhnlich Klappen. Das Herz ist
wie bei anderen Gliederfüsslern von einem ge-
räumigen Hohlraum, einem Herzbeutel, um-
geben, welcher oben von der Rückenwand des
Hinterleibes, unten von einer mit Muskelfasern
durchwebten, durchlöcherten Bindegewebeplatte
begrenzt wird. Das Herz und eine schlauch-
artige Fortsetzung seines vorderen Endes, die
Aorta, sind die einzigen Gefässe des Körpers;
sonst läuft das Blut in den Lücken zwischen
den Organen, übrigens in ziemlich regelmässigem
Strom. Das Blut tritt, nachdem es den Körper
durchflössen hat, in den Herzbeutel und von
diesem, indem das Herz erschlafft und die
Spalten sich dabei öffnen, in das Herz selbst
ein , und wird von letzterem durch die
Aorta in die Höhlungen des Körpers getrie-
ben. — Das Blut ist gewöhnlich eine farblose,
seltener durch in derselben schwebende Fett-
tröpfchen gelblich, röthlich oder grün gefärbte
Flüssigkeit mit amöboiden Blutkörperchen.
Geschlechtsorgane. Die Insekten be-
sitzen ebenso wie andere Gliederfüssler ein
Paar Eierstöcke. Jeder Eierstock besteht
aus einer geringeren oder grösseren Anzahl
von Ei röhren, welche in der Regel dem vor-
deren Ende des Eileiters wie Finger aufsitzen.
Die Eiröhren, welche jede von einer dünnen
Hülle umgeben sind, verjüngen sich gegen
das vordere Ende zu und bestehen hier aus kleinen gleichartigen
Zellen; etwas weiter hinten bemerkt man in der Mitte der Röhre
grössere Zellen, die jungen Eizellen, von kleineren Zellen um-
geben, welche an die Eizellen Nahrung abgeben und auch die
Schale absondern, die das fertige Ei umgiebt. Die ausgebildeten
Eier haben ihren Platz am hinteren Ende der Eiröhre und gehen von
dieser in den Eileiter hinein; wenn ein Ei in letzteren übergetreten
ist, so schrumpft die entsprechende Partie der Eiröhre ein , und da-
Fig. 186. Sttlck des Ii er-
zeug eines Insekte», Schema,
i Einschnürung zwischen zwei
Kammern, k Klappen, $ ve-
nöse Spalte. — Orig.
Fig. 186. Eiröhre eines
Insektes, Schema. <>■ junge
Eier , <t ' ausgebildetes Ei,
«Schale, r leeres untere« Ende
der Eiröhre (ein Ei ißt kürzlich
entleert). — Orig.
254
Specieller Theil.
durch wird das weiter vorne liegende Ei dem Eileiter genähert. Die
beiden Eileiter vereinigen sich zu einem unpaaren Ei er gang
(oder der Scheide), welcher unterhalb des Afters ausmündet. An
der Scheide ist in der Regel eine Ausstülpung vorhanden, welche als
ABC
Fig- 187. A Weibliche (Jeschlechtsorgane eines Borkenkäfers, B do. eine» Schmetter-
ling» (Bombyx) , C männliche Geschlechtsorgane eine» Maikäfer«. In A—B bedeuten r F.i-
rühreu , r abgeschnittene Eiröhren, / Eileiter, g Scheide, »g Samentasche, k Nebendrüaen,
ps Begattungstasche, p» dereu äussere Uetfnung (bei den Schmetterlingen). In C ist t Hoden,
/ Samenleiter, b Satnenblase, g Samengang, k Nebendruse. A nach Lindemann, B nach
Suckow, 0 nach Gegcnbaur.
Samentasche (Receptaculum seminis) fungirt, und eine oder ein Paar
Nebendrüsen, welche entweder eine klebrige Flüssigkeit, womit
die Eier an fremden Gegenständen festgeheftet werden , oder einen
die Eier umhüllenden Schleim (z. B. bei Insekten, welche ihre Eier
im Wasser ablegen) absondern; zuweilen findet man auch als Aus-
stülpung der Scheide eine Begattungstasche (Bursa copitkUtnx),
in welche die Ruthe des Männchens während der Paarung eingeführt
wird *). Nicht selten findet sich an der weiblichen Geschlechtsöffnung
eine aus mehreren messer- oder degenförmigen Blättern zusammenge-
setzte Legeröhre (Heuschrecken) oder ein Legestachel (Haut-
flügler), oder die hintersten Segmente des Hinterleibs, welche dann
dünn, gestreckt sind und fernrohrartig zusammengeschoben werden
können, dienen als Legeröhre (Schmetterlinge). — Die Schale des
Eies ist häufig sehr fest, oft mit einer feinen und regelmässigen Sculptur
und immer mit einer oder mehreren Oeffnungen, Mikrop ylen, ver-
sehen, durch welche die Samenkörperchen in das Ei eindringen können.
') Bei den Schmetterlingen bietet diese Begattungstasche ein eigentümliches
Verhältnis» dar, indem sie nicht wie bei anderen Insekten eine einfache Aus-
stülpung der Scheide, sondern eine an beiden Enden offene Röhre darstellt, welche
mit dem einen Ende in die Scheide, mit dem anderen auf der Oberfläche mündet,
so dass hier aUo zwei Eingänge zu dem weiblichen Geschlechtsapparat vorhanden
sind, von welchen die äussere Oeffnung der Begattungstasche bei der Paarung, die
der Scheide bei der Ausführung der Eier benutzt wird.
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Gliederfüwler. 3. Claase: Insekten. 255
Die äussere Form des Eies ist verschieden: es kann kugelig, oval,
gestreckt, abgeplattet, mit Auswüchsen versehen, gestielt etc. sein.
Die männlichen Geschlechtsorgane sind äusserlich in der Haupt-
sache eine Wiederholung der weiblichen. Es findet sich ein Paar
Hoden, aus je einer oder mehreren langen Samenröhren oder
kürzeren Samensäcken bestehend, welche am Ende des Samenleiters
sitzen. Die beiden Samenleiter vereinigen sich zu einem unpaaren
Samengang, welcher an derselben Stelle mündet wie beim Weibchen
die Scheide. Die Samenleiter erweitern sich an ihrem hinteren Ende
zu je einer Samenblase (Samenreservoir); in den Samengang oder
in die Samenleiter münden häufig besondere Anhangsdrüsen. Der
Samengang setzt sich in ein röhren- oder rinnenförmiges Be-
gattungswerkzeug fort, welches, wenn es nicht gebraucht wird,
in den Körper zurückgezogen ist. Der Samen wird in der Regel auf
das Weibchen in Sperma tophoren übergeführt, welche von er-
härtetem Schleim aus den genannten Anhangsdrüsen gebildet werden.
Sehr häufig findet man bei den Insekten mehr oder weniger ausgeprägte
GeBchlechtsnnterschiede, welche sich wenigstens zum grossen Theil
unschwer aus den verschiedenartigen Ansprüchen ableiten lassen, die das
Geschlechtsleben und die mit der Fortpflanzung in Verbindung stehenden
Lebensverhältnisse an Männchen und Weibchen stellen. Häufig besitzt das
Männchen Einrichtungen, welche beim Weibchen fehlen, oder gewisse
Körpertheile desselben sind besonders entwickelt; wir nennen beispielsweise:
die grossen Vorderkiefer des Hirschkäfers, die kolossalen Augen der männ-
lichen Honigbiene, die stärker ausgebildeten Antennen bei den Männchen
des Maikäfers und zahlreicher Schmetterlinge, die breiten Vorderfüsse der
Wasserkäfer-Männchen; derartige Einrichtungen sind (wenn sie überhaupt
einem Verständniss zugänglich sind) entweder davon abzuleiten, dass die
Männchen mit einander um die Weibchen kämpfen (Hirschkäfer), oder sie
sind — wenn es sich um eine besondere Entwicklung der Sinnesorgane
handelt — die Folgen der Ansprüche, welche in der Kegel an das Männchen
in Bezug auf die Aufsuchung des weniger beweglichen Weibchens gestellt
werden, oder die betreffenden Theile wirken als Werkzeuge zum Festhalten
während der Begattung (Wasserkäfer). Seltener ist irgend ein Körpertheil
beim Weibchen besonders entwickelt: beim Weibchen des Nussrüsslers
(BcUaninus nucum) ist der Rüssel länger als beim Männchen, weil jenes
denselben bei der Durchnagung der Fruchtknoten benutzt, in denen es seine
Eier anbringt. Nicht selten sind die Geschlechter an Grösse unterschieden
und zwar so, dass das TJebergewicht meistens auf der Seite des Weibchens
ist, was sich häufig einfach davon ableiten läset, dass die Eier weitaus
voluminöser sind als der Samen. Auch in der Färbung und Zeichnung
sind häufig Unterschiede vorhanden, welche ebenso wie viele plastische
Unterschiede (z. B. diejenigen
zwischen Nashornkäfer-Männchen
und -Weibchen) in der Regel
keiner Erklärung zugänglich er-
scheinen. — Wie schon erwähnt,
ist das Männchen in der Regel
beweglicher als das Weibchen,
und der Unterschied der Ge-
schlechter in dieser Beziehung Fi«' } 88/, Weibchen d™<* verwandter Spanner-
. , , , . ° arten (/ Ihbernia proyemmana, 2 H. aurantiarxa,
kann sehr weit gehen und eine 3 H ^1^^ um die fortocbreitende Rückbildung
bedeutende Um- und Rückbildung der Flügel zu zeigen. — Nach Rateeburg.
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2r.fi
Specialer Theil.
verschiedener Theile des Körpers des Weibchens mit sich führen. Bei nicht
wenigon Schmetterlingen sind z. B. die Flügel der Weibchen bedeutend verkürzt,
so dass sie als Flugwerkzeuge unbrauchbar werden, oder sie werden sogar rudi-
mentär oder verschwinden völlig; ja bei einigen Schmetterlingsweibchen geht
die Rückbildung noch weiter, auch die Beino sind schlecht oder gar nicht aua-
gebildet, so dass das Thier auf einen madenartigen Zustand herabsinkt und dem
A B
Fig. 189. Mastophaya groinorum. A 9 ß 0* (V)" — Xach P" Mayer.
Männchen so unähnlich wie nur möglich wird. Der entgegengesetzte Fall:
dass das Weibchen dem Männchen an Beweglichkeit überlegen ist, kann
ebenfalls vorkommen, wenn solches auch weit seltener ist; man findet z. B.
in Feigen eine Art kleiner Gallwespen {Blastojthago grossorum), welche
ab Larve in den kleinen Früchten im Innern der Feige lebt; das Männchen
verlässt die Feige, in welcher es als Larve gelebt hat, gar nicht und ist
desshalb plump und ungeflügelt, während das Weibchen, welches zum Zweck
der Eiablage junge Feigen aufsuchen muss, beweglich und geflügelt ist.
Bei einer Anzahl von Insektenarten findet man das sehr merk-
würdige Verhältniss, dass eine grosse Anzahl Individuen das ganze
Leben hindurch steril bleiben und somit keinen Beitrag zur Fort-
pflanzung der Art liefern können; die betreffenden Individuen be-
sitzen wohl in der Regel deutliche Anlagen zu Geschlechtswerkzeugen,
welche sich aber nicht so weit entwickeln, dass sie brauchbare Ge-
schlechtsstoffe bilden (oder mit anderen Mängeln behaftet sind, so
dass die betreffenden Individuen sich jedenfalls nicht am Fort-
pflanzungsgeschäft betheiligen können); solche unfruchtbare Individuen
sind bei einigen Insekten (Bienen, Ameisen) immer unvollkommen aus-
gebildete Weibchen, bei anderen (Termiten) sowohl Männchen als
Weibchen. Die Ausbildung solcher sterilen Individuen ist dadurch be-
dingt, dass die betreffenden Arten gesellig lebende Insekten sind,
welche grössere oder kleinere Gemeinschaften bilden; sie ist ein
Ausdruck einer Arbeitstheilung innerhalb dieser Gesellschaften, indem
den sterilen Individuen die Brutpflege etc. auferlegt ist. während die
Fortpflanzungsthätigkeit nur von relativ wenigen ausgeübt wird,
welche dann aber auch eine ungeheuer grosse Nachkommenschaft er-
zeugen (vergl. die Arbeitstheilung der Hydroidenstöcke).
Parthenogenesis ist bei vielen Insekten nachgewiesen. Bei
manchen Insekten ist Parthenogenesis eine mehr ausnahmsweise
auftretende Erscheinung; so legt z. B. das Weibchen des Seiden-
spinners (Bombyx mori), wenn es unbefruchtet bleibt, trotzdem Eier
ab, welche dann meistens absterben, sich zuweilen aber in regel-
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Gliederfiissler. 3. Classe: Insekten.
257
massiger Weise entwickeln. Aehnliches ist für eine Anzahl anderer
Schmetterlinge bekannt. In anderen Fällen ist die Parthenogenesis
eine mehr regelmässige Erscheinung: bei gewissen Insekten ist
eine parthenogenetische Fortpflanzung die Re gel, nur hin und wieder
treten Männchen auf, so bei gewissen Schmetterlingen, z. B. der
Psyche helix, bei welcher das Weibchen flügellos und madenartig ist,
das Männchen dagegen normal gestaltet ist ; oder die Männchen er-
scheinen zwar stets neben den Weibchen, aber in geringer Anzahl
und, wie es scheint, in der Regel ohne sich mit diesen zu begatten
(so bei Cytiips rosae , einer bekannten Gallwespe der Rose); oder es
findet, wie bei gewissen Blatt- und Gallwespen, wie es scheint, eine
ausschliesslich parthenogenetische Fortpflanzung statt, in welchem
Fall die betreffende Art allein aus Weibchen besteht; oder die Fort-
pflanzung ist in gewissen Generationen (bei Heterogonie) eine aus-
schliesslich parthenogenetische. Eine andere Form von Regelmässigkeit
finden wir bei manchen gesellig lebenden Hautflüglern , bei welchen
die Männchen unbefruchteten, die Weibchen befruchteten Eiern ent-
stammen. — Nicht selten tritt die parthenogenetische Fortpflanzung
in gesetzmässiger Abwechselung mit gewöhnlicher geschlechtlicher
Fortpflanzung auf, so dass wir also eine Heterogonie haben; ent-
weder wechselt je eine parthenogenetische mit einer Männchen-
Weibchen-Generation ab (Gallwespen), oder aber es kommen auf eine
^ - Generation mehrere parthenogenetische (Blattläuse). Meistens
sind die parthenogenetischen Generationen von den anderen mehr oder
weniger verschieden; nicht selten können auch, wenn mehrere par-
thenogenetische . Generationen auf einander folgen , Unterschiede
zwischen diesen unter einander vorhanden sein.
Bei einigen Zweiflüglern (Kücken, Cesidomyia) können schon in der
Larve Eier erzeugt werden, welche sich gleich ohne Befrachtung im
mütterlichen Körper zu neuen Larven entwickeln; die Mutterlarve geht
dann zu Grunde, während die jungen Larven weiter wachsen und entweder
eine neue Larvengeneration auf dieselbe Weise erzeugen oder sich zu voll-
kommenen Insekten ausbilden. Wir finden also hier eine Parthenogenesis
auf ein Lebensstadium zurückverlegt, in welchem sonst keine geschlechtliche
Vermehrung stattfindet. Man bezeichnet diese Erscheinung mit dem be-
sonderen Namen Pädogenesis.
Die Entwicklung des Eies findet in der Regel ausserhalb der
Mutter statt, welche allgemein, oft mit der grössten Sorgfalt und be-
deutender Arbeit, dafür sorgt, dass das neugeborene Junge sofort
reichliche Nahrung vorfindet; gewöhnlich wird dieses einfach in der
Weise erreicht, dass die Mutter die Eier an solchen Stellen ablegt,
wo eine für die Jungen passende Nahrung natürlich vorhanden ist; nicht
selten findet man aber, dass die Mutter vor der Eiablage einen für
das Junge bestimmten Nahrungsvorrath einsammelt und das Ei neben
demselben ablegt (gewisse Mistkäfer, Grabwespen); seltener ist eine
Brutpflege in der Form, dass die Mutter dem ausgeschlüpften Jungen
täglich frisches Futter bringt. — Bei einer geringen Anzahl Insekten
werden die Eier erst dann abgelegt, wenn die Entwicklung des Embryos
so weit vorgeschritten ist, dass er bald die Eihülle verlassen wird,
andere gebären „lebendige Junge", indem die ganze embryonale Ent-
wicklung im Eiergang abgeschlossen wird. Ein eigentümliches Ver-
hältniss findet man bei den Lausfliegen (Hippoboscen), bei welchen
nicht nur die eigentliche Eientwicklung im Eiergang abläuft, sondern
Bon. Zoologie. 17
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258
Specieller Theil.
deren Larve noch lange Zeit in diesem verweilt und durch das Secret
der Anhangsdrüsen ernährt wird.
Die allermeisten Insekten besitzen , wenn sie das Ei verlassen,
nicht die definitive Gestalt, müssen vielmehr eine Metamorphose
durchlaufen ; nur bei einer geringeren Anzahl , z. B. den Läusen und
verschiedenen anderen flügellosen Insekten, sind die Veränderungen
zu unbedeutend, als dass man von einer eigentlichen Metamorphose
reden könnte. Die Metamorphose kann übrigens mehr oder weniger
tief eingreifend sein, und namentlich kann man zwischen zwei wohl-
gesonderten Hauptformen unterscheiden, der vollkommenen und
der unvollkommenen Metamorphose.
Bei Insekten mit unvollkommener Metamorphose (Gerad-
flüglern, Schnabelkerfen) unterscheidet sich die neugeborene Larve
gewöhnlich in der Hauptsache nur dadurch von dem ausgebildeten
Thier, der Imago, dass sie völlig flügellos ist (ausserdem sind
natürlich, wie bei allen neugeborenen Thieren, die Geschlechtsorgane
noch nicht ausgebildet). Meist sind auch in anderen Beziehungen
kleinere Unterschiede zu verzeichnen : die Anzahl der Glieder der
Antennen kann eine geringere sein, der Kopf kann verhältnissmässig
grösser als bei dem Erwachsenen sein etc. Der Uehergang von der
ersten Larvenstufe zu dem ausgebildeten Thiere findet nun allmählich
statt: es bilden sich Flügelanlagen, welche zunächst klein sind, mit
jeder Häutung aber grösser werden, ebenso wie auch andere Ver-
schiedenheiten allmählich ausgeglichen werden; endlich nach der
letzten Häutung sind die Flügel vollständig entwickelt und functions-
fähig, was bei den Larven nicht der Fall ist, und gleichzeitig haben
auch die anderen Körpertheile die definitive Form und die Geschlechts-
organe die Reife erlangt. — Bei einigen Insekten mit unvollkommener
Metamorphose sind aber die Unterschiede zwischen der Larve und
dem Erwachsenen bedeutend grösser, was dann daraus abzuleiten ist,
dass beide eine wesentlich verschiedene Lebensweise führen. Sehr aus-
geprägt sind die Unterschiede bei den Libellen und den Eintags-
fliegen, welche als Larven im Wasser, als ausgebildete Insekten auf
dem Lande (resp. in der Luft) leben : bei den Larven dieser Insekten
ist das Tracheensystem geschlossen und sie athmen vermittels Tracheen-
kiemen (vergl. S. 252), bei den Erwachsenen dagegen besteht das ge-
wöhnliche Verhältniss; auch in mehreren anderen Beziehungen, bei
den Libellen z. B. in Bezug auf die Mundtheile, sind namhafte Unter-
schiede zu verzeichnen. Diese Unterschiede erhalten sich durch das
ganze Larvenleben bis zur letzten Häutung; ebenso wie bei den
übrigen bilden sich aber allmählich Flügelanlagen aus. Mit der
letzten Häutung verschwinden dagegen alle besondern Larvencharaktere
wie mit einem Schlag; natürlich haben aber thatsächlich die Ver-
änderungen sich allmählich innerhalb der alten Cuticula vollzogen.
— Nachdem die Flügel fertig ausgebildet und in Function getreten
sind, häutet sich das Thier nicht mehr und das Wachsthum hört auf.
Bei den Eintagsfliegen, deren Larven, wie schon erwähnt, im Wasser
leben, findet man die Eigentümlichkeit, dass die Thiere, wenn sie das
Wasser verlassen, mit schwachen, immerhin aber brauchbaren Flügeln aus-
gestattet sind, dann aber gleich nachher eine letzte Häutung bestehen und
darauf erst mit vollständiger ausgebildeten Flügeln erscheinen. Man hat
das Thier auf jenem Stadium, in welchem es flugfähig, aber dennoch nicht
vollständig entwickelt ist, als Subhnago bezeichnet.
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Gliederfussler. 3. Classe: Insekten.
259
Die Insekten mit vollkommener Metamorphose (Käfer,
Hautflügler, Schmetterlinge, Zweiflügler) unterscheiden sich von denen
mit unvollkommener Metamorphose zunächst dadurch, dass der Unter-
schied der Larve und des ausgehildeten Thieres weit durchgreifender
ist (vergl. unten) ; ferner dadurch, dass die Larve während der ganzen
Larvenperiode äusserlich keine allmähliche Annäherung an die Ge-
stalt des ausgehildeten Thieres darbietet; und endlich — und zwar
ist dies der wichtigste Charakter der vollkommenen Metamorphose —
dadurch, dass zwischen das Larven- und das Imagostadium eine be-
sondere Entwicklungsstufe, das Puppenstadium, eingeschoben ist,
während dessen das Thier keine Nahrung zu sich nimmt und sich
in der Regel vollständig ruhig hält ; es ist eine Ruheperiode, in welcher
eine Reihe bedeutsamer, oft ausserordentlich eingreifender Verände-
rungen im Körper des Thieres stattfindet.
Die Larve der Insekten mit vollkommener Verwandlung unter-
scheidet sich von der Imago durch folgende Charaktere : Die kleinen
Punktaugen auf der Mitte des Kopfes fehlen stets, und die zusammen-
gesetzten Augen sind durch eine Gruppe von Punktaugen auf jeder
Seite des Kopfes ersetzt (welche aber auch ganz fehlen können). Die
Antennen sind fast immer kurz und bestehen meistens aus einer ge-
ringen Anzahl Glieder. Die Mundtheile sind Beisswerkzeuge , selbst
wenn das ausgebildete Thier saugende Mundtheile besitzt. Die Beine
sind kurz, besitzen eine geringere Anzahl und gleichartiger entwickelte
Glieder als bei der Imago und haben gewöhnlich nur je eine Kralle.
Flügel fehlen völlig. Die Brust ist klein, der Hinterleib gross, nicht
selten mit Schwanzraifen ausgestattet, während solche bei dem aus-
gebildeten Insekt meist fehlen oder undeutlich sind. Die Chitinhaut
ist. vom Kopf abgesehen, meistens weniger verdickt als bei der Imago.
Das Nervensystem zeichnet sich in der Regel durch den Besitz zahl-
reicher gesonderter Nervenknoten aus, selbst bei solchen Insekten, bei
welchen es später stark concentrirt ist. Der Darmkanal ist oft sehr
abweichend, namentlich ist dies in auffallendem Grade bei Insekten
der Fall, deren Lebensweise im Larvenzustand von derjenigen des
ausgebildeten Thieres sehr verschieden ist (z. B. bei den Schmetter-
lingen)1); von den Speicheldrüsen ist bei manchen Insektenlarven ein
Paar zu Spinndrüsen umgebildet, deren Secret entweder dazu ver-
wendet wird, fremde Theile zu einer schützenden Hülle um die Larve
zusammenzukitten oder für sich allein eine solche zu bilden (meistens
wird eine solche Hülle gebildet, um das Thier während der Puppenruhe
zu beschützen) *). Das Tracheensystem verhält sich bei manchen unter
Anderem darin abweichend, dass auf der Vorderbrust ein Paar Stigmen
vorhanden ist, während die der Mittel- und Hinterbrust geschlossen sind
(Schmetterlingsraupen, Käferlarven); bei anderen können anderweitige
Modifikationen auftreten. Bei der Larve sind grosse Fettmassen, der
') Bei gewissen Insektenlarven (z. B. der Larve der Biene und des Ameisen-
löwen) findet man das eigentümliche Verhältniss, dass der Enddarm, in welchen
die Malpighi'schen Gefasse münden, nicht mit dem Chylusdarm in Verbindung steht;
sowohl das Hinterende des Chylusdarms wie auch das Vorderende des Enddarms
enden blind. Erst bei der Metamorphose verbinden sich beide mit einander.
*) Bei der Larve des Ameisenlöwen (und vermuthlich ebenso bei den Larven
seiner Verwandten) wird das Secret, aus welchem die Spinnfäden des Puppengeh ülses
gebildet werden, aller Wahrscheinlichkeit nach in einigen der Malpighi'schen Gefässe
erzeugt (vergl. die analogen Verhältnisse bei gewissen Fischen, deren Niere Spinn-
stoff liefert). ,
17*
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2fiO
Specieller Thei).
Fettkörper, in der Leibeshöhle vorhanden, welche grösstenteils
während der Metamorphose verbraucht werden , wenn sie auch beim
ausgebildeten Insekt nicht völlig fehlen. Die Geschlechtsorgane sind
nur als Anlagen vorhanden.
Während des Larvenlebens häutet sich das Thier zu wiederholten
Malen und nimmt allmählich an Grösse zu, in der Regel ohne seine
Form wesentlich zu verändern. Wenn die definitive Grösse erreicht
ist, ändert es aber , scheinbar plötzlich , seine äussere Form in einer
Reihe wesentlicher Punkte und erscheint nach einer Häutung in der
Puppen gestalt. Die Puppe zeigt in der äusseren Form eine sehr
bedeutende Annäherung an die Imagogestalt : sie besitzt grosse Flügel-
anlagen und zusammengesetzte Augen, die Beine und die Antennen
nähern sich in der Form denen des ausgebildeten Insekts, dasselbe ist
mit den Mundtheilen der Fall, alle Anhänge stehen aber noch in
weichen Umrissen da, ohne deutliche Gliederung etc., sind in einem
unbrauchbaren Zustande (ähnlich wie die Gliedmaassen-Anlagen am
Körper eines Embryos) und liegen unbeweglich über den Körper hin,
dessen allgemeine Form ebenfalls wichtige Annäherungen an die
Imagoform darbietet (relative Ausbildung der Brust und des Hinter-
leibs etc.); innerlich steht aber die Puppe in dem Augenblick, wo
die Larvenhaut abgestreift worden ist, noch wesentlich auf der Stufe
der Larve. Die bedeutenden Veränderungen, welche man im äusseren
Bau findet, haben natürlich thatsächlich nicht so plötzlich stattge-
funden, wie es den Anschein hat; alle sind, besonders gegen den
Schluss des Larvenlehens hin, vorbereitet worden, die Flügelanlagen
z. B. können oft lange vorher als E i n stülpungen der Leibeswand gebildet
sein, welche dann, wenn die Larvenhaut endlich zum letzten Mal abge-
streift wird, ausgestülpt werden und als Auswüchse des Körpers er-
scheinen ; die Beine sind vorher innerhalb ihrer Chitinhüllen gewachsen, in
welchen man in den letzten Tagen des Larvenlebens die Puppenbeine in
zusammengefaltetem Zustande finden kann, etc. ; am Ende des Larven-
lebens ist das Thier wegen dieser Umänderungen . welche theilweise
seine Anhänge functionsunfähig machen , träge und hält sich so weit
wie möglich ruhig. Während des Puppenzustandes werden die Ver-
änderungen fortgesetzt : die äusseren Formen des Körpers ändern sich
unter der schützenden Decke der Puppen-Chitinhaut, und im Inneren
des Körpers bilden sich die Larvenorgane allmählich zu denen der
Imago um, so dass die Theile in der Puppe am Anfang ganz anders
als am Schluss des Puppenstadiums aussehen, obgleich scheinbar
die Puppe — d. h. die Chitinhaut — die ganze Zeit dieselbe bleibt. —
Wenn alle Umbildungen endlich abgeschlossen sind, wird die Chitin-
hülle der Puppe gesprengt und die Imago tritt hervor. Nachdem
sämmtliche Anhänge der letzteren entfaltet sind und die Chitinhaut
erhärtet ist, ist die Umbildung des Insekts abgeschlossen. Das aus-
gebildete Insekt häutet sich nie, es wächst nicht, jedenfalls nicht
mehr als die meistens nicht sehr dehnbare Chitinhaut es erlaubt. Wenn
das Insekt die Puppenhaut verlässt, sind die Geschlechtsorgane fertig
ausgebildet, und manche Insekten paaren sich dann gleich und fangen
an, Eier zu legen.
Die Veränderungen, denen das Insekt am Schluss der Larvenperiode
und im Puppenstadium unterliegt, beschränken sich nicht auf eine Um-
formung der schon vorhandenen Theile, sondern es gesellt sich dazu eine
umfassende Zerstörung und Auflösung vieler Theile des Larvenkörpers;
Gliederfüßler. 3. Claeae: Insekten.
2ßl
bei einigen Insekten ist es sogar nur ein kleinerer Theil der Larve, welcher
sich zur Imago gestaltet, während ein grosserer Theil aufgelöst wird und
dem übrigen lediglich als Nahrung dient. Bei diesem Auflösungsprocess
spielen die amöboiden Blutkörperchen der Larve eine wichtige Bolle, indem
sie die absterbenden Gewebe förmlich auffressen, dieselben stückweise in
Bich aufnehmen und verdauen, um die so aufgenommene Nahrung wieder an
die lebenskräftigen, wachsenden Theile des Thieres abzugeben. Besonders
weit geht diese Auflösung des Larvenkörpers bei einem grossen Theil der
Zweiflügler, deren Larven nach Aussehen und Lebensweise so ausserordent-
lich von den ausgebildeten Thieren verschieden sind (z. B. bei der Schmeiß-
fliege und vielen anderen).
Die Larven der Insekten mit vollkommener Verwandlung treten
in einer Anzahl verschiedener Gestalten auf. Von besonders
entwickelten Formen führen wir hier die eigenthümliche Larvengestalt
an, welche bei den Schmetterlingen und den Blattwespen vorkommt
und besonders dadurch charakteristisch ist, dass an der Unterseite
des langen wurstförmigen Hiuterkörpers eine Anzahl sogenannter
Afterfüsse vorhanden sind, kleiner musculöser Hautausstülpungen,
welche bei der Bewegung eine wichtige Rolle spielen ; derartige Larven
werden als Raupen, resp. (bei den Blattwespen) als Afterraupen
bezeichnet Bei zahlreichen Larven verschiedener Ordnungen finden
wir, dass die Beine ganz fehlen; solche
Larven, welche man als Maden bezeichnet,
sind gewöhnlich blasse, meistens blinde Ge-
schöpfe, welche ein verborgenes Leben führen
(im Innern von Pflanzen, als Schmarotzer etc.),
seltener sind die Maden beweglicher (Wasser-
thiere, z. B. die Larven der Stechmücken).
Die am meisten rückgebildeten Maden findet
man bei den Schmeissfliegen und manchen
anderen Zweiflüglern, deren Larven sich da-
durch auszeichnen, dass sogar der Kopf nicht
deutlich ausgebildet ist: kopflose Maden,
während der Kopf bei manchen anderen Maden
durch seine dicke braune Chitinbekleidung
oft gegen den übrigen Körper sehr absticht, einer Wespe von der Unken
Manche Insektenlarven, welche ein verborgenes Scite' B Pupp« derselben von
Dasein, in der Erde, in Holz etc. führen, haben untcn- ~ Nach K*tzeburs*
übrigens, ohne Maden zu sein. d. h. ohne die
Brustgliedmaassen zu entbehren, einen ähnlichen Habitus wie die meisten
Maden: sie sind blind oder fast blind, mit kurzen oder schwachen
Beinen, weich und plump. — Bei einzelnen Insekten hat die Larve
auf verschiedenen Altersstufen ein verschiedenes Aussehen, was
meistens dazu in Beziehung steht, dass ihre Lebensverhältnisse auf
den verschiedenen Stufen verchieden sind. Einen solchen Fall finden
wir beim Oelkäfer und mehreren mit diesem verwandten Insekten:
aus den Eiern schlüpft eine kleine, lebhafte, mit wohlentwickelten
Beinen ausgestattete Larve aus, welche auf eine Pflanze kriecht und
sich an gewissen Bienen anheftet, in deren Wohnungen sie, nachdem
sie sich zu einem madenartigen Geschöpf umgebildet hat, den
Rest des Larvenlebens zubringt (sie nährt sich von den Vorräthon
der Bienen). — Die Puppen haben zwar nicht so mannigfache For-
men wie die Larven, doch ist auch hier Manches von Interesse her-
Fig. 190. A Larve (Made)
262 Specieller Theil.
vorzuheben. Wir finden z. B. eine eigentümliche Puppengestalt bei
den Schmetterlingen, welche dadurch ausgezeichnet ist, dass Antennen,
Mundtheile, Beine und Flügel dem Körper dicht anliegen und überall
an ihrer Aussenseite fest und dick chitinisirt sind, was auch mit dem
Körper überall dort der Fall ist, wo er von den genannten Theilen
nicht bedeckt ist; die Gliedmaassen erscheinen hierdurch dem Körper
wie angeklebt, und es hat den Anschein, als wäre dieser sammt
den Gliedmaassen von eiuer gemeinsamen Firnisschicht über-
zogen. Bei manchen Zweiflüglern verdickt sich die Chitinhaut der
Larve vor der Verpuppung bedeutend, und wenn sie nachher von
den unterliegenden Weichtheilen sich losgelöst hat, wird sie nicht wie
sonst abgestreift, sondern bleibt als eine feste Kapsel um die dünn-
häutige Puppe zurück und dient dieser so als schützende Hülle; sie
wird erst abgestossen, wenn die Imago hervorbricht (Tönnchenpuppe).
Einen ähnlichen Schutz bilden sich manche Insekten dadurch, dass
die Larve vor der Verpuppung aus einem Gespinnst oder aus zusam-
mengesponnenen Theilen eine Hülle (Cocon) um sich herum bildet,
innerhalb welcher die Puppe dann ruht (Schmetterlinge, Hautflügler,
gewisse Käfer u. a.). Die meisten Puppen liegen ruhig da; zum
Zweck der Athmung wird jedoch der Hinterleib bewegt, während
eine grössere Ortsveränderung nur bei wenigen stattfindet (z. B. bei
Mückenpuppen, welche an die Oberfläche des "Wassers, in welchem
sie leben, hinauf müssen, um Luft zu holen).
Bei einem Theil der Hautflügler ist eine eigenthümliche Entwicklungs-
stufe zwischen dos Larven- und das Puppenstadium eingeschoben oder,
richtiger, sie durchlaufen zwei Puppenstadien. Die erwachsene Larve wird
nämlich zunächst zu einer sogenannten Halbpuppe mit kleinen Anlagen
zu Flügeln, Beinen etc., und erst nachher tritt das Thier in das eigentliche
Puppenstadium ein, welches durch grössere Flügel- und Beinanlagen, über-
haupt durch eine bedeutendere Annäherung an die Imago charakterisirt ist.
Die Metamorphose der Insekten ist ein Ausdruck einer scharfen
Arbeit8th eilung im Leben des Thieres. Die Larvenperiode ist
eine Frass- und Wachsthumsperiode, das Leben der Imago
ist der Fortpflanzung gewidmet; mit der Metamorphose ist das
Wachsthum abgeschlossen, als Imago nimmt das Thier in der Regel
nicht mehr Nahrung zu sich als nöthig ist, um die durch die Lebens-
vorgänge verursachten Verluste zu decken, und es stirbt, wenn die
Fortpflanzung besorgt ist. In einigen Fällen ist der Gegensatz beider
Perioden besonders ausgeprägt : als Imago nimmt das Thier gar keine
Nahrung auf, die Frassperiode und die Fortpflanzungsperiode sind
somit hier in schärfster Weise getrennt. Aber wenn auch das Thier
in seiner letzten Lebensperiode Nahrung aufnimmt, so zeigt doch der
Umstand, dass es sich nicht mehr häutet, zur Genüge, dass das
Wachsthum wesentlich abgeschlossen ist. (Eine Ausnahme bilden in
gewisser Weise die wenigen Insekten, deren Hinterleib im Imago-
stadium in Folge der starken Entwicklung der Eierstöcke stark an-
schwillt [Termiten]).
Durch den angegebenen Charakter tritt die Metamorphose der Insekten
in einen ausgesprochenen Gegensatz zu derjenigen anderer Thiere, z. B. der
Krebse, bei welchen der Abschluss des Larvenlebens und der Abschluss
des Wachsthums keineswegs zusammenfallen.
Die Lebensdauer ist bei den Insekten fast immer scharf be-
grenzt und ziemlich kurz. Meistens dauert das ganze Leben des
)gle
GHederfüssler. 3. Classe: Insekten.
263
Individuums nur ein Jahr (das Leben als Ei, Larve, Puppe und
Imago einbegriffen) ; bei nicht ganz wenigen, z. 6. bei den Blattläusen,
nur einen Bruchtheii eines Jahres; bei anderen (manchen grösseren
Insekten) dauert es mehrere Jahre, in der Regel aber eine ziemlich
bestimmte Anzahl Jahre (der Maikäfer lebt z. B. im nördlichen
Deutschland in der Regel 4 Jahre). Von der ganzen Lebenszeit des
Insekts fällt in der Regel der grösste Theil auf das Larvenstadium
und nur ein geringer Bruchtheii auf die Periode der Imago; als
solche lebt das Thier nur kurze Zeit, nicht selten nur wenige Tage oder
gar nur wenige Stunden. Nur ausnahmsweise, bei gewissen, hoch
ausgebildeten Insekten, kennt man Beispiele davon, dass das Leben
als Imago mehrere Jahre dauern kann: man hat beobachtet, dass
Honigbienen 5 Jahre, Ameisen sogar 12 Jahre in Gefangenschaft
gelebt haben.
Die Insekten sind ein sehr ausgeprägter Landthi er- Typus,
dessen ganze Organisation dem Leben auf dem Lande und in der
Luft eng angepasst ist. Nicht wenige sind jedoch derartig modificirt,
dass sie im Süsswasser entweder ihr ganzes Leben lang oder blos
als Larven leben können. Ganz wenige Insekten findet man im
Meere : im Schlamm an flachen Meeresküsten kann man Fliegenlarven
antreffen ; wirkliche Meeresthiere sind aber eigentlich nur die Meer-
wanzen, welche auf offenem Meere ein ähnliches Leben führen wie
ihre nahen Verwandten, die Wasserläufer, im Süsswasser1). — Ver-
schiedene Insekten (Läuse, Pelzfresser, Flöhe etc.) leben als voll-
kommene Insekten oder das ganze Leben hindurch als Schmarotzer
an verschiedenen Wirbelthieren ; andere sind nur als Larven
Schmarotzer auf oder in verschiedenen anderen Thieren, während
sie als vollkommene Insekten ein freies Leben führen.
Die Insekten bilden die an Arten weitaus zahlreichste Classe
der Thiere. Nach einer Berechnung sollen die Insekten sogar */»
aller Arten ausmachen; von den Insekten sind wieder etwa die
Hälfte Käfer.
Unvollkommene Meta- ( Geradflügler Beissende Mundtheile.
morphose \ Schnabelkerfe Saugende „
Netzflügler
Käfer J Beissende
Vollkommene Meta- I H a u t f 1 ü g 1 e r
morphose | Schmetterlinge \ a
Zweiflügler } Saugende
1. Ordnung. Geradflügler (Orthoptera).
Die Orthopteren siud Insekten mit unvollkommener Ver-
wandlung und mit beissenden Mündt heilen. Die Unterlippe
lässt deutlicher als bei anderen Insekten erkennen, dass sie durch
Verschmelzung eines Kieferpaares entstanden ist, dessen einzelne
Theile meistens leicht nachweisbar sind. Die Flügel besitzen gewöhn-
lich ein dichtes Rippennetz, bieten aber sonst grosse Unterschiede
dar. Häufig ist eine grosse Anzahl Hinterleibsringe vorhanden; der
') Als Meeresinsekten können noch die auf Seehunden schmarotaenden Läuse
aufgeführt werden.
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Specieller Theil.
Hinterleib ist gewöhnlich mit zwei kürzeren oder längeren gegliederten
oder ungegliederten Schwanzraifen ausgestattet. — Die Orthopteren
umfassen zahlreiche sehr verschiedene Formen; von den im Folgen-
den genannten Haupttypen sind bei Nr. 1 — 6 die Vorderflügel als
lederartige Flügeldecken entwickelt, bei den übrigen sind alle vier
Flügel gleichartig.
1. Die Feldheuschrecken (Gatt. Acridium u. a.). Die Hinter-
beine sind lange Springbeine mit verdickten 8chenkeln. Die Vorderflügel
lange, schmale, etwas verdickte Flügeldecken, unter welchen die breiten
Hinterflügel fächerförmig zusammengefaltet liegen. Vorderbrust gross.
Antennen kurz, fadenförmig (höchstens 24 Glieder), Gehörwerkzeuge (vergl.
8. 249) am 1. Hinterleibssegment. Das Männchen erzeugt einen Laut, indem
es eine mit einer Reihe kleiner Spitzen versehene Leiste an der Innenseite
der Hinterschenkel über die Flügeldecken streicht. Kein hervortretender
Legestachel beim Weibchen. Auf den Feldern findet man häufig in grosser
Anzahl verschiedene kleinere Arten dieser Gruppe. Gewisse Arten (einige
gross, andere klein) treten häufig in wärmeren Ländern als „Wander-
heuschrecken' i auf, d. h. nachdem sie sich an einigen Localitäten sehr stark
vermehrt haben, wandern sie in unglaublich grossen Schaaren aus und ver-
nichten auf ihren Wanderungen den Pflanzenwuchs der Gegenden, durch
welche sie kommen. Eine südeuropäische (auch in Asien und Afrika ein-
heimische) Art, Pachytylufi miyratorius, kommt auf ihren Wanderungen auch
zuweilen nach Deutschland.
2. Die Laubheuschrecken (Gatt. Locuata u. a.) sind in Habitus,
in Bezug auf die Ausbildung der Flügel und Hinterbeine etc. den vorigen
ähnlich, weichen aber von ihnen in wichtigen Charakteren ab. Die An-
tennen sind borstenfbrmig, in der Regel sehr lang und bestehen immer aus
zahlreichen kurzen Gliedern. Sie besitzen in jeder Vorderschiene zwei
Gehörwerkzeuge (dagegen keine auf dem Hinterleib), und die Lautäusserung
des Männchens wird dadurch erzeugt, dass es eine Basalpartie der einen
Flügeldecke, welche auf ihrer Unterseite mit einer quergeriefelten Kante
versehen ist, über eine entsprechende Partie der anderen Flügeldecke reibt.
Es ist ein langer säbelförmiger Legestachel vorhanden. Eine der bekanntesten
Arten ist die grosse, hellgrüne Lorwtta riridUntna, welche, wie die Laub-
heuschrecken überhaupt, Bowohl pflanzliche als thierische Nahrung frisst.
— Mit den Locusten verwandt sind die Grabheuschrecken (GrtfUidae),
welche mit jenen im Besitz vielgliedriger Antennen und in der Lage der
Gehörwerkzeuge und des Stirn map parates übereinstimmen, sich aber durch
kürzere Hinterbeine und lange gegliederte Raife (die Raife sind sowohl bei
Laub- als bei Feldheuschrecken sehr kurz) unterscheiden, und ferner meistens
dadurch, dass der hintere Theil der fächerförmig zusammengelegten Hinter-
flügel nicht von den Flügeldecken überdeckt wird, sondern als ein Paar
spitzer Anhänge über diese hinaus vorragt. Hierher gehört das Heimchen
(Gryttus rlotmsticus) in Bäckereien und an ähnlichen warmen Stellen, und
die Feldgrille (O. campestris), welche auf dürren Feldern häufig ist und
sich Gänge in der Erde baut, beide mit wohlentwickelten Flügeldecken,
das Weibchen mit hervortretender Legescheide. Ferner die Maulwurfs-
grille oder Werre {firyllotal}xi rulgarits), deren Vorderbeine zu enorm
kräftigen Grabbeinen ausgebildet sind, mit sehr grosser Vorderbrust, kurzen
Flügeldecken, ohne Legestachel ; sie führt ein unterirdisches, grabendes Leben
und ernährt sich sowohl von Pflanzen als von Thieren. Alle drei in
Deutschland.
3. Die Schaben oder Kakerlaken (Blatta) sind abgeplattete Thiere
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Gliederfüsaler. 3. Claase: Insekten.
265
mit langen borstenförmigen Antennen und kräftigen Laufbeinen mit grossen
Hüften-, die Vorderflügel sind dünne Flügeldecken, welche einander theil-
weise überdecken, der Hinterleib hinten mit zwei gegliederten Raifen, der
Kopf vom Vorderrand der Vorderbrust überdeckt. Oft sind beide Flügel-
paare, besonders beim Weibchen, abgekürzt oder rudimentär. Die Eier
werden in chitinigen Kapseln eingeschlossen abgelegt, welche eine Zeitlang,
halb aus der Geschlechtsöffnung hervorragend, von dem Weibchen umher-
getragen werden; in jeder Kapsel liegen zahlreiche Eier in zwei Reihen.
Ein paar grosse Arten dieser Gruppe, unter welchen besonders die all-
bekannte Küchenschabe (U. /PeriplanetaJ orfcntalis) hervorzuheben ist,
sind durch die Schifffahrt aus den Tropen nach Europa gebracht worden,
wo sie in Häusern leben; im Freien findet man in Deutschland mehrere
kleinere Arten.
4. Die Fangheuschrecken (MaiUis) sind den Schaben verwandt,
weichen jedoch von ihnen in verschiedenen Beziehungen ab. Der Körper
ist im Ganzen gestreckter, namentlich die Vorderbrust sehr lang. Die
Vorderbeine sind Fangbeine mit grosser Hüfte, kräftigem Schenkel mit
zwei Dornenreihen und einer ebenfalls mit zwei Stachelreihen ausgestatteten
Schiene, welche gegen den Schenkel eingeschlagen werden kann; mit den
Fangbeinen ergreift das Thier seine aus andern Insekten bestehende ßeute.
Flügel wohleutwickelt, sonst ähnlich wie bei den Schaben; gegliederte
Raife vorhanden. Die Eier werden gruppenweise auf Pflanzen angebracht,
von einer ähnlichen, aus einem erhärteten Drüsensecret gebildeten Hülle
umgeben wie bei den Schaben. Eine grosse grüne Art dieser Gattung,
M. religiosa, lebt in Südeuropa.
5. Die Ohrwürmer (Forfictda) sind etwas abgeplattete Thiere,
welche besonders durch die Beschaffenheit der Flügel charakterisirt sind.
Die Flügeldecken sind ganz kurze Platten, welche die dünnen Hinterflügel
nicht völlig bedecken, obgleich letztere mehrmals der Länge und Quere
nach zusammengelegt sind. Der grössere Theil des Hinterleibs ist von den
Flügeln unbedeckt; er ist stark chitinisirt, sehr beweglich, besitzt hinten
ein Paar ungegliederte, etwas gebogene, oft gezähnte Raife, welche zusammen
eine Zange bilden. Die Ohrwürmer halten sich in der Regel während des
Tages versteckt, leben hauptsächlich von pflanzlicher Nahrung. Das Weibchen
sitzt in einer brütenden Stellung über den Eiern. Mehrere Arten in
Deutachland.
6. Die Gespennstheuschrecken {Pluutmidae) bilden eine kleine
Orthopteren- Abtheilung, welche eine Anzahl Arten von abenteuerlicher
Gestalt umschliesst; sie ist nur in wärmeren Ländern zu Hause. Dazu
gehört die flügellose Gatt, llacillu*, deren langgestreckter Körper mit den
ebenfalls gestreckten Beinen einem dürren Ast mit seinen kleineren Zweigen
ähnlich sieht ; einige Arten in Südeuropa. Ferner das ostindische I'hyüium
aticdfolium, „das wandelnde Blatt", dessen breiter Hinterleib und Flügel-
decken blattähnlich sind.
7. Die Termiten (Gatt. Tenne« u. a.) besitzen vier gleichgebildete,
grosse, dünne Flügel, welche nicht zusammengefaltet werden können. Die
Antennen kurz, perlschnurförmig, die Beine gleichartig. Die Termiten sind
namentlich dadurch merkwürdig, dass sie in grossen Gesellschaften leben,
welche neben fortpflanzungsfühigen Männchen und Weibchen eine grosse
Anzahl Individuen umfassen, deren Geschlechtswerkzeuge (bei einigen männ-
liche, bei anderen weibliche) auf einer unentwickelten Stufe stehen bleiben,
und welche flügellos und blind sind. Von diesen flügellosen Individuen
sind gewöhnlich einige mit grösserem Kopf und kräftigeren Vorderkiefern
266
Specieller Theil.
versehen und werden . .Soldaten' 1 genannt, während die übrigen als Arbeiter
bezeichnet werden; das Nest wird von den Arbeitern entweder in Baum-
stümpfen und dergl. angelegt, in denen sie Gänge und Kammern ausnagen
und mit einer Kothschicht ausfüttern, oder in anderen Fällen aus Excre-
menten und Erde gebaut; manchmal bilden sie sich ausgedehnte Köhren in
der Erde. Die Soldaten vertheidigeu das Nest gegen Angriffe. Vor der
Begattung verlassen Männchen und Weibchen das Nest, fliegen eine kurze
Zeit umher, verlieren die Flügel und gehen zum grössten Theil zu Grunde;
nur einzelne retten sich in ein Nest hinein, worauf die Paarung stattfindet,
Dach welcher der Hinterleib des Weibchens anschwillt, bei manchen Termiten
in ungeheurem Grade. Ausser den geflügelten Männchen und Weibchen
12 4 5 3
giebt es, wie es scheint, auch andere, welche in Bezug auf die Ausbildung
der Flügel auf der älteren Larvenstufe stehen bleiben, wo die Flügel nur
als kurze Stummel angelegt sind ; sie verlassen das Nest nicht und treten
in Function, wenn keine ausgeflogenen Männchen oder Weibchen in das
Nest gelangen. (Einige Termiten weichen in gewissen Beziehungen von der
gegebenen Darstellung ab ; in manchen Punkten ist die Lebensweise übrigens
noch keineswegs vollständig aufgeklärt.) Die Termiten, auch „weisse
Ameisen" genannt, leben besonders in den Tropen, schon in Südeuropa
kommen aber ein paar Arten vor (eine derselben ist in Fig. 191 abgebildet);
sie verursachen oft einen bedeutenden Schaden, indem sie ihre Nester in
Holzwerk anlegen, durch das Auffressen von Kleidern, Geräthen etc.
8. Die Libellen oder Wasserjungfern (Libellulidae) besitzen vier
grosse, gleichartig entwickelte und ungefähr gleich grosse Flügel, welche
mit einem dichten Kippennetz ausgestattet sind. Der Kopf ist sehr be-
weglich, mit grossen zusammengesetzten Augen (und drei Nebenaugen),
kurzen Antennen, kräftigen Vorderkiefern, ohne Mittelkiefer- und Lippen-
taster, mit sehr breiter Unterlippe. Die Beine schwach. Hinterleib meistens
gestreckt, mit zwei ungegliederten Raifen. Ausgezeichnete Flieger, welche
ihre Beute (z. B. Schmetterlinge) im Fluge ergreifen1). — Die Larven
*) Sehr eigentümlich ist die Begattung bei den Libellen. Das 2. Hinter-
leibssegment ist beim Männchen angeschwollen und mit einem Begattungsapparat
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(iliederfüssler. 8. Clasae: Insekten.
267
leben im Süsswasser und zeichnen sich dadurch aus, dass die Unterlippe zu
einem langachaftigen, vorstreckbaren Greifwerkzeug ausgebildet ist, und da-
durch, dass die Athemlöcher alle geschlossen sind; sie athmen vermittels
Tracheenkiemen, welche bei einigen blattförmig und am Hinterleibsende
angebracht sind, während sie bei anderen durch zahlreiche im Enddarm ent-
wickelte Falten vertreten sind; in letzterem Fall saugt der Enddarm
rhythmisch das Wasser ein und stösst es wieder aus; durch Ausspritzung
des Wassers aus dem Enddarm bewegen die Larven der letzteren Art sich
auch im Wasser fort. — Hierher gehört die Gatt. Libeliula, bei welcher
die Basalpartie der Hinterflügel breiter als die Spitze ist und die grossen
Augen in der Mittellinie des Kopfes zusammenstossen, als Larven mit Darm-
kiemen; ferner die feinen schlanken Ayrion-Arten (Schlankjungfern), bei
welchen die Basalpartie der Hinterflügel schmäler ist als das Ende, deren
Augen weit getrennt sind, und welche als Larven drei äussere Kiemen-
blätter besitzen.
9. Die Eintagsfliegen (Gatt. Ejrfteniera u. a.) Bind gewöhnlich kleinere
Insekten mit vier dünnen Flügeln, von welchen die Hinterflügel weit kleiner
Fig. 192. Fig. 194.
Fig. ) 92. Eino Eintagsfliege (Ephemera).
Fig. 198. 'Ein .Springschwan/. (I'odura).
Fig. 194. Zuckergast (Leintma).
sind als die Vorderflügel . Die Mundtheile der Imago sind rudimentär;
Hinterleib hinten mit drei langen gegliederten Fäden. — Die Larve lebt
ausgestattet, welcher vor der Begattung mit Samen gefüllt wird, indem die Spitze
des Hinterleibs, auf welcher der Samengaug mündet, nach demselben hin gebogen
wird. Das Männchen greift dann vermittels der Schwanzraife das Weibchen um
den Hals herum, und letzteres krümmt darauf seinen Körper derartig zusammen,
dass das Hinterleibsende den fiegattungsapparat des Männchens erreicht, so dass
die Begattung vollzogen werden kann.
2fi8
Specieller Theil.
im Wasser und besitzt ebenso wie die der Libellen ein geschlossenes
Tracheensystem und ist mit blattförmigen oder verästelten Tracheenkiemen
ausgestattet, welche in einer Reihe längs jeder Seite des Hinterleibs an-
gebracht sind; sie besitzt dieselben drei fadenförmigen Anhänge wie die
Imago. Die Larven sind gefrässige Raubthiere mit wohlentwickelten llund-
theilen ; einige graben sich Gänge in die Ufer. — Die Eintagsfliegen durch-
laufen ein Subimago-StAdium (vergl. S. 258) ; als Imagines nehmen sie keine
Nahrung zu sich, und manche Arten leben als solche nur wenige Nacht-
stunden (die Metamorphose findet Abends statt), andere wenige Tage,
während das Larvenleben, wenigstens bei einigen, ein paar Jahre dauert. —
Mehrere Arten in Deutschland geraein.
10. Zu den Orthopteren gehören auch die Biicherläuse (TYocfcw),
kleine flügellose Insekten, welche häufig zwischen altem Papier, in Insekten-
sammlungen u. dergl. angetroffen werden; sie bilden zusammen mit einigen
geflügelten Verwandten (Psowis), welche im Walde leben, eine besondere
kleine Familie innerhalb der Ordnung.
Anhang zu den Orthopteren.
Die beiden kleineren Abtheilungen, welche hier in Kürze besprochen
werden sollen, sind mit den Orthopteren am nächsten verwandt, nehmen
aber einen besonderen Platz ein, namentlich die erstere. Sie umfassen beide
ausschliesslich flügellose Formen mit beissenden Hundtheilen und ohne Meta-
morphose.
Die Thysanuren (Thysarwra) sind kleine, freilebende flügellose In-
sekten, welche statt der zusammengesetzten Augen meistens jederseits nur
eine Gruppe von Punktaugen besitzen. Das Hinterleibsende oft mit mehreren
Raifen. Man trifft sie an versteckten, meistens feuchten Stellen. Einige
besitzen Rudimente von Hinterleibsbeinen, bo die auch in Deutschland vor-
kommende Campoden. In Häusern lebt der Zucker gast (Lcpisma sart-ha-
rina) , dessen Körper mit glänzenden Schuppen bedeckt ist (umgebildeten
Haaren). Die Springschwänze (Podura) zeichnen sich dadurch aus,
dass von der Spitze des Hinterleibs ein unter den Bauch geschlagener ge-
spaltener Fortsatz entspringt, vermittels dessen Sprungbewegungen ausgeführt
werden (Springgabel) ; kleine Insekten , welche man unter abgefallenem
Laub und an ähnlichen Stellen häufig findet.
Die Pelzfresser {Mallopfiaga) sind kleine , abgeplattete , lausähnliche
Thiere mit ziemlich festem Chitinskelet; der Kopf ist breiter als die Vorder-
brust und trägt die gewöhnlichen beissenden Mundtheile, von denen namentlich
die Vorderkiefer wohlentwickelt sind. Die Antennen sind 3 — 5 gliedrig ;
jederseits auf dem Kopfe ein Punktauge , welches aber auch fehlen kann.
Die Füsse 1 — 2 gliedrig mit einer oder zwei Krallen ; am »unteren Eude
der Schiene ein Fortsatz, gegen welchen die Kralle zurückgeschlagen werden
kann, so dass die Beine geeignet sind Haare und Federäste zu umgreifen.
Die zahlreichen Arten dieser Abtheilung leben ausschliesslich an Säuge-
thieren und Vögeln, deren Oberhaut, Haare und Federn sie benagen. An
Säugethieren trifft man besonders Arten der Gatt. Triehodectes . unsere
gewöhnlichen Hausthiere besitzen je eine (7'. aini.s beim Hunde) ; an den
Vögeln zahlreiche Arten anderer Gattungen (vom Haushuhn kennt man
z. B. nicht weniger als 6 verschiedene Arten).
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Gliedtrfüssler. 3. Classe: Insekten.
2K9
2. Ordnung. Schnabelkerfe (Rhynchota oder Hemiptera).
Die Schnabelkerfe — Wanzen und Zirpen — durchlaufen eben-
so wie die vorige Ordnung eine unvollkommene Metamor-
phose. Die Mundtheile sind zu einem Saugwerkzeug, dem
Rüssel, umgebildet, dessen Bau schon früher (S. 245) geschildert
wurde. Der Rüssel ragt bei einigen frei hervor, bei anderen ist er
nach hinten, unter den Körper geschlagen. Die zusammengesetzten
Augen sind in der Regel nicht sehr gross; ausserdem sind gewöhnlich
2—3 Punktaugen vorhanden.
1. Unterordnung. Zirpen oder Cicaden (Homopteru).
Vorder- und Hinterflügel sind in der Regel gleichartig, beide
häutig *), die Vorderflügel grösser als die Hinterflügel. Der Kopf ist
gross. Der Rüssel entspringt hinten von der Unterseite des Kopfes,
dicht an der Brust. — Alle saugen Pflanzensäfte.
1. Die Singzirpen {Oicada) sind grosse, ziemlich plumpe Cicaden,
deren Männchen vermittels der an der Hinterbrust gelegenen, mit Stimm-
bändern ausgestatteten Stigmen einen eigenthümlichen „Gesang" hervor-
bringen; der Ton wird durch einen complicirten Resonanzapparat verstärkt.
Vermittels eines Legestachels legen die Weibchen die Eier in Aeste ab;
die Larven, deren Vorderbeine zum Graben eingerichtet sind, gehen aber
in die Erde hinab, wo sie sich von Wurzelsäften saugend ernähren; erst
wenn die Metamorphose unmittelbar bevorstehend ist, verlässt die Larve
die Erde, geht auf die Bäume hinauf und häutet sich hier zum letzten
Mal ; die Imago saugt die jungen Triebe aus. Die Abtheüung gehört vor-
züglich den wärmeren Ländern an ; in Süddeutschland kommen jedoch
noch mehrere Arten vor. In Nordamerika lebt die 17jährige Cicade
{Oicada septettdeäm), deren Entwicklung 17 Jahre dauert (eine Varietät der-
selben Art hat eine Entwicklungszeit von 13 Jahren).
2. Die Schaumzirpe (Aphrophma sjmmaria) ist eine kleine Cicade,
welche besonders dadurch ausgezeichnet ist, dass die dünnhäutige, weiche
Larve, welche man auf verschiedenen Pflanzen saugend antrifft, sich mit
einer speichelartigen, schaumigen Absonderung umgiebt („Kuckuksspeichel").
Das Thier gehört zur Familie der Kleinzirpen {Cicaddlidne) , von welchen
ausserdem noch zahlreiche Arten in Deutschland vorkommen ; die betreffenden
Thiere sind meistens im Stande, weite Sprünge zu machen.
3. Die Blattläuse (Aphidae) sind eine grosse Cicadenfamilie, deren
Mitglieder sich durch ihren plumpen, in der Regel dünnhäutigen Körper,
schwache Beine, spärliches Rippennetz der Flügel und geringe Grösse aus-
zeichnen ; häufig fehlen die Flügel, besonders bei den Weibchen ; es sind trüge
Thierchen, welche schaarenweise zusammen leben. Manche derselben besitzen
Wachsdrüsen, welche feine Wachsfäden absondern, die wollartig den Körper
umgeben ; ferner ist bei einem grossen Theil der Blattläuse ein Paar Drüsen
vorhanden, welche hinten auf dem Hinterleibsrücken mit zwei Oeffnungen
ausmünden , die entweder jede auf einer Warze oder an der Spitze einer
längeren , vorstehenden Röhre (Honigröhre) sich befinden ; diese Drüsen
sondern einen süssen Saft ab. Allgemein findet eine Heterogonie statt:
jährlich erscheinen nach einander mehrere jungfräuliche Generationen und
l) Ausnahmsweise sind die Vorderflügel in ihrer ganzen Ausdehnung lederartig.
270
Specieller Theil.
zuletzt eine Männchen- Weibchen-Generation. Manche Blattläuse erzeugen
durch ihren Stich Gallen von verschiedener Form.
a. Aphis, die Blattläuse in engerem Sinn, sind grüne oder schwarze,
weiche, wenig bewegliche Thierchen, welche in grossen Schaaren und un-
gemein häufig an den Blättern von allerlei Kraut- und Holzpflanzen leben ;
sie haben ziemlich lange Antennen und zwei lange Honigröhren. Im Laufe
des Sommers findet man mehrere auf einander folgende Generationen von
Weibchen, denen eine Samentasche abgeht, und welche sich ohne Befruchtung
fortpflanzen ; die Eier entwickeln sich im Eileiter, so dass die Thiero also
lebendiggebärend sind; einige dieser Weibchen sind geflügelt, die meisten
alier flügellos. Im Herbst wird schliesslich eine Generation von in der
Hegel ungeflügelten Weibchen und meistens geflügelten Männchen erzeugt,
welche sich begatten, Eier ablegen und sterben. Diesen Eiern entstammt
die im nächsten Frühling erscheinende erste weibliche Generation.
3
Fig. 195. Phylloxera rattatrür. 1 Junge* Weibchen einer der ungeflUgelten partheno-
genetiscben Generationen ; 2 älteres do., von der Unterseite. 3 Ausgebildetes Weibchen der
geflügelten Generation. 4 Weibchen der Generation, welche aus beiden Geschlechtern besteht
(das Ei schimmert durch die Haut hindurch) ; .5 Männchen. Alle Figuren in gleicher Vcrgr.
— Nach Cornu.
b. Die Reblaus (Phyüox&ra vastati-ix), berühmt wegen der furcht-
baren Verheerungen, welche sie namentlich in den französischen Weinbergen
angerichtet hat, ist in Nordamerika zu Hause, wo sie übrigens keinen be-
deutenderen Schaden verursacht hat, und wurde vor wenigen Deoennien
zufällig mit amerikanischen Reben nach Europa eingeführt. Honigröhren
gehen der Phylloxera ab, und sie hat kürzere Beine und Fühler als Aphis.
Im Frühling trifft man flügellose Weibchen , welche an den Wurzeln des
Weinstocks saugen und an diesen knotenförmige Anschwellungen erzeugen.
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Gliederfüßler. 3. Classe: Insekten.
271
Sie legen je ca. 30—40 unbefruchtete Eier, aus welchen eine Generation
kommt, welche den Müttern ähnlich ist. Auf diese Weise werden 5 — 8
ähnliche Generationen den Sommer hindurch erzeugt. Zuletzt entwickelt
sich aus den Eiern der flügellosen Weibchen eine Generation, welche aus
geflügelten Weibchen besteht; diese verlassen vor der Metamorphose (also
nur erst mit Flügel anlagen ausgestattet) die Wurzel und begeben sich
auf die oberirdischen Theile des Weinstocks, an welchen sie nachher je
ca. vier, ebenfalls unbefruchtete, Eier ablegen. Diese Eier sind von ver-
schiedener Grösse, einige grösser, andere kleiner. Aus den enteren kommen
Weibchen, aus den letzteren Männchen ; beide Geschlechter sind von geringer
Grösse, flügellos, die Mundtheile sind rudimentär und der Darmkanal fehlt,
so dass sie keine Nahrung aufnehmen können ; nach der Befruchtung legen
die Weibchen je ein einziges Ei ab, welches vor der Ablage den grössten
Theil ihres kleinen Körpers ausfüllt. Diese Eier überwintern und werden
im nächsten Frühling zu der ersten jungfräulichen Generation. (Ausser
den befruchteten Eiern überwintert auch eine Anzahl flügelloser partheno-
genetischer Weibchen im Larvenstadium, indem sie an den Wurzeln fest-
gesogen sitzen1).)
c . Verschiedene Aph i den erzeugen auf Bäum en und Sträuchern cha-
rakteristische Gallen. Ghertnes abietis (ohne Honigröhren, mit kurzen Beinen
und Antennen) erzeugt z. B. durch Saugen an den jungen Fichtentrieben
die bekannte tannenzapfenähnliche Galle, indem die Nadeln kurz und breit
werden ; an Pappelblattstielen erzeugt Pemphigus sjrirotheme eine korkzieher-
artig gewundene Galle; Kräuselungen der Blätter oder Beutelgallen werden
von verschiedenen Blattläusen an TJlmenblättern hervorgebracht etc.
4. Die Schildläuse (Coccidae) sind mit den Blattläusen verwandt,
weichen jedoch in verschiedenen Beziehungen von denselben ab. Die beiden
Geschlechter sind in der Regel sehr verschieden. Die Weibchen sind
plumpe, flügellose, kurzbeinige Thiere, welche in der Regel nur als Junge
einigermaas8en beweglich sind, während sie später ganz unbeweglich werden
und an einer Stelle festgesogen sitzen bleiben , wo sie auch ihre Eier ab-
legen^ nach der Eiablage ist der Körper des Weibchens meistens zu einem
flachen gewölbten, die Eier überdeckenden Schild zusammengeschrumpft,
welches bald nachher abstirbt, trotzdem aber über den Eiern sitzen bleibt;
häufig ist das Weibchen an seiner Oberseite von einer zusammenhängenden
Wachsplatte, einer Absonderung der Hautdrüsen, bedeckt; zuweilen sind
die Eier von feinen Wachsfäden umgeben. Die Männchen Bind dagegen
mit wohlentwickelten Vorderflügeln (mit wenigen Rippen) ausgestattet,
wahrend die Hinterflügel rudimentär, schwingkolbenartig sind oder fehlen;
die Mundtheile sind rudimentär. Als Larven sind sie den jungen Weibchen
ähnlich. Sehr merkwürdig ist es, dass die Männchen (nicht die Weibchen)
ein ruhendes Puppenstadium besitzen, also eine vollkommene Meta-
morphose durchlaufen im Gegensatz zu allen übrigen Mitgliedern der
Ordnung. Für mehrere Arten ist es constatirt worden, dass die Weibchen
sich parthenogenetisch fortpflanzen können. — Von der gegebenen Darstellung
der allgemeinen Verhältnisse der Schildläuse weichen jedoch mehrere Formen
in gewissen Beziehungen ab: bei einigen ist das Weibchen sein ganzes
Leben hindurch beweglich und bleibt nicht über den Eiern sitzen; unter
diesen Formen giebt es wieder einzelne, bei welchen beide Geschlechter mit
') Dem Angeführten kann noch hinzugefügt werden, dass flügellose partheno-
genetische Weibchen ausnahmsweise auch auf den Weinblättern angetroffen werden
können, wo sie eine Gallenbüdung verursachen.
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272
Specialer Theil.
vier Flügeln ausgestattet sind, und welche somit einen Uebergang zu den
Blattläusen bilden. — Als Beispiele führen wir an: Aspidiotns nerii, dessen
schildförmige Weibchen auf dem Oleander häu6g vorkommen; ähnliche
Formen finden sich auch recht häufig an wildwachsenden Bäumen. Cocchs
cacti, Cochenillelaus, lebt auf gewissen mexicanischen Cactus- Arten ;
die Männchen sind zweiilüglig mit langen Raifen ; die Weibchen sind flügel-
lose, plumpe Thiere, welche aber nicht die Eier mit ihrem Körper über-
decken; sie sind von ähnlichen Wachsfäden wie viele Blattläuse umgeben
(die Cochenille des Handels besteht aus den eingetrockneten Weibchen).
Zu dieser Familie gehören auch die Lack-8childlaus (Ö.xxvs Uitva),
welche in Ostindien auf gewissen Fious-Arten lebt und das Ausfliessen einer
Harzmasse, des Schellacks, aus den betreffenden Bäumen verursacht, und
die Kermes-Schildlaus {Iju-nnium Mcis), welche in Südeuropa auf
einer Eichenart lebt und deren kugelrunde Weibchen einen Farbstoff
liefern.
2. Unterordnung. Wanzen (Heteroptera).
Vorder- und Hinterflügel sind verschieden: letztere sind dünn,
häutig, zum Fluge eingerichtet, jene sind als Flügeldecken ausge-
bildet, welche jedoch nicht in ihrer ganzen Länge, sondern nur in
der basalen Hälfte (oder mehr), lederartig verdickt sind; die dünnen
Spitzentheile der Flügeldecken liegen im Ruhezustande über einander.
(Uebrigens ist der Gegensatz der beiden Abschnitte des Vorderflügels
häufig fast ganz verwischt.) Die Flügeldecken bedecken den grössten
Theil der Mittelbrust, die Hinterbrust und den Hinterleib, ein drei-
eckiger mittlerer Theil der Mittelbrust (das Schildchen, Scutellum)
bleibt aber unbedeckt. Der Rüssel entspringt vorn an dem gewöhn-
lich kleinen Kopf; die Vorderbrust ist gross und selbständig beweg-
lich, der ganze Körper meistens abgeplattet. Bei den Landwanzen
öffnet sich auf der Unterseite der Hinterbrust ein Paar Stinkdrüsen,
deren Secret häufig einen ungemein widrigen Geruch besitzt. — Die
Wanzen saugen Säfte von Pflanzen oder Thieren (Insekten, Wirbel-
thieren).
1. Landwanzen (Gcocores) ist die gemeinsame Bezeichnung für
eine grosse Anzahl Wanzen (sie bilden mehrere Familien), welche sich durch
den Besitz wohlentwickelter Antennen und eines langen Rüssels auszeichnen.
Die allermeisten leben auf dem Lande; einige sind Pflanzensauger, andere
Raubthiere, welche Insekten aussaugen, einzelne leben als Schmarotzer
an Wirbelthieren ; manche sind durch prächtige Farben ausgezeichnet.
Zahlreich sowohl in den Ländern der gemässigten Zone als besonders in
den Tropen. — Die Bettwanze (Cimex (AcanthiaJ lectnarius) ist eine
äusserst abgeplattete, bräunliche, flügellose (nur mit Rudimenten von Vor-
derflügeln ausgestattete) Landwanze, welche als temporärer Schmarotzer
auf dem Menschen lebt. Sie soll ursprünglich aus Ostindien stammen. —
Zu den Landwanzen gehören auch die Wasserläufer (Ilydromelra),
schlanke, gestreckte Thiere, welche auf ihren langen Mittel- und Hinter-
beinen lebhaft an der Oberfläche von süssen Gewässern umherlaufen; die
Vorderbeine sind bedeutend kürzer als die übrigen, aber ziemlich kräftig
und werden zum Einfangen von Insekten benutzt, von welchen die Thiere
sich ernähren ; der Hinterleib ist ziemlich klein, kaum länger als die Brust.
Nahe Verwandte der Wasserläufer sind die Meerwanzen (Halobates),
welche auf dem offenen Meere umherlaufen ; sie zeichnen sich besonders
durch die ausserordentlich geringe Grösse des Hinterleibs aus.
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Gliederfüsaler. 3. Clause: Insekten.
273
2. Die Wasserwanzen (Hydrocores) haben kurze Antennen und
einen kurzen Rüssel; sie leben im Wasser, welches sie jedoch verlassen
können, um in der Luft umherzufliegen. Sie ernähren sich alle vom Raub.
Hierher gehören von in Deutschland lebenden Formen u. A. die Scorpion-
wanzen (Nejm), abgeplattete, dunkelgefärbte Thiere, welche sehr allgemein
im Süss wasser auf dem Grunde kriechend vorkommen; die Vorderbeine sind
Greifwerkzeuge, die Schiene kann in eine Rinne des Schenkels eingeschlagen
werden ; am Hinterende zwei fadenähnliche, rinnenartig ausgehöhlte Fort-
sätze, welche zusammen eine Röhre (die Athemröhre) bilden, an deren
Grunde ein Paar Stigmen Platz hat. Ferner die Rückenschwimmer
(Xotonecta) mit langen, nach aussen gerichteten, an der Schiene und dem
Fuss mit steifen Haaren ausgestatteten Hinterbeinen, welche als Schwimm-
werkzeuge fungiren.
3. Die Läuse (Pedictdidae) sind eine kleine Gruppe schmarotzender
Insekten, welche wahrscheinlich als eigentümlich modificirte Wanzen auf-
zufassen sind. Der Kopf ist schmal mit 5gliedrigen Antennen und einem
Punktauge auf jeder Seite ; der Saugapparat, welcher ganz in den Kopf
durch eine Oeffnung an der Spitze des letzteren zurückgezogen werden
kann, besteht zunächst aus einer dickeren, kürzeren Röhre mit einigen
Haken am Ende, durch welche eine zweite, dünnere Röhre, die eigentliche
Saugröhre, ausgestreckt werden kann; die feinere Zusammensetzung der
letzteren ist nicht sicher bekannt. Die Beine, welche kurz und kräftig
sind, enden jedes mit einer Art Greifzange: der eingliedrige Fubs trägt
12 3
Fig. 196. / Bettwanze, 2 Kopflaus, 3 Filzlau», alle vergr. — Nach Taschenberg.
eine sehr kräftige Kralle, welche gegen einen vom unteren Ende der Schiene
entspringenden Fortsatz greift. Flügel fehlen vollständig. Hinterleib gross,
breit und zähe. Die grossen Eier werden an den Haaren des Wirths fest-
geklebt; die Jungen durchlaufen keine Metamorphose. Die Läuse leben
nur bei den Säugethieren, an deren Haut sie als stationäre Schmarotzer
wohnen und deren Blut sie saugen; vermittels der Beine umklammern sie
die Haare. Auf dem Menschen kommen folgende drei Arten vor: die
Kopflaus {Pedimdm capitis) und die Kleiderlaus (P. vestimenii), welche
einander sehr ähnlich sind, und von denen erstere ausschliesslich im Kopf-
haar, die andere auf den unbehaarten (richtiger : schwachbehaarten) Theilen
des Körpers lebt, ferner die Filzlaus (Pfithirius pubis') an den behaarten
Theilen des Körpers mit Ausnahme des Kopfhaares (in den Scham- und
Barthaaren etc.); letztere zeichnet sich durch die ausserordentliche Breite
der Brust und des Hinterleibes aua. Andere Arten bei den Haussäuge-
thieren etc.
3. Ordnung. Netzflügler (Neuroptera).
Die Netzflügler sind Insekten mit vollkommener Meta-
morphose, vier gleichartigen, dünnen Flügeln und
Bon, Zoologie. 18
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274
Specialer Theil.
beissenden Mundth eilen. Der Kopf ist oft mit Nebenaugen
ausgestattet, die Antennen sind in der Regel vielgliedrig; bei einigen
sind die Mundtheile wohlentwickelt, bei anderen rudimentär. Die
Vorderbrust ist frei beweglich, die Füsse gewöhnlich ögliedrig, die
Flügel besitzen bei einigen ein ähnliches dichtes Rippennetz wie bei
den Libellen , bei anderen sind die Rippen spärlicher. Die Larven
sind mit Beinen versehen, übrigens aber äusserst verschieden. Die
Puppen sind dadurch eigenthümlich , dass sie vor der Umwandlung
zur Imago im Stande sind sich fortzubewegen und eine Stelle aufzu-
suchen , wo sie sich bequem verwandeln können ; ist die Puppe in
einen Cocon eingeschlossen , so beisst sie zuerst ein Loch in diesen
und wandert dann fort. — Als Beispiele führen wir die folgenden
Formen an.
1 . Die Ameisenlöwen (Myrmekon). Vorder- nnd Hinterflügel gross,
gleichartig, fast von gleicher Grösse, mit einem feinen dichten Rippennetz.
Die Antennen ziemlich kurz nnd dick, etwas keulenförmig; die Mundtheile
wohlentwickelt. Im Habitus den Libellen sehr ähnlich. — Die Larven,
Fig. 197. Fig. 198.
cd eh
Fig. 197. Chrytopa. a Imago, b Larve, c — d Puppe, e —/ PuppcnhUlle (/ geöffnet).
g Eier, h Ei, vergr. — Nach Taachenberg.
Fig. 198. Panorpa communis, <j*.
Fig. 199. Boreus hiemalis, ^.
denen der Name „Ameisenlöwen" eigentlich zukommt, haben kolossale,
schlanke Vorderkiefer, welche an der Unterseite rinnenförmig ausgehöhlt
sind ; auf diese Rinne passen die langgestreckten Mittelkiefer, so dass je
ein Vorder- und Mittelkiefer zusammen einen von einem Kanal durchbohrten
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Gliederfüßler. 3. ClasBe: Insekten.
275
Haken bilden ; der Kanal führt in den Mund hinein, welcher sonst ge-
schlossen ist. Die Larve sitzt in einer trichterförmigen Vertiefung im
Sande und fängt vorüberkriechende kleine Insekten, welche entweder zufällig
in den Trichter hinabfallen oder dadurch zum Niederstürzen gebracht werden,
dass der Ameisenlöwe mit seinem Kopf einen Sandstrahl auf dieselben
schleudert. Die Beute wird mittels der genannten Haken ausgesogen.
Mehrere Arten in Deutschland. — Mit den Ameisenlöwen nahe verwandt sind
die Perlenaugen (Chrysopa), kleine, zarte, grünliche Insekten mit grossen
Flügeln, welche in der Hauptsache den Aroeisenlöwen ähnlich sind, aber
sich u. A. durch die längeren, borstenförmigen Antennen unterscheiden.
Die grünlichen Larven, „ Blattlauslöwen u , sind auch den Larven jener ähnlich ;
sie bewegen sich aber frei auf den Bäumen umher und fressen Blattläuse.
Die Eier sitzen auf einem langen Stiel an Blättern. Einige Arten sind in
Deutschland sehr häufig.
2. Die Scorpionfliegen {Patioqta) zeichnen sich durch die schnabel-
artige Verlängerung des Kopfes aus, das Männchen ausserdem besonders
durch das Vorhandensein einer Greifzange am Ende des Hinterleibs,
welche ähnlich wie der Gifthaken der Scorpione nach oben gebogen getragen
wird. Flügel schmal, gleichartig, Körper und Beine schlank. Lebhafte
Räuber (Länge etwa 10 mm). Larve (mit Afterfüssen) lebt in der Erde
von verwesenden Stoffen. P. cotnmunw im Sommer überall häufig. — Mit
jenen verwandt ist der springende, flügellose (mit Flügelrudimenten aus-
gestattete) Gletschergast (Boreus hiettuilis), ungef. 4 mm lang, welcher
von October bis März als Iinago vorkommt und zuweilen sogar an Gletschern
angetroffen wird. Larve derjenigen der Scorpionfliegen ähnlich. In Deutsch-
land, selten.
3. Die Köcherfliegen (Gatt. Phryganea u. a.). Die Flügel sind
behaart oder beschuppt, die Hinterflügel, welche breiter sind als die Vor-
derflügel, werden unter letzteren fächerförmig zusammengefaltet; das Rippen-
netz ist weniger als bei den Ameisenlöwen entwickelt. Die Antennen sind
lang, die Mundtheile rudimentär, unbrauchbar. — Die Larven leben im
Wasser ; es Bind Thiere mit einem langen, cylindrischen, an den Seiten mit
fadenförmigen Tracheenkiemen ausgestatteten Hinterleib, den sie in einer
aus Pflanzentheilen, Schneckengehäusen oder Steinchen gebildeten, zuweilen
sehr regelmässig gebauten Röhre bergen ; die Theilchen der Röhre werden
durch ein Gespinnst zusammengehalten. Wenn sie umherwandern, stecken
Kopf, Beine und Brust aus der Röhre hervor ; sie Bind an der Röhre mittels
zweier hakenförmiger Schwanzraife und einige durch plumpe Auswüchse
am 1 . Hinterleibssegment festgeheftet. (Bei einigen ist die Röhre an frem-
den Gegenständen, grösseren Steinen u. dergl. befestigt.) Vor der Ver-
puppung schliesst die Larve die Röhre mit einem Netz von Fäden, nach-
dem sie dieselbe zuerst an einem Gegenstand im Wasser angeheftet hat;
die Puppe besitzt ebenso wie die Larve Tracheenkiemen.
Zu den Netzflüglern wird von Einigen die kleine Gruppe der Strepsiptera
gerechnet, deren systematische Stellung übrigens zweifelhaft ist. Als
Larven werden die Thiere (Gatt. Xenos, Stylops etc.) in der Larve und
später in der Imago von Bienen und Wespen gefunden, indem der Wirth
sich trotz des Vorhandenseins des Schmarotzers metamorphosirt. Vor ihrer
Verpuppung schiebt die Strepsipterenlarve sich zwischen zwei Hinterleibs-
ringen des Wirths halbwegs hinaus, und hier findet man dann die Puppe
mit einem Ende hervorstehend. Die Geschlechter sind äusserst verschieden ;
das Männchen ist mit wohlentwickelten Augen und Beinen (ohne Krallen)
18*
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276
Specieller Theil.
und grossen Hinterflügeln ausgestattet, welche der Länge nach gefaltet
werden können, während die Vorderflügel ganz rudimentär sind; das Weib-
chen ist madenförmig, ohne Gliedinaaasen, Flügel und Augen, es verläast
den Körper des Wirths nicht, sondern streckt nur einen Theil des Körpers
hervor, und wird hier vom Männchen aufgesucht und befruchtet. Die Larven
/ 2 3 4 5
Fig. 200. 1—4 Xenos Ro$$ii, 5 X. Peckii. 1 Neugeborene Larve, 2 erwachsene weib-
liche Larve, 3 Weibchen (Imago), 4 erwachsene männliche Larve, 5 Mttntichen (a Vorder-
flügel). — 1-4 nach v. Siebold, 5 nach Kirby.
entwickeln sich schon im mütterlichen Körper und werden als sechsbeinige
Larven geboren, welche sich lebhaft auf dem Körper des Wirths umher-
bewegen, um sich nachher in die Larven des letzteren einzubohren ; in diese
gelangt, werden sie madenförmig. (8owohl der Larve als dem ausgebildeten
Weibchen geht ein After ab.)
4. Ordnung. Käfer (Coleoptera).
Die Käfer haben eine vollkommene Verwandlung, beis-
sendeMundtheile, und die Vorderflügel sind zu Flügeldecken
umgebildet. Das Hautskelet ist in der Regel sehr fest, oft lebhaft
gefärbt. Der Kopf, welcher theil weise in eine Aushöhlung an der
Vorderbrust eingesenkt ist, trägt ein Paar zusammengesetzte Augen
von verschiedener Form; zuweilen sind die Augen nierenformig , mit
einer Einbuchtung am Vorderrand, welche bei einzelnen so tief ist,
dass sie dadurch in je ein oberes und unteres Stück getheilt werden,
so dass zwei zusammengesetzte Augen jederseits vorhanden sind.
Punktaugen fehlen fast immer. Die Antennen bestehen in der Regel
aus 11 Gliedern, die Zahl kann aber bis ungefähr 30 steigen und
bis 4 sinken ; sie besitzen bei verschiedenen Käfern sehr verschiedene
Formen. Die Vorderkiefer haben je nach der verschiedenartigen
Nahrung eine verschiedene Form : schlank bei Räubern, plumper bei
Pflanzenfressern; die Mittelkiefertaster sind in der Regel 4-, die
Lippentaster 3gliedrig ; das Kinn ist in der Regel eine wohlentwickelte,
fest cbitinisirte Platte, während der übrige Theil der Unterlippe, die
Taster ausgenommen, häufig nur schwach entwickelt ist. Die Vorder-
brust ist gross, stark chitinisirt, mit der Mittelbrust stets beweglich
verbunden ; zwischen Vorder- und Mittelbrust eine tiefe Einschnürung.
Mittel- und Hinterbrust, von welchen letztere am stärksten entwickelt
ist, sind unbeweglich verbunden ; sie sind oben von den Flügeldecken
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Gliederfüssler. 3. Claese: Insekten.
277
überdeckt, welche nur eine kleine dreieckige Partie der Mittelbrust
(das „Schildchen", Scutellum) unbedeckt lassen (der vorderste Theil
der Mittelbrust ist vom Hinterrand der Vorderbrust überdeckt). Die
Füsse sind meistens ögliedrig, hiervon giebt es jedoch nicht wenige
Ausnahmen. Die Vorderflügel sind Flügeldecken, welche meistens
in der Buhe in einer Naht längs der Mittellinie des Rückens zu-
sammenstossen und daselbst sogar in einander gefalzt sein können,
während ihre seitlichen Ränder um den Seitenrand des Körpers her-
umgreifen; sie bilden somit eine sehr vollkommene Decke nicht nur
über den Hinterflügeln, sondern auch über der Rückenseite der Mittel-
und Hinterbrust und in der Regel des grössten Theiles des Hinter-
leibs; sie sind gewöhnlich sehr fest. Seltener sind die Flügeldecken
verkürzt, so dass ein grösserer Theil des Hinterleibs unbedeckt bleibt;
bei einzelnen stossen sie nicht in der Mittellinie zusammen, sondern
greifen über einander über. Die Hinterflügel sind echte, dünne und
häutige Flügel, mit spärlichem Rippennetz; sie sind in der Ruhe
meistens nicht nur der Länge , sondern auch der Quere nach zu-
sammengefaltet. Die Hinterflügel sind übrigens bei nicht wenigen
Käfern rudimentär oder fehlen, trotzdem sind aber in der Regel die
Flügeldecken ebenso wohl entwickelt wie sonst, indem sie als Decke
des Hinterleibs dienen; nur bei sehr wenigen fehlen beide Flügel-
paare. Die Hinterleibsringe sind in je einen Rücken- und Bauch-
halbring getheilt. welche häufig etwas gegen einander verschoben
sind; stets sind die Bauchhalbringe in geringerer Anzahl (4 — 7) als
die Rückenhalbringe (in der Regel 8) vorhanden; letztere sind, so
weit sie von den Flügeldecken bedeckt sind, weniger stark chitinisirt,
die Rückenseite des Hinterleibs somit weicher als die Bauchseite. —
Die Larven sind sehr verschieden; in der Regel besitzen sie Beine,
sie können aber auch Maden sein.
Von dieser ausserordentlich grossen Ordnung führen wir im
Folgenden nur einige der wichtigsten Familien auf.
1. Die Laufkäfer (Girabida* : Gattung Carabus u. viele a.) sind
lebhafte, schlanke, in der Regel dunkelgefärbte Thiere mit langen kräftigen
Beinen. Antennen fadenförmig, Vorderkiefer schlank, vorstehend, Mittel-
kiefer mit zweigliedriger Aussenlade ; die drei ersten Bauchhalbringe des
Hinterleibs mit einander verwachsen. Beim Männchen sind die Vorder-
füsse sehr oft unten breit und filzig (um das Weibchen festzuhalten), übrigens
sind die Füsse lang und dünn. Bei nicht wenigen sind die Hinterfliigol
rudimentär. Die Larven, welche ebenso wie die ausgebildeten Thiere fast
immer ein räuberisches Leben führen, sind in der Regel dunkelgefärbte
Thiere mit einer Gruppe Punktaugen auf jeder Seite und mit wohlent-
wickelten, mit je zwei Krallen ausgestatteten Beinen (bei anderen Käfer-
larven ist in der Regel nur eine Kralle an jedem Fuss vorhanden). — Die
Sandkäfer (Oicindela) sind kleine Laufkäfer, welche sich durch lebhafte
Farben (grün etc.) und besonders dadurch auszeichnen, dass die Larve,
welche hinten auf der Rückenseite mit einem Paar Haken ausgestattet und
blasser ist, als es bei Laufkäferlarven in der Regel der Fall ist, in einer
Röhre in der Erde lebt, wo sie auf Beute lauert. — Als ein speciell zum
Wasserleben entwickelter Laufkäfertypus sind die Schwimmkäfer (Gatt.
Ihjtiscits u. a.) aufzufassen, welche in den meisten Beziehungen mit den
Laufkäfern übereinstimmen, von diesen aber dadurch ahweichen, dass der
Körper breit, oval ist, und dass die Hinterbeine zu Schwimmwerkzeugen
umgebildet erscheinen, indem die Füsse breit und am Rande behaart sind.
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27R
Specieller Theil.
Beim Männchen sind die drei ersten Glieder der Vorderfüsse noch breiter
als bei den Laufkäfern und mit Saugnäpfchen (umgebildeten Haaren) an der
Unterseite versehen. Sie kommen an die Oberfläche, um zu athmen ; in
der Nacht verlassen sie häufig das Wasser und fliegen umher. Die Larven,
welche ebenfalls im Wasser leben, sind schlanke Thiere mit am Rande
behaarten Beinen ; ihre am meisten hervortretende Eigenthümlichkeit besteht
darin, dass die langen dünnen Vorderkiefer von einem feinen Kanal durch-
bohrt sind, welcher sich an der Spitze und am entgegengesetzten Ende in
die Mundhöhle öffnet (eigentlich ist der Kanal eine Rinne mit an einander
gelegten Rändern; vergl. den Giftzahn der Schlangen), während die
Mundöffnung sonst geschlossen ist. Mit den Vorderkiefern wird die Beute
1 2 3 4 5
Fig. 201. / Prachtkäfer, 2 Taumelkäfer, 3 Kurzflügler, 4-5 Johanniswürmchen, ö*
und Larve. — Nach Taechenberg.
ausgesogen. — Mit den Schwimmkäfern verwandt ist eine andere Gruppe
von Wasserinsekten, die Taumelkäfer (Gt/rinm), kleine Insekten, welche
im Sonnenschein häufig an der Oberfläche des Wassers lebhaft umher-
schwimmen. 8ie sind in mehreren Beziehungen ausgezeichnet: die Mittel-
und Hinterbeine sind zu kurzen, breiten, abgeplatteten, flossenähnlichen
8chwimmwerkzeugen umgebildet, während die längeren Vorderbeine eine
normalere Form besitzen und als Klammerworkzeuge etc. verwendet werden,
wenn das Thier im Wasser untergetaucht ist. Die Augen sind in je ein
oberes und ein unteres getheilt, von welchen jenes nach oben, letzteres
nach unten sieht. Die Larven stimmen mit denen der Schwimmkäfer
in Bezug auf den Bau der Vorderkiefer etc., unterscheiden sich aber dadurch,
dass sie geschlossene Stigmen und eine Reihe fadenförmiger Kiemen längs
der Seiten des Hinterleibs besitzen.
2. Die Kurzflügler ( Staphylinidae : Gatt. Stophylinus u. a.) zeichnen
sich besonders dadurch aus, dass die Flügeldecken sehr verkürzt sind, so
dass der grössere Theil des sehr beweglichen und auch oben stark chitini-
sirten Hinterleibs unbedekt ist ; die Hinterflügel sind zwei Mal in die Quere
zusammengelegt, um unter den Flügeldecken Platz zu finden. Der Körper
gestreckt, Fühler faden- oder schwach keulenförmig. Die meisten leben im
ausgebildeten Zustande von verwesenden Pflanzen- und Thierstoffen. Die
Larven sind denen der Laubkäfer ähnlich, besitzen aber an jedem Fuss
nur eine Kralle (oder richtiger: das Fussglied selbst ist zugespitzt); sie
sind mit zwei gegliederten Raifen versehen, und der After sitzt auf einem
röhrenartigen Fortsatz. Sie leben in ähnlicher Weise wie die Erwachsenen
oder vom Raub. Ausserordentlich artenreiche Käferfamilie.
3. Die Aaskäfer (Silphidae) haben keulenförmige oder wenigstens
gegen die Spitze hin verdickte Antennen. Die Flügeldecken bedecken bei
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Gliederfüßler. 3. ülawe: Insekten.
279
einigen den ganzen Hinterleib, bei anderen ist das Ende desselben unbe-
deckt. Sie ernähren sich hauptsächlich von Aas. Hierher gehört die Gatt.
Süpha (Aaskäfer im engeren Sinne) mit schwach keulenförmigen Antennen,
den ganzen Hinterleib überdeckenden Flügeldecken und von abgeplatteter
ovaler Körperform ; die Larven sind breit und abgeplattet, fest chitinisirt,
streifen frei umher; sowohl die Larven als die Erwachsenen ernähren sich
in der Segel von todten Thieren, welche sie aufsuchen. Ferner die
Todtengräber (Xecrophoru*) mit ausgeprägten keulenförmigen Fühlern,
langgestrecktem Körper und abgestutzten, meiBt schwarz und roth gebän-
derten Flügeldecken, welche das Hinterende des Körpers unbedeckt lassen
( sie erzeugen einen Laut, indem sie die Rückenseite des 5. Hinterleibsringes,
welche mit zwei quergeriefelten Feldern versehen ist, gegen den Hinterrand
der Flügeldecken reiben); sie vergraben, mehrere vereint, die Leichen
kleiner Säugethiere u. Ae., indem sie die Erde unterhalb derselben entfernen,
und legen dann ihre Eier an denselben ab ; die Larven sind blass und plump,
jedoch mit Beinen und Augen ausgestattet, und ernähren sich von dem
durch die Fürsorge der Eltern vergrabenen Aas , streifen nicht wie die
Silpha-Larven umher.
4. Die Speckkäfer (Derniestidae : Gatt. Denncstes u. a.) sind kleine
mit gekeulten Fühlern ausgestattete Insekten, deren Körperoberfläche in
grösserer oder kleinerer Ausdehnung mit kurzen anliegenden Haaren bedeckt
ist. Die Larven sind mit zahlreichen aufgerichteten Haaren versehen ; die
Puppe bleibt in der geplatzten Larvenhaut liegen, welche somit als Puppen-
hülle dient. Die Speckkäfer und ihre Larven ernähren sich von todten
thierischen Stoffen und sind häufig Wollen- und Pelzwaaren, Museumsgegen-
ständen etc. verderblich.
5 . Die Blatthornkäfer ( Scarabaeidae oder La mdlicornia) sind eine
sehr artenreiche Käferfamilie, welche eine Fülle prächtiger und ausgezeich-
neter Formen enthält. Die letzten (drei bis mehrere) Glieder der Fühler
bilden eine Blätterkeule : jedes der betreffenden Glieder ist nach einer Seite
blattartig verbreitert, und die Blätter bilden, wenn sie aneinander gelegt
worden, zusammen eine keulenförmige Anschwellung. Die Augen haben
vorn einen tiefen Einschnitt, in welchen der Seitenrand des Kopfes sich
fortsetzt. Die Vorderbeine sind mehr oder weniger ausgeprägte Grabbeine,
mit abgeplatteten und stacheligen Schienen und walzenförmigen Hüften;
die Vorderbrust ist zu demselben Zweck sehr kräftig entwickelt. Der
ganze Körper gewöhnlich ziemlich plump. Die Männchen sind oft von den
Weibchen sehr abweichend mit Auswüchsen am Kopf und an der Vorder-
brust etc. Die Larven sind weisslich (mit Ausnahme des stark chitini-
sirten Kopfes), fett, dünnhäutig, spärlich behaart, in der Regel blind; die
Beine ziemlich schwach, der Hinterleib wurstförmig gekrümmt; das Ende
desselben oft sackförmig angeschwollen. Sowohl die Larven als die Er-
wachsenen sind Pflanzen- oder Mistfresser. Zu dieser Familie gehören unter
anderen folgende: Der Maikäfer (Mdolontha vulgaris), das Männchen vom
Weibchen durch grössere Fühlerkeule unterschieden; die Larve lebt von
Wurzeln, die Imago von Blättern ; die ganze Lebensdauer des Thieres in
Norddeut8chland beträgt 4, in Süddeutschland 3 Jahre. Die Rosen-
käfer (Cetonia) sind glänzend grün; Flügeldecken mit einer Ausbuchtung
am Seitenrand, so dass das Thier, nachdem es die Hinterflügel ausgebreitet
hat, die Flügeldecken wieder auf dem Rücken zusammenlegen und mit
zusammengeklappten Flügeldecken umherfliegen kann ; die Larve lebt in faulem
Holz. Der Nashornkäfer {Oryctts nasicornis) ist ein grosser brauner
Blatthornkäfer, dessen Männchen einen grossen Fortsatz am Kopfe trägt;
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280
Speoieller Theil.
die Larve in Gerberlohe und dergl. Die Mistkäfer (Coprophaga) leben
als Larven meistens vom Mist der Hnfsäugethiere : die Larven und Erwach-
senen der Gatt. Aphodius werden z. B. hänfig in Kuhdünger gefunden; das
Weibchen der Gatt. Coprü gräbt Löcher in die Erde, legt in jedes ein Ei
und einen Mistklumpen als Nahrung ftir die dem Ei entschlüpfende Larve.
Die Bosskäfer (Geotrupcs), plumpe, blaugefarbte Thiere, deren Augen
vollständig in ein oberes und ein unteres Stück getheilt sind, und mit
kräftigen Grabbeinen; sie fuhren eine ähnliche Lebensweise wie die letzt-
genannten Mistkäfer. Der Hirschkäfer (Lucanus cerrttx) ist der statt-
lichste deutsche Käfer; das Männchen hat einen grossen viereckigen Kopf
und kolossale, geweihähnliche Vorderkiefer, welche übrigens sehr in der
Grösse variiren; die Fühler sind „gebrochen", mit langem Schaftglied, die
Keule kammartig, indem die Fortsätze der Keulenglieder nicht blattartig,
sondern zahnähnlich sind und nicht dicht zusammengelegt werden; die
Larve in faulem Eichenholz. Häufiger ist der verwandte kleinere Balken-
schröter (Dörens paraüelepipedus), bei welchem die Vorderkiefer des Mann-
chens nur sehr wenig vergrössert sind; Larve in morschem Buchenholz.
6. Die Schnellkäfer {Elatcridac: Gatt. FAater u. a.) sind gewöhn-
lich kleinere Thiere von abgeplatteter, langgestreckt - ovaler Körperform.
Die Vorderbrust ist lang, mit der Mittelbrust sehr beweglich verbunden ;
ein hinten von der Vorderbrust entspringender Stachel greift in eine Grube
der Mittelbrust ein; wenn das Thier die Vorderbrust nach oben hebt, wird
dieser Stachel (oder richtiger ein kleiner Vorsprung desselben) gleichzeitig
gegen den Band der Grube gestemmt, und wenn dann das Thier plötzlich
den Stachel in die Grube zurückgleiten läset, so schlägt es gewaltsam
gegen die Unterlage und schnellt hoch empor (das Emporschnellen findet
sowohl bei Bücken- als bei Bauchlage des Thieres statt). Der Kopf
ist tief in die Vorderbrust hineingesenkt, die Fühler sind gesägt oder
gekämmt. Die Larven („Drahtwürmer") sind gestreckte, zuweilen fast
drahtförmige, fest chitinisirte Thiere mit Beinen, aber ohne Augen; letztes
Segment gross, verschieden geformt; sie sind hauptsächlich Pflanzen-
fresser. — Die Frachtkäfer (Buprestidae : Gatt. Buprestia u. a.) sind mit
den Schnellkäfern verwandt, denen sie in Leibesform, in den Verhältnissen
des Kopfes und der gesägten Fühler ähnlich sind; sie unterscheiden sich
aber unter Anderem dadurch, dass ihnen der Springapparat abgeht. Die
Larven sind weisslich, blind, gliedmaassenlos, die Vorderbrust, in welche
der grössere Theil des Kopfes eingesenkt ist, meistens sehr gross und breit,
der Hinterleib schmal; sie leben gewöhnlich in und von Holz, ungefähr
wie die Bockkäfer-Larven, denen sie sehr ähnlich sind. Die Prachtkäfer
sind besonders in den Tropen reich vertreten; daselbst findet man grosse
prächtige Formen, in den Ländern der gemässigten Zone kommen nur
relativ wenige, meist kleinere Formen vor.
7. Die Weichflügler (Malacodermaia) zeichnen sich besonders da-
durch aus, dass ihr Hautskelet eine für Käfer ungewöhnlich weiche Beschaffen-
heit hat, so dass z. B. die Flügeldecken sich beim Eintrocknen krümmen.
Der Kopf ist meistens mehr oder weniger unter dem Vorderrand der
breiten, schildförmigen Vorderbrust verborgen. Die Flügeldecken schliessen
weniger eng an den Körper als gewöhnlich. Hierher die in Deutschland
durch ein paar Arten vertretenen Johanniswürmchen oder Leucht-
käfer (Lamptjris), bei welchen der Kopf oben ganz von der Vorderbrust
bedeckt ist, dem Weibchen fehlen sowohl Vorder- als Hinterflügel, so dass
es larvenähnlich erscheint : sowohl die Erwachsenen (beide Geschlechter)
als die Larve (welche sich von Schnecken ernährt) haben Leuchtorgane auf
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Gliederfüssler. 3. Clane: Insekten.
281
der Unterseite des Hinterleibs. Bei der verwandten Gattung Tdephorus
( welcher nicht leuchtet) steht der Kopf frei hervor ; mehrere Arten kommen
im Sommer auf Blumen ungemein häufig vor.
8. Die Pflasterkäfer ( Vcsicanha) sind heteromere Käfer, d. h.
die Füsse der Vorder« und Mittelbeine sind 5 gliedrig , die der Hinterbeine
4gliedrig1). Der Kopf ist hinten halsartig eingeschnürt, die Vorderbrust
schmaler als die Flügeldecken, welche weniger fest als bei den meisten
anderen Käfern sind. Die Krallen sind gespalten. Im Körper sind blasen-
ziehende Stoffe enthalten. Die Larven leben in den Nestern verschiedener
Bienen, und verzehren die von diesen für ihre Brut eingesammelte Nahrung.
Hierzu gehören die Oelkäfer (Mehe), welche keine Hinterflügel haben, und
deren kurze Flügeldecken nicht an einander stossen, sondern mit den Innen-
rändern über einander greifen. Die Oelkäfer legen ihre Eier in Erdlöcher ;
die neugeborenen, mit Augen und wohlentwickelten Beinen ausgestatteten
Larven kriechen auf Pflanzen hinauf, heften sich gewissen Bienen an
und kommen mit denselben in ihre Nester hinein ; in dem Augenblick, wo
die Biene ein Ei ablegt, verlässt die Oelkäfer-Larve diese und bleibt in
der Bienenzelle, wo sie zuerst das Ei auffrisst, nachher ihre Form ändert
und sich zu einem plumpen, blinden, kurzbeinigen Geschöpf umbildet, welches
den für die Bienenlarve bestimmten Vorrath verzehrt. Ferner die Spanische
Fliege {Lytta vesicatoria), ein schöner, smaragdgrüner Käfer mit wohlent-
wickelten Flügeldecken und Hinterflügeln ; die Entwicklung ähnlich wie bei
den Oelkäfern. In Deutschland ebenso wie die Oelkäfer häufig. — Zu einer
andern Familie der heteromeren Käfer gehört der Mehlkäfer (Tembrio
molilor), ein braunes, längliches, laufkäferähnliches Thier, dessen den Schnell-
käferlarven ähnliche Larve in Mehl und Korn lebt und unter dem
Namen „Mehlwurm" allbekannt ist.
9. Die Bockkäfer (CerambyeUlae : Gatt. Cei'ambtp: u.a.). Die breiten
Füsse sind anscheinend nur 4gliedrig, indem das vorletzte Glied kurz und
schwierig zu sehen ist (Käfer mit dieser Fussform werden als crypto-
pentamer bezeichnet). Es sind meistens grössere Insekten mit gestrecktem
Körper, langen Fühlern (besonders bei den Männchen sind die Fühler oft
sehr stattlich entwickelt), ausgerandeten Augen. Die Larven, welche Bich
im Holz lebender und (besonders) todter Bäume aufhalten und darin lange
Gänge ausnagen, sind weisslich, gestreckt, etwas abgeplattet, vorn etwas
breiter, ohne Augen (oder mit undeutlich ausgebildeten Augen), mit Behr
kleinen Beinen. — Mit den Bockkäfern nahe verwandt, beim ersten Anblick
allerdings in der Regel sehr abweichend, sind die Blattkäfer (Chryso-
inclidac), welche dieselbe Fussform wie die Bockkäfer besitzen. Der Körper
ist in der Hegel bei den Blattkäfern plump und stark gewölbt, der Kopf
mehr oder weniger von der Vorderbrust bedeckt, die Fühler kürzer als
der Körper, die Farben lebhaft ; aber auch mehr gestreckte, den Bockkäfern
ahnliche Formen kommen vor (Rohrkäfer, Doitacia). Die Larven sind
meistens gefärbt, mit Augen und wohlentwickelten Gliedmaassen, die meisten
leben auf und von Blättern.
10. Die Rüsselkäfer (Cwculümidae: Gatt. Ourculio u. a.) haben
dieselbe Fussform wie die Bockkäfer. Es sind in der Regel kleine Insekten,
deren Kopf vorne in einen kürzeren oder längeren rüsselähnlichen Fortsatz ver-
längert ist, an dessen Spitze die kleinen, aber wohlentwickelten Mundtheile sich
befinden. Die Antennen sind keulenförmig und in der Regel gebrochen, mit einem
langen Schaftglied. Die Flügeldecken umfassen den Rand des Hinterleibs ;
•) Die im Vorhergehenden erwähnten Käferfamilien haben in der Regel
ögliedrige Füsse an allen Beinen und werden als pentamore Käfer bezeichnet.
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Specieller Theil.
die Hinterflügel fehlen nicht selten. Hautekelet meistens sehr fest. Die
Larven sind fasslose, gekrümmte, (mit Ausnahme des braunen Kopfes)
weissliche, in der Regel blinde Kaden. Sowohl die Larven als die Er-
wachsenen ernähren sich von pflanzlicher Nahrung (Blättern, Binde, Holz,
Wurzeln) ; die Larve lebt immer versteckt. Zahlreiche Gattungen und
Arten auch in Deutschland. — Nahe verwandt sind die Borkenkäfer
(Tomindne), kleine cylindrische Käfer mit kurzem, rüssellosem Kopfe (dies
ist der wesentlichste Unterschied von den Küsselkäfern), kurzen, gebrochenen
Fühlern mit dicker Keule und nierenfÖrmigen Augen ; die Larve denen der
Rüsselkäfer ähnlich1). Vor der Eiablage nagt das Weibchen sich in der
Regel durch die Rinde eines kränkelnden oder kürzlich abgestorbenen,
noch einigertnaassen saftreichen (seltener ganz gesunden) Baumes ein,
friast eich dann an der Grenze von Holz und Rinde einen längeren
oder kürzeren „Muttergang" und legt längs der Seiten des letzteren eine
Anzahl Eier ab, welche in je einer vom Weibchen genagten kleinen Ver-
tiefung angebracht werden ; wenn die Larve nachher aus dem Eie ausge-
schlüpft ist, so frisst sie sich später von dieser Stelle aus einen Gang,
welcher allmählich verlängert wird und gleichzeitig in dem Maasse, wie die
Larve grösser wird, an Breite zunimmt; die Larvengänge gehen meistens
ungefähr winkelrecht von dem Muttergange ab und verlaufen ebenso wie
dieser auf der Grenze von Holzkörper und Rinde. Von diesem typischen
Frassbild giebt es übrigens allerlei Abweichungen bei den verschiedenen
Formen. Zu den Borkenkäfern gehören einige der allergefahrlichsten Feinde
der Forstwirtschaft (namentlich der Nadelholzkultur) : Tomicus typograpktis
(Buchdrucker) und manche andere, welche zuweilen durch eine von äusseren
Umständen (z. B. Windbrüchen, welche ihnen ein grosses passendes Brut-
material darbieten) bedingte massenhafte Vermehrung im Laufe kurzer Zeit
ungeheuren Schaden anrichten können ; ihre Schädlichkeit ist weniger durch
ihr normales Brutgeschäft als dadurch bedingt, dass sie, wenn sie einmal
in grosser Anzahl aufgetreten sind, auch gesunde Bäume mit ihren Eiern
belegen; auch werden die Erwachsenen einiger Arten durch Ausfressen
junger Sprossen (Hyleninus phiiperda), durch Benagen von Wurzeln junger
Pflanzen etc. schädlich.
11. Die Marienkäferchen (Coct-ineUidae) haben scheinbar nur
drei Glieder in jedem Fuss, thatsächlich aber vier, von welchem das vorletzte
sehr kurz ist (cryptotetramere Käfer). Es sind kleine, oft fast halb-
kuglige oder wenig ovale, gewölbte Käfer; der Kopf ist kurz, in die Vor-
derbrust eingesenkt, mit kurzen gekeulten Fühlern; die Beine sind kurz.
Die Larven sind denen der Blattkäfer ähnlich (auch die Imagines gleichen
manchen Blattkäfern), sind aber, ebenso wie die vollkommenen Insekten, in
der Regel Räuber, welche Blattläusen u. dergl. nachstellen.
5. Ordnung. Hautflügler (Hymenoptera).
Die Hautflügler sind Insekten mit vollkommener Ver-
wandlung, beissenden Mundtheilen und vier häutigen
') Mit den Borkenkäfern dürfen die Nagekäfer (Anobinm) nicht verwechselt
werden. Letztere besitzen eine ähnliche Körperform wie jene und nagen ebenfalls
in Bolz, gehören aber einer ganz andern Familie an und unterscheiden sich leicht
von jenen dadurch, dass die Augen rund, die Fühler gegen die Spitze nur ganz wenig
verdickt sind, und dass die Füsse 5 deutliche Glieder besitzen; die Larven sind
mit Beinen ausgestattet (kleinen Scarabäenlarven ähnlich) und fressen meistens
labyrinthische unregelmässige Gänge in todtem, trockenem Holz, z. B. in Möbeln,
welche oft völlig von ihnen vernichtet werden.
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GliederfdBsler. 8. Clasae: Insekten.
283
Flügeln. Der Kopf ist kurz und breit, von der Vorderbrust tief
abgeschnürt und in letztere niemals eingesenkt, sondern stets ganz
frei; zuweilen sitzt er sogar an einem stielartigen Fortsatz der Vorder-
brust Der Kopf trägt ein Paar wohlentwickelte zusammengesetzte
Augen und in der Regel drei Punktaugen. Es sind die gewöhnlichen
Mundtheile vorhanden , davon die Vorderkieler kräftige Beisswerk-
zeuge. Bei einigen Hautflüglern — diese sind aber nur eine Minder-
zahl — ist die von den verwachsenen inneren Laden der Unterlippe
gebildete Zunge lang und auf ihrer Unterseite rinnenförmig ausge-
höhlt, während die langen abgeplatteten Unterlippen -Taster und
Mittelkiefer-Laden (von welch letzteren jederseits nur eine vorhanden
ist) zusammen eine Röhre um jene bilden; vermittels der Zunge und
dieser Röhre werden süsse Flüssigkeiten in den Mund eingesogen. Die
Vorderbrust ist nur schwach entwickelt, der Rückentheil derselben
vom Bauchtheil gesondert und mit der Mittelbrust fest verbunden,
während der Bauchtheil (mit den Vorderbeinen) beweglich ist. Mittel-
und Hinterbrust sind gewöhnlich unbeweglich verbunden, bei den
Blatt- und Holzwespen jedoch gegen einander beweglich. Die Beine
zeichnen sich durch die Grösse des Hüftgliedes aus ; der Schenkelring
ist oft (bei den Blatt-, Holz-, Schlupf- und Gallwespen) in zwei Glieder
Fig. 202. -I Hinterleib mit «lern Lcgc^achcl einer Hulzwespc. Der Stachel (a) ist aus
der Rinne, «/, in welcher er in der Ruhe liegt, herausgehüben : diese Rinne setzt sich bei k
in die beiden langen Klappen <• fort, welche die Endpartie des Stachels umgeben. B Quer-
schnitt des Stachels und der Klappen, vergr. ab und a'b' Klappen C in A), cd, e und
tt die drei nadelförruigen Stücke des Stachels. — Nach Graber.
getheilt; das erste Glied des ögliedrigen Fusses ist bedeutend länger
als die folgenden („Mittelfuss"). Von den Flügeln ist das vordere
Paar fast immer bedeutend grösser als das hintere ; beide Paare sind
mit einem nicht sehr dichten Rippennetz versehen. Der Vorderflügel
und der Hinterflügel derselben Seite sind mittels einer Reihe kleiner
Haken, welche am Vorderrande des Hinterfiügels sitzen und den um-
gebogenen Hinterrand des Vorderflügels umgreifen, verbunden; die
beiden Flügel wirken desshalb während des Fluges als eine zu-
sammenhängende Platte. Am Grunde des Vorderflügels findet sich
eine hervortretende Schuppe, welche den Grund des Flügels bedeckt.
Bei allen Hautflüglern ist das vorderste Hinterleibssegment mit der
Hinterbrust unbeweglich verbunden, und bei der Mehrzahl (d. h. bei
allen mit Ausnahme der Blatt- und Holzwespen) findet man eine
tiefe Einschnürung zwischen dem vordersten Hinterleibssegment und
den folgenden; man sagt dann, dass der Hinterleib gestielt ist,
wobei aber nicht zu vergessen ist, dass die betreffende Einschnürung
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Specieller Theil.
sich nicht zwischen Brust und Hinterleib, sondern am Hinterleib
selbst befindet; die auf die Einschnürung folgenden Segmente sind
häufig schmäler als die letzten Hinterleibsringe. Am Hinterende des
Weibchens findet man einen hohlen, aus mehreren nadel- oder messer-
förmigen Theilen zusammengesetzten Stech- oder Bohrapparat, den
sogenannten Stachel, durch welchen die Eier bei der Eiablage aus-
treten, und mit welchem bei vielen in einer Pflanze oder einem Thier
eiu Einstich oder Einschnitt hervorgebracht wird, in welchen nach-
her das Ei abgelegt wird : Legestachel (bei den unten sub 1 und 2
genannten Formen); bei anderen (den sub 3 — 6 genannten) ist der
Stachel nicht allein eine Legeröhre, sondern fungirt zugleich als
Giftstachel, indem sich in denselben eine Giftdrüse öffnet, deren
Secret durch den Stachelkanal austritt; sie stechen damit andere
Thiere, entweder um sich zu wehren oder aus anderen Gründen (siehe
die Grabwespen). — Die Larven sind bei der überwiegenden Mehr-
zahl weissliche, blinde Maden; nur bei den Blatt- und Holzwespen
sind die Larven abweichend gestaltet, mit Beinen ausgestattet etc.
(vergl. unten). Die Larven spinnen in der Regel vor der Verpuppung
einen Cocon.
1. Die Blattwespen (Tenthredinidae). Hinterleib sitzend, d. h.
ohne vordere Einschnürung, breit und kurz, beim Weibchen mit einem
kurzen gesägten Legestachel , mit dem es kleine Einschnitte in Blätter
schneidet, in welche die Eier abgelegt werden. Mittel- und Hinterbruat
beweglich verbunden. Zweigliedriger Schenkelring. Ziemlich dichtes
Rippennetz in den Flügeln. Einige Blattwespen pflanzen sich partheno-
genetisch fort, entweder ausschliesslich (?) oder neben einer Fortpflanzung
mittels befruchteter Eier. Die Larven sind gefärbt, cylin drisch , denen
der Schmetterlinge ähnlich; sie besitzen in der Regel ausser den Brust-
füssen noch 6 — 8 Paar Afterfttsse ohne Haken (vergl. die Schmetterlinge)
und ein Punktauge auf jeder Seite des Kopfes ; sie leben auf Bäumen und
anderen Pflanzen, deren Blätter sie verzehren. — Nahe verwandt sind die
Holzwespen (Urocerülae: Gatt. «SVrar u. a.), deren Hinterleib länger,
cylindrisch und mit einem längeren Legestachel ausgestattet ist, während sie
im Uebrigen mit den Blattwespen übereinstimmen ; die Larven, welche in
Holz leben, worin sie sich ähnliche Gänge wie die Bockkäferlarven ausnagen,
sind blinde, weissliche Thiere mit 3 Paar kurzen Brustfüssen, aber ohne
AfterfÜsse.
2. Die Gallwespen (Cynipidae) sind kleine Wespen mit linsen-
förmigem , kurzem , zusammengedrücktem Hinterleib mit einem von der
Unterseite entspringenden Legestachel ; Flügel mit sehr schwachem Rippen-
netz; zweigliedriger Schenkelring. Die Larven leben in Gallen; die
Mutter bohrt mit ihrem Stachel in lebende Pflanzentheile (Blätter, Stengei-
theile, Knospen u. dergl.) und legt das Ei in das so hervorgebrachte Loch ; später
schwillt der betreffende Theil in einer für jede Art charakteristischen Weise
an, wie es scheint durch die Einwirkung der Larve auf das Pflanzenge-
webe, und letztere lebt in und von der so gebildeten Galle. Einige
Gallen sind mehrkammerig , d. h. : es sind dicht neben einander mehrere
Eier in die Pflanze eingebracht worden , und es bildet sich dann eine zu-
sammenhängende Galle um säm ratliche Larven. Bei einer Anzahl der zahl-
reichen auf der Eiche lebenden Gallwespenarten beobachtet man
einen regelmässigen Wechsel von parthenogenetischen und zweigeschlecht-
lichen Generationen (je eine jährlich}; beide Generationen erzeugen Gallen
von verschiedenem Aussehen. Von anderen Eichen - Gallwespen scheinen
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Gliederfdssler. 3. Clane: Insekten.
285
nur Weibchen vorzukommen. — Mit den Gallwespen verwandt sind die
Schlupfwespen (Ichneu nionüUw), eine sehr umfangreiche Gruppe meistens
sehr kleiner Hautflügler, oft mit sehr langem Legestachel; ihre Larven
leben als Schmarotzer in (seltener ausserlich an) Insekten-Larven, Puppen,
Eiern, besonders sind die Schmetterlingsraupen von ihnen heimgesucht.
Wenn das Ei einer Schlupfwespe in das Ei eines anderen Insekts gelegt
wird, so lebt und entwickelt die Schmarotzerlarve sich auf Kosten des
Wirth-Eies, und letzteres kommt nicht zur Entwicklung. Diejenigen
8chlupfwespen-Larven, welche in Larven schmarotzen, haben in der Begel
das Wachsthum beendet, wenn der Wirth sich verpuppen soll, brechen
dann durch die Haut desselben hervor und verpuppen sich gleich nachher,
während der Wirth abstirbt; oder der Wirth verpuppt sich zuerst und
nachher die Schmarotzerlarve innerhalb jenes , welcher dann abstirbt , und
der Schmarotzer bricht erst als Imago durch die Puppenhaut des Wirthes
hervor. Die Schlupfwespen-Larven, welche sehr unvollkommene Mundtheile
besitzen , scheinen (mit Ausnahme der Ei-Schmarotzer) Bich vom Blut des
Wirthes zu ernähren ; es können entweder ein oder mehrere (viele) der-
selben in demselben Wirthe vorhanden sein. Für einige Schlupfwespen
hat man eine parthenogenetische Fortpflanzung beobachtet (aus den unbe-
fruchteten Eiern kommen meistens Männchen).
3. Die Grabwespen (Crabronidae , Fompilidae) haben, ebenso wie
die folgenden Gruppen, einen einfachen Schenkelring, gestielten Hinterleib
und einen Giftstachel. Es sind lebhafte Insekten, welche besonders durch
ihre Lebensweise ausgezeichnet sind: sie fangen Insekten (auch Larven) oder
Spinnen, lähmen sie durch einen Stich in den Bauchnervenstrang und
sammeln sie in Röhren , welche sie in die Erde graben oder in Holz aus-
nagen ; darauf legen sie in jede Bohre ein Ei und verschliessen die Böhre;
die Larve ernährt sich von dem eingesammelten Vorrath. Andere theilen
die Röhren durch Lehmwände in „Zellen" und legen in jede Zelle ein Ei.
Seltener bringen sie täglich der Larve frisch eingesammeltes Futter. —
Die verwandten Goldwespen (Chrysis) sind prächtig metallglänzende
Formen mit sehr festem Chitinskelet , besonders auch am Hinterleib,
welcher scheinbar aus sehr wenigen, grossen Segmenten besteht, indem
die letzten Hinterleibssegmente fernrohrartig zurückgezogen sind; oben ist
der Hinterleib stark gewölbt, unten concav; die Fühler gebrochen. 8ie
sind im Stande, sich zusammenzurollen, und sind hierdurch und durch ihr
festes Skelet gegen den Stich der Grabwespen geschützt, bei denen sie
meist ihre Eier ablegen : die Larven der Goldwespen leben nämlich als
Ektoparasiten an den Larven der Grabwespen.
4. Die Ameisen (Fortnicariae) sind vor anderen Hautflüglern dadurch
kenntlich, dass das 2. (oder 2. und 3.) HinterleibBsegment bedeutend Bchlanker
als die folgenden und mit einem aufrechten, schuppen- oder knoten-
artigen Auswuchs versehen ist; die Fühler sind gebrochen. Die Ameisen
bilden Gesellschaften, die aus Männchen, Weibchen und „Arbeitern" be-
stehen, welch letztere Weibchen mit unvollkommen ausgebildetem Geschlechts-
apparat sind; Männchen und Weibchen haben grosse Flügel, welche aller-
dings bei den Weibchen nach der Paarung abgeworfen werden, die Arbeiter
sind dagegen stets ungeflügelt. Bei einigen Ameisen treten die Arbeiter
unter zwei verschiedenen Formen auf, einige mit grossem Kopf (Soldaten),
andere mit kleinerem Kopf (eigentliche Arbeiter). Einige Ameisen (natürlich
nur Weibchen und Arbeiter) besitzen einen Giftstachel , andere nur die
entsprechende Giftdrüse, deren Secret in die durch die Vorderkiefer hervor-
gebrachte Wunde eingespritzt wird. Die Nester, welche aus unregelroässigen
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286
Specieller Theil.
Kammern und labyrinthischen Gängen bestehen, werden in verschiedener
Weise angelegt: in der Erde, in Baumstämmen oder in grossen Haufen,
welche aus zusammengeschlepptem Material (Blättern, Nadeln, Holzstückchen
etc.) bestehen (letzteres bei der bekannten rothen Waldameise, Formira
nifn) ; zuweilen werden die Gänge und Kammern einfach ausgegraben oder
l'ig. 2')3. A Formica, mit einer Schuppe, Ii ilyrmica, mit I w ei Knoten um Hinter-
leil.Hstiel. Beides Arbeiter.
ausgenagt . seltener aus fein gekauten Pflanzentheilen aufgemauert. Die
Ameisen sind Omnivoren ; die Larven werden von den Arbeitern mit aua-
gebrochener Nahrung gefüttert. — Die Lebensverhältnisse der Ameisen
bieten das grösste Interesse dar, und bei manchen Arten finden wir äusserst
merkwürdige Verhältnisse. Beispielsweise erwähnen wir, dasa es (auch in
Deutschland) Arten giebt, welche Larven und Puppen aus den NeBtern anderer
Arten rauben und dieselben in ihr eigenes Nest bringen ; die Arbeiter, welche
sich aus den geraubten Larven und Puppen entwickeln, werden ein Bestand-
theil der Arbeitskraft des Nestes der Räuber oder müssen sogar alle Arbeit
ausführen , ja sogar letztere füttern. Bei einer mexicanischen Ameisenart
ist der Hinterleib bei einigen Arbeitern in Folge einer enormen Erweiterung
des mit einer honigartigen Flüssigkeit gefüllten Kropfes stark angeschwollen ;
die betreffenden Arbeiter sitzen ruhig im Nest, während andere draussen
sind, um Honig aufzusuchen, den sie nach der Rückkunft erbrechen und
den anderen übergeben, welche als förmliche Reservoire für den Honigvor-
rath des Nestes dienen. — Die Ameisennester beherbergen (was übrigens
ahnlich bei den Termitennestern der Fall ist) ausser den Ameisen noch
eine ganze kleine Insekten-Fauna, die sogenannten My rmekophilen, von
welchen manche sogar ausschliesslich hier vorkommen (dies gilt von mehreren
kleinen Käfern). Bekannt ist das Verhältniss der Ameisen zu den Blatt-
läusen , deren süsse Absonderungen von jenen begierig aufgeleckt werden ;
manche Ameisen tragen sogar Blattläuse in ihre Nester hinein und halten
sie hier förmlich als Hausthiere.
5. Die eigentlichen Wespen oder Faltenwespen ( Vatpariae)
zeichnen sich dadurch aus, dass die Fühler gebrochen, die Augen nieren-
förmig, die Vorderkiefer lang und vorragend sind, und dass die Vorderflügel
in der Ruhe gefaltet sind. Einige derselben sind einzeln lebende Thiere,
welche eine ähnliche Lebensweise führen wie die Grabwespen ; andere, darunter
die Gatt. V&tpa (Papierwespen, Hornissen), leben in kleineren oder grösseren
Gesellschaften, welche aus Männchen, Weibchen und Arbeitern (Weibchen
mit unvollkommenen Geschlechtswerkzeugen, aber geflügelt) bestehen, und
bauen sich künstliche Nester ; letztere bestehen aus einer oder mehreren
wagerechten Waben, aus je einer Anzahl neben einander gestellter prisma-
tischer, (ieckiger, am einen Ende geschlossener Röhren (sogenannter Zellen)
zusammengesetzt, welche senkrecht mit der Oeffnung nach unten gestellt
sind, und welche als Wohnungen für die Larven und Puppen verwendet
werden ; die Waben können durch kurze Pfeiler verbunden und das ganze
.1
B
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Gliederfüwler. 8. Clasae: Insekten.
287
Nest von loseren oder festeren Hüllen umgeben sein ; als Material zum
Nestbau verwenden die Thiere eine aus feingekauten Holz- oder Rinden-
theilen gebildete Masse, welche im trocknen Zustande papierähnlich er-
scheint. Die Larven werden mit gekauten Insekten gefüttert. Mit Aus-
nahme der jungen befruchteten Weibchen stirbt die ganze Bevölkerung der
Nester im Spätherbst aus; jene überwintern dagegen und gründen im näch-
sten Frühling je ein neues Nest, dessen Aufbau später von den von ihnen
erzeugten Arbeitern fortgesetzt wird ; die oft grossen Nester sind somit die
Arbeit eines einzigen Sommers.
6. Die Bienen (Apiariae) sind in der Regel stark behaarte Thiere,
die Fühler sind gebrochen, die Augen nicht ausgerandet, die Zunge lang,
die Mittelkieferladen und die Unterlippentaster oft stark verlängert und
abgeplattet, die Schiene und der Mittelfuss der Hinterbeine in der Regel ver-
breitert. Einige Bienen bilden Gesellschaften, welche aus Männchen, Weibchen
und geflügelten Arbeitern (unfruchtbaren Weibchen) bestehen, andere sind
einzeln lebend. — Zu den ersteren gehört die Honig- oder Hausbiene
(Apis mtllifica). in deren Nestern nur je ein fruchtbares Weibchen (die
ab c
Fig. 204. Köpfe von Ilausb ietieu. a Königin, b Arbeiter, e Männchen. — Nach
Ratzeburg.
Königin) vorhanden ist ; die Geburt neuer Weibchen giebt stets dazu Ver-
anlassung, dass das Bienenvolk sich theilt, so dass neue Gesellschaften ge-
bildet werden. Die Honigbiene baut Waben aus Wachs, welches in Haut-
drüsen des Hinterleibs ausgesondert wird ; die Waben stehen senkrecht und
bestehen aus zwei Lagen von an einem Ende geschlossenen , 6eckigen,
wagerechten „Zellen", deren Oeffnungen nach der Seite gerichtet sind; in
jedem Nest finden sich mehrere derartige Waben. Die Larven, aus welchen
fruchtbare Weibchen kommen, leben in besonderen, grösseren, rundlichen
Zellen, welche am Rande der Waben angebracht sind; die übrigen Zellen
werden theils für die Arbeiter- und Männchen-Larven , theils zur Aufhebung
des von den Arbeitern eingesammelten Honigs und Blütenstaubes (Bienen-
brot) verwendet; der Honig wird im Kropf nach Hause getragen, den
Blüthenstaub tragen sie in zusammengeknetetem Zustande an den breiten,
aussen etwas ausgehöhlten, am Rande behaarten Hinterschienen („Körbchen";
nur bei den Arbeitern sind die Hinterschienen in dieser Weise ausgebildet).
Die ganze Gesellschaft überwintert und zwar ohne in einen Winterschlaf
zu verfallen; im Nest herrscht eine bedeutend erhöhte Temperatur. Die
männlichen Bienen (Drohnen) sind sehr grossäugig nud ebenso wie die
Königinnen bedeutend grösser als die Arbeiter; die Drohnen kommen aus
unbefruchteten Eiern. — Mit der Honigbiene nahe verwandt sind die plum-
pen Hummeln (Bombus), welche kleine Gesellschaften bilden, die ihre
Nester in Erdlöchern haben; jede dieser Gesellschaften wird von einem
einzigen, grossen, befruchteten überwinterten Weibchen gegründet und be-
steht, wenn sie fertig ist, aus einigen wenigen grossen Weibchen, einigen
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288
Specieller Theil.
kleineren Weibchen, welche nur Drohneneier ablegen, einer Anzahl Arbeiter
und Männchen. Sowohl die fruchtbaren Weibchen wie die Arbeiter be-
sitzen ein „Körbchen" ; sie bauen keine Zellen, sondern die Eier werden
zu je einem aus Bienenbrot und Honig bestehenden Klümpchen gelegt, in
welches die junge Larve sich einfrisst, und welches dadurch allmählich an
Grösse zunimmt, dass ihm neue Theile aussen angefügt werden; vor der
Verpuppung spinnt die Larve eine glasartige eiförmige Hülle um sich ;
diese Cocons, welche häufig unrichtig als Wachszellen aufgefasst worden
sind, werden zuweilen, wenn die Hummeln ausgekrochen sind, als Vorraths-
töpfe für die Nahrung verwendet. — Die Weibchen der zahlreichen ein-
samen Bienen bauen in der Erde oder in Holz kleine Räume oder wirk-
liche Zellen aus zusammengekittetem Sand, Lehm oder abgebissenen Blatt -
Stückchen ; in diese Räume oder Zellen sammeln Bie Blütenstaub und
Honig und legen in jeden Raum ein Ei und verschliessen dasselbe nach-
her; die Larven ernähren sich von dem eingesammelten Futter, die Mutter
kümmert sich weiter nicht mehr um dieselben. Bei einigen dieser einsamen
Bienen besitzt das Weibchen ebenso wie die Arbeiter der Honigbiene ein
Körbchen, bei anderen wird dagegen der Blütenstaub in dem dichten
Haarbesatz der Hinterbeine oder an der ebenfalls behaarten Unterseite des
Hinterleibs gesammelt. — Nicht wenige einsame Bienen sind Schmarotzer-
bienen (Kukuksbienen), welche ihre Eier in die Vorräthe anderer Bienen
ablegen, so dass ihre Larven auf Kosten der von letzteren gesammelten
Vorräthe leben.
(i. Ordnung. Schmetterlinge (Lepidoptera).
Die Schmetterlinge sind Insekten mit vollkommener Ver-
wandlung, vier gleichgebildeten Flügeln und saugenden
Mundtheilen. Das ganze Thier ist stark behaart. Der Kopf ist
frei beweglich; die vielgliedrigen Fühler faden- oder borstenförmig,
gekeult oder gekämmt etc. ; die zusammengesetzten Augen gross, rund,
stark gewölbt ; es sind zwei oder keine Nebenaugen vorhanden. Ueber
den Bau der Mund theile siehe S. 245. Alle drei Brustringe
sind eng verbunden ; die Vorderbrust klein, die Mittelbrust gross. Die
Flügel sind gross, mit feinen, gefärbten, dachziegelartig geordneten
Schuppen (abgeplatteten Haaren) „Staub44, bedeckt, welche in der Regel
das Kippennetz und die übrige Flügeloberfläche völlig verdecken ; die
Vordernügel sind länger, dabei aber in der Regel schmäler als die
Hinterflügel; letztere tragen sehr häufig nicht weit von ihrer Ur-
sprungstelle eine kräftige Borste oder eine kleine Gruppe zusammen-
gelegter steifer Borsten (Retinaculutn), welche in einen kleinen Bügel
an der Unterseite der Vorderflügel eingreifen ; auf diese Weise werden
Vorder- und Hinterflügel derselben Seite zusammengeheftet. Am
Grunde der Vorderflügel befindet sich eine ähnliche, häufig aber
kräftiger entwickelte Schuppe wie bei den Hautflüglern. Die Beine
sind schwach mit grossen Hüften und 5gliedrigen Füssen, deren
Grundglied weit länger als die folgenden ist (vergl. die HautflUgler).
Es ist keine tiefere Einschnürung zwischen Brust und Hinterleib
vorhanden, letzterer ist somit „sitzend". — Die Larven, „Raupen",
besitzen ein deutlich ausgesprochenes gemeinsames Gepräge; es sind
cylindri8che Thiere mit einem langen Hinterleib, welcher von After-
füssen getragen wird; sie sind fast ausschliesslich Pflanzenfresser,
welche zum grossen Theil frei an Blättern leben und, was hiermit in
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Gliederfüssler. 3. Classe: Insekten.
289
Zusammenhang steht, in Gegensatz zu den meisten anderen Insekten-
larven oft lebhaft gefärbt; das Hautskelet ist, wenn man von dem
stark chitinisirten Kopf und der Vorderbrust absieht, ziemlich dünn,
aber zäh. Der Kopf trägt jederseits 5—6 Punktaugeu, ein Paar kurze
dreigliedrige Fühler und die gewöhnlichen beissenden Hundtheile. Die
Brust ist mit drei Paar kurzen einkralligen Beinen versehen. An dem
langen Hinterleib finden sich gewöhnlich 5 Paar Afterfüsse (je
ein Paar am 3.-6. und am 9. Hinterleibssegment), zuweilen eine ge-
ringere Anzahl, und dann meistens 2 Paare (bei den Spannern, am
6. und 9. Segment) ; äussert selten (bei einer einzelnen Mottengattung)
6 Paar Afterfüsse. Die Afterfüsse sind entweder, bei den Klein-
schmetterlingen, Kranzfüsse, mit einem Kreis von nach aussen
(in Bezug auf das Centrum des Kreises) gebogenen beweglichen
Haken am unteren Ende, oder, bei den Grossschmetterlingen,
Klammer füsse, mit einer Reihe von Haken am unteren Fussende;
am Klammerfuss sind die Haken nach innen in Bezug auf die
Mitte des Thieres gebogen, und die Afterfüsse werden hierdurch ge-
eignet, dünnere Aeste zu umklammern (Von den sehr ähnlichen
Blattwespenlarven unterscheiden sich die Raupen der Schmetterlinge
durch die grössere Anzahl von Punktaugen, die kleinere Anzahl
Afterfüsse und dadurch, dass letztere mit Haken besetzt sind.) Die
Puppen zeichnen sich dadurch aus, dass alle Anhänge (Flügel^
Beine etc.) dem Körper dicht angelegt «ind; alle freiliegenden Flächen
der Anhänge sowohl als des Körpers sind dabei stark chitinisirt
(während die aneinander liegenden Flächen dünnhäutig sind), so dass
das Thier aussieht, als ob es gefirnisst wäre. Die Larven besitzen
Spinndrüsen, welche sich an der Unterlippe öffnen, und manche bilden
vor der Verpuppung entweder ein vollständiges Gespinnst (einen Cocon)
um sich oder verbinden mittels des Gespinnstes verschiedene Theilchen
zu einer Hülle, während andere sich nur mit wenigen Fäden fest-
spinnen; nicht wenige umgeben sich schon früher mit einer sack-
förmigen, am einen Ende offenen Hülle, welche sie mit sich umher-
schleppen.
Die Schmetterlinge sind mit den Hautflüglern, besonders den Blatt-
wespen verwandt; mit letzteren stimmen sie in der Beinform (Mittelfass,
Hüfte), im Vorhandensein einer Deckschuppe an der Wurzel der Vorder-
flügel, in der schwachen Entwicklung der Vorderbrust und im Bau der
Larve überein.
1. Unterordnung. Kleinschmetterlinge (Microlepidoptera).
Die Larven besitzen Kranzfüsse und einen nach vorn ge-
richteten Kopf, sie leben grösstentheils mehr oder weniger versteckt,
entweder in Blättern rainirend, in Stengeln oder in Holz, zwischen
zusammengesponnenen Blättern etc. Die Puppen gewöhnlich mit
Stachelquerreihen an der Rückenseite des Hinterleibs. Die ausge-
bildeten Insekten Bind mit wenigen Ausnahmen Thiere von geringer
Grösse, schlankem Körper, Hinterschienen mit 4 Sporen.
*) Die Hakenreihe entspricht der inneren Hälfte des Haken kränz es des
Kranzfusses, und der Klammerfuss lässt sich von letzterem ableiten, wenn man
sich die äussere Hälfte des Hakenkranzes verschwunden denkt. — Das hinterste
Paar Afterfüsse der Kleinschmetterlinge besitzt übrigens auch keinen vollständigen
Kreis von Haken, sondern eine Reihe, in welcher die Haken nach vorne gebogen
sind.
Born, Zoologie. 1®
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Specieller Theil.
1. Die Motten (Tineidac) sind kleine Thiere mit schmalen Flügeln,
welche einen fransenartigen Haarsaum besitzen. Zu dieser Abtheilung,
welche aus sehr zahlreichen, oft sehr prächtig gefärbten, in der Regel aber
ungemein kleinen Formen besteht, gehören die Kleider- oder Pelz-
motten, Tinea- peüionelki und T. tapezeila ; erster e Art ernährt sich als
Larve von Pelzwerk und Wolle und ist von einem etwas abgeplatteten, vorn
und hinten offenen, von abgenagten zusammengesponnenen Theilen gebil-
deten Sack umgeben, in welchem das Thier sich auch verpuppt; die Larve
der anderen, etwas grösseren Art bildet oft aussen an Pelzwerk u. ä.
lange Röhren von einem dünnen Gespinnste, innerhalb deren sie sich fort-
bewegt; der von der Röhre überdeckte Theil des Felles oder wollenen
Stoffes wird oberflächlich von der Larve abgenagt.
2. Die Wickler {Tortricidac) sind im Ganzen etwas grösser als die
Motten, mit breiteren, kurzgefransten Flügeln. Der Name „Wickler" bezieht
sich darauf, dass die Larven häufig — übrigens keineswegs bei allen For-
men — in und von zusammengesponnenen Blättern leben. Eine Larve, welche
man häufig im Kerngehäuse von („wurmstichigen") Aepfeln findet, gehört
einer Art dieser Abtheilung an (Tortrix pomonana) ; andere Arten sind
wichtige Forstschädlinge (Tortnx btioliana, Kieferntriebwickler, u. a.).
3. Die Holzbohrer (Xylotropha) sind eine kleine Familie, deren Mit-
glieder sich von anderen Kleinschmetterlingen durch ihre in der Regel
bedeutendere Grösse unterscheiden. Dazu gehört der Cosxitx liyiiiperda
(Weidenbohrer), ein grosser, schöner, bräunlichgrauer Schmetterling (von
ca. 80 mm Flügelspannung), dessen etwas abgeplattete, fast kahle, auf
dem Rücken rosenrothe Larven sich in Pappeln, Weiden und anderen
Laubhölzern Gänge nagen. Ferner die wespenähnlichen Glasflügler
(Sesia) mit durchsichtigen , fast schuppenlosen Flügeln , deren weissüche
Larven in Bäumen oder in den Stengeln strauchartiger Pflanzen leben.
2. Unterordnung. Gr0388Chmetterlinge (Macrolepidopttra).
Die Larven mit Kl am merf üssen und nach unten gerichtetem
Kopfe; sie leben frei an Pflanzen und ernähren sich von Blättern.
Die Puppen ohne Stachelquerreihen am Hinterleib. Die ausgebildeten
Insekten sind gewöhnlich Thiere von ansehnlicher Grösse.
1. Die Spinner (Bombyddae) sind plumpe Schmetterlinge mit matten,
gedämpften Farben, meistens etwas verwischter Zeichnung ; die Flügel sind
breit, in der Ruhe sind sie dachförmig gestellt ; die Fühler beim Männchen
doppelt gekämmt, beim Weibchen borsten form ig oder gezähnt; der Rüssel
klein. Die Larven sind in der Regel, und zwar oft sehr stark, behaart;
die Puppe ruht in einem Cocon, welcher entweder aus Gespinnst allein
oder ans Gespinnst und abgestossenen Haaren der Larve etc. gebildet ist.
Die Spinner sind Nachtthiere, deren Männchen umherfliegen und die still
sitzenden, sehr schwerfälligen Weibchen aufsuchen; letztere sind bei einigen
Arten nur mit rudimentären Flügeln ausgestattet oder sogar völlig flügellos,
larvenähnlich. — Zu den Spinnern gehört der aus China stammende Seiden-
spinner {Bombyx mori), dessen Puppengespinnst die Hauptmasse der Seide
abgiebt, welche zu industriellen Zwecken verwendet wird; die Imago ist
weiss, die Larve kahl und (von allen anderen Spinnerraupen abweichend)
mit einem kleinen Horn am Hinterende des Körpers versehen. Auch von
mehreren anderen Spinnern wird Seide gewonnen. Andere Spinner gehören
zu den gefährlichsten Feinden der Nadelholz- Cultur: Kiefernspinner
(Bombyx pini) und Nonne (B. tnonacha). Die Gattung P»yche (Sack-
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GliederfÜMler. 8. Claase: Insekten.
291
spinner) zeichnet sich dadurch uns. dass die Larven, welche keine After-
fiisse besitzen, ähnlich wie manche Mottenlarven in einen aus zusammenge-
sponnenen Pflanzentheilen u. ä. gebildeten Sack eingeschlossen umherwandeln,
welcher von den flügellosen, larvenähnlichen Weibchen
nicht verlassen wird ; eine Art dieser Gattung, die Psyche,
helix, welche eine ans feinen Sandkörnchen gebildete
spiralige Hülle besitzt, pflanzt sich in der Regel partheno-
genetisch fort, Männchen erscheinen nur hin und wieder.
— Mit den Spinnern verwandt sind die „Eulen" (Aw-
tuidae) mit borstenförraigen (beim Männchen oft gezähnten)
Fühlern, ziemlich schmalen Flügeln, wohlentwickeltem
Rüssel; die Larven in der Regel kahl. Gewisse Eulen-
raupen (z. B. die Larve der Saateule, Agrotis sege-
Uim) sind oft durch Frass an Rüben, Kartoffeln etc.
sehr schädlich.
2. Die Spanner (Geovietrülae) sind den Spinnern
in Habitus ziemlich ähnlich, mit breiten (dünneren)
Flügeln, borstenformigen (beim Männchen oft gekämm-
ten) Fühlern. Sie sind besonders im Larvenstadium
charakteristisch, indem die fast kahle Raupe von After-
füssen nur die beiden hintersten Paare besitzt; die Be-
wegung ist egelartig mit abwechselnder Streckung und
Beugung des Körpers (die Brustfüsse und die Klammer-
fusse fungiren resp. wie der vordere und der hintere
8augnapf eines Egels). Auch zu den Spannern gehören
Arten, deren Weibchen mehr oder weniger rückgebildete
Flügel besitzen. (Fig. 188.)
3. Die Schwärmer (Sphingidae) haben einen
kurzen, spindelförmigen Körper mit kegelförmig zuge-
spitztem Hinterleib, langen, schmalen Vorderflügeln,
kleinen Hinterflügeln, langem Rüssel, zugespitzten im
Querschnitt dreieckigen Fühlern ; die Flügel liegen in
der Ruhe wagerecht. Es sind grosse , ausgezeichnet
fliegende Schmetterlinge, deren kahle Larven hinten auf
dem Hinterleib ein gekrümmtes Horn tragen.
4. Die Tagfalter {Pajnlionidae) haben einen
schmächtigen Körper, gekeulte Fühler, breite Flügel,
welche in der Ruhe aufrecht, zusammengeklappt ge-
halten werden ; sie besitzen prächtige reine Farben und
fliegen bei Tage. Die Larven sind oft mit verästelten
stachelartigen Auswüchsen versehen ; sie sind übrigens
nackt oder wenig behaart. Die Puppen sind durch Nach T\
ihren merkwürdig kantigen Körper charakterisirt ; in
der Regel sind sie nur durch einen einzigen Seidenfaden um den Leib
herum festgeheftet, seltener liegen sie in einem losen Cocon. Dazu gehören,
um ein paar der bekanntesten Formen anzuführen, dieKohlweisslinge
(Pieris brassicae n. a.) mit weissen Flügeln mit wenigen dunklen Flecken
(die behaarten Larven, Kohlraupen, auf Kohl) und der Nesselfalter
oder „kleine Fuchs" (Vanessa urticae) mit rothbraunen, schwarzgefleckten
Flügeln (die stachligen Larven leben auf Brennnesseln).
b
Fi*. 205. Kine P$ychr.
a Männchen , b manu-
lk-he l*uppe , t Weib-
chen, (/ weibliche Puppe,
r Sack mit einein Weib-
chen, / Sack mit oiner
männlichen Larve. —
henberg.
um
19*
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292
Specieller Theil.
7. Ordnung. Zweiflügler (Diptera).
Die Zweiflügler sind Insekten mit vollkommener Meta-
morphose, verkümmertenHinter Hügeln und mit saugenden
Mundtheilen. Der Kopf besitzt ein Paar in der Regel grosser
Augen, welche bei den Männchen, bei denen sie am stärksten
entwickelt sind, oft oben in der Mittellinie zusammenstossen ;
in der Regel sind drei Punktaugen vorhanden. Die Fühler sind bei
der Mehrzahl (Fliegen) kurz und bestehen dann nur aus drei wohl-
entwickelten Gliedern (von welchen das letzte jedoch häufig eine
Andeutung von einer Zusammensetzung aus mehreren Gliedern auf-
weist), während sie bei den Mücken lang sind und aus einer grösseren
Anzahl Glieder bestehen. Die Mundtheile sind zum Saugen von
Pflanzensäften oder von thierischen Flüssigkeiten eingerichtet; die
Hauptpunkte ihres Baues sind S. 246 mitgetheilt. Alle drei Brust-
ringe sind verwachsen; die Vorderbrust ist klein. Von den Flügeln
wickelt, zum Flug geeignet; die Hinterflügel sind zu kleinen keulen-
förmigen Anhängen, Schwingkölbchen, rückgebildet, welche
während des Fluges in lebhafter Bewegung sind; ihre Function ist
nicht sicher festgestellt. Die Beine besitzen ein langes Hüftglied,
ein langes erstes Fussglied und oft 2—3 kleine weiche Kissen (Pe-
lotten) am äussersten Fussglied. Der Hinterleib ist entweder sitzend
oder durch eine Einschnürung von der Brust gesondert. — Die
Larven sind stets Maden, d. h. die Brustfüsse fehlen; einige der-
selben besitzen aber noch einen deutlichen, fest chitinisirten , mit
Augen, Fühlern und Mundtheilen versehenen Kopf; bei anderen ist
dagegen der Kopf nicht ausgeprägt, Augen fehlen, die Fühler ebenso
(oder sie sind sehr rückgebildet), die Mundtheile sind durch ein Paar
dunkel gefärbter Chitinhaken am Munde (die Vorderkiefer?) repräsen-
tirt. Die Larven leben im Wasser, in faulenden Theilen, in (an)
Pflanzen oder als Schmarotzer. Bei denjenigen Zweiflüglern, deren
Larven einen ausgebildeten Kopf besitzen, erinnern die Puppen an
Schmetterlingspuppen, indem die Anhänge dem Körper dicht angelegt
sind; bei denjenigen mit „kopflosen" Maden bleibt die Puppe inner-
halb der erhärteten letzten Larvenhaut liegen (Tönnchenpuppe).
1. Die Mücken (Nemocera) sind in der Regel schmächtige Thiere
mit langen Fühlern , welche bei den Männchen oft mit langen auswärts
gerichteten Haaren versehen sind, schmalen Flügeln, langen dünnen Beinen.
Hierzu gehören n. a. folgende: Die Stechmücken (Culex) haben 14-
gliedrige Fühler, welche beim Männchen lang behaart sind; Mittelkiefer-
taster beim Männchen länger als der Rüssel; nur das Weibchen besitzt
Vorderkiefer, sticht und saugt Blut. Die Larven im Wasser; sie besitzen
nur zwei Stigmen, welche am Ende eines Fortsatzes (der „Athemröhre")
am Hiuterende sitzen; die bewegliche Puppe hat vorne am Körper zwei
aufrechte AthemrÖhren; sowohl Larven als Puppen hängen häufig mittels
der Athemröhren an der Wasseroberfläche. Die Schnaken oder Bach-
mücken (Ttptiiä) sind grosse Mücken, deren Larven in Wiesen oder in
fauligem Holz leben. Die Gallmücken (Cecidomyia u. a.) sind sehr
kleine, zarte Mücken, deren Larven häufig in Gallen ebenso wie die der
Gallwespen leben (eine Gallmücke, C. fagi, lebt z. B. in den bekannten
spitzen Gallen an Buchenblättern); manche Arten erzeugen übrigens keine
ist das erste Paar, dessen
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Gliederfüssler. 3. Claas«: Insekten.
293
Fig. 206. CuUjc. a Larve (Kopf nach unten), b Puppe,
r. ausgebildetes Thier. — Nach Tawhenberg.
Gallen, die Larven leben aber durchweg in lebenden oder abgestorbenen
Pflanzen. Bei einigen Arten dieser Gruppe ist Pädogenesis nachgewiesen
(vergl. 8. 257). Die Kriebelmücken [Simulia) sind kleine fliegen-
ähnliche Mücken, deren Weibchen ebenso wie Culex Blutsauger sind ; mehrere
der berüchtigten „Mosquitos"
wärmerer Länder sind Arten « c b
dieser Gattung; andere, z. B.
die Columbaczer- Mücke (S.
columbaczensis) in Ungarn,
werden zuweilen, wenn sie
in grosser Anzahl auftreten,
eine ernste Plage des Viehs,
indem sie die Weidethiere
an dünnhäutigen Stellen
stechen , was Entzündung,
Fieber, oft sogar den Tod
mit sich führen kann. Die
Larven der Kriebelmücken
leben im Wasser.
2. Die Bremsen (Ta-
banidae) haben am letzten
Glied der sogenannten drei-
gliedrigen Fühler deutliche Einschnürungen (die Fühler sind somit eigent-
lich mehr als dreigliedrig). Der Kopf kurz und breit, mit sehr grossen
Angen. Oberkiefer nur beim Weibchen. Hinterleib abgeplattet. Die
Larven cylindrisch, leben in der Erde. Die Weibchen saugen Blut von
Säugethieren, plagen z. B. im Sommer die Pferde sehr.
3. Zu der Familie der Muscidae gehört eine ungeheure Menge von
Fliegenformen, welche darin mit einander übereinstimmen, dass die kurzen,
dreigliedrigen Fühler an ihrem Endglied mit einer gegliederten Borste ver-
sehen sind; die Unterlippe mit zwei lippenartigen Theilen am Ende; die
Schwingkölbchen häufig von einem häutigen , vom Grunde der Vorder-
flügel entspringenden Lappen überdeckt. Die Larven sind kopflos mit zwei
starken Cbitinhaken am Munde und zwei grossen Stigmen am Hinterende.
Die Stubenfliege (Musen domcslica), welche über die ganze Erde ver-
breitet ist, lebt als Larve besonders in Mist (in Stallungen etc.); die blaue
SchmeiBsfliege (M. vomitoria) legt ihre Eier (Schmeiss) an Fleisch ab,
von welchem die bald nachher ausschlüpfenden Maden sich ernähren; eine
verwandte, ebenfalls häufig vorkommende Fliege mit gewürfelter Zeichnung
am Hinterleib, die „graue Fleisch fliege" , Sarcophaga cartiaria, ist
lebendig-gebärend, die Larven leben in verwesenden thierischen oder pflanz-
lichen Stoffen ; auch die springenden Maden, welche in altem Käse leben,
sind die Larven einer Muscide (Piophila casei, Käsefliege). Die Raupen-
fliegen /TacJnnaj sind der Schmeissfliege und deren Verwandten ähnlich,
unterscheiden sich aber durch gröbere Behaarung und einzelne andere
Charaktere ; die Larven sind Schmarotzer, welche besonders in Scbroetter-
lingsraupen, in ähnlicher Weise wie die Schlupfwespen-Larven, leben, ge-
wöhnlich findet sich jedoch nur ein Exemplar in jedem Wirth.
4. Die Biess fliegen oder Bremen (OeMridae) sind mit den Musciden
nahe verwandt, unterscheiden sich aber dadurch, dass die Mundtheile rudi-
mentär sind, da die Imago keine Nahrung zu sich nimmt. Die Larven,
welche denen der Musciden ähnlich sind, leben als Schmarotzer in ver-
schiedenen Säugethieren: Die Magenbrenien, Oastnts w/i/t* (und andere
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294
Specieller Theil.
Arten derselben Gattung), sind ausserordentlich häufig im Magen des Pferdes;
mit ihren Mundhaken ist die Larve an der Magenwand festgeheftet und
ernährt sich von dem an der betreffenden Stelle sich bildenden Eiter; die
Eier werden an der Haut des Pferdes abgelegt, die jungen Larven werden
Fig. 207. (iastrus equi. n Ei, b erwachsene Larve, c junge Larve, d Tönnchenpuppc,
t die Fliege. — Nach Taschenberg.
vom Pferde abgeleckt, und so gelangt der Schmarotzer in den Magen hinein ;
die reife Larve geht mit den Excrementen durch den After ab, und die
Verpuppung findet in der Erde statt. Die Nasenbrem e des Schafes
( Oestrus oviv) lebt in der Nasenhöhle und den Stirnhöhlen des Schafes ;
die Hautbremen des Rindes {Ilypodcrma bovis) kommen sehr häufig in
geschwürartigen Knoten in der Haut des Kindes vor.
5. Die Laus fliegen (Hippoboscidae) bilden eine im Baue und in
den Lebensverhältnissen sehr abweichende Gruppe der Zweiflagier. Es
sind abgeplattete Thiere mit lederartigem , dehnbarem Hinterleib ; einige
haben Flügel und Schwingkölbchen , bei anderen fehlen diese Theile; die
Brust ist breit , die Beine der einen Seite sitzen weit von denen der an-
deren , die Krallen sind kräftig , mit je einem kleinen Zahn. Die ausge-
bildeten Thiere leben als Schmarotzer, Blutsauger, an Säugethieren und
Vögeln. Sehr merkwürdig ist die Fortpflanzung: das Ei (es reift auf ein-
mal immer nur ein Ei) bleibt im Eiergang der Mutter liegen, die aus dem
Ei schlüpfende Larve wird von einer milchartigen Absonderung gewisser in
den Eiergang mündender Drüsen ernährt und verlässt den Eiergang der
Mutter erst, wenn sie ihre definitive Grösse erreicht hat, um sich gleich
nach der Geburt zu verpuppen. Auf dem Pferd (und Bind) findet man
die lebhafte, geflügelte Hippobosca equina, auf Schafen in der Wolle den
flügellosen Melophagtis ovinus (Schaflaus). — Dieselbe Fortpflanzungsweise
besitzt auch die nahe verwandte kleine , blinde , flügellose Bienen laus
(Braula com/), welche auf Honigbienen schmarotzt.
In die Nähe der Zweiflügler stellt man gewöhnlich , wahrscheinlich
übrigens mit Unrecht, die Flohe (Aphaniptcra). Der Körper dieser Thiere
ist zusammengedrückt, die Farbe hellgelb bis dunkelbraun, der Kopf klein
mit einem einzigen Punktauge auf jeder Seite (statt der zusammengesetzten
Augen) , die Fühler klein , gekeult , in einer Grube hinter den Augen
liegend. Die Mundtheile sind zum Saugen eingerichtet, von denen der
Zweiflügler aber etwas abweichend gebildet: die eigentliche Saugröhre be-
steht aus der sehr langen, an ihrer Unterseite rinnenförmig ausgehöhlten
Oberlippe und den beiden Vorderkiefern , welche letztere zusammen eine
nach oben offene Halbrinne bilden ; die Mittelkiefer sind kurz , zugespitzt,
mit einem 4gliedrigen Taster von bedeutender Länge versehen und bilden
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GliederfÜBsler. 3. Classe: Insekten.
295
zusammen mit der Unterlippe, welche zwei 3gliedrige Taster trägt, eine
Art Scheide um die eigentliche Saugröhre ; ein Hypopharynx fehlt. Es Bind
drei deutlich unterschiedene Brustringe vorhanden, welche drei Paar lange
kräftige Beine (die Hinterbeine sind etwas stärker als die anderen) mit
ungewöhnlich grossen Hüften und 5 gliedrigen
Füssen tragen ; Flügel fehlen. Sie leben als *
Schmarotzer an Säugethieren und Vögeln. —
Den Larven fehlen Augen und Beine, der weiss-
liche Körper ist cyl indrisch, etwas behaart, die
Mundtheile sind beissend ; vor der Verpuppung
spinnen sie einen Cocon. Sie leben in Kehricht
u, ä. — Auf dem Menschen lebt Pitlex irräans,
an verschiedenen anderen Thieren kommen andere
Arten derselben Gattung vor. In den tropischen
Gegenden von Amerika lebt der Sand floh (Sar-
copsyüa penetrant?), welcher das Blut des Menschen
und verschiedener Säugethiere saugt; das befruch-
tete Weibchen bohrt sich vollständig in die Haut ""^uyrfrtv^
ein, und der Hinterleib schwillt nachher in Folge *VV^>£
der Entwicklung der Eier ausserordentlich an i08 irritaJU.
(zur Grösse einer Erbse) ; die Oeffnung zu der / ausgebildetes Thier, 2 Larve,
kleinen Höhlung der Haut, in welcher der Floh 3 Puppe —Nach Taschenberg,
sitzt, wird von dessen Hinterende ausgefüllt, so
dass er bequem die Eier ablegen kann; nach der Eiablage stirbt er ab.
3
4. Classe. Spinnenthiere (Arachnida).
Der Körper zerfällt in einen Vorderleib und einen glied-
maassenlosen Hinterleib, von welchen ersterer als dem Kopf -{- der
Brust der Insekten entsprechend betrachtet wird. Der Vorderleib
Fig. 209. Schema der Organisation einer echten Spinne, a After; b ßlimMurni
des Mitteldarmes, b' sein vorderes Ende, b" Acste des Blinddarms in die (hier abgeschnittenen)
Beine; c Gehirn, mit der Hauclignnglienmasse zusammenhangend, d Mitleidarm, g Giftdrüse,
H Herz, i-, Oberkiefer, 4, Unterkiefer, l Lebergaug, /, Lunge, Lc Leber, -V Malpighi'sches
Gefass, itx Anschwellung des Enddarmes, in welche M einmünden; o Augen, Ov Eierstock,
8 grössere Spinndrüsen, 8' kleinere do., T Oeffnung des Trachccnsystems, Z Spinnwarzen,
9 weibliche Geachlechtsöffnung. - Nach Krieger, geändert.
ist in der Regel ungegliedert, der meistens kurze Hinterleib ist bei
einigen gegliedert, bei anderen ungegliedert; zuweilen sind beide Ab-
schnitte durch eine tiefe Einschnürung getrennt (bei den eigentlichen
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296
Specieller Theil.
Spinnen), meistens ist aber keine tiefere Trennung vorhanden ; zuweilen
ist sogar der ganze Körper zu einem einzigen ungegliederten Stück
verschmolzen (bei den Milben). Der Vorderleib ist vorn mit einer
verschiedenen Anzahl in verschiedener Weise gruppirter Punkt-
äugen, niemals aber mit zusammengesetzten Augen, ausgestattet;
gewisse Milben sind blind. Antennen fehlen. Es sind zwei Paar
Kiefer vorhanden, welche wir als Ober- und Unterkiefer be-
zeichnen ; es wird meistens angenommen, dass sie resp. den Vorder- und
Mittelkiefern der Insekten entsprechen, was aber zweifelhaft ist. Die
Oberkiefer, welche vor dem Munde liegen, sind 2 — 3gliedrig, von
den Vorderkiefern der Insekten (und Krebse) ganz verschieden,
bei manchen (z. B. bei den Scorpionen* haben sie die Form kleiner
Scheeren, bei den Spinnen ist das Endglied krallenförmig und mit
der Ausführungsöfifnung einer Giftdrüse versehen. Die Unterkiefer
sind in der Regel beinähnlich, länger oder kürzer; ihr Basalglied ist
oft mit einer Art Kaulade versehen, während die übrigen Glieder ent-
weder alle einfach sind und zusammen einen kräftigen Taster bilden,
oder die beiden äussersten Glieder sind zu einer grösseren oder kleineren
Scheere umgebildet. Hinter den Unterkiefern sind vier Beinpaare
vorhanden, von welchen das erste nach
der allgemeinen Annahme den Hinter-
kiefern (der Unterlippe) der Insekten, die
übrigen den Brustfüssen der Insekten
entsprechen; sie sind übrigens alle in
der Regel wesentlich gleichgebildet, be-
stehen meistens aus je 7 Gliedern.
Die Haut ist bei den meisten
Spinnenthieren weniger fest als bei den
Insekten, gewöhnlich ist die Chitinhaut
lederartig, oft behaart. Von Hautdrüsen
müssen besonders die bei gewissen Ab-
theilungen (Spinnen , Afterscorpionen
u. a.) vorhandenen Sp in ndrüsen her-
vorgehoben werden. Das Nerven-
system besitzt den gewöhnlichen
Gliederfüssler- Typus, zeichnet sich aber
bei der Mehrzahl dadurch aus, dass
alle Bauchganglien zu e i n e r Ganglien-
masse verschmolzen sind ; nur bei einer
geringeren Anzahl (z. B. den Scor-
pionen) findet man eine Reihe ge-
trennter Bauchganglien. Von höheren
Sinnesorganen kennt man nur die
oben erwähnten Augen ; da aber gewisse
Formen einen Laut erzeugen können,
ist es sehr wahrscheinlich, dass auch
sind. Der
Geftwe einmünden, M.ebergänge, m Darmkanal zeichnet sich bei man-
Mitteler «Speiseröhre o> An*chwoi- cnen Spinnenthieren dadurch aus, dass
lung derselben, welche als Saugupparat ^m»*^«v .. , "
dient, u Maipighi'sches ({eft»8. - Orig. vom vorderen Theil des Mitteldarms
mehrere Blindsäcke entspringen,
welche sich häufig mehr oder weniger weit in die Beine hinein er-
strecken. Bei den echtenSpinnen entspringt jederseits vom Mittel-
Fig. 210. Dartnkunal einer echten
Spinne, schematisirt. b Blinddarm,
b' dessen vorderes Ende b" $eitcuä*tc
desselben, r Enddarm, t Anschwellung
desselben, in welche die Malpighi'schen Hörwerkzeuge Vorhanden
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Gliederfüßler. 4. Classe: Spinnenthiere.
297
darm ein starker, gebogener, nach vorn gerichteter Blinddarm, welcher
vier lange, in den Basalabschnitt der Beine sich erstreckende Aeste
entsendet; die vordersten Enden beider Hauptblinddärrae legen sich
oberhalb des Vorderdarmes dicht aneinander (Fig. 210) und ver-
schmelzen an dieser Stelle bei vielen Spinnen mit einander. Es finden
sich Speicheldrüsen und, im Gegensatz zu den Insekten, bei manchen
eine grosse aus zahlreichen Schläuchen zusammengesetzte Leber,
welche ihren Platz im Hinterleib hat. Bei den meisten Arachniden
hat man ähnliche Mal pighi 'sehe Gefässe wie bei den Insekten
nachgewiesen. Segmentalorgane fehlen *). Die Ath mungsorgane
sind entweder durch ein Tracheensystem, welches sich mit einer
geringen Anzahl Athemlöcher an der Körperoberfläche öffnet, oder
durch sogenannte Lungen repräsentirt ; letztere sind Hauteinstülpungen ,
welche jede wieder mit einer Reihe flacher Ausstülpungen versehen sind,
die neben einander ähnlich wie die Blätter eines Buches liegen ; beide
Formen von Athmungsorganen können einzeln oder neben einander
bei demselben Spinnenthier vorhanden sein. Die Lungen dürften
übrigens als modificirte, auf einen eng begrenzten Theil des Körpers
beschränkte Tracheen aufzufassen sein. Bei manchen Milben fehlen
besondere Athmungswerkzeuge ganz. DasGef äs s System ist oft besser
entwickelt als bei den Insekten ; man findet z. B. bei den Scorpionen,
welche mit Lungen versehen sind, ähnliche Verhältnisse des Kreis-
laufs wie bei manchen Krebsen: das Blut fliesst vom Herzen durch
eine Anzahl Arterien in den Körper; das venöse Blut sammelt sich
in einem grossen Blutbehälter an der Bauchseite und geht von da
zu den Lungen, von welchen das jetzt arterielle Blut zu dem das
Herz umgebenden Herzbeutel und dann durch die Spaltöffnungen in
das Herz tritt; letzteres ist bei den Scorpionen ein langer Schlauch,
welcher ebenso wie bei den Insekten in eine Reihe
von Abschnitten oder Kammern (8) getheilt ist,
jede mit einem Paar Spaltöffnungen. Bei anderen
Arachniden ist das Herz kürzer und hat eine ge-
ringere Anzahl von Spaltöffnungen , und das Ge-
fässsystem ist weniger vollkommen, das Blut fliesst
in grösserer Ausdehnung in Spalten zwischen den
Organen. Bei den meisten Milben scheint sogar
das Herz zu fehlen. Wie bei anderen Glieder-
füsslern ist auch hier beim Weibchen 1 Paar Eier-
stöcke und beim Männchen 1 Paar Hoden vor-
handen; beide Eierstöcke, resp. Hoden, sind häufig
theilweise mit einander verbunden und die Aus-
fuhrungsgänge münden mit gemeinsamer Oeffnung
weit vorne auf der Unterseite des Hinterleibs. „cj^JfchfgipparaV
Bei den Afterspinnen und den Milben sind die c;nor Afternpinne.
Geschlechtsdrüsen an dem einen Ende verbunden «Eierstock «Auschwei-
und setzen sich mit dem anderen in die Ei- oder ,nn& (lcs Eier-
Samenleiter fort, welche sich bald zu einem Eier- ^SxieTmuSfd^
oder Samengang vereinigen , der somit von einem 8eibcn. — Nach c.ogen-
ringformigen. von den Geschlechtsdrüsen und ihren baur.
paarigen Ausfuhrungsgängen gebildeten Theil ent-
') Bei gewissen Phalanpiden hat man ein Paar besondere harnabsondernde
Organe gefunden, welche seitlich auf dem Kücken ausmünden.
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298
Specieller Theil.
springt. Häufig sind Männchen und Weibeben schon äusserlich mehr
oder weniger verschieden. Eine Metamorphose durchlaufen die
Spinnenthiere selten; die neugeborenen Thiere sind meistens den
Eltern ähnlich, zuweilen fehlt jedoch das letzte Glied maassenpaar.
Ebenso wie die Insekten sind die Spinnenthiere überwiegend
Land- und Süsswasserthiere ; manche sind Schmarotzer. Im Meere
leben, ausser den Asselspinnen (Pycnogoniden), deren Zugehörig-
keit zu den Arachniden nicht unzweifelhaft ist, nur einige wenige
Milben.
1. Ordnung. Gliederspinnen (Arthrogastra).
Die Mitglieder dieser Ordnung, welche eine Anzahl sehr ver-
schiedener Formen umschliesst, zeichnen sich den beiden folgenden
Ordnungen gegenüber dadurch aus, dass der Hinterleib deutlich
gegliedert ist. Die Oberkiefer sind meistens scheerenförmig.
Sie athmen entweder durch Lungen oder durch Tracheen.
1. Die Scorpione (Scotjnonidae} besitzen eine gestrecktere Leibes-
form als die übrigen Spinnenthiere. Der Vorderleib, welcher vom Hinter-
leib nicht durch eine Einschnürung getrennt ist, trägt oben in der Mitte
zwei Augen und vorne jederseits eine kleine Gruppe (2 — 5) Augen; die
Oberkiefer sind kurze , kräftige Scheeren ;
die Unterkiefer, welche in der Form leb-
haft an die grossen ScheerenfÜsse eines
Flusskrebses erinnern, sind von ansehnlicher
Länge (wie die Beine oder mehr) und mit
je einer kräftigen Scheere ausgestattet; die
4 Beinpaare sind wohlentwickelt. Von den
13 Segmenten des Hinterleibs sind die
6 hintersten weit schmäler als die vorderen
und bilden einen sehr beweglichen Schwanz ,
welchen das Thier über den übrigen Körper
gebogen, mit der Spitze nach vorn gerichtet,
trägt. Das hinterste Schwanzglied endet mit
einem spitzen Haken, dem Giftstachel,
an dessen Spitze sich zwei feine Oeflnungen
befinden, die Mündungen zweier Giftdrüsen,
welche im vorderen, angeschwollenen Theil
des Gliedes liegen. Der After befindet sich
in der Gelenkhaut zwischen dem letzten und
vorletzten Schwanzglied. Vorne an der
Unterseite des Hinterleibs, dicht hinter den
Beinpaaren, entspringt ein Paar abgeplatteter,
men, 1—4 die Heine. — Nach M
Edward«.
Fig. 212. Scorpion, von der
Unterseite; Unterkiefer , Beine und
Schwanz nicht vollständig gezeichnet.
y Geochlcchtsöffnuug, i kammartiger ungegliederter, an ihrem nach hinten ge-
Anhang, o Ober-, « Unterkiefer, * Stig- kehrten Rande gekämmter Anhänge, deren
Bedeutung unbekannt ist, und dicht bei
diesen liegt die Gesohlechtsöffnung; an dem
breiten Theil des Hinterleibs finden sich noch, gleichfalls an der Unter-
seite, 4 Paar spaltformige Stigmen, welche die Oeffnungen ebenso vieler
Lungen paare sind. — Die Scorpione, welche ziemlich grosse Thiere
sind, gebären lebendige Junge, die in den ersten Wochen bei der Mutter
bleiben; letztere stirbt bald nachher ab. Sie leben in den Tropen und
den wärmeren Ländern der gemässigten Zone (ein paar Arten in Südeuropa),
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Gliederfussler. 4. Claate: Spinnenthiere.
299
halten sich an versteckten Stellen auf und ernähren sich von Insekten and
Spinnen, welche sie mit den Scheeren ergreifen and durch einen Stich des
Giftstachels tödten.
2. Die Afterscorpione (Pseuäoscorpionidae : Gatt. CMifer u. a.)
erinnern auf den ersten Blick lebhaft an die Scorpione, denen sie in der
Ausbildung der Ober- und der Unterkiefer ähnlioh sind. Sie unterscheiden
sich jedoch in manchen Beziehungen. Der hintere Theil des llgliedrigen
Hinterleibes ist nicht als Schwanz entwickelt und ein Giftstachel fehlt;
weiter ist hervorzuheben, dass sie durch Tracheen athmen, welche sich
mit zwei Paar Stigmen auf der Unterseite des Hinterleibes öffnen. Auf
dem Vorderleib sind vorne an jeder Seite 1—2 Augen vorhanden , welche
jedoch zuweilen fehlen. An der Unterseite des Hinterleibs findet sich
vorne, in der Nähe der Geschlechtsöffnung, eine Menge feiner durchbohrter
8pitzen mit den Oeflhungen der Spinndrtisen. Die Eier und nachher die
bei der Geburt sehr unvollkommen entwickelten Jungen werden auf der
Unterseite des Körpers umhergetragen; erstere sind zu einem kuchen-
form igen Gebilde zusammengeklebt. Die Afterscorpione (Bücherscorpione)
sind kleine Thiere, welche unter Rinde, in Moos, alten Büchern, Insekten-
sammlungen u. ä. Stellen vorkommen ; sie ernähren sich von Milben, Bücher-
läusen etc.
3. Die Afterspinnen (P/uUangüdae) *) haben einen kurzen gewölbten
Körper ohne scharfe Grenze zwischen Vorder- und Hinterleib. Der Vorder-
leib, welcher aus drei undeutlich gesonderten und unbeweglich verbundenen
Segmenten zusammengesetzt ist, trägt an seiner Oberseite ein Paar Augen,
welche ähnlich wie die beiden Mittelaugen der Scorpione gestellt Bind; die
Oberkiefer sind kleine Scheeren, die Unterkiefer tasterförmig, viel kürzer
als die ausserordentlich langen Beine, welche dadurch ausgezeichnet sind,
dass das Endglied in eine grosse Anzahl kleiner Glieder getheilt ist. Der
Hinterleib besteht aus 8 undeutlichen Segmenten ; er ist vorne mit einem
Stigmenpaar versehen, welches in ein Tracheensystem hineinfuhrt.
Den Afterspinnen eigentümlich ist das lange, vorstreckbare Begattungs-
urgan des Männchens und die ebenfalls lange, ausstülpbare Legeröhre des
Weibchens ; die Geschlechtsöffnung hat ihren Platz weit nach vorn. Die
Afterspinnen (auch „Weberknechte" etc. genannt), welche beim ersten An-
blick an langbeinige Spinnen erinnern, trifft man häufig bei menschlichen
Wohnungen.
2. Ordnung. Echte Spinnen (Aranetna).
Die Spinnen sind dadurch von den übrigen Arachniden zu unter-
scheiden, dass Vorder- und Hinterleib durch eine tiefe Ein-
schnürung von einander getrennt sind. Beide sind ungegliedert;
doch hat das neugeborene Junge Andeutungen einer Gliederung des
Hinterleibes. Der Vorderleib trägt vorne eine Gruppe von 6—8, in
verschiedener Weise geordneten Augen. Die Oberkiefer sind aus
einem einfachen, starken Grundglied und einem krallenförmigen End-
glied, an dessen Spitze eine Giftdrüse ausmündet, zusammengesetzt.
Die Unterkiefer sind tasterförmig mit breiterem Grundglied; das
Endglied ist beim erwachsenen Männchen derartig umgebildet, aus-
gehöhlt etc., dass es geeignet ist, den Samen von der Gcschlechts-
öffnung des Männchens in diejenige des Weibchens zu übertragen;
es ist oft sehr complicirt gebaut. Die Beine sind recht kräftig, oft
*) Bei der Darstellung ist von einzelnen abweichenden Formen abgesehen.
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300
Specialer Theil.
von ansehnlicher Länge. Der Hinterleib ist vorne auf der Unterseite
stets mit einem Paar Stigmen versehen, welche in je eine Lunge
führen; bei einer geringeren Anzahl Spinnen findet sich hinter diesem
Stigmenpaar noch ein zweites, welches entweder (z. ß. bei den
Vogelspinnen) in ein ähnliches Lungenpaar oder (z. ß. bei der Wasser-
spinne) in ein Tracheensystem führt, ßei den meisten Spinnen
fehlt jedoch letzteres Stigmenpaar; anstatt dessen besitzen sie dann
weiter hinten, dicht vor den Spinnwarzen, ein unpaares Stigma, welches
Mehrzahl der Spinnen besitzen somit sowohl Tracheen als
Lungen, eine geringere Anzahl nur Lungen, dann aber vier. Am
Hinterende, unterhalb des Afters, finden sich 4—6 Spinnwarzen,
ziemlich grosse Fortsätze, welche mit einer kleineren oder grösseren
Anzahl (bei der Kreuzspinne zusammen ca. 700) kurzer feinster
Röhrchen besetzt sind, welche jedes an der Spitze die Ausfübrungs-
öffnung einer im Hinterleib gelegenen Spinndrüse trägt. Die Spinn-
drüsen können bei demselben Thier verschieden gebaut sein und ver-
schiedenes Secret liefern ; wenn letzteres durch die Röhrchen hinausge-
presst wird, erhärtet es zu feinen Fäden ; bei manchen Spinnen, welche
Fangnetze bilden, bleiben einige Fäden klebrig. Mittels der Füsse
werden die feinen Fäden zu gröberen zusammengesponnen; bei allen
Spinnen wird das Gespinnst zu einer Hülle um die Eier verwendet,
bei manchen werden ausserdem aus demselben Fangnetze, Wohnungen
u. desgl. gebildet. Die Geschlechtsöffnung befindet sich vorne zwischen
dem ersten Stigmenpaare. Die Männchen sind oft kleiner als die
Weibchen, zuweilen ist sogar der Unterschied so gross, dass jene,
welche übrigens den gewöhnlichen Bau besitzen, als Zwergmännchen
zu bezeichnen sind. Die Spinnen, welche sich besonders von Insekten
ernähren, die sie mit den Oberkiefern tödten, sind eine sehr artenreiche,
aber einförmige Abtheilung, welche auch in den Ländern der ge-
mässigten Zone reich vertreten ist.
Als Beispiele führen wir an: die Vogelspinnen (Mygale), grosse,
dicht behaarte , mit 4 Lungen versehene tropische Thiere , welche sogar
kleine Wirbelthiere anfallen und verzehren; die gemeine Kreuz s pinne
{Epeira diadema), welche ebenso wie die Hausspinne (Tegenaria domestica)
Fangnetze bildet und oft in und bei Häusern lebt; die Wasserspinne
(Argyronela aquatica) , baut sich im Wasser ein glockenförmiges Gespinnst,
dessen Höhlung mit Luft gefüllt wird, welche das Thier in seiner samniet-
artigen Körperbehaarung von der Oberfläche des Wassers holt ; in kleinerem
Gewässern häufig.
Die Milben sind kleine, häufig sogar mikroskopische Spinnenthiere,
deren Vorder - undHinterleibzu einem in der Regel ungegliederten
Stück verschmolzen sind. Sie besitzen 1—3 Paar Augen oder gar keine.
Die Mundtheile sind in der Regel kurz, die Oberkiefer meistens
scheerenförmig, ebenso bisweilen die Unterkiefer; sie werden bald als
ßeiss-, bald als Stechwerkzeuge verwendet. Die Beine haben ver-
schiedene Formen. Ein Herz ist nur bei einzelnen Milben nachge-
wiesen; besondere Athmungswerkzeuge fehlen ebenfalls häufig, bei
manchen ist aber ein durch ein Paar Stigmen sich öffnendes
Tracheensystem vorhanden. Wenn die Jungen das Ei ver-
in ein verschieden
Die
3. Ordnung. Milben (Acarina).
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Gliederfdssler. 4. Classe: Spinnenthiere.
301
Fig. 213. Schema der Organisation eines Ty-
roglyphus ; Beine abgeschritten, a After, c Gehini,
d Mitteidann, *, Ober- k, Unterkiefer. 31 Mal-
pighi'schea Gefäsa. n Bmuchganglienraaase. Op Eier-
stock; 9 Auaführungsöffnung der Eier. 9' Begat-
tungsöffnung. — Orig.
lassen, besitzen sie nur drei Beinpaare, das vierte entwickelt sich erst
später; auch in anderer Hinsicht können die Jungen mehr oder
weniger von den Erwachsenen abweichen. Manche Milben verfallen vor
den Häutungen in einen Zustand der Ruhe.
Die Geschlechtsöffnung be-
findet sich wie bei anderen Arach-
niden vorne auf der Unterseite
des Hinterleibs. Bei einigen
Milben (Tyroglyphus; wahrschein- £
lieh auch bei den Krätzmilben) ^
ist aber beim Weibchen ausser ^ ^/~~ — * V- i lläs^J
der gewöhnlichen Geschlechts-
öffnung noch eine zweite, hinten
dicht oberhalb des Afters ge-
legene Oeffnung des Geschlechts-
apparates vorhanden, durch wel-
che der Samen bei der Paarung
aufgenommen wird, während die
vordere als Ausführungsöffhung der Eier verwendet wird.
1. Die Lauf m üben (Dombidium) sind rothe, fein sammetartig be-
haarte, viereckige Thiere, von denen einige zu den grössten Milben gehören;
ihre Jungen leben als Schmarotzer an Weberknechten , Spinnen und In-
sekten ; die Erwachsenen sind Räuber. — Die Wassermilben (Hydrachna
u. A.) sind rundliche, oft rothgefärbte Thiere, welche vermittels der be-
haarten Beine im Wasser umherschwimmen; die sechsbeinigen Larven
kommen als Schmarotzer an Wasserinsekten vor, während die Erwachsenen
meistens frei leben (eine Art dieser Abtheilung schmarotzt im erwachsenen
Zustande zwischen den Kiemen von Süsswasserrauscbeln). — An Käfern,
Hummeln u. A. findet man häufig Arten der Gatt. Ganiasus (K äf e r m i 1 b e) ,
kleine Thiere mit einem ovalen, abgeplatteten, ziemlich festen, bräunlichen
Körper ; sie laufen frei auf dem Wirthe umher. Eine verwandte, aber dünn-
häutigere Milbe, die gemeine Vogelmilbe (Dermanyssits avium), kommt
an Vögeln (Hühnern , Kanarienvögeln) vor, deren Blut sie saugt ; ähnlich
wie die Bettwanze ist sie ein temporärer Parasit, welcher Nachts die Vögel
heimsucht (ca. 1 mm lang). — Die Zecken {Ixodes) sind abgeplattete
Milben mit einem ziemlich festen, aber sehr erweiterungsfähigen Hautskelet,
welche an Säugethieren, Vögeln und Kriechthieren Blut saugen; wenn das
Weibchen sich mit Blut vollgesogen hat, ist es vielmals grösser als vorher.
— Die Arten der Gattung Tyroglyphus (Käsemilbe, Mehlmilbe)
leben in altem Käse, Mehl und vielen anderen halbtrockenen organischen
Substanzen ; es sind weisaliche, glänzende, fast mikroskopische Thierchen. —
Alle hier angeführten Milben, mit Ausnahme von Tyroglyphus, besitzen
Tracheen.
2. Die Krätzmilben (Sarcoptidae) sind mikroskopische, blinde,
tracheenlose Milben, meistens mit Saugnäpfen an der Spitze der Püsse;
sie leben als stationäre Schmarotzer an Säugethieren und Vögeln und ernähren
sich entweder von ausgeschwitzter Lymphe oder von Oberhautgebilden. Es ist
interessant, dass die Männchen, welche von den Weibchen meistens an-
sehnlich verschieden sind, sich mit letzteren begatten, ehe diese ihre defini-
tive Form erreicht haben und während der Eierstock noch gar nicht aus-
gebildet ist. Hierzu gehört die Krätzmilbe des Menschen, Sarcoptes scabie),
welche in der Oberhaut Gänge nagt; das Weibchen hat Saugnäpfe an den
beiden vorderen Fusspaaren , das kleinere Männchen ausserdem noch
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302
Specieller Theil.
vierten Paar. Verschiedene nähere und entferntere Verwandte leben in
und an der Haut bei anderen Säugethieren und bei Vögeln und erzeugen die
als Räude bezeichneten Krankheiten. In den Haarbälgen an der Nase
des Menschen findet man sehr allgemein eine eigenthümliche mikroskopische
Milbe von gestreckter Leibesform und mit ganz kurzen Beinen ohne Saug-
näpfe: die Haarbalgmilbe {Jkmodex foUimlomm) ; sie ist ganz unschäd-
lich, während eine Varietät derselben Art, welche auf dem Hunde lebt,
bei diesem Thiere ein sehr ernstes Hautleiden verursacht.
3. Die Gallmilben (Phyloptus) sind mikroskopische Milben mit ge-
strecktem Körper, welche besonders dadurch von anderen Milben leicht zu
unterscheiden sind, dass sie nur zwei, und zwar die beiden vorderen Bein-
paare besitzen. Die Gallmilben saugen Pflanzensäfte und erzeugen dadurch
an sehr vielen, besonders holzartigen, Pflanzen verschiedenartige Missbil-
dungen der Blätter und Knospen: Filzflecken. Benlen, Beutelgallen, Um-
rollungen der Blattränder etc.
Anhang zu den Spinn ent liieren.
Die drei im Folgenden zu erwähnenden, sehr eigenthümlichen kleinen
Gruppen werden in der Regel alle den Arachniden zugerechnet. Ihre
systematische Stellung ist aber nicht sicher fest-
gestellt, wenn es auch — wenigstens für die bei-
den ersteren — als wahrscheinlich gelten muss,
dass sie mit den Arachniden am nächsten verwandt
sind. Unter allen Umständen sind sie aber so
abweichend, dass sie am besten anhangsweise zu
behandeln sind.
Die Pentastomen oder Zungenwürmer
(PetttaaUmium), welche als Schmarotzer in ver-
schiedenen Wirbelthieren leben, sind Thiere von
recht ansehnlicher Grösse, welche auf den ersten
Blick kurzgliedrigen Bandwürmern ähnlich sind.
Der Körper ist gestreckt, in der Regel abge-
plattet, durch Querfurchen in eine grosse Anzahl
kurzer Glieder getheilt (die Gliederung ist übrigens
nur im Aeusseren des Thieres, keineswegs im Innern
ausgesprochen); von Gliedmaassen bemerkt man
nur zwei Paar Chitinhaken vorne nicht weit von
der Mundöffnung. Der Darmkanal ist ein gerader
Schlauch, der After befindet sich am Hinterende
des Thieres. Die Geschlechtsöffnung des Männchens
liegt weit vorne an der Bauchseite, die des Weib-
chens dicht am After; die Geschlechtsorgane er-
innern an die der Arachniden. Das centrale
Nervensystem ist auf einen Nervenknoten unter-
halb des Schlundes und einen von dem Knoten
entspringenden Ring um letzteren reducirt. Sinnes-
organe, Athmungs- und Kreislaufsorgane fehlen.
— Hierzu gehört Pentastoniwm taenundes, welches
in geschlechtsreifem Zustande in der Nasenhöhle
Flg. 214. Weihchen von und den Stirnhöhlen des Hundes und Wolfes lebt
PcrtattomumtatnioüU* Jliarm, /q g cm und meh ^ 2 Cm lang). Die Eier,
h Haken, ut .Speiseröhre, uv Eier- VT . , . ... . °{
stock. r$ SamenbUae, va Eier- welche mit dem Nasenschleim nach aussen ge-
gang. — Nach Leuckart. langen, enthalten je ein kleines Junges mit zwei
va
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Gliederfüssler. 4. Classe: Spinnenthiere. 303
Paar kleinen Hakenbeinen. Wenn solche Eier zufällig von einem Häsen
oder Kaninchen aufgenommen werden, wird die Eischale in deren Magen
aufgelöst, und das kleine Junge dringt in die Leber ein, wo es bedeutend
anwächst, aber die Geschlechtsreife nicht erreicht (auch beim Menschen
werden hin und wieder in der Leber geschlechtslose Pentastomen dieser
Art gefunden) ; wird eine solche Leber von einem Hunde verzehrt, so wandert
der Schmarotzer in die Nasenhöhle ein und entwickelt sich hier vollständig.
Die Pycnogoniden oder Krebsspinnen (I*ycnogonulae) haben einen
ganz rudimentären Hinterleib; der Vorderleib ist schmal und in
vier Glieder getheilt, von welchen das vorderste zu einem rüsselförmigen
Portaatz verlängert ist, an dessen Spitze der Mund liegt; im Uebrigen
trägt der Vorderleib vier Punktaugen, ein Paar meistens scheerenförmige
Oberkiefer und ein Paar tasterförmige Unterkiefer (beide Kieferpaare können
aber auch fehlen), und ferner vier Paar Sgliedrige Beine, welche
bald plumper, bald sehr langgestreckt sind, stets aber die Hauptmasse des
Körpers ausmachen. Beim Männchen findet sich am Grunde des 1 . Bein*
paares ein Paar gegliederte, beinähnliche Anhänge, an welchen die Eier
befestigt werden ; dieselben Anhänge finden sich auch zuweilen beim Weib-
chen, welches keine Eier trägt. Die Blindsäcke des Darmes erstrecken
sich weit in die Beine hinein. Athmungsorgane fehlen, dagegen ist ein
Herz vorhanden. Es finden sich ein Paar Eierstöcke resp. ein Paar Hoden,
welche sich hinten vereinigen und Aeste in
alle Beine hineinsenden; Eier und Samen
treten durch eine Oeffnung im zweiten Glied
aller oder einiger Beine aus. Die neugeborenen
Jungen sind ungegliedert und besitzen nur
drei Gliedmaassenpaare, von welchen das vor-
derste kleine Scheeren darstellt und zu den
Oberkiefern des ausgebildeten Thieres wird;
das zweite und dritte Paar sind kurz; das
letztere scheint zu Grunde zu gehen, während
das zweite zu den Unterkiefern umgebildet Fig- Pyeaogmum.
wird. Zuweilen schmarotzen die Larven in
Hydroiden. Die Pycnogoniden leben im Meere, wo sie langsam auf dem
Boden umherkriechen ; in den nördlichen Meeren findet man sowohl kurz-
beinige (Pycnogonum) als langbeinige Formen (Xytuphon).
Die Bärthierchen {Tarditjrada) sind mikroskopisch kleine Thiere,
welche in Moos, in Dachrinnen, im Süsswasser leben. Sie sind länglich, un-
deutlich gegliedert, und besitzen vier Paar stummeiförmige, ungegliederte,
Fig. 216. Schematiche Darstellung iler Organisation eines Bärthierchen, Q*, von
der linken Seite. « After, by Bauchganglion, c Gehirn, d Urüne, ej niutlunaa-tHliches Excrc-
Üonsorgan, m Magen, o Mund, p .Schlundkopf, / Hoden. / 4 die vier Stuuimelbeine. —
Orig. (mit Benutzung von Figuren von Plate).
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304 Specieller Theil. Gliederfössler. 4. Claase: Spinnenthiere.
an der Spitze mit Krallen versehene Beine, mittels welcher sie langsam
nmherkrieohen. Ans dem Munde können sie ein Paar stiletförmige Werk-
zeuge hervorschieben. Athmungs- und Kreislaufsorgane fehlen ; dagegen
besitzen sie ein Paar kleine Augen und ein ziemlich wohlentwickeltes, aus
einem grossen Gehirnganglion und mehreren gesonderten Bauch^anglien zu-
sammengesetztes Nervensystem. Die Tardigraden wurden früher für Zwitter
gehalten, nach neueren Untersuchungen sind sie aber getrennten Geschlechts ;
die Männchen sind weit seltener als die Weibchen. Wenn das Wasser in
der Umgebung, wo die Tardigraden leben, austrocknet, schrumpfen sie zu
einem unansehnlichen Körnchen ein uud können in diesem Zustande Jahre
zubringen ; wenn sie wieder befeuchtet werden, dehnen sie sich aus und
leben wieder auf. — Die systematische Stellung dieser kleinen Gruppe ist
eine noch unentschiedene, und ihre Unterbringung bei den Arachniden scheint
uns kaum das Richtige zu treffen.
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7. Kreis. Weicllthiere (Mollusca).
Der Körper ist ungegliedert, von sehr verschiedener Form,
ohne gegliederte Anhänge; die Haut weich, oft in grosser Ausdehnung
bewimpert, eine Cuticula fehlt oder ist (in der Regel) sehr dünn.
Die Leibeswand ist an ihrer Unterseite zu einem mnsculösen soge-
nannten Fuss ausgebildet, welcher bald scheibenförmig, bald zu-
sammengedrückt ist und in Folge seines grossen Zusammenziehungs-
vermögens ein wichtiges Bewegungsorgan bildet. Vorne findet sich
ein mehr oder weniger deutlich entwickelter Kopf mit MundöfFnung,
Tentakeln (Fühlern) und Augen. Oberhalb des Fusses und des
Kopfes befindet sich eine Hautfalte , der Mantel, welcher um das
ganze Thier herum verläuft; bei einigen ist er nur ein niedriges Ge-
bräme, bei anderen als eine grosse blattartige Hautfalte an beiden
Seiten des Körpers entwickelt (Muscheln), wieder bei anderen ist er
entweder an der Vorder- oder an der Hinterseite des Thieres stärker
entwickelt (Schnecken, Tintenfischen), so dass zwischen dem Körper
und dem Mantel ein taschenförmiger Hohlraum, die Mantelhöhle,
entsteht (A- in Fig. 220 und 242 B). Bei der Mehrzahl ist ein grösserer
Theil des Körpers von einer offenen Schale umgeben, welche eine
Absonderung der Haut ist; sie hängt übrigens nur an einzelnen
Stellen mit der Haut zusammen , zum grössten Theil liegt sie nur
lose auf der Oberfläche des Thieres. Die Schale wird nicht ge-
wechselt (wie die Cuticula der Arthropoden) , sondern wird dadurch
vergrössert, dass neue Theilchen am Bande abgelagert werden, wäh-
rend ihre Wand durch Ablagerung an der inneren Seite verdickt
wird; sie besteht aus einer chitinähnlichen (chemisch jedoch von Chitin
sehr verschiedenen) Substanz, Conchiolin, welche aber in der
Regel mit Kalksalzen (besonders kohlensaurem Kalk) so stark im-
prägnirt ist, dass letztere dem Gewichte nach die weitaus über-
wiegende Masse der Schale ausmacht.
Der Darm kanal ist gewöhnlich mit einer grösseren Erweiterung,
einem Magen, versehen; der After befindet sich entweder am Hinter-
ende oder ist auf die eine Seite des Thieres gerückt. Gewöhnlich sind
Speicheldrüsen, welche sich in die Mundhöhle öffnen, und immer
eine wohlentwickelte Leber vorhanden. Bei der Mehrzahl der
Weichthiere (mit Ausnahme aller Muscheln) befindet sich auf dem
Boden der Mundhöhle ein musculöser Wulst, die Zunge, welche an
Bon, Zoologie. 20
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306
Specieller Theil.
ihrer Oberfläche mit einem dünnen, festen Häutchen bekleidet ist, an
welchem Querreihen feiner chitinartiger Zähnchen von verschiedener
Form sitzen, deren Spitzen nach hinten gerichtet sind: Radula,
Reihplatte. Die Zähne einer Radula-
Querreihe können gleichartig sein,
häufiger jedoch sind einige anders
gestaltet als die übrigen ; jede Quer-
reihe ist stets symmetrisch, meistens
ist ein Mittelzahn vorhanden , und
die übrigen Zähne sind nach beiden
Seiten symmetrisch geordnet. Die
auf einander folgenden Querreihen
„ .. , „ , . sind in der Regel gleich. Das vor-
big. 21 i. Querreihe der KaduU einer , n i j *V» j 1 • 1 •
strandsehnecke. - Nach Loviu. ™™ Ende der Radula wird immer-
fort abgenutzt und abgestossen; das
hintere Ende steckt in einem oft sehr tiefen, engen Sack, der
Zungenscheide, in welcher hinten neue Zähne gebildet werden;
die Radula wird allmählich aus diesem Sack hervorgeschoben.
Ausser diesem für die Weichthiere sehr charakteristischen Gebilde
findet man häufig in der Mundhöhle noch andere feste (ebenfalls aus
einer chitinähnlichen Substanz bestehende) Theile sehr verschiedener
Art, welche sämmtlich als Kiefer bezeichnet werden.
Die Athmungsorgane sind meistens Kiemen von ver-
schiedener Form, welche in der Regel ihren Platz in der Mantelhöhle
haben, die desshalb auch häufig als Kiemenhöhle bezeichnet wird.
Bei einigen Weichthieren fehlen Kiemen, und die Oberfläche der
Mantelhöhle kann dann (bei den Lungenschnecken) als Lunge
fungiren ; bei anderen fehlen besondere Athmungsorgane gänzlich. —
Das Gefäss System ist meistens wohlentwickelt; es sind zahlreiche
Gefässe vorhanden, wenn auch das Blut theilweise durch die Spalten
zwischen den Organen fliesst. Das Herz besteht aus einem oder
zwei (bei Nautilus sogar vier) Vorhöf en, in welche das Blut von
den Kiemen (oder der Lunge) her eintritt, und einer dickwandigeren
Herzkammer, welche das Blut aus den Vorhöfen empfängt und
dasselbe in den Körper treibt. Das venöse Blut sammelt sich in
einem oder mehreren grösseren ßlutbehältern, welche die Athmungs-
organe mit Blut speisen. — Die Excretionsorgane, die Nieren,
sind sackförmige Organe, welche je zwei Oeffnungen besitzen, von
welchen die eine an der Oberfläche des Thieres liegt, während die
andere in den sogenannten Herzbeutel (Pericardium), einen das Herz
umgebenden Abschnitt der Leibeshöhle, hineinführt. Die Zahl der
Nieren ist verschieden (1—4); sie entsprechen offenbar den Seg-
mentalorganen der Gliederwürmer.
Das Nervensystem ist eigenthümlich ; der Typus ist folgender:
Oberhalb des vorderen Theiles des Darmkanals liegt ein Paar durch
einen Querstrang verbundene Gehirnganglien; von diesen geht
jederseits ein Nervenstrang um die Speiseröhre herum zu einem im
Fu8se liegenden Ganglienpaar, den Fussganglien, welche ebenfalls
durch einen Querstrang verbunden sind; ferner entspringt von jedem
der Gehirnganglien ein meistens langer Nervenstrang, welcher nach
hinten durch den Körper läuft, und in einem Bogen sich mit dem
der anderen Seite vereinigt; beide Stränge werden zusammen als
Eingeweidestrang (Visceralcommissur) bezeichnet. An denselben
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Weichthiere.
307
sind bei den Muscheln nur hinten einige Ganglien eingeschoben . die
Eingeweideganglien (Visceralg.l, bei anderen ausserdem noch
vorne ein Paar Seitenganglien (Pleuralg.), welche durch einen
ABC
Fig. 218. Scheint! «leg centralen N erveusvnteni» verschiedener Weichthiere.
A einige Schnecken, B andere Schnecken, (' Muscheln, h Oehirn-, / Fuss-, p Seiten-, t Ein-
geweideganglien, n Kussmerven. — Orig.
Querstrang mit den Fussganglien in Verbindung stehen. Im Einzelnen
sind übrigens grosse Unterschiede bei verschiedenen Weichthieren aus-
geprägt : die Nervenstränge können lang oder kurz sein , zuweilen
so kurz, dass alle Granglien dicht an einander rücken, etc.
Die Gehirnganglien scheinen dem Gehirn der Gliederwürmer zu ent-
sprechen, die Fussganglien dem ersten Bauchganglienpaar derselben; ein
Paar Nerven, die Fussnerven (Pedalnerven), welche von den Fussganglien
ausgehen und nach hinten verlaufen , und welche bei einzelnen (z. 6. bei
den Chitonen) sehr kräftig und durch feine Querstränge verbunden sind,
entsprechen wahrscheinlich den Bauchnervensträngen der Gliederwürmer.
Der Eingeweidestrang wäre dann als eine Neubildung aufzufassen.
Bei den Schnecken und Cephalopoden befindet sich am Kopfe
ein Paar Augen, welche in der Regel nach einem der in Fig. 15, 2, 4-6
(S. 19) abgebildeten Typen gebaut sind ; selten finden sich bei einzelnen
Schnecken ausserdem noch Augen an anderen Theilen des Körpers.
Bei Chitonen und Muscheln fehlen dagegen die Kopfaugen ; wenn bei
diesen Thieren Augen vorhanden sind, so liegen sie stets an anderen
Theilen des Körpers. Die Weichthiere besitzen ein Paar Gehör-
bläschen mit einem oder mehreren Kalk-Otolithen (vergl. Fig. 14
S. 18) ; die Gehörbläschen haben in der Nähe der Fussganglien ihren
Platz, die Nerven, welche zu ihnen gehen (Hörnerven), kommen aber
stets von den Gehirnganglien. Als Tastwerkzeuge sind die bei
den Schnecken allgemein auftretenden Tentakel aufzufassen; bei anderen
Weichthieren fungiren andere Anhänge, Papillen etc. in derselben
Weise. Ein oder ein Paar als Geruchsorgane gedeutete Sinnes-
werkzeuge (besonders ausgebildete Hautpartien) finden sich in der
Mantelhöhle der meisten Schnecken und einiger Muscheln; bei den
Cephalopoden findet man häufig hinter den Augen ein Paar Gruben,
welche in derselben Weise gedeutet werden.
Was die Geschlechtsorgane betrifft, so ist das ursprüng-
20*
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Specieller Theil.
liehe Verhältniss bei den Weichthieren derart, dass ein Paar Ge-
schlechtsdrüsen, jede mit ihrem Ausführungsgang, vorhanden sind; die
Geschlechtsdrüsen sind aber fast immer zu einer verschmolzen, und
häufig ist der eine Ausführungsgang zu Grunde gegangen. Uebrigens
bietet der Geschlechtsapparat eine grosse Mannigfaltigkeit dar: manche
Weichthiere sind hermaphroditisch, andere getrenntgeschlechtlich; oft
sind die Ausführungsgänge mit Nebenapparaten versehen ; häufig sind
eigentümliche Begattungsorgane verschiedener Art vorhanden etc.
(vergl. die einzelnen Classen). — Parthenogenesis ist ebenso wenig
wie eine ungeschlechtliche Fortpflanzung innerhalb dieser Abtheilung
bekannt.
Die Mehrzahl der Weichthiere durchlaufen eine Metamorphose;
die Larve schwimmt mittels eines sogenannten Segels (Velum), einer
am Kopfe sitzenden, am Rande mit Wimperhaaren versehenen Scheibe,
frei umher, oft ist das Segel nur durch einen am Kopfe angebrachten
Kranz von Wimperhaaren vertreten.
Die Weichthiere sind überwiegend Was se rthiere, besonders
Meeresthiere ; viele Schnecken leben jedoch auf dem Lande, in der
Regel an feuchten Stellen. Sie sind nicht allein in der Jetztzeit in
einem grossen Reichthum von Formen vertreten, sondern waren auch
in früheren Perioden sehr mannigfaltig repräsentirt, und Schalen von
Weichthieren gehören zu den häufigsten Fossilien.
I. Classe. Chitonen (Placophont).
Die Chitonen (Käferschnecken), welche früher unrichtiger Weise
zu der folgenden Classe gestellt wurden, sind eine kleine Abtheilung
von fast durchweg streng symmetrisch gebauten Weichthieren;
von der für die Schnecken so charakteristischen
Schiefheit ist hier keine Spur vorhanden. Es sind
ziemlich abgeplattete, schwach gewölbte, ovale
Thiere, deren Unterseite von einem grossen,
scheibenförmigen Fuss eingenommen wird. An
der Rückenseite findet sich eine Reihe von 8
breiten, verkalkten Querplatten, welche ein-
ander dachziegelartig überdecken; ebenso wie die
kleineren Kalkplättchen , Stacheln und Borsten,
welche die Randpartie der Oberseite bedecken,
sind es echte Cuticulargebilde. Der Mantel ist
nur durch eine niedrige Falte, welche oberhalb
des Fusses und des Kopfes um den ganzen
Körper herum zieht, repräsentirt (Fig. 242 Ä)\
er bedeckt eine Reihe federförmiger Kiemen
auf jeder Seite. Der nicht sehr ausgeprägte Kopf
ist tentakel- und augenlos; dagegen sind bei
einigen Chitonen Augen an der Rückenseite des
Thieres zerstreut vorhanden; sie sitzen an der
Spitze von weichen Hautfortsätzen, welche die
Schalenplatten durchbohren, also scheinbar auf den Schalenplatten
selbst. — Das Nervensystem ist besonders dadurch ausgezeichnet,
dass zwei von den Fussganglien entspringende, nach hinten verlaufende
Fig. 219. Schema-
tiche Figur eines Chi-
tonen, von unten ge-
sehen, m Mund, f Fuss,
a After, g Kieme, o
Geschlechts-, nNieren-
öffnung. — Orig.
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Weichthiere. 1. Clawe: Chitonen.
309
Nerven (vergl. S. 307) sehr kräftig und durch viele feine Querstränge
verbunden sind. Es ist eine wohlentwickelte Radula vorhanden;
der After befindet sich am Hinterende in der Mittellinie des Thieres.
Das Herz liegt oberhalb des Enddarmes; es ist mit zwei Vorhöfen
ausgestattet, welche symmetrisch einer an jeder Seite der Herzkammer
gelagert sind. Es finden sich ein Paar gestreckte, mit Aesten ver-
sehene Nieren, welche in die Mantelfurche, eine an jeder Seite,
etwas vor dem After ausmünden. Die Geschlechter sind getrennt;
Eierstock und Hoden sind unpaar, die Ausführungsgänge aber ge-
trennt und münden jederseits dicht vor den Nierenöffnungen in die
Mantelfurche. Die Larven sind oval, vorne mit einem Wimperkranz
(Velum) und zwei (später sicli rückbild enden) Augen versehen. — In
der Nord- und Ostsee kommen kleinere Arten der augenlosen Gatt.
Giiton vor, in den wärmeren Meeren leben grössere Formen.
Zu den Sohnecken rechnete man früher auch eine andere kleine Gruppe
symmetrischer Weichthiere, nämlich die Meerzähne (Scaphopoda: Gatt.
Dentaliwn u. a.), deren langgestreckter Körper von einer kegelförmigen,
schwach gebogenen, an beiden Enden offenen Schale umgeben ist. Wir
icönnen hier übrigens nicht näher auf den Bau dieser in mancher Hinsicht
sehr abweichenden und isolirt stehenden Gruppe eingehen.
2. Classe. Schnecken (Gastropoda).
Der Bau der Schnecken wird am leichtesten dem Verständnisse
zugänglich, wenn wir uns den Schneckentypus durch Umformung eines
Chiton in folgender Weise entstanden denken (vergl. Fig. 242 A und
Fig. 220): Die Rückenpartie
ist stark gewölbt geworden,
meistens sogar in einen hohen
Sack ausgezogen ; der untere
Rand der Mantelfalte umgiebt
den unteren Theil des Sackes.
An der Vorderseite des Sackes
ist die Mantelfurche sehr stark
vertieft, so dass wir hier eine
tiefe, tascheuförmige Höhlung,
die Mantel höhle, finden,
deren Oeffnung nach unten ge-
richtet ist ; hinten ist die Man-
telfurche niedrig ebenso wie bei
j r%x • . t j _ i.f Fig. 220. Scheinntische Figur einer S c n n o c k e
den Ohrtonen. In den sackfor- von /w lillken Seite ge8ehe* (Schalc wcggenom.
migon Theil des Korpers sind men). « After, / Fuss, k Manteihöhic, « Magen,
die meisten Eingeweide (Darm- mu Schalenrauskel, o Mund, op Deckel- Ausser
kanal, Leber, Geschleclltsor- den mit Buchstaben bezeichneten Theileu sind
, v " Ii. -1 j j- auch gewisse Partien des Nervensystems mit ein-
gane etc.) geruckt, wahrend die gMeichneti nttmlich Gehirn. und" Seitenganglion
Untere Partie de8 Körpers fa8t (oberhalb der Speiseröhre ku sehen) und Fuss-
ohne Eingeweide ist; der Sack ganglion (unterhalb der Speiseröhre). Die punk-
ist von einer Kalkschale um- tir,c Linie deutel die Grcnze dcr Mwitelhöhie an.
geben. Das Thier zerfällt in ~ n"e
Folge dieser eigentümlichen Ausbildung naturgemäss in zwei Haupt-
abschnitte: den weichen Ei nge weide sack, dessen untere Grenze
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310
Speoieller Theil.
durch den Mantelrand bezeichnet wird, und einen unteren Abschnitt,
den Unterkörper, mit dem Fuss und dem Kopf.
Der Kopf ist gewöhnlich ziemlich deutlich ausgebildet; er trägt
ein Paar Fühler, Tentakel, welche bei den Landschnecken hand-
schuhfingerartig eingestülpt und in den Kopf zurückgezogen werden
können, bei anderen Schnecken nur stark zusammenziehbar sind. Bei
einigen Schnecken (Hinterkiemern) findet sich hinter diesen noch ein
Paar Tentakel, welche oft in einer Vertiefung verborgen werden
können und häufig an der Oberflüche gefaltet sind; sie werden als
Geruchsorgane gedeutet (Rhinophoren). Ausserdem findet sich auf
dem Kopfe ein Paar meistens kleine Augen, welche zuweilen an
der Spitze besonderer tentakelähnlicher Stiele sitzen (so bei den ge-
wöhnlichen Landschnecken), meistens aber direkt am Kopfe ihren
Platz haben oder auf die Seite der Tentakel gertickt sind. Der Fuss
ist in der Regel eine platte sehr contractile Scheibe, welche die ganze
Unterseite des Unterkörpers einnimmt.
Der weiche, dünnhäutige Eingeweidesack ist von einer röhren-
förmigen, am einen Ende offenen, am anderen geschlossenen Schale
bedeckt, welche gegen die Oeffnung zu allmählich weiter wird. Nur
ABC D
Fig. 221. Verschiedene Formen Ton Sehn eckenschalen von der linken Seite gesehen
(.Schernau). A — B schwach gebogen ; C spiraligo Schaleuröhre , deren Windungeu einander
nicht berühren ; D do., deren Windungen an einander liegen (der gewohnliche Typus). — Orig.
in selteneren Fällen ist die Röhre gerade oder nur schwach gebogen,
in der Regel ist sie s p i r a 1 i g gewunden ; die Concavität der Spirale
entspricht bei den Schnecken stets der Hinterseite des Eingeweide-
sackes (vergl. Fig. 220). Die einzelnen Windungen der spiraligen
Schalenröbre berühren einander fast immer, ja sind sogar innig ver-
bunden. In einigen Fällen ist die Spirale , welche sie bilden , völlig
oder annähernd symmetrisch, wie eine Uhrfeder : scheibenförmige
Schalen ; in den meisten Fällen ist aber der innerste Theil der Spirale
(das geschlossene Ende der Röhre) nach der einen Seite ausgezogen,
so dass die Axe der Schalenröhre eine um einen Kegel gewundene
Schraubenlinie beschreibt. Die Grundform der meisten Schnecken-
schalen wird desshalb die Kegelform, wenn auch manche wegen
der verschiedenen Gestalt der Schalenröhre etc. von derselben sehr
abweichen. Stellt man eine solche Schale derartig auf, dass die Axe
des Kegels, die Schalenaxe, senkrecht steht und die Spitze der
Schale (das geschlossene Ende der Schalenröhre) nach oben, die
Mündung der Schale gegen den Beschauer gewendet ist (Fig. 222),
so liegt die Mündung entweder rechts von der Schalenaxe: die
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Weichthiere. *>. Cause: Sohnecken.
311
Schale wird dann als rechtsgewunden bezeichnet; oder sie liegt
links von der Schalenaxe : dann ist die Schale linksgewunden. Die
Schale wird derartig von dem Thiere getragen, dass die Spitze der-
selben, wenn die Schale rechtsgewunden
ist, nach rechts (und nach oben und A B
hinten), wenn sie linksgewunden ist,
nach links (oben und hinten) gerichtet
ist. Rechtsgewundene Schalen sind weit
häufiger als linksgewundene ; bei einigen
Arten findet man die eine, bei anderen
die andere Form ; als individuelle Ab-
weichung kann man aber bei Formen,
welche normal eine rechtsgewundene
Schale besitzen, Exemplare mit links-
gewundener Schale treffen ; Selten ist Fig. m. Die Schalen zweier Exem-
beides gleich häufig bei derselben Plare einer tropischen Land»chnecke
Art. Bei einzelnen Schnecken ist die fBulimus f'TA1 7'??° baldln"k"-
Q i , sji j t* i j gewunden (A) , bald rechUge-
Schalenrohre derartig gewunden, dass wanden (B) »t. Nach v. Martens,
in der Schalenmitte eine grössere von
den Windungen umgebene, unten offene Höhlung entsteht; häufiger
liegen aber die Windungen derartig an einander, dass dieser Hohl-
raum ausserordentlich eingeengt wird oder völlig verschwindet; die
Oeffnung an der Basis der Schale (dem der Spitze entgegengesetzten
Ende), welche in diesen spalt- oder röhrenförmigen Hohlraum führt,
wird als Nabel, der Hohlraum selbst als Nabelröhre bezeichnet. Bei
enger oder geschlossener Nabelröhre bilden die der Schalenaxe zu-
nächst liegenden Theile der Windungen ein mehr oder weniger aus-
geprägtes 8trangförmiges Gebilde (ähnlich wie der Stützpfeiler einer
Wendeltreppe), die Spindel (Columella), welche, wenn eine Nabel-
röhre vorhanden ist, von letzterer durchbohrt ist, sonst aber einen
soliden Pfeiler bildet.
Das Wachst h um der Schale findet in der Weise statt, dass
von dem verdickten Rande des Mantels neue Schalentheilchen ab-
gesondert werden, welche sich an den Rand der Mündung legen und so
die Schalenröhre verlängern ; das Wachsthum scheint stets mit Unter-
brechungen stattzufinden, im Laufe kürzerer Zeit wird ein grösseres
Stück gebildet, dann tritt eine längere Periode der Ruhe ein, etc. Der-
jenige Theil der Wandung des neugebildeten Schalenröhrenstückes,
welcher ältere Windungen überdeckt und mit denselben verwächst,
ist meistens dünner als der übrige, freie Theil, zuweilen sogar schwierig
zu sehen. Ausser der genannten Ablagerung von Schalentheilchen
an der Mündung werden auch innen in der Schalenröhre von der
ganzen Oberfläche des Eingeweidesackes Kalktheile abgelagert und
dadurch die Schale verdickt; die allerältesten engen Windungen an
der Spitze der Schale werden in dieser Weise mit Kalk angefüllt;
nicht selten werden solche mit Kalk gefüllten Windungen abgestossen.
Neben der Neubildung von Schalentheilchen findet man auch häufig
eine Resorption älterer Theile der Schale; nicht selten beobachtet
man z. B., dass, ehe eine Wachsthumsperiode der Schale anhebt, in
der Nähe der Mündung Theile der Oberfläche der alten Schale an
denjenigen Stellen aufgelöst, weggeätzt, werden, wo das neue Schalen-
stück sich über ältere hinlegen wird; ferner findet auch tiefer im
Innern häufig eine Resorption der versteckten Theile der Schalen-
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312
Specialer Theil.
röhre statt, wodurch die Scheidewände zwischen zusammenstossenden
Windungen stark verdünnt oder sogar völlig aufgelöst werden können.
— Die Schale der Schnecken besteht in der Hauptsache aus kohlen-
saurem Kalk mit einer geringen Menge Conchiolin; an der Oberfläche
der Schale findet man häufig eine dünne un verkalkte, leicht ab-
schilfernde, hornartige Schicht.
Der Querschnitt der Schalenröhre ist verschieden, selten kreisrund,
meistens etwas zusammengedrückt, zuweilen sogar spaltförmig. Bei einigen
können die jüngeren Windungen die älteren völlig oder fast völlig ein-
hüllen , so dass jene ausser lieh nicht oder sehr wenig zu sehen sind. Die
Schalenaxe der kegelförmigen Schalen ist bald lang, bald kurz, im letzteren
Falle nähert sich die Gestalt der scheibenförmigen. In einigen Fällen sind
die Windungen sehr zahlreich, und der Querschnitt der Schalenröhre nimmt
ganz allmählich an Grösse zu; in anderen Fällen sind nur wenige, rasch
an Umfang zunehmende Windungen vorhanden. Bei nicht wenigen Schnecken
nimmt die Mündung, wenn das Wachsthum abgeschlossen ist, eine eigen-
tümliche Form an , wird verdickt , erweitert etc. ; bei anderen hat die
Mündung schon bei jüngeren Thieren einen eigen thümlichen (verdickten,
Btaeheligen) Rand, und am Schluss jeder Wachsthumsperiode wird ein neuer
Rand gebildet, so dass man an der Schale die älteren Mündungen als be-
sonders hervortretende Theile angedeutet findet. (Ueber den Ausschnitt
oder Halbkanal der Schale für die Athemröhre vergl. unten.) Die Schalen
sind oft bunt gefärbt, stachelig, mit feinerer oder gröberer Sculptur der
Oberfläche etc. Zuweilen ist der Mantelrand besonders stark entwickelt,
schlägt sich über die Schale hinauf und sondert an der Aussenflüche der-
selben eine glänzende Schicht ab (z. B. bei den Porzellanschnecken, Oypraea).
In der Weise, wie wir sie oben geschildert haben, ist die Schale
bei der Mehrzahl der Schnecken gebildet. Es giebt aber Ausnahmen.
Bei einzelnen Schnecken, z. B. den Wurmschnecken (Vermetus), ist
die Schalenröhre ganz unregelmässig spiralig gewunden, was damit in
Verbindung steht, dass diese Schnecken mit der Schale an fremden
Gegenständen festgewachsen sind : die regelmässige Spiralwindung der
Schneckenschalen steht offenbar damit in Zusammenhang, dass eine
regelmässig spiralig gewundene Schale bequemer von dem Thier zu
tragen ist als eine lange gerade oder eine unregelmässig gewundene
Röhre. Bei einigen, welche in der Jugend frei lebend, später an-
gewachsen sind, ist die Schale in der ersten Periode regelmässig ge-
wunden, später wächst sie gerade oder unregelmässig aus. — Bei
anderen Schnecken kann man von einer Schalenröhre kaum reden,
die ganze Schale ist ein einfacher Napf und der Eingeweidesack ein
weiches Polster an der Rückenseite (Napfschnecken, Patdia). — Bei
manchen Schnecken sind die Schale und der Eingeweidesack rudimentär
oder fehlen völlig ; die Eingeweide sind dann in den Unterkörper auf-
genommen. In einigen Fällen, in welchen die Schale rudimentär oder
schwach entwickelt ist, ist sie ganz oder theilweise von Hautfalten
eingeschlossen.
Der Eingeweidesack liegt im Ganzen frei innerhalb der Schale,
ist aber an einer einzelnen Stelle mit letzterer fester verbunden, nämlich
dort, wo der Schalenmuskel (Spindelmuskel) von der Spindel ent-
springt. Der Schalenrauskel liegt an der Hinterseite des Eingeweide-
sackes und zieht von da in den Unterkörper hinab, welch letzteren
er, wenn das Thier beunruhigt wird, mit in die Schale zurückzieht.
An der Oberseite des hinteren Theiles des Unterkörpers findet
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Weichthiere. 2. Classe. Schnecken.
313
man bei manchen — aber bei Weitem nicht allen — Schnecken eine
aus Conchiolin, oder Conchiolin und Kalk, bestehende Platte, welche,
wenn das ganze Thier in die Schale zurückgezogen ist, einen ge-
wöhnlich dicht schliessenden Deckel (Operculum) in der Mündung
bildet (indem das Thier sich in die Schale zurückzieht, klappt es
den Fuss derartig zusammen, dass die Platte nach unten gerichtet
wird). Der Deckel ist an dem Thiere mit einem Theil seiner Unter-
fläche festgeheftet und wächst dadurch , dass von der Haut neue
Theilchen abgesondert werden, welche sich den älteren auschliessen ;
zuweilen findet das Wachsthum in der Weise statt, dass der Deckel
auf seiner Oberfläche eine Spirallinie zeigt (dieses ist aber nur bei
einer Minderzahl der Fall).
Mit dem echten Deckel, welcher mit dem Thiere fest zusammenhäugt
and allmählich wächst, ist der bei einigen Landschnecken vorkommende
sogenannte Winterdeckel (Epiphmgma) nicht zu verwechseln. Letzterer ist
eine meistens papierdünne, seltener dickere Platte, welche man z. B. bei den
Ilelix- Arten (bei H. pomalia ist er sehr dick und fest) in der Mündung der
Schale findet, wenn die Thiere im Winterschlaf liegen und sich deshalb in
die Schale zurückgezogen haben; sie ist aus einem erhärteten kalkhaltigen
Schleim gebildet, hängt nicht mit dem Thiere zusammen und wird am
Ende des Winterschlafes abgestossen, um jedes Jahr aufs Neue gebildet zu
werden.
Die Haut ist bei den Schnecken weich und schleimig; der Schleim
wird von einzelligen Drüsen abgesondert, welche massenhaft an der
Oberfläche des Körpers münden. Bei manchen Lungenschnecken sind
ausserdem einige grössere, schleimabsondernde Hautdrüsen vorbanden.
Bei den Vorderkiemern findet
sich eine eigenthümliche , gefal-
tete , schleimabsondernde Epi-
thelpartie an der inneren Seite
des Mantels, die sogenannte
„Schleimdrüse". Bei ein-
zelnen Schnecken sondert diese
Drüse ausser Schleim noch eine
Flüssigkeit ab, welche durch
Einwirkung des Lichts eine vio-
lette, sehr dauerhafte Farbe an-
nimmt: „Purpur".
Das centrale Nerven-
system besteht aus einem Paar
Gehirnganglien, einem Paar Fuss-
ganglien, einem Paar Seitengang-
lien und einer verschiedenen An-
zahl Eingeweideganglien, welche
in der S. 306—307 angegebenen
Weise mit einander verbunden
sind. Bei den Hinterkiemern und
den Lungenschnecken verläuft der
Gingeweidestrang in einem Bo-
gen nach hinten von einem Sei-
tenganglion zum anderen und
Fig. 228. Hauptpartien de** Nervensystem»
in ihrem Verhältnis« zum Durmkanal bei einein
Hinterkiemer (A) und bei einem Vorder-
kieiner (&); Schemata. A Gehirn-, p Seiten-,
/ Fuss-, i" Eingeweideganglien; t Darmkanal. —
Orig.
hat während des ganzen Verlaufes seinen Platz unterhalb des Darm-
kanals. Bei den Vorderkiemern dagegen ist der Eingeweidestrang in
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314
Specieller Theil.
einer eigenthümlichen Weise um den Darmkanal gewunden und zwar
so, dass er, wenn wir von dem vom linken Seitenganglion entspringenden
Ende desselben ausgehen, nach rechts und hinten unterhalb des Darm-
kanals verläuft, um sich dann umzukehren, oberhalb des Darmkanals
querüber nach der linken Seite zu gehen und dann wieder, oberhalb
des Darmkanals, nach vorn und rechts zu verlaufen und im rechten
Seitenganglion zu enden (Fig. 223 B). Diese eigentümliche Anordnung
des Nervensystems, welche Umlagerungen grösserer Theile des Thieres
voraussetzt, findet man bei allen Vorderkiemern. — Von den Sinnes-
organen haben wir schon oben die Augen erwähnt: für die Gehör-
organe ist auf das S. 307 für die Weichthiere im Allgemeinen Be-
merkte zu verweisen. Bei den meisten Schnecken findet sich in der
Alantelhöhle eine besonders ausgebildete, nervenreiche, oft gefaltete
Hautpartie, welche mit einem eigenthümlichen Epithel bekleidet ist;
sie hat ihren Platz in der Nähe der Kieme, und wenn zwei Kiemen
vorhanden sind, sind auch zwei solche Organe ausgebildet. Es sind
zweifellos Sinnesorgane, mit denen wir es hier zu thun haben; sie
werden als Geruchsorgane bezeichnet.
A B
Fig. 224. Strandschnecken (Lit(orina) au* der Schale genommen, von oben ge-
sehen. In beiden Fallen ist der Mantel auf der rechten Seite losgeschnitten und auf die linke
Seite hinüber gelegt; in B, einem cA ist im Uebrigen alles ungestört, in A, einem 9, sind
einige Theile der Leibeswand entfernt und einige Organe geöffnet, a After, <r Eierstock,
al Eileiter. / Fuss, g Kieme, h Herzkammer (in A ist der Herzbeutel geöffnet), k Schleim-
drüse, l Leber, lu Geruchsorgan, m Magen, mu Schalenmuskel, n Niere (in A geöffnet), n' die
Oeffnung derselben in die Mantclhöhle, 0 Geschlechtsöffnung des Weibchens, oe Speiseröhre,
b Auge, i> Penis, r in A die sehr lange aufgerollte Zungenscheide, r in B Samenrinne, $ Speichel-
drüse, al Samenleiter, t Hoden. — Nach Souleyet.
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Weichthiere. 2. Olasse: Schnecken
315
In Bezug auf den Darmkanal ist besonders hervorzuheben,
dass der After in der Regel an der rechten1) Seite in der Mantel-
höhle, also ganz asymmetrisch, liegt; nur bei einigen wenigen Formen
unter denjenigen Schnecken, bei welchen die Schale verloren gegangen
ist, kann der After eine symmetrische Lage einnehmen (vergl. die
Hinterkiemer). Im Munde ist eine Radula vorhanden, welche bei
den verschiedeneu Schnecken mancherlei Modifikationen darbietet;
manche besitzen ausserdem ein Paar Kiefer, welche entweder an
der Seite der Mundhöhle sitzen oder oben zusammenrücken, wo sie
dann zu einem einzigen (so bei manchen Lungenschnecken) ver-
schmelzen können, oder an der unteren Seite der Mundhöhle vor der
Radula zusammenrücken. Bei einem Theil der Schnecken ist die
Mundhöhle sehr stark entwickelt und kann als ein langer Rüssel
ausgestülpt werden, an dessen Spitze Kiefer und Radula sitzen. Zu-
weilen findet sich ein mit festen Cuticularplatten ausgestatteter, mus-
culöser Kaumagen. Speicheldrüsen und Leber sind vorhanden. —
Das Herz besteht gewöhnlich aus einem Vorhof und einer Herz-
kammer, von welchen jener das Blut von der Kieme oder Lunge
empfangt; sind zwei Kiemen vorhanden, so finden sich ebenfalls zwei
Vorhöfe, einer an jeder Seite der Herzkammer, und letztere wird in
diesem Fall vom Enddarm durchbohrt (vergl. die Muscheln, bei
welchen es erklärt werden wird, was darunter zu verstehen ist). Das
vom Herzen entspringende Arteriensystem ist wohlentwickelt, ebenso
die Venen, welche das Blut zu den Kiemen (oder der Lunge) führen;
dagegen fehlt ein Capillarnetz , die Aeste der Arterien und Venen
stehen durch grosse bluterfüllte Räume zwischen den Eingeweiden
mit einander in Verbindung.
Die Athmungsorgane. Bei einem grossen Theil der Schnecken
finden sich eine, seltener zwei Kiemen, welche in der Mantelhöhle
links an der inneren Seite des Mantels sitzen ; die Kieme ist entweder
mit einer oder zwei Reihen von Blättern versehen. Der Eingang zur
Mantelhöhle ist ein breiter Schlitz unten an der Vorderseite des
Eingeweidesackes; der musculöse Mantelrand legt sich aber in der
Regel, mit Ausnahme einer begrenzten Stelle, eng an den Einge-
weidesack an, so dass das Wasser nur an der genannten Stelle in die
Mantelhöhle eindringen kann. Diese Oeffnung wird als dasAthem-
loch bezeichnet und liegt auf der linken Seite. Bei manchen Vorder-
kiemern ist derjenige Theil des Mantelrandes, welcher das Athemloch
begrenzt, zu einem kürzeren oder längeren Halbkanal, der Athem-
röhre, ausgezogen, deren Ränder häufig dicht an einander gelegt
werden können und so einen vollständigen Kanal erzeugen. Wenn
eine Athemröhre vorhanden ist, hat die Mündung der Schale unten
(wenn die Schale mit der Spitze nach oben gestellt wird) einen Aus-
schnitt oder ist zu einem Halbkanal verlängert, durch welchen die
') Ebenso wie bei anderen in gewissen Beziehungen asymmetrischen Thiercn
(z. B. bei den Säugethieren) kann auch bei den Schnecken oine Umkehrung der
gewöhnlichen Lage der Organe derart, dass alles, was sonst rechts ist, links liegt
und umgekehrt (eine Inverrio viacerum), vorkommen; es liegt daun der After
links statt rechts, und die übrigen Theile nehmen ebenfalls eine der gewöhnlichen
entgegengesetzte Lage ein. Dies fällt zuweilen mit Linksgewundensein der
Schale zusammen; es kommen aber auch Formen mit linksgewundenen Schalen
vor, welche die gewöhnliche Lage der Organe besitzen, also auch den After rechts
haben.
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316
Specialer Theil.
Athemröbre horvorgestreckt wird. Das Wasser wird durch Wimper-
haare, welche an der Kieme und in der Mantelhöhle sitzen, in Be-
wegung gesetzt. — Bei einer geringeren
Anzahl Schnecken, nackten Hinterkiemern,
welche keine Kiemenhöhle besitzen, sind
verschieden gestaltete als Kiemen fun-
girende Hautauswüchse frei auf der Rücken-
seite angebracht; bei einigen um den
After herum, bei anderen an den Seiten
etc. — Bei den Lungenschnecken und
einigen der Vorderkiemer fehlen Kiemen,
die Innenseite des Mantels ist dann aber
mit einem Netz von feinen Gefässeu aus-
gestattet, und die Mantelhöhle wird auf
diese Weise zu einer Lunge. — Endlich
giebt es eine Anzahl Schnecken, denen
besondere Athmungsorgane ganz abgehen ;
dies ist bei nicht wenigen, besonders
nackten. Hinterkiemern der fall.
Bei den Schnecken findet sich meist
eine sackförmige Niere mit einer Oeff-
nung in den Herzbeutel und einer andern
an der Oberfläche ; wenn eine Mantelhöhle
vorhanden ist, öffnet sich die Niere in
letztere, sonst an der rechten Seite des
Thieres. Die Niere ist in der Regel an
ihrer inneren Oberfläche stark gefaltet,
zuweilen ist sie reich verästelt. Selten
sind zwei Nieren vorhanden.
Die Geschlechtsorgane verhal-
ten sich bei den verschiedenen Gruppen
recht verschieden ; es ist ihnen jedoch ge-
meinsam, das8 die Geschlechtsöffnung fast
immer auf der rechten Seite sich befindet,
in der Regel in der Mantelhöhle, wenn
eine solche vorhanden ist. Die Vorder-
kiemer, welche fast immer getrennten
Geschlechts sind, bieten die einfachsten
Verhältnisse dar. Bei diesen sind der
Eierstock und der Hode — welche beide
stets nur in der Einzahl vorhanden sind
— äusserlich wesentlich übereinstimmend.
Der Eileiter ist eine gewundene Röhre,
von welcher ein Abschnitt erweitert ist;
er öffnet sich in die Mantelhöhlo. Der
Samenleiter mündet bei den meisten
Vorderkiemern an derselben Stelle wie
der Eileiter, und von der Geschlechts-
öffnung geht dann eine Rinne an der
Oberfläche des Körpers nach dem Penis
hin, welcher an der rechten Seite am Kopfe angebracht ist;
die Rinne setzt sich am Begattungsorgan bis an dessen Spitze
hin fort. Bei anderen Vorderkiemern ist die genannte Rinne zu
Fig. 225. Geschlechtsap-
parat der Wegschnecke (Arion
tmpiricurum). a Eiweissdrtlse , e
Zwittergang, A Zwitterdrüse, o Eier-
gang, p Samenhlase, t Samenleiter
(im grösseren Theil seines Verlaufes
ist der Samenleiter lediglich eine
Kinne an der Eileiterwand), r eine
kurze Einstülpung der Haut , in
welche sowohl Ei- wie Samenleiter
münden. Als Begattungsorgan fun-
girt der äusserst«. ausstulphare Theil
des Samenleiters. — Nach Baudelot.
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Weichthiere. 2. Classe: Schnecken.
317
einem geschlossenen Kanal geworden , und der Samenleiter öffnet
sich dann erst an der Spitze des Penis, welcher bei den Vorder-
kiemern nicht wie bei anderen Schnecken zurückgestülpt werden kann.
Anhangsdrüsen der Geschlechtsorgane fehlen in der Regel bei den
Vorderkiemern. Die Hinterkiemer und Lungenschnecken
sind Zwitter, und Eier und Samen werden in einem und demselben
Organ, der Zwitterdrüse, gebildet. Der Ausführungsgang dieser
ist bei einigen Hinterkiemern für Eier und Samen gemeinsam, und
es ist dann auch eine gemeinsame äussere Geschlechtsöffnung vor-
handen; von dieser geht eine Rinne an der Haut bis an die Spitze
des Begattungsorgans. Bei den meisten Hinterkiemern und bei den
Lungenschnecken ist der Ausfuhrungsgang nur theilweise gemeinsam,
spaltet sich aber in einigem Abstand von der Zwitterdrtise in zwei
Kanäle, einen Eileiter und einen Samenleiter, welche meistens dicht
neben einander ausmünden, der Samenleiter an der Spitze eines Penis,
welcher also hier mit einem wirklichen Kanal, nicht mit einer blossen
Rinne ausgestattet ist. Der Penis kann bei allen Lungenschnecken
und Hinterkiemern in das Thier zurückgestülpt werden. Der Ge-
schlechtsapparat besitzt bei diesen Gruppen, besonders aber bei den
Lungenschnecken, zahlreiche Nebenorgane : Eiweissdrüsen (welche das
die Eier umgebende Eiweiss erzeugen), Schleimdrüsen (welche wäh-
rend der Paarung Schleim absondern), Samentasche etc.; bei einigen
Landschnecken (z. B. bei den gewöhnlichen Helixarten) findet sich
ein sogenannter Pfeilsack, eine Ausstülpung des Eileiters dicht
an der äusseren Geschlechtsöffnung, in welchem ein Kalkkörper etwa
von der Form eines Pfeiles, der „Liebespfeil", abgesondert wird, der
während der Begattung hervorgeschossen und als ein Reizwerkzeug
aufgefasst wird. Die Begattung ist bei den hermaphroditischen
Schnecken wechselseitig.
Bei den Hinterkiemern, einigen Vorderkiemern und den im Wasser
lebenden Lungenschnecken werden die Eier haufenweise, in einen ge-
meinsamen Schleimklumpen von verschiedener Form eingelagert,
abgelegt und an Wasserpflanzen u. dergl. festgeklebt. Bei den meisten
Vorderkiemern sind die Eier dagegen in Eierkapseln eingeschlossen,
welche eine lederartige Wandung besitzen ; jede Kapsel enthält mehrere
Eier, welche in einer vom Eileiter abgesonderten Eiweissmasse liegen,
welch letztere von den Jungen verzehrt wird ; die Kapseln , welche
in der Regel gruppenweise, zusammengeklebt, abgelegt werden, haben
sehr verschiedene, oft bizarre Formen. Bei den auf dem Lande
lebenden Lungenschnecken sind die Eier von mehr oder weniger ver-
kalkten Schalen umschlossen, welche zuweilen denen kleiner Vogel-
eier sehr ähnlich sind (eine Absonderung der Eileiterwandung); in
jeder Schale liegt ein kleines Ei in einer grossen Eiweissmasse. —
Einzelne Schnecken aus den Abtheilungen der Vorderkiemer und
Lungenschnecken gebären lebendige Junge: die Eier entwickeln
sich im Eileiter.
Die Eier sind bei den Schnecken immer klein, und es findet eine
totale Furchung statt. Bei den Vorder- und Hinterkiemern durch-
läuft das Junge eine Metamorphose; wenn es aus dem Ei kommt,
besitzt es in der Regel ein wohlentwickeltes Schwimmsegel, mittelst
dessen es sich im Wasser umherbewegt ; der Fuss ist dagegen zunächst
nur schwach entwickelt. Es ist besonders hervorzuheben, dass die
zahlreichen Hinterkiemer, welche als ausgebildete Thiere nackt,
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318
Specieller Theil.
schalenlos sind, als Larven mit einer dünnen feinen Schale, ja sogar
mit Schalendeckel ausgestattet sind; beides wird später abgeworfen.
— Den Jungen der Lungenschnecken geht ein Segel ab, und sie
machen überhaupt keine solche Verwandlung durch wie die anderen.
Bei denjenigen Vorderkiemern, welche Eierkapseln ablegen, die viele Eier
enthalten, gelangen in jeder Kapsel oft nur wenige oder gar nur ein einziges Ei
zur Entwicklung, und die nicht entwickelten Eier werden von den im Ei weiss
umherschwimmenden Jungen verschluckt. Manchmal durchlaufen die Jungen
solcher Formen die Metamorphose innerhalb der Eierkapsel und verlassen
letztere erst, wenn das Segel verschwunden, der Fuss ausgebildet und die
Körpergröße eine recht ansehnliche geworden ist (Buccinum undatum).
Die Schnecken sind grösstenteils kriechende Thiere, welche
mittels wellenförmiger Contractionen ihrer Fussscheibe über die Unter-
lage hingleiten; nicht wenige (z. B. Süsswasserschnecken) haben das
Vermögen, mit der Fussfläche in der Wasseroberfläche und den Ein-
geweidesack nach unten gerichtet, so zu sagen an der Oberfläche des
Wassers zu hängen und sich ebendaselbst langsam fortzubewegen.
Einige kleinere Abtheilungen der Meeresschnecken zeichnen sich da-
durch aus, dass sie mittels des umgebildeten Fusses oder besonderer
Werkzeuge einer wirklichen S c h w i m m bewegung fähig sind. Die
Hauptmasse der ßchnecken (die Hinterkiemer, die überwiegende Mehr-
zahl der Vorderkiemer) leben im Meere, nicht wenige im Süsswasser
(einige Vorderkiemer, ein Theil der Lungenschnecken), manche (die
Mehrzahl der Lungenschnecken, einige Vorderkiemer) auf dem Lande.
Die folgende Tabelle wird eine Uebersicht über die wichtigsten
Charaktere der drei Ordnungen der Schnecken geben.
Lungenschnecken.
Zwitter.
Vorderkiemer. Hinterkiemer.
Getrennten Geschlechts. I Zwitter.
Eingeweidenervenstrang Eingeweidenervenstrang Eingeweidenervenstrang
achterförmig : 8- einfach: U- einfach: U-
Der Vorhof in der Re- Der Vorhof vor der
gel hinter der Herz- Herzkammer,
kammer. Athmen durch eine
Athmen durch Kiemen. Lunge.
Penis einstülpbar. Penis einstülpbar
Der Vorhof vor der
Herzkammer.
Athmen (in der Hegel)
durch eine Kieme.
Penis frei hervorstehen d .
Metamorphose. Metamorphose. 1 Keine Metamorphose.
1. Ordnung. Vorderkiemer ( Prosobranchiata).
Zu dieser Abtheilung, deren wesentliche Charaktere aus dem Vor-
hergehenden erhellen, gehört die Mehrzahl der schal entragenden
Meeresschnecken, ferner einige Süsswasserschnecken und einige
lungenathmende Landschnecken. So gut wie alle Vorderkiemer be-
sitzen eine Schale, meistens eine wohlentwickelte Spiralschale mit
oder ohne Ausschnitt oder Kanal, seltener eine mützenförmige
Schale etc. Meistens ist ein Deckel vorhanden. In der Regel findet
sich in der Mantelhöhle nur eine Kieme. Einige sind Pflanzen-
fresser, andere ernähren sich von lebenden oder todten Thieren; einige
bohren mittels ihrer Radula die Schalen anderer Weichthiere an,
stecken den Rüssel durch die so hervorgebrachte Oeffnung und fressen
die Beute aus.
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Weichthiere. 2. Clas»e: Schnecken.
319
1. Im Meere ist diese Abtheilung durch zahllose Formen vertreten;
besonders in den Tropen leben viele grosse und schöne Arten. In den
kälteren Meeren findet man ebenfalls zahlreiche Vorderkieraer, meistens aber
kleinere und unscheinbarere Formen. Von den in der Nordsee (z.Th. auch
in der Ostsee) lebenden führen wir an: die Strandschnecken (IÄHorina),
kleine, dickschalige Schnecken ohne Ausschnitt, welche an Steinen etc. dicht
am Ufer in grosser Anzahl gefunden werden; das Well hörn (Ifuccinum
undatum), eine grosse Schnecke mit kurzem Kanal, lebt auf etwas tieferem
Wasser, wird vielfach als Köder verwendet; der Pelikans fuss (Aporrhais
j)€s pdicani), dessen Mündung in mehrere zehenartige Fortsätze ausgezogen
ist; die Napfschnecken (Paietta) mit mützenförmiger Schale, sitzen
lange Zeit unbeweglich an einer Stelle.
2. Im Süsswasser leben in Deutschland u. A. folgende : Die Sumpf-
schnecke (Paludina vivipara), ziemlich gross (bis 4 cm hoch), mit kegel-
förmiger Schale, gebärt lebendige Junge, welche bei der Geburt ungefähr
erbsengross und den Erwachsenen ähnlich sind; die Eier sind jedes in eine
Kapsel eingeschlossen, welche eine reichliche Eiweissmasse enthält und in
dem stark erweiterten Eileiter der Mutter liegen bleibt; innerhalb der
Kapsel wird die Metamorphose durchlaufen. Geraeiner sind die kleineren
Arten der verwandten, aber eierlegenden Gattung Bithynia. Einer anderen,
auch im Meere vertretenen Familie gehören die kleinen mit halbkugeliger
Schale versehenen XmÜna- Arten an ; der Innenrand der Mündung abgeplattet.
3. Auf dem Lande lebt in Deutschland u. A. die Ereismund-
s c h n e c k e ( Oyclosionia elfgans), welche durch eine Lunge athraet, von den
echten Lungenschnecken aber durch Vorhandensein eines Deckels auf den
ersten Blick leicht zu unterscheiden ist.
Eine eigenthümliche , auf das pelagische Leben eingerichtete Gruppe
der Vorderkiemer sind die KieltYinsler (fletfropoda). Es sind wasserklare,
grossäugige Thiere mit einem grossen zusammengedrückten Fuss,
Fig. 226. Ein Kielfüssler (Carinaria). / Fuss mit einem hinteren Saugnapf (tu),
g Kieme, welche aus der Hantelbuhle hervorragt, m Mund, s Schale, k Kiel auf der Schale.
— Nach Souleyet.
mittels dessen sie sich im Wasser fortbewegen ; der Fuss stellt eine senk-
rechte musculöse Platte mit scharfem unteren Rand dar, welche höchstens
an einer begrenzten Stelle die gewöhnliche Beschaffenheit des Schnecken-
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320
Speoieller Theil.
fusses in der Gestalt eines am Rande sitzenden Saugnapfes bewahrt
hat (der Saugnapf kann aber auch fehlen). Der Eingeweidesack ist bei
einigen recht wohl entwickelt und in eine zusammengedrückte, scheiben-
förmige Spiralschale eingeschlossen j der Unterkörper trägt bei diesen einen
Deckel und kann in die Schale zurückgezogen werden. Bei anderen
(Fig. 226) ist der Eingeweidesack klein und nur mit einer napfförmigen
Schale versehen, während der Unterkörper verhältnissmässig kolossal, deckel-
los ist und natürlich nicht in die Schale zurückgezogen werden kann ; end-
lich giebt es einige, welche einen noch kleineren Eingoweidesack und gar
keine Schale besitzen. Als Larven sind alle schalen- und deckeltragend.
— Die Kielfüssler sind lebhafte Raubthiere, welche mit der Bauchseite
nach oben gekehrt umherschwimmen; Bie kommen in allen wärmeren Meeren,
verschiedene Formen z. B. im Mittelmeere, vor.
2. Ordnung. Hinterkiemer (Opisthobranchiata).
Einige Hinterkiemer sind mit einem Eingeweidesack, einer (ge-
wöhnlich spiralig gewundenen) Schale, einer Mantelhöhle und einer
in letzterer angebrachten Kieme, zuweilen auch mit einem Deckel,
ausgestattet, ebenso wie die Vorderkiemer ; manchmal ist aber die
Schale mehr oder weniger rückgebildet, und den meisten flinter-
kiemern (nackte H.. Ntidibranchiata) geht eine Schale, und damit
auch der Eingeweidesack und die Mantelhöhle, völlig ab, und die
Eingeweide sind in den Unterkörper hinabgesenkt; an der rechten
Seite oberhalb des Fusses findet man die Nieren- und die Geschlechts-
öffnung, oft auch den After. Bei den Nudibranchien fehlt in der
Regel auch die gewöhnUche Kieme, welche dann aber meistens durch
besondere, verschieden gestaltete Hautauswüchse ersetzt ist, die als
Kiemen fungiren. Die Larven sind, wie schon früher hervorgehoben,
mit Schale und Deckel versehen. — Alle Hinterkiemer, von welchen
die nackten meistens in prachtvollen Farben prangen, leben im Meere,
sowohl in den kälteren als in den wärmeren Zonen der Erde.
1. Von gehäusetragenden Kinterkiemern führen wir an: Bulla
(Blasenschnecke) mit bauchiger Schale, deren Spitze in eine nabelähnliche
Vertiefung eingesenkt ist (in den wärmeren Meeren gemein, verwandte
Gattungen in den nördlichen Meeren). Bei einigen mit Bulla ver-
wandten Formen ist die Schale von Hautfalten umgeben, welche mit ein-
ander verwachsen und die dann immer dünne Schale völlig einBchliessen
können (innere Schale); letzteres ist z. B. mit der im Mittelmeere und an-
deren wärmeren Meeren lebenden Gatt. Aplyaia (Seehase) der Fall.
2. Unter den n ackten Hinte rkiemern sind die Doriden (Gatt. Doris
u. a.) dadurch ausgezeichnet, dass der After sich hinten auf dem Rücken
in der Mittellinie befindet und von einem Kreis gefiederter Kiemen um-
geben ist. Die Aeolidien (Gatt. Aeolis u. a.) haben unverästelte Kiemen
auf der Rückenseite ; in jede Kieme erstreckt sich ein Ast der Leber, welche
sehr verästelt und vom Darmkanal nicht scharf gesondert ist. Manche
Nudibranchien sind kieraenlos (z.B. Elysia, Limapotäüi) und haben oft eine
bedeutende oberflächliche Aehnlichkeit mit Plattwürmern. Alle genannten
Formen sind auch in den nördlichen Meeren vertreten.
Zu den Hinterkiemern gehören zwei abweichende Gruppen pelagischer
Thiere, welche gewöhnlich, aber nicht ganz richtig, unter den Namen
R uders ch necken (Pterojjoda) zusammengefasst werden. Die eine dieser
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Weifhthiere. 2. Clause: Schnecken.
321
Abtheilungen, die FlossenfUssler oder beschälten Raderschnecken
(Eupteropoda), zeichnet sich unter Anderem dadurch aus, dass der vordere,
sehr breite und mnsculöse Theil des Fusses ein Paar flossenartige Be-
wegungswerkzeuge bildet; der hintere Theil des Fusses (f) ist an seiner
Unterseite mit dichtgestellten langen Wimperhaaren besetzt, welche mikro-
Fig. 227. Ein Flossenfllssler (CUodora). m Mond,/' hinterer Theil des Fasses,
r Flosse, $ Schale. — Orig.
Fig. 228. Nackte Rud er *ch necke (ßexwärancAa*«). »w Saugnipfe,/*Fuss, r Flosse,
g After, b Kieme. — Orig.
skopiache Organismen, die in ihre Nähe kommen, dem Munde zutreiben;
letzterer liegt vorne zwischen den Flossen und ist von einem Paar Lippen-
falten umgeben, welche vor dem Munde sich mit einander vereinigen und
somit verhindern, dass die von dem Wimperstrom ergriffenen Thierchen
entwischen. Der Eingeweidesack ist wohlentwickelt und in eine Schale
eingeschlossen, welche bei einigen spiralig gewunden ist (es ist dann meistens
auch ein Deckel vorhanden), bei der Mehrzahl aber gerade oder schwach
gekrümmt, symmetrisch ist. Die Eupteropoden gehören zu den häufigsten
und charakteristischsten pelagischen Thierformen ; sie sind blind und werden
besonders Abends an der Oberfläche des Meeres getroffen ; sowohl in kälteren
als in den warmen Meeren. — Die andere zu den Pteropoden gerechnete
Abtheilung, die nackten Raderschnecken (Pterota), sind schalenlos und
besitzen einen kleinen, oft fast rudimentären Fuss ; sie bewegen sich mittels
zweier besonderen, flossenartigen, musculösen Anhänge, welche vorne dicht
beim Fasse sitzen, aber nicht einen Theil des letzteren darstellen. Aua der
Mundhöhle können bei diesen Thieren verschiedene Fangwerkzeuge, „Arme",
mit Saugwerkzeugen etc. hervorgestreckt werden ; die Pteroten sind nämlich
gefräs sige Räuber, welche besonders den wehrlosen Eupteropoden nach-
stellen, deren Verbreitung mit der ihrigen zusammenfällt. Eine bekannte
Art dieser Gruppe ist die an den Küsten Grönlands häufige, bis 4 cm lange
Cliotie Umacina, welche sich von einem mit Spiralschale versehenen Euptero-
poden, Limacma hdicina, ernährt.
Bon, Zoologie. 21
Fig. 227.
Fig. 228.
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32L>
Specieller Theil.
3. Ordnung. Lungenschnecken (Pulmonata).
Bei den Lungenschnecken finden wir ebenso wie bei den Hinter-
kiemern, dass einige Formen (die Mehrzahl) schalentragend sind und
einen wohlentwickelten Eingeweidesack besitzen, während andere nackt
sind und keinen Eingeweidesack haben (die Eingeweide sind in den
Unterkörper aufgenommen). Es besteht aber der Unterschied zwischen
ihnen und den Hinterkiemern, dass, selbst wenn Schale und Eingeweide-
sack fehlen, dennoch die Mantelhöhle stets als eine taschenartige, von
einem schildförmigen Mantel überdeckte Höhle an der Oberseite des
Thieres vorhanden ist; die Innenseite des Mantels ist sowohl bei den
nackten als bei den schalentragenden mit einem reichen Gefässnetz
versehen. Die Oeffnung, welche in die Mantelhöhle hineinführt, ist
nicht wie bei anderen Schnecken eine breite Spalte, sondern beschränkt
sich auf ein Loch an der rechten Seite; die Schale ist immer ohne
Ausschnitt, und ein Deckel fehlt. Zwischen den schalentragenden
und den nackten Lungenschnecken giebt es eine vollständige Reihe
von Uebergängen: wir finden Formen, deren Schale nicht so gross
ist, dass das Thier bei sehr feuchter Luft (unter solchen Umständen
ist der Weichkörper voluminöser als bei trockener Luft) sich völlig
in die Schale zurückziehen kann, während es dies bei trockener Luft
kann ; wir treffen andere, welche eine regelmässig ausgebildete Schale
besitzen, die aber so klein ist, dass sie nur den kleinen Eingeweide-
sack bedeckt, während der übrige Theil niemals in dieselbe zurück-
gezogen werden kann; oder der Eingeweidesack ist eigentlich ganz
verschwunden, und die kleine plattenförmige Schale bedeckt nur noch
den Mantel; oder die Schale ist eine kleine dünne Platte, welche in
die Mantelhaut eingeschlossen ist, !) oder sie ist sogar nur durch lose
Kalkkörner repräsentirt, welche ebenfalls im Mantel versteckt liegen
(letzteres ist z. B. bei der grossen Wegschnecke der Fall), oder sie
fehlt völlig. — Die Lungenschnecken leben auf dem Lande und im
Süsswasser und ernähren sich hauptsächlich von pflanzlicher Nahrung.
Sie sind, wie vorhin erwähnt, Luftathmer ; gewisse Süsswasserschnecken
(Limnaeus) besitzen aber, besonders im Jugendzustande, das Vermögen,
Wasser in die Mantelhöhle aufzunehmen und demselben den aufgelösten
Sauerstoff zu entnehmen.
1 . Die Land-Lungenschnecken (Stylojnmatophora) zeichnen sich
dadurch aas, dass die Augen an der Spitze je eines Stieles sitzen, welcher
den Tentakeln ganz ähnlich ist und ebenso wie diese in den Kopf zurückge-
stülpt werden kann. Hierzu gehören sowohl gehäusetragende als nackte
Formen. Von den ersteren nennen wir die Gatt. Helix, zu welcher die
kleineren Gartenschnecken und die grosse Weinbergschnecke
(JIctix potnatia) gehören; unter den letzteren die grosse Wegschnecke
(Arien empiricorum) und die kleinere, schädliche, graue Ackerschnecke
(Limax agrestis).
2. Die Sü8swa8ser-Lungen8chnecken (Basommatopliwa) haben
un gestielte , an der BasiB der Fühler sitzende Augen ; die Fühler können
nicht eingestülpt werden. Hierzu gehören die zahlreichen Arten der
Schlammschnecken (Limnaeus) mit spitzer Schale und die Teller-
*) Bei einer einzelnen Form (Parmacelia) findet sich bei dem jungen Thiere
eine kleine äussere Schale, welche später von der Mantelhaut überdeckt und ein-
geschlossen wird, so dass ältere Thiere eine innere Schale haben.
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Weichthiere. 2. Classe: Schnecken.
323
Schnecken {Planorbis) mit scheibenförmiger Schale; beide Gattungen sind
überall im Süsswasser gemein, durch grössere und kleinere Arten vertreten ;
gewisse Schlammschnecken führen eine amphibische Lebensweise (kommen
sowohl auf dem Lande als im Wasser vor).
3. Classe. Muscheln (Acephala).
Der Körper der Muscheln ist im Allgemeinen im Gegensatz zu
dem der Schnecken fast vollkommen symmetrisch (wenn man von
den Windungen des Darmkanals ab-
sieht) : der After liegt am Hinterende,
die Geschlechts- und Nierenöffnungen
sind symmetrisch angeordnet etc. Zur
allgemeinen Orientirung kann
Folgendes dienen : Der eigentliche
Rumpf ist im Vergleich mit dem
ganzen Umfang des Thieres ziemlich
klein; die Mantelfalte ist an jeder
Seite des Thieres in Form eines grossen,
vorhangartig herabhängenden Blattes
entwickelt. Vom Rumpf entspringen
dicht, unterhalb der Ursprungsstelle des
Mantel blattes an jeder Seite zwei blatt-
förmige Kiemen, welche innerhalb der
Mantelblätter herabhängen ; an der Un-
terseite des Thieres befindet sich der
gewöhnlich kielförmige Fuss: vorne an Fig. 229. Querschnitt einer
der Mundöffnung sitzen vier «rosse ^'^VS^ti
Mundlappen. Em gesonderter Kopf K.ppe, « Niere, » Schale, / Darm —
fehlt. Das ganze Thier ist von einer in «Jrig.
der Regel symmetrischen, zusammen-
gedrückten, zweiklappigen Schale umgeben.
Der Fuss ist gewöhnlich nicht sehr deutlich vom Rumpf ge-
sondert; häufig ist er nur ein zusammengedrückter Längskiel an der
Unterseite des Thieres ; bei einigen ist er ein längerer, mehr hervor-
stehender, zusammengedrückter (zuweilen knieförmig gebogener) Theil;
bei einzelnen ist er zungenförmig (Miesmuschel); bei einigen besitzt
er eine wirkliche Scheibe an der Unterseite. Der Fuss ist das
wichtigste Bewegungswerkzeug der Muscheln, welches aus der Schale
hervorgestreckt wird, indem es von dem Rumpf aus mit Blut gefüllt
wird ; wird das Thier beunruhigt, so zieht es den Fuss mittels einiger
von der Innenseite der Schale entspringender Muskeln zurück. —
Bei wenigen Muscheln (z. B. der Auster) fehlt der Fuss völlig, bei
anderen ist er rudimentär oder sehr klein.
Jede Kieme ist ein Blatt, dessen oberer Rand am Rumpf fest-
geheftet ist; der untere Theil — ungefähr die Hälfte des Blattes —
ist umgebogen und dem oberen Theil dicht angelegt (ähnlich wie die
eine Hälfte eines Bogens Papier der anderen); an der äusseren Kieme
liegt er ausserhalb, an der inneren innerhalb des oberen Theiles. Der
Rand dieses aufgebogenen Theiles der Kieme ist bei einigen frei, bei
anderen in seiner ganzen Ausdehnung oder nur theilweise am Rumpf.
21*
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324
Specieller Theil.
dicht am Ursprung des Kiemenblattes, festgewachsen. Das Kiemeu-
blatt besteht aus feinen, in der Richtung von oben nach unten ver-
laufenden Fäden; die Fäden sind zuweilen frei oder nur unter ein-
ander verklebt, gewöhnlich aber durch Querstäbe fest verbunden, so
dass das Kiemenblatt eine netzförmig durchlöcherte Platte darstellt;
ähnlich ist der aufgebogene Theil des Kiemenblattes mit dem anderen
durch kleine Querbalken verbunden (Fig. 229). — Die Kiemen, von
welchen, wie oben erwähnt, in der Regel jederseits zwei, selten nur
eine, vorhanden sind, besitzen an ihrer Oberfläche ein dichtes Kleid
von Wimperhaaren, welche das Wasser über sie hin bewegen.
Der M antel zerfällt bei den Muscheln in zwei symmetrische
Hälften, ein rechtes und ein linkes Mantelblatt, welches ausser-
halb der Kiemen liegt. Die Mantelblätter sind dünne Platten, deren
bandförmige Randpartie, der Mantelsaum, jedoch etwas ver-
dickt und mit querlaufenden Muskelfasern versehen ist, deren obere
Enden an der sogenannten Mantellinie (vergl. unten) an der Innen-
seite der Schale festgeheftet sind, und welche durch ihre Verkürzung
den Mantelsaum innerhalb des Randes der Schale zurückziehen;
längs des freien Randes des Mantels finden sich häufig Tastfäden.
Die Ränder der beiden Mantelblätter sind übrigens nur bei einer ge-
ringeren Anzahl von Muscheln (z. B. der Auster) von einander voll-
ständig frei; in der Regel sind sie theilweise verwachsen, so dass
die grosse Oeffnung zwischen ihnen in zwei oder mehrere Abschnitte
getheilt ist. In den einfachsten Fällen (z. B. bei der Miesmuschel)
ist nur der allerhinterste Theil von der übrigen Oeffnung gesondert,
indem die Mantelränder auf eine kurze Strecke mit einander ver-
bunden sind; wir erhalten bei solchen Muscheln eine kleine hintere
ohne jedoch mit einander zu verwachsen. Bei anderen Muscheln ver-
wachsen die Mantelblätter an der entsprechenden Stelle in geringerer
oder grösserer Ausdehnung, und wir finden dann die ursprünglich ein-
heitliche Spalte in drei Oeffnungen getheilt: hinten die Kloaken-
öffnung, unter dieser die A themöffnung, durch welche das
Wasser einströmt, und vorne und unten die Fuss Öffnung, durch
welche der Fuss hervorgestreckt wird, letztere weit grösser als die
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Weichthiere. 3. Claaae: Muscheln.
325
beiden anderen. Die Kloaken- und die Athemöffnung sind oft zu
zwei Röhren, der Kloaken- und der Athemröhre, ausgezogen,
welche aus der Schale hervorgestreckt werden können und zuweilen
eine ansehnliche Länge erreichen ; meistens sind sie mit einander ver-
Fig. 231. Klaff muschel. Sehr lange verwachsene Mantelröhren, welche nicht in
die Schale zurückgezogen werden können, u OefTnung der Kloaken-, »' der Athemröhre, /Fuss.
bunden und erscheinen dann äusserlich als eine einzige (zuweilen am
Ende gespaltene) Röhre, welche aber innerlich durch eine Scheidewand
in zwei getheilt ist; seltener sind sie auch äusserlich getrennt. Zu-
weilen erreichen sie eine so bedeutende Entwicklung, dass sie nicht
in die Schale zurückgezogen werden können (Fig. 231). Bei Muscheln
mit diesen Röhren sind die Mantelränder oft in so grosser Aus-
dehnung verwachsen, dass auch die Fussöffnung bedeutend ver-
kleinert ist.
Die Schale liegt ausserhalb des Mantels, letzterem dicht an-
gelagert. Sie zerfällt in zwei Hälften, welche oben durch eine bieg-
same Masse, das unten näher zu besprechende Band (Ligament),
A • B
Fig. 232. Rechte ScbalenhHlfte zweier verschiedener Muscheln, von der Innenseitc ge-
sehen. A ohne, B mit Mantelbucht, b Band, bu Wirbel, kb Mantelbucht. I Mantellinie,
m SchliessmuakeleindrUcke. — Orig.
verbunden sind. Die beiden Schalenhälften sind im Allgemeinen
wesentlich einander spiegelbildlich gleich; seltener sind grössere
Unterschiede vorhanden (z. B. hei der Auster). Sie sind mehr oder
weniger gewölbt; oben findet sich in der Regel ein vorragender Buckel,
der sogen. Wirbel (der älteste Theil der Schale), welcher gewöhn-
lich dem Vorderende näher als dem Hinterende liegt. Der obere
Rand jeder Schalenhälfte besitzt gewöhnlich zahn- oder leistenartige
Vorsprünge, welche zwischen entsprechende der anderen Hälfte ein-
greifen : Sehl o 88 (Cardo)] bei nicht wenigen fehlt dasselbe übrigens
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326
Spezieller Theil.
oder ist nur wenig ausgebildet. Wenn die Schale geschlossen ist,
passen gewöhnlich die Ränder beider Hälften überall eng an einander,
so dass die weichen Theile des Thieres von der Aussenwelt ganz ab-
geschlossen sind; nicht selten klafft jedoch die Schale an einer oder
mehreren Stellen, namentlich hinten bei denjenigen, welche mit nicht
zurückziehbaren Mantelröhren versehen sind, vorne bei einigen, welche
mittelst eines Byssus (S. 328) festgeheftet sind. Das Schliessen der
Schale wird durch die Schliessmuskeln, gewöhnlich zwei, be-
wirkt, welche quer durch das Thier gehen, der eine im vorderen, der
andere im hinteren Theil desselben, und welche der Innenseite der
Schale angeheftet sind; seltener ist nur ein Schliessmuskel vorhanden
(z. B. bei der Auster). An der Stelle, wo ein Schliessmuskel der
Schale angeheftet war, bemerkt man an der Innenseite derselben
einen scharf begrenzten Fleck, einen Muskeleindruck, an jeder
Schalenhälfte also in der Regel zwei; ausserdem findet man an der
Innenseite der Schale häufig kleinere Eindrücke, welche den An-
heftungen der Fussmuskeln entsprechen. Ferner die sogenannte
Mantellinie, von welcher die Muskelfasern des Mantelsaumes
ihren Ursprung nehmen ; die Mantellinie läuft bei denjenigen Muscheln,
welche keine Mantelröhren besitzen, dem Rande der Schale parallel,
in einigem Abstand von demselben; bei denjenigen, welche solche
Röhren haben, beschreibt die Mantellinie in der Regel hinten eine
nach vorne gerichtete Bucht ; längs derselben entspringen die Muskeln
der Röhren — welche besonders entwickelte Theile der Muskulatur
des Mantelsaumes sind — ; indem sie weiter vorne in der Schale ent-
springen, können die zusammengezogenen Röhren (wenn sie nicht
etwa ungemein lang sind) innerhalb derselben Platz linden. — An der
Schale kann man gewöhnlich drei Schichten unterscheiden: eine
äusserste hornähnliche, bei einigen (z. B. der Miesmuschel) sehr deut-
liche, bei anderen undeutlichere Schicht , und zwei der Hauptmasse
nach aus kohlensaurem Kalk bestehenden Schichten, von welchen die
innere zuweilen irisirt (Perlmutter).
Fig. 233. Schematischc tjuerschnitte der Schalen von Muscheln mit innerem (A A')
und mit nusserem Bande (fl, ff). In A und Ii ist die Schale geöffnet, in A' und If ge-
schlossen dargestellt, b olHaticcher Theil de» Bundes, b' iiusserer, nicht elastischer Theil des-
selben; m Schliessmuskel. — Orig.
Die biegsame Masse, welche die Schalenhälften verbindet, das
sogen. Band, besteht aus einer äusseren, biegsamen, aber unelastischen
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Weiohthiere. 3. Classe: Muscheln.
327
Schicht (einer Fortsetzung der äusseren Lage der Schale) und einer
inneren, elastischen , aus radiären Fasern zusammengesetzten Masse.
Bei manchen Muscheln tritt das Band äusserlich mit einer grossen
Fläche, hoch gewölbt hervor und wird dann als äusseres Band
bezeichnet; bei anderen ist es zwischen den oberen Rändern versteckt,
bietet äusserlich nur eine schmale Fläche dar, während es nach innen
gewölbt ist, und wird als inneres Band bezeichnet. In beiden
Fällen ist seine Wirkung wesentlich dieselbe. Wenn eine mit innerem
Band versehene Schale durch Verkürzung der Schliessmuskeln ge-
schlossen wird, so wird die innere elastische Masse des Bandes zu-
sammengepresst, und wenn die Muskeln wieder erschlaffen, so drängt
sie die Schalenhälften wieder auseinander. Bei den Schalen mit
äusserem Bande erfährt die elastische Masse des Bandes beim
Schliessen der Schale ebenfalls eine Zusammendrückung oder Zu-
sammenbiegung innerhalb der äusseren unelastischen Schicht, und bei
der Erschlaffung der Muskeln ist die Wirkung dieselbe wie bei den
Schalen mit innerem Bande Die Wirkung des Bandes ist eine
rein mechanische und findet ebenso nach dem Tode des Thieres wie
im Leben desselben statt. Es ist noch zu bemerken, dass seine Lage
entweder gerade unterhalb der Wirbel oder, gewöhnlicher, hinter den-
selben ist. Nur bei sehr unvollkommen entwickelter Schale (z. B.
bei Teredo) fehlt das Band völlig und die Schalenhälften sind ganz
gesondert.
Die Schale nimmt dadurch an Umfang zu, dass die Oberhaut-
zellen am Rande des Mantels neue Theilchen absondern, welche dem
Schalenrande angefügt werden ; sie wächst an Dicke, indem von der
äusseren Seite des Mantels und (für den oberen Theil der Schale) des
Rumpfes auf die innere Fläche der Schale neue Schichten abgelagert
werden.
Von dem gewöhnlichen Typus weicht die Schale bei einigen Muscheln
dadurch ab, dass sie sehr asymmetrisch ist; bei der Auster und bei einigen
Kammmuscheln ist z. B. nur die eine Schalenhälfte gewölbt, die andere
platt. Eine geringere Asymmetrie findet man bei manchen anderen, eine
ganz geringfügige bei den meisten (die Schlosszähne der beiden Hälften
greifen ja zwischen einander ein: an derjenigen Stelle, wo an der einen
Schalenhälfte ein Zahn . vorhanden ist , muss an der anderen Hälfte eine
Vertiefung sein). Andere Muscheln sind dadurch ausgezeichnet, dass die
Schale nur einen kleineren Theil ihres Körpers bedeckt (Teredo und andere),
was aufzufassen ist als eine weitere Entwicklung des oben berührten Ver-
hältnisses, dass die Schale bei einigen die Mantelröhren nicht in sich auf-
nehmen kann. — Perlen sind Kalkablagerungen von der äusseren Seite
des Mantels um Fremdkörper herum, welche zufällig zwischen den Mantel
und die Schale hineingerathen ; sie sind entweder an der Innenseite der
Schale festsitzend oder liegen frei; sie werden bei verschiedenen Muscheln
gebildet. — Einige Muscheln von gestreckter Körperform und mit unvoll-
kommenen Schalen bilden sich entweder eine Röhre aus kleinen zusammen-
gekitteten Fremdkörpern, oder sondern häufiger eine Kalkröhre um
sich herum ab, mit welcher die kleinen Schalenhälften dann zuweilen ver-
bunden sind.
Was die Haut betrifft, so ist besonders die Bildung von Byssus-
') Die gewöhnliche Angabe, dass ein Ausspannen des äusseren Bandes beim
Schliessen der Sehale stattfinden sollte, ist unrichtig.
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328
Specieller Theil.
Fäden hervorzuheben, welche man bei einem Theil der Muscheln
findet. Die Byssus-Fäden sind hornartige Fasern, welche in einer
Höhlung und einer damit in Verbindung stehenden Rinne des Fusses
von den dort gelegenen Oberhautzellen ausgeschieden werden. Diese
Fäden dienen bei einigen (z. B. bei der Miesmuschel) dazu, das Thier
an fremden Gegenständen festzuheften, indem das eine Ende mit dem
Thiere in Verbindung bleibt, während das andere an dem Gegenstande
festgeklebt wird. Andere verbinden mittels der Byssus- Fäden
Steinchen und dergl. zu einer Art Nest, in welchem sie Aufenthalt
nehmen.
Bei manchen Muscheln, welche keinen Byssus bilden, ist trotzdem ein
rudimentäres Byssus-Organ vorhanden. Einige Formen erzeugen nur in der
Jugend einen Byssus, während sie alß Erwachsene diese Fähigkeit nicht
mehr besitzen.
Das Centrainervensystem besteht bei den Muscheln aus
je einem Paar Gehirn-, Fuss- und Eingeweideganglien; die beiden
letzteren Paare sind meistens durch ansehnliche Nervenstränge mit
den Gehirnganglien verbunden. Seitenganglien fehlen. — Von Sinnes-
organen findet man stets ein Paar Gehörblasen, welche ihren
Platz an den Fussganglien haben; sie sind mit einem oder mehreren
Otolithen versehen. Augen sind nur bei einer geringeren Anzahl
von Muscheln vorhanden, und dann immer, oft in grosser Anzahl, am
Mantelrande entlang, bei den mit Mantelröhren ausgestatteten an der
Spitze dieser letzteren. Beispielsweise führen wir an, dass bei den
Kammmuscheln (Pectcn) längs des Mantelrandes eine Reihe ziemlich
complicirt gebauter Augen vorhanden ist. Ein Geruchsorgan,
dem der Schnecken entsprechend, findet sich bei manchen Muscheln
in der Nähe des Afters als ein besonders ausgebildeter, mit Nerven
in Verbindung stehender Abschnitt der Oberhaut.
«? es
Fig. 234. Schematischer Längsschnitt einer Muschel mit eingezeichneten Or-
ganen, a vorderer, b hinterer Schliessmuskel, c Mund, d Magen, r. Darm, g Herz, h Arterien,
j Gehirn-, Jt Fuss-, / Kingeweidegangliun, m Kieme der rechten Seite, welche grösstentheils
vom Fuss verdeckt ist, n Leber, o Eierstock, p Mantel, g Fuss, r hinterer Mantelrand, t Alter.
— Nach Kitsche.
Der Mund ist eine Querspalte am Vorderende des Thieres unter-
halb des vorderen Schliessmuskels. Er ist oben und unten von einer
Ober- resp. Unterlippe begrenzt, deren jede au beiden Seiten in einen
in der Regel wohlentwickelten Mundlappen ausgezogen ist. Die
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Weichthiere. 3. Classe: MuBcheln.
329
Mundlappen, von welchen also jederseits zwei vorhanden sind,
sind mit zahlreichen Wimperhaaren bedeckt, welche die kleinen Theile,
mikroskopische Pflanzen und Thiere etc., die in dem in die Mantel-
höhle aufgenommenen Wasser enthalten sind, in den Mund hinein-
strudeln. Radula und Kiefer fehlen. Vom Munde führt eine
kurze Speiseröhre in einen Magen, welcher bei manchen Muscheln
mit einem Blindsack ausgestattet ist; in letzterem oder im Magen
selbst oder im Darm ist der sogenannte Krystallstiel, ein gallertiger,
durchsichtiger Körper, enthalten. Der Krystallstiel entwickelt sich,
wenn das Thier reichlich ernährt wird, bildet sich dagegen zurück
und verschwindet, wenn es hungert; er ist wahrscheinlich als ein
überschüssiger, als Reserve dienender Theil der aufgenommenen
Nahrung aufzufassen, welcher durch Einwirkung der Verdauungssäfte
eine eigenthümliche Beschaffenheit angenommen hat (nach einer anderen
Auffassung wäre der Krystallstiel von dem Epithel des Blindsackes
abgesondert) ; er kommt fast bei allen Muscheln vor. In den Magen
mündet mit mehreren Oeffnungen die wohlentwickelte, den Magen
umgebende Leber. Der eigentliche Darm macht mehrere Windungen ;
sein hinterer Theil verläuft an der Rückenseite des Thieres entlang,
zuletzt oberhalb des hinteren Schliessmuskels und öffnet sich am
Hinterende des Rumpfes. — Die Herzkammer hat ihren Platz an
der Rückenseite des Thieres oberhalb des Enddarmes ; bei den meisten
Muscheln theilt sie sich in zwei Aeste, welche den Darm umfassen
und sich unterhalb desselben vereinigen, so dass die Herzkammer
ringförmig, „vom Darm durchbohrt" wird. Es finden sich zwei
Vorhöfe, einer an jeder Seite, welche das Blut von den Kiemen
empfangen und in die Herzkammer führen. Das Herz liegt in einem
Herzbeutel. Das Gefasssystem ist unvollständig; in den Kiemen
findet sich jedoch ein reiches Capillarnetz. — Die Nieren sind ein
Paar sackförmige Organe, welche oft mehr oder weniger innig mit ein-
ander verbunden sind (das Bojanus'sche Organ); sie münden mit je
einer Oeffnung seitlich am Körper unterhalb des Ursprungs der inneren
Kieme; ausserdem stehen sie durch je eine Oeffnung mit dem Herz-
beutel in Verbindung. — Die Mehrzahl der Muscheln sind getrennten
Geschlechts, eine kleinere Anzahl (z. B. die Auster) Zwitter.
Eierstöcke und Hoden, stets in einem Paare vorhanden, sind verästelte
Organe, welche sich zwischen die anderen Eingeweide, in den Fuss
oder (z. B. bei der Miesmuschel) in den Mantel, erstrecken; sie mün-
den an beiden Seiten dicht an der Nierenöffnung, oder der Aus-
führungsgang vereinigt sich mit dem der Niere, so dass jederseits
eine gemeinsame Oeffnung für den Harn und die Geschlechtsstoffe
vorhanden ist. Bei einigen hermaphroditischen Muscheln finden sich
ein Paar Eierstöcke und ein Paar Hoden, völlig gesondert und auch
selbständig ausmündend; bei anderen nur ein Paar Geschlechts-
drüsen, von welchen gewisse Theile als Eierstock, andere als Hode
fungiren. Die befruchteten Eier durchlaufen bei einigen Muscheln
ihre Entwicklung in den Hohlräumen der äusseren Kieme des Mutter-
thieres, in welche sie aufgenommen werden (z. B. bei der Teichmuschel
u. a.); bei andern werden sie ausserhalb des Thieres abgelegt.
Die Muscheln des Meeres durchlaufen eine ähnliche Metamor-
phose wie die Meeresschnecken ; die neugeborene Larve bewegt sich
mittels eines Wimpersegels am Vorderende umher; manchmal ist
sie am vorderen Theil des Körpers mit Augeu versehen, welche
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330
Specieller Theil.
Fig. 235. JUngere und Rltero Larve
einer Mceresmuachel (Cardium); bei der
älteren i*t eine kleine Schale, 8, entwickelt,
r Wimpersegel. — Nach Lovrfn.
später verschwinden. Ein solcher freischwimmender Larvenzustand
fehlt bei den Süsswassermuscheln, ein Wimpersegel kommt bei diesen
nicht zur Entwicklung oder ist nur vorübergehend bei den Embryonen
angedeutet.
Alle Muscheln leben im Wasser,
die Mehrzahl im Meere. Sie er-
nähren sich von den kleinen orga-
nischen Körpern, Diatomeen etc.,
welche in dem in die Mantelhöhle
einströmenden Wasser enthalten sind.
Mittels des Fusses können sie lang-
sam fortkriechen, indem sie
denselben der Unterlage an- oder
in dieselbe eindrücken; einzelne
können mittels des Fusses ' eine
Art Sprünge ausführen. Ausnahms-
weise können sie, indem sie die
vSchalen schnell auf- und zuklappen,
sich im Wasser fortschnellen. Allgemein sind sie befähigt, mittels
des Fusses sich in den weichen (sandigen oder schlammigen) Grund
hineinzuarbeiten, so dass schliesslich nur Kloaken- und Athem-
öffnung hervorragen, und manche verleben den grössten Theil ihres
Lebens derartig eingegraben; die Ausbildung kürzerer oder län-
gerer Mantelrohren steht eben hiermit in Zusammenhang. Einige be-
sitzen sogar das Vermögen, sich in festere Theile, Holz, Kalkstein
etc. einzu bohren, indem sie mittels des Fusses, in welchem feine
Kiesel(?)-Theilchen eingelagert sind, jene langsam ausschleifen. Einige
Muscheln sind mit der einen Schale an fremden Gegenständen mittels
einer Kalkausscheidung festgekittet uud entbehren natürlich jeder
Ortsbewegung. Wie schon oben erwähnt, kann eine Festheftung
an fremden Gegenständen auch durch Byssusfäden geschehen; das in
dieser Weise festgeheftete Thier bleibt lange Zeit an derselben Stelle,
kann sie aber verlassen, indem es den Byssus zurücklässt; die unten
genannte Dreissena z. B. ist im Sommer dicht unterhalb der Ober-
fläche des Wassers an fremden Gegenständen angeheftet, im Herbst
zieht sie sich aber unter Zurücklassung des Byssus auf den Grund
zurück.
Beispielsweise führen wir folgende Formen an:
1. Die Auster (Ostrea edulis) besitzt nur einen Schliessmuskel, das
Band ist ein inneres, der Fuss fehlt, die rechte Schalenhälfte flach, die linke
gewölbt und an fremden Gegenständen angewachsen. In der Nordsee und
anderen nordischen Meeren; andere Arten derselben Gattung im Mittelmeer.
— Mit den Austern verwandt sind die Kammmuscheln (Pecten) mit
radiär gerippter Schale, deren vordere und hintere Hälfte fast gleich sind;
vor und hinter den Wirbeln eine abgeplattete dreieckige Partie, von welchen
die vordere an der rechten 8chalenhälfte eine Ausbuchtung für den Byssus
besitzt. Bei einigen Arten sind die rechte und die linke Schalenhälfte
sonst gleich; bei anderen ist die linke flach, die rechte gewölbt. Inneres
Band, Augen am Mantelrand. 1 Schliessmuskel, kleiner Fuss. Arten in
der Nordsee etc.
2. Die Miesmuschel (Mytüw edulis) zeichnet sich besonders dadurch
, dass die Wirbel an das vorderste Ende der ziemlich dünnen Schale
gerückt sind; sie besitzt ein langes inneres Band und einen kräftigen
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I
Weichthiere. 8. Classe: Muscheln. 331
By8sus, vermittels dessen das Thier an Steinen etc. angeheftet ist. An den
Küsten der Nord- und Ostsee sehr häufig: wenn sie in stagnirenden Ge-
wässern (in Hafenbassins etc.) lebt, lagert sich oft ein giftiger x
Stoff in der Leber ab. — Die verwandte, etwas kleinere
Wandermuschel (Dreissena polymorpha) lebt im Süss-
wasser ; ursprünglich in Südost • Europa einheimisch , hat sie
sich in unserem Jahrhundert allmählich beinahe über ganz Europa
verbreitet. — Eine andere verwandte Form ist die fast cylin-
drische, längliche Battelmuschel {LiÜiodomus Utliophagm),
welche sich in Kalkstein einbohrt; im Mittelmeer.
3. Die Teichmuscheln (Anodonta) sind grosse, ei-
förmige, dünnschalige Muscheln, welche in den süssen Ge-
wässern häufig sind. Die zahlreichen Eier werden in der
äusseren Kieme des Weibchens ausgebrütet, und die Jungen
durch die Kloakenöffnung ausgestossen. Letztere sind mit
einem langen klebrigen Faden versehen, welcher im Wasser
flottirt und an vorüberschwimmenden Fischen leicht festklebt;
geschieht dieses, so heftet die junge Muschel sich mittels eines
am unteren Rand der Schale jederseits vorhandenen Zahnes au
dem Fisch fest, wird von dessen Haut überwuchert und führt
eine Zeitlang ein Schmarotzerleben auf dem Fisch, um ihn
später wieder zu verlassen. — Verwandt sind die Fluss-
muschel (f'nio) und die Flussperlmuschel {Margaritana
nutrgarüifera), welche ebenfalls in Deutschland vorkommen;
letztere liefert einen Theil der in den Handel gelangenden
Perlen. (Zu einer anderen Familie der Muscheln gehört die
echte Perlmuschel, Meleagritia margarüifera, welche die
schönsten Perlen liefert; im Indischen und Stillen Ocean.)
4. Die Klaffmuschel {Mya arenaria) zeichnet sich
besonders durch den Besitz einer sehr langen (natürlich aus
zwei zusammengesetzten) Mantelröhre aus, welche nicht in die
Schale zurückgezogen werden kann und mit einer Cuticula
bekleidet ist; die Mantelränder grösstenteils verwachsen.
Findet sich auf dem Strande, an der Küste der Nord- und
Ostsee, bis mehr als fusstief eingegraben. (Fig. 231.)
5. Der Pfahlwurm (Teredo navalis) ist eine wurm-
förmig gestreckte Muschel mit zum allergrössten Theile ver-
wachsenen Mantelrändern, mit einem Paar ganz kleiner, nicht
durch Bandmasse zusammengehaltener Schalen am vordersten
Theil des Körpers und zwei theilweise getrennten Mantelröhren
am Hinterende. Er lebt im Meere, in Holz (Pfählen, Schiffen),
in welches er lange, mit einer abgesonderten Kalkschicht aus-
gefütterte Röhren bohrt; die äussere Oeffnung und die diesen
zunächst liegenden Theile der Röhre sind eng (wurde von
der jungen Muschel gebildet), weiter nach innen zu wird sie
weiter, cvlindrich; das Thier sitzt mit seinem Vordertheii im
innersten Ende der Röhre, mit den Mantelröhren an ihrer Pfahl warm,
äusseren Oeffnung, und ist ausser Stande, dieselbe zu vor- " Schale, b
lassen. An den europäischen Küsten gemein ; sehr schädlich. f^antelröliren'
— Bei der verwandten Gattung Pliolas (Bohrmuschel), welche
in Kalkstein, Holz etc. bohrt, ist der Körper kürzer, die Schalen besser
als bei Teredo entwickelt ; sie besitzt Leuchtvermögen. In den europäischen
Meeren,
Fig. 286.
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332
Specieller Theil.
4. Classe. Tintenfische (Cephahpoda).
Der Körper ist äusserlich, und in der Hauptsache auch inner-
lich, streng symmetrisch. Er zerfällt in zwei natürliche Abschnitte,
den Kopf und den Rumpf. Der Kopf ist sehr kräftig entwickelt;
vorne findet sich die Mundöffnung, welche bei allen Zweikiemern
(d.h. allen Cephalopoden mit Ausnahme des Nautilus) von einem Kreis
von 8 langen, musculösen Armen umgeben ist; innerhalb dieser ent-
springen bei einigen Zweikiemern (den zehnarmigen) noch zwei
längere, sogenannte Fangarme. Einige der Arme oder alle acht
sind bei gewissen Cephalopoden entweder nur am Grunde oder weiter
hinauf durch eine dünne Biudehaut mit einander verbunden (ähnlich
wie die Zehen mancher schwimmenden Säugethiere und Vögel). Die
Arme und die Fangarme sind — letztere jedoch nur gegen die Spitze
hin — an der inneren, dem Mund zugekehrten Seite mit zahlreichen
musculösen Saugnäpfen ausgestattet, welche bei den 8 armigen
Tintenfischen sitzend, bei den 10 armigen in der Regel kurzgestielt
sind; bei den letzteren (dagegen nicht bei den 8 armigen) findet sich
im Rande des Saugnapfes ein chitinartiger Ring, der „Hornring",
welcher in der Regel am Rande fein gezähnt ist. Einige der Saug-
näpfe können bei gewissen 10 armigen Cephalopoden zu Haken um-
gebildet sein, indem der Hornring nach der einen Seite stark aus-
gezogen und an der Spitze hakenförmig umgebogeu ist. Bei den Vier-
kiemern (Nautilus) findet sich statt der Arme eine grössere Anzahl
dünner Tentakel, welche in mehreren Kreisen um die Mundöffnung
geordnet sind und in Tentakelschichten zurückgezogen werden können,
welche theilweise zu handartigen Platten verwachsen sind, von deren
Rand die Tentakel entspringen; letztere entbehren der Saugnäpfe. —
Auf dem Kopfe finden sich ausserdem noch ein Paar grosser Augen
und ein Paar als Geruchsorgane gedeuteter Organe, von welchen
unten mehr.
Der Rumpf — dessen Unterseite der hinteren Seite des Ein-
geweidesackes der Schnecken entspricht — ist bei einigen, den 8 armigen
und Nautilus, kurz und dick, bei den 10 armigen mehr gestreckt; bei
letzteren ist er mit einem Paar wagerechter Flossen versehen,
welche von den Seiten des Rumpfes gegen die Rückenseite zu ent-
springen und in der Regel am hinteren Theil des Thieres ihren Platz
haben. An der Grenze von Kopf und Rumpf findet man an der Bauch-
seite eine Querspalte, welche in eine geräumige Mantelhöhle
hineinführt (vergl. Fig. 242 B), die sich längs der ganzen Bauchseite
des Thieres bis an das Hinterende und auf die Seiten hinauf erstreckt ;
nach aussen wird sie von einem meist sehr musculösen, dicken Mantel
begrenzt, welcher sich bei manchen mit einer niedrigeren Falte auch
hinter dem Kopfe auf die Oberseite fortsetzt. Aus der Mantelspalte
ragt das vordere Ende einer an beiden Enden offenen Röhre, des
Trichters, hervor, welcher mit seiner oberen Seite an der oberen
Wand der Mantelhöhle, auf der Grenze des Kopfes, befestigt ist;
der Trichter ist übrigens nur bei den Zweikiemern eine wirkliche
Röhre, bei Nautilus dagegen eine dütenförmig zusammengerollte
Platte, deren Ränder sich unten decken; er entspricht dem Fuss
anderer Weichthiere. Das Thier nimmt durch die grosse Spalte
Wasser in die Mantelhöhle auf, stösst es aber durch den Trichter
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Weichthiere. 4. Clame: Tintenfische.
333
aus , indem sich der Hand des Mantels dem Rumpfe andrückt und der
musculöse Mantel sich zusammenzieht; in dem Trichter findet sich
oft oben eine kleine zungenartige Platte, welche mit ihrem hinteren
Ende festgeheftet ist, während das vordere Ende frei ist, und welche
Fig. 287. Nautilus, die Schale durchgesägt, o Äuge, {Trichter, U Tentakel; «der
Strang, welcher sich durch die Rammern erstreckt ; h eine Hautfalte, welche sich Uber die
Schale hinauf schlagt. — Nach v. Martens.
somit als ein Ventil wirkt, das verhindert, dass das Wasser durch
den Trichter zurückströmt. In der Mantelhöhle finden sich bei den
8- und 10 armigen Tintenfischen ein Paar, bei Nautilus zwei Paar
blättrige Kiemen.
Bei Nautilus ist der Rumpf in eine Schale eingeschlossen,
welche ebenso wie die der Schnecken eine Absonderung der Ober-
haut ist. Die Schale ist spiralig gewunden, aber symmetrisch; die
Convexität entspricht der Bauchseite des Thieres (vergl. Fig. 237).
Die Schale ist mehr kammerig, durch gewölbte Querscheidewände
in eine grosse Anzahl Räume getheilt, von welchen das äusserste
(und grösste) den Rumpf umschliesst, während die übrigen mit Luft
gefüllt sind; die Scheidewände sind von je einem Loch durchbohrt,
durch welches eine dünne, strangförmige Verlängerung des Hinter-
endes des Thieres geht, die sich durch die ganze Schale fortsetzt.
Man muss annehmen, dass die Scheidewände auf die Weise gebildet
werden, dass das Thier, wenn die Schale ein Stück an der Mündung
gewachsen ist, sein Hinterende von der äussersten Scheidewand eine
kurze Strecke abrückt und eine neue Scheidewand vor der letzteren
ausscheidet; gleichzeitig streckt sich auch der Strang in die Länge.
Bei einigen ausgestorbenen N auti 1 u s f o rm en war die Schalen-
röhre gerade (Orthoceras) , bei anderen schwach gebogen oder nur
theilweise spiralig aufgerollt, bei anderen wieder zwar spiralig ge-
334
Specieller Theil.
wunden, aber ohne dass die Windungen einander berührten (wie bei
den jetzt lebenden und bei einigen ausgestorbenen Nautilusformen). —
Bei der jetzt lebenden Gattung Spirufa, welche zu den 10 arm igen
Cephalopoden gehört, findet man eine ähnliche spiralige, mehr-
kammerige Schale wie beim Nautilus, deren Windungen sich aber
nicht berühren , und welche in entgegengesetzter Richtung aufgerollt
ist, indem die Convexität der Rückenseite entspricht ; nur ein geringer
Theil des Rumpfes ist in die Schale eingeschlossen, deren äussere
Kammer nur klein ist, und die Schale ist ganz von Hautfalten um-
schlossen, welche sich um dieselbe herum geschlagen haben und mit
einander verwachsen sind. Bei gewissen ausgestorbenen zehn-
A Ii C D E
Fig. 288. Schematische Figuren verschiedener Tinteuusch - Scholcnforuaen , von der
Seite, A SpiruUt; Ii Spintlirottra (ausgestorben) ; V BtUmnite* (ausgestorben) ; in D uud
C ist eine starke stachelförmige Fortsetzung des hinteren Theile* der Schale fortgelassen;
D Conoteuthi» (ausgestorben): E Ominatottiephes (jetztlebendcr zehnarmiger Tintenfisch).
p platteufönniger Theil der Schule. — <>rig.
armigen Cephalopoden findet man ebenfalls eine mehrkammerige Schale
(Fig. 238 B, C), welche aber gewöhnlich gerade und vorne in einen
plattenförmigen Theil ausgezogen ist; bei den jetztlebenden zehn-
armigen (mit Ausnahme von Spirula) ist dieser platteuformige Theil
fast das Einzige, was von der Schale übrig geblieben ist, indem der
hintere, kegelförmige, bei den ausgestorbenen gekammerte, Theil ganz
rudimentär geworden ist oder völlig fehlt. Die Schale ist bei diesen
in der Regel eine dünne, hornartige, schmälere oder breitere, lang-
gestreckte Platte, seltener dicker, mit einer Kalklage unterhalb der
Hornplatte (Sepia) -, sie ist völlig in eine Höhlung auf der Rückenseite
des Thieres, eine Einstülpung der äusseren Haut, eingeschlossen.
Diese sogenannte „innere Schale" entspricht nach dem Angeführten
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Weichthiere. 4. Clause: Tintenfische.
335
der äusseren Schale des Nautilus, ist in der That ebenso wie diese
eine Absonderung der Oberhaut. Bei den Hannigen fehlt die Schale
(wegen der ganz abweichenden Schale bei Argonauta vergl. unten S. 339).
Die Haut zeichnet sich durch ihren lebhaften Farben Wechsel
aus, den sie dem Vorhandensein sternförmiger Pigmentzellen verdankt,
welche sich zusammenziehen und wieder ausdehnen können (Chroma-
tophoren). — Eine eigentümliche, mit der Haut zusammenhängende
Drüse ist der sogenannte Tintenbeutel der Zweikiemer. ein ge-
wöhnlich birnförmiger Sack, in dessen Wand eine tintenartige Flüssig-
keit abgesondert wird; er öffnet sich in die Mantelhöhle dicht hinter
dem After oder in diesen, und die Flüssigkeit wird, wenn das Thier
sich in Gefahr glaubt, durch den Trichter ausgestossen.
Die Cephalopoden besitzen ein wirkliches, wenn auch nur
schwach entwickeltes inneres Skelet in Form von knorpeligen
Theilen, von welchen besonders eine das centrale Nervensystem, die
Gehörorgane und theilweise die Augen umhüllende Knorpelkapsel im
Kopfe hervorzuheben ist. Ausser dieser Kapsel finden sich bei den
meisten Cephalopoden an verschiedenen Körperstellen noch mehrere
kleinere Knorpelstücke.
Das Nervensystem zeichnet sich dadurch aus, dass sämmtliche
grossen Nervenknoten — Gehirn-, Fuss-, Seiten- und Eingeweide-
ganglien — um die Speiseröhre dicht zusammengerückt und die Com-
missuren derartig verkürzt sind, dass die Ganglien unmittelbar mit
einander zusammenhängen. — Die Augen sind gross und erreichen
bei manchen Formen eine hohe Ausbil-
dung. Am einfachsten verhalten sie sich
beim Nautilus, dessen Augen tiefe sack-
förmige Einstülpungen der Oberhaut sind;
der Hohlraum derselben steht mit der
Aussenwelt durch eine kleine Oeffnung
in Verbindung (das Auge gehört zu dem
Fig. 15, 4 abgebildeten Typus, ein Glas-
körper fehlt aber). Bei den übrigen Ce-
phalopoden ist die Augenblase ge-
schlossen und mit einer kugeligen Linse
versehen ; ferner ist im Umkreis des Auges
eine grosse augenlidartige Ring-
falte vorhanden, welche einen Raum um
das Auge herum begrenzt; bei einigen
10 armigen (Oegopsidae) steht dieser Raum
in weit offener Verbindung mit der Aussen-
welt, bei den übrigen 10 armigen (Mi/opsidae)
und bei den 8 armigen erstreckt die Falte
sich vollständig über das Auge hinweg, und die in den Raum führende
Oeffnung ist ganz klein geworden; an der Stelle, wo die Falte vor
der Linse liegt, ist sie durchsichtig und wird als Hornhaut be-
zeichnet. In dem genannten äusserlich von dieser Falte begrenzten
Raum findet sich eine zweite, kleinere, pigmentirte Ringfalte, welche
eine gewisse Aehnlichkeit mit der Iris der Wirbelthiere besitzt und
auch mit diesem Namen bezeichnet wird. — Bei den Cephalopoden
ist stets ein Paar mit Otolithen versehener Gehör blasen vorhanden,
welche gewöhnlich in den Kopfknorpel eingeschlossen sind. — Als
Geruchsorgan wird eine Hautvertiefung gedeutet, welcher sich
Fig. 239. Schema des Auges
eine» Tintenfisches, c Hornhaut, o Oeff-
nung der Hornhaut, i Iris, f Linse,
r Netzhaut, n, n' Sehnen-, g Ganglion
— Nach Grenadier,
336
Specieller Theil.
seitlich am Kopfe hinter dem Auge befindet, und zu welchem ein
Tom Gehirn entspringender Nerv geht.
Die Mund Öffnung ist von einer vorspringenden Ringfalte, der
Lippe, umgeben, innerhalb welcher zwei kräftige hornartige Kiefer,
ein Ober- und ein Unterkiefer, sich befinden; letzterer greift mit
seinem Rand vor den ersteren, und beide haben zusammen eine be-
deutende Aehnlichkeit mit einem umgekehrten Papageienschnabel. In
der mit sehr musculösen Wänden versehenen Mundhöhle findet sich
eine ähnliche Radula wie bei den Schnecken. Der After liegt
weit vorne auf der Bauchseite des Körpers in der Mantelhöhle, in
der Mittellinie des Thieres. Es sind ein Magen, eine grosse Leber,
in der Regel auch Speicheldrüsen vorhanden. — Das Herz besteht
aus einer Herzkammer und so vielen Vorhöfen als Kiemen vorhanden
sind, d. h. 4 heim Nautilus, 2 bei den übrigen Cephalopoden. Bei den
Fig. 240. Schema de» Herzens etc. eines Cephalopoden. h Herzkammer, / Vorhof,
a, a' Arterien, rh Kieroonhenr., vt Vene nach der Kieme, vf Vene au* der Kieme, g Kieme.
- Orig.
Zweikiemern sind die grossen Venenstämme, welche das Blut zu den
Kiemen führen, vor dem Eintritt in die letzteren erweitert und rhyth-
misch contractu : Kiemenherzen. — Die Nieren, beim Nautilus
zwei Paare, bei den Zweikiemern ein Paar, sind sackförmige Organe,
welche mit je einer Oeffnung (symmetrisch) in die Mantelhöhle aus-
münden, bei einigen Zweikiemern sind die beiden Nieren theilweise
verschmolzen, jede besitzt aber ihre Oeffnung. Die Nieren zeichnen
sich dadurch aus, dass von den grossen angrenzenden Venen trauben-
förmige Ausstülpungen entspringen, welche die dicht anliegende Wand
der Niere in den Hohlraum der Niere einstülpen ; diese Ausstülpungen
hängen somit anscheinend frei in den Nierensack hinein.
Die Geschlechtsorgane sind bei Weibchen und Männchen —
die Cephalopoden sind stets getrennten Geschlechts — in ziemlich
Ubereinstimmender Weise angeordnet. Es findet sich ein unpaarer
Eierstock, resp. Hoden; beide setzen sich nicht direct in die
Ausfuhrungsgänge fort, sondern sind in einen dünnwandigen Sack ein-
geschlossen, von welchem diese entspringen. Bei einigen Cephalo-
poden sind zwei symmetrische Eileiter vorhanden, welche sich,
einer auf jeder Seite, hinter dem After in die Mantelhöhle öffnen;
bei anderen fehlt der eine Eileiter (in der Regel der rechte). Dicht
bei den Geschlechtsöffnungen münden bei manchen Cephalopoden-
Weibchen ein Paar grosse Drüsen, die Nidamentaldrüsen, deren
Secret zur Bildung der Eierkapseln verwendet wird. — Bei einzelnen
Cephalopoden finden sich ebenfalls zwei symmetrische Samenleiter,
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Weichthiere. 4. Ciasso: Tintenfische.
337
in der Kegel ist aber nur der eine, der linke, vorhanden. Der Same
wird in gestreckte, fast fadenförmige Spermatophoren eingeschlossen,
welche in einer mit dem Samenleiter verbundenen Drüse gebildet werden.
Sehr merkwürdig ist die Art und Weise, wie die Spermatophoren
bei den Zweikiemern auf das Weibchen übertragen werden. Es ge-
schieht dies mittels eines Armes des Männchens, welcher für diese
Aufgabe besonders ausgebildet, „hectocotylisirt" ist. Bei den
10 armigen ist es in der Regel ein Arm des 4. Paares (seltener des
ersten Paares), bei den 8 annigen stets ein Arm des 3. Paares, ent-
weder der linke oder der rechte, selten beide. Die Weise, in welcher
Fig. 341. Achtarmiger Tintenfisch , bei dem der hectocot yl isirte Theil (A) des
dritten rechten Armes sehr stark entwickelt ist. ? Trichter, 1—4 erster - vierter rechter Ann.
- Nach Verrill.
der Arm umgebildet ist, ist verschieden : er kann an der Spitze löffei-
förmig ausgehöhlt und längs des Randes mit einer häutigen Kante
versehen sein (8 armige), oder die Saugnäpfe können in der Mitte
oder an der Basis des Armes fehlen oder umgebildet sein (lOarmige), etc.
Am grössten ist die Umbildung bei einzelnen 8 armigen (darunter die
unten zu erwähnende Argonauta), bei welchen der betreffende Arm
ausschliesslich in den Dienst der Begattung getreten ist; er ist bei
diesen vor dem Gebrauch in einen Sack eingeschlossen, und bei der
Begattung wird er losgerissen und bleibt, mit Samen erfüllt, in der
Mantelhöhle des Weibchens zurück, wo er sich noch einige Zeit lebendig
und beweglich erhält, weshalb er seiner Zeit für einen eigentümlichen
Schmarotzer angesehen und unter dem Namen Hectocot yliis beschrieben
wurde; später wurde er von Einigen als das sehr stark umgestaltete
Männchen aufgefasst, bis endlich seine wahre Natur sich herausstellte.
(Bei dem Männchen des Nautilus findet sich auf der linken Seite eine
kleine Gruppe umgeformter Tentakel, welche möglicherweise ebenfalls
im Dienst der Begattung stehen.)
Die Eier werden entweder haufenweise in Schleimmassen oder
einzeln in festere Kapseln eingeschlossen etc. abgelegt. Sie sind von
verhältnissmässig bedeutender Grösse; die Furchung ist partiell und
der Embryo oftmals eine Zeit lang mit einem grossen Dottersack ver-
sehen (welcher aber nicht, wie derjenige der Wirbelthiere, eine Aus-
stülpung des Darmes ist). Eine Metamorphose wird nicht durch-
laufen; die neugeborenen Jungen haben in der Hauptsache dasselbe
Aussehen wie die Erwachsenen.
Die Cephalopoden, welche sämmtlich im Meere leben, sind grössten-
Bo»i, Zoologie. 22
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33R
Specieller Theil.
theils gefrässige Raubtlriere, welche ihre Beute (z. B. Krebse) mit den
Armen ergreifen; letztere werden ausserdem als Werkzeuge zum
Kriechen (besonders bei den 8 arm igen) verwendet. Ein langsames
Schwimmen vorwärts kann durch Bewegungen der Flossen statt-
finden; eine eilige Flucht, rückwärts, meistens unter gleichzeitiger
Abgabe von Tinte, wird dagegen dadurch bewirkt, dass die Thiere
das in die Mantelhöhle aufgenommene Wasser durch den Trichter
ausstossen. Die besten Schwimmer sind die 10 armigen, während die
8armigen im Ganzen mehr Kriecher sind. Manche Cephalopoden
(besonders 10 armige, einige 8armige) werden, oft schaaren weise, auf
dem offenen Meere gefunden ; andere sind mehr Küstenthiere. Sie
sind am reichsten in den wärmeren Meeren vertreten.
A B
Fig. 242. Schematische Figuren zur Illustration
des Verhältnisses zwischen den Chitonen (A)
und den Tintenfischen (2?>; Profil. / Fuss
(Trichter), A Kopf, * Msntelböhle, r Rand des
Mantels, dessen obere Grenze durch eine punktirte
Linie angedeutet ist, » Auge. - Orig.
Den Cephalopoden • Typus kann man sich von einem Geschöpf wie
Chiton (oder einem ähnlichen) abgeleitet denken, indem der obere Theil von
Chiton stark in die Höhe entwickelt, die Mantelrinne an der Hinterseite
dieses aufgerichteten Theiles stark vertieft, der Kopf kräftig ausgebildet
und der Fuss reducirt wird.
1. Ordnung. Vierkiemer (Tetrabranchiata).
Zahlreiche Arme (Tentakel) ohne Saugnäpfe. Trichter eine zu-
sammengerollte Platte. Augen ohne Linse. 4 Kiemen (4 Vorhöfe.
4 Nieren). Kein Tintenbeutel. Aeussere Schale.
Die Vierkiemer sind in der jetzigen Erdperiode nur durch die Gatt.
Nautilus vertreten, von welcher ein paar Arten im Indischen und Grossen
Ocean vorkommen; sie leben sowohl auf dem Boden kriechend als an der
Oberfläche schwimmend. In früheren Perioden (schon in der Silurformation)
war die Abtheilung reich entwickelt, z. Th. durch Formen mit einer geraden
oder schwach gebogenen Schale vertreten (vergl. S. 334).
Eine sehr reichhaltige Gruppe ausgestorbener Thiere sind die Ammo-
niten, welche eine ähnliche mehrkammerige Schale wie Nautilus besitzen,
mit durchbohrten Scheidewänden, spiralig gewunden oder gerade, gebogen etc.,
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Weichthiere. 4. Clause: Tintenfische.
339
welche sich aher von derjenigen des NautiluB dadurch unterscheidet,
dass das Loch der Scheidewände dicht an dor convexen Seite der gebogenen
oder gewundeneu 8chalenröhre liegt (beim Nautilus in der Regel ungefähr
in der Mitte), und dadurch, dass die Scheidewände längs ihrer Anheftung
an die Innenseite der Schale stark gebuchtet Bind ; manche waren mit einem
Schalendeckel (Aptyrhus) versehen. Die Aramoniten treten zuerst in der
silurischen Formation auf, sterben in der Kreideformation aus. Ihre syste-
matische Stellung ist ganz unsicher ; wir nennen sie hier wegen der Aehn-
lichkeit der Schale mit derjenigen des Nautilus, ob sie aber mit diesen
verwandt sind, ist nicht zu sagen.
2. Ordnung. Zweikiemer (Dihranvhiatn).
8 — 10 Arme mit Saugnäpfen. Tricbter röhrenförmig. Augen mit
einer Linse. 2 Kiemen (2 Vorhöfe, 2 Nieren). Tintenbeutel. Innere
oder keine Schale.
1. Zehn armige Tintenfische (iJewpöda). 10 Arme, Saugnäpfe
gestielt und mit Hornring, Schale vorhanden, Rumpf gestreckt und mit
Flossen. — Hierzu gehört z. B. die in den europäischen Meeren häufige
Sepm officinalüs, deren dicke aus feinen Kalklamellen zusammengesetzte Schale
( (h sepitie der Apotheker) für verschiedene technische Zwecke verwendet
wird, und der ebendaselbst lebende Kalmar (Loliyo rulgaris) mit dünner,
hornartiger Schale. Femer die Riesentintenfische ( .1 rchitfidh us) ,
pelagische Thiere von mehreren Metern Länge, übrigens in Körpergestalt
vom gewöhnlichen Zehnarmer-Typus nicht abweichend. — Die sogenannten
„Donnerkeile", welche man häufig in den Schreibkreideschichten und in
Folge der in der Glacialperiode stattgefundenen Umwälzungen auch in den
glacialen Ablagerungen Nordeuropas findet, sind das hintere dornförmige
Ende der Schale gewisser ausgestorbener zehnarm iger Cephalopoden
(Rdem-irilett).
2. Achtarmige Tintenfische (Oclopwla). 8 Arme, ungestielte
Saugnäpfe ohne Hornring, keine Schale, plumper flossenloser Rumpf. —
Hierzu gehört z. B. der (Jctfjj>u,s vulgaris, ein grosser langarmiger Tinten-
fisch mit kleinem rundlichem Rumpf, im Mittelmeer häufig. Ferner
Argonuuta aryo, dessen Weibchen sich dadurch auszeichnet, dass das obere
Paar Arme nach hinten gerichtet und stark zusammengedrückt ist, so dass
sie zwei den Rumpf umgebende Platten bilden; beide Platten sondern auf
ihrer nach innen gekehrten Seite zusammen eine dünne mützen förmige
Kalkschale ab, welche dem Körper als Schutz dient und in welcher die
Eier aufgehoben werden ; diese Schale hängt an keiner Stelle inniger mit
der Oberfläche des Thieres zusammen. Das Männchen von Argonauta besitzt
einen Hectocotylus, hat aber das 1 . Armpaar auf normale Weise ausgebildet
und ist ohne Schale. Die Argonauten sind pelagische Thiere.
22*
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8. Kreis. Wirbelthiere (Vrrtehrate).
Allgemeine Uebersicht. Die Wirbelthiere haben einen
symmetrischen Bau. An der Rückenseite liegt das Centrainerven-
system, dessen vorderster Theil gewöhnlich zum Gehirn auge-
schwollen ist, während der übrige Theil einen langen Straug, das
Rückenmark, bildet. Unterhalb des Nervensystems liegt ein anderer
strangförmiger Körper, die Rückensaite (Chorda dorsalis) ; um die
letztere und das centrale Nervensystem herum sind in der Regel
Skelettheile entwickelt. Unterhalb der Rückensaite findet sich der
Darmkanal mit der Mundöffnung am Vorderende des Thieres, dem
After an der Unterseite, gewöhnlich in ansehnlicher Entfernung vom
Hinterende. Das Herz liegt vorne unterhalb des Darmkanals. Es
sind ein Paar Nieren und ein Paar Geschlechtsdrüsen vor-
handen; die Ausführungsgänge sowohl der ersteren als der letzteren
münden in der Nähe des Afters oder in den hinteren Theil des Darm-
kanals. Es ist eine geräumige Leibeshöhle vorhanden, in welcher
Darmkanal, Herz etc. ihren Platz haben. Augen, Gehör- und
Geruchsorgane am vorderen Theil des Körpers. — Der Körper zer-
fällt naturgemäss in drei aufeinander folgende Abschnitte: 1) den Kopf,
mit Gehirn, Sinnesorganen, Mundhöhle; 2) der Rumpf, den vom Kopf
bis an den After reichenden Theil des Körpers, welcher die Leibes-
höhle mit den darin eingeschlossenen Organen umfasst und meistens
mit zwei Paar Anhängen, den Gliedmaassen, ausgestattet ist, die
— besonders bei den höheren Wirbelthieren — ' eine wichtige Rolle
bei der Bewegung spielen; 3) den Schwanz, den musculösen End-
abschuitt des Körpers, bei den Fischen als ein mächtiges Bewegungs-
werkzeug entwickelt, bei den höheren Wirbelthieren meistens von
untergeordneterer Bedeutung. Bei den höheren Wirbelthieren, von
deu Reptilien an, ist der vordere Theil des Rumpfes als Hals aus-
gebildet, d. h. die Leibeshöhle zieht sich aus dem vorderen Theil des
Rumpfes zurück, Organe (z. B. das Herz), welche sonst hier ihren
Platz haben, rücken weiter nach hinten, und der vordere Abschnitt
wird so zu einem musculösen, im Wesentlichen eingeweidelosen, stiel-
artigen Verbindungsglied zwischen Kopf und Rumpf, was von der
grö98ten Bedeutung für die freie Beweglichkeit des Kopfes ist.
Die Oberhaut ist beim Amphioxus ein einschichtiges Cylinder-
epithel, bei den übrigen Wirbelthieren dagegen stets ein mehr-
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Wirbelthiere.
341
schichtiges Plattenepithel von verschiedener Dicke. Eine dünne, oft
schwierig nachweisbare, Cuticula bedeckt bei Amphioxus, den Fischen,
Amphibien und Reptilien die äussere Oberfläche der Oberhaut; sie
fehlt bei Vögeln und Säugethieren. Bei den Fischen sind sämmtliche
Oberhautzellen protoplasmatische weiche Zellen, bei den übrigen be-
steht dagegen der äussere Theil der Oberhaut aus vollständig ver-
hornten Zellen f so dass man in der Oberhaut eine äussere Horn-
schicht und eine tiefere Schleimschicht (Bete Malpighii) unter-
scheidet, welch letztere aus protoplasmatischen Zellen besteht. Die
Hornschicht ist bei den Amphibien nur eine oder zwei Zellen stark,
bei den höheren Wirbelthieren dicker; an verschiedenen Theilen der
Körper-Oberfläche ist sie in verschiedener Weise entwickelt und kann
an gewissen Stellen eine sehr bedeutende Dicke und grosse Festigkeit
erreichen. Derartige verdickte, feste Partien der Homschicht sind die
Krallen der Reptilien, Vögel und Säugethiere, welche dütenförmig
das Endglied der Finger und Zehen umgeben. Die Häutung der
Wirbelthiere besteht in einem Abwerfen der Hornschicht (sammt der
dünnen Cuticula, wenn eine solche vorhanden ist), entweder als eines
zusammenhängenden Ganzen (Amphibien, Reptilien) oder stückweise.
Unterhalb der Oberhaut findet man die bindegewebige Lederhaut,
von verschiedener Dicke und Festigkeit, durch das lockere sub-
cutane Bindegewebe mit den unterliegenden Theilen verbunden;
in der Lederhaut sind häufig glatte oder quergestreifte Muskelelemente
vorhanden, ebenso wie auch unterhalb derselben, aber in Zusammen-
hang mit ihr, besonders bei höheren Wirbelthieren häufig zusammen-
hängende platte Hautmuskeln (aus quergestreiften Muskelfasern be-
stehend). Sowohl in der Ober- als in der Lederhaut findet sich sehr
häufig in die Zellen Pigment eingelagert. Zur Haut gehören Drüsen
mancherlei Art: bei den Fischen finden sich zwischen den Zellen der
äussersten Oberhautschicht schleimabsondernde Becherzel len; echte
Drüsen Rind dagegen in der Regel in der Haut der Fische nicht vor-
handen, während sie den übrigen Wirbelthieren in grosser Ausdehnung
zukommen, in die Lederhaut (oder unterhalb derselben) eingesenkt,
durch die Oberhaut ausmündend. Von besonderen Hautgebilden sind
hier zu erwähnen die Schuppen der Reptilien (Vögel, gewisser
Säugethiere), welche von einer festen Hornschicht bekleidete Haut-
warzen von verschiedener Form sind, ferner die Federn und Haare
(welche später eingehender behandelt werden sollen). Bei manchen
Fischen (Selachiern etc.) findet man an der Haut Zähne von dem-
selben Bau wie die Zähne der Mundhöhle (vergl. letztere). In der
Lederhaut sind häufig, bei Mitgliedern aller Wirbelthierklassen (mit
Ausnahme der Lanzettfische [AmphioxusJ), Verknöcherungen,
namentlich in Form dünnerer oder dickerer Platten (Schuppen der
Fische etc.) vorhanden. Zuweilen erreichen diese Verknöcherungen
einen bedeutenden Umfang und können sich zu einem Hautskelet
mit einander verbinden , welches grössere oder kleinere Theile des
Körpers umgiebt (bei gewissen Fischen, den Schildkröten, einzelnen
Säugethieren). Die Hautknochen treten' auch in grossem Umfang
mit dem inneren Skelet. besonders mit dem des Kopfes, in Ver-
bindung.
Das innere Skelet wird auf sehr frühen Stufen der Entwick-
lung ausschliesslich durch die Rü c k en s ai te . Chorda dorsafis, re-
präsentirt. einen gewöhnlich aus zelligem Bindegewebe bestehenden
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342
Specieller Theil.
Strang oder Stab unterhalb des Centrainervensystems. Bei Ampkioxus
besteht das Skelet auch bei dem ausgebildeten Thiere fast allein aus
der Rückensaite (Fig. 260, S. 369); bei den übrigen Wirbel thieren
aber entwickeln sich, zum grossen Theil um die Chorda und in Ver-
bindung mit ihr, andere Skelettheile, welche die Chorda an Masse
weit übertreffen, ja letztere wird häufig fast ganz von den neugebildeten
Skelettheilen verdrängt. Letztere bestehen theils aus Knorpel,
theil8 aus Knochengewebe; bei denjenigen Wirbel thieren , deren
Skelet im ausgebildeten Zustande hauptsächlich aus Knochengewebe
besteht, sind die meisten Theile übrigens anfänglich knorpelig, später
wird der Knorpel entweder allmählich aufgelöst und durch Knochen-
gewebe ersetzt: er verknöchert, oder er wird von Knochenplatten,
Deckknochen, überdeckt und bleibt dann entweder unterhalb
letzterer bestehen oder schwindet allmählich.
betrachten zunächst das Skelet des Stammes, d. h. des
mit Ausschluss der Gliedmaassen. Um die Chorda entwickelt
sich im Rumpf und im Schwanz bei gewissen
Fischen eine zusammenhängende Knorpelröhre,
welche die Chorda umschliesst; oben schliesst sich
an diese Röhre eine Reihe kurzer, dachförmiger
Körper, Bögen, welche das Rückenmark umgeben.
Bei den allermeisten Wirbelthieren ist jedoch die
Knorpelröhre in eine grössere Anzahl auf einander
folgende Stücke getheilt, meistens eines für jeden
Bogen, welche zusammen die Chorda umschliessen.
Diese Stücke, welche man als Wirbelkörper be-
zeichnet, haben eine sehr verschiedene Form und Aus-
bildung; zuweilen bleibt die umschlossene Chorda in
grosser Ausdehnung erhalten, in anderen Fällen wird
sie stark rückgebildet oder schwindet sogar ganz.
Ein Wirbelkörper -\- dem mit ihm verbundenen Bogen
wird als ein Wirbel bezeichnet; Bogen und Körper
sind in der Regel fest verwachsen und bestehen aus
Knorpel- oder Knochengewebe. An die Wirbel
schliessen sich im Schwanz häufig untere Bögen
von ähnlichem Aussehen wie die oben genannten
oberen Bögen ; sie umgeben die grossen Gefässstämme
des Schwanzes. Von den Wirbeln entspringen meistens verschiedene
Fortsätze: oben in der Mitte des Bogens der Dornfortsatz, seitlich
Querfortsätze, Gelenkfortsätze mit Gelenkflächen, welche sich an die
entsprechenden des folgenden Wirbels anlegen, etc. An die Wirbel
des Rumpfes — meistens mit Ausnahme der vorderen und hinteren
derselben — heften sich Rippen, ein Paar an jeden Wirbel. Es
sind dies knorpelige oder knöcherne gebogene Stäbe, welche als Stützen
in der Körperwand liegen; unten verbinden sie sich bei den höheren
Wirbelthieren theilweise mit einem Brustbein, einem unpaaren
(meistens theilweise oder fast vollständig verknöcherten) Knorpel,
welcher seinen Platz unten in der Körperwand hat; bei den Fischen
fehlt er, bei den Amphibien ist er zwar vorhanden, steht aber nicht
mit den Rippen in Zusammenhang. — Bei den höheren Wirbelthieren
(Reptilien, Vögeln, Säugethieren . theilweise auch schon bei den
Amphibien) zerfällt die Reihe der Rumpfwirbel in mehrere Ab-
schnitte: 1) die Halswirbel, ohne oder mit kleinen Rippen, 2) die
Fig 248. Schema
eine« Wirbels mit
den zugehörigen
Theüeit. ch Chorda,
h Wirbelkörper, b
Rogeu, t Dornfort-
satz, m Rückenmark,
<• Kippe, br Brust-
hein. — Orig.
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Wirbelthiere.
343
Brustwirbel mit wohlentwickelten Rippen, 3) die L enden wirbel,
rippenlose Wirbel, welche auf die Brustwirbel folgen, 4) die Becken-
wirbel, an welchen das Becken befestigt ist; solche Abschnitte
lassen sich dagegen bei den Fischen nicht unterscheiden, deren Rumpf-
wirbel sich gewöhnlich alle in der Hauptsache gleich verhalten.
Die Grundlage des Skeletes des Kopfes wird von einer festen
Kapsel gebildet, welche das Gehirn umschliesst, in «deren Wand die
Gehörorgane eingebettet sind, und welche ausserdem für die Seh- und
Geruchsorgane eine Stütze abgiebt: die Schädelkapsel. iDiese
Kapsel, deren unterer Theil in der Fortsetzung der Reihe der Wirbel-
körper liegt und das vordere Ende der Chorda einschliesst, besteht
beim Embryo zuerst stets aus Knorpel, beim ausgebildeten Thiere gleich-
falls zuweilen aus diesem Gewebe alleiu (mit fibrösem Bindegewebe
zusammen, welches kleinere oder grössere Oeffnungen der Knorpel-
kapsel ausfüllt), während bei der Mehrzahl der Wirbelthiere der
Knorpel theilweise, meistens zum allergrössten Theil, im Laufe der
Entwicklung durch Knochengewebe ersetzt wird. Das Knochengewebe
nimmt dabei zum Theil, wie es auch in anderen Abschnitten des
Skelets überwiegend der Fall ist. geradezu deu Platz des Knorpels
ein: letzterer wird allmählich aufgelöst, und gleichzeitig entwickelt
sich an seiner Stelle Knochengewebe. Zum grossen Theil aber ent-
wickelt sich die Knochenmasse des Schädels in Form von Platten,
Deckknochen (Belegknochen), welche in dem umgebenden Binde-
gewebe entstehen und sich äusserlich dem Schädel anlegen, indem sie
theils die obengenannten von Bindegewebe ausgefüllten Oeffnungen,
theils auch den Knorpel selbst überdecken , welch letzterer zuweilen
(z. B. bei manchen Knochenfischen) in grösserer oder geringerer Aus-
dehnung unterhalb der Deckknochen erhalten bleibt, während er in
anderen Fällen verschwindet. Diejenigen Knochenplatten, welche die
Oberseite des Schädels bedecken, liegen bei manchen Thieren, z. B.
bei zahlreichen Fischen, so oberflächlich, nur von einer ganz dünnen,
mit dem Knochen eng verbundeneu Bindegewebsschicht und der Ober-
haut überzogen, dass sie als Verknöcherungen der Lederhaut, als
Hautknochen, zu bezeichnen sind, welche mit dem inneren Skelet
in Verbindung getreten sind; bei anderen wird die überliegende Binde-
gewebsschicht dicker, die Knochen rücken mithin mehr nach innen,
und bei höheren Wirbelthieren. z. B. Vögeln und Säugethieren, sind
sie immer ganz von der Lederhaut gesondert. Der ausgebildete
Schädel besteht demnach theils aus Knochentheilen, die sich im Knorpel
entwickelt haben, theils aus Deckknochen ; erstere bestehen aus einer
Anzahl gesonderter Knochenstücke (durch Ueberreste des Knorpels
verbunden, während die Deckknochen durch Bindegewebe verbunden
sind), und der knöcherne Schädel ist somit aus vielen getrennten
Knochen zusammengesetzt, welche übrigens öfters bei alten Thieren
alle oder zum Theil mit einander verschmelzen. — An den Schädel
schliesst sich jederseits eine Anzahl Visceralbögen (Fig. 266, A,
S. 379), welche ebenso wie der Schädel anfänglich knorpelig sind;
es sind bogenförmige Körper, welche wie Spanten in der Mundhöhlen-
wand liegen ; unten stossen sie entweder direkt (der vorderste Visce-
ralbögen) mit den entsprechenden der anderen Seite zusammen oder
verbinden sich mit einer Reihe (oder einem einzigen) unpaarer Knorpel-
oder Knochenstücke (Copulae). Der erste Visceralbögen, der Kiefer-
bogen, ist kräftiger als die folgenden und in eine obere und eine
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344
Specieller Theil.
untere Partie , den Gaumenknorpel (Palato-Quadratum) und den
Unterkieferknorpel, getheilt. Auch der folgende Bogen, der
Zungenbeinbogen, ist gewöhnlich kräftig entwickelt. Die übrigen
Visceralbogen werden alsKiemenbogen bezeichnet; bei den Fischen
und den Amphibienlarven sind gewöhnlich 4, 5 oder mehr Kiemen-
bogen jederseits vorhanden, während man sonst bei den Wirbelthieren
deren höchstens 1 oder 2 findet. Ebenso wie andere Theile des Ske-
letes werden die Visceralbogen bei den meisten Wirbelthieren im Laufe der
Entwicklung ganz oder theilwcise durch Knochen ersetzt oder von
solchen überdeckt, der Gaumenknorpel von den als Gaumen-, Flügel-
und Quadratbein bezeichneten Knochen , der Unterkieferknorpel von
einem oder mehreren Knochen, etc. — Von den Visceralbogen unab-
hängig sind die Ober- und Zwischenkiefer, paarige Knochen,
welche bei den meisten Wirbelthieren vorhanden sind und die vordere
Begrenzung des Mundrahmens bilden; sie entwickeln sich im Binde-
gewebe, und es gehen ihnen keine knorpeligen Theile voraus.
Die vorderen Gliedmaassen sind mit dem
Körper durch den Schultergürtel verbunden,
welcher auf jeder Seite aus einem knorpeligen
oder knöchernen Bogen besteht, der in den vor-
dersten Theil des Rumpfes eingelagert ist; zu-
weilen gehen beide Bögen unten direkt in ein-
ander über, meistens sind sie aber getrennt. Ge-
wöhnlich zerfällt jeder Bogen, wenn er ver-
knöchert ist, naturgemäss in einen oberen Ab-
schnitt (oberhalb der Einlenkungsstelle der Glied-
maasse, des Schultergelenks), das Schulter-
blatt (ikapula), und einen unteren. dasCoraco'id
(Babensclinabelbein); vor dem letzteren findet
man häufig noch einen besonderen Knochen, das
Schlüsselbein ( Clacicula ). Coracoid und
Schlüsselbein heften sich, wenn ein Brustbein
vorhanden ist, gewöhnlich mit ihrem hinteren
Ende an dieses. — Das Skelet der Vorder-
gliedmaassen selbst ist bei den Fischen
plattenförmjg, aus radial angeordneten Knorpel-
oder Knochenstücken zusammengesetzt (Näheres
siehe unten bei den Fischen). Bei den übrigen
Wirbelthieren hat das Skelet der Vorder-
gliedmaassen einen ausgeprägten geraeinsamen
Typus: Am Schultergürtel ist mit seinem einen
Ende ein länglicher Knochen, das Oberarm-
bein (Humcrus), eingelenkt; an sein unteres
Ende schliessen sich zwei ebenfalls längliche
welche neben einander liegen, die
Speiche (Radius) und die Elle (Ulna), zu-
sammen den Unterarm bildend; die Elle hat
gewöhnlich an ihrem oberen Ende einen das
obere Ende der Speiche überragenden Fortsatz
(Ellenbogen. Olecranon). Am unteren Ende des
Unterarms findet sich die Handwurzel
(Carpus), welche aus einer Anzahl kleiner Knorpel- oder Knochen-
stücke besteht; vollständig ausgebildet ist die Handwurzel durch zwei
Fig. 244. Schema des
Skeletes der Vorder-
glied maasse der Wirbel-
thierc (mit Ausnahme »1er Knochen ,
Fische). //Oberarmknocheii,
H Speiche, V Elle, « Ulnare,
/ Intermediuni, r Radiale,
c Central«, / — 5 Carpale
Nr. 1. 2 etc.; /—I' 1.-5.
Finger. Orig.
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Wirbelthiere.
345
Querreihen von Knorpeln oder Knochen repräsentirt, mit drei Stücken
in der oberen an den Unterarm grenzenden Reihe (Radiale, Inter-
medium, Ulnare) und fünf in der unteren Reihe, einem für jeden
Mittelhandknochen (1., 2., 3., 4. und 5. Carpale): endlich ist zwischen
beiden Reihen ein kleiner Knochen (Knorpel) eingeschoben , das
Centrale (selten sind zwei Centralia vorhanden). An die Handwurzel-
knochen , welche mannigfachen Modifikationen unterworfen sind,
schliessen sich 5 (oder eine geringere, seltener eine grössere Anzahl)
Reihen von Knorpeln oder Knochenstücken, von welchen das obere
jeder Reihe als Mittelhan dknochen (Meimarpale), die anderen
als Fingerglieder (Phalanges) bezeichnet werden. Während die
Mittelhandknochen gewöhnlich dicht aneinander liegen und von einer
gemeinsamen Haut umschlossen werden, sind die Finger meistens
grösstenteils frei.
Der Beckengürtel, welcher für die Hintergliedmaassen die-
selbe Rolle spielt wie der Schultergürtel für die Vordergliedmaassen,
ist ein unpaarer oder paariger Knorpel- oder Knochenbogen, an welchem
die Hintergliedmaassen eingelenkt sind. Er steht bei den Fischen
nicht mit der Wirbelsäule in Verbindung; bei den übrigen Wirbel-
thieren ist er dagegen fast immer oben an jeder Seite mit einem
oder mehreren Wirbeln, den Beckenwirbeln, eng verbunden. Aehnlich
wie der Schultergürtel zerfällt er — von den Fischen abgesehen —
jederseits in einen oberen Abschnitt, oberhalb der Einlenkungsstelle ,
der Hintergliedmaassen (des Hüftgelenkes), das Darm- oder Hüft-
bein (Os Munt), und einen unteren Abschnitt, welcher jedoch gewöhn-
lich wieder in eine vordere und eine hintere, das Schambein (Os
pubis) und das Sitzbein (Os ischii), getheilt ist; letztere stossen in
der Regel unten in der Mittellinie mit den entsprechenden der ent-
gegengesetzten Seite zusammen. Darm-, Scham- und Sitzbein sind
jedenfalls bei jüngeren Thieren durch je einen besonderen Knochen
vertreten, welcher durch Knorpel (woraus ursprünglich das ganze
Becken besteht) mit den anderen zusammenhängt ; später verschmelzen
häufig alle drei mit einander. — Das Skelet der Hinterglied-
maassen schliesst sich eng an das der Vordergliedmaassen an, und
zwar sowohl bei den Fischen als bei den übrigen Wirbelthieren; wir
haben bei letzteren ein Oberschenkelbein (Femur), dem Ober-
armbein entsprechend, einen Unterschenkel (dem Unterarm ent-
sprechend), bestehend aus einem Schienbein (Tibia) und einem
Wadenbein (Fibula), eine Fusswurzel (Tarsus) aus zwei Reihen
von Knochen (in der oberen Reihe: Tibink, Intermedium, WbuUirc, in
der unteren: 1. — 5. Tarsale) und einem Centrale (selten 2) bestehend,
5 Mittel fussknoc heu (Metatarsalia) und 5 Zehen, jede aus
mehreren Zehengliedern (Plialanges) zusammengesetzt.
Die Knochen- oder Knorpelstücke sind zuweilen einfach mittels
einer zwischenliegenden Bindegewebsschicht oder (seltener) mittels
Knorpels mit einander verbunden, und es besteht dann meistens nur
eine geringe Beweglichkeit zwischen den betreffenden Theilen. Wenn
die Beweglichkeit grösser ist, so ist in der Regel ein Gelenk vor-
handen, d. h. die Knochen- und Knorpelstücke sind an der Stelle,
wo sie an einander stossen, durch einen spaltförmigen, mit einer
geringen Menge Flüssigkeit erfüllten Hohlraum, die Gelenkhöhle,
getrennt und nur um letztere herum durch Bindegewebe verbunden
(Gelenkkapsel). Die zusammenstossenden Flächen der betreffenden
346
Specieller Theil.
Skeletstücke . die Gelenkflächen, sind stets glatt und einander
angepasst, übrigens aber von sehr verschiedener Form; handelt es
sich um Knochenstücke , so sind die Flächen
, fast immer von einer dünnen Knorpellage (Ge-
lenkknorpel) bedeckt, einem Ueberrest des Knor-
pels, aus welchem ursprünglich das ganze Skelet-
* stück bestanden hat. Oft ist das ganze Binde-
gewebe in der Umgebung des Gelenks theilweise
zu festeren Strängen entwickelt, welche von
kn einem Knochen zum andern gehen: Bänder,
Ligamente. — Wenn man von den Gelenkflächen
— h absieht, sind die Knochen überall von einer in der
Regel aus straffem (fibrösem) Bindegewebe be-
Fig. -245. L»nK8»chiiitt stehenden Knochenhaut, Periost, bekleidet,
eines Gelenke«, a und die Knorpelstücke ähnlich von einer Knorpel-
B die zwoi an einander haut (PericllOmh'ium).
.tobenden Knochen h Kno- Die Knochen bestehen, wenn sie nicht ungemein
Knorpel an den Knochen- dünn 8ind> mcht ausschliesslich aus Knochengewebe,
cuden. — Nach Gegenbaur. sondern es sind in ihnen Hohlräume vorhanden, welche
Bindegewebe undGefässe enthalten. Der äussere Theil
der Knochen besteht in der Regel aus einer festen Masse, der compacten
Knochensubstanz, welche nur feinere , gegen das Knochengewebe an
Masse zurücktretende Kanäle (Havers'sche Kanäle) enthält. Das Innere
der Knochen besteht dagegen gewöhnlich aus spongiöser Knochen-
substanz, in welcher die Kanäle und Hohlräume (Markräume) mehr
überwiegen, das Knochengewebe in Gestalt feinerer Balken und Plättchen
zwischen letzteren erscheint. In der Mitte grösserer Knochen befindet sich
oft ein ausgedehnter, mit meistens fettreichem Bindegewebe erfüllter Hohl-
raum, die Markhöhle. — Auch in den Knorpelstücken sind, meistens aber
in geringer Zahl, feine Kanäle vorhanden, welche Bindegewebe und Blut-
gefässe enthalten.
Die Muskulatur theil t man in die Muskeln des Stammes und
der Gliedmaassen. Bei Amphioxus und den Fischen bestehen die
Muskeln des Stammes hauptsächlich aus grossen zusammenhängenden,
an der Seite von Rumpf und Schwanz gelagerten Muskelraassen,
welche nicht in ein sehr nahes Verhältniss zum Skelet treten, und
welche durch dünne bindegewebige Scheidewände in eine Anzahl
Segmente zerfallen; ausserdem sind kleinere Muskeln zur Bewegung
des Visceralskeletes , der Flossenstrahlen etc. vorhanden. Die
Gliedmaassenmuskeln sind bei den Fischen gewöhnlich nur schwach
entwickelt. Aehnliche Verhältnisse wie bei den Fischen bestehen
z.Th. auch bei den Amphibien, während bei den höheren Wirbelthieren
sowohl die Stamm- wie die Gliedmaassenmuskulatur grösstentheils
in zahlreiche selbständige Muskeln gesondert ist, welche von einem
Knochen zum andern gehen und an den Enden mit diesen eng ver-
bunden sind; dabei sind die Gliedmaassenmuskeln in der Regel mächtig
entwickelt. — Die Muskeln bestehen aus quergestreiften Muskelfasern,
welche von Bindegewebe zusammengehalten werden. An den Enden
gehen sie häufig in Sehnen über, welche aus straffem Bindegewebe
bestehen; nicht selten sind die Sehnen, besonders bei Säugethieren
und Vögeln, von ansehnlicher Länge. Zuweilen können die Sehnen
in grösserer oder geringerer Ausdehnung verknöchern; besonders
entwickeln sich oft iu demjenigen Theil einer Sehne, welcher über
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Wirbelthiere.
347
einen Knochen hiuweggleitet, kleine sogenannte Sesam b eine mit
einer dem Knochen zugekehrten iiberknorpelten Fläche; die Knie-
scheibe der Vögel und Säugethiere ist ein solches Sesambein.
Die centralen Theile des Nervensystems legen sich bei den
Wirbelthiereu als eine rinnenförmige Einfaltung des Ektoderms
(Fig. 32, S. 51) längs der Rückenseite des Thieres au. welche
Fig. 246. Schematisrhcr Henkrechter Lttng^sdiuitt durch «Im Gehirn eines Wirbel-
thierea. / Vorder-, me Zwischen-, mi Mittel-, h Hinter-, >• Nachhirn, / Kiechkolbcn, * Zirbel,
tr Trichter, t Hirnanliang. — Orig.
sich später von dem übrigen Ektoderm abschnürt und als eine Röhre
unterhalb der Haut liegt. Bei Amphioxus bleibt das Centrainerven-
system das ganze Leben hindurch auf dieser Stute
stehen, hei den übrigen aber entwickelt sich der
vorderste Theil stärker : zum Gehirn, im Gegensatz
zu dem übrigen: dem Rückenmark. Das Lumen
der Röhre bleibt in der Regel das ganze Leben
hindurcli bestehen, als ein enger Kanal im Rücken-
mark, in Gestalt ausgedehnterer spaltenföriniger
Hohlräume im Gehirn. Das Gehirn wird schon
auf einer sehr frühen Entwicklungsstufe durch
Einschnürungen in drei Abschnitte getheilt, von
denen das erste und letzte wieder in je zwei zer-
fallen. Wir erhalten somit 5 Abschnitte : Vorder-,
Zwischen-, Mittel-, Hinter- und Nachhirn,
eines hinter dem audern liegend, welche sich durch
die ganze Wirbelthierreihe von den Fischen an
nachweisen lassen, während übrigens in der Aus-
bildung sowohl des Gehirns als Ganzes als der ein-
zelnen Abschnitte grosse Verschiedenheiten obwalten.
Der vorderste, in der Regel wohlentwickelte, bei
höheren Wirbelthieren (Vögeln und Säugethieren)
sehr stark ausgebildete. Abschnitt, das Vorder-
Kig.
hirn oder Gross hirn , ist gewöhnlich durch eine raebtw
■ litn-h da.'
247. Wagc-
Lingsschnitt
G e Ii i r n ei-
Längsfalte, welche sich von oben und vorne in die-
selbe erstreckt, in zwei Hälften (Gehirnhemisphären)
getheilt. welche sich vorne in ein Paar schmälere «chen-, mi Mittel-, 6
hohle Körper, die Riech kol ben (Lobi olfactorii). Hinter-, « Nachhirn,
fortsetzen ; die Wand des Vorderhirns ist sowohl f, ' die Hohlräume i
oben als unten gewöhnlich stark verdickt. Das
Zwischen hirn ist stets ziemlich klein; seine
Wand ist nur seitlich und unten verdickt, oben sehr
dünn ; oben entsendet es einen nach oben gerichteten
Fortsatz, welcher mit einem verschiedenartig gestal-
teten Körperchen, der Zirbeldrüse (Glandula hir» <Ve*fr»ötjüj
pinealis, Epiphysis), endet; unten stülpt sich die M- °»g.
neu Wirbelthiere». Sche-
Vorderhirn ( Ventn'rnU
latemU»), 3 Hohlraum
des Zwischenhirns ( Ven-
tricnlut tertiu»), n desgl.
des Mittelhirns (Aquae-
ductus Siffrii), 4 desgl.
des Hinter- und Nach*
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Spccieller Theil.
Wand des Zwischenhirns zu einer trichterförmigen
Vertiefung, dem Trichter {Inf undibtdum) aus, an
welchen unten ein eigentümlicher kleiner Körper
(ursprünglich eine Einstülpung des Epithels der Mund-
höhle) sich anheftet . der Hirnanhang (Hypo-
physis, Glandula pituitaria); die verdickten Seitentheile
des Zwischenhirns werden als die Sehhügel (Thalami
optici) bezeichnet. Zwischen dem Vorder- und dem
Äwischenhirn befindet sich oben eine tiefe, spalten-
artige Quereinfaltung. Das Mittelhirn hat eine
verdickte, durch eine Längsfurche in zwei Hälften
getheilte obere Wand (bei den Säugethieren ausser-
dem eine Querfurche, wodurch die Oberseite in vier
Erhöhungen getheilt wird, daher der Name: Vierhügel,
Corpora quadrigetnina). Das Hinter h im oder Klein-
hirn hat gewöhnlich eine stark verdickte obere Wand,
welche sich oft nach hinten über das Nachhirn neigt;
das Hinterhirn ist besonders bei Vögeln und Säuge-
thieren stark entwickelt. Die obere Wand des Nach-
hirns ist dagegen stark verdünnt, während übrigens
dieser Gehirnabschnitt dem Rückenmark, in welches
er sich hinten ohne Grenze fortsetzt, ziemlich ähnlich
ist (wird auch als verlängertesMark, Medulla oblonguta,
bezeichnet). — Das Rückenmark erstreckt sich als
ein cylindrischer Stab durch die Wirbelsäule. Oft,
z. B. hei den Säugethieren, reicht es beim ausgebil-
deten Thier nicht durch den ganzen Kanal bis in den
hintersten Theil desselben, indem die ursprünglichen
Lagerungsverhältnisse dadurch eine Verschiebung er-
leiden, dass die Wirbelsäule stärker wächst als das
Rückenmark und letzteres, welches vorne fixirt ist.
dann nicht den ganzen Kanal ausfüllen kann, so dass
dieser hinten leer wird. Die Folge hiervon ist wieder,
dass die zwischen den hinteren Wirbeln austretenden
Nerven von ihrem Ursprung an eine Strecke weit
innerhalb des Wirbelkanals verlaufen. Hinten ist das
Rückenmark verschmälert und zugespitzt; an den
beiden Stellen, wo die Nerven für die Gliedraaassen
entspringen, ist es meistens etwas angeschwollen. —
Gehirn und Rückenmark sind aus zwei schon für
das blosse Auge verschiedenen Bestandteilen zu-
sammengesetzt, der grauen und der weissen Sub-
stanz; erstere besteht aus Ganglienzellen, welche in
einer reichlichen Menge einer eigenthümlichen Art
Bindegewebe (Neuroglia) eingebettet liegen, letztere
besteht aus Nervenfasern.
Gehirn und Rückenmark Bind von drei bindegewebigen
Hüllen umgeben. Zuäusserst liegt die meistens fibröse
harte Haut (Dura maier), welche stets zugleich die
innere Oberfläche der Schädelhöhle bekleidet, während
im Rückgratskanal bei den Säugethieren eine besondere
von derselben getrennte Knochenhaut vorhanden ist,
welche die Wand des Kanals auskleidet ; die Dura mater
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Wirbelthiere.
349
bildet häufig grosse Falten , welche sich zwischen die Hirnabschnitte
hineinstrecken. Dem Gehirn und Rückenmark zunächst liegt eine gefäss-
reiche Hülle, die Gefässhaut {Pia mater), und zwischen ihr und der Dura
die dünne 8pinnwebehaut (Aradmoidea), welche bei den Fischen nicht
von der Pia zu unterscheiden ist und auch bei anderen Wirbelthieren mit
dieser eng zusammenhängt.
Vom Gehirn entspringt eine Anzahl Nervenpaare, welche
theils Sinnesnerven (Tast-, Riech-, Seh- und Hörnerven), theils Be-
wegungsnerven sind; sie haben ihre hauptsächlichste Verbreitung am
Kopf. Vom Zwischen- und Mittelhirn entspringt der Sehnerv,
welcher, wie wir wissen, ursprünglich ein Theil des Gehirns ist (S. 21).
Die Sehnerven sind dadurch merkwürdig, dass sie an ihrem Ursprung sich
kreuzen : der Sehnerv des rechten Auges entspringt links von der Mittel-
linie, und umgekehrt. Am einfachsten verhält sich diese Kreuzung
(Chiasma) bei manchen Knochenfischen, bei denen beide Nerven sich
einfach kreuzen, ohne mit einander in nähere Verbindung zu treten.
Bei den meisten anderen Wirbelthieren wechseln dagegen die Seh-
nerven an der Kreuzungsstelle Nervenfasern aus, so dass zwar die
Hauptmasse der von der rechten Seite entspringenden Nerven an das
linke Auge tritt, aber einige seiner Nervenfasern biegen an der
Kreuzungsstelle um und gehen in den anderen Sehnerv über, welcher
seinerseits einige Nervenfasern an den ersteren abgiebt. Von den
anderen Gehirnnerven entspringen die Riechnerven von den Riech-
kolben, die übrigen aber grösstentheils von der Unterseite des Nach-
hirns. Einer derselben, der Vagus, ist dadurch merkwürdig, dass
er sich nicht allein auf dem Kopfe verzweigt, sondern weit nach hinten
verläuft und z. B. gewisse Theile des Darmkanals mit Nerven ver-
sorgt. — Die Rückenmarks-Nerven verlassen in der Regel den
Wirbelkanal an der Seite zwischen den Wirbeln, ein Paar zwischen
je zwei auf einander folgenden Wirbeln; jeder Nerv entspringt aus
dem Rückenmark mit zwei Wurzeln, von welchen die obere, dicht an
ihrem Ursprung mit einem kleinen Ganglion versehene, ausschliesslich
Gefühlnervenfasern (sensible Nervenfasern) enthält, während die untere
ausschliesslich aus Bewegungsnervenfasern (motorischen Fasern) be-
steht. Die zu den Gliedmaassen gehenden Nerven entstammen einer
Anzahl Rückenmarks-Nerven, die sich mit einander zu sogenannten
Nervengetlechten (Plexus) verbinden, aus welchen dann wieder die
Nerven der betreffenden Gliedmaasse entspringen (Armgeflecht, Kreuz-
geflecht, für Vorder- resp. Hintergliedmaasse). — Ein eigentümliches
System von Nerven sind die sogenannten sympathischen Nerven
(Sympathicus), deren Hauptstamra ein starker Nervenstrang ist, welcher
vom Kopf an auf jeder Seite unterhalb der Wirbelsäule verläuft und
nur durch kleinere Verbindungsnerven mit dem Rückenmark und Gehirn
zusammenhängt. Die sympathischen Nerven, welche sich zum Darm-
kanal und anderen Eingeweiden verzweigen, sind mit zahlreichen Gan-
glien ausgestattet; die Bewegung der Theile, welche von ihnen mit
Nervenfasern versehen werden (z. B. der Darmmuskulatur), ist un-
willkürlicher Art.
Tastorgane. An die Haut geht eine grosse Anzahl Nerven,
deren feinste Zweige in die tieferen Oberhautzellen eintreten.
Ausserdem finden sich bei einem Theil der Wirbelthiere in der Leder-
haut eigenthümliche, als Tastorgane fungirende Gebilde, welche oben
(S. 16) erwähnt wurden.
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350
Specieller Theil.
Geschmacksorgane sind bei den meisten Wirbelthieren (bei
den Vögeln sind sie bislang nicht nachgewiesen) in Form sogenannter
Geschmacksknospen (-zwiebeln) vorhanden, welche ihren Platz besonders
in der Mundhöhle (an der Zunge, am Gaumen) haben, bei manchen
Fischen auch in der äusseren Haut. Die Geschmacksknospen sind
kleine Epithelpartien, welche im übrigen Epithel liegen und tbeils aus
langen, dünnen Zellen mit einer kleinen hervorragenden Spitze am
freien Ende, den eigentlichen Geschmacksz eilen, theils aus
cylindrischen oder spindelförmigen Zellen bestehen, welche jene stützen
und zusammenhalten.
Die G e ruch sorga 11 e sind bei den Fischen ein Paar grössere
Gruben an der Oberfläche des Kopfes, vdn einem Epithel ausgekleidet,
welches den Geschmackszellen ähnliche Zellen enthält. Bei den übrigen
Wirbelthieren sind die Geruchsorgane nur auf einer frühen Stufe des
embryonalen Lebens zwei solche oberflächliche Gruben (Fig. 254) ; all-
mählich werden sie tiefer, die umgebenden Theile wachsen um sie
hinauf und bilden jede Grube zu einer Röhre mit einer vorderen und
einer hinteren Oeffnung um, von welchen erstere frei an der Ober-
fläche des Kopfes, letztere in die Mundhöhle innerhalb des Oberkiefer-
randes mündet (die Zwischen- und Oberkieferbeine entwickeln sich
in denjenigen Theilen, welche über die Riechgruben hinaufgewachsen
sind). So wird das vordere Ende des Kopfes von zwei Röhren durch-
bohrt, welche oft (z. B. bei den Säugethieren), dicht neben einander
gelagert, nur durch eine ziemlich dünne Scheidewand getrennt sind;
in den Röhren findet sich dann ein begrenzter Abschnitt, welcher die
Riechzellen enthält. Oft entwickeln sich an der die Röhren aus-
kleidenden Haut grosse Falten, welche innerlich von Knorpel- oder
Knochentheilen gestützt werden können (die Nasenmuscheln). Vergl.
übrigens die einzelnen Classen 1 ). — Bei denjenigen Wirbelthieren,
deren Geruchsorgane derartig als zwei von der Oberfläche des Kopfes
in die Mundhöhle gehende Röhren ausgebildet sind, dienen sie übrigens
noch einer anderen Function, indem die atmosphärische Luft durch
dieselben in die Respirationsorgane eintritt.
Die Entwicklung der Augen haben wir schon früher betrachtet
(S. 21). Der fertig ausgebildete Augapfel besteht zuäusserst im
grössten Theil seines Umfanges aus der Sehnen haut (Sclerotica),
einer festen bindewebigen Schicht von verschiedener Dicke, oft mit ein-
gelagerten Knorpel- oder Knochentheilen, vorne aus der durchsichtigen
Hornhaut (Cornea). Innerhalb der Sclerotica liegt die dunkel-
gefärbte Gefässhaut (Choriotdea). innerhalb dieser wieder die Netz-
haut (Retinn). Im Hohlraum des Augapfels befindet sich nach aussen
zu die Linse, welche hauptsächlich aus langen faserformigen Zellen
besteht; sie ist bei Wasserthieren gewöhnlich ungefähr kugelig, bei
Landthieren mehr abgeplattet. Hinter der Linse liegt der Glas-
') Bei gewissen Reptilien und den meisten Säugethieren findet sich in naher
Verbindung mit dem Geruchsorgan ein eigenthümliches, sack- oder schlauchförmiges
paariges Organ, dessen Epithel Riechzellen enthält, und welches vom Riechnerven
Nervenfasern erhält : das J a c o b b o n ' s c h e U r g a n. Bei den Reptilien (Schlangen
und Sauriern) ist es ein kleiner Sack, welcher unterhalb der Nasenhöhle liegt und
sich vorne in die Mundhöhle öffnet. Hei den Säugethieren ist es eine lange, ninten
geschlossene Röhre, welche unterhalb der Schleimhaut der Nasenhöhle am unteren
Rand der Nasenscheidewand entlang fan beiden Seiten derselben) verläuft und sich
in der Regel in einen feinen Kanal (den Stensen'schen Nasengang), welcher vorne
aus der Nasenhöhle in die Mundhöhle tritt, seltener direkt in letztere öffnet
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Wirbclthiere.
351
kör per (Corpus vitreum), eine gallertige Bindegewebsmasse ; zwischen
der Linse und der Hornhaut ist ein mit Lymphe („wässeriger Flüssig-
keit*', Humor aqueus) erfüllter Spaltraum. Vor den Rand der Linse
erstreckt sich eine ringförmige Fortsetzung der Gefasshaut, die mus-
culöse, pigmentirte Regenbogenhaut (Iris), deren kreisförmig an-
geordnete Muskelzellen sich bei der Einwirkung des Lichts unwill-
kürlich zusammenziehen und die Oeffnung verengen, so dass weniger
Licht in das Auge hineinfällt, wenn die Beleuchtung stark ist. Die
Oeffnung der Regenbogenhaut, die Pupille, ist entweder rund oder
länglich , in letzterem Fall entweder senkrecht oder wagerecht. Die
Gefasshaut selbst ist dicht hinter der Linse mit einein Kranz von
zahlreichen meridionalen Falten versehen (Strahlenkörper. Corpus
ciliare, schwach entwickelt oder fehlend bei den Fischen).
Wie vorhin erwähnt (S. 22) ist die Hornhaut ein eigentümlich aus-
gebildeter Theil der Hant und liegt in der Fortsetzung derselben. Der
Übrige Augapfel ist von der Haut unabhängig, der der Hornhaut am näch-
sten liegende Theil der Sclerotica hat aber seinen Platz unmittelbar unter
der Haut. Die Hautpartie, welche somit einen Theil der Sclerotica über-
kleidet, ist von der übrigen Haut mehr oder weniger abweichend: dünner,
weicher etc. und wird als Bindehaut, ConjunHiva bulbi, bezeichnet.
An die Augen schliesseu sich verschiedene Neben ap parate
an, unter welchen wir zunächst die Muskeln erwähnen, welche, vom
Schädel entspringend, den Augapfel bewegen. Von Muskeln finden
wir fast immer vier gerade Augenmuskeln (Musculi recti), einen oberen,
einen unteren, einen vorderen und einen hinteren, und zwei schiefe;
die geraden, welche sich an den Augapfel in einer Kreislinie in einigem
Abstand von der Hornhaut anheften, bewegen den Augapfel nach oben
(der obere gerade), nach unten, vorne, hinten ; die schiefen drehen das
Auge um seine Axe (letztere durch die Mitte der Hornhaut und die
Eintrittsstelle des Sehnerven bestimmt). Ausserdem kann bei nicht
wenigen Thieren (Amphibien, Reptilien, Säugethieren^ sich an das
Auge ein Muskel heften, welcher den Augapfel zurückzieht (Betractor
bulbi). — Die Augenlider sind bewegliche Hautfalten vor dem Auge,
welche bei den Fischen fehlen oder, nur angedeutet, bei den übrigen
vorhanden sind. Man unterscheidet ein oberes und ein unteres Augen-
lid, welche aber seitlich in einander übergehen; sie können vor die
freie Oberfläche des Auges hinab resp. hinauf gezogen werden; bei
den Säugethieren ist das obere, bei den übrigen das untere Augenlid
am stärksten entwickelt. Bei vielen Wirbelthieren ist eine Nickhaut
vorhanden; dies ist eine innerhalb der eigentlichen Augenlider vorne
(im vorderen „Augenwinkel") befindliche Hautfalte, welche schon bei
einem Theil der Haie (bei denen die eigentlichen Augenlider nur
schwach angedeutet sind) vorkommt, ferner bei manchen Reptilien und
bei den Vögeln ; sie wird durch besondere Muskeln vorhangartig vor
das Auge gezogen und ist in der Regel halb durchsichtig. Bei den
Säugethieren ist sie ebenfalls häufig vorhanden, aber schwächer ent-
wickelt und entbehrt besonderer Muskeln ; sie gleitet bei diesen vor
das Auge hin, wenn letzteres in seine Höhle zurückgezogen wird. —
Mit dem Auge sind ferner verschiedene Drüsen verbunden, welche
unter den Augenlidern oder der Nickhaut münden und dazu dienen,
die Hornhaut und die Innenseite der Augenlider feucht und glatt zu
erhalten; ihr Secret ist entweder wässeriger oder fettartiger Natur.
Bei den Fischen fehlen solche Drüsen noch völlig, während bei den
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352
Specieller Theil.
übrigen eine oder mehrere vorhanden sind. In der Regel finden sich
eine Thränendrüse, welche hinten (im hinteren Augenwinkel)
innerhalb des oberen Augenlides, gewöhnlich mit mehreren Oeffnungen.
ausmündet, und eine Harder'sche Drüse, welche sich vorne, im
vorderen Augenwinkel, öffuet (innerhalb der Nickhaut, wenn eine solche
vorhanden ist). Ein Theil des von diesen Drüsen abgesonderten Secretes
wird durch einen Kanal, den Thränenkanal, abgeleitet, welcher
mit mehreren Oeffnungen an den Augenlidern im vorderen Augenwinkel
seinen Anfang nimmt und in die Nasenhöhle mündet. (Der Thränen-
kanal ist anfänglich eine rinnenförmige Einsenkung der Oberhaut, welche
sich abschnürt und zu einem Kanal wird; vergl. Fig. 254 ANr.)
Bei einigen Sauriern (z.B. den gewöhnlichen Eidechsen, der Blind-
schleiche und anderen) hat man in der neueren Zeit ein unvollkommenes
drittes, unpaares Auge, das Scheitelauge, nachgewiesen, welches
mit dem oberen Ende der Zirbel in Verbindung steht oder vielmehr das
obere, besonders ausgebildete Ende derselben ist. Es liegt in einem kleinen
Loch der oberen Schädelwand (im Scheitelbein oder an der Grenze von
diesem und dem Stirnbeine) dicht unterhalb der an dieser Stelle einiger-
massen durchsichtigen Haut ; es stellt eine aus einer epithelartigen Schicht
gebildete Blase dar, deren nach oben gekehrter Theil linsenförmig verdickt
1 2
0
Fig. 249. Scheitclauge einer Eidechse; scbeniatbtirt. / Gehirn und obere Sebadel-
wand, letztere durchschnitten ; 2 Sclieitelauge allein, durchschnitten. F, Z, .V, H Vorder-,
Zwischen-, Mittel- und Hinterhirn; h Haut, s Schädeldecke, o unpigmentirte Hautstellc, unter-
halb welcher da* Scheitelauge in einem Loche der Schadeldecke liegt, /. Zirbel, i Trichter,
2 Sehnen-. — L Linse, R Netzhaut. X oberes Ende der Zirbeldrüse. — Orig. (mit Benutzung
von Figuren von Spencer).
ist, während der unterer Theil stark pigmentirt ist (Retina). Bei anderen
Sauriern ist dasselbe Gebilde in mehr rudimentärer Form, als einfaches,
nicht augenähnliches (unpigmentirtes, linsenloses) Bläschen an derselben
Stelle vorhanden. Ein ähnliches Organ wie bei den erstgenannten Sau-
riern kommt auch bei den Cyclostomen vor , ist hier aber von der
oberen Schädelwand bedeckt, welche allerdings an dieser Stelle oft etwas
verdünnt ist, ebenso wie auch die Haut an derselben Stelle durchsichtig
sein kann. — Auch für verschiedene andere Wirbelthiere sind Thatsachen
bekannt geworden, welche auf ein Verhältniss der Zirbel zur Aussenwelt
hinweisen. Bei den Selachiern ist die Zirbel fadenförmig ausgezogen,
und ihr erweiterter Endabschnitt liegt in einem Loch der oberen Schädel-
wand, wesentlich nur von der Haut bedeckt (ohne aber, so weit bekannt,
einen augenähnlichen Bau zu besitzen). Auch bei den Froschlurchen
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Wirhelthiero.
353
(Ajauren) wird die zuerst kurze Zirbel allmählich im Laufe des Larven-
lebens zu einem langen Faden ausgezogen, welcher an seinem Ende
eine Anschwellung trägt; der Faden durchbohrt die Schädeldecke, und die
Anschwellung liegt an der Oberseite des Kopfes unmittelbar unter der
Oberhaut.
Das Gehörorgan — eines auf jeder Seite — legt sich beim
Embryo als eine blasenförmige Einstülpung der Oberhaut an, welche
sich allmählich tiefer senkt und vom Knorpel des Schädels (später
oft von Knochen) umschlossen wird. Die Einstülpung steht eine
Zeitlang durch einen Kanal mit der Oberfläche in Verbindung, wird
aber in der Regel später von der Haut abgeschnürt, so dass die An-
lage zu einer geschlossenen Blase wird; in einigen Fällen (bei ge-
wissen Selachiern) bleibt jedoch der Kanal zeitlebens als eine
offene Röhre bestehen. Die Blase behält
nicht ihre ursprüngliche einfache Form,
sondern gestaltet sich weiter um, so dass das
Gehörorgan im fertigen Zustande aus einem
bl asen förmigen Vor hof und drei Bogen-
gängen {Canales semicirculares) besteht;
letztere sind Röhren, welche an beiden
Enden in den Vorhof einmünden, dem sie
wie hohle Henkel aufsitzen. Der Vorhof
ist durch eine Einschnürung in zwei Theile
gesondert, den Sacculus und den Utrteultts;
in letzteren münden die Bogengänge,
welche an einem Ende je eine Anschwel-
lung (Ampulle) besitzen; ersterer trägt
meistens eine Ausstülpung, den Schne-
ckengang (Ductus cochlearis), welcher bei
den Säugethieren eine längere, an einem
Ende geschlossene, spiralig aufgewundene
Röhre (daher der Name), sonst kürzer ist.
Die so umgebildete Blase, welche aus
einem von einer dünnen Bindegewebe-
schicht umgebenen Epithel besteht, wird
als das häuti ge Labyrinth bezeichnet, der Hörblaae mit der Aussenwelt in
Di es 68 ist da8 eigentliche Gehörorgan, Verbindung stand ; /Schneckengang;
welches allen Wirbelthieren (mit Aus- 8 8*ccnlu* • utried« (lauter, beide
i_ » i . v .V 1- i zusammen der Vorhof). - jSach
nähme von Amphioxus), gewöhnlich mit wiedersheim.
allen genannten Haupttheilen, zukommt.
Es sind gewisse mit einer oder mehreren hervorragenden Spitzen
ausgestattete Zellen seines Epithels, an welche die Aeste der
Hörnerven treten, und an welche der Hörsinn geknüpft ist. Im
Labyrinth finden sich Otolithen, theils in Form feiner Krystalle,
theils als grössere verkalkte Körper (bei den Knochenfischen). — Das
Labyrinth ist stets in die Wand des Schädels (hinten, seitlich) ein-
geschlossen ; ist diese verknöchert, so entwickelt sich oft in derselben,
dem Labyrinth zunächst, eine compacte letzteres überziehende Knochen-
schiebt, welche sich aus der übrigen Knochenmasse herauspräpariren
lässt (z. B. bei Vögeln und Säugethieren) und dann die wesentliche
Form des eingeschlossenen häutigen Labyrinths wiedergiebt; dieser
Theil wird als das knöcherne Labyrinth bezeichnet, welches
somit nur ein Theil der Knochenmasse des Schädels ist. — Das
Boas, Zoologie. 98
Fig. 260. Gehörorgan eines Fisches.
a Ampullen, ca, et, cp die drei
Hogcngange; d der jetzt geschlossene
Kanal, durch welchen der Hohlraum
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354
Spezieller Theil.
häutige Labyrinth stellt bei den Fischen das ganze Gehörwerkzeug
dar; bei den übrigen Wirbelthieren schliessen sich demselben gewöhn-
lich gewisse Nebenorgane an (Paukenhöhle, Eustachische Röhre.
Trommelfell, Gehörknöchelchen), welche bei den einzelnen Abtheilun-
gen betrachtet werden sollen.
Der Darmkanal zerfällt in folgende Abschnitte: Mundhöhle,
Speiseröhre, Magen. Dünndarm, Enddarm. Von den mit der ge-
räumigen Mundhöhle verbundenen Gebilden werden wir zunächst
die Zähne betrachten.
Die Zähne der Wirbelthiere sind Gebilde, welche nach Bau
und Entwicklung diesem Thiertypus durchaus eigen sind. Wie vor-
hin erwähnt, kommen sie nicht allein in der Mundhöhle, sondern bei
manchen Fischen (besonders bei den Selachiern) auch an der Haut
vor; in der Mundhöhle findet man sie innerhalb aller Wirbelthier-
A B C
4 d. 4 *
• • • t
Fig. 251. Verschiedene Zahnanlagen; Schemata. .1 die einfachste Form ohne vor-
hergehende Einwachsung des Epithels in das Bindegewebe; B mit geringfügiger Epithel-
Einwachsung; C: die hineingewachsene Epithelpartie oder das Schmelzorgau (o) steht nur
durch einen dUnnen Strang mit dem übrigen Epithel in Zusammenhang, ep Epithel, ep' die
tiefste Zellenschicht desselben, h Bindegewebe, p Papille (Zahnpulpu). d Dentin, e Schmelz
(schwarz gehalten). — Orig.
klassen (mit Ausnahme der Lanzettfische [AmphioxusJ) vor, wenn
sie auch manchmal fehlen können. Im einfachsten Fall (Fig.
251, A) findet die Bildung der Zähne auf folgende Weise statt:
Von der Lederhaut oder der ihr entsprechenden Schleimhaut (der
Bindegewebsschicht unterhalb des Epithels) der Mundhöhle wächst
eine Papille in die Oberhaut, resp. in das Epithel der Mundhöhle
hinein (letzteres hat denselben Bau wie die Oberhaut). Die Papille
scheidet jetzt eine Schicht von Zahnbein oder Dentin, einer
knochenharten Substanz, deren Bau wir später betrachten werden,
an ihrer Oberfläche aus, während die unterste aus cylindrischen
Zellen bestehende Zellenlage des Epithels, welches die Papille über-
kleidet, an ihrer Unterseite eine Schicht von einer noch festeren
Substanz, dem sogenannten Email oder Schmelz, ausscheidet.
Zwischen der Papille und dem Epithel wird somit eine feste Kappe
gebildet, welche innerlich aus einer von der Papille abgesonderten
Zahnbeinschicht, äusserlich aus einer vom Epithel abgesonderten
Schmelzschicht besteht; beide Schichten sind untrennbar verbunden
und machen zusammen den jungen Zahn aus. Die Zahnbeinschicht
wird allmählich dadurch verdickt, dass von der Papille neue Theilchen
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Wirbelthiere.
355
ausgeschieden werden; die Papille wird gleichzeitig immer kleiner
und schliesslich oft zu einem verhältnissmässig kleinen Theil im Innern
des Zahnes reducirt : Z a h n p u 1 p a. Die Schmelzschicht wird dadurch
verdickt, dass an ihrer Oberfläche neue Theile abgelagert werden ; sie
erreicht übrigens meistens keine so bedeutende Mächtigkeit wie die
Zahnbeinlage und ist häufig nicht über den ganzen Zahn, sondern
nur über dessen Spitze ausgedehnt. — In der Regel ist jedoch die
Entwicklung etwas complicirter (vergl. Fig. 251, B— C), indem vor
der Bildung der Papille eine Verdickung des Epithels an der be-
treffenden Stelle und eine damit verbundene Einwachsung desselben
in das Bindegewebe stattfindet, eine Einwachsung, welche häufig so
tief wird, dass die Spitze des Zahns gar nicht in die eigentliche Epithel-
lage hinaufragt, sondern ausschliesslich in der eingesenkten Partie liegt
(Fig. 251, C). welch letztere häufig nur durch
einen dünnen Strang die Verbindung mit dem
Epithel bewahrt, ja oftmals sogar völlig abge-
schnürt wird; diese eingesenkte Partie wird als
Schmelzorgan bezeichnet. Im Uebrigen aber
entwickelt sich der Zahn ganz in derselben Weise
wie im zuerst erwähnten Fall: eine Papille
wächst der eingesenkten Epithelpartie entgegen
etc. — Das Zahnbein ist nach seinem Bau als
eine Modifikation des gewöhnlichen Knochen-
gewebes aufzufassen, welche dadurch ausgezeich- Fig. 252. Schnitt durch
net ist, dass die Zellen (die Odontoblasten) je ^nen Zahn, um dieStructur
nur einen einzigen, langen, fadenförmigen, mit Bd^^^D^S
feinen oeitenästcn versehenen Ausläufer besitzen, n odontoblasten an der
welcher quer durch die ganze Zahnbeinschicht, den Innenseite den ivntin«. —
benachbarten Ausläufern parallel, verläuft, wäh- nriK-
rend der Zellkörper mit dem Kem gar nicht in die
Intercellularsubstanz eingeschlossen wird, sondern an der Oberfläche der
Papille liegt; das Zahnbein ist demnach mit zahlreichen feinen Röhren
versehen, welche je einen Ausläufer enthalten ; indem die Zahnbein-
schicht an Dicke zunimmt, verlängern sich allmählich die Ausläufer.
Der Schmelz ist eine sehr feste, hauptsächlich aus phosphorsaurem
Kalk bestehende Masse, welche jedenfalls bei den Säugethieren aus
faserförmigen , sogenannten Schmelzprismen zusammengesetzt ist,
während sie bei niederen Wirbelthiercn mehr homogen erscheint; sie
ist eine cuticula-ähnliche Ausscheidung der genannten untersten Lage
von Epithelzellen. Ausser diesen beiden Zahusubstanzen findet sich
an den meisten Säugethierzähnen noch eine dritte, das Cement,
welches einfach eine Schicht von Knochengewebe ist, das um den
Zahn von dem umgebenden Bindegewebe abgelagert wird; es hat
seinen Platz ausserhalb der anderen Substanzen und wird zuletzt ge-
bildet. Seine Härte ist geringer als die der beiden anderen Bestandteile.
— Der ausgebildete Zahn, dessen Form recht verschieden sein kann
(als Grundform kann jedoch die Kegelform gelten), wird durch Wachs-
thum der benachbarten Theile mit seiner Spitze durch die Mundhaut
hervorgeschoben und mit seinem unteren Ende an den unterliegenden
Knochen (oder Knorpeln) befestigt, indem sich entweder eine straffe
Bindegewebspartie oder eine kleine Knochenmasse, der Z ahnsockel ,
zwischen dem Zahn und dem Knochen, mit beiden eng verbunden,
entwickelt; bei den Säugethieren und einzelnen anderen sitzen die
23*
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356
Specieller Theil.
Zähne in Alveolen: tiefen Gruben der Knochen, in welche das
untere Ende der Zähne eingesenkt ist. — Die Zähne, welche bekannt-
lich einer starken Abnutzung und ziemlich unsanften Behandlung
unterworfen sind, sitzen im Allgemeinen ein jeder nur eine begrenzte
Zeit in der Mundhöhle, fallen dann aus und werden durch neugebildete
ersetzt: Zahnwechsel; vor dem Ausfallen eines Zahnes lockert
sich die Verbindung mit dem Knochen, die Sockel werden aufgelöst
etc. (Ueber die besonderen Verhältnisse beim Zahnwechsel der Säuge-
thiere vergl. diese.)
Von anderweitigen mit der Mundhöhle verbundenen festen Theilen
können die unter den Wirbelthieren hie und da auftretenden Horn«
g e b i 1 d e aufgeführt werden, local verdickte und erhärtete Theile der
allgemeinen, in der Mundhöhle wie an der äusseren Haut entwickelten
Horndecke: die Hornzähne bei Cyclostomen und Monotremen, die
Hornkiefer der Vögel, Schildkröten etc.
Die Zunge ist ein vom Boden der Mundhöhle hervorragendes
Gebilde, welches mit dem Visceralskelet, besonders mit seinen un paaren
Verbindungsstücken, eng zusammenhängt; sie ist bei den Fischen
schwach ausgebildet, bei den Säugethieren dagegen stark entwickelt,
sehr musculös und ungemein beweglich und dadurch bei der Behandlung
der Nahrung in der Mundhöhle von grosser Bedeutung. Die Zunge
hat übrigens verschiedene Formen, wie wir bei den einzelnen Ab-
theilungen des Näheren betrachten werden. Selten fehlt sie ganz. —
Mit der Mundhöhle sind ferner verschiedene Drüsen verbunden,
welche in dieselbe ihr Secret ergiessen, das dazu dient, die Nahrung
zu befeuchten etc. Sie fehlen noch bei den Fischen, sind aber bei
den übrigen entwickelt ; in der Regel sind sie in die Wand der Mund-
höhle eingebettet, bei den Säugethieren sondern sich aber einige
derselben von der Wand ab und durchbohren letztere nur mit ihren
Ausfiihrungsgängen, indem sie gleichzeitig eine bedeutendere Volum-
entfaltung erreichen : Speicheldrüsen; solches ist nur mehr aus-
nahmsweise bei den übrigen Gruppen der Fall.
Mit der Mundhöhle steht nach ihrer Entwicklung auch die Schild-
drüse (Thyreoidea) in Zusammenhang. Sie wird in Gestalt einer oder
mehrerer Ausstülpungen des Bodens der Mundhöhle angelegt, welche sich
bald von letzterem abschnüren, um sich später selbständig zu einem oft
ansehnlichen, drüsenähnlichen, aber geschlossenen Organ von unbekannter
Bedeutung weiter zu entwickeln. Nach einer allgemeinen Annahme ent>
spricht es der Bauchfurche in der Kiemenhöhle der Mantelthiere (vergl.
diese). — Auch die ziemlich räthselhafte Thymus (Bries) wird in Form
von Ausstülpungen der Mundhöhle angelegt, welche sich später von letzterer
abschnüren : sie ist besonders bei Embryonen und bei jugendlichen Thieren
stark entwickelt (bei manchen jungen Säugethieren ist sie ein umfängliches
Organ, welches sich weit in den Brustkasten hinein erstreckt) und bildet
sich später zurück.
Die Speiseröhre ist bei Fischeu und Amphibien kurz und
weit, wird — in Folge der Ausbildung einer Halspartie des Körpers —
bei Reptilien und Vögeln länger; bei den Säugethieren hat sie nicht
allein eine ansehnliche Länge, sondern ist auch ziemlich eng. — Der
Magen ist ein erweiterter Abschnitt von verschiedener Form, mit
zahlreichen kleinen schlauchförmigen Drüsen in seiner Wand. — Der
Dünndarm ist bei den Cyclostomen und gewissen anderen Fischen
ein gerader Schlauch, sonst immer gewunden. Bei den Fischen und
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^
Wirbelthiere.
357
Amphibien und manchen Reptilien ist er im Ganzen noch verhältniss-
mässig kurz, bei den Vögeln und Säugethieren erreicht er dagegen
eine ansehnliche Länge (mehrere Mal die Länge des Körpers). Die
Bedeutung des Dünndarms als Aufsaugungsorgan hat verschiedene
Einrichtungen zur Vergrösserung seiner inneren Oberfläche mit sich
geführt, besonders in Form von feinen Falten, welche netzförmig an-
geordnet sein können, oder Papillen (Darmzotten, Villi), letztere be-
sonders bei den Säugethieren. — In das vordere Ende des Dünndarms
mündet der (zuweilen in der Mehrzahl vorhandene) Ausfuhrungsgang
einer sehr grossen, oft gelappten, aus sehr zahlreichen Köhren zusammen-
gesetzten Drüse, der Leber; der Ausführungsgang (Gallengang) ist
häufig mit einer sackförmigen Ausstülpung, der Gallenblase, ver-
sehen, welche ein Reservoir für das Lebersecret, die Galle, darstellt.
Dicht an der Einmündung des Ausführungsganges in den Darm öffnet
sich auch eine andere grosse Drüse in letzteren, die Bauchspeichel-
drüse (Pancreas), welche ebenso wie die Leber unter den Wirbel-
thieren allgemein verbreitet ist (fehlt bei einigen Fischen). Ausser
diesen grösseren, ausserhalb der Darm wand gelagerten Drüsen findet
man häufig in der Darmwand selbst zahlreiche kleine schlauch- oder
traubenförmige Drüsen (z. B. bei den Säugethieren). — Als letzten
Abschnitt des Darmkanals finden wir den Enddarm, welcher weiter
ist als der Dünndarm; er hat bei den meisten Wirbelthieren keine
bedeutende Länge und ist dann ein gerader Schlauch; eine grössere
Länge erreicht er fast nur bei den Säugethieren, bei denen er als
Dickdarm bezeichnet wird (der Name Enddarm wird dann nur als
Bezeichnung für den hintersten Abschnitt benutzt). An seinem vor-
dersten Ende, an der Grenze des Dünndarms, ist der Enddarm (resp.
der Dickdarm) bei den Reptilien und Säugethieren oft mit einem, bei
den Vögeln mit zwei Blinddärmen von verschiedener Länge
versehen. Der After findet sich an der Unterseite, am Grunde
des Schwanzes; er ist entweder rundlich oder eine Längs- oder eine
Querspalte.
Der Darmkanal verläuft eine A B
Zeitlang beim Embryo als ein
gerader Schlauch durch die Lei-
beshöhle längs der oberen Wand
derselben und wird unten von
einer dünnen Bindegewebshaut,
dem Bauchfell {Peritoneum),
bekleidet, welches sämmtliche in
der Leibeshöhle liegenden Organe
überzieht. Später entfernt sich
der Darmkanal von der Leibes-
wand, sinkt tiefer in die Leibes-
höhle hinab und zieht das Bauch- Fig. 268, Schernau zur Erläuterung der Bil-
fell mit sich, SO dass der Darm- dnng des Gekröses: der Rumpf quer durch-
kanal beim ausgebildeten Thier in g«chniu«n. A frühere«. B späteres Stadium, d
f iniT trroura Fftlt« den Bauchfelles Darm' * Ba»chfe11 (dicke Lioie)> *' ller den D»"»
einer grossen i? alte Oes öaucnieiies ttbe„iehende Theil deMelben. m Gekröse, aus
aufgehängt ist; die beiden Blatter zwei Bauchfellplatten gebildet; r Rückenmark. —
dieser Falte liegen, soweit sie Orig.
nicht den Darmkanal umgeben,
dicht an einander und bilden zusammen das Gekröse (Mesenterium), welches
als eine dünne Bindegewebsplatte zwischen der oberen Leibeswand und dem
-6'
358
Speoieller Theil.
Darmkanal erscheint. Aehnliche Gekröse können auch bei anderen Organen
der Leibeshöhle gebildet werden.
Von Athmungsorganen finden wir bei den Wirbelthieren
theils K i e m en, tlieils Lungen, welch letztere fast bei allen Wirbel-
thieren (mit Ausnahme des Amphioxus, der Cyclostomen, derSelachier
und gewisser Knochenfische) vorhanden sind, während erstere auf
die Fische und die Amphibienlarven beschränkt sind. Die Kiemen
bestehen gewöhnlich aus gefäss-
reichen Blättchen, welche in
einer Reihe an den Seiten der
Visceralspalten sitzen; letz-
tere sind grosse, dicht auf ein-
ander folgende, seitliche Spalten,
welche die Wand der Mundhöhle
durchbrechen und durch cou-
lissenartige Platten getrennt sind,
in denen die oben erwähnten
Visceralbögen liegen (vergl. übri-
gens die Fische). Sehr inter-
essant ist es, dass auch bei den
höheren Wirbelthieren (Repti-
lien, Vögeln, Süugethieren), wel-
che zu keiner Zeit ihres Lebens
durch Kiemen athmen, im Em-
bryonalzustande ähnliche Visce-
ralspalten auftreten, welche je-
doch nicht mit Kiemenblättern
bekleidet werden und sich später
wieder schliessen (mit Ausnahme
der ersten, welche in den Dienst
des Gehörorgans tritt).
Die Lungen werden als
eine unpaare Ausstülpung des
Darmkanals an der Grenze von
Mundhöhle und Speiseröhre an-
gelegt. Während der weiteren
Entwicklung bleibt die Ausstül-
pung in der Regel nicht einfach,
sondern theilt sich in zwei Säcke,
einen rechten und einen linken,
welche durch einen gemeinsamen
Kanal mit dem Darmkanal in
Verbindung stehen. Jeder Sack wächst im einfachsten Fall zu
einem grossen dünnwandigen Beutel aus, dessen Wand reichlich mit
Gefässen ausgestattet ist (so bei den gewöhnlichen Wassersalamandern).
Bei anderen (z. B. den Fröschen) wird die innere Oberfläche dadurch
vergrössert, dass sich an der inneren Seite des äusserlich einfachen
Sackes stark vorspringende, unter einander netzförmig verbundene
Falten bilden. Die höchste Entwicklung wird bei den Säugethieren
erreicht, bei denen der Sack sich stark verzweigt, so dass er ein
baumförmig verästeltes hohles Organ darstellt, dessen feinste Aeste
mit kleinen dünnwandigen Blasen enden , in deren Wand ein feines
Gefässnetz ausgebreitet ist, während die gröberen Aeste dickwandiger
Fig. 254. Vorderer Theil eines Hühner-
erabryos (4. Brüttag). LVj Anlage des
Thranenkanals (noch rinnenfönuig), Ex Anlage
der linken Vordergliedmaasse , Oh (iehörblase,
H Vorderhirn , Hz Herz, Lb Lebcraulage. L$
Linse des Aages, Lw Leibeswand , il Mund,
Mg Magenanlage, Mh Mittelhirn, Ok Oberkiefer-
anlage, Rg Kiechgrube, 8p 1. Visceral -
spalte, hinter welcher uoch drei an-
dere zu bemerken sind, Uk Unterkiefer.
— Nach His.
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4
Wirbelthiere.
359
und steif werden, so dass sie eine Art Skelet für die übrige Lunge
abgeben, deren grössere und kleinere Aeste übrigens durch lockeres
Bindegewebe zusammengehalten werden, so dass die Verästelung
äusserlich nicht hervortritt. — An der Innenfläche der Lungen findet
man, wie schon bemerkt, meistens ein feines dichtes Gefassnetz. Hier-
von bilden jedoch die meisten Fische eine Ausnahme; ihrer Lunge,
welche gewöhnlich nicht gespalten, sondern ein unpaares Organ ist,
geht ein solches feineres Gefassnetz und damit auch die Function als
Athmungswerkzeug ab (eine respiratorische Lunge besitzen blos die
Lungentische und einzelne andere); sie hat bei ihnen ausschliesslich
die Aufgabe, das specifische Gewicht des Thieres zu verringern:
Schwimmblase. Dasselbe kann auch bei gewissen Abschnitten
der Lungen anderer Wirbelthiere der Fall sein (Luftsäcke der Vögel). —
Der unpaare, meistens röhrenförmige Theil, welcher die beiden Lungen
mit dem Darmkanal in Verbindung setzt, die Luftröhre, ist von sehr
verschiedener Länge (was besonders von der verschiedenartigen Aus-
bildung des Halses abhängt); sie ist in der Regel von knorpeligen
oder knöchernen, in ihre Wand eingelagerten Ringen gestützt und
öffnet sich bei den meisten Wirbelthieren an der ventralen Seite des
Darmkanals (Amphibien, Reptilien, Vögeln, Säugethieren und einzelnen
Fischen), bei der Mehrzahl der Fische dagegen an der dorsalen Seite. —
Im vordersten, besonders ausgebildeten Theil der Luftröhre, dem Kehl-
kopf, findet sich bei manchen Wirbelthieren (schwanzlosen Amphibien,
Sauriern. Krokodilen, Säugethieren) ein Paar vorspringender Haut-
falten, die Stimmbänder, welche durch den Luftstrom in Schwin-
gungen versetzt werden und Laute erzeugen können. Bei den
Vögeln finden sich ähnliche Einrichtungen am hinteren Ende der
Luftröhre.
Kreislaufsorgane. Das Herz ist beim Embryo eine Zeit-
lang ein einfacher Schlauch, welcher sich später in mehrere auf ein-
ander folgende Abschnitte tbeilt: den Vorhof, die Herzkammer
und den Herzkegel (Conus arteriosus) , welch letzterer jedoch bei
der Mehrzahl der Wirbelthiere rudimentär ist oder fehlt; alle drei
Abschnitte, von denen die Herzkammer die dicksten, der Vorhof die
dünnsten Wände hat, bestehen hauptsächlich aus quergestreiften
Muskelzellen; an der Grenze des Vorhofs und der Herzkammer und
im Herzkegel (oder, wenn dieser fehlt, an der Grenze der Herzkammer
und des von ihr entspringenden Arterienstammes) finden sich K 1 appe n ,
welche die Richtung des Blutstromes reguliren. Bei den Fischen
sind die genannten Abschnitte ungetheilte Hohlräume, und dasselbe
ist bei ihnen auch mit dem am Herzen liegenden Sinus venosus (Venen-
sack) der Fall, aus welchem das Herz das venöse Blut vom Körper
erhält; der Vorhof ist ein dünnwandiger Sack, welcher oberhalb der
mit dicken, spongiösen Wänden versehenen Herzkammer liegt; der
Herzkegel ist röhrenförmig. Bei den Amphibien ist der Vorhof
durch eine Längsscheidewand in zwei Hohlräume (rechten und linken
Vorhof) getheilt, welche mit je einer Abtheilirog des ebenfalls ge-
theilten Sinus venosus in Verbindung stehen, dessen eine Abtheilung
das Blut von den Lungen empfängt und in den linken Vorhof sendet,
während die andere das Blut aus dem übrigen Körper erhält und in
den rechten Vorhof befördert; dagegen ist die Herzkammer und der
bei den Amphibien wohlentwickelte Herzkegel ungetheilt. Bei den
Reptilien ist der Sinus venosus theilweise in dem Vorhof aufgc-
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360
Specieller Theil.
gangen, welcher ebenso wie bei den Amphibien getheilt ist ; die Herz-
kammer ist in der Regel unvollständig getheilt, bei den Krokodilen
dagegen vollständig in zwei gesondert; der Herzkegel ist rudimentär
oder fehlt ganz. Vögel und Säugethiere schliessen sich eng an
die Krokodile an (Vorhof und Herzkammer getheilt, kein Herzkegel
vorhanden). — Das Herz ist von einem aus fibrösem Bindegewebe
bestehenden Herzbeutel lose umgeben.
A B C
D E F
Fig. 255. Schemata der Arterienbögen verschiedener Wirbelthier«, in den Umrus
der 6 ursprunglichen Arterienbögen (0, 00, 1, 2, 3, 4) eingezeichnet. A Lungenfisch,
ASchwanzlurch. 6' Frosch, D Eidechse, E Vogel, /''Säugethier, t Arterien-
Stamm, c und c' Carotiden, p Lungenarterie, b dasjenige Stllck des letzten Arterienbögen«,
welches oberhalb oder ausserhalb des Ursprunges der Lungcuarterie liegt, b' strangförraiger
Ueberrest desselben bei den Säugethieren , ao Aorta, s Arterieu zu den Vordergliedmaassen
(entspringen bei den meisten Wirbelthiercn weiter hinten). — Otigt
Vom Herzen entspringt auf einer gewissen Stufe des einbryonaleii
Lebens bei allen Wirbelthieren ein unpaarer, nach vorne verlaufender
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Wirbelthiere.
361
Arterienstamm. Er giebt nach beiden Seiten eine Anzahl Gefäese,
die Arterienbögen, ab, in der Regel 6 Paare (bei gewissen Fischen
eine grössere Anzahl), welche an der Seite des Kopfes längs der Vis-
ceralbögen nach oben verlaufen; der erste läuft längs des Kiefer-
bogens, der zweite längs des Zungenbeinbogens etc. Oben vereinigen
sie sich sämmtlich zu einem unpaaren Gefäss, der Aorta, welche
unterhalb der Wirbelsäule nach hinten verläuft und allmählich an die
verschiedenen Theile des Körpers Aeste abgiebt. Von den Arterien-
bögen geht immer der vorderste, in der Regel auch der folgende im
Laufe der embryonalen Entwicklung zu Grunde; wir sehen im
Folgenden von diesen beiden ab. Bei den Fischen spalten sich die
übrigen in je zwei neben einander verlaufende Gefasse, von welchen
eines mit dem Arterienstamm, das andere mit der Aorta in Zu-
sammenhang bleibt; ersteres, die zuführendeArterie der Kieme,
giebt ein Aestchen an jedes Kiemenblatt ab, letzteres, die ab-
führende Arterie der Kieme, empfängt eins von jedem Kiemen-
blatt. Von der ersten abführenden Arterie entspringen die grossen
Arterien des Kopfes (Ca roti den); wenn eine respiratorische Lunge
bei den Fischen entwickelt ist, so empfängt sie gewöhnlich ihr Blut
durch ein von der hintersten abführenden Arterie entspringendes Ge-
fäss. Wie die Fische verhalten sich iu der Hauptsache auch die
Amphibien während des Larven lebens ; später vereinigen sich
die zu- und abführenden Arterien wieder zu vier einfachen Arterien-
bögen an jeder Seite, von welchen der vorletzte oft zu Grunde geht,
so dass nur drei übrig bleiben, von welchen der letzte (4 in Fig. 255)
ebenso wie bei den Fischen die Lungenarterie abgiebt; der zweite
wird stark, bildet mit demjenigen der andern Seite zusammen die
Aorta und empfängt bei manchen Amphibien auch Blut vom ersten,
dritten und vierten ; übrigens versorgt der erste wesentlich nur den
Kopf, der vierte die Lunge mit Blut. Bei den übrigen Wirbei-
th i e r e n bleiben die Arterienbögen einfach (spalten sich nicht in
Kiemengefässe) , und der vorletzte Arterienbögen geht während der
Entwicklung verloren, so dass nur noch drei übrig bleiben; ferner
ist hervorzuheben, dass der ursprüngliche ungetheilte Arterienstamm
sich derartig theilt, dass das letzte Bogenpaar (mit den Lungen-
arterien) sein Blut für sich erhält (wenn die Herzkammer getheilt
ist, von der rechten Seite derselben). Bei den Reptilien finden
wir im Uebrigen wesentlich ähnliche Verhältnisse wie bei den
Amphibien; bei den Vögeln und Säugethieren ist dagegen eine
weitere Reduction eingetreten, indem die Aorta nur von einem
Bogen des zweiten Paares gebildet wird, nämlich bei den Vögeln
vom rechten, bei den Säugethieren vom linken Bogen dieses Paares;
auch fehlt die Verbindung zwischen den verschiedenen Bogenpaaren,
welche z. Th. noch bei manchen Reptilien vorhanden ist, bei den
Vögeln und Säugethieren stets. (Näheres bei den einzelnen Ab-
theilungen.)
Das Vorhandensein der genannten Arterienbögen bei den Embryonen
der höheren Wirbelthiere (Reptilien, Vögel, Säugethiere) weist, in Ver-
bindung mit der Entwicklung von später verschwindenden Visceral spalten,
mit Bestimmtheit darauf hin, dass diese Wirbelthiere von Formen mit
Kiemenathmung abgeleitet werden müssen; ohne eine solche Annahme sind
diese Entwicklungs-Erscheinungen ganz unverständlich.
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3(,2
Specieller Theil.
Vom Nervensystem ist hervorzuheben, dass das venöse Blut
vom Darmkanal, der Milz und anderen Eingeweiden nicht direkt nach
dem Herzen geht, sondern sich in einem grossen Stamm sammelt, der
Pfortader, welche dann in die Leber eintritt, sich in letzterer ver-
zweigt und in ein Capillarnetz auflöst, aus welchem das Blut sich
wieder zur Leber vene sammelt, die dasselbe zum Herzen führt. Eine
ähnliche Einrichtung finden wir bei Amphibien und Reptilien auch
für die Niere, das Nierenpfortadersystem: Venen von den
Hintergliedmaassen etc. lösen sich aufs Neue in den Nieren auf, und
von hier begiebt sich ein Stamm dann direkt zum Herzen. Bei Fischen
und Amphibien findet man nicht ganz selten, dass einzelne grössere
Venen pulsiren (Venen herzen); an den betreffenden Stellen sind
ebenso wie im Herzen quergestreifte Muskelzellen vorhanden. Durch-
weg findet man in den Venen (nicht aber in den Arterien) Klappen,
welche den Blutstrom reguliren. — Bei den Wirbelthieren ist ein
ausgebildetes Capillarnetz vorhanden, welches die feinsten Arterien
und Venen mit einander verbindet. — Die Blutkörperchen sind
bei den Wirbelthieren von zweierlei Art: amöboide, weisse Blut-
körperchen in geringerer Anzahl, und formbeständige, scheibenförmige
rothe Blutkörperchen, welche in der Regel oval und kernhaltig, bei
den Säugethieren kreisrund, in der Mitte eingedrückt, kernlos sind.
Letztere verleihen dem Blut seine rothe Färbung; die Blutflüssigkeit
selbst ist farblos.
Zuweilen theilt sich eine Arterie oder eine Vene plötzlich in eine
grössere Anzahl dicht an einander gelagerter, oft anastomosirender Aeste.
welche sich nachher wieder zu einem einfachen Uefass vereinigen. Ein
solches Gefassnetz nennt man ein Wundernetz, Reie mirabilc.
Den Wirbelthieren eigen ist dassogenannteLymphgefässsystem,
ein besonderes, in allen Theilen des Körpers verbreitetes System Flüssig-
keit führender Kanäle und Räume. Seine Aufgabe ist es, theils die
von den Oapillargefässen in die Gewebe ausgetretene Blutflüssigkeit
wieder aufzusaugen, theils die von der Darmwand aufgesogene gelöste
Nahrung (Chylus) aufzunehmen und beiderlei Flüssigkeiten in den
Blutstrom überzuführen: seine Hauptstämme münden in gewisse
grössere Venen hinein. Die Lymphgefässe sind bei niederen Wirbel-
thieren (Fischen, Amphibien, Reptilien) theilweise als Arterien (und
Venen) umgebende Scheiden vorhanden, während sie sonst durch ge-
sonderte Gefässe repräsentirt sind, welche allerdings theilweise von
unregelmässiger Form, oft sehr weit, sackförmig etc. sind. Oft finden
sich grössere Lymphräunie (Lymphsinusse), z. B. unterhalb der Haut
der Frösche. Häufig finden sich in der Nähe der Stellen , wo die
grossen Lymphstämme in die Venen münden, Erweiterungen . welche
rhythmisch contractu sind: Lymphherzen, beim Frosch z. B. ein
Paar weit nach hinten auf der Rückenseite; sie fehlen bei den Säuge-
thieren, kommen dagegen in den übrigen Classen vor. Die in den
Lymphgefässen vorhandene Flüssigkeit ist farblos oder weisslich und
enthält zahlreiche, mit den weissen Blutkörperchen identische Zellen,
Lymphkörperchen. Letztere werden in zelleureichen Bindegewebs-
partien gebildet, welche mit den Lymphbahnen in Verbindung stehen
und an die durchströmende Lymphe Zellen abgeben; oft sind diese
Theile bestimmter gestaltete, rundliche Körper, sogenannte L y m p h -
follikel. welche, besonders bei den Säugethieren, häufig zu
grösseren Massen, Lymphdrüsen, augehäuft sind. — Ein mit dem
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Wirbelthiere.
363
eigentlichen Gefässsystera in Verbindung stehendes Organ mit der-
selben Aufgabe, der Production weisser Blutkörperchen, ist die Milz,
ein ansehnlicher, dunkelrother Körper, welcher seinen Platz in der
Bauchhöhle in der Nähe des Magens hat. (Auch die oben erwähnte
Thymus scheint eine ähnliche Bedeutung zu besitzen.)
Bei den Wirbelthieren findet sich ein Paar Niereu. Orgaue von
sehr verschiedener Form , welche ihren Platz in der Leibeshöhle an
der oberen Wand derselben haben. Jede Niere besteht aus einer
Anzahl langer gewundener Drüsenschläuche, Harukanälchen, an
deren geschlossenem Ende ein kleiner Ge-
fässknäuel (Glomerulus) liegt, welcher so
zu sagen in den erweiterten Endabschnitt
des Kanälchens eingedrückt ist, so dass
dieser in sich selbst zurückgestülpt ist (die
Bow man' sehe Kapsel); der Glomeru-
lus ist ein kleines Gefassnetz (Wundernetz),
gebildet von einer kleinen Arterie, welche
sich an dieser Stelle in eine Anzahl netz-
förmig verbundener Aestchen spaltet, die
sich wieder zu einer einfachen Arterie
sammeln; letztere löst sich nachher in das
Haargefassnetz der Niere auf. Das Gefäss-
knäuel scheint die Aufgabe zu haben , die
wässerigen Theile des Harns auszuscheiden
(durch Endosmose durch die dünne Wand),
während die darin aufgelösten Stoffe von
dem Epithel der Harukanälchen abgesondert
werden. Bei manchen Fischen (Selachiern)
und bei den Amphibien entspringen von
den Harnkanälchen Aeste, welche an die
Oberfläche der Niere fuhren und hier mit
einem offenen Wimpertrichter enden,
so dass die Harnkanälchen bei diesen Thieren mit der Leibes-
höhle in offener Verbindung stehen. Die Harnkanälchen sammeln
sich für jede Niere zu einem Harnleiter (Ureter), welcher hei
der Mehrzahl der Wirbelthiere, nämlich bei den Selachiern, Lungen-
fi sehen, Amphibien, Reptilien, Vögeln und Monotremen, in den
hintersten Theil des Enddarmes, die Kloake, mündet, während seine
Ausführungsöffnung bei den Knochenfischen und Säugethieren vom
Enddarm gesondert ist; bei den Säugethieren ist ührigens im Embryo-
nalleben eine Kloake vorhanden, später werden aber Darmkanal uud
Harnwerkzeuge von einander völlig getrennt. Bei den Reptilien,
Vögeln und Säugethieren findet man die Eigentümlichkeit, dass sich
auf einer frühen Stufe ein Paar Nieren, die Urnieren, bilden,
welche nur eine Zeitlang während des Embryonallebens als solche
bestehen, später aber entweder zu Grunde gehen oder jedenfalls auf-
hören, als Excretionsorgane thätig zu sein (vergl. die Geschlechts-
organe); anstatt derselben und unabhängig von ihnen bildet sich dann
ein zweites Nierenpaar, die bleibenden Nieren, welche dem ausge-
bildeten Thiere zukommen. Die Urnieren entsprechen der vordersten
Partie der Niere der Fische und Amphibien, was aus dem Verhältnis«
dieser Partie zu den Hoden hervorgeht, welches völlig dem der Ur-
niere zu diesen Organen entspricht (vergl. die Geschlechtsorgane), die
Fig. 3öti. Eude eines Harn-
kanälchens eines Wirbelthiarea,
Schema, n das Harnkanälchen,
welches sich in zwei Acste spaltet,
von welchen der eine mit einem
Wimpertrichter, /, der andere mit
einer Bowman'scheu Kapsel, b,
endet, a zu-, c abfahrende Ar-
terie. — Örig.
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364
Specieller Theil.
bleibenden Nieren entsprechen der hinteren Partie der Niere bei den-
selben Abtheilungen. — Die Harnblase ist ein Sack, welcher bei
den Amphibien, manchen Reptilien (Sauriern und Schildkröten) und
den Monotremen in die Kloake an der ventralen Wand derselben ein»
mündet, dicht an der Stelle, wo die Harnleiter sich in die Kloake
öffnen ; bei den Säugethieren mit Ausnahme der Monotremen münden
die Harnleiter dagegen direkt in die Blase (über die Verhältnisse der
Harnblase bei den Säugethieren vergl. übrigens letztere Abtheilung).
Bei den Fischen, manchen Reptilien und den Vögeln fehlt die Harn-
blase, häufig findet man aber an den Harnleitern Erweiterungen,
welche dieselbe Function besitzen : als Behälter für den abgesonderten
Harn zu dienen. — Bei den Wirbelthieren findet man allgemein ein
Paar (zuweilen in mehrere Stücke gesonderter) sogenannter Neben-
nieren, Organe, deren Bedeutung bislang ganz unbekannt ist; wir
erwähnen sie nur an dieser Stelle, weil sie in der Nähe der
Nieren liegen , zu denen sie übrigens in keinem näheren Verhältniss
stehen.
Die Eierstöcke, von welchen die Wirbelthiere ein Paar be-
sitzen (bei manchen Fischen sind beide verschmolzen, bei den Vögeln
fehlt meistens der eine), haben ihren Platz in der Leibeshöhle, an
deren oberer Wand sie festgeheftet sind. Ihre Oberfläche ist mit
einem einschichtigen Epithel bekleidet, von welchem (schon auf einer
frühen Entwicklungsstufe) in das unterliegende Bindegewebe Ein-
stülpungen stattfinden. Diese eingestülpten Epithelpartien schnüren
sich vom Oberflächenepithel ab und theilen sich in kleine rund-
liehe Zellengruppen, in denen man eine centrale, grössere Zelle
bemerkt, welche von einer Schiebt
kleinerer Zellen umgeben ist. Eine
solche Zellengruppe wird mit dem
Namen eines Graafschen Follikels
bezeichnet; die centrale Zelle ist das
junge Ei, welches sich allmählich
vergrössert und oft eine enorme
Grösse erreicht. Um das Ei herum
scheiden die umgebenden Zellen eine
zuweilen ziemlich dicke Dotter-
haut aus. Diese Zellen bilden bei
allen Wirbelthieren zunächst eine
einfache Schicht um das Ei und
bleiben auch meistens auf dieser
Stufe stehen; nur bei den Säuge-
thieren theilen sie sich derartig,
dass das junge Ei von mehreren
Zellenschichten umgeben wird; in
dieser Zellenmasse bildet sich nach-
her ein spaltförmiger Hohlraum (Fig.
257, s), welcher allmählich grösser
wird, so dass der reife Graafsche
Follikel der Säugethiere als ein
kugeliger Körper erscheint mit einem
ansehnlichen, von Zellen umgebenen Hohlraum, in welchen ein das Ei
um sch Ii essen der Zellenhügel hineinragt. Die reifen Eier fallen
in die Leibeshöhle, indem der Eierstock über dem Graafschen
Fig. 257. Schnitt durch den Eier-
stock eines Säugethiercs, Schema, e Epi-
thel an der Oberflache des Eierstocks, e'
eingestülpte Theile des Epithels, g' jüngerer
Graafscher Follikel, g etwas älterer do.,
* Spaltraum, ar Ei, k Kern desselben. —
Nach Wiedersheim. verludert.
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Wirbelthiere.
365
Follikel gesprengt wird. Die Eier sind bei verschiedenen Wirbel-
thieren von sehr verschiedener Grösse, am kleinsten bei den Säuge-
thieren (mikroskopisch klein), am grössten bei Vögeln und Selachiern ;
bei den mit grösseren Eiern versehenen Wirbelthieren drängen die
Eier die Oberfläche des Eierstocks derartig vor, dass letztere sehr
uneben wird ; bei den Vögeln sogar derartig, dass der Eierstock trauben-
förmig wird, während er im Gegensatz bei den Säugethieren in der
Regel ein kleiner, glatter, abgerundeter Körper ist. — Die Eier werden
in der Regel von den sogenannten Mülle r' sehen Gängen ausgeführt,
einem Paar langer, an beiden Enden offener Schläuche,
welche sich an dem einen Ende mit einem bewimperten Trichter in
die Leibeshöhle (meistens
in der Nähe des Eierstockes A B
derselben Seite) öffnen, mit
dem anderen Ende in die
Kloake (bei Selachiern und
Lungenfischen, Amphibien,
Reptilien, Vögeln, Monotre-
men) oder mit einer beson-
deren Oeffnung in der Nähe
des Afters ausmünden. Häufig
ist ein Abschnitt der Gänge
von grösserer Weite und dient
als Gebärmutter (Uterus).
Bei den meisten Säugethieren
sind die hinteren Partien
beider Müller'schen Gänge zu
einem unpaaren Gang ver-
schmolzen. (Ueber die ab*
weichenden Verhältnisse der
Eierstöcke und Eileiter, wel-
che bei einem Theil der
Fische bestehen, sind diese
zu vergleichen.)
Die Hoden, ebenfalls
ein Paar, haben gewöhnlich
ebenso wie die Eierstöcke
ihren Platz an der oberen
Wand der Leibeshöhle (über
die bei den Säugethieren wäh-
rend der Entwicklung statt-
findende Lageveränderung
vergl. diese). Sie bestehen
aus einer Menge dicht zu-
sammengepackter , gewunde-
ner, drüsenähnlicher Schläu-
che (Samenkanälchen) , in
denen die Samenkörperchen
Fig. 258. Harn- und Geschlechtsorgane
eines Schwanzlurchs, A eines o* , B eines 9« etwas
schematisirt. t Hoden, o Eierstock, n Niere, n' vor-
derer, schmälerer Theil der Niere, durch welchen beim
Männchen der Samen passirt ; e Verbindungskanälchen
zwischen Hoden und Niere, u Harnleiter, u' Ausflih-
rungsgang aus dem vorderen, schmäleren Theil der
durchUmbildung derdortvor- Niere (beim a*), « Muller'scher Gang, tr dessen
handenen Zellen gebildet wer- Trichter. - Nach Spengel, geändert.
den. BeidenSelachiern und
Amphibien stehen die Samenkanälchen durch feine querverlaufende
Kanäle mit den Harnkanälchen des vorderen Theils der Niere in
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Specieller Theil.
Verbindung, und der Samen wird mit dem Harn zusammen ausgeführt.
Der vordere Theil der Niere, welchen der Samen durchsetzt, ist bei
den genannten Gruppen häufig schmäler als der hintere, und es ent-
springt dann von demselben ein gesonderter Ausführungsgang, welcher
erst dicht vor der Einmündung in die Kloake sich mit den Ausführungs-
gängen des hinteren Theils der Niere vereinigt, so dass jener wesentlich
die Bedeutung eines Samenleiters erhält. Bei den Reptilien, Vögeln
und Säugethieren verbindet sich die Urniere mit dem Hoden,
die Urniere selbst wird zum sogenannten Nebenhoden (Epididymis)
umgebildet, einem aus mehreren gewundenen Schläuchen bestehenden
Körper, welcher an der Seite des Hodens liegt und den Samen aus
diesem aufnimmt, um ihn in den Urnierengang (WolfFschen Gang)
überzuleiten, welcher somit bei dem ausgebildeten Thier als Samen-
leiter (Vas deferem) fungirt. Die Urniere verhält sich also bei den
genannten Thieren wesentlich wie der vordere Theil der Niere bei
den Selachiern und Amphibien; sie unterscheidet sich aber dadurch,
dass sie aufhört, als Excretionsorgan zu fungiren. (Ueber die Hoden
und Samenleiter der Knochenfische vergl. den Abschnitt , .Fische".) —
Oft (Selachier, Amphibien, Säugethiere) findet man auch beim männ-
lichen Thier Müller'sche Gänge, aber in mehr oder weniger rudi-
mentärem Zustand und ohne Function, ebenso wie man auch beim
weiblichen Thier zuweilen Ueberreste der Urniere (Nebeneierstock,
Parovarium) und der Urnierengänge (Gartner'sche Gänge, z. B. bei
den Wiederkäuern) findet. — Mit den Samenleitern sind, besonders
bei Säugethieren, verschiedene Drüsen verbunden, deren Secret dem
Samen beigemischt wird, ferner auch Behälter für den fertigen Samen. —
Als Begattungs Werkzeuge, welche übrigens bei sehr vielen Wirbel-
thieren fehlen, fungiren sehr verschiedenartige Theile. Bei den
Männchen der Selachier sind die Hintergliedraaassen theilweise dazu
eingerichtet, den Samen in das Weibchen überzuführen; bei den
Schlangen und Sauriern wird ein Paar ausstülpbarer Säcke, welche
an der Seite des Afters sitzen, in derselben Weise verwendet; das
Begattungsorgan der Schildkröten, Krokodile und Vögel ist ein in
der Kloake sitzender, unpaarer, meistens zungen förmiger Fortsatz,
welcher bei den Säugethieren in weiter entwickeltem und umgeformtem
Zustand auftritt (vergl. des Näheren die einzelnen Abtheilungen).
Die allermeisten Wirbelthiere sind getrennten Geschlecht«. Nur bei
einzelnen Arten von Knochenfischen findet man, dass dasselbe Individuum
sowohl Eier als Samen erzeugt, also einen wirklichen Hermaphroditis-
mus; es werden bei diesen Eier und Samen in einer gemeinsamen Ge-
schlechtsdrüse gebildet , indem sich die Eier in gewissen Theilen derselben,
die Samenkörperchen in anderen entwickeln. Bei nicht wenigen anderen
Knochenfischen findet man, ebenfalls als regelmässige Erscheinung, dass die
Geschlechtsdrüsen gewissermaßen einen gemischten Charakter haben, derart,
dasB Bie zwar überwiegend entweder Eierstöcke oder Hoden sind, dass aber
dabei kleinere Partien der Eierstöcke als Hoden, der Hoden als Eierstöcke,
gebaut sind; diese kleineren Partien liefern aber keine reifen Geschlechts-
producte. Auch mit dem Hoden der Kröten (finfo) ist ein Theil verbunden,
welcher einem Eierstock ähnlich ist, zu einer Bildung reifer Eier kommt
es aber in demselben nicht1). — Als seltene Abnormität können ähn-
') Aus einigen in den letzten Jahren gemachten Beobachtungen hat man
geschlossen, daas auch der Inger {Myxine) ein wirklicher Hermaphrodit
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Wirbelthiere.
367
liehe Verhältnisse auch bei anderen Wirbelthieren (z. B. bei den Säuge-
thieren) vorkommen : man kann z. B. an der einen Seite einen Hoden, an der
anderen einen Eierstock finden, oder es kann jederseits eine Geschlechtsdrüse
verhanden sein, welche theilweise Hoden-, theilweise Eierstocksbau besitzt ; zu
einer Production reifer Geschlechtsstoffe beiderlei Art scheint es aber in solchen
Fällen nie zu kommen. Häufiger als diese ,, echten Hermaphroditen "
sind die sogenannten Pseudohermaphroditen, welche entweder nur
Hoden oder nur Eierstöcke besitzen, dabei aber in den Ausführungsgängen
oder in der Ausbildung der Begattungsorgane Charaktere des anderen Ge-
schlechts aufweisen : so kommen z. B. unter den Haussäugethieren gar nicht
so sehr selten männliche Individuen vor, welche sehr entwickelte , denen des
Weibchens ähnliche Müller'sche Gänge besitzen. Als leise Andeutungen
von Pseudohermaphroditismus sind auch gewisse normale Verhältnisse
aufzufassen : das schon vorhin erwähnte Vorhandensein rudimentärer Müller'scher
Gänge beim Männchen, oder von rudimentären Begattungsorganen beim
Weibchen verschiedener Wirbelthiere (Clitoris der Säugethiere etc.)
Die Mehrzahl der Wirbelthiere sind e i e r 1 e g e n d. Das abgelegte
Ei ist zuweilen von einer Gallertniasse (bei den Amphibien), in anderen
Fällen (Selachiern) von einer hornartigen Schale, wieder in anderen
(Reptilien, Vögeln) von einer kalkhaltigen, festen oder halbfesten
Schale umgeben , welche ausser dem Ei eine dasselbe umhüllende
Eiweissmasse umschliesst, welch letztere allmählich vom Embryo auf-
gesogen wird; sämmtliche Umhüllungen sind Producte von Drüsen,
welche in der Eileiterwand eingebettet liegen. — Viele Wirbelthiere
sind jedoch lebendiggebärend, die embryonale Entwicklung wird
im Eileiter der Mutter (oder bei den Knochenfischen in deren hohlem
Eierstock) durchlaufen. In den einfachsten Fällen findet man
dann, dass das Ei von den gewöhnlichen Umhüllungen (Schale etc.)
umgeben seine Entwicklung in der Mutter durchläuft, ohne dass übrigens
von Seiten letzterer ein Zuschuss zu dem sich entwickelnden Embryo
geliefert wird; die Geschlechtswege des Mutterthieres sind lediglich
eine Aufbewahrungsstelle für das Ei (so bei manchen Reptilien) :
ovovivipare Thiere. Eine Annäherung an dieses Verhältniss findet
man schon bei manchen eierlegenden Wirbelthieren, bei denen die
abgelegten Eier schon einen mehr oder weniger ausgebildeten Embryo
enthalten, bei denen somit ein erster Abschnitt der embryonalen Ent-
wicklung in dem Mutterthiere, der Schluss derselben dagegen ausserhalb
desselben durchlaufen wird (solches ist z. B. bei der gemeinen Ringel-
natter der Fall). Bei anderen lebendiggebärenden Thieren nimmt
der Embryo während der Entwicklung von der Mutter Nahrung auf,
entweder abgesonderte Flüssigkeiten (Beutelthiere, Aalmutter) oder
geradezu die Blutflüssigkeit der Mutter, indem gewisse Partien seines
Körpers in eine innige Verbindung mit demjenigen der Mutter
treten, in welcher er gewissermassen ein schmarotzendes Dasein führt
(Säugethiere).
wäre und zwar derart, dass er in jüngerem Zustande als Männchen, später als Weib-
chen fungirte. Ob dieser Schluss berechtigt ist, dürfte aber noch sehr zweifelhaft
sein ; sicher ist, dass bei einigen männlichen Exemplaren dieser Form der vordere
Theil der (Geschlechtsdrüse den Charakter eines unreifen Eierstockes hat (während
der hintere Theil Hoden ist); ob aber dieser Theil Bich später zu einem reifen
Eierstock entwickelt, oder ob er — wie der ähnliche Theil bei den männlichen
Kröten — auf derselben Stufe verharrt, ist nach den bisherigen Befunden nicht
eu entscheiden.
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368
Specieller Theil.
Die Eifurchung ist bei einem Theil der Wirbelthiere —
Amphioxus, Cyclostomen, Ganoiden, Amphibien (mit Ausnahme der
Coecilien und einzelner anderen), den meisten Säugethieren — eine
totale, bei anderen, deren Eier einen grösseren Umfang besitzen, da-
gegen eine partielle (Selachier, Knochenfische, Reptilien, Vögel, Mouo-
tremen). Es bildet sich wie bei anderen Thieren eine Gastrula, welche
bei Amphioxus die einfachsten Verhältnisse darbietet (vergl. S. 44
und Fig. 28), während die Bildung bei den übrigen etwas complicirter
ist (S. 46 ff.) ; für die Säugethiere ist man über die Gastrula-Bildung
noch nicht vollkommen in's Klare gekommen. Die meisten Wirbel-
thier-Embryonen sind eine Zeitlang mit einem Dottersack ver-
sehen (vergl. S. 51), welcher bei einigen eine kolossale Grösse besitzt
(bei den Selachiern z. B.), aber meistens verschwunden oder nicht
mehr äusserlich sichtbar ist, wenn das Thier geboren wird, d. h. die
Eischale oder die Mutter verlässt. Bei den Reptilien, Vögeln
und Säugethieren (den amnioten Wirbelthieren) findet man das
eigenthümliche Verhältniss, dass der Embryo von mehreren Embryonal-
hüllen (Fruchthüllen) umgeben ist, welche nach ihrer Entwicklung
besondere Körperanhänge des jungen Thieres darstellen, embryonale
Organe sind, die abgeworfen werden, wenn das Junge geboren wird.
Bei den Säugethieren treten gewisse Theile dieser Hüllen mit der
Wand des Uterus in Verbindung und dienen dem Embryo als Apparat
für die A u f saugu n g der Blutflüssigkeit des Mutterthieres (Placenta).
Am Hühnerei bemerkt man auf einer sehr frühen Entwicklungsstufe
um diejenige Partie, welche zu dem eigentlichen Embryo wird — im Gegen-
^1 B
C D
Fig. 259. Zur Illustration der Entwicklung der Embryonalhullen bei einem Vogel-
embryo; schematische Längsschnitte verschiedener Stadien. In A hat die Entwicklung der
Hullen noch nicht angefangen, ei Ekto-, en Ento-, m Mesodenn (breitere Linie), am Amnion,
am' die Falten, aus welchen Amnion und seröse Hülle entstehen, $ seröse Hülle, al Allantob,
bl Nahrungsdotter, t Darm. — Orig. (t. Th. nach alteren Vorbildern).
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i
Wirbelthiere.
3G9
satz zu der weit grösseren Partie , welche zum Dottersack wird — eine
von dem Ektoderni und der äussersten Schicht des Mesoderms gebildete
Falte. Diese wächst allmählich über den ganzen Embryo hinaus , ihre
Ränder begegnen sich und verschmelzen mit einander, und so wird
oberhalb des Embryos ein Hohlraum gebildet, welcher von dem inneren
Blatte der verwachsenen Falten begrenzt wird ; letzteres Blatt wird jetzt als
Amnion (Schafhaut) bezeichnet, während das äussere Blatt, welches unten
in die Bekleidung des Dottersackes übergeht, die seröse Hülle genannt
wird. Ferner wächst in den Hohlraum zwischen der serösen Hülle und
dem Amnion eine Ausstülpung von dem hinteren Theile des Darmes des
Embryos hinein, welche aus einer inneren Entodermlage und einer äusseren
Mesoderralage besteht. Diese Ausstülpung, die Allantois, wächst all-
mählich zu einem abgeplatteten Sack von bedeutender Grösse heran, welcher
sich zwischen das Amnion und die seröse Hölle erstreckt und durch einen
engen Gang mit dem Darmkanal des Embryos in Verbindung steht; die
Allantois ist sehr gefässreich und fungirt theils als Behälter des vom Em-
bryo abgesonderten Harns, theils als Athmungs Werkzeug. Aehnliche
Verhältnisse findet man auch bei den übrigen Vögeln, den Reptilien
und den 8äugethieren; bei letzteren verwächst die Allantois mit der
serösen Hülle, und es bilden sich an denselben gefässreiche Auswüchse,
welche in die Wand des Uterus hineinwachsen und als Aufsaugungsapparate
fungiren '). — Bei den Fischen und Amphibien fehlen die Eihüllen völlig.
Die Wirbelthiere nehmen in der Thierwelt einen etwas isolirten
Platz ein; einen engeren Anschluss an (inen anderen Thierkreis hat
man bislang nicht nachweisen können.
l. C lasse. Lanzettflsche (Lqptoeardü).
»
Die Classe der Lanzettfische umfasst nur die Gatt. Amphioxus,
welche früher den Fischen zugerechnet wurde, was aber nicht zu-
treffend ist.
Der Körper ist gestreckt, zusammengedrückt, an beiden Enden
zugespitzt; längs der Rückenseite und längs der Unterseite des
Fig. 260. Schematischer Längsschnitt von Amphiorm. a After, c Chorda, g Kiemen-
höhle, m Magen, n Rückenmark, p Peribrnnchialhöhle, p' deren Oeffnung, t Darm, tt Tenta-
keln um die Mundöflhung. — Orig.
Schwanzes läuft ein Flossensaum; Gliedmaassen fehlen. Das Skelet
ist durch eine kräftig entwickelte, den ganzen Körper durchziehende,
vorne und hinten zugespitzte Chorda repräsentirt. Oberhalb der-
selben liegt das C e n t r a 1 n e r v e n s y s t e m als ein langes stabförmiges
*) Bei den Insekten und bei einzelnen Würmern findet man eine Bildung
ähnlicher, den Embryo umgebender Hüllen wie bei den genannten Wirbelthieren.
Bon, Zoologie. 24
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370 Specieller Theil.
Organ ohne vordere Anschwellung, also ohne gesondertes Gehirn; sein
centraler Kanal steht vorne durch eine feine Oeffnung mit der Ober-
fläche in Verbindung. Es ist ein unpaares Auge in Form einer
pigmentirten Partie im vordersten Theil des Centralnervensystems
vorhanden: paarige Augen und Gehörwerkzeuge fehlen. Die Mus-
kulatur ist in ähnlicher Weise wie bei den Fischen angeordnet;
die Muskelfasern sind quergestreift. Unterhalb der
Chorda liegt der Darmkanal, welcher unter
dem Vorderende des Tliieres mit einer von einer
Anzahl hervorstehender Tentakel umgebeneu Mund-
öffnung seinen Anfang nimmt; letztere führt in einen
sehr grossen , von zahlreichen Querspalten durch-
brochenen Kiemen sack hinein, welcher sich nach
hinten durch einen grösseren Theil des Körpers er-
streckt. Hinten geht der Kiemensack in den Magen
Fi«. 2ßi. Quer- uoerJ welcher mit einer grösseren Ausstülpung, der
schnitt durch <ion Leber, versehen ist; der Darm ist kurz, gerade und
vorderen Theil des mündet auf der Unterseite nicht sehr weit vom hin-
Körpcrf. von Am- teren Ende (so dass die Länge des Schwanzes nicht
RuXenmark ,",a' d bedeutend ist). Die Spalten des Kiemensackes führen
Chordn, y Kiemen- nicht direkt an die Oberfläche, sondern in eine den-
höhie, j> Peribran- selben umgebende Pcribranchialhöhle, welche
»d'icchHdrüse* 8'c'1 au^ ^er Unterseite in einigem Abstand vor dem
0r^ s e* After öffnet. Bei dem ganz jungen Amphioxus
münden die Kiemenspalten direkt nach aussen, später
entwickelt sich aber oberhalb derselben auf jeder Seite
eine Längsfalte, welche über sie nach unten auswächst und auf der
Bauchseite mit derjenigen der anderen Seite verwächst. Das Ge-
fäss System ist dadurch merkwürdig, dass ein abgegrenztes Herz
fehlt: dagegen pulsiren sämmtliche Göfässe. Es befindet sich unterhalb
des Kiemensackes ein unpaarer Gefässstamm, welcher das venöse Blut
aus dem Körper empfängt, und von welchem Aeste zum Kiemensack
abgehen ; aus letzterem sammelt sich das Blut zu einer unterhalb der
Chorda verlaufenden Aorta. Es ist dasselbe Leberpfortadersystem
wie bei den anderen Wirbelthieren vorhanden. Rothe Blutkörperchen
fehlen. Excretionsorgane sind nicht mit Sicherheit bekannt *).
Die Geschlechter sind getrennt, die Geschlechtsorgane sind
durch mehrere Eierstock- resp. Hodenpaare repräsentirt, welche in
der Leibeswand, an deren der Peribranchialhöhle zugekehrter Seite,
liegen; Eier und Samen werden durch Bersten der Organe in die
Peribranchialhöhle entleert, gelangen durch die Kiemenspalten in
die Kiemenhöhle und werden durch die Mundöffnung ausgestossen.
Die Entwicklung ist dadurch ausgezeichnet, dass die Eifurchung
total, die Gastrula-Einstülpung ganz einfach (nach dem Fig. 23 S. 44
abgebildeten Typus) und die Ento- und Ektodermzellen einander sehr
ähnlich sind.
An den europäischen Küsten lebt, in den Sand vergraben, der farb-
lose, 5 — 7 cm lange Amphioxus lanceokUtts.
') Als Niere ist ein mit Trichter versehener Kanal auf der linken Seite des
Thieres beschrieben worden.
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Wirlielthiere. 2. Classe: Fische.
371
2. Classe. Fische (P'isces),
Die Leibesform ist im Allgemeinen zusammengedrückt-spindel-
förniig; Kopf, Rumpf und Schwanz gehen allmählich in einander Uber;
letzterer ist sehr musculös; ein Hals ist nicht entwickelt und die
Beweglichkeit des Kopfes gewöhnlich sehr gering. Von diesem ge-
wöhnlichen Typus können übrigens zahlreiche Fische mehr oder weniger
abweichen ; man findet z. B. Fische, welche so stark seitlich zusammen-
gedrückt sind, dass ihr Körper eine senkrechte Platte darstellt; bei
anderen sind vielmehr Kopf und Rumpf stark niedergedrückt, bei
anderen wieder ist der Körper so gestreckt, dass er eine wurmförmige
Gestalt hat. oder er ist im Gegentheil ausserordentlich kurz, klumpig etc.
Längs der Rückenseite des Rumpfes und des Schwanzes und längs
der Unterseite des letzteren finden sich unpaare Flossen (vergl. unten
bei der Haut). Gewöhnlich sind zwei Paar, in der Regel verhältniss-
mässig schwach entwickelte, plattenfönnige Gliedinaassen vorhanden
(zuweilen fehlt das hintere oder sogar beide Paare); für die Fische
cigenthüinlich ist es, dass die Hintergliedmaassen, die Bauchflossen,
oft weit nach vorne, in die Nähe der Vordergliedinaassen, der Brust-
flossen, oder sogar vor dieselben vorrücken können.
Der ziemlich dünnen Oberhaut der Fische fehlt, wie vorhin er-
wähnt, eine Hornschicht, dagegen ist eine dünne Cuticula an der Ober-
fläche entwickelt; in der Oberhaut sind oft Becherzellen vor-
handen , deren Secret der Haut ihre schleimige Beschaffenheit giebt.
Die Leder haut enthält sehr allgemein Verknöcherungen, von welchen
die bekanntesten die sogenannten Schuppen sind, dünne Knochen-
platten, welche in entsprechenden Höhlungen der Lederhaut liegen;
oft sind sie so locker mit letzterer verbunden und liegen so dicht unter
der Oberfläche (von dieser nur durch eine dünne Bindegewebsschicht
und die Oberbaut getrennt), dass sie sich bei Berührung des Fisches
gleich loslösen und ausfallen ; sie decken sich in der Regel dachziegel-
artig (der deckende Rand ist der hintere) und sind dann regelmässig
reihenförmig geordnet. Sie werden in Cycloid- und Ctenoid-
schuppen getheilt; letztere besitzen längs des Hinterrandes feine zahn-
artige Spitzen, welche den ersteren fehlen. Die Schuppen, welche
besonders bei den Knochenfischen vorkommen , sind übrigens nur
eine Form der Lederhaut -Verknöcherungen und nicht scharf von
anderen Formen derselben, Knochenplatten, -schildern, -dornen etc.,
getrennt, welche bei manchen Fischen vorkommen. Ganz verschieden
ist dagegen eine andere Art fester Theile, welche an der Fischhaut
vorkommen, nämlich die Haut-Zähne, welche bei manchen Selachiern
die ganze Körperoberfläche bedecken und auch an der Haut ver-
schiedener anderer Fische vorkommen ; Bau und Entwicklung dieser
Zähne entsprechen ganz denen der Mundhöhlen-Zähne: sie bestehen
aus Zahnbein und Schmelz, welche in gewöhnlicher Weise gebildet
werden; sie liegen nicht in die Lederhaut eingeschlossen, wie es
meistens mit den Lederhaut- Verknöcherungen der Fall ist1), sondern
ragen mit ihrem oberen Theil aus der Haut hervor; sie fallen aus und
') Nicht ganz selten findet man jedoch bei den Fischen, dass echte Lederhaut-
Verknöcherungen mit einer grösseren Fläche oder mit hervorragenden Spitzen ent-
blösat liegen.
24*
372
Specieller Theil.
werden durch neue ersetzt, während die Lederhaut- Verknöcherun gen
allmählich mit dem Thier wachsen, nicht ausfallen und nicht erneuert
werden. Die Form der Hautzähne ist verschieden, zuweilen sind sie
mehrspitzig etc.; meistens sind sie klein, können aber auch eine an-
sehnliche Grösse erreichen. Bei denjenigen Knochenfischen und
Ganoiden, welche Hautzähne besitzen, verbindet ihr unteres Ende sich
oft mit den Hautverknöcherungen ').
Die unpaaren Flossen sind Hautfalten, welche meistens von
festen Theilen gestützt werden. Auf einer gewissen Entwicklungsstufe,
oft noch bei dem neugeborenen Fisch, bei anderen in der Embryonal-
periode, sind die unpaaren Flossen durch einen zusammenhängenden
Flossensaum repräsentirt , welcher längs der Mitte der Rückenseite
des Rumpfes und Schwanzes, um die Spitze des letzteren herum und
längs der Unterseite desselben und eines Theils des Rumpfes ver-
läuft. Bei gewissen Fischen erhält sich dieser Saum ungetheilt das
Sanze Leben hindurch (stets schwindet jedoch der vor dem After an
er Bauchseite befindliche Theil); häufiger aber zerfällt er in drei
oder mehrere Abschnitte, von welchen derjenige, resp. diejenigen,
welche auf der Rückenseite sitzen, als Rückenflosse, derjenige,
welcher die Schwanzspitze umgiebt, als Schwanzflosse, und das
oder die Stücke, welche an der Unterseite des Schwanzes sitzen, als
Afterflosse bezeichnet werden. In den ausgebildeten Flossen sind
in der Regel festere Theile, sogenannte Strahlen, vorhanden. Bei
den Selachiern finden sich in den Flossen sogenannte Horn str ah 1 en5),
hornartige, elastische, structurlose Fasern, welche sich von der Basis
der Flosse gegen ihren Rand hin erstrecken; sie liegen in mehreren
Schichten in jeder Flosse, welche steif, nicht zusammenlegbar ist.
Statt dieser finden sich in den unpaaren Flossen der Ganoiden
und Knochenfische eine Reihe stabförmiger Hautverknöcherungen,
Knochenstrahlen, welche als Stützen in der Flosse liegen. Von
solchen Strahlen unterscheidet man zwei Hauptformen: Weich -
strahlen und Stachelstrahlen, zwischen denen sich jedoch
Uebergänge finden. Ein ausgeprägter Weichstrahl ist ein Knochen-
stab, welcher in seiner grössten Ausdehnung (an der Basis nicht) ge-
gliedert, d. h. der Quere nach in eine grosse Anzahl kurze, durch
Bindegewebe verbundene Stücke getheilt ist; ferner ist er an der
Spitze in mehrere hinter einander liegende (ebenfalls gegliederte)
Aeste mehr oder weniger tief gespalten. Einigen Weichstrahlen fehlt
aber diese Spaltung, und bei einigen ist dazu noch die Gliederung
auf einen Endabschnitt des Strahles beschränkt. Jeder Weichstrahl
ist übrigens aus zwei symmetrischen Hälften zusammengesetzt, welche
aber dicht an einander gelagert sind und einander ganz genau ent-
sprechen. Die Stachelstrahl en sind steife, spitzige, ungegliederte
Knochenstäbe, auch sie sind aus je zwei Hälften zusammengesetzt,
welche aber entweder eng verbunden oder geradezu verschmolzen
sind. Der Uebergang zwischen beiden genannten Strahlenformen
') Mit den Hautzähnen sind die feinen zahnartigen Spitzen nicht zn ver-
wechseln, welche längs des Hinterrandes der oben genannten Ctenoidschuppen
vorbanden sind und nur besonders entwickelte Theile der Knochenmasse dieser
letzteren darstellen.
•) Der Name ist nicht sehr glücklich , denn es handelt sich hier um Theile,
welche sich im Bindegewebe entwickeln und von den wirklichen Horngebilden der
Wirbelthiere ganz verschieden sind.
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Wirbelthiere. 2. Clasae: Fische. 373
wird von solchen Strahlen gebildet, welche, ohne gegliedert zu sein,
dennoch biegsam sind. Während Weichstrahlen bei alleu überhaupt
mit knöchernen Strahlen versehenen Fischen vorhanden sind, finden
sich Stachelstrahlen nur bei einem Theil derselben und dann fast immer
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374
Speoieller Theil.
nur im vorderen Theil der betreffenden Flosse; in der Schwanzflosse
fehlen sie immer. Die knöchernen Strahlen können niedergelegt und
aufgerichtet werden; in ersterem Fall faltet sich die Flossenhaut zu-
sammen, in letzterem wird sie ausgespannt. Zuweilen kann zwischen
einigen auf einander folgenden Strahlen die Flossenhaut fehlen (freie
Strahlen). Ueber die mit den unpaaren Flossen in Verbindung
tretenden inneren Skelettheile, Flossenträger etc., vergl. unten. —
Längs des Randes der bei den Fischen gewöhnlich sehr kurzen Glied-
maassen, der Brust - und Bauch flösse n, findet sich ein Flossen -
s a u m , welcher in ganz ähnlicher Weise wie die unpaaren Flossen
gebaut ist, bei den Selachiern also von Hornstrahlen, bei Ganoiden
und Knochenfischen mit Weich- und Stachelstrahlen ausgestattet ist.
Stachelstrahlen finden sich jedoch in den Brustflossen sehr selten,
häufiger vorne in den Bauchnossen (in letzterem Fall sind gleichzeitig
in der Rücken- und Afterflosse Stachelstrahlen vorhanden). — Ueber
die mit der Haut verbundenen Sinnesorgane (Seitenlinie etc.) vergl.
unten.
Mit der Haut einiger Fische sind Leuchtorgane verbunden, eigen-
thümlich ausgebildete Hautpartien, welche äusserlich als kleinere oder grössere
Flecken erscheinen; ihr Bau ist bisjetzt nicht völlig klargestellt worden.
Derartige Organe sind unter den Tiefsee-Fischen ziemlich verbreitet, kommen
aber auch z. B. bei gewissen pelagischen Formen vor.
Bei manchen Fischen (Cyclostomen und Selachiern) besteht das
Skelet, abgesehen von der Chorda, ausschliesslich aus Knorpel,
welcher aber häufig theilweise verkalkt, d. h. in die Intercellularsub-
stanz Kalksalze aufnimmt; bei anderen (Ganoiden, Lungen- und
Knochenfischen) wird der Knorpel, welcher auch bei ihnen ursprüng-
lich das ganze Skelet bildet, durch wirkliche
-■"*■ •■■ Knochen ersetzt, welche aus echtem Knochen-
gewebe bestehen. — Das Rückgrat wird
' nicht ganz selten (bei den Cyclostomen,
einigen Selachiern, den Lungenfischen, den
\h Knorpclganoiden) durch eine die Chorda um-
schliessende, von Knorpel oder fibrösem Binde-
gewebe gebildete, zusammenhängende Röhre
J/^^/\yr repräsentirt, welche nicht in gesonderte Wirbel-
^\z\,/7\/2\eA Körper getheilt ist und oben die knorpeligen
1 T Bogen trägt (welche sogar, z. B. bei dem
' * Inger Myxine , fehlen können). In der
Fig. '2ö3. L»ngM.,ci»uitt durch Regel aber zerfällt die Röhre in eine Anzahl
,ue Wirbelsäule yemhie- Stücke die Wirbelkörper, welche durch
<lcner Fisrhc, Schemata. In A - ' . ... _, 1 i j • ,
uud b ist noch eine zusammen- Bindegewebe mit einander verbunden sind,
hängende •Knorpeiröhre vor- Die Wirbelkörper sind kurze röhrenförmige
banden, in c ist dipacibc in Stücke, welche an ihrer Innenseite in der
:™r„' £. Ä*! ringförmig verdickt sind und nach beiden
i>ern, cA Chorda. — orig. Enden allmählich du ii !kt werden; sie besitzen
eine kegelförmige Vertiefung vorne und eine
ähnliche hinten, welche durch eine kleine Oeffnung in der Mitte mit
einander verbunden sind (ähnlich wie der Hohlraum in einer Sand-
uhr): biconeave (amphicöle) Wirbel. Sie umschliessen die Chorda,
welche dem entsprechend starke ringförmige Einschnürungen in der Mitte
der Wirbel besitzt (die Chorda ist perlschnurähnlich). (Bei einzelnen
Haien, deren Rückgrat uicht in Wirbel getheilt ist, sind die genannten
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Wirbelthiere. 2. Classe: Fische.
375
inneren Verdickungen der Wirbelkörper schon durch ringförmige Ver-
dickungen an der Innenseite der zusammenhängenden Knorpelröhre
angedeutet, vergl. Fig. 263 B). Die Wirbelkörper tragen meistens
je einen oberen Bogen, welcher oft in einen Dornfortsatz ausge-
zogen ist; ferner finden sich oft unten an den Wirbeln des Rumpfes
Querfortsätze, welche am Anfang des Schwanzes sich nach unten
biegen und an diesem zu unteren Bögen von demselben Aussehen
wie die oberen vereinigen. (Ausser diesen unten vom Wirbelkörper
entspringenden Querfortsätzen findet man zuweilen bei den Knochen-
fischen höher oben entspringende Querfortsätze; auch kleine Gelenk-
fortsätze sind gewöhnlich bei den Knochenfischen vorhanden). Bei
den Selachiern bestehen die Wirbel aus Knorpel, welcher oft theil-
weise verkalkt, bei den Knochenganoiden und den Knochenfischen
A B
D
Fig. '264. Ende des Schwanzes verschiedener Fische: A Stör, B Knochenhecht,
C Lachs, D Dorsch, h Wirbelsäule, A' aufgebogene Endpartic derselben, ö obere Bögen,
t Stachelfortsälze, m untere Bögen, u' der lelzte untere Bogen, mit h' verwachsen. In C Ist
der aufgebogene Theil der Wirbelsäule noch ziemlich wohl entwickelt (er ist zwischen den
beiden Hälften der Schwanznossenstrahlen , von welchen die linke hier entfernt ist , einge-
schlossen), in Z>, welcher den gewöhnlichen Zustand der Knochenfische repräsentirt, dagegen
sehr klein. — Z. Th. Original, z. Th. Copie.
entweder nur aus Knochengewebe oder aus solchem und knorpeligen
Theilen. — Eine besondere Betrachtung verdienen der im hintersten
Ende des Schwanzes liegende Theil der Wirbelsäule und seine Be-
ziehungen zur Schwanzflosse. Bei einer geringen Anzahl Fische
(Cyclostomen, Lungenfischen) ist das hintere Ende der Wirbelsäule
gerade, und oben und unten findet sich ein fast gleich grosser Theil
der Schwanzflosse, deren oberer Theil also mit dem unteren
congruent ist: man sagt dann, der Fisch sei diphycerk. Bei den
allermeisten Fischen ist dagegen der hintere Theil der Wirbelsäule
schräg nach oben gekrümmt und die an ihrer Unterseite sitzende
Flossenportion dann in der Regel weit stärker als die obere entwickelt.
376
Specieller Theil.
Bei den meisten Haien, den Knorpelganoiden und Lepidosteus ist
dieses Verhältniss sehr deutlich: heterocerke Fische. Bei den
Knochenfischen ist eigentlich dasselbe der Fall, hier ist aber die
aufgebogene Partie meistens ziemlich kurz, besteht nicht aus ge-
trennten Wirbeln, sondern aus einem stabförmigen , das Chordaende
umschließenden, knorpeligen oder knöchernen Stück '), welches oft mit
dem hinteren unteren Bogen (oder mit mehreren der unteren Bögen)
verwächst und als das Endglied der Wirbelsäule erscheint; und unter-
halb dieses scheinbaren Endgliedes sitzt dann in der Regel eine
Strahlenpartie, welche der oberhalb desselben angebrachten ungefähr
congruent ist, so dass der Schwanz dem der diphycerken Fische sehr
ähnlich wird: homocerke Fische. Thatsächlich sind diese aber
ebenso wie die oben genannten heterocerk, denn das Wirbelsäulen-
Ende ist auch hier nach oben gebogen und die im Verhältniss zu
letzterem obere Flossenpartie ist kleiner als die untere (vergl.
Fig. 264 D). Bei manchen ausgeprägt hetcrocerken Fischen, mit
sehr grosser aufgebogener Wirbelsäulen- Partie , finden wir übrigens
eine Annäherung an dieselbe Bildung, indem das Schwanzende,
rein äusserlich betrachtet, in zwei ungefähr gleiche Theile zerfällt,
einen oberen, in welchen der aufgebogene Theil der Wirbelsäule sich
erstreckt, und einen unteren, welcher ausschliesslich aus Strahlen be-
steht (Fig. 264 A, etc.). Beim Embryo, in manchen Fällen auch
noch bei dem neugeborenen Jungen (Knochenfischen), ist die Chorda
immer eine Zeitlang auch hinten ein gerader Stab; später wird das
hintere Ende aufgebogen. Bei den Knochenfischen ist der aufgebogene
hintere Theil verhältnissmässig weit grösser und deutlicher bei den
Jungen als bei den Erwachsenem — An die oben genannten Quer-
fortsätze der Rumpfwirbel heften sich bei den meisten Ganoiden,
Knochen- und Lungenfischen knöcherne (oder theilweise verknöcherte)
Rippen; bei manchen Selachiern sind knorpelige Rippen vorhanden,
welche aber häufig rudimentär sind oder fehlen. Bei manchen
Knochenfischen heften sich an die Rippen (oder die Wirbel) dünne
rippenähnliche Fleisch gräten, welche sich in die Rumpfmuskeln
hinein erstrecken und denselben als Stütze dienen. Ein Brustbein
fehlt, und die Rippen treten nicht mit einander unten in der Mittel-
linie zusammen. — Bei den Selachiern findet sich als Stützapparat
der Rücken- und Afterflosse im Grundtheil dieser Flossen eine
plattenförmige Skeletpartie , welche sich theils zwischen die rechts-
uud linksseitigen Muskelmassen des Rumpfes und Schwanzes, theils
in den Grundtheil der Flosse hinein erstreckt; jede dieser Skelet-
partien besteht aus einer Anzahl knorpeliger Stücke, welche in ähn-
licher Weise wie das Skelet der Brust- und Bauchflossen angeordnet
sind. Bei den Ganoiden, Lungen- und Knochenfischen finden wir
statt dieser Theile sogenannte Flossenträger, in der Regel dolch-
förmige Knochen, welche zwischen die Muskelmassen gelagert sind und
sich durch Bindegewebe mit den oberen oder (an der Unterseite des
Schwanzes) den unteren Dornfortsätzen der Wirbel verbinden; die
Flossenträger, welche sich nicht in die Flosse hinein erstrecken,
tragen je einen beweglich eingelenkten Strahl (zwischen Strahl und
Flossenträger sind gewöhnlich ein paar kurze Knochen eingeschoben).
einige wenige Wirbel.
umfasst die aufgebogene Partie ausser diesem
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Wirbelthiere. 2. Classe: Fische.
377
Die Schwanzflosse heftet sich direkt an die oberen und unteren
Bögen der Wirbel (diese Bögen sind am hinteren Theil des Schwanzes
z. Th. von den Wirbeln getrennt).
Der Schädel besteht bei den Cyclostoraen und Selachiern aus-
schliesslich aus Knorpel, welcher bei letzterer Abtheilung häufig
an der Oberfläche verkalkt; bei den Knorpelganoiden ist der Schädel
eine ähnliche dickwandige Knorpelkapsel, welche aber theilweise mit
Deckknochen überkleidet wird ; bei Knochenganoiden, Lungen- und
Knochenfischen besteht er ebenfalls anfänglich aus Knorpel, welcher
aber nicht allein von Deckknochen überdeckt wird, sondern auch in
geringerer oder grösserer Ausdehnung verknöchert, d. h. durch
Knochengewebe ersetzt wird, welches geradezu den Platz des Knorpels
einnimmt; dabei erhalten sich übrigens immer Theile des letzteren,
oft sogar ansehnliche Theile, durch das ganze Leben. Der verdickte
Grundtheil des Schädels liegt in der Fortsetzung der Wirbelsäule
und umschliesst das vordere Ende der Chorda; hinten, wo er mit
dem ersten Wirbelkörper zusammentrifft, ist er gewöhnlich wie ein
Wirbelkörper ausgehöhlt, und die Verbindung zwischen dem Schädel
und dem ersten Rumpfwirbel ist ungefähr die gleiche wie zwischen
zwei Wirbeln; oft findet sich an jeder Seite des Hinterhauptsloches
eine Gelenkfläche, welche einer ähnlichen am 1. Wirbel entspricht.
An den Seiten des Schädels ist eine Aushöhlung, in welcher die Augen
ihren Platz haben, oben von einer dachförmigen Kante des Schädels
überdeckt; bei manchen Knochen ist der Schädel an dieser Stelle,
zwischen beiden Augen, zu einer dünnen knorpeligen oder binde-
gewebigen Platte zusammengedrückt, oberhalb welcher die Schädel-
höhle sich als ein enger Kanal fortsetzt. Vorne auf dem Schädel
finden sich ein Paar kleinere Vertiefungen für die Geruchsorgano.
Bei den Knochenfischen — denen auch die Knochenganoiden sich im
Ganzen ansch Hessen — ist der Schädel aus grösseren oder kleineren Knor-
pelpartien und einer Anzahl getrennter Knochen zusammengesetzt. Von
den im Knorpel (durch Verknöcheruug desselben) gebildeten Knochen fuhren
wir an: ein unteres, oberes und ein Paar seitlicher Hinterhauptsbeine;
alle vier, oder nur ersteres und die beiden letzteren , umgeben das Hinter-
hauptsloch ; ferner einige Knochen in der Umgebung des Labyrinths , von
welchen das Felsenbein (Prootieum od. Pctrus-nm) das wichtigste ist
(die anderen sind: Epioticum und Ojnsthoticu/n) \ einige im Grundtheil und
in den Seitentheilen des Schädels vor der letztgenannten Partie gebildete
Knochen, welche als Keilbeine bezeichnet werden; eine Verknöcherung
oben auf jeder Seite im Knorpel vor der Augenhöhlo, das Vorderstirn-
bein (Praefroniale) , und eine ähnliche hinter derselben, Hinterstirn-
bein (Postfrontale) ; eine Verknöcherung (oder zwei) im vorderen Ende des
knorpeligen Schädels, das Ethmoi'd. Von Deckknochen sind folgende
zu nennen: oben vorne ein Paar Nasenbeine, dann ein Paar Stirn-
beine (zuweilen, z. B. beim Dorsch, zu einem einzigen vorwachsen), hinter
diesen ein Paar Scheitelbeine, an der Seite der Scheitelbeine jederseits
ein Schuppenbein (Sfpianiosum) ; unten ein langer, platter, unpaarer
Knochen, welcher den grössten Theil des Unterrandes des Schädels be-
deckt, das Parasphenoi'd, und vor diesem der gleichfalls unpaaro Vo-
rn er. Ausser den genannten können noch andere, aber weniger constante
Knochen vorhanden sein. — Bei den Lungenfischen findet man einen Theil
dieser Knochen, der Knorpel ist aber in grösserer Ausdehnung erhalten.
— Bei den Knorpelganoiden findet man , wie vorhin erwähnt , nur Deck-
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378
Specieller Theil.
knochen, darunter ein Parasphenoid, Stirnbeine, Scheitelbeine und mehrere
kleinere Knochen auf der Oberseite.
Fig. 265. Schädel eines Barsches, A von oben, ß von unten. / Stirnbein, 2 Vorder-
stirnbein, 3 Ethmoid, 4 Hinterstirnbein, 5 unteres Hinterhauptsbein, 6 Parasphenoid, 7 Scheitel-
bein, 8 oberes Hinterhauptsbein, 1) Epioticum, tü seitliches Hinterhauptsbein, 11 Felsenbein,
12 Schuppenbein, 13 Opisthoticum, 14 Keilbein, 16 Vomer. — Nach Cuvier u. Valonciennes.
Die Deckknochen der Oberseite des Kopfes liegen bei manchen Fischen
(Stör, Knochenganoiden , vielen Knochenfischen) so oberflächlich, nur von
einer ganz dünnen Bindegewebsschicht und von der Oberhaut bedeckt, dass
sie als Hautknochen erscheinen; bei anderen ist die Bindegewebslage
an der Aussenseite derselben dicker, so dass sie mehr von der Haut ge-
sondert sind.
An den Schädel heften sich oder schliessen sich eine grössere
Anzahl Visceralbögen1), in der Regel 7 auf jeder Seite, selten
mehr (einzelne Haie) ; von diesen verbindet sich der vorderste unten in
der Mittellinie mit dem entsprechenden der anderen Seite, während
die übrigen sich unten mit einer Reihe unpaarer Knorpel- oder
Knochenstücko (Copulae) vereinigen. Der vorderste Visceralbögen,
der Kiefer bogen, besteht bei den Haien aus einem oberen und
einem unteren knorpeligen Abschnitt, von denen ersterer, welcher
oben mit dem der anderen Seite zusammentrifft, als der Gaumen-
knorpel (Palatoquatlratum) oder, weniger glücklich, als Oberkiefer,
letzterer als der Unterkiefer knorpel bezeichnet wird; beide Ab-
schnitte sind durch ein Gelenk mit einander verbunden. Die Kiefer-
bögen, welche die am stärksten entwickelten Visceralbögen sind, sind
bei den Haien locker mit dem Schädel verbunden und bilden den
Mundrahmen dieser Thiere. Der 2. Visceralbögen, der Zungen-
bein bogen (Hyoidbogen), ist ebenfalls in zwei Stücke getheilt; von
diesen ist das obere oben am Schädel befestigt und mit seinem
unteren Ende durch straffes Bindegewebe mit dem Kieferbogen ver-
') Bei der Beschreibung der Visceralbögen sehen wir ganz von den stark
modificirten und schwierig verständlichen Verhältnissen bei den Cyclostomen ab.
ß
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Wirbelthiere. 2. Clawe: Fische.
379
bunden. Die übrigen 5 (selten 6 oder 7) Visceralbögen, die Kiemen -
bögen, sind ein jeder in mehrere Glieder getheilt und an ihrem
Fig. 266. Skizzen der Visceralbögen A eines Haies (schematuich) , B eines
Störs, C eines Hechts; beim letzten sind die Kiemcnbögeu künstlich aus einander gerückt,
Zwischen- und Oberkicfcrkiioehcn entfernt. Erster Visceralbögen punktirt, zweiter schraffirt.
brt — Ar6 l.~6. Kienienbogeu (3. — 8. Visceralbögen), d Dentale, <j (Jaumeuknorpcl, gb Gaumen-
bein, h Zungenbeinbogen, Am Hyotnandibulare, k l'nterkiefer. I Kiechgrubc, o Augenhöhle,
q Quadratbein, » Symplecticum, r r" FlUgelbeine. — A — Ii nach Ucgcubaur, geändert; C'Orig.
äusseren Rande mit feinen Knorpelstrahlcn versehen, welche die
Scheidewände zwischen den Kiemenspalten stützen (ähnliche sind
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380
Specieller Theil.
auch am Zungenbeinbogen vorhanden).1) — Bei den Ganoiden,
Lungen- und Knochenfischen findet man ebenfalls 7 Visceral-
bögen. Der obere Abschnitt des Kieferbogens, der Gaumen-
knorpel, trifft bei den Knorpelganoiden vorne oben mit dem der
andern Seite zusammen, während er bei den übrigen von diesem ge-
trennt ist. Dieser Abschnitt ist unten mit dem unteren Ende des
oberen Theiles des Zungenb einbogens innig verbunden, welcher
oben am Schädel eingelenkt ist und somit als Aufhängeapparat für
den Kieferbogen dient, indem dieser selbst keine solche direktere
Verbindung mit dem Schädel besitzt. Besonders ist die Verbindung
der beiden genannten Theile (des oberen Stückes des Kiefer- und des
Zungenbeinbogens) bei den Knochenfischen (und den Knochen-
ganoiden) sehr innig; bei diesen bilden sie einen zusammenhängenden
Abschnitt, in welchem der Knorpel grösstentheils von Knochenstiicken
ersetzt ist, während solche bei den Knorpelganoiden weniger
entwickelt sind; bei letzteren ist auch die Verbindung beider Theile
weniger innig (über die Lungenfische vergl. unten). An diese Partie
heftet sich theils der Unterkiefer-Knorpel, welcher aber mehr
oder weniger durch Knochen ersetzt und überdeckt ist, theils der
untere Theil des Zunge nbeinbogens (ebenfalls mehr oder weniger
verknöchert). Von den 5, in der Regel theilweise verknöcherten oder
von Knochenplatten überdeckten Ki emen bögen ist der hinterste
bei den Knochenganoiden und den Knochenfischen stets kurz, indem
nur das unterste Glied vorhanden ist; letzteres Knochenpaar, welches
in der Regel zahlreiche Zähne trägt, wird als unterer Schlund-
knochen bezeichnet. (Obere Schlundknochen nennt man bei
denselben Thieren das oberste, ebenfalls bezahnte Glied einiger der
anderen Kiemenbögen.)
Bei den Knochenfischen ist die obere Partie des Kiefer-
bogens durch folgende Theile repräsentirt : unten und hinten durch das
Fig. '267. Kupfskelct eines I) o r s c h c s. a Ethinoid. b Nasenbein, o Stirnbein, d Scheitel-
bein, e obere!« Hinterhauptsbein, / da« oberste Stück der Knochcnreihe, welche den Schulter-
gllrtel an den Schädel heftet; >j Seitcnlinienknochcn, h Vomer, » Parasphenoid, k Gaumen-
bein, / eines der FlUgelbcine, m Zwischen-, n Oberkieferbein, o Dentale des Unterkiefers,
p Quadratbeil), f eine» der FlUgclbeine, r Hyomandibulare, - Praeoperculum, t Operculum,
u Suboperculum, v Interoperculum. — Nach Möbius u. Heincke.
') Die Rochen verhalten sich, was die Vwceralbögen betrifft, im Ganzen wie
die Haie, der Zungenbeinbogen bietet aber gewisse Eigentümlichkeiten dar, auf
r
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Wirbeltbiere. 2. Classe: Fische.
381
Quadratbein ((^utuknlum) mit Gelenkfläche für den Unterkiefer, dann
durch mehrere Knochen, welche als Flügelbeine (Pterygoiflea) bezeichnet
werden, endlich vorne durch daa Gaumenbein. Die untere Partie
des Kieferbogens ist ein Knorpel, dessen obereB Ende verknöchert ist und die
Gelenkfläche trägt, während der übrige Theil sich als ein dünner Knorpel-
sträng (der lleckel'sche Knorpel) erhält, welcher von Deckknochen
umgeben ist, unter denen das grosse zahntragende Dentale, welches vorne
mit dem der anderen Leiste zusammentrifft, das wichtigste ist. Der obere
Abschnitt des Zungenbeinbogens, welcher mit dem entsprechenden
Theile des Kieferbogens verwachsen ist, wird durch zwei Knochen repräsen-
tirt : das grosse am Schädel eingelenkte Hyomandibulare und eine
kleinere untere Verknöcherung (Symplccticmn). — Ueber die mit dem
Zungenbeinbogen verbundenen Hautknochen vergl. unten beim Kiemen-
apparat.
Bei den Lungenfischen sind die oberen Partien des Kieferbogens
und des Zungenbeinbogens verwachsen und theilweise verknöchert — es
besteht dort also insofern wesentlich dasselbe Verhältniss wie bei den
Knochenfischen ; der so gebildete Abschnitt ist aber dabei mit dem Schädel
unbeweglich verbunden.
Von den Visceralbögen unabhängig sind bei den Knochen-
gan oi den und den Knochenfischen vorne am Kopf jederseits
zwei Hautknochen, das Zwischen- und das Oberkieferbein,
entwickelt, von denen letzteres (welches zuweilen durch mehrere ge-
trennte Knochenstücke vertreten ist) hinter oder hinten und innen
von ersterem seinen Platz bat ; die beiden Zwischenkiefer sind in der
Mittellinie mit einander verbunden. Zwischen- und Oberkieferbeine
sind gewöhnlich ziemlich locker mit dem vordersten Theil des Schädels
verbunden und bilden den oberen Band des Mundrahmens, während
die um den Unterkieferknochen -Knorpel liegenden Knochen den
unteren bilden.
Der Schultergürtel ist bei den Selac Iiiern ein unpaarer
(zuweilen in zwei Stücke getrennter) Knorpelbogen, welcher hinter
den KiemenbÖgen Hegt und sich an den Seiten des Körpers hinauf
erstreckt. Bei den Öanoiden und Knochenfischen ist der
Gürtel stets in zwei Hälften getheilt, eine auf jeder Seite des Körpers,
und es knüpft sich bei diesen an den Schultergürtel auf jeder Seite
eine Reihe von Hautknochen, von welchen der grösste, ein länglicher,
abgeplatteter, etwas gebogener Knochen, als Schlüsselbein (Cla-
vicula) bezeichnet wird ; mit ihrem oberen Ende heftet diese Knochen-
reihe sich an den hinteren Theil des Schädels. Bei den Knorpel-
ganoiden ist der knorpelige Schultergürtel trotz des Vorhandenseins
der genannten Hautknochen immerhin sehr wohl entwickelt, bei den
Knochenganoiden und den Knochenfischen ist der ursprüngliche Theil
des Schultergürtels dagegen in der Regel sehr an Umfang* reducirt
und nur durch eine kleine Platte jederseits vertreten, welche sich an
das Schlüsselbein heftet; in dieser Platte findet man bei den Knochen-
fischen zwei Verknöcherungen, welche als Schulterblatt und
Coracoid bezeichnet werden. Bei den Lungenfischen bestehen ähn-
liche Verhältnisse wie bei den Knorpelganoiden. — Das Skelet der
welche hier nicht näher eingegangen werden kann. — Bei manchen Haien finden
sich vorne dicht am Kieferbogen auf jeder Seite zwei schwach entwickelte Knorpel-
bögen (die Lippenknorpel), welche vielleicht als rudimentäre vorderste Visceralbögen
aufzufassen sind.
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382
Specieller Theil.
Vordergliedmaas se n wird bei den Selachiern aus einer
grösseren Anzahl plattenförmig angeordneter Knorpel gebildet. Am
Grunde der Gliedmaasse finden sich drei grössere Knorpelstücke.
Fig "268. Schultergurtel ui.it YnrderextremitUt eine« Dar »dies. a\ a't
b, c Haut- oder Deckknochen (i Schlu«*elbein), e, / der eigentliche Schultergurtel (r Schulter-
blatt, / Coracoid), g Kadien, h Flossenstrahlen.
welche am Schultergürtel eingelenkt sind, und an deren Rand sich
eine grössere Anzahl gegliederter Knorpelstrahlen, die Radien ,
A B C D
Grösstenteils nach Gegenbaur.
heften, welche bei den Haien dicht neben einander liegen. Bei den
Ganoiden ist dieses Skelet an Umfang reducirt, die Radien sind
kürzer, die grossen Knorpel meistens weniger entwickelt oder fehlen
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Wirbelthiere. 2. Claase: Fische.
383
zum Theil ; dabei findet oft eine Verknöcherung gewisser Theile statt.
Bei den Knochenfischen ist der vom ursprünglichen Skelet ge-
stützte Theil der Gliedmaasse meistens sehr klein, der Flossensaum
ganz überwiegend; die grossen Knorpel fehlen, und die Radien sind
kurz und in geringer Anzahl vorhanden. Letztere sind bei den
Knochenfischen wesentlich nur durch eine Querreihe von vier (oder
drei) theilweise verknöcherten, kurzen Stücken (früher fälschlich als
„Handwurzelknochen" bezeichnet) vertreten, welche die Brustflosse
mit dem Schultergürtel verbinden; ausserhalb derselben können noch
einige kleine kurze Knorpelstücke vorhanden sein. — Sehr abweichend
verhalten sich die Lungenfische, bei denen durch die Mitte der
langgestreckten Vordergliedmaassen ein langer gegliederter Knorpel-
stamm verläuft, welcher bei der Gatt. Oeratodus zwei Reihen, bei
Protopterus nur eine Reihe, knorpeliger gegliederter Radien trägt
(bei Lepidosiren fehlen die Radien ganz).
Das Becken, welches bei den Fischen nicht mit der Wirbel-
säule verbunden ist, ist bei den Selachiern ein unpaares, querliegendes
Knorpelstück an der Bauchseite des Thieres. Auch bei den Lungen-
fischen ist es eine ungetheilte Knorpelplatte. Bei den Ganoiden und
Knochenfischen ist das Becken, welches bei letzteren und bei den
Knochenganoiden ganz oder theilweise verknöchert, in zwei zusammen-
stossen de Hälften getheilt. — Die Hintergliedmaassen schliessen
sich durchweg in ihrem Bau eng an die Vordergliedmaassen an : bei
den Selachiern finden sich an der Basis zwei grosse Knorpelstücke,
welche mit Radien besetzt sind; bei den Ganoiden sind die grossen
Knorpelstücke rückgebildet oder fehlen; letzteres ist auch bei den
Knochenfischen der Fall, bei denen das eigentliche Hintergliedmaassen-
skelet durch weuige kurze Radien repräsentirt wird (es ist noch ge-
ringer als in den Vordergliedmaassen entwickelt). Auch bei Lungen-
fischen bieten die Hintergliedmaassen wesentlich dieselben Verhält-
nisse dar wie die Vordergliedmaassen.
Das Muskelsystem zeichnet sich durch die geringe Entwick-
lung aus, welche in der Regel die Gliedmaassenmuskeln erreichen,
im Gegensatz zur mächtig entwickelten Rumpf -Schwanz- Muskulatur,
welche in Form von vier grossen Muskelmassen, zwei an jeder Seite,
sich am Körper entlang erstrecken. Jeder dieser grossen Muskeln
zerfällt durch dünne bindegewebige Querscheidewände in eine Reihe
kurzer, den Wirbeln an Zahl entsprechender Abschnitte (Myomeren);
im dorsalen Muskel und in demjenigen Theil des ventralen, welcher
dem Schwanz angehört, sind diese Querscheidewände in eigentüm-
licher Weise geknickt.
Bei einer kleineren Anzahl Fische (Zitterrochen, -weis, -aal)
findet man elektrische Organe, welche Elektricität erzeugen und
dieselbe unter dem Einfluss des Nervensystems entladen können.
Diese Organe sind aus kleinen, durch Bindegewebe getrennten Säulen
zusammengesetzt, und jede Säule ist wiederum durch Querscheide-
wände in eine Menge von Räumen getheilt; in jedem Raum findet
sich eine elektrische Platte (von homogenem Aussehen, enthält ver-
ästelte Zellen), zu welcher ein Nerv geht, ein Ast der grossen Nerven,
welche das Organ versorgen. In welcher Weise die Elektricität in
diesem gebildet wird, ist unbekannt.
Das Gehirn ist bei den Fischen von geringem Umfang und
füllt bei Weitem nicht die Gehirnhöhle aus; diese ist wesentlich
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384
Specieller Theil.
von der äuBsersten der das Gehirn umgebenden Häute (der Dura)
ausgefüllt, welche eine sehr bedeutende Dicke erreicht und haupt-
sächlich aus meistens sehr fettzellenreichem Gallertgewebe besteht.
Die Riechkolben sind gewöhnlich gross und oft von bedeutender
Länge, indem das Geruchsorgan vorne weit von der Hauptmasse des
Gehirns entfernt liegt. Bei manchen Knochenfischen ist das Vorder-
hirn von sehr geringer Grösse, kleiner als das Mittelhira; dagegen
ist das Hinterhirn in der Regel recht wohlentwickelt.
Die Riech organe erscheinen im Allgemeinen bei den Fischen
als ein Paar grubenförmige Vertiefungen am vorderen Ende des
Kopfes; die Schleimhaut dieser Gruben ist gewöhnlich radiär gefaltet.
Die Oeffnung jeder Grube ist bei manchen (einigen Knochenfischen,
Selachiern) ganz einfach ; bei andern geht von der einen Seite des
Grubenrandes zur anderen querüber eine schmälere oder breitere
Hautbrücke, welche die Oeffnung in zwei theilt, eine vordere und eine
hintere Nasenöffnung, von welchen ersterc nicht selten zu einer kleinen
Röhre ausgezogen sein kann; bei manchen Selachiern ist die Haut-
brücke nur durch einen von der einen Seite entspringenden Lappen
repräsentirt, welcher sich über die Oeffnung legt, ohne an der andern
Seite festgewachsen zu sein. — Bei den Lungenfischen findet man
die Eigentümlichkeit, dass beide Nasenöffnuugen innerhalb des oberen
Mundrandes liegen. — Bei den Cyclostomen sind beide Riech-
gruben zu einem tiefen unpaaren röhrenförmigen Sack vereinigt,
dessen Boden der oberen Wand der Mundhöhle nahe liegt, .ja beim
Schleimfisch (Myxine) durchbohrt das Organ sogar die Decke der
Mundhöhle und stellt eine an beiden Enden offene Röhre dar. welche
die Mundhöhle mit der Oberfläche verbindet.
Geschmacksknospen kommen, wie früher (S. 350) erwähnt,
bei manchen Fischen (Knochenfischen) nicht allein in der Mundhöhle,
sondern auch an der Körperoberfläche vor.
Mit der Haut der Fische ist eine Gruppe eigenthümlicher Sinnes-
organe verbunden, welche eine nicht geringe Aehnlichkeit mit Ge-
schmacksknospen besitzen, indem sie aus
Zellengruppen, modificirten Theilen der
Oberhaut bestehen , welche stiftchen-
tragende Sinneszellen enthalten, die je-
doch von anderer Form sind als die der
Geschmacksknospen. Diese Zellengrup-
pen, Sinneshügel, an welche Nerven
hinantreten, sitzen zum Theil frei an der
Körperoberfläche (z. B. bei den meisten
Knochenfischen), in welchem Falle sie
manchmal eine schornsteinartige Röhre
(ein cuticulares Gebilde) tragen, welche
die Stiftchen umgiebt und schützt (Fig.
270, r). In anderen Fällen sind diejenigen
Hautpartien, denen sie angehören, zu klei-
nen Säcken mit einer äusseren Oeffnung
eingesenkt (Ganoiden), oder die Säcke
sind zu langen schleimgefuHten Röhren
Geworden, welche sich unterhalb der Haut hinziehen und am einen
Inde mit einer Erweiterung versehen sind, in welcher die Sinnes-
zellen sitzen, während das andere Ende sich an der Oberfläche
n
Fig. 270. Sinnenhügcl eines
jungen Knochenfisches, r die Köhre,
• Sinne.tzellen. — Nach F. F.. Schnitze.
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Wirbelthiere. 2. Classe: Fische.
385
öffnet (am Kopf der Selachier). Ferner kommen die genannten
Sinne8zellen-Gruppen in der bei den meisten Fischen vorhandenen
sogenannten Seitenlinie vor. Die Seitenlinie ist eine enge
Röhre (eine Einfaltung der Haut), welche sich dicht unter der
Oberfläche längs jeder Seite des Körpers erstreckt und sich auf dem
Kopfe gewöhnlich in mehrere Aeste theilt, von denen einer quer
über den Scheitel zieht, ein anderer oberhalb des Auges, ein dritter
unterhalb des Auges, beide nach der Schnauzenspitze, ein vierter am
Unterkiefer entlang verläuft. Die Seitenlinie, welche mit Nerven
reichlich versehen wird, steht durch zahlreiche OefFnungen mit der
Oberfläche in Verbindung (bei einigen ist sie sogar theilweise eine
offene Rinne); bei manchen Knochenfischen läuft sie längs der Seite
des Rumpfes und Schwanzes durch eine Reihe von Schuppen, welche
entsprechend von je einem Loch durchbohrt sind *) ; am Kopfe wird
sie theils von besonderen röhrenförmigen Hautknochen umschlossen,
von welchen z. B. gewöhnlich eine Reihe unterhalb des Auges sich
findet (Fig. 267 #), theils von oberflächlichen Partien der Kopfknochen
umgeben.
Die Augen der Fische sind in der Regel verhältnissmässig gross;
sie besitzen eine abgeplattete Hornhaut, so dass der Augapfel be-
deutend von der Kugelform abweicht. — Bewegliche Augenlider
fehlen; manchmal ist aber das Auge von einer niedrigen Kreisfalte
umgeben, und bei einigen sind grössere, aber unbewegliche Haut-
falten an den Augen vorhanden; bei der Makrele und dem Häring
findet man z. B. vor und hinter dem Auge eine durchsichtige Haut-
falte, welche dasselbe theilweise überdeckt. Bei gewissen Haien ist
eine Nickhaut vorhanden, welche durch einen besonderen Muskel
vor das Auge hin gezogen wird.
Die Sehnenhaut besteht in der Regel zu äusserst aus einer Binde-
gewebsschicht , innen aus einer Knorpelschicht von verschiedener Dicke
(sehr dick z. B. beim Stör) ; bei den Knochenfischen ist der Knorpel ge-
wöhnlich der Hornhaut zunächst theilweise durch zwei Knochenplatten er-
setzt, welche zuweilen eine ansehnliche Entwicklung erreichen und sich zu
einem Ring vereinigen können. Die Gefässhaut ist aus mehreren Schichten
zusammengesetzt; zu äusserst findet sich die gewöhnlich silberglänzende
Tunica aryentea, eine dünne Bindegewebsschicht mit zahlreichen eingelager-
ten Krystallen: bei Selachiern und Knorpelganoiden ist in der Gefässhaut
eine bei den anderen fehlende Schicht vorhanden , das sogenannte T a p e -
tum, ein das Licht reflectirendes, aus krystallgefüllten Zellen bestehendes
Häutchen. Bei den Knochenfischen findet sich in der Gefässhaut gewöhnlich
eine sogenannte Chorioidealdrüse, ein grosses hufeisenförmiges Wun-
dernetz in der Nähe des Sehnerven; die Knochenfische besitzen gewöhnlich
auch einen Processus falciformis, eine niedrige Falte der Gefässhaut, welche
längs der Innenseite des Augapfels von der Eintrittsstelle der Sohnerven
zur Linse verläuft.
Das Gehörorgan (Fig. 250) ist nur durch das häutige Labyrinth
repräsentirt, welches in die Schädelwand eingeschlossen ist; nach innen,
gegen die Schädelhöhle zu, ist das Labyrinth oft nicht völlig von
Knorpel oder Knochen umschlossen, sondern blos durch Bindegewebe
*) Dies ist naturlich in der Weise zu verstehen, dass die betreffenden Schuppen
sich nach der Anlage der Röhre in der Umgebung der letzteren gebildet haben.
Bon, Zoologe. 25
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3sr,
Specieller Theil.
von der Schädelhühle getrennt. Bei gewissen Selachiern steht der
Hohlraum des Labyrinths durch einen au der Oberfläche des Kopfes
mündenden Kanal (Ductus endolymphaticus) mit der Aussenwelt in
offener Verbindung ; bei anderen ist der Kanal zwar vorhanden, aber
an seinem äusseren Ende geschlossen, ßei den Knochenfischen findet
sich im Sacculus ein grosser porzellanartiger, abgeplatteter Hör stein,
in einer Ausstülpung des Sacculus ein kleinerer, ferner ein dritter im
vordersten Theil des Utriculus. Bei den Selachiern und den Knorpel-
ganoiden sind sie durch Ballen feiner Krystalle ersetzt.
In einer rückgebildeten Gestalt erscheint das Labyrinth bei den Cyclo«
stomen mit einem oder zwei Bogengängen — ein unter den Wirbelthieren
einzig dastehender Fall.
Die Mundhöhle der Fische ist in der Regel mit Zähnen aus-
gestattet, welche bei den Selachiern ') am Gaumen- (Oberkiefer-) und
Unterkiefer-Knorpel, bei den Knochenganoiden und den Knochen-
fischen auf einer Menge verschiedener Knochen angebracht sind: auf
den Zwischen-, Ober- und Unterkieferknochen, den Gaumen- und
Flügelbeinen, den Kiemenbögen (besonders den unteren und oberen
Schlundknochen), den Copulae des Visceralskeletes und dem Vomer;
Übrigens können sie auf dem einen oder anderen dieser Knochen fehlen.
Die Zähne haben ziemlich verschiedene Formen: am häufigsten sind
sie spitz, kegelförmig, schwach gebogen, kräftiger oder schwächer ; in
anderen Fällen sind es niedrige, gewölbte Mahlzähne (Rochen, gewisse
Knochenfische), oder sie sind zusammengedrückt, dreikantig (Haie),
oder meisselartig, den Schneidezähnen des Menschen ähnlich (gewisse
Knochenfische), etc. Die Zähne sind sehr oft ungeheuer zahlreich,
bedecken rasenförmig oder — wenn es Höckerzähne sind — pflaster-
artig die Knochen ; an den Kieferknochen ist jedoch häufig nur eine
Reihe Zähne (oder eine Reihe grösserer Zähne ausser kleineren) vor-
handen. Die Zähne sind entweder durch Bindegewebe am unter-
liegenden Knorpel oder Knochen befestigt und dann oft etwas be-
weglich, oder sie sind mit dem Knochen durch einen knöchernen Zahn-
sockel verbunden. Sie werden immer das ganze Leben hindurch erneuert ;
die alten Zähne fallen aus, indem die Verbindung zwischen ihnen
und dem Knorpel oder Knochen sich lockert; ist ein Zahnsockel vor-
handen, so wird dieser aufgelöst. Die gewöhnlichen kegelförmigen
Fischzähne haben wesentlich die Aufgabe, die Beute festzuhalten, und
sind deshalb mit der Spitze nach hinten und innen gerichtet ; sind sie
beweglich, so kann die Spitze auch blos nach dieser Richtung bewegt
werden. Diejenigen Zähne, welche andere Formen haben, werden zum
Abbeissen oder Zerkleinern der Nahrung verwendet.
Die Speiseröhre ist so kurz und weit, dass die Mundhöhle fast
direkt in den Magen übergeht. In den vordersten Theil des Dünndarms,
dicht am Magen, mündet bei manchen Knochenfischen eine verschiedene
Anzahl (1, 2, 3... bis ein paar hundert) kurzer Blinddärme, die
Pförtneranhänge (Appendices pyloricae); sie sind drüsiger Natur.
Bei den Cyclostomen, Selachiern und Ganoiden findet sich im Dünn-
darm eine grosse, stark vorspringende Falte, welche in einer Spiral-
linie an der Innenseite des Darmes entspringt und die Höhlung des
') Ausser den wohlentwickelten Zähnen an den Kiefern besitzen die Selachier
oftmals noch zahlreiche Behr kleine Zähne an anderen Stellen der Mundhöhlenwand
(an der oberen und unteren Wand der Mundhöhle und an den Kiemenbögen).
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Wirbelthiere. 2. Clause: Fische.
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Darmes zum grossen Theil ausfüllt: die Sp i r al f al te ') ; sie fehlt
bei den Knochenfischen. Der Enddarm ist ein ganz kurzer Schlauch.
Bei einigen Fischen findet man — was bei den hoher stehenden
Wirbelthieren nie der Fall ist — , dass der After nicht an der Grenze von
Fig. 271. Bin Fisch mit k e h 1 n t il n d i gern A ft er (Stmtarchua ciirvirontrii). A von
der Seite, Ii vorderer Theil von unten, u After, u Mund. Nach Boulcnger.
Rumpf und 8chwanz liegt, sondern nach vorn gerückt ist, zuweilen sogar
bis an den Kopf heran („After kehlständig"). Die Afterflosse folgt in
solchen Fällen dem After und nimmt wie gewöhnlich dicht hinter demselben
ihren Anfang.
Der Kiemenapparat. Die Mundhöhle ist bei den Selachiern
hinten jederseits von 5 (selten 6 oder 7) grossen schrägen Spalten
durchbrochen, welche dicht auf einander folgen und durch senkrechte
coulissenartige Platten getrennt sind; in jeder Coulisse liegt in dem
inneren, der Mundhöhle zugewandten Rande ein Kiemenbogen, während
der übrige Theil derselben durch die von letzterem entspringenden
Knorpelstrahlen (vergl. S. 379) ausgespannt wird. Von den Spalten
oder Kiementaschen, deren äussere OefFnung häufig kleiner ist
als die innere, liegt die vorderste zwischen dem Zungenbeinbogen und
dem 1. Kiemenbogen; die folgenden zwischen dem 1. und 2.. resp.
2. und 3., 3. und 4., 4. und 5. Kiemenbogen. Sowohl an der Vorder-
ais an der Hinterwand — in der letzten Kiementasche jedoch nur
auf der Vorderwand — findet sich eine senkrechte Reihe platter,
wagerecht, eine über der anderen, stehender Hautfalten, Kiemen-
blättchen; von solchen besitzen die Selachier also in der Regel
jederseits 9 Reihen : die erste sitzt an der Hinterseite des Zungenbein-
bogens, die übrigen acht an der Vorder- und Hinterseite der vier ersten
Kiemenbogen. Jedes Kiemenblatt ist wieder mit feineren Querfalten
versehen. Ausser den genannten 5 Kiementaschen findet sich noch
bei manchen Selachiern eine vorderste röhrenförmige Kiementasche
zwischen den obersten Theilen des Zungenbeinbogens und des Kiefer-
bogens, das Spritzloch, in welchem eine rudimentäre Kiemenblattreihe
vorhanden sein kann : das Spritzloch mündet mit einer verhältnissmässig
kleinen Oeffnung auf der Oberfläche des Kopfes. — Die Cyclostomen
schliessen sich in der Hauptsache an die Selachier an; die Kiemen-
taschen sind aber bei ihnen röhrenförmig, in der Mitte angeschwollen ;
sowohl die äussere als die innere Oeffnung ziemlich klein; die Kiemen-
blätter sitzen in dem erweiterten Abschnitte. — Die Verhältnisse des
') Ausnahmsweise — bei gewissen Haien — entspringt die Falte, welche dann
ein breites, papierrollenartig zusammengerolltes Blatt ist, in einer ungefähr geraden
Linie an der Wand des Darmes.
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Speeieller Theil.
Kiemenapparates bei den Granoiden, Lungen- und Knochen-
fischen lassen sich von denen der Selachier ableiten. Bei diesen
Fig. 272. Wagerechter Schnitt
durch den Kopf eines Haies
(Aatnthias), «chematisirt* Die
Visceralbogen sind punktirt, die
Kiemenblattchen schraffirt. hrt,
brs, brs erster, dritter, fünfter
Kietnenbogen ; <r Couliase; y
oberer Abschnitt des ersten Vi<-
ceralbogens (Gaumeuknorpel) :
h Zungenbeinbogen, k Leibes-
wand, l Leibesböhle, m Mund-
höhle, ii Kiechgrobe, oe Speise
röhre, » Stäbchen am Innen*
rande der Kiemenbogen (Seih-
apparat); *p, erste, sys fünfte
Kiemenspalte. — Ürig.
Fig. 273. Wagerechter Schnitt
durch den Kopf eines Kno-
chenfisches (Dorsch), ober-
halb der Mundöflnung; etwas
schematisirt. Buchstaben wie in
Fig. 272, mit Ausnahme von :
g oberer Abschnitt des ersten
Visceralbogen» (hier knöchern),
op Kiemendeckel, Sp äussere
Oefihung de
Orig.
Gruppen sind alle 5 äusseren Kiemenspaltenöffnungen überdeckt von
einer von Knochenplatten und -Stäben gestützten mächtigen Hautfalte,
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Wirbelthiere. 2. Clause: Fische.
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dem Kiemendeckel, welcher vom Zungenbeinbogen entspringt und
sich über dieselben hin erstreckt. Dabei sind die Couiissen zwischen
den Kiemenspalten schmäler geworden, besonders bei den Knochen-
fischen. Während es bei den Selachiern breite Platten sind, welche
von den Kiemenblättern nicht völlig bedeckt sind, so dass nach aussen
ein freier Saum bleibt, fehlt ein solcher bei den genannten Gruppen,
und das äussere Ende der Kiemenblättchen ragt mehr oder weniger weit
über den Aussenrand der Coulisse hinaus, am meisten bei den Knochen-
A B C D E
Fig. 274. Querschnitte eines Kiemenbogens verschiedener Fische: A Hai, B
Chimaera (vergl. S. 400), C Stör, D — E verschiedene Knochenfische; schematisirt.
b Kiemenbogen, c Coulisse, «Stäbchen (des Seihapparates). Kiemenblättchen schrafflrt. — Orig.
fischen, deren schmale zugespitzte Kiemenblättchen meist mit kurzer
Basis von der sehr reducirten Coulisse entspringen. Bei diesen Gruppen
werden die beiden zu einem Kiemenbogen gehörigen Kiemenblattreihen
als eine Kieme bezeichnet (von solchen haben wir also jederseits 4) ;
den innerhalb des Kiemendeckels befindlichen Raum, in welchen die
Kiemenblätter hineinragen, nennt man die Kiemenhöhle. Bei
Ganoiden und Lungenfischen ist oft noch die Kiemenblattreihe an
der Hinterseite des Zungenbeinbogens (Innenseite des Kiemendeckels),
Opercularkieme, vorhanden, während dieselbe bei den Knochen-
fischen rudimentär ist oder fehlt ; beim Stör und Bischir hat sich das
Spritzloch erhalten.
Der Kiemendeckel enthält platten- and stabförmige Hautknochen,
welche sich an den Zungenbeinbogen heften. Bei den Knochenfischen liegt
am Hinterrande der oberen Partie des Zungenbeinbogens entlang ein läng-
licher Knochen, Praeoj)erculum , hinter diesem finden sich drei grosse
plattenformige Knochen: Operculum (der grösste), Suboperculum und Inter-
oj>erculnm , und vom unteren Theile des Zungenbeinbogens entspringt eine
Reihe dünner, gebogener Knochen, die Kiemenhautstrahlen, welche in
den unteren häutigen Theil des Kiemendeckels eingelagert sind. — Die äussere
Oeffnung der Kiemenhöhle ist im Allgemeinen eine sehr grosse Spalte, bei
einigen Fischen (z. B. dem Aal) veswächst aber der Hinterrand des Kiemen-
deckels in so grosser Ausdehnung mit dem Körper, dass nur eine kleine
seitliche Oeffnung übrig bleibt.
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390
Specieller Theil.
DieErneuerung des Athemwassers in den Kiementaschen oder
der Kiemenhöhle findet in folgender Weise statt: das Wasser wird
durch den Mund in die Mundhöhle aufgenommen , darauf wird die
Mundöffnung geschlossen, die Zunge gehoben und der Kiemendeckel
einwärts gepresst und so das Wasser durch die Kiemenspalten, über
die Kiemenblättchen hin, getrieben. — Am inneren Rand der Kiemen-
bögen findet sich ein mehr oder weniger entwickelter Seih-Apparat,
der die Aufgabe hat, zu verhindern, dass feste Theile, welche mit
dem Wasser in die Mundhöhle eindringen, auch in die Kiementaschen
oder in die Kiemenhöhle gerathen. Bei den Selachiern, den Lungen-
fischen und den Knorpelganoiden ist dieser Apparat meist durch eine
doppelte (am Zungenbeinbogen und am letzten Kiemenbogen eine ein-
zelne) Reihe knorpeliger Stäbchen am inneren Rand der Kiemenbogen
repräsentirt ; die Stäbchen der vorderen Reihe an jedem Bogen greifen
zwischen diejenigen der hinteren des vorangehenden Bogens ein. Bei
den Knochenfischen sind dieselben durch knöcherne, oft zahntragende
Auswüchse ersetzt, von welchen die der vordersten Reihe des 1. Kiemen-
bogens oft sehr lange Stäbe sind, um die Spalte zwischen dem 1. Kiemen-
bögen und dem Zungenbeinbogen, welch letzterem derartige Auswüchse
abgehen, überdecken zu können; übrigens ist der Seih-Apparat bei
verschiedenen Knochenfischen in sehr verschiedenem Grade entwickelt,
bei einigen, z. B. beim Hering, stark ausgebildet, bei anderen kaum
angedeutet.
Bei den Cyclostomen und Selachiern fehlen noch Gebilde, welche
den Lungen der höheren Wirbelthiere entsprechen. Dagegen findet
sich eine wirkliche Lunge, welche nicht allein den Lungen der
Amphibien u. a. homolog ist, sondern auch als Athmungsorgan
fungirt, bei einigen Knochenganoiden (Knochenhecht und
Amia) und bei den Lungen fischen, ferner auch bei einzelnen
Knochenfischen. Diese Lunge ist unpaarig oder unvollständig in zwei
getheilt, liegt oberhalb des Darmkanals und mündet mit einer weiten
Oeffnung in die Speiseröhre; sie ist inwendig mit Falten ungefähr wie
die Froschlunge ausgestattet. Die betreffenden Thiere haben neben
der Lunge auch Kiemen , welche ebenfalls als Athmungsorgane
fungiren *). Bei den übrigen Fischen ist zwar gewöhnlich eine Lunge
vorhanden, dieselbe fungirt aber nicht als Athmungsorgan, sondern
lediglich als hydrostatischer Apparat und wird als Schwimm-
blase bezeichnet. Die Schwimmblase ist ein unpaariger, luftge-
füllter, oft ziemlich dickwandiger Sack, welcher seinen Platz dicht
unterhalb der Wirbelsäule, oberhalb des Darmkanals, hat; bei manchen
Fischen steht sie durch einen engen Kanal, den Luft gang, mit der
Speiseröhre *) in Verbindung, bei anderen ist eine solche Verbindung
nur während des embryonalen Lebens vorhanden, während der Gang
sich später schliesst und verschwindet. Die Schwimmblase ist zu-
weilen durch eine Quereinschnürung in einen vorderen und hinteren
Abschnitt getheilt, welche übrigens in offener Verbindung mit ein-
ander stehen (bei Karpfenfischen\ oder sie kann mit Ausstülpungen
versehen sein. Das in der Schwimmblase enthaltene Gas ist nicht
l) Von einigen dieser Fische weiss man, dass sie ein Austrocknen der Um-
gebung aushalten können, bei welchem die Kiemen zeitweise ausser Function gesetzt
werden.
3) Bei einzelnen mündet der Luftgang weiter nach hinten, in den Magen, ein.
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Wirbelthiere. 2. Classe: Fische.
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direkt aus der Atmosphäre aufgenommen, sondern wird von den in
der Wand der Schwimmblase liegenden G-efässen ausgeschieden, welche
zuweilen dichte begrenzte Gefässnetze bilden, die als „ro t h e Kö r p e rw
an der Innenseite der Schwimmblase hervortreten.
Manche Fische, z. B. die gewöhnlichen Süss wasserfische, deren Schwimm-
blase kein Athmungsorgan ist, kommen trotzdem nicht selten an die Ober-
fläche und schnappen mit dem Mund etwas atmosphärische Luft, die sie
übrigens bald wieder fahren lassen; es handelt sich hier wahrscheinlich um
eine in der Mundhöhle stattfindende Luftathmung von verhältnissmässig
untergeordneter Bedeutung. Bei einzelnen Fischen entwickeln sich in An-
schluss hieran besondere A thmungsapparate; so findet sich z. B.
bei gewissen Welsen (Snccobrancims) jederseits eine sackförmige, als Lunge
fungirende Ausstülpung der Mundhöhle, welche sich vor dem ersten Kiemen-
bogen in letztere öffnet und sich weit nach hinten durch den Körper er-
streckt; ähnliche bei einer Art Aal (Amphipnons), welcher in Ostindien in
Erdlöchern lebt und dessen Kiemen stark rückgebildet sind. Beim ostin-
dischen Kletterfisch (Anabas), welcher oft auf das Land wandert und eben-
falls schwach entwickelte Kiemen besitzt, befinden sich oben in der Kiemen-
höhle eigen thümliche gekräuselte Blätter (durch umgebildete Theile der
Kiemenbögen gestützt), welche als Luftathmungs-Organ fungiren, etc. — Bei
anderen, z. B. den Schmerlen (Cobitis) findet eine Darmathmung statt:
es wird durch den Mund Luft aufgenommen, welche verschluckt wird und
durch den an gewissen Stellen besonders gefassreichen Darmkanal passirt;
die nicht aufgenommene Luft tritt mit ausgeschiedener Kohlensäure zu-
sammen durch den After aus.
Nicht wenige Fische können Laute erzeugen. Es geschieht dieses ent-
weder dadurch, dass die Wand der Schwimmblase durch gewisse an der-
selben angebrachte (resp. von Skelettheilen entspringende und an dieselbe
sich heftende) Muskeln in Schwingungen versetzt wird (Knurrhahn), oder
dass gewisse Knochenoberflächen gegen einander gerieben werden (bei ge-
wissen Welsen wird z. B. der Grundtheil stark entwickelter Strahlen gegen
unterliegende Knochen gerieben).
Das Herz, welches seinen Platz weit vorne, dicht am Kopfe,
bat, ist gewöhnlich ungefähr symmetrisch. Bei den Selachiern,
Ganoiden und Lu ngen fischen besteht es aus einem grossen
dünnwandigen V o r h o f , einer unterhalb des letzteren liegenden Herz-
kammer, von deren engem Hohlraum zahlreiche Fortsätze in die
dicke Wand sich erstrecken, welche dadurch einen spongiösen Charakter
erhält, und endlich aus einem schlauchförmigen Herzkegel (Conus
arteriosus), von dessen vorderem Ende der Kiemenarterienstamm ent-
springt, und in welchem eine verschiedene Anzahl (aber immer
mehrere) Reihen von häutigen, taschenförmigen Klappen sich be-
finden; alle drei Abschnitte sind rÖthlich und ihre Wand mit quer-
gestreiften Muskelzellen versehen. Bei den Knochenfischen ist
der Herzkegel in der Regel vollkommen rudimentär (äusserst kurz
und ohne Muskulatur) und nur mit zwei einander gegenüber sitzenden
Klappen versehen ; nur bei einzelnen Knochenfischen (aus der Herings-
familie) ist ein etwas deutlicherer, wenn auch sehr kurzer Herzkegel
vorhanden, und bei einer einzigen Gattung unter diesen (Butirimis)
finden sich zwei Querreihen von Klappen1). (Bei den Cyclostomen
') Schon bei eiuem der Knochen^anoiden (Amia) ist der Herzkegel sehr ver-
kürzt und besitzt nur drei Klappenreihen.
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Specieller Theil.
fehlt ein Herzkegel.) Auf der Grenze des Vorhofs und der Herz-
kammer findet sich hei den Fischen in der Regel eine Querreihe von
Klappen; ähnliche in der Regel auch auf der Grenze des Venen-
sackes (vergl. unten) und des Vorhofs. — Von dem Vorderende des
AB C
Fig. 275. - Schematische Längsschnitte des Herzens verschiedener Fische. A von
einem Fisch mit wohlentwickeltem Herzkegel, B von Amia, C eines Knochenfisches,
in B und C ist der Vorhof weggelassen, a Vorhof, b, Arterienbulbus, welcher bei Amia nur
noch angedeutet ist, c Herzkegel, k Klappen, $ Venensack, t Arterienatamni, v Herzkammer.
— Orig.
Herzkegels oder, wenn dieser fehlt, von der Herzkammer entspringt
ein kürzerer oder längerer unpaarer Kiemenarterienstamm,
welcher beidenKnochenfischen unmittelbar an seinem Ursprung
stark angeschwollen und dickwandig ist. Diese Anschwellung, der
Arterienbulbus1) (Bulbus arteriosus) , ist ebenso wie d er übrige
Theil der Arterie weisslich und enthält blos glatte Muskelzellen
(während der Herzkegel, mit welchem er in früherer Zeit zusammen-
geworfen wurde, roth ist und quergestreifte Muskelzellen besitzt). Der
Kiemenarterienstamm giebt an jeden Kiemenbogen, welcher Kiemen-
blättchen trägt, einen Ast ab; wenn die Kieme am Zungenbeinbogen
wohlentwickelt ist, geht auch an diese ein ähnlicher Ast, welcher da-
gegen fehlt, wenn die Kieme rudimentär ist. Diese Aeste, die zu-
führenden Kiemenarterien, laufen (von unten nach oben) am
Hinterrande der Kiemenbogen entlang und geben an jedes Kiemen-
blättchen einen Ast ab, welcher sich in ein Gefässnetz auflöst. Von
jedem Kiemenblättchen entspringt wieder ein kleines Gefäss, welches
mit den ähnlichen desselben Visceralbogens zusammen eine abfüh-
rende Kiemenarterie2) bildet, die neben der zuführenden Arterie
') Auch bei der soeben genannten Amia — sonst aber bei keinem Fisch ausser-
halb der Abtheilung der Knochenfische — ist eine Anschwellung vorhanden, ihre
Wand ist aber bei dieser Gattung nur wenig verdickt.
") Oftmals, aber unrichtiger Weise, werden die abführenden Kiemenarterien
mit dem Namen Kiomcny.enen bezeichnet, in welchem Fall dann die zufuhrenden
Kiemenarterien einfach „die Kiomenartericn" genannt werden.
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Wirbelthiere. 2. ClasBe : Fische.
393
verläuft und sich an der Bückenseite mit den entsprechenden aus den
anderen Visceralbögen derselben und der anderen Seite vereinigt und
so die Aorta bildet, welche nach hinten dicht unterhalb der Wirbel-
säule verläuft und Aeste zu den verschiedenen Theilen des Körpers
abgiebt. Die Venen des Körpers sammeln sich alle zum Venensack
(Sintts venosus), welcher in den Vorhof einmündet. Das in das Herz
eintretende Blut ist somit venös, gelangt in diesem Zustande in
die Kiemen, wird hier arteriell und fliesst dann in die Arterien des
Körpers.
Es besteht demnach im Allgemeinen eine strenge Trennung der beiden
Blutarten (des arteriellen and des venösen Blutes) bei den Fischen, und
die Einrichtung des Gefässsystems entspricht den 8. 29 — 30 hervorgehobenen
allgemeinen Principien. Hiervon machen aber diejenigen Fische eine Aus-
nahme, welche ausser den Kiemen noch andere Athmungsorgane besitzen;
bei ihnen mischen sich das arterielle und das venöse Blut in grösserem
oder kleinerem Umfange. Beim Knochenhecht z. B. erhält die Lunge
Blut von der Aorta, also arterielles Blut, welches in der Lunge weiter
oxydirt wird, während die Lungenvenen, welche also sehr sauerstonreiches
Blut fuhren, sich mit den grossen Venen vereinigen, welche das venöse
Blut aus dem übrigen Körper zum Herzen fuhren ; das Herz und damit auch
die Kiemen empfangen also ein gemischtes , arteriell • venöses Blut. —
Bei den Lungenfischen, deren Lunge (ebenso wie die der höheren
Wirbelthiere) ihr Blut von dem letzten Arterienbogen (der letzten abfuh-
renden Kiemenarterie) erhält, sind besondere Einrichtungen vorhanden,
welche dem genannten TJebelstand theilweise abhelfen, welche aber zu com-
plicirt sind, als dass wir hier auf dieselben eingehen könnten.
Die Nieren der Fische haben sehr verschiedene Formen. Ge-
wöhnlich sind es langgestreckte, abgeplattete Körper, welche bei
manchen Knochenfischen sich vom Kopf durch die ganze Leibeshöhle
erstrecken und dicht unterhalb der Wirbelsäule (oberhalb der Schwimm-
blase) ihren Platz haben; zuweilen ist (bei Knochenfischen) der
vorderste Theil stark entwickelt, die folgenden Partien schwächer;
nicht selten sind die Nieren hinten, zuweilen auch vorne, ver-
schmolzen *). Bei den Selachiern finden sich oft an einigen der Harn-
kanälchen Wimpertrichter , welche sich in die Leibeshöhle öffnen
(vergl. S. 363). Die Harnleiter münden bei den Selachiern und
Lungenfischen in die Kloake, bei den übrigen, nachdem sie sich mit
einander vereinigt haben, mit einer Oeffnung hinter dem After, ent-
weder gemeinschaftlich mit den Geschlechtsgängen oder mit einer
besonderen Oeffnung hinter der Geschlechtsöffnung; letzteres ist bei
den meisten Knochenfischen der Fall, bei denen man also drei Oeff-
nungen, eine hinter der anderen, findet: zuerst den After, dann die
Geschlechtsöffnung, zuletzt die Harnöffnung2). Eine Harnblase,
*) Eine sehr interessante Umbildung der Nieren findet man beim Männchen
des Seestichlings (Sninachia vulgaris), welches mittels feiner Schleimfäden
fremde Theile zu einem Nest für die Eier zusammenspinnt. Der Schleim, aus
welchem diese Fäden bestehen, wird in den Nieren erzeugt, indem ein Theil
der Drüsenzellen der Harnkanälchen zu schleimabsondernden Zellen, von einem
anderen Aussehen als die übrigen Zellen der Kanälchen, umgebildet sind.
*) In der genannten Region findet sich seitlich vom After bei einigen Fischen,
nämlich den Selachiern, den Ganoiden und gewissen Knochenfischen (der Lachs-
familie), ein Paar feine Oeffnungen, die sogenannten Abdominalporen {Port
abdominale»), welcho die Bauchwand durchbohren und. die Leibeshöhle mit der
Aussenwelt in Verbindung setzen; ihre Bedeutung ist unbekannt.
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394
Specialer Theil.
welche derjenigen anderer Wirbelthiere entspricht, fehlt; bei manchen
ist aber der äusserste Theil der Harnleiter erweitert und dieser Ab-
schnitt fungirt dann als Harnbehälter; bei den Selachiern sind zwei
solche vorhanden, bei den Knochenfischen nur eine, indem die Harn-
leiter in ihrem hintersten Theile verschmolzen sind.
Weibliche Geschlechtsorgane. Bei Selachiern, Ga-
noiden1) und Lungen fischen verhalten die Eierstöcke sich
wie bei den meisten anderen Wirbelthieren, und es finden sich bei
den Weibchen ein Paar Müller'sche Gänge, welche sich wie ge-
wöhnlich mit je einem Trichter8) vorne in die Bauchöhle öffnen; bei
den Selachiern und den Lungenfischen münden sie hinten in die
Kloake, während sie sich bei den Ganoiden mit den Harnleitern ver-
einigen und hinter dem After mit einer unpaarigen Oeffnung aus-
münden. Bei den Selachiern findet sich an jedem Eileiter eine an-
geschwollene Partie, in deren Wand Drüsen vorhanden sind, zur
Abscheidung der hornartigen Hülle, welche bei diesen Thieren ein
oder mehrere Eier umgiebt. — Bei den Knochenfischen fehlen
Müller'sche Gänge vollständig; die Eierstöcke sind bei den
Knochenfischen hohle Organe von verschiedener Form, welche sich
in je einen kurven schlauchförmigen Ausführungsgang fortsetzen, der
mit dem der andern Seite verschmilzt und hinter dem After aus-
mündet. Der Eierstock bietet somit bei den Knochenfischen ein von
demjenigen aller anderer Wirbelthiere sehr abweichendes Verhalten
dar (aber ein ähnliches wie dasjenige, welches wir bei manchen niederen
Thieren, z. B. den Weichthieren, vorfinden); die Eier lösen sich von
der inneren, oft stark gefalteten Seite der Wand ab, fallen in den
Hohlraum des Eierstocks und gelangen durch den Ausführungsgang
nach aussen. Zuweilen sind die beiden Eierstöcke der Knochenfische
mit einander verschmolzen, und der Eiergang ist dann unpaarig. Im
reifen Zustande, in der Laichzeit, sind die Eierstöcke der Knochen-
fische oft von sehr ansehnlicher Grösse. Von der gegebenen Dar-
stellung weichen nur die Familien der Lachse und Aale ab, deren
Eierstöcke solide Organe sind; bei diesen fallen die Eier in die
Bauchhöhle und gelangen durch eine unpaarige Oeffnung8) in der
Leibeswand hinter dem After (Poms genitalis) nach aussen. — Aehn-
lich wie die Lachse verhalten sich auch die Cyclostomen (welche
nur einen Eierstock besitzen).
Männliche Geschlechtsorgane. Bei den Selachiern
wird der Samen durch den vordersten Theil der Niere (welcher oft
als Nebenhoden bezeichnet wird) ausgeführt; der betreffende Theil
tritt durch querlaufende feine Kanäle mit dem Hoden in Verbindung,
und es entspringt von ihm ein besonderer Ausfuhrungsgang, welcher
wesentlich als Samenleiter fungirt, indem die Bedeutung dieser Nieren-
partie für die Harnabsonderung nur geringfügig ist (auch beim Weib-
chen ist der entsprechende Nierenabschnitt nur wenig entwickelt).
l) Mit Ausnahme des Knochenhechts, welcher, wie es scheint, Bich ähnlich
wie die Knochenfische verhält.
') Bei den Selachiern sind die beiden Miiller'schen Gänge mit ihrem aller-
vordersten Theil mit einander verbanden, so dass man bei ihnen einen unpaarigen
Trichter für beide Eileiter findet. — Bei gewissen Haien ist nur der eine Eierstock
entwickelt.
*) Welcher nicht mit den S. 393 Anm. 2 erwähnten Abdominalporen zu ver-
wechseln ist.
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Wirbelthiere. 2. Classe: Fische.
395
Bei den Knochenfischen ist eine solche Verbindnng mit der
Niere nicht vorhanden, der Hoden setzt sich vielmehr direkt in einen
Ausführungsgang fort, die Verhältnisse sind ganz dieselben wie
beim Eierstock J). (Die Lachse und Aale verhalten sich hierin
wie die übrigen.) Ebenso wie die Eierstöcke sind auch die Hoden
in reifem Zustande von bedeutender Grösse, sackförmig, gelappt oder
(so beim Dorsch) lange gekräuselte Körper. Die Samenleiter münden
bei den Selachiern in die Kloake, bei den Ganoiden und einem Theil
der Knochenfische mit den Harnleitern zusammen mit einer Oeffnung
hinter dem After, bei anderen Knochenfischen mit einer besonderen
Oeffnung hinter dem After, vor der Harnöffnung. — Bei den
Cyclostomen fallen die Spermatozoen aus dem unpaarigen Hoden
in die Bauchhöhle und gelangen durch eine Oeffnung der Bauchwand
nach aussen (ebenso wie die Eier).
Nicht wenige Fische weisen ausgesprochene Geschlechtsunter-
schiede auf: beim Männchen können gewisse Flossen besonders stark aus-
gebildet sein, oder es kann eine besonders prächtige Färbung besitzen etc.
Zuweilen (z. B. bei den Stichlingen) ist das Männchen in der Fortpflanzungs-
zeit durch augenfällige, später schwindende Farben ausgezeichnet.
Ueber Hermaphroditismus bei Fischen vergl. S. 366.
Begattungswerkzeuge finden sich bei den Selachiern, bei
deren Männchen ein Abschnitt der Hintergliedmaassen zu ziemlich
complicirten zusammengerollten Organen ausgebildet ist, welche bei
der Begattung benutzt werden (vergl. die ßegattungsorgane der zehn-
füs8igen Krebse). Bei den meisten Fischen findet gar keine Begattung
statt, sondern der Samen („Milch") wird erst nach oder bei der Eilage
über die Eier ausgegossen2).
Die Eier sind von sehr verschiedener Grösse (von Stecknadel-
kopf- bis Hühnereigrösse und darüber), am grössten bei den Selachiern,
kleiner bei den Knochenfischen, deren Eier von einer dünnen durch-
sichtigen Eihaut umgeben sind, welche mit einer Mikropvle versehen
sein kann. Die Eier nicht weniger Knochenfische — z. B. des Dorsches
— schwimmen an der Oberfläche des Wassers, andere werden an den
Boden abgelegt, an Wasserpflanzen festgeklebt etc. Bei den Selachiern
sind die abgelegten Eier von einer hornartigen Hülle umgeben, welche
oft abgeplattet, viereckig und an den Ecken in Fäden ausgezogen ist.
Einige Fische gebären lebendige Junge, z. B. die meisten
Selachier, bei denen die Entwicklung in einem erweiterten Abschnitt
des Eileiters (Uterus) vor sich geht, welcher mit gekräuselten gefass-
reichen Falten versehen ist; ebenso mehrere Knochenfische, deren
Eier sich in dem hohlen Eierstock entwickeln (z. B. bei der Aal-
mutter). — Nicht wenige Fische zeigen eine besondere Fürsorge für
Eier und Brut; so baut z. B. das Männchen der Stichlinge (und
verschiedener anderer Knochenfische) ein Nest, in welchem die Eier
sich entwickeln; die Männchen der Seenadeln tragen die Eier (und
zuweilen auch die Jungen) unterhalb des Bauches mit sich umher,
') Für die Ganoiden und die Lungenfische ist das Verhältniss der Hoden zu
ihren Ausfuhrungsgängen noch nicht völlig aufgeklärt
*) Bei einigen Knochenfischen nähert sich das Männchen dem Weibchen, und
in demselben Momente, wo die Eier das letztere verlassen, wird der Samen aus-
gespritzt.
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396
Speciellar Theil.
c
indem dieselben entweder einfach festgeklebt oder von besonderen
Falten umschlossen sind. (Aehnliches bei verschiedenen ausländischen
Fischformen.) Seltener wer-
den die Eier in ähnlicher
Weise vom Weibchen ge-
hütet.
Mit Recht kann man bei
manchen Knochenfischen
von einer Metamor p h o s e
reden, indem die Jungen das
Ei in einer von der des Er-
wachsenen sehr abweichen-
den , unvollkommenen Ge-
stalt verlassen, oft noch mit
geradem Schwanz, mit zu-
sammenhängendem Flossen-
saum an der Rücken- und
Bauchseite etc. Bei manchen
kommt hierzu noch, dass der
Uebergang aus diesem Sta-
dium in die definitive Ge-
stalt keine einfache, allmäh-
lich fortschreitende Entwick-
lung ist, sondern die Jungen
bieten nicht selten längere
Fig. 276. JoDge Hechte; A neugeborener, Zeit, nachdem 8ie das Ei
b, 11 Tage alter, c and d ältere. Bei a ist verlassen haben, besondere
der Schwanz noch gerade bei c und d ausprägt Charaktere dar, welche man
hetcroeork. a Afterflosse, c C horda, d KUcken ,» Brust-, , , . , ' ,
u Schwan*-, r Bauchflosse, x After. — Nach Sundevall. ^der bei dem neugeborenen
Jungen noch bei dem Er-
wachsenen findet. Namentlich trifft man in der pelagischen Fauna zahl-
reiche groBsäugige Knochenfischlarven mit enorm entwickelten Dornen
Fig. 277. Larve eines Fisches {Trachypteru»), welcher im ausgebildeten
gemein gestreckt, bandförmig ist und der langen Flossenfaden entbehrt.
und Flossentheilen etc., Gebilden, welche an diejenigen erinnern, die
man bei manchen in ähnlicher Weise lebenden Krebsthierlarven (z. B.
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Wirbelthiere. 2. Clasae: Fische.
397
der Krabben) beobachtet. — Ueber die eigentümliche Entwicklung
der Neunaugen vergl. S. 398.
Die Embryonen derSelachier zeichnen sich durch den Besitz
eines kolossalen Dottersackes und ferner dadurch aus, dass aus den Kiemen-
spalten eine Zeitlang zahlreiche lange Kiemenfäden heraushängen, welche
Fortsätze der Kiemenblättchen sind. Diese Kiemenfäden sind embryonale
Organe, welche sich vor der Geburt zurückbilden.
Fig. 278. A Rochen-, B Hai-Embryo mit äusseren Kiemen (k). d Dottersack
(nicht ganz aasgezeichnet; in A weggelassen).
Die meisten Fische sind Raubthiere, nur wenige Pflanzen- oder
Schlammfresser. Die Mehrzahl lebt im Meere, viele aber im Süß-
wasser (einige Arten an beiden Orten), einzelne trifft man hin und
wieder oder sogar überwiegend auf dem Lande. Sie unternehmen
oft Wanderungen, theils von einer Stelle im Meere zur anderen, theils
vom Meer in's Süsswasser hinauf und umgekehrt. Sie halten sich
zum grossen Theil schaarenweise zusammen.
Die Fische, welche in der Jetztzeit durch zahlreiche Gattungen
und Arten vertreten sind, haben auch infrüherenPerioden eine
wichtige Rolle gespielt; die Knochenfische, welche in der Jetztzeit
an Zahl weit überwiegen, sind verhältnissmässig spät aufgetreten,
während die jetzt nur wenige Arten umfassenden Ganoiden eine
Zeitlang sehr zahlreich vertreten waren.
A
B
Uebersicht über die Ordnungen.
Skelet aus Knorpel und
Knochen bestehend. Kie-
mendeckel vorhanden.
Ganoiden
Lungenfische
Herzkegel wohlentwi-
ckelt. Spiralfalte im
Darm.
Schwimmblase oder Lunge
entwickelt.
Herzkegel rudimentär.
Keine Spiralfalte.
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398
Specieller Theil.
I. Ordnung. Rundmäuler (Cydostomi).
Die Cyclostomen bilden eine kleine, von den übrigen Fischen in
manchen Beziehungen abweichende Gruppe. Der Körper ist cylindrisch,
aalförmig, ohne Gliedmaassen, die flaut entbehrt fester Theile, das
Skelet ist ausschliesslich knorpelig, das Rückgrat nicht in Wirbel
getheilt, Rippen fehlen; es ist ein complicirtes Mund- und Visceral-
skelet vorhanden, welches sich schwer auf den allgemeinen Typus des
Visceralskelets der Fische zurückführen lässt. Gewöhnlich finden
sich 6 — 7 (bei einzelnen eine noch grössere Anzahl) Kiemen-
ta sehen an jeder Seite (vergl. S. 387). Der Mund ist mit Horn-
zahnen ausgestattet, dagegen fehlen echte Zähne. Das Geruchs-
organ ist unpaarig. Schwanzende gerade; ein Flossensaum ist vor-
handen. (Vergl. übrigens das in dem Abschnitt über die Fische im
Allgemeinen Mitgetheilte.)
Die Cyclostomen sind mit den Selachiern am nächsten verwandt; ihre
besonderen Charaktere verdanken sie ohne Zweifel z. Th. ihrer eigentüm-
lichen Lebensweise als Halbschmarotzer oder Aasfresser.
1. Die Neunaugen oder Lampreten (Pctromyxon) haben einen
kreisrunden Saugmund mit Hornzähnen; 7 kleine Kiemenöffnungen auf
jeder Seite führen in je eine Kiementasche; diese öffnen sich nicht direkt
in die Mundhöhle, sondern in einen hinten geschlossenen kurzen Schlauch,
welcher unterhalb der Speiseröhre liegt und vorne mit der Mundhöhle in
Verbindung steht. Augen wohl entwickelt. Die Neunaugen saugen sich
an lebenden Fischen fest und fressen sich in dieselben ein; ausserdem
fressen sie auch kleinere Thiere. In Deutschland leben drei Arten , von
welchen zwei, das bis 1 m lange Meerneunauge (P. marimus) und das
kleinere Flussneunauge (/'. fluviatiiis , Pricke), im Meere leben, zum
Laichen aber in's Süsswasser hinaufsteigen, während die dritte, kleinste
Art, das Bachneunauge (P. Plana i), ausschliesslich im Süsswasser
lebt. — Die Neunaugen durchlaufen eine Metamorphose: die Larve,
Qu er der (Ammococtes) , welche (bei P. Pianeri) vor der Verwandlung
ein Alter von 3 — 4 Jahren und eine ansehnliche Grösse erreicht, hat einen
abweichend geformten Mund, es fehlen ihr die Hornzähne, die Augen sind
verschwindend klein und die Kiementaschen öffnen sich direkt in die Mund-
höhle; sie lebt im Schlamm. Nach der Verwandlung pflanzen sich die
Lampreten fort und sterben.
2. Die Inger oder Schleimfische (Myrine) haben rudimentäre
Augen , der Mund ist von Tastfäden umgeben ; die Kiementaschen (jeder-
seits 6) sind lange, in ihrer Mitte blasenförmig erweiterte Röhren, welche
sich jede für sich direkt in den Schlund öffnen, während ihre äusseren Ab-
schnitte sich jederseits vereinigen und mit einer gemeinsamen Oeffnung
ziemlich weit nach hinten münden, (Bei gewissen verwandten fremden
Formen , Bdelloatoma , münden sie einzeln nach aussen.) Die Inger , von
welchen in den nordeuropäischen Meeren oine bis 30 cm lange Art, M.
glutinom, häufig vorkommt, bohren sich in todte (und lebende ?) Fische ein ;
sie können eine enorme Schleimmasse absondern.
2. Ordnung. Selachier (Selachii).
Das Skelet besteht ausschliesslich aus Knorpel (welcher aber
theilweise verkalken kann); Knochengewebe fehlt immer. Herzkegel
vorhanden. Spiralfalte im Darm. 5 (selten 6 oder 7) Kiemenspalteo
Wirbelthiere. 2. Classe: Fische
399
auf jeder Seite; oft ein Spritzloch. Kein Kiemendeckel (die Chimären
ausgenommen). Keine Schwimmblase. Die Haut mit Zähnen, welche
oft die ganze Oberfläche bedecken. In den Flossen, welche nicht
zusammengelegt werden können, Hornstrahlen. Der Mund auf der
Unterseite des Kopfes. Theile der Bauchflossen des Männchens
fungiren als Begattungswerkzeuge. Sehr grosse Eier. — Fast aus-
schliesslich Meeresthiere.
1. Die Haie (Squalida) sind Thiere ungefähr von gewöhnlicher
Fischform, meistens gestreckt, von etwa kreisrundem Querschnitt. Die
Haut mit in der Hegel kleinen Zähnen dicht besetzt. Längs der Kiefer-
ränder in der Kegel eine oder ein paar Reihen meistens dreieckiger Zähne
(Ersatzzähne in der Mundhaut an der Innenseite der Kiefer versteckt).
Deutlich heterocerk. Von den zahlreichen Formen können folgende bei-
spielsweise genannt werden : Der gemeine Dornhai {Amnthias vulgaris),
1 m lang, mit einem Stachel (stark entwickeltem Hautzahn) vorn in jeder
der beiden Rückenflossen , ohne Afterflosse ; gebärt lebendige Junge ; Nord-
und Ostsee. DerHundshai (Scyüium caniada), etwas kleiner, eierlegend
(Eierkapsel viereckig mit langen von den Ecken ausgehenden rankenartigen
Anhängseln, welche um Meerespflanzen gewunden werden); Nordsee. Der
Blauhai (Carcharias glaucus), 3 — 4 m lang, vertritt im Mittelmeer die
übrigens besonders in den Tropen zahlreichen, gefrässigen „Menschenhaie".
Die Hammerhaie (Sphyrna) haben den Kopf jederseits in einen längeren
oder kürzeren Fortsatz ausgezogen, an dessen Ende das Auge sitzt; eine
Art im Mittelmeer. Der Eishai (Scymnus borealis) , welcher eine Länge
von 8 m erreicht, wird wegen der fettreichen Leber in grosser Anzahl an
den Küsten Islands etc. gefangen. Noch grösser (bis 12 m) ist der
Riesenhai (SelacJie maxima), dessen äussere Kiemenöffnungen ungemein
lange Spalten sind, Augen sehr klein, Zähne klein und schlecht ausgebil-
det, der innere Rand der Kiemenbögen mit einer Reihe sehr langer Zähne,
welche zusammen einen dichten Kamm bilden, der als Seihapparat wirkt,
um die kleinen Krebse etc. zurückzuhalten, von welchen dieser Riese sich
nach Art der Bartenwale ernährt.
2. Die Rochen (Ifajüia) zeichnen sich besonders durch die abge-
plattete Form des Kopfes und Rumpfes, durch den dünnen, peitschenför-
migen, oft fast flössen losen Schwanz und durch die enorme Entwicklung
der Brustflossen aus, welche als wagerechte Platten vom Seitenrand des
Körpers entspringen und mit den Seitentheilen des Kopfes oberhalb der
Kiemenspalten verwachsen sind, so dass letztere an der Unterseite der von
dem Kopf, dem Rumpf und den Brustflossen gebildeten Scheibe ihren Platz
haben ; an der Oberseite sitzen Augen und Spritzlöcher. Von anderen
Charakteren sind hervorzuheben , dass die Haut in der Regel in grösserer
oder geringerer Ausdehnung nackt ist, dass ein Theil der übrig gebliebenen
Hautzähne grosse Dornen sind, und dass die Zähne der Mundhöhle niedrige
Höcker (zuweilen mit einer Spitze) oder Platten sind, welche in mehreren
Reihen die Kieferränder pflasterförmig bedecken. In ihrer gewöhnlichen
Erscheinung weichen die Rochen somit sehr von den Haien ab. Aber das
Rochengepräge ist nicht immer in gleichem Grade ausgebildet: bei einigen
sind die Brustflossen kleiner, der Schwanz kräftiger, während es anderseits
Haie giebt (Squatina, Meerengel^, welche etwas abgeplattet sind, nach oben
gekehrte Augen und grosse wagerechte Brustflossen besitzen, welche sich
sowohl nach hinten als nach vorne längs der Seite des Kopfes erstrecken,
ohne aber mit letzterem verwachsen zu sein. In der That giebt es eine
vollständige Reihe von Uebergängen von dem gewöhnlichen schlanken Hai-
400
Specieller Theil.
typus zu der extremsten Rochen form mit einer Kopf-Rumpfscheibe, welche
breiter als lang ist , und mit einer dünnen Schwanzpeitsche. — In der
Kordsee leben verschiedene Arten (besonders der Gatt. Iiaja), alle von
typischem Rochengepräge. Von Formen, welche südlicheren Meeren ange-
hören, sind die Zitterrochen (Torpedo) und die Sägefische (Pristis)
zu nennen; die Schnauze der letzteren ist in eine lange, gerade, schmale
Platte ausgezogen, mit einer Reihe langer zahnartiger Gebilde in jedem
Seitenrand; beide Gattungen, welche zu den mehr haiartigen Rochen mit
ziemlich kräftigem Schwanz gehören, sind im Mittelmeer vertreten.
3. Die Chimären (Uolocephala: Gatt. Chimaera u. a.) sind eine
kleine Abtheilung der Selachier, welche namentlich durch den Besitz eines
die Kiemenspalten überdeckenden Kiemendeckels (der jedoch nicht
von Skelettheilen gestützt ist) von den übrigen Selachiem abweicht und
sich den folgenden Ordnungen nähert; die Kiemenblättchen bedecken die
Fig. 279. Chimaera motutrota, o*.
Seite der Coulisse völlig, überragen aber deren äusseren Rand nicht
(Fig. 274 13). Die Haut ist grösstenteils nackt, der Mund mit einer ge-
ringen Anzahl grosser Zähne bewaffnet. Der obere Abschnitt des Kiefer-
bogens ist mit dem Schädel verwachsen. Im Uebrigen besitzen sie in der
Hauptsache die Charaktere anderer Selachier. Eine Art, Ch. monstrosa,
kommt häufig im Mittelmeer, an der Küste Norwegens etc. vor.
4. Ordnung. Ganoiden (Ganöidei).
Das Skelet besteht aus Knorpel und Knochen. Herzkegel und
Spiralfalte des Darmes vorhanden. Ein von knöchernen Theilen ge-
stützter Kiemendeckel; oft ein Spritzloch. Schwimmblase oder echte
Lunge vorhanden. Die Haut gewöhnlich mit Knochenplatten oder
Schuppen ; auch Hautzähne können ausserdem vorhanden sein, aber
in geringerer Menge. In den zusammenlegbaren Flossen sind Knochen-
strahlen vorhanden.
Die wichtigsten jetztlebenden Formen dieser in der Vorzeit so
reich entwickelten Abtheilung sind die im Folgenden genannten.
1. Unterordnung. Knorpelganoiden (Ckondrostei).
Das Skelet ist zum grossen Theil knorpelig, nur Deckknochen
sind vorhanden. Kein Zwischen- und Oberkieferbein. Der Mund an
der Unterseite des Kopfes. Ausgeprägte Heterocercie.
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Wirbelthiere. 2. Classe: Fische.
401
1. Die Störe (/icrij/enser) haben 5 Längsreihen von grossen Knochen-
platten längs des Körpers (davon eine längs der Mitte des Rückens) und viele
kleine Platten über den ganzen Körper; oben auf dem Kopfe grosse
knöcheren Platten , welche den knorpeligen Schädel überdecken. Der Mund
klein, zahnlos (die kleinen Jungen haben jedoch Zähne; zuweilen sind auch
bei den Erwachsenen an den Kiemenbögen kleine Zähne vorhanden) ; an der
Unterseite der oft langgestreckten Schnauze sind Tastfäden vorhanden. Sie
besitzen ein Spritzloch. In den nordeuropäischen Meeren lebt der eine
Länge von mehreren Metern erreichende A. sturio , welcher des Laichens
wegen in die Flüsse hinaufwandert. Mehrere andere Arten im Kaspischen
und Schwarzen Meere und in den grossen russischen Flüssen (Sterlet,
Hausen).
2. Die Löffelstöre {Spatularia) weichen von den Stören besonders
dadurch ab, dass die Schnauze zu einem grossen wagerechten Blatt ver-
längert ist, und dass die Haut fast ganz fester Theile entbehrt; im Munde
sind schwache Zähne entwickelt. In nordamerikanifichen und chinesischen
Flüssen.
2. Unterordnung. Knochenganoiden (Holosfei).
Das Skelet ist zum grössten Theil verknöchert. Zwischen- und
Oberkieferbein vorhanden. Der Mund am Vorderende des Kopfes.
Grosse, rautenförmige, „emaillirte"') Schuppen, welche theilweise mit
kleinen Fortsätzen in einander eingreifen , seltener gewöhnliche
Schuppen wie bei den Knochenfischen. Meistens (Lepidosteus, Amia)
eine wirkliche, als Athmungsorgan fungirende Lunge. — Alle jetzt-
lebenden sind Süsswas8erfische.
1. Der BiBchir (Polyj)tems). Lange Kückenflosse mit starken an
der Spitze fächerförmig gespaltenen Flossenstrahlen , welche nicht mit ein-
ander zusammenhängen ; keine Afterflosse ; Schwanzflosse abgerundet ; schwach
ausgesprochene Heterocercie (der aufgebogene Theil des Rückgrates sehr
klein). Grosse rautenförmige Schuppen. Ein Spritzloch. In Afrika
(z. B. im Nil).
2. Der Knoche nhecht (Ij?pidostcus). Schnauze stark verlängert.
Kurze Rücken - und Afterflosse ; stark ausgesprochene Heterocercie , die
Fig. 280. Knochenhecht (Lepidottctu).
Schwanzflosse hat ihren Platz fast ausschliesslich an der Unterseite des
langen, aufgebogenen Rückgrats -Endes (Fig. 264 B). Rautenförmige
Schuppen. Mehrere Arten in Nordamerika.
3. Amia ist ausser] ich fast ganz einem Knochenfisch ähnlich ; sie hat
gewöhnliche cycloide Schuppen. Ueber ihre wichtigsten Charaktere vergl.
S. 391 Anm. 1 ; S. 392 Anm. 1 ; Fig. 269 C ; Fig. 275 B. Nordamerika.
') Die Schuppen sind äusserlich von einer glänzenden Schichte überzogen,
welche allgemein als „Schmelz" bezeichnet wird; es handelt sich hier aber that-
sächlich nicht um wirklichen Schmelz wie an den Zähnen, sondern nur um eine
äusserste, glänzende, dichte Knochenschicht.
Bon, Zoologie. 26
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402
Specieller Theil.
4. Ordnung.
Lungenfische (Dipnoi).
Skelet theil weise verknöchert. Herzkegel spiralig gewunden und
innerlich mit einer aus umgebildeten Klappen gebildeten Längsfalte
versehen. Spiralfalte im Darm. Kiemendeckel von knöchernen
Theilen gestützt. Die Lunge ist Athmungsorgan. Haut mit Schuppen.
Flossen mit Hornstrahlen. — Zwischen- und Oberkieferknochen fehlen.
Sowohl die vorderen als die hinteren Nasenlöcher liegen innerhalb
des Mundrandes. Die Gliedmaassen sind entweder lange, zugespitzte
Platten mit einem gegliederten Knorpelstab in der Mitte, von welchem
jederseits eine Reihe Knorpelstrahlen entspringt; oder sie sind faden-
förmig, mit einem ähnlichen, aber mehr oder weniger reducirten Ske-
let. Diphycerk, Schwanz zugespitzt. Das Rückgrat ist nicht in
Wirbel getheilt, die Chorda mächtig ausgebildet. Wenige, aber
grosse Zähne im Munde. — Ausschliesslich im Süsswasser.
Diese abweichende, in der Jetztzeit nur durch ganz wenige Formen
vertretene Gruppe schliesst sich ganz nahe an die Gauoiden (besonders die
Knochenganoiden) an. Merkwürdig ist der Bau des Herzkegels, welcher
an den Befund bei den Amphibien erinnert (vergl. diese); hiermit stehen
auch gewisse Eigentümlichkeiten im Bau der übrigen Theile des Herzens
in Verbindung, wodurch eine partielle Sonderung des von der Lunge und
des vom übrigen Körper kommenden Blutes bewirkt wird. Sehr eigen-
tümlich ist auch der Bau der Gliedmaassen, die Lage der Nasenlöcher etc.
1 . Der Barramunda (( Yratodus J ist ein grosser, gestreckter, an beiden
Enden zugespitzter Fisch mit grossen Schuppen ; grosse breite Gliedmaassen ;
Rücken-, Schwanz- und Afterflosse nicht gesondert. Lebt in den Flüssen
Neu-Hollands.
2. Protopterus annectens ist der Name eines in Afrika lebenden Lungen-
fisches mit sehr schmalen, langen Gliedmaassen; er besitzt einige kleine
fadenförmige, vielleicht als Kiemen fungirende Hautanhänge am oberen Ende
der Kiemenöffnung (von den gewöhnlichen Kiemen fehlen dagegen die am
Fig. 281. Ceratodus. — Nach Günther.
Fig. 282. Protopterus annectens.
Wirbelthiere. 2. Classe: Fische.
403
1 . und 2. Kiemenbogen) ; übrigens ist er äusserlich in der Hauptsache dem
vorhergehenden ähnlich. — Eine verwandte form (I,cpido$ircn paradoxa) in
Südamerika.
5. Ordnung. Knochenfische (Tcleostci).
Das Skelet besteht aus Knorpel und Knochen; letzterer bildet
die Hauptmasse. Herzkegel rudimentär. Arterienbulbus vorhanden.
Keine Spiralfalte im Darm. Ein von knöchernen Theilen gestützter
Kiemendeckel. Kein Spritzloch. Die Haut mit Schuppen oder
Knochenhöckern, -platten, etc. ; Hautzähne fehlen in der Regel (können
aber in geringerer Menge vorhanden sein). Flossen zusammenfaltbar,
mit Knochenstrahlen versehen.
1. Unterordnung. Physostomen (Physostomi).
Schwimmblase durch einen Luftgans mit dem Darmkanal ver-
bunden. Bauchflossen weit hinten, dicht beim After. In der Regel
fehlen Stachelstrahlen. Schuppen cycloid.
1. Die Heringsfamilie (Clujmdae). Körper länglich, zusammen-
gedrückt. Grosse , leicht abfallende Cycloidschuppen. Nur eine Rücken-
flosse. Zähne schwach. Hierher gehören: der Hering (Cluj)ea harenaus)
nnd der Sprott (Cl. spraitus), beide in der Nord- und Ostsee gemein,
die Sardine (67. püchardas) an den Küsten Frankreichs und Englands
gemein, der Mai fisch (Cl. ahm) in der Nordsee etc., welcher zum Laichen
die FlüsBe (z. B. den Rhein) hinaufsteigt; alle diese einander sehr ähn-
lichen Formen haben eine Reihe Kielschuppen längs der Bauchseite; weiter
der echte Anchovis oder die Sardelle (Engraidis encrassicholus), ohne
Kielschuppen, mit verlängerter Schnauze, im Mittelmeer, seltener in den
nördlichen Meeren.
2. Die Laohsfamilie (Salmonidae). Schuppen klein oder mittel-
gross. Zwei Rückenflossen, von welchen die hintere eine strahlenlose
Fettflosse ist. Besonders im Süsswasser. In Deutschland leben u. A. :
Der Lachs (Salmo salar), in den nordeuropäischen Meeren, wandert zum
Laichen in die Flüsse hinein; die nahe verwandte Forelle (S. fario), im
Süsswasser; der Saibling (S. salvelinm), kleiner, in Gebirgsseen; von
den Maränen oder Renken (Corcgonus), mit kleinen Zähnen oder zahn-
los (die Salmo-Arten haben grosse Zähne), leben einige Arten im Meere,
andere im Süsswasser.
3. Die Hechtfamilie (Esocidae). Kleine Schuppen. Rückenflosse
weit hinten. Abgeplattete, gestreckte Schnauze. Mund gross mit zahl-
reichen, z. Th. grossen Zähnen. Wenige Arten. Der gemeine Hecht
(Esox lueius) häufig in Süsswasser.
4. Die Karpfenfamilie (Oyprinidae). Körper zusammengedrückt,
mit grösseren oder kleineren Schuppen. Eine Rückenflosse. Die Knochen
des Mundes sind sämratlich zahnlos mit Ausnahme der unteren Schlund-
knochen, welche mit kräftigen Mahlzähnen versehen sind, die gegen eine
dicke, an der Unterseite des Schädels angebrachte Hornplatte wirken.
Häufig Bartfaden am Mundrande. Süsswasserfische , welche sich theilweise
von zerfallenen Pflanzen ernähren. Von den zahlreichen Formen seien an-
geführt: der Karpfen (typrinus carjrio) mit vier Bartfäden am oberen
Mundrand (aus Asien eingeführt), die Karausche (Carassim vulgaris) ohne
Bartfäden, sonst jenem ähnlich, der Goldfisch (Car. auratus) aus China,
26*
404
Specieller Theil.
die Barbe (Morbus vulgaris) mit 4 Bartfaden, davon zwei an der Schnau-
zenspitze, der kleine Gründling (Gubio fluviatilis) , die Weissfische
(Leuciscus), die Sch leihe { Tinea vulgaris) mit kleinen Schuppen in der
dicken, schleimigen Haut; der kleine Bitterling (Rhodens amarun).
Weibchen in der Laichzeit mit einer langen, an der Spitze die Geschlechts -
Öffnung tragenden Legeröhre, mittels welcher die Eier in die Kiemenhöhle
von Flussmuscheln (l'nio) abgelegt werden ; der Brassen (Abramis brama)
mit hohem, seitlich zusammengedrücktem Körper; die Schmerlen (Cobi-
tis), kleine Fische mit gestrecktem, zuweilen aalartig verlängertem, Körper,
sehr kleinen, verborgenen Schuppen, 6 oder mehr Bartfäden. (Darmre-
spiration, vergl. S. 391.) Alle genannten, mit Ausnahme des Goldfisches,
in Deutschland einheimisch.
5. Die Welsfamilie (Siluridne). Körper niemals mit gewöhnlichen
Schuppen, entweder nackt oder mit grösseren Knochenplatten (Hautzähne
können vorhanden sein). Der Oberkieferknochen sehr schwach entwickelt.
Bartfäden am Munde. Eine FettflosBe häufig vorhanden. Süsswasserfische,
welche besonders durch zahlreiche interessante Formen in den Tropen ver-
treten sind. Der Wels (Silurus glanis), nackt, mit ganz kleiner Rücken-
flosse weit vorne, langer Afterflosse, zwei langen und vier kurzen Bart-
fäden, kleinen Augen; wird bis 4 Meter lang; der einzige europäische
Repräsentant der Familie (auch in Deutschland). Der Zitterwels
(Malapterurus eleetricus) mit Fettflosse (sonst aber ohne Rückenflosse),
meterlang, in Afrika. Die Panzerwelse (Lorimria), Haut mit grossen
Knochenplatten bedeckt, in Südamerika.
6. Die Aalfamilie (Muraetxidae). Körper schlangenformig, schuppen-
los oder mit kleinen Schuppen, ohne Bauchflossen, Rücken-, Schwanz- und
Afterflosse bilden einen zusammenhängenden Flossensaum, kleine Kiemen-
spalte, kleine Augen. Der Aal (AtujuiUa vulgaris), mit Schuppen, laicht
im Meere, wahrscheinlich auf tiefem Wasser, die noch durchsichtigen Jungen
wandern in 's Süsswasser hinauf; später gehen die Aale wieder in's Meer.
Der Meeraal (Cotiger vulgaris), schuppenlos, erreicht eine bedeutende
Grösse (ein paar Meter), in der Nordsee. Die Muräne (Qymnothorax tnu-
raena), ganz gliedmaassenlos, indem auch die Brustflossen fehlen, im Mittel-
meer. — Zu einer anderen Familie schlangenförmiger Physostomen gehört
der Zitteraal (Oymnotus ekclricus), in Südamerika; After dicht beim
Kopfe, Afterflosse lang, keine Rücken- und Bauchflossen.
2. Unterordnung. Aphysostomen (Aphysostonri).
Kein Luftgang. Bauchflossen gewöhnlich weit nach vorne ge-
rückt. Meistens sind Stachelstrahlen vorhanden (nicht bei den
sub 1 — 3 aufgeführten Formen).
1. Die Makrelenhechte (Scombercsocidae). Cycloidschuppen.
Rückenflosse kurz , weit hinten. Bauchflossen weit hinten. Keine
Stachelstrahlen. Der Hornfisch (Melone vulgaris) hat Unter- und Zwischen-
kiefer zu einem langen , mit feinen Zähnen besetzten Schnabel verlängert,
Körper sehr gestreckt, Knochen grün; in der Nord- und Ostsee. Die
fliegenden Fische (Exoooetus) zeichnen sich durch die kolossale Ent-
wicklung der Brustflossen aus, vermittels welcher sie eine kurze Strecke über
die Oberfläche des Meeres hin fliegen können; in den wärmeren Meeren
(eine Art schon im Mittelmeer).
2. Die Schellfischfamilie (Gatlidae), Körper etwas gestreckt,
mit kleinen Cycloidschuppen. Tn der Regel 2 — 3 Rückenflossen und 1 — 2
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Wirbelthiere. 2. Classe: Fische.
405
Afterflossen. Bsuchflossen vor den Brustflossen. Keine Stachelstrahlen.
Oft ein Bartfaden am Kinn. Zur Gattung Gadus, mit 3 Rücken-, 2 After-
flossen, gehören: der Dorsch oder Kabljau (G. morrhua) , welcher in
ungeheuren Schaaren im nordatlantischen Meer vorkommt, bis m lang,
und der Schellfisch (G. aeglefinus\ zahlreich z.B. in der Nordsee, beide
mit Bartfaden. Die Quappe ( L. vulgaris), im Süsswasser , hat eine vor-
dere kurze und eine lange hintere Bückenflosse (die hintere entspricht den
beiden hinteren Bückenflossen von Gadus), eine Afterflosse und einen Bart-
faden. — Zu einer verwandten Familie (Ophidiidac) gehören die Sandaale
(Ammodytes) , kleine langgestreckte Fische ohne Kieferzähne , mit vor-
ragendem Unterkiefer , ohne Bauchflossen , mit langer Rückenflosse und
Afterflosse; an der Küste der Nord- und Ostsee. Zu derselben Familie
gehört auch die Gatt. Fierasfcr , deren Arten in den Wasserlungen der
Seewalzen ihren Aufenthalt nehmen (ohne eigentlich Parasiten zu sein ; sie
ernähren sich von kleineren Thieren) ; eine verwandte Gattung, Enchelyophis,
soll ein wirklicher Parasit sein.
3. Die Plattfische (PkuromcUdae). Der Körper ist eine hohe,
zusammengedrückte Scheibe; beide Augen auf derselben Seite, bei einigen
Arten auf der rechten , bei anderen auf der linken (bei wenigen Arten
haben einige Individuen die Augen rechts, andere links); die blinde Seite
ist weiss und nach unten gekehrt, die andere gefärbt ; der Mund ist etwas
nach der blinden Seite verschoben. Rücken- und Afterflosse sehr lang,
After weit vorne. Die Bauchflossen vor den Brustflossen. Keine Stachel-
strahlen. — Als kleine Junge sind sie vollkommen symmetrisch, die Augen
sitzen jedes an seiner Seite des Kopfes , und die Thiere schwimmen mit
dem Bauch nach unten ; später dreht sich das eine Auge auf die andere
Seite hinüber , das Thier legt sich auf die Seite etc. — In der Nord-
und Ostsee leben unter anderen: die Scholle (Pleworiectes plaicssa),
Augen rechts (äusserst selten links), Schuppen glatt; die Kliesche (PI.
limanda), Augen rechts, Schuppen rauh; der Flunder (PI. flesus), mit
rauhen Knochen hückern, Augen meistens rechts, sehr oft jedoch links ; letz-
terer kommt nicht nur im Meere, sondern auch im Süsswasser vor. Die
Seezunge (Üoka adgarüs) , weniger hoch als die vorhergehenden, Augen
rechts; der Heilbutt (Wjtpoglo.ssu.s vulgaris), ebenfalls mit den Augen
rechts, erreicht eine ansehnliche Grösse (ein paar Meter). Der Steinbutt
{Rhombus maxhnus), mit Knochenwarzeu, und der Glattbutt (Rh. laevis),
mit kleinen glatten Schuppen, beide mit den Augen an der linken Seite.
4. Die Barschf am ilie (Pereidae). Schuppen ctenoid. Zwei Rücken-
flossen , welche jedoch häufig zusammenhängen , die vordere mit lauter
Stachel strahlen. Bauchflossen unterhalb der Brustflossen. Kiemendeckel
mit Dornen. Hierzu der Flussbarsch (Perca flumaHlis), der grössere,
gestrecktere, mit grossen Zähnen versehene Zander (Lucioperca satulra),
der Kaulbarsch (Acerina eeinuä), mit verschmolzenen Rückenflossen;
alle drei sind Süsswasserfische (der erste auch im Brackwasser) und kommen
in Deutschland vor. — Zu einer verwandten Familie gehören die vorhin
(S. 391) erwähnten Kletterfische (Anabua).
5. Die Lippfische (Labridae) erinnern äusserlich an die Barsche;
sie zeichnen sich besonders dadurch aus , dass die unteren Scblundknochen
mit einander verschmolzen sind, häufig auch durch eine wulstige Hautver-
dickung (Lippe) längs des Mundrandes. Zu dieser Familie, welche durch
mehrere kleine Arten in der Nord- und Oßtsee vertreten ist, gehören auch
die Papageifische (S/nru.s), welche dadurch ausgezeichnet sind, dass
der Rand und ein Theil der Vorderseite des Zwischen- und Unterkiefers
406
Specieller Theil.
mit Zähnen besetzt sind, welche mit einander und mit den theüweise ent-
blössten Kieferknochen durch eine Knochenmasse verbunden sind, wodurch
ein zusammenhängender schneidender Rand gebildet wird; an den oberen
und unteren Schlundknochen in ähnlicher Weise verkittete Mahl zahne. Die
Papageifische , welche ausschliesslich den wärmeren Meeren angehören
(eine Art im Mittelmeer), sollen sogar Aeste von Steinkorallen abbeia&en
können.
6. Das Petermännchen (Trachimts draco) ist ein etwas gestreckter
Fisch mit kurzem Kopf und kleinen cycloiden Schuppen-, zwei Bücken«
flössen, von welchen die hintere lang und weichstrahl ig , die vordere
ganz kurz und stachelstrahlig ist; Bauchflossen vor den Brustflossen. Am
Kiemendeckel findet sich ein knöcherner Stachel mit zwei Giftdrüsen, welche
in Rinnen an der Oberfläche desselben liegen und dicht vor dessen Spitze
ausmünden; ähnliche Drüsen an den Stachelstrahlen der Rückenflossen.1)
Häufig in der Nordsee (selten in der westl. Ostsee); wird häufig mit dem
grössten Theil des Körpers in den 8and vergraben angetroffen.
7. Die Schuppen flosser (Squamijwnwsy Stachelflosser mit sehr
hohem , stark zusammengedrücktem Körper und mit prächtigen Farben ;
die Schuppen erstrecken sich weit auf die unpaaren Flossen hin. In den
wärmeren Meeren.
8. Die Panzerwangen (Cataphracti). Körper in der Regel ohne
gewöhnliche Schuppen, nackt oder mit grösseren Knochenplatten; einer
der unterhalb des Auges liegenden Seitenlinienknochen (Suborbitalknochen)
ist stark entwickelt und erstreckt sich hinten bis an das Praeoperculum (den
vordersten der Kiemendeckel - Knochen). Bauchflossen unter den Brust-
flossen. Hierher gehören: Der Seescorpion (Cottus sc&rpius), ein gross-
köpfiger Fisch mit nackter Haut, mit Dornen am Kopfe, häufig in der
Kord- und Ostsee; in den Süßwassern Deutschlands lebt die kleine (bis
15 cm lange) Groppe (Cottus gobio). Der kleine Steinpicker {Ago-
mts cataphr actus), mit Knochenplatten am Körper und mit zahlreichen Bart-
faden, und der Knurrhahn (JIYigla gurnardus) mit gepanzertem Kopf,
kleinen Schuppen und den untersten Strahlen der Brustflossen frei, finger-
artig, als formliche Beinchen zum Kriechen verwendbar, leben ebenfalls in
der Nord- und Ostsee. Beim Flughahn (Daclghpterus volitans) ist jede
Brustflosse in zwei Theile gesondert, von welchen der eine sehr gross ist,
so dass das Thier mittels desselben sich über die Meeresoberfläche erheben
kann; im Uebrigen steht das Thier den beiden vorher genannten nahe; im
Mittelmeer.
9. Die Stichlingsfamilie (Gasterosteidae) ist der vorhergehenden
Familie in Bezug auf das Verhalten der Suborbitalknochen ähnlich. Der
stachelstrahlige Theil der Rückenflosse besteht aus freien Strahlen; die
Bauchflossen, welche etwas hinter den Brustflossen sitzen, bestehen ans je
einem langen Stachelstrahl und einem kurzen Weichstrahl. Keine Schuppen,
sondern grössere Knochenplatten in der Haut. Das Männchen baut oft ein
Nest. Die Stichlinge (Gasterosteus) sind kleine Fische, welche sowohl
in Süss- als in schwach salzigem Meereswasser leben; der dreistachlige
Stichliug (ff. acideatus) mit 3, der n eunstach lige Stichling (ff.
pungiHus) mit ca. 9 Stachelstrahlen der Rückenflosse, beide in Deutschland.
Ausschliesslich dem Meere (Nord-, Ostsee, etc.) gehört der Seestich-
ling (Spiuachia vulgaris) an, sehr gestreckt, mit langem dünnen Schwanz,
15 freien Stachelstrahlen.
') Auch bei einigen anderen, tropischen, Fischen sind ähnliche Giftwerkzeuge
nachgewiesen.
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Wirbelthiere. 2. Classe: Fische.
407
10. Die Makrelen familie (Scomberidae). StachelflosBer. Körper
gestreckt, wenig zusammengedrückt, mit kleinen Schuppen. Hinterer Theil
der Rücken- und Afterflosse in eine Anzahl kleiner Stücke zerfallen.
Bauchflossen unterhalb der Brustflossen. Hierzu die Makrele (Scomber
sromber) , gemein an den europäischen Küsten , und der Thunfisch
(Thynnus vulgaris], gemein im Mittel meer, seltener in den nördlichen Meeren.
— Verwandt sind die Schiffshalter (Ecficncis), deren vordere Rücken-
flosse zu einem Saugapparat umgebildet ist, welcher sich auf den Kopf
hinauf erstreckt, und mit welchem das Thier sich an grösseren Fischen,
Schiffen etc. anheftet. Ferner der grosse Schwertfisch (Xiphias gladius),
dessen Oberkiefer stark schnabelförmig verlängert ist, und welcher keine
Brustflossen besitzt ; häufig im Mittel meer, erscheint hin und wieder in den
nördlichen Meeren, sogar in der Ostsee.
11. Die Schleimfische (Blcnniidae). Körper in der Regel fast
aalförmig, mit sehr kleinen Schuppen. Gewöhnlich eine lange Rücken- und
Afterflosse, aus biegsamen, ungegliederten Strahlen bestehend (keine Stachel-
strahlen). Bauchflossen vor den Brustflossen. Hierzu gehören: Die Aal-
mutter (Zoarees virijmrus) , sehr häufig in der Nord- und Ostsee, bis
40 cm lang, lebendiggebärend. Der S e e w o 1 f (Amnhicluis lupus), grösser,
mit mächtig entwickelten, starken, kegelförmigen Zähnen vorne und Mahl-
zähnen mehr hinten im Munde, ohne Bauchflossen; ernährt sich von
Muscheln u. ä. ; in den nördlichen Meeren (selten in der Ostsee).
12. Die Meergrundeln (Gobius) sind kleine Fische mit ziemlich
weichen 8tachelstrahlen ; sie zeichnen sich besonders dadurch aus, dass die
Bauchflossen , welche unterhalb der Brustflossen sitzen , mit einander ver-
schmolzen sind. — Bei dem einer anderen Familie angehörigen Seehasen
(Cyclupterus lumpiix] sind die Bauchflossen ebenfalls verwachsen und dazu
noch zu einer Saugscheibe umgebildet; der Seehase (Lump) ist ein kurzer,
plumper Fisch mit knöchernen Dornen in der Haut ; in der Nord- und Ostsee.
13. Die Armflosser (Pediculati). Körper plump, nackt, Kopf oft
gross , Kiemenöffnung klein ; Bauchflossen vor den Brustflossen , welch
letztere wie gestielt sind, indem die sonst bei den Knochenfischen kurzen
Radien (die „Handwurzel") hier verlängert sind. Der vordere Theil der
Rückenflosse besteht aus einer Anzahl freier Strahlen. In den nordischen
Meeren nur der grosse Seeteufel ([jophius piscatorim) , abgeplattet, mit
kolossaler Mundöffnung ; die freien Rückenstrahlen verlängert, der vorderste
(nebst zwei folgenden auf dem Kopfe sitzend) mit einem weichen Anhang
an der Spitze.
14. Die Haftkiefer (Pkdognathi) sind Fische von sehr verschie-
denem Aussehen, welche darin mit einander übereinstimmen, dass die Ober-
und Zwischenkieferbeine der gewöhnlichen Regel entgegen mit dem Schädel
unbeweglich verbunden sind ; Bauchflossen fehlen. Grösstentheils Thiere
von sehr eigentümlichem Gepräge, welche in den wärmeren Meeren zu
Hause sind. Die Kofferfische (Oäraciun) , kurz, mit abgeplattetem
Bauch, zeichnen sich dadurch aus, dass der grösste Theil des Körpers von
einem dünnen Knochenpanzer umgeben ist, welcher aus polygonalen, fest
verbundenen Platten zusammengesetzt ist; nur der kleine Schwanz und die
Flossen sind beweglich. Die Igel fische (IHodo)i) sind mit knöchernen
Dornen besetzt, welche sich aufrichten, wenn das Thier sich aufbläst; dies
geschieht, indem es eine sackförmige Ausstülpung der Speiseröhre mit Luft
füllt, welche durch den Mund aufgenommen wird (es liegt dann mit dem
Bauch nach oben im Wasser) ; ihre Bezahnung erinnert an die der Papagei-
fische. Die Klump- oder Mondfische (Mola oder Orthayw isais) siud
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408
Specieller Theil.
grosse, pelagische Fische, stark zusammengedrückt und sehr kurz (der
Körper bildet eine senkrechte kurz-ovale Scheibe), die Schwanzflosse ist ein
Saum längs des Hinterrandes des Thieres, Bücken- und Afterflosse hoch;
eine Art {Mola nasus), welche der pelagischen Fauna des Atlantischen
Meeres angehört, ist einige Male im Kattegat getroffen worden.
15. Die Seenadelfamilie (Syngnathidae). Körper gestreckt mit
Knochenplatten bekleidet, die Schnauze in eine Röhre ausgezogen, an deren
Spitze die kleine zahnlose Mundöffnung liegt; Bauchflossen fehlen. Kiemen-
blättchen in ganz geringer Zahl an jedem Bogen, aber stark gefaltet ; äussere
Kiemenöffnung klein. Die Eier werden von den Männchen an der Unter-
seite von Bumpf und Schwanz umhergetragen, indem sie in einigen Fällen
einfach derselben angeklebt sind, in anderen zwischen zwei Längsfalten
oder in einen Sack eingeschlossen sind. Die Thiere schwimmen mittels
sehr schneller wellenförmiger Vibrationen der nicht sehr langen Bücken-
flosse In den nördlichen Meeren leben verschiedene Seenadeln, Arten
der Gattungen Sytignathus , Nerophis u. a. , welcher letztgenannten alle
Flossen mit Ausnahme der Bückenflosse fehlen. Die Seepferdchen
(Hippocampus) mit flossenlosem Greifschwanz, nach unten gebogeuem Kopfe
und dornartigen Auswüchsen an Kopf und Bumpf, stehen während des
Schwimmens senkrecht im "Wasser; meistens in den wärmeren Meeren, eine
Art in Mittelmeer häufig, kommt auch noch in der Nordsee vor.
3. Classe. Amphibien oder Lurche (AmphMa).
Im Gegensatz zu den Fischen ist der Kopf bei den Amphibien in der
Regel ziemlich deutlich vom Rumpf abgegrenzt, wenn auch noch kein
deutlich abgesonderter Hals vorhanden ist; der Kopf, und gewöhn-
lich auch der Rumpf, ist mehr oder weniger niedergedrückt, ersterer
in der Regel etwas freier beweglich. Wenn ein Schwanz vorhanden
ist , so ist er gewöhnlich mehr oder weniger zusammengedrückt und
kräftig entwickelt, aber bei Weitem nicht so musculös wie bei den
Fischen; oben geht er ziemlich allmählich in den Rumpf über, unten
ist er dagegen deutlich von diesem abgesetzt. Die Gliedmaassen
stehen auf einer höheren Entwicklungsstufe als bei den Fischen; sie
zerfallen in mehrere durch Gelenke gesonderte Abschnitte, der
äusserste ist in Finger oder Zehen gespalten , ein Flossensaum wie
bei den Fischen fehlt immer: sie sind Gehwerkzeuge geworden.
In Vergleich mit den Gliedmaassen z. B. der Säugethiere sind sie
allerdings, wenigstens bei der einen Hauptgruppe, noch klein und
schwach.
Die Oberhaut ist beim ausgebildeten Thiere mit einer dünnen
(eine oder zwei Zellen dicken) Hornschic h t versehen, welche ebenso
wie die der Reptilien periodisch als ein Ganzes abgeworfen und durch
eine neue ersetzt wird (Häutung). Einzelne Stellen der Oberfläche
können mit einer festeren Hornschicht versehen sein, z. B. gewisse
Stellen an den Vordergliedmaassen der Frösche während der Fort-
pflanzungszeit. Krallen* fehlen. Mit der Haut sind rundliche,
sackförmige echte Drüsen verbunden, welche über die ganze Ober-
fläche verbreitet ausmünden ; zuweilen sind sie an einigen Stellen
dichter gehäuft, welche sich dann etwas hervorwölben können (die
sogenannten „Parotidei!" hinter dem Kopfe beim Landsalamander und
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Wirbelthiere. 3. Classe: Amphibien.
409
bei Kröten sind Haufen von Hautdrüsen). Die Absonderung hat
wenigstens theilweise den Zweck, die Haut feucht zu erhalten; zu-
weilen ist das Secret giftig. In die Lederhaut sind bei den meisten
Qymnophionen (Schleichenlurchen) wirkliche Schuppen von derselben
Art wie bei den Fischen eingeschlossen; bei einzelnen anderen können
an gewissen Hautstellen auch grössere Hautknochen *) vorhanden
sein, oder es kann sich (wie bei alten Exemplaren der gemeinen Kröte)
in der Lederhaut Kalk ablagern. Ebenso wie die Fische sind nicht
wenige Amphibien mit einem unpaaren Flossensaum versehen,
welcher sich längs eines grösseren oder kleineren Theiles des Rückens
(zuweilen vom Kopfe ab) und um die Schwanzspitze herum an der
Unterseite des Schwanzes bis an den After erstreckt; er ist stets
strahlenlos, gewöhnlich in der Fortpflanzungszeit am stärksten und
beim Männchen stärker als beim Weibchen entwickelt; er ist übrigens
nur bei einer Anzahl Schwanzlurchen vorhanden, fehlt bei den
übrigen Amphibien (dagegen im Larvenzustand vorhanden, vergl.
unten).
Fig. 288. Skclet eines Schwanzlurches (Afcnopoma).
Das Skelet ist zwar zum grösseren Theil verknöchert, ähnlich
wie bei manchen Fischen sind jedoch bedeutende Knorpelpartien, be-
sonders im Schädel, vorhanden. Bei den Kiemenlurchen und Gymno-
phionen sind die Wirbelkörper biconcav, vorn und hinten aus-
gehöhlt, und die Chorda gross; bei den übrigen ist die Chorda
dagegen in der Hegel rückgebildet, ihre Ueberreste sind in die
Wirbelkörper eingeschlossen, welche mit einander durch Gelenke ver-
bunden sind; bei den Schwanzlurchen sind die Wirbelkörper hinten
ausgehöhlt, vorne convex (opisthocoel), bei den Froschlurchen in
der Regel vorne ausgehöhlt, hinten convex (procoel). Die Bögen
der Wirbel tragen hinten an der Unterseite je zwei Gelenkflächen,
') Aach bei manchen ausgestorbenen Amphibien (Labyrintbodonten) waren in
der Lederhaut grössere oder kleinere Knochen vorhanden.
410
Specieller Theil.
welche zwei ähnlichen vorne an der Oberseite des folgenden Bogens
entsprechen (Gelenkfortsätze). Aehnlich wie bei den Fischen, im
Gegensatz aber zu den folgenden Classen , ist der zweite Rumpf-
(Hals-)wirbel nicht besonders entwickelt (vergl. die Reptilien). Von
den Rumpfwirbeln ist überhaupt nur der erste, an welchen der Kopf
eingelenkt ist, und der letzte, an welchen das Becken befestigt ist,
von den übrigen etwas abweichend. Die Schwanzwirbel sind bei den
Schwanzlurchen mit unteren Bögen versehen ; bei den Froschlurchen
sind die im Larvenzustande zahlreichen Schwanzwirbel beim erwachsenen
Thiere zu einem langen, ungegliederten Knochen, dem Steissbein,
verschmolzen — Die Rippen erreichen nie das Brustbein; sie waren
bei gewissen ausgestorbenen Amphibien (Stegocephalen) wohl ent-
wickelt, bei allen jetztlebenden Amphibien dagegen sind sie stark
rückgebildet; am deutlichsten sind sie noch bei den Schwanzlurchen
und Gymnophionen, bei denen sie als kurze Anhänge in der Regel
an allen Rumpfwirbeln, mit Ausnahme des ersten, und (bei den
Schwanzlurchen) zugleich an den vorderen Schwanzwirbeln, vor-
handen sind; bei den Froschlurchen sind die Rippen rudimentär und
beim erwachsenen Thiere gewöhnlich mit den langen Querfortsätzen
verschmolzen. — Das Brustbein steht nicht in Beziehung zu den
Rippen, schliesst sich dagegen eng an die untere Partie des Schulter-
gürtels an ; bei den Schwanzlurchen ist es eine kurze Knorpelplatte,
in deren Vorderrand die Coracoide eingefalzt sind, bei den Frosch-
lurchen ist es oft theilweise verknöchert und mit den genannten
Knochen eng verbunden.
Das Kopfskelet schliesst sich in vielen Punkten an das derGa-
noiden und Knochenfische an. Bedeutende Theile des knorpeligen
A B
Fig. 284. Die V i ■ c e r al b 6 ge n des La n il s al a in and c rs , von unten gesehen,
A Larve, B erwachsenes Thier, c Copulac, c die letzte Copula (beim erwachsenen von den
Übrigen abgetrennt), k Unterkiefer, h Zuiigenbeiiibu^cn, brt - 4 erster — vierter Kiemcnbogen.
I Hintcrhauptsgelenkhöcker, o Auge. — Nach Husconi.
') Der Schwanz tritt bei diesen Thieren äusserlich nicht hervor, indem die
langen Darmbeine, welche mit ihrem vorderen Ende am Beckenwirbel festgeheftet
sind, sich dem Steissbein ungefähr parallel gerade nach hinten erstrecken ; letzterer
ist etwa von derselben Länge wie das Darmbein, so dass die Gelenkpfanne ihren
Platz neben der Spitze des Steissbeins bekommt.
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Wirbelthiere. 3. Clasae: Amphibien.
411
Schädels bleiben das ganze Leben hindurch erhalten, grösstenteils
von Deckknochen überdeckt. Es sind zwei Gelenkhöcker am
Hinterhauptsbein vorhanden. Die Zwischen- und Oberkiefer-
beine sind mit dem vordersten, soliden Theil des Schädels in nähere
Verbindung getreten und liegen demselben dicht an (sie sind nicht
wie bei den Knochenfischen beweglich). Der obere Abschnitt des
Kieferbogeiis , der Gaumen knorpel (Palatoquadratum) , ist am
hinteren Theil des Schädels festgewachsen, zuweilen (bei den Frosch-
lurchen) ist er auch noch an seinein vorderen Ende mit dem vorderen
Theil desselben verwachsen; auch er bleibt theilweise knorpelig. Bei
den Larven finden sich ausser dem Kiefer- und Zungenbeiubogen ge-
wöhnlich vier Paar knorpelige Kiemenbögen, welche bei der
Metamorphose mehr oder weniger rückgebildet werden; bei den
Schwanzlurchen bleiben jedoch die beiden ersten Paare erhalten.
Von den Knochen des Kopfskeletes der Amphibien sind ausser den
oben genannten folgende zu nennen. Im knorpeligen Schädel selbst ent-
wickeln sich: ein Paar seitliche Hinterhauptsbeine ((kcijritalia
Fig. 285. Schädel eines Frosches (Huna ttcuUnla) von oben (A) und von unten (Ii),
c knorpelige Seitentheile des Schädels, c Gurtelbein, e knorpelige Nasenkapsel, fn Nasenbein,
m < Quadrat bei n , o »eitliches Hinterhauptsbein, op Knorpel /.wischen letzterem und pt dem
Felsenbein, p vorderer Theil des Felsenbeins mit einer grossen Nervenöftnung (p"), pl Gaumen-,
pt FlUgelbein. pt' hinterer Theil des FlUgelbeins, • Parasphenoid, t — ( Tympanicum, v Vomer.
— Nach Ecker.
laicralia), welche das Hinterhauptsloch fast völlig umgeben und die Gelenk-
höcker tragen; vor diesen jederseits das Felsenbein (Petras um) ; am
vordersten Theil der Schädelhöhle eine in der Regel ringförmige Ver-
knöcherung, das Gürtelbein. Oben wird der Schädel von folgenden
Stücken bedeckt: einem Paar Nasenbeine hinter den äusseren Nasen-
öffnungen, einem Paar Stirnbeine und Scheitelbeine (bei den Frosch-
lurchen sind Stirn- und Scheitelbein jeder Seite zu einem Knochen ver-
schmolzen); unten findet sich ein Parasphenoid (vergl. die Fische)
und vor diesem jederseits der Vomer. Im Gaumenknorpel findet
sich unten, an der Verbindungsstelle mit dem Unterkiefer, eine unbe-
deutende Verknöcherung, das Quadratbein {Quatlratum), und hinten wird
der Knorpel seitlich von einem grossen Deckknochen, dem Tympanicum,
A
B
412
Specieller Theil.
bedeckt; nach vorne erstreckt sich das Flügelbein (Pterygoideum), und
vor diesem findet sich bei den Froschlurchen ein querliegendes Gaumen-
bein, welches sich mit seinem inneren Ende an den Schädel heftet. Bei
den Froschlurchen geht auch vom Quadratbein zum Oberkieferbein ein
dünner Knochenstab , das Jochbein (Jwjcüc oder (Juculratojugate). Die
U nterkieferästc bestehen jeder, ebenso wie bei den Fischen, aus
mehreren Knochenstücken.
Fig. 286. Fig. 287.
sc
Fig. 286. Brustbein und Schu 1 tcrgürtel eines La n dsaUraandcrs. $1 Brust-
bein, co Coracoid, sc Schulterblatt.
Fig. 287. Dieselben Theile eines Frosches. «< Brustbein, ep Vorderbrustbein, co hinterer
Abschnitt des Coracoids, sc unterer Theil des Schulterblattes, sc' oberer Theil desselben, et
Schlüsselbein. Die knorpeligen Theile in dieser und der vorigen Figur punktirt. — Nach Ecker.
Der Schultergürtel wird bei den Schwanzlurchen jederseits
durch eine gebogene Knorpelplatte repräsentirt, welche man in zwei
Abschnitte theilen kann, einen oberhalb und einen unterhalb der Ge-
lenkpfanne für den Oberarm; von diesen ist der obere, welcher dem
Schulterblatt der höheren Wirbel thiere entspricht, schmäler als
der untere, dem Coracoid entsprechende; letzterer legt sich theil-
weise über den der anderen Seite hin. Der untere Theil des Schulter-
blatts ist in grösserer oder geringerer Ausdehnung verknöchert, und
häufig streckt sich die Verknöcherung auch in die Coracoid-Partie
hinein; die obere und die untere Partie des Schultergürtels bleiben
aber stets knorpelig (Fig. 286). — Bei den Froschlurchen ist
die untere Partie, das Coracoid, von einer grossen Oeffnung durch-
brochen und dadurch in ein vorderes und hinteres Stück getheilt;
letzteres verknöchert, ersteres, welches von einem Deckknochen, dem
Schlüsselbein (Clavicula), überdeckt wird, dagegen nicht ; das rechte
und das linke Coracoid schieben sich entweder etwas über einander
hin oder stossen in einer geraden Linie zusammen (letzteres bei den
Fröschen)1). Die obere Partie des Gürtels, das Schulterblatt,
zerfällt bei den Froschlurchen in ein oberes und ein unteres Stück,
') Bei einigen Froschlurcheu (z. B. den Fröschen) findet sich in der Mittel-
linie vor den Coracoiden ein besonderer, theilweise verknöcherter Knorpel, welcher
fälschlich als Vorderbrustbein (Episternum) bezeichnet wird, obgleich er keinen
Zusammenhang mit dem Brustbein besitzt und der gleichbenannte Knochen anderer
Wirbelthiere ein reiner Deckknochen ist. Er ist wahrscheinlich als ein besonders
entwickelter Theil der Coracoid-Partie aufzufassen.
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Wirbelthiere. 3. Claaae: Amphibien.
413
von welchen ersteres wesentlich aus verkalktem Knorpel, letzteres aus
Knochen besteht. — Die Vordergliedmaassen bestehen aus den-
selben Hauptabschnitten wie bei den höheren Wirbelthieren. Die
Handwurzel weist namentlich bei den Schwanzlurchen gewöhnlich
einen innigen Anschluss an das typische Verhältniss auf (es können
jedoch Verschmelzungen einiger Knochen stattfinden). Bei den jetzt-
lebenden Amphibien sind nie mehr als 4 Finger vorhanden, deren
Gliederzahl variirt. Bei den Froschlurchen sind die beiden Unter-
armknochen zu einem verschmolzen.
Jede Hälfte des Beckens besteht bei den Schwanzlurchen
aus einer oberen, schmäleren Partie, dem Darmbein, und einer
u nteren , breiteren Partie , dem Scham-Sitzbein, welch letzteres
in der Mittellinie mit dem der anderen Seite zusammentrifft ; jedes
ist durch eiue besondere Verknöcherung repräsentirt ; vorne setzt sich
das Becken in einen schmalen unpaaren, an der Spitze gewöhnlich
Y-förmig gespaltenen Knorpel fort (Cartilago ypsiloHdes). Bei den
Froschlurchen sind die Darmbeine nach hinten gerichtete Knochen-
stäbe ; das Scham-Sitzbein ist mit dem der anderen Seite zu einer zu-
sammengedrückten senkrechten Scheibe verschmolzen. — Die Hinte r-
gliedmaasscn schliessen sich in ihrem Bau eng an die Vorder-
gliedmaassen an. Bei den Froschlurchen sind die beiden Unterschenkel-
knochen verschmolzen, und von den Knochen der Fusswurzel sind bei
denselben die beiden in der obersten Reihe (der dritte fehlt) sehr lang
und kräftig. Die Hintergliedmaassen besitzen gewöhnlich je 5 Zehen.
Die Musculatur des Rumpfes und des Schwanzes schliesst sich
bei den Amphibien-Larven eng an die der Fische an (sie ist in
4 Längenmuskel-Partien gesondert, welche jede durch dünne Quer-
wände in eine Reihe von Abschnitten getheilt sind) ; bei den erwachsenen
Schwanzlurchen sind die Verhältnisse nur wenig verändert, während
8i ch bei den Froschlurchen grössere Umgestaltungen vollziehen. —
Das Gehirn ist klein, das Hinterhirn sehr wenig entwickelt.
Die Geruchsorgane sind zwei Kanäle, welche von der Aussen-
seite des Kopfes in die Mundhöhle fuhren und sich hier, hinter dem
Kieferrande, öffnen ; die äusseren Nasenlöcher können geschlossen und
geöffnet werden. — Von den Augenlidern ist nur das untere be-
weglich ; es ist oft halb durchsichtig, nickhautartig. Augenlider fehlen
bei den Larven , bei den Kiemenlurchen und den mit rudimentären
Augen versehenen Gymnophionen. Thränendrüsen fehlen, dagegen ist
eine Harder'sche Drüse vorhanden. Bei den erwachsenen Amphibien
findet sich ein Thränenkanal. — Gehörwerkzeuge. Bei den meisten
Froschlurchen besteht ein kurzer, dem Spritzloch der Fische ent-
sprechender Kanal, welcher vom hinteren Theil der Mundhöhle hinter
dem ersten Visceralbogen gegen die Oberfläche des Kopfes hin ver-
läuft; er öffnet sich an der Oberfläche nicht, sondern ist aussen von
einer dünnen Haut, dem Trommelfell, geschlossen. Dieser Kanal,
welcher der Paukenhöhle -f" der Ohrtrompete der höheren Wirbel-
thiere entspricht, zieht an demjenigen Theil des Schädels vorüber, in
welchem das häutige Labyrinth eingeschlossen liegt ; in der Knochen-
kapsel des letzteren ist an der betreffenden Stelle eine Oeffnung, das
ovale Fenster, Fenestra ovalis (innerhalb welcher der Vorhof liegt) ;
diese Oeffnung ist von einer besonderen kleinen Knorpelplatte bedeckt,
welche das verbreiterte Ende eines theilweise verknöcherten stabförmigen
Körpers, des Hörknochens (Columella auris), bildet; das andere
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Specieller Theil.
Ende des Hörknochens heftet sich an das Trommelfell. Bei den
übrigen Amphibien (einigen Froschlurchen, z. B. der Unke, allen
Schwanzlurchen und Gymnophionen) fehlt der Kanal und damit auch
das Trommelfell; das ovale Fenster und den Hörknochen besitzen
sie dagegen alle.
Darrakanal. Zähne können an den Zwischen- und Ober-
kieferknochen, am Unterkiefer, am Vomer und zuweilen an den Flügel-
beinen vorhanden sein; sie sind bei den jetztlebenden Amphibien immer
klein und von einfacher Form. — Die Zunge ist besser als bei den
Fischen entwickelt; sie ist mit ihrer Unterseite an der unteren Wand
der Mundhöhle festgeheftet, aber derartig, dass die Ränder frei sind ;
für die Froschlurche ist es charakteristisch, dass der hintere freie,
zuweilen zweilappige Rand besonders stark entwickelt ist, während der
Vorderrand undeutlich ist, bo dass diese Thiere eine vorn angeheftete
Zunge haben, deren hinterer Theil aus dem Munde herausgeklappt
werden kann. Bei gewissen Schwanzlurchen kann die Zunge auf einer
Art Schaft, welcher von ihrer Unterseite entspringt, vorgestreckt werden.
Die Zunge fehlt bei der Pipa und einer verwandten Gattung. — Die
Speiseröhre ist kurz und weit, der Darm kurz.
Die Athmung8organe der Amphibien sind theils Kiemen,
theils Lungen; wir betrachten zunächst die ersteren.
Bei den Larven der Schwanz lurche finden sich auf jeder
Seite vier Kiemenspalten, die erste zwischen dem Zungenbein-
bogen und dem 1. Kiemeubogen. die letzte zwischen dem 3. und
4. Kiemenbogen; jeder Kiemenbogen trägt an seinem äusseren Rand
eine dünne häutige Platte, und vom Zungenbeinbogen entspringt eine
dicke Hautfalte — dem Kiemen-
d e c k e 1 der Fische entsprechend,
aber ohne feste Theile — , welche
sich über die genannten Platten
hin legt. Die Platten entsprechen
den Coulissen zwischen den Kie-
menspalten bei den Fischen, tra-
gen aber keine Kiemenblätter,
sondern am oberen Ende jedes
der drei ersten Kiemenbogen
sitzt eine vom Kiemendeckel nicht
überdeckte Kieme, welche aus
einem Stamm und zwei Reihen von
Blättchen besteht (Fig. 291). Diese
Kiemen bleiben bei den Kiemen -
lurchen zeitlebens bestehen; sie
sind bei diesen etwas compli-
Fig. 288. A junge FroschUrve von cjrter (verästelt). Aehnliche Kie-
iler Seite, B ahnliche (ein wenig altere) von v • < _i. j« tt« i
der Bauchseite: 6' altere Larve mit inneren besitzen auch die Embryonen
Kiemen. /. 2, 3 die drei äusseren Kiemen, einiger Gymnophl Onen ') (vergl.
a After, b Hintergliedruaasaen, g Kicmenöffnung, Flg. 294). — Auch die Larven
mu Muskeln des Schwanzes « Nasealoch, e r Froschlurche sind eine
c^A°PJ?7^£L:™:^ kurze Zeit nach der Geburt mit
von Ecker. drei ähnlichen äusseren Kiemen auf
jeder Seite wie die Larven der
') Bei anderen Embryonen dieser Abtheilung hat man statt
eine grosse gefässreiche Platte an jeder Seite gefunden.
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Wirbelthiere. 3. Clane: Amphibien.
415
Schwanzlurche versehen ; bald werden aber diese Kiemen von den Kiemen-
deckeln überdeckt, welche sich mächtig entwickeln, die Kiemen und
Kiemenöffnungen überwachsen und hinter denselben mit der Körper-
oberfläche verwachsen, so dass eine grosse Kiemenhöhle entsteht, welche
nur durch eine einzige, in der Regel auf der linken Seite befindliche
Oeftnung1) mit der Aussenwelt in Verbindung steht. Die in diese
Höhle eingeschlossenen Kiemen bilden sich zurück, an ihrer Stelle
entwickelt sich aber am Aussenrande aller vier Kiemenbögen eine
grosse Anzahl verästelter, sogenannter innerer Kiemen, welche
eigenthümliche, den Froschiurch-Larven allein zukommende Gebilde
sind. — Bei den mit äusseren Kiemen versehenen Formen findet sich
gewöhnlich am Innenrande der Kiemenbögen ein ähnlicher unvoll-
kommener Seih-Apparat wie bei Selachiern etc., an jedem Bogen
durch eine oder zwei (am 1. und 4. Kiemenbögen einer, an den beiden
anderen je zwei) Reihen kurzer Fortsätze repräsentirt, welche zwischen
die entsprechenden der angrenzenden Kiemenbögen eingreifen. Bei den
mit inneren Kiemen versehenen Larven der Froschlurche ist dieser
Seih-Apparat zu einem hohen Grade von Vollkommenheit entwickelt,
so dass er im Stande ist, alle, selbst sehr feine, feste Theile von der
Kiemenhöhle und den zahlreichen in derselben eingeschlossenen zarten
dünnhäutigen Kiemenbüscheln fernzuhalten. — Ueber die Gefässe
der Kiemen vergl. unten.
Die bei allen Amphibien vorhandenen Lungen sind zwei sack-
förmige Organe, deren innere Oberfläche bei einigen (z. B. den Wasser-
salamandern, dem Olm) glatt, bei anderen (Landsalamander, Frosch-
lurchen) dagegen mit hervortretenden, netzförmig verbundenen Falten
versehen ist. Bei den Gymnophionen ist die rechte Lunge weit kürzer
als die linke. Die fast immer sehr kurze Luftröhre öffnet sich mit
einer Längsspalte hinten in die Mundhöhle; sie ist von mehreren
Knorpelstücken gestützt und enthält bei den Froschlurchen Stimm-
bänder, welche dagegen bei den übrigen fehlen. — Die Luftaufnahme
findet in der Weise statt, dass das Thier bei geschlossener Mund-
öffnung die weiche Partie zwischen den Unterkieferästen senkt und
durch die geöffneten Nasenlöcher Luft in die Mundhöhle einsaugt;
darauf werden die Nasenlöcher geschlossen und die untere Wand der
Mundhöhle wieder gehoben, wodurch die Luft in die Luftröhre hinein-
gepresst wird. Die Luft wird aus den Lungen ausgestossen , indem
die Leibeswand sich zusammenzieht und auf die elastischen Lungen-
wände drückt.
Der Laut, den die Froschlurche durch die oben genannten 8timmbänder
erzeugen, indem dieselben durch die ausgepresste Luft in Schwingungen
versetzt werden, wird bei den Männchen mancher Arten durch Ausstülpungen
des hinteren Theiles des Mundhöhlenbodens verstärkt, welche, wenn das
Thier seine Stimme gebrauchen will, zu dünnwandigen Säcken von an-
sehnlicher Grösse aufgeblasen werden. Es sind zwei solche Schallblasen
vorhanden, welche bei einigen (z. B. dem Wasserfrosch) auch äusserlich
ganz getrennt sind, während sie bei anderen (z. B. beim Laubfrosch) dicht
aneinander gelagert und von einer gemeinsamen äusseren Haut umgeben
sind , so dass es äusserlich den Anschein hat , als ob eine unpaare Schall-
blase vorhanden wäre. — Obgleich bei den Schwanzlurchen keine Stimm-
bänder entwickelt sind, können auch sie einen Laut erzeugen.
') Bei der Pipa und einer verwandten Gattung finden sich zwei OefTnungen,
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416
Specieller Theil.
Das Herz ist gegenüber dem der Fische dadurch ausgezeichnet,
dass der Yorhof durch eine dünne Scheidewand in zwei, einen
rechten und einen linken, getheilt ist. von welchen der letztere kleiner
ist und das Blut aus den Lungen empfangt, während der rechte das
Blut der übrigen Venen aufnimmt. Oft ist die Scheidewand von
kleineren oder grösseren Oeffnungen durchbrochen, also unvollständig.
Die Herzkammer ist stets ungetheilt, zeigt nicht einmal eine
Andeutung einer Theilung; sie besitzt ebenso wie die der Fische
dicke spongiöse Wände, deren kleine Höhlungen in den Centrai-
hohlraum einmünden ; an der Grenze des Vorhofes ist ein Paar
Klappen vorhanden. Der Herzkegel, welcher von der Herzkammer
vorne rechts entspringt, ist eine gewöhnlich wohlentwickelte Röhre,
welche etwas spiralig gewunden ist; er enthält an jedem Ende eine
Querreihe von Klappen und ist ausserdem mit einer Längsfalte
versehen, welche mit einer der Klappen der vorderen Reihe zusammen-
hängt und in den Hohlraum des Herzkegels stark hervortritt (über
ihre Bedeutung vergl. unten).
Vom Herzkegel entspringt ein ganz kurzer Arterienstamm, welcher
bei den Larven der Schwanzlurche, die wir zunächst be-
trachten wollen, jederseits vier Gefässe entsendet, nämlich die 1. — 3.
zuführen de. Kiemenarterie, welche ungefähr gleich stark sind,
und den sehr dünnen 4. Arterienbogen. Die drei ersteren gehen
an die entsprechenden Kiemen, in welchen sie sich verzweigen. Von
jeder Kieme entspringt eine abführende Kiemenarterie,
welche sich mit den anderen derselben Seite zu einem kräftigen Gefass,
der Aortenwurzel vereinigt, in welche auch der 4. Arterienbogen
einmündet; beide Aorten wurzeln vereinigen sich zur Aorta, welche
unterhalb der Wirbelsäule nach hinten verläuft. Vor ihrer Ein-
mündung in die Aortenwurzel hat jedoch die 1. abfuhrende Kiemen-
arterie zwei starke Aeste für den Kopf abgegeben (Carotiden), und
von dem 4. Arterienbogen ist die Lungenarterie abgegangen.
Ferner ist hervorzuheben, dass die zu- und abführenden Kiemen-
arterien desselben Paares durch dünne Querstämme, Anastomosen,
mit einander in Verbindung stehen. Aehnliche Verhältnisse findet
man auch bei den mit inneren Kiemen ausgestatteten Larven der
Frosch 1 urc he; bei ihnen sind aber jederseits vier zu- und ab»
führende Kiemenarterien vorhanden, indem auch der vierte Kiemen-
bogen Kiemen trägt, und die genannten Anastomosen fehlen. — Bei
der Metamorphose finden nun folgende Veränderungen statt : Die
einander entsprechenden zu- und abfuhrenden Arterien vereinigen sich
auf jeder Seite zu einfachen Arterienbogen, indem — bei den Schwanz-
lurchen — die verbindenden Anastomosen sich erweitern, oder — bei
den Froschlurchen — indem sich eine Verbindung zwischen ihnen
bildet; der ausserhalb der Verbindungsstelle liegende Theil derselben
schrumpft ein. So erhalten wir jederseits vier Arterienbogen,
welche sich zur Aortenwurzel vereinigen. Von diesen giebt jedoch
der erste gewöhnlich die Verbindung mit der Aortenwurzel auf
und versorgt blos den Kopf mit Blut; auch der vierte, von welchem
die Lungenarterie entspringt, giebt häufig die Verbindung mit der
Aortenwurzel auf; der dritte bleibt bei einigen erhalten, geht da-
gegen bei anderen völlig zu Grunde; im letzteren Fall wird die
Aortenwurzel — wenn gleichzeitig der erste und vierte Bogen keine
Verbindung mit derselben besitzen — allein von dem zweiten Ar-
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Wirbelthier*. 3. Classe: Amphibien.
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418
Specieller Thftil.
terienbogen gebildet, welcher stets stärker als die übrigen ist. Die
Aorta wird somit bei den Amphibien bald nur von einem Paar
Arterienbögen, bald von mehreren gebildet ( Fig. 255, B — C). (Die
Gymnophionen schliessen sich im erwachsenen Zustande eng an die
übrigen an; das Gefässsystem der Larven ist bis jetzt unbekannt)
Bei den Larven der Amphibien entspricht der Kreislauf wesentlich
demjenigen der Fische. Bei den Erwachsenen wird trotz der einfachen
Herzkammer dennoch eine gewisse Sonderung des arteriellen Blutes
aus der Lunge und des venösen Blutes erreicht ; die Verhältnisse sind
jedoch zu complicirt, als dass wir näher auf dieselben eingehen könnten.
Es muss die Bemerkung genügen, dass namentlich mittels der Spiralfalte
des Herzkegels erreicht wird, dass das arterielle Blut des linken Vorhofa
fast allein in die beiden ersten Arterienbogen-Paare strömt, während das
venöse Blut des rechten Vorhofs theils in dieselben Arterienbögen, theils
in das 3. und 4. Paar gelangt ; vom 4. Paar gehen , wie vorhin erwähnt , die
Lungenarterien ans, welche somit venöses Blut erhalten, während das Blut
der Körperarterien ein „gemischtes" ist.
Vom 4. Arterienbögen gehen grössere oder kleinere Aeste an die
Haut (zuweilen auch von der Lungenarterie an die Speiseröhre), nament-
lich ist bei den Froschlurchen eine solche sehr grosse Hautarterie vorhanden,
welche dem Angeführten zu Folge venöses Blut empfängt; die Haut hat
ja auch, wie es durch Versuche nachgewiesen worden ist, bei diesen Thieren
eine grosse Bedeutung für die Respiration (8. 30). Das in der Haut
oxydirte Blut mischt sich übrigens mit dem Blut der anderen Venen und
geht zum rechten Vorhof. — Im Ganzen erhellt es, dass die Sonderung
der beiden Blutarten bei den Amphibien eine sehr unvollständige ist.
Die mehr oder weniger langgestreckten Nieren zeichnen sich
dadurch aus, dass sie, ebenso wie bei gewissen Fischen, an ihrer
Oberfläche mit Wimpertrichtern versehen sind (vergl. S. 363).
Die Harnleiter münden in die Kloake, welche mit einer oft in zwei
Zipfel ausgezogenen Harnblase versehen ist; letztere steht mit
den Harnleitern nicht in unmittelbarer Verbindung, sondern mündet
getrennt in die Kloake.
Die Eierstöcke variiren nach der Jahreszeit sehr an Grösse;
in der Fortpflanzungszeit haben sie einen ansehnlichen Umfang. Die
Müller' sehen Gänge sind lange gewundene Schläuche, welche in
der Fortpflanzungszeit wegen der stärkeren Entwicklung der in ihrer
Wand gelegenen Eiweissdrüsen am dicksten sind ; sie öffnen sich ganz
vorne in die Bauchhöhle, weit von den Eierstöcken entfernt, mit einem
Trichter ; die abgelösten Eier werden durch die Bewegung von Wimper-
haaren, mit denen ein Theil des die Bauchhöhle auskleidenden
Epithels ausgestattet ist, zu den Trichtern geführt. Mit dem anderen
Ende münden die Gänge, gewöhnlich getrennt, in die Kloake. Bei
den Froschlurchen ist der hinterste Theil der Eileiter blasenförmig
angeschwollen und in der Laichzeit mit Eiern angefüllt. — Die
Hoden (Fig. 258) stehen durch feine Kanäle in Zusammenhang mit
den Harnkanälchen des vorderen Theiles der Niere, welcher bei den
Schwanzlurchen schmäler als der hintere ist, und der Samen nimmt
somit denselben Weg wie der Harn; übrigens ist der Ausführungs-
gang des vorderen Theiles der Niere in manchen Fällen fast ganz
von den Ausführungsgängen der übrigen Niere getrennt und vereinigt
sich mit letzteren erst dicht vor der gemeinsamen Einmündung in die
Kloake. Bei den Männchen ist an jeder Seite ein rudimentärer
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Wirbelthiere. 3. Clastie: Amphibien.
419
Müller'scher Gang vorhanden. Besondere Begattungswerkzeuge
fehlen; bei den Gymnophionen fungirt die umgestülpte Kloake als
solches.
Wie schon vorhin erwähnt, findet sich bei den Kröten (Bufo) am
Vorderende der Hoden ein Körperchen , welches ganz wie ein unreifer
Eierstock gebaut ist. Bei den Weibchen derselben Gattung ist übrigens
ein entsprechender Theil des Eierstockes ähnlich entwickelt ; dieser Theil
ist besonders bei jungen Weibchen deutlich, bildet sich später zurück.
An den Geschlechtsdrüsen, oft mit diesen eng verbunden, findet sich
bei den Amphibien ein Paar sehr fetthaltige, oft sehr augenfällige (gelbe),
bei den Froschlurchen fingerförmig gelappte Körper, die sogenannten
Fettkörper, welche durch Umbildung einer vorderen Partie der Eier-
stöcke resp. Hoden entstanden sind.
Die Eier werden in der Regel in's Wasser (Süsswasser) abgelegt
und sind bei der Ablage von je einer dünnen Eiweissschicht umgeben,
welche im Wasser zu einer dicken Gallertkapsel anschwillt; eine
Schale fehlt. Sie werden entweder einzeln (seltener), oder in Reihen,
Schnüren, Klumpen abgelegt. Sie variiren in Grösse von ein paar
bis etwa 10 mm im Durchmesser. Die Furchung ist in der Regel
total, die Furchungszellen sind aber an einem Pol grösser (vergl.
S. 46 — 47 und Fig. 27) ; die grösseren Amphibien-Eier unterliegen jedoch
einer partiellen Furchung. Selten gelangt das Ei, wie beim Land-
salamander, im Eileiter zur Entwicklung. Eine Ei- oder Brutpflege
findet man bei verschiedenen Amphibien: Pipa, Geburtshelferkröte,
Coecilia etc.; vergl. unten.
Für die Amphibien ganz
besonders charakteristisch ist die
Metamorphose, welche sie
fast alle durchlaufen. Die Lar- ^
ven sind, wie schon oben er-
wähnt , mit wohlentwickelten
Kiemen versehen , und der
Kreislauf und die Anordnung
des Gefässsystems entsprechen ß
fast ganz den Verhältnissen der
Fische; sie besitzen schon Lun-
gen, welche aber noch nicht als
Athmungsorgane fungiren. Bei
der Metamorphose findet nun die
bedeutungsvolle Umänderung im
Baue und in den Lebensver-
hältnissen des Thieres statt,
daSS die Kiemen sich IÜck- FiK« 29 1- l*rv«n <le3 grossen W asser -
bilden und die Lungen in mo,ch,8- ' Vv^r'nu ^ S'wJÜ
rni * * i ° von unten. Ii 1'2 Tage alt. C ca. 5 Wochen
Tnatigkeit treten , was unter ait. (A Ca &, ß 8—4, c kaum 2 Mai vergr.)
Anderem grosse Umbildungen a Alter, / \ror<lergliedmaa««e, <J Kiemen, » Haft-
des Gefässsystems nach sich or*nn- — Nacn R«"coni.
zieht (vergl. S. 416). Die Un-
terschiede zwischen der Larve und dem ausgebildeten Thiere be-
schränken sich aber nicht hierauf; auch in mehreren anderen Be-
ziehungen weicht die Larve von dem Erwachsenen ab und nähert sich
den Fischen. So geht z. B. der Haut eine Hornschicht ab, und
die Haut besitzt ganz ähnliche, z. Th. reihenweise geordnete Sinnes-
27*
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420
Specieller Theil.
hü gel wie die Fische (vergl. S. 384); die Sinneshügel, welche stets
frei liegen, tragen sogar ähnliche feine Röhren wie bei letzteren.1)
Augenlider fehlen stets, ein Flossensaum ist selbst bei den-
jenigen vorhanden, denen er später abgeht. Das Visceralskelet (S. 411)
ist dem der Fische weit ähnlicher als später etc. — Die Larven sind,
wenn sie die Eihaut verlassen, gewöhnlich von der ausgebildeten
Larvengestalt etwas abweichend ; namentlich sind die Gliedmaassen
nicht vorhanden oder nur angedeutet, oft sind noch am Kopfe
Haftwerkzeuge vorhanden, welche später fehlen (Fig. 288 A—B
und 291, A).
Die Metamorphose selbst, d. h. der Uebergang aus der Larven-
form in die Gestalt des ausgebildeten Thieres, vollzieht sich ziemlich
plötzlich, die Umänderungen spielen sich im Laufe ziemlich kurzer
Zeit ab. Die Grösse, welche die Larve vor der Metamorphose er-
reicht, ist sehr verschieden, oft unterscheiden sich sogar nahe ver-
wandte Arten in dieser Beziehung auffallend (innerhalb der Gattung
Frosch werden die Larven des Wasserfrosches z. B. sehr gross, die
der Grasfrösche dagegen bleiben ziemlich klein) ; das Wachsthum ist
übrigens in der Regel mit der Metamorphose weitaus nicht abge-
schlossen (wie bei den Insekten), sondern dauert noch lange Zeit
fort2). — Bei einigen Schwanzlurchen, nämlich bei gewissen Wasser-
molchen, hat man beobachtet, dass die Larve zuweilen über ihre
gewöhnliche Grösse hinaus wächst und in derLarvengestaltge-
schlechtsreif wird (ob solche Exemplare sich später verwandeln,
ist unbekannt). Dasselbe geschieht gewöhnlich mit der Larve
eines mexicanischen Salamanders, dem Axolotl (Siredon mexicanus),
wenigstens bei denjenigen Exemplaren, welche in Gefangenschaft ge-
halten werden: sie wird in der Regel in der Larvengestalt ge-
schlechtsreif und verwandelt sich nachher nicht; nur ausnahmsweise
findet eine Metamorphose, und dann vor der Geschlechtsreife, statt.
Endlich giebt es eine Anzahl Schwanzlurche, die Kiemenmolche
(Gatt. Proteus u. a.) , welche stets auf der Larvenstufe verharren,
nie eine Metamorphose durchlaufen. Diese Formen verhalten sich in
ihrem Baue in allem Wesentlichen wie Larven, mit alleiniger Aus-
nahme der Entwicklung der Geschlechtsorgane ; in einzelnen Punkten
treten jedoch bei einigen derselben Rückbildungen ein, so sind z. B.
beim Olm die Lungen im Verhältniss zur Grösse des Thieres sehr
schwach entwickelt (sie sind ebenso wenig wie die Lungen der Larven
von respiratorischer Bedeutung). Diese Rückbildungen sind theil-
weise von derartiger Beschaffenheit, dass wir mit Sicherheit behaupten
können, dass die betreffenden Formen nicht mehr im Stande
sind sich zu metamorphosiren *).
Bei ein paar Gattungen von Schwanzlurchen, Menqpoma und Amphi*
') Die Sinneshügel finden sich jedoch auch bei den im Wasser lebenden er-
wachsenen Schwanzlurchen, entbehren aber hier stets der feinen Röhre.
*) Eine kolossale Grösse erreichen die Larven eines südamerikanischen Frosches
( Psevulis paradox a ) .
') Es fehlt z. B. bei Proteus derjenige Theil des 4. Arterienbogens , welcher
zwischen dem Arterienstamm und der I Jrsprungsstelle der Lungenarterie lieert ;
dieser Theil ist aber der Lungenarterie eines erwachsenen Lurches unentbehrlich.
(Die Lunge empfängt bei Proteus ihr Blut aus der Aortenwurzel durch den in
Fig. 289 mit b bezeichneten öefassabschnitt ; auch bei anderen Schwanzlurch-
Larven ist dies theilweise der Fall, was aus der Schwäche des übrigen Theiles
des 4. Arterienbogens in Vergleich mit der Lungenarterie erhellt.)
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Wirbelthiere. 3. Claas«: Amphibien.
421
urna, schwinden zwar die Kiemen, die Kiemenöffnungen bleiben aber be-
stehen , und die Thiere verharren überhaupt in mehreren Beziehungen auf
dem Larvenstudium oder richtiger auf einer Uebergangsstufe.
Die jetzt lebenden Amphibien leben alle im Süsswasser oder auf
dem Lande; es sind fast immer kleine oder mittelgrosse Formen,
welche sich von Insekten und anderen Thierchen ernähren. In
früheren Perioden waren die Amphibien z. Th. durch ansehnlichere ■
JFormen vertreten (vergl. unten). In Bezug auf die geographische
Verbreitung der Amphibien ist die Merkwürdigkeit hervorzuheben,
dass die Schwanzlurche fast ausschliesslich den gemässigten Theilen
der nördlichen Halbkugel angehören.
1. Ordnung. Schwanzlurche (Urodela).
Schwanz wohl entwickelt. Vorder- und Hintergliedmaassen un-
gefähr gleich entwickelt, schwach. Larven mit drei äusseren Kiemen
auf jeder Seite.
1. Die Wassersalamander oder Wassermolche {Triton)
haben einen zusammengedrückten Schwanz , und auf der RückenBeite des
Rumpfes und oben und unten am Schwänze ist ein Flossensaum vorhanden,
welcher in der Fortpllanzungszeit am stärksten entwickelt ist (am grössten
beim Männchen). In der Laichzeit leben sie im Wasser, ausserhalb der-
selben auf dem Lande (das Männchen jedoch häufig im Wasser). Es findet
eine wirkliche Begattung statt ; die Eier werden (im Frühling) einzeln oder
in kurzen Reihen an Wasserpflanzen abgelegt. Die soeben aus dem Ei
geschlüpfte Larve (Fig. 291, A) besitzt hinten am Kopfe ein Paar stiel-
artige Fortsätze , mittels welcher sie sich an Pflanzen anheftet ; von den
Gliedmaassen sind nur warzenförmige Anlagen der Vorderbeine vorhanden.
Allmählich entwickeln sich die Gliedmaassen, die vorderen zuerst ; die Haft-
werkzeuge verschwinden bald. Das Larvenleben dauert gewöhnlich einige
Monate. In Deutschland leben: der grosse Wassermolch (7". criatalus)
mit mehr körniger Haut, der kleine W. (T. tatniatus) , die gemeinste
Art, der Feuer mo Ich (T. (üpentris), besonders in Gebirgsgegenden häufig,
der L e i s t e n m o 1 c h (71 Mveticux) mit fadenförmiger Schwanzspitze, selten ;
die drei letzten sind ungefähr von gleicher Grösse, ersterer bedeutend
grösser.
2. Der Landsalamander (Salamandra maculosa) ist ein Thier von
ansehnlicher Grösse (bis 18 cm), sammetschwarz mit grossen unregelmässigen
gelben Flecken , ohne jede Spur von Flossensaum , 8chwanz abgerundet.
In Mittel- und Süd -Europa. Gebärt lebendige Junge (von ganz
anderer Färbung), welche bei der Geburt mit Kiemen, beiden Beinpaaren
und Flossensaum versehen sind ; sie werden im Wasser geboren, worin man
den L. sonst nie antrifft. Es ist von Interesse , dass die Larve , während
Bie noch im Eileiter lebt, mit weit längeren Kiemenblättern als später ver-
sehen ist. — Der schwarze Alpen Salamander (S. atra), dem soeben
erwähnten nahe verwandt, ganz schwarz, lebt in den Alpen. Gebärt eben-
falls lebendige Junge, auf einmal immer nur zwei (S. maculosa gebärt eine
grössere Anzahl) , eins für jeden Eileiter. Im Eileiter befinden sich mit
demjenigen Ei zusammen , aus welchem diese Jungen sich entwickeln,
mehrere andere Eier, welche aber nicht zur Entwicklung gelangen, sondern
zusammenfliessen und der jungen Larve als Nahrung dienen; letztere ist
mit ausserordentlich grossen Kiemen versehen, welche einen grossen Theil
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422
Specieller Theil.
des Thieres umgeben, vor der Geburt aber sich rückbilden, so dass die
Metamorphose sich im Mutterleibe vollzieht ; der Alpensalamander gebärt
seine Jungen auf trockenem Lande, und letztere führen überhaupt kein
Wasserleben.
3. Der Axolotl (Siredon niexicanus) zeichnet sich, wie vorhin er-
wähnt, dadurch aus, dass er (jedenfalls in Gefangenschaft) sich gewöhnlich
nicht metamorphosirt , sondern in der Larvengestalt geschlechtsreif wird.
Die metamorphosirte Form (Amblystoma mcximnuni) ist einem Landsala-
mander ähnlich, die Larve (welche den Namen Siredon erhalten hat, als
man noch mit der Metamorphose unbekannt war) sieht aus wie eine kolos-
sale Salamander - Larve. Der Axolotl, welcher in Mexico einheimisch ist,
ist eierlegend ; die neugeborenen Jungen sind Triton - Larven derselben
Stufe ganz ähnlich.
4. Unter dem Namen Kiemen molche (I'erennihranchiata) fasst man
die oben (S. 420) genannten Schwanzlurche zusammen, welche stets die
Kiemen und andere Larvencharaktere das ganze Leben hindurch behalten.
Hierzu gehört der blinde (mit rudimentären Augen versehene), blasse, sehr
langgestreckte Olm (Profcnx anyiiineus) mit 3 Zehen an den Vorder-, 2
an den Hintergliedmaassen ; in Höhlenseen Oesterreichs. Ferner die Gatt.
Mcnobranchm, weniger gestreckt, mit 4 Zehen an allen Gliedmaassen, und
Siren lacertina mit Hornkiefern, aalförmig, ohne Hintergliedmaassen (letztere
Art bis 1 m lang) , beide in Nordamerika. — Die Gattungen Mcnojxrma
und Ämphinma (letztere aalförmig, mit 4 sehr kleinen Gliedmaassen mit je
2 — 3 Zehen) verlieren, wie schon vorhin erwähnt, die Kiemen, behalten aber
die Kiemenspalten und mehrere andere Larvencharaktere. Mit Menopoma
nahe verwandt ist der 1 — 2 m lange japanische Riesensalamander
(Cryptobranchits japonkus), dessen Kiemenöffnungen sich schliessen.
Mit den jetztlebenden Schwanzlurchen verwandt sind die Stegocephalen
(Urlurche), eine grosse Abtheilung paläozoischer Lurche, von welchen einige
durch sehr bedeutende Grösse ausgezeichnet waren (man kennt Schädel
Fig. Schädel eines Stogocephalcn (TVe-
matosaurns). von unten (A), von oben (B) und von
der Seite ((7). / Augenhöhle, 2 Äusseres, 3 inneres
Nasenloch, •/ HintcrhauptaörTnung, a Hinterhaupts-,
b Scheitel-, c Stirnbein, d I'arasphcnoid, g Gaumen-
und Flugclhein, m Ober-, » Zwischenkieferbein, $ Qua-
dratbein, t Nasenbein, r Vomer, i Hinterhaupts-Gelenk-
höcker. Die übrigen Buchstaben bezeichnen verschie-
dene Deckknochen.
derselben von anderthalb Meter Länge). Das Kopfskelet ist mit einer
grösseren Anzahl von Deckknochen als bei den jetztlebenden Lurchen
versehen; es finden sich z. B. ein doppeltes oberes Hinterhauptsbein
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Wirbelthiere. 3. Classe: Amphibien.
423
und mehrere andere1). Die Kopfknochen sind oft aussen grubig, was
darauf hindeutet , das 8 sie dicht unterhalb der Oberfläche , nur von einer
dünnen Hautschicht bedeckt, lagen; zuweilen finden sich Furchen am Kopfe,
welche an die Furchen am Kopfe mancher Fische , in denen die Aeste der
Seitenlienie biegen, erinnern8). Wie bei den jetztlebenden Lurchen waren
zwei Gelenkköpfe am Hinterhaupt vorhanden. Die Chorda war in be-
deutender Ausdehnung erhalten; dio Wirbel oft biconcav. Rippen zuweilen
lang. Einige Stegocephalen besassen 5 Zehen an den Vordergliedmaassen.
Die Sehnenhaut des Auges (im Gegensatz zu den jetztlebenden Amphibien)
häufig mit einem King von Knochenplatten. Häufig waren in der Haut
knöcherne Schuppen oder Platten entwickelt. Die Oberfläche der Zähne
besitzt bei einem Theil der Stegocephalen tiefe, gewundene, zusammenge-
drückte Falten , welche namentlich am Grunde des Zahnes sich tief in die
Zahumasse hinein erstrecken und auf einem Querschnitt als gewundene
Linien erscheinen ; daher der Name Labyrinthodonten, mit dem
man häufig diese Abtheilung bezeichnet, der aber nur auf einen Theil
ihrer Mitglieder passt, indem die übrigen einfach gebaute Zähne besitzen.
2. Ordnung. Froschlurche (Anura).
Bei den Erwachsenen fehlt ein vorstehender Schwanz. Die Hinter-
gliedmaassen, welche immer stärker sind als die Vordergliedmaassen,
sind Sprung- und Schwirambeine mit grösserer oder kleinerer Schwimm-
haut zwischen den Zehen. Unterkiefer zahnlos. Larven zuerst mit
äusseren, später mit inneren Kiemen.
Beim Laichen wird das Weibchen vom Männchen fest umklammert,
und während die Eier die Kloakenötfnung des Weibchens verlassen, spritzt
das Männchen den Samen über sie aus. Die Vorderbeine des letzteren
sind kräftiger als die des Weibchens und bei manchen Formen in der
Laichzeit mit ranhen verhornten Schwielen an der Hand (Rana, Bufo) oder
zugleich am Arm (Bombinator) versehen , damit sie besser festhalten
können. — Die jungen Larven (Fig. 288, A — B) sind gestreckte Thierchen,
jederseits mit drei äusseren Kiemen versehen und am Kopfe mit ein Paar
saugnapfähnlichen , klebrigen Gebilden ausgestattet, vermittels welcher sie
sich an Pflanzen u. dergl. festhalten ; Gliedmaassen fehlen. Nach wenigen
Tagen werden aber die äusseren Kiemen von den grossen Kiemendeckeln
überdeckt und gehen zu Grunde, und es bilden sich an allen Kiemenbogen
innere Kiemen (vergl. oben S. 415). Gleichzeitig ändert sich die Form
des Körpers, Kopf und Rumpf bilden jetzt einen fast kugeligen Theil,
welcher von dem zusammengedrückten, kräftigen, mit grossem Flossensaum
ausgestatteten Schwanz abgesetzt ist (Fig. 288 C); die Haftapparate ver-
schwinden. Die Larve (Kaulquappe), welche mitHornkiofern und einem langen,
spiral ig aufgerollten Darm versehen ist, ernährt sich besonders von verwesenden
Pflanzen theilen, todten Thierchen, Schlamm etc. ; sie schwimmt lebhaft um-
her. Von den sich allmählich entwickelnden Gliedmaassen liegen die vorderen
während des ganzen Larvenlebens in der Kiemenhöhle versteckt; die
Stellen , an welchen sie hervorwachsen , sind nämlich zusammen mit den
Kiemenbogen von den Kiemendeckeln überdeckt worden. Das Vorderbein
') Zwischen den Scheitelbeinen ein oft ziemlich grosses Scheitelloch (Foramen
parietale) vorhanden, welches auf das Vorhandensein eines Scheitelauges (vergl.
S. 352) hinweist.
*) Der Kopf erinnert überhaupt oft an den der Knochenganuiden.
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424
Speoieller Theil.
wird an der einen Seite aus der äusseren Oeffhung der Kiemenhöhle hervor-
gestreckt, auf der anderen bricht es durch die äussere Wand der Kiemen-
höhle hindurch; dies geschieht aber erst, wenn die Metamorphose eintritt,
bei welcher der Schwanz schrumpft, die Zähne sich entwickeln (wenn das
erwachsene Thier solche besitzt), der kleine Mund grösser wird, etc.
1. Die Frösche (Heina) haben Zähne im Obermund, glatte Haut,
rundliche Pupille, lange, kräftige Hinterbeine mit vollständiger Schwimm-
haut zwischen den Zehen. Die Eier werden in grossen Klumpen abgelegt.
In Deutschland leben folgende Arten: die Grasfrösche oder braunen
Frösche, drei verschiedene , einander sehr ähnliche , früher zusammen-
geworfene Arten, Ii. platyrrhina (oder fwtca), oxytrhitui (oder arvajis) und agüis,
wovon die erste weitaus die häufigere ist, die letzte (südlichere Art) selten;
sie leben wesentlich nur in der Laichzeit im Wasser, sonst meistens auf
dem Lande, im Gegensatz zu dem grossen, grünen Wasserfrosch (72.
eacitlctUa), welcher das ganze Jahr hindurch im oder am Wasser lebt, und
welcher besser als die anderen schwimmt und springt* der Wasserfrosch
laicht später als die Grasfrösche, deren Fortpflanzung in den ersten Früh-
ling fällt, und seine Larven erreichen eine weit bedeutendere Grösse.
2. Die Laubfrösche (Hyla u. a.) unterscheiden sich von den
Fröschen dadurch, dass sie an der Spitze jeder Zehe eine Haftscheibe be-
sitzen. Im grössten Theil von Europa lebt die grüne Hyla arborea, welche
man ausserhalb der Laichzeit meistens an Bäumen findet.
3. Die Krötenfrösche (Pelobatidae) weichen von den Fröschen
durch kürzere Hinterbeine, senkrechte Pupille und warzige Haut ab. In
Deutschland leben folgende : Die Unken (Botnbinator iynetis und bombinu* x\
Bauchseite schwarz und gelb; die Knoblauchskröte (Pelobates fttseus),
Hinterfüsse mit einem messerscharfen verhornten Höcker an der Innenseite,
die Larve erreicht eine noch bedeutendere Grösse als diejenige des Wasser-
froscheB ; die Geburtshelferkröte (Alytes obstdricatis), deren Männchen
die Eier um seine Hinterbeine wickelt und dieselben mit sich umherträgt,
bis die Larven ausschlüpfen sollen, geht dann in's Wasser, und die Larven
verlassen die Eihülle; letztere Art nur im westlichen Deutschland (ausser-
dem in Frankreich etc.)
4. Die Kröten (Bufo) sind zahnlos, haben kürzere Hinterbeine als
die Frösche und unvollständige Schwimmhaut zwischen den Hinterzehen,
querliegende Pupille, warzige Haut. Die Eier werden in langen Schnüren
abgelegt. In Deutschland: die Erdkröte (Ii. vulgaris), die Kreuz-
kröte (B. calamita) mit einem gelben Längsstreifen auf der Rückenmitte,
die Wechsel kröte (D. viridis) mit grossen grünen Flecken auf dem
Rücken.
5. Die Pipa (Pipa americana) ist ein grosser abgeplatteter Frosch-
lurch mit kleinen Augen , zungenlos , zahnlos , mit grosser Schwimmhaut
zwischen den Hinterzehen. Mit Hülfe des Männchens werden die be-
fruchteten Eier auf den Rücken de« Weibchens gebracht, wo sich für jedes
*) Es ist kürzlich nachgewiesen worden, dass nicht eine Art — wie bisher
angenommen — , sondern zwei Arten von Bombinator in Deutschland einheimisch
sind; sie unterscheiden sich u. A. durch folgende Charaktere: bombinus hat eine
gelbe Unterseite mit grossen schwarzen Flecken (die gelbe Farbe überwiegt) und
die Spitzen der Finger und Zehen sind gelb; igneus hat eine schwarze Unterseite
mit weissen Punkten und rothgelben Flecken; letztere Art soll mehr den Ebenen,
erstere den Gebirgsgegenden angehören.
DicjitizedjDy Coo^Iü
Wirbelthiere. 3. Classe: Amphibien. 425
Ei eine kleine Höhlung bildet, in welcher das £i sich entwickelt und die
Metamorphose durchlaufen wird. Südamerika.
Fig. 293. Pipa, 9.
3. Ordnung. Schleichenlurche {Gymnoph'uma).
Körper gestreckt, wurmförmig, gliedmaassenlos; Schwanz rudi-
mentär ; Augen rückgebildet. Haut mit Ringfurchen an der Oberfläche,
oft Knochenschuppen enthaltend.
Die Gymnophionen (Gatt, (hecilia u. a.)
leben in der Erde in den wärmeren Ländern;
sie ernähren sich von Regenwürmern u. dergl.
Die Entwicklungsgeschichte ist nur für eine ein-
zige, in Ostindien lebende Art, Epicrium glutino-
sum, näher bekannt. Diese Form legt ihre
grossen Eier in ein Erdloch ab, umschlingt den
Eierklumpen mit ihrem Körper und verlässt ihn
nicht eher, als bis die Jungen ausgeschlüpft
sind. Der fertig ausgebildete Embryo . besitzt
drei Paar ähnliche Kiemen wie die Salamander-
Larven, rudimentäre Hintergliedmaassen und einen
kurzen mit Flossensaum versehenen Schwanz l).
Wenn er das Ei verlässt, verliert er die Kiemen.
Das neugeborene Junge begiebt sich nach einer
Wasseransammlung, in welcher es längere Zeit
zubringt.
Fig. 294. Embryo von Epi-
crium glutinosvm dem Ei cnt-
— Nach Sarasin.
*) Sehr merkwürdig ist es, dass das abgelegte Ei bedeutend an Grösse zunimmt,
•o dass sein Durchmesser doppelt so gross wird, und der ausgebildete Embryo fast
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426
Specieller Theil.
4. Classe. Kllechthiere (Beptilia).
Der Körper schliesst sich, was die äussere Form betrifft, im
Allgemeinen eng an die der Schwanzlurche an, unterscheidet sich aber
dadurch, dass ein etwas deutlicherer Hals vorhanden ist; der kräftige
Schwanz, welcher sich ohne scharfe Grenze in den Rumpf fortsetzt,
ist oft ganz rund. Die Gliedmaassen sind ebenso wie bei den Schwanz-
lurchen gewöhnlich in Vergleich mit denen der beiden folgenden
Gassen klein und schwach, Ellenbogen und Kniee nach aussen ge-
richtet; der Schwanz spielt in der Regel noch eine nicht geringe Rolle
uls Bewegungswerkzeug.
Die Haut ist mit einer festen Hornschicht versehen, welche in
gewissen Zwischenräumen (mehrere Male jährlich) als ein zusammen-
hängendes Ganzes, oder in grösseren Fetzen, abgestreift und durch eine
neugebildete Schicht ersetzt wird. Die Körperoberfläche ist mit soge-
nannten Schuppen bedeckt, welche aber ganz andere Gebilde sind
als die Schuppen der Fische. Die Schuppen der Reptilien lassen sich
als Hautwarzen charakterisiren, welche im Allgemeinen stark ab-
geplattet, dicht neben einander gestellt und regelmässig angeordnet
sind. In den Furchen zwischen den Schuppen ist die Hornschicht
dünn, an der Oberfläche der Schuppen dicker. In einigen Fällen,
z. B. bei den Geckonen u. a. , sind die Schuppen einfache rundliche
Warzen: Körnerschuppen. Am Kopfe mancher Reptilien, zu-
weilen auch an anderen Theilen des Körpers finden sich sogenannte
Schilder, d. h. grosse, plattenförmige Schuppen, welche durch
regelmässige Funchen von den benachbarten getrennt sind. Die
A B
C D
Fig. 295. Lttngs»chnittc durch verschiedene Schuppen von Kcptilien. Schemata.
A Körnerschuppen, B Schilder, C Schindelschuppen, D do. mit Verknöcherungen, h Horn-
schiebt, * Schlcimschicht der Oberhaut, l Lederhaut, o Knochonplättchen. — Orig.
meisten Schuppen sind aber hinten in eine Kante ausgezogen, welche
den vorderen Theil der folgenden dachziegelartig überdeckt: eigent-
liche Schuppen oder Schindelschuppen; wenn solche, wie an
viermal so viel als das frisch abgelegte Ei wiegt. Dies ist wahrscheinlich zum
grossen Theil die Folge einer Wasseraufnahme aus der Umgebung, vielleicht saugt
aber ausserdem der Embryo ein Secret aus den Hautdrüsen des Mutterthieres auf.
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Wirbelthierc 4. Classe: Kricchthiere.
427
der Unterseite des Rumpfes bei den Schlangen, bedeutend breiter
als lang sind, bezeichnet man sie als Schienen. Nicht selten sind
die Schuppen zu kürzeren oder längeren Stachelschuppen ent-
wickelt, so bei manchen Erdleguanen, auf dem Rücken gewisser Baum-
leguane etc. Die Schuppen, besonders die Schindelschuppen, sind
häufig längs der Mitte mit einem feinen Längskiel versehen (z. B. bei
vielen Schlangen). Nicht selten finden sich Verknöcherungen
in der Lederhaut; so ist z. B. in jeder Schuppe bei der Blindschleiche
eine kleine knöcherne Platte vorhanden; bei den Krokodilen finden
sich ähnliche, aber grössere Platten in der Lederhaut, und bei den
Schildkröten haben sich in der Haut sehr grosse Knochenplatten
entwickelt, welche oft durch Nähte mit einander verbunden sind und so
eine zusammenhängende Knochenkapsel um einen Theil des Thieres
bilden; ihre Grenzen entsprechen übrigens bei den Schildkröten nicht
den Furchen zwischen den Schildern. Hautdrüsen sind bei den
Reptilien nur spärlich entwickelt; es findet sich jedoch z. B. bei
manchen Sauriem eine Reihe grösserer Drüsen am Schenkel (ihre
Oeffnungen werden als Schenkelporen bezeichnet) oder vor dem After
(Analporen); auch bei den Krokodilen und manchen Schildkröten
sind grössere Hautdrüsen vorhanden. — Die Pinger und Zehen sind
im Gegensatz zu denen der Amphibien mit Krallen ausgerüstet,
eigenthümlichen Horngebilden, welche dütenförmig das äusserste
Zehenglied umgeben; sie nehmen nicht an den Häutungen Theil,
wachsen allmählich von innen und werden gleichzeitig an der Spitze
und der übrigen Oberfläche abgenutzt.
Das Skelet enthält bei dem ausgebildeten Thier nur eine ge-
ringe Menge Knorpel, besteht ganz überwiegend aus Knochengewebe.
Die Chorda ist gewöhnlich beim erwachsenen Thiere ganz verschwunden ;
nur bei den Geckonen bleibt sie als ein zusammenhängender Strang
durch die ganze Länge der Wirbelsäule hindurch bestehen *). Die
"Wirbelkörper sind im Allgemeinen durch Gelenke mit einander
verbunden; sie sind in der Regel vorne concav, hinten convex (procöl);
bei den Krokodilen sind knorpelige Scheiben zwischen die Wirbelkörper
eingeschoben. Es sind deutliche Gelenkfortsätze vorhanden ; bei den
Schlangen und einigen Sauriern (Leguanen) entspringt ausserdem vom
vordersten Theil jedes Bogens ein unpaariger, mit zwei Gelenkflächen
versehener Fortsatz, welcher in eine Vertiefung am vorhergehenden
"Wirbel hineinpasst, wodurch die Verbindung noch mehr befestigt
wird8). Die Wirbelsäule sondert sich in der Regel in mehr Ab-
schnitte als bei den Lurchen: wir haben zuerst eine verschiedene
Anzahl Halswirbel, rippenlos oder mit kurzen Rippen; dann eine
Anzahl mit längeren Rippen versehener Brustwirbel, auf welche
oft einige rippenlose Lendenwirbel folgen, dann die B ecken -
wir bei, meistens zwei, an deren Querfortsätzen das Becken be-
festigt ist (seltener, besonders bei gewissen ausgestorbenen Reptilien,
ist eine grössere Anzahl Beckenwirbel vorhanden); endlich eine An-
*) Bei jungen Eidechsen u. a. findet man noch in die Wirbelkörper einge-
schlossen bedeutende Theile der Chorda, welche aber später verschwinden.
*) Querfortsätze sind besonders bei den Krokodilen stark entwickelt, welche
an den meisten Wirbeln grosse Querfortsätze besitzen, während solche sonst am
stärksten am Schwanz entwickelt sind. Häufig (z. B. bei den Schlangen) findet sich
an mehr oder weniger zahlreichen Wirbeln ein unpaariger, von der Unterseite des
Wirbelkörpers entspringender Fortsatz (unterer Dornfortsatz).
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428
Speoieller Theil.
zahl Schwan z wir bei *) (ohne Rippen). Bei den Schlangen hat
jedoch das Fehlen von Gliedmaassen zur Folge, dass die genannte
Sonderung wegfallt; bei ihnen tragen sämmtliche Hals- und Rumpf-
wirbel mit Ausnahme des allerersten ausgebildete Rippen, keine Wirbel
sind als Becken wirbel entwickelt, und man kann somit bei dieser
Gruppe nur Rumpf- und Schwanzwirbel unterscheiden. Von den Hals-
wirbeln der Reptilien sind die beiden ersten, Atlas und Epistro-
pheus, eigenartig ausgebildet (vergl. Fig. 337). Der Körper des ersten
Wirbels ist von diesem gesondert und mit dem des zweiten Wirbels
verwachsen, an dessen vorderem Ende er als ein vorragender Fortsatz
sitzt ; der vordere Wirbel besteht somit blos aus dem Bogen, welcher
unten durch eine Knochenplatte vervollständigt ist, so dass er ring-
förmig erscheint; in den unteren Theil des Ringes ragt der Fortsatz
des Epistropheus hinein, während das Rückenmark durch den oberen,
vom Fortsatz durch ein quer ausgespanntes bindegewebiges Band ge-
trennten Theil geht. Die Rippen der Brustwirbel zerfallen in je einen
oberen, knöchernen, und einen unteren, oft knorpeligen, Abschnitt,
welch letzterer zuweilen (z. B. bei den Krokodilen) wieder in zwei
Stücke getheilt ist; von dem oberen Stück entspringt zuweilen,
namentlich bei den Krokodilen, ein plattenförmiger , nach hinten ge-
richteter Fortsatz. Von den Brustrippen heften die vorderen (echte
Rippen) sich bei den Sauriern und Krokodilen (und manchen ausge-
storbenen Reptilien) an das Brustbein, die hinteren (unechte R.) enden
frei; da ein Brustbein bei den Schildkröten und Schlangen fehlt,
kommt hier ein solcher Unterschied nicht zum Vorschein. Bei den
Schildkröten sind die Rippen mit Theilen des Hautskelets verwachsen.
Bei den Krokodilen finden sich an allen Halswirbeln kleine Rippen,
welche sich grösstenteils ebenso wie die Brustrippen mit je zwei
Aesten an den Wirbel heften; auch bei den Sauriern können ähn-
liche vorhanden sein (jedoch nicht am Atlas). Die hinteren Hals-
rippen werden allmählich länger, so dass ein allmählicher Uebergang
von Hals- zu Brustwirbeln besteht *). An der Unterseite der Schwanz-
wirbel, zwischen je zwei Wirbeln, sind bei Sauriern und Krokodilen
unpaarige, gabelige, mit den Wirbeln nicht verwachsene Knochen,
die V-förmigen Knochen (untere Bögen), vorhanden. — Das
Brustbein (Fig. 300), welches bei Schildkröten und Schlangen
fehlt, ist gewöhnlich ein kurzer, rhombischer, knorpeliger oder theil-
weise verknöcherter Skelettheil, welcher sich zuweilen (z. B. bei den
Krokodilen) hinten in einen ziemlich langen, schmalen Theil fortsetzt;
mit dem Brustbein ist vorne ein platter länglicher Deckknochen ver-
bunden, das Vorderbrustbein (Episternum), welches das Brustbein
theilweise von unten her bedeckt und an seinem vorderen Ende oft
in zwei Fortsätze, einen nach jeder Seite, ausgezogen ist.
Der Schädel, welcher grösstentheils aus Knochen besteht, ist bei
manchen Reptilien zwischen den Augenhöhlen zu einer senk-
') Die meisten Saurier haben die Eigentümlichkeit, dass der Schwanz sehr
leicht zerbricht, was darauf beruht, dass Bich mitten in jedem Schwanzwirbelkörper
eine unverkalkte Querscheibe findet. Nach dem Bruch regenerirt sich der Schwanz.
*) In der Bauchwand findet sich bei den Krokodilen eine Anzahl schmaler
Hautknochen, die sogen, ßauohrippen, welche nicht mit wirklichen Rippen zu
verwechseln sind; sie stehen in keiner Verbindung mit den Wirbeln und bestehen
nicht wie die Rippen anfänglich aus Knorpel, sondern entwickeln sich im Binde-
gewebe.
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Wirbelthiere. 4. Classe: Kriechthiere.
429
rechten, knorpeligen oder sogar theilweise blos aus fibrösem Bindegewebe
gebildeten Platte (der Interorbital- oder Augenhöhlenplatte) zusammen-
gedrückt; in dem hinter dieser Platte liegenden Abschnitt des Schädels
1 2 3 4
fig. 296. / und 3 Schädel eine» Sauriers (Varans) von oben und von unten. —
2 und 4 Schftdel eines Krokodils, ebenso.
Gemeimsame Bezeichnung: C Oelenkhöcker , Ch hinteres Nasenloch, co Säulenbein,
E Oeffhung der Ohrtrompeten, Fr Stirnbein, Ju .Jochbein, /, Thrttnenbein, Mx Oberkieferbein,
Ha Nasenbein, Ob unteres, Ol seitliches, 0$ oberes Hinterhauptsbein, Pa Scheitelbein, Pal
Gaumenbein, Pf Hinterstirnbein, PrJ Vorderstimbein, Pt Flugelbein, Px Zwischcnkieferbein,
O Quadratbein, Q' und Qj Quadratjochboin, 8pb hinteres Keilbein, Sq Schuppenbein, 7V Quer-
bein, Vo Vomer. — Nach Gegenbaur.
hat das Gehirn seinen Platz, in dem Abschnitt vor derselben die
Geruchsorgane. Die Zwischen-1) und Oberkieferbeine sind
gewöhnlich fest mit dem Schädel verbunden; ferner schliessen sich
an denselben die an der Stelle des Gaumenknorpels (PalatoquadrcUum)
gebildeten Knochen an, nämlich zuhinterst das wohl entwickelte,
die Gelenk fläche für den ganzen Unterkiefer tragende Quadratbein,
vor diesem das Flügelbein und zuvorderst das Gaumenbein;
die beiden letzteren Knochen erstrecken sich als eine Knochenbrücke
vom Quadratbein nach vorne, innerhalb der grossen Oberkieferbeine.
Merkwürdig ist die ausserordentliche Beweglichkeit, welche die
Gaumen - Flügel - Quadratbein - Partie und der mit dieser verbundene
Oberkiefer bei den Schlangen besitzt; das Quadratbein ist auch bei
den Sauriern etwas beweglich, ganz unbeweglich bei Krokodilen und
') Bei den Schlangen und manchen Sauriern sind beide Zwischenkiefer zu
einem verschmolzen.
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430
Specieller Thett.
Fig. 297.
Saurier*. c
eines
Zungenbein
Körper (Copula) , h
Zungenbeiubogen, brl erster Kienien-
— Nach Walter.
Schildkröten, bei welchen Gruppen auch die Gaumen-, Flügel- und
Oberkieferbeine vollkommen unbeweglich sind. Es findet sich nur
ein Gelenkhöcker zur Verbindung
mit der Wirbelsäule unterhalb des
Hinterhauptsloches. Der Unterkiefer
besteht jederseits aus mehreren Kno-
chen, von welchen der vorderste zu-
weilen mit dem entsprechenden der
anderen Seite vorne verwächst (Schild-
kröten). Das Zungenbein, d. h. das
Visceralskelet mit Ausnahme des 1. Vis-
ceralbogens (des Quadrat-, Flügel- und
Gaumenbeines und des Unterkiefers),
besteht bei Schildkröten und Sauriern
aus einem unpaaren Theil, dem Körper,
(den Copulae der Fische entsprechend),
und zwei Paar Z ungenbeinhörnern,
welche den Zungenbeinbogen, resp. dem
l.Kiemenbogen der Fische entsprechen1);
bei den Krokodilen und Schlangen findet
sich nur ein Paar Hörner, bei der letzt-
genannten Gruppe ist das ganze Zungenbein sehr schwach ent-
wickelt.
Die wichtigsten Knochen des Reptilienschädels ausser den schon ge-
nannten Bind folgende: Die Hinterhauptsbeine, nämlich je ein un-
paariges oberes und unteres und zwei seitliche; sie umgeben das Hinter-
hauptaloch. Das Felsenbein, vor dem seitlichen Hinterhauptsbein. Das
Schuppenbein (Squamosuvi), in der Nähe der genannten, ragt bei den
Schlangen stark hervor; es verbindet sich mit dem Quadratbein. Das
Hinterkeilbein (Ikuruphenoid), vor dem unteren Hinterhauptsbein, ebenso
wie dieses eine Yerknöcherung in der unteren Wand des Schädels. Ein
Parasphenoid ist nicht deutlich entwickelt (vergl. Fische und Am-
phibien). Die vordere Wand der Schädelhöhle ist oft unverknöchert, häutig,
zuweilen mit einzelnen Yerknöcherungen. Oben findet sich eine Anzahl
Knochen: die Scheitelbeine, welche bei den meisten (Schlangen, Sau-
riern, Krokodilen) zu einem unpaarigen Knochen verschmolzen sind; die
Stirnbeine, bei Krokodilen und manchen Sauriern ein unpaariger Knochen ;
die Hinter Stirnbeine am Hinterrand der Augenhöhle; die Vorder-
stirnbeine am Vorderrand derselben; die Thränenbeine unterhalb
der letzteren (nur bei Sauriern und Krokodilen vorhanden); die Nasen-
beine hinter den äusseren Nasenlöchern. Unterhalb der Augenhöhle,
hinter den Oberkieferbeinen, liegt gewöhnlich ein Jochbein, und von
diesem zum Quadratbein erstreckt sich das Quadrat-Jochbein {Qttadrato-
jugale). An der Unterseite findet sich vor den Gaumenbeinen ein paariger
oder unpaariger Vom er. Vom Flügelbein zum Oberkieferbein geht bei
Krokodilen, Sauriern und Schlangen ein den Reptilien eigenthümlicher
Knochen, das Querbein (Transversitm). Bei manchen Sauriern findet sich
noch ein anderer eigenthümlicher Knochen, das Säulen be in (ColumeUa),
welches ungefähr senkrecht vom Scheitelbeine zum Flügelbein geht.
Der Schultergürtel der Reptilien schliesst sich eng an den
*) Bei einigen Sauriern lassen sich noch Spuren eines dem 2. Kiemenbogen
entsprechenden Hörnerpaares nachweisen.
Wirbelthiere. 4. Claaae: Kriechthiere.
431
der Amphibien an. Wir finden denselben bei den Sauriern, welche
wir zunächst betrachten, jederseits durch eine etwas gebogene, grössten-
Fig. 298. Linke Hälfte des Schädel« von Boa conntrietor , von der Seite (und etwas
vtin oben) gesehen. — Orig.
Fig. 299. Do. von einer grossen Grubenotter (Cratpedocephalu* atrox), ebenso.
— Orig.
Gemeinsame Bezeichnung: Fr Stirnbein, A IIGrknöchelchen, Mx Oberkieferbein. .V Nasen-
bein* O» oberes Hinterhauptsbein, Pa Scheitelbein, Pul Gaumenbein, Pt Felsenbein, Pf Iiiuter-
stirnbein, Prf Vorderstirnbein, Pt FlUgelbein. Px Zwischeukieferbein, Q Quadratbein, 8u
Schuppenbein, Tr Querbein. /, 2, 3 Unterkieferknochen.
theils verknöcherte Platte repräsentirt, welche unten in den Vorder-
rand des Brustbeins eingefalzt ist. Man unterscheidet ein Schulter-
blatt oberhalb der Gelenkpfanne für das Oberarmbein, und ein
Coracoid unterhalb derselben; letzteres ist in der Regel durch ein
oder zwei grosse Löcher in 2, resp. 3 Abschnitte getheilt. Das Schulter-
blatt zerfällt in einen oberen und einen unteren Abschnitt, von welchen
jener aus verkalktem Knorpel, dieser aus Knochen besteht; das Coracoid
ist fast vollständig verknöchert, durch eine Naht mit dem Schulter-
blatt verbunden. Ein Schlüsselbein geht vom Schulterblatt zum
Vorderbrustbein. Bei den Krokodilen ist das Schulterblatt zum
grössten Theil verknöchert (nur der obere Rand knorpelig), und das
Coracoid ist ein einfacher Knochen ; das Schlüsselbein fehlt. Bei
den Schildkröten ist das Coracoid wie bei den Sauriern in ein
vorderes und ein hinteres Stück getheilt, welche hier ganz von ein-
ander getrennt sind; jenes, das vordere Coracoid, ist mit dem Schulter-
blatt, mit welchem es unter einem rechten "Winkel zusammentrifft,
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432
Specteller Theil.
verwachsen, letzteres (hinteres Coracoid) ist ein selbständiger Knochen.
Bei den Schlangen fehlt der Schultergürtel ganz. — Die Vorder-
gliedmaassen betreffend
ist zu bemerken, dass die Elle
der kräftigere der beiden Un-
terarmknochen ist. Bei den
Schildkröten sind in der Hand-
wurzel die neun ursprünglichen
Knochen vorhanden (zuweilen
sind allerdings einige ver-
wachsen); auch bei den Sau-
riern ist die Handwurzel nur
wenig verändert, während sie
bei den Krokodilen sich da-
durch auszeichnet, dass die
beiden Knochen der proxi-
malen Reihe sehr gross, an-
dere dagegen verschmolzen
oder rückgebildet sind. An
die Handwurzel schliesst sich
Fig. 300. Brustbein und linke Hälfte des ,.. n ja -a.
Schultergurtels einer Eidechse, cl Schlüssel- häufig an der AuSSenseite ein
Dein, eo hinterer, <V vorderer Tbeil de« Üoracoids, Sesamknochen, das Erbs en-
gl Vorderbrustbein, r Rippe, *r und «<•' unterer und b e i n ( Pisiforme ). Die Anzahl
oberer Theil des Schulterblattes. *< Brustbein. — der ]«Wer jgt {n <Jer Regel
Nach Gegenbaur. r , ° , . °
5, kann aber eine geringere
sein; die Anzahl der Finger-
glieder ist eine verschiedene; bei den Sauriern finden wir meistens
folgende Zahlen: 2 im Daumen, 3 im zweiten, 4 im dritten, 5
vierten, 3 im fünften Finger.
Fig. 801.
Fig. 802.
Fig. 308.
Fig. 301. Handwurzel einer Seeschildkrote. U unterer Theil der Elle, R der
Speiche, u Ulnare, t Intermedium, r Radiale, c Centrale, / — S Carpale Nr. 1 — 6; s Erbsen-
bein; / — V Mittelhaudknochen. — Nach Gegenbaur.
Fig. 802. Handwurzel einer Eidechse (Lacerta affilis). — Nach Gegenbaur, verändert.
Fig. 303. Unke Hälfte des Beckens eines Saurier s(Varans). Jl Dannbein, « dessen
hintere« Ende, J» Sitzbein, P Schambein, l Gelenkpfanne. — Nach Gegenbaur.
Das Becken ist jederseits aus 3 Knochen zusammengesetzt, in-
dem der untere Theil des ßeckengürtels bei den Reptilien stets in
ein vorderes und ein hinteres Stück gesondert ist, welche jedes für
sich verknöchern: Schambein und Sitzbein; sie sind durch eine
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Wirbelthiere. 4. Classe: Kriechthiere.
433
grosse Oeflfnung von einander getrennt und verbinden sich unten in
der Mittellinie mit denen der anderen Seite. Das Darmbein und die
beiden genannten Knochen bilden gewöhnlich je einen Theil der
Gelenkpfanne für das Schenkelbein; bei den Krokodilen ist jedoch
das Schambein aus der Gelenkpfanne hinausgedrängt, letztere wird
also hier nur von dem Darmbein und dem Sitzbein gebildet1). Bei
den Schlaugen fehlt in der Regel ein Becken ganz, selten sind Rudi-
mente desselben vorhanden (bei den mit rudimentären Hinterbeinen
versehenen Riesenschlangen). — In der Fusswurzel der Hinter-
gliedmaassen sind immer einige Knochen mit einander verschmolzen;
wichtig ist es, dass die obere Reihe der Fusswurzelknochen (mit welcher
auch das Centrale verbunden ist) in der Regel eng mit dem unteren
Ende des Unterschenkels verbunden ist und die Bewegung in der
Fusswurzel wesentlich zwischen der oberen und der unteren Reihe
von Fusswurzelknochen stattfindet, während nur eine geringe oder
gar keine Beweglichkeit zwischen dem Unterschenkel und der oberen
Reihe besteht (vergl. die Säugethiere).2) Für die Zehen gilt wesent-
lich dasselbe wie für die Finger; es sind gewöhnlich deren 5 vorhan-
den, die Anzahl der Glieder ist verschieden, bei den Sauriern, wenn
wir vom Daumen ausgehen, gewöhnlich 2, 3, 4, 5, 4.
Das Gehirn ist bei den A „
Reptilien gewöhnlich ziemlich klein.
Bei einigen, besonders bei den
Krokodilen, erreicht das V o r d e r-
h i r n (das Grosshirn) eine ver-
hältnissmässig bedeutende Ent-
wicklung, ebenso wie auch das
Hinterhirn (Kleinhirn), wel-
ches bei Sauriem und Schlangen
einen schmalen Wulst vor dem
Nachhirn bildet, bei den Kroko-
dilen eine ansehnliche Grösse er-
reicht.
Die Geruchsorgane, die
Nasenhöhlen, nehmen das vordere
Ende des Kopfes ein und sind
durch die Nasenscheidewand von
einander getrennt. Jede Nasen-
höhle ist ein ziemlich geräumiger
Hohlraum, welcher gewöhnlich mit flg. 304. Gehirn einer Eidechse von
einer grossen , Vorspringenden ob«» (A) und von unten (B). I Riechkolben,
Falte, der Nasenmuschel, / y°r?er-' 7 Mi"cl-> b 1Iinter-' e Nachhim,
versehen ist- die äusseren Nasen- r\R*ok*nmark' 1 Seh»"v. ' »«manhang. In
versenen isi, uie äusseren xsasen- A ^icht man Vür dem Milteihiru die ulltere
löcher 8ind klein, die inneren 1'artie der Zirbel. - Nach T. Jeffery Parker.
öffnen sich gewöhnlich weit vorne
in die Mundhöhle und setzen sich oft in eine Rinne au der Decke
der Mundhöhle fort; bei den Krokodilen ist diese Rinne zu einer
Röhre geworden, indem die Ränder zusammengebogen und ver-
8 449
') Ueber die abweichenden Beckenformen der fossilen Dinosaurier vergl. unten
*) Von spezielleren Verhältnissen können wir anführen, dass derjenige Knochen
der proximalen Reihe, welcher dem Fersenbein der Säugethiere entspricht, bei
den Krokodilen mit einem ähnlichen Fortsatz (der Ferse) wie bei diesen veraehen iat.
Bo»i, Zoologie. 28
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4S4 Spezieller Theil.
wachsen sind ; diese Röhre, welche sich weit hinten in die Mundhöhle
öffnet, ist von unten her von Theilen der Oberkiefer-, Gaumen- und
Flügelbeine bedeckt.
Das Auge. In der gewöhnlich theilweise knorpeligen Sehnen-
haut findet sich bei Sauriern und Schildkröten (nicht aber bei Schlan-
gen und Krokodilen) vorne, an der Grenze der Hornhaut, ein Kranz
von dünnen Kn och enp lättchen. An der Eintrittsstelle des Seh-
nerven entspringt hei den Sauriern von der inneren Wand des Aug-
apfels ein frei in den Glaskörper hineinragender Fortsatz, dem Kamm
(Pecten) der Vögel entsprechend; er fehlt oder ist rudimentär bei den
übrigen. — Es ist ein oberes oder ein unteres Augenlid vorhanden,
von welchen jenes nur wenig beweglich ist, während das untere (ähn-
A B
Fig. 805. A Senkrechter Durchschnitt des Auges und der Augenlider eine« ge-
wöhnlichen Sauriers, Ii do. eine» Geckos; beide schematisirt. n unteres, o oberes Augenlid
b augenbrauenahnliche Kaute oberhalb des Auges, oc Augapfel (in Umritt). Die HornhaiK
ist durch eine stärkere Linie angedeutet. — Orig.
lieh wie bei den Amphibien) vor das Auge hinaufgeschoben werden kann.
Das untere Augenlid ist in der Mitte oft etwas durchscheinend (z.B. bei
den gewöhnlichen Eidechsen), bei gewissen anderen Sauriern sogar gauz
durchsichtig. Bei den Geckonen und einzelnen anderen Sauriern
und bei den Schlangen ist das untere Augenlid ebenfalls durch-
sichtig, ausserdem aber stets vor das Auge hinaufgezogen und mit
seinem oberen Rand an dem oberen Augenlid festgewachsen, so dass
bei diesen Thieren ein geschlossener Raum vor dem Auge liegt;
scheinbar können diese Thiere das Auge nicht „schliessen", indem das
durchsichtige Augenlid eine Hornhaut vortäuscht, thatsächlich ist das
Auge stets geschlossen. Eine Nick haut ist gewöhnlich vorhanden.
Ebenso finden sich sowohl Thränendrüse als Harder'sche Drüse und
ein Thränenkanal. — Ueber das Scheitelauge vergl. S. 352.
Gehörorgan. Der Schneckengang steht bei den meisten
Reptilien auf einer ähnlichen niederen Stufe wie bei Fischen und
Amphibien, indem er nur eine wenig hervortretende Ausstülpung dar-
stellt; bei den Krokodilen erreicht er dagegen eine weit bedeutendere
Entwicklung als ein recht ansehnlicher, am Ende geschlossener Schlauch.
An demjenigen Theil der äusseren Wand des Schädels, welcher nach
aussen vom Schneckengange liegt, ist bei den Reptilien eine mit Binde-
gewebe ausgefüllte Oeffnung vorhanden, das runde Fenster (Fenestra
rotunda); ausserhalb des Vorhofs findet sich ebenso wie bei den Ara-
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Wirbelthiere. 4. Classe: Kriechthiere.
435
phibien ein ovales Fenster, von der Platte des Hörknöchelchens
geschlossen. — Gewöhnlich findet sich eine Paukenhöhle, welche
gegen die Oberfläche durch ein Trommelfell1) geschlossen ist ;
letzteres liegt etwas vertieft, nicht wie bei den Amphibien in dem-
selben Niveau wie die übrige Haut. Die Paukenhöhle steht bei den
Sauriern ähnlich wie bei den Amphibien in weit offener Verbindung
mit der Mundhöhle ; dagegen ist sie bei Schildkröten und Krokodilen
durch einen engeren Kanal, die Ohrtrompete (Tuba Eustachi i), mit
dieser verbunden. Die Krokodile haben die Eigenthümlichkeit, dass
die Paukenhöhle mit Lufthöhlen in der Wand des Schädels in Ver-
bindung steht, und dass beide Ohrtrompeten mit einer gemeinsamen
unpaaren Oeffnung in die Mundhöhle (nicht weit hinter den inneren
Nasenlöchern) einmünden. Bei den Schlangen und einzelnen anderen
fehlen Paukenhöhle und Trommelfell ganz. Ein demjenigen der Am-
phibien ähnlicher Gehörknochen ist stets vorhanden; er schliesst
mit seiner Platte das ovale Fenster und heftet sich, wenn ein Trommel-
fell vorhanden ist, mit dem anderen Ende an letzteres an. — Ein
„äusseres Ohr" ist bei den Krokodilen in Form einer Klappe, einer
Hautfalte, vorhanden, welche das Trommelfell aussen überdeckt.
Fig. SOG. Stück des Oberkiefers eines Sauriers (Iguaua), von der Innenseite gesehen;
Weichtheile entfernt, k der Kieferknochen, an dessen innerer Seite die Zähne durch eine
poröse Knochcnmasso, t>, festgekittet sind. 7"— 7'1 drei Zilhne , welche im Begriffe stehen
auszufallen, und deren unteres Ende mehr oder weniger resorbirt ist ('/'' um wenigsten, 7'' am
meisten); f1 — /* die entsprechenden, uoch nicht vollständig entwickelten Ersatzzuhne. — Orig.
Zähne finden sich bei den meisten Reptilien an den Zwischen- und
Oberkieferbeinen und am Unterkiefer, bei den Schlangen (deren kleiner
Zwischenkiefer gewöhnlich zahnlos ist) und den Sauriern ausserdem
oft an den Gaumen- und Fliigelbeinen, während den Schildkröten Zähne
ganz abgehen. Die Zähne sind in der Regel durch Knochenmasse an
die Knochen befestigt; nur bei den Krokodilen sitzen sie, in die
Knochen eingekeilt, in Zahnhöhlen. Neue Zähne werden das ganze
Lieben hindurch zum Ersatz der älteren gebildet; letztere fallen aus,
indem die Knochenmasse, welche dieselben mit den Knochen verbindet,
mit den unteren Theilen des Zahnes zusammen aufgelöst (resorbirt)
wird. Die Zähne haben gewöhnlich eine einfache Form; meistens sind
') Bei den Chamäleonen ist eine Paukenhöhle vorhanden, welche aber nach
ausaen von einer der übrigen Haut ganz ähnlichen Hautpartie geschlossen ist (ein
besonders ausgebildetes Trommelfell fehlt).
88*
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430
Specieller Tlieil.
sie kegelförmig, zuweilen ist der äusserste Theil zusammengedrückt
und gezackt, zuweilen sind die Zähne höckerförmig etc. Alle Zähne
eines Thieres sind gewöhnlich wesentlich gleichgebildet. (Ueber den Gift»
zahn der Schlangen vergl. S. 442 und Fig. 309.) — Die hinten angeheftete,
vorne freie Zunge ist sehr verschieden; bei den Krokodilen und Schild-
kröten ist sie nur wenig beweglich, mit einer kurzen Spitze versehen
und nicht aus dem Munde vorstreckbar, während sie bei den Sauriern
eine längere, oft sehr lange und gespaltene freie Spitze besitzt; auch
bei den Schlangen ist die Zunge lang, schmal und gespalten und kann
weit aus dem Munde hervorgestreckt werden. Bei den Schlangen und
einem Theil der Saurier kann die Zunge in eine Scheide im Boden
der Mundhöhle zurückgezogen werden. (Ueber die eigentümliche
Zunge der Chamäleonen vergl. diese.) — Die Speiseröhre, welche
eine ansehnliche Länge besitzt, ist stets sehr erweiterungsfähig. Der
Magen der Krokodile ist sehr musculös, jederseits mit einer Sehnen-
scheibe versehen, an welche die Muskelzellen sich anheften; er erinnert
an den Muskelmagen der Vögel. Der Dünndarm ist von verschiedener
Länge, der Enddarm kurz.
Athmungsorgane. Die Luftröhre der Reptilien ist ver-
längert und ihre Wand von Knorpelringen gestützt. Der vorderste
Theil, der Kehlkopf, ist mit besonderen
Knorpelstücken versehen, und bei einigen Sau-
riern (Geckonen, Chamäleonen) sowie bei den
Krokodilen, nicht aber bei den übrigen, besitzt
er ein Paar Stimmbänder. Der Eingang aus
der Mundhöhle in den Kehlkopf ist eine Längs-
spalte hinter der Zunge. Am hinteren Ende
theilt sich die Luftröhre in zwei Stammäste
(Bronchi), einen für jede Lunge. — Die Lungen
selbst sind bei verschiedenen Reptilien ziemlich
verschieden. Bei manchen Sauriern (Fig. 307)
ist jede Lunge ein Sack mit einem geräumigen
Hohlraum, und ihre Wand ist inwendig mit
netzförmig geordneten, vorspringenden Falten
versehen, welche kleine, in den Haupthohlraum
sich öffnende Räume begrenzen ; in jedem solchen
Raum finden sich wieder niedrigere Falten —
also ähnliche Verhältnisse wie bei den Frosch-
lurchen. Bei den Schildkröten finden wir eine
weitere Entwicklung ; der centrale Hohlraum ist
hier eng und erscheint mehr als eine Fortsetzung des Stammastes der
Luftröhre, und in diesen röhrenförmigen Hohlraum öffnen sich tiefe
Säcke mit kleinen Ausstülpungen; die tiefen Säcke entsprechen den
kleinen Räumen an der Wand der Saurierlunge, ihre Ausstülpungen
den Unterabtheilungen der letzteren. Einen ähnlichen Bau der Lunge
findet man auch bei den Krokodilen. Von specielleren Verhältnissen
führen wir an, dass die Lungen der langgestreckten gliedmaassen-
losen Saurier (z.B. der Blindschleiche) von ungleicher Länge sind,
die rechte ist die längste. Auch bei den Schlangen ist die rechte
Lunge die grösste, in der Regel ist bei ihnen sogar die linke Lunge
rudimentär oder fehlt ganz. Die Schlangen zeigen ferner die Eigen-
thümlichkeit, dass die Lunge, welche in ihrer vorderen Partie der-
jenigen der Saurier ähnlich ist, hinten ein glatter Sack ohne Falten
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Fig. 307. Lunge eines
Sauriern, der Lange
nach durchschnitten.
Wirbclthiere. 4. Claaee: Krieohthiere.
437
ist, welcher sogar sein Blut, nicht wie die übrige Lunge von der
Lungenarterie, sondern von einer der Körperarterien empfängt; dieser
Theil der Lunge ist offenbar für die Respiration ohne Bedeutung.
Die Chamäleonen sind dadurch ausgezeichnet, dass von der Lunge
fingerförmige, dünnwandige Säcke ausgehen, welche sich zwischen die
Eingeweide hinein erstrecken, und welche das Thier mit Luft füllen
kann, wodurch der Umfang des Körpers bedeutend vergrössert wird
(es bläht sich auf). — Die Einatjimung, die Luftaufnahme, findet
bei der Mehrzahl in der Weise statt, dass die Leibeshöhle durch ge-
wisse Bewegungen der Rippen erweitert wird, wodurch die Luft in
den elastischen Lungen verdünnt wird und Luft von aussen durch die
Nasenlöcher hineinströmt; die Ausathmung geschieht durch entgegen-
gesetzte Bewegungen der Rippen. Bei den Schildkröten, deren Rippen
unbeweglich sind, geschieht die Einathraung durch die Zusammen-
ziehung eines besonderen in der Leibeshöhle angebrachten zwerchfell-
artigen Muskels (vergl. die Säugethiere).
Bei den Krokodilen münden die inneren Nasenlöcher, wie vorhin er-
wähnt, weit hinten in die Mundhöhle. Am hintersten Theil der Zunge
findet sich eine hervorragende steife Querfalte, welche, wenn der Mund
geöffnet ist, sich gegen den Gaumen legt und den hintersten Theil der
Mundhöhle, in welchen die inneren Nasenlöcher
oben, die Luftröhre unten einmünden, ganz ab-
sperrt. In Folge dieser Einrichtung kann das
Thier mit geöffnetem Mund (auf Beute lauernd)
im Wasser liegen und, wenn nur die Schnauzen-
spitze mit den äusseren Nasenlöchern oberhalb
des Wassers ist, ruhig athmen.
Die Entwicklung eines* Halses hat zur
Folge, dass das Herz bei den Reptilien
weiter vom Kopf entfernt ist als bei den
Fischen und Amphibien. Der Vorhof
ist in eine grössere rechte und eine kleinere
linke Abtheilung getheilt, von welchen letz-
tere das Blut aus den Lungen aufnimmt,
während die rechte das Blut aus dem
übrigen Körper empfängt. Die Herz-
kammer zeigt gewöhnlich nur einen An-
fang zu einer Theilung in zwei, indem eine
unvollkommene Scheidewand ausgebildet
ist; nur bei den Krokodilen ist eine
rechte und eine linke Herzkammer vor-
handen, welche vollständig von einander
getrennt sind und mit dem rechten, resp.
dem linken Vorhof in Verbindung stehen,
SO daSS das arterielle Lungenblut Und das und der Arterien bögen bei einem
venöse Blut aus den Körpervenen innerhalb Krokodil, n rechter, a linker Vor-
des Herzens ganz getrennt sind. Der hüf- ' ,,nd r' r,ec',te "f1 lin,ke
H, , . ~ . , ... , kaimner. /. / die Larotideu (Ar-
erzkegel ist entweder rudimentär oder terienbögen Xr. l); 2, 2' rechter
fehlt ganz, 80 daS8 der Arterienstamm und liuker Aortenbogen (Arterien-
direkt von der Kammer entspringt. E8 bögen Nr. 2); c der dUnne Theil voll
sind dieselben drei Paar Arterien- 2'' n»d,,1«m fefr *
h-vr . „ 1 . 1 . j zum Darmkunal abgegeben hat; 4,
ogen, Nr. 1, 2 und 4, wie bei den r Langonarlerien (Artcrienbög.,,.
Froschlurchen (Fig. 255 C) vorhanden : nr. 4); «o Aorta. — orig.
Fig. 308. .Schema des Herzen»
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438
Specieller Theil.
von diesen setzt sieb das erste Paar in die Kopfarterien (Caro-
tiden) fort, die des zweiten Paares, die Aortenbögen, vereinigen
sich und bilden die Aorta, das letzte Paar setzt sieb in die Lungen-
arterien fort. Der Arterienstamm. von welcbem die Bögen ab-
gehen, ist nicht einheitlich (wie es bei den Fischen und theilweise bei
den Amphibien der Fall ist), sondern in drei Röhren getheilt, von
welchen eine sich in die Kopfarterien und in den Aortenbogen fort-
setzt, eine andere in den linken Aortenbogen, die dritte in die Lungen-
arterien; am Ursprünge einer jeden derselben aus der Herzkammer
findet sich eine Querreihe von Klappen. Die erstgenannte Röhre ent-
springt bei den Krokodilen von der linken Kammer, fuhrt also
arterielles Blut, während die beiden anderen von der rechten Kammer
entspringen, also venöses Blut führen. Die Folge dieser Anordnung
ist, dass der Kopf bei den Krokodilen mit rein arteriellem Blut ver-
sorgt wird, während die Aorta gemischtes Blut führt, indem sie durch
eine Vereinigung der beiden Aortenbögen gebildet wird, von welchen
der eine arterielles, der zweite venöses Blut enthält.
• Der grössere Theil des venösen Blutes im linken Aortenbogen bei den
Krokodilen geht übrigens an den Darmkanal durch ein Gefäss (m), welches
der Bogen abgiebt, ehe er sich mit dem rechten Aortenbogen vereinigt,
so dass das Blut in der Aorta überwiegend arteriell ist '). — Bei den
übrigen Reptilien, bei denen die Scheidewand der Herzkammer ganz
unvollständig ist, findet eine Mischung des Blutes schon im Herzen selbst
statt; bei ihnen ist andererseits durch verschiedene Verhältnisse dafür ge-
sorgt, dass die Mischung dennoch nicht so bedeutend wird, wie man er-
warten könnte. Der ganze Mechanismus ist aber zu complicirt, als dass
wir ihn hier einer näheren Betrachtung unterwerfen könnten.
Die Nieren sind etwas gestreckte, an der Oberfläche gefaltete
Organe, welche hinten in der Leibeshöhle liegen; die Hamkanälchen
besitzen keine offenen Trichter wie bei den Amphibien. Die Harn-
leiter öffnen sich getrennt in die Kloake (nicht in die Harnblase).
Eine Harnblase findet sich bei Sauriern und Schildkröten, fehlt
bei den Schlangen und Krokodilen; sie ist eine Ausstülpung der
ventralen Wand der Kloake2); die Oeffnungen der Harnleiter sind
nicht weit von ihrer Einmündungsstelle entfernt.
Die beiden Eierstöcke sind in reifem Zustande traubenförmig,
wegen der ansehnlichen Grösse der Eier; die Eileiter (Müller'sche
Gänge) sind nach dem gewöhnlichen Typus gebildet und münden ge-
trennt in die Kloake. Bei den Schlangen liegen, in Anpassung an
die gestreckte Körperform, die Eierstöcke nicht neben einander, sondern
einer vor dem anderen. — Die Hoden verbinden sich mittels eines
aus feinen Kanälchen zusammengesetzten Nebenhodens mit je einem
Samenleiter, welcher in die Kloake mündet. — Begattungs-
werkzeuge treten unter zwei gänzlich verschiedenen Formen auf.
Bei den Sauriern und Schlangen findet sich ein Paar Be-
gattungsorgane: jederseits, in unmittelbarer Nähe des Afters, ist eine
Oeffnung vorhanden, welche in einen Sack oder Schlauch hineinführt,
') Es findet sich übrigens bei den Krokodilen eine Oeffnung in der Scheide-
wand zwischen den beiden Gefässstämmen, welche sich in den rechten Aortenbogen
(-f- die Kopfarterien), resp. in don linken Aortenbogen fortsetzen; eine Mischung
des Blutes findet jedoch an dieser Stelle nur in sehr beschränktem Umfange statt.
*) Bei den Schildkröten öffnet sich in die Kloake ausser der unpaarigen Harn-
blase noch ein Paar ähnliche Säcke, deren Bedeutung unbekannt ist.
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Wirbelthiere. 4. Classe: Kriechthiere.
439
der sich unterhalb der Haut des Schwanzes nach hinten erstreckt
(ist als eine Einstülpung einer Hautpartie aufzufassen); dieser Sack
kann ausgestülpt werden und zeigt dann an der Oberfläche eine spiralige
Rinne, in welcher der Samen läuft, wenn das oft mit Stacheln oder
Falten ausgestattete Begattungsorgan in die weibliche Kloake ein-
geführt ist; ein Muskel, welcher sich an das Ende des Schlauches
heftet, zieht denselben wieder zurück. Bei den Krokodilen und
Schildkröten ist der Penis dagegen ein unpaariger, solider,
zungenähnlicher Körper, welcher an der ventralen Wand der Kloake
festgeheftet ist und durch den After hervorgeschoben werden kann;
er ist an seiner oberen Fläche mit einer Längsrinne für den Samen
versehen.
Die Eier der Reptilien sind von verhältnissmässig bedeutender
Grösse ; während ihrer Wanderung durch die Kloake werden sie vou
einer Eiweissmasse und einer kalkhaltigen Schale umgeben,
welche bei Sauriern und Schlangen gewöhnlich lederartig, zäh ist, bei
Schildkröten und Krokodilen fest und spröde wie eine Vogel-Eierschale.
Die Form der Schale ist gewöhnlich oval, seltener kugelig (letzteres
bei den meisten Schildkröten). Nicht wenige Schlangen und einige
Saurier behalten die Eier so lange in den Eileitern, dass sie lebendige
Junge gebären; den Eiern solcher Formen geht eine Schale übrigens
keineswegs ab, dieselbe wird aber bei der Geburt gesprengt. Die
E i f u r c h u n g ist partiell, der Nahrungsdotter sehr gross ; der Embryo
ist von Embryonalhüllen (vergl. S. 368) umgeben. Die neugeborenen
Jungen sind in der Hauptsache den Erwachsenen ähnlich.
Bei den ausgebildeten Embryonen von Schlangen und Sauriern findet
sich am oberen Kieferrand in der Mittellinie ein unpaarer vorstehender
Zahn (ein echter Zahn), welcher dazu verwendet wird, die Eischale durch-
zuschneiden („Eizahn").
Die Reptilien sind grösstenteils Landthiere; nicht ganz wenige
führen eine amphibische Lebensweise, indem sie sich theils im Wasser
(Süsswasser oder Meer), theils auf dem Lande aufhalten; die meisten
ernähren sich von Raub (Insekten . Wirbelthieren etc.). Sie sind in
den Tropen zahlreich, in den kälter gemässigten Ländern sparsam ver-
treten, fehlen in der kalten Zone. In früheren Perioden der Erd-
geschichte, in der mesozoischen Zeit, war die Abtheilung noch weit
reicher entfaltet und zum Theil durch riesigere Formen als heutzutage
vertreten.
Uebersicht der jetztlebenden Reptilien-Ordnungen.
1. Saurier. In der Regel mit Gliedmaassen.
Bewegliches Quadrat- Schuppen am Bauch. Unterkieferäste unbeweg-
bein. After eine Quer- I lieh verbunden.
spalte. Paarige Be- I 2. Schlangen. Ohne Gliedmaassen. Schienen
gattungswerkzeuge. am Bauch. Unterkieferäste durch ein elastisches
Band verbunden.
Quadratbein unbeweg- ( 3. Schildkröten. Zahnlos. Zusammenhän-
lich. After nicht eine | des Knochenscliild um den Rumpf.
Querspalte. Penis un- | 4. Krokodile. Zähne in Zahnhöhlen. Zwei
paarig. ' Herzkammern.
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440
Specieller Thcil.
1. Ordnung. Saurier (Sauria).
Bezüglich der Charaktere der Saurier ist die obenstehende Ueber-
sicht und die allgemeine Beschreibung der Reptilien zu vergleichen.
Von den zahlreichen Formen führen wir hier einige Beispiele an.
1. Die Eidechsen (Laccrta) haben einen langen runden Schwanz,
wohl entwickelte Gliedmaassen, kleine Schuppen auf dem Rücken, grössere,
in wenigen Längsreihen geordnete am Bauche ; Zunge wohl entwickelt,
gespalten. In Deutschland häufig sind die einander sehr ähnlichen L. agitis
und L. riri/nra (letztere lebendiggebärend), in den Rheingegenden ausserdem
auch die spitzschnauzige Mauereidechse (/>. »tu rate); selten ist die
mehr südliche, grosse Grüne Eidechse (L. riridis). — Verwandt sind
dieVarane (Varanus), grosse tropische (altweltliche) Saurier mit einer
sehr langen gespaltenen Zunge.
2. Die Leguane (fguanüiae) sind Saurier mit kleinen Schuppen und
einer dicken, kaum gespaltenen Zunge; manche sind mit Stacheln, Haat-
falten u. ähnl. ausgestattet. Sie zerfallen in zwei natürliche Gruppen, die
altweltlichen und die neuweltlichen L., jene acrodont (d. h. mit dem
Kiefer ran de angewachsenen Zähnen), letztere pleurodont (Zähne der
Innenseite der Kiefern angewachsen, Fig. 306). Innerhalb beider Gruppen
kommen mehr gestreckte, langbeinige, langschwänzige Formen, Baum-
leguane, und plumpe, abgeplattete, kurzschwänzige Formen, Erdleguane,
vor; zwischen Baum- und Erdleguane läset sich übrigens keine scharfe Grenze
ziehen, es giebt zahlreiche Zwischenformen. Eine eigentümliche Gattung
kleiner Baumleguane sind die Flugeidechsen oder Drachen (Draco
tvlans), deren unechte Rippen nicht den Rumpfseiten des Thieres an-
liegen, sondern nach aussen gerichtet sind und als Stützen für eine grosse,
als Fallschirm dienende Hautfalte jederseits fungiren ; Ostindien.
3. Die Blindschleiche (Atiguis fragilis) \%t ein gliedmaassenloser
Saurier mit langem Schwanz und beweglichen Augenlidern ; lebendig ge-
bärend, in Deutschland häufig. Sie gehört zur Familie der S k i n k e
(Scineoiilei), welche durch glatte, glänzende, angedrückte Schuppen und eine
kurze, abgeplattete Zunge ausgezeichnet sind ; innerhalb dieser Familie findet
man Formen mit wohlentwickelten Gliedmaassen und einem verhältniss-
massig kurzen Körper, Formen mit mehr oder weniger rückgebildeten
Gliedmaassen und einem mehr gestreckten Körper, und endlich ganz glied-
maassenloBe Arten wie die Blindschleiche. Die übrigen Arten gehören den
wärmeren Ländern an; einige derselben kommen schon in den Mittelmeer-
ländern vor.
4. Die Chamäleonen (Chamaeleo) bilden eine sehr eigentümliche
Sauriergruppe. Die Spalte zwischen den Augenlidern ist sehr eng, letztere
bedecken fast ganz die Aussenseite des Augapfels, mit welchem sie ver-
wachsen sind, und werden zugleich mit demselben bewegt. Die in eine
Scheide zurückziehbare Zunge ist keulenförmig, von bedeutender Länge und
kann weit aus dem Munde hervorgeschnellt werden. Die Finger und Zehen
eines jeden Fusses sind zu zwei Bündeln, jeder aus zwei oder drei Zehen
(Fingern) bestehend, verwachsen; die Zehen sind in jedem Bündel fast bis
an die Spitze verwachsen, dagegen bis an die Fusswurzel von dem andern
Bündel getrennt, und beide Bündel sind derartig gedreht, dass ßie wie
Aeste einer Zange gegen einander wirken können (werden zum Umgreifen
der Aeste benutzt). Körper zusammengedrückt, der Schwanz ein Wickel-
schwanz, Schuppen sehr klein. Bekannt ist das Vermögen der Chamäleonen,
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Wirbelthiere. 4. Claase: Kriechthiere.
441
ihre Farben zu wechseln. In wärmeren Ländern (besonders Afrika); eine
Art kommt schon in Andalusien vor.
5. Die Oeckonen (Ascalabotae) sind dadurch ausgezeichnet, dass die
Zehen an der Unterseite mit Haftscheiben versehen sind, und dass die
Augenlider sich wie bei den Schlangen verhalten (vergl. S. 434); es sind
in der Regel abgeplattete Thiere mit sehr kleinen Schuppen. In wärmeren
Ländern (schon in Südeuropa).
6. Die Ringelechsen (Gatt. Amphisbaena u. a.) sind kurzschwänzige,
sehr langgestreckte, cylindrische Saurier mit sehr kleinen Augen, gewöhn-
lich ganz gliedmaassenlos (oder nur mit kleinen Vorderbeinen) ; Schuppen
viereckig, nicht dachziegelartig, in Querringen angeordnet. Die Ringel-
echsen führen eine ähnliche Lebensweise wie die Coecilien. In wärmeren
Ländern (eine Art in Südeuropa).
2. Ordnung. Schlangen (Ophidia).
Die Schlangen , welche mit den Sauriern nahe verwandt sind, zeich-
nen sich aus: durch ihre Gliedmaasenlosigkeit (selten sind Rudimente
A B C D
Fig. 309. A Giftzahn einer Klapperschlange, von vorne und etwa» von aussen ;
Ii derselbe Zahn der Länge nach durchschliflen. C Giftzahn einer Br i 1 1 ens c h 1 a n ge , von
vorne und etwa» von aussen; D Querschnitt desselben. /•' Querschnitt des Giftzahncs einer
Klapperschlange. — / Furche, g Giftkanal, o obere, o' untere OefTnung des Giftkanals, p Pulpa-
höhle. — Orig.
der Hintergliedmaassen vorhanden), durch das vorhin (S. 434) erwähnte
Verhältniss der Augenlider, durch das Fehlen eines Trommelfelles
(und einer Paukenhöhle), durch den sehr langgestreckten Rumpf, den
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442
Specieller Thoil.
verhältnis8mä88ig kurzen Schwanz, dadurch dass die Bauchseite mit
breiten Schienen bedeckt ist, und dass die Unterkieferäste durch ein
elastisches Band verbunden sind, durch die grosse Beweglichkeit des
Quadratbeines und der ganzen Kiefer-Gaumenpartie, durch die lange
gespaltene Zunge. Von den gliedmaassenlosen Sauriern unterscheiden
die Schlangen sich stets durch den Besitz des elastischen Bandes, da-
durch dass ihnen ein Brustbein und eine Schulterpartie ganz abgeht
(von diesen Theilen sind bei den gliedmaassenlosen Sauriern wenigstens
Rudimente vorhanden), und durch das rudimentäre Zungenbein.
Vermöge der bedeutenden Erweiterungsfähigkeit der Mundhöhle —
welche auf der grossen Beweglichkeit der Kiefer und der Gaumen-
partie beruht — und des Fehlens eines Brustbeines sind die Schlangen
im Stande, sehr grosse Beute zu verschlingen ; sie nehmen nur in sehr
grossen Zwischenräumen (bis zu mehreren Monaten) Nahrung zu sich.
Einige sind mit grossen Giftzähnen versehen, welche sich dadurch
auszeichnen, dass sie an der Vorderseite mit einer tiefen Rinne ver-
sehen sind, deren Ränder an einander schliessen oder gar ver-
schmolzen sind; nur an der Basis des Zahnes und in der Nähe der
Spitze ist sie offen. Der Giftzahn — es ist zur Zeit immer jederseits
nur einer vorhanden — hat stets seineu Platz vorne im Oberkiefer-
bein, und die in seinen Kanal führende Oeffnung an der Basis steht
mit dem Ausführungsgang einer hinter dem Kopf liegenden Giftdrüse
in Verbindung, welche als eine umgebildete Mundhöhlendrüse auf-
zufassen ist. In der Schleimhaut der Mundhöhle dicht beim Giftzahn
findet man mehrere Ersatzzähne für denselben auf verschiedener Ent-
wicklungsstufe. Wenn der Zahn nicht benutzt wird, ist er von einer
Falte der Mundhaut bedeckt, aus welcher er durch eine Bewegung
des mit ihm unbeweglich verbundenen Oberkieferbeines hervortritt.
Bei einigen Giftschlangen (Vipern und Grubenottern) ist das Ober-
kieferbein sehr kurz und trägt keine anderen Zähne als den Giftzahn,
bei anderen (den Giftnattern) finden sich hinter dem Giftzahn noch
einige kleine, einfache Zähne im Oberkiefer. (Bei einem Theil der
ungiftigen Schlangen sind einer oder mehrere der hintersten Oberkiefer-
zähne an der Vorderseite mit einer oberflächlichen Längsfurche ver-
sehen: Furchenzähne.)
1. Unterordnung. Ungiftige Schlangen (Colubrina intwetm).
1 . Die Riesenschlangen ( Peropoda) besitzen Rudimente von
Hintergliedmaassen in Form eines kleinen krallenartigen Fortsatzes zu jeder
Seite des Afters. Hierzu gehören die grössten Schlangenformen. Als
Beispiele fuhren wir an: I*ylhon (bis ca. 10 m lang), mehrere Arten
in Asien und Afrika, das Weibchen brütet seine Eier aus (seine
Körperwärme steigt in der Brutzeit bedeutend über die der Umgebung).
Jha constrictor in Südamerika, bis ca. 6 m.
2. Von ungiftigen Schlangen findet man in Deutschland allgemein
verbreitet die Ringelnatter (Tropidonotus iiatrix), an den zwei grossen
gelben Flecken am Hinterkopfe leicht kenntlich, und die glatte Natter
(Coronella austriaca oder laevu) , kleiner, röthlichgrau. Selten und local
sind die Würfelnatter (Troj). tesselatm) und die Aesculapnatter
(Coluber Aescidapü), am Rhein etc. — Zahllose ungiftige Schlangen be-
wohnen die Tropen.
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Wirbelthiere. 4. Clnsse: Kriechthiere.
443
2. Unterordnung. Giftnattern (Colubrina venenosa).
Hinter dem Giftzahn finden sich noch einige kleinere Zähne. Gift-
zahn mit einer feinen Furche an der Vorderseite (vergl. Fig. 309 C—D).
1. Die Brillenschlange {Naja tripudians) kann die Körperhaut
hinter dem Kopfe zu einer breiten Scheibe ausbreiten , indem sie die vor*
dersten Rippen nach der Seite richtet ; an der Scheibe zeigt sich dann eine
brillenähnliche Figur. 2 m lang. Indien. — Die Korallenottern
(Efaps), roth und schwarz geringelt, kleiner, in Südamerika. Mehrere
andere Gattungen von Giftnattern in den wärmeren Ländern.
2. Die Seeschlangen (Gatt, llydrophis u. a.) zeichnen sich be-
sonders dadurch aus, dass der Schwanz stark zusammengedrückt und die
Bauchschienen sehr klein , schuppen artig sind. Zahlreiche Arten im In-
dischen und Grossen Ocean , gewöhnlich kleinere Thiere (selten länger als
die Ringelnatter, oft kleiner); ihr Biss gefährlich.
3. Unterordnung. VipeHnen (Viperina).
Der Giftzahn ist der einzige Zahn im Oberkieferbein; er besitzt
keine Furche an seiner Vorderseite. Kopf in der Regel hinten breit,
scharf vom Rumpfe abgesetzt.
1 . Die Kreuzotter
( Vipera bcrus) mit Zickzack-
binde längs der Rückenmitte.
Lebendiggebärend. Besonders
in Haidegegenden, in Deutsch-
land häufig. — Die etwas
grössere Sand viper ( Vipera
ammodyies) mit nach oben
gerichtetem Fortsatz der
8chnauzenspitze lebt in den
Mittelmeerländern , Oester-
reich, Südbayern.
2. Die Grubenottern
(Crotalülac) zeichnen sich durch
den Besitz einer tiefen Grube
jederseits zwischen dem Auge
und der Nasenöffnung aus.
B
Fig. ;t 1 0. A .Seh wAiizcnde einer K 1 h p p c r s c h I « n g o
mit 11 DUtchcii (/ die ältesto, // die jüngste). // das-
selbe der litnge iiAch durchschnitten, r Wirbelsäule,
r' letztes, aus mehreren verwachsenen Wirbeln be-
stehende». Glied der Wirbelsäule (die umgebenden Wcich-
theile punktirt); die durchschnittenen Dütchen je durch
eine stArk Aufgezogene Linie Angegeben. Wie aus einem
Vergleich beider Figuren erhellt, tritt von jedem Dutchen
(mit AusnAbme des ältesten, /) nur der hintere Theil
Dazu gehören die meisten dem al< ein K,ew61bter King hervor. dcr übrif,e TheU ist von
Menschen gefährlichen Gift- dem nächst älteren DUtchcn verborgen. — Nach Gannan.
schlangen der wärmeren Län-
der. Die Klapperschlangen ( Orotatus) unterscheiden sich von den
anderen Grubenottern dadurch , dass sie am Schwanzende mehrere in
einander steckende, lose, rasselnde Horndütchen besitzen, Ueberreste von
abgestossenen Häuten (vergl. Fig. 310); mehrere Arten (bis über 2 m)
in Nord- und Südamerika. Die meistens kleineren, aber ebenso gefährlichen
Trigwocepkalus- Arten leben in Ostindien und Amerika.
3. Ordnung. Schildkröten (Tedudinata).
Die zahnlosen Kiefer sind von einer Hör n scheide mit scharfem
Rande bekleidet. In der Rumpflederhaut sind grosse Knoche n -
platten vorhanden, welche gewöhnlich mit ihren Rändern an ein-
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444
Specieller Theil.
ander stossen und durch Zacken in einander greifen und so eine zu-
sammenhängende Knochenkapsel um denjenigen Theil des Körpers
bilden, welcher hinter den Vorder- und vor den Hintergliedraaassen
liegt; vorne besitzt diese Kapsel eine grosse Oeffnung für Kopf und
Vorderbeine, hinten für Schwanz und Hinterbeine. An der Bücken-
seite finden sich drei Reihen von Knochenplatten, von welchen die
mittlere Reihe mit den Wirbeln verbunden ist (Wirbelplatten), wäh-
rend die beiden anderen mit den Rippen (eine Platte mit jeder Rippe)
verwachsen sind ; zu äusserst, ausserhalb dieser drei Reihen, findet sich
eine Reihe von kleineren Randplatten. Auf der Bauchseite sind nur
zwei Plattenreihen vorhanden ; am vorderen Ende finden sich eine un-
paare Platte und vor dieser ein Plattenpaar, welche wahrscheinlich
dem Vorderbrustbein, resp. den Schlüsselbeinen der übrigen
Reptilien entsprechen. Die Knochenplatten bilden übrigens nicht bei
allen Schildkröten eine solche zusammenhängende Knochenkapsel;
bei den Meerschildkröten z. B. schliessen die Platten nicht überall an
einander, sondern es sind an manchen Stellen grössere unverknöcherte
Lederhautpartien zwischen ihren Rändern vorhanden. Diejenige
Partie des Körpers, in welcher die Knochenplatten liegen, ist äusser-
lich gewöhnlich von grossen Hornschildern gedeckt, welche durch
Furchen getrennt sind ; ihre Grenzen entsprechen denen der Knochen-
platten nicht, wenn auch ihre Anordnung eine ähnliche ist. Der
übrige Theil des Körpers ist von kleineren Schuppen und Schildern
bedeckt; in einigen Schuppen können zuweilen ähnlich wie bei gewissen
Sauriern kleine Knochenplatten sich entwickeln.
Die Schildkröten ernähren sich theils von Pflanzen, theils von
Thieren. Sie leben auf dem Lande, im Süsswasser oder im Meere.
Es sind träge, langsame Thiere. Manche sind im Stande, Kopf und
Gliedmaassen innerhalb der Schildränder einzuziehen.
1. Die Sumpfschildkröten (Emydae) sind meistens abgeplattete
Thiere, mit Schwimmhaut zwischen den Zehen. Leben im Süsswasser,
manche gehen aber auch aufs Land. In Deutschland lebt die Ernys
europaea (oder luiarid). — Mehr ausschliessliche Wasserthiere sind die
Flussschildkröten (Gatt. Trionyx u. a.) mit grossen Schwimmfussen
(mit je drei Krallen), Schild ohne Hornplatten; bissige Thiere. Asien.
Afrika, Nordamerika.
2. Die Landschildkröten (Testudinidac) sind mit den Sumpf-
schildkröten nahe verwandt; sie unterscheiden sich besonders durch das
stark gewölbte Rückenschild und die sehr verkürzten Füsse, deren Zehen
verwachsen und mit kurzen Krallen versehen sind (Klumpfüsse). In Süd-
Europa lebt die Griechische L. (Testudo yracai).
3. Die Seeschildkröten (Chclonim) haben ein abgeplattetes Schild
und unbeweglich verbundene Zehen ohne Krallen oder nur mit Krallen-
rudimenten ; die Vordergliedmaassen weit grösser als die Hinterglied-
maassen, mächtige flossenartige Ruderwerkzeuge. Sie erreichen eine be-
deutende Grösse. Leben im Meere, die Eier werden jedoch auf dem Lande
abgelegt (sie werden im Ufersande vergraben). Eine Art im Mittelmeer.
4. Ordnung. Krokodile {Cromülia).
Die Ordnung weicht in manchen Beziehungen von den übrigen
jetzt lebenden Reptilien ab und nähert sich den Vögeln und Säuge-
thieren (in dieser Beziehung sind die getheilie Herzkammer, die Aus-
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Wirbelthiere. 4. Clasae: Kriechthiere.
445
bildung des Gehirns und des Schneckenganges, sowie die in Zahn-
höhlen angebrachten Zähne hervorzuheben). Die Krokodile sind gross-
köpfige Thiere mit den Nasenlöchern an der Oberseite der Schnauzen-
spitze, mit Schwimmhaut zwischen den Hinterzehen und mit einem
langen zusammengedrückten Schwimraschwanz ; Krallen sind nur an
den drei inneren Zehen jedes Fusses vorhanden (an den Vorderfüssen
sind 5, an den Hinterfüssen 4 Zehen vorhanden). In der Haut finden
sich zahlreiche Knochenplatten (besonders an der ßückenseite). Der
After eine Längsspalte. Ueber die Art, in welcher sie mit geöff-
netem Mund im Wasser athmen, und über andere Verhältnisse ver-
gleiche oben.
Die Krokodile, welche eine Länge von etwa 10 m erreichen
können, leben in wärmeren Ländern im Süsswasser (selten im Meere
an der Küste) , gehen jedoch auch aufs Land ; es sind gefrässige
Raubthiere und Aasfresser. Die Eier werden auf dem Lande abge-
legt, entweder in die Erde eingegraben oder zwischen verwesenden
Pflanzentheilen u. ähnl. angebracht; die Mutter überwacht die Eier
und füttert zuweilen die Jungen.
Die jetzt lebenden Krokodile werden in drei Gruppen getheilt:
1) Kaimane (Alligator) mit kurzer Schnauze und unvollständiger Schwimm-
haut zwischen den Hinterzehen; der 4. Unterkieferzahn greift in ein Loch
des Oberkiefers hinein; Amerika (eine Art in Ostasien). 2) Echte
Krokodile (Orocodilws) mit langer Schnauze und vollständiger Schwimm-
haut zwischen den Hinterzehen; der 4. Unterkieferzahn greift in einen
Ausschnitt an der Seite des Oberkieferrandes ein; sowohl in der alten als
in der neuen Welt. 3) Gaviale (Ramphostoma) mit sehr langer und
schmaler Schnauze , vollständiger Schwimmhaut ; der 4. Unterkieferzahn
greift in einen Ausschnitt am Oberkiefer ein; Ostindien. Diese drei
Gruppen sind übrigens durch Zwischenformen mit einander verbunden: es
giebt Crocodilus - Arten , welche sich den Alligatoren nähern, und einen
Oavial, welcher den Uebergang zum Crocodilus vermittelt.
Die ältesten bekannten Krokodilformen, aus der Triaszeit (Betodon
u. a.) sind besonders dadurch ausgezeichnet, dass sie in Bezug auf die
Lage der inneren Nasenlöcher den Sauriern und Schildkröten ähnlich
Fig. 311. A Schädel eines Gaviala, B eines Teleotnurv*. n' innere Nasenlöcher
p Ganinen-, r FlUgelbein.
waren : Gaumen- und Flügelbeine bilden keine Röhre , die inneren Nasen-
löcher münden viel weiter vorne als bei den jetzt lebenden. Die aus der
Juraformation und ein Theil der aus der Kreideformation bekannten Kroko-
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44ß
Specieller TheJl.
dile (Teleosaurua u. a.) nähern sich in Bezug auf die Stellung der
inneren Nasenlöcher den jetzt lebenden, indem die Gaumenbeine (nicht
aber die Flügelbeine) zusammentreten und eine Röhre bilden, wodurch die
inneren Nasenlöcher weiter nach hinten gerückt werden. Alle diese älteren
Krokodilformen weichen auch darin von den jetzt lebenden ab, dass die
Wirbelkörper sowohl vorn als hinten etwas ausgehöhlt sind. Die Krokodile
der Tertiärzeit und ein Theil derjenigen der Kreidezeit schliessen sieb da-
gegen vollständig an die jetzt lebenden an: die Flügelbeine nehmen an der
Bildung des Nasenkanals Theil, und die Wirbel sind wie bei diesen vorne
concav, hinten convex. Es zeigt sich somit innerhalb der Ordnung der
Krokodile eine sehr interessante Stufenfolge durch die Zeiten.
Während manche ausgestorbene Reptilien, z. B. die soeben ge-
nannten Krokodilformen und viele andere, sich in die auch in der Jetztzeit
vertretenen Ordnungen einfügen lassen , giebt es zahlreiche andere , welche
Ordnungen bilden , die ohne jetzt lebende Vertreter sind. Mehrere dieser
Gruppen bieten ein bedeutendes Interesse dar; wir wollen kurz die wich-
tigsten derselben betrachten.
Die Walsaurier *) {lchthyosauria) nehmen unter den Reptilien einen
ähnlichen Platz ein wie unter den Säugethieren die Wale, und im Habitus
erinnern sie stark an letztere Gruppe. Der Kopf (besonders die Schnauzen-
partie) ist von kolossaler Grösse , der Hals ungemein kurz , der Schwanz
sehr lang und kräftig ; beide Gliedmaassenpaare sind ähnlich wie die Flossen
der Wale gebildet: sie stellen kurze breite Platten dar, alle Gliedmaassen-
knochen waren unbeweglich verbunden und sehr verkürzt, die Zehen waren
von einer gemeinsamen Haut umschlossen, krallenlos, ihre Anzahl oft über
5 hinaus vermehrt, die Anzahl der Glieder jeder Zehe sehr gross (jedes
Glied aber Behr kurz). Von anderen Charakteren führen wir an , dass die
Sehnenhaut der grossen Augen mit einem Kranz von Knochenplatten ver-
sehen war ; die Wirbelkörper waren sehr gross und vorne und hinten stark
ausgehöhlt, das Becken war nicht mit der Wirbelsäule verbunden, die Hinter-
gliedmaassen schwächer als die Vordergliedmaassen , die Zähne Bassen in
Zahnhöhlen (welche in jedem Kieferrand eine zusammenhängende Furche
bildeten, was auch bei einzelnen anderen Thieren, z. B. bei gewissen Walen,
vorkommt). Die Walsaurier waren Meeresthiere , z. Th. von sehr ansehn-
licher Grösse (10 m und mehr); sie lebten in der (Trias-), Jura- und
Kreideformation .
Die Schwanensaurier *) (Plcsiosanria) bilden einen anderen ausgestor-
benen Typus von Meeresreptilien, welche in einigen Beziehungen den Ich*
thyosauren ähnlich, in anderen Punkten denselben recht unähnlich sind.
Der Kopf der Plesiosauren ist klein, zuweilen sogar sehr klein, der Hals
dagegen lang, am längsten bei den mit dem kleinsten Kopfe versehenen
Formen. Das Gedrungene, Fischartige in der Leibesform der Walsaurier
fehlt somit hier völlig. Vorder- und Hintergliedmaassen sind wie bei letzteren
krallenlos und walflossenähnlich ; meistens sind sie jedoch grösser als bei
den Ichthyosauren, die Knochen sind nicht so stark verkürzt, und die Anzahl
der Zehen übersteigt nicht 5. 8ie erreichen eine ähnliche Länge wie die
Ichthyosauren. Trias, Jura, Kreide.
Auch „Fischsaurier" genannt.
Gewöhnlich, sehr unglücklich, „Schlangensaurier" genannt
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Wirbelthiere. 4. Clasae: Kricchthiere. 447
Die Flugsaurier (Werosauria : Q&tt.Pterodncti/lus. Rhamphorhynchus u. a.)
waren besonders dadurch ausgezeichnet, dass die Vordergliedmaassen zu
wirklichen Flugorganen ausgebildet waren. Jedes Vorderbein besitzt
4 Finger, von welchen die drei inneren (Nr. 1, 2, 3) nicht besonders aus-
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448 Specieller Theil.
gebildet sind, während der vierte nebst dem zugehörigen Mittelhandknocheu
stark verlängert ist und im Rande der grossen Flughaut seinen Platz
hatte ; die Flughaut, vou welcher man in einigen Fällen im lithographischen
Kalkstein Abdrücke gefunden hat, war zwischen jenem Finger, dem Rumpf,
den Hintergliedmaassen und dem Schwanz ausgespannt. Der Kopf, beson-
ders die vordere Partie, ist von ansehnlicher Grösse, in der Sehnenhaut
war ein Knochenring vorhanden ; Zähne sind gewöhnlich vorhanden und
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Wirbelthiere. 4. Classe: Kriechthiere.
449
sitzen in Zahnhöhlen ; das Brustbein besitzt einen Kamm, welcher den
grossen, die Flägel bewegenden Brustmuskeln zur Anheftung gedient haben
wird; die Knochen waren pneumatisch (ebenso wie bei den Vögeln). Die
Flugsaurier, welche unter den Reptilien einen ähnlichen Platz einnehmen
wie die Fledermäuse unter den Säugethieren, waren grösstentheils kleinere
Thiere, welche in der Jura- und Kreideformation lebten.
Die Dinosaurier (Dino.sauria) sind eine aus zahlreichen Formen be-
stehende Reptilien-Gruppe, welche dadurch vom grössten Interesse werden,
dass sie den Uebergang von den Reptilien zu den Vögeln bilden,
und zwar derart, dass wir innerhalb der Abtheilung einerseits Formen finden,
welche anderen Reptilien ziemlich nahe stehen, andererseits solche, welche
sich den Vögeln immer mehr nähern. Die Dinosaurier waren Landthiere,
zum grössten Theil von ansehnlicher, theilweise von kolossaler Grösse,
grösser als die allergrösBten jetzt lebenden Landsäugethiere (bei einer Art ist
daB Oberschenkelbein 2 — 3 m lang und sehr dick); man findet jedoch auch kleine
Formen unter ihnen. Die Gliedraaassen sind kräftig ausgebildet; bei einigen
sind Vorder- und Hintergliedraaassen ungefähr von gleicher Länge, häufiger
Fig. 315. A—B Vorder- und Hintergliedmaa»»e eines der I) inoaa ur ier, welche den
Vögeln ferner stehen (Morotauru* grandi»). C — D Do. eines vogelähnlicheren Dinosaurs
(Camptonotus ditpar). a Fusswurzel, e Coracoid, d Zehen, d" Finger,/ Oberschenkel, </ Waden-
bein, h Oberarm, i Darmbein, * Sitzbein, m Mitteln»», m Mittelhand, r Speiche, i Schulter-
blatt, *k Schambein, t Schienbeiu, u Elle. — Nach Marsh.
aber jene kleiner, zuweilen sogar viel schwächer als die Hintergliedmaassen,
und manche Dinosaurier bewegten sich offenbar ausschliesslich auf letzteren,
vielleicht springend fort; unter denen mit stärkeren Hintergliedmaassen
waren einige Zehen ganger, während andere Kriechthiere mit dem ganzen
Fuss auftreten. Der Schwanz ist lang und kräftig. Sehr merkwürdig ist
das Becken: das Darmbein ist stark nach vorne, vor der Gelenkpfanne,
verlängert, was bei anderen Reptilien nicht der Fall ist, während dies mit
dem übereinstimmt, was man bei den Vögeln findet; und bei denjenigen
Dinosauriern, welche mit kleinen Vordergliedmaassen versehen sind (z. B.
Bon, Zoologi«. 29
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451)
Specieller Theil.
hjuanoilon, Fig. 314), hat das Schambein eine sehr merkwürdige Form, in-
dem von der Basis desselben ein langer, dünner Fortsatz (pf) entspringt,
welcher nach hinten (ungefähr in entgegengesetzter Richtung des Haupt-
astes), dem oft langen und dünnen Sitzbein parallel und dicht angelagert,
verläuft. Die Beckenwirbel sind in grösserer Zahl als sonst bei den Rep-
tilien vorhanden (4 oder mehr) und mit einander verwachsen. Von anderen
Charakteren sind hervorzuheben, dass die obere Reihe der Fusswurzel-
knochen bei manchen mit dem Schienbein unbeweglich verbunden (oder gar
verwachsen) ist; das Schienbein ist an der Vorderseite mit einem vor-
springenden Längskamm versehen. Die Form des Oberschenkelbeins und
des Schienbeins ist stark von derjenigen anderer Reptilien abweichend und
sehr vogelähnlich, etc. (Vergl. übrigens die unten beim Vogelskelet ge-
machten Bemerkungen.^ — Die Dinosaurier lebten in der Trias-, Jura- und
Kroideformation.
5. Classc. Vögel (Äves).
Die hervorragendste Eigentümlichkeit in der allgemeinen äusseren
Gestalt des Vogelkörpers liegt in der eigentümlichen Ausbildung
der Gliedmaas s-en, indem die hinteren ausschliesslich zum Gang
oder Sprung (zuweilen auch zum Schwimmen) entwickelt sind, während
die Vordergliedmaassen niemals Gehwerkzeuge, sondern — mit wenigen
Ausnahmen — Flug Werkzeuge siud. Der Körper wird gewöhnlich
von den Hintergliedmaasscn in einer halb aufrechten Stellung getragen ;
er ruht nur auf den Zehen, nicht auf dem, sehr schlanken, Mittelfuss.
Der Hals ist von ansehnlicher Länge, sehr beweglich, der Rumpf kurz ;
der Schwanz ist bei allen jetzt lebenden Vögeln kurz, die grossen
demselben angehefteten Steuerfedern1) gehen ihm aber anscheinend
eine grössere Länge. Eine eigenthümliche Entwicklung bietet die
Gesichtspartie (der Schnabel) dar, welche gewöhnlich verlängert und
mit Hornscheiden umgeben ist.
Die Haut ist in ihrer grössten Ausdehnung mit Federn be-
deckt, complicirten, aus verhornten Oberhautzellen bestehenden An-
hängen, welche in ihrer ersten Anlage kleine Hautwarzen sind, die
sich aber bald in sackförmige Vertiefungen der Haut, die späteren
Federbälge, einsenken; aus der die Warze überkleidenden Oberhaut-
schicht entwickelt sich die Feder2). Die Federn erscheinen unter ver-
schiedenen Formen. Die Deck- oder Contour federn, d. h. die
festeren Federn, welche wenigstens mit ihrem distalen Theil an die
Oberfläche treten und die äusseren Umrisse des Vogels bilden (im
Gegensatz zu den darunter liegenden Dunen), bestehen aus folgenden
Theilen: Proximal findet sich eine kurze, cylindrische, hohle Spule,
welche in den Federbalg, eine mehr oder weniger tiefe Haut-
einstülpung, eingesenkt ist. Die Spule setzt sich in den Schaft
fort, welcher auswendig aus einer festeren Hornschicht, innerlich aus
einer loseren Hornmasse besteht und nach der Spitze zu dünner wird.
') Wenn in Beschreibungen von Vögeln von einem langen oder kurzen
Schwanz die Rede ist, so bezieht sich das immer auf die Länge der Steuerfedem.
•) Es sind jedoch nur die Anlagen des ersten Federkleides des jungen Vogels,
welche als freie Warzen an der Oberfläche auftreten; die Anlagen der späteren
Federn sind zwar ähnliche Warzen, welche aber am Hoden der Bälge der vorher-
gehenden Federn erscheinen.
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Wirbelthiere. fi. Clause: Vöffel.
451
(Spule und Schaft bilden zusammen den Kiel der Feder.) Vom
Schaft entspringt nach jeder Seite eine Reihe von Aesten, welche
wieder mit je zwei Reihen von Strahlen versehen sind; die Aeste
und den Schaft bezeichnen wir zusammen als die F ah n e. Am distalen
Theil der Feder — dieser kann einen
grösseren oder kleineren Theil der
Feder ausmachen — sind die Aeste
steifer, zusammengedrückt (ihre Flä-
chen denjenigen der benachbarten
Aeste zugewendet) und mit verhält-
nissmassig kurzen Strahlen versehen,
von welchen die der vorderen Reihe
sich schräg über die Strahlen der hin-
teren Reihe des davorsitzonden Astes
legen. Ferner sind die Strahlen der
vorderen Reihe mit je einer Reihe fei-
ner, haarartiger, mikroskopisch kleiner
Anhänge versehen, von welchen einige
an der Spitze umgebogen sind und
den Rand der Strahlen in der hinteren
Reihe des davor sitzenden Astes um-
greifen; durch diese Häkchen werden
die Aeste zu einer zusammenhängen-
den Platte zusammengeheftet. Im pro-
ximalen Theil der Fahne sind die
Aeste weicher und dünner, die Strah-
len lang und weich, aber ohne Häk-
chen ; dieser Theil der Fahne, welcher
von anderen Federn überdeckt ist, hat
somit einen weichen, losen, dunen-
artigen Charakter. An der Grenze
von Spule und Schaft entspringt von der
nach innen gekehrten Seite der Feder
häufig ein kleinerer, dünnerer Schaft
(der Afterschaft), welcher eine
doppelte Reihe loser Aeste trägt : den Afterschaft mit seinen Aesten
bezeichnen wir als die Nebenfahne. Dieser Theil ist zuweilen
kräftig ausgebildet (z. B. bei Hühnervögeln), gewöhnlich jedoch
ziemlich schwach; sein Schaft ist zuweilen rudimentär, so dass die
Nebenfahne durch ein Bündel dicht neben einander entspringender
Aeste vertreten ist. Von den Deckfedern sind besonders Schwung-
und Steuerfedern hervorzuheben, die kräftigsten, steifsten, meistens
auch die längsten Federn am Körper; ihnen fehlt in der Regel eine
Nebenfahne, und der dunenartige (proximale) Theil ist sehr klein oder
fehlt; sie sitzen in sehr tiefen Federbälgen, die Schwungfedern in
einer Reihe längs des Aussenrandes des Unterarms und der Hand,
die Steuerfedern in einer Ouerreihe am Ende des Schwanzes. — Die
Dunen (Flaumfedern), welche im Allgemeinen von den Deckfedern
ganz Uberdeckt werden, unterscheiden sich von diesen dadurch, dass
die ganze Fahne denselben Charakter hat wie dort der proximale
Theil: sie besteht aus lauter weichen, oft sehr langen Aesten, welche,
mit langen hakenlosen Strahlen besetzt sind; dabei ist der Schaft
dünn und schwach, oft sogar völlig rudimentär, so dass die Aeste
29*
Fig. 816. StUckchen einer Feiler,
Schema. « Schaft, n Aat, *t Strahlen einer
volleren Reihe mit Htlkchen, »C Strahlen
der hinteren Reihen; erstere decken Uber
letztere hin und greifen mit den Häkchen
um ihren Raud. — Orig.
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452
Specieller Theil.
dicht neben einander am distalen Ende der Spule entspringen. Eine
Nebenfahne ist an den Dunen häufig vorhanden; sie ist nicht
selten fast ebenso kräftig wie die Hauptfahne. Die Dunen sind
meistens weisslich oder grau, während die Deckfedern sehr verschieden
gefärbt sind. — Beide genannten Hauptformen von Federn gehen
übrigens ganz allmählich in einander über: es giebt Dunen, welche durch
einen kräftigeren Schaft etc. sich den Deckfedern nähern, und umge-
kehrt Deckfedern, welche so lose und weich sind oder einen so kleinen
zusammengehakten Theil besitzen , dass sie am Uebergang zu den
Dunen stehen.
Eine besondere Form von Dunen sind die sogenannten Faden federn,
ganz schwache Federchen mit langem dünnen Schaft, welcher erst gegen die
Spitze hin eine geringe Anzahl von Aesten trägt; sie sind fast bei allen
Vögeln vorhanden, entspringen immer dicht bei den Deckfedern.
Von eigentümlich entwickelten Federn sind beispielsweise folgende
hervorzuheben : Die borstenartigen Federn, welche bei manchen Vögeln
an gewissen Theilen des Kopfes vorkommen; ihnen fehlen die Aeste, oder
solche sind nur in geringer Anzahl am Grunde des Schaftes vorhanden.
Die Deckfedern bei den Straussen vögeln , an denen Häkchen gänzlich,
auch an den distalen, steiferen Aesten, fehlen; bei den Kasuaren und dem
Emu sind die Federn ausserdem dadurch merkwürdig, dass Haupt- und
Nebenfahne gleich stark entwickelt sind. Die Schwungfedern des Kasuars,
deren lange, steife Schufte ganz astlos sind.
Den jungen Vögeln fehlen Deckfedern, an deren Stelle tragen sie aber
kleine Dunen, welche nur mit wenigen an der Spitze der Spule oder längs
eineB dünnen Schaftes sitzenden Aesten versehen sind.
Die Deckfedern sind in der Regel nicht gleichmässig über den
ganzen Körper vertheilt, sondern entspringen nur von gewissen Ge-
bieten desselben, den sogenannten Federfluren , welche regelmässig,
bei verschiedenen Vogelformen mehr oder weniger verschieden., an-
geordnet sind; es findet sich z. B. ein Federflur längs der Rücken-
mitte, ein anderer an der Aussenseite des Schenkels etc. Die zwischen-
liegenden Partien, die Raine, tragen Dunen, welche übrigens auch
in den Fluren zwischen den Deckfedern vorkommen können, oder
sind ganz federlos; die Raine sind von den Deckfedern der benach-
barten Fluren überdeckt. — Eine fast gleichmässige Vertheilung der
Deckfedern über den ganzen Körner findet man bei den Straussen-
vögeln — welche ganz dunenlos sind, wenn man nicht etwa ihre
sämmtlichen Federn als Dunen bezeichnen will — , den Pinguinen und
einzelnen anderen.
Die Vögel werfen in regelmässigen Zwischenräumen, in der Regel
einmal im Jahre, ihr ganzes Gefieder ab, und gleichzeitig wird das-
selbe durch neugebildete Federn ersetzt; dieser Vorgang wird als
Mauser bezeichnet und findet im Allgemeinen bei nordischen Vögeln
im Laufe einiger Wochen zu Anfang des Herbstes statt. Ausser
dieser Herbstmauser wird öfter auch von einer Frühlingsmauser
gesprochen. In der That wechseln auch manche Vögel im Frühling
einige Federn, es kann also zu dieser Jahreszeit eine partielle
Mauser stattfinden ; in manchen Fällen beruhen aber die Unterschiede,
welche zwischen dem Winter- und dem Sommerkleid der Vögel zu
beobachten sind, auf anderen Umständen. Bei einigen Vögeln werden
im Frühling die besonders gefärbten Ränder vieler Federn abgestossen,
und das Aussehen des Federkleides kann schon dadurch wesentlich
Digi
j()()Q
Wirbelthiere. 6. Gasse: Vögel.
453
verändert werden; in anderen Fällen findet aber zu dieser Jahres-
zeit eine wirkliche Aenderung der Farben der Federn, eine Ver-
färbung derselben, statt, welche zuweilen, z. B. bei Vögeln, die im
Winter weiss, im Sommer bunt gefärbt sind, von sehr eingreifender
Art sein kann. Diese Verfärbung ist um so merkwürdiger, als die
Federn ausschliesslich aus Hornstoff bestehen und somit einen todten
Theil des Körpers darstellen; wir haben es demnach hier wahrschein-
lich mit chemischen Veränderungen zu thun, welche sich von den
Lebensthätigkeiten unabhängig abspielen.
Die jungen Federn sind noch eine Zeitlang, nachdem sie ihre Spitze
aus dem Federbalg hervorgestreckt haben, von einer dünnen röhrenförmigen
Hornhülle umgeben, welche die Aeste zusammenhält; diese Hülle schilfert
allmählich ab. — Die sogenannten „ Puderdunen welche bei einigen Vögeln,
z. B. den Reihern, vorkommen, sind Federn, welche (ähnlich etwa wie die
wurzellosen Zähne gewisser Säugethiere) fortwährend aus dem Federbalg
nachwachsen, während gleichzeitig ihr freies Ende abgestossen wird; der
bei ihnen vorkommende Puder stammt von der zerfallenden Hornhülle her,
welche am proximalen Federende immer wieder erneuert wird.
An die Bälge der grösseren Federn heften sich kleine Muskeln, welche
z. B. die Steuerfedern fächerförmig ausbreiten, die gewöhnlichen Deckfedern
aufrichten können etc.
Die Federn sind wahrscheinlich als modificirte Reptilienschuppen
aufzufassen, worauf die Anlage derselben als warzenförmige Haut-
erhöhungen hindeutet. Ausserdem besitzen aber die Vögel echte
Schuppen von ganz ähnlicher Beschaffenheit wie diejenigen der
Reptilien, aber blos an den Hinterfüssen; diese Schuppen haben
ziemlich verschiedene Formen: Höcker, Platten, Schindelschuppen.
Eine eigenthümliche, grosse, kegelförmige Schuppe ist der Sporn des
Hahns (und anderer männlicher Hühnervögel) , welcher innerlich mit
einer am Mittelfuss festwachsenden Verknöcherung versehen ist; der
Sporn ist auch beim Huhn vorbanden, hier aber gewöhnlich als eine
einfache warzenförmige Schuppe1). — Krallen sind an den Zehen
der Hinterfüsse vorhanden ; sie sind bei Vögeln, welche sich meistens
auf Bäumen aufhalten, lang, krumm und spitz, bei Erdvögeln kürzer
und stumpfer. An den Vordergliedmaassen fehlen bei manchen
Vögeln Krallen ganz; häufig ist aber eine kleine, oft rudimentäre,
Kralle am Daumen vorhanden, nicht ganz selten ausserdem noch eine,
in der Regel aber völlig rudimentäre, Kralle am zweiten Finger (zu-
weilen ist letztere nur bei den Jungen vorhanden, fehlt später) ; beim
afrikanischen Strau68 sind beide Krallen ziemlich gross und wohl ent-
wickelt. Bei allen jetzt lebenden Vögeln fehlt eine Kralle am dritten
Finger; dagegen waren bei dem ausgestorbenen Archaeopteryx wohl-
entwickelte, gebogene Krallen an allen drei Fingern vorhanden, was
aus der Form des letzten Fingergliedes mit Sicherheit zu erkennen
ist. — Die Kieferränder und die diesen zunächst liegenden Theile
des Kopfes, der Schnabel, sind gewöhnlich von einer dicken festen
Hornmasse, oft mit scharfen Rändern, bedeckt ; seltener ist diese ganz
oder theilweise durch eine dünnere, weichere Hornschicht ersetzt. —
Eine Häutung wie bei den Reptilien findet bei den Vögeln nicht
statt, die Hornschicht schilfert in kleineren Partien ab.
*) Auch an den Vordergliedmaassen, an der Hand, können bei einigen Vögeln
ähnliche 8poren wie am Hahnenfusa vorhanden sein (welche nicht mit den oben
erwähnten Krallen zu verwechseln sind). »
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454
Specieller Tluil.
Die Vögel besitzen nur ein Paar Hautdrüsen, nämlich die
grossen rundlichen Bürzeldrüsen, welche ihren Platz an der Ober-
seite des kurzen Schwanzes haben ; sie liegen dicht beisammen , und
Fig. 317. Skelet eines Hüben. /, 2, 3 erster — dritter Finger, /' und 4* erste und
vierte Zehe, m Handwurzel, cl Schlüsselbein, co Coracoid (grössteuthcils von h verdeckt».
/ Wadenbein, h Oberarm, il Dannbein, i7' dessen vordere Partie, i» Sitzbein, mc, und ww, erster
und dritter Mittelhandknochen, mt grosser Mittelfussknocheu (aus den verwachseneu Mittel-
fussknocheu Nr. 2 — 4 bestehend), jnt, erster Mittelfussknocheu, n Nasenloch, ;/ Schambein,
r Ualsrippeii, ra Speiche, »c Schulterblatt, at Brustbein, u Elle. — Ürig.
ihre Oeffnungeu finden sich dicht neben einander, gewöhnlich auf
einem kleinen Fortsatz. Jede Drüse besteht aus zahlreichen Schläuchen,
welche in einen geräumigen in den Ausführ ungsgaug sich fortsetzenden
Hohlraum in der Mitte der Drüse einmünden; bei einigen Vögeln hat
Wirbelthiere. 5. Classc: Vögel.
455
jede Bürzeldrüse mehrere Ausführungsgänge. Die Bürzeldrüsen
sondern eine ölartige Masse ab, mit welcher die Vögel mittels des
Schnabels ihre Federn einschmieren ; sie sind am grössten bei Vögeln,
welche häufig in's Wasser kommen, fehlen bei den Straussenvögeln,
einigen Papageien und einzelnen anderen.
Das Skelet. Die Wirbelsäule zerfällt in dieselben Abschnitte
wie bei den Reptilien. Die Halswirbel sind zahlreich (bis einige
zwanzig), sehr beweglich mit einander verbunden. Der erste und
zweite Wirbel sind ebenso wie bei den Reptilien als Atlas, resp.
Epistropheus entwickelt (Wirbelkörper des Atlas mit dem des
Epistropheus verwachsen etc.). Uebrigens sind die Halswirbelkörper
durch sattelförmige Gelenkflächen verbunden (die vordere Gelenk-
fläche jedes Wirbels ist von rechts nach links concav, von oben nach
unten convex, die hintere umgekehrt von rechts nach links convex etc.);
bei Archaeopteryx und einigen der Zahnvögel (Ichthyornis) waren die
Endflächen der Wirbelkörper plan oder vorne und hinten schwach
concav. Ueber die Halsrippen s. unten. Die Brustwirbel sind im
Gegensatz zu den Halswirbeln in ziemlich geringer Zahl vorhanden
und wenig beweglich, zuweilen sogar mit einander verwachsen; die
Gelenkflächen der WTirbelkörper sind denen der Halswirbel ähnlich;
Gelenkfortsätze finden sich sowohl an ihnen wie an den Halswirbeln.
Der hinterste, oder die zwei bis drei hintersten Brustwirbel, dieLenden-
wirbel, die Becke nwirbel und einige Schwanzwirbel sind sämmt-
lich mit einander verwachsen; an diese aus zahlreichen Wirbeln zu-
sammengesetzte Partie heftet sich das Becken. Es geht hieraus
hervor, dass eine als selbständiger Abschnitt hervortretende Lenden-
wirbelpartie bei den Vögeln fehlt; das Becken folgt unmittelbar auf
die rippentragende Partie der Wirbelsäule. Bei allen jetzt lebenden
Vögeln ist die Anzahl der freien Schwanzwirbel gering, gewöhn-
lich scheinbar 6—8, von welchen der hinterste jedoch in Wirklichkeit
kein einfacher Wirbel, sondern durch Verschmelzung einer Reihe
kurzer Wirbel entstanden ist, welche bei dem jungen Vogel noch
deutlich gesondert sind; dieser hinterste Wirbel ist gewöhnlich ein
hoher, zusammengedrückter Knochen, an welchen die Steuerfeder-
bälge sich ansetzen. Uebrigens sind die Schwanzwirbel wie der
ganze Abschnitt kurz; nur bei dem ausgestorbenen Archaeopteryx
(Fig. 331) war ein langer, dünner, aus zahlreichen, z. Th. langge-
streckten Wirbeln zusammengesetzter Schwanz vorhanden (ähnlich wie
bei den meisten Sauriern). — An den Halswirbeln finden sich kurze
Rippen, welche ebenso wie die der Brust oben, wo sie sich an die
Wirbel ansetzen, je in zwei kurze Aeste gespalten sind; die Hals-
rippen sind bei den erwachsenen Vögeln mit den Wirbeln ver-
schmolzen, bei jungen Individuen dagegen selbständige Knochen. An
den hinteren Halswirbeln werden sie allmählich länger und bleiben
hier das ganze Leben hindurch gesondert; diese Rippen bilden den
Uebergang zu den Rippen der Brustwirbel1), welche bei den
Vögeln aus je zwei knöchernen, unter einem Winkel mit einander
verbundenen Stücken bestehen, von denen das untere sich an den Rand
des Brustbeins heftet; vom Hinterraude des oberen Rippenstückes ent-
') Gewöhnlich nennt man den ersten Wirbel, dessen Rippe sich an das Brust-
bein heftet, den ersten Brustwirbel; der Uebergang von den Hals- zu den Brust-
wirbeln ist aber thatsächlich ein ganz allmählicher und diese Grenze eine künstliche.
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456
Specieller Theil.
springt ein schräger Fortsatz (Processus uncinatus), eine schmale
Knocnenplatte , welche sich über die folgende Rippe hinlegt; beim
jungen Vogel ist er ein besonderer Knochen (fehlt nur bei einzelnen .
der jetzt lebenden Vögel; auch bei Archaeopteryx scheint er nicht
vorhanden gewesen zu sein). — Das Brustbein ist ein vollständig
verknöcherter, sehr grosser, breiter Knochen, welcher den grössten
Theil (oder wenigstens einen grossen Theil) der Unterseite des
Rumpfes bedeckt; er ist fast immer mit einem grossen, vorspringenden
Mittelkamm versehen, welcher einem Theil 3er Flügelmuskeln zum
Ursprung dient und nur bei gewissen mit rudimentären Flügeln ver-
sehenen Vögeln (namentlich bei den Straussenvögeln) fehlt, bei denen
auch das Brustbein selbst von geringerem Umfang als gewöhnlich ist ;
oft finden sich hinten im Brustbein symmetrische Löcher oder Ein-
schnitte, welche von bindegewebigen Häuten ausgefüllt sind. Ein
Vorderbrustbein fehlt
Der Schädel zeigt eine grosse Uebereinstimraung mit dem der
Reptilien; unter den jetzt lebenden Reptilien sind es besonders die
Saurier, mit deren Schädel derjenige
der Vögel Aehnlichkeit darbietet: er
besitzt nur einen Gelenkhöcker
am Hinterhaupte, ein ähnliches Q u a -
d r a t b e i n und ein ähnliches Verhält-
niss der Gaumen- und Flügelbeine
wie der Saurierschädel ; derjenige Theil
des Schädels, welcher zwischen den
grossen Augen liegt, ist zu einer senk-
rechten Knochenplatte, der Interor-
bital- oder Augenhöhlenplatte,
in welcher häutige Stellen vorhanden
sein können, zusammengedrückt. Für
die Vögel charakteristisch ist die starke
Entwicklung der Zwischen kiefer-
beine, welche sehr früh zu einem
unpaaren Knochen verschmelzen; sie
bilden den ganzen Rand des Ober-
schnabels und senden ausserdem einen
langen Ast zwischen die äusseren Na-
senlöcher, fast bis an die Stirnbeine,
hinauf; die Oberkieferbeine sind da-
gegen verhältnissmässig klein und liegen innerhalb des hintersten
Theils der Zwischenkieferbeine. Von dem unteren Ende des grossen,
sehr beweglichen Quadratbeins geht eine, hinten von dem Flügel-,
vorne von dem Gaumenbein gebildete, Knochenbrücke zum Ober-
schnabel (Ober- und Zwischenkieferbein) hin; an der Stelle, wo
Flügel- und Gaumenbein, welche beide gestreckte Knochen sind, an
einander stossen, gleiten sie bei den meisten Vögeln an dem verdickten
unteren Rand der oben genannten Augenhöhlenplatte. Von dem
unteren Ende des Quadratbeins geht aber noch eine zweite Knochen-
brücke, der Jochbogen, zum Oberschnabel hin, ausserhalb der schon
genannten; sie erscheint als ein dünner Knochenstab und wird hinten
von dem Quadratjochbein (Quadratojugale), davor von dem Joch-
bein, zuvorderst von einem Fortsatz des Oberkieferbeins gebildet;
beim erwachsenen Vogel sind diese Knochen oft verschmolzen. Oben
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Fig. 3 1 8. Scheniatische Figuren zur
Illustration der Beweg ungdeaOber-
schnabels bei den Vögeln, n Nasen-
Scheidewand, A hintere, häutige Partie
derselben, o Augenhöhlenplatte. I Qua-
dratbein , k Jochbogen , c FlUgelbein,
g Gaumenbein. In A ist der Schnabel
emporgehoben, in B gesenkt. — Orig.
Wirbelthiere. 5. Classe: Vögel.
457
ist der Oberschnabel durch die hinteren oberen Enden der Zwischen-
kieferbeine und durch die hinter den Nasenlöchern liegenden Nasen-
beine mit dem übrigen Theil des Schädels verbunden; der hinterste
Theil der genannten Kno-
chen (Zwischenkiefer- und
Nasenbeine) ist aber ab-
geplattet, dünn und ela-
stisch, — zuweilen (bei den
Papageien) ist sogar die
Knochenmasse in einem
Streifen quer über den-
selben unterbrochen und
durch einen Querstreifen
von straffem Bindegewebe
ersetzt — , Und da der Fig Sl9 Schädel eine* 2 Tage alten Hühnchens.
Unterhalb dieser Stelle „, eine» der Keilbeine, d Uentale, e Verknöcherung im vor-
liegende Theil der Nasen- dersten Theil der Augenhö^lenplatte./Stirnbein,,/' Jochbein,
Scheidewand häutig ist, 'Thränenbein, mx Oberkieferbein^
* A A' V" 1 A V» 11 knorpelige >V and der Nasenhohle, ol seitliches, 0$ oberes
Sina Üie VOgei aeSSnalO Hinterhauptsbein. P Scheitel-, pa Gaumen-, jmi Zwischen-
im Stande ihren Ober- kiefer-, pt Flügel-, q Quadratbein, qj Quadratjochbein,
Schnabel auf Und ab ** Augenhöhlenplatte, «'/ Schuppenbein, $t Hörknochen,
zubewegen; die Be- ■ hÄU?e I^u«n def Sc^el8 {athT1^\ wDie noch
0 1 1 n , . knorpeligen lheile sind punktirt. — Nach K. Parker.
wegung nach oben findet
statt, indem das untere Ende des Quadratbeins nach vorne bewegt
wird, wodurch die beiden oben erwähnten Knochenbrücken nach
vorne geschoben werden und R g20
gegen den unteren hinteren
Theil des Oberschnabels drü-
cken , dessen Spitze dadurch
nach oben bewegt wird ; die Be-
wegung nach unten findet um-
gekehrt statt, indem das untere
Ende des Quadratbeins nach
hinten geführt wird. — Von
anderen Charakteren des knö-
chernen Vogelkopfes ist noch
hervorzuheben, dass die meisten
Nähte der Knochen früh, schon
beim jungen Thier, verschwin-
den, indem die Knochen mit
einander verwachsen ; ferner
dass die Schädelhöhle im Ver-
gleich mit derjenigen der mei-
sten Reptilien eine sehr geräu-
mige ist.
Der Schädel ist bei den Vö-
treln ungefähr ans denselben Kno-
°, 0 . , . , Kig. 320. Schädel eines Huhns von unten gc-
chen zusammengesetzt wie bei den 8ehen> k Gclenkh5ckor( ; Jochbein, mm Oberkiefer-
Reptilien (V Order- und Hinter- bein, ns Nasenscheidewand, pa Gaumenbein, pm
Stirnbein, Querbein und Säulenbein Zwischenkieferbein, pt Klugelbein.y - 7' Quadrathein,
fehlen jedoch immer). Der Vo- « Quadratjochbein, r Vomer. - Nach K Parker.
. . tr X. 321 • Zungenbein des Huhns, h
mer ist ein unpaarer .Knochen bergen (vorderes Horn), 6r, erster
Von verschiedener Form, bald ZU- (hinteres Horn). - Nach K. l'arker
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458
Specieller Theil.
sammengedrückt, bald ziemlich breit etc., welcher uuterhalb der hinteren
Partie der NaBenscheidewand liegt und hinten mit den Gaumenbeinen zu-
sammenhängt, ebenso wie er auch an den Bewegungen der letzteren Theil
nimmt. Das Thränenbein liegt am Vorderrand der Augenhöhle und
bleibt bei manchen Vögeln das ganze Leben hindurch von den benachbarten
Knochen gesondert. Der Unterkiefer besteht aus mehreren Knochen
auf jeder Seite, von welchen der vorderste (Dentale) bei den jetzt lebenden
Vögeln sehr früh mit dem der anderen Seite verwächst ; bei den ausgestor-
benen Zahnvögeln (Cklontornithes) waren sie dagegen getrennt.
Das Zungenbein besteht aus einer unpaarigen, theil weise ver-
knöcherten Mittelpartie (Copulae), an welche sich ein Paar sehr kurze
(zuweilen fehlende), den Zungenbeinbogen entsprechende vordere
Hörn er und ein Paar lange hintere Hörner, das 1. Kiemen-
bogenpaar, ansetzen; die mittlere Partie zerfällt meistens in zwei bis
drei hinter einander liegende Stücke. Keines der Zungenbeinhörner
tritt mit dem Schädel in nähere Verbindung; die hinteren Horner
biegen sich um den hinteren Theil des Schädels herum, bei den Spechten
(deren Zunge besonders ausstreckbar ist) sogar weit nach vorne bis
an die Basis des Oberschnabels.
Der Schultergürtel ist aus den gewöhnlichen Theilen zu-
sammengesetzt. Sowohl Schulterblatt als Coracoid sind voll-
ständig verknöchert; ersteres ist ein platter, schmaler, säbelförmiger
Knochen, welcher sich gewöhnlich unter einem
spitzen oder rechten Winkel mit dem Coracoid
verbindet, das bei den Vögeln in der Regel
ziemlich lang und schmal ist in Vergleich
mit dem der Reptilien , dabei aber besonders
kräftig; sein unteres, breiteres Ende ist am
Vorderrand des Brustbeines eingelenkt. Bei
den Straussenvögeln und bei einigen Zahn-
vögeln, welche ebenso wie jene nicht fliegen
konnten, liegen beide Knochen mehr einer
in der Fortsetzung des andern und verschmel-
zen mit dem Alter ; das Coracoid ist bei sol-
chen kürzer und breiter. Die Schlüssel-
, beine sind zwei lange dünne Knochen,
>iH. 'ATI. Brustbein und 1 1 v • j 11 ■ » tt.. , •»
SchuitcrKtirt*i dos Haben von welche bei den allermeisten Vögeln an ihrem
der linken Seite gesehen d unteren Ende, wo sie durch ein Band an
Schlüsselbein, «» Coracoid, sc das Vorderende des Brustbeinkammes gehef-
Schulterbiatt, st Brustbein - tet gind> rait einanfjer verwachsen (Gabel-
K" knochen, FurcuUt) : mit dem anderen Ende
sind sie am oberen Ende des Coracoids befestigt, während sie übrigens
durch einen grösseren Zwischenraum von diesem getrennt sind. Bei
den Straussenvögeln und einzelnen anderen sind sie rudimentär oder
fehlen. — Die V ordergli edm aasse n sind gewöhnlich sehr lang.
Die Elle ist weit kräftiger als die Speiche; die Handwurzel be-
steht beim erwachsenen Vogel nur aus zwei Knochen1). Die Hand
ist sehr schlank und besteht nie aus mehr als drei Fingern mit zuge-
hörigen Mittelhandknochen ; von den fünf Fingern der Reptilien fehlen
') Der eine derselben ist das Radiale, der andere entspricht dem Ulnare -}~
Intermedium. Die Handwurzelknochen der distalen Reihe sind durch ein paar
Knochen repräsentirt, welche mit den Mittelhandknochen verschmelzen.
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Wirbclthiere. 5. Classe: Vögel.
459
hier Nr. 4 und 5 Von den drei Mittel h andknochen ist
Nr. 1 kurz, die beiden anderen weit länger; alle drei sind beim aus-
gebildeten Vogel mit einander verwachsen, Nr. 2 und 3 jedoch nur
an den beiden Enden, nicht in der ganzen Länge; nur bei Archaeo-
pteryx waren sie getrennt. Der Daumen ist ein- oder zweigliedrig,
Nr. 2 zwei- oder dreigliedrig, Nr. 3 eingliedrig (selten zweigliedrig) ; nur
bei Archaeopteryx besass Nr. 3 drei oder vielleicht vier Glieder. Bei
den mit Flugvermögen ausgestatteten Vögeln liegt der Oberarm in
der Ruhe längs des Rumpfes mit dem Ellbogenende nach hinten;
der Unterarm ist nach vorne gerichtet und liegt längs des Oberarmes,
die Elle nach aussen ; und die Hand ist derart im Handgelenk gebogen,
dass sie längs und ausserhalb des Unterarmes liegt, mit der Spitze
nach hinten , dem inneren Rand (mit dem Daumen) nach aussen.
Das Becken schliesst sich eng an das der Dinosaurier an, bietet
eine weitere Entwicklung des letzteren dar (vergl. S. 449). Das
Darmbein ist eine langgestreckte
Platte, welche mit einer langen Reihe
von Wirbeln (vergl. S. 455) verbunden
ist; an seinem unteren Rand findet sich
die Gelenkpfanne , und in dieser ver-
bindet es sich mit den beiden anderen
Beckenknochen, welche ebenfalls je einen
Theil der Gelenkpfanne bilden: alle drei FIg.838. Becken eines st rauaae».
sind hier beim ausgebildeten Thier mit « Gelenkpfanne, / Darmbein, k Bta-
einander verwachsen. Das Sitzbein b*i, -t Scharobeiu. o die Sprit«
■ , • i «■ • -tt l li i zwischen beulen letzteren, _< vcr^l.
ist ein kraftiger Knochen, welcher nach dcn Text Nach , ,Hk;n
hinten, dem hinteren Theil des Darmbeins
ungefähr parallel, gerichtet ist; bei den meisten Vögeln wächst der
hintere Theil des Sitzbeins mit dem Alter am Hüftbein fest, während
es bei den Zahnvögeln und bei den Straussenvögeln sich entweder
ganz frei erhält oder nur ganz hinten mit dem Darmbein verwächst.
Der merkwürdigste Abschnitt des Vogelbeckens ist jedoch das Sc ha ni-
bein. Es ist ein langer, dünner Knochen, welcher von der Gelenk-
pfanne nach hinten gerichtet ist und dem Sitzbein parallel verläuft;
häufig ist es mit letzterem theil weise verwachsen. Bei einigen
Vögeln (Zahn-, Straussen-, Hühnervögeln) entspringt am oberen Ende
des Schambeins dicht vor der Gelenkpfanne ein kurzer Fortsatz,
welcher jedoch den meisten Vögeln abgeht. Dieser Fortsatz (X Fig. 323)
entspricht dem Haupttheil des Schambeins der Dinosaurier und dem
Schambein anderer Reptilien , während das übrige Schambein der
Vögel dem hinteren Fortsatze des Schambeins der Dino-
saurier entspricht. Uebrigens ist zu bemerken, dass das Becken
der Vögel unten ganz offen ist, indem weder Sitz- noch Schambeim
sich unten mit denen der anderen Seite verbinden ; nur beim
afrikanischen Strauss ist eine untere Verbindung der beiden dünnen
Schambeine vorhanden. — Hinterglied maassen. Das Ober-
schenkelbein ist ein verhältnissmässig kurzer Knochen: das Waden-
bein ist dünn, unten (mit Ausnahme von Archaeopteryx) unvollständig,
zugespitzt ; das Schienbein ist ein langer, kräftiger Knochen, welcher
') Bei einigen Vögeln, welche daa Flugvermögen verloren haben, hat eine
weitere Reduction stattgefunden; so geht den Pinguinen der Daumen, den Kasuaren
ausserdem noch Nr. 3 ab, so dass letztere nur noch einen Finger haben.
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460 Specialer TbeiL
an seiner Vorderseite oben mit einem stark entwickelten Kamm -ver-
sehen ist (ein ähnlicher ist auch bei den Dinosauriern vorhanden,
während er bei anderen Reptilien sehr schwach ist). Gewöhnlich ist
eine knöcherne Kniescheibe vorhanden. Von Interesse sind die Ver-
hältnisse der Fu 88 wurzel. Ebenso wie bei den Reptilien zerfallt
sie in einen oberen und einen unteren Abschnitt, zwischen denen sich
ein sehr bewegliches Gelenk befindet; die Fusswurzelknochen des
oberen Abschnittes sind aber nur beim jungen Vogel vom Schienbein
gesondert, beim erwachsenen ohne Grenzlinie mit letzterem verwachsen,
und ebenso verschmilzt der untere Abschnitt mit dem Mittelfuss, so
dass beim erwachsenen Vogel scheinbar gar keine Fusswurzel vor-
handen ist. Der Fuss besteht niemals aus mehr als vier Zehen,
indem Nr. 5 mit zugehörigem Mittelfussbein immer spurlos fehlt. Die
Mittelfussknochen Nr. 2, 3 und 4 sind lang und nur beim Embryo
getrennt, später fast bis an die Zehen zu einem langgestreckten schmalen
Knochen (dem „Lauf") verschmolzen (mit welchem, wie oben erwähnt,
auch der distale Theil der Fuss wurzel verschmilzt); dagegen ist der
Mittelfussknochen Nr. 1 getrennt, aber weit kürzer als die anderen
und am distalen Ende dieser festgeheftet. Der Daumen , welcher in
der Regel nach hinten gerichtet ist, besteht aus zwei, Nr. 2 aus drei,
Nr. 3 aus vier, Nr. 4 aus fünf Gliedern (in der Regel) — alles wie
bei den Sauriern und Dinosauriern. Nicht selten fehlt der Daumen, sehr
selten (beim afrikanischen Strauss) auch Nr. 2 ; Nr. 3 ist in der Regel
die längste Zehe.
Das Gehirn ist im Vergleich mit dem der Reptilien bei den
Vögeln gross. Namentlich ist das Vorderhirn stark entwickelt;
das Hinterhirn ist ebenfalls gross,, sein mittlerer Theil, welcher
in die Länge gestreckt und mit tiefen Querfurchen versehen ist, über-
Ä B
Fig 324. Gehirn einer Taube von oben (A) und von unten (B). b Hinterhirn,
/ Vorderbirn. k Zirbel, l Riechkolben, mi Mittelhirn, r Rückenmark, * Sehnerv, t' Trichter.
— Nach Jeflery Parker.
deckt sowohl das Nachhirn als den mittleren Theil des Mittelhirns,
dessen beide Lappen nach der Seite geschoben sind. Diejenigen unter
den jetzt lebenden Reptilien, welche den Vögeln in Bezug auf die
Entwicklung des Gehirns am nächsten stehen, sind die Krokodile.
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Wirbelthiere. 6. Claas« : Vögel.
4fil
Das Geruchsorgan schliesst sich eng an das der Saurier an;
die äusseren Nasenlöcher sitzen wegen der Länge des Zwischenkiefers
in der Regel etwas von der Schnabelspitze entfernt oder sogar an
der Basis des Schnabels; die inneren Nasenlöcher münden ziemlich
weit vorne im Munde in eine Furche, welche theilweise durch seit-
liche Längsfalten überdeckt wird (vergl. die Reptilien). An der
äusseren Wand der Nasenhöhle findet sich eine stark vorspringende,
oft spiralig aufgerollte , innerlicli von einer Knorpelplatte gestützte
Falte (die sogenannte mittlere Nasenmuschel), welche der früher er-
wähnten Nasenmuschel der Reptilien entspricht ; ausserdem finden
sich noch zwei andere mehr oder weniger entwickelte Falten (vordere
und obere Nasenmuschel) '). — Das Auge und seine Nebenapparate
sind ebenfalls denen der Reptilien ähnlich. Der Augapfel hat eine
sehr bedeutende Grösse. Der vordere Theil der Sehnenhaut, in
welchem ein Kranz von Knochenplatten sich befindet, hat die Form
eines kürzeren oder längeren Kegels, dessen Spitze abgeschnitten ist ;
A H
c
Fig. 826. ^ Augeeine! Vogel», durchschnitten, schematisirt. c Hornhaut, ch GeftUs-
haut, et Strahlenkdrp«? (z. Th. von der Linse verdeckt), t Iris, / Linse, « Sehnerv, o durch-
schnittenes Knochenplättchen, j# Kamm, r Netzhaut; s äusserer, bindegewebiger, s* innerer
knorpeliger Theil der Sehnenhaut. — B Schnitt durch das Auge einer Eule, uro die eigen-
tümliche Form desselben zu zeigen. — Orig.
die fehlende Spitze des Kegels wird durch die oft stark gewölbte
Hornhaut vertreten, seine Basis wird von der hinteren gewölbten
Partie der Sehnenhaut geschlossen ; wenn der Kegel hoch ist und
seine Wand, wie es zuweilen (z. B. bei den Eulen) der Fall ist, etwas
nach innen gebogen ist, so entfernt die Form des Augapfels sich
natürlich sehr von der gewöhnlichen Kugelform, während sie sich in
anderen Fällen von dieser wenig unterscheidet. Von der Hinterwand
des Augapfels entspringt ein stark entwickelter häutiger, gefalteter,
pigmentirter Fortsatz, der Kamm (Pecten) , welcher frei in den Glas-
körper hineinragt. Von den beiden Augenlidern ist das untere
') In die Nasenhohle mündet der Ausführt! ngsgang einer grossen Nasen-
dr äse, welche gewöhnlich ihren Platz an der Oberseite dos Stirnbeins hat (bei
Möwen und anderen in einer länglichen Vertiefung längs des Augenhöhlenrande6) ;
dieselbe Drüse findet sich bei manchen Reptilien, hat hier aber ihren Platz an
anderen Stellen des Kopfes.
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I
462 Specialer Theil.
weit grösser und beweglicher als das obere (wie bei den Reptilien);
es ist eine wohlentwickelte N i c k h a u t vorhanden, welche durch einen
besonderen Muskel vor das Auge hingezogen wird. Im inneren Augen-
winkel findet sich eine Harder'sche Drüse und im äusseren eine kleine
Thränendrüse. — Gehörorgan. Das häutige Labyrintb schliesst
sich, namentlich was die Ausbildung des Schneckenganges be-
trifft, eng an dasjenige der Krokodile an. Es ist ein kurzer
äusserer Gehörgang vorhanden, an dessen Boden das Trommel-
fell liegt (vergl. die Reptilien); die Oeffuung desselben ist von regel-
mässig geordneten Federn überdeckt (ein Ohrdeckel, d. h. eine bewegliche,
die Öeffnung überdeckende Hautfalte, findet sich nur bei den Eulen).
In der Paukenhöhle findet sich derselbe Hörkn och en wie bei den
Reptilien; er besteht aus einem langen Stiel mit einer Platte am Ende,
welche das ovale Fenster schliesst; mit dem anderen Ende, welches
mit zwei bis drei knorpeligen Fortsätzen versehen ist, heftet er sich
an das Trommelfell. Die Ohrtrompeten, welche theilweise in die
Schädelwand (Keilbein) eingeschlossen sind, vereinigen sich schliess-
lich mit einander und münden mit einer unpaarigen Oeffnung in die
Mundhöhle.
Darmkanal. Zähne fehlen l) spurlos bei allen jetzt lebenden
Vögeln, waren aber bei Archaeopteryx und den Zahnvögeln in den
Kieferrändern vorhanden; die Zähne dieser ausgestorbenen Formen
sind einfach kegelförmig und sitzen ebenso wie bei den Krokodilen
in Zahnhöhlen (bei einigen der Zahnvögel verschmelzen letztere in
jedem Kieferrand zu einer zusammenhängenden Rinne, was wir auch
z. B. bei gewissen Säugethieren beobachten können). — Die Decke
der Mundhöhle ist gewöhnlich mit nach hinten gerichteten stachel-
artigen Warzen versehen. — Die Zunge der meisten Vögel ist ab-
geplattet, schmal, steif und hart und mit einer dicken, festen Horn-
schicht versehen , welche besonders am vorderen , gewöhnlich zuge-
spitzten, Ende stark entwickelt ist ; seltener ist sie dick und weich,
so bei den Papageien und beim Flamingo ; nicht selten ist sie warzig
oder stachelig. — Die Speiseröhre ist von ansehnlicher Länge und
ziemlich weit. Bei manchen (keineswegs aber bei allen) Vögeln ist
die Speiseröhre unten am Halse zu einem Kropf erweitert, welcher
bei einigen in Form einer einfachen, nicht scharf begrenzten Er-
weiterung der Speiseröhre auftritt, während es bei anderen ein mehr
abgegrenzter, in die Speiseröhre mündender Sack ist. In der Wand
des Kropfes finden sich gewöhnlich Drüsen, welche bei den Tauben
in der Brutzeit eine stärkere Entwicklung erreichen und eine milchige
Flüssigkeit ausscheiden , mit welcher die Jungen gefüttert werden ;
übrigens ist der Kropf wesentlich ein Reservoir für die aufgenommene
Nahrung. — Der Magen der Vögel zerfällt in zwei, gewöhnlich ziem-
lich scharf gesonderte Abschnitte, den Drüsenmagen und den Muskel-
magen. Der Drüsenmagen ist eine kurze Röhre, welche als un-
mittelbare, mehr oder weniger verdickte Fortsetzung der Speiseröhre
erscheint; in seine dicke Wand sind zahlreiche Drüsen eingelagert,
welche zweierlei Art sind: 1) grössere, zusammengesetzte, eine ver-
dauende Flüssigkeit absondernde Drüsen , welche entweder über die
*) Die längs des Schnabelrandes, z. B. beim Sägetaucher ( Mergus), vorhandenen
„Zahne" sind lediglich zahnähuliche Vorsprünge des Randes der Schnabelscheide,
also Horngebilde.
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Wirbelthiere. 6. Ciasse: Vögel.
4fi3
ganze Wand vertheilt oder auf begrenzte Stellen beschränkt sind,
und 2) ganz kleine schlauchförmige Drüschen, welche einen die
ganze Innenfläche des Drüsenmagens deckenden schleimigen Ueberzug
ausscheiden. In dem untersten Theil des Drüsenmagens, an der Grenze
des Muskelmagens, fehlen die grösseren Drüsen, der Ueberzug nimmt
einen festeren Charakter an und geht allmählich in denjenigen des
Muskelmagens über. Der Muskel mag en ist ein kurzer, sackförmiger
Theil mit musculösen Wandungen; er besitzt nur eine Form von
Drüsen, nämlich einfache, dicht gestellte Drüsenschläuche, denjenigen
ähnlich, welche den schleimigen Ueberzug des Drüsenmagens ab-
scheiden. Das Secret dieser Drüsen ist aber ein sehr eigenthümliches:
jedes Drüschen scheidet eine feste, hornartige Faser aus, welche aus
der Drüsenöffnung hervorragt und mit den benachbarten Fasern ver-
klebt einen hornähnlichen Ueberzug1) der inneren Seite des
Muskelmagens bildet; in dem Maasse wie der freie Theil der Faser
abgenutzt wird, wird diese am entgegengesetzten Ende durch neue
Absonderung ergänzt. An der äussern Oberfläche des Muskelmagens
findet man sowohl an der Ober- als an der Unterseite eine Sehnen-
scheibe, von welcher die musculösen Elemente ihren Ursprung nehmen.
Besonders stark ist die Muskulatur der Wand bei manchen pflanzen-,
besonders samenfressenden Vögeln (z. B. Hühnern und Enten) ent-
wickelt, deren Muskelraagen jederseits mit einer grossen, aussen stark
gewölbten, nach innen zu platten Muskelmasse versehen ist, während
sein Hohlraum sehr klein ist. Bei solchen Vögeln ist der Muskel-
magen ein echter Kaumagen, in welchem die aufgenommenen
Theile zwischen den beiden genannten Muskelraassen förmlich zer-
mahlen werden ; der hornartige innere Ueberzug ist bei ihnen sehr dick
und fest, und ausserdem, verschlingen sie Sand und Steinchen, wodurch
die Zerkleinerung der Nahrung weiter unterstützt wird. Bei insekten-
fressenden Vögeln und bei Raubvögeln ist der Muskelmagen dagegen
dünnwandig, mit schwacher Muskulatur und geräumigem Hohlraum.
Die Oeffnungen des Muskelmagens in den Dünndarm und in den
Drüsenmagen befinden sich stets dicht neben einander. — Der Dünn-
darm ist wohlentwickelt, am längsten bei den Pflanzenfressern; er
setzt sich in einen fast immer kurzen Enddarm fort, welcher eine
hinterste erweiterte Partie, die Kloake, besitzt; an der Grenze des
Dünn- und Enddarmes münden in letzteren gewöhnlich zwei Blind-
därme, welche bei manchen pflanzen- und allesfressenden Vögeln
von bedeutender Länge sind, während sie bei Vögeln, welche von
thierischer Nahrung leben, meistens ganz kurz oder rudimentär sind
(dasselbe kann übrigens auch bei anderen der Fall sein, die Tauben
besitzen z. B. ganz kurze Blinddärme). Bei den Vögeln findet sich
eine grosse, braunrothe, mit Gallenblase versehene Leber und eine
weissliche, langgestreckte Bauchspeicheldrüse, welche in der
ersten Dünndarmschlinge liegt2).
') Bei den Raubvögeln und anderen fleischfressenden Vögeln hat der Ueberzug
des Muskelmagens eine weichere Beschaffenheit.
■) An der dorsalen Wand der Kloake öffnet sich in letztere bei jungen Vögeln
ein kleiner unpaarer Sack, die Bursa Fabricii, in deren Wand kleine Epithelpartien
eingebettet sind, welche von dem den Sack auskleidenden Epithel her in die Wand
eingewachsen und später von dem übrigen Epithel abgeschnürt sind. Der Sack
wird meistens später rückgebildet und ist beim erwachsenen Vogel in der Hegel
verschwunden oder ganz rudimentär; seine Bedeutung ist ganz räthselhaft.
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464
Specieller Theil.
Viele Vögel erbrechen die unverdaulichen oder schwer verdaulichen
Theile des Futters, Knochen, Haare, Federn, Insektenpanzer etc., in Klum-
pen, den sogenannten Gewöllen; die bekanntesten solcher Gewölle sind
die der Eulen, welche meistens hauptsächlich aus Mäusehaaren und -knochen
bestehen, aber auch verschiedene andere Vögel liefern ähnliche : Mauersegler
(Insektenüberreste), Eisvogel < Fischknochen). Rabenvögel etc.
Die Athmungsorgane. Eine Längsspalte in der Mundhöhle
dicht hinter der Zunge führt in den kleinen Kehlkopf hinein, welcher
sich in die Luftröhre fortsetzt; letztere hat bei den Vögeln eine
bedeutende Länge und ist mit zahlreichen knorpeligen oder knöchernen
Ringen ausgestattet; sie theilt sich unten in zwei kurze Aeste, einen
für jede Lunge. Im Kehlkopf finden sich nicht wie bei der Mehrzahl
der anderen luftathmenden Wirbelthiere Stimmbänder, dagegen be-
sitzen die meisten Vögel am oberen Ende der beiden grossen Luft-
röhrenäste oder Bronchi — an der Grenze des Luftröhrenstammes —
einen eigenthümlichen Stimmapparat, indem an der Wand der
Bronchi membranöse Partien (me u. mi Fig. 328) ausgebildet sind,
welche nach innen gefaltet werden können und durch die aus den
Lungen herausströmende Luft in Schwingungen versetzt werden (des
Näheren vergl. unten). — Die Lungen sind schwammige Körper von
Fig. 826. Fig. 327.
tr
Fig. 826. Die Lungen eines 11 Tage alten Hühnerembryoi. / Luftröhre, / An-
lagen der LuftsKcke. — Nach Seleuka.
Fig. 327. Die Lungen einer Taube, tr Luftröhre, o Oefluungen von der Lunge in
die hier weggelassenen Luftaäcke. — Nach J. Parker.
etwas complicirtem Baue (vergl. unten), welche der dorsalen Wand
der Leibeshöhle dicht angeschmiegt sind. Es sind jedoch eigentlich
nur gewisse Theile der Lungen, welche diesen spongiösen Bau be-
sitzen; andere Partien sind zu grossen dünnwandigen Luft sacken
ausgebildet, welche durch je eine grössere Oeffnung mit der übrigen
Lunge in Verbindung stehen (vergl. die Chamäleonen). Diese Luft-
säcke erstrecken sich zwischen die Eingeweide hinein, zwischen ge-
wisse Muskeln, unterhalb der Haut hin, ja sogar mit langen Fort-
sätzen in viele der Knochen, z. B. der Giiedmaassen-Knochen, hinein,
in denen sie die Stelle der Markräume einnehmen : die Knochen der
D4§itized.by Goo^fc
Wirbelthiere. 5. Classe: Vögel.
465
Vögel sind daher zum grossen Theil pneumatisch1). Diese Aus-
bildung von Luftsäcken hat die Bedeutung, dass der Körper dadurch
ein geringeres specißsches Gewicht erhält; die Lungen der Vögel
stellen mit anderen Worten, ebenso wie das Tracheensystem der In-
sekten, nicht allein einen respiratorischen, sondern auch einen
aerostatischen Apparat dar.
Der Stimmapparat der Vögel hat im Allgemeinen folgenden Bau.
Die beiden Bronchi sind am oberen Ende, wo sie in die Luftröhre über-
gehen, durch einen medianen verknöcherten Balken, den Steg, getrennt;
letzterer hängt mit dem letzten Luftröhren ring zusammen. Die nach der
Hittellinie gekehrte Wand der Bronchi ist häutig und wird als innere
Paukenhaut bezeichnet. Die nach
aussen gekehrte Seite der Bronchus-
wand ist durch knorpelige oder knö-
cherne Halbringe gestützt, oft ist aber
auch hier eine häutige Stelle, die
äussere Paukenhaut, vorhanden
(welche bei anderen durch eine in das
Lumen des Bronchus vorspringende
Verdickung des Bindegewebes auf einem
der Halbringe ersetzt sein kann). Auch
das andere Ende der Luftröhre selbst,
welches als Trommel bezeichnet
wird, ist meistens im Dienste der
Stimmbildung von der übrigen Luft-
röhre etwas abweichend ausgebildet,
häufig sind z. B. die letzten Ringe mit
einander verschmolzen, oder dieser Ab-
schnitt ist zusammengedrückt, oder
aber erweitert etc. Bei den Männchen
der 8äger (Mergus) und der meisten
Enten besitzt die Trommel eine ein-
seitige blasige Ausstülpung mit ver-
knöcherten Wänden, die Pauke (oder
das Labyrinth).
Zu dem oben von den Athmungs-
organen Mitgetheilten kann übrigens
noch Folgendes hinzugefügt werden. Bei dem Singschwan, dem Kranich u. a.
ist der Kamm des Brustbeins dick und ausgehöhlt mit einem oberen Ein-
gang ; in die Höhlung legt sich eine grosse Schlinge der Luftröhre hinein,
ehe diese sich in die Leibeshöhle hinein begiebt ; bei anderen Vögeln findet
man ähnliche Windungen der Luftröhre unterhalb der Haut (beim Tetrao
urogaüus) oder in der Leibeshöhle. — Jeder der beiden grossen Luftröhren-
äste setzt sich durch die zugehörige Lunge mit einem grossen Luftgang
fort, welcher schliesslich in einen der grossen Luftsäcke mündet, unterwegs
aber Aeste abgiebt; diese Aeste (welche theilweise ebenfalls in Luftsäcke
ausgehen) geben zahlreiche lange, parallel verlaufende, dickwandige, sechs-
eckige Röhren ab, die sogenannten Lungenpfeifen, jede mit einem cen-
Fig. 828. Schuitt durch da« untere Endo
der Luftröhre und die oberen Enden der
beiden grossen Luftröhreniste eines Vogeli ;
Schema, b Bronchi, vu äussere, mi innere
Paukenhaut » Steg, t Trommel, tr Luftröhre.
/— IV die vier unteren Ringe der Luftröhre;
/ oberster Halbring des einen Bronchus. —
Orig.
') Es mag hier bemerkt werden, dass die Vögel nicht die einzigen Thiere mit
Eneumatischen Knochen sind ; auch die Flugsaurier und ein Theil der Dinosaurier
esassen solche, und man muss demnach annehmen dass sie ebenso wie die Vögel
mit Luftsäcken ausgestattet waren.
Boas, Zoologie. 80
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Speoieller Theil.
tralen, kreisrunden Lumen, von welchem zahlreiche, etwas verästelte, radiäre
feine Kanälchen in die dicke Wand ausstrahlen; diese Kanälchen sind
vom Capillarnetz umsponnen und stellen die eigentlichen respiratorischen
Theile der Lunge dar. — Die Lufthöhlen, welche im Kopf vorhanden sind
(in den Knochen des Schädels etc.), stehen bei der Mehrzahl der Vögel
nicht mit den Lungen in Verbindung, sondern sind Ausstülpungen der
Nasenhöhle und der Paukenhöhle ; bei einigen communiciren sie aber mit
Luftsäcken am Hals. — Die Einathmung geschieht bei den Vögeln
wesentlich durch Bewegungen der Rippen, wodurch das Brustbein nach
aussen bewegt und die Leibeshöhle erweitert wird. Die Wirkung wird
durch gewisse Muskeln (die Lungenmuskeln) unterstützt, welche von der
Innenseite der Leibeshöhlenwand (von den Rippen und dem Brustbein)
entspringen und sich an eine die ventrale Seite der Lungen überziehende
fibröse Haut heften; durch ihre Zusammenziehung werden die Lungen er-
weitert.
Das Herz und die grossen von demselben entspringenden
Arterien8tämme erweisen sich als Modifikationen des bei den
Flg. 329. Schemata des Herzen» und der Arterienbogen eines Krokodils (A) und
eines Vogels (B). a rechter, a' linker Vorhof; r rechte, p' linke Herzkammer; ao Aorta.
1, 2, 4 erster, zweiter und vierter Arterienbogen der rechten Seit«, f, 2\ 4' dieselben der
linken Seite (c und m siehe Flg. 308.) — Orig.
Krokodilen vorgefundenen Verhaltens. Sowohl Vorhof als Herz-
kammer sind vollständig in einen rechten und einen linken Theil ge-
sondert, der Herzkegel fehlt. Der linke Aortenbogen (linker Arterien-
bogen Nr. 2), welcher bei den Krokodilen von der rechten Herzkammer
entspringt, fehlt hier völlig; die Aorta wird somit ausschliesslich
von dem aus der linken Herzkammer entspringenden rechten Aorten-
bogen gebildet; im Uebrigen sind die Verhältnisse wie bei den
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Wirbelthiere. 5. Clause: Vögel.
467
Krokodilen. Es findet somit keine Mischung von arteriellem und
venösem Blut bei den Vögeln statt: das venöse Körperblut geht in
den rechten Vorhof, von diesem in die rechte Kammer, von letzterer
in die Lungen: das arterielle Blut aus den Lungen geht in den
linken Vorhof, von diesem in die linke Kammer, von hier in den
Körper.
Die Nieren sind längliche, dunkelrothe Körper, welche in der
Beckenregion dicht unterhalb der Wirbelsäule liegen ; sie füllen die
Zwischenräume zwischen den Querfortsätzen aus, und an der ventralen
Fläche sind sie durch Quereinschnitte in mehrere (meistens drei)
Lappen getheilt. Zuweilen verschmelzen beide Nieren an ihrem
Innenrand in grösserer oder geringerer Ausdehnung mit einander.
Die Harnleiter münden getrennt in die Kloake ; eine Harnblase fehlt.
Der Harn ist dickflüssig, weisslich.
Von den Eierstöcken ist bei den Vögeln nur der linke aus-
gebildet, ausnahmsweise ist jedoch ein rudimentärer rechter Eierstock
vorhanden ; bei manchen Tagraubvögeln (Falken, Habichten, Bussarden)
A B
Fig. 330. Geschlechts- and Harnapparnt, A einer weiblichen, B einer mann
liehen Taube. » Eierstock, <r" grosser Graafscher Follikel, ol linker Eileiter, ttt rudimen-
tärer rechter Eileiter, * Kloake, n Niere, $1 Samenleiter, t Hoden, tr Trichter am Ende des
Eileiters, u Harnleiter. — Nach Jeffery Parker.
kommt ein solches Rudiment (und zwar ein recht grosses) ziemlich
constant vor. Wegen der Grösse der Eier treten die Graafschen
Follikel an der Oberfläche des Eierstockes stark hervor, und letzterer
erhält dadurch ein traubiges Aussehen. Von den Eileitern (den
Müller'schen Gängen) ist ebenfalls nur der linke vollständig entwickelt
(ein Rudiment des rechten dagegen häufig vorhanden); in der Fort-
pflanzungszeit ist der Eileiter ein langer und dicker, ausserhalb dieser
Zeit ein dünnerer Schlauch, welcher sich mit einem grossen Trichter
in die Leibeshöhle öflFnet; nicht weit von der Einmündung in die
Kloake besitzt er einen erweiterten Abschnitt, den Eihälter (Uterus),
in welchem die Schale gebildet wird. - Die Hoden, welche beide
30*
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468
Specieller Theil.
wohl entwickelt sind (zuweilen ist jedoch der linke der grössere),
liegen vor den Nieren; die Samenleiter, welche von je einem kleinen
Nebenhoden entspringen, haben einen gewundenen Verlauf und münden
getrennt in die Kloake, meistens auf einer kleinen Papille. Die
Hoden sind ausserhalb der Begattungszeit sehr klein, während sie in
der Portpflanzungszeit eine ansehnliche Grösse erreichen. — Ein wohl
entwickelter Penis ist nur bei den Männchen einer geringen Anzahl
von Vögeln vorhanden : bei Straussenvögeln, Entenvögeln und einzelnen
anderen (bei den übrigen rudimentär oder ganz fehlend). Er ent-
spricht dem Begattungsorgan der Schildkröten und der Krokodile:
er hat seinen Platz an der ventralen Wand der Kloake, die freie
Spitze ist nach hinten gerichtet, an der Oberfläche ist er mit einer
Rinne versehen, an deren vorderem Ende die Samenleiter ausmünden:
durch die Rinne fliesst während der Begattung der Samen. Bei den
Entenvögeln ist der Penis korkzieherförmig, bei den anderen zungen-
oder wurstförmig : die Spitzenpartie ist meistens einstülpbar. Bei den
Vögeln, deren Männchen mit einem Penis versehen sind, besitzen auch
die Weibchen ein rudimentäres Begattungsorgan (Clitoris).
Sehr häufig sind grössere oder geringere äussere Geschlechtsunter-
schiede zu beobachten: häufig ist das Männchen etwas oder viel grösser
(bei Hühnervögeln u. a.), seltener kleiner als das Weibchen (bei Raubvögeln),
oft ist das Männchen durch besondere Entwicklung gewisser Federn (Pfan,
Paradiesvögel etc.), durch eigentümliche Hautfortsätze (Sporn des Hahns etc.)
oder durch lebhaftere Färbung ausgezeichnet.
Die meisten Vögel pflanzen sich jährlich nur einmal fort (in ge-
mässigten Gegenden im Frühling), andere mehrmals im Jahre (z. B.
der Haussperling). Gewöhnlich leben sie während der Fortpflanzungs-
zeit (selten zeitlebens) paarweise: Monogamie; seltener hat jedes
Männchen mehrere Weibchen: Polygamie.
Die Eier der Vögel sind von sehr bedeutender Grösse und ent-
halten eine grosse Menge von Nahrungsdotter. Indem sie den Eileiter
passiren, werden sie zuerst von einer Eiweissmasse , dann von der
letztere umgebenden Schalenhaut und schliesslich im Eihälter von
einer festen Kalkschale umhüllt; sämmtliche Umhüllungen werden von
den Drüsen der Eileiterwand abgesondert. Die Eier werden entweder
von den Weibchen allein .oder von Weibchen und Männchen gemein-
schaftlich, selten von den Männchen allein ausgebrütet (letzteres
beim afrikanischen Strauss und bei einzelnen anderen Vögeln) ; häufig
ist der brütende Vogel mit sogenannten Brut flecken versehen.
Hautstellen, wo die Federn ausgefallen sind, so dass die Eier direkt
mit der warmen Haut in Berührung kommen können. Vor dem Eier-
legen bauen sich die Vögel meistens ein Nest, auf oder in welches
die Eier gelegt werden (selten werden die Eier auf die blosse Erde
gelegt). Im einfachsten Fall schleppen sie nur eine spärliche Menge
von Aestchen, Strohhalmen, Federn etc. zusammen und legen die
Eier darauf; in anderen Fällen werden ähnliche Sachen zu einem
korbförmigen oder gar kugeligen Nest verwoben; seltener bauen sie
sich ein Nest aus Lehm, Mist u. dergl. und aus eigenem Speichel
(Schwalben u. a.) oder aus Speichel allein (Salangane). Die Nester
werden von einigen Vögeln auf der Erde angelegt, andere nisten in
gegrabenen oder natürlichen Erdlöchern (Uferschwalbe, Papagei-
taucher), in Baumlöchern (Spechte etc.), auf Bäumen etc. Meistens
bauen Männchen und Weibchen gemeinschaftlich das Nest. Im All-
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Wirbelthiere. 5. Classe: Vögel.
469
gemeinen verlassen die Jungen nicht sofort nach der Geburt das
Nest, sondern bleiben einige Zeit in demselben und werden von den
Eltern gefüttert („Nesthocker"); seltener („Nestflüchter") sind sie
gleich im Stande sich selbst zu ernähren (meistens allerdings unter
der Obhut der Mutter). — Das neugeborene Junge ist in der Regel
nicht unerheblich von dem Erwachsenen verschieden ; es ist mit Dunen
bekleidet oder fast nackt und in der Färbung abweichend; die Form
des Schnabels ist häufig eine andere als später (z. B. bei manchen
Singvögeln); auch die Nahrung ist häufig von derjenigen des Er-
wachsenen verschieden (so füttern z. B. viele körnerfressende Vögel
ihre Jungen mit Insekten)1). Auch ist dasjenige Gefieder, welches
an die Stelle des Dunenkleides tritt, sehr häufig von dem des älteren
Vogels wesentlich abweichend.
Während einige Vögel sich das ganze Jahr hindurch an derselben
beschränkten Localität aufhalten :Standvögel, unternehmen andere
kleinere oder grössere Ausflüge oder wirkliche Wanderungen. Den
Standvögeln am nächsten stehen die Strichvögel, welche innerhalb
eines grösseren Gebietes umherstreifen. Auch die sogenannten
Wechsel vögel , welche sich zu einer Zeit des Jahres etwa auf den
Bergen, zu einer anderen in den benachbarten Thälern aufhalten, oder
nach Bedürfniss den Wald mit dem freien Lande vertauschen etc.,
stehen noch den Standvögeln nahe. Weiter entfernen sich die Zug-
vögel, welche sich dadurch auszeichnen, dass sie alljährlich in einem
kälteren Klima brüten und in einem mehr oder weniger entfernten
wärmeren Lande den Winter zubringen. Die Zugvögel schlagen bei
ihren Wanderungen bestimmte Wege, Zugstrassen, ein, deren
eigenthümliche Richtungen offenbar in dem Bedürfniss begründet
sind, dass die Vögel während der ganzen Wanderung so weit wie
möglich nur Gegenden berühren, welche ihren natürlichen Aufent-
haltsorten einigermaassen entsprechen : Küstenvögel bewegen sich
hauptsächlich in Linien, welche an den Meeresküsten oder nötigenfalls
an den Flüssen entlang laufen, Sumpfvögel ziehen mit Vorliebe durch
Sumpfgegenden oder längs Flüssen etc. Hin- und Rückweg sind
meistens dieselben. Die meisten Vögel ziehen in grossen Sehaaren,
zuweilen mehrere Arten mit einander. Indem ältere und jüngere Vögel
zusammen wandern, wird die Kenntniss des Weges immerfort den
neuen Generationen überliefert und bewahrt; „instinctiv" können die
Vögel natürlich den Weg nicht finden, während allerdings bei den
Zugvögeln häufig ein ererbter unbestimmter Wandertrieb zu erkennen
ist, welcher sich auch bei jungen gefangenen Vögeln als eine gewisse
Unruhe zu der Zeit äussert, wenn das Ziehen stattfindet. Die Ab-
reise aus den kälteren Gegenden findet zu verschiedener, für jede Art
aber ziemlich bestimmter, Zeit statt, meistens im Herbst, für einige
Arten schon im August oder Juli; die Ankunft in denselben findet
vom Februar bis Mai statt (für Deutschland), und zwar kommen die-
jenigen Vögel am spätesten an, welche am frühesten weggehen. Die
meisten in Deutschland brütenden Zugvögel überwintern in Süd-
europa und Nordafrika.
Es ist unschwer zu erkennen, dass die Wanderungen der Vögel über-
') Viele jungen Vögel besitzen vorne an der Oberseite des Sohnabels einen
kleinen fest verhornten Höcker, mit welchem sie die Eischale beim Verlassen des
Eies zerbrechen.
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470
Specieller Theil.
hsupt, und auoh der Zug, wenigstens ursprünglich durch das Nahrungs-
bodürfhiss veranlasst sind : beobachtet man doch, dass gewisse Vögel, welche
für gewöhnlich nicht ziehen, in strengen Wintern bei Mangel an Nahrung
nach Süden reisen, während andererseits in milden Wintern einige Zugvögel
in dem Lande, wo sie brüten, zurückbleiben. Dem gegenüber ist aber auch
hervorzuheben, dass das Ziehen bei den meisten Vögeln dermaassen instinctiv
geworden ist, dass sie auch bei reichlich vorhandener Nahrung wegziehen,
sich überhaupt bei ihrer Wanderung nicht mehr direkt von der Nahrung
abhängig zeigen.
Die Vögel, welche über alle Theile der Erdoberfläche, wo über-
haupt organisches Leben vorhanden ist, verbreitet, am reichsten aber
in den Tropen vertreten sind, bilden eine in der Jetztzeit sehr zahl-
reiche, aber ziemlich einförmige Ordnung. Geologisch betrachtet, sind
die Vögel die jüngste der Wirbel thierclassen (von den Lanzettfischen
abgesehen, welche ausschliesslich aus der Jetztzeit bekannt sind),
indem der älteste bekannte Vogel aus der Juraformation stammt,
aus welcher Formation nur dieser Vogel allein bekannt ist, so dass
das Vogelleben zweifellos damals noch sehr spärlich entwickelt war;
eine grössere Anzahl kennt man aus der Kreideformation (sämmtliche
Zahnvögel), zahlreiche aus der Tertiärformation.
Die Jungen sind.
wenn sie das
Ei verlassen, von
einem dichten
Dunenkleid
bedeckt.
Die Jungen sind
beim Verlassen
des Eies fast nackt
und sehr hülflos.
Uebersicht der Ordnungen der Vögel1).
1. Echsenvögel. Schwanzwirbelsäule
länger als der Rumpf. Zähne vor-
handen.
2. Zahnvögel. Schwanzwirbelsäule
kürzer als der Rumpf. Zähne vor-
handen.
3. Straussenvögel. Flügel zum Flug
unbrauchbar. Kräftige Laufbeine.
4. Hühnervögel. Kurzer, schwach ge-
bogener Schnabel. GangfÜsse. Flügel
kurz, gewölbt.
5. Schwimmvögel. Mit Schwimm-
füssen3).
6. Wat vögel. Hit Watbeinen.
7. Raubvögel. Schnabel kräftig,
stark gebogen. Raubfüsse.
8. Singvögel. 3 Vorderzehen, Hinter-
zehe gross, für sich beweglich.
9. Schreivögel. 3 Vorderzehen, die
Hinterzehe kleiner, wird zugleich
mit den Vorderzehen bewegt.
10. Klettervögel. 2 Vorder-, 2 Hin-
terzehen.
in der Regel
klein.
Hinterzehe
in der Regel
wohl ent-
wickelt.
') Die systematische Anordnung der Vögel bietet bei der grossen Einförmigkeit
derselben grosse Schwierigkeiten dar; mehrere der hier aufgeführten Ordnungen
sind keine natürlichen Gruppen.
a) Wegen der Begriffe SchwimmfuM, Watbein etc. vergl. die Beschreibungen der
betreffenden Ordnungen.
_Digitized ty_Go.o. I?J
Wirbelthwre. 6. Clawc: Vögel.
1. Ordnung. Echsenvögel (Saururae).
Von dieser Ordnung kennt man nur eine einzige Art, Archaeo-
pteryx lithoaraphica, aus der Juraformation (dem lithographischen
Schiefer). Von allen bekannten Vögeln steht der Archaeopteryx den
Reptilien am nächsten. Er zeichnet sich in erster Linie durch den
sehr langen, aus 20 grösstenteils langgestreckten Wirbeln bestehenden
Schwanz aus, an welchem die Steuerfedern — deren Abdrücke man
in der Gesteinsmasse gefunden hat — in einer Reihe an jeder Seite
angebracht waren: ferner dadurch, dass die Mittelhandknochen
Fig. 331. Archaeopteryx. i — 3 erster — dritter Finger, /' erste, 4' vierte Zehe, fi Waden-
bein, il Darmbein, tnct erstes, mc3 drittes Mittelhandbein, n Nasenloch, o Augenhöhle, r Hals-
rippen, ra Speiche, u Elle, r ist möglicher Weise ein Gelenk, vielleicht aber aoeh eine Bruch*
stelle (uuter letzterer Voraussetzung ist der dritte Finger dreigliedrig, unter ersterer viergliedrig).
— Orig. (mit Benutzung der Figuren von Dames).
getrennt und alle drei Finger wohl entwickelt und mit grossen Krallen
versehen waren (was aus der Form des äussersten Fingergliedes zu
erkennen ist); durch das Vorhandensein von kegelförmigen Zähnen
an den Kieferrändern. Von anderen Charakteren sind hervorzuheben,
dass den ziemlich dünnen Brustrippen der schräge Fortsatz, wie es
scheint, fehlt, dass die Halsrippen länger als bei anderen Vögeln sind,
dass der Hals und die Beckenpartie kürzer, die Brustpartie dagegen
länger ist als bei den Vögeln im Allgemeinen fdie Brustwirbel
scheinen auch beweglicher als sonst gewesen zu sein) , dass die End-
flächen der Wirbelkörper, wie es scheint, abgeplattet (nicht sattel-
förmig) sind, und dass das untere Ende des Wadenbeines vollständig,
nicht zugespitzt ist (es ist sogar unten ein wenig erweitert). Aus
den wohlerhaltenen Abdrücken der grossen Schwungfedern ist zu er-
sehen, dass der Archaeopteryx ein guter Flieger war ; die Grösse war
etwa diejenige einer Taube. (Nur in zwei Exemplaren bekannt, beide
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Speoieller Theil.
I
unvollständig; Brustbein, Becken, Coracoid nicht oder mangelhaft
bekannt.)
2. Ordnung. Zahnvögel (OdontornitJies).
Die Zahnvögel , welche in mehreren Arten aus der Kreide-
formation (Nordamerika) bekannt sind, sind im Ganzen den jetzt
lebenden Vögeln sehr ähnlich, unterscheiden sich aber durch den Be-
sitz von Zähnen in den Kieferrändern. Einige derselben (IchthyornL*)
besitzen Wirbelkörper, deren vordere und hintere Endflächen beide
schwach ausgehöhlt sind; bei anderen (Hesperoniis) verhalten die
Wirbel sich wie bei den jetzt lebenden Vögeln. Die Unterkiefer-
hälften waren vorne nicht verschmolzen. Das Becken ist dadurch
ausgezeichnet, dass Darmbein und Sitzbein hinten nicht verschmolzen
sind. Uebrigen8 sind ziemlich verschiedene Formen in dieser Gruppe
vereinigt : einige waren Flieger, andere besassen wie die Straussenvögel
rudimentäre Flügel.
3. Ordnung. Straussenvögel {Raütue).
Der hervorragendste Charakter der Ordnung ist der r ü c k g e -
bildete Zustand der Flügel, welche niemals zum Flug ge-
braucht werden können ; oft sind sie sogar völlig rudimentär. Das
Brustbein ohne Kamm. Die Hintergliedmaassen, denen eine Hinter-
zehe in der Regel abgeht, sind gewöhnlich sehr kräftig, zum Lauf
eingerichtet, die Krallen kurz und stumpf. Die Federn sitzen nicht
in Fluren, sondern sind ziemlich gleichmässig über den ganzen Körper
vertheilt (es finden sich übrigens nackte Partien, z. B. an der Innen-
seite der Vordergliedmaassen beim Strauss und Nandu) ; zwischen den
Federn finden sich keine Dunen ; Schwung- und Steuerfedern ge-
wöhnlich nur wenig von den übrigen Federn verschieden. Keine
Bürzeldrüse.
Wenn wir die Straussenvögel an diese Stelle, anmittelbar nach Archaeo-
pteryx und den Zahnvögeln, stellen, so geschieht das, weil sie in mehreren
Punkten ursprünglichere Züge aufweisen als andere jetzt lebende
Vögel. So berühren z. B. die Gaumenbeine nicht den unteren Hand des
Schädels, sondern liegen mehr von der Mittellinie entfernt (wie bei den
Sauriern), ein Charakter, den sie nur mit einer einzelnen kleinen Gruppe
von Hühnervögeln1) theileu (bei Arcbaeopteryx und den Zahnvögeln ist
diese Partie unbekannt); die Knochen des Schädels bleiben länger als
bei anderen Vögeln getrennt (ebenso die Halsrippen); das Sitzbein ver-
wächst nieht oder ganz hinten mit dem Darmbein (wie bei den Zahnvögeln) ;
der zweite Finger der Vordergliedmaassen besitzt eine ziemlich wohl ent-
wickelte Kralle. In verschiedenen anderen Punkten weichen sie dagegen
weit von dem ursprünglichen Verhalten ab : der Zustand der Flügel ist
offenbar ein abgeleiteter (d. h. die Strausse stammen von fliegenden Vögeln
ab) ; das Fehlen des Brustbeinkammes ist von dem Verluste des Flugver-
mögens und der Rückbildung der Flugmuskeln abzuleiten; Aehnliches gilt
von dem Zustande der Federn etc.
') Nämlich den Steisshühnern oder Tinamu's (Crypturidae), einer Ab-
theilung von Hühnervögeln, welche durch einen langen Schnabel, sehr kurze oder
fehlende Steuerfedern (so dass sie kurzschwiinzig oder schwanzlos erscheinen) und
eine sehr kleine (oder fehlende) Hinterzehe ausgezeichnet ist. Sie leben in Süd-
amerika
DißitizedjDy-Gopglfii'
Wirbelthiere. 5. Clane: Vögel.
473
Die meisten Straussenvögel sind Thiere von sehr ansehnlicher
Grösse; sie sind wesentlich Steppenthiere , welche in den wärmeren
Theilen der südlichen Halbkugel leben. Sie sind vorzugsweise
Pflanzenfresser (nehmen auch kleines Gethier). Die Männchen be-
sorgen entweder allein oder hauptsächlich das Brutgeschäft.
1. Die Straussenfamilie (SiiHUhionidae). Schnabel kurz und breit;
Federn ohne Nebenfahne; Flügel verhältnissmässig gut entwickelt, mit
Daumen und grossen Federn ; kleinere oder grössere Federn am Schwanz.
Hierher gehören: Die Nandu 's (Jiliea) mit drei Zehen, in Südamerika.
Ferner der afrikanische Strauss (Struthio camelus) mit nur zwei
Zehen (No. 3 und 4), von denen die innere eine grosse Kralle trägt,
während die äussere mit einer nur kleinen Kralle versehen ist, welche von
einer sie umgebenden grosse Hautfalte verdeckt ist (wenn sie nicht ganz
fehlt) ; Flügel mit sehr grossen, Schwanz ebenfalls mit ansehnlichen Federn ;
in Afrika und Westasien.
2. Die Kasuarfamilie (Ihomaeuhe). Schnabel kurz; an den
Federn sind Haupt- und Nebenfahne von gleicher Grösse; Flügel sehr
schwach, daumenlos; Schwanz kaum angedeutet; drei Zehen. Die Kasuare
( Casuarim) haben oben am Kopfe einen knöchernen , mit Horn bedeckten
Kamm, einen zusammengedrückten Schnabel, 5 lange, starke astlose Feder-
schäfte an jedem Flügel; in Neuguinea, den Molucken und im nördlichen
Neuholland. Die Emu 's (Vromaeiut) mit plattem Schnabel, ohne Kamm
und ohne nackte Federschäfte, leben in Neuholland. — Zu derselben
Familie gehören die theilweise riesigen, ausgestorbenen Moa-Vögel
(Dinwnis u. a.), von welchen einige eine Hinterzehe besassen; sie lebten
auf Neuseeland, einige bis vor wenigen Jahrhunderten.
3. Die Kiwi 's (Aptenjx) sind kleine, kurzbeinige und kurzhalsige
Straussenvögel (etwa von Hühnergrösse) mit langem, dünnem Schnabel, an
welchem die Nasenlöcher dicht an der Spitze angebracht sind ; Federn ohne
Nebenfahne; Flügel ganz rudimentär; Hintergliedmaas sen mit einer kleinen
Hinterzehe. Leben von Insekten u. dergl. Neuseeland.
4. Ordnung. Hühnervögel (ttasores).
Schnabel kurz, an der Spitze schwach gebogen. Gangfüsse:
kräftige Füsse mit kleiner Hinterzehe, welche höher eingelenkt ist
als die übrigen Zehen, und mit schwach gebogenen, kurzen , nieder*
Sedrückten Krallen; selten mit grosser Hinterzehe. Die Flügel in
er Regel kurz, abgerundet, gewölbt. Die Hühnervögel sind durch-
gängig Vögel von etwa mittlerer Grösse ; sie sind weniger gute Flieger,
halten sich zumeist auf der Erde auf, sind in der Regel Allesfresser,
scharren mit ihren Krallen Samen, Larven, Würmer etc. hervor.
Nicht wenige leben in Polygamie, in welchem Falle das Männchen
gewöhnlich grösser und prächtiger gefärbt ist etc. als das Weibchen.
Die Eier werden meistens auf der Erde abgelegt und vom Weibchen
bebrütet; die neugeborenen Jungen sind kräftiger als diejenigen der
meisten anderen Vögel und können sofort umherlaufen.
1. Die Waldhühner -Gruppe (Tctraonomorphae). Die Nasen-
löcher und der Grund des Schnabels mit dichten Federn bedeckt. Mittel-
fuss mehr oder weniger befiedert, ohne Sporn. Hierher gehören: Das
Haselhuhn {Tdrastes bonasa) in GebirgB Waldungen Deutschlands (auch
in Skandinavien etc.), Mittelfuss nur in seiner oberen Hälfte befiedert;
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474
Spocicller Theil.
lebt in Monogamie, £ und $ ungefähr gleich. Der Auerhahn (Tetrao
vroyaüus) und der Birkhahn (T. Mrix), beide in Deutschland in
Waldungen, stattliche Vögel, ersterer der grössere; der Mittelfuss beider
ganz befiedert, die Zehen dagegen nackt ; leben in Polygamie, die Mannchen
viel grösser als die Weibchen, letztere braun, entere schwärzlich. Die
Schneehühner (Layopus) haben den ganzen Fuss befiedert; sie sind im
Sommer braun, im Winter gewöhnlich weiss ; beide europäische Arten leben
nur in kälteren Gegenden; die eine, L. mulus, gehört ausschliesslich dem
hohen Norden und den Alpen an, die andere, L. albus, kommt noch inner-
halb der Grenzen Deutschlands (Ostpreussen) vor. Das Steppenhuhn
(Syrrhaptes paradoxus) zeichnet Bich durch seine langen Flügel und durch
die kurzen, befiederten Füsse aus, welche keine Hinterzehe besitzen; es ist
auf den Steppen Westasiens zu Hause, ist aber in den letzten Jahrzehnten
zu wiederholten Malen in grossen Schaaren (1863, 1888) in Europa (auch
iu Deutschland) eingewandert, ohne sich jedoch dauernd anzusiedeln.
2. Die Fasan-Gruppe (Phasianomorphae). Die Nasenlöcher nackt,
mit einem kleinen gewölbten Deckel. Der Mittelfuss des Männchens in der
Regel mit einem Sporn (selten mit zwei solchen) versehen, welcher beim
Weibchen rudimentär ist.
a. Die Fasan-Familie (Pliasianidae). Schwanz um eine
Mittelaxe zusammengebogen, dachförmig. Häufig nackte Anhänge am Kopf.
Sporn vorhanden. Männchen und Weibchen sehr verschieden. Südasien.
Hierzu gehören: Das Haushuhn (Gallus domestious) mit einem nackten
Hautkamm auf dem Kopfe, <$ mit langen, gebogenen Schwanzdeckfedern;
eß stammt vom Bankiva-Huhn (G. bankiva) ab. Ferner die Fasane
(Phasianus), von denen eine Art (Ph. Colchicum) an vielen Stellen in halb-
gezähmtem Zustand gehalten wird; sie zeichnen sich durch ihren langen,
spitzen Schwanz aus (die Steuerfedern Belbst sind verlängert).
b. Die Pfau-Familie (Paivnidae). Schwanz abgeplattet,
ziemlich lang; Sporn vorhanden. Der Pfau (Pavo cristaim) mit einem
Federbusch am Kopf; £ mit ausserordentlich langen Schwanzdeckfedern,
welche emporgerichtet werden können; Ostindien. Das Truthuhn (JWf-
Icagris yalloparo) , Kopf und Hals nackt , ein weicher Hautfortsatz hangt
von der Oberseite des Kopfes am Grunde des Schnabels herab; Nord-
amerika.
c. Die Rebhuhn- Familie (Perdicidae). Schwanz abge-
plattet, kurz; Sporn fehlt oft. In Deutschland leben das gemeine Reb-
huhn (Perdix cinerea) und die Wachtel {Cotnmix communis), von welchen
letztere Zugvogel ist und in Polygamie lebt; beide haben eine nackte
Hautatelle hinter dem Auge, es fehlt ihnen der Sporn, $ und $ ziemlich
gleich. Das Perlhuhn (Xumida meleayris), mit nacktem Kopf, welcher
einen grossen knöchernen Aufsatz trägt, grau mit weissen Flecken, ohne
Sporn, ist in Afrika zu Hause.
3. Die Hokko's (Oracidac. Gatt. Orax etc.) Grosse Vögel mit
ziemlich langem MittelfuBS, gebogenen und spitzen Krallen, langem Schwanz ;
Schnabel am Grunde mit einer „Wachshaut" überzogen, oft ein grosser
Höcker auf der Schnabel wurzel, häufig eine aus aufgerichteten , nach vorne
gebogenen Federn gebildete Haube auf dem Scheitel. Brüten in Bäumen.
Mexico und Südamerika.
4. Die Grossfus shühner oder Talegalla's (Gatt. Megapo-
diu* etc.) zeichnen sich durch die Länge der Krallen und die kräftige Aus-
bildung der Hinterzehe aus, welche auf gleicher Höhe mit den übrigen
Zehen eingelenkt ist. Sie sind dadurch besonders merkwürdig, dass sie
Oigitized by-Goegft
Wirbelthiere. 5. Classe: Vögel.
475
ihre sehr grossen Eier nicht ausbrüten, sondern dieselben entweder in einen
Haufen von zusammengetragenen Pflanzentheilen, in einen Sandhaufen oder
in eine im Sande gegrabene Vertiefung ablegen ; die Eier werden dann ent-
weder durch die Wärme ausgebrütet, welche durch die Gährung der Pflanzen-
stoffe entsteht, oder einfach durch die Sonnenhitze. Die Jungen verlieren
das Dunenkleid schon im Ei und schlüpfen mit ausgebildetem Federkleide
aus. Australien, Philippinen.
5. Ordnung. Schwimmvögel (Natutorea).
Die Füsse sind im Allgemeinen Schwimmfüsse, d. h. es ist
zwischen den Vorderzehen, fast bis an die Spitze derselben, eine Haut
ausgespannt. In der Regel sind die Füsse kurz, die Krallen kurz,
niedergedrückt, die Hinterzehe meistens sehr klein, das untere Ende
des Unterschenkels nackt, mit Schuppen bedeckt. Der Schwanz in
der Regel kurz. Das Gefieder dicht, elastisch. Die Schwimmvögel
sind im Stande, mittels der Hintergliedraaassen zu schwimmen,
nicht wenige können sogar mehr oder weniger tief unter die Ober-
fläche des Wassers hinunter schwimmen: tauchen *), wobei sie öfters
die Flügel mit als Schwimmwerkzeuge benutzen ; andere können nur
den Kopf, Hals und Vorderleib unter das Wasser bringen, während
der übrige Körper oberhalb des Wassers bleibt. Der Gang ist meistens
weniger gut ; das Flugvermögen ist bei einigen gut, bei anderen mehr
oder weniger rückgebildet.
1. Die Möwengruppe (Longipennes). Lange, spitze Flügel, kurze
Hinterzehe, spaltförmige , seitlich am Schnabel angebrachte Nasenlöcher-,
Schwanz wohl entwickelt. Die meisten sind Küstenvögel (einige können
aber auch an süssen Gewässern leben) und ernähren sieh von Fischen und
anderen Meeresthieren , nach welchen sie sich in der Regel auf das Meer
niederstürzen; vorzügliche Flieger. Die Möwen (Larus) sind grössere
hellgefärbte Vögel mit einem an der Spitze gebogenen Schnabel und einem
quer abgeschnittenen Schwanz ; mehrere Arten an den Küsten Deutschlands.
Bei den Raubmöven (Lesiris) sind die beiden mittleren Steuerfedern
länger als die übrigen ; Furchen am Schnabel , dunkle Farben ; sie ver-
folgen andere Meeresvögel, wenn diese eine Beute gemacht haben, und er-
greifen letztere, wenn jene sie fallen lassen; ausserdem fischen sie selbst
und treten als echte Raubvögel auf, indem sie Vögel und kleinere Säuge-
thiere rauben; nordische Vögel, an den Küsten Deutschlands selten. Die
Seeschwalben (Sterna) weichen von den Möwen durch ihren langen,
geraden, spitzen Schnabel und den gegabelten Schwanz ab ; mehrere Arten
in Deutschland.
2. Die Sturmvögel (Tubinares) unterscheiden sich besonders da-
durch von der vorhergehenden Gruppe, dass die Nasenlöcher oben auf
dem Schnabel am Ende zweier Röhren sitzen, welche längs des oberen
Schnabelrandes liegen. Werden in der Regel auf offenem Meere angetroffen.
Hierzu gehören der möwenähnliche, hochnordische Eissturmvogel (Ful-
marus glaciaHs), die kleine, dunkle gefärbte Sturmschwalbe oder
St. Petersvogel (ProceUaria peiagica) , im Atlantischen Meer, und der
grosse Albatross (Diomedea exulans) auf der südlichen Halbkugel, beim
Kap etc.; letzterem fehlt die Hinterzehe.
l) Im Gegensatz zu solchen Schwimmtauchern werden diejenigen Vögel,
welche sich während des Fluges aus der Luft unter das Wasser hinabstürzen, als
Stosstauoher bezeichnet.
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476 Specieller Theil.
3. Die Ruderfüssler (Steganojxxies) haben eine grosse, nach innen
gerichtete Hinterzehe, welche durch eine Schwimmhaut mit den übrigen
drei Zehen verbunden ist, so daBS hier also eine Schwimmhaut zwischen
allen vier Zehen vorhanden ist (Ruderfuss). Schnabel lang, gerade, in der
Regel mit nach unten gebogener Spitze. Die schwarze Scharbe oder
der Kormoran ((rraculus mrbo) ist ein dunkel gefärbter Vogel mit
schmalem, an der Spitze hakig gebogenem Schnabel; brütet gesellig in
Bäumen in der Nähe des Meeres oder süsser Gewässer, ernährt sich von
Fischen ; fast durch ganz Europa, Asien, Nordamerika (im Winter auch in
Afrika). Die Pelikane (Pekianns) sind weiss mit röthlichem oder gelb-
lichem Anfluge; der Schnabel lang, gerade, breit, an der Spitze hakig
gebogen ; die Haut zwischen den Unterkieferästen sehr erweiterungsfähig,
bildet in ausgedehntem Zustande einen grossen Sack (zum Aufbewahren
der Beute) ; Zunge rudimentär ; zwei Arten in Südeuropa, welche sich bis«
weilen nach Deutschland verfliegen. Der Fregattvogel {Tachypete-s
aquila) mit langen spitzen Flügeln, gabeligem Schwanz und schwach ent-
wickelter Schwimmhaut, lebt auf offenem Meere innerhalb der Wendekreise.
Der Tölpel (Sula Itassana), mit langen Flügeln und einem langen, kräftigen,
spitzen Schnabel, stürzt sich nach seiner Beute tief in's Wasser hinein;
häufig bei Island und den Färöern, selten an der deutschen Nordseeküste.
4. Die Steissfüssler (I)jgo]x>des). Flügel schwach entwickelt, aber
mit gewöhnlicher Befiederung. Schnabel verschieden. Schenkel und grösster
Theil des Unterschenkels in die Rumpfhaut eingeschlossen, aus welcher nur
das unterste Ende des Unterschenkels dicht beim After hervorragt Schwanz
kurz. Der Körper wird beim Gango aufrecht gehalten. Sie tauchen nach
Fischen , Schalthieren u. Aehnl. Gehören der nördlichen kalten Zone an.
a. Die Seetaucher {Colymbus) besitzen gewöhnliche Schwimm-
füsse mit einer kleinen Hinterzehe, Schnabel lang, spitz, gerade. Hoch-
nordische Vögel, welche am Süsswasser nisten; eine Art (C. septentrionaiis)
kommt im Winter häufig in Deutschland vor. — Die Steiss füsse oder
Lappentaucher (l'odiceps) sind den Seetauchern ähnlich, unterscheiden
sich aber dadurch , dass eine zusammenhängende Schwimmhaut nicht vor-
handen ist, sondern jede Vorderzehe jederseits einen breiten Hautsaum
( Spaltschwimmfuss ) besitzt ; sie bauen ein schwimmendes Nest auf stehenden
Gewässern; mehrere Arten brüten in Deutschland.
b. Die Alkenfamilie (Ahidat) unterscheiden sich von den
vorigen durch den Mangel einer Hinterzehe. Sie brüten gesellig am Meere.
Dazu gehören: Die Lummen (Cria) mit ziemlich langem, geradem, zu-
gespitztem, zusammengedrücktem Schnabel ; brüten besonders an den nörd-
lichen Meeren, zwei Arten kommen im Winter häufig an die Ost- und Nord-
seeküsten. Der Alk (AU-a tarda) mit stark zusammengedrücktem, ge-
furchtem, etwas gebogenem Schnabel ; brütet im hohen Norden , kommt im
Winter häufig an die deutschen Küsten. Mit letzterem verwandt ist der
iu unserem Jahrhundert ausgestorbene, grosse Geiervogel oder Rieseu-
alk (Alca imjjcnnis), dessen rückgebildete Flügel zum Flug völlig unbrauch-
bar waren ; er lebte bei Island, Neufundland etc. , in Behr alter Zeit auch
an den dänischen Küsten. Der Lund oder Papageitaucher (Momton
fraicrmla) hat einen noch stärker zusammengedrückten, hohen, gefurchten
Schnabel ; er gräbt sich lange Röhren in die Erde und nistet in denselben ;
brütet hauptsächlich an den Küsten des hohen Nordens (Islands etc.).
5. Die Pinguine (Impenws) sind eine sehr abweichende Gruppe
von Vögeln, welche besonders dadurch ausgezeichnet sind, dass die ziemlich
kleinen Vordergliedmaassen in allen Gelenken mit Ausnahme des Schulter-
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Wirbelthiere. 5. Classe: Vögel.
477
gelenkes unbeweglich und mit kleinen, schuppenähnlichen Federn bedeckt
sind (keine besonders entwickelten Schwungfedern) ; sie sind natürlich als
Flugwerkzeuge unbrauchbar, werden aber beim Schwimmen benutzt. Ebenso
Fig. 332. Kiese n ulk. — Nach Brehm. Fig. 333. Pinguin. — Nach Brehm.
wie die Alken haben die Pinguine einen aufrechten Gang und treten (wie
einige der Alken) mit dem ganzen Fuss auf, dessen Mittelfuss kurz und breit
ist; die kleine Hinterzehe ist nach vorn gewendet. Der Schwanz ist sehr
kurz. Die Federn sind gleichmässig vertheilt, sitzen nicht in Fluren.
Leben auf der südlichen Halbkugel.
6. Die Entenvögel (Lamdlirostres). Grosser, in der Regel breiter,
am Grunde höherer, gegen die Spitze abgeplatteter Schnabel, welcher grössten-
theils mit einer weichen Haut bedeckt ist, nur an der Spitze des Ober-
schnabels eine nagelähnliche, feste Hornplatte ; längs der Kieferränder eine
Reihe kleiner, in der Regel plattenförmiger Fortsätze. Dicke weiche Zunge.
Kleine Hinterzehe.
a. Die Enten (Anntinae) sind kleinere Entenvögel mit kurzem
Hals und breitem, plattem Schnabel mit einer kleinen Hornplatte; das
Männchen prächtiger als das Weibchen gefärbt; Winter- und Sommerkleid
verschieden. Zugvögel. Hierzu gehören die Stockente {Anas botchai),
Stammform der Hausente, ferner die Krickente (A. creeca), die
Knäckente (A. qmrquedula), die Löffelente(.4. elyprata), deren Schnabel
sehr gross und mit langen Randblättchen versehen ist, etc.; alle diese und
mehrere andere kommen in Deutschland vor, mit Ausnahme der Stockente
und Knäckente brüten sie aber ausschliesslich oder überwiegend in nörd-
licheren Gegenden. — Die Tauchenten (Fulignlinae) weichen von den
Enten durch den Besitz eines kleinen Hautlappens an der Hinterzehe ab,
welcher jenen abgeht, und dadurch, dass sie tauchen können; die meisten
sind hochnordische Vögel, mehrere erscheinen im Winter an den deutschen
Küsten. Zu dieser Abtheilung gehört die Eiderente (Somateria moüwftima),
welche auf den Färöern, bei Island und Grönland massenhaft, in geringerer
Anzahl auf mehreren dänischen Inaein und auf Sylt brütet. — Die Säger
(Merginae: Gatt. Mergus u. a.) weichen dadurch von den Tauchenten ab,
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478
Specieller Theil.
das s der Schnabel schmal, an der Spitze hakig gebogen und am Rande
mit zahnartigen Fortsätzen versehen ist. Mehrere Arten in Deutschland.
b. Die Gänse (Anserinae). Grössere, ziemlich langhalsige und
hochbeinige Entenvögel ohne Hautlappen an der Hinterzehe, Schnabel an
der Wurzel hoch und mit einer grossen Hornplatte an der Spitze. Im
Gegensatz zu den übrigen Entenvögeln, welche sich von Gethier ernähren
oder Allesfresser sind, ernähren sich die Gänse vorzugsweise von Pflanzen,
welche sie mit ihrem Schnabel abweiden; auch leben sie weit mehr auf
dem Lande als die übrigen. In der Regel kein bedeutender Geschlechts-
unterschied. In Deutschland brütet die Graugans (Amer cinrrewi), die
Stammform der Hausgans; mehrere nordische GänBe kommen auf dem
Zug nach Deutschland.
c. Die Schwäne (Oygnits). Grosse, sehr langhalsige, aber kurz-
beinige Entenvögel, die Hinterzehe ohne Hautlappen, Schnabel an der
AVurzel hoch, an der Spitze abgeplattet. In der gemässigten und der kalten
Zone; die der nördlichen Halbkugel weiss, die der südlichen ganz oder
theil weise schwarz. Der Singschwan (C. mtuticux) ist ein nordischer
Vogel, welcher Deutschland auf dem Zug durchzieht. Der Höcker-
schwan (C. okjr) brütet in Deutschland, wird häufig gezähmt gehalten.
Der schwarze Schwan (C. atralus) lebt in Neuholland.
d. Die Flamingos (Phoenicojitcrus) sind durch die sehr ver-
längerten Schien- und Mittelfussbeine Watvögeln ähnlich ; der Hals ausser-
ordentlich lang; der Schnabel querüber in der Mitte wie geknickt, übrigens
dem der Enten ähnlich; Zunge weich und gross; Schwimmhaut vorhanden.
Eine Art dieser grossen Vögel lebt in den Mittelmeerländern, watet im
Wasser am Strande umher.
6. Ordnung. Watvögel {GraUatores).
Die Beine sind "Watbeine: der untere Theil des Unterschenkels
nackt, mit Schuppen bekleidet, der Mittelfuss lang, keine Schwimm-
haut (ausnahmsweise ist eine solche vorhanden). Der Kopf ist klein,
der Schnabel in der Regel lang und schmal. Der Hals lang, stark
S-förmig gekrümmt, oft mit langen Federn, welche die Biegungen
verdecken, so dass der Hals kurz und dick erscheint. In der Regel
gute Flieger. Die Nahrung ist gewöhnlich thierischer Art.
1. Grosssch näblige Watvögel (Altinares). Schnabel gross,
kräftig, weit länger als der übrige Theil des Kopfes, mit fester Hornscheide,
kleinen, hoch gestellten Nasenlöchern. Flügel gross. Vögel von ansehn-
licher Grösse, welche ihr Nest hoch über der Erde (an Bäumen etc.) bauen
und ihre Jungen füttern.
a. Die Reiher (Herodii). Hinterzehe lang, mit einer grossen
Kralle versehen, berührt in ihrer ganzen Länge die Erde. In Deutschland
leben : Der Fischreiher (Ardea cinerea), häufig, nistet gesellig auf Bäumen :
die Rohrdommel {Botaurus steUaris), mit losem Gefieder und bräunlichen
Farben, Nachtvogel; der Nachtreiher (Nycticorax gris&ts) mit dickem
Schnabel, selten; u. a.
b. Die Störche {Pelnrgi), Hinterzehe kürzer, mit kleinerer
Kralle und höher als die anderen Zehen eingelenkt. Hierzu: Der weisse
Storch {Ciconia alba) und der schwarze 8torch (C. nigra), beide in
Deutschland brütend (letzterer seltener), Zugvögel. Die Kropfstörche oder
Marabu 's (Leptoptilus) mit sehr kräftigem Schnabel, kahlem Hals und Kopf,
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Wirbelthiere. 5. Cla«*}: Vögel
479
Aasfresser, in Afrika und Ostindien. Der Löffel storch ') (PkUolea
leucorodia) mit stark abgeplattetem, an der Spitze breitem Schnabel, in Süd-
Europa, selten in Deutschland. Der weisse heilige Ibis (Ibis reiigiosa)
der alten Aegypter zeichnet sich durch einen ziemlich dünnen, sanft ge-
bogenen Schnabel und durch nackten Kopf und Hab aus ; jetzt in Aegypten
selten, häufig im Sudan und südlichen Nubien.
2. K u rz s ch näbl ige Wat vögel (Brevirostres). Schnabel kurz,
gewöhnlich ziemlich dick, mit fester Hornscheide und grossen, niedrig ge-
stellten Nasenlöchern. Die Mehrzahl sind kleine oder mittelgrosse Vögel,
welche auf der Erde nisten; die Jungen laufen fast gleich umher.
a. Die Regenpfeifer (Cfiaradriidas). Kleinere Vögel mit
kleiner Hinterzehe oder ohne solche. Unter den in Deutschland vorkom-
menden führen wir folgende an: Der Kiebitz (Vandlus cristatits) mit
Federhaube auf dem Kopf, Hinterzehe vorhanden, nistet auf Wiesen. Der
Steinwälzer ( Strepsilas interpres) mit Hinterzehe, der kurze Schnabel etwas
nach oben gebogen ; fast über die ganze Erde verbreitet, am Strande. Der
Austernfischer (Haematopus ostralegus) ohne Hinterzehe, mit langem
Schnabel, am Strande. Der Goldregenpfeifer (Cfiaradritis pluvialis)
ohne Hinterzehe, mit kurzem, an der Spitze kolbigem Schnabel ; auf Haiden
etc., nicht am Meere. Alle vier sind Zugvögel, die drei enteren brüten
in Deutschland, letzterer wesentlich im hohen Norden, kommt auf dem Zug
durch Deutschland.
b. Die Trappen (Otididae). Grössere, hühnerartige Vögel mit
kurzem, kegelförmigem Schnabel und kurzen kräftigen Zehen; die Hinter-
zehe fehlt. Leben in baumlosen trockenen Ebenen. Die grosse Trappe
(Otis tarda) ist an einigen Stellen in Deutschland, z.B. in Sachsen, häufig;
die kleine Trappe (O. tetrax), in den Mittelmeerländern zu Hause, hat
sich seit den siebziger Jahren in Thüringen als Brutvogel niedergelassen,
verfliegt sich auch sonst zuweilen nach Deutschland.
c. Die Sumpfhühner (HaUidae). Zehen lang, die Hinterzehe
wohl entwickelt, der Schnabel kürzer oder länger. Beispielsweise führen
wir an: Die Wasser ralle (RoUhs aquaticus), Schnabel gerade, länger als
der übrige Kopf; der Wachtel könig (Orea pratensis) ; das Teichhuhn
(Gallinula cläoropus); das Wasserhuhn (Fulica atra) mit einem Haut-
saum längs jeder Seite der Vorderzehen ; die beiden letzteren mit einer
nackten hornigen Stirnschwiele oberhalb des Schnabels. Alle vier sind
Zugvögel, welche in Deutschland brüten.
d. Die Kraniche (Gruidae). Ziemlich starker, gerader, spitzer
Schnabel; Beine sehr hoch, Zehen kurz, Hinterzehe klein, Hals lang.
Grössere Vögel. Der gemeine Kranich (Grus cinerea) brütet innerhalb
Deutschlands nur im Nordosten, sonst in nördlicheren Ländern, kommt auf
dem Zug durch.
3. Dünnschnäblige Watvögel (Debüirostres). Schnabel lang,
dünn, oft biegsam, häufig mit einer weichen Haut versehen. Uebrigens wie
die kurzschnäbligen. In der Lebensweise sind sie echte Watvögel. Dazu ge-
hören: Die Schnepfen (Scolopax) mit langem, geradem, weichem Schnabel
(Waldschnepfe fS. rustwola/, Mittelschnepfe /S. major], Heerschnepfe oder
gemeine Bekassine [S. gaUinago/, Moorschnepfe /S. gaüinulaj). Die kleinen
Strandläufer (Tringa), hochnordische Brutvögel. Der Kampfläufer
(Machetes pugnax). Die Wasserläufer (Totanus). Die Uferschnepfen
(Limosa). Der Brachvogel (Xumenws arcuata) mit sehr langem, bogen-
') Meistens Löflelr einer genannt.
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480
Specieller Theil.
förmig abwärts gekrümmtem Schnabel . Der Säbelschnabler (Ruurvi-
rostra avocetta) mit sehr langem, aufwärts gebogenem Schnabel und unvoll-
ständiger Schwimmhaut zwischen den Zehen. Alle genannten (und andere
mehr) kommen in Deutschland vor, alle sind Zugvögel. — Die kleinen
Odinshennen oder Wassertreter (Plialaropm), mit Hautsaum längs der
Zehen, sind hochnordische Vögel (auf Island etc.), welche sich selten nach
Deutschland verirren. Das Männchen scheint allein die Eier auszubrüten.
7. Ordnung. Raubvögel (Accipitres oder Rapaces).
Schnabel kurz, kräftig, an der Wurzel dick, Oberschnabel stark
gebogen, mit nach unten gerichteter Spitze. Kräftige Füsse, die
starken Krallen haben die Form eines langen, spitzen, gebogenen
Kegels; die Hinterzehe in der Regel sehr kräftig. Flügel gross. In
der Regel stattliche Vögel, welche sich von Raub oder Aas ernähren.
Das Weibchen grösser als das Männchen. Die neugeborenen Jungen
sind zwar mit Dunen dicht bekleidet, bleiben aber längere Zeit im
Nest und werden von den Eltern gefüttert.
1. Tagraubvögel (fkmeroharjxujes). An der Wurzel des Schnabels
eine nackte, halbfeste Haut, die Wachshaut. Kopf und Hals befiedert.
Hinterzehe gross , in derselben Höhe mit den Vorderzehen eingelenkt,
trägt eine sehr kräftige Kralle. Sie fangen lebendige Thiere.
a. Die Habichte (Astttridae). Die Hinterseite des Mittel*
fuBses mit grösseren Hornplatten bedeckt; Flügel mittellang. In Deutsch*
land häufig sind der Hühnerhabicht (Astur palumbarius) und der kleinere
Sperber (--1. nisus), beide Stand- oder Strichvögel. Der Secretär
{Gypogeramis secretariw), ausserordentlich hochbeinig, Mittelfuss sehr lang,
Zehen kurz, erinnert an die Watvögel; Steppenvogel, welcher besonders
von Reptilien lebt; Afrika. — Von den Habichten weichen die Bussarde
(Buteo) besonders durch die längeren Flügel ab. Die Weihen (Ora«s)»
ebenfalls mit langen Flügeln, zeichnen sich besonders durch den Besitz
eines ähnlichen „ Schleiers" wie die Eulen aus.
b. Die Falken (Fahonidae). Hinterseite des Mittelfusses mit
zahlreichen kleinen Schuppen. Kurzer, kräftiger, von der Wurzel aus ge-
bogener Schnabel mit grösserem Zahn nahe der Spitze. Flügel gewöhnlich
lang. Die wichtigsten in Deutschland vorkommenden sind: Der Thurm-
falk (Falco tinnunculwi), der Wander falk (F.jwcgrinus), der Lerchen-
falk (F. subbuteo) und der Zwergfalk ( F. aesalon); alle genannten sind
Zugvögel, die drei ersteren nisten in Deutschland, der letzte im Korden
(kommt im Winter nach Deutschland). Der Jagd falk (F.gyrfalco) ist ein
hochnordischer Vogel.
c. Die Adler (Aquüida*). Der Mittelfuss wie bei den Falken
(aber häufig befiedert) ; Schnabel meistens länger, nur an der Spitze gebogen,
sehr kräftig, ohne Zahn. Grosse Vögel mit langen Flügeln. Die Edel-
adler (Aqtiila) zeichnen sich durch den ganz befiederten Mittelfuss aus;
die in Deutschland häufigste Art dieser Gattung ist der Schreiadler
(A. ttaevia), selten dagegen sind die grösseren, derStei n ad ler (A.chrysdetus)
und der Kaiseradler (A. imj)eriaiut). Der grosse Seeadler {Haliaetus
aUncüla), dessen Hittelfinger nur in der oberen Hälfte befiedert ist, lebt
sowohl von Landthieren als von Fischen; besonders in Norddeutschland.
Der Flussadler (Pattdioti halütetus) zeichnet sich durch den kurzen Schnabel
und dadurch aus, dass die äussere Zehe eine Wendezehe ist (kann nach
Wirhelthiere. ft. Claas«» : Vögel.
481
hinten gerichtet werden); nährt sich von Fischen; kosmopolitisch, ist in
allen fünf Welttheilen gefunden. — Der rothe Milan (Müvus regalia)
unterscheidet sich von den Adlern durch seinen kleineren Schnabel, Schwanz
gegabelt; häufig in Deutschland.
2. Die Ost geier {^qrrohoipngts). Kopf und oberer Theil des Halses
in der Kegel kahl oder mit Dunen bekleidet. Hinterzehe gross, mit den
übrigen Zehen auf gleicher Höhe eingelenkt. Die Krallen weniger kräftig,
etwas niedergedrückt. Flügel gross. Zahlreiche kleine Schuppen auf der
Hinterseite des Mittelfusses. Grosse Vögel, welche sich meistens von Aas
ernähren; leben in den heisseren Theilen der alten Welt. Der grosse
weissköpfige Geier {Vultur fukus), dessen Kopf und Hals mit weiss-
lichem Flaum bedeckt ist, und der kleinere Aasgeier {Ncophron percnopterns),
mit nacktem Kopf und sehr langem, dünnem Schnabel, leben in den Mittel-
meerländern und in Afrika, verfliegen sich zuweilen nach Deutschland.
Bei dem grossen Lämmergeier {Gyjxietus btibutus), in den Alpen,
Pyrenäen etc., ist der Hals mit Federn, der Kopf mit Dunen bekleidet; er
bildet den Uebergang zu den Tagraubvögeln.
3. Die Westgeier (Necrofotrpages). Kopf und oberer Theil des
Halses in der Regel nackt. Hinterzehe kleiner, höher als die übrigen ein-
gelenkt. Nasenscheidewand durchbrochen. Sehr grosse Flügel. Aasfresser, in
Amerika, besonders Südamerika. Die grösste Art ist der Kondor (Sarco-
rhamphus gryphtis), eine zweite ansehnliche Form ist der Königsgeier
(S. papa) mit buntgefärbtem Hals und Kopf; kleiner die Rabengeier
(Githartes).
4. Die Eulen (Nycth/trpages). Der hintere Theil des Kopfes so breit,
dass die Augen nach vorne gerichtet sind (bei anderen Raubvögeln
sind sie seitwärts gerichtet). Das Gesicht ist von einem Kreis von kurzen
eigenthümlichen Federn, dem Schleier, eingefasst; ausserdem ein Feder-
kranz um jedes Auge ; zwischen diesem Kranz und dem Schleier die grosse
Ohröffnung. Borstenartige Federn umgeben die Schnabelwurzel. Das Ge-
fieder weich, in der Regel bräunlich, gesprenkelt. Die Aussenzehe (Nr. 4)
ist eine Wendezehe, welche nach hinten gewendet werden kann. Die
Hinterzehe etwas höher als die übrigen eingelenkt. Der Fuss mit den
Zehen gewöhnlich befiedert.
a. Tag-Eulen (Striges diumne). Die Ohröffnung einfach, ohne
Deckel. 8chleier oben unvollständig. Sie jagen sowohl am Tage wie
Abends. Hierher gehören von deutschen Eulen der grosse Uhu (Bubo
niaximus) und die kleine Zwergohreule (Ephialtes scoj?s)t beide mit zwei
Federbüscheln am Kopfe; häufiger als diese ist der Steinkauz {AUiene
noctivi). Die Scbneeeule (Xycten nivea) und die Sperbereule
(Surnia nisoria) Bind hochnordische Vögel, welche sich hin und wieder nach
Deutschland verfliegen ; auch die an einzelnen Stellen in Deutschland ständig
vorkommende Sperlingseule (OlnucitHum p<mcrimtm) ist ein mehr
nördlicher Vogel.
b. Nacht -Eulen (Striges nocturnac). Ohröffnung sehr gross,
von einer Klappe (Hautfalte) überdeckt. Schleier vollständig. In Deutsch-
land leben: Der Waldkauz (Syrnium ahtm), der seltene Ural k au z
(S. uralense), die Waldohreule (Otus ndgurü), die Sumpfohreule
(O. brachyotus*)) die beiden letzteren mit zwei aufrichtbaren Federbüscheln
auf dem Kopf, die rauhfüss ige Eule (Xyciule fttrur&t) und die fast kos-
mopolitische Schleiereule ( Strix flammen).
Boa«, Zoologie. 31
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482
Specieller Theil.
8. Ordnung. Singvögel (Oscines).
Füsse dünn, zart gebaut. Die Hinterzehe, welche kräftig und
mit einer grösseren Kralle als die anderen Zehen ausgestattet
ist, kann für sich bewegt werden, während sie bei allen anderen
Vögeln stets nur gleichzeitig mit den Vorderzehen bewegt werden
kann (weil eine der Beugesehnen der Hinterzehe bei den Vögeln im
Allgemeinen mit einer der Beugesehnen der Vorderzehen verbunden
ist, während dieselbe bei den Singvögeln frei ist). Die Flügeldeck-
federn klein und in geringer Zahl vorhanden. Bei der Mehrzahl ist
die Hinterseite des Mittelfusses grösstenteils von zwei langen,
schmalen Platten bedeckt (anstatt wie gewöhnlich von zahlreichen
Schuppen). Am unteren Ende der Luftröhre finden sich in der Regel
mehrere kleine , sonst den Vögeln fehlende Muskeln (Singmuskeln).
Nestbau oft ziemlich künstlich. Gewöhnlich Körner-, Beeren- oder
Insektenfresser.
1. Drosselvögel (Timli formen). Schnabel gewöhnlich gerade oder
an der Spitze schwach gebogen, oft mit einem Einschnitt vorne am Rande
des Oberkiefers; die Nasenlöcher sitzen niedrig.
a. Die Sänger (Sylvuukie). Schnabel ziemlich schwach, zu-
sammengedrückt, mittellang, mit einem seichten Einschnitt. Kleine oder
mittelgrosse Vögel, z. Th. ausgezeichnete Sänger. Ernähren sich von In-
sekten und Beeren. Hierzu gehören von deutschen Vögeln unter anderen
folgende: Die Drosseln (Tunlus): Schwarzdrossel oder Amsel (T. mertdn),
Ringdrosßel (T. torquatiui), Singdrossel (T. musicus) etc. Die Wasser-
ainsel (Oinclus aqiuiticux), ungefähr von gleicher Grösse wie die Drosseln,
an üiessendem Wasser, taucht; Standvogel. Die Nachtigall (Lusciniu
philomda), das Blaukehlchen (L. suecicu) und das Rothkehlchen
(L. rubecula). Die Rothschwänze (Iiutieiüa). Die Steinschmätzer
(Saxicola). Die Gatt. Syh'ia (Grasmücken, Rohr- und Laubsänger), kleine
zarte Vögel, meistens von unansehnlicher Färbung. Die Goldhähnchen
( Ifcguhis) und der Zaunschlüpfer ( Troglodytes jxirvidux), die kleinsten
Vögel Deutschlands. Die Bachstelzen (Motaeilia) mit langem, wippendem
Schwanz, an kleinen Gewässern. Die Pieper (Antiius) mit ähnlicher langer
Hinterkralle wie die Lerchen.
b. Die Würger (Laniadae) unterscheiden sich von den Sängern
durch ihren stärkeren Schnabel, welcher jederseits am Rande dicht inner-
halb der gebogenen Spitze mit einem starken Zahn versehen ist. Sie fangen
Insekten und kleine Wirbelthiere und spiessen dieselben auf Dornen. In
Deutschland leben mehrere Arten, von denen die grösste, Lantus exeubüor,
von der Grösse einer Drossel ist.
c. Die Meisen (Paridae) sind kleine Vögel mit weichem Ge-
fieder ; Schnabel kurz, ziemlich dick, nicht gebogen, ohne Einschnitt;
Nasenlöcher von Borstenfedern bedeckt. Insektenfresser, welche zumeist in
hohlen Bäumen und an ähnlichen Orten brüten. Hierhin von deutschen
Vögeln die Kohlmeise (Parus major), die Blaumeise (P. cyaneus),
die Schwanzmeise (P. caudatm) u. a.
d. Die Fliegenschnäpper {Muscuxqmlae) haben einen kurzen,
geraden, an der Wurzel breiten und abgeplatteten Schnabel mit steifen
Borstenfedern am Grunde. Vier Arten in Deutschland.
e. Der Seidenschwanz (Ampelis gamdus) hat einen ziemlich
kurzen, an der Wurzel etwas breiteren Schnabel ; das (Gefieder weich. Die
merkwürdigste Eigentümlichkeit des Vogels ist, dass das Ende der Schäfte
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Wirbelthiere. ß. Claase: Vögel.
483
der Handschwungfedern und der Steuerfedern astlos und zu einem abge-
platteten, spatelähnlichen Theil verbreitert ist. Brütet im hohen Norden,
kommt im Winter häufig nach Deutschland. — Einer verwandten Gruppe
gehört der Pirol {Oriolus galtnila) an, welcher schön gelb, von der Grösse
einer Drossel ist. In Deutschland.
2. Kegelschnäbler( (hrärostres). Schnabel kurz, dick, kegelförmig,
mit hochliegenden Nasenlöchern. Sie ernähren sich besonders von
Samen; die Jungen werden mit Insekten gefüttert.
a. Die Finken (FringiUa). Schnabel dick, ohne hakige Spitze.
Der Kernbeisser (F. coecothraustcs), der grösste deutsche Fink, Schnabel
ausserordentlich dick und kräftig. Der Buchfink (F. coelebs), Strich- oder
Zugvogel; der Bergfink (F. montifrinf/illa), brütet im Norden, kommt
auf dem Zug nach Deutschland. Die Hänflinge: Grünfink (F. chloris),
Girlitz (F. serinus), Bluthänfling (F. rannabina), Berghänfling (F. montium)\
der letztere brütet im Norden, kommt im Winter nach Deutschland. Der
S t i e g 1 i t z (F. rardwlis), der kleine gelblich grüne Erlenzeisig (F. spinus),
der Birkenzeisig (F. litiaria). Der Haussperling (F. domesUca) in
Europa, Asien, Nordafrika, auch nach Amerika und Australien übergeführt,
hat sich in Nordamerika ungeheuer stark vermehrt; der Feldsperling
(F. montana). Der Dompfaff oder Gimpel (F. pyrrhula). Alle ge-
nannten in Deutschlaud, die meisten Stand- oder Strichvögel. Von fremden
Formen nennen wir nur den Kanarienvogel (F. canaria), von den ka-
narischen Inseln.
b. Die Ammern (Emberixa). Schnabel an der Spitze zusam-
mengedrückt, Oberschnabel schmäler und niedriger als der Unterscbnabel,
Schnabelränder eingebogen ; meistens ein harter Höcker am Gaumen. Die
Sehn eea ramer (E. nivalis), nistet im Norden, erscheint im Winter häufig
in Deutschland; ohne Gaumenhöcker. Die Grauammer (E. müiaria),
die Goldammer (E. ritrineün), die Gartenammer (E. hortularta), die
Rohrammer (E. sehornicius). Alle genannten in Deutschland.
c. Die Kreuzschnäbel {Loxin) sind besonders dadurch aus-
gezeichnet, dass die Spitzen des Ober- und Unterschnabels einander kreuzen.
Nadelholzvögel. In Deutschland L. cwrirostra und pityopsittaetts. — Ver-
wandt ist der Hakengimpel (IHnicola enndrator), drosselgrosser Vogel
mit hakiger Oberkieferspitze, gehört dem Norden an, selten in Deutschland.
3. Rabenvögel (Corrifonurs). Kräftiger, ziemlich grosser, ungefähr
gerader Schnabel; ziemlich kräftige Füsse. Meistens grössere, gesellschaft-
lich lebende, alleefressende Vögel.
a. Der 8t aar (Stumm vttlgaru*), raittelgrosser Vogel mit langem,
geradem, niedergedrücktem Schnabel ; die Nasenlöcher nicht von Federn be-
deckt. Höhlenbrüter, Insektenfresser, Zugvogel. — Verwandt ist der
Hirtenvogel [Pastor ro.*ens)t dessen Schnabelfirst sanft gebogen ist;
ebenfalls Höhlenbrüter, in den Mittelmeerländern, verirrt sich selten nach
Deutschland.
b. Die Rabenfamilie (CorvUlae) mit sehr kräftigem, vorne
zusammengedrücktem, etwas gebogenem Schnabel ; die Nasenlöcher sind von
borstenartigen Federn bedeckt. Grössere Vögel. Der Rabe {Covvus corax),
der grösste deutsche Singvogel, ganz schwarz; nicht sehr zahlreich. Die
ganz schwarze Raben krähe (C. corone) und die theil weise graue Nebel-
krähe (C.cornix) sind nicht selbständige Arten, sondern nur geographische
Varietäten: es giebt allerlei Uebergänge zwischen beiden, und sie paaren
sich unbedingt fruchtbar mit einander; in Deutschland ist die R. die west-
liche, die N. die östliche Form, in Norddentschland bildet die Elbe ziem-
3l+
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484
Specieller Theil.
lieh scharf die Grenze. Die Saatkrähe (C. frugdegus), ganz schwarz,
die Borstenfedern an der Schnabelwurzel fehlen den Alten. Die Dohle
(C. vwnedula), schieferschwarz, Schnabel kürzer als bei den genannten.
Die Elster (Pica caudaia), mit langem, stufigem Schwanz, schwarz nnd
weiss. Der Eichelheher {(iamibis glandariujt), bunt gefärbter Vogel
mit kürzerem Schnabel, dessen Spitze hakig gebogen ist. Der Tannen-
heher (Nucifraga can/omtactes) mit langem, fast geradem Schnabel, nicht
häufig in Deutschland.
c. Die Paradiesvögel {Paraduteidac) zeichnen sich besonder«
durch die prächtigen Farben und eigenthümliche Ausbildungen des Gefieders
aus, welche den Männchen eigen sind, während die Weibchen ganz beschei-
den ausgestattet sind. Grössere Vögel, mit kräftigem, zusammengedrücktem
Schnabel und von Federn überdeckten Nasenlöchern. Neu-Guinea und an-
liegende Inseln.
4. Die Schwalben (Longipennes). Flügel sehr lang, Füsse kurz,
Schnabel kurz, an der Wurzel breit, die Mundwinkel erstrecken sich weit
nach hinten. Kleine Vögel, ausgezeichnete Flieger, Insektenfresser; Zug-
vögel. In Deutschland leben die Rauchschwalbe (Himtido ritstica) mit
braunrother Kehle, die Hausschwalbe ( //. nrMro), welche ihr bekanntes
Nest aus Erde und Speichel bauen, und die braungraue Uferschwalbe
(//. riparia), welche ihre horizontalen, 1 — l Vt m langen Niströhren in senk-
rechten Uferwänden graben, um in dem inneren , etwas erweiterten Ende
zu brüten.
5. Der Baumläufer (Crrthia famüiaris), der Mauerläufer (Tirho-
droma muraria) und der Kleiber (Siüa ca&tia) gehören einer besonderen
kleinen Abtheilung der Singvögel an, welche dadurch ausgezeichnet ist, dass
die Hinterzehe ungemein gross ist, während die Vorderzehen am Grunde
von einer gemeinsamen Haut umschlossen sind. Die Krallen stark zusam-
mengedrückt, sehr spitz. Laufen an Baumstämmen oder an Felsen (Mauer-
läufer). Die beiden ersteren haben einen langen, dünnen, gebogenen Schnabel
(am längsten beim Mauerläufer), der letzte einen geraden, spitzen, kräftigen
Schnabel. Der erste und der letzte sind in Deutachland überall verbreitet,
der Mauerläufer gehört den Alpen an (innerhalb der deutschen Grenzen in
Oberbayern).
6. Die Lerchen (Alaiididne) unterscheiden sich von allen vorher ge-
nannten Singvögeln dadurch , dass die Hinterseite des Mittelfusses von
mehreren kleinen Platten bedeckt ist. Die Hinterzehe mit einer langen,
geraden Kralle. Schnabel mittellang, ziemlich kräftig, fast gerade, First
gebogen. Sie leben besonders von Samen. Brüten auf dem Boden. In
Deutschland brüten die Feldlerche (Alatuln arvensis), die Haidelerche
(A. arborea) und die Haubenlerche (A. cristata)) beide erstere sind
Zugvögel, die letzte Standvogel. Die bunte Alpenlerche (Otocoria aJ'
pestris) brütet im hohen Norden , kommt aber im Winter zuweilen nach
Deutschland. — Mit den Lerchen verwandt ist der Wiedehopf (Upupn
epops) mit langem, dünnem, gebogenem Schnabel, einer ähnlichen Hinter-
kralle wie die Lerchen ; am Kopfe ein aufrichtbarer Federbusch. Insekten-
fresser, Zugvogel. In Deutschland.
9. Ordnung. Schreivögel (Cfamatores).
Unterscheiden sich dadurch von den Singvögeln, dass die Hinter-
zehe und namentlich die Hinterkralle weniger kräftig ist, und dass die
Hinterzehe nicht für sich bewegt werden kann. Keine Singrauskeln.
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Wirbelthiere. 6. Clan»«: Vögel.
485
1. Die Blaurake (Coracias garrula). Schnabel mittollang, vorn zu*
sam mengedrückt , an der Wurzel breit, an der Spitze sanft gebogen.
Prächtiger, blaugrün gefärbter Vogel von etwas über Drosselgrösse. Stellen-
weise in Deutschland, nistet in Baumhöhlen, Insektenfresser, Zugvogel.
2. Die Segler (Cypselidae). Der Mund sehr gross, die Mundspalte
setzt sich unterhalb des Auges nach hinten fort; Schnabel kurz, schwach,
am Grunde breit und abgeplattet; ungemein lange Flügel; sehr kleine
Füsse. Schwalbenäbnliche Vögel , Insektenfresser. In Deutschland lebt
der Mauersegler (Oypxdus aptts), dessen Hinterzehe nach vorn gedreht
ist; das schüsseiförmige Nest findet sich in Mauerlöchern etc. und wird
aus Strohhalmen, Federn etc. gebaut, welche von dem leimartigen Speichel
zusammengehalten werden. Der Mauersegler wird in den Alpen und in
den Mittelmeerländern durch den sehr ähnlichen , etwas grösseren , weiss-
bäuchigen Alpensegler (Oypselus mcUta) vertreten. Die Salanganen
( Collocallia), mit normaler FusBform, sonst aber den vorigen Arten ähnlich,
in Ostindien, bauen ihr NeBt ausschliesslich aus Speichel (essbare Vogel-
nester). — Zu einer verwandten Familie gehört ;die Nachtschwalbe
oder der Ziegenmelker (Caprimulgits eurojxieus), welcher grösser ist,
mit bräunlichen eulenartigen Farben ; Federborsten an der Schnabelwurzel ;
Nachtthier, legt seine Eier an den Boden ohne Unterlage ; in Deutschland.
3. Die Kolibris oder Schwirrvögel (Trochilidae). Schnabel lang,
dünn, röhrenförmig; Zunge tief gespalten , kann weit aus dem Munde her-
vorgestreckt werden. Flügel lang, Füsse kurz. Prächtige Farben, besonders
beim Männchen, ausserdem oft eigentümliche Ausbildung gewisser Federn.
Insektenfresser. Zu dieser Familie, welche nur in den wärmeren Theilen
Amerikas vertreten ist, gehören die kleinsten aller Vögel.
4. Die Eisvögel (AUvdinidae) haben einen geraden, kräftigen,
kantigen Schnabel , die äussere und mittlere Vorderzehe bis zum
zweiten Gelenk, die mittlere und innere Vorderzehe bis zum ersten Gelenk
mit einander verwachsen. Bunt gefärbt; meistens in wärmeren Ländern
zu Hause. In Deutschland der langschnäblige Königsfischer (Ak-edo
ispida), welcher von Fischen lebt und den Brutanstalten oft sehr schädlich
ist. — Dieselbe Fussform besitzt auch der Bienenfresser (Merops api-
astet") mit langem, sehr spitzem, schwach gebogenem Schnabel; in Südeuropa
und den Donauländern, verfliegt sich selten nach Deutschland. — Auch bei
den Nashornvögel^ (Buceiotulac) sind die Vorderzehen an der Wurzel
verbunden ; ausserdem zeichnen sie sich durch ihren sehr langen , dicken,
etwas gebogenen Schnabel aus, welcher an der Wurzel meistens einen grösseren
Aufsatz trägt. Afrika und Ostindien.
5. Die Tauben (Colmnbülae) zeichnen sich besonders dadurch aus,
dass der ziemlich kurze Schnabel nur an der Spitze eine feste Hornbe-
kleidung besitzt, an der Wurzel dagegen weich ist. Die Ringeltaube
(Cvlumba palumbus), die Hohltaube (C. oawx), welche in hohlen Bäumen
nistet, und die Turteltaube (Turtur aurihts)1) leben in Deutschland.
Die Felsentaube (C. livia) an Küsten des Mittelmeeres, bei England etc.,
ist die Stammform der in zahlreiche Rassen gespaltenen zahmen Taube.
Die Wandertaube (6'. migratorm) in Nordamerika durchwandert der
Nahrung halber in ungeheuren Schaaren weite Strecken. Zahlreiche andere
Taubenformen in verschiedenen Welttheilen. — Eine abweichende Form ist
die Zahntaube (1 Hdtinriäus striijirostris) auf den Samoa - Inseln ; sie
*) Die vielfach zahm gehaltene Lachtaube (T. risoriwi) lebt wild in A«ien
und Afrika.
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486
Specieller Theil.
zeichnet sich durch ihren kurzen, starken , an der Spitze hakig gebogenen
Schnabel aus ; an jedem Rand des Unterschnabels zwei Zähne. — Die aus-
gerottete Dronte (Didus ineptus) war eine schwanengrosse , sehr plumpe,
mit kräftigen Beinen und starkem Schnabel versehene Taube, welche wegen
der sehr geringen Grösse der Flügel nicht fliegen konnte (Kamm des
Brustbeins fehlt); auch der Schwanz war sehr rückgebildet. 8ie lebte auf
Isle de France (Mauritius), wurde am Schluss des 17. Jahrhunderts aua-
gerottet.
10. Ordnung. Klettervögel (Scansore*).
Unterscheiden sich dadurch von den Schreivögeln, dass die äussere
Vorderzehe (Zehe Nr. 4) nach hinten gewendet ist, so dass sie zwei
Vorder- und zwei Hinterzehen besitzen.
1. Die Kukuk e {Ouculidite) haben einen mittellangen, etwas ge-
bogenen Schnabel; die äussere Hinterzehe (Zehe Nr. 4) kann nach
der Seite gewendet werden. Hierzu gehört der gemeine Kukuk {Cueti-
lus caiiorus), welcher besonders dadurch merkwürdig ist, dass er seine Eier
in die Nester anderer Vögel (Singvögel) legt, um sie von diesen auabrüten
zu lassen *) ; Insektenfresser, Zugvogel.
2. Die Spechte {PicUbie) haben einen sehr kräftigen, geraden,
kantigen, an der Spitze zusammengedrückten, keilförmigen Schnabel; die
Zunge, welche sehr weit aus dem Munde hervorgestreckt werden kann, ist
an den Seitenrändern mit feinen, nach hinten gerichteten Widerhäkchen
versehen ; die Schwanzfedern sehr steif (Stützschwanz). Waldvögel, welche
sich von holzbohrenden Larven und anderen Insekten, dabei aber auch von
Samen ernähren ; brüten in selbstgemeisselten Baumhöhlen ; Stand • oder
Strichvögel. In Deutschland leben: Der 8ch warzspecht (Picus mnrtius),
der Grünspecht (P. riridis), der Grauspecht (P. cunus); die Bunt-
spechte: der grosse (P. major), der weissrückige (P. leuconolus), der
mittlere (P. medium) und der kleine Buntspecht (P. minor). Der drei-
zehige Specht (P. trvlactylus) , dem die innere Hinterzehe (Daumen)
abgeht, gehört dem Norden und den Alpen an , verirrt sich bisweilen nach
Deutschland. — Mit den Spechten verwandt ist der Wendehals {h/njr
lorquübi), mit kegelförmigem, nicht keilförmigem Schnabel; die Schwanz-
federn sind zu weich, als dass der Schwanz als Stütze dienen könnte ; Zug-
vogel, in Deutschland.
3 Die Papageien (Pftithicidnc) haben einen ungemein kurzen, dicken,
stark gebogenen Oberschnabel und einen kurzen, abgestutzten Unterschnabel;
Oberschnabel sehr beweglich; Zunge dick und weich. Tropische Vögel mit
lebhaften Farben (grün, roth etc.), Pflanzenfresser. Sie werden in mehrere
Gruppen getheilt: 1) Kakadu 's ( Plictolophitiae) in Asien und Australien,
mit aufrichtbarem Federschopf (oft hellfarbige Vögel) ; 2) Sittiche (Süta-
cinae) mit langem Schwanz ; 3) typische Papageien (Psittacinae) mit kurzem
Schwanz und ohne Federschopf; 4) Lori's {Trichoglossinae), in Australien,
mit zahlreichen langen, fadenförmigen , hornigen Papillen an der Zungen-
spitze (Pinselzunge); 5) Eulenpapageien, mit nur einer Gattung, dem
neuseeländischen Stringoj)* (Imbroptilus), Nachtvögeln mit weichem, dunkelm
(grünlichem) Gefieder, welche bei Tage sich in Erdhöhlen aufhalten, auch
ebendaselbst nisten ; sie fliegen nicht oder sehr wenig (Brustbeinkamm ver-
kümmert), bewegen sich meistens auf dem Boden.
l) In vereinzelten Fällen hat man beobachtet, dass der Kukuk selbst seine
Eier aasbrütet.
i
i
Di§rtizecWDy-Gt*— 1
Wirbolthiere. 5. Clawe: Vögel.
487
4. Die Tukane oder Pfefferfresser (Rhamphastidtic) haben einen
sehr grossen, dicken, etwaB gebogenen, am Rande oft gekerbten Schnabel,
welcher fast von der Länge des Rumpfes ist; die Zunge ein schmales,
horniges, am Rande zerfasertes Band. Vögel von mittlerer Grösse, mit
prachtvollen Farben, Südamerika.
6. Clause. Säugethiere (Mammalia).
In Bezug auf die äussere Form des Körpers zeichnen sich
die Säugethiere gewöhnlich dadurch aus, dass sie einen wohlent-
wickelten Hals (übrigens von sehr verschiedener Länge) besitzen,
ferner dadurch, dass der Schwanz zu einem dünnen, längeren oder
kürzeren Anhang rückgebildet ist, welcher für das Thier nur von
untergeordneterer Bedeutung ist und namentlich nicht im Dienste der
Bewegung steht, während dagegen die als Bewegungsorgane fun-
girenden Gliedmaassen stark entwickelt sind, so dass der Rumpf
mehr oder minder hoch über dem Erdboden getragen wird ; der Ell-
bogen ist nach hinten, das Knie nach vorn, die Finger- und Zehen-
spitzen nach vorn gerichtet ; oft ruht das Thier nicht auf dem ganzen
Fuss, sondern nur auf den Zehen oder sogar nur auf den Spitzen der-
selben, während der übrige Theil in die Höhe gerichtet ist. Inner-
halb der Olasse finden wir übrigens, neben dem Gangtypus als
der gewöhnlichen Form, verschiedene andere Typen entwickelt:
fliegende, springende, schwimmende Formen etc. (vergl. die Reptilien).
Indem so der Körper einer abweichenden Lebensweise angepasst
ist, kann auch die äussere Gestalt zuweilen von der gewöhnlichen sehr
abweichen, was namentlich bei gewissen schwimmenden Säugethieren
(den Walen) sehr augenfällig wird; bei diesen wird der Hals auf ein
Minimum rückgebildet, die Gliedmaassen treten sehr zurück, während
der Schwanz eine enorme Entwicklung erlangt, so dass die äussere
Gestalt des Thieres in höchstem Grade fischähnlich wird.
Die Haut besteht aus den gewöhnlichen Schichten (Lederhaut,
Oberhaut mit Schleim- und Hornschicht); an der Oberfläche der
Lederhaut finden sich kürzere oder längere Papillen, welche sich
in die Schleimschicht hinein erstrecken. Pigment kann theüs in der
Oberhaut (sowohl in der Schleim- als in der Hornschicht), tbeils in
der Lederhaut vorhanden sein. — Die Hornschicht wird nicht auf
einmal abgeworfen, sondern löst sich in kleinsten Stückchen (als
Staub) ab.
Der grösste Theil der Haut ist bei den Säugethieren im Allge-
meinen mit Haaren bekleidet, welche einen der charakteristischsten
Bestandteile ihres Körpers ausmachen und nur bei sehr wenigen
Formen ganz fehlen. Die Haare, welche ausschliesslich aus verhornten
Zellen bestehen, stecken jedes in einer tiefen Einstülpung der Haut,
dem Haarbalg. Im Grunde jedes Haarbalges findet sich ein kleiner
gefässreicher Lederhautzapfen, die Haarpapille, welche mit einer
Fortsetzung der Schleimschicht der Oberhaut bekleidet ist; oberhalb
dieser sitzt dann wieder das untere Ende des Haares, und letzteres
wächst dadurch, dass die oberflächlichen Zellen der Schleimschicht
der Papille verhornen und zu Theilen des Haares werden. Die übrige
Wand des Haarbalges wird von Fortsetzungen der Schleim- und
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Speeieller Theil.
Hornschicht der allgemeinen Oberhaut ausgekleidet: ausser« und
innere Wurzelscheide; letztere geht unten in das Haar, erstere
in die Schleimschicht der Papille über. Die Haare sind somit eigent-
lich nichts Anderes als scharf begrenzte,
enorm entwickelte Partien der Horn-
schicht der Oberhaut. In vielen dickeren
Haaren findet man ein inneres, aus
loseren Zellen zusammengesetztes (oft
lufthaltiges) Mark, welches von der
festeren Rinde umgeben ist ; zu äusserst
findet sich eine Schicht dünner, platten-
förmiger Zellen, das Oberhäutchen
des Haares ; manche, besonders dünnere.
Haare bestehen aber nur aus Rinde
und Oberhäutchen. — Häufig sitzen die
Haare in kleinen Gruppen, 3 — 5 näher
beisammen, in anderen Fällen sind sie
mehr gleichmässig vertheilt. Bei man-
chen Säugethieren kann man zwei Arten
von Haaren unterscheiden, Grannen-
haare und Wollhaare, letztere fei-
ner und von den anderen überdeckt.
Eigentümliche lange, kräftige, steife,
regelmässig angeordnete Haare sind
die sogenannten Tast- oder Spür-
h a a r e { Vibrissae), welche bei manchen
Säugethieren an gewissen Stellen des
Kopfes, besonders an der Oberlippe
eingepflanzt sind; ihre Bälge sind da-
durch ausgezeichnet, dass sie von einem
blutgefüllten Behälter umgeben sind,
welcher mit den Gefassen in Verbindung
steht. Längs des Randes der Augenlider
finden sich oft andere eigenthümliche steife Haare, die Augen-
wimpern. Bei einzelnen Säugethieren erreicht ein Theil der Haare
eine enorme Entwicklung; die Stacheln des Igels, des Stachelschweines
und anderer sind stark entwickelte Haare. Die Haare, welche
grösstenteils der Haut schief eingepflanzt sind, haben an verschiedenen
Theilen des Körpers verschiedene, aber regelmässige, bestimmte
Richtungen. — Am Grunde des Haarbalges heften sich an denselben
glatte Muskelbündel, welche in der Lederhaut entspringen;
durch ihre Contractionen richtet sich das schräg liegende Haar mehr
auf. Auch Nerven gehen an die Haare (richtiger: an das untere
Ende der Haarbälge) , namentlich an die oben genannten 8pürhaare,
welche wichtige Tastwerkzeuge sind.
Ebenso wie die Federn der Vögel werden auch die Haare in
gewissen Zwischenräumen abgeworfen und durch neue ersetzt: es löst
sich das Haar von der Papille, und vom Grunde des Haarbalges
bildet sich ein neues Haar. Bei einigen Säugethieren (dem Menschen,
Affen) findet der Haarwechsel, die Haarung, das ganze Jahr
hindurch allmählich statt, bald wird ein, bald ein anderes Haar ab-
und durch ein neues ersetzt. Bei anderen aber ist der
Fig. 334. L
Li :i r e
ang*#chuitt einet- II
und des zugehörigen Haarbalges,
Schema, a äussere WurzeUchcide , b
Bindegewebe, c Homschicht der Ober-
haut, A Haar, i innere Wurzelschoidc,
r Schleimschicht der Oborhaut, /< Haar-
papillc. — Orig.
Haarwechsel für jedes Jahr überwiegend auf einen kürzeren Zeitraum
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Wirbelthiere. 6. Claase: Säugethiere.
489
concentrirt : es findet alljährlich, und zwar bei den nordischen Säuge-
thieren im Frühling, eine den ganzen Körper umfassende Haarung 1)
statt, wobei sowohl Grannen- als Wollhaare abgeworfen werden.
Gleichzeitig treten neue Grannenhaare auf, auch die Spitzen der
Wollhaare sprossen hervor, während die vollständige Entwicklung
letzterer erst später im Jahre erfolgt. Im Herbst findet meistens
kein allgemeiner Haarwechsel statt, der Unterschied des Sommer-
und des Winterkleides der Säugethiere beruht in der Regel theils
auf einem Auswachsen der schon vorhandenen Haare, namentlich
der Wollhaare, theils auf einer mehr oder weniger eingreifenden
Verfärbung*) der Haare im Herbst. — Bei einigen Säugethieren
vollzieht sich aber auch im Herbst ein Wechsel, jedenfalls der
Grannenhaare (bei den Hirschen z. B. ist dieses der Fall).
Bei einer nicht ganz geringen Anzahl von Säugethieren finden sich
an grösseren oder kleineren Partien des Körpers ähnliche Schuppen oder
Platten wie bei den Reptilien (Schuppenthier, Gürtelthier, Schwanz der
Mäuse). Zuweilen . z. B. beim Gürtelthier , enthält die Lederhaut-
partie jeder Schuppe oder Platte eine Verknöcherung; übrigens finden
wir aber auch unabhängig hiervon bei einzelnen Säugethieren grössere oder
kleinere Verknöcherungen in der Lederhaut.
Mit der Haut sind zahlreiche, gewöhnlich fast über die ganze
Oberfläche verbreitete kleine Drüsen verbunden, von denen man
zwei Hauptformen unterscheidet: Talgdrüsen und Schweissdrüsen.
Die Talgdrüsen sind kleine traubige Drüsen, welche fast immer
in die Haarbälge, selten frei an der Oberfläche des Körpers, aus-
münden, wesshalb sie in der Regel an den haarlosen Stellen fehlen;
sie sondern eine fettartige Masse ab. Die Schweissdrüsen sind
einfache schlauchförmige Drüsen, deren unterer Theil, welcher in der
Regel in dem losen Bindegewebe unterhalb der Haut liegt, meistens
zu einem Knäuel aufgewickelt ist. Auch die Schweissdrüsen münden
sehr häufig in die Haarbälge, aber näher an deren Oeffnung als die
Talgdrüsen; manche münden ganz selbständig, z. B. in grosser An-
zahl an gewissen unbehaarten Partien der Körperoberfläche. Ebenso
wie die Talgdrüsen sind sie an verschiedenen Theilen der Haut in
verschiedener Zahl und Grösse vorhanden. Die meisten Schweiss-
drüsen sondern die unter dem Namen Sch weiss bekannte Flüssig-
keit ab ; an einigen Hautstellen hat aber ihr Secret eine anderweitige,
mehr fettartige Beschaffenheit (die Ohrschmalzdrüsen sind solche
eigentümliche Schweissdrüsen). — Die Milchdrüsen sind eigen-
tümlich ausgebildete grosse Hautdrüsen oder Gruppen von solchen,
zunächst von dem Typus der trauben förmigen Drüsen. Jede Milch-
drüse mündet mit 1 (Wiederkäuer), 2 (Schwein, Pferd) oder mehreren
(Mensch u. v. a.) Oeffnungen an der Spitze einer mehr oder weniger
hervortretenden Warze, der Zitze; in der Regel finden sich zwei
Längsreihen von Zitzen an der Unterseite des Rumpfes, jede Reihe
mit einer ziemlich verschiedenen Anzahl von Zitzen (1 — 7). Die
Milchdrüsen , welche während der Schwangerschaft an Umfang und
Ausbildung zunehmen, sondern eino Zeitlang nach der Geburt der
') Daneben kann bei solchen auch ein Wechsel einzelner Haare zu anderen
Zeiten stattfinden.
*) Vergl. das über die Verfärbung der Federn S. 463 Gesagte.
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Specialer Thcil.
Jungen die Milch ab. eine wässerige Flüssigkeit, in der zahlreiche
Fetttröpfchen suspendirt sind (letztere sind es, welche der Milch die
weisse Farbe verleihen). Nach Aufhören des Säugens bildet sich die
Drüse zum grossen Theil wieder zurück. Milchdrüsen der be-
schriebenen Form kommen allen Säugethieren mit Ausnahme der
Kloakenthiere zu, und zwar finden sie sich nicht allein beim Weibchen,
sondern in rudimentärer Form meistens auch beim Männchen. Sie
werden in der Regel als eigentümlich umgebildete Talgdrüsen
angesehen, eine Auffassung, welche am meisten ihrem traubigen Bau,
iiuch wohl der Art des Secretes, Rechnung trägt. Ist sie richtig, so
gehen den Kloakenthieren echte Milchdrüsen gänzlich ab; die
Organe, welche bei diesen Thieren „Milch" absondern, sind nämlich
ganz deutlich sehr grosse verzweigte Schweissdr iisen; es findet
sich an jeder Seite des Bauches eine kleine sackförmige, behaarte Ein-
stülpung, in welche je eine Gruppe von Drüsen mündet; zitzenartige
Theile fehlen.
Bei vielen Säugethieren sind die Hautdrüsen an einigen begrenzten
Stellen der Haut besonders stark oder eigentümlich ausgebildet; häufig
sind die betreffenden Hautstellen, welche übrigens meistens normal ausge-
bildet, mit Haaren etc. versehen sind, sackförmig eingestülpt. Dazu ge-
hören z. B. die Klauensäcke des Schafes und anderer Wiederkäuer , die
beiden Aftersäcke, welche sich beim Hunde und anderen Raubthieren an der
Seite des Afters öffnen, der Moschusbeutel beim Moschusthier etc. —
Seltener ist eine einzelne Drüse oder eine kleine Gruppe dicht beisammen
mündender Drüsen, etwa in ähnlicher Weise wie die Milchdrüse, zu einer
riesigen Grösse angewachsen ; eine solche Drüse findet sich z. B. am Rücken
des Nabelschweines.
An der Unterseite der Füsse findet sich bei den Säugethieren
gewöhnlich eiue unbehaarte elastische Hautpartie, welche von einer
A B C D
Fig. 835. Längsschnitt de» Fingern: .1 des Menschen , II eine* Aftcn, V eine*
K ral le n t hiercs , D eines l'ferdes; schematisrh. b Sohlenballeu, n Krallenplatte, j>* — j*
vorletztes und letztes Fingcrglied, » Suhlenhorn, v Krallcnwall. — Orig.
dicken, aber weichen Hornschicht bedeckt und mit zahlreichen
Sch weissdrüsen versehen ist: der Sohlenballen. In einigen
Fällen erstreckt sich dieser über die ganze Unterseite des Fusses, in
anderen ist er auf einige Stellen derselben (namentlich auf die Zehen)
beschränkt. — Am Ende der Zehen finden sich Krallen, welche bei
den Säugethieren in ziemlich verschiedenen Formen auftreten: echte
Krallen, Nägel, Hufe, Klauen. Die echte Kralle (Fig. 335 C) besteht
aus einer festen Hornplatte, der Krallenplatte, welche stark von
rechts nach links gewölbt, zu einer am Ende schräg abgeschnittenen,
nach unten zu offenen Röhre zusammengebogen ist, welche die Zehen-
spitze umgiebt ; in der Regel ist die Röhre dabei der Lance nach ge-
bogen. Die Wurzelpartie der Röhre ist in eine tiefe Furche (den Krallen-
falz) eingesenkt, äusserlich von einer grossen Hautfalte, dem Krallen-
Wirbelthiere. 6. Classe: Säugcthierc.
491
wall, überdeckt; die Krallenplatte wächst in die Länge dadurch,
dass sich im Grunde der Furche neue Horntheilchen bilden, welche
ihrem Hinterrand angefügt werden, und wird so nach vorn geschoben ;
f
Fig. 336. Spitze des Finger» von unten gesehen: A eine» Menschen, Ii eines
Affen, C eines Kralle nthicres, I) des Nashorns, Eden Pferdes, F des Klcn-
t hier es; schematisirt. b Sohlenballen, n Rand der Krallenplatte, * Sohlenhorn. — Orig.
ausserdem werden noch am hinteren Theil der von der Krallenplatte
überdeckten Hautpartie (des Krallenbettes) Horntheilchen gebildet,
weiche der Unterseite der Platte angefügt werden, wodurch sie an
Dicke zunimmt. Der freie Rand der Kralle , welcher immerfort ab-
genutzt wird, umgiebt eine Hautpartie, welche von einer loseren oder
festeren Hornmasse, dem Sohlen Horn, überzogen ist. Der Nagel,
wie wir ihn beim Menschen und bei den Affen finden, weicht dadurch
von der Kralle ab, dass er von rechts nach links weniger gewölbt
und auch der Länge nach schwach gebogen ist; er bedeckt somit
als eine gewölbte Platte die Oberseite der Zehenspitze; das Sohlen-
horn ist besonders beim Menschen sehr schwach ausgebildet, überzieht
nur einen schmalen Hautstreifen unterhalb des freien Randes des Nagels ;
die Hautfalte an der Wurzel des Nagels (Nagelwall) ist dem ent-
sprechenden Theil der Kralle ähnlich. Die Hufe oder Klauen
gleichen den Krallen darin, dass die Krallenplatte (hier als die Horn -
wand bezeichnet) zu einer am Ende schräg abgeschnittenen Röhre
zusammengebogen ist, unterscheiden sich aber dadurch, dass dieselbe
gewöhnlich fast gar nicht der Länge nach gebogen ist und eine an-
sehnlichere Dicke besitzt ; der Krallenwall ist sehr schwach entwickelt,
das Sohlenhorn (hier als die Hornsohle bezeichnet) dick und fest.
Beim Elephant, Tapir und Nashorn sind die Verhältnisse übrigens
denen der Krallenträger ähnlich ; bei den übrigen Hufthieren dagegen
rindet eine innigere Verbindung der Klaue (d. h. der Hornwand + der
Hornsohle) mit der Hornschicht des Sohlenballens statt, welch letzterer
bei diesen Thieren meistens sehr klein , auf den distalen Theil der
Zehen beschränkt ist. Beim Pferd (Fig. 336 E) ist der Huf so zu
sagen um den sehr kleinen Sohlenballen (den „Strahl") zusammen-
gebogen, so dass letzterer in einem hinteren Ausschnitt des Hufes
seinen Platz hat; ein etwas ähnliches Verhältniss findet man beim
Schwein, dessen Sohlenballen sich jedoch weiter nach hinten als
der des Pferdes erstreckt. Bei den Wiederkäuern (Fig. 336 F)
hat sich das beim Schweine gefundene Verhältniss weiter entwickelt,
indem der Sohlenballen sich weit nach vorn erstreckt und den grössten
Theil der Hornsohle verdrängt hat ; letzteres ist nur als ein schmaler
Saum längs des unteren Randes der flornwand vorhanden. Dazu
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492
Spezieller Theil.
kommt noch, dass der vorderste Theil des Sohlenballens bei manchen
Wiederkäuern (Edelhirsch, Ochsen u. a.) eine grössere Festigkeit als
sonst erreicht, einer Hornsohle ähnlich wird, während er hei anderen
(z. B. beim Reh und Elenthier) seine gewöhnliche Weichheit bewahrt-
Die eigenthümliche Ausbildung der Kralle bei den Hufthieren ist auf
die Anpassung an eine neue Function zurückzuführen, nämlich die-
jenige, das Thier während des Ganges zu tragen, eine Function,
welche bei den Krallenträgern in der Regel dem Sohlenballen zu-
gewiesen ist, während die Krallen bei diesen Kletter-, Greifwerk-
zeuge etc. sind.
Das Horn des Rhinoceros ist eine enorme locale Verdickung der
Hornschicht der Oberhaut ; in die Hornraasse erstrecken sich von der unter-
liegenden Lederhaut lange (natürlich mit der Schleimschicht bekleidete)
Papillen. — Die Hörn er der Wiederkäuer haben einen ganz anderen
Bau; ein Wiederkäuerhorn kann als eine kolossale, unbehaarte Hauter-
höhung betrachtet werden, welche innerlich in ihrer grössten Ausdehnung
verknöchert und an ihrer Oberfläche mit einer festen verdickten Horn-
schicht bekleidet ist. Das Horn besteht somit innerlich aus einer Knochen-
masse, dem Hornzapfen, welcher mit dem Stirnbein verwachsen iat;
ausserhalb desselben findet sich eine Bindegewebsschicht und die Schleim-
Schicht der Oberhaut, und zu äusserst die Hornschicht, welche durch Ab-
lagerung neuer Theile von innen her an Dicke zunimmt. Indem das Horn
mit dem Alter in die Länge wächst, bedecken die älteren Hornschichten
nicht Beine ganze Oberfläche, sondern nur den oberen Theil, und die
jüngeren erscheinen an der Oberfläche als Ringe. Die Oeweihe der
Hirsche sind ebenso wie die letztgenannten Hörner grosse innerlich ver-
knöcherte Hauterhöhungen. Sie unterscheiden sich jedoch dadurch, dass
sie behaart sind und nicht von einer ausserge wohnlich verdickten Horn-
schicht bekleidet sind. Bei der Giraffe, deren Geweih nur eine geringe
Grösse erreicht, bleiben die Weichtheile um den Knochenzapfen sitzen ; bei
den übrigen schrumpfen sie dagegen, wenn das Geweih fertig gebildet ist,
auf dem grössten Theil der Oberfläche desselben ein und werden abgerieben
(«gefegt"), so dass die nackte Knochenraasse zum Vorschein kommt; nur
die Basalparti e, der Rosenstock, bleibt immer mit Haut bedeckt. Die ent-
blösste Knochenmasse, das eigentliche Geweih, löst sich alljährlich vom
Rosenstock ab und wird abgeworfen ; die angrenzenden Hauttheile wachsen
dann über das entblösste Ende des Rosenstocks hin und es entwickelt sich
an derselben Stelle eine neue Geweihstange, welche zuerst mit Haut be-
deckt ist. Bei der Giraffe findet ein solches Abwerfen nicht statt.
Die Wirbelkörper sind gewöhnlich an beiden Enden abge-
plattet, seltener hinten concav, vorne convex; sie sind mit einander
durch dicke, aus fibrösem Bindegewebe bestehende Bandscheiben
verbunden, welche in der Mitte einen sogenannten Gallertkern, einen
Ueberrest der Chorda, enthalten. Die Wirbelsäule zerfällt in dieselben
Abschnitte wie bei den Reptilien. Die Halswirbel sind bei den
Säugethieren fast immer, sowohl bei den langhalsigen wie bei den
kurzhalsigen Formen, in der Siebenzahl vorhanden 1 ). Die beiden
vordersten Halswirbel sind wie bei den Reptilien als Atlas resp.
Epistropheus entwickelt. Die Halswirbel sind mit Querfortsätzeu ver-
— , . — . —
') Ausnahmen : Der Manatus (aus der Ordnung der Seekühe) hat nur 6, das-
selbe ist auch bei einem Faulthier (Choloepus Hof mannt) der Fall, während ein
anderes derselben Gattung (Cft. didactylus) 7 hat, und wieder andere Faulthiere
(Gatt Bradypns) 9 Halswirbel besitzen.
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Wirbelthicre. 6. Clwse: Säugethiere. 493
sehen, welche — gewöhnlich jedoch mit Ausnahme derjenigen des
siebten Halswirbels — vom Wirbel mit einer doppelten Wurzel
entspringen ; durch das entstandene Loch verläuft eine grössere Arterie
(Wirbelarterie). Die genannten Querfortsätze sind wahrscheinlich als
Halsrippen aufzufassen, gewöhn- A 7i
lieh verknöchern sie jedoch in Zu-
sammenhang mit dem Wirbel, nicht
gesondert, wie bei den Vögeln und
Reptilien. Nur bei den Kloake n-
thieren erreichen die Halsrippen
eine stärkere Entwicklung und er-
scheinen als besondere Gebilde (an
den 6 hinteren Wirbeln), fast bis das
Thier erwachsen ist; die hintersten Fi*- 3,87- J™**D
sind jedoch nicht (wie den Vögeln ^Ä^VÄÄÄ
und Reptilien) von grosserer Länge als / KörjM>r <ie* mten Htbwiriwls, 2 «"«>. de,
die vorderen, sondern im Gegentheil /.weiten, a Bogen, r Rinne, /' unterer Dom-
kürzer. Die Brustwirbel sind In B *imi So<c«n« K*rp«r und
gegen die Halswirbel schärfer als ™*^'m Web* schraft,r«-
bei den Reptilien und Vögeln ab-
gegrenzt, indem die erste bewegliche Rippe wohlentwickelt ist und
sich an das Brustbein heftet. Die Lendenwirbel haben ge-
wöhnlich ziemlich grosse Querfortsätze. Von Brust- und Lenden-
wirbeln sind gewöhnlich etwa 20 vorhanden (die Zahl kann jedoch
bis auf 14 sinken und bis auf 30 steigen); die Anzahl der Brust-
wirbel beträgt gewöhnlich etwa 12—13, die Zahl kann aber bis mehr
als 20 steigen. Von echten Beckenwirbeln, d. h. solchen, an
welchen das Darmbein befestigt ist, finden sich wie bei den Reptilien
in Allgemeinen nur zwei, welche beim ausgebildeten Thiere mit ein-
ander verwachsen sind. Mit diesen beiden vereinigen sich bei den
meisten Säugethieren einer oder mehrere der vordersten Schwanzwirbel
(unechte Becken wirbel) zu dem unter dem Namen Kreuzbein
bekannten, aus einer verschiedenen Anzahl verwachsener Wirbel be-
stehenden Knochen. Von Schwan zwirbeln ist eine sehr ver-
schiedene Anzahl vorhanden; die vorderen sind gewöhnlich mit
wohlentwickelten Querfortsätzen versehen und tragen oft an der
Unterseite ähnliche V-förmige Knochen (untere Bögen) wie die
mancher Reptilien ; die hinteren Schwanzwirbel sind immer mehr oder
weniger unvollkommen entwickelt, die hintersten am meisten (Bögen
und Fortsätze rückgebildet). — Die Rippen bestehen im Allgemeinen
aus einem oberen und einem unteren Stück, von welchen das letztere
sich gewöhnlich lange Zeit, oft zeitlebens, knorpelig erhält und
meistens überhaupt nur unvollständig verknöchert; bei den Kloaken-
tieren ist zwischen diesen beiden Abschnitten noch ein drittes Stück
eingeschoben (vergl. die Krokodile). Von den Rippen heften sich
im Allgemeinen die Mehrzahl, die vorderen, die sogenannten wahren
Rippen, an das Brustbein, während die hinteren, die falsc hen R.,
mit ihrem unteren Theil sich an einander und an die hinterste
wahre Rippe legen, oder ganz frei enden. Am oberen Ende der Rippe
findet sich an der äusseren Seite in der Regel ein Höcker (fehlt
häutig an den hintersten, weniger vollkommen ausgebildeten Rippen),
welcher sich mit dem Querfortsatz des entsprechenden Brustwirbels
verbindet, während das eigentliche obere Ende der Rippe, das
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494
Specieller Theil,
ms
arg
Köpfchen, an einer Gelenkfläche eingelenkt ist, welche an der
Grenze der Wirbelkörper desselben und des vorangehenden Wirbels
liegt (an jedem befindet sich meistens ein Stück
der Gelenkfläche, zuweilen liegt jedoch die ganze
Gelenkfläche an dem hinteren derselben). Die
wahren Rippen — von welchen die vorderste
meistens besonders kräftig ist — werden in der
Kegel nach hinten zu immer länger, während die
falschen immer kürzer werden. — Das Brust-
bein, welches fast immer ziemlich lang und
schmal ist, besteht zuerst aus einer Knorpelmasse,
in welcher später eine Reihe Verknöcherungen
erscheint; letztere bleiben in der Regel zeitlebens
getrennt, so dass das ausgebildete Brustbein ein
gegliedertes Aussehen erhält, seltener verschmelzen
sie grösstentheils mit einander (wie beim Menschen).
Das vorderste Stück, der Handgriff (Mann-
Imum), ist gewöhnlich breiter als die folgenden :
hinten endet das Brustbein fast immer mit einem
in der Regel schmalen, theilweise knorpeligen
Stück, an welches sich keine Rippen heften, dem
Schwertfortsatz (Processus xiphotdts). Nur
bei den Kloakenthieren findet sich am vorderen
Ende des Brustbeins ein Vorderbrustbein
(Epistemum), demjenigen der Reptilien entspre-
chend, wie bei manchen Sauriern ein grosser T-
förmiger Knochen ; er fehlt bei den übrigen Säuge-
thieren.
Das Kopfskelet enthält beim erwachsenen Thiere nur spärliche
Knorpeltheile , besteht überwiegend aus Knochen. Mit dem Schädel
sind nicht allein das kleine Zwischen- und das grosse Ober-
kieferbein, sondern auch die dem obersten Abschnitt des Kiefer-
bogens angehörigen Knochen unbeweglich verbunden. Von den
letztgenannten Knochen sind übrigens nur das Gaumenbein, welches
sich vorn dem Oberkieferbein anschliesst, und das ziemlich kleine
Flügelbein entwickelt, während das Quadratbein fehH
(wenigstens in seiner gewöhnlichen Form; vergl. übrigens unten beim
Ohr) ; der Unterkiefer, welcher jederseits nur aus einem Knochen
besteht, ist dem Schädel direkt eingelenkt. Es finden sich zwei
Hinterhaupts-Gelenkhöck er statt nur eines bei Reptilien und
Vögeln. Zwischen den Augenhöhlen ist keine solche plattenförmige,
zusammengedrückte Partie wie bei manchen Reptilien etc. vorhanden,
die Schädelhöhle erstreckt sich vorne bis an die Nasenhöhlen.
Letztere sind gewöhnlich sehr stark entwickelt; sie sind von einander
durch eine ursprünglich ganz knorpelige, später theilweise durch
Knochen ersetzte Platte getrennt, welche von der Vorderwand der
Schädelhöhle entspringt und sich nach vorne erstreckt; auch seitlich
und oben sind die Nasenhöhlen zuerst von knorpeligen Theilen — der
vordersten Partie des knorpeligen Schädels — umgeben, später ver-
knöchern diese theils, theils werden sie von Deckknochen überlagert
und schwinden unter diesen, mit Ausnahme jedoch derjenigen Knorpel-
partien, welche die den äusseren Nasenlöchern am nächsten liegenden
Abschnitte der Nasenhöhlen umgeben (die knorpelige Nase).
Fig. 888. Brustbein
und Rippenknorpel eines
Hundes, pa Handgriff,
w Schwertfortsatz , wia
Übrige Knochenstdcke. —
Nach Flower.
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Wirbelthiere. 6. Clause: Säugethiere.
495
B C
Fig. 339. Schädel eines Hundes. A der lAngc nach durchsägt, ß von oben,
C von unten. Die knorpeligen Theile sind entfernt. AS seitliche Theilc f Flügel) des hin-
teren Keilbeines, BO unteres Hinterhauptsbein, BS hinteres Keilbein, OK Siebbein, /•.' /' eines
der vom Siebbein entspringenden Knochenblättchen, ExO äusseres Hinterhauptsbein, Fr Stirn-
bein, IP Zwijchenschcitelbein, L Thränenbcin, Ma Jochbein, MF. knöcherner Theil der Xasen-
scheidenwand (hängt hinten mit dem Siebbein zusammen), Mt untere Muschel, Mx Oberkiefer-
bein, Na Nasenbein, OS seitliche Theile (Flügel) des vorderen Keilbeines, Fa Scheitelbein,
ter Felsenbein, Fl Gaumenbein, PMx Zwischenkieferbein, FS vorderes Keilbein, Fl Flügelbeln,
SO oberes HinterhaupUbein, Sq Schuppenbein, Ty l'aukenbein, Vo PÜugscharbein. ch, eh, $h
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4%
Spezieller Theil.
Beim ausgebildeten Thier sind die Nasenhöhlen somit von ver-
schiedenen Knochen umgeben: seitlich besonders vom Oberkiefer-
bein, oben besonders von den stark entwickelten plattenförmigen, in
der Mittellinie zusammenstossenden Nasenbeinen, unten vom
Gaumendach (hartem Gaumen), welches von wagerechten, in der
Mittellinie zusammenstossenden Theilen der Zwischenkiefer-, Ober-
kiefer- und Gaumenbeine gebildet wird Hinten ist in der ursprüng-
lich knorpeligen Querscheidewand zwischen Schädelhöhle und Nasen-
höhlen ein von vielen feinen Oeffnungen (für die Geruchsnerven)
durchbohrter Knochen, das S i eb b e in , vorhanden, von dessen Vorder-
seite dünne gefaltete Knochenblättchen entspringen, welche (von einer
dünnen Haut überkleidet) weit in die Nasenhöhlen hineinragen. Weiter
vorn in der Nasenhöhle ist an der äusseren Wand ein besonderer,
aus einer grösseren oder kleineren Anzahl feiner Knochenblättchen
zusammengesetzter Knochen, die untere Muschel, angebracht,
welche mit den genannten Blättchen des Siebbeins zusammen den
grössten Theil der Nasenhöhle ausfüllt. Mit der Nasenhöhle stehen
bei den Säugethieren grössere oder kleinere Lufthöhlen (Fig. 340)
Fig. 340. Schädel eine« alten Schweines der Dinge nach durchsagt, um die grossen
Lufthöhlen zu zeigen, h Schadelhöhle, /, /' /" Lufthöhlen, z. Th. (/' die Stirnhöhle) von
Knochenplattrhen durchsetzt : * knöcherne Nasenscheidewand. — Nach Bendz.
in gewissen Knochen des Kopfes in Verbindung, namentlich im Ober-
kieferbein (Kieferhöhle") und im Stirnbein (Stirnhöhle); zu-
weilen (beim Ochsen, Elephant etc.) haben diese Höhlen einen be-
deutenden Umfang, erstrecken sich dann auch in andere Knochen als
die genannten hinein, werden durch unvollständige Scheidewände in
mehrere oder viele kleine Räume getheilt. Von anderen für das
Kopfskelet charakteristischen Verhältnissen mag hervorgehoben werden,
dass an jeder Seite von der Stelle, wo der Unterkiefer eingelenkt ist.
») Vorne an der Grenze der Zwischen- und der Oberkieferbeine ist das Gaumen-
dach von zwei Oeffnungen {Canales incisivi) durchbrochen, durch welche die S. 350-
erwähnten StensenVhen Gänge hindurch treten.
Glieder des vorderen Zuugenbeinhoms, bh Körper des Zungenbeins, th hinteres Horn, a» äusseres
Nasenloch, cd (telenktlMchc des Unterkiefers, <atn Obrenöffhung, fm Hinterhauptsloch, p/" Gelenk -
tläche am Schädel fllr den Unterkiefer, oc HinterhaupU-Geleukhöcker, * die Stelle, wo die
Uoterkieferbälfte sich mit derjenigen der anderen Seite verbindet. — Di« übrigen Bezeich-
nungen haben für uusere Zwecke kein Interesse. — Nach Flower.
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Wirbelthiere. 6. Ckrae: Säugethiere.
497
eine knöcherne Brücke, der Jochbogen ^ zum Oberkieferbein hin
verläuft; derselbe ist von einem Portsatz des Schuppenbeins (vergl.
unten), vom Jochbein und zuweilen von einem Fortsatz des Ober-
kieferbeins gebildet (vergl. die ähnliche Knochenbrücke der Reptilien
und Vögel, welche von Quadratjochbein und Jochbein gebildet ist). —
Das Zungenbein besteht aus einem unpaarigen Körper und
zwei Hörnern an jeder Seite. Das vordere Horn, welches dem
Zungenbeinbogen der Fische entspricht, ist gewöhnlich das längere
und aus drei beweglichen Gliedern zusammengesetzt; es ist mit
seinem oberen Ende am Schädel (Felsenbein) festgeheftet. Das
hintere Horn, welches dem 1. Kiemenbogen entspricht, ist kurz und
ungegliedert.
Das Hinterhauptsloch ist von vier Knochen umgeben: dem oberen,
dem unteren und den beiden seitlichen Hinterhauptsbeinen, von
denen die seitlichen die Gelenkhöcker tragen , welche sich jedoch auch auf
das untere Hinterhauptsbein hinab erstrecken können. Vor letzterem liegt
das hintere Keilbein {fttsisphenöUleinu) , vor diesem wieder das
vordere Keilbein (Prafisphenmdmm), beide in der nach unten gekehrten
Partie des knorpeligen Schädels entwickelt und beide mit flügeiförmigen
Seitentheilen versehen, welche an der Begrenzung der Schädelhöhle theil-
nehmen; vor dem vorderen Keilbein liegt das vorhin erwähnte Siebbein.
Vor dem seitlichen Hinterhauptsbein liegt derjenige Knochen, in welchem
das innere Ohr seinen Platz hat, das Felsenbein; an dieses schliesst
sich aussen das Schuppen bei n, von welchem der Jochbogen entspringt;
ferner liegt demselben ein ringförmiger Knochen an, in welchem das
Trommelfell ausgespannt ist, das Pauken bei n (rPympanictmi)\ bei manchen
Säugethieren verschmelzen diese drei Knochen frühzeitig mit einander und
werden mit dem gemeinsamen Namen Schläfenbein {Temporale) be-
zeichnet. Oberhalb des oberen Hinterhauptsbeins findet sich ein einfacher
oder paariger Knochen, das Zwischen Scheitelbein (Interj>aruitaJf)t
welches bei manchen Säugethieren (z. B. beim Menschen) schon im embryo-
nalen Leben mit dem oberen Hinterhauptsbein verschmilzt. Vor dem
Zwischenscheitelbein liegen die beiden, meistens grossen, Scheitelbeine,
vor diesen die Stirnbeine; letzteren ist, am Vorderrand der Augenhöhle,
jederseits das Thränenbein (Ixuryinale) angelagert, durch welches der
Thränenkanal verläuft. Der hinterste Theil der Nasenscheidewand ver-
knöchert und wird zu einer senkrechten, hinten mit dem Siebbein zusammen-
hängenden Knochenplatte, der Jjamina /wr/H'tvlicnlarit: des Siebbeins, während
der vordere Theil knorpelig bleibt ; der untere Theil der Naaenncheidewand
wird von einem unpaarigen, rinnenförmigen, zusammengedrückten Knochen,
dem Pflugscharbe in (Vomrr; entspricht schwerlich den gleichnamigen
Knochen der niederen Wirbelthiere), gebildet. — Von den im Kopfskelet der
Reptilien vorhandenen Knochen fehlen ausser dem Quadratbein noch das
Vorder- und das Hinterstirnbein , das Quadratjochbein, das Querbein und
das Säulenbein. — Im Allgemeinen sind die Knochen des Säugethier-
schädels nur bei den Jungen gesondert, verschmelzen später alle oder zum
grossen Theil mit einander.
Die ungemein verschiedene äussere Form, welche der Schädel der
Säugethiere darbietet, ist wesentlich durch die verschiedenartige Ent-
') Bei nicht wenigen 8äugethieren findet sich ungefähr an der Mitte des Joch-
bo^ena ein Fortsatz, welcher mit einem ähnlichen vom Stirnbein zusammentrifft
und mit diesem eine Knochenbrücke hinter dem Auge bildet.
Boa«, Znnloirle. 32
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498
Specieller Theil.
wicklung der an und in demselben angebrachten Organe bedingt. Von
grosser Bedeutung ist in dieser Besiehung das Gehirn; durch eine starke
Entwicklung des Gehirns im Yerhältniss zu den übrigen dem Kopf Ange-
hörigen Organen wird der hintere Theil des Kopfskeletes im Vergleich mit
dem vorderen Abschnitt (der Gesichtspartie) überwiegend ausgebildet, wie
solches z. B. beim Menschen der Fall ist. Auch die verschiedenartige
Entwicklung der Zähne hat einen hervorragenden Einfluss auf die Form
des Schädels ; eine mächtige Ausbildung der Zähne fuhrt eine entsprechende
Ausbildung derjenigen Knochen mit sich . in welche dieselben eingepflanzt
sind, ebenso wie auch derjenigen Theile, von denen die Kaumuskeln ent-
springen. Die Entwicklung der in den Nasenhöhlen angebrachten Theile
spielt ebenfalls eine wichtige Rolle . ferner auch die sehr varürende Aus-
bildung der Augen; auch hat das Vorhandensein von Hörnern oder Ge-
weihen auf dem Kopf stärkeres oder schwächeres Wachsthum derjenigen
Theile des Schädels zur Folge, mit denen sie verbunden sind. — In un-
fangreichen Schädeln , bei Thieren mit grossen Zähnen , Hörnern etc..
nehmen die Lufthöhlen oft einen sehr grossen Kaum ein: die grossen
Knochenmassen , welche nothwendig sind , um diese Theile zu tragen , um
Muskeln Ansatzfiächen darzubieten etc., sind — was natürlich in mehrfacher
Beziehung für das Thier von Bedeutung ist — überall ausgehöhlt,
indem die Lufthöhlen überall in dieselben vordringen (dies ist z. B. beim
Pferd, Elephant, Rind etc. der Fall). — Es mag an dieser Stelle auch noch
hervorgehoben werden, dass der Schädel des jungen Thieres in seiner
äusseren Form oft von dem des Erwachsenen sehr abweichend ist: das
Gehirn ist verhältnissmässig grösser, die Zähne und Kaumuskeln schwächer,
die Gesichtspartie desshalb klein, die Lufthöhlen wenig entwickelt, die vor-
springenden Kämme, von denen die Kaumuskeln ihren Ursprung nehmen,
klein oder gar nicht vorhanden, etc. *)
Der Schultergürtel verhält sich bei den Klo akenthieren
in der Hauptsache wie bei den Reptilien: sowohl das Schulter-
Fig. 341. fig. 342.
Fig. 841. Recht« Hälfte des Schultcrgurtcls eines jungen Schnabelthiere»
cl Schlüsselbein, co' vonlerer, co hinterer Theil de* Coracoids, / Gelenkpfanne, sc Schulter-
blatt. — Orig.
Fig. 342. Rechte Hälfte desSchultergürtela eines jungen Affen; Schulterblatt in
starker Verkürzung gesehen, k Kamin des Schulterblattes. Uebrige Buchstaben wie in der
vorigen Figur. — Orig.
blatt als dasOoracoid sind wohlentwickelt, letzteres ist breit und
abgeplattet, in ein vorderes und ein hinteres Stück getheilt und ver-
') Sehr oft verhalten die Schädel kleiner (erwachsener) Säugethiere sich zu
den Schädeln grösserer nächstverwandter Formen in mehreren Punkten wie jugend-
liche Thiere zu erwachsenen derselben Art: die Gehirnpartie ist grösser, die
Muskelkämme sind schwächer etc.
Dig
Wirbelthiere. 6. Classc: Säugethiere.
499
bindet sich mit dem vorderen Ende des Brustbeins; auch ein
Schlüsselbein ist bei den Kloaken thieren vorhanden, es geht vom
Rande des Schulterblattes an das Vorderbrustbein, ganz wie bei den
Reptilien. Bei den übrigen Säuget hieren ist dagegen eine be-
deutende Veränderung eingetreten: dasCoracoid ist rudimentär ge-
worden, nur das äussere (obere) Ende ist in Form eines Fortsatzes
am unteren Ende des Schulterblattes, des Rabenschnabel fort-
satzes (Processus coraco'ideus)1) , vorhanden, welcher das Brustbein
nicht erreicht. Das Schulte rblatt ist gewöhnlich eine breite
Platte, deren obere Randpartie in der Regel knorpelig bleibt ; es ist
an seiner äusseren Fläche mit einem aufrechten Längskamm versehen,
an dessen untere vortretende Spitze (Acromion) das äussere Ende
des Schlüsselbeins geheftet ist , während aas innere Ende des
letzteren sich am Brustbein befestigt. Bei manchen Säugethieren fehlt
übrigens das Schlüsselbein (z. B. bei allen Hufthieren) oder ist in
rudimentärer Form vorhanden (Hund), in welchen Fällen der Schulter-
gürtel keine direkte Verbindung mit dem Skelet des Rumpfes besitzt :
bei anderen, z. ß. bei grabenden, kletternden und fliegenden Säuge-
thieren, ist das Schlüsselbein dagegen ein kräftiger, in der Regel
st&bformiger Knochen.
Das Skelet der Vordergli edmaassen besteht aus den ge-
wöhnlichen Theilen. Die Knochen des Unterarmes sind meistens
entweder von ungefähr gleicher Stärke, oder die Speiche ist, wenigstens
am unteren Ende, stärker; oft ist sognr der untere Theil der Elle
rudimentär, während das obere Ende, welches den bei den Säuge-
thieren meistens grossen und vortretenden Ellbogen trägt, selbst
dann gewöhnlich wohlentwickelt ist. Oft kreuzen beide Knochen
einander , indem oben die Speiche am äusseren, die Elle am
inneren Theil des unteren Endes des Oberarmbeins eingelenkt ist,
während unten die Speiche sich mit dem inneren, die Elle mit dem
äusseren Theil der Handwurzel verbindet; in anderen Fällen wird
aber die Elle oben ganz hinter die Speiche gedrängt, so dass keine
eigentliche Kreuzung stattfindet. Beide Knochen sind entweder be-
weglich 8) oder häufiger unbeweglich mit einander verbunden ; in
letzterem Fall verwachsen sie oft mit zunehmendem Alter. Die
Handwurzel besteht aus zwei Querreihen von Knochen; in der
proximalen Reihe finden sich die gewöhnlichen drei Knochen, in der
distalen vier Knochen, indem die beiden äusseren der typischen fünf
Knochen (Carpalia Nr. 4 und 5) zu einem verschmolzen sind 3). Am
äusseren Rand der Handwurzel findet sich ein ziemlich grossser Se-
samknochen, das Erbsenbein (Pisifornie). Von den fünf Fingern
besitzt der Daumen (Nr. 1) zwei Glieder, die übrigen nur je drei;
') Beim jungen Thier ist dieser Fortsatz durch zwei besondere Verknöche-
rungen vertreten, welche später mit dem Schulterblatt verschmelzen (vergl. Fig. 342).
*) Das untere Ende der Speiche kann dann im Zusammenhang mit der Hand
(welche nur an einer begrenzten Stelle mit der Elle, sonst mit der Speiche verbunden
ist) mehr oder weniger nach aussen schwingen, sehr stark z. B. beim Menschen.
*) Die Handwurzelknochen werden bei den Säugethieren gewöhnlich mit
folgenden Namen bezeichnet: in der proximalen Reihe von innen nach aussen
Naviculare, Lunatum, Triquttrum; in der distalen Reihe Multangulum majus,
Mult. minus, Capitatum, Hamatum. In einigen Fällen (bei Reduction der Anzahl
der Hittelhandknochen) können einzelne dieser Knochen fehlen; auch könneu Ver-
schmelzungen zwischen einigen derselben stattfinden. Selten ist ein Centrale zwischen
den Reihen entwickelt.
32*
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500
Specieller Theil.
nur in gewissen sehr umgebildeten Vordergliedmaassen (bei den Walen)
kann die Gliederzahl vermehrt werden. Bei gewissen Säugethieren
ist der Daumen freier beweglich als die übrigen Finger, so dass die
Hand ein Greifwerkzeug wird. Bei Säugethieren, bei denen er diese
Function nicht besitzt, findet man häufig eine Reduction des Daumens
oder er fehlt ganz. Auch andere Finger können verkümmern oder
ganz verschwinden, namentlich bei Formen, deren Gliedmaassen in
ausgeprägtem Grade als Geh- oder Laufbeine entwickelt sind (Huf-
thiere); bei einer Beschränkung der Anzahl werden die übrig ge-
bliebenen oder einige derselben um so kräftiger ausgebildet. Eine
Verschmelzung von mehreren Mittelfussknochen kann in solchen Fällen
ebenfalls stattfinden. Ueberhaupt bietet die Ausbildung der Vorder-
gliedmaassen, bei Anpassung an verschiedene Function (Graben, Klet-
tern, Flug etc.), eine grosse Mannigfaltigkeit dar (vergl. auch die spe-
cielle Darstellung).
Das Becken zeichnet sich bei den Säugethieren dadurch aus.
dass das Darmbein nach hinten gerichtet ist. die Anheftungsstelle
desselben an die Beckenwirbel liegt gegen sein vorderes End«», die
Gelenkpfanne am hinteren Ende (während das Darmbein z. B. hei
den Reptilien nach unten oder nach unten und vorne gerichtet ist).
Fig. 343. Linke Hallte de.« Beckens von einem jungen Ornithorhynchva. I Gelenk-
pfanne, II Darmbein, is Sitzbein, p Schambein ; x die Stelle, wo Sitz- und Schambein unten
an einander grenzen; m Beutelknocheu. — Orig.
Flg. 844. Linke Hälfte des Reckens eines neugeborenen Kalbes, verkleinert, x die
Stelle, wo Sitz- und Schambein unten mit einander verwachsen sind ; Übrige Bezeichnung
wie in der vorigen Figur. — Orig.
Scham- und Sitzbein jeder Seite vereinigen sich unten mit einander,
das Schambein ausserdem in der Mittellinie mit dem der anderen
Seite, was auch beim Sitzbein der Fall sein kann ; selten fehlt eine
Verbindung zwischen beiden Beckenhälften ganz (z. B. bei gewissen
Insektenfressern). Beim erwachsenen Thier sind alle drei Knochen
jeder Beckenhälfte völlig verschmolzen ').
') Auch die Verbindung der beiden Beckenhälften unten in der Mittellinie
kann in eine Verwachsung derselben übergehen, ebenso wie auch die Verbindung
zwischen Darmbein und Beckenwirbeln. Bei einigen Säugethieren (z. B. gewissen
Edentaten) kann das Sitzbein sich mit den hinteren unechten Beckenwirbeln ver-
binden und verwachsen.
Fig. 343.
Fig. 344.
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säagethiere.
501
Bei den Kloakenthieren und den Bentelthieren ist dem vorderen Rand
der Schambeine ein Paar nach vorn gerichteter Knochen, die Bogen.
Beutelknochen, angeheftet ; sie dürften als den Bauchmuskeln angehörige
Seh neu verknöcherungen aufzufassen sein.
Hinte r g Ii edmaa 88e u. Von den beiden Knochen des Unter-
schenkels ist das Schienbein immer stärker als das Wadenbein ,
welches oft sehr dünn oder sogar in seinem unteren Theil unvoll-
ständig ist ; häufig ist letzteres unten mit dem Schienbein verwachsen.
Vor dem Gelenk zwischen Schenkel und Unterschenkel (Kniegelenk) ist
eine grosse Kniescheibe vorhanden. Die Fusswurzel enthält in
ihrer proximalen Reihe nur zwei Knochen, das Sprungbein
(Astragalus) innen, und das Fersenbein (Calcaneus), mit der stark
vorspringenden Ferse, aussen und hinten. Die Bewegung im Fuss-
gelenk findet ganz überwiegend zwischen dem unteren Ende des
Unterschenkels und dem Sprungbein (oder zugleich dem Fersenbein)
statt, während die Bewegung zwischen den Fusswurzelknochen unter
sich im Allgemeinen nur gering ist (vergl. die ganz abweichenden
Verhältnisse bei Reptilien und Vögeln). In der distalen Reihe finden
sich vier Knochen1) ebenso wie in der Hand; eine Centrale
(Xavkulare) findet sich zwischen beiden Reihen an der inneren Seite.
Mittelfuss und Zehen bieten, was Gliederanzahl
etc. betrifft, dieselben Verhältnisse dar wie die
Mittelhand und Finger; auch in Bezug auf die
speciellere Ausbildung, die Reduction der
Zehenzahl etc. finden sich in Allgemeinen ent-
sprechende Verhältnisse. Zuweilen ist jedoch
die Hand in einer Weise, der Fuss in einer
anderen entwickelt (z. B. bei springenden
Thieren, bei ausgeprägten Gräbern etc.).
Ausser den schon oben erwähnten 8 es am-
beinen (Erbsenbein, Kniescheibe) sind bei den
Säugethieren noch andere vorhanden; namentlich
finden sich häufig unterhalb des Gelenkes zwischen
jedem Mittelhandknochen und dem ersten Finger-
glied (und ebenso zwischen jedem Mittel f u s s -
knochen und dem ersten Zehenglied) zwei kleine
Knochen, und unterhalb des Gelenkes zwischen
vorletztem und letztem Finger(Zehen)glied ein Se-
samknochen; ausserdem andere weniger allgemein
vorkommende.
Ein allgemeiner Charakter des Säugethier-
skeletes besteht darin, dass die Endpartien zahl-
reicher, besonders der langen Knochen, ferner auch
viele Fortsätze, besonders verknöchern, so dass
bei jüngeren Thieren manche Knochen aus
man
mehreren Stücken zusammengesetzt findet, welche
später verschmelzen. Die besonders verknöcherten
Endstücke oder Fortsätze nennt man Epiphysen.
Fig. 345. Schienbein eine«
Das Gehirn ist in mehreren Beziehungen «»y*hrigen Pferdes, um die
j „± n«„ tr j _ „ hpipbyacn e und r zu
charakteristisch ausgebildet. Das Vorder
hirn (Grosshirn) ist von bedeutender Grösse,
zeigen. — Orig.
*) Cuneiforme I, IT, III und Cuboideum, letzteres den Tanalia 4 -f 5 ent-
sprechend.
Digitized by Google
502
Specieller Theil.
an seiner Oberfläche mit labyrinthisch gewundenen tiefen Furchen
versehen, welche wulstförmige Erhebungen, die Windungen (Gyri),
von einander abgrenzen, seltener glatt oder fast glatt, wie z. B. bei
den Nagern ; es überdeckt nicht allein das Zwischenhirn, sondern ge-
wöhnlich auch das Mittelhirn, bisweilen sogar theilweise das Hinter-
hirn. Für die Säugethiere eigenthümlich ist der sogenannte Hirn-
balken (Corpus caUosum), ein grosses System querverlaufender
Nervenfasern, welches von einer Halbkugel des Grosshirns zur anderen
geht, wo diese dicht an einander gelagert sind; der Hirnbalken ist
am schwächsten bei den Kloaken- und ßeutelthieren entwickelt. Das
Mittelhirn ist dadurch ausgezeichnet, dass seine Oberfläche nicht
allein mit einer Längsfurche, sondern auch mit einer Querfurche ver-
sehen ist, so dass es oben vier Erhebungen besitzt (Vierhügel, Corpora
quadriqemina). Das Hinterhirn ist stark entwickelt; seine sehr
verdickte obere Wand (Kleinhirn) zerfallt in eine mittlere Partie und
zwei Seitentheile und ist mit tiefen Querfalten versehen.
In Bezug auf die Grösse de8 Gehirns im Verhältniss zum übrigen
Körper spielt der höhere oder niedrigere intellectuelle Standpunkt der be-
treffenden Art eine bedeutsame Bolle (vergl. z. B. die enorme Entwicklung
des Gehirns beim Menschen). Es giebt aber auch andere Verhältnisse,
welche von grosser Bedeutung sind. Namentlich ist es eine Begel, dass
kleine Säugethiere ein verhältnissmässig grösseres Gehirn haben als
ihre nächsten Verwandten von bedeutenderer Grösse ; im Ganzen kann man
sagen, dass sehr kleine Säugethiere ein verhältnissmassig grosses, sehr
grosse ein verhältnissmässig kleines Gehirn besitzen (so hat z. B. der Ele-
phant trotz seiner hervorragenden intellectuellen Eigenschaften ein verhält-
nissmässig sehr kleines Gehirn). — Es kann hier auch hervorgehoben
werden, dass das Gehirn bei jungen Thieren verhältnissmässig grösser ist
als bei den erwachsenen.
Geruchsorgane. Die inneren Nasenlöcher öffnen sich beim
Embryo eine Zeitlang weit vorne in die Mundhöhle ebenso wie bei
den meisten Reptilien; aber schon frühzeitig entwickelt sich oben in
der Mundhöhle an jeder Seite eine Leiste, welche bald mit derjenigen
der anderen Seite verwächst und so eine wagerechte Scheidewand
bildet, so dass die inneren Oeffnungen der Nasenhöhlen viel weiter
nach hinten rücken. In den Nasenhöhlen, welche gewöhnlich einen
bedeutenden Umfang besitzen, bilden sich an der äusseren und hinteren
Wand vorspringende Palten, die Nasenmuscheln, welche sich
in der Regel zu sehr grossen Blättern entwickeln, die wieder mit
Falten versehen werden, sich zusammenrollen etc., so dass sie Gebilde
von ziemlich complicirter Beschaffenheit werden ; sie sind zuerst von
Knorpel gestützt, welcher aber später ganz oder theilweise verknöchert
(die unteren Muscheln und die Blättchen des Siebbeins sind Ver-
knöcherungen dieser Knorpelpartien). Die Riechzellen haben
ihren Platz in derjenigen Partie der Schleimhaut, welche den aller-
hintersten Theil der Nasenhöhle, der Querplatte des Siebbeins zu-
nächst, bekleidet; die Schleimhaut ist hier gelbbraun. Der übrige
Theil der Nasenhöhlen hat keine Bedeutung als Geruchsorgan; in
seiner Schleimhaut findet sich, ausser schleimabsondernden Drüsen,
ein reiches Gefässnetz, welches nach der Auffassung einiger Verfasser
die Aufgabe hat, die Luft zu erwärmen, welche durch die Nasenhöhlen
hindurch in die Lungen tritt. — Die oben (S. 496) erwähnten Luft-
höhlen in einigen der Knochen des Kopfes sind Ausstülpungen der
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Wirbelthieru. 6. Ciasso: Säugethiere.
503
"Nasenhöhlen und mit einem Häutchen ausgekleidet, welches eine Fort-
setzung der Schleimhaut jener darstellt.
Augen. Von den Augenlidern ist — im Gegensatz zu den-
jenigen anderer Wirbelthiere — das obere grösser und beweglicher
als das untere. Eine Nick haut ist im Allgemeinen vorhanden, aber
weniger als bei Vögeln und Reptilien entwickelt und nicht mit be-
sonderen M ii- kein ausgestattet; sie gleitet vor einen Theil der Aussen-
fläche des Augapfels hin, wenn letzterer in die Augenhöhle zurück-
gezogen wird.
Die Sehnen haut besteht aus Bindegewebe, ohne Knorpel oder
Knochengewebe; sie ist bei einigen Säugethieren, besonders bei den Walen,
von sehr bedeutender Dicke. In der Gefässhaut findet man häufig eine
eigentümlich ausgebildete, grünlich, bläulich oder weiss! ich schillernde
Partie von etwas verschiedenem Baue, das Tapet um (z. B. beim Pferd,
den Wiederkäuern, den Haubthieren). Die Form der Pupille ist ver-
schieden, entweder kreisrund (z. B. beim Menschen u. a.) oder eine senk-
rechte (Katze, Fuchs) oder wagerechte Spalte (Pferd, Wiederkäuer).
Gehörorgan. Der Schneckengang ist noch bei den
Kloakenthieren dem entsprechenden Theil der Reptilien und
Vögel ähnlich, dagegen ist er
bei den übrigen Säugethieren
weit länger und spiralig auf-
gerollt. Ebenso wie bei den
Reptilien findet sich ein ova-
les und ein rundes Fenster
gegen die Paukenhöhle zu.
Anstatt eines Hörknochens
rinden wir bei den Säuge-
thieren eine Reihe von drei:
den Hammer (Malleus), wel-
cher sich mit dem Trommel-
fell verbindet, den Amboss
(Iticus) und den Steigbügel
(Stapes), dessen plattenförmige
Endpartie das ovale Fenster
SChliesst. Der Steigbügel ent- , Fiß- »« Querschnitt des Kopfe, eines Säuge-
• i , -r ii j „ tlueres, um die Verhältnisse de« Ge h o r o r u&n s zu
spricht zweifellos dem ver- zeigen; 'Schema (das Labyrinth i8t verhÄltnf88mÄ88ig
knocherten Theil des Hör- viel zu gros, gezeichnet, etc.). o Ampulle, b Bogen-
knochens der Reptilien Und (fang (nur ein Bogengang ist dargestellt), e Schnecken-
Vögel (oder dem innereu Theil Rang; *° Stcculu«' u utricuim (zu.ammen der Vor-
dp^plhonV hui d*»n Kloakpn- hof); Um daB L»bJrrinlh herum Lymphräume, in der
tiesseiDenj , Del üen ÄlOaKen- FigUf Mhwara> k gchädelknochcn, h Hammer, am Am-
thieren besteht er ebenso Wie boss, • Steigbügel, t Paukenhöhle, r rnnde. Fenster,
dieser aU8 einem einfachen « Ohrtrompete, tr Trommelfell, y äusserer Gehörgang,
Schaft und einer Platte, bei * äussern Ohr. — Orfc. (mit theilweiser Benutzung
den übrigen ist der Schaft Ä,teror F,gg)
in der Regel breiter und durchbohrt, wodurch das Knöchelchen
einem Steigbügel ähnlich wird. Die Deutung der beiden anderen
Gehörknöchelchen ist zweifelhaft Für die Säugethiere charakte-
') Der Hammer wird von Einigen als dem Quadratbein der Reptilien homolog
aufgcfasst, während dann der Amboss als dem äusseren Theil des Gehörknöchelchens
derselben entsprechend betrachtet wird; Andere meinen, dass der Amboss dem
Quadratbein, der Hammer dem oberen hinteren Knochen deB Unterkiefers der
Reptilien (Articulare) entspricht. Vielleicht entsprechen alle drei Gehörknöchelchen
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ÖU4
Specialer Theil.
ristisch ist die Ausbildung eines äusseren Gehörganges: die
Grube, in deren Boden das Trommelfell bei den Reptilien seinen
Platz hat, ist bei den Säugethieren zu einer längeren Röhre geworden,
deren innerer Theil oft verknöchert ist (eine röhrenförmige Ver-
längerung des Paukenbeins), während der äussere Theil von knorpeligen
Theilen gestützt ist. Die äussere Oeffnung ist in der Regel von dem
äusseren Ohr umgeben, einer grossen Hautfalte von verschiedener
Form, welche ansehnliche elastische Knorpeltheile enthält.
Die Paukenhöhle, welche in das Schläfenbein eingeschlossen liegt,
ist oft von recht beträchtlichem Umfange, so dass die umgebenden Knochen-
partien (besonders das Paukenhein) zu einem blasenförroigen Theil (Buliaj
anschwellen ; zuweilen steht die Paukenhöhle mit luftgefüllten Hohlräumen
der benachbarten Knochen in Verbindung (vergl. Krokodile und Vögel).
Die Ohrtrompeten haben in der Regel theilweise knorpelige Wände ;
sie münden getrennt in den Schlund. Beim Pferd hat jede Ohrtrompete
eine sehr grosse dünnwandige sackförmige Erweiterung.
Die Mundhöhle ist bei jungen Embryonen ein einheitlicher
Hohlraum ebenso wie bei den meisten Reptilien etc. Aber die Aus-
bildung des bei den Geruchsorganen erwähnten Gaumendaches hat
zur Folge, dass die Mundhöhle in mehrere Abschnitte gesondert wird,
nämlich : 1) eine hintere ungetheilte Partie, hinter dem hinteren Rande
des Gaumendaches, den Sei» lund köpf (Pharynx); 2) eine untere
vordere Partie unterhalb des Gaumendaches, die eigentliche
Mundhöhle; endlich 3) oberhalb des Gaumens eine obere vordere
Partie, welche sich mit den Nasenhöhlen vereinigt. Wir betrachten
zuerst die Organe der eigentlichen Mundhöhle und unter diesen zu-
nächst die Zähne.
Die Zähne der Säugethiere sind dadurch ausgezeichnet, dass
ihre Anzahl bei einer und derselben Art im Allgemeinen ziemlich
bestimmt und nicht sehr gross ist, dass ihre Form in der Regel ver-
hältnissmässig complicirt ist, dass sie in Zahnhöhlen sitzen, und be-
sonders durch die eigenthümliche Art des Zahnwechsels, indem
die Zähne nicht wie bei den niederen Wirbelthieren das ganze
Leben hindurch durch neue ersetzt werden, sondern nur zwei Serien
von Zähnen, das Milchgebiss und das bleibende Gebiss, in gesetz-
mässiger Reihenfolge nach einander auftreten ; weiter ist hervorzuheben,
dass die Zähne bei den Säugethieren in ausgedehntem Maasse zur
Zerkleinerung der Nahrung, nicht blos zum Festhalten derselben be-
nutzt werden. — Am Säugethierzahn kann man Krone und Wurzel
unterscheiden. Die Wurzel ist der untere1), gewöhnlich schmälere,
oft in mehrere Aeste gespaltene, schmelzlose, aber mit Cement
bedeckte Theil des Zahnes, welcher im Kiefer versteckt bleibt ; die
Krone der obere, schmelzbedeckte Theil, welcher gewöhnlich
ganz frei sitzt und in der Regel durch eine deutliche Grenze (eine
Einschnürung oder dgl.) von der Wurzel gesondert ist: in der Regel
ist die Krone cementlos, seltener findet sich an der Oberfläche des
Schmelzes eine dünnere oder dickere Cementschicht. Die Form der
Krone ist sehr verschieden : sie kann einfach kegelförmig oder meissel-
der Säugethiere zusammen dem einzigen Gehörknochen der Reptilien und Vögel
(incl. dessen äusserer knorpeliger Endpartie).
') Das freie Ende des Zahnes nennen wir stets das obere, das entgegengesetzte
das untere Ende, obgleich diese Bezeichnungen eigentlich nur für die Unterkiefer-
zihne richtig sind.
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säugetbiero.
505
förmig sein, sie kann niedrig und breit mit abgerundeten Höckern
oder mit spitzigen Zacken versehen sein, oder aber stark zusammen-
gedrückt mit mehrfachen Spitzen am Rande ; oder sie ist mit starken
Quer- oder Längskämmen ausgestattet, welche durch Thäler ge-
trennt sind. Letztere können sehr tief werden und sich bis an
den Grund der Krone erstrecken (z. B. an den Backenzähnen des
Elephanten); auch an den Seitenflächen des Zahnes können senk-
rechte Furchen vorhanden sein; meistens sind tiefere Falten ganz
oder theilweise mit Cement ausgefüllt (so beim Pferd und Elephant).
Während des Gebrauches wird sehr häufig, namentlich an gefalteten
Zähnen, die Schmelzschicht an allen vorspringenden Punkten des
Zahnes durch die Abnutzung abgeschliffen und dadurch das unter-
liegende Zahnbein entblösst ; an der Kaufläche sieht man dann Zahn-
beininseln von etwas erhabenen Schmelzstreifen und letztere oft noch
von Cement umgeben (besonders an Zähnen von Pflanzenfressern).
Krone und Wurzel sind an manchen Zähnen ungefähr von derselben
Länge, nicht selten ist die Wurzel etwas länger als die Krone, in
anderen Fällen erreicht dagegen die Krone eine überwiegende
Ausbildung. Letzteres ist besonders bei stark gefalteten Zähnen,
welche einer bedeutenden Abnutzung unterworfen sind, der Fall; bei
solchen ist die Wurzel (resp. die Wurzeln ) oft sehr kurz, die Krone
dagegen sehr lang, und es tritt letztere nicht sofort aus dem Kiefer
in ihrer ganzen Länge hervor, sondern zunächst kommt nur der obere
Theil zum Vorschein, und allmählich, während das freie Ende abgenutzt
wird, schiebt sich der Zahn heraus (solches ist z. B. mit den Backen-
zähnen des Pferdes der Fall). Oft ist die Wurzel nicht einmal ge-
bildet, wenn die Abnutzung des oberen Theiles der Krone schon an-
gefangen hat; in anderen Fällen kommt es überhaupt nicht
zu einer Wurzelbildung: in dem Maasse wie die Krone oben
abgenutzt wird, wächst sie unten, und das Wachsthum des Zahnes
wird nie abgeschlossen: wurzellose Zähne (die Vorderzähne der
Nager, die Backenzähne mancher Formen derselben Gruppe, die Eck-
zähne des Ebers etc.).
Die Zähne sitzen in einer einzigen Reihe längs des Randes des
Zwischen- und Oberkieferheines und des Unterkiefers ; die Zähne des
Zwischenkiefers werden als Schneidezähne, der vorderste Zahn
des Oberkieferbeines dicht an der Grenze des Zwischenkiefers als
Eckzahn, die übrigen des Oberkiefers als Backenzähne be-
zeichnet; im Unterkiefer wird derjenige Zahn, welcher beim ge-.
schlossenem Munde vor den Oberkiefer-Eckzahn greift, als Eckzahn,
die davor sitzenden als Schneide-, die da hinter sitzenden als Backen-
zähne bezeichnet. Bei den meisten placen talen l) Säugethieren
bewegt sich die Zahl der Zähne jeder Kieferhälfte a) in dem zweiten,
bleibenden Gebiss innerhalb 11: 3 Schneidezähne (t1, »2, t8),
1 Eckzahn (c), 7 Backenzähne, von denen die vier vorderen als
Prä molaren (p1 — p4), die drei hinteren als Molaren (wl — w8) be-
zeichnet werden8). Im ersten Gebiss, dem Milchgebiss, welches
') Vergl. S. 617. Die placentalen S. umfassen sämmtliche Säugethiere mit
Ausnahme der Kloaken- und Beutelthiere.
■) Oben werden ein Zwischenkieferbein und ein Oberkieferbein als eine Kiefer-
hälfte zusammengerechnet.
•) i1 ist der vorderste (innerste) der Schneidezähne, py der vorderste Pramolar,
m1 der vorderste Molar etc.
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506
Specieller Theil.
eine Zeitlang beim jungen Thiere vorhanden ist, später aber ausfällt,
finden Bich, wo es am Tollständigsten ist, 8 Zähne in jeder Kiefer-
hälfte: 3 Schneidezähne (dix—di*), 1 Eckzahn (de) und 4 Backen-
zähne (dp1 — dp*), welche diejenigen
Plätze im Kiefer einnehmen, die
später von den entprechenden blei-
benden Schneidezähnen , Eckzahn
und Prämolaren besetzt sind; an
den Plätzen der Molaren haben
keine Milchzähne gesessen. Diese
Zahl von Zähnen wird jedoch bei
manchen Säugethieren reducirt, und
zwar betrifft die Reduction sowohl
Schneide- als Eck- und Backenzähne.
Fig. 347. Gebiss eine« Maulwurfs Gewöhnlich ist es durch einen Ver-
vollständige Zahnfonnel); die Milchzähne gfofcjj njcüt 8cnwierig nachzuweisen,
sind in Urnru« ober- und unterhalb der ° « , j « , rj-\ • j
entsprechenden bleibenden gezeichnet. •» 0(leL welche Zahne CS Sind,
dritter Schneidezahn, c. Eckzahn, p PrÄmo- die fehlen. Für die Backenzahnreibe
loren, m Molaren. — Nach Ch. Tome«. igt e8 Regel, da88 die Reductioil am
vorderen oder hinteren Ende statt-
findet, so dass, wenn nur 6 Backenzähne vorhanden sind, der fehlende Zahn
in der Regel entweder der vorderste Prämolar oder der hinterste Molar
ist; wenn nur 5 vorhanden sind, fehlen in der Regel entweder p1 und
p*, oder m* und ro8, oder px und wi9, etc. Bei einigen Gruppen ver-
Fig. 348. Die Zähne einer Sau in Zahnwochsel; die Kiefer aufgemeisaelt. t1 — »"*
erster — dritter Schneidezahn, c Eckzahn, pl — 4 Prämolaren, ml- • w* Molaren, dt* zweiter Milch-
Schneidezahn, dp* — dp* Milchbackenzihne. (Milchzähne schroffirt.) Von den Milchzähnen
sind dil, di*, de schon ausgefallen; dp1 fehlt beim 8chwein. — Orig.
schwinden vorzugsweise die Molaren (bei den Seehunden), bei anderen
die Prämolaren (z. B. bei den Nagern), bei anderen (z. B. der Katze)
fehlen Zähne an beiden Enden der Backenzahnreihe. Die Anzahl
der Milchzähne wird ebenfalls reducirt; fehlt ein Zahn im bleibenden
Gebiss, so ist gewöhnlich auch der entsprechende Milchzahn in Weg-
fall gekommen (es giebt jedoch von dieser Regel mehrere Ausnahmen).
Von den angeführten Milchbackenzähnen fehlt übrigens gewöhnlich
der vorderste (dp1) auch in den Fällen, wenn der entsprechende Zahn
des bleibenden Gebisses (p1) vorhanden ist; selten fehlen andere
Milchzähne, wenn die entsprechenden bleibenden vorhanden sind; zu-
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Wirbelthiere. 6. Clasee: Säufrethiere.
f»07
weilen (z. B. bei den Seebunden) fallen die Milchzähne schon wäh-
rend des embryonalen Lebens oder beim neugeborenen Jungen aus
und sind dann sehr schwach entwickelt oder sogar rudimentär. —
Von den Zähnen haben die Backenzähne in der Regel die compli-
cirteste Form, während die Schneide- und Eckzähne einfacher sind;
die Eckzähne sind meistens kegelförmig, die Schneidezähne häufig
meisselförmig. Die Zähne des Milchgebisses sind gewöhnlich denen
des bleibenden Gebisses ähnlich; es ist jedoch nicht immer so, dass
ein bestimmter Milchzahn in seiner Form eben demjenigen Zahn
gleicht, welcher an seine Stelle tritt; bei den Raubthieren findet man
z. B. dass jeder Milchbackenzahn ziemlich genau demjenigen bleibenden
Zahn ähnlich ist, welcher einen Platz weiter zurück in der Zahn-
reihe sitzt. — Bei einem Theil der placentalen Säugethiere finden
wir jedoch Abweichungen von den beschriebenen regelmässigen Ver-
bältnissen, indem eine grössere Anzahl von Zähnen auftreten
kann. Besonders findet mau solches bei Formen, welche, in Anpas-
sung an eigenthümliche Lebensverhältnisse, in gewissen Beziehungen
so zu sagen auf eine niedere Stufe hinabgedrückt sind; so besitzen
z. B. die Zahnwale, deren Lebensweise so sehr an die der Fische er-
innert, gleichartige, in der Regel kegelförmige Zähne, deren Anzahl
mehrere Mal so gross wie die typische sein kann; auch bei Thieren,
für welche die Zähne nur eine untergeordnete Bedeutung haben,
findet man, dass neben einem Rückgang in der Form und Ausbildung
des einzelnen Zahnes eine Vermehrung der Anzahl einhergeht (z. B.
bei den Gürteith ieren). Bei Formen mit solchen abweichenden Ver-
hältnissen des bleibenden Gebisses findet man häufig ein vollständiges
Fehlen des Milchgebisses. — Die Beutelthiere weichen von den
placentalen Säugethieren in Bezug auf das Gebiss besonders dadurch
ab, dass das bleibende Gebiss sich innerhalb einer etwas grösseren
Zahl als der regulären der placentalen Säugethiere bewegt, und dass
das Milchgebiss nur durch einen einzigen Zahn (Backenzahn) vertreten
ist; vergl. des Näheren unten bei den Beutelthieren.
Dem oben über die Zähne der Säugethiere Gesagten kann noch Fol-
gendes hinzugefügt werden. Häufig ist die Schmelzschicht an einigen
Theilen der Krone dünner als an anderen ; oder sie kann an gewissen Theilen
A B
Fig. 848. A Schneidezahn eines
Huudes, kurz nachdem er in Gebrauch
getreten ist; B derselbe Zahn eines
alten Hundes; Längsschnitte. An dem
jungen Zahn ist die Pulpahöhle sehr gross,
das Cement noch gar nicht (oder in sehr
unbedeutender Menge) vorhanden; in dem
alten Zahn ist der obere Theil der ursprüng-
lichen Pulpahohle ganz mit Dentin ausgefüllt
uud der übrige Theil derselben sehr eng, das
Cement reichlich entwickelt, die Spitze des
Zahnes abgenutzt, c Cement, d Dentin,
p Pulpahöhle, « Schmelz. — Orig.
derselben fehlen (z. B. an der Hinterseite der Vorderzähne der Nager), ja
sogar an dem grössten Theil (an den Schneidezähnen des Elephanten findet
sich Schmelz nur an der Spitze des noch nicht abgenutzten Zahnes) oder
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I
508 Speoieller Theü.
völlig fehlen (so bei manchen Walen). — Wenn der Zahn aus den Kiefern
hervorbricht und in Gebrauch tritt, ist seine Entwicklung meistens noch
keineswegs abgeschlossen : die Wurzel ist oft nicht fertig gebildet ; die Zahn-
beinschicht hat noch nicht ihre volle Mächtigkeit erlangt, die Keimhöhle
ist gross, verkleinert sich allmählich langsam, während das Zahnbein gleich-
zeitig an Dicke zunimmt; auch das Cement an der Wurzel des Zahnes ver-
dickt Bich allmählich, es ist bei sehr alten Thieren oft von sehr ansehn-
licher Mächtigkeit, während es bei jungen kaum angedeutet ist; nur der
Schmelz pllegt (von wurzellosen Zähnen abgesehen) vollständig zu sein,
wenn der Zahn in Gebrauch tritt. — Vor dem Ausfallen der Milchzähne
werden gewöhnlich die unteren Theile derselben allmählich in grösserer
oder geringerer Ausdehnung von eigenthümlichen, im umgebenden Binde-
gewebe liegenden Zellen aufgelöst, weggeätzt (resorbirt).
In der Bpeciellen Darstellung wird die Zahl der Zähne folgendem Bei-
spiele gemäss angegeben : ^ i (= 3 Schneidezahne oben, 2 unten auf jeder
Seite), \ c (= 1 Eckzahn oben, 0 unten), £ b (= 6 Backenzähne oben,
5 unten), oder $ p {== 3 Prämolaren oben, 3 unten), £ m (= 3 Molaren
oben, 2 unten). Wünscht man ausdrücklich anzugeben, welche bestimmten
Zähne vorhanden sind, so geschieht dies nach folgendem Schema, in welchem
die Zeichen oberhalb der Linie die Zähne der Oberkieferhälfte, die anderen
diejenigen der Unterkieferhälfte bezeichnen: ^/'p* ~ pp,p^j>t ""^r-
Bei einer kleinen Anzahl von Säugethieren fehlen Zähne völlig;
zuweilen besitzen jedoch Säugethiere, welche als erwachsene zahnlos
sind (z. B. die Bartenwale), im Embryonalleben oder noch im Jugend-
zustande kleine Zähne, welche jedoch nicht hervorbrechen, sondern
durch Resorption wieder verschwinden.
Für die Säugethiere charakteristisch ist das Vorhandensein einer
Ober- und einer Unterlippe, zweier grosser musculöser Haut-
falten, welche die Kieferränder bedecken, seitlich in einander über-
gehen und die "Wangen bilden; sie fehlen nur selten. — Die Zunge
ist sehr rausculös, kräftig und beweglich, was von grosser Bedeutung
bei der Bearbeitung der Nahrung in der Mundhöhle wird; sie ist
an ihrer Oberseite mit kleinen spitzen Warzen (Pupillae filiformes)
bedeckt, welche zuweilen an ihrer Oberfläche stark verhornen (bei
den Katzen); ausserdem finden sich in geringerer Anzahl verschiedene
andere Fortsätze (P. fungiformea, cimtmvallatae und foliatae), welche
Geschmacksknospen tragen1). — An der oberen Wand der Mundhöhle,
dem harten Gaumen, findet sich bei den meisten Säugethieren
eine doppelte Reihe ziemlich fester Querfalten, die Gaumen falten ,
welche bei manchen Säugethieren, z. B. beim Rind, sehr hervor-
tretend, bei anderen ganz oder fast ganz verwischt sind (Mensch) ;
über die eigenthümliche Entwicklung der Gaumenfalten bei den Barten-
walen vergl. die Wale. — Bei einer geringen Anzahl von Säuge-
thieren (z. B. manchen Affen und Nagern) sind sackförmige Aus-
') An der Unterseite der Zunge findet sich jederseits eine Falte, welche sich
oft vorne mit derjenigen der andern Seite vereinigt ; diese Falten, welche man als
Unterzunge bezeichnet, erreichen ihre grösste Entwicklung bei den Halbaffen,
bei denen sie einen zungenähnlichen Anhang an der eigentlichen Zunge bilden. —
Im vordersten Theil der Zunge findet aich dicht an der unteren Seite bei manchen
Säugethieren ein länglicher Körper, der sogen. Toll wurm (Lyssa); er ist von
lockerem Bindegewebe umschlossen und besteht selbst aus Muskel- und Bindegewebe ;
zuweilen enthält er einen knorpeligen Theil, welcher, wie es scheint, dem vorderen
dünnen Ende des Zungenbeinkörpers der Saurier (Fig. 2Ö7) entspricht.
Digitizfid-hy QoogW
Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere.
509
stülpungen der Mundhöhle vorhanden, Reservoire für die aufgenom-
mene Nahrung, Backentaschen. — Ausser kleineren in die Wand
Fig. 350. Medianer Längsschnitt durch den Kopf eine« mittelgrossen Hundes, verklein.
Xasenscheidewand entfernt. Die durchgeschnittenen Knochen punktirt. b Kleinhirn, 6a Hirn-
balken, c Schadelwand, e Kehldeckel, <« Oeffnung der Ohrtrompete, / Grosshirn, g Gaumen-
dach (harter (intimen), yf Gaumenfalten, h Haut, i Schneidezahn, kn knorpelige Naae, / Toll-
wurm, m Muskeln, w« Nasenmuscheln, « äusseres Nasenloch, o Riechkolben, ac Speiseröhre,
ol Oberlippe, p Scblundkopf, r Ringknorpel, rm KQckenmark, ■ Schildknorpel (»■ und s dem
Kehlkopf zugehörig), se Gaumensegel, »t Stimmband, t Luftröhre, lo Tonsille, uk Unterkiefer,
ul Unterlippe, Z Zunge, z6 Zungenbeinkörper. / Atlas, 2 Epistropheus, 4 vierter Halswirbel.
— Orig.
eingebetteten Drüsen öffnen sich in die Mundhöhle mehrere grössere
sogenannte Speicheldrüsen: Ohrspeicheldrüse (Parotis), Unter-
kieferdrüse (Glandula submaxillaris), Unterzungendrüse (Gl. subungualis) ').
Die Mundhöhle im engeren Sinne wird hinten von dem Gaumen-
segel (Trfi/m ;ä'w«;m) abgeschlossen, einer grossen musculösen,
sehr beweglichen Hautfalte, welche eine mehr oder weniger schräg
*) Letztere i»t übrigens nicht eine einzelne Drüse, sondern eine Gruppe von
kleineren Drüsen, jede mit einem Ausführungsgang.
Digitized by Google
51 n
Specialer Theil.
liegende Fortsetzung des harten Gaumens bildet. Hinter demselben
liegt der Schlundkopf (Pharynx), in welchen unten, am hinteren,
unteren Rand des Gaumensegels, die Mundhöhle, oben die Nasen-
höhlen einmünden; in den Schlundkopf öffnen sich auch die Ohr-
trompeten und die Luftröhre1).
Der Schlundkopf setzt sich in
die Speiseröhre fort, welche
gewöhnlich lang und eng ist.
Der Mage n ist in seiner gewöhn-
lichen Form ein kurzer, weiter,
etwas gebogener Schlauch, wel-
cher dicht an der Einmündungs-
stelle der Speiseröhre mit einem
kurzen Blindsack versehen ist,
der übrigens ganz allmählich in
den übrigen Theil des Magens
übergeht. Bei verschiedenen
Säugethieren ist der Magen
durch Einschnürungen in meh-
rere Abschnitte getheilt: zu-
sammengesetzter Magen (bei ge-
wissen Nagern, den Walen, den
Wiederkäuern etc.); oder er ist
dadurch ausgezeichnet, dass er
mit mehreren kurzen Blindsäcken
besetzt ist (beim Schwein) ; oder
er weicht auf andere Weise, z. B.
durch langgestreckte darmähn-
liche Form (Känguruh), von der
gewöhnlichen Gestalt ab. Mei-
stens ist die ganze Innenseite des
Magens mit einem Cylinderepithel
bekleidet und seine Wandung mit
zahlreichen Drüschen (Magen saft-
drüsen und Schleimdrüsen) aus-
gestattet; zuweilen setzt sich je-
doch das Epithel der Speiseröhre
— welches ebenso wie dasjenige
der Mundhöhle der Oberhaut ähn-
lich, also ein mehrschichtiges
Plattenepithel ist — eine Strecke
weit in den Magen hinein fort;
zuweilen kann es sogar über eine
sehr beträchtliche Partie des Ma-
gens ausgedehnt sein: der be-
treffende Theil macht beim Pferde
ungefähr die Hälfte des Magens
Fig. 861. Schema des Darmkanal* de«
Menschen. I After, Ca, Cd, Ct Dickdarm, Dd
Dünndarm, (Sl.th Schilddrüse, OLthy Thymus,
Iiis Speicheldrüsen, Lb Leber, Lg Lunge, Jtf^Magen,
0r Speiseröhre, Pa Bauchspeicheldrüse, .TÄSchlund,
Fr Processus vermiformis, It Enddarm, 17c Grenze
von Dünn- und Dickdarm, Z Zwerchfell. — Nach
aus ; bei den meisten Wieder-
käuern sind sämmtliche Magenabtheilungen mit Ausnahme des Lab-
') An der Grenze von Mundhöhle und Schlundkopf Hegt unten an jeder Seite
eine Handel (TonsiUa), eine grubige Partie der Schleimhaut, in welcher zahlreiche
Lymphfollikel vorhanden sind. Auch an andern Stellen der Mundschleimhaut sind
Lynophfollikel eingebettet.
r ,1
Digitized-by-GaogLi
Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere.
511
magens mit dem mehrschichtigen Epithel bekleidet. — Der Dünndarm
ist von ansehnlicher Länge, am längsten bei Pflanzenfressern. — Der-
jenige Abschnitt des Darmkanals, den wir bei anderen Wirbelthieren
als Enddarm bezeichnen, ist bei den Säugethieren von bedeutender
Länge, gewöhnlich auch ziemlich weit und erhält den Namen Dick-
darm; nur sein Endabschnitt wird als Enddarm bezeichnet. An
der Grenze von Dünn- und Dickdarm entspringt von letzterem fast
immer ein Blinddarm, welcher bei einigen Säugethieren (z.B. dem
Pferd) eine kolossale Entwicklung erlangt, während er bei anderen
kleiner oder sogar rudimentär (z. B. beim Menschen) ist1). — Die
Leber, welche ihren Platz dicht hinter dem Zwerchfell hat, ist in
der Regel, aber nicht immer, mit einer Gallenblase versehen (die
Gallenblase fehlt z. B. beim Pferd). Die Bauchspeicheldrüse
hat gewöhnlich einen Ausführungsgang2), welcher in den vordersten
Theil des Dünndarms entweder für sich oder erst nach Vereinigung
mit dem Gallengang ausmündet3).
Athmungsorgane. Der Eingang zum Kehlkopf ist eine Längs-
spalte hinter der Zunge, vor dem Eingang zur Speiseröhre. Vor der
OefFnung befindet sich eine den Säugethieren eigentümliche Klappe,
der Kehldeckel ( Epiglottis), welcher einen grossen elastischen Knorpel
enthält; er ist unter gewöhnlichen Umständen emporgerichtet, legt
sich aber, wenn Nahrung aus der Mundhöhle durch den Schlundkopf
in die Speiseröhre tritt, über die Oeffnung des Schlundkopfes hinab.
Der Kehlkopf enthält in seiner Wand grosse Knorpel, nämlich:
hinten den Ringknorpel (Cartilago cricotdea), unten den grossen Schild -
knorpel ( C. thyreoidea), vorne und oben die beiden Giesskannenknorpel
(Cartilagines arytaenioideae). Die übrige Luftröhre ist gewöhnlich
ziemlich lang, von Knorpelringen gestützt;
hinten spaltet sie sich in die beiden grossen
Luftröhrenäste, welche sich weiter verästeln;
jede Lunge ist, wie schon früher hervorge-
hoben wurde, ein bäum förmig verästeltes Or-
gan, dessen gröbere und feinere Aeste sämmt-
lich hohl sind. Nur in den äussersten Ver-
ästelungen, welche dünne Wände besitzen und
mit kleinen Ausstülpungen (Alveolen) besetzt
sind, findet die Respiration statt; im übrigen Rg 852 Kleiner Theil
Theil des Astsystems besitzen die Röhren etnerSäugethicriu nge mit
dickere Wände, welche bei den gröberen Aesten ^ueciuuiber genau, a feinster
sogar ebenso wie die Luftröhre mit Knorpel- Luftröhrenast, b rospirirende
ringen oder -plättchen versehen sind. Alle Theilc ,lcr Lun«e' " Nach Fre^
Aeste werden von Bindegewebe zusammengehalten. — Die Lungen
haben mit dem Herzen zusammen ihren Platz im vordersten Abschnitt
der Leibeshöhle, der Brusthöhle, längs deren oberer Wand auch
die Speiseröhre verläuft, während der übrige Theil des Darmkanals
') Beim Menschen und einzelnen anderen Säugethieren setzt der Blinddarm
sich in einen dünnen engen Anhang, den Processus vermiformis, fort
*) Seltener besitzt die Bauchspeicheldrüse zwei Ausführungsgänge, welche ent-
weder beide getrennt in den Darm ausmünden, oder von welchen der eine sich mit
dem Gallengang vereinigt..
•) Das Netz (Omentum maju8) ist ein besonders entwickelter Theil des Ge-
kröses, welcher bei manchen Säugethieren vorhangartig die Unterseite des Magens
und der Gedärme bedeckt.
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512
Specialer Theil.
uiitsammt der Niere und den Geschlechtsorganen in dem hinteren,
als Bauchhöhle bezeichneten Abschnitt der Leibeshöhle liegt.
Zwischen Brust- und Bauchhöhle ist eine grosse in der Mitte sehnige,
sonst musculöse Scheidewand, das Zwerchfell, ausgespannt, welches,
wenn seine musculösen Theile erschlafft sind, in die Brusthöhle hinein
gewölbt ist; wenn das Zwerchfell sich contrahirt, plattet es sich ab.
dadurch wird die Brusthöhle vergrössert und die sehr elastischen
Lungen erweitert, was zur Folge hat, dass die Luft von aussen hinein-
strömt; beim Erschlaffen des Zwerchfells werden die Lungen zu-
sammengedrückt und die Luft theilweise ausgetrieben. Das Zwerch-
fell ist somit ein wirksames Werkzeug für den Luftwechsel. Auch
die Muskeln, welche die Rippen bewegen, sind in dieser Beziehung von
Bedeutung; wenn die unteren Enden der Rippen nach vorne geführt
werden, erweitert sich die Brusthöhle.
Gefässsystem. Wie bei den Krokodilen und Vögeln ist sowohl
Vorhof als Herzkammer in je zwei vollständig getrennte Hälften
getheilt; der linke Vorhof empfängt das Blut von den Lungen . der
rechte Vorhof das Blut vom übrigen Körper. Von der rechten Herz-
kammer entspringen ausschliesslich mit einem gemeinsamen Stamm
die Lungenarterien (die Arterienbögen des vierten Paares). Die
Arterienbögen des ersten und zweiten Paares entspringen sämmt-
lich mit einem gemeinsamen Stamm, der Körperarterie, von der
linken Herzkammer (vergl. Fig. 266 F) und führen somit alle arte-
rielles Blut; der rechte Arterienbögen des 2. Paares giebt nur die
Arterie für die rechte Vonlergliedmaasse ab, die Aorta wird aus-
schliesslich von dem linken Bogen desselben Paares gebildet (im
Gegensatz zu den Vögeln); das 1. Arterienbogenpaar bildet wie ge-
wöhnlich die Kopfarterien. Bei den Säugethieren besteht demnach
dieselbe vollständige Trennung des arteriellen und des venösen Blutes
wie bei den Vögeln. — Ein Herzkegel fehlt.
Beim neugeborenem 8äugethier findet sich noch in der 8cheidewand
zwischen den beiden Vorhöfen eine grössere Oeffnung f Foramen ovak},
welche sich jedoch bald schliesst. Ebenso ist ein Verbindungsgang (der
Botallische Gang, vergl. Fig. 255 F, b) zwischen dem 2. linken Ar-
terienbögen und der Lungenarterie (4. Arterienbögen) noch offen ; er bildet
sich nach der Geburt zu einem soliden 8trang um.
Die Nieren sind kurze, abgerundete Organe, in deren innerer
Seite ein grösserer Hohlraum von verschiedener Form, das Nieren-
becken, vorhanden ist, in welches die Harnkanälchen einmünden;
von der das Nierenbecken umgebenden . aus den Harnkanälchen zu-
sammengesetzten Nierensubstanz ragen oft mehrere grössere Papillen
in das Nierenbecken hinein. Letzteres setzt sich in den Harnleiter
fort. Eine H arn blase ist stets vorhanden. Ueber die Ausmündung
dieser so wie der Harnleiter vergl. die Geschlechtsorgane.
Bei den Säugethier-Embryonen sind die Nieren eine Zeitlang gelappte
Organe. In der Regel verschmelzen später die Lappen, so dass die Ober-
fläche der Niere glatt wird ; innerlich erhalten sich jedoch oft Spuren des
zusammengesetzten Baues in Form der genannten in das Nierenbecken hinein-
ragenden Papillen. Bei anderen bleibt aber auch äusserlich der gelappte
Bau bestehen, z. B. beim Rind, bei den Seehunden etc.
Die Eierstöcke der Säugethiere sind ziemlich kleine Organe,
meistens mit einer glatten oder etwas höckerigen Oberfläche; nur
bei wenigen Säugethieren (Kloakenthieren . Schwein etc.) erhält der
Wirbelthiere. 6. Claas«: Säugethiere.
513
B
Eierstock durch stärkere Hervorwölbung der Graafschen Follikel ein
brombeerartiges oder traubenförraiges Aussehen. Die Graafschen
Follikel weichen, wie schon S. 364 geschildert wurde, von denen
anderer Wirbelthiere darin ab, dass sie eine grössere Anzahl Follikel-
zellen besitzen und einen grossen Spaltraum enthalten; bei den
Kloakenthieren ist jedoch ebenso wie
bei niederen Wirbelthieren nur eine
Zellenschicht um das Ei vorhanden und
es fehlt der Spaltraum, wie auch das
Ei bei diesen eine weit bedeutendere
Grösse als bei den übrigen Säugethieren
erlangt. — Die beiden Eileiter zer-
fallen bei den Kloakenthieren in
je einen engen vorderen Abschnitt, mit
dem sich in die Bauchhöhle öffnenden
Trichter, und einen weiteren hinteren
Abschnitt (die Gebärmutter); sie mün-
den getrennt in eine sackförmige Aus-
stülpung der ventralen Wand der Kloake,
den Urogenitalkanal, in welchen
auch die Harnblase und beide Harn-
leiter einmünden; alle 5 Oeffnungen be-
finden sich dicht beisammen am Boden
des Urogenitalkanals. Bei den Beutel-
thieren ist die Kloake derartig ver-
kürzt, dass sie nur eine kleine Grube
darstellt, in welche der Enddarm oben,
der Urogenitalkaual unten einmündet. Die
Eileiter zerfallen bei den Beutelthieren
in drei Abschnitte: einen engeren vor-
deren Abschnitt, die Tube mit dem
Trichter, einen mittleren weiteren Ab-
schnitt, die Gebärmutter (Uterus), und einen etwas verengten
Endabschnitt, die Scheide (Vagi wo); beide Scheiden münden ge-
trennt am Boden des Urogenitalkanals, in welchen ausserdem nur
noch die Harnblase sich öffnet, indem nämlich die Harnleiter
in den hinteren Theil der Blase einmünden1). Bei den placen-
talen Säugethieren fehlt eine Kloake beim ausgebildeten Thiere
ganz ; der Urogenitalkanal (sogenannter Scheiden- V o r h o f , Vestibulnm)
und der Enddarm münden getrennt auf der Oberfläche, entweder ganz
dicht beisammen oder durch einen etwas grösseren Zwischenraum ge-
trennt. Die Eileiter zerfallen in dieselben Abschnitte wie bei den
Beutelthieren ; sie zeichnen sich aber dadurch aus, dass sie fast immer
in grösserer oder geringerer Ausdehnung vom hinteren Ende aus ver-
schmolzen sind: entweder blos die Scheiden, welche fast immer zu
einer vereinigt sind *) , oder auch die hinteren Theile der Uteri, oder
die Uteri sind in ihrer ganzen Länge verschmolzen; in ersterein Fall
haben wir also noch zwei vollständig getrennte Uteri, eine sogen.
Fig. 863. Die Endabachnitte de«
Darmes, des Harn- und Ge-
schlechtsapparates verschiede-
ner weiblicher Säugethiere , von der
Seite gesehen. Schernau. ^Kloaken-
thier, Ii Beutelthier, Cubrige
Säugethiere. b Blase, cl Kloake,
t Knddarm, u Uterus, uy Urogenital-
kanal, ul Harnleiter, »Scheide. — <>rig.
') Bei einigen Beutelthieren sind die beiden Eileiter in ihrer ganzen Lange
getrennt, bei anderen sind die Seheiden zwar eine Strecke weit verschmolzen, münden
aber getrennt in den Urogenitalkanal.
*) Der Elephant besitzt zwei getrennte Scheiden, welche sich am Boden des
sehr verlängerten, am Bauche ausmündenden l'mgenitnlkanala öffnen.
Buat, Zoologie. 83
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514
Specieller Theil.
doppelte Gebärmutter (Uterus duplex), wie beim Kaninchen, im
zweiten Fall eine zweihörnige Gebärmutter (U. bicomis), wie
A B C D
Fig. 864. Die Müller'schcn Gänge und der Urogenitalkanal verschiedener Sauge-
thiere, A von einem Beuteltbier, ^doppelter, C zwei horniger, D einfacher
Uterus b Mündungsstelle der Blaue am vorderen Ende des Urogenitalkanals, o äussere Mün-
dung de« Urogenitalkauais, t Tube, tr Trichter, « Uterus, r Scheide. — Orig.
beim Pferd, in letzterem Fall eine einfache Gebärmutter ((/.
simplex), wie beim Menschen. Die Harnleiter und die Blase ver-
halten sich wie bei den ßeutelthieren.
An der Grenze der Scheide und des Vorhofs findet sich bei manchen
Häugethieren eine von einer kleinen Oeffnung durchbohrte, dünne, häutige
Querscheidewand, Hymen, welche bei der ersten Begattung gesprengt wird.
— Der Vorhof ist von sehr verschiedener Länge, bei einigen sehr lang
(z. B. beim Hasen), bei anderen sehr kurz, fast verschwindend (z. B. beim
Menschen).
Die männlichen Geschlechtsorgane bieten bei den
Kloakenthieren Verhältnisse dar, welche sich eng an diejenigen
der Reptilien und Vögel anschliessen : Die Hoden liegen vor den
Nieren an der dorsalen Wand der Bauchhöhle; die Samenleiter
münden ebenso wie die Harnleiter und die Harnblase in eine Aus*
stülpung der ventralen Wand der Kloake, den Urogenitalkanal,
welcher dem gleichnamigen des weiblichen Thieres entspricht ; mit
der ventralen Wand der Kloake ist ein Begattungsorgan ver-
bunden, welches sich von dem entsprechenden (homologen) der Schild-
kröten, Krokodile und Vögel dadurch unterscheidet, dass die Rinne
an der Oberseite des Organs zu einer an beiden Enden offenen Röhre
umgebildet ist. — Die übrigen Säugethiere weichen in mehreren
Beziehungen ab. Die Hoden bewahren selten ihren ursprünglichen
Platz, sondern senken sich in der Regel am Ende des Embryonal-
lebens oder beim jungen Thier jeder in eine Ausstülpung der ventralen
Bauchwand hinab; beide Ausstülpungen sind äusserlich zu einem
beuteiförmigen Körper, dem Hodensack (Scrotum), vereinigt, welcher
durch eine Scheidewand in zwei Fächer getheilt ist; jedes Fach ent-
hält einen Hoden, und sein Hohlraum steht durch einen weiteren
oder engeren, oft mit der Zeit verwachsenden Kanal mit der übrigen
Bauchhöhle in Verbindung. Ein Kloake fehlt (bei den Beutelthieren
ist jedoch noch eine grubenförmige Kloake vorhanden), und dasBe-
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Wirbelthiere. 6. Cliuwe: Säugethiere. 515
gattungsorgan (Penis) hat sich mit dem Urogenitalkanal zu einem
zusammenhängenden dickwandigen Schlauch vereinigt, an dessen einem
Ende die Samenleiter und die Harnblase einmünden (die Harnblase
nimmt wie beim Weibchen die Harnleiter auf); das Begattungsorgan ent-
springt unterhalb des Afters und schlägt sich meistens mehr oder weniger
weit auf die Bauchseite herum, so dass seine Spitze nach vorn gerichtet
ist, und ist oft mit der Bauchwand auf einer längeren Strecke verbunden;
sein freies Ende ist von einer Hautfalte, der Vor haut (Praeputium), um-
geben. In den Urogenitalkanal und dessen Fortsetzung durch das Be-
gattungsorgan, welche zusammen mit dem Namen Harn röhr e (Urethra)
bezeichnet werden, münden verschiedene Drüsen, deren Secretdem Samen
beigemischt wird; unter diesen sind die Vorsteherdrüse (Prostata) und
die Cowper'schen Drüsen die constantesten. In jeden Samenleiter
öffnet sich bei manchen Säugethieren dicht an dessen Einmündung
in den Urogenitalkanal (oder getrennt in diesen) eine Samen blase
( Vesicula seminalis), ein sackförmiges oder verästeltes Hohlorgan,
welches sowohl als Samenreservoir wie als Absonderungsorgan fungirt.
Die Harnröhre ist von dem sogenannten schwammigen Körper
(CorjruH spongiuxum urethrar) umgeben, welcher ein dichtes Venennetz ent-
hält. Ein ähnliches befindet sich auch in den grossen paarigen Schwell-
körpern (Otrjxtra ravcrnosa penijt), welche längs der oberen1) Seite des
liegattungsorganes liegen und vom Hinterrand des Schambeins entspringen.
Wenn diese Gefäasnetze sich mit Blut füllen, wird der PeniB erigirt. —
Ein dem Penis entsprechendes rudimentäres Organ findet sich oft beim
weiblichen Thiere unten an der äusseren Oeffnung des Urogenitalkanals in
Form eines meistens warzenförmigen, seltener längeren, Theiles (OUton*).
— Beim männlichen Thier finden sich oft grössere oder kleinere Rudimente
der Eileiter (der sog. f 'tcnts nia.smtvitfs). Bei den Weibchen können Ru-
dimente der Urniere (Nebeneierstock, z. B. beim Menschen) und der ITr-
nierengänge (Gartner'sche Gänge, z. B. bei den Wiederkäuern) vorkommen.
Von den Säugethieren sind nur die Kloaken thiere eier-
legend; das Ei hat bei diesen eine verhältnissmässig bedeutende
Grösse8), und die Furchung ist partiell ; es ist wie bei manchen Rep-
tilien von einer pergamentartigen Schale umgeben; das Junge wird
mit einer milchartigen Absonderung der oben erwähnten Hautdrüsen
gefüttert. Alle anderen Säugethiere sind lebendiggebärend;
eine Eischale fehlt immer, das Ei ist mikroskopisch klein, die
Furchung total. Bei den Beutelt liieren liegt der Embryo von
den Embryonalhüllen umgeben im Uterus, wird ernährt und wächst
durch Aufsaugen einer von den Drüsen des Uterus abgesonderten
Flüssigkeit; eine engere Verbindung zwischen dem Embryo und der
Wand des Uterus besteht bei diesen nicht, und das neugeborene
Junge befindet sich in einem Zustand, welcher in Vergleich mit dem-
jenigen der neugeborenen placentalen Säugethiere als ungemein un-
entwickelt bezeichnet werden muss; es wird nach der Geburt lange Zeit
mit der Milch der Mutter ernährt. Bei den placentalen Säuge-
thieren tritt die äusserste der Embryonalhüllen mit der Wand des
Uterus in engere Verbindung; an ihrer Oberfläche entwickeln sich
feine, gefässreiche, verästelte, zottenähnliche Fortsätze, welche sich
') Wenn das Orffan mit der Spitze nach vorn gerichtet ist.
*) Beim Aineisenigel (Echidna) hat das Ei mit Schale einen Längsdurchmeaser
von 16 mm, einen Querdurchmesser von 13 mm; beim Schnabelthier hat eB eine
ähnliche Grösse.
38*
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516 Specialer Theil.
in entsprechende Vertiefungen der gefässreichen Wand des Uterus
einsenken und als Aufsaugungsorgane für die Blutflüssigkeit der
Mutter dienen. Die Zotten sind entweder einigermaassen gleich-
massig über die ganze betreffende Hülle verbreitet (Pferd, Schwein,
Kamele, Wale) oder besonders, resp. ausschliesslich, und zwar sehr
stark, an einer Stelle entwickelt, welche dann als der Frucht-
kuchen, Pldcenta foetxilis1), bezeichnet wird; oder es finden sich
mehrere solche kleinere Stellen, an welchen Zotten entwickelt sind.
Letzteres ist bei den meisten Wiederkäuern der Fall, welche eine
grössere Anzahl stark hervortretender kleiner Fruchtkuchen („Cotyle-
donen") besitzen; sonst rindet man einen grossen zusammenhängenden
Fruchtkuchen, entweder einen gürtelförmigen (Raubthiere, Seehunde,
Elephanten) oder einen scheibenförmigen (beimMenschen und anderen5).
Derjenige Theil der Uteruswand, welcher mit dem Fruchtkuchen in
Verbindung tritt, wird als Mutterkuchen, Pldcenta itteritia, be-
zeichnet. Bei der Geburt werden in einigen Fällen die Zotten ein-
fach aus den Vertiefungen der Uteruswand herausgezogen (Pferd.
Wiederkäuer etc.); in anderen Fällen (bei allen mit ringförmigem
oder Scheiben förmigem Fruchtkuchen) bleibt ein Theil der Schleim-
haut des Uterus an den Embryonalhüllen haften und wird mit diesen
abgelöst, so dass die Schleimhaut des Uterus nach der Geburt sich
in grosser Ausdehnung regenerirt.
Bei den placentalen Säugethieren tritt die seröse Hülle (vergl. S. 369)
in enge Verbindung mit der AI lau toi*, welche theilweise mit ihr ver-
wächst; die durch die Verwachsung beider
entstandene gefässreiche Hülle wird als
Ch o r i o n bezeichnet ; von letzterem gehen
die oben erwähnten gefässreichen Zotten
aus. — Bei älteren Säugethierembryonen
wird das Amnion stark ausgedehnt und
legt sich oft dicht der Allantois an. Es
umschliesst dann zugleich scheiden form ig
die kanalartigen Verbindungsstücke der
All an toi 8 und des Dottersackes mit dem
eigentlichen Embryo. Diese Theile (vergl.
Fig. 355) werden mit der genannten Scheide
zusammen als Nabelstrang bezeichnet.
Der Kreislauf bei einem älteren
Fig. 855. Die Frucbthullen Embry0 eines placentalen Säugethieres iBt
eines SUugethicres, Schema, am Amnion, . \ -n . , ,
«iAuantoi». 6 Dottersack; die äusserte in mehreren Beziehungen von demjenigen
Linie ist die seröse Hülle. Das äussere des ausgebildeten Thieres sehr abweichend;
Blatt des Allantois ist mit der serösen die Lungen fungiren selbstverständlich noch
Hülle zu dem mit verästelten Fortsätzen nicht als Athmungsorgane ; den Sauer-
besetzten Chorion verwachsen. - — Orur. «• j * £ \
^ ston, dessen der Embryo bedarf, erhalt
er mit der aufgesogenen Blutflüssigkeit aus dem Mutterthiere. Die Haupt-
züge des Kreislaufes sind folgende: Das arterielle Blut aus dem Frucht-
kuchen mischt sich mit dem venösen Blut aus dem hinteren Theil des
Körpers, und dieses gemischte Blut gelangt in den rechten Vorhof,
in welchen auch das venöse Blut aus dem vorderen Theil des Körpers
l) Wenn die Zotten Uber die ganze Hülle gleichmässig vertheilt sind, aafft
man, die betreffenden Thiere (z. B. das Pferd) besitzen eine diffuse Placenta;
streng genommen besitzen sie keine Placenta.
•) Affen, Fledermäusen, Insoktenfressern und Nagern.
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Wirlielthicre. H. (.'lasse: Siiugethierc.
517
hineinströmt. Ein T }» eil des Blutes aus dem rechten Vorbof gelangt in
die rechte Herzkammer, von hier in die Lungenarterie und aus dieser theils
in die Lungen, theils durch den Botalli'schen Gang in die Aorta. Ein
anderer Theil des Blutes des rechten Vorhofs geht durch die Oefftmng
der Vorhofsoheidewand in den linken Vorhof und aus diesem durch
die linke Herskammer in den Körperarterienstamm. Es findet demnach
beim Embryo eine sehr ausgedehnte Mischung arteriellen und venösen
Blutes statt.
In Bezug auf die Länge der Zeit, welche der Embryo der placen-
talen Säugethiere im Uterus verweilt (die Tragzeit), besteben bei
verschiedenen Formen grosse Unterschiede, während die Zeit für jede
Art ziemlich bestimmt ist. Als allgemeine Regel gilt, dass grosse
Säugethiere eine lange Tragzeit (bis ein Jahr oder mehr) haben und
auf einmal nur eins oder ganz wenige Junge gebären, während kleine
* Säugethiere eine kurze Tragzeit haben und auf einmal mehrere oder
viele Junge zur Welt bringen. Wenn ein Säugethier auf einmal
mehrere Junge in seinem Uterus hat, so sind die Eier, von denen
»ie herstammen, sämmtlich auf einmal befruchtet worden ; sie sind des-
halb sämmtlich gleichweit in ihrer Entwicklung fortgeschritten und
werden unmittelbar nach einander geboren. Bei einigen placentalen
Säugethieren sind die Jungen bei der Geburt sehr hülflos, nackt,
mit verschlossenen Augen (verklebten Augenlidrändern), während
andere sich sofort selbständig umherbewegen können. Sie werden
alle während der ersten Zeit mit der Milch der Mutter ernährt.
Die Säugethiere werden in die folgenden Hauptgruppen getheilt:
A. Ovipare Säugethiere. Legen grosse Eier ab, welche von einer
8chale umgeben sind. Kloake lang. — Hierher gehört nur die Ord-
nung der Kloakenthier e.
B. Aplacentale Säugethiere. Ei klein, entwickelt sich im Ei-
leiter, der Embryo wird von einer in der Eileiterwand abgesonderten
Flüssigkeit ernährt, ist bei der Geburt sehr klein und unvollkommen
entwickelt. Kloake rudimentär. — Hierher nur die Ordnung der
Beutelthiere.
C. Placentale Säugethiere. Der Embryo, welcher sich aus einem
kleinen Ei entwickelt, tritt durch Zotten der äusseren Embryonal-
hülle in engere Verbindung mit der Eileiterwand. Kloake fehlt. —
Hierher alle übrigen Säugethier-Ordnungen.
1. Ordnung. Kloakenthiere (Mfmotrentatn).
Diese kleine Abtheilung weicht in einer Reihe von Charakteren
von den übrigen Säugethieren ab und nähert sich in denselben den
Reptilien. Besonders auffallend ist es, dass sie eierlegend sind, dass
die Eier verhältnissmässig gross und mit einer lederartigen Schale um-
geben sind; ferner besitzen sie eine wohlentwickelte Kloake wie die
Reptilien. Von anderen Charakteren, welche auf diese hinweisen, hebeu
wir hervor: das Vorhandensein wohlentwickelter H a lsri ppen , eines
grossen Coracoids, eines ganz reptilienähnlichen Vorderbrust-
Seines; das Fehlen eines Kammes am 8 c h u 1 1 e r b 1 a 1 1 ; die Form des
Steigbügels (reptilienähnlich); den nicht spiralig gewundenen
Schneckengang; die schwache Entwicklung des Hirn b alk ens;
das ganze (oben erwähnte) Verhältniss des Harn- und Geschlechts-
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51R
Spceieller Theil.
upparates. Von Interesse ist auch, dass die Körpertempera-
tur1) niedriger ist als bei anderen Säugethieren.
Dass sie trotzdem nicht mit Unrecht den Säugethieren zugerechnet
worden, ersieht man daraus, dass sie in den folgenden Charakteren mit
den übrigen Säugethieren übereinstimmen und von den Reptilien abweichen :
sie sind behaart, mit Talg- und Schweissdrüsen ausgestattet, sie
besitzen ein langes, gegliedertes Brustbein, es fehlt ihnen ein Quadrat-
bein, sie besitzen zwei Gelenkhöcker am Hinterhauptsbein , drei
Gehörknöchelchen, das Mittelhirn ist in vier Lappen getheilt, der
Penis ist röhrenförmig, etc.
Ausser den schon hervorgehobenen Punkten ist noch zu erwäh-
nen, dass die Kloakenthiere dieselben mit dem Becken verbundenen
Beutelknochen wie die Beuteltbiere besitzen; ferner ist daran zu
erinnern, dass Zitzen fehlen, und dass es zweifelhaft ist, ob die
beiden Drüsengruppen, deren Secret zur Nahrung der Jungen ver-
wendet wird, den Milchdrüsen anderer Siiugethiere entsprechen. Die
wenigen bekannten Formen sind in erwachsenem Zustand vollständig
zahnlos; dagegen können Hornzähne vorhanden sein. In den letzten
Jahren hat man aber nachgewiesen, dass Ornithorhynchus iu der
Jugend echte Zähne besitzt, welche aber im Kiefer liegen bleiben,
nicht hervorbrechen und später resorbirt werden. Es ist kein deut-
liches äusseres Ohr vorhanden. Das Männchen besitzt an der
Ferse einen hornigen Sporn.
Von Kloakentlrieren sind bis jetzt nur drei lebende Arten be-
kannt, welche im Folgenden erwähnt werden. Es sind mittelgrosse
Thiere, welche auf Neu-Holland, Neu-Guineaund Tasmanien beschränkt
sind. Von fossilen Ueberresten dieser Gruppe ist sehr wenig Sicheres
bekannt.
1 . Das Schnabelthier ( OrniÜutrhymhiui paradoxes). Die Schnauzen-
partie ist abgeplattet, breit, mit einer nackten hornigen Haut bekleidet;
hinten im Munde jederseits, oben und unten, ein grosser Hornzahn
(vorne ein kleinerer). Schwanz kräftig, abgeplattet; Füsse mit Schwimm-
haut, kräftige Krallen. Behaarung weich. Ernährt sich von kleineren
Was8erthieren. Die Eier werden (zwei zur Zeit) in einer in die Erde
gegrabenen Höhle abgelegt; das aus dem Ei geschlüpfte Junge wird mit
der Milch der Mutter ernährt. Oe3tliches Neu-Holland und Tasmanien.
2. Der Ameisenigel (Fxhidua amkata). Die Schnauzenpartie ist,
besonders gegen die Spitze hin , verschmälert und mit einer nackten Haut
bekleidet ; der Mund klein , die Zunge lang und klebrig ; der Körper mit
Haaren und Stacheln bedeckt ; Schwanz sehr kurz ; Krallen stark. Er-
nährt sich von Ameisen, Termiten u. dergl. Das Ei (es wird zur Zeit
nur ein Ei geboren) wird in eine unpaarige sackförmige Vertiefung der
Bauchseite aufgenommen und hier ausgebrütet; die Temperatur des
Sackes steigt um mehrere Grad über diejenige des übrigen Körpers. Der
Sack, welcher später als Aufenthaltsort für das Junge dient, bildet sich
schliesslich zurück ; vor dem Austritt eines Eies aus der Kloake bildet er
sich jedesmal aufs Neue (dieser Brutsack fehlt bei Ornithorhynchus). Leht
in verschiedenen Varietäten auf Neuguinea, Neu-Holland und Tasmanien. —
Nahe verwandt ist E. (Proechidmi) Iiruijnü, welche einen längeren, ge-
') Bei Echidna unter gewöhnlichen Verhältnissen 28° C, bei Oniithorhynchu*
ca. 25" C. Bei anderen Säugethieren findet man durchschnittlich eine Körperwärme
von 38-39° C.
Digimed by-Gp< * -r"
Wirbelthitre. 6. Classe: Säugethiere.
519
bogenen Schnabel und an jedem Fuss (Vorder- wie Hinterfuss) nur 3 Krallen
besitzt (während K andcata mit 5 Krallen an allen Füssen versehen ist).
Neu-Guinea.
2. Ordnung. Beutelthiere {MursiqmUa).
Die charakteristischste Eigentümlichkeit dieser Gruppe besteht
darin , dass die äussere Embryonalhülle keine in die Üteruswand
sich einsenkenden Zotten bildet, sondern der Embryo ernährt sich
durch Aufsaugen eines Secretes der Uterus-Drüsen und wird in einem
sehr unreifen und unvollkommenen Zustand geboren. Auch andere
Charaktere weisen auf den niederen Zustand der Beutelthiere in
Vergleich mit den folgenden Ordnungen der Säugethiere hin ; so ist
z. B. der Hirnbalken nur schwach entwickelt, es ist eine, wenn auch
nur grubenförmige, Kloake vorhanden, die beiden Eileiter münden
getrennt in den Urogenitalkanal. Die Beutelthiere besitzen — ebenso
wie die Kloakenthiere, im Gegensatz aber zu den übrigen Säugethieren
— Beutelknochen, ein Paar eigentümlicher Knochen, welche mit
den Schambeinen in Verbindung stehen und sich von jenen in der
Bauchwand nach vorne erstrecken. Sie haben mit dem sogen. Beutel , *
welcher bei den meisten weiblichen Beutelthieren vorhanden ist, nichts
zu thun; letzterer ist eine sackförmige, von einer grossen Hautfalte
begrenzte, vorne offene Höhlung an der Bauchseite des Thieres, an
deren oberer Wand die Zitzen ihren Platz haben, und in welche die
Jungen sofort nach der Geburt hineingebracht werden; sie sitzen lange
Zeit unbeweglich in derselben an je einer Zitze festgesogen.
Die Zähne der Beutelthiere erinnern zwar im Ganzen an die-
jenigen anderer Säugethiere, verhalten sich jedoch in einigen Punkten
abweichend. Die Backenzähne bewegen sich innerhalb der Zahl 7 in
jeder Kieferhälfte (nur eine einzelne Form mit rückgebildeten Zähnen
hat eine grössere Anzahl); von Eckzähnen ist (höchstens) einer in jeder
Kieferhälfte vorhanden, die Anzahl der Vorderzähne steigt aber bis auf 5
oben. 4 unten auf jeder Seite. Von den 7 Backenzähnen hat nur Nr. 3
einen Vorgänger, welcher überhaupt der einzige Milchzahn ist,
der, so weit man weiss, bei diesen Thieren auftritt. Die Form der
Zähne, besonders der Backenzähne, variirt, der sehr verschiedenartigen
Lebensweise entsprechend, in hohem Grade.
In den meisten Punkten des Baues stehen die Beutelthiere übrigens
den placentalen Säugethieren näher als den Kloakenthieren : echte Milch-
drüsen mit Zitzen sind vorhanden, das Coracoid ist rudimentär, Vorder-
brustbein fehlt, der Schneckengang ist spiralig gewunden, das Verhältniss
des Penis ist wesentlich das gleiche wie bei den placentalen 8äugethieren,
die Hoden treten in einen Hodensack hinab, die Furchung des sehr kleinen
Eies ist total, etc.
Die meisten Beutelthiere der Jetztzeit leben inNeu-Holland1)
und auf einem Theil der anliegenden Inseln, nur die Beutelratten leben
in Amerika. Dagegen waren Beutelthiere in früheren Perioden auch
in den anderen Welttheilen vorhanden.
') Die unten aufgerührten Formen, bei welchen keine besondere Bemerkung
gemacht ist. leben iu Neu-Holland (einige derselben ausserdem auf Neu-Guinea,
Tasmanien etc.).
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520
Spcciellcr Theil.
Wenigstens kleine,
glei chgebildeteSchneide-
zähno jederseits im Un-
terkiefer. Der Eckzahn
grösser als die Schneide-
zähne.
Beutel ratteu- (Gruppe
Beutoldachs-Gruppe
I
Keine Zehen der
Hinterbeine mit
einander verwach-
sen.
Käng uru-(Jru ppe
Die Zehen Nr. 2
und 3 dünner als
Nr. 4 und 5 und
mit einander ver-
Nur 1 grosser Schnei-
dezahn in jeder Unter-
kiefer-Hälfte. — Der
Eckzahn klein oder fehlt.
1. Die Beutel ratten- Gruppe (Pobjprotwlonlia). Jedereeita
4 — 5 Vorderzähne im Zwischenkiefer, 3 — 4 im Unterkiefer. Wohlent-
wickelte kegelförmige Eckzähne. Backenzähne mit Spitzen oder Höckern.
Nr. 2 und 3 der Zehen der Hinterfüsse sind Nr. 4 und 5 ähnlich und
nicht verwachsen.
a. Die Beutelratten ( Didelphyirlae) haben an den Hinter-
füssen einen wohlentwickelten, aber krallenlosen Daumen (Nr. 1), welcher
den übrigen Zehen entgegengestellt werden kann, i |, c |, i ». Langer,
. fast nackter, beschuppter Greifschwanz. Der Beutel ist bei einigen wohl-
entwickelt, bei anderen ist er rudimentär oder fehlt. Ernähren sich be-
sonders von Insekten. Kleinere Thiere, welche ausschliesslich in Amerika,
besonders in Südamerika, leben.
b. Die Beutelmarder (Dasiptridaf). Daumen des Hinter-
fusses rudimentär oder fehlt, i 4,. Schwanz nicht als Greifwerkzeug ent-
wickelt. Raubthiere oder Insektenfresser. Hierher die eigentlichen Beutel-
marder (Dasi/urus) und der hochbeinige, wolfähnliche Beutelwolf {Thy-
lucinus) ; letzterer ausschliesslich in Tasmanien. Ferner der kleine eich-
hörnchenartige Ameisenbeutler ( Myrviccobius), mit $ kleinen schwachen
Backenzähnen und mit langer, glatter, vorstreckbarer Zunge ( Ameisenfresser).
B C
Fig. 356. Rechter II i n tc r f u »8 : A von Phn/angista , B vom Rlnguru,
Chotropus. a Sprungbein, c Fersenbein, n Zentrale (NnvicuUrc),
Jir. 1—3, cb Cuboidcum (= Tarsale 1 + 6); / — V erat«— fünfte Zehe.
•c* Cuneiformc (Tarsale)
ihc. — Nach Flower.
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Wirbolthicre. 6. Claasc: Säugethicre.
521
2. Die Beuteldachse (PerautcUiui) sind der vorigen Gruppe in den
Verhältnissen der Zähne ähnlich, während sie mit der folgenden in den
Charakteren der Hinterfüsse übereinstimmen, indem die 2. und 3. Zehe
dünner und in eine gemeinsame Haut eingeschlossen sind; Hinterdaumen
fehlt oder ist rudimentär. * Während bei den übrigen Beutelthieren
die Vordergliedmaassen je 5 wohlentwickelte Finger besitzen, sind bei der
einen der beiden Beuteldachs-Gattungen (Pernmeles) der 1. und 5. Fioger
stark rückgebildet und krallenlos, bei der anderen (Choeropuy fehlen sie
sogar, und Nr. 4 ist ausserdem noch rudimentär geworden. Bei Peramcks
ist am Hinterfuss ein Daumen-Rudiment vorhanden, Nr. 4 ist die am stärksten
entwickelte Zehe ; bei Choeropus (Fig. 356 C) fehlt das Daumen-Rudiment,
und Nr. 2, 3 und 5 sind ungemein dünn, fast rudimentär.
3. Die Känguru-Gruppe( IHprotodotitia). In der Regel 3 Vorder-
zähne im Oberkiefer, 1 im Unterkiefer. Keine oder kleine Eckzähne. Backen -
sähne mit gröberen Zacken oder Querhügeln. Von den Zehen des Hinter-
fnsses sind Nr. 2 und 3 schwächer als Nr. 4 und 5 und von einer
gemeinsamen Haut umschlossen (Syndactylie). Pflanzenfresser.
a. Die Kletterbeutler (Phalangüstidac). Die Hinterglied-
jnaassen wenig länger als die Vordergliedmaassen, Hinterdaumen wohlent-
wickelt, krallenlos, kann den übrigen Zehen entgegengestellt werden.
(Fig. 356 A). i ^. Kletternde Thiere. Hierzu gehören: Die Kusu 's
(Phaiangista) mit langem Greifschwanz; die Flugbeutler (Pelaurus) mit
einer zwischen Vorder- und Hintergliedmaassen ausgespannten grossen
Hautfalte; der Koala oder australische Bär (Phascolarctos) , ein
plumpes schwanzloses Geschöpf, bei welchem die Finger ähnlich wie bei
den Chamäleonen in zwei Bündel getheilt sind (Nr. 1 — 2 können Nr. 3 — 5
entgegengestellt werden) ; der kleine, abweichende insektenfressende Tarsipc-s
mit langer vorstreckbarer Zunge, wenigen, rudimentären Backenzähnen (4J
und rudimentären Krallen an allen Fingern und Zehen mit Ausnahme der
2. und 3. Zehe des Hinterfusses.
b. Die Känguru 's {Mcuropodidae). Hintergliedmaassen sehr
lange Springbeine, Hinterdaumen fehlt, Zehen 2—3 sehr dünn, 4 — 5 stark
(Fig. 356 B); VordergliedmaaBson klein. Schwanz sehr kräftig, als Stütze
beim Sitzen benutzt, i f. Grössere und kleinere Formen (Htümalurus,
Ihjpsipryninus u. a.) auf Neu-Holland und mehreren Inseln.
c. Die Wombats {Phascoloniyfi) zeichnen sich dadurch aus, dass
sie jederseits oben und unten nur einen Vorderzahn haben (ähnlich wie
die Nager). Alle Zähne wurzellos'; Nr. 2 und 3 an den Hinterfüssen nur
wenig schwächer als die übrigen Zehen. Schwanz sehr kurz. Plumpe
3. Ordnung. Insektenfresser (Inscctivora).
Die Insektenfresser sind kleine, kurzbeinige placentale Säugethiere.
(leren Schnauze mehr oder weniger rüsselartig verlängert ist, und
welche mit mehrspitzigen hinteren Backenzähnen versehen sind (die
vorderen Backenzähne sind meistens klein und einspitzig). Die Insekten-
fresser treten in der Regel mit dem ganzen Fuss auf (Sohlengänger);
der Fuss (Vorder- wie Hinterfuss) ist gewöhnlich mit 5 gleichgebildeten
Zehen ausgestattet.
Die Eckzähne sind oft von geringer Grösse, einige der Schneidezähne
häufig gross. Schlüsselbeine sind stets vorhanden. Augen und äussere
Ohren häufig wenig entwickelt Die Hoden treten nicht in einen Hoden-
sack hinab. Zitzen auf dem Bauch.
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f>22
Specieller Theil.
Die Insektenfresser ernähren sich hauptsächlich von Insekten,
Würmern u. dergl., seltener auch von Pflanzenstoffen. Sie fehlen ganz-
lich in Australien und Südamerika.
1. Die Igel (Erittacetts). Rückenseite mit Stacheln (sehr dicken,
steifen Haaren), Unterseite mit gewöhnlichen, feineren oder gröberen Haaren :
Füsbc einfach : Schwanz kurz. Kann sich zu einer Kugel zusammenrollen,
indem Kopf. Gliedmaassen und Schwanz gegen die Bauchseite gebogen
werden und die stachelige Rückenhaut mittels der grossen Hautmuskeln
über dieselben hinab gezogen wird. Eckzähne fehlen ; t 1 oben und unten
grösser als die übrigen Schneidezähne ; die Spitzen der Backenzähne weniger
spitz als bei anderen Insektenfressern; im Ganzen 10 Zahne oben, 8 unten
auf jeder Seite. Fast durch ganz Europa verbreitet ist der gemeine
Igel (E. eurojtar.ua) , welcher sowohl von thierischer als von pflanzlicher
Nahrung lebt ; hält Winterschlaf.
2. Die Maulwürfe (Taljta). Die Vordergliedmaassen sind zu sehr
kräftigen Grabwerkzeugen entwickelt; die Hand ist breit, mit 5 langen,
starken, fast geraden Krallen versehen und derartig gedreht, dass der (durch
einen eigenthürolichen sichelförmigen Knochen gestützte) innere Rand nach
unten , die Handfläche nach aussen gekehrt ist. Das Schlüsselbein ausser-
ordentlich kurz und kräftig, der vordere Theil des Brustbeins mit einem
Kamm. Augen rudimentär, äussere Ohren fehlen, Schwanz kurz, Behaarung
weich. Zahnformel vollständig : {} ; Eckzahn des Unterkiefers den Schneide-
zahnen , welche klein und einfach sind , ähnlich (Fig. 347). Leben aus-
schliesslich von thieriBcher Nahrung. In Deutschland lebt der gemeine
Maulwurf (T. europaea). — Eine andere Gruppe grabender Insekten-
fresser bilden die Goldmaulwürfe (Chrysochloria). Es sind dies blinde,
grabende Thiere mit sam metweichem Pelz, bei denen die Kralle und das
Krallenglied des zweiten und besonders des dritten Fingers ungemein kräftig
entwickelt, der 1. und der 4. Finger klein sind (der 5. Finger fehlt); die
Hand ist nicht gedreht. Südafrika.
3. Die Spitzmäuse (Soricidar) sind kleine Insektenfresser mit
langem Schwanz , spitzem Rüssel , einfach gebauten Füssen und weicher
Behaarung. Von Schneidezähnen findet sich in jeder Unterkieferhälfte nur
einer, welcher sehr gross und nach vorn gerichtet ist; dieselbe Ausbildung
zeigt auch der vorderste obere Schneidezahn ; Eckzähne klein. Die Zahn-
spitzen sind bei manchen rothbraun. Seitlich am Körper eine Drüse, welche
eine moschusartig riechende Flüssigkeit absondert. Die Spitzmäuse, welche sich
von Insekten und Würmern ernähren , sind in Deutschland durch folgende
Arten vertreten: die Waldspitzmaus (Sorr.r mtlgaris), die Zwergspitzmaus
(S. pyymaeus), die Wasserspitzmaus (Crosaopua fodiena), die Hausspitzmaua
(Croculura araitea) und die Feldspitzmaus (f\ Irucodon); von diesen haben
die beiden letzten weisse, die übrigen brau □ spitzige Zähne.
4. Von ausländischen Insektenfressern führen wir ausser
den Goldmaulwürfen noch folgende an: Die Bisamrüssler (MyoyaJr),
mit den Maulwürfen verwandt, mit langem, beschupptem , rundem oder zu-
sammengedrücktem Schwanz; eine grössere Art, der Desman (J/. tno-
achata), mit zusammengedrücktem 8chwanz und zahlreichen Moschusdrüsen
an der Unterseite des Schwanzes, in Südrussland; eine andere, kleinere
Art (J/. pyrenaicn), ohne solche Drüsen und mit rundem Schwanz, in den
Pyrenäen. — Die Rohrrüssler (Macrosrclidea ) sind springende Thiere
mit verlängertem Mittelfuss, langem Rüssel, grossen Ohren; Afrika. — Die
Spitzhörnchen (Ckulobites) mit kräftigem Schwanz, welcher mit langen,
nach beiden Seiten gerichteten Haaren versehen iat; eichhörnchenartige
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Wirbelthiere. 6. Glasse: Säugethicre.
523
Thiere, welche auf Bäumen leben ; Afrika. — Eine in manchen Beziehungen
abweichende Form ist der Kaguang ( Goleopilliecus voltina), welcher eine
grosse, behaarte, zwischen Vordergliedmaassen, Rumpf und Hinterglied-
maassen ausgespannte Hautfalte besitzt (Fallschirm); die Vorderzähne des
Unterkiefers mit kammartig zerschlitzter Krone. Das Thier, welches etwa
die Grösse einer Katze hat, ernährt sich von Pflanzen und lebt auf den
Sundainseln, den Holucken und Philippinen.
Anmerkung. An dieser Stelle erwähnen wir die Gattung liyrax
(Klippschliefer, Daman), welche in früherer Zeit meistens den Hufthieren
zugerechnet wurde, uns aber eher mit den Insektivoren verwandt erscheint;
ihre systematische Stellung ist übrigens noch eine sehr zweifelhafte. Die
wenigen Arten der Gattung sind kleinere , nagerähnliche , weichbehaarte
Thiere mit spitzer Schnauze, ganz kurzem Schwanz , mittelhohen Beinen ;
am Vorderfus8e sind 4 wohlentwickelte Finger vorhanden (der Daumen ist
rudimentär), der Hinterfuss ist nur dreizehig; Finger und Zehen sind (mit
Ausnahme der inneren Zehe des Hinterfusses , welche eine Kralle trägt)
mit platten Nägeln versehen (keine Hufe) ; ein grosser weicher Sohlenballen.
\ \ '■' 4 l'> Ü > die Kaufläche der Backenzähne ist derjenigen der Nas-
hörner sehr ähnlich; der innere Schneidezahn gross, so dass die Bezahnung
etwas nagerähnlich wird. Pflanzenfresser; Afrika, Westasien.
4. Ordnung. Fledermäuse (Chiroptem).
Die hervorragendste Eigentümlichkeit der Fledermäuse liegt in
der eigenartigen Ausbildung der Vordergliedmaassen. Der 2. — 5. Mittel-
liandknochen und die entsprechenden Finger sind sehr verlängert, und
zwischen denselben ist eine Flughaut ausgespannt, eine dünne, nackte
Hautfalte, welche sich auch vom 5. Finger längs des Ober- und Unter-
armes an den Rumpf und die Hintergliedmaassen erstreckt; vorne im
Winkel zwischen Ober- und Unterarm ist ebenfalls eine Hautfalte aus-
gespannt, und eine solche ist ferner häufig zwischen Hintergliedmaassen
und Schwanz vorhanden. Die Hinterfüsse und der kurze Daumen
der Vordergliedmaassen sind frei. Von den Fingern sind Nr. 3 — 5
immer krallenlos : bei den Klein-Flederniiiusen fehlt auch die Kralle
des 2. Fingers; dagegen besitzen der Daumen und die 5 Zehen der
Hinterfüsse gebogene Krallen. An den krallenlosen Fingern fehlt das
äusserste Fingerglied. Ausser der Mittel band und den Fingern sind
auch Ober- und Unterarm, wenn auch in verhältnissmässig geringerem
Grade, verlängert. Die Hinterbeine sind in einer eigentümlichen
Weise nach aussen gedreht; sie sind dünn und schwach; von der
Ferse entspringt oft ein langer dünner Knochen oder Knorpel, der
Sporn, welcher im Rande der zwischen den Hintergliedmaassen
ausgespannten Haut liegt. Die Flughaut kann regenschirmartig zu-
sammengefaltet und dem Rumpf angelegt werden. Das Schlüsselbein
ist lang und kräftig, der vordere Theil des Brustbeins unten mit einem
Längskamm versehen. — Die Zitzen, 1—2 Paare, sind brustständig.
Die Fledermäuse sind Abend- oder Nachtthiere. Sie bewegen
sich nur gut im Fluge, kriechen dagegen schwerfallig mittels der
Hintergliedmaassen und des Vorderdaumens. Wenn sie ruhen, sind
sie an den Hinterfüssen aufgehängt.
1. Die Gross-Fledermäuse ( Megwh iroptcm : Gatt . l*tero]nts,
fliegender Hund, u. a.) besitzen sowohl am 1. wie am 2. Finger eine
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524
Spcciellcr Theil.
Kralle. Kopf länglich, Backenzähne mit zwei Längskämmen. Aeusseres
Ohr einfach. Ernähren sich besonders von Früchten. Grossere Formen,
welche die wärmeren Gegenden der alten Welt und Australien bewohnen.
2. Die Klein-Fleder mause (Micrfjcfiiroj)tera). Keine Kralle am
2. Finger. Kopf kurz, Backenzähne mit mehreren Spitzen (ähnlich denen
der Insektenfresser). Aensseres Ohr mit einem Lappen (Ohrdeckel), welcher
den Eingang in den äusseren Gehörgang mehr oder weniger überdeckt.
Sie ernähren sich besonders von Insekten, welche sie im Fluge fangen ; sie
entdecken dioselben besonders durch das Hautgefühl, namentlich der Flug-
haut, der zuweilen sehr grossen äusseren Ohren und der häufig auf dem
Kopfe vorhandenen eigentümlichen Auswüchse (Nasenaufsätze). Einzelne
in Südamerika lebende Formen (Vampire, Deswodus) saugen das Blut
lebendiger Säugethiere. Sehr zahlreiche, über die ganze Erde verbreitete,
besonders in den Tropen reich vertretene Abtheiluog; meistens kleine
Formen. In Deutschland lebt eine ziemlich grosse Anzahl verschiedener
Formen: VeapertUio, mit Jj b und grossem Ohrdeckel, Vcspemgo, mit « - :- b
und kurzem Ohrdeckel, beide in mehreren Arten vertreten ; Pleadm aurittus
(langolirige Fledermaus) mit kolossal verlängerten Ohren , welche durch
eine quer über den Kopf verlaufende Hautfalte verbunden sind, und
mit grossem Ohrdeckel (g b) ; Rhiuolophn» (Hufeisennasen) mit com-
plicirtem Nasenaufsatz (während die übrigen deutschen Fledermäuse
eines solchen entbehren). Die deutschen Arten verfallen, ebenso wie die
Fledermäuse anderer Länder mit ähnlichem Klima, in einen Winterschlaf,
den sie in hohlen Bäumen etc. hängend durchmachen.
i
T>. Ordnung. Hufthiere (Ungnlata).
Die Gliedmaassen sind verlängert, speciell zum Gang oder Lauf
entwickelt, der Rumpf hoch über die Erde erhoben. Der Mittelfuss
(die Mittelhand) ist gewöhnlich von beträchtlicher Länge; die Zeheu
(Finger) sind mehr oder weniger vollständig in eine gemeinsame Haut
eingeschlossen ; in der Regel tritt das Thier nur mit dem äussersten
Zehenglied, besonders mit dem dasselbe umgebenden Huf oder der
Klaue (S. 491), auf, der übrige Fuss berührt den Boden nicht,
sondern trägt zur Verlängerung der Gliedmaasse bei. Der Daumen
und der entsprechende Mittelhand(fuss)knochen fehlt immer an allen
vier Gliedmaassen. Schlüsselbeine fehlen ebenfalls stets. Pflanzen-
fressende Thiere, gewöhnlich von ansehnlicher Grösse, mit gefalteten
oder höckerigen Backzähnen und in der Regel mit einem Blinddarm
von beträchtlicher Grösse.
1. Unterordnung. Unpaarzeher (Perissortactyla).
Die Zehe (der Finger) Nr. 3 ist (an allen vier Gliedmaassen) fast
symmetrisch, kräftiger als die übrigen, die Mittelebene des Fusses
geht durch die Mitte derselben. Nr. 5 fehlt gewöhnlich. Der Ober-
schenkelknochen mit einem Fortsatz am Aussenrande, welcher bei den
Paarzehern fehlt (Trochanter tertius). Das Sprungbein (Asfrayalm) am
unteren Ende mit einer grossen, platten Gelenkfläche für das Navi-
culare (Centrale) und einer kleinen für dasCuboideum (= Tarsale 4 -f 5).
Die Backenzähne sind gefaltet, mit Ausnahme von pl von ungefähr
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere.
525
fleichör Grösse. Magen einfach. Blinddarm kolossal entwickelt,
»lacenta diffus 1).
ABC
■
•
i
Fig. 357. Hand (Vorderfuss) von: A Tapir, B Nashorn, C Pferd. R Speiche,
U Elle; s, /, c die erste Reihe der Handwurzelknochen (Naviculare, Lunatum, Triquetruni)^
p Erbsenbein ; tm, td, m, ti die zweite Reihe der Handwurzelkuochen (Multangulum majua.
M. minus, Capitatuiu. Hamatum); // — V zweiter — fünfter Kinger (in B ist V der rudimentäre
Itlnfte Mittelhandknochen, in 0 bezeichnet // und IV den zweiten und vierten Mittelhand-
knochen). — Nach Plower.
1. Die Tapire (Tajn'in.s). Vorderfuss mit vier Zehen (Nr. 2, 3,
4, 5), Hinterfuss mit drei (Nr. 2, 3, 4); Nr. 3 ist nicht viel stärker ule
2 und 4. Zehengänger. % i, \ r, | />, % m ; die Backenzähne je mit
zwei Querkämmen. Die Schnauze ist in einen kurzen Rüssel verlängert :
die Haut ist wohlbehaart. Eine Art in Ostindien , andere in Südamerika.
— Mit den Tapiren ziemlich nahe verwandt ist die ausgestorbene (eoeäne)
Gattung Palaentheriuvi, bei welcher jedoch nur drei Vorderzehen vorhanden,
und deren Backenzähne denen der Nashörner ähnlicher sind.
2. Die Nashörner (Rhhtoceros). Vorder- wie Hinterfuss symme-
trisch, dreizehig, Mittelzehe (Nr. 3) etwas stärker als die beiden anderen
(Nr. 2 und 4,. Zehengänger. ? " *> $ c» i Jh % »' ; Schneidezähne mehr
oder weniger rückgebildet, keine Eckzähne, starke, gefaltete Backenzähne.
Vorne an der Oberseite des Kopfes in der Mittellinie ein oder zwei aus
Hornmasse bestehende Hörner. Die Haut sehr dick , unbiegsam , sehr
s nur lieh behaart; die Oberlippe sehr beweglich. Ausschliesslich in den
wärmeren Theilen von Afrika und Asien. In Afrika leben zwei Arten mit
glatter Haut und mit zwei Hörnern (Rh. bicomits und simus) ; in Asien
sowohl eine zweihörnige Art als auch einhörnige Arten mit grossen tiefen
Hautfalten (Uli. iinioornis etc.). — Das wollhaarige Nashorn (Ith.
tichorinus), mit verknöcherter Nasenscheidewand, zwei Hörnern, reichlicher
Behaarung, lebte während der quaternären Formation in Mitteleuropa und
Sibirien mit dem Mammuth zusammen.
') Gallenblase fehlt. Zwei Zitzen, welche zwischen den Hinterbeinen liegen.
Wenigstens 22 Brust-Lendenwirbel.
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526
Speeieller Theil.
3. Die Pferdefamilie (Equidne) ist ausgezeichnet durch die über-
wiegende Entwicklung der Mittelzehe (Nr. 3) im Vergleich mit den Seiten-
zehen und durch die bedeutende Länge des Mittelfusses. Vorder- und
Hinterfuss gleichartig gebildet. Hufgänger. Vollständige Zahnformel:
| t, | c, ^ p, ^ m. Ein vollständiger Knochenring um das Auge herum
(d. h. : ein Fortsatz des Stirnbeins vereinigt sich mit einem Fortsatz des
Jochbogens hinter dem Auge).
a. Die jetzt lebenden Pferde gehören alle der Gattung
Equus an. Bei ihnen fehlen die 2. und 4. Zehe ganz, so dass alle vier
Füsse nur einzehig sind ; die Zehe (Nr. 3) ist ebenso wie der entsprechende
Mittelfussknochen ausserordentlich kräftig entwickelt. 2. und 4. Mittelfuss-
knochen sind als dünne längliche Knochen (Griffelbeine) an den Seiten des
grossen MittelfuBsknochens vorhanden. Die Thiere treten nur mit dem das
äusserste Zehenglied umgebenden Huf auf, welcher hinten den sehr kleinen
Sohlenballen umschliesst (vergl. S. 491, Fig 336 E). Die Schneidezähne
zeichnen sich durch den Besitz einer grossen, mit Cement theilweise
erfüllten Vertiefung aus (der Bohne) ; die Eckzähne beim <J wohlentwickelt,
beim 5 rudimentär; p 1 ist sowohl im Ober- als im Unterkiefer angelegt,
kommt aber in der Regel nur im Oberkiefer zur Ausbildung, ist auch
dort rudimentär und fällt meistens früh aus (Wolfszahn); die übrigen
Backenzähne sind in beiden Kiefern ungefähr von gleicher Grösse (im
Oberkiefer breiter als im Unterkiefer), besitzen eine sehr lange Krone
und kurze Wurzeln; die Kronen sind mit Falten und Vertiefungen aus-
gestattet, welche sich bis an die Wurzeln erstrecken und mit Cement er-
füllt sind, welches an den Backenzähnen der Pferde ausserordentlich stark
ausgebildet ist und als eine dicke Schicht die Krone umgiebt; am Zahn
entsteht sehr bald, nachdem er in Gebrauch getreten ist, eine Kaufläche
mit Schmelzstreifen , und allmählich wird die Krone durch die Abnutzung
weggeschliffen, so dasB sie bei alten Pferden ganz kurz wird. Im Gegen-
satz zum Verhalten der Tapire und Nashörner ist der untere Theil der
Elle und des Wadenbeins sehr schwach, theilweise sogar durch ein Band
vertreten. Hierzu gehören : die Zebra 's (E. xebra, quagga, liurehelli), mit
dunklen Querstreifen, kleinem Huf, Kuhschwanz, in Südafrika. Der Esel
(E. usinus) mit einem schwarzen Streifen längs der Rückenmitte und einem
ähnlichen quer über den Schultern , kleinem Huf, Kuhschwanz , wild in
Nordafrika; ein paar verwandte Formen (E. hcmionus, Dschiggetai, und E.
(mager, Kulan, in Asien). Das Pferd (E. caballus) ist in der Regel grösser
als die vorigen, mit grösseren Hufen , Schwanz vom Grunde an mit langen
Haaren; „Kastanien" (nackte hornige Hautstellen) an den Vorder- wie an
den Hinterbeinen (bei den übrigen nur an den Vorderbeinen) ; Heimath
nicht sicher festgestellt.
b. Von den ausgestorbenen Pferden gehören einige aus
der quaternären und pliocänen Formation ebenfalls zu Equus, welcher da-
mals nicht allein in der alten Welt, sondern auch in Nord- und Süd-
amerika vertreten war. — Andere pliocäne Pferde gehören zur Gattung
Hiftparion, einer kleineren Pferdeform, welche in den meisten Charakteren
mit Equus übereinstimmt, aber dadurch abweicht, dass die Zehen Nr. 2
und 4 an allen vier Gliedmaasseu vorhanden sind, wenn auch nur als
schwach entwickelte „ Nebenzehen u, welche während des Ganges die Erde
nicht berührten1); ausser in der pliocänen lebten Hipparionarten in der
') Ein ganz rudimentärer Mittel h a n d knochen Nr. 6 ist vorhanden (Fig. 368 B);
derselbe kann auch beim Pferd entwickelt sein.
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Wirbelthiere. 6. Ciasse: Säufrethiere.
527
jüngeren miocänen Formation. — Bedeutend mehr von Equus abweichend
ist die Gatt. Anchitherium mit denselben Zehen wie Hipparion, von welcher
aber Nr. 2 und 4 beträchtlich Btärker als bei diesem sind , wenn auch be-
deutend schwächer als Nr. 3 ; die Kronen der Backenzähne weit kürzer als
bei Equus, die Faltenbildung an denselben mehr derjenigen bei den Nas-
hörnern (oder Palaeotherium) ähnlich, das Cement nur wenig entwickelt;
A B C £ B' C
Fi«. 358. Linker Vordertuss von Anchitherium (A, A ), Hipparion [B, IT), Pferd ((', Cf),
von vorne und von der inneren Seite. Alle in gleicher Verkleinerung (ungef. 4). /mMul-
tangulnm majus, td M. minu«, m Capitatum, w Haniatum. //, ///, IV /.weiter— vierter Mittel-
handknochen. I' rudimentärer fünfter Mittelhandknochen. - Nach Gaudry.
die Wolfszähne (/> *) stärker und auch im Unterkiefer vorhanden; die
Vorderzähne ohne Bohne ; die Elle und das Wadenbein besser als bei
Equus entwickelt. Die Gattung Anchitherium, welche in der älteren Miocän-
zeit lebte, nähert sich schon sehr den oben genannten eoeänen Fnlaeo-
therien.
2. Unterordnung. Paarzeher (Artiodaetyla).
Die Zehen Nr. 3 und 4 (sowohl am Vorder- als am Hinterfuss)
sind jede für sich asymmetrisch, aber einander spiegelbildlich
gleich; die Mittelebene des Fusses geht zwischen diesen
beiden Zehen durch. Nr. 3 und 5 sind kleiner, berühren in der
Regel die Erde während des Ganges nicht und sitzen etwas hinter
den anderen; oft sind sie sogar rudimentär oder fehlen. Dem Ober-
schenkelbein fehlt der Fortsatz am äusseren Rand ( Trochanter tetiius).
Beide Gelenkflächen am unteren Ende des Sprungbeins (Astragalm).
für Naviculare resp. Guboideum , sind ungefähr von gleicher Grösse
und beide in der Richtung von vorn nach hinten stark gewölbt. Der
Magen ist mehr oder weniger complicirt, Blinddarm kleiner als bei
den Unpaarzehern. Backenzähne gefaltet oder höckerig, die Prämo-
laren schmäler als die Molaren *).
') Gallenblase in der Regel vorhanden. Die Anzahl der Kücken-Lendenwirbel
kleiner als 82 (selten grösser als 19).
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f>28
Speoieller Theil.
1. Gruppe. Schweine-Gruppe (Non-Iiutninantia).
Vorderzähne des Zwischenkiefers wohl entwickelt. Mittelfuss(hand)A
knochen Nr. 3 und 4 fast immer getrennt, Zehen Nr. 2 und 5 und
die entsprechenden Mittelfussknochen in der Regel verhältnissmässig
wohl entwickelt. Elle und Wadenhein kräftig ausgebildet. Mager)
ABC
Fig. 359. Hand (Vonierfiis») von: A Schwein. B Edelhirsch, C KameeL
H Speiche, V Klle ; * NavicnUre. {Lunatum, c Triquetruin ; td Mnltangulum ininoa, m Capi,*
Utum, m Uaniatuiu ; w* und m4 zweiter und fünfter (rudimentärer) Mittelhandknochen ; II— I'
zweiter - fünfter Finger. — Nach Flower. .
t
• * •
weniger complicirt als bei den Wiederkäuern, bei einigen Formen der
Gruppe (z. B. dem gewöhnlichen Schwein) ziemlich einfach, bei anderen
mit bestimmterer Andeutung einer Sonderung in mehrere Abschnittes
es findet kein Wiederkauen statt. Zitzen oft über die ganze Bauch-
seite zerstreut. Placenta diffus.
1. Die Schw eine familie (Sitidae). Die Gliedmaassen schlank, die
Zehen 2 und 5 bedeutend kürzer als 3 and 4, sitzen etwas hinter diesen
und berühren gewöhnlich die Erde während des Ganges nicht. Sohlenballen
klein, weich. Backenzähne höckerig. Ein kurzer Rüssel vorhanden. Haut
mit Haaren bekleidet.
a. Die Schweinegattung (Sus) ist in verschiedenen Arten
über die alte Welt verbreitet. $ /, { c, | jj, $ m die Schneidezähne des
Unterkiefers nach vorne, die des Zwischenkiefers nach unten gerichtet;
der Eckzahn des Oberkiefers nach aussen und oben gedreht, der ent-
sprechende des Unterkiefers stark gebogen (die des Männchens sind wurzel*
Ins. stärker als die des Weibchens); die Prämolaren sind zusammengedrückt,
die Molaren mit breiter höckeriger Kaufläche. Hierzu gehört das euro«
päische Wildschwein (Sus acrofa), von welchem die alte Rasse
des nordeuropäischen Hausschweines abstammt; die meisten
jetzigen deutschen Hausschweine sind Bastarde des letzteren und des indo-
chinesischen Hausschweines, welches von einer oder mehrerei
Diaitized bv_
Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere.
f>29
Arten asiatischer Wildschweine abstammt und in mehrfacher Be-
ziehung (auch im Skelet) von der alten Rasse (und vom europäischen
"Wildschwein) abweicht.
b. Von anderen Schweineformen fuhren wir folgende an: Die
Nabelschweine, Pekari's (Dicotylcs), sind kleinere Schweine mit einer
grossen Hautdrüse am Rücken (daher der Name „Nabelschwein"); die Zehe
Nr. 5 an den Hintergliedmaassen fehlt; der Eckzahn im Oberkiefer nach
unten gerichtet, keiner der Eckzähne von hervorragender Grösse; Süd-
amerika. Beim Hirscheber (Porrus babipussa) sind die Eckzähne des
Oberkiefers nach oben gerichtet und stark gebogen; beim £ sind sie enorm
verlängert ; Celebes. Das Warzenschwein (Phncoehocrus) zeichnet sich
besonders durch die ausserordentliche Entwicklung des letzten Molars aus
(dieser Zahn ist auch bei Sus der grösste unter den Backenzähnen); bei
sehr alten Thieren ist er der einzige übrig bleibende Backenzahn ; Eckzähne
ungefähr wie bei 8us ; Südafrika.
2. Die Flussp f e rd fami lie (Jlipjtopotamidae) sind Thiere von statt-
licher Grösse mit plumpen Gliedmaassen ; die Zehen 2 und 5 sehr kräftig ;
die Thiere treten mit allen vier Zehen auf (grosse Sohlenballen). Backen-
zähne höckerig-gefaltet. Vorder- und Eckzähne sehr kräftig. Kopf sehr
gross, ohne Rüssel, mit sehr breiter Schnauzenpartie. Behaarung sehr
spärlich. Nur ein paar jetztlebende Arten; die bekannteste ist das Fluss-
oder Nilpferd (Hippopotamus amphibius), welches über einen grossen
Theil von Afrika verbreitet ist; eine andere, kleinere Art (Choerqpsi*
liberimsis), welche sich etwas der Schweinefamilie nähert, lebt in Westafrika.
3. Zur Schweinegruppe gehören zahlreiche ausgestorbeneFormen,
welche theils den jetzt lebenden Schweinen und Flusspferden ähnlich sind,
theils mehr oder weniger von denselben abweichen. Es finden sich z. B.
verschiedene Formen, welche ähnliche Backenzähne wie die Wiederkäuer
besitzen , während sie sonst im Ganzen der Schweinefamilie ziemlich nahe
stehen ; andere, wie die Anoplotherien der Eocän- und Miocänzeit, bieten
durch ihren langen Hals und ihre langen Beine eine oberflächliche Aehnlich-
keit mit den Wiederkäuern dar, unterscheiden sich von diesen jedoch dadurch
wesentlich, dass sie die vollständige Zahnformel (||) mit wohlentwickelten
oberen Vorderzähnen besitzen, wie auch die Mittelfussknochen getrennt sind.
2. Gruppe. Wiederkäuer (Ruminantia).
Schneidezähne fehlen im Zwiscbenkiefer (oder es ist nur a3 ent-
wickelt); Eckzahn des Unterkiefers gewöhnlich (nicht bei den Ka-
meelen) in der Form einem Schneidezahn ähnlich, so dass anscheinend
4 Schneidezähne in jeder Unterkieferhälfte vorhanden sind. Die Molaren,
z. Th. auch die Prämolaren, mit je vier gebogenen Längskämmen, zwei
äusseren und zwei inneren. An allen vier Gliedmaassen sind die
Mittelfussknochen Nr. 3 und 4 fast immer zu einem einzigen langen
Knochen verschmolzen, während Nr. 2 und 5 unvollständig sind oder
fehlen (nur bei den Traguliden sind sie vollständig). Die Zehen
Nr. 2 und 5 sind klein oder fehlen. Ueber die Bildung der Klauen
vergl. S. 491 und Fig. 336 F. Der Magen ist in mehrere Abtheilungen
gesondert, und das Futter wird, nachdem es eine Zeitlang im Magen
gewesen ist, wieder aufgebrochen und auf's Neue gekaut. Elle und
Wadenbein schwach entwickelt; das untere Ende des letzteren ist vom
übrigen abgetrennt und einem Fusswurzelknochen ähnlich. In der
Regel sind viele kleine Fruchtkuchen (Ootyledonen) vorhanden; die
Ion, Zoologie 34
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f>30
Specieller Theil.
Kameele besitzen jedoch eine diffuse Placenta wie die Schweine und
die Unpaarzeher. Zitzen zwischen den Hinterbeinen.
Bei der Mehrzahl der Wiederkäuer (Hohlhörnern, Hirschen, Giraffen)
zerfallt der Ifagen in drei scharf gesonderte Abtheilungen. In die
erste Abtheilung, welche wir als Vorderraagen bezeichnen, mündet die
Speiseröhre, von deren Oeffnuug eine Rinne, die Schlundrinne, an der
vorderen Seite des Vordermagens nach der Einmündung desselben in die
zweite Hauptabtheilung des Magens {den Blättermagen) verläuft. Der Vor-
dermagen, welcher eine bedeutende Grösse erreicht, ist mit mehreren Ein-
buchtungen versehen, von welchen eine besonders stark ist und den Vorder-
magen in zwei unvollstän-
dig gesonderte Unterabthei-
lungen theil t, den grossen
Pansen (fimnenj und die
kleinere Haube (Retten-
htm) ; letztere ist innerlich
mit hervortretenden, netz-
förmig verbundenen Falten
versehen , erstere dagegen
mit Papillen. Die zweite
Hauptabtheilung des Ma-
gens, der Mittelmagen
oder Blättermagen
(PsaUtrium oder Omastts),
Fig. 860. A Hagen eine» gewöhnlichen Wiederkäuers, ist innerlich mit zahl-
B eine« Kameeis ; Schema, oe Speiseröhre, r Schlundriune, reichen
/Vordermagen (/' Pansen,/* Haube), m Mittelmaßen, h Hin-
termagen, t Dünndarm. — Orig.
blatt-
förmigen Längsfalten ver-
sehen , welche einander
Höhlung ausfüllen. Der
dicht anliegen und den grössten Theil seiner
letzte Abschnitt , der Hinterraagen oder Labmagen ( Abomastts) ist
ungef&hr röhrenförmig. Vorder- und Mittelmagen sind mit einem mehr-
schichtigen Plattenepithel von derselben Beschaffenheit wie dasjenige der
Speiseröhre und der Mundhöhle (— der Oberhaut) bekleidet und drüsenlos:
dagegen ist der Hintermagen mit einem Cylinderepithel bekleidet und mit
Drüsen versehen. Das abgebissene Futter wird, ohne viel gekaut zu sein,
in der Mundhöhle zu grösseren Ballen geformt, passirt die Speiseröhre,
welche während des Durchganges ausgedehnt wird, und wird in den Vorder-
magen gepresst ; hier unterliegt es einer Art Gährung oder Maceration und
wird dann portionsweise wieder in die Mundhöhle aufgebrochen, wo es fein
zerkaut wird, und mit Speichel gemischt geht es dann zum zweiten Mal, in
dickflüssigem Zustande, durch die Speiseröhre, läuft aber jetzt durch die
Schlundrinne, deren Bänder sich beim lebenden Thiere wahrscheinlich an
einander legen, in den Mittelmagen hinein, von dessen Blättern ein Theil
der Flüssigkeit aufgesogen wird, und zuletzt in den Hintermagen. Flüssige
Nahrung scheint stets direkt von der Speiseröhre durch die Schlundrinne in
den Mittelmagen zu gelangen. — In der Kameelfamilie besteht der
Magen aus denselben drei Hauptabtheilungen wie bei der Mehrzahl der
Wiederkäuer, unterscheidet sich aber besonders dadurch von den übrigen,
dass der Mittelmagen länger und röhrenförmig ist, fast keine Blätter
besitzt und mit sehr kurzen Drüsenschläuchen in seinen Wandungen ver-
sehen ist (wahrscheinlich ist er auch mit einem Cylinderepithel bekleidet);
wohlentwickelte Drüsen finden sich erst im Hintermagen1). — Bei den
') Der Vordermagen der Kameele ist durch Einbuchtungen in
Ab-
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere.
531
Traguliden ist der Magen demjenigen der Mehrzahl der Wiederkäuer
im Ganzen sehr ähnlich, der Vordermagen ist in dieselben Unterabtheilungen
gesondert etc. : sie unterscheiden sich aber dadurch, dass der deutlich ab-
gegrenzte Blättermagen rudimentär ist. Einen Uebergang zu
diesem Verhalten vermitteln einige andere kleine Wiederkäuer, deren Blätter-
magen sehr kurz und wenig ausgebildet ist.
1. Die Kameelfamilie (Gamdidae). Im Gegensatz zu anderen
Wiederkäuern besitzen die Kamee] e den hintersten Schneidezahn, i *, des
des Zwischenkiefers *) ; er ist eckzahnähnlich. Der Eckzahn des Unter-
kiefers hat (ebenso wie der des Oberkiefers) gewöhnliche Eckzahnform
(kegelförmig). Der Magen ist abweichend (vergl. oben). Placenta diffus'2).
Hörner fehlen. An jedem Fuss nur zwei Zehen ; Klauen klein, gebogen,
grosser, weicher Sohlenballen hinter denselben (im Gegensatz zu allen an-
deren Wiederkäuern); die Kameele treten mit der ganzen Zehe auf. Die
Kameelgattung (Camelus) besteht aus hochbeinigen Thieren mit einem
Fettbuckel auf dem Bücken; Zahnformel: ,7 * „, p* in
beiden Kiefern eckzahnähnlich, von den anderen Backenzähnen durch einen
Zwischenraum getrennt. Beim baktrischen Kameel (C.hactrianus), in
Asien, ist der Buckel in zwei, einen vorderen und einen hinteren, getheilt;
beim Dromedar (C. dromedarius), in Afrika und Arabien, ist er einfach;
diese beiden ausgeprägten Wüstenthiere sind nur in gezähmtem (und ver-
wildertem) Zustand bekannt. Die Lama 's (Auchenia) sind kleiner, ohne
Buckel und ohne den eckzahnartigen Backenzahn (p1) ; sie leben in mehreren
Arten, gezähmt und wild, im westlichen Südamerika.
2. Die Giraffe (Canidopardalis girafla) besitzt zwei behaarte, inner-
lich verknöcherte Auswüchse am Kopfe ; sehr hochbeinig, Vorderbeine länger
als die Hinterbeine, Hals lang. Afrika.
3. Die Hirsche (Ccrridae) bilden eine grosse Abtheilung von in der
Regel schlanken , dünnbeinigen , kurzschwänzigen Wiederkäuern , deren
Männchen (selten auch die Weibchen) meist am Kopfe ein Geweih besitzen,
welches in fertigem Zustande (über Bau und Entwicklung vergl. S. 492)
ein Paar nackte Knochenfortsätze darstellt; am Grunde jeder Geweihstange
eine ein wenig verbreiterte Partie, die Rose (oberhalb des untersten, stets
mit Haut bekleideten Theiles, des Rosenstockes). Das erste Geweih, welches
der junge Hirsch trägt , ist einfach , unverästelt und von geringer Grösse ;
die späteren werden grösser und gewöhnlich verästelt. $ i, LH <» Cf ^. p
§ m*). In Deutschland leben folgende: das Reh (Cervtut capreolus), kleiner
als die übrigen europäischen Hirsche, die Gehörnstangen des ausgebildeten
Thieres selten mit mehr als drei Spitzen; der Edelhirsch (C. elaphus)]
der Damhirsch (C. datna), welcher aus den Mittelmeerländern stammt,
aber schon vor mehreren Jahrhunderten in Deutschland eingeführt wurde;
das Elenthier (C. alces), ein plumper, hochbeiniger Hirsch mit sehr
breitem Geweih, innerhalb Deutschlands nur noch in Ostpreussen, im Alter-
theilungen unvollkommen gesondert, die dadurch entstehenden Unterabtheilungen
sind aber denen anderer Wiederkäuer nicht sicher vergleichbar. — Einige Theile
des Vordermagens sind bei den Kameelen mit hohen, netzförmig verbundenen Falten
versehen, welohe kleine, prismatische, bienenzellen-ähnliche Räume, die 80g.nWaaser-
zellen", begrenzen.
') In rudimentärem Zustand kann auch bisweilen t* vorhanden sein, und im
Milch (febias ist stets sowohl dt* als dt* entwickelt.
*> Blutkörperchen im Gegensatz zu denen aller anderen Säugethiere oval.
s) Im Oberkiefer kann ein Eckzahn (z. B. beim Edelhirsch) vorhanden sein,
aber auch fehlen. Von den Zähnen der typischen Zahnformel fehlt, ausser den
oberen Vorderzähnen, pl oben und unten.
84*
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532
Specieller Tbeil.
thum durch ganz Norddeutschland verbreitet (jetzt in Russland, Skandi-
navien, Nordamerika). Das Renthier (C tarandus), dessen Weibchen
durch den Besitz eines kleinen Geweihes ausgezeichnet ist, lebt jetzt in den
circumpolaren Ländern der nördlichen Halbkugel ; Knochenreste aus quater-
närer Zeit in Deutschland. Auch von dem gänzlich ausgestorbenen Riesen-
hirsch (C. euryceros), welcher durch sein kolossales Geweih ausgezeichnet
war, findet man TJeberreste in Deutschland; in Irland soll dieses Thier bis
in's Mittelalter gelebt haben. — Von den zahlreichen außereuropäischen
Hirschen ist der in Nordamerika lebende grosse Wapiti (C. ccmadeiufü)
zu nennen, welcher daselbst den nahe verwandten Edelhirsch vertritt. Ferner
das geweihlose Moschusthier {Moschiis mosrJrifcnts) , dessen Männchen
im Oberkiefer sehr lange, aus dem Mund herausragende Eckzähne besitzt
und hinten an der Bauchseite mit einem Hautbeutel versehen ist, in welchem
der Moschus abgesondert wird ; in Asien.
4. Die Traguliden (Tragulida?) sind eine kleine Gruppe geweih-
und hörnerloser Wiederkäuer von geringer Grösse, welche in der äusseren
Form manchen kleineren Hirsi-hformen ähnlich sind und wirklich auch in
den meisten Beziehungen der Hirschfamilie nahe stehen. Sie zeichnen sich
besonders dadurch aus , dass die Mittelfussknochen 3 und 4 (sowohl am
Vorder- als am Hinterfuss) spät oder gar nicht verwachsen, und dass die
Mittelfussknochen Nr. 2 und 5 vollständig sind. Der Blättermagen ist
rudimentär (vergl. oben) ; auch die Placenta ist von derjenigen der ge-
wöhnlichen Wiederkäuer abweichend (wenn auch nicht, oder nicht immer,
diffus zu nennen; es ist vielmehr, wenigstens bei einigen, eine einzige,
scheibenförmige Placenta entwickelt). Ostindische Inseln, Afrika.
5. Die Hohlhörner (Cavkornia) sind mit zwei Hörnern versehen,
welche haarlos, äusserlich mit einer festen Hornschicht bedeckt, innerlich
verknöchert sind (vergl. S. 492}; meistens sind die Hörner in beiden Ge-
schlechtern entwickelt, zuweilen sind sie bei den Weibchen rudimentär oder
fehlen. i, \ c, -J jt>, $ m ; der fehlende Prämolar ist /*
a. Antilopen ( Antilopinae) ist die gemeinsame Bezeichnung
einer grossen Anzahl, meistens hirschähnlicher, häufig jedoch mehr
rindähnlicher Wiederkäuer mit sehr verschiedener Hörnerform. Bei einigen
fehlen die Hörner beim Weibchen. Steppenthiere , welche besonders in
Afrika reich vertreten sind.
b. Schafe (Om). Schnauze behaart, Hörner quergerunzelt,
dick, kantig, oft stark gebogen, nach hinten und aussen gerichtet; eine
Hauteinstülpung (Klauensack) zwischen den beiden grossen Zehen. Zwei
Zitzen. Hierzu gehört das Hausschaf {Ovis aries) , dessen Weibchen
gewöhnlich rudimentäre oder keine Hörner besitzt; seine Abstammung ist
unbekannt. Von wilden Schafarten mögen der Muflon (0. musinton),
auf Cornea und Sardinien, und der Argali (0. amnion), in Mittelasien,
angeführt werden; ausserdem mehrere andere asiatische Arten. Alle wilden
Schafe sind Gebirgsthiere. — Mit den Schafen nahe verwandt sind die Ziegen
( Capra) mit zusammengedrückten , weniger stark gebogenen Hörnern und
ohne Klauensäcke; Gebirgsthiere. Die Abstammung der Hausziege
(C. hircus) ist unbekannt; von wilden Formen erwähnen wir den Stein-
bock (C. ibex), in den Alpen und anderen südeuropäischen Gebirgen, und
die Bezoarziege (C. aeyagrm) in Kleinasien, auf Kreta etc. — An die
Ziegen schliesst sich die Gemse (Capclla rujncajirä) an , mit kleinen, auf-
rechten, nur an der Spitze gebogenen Hörnern ; in den Alpen, Pyrenäen etc.
— Mit den Schafen verwandt ist ferner der sogen. Bisam- oder Moschus-
ochse (Ociboa monchatus) , ein grosser langhaariger Wiederkäuer mit
Wirbelthiere. «. Clasae: Säugethiere.
533
Hörnern, welche an diejenigen des Büffels erinnern, mit behaarter Schnauze,
kurzem Schwanz und nur zwei Zitzen; lebt im arktischem Nordamerika
(in der quaternären Periode auch in Europa).
c. Rinder (Bovinae). Grosse plumpe Tbiere mit breiter un-
behaarter Schnauze, langem Schwanz mit endständiger Quaste) keine Klauen-
säcke; oft eine Wamme (herabhängende Hautfalte) an Hals und Brust.
Vier Zitzen. Die Hörner in der Regel rund und glatt ; sie sind am Grunde
nach aussen, mit der Spitze nach oben gebogen. Das Hausrind (Bos
taurtfs), mit platter Stirn, stammt wahrscheinlich von mehreren wilden Arten
ab ; einer seiner Stammväter ist der jetzt ausgestorbene riesige U r (B.
primigenius) , welcher im Alterthum und Mittelalter in Deutschland lebte.
Mit dem Hausrind nahe verwandt ist das ebenfalls gezähmte Zebu (B. in-
dicus) , mit Fettbuckel , in Asien und Afrika ; etwas entferpter das lang-
haarige Yak (B. grunniens), welches (wild und gezähmt) in Gebirgsländern
Mittelasiens lebt. Die Wisente (Bisoti) haben eine gewölbte Stirn und
ziemlich kleine Hörner, welche ebenso wie die der Gatt. Bos am Grunde
weit von einander entfernt sind, der vordere Theil des Rumpfes fast buckel-
artig erhoben ; der europäische Wisent1) ( Bison curopaeus) ist jetzt
beinahe ausgerottet (nur noch in Lithauen und im Kaukasus) . früher in
Deutschland etc. weit verbreitet ; die nahe verwandte amerikanische Art
(B. amerioanusj „Buffalo" der Amerikaner) kam bis vor wenigen Decennien
in grossen Heerden in Nordamerika vor, ist jetzt sehr an Zahl reducirt.
Die Büffel (Bithalm) zeichnen sich durch ihre am Grunde sehr abge-
platteten und verdickten , in der Mittellinie oft fast zusammenstossenden
Hörner und durch die schwache Behaarung aus ; Sumpfthiere, von welchen
eine gezähmte, aus Indien stammende Art (Buh. vulgaris) unter Anderem in
Südeuropa gehalten wird.
6. Ordnung. Elephanten (Proboscidea).
Die Elephan ten der Jetztzeit (Elephas) sind grosse, plumpe,
sehr achwach behaarte, hochbeinige Thiere; Vorder- und Hinterfüsse
(der Mittelfuss mitgerechnet) sind kurz, mit je 5 Zehen ausgestattet,
welche kurze Hufe 2) tragen ; unterhalb der in eine gemeinsame Haut
eingeschlossenen Zehen findet sich ein grosser Sohlenballen. Die
Schnauze ist zu einem langen Rüssel verlängert, an dessen Spitze
die Nasenlöcher und ein kleiner, beim asiatischen Elephant finger-
artiger Fortsatz sich befinden; der Rüssel ist ein Greif Werkzeug,
welches die Nahrung (Pflanzen) zum Munde führt; Wasser wird in
den Rüssel aufgesogen und in den Mund hinein gespritzt, indem die
Spitze des gebogenen Rüssels nach der Mundöffnung liin geführt wird.
Aeussere Ohren gross, plattenfbrmig, herabhängend. Zitzen dicht bei
den Vorderbeinen. Der von einem kurzen, dicken Hals getragene
Kopf ist von kolossalem Umfang; die Schädelhöhle klein, ausgedehnte
Lufträume in den Kopfknochen. Schneidezähne fehlen im Unter-
kiefer; oben jederseits ein Schneidezahn, welcher, besonders beim
Männchen, in Form eines langen, nach vorn gebogenen, fast schmelz-
losen, wurzellosen Stosszahnes entwickelt ist, der aus dem Mund her-
vorragt. Eckzähne fehlen. Die Backenzähne sind gross, mit hoher
*) Der Name „Auerochs" wird sowohl von diesem als auch von dem Bos
primigenius gebraucht.
•) Hufe können zuweilen an einer oder zwei Zehen fehlen.
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534
Specieller Theil.
Krone und kurzen Wurzeln ; die Krone ist in eine grössere oder
kleinere Anzahl zusammengedrückter, schmelzbekleideter Querplatten
gespalten, welche durch reichliches Cement zusammengehalten werden ;
in jeder Kieferhälfte zur Zeit immer nur ein, höchstens zwei Zähne
Hg. 861. Skelet eines Mastodon. — Nach Gaudry.
in Gebrauch ; in dem Maasse, wie ein Zahn abgenutzt wird , tritt ein
anderer hinter ihm hervor und nimmt allmählich den Platz des ersteren
ein (das vordere Ende eines Zahnes tritt schon in Function, während das
hintere Ende noch im Kiefer versteckt ist, und ebenso wird das vordere
AB C
Fig. 862. Längsschnitt von Hacken/ihnen , A—li verschiedener II a st o d o n - Arten,
C von einem Elcphantcn. schematisch. Das Cement weggelassen. >t Dentin, «Schmelz,
* Pulpahöhle, r Wurzeln. — Orig.
Ende zuerst abgenutzt, so dass zuletzt nur das hintere Ende allein
übrig bleibt); im Ganzen kommen in dieser Weise in jeder Kiefer-
hälfte 6 Backenzähne zum Vorschein, von welchen die zuerst auf-
tretenden die kleinsten sind1). Nur zwei jetzt lebende Arten: der
') Die 6 Backenzähne der Elephanten sind: dp*, dp*, dp1, m\ m*, m*; Prä-
molaren fehlen bei den jetzt lebenden, sind aber in rudimentärer Gestalt bei einer
Digimed by Gopgfa»
Wirbelthiere. 6. Claase: Säugethiere.
535
i ndische Elephant (E. indi^us) mit zahlreichen, stark zusammen-
gedrückten Platten in den Backenzähnen und verhältnissmässig kleineren
Ohren (gezähmt und wild), und der afrikanische E. (E. africamis)
mit einer geringeren Anzahl dickeren Zahnplatten und sehr grossen
Ohren.
Von den zahlreichen ausgestorbenen Elephanten führen wir folgende
an: Der Mamrauth (E. primigcniifs), quaternär, in Sibirien und Europa,
stand in seinem Bau dem indischen Elephant nahe, besass aber in Anpassung
an das rauhe Klima ein dichtes Haarkleid. — Abweichender sind die Ma-
stodonten (Mastodon), deren Backenzähne,
von welchen mehrere auf einmal in Gebrauch
waren, sich dadurch auszeichnen, dass die Quer-
kämme niedriger, in geringerer Anzahl vor-
handen und nicht durch Cement verkittet sind;
einige Mastodonten besassen in jeder Unter-
kieferhälfte einen nach vorne und unten ge-
richteten grossen Schneidezahn (ausserdem besitzen
die Mastodonten stets denselben oberen Schneide-
zahn wie Elephas). Uebrigens ist hervorzuheben,
dass beide Gattungen, Mastodon und Elephas,
in ihren Grenzformen in einander direkt über-
gehen. Tertiär. — Verhältnissmässig kleine,
fast tapirähnliche Backenzähne besass die miocäne
Gatt. IXnotherium , bei welcher die oberen Schneidezähne fehlen , während
dagegen in jeder Unterkieferhälfte ein nach unten gerichteter Schneidezahn
vorhanden ist.
In die Nähe der Elephanten stellt man die Gatt. Dinoceras, welche in
Grösse und Leibesform an jene erinnert, jedoch in manchen Beziehungen
sehr abweicht; es fehlen Schneidezähne im Zwischenkiefer (6 im Unter-
kiefer), dagegen sind ungemein lange obere Eckzähne vorhanden, Backen-
zähne klein. Miocän, Nordamerika.
Fig. 363. Schädel von Dinotherium.
7. Ordnung. Seekühe (Sirenia).
Die Seekühe sind eine kleine Gruppe von Meeres-Säugethieren,
welche früher mit den Walen zusammengestellt wurden, mit denen
sie jedoch in Wirklichkeit gar nicht näher verwandt sind ; die Aehn-
lichkeiten, welche in gewissen Punkten des Baues bestehen, sind als
durch die ähnliche Lebensweise beider Gruppen bedingt aufzufassen.
Dagegen erinnern die Seekühe in manchem an die Hufthiere.
Der Körper ist nur spärlich mit Haaren versehen. Der Kopf
wird von einem sehr kurzen Hals getragen, ist aber dennoch deutlich
vom Rumpf abgesetzt ; die Nasenlöcher sitzen am Ende der mit grossen
dicken Lippen versehenen Schnauze ; äussere Ohren fehlen. Der Rumpf
geht allmählich in den kräftigen Schwanz über, an dessen Ende jeder-
seits eine grosse wagerechte Hautfalte vorhanden ist (beide Hautfalten
zusammen werden als die „Schwanzflosse" bezeichnet). Die Vorder-
gliedmaassen sind kurz, flossenähnlich ; die Finger sind von einer ge-
meinsamen Haut umschlossen, der Daumen rudimentär, die übrigen
Finger dreigliedrig (im Gegensatz zu den Walen) ; der Arm ist nicht,
ausgestorbenen Elephas-Art nachgewiesen, ebenso wie sie auch bei Mastodon vor-
kamen.
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f>36
Specieller Theil.
wie bei den Walen, nur im Schultergelenk, sondern auch im Ellbogen-
gelenk etc. beweglich; beim Manati sind Rudimente hufähnlicher Krallen-
gebilde vorhanden. Hintergliedmaassen fehlen bei allen jetzt lebenden
Seekühen vollständig (Becken rudimentär) ; dagegen hat man bei der
miocänen Gatt. Halitherium Spuren der Hintergliedmaassen in Form
kleiner Oberschenkelknochen gefunden. Zwei Zitzen zwischen den
Vorderbeinen. Bei den Jungen sind oben und unten Schneidezähne
vorhanden, sie fallen aber in der Regel aus, so dass die Erwachsenen
vorne zahnlos sind; nur bei dem männlichen Dugong entwickelt sich
ein Paar der oberen Schneidezähne zu Stosszähnen, während dieselben
Zähne beim Weibchen im Kiefer versteckt bleiben. Statt der Schneide-
zähne besitzen sie vorne im Munde sowohl oben als unten eine grosse
Hornplatte. Eckzähne fehlen. Die Backenzähne sind klein, mit
Querkämmen ; der Manati besitzt deren etwa 10 in jeder Kieferhälfte,
der Dugong eine geringere Anzahl. Der Magen hat einen zusammen-
gesetzten Bau »).
Die Seekühe sind Pflanzenfresser (Tangfresser) von beträcht-
licher Grösse (die jetzt lebenden 3—5 m), welche sich im Meere in
der Nähe der Küsten und in Flüssen aufhalten. In der Jetztzeit nur
der Manati (Munatm), welcher im Atlantischen Meer an den Küsten
von Afrika und Amerika (und in Flüssen, welche in jenes Meer aus-
münden) lebt, und der Dugong (Halicore dugong) im Indischen Ocean.
Ausgerottet ist die riesige, ganz zahnlose Steiler' sc he Seekuh
(Rhytitut Stelleri), welche bis in's vorige Jahrhundert in den nörd-
lichen Theilen des Grossen Oceans lebte.
8. Ordnung. Raubthiere (Carnivora).
Die Raubthiere bilden eine grosse, aus zahlreichen Gattungen
und Arten bestehende Abtheilung, innerhalb welcher zahlreiche Ver-
schiedenheiten im Bau wie in Lebensweise bestehen; daneben gehen
aber in mehreren Richtungen bestimmte charakteristische Züge durch
alle Formen, ein ausgeprägter gemeinsamer Typus tritt überall
hervor.
Das gilt besonders von der Bezahnung, welche wir am
besten überblicken, wenn wir von einer Betrachtung des Zahnsystems
der Hundegattung ausgehen, indem sich diejenigen anderer Raub-
thiere als Modificationen desselben nach verschiedenen Richtungen hin
betrachten lassen. Im Ober munde sind die Hunde jederseits mit
3 Schneidezähnen (von welchen der äusserste, i8, etwas grösser als
die übrigen ist), einem kegelförmigen, gebogenen Eckzahn und 6 Backen»
zähnen (4 Prämolaren, 2 Molaren) versehen. Die drei vordersten
Backenzähne des Oberkiefers werden als Lückenzähne bezeichnet;
sie besitzen eine zusammengedrückte, dreikantige, zugespitzte Krone
und am Hinterrand des Dreiecks eine oder zwei kleinere Spitzen ; der
vorderste ist der kleinste. Der vierte Backenzahn (p4)> der Reiss-
zahn, hat eine ähnliche zusammengedrückte Form ; hinter der Spitze
findet sich ein spaltförmiger Einschnitt im Rande, und an der inneren
Seite des Zahnes sitzt ein kleiner Höcker. Auf den Reisszahn
') In Bezug auf das Skelet mag hervorgehoben werden, dass der Unterkiefer
sehr gross und schwer, in der Form vou demjenigen der Wale ganz verschieden
ist, was auch für den übrigeu Schädel gilt.
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Wirbelthiere. 6. Ciasse: Säugethiere.
537
folgen zwei breite, höckerige Zähne (m1 und m*), die Höckerzähne,
von welchen der hinterste der kleinste ist. Im Untermunde finden
Fig. 364.
Fig. 365.
Fig. 364. Uic Zähne dea bleibenden Gebisse* der linken Hallte des Schädel*
Hundes, and die Zähne des Milchgebisses desselben, letztere schraffirt. — Orig.
Hg. 366. Desgl. einer Katze. — Orig.
Verhältnisse
Backenzähne
(4 jp, 3 m) vorhanden, von welchen die vier vordersten als Lücken -
sich, was die Vorder- und Eckzähne betrifft, ähnliche
wie im Obermunde. Es sind aber im Unterkiefer 7
(4 p
zähne bezeichnet wer-
den und auch dieselbe
Form besitzen wie die
gleichnamigen desOber-
kiefers. Der fünfte Zahn
(m l), welcher dergrösste
der Unterkieferzähne
ist, erinnert in seiner
Form etwas an den
Reisszahn des Oberkie-
fers und wird auch als
Reisszahn bezeich-
net ; sein vorderster
Theil, welcher unter-
halb des Oberkiefer-
Reisszahnes sitzt , ist
zusammengedrückt und
mit zwei Spitzen ver-
seilen, von welchen die
hintere etwas höher als
die vordere ist; der
hintere, kleinere, Theil
des Zahnes ist niedri-
ger und höckerig. Die
beiden hintersten Ba-
ckenzähne (»I», m3) Sind Kig> 366- Dic Zahuc dc8 ,illkcn Oberkiefers von: A
Höckerzähne, den Hund, ß Bär, C Marder, 1> Dachs, E Vivcrridc
gleichnamigen desOber- (Merptstes), /'Hyäne, 0 I.öwe. Besonders hervorzuheben
kieferS ähnlich, aber ut dic 8tarke Entwicklung der höckerigen Partie (m'-w*)
kleiner als diese.
in Ii und D und die Rückbildung derselben in E—G. — Orig.
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538
Speoieller Theil.
Die Entwicklung des Zahnsystems anderer Baubthiere bewegt
sich nun wesentlich theil s in die Richtung einer Reduction der
Backenzahnreihe von beiden Enden derselben, theils in die Richtung
einer einseitigen Ausbildung entweder des höckerigen oder des zu-
sammengedrückten Theils der Zahnreihe, während Schneide- und Eck-
zähne sich, was Zahl und Form betrifft, bei allen fast gleich ver-
halten. Wir führen davon ein paar Beispiele an. Bei der Katze
finden wir eine in Vergleich mit derjenigen des Hundes sehr rückge-
bildete Zahnreihe: von den 6 Oberkiefer-Backenzähnen des letzteren
fehlt der erste und der letzte, und von den 4 übrig gebliebenen sind
dazu noch der erste und der letzte fast rudimentär ; von den 7 Unter-
kiefer-Backenzähnen fehlen bei der Katze sogar die beiden ersten und
die beiden letzten. Der höckerige Theil der Zahnreihe ist bei der
Katze fast gänzlich in Wegfall gekommen, indem nicht allein die
Höckerzähne (mit Ausnahme des rudimentären des Oberkiefers) fehlen,
sondern auch der höckerige Theil des Reisszahns des Unterkiefers
verschwunden ist. Bei den Bären finden wir das entgegengesetzte
Extrem: die Höckerzähne sind alle vorhanden und ebenso wie der
hintere (höckerige) Theil des Unterkiefer-Reisszahns ausserordentlich
stark entwickelt, während die Lückenzähne klein und beim erwachsenen
Thier z. Th. ausgefallen sind. Vergl. für die übrigen Gruppen die
specielle Darstellung und Fig. 366.
Noch grösser als im bleibendem Gebiss ist die Uebereinstimmung im
Milchgebiss, indem mit einer einzigen gleich anzuführenden Ausnahme
^ dp vorhanden sind, nämlich rf/?2, dp9, dj>* : von diesem ist oben dp* einem
Lückenzahn, dp* ganz dem oberen Reisszahn des bleibenden Gebisses ähnlich.
dp4 im Oberkiefer ist ein Höckerzahn; im Unterkiefer sind dp* und dp*
Lücken zahne, dp* Reisszahn •). Merkwürdig ist es, dass der Reisszahn des
bleibenden Gebisses nicht denselben Platz wie der Milch-Reisszahn ein-
nimmt, sondern — sowohl im Ober- wie im Unterkiefer — einen Platz
weiter nach hinten gerückt ist. — Nur in dem Fall, dass die Anzahl der
Prämolaren unter drei sinkt (im Unterkiefer der Katze), sinkt die Anzahl
der Milchbackenzähne unter die typische herab (indem der dem fehlenden
Prämolar p - entsprechende Milchbackenzahn dann auch fehlt).
Von anderen Charakteren sind folgende hervorzuheben. Das
äusserste Glied der Zehen trägt eine oft sehr stark gebogene Kralle
und wird durch ein elastisches Bändchen, welches von demselben bis
an das vorletzte Glied geht, mehr oder weniger nach oben gebogen gehalten,
so dass die Kralle bei einigen (z. B. der Katze) während des Ganges
die Erde gar nicht berührt (zurückgezogene Kralle). Der Daumen
ist (an beiden Glied maassenpaaren) meistens schwächer als die übrigen
Zehen, fehlt sogar häufig an den Hintergliedmaassen. Die Thiere
treten entweder mit dem ganzen Fuss auf (Sohlengänger) oder nur
mit den Zehen (Zehengänger). Das Schlüsselbein ist schwach ent-
wickelt oder fehlt Fruchtkuchen ringförmig. (Bei manchen finden
sich besonders um den After herum besondere Hautdrüsen oder Haut-
einstülpungen, deren Secret oft widerlich stinkt.)
Die Raubthiere sind grösstentheils Thiere von mittlerer Grösse,
welche sich theils von anderen Säugethieren , Vögeln, Insekten etc.,
theils auch von Pflanzenkost (saftigen Wurzeln, Beeren etc.) ernähren.
') Es ist somit im Milchgebiss der Raubthiere stets dieselbe Anzahl von Höcker-
zähnen wie im bleibenden Gebiss der Katze, nämlieh ^, vorhanden.
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Wirbelthiere. 6. Claase: Säugethiere.
539
Sie sind über die ganze Erde (mit Ausnahme von Australien) ver-
breitet, am reichsten in den Tropen vertreten.
Die Raubthiere zerfallen in drei grössere natürliche Gruppen, von
welchen eine (Q/twidea) die Hundefamilie, eine andere (Arctouiea) die Bären-,
Halbbären- und Marderfamilie, eine dritte [Aeltnoidca) die Katzen, Viverren
und Hyänen umfasst. Dies ist besonders in zahlreichen feineren Charakteren
des Schädels ausgeprägt, deren nähere Darstellung uns jedoch weit in den
ganz speciellen Bau des Schädels führen würde, wesshalb wir uns mit dieser
blossen Andeutung begnügen müssen.
1. Die Hundefamilie (Canidae). $ L, [ H, \ H%) (= +, p, $ w);
der höckerige Theil der Backen zahnreihe von mittlerer Stärke. Kopf länglich,
Schwanz lang, Beine hoch mit 5 Zehen vorn, 4 hinten; Zehengänger.
Hierzu gehören : Der Fuchs2) ( Catiis nd/ies), der P o 1 a r f u c h ■ s) (C. lago-
;/i«), beide mit senkrechter Pupille, letzterer ein hochnordisches Thier ; der
Wolf (C. lupus), mit runder Pupille, durch Europa und Nordasien etc.
verbreitet, in Deutschland ausgerottet; der Schakal (C. aureus), mit dem
Wolf nahe verwandt , in Asien, Nordafrika und auf der Balkanhalbinsel ;
von ihm oder seinen nächsten Verwandten stammt wahrscheinlich der Haus-
hund (C. familiär is) ab. — Eine einzelne Hundeform, die Gatt. Icticyon
(in Brasilien), zeichnet sich durch den Besitz von nur j // aus ; sie schliesst
sich sonst nahe an die übrigen an. Eine andere, der mit ungemein grossen
Ohren versehene . fuchsähnliche , spitzschnauzige , südafrikanische Qtocyon
mffer , hat eine grössere Anzahl Backenzähne als die typische, nämlich
( p, J m.
2. Die Bärenfamilie (I'rxidae). % L. [ K, $ H (= \ p, $ im);
Höckertheil der Backenzahnreihe überwiegend entwickelt, übriger Theil der-
selben rückgebildet (meistens fehlen beim erwachsenen Thier einige L). Läng-
licher Kopf, sehr kurzer Schwanz, an allen vier Beinen je 5 Zehen, welche
mit sehr starken Krallen bewaffnet sind; Sohlengänger von ansehnlicher
Grösse, welche sich zum grossen Theil von Pflanzenkost ernähren. Hierzu
gehören: Der gemeine Bär (Tr«w arctos), innerhalb Deutschlands nur
noch im bayrischen Hochlande, ausserdem in der Schweiz, in Ungarn, Buss-
land . Skandinavien etc. (Winterschläfer); der Baribal (!r. americanus),
schwarz, in Nordamerika, ebenso wie der braungraue Grislibär (U. eine-
retts); der Lippenbär ((*. labiatus}, in Indien, mit sehr vorstreckbaren
Lippen und ungemein langen Krallen, verliert gewöhnlich frühzeitig seine
Schneidezähne; der Eisbär (J\ maritimus), weiss, mit behaarten Sohlen,
gehört den arktischen Gegenden an. Grösser als die jetzt lebenden Bären
war der quaternäre Höhle n bär (T. spdaeu*), dessen Ueberreste man häufig
in den Knochenhöhlen Deutschlands findet.
3. Die Halbbären (Procyonidae). $ L, } lt, \ H (= \ p, $ w);
Höckertheil der Backenzahnreihe weniger überwiegend als bei den Bären.
Kopf länglich , Schwanz lang , 5 Zehen vorn und hinten ; Sohlengänger.
Kleinere Formen. Nahrung gemischt. Hierzu die Waschbären (Procyon)
und die mit langer Schnauze versehenen Nasenbären (Nastta), beide
Gattungen in Amerika.
4. Die Marder familie (Mustelidae). L, \ 11, } // (= p,
^ m)\ bei einigen ist der sägeartige Theil der Backenzahnreihe (d. h. die
') L = Lückenzähne, R = Reisazahn, H= Höckerzähne.
*) An der Oberseite des Schwanzes nicht weit vom Rumpfe findet sich beim
Fuchs eine Gruppe von kleinen Drüsen, welche eine riechende Flüssigkeit absondern.
*) Beim Polarfuchs sind meistens nur '* H vorhanden.
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f)40
Specialer Theil.
Lückenzähne , der ReisBzahn iin Oberkiefer , der vordere Theil des Reise -
zahnes des Unterkiefers), bei anderen der Höcker theil derselben überwiegend
entwickelt. Schwanz meistens wohlentwickelt, Beine niedrig, 5 Zehen;
Zehen- oder Sohlengänger.
a. Die Mardergattung (Mustelu ). Kleine, sehr langgestreckte,
schlanke Raubthiere, welche sich hauptsächlich von warmblütigen Wirbel-
thieren ernähren. Zehengänger. Höckertheil ziemlich klein. In Deutsch-
land leben die folgenden: Der Edelmarder (M. märten) mit dottergelber
Kehle, der Steinmarder (M. foina) mit weisser Kehle, die grössten
deutschen Arten; der Iltis (M. putorius), braun, oben etwas heller als
unten (das Frettchen [.V. furo] ist eine durch Domestication erzeugte
weissliche Abart des Iltis); der Hermelin (M. erminea), welcher im
Winter weiss wird; das kurzschwänzige , kleine Wiesel (3/. vulgaris),
die kleinste Art; der Nörz (M. lutreola), von Grösse des Iltis, einfarbig
braun, mit Bindehaut zwischen den Zehen, lebt am Wasser, selten in Deutsch-
land, häußger in Russland (erinnert an die Otter). Der Zobel (J/. xi-
Mlina) in Sibirien steht dem Edelmarder sehr nahe. — Mit den Mardern
verwandt ist der Vielfrass {Gulo borcalis), welcher grösser und plumper
ist, einen sehr kurzen buschigen Schwanz besitzt, Sohlengänger ; in Skan-
dinavien, Russland, Sibirien, Nordamerika.
b. Die Ottern (Lutra) sind grössere Marderformen mit langem
kräftigen Schwanz. Schwimmhaut zwischen den Zehen, stumpfer Schnauze und
sehr kurzen Ohren. Schwimmen vorzüglich, ernähren sich besonders von
Fischen. In Europa die Fischotter (L. vulgaris), hält sich sowohl an
Süsswasser wie am Meere auf. — Verwandt ist die Seeotter (Enltytlra
maritui) mit $ i (während andere Raubthiere $ haben) ; die Hinterglied-
maassen erinnern an diejenigen der Seehunde ; an den Küsten des nördlichen
Stillen Ocean.
c. Der Dachs (Meie» taxtis) zeichnet sich durch die starke Ent-
wicklung der Höckerzähne und des hinteren Theiles des Unterkiefer-Reisszahnes
aus ; Sohlengänger mit starken Grabkrallen an den Vorderbeinen; Allesfresser.
— Verwandt sind die Stinkthiere (Mephiti») in Nord- und Südamerika,
Afrika und Kleinasien.
5. Die Schleichkatzen (Vivcrridae). \ L, \ H, j II (= | p, \ m)\
Sügetheil der Backenzahnreihe überwiegend entwickelt. Kleinere, marder-
ähnliche Thiere mit langgestrecktem Körper und niedrigen Beinen. In den
wärmeren Theilen der alten Welt. Hierzu gehören die Zibethkatzen
(Virena), von welchen eine Art (F. geneita) in Südeuropa (und Nord-
afrika) lebt, und die Pharaosratte (Hcrjßestex khmumoii) in Afrika.
6. Die Hyänenfamilie (Hyaeuidae). % L, } Ii, ^ II (= jf p, J m).
Grössere, hochbeinige, wolfahnliche, ziemlich langschwänzige Thiere; Zehen-
gänger. In der alten Welt. Die Arten der Gatt, Hyaena sind Aasfresser:
die Gatt. Protek», in Südafrika, mit sehr schwachen, kleinen, spitzigen
Backenzähnen, soll sich besonders von Lämmern ernähren.
7. Die Katzenfamilie (Felidsie). % L, \ R, \ II (= \ p, \ m);
Höckertheil der Backenzahnreihe rudimentär. Schlanke, gestreckte Thiere
mit rundlichem Kopf, langem Schwanz, 4 Zehen an den Hintergliedmaassen,
sehr stark gebogenen, zusammengedrückten und zugespitzten Kralleu.
Zehengänger. Ernähren sich fast ausschliesslich von Warmblütern. Hierzu
gehören : Der L ö we (Felis leo), einfarbig, £ mit Mähne, Afrika, West-
asien, früher auch im südöstlichen Europa ; nahe verwandt ist der ausge-
storbene (quaternäre) Höhlenlöwe (F. spcluea). Der Tiger (F. tigriji) mit
Querstreifen, Asien. Der Jaguar (F. oiup), in Südamerika, und der
j
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Wirbelthiere. «. Classe: Säugethiere.
f)41
Leopard oder Panther (F. pardus), in mehreren Varietäten in Afrika
und Südasien, sind grosse, mit Ringflecken versehene Katzen. ' Der Puma
oder Kuguar (F. concolor), eine mittelgrosse einfarbige Katze, lebt in
Südamerika. Kleinere Formen sind: die Tigerkatzen, verschiedene
kleine gefleckte Formen (F. tigrina u. a.) ; die Wildkatze {F. catus), in
Mittel- "und Südeuropa, auch noch an verschiedenen 8tellen in Deutschland,
von ähnlicher Färbung wie graue Haaskatzen, aber kurzschwänziger ; die
Hauskatze (F. domesiiea), welche, wie es scheint, von der nubischen "Wild-
katze (F. maniculata) abstammt. Abweichendere Formen sind : der Gepard
(F. [Cynailurus] jubatä), eine grosse gefleckte hochbeinige Katze mit weniger
zurückgezogenen Krallen als die übrigen Katzen, in Afrika und Asien, wird
auch zahm gehalten; der Luchs (F. Ujnx oder Ijym vulgaris), durch seine
hohen Beine, kurzen Schwanz und mit Haarpinseln versehene Ohren aus-
gezeichnet (meistens fehlt beim Luchs der vorderste der bei anderen Katzen
vorhandenen Oberkiefer- Lückenzähne, so dass die Zahnformel £ p, \m wird),
in Scandinavien, Russlaud etc., früher auch in Deutschland. — Die aus-
gestorbenen Säbelkatzen (Much modus) haben y.*^ L, f It, ± 11
(= TJ[7 p. \ m) also eine noch mehr rückgebildete Backenzahnreihe als
die jetzt lebenden Katzen, denen sie übrigens im Ganzen nahe stehen ; der
Eckzahn des Oberkiefers ist ungemein kräftig und stark verlängert. Bei
einer anderen ausgestorbenen Katze, der Gatt. Dinicti*. findet man dagegen
eine grössere Anzahl von Zähnen als bei den jetztlebenden, nämlich im
Unterkiefer einen Lückenzahn mehr und einen kleinen Höckerzahn (die
Oberkieferzähne dieselben wie bei Felis): $ L, } II, \ H (= % p, ± m).
9. Ordnung. Robben oder FlossenfÜSSler (Pinnipedia).
Die Robben sind mit den Raubtbieren nahe verwandt und
stimmen in zahlreichen Charakteren mit denselben überein; sie sind
als ein in Anpassung an das Leben im Meere umgestalteter Raubthier-
Typus aufzufassen.
Die Gliedmaassen sind kurz, breit, nach hinten gerichtet; der
proximale Theil der Vordergliedmaassen ist unter der Rumpfhaut
versteckt, der freie Theil derselben erinnert an die Brustflossen eines
Fisches; die Hintergliedmaassen liegen mit der Fussspitze nach
hinten dicht am Rumpf, zum grossen Theil in die Haut des letzteren
eingeschlossen ; bei den echten Seehunden sind sie in dieser Stellung
befestigt, während sie beim Walross und den Ohrenrobben so weit nach
vorn gewendet werden können , dass das Thier auf denselben gehen
kann. An jedem Fuss sind fünf Zehen (Finger) vorhanden , welche
mit geraden Krallen versehen sind ; sowohl an den Vorder- als an
den Hintergliedmaassen ist eine Schwimmhaut zwischen den Zehen
ausgespannt, und ausserhalb der Spitzen der Zehen erstreckt sich als
Fortsetzung der Schwimmhaut ein mehr oder weniger entwickelter
Hautsaum. An den Vordergliedmaassen nehmen die Finger an Länge
und Stärke von Nr. 1 bis Nr. 5 ab (Nr. 1 und 2 sind jedoch unge-
fähr gleich stark); an den Hintergliedmaassen sind Nr. 1 und 5
kräftiger und meistens auch länger als die drei übrigen. Die Ferse
ist kurz. Das äussere Ohr ist klein oder fehlt; die Augen gross;
die Nasenlöcher spaltförmig, schliessen sich von selbst durch die
Elasticität der Wand, werden durch Muskelwirkung geöffnet. Die
Behaarung besteht meistens aus dichtgestellten, angedrückten, glatten
Haaren (zuweilen liegt unter diesen ein dichtes Wollkleid) ; die neu-
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542
Specieller Theil.
geborenen Jungen gewöhnlich mit einer wolligen Behaarung, welche
jedoch bei einigen schon im Mutterleibe gewechselt wird ; die Schnurr-
haare sind sehr kräftig. Unterhalb der Haut findet sich eine dicke
Schicht von Fettgewebe (Speck). Von Schneidezähnen sind gewöhn-
lich $ (oder eine geringere Anzahl; selten |) vorhanden; sie sind
Fig. 868.
Fig. .167. Hinterfuss eine* jungen See-Elephanten.
« Sprungbein, c Fersenbein, m Centrale, — c% Cuneifonne
(Tanule) Nr. 1—8, cb Ouhoidcum; /— 1' erste— fllnfte Zehe.
— Nach Flower.
Fig. 868. Ober- und Zwischenkiefentahne de» See-
Elephanten; unterhalb der Zähne de« bleibenden Ge-
bUnes sind die Milchzähne gezeichnet. Nach Flower.
mehr kegelförmig als bei den Raubthieren und schliessen sich nicht
wie bei diesen zu einem schneidenden Rand zusammen ; die Eckzähne
sind meistens schwächer als bei den Raubthieren, sonst aber ähnlich.
Von Backenzähnen sind meistens { p \ m vorhanden; sie sind alle
ungefähr gleich, gewöhnlich von ähnlicher Form wie die Lückenzähne
der Raubthiere oder einfach kegelförmig; sie sind verhältnissmässig
schwach. Die Milchzähne sind rudimentär; sie werden entweder schon
im Mutterleibe oder bald nach der Geburt gewechselt.
Von anderen Charakteren führen wir an, dass der hinterste Theil des
Schädels sehr breit ist, während derjenige Theil, welcher zwischen den
Augenhöhlen liegt, in der Regel stark zusammengedrückt ist. Der Unter-
kiefer ißt in der Regel schwach. Thränenbein und Thränenkanal fehlen,
die Thränendrüse ist klein, die Harder'sche Drüse wohlentwickelt. Der
Fruchtkuchen ist wie bei den Raubthieren ringförmig.
Die Robben sind Thiere von ansehnlicher, nicht selten sogar
riesiger Grösse, welche im Meere leben (einzelne auch in grossen
Seen, so im Caspischen Meer), wo sie sich mit der grössten Ge-
wandtheit mittels des sehr biegsamen lliuterkörpers bewegen, wobei
die grossen nach hinten gerichteten Hinterfüsse ungefähr wie die
Schwanzflosse eines Fisches fungiren. Häufig gehen sie jedoch aufs
Land, um sich auszuruhen, um zu gebären etc.; sie halten sich aber
stets in unmittelbarer Nähe der Küste auf und bewegen sich nur müh-
sam auf dem Lande fort; Ohrenrobben und Walrosse können noch
auf allen vier Füssen gehen, die echten Seehunde hüpfen aber unge-
mein schwerfällig fort, indem sie den Rücken krümmen und sich mit
dem Hinterkörper abstossen (sie ruhen dabei mit der Bauchseite auf
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Wirbelthiere. 6. Clane: Säugethiere.
r>43
der Erde; die Vordergliedmaassen werden bei der Bewegung meistens
nicht benutzt). Ihre Nahrung besteht hauptsächlich in Fischen. Sie
leben gewöhnlich in Polygamie; das Männchen ist häufig, wie bei
manchen anderen polygamen Thieren, bedeutend grösser als das
Weibchen. Sie gehören besonders den kälteren und temperirten
Theilen der Erde an.
1. Die Ohrenrobben (Otariulae). Mit kleinen äusseren Ohren.
Hals lang. Können auf den Füssen gehen, deren Unterseite nackt ist
(Sohlenballen); an allen vier Füssen ein grosser Randsaum, welcher an
den Hinterfüssen gelappt ist ; Krallen theilweise rudimentär oder sehr klein
(dies gilt von allen Krallen der Vordergliedmaassen und von Nr. 1 und 5
der Hintergliedmaassen, während die Krallen der mittleren Zehen der Hin-
terfüsse wohlentwickelt sind). Die Männchen sind stets viel grösser als
die Weibchen. — Diese Abtheilung steht den Raubthieren am nächsten ;
manche der Eigentümlichkeiten, welche die Ordnung der FlossenfÜssler
jenen gegenüber auszeichnen, sind bei den Ohrenrobben weniger ausge-
prägt. — Hierzu die unter dem Namen „Seelöwen" bekannten Thier-
formen, deren Fell zum Theil ein ausgezeichnetes Pelzwerk liefert1). Sie
leben in den südlicheren Theilen der südlichen Halbkugel und in den nörd-
lichen Theilen des Stillen Oceans.
2. Das Walross (TS'icJischus / Odohaenus/ rottmarns) ist eine ohrlose,
übrigens mit den Ohrenrobben nächst verwandte, in den Zahnverhältnissen
aber sehr eigentümliche Robbe. Ebenso wie die Ohrenrobben kann sich
das Thier auf die mit grossem Randsaum versehenen Füsse stützen, die
Unterseite der Füsse ist nackt, die Ausbildung der Krallen entspricht der-
jenigen der Ohrenrobben (sämmtliche Krallen der Vorderfüsse und die 1.
und 5. derHinterfüsse sind rudimentär). Das junge Thier besitzt $ i, \ c, £ />,
von diesen sind aber einige klein und fallen früh aus oder brechen gar nicht
hervor, so dass das erwachsene Thier gewöhnlich von functionirenden Zähnen
^ i, + c, £ b besitzt. Von diesen Zähnen ist der Oberkiefer-Eckzahn ein
langer wurzelloser Stosszahn, während die übrigen beim jungen Thier kegel-
förmig sind, während sie später flach abgekaut werden. Das Walross er-
nährt sich von Muscheln etc., welche es mit den langen Zähnen losschaben
soll. Sehr ansehnliche Form . welche in den arktischen Gegenden zu
Hanse ist.
3. Echte Seehunde (Phocidac). Aeussere Ohren fehlen. Hals
kurz. Die Füsse sind auf der Unterseite behaart, können gar nicht zum
Gang benutzt werden ; Randsaum der Füsse schmal ; Krallen meistens wohl-
entwickelt. Die Vordergliedmaassen sind klein (kleiner als die Hinterglied-
maassen). Besonders in den arktischen Gegenden.
a. Die Gatt. Phoca besitzt £ » und zusammengedrückte mehr-
spitzige Backenzähne. Hierzu der gemeine Seehund (Ph. vitulina) und
die Ringelrobbe (Ph. foetida), beide an den deutschen Küsten etc. — Mit
Phoca verwandt ist der graue Seehund (Halichoenis grypns), mit kegel-
förmigen Backenzähnen, häufig z. B. in der Ostsee.
b. Die Blasenrobbe oder Klappmütze (Oystophora cristata),
mit ^ /, ist besonders dadurch merkwürdig, dass das Männchen an der
Oberseite des Kopfes mit einem Paar Luftsäcken ausgestattet ist, welche
mit dem vordersten Theil der Nasenhöhlen in Verbindung stehen und von
') Die in den Handel kommenden Seelöwenfelle sind der Deckhaare beraubt,
so dass die Wollhaare allein übrig geblieben, und sie haben desshalb ein von den
frischen Fellen sehr abweichendes Aussehen.
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544
8pecieller Theil.
diesen aus mit Luft gefüllt, aufgeblasen werden. Grönland und andere
arktische Gegenden. — Ein naher Verwandter ist der See-Elep haot
(C. jyroboscidm), bei dessen Männchen die Schnauze in einen kurzen Rüssel
verlängert ist, welcher aufgeblasen werden kann ; im Indischen und Grossen
Ocean, besonders in den südlicheren Theilen derselben.
10. Ordnung. Wale (Cetacea)-
Die Wale sind ein
Meere eingerichteter und
Fig. 369. Rechte Vorderex-
tremitat eines G r i n d w a 1 a. H
Oberarm, Ii Speiche, U Elle ; $ Na-
viculare, / Lunatum, eTriquetrum ;
td Multang, minus, m Ilamattim ;
I—1V erster— vierter Finger, V
fUnftcr Mittelhandknochen. —
Nach Flower.
zu ausschliesslichem Aufenthalt im
demgemäss umgebildeter Säugethier-Typus.
Sie sind dieser Lebensweise viel einseitiger
angepasst als die übrigen Typen von Meeres-
Säugethieren (Robben und Seekühe); die An-
passung ist so innig, dass die Wale für die
oberflächliche unmittelbare Betrachtung weit
mehr an Fische als an Säugethiere erinnern.
Die Leibesform ist fischartig; Kopf.
Runipf und Schwanz gehen sanft in einander
Uber, der Körper ist gegen beide Enden hin
zugespitzt; von einem Hals ist keine Spur
äusserlich zu entdecken: der Schwanz ist
zusammengedrückt, für ein Säugethier ausser-
ordentlich kräftig entwickelt, sehr musculös.
Am Ende des Schwanzes befindet sich eine
wagerechte Schwanzflosse, eine breite
nach beiden Seiten ausgezogene steife Haut-
falte. An der Rückenseite befindet sich eine
gewöhnlich kurze, aufrechte, steife Hautfalte,
die Rückenflosse. Die Haut ist glatt
und glänzend ; Haare (und Hautdrüsen) fehlen
gewöhnlich beim ausgebildeten Thiere völlig,
höchstens sind einzelne Haare an gewissen
Stellen des Kopfes, besonders in der Nähe
der Mundränder, vorhanden1); die Lederhaut
ist sehr dick und ausserordentlich fetthaltig
(Speck). Lippen fehlen. Von den Glied -
maassen sind nur die vorderen entwickelt
(über Rudimente der hinteren vergl. unten) ;
sie sind zu krallenlosen, steifen, nur im
Schultergelenk beweglichen Platten ausge-
bildet, die Finger von einer gemeinsamen
Haut umschlossen und ihre Grenzen äusser-
lich nicht erkennbar. Die Nasenlöcher sitzen
hoch oben auf dem Kopf und sind öfters zu
einer gemeinsamen Oeffnung vereinigt; die
Augen klein, äussere Ohren fehlen, die
äussere Ohröflfnung ausserordentlich klein.
') Nur gewisse Barten wale (und ein südamerikanischer Flusadelphin, Inia)
besitzen in ausgebildetem Zustande Haare. Dagegen findet sich fast bei allen Walen,
sowohl bei Barten- wie bei Zahnwalen, beim Embryo eine geringe Anzahl von
Haaren; bei den Zahnwalen sitzen dieselben stets ausschliesslich oberhalb des oberen
Mundrandes.
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere. 545
Die Zitzen, eine auf jeder Seite, sitzen in Gruben neben dem
After.
Die Halswirbelpartie ist sehr kurz, besteht aber aus den gewöhn-
lichen 7 Wirbeln, von welchen meistens eine verschiedene Anzahl
Fig. 870.
Fig. 370. Schädel eine« Z a h n w al es (Dclphmua) von der Seite. Verkleinert. — Orig.
Fig. 871. Schädel eine* Barten walcs (Üalaena japtmica), Foetus. Verkleinert. —
Nach Eachricht.
Gemeinsame Bezeichnung: C Hinterhaupts-Gelenkhöcker , Fr Stirubein, Ju Jochbein,
L Thr&nenbein, Mr Oberkieferbein, n Nasenloch, Xa Nasenbein, ot seitliches Hinterhaupts-
bein, 0$ oberes Hinterhauptsbein, Pa Scheitelbein, Pal Gaumenbein, Pt FlUgelbein, Pr Zwischen-
kieferbein, 8q Schuppenbein, Ty Paukenbein.
verwachsen ist (zuweilen, so beim Polarwal , sind sie sogar alle ver-
wachsen : bei den Furchenwalen und einigen Zahnwalen sind sie da-
gegen alle frei); die Halswirbelkörper sind abgeplattete Scheiben.
Nur eine sehr geringe Anzahl von Rippen verbindet sich mit dem
kurzen Brustbein. Die Lendenwirbelpartie zeichnet sich durch ihre
Bon, Zoologtt. 35
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546
Specieller Theil.
bedeutende Länge aus; Beckenwirbel sind nicht unterschieden. Die
ganze Wirbelsäule (mit Ausnahme der Halswirbel) ist sehr biegsam,
die Bandscheiben zwischen den Wirbeln dick. Die Kiefer sind stark
verlängert; das Jochbein bei den Zahnwalen sehr dünn; die Nasen-
beine sehr kurz, oft rudimentär (am besten bei den Bartenwalen ent-
wickelt). Das Schulterblatt ohne Kamm : Schlüsselbeine fehlen. Wie
oben erwähnt, sind die Knochen der Vordergliedmaassen unbeweglich
mit einander verbunden. Es sind 4 oder 5 Finger vorhanden ; von
Interesse ist es, dass die Anzahl der Glieder in einigen derselben
grösser ist als drei. Es findet sich ein Ueberrest des Beckens
in Form von zwei Knochen, einem auf jeder Seite, welche weder mit
einander noch mit der Wirbelsäule in Verbindung treten ; bei gewissen
Bartenwalen sind ausserdem Rudimente des Skeletes der Hinterglied-
maassen, von Schenkel- und Schienbein, im Fleische versteckt, vor-
handen. — Thränendrüse und Thränenkanal fehlen, eine Harder'sche
Drüse ist dagegen vorhanden und zwar wohlentwickelt (ihr Secret
hat eine fettartig-schleimige Beschaffenheit). — Die Nasenhöhlen
sind bei den Bartenwalen ein Paar schräge, bei den Zahnwalen ein
Paar fast senkrechte Röhren; bei den Bartenwalen sind rudimen-
täre Nasen m uschein und
schwache Riechnerven
vorhanden, bei den Zahn-
walen fehlen die Nasen-
muscheln (während Riech-
nerven zuweilen vorhanden
sind, zuweilen fehlen). —
Bei den Zahnwalen finden
sich in der Regel zahl-
reiche Zähne, welche
meistens alle ungefähr
gleichgebildet, kegelför-
mig sind ; ein Zahnwechsel
fehlt. Bei den Barten-
walen sind im Embryonal-
zustande Zähne (von ähn-
licher Form wie bei den
Fig. 372. Querschnitt de« vorderen Theiles de» Kopfes
eines Für c he n w al s , schematisirt. /. Kuorpel, welcher
der Nasenscheidewand anderer Sauget liiere entspricht ; bit
Barte, / Hautfurchen, •' Zwischen-, «i Oberkieferbein, tu
Zunge, u Unterkiefer, r Pflugscharbciu. — Nach Yves Delage.
Zahuwalen) vorhanden,
welche aber klein sind und
niemals hervorbrechen,
sondern wieder aufgelöst
werden. Die Barten,
welche diese Thiere im Munde besitzen, sind zwei Längsreihen von
mächtigen, quergestellten, senkrecht von dem Gaumendach herab-
hängenden Hautfalten, welche mit einer stark entwickelten, die Haupt-
masse der Barte bildenden Hornschicht bekleidet sind. Jede Barte
stellt demnach eine dreieckige, feste Hornplatte dar, welche in ihrer
grössten Ausdehnung solid ist, an der Basis aber eine spaltförmige
Höhlung besitzt, in welcher der weiche Theil der Barte, der aus
Bindegewebe und der Schleimschicht der Haut bestehende „Barten-
keim", seinen Platz hat. Die Barte hat drei Ränder: einen kürzeren
oberen, welcher sich mit dem Gaumen verbindet, einen äusseren
glatten geraden Rand und einen inneren stark aufgefaserten schrägen
Rand, welcher der längste ist ; in dem inneren Theil der Barte finden
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Wirbelthiere. 6. Clftsae: Säugethiere.
547
sich mehrere bis auf die Basis der Barte reichende senkrechte Ein-
schnitte. Die Barten, von welchen die vordersten und die hintersten
jeder Reihe die kleinsten sind, liegen jederseits ziemlich dicht an ein-
ander und füllen einen grossen Theil der Mundhöhle aus, in deren
Mitte jedoch ein im Querschnitt dreieckiger Raum übrig bleibt. Bei
geschlossenem Munde werden die Barten vom Unterkiefer verdeckt.
Sie haben die Bedeutung eines Seihapparates: die Bartenwale
schwimmen mit klaffend geöffnetem Munde eine Strecke weit durch's
Wasser, schliessen darauf den Mund , und das Wasser sickert dann
zwischen den Barten nach aussen, während die im Wasser enthaltenen
Organismen von den am inneren Rand der Barten befindlichen Fasern
zurückgehalten werden, welche zusammen eine filzige Wand an jeder
Seite im Munde bilden. Die Barten sind als ausserordentlich stark
entwickelte Gaumen falten (vergl. S. 508) aufzufassen. — Die
Speicheldrüsen sind rudimentär oder fehlen, der Magen hat einen
zusammengesetzten Bau. Der Kehlkopf ist zu einem aufrechten hohen
Zapfen verlängert, welcher vorne von dem stark entwickelten Gaumen-
segel umfasst wird ; die Nahrung gleitet zu beiden Seiten des Zapfens
in die Speiseröhre hinab. Die Hoden bleiben in der Bauchhöhle.
Die Wale sind fast alle Meeresthiere ; einige wenige leben in
Flüssen. Sie bewegen sich in ähnlicher Weise wie die Fische durch
Schläge des Schwanzes. Sie gehen nie freiwillig aufs Land. Sie
sind im Stande sich ziemlich lange Zeit unterhalb der Wasserober-
fläche aufzuhalten, ohne zu ersticken (nach einigen Angaben bis
^ Stunde). Ihre Nahrung besteht besonders in Fischen und niederen
Seethieren. Sie leben in allen Meeren, die grösseren Formen jedoch
besonders in den kälteren Theilen der Erde. Zu dieser Abtheilung
gehören die grössten aller thierischen Geschöpfe.
1. Unterordnung. Bartenwale (Mystacmeti).
Zahnlos, mit Barten versehen. Zwei äussere Nasenlöcher, welche
•weiter vorne sitzen als bei den Zahnwalen. Das Brustbein nur mit
einem einzigen Rippenpaare verbunden. Schädel ausserordentlich
§ross, symmetrisch; Nasenbeine verhältnissmässig wohl entwickelt,
ie ernähren sich von verschiedenen, schaarenweise lebenden kleinen
Meeresthieren (Leuchtkrebsen, Copepoden etc.), manche Furchenwale
ausserdem noch von kleineren Fischen. Hierzu die grössten Wale.
1. Die Furchenwale {Balaenoptcridoc^ . Mit Rückenflosse. Auf der
Unterseite des Kopfes und des Rumpfes zahlreiche tiefe Längsfurchen. Lang-
gestreckte Thiere mit verhältnissmässig kleinerem Kopf und kürzeren Barten ;
schmale Brustflossen. Hierzu der Blauwal (Balanwptera gigas), welcher
eine Länge von 30 m erreicht, und der etwas kleinere Fi n n wal (B. mus-
ctäus), welche beide an den Küsten des nördlichen Norwegens den Gegen-
stand einer regelmässigen Fischerei bilden. Weit kleiner (höchstens bis
10 m) iBt der Zwerg wal (D. rostraiä), ebenfalls im nördlichen Atlantischen
Meere. Der sehr ansehnliche Buckelwal (Megajttcra boops), mit niedrigerer
huckelformiger Rückenflosse und mit sehr langen Brustflossen, ist weniger
gestreckt als die meisten übrigen Furchenwale; wird unter Anderem an
der Küste Norwegens ziemlich regelmässig angetroffen.
2. Die Q latt wale (ßalarnidae). Keine Rückenflosse. Keine Furchen
auf der Unterseite. Körper weniger gestreckt, Kopf verhältnissmässig sehr
gross, Barten lang nnd schmal, Brustflossen breit. Hierzu der bis 20 m
35*
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548
Specieller Theil.
lange, kolossale Grönlands- oder P o 1 a r w a 1 (Dalaena mystuxhts ), bei
Grönland etc.; jetzt an Zahl stark reducirt. Der Nordkaper (B. bis-
cayensis), dem Grönlandswal sehr ähnlich, etwas südlichere Form (im nord-
lichen Atlantischen Meer bis in die Bucht von Biscaya), jetzt äusserst selten.
Mit Zähnen versehen, keine Barten. Aeussere Nasenlocher zu
einem einzigen ') vereinigt , welches oben auf dem Kopfe weit nach
hinten zu sitzt. Das Brustbein ist mit mehreren Rippenpaaren ver-
bunden. Die Gesichtspartie des Schädels deutlich asymmetrisch :
Nasenbeine rudimentär. Ernähren sich meistens von Fischen.
1. Die Delphine (Delphinm) haben eine zugespitzte schnabelförmige
Schnauze, welche durch eine Furche von der Stirn abgegrenzt ist; zahl-
reiche (20 und mehr) kleine kegelförmige Zähne in jeder Kieferhälfte ; eine
Fig. 373. Scbtdel des Grind w als von der linken Seite, mit der grossen der Schnauz«
aufliegenden Fettmasse ; letztere in der Mittellinie durchschnitten. / weiche Fettmasse, 6 feste
bindegewebige Schicht unterhalb der durch eine dicke schwarze Linie angedeuteten Oberhaut,
n Nasenloch, l Luftsäckchen vom Nasengang ausgehend. - Nach Murie.
hohe Rückenflosse. Thiere von ca. 3 m Länge. Mehrere Arten kommen
in den europäischen Meeren vor. — Verwandt ist das Meerschwein
oder der Braun fisch (Phocaena communis), höchstens 2 m lang, mit kurzer
stumpfer Schnauze, zusammengedrückten Zähnen (ca. 25 in jeder Kiefer-
hälfte) ; häufig in den europäischen Meeren , ist z. B im Kleinen Belt bei
Gelegenheit seiner jährlichen schaarenweisen Wanderung durch den Belt
der Gegenstand einer regelmässigen Fischerei. — Der Grind wal (Globio-
cephalm melas) isi nur im vordersten Theil jedes Kiefers mit Zähnen aus-
gestattet; der Kopf ist vorne dick und abgerundet, mit ganz kurzer vor-
stehender spitzer Schnauze ; bis etwa 7 m lang. Wird bei den Färöern regel-
mässig gefangen; zufalliger Grast — wie manche andere Wale — in der
Nord- und Ostsee. Ernährt sich besonders von Tintenfischen. — Der
Butzkopf oder Schwertfisch (Orca gladiator) ist ein grösserer Zahn-
wal (bis 9 m) mit sehr hoher Rückenflosse (daher der Name Schwertfisch)
und ca. 12 kräftigen kegelförmigen Zähnen in jeder Kieferhälfte; ernährt
sich von Meerschweinen, Seehunden und Fischen ; im nördlichen Atlan-
tischen Ocean.
') Bei den Zahnwalen, nicht aber bei den Bartenwalen, finden sich sackför-
mige Ausstülpungen sowohl des kurzen unpaarigen äusseren Nasenganges wie des
oberen Theiles der paarigen Nasengänge.
2. Unterordnung. Zahnwale (Odontoceti).
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Wirbelthiere. 8. Classe: Säugethiere. 549
2. Von mehr abweichenden Zahnwalen seien angeführt: Der
Pottwal oder C a c h e 1 o t (Physder macroceplialua), ein grosser Wal mit
kolossalem, vorne gerade abgeschnittenem Kopf: an der platten Schnauzen-
partie des Schädels liegt eine ungeheure Fettmasse') (aus welcher Walrat
gewonnen wird), welche dem Kopf seine eigentümliche Form verleiht;
starke, kegelförmige Zähne im Unterkiefer, rudimentäre im Oberkiefer.
AVeit verbreitet, ist auch einige Mal in der Nordsee gefangen worden. —
Verwandt ist der Dögling (Ilyjtcroodon diodon) mit schmaler, spitzer
Schnauze, der Kopf hinter derselben stark gewölbt; fast zahnlos (nur ein
grösserer und ein kleinerer Zahn vorne in jeder Unterkieferhälfte, ausser-
dem einige rudimentäre Zähne oben und unten) ; im nördlichen Atlantischen
Ocean, z.B. ziemlich häufig an den Färöern, zufälliger Gant in der Nord«
und Ostsee. — Der Narwal (Monodon monoccros) ist dadurch ausgezeichnet,
dass das Männchen vorne im linken Oberkiefer einen sehr langen, geraden,
nach vorne gerichteten, spiralig gewundenen Stosszahn besitzt, welcher weit
aus dem Munde hervorragt ; im rechten Oberkiefer ein ähnlicher, aber weit
kleinerer Zahn, welcher im Kieferknochen versteckt bleibt; sonst zahnlos2)
(beim Weibchen sind beide Zähne in den Kiefern eingeschlossen). — Als
Beispiel der im Süsswasser lebenden Zahnwale erwähnen wir den merk-
würdigen Gangesdelphin (Platanista gongetieu), welcher lange, dünne
Kiefer mit zahlreichen spitzen Zähnen besitzt ; die Augen rudimentär, ohne
Linse ; das Skelet in mehrfacher Beziehung eigentümlich. Das Thier,
welches nur 2 — 3 m lang wird, lebt im Ganges, Indus etc. Ein paar ver-
wandte Flusswale in Südamerika.
11. Ordnung. Zahnarme (Edentata).
Die zu den Edentaten gehörenden Thierforjnen sind dadurch
ausgezeichnet, dass die Zähne, wenn solche überhaupt vorhanden
sind, stets ziemlich unvollkommen entwickelt sind, keine geschlossene
Zahnreihe bilden und stets schmelzlos sind; sie sind gewöhnlich alle
ungefähr gleich und wurzellos. Schneidezähne fehlen (nur bei
einem einzelnen Gürtelthier ist der hinterste Schneidezahn im Ober-
munde vorhanden). Ein Zahnwechsel findet in der Regel nicht statt.
Die Krallen sind gewöhnlich lang, gebogen, sehr kräftig. — Zu dieser
Ordnung gehört eine Anzahl verschiedener Formen, welche meist in
den heissen Ländern zu Hause sind.
1 . Die Faulthiere( Dradypodidne : Gatt, lirndypus etc). Der Körper ist
mit langen groben Haaren dicht bekleidet. Der Kopf ist rund, äussere
Ohren sehr klein. cylindrische Zähne. Vordergliedmaassen länger als
die Hintergliedmaassen. An jenen finden sich drei Finger (Nr. 2 — 4} oder
nur zwei (Nr. 2 — 3), an den Hintergliedmaassen stets drei Zehen (Nr. 2 — 4).
Sowohl Finger als Zehen sind bis an das Krallenglied, welches gegen die
Hand- resp. Fussfläche eingeschlagen werden kann, in eine gemeinsame
Haut eingeschlossen ; die Krallen sind ungemein lang und kräftig, sichel-
förmig. Schwanz rudimentär. Ausschliesslich kletternde Thiere , welche
sich von Blättern ernähren. Süd- und Centralamerika.
') An derselben Stelle finden sich auch bei anderen Zahnwalen eine dünnere
oder dickere Fettschicht, welche z. B. beim Grind stark entwickelt ist, und welcher
der Kopf dieses Thieres seine gewölbte Form verdankt (Fig. 373).
•) Einige wenige rudimentäre Zähne können im Oberkiefer hinter dem Stoss-
zahn vorhanden sein.
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550
Specieller Theil.
2. Die Megatherien oder Riesen faulthiere {Megntheriidae :
Gatt. Megntherium , Mylodon etc.) nehmen ungefähr eine Mittelstellung
zwischen der vorhergehenden und der folgenden Gruppe ein, indem sie in
den Verhältnissen des Kopfes und der Zähne den Faulthieren ähnlich sind,
während die Wirbelsäule, die Gliedmaassen (von welchen die hinteren un-
gefähr dieselbe Länge wie die vorderen besitzen) und der lange kräftige
Schwanz den entsprechenden Theilen der Ameisenfresser ähnlich sind. Es
waren pflanzenfressende Thiere, meistens von bedeutender Grösse (die
grössten übertreffen das Nashorn) von ausserordentlich plumpem Bau, mit
sehr massiven Knochen ; einige besassen kleine knöcherne Knoten in der
Haut. Ihre Ueberreste hat man an verschiedenen Stellen Amerikas in
quaternären Schichten gefunden.
3. Die Ameisenfresser (Mynncrophago) sind mit feineren oder
gröberen Haaren bekleidet, der Kopf ist mehr oder weniger gestreckt, zu-
weilen sehr lang, Zähne fehlen, die Alundöffnung ist sehr klein, die Zuuge
A B
Fig. 374. A lland des grossen Ameisenbären, B des Zwerg-Ameisen-
bären, s Kaviculare, / Lunatum, c Triquctnun ; p Erbsenbein; tm Multang, majus, td M. rainu .
»» Capitatum, u Hamatum. 1 — V die Zehen. — Nach Flowcr.
wurmförmig, die Unterkiefer - Speicheldrüsen von ungewöhnlicher Grösse.
Der 3. Finger ist sehr gross mit langer sichelförmiger Kralle, die anderen
Finger sind kleiner oder sogar rückgebildet; beim Gange ruht das Thier
auf dem äusseren Rand der Hand. Der Hinterfuss mit 4 — 5 ungefähr
gleichen Zehen mit kräftigen Krallen. Schwanz lang. Sie ernähren sich
von Insekten, z. B. Termiten, welche an der langen, vom Speichel klebrigen
Zunge hängen bleiben. Südamerika. Dazu der grosse Ameisenbär
(M. jubata) mit groben Haaren und buschigem Schwanz ; er lebt auf der
Erde, während die übrigen Arten überwiegend oder ausschliesslich kletternde
Thiere sind, wie das z. B. vom Zwerg-Ameisenbären (M. didadyla)
gilt ; letzterer besitzt eine kurze Schnauze, feine, weiche Behaarung, Greif-
schwanz und hat an jeder der Vordergliedmaassen nur zwei krallentragende
Finger.
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Wirbelthiere. 6. Clawe: Saugethiere.
551
1. Die Gürte lthi er e (Iktsi/j>odulae) zeichnen sich dadurch aus, dass
die Oberseite des Rumpfes mit grossen plattenförmigen Schuppen
von ähnlicher Beschaffenheit wie die der Reptilien versehen ist ; die Schuppen
oder Platten sind von einander durch weiche Furchen getrennt, während
ihre äussere Fläche stark verhornt ist ; in jeder Schuppe findet sich eine
grosse Hautverknöcherung. Diese Schuppen bilden über dem mitt-
leren Theil des Ruckens mehrere durch weiche Hautpartien getrennte
Querreihen, während sie vorne und hinten auf dem Rücken dichter an ein-
ander liegen ; die entsprechenden Hautverknöcherungen sind an den letzt-
genannten Stellen, und ebenso diejenigen jeder Querreihe, eng mit einander
verbunden, so dass wir einen grossen knöchernen Schild vorne und hinten
auf dem Rücken und eine verschiedene Anzahl (3 — 12) knöcherne Halbringe
mitten über dem Rücken erhalten. Auch an der Oberseite des Kopfes, an
den Gliedmaassen und auf dem Schwanz finden sich ähnliche Schuppen
wie auf dem Rücken ; dagegen fehlen sie auf der behaarten Bauchseite.
Die Zähne cyl indrisch, oft ziemlich zahlreich; der Kopf länglich mit wohl-
entwickelten äusseren Ohren, die Beine niedrig mit kräftigen Krallen (das
Thier tritt mit der Fusssohle auf). Es sind grabende, wesentlich insekten-
fressende Thiere, ziemlich klein oder von mittlerer Grösse ; einige können
sich zusammenrollen. Süd- und Centraiamerika. — Verwandt sind die
ausgestorbenen Glyptodonten, bei welchen alle Rückenplatten mit ein-
ander unbeweglich zu einem grossen, dicken, gewölbten Panzer verbunden
waren; es waren ungemein plumpe Thiere von ansehnlicher Grösse, bei
welchen grosse Partien der Wirbelsäule verwachsen waren. Quaternär,
Südamerika.
5. Die Erdferkel (Orycteropux) sind spärlich behaarte Thiere von
ziemlicher Grösse, mit langer Schnauze und Zunge, kleiner Mundöffnung,
grossen Ohren, kräftigem Schwanz, starken aber nicht sehr langen Krallen ;
sie besitzen Zähne. Afrika.
6. Die Schuppenthiere (Afanus) sind besonders dadurch ausge-
zeichnet, dass der grösste Theil des Körpers (mit Ausnahme, der Unterseite
des Kopfes und Rumpfes) mit grossen, stark verhornten, dachziegelförmigen
Schuppen bedeckt ist, zwischen welchen einzelne Haare stehen. Der Kopf
ist länglich, äussere Ohren fehlen, die Mundöffnung ist klein, die Zunge
lang, Zähne fehlen ; der Schwanz ist kräftig ausgebildet, Krallen lang und
sichelförmig. Insektenfresser, welche in den tropischen Theilen der alten
Welt die Ameisenfresser, an welche sie in mehrfacher Beziehung erinnern,
repräsentiren.
12. Ordnung. Nagethiere (Rodentia).
Die Ordnung der Nager ist in erster Linie durch das eigenthüm-
lich ausgebildete G e b i s s charakterisirt. Eckzähne fehlen stets ; von
Schneidezähnen findet sich im Unterkiefer jederseits nur einer,
welcher seinen Platz am vorderen Ende des Kiefers, dicht an dem
entsprechenden der anderen Kieferhälfte, hat; im Zwischenkiefer
findet sich ebenfalls meist nur ein Schneidezahn, welcher ähnlich wie
der des Unterkiefers sitzt. Die Schneidezähne sind lang, wurzellos,
ungefähr vierseitig, prismatisch, bogenförmig gekrümmt; nur an der
Vorderseite und an dem angrenzenden Theil der Seitenflächen sind
sie mit Schmelz bekleidet (welcher an der Oberfläche zuweilen roth-
braun ist), und die Folge hiervon ist, dass sie hinten stärker als vorne
abgenutzt werden, so dass das freie Ende des Zahnes wie schräg ab-
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552
Spezieller Theil.
geschnitten, meisselförmig erscheint. Die Schneidezähne des Zwischen-
kiefers sind stärker als die des Unterkiefers gebogen; sowohl oben
wie unten erstreckt sich der im Kiefer versteckte Theil derselben
weit nach hinten, im Unterkiefer sogar meist unterhalb sämmtlicher
Backenzähne hin bis in den
allerhintersten Theil des
Kiefers hinein. Bei der
H isenfamilie findet sich
im Obermunde hinter dem
grossen Schneidezahn noch
ein kleinerer; weiter ist her-
vorzuheben, da ss bei ihnen
derSchneidezahn des Unter-
kiefers sich nur bis an
das vorderste Ende der
Backenzahnreihe erstreckt
(Fig. 375 A). Zwischen
Schneide- und Backenzäh-
nen ist stets ein grosser
zahnloser Zwischenraum.
Die Form der Backen-
zähne ist bei den Nagern
eine sehr verschiedene.
Bei einigen findet man
Backenzähne mit kurzer,
verschiedene Länge des Zahnes KU höckeriger oder mit nie-
gewöhnliche Verhalten der Nager. drigen QUerkämmen ver-
sehener Krone und wohl-
entwickelten Wurzeln (Maus, Ratte): bei anderen sind zwar Wur-
zeln wie bei jenen vorhanden, die Zahnkrone ist aber länger
und sowohl von oben nach unten wie an defi Seiten gefaltet;
bei auderen sind wieder die Wurzeln ganz kurz in Vergleich
Fig. 375. Rechte Unterkieferhälfte, A des Kanin-
chens, B des A gut i, von der inneren Seite. Zahn-
höhle des Schneidezahns in ihrer ganzen Länge aufge-
meißelt, um die sehr
zeigen. C vertritt das
— Orig.
Fig. 376. Querschnitte von Backenzähnen
fläche gleich). AHase, B Biber, C Wühlmaus.
Nach Owen.
Nager (ungefähr der Kau-
c Cement, d Dentin, e Schmelz. —
mit der langen gefalteten Zahnkrone. Endlich sind bei zahlreichen
Nagern die Backenzähne wurzellos, an beiden Seiten mit tiefen
senkrecht verlaufenden Falten versehen, welche sich mehr oder
weniger tief in den Zahn hinein erstrecken und theilweise oder ganz
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere.
553
4 -
mit Cement gefüllt sind; an der Kaufläche erscheinen dann Quer-
oder Schrägstreifen von Schmelz mit Cement und Dentin dazwischen.
Seltener sind die wurzellosen Backenzähne der Nager sogar (vergl.
die Backenzähne des Elephanten) in eine Reihe senkrechter Quer-
platten mit Cement dazwischen getheilt. Diese
verschiedene Ausbildung der Zähne steht mit Zahnformeln ;
der verschiedenartigen Lebensweise in naher Hase ....
Verbindung, die kurzkronigen Backenzähne Pfeifhase,
halten nur eine verhältnissmässig geringe Ab- Eichhorn,
nutzung aus, die anderen eine grössere oder Biber ....
sehr grosse. Die Anzahl der Zähne ist Sminthus.
höchstens, hei den Hasen, $ p, $ t» ; bei an- Mus .....
deren ist die Zahl mehr oder weniger redu- Hydromys .
cirt, und zwar stets von dem vorderen Ende
der Zahnreihe aus, wie aus der nebenstehenden Liste hervorgehen
wird, bei einigen sogar so weit, dass alle Prämolaren ') fehlen ; nur bei
einer einzigen, der Mausefamilie angehörigen, Form (der australischen
Gattung Hydromys) fehlt auch ein Molar, nämlich der hinterste, w5.
Während die Gelenkfläche am Schädel für den Unterkiefer bei
den meisten Säugethieren eine quergestellte Fläche oder Grube ist,
stellt sie bei den meisten Nagethieren eine Längsfurche dar, so dass
der Unterkiefer eine bedeutende Beweglichkeit von vorn nach hinten
besitzt (beim Kauen wird der Unterkiefer vorwärts und rückwärts
gezogen; die Schmelzstreifen der Backenzähne haben die entgegen-
gesetzte Hauptrichtung, der Quere nach). — Die Füsse sind im All-
gemeinen klein, krallentragend, und das Thier tritt in der Regel mit
dem ganzen Fuss auf; der Daumen der Vorderfüsse ist meistens rudi-
mentär oder fehlt, während die anderen Finger und Zehen bei der
Mehrzahl sämmtlich vorhanden sind. — Bei mehreren Nagethieren
finden sich innere Backentaschen, Ausstülpungen der Backen, welche
mit der Mundhöhle in Verbindung stehen; bei einzelnen sind un-
gefähr an derselben Stelle äussere, mit Haaren bekleidete Hautein-
stülpuugen (äussere Backentaschen) vorhanden.9)
Die Nager bilden eine artenreiche, sehr verbreitete Gruppe von
meistenteils kleineren Säugethieren, welche fast ausschliesslich
Pflanzenfresser sind.
1. Die Hasenfamil ie (Ijcporülae). } i, b; der grosse Schneide-
zahn im Zwischenkiefer mit einer Furche; die Backenzähne wurzellos, ge-
faltet. Die Hasengattung (Lepus) mit f b, langen Ohren, sehr kurzem
Schwanz, langen Hintergliedmaassen 3) ; hierzu der Feldhase (L. etoo-
jmem)*), durch den grössten Theil Europas verbreitet, und der Schnee-
') Wie gewöhnlich fehlen auch die entsprechenden Milchzähne, und da die
Vorderzahne der Nager (abgesehen von den Hasen) keine Vorläufer haben, so fällt
bei Nagern, welche Keine Prämolaren besitzen, der Zahnwechsel gänzlich aus.
*) Bei den Säugethieren findet sich im Oberkieferknochen ein kürzerer oder
längerer Kanal, der Oberkieferkanal (Canalis infraorbitali») , durch welchen ein
grösserer Nerv (der Oberkieferast des Nervus trigetninus) verläuft; die vordere
Oeffnung des Kanals befindet sich vor der Augenhöhle und wird als Unteraugen-
höhlenloch (Foramen infraorbitale) bezeichnet. Bei den Nagern ist der Oberkiefer-
kanal ganz kurz und in der Regel sehr weit, und eine Portion des äusseren Kau-
muskels (Massettr) geht dann durch denselben hindurch.
') Die Fusssohlen sind anscheinend ganz behaart, in Wirklichkeit sind jedoch
kleine Sohlenballen vorhanden, welche aber von den Haaren der angrenzenden
Hautpartien überdeckt werden.
4) In manchen Büchern irrthümlich mit dem Namen L. timidus bezeichnet.
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Specieller Theil.
ha so (L. limidus oder lariabilis) t in den nördlichen Theilen Europas und
Asiens, in Grönland und auf den Alpen und Pyrenäen; letzterer wird in
kälteren Gegenden im Winter weiss ; ferner das kurzbeinigere , grabende
Kaninchen (/.. cuniculus), in Südeuropa einheimisch, an manchen Stellen
in Deutschland verwildert. Die Pfeifhasen (Isiyomys) mit £ b, kurzen
Ohren, kürzeren Hintergliedmaassen als die Hasen, schwanzlos; in Sibirien
und Nordamerika.
2. Die Eichhörnchen- Familie (Sciuridae). 4 bf höckerig oder
gefaltet, der vorderste Oberkieferbackenzahn sehr klein ; Daumen rudimentär ;
Schwanz behaart. Hierzu das Eichhörnchen (Sciurus inlgaris) mit
langein buschigen Schwanz, Baumthier, ebenso wie die fliegenden
Eichhörnchen (Pterotnys), welche durch den Besitz einer grossen Haut-
falte (Fallschirm) an den Seiten des Rumpfes zwischen Vorder« und Hinter-
gliedmaassen ausgezeichnet sind (eine Art, Pt. volans, in Nordrussland). Die
Murmelthiere (Arctomys) sind grabende Thiere, Winterschläfer, von
gedrungenerem Bau, mit kurzen Ohren und kurzem Schwanz; eine Art
(A. martnota) in den Alpen. Letzteren steht der Ziesel (iSpermophilimt
r'UUlus) in Osteuropa (westlich bis in Schlesien) sehr nahe. — Mit den
Eichhörnchen verwandt ist der Biber (Castor fiber), ein Thier von ziemlich
ansehnlicher Grösse mit \ gefalteten Backenzähnen, kurzen Ohren, grossem,
abgeplattetem, beschupptem Schwanz und mit einer Schwimmhaut zwischen
den Hinterzehen; schwimmt und gräbt vorzüglich; Rindenfresser. In
Deutschland nur noch an wenigen Stellen vorhanden , in Anhalt (an der
Elbe und Mulde) noch recht häufig. Eine verwandte, aber selbständige
Art (C. canadeiisis) in Nordamerika.
3. Die Schlafmäuse (Myoxidue). { h mit querverlaufenden Schmelz-
streifen; Daumen rudimentär; Schwanz lang, behaart. Erinnern äusserlich
an Eichhörnchen oder Mäuse. In Deutschland leben von dieser Gruppe
folgende: der Siebenschläfer (Myoxus glis), die grösste Art; der
Gartenschläfer^/, niiela); der seltene (mehr östliche) Baumschläfer
(3/. dryas); die kleine, mäuseähnliche Haselmaus (,V. avellanar^ius). — Mit
den Schlafmäusen verwandt ist die Streifenmaus (Sminthus betulinus oder
vayus) in Nord- und Osteuropa , eine äusserlich ganz mäuseähnliche Form
mit ^ b. Der Streifenmaus sehr nahe stehen die Springmäuse (/><)>«*•),
welche sich besonders dadurch auazeichnen, dass die Hinterfüsse stark ver-
längert sind, was besonders von den Mittelfussknochen Nr. 2 — 4 gilt,
welche zu einem einzigen Knochen verschmolzen sind (die Zehen 1 und 5
sind klein oder fehlen); die Thiere treten nur mit den Zehen 2 — 4 des
Hinterfusaes auf und springen auf diesen allein fort; der Schwanz ist
lang, mit einem Haarbüschel am Ende; Steppenthiere, Südrussland. Asien,
Afrika.
4. Die Mäusefamilie (Muridae). % b (selten £ b, vergl. S. 553) von
sehr verschiedenem Bau. Schwanz länger oder kürzer, beschuppt; Daumen
rudimentär. In der Regel Thiere von geringer Grösse.
a. Die Mäusegattung (Mus). Backenzähne höckerig, mit
kurzer Krone und mit Wurzeln. Schwanz lang, schwach behaart. Ohren
ziemlich entwickelt. In Deutschland: die Waldmaus (M. pylvaticus) , die
Brandmaus (M. ngrarUus) und die Zwergmaus (M. ininutus)\ einge-
wandert, an die Wohnungen des Menschen gebunden sind: die Hausmaus
(.1/. miwulus), die Hausratte (3i. rattus), jetzt selten, fast gänzlich von
der später eingewanderten Wanderratte (Jf. decumajuis) verdrängt. —
Mit den Mäusen verwandt ist der bunt gefärbte Hamster (Cricetus fm-
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere.
555
■ntcntariug)t mit Backentaschen ond kurzem Schwanz; etwas grösser als eine
Ratte; Mitteleuropa.
b. Die Wühlmäuse (Arinocln). Backenzähne lang, wurzellos,
mit tiefen Furchen an beiden Seiten (Kaufläche mit Schmelzschlingen);
selten finden sich kurze Wurzeln. Schwanz kürzer und mehr behaart als
bei den Mäusen. Ohren kurz. Mehr ausschliesslich Pflanzeufresser ( Wurzel-,
Rindenfresser etc.) als die echten Mäuse. Graben. Folgende Arten kommen
in Deutschland vor: die Röthelmaus (A. gbircoli), bildet den Uebergang
asti Mus (die Backenzähne mit kurzen Wurzeln, etwas längere Ohren und
längerer Schwanz als die übrigen); die Feldmäuse (A. >H?rcxtis und annli.s);
die Wasserratte (A. ampkibins)'t letztere ist von der Grösse einer Wander-
ratte, die übrigen etwa wie eine Hausmaus. Nahe verwandt ist der Lern-
niing (Afyode* Uimmna) mit sehr kurzem Schwanz und starken Vorder-
krallen; in Skandinavien, berühmt wegen seiner Wanderungen. — Eine
andere mit den Wühlmäusen verwandte Form ist die Bisam- oder Zibeth-
ratte (Fiber xiltethiruft) mit langem, zusammengedrücktem Schwanz; die
Zehen mit steifen Haaren am Rande. Pelzthier von ziemlich ansehnlicher
Grösse, im nördlichen Nordamerika, erinnert in seiner Lebensweise an
den Biber.
5. Die Stachel ratten- Gruppe (Hystricotnotp)ta) ist eine aus zahl-
reichen, äusserlich sehr verschiedenen Nagern bestehende Gruppe, welche
besonders in charakteristischen Punkten des Schädelbaues übereinstimmen1).
Backenzähne ^, gestreift, mit oder ohne Wurzeln.
a. Die Stachelschweine (Flysirmdae) sind dadurch ausge-
zeichnet, dass ein Theil der Haare zu steifen Stacheln, oft von enormer
Stärke und bedeutender Länge, entwickelt sind. Thiere von recht be-
trächtlicher Grösse. Hierzu das gemeine Stachelschwein (FJyslrix
cristata), in Südenropa; lebt auf der Erde, Schwanz kurz. In Amerika
verschiedene kletternde Formen, einige (Cercolabes) mit Greifschwanz.
b. Die Halbhufer (Suimnguhla). Krallen kurz, hufähnlich,
Beine in der Regel hoch, häufig berühren nur die Zehen die Erde. Anzahl
der Zehen an den Hinterfüssen verschieden; Vorderfüsse mit vier wohlent-
wickelten Fingern und mit Daumenwarze oder ohne solche. Schwanz klein
oder fehlt. Alle in Süd- (oder Central-)Amerika. Hierzu der Paka {Coclo-
genys pam) mit 5 Zehen, die Goldhasen oder Aguti's (Dasyprocta), das
gezähmte Meerschweinchen (Caria cobaya), das Wasserschwein
(HydrtjcJioerus rapybara), alle mit 3 Zehen; letzteres ist der grösste aller
jetzt lebenden Nager (an den südamerikanischen Flüssen).
13. Ordnung. Halbaffen (Prosimme).
Ebenso wie bei den Affen — mit welchen die Halbaffen früher
vereinigt wurden — ist der Daumen sowohl an der Hand wie am
Fuss von den anderen Fingern (Zehen) getrennt und kann diesen
gegenübergestellt werden. Gewöhnlich ist nur die Zehe Kr. 2 an
den Hinterfüssen mit einer Kralle versehen, die anderen Zehen und
Finger dagegen mit platteren Nägeln. Die Vordergliedmaassen sind
kürzer als dieHintergliedmaassen. Von Zähnen finden sich höchstens:
*> i ct 4 Pf 4 m> °ft jedoch die Anzahl eine geringere. Die
orderzähne im Obermunde sind gewöhnlich klein, und vorne in
) So ist z. B. das Unteraugenhöhlenloch von kolossaler Grösse, ebenso wie
auch der Unterkiefer eine ausgeprägt eigentümliche Form besitzt
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Speoieller Theil.
der Mitte ist in der Regel ein zahnloser Zwischenraum zwischen den-
selben vorhanden ; im Unterkiefer sind Schneide- und Eckzähne ganz
übereinstimmend, sie sind schmal und schräg nach vorne gerichtet; der
Eckzahn des Oberkiefers hat die gewöhnliche Eckzahnform ; die Prämo-
laren (alle oder nur die vorderen) sind zusammengedrückt, dreikantig
(der vorderste im Unterkiefer eckzahnähnlich), die übrigen Backenzähne
spitzhöckerig oder mit je zwei Querkämmen.
Die Halbaffen sind gewöhnlich dicht behaarte Thiere, oft mit
langem Schwanz. Das Skelet ist in manchen Punkten von dem der
Affen abweichend : es ist z. B. keine hinten geschlossene knöcherne
Augenhöhle vorhanden, die Augenhöhle steht vielmehr wie bei den
übrigen Säugethieren mit der hinter derselben liegenden Schläfengrube
in weit offener Verbindung (es ist jedoch, wie bei verschiedenen
anderen Säugethieren, ein geschlossener Knochenring um die Augen-
höhle vorhanden); die Unterkieferäste sind gewöhnlich vorne getrennt;
die Gesichtspartie des Schädels ist im Vernältniss zur hinteren, das
Gehirn umschliessenden, Partie grösser als bei den meisten Affen. —
Der Uterus ist mit zwei langen Hörnern versehen. An der Brust
findet sich ein Paar Zitzen; zuweilen ausserdem ein Paar am Bauch.
Es sind kletternde Thiere, welche sich von Früchten, Insekten,
kleinen Wirbelthieren ernähren; sie sind gewöhnlich nur Nachte in
Bewegung. Sie leben ausschliesslich in der alten Welt, eine ansehn-
liche Zahl auf Madagascar.
1. Die Maki's oder Fuchsaffen (Lemur). Schnauze spitz, fuchs-
ähnlich, Schwanz lang, $ i, { r, £ b. Madagascar. — Verwandt sind die
Lori's oder Faulaffen (Stmop.s) mit kurzer Schnauze, grossen Augen,
keinem oder kurzem Schwanz. Indien.
2. Der Koboldmaki (Tnr.mis spectrum) ist dadurch ausgezeichnet,
dass gewisse der Fusswurzelknochen (Fersenbein und Centrale) ausserordent-
lich verlängert sind bo dass der Fuss wie gestielt erscheint; breite weiche
Sohlenballen unterhalb der Zehenspitzen; 2. und 3. Zehe mit Kralle;
Schwanz lang mit einem Haarbüschel am Ende; Augen von kolossaler
Grösse. Nachtthiere, springen vorzüglich. Auf verschiedenen indischen
Inseln.
3. Der Aye-Aye (Chiromys wadagasmrienifijs) ist ein in mehreren
Beziehungen eigentümlicher Mal baffe. Vorne im Ober- wie im Untermund
findet sich auf jeder Seite ein grosser wurzelloser Zahn, welcher an die
Vorderzähne der Nager erinnert; der im Oberinunde befindliche ist ein
Schneidezahn, der des Unterkiefers scheint dem äussersten der drei bei
anderen Halbaffen nach vorne gerichteten Zähne, also dem Eckzahn, zu ent-
sprechen (demnach wird die Zahnformel lauten : ^ j ct 4 ^)- Hinter-
daumen mit Nagel, alle anderen Zehen und Finger mit Krallen ; 3. Finger
ausnehmend dünn (wird zum Hervorholen von Insekten aus Löchern und
Spalten verwendet). Madagascar.
14. Ordnung. Primaten (Primates).
Bei den Mitgliedern dieser Ordnung — den Affen und dem
Menschen — ist der Daumen sowohl an Vorder- wie an Hinter-
l) Eine solche Verlängerung der Fusswurzel steht innerhalb der Säugethiere
fast isolirt da; bei einigen verwandten Halbaffen fändet eich jedoch eine Annäherung
an dasselbe Vernältniss. (Vergl. auch die Fusswurzel der Froschlurohe.)
Wirbelthiere. 6. Clame: Saugethiere.
r>r>7
gliedmaassen von den übrigen Fingern oder Zehen getrennt und freier
beweglich als diese, denen er gewöhnlich mehr oder weniger vollkommen
gegenübergestellt werden kann, so dass die Gliedmaassen als Greif-
werkzeuge fungiren können ; besonders ist der Hinterdaumen gewöhn-
lich sehr frei und beweglich (mit Ausnahme des Menschen). In der
Regel sind alle Finger und Zehen mit ziemlich schwach gewölbten
Nägeln ausgestattet. Die Gesichtspartie ist gewöhnlich kurz und
klein in Vergleich mit derjenigen anderer Säugethiere und mit der
Schädelkapsel. Das Gesicht mehr oder weniger schwach behaart. -Die
Augen sind nach vorn gerichtet und sitzen dicht beisammen. Die
Augenhöhle ist im Gegensatz zu derjenigen aller anderer Säuge-
thiere durch eine knöcherne Querscheidewand (welche aus Theilen
des Jochbeines, des Stirnbeines und der Flügel des hinteren Keil-
beines zusammengesetzt ist) von der hinter ihr liegenden Schläfen-
grube getrennt. Die Zähne verhalten sich an Zahl und der Haupt-
sache nach auch in der Form im Ober- und im Untermunde gleich;
in jeder Kieferhälfte finden sich 2 meissel förmige Schneidezähne,
1 Eckzahn von gewöhnlicher Form, 2 oder 3 Prämolaren, und in der
Kegel 3 (selten 2) Molaren; alle Backenzähne höckerig, mit kurzen
Kronen. Es finden sich stets nur zwei, an der Brust angebrachte
Zitzen. — Von anderen Charakteren ist hervorzuheben, dass die
vorderen Zungenbeinhörner kürzer sind als die hinteren, und dass
das Zungenbein ohne direkte Verbindung mit dem Schädel ist. Der
Uterus ist einfach (ohne Hörner).
Die Primaten sind gewöhnlich Thiere, welche überwiegend zum
Leben auf den Bäumen eingerichtet sind; manche bewegen sich jedoch
auch mit Leichtigkeit auf der Erde auf allen vier Gliedmaassen , in-
dem sie mit der ganzen Hand- und Fussfläche die Erde berühren.
Nur der Mensch ist durch eine sehr starke Ausbildung der Hinter-
gliedmaassen etc. zur ausschliesslichen Bewegung auf der Erde auf
den Hintergliedmaassen allein eingerichtet. — Es sind fast aus-
schliesslich tropische Thiere, deren Hauptnahrung Früchte sind.
Abstand zwischen den äusseren
Nasenlöchern ziemlich gross. Kein
knöcherner äusserer Gehörgang.
In der Scheidewand zwischen Augen-
höhle und Schläfengrube ein kleines
Loch. % p.
Abstand zwischen den Nasen-
löchern gering. Aensserer Gehör-
gang theilweise verknöchert. Kein
Loch in der Scheidewand zwischen
Augenhöhle und Schläfengrube.
Hinterdaumen sehr
beweglich. Hinterglied-
maassen nicht, oder nicht
viel, stärker als die Vor-
derglied maassen .
Hinterdaumen wenig
beweglich. Hinterglied-
maassen ausserordent-
lich stark entwickelt.
Westaffen
Ostaffen
Menschen
1. Unterordnung. Westaffen (Ptotyrrhinae).
Aeussere Nasenlöcher durch eine breite Hautbrücke getrennt.
Drei Prämolaren oben und unten (Zahnformel in der Regel:
/, j- c, | p, m). Kein Theil des äusseren Gehörgangs verknöchert,
n der oben erwähnten Platte zwischen Augenhöhle und Schläfen-
grübe findet sich (im Hinterrande des Jochbeins) ein kleines Loch
(d. h. die Platte ist nicht ganz vollständig). Blinddarm verhältniss-
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558
Specieller Theil.
massig gross. — Backentaschen und Gesässschwielen fehlen ; Vorder-
gliedmaassen in der Regel etwas kürzer als die Hintergliedmaassen ;
der Schwanz ist wohlentwickelt, zuweilen Greifschwanz. Ausschliess-
lich in Süd- und Centraiamerika.
1. Die Rollaffen (Cebus) haben einen langen, ringsum behaarten
Schwanz, welcher wie eine Uhrfeder zusammengerollt und um Aeste ge-
wickelt werden kann. — Bei den Brüllaffen (Mycete.s) ist der sehr
kräftige Schwanz, dessen Spitze an der Unterseite nackt und empfindlich
ist, ein ausgezeichnetes Werkzeug zum Festhalten (das Thier kann z. B. am
Schwanz allein hängen), ein echter Greifschwanz; der Zungenbein-
körper ist gross und ausgehöhlt und nimmt eine Ausstülpung des Kehlkopfes
auf (brüllende Stimme). — Die Klammeraffen (Ateks), mit ähnlichem
Schwanz, sind dadurch ausgezeichnet, dass der Vorderdaumen rudimentär
ist oder fehlt.
2. Die Krallenaffen ^Hapak) haben nur auf dem Hinterdaumen
einen platten Nagel, an allen übrigen Zehen und Fingern sind die Nägel
dagegen so stark zusammengebogen, dass sie ganz krallenartig werden.
Diese kleine Gruppe ist ferner dadurch von den übrigen Westaffen zu unter-
scheiden , dass nur £ m vorhanden sind. Der Schwanz ist behaart ,
kann nicht zusammengerollt werden. Der Vorderdaumen nur wenig selb-
ständig. Die Krallenaffen stehen übrigens im Ganzen den übrigen West-
affen nahe.
2. Unterordnung. Ostaffen (Catarrhinae).
Aeussere Nasenlöcher dicht neben einander. Zwei Prämo-
laren (Zahnformel stets: \ i, \ c, % p, $ m). Innerer Theil des
äusserenGehÖrgangesin beträchtlicher Ausdehnung verknöchert.
Die Platte zwischen Augenhöhle und Schläfengrube ohne Durchboh-
rung. Blinddarm klein. — Backentaschen oft, Gesässschwielen ge-
wöhnlich vorhanden; Schwanz niemals als Greifschwanz entwickelt,
fehlt zuweilen. Ausschliesslich in der alten Welt.
1. Die Hund s äffen (Cynomorpluie). Unterhalb jedes der dicken,
verbreiteten Sitzbeinenden l>efindet sich eine unbehaarte, gefärbte Hautpartie,
eine Gesässschwiele. Nägel verhältnissmassig stark gewölbt. Schwanz
in der Regel vorhanden. Hintergliedmaassen etwas länger als die Vorder-
gliedmaassen. Backentaschen (eine Ausstülpung an jeder Seite) in der
Regel vorhanden. Aeusserer Schneidezahn des Unterkiefers schmäler als
(oder ebenso breit wie) der innere; 1. Molar des Unterkiefers mit vier
Höckern. Der Brust kästen zusammengedrückt (wie gewöhnlich bei den
Säugethieren) ; der Handgriff des Brustbeins breit, der übrige Theil sehr
schmal. Becken lang und schmal, die Symphyse (die Linie, in welcher
beide Beckenhälften unten zusammentreten) lang; die Darmbeine lang und
schmal. Das Kreuzbein besteht aus drei Wirbeln.
a. Die Meerkatzen (Crrcopitliecw). Schwanz lang, Schnauze
kurz, Backentaschen vorhanden ; mehrere Arten in Afrika. Nahe verwandt
ist der Inuus e/vtudatus mit rudimentärem , warzenförmigem Schwanz, in
Nordafrika und bei Gibraltar (der einzige europäische Affe). — Die Pav iane
(Cynocephalus) unterscheiden sich von den Meerkatzen durch ihre verhält-
nissmassig sehr gestreckte, hundeartige Schnauze; Schwanz lang oder kurz,
Backentaschen vorhanden; Asien, Afrika.
b. Die Schlankaffen (Semuopilheriis) zeichnen sich besonders
dadurch aus, dass die Backentaschen fehlen und dass der Magen in mehrere
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Wirbelthiere. 6. Claas«: Säugethiere.
f>59
Abschnitte getheilt ist (bei anderen Affen einfach). Hierzu gehört u. a.
der mit einer stark verlängerten Nase versehene Nasenaffe (S. tuuticus)
auf Borneo. — Nahe verwandt sind die Stummel äffen (Colobus), bei
denen der Vorderdaumen fehlt; Afrika.
2. Die Menschenaffen oder anthropomor phen Affen (Atithro-
ju*morj)hae). Keine oder kleine Gesässschwielen. Nägel bei den
Gibbonen gewölbt, bei anderen mehr abgeplattet. Behaarung bei den
Gibbonen reichlich, bei den übrigen an gewissen Körperstellen spärlich.
Schwanz fehlt (rudimentäre Schwanzwirbelpartie aus 4 — 5 kleinen Wirbeln
bestehend). Vordergliedraaassen länger als die Hintergliedmaassen. Keine
Backe ii taacben. Aeusserer Schneidezahn des Unterkiefers breiter als
der innere; 1. Molar des Unterkiefers mit 5 Höckern. Der Brustkasten
breiter as bei den Hundsaffen, das Brustbein breit und platt. Das Becken
bat bei den Gibbonen dieselbe Form wie bei den Hundsaffen, bei den an-
dern sind die Darmbeine breiter, die Symphyse verkürzt. Das Kreuzbein
besteht aus fünf Wirbeln.1) — Die Menschenaffen sind ausschliesslichem
Baumbewohner als die übrigen Ostaffen ; sie bewegen sich nicht auf der
Erde wie gewöhnliche Säugethiere (und wie die Ostaffen es ebenfalls thun).
sondern sie gehen auf den Hinterfüssen, indem sie sich auf die Knöchel
der Vordergliedraaassen stützen, oder sie bewegen Bich in anderer abweichender
Weise. Hierzu gehören die grössten Affen.
a. Die Gibbone (Hylolxiies) stehen den Hundsaffen am nächsten:
sie besitzen kleine Gesässschwielen, die Nägel sind stark gewölbt, und das
Becken ist lang und schmal, dem der Hundsaffen ähnlich. Es sind Thiere
mit dichter Behaarung und mit ausserordentlich verlängerten Vorderglied-
maassen ; sie können auf den Hintergliedmaassen allein gehen, indem sie die
Vordergliedmaassen schwingend bewegen. Kleiner als die folgenden. Mehrere
Arten in Asien.
b. Der Orang-Utan (Pithecus satyrus). Kopf oben fast kegel-
förmig zugespitzt, Gesichtspartie stark vortretend, Nase wie in das Gesicht
eingedrückt. Vordergliedmaassen sehr lang ; wenn das Thier sich aufrichtet,
reichen sie bis an die Knöchel. Hand und Fuss lang und schmal ; Hinter-
daumen ziemlich klein. Rothbraun. Höhe bis 1 '/>, m (das Thier in auf-
rechter Stellung gemessen). Sumatra und Borneo.
c. Der Schimpanse3) (Simin trogtodyt&t oder Troglodyte* niyer}
und der Gorilla2) (S. od. T. yoriUa) sind in den meisten Punkten überein-
stimmend. Die Stirn neigt sich nach hinten, die Nase ist zwar breit und
abgeplattet, aber doch vorstehender als beim Orang. Die Vordergliedmaassen
sind kürzer als bei diesem, die Hand und der Fuss breiter, der Hinterdaumen
gross und wohlentwickelt. Beide sind schwarz. Der Gorilla erreicht eine
Höhe von 1,7 m, der Schimpanse ist etwas kleiner. Beide in den tropischen
Theilen Westafrikas.
3. Unterordnung. Menschen (Anthropidae).
In Vergleich mit den übrigen Primaten ist es für den Menschen
besonders charakteristisch, dass die Hintergliedmaassen zu aus-
schliesslichen Geh w erk zeu gen umgebildet sind, zu Organen, welche
geeignet sind, den übrigen Körper in aufrechter Stellung ohne Bei-
') Beim Orang, Schimpanse und Gorilla finden sich unterhalb der Haut grosse
Luft sacke, welche vom Kehlkopf ausgehen und sich nach unten auf Hals und
firuBt erstrecken; sie können aufgeblasen und stark ausgedehnt werden.
*) Unter jedem dieser Namen verbergen sich vielleicht mehrere naheverwandte
Arten.
5R0
Specieller Theil.
hülfe der Vordergliedmaassen zu tragen. Die Hintergliedmaassen
sind dementsprechend ungemein kräftig, weit länger als die Vorder-
gliedmaassen und ausserordentlich musculös. Der Hinterdaumen
ist nur wenig mehr von den übrigen Zehen entfernt1) als diese von
einander, besitzt nur eine geringe selbständige Beweglichkeit und* kann
den übrigen nicht entgegengestellt werden; er ist ein wenig länger
oder von derselben Länge wie die Zehe Nr. 2, oder sehr wenig
kürzer (bei anderen Primaten weit kürzer); die anderen vier Zehen
sind kurz, der Mittelfuss lang. Das Becken ist sehr kurz und breit,
besonders sind die Darmbeine sehr kurz, breit und ausgehöhlt; die
Symphyse ist kurz. Die Vordergliedmaassen, welche sich in ihrem
Bau eng an die der Menschenaffen anschliessen, sind verhältnissmässig
schwächer als bei diesen; es sind vorzüglich ausgebildete Greifwerk-
zeuge etc., welche aber bei den gewöhnlichen Bewegungsarten ohne
Bedeutung sind. Charakteristisch ist auch die ausserordentliche Ent-
wicklung des Gehirn 8*), was für den Schädel ein im Vergleich
mit anderen Säugethieren abnormes Uebergewicht der Schädelkapsel
über die beim Menschen sehr schwach entwickelte Gesichtspartie zur
Folge hat; in seinem Bau steht das Gehirn übrigens, sogar in ganz
speciellen Verhältnissen, dem der Menschenaffen sehr nahe. Als
Eigentümlichkeiten sind ferner die sehr schwache Behaarung des
grössten Theiles des Körpers hervorzuheben, sodann die Kleinheit des
Eckzahns und, was hiermit eng zusammenhängt, der Mangel eines
grösseren Abstandes zwischen dem äusseren Schneidezahn und dem
Eckzahn des Obermundes als zwischen den übrigen Zähnen unter
einander (bei anderen Primaten greift der Eckzahn des Unterkiefers
in diese Spalte , das Diastema, hinein) ; endlich ist anzuführen , dass
der Brustkasten noch breiter und stärker abgeplattet ist als bei den
Menschenaffen.
Uebrigens stimmt der Mensch in allen Hauptpunkten seines Baues
mit den Ostaffen , besonders mit den Menschenaffen überein. Den
Ostaffen im Allgemeinen schliesst er sich in allen denjenigen
Charakteren an, durch welche letztere sich von den Westaffen unter-
scheiden: in der Stellung der Nasenlöcher, der Anzahl der Prämo-
laren (die Zahnformel des Menschen ist mit derjenigen der Ostaffen iden-
tisch), dem knöchernen äusseren Gehörgang, dem Fehlen einer Oeffnung
in der Platte zwischen Augenhöhle und Schläfengrube, dem kleinen
Blinddarm etc. Speciell mit den Menschenaffen, besonders den
grösseren (Orang, Schimpanse, Gorilla) stimmt er in Folgendem über-
ein: Gesässschwielen, Backentnschen und Schwanz fehlen; es ist die-
selbe rudimentäre (aus 4—5 Wirbeln zusammengesetzte) Schwanz-
wirbelpartie vorhanden; die Nägel sind abgeplattet; aer äussere
Schneidezahn des Unterkiefers ist breiter als der innere: der 1. Molar
im Unterkiefer mit 5 Höckern: der Brustkasten breit, das Brustbein
') Der Abstand ist jedoch deutlich grösser und die Spalte zwischen dem
Daumen und der zweiten Zehe tiefer als zwischen den übrigen Zehen, übrigens
grösser und deutlicher bei Embryonen und kleinen Kindern als bei Erwachsenen.
ä) Der Mensch hat übrigens keineswegs das grösste Gehirn im Verhältniss
zum ganzen Gewicht des Körpers; sogar innerhalb der Primaten finden wir bei
kleinen Formen ein verhältnissmassig grösseres Gehirn (bei einem Krallenaffen
betrug z. ß. das Gehirngewicht im Verhältniss zum ganzen Körper 1:20, beim
Menschen beträgt es durchschnittlich ungefähr 1 : 40). Dagegen ist das Gehirn des
Menschen weit grösser als bei irgend einem anderen Thier von ähnlicher Grösse
(das Gehirn des Gorillas beträgt im Verhältniss zum Körpergewicht 1 : 200).
Wirbelthiere. 6. Clawie: Säugethiere.
r>61
breit und abgeplattet; dem breiten Becken des Menschen nähert
sich in der Form dasjenige der grossen Menschenaffen: das Kreuz-
bein besteht sowohl beim Menschen wie bei den Menschenaffen aus
5 "Wirbeln. Die genannten Aehnlichkeiten Hessen sich noch dnrch
zahlreiche andere vermehren. Ueberhaupt steht der Mensch den
anthropomorphen Affen ausserordentlich nahe; die Unterschiede sind
fast alle solche, welche aus der Anpassung des Menschen an den
aufrechten Gang, aus der starken Entwicklung des Gehirns und aus
der grösseren Schwäche gewisser Theile der Muskulatur, z. B. der
Kiefermuskeln, abgeleitet werden können. Die innige Ueberein-
stimmung kann für eine oberflächliche Betrachtung an einzelnen
Punkten durch untergeordnete Momente verschleiert werden; so scheint
z. B. der Schädel des Gorillas — welcher von allen anthropomorphen
Affen derjenige sein dürfte, der mit dem Menschen die grösste Ueber-
einstimmung darbietet — beim ersten Anblick von demjenigen des
Menschen sehr verschieden , z. B. durch das Vorhandensein von
vorspringenden Knochenkämmen, welche am menschlichen Schädel
fehlen; die Ausbildung dieser Kämme steht aber in geradem Ver-
hültniss zu der starken Entwicklung der Kiefer- und Nackenmusku-
latur 1), und eine sorgfaltige , tiefer gehende Betrachtung ergiebt
in Wirklichkeit die innigste Uebereinstimmung in den meisten
Punkten.
Alle Menschen werden gewohnheitsmässig unter einer Art. Homo
sapiens, zusammengefasst , welche in eine Anzahl Rassen getheilt wird.
Letztere sind übrigens unter einander z. Th. ebenso verschieden wie nahe-
stehende Arten innerhalb mancher anderen Thiergruppen ; wenn sie zu
einer Art zusammengefasst werden, so geschieht das besonders wegen der
Leichtigkeit, mit der sie in der Regel Bastarde bilden (vergl. 8. 58).
Die Eintheilung der Menschen in Rassen ist übrigens in manchen Punkten
aus derselben Ursache schwierig, indem in grossem Umfange Bastardirungen
stattgefunden haben. Die nähere Darstellung der Menschenrassen ist aber
die Aufgabe einer speciellen Wissenschaft, der Völkerkunde oder Ethnologie,
auf deren Gebiet wir uns hier nicht begeben können. Hier ist nur noch
hervorzuheben, dass gewisse Menschenrassen den anthropomorphen Affen näher
stehen als andere , wenn auch die Annäherung im Ganzen nicht besonders
gross ist. Die Negerrasse ist z. B. ausgezeichnet durch breite, platte
Nase, vorspringendere (stärker entwickelte) Gesichtspartie, grosse Zähne,
schräg gestellte Schneidezähne, zurückgezogenes Kinn, schmäleren und längeren
Brustkasten, schmäleres und tieferes Becken, längere Zehen — Charaktere,
welche sämmtlich auf die anthropomorphen Affen zurückweisen.
Anhang zu den Wirbelthieren.
Mantelthiere (Tunkata).
Die Mantelthiere sind eine kleinere Abtheilung von Meeres-
thieren, welche früher allgemein den Wcichthieren zugerechnet oder
mit anderen Gruppen von wirbellosen Thieren zusammengestellt wurde ;
•) Aach anter anderen einander nahestehenden Säugrethieren können solche
Kämme bei einer Form vorhanden sein, bei einer anderen fehlen (Dachs — Marder).
Bdh, Zoologi*. 36
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562
Specieller Theil.
erst in neuerer Zeit ist man sich darüber klar geworden, dass sie am
nächsten mit den Wirbel thieren verwandt sind, wie dies besonders
aus der Entwicklungsgeschichte mit aller Klarheit hervorgeht. Be-
sonders hat es sich ergeben, dass sie — wenigstens in der Jugend —
mit den Wirbelthieren in dem Besitz einer Chorda und in der
Lagerung des centralen Nervensystems übereinstimmen, also in
Charakteren fundamentalster Natur. Wenn wir sie aber trotzdem
nicht einfach dem Wirbelthier-Typus einverleiben, sondern als An-
hang zu den Wirbelthieren behandeln, so geschieht das, weil die
Hauptmasse der Mantelthiere sich derartig eigentümlich entwickelt
hat, dass die Wirbelthier-Charaktere bei den Erwachsenen gänz-
lich verwischt sind und ein ganz fremdes Gepräge denselben auf-
gedrückt ist , weshalb es bequemer erscheint, sie gesondert zu be-
handeln.
Es kann hier noch hervorgehoben werden, dass die Mantelthiere ebenso
wenig wie die echten Wirbelthiere nähere Beziehungen zu irgend einer Ab-
theilung wirbelloser Thiere darbieten.
Eine Einsicht in den Bau dieser Gruppe werden wir am besten
erreichen, wenn wir verschiedene der zu derselben gehörigen kleineren
Abtheilungen jede für sich betrachten. Von allgemeinen Charakteren
können jedoch folgende hervorgehoben werden: Das Skelet ist
höchstens durch die Chorda repräsentirt, das Nervensystem ist
schwach entwickelt, ebenso die Sinnesorgane. Die Mantelthiere
sind Zwitter; Eierstöcke und Hoden setzen sich direkt in die Aus-
führungsgänge fort. Bei manchen findet eine Fortpflanzung durch
Sprossung statt.
Den einfachsten und am leichtesten verständlichen Bau besitzen
die Appendieularieu , wasserhelle, im Meere umherschwimmende
Thiercnen, welche mit kleinen Froschlarven eine gewisse Aehnlichkeit
Fig. 877. A Schema einer Appen dicularie, von der Seite gesehen, gerade gestreckt.
B Do. einer A Bei dien- Larve, u After, c/i Chorda, g Kiemenhohlc, m Mund, tt Gehirn,
«' Nervenstrang, / Darm. — Orig.
darbieten. Der Körper zerfällt in einen rundlichen Rumpf und
einen abgeplatteten Schwanz, welcher gegen die Unterseite des
Rumpfes zurückgeschlagen ist. Die Wand der geräumigen Mundhöhle
ist an jeder Seite von einer bewimperten Oeffnung, der Kieme n-
öffnung, durchbrochen, welche an der Oberfläche mündet; dir
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Wirbelthiere. Anhang: Mantelthiere.
563
übrige Darmkanal ist kurz, der After befindet sich auf der Unterseite
des Körpers. Die Chorda ist nur im Schwanz vorhanden, hier aber
ansehnlich entwickelt. Das Central nervensystem ist durch einen
Strang repräsentirt , welcher oberhalb der Mundhöhle zu eiuem
grösseren Knoten (dem Gehirn) angeschwollen und auch in seinem
weiteren Verlaufe mit kleineren Anschwellungen versehen ist; er setzt
sich durch den Schwanz an der linken Seite der Chorda fort, in-
dem der plattgedrückte Schwanz eigentlich als ein seitlich zusammen-
gedrückter Schwanz aufzufassen ist, welcher an der Basis 90° um
seine Axe gedreht ist. Das einfache Herz liegt unterhalb des
Darmkanals. Eine Hörblase ist vorhanden, dagegen fehlen
Augen.
Einen scheinbar ganz anderen Bau be-
sitzen die einfachen (d. h. nicht-colonie-
bildenden) Ascidlen (Gatt. Ascidia u. a.). Es
sind tonnenförmige, rundliche oder anders ge-
staltete, häufig gallertige Thiere, welche stets
mit dem einen Ende oder der einen Seite des
Körpers festsitzen. An dem freien Ende be-
merkt man zwei Oeffnungen; davon führt die
eine, die Mundöffnung, in eine ausserordent-
lich geräumige , auch als K i e m e n s a c k be-
zeichnete Mundhöhle, deren Wand von zahl-
reichen bewimperten Oeffnungen durchbrochen
ist ; diese führen nicht direct nach der Körper-
oberfiäche, sondern in einen grossen, den Kiemen-
sack umgebebenden Hohlraum, den Peribran-
chialraum, welcher durch die zweite der
Oeffnungen am Ende des Thieres, die K 1 o a k e n-
öffnung, mit der Aussenwelt in Verbindung
steht. Längs der Bauchseite ist der Kiemen-
sack in einem Längsstreifen mit der Aussen-
wand des Peribranchialraumes verwachsen, und
hier findet sich im Kiemensack eine Längsfurche,
die Bauchfurche oder derEndostyl, mit
grossen, schleimabsondernden Zellen und Wim-
perzellen ; längs der entgegengesetzten Seite ver-
läuft eine oft mit mehreren Zipfeln versehene
Rücken leiste, welche vorne mit dem Eiulostyl
durch einen Wimperbogen auf jeder Seite des
Kiemensackes verbunden ist. Die Mundhöhle
geht hinten in den ziemlich kurzen Darmka-
nal über, welcher schlingenförmig gebogen ist
und in den Peribranchialraum ausmündet. Das
Herz liegt unterhalb des Darmkanals; merk-
würdigerweise strömt das Blut abwechselnd in
einer und in der umgekehrten Richtung durch
dasselbe. Die Blutkörperchen sind alle amöboid, farblos. Das Central-
nervensystem ist auf einen Nervenknoten reducirt, welcher seinen
Platz zwischen der Mund- und der Kloakenöffnung hat. Die Ge-
schlechtsorgane (ein Eierstock und ein Hoden) münden in der
Nähe des Afters in den Peribranchialraum. Der Körper ist äusserlich
3tf*
Fig. 877. Schematischer
Längsschnitt einer A s c i d i e ;
der Schnitt ist nicht ganz
median, sondern etwas seit-
lich, a After, cl Kloaken-
Öffnung, g Kiemensack, g
Oeffnungen in der Wand des-
selben, m Mund, « Nerven-
knoten, p Peribranchialhöhle,
t Darm. B Bauch-, ÄRücken-
— Orig.
564
Specieller Theil.
mit einer dicken gallertigen oder lederartigen Schicht (dem „M a n t e ltt),
einem Product der Oberhaut, bekleidet.
Der Unterschied zwischen den Appendicularien und den erwach-
senen Ascidien ist somit sehr gross. Betrachtet man aber die Larven
der Ascidien und vorgleicht dieselben mit den Appendicularien,
dann wird das Verhältniss ein anderes; man findet dann eine nahe
* Uebereinstimmung in fast allen Punkten. Die Ascidien-Larven sind
in noch höherem Grade als die Appendicularien froschl arvenähnlich ;
sie haben einen rundlichen Rumpf und einen langen zusammenge-
drückten Schwanz mit einer Chorda, welche sich auch ein wenig in
den Rumpf hinein erstreckt; oberhalb der Chorda liegt das Centrai-
nervensystem, welches sich nach hinten durch den ganzen Schwanz
erstreckt und vorne eine Anschwellung (das Gehirn) besitzt; mit der
Anschwellung ist ein Auge und ein als Gehörwerkzeug angesehenes
Organ verbunden , beide liegen merkwürdigerweise in der Höhlung
des Gehirns und sind besonders entwickelte Theile der Wandung des-
selben ; ein Peribranchialraum ist noch nicht vorhanden, dagegen finden
sich zwei einfache Kiemenöffnungen, welche von der Mund-
höhle nach der Oberfläche gehen. Wie man hieraus ersieht, besteht
eine sehr grosse Uebereinstimmung zwischen dieser Larvenform und
den Appendicularien ; bald setzt sich aber die Larve fest, der Schwanz
schwindet und mit ihr die Chorda, die Sinnesorgane bilden sich
zurück, etc., und die Larve nimmt allmählich die sehr abweichende
Gestalt der erwachsenen Ascidie an.
Es ist leicht zu erkennen, wie genau der Bauplan dieser Larvenform
an den der Wirbelthiere sich an sch liegst (gegenseitige Lage des Nerven-
systems, der Chorda und des Barmkanals) ; der Anschluss ist noch leichter
als für die erwachsenen Appendicularien zu erkennen, deren Schwanzdrehung
etc. die Uebereinstimmung etwas verschleiert. Es ist noch hervorzuheben,
dasa die Chorda sich ganz in derselben Weise wie bei den echten Wirbel-
thieren bildet.
Einige Ascidien bilden C o 1 o n i e n , indem sie fadenförmige Aus-
läufer treiben, aus welchen neue Individuen emporwachsen: sociale
Ascidien; die Individuen sind im Uebrigen von einander fast un-
abhängig. Bei anderen coloniebildenden Formen, den zusammen-
gesetzten Ascidien (Ascidine compottitae), ist die Verbindung der
Individuen inniger ; die Colonien bilden hier weiche schwammähnliche,
festsitzende Massen, in denen die Individuen gewöhnlich in (oft stern-
förmigen) Gruppen geordnet sind; die Individuen jeder Gruppe haben
eine gemeinsame Kloakenöffnung, jedes Individuum hat aber seine
eigene Mundöffnung. — Hieran scbliessen sich auch die pelagischen.
freischwimmenden, leuchtenden Feuerwalzen {Pyrosoma). Die
Pyrosoma - Colonien haben die Form eines an einem Ende offenen,
an dem andern Ende geschlossenen, dickwandigen Rohres, dessen
Wand von den kleinen, dicht neben einander sitzenden Thieren ge-
bildet wird; letztere haben die Mundöffnung an der Oberfläche des
Rohres, die Kloakenöffnung an ihrem entgegengesetzten Ende, an
der inneren Seite des Rohres ; das Wasser, welches durch den Mund
aufgenommen wird, gelangt somit in den Hohlraum des Rohres hinein
und für alle Individuen gesammelt durch das offene Ende desselben
hinaus ; durch das ausströmende Wasser wird die Colonie mit dem ge-
schlossenen Ende voran fortgetrieben.
Eine merkwürdige Modifikation des Ascidien-Typus stellen die
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Wirbelthiere. Anhang: Mantelthicro.
565
ebenfalls frei schwimmenden Salpen (Salpa) dar. Auch hei ihnen
sitzen Mund- und Kloakenöffnung fast an entgegengesetzten Enden des
Körpers. Der Kiemensack ist aber hier stark rückgebildet, indem
seine seitlichen Theile fehlen, so dass — ausser dem festgewachsenen
Bauchstreifen mit dem Endostyl — nur seine Rückenpartie als ein
in der vereinigten Kiemen- und Peribranchialhöhle ausgespannter
Balken übrig bleibt. Die Eingeweidemasse ist im Verhältniss zum
ganzen Thier von unbedeutendem Umfang, die genannte Höhle füllt
weitaus den grössten Theil des Thieres aus (auch bei den meisten
anderen Mantelthieren nimmt übrigens die Kiemenhöhle den grösseren
Theil des Körpers ein). In der durchsichtigen Wand des Thieres
sieht man schöne ringförmige Muskelbänder, durch deren Contractionen
das Wasser durch den Körner getrieben wird; sie entsprechen einer
zusammenhängenden Muskelschicht, welche bei den Ascidien in der
Leibeswand vorhanden ist. — Die Salpen sind aber nicht allein durch
ihren Bau merkwürdig, sondern auch dadurch, dass sie ein Beispiel
eines regelmässigen Generationswechsels darbieten. Man findet
von Salpen theils solitäre, ungeschlechtliche Individuen,
theils kettenförmige Colonien, welche aus einer grösseren oder
kleineren Anzahl von ziemlich locker verbundenen geschlecht-
lichen Individuen zusammengesetzt sind. Die erstgenannten erzeugen
die Ketten durch Sprossung; die Kette bleibt, bis sie eine gewisse
Entwicklung erreicht hat, in einer Höhlung in der Körperwand der
solitiire n Salpe liegen, reisst dann los und schwimmt selbständig um-
her. Die solitären und die Ketten-Inviduen sind mehr oder weniger
von einander verschieden. Die Individuen der Salpenketten sind
ferner dadurch merkwürdig, dass sie zuerst Eier erzeugen, welche
durch Samen von einer anderen Salpenkette befruchtet werden, während
sie später selbst Samen produciren ; jedes Individuum erzeugt ge-
wöhnlich nur ein einziges Ei, welches seine Entwicklung im mütter-
lichen Körper durchläuft.
Von den oben genannten Formen sind verschiedene Arten von ein-
fachen Ascidien in der Nordsee (und anderen europäischen Meeren)
allgemein verbreitet; sie sitzen auf Tang, an Steinen, Pfählen etc. fest.
Auch von zusammengesetzten Ascidien und von Appendiou-
larien kommen in den nördlichen Meeren Arten vor. Pyrosomen und
Salpen sind dagegen mehr pelagische Thiere , welche in den grossen
"Weltmeeren so wie auch schon im Mittelmeer leben. — Alle Mantelthiere
ernähren sich von mikroskopischen Organismen, welche mit dem Wasser
in die Kiemenhöhle hineingelangen.
Register.
(Sachregister de» Allgemeinen, Namenregister des Specicllon Theils.)
Aal, -familie ....
Aalmutter
Aasgeier
Aaskäfer
Abramis
Abstammungslehre .
Acalephae
Acanthia
Acanthias ...
Acanthocephali . . .
Acarina
Accipenser . . . .
Accipitre*
Acephala
Acerina
Achtarmige Korallen-
thiere
Acridium
Actinien
Adler
Aega ......
Aeluroidea . . . .
Aeolidien
Aeolis
Aesculapnatter . . .
Aethiopucbe Region .
After
Afterscorpione . . .
Afterspinnen ....
Agonus
Agrion
Agrotis
Aguti's
Ahiuda, -idoe . . .
Albatross
Alca, -idae ....
Alcedo, -inidae . . .
Aloippe . . . . .
Alcyonella ....
Alcyoniutn ....
Alk, -enfamilie . . .
Alligator
Alpenlerche ....
Seit« |
404 , Alpensalarounder
407 Alpensegler
481 Altinarcs .
278 Alytes . .
404 Amblystoina
61 Ameisen
121 Ameisenbär
272 Ameisenbeutler
399 I Ameisenfresser
171 Ameisenigel .
800 Ameisenlöwen
401 Amia . .
480 Ammern .
328 Ammocoetes
405 Ammodytes
! Ammoniten
109 i Amoeba
Amöbe . .
Ampel is
2H4
114
480
224
Aiunhibia
Auiphilina
539 | Amphioxus
320 I Ampbipnous
320 1 Amphipoda,
442 Amphisbaena
77 Ampbiuma
23 Amsel . .
299 Anabas . .
299 Analogie
406 I Anarrhiehas
Anas . .
Anatinae .
Anchitberium
Anchovis .
Anelasma .
291
555
484
475
476 ! Anguilla
485
215
190
Anguillulii
Anguillulinen
Anguis . .
HO Annelida .
476 , Anobium .
445 i Anodontn .
484 Anoplotherien
en
Seite
, 421 Anser, -i
485 Antedon
478 , Anthozoa .
424 Anthropidae
. 422 | Anthropomorphac
, 285 Anthus . .
550 ; Antilopen .
, 520 Antilopinac
. 550 ! Antimeren
518 i Annra . .
274 Anus . .
. 401 , Aphaniptera
483 Aphidae .
398 Aphis . .
405 Aphodius .
338 Aphrodite .
94 Aphrophora
3, 94 Apbysostomi, -en
482 Apiariae
4')8 Apis . .
157 • Aplacentale Sauge
369' tbiere .
391 1 Aplysia
226 ! Aporrbais .
441 1 Appendicularien
422 ! Apseudes .
482 ; Apteryx .
405 , Aptychus .
62 Apus . .
407 j Aquila, -idae
477 Arachnida
477 Araneina .
527 Arcbaeopteryx
403 Architeuthus
215 Arctoidea .
404 Arctomys .
171 Ardea . .
170 Arenicola .
440 Argali . .
173 i Argonauta .
282 ' Argyroneta
331 Armadillidiuui
529:
478
138
107
559
559
42
423
33
294
2«9
270
280
181
269
404
287
517
390
319
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225
478
339
203
480
295
299
471
554
478
181
407
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Regster.
Seite
Helte
Armfussler
190
Baumleguanc . . .
440
Art ......
66
ßdelloatoma ....
398
Artemia ....
202
Becherzellen ....
8
Arterielles Blut . .
29
Befruchtung ....
87
Arterien ....
26
Bekkasaine ....
479
Arthrogastra . .
298
Belemnitca . . 334, 339
Arthropod» . . . ,
192
Beliiuirus
207
Artiodaetvla .
527
Hol fifinn
445
Arvicola
555
Rplonp
404
Ascalabotae .
441
Bergfink
483
Ascaris
167
Bertrhiinflini?
Bernhardinerkrebs
483
Ascidia, -en . . . .
563
236
Ascidiae comnositac .
564
Berod
I»Pt t W Jl 11/ P
124
Asellus
224
272
Asnidiütus
272
Hpiitplilachsp
521
Astacus
234
Hpntpl m:ir<l*>r
520
Asterida
136
Beutel ritt ton -( Brunne
520
Asteroiden, -den
138
Beutelthiere
519
Astenosoina , .
145
Beutelwolf
520
Astronhyton .
Astur, -idae . . . .
141
Bezoarziei/e .
532
480
Biber
554
Astavismus .
40
Bienen
287
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558
Ripnpnfrr>H*ii*r
485
Athene ......
481
Hu'Ii t'TlI.'ins
j_* n ii ittUki n • • •
294
Athmungsorgane
27
RiessfliPppn
293
Aucbenia
531
Bilateral
42
Auerhahn
474
RintleiTP webe
9
Auerochs
533
Bio lotr io
62
Aiigenblase .
\ ulastornum .
21
Hirkpu7oisi
483
186
Hmamoi'lme
532
Aurclni • * • * •
123
XJ 10 i\ Uli II HL « . *
555
Auster
330
Himimrim**K»r
522
Austern tisc her
479
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401
Australische Reeion .
77
Bison • .
533
Australischer Bar .
521
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319
Ares
450
Bitterling
404
Axencvlinder .
12
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X t IditLUU U 11 1 1 V II • • »
119
Axolotl . •
422
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543
Ave-Ave . . .
556
Blase nsch necke
320
Bachmücken
292
Kl;mtOT)hii(rM
XJ IrtoLV L/itllLlca • ♦ * •
25H
Bacbstelzen . , . .
482
Blaatuia
45 i
Bacillus
265
Blatta . ....
2H4
Badeschwamm . .
126
BlattfüBaler ....
202
Bär
Barenfaniilie . . . .
539
Bhitt burnkafer .
279
539
Blattkater ....
281 1
Bärenkrebse . . . .
235
Bliittkrebse
X J 1 II Iii. IV 1 V ^'iS V • • • •
235
303
Blattlaii«l()\veii
275
Haianus, -idae . .
216
Ml;it tlauip .
Ulli t lllWUBV • * • * •
269 !
Balaeoa
548
Rliltt WPHDPIl
284
Balaenidae . . . .
547
Blauhai
399
Balaenuptera, -idae .
547
Blaukehlchcn . . .
482
Balantidium . . .
99
Blaumeise ....
482
Balkensehroter .
280
Blaurake
485
Bandwürmer . .
155
Blauwal
547
Bankiva-liubn .
474
Blindschleiche . . .
440
Barbe
404
Blut
Blutgefäss, -körperchen
26
Burbus
404
25
Baribal
639
Bluthanfling ....
483
Barramunda . . . .
402
Boa
442
Barschfamilie . .
406
Bockkäfer
281
Barten wale . . . .
647
Bodo
100
Basoromatophora . .
32*2
Bobrassel
224
Bastard
58
Bohrmuschel ....
331
Bauchseite . . . .
43
Bohrachwamra , . .
126
Baumläufer . . . .
484
Bombinator ....
424
Bombus .
Borabyx, -cidae
Bonellia .
Bopyrus, -en
Boreua . .
Borkenkäfer
Borate . .
Borstenwürmer
Boa . .
Botaurus
Bothriocephalus
Bovinae
Brachiella
Bracbiopoda,
Brachvogel
Brachyura
Bradypus, -odidae
Branchiobdell
Branchipua
Brandmaus
Brassen
Braula . .
Braunfisch .
Bremen
Bremsen .
Brevirostres
Brillenschlange
Brissopsis .
Brüllafl'eu .
Brutpflege .
Bryozoa,
Bubalus
Bubo . .
Buccinum .
Bucerotidae
Buchdrucker
Buchfink .
Buckelwal
Bücherläuse
Bücherscorpione
Büffel . .
Bullälo . .
Bufo . . .
Bulla . .
Buntspechte
Buprestes, -idae
Bussarde
Buteo .
Butirinus
Butzkopf
Cachelot
Caligus .
Camelopardalia
Camelua, -idae
Campodea .
Camptonotua
Cancer .
Cania, -idae
Capella
Capillaren
Capra
Caprella .
Caprimulgus
Carabua, -idae
568
Register.
Helte
Carcbarias .... 399
Carcinus 237
Carinaria 319
Carnivora 536
Caryophyllaeus ... 157
Castor 554
Casuarius 473
Cataphracti .... 406
Catarrhinae .... 558
Cathartes 481
Catophragmus . . . 213
Cavia 555
Cavicornia .... 532
Cebus 558
Cecidomyia .... 292
Centrales Nervensystem 16
Cephalopoda. ... 332
Cepon 225
Cerambyx, -cidae . . 281
Ceratodus 402
Cercolabes .... 565
Cercomonas .... 100
Cercopithecus ... 558
Certhia 484
Cervus, -idac ... 531
Cestoda 155
Cestus 124
Cetacea 544
Cetonia ..... 279
Cbrysomelidae . . . 281
Chaetopoda .... 176
Cbamaeleo .... 440
ChamäLeonen . . . 440
Charadrius, -idae . . 479
Cbelifer 299
Cbeloniae 444
Cbermes 271
Chilognatba .... 240
Cbilopoda 239
Cbimaera 400
Chimären 400
Chiromys 556
Cbiroptera .... 523
Chiton 309
Chitonen 308
Choeropsis .... 529
Cboeropus 521
Chondracanthus . . . 211
Chondrostei .... 400
Cbrysis 285
Chrysopa 276
Chrysochloris . . . 522
Cicada 269
Cicadellidae .... 269
Cicaden 269
Cicindela 277
Ciconia 478
Cidaris 145
CUiata 97
Ciroex 272
Cinclus 482
Circus 480
Cirripedia 212
Cladobates .... 522
Cladocera 203
Clamatores
Classe . .
Cleodora
Clepsine
Clione . .
Clupea, -idac
Clypeaster
Clypeaatriden
Cobitis . .
Coccidae .
Coccidium
Coccinellidne
Coccus . .
Cochenillelaus
Coecilia
Coelenterata
Cölenteraten
Coelogenys
Coenurus .
Coleoptera
Collocallia
Colobus . .
Colouie
Coluber
Colubrina
Colubrina venenosu
Columba,
Columba - V .
Colymbus .
Comatula .
Conger . .
Comrostres
Conoteuthis
Copepoda, -cn
Copns . .
Coprophaga
Coracias
! Corallium .
I Coregonus
Corium . .
Coronella .
Coronula .
Corviformes
; Corvus, -idae
Cossus . .
Cottus . .
Coturnix .
Crabronidae
Crangon .
Crax, -cidae
Crevette
Crex . .
Cricetus
Crinoidea .
Cristastella
Crocidura .
Crocodilia .
Crocodilus
Crossopus .
Crotalus, -idae
Crustacea
Cryptobranchus
Crypturidae
Ctenophora
Cuculus, -idae
Seite t
484 i Cucamaria
60 1 Culex . . .
321 i Cumacea, -een
186 Curcalio, -nidae
321 , Cuticula . .
403 : Cyamus . .
145 Cyanea . . .
145 Cyclops . . .
404 | Cyclopterus .
271 Cyclostoma .
101 1 Cyclostomi .
282 Cydippe . .
272 , Cygnus . . .
272 Cymothoa . .
425 Cynailurus . .
103 Cynipidae . .
103 Cynocephalus
555 Cynoidea . .
158 Cynomorphac
276 Cypraea . .
485 Cyprinus, -iiiidae
559 Cypris .
33 Cypselus,
442 Cysticercus .
442 Cystopbora .
443 Dachs . . .
485 | Uactylopterus
293 Daman . . .
476 Damhirsch
138 • Daphniden .
404 Darm . . ,
483 * Darmkanal
334 Darmrespiration
208 Darwinismus
280 1 Dasypodidae .
280 | Dasyprocta .
486 Dasyurus, -idae
111 1 Dattelmuschel
403 | Decapoda (Krebse)
13 Decapoda (Tinten
442 ! fische)
216 Delanii
483 j Delphine . .
483 Delphinus . .
290 Demodex . .
406 Dendropbyllia
474 Dentalium
285 Dermanyssus
233 Dermestea, -idae
474 Desman . .
238 Desmodua . .
479 Dexiobranchaea
664 Diastylis . .
135 Dibranchiata .
189 Dicotyles . .
522
444
446
522
443
197
422 Dinoceras
472
123
486
Didelphyidae
Didunculus
Didus . . .
Difflugia . .
Dimorphismus
Dinictis . .
Dinornis . .
Diuosauria, -er
147
292
222
281
8
228
123
210
407
319
124
478
224
541
284
558
539
558
312
403
485
158
540
406
523
531
203
23
22
27
61
561
331
339
49
548
548
302
113
309
301
279
524
321
339
529
520
485
486
93
67
541
535
473
449
Digitized by Google
569
51
440
440
170
280
331
473
Diodon 407
Diomcdea 475
Diplopoda 240
Diplozoon 152
Dipnoi 402
Diprotodontia . . . 521 |
Diptera 292
Dipus 544
Discophura .... 184 j
Distal 43 ,
Distomeau .... 153 1
Distomum . . . 153, 155
Dochmius . . . . Iö7
Dögliog 549'
Dohle 484
Dompfaff 483
Donacia 281
Donnerkeile .... 339
Dörens 280
Doriden 320
Doris 320
Dornhai 399
Dorsch 405
Dotterhaut, -kurticheu 36
Dottersack ....
Drachen
Draco
Dracunculus ....
Drahtwürmer . . .
Dreiasena
Dromaeas, -idae . .
Dromedar 531
I »roiite 48ü
Drossel 482
Drosselvögel .... 482
Drüsen 9
Dscbiggetai .... 526
Dünnscnnäblige Wat-
vögel 479
Dugong 536
Dunkelfauna .... 65
Dvtiscus 277
Echeneis 407
Echidna 518
Echinococcus . . . 158
Echinodermata . . . 128
Ecbiuoidea .... 141
Echinometra .... 145
Echinorhyncbus . . . 172
Echinus 145
Ecbsenvögel .... 471
Edeladler 480
Edelhirsch .... 531
Edelkoralle .... 111
Edelmarder .... 540
Edentata 549
Egel 184
Ei 34, 35
Eichelheber .... 484
Eichhörnchen . . . 554
Eidechsen .... 440
Eiderente 477
Eierlegend .... 51
Eierstock 84
Eihaut 36
Eileiter . . .
Einsiedlerkrebse
Eintagsfliegen
Eisbar . .
Eishai . .
Eissturmvögel
Eisvögel
Ektoderm .
Ektoparasiten
Elaps . .
Elastisches Gewebe
Elater, -idae
Elenthier .
Elephanten
Elephas .
Elpidia . .
Elster . .
Elysia . .
Emberiza .
Embryo
Embryologie
Emu's . .
Erays, -ydae
Enchelyophis
Enddarm .
Endoparasiten
Engraulis .
Enbydra .
Enten, -vögel
Entenro uschein
Entoderm .
Entomostraca*
Entomostraken
40,
Entonisken . .
Entwicklungsgeschichte
Epeira ....
Ephemera . . .
Epbialtes . . .
Epibolische Gastrula
Epicrium . . .
Epidermis . . .
Epithelien . .
Euuus, -idae . .
Erblichkeit . .
Erdferkel . . .
Erdkröte . . .
Erdleguane . .
Erlenzeisig . .
Erinaceus . . .
Erwachsen . .
Esel
Estheria . . .
Esox, -cidae . .
Eulen (Vögel) .
Eulen (Insekten)
Euglypha . . .
Eulenpapageien
Eupbausia . . .
Euphauaiacea . .
Euplectella . .
Eupteropoda . .
Eurypterus . .
Euspongia . .
Eustrongylus . .
. 35
. 235!
. 2671
. 539 j
. 399
. 475
. 485
45, 50.
. 68
. 443
9
. 280
. 531,
. 533,
. 533
. 147
. 484
. 320
. 483
. 52
. 44
. 473
. 444
. 405
. 23
. 68
. 403
. 540
. 477
. 215
45, 60
. 202
. 202
. 225
. 225
44
300
267
481
46
425
12
6
526
60
Excretionsorgano
Exocoetus . . .
Fadenwürmer .
Falco, -nie!
Falken
Faltenwespen
Familie . . .
Fangheuschrecken
Fasan, -familie .
551
424
440
483
522
73
626
203
403
481
291 '
98 '
486
221,
2201
126
321!
2071
126
167
Fasangruppe . .
Faulaflen . . .
Faulthierc . .
Federkoralle . .
Feldhase . . .
Feldheuschrecken
Feldlerche . .
Feldmäuse . .
Feldsperling . .
FeldBpitzmaus
Felis, -idae . .
Felsentaube . .
Festsitzende Thiere
Fettzellen, -gewebe
Feuermolch
Feuerwalzen
Fiber . -.
Fierasfer .
Filaria . .
Filzlaus
Finken . .
Finnwal .
Fische . .
Fischegel .
Fischotter .
Fischreiher
Fischsaurier
Flagellaten
Flamingos
Fledermäuse
Fleisch fliege
Fliegende Eichhörn
chen ....
Fliegende Fische
Fliegender Hund
Fliegenschnäpper
Flöhe ....
Flohkrebse . .
Flossenfüssler (Sch
cken)
Flossenfüssler (Rob-
ben) . .
Flugbeutler
Flugeidechsen
Flughabn .
Flugsaurier
Flunder .
Fluasadler .
Flussbarsch
Flusskrebs
Flussmuscbeln .
Fluss perlmuschel
Flusspferd . . .
Flussschildkröten
Fötus ....
Forelle ....
Seit«
31
404
170
480
480
286
59
265
474
474
55«
549
III
553
264
484
555
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485
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10
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555
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478
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478
523
554
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440
406
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480
405
234
331
331
529
444
62
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570
Register.
Forficula . .
Koronen . .
Formicariae .
Fortpflanzung
Fossilien .
Fregattvogel
Frettcheo .
Fringilla .
FrÖHchc
Froschlurcho
Frucht . .
Fuchs . .
Fuchsafl'en
Fulica . .
Fuligulinae
Fulnmrus .
Furchung, -shöhle
Furchenwale
Gadidae .
Gadus . .
Ganse . .
Galeopithecus
Gallertgewebe
Galliuula . .
Gallmilben .
Gallmücken .
Gallwespen .
Gallus . . .
Gatnasus . .
Gammarus
Gangesdelphin
Ganglien . .
Ganglienzellen
Ganoidei . .
Ganoiden . .
Garneelen . .
Garrulus . .
Gartenammer
Gartenschläfer
Gartenschnecken
Gasterosteus, idae
Gastropoda . .
Gastrula . . .
Gastrus. . . .
Gattung . . .
Gaviale ....
Gebärmutter . .
Geburt ....
Geburtshelferkröte
Geckonen . .
Gefasssystem .
Gehörorgane, -blasen
Geier . .
Geiervogel
Geisselzellen
Gemse . .
Generationswechsel
Geocores .
Geographiscbe Ver-
breitung
Geologische Entwick-
lung . .
Geometridae
Geoplana .
Geotrupes .
Seit«
965
285
32
80
476
540
488
424
423
52
539
556
479
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44
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405
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9
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292
284
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11
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400,
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483
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322
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46
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59
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52!
424
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476
7
532
38
272
77
79
291
151
280
19,
Gepard . . .
Gephvrea, -een .
Geradflügler . .
Geruchsorgane .
Geschlechtsdrüsen
Geschlechtsorgane
Geschmacksorgane
-knospen
Gespenstheuschrecken
Gewebe . .
Gibbone . .
Giftnattern
Gimpel . . .
Girafle . . .
Girlitz . . .
Glasflügler .
Glaskörper
Glasschwämmc
Glattbutt . . .
Glattwalc . . .
Glaucidium . .
Glctschergast .
Glieder . . .
Gliederfüssler .
Gliederkorallo .
Gliederspinnen .
Gliederwürmer .
Gliedinaassen
Globigerina . .
Globiocephalus .
Glockenthienjhen
Glomeris . . .
Glyptodonten .
Gnathobdellidae
Gobio ....
Gobius ....
Goldammer . .
Goldfisch . . .
Goldhähnchen .
Goldhasen . .
Goldmaulwürfe .
Goldregenpfeifer
Goldwespen . .
Gorgonia . . .
Grabwespen . .
Graculus . . .
Grallatores . .
Granat ....
Grasmücken . .
Grasfrösche . .
Grauammer . .
Graugans . . .
Gregarinen, -inida
Grindwal . . .
Grislibar . . .
Grönlandswal
Groppe . . .
Grossfledermäuse
Grossfusshühner
Grossschmetterlinge
Grossschnäblige Wat-
vögel . . .
Grubenottern
Gründling . .
Grünfink . .
Seit«
541
183
263
17
35
35
17
265
6
559
443
483
531
483
290
20, 22
126
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111
298
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185
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407
483
403
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555
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479
285
HO
2&5
476
478
233
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424
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548
539
548
406
474
290
478
443
404
483
Grünspecht
Grus, -idae
Gryllidae .
Gryllotalpa
Gryllus . .
Gürtel tbi er e
Guinea-Wurm
Gulo. . . .
Gymnophiona
Gymnothorax
Gymnotus .
Gypogeranus
Gyrinus
Gypaetus .
Haar . .
Haarbalgtnilbc
HaarquaTle
Haarsterne
Habichte .
Haematopus
Hämoglobin
Ilaemopis .
Hänflinge .
Häutung .
Haftkiefer .
Haidelerche
Haie . .
Hakengimpel
Halbaffen .
Halbbären .
Halbhufer .
Haliactus .
Halichoerus
Halicore
Haliterium
Halmaturus
Halohates .
Hammerhaie
Hamster .
Hapale . .
Harn . .
Harnorgane
Haselhuhn
Haselmaus
Hasengattung
Haubenlerche
Hausbiene .
Hausen . .
Hausente .
Hausgans .
Haushuhn .
Haushund .
Hauskatze
Hausmaus
Hausratte .
Hausrind .
Hausschaf
Hausschwalbe
Hausschwein
Haussperling
Hausspinne
Hausspitzmaus
Hausziege .
Haut . .
Hautbreme
S«lt*
486
479
264
264
-familie
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Register.
571
Hautflügler . . .
liautmuskelachlauch
Hautrespiration
Hautskelet
Hecht, -familie
Hectocotylua .
idae
Heilbutt
Heliozoa
Heliz .
Uemeroharpages
Hemiptera . .
Hering, -sfamilie
Hermaphroditen
Hermelin . .
Herodii . . .
Herpes tes . .
Ilerpyllobius .
Herz, -kämm er
Herzigel . .
Hesperornis .
Heterodera .
Heterogoni© .
Heteropoda .
Heteroptera .
Heuschrecken
Heuschreckenkrebse
Hexamita . .
Hexactinellidae
Hinterkiemer
Hipparion . .
Hippobosca, -idae
Hippocampus
Hippoglosua .
Hippopotamus,
Hirsche . .
Hirschkäfer .
Hirtenvogel .
Hirudo . . .
Hirundo . .
Hirscheber
Hoden . . .
Höckerschwan
Huhlenbär . .
Hörsteinchen .
Hohlhörner .
Hohltaube. .
Hokkos
Holocepbala .
Holostei . -
Holuthuria .
Holuthurioidea
Holzbohrer .
Holzwespen .
Homarus . .
Homo . . .
Homologie .
Homoptera
Honigbiene .
Hornfisch . .
Hornkoralle .
Hühnerhabicht
Hühnervögel .
Hufeisennasen
Hufthiere . .
Helte
282
14
27
14
403
337
479
405
96
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319 j
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100:
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561
62
269
287
404
110
480
473
524
en
Hummeln . .
Hummer . .
Hundefamilie
Hundsaffen .
Hundshai . .
Hyaena, -idae
Hyänen . .
Hybrid . . .
Hydra . . .
Hydrachna .
Hydrochoerus
Hydrocorea .
Hydromcdusae,
Hydrometra .
Hydrophis . .
Hydrozoa . .
Hyla. . . .
Hylesinus . .
Hylobntes . .
Hymenoptera
Hyperia, -inen
Hyperoodon .
Hypoderma .
Hypsiprymnus
Hyrax . . .
Hystricomorpha
Hystrix, -cidae
Jagdfalk . .
Jaguar • • •
Ibis ....
Ichneumonidae
Ichthyornia
Ichthyosauria
Icticyon . .
Idothea. . .
Igel ....
Igelfische . .
Iguanidae . .
Iguanodon .
Iltis ....
Impennes . .
Indische Region
Infusionstierchen
Infusoria . .
Inger . . .
Insecta . . .
Insectivora
Insekten . .
Insektenfresser
I ntercellularsubstanz
Inuus . . .
Johanniswürmchen
Isis ....
Isopoda, -en .
Jugendstadium
Julus . . .
Junges . . .
Ixodes . . .
Iynx ....
Kabeljau . .
Käfer . . .
Käfermilbe .
Känguru's, -Gruppe
Käsefliege . .
Käsemilbe . .
Seit«
287
234
539
558
399
540
540
58
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655
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77
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9
280
III
73
241
52
301
486
405
276
301
521
293
301
Kaguang . . .
Kaimane . . .
Kaiseradler . .
Kakadu's . . .
Kakerlaken . .
Kalkröhrenwürmer
Kalmar ....
Kameel. . . .
Kampfläufer . .
Kanarienvogel .
Kaninchen. . .
Karausche . . .
Karpfen, -familie
Kasuare, -familie
Katzenfamilie
Kaulbarsch . .
Kaumagen . . .
Kegelschnäbler .
Keimblatt . . .
Keimbläschen
Keimfleck . . .
Kermea-Schildlaus
Kern ....
Kernbei&ser . .
Kernkörperchen
Kiebitz ....
Kieferegel . . .
Kiefernspinner .
Kielfüssler. . .
Kiemen ....
Kiemenmolche .
Kiwi's ....
Klaff muschel . .
Klammeraffen .
Klappenasseln .
K la p persch langen
Klappmütze . .
Kleioer ....
Kleiderlaus . .
Kleidermotte . .
Kleinfledermäuse
Kleinschmetterlinge
Kletter beutler
Kletterfische . .
Klettervögel . .
Kliesche . . .
Klippschliefer
Kloakenthiere
Klumpfische . .
Knäckente . •
Knoblauchskröte
Knochenfische
Knochenganoiden
Knochengewebe .
I Knochenhecht .
Knorpelegel . .
Knorpelganoiden
Knorpelgewebe .
Knospung . . .
Knurrhahn . .
Koala ....
I Koboldmaki . .
| Köcherfliegen
1 Königsfischer . .
Hcill
623
445
480
486
264
182
339
531
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403
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3, 5
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3, 5
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319
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403
401
10
401
186
400
9
32
406
521
556
275
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572
Register.
Konigsgeier .
Kofterfiscbe
Kohlmeise . .
Kohlraupen .
Kohlweißlinge
Kolibri'» . .
Kondor . . .
Kopf. . . .
Kopflau« . .
Korallenottcrn
Korallenriffe .
Korallenthiere
Kormoran . .
Krabben
Krätzmilbeu .
Krallenaffen .
Kraniche . .
Kratzer . . .
Krebsspinnen .
Krebsthiere
Kreis . . .
Kreislauf . .
Kre is tu undschnecke
Kreuzchnäbel
Kreuzkröte
Kreuzotter .
Kreuzspinne .
Krickente .
Kriebelmücken
K riech thiere .
Kröten . . .
Krötenfrösche
Krokodile . .
Kropfstörche .
Kuguar . . .
Kukuke. . .
Kukuksbienen
Kulan . . .
Kusu'* . . .
Kurzflügler
Kurzschnablige
vögel . . .
Ij»brus . . .
Labyrinthodonten
Lacerta . . .
Lachs, -familie
Lachtaube. .
Lack-Schildlaus
Lagopus
Läuse
Lagomys . .
Lama's . . .
Lamellicornia
Lamellirostres
Lampreten
Lampyris
Wat-
481
407
482
291
291
485
481
43
973
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113
107
476
236
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568
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197
60
25
319
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300
477!
293
42H
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278
479 I
405
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403
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474
481
273
554
531
279
477
398
280
Lanzettfische.
Lappentaucher
Lappenquallen
Larus . . .
Larve . . .
Larvenorgane
Laubfrösche .
Laubbenschrecken
Laubaangcr .
Laufkäfer . .
Laufmilben
Lausfliegen
Lautorgane .
Lebendiggebärend
Lebensdauer .
Leber . . .
Leberegel . .
Lecanium . .
Lederhaut . .
Lederkoralle .
Leguane . .
Leibeshuble .
Leisten molch.
Lemming . .
Lemur . . .
Leopard . .
Lepadidae. .
Landsalamander
Landschildkröten
Landthiere . .
l^andwanzen ....
Langohrige Fledermaus
Langusten
Lantus, -adae . . .
421
444
62
272
524
235
482
L ,
Lepidoptera ,
Lepidosiren
Lepidosteus .
Lepisma . ,
Leporidae . .
Leptocardü ,
Leptoptilus
Lepus . . ,
Lerchen . .
Lerchenfalk .
Lernaea . ,
Lestris . . .
Leuchtkäfer .
Leuchtorganc
Leuchtkrebse
Leuciscus . .
Leucocbloridium
Libellen
Libellula .
Libcllulidae
Ligula . .
Limacina .
Limapontia
Limnadia .
Limnaeus .
Limnoria .
Limosa . .
Limulus
Linens . .
Lingula. .
Linse . .
Lippenbar .
Lippfische .
Lithodotnus
Lithothrya
Littorina .
Locusta
Seit* '
. 869 Löffelente.
. 476 Löflelreiher
. 121 Löfielstöre
. 475 Löfielstorcb
52 Löwe . .
53 Loligo . .
424 Ijongipennes (Möwen)
. 264 Longipennes (Schwal-
. 482 ben)
. 277 I^ophius
. 301 I Lophogastriden . . .
. 294 Loricana
31 Lori's (Papageien). .
51, 55 Lori's (Halbaffen) . .
. 75 Lota
24 Lozia
. 158 ! Lucanus
. 272 j Luchs
13 i Lucioperca ....
110 Lumbricus
440 Lummen
40 . Lump ......
. 421 Lund
. 656 . Lungen
. 656 Lnngcnfische ....
. 541 Lungenschnecken . .
. 216 Lurche
. 215 1 Luscinia
. 288 Lutra
403 Lymphgefässsystem .
. 401 Lynx
. 268 Lytta
. 653 Nachaerodus . . .
. 369 Machete«
. 478 Macrolepidoptera . .
553 Macroscelides . . .
484 Macropodidae . . .
. 480 Madreporaria . . .
. 212 Männchen
. 475 Mausegattung, -familie
. 280 Magen
31 Magenbremen . . .
. 220 Maifisch
. 404 Maikäfer
. 154 Maki's ......
266 Makrel, -enfamilie . .
. 267 Makrelenhechte
266 Malacodermata
158 Malacostraca .
. 321 Malakostraken
320 j Mala pterurus
203 Mallopbaga
. 322 Mammalia .
. 224 Mammuth .
. 479 1 Manati . .
205 Manatus .
. 162jManis . .
. 191 Mantelthiere
19, 20 Mantia . .
. 539 Marabu'« .
. 405 Maränen .
. 331 Marder . .
215 Marderfamilic
. 319 Margaritana .
. 264 Manenkäferchen
8«lte
477
471»
401
479
540
339
475
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28
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34
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216
216
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551
561
265
478
403
540
.539
331
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Register.
573
Markscheide .
Marsupialia .
Mastodon . .
Mauereidechse
Mauerläufer .
Mauersegler .
Maulwürfe
Medina-Wurm
Medusenköpfe
Meeraal . .
Meerengel
Meeresthiere .
Meergrundeln
Meerkatzen .
Meerschwein .
Meerschweinchen
Meerzähne
Megachiroptera
Megapodius .
Megaptera ,
Megatherium,
Mehlkäfer . .
Mehlmilbe
Meisen . . .
Meleagrina .
Meleagris . .
Meies . . .
Meloe . . .
Melolontha .
Melonhagus .
Membranipora
Menobranchus
Menopoma .
Menschen . .
Menschenaffen
Mcphitis . .
Mergus, -inae
Mertnis . . .
Merops .
Mesoderm . .
Metamer . .
Metamorphose
Metazoen . .
Microchiroptera
Microlepidoptera
ida
Miescher'scber Schlauch 102
Miesmuschel
Mikropyle . .
Milan . . .
Milben . . .
Millepora, -en
Milvus . . .
Missbildungen
Mistkäfer . .
Mitteldarm
Mittelschnepfe
Moa -Vogel .
Möwen, -gruppe
Mola . .
Mollusca .
Monadinen
Mondfische
Monodon ,
Seit« :
19 I
519
535
440;
484
485
522
170
141
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399
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558
548
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474
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5501
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482
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474
540 )
281 ,
279
294
190
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422
559
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477 i
170 j
485
50
42,
52
5, 89
524
289
Monstrositäten
Moorschnepfe
Moosthierchen
Mormon
Morosaurus
Morphologie
Moschus
Moschusochse
Moschusthier
Mosquitos .
Motacilla .
Motten . .
Mücken. .
Muflon . .
Mund
Munddarm, -höhle
Muräne . .
Muraenidae
Muridae . .
Murmelthiere
Mus . . .
Musca . .
Muschelkrebse
Muscheln .
Muscicapidae
Muscidae .
Muskelgewebe
Muskelsystem
Muskelzellen,
Mustela . .
330
86
481
300
118
481
66
280
23
479
473
476
407
305
100
407
549
517
Älyfi . ■ • •
Mycetes . .
Mygale . . .
Myiodon . .
Myodes . . .
Myogale . .
Myopsidae
Myoxus, -idae
Myriopoda
Myrmecobius .
Myrmekophilen
Myrmeleon .
Myrmica . .
Mysidacea . .
Mysiden . .
Mysis . . .
Mystacoceti .
Mytilus . . .
Myxine . . .
Xabelschweine
Nacht-Eulen .
Nachtigall . .
Nachtreiher .
Nachtschwalbe
Nagekäfer
Nagethiere .
Nahrangsdotter
Naja ....
Nais, -iden .
Nandus . .
Napfschnecken
Narwal . . .
Nasenaffe . .
Nasenbären .
56
479
187
476
449
62
532
532
532
293
482
290
292
532
23
23
404
404
554
554
554
293
207
323
482
293
10
14
11
540
539
331
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300
550
565
522
335
554
238
520
286
274
lon
zellen
19,
221
221
222
547
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529
481
482
478
486
282
551
48
443
183
473
812, 319
549
559
Nasenbreme .
Nashörner . .
Nashornkäfer
Nashornvögel
Nasua . . .
Natantia . .
Natatores . .
Natterf glatte
Natürliche Auswahl
Nautilus
Nearktische Reg
Nebalia . . .
Nebelkrähe
Necroharpages
Necrophorus .
Nemathelminthes
Nematoden
Nemertinen
Nemocera .
Neophron .
Neotropische Region
Nepa . . .
Nereis, -iden .
Nerophis . .
Nerven . . .
Nervenfasern .
Nervengewebe,
Nervensystem
Nesselfalter .
Netzflügler .
Netzhaut . .
Netzknorpel .
Neunaugen .
Neurilemma •
Neuroptera .
Nieren . . .
Nilpferd . .
Nipbargus . .
Noctuidae . .
Nörz ....
Nogagus . .
Nonne . . .
Non-Ruminantia
Nordkaper .
Notonecta . .
Nucifraga . .
Nudibranchiata
Numenius . .
Numida . .
Nyctale . . .
Nyctea . . .
Nyctharpages
Nycticorax
Nymphon . .
Oberhaut . .
Octactinia . .
Octopoda . .
Octopua . .
Odinshennen .
Odobaenus
Odontoceti
Odontornithes
Oegopsidae .
Oelkäfer . .
Oestridae . .
475
442
61
333, 338
77
219
483
481
279
165
166
160
481
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181
408
15
12
U
15
291
273
20, 21
9
Seit«
294
525
279
485
539
12
273
32
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227
291
540
211
29t)
528
548
273
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320
479
474
481
481
481
478
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12
109
480
543
548
472
335
281
Digitized by Google
574
Register.
iata
Oeatrua . .
Ohrenqualle
Ohrrobben .
Ohrwürmer
Oligochaeta
Olm . . .
Ommatostrephes
Oniacua .
Ontogenie
Ophidia
Ophidiidae
Ophiura
Ophiurida .
Opiathobraneh
Orang-Utan
Orca . . .
Ordnung .
Orgelkoralle
Oriolua . .
Ornithorbynchus
Orthagoriacus
Orthoceraa
Orthoptera
Orycteropua
Oryctea . .
Oscinea . .
Oatafl'en
Oatgeter
Oatracion .
Oatracoda .
Oatrea . .
Otarüdae .
Otis, -ididae
Otocoria .
Otocyon .
Otolithen .
Ottern . .
Otua . . .
Ovarium
Ovibo8 . .
Ovipar . .
Ovipare Saugeth
Ovis . .
Oxyuris
Paarzeher
Pachytylua
Pagurua
Paka . .
Paläarktiache
Palaemon . .
Paläontologie
Palaeothenum
Palinurua . .
Paludina . .
Pandion . .
Panorpa . .
Panther . .
Panzerwanzen
Papageien
Papageifiache
Papageitaucher
Papihonidae .
Paradieavögel
Paradiseidae .
lere
Kegion
44
441
405
141
140
320
559
548
60
110
483
518
407
333
263
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18
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77
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81
525
235
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275 '
541
406
404
486
405
476
291
484
484
Seite l Seite |
294 Paramaecium ... 99
123 Paraaiten 68
543 Parmacella .... 322
265 Parthenogeneaia . . 38
182 Partielle Furchung 48, 49 1
422 Parua, -idae .... 482
334 Pastor 483
Patella .... 312, 319
Paviane 558
Pavo, -nidae
Pecten .
I Pediculati .
Pediculua, -idae
1 Vitachenwurm
Pekari'a . .
Pelagiache Fauna
i Pelargi . . .
Pelecanua . .
Pelikane . .
Pelikanafuaa .
Pelobatea, -idae
j Peltogaater .
Pelzfresser
! Pelzmotte . .
Pemphigua .
j Penaeua . .
Penella . . .
Penia . .
j Pennatula . .
Pentacrinua .
Pentastomen .
Pentaatomum
Perameles . .
Perca, -idae .
Perdix, -cidae
Perennibranchiata
Peripatua
i Peripherisches Nerven
ayatem . .
Periplaneta .
Periaaodactyla
Perlenaugen .
Perlhuhn . .
Perlmuachel .
Peropoda . .
Petaurua . .
Petermim neben
Petromyzon .
Pfahlwunn
Pfau, -familie
Pfefferfresser
Pfeifhasen
Pferde, -familie
Pferdeegel
Pflasterkäfer
Pfriemenachwanz
Phacochoerua
Phalangiidae .
Phalangista, -idae
Phalaropua .
Pharaosratte .
Phaacolarctoa
Phaacolomya .
Phaaianua,
407
273
168 |
529,
66
478
476
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319 j
424
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268
290
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233 !
211
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281 !
167:
529!
299 |
521
480
540
521
521
474
474
Pbaamidae
Phoca, -idae .
Phocaena . .
Phoenicopterus
Pholaa . . .
Phrvganea .
Phthiriua . .
Pbyllium . .
Phyllopoda
Phylloaoma .
Phylloxera .
Physalia . .
Phyaiologie .
Physophoi-a .
Phyaoatomi,
Phytoptua
Pica ....
Pioua, -idae
Pieper . . .
Pieria . . ,
Pigment . .
Pigmentzellen
Pitldium . ,
Pinguine . .
Pinicola . .
-en
idae
483
371
186
Pinnipedia
Piophila
Pipa. . .
Pirol . .
Piacea . .
Piacicola
Pithecua
Piacentale iSäugethiere 617
Placophora
Planaria . .
Planorbis . .
Platalea . .
Plataniata
Plathelminthes
Plattfiache .
Plattwiirmer .
Platyrrhinae .
Plecotus . .
Plectognathi .
Pleaioaauria
Pleuronectes, -
Plictolophinae
Podiceps . .
Podura . . .
Polarfuchs
Polarwal . .
Polyactinia
Polychaeta .
Polydeamua .
Polymorphiamua
Polynoe, -idae
Polyprotodontia
Polypterua
Polystomeae .
Poly8tomum .
Pompilidae .
Pontobdella .
Porcua . . .
265
543
548
478
331
275
273
265
2< »2
235
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62
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302
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401
162
152
286
186
124
101
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Register.
575
Porpita . .
Portunion . .
Porzellanschnecken
Pottwal . .
Prachtkäfer .
Primaten, -es
Pristis . . .
Proboscidea .
Procellaria
Procyon, -idae
Proechidna .
lmiae . .
Prosobranchicr
Protele» . .
Proteus . .
Protoplasma .
Protopterus .
Protozoen . .
Proximal . .
Pseudis . . .
Pseudopodien
Pseudoscorpionidae
Psittacidae, -inae
Paocus ....
Psolus ....
Psyche ....
Pterodactylus
Pteromys . . .
Pteropoda . .
Pteropus
Pterota . . .
Pulex ....
Pulmonata . .
Puma ....
Pycnogonum, -idae
Pygopodes . .
Pyrosoma . . .
Python ....
Quallenpolypen
Quappe
Querder
Querder
Rabe, -nfamilie
Rabengeier . .
Rabenkrähe . ■
Rabenvögel . .
Radiär ....
Radiolaria, -en .
Räderthiere . .
Raja
Rajida ....
Rainey'scher Schlauch
Rallus, -idae . .
Rana ....
RankenfUssler .
Rapaces . . .
Rasores . . .
Rasse ....
Ratitae . . .
Raubmöven . .
Raubthiere . .
Raubvögel . .
Rauchschwalbe .
Raupenfliegen .
Rebhuhn, -familie
121
226
312
549
280
566
400
533
475
639
518
555
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422
3
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89, 91
43
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3
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67
472
475
536
480
484
293
474
Reblaus
Receptaculum seminis
Recurvirostra
Regeneraüon
Regenpfeifer
Regenwürmer
Kegulus .
Reh . . .
Reiher . .
Renken
Rentbier .
Reptantia .
Reptilia .
Respiration«
Retina . .
Rhamphastiüae
Rhamphorhynchus
Rhainphostoma
Rhea . . .
Rhinoceros
Rhinolophus .
Rhipidigorgia
Rhizocephala
Rhizocrinus .
Rhizopoda, -en
Rhodeus . .
Rhombus . .
Rhynchobdellidae
Rhynchocoela
Rhynchota
Rhytina . .
Riesenalk . .
Riesenfaulthiere
Riesenhai .
Riesenhirsch
Riesensalamander
Riesenschlangen
Riesentintennsche
Rinder . .
Ringdrossel
Ringelechsen
Ringelnatter
Ringelrobbe
Ringeltaube
Rippenquallen
Robben
Rochen
Rochenegel
Rodentia .
Röthelroaus
Rohrammer
Rohrdommel
Rohrkäfer .
Rohrrüssler
Rohrsänger
Rolladen .
Rosenkäfer
Rosskäfer .
Rotalia
Rotatoria .
Rothkehlchen
Rothschwänze
Ruderfüssler .
Ruderschneckeu
Rudimentäre Organe
Seit«
270
35
480
33
479
182
482
531
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482
476
41
Rückenseite . .
Rückenschwimmer
Rüsselegel
Rüsselkäfer .
Rundmäuler .
Rundwürmer
Ruminantia .
Ruticilla . .
Saateule . .
Saatkrähe
Saccobranchus
Sacculina . .
Sackträger .
Säbelkatzen .
Säbelschnäbler
Sägefische
Sager . . .
Sänger . . .
Säugethiere .
Saibling . .
Saisondimorphisinus
Salamandra .
Salangane
Salmo, -nidae
Salpa, -en
Samen, -leiter, -tast
Sam enkörperchen
St. Petersvogel
Sandaale . .
Sandfloh . .
Sandgarneele
Sandkäfer . .
Sandviper . .
Sandwurm
Saproharpages
Sarcocystis
Sarcodina . .
Sarcophaga .
Sarcopsyfla .
Sarcoptes, -idae
Sarcorhamphus
Sardelle . .
Sardine . .
Sarkolemma .
Saugnapf . .
Saugwürmer .
Saumquallen
Sauria, -er
Saururae . .
Saxicola . .
Scalpellum .
Scansores '. .
Scaphopoda .
Scarabaeidae
Scarus . . .
Schaben . .
Schafe . . .
Schaflaus . .
Schakal . .
Scharbe . .
Schaumzirpe .
Scheerenasseln
Schellfisch .
Schiflshalter . .
8»ito
43
273
186
281
398
165
629
482
291
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216
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477
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39
421
485
403
5ü5
35
34, 36
475
405
295
233
277
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102
92
293
295
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403
11
13
151
115
440
471
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215
486
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264
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294
539
476
269
225
405
404
407
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576
Register.
Schildigel .
Schildkröten
Schildlaufe
Schimpanse
Schlaf . .
Schlafmäuse
Schla m mach necke n
Schlangen ....
Schlangensaurier
Schlangensterne
Schlankaffen . . .
Schlankjungfern
Schleichenlurche .
Schleichkatzen . .
Schleiereule . . .
Schleihe ....
Schleimfische (Blenni
idae)
Schleimfische (Mjxine)
Scbleimgewebe .
Schleimthi erchen
Schlupfwespen .
Schmarotzer . .
Schmarotzerbienen
Schmeissfiiege .
Schmerlen . .
Schmetterlinge .
Schnabelkerfe .
Schnabelthier
Schnaken . . .
Schnecken . .
Schneeammer .
Schneeeule . .
Schneehase . .
Schneehühner
Schnellkäfer . .
Schnepfen . . .
Scholle ....
Schreiadler . .
Schreivögel . .
Schuppenflosser .
Schuppenthiere .
Schwämme . .
Schwäne . . .
Schwärmer . .
Schwalben . .
Schwanensaurier
Schwann'sche Scheide
Schwanz ....
Schwanzlurche . .
Schwanzmeise . .
Schwarzdrossel . .
Schwarzspecht . .
Schweine , - Familie
-Gruppe ....
Schwertfisch (FiBch)
Schwertfisch (Wal)
Schwertschwänze
Schwimmkäfer .
Schwimmpolypen
Schwimmvögel
Schwirrvögel .
Scincoidei . .
Sciurus, -i
Scolopax
Seite I
146 Scolopender . .
443 Scomber, -idae .
271 Scomberesocidae
559 Scorpione . . .
74 Scorpionidae . .
554 Scorpionafliegen
322 Scorpionwanzen
441 Scyllarus . .
446 Scyllium . .
140 Scymnus . .
568 Secretär . .
267 Secundäre Geschlechts
425 Charaktere .
640 Seeadler . .
481 See-Anemonen
404 See-Elephant
i Seehase . .
407 i Seehase . .
398 Seehunde . .
9 Seeigel . . .
92 Seekühe . .
285 Seelilien . .
68 Seelöwen . .
288 Seemaus . .
293 i Seenadeln, -iämilie
404 ; Seeotter . .
288 Seepalmen
269 Seepferdchen
518 Seepocken . .
292 1 Seeraupen . .
309 See- Rosen .
483 ; Seeschildkröten
481 Seeschlangen
553 SeeschwalDen
474 Seescorpion .
280 Seesterne . .
479 Seesticbling .
405 Seetaucher
480 Seeteufel . .
484 Seewalzen . .
406 Seewolf . .
561 Seezunge . .
124 Segler . . .
478 Segment . .
407
548
205
277
Sehnen
Sehorgane
Seidenschwanz
Seidenspinner
Selache . . .
Selachier . .
Selachii . .
291
484
446
12
43
421
482
482
486 Semnopithecus
Senile Periode
Sepia
Serpula
Sesia
Siebenschläfer
Silpha . .
1 19 I Silpbidae .
475 1 Silurua, -idae
485 Simia
440
554
479
Simulia
Singdrossel
Singschwan
480
37
480
114
Seit« i
239 Singvögel . .
407 Singzirpen
404 Sinnesorgane
298 Siphonophora
298 Siredon . ,
275 Siren . . .
273 Sirenia . . .
236 Sirex . . .
399 Sitta . . .
Sittacinae . ,
Sittiche . .
Skelet . .
Skinke . .
Sminthus . .
Sociale Ascidien
644 I Solea . -
407 Somateria
320 Sonnen tl.ierchen
643 ] Sorex, icidae
141 Spanische Fliege
535 Spanner
135 Spatangus, -iden
543 i Spatularia
181 i Spechte
408 I Species
640 ! Speckkäfer
138 Speicl
408 Speiseröhre .
216 ' Sperber . .
181 Sperbereule
114 ■■ Sperlingseule
444 j Spermatozoon
443 ! Spermophilus
475 | Sphingidae
406 ! Sphyrna . .
Spinachia . .
Spinnen . .
Spinnentbiere
Spinner . .
Spirula . .
Spirulirostra .
Spitzhörnchen
Spitzmäuse
Spongiae . .
15 j Spongilla . .
18 Springmäuse
Sprossung
Sprott
Spulwürmer
Squalida
Squami
Squatina
Squilla
Staar
182 Stachelhäuter
290 Stachelratten • Gruppe
554 Stachelschweine
279 | Staphylinua, -idae
278 Stechmücken .
404 Steganopodes
669 Stegocenhalen
293 Steinadler .
482 Steinbock . .
478 Steinbutt . .
138
406
476
407
146
407
405
485
42
290
399
398
or»ö
61
558
73
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Register.
577
Steinkauz . .
Steinkorallen
Steinmarder .
Steinpicker .
Steinschmätzer
Steinwälzer .
Steissfusse
Steissfussler .
Steisshühner .
Steller'sche Seekuh
Stenops . ,
Steppenhnhn
Sterlet . . .
Sterna . . .
Stern würraer
Stichlinge, -fai. ilie
Stieglitz . . .
Stimmbänder
Stinkthiere . .
Stock ....
Stockente . . .
Storche . . .
Store ....
Stomatopoda . .
Strahlen . . .
Strandkrabbe
Strandläufer . .
Strandschnecken
Strauss, -familie
Straussenvögel .
Streifenmaus . .
Strepsilas . . .
Strepsiptera . .
Striges diurnae .
Striges nocturnae
Stringops . . .
Strix
Strongylideu . .
Strongvlus . .
Strudelwürmer .
Struthio, -nidae.
Stubenfliege . .
Stützgewebe . .
Stummelaffen
Sturmschwalbe .
Sturmvögel . .
Sturnus ....
Stylommatophora
Stylonychia . .
Stylops ....
Subcutanes
gewebe . .
Subungulata .
SüBswasserpolyp
S üas w assersch wa mm
Süsswasserthier .
Suidae ....
Sula
Sumpfhühner
Sumpfrohreule .
Sum pfschildkröten
Sumpfschnecke .
Surma ....
Sus
Sylvia, -adae. .
Boai, Zoologie.
167
Seite
481
114
540
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47»
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479
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444
319
481
482
Sympathisches N
System .
Synapta .
Syncoryne .
Syngnathus, -idae
Syrnium .
Syrrbaptes
System . .
Tabanidae
Tachina .
Tachypetes
Taenia . .
Tag-Eulen .
Tagfalter .
Tagruubvögel
Tafegalla's
Talpa . .
Tanai's, -iden
Tannenheher
Tapes . .
Tapire . .
Tapirus. .
Tardigrada
Tarsipea .
Tarsius . .
Taschenkrebs
Tastorgane, -zellen
Tauben . .
Tauchenten
Taumelkäfer
Tausendfüssler
Tegenaria .
Teichhuhn .
Teichmuscheln
Teleosaurus
Teleostei .
Telephorus
Tellerschnecken
Tenebrio .
Tenthredi nidae
Terebratula
Teredo . .
Termes . .
Termiten .
Testudinata
Testudo, -inidae
Tetrabranchiata
Tetrao . . .
Tetraonomorphae
Tetrastee .
Theilung .
Thunfisch .
Thurmfalk
Thylacinus
Thynnus .
Thysanopus
Thysanura
Tichodroraa
Tiefseefauna
Tiger . .
Tigerkatzen
Tinamu's .
Tinea . .
Tinea, -idae
Tintenfische
Seite |
Tintinnus
Seit«
99
74
279
476
15 Tipula
147 Tod
116 Todtengräber . .
408 Tölpel
481 Tomicus, -icidae
474 Torpedo 400
60 Tortrix, -cidae . . . 290
293 Totanus 479
298 1 Toxopneustes . . . 145
476 | Tracheen 28
158 Trachinus 406
481 Tragulidae, -en . . . 532
291 Trappen 479
480 Trematoden .... 161
474 Trichechus .... 543
522 1 Trichina, -e . . . . 1»*
225 Tricbocepbalus . . . 168
268
486
406
443
207
484 Trichodectes .
324 Trichogloßsinae .
525 Trigla ....
525 Trigonocephalus
303 Trilobita, -en
621 Tringa 479
556 Trionyx 444
287 Tristomum .... 152
16 Triton 421
485 | Trochilidae ....
477 Troctes
278 ; Troglodytes (Affe) . .
238 Troglodytes (Vogel) .
300 "Trombidium ....
479 Tropidonotus . . .
331 Truthuhn 474
446 Tubifex 183
403 , Tubinares 475
281 | Tubipora 110
322 Tukane 487
28lTunicata 561
284 Turbellaria
191 ; Turdiformes
268
559
30 t
442
149
482
482
485
331 Turdus
265 Turteltaube . . .
266 Turtur 485
443 Tylenchus 170
444 Tyroglyphus .... 301
338 Uferschnepfen ... 479
474 Uferschwalbe ... 484
473 Uhu 481
473 I Ungeschlechtlich . . 34
32'Ungulata 524
407 Unio . 331
480 Unken 424
520 Unpaarzeher .... 524
407 Unterart 67
221 Unterhautbindegewebe 13
268 Upupa 484
484 Ur 533
65 Uralkauz 481
540 Urdarm, -mund ... 45
541 Uria
472 Urlurche .
404 Uroceridae
290 : Urodela .
332 I Ursus. -idae .
476
422
421
539
37
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578
Register.
Uterus .
Vampire
Vanellus
Vanessa
Varanus, -e
Variation
Varietät
Vclella .
Venöses Blut
Vergleichende Anatomie 62
Vermetus
Versteinerung
Verwandlung
Verwandtschaft
Vesicantia
Vespariae
Vespertilio
Vesperugo
Vielfrass
Vielarmige
thiere
Vierkiemer
Vioa.
Vipera
Viperina, -en
Viverra, -idae
Vivipar .
Vögel .
Vogelmilbe
Vogelspinnen
Vorderende
Vorderkiemer
Vorhof .
Vorticelle
Vultur .
Wachtel
Wachtelkönig
Waldhühner
Waldkauz .
Waldmaus
Waldohreule
Waldschnepfe
Waldspitzmaus
Wale . . .
Walfischläuse
Walross . .
Walsaurier
Wanderfalk .
Wandermuschel
Koralhu)
Beito
35
524
479
291
440
56
57
121
26
29
312
80
52
60
281
286
524
524
540
111
336
126
443
443
540
51
450
301 ,
300 !
43
318
26,
99|
481
474
479
473
481
551
481
479
522
544
228
543
446
480
331
Wanderratte . . .
Wandertaube . .
Wanderzelle . . .
Wanzen ....
Wapiti
Warmblüter . . .
Warzenschwein . .
Waschbären . . .
Waaseramsel . . .
Wasserassel . . .
Wasserfrosch
Wasserhuhn . . .
Wasserjungfern . .
Wasserläufer (Vogel)
Wasserläufer (Insekten)
Wassermilben . .
Wassermolche . .
Wasserralle . . .
Wasserratte . . .
Wastersalamander .
Wasserschwein . .
Wasserspinne . .
Wasserspitzmau»
Wassertreter . .
Waaserwarzen . .
Watvögel ....
Weberknechte . .
Wechselkröte . .
Weibchen ....
Weichnugler . . .
Weichthiere . . .
Weidenbohrer . .
Weihen ....
Weinbergschnecke
Weissfische . . .
Wellhorn ....
Wels, -familie . .
Wendehals . . .
Wespen ....
Westaflen ....
Westgeier . . .
Wickler ....
Wiedehopf . . .
Wiederkäuer . . .
Wiesel
Wildkatze ....
Wildschwein . . .
Wimperhaare, -zellen
Winterschlaf. . .
Wisent
Seite
664 Wolf . .
485 | Worabat's .
5 Wühlmäuse
272 Würfelnatter
532 1 Würger .
30 Wurmschnecken
529 Wurzelkrebse
539 ; Xenos . .
482 ! Xiphias
224 I Xiphura .
424 | Xylophaga
479 Yak . . .
266 ! Zahnarme .
479 • Zahntaube .
272 Zahnvögel .
301 Zahnwale .
421 , Zander . .
479 Zaunschlüpfer
655 Zebra's . .
421 | Zebu . . .
555 ' Zecken . .
300 Zehnfüssler
522; Zelle . .
480 ' Zibethkatzen
273 Zibethratte
478 Ziegen . .
299 Ziegenmelker
424 Ziesel .
34 Zirpen .
280 Zitteraal
305 Zitterroche
290 Zitterwels
480 Zoarces .
322 Zobel .
404 Zoea
319 Zuckergast
404 , Zungenwürmer
486 [ Zusammengesetzte
286 ' cidien
667 | Zweiflügler
481 1 Zwcikiemer
290 ! Zwerg» Am
484 : Zwergfalk . .
629 ! Zwergmaus .
540 Zwergohreule
641 { Zwergspitzmaus
528
7
74
Zwergwal
Zwitter
Zwitterdrüse
Corrigendum.
Seite 201. Durch ein Versehen ist Fig. 134 auf den Kopf gestellt worden.
O. P4tx'4che liuebdr. (Lippcrt & Co.). Naumburg » S.
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Date Due
380
Specieller Theil.
von der Schädelhöhle getrennt. Bei gewissen Selachiern steht der
Hohlraum des Labyrinths durch einen an der Oberfläche des Kopfes
mündenden Kanal (Ductus endolymphaticus) mit der Aussenwelt in
offener Verbindung ; bei anderen ist der Kanal zwar vorhanden, aber
an seinem äusseren Ende geschlossen, ßei den Knochenfischen findet
sich im Sacculus ein grosser porzellanartiger, abgeplatteter Hörstein,
in einer Ausstülpung des Sacculus ein kleinerer, ferner ein dritter im
vordersten Theil des Utriculus. Bei den Selachiern und den Knorpel-
ganoiden sind sie durch Ballen feiner Krystalle ersetzt.
In einer rückgebildeten Gestalt erscheint das Lahyrinth bei den Cyclo-
stomen mit einem oder zwei Bogengängen — ein unter den Wirbel thieren
einzig dastehender Fall.
Die Mundhöhle der Fische ist in der Regel mit Zähnen aus-
gestattet, welche bei den Selachiern *) am Gaumen- (Oberkiefer-) und
Unterkiefer-Knorpel, bei den Knochenganoiden und den Knochen-
fischen auf einer Menge verschiedener Knochen angebracht sind: auf
den Zwischen-, Ober- und Unterkieferknochen, den Gaumen- und
Flügelbeinen, den Kiemenbögen (besonders den unteren und oberen
Schlundknochen), den Oopulae des Visceralskeletes und dem Vomer;
übrigens können sie auf dem einen oder anderen dieser Knochen fehlen.
Die Zähne haben ziemlich verschiedene Formen: am häufigsten sind
sie spitz, kegelförmig, schwach gebogen, kräftiger oder schwächer ; in
anderen Fällen sind es niedrige, gewölbte Mahlzähne (Rochen, gewisse
Knochenfische), oder sie sind zusammengedrückt, dreikantig (Haie),
oder meisselartig, den Schneidezähnen des Menschen ähnlich (gewisse
Knochenfische), etc. Die Zähne sind sehr oft ungeheuer zahlreich,
bedecken rasenförmig oder — wenn es Höckerzähne sind — pflaster-
artig die Knochen; an den Kieferknochen ist jedoch häufig nur eine
Reihe Zähne (oder eine Reihe grösserer Zähne ausser kleineren) vor-
handen. Die Zähne sind entweder durch Bindegewebe am unter-
liegenden Knorpel oder Knochen befestigt und dann oft etwas be-
weglich, oder sie sind mit dem Knochen durch einen knöchernen Zahn-
sockel verbunden. Sie werden immer das ganze Leben hindurch erneuert ;
die alten Zähne fallen aus, indem die Verbindung zwischen ihnen
und dem Knorpel oder Knochen sich lockert; ist ein Zahnsockel vor-
handen, so wird dieser aufgelöst. Die gewöhnlichen kegelförmigen
Fischzähne haben wesentlich die Aufgabe, die Beute festzuhalten, und
sind deshalb mit der Spitze nach hinten und innen gerichtet; sind sie
beweglich, so kann die Spitze auch blos nach dieser Richtung bewegt
werden. Diejenigen Zähne, welche andere Formen haben, werden zum
Abbeissen oder Zerkleinern der Nahrung verwendet.
Die Speiseröhre ist so kurz und weit, dass die Mundhöhle fast
direkt in den Magen übergeht. In den vordersten Theil des Dünndarms,
dicht am Magen, mündet bei manchen Knochenfischen eine verschiedene
Anzahl (1, 2, 3... bis ein paar hundert) kurzer Blinddärme, die
Pförtneranhänge (Appemlices pyloricae); sie sind drüsiger Natur.
Bei den Cyclostomen, Selachiern und Ganoiden findet sich im Dünn-
darm eine grosse, stark vorspringende Falte, welche in einer Spiral-
linie an der Innenseite des Darmes entspringt und die Höhlung des
') Ausser den wohlentwickelten Zähnen an den Kiefern besitzen die Selachier
oftmals noch zahlreiche sehr kleine Zähne an anderen Stellen der Mundhöhlen wand
(an der oberen und unteren Wand der Mundhöhle und an den Kiemenbögen).
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Wirbelthiere. 2. Clasae: Fische. 387
Darmes zum grossen Theil ausfüllt: die Spiral falte '); sie fehlt
bei den Knochenfischen. Der Enddarm ist ein ganz kurzer Schlauch.
Bei einigen Fischen findet man — was bei den höher stehenden
Wirbelthieren nie der Fall ist —, dass der After nicht an der Grenze von
Fig. '271. Kin Fisch mit k e Ii Ks t tt n d i^c m Alter (Stemarchua curcirontria). A von
«ler Seite, B vonlerer Theil von unten, n After, <> Mund. Nach Botilcn^cr.
Rumpf nnd Schwanz liegt, sondern nach vorn gerückt ist, zuweilen sogar
bis an den Kopf heran („ After kehlst&ndig"). Die Afterflosse folgt in
solchen Fällen dem After und nimmt wie gewöhnlich dicht hinter demselben
ihren Anfang.
Der Kiemenapparat. Die Mundhöhle ist bei den Selachiern
hinten jederseits von 5 (selten 6 oder 7) grossen schrägen Spalten
durchbrochen, welche dicht auf einander folgen und durch senkrechte
coulissenartige Platten getrennt sind; in jeder Coulisse liegt in dem
inneren, der Mundhöhle zugewandten Rande ein Kiemenbogen, während
der übrige Theil derselben durch die von letzterem entspringenden
Knorpelstrahlen (vergl. S. 379) ausgespannt wird. Von den Spalten
oder Kiementaschen, deren äussere Oeffnung häufig kleiner ist
als die innere, liegt die vorderste zwischen dem Zungenbeinbogen und
dem 1. Kiemenbogen; die folgenden zwischen dem 1. und 2., resp.
2. und 3., 3. und 4., 4. und 5. Kiemenbogen. Sowohl an der Vorder-
ais an der Hinterwand — in der letzten Kiementasche jedoch nur
auf der Vorderwand — findet sich eine senkrechte Reihe platter,
wagerecht, eine über der anderen, stehender Hautfalten, Kiemen-
blättchen; von solchen besitzen die Selachier also in der Regel
jederseits 9 Reihen : die erste sitzt an der Hinterseite des Zungenbein-
bogens, die übrigen acht an der Vorder- und Hinterseite der vier ersten
Kiemenbogen. Jedes Kiemenblatt ist wieder mit feineren Querfalten
versehen. Ausser den genannten 5 Kiem entaschen findet sich noch
bei manchen Selachiern eine vorderste röhrenförmige Kiementasche
zwischen den obersten Theilen des Zungenbeinbogens und des Kiefer-
bogens, das Spritzloch, in welchem eine rudimentäre Kiemenblattreihe
vorhanden sein kann ; das Spritzloch mündet mit einer verhältnissmässig
kleinen Oeffnung auf der Oberfläche des Kopfes. — Die Cyclostomen
schlie88en sich in der Hauptsache an die Selachier an; die Kiemen-
taschen sind aber bei ihnen röhrenförmig, in der Mitte angeschwollen ;
sowohl die äussere als die innere Oeffnung ziemlich klein ; die Kiemen-
blätter sitzen in dem erweiterten Abschnitte. — Die Verhältnisse des
*) Ausnahmsweise — bei gewissen Haien — entspringt die Falte, welche dann
ein breites, papierrollenartig zusammengerolltes Blatt ist, in einer ungefähr geraden
Linie an der Wand des Darmes.
26*
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388
Specieiler Theil.
Kiemenapparates bei den Gtanoiden, Lungen- und Knochen-
fischen lassen sich von denen der Selachier ableiten. Bei diesen
Hg. 272. Wagerechter Schnitt
durch den Kopf eine« Haies
(AcaiUhiat), schematisirt. Die
Visceralbogen sind punktirt, die
Kiemenblattchen schraffirt. &r,,
brjf, br^ erster, dritter, fünfter
Kiemenbogen ; e Coulisse ; y
oberer Abschnitt den ersten Vis-
cernlbogens (Uatunenknorpel) ;
h Zungenbeinbogen, k Leibes-
wand, / Leibeahöhle, in Mund-
höhle, n Riccbgrube, oe Speise-
röhre, m Stabchen am Innen-
rande der Kiemenbogen (Seih-
apparat); tpt erste, tpb fünft«
Kiemenspalte. — Orig.
Hg. 278. Wagerechter Schnitt
durch den Kopf eines K n o -
chenfisches (Dorsch), ober-
halb der Mundöffnung; etwas
schematisirt. Buchstaben wie in
Fig. 272, mit Ausnahme von:
g oberer Abschnitt des ersten
Visceralbogena (hier knöchern),
op Kiemendeckel, 8p
Oeffnung der
Orig.
Gruppen sind alle 5 äusseren Kienienspaltenöffnungen Uberdeckt von
einer von Knochenplatten und -Stäben gestützten mächtigen Hautfalte,
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Wirbelthiere. 2. Classe: Fische.
389
dem Kiemendeckel, welcher vom Zungenbeinbogen entspringt und
sich über dieselben hin erstreckt Dabei sind die Ooulissen zwischen
den Kiemenspalten schmäler geworden, besonders bei den Knochen-
fischen. Während es bei den Selacbiern breite Platten sind, welche
von den Kiemenblättern nicht völlig bedeckt sind, so dass nach aussen
ein freier Saum bleibt, fehlt ein solcher bei den genannten Gruppen,
und das äussere Ende der Kiemenblättchen ragt mehr oder weniger weit
über den Aussenrand der Coulisse hinaus, am meisten bei den Knochen-
A B C DE
Fig. 274. Querschnitte eines Kiemenbogens verschiedener Fische: A Hai, B
Chimaera (vergl. S. 400), C Stör, D — E verschiedene Knochenfische; schematisirt.
b Riemenbogen, c Coulisse, • Stabchen (des Seihapparates). Kiemenblättchen schraffirt. — Orig.
fischen, deren schmale zugespitzte Kiemenblättchen meist mit kurzer
Basis von der sehr reducirten Coulisse entspringen. Bei diesen Gruppen
werden die beiden zu einem Kiemenbogen gehörigen Kiemenblattreihen
als eine Kieme bezeichnet (von solchen haben wir also jederseits 4);
den innerhalb des Kiemendeckels befindlichen Raum, in welchen die
Kiemenblätter hineinragen , nennt man die Kiemen höhle. Bei
Ganoiden und Lungenfischen ist oft noch die Kiemenblattreihe an
der Hinterseite des Zungenbeinbogens (Innenseite des Kiemendeckels),
Opercularkieme, vorhanden, während dieselbe bei den Knochen-
fischen rudimentär ist oder fehlt ; beim Stör und Bischir hat sich das
Spritzloch erhalten.
Der Kiemendeckel enthält platten- und stabformige Hautknochen,
welche sich an den Zungenbeinbogen heften. Bei den Knochenfischen liegt
am Hinterrande der oberen Partie des Zungenbeinbogens entlang ein läng-
licher Knochen, Praeoj>erculum , hinter diesem finden sich drei grosse
platten förmige Knochen: Operculum (der grösste), Suboperculttm und Inter-
operculwn , und vom unteren Theile des Zungenbeinbogens entspringt eine
Reihe dünner, gebogener Knochen, die Kiemenhautstrahlen, welche in
den unteren häutigen Theil des Kiemendeckels eingelagert sind. — Die äussere
Oeffnung der Kiemenhöhle ist im Allgemeinen eine sehr grosse Spalte, bei
einigen Fischen (z. B. dem Aal) v erwächst aber der Hinterrand des Kiemen-
deckels in so grosser Ausdehnung mit dem Körper, dass nur eine kleine
seitliche Oeffnung übrig bleibt.
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390
Specieller Theil.
Die Erneuerung des Athemwassers in den Kiementaschen oder
der Kiemenhöhle findet in folgender Weise statt: das Wasser wird
durch den Mund in die Mundhöhle aufgenommen, darauf wird die
Mundöffnung geschlossen, die Zunge gehoben und der Kiemendeckel
einwärts gepresst und so das Wasser durch die Kiemenspalten, über
die Kiemenblättchen hin, getrieben. — Am inneren Rand der Kiemen-
bögen findet sich ein mehr oder weniger entwickelter Seih-Apparat,
der die Aufgabe hat, zu verhindern, dass feste Theile, welche mit
dem Wasser in die Mundhöhle eindringen, auch in die Kiementaschen
oder in die Kiemenhöhle gerathen. Bei den Selachiern, den Lungen-
fischen und den Knorpelganoidcn ist dieser Apparat meist durch eine
doppelte (am Zungenbeinbogen und am letzten Kiemenbogen eine ein-
zelne) Reihe knorpeliger Stäbchen am inneren Rand der Kiemenbogen
repräsentirt ; die Stäbchen der vorderen Reihe an jedem Bogen greifen
zwischen diejenigen der hinteren des vorangehenden Bogens ein. Bei
den Knochenfischen sind dieselben durch knöcherne, oft zahntragende
Auswüchse ersetzt, von welchen die der vordersten Reihe des 1. Kiemen-
bogens oft sehr lange Stäbe sind, um die Spalte zwischen dem 1. Kiemen-
bogen und dem Zungenbeinbogen, welch letzterem derartige Auswüchse
abgehen, überdecken zu können; übrigens ist der Seih-Apparat bei
verschiedenen Knochenfischen in sehr verschiedenem Grade entwickelt,
bei einigen, z. B. beim Hering, stark ausgebildet, bei anderen kaum
angedeutet.
Bei den Cyclostomen und Selachiern fehlen noch Gebilde, welche
den Lungen der höheren Wirbelthiere entsprechen. Dagegen findet
sich eine wirkliche Lunge, welche nicht allein den Lungen der
Amphibien u. a. homolog ist, sondern auch als Athmungsorgan
fungirt, bei einigen Knochenganoiden (Knochenhecht und
Amia) und bei den Lungen fischen, ferner auch bei einzelnen
Knochenfischen. Diese Lunge ist unpaarig oder unvollständig in zwei
getheilt, liegt oberhalb des Darmkanals und mündet mit einer weiten
Oeffnung in die Speiseröhre ; sie ist inwendig mit Falten ungefähr wie
die Froschlunge ausgestattet. Die betreffenden Thiere haben neben
der Lunge auch Kiemen, welche ebenfalls als Athmungsorgane
fungiren 1). Bei den übrigen Fischen ist zwar gewöhnlich eine Lunge
vorhanden, dieselbe fungirt aber nicht als Athmungsorgan, sondern
lediglich als hydrostatischer Apparat und wird als Schwimm-
blase bezeichnet. Die Schwimmblase ist ein unpaariger, luftge-
füllter, oft ziemlich dickwandiger Sack, welcher seinen Platz dicht
unterhalb der Wirbelsäule, oberhalb des Darmkanals, hat; bei manchen
Fischen steht sie durch einen engen Kanal, den Luft gang, mit der
Speiseröhre *) in Verbindung, bei anderen ist eine solche Verbindung
nur während des embryonalen Lebens vorhanden, während der Gang
sich später schliesst und verschwindet. Die Schwimmblase ist zu-
weilen durch eine Quereinschnüruug in einen vorderen und hinteren
Abschnitt getheilt, welche übrigens in offener Verbindung mit ein-
ander stehen (bei Karpfenfischen), oder sie kann mit Ausstülpungen
versehen sein. Das in der Schwimmblase enthaltene Gas ist nicht
') Von einigen dieser Fische weiss man , dass sie ein Austrocknen der Um-
gebung aushalten können, bei welchem die Jvietnen zeitweise ausser Function gesetzt
werden.
J) Bei einzelnen mündet der Luftgaug weiter nach hinten, in den Magen, ein.
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Wirbelthiere. 2. Claas c : Fische.
391
direkt aus der Atmosphäre aufgenommen , sondern wird von den in
der Wand der Schwimmblase liegenden Gefässen ausgeschieden, welche
zuweilen dichte begrenzte Gefässnetze bilden, die als „rothe Körper"
an der Innenseite der Schwimmblase hervortreten.
Manche Fische, z. B. die gewöhnlichen Süsswasserfische, deren Schwimm-
blase kein Athmnngsorgan ist, kommen trotzdem nicht selten an die Ober-
fläche und schnappen mit dem Mund etwas atmosphärische Luft, die sie
übrigens bald wieder fahren lassen; es handelt sich hier wahrscheinlich um
eine in der Mundhöhle stattfindende Luftathmung von verhältnismässig
untergeordneter Bedeutung. Bei einzelnen Fischen entwickeln sich in An-
schluss hieran besondere A thmungsapparate; so findet sich z. B.
bei gewissen Welsen (Saecobranchus) jederseits eine sackförmige, als Lunge
fungirende Ausstülpung der Mundhöhle, welche sich vor dem ersten Kiemen-
bogen in letztere öffnet und sich weit nach hinten durch den Körper er-
streckt; ähnliche bei einer Art Aal (Amphipnous), welcher in Ostindien in
Erdlöchern lebt und dessen Kiemen stark rückgebildet sind. Beim ostin-
dischen Kletterfisch (Anabas), welcher oft auf das Land wandert und eben-
falls schwach entwickelte Kiemen besitzt, befinden sich oben in der Kiemen-
höhle eigen thümliche gekräuselte Blätter (durch umgebildete Theile der
Kiemenbögen gestützt), welche als Luftathmungs-Organ fungiren, etc. — Bei
anderen, z. B. den Schmerlen (Cobitis) findet eine Darmathmung statt:
es wird durch den Mund Luft aufgenommen, welche verschluckt wird und
durch den an gewissen Stellen besonders gefUssreichen Darmkanal passirt;
die nicht aufgenommene Luft tritt mit ausgeschiedener Kohlensäure zu-
sammen durch den After aus.
Nicht wenige Fische können Laute erzeugen. Es geschieht dieses ent-
weder dadurch, dass die Wand der Schwimmblase durch gewisse an der-
selben angebrachte (resp. von Skelettheilen entspringende und an dieselbe
sich heftende) Muskeln in Schwingungen versetzt wird (Knurrhahn), oder
dass gewisse Knochenoberflachen gegen einander gerieben werden (bei ge-
wissen Welsen wird z. B. der Grundtheil stark entwickelter Strahlen gegen
unterliegende Knochen gerieben).
Das Herz, welches seinen Platz weit vorne, dicht am Kopfe,
hat, ist gewöhnlich ungefähr symmetrisch. Bei den Selachiern,
Ganoiden und Lungenfischen besteht es aus einem grossen
dünnwandigen V o r h o f , einer unterhalb des letzteren liegenden Herz-
kammer, von deren eugera Hohlraum zahlreiche Fortsätze in die
dicke Wand sich erstrecken, welche dadurch einen spongiösen Charakter
erhält, und endlich aus einem schlauchförmigen Herzkegel {Conus
arteriosus), von dessen vorderem Ende der Kiemeuarterienstamm ent-
springt, und in welchem eine verschiedene Anzahl (aber immer
mehrere) Reihen von häutigen, taschenförmigen Klappen sich be-
finden; alle drei Abschnitte sind röthlich und ihre Wand mit quer-
gestreiften Muskelzellen versehen. Bei den Knochen fi sehen ist
der Herzkegel in der Regel vollkommen rudimentär (äusserst kurz
und ohne Muskulatur) und nur mit zwei einander gegenüber sitzenden
Klappen versehen ; nur bei einzelnen Knochenfischen (aus der Herings-
familie) ist ein etwas deutlicherer, wenn auch sehr kurzer Herzkegei
vorhanden, und bei einer einzigen Gattung unter diesen (Butirinm)
finden sich zwei Querreihen von Klappen1). (Bei den Cyclostomen
') Schon bei einem der Knochenganoiden (Amia) ist der Herzkegel sehr ver-
kürzt und besitzt nur drei KUppenreihen.
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392
Specialer Theil.
fehlt ein Herzkegel.) Auf der Grenze des Vorhofs und der Herz-
kammer findet sich bei den Fischen in der Regel eine Querreihe von
Klappen; ähnliche in der Regel auch auf der Grenze des Venen-
sackes (vergl. unten) und des Vorhofs. — Von dem Vorderende des
AB C
Fig. 275. - Schematische Längsschnitte des Herzens verschiedener Fische. A von
einem Fisch mit wohlentwickeltein Herzkegel, B von Anu'a, C eines Knochenfisches,
in B und C ist der Vorhof weggelassen, a Vorhof, b] Arterienbulbns, welcher bei Ami« nur
noch angedeutet ist, c Herzkegel, k Klappen, • Venensack, t Arterienstamm, v Herzkammer.
— Orig.
Herzkegels oder, wenn dieser fehlt, von der Herzkammer entspringt
ein kürzerer oder längerer unpaarer Kiemenarterienstamm,
welcher bei den Knochenfischen unmittelbar an seinem Ursprung
stark angeschwollen und dickwandig ist. Diese Anschwellung, der
Arterienbulbus1) (Bulbus arteriosus), ist ebenso wie der übrige
Theil der Arterie weisslich und enthält blos glatte Muskelzellen
(während der Herzkegel, mit welchem er in früherer Zeit zusammen-
geworfen wurde, roth ist und quergestreifte Muskelzellen besitzt). Der
Kiemenarterienstamm giebt an jeden Kiemenbogen, welcher Kiemen-
blättchen trägt, einen Ast ab; wenn die Kieme am Zungenbeinbogen
wohlentwickelt ist, geht auch an diese ein ähnlicher Ast, welcher da-
gegen fehlt, wenn die Kieme rudimentär ist. Diese Aeste, die zu-
führenden Kiemenarterien, laufen (von unten nach oben) am
Hinterrande der Kiemenbogen entlang und geben an jedes Kiemen-
blättchen einen Ast ab, welcher sich in ein Gefässnetz auflöst. Von
jedem Kiemenblättchen entspringt wieder ein kleines Gefass, welches
mit den ähnlichen desselben Visceralbogens zusammen eine abfüh-
rendeKiemenarterie*) bildet, die neben der zuführenden Arterie
') Auch bei der soeben genannten Amia — sonst aber bei keinem Fisch ausser-
halb der Abtheilung der Knochenfische — ist eine Anschwellung vorhanden, ihre
Wand ist aber bei dieser Gattung nur wenig verdickt.
a) Oftmals, aber unrichtiger Woisc, werden die abführenden Kiemenarterien
mit dem Namen Kiemen ynen bezeichnet, in welchem Fall dann die zuführenden
Kiemenartcrien einfach „die Kicmenartcricn" genannt werden.
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Wirbelthiere. 2. Classe : Fische.
393
verläuft und sich an der Bückenseite mit den entsprechenden aus den
anderen Visceralbögen derselben und der anderen Seite vereinigt und
so die Aorta bildet, welche nach hinten dicht unterhalb der Wirbel-
säule verläuft und Aeste zu den verschiedenen Theilen des Körpers
abgiebt. Die Venen des Körpers sammeln sich alle zum Venensack
(Sintis venosus), welcher in den Vorhof einmündet. Das in das Herz
eintretende Blut ist somit venös, gelangt in diesem Zustande in
die Kiemen, wird hier arteriell und fliesst dann in die Arterien des
Körpers.
Es besteht demnach im Allgemeinen eine strenge Trennung der beiden
Blutarten (des arteriellen und des venösen Blutes) bei den Fischen, und
die Einrichtung des Qefasssystems entspricht den S. 29—30 hervorgehobenen
allgemeinen Principien. Hiervon machen aber diejenigen Fische eine Aus-
nahme, welche ausser den Kiemen noch andere Athmungsorgane besitzen;
bei ihnen mischen sich das arterielle und das venöse Blut in grösserem
oder kleinerem Umfange. Beim Knochenhecht z. B. erhält die Lunge
Blut von der Aorta, also arterielles Blut, welches in der Lunge weiter
oxydirt wird, während die Lungenvenen, welche also sehr sauerstoftreiches
Blut fuhren, sich mit den grossen Venen vereinigen, welche das venöse
Blut aus dem übrigen Körper zum Herzen führen ; das Herz und damit auch
die Kiemen empfangen also ein gemischtes, arteriell - venöses Blut. —
Bei den Lungenfischen, deren Lunge (ebenso wie die der höheren
"Wirbelthiere) ihr Blut von dem letzten Arterienbogen (der letzten abfüh-
renden Kiemenarterie) erhält, sind besondere Einrichtungen vorhanden,
welche dem genannten Uebelstand theilweise abhelfen, welche aber zu com-
plicirt sind, als dass wir hier auf dieselben eingehen könnten.
Die Nieren der Fische haben sehr verschiedene Formen. Ge-
wöhnlich sind es langgestreckte, abgeplattete Körper, welche bei
manchen Knochenfischen sich vom Kopf durch die ganze Leibeshöhle
erstrecken und dicht unterhalb der Wirbelsäule (oberhalb der Schwimm-
blase) ihren Platz haben ; zuweilen ist (bei Knochenfischen) der
vorderste Theil stark entwickelt, die folgenden Partien schwächer;
nicht selten sind die Nieren hinten, zuweilen auch vorne, ver-
schmolzen ')• Bei den Selachiern finden sich oft an einigen der Harn-
kanälchen Wim pertrichter, welche sich in die Leibeshöhle öffnen
fvergl. S. 363). Die Harnleiter münden bei den Selachiern und
Lnngenfischen in die Kloake, bei den übrigen, nachdem sie sich mit
einander vereinigt haben, mit einer Oeffnung hinter dem After, ent-
weder gemeinschaftlich mit den Geschlechtsgängen oder mit einer
besonderen Oeffnung hinter der Geschlechtsöffnung; letzteres ist bei
den meisten Knochenfischen der Fall, bei denen man also drei Oeff-
nungen, eine hinter der anderen, findet: zuerst den After, dann die
GeBchlechtsöffnung, zuletzt die Harnöffnung9). Eine Harnblase,
') Eine sehr interessante Umbildung der Nieren findet man beim Männchen
des Scestichlings {Smnachia vulgaris), welches mittels feiner Schleimfäden
fremde Theile zu einem Nest für die Eier zusammenspinnt. Der Schleim, aus
welchem diese Fäden bestehen, wird in den Nieren erzeugt, indem ein Theil
der Drüsenzellen der Harnkanälchen zu schleimabsondernden Zellen, von einem
anderen Aussehen als die übrigen Zellen der Kanälchen, umgebildet sind.
*) In der genannten Region findet sich seitlich vom After bei einigen Fischen,
nämlich den Selachiern, den Uanoiden und gewissen Knochenfischen (der Lachs-
familie), ein Paar feine Oeffnungen, die sogenannten Abdominalporen (Pori
abdominales), welche die fiauohwand durchbohren und. die Leibeshöhle mit der
Aussenwelt in Verbindung setzen; ihre Bedeutung ist unbekannt.
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394
Specieller Theil.
welche derjenigen anderer Wirbelthiere entspricht, fehlt; bei manchen
ist aber der äusserste Theil der Harnleiter erweitert und dieser Ab-
schnitt fungirt dann als Harnbehälter; bei den Selachiern sind zwei
solche vorhanden, bei den Knochenfischen nur eine, indem die Harn-
leiter in ihrem hintersten Theile verschmolzen sind.
Weibliche Geschlechtsorgane. Bei Selachiern, Ga-
tt oiden1) und Lungen fischen verhalten die Eierstöcke sich
wie bei den meisten anderen Wirbelthieren, und es finden sich bei
den Weibchen ein Paar Müller 's che Gänge, welche sich wie ge-
wöhnlich mit je einem Trichter2) vorne in die Bauchöhle öffnen; bei
den Selachiern und den Lungenfischen münden sie hinten in die
Kloake, während sie sich bei den Ganoiden mit den Harnleitern ver-
einigen und lunter dem After mit einer unpaarigen Oeffnung aus-
münden. Bei den Selachiern findet sich an jedem Eileiter eine an-
geschwollene Partie, in deren Wand Drüsen vorhanden sind, zur
Abscheidung der hornartigen Hülle, welche bei diesen Thieren ein
oder mehrere Eier umgiebt. — Bei den Knochenfischen fehlen
Müller'sche Gänge vollständig; die Eierstöcke sind bei den
Knochenfischen hohle Organe von verschiedener Form, welche sich
in je einen kurzen schlauchförmigen Ausführungsgang fortsetzen, der
mit dem der andern Seite verschmilzt und hinter dem After aus-
mündet. Der Eierstock bietet somit bei den Knochenfischen ein von
demjenigen aller anderer Wirbelthiere sehr abweichendes Verhalten
dar (aber ein ähnliches wie dasjenige, welches wir bei manchen niederen
Thieren, z. B. den Weichthieren, vorfinden); die Eier lösen sich von
der inneren, oft stark gefalteten Seite der Wand ab, fallen in den
Hohlraum des Eierstocks und gelangen durch den Ausführuugsgang
nach aussen. Zuweilen sind die beiden Eierstöcke der Knochenfische
mit einander verschmolzen, und der Eiergang ist dann unpaarig. Im
reifen Zustande, in der Laichzeit, sind die Eierstöcke der Knochen-
fische oft von sehr ansehnlicher Grösse. Von der gegebenen Dar-
stellung weichen nur die Familien der Lachse und Aale ab, deren
Eierstöcke solide Organe sind; bei diesen fallen die Eier in die
Bauchhöhle und gelangen durch eine unpaarige Oeffnung8) in der
Leibeswand hinter dem After (Porus yenitalis) nach aussen. — Aehn-
lich wie die Lachse verhalten sich auch die Cyclostomen (welche
nur einen Eierstock besitzen).
Männliche Geschlechtsorgane. Bei den Selachiern
wird der Samen durch den vordersten Theil der Niere (welcher oft
als Nebenhoden bezeichnet wird) ausgeführt; der betreffende Theil
tritt durch querlaufende feine Kanäle mit dem Hoden in Verbindung,
und es entspringt von ihm ein besonderer Ausführungsgang, welcher
wesentlich als Samenleiter fungirt, indem die Bedeutung dieser Nieren-
partie für die Harnabsonderung nur geringfügig ist (auch beim Weib-
chen ist der entsprechende Niereuabschnitt nur wenig entwickelt).
') Mit Ausnahme des Knochenhecht«, welcher, wie es scheint, sich ähnlich
wie die Knochenfische verhält.
*) Bei den Selachiern sind die beiden Müller'schen Gänge mit ihrem aller-
vordersten Theil mit einander verbunden, so dass man bei ihnen einen unpaarigen
Trichter für beide Eileiter findet. — Bei gewissen Haien ist nur der eine Eierstock
entwickelt.
*) Welcher nicht mit den S. 393 Anm. 2 erwähnten Abdominal poren zu ver-
wechseln ist.
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Wirbelthierc. 2. Classc : Fische.
395
Bei den Knochenfischen ist eine solche Verhindnng mit der
Niere nicht vorhanden, der Hoden setzt sich vielmehr direkt in einen
Aus führungsgang fort, die Verhältnisse sind ganz dieselben wie
beim Eierstock *). (Die Lachse und Aale verhalten sich hierin
wie die übrigen.) Ebenso wie die Eierstöcke sind auch die Hoden
in reifem Zustande von bedeutender Grösse, sackförmig, gelappt oder
(so beim Dorsch) lange gekräuselte Körper. Die Samenleiter münden
bei den Selachiern in die Kloake, bei den Ganoiden und einem Theil
der Knochenfische mit den Harnleitern zusammen mit einer Oeffnung
hinter dem After, bei anderen Knochenfischen mit einer besonderen
Oeffnung hinter dem After, vor der Harnöffnung. — Bei den
Cyclostomen füllen die Spermatozoen aus dem unpaarigen Hoden
in die Bauchhöhle und gelangen durch eine Oeffnung der Bauchwand
nach aussen (ebenso wie die Eier).
Nicht wenige Fische weisen ausgesprochene Geschlechtsunter-
schiede auf: beim Männchen können gewisse Flossen besonders stark aus-
gebildet sein, oder es kann eine besonders prächtige Färbung besitzen etc.
Zuweilen (z. B. bei den Stichlingen) ist das Männchen in der Fortpflanzungs-
zeit durch augenfällige, später schwindende Farben ausgezeichnet.
Ueber Hermaphroditismus bei Fischen vergl. 8. 366.
Begattungswerkzeuge finden sich bei den Selachiern, bei
deren Männchen ein Abschnitt der Hintergliedmaassen zu ziemlich
complicirten zusammengerollten Organen ausgebildet ist, welche bei
der Begattung benutzt werden (vergl. die Begattungsorgane der zehn-
füssigen Krebse). Bei den meisten Fischen findet gar keine Begattung
statt, sondern der Samen („Milch") wird erst nach oder bei der Eilage
über die Eier ausgegossen*).
Die Eier sind von sehr verschiedener Grösse (von Stecknadel-
kopf- bis Hühnereigrösse und darüber), am grössten bei den Selachiern,
kleiner bei den Knochenfischen, deren Eier von einer dünnen durch-
sichtigen Eihaut umgeben sind, welche mit einer Mikropyle versehen
sein kann. Die Eier nicht weniger Knochenfische — z. B. des Dorsches
— schwimmen an der Oberfläche des Wassers, andere werden an den
Boden abgelegt, an Wasserpflanzen festgeklebt etc. Bei den Selachiern
sind die abgelegten Eier von einer hornartigen Hülle umgeben, welche
oft abgeplattet, viereckig und an den Ecken in Fäden ausgezogen ist.
Einige Fische gebären lebendige Junge, z. B. die meisten
Selachier, bei denen die Entwicklung in einem erweiterten Abschnitt
des Eileiters (Uterus) vor sich geht, welcher mit gekräuselten gefäss-
reichen Falten versehen ist; ebenso mehrere Knochenfische, deren
Eier sich in dem hohlen Eierstock entwickeln (z. B. bei der Aal-
mutter). — Nicht wenige Fische zeigen eine besondere Fürsorge für
Eier und Brut; so baut z. B. das Männchen der Stichlinge (und
verschiedener anderer Knochenfische) ein Nest, in welchem die Eier
sich entwickeln; die Männchen der Seenadeln tragen die Eier (und
zuweilen auch die Jungen) unterhalb des Bauches mit sich umher,
') Für die Ganoiden und die Lungennsche ist das Verhältniss der Hoden zu
ihren Ausfiihrungsgängen noch nicht völlig aufgoklärt.
*) Bei einigen Knochenfischen nähert sich das Männchen dem Weibchen, und
in demselben Momente, wo die Eier das letztere verlassen, wird der Samen aus-
gespritzt.
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396
Speoieller Theil.
c
V
indem dieselben entweder einfach festgeklebt oder von besonderen
Falten umschlossen sind. (Aehnliches bei verschiedenen ausländischen
Fischformen.) Seltener wer-
den die Eier in ähnlicher
Weise vom Weibchen ge-
hütet.
Mit Recht kann man bei
manchen Knochenfischen
von einer Metamorphose
reden, indem die Jungen das
Ei in einer von der des Er-
wachsenen sehr abweichen-
den , unvollkommenen Ge-
stalt verlassen, oft noch mit
geradem Schwanz, mit zu-
sammenhängendem Flossen-
saum an der Bücken- und
Bauchseite etc. Bei manchen
kommt hierzu noch, dass der
Uebergang aus diesem Sta-
dium in die definitive Ge-
stalt keine einfache, allmäh-
lich fortschreitende Entwick-
lung ist, sondern die Jungen
bieten nicht selten längere
Fig. 276. Junge Hechte; A neugeborener, Zeit, nachdem sie das Ei
b, b' 11 Tage alter, c und d ältere. Bei a ist verlassen haben, besondere
£LÄJ£Ä^^TB2! Charaktere dar, welche man
« Schwanz-, v Bauchflosse, x After. — Nach SundevaU. Weder bei dem neugeborenen
Jungen noch bei dem Er-
wachsenen findet. Namentlich trifft man in der pelagischen Fauna zahl-
reiche grossäugige Knochenfischlarven mit enorm entwickelten Dornen
Fig. 277. Larve eines Fisches (Trachypterus), welcher im ausgebildeten Zustande un-
gemein gestreckt, bandförmig ist und der langen Flossenfaden entbehrt.
und Flossentheilen etc., Gebilden, welche an diejenigen erinnern, die
man bei manchen in ähnlicher Weise lebenden Krebsthierlarven (z. B.
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Wirbelthiere. 2. Clause: Fische.
397
der Krabben) beobachtet. — Ueber die eigentümliche Entwicklung
der Neunaugen vergl. S. 398.
Die Embryonen der Selachier zeichnen sich durch den Besitz
eines kolossalen Dottersackes und ferner dadurch aus, dass aus den Kiemen-
spalten eine Zeitlang zahlreiche lange Kiemenfäden heraushängen, welche
Fortsätze der Kiemenblättchen sind. Diese Kiemenfäden sind embryonale
Organe, welche sich vor der Geburt zu rückbilden.
Fig. 278. A Rochen-, B Hai-Embryo mit
(nicht ganz auagezeichnet ; in A
(*)• d
Die meisten Fische sind Raubthiere, nur wenige Pflanzen- oder
Schlammfresser. Die Mehrzahl lebt im Meere, viele aber im Süss-
wasser (einige Arten an beiden Orten), einzelne trifft man hin und
wieder oder sogar überwiegend auf dem Lande. Sie unternehmen
oft Wanderungen, theils von einer Stelle im Meere zur anderen, theils
vom Meer in's Süsswasser hinauf und umgekehrt. Sie halten sich
zum grossen Theil schaarenweise zusammen.
Die Fische, welche in der Jetztzeit durch zahlreiche Gattungen
und Arten vertreten sind, haben auch infrüherenPerioden eine
wichtige Rolle gespielt ; die Knochenfische, welche in der Jetztzeit
an Zahl weit überwiegen, sind verhältnissmassig spät aufgetreten,
während die jetzt nur wenige Arten umfassenden Ganoiden eine
Zeitlang sehr zahlreich vertreten waren.
Uebersicht über die Ordnungen.
Skelet ausschliesslich knor-
pelig. Kein Kiemendeckel.
Keine Schwimmblase.'
Skelet aus Knorpel und
Knochen bestehend. Kie-
mendeckel vorhanden.
f Cyclostomen
\ Selachier
Ganoiden
Lungenf ische
Herzkegel wohlentwi-
ckelt. Spiralfalte im
Darm.
Schwimmblase oder Lunge , * Herzkegel rudimentär
entwickelt. ^nocnennscnej K^ gpirftlfalto
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398
Specieller Theil.
1. Ordnung. Rundmäuler (Cyäostomi).
Die Cyclostomen bilden eine kleine, von den übrigen Fischen in
manchen Beziehungen abweichende Gruppe. Der Körper ist cylindrisch,
aalförmig, ohne Gliedmaassen, die flaut entbehrt fester Theile, das
Skelet ist ausschliesslich knorpelig, das Rückgrat nicht in Wirbel
getheilt, Rippen fehlen ; es ist ein complicirtes Mund- und Visceral-
skelet vorhanden, welches sich schwer auf den allgemeinen Typus des
Visceralskelets der Fische zurückführen lässt. Gewöhnlich finden
sich 6 — 7 (bei einzelnen eine noch grössere Anzahl) Kiemen-
taschen an jeder Seite (vergl. S. 387). Der Mund ist mit Horn-
zähnen ausgestattet, dagegen fehlen echte Zähne. Das Geruchs-
organ ist unpaarig. Schwanzende gerade; ein Flossensaum ist vor-
handen. (Vergl. übrigens das in dem Abschnitt über die Fische im
Allgemeinen Mitgetheilte.)
Die Cyclostomen sind mit den Seiachiern am nächsten verwandt; ihre
besonderen Charaktere verdanken sie ohne Zweifel z. Th. ihrer eigentüm-
lichen Lebensweise als Halbschmarotzer oder Aasfresser.
1. Die Neunaugen oder Lampreten (Pctromyxon) haben einen
kreisrunden Saugmund mit Hornzähnen; 7 kleine Kiemenöffnungen auf
jeder Seite führen in je eine Kiementasche; diese öffnen sich nicht direkt
in die Mundhöhle, sondern in einen hinten geschlossenen kurzen Schlauch,
welcher unterhalb der Speiseröhre liegt und vorne mit der Mundhöhle in
Verbindung steht. Augen wohl entwickelt. Die Neunaugen saugen sich
an lebenden Fischen fest und fressen sich in dieselben ein; ausserdem
fressen sie auch kleinere Thiere. In Deutschland leben drei Arten, von
welchen zwei, das bis l ra lange Meerneunange (P. marinus) und das
kleinere Flussneunauge (/'. fhivia litis , Pricke), im Meere leben, zum
Laichen aber in's Süsswasser hinaufsteigen, während die dritte, kleinste
Art, das Bachneunauge (P. Pianeri), ausschliesslich im Süsswasser
lebt. — Die Neunaugen durchlaufen eine Metamorphose: die Larve,
Qu er der (Ammocoetes) , welche (bei P. Pianeri) vor der Verwandlung
ein Alter von 3 — 4 Jahren und eine ansehnliche Grösse erreicht, hat einen
abweichend geformten Mund, es fehlen ihr die Hornzähne, die Augen sind
verschwindend klein und die Kiementaschen öffnen sich direkt in die Mund-
höhle; sie lebt im Schlamm. Nach der Verwandlung pflanzen sich die
Lampreten fort und sterben.
2. Die Inger oder Schleimfische (Myxine) haben rudimentäre
Augen, der Mund ist von Tastfäden umgeben; die Kiementaschen (jeder-
seits 6) sind lange, in ihrer Mitte blasenförmig erweiterte Röhren, welche
sich jede für sich direkt in den Schlund öffnen, während ihre äusseren Ab-
schnitte sich jederseits vereinigen und mit einer gemeinsamen Oeffnung
ziemlich weit nach hinten münden. (Bei gewissen verwandten fremden
Formen, Bddlostoma , münden sie einzeln nach aussen.) Die Inger, von
welchen in den nordeuropäischen Meeren eine bis 30 cm lange Art, M.
glutinosa, häufig vorkommt, bohren sich in todte (und lebende ?) Fische ein :
sie können eine enorme Schleimmasse absondern.
2. Ordnung. Selachier (SelacJin).
Das Skelet besteht ausschliesslich aus Knorpel (welcher aber
theilweise verkalken kann); Knochengewebe fehlt immer. Herzkegel
vorhanden. Spiralfalte im Darm. 5 (selten 6 oder 7) Kiemenspalten
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Wirbelthiere. 2. Clawc: Fische.
399
auf jeder Seite; oft ein Spritzloch. Kein Kiemendeckel (die Chimären
ausgenommen). Keine Schwimmblase. Die Haut mit Zähnen, welche
oft die ganze Oberfläche bedecken. In den Flossen, welche nicht
zusammengelegt werden können, Hornstrahlen. Der Mund auf der
Unterseite des Kopfes. Theile der Bauchflossen des Männchens
fungiren als Begattungswerkzeuge. Sehr grosse Eier. — Fast aus-
schliesslich Meeresthiere.
1. Die Haie (S([ualida) sind Thiere ungefähr von gewöhnlicher
Fischform, meistens gestreckt, von etwa kreisrundem Querschnitt. Die
Haut mit in der Regel kleinen Zähnen dicht besetzt. Längs der Kiefer*
ränder in der Kegel eine oder ein paar Reihen meistens dreieckiger Zähne
(Ersatzzähne in der Mundhaut an der Innenseite der Kiefer versteckt).
Deutlich heterocerk. Von den zahlreichen Formen können folgende bei-
spielsweise genannt werden : Der gemeine Dornhai (Acantfiias vulgaris),
1 m lang, mit einem 8tachel (stark entwickeltem Hautzahn) vorn in jeder
der beiden Rückenflossen , ohne Afterflosse ; gebärt lebendige Junge ; Nord-
und Ostsee. Der Hunds hai (Scyliium canicula), etwas kleiner, eierlegend
(Eierkapsel viereckig mit langen von den Ecken ausgehenden rankenartigen
Anhängseln, welche um Meerespflanzen gewunden werden); Nordsee. Der
Blauhai (CarcJiarias glaucus), 3 — 4 m lang, vertritt im Mittelmeer die
übrigens besonders in den Tropen zahlreichen, gefrässigen „Menschenhaie".
Die Hammerhaie {Sphyrna) haben den Kopf jederseits in einen längeren
oder kürzeren Fortsatz ausgezogen, an dessen Ende das Auge sitzt; eine
Art im Mittelmeer. Der Eishai (Seymnus borealis), welcher eine Länge
von 8 m erreicht, wird wegen der fettreichen Leber in grosser Anzahl an
den Küsten Islands etc. gefangen. Noch grösser (bis 12 m) ist der
Riesenhai (Sclaclie maxima), dessen äussere Kiemenöffnungen ungemein
lange Spalten sind , Augen sehr klein , Zähne klein und schlecht ausgebil-
det, der innere Rand der Kiemenbögen mit einer Reihe sehr langer Zähne,
welche zusammen einen dichten Kamm bilden, der als Seihapparat wirkt,
um die kleinen Krebse etc. zurückzuhalten, von welchen dieser Riese sich
nach Art der Bartenwale ernährt.
2. Die Rochen (Ihjida) zeichnen sich besonders durch die abge-
plattete Form des Kopfes und Rumpfes, durch den dünnen, peitschenför-
ni igen , oft fast flossenlosen Schwanz cnd durch die enorme Entwicklung
der Brustflossen aus, welche als wagerechte Platten vom Seitenrand des
Körpers entspringen und mit den Seitentheilen des Kopfes oberhalb der
Kiemenspalten verwachsen sind, so dass letztere an der Unterseite der von
dem Kopf, dem Rumpf und den Brustflossen gebildeten Scheibe ihren Platz
haben; an der Oberseite sitzen Augen und 8pritzlöcher. Von anderen
Charakteren sind hervorzuheben , dass die Haut in der Regel in grösserer
oder geringerer Ausdehnung nackt ist, dass ein Theil der übrig gebliebenen
Hautzähne grosse Dornen sind, und dass die Zähne der Mundhöhle niedrige
Höcker (zuweilen mit einer Spitze) oder Platten sind, welche in mehreren
Reihen die Kieferränder pflasterförmig bedecken. In ihrer gewöhnlichen
Erscheinung weichen die Rochen somit sehr von den Haien ab. Aber das
Rochengepräge ist nicht immer in gleichem Grade ausgebildet : bei einigen
sind die Brustflossen kleiner, der Schwanz kräftiger, während es anderseits
Haie giebt (Stjuatina, Meerengel,), welche etwas abgeplattet sind, nach oben
gekehrte Augen und grosse wagerechte Brustflossen besitzen, welche sich
sowohl nach hinten als nach vorne längs der Seite des Kopfes erstrecken,
ohne aber mit letzterem verwachsen zu sein. In der That giebt es eine
vollständige Reihe von TTebergängen von dem gewöhnlichen schlanken Hai-
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400
Specieller Theü.
typue zu der extremsten Bochenform mit einer Kopf-Rumpfscheibe, welche
breiter als lang ist, und mit einer dünnen Schwanzpeitsche. — In der
Nordsee leben verschiedene Arten (besonders der Gatt. Iiaja), alle von
typischem Bochengepräge. Von Formen, welche südlicheren Meeren ange-
hören, sind die Zitterrochen {Torpedo) und die Sägefische (Pristis)
zu nennen; die Schnauze der letzteren ist in eine lange, gerade, schmale
Platte ausgezogen, mit einer Reihe langer zah Dartiger Gebilde in jedem
Seitenrand; beide Gattungen, welche zu den mehr haiartigen Bochen mit
ziemlich kräftigem Schwanz gehören, sind im Mittelmeer vertreten.
3. Die Chimären (HoiocepJiala : Gatt. Chimaera u. a.) sind eine
kleine Abtheilung der Selachier, welche namentlich durch den Besitz eines
die Kiemenspalten überdeckenden Kiemendeckels (der jedoch nicht
von Skelettheilen gestützt ist) von den übrigen Selachiern abweicht und
sich den folgenden Ordnungen nähert; die Kiemenblättchen bedecken die
Kg. 279. Chimaera monstrosa,
Seite der Coulisse völlig, überragen aber deren äusseren Rand nicht
(Fig. 274 Ii). Die Haut ist grösstenteils nackt, der Mund mit einer ge-
ringen Anzahl grosser Zähne bewaffnet. Der obere Abschnitt des Kiefer-
bogens ist mit dem Schädel verwachsen. Im Uebrigen besitzen sie in der
Hauptsache die Charaktere anderer Selachier. Eine Art, Ch. niomtrosa,
kommt häufig im Mittelmeer, an der Küste Norwegens etc. vor.
4. Ordnung. Ganoiden (Ganöidei).
Das Skelet besteht aus Knorpel und Knochen. Herzkegel und
Spiralfalte des Darmes vorhanden. Ein von knöchernen Theilen ge-
stützter Kiemendeckel ; oft ein Spritzloch. Schwimmblase oder echte
Lunge vorhanden. Die Haut gewöhnlich mit Knochenplatten oder
Schnppen ; auch Hautzähne können ausserdem vorhanden sein, aber
in geringerer Menge. In den zusammenlegbaren Flossen sind Knochen-
strahlen vorhanden.
Die wichtigsten jetztlebenden Formen dieser in der Vorzeit so
reich entwickelten Abtheilung sind die im Folgenden genannten.
1. Unterordnung. Knorpelganoiden (Chondrostei).
Das Skelet ist zum grossen Theil knorpelig, nur Deckknochen
sind vorhanden. Kein Zwischen- und Oberkieferbein. Der Mund an
der Unterseite des Kopfes. Ausgeprägte Heterocercie.
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Wirbelthiere. 2. Olasse: Fische.
401
1. Die Störe (/tccipemer') haben 5 Längsreihen von grossen Knochen-
platten längs des Körpers (davon eine längs der Mitte des Rückens) und viele
kleine Platten über den ganzen Körper; oben auf dem Kopfe grosse
knöcheren Platten , welche den knorpeligen Schädel überdecken. Der Mund
klein, zahnlos (die kleinen Jungen haben jedoch Zähne; zuweilen sind auch
bei den Erwachsenen an den Kiemenbögen kleine Zähne vorhanden) ; an der
Unterseite der oft langgestreckten Schnauze sind Tastfäden vorhanden. Sie
besitzen ein Spritzloch. In den nordeuropäischen Meeren lebt der eine
Länge von mehreren Metern erreichende A. sturio, welcher des LaichenB
wegen in die Flüsse hinaufwandert. Mehrere andere Arten im Kaspischen
und Schwarzen Meere und in den grossen russischen Flüssen (Sterlet,
Hausen).
2. Die Löffelstöre (Sjmtularia) weichen von den Stören besonders
dadurch ab, dass die Schnauze zu einem grossen wagerechten Blatt ver-
längert ist, und dass die Haut fast ganz fester Theile entbehrt; im Munde
Bind schwache Zähne entwickelt. In nordamerikanischen und chinesischen
Flüssen.
2. Unterordnung. Knochenganoiden (Holostei).
Das Skelet ist zum grössten Theil verknöchert. Zwischen- und
Oberkieferbein vorhanden. Der Mund am Vorderentie des Kopfes.
Grosse, rautenförmige, „emaillirte"1) Schuppen, welche theilweise mit
kleinen Fortsätzen in einander eingreifen, seltener gewöhnliche
Schuppen wie bei den Knochenfischen. Meistens (Lepidosteus, Amia)
eine wirkliche, als Athmungsorgan fungirende Lunge. — Alle jetzt-
lebenden sind Süsswasserfische.
1. Der Bischir (Pohflrterus). Lange Rückenflosse mit starken an
der Spitze fächerförmig gespaltenen Flossenstrahlen, welche nicht mit ein-
ander zusammenhängen ; keine Afterflosse; Schwanzflosse abgerundet ; schwach
ausgesprochene Heterocercie (der aufgebogene Theil des Rückgrates sehr
klein). Grosse rautenförmige Schuppen. Ein Spritzloch. In Afrika
(z. B. im Nil).
2. Der Knoche nhecht (Lepulosfeus). Schnauze stark verlängert.
Kurze Rücken - und Afterflosse ; stark ausgesprochene Heterocercie , die
Fig. 280. Knochen h echt (Ltpidottem).
Schwanzflosse hat ihren Platz fast ausschliesslich an der Unterseite des
langen, aufgebogenen Rückgrats - Endes (Fig. 264 B). Rautenförmige
Schuppen. Mehrere Arten in Nordamerika.
3. Amia ist äussert ich fast ganz einem Knochenfisch ähnlich ; sie hat
gewöhnliche cycloide Schuppen. Ueber ihre wichtigsten Charaktere vergl.
8. 391 Anm. 1 ; S. 392 Anm. 1 ; Fig. 269 C : Fig. 275 B. Nordamerika.
') Die Schoppen sind äusserlich von einer glänzenden Schichte überzogen,
welche allgemein als „Schmelz44 bezeichnet wird; es handelt sich hier aber that-
sächlich nicht um wirklichen Schmelz wie an den Zähnen, sondern nur um eine
äusserste, glänzende, dichte Knochenschicht.
Bon, Zoologie. 26
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402
Specialer Theil.
4. Ordnung. Lungenfische (Dipnoi).
Skelet theil weise verknöchert. Herzkegel spiralig gewunden und
innerlich mit einer aus umgebildeten Klappen gebildeten Längsfalte
versehen. Spiralfalte im Darm. Kiemendeckel von knöchernen
Theilen gestützt. Die Lunge ist Athmungsorgan. Haut mit Schuppen.
Flossen mit Hornstrahlen. — Zwischen- und Oberkieferknochen fehlen.
Sowohl die vorderen als die hinteren Nasenlöcher liegen innerhalb
des Mundrandes. Die Gliedmaassen sind entweder lange, zugespitzte
Platten mit einem gegliederten Knorpelstab in der Mitte, von welchem
jederseits eine Reihe Knorpelstrahlen entspringt; oder sie sind faden-
förmig, mit einem ähnlichen, aber mehr oder weniger reducirten Ske-
let. Diphycerk, Schwanz zugespitzt. Das Rückgrat ist nicht in
Wirbel getheilt, die Chorda mächtig ausgebildet. Wenige, aber
grosse Zähne im Munde. — Ausschliesslich im Süsswasser.
Diese abweichende, in der Jetztzeit nur durch ganz wenige Formen
vertretene Gruppe schliesst sich ganz nahe an die Ganoiden (besonders die
Knochenganoiden) an. Merkwürdig ist der Bau deB Herzkegels, welcher
an den Befund bei den Amphibien erinnert (vergl. diese); hiermit stehen
auch gewisse Eigenthümlichkeiten im Bau der übrigen Theile des Herzens
in Verbindung, wodurch eine partielle Sonderung des von der Lunge und
des vom übrigen Körper kommenden Blutes bewirkt wird. Sehr eigen-
tümlich ist auch der Bau der Gliedraaassen, die Lage der Nasenlöcher etc.
1 . Der Barramunda (Ccratodus) ist ein grosser, gestreckter, an beiden
Enden zugespitzter Fisch mit grossen Schuppen ; grosse breite Gliedmaassen ;
Fig. 281. Ceraiodu$. — Nach Günther.
Rücken-, Schwanz- und Afterflosse nicht gesondert. Lebt in den Flüssen
Neu-Hollands.
2. Protopterus annedem ist der Name eines in Afrika lebenden Lungen-
fisches mit sehr schmalen, langen Gliedmaassen; er besitzt einige kleine
Fig. 282. Protoptent* annecten*.
fadenförmige, vielleicht als Kiemen fungirende Hautanhänge am oberen Ende
der KiemenöflFnung (von den gewöhnlichen Kiemen fehlen dagegen die am
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Wirbelthiere. 2. Clatse: Fische.
403
1. und "2. Kiemenbogen) ; übrigens ist er äusBerlich in der Hauptsache dem
vorhergehenden ähnlich. — Eine verwandte Form (iAipidosiren jtaradoxa) in
Südamerika.
5. Ordnung. Knochenfische (Tehostei).
Das Skelet besteht aus Knorpel und Knochen ; letzterer bildet
die Hauptmasse. Herzkegel rudimentär. Arterienbulbus vorhanden.
Keine Spiralfalte im Darm. Ein von knöchernen Theilen gestützter
Kiemendeckel. Kein Spritzloch. Die Haut mit Schuppen oder
Knochenhöckern, -platten, etc. ; Hautzähue fehlen in der Regel (können
aber in geringerer Menge vorhanden sein). Flossen zusammenfaltbar,
mit Knochenstrahlen versehen.
1. Unterordnung. Physostomen (Physostomt).
Schwimmblase durch einen Luftgan» mit dem Darmkanal ver-
bunden. Bauchflossen weit hinten, dicht beim After. In der Regel
fehlen Stachelstrahlen. Schuppen cycloid.
1. Die Herings familie (Clupeidae). Körper länglich, zusammen-
gedrückt. Grosse, leicht abfallende Cycloidschuppen. Nur eine Rücken-
flosse. Zähne schwach. Hierher gehören: der Hering (Clttpea harenyits)
und der Sprott (Cl. spraltus), beide in der Nord- und Ostsee gemein,
die Sardine (Cl. pilcftardun) an den Küsten Frankreichs und Englands
gemein, der Mai fisch (Cl. alosa) in der Nordsee etc., welcher zum Laichen
die Flüsse (z. B. den Rhein) hinaufsteigt; alle diese einander sehr ähn-
lichen Formen haben eine Reihe Kielschuppen längs der Bauchseite; weiter
der echte Anchovis oder die 8ardelle (Engraiiiis encrassicholus), ohne
Kielschuppen , mit verlängerter Schnauze , im Mittelmeer , seltener in den
nördlichen Meeren.
2. Die Lachsfamilie (Salwonidae). Schuppen klein oder mittel-
gross. Zwei Rückenflossen , von welchen die hintere eine strahlenlose
Fettflosse ist. Besonders im Süsswasser. In Deutschland leben u. A. :
Der Lachs (Salmo salar), in den nordeuropäischen Meeren, wandert zum
Laichen in die Flüsse hinein; die nahe verwandte Forelle (S. fario), im
Süsswasser; der 8aibling (S. salvelinus), kleiner, in Gebirgsseen; von
den Maränen oder Renken (Coregonm), mit kleinen Zähnen oder zahn-
los (die Salmo-Arten haben grosse Zähne), leben einige Arten im Meere,
andere im Süsswasser.
3. Die Hecht familie (Esocidae). Kleine Schuppen. Rückenflosse
weit hinten. Abgeplattete , gestreckte Schnauze. Mund gross mit zahl-
reichen, z. Th. grossen Zähnen. Wenige Arten. Der gemeine Hecht
(Esox lueitis) häufig in Süsswasser.
4. Die Karpfenfamilie (Üyprinidae). Körper zusammengedrückt,
mit grösseren oder kleineren Schuppen. Eine RückenflosBo. Die Knochen
des Mundes sind sämmtlich zahnlos mit Ausnahme der unteren Schlund-
knochen, welche mit kräftigen Mahlzähnen versehen sind, die gegen eine
dicke , an der Unterseite des Schädels angebrachte Hornplatte wirken.
Häufig Bartfäden am Mundrande. Süßwasserfische , welche sich theilweise
von zerfallenen Pflanzen ernähren. Von den zahlreichen Formen seien an-
geführt: der Karpfen (Oyprinus carpio) mit vier Bartfäden am oberen
Mundrand (aus Asien eingeführt), die Karausche (Carassitis vulgaris) ohne
Bartfäden, sonst jenem ähnlich, der Goldfisch (Cur. auratus) aus China,
26*
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•104
Specieller Theil.
die Barbe (Ilarbus vulgaris) mit 4 Bartfäden, davon zwei an der Schnau-
zenspitze , der kleine Gründling ( Oobio flu riatilis) , die Weissfische
(Leueiseus) , die S c h 1 e i h e ( Tinea ndgaris) mit kleinen Schuppen in der
dicken, schleimigen Haut; der kleine Bitterling (Rkwlrus atnaru.s),
Weibchen in der Laichzeit mit einer langen, an der Spitze die Geschlechts*
Öffnung tragenden Legeröhre, mittels welcher die Eier in die Kieraenhöhle
von FluBsmuscheln (l'nio) abgelegt werden; der Brassen (Abramis brmna)
mit hohem, seitlich zusammengedrücktem Körper; die Schmerlen {Cobi-
tis), kleine Fische mit gestrecktem, zuweilen aalartig verlängertem, Körper,
sehr kleinen, verborgenen Schuppen, 6 oder mehr Bartfäden. (Darmre-
spiration, vergl. S. 391.) Alle genannten, mit Ausnahme des Goldfisches,
in Deutschland einheimisch.
5. Die Welsfamilie (Siluridae). Körper niemals mit gewöhnlichen
Schuppen, entweder nackt oder mit grösseren Knochenplatten (Hautzähne
können vorhanden sein). Der Oberkieferknochen sehr schwach entwickelt.
Bartfäden am Munde. Eine Fettflosse häufig vorhanden. Süsswasserfische,
welche besonders durch zahlreiche interessante Formen in den Tropen ver-
treten sind. Der Wels ( Silurus gUinis). nackt, mit ganz kleiner Rücken-
Ii osse weit vorne, langer Afterflosse, zwei langen und vier kurzen Bart-
fäden , kleinen Augen ; wird bis 4 Meter lang ; der einzige europäische
Repräsentant der Familie (auch in Deutschland). Der Zitterwels
( Malaptcrurus elrctricus) mit Fettflosse (sonst aber ohne Rückenflosse),
meterlang, in Afrika. Die Panzerwelse (Lorieuria), Haut mit grossen
Knochenplatten bedeckt, in Südamerika.
6. Die Aalfamilie (Muraenidae). Körper schlangenförmig, schuppen-
los oder mit kleinen Schuppen, ohne Bauchflossen, Rücken-, Schwanz- und
Afterflosse bilden einen zusammenhängenden Flossensaum , kleine Kiemen-
spalte, kleine Augen. Der Aal (Anguilla vulgaris), mit Schuppen, laicht
im Meere, wahrscheinlich auf tiefem Wasser, die noch durchsichtigen Jungen
wandern in's Süsswasser hinauf; später gehen die Aale wieder in's Meer.
Der Meeraal (Conger vulgaris), schuppenlos, erreicht eine bedeutende
Grösse (ein paar Meter), in der Nordsee. Die Muräne (Oymnothorax mu-
raena), ganz gliedmaassenlos, indem auch die Brustflossen fehlen, im Mittel-
meer. — Zu einer anderen Familie schlangenförmiger Physostomen gehört
der Zitteraal (Üymnotus clectricus), in Südamerika; After dicht beim
Kopfe, Afterflosse lang, keine Rücken- und Bauchflossen.
2. Unterordnung. Aphysostomen (ApJtysostomi).
Kein Luftgang. Bauchfloäsen gewöhnlich weit nach vorne ge-
rückt. Meistens sind Stachelstrahlen vorhanden (nicht bei den
sub 1 — 3 aufgeführten Formen).
1. Die Makrelenhechte (Scomberesocidae). Cycloidschuppen.
Rückenflosse kurz, weit hinten. Bauchflossen weit hinten. Keine
Stachelstrahlen. Der Hornfisch (Melone imlgaris) hat Unter- und Zwischen-
kiefer zu einem langen , mit feinen Zähnen besetzten Schnabel verlängert,
Körper sehr gestreckt, Knochen grün; in der Nord- und Ostsee. Die
fliegenden Fische (Exocvetus) zeichnen sich durch die kolossale Ent-
wicklung der Brustflossen aus, vermittels welcher sie eine kurze Strecke über
die Oberfläche des Meeres hin fliegen können ; in den wärmeren Meeren
(eine Art schon im Mittelmeer).
2. Die Schellfisch familie (Oadidae). Körper etwas gestreckt,
mit kleinen Cycloidschuppen. In der Regel 2 — 3 Rückenflossen und 1—2
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Wirbelthiere. 2. Classe: Fische.
405
Afterflossen. Bauchflossen vor den Brustflossen. Keine 8tachelstrahlen.
Oft ein Bartfaden am Kinn. Zur Gattung Gadtis, mit 3 Bücken-, 2 After-
flossen, gehören: der Dorsch oder Kabljuu (G. morrhua), welcher in
ungeheuren Schaaren im nordatlantischen Meer vorkommt, bis 1 V.> m lang,
und der Schellfisch (G. aeglefinus), zahlreich z.B. in der Nordsee, beide
mit Bartfäden. Die Quappe ( L. vulgaris), im Süsswasser, hat eine vor-
dere kurze und eine lange hintere Bückenflosse (die hintere entspricht den
beiden hinteren Rückenflossen von Gadus), eine Afterflosse und einen Bart-
faden. — Zu einer verwandten Familie (Ophidiidae) gehören die Sandaale
( Aminodytes) , kleine langgestreckte Fische ohne Kieferzähne, mit vor-
ragendem Unterkiefer , ohne Bauchflossen , mit langer Rückenflosse und
Afterflosse; an der Küste der Nord- und Ostsee. Zu derselben Familie
gehört auch die Gatt. Picrasfer , deren Arten in den Wasserlungen der
Seewalzen ihren Aufenthalt nehmen (ohne eigentlich Parasiten zu sein ; sie
ernähren sich von kleineren Thieren) ; eine verwandte Gattung, EtwJielyophis,
soll ein wirklicher Parasit sein.
3. Die Plattfische (Plcuroncdidae). Der Körper ist eine hohe,
zusammengedrückte Scheibe; beide Augen auf derselben Seite, bei einigen
Arten auf der rechten , bei anderen auf der linken (bei wenigen Arten
haben einige Individuen die Augen rechts, andere links) ; die blinde Seite
ist weiss und nach unten gekehrt, die andere gefärbt ; der Mund ist etwas
nach der blinden Seite verschoben. Rücken- und Afterflosse sehr lang,
After weit vorne. Die Bauchflossen vor den Brustflossen. Keine Stachel-
strahlen. — Als kleine Junge sind sie vollkommen symmetrisch, die Augen
sitzen jedes an Beiner Seite des Kopfes , und die Tbiere schwimmen mit
dem Bauch nach unten ; später dreht sich das eine Auge auf die andere
Seite hinüber , das Thier legt sich auf die Seite etc. — In der Nord-
und Ostsee leben unter anderen: die Scholle (Plewonectes platessa),
Augen rechts (äusserst selten links), Schuppen glatt; die Kliesche (/'/.
limanda), Augen rechts, Schuppen rauh; der Flunder (/V. flesus), mit
rauhen Knochenhöckern, Augen meistens rechts, sehr oft jedoch links ; letz-
terer kommt nicht nur im Meere, sondern auch im Süsswasser vor. Die
Seezunge (Solen rtdyaris), weniger hoch als die vorhergehenden, Augen
rechts ; der Heilbutt (Ilippoylossns vulgaris), ebenfalls mit den Augen
rechts, erreicht eine ansehnliche Grösse (ein paar Meter). Der Steinbutt
(Rfioinbus maxhn wi'), mit Knochenwarzen, und der Glattbutt (Rh. laevis),
mit kleinen glatten Schuppen , beide mit den Augen an der linken Seite.
4. Die Barschfaroilie (Percidae). Schuppen cteuoid. Zwei Rücken-
flossen, welche jedoch häufig zusammenhängen, die vordere mit lauter
Stachelstrahlen. Bauchflossen unterhalb der Brustflossen. Kiemendeckel
mit Dornen. Hierzu der Flussbarsch (Perm fhtviatilis), der grössere,
gestrecktere, mit grossen Zähnen versehene Zander ( Luciopnca sandra),
der Kaulbarsch (Acerina remua), mit verschmolzenen Rückenflossen;
alle drei sind Süsswasserfische (der erste auch im Brackwasser) und kommen
in Deutschland vor. — Zu einer verwandten Familie gehören die vorhin
(S. 391) erwähnten Kletterfische (Anabas).
5. Die Lippfische (Labridae) erinnern äusserlich an die Barsche;
sie zeichnen sich besonders dadurch aus , dass die unteren Schlundknochen
mit einander verschmolzen sind, häufig auch durch eine wulstige Hautver-
dickung (Lippe) längs des Mundrandes. Zu dieser Familie, welche durch
mehrere kleine Arten in der Nord- und Ostsee vertreten ist, gehören auch
die Papageifische (Spants) , welche dadurch ausgezeichnet sind, dass
der Rand und ein Theil der Vorderseite des Zwischen- und Unterkiefers
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406
Speoieller Theil.
mit Zähnen besetzt sind, welche mit einander und mit den theilweise ent-
blössten Kieferknochen durch eine Knochenmasse verbunden sind, wodurch
ein zusammenhängender schneidender Rand gebildet wird; an den oberen
und unteren Schlundknochen in ähnlicher Weise verkittete Mahlzähne. Die
Papageifische, welche ausschliesslich den wärmeren Meeren angehören
(eine Art im Mittelmeer), sollen sogar Aeste von Steinkorallen abbeissen
können.
6. Das Petermännchen (Traehinus draco) ist ein etwas gestreckter
Fisch mit kurzem Kopf und kleinen cycloiden Schuppen ; zwei Rücken-
flossen , von welchen die hintere lang und weichstrahlig , die vordere
ganz, kurz und stachelstrahlig ist; Bauchflossen vor den Brustflossen. Am
Kiemendeckel findet sich ein knöcherner Stachel mit zwei Giftdrüsen, welche
in Rinnen an der Oberfläche desselben liegen und dicht vor dessen Spitze
ausmünden; ähnliche Drüsen an den Stachelstrahlen der Rückenflossen.')
Häufig in der Nordsee (selten in der westl. Ostsee); wird häufig mit dem
grössten Theil des Körpers in den Sand vergraben angetroffen.
7. Die Schuppen flosser (Squamijientwi). Stachelflosser mit sehr
hohem, stark zusammengedrücktem Körper und mit prächtigen Farben;
die Schuppen erstrecken sich weit auf die unpaaren Flossen hin. In den
wärmeren Meeren.
8. Die Panzerwangen (Gataphracti). Körper in der Regel ohne
gewöhnliche Schuppen, nackt oder mit grösseren Knochenplatten; einer
der unterhalb des Auges liegenden Seitenlinienknochen (Suborbitalknochen)
ist stark entwickelt und erstreckt sich hinten bis an das Praeoperculum (den
vordersten der Kiemendeckel - Knochen). Bauchflossen unter den Brust-
flössen. Hierher gehören: Der Sees corpion (Cottus scorpitts), ein gross-
köpfiger Fisch mit nackter Haut, mit Dornen am Kopfe, häufig in der
Nord- und Ostsee; in den Süsswassern Deutschlands lebt die kleine (bis
15 cm lange) Groppe (Cottw gobio). Der kleine Steinpicker (-l^o-
mis catapkr actus), mit Knochenplatten am Körper und mit zahlreichen Bart-
faden, und der Knurrhahn (Trigla gurnardus) mit gepanzertem Kopf,
kleinen Schuppen und den untersten Strahlen der Brustflossen frei, finger-
artig, als förmliche Beinchen zum Kriechen verwendbar, leben ebenfalls in
der Nord- und Ostsee. Beim Flughahn (Daäylopierus volitans) ist jede
Brustflosse in zwei Theile gesondert, von welchen der eine sehr gross ist,
so dass das Thier mittels desselben sich über die Meeresoberfläche erheben
kann; im Uebrigen steht das Thier den beiden vorher genannten nahe; im
Mittelmeer.
9. Die Stichlingsfamilie (Gasterosteidac) ist der vorhergehenden
Familie in Bezug auf das Verhalten der Suborbitalknochen ähnlich. Der
stachelstrahlige Theil der Rückenflosse besteht aus freien Strahlen ; die
Bauchflossen , welche etwas hinter den Brustflossen sitzen , bestehen aus je
einem langen Stachelstrahl und einem kurzen "Weichstrahl. Keine Schuppen,
sondern grössere Knochenplatten in der Haut. Das Männchen baut oft ein
Nest. Die Stich linge (Gasterostcus) sind kleine Fische, welche sowohl
in Süss- als in schwach salzigem Meereswasser leben; der dreistachlige
Stichliug (G. aculeattisj mit 3, der neunstachlige Stichling (G.
pungitius) mit ca. 9 Stachelstrahlen der Rückenflosse, beide in Deutschland.
Ausschliesslich dem Meere (Nord-, Ostsee, etc.) gehört der See stich-
ling (Spiiwhia vulgaris) an, sehr gestreckt, mit langem dünnen Schwanz,
15 freien Stachelstrahlen.
J) Auch bei einigon anderen, tropischen, Fischen sind ähnliche Giftwerkzeuge
nachgewiesen.
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Wirbelthiere. 9. Classe: Fi«che.
407
10. Die Makrelenfamilie (Scomberidae). Stachelflosser. Körper
gestreckt, wenig zusammengedrückt, mit kleinen Schuppen. Hinterer Theil
der Bücken- und Afterflosse in eine Anzahl kleiner Stücke zerfallen.
Bauchllossen unterhalb der Brustflossen. Hierzu die Makrele (Scomber
scomber) , gemein an den europäischen Küsten, und der Thunfisch
(Thynnus vulgaris), gemein im Mittelmeer r seltener in den nördlichen Meeren.
— Verwandt sind die Schiffshalter (Echene'i.s), deren vordere Rücken-
flosse zu einem Saugapparat umgebildet ist, welcher sich auf den Kopf
hinauf erstreckt, und mit welchem das Thier sich an grösseren Fischen,
Schiffen etc. anheftet. Ferner der grosse Schwertfisch (Xipkias gladius),
dessen Oberkiefer stark schnabelförmig verlängert ist, und welcher keine
Brustflossen besitzt; häufig im Mittelmeer, erscheint hin und wieder in den
nördlichen Meeren, sogar in der Ostsee.
11. Die Schleimfische (Ulciiniidae). Körper in der Regel fast
aalförmig, mit sehr kleinen Schuppen. Gewöhnlich eine lange Rücken- und
Afterflosse, aus biegsamen, ungegliederten Strahlen bestehend (keine Stachel-
strahlen). Bauchflossen vor den Brustflossen. Hierzu gehören: Die Aal-
mutter (Zoarces vivijmrus) , sehr häufig in der Nord- und Ostsee, bis
40 cm lang, lebendiggebärend. Der Seewolf (Anarrhiclias lupiis), grösser,
mit mächtig entwickelten, starken, kegelförmigen Zähnen vorne und Mahl-
zähnen mehr hinten im Munde , ohne Bauchflossen ; ernährt sich von
Muscheln u. ä. ; in den nördlichen Meeren (selten in der Ostsee).
12. Die Meergrundeln (Gobius) sind kleine Fische mit ziemlich
weichen Stachelstrahlen; sie zeichnen sich besonders dadurch aus, dass die
Bauchflossen, welche unterhalb der Brustflossen sitzen, mit einander ver-
schmolzen sind. — Bei dem einer anderen Familie angehörigen Seehasen
(Cyclopterus lumjni-s) sind die Bauchflossen ebenfalls verwachsen und dazu
noch zu einer Saugscheibe umgebildet; der Seehase (Lump) ist ein kurzer,
plumper Fisch mit knöchernen Dornen in der Haut ; in der Nord- und Ostsee.
13. Die Armflosser (Pedicidati). Körper plump, nackt, Kopf oft
gross, Kiemenöffnung klein; Bauchflossen vor den Brustflossen, welch
letztere wie gestielt sind, indem die sonst bei den Knochenfischen kurzen
Radien (die „ Handwurzel ") hier verlängert sind. Der vordere Theil der
Rückenflosse besteht aus einer Anzahl freier Strahlen. In den nordischen
Meeren nur der grosse Seeteufel (Lophiux piscatorius) , abgeplattet , mit
kolossaler Mundöffnung ; die freien Rückenstrahlen verlängert, der vorderste
(nebst zwei folgenden auf dem Kopfe sitzend) mit einem weichen Anhang
an der Spitze.
14. Die Haftkiefer (Vledogtmthi) sind Fische von sehr verschie-
denem Aussehen, welche darin mit einander übereinstimmen, dass die Ober-
und Zwischenkieferbeine der gewöhnlichen Regel entgegen mit dem Schädel
unbeweglich verbunden sind; Bauchflossen fehlen. Grösstenteils Thiere
von sehr eigenthüm liebem Gepräge, welche in den wärmeren Meeren zu
Hause sind. Die Kofferfische (Ostraeion), kurz, mit abgeplattetem
Bauch, zeichnen sich dadurch aus, dass der grösste Theil des Körpers von
einem dünnen Knochenpanzer umgeben ist , welcher aus polygonalen , fest
verbundenen Platten zusammengesetzt ist; nur der kleine Schwanz und die
Flossen sind beweglich. Die Igel fische (Diodon) sind mit knöchernen
Dornen besetzt, welche sich aufrichten, wenn das Thier sich aufbläst; dies
geschieht, indem es eine sackförmige Ausstülpung der Speiseröhre mit Luft
füllt, welche durch den Mund aufgenommen wird (es liegt dann mit dem
Bauch nach oben im Wasser) ; ihre Bezahnung erinnert an die der Papagei-
fische. Die Klump- oder Mondfische (Mola oder Orthagoriacits ) siud
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♦
408 Specieller Theil.
grosse, pelagische Fische, stark zusammengedrückt und sehr kurz (der
Körper bildet eine senkrechte kurz-ovale Scheibe), die Schwanzflosse iat ein
Saum längs des Hinterrandes des Thieres, Rücken- und Afterflosse hoch;
eine Art (Mola na&us) , welche der pelagischen Fauna des Atlantischen
Meeres angehört, ist einige Male im Kattegat getroffen worden.
15. Die Seenadelfamilie (Syngnalliidae). Körper gestreckt mit
Knochenplatten bekleidet, die Schnauze in eine Röhre ausgezogen, an deren
Spitze die kleine zahnlose Mundöffnung liegt; Bauchflossen fehlen. Kiemen-
blättchen in ganz geringer Zahl an jedem Bogen, aber stark gefaltet ; äussere
Kiemenöffnung klein. Die Eier werden von den Männchen an der Unter-
seite von Rumpf und Schwanz umhergetragen, indem sie in einigen Fällen
einfach derselben angeklebt sind, in anderen zwischen zwei Längsfalten
oder in einen Sack eingeschlossen sind. Die Thiere Bchwiinmen mittels
sehr schneller wellenförmiger Vibrationen der nicht sehr langen Rücken-
flosse In den nördlichen Meeren leben verschiedene Seenadeln, Arten
der Gattungen Syngnatiius , Nerophix u. a. , welcher letztgenannten alle
Flossen mit Ausnahme der Rückenflosse fehlen. Die Seepferdchen
(Hippocampus) mit flossenlosem Greifschwanz, nach unten gebogenem Kopfe
und dornartigen Auswüchsen an Kopf und Rumpf, stehen während des
Schwimmens senkrecht im WasBer; meistens in den wärmeren Meeren, eine
Art in Mittelmeer häufig, kommt auch noch in der Nordsee vor.
3. Classe. Amphibien oder Lurche (Amphibia).
Im Gegensatz zu den Fischen ist der Kopf bei den Amphibien in der
Regel ziemlich deutlich vom Rumpf abgegrenzt, wenn auch noch kein
deutlich abgesonderter Hals vorhanden ist; der Kopf, und gewöhn-
lich auch der Rumpf, ist mehr oder weniger niedergedrückt, ersterer
in der Regel etwas freier beweglich. Wenn ein Schwanz vorhanden
ist, so ist er gewöhnlich mehr oder weniger zusammengedrückt und
kräftig entwickelt, aber bei Weitem nicht so musculös wie bei den
Fischen ; oben geht er ziemlich allmählich in den Rumpf über, unten
ist er dagegen deutlich von diesem abgesetzt. Die Gliedmaassen
stehen auf einer höheren Entwicklungsstufe als bei den Fischen; sie
zerfallen in mehrere durch Gelenke gesonderte Abschnitte, der
äusserste ist in Finger oder Zehen gespalten, ein Flossensaum wie
bei den Fischen fehlt immer : sie sind Gehwerkzeuge geworden.
In Vergleich mit den Gliedmaassen z. ß. der Säugethiere sind sie
allerdings, wenigstens bei der einen Hauptgruppe, noch klein und
schwach.
Die Oberhaut ist beim ausgebildeten Thiere mit einer dünnen
(eine oder zwei Zellen dicken) Hornschicht versehen, welche ebenso
wie die der Reptilien periodisch als ein Ganzes abgeworfen und durch
eine neue ersetzt wird (Häutung). Einzelne Stellen der Oberfläche
können mit einer festeren Hornschicht versehen sein, z. B. gewisse
Stellen an den Vordergliedmaassen der Frösche während der Fort-
pflanzungszeit. Krallen- fehlen. Mit der Haut sind rundliche,
sackförmige echte Drüsen verbunden, welche über die ganze Ober-
fläche verbreitet ausmünden ; zuweilen sind sie an einigen Stellen
dichter gehäuft, welche sich dann etwas hervorwölben können (die
sogenannten „Parotidei!" hinter dem Kopfe beim Landsalam ander und
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Wirbelthiere. 3. Claase: Amphibien.
409
bei Kröten sind Haufen von Hautdrüsen). Die Absonderung hat
wenigstens theilweise den Zweck, die Haut feucht zu erhalten; zu-
weilen ist das Secret giftig. In die Lederhaut sind bei den meisten
Gymnophionen (Schleichenlurchen) wirkliche Schuppen von derselben
Art wie bei den Fischen eingeschlossen; bei einzelnen anderen können
an gewissen Hautstellen auch grössere Hautknochen l) vorhanden
sein, oder es kann sich (wie bei alten Exemplaren der gemeinen Kröte)
in der Lederhaut Kalk ablagern. Ebenso wie die Fische sind nicht
wenige Amphibien mit einem unpaaren Flossensaum versehen,
welcher sich längs eines grösseren oder kleineren Theiles des Rückens
(zuweilen vom Kopfe ab) und um die Schwanzspitze herum an der
Unterseite des Schwanzes bis an den After erstreckt; er ist stets
strahlenlos, gewöhnlich in der Fortpflanzungszeit am stärksten und
beim Männchen stärker als beim Weibchen entwickelt; er ist übrigens
nur bei einer Anzahl Schwanzlurchen vorhanden, fehlt bei den
übrigen Amphibien (dagegen im Larvenzustand vorhanden, vergl.
unten).
Fig. 283. Skelet eines Scliwanzlurchci (Mtnopoma).
Das Skelet ist zwar zum grösseren Theil verknöchert, ähnlich
wie bei manchen Fischen sind jedoch bedeutende Knorpelpartien, be-
sonders im Schädel, vorhanden. Bei den Kiemenlurcheu und Gymno-
phionen sind die Wirbelkörper biconcav, vorn und hinten aus-
gehöhlt, und die Chorda gross; bei den übrigen ist die Chorda
dagegen in der Regel rückgebildet, ihre Ueberreste sind in die
Wirbelkörper eingeschlossen, welche mit einander durch Gelenke ver-
bunden sind; bei den Schwanzlurchen sind die Wirbelkörper hinten
ausgehöhlt, vorne convex (opisthocoel), bei den Froschlurchen in
der Regel vorne ausgehöhlt, hinten convex (procoel). Die Bögen
der Wirbel tragen hinten an der Unterseite je zwei Gelenkflächen,
') Auch bei manchen ausgestorbenen Amphibien (Labyrinthodonten) waren in
der Lederhaut grössere oder kleinere Knochen vorhanden.
410
Specieller Theil.
welche zwei ähnlichen vorne an der Oberseite des folgenden Bogens
entsprechen (Gelenkfortsätze). Aehnlich wie bei den Fischen, im
Gegensatz aber zu den folgenden Classen , ist der zweite Rumpf-
( Hals-) wirbel nicht besonders entwickelt (vergl. die Reptilien). Von
den Rumpfwirbeln ist überhaupt nur der erste, an welchen der Kopf
eingelenkt ist, und der letzte, an welchen das Becken befestigt ist,
von den übrigen etwas abweichend. Die Schwanzwirbel sind bei den
Schwanzlurchen mit unteren Bögen versehen ; bei den Froschlurchen
sind die ini Larvenzustande zahlreichen Schwanzwirbel beim erwachsenen
Thiere zu einem langen , ungegliederten Knochen , dem Steissbein,
verschmolzen — Die Rippen erreichen nie das Brustbein; sie waren
bei gewissen ausgestorbenen Amphibien (Stegocephalen) wohl ent-
wickelt, bei allen jetztlebenden Amphibien dagegen sind sie stark
rückgebildet; am deutlichsten sind sie noch bei den Schwanzlurchen
und Gymnophionen , bei denen sie als kurze Anhänge in der Regel
an allen Rumpfwirbeln , mit Ausnahme des ersten , und (bei den
Schwanzlurcheu) zugleich an den vorderen Schwanzwirbeln, vor-
handen sind ; bei den Froschlurchen sind die Rippen rudimentär und
beim erwachsenen Thiere gewöhnlich mit den langen Querfortsätzen
verschmolzen. — Das Brustbein steht nicht in Beziehung zu den
Rippen, schliesst sich dagegen eng an die untere Partie des Schulter-
gürtels an ; bei den Schwanzlurchcn ist es eine kurze Knorpelplatte,
in deren Vorderrand die Coracoide eingefalzt sind, bei den Frosch-
lurchen ist es oft theilweise verknöchert und mit den genannten
Knochen eng verbunden.
Das Kopfskelet schliesst sich in vielen Punkten an das derGa-
noiden und Knochenfische an. Bedeutende Theile des knorpeligen
A B
Fig. 284. Die V i « cc ral b ö ge n des L und Salamanders, vun unten gesehen,
.1 Larve, b erwachsenes Thier, c. CopulM, e die letzte Copulu (beim erwachsenen von den
übrigen abgetrennt). * Unterkiefer, A ZungenbeinboKen, brx — t erster — vierter Kienienbogen.
I IlintcrhauptAgelenkhöt-kor, o Auge. — Nach Huscuui.
') Der Schwanz tritt bei diesen Thieren äasserlich nicht hervor, indem die
langen Darmbeine, welche mit ihrem vorderen Ende am Beckenwirbel festgeheftet
sinu, sich dem Steissbein ungefähr parallel gerade nach hinten erstrecken; letzterer
ist etwa von derselben Länge wie das Darmbein, so dnss die Gelenkpfanne ihren
Platz neben der Spitze des Steissbcins bekommt.
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Wirbelthiere. 3. Classe: Amphibien.
411
Schädels bleiben das ganze Leben hindurch erhalten, grösstenteils
von Deckknochen überdeckt. Es sind zwei Gelenk höcker am
Hinterhauptsbein vorhanden. Die Zwischen- und Oberkiefer-
beine sind mit dem vordersten, soliden Theil des Schädels in nähere
Verbindung getreten und liegen demselben dicht an (sie sind nicht
wie bei den Knochenfischen beweglich). Der obere Abschnitt des
Kieferbogens . der Gaumen knorpel (Palatoquadratum) , ist am
hinteren Theil des Schädels festgewachsen, zuweilen (bei den Frosch-
lurchen) ist er auch noch an seinem vorderen Ende mit dem vorderen
Theil desselben verwachsen ; auch er bleibt theilweise knorpelig. Bei
den Larven finden sich ausser dem Kiefer- und Zuugenbeinbogeu ge-
wöhnlich vier Paar knorpelige Kiemenbögen, welche bei der
Metamorphose mehr oder weniger rückgebildet werden; bei den
Schwanzlurchen bleiben jedoch die beiden ersten Paare erhalten.
Von den Knochen des Kopfskeletes der Amphibien sind ausser den
oben genannten folgende zu nennen. Im knorpeligen Schädel selbst ent-
wickeln sich: ein Paar seitliche Hinterhauptsbeine (Oirijritotia
Fig. 285. Schädel eines Frosche* (Hann esculenta) von oben (A) und von unten (Ii),
c knorpelige Seitcntheile des Schädels, e Gurtelbein, t knorpelige Nascnkapsel, J'n Nasenbein,
fp Stirn-Scheitelbein, ti Zungenbeinbogen, i Zwischenkicforbein, j Jochbein, m Oberkieferbein,
m ljuadratbein , o seitliches Hinterhauptsbein, op Knorpel /.wischen letzterem und /», dem
Felsenbein, p vorderer Theil des Felsenbeins mit ciuer grossen Nervenöffnung (p ), /«/Gaumen-,
jil FlUgelbein. pt hinterer Theil des Flugelbeins, « Paraspheuoid, t—t' Tympanicum, v Vomer.
— Nach Ecker.
laieralia), welche das Hinterhauptsloch fast völlig umgeben und die Gelenk-
höcker tragen ; vor diesen jederseits das Felsenbein (Pctroaum) ; am
vordersten Theil der Schädelhöhle eine in der Kegel ringförmige Ver-
knöcherung, das Gürtelbein. Oben wird der Schädel von folgenden
Stücken bedeckt: einem Paar Nasenbeine hinter den äusseren Nasen-
öffnungen, einem Paar Stirnbeine und Scheitelbeine (bei den Frosch-
lurchen sind Stirn- und Scheitelbein jeder Seite zu einem Knochen ver-
schmolzen); unten findet sich ein Parasphenoid (vergl. die Fische)
und vor diesem jederseits der Vomer. Im Gaumenknorpel findet
sich unten , an der Verbindungsstelle mit dem Unterkiefer , eine unbe-
deutende Verknöcherung, das Quadratbein (Qiiadralum), und hinten wird
der Knorpel seitlich von einem grossen Deckknochen, dem Tympanicum,
A
B
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412
Specioller Theil.
bedeckt; naoh vorne erstreckt sich das Flügelbein (Pterygoideum), und
vor diesem findet sich bei den Froschlurchen ein querliegendes Gaumen-
bein, welches sich mit seinem inneren Ende an den Schädel heftet. Bei
den Froschlurchen geht auch vom Quadratbein zum Oberkieferbein ein
dünner Knochenstab , das Jochbein {Jwjair oder Quadratojugale). Die
Unterkiefer äste bestehen jeder, ebenso wie bei den Fischen, aus
mehreren Knochenstücken.
Fig. 286. Fig. 287.
Fig. 286. Brustbein und Sehn ltergtlrtcl eines Landsalamanders. «/Brust-
bein, co Coracoid, $c Schulterblatt.
Fig. 287. Dieselben Theile eines Frosches, st Brustbein, ep Vorderbrustbein, co hinterer
Abschnitt des Coracoids, sc unterer Theil des Schulterblattes, »c oberer Theil desselben, cl
Schlüsselbein. Die knorpeligen Theile in dieser und der vorigen Figur punktirt. — Nach Ecker.
Der Schultergürtel wird bei den Schwanzlurchen jederseits
durch eine gebogene Knorpelplatte repräsentirt, welche man in zwei
Abschnitte theilen kann, einen oberhalb und einen unterhalb der Ge-
lenkpfanne für den Oberarm; von diesen ist der obere, welcher dem
Schulterblatt der höheren Wirbel thiere entspricht, schmäler als
der untere, dem Coracoid entsprechende; letzterer legt sich theil-
weise über den der anderen Seite hin. Der untere Theil des Schulter-
blatts ist in grösserer oder geringerer Ausdehnung verknöchert, und
häufig streckt sich die Verknöcherung auch in die Coracoid-Partie
hinein; die obere und die untere Partie des Schultergürtels bleiben
aber stets knorpelig (Fig. 286). — Bei den Froschlurchen ist
die untere Partie, das Coracoid, von einer grossen Oeffnung durch-
brochen und dadurch in ein vorderes und hinteres Stück getheilt;
letzteres verknöchert, ersteres, welches von einem Deckknochen, dem
Schlüsselbein (Clavictda), überdeckt wird, dagegen nicht ; das rechte
und das linke Coracoid schieben sich entweder etwas über einander
hin oder stossen in einer geraden Linie zusammen (letzteres bei den
Fröschen)1). Die obere Partie des Gürtels, das Schulterblatt,
zerfällt bei den Froschlurchen in ein oberes und ein unteres Stück,
') Bei einigen Froschlurchen (z. B. den Fröschen) findet sich in der Mittel-
linie vor den Coracoiden ein besonderer, theil weise verknöcherter Knorpel, welcher
falschlich als Vorderbrustbein (Eputtemum) bezeichnet wird, obgleich er keinen
Zusammenhang mit dem Brustbein besitzt und der gleichbenannte Knochen anderer
Wirbelthicre ein reiner Deckknochen ist. Er ist wahrscheinlich als ein besonders
entwickelter Theil der Coracoid-Partie aufzufassen.
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Wirbelthiere. 3. Classe: Amphibien.
413
von welchen ersteres wesentlich aus verkalktem Knorpel, letzteres aus
Knochen besteht. — Die Vordergliedmaassen bestehen aus den-
selben Hauptabschnitten wie bei den höheren Wirbelthieren. Die
Handwurzel weist namentlich bei den Schwanzlurchen gewöhnlich
einen innigen Anschluss an das typische Verhältniss auf (es können
jedoch Verschmelzungen einiger Knochen stattfinden). Bei den jetzt-
lebenden Amphibien sind nie mehr als 4 Finger vorhanden, deren
Gliederzahl variirt. Bei den Froschlurchen sind die beiden Unter-
armknochen zu einem verschmolzen.
Jede Hälfte des Beckens besteht bei den Schwanzlurchen
aus einer oberen, schmäleren Partie, dem Darmbein, und einer
unteren, breiteren Partie, dem Scham-Sitzbein, welch letzteres
in der Mittellinie mit dem der anderen Seite zusammentrifft; jedes
ist durch eine besondere Verknöcherung repräsentirt ; vorne setzt sich
das Becken in einen schmalen unpaaren, an der Spitze gewöhnlich
Y-förmig gespaltenen Knorpel fort (Cartüago ypsilcndes). Bei den
Froschlurchen sind die Darmbeine nach hinten gerichtete Knochen-
stäbe ; das Scham-Sitzbein ist mit dem der anderen Seite zu einer zu-
sammengedrückten senkrechten Scheibe verschmolzen. — Die Hinter-
gliedmaassen schliesscn sich in ihrem Bau eng an die Vorder-
gliedmaassen an. Bei den Froschlurchen sind die beiden Unterschenkel-
knochen verschmolzen, und von den Knochen der Fusswurzel sind bei
denselben die beiden in der obersten Reihe (der dritte fehlt) sehr lang
und kräftig. Die Hintergliedmaassen besitzen gewöhnlich je 5 Zehen.
Die Musculatur des Rumpfes und des Schwanzes schliesst sich
bei den Amphibien-Larven eng an die der Fische an (sie ist in
4 Längenmuskel-Partien gesondert, welche jede durch dünne Quer-
wände in eine Reihe von Abschnitten getheilt sind) ; bei den erwachsenen
Schwanzlurchen sind die Verhältnisse nur wenig verändert, während
sich bei den Froschlurchen grössere Umgestaltungen vollziehen. —
Das Gehirn ist klein, das Hinterhirn sehr wenig entwickelt.
Die Geruchsorgane sind zwei Kanäle, welche von der Aussen-
seite des Kopfes in die Mundhöhle führen und sich hier, hinter dem
Kieferrande, öffnen ; die äusseren Nasenlöcher können geschlossen und
geöffnet werden. — Von den Augenlidern ist nur das untere be-
weglich ; es ist oft halb durchsichtig, nickhautartig. Augenlider fehlen
bei den Larven, bei den Kiemenlurchen und den mit rudimentären
Augen versehenen Gymnophionen. Thränendrüsen fehlen, dagegen ist
eine Harder'sche Drüse vorhanden. Bei den erwachsenen Amphibien
findet sich ein Thränenkanal. — Gehörwerkzeuge. Bei den meisten
Froschlurchen besteht ein kurzer, dem Spritzloch der Fische ent-
sprechender Kanal, welcher vom hinteren Theil der Mundhöhle hinter
dem ersten Visceralbogen gegen die Oberfläche des Kopfes hin ver-
läuft; er öffnet sich an der Oberfläche nicht, sondern ist aussen von
einer dünnen Haut, dem Trommelfell, geschlossen. Dieser Kanal,
welcher der Paukenhöhle -f- der Ohrtrompete der höheren Wirbel-
thiere entspricht, zieht an demjenigen Theil des Schädels vorüber, in
welchem das häutige Labyrinth eingeschlossen liegt; in der Knochen-
kapsel des letzteren ist an der betreffenden Stelle eine Oeffnung, das
ovale Fenster, Fenestra ovalis (innerhalb welcher der Vorhof liegt) ;
diese Oeffnung ist von einer besonderen kleinen Knorpelplatte bedeckt,
welche das verbreiterte Ende eines theilweise verknöcherten stabförmigen
Körpers, des Hörknochens (Columella auris), bildet; das andere
414
Specieller Theil.
Ende des Hörknochens heftet sich an das Trommelfell. Bei den
übrigen Amphibien (einigen Froschlurchen, z. B. der Unke, allen
Schwanzlurchen und Gymnophionen) fehlt der Kanal und damit auch
das Trommelfell; das ovale Fenster und den Hörknochen besitzen
sie dagegen alle.
Darmkanal. Zähne können an den Zwischen- und Ober-
kieferknochen, am Unterkiefer, am Vomer und zuweilen an den Flügel-
beinen vorhanden sein; sie sind bei den jetztlebenden Amphibien immer
klein und von einfacher Form. — Die Zunge ist besser als bei den
Fischen entwickelt; sie ist mit ihrer Unterseite an der unteren Wand
der Mundhöhle festgeheftet, aber derartig, dass die Ränder frei sind ;
für die Froschlurche ist es charakteristisch, dass der hintere freie,
zuweilen zweilappige Rand besonders stark entwickelt ist, während der
Vorderrand undeutlich ist, so dass diese Thiere eine vorn angeheftete
Zunge haben, deren hinterer Theil aus dem Munde herausgeklappt
werden kann. Bei gewissen Schwanzlurchen kann die Zunge auf einer
Art Schaft, welcher von ihrer Unterseite entspringt, vorgestreckt werden.
Die Zunge fehlt bei der Pipa und einer verwandten Gattung. — Die
Speiseröhre ist kurz und weit, der Darm kurz.
Die Athmungsorgane der Amphibien sind theils Kiemen,
theils Lungen; wir betrachten zunächst die ersteren.
Bei den Larven der Schwanzlurche finden sich auf jeder
Seite vier Kiemensp alten, die erste zwischen dem Zungenbein-
bogen und dem 1. Kiemenbogen , die letzte zwischen dem 3. und
4. Kiemenbogen; jeder Kiemenbogen trägt an seinem äusseren Rand
eine dünne häutige Platte, und vom Zungenbeinbogen entspringt eine
dicke Hautfalte — dem Kiemen-
d e c k e 1 der Fische entsprechend,
aber ohne feste Theile — , welche
sich über die genannten Platten
hin legt. Die Platten entsprechen
den Coulissen zwischen den Kie-
menspalten bei den Fischen, tra-
gen aber keine Kiemenblätter,
sondern am oberen Ende jedes
der drei ersten Kiemenbogen
sitzt eine vom Kiemendeckel nicht
überdeckte Kieme, welche aus
einem Stamm und zwei Reihen von
Blättchen besteht (Fig. 291). Diese
Kiemen bleiben bei den Kiemen -
lurchen zeitlebens bestehen; sie
sind bei diesen etwas compli-
• s
Fig. 288. /i Junge Froschi.rve von cirter (verästelt). Aehnliche Kie-
der Seite, B ähnliche (ein wenig ältere) von
der Bauchseite: C
Kiemen. /, 2. 3
a After, b Hintergliedraaassen, g Kicmenöflnung, Fig. 294). — Auch die Larven
mit Muskeln des Schwänze», n Nasenloch,
o Mund, op Kiemendeckel, * Haftorgan. —
*J2ÄÄZ »«? b^-en auch die Embryonen
die drei äusseren Kiemen, einiger Gymnophi onen J) (vergl.
C Orig., A
von Ecker.
und B mit Benutzung von Figuren
der Froschlurche sind eine
kurze Zeit nach der Geburt mit
drei ähnlichen äusseren Kiemen auf
jeder Seite wie die Larven der
') Bei anderen Embryonen dieser AbtheiluDg hat man statt derartiger Kiemen
eine grosse gefässreiche Platte an jeder Seite gefunden.
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Wirbelthiere. 8. Classe: Amphibien.
415
Schwanzlurche versehen ; bald werden aber diese Kiemen von den Kiemen-
deckeln überdeckt, welche sich mächtig entwickeln, die Kiemen und
Kiemenöffnungen überwachsen und hinter denselben mit der Körper-
oberfläche verwachsen, so dass eine grosse Kiemenhöble entsteht, welche
nur durch eine einzige, in der Regel auf der linken Seite befindliche
Oeffnung1) mit der Aussenwelt in Verbindung steht. Die in diese
Höhle eingeschlossenen Kiemen bilden sich zurück, an ihrer Stelle
entwickelt sich aber am Aussenrande aller vier Kiemenbögen eine
grosse Anzahl verästelter , sogenannter innerer Kiemen, welche
eigentümliche, den Froschlurch-Larven allein zukommende Gebilde
sind. — Bei den mit äusseren Kiemen versehenen Formen findet sich
gewöhnlich am Innenrande der Kiemenbögen ein ähnlicher unvoll-
kommener Seih-Apparat wie bei Selachiern etc., an jedem Bogen
durch eine oder zwei (am 1. und 4. Kiemenbögen einer, an den beiden
anderen je zwei) Reihen kurzer Fortsätze repräsentirt, welche zwischen
die entsprechenden der angrenzenden Kiemenbögen eingreifen. Bei den
mit inneren Kiemen versehenen Larven der Froschlurche ist dieser
Seih-Apparat zu einem hohen Grade von Vollkommenheit entwickelt,
so dass er im Stande ist, alle, selbst sehr feine, feste Theile von der
Kiemenhöhle und den zahlreichen in derselben eingeschlossenen zarten
dünnhäutigen Kiemenbüscheln fernzuhalten. — Ueber die Gefässe
der Kiemen vergl. unten.
Die bei allen Amphibien vorhandenen Lungen sind zwei sack-
förmige Organe, deren innere Oberfläche bei einigen (z. B. den Wasser-
salamandern, dem Olm) glatt, bei anderen (Landsalamander, Frosch-
lurchen) dagegen mit hervortretenden, netzförmig verbundenen Falten
versehen ist. Bei den Gymnophionen ist die rechte Lunge weit kürzer
als die linke. Die fast immer sehr kurze Luftröhre öffnet sich mit
einer Längsspalte hinten in die Mundhöhle; sie ist von mehreren
Knorpelstücken gestützt und enthält bei den Froschlurchen Stimm-
bänder, welche dagegen bei den übrigen fehlen. — Die Luftaufnahme
findet in der Weise statt, dass das Thier bei geschlossener Mund-
öffnung die weiche Partie zwischen den Unterkieferästen senkt und
durch die geöffneten Nasenlöcher Luft in die Mundhöhle einsaugt;
darauf werden die Nasenlöcher geschlossen und die untere Wand der
Mundhöhle wieder gehoben, wodurch die Luft in die Luftröhre hinein-
gepresst wird. Die Luft wird aus den Lungen ausgestossen , indem
die Leibeswand sich zusammenzieht und auf die elastischen Lungen-
wände drückt.
DerLaut, den die Froschlurche durch die oben genannten Stimmbänder
erzeugen, indem dieselben durch die ausgepresste Luft in Schwingungen
versetzt werden, wird bei den Männchen mancher Arten durch Ausstülpungen
des hinteren Theiles des Mundhöhlenbodens verstärkt, welche, wenn das
Thier seine Stimme gebrauchen will, zu dünnwandigen Säcken von an-
sehnlicher Grösse aufgeblasen werden. Es sind zwei solche Schallblasen
vorhanden, welche bei einigen (z. B. dem Wasserfrosch) auch äusserlich
ganz getrennt sind, während sie bei anderen (z. B. beim Laubfrosch) dicht
aneinander gelagert und von einer gemeinsamen äusseren Haut umgeben
sind, so dass es äusserlich den Anschein hat, als ob eine unpaare Schall-
blase vorhanden wäre. — Obgleich bei den Schwanzlurchen keine Stimm-
bänder entwickelt sind, können auch sie einen Laut erzeugen.
*) Bei der Pipa und einer verwandten Gattung finden sich zwei Oeffnungen,
eine auf jeder Seite.
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416
Specialer Theil.
Das Herz ist gegenüber dem der Fische dadurch ausgezeichnet,
dass der Vorhof durch eine dünne Scheidewand in zwei, einen
rechten und einen linken, getheilt ist, von welchen der letztere kleiner
ist und das Blut aus den Lungen empfängt, während der rechte das
Blut der übrigen Venen aufnimmt. Oft ist die Scheidewand von
kleineren oder grösseren Oeffnungen durchbrochen, also unvollständig.
Die Herzkammer ist stets ungetheilt, zeigt nicht einmal eine
Andeutung einer Theilung; sie besitzt ebenso wie die der Fische
dicke spongiöse Wände, deren kleine Höhlungen in den Centrai-
hohlraum einmünden; an der Grenze des Vorhofes ist ein Paar
Klappen vorhanden. Der Herzkegel, welcher von der Herzkammer
vorne rechts entspringt, ist eine gewöhnlich wohlentwickelte Röhre,
welche etwas spiralig gewunden ist; er enthält an jedem Ende eine
Querreihe von Klappen und ist ausserdem mit einer Längsfalte
versehen, welche mit einer der Klappen der vorderen Reihe zusammen-
hängt und in den Hohlraum des Herzkegels stark hervortritt (über
ihre Bedeutung vergl. unten).
Vom Herzkegel entspringt ein ganz kurzer Arterienstamm, welcher
bei den Larven der Schwanzlurche, die wir zunächst be-
trachten wolleu, jederseits vier Gefässe entsendet, nämlich die 1. — 3.
zuf ühren de. Kiemen arterie, welche ungefähr gleich stark sind,
und den sehr dünnen 4. Arterienbogen. Die drei ersteren gehen
an die entsprechenden Kiemen, in welchen sie sich verzweigen. Von
jeder Kieme entspringt eine abführende Kiemenarterie,
welche sich mit den anderen derselben Seite zu einem kräftigen Gefass,
der Aortenwurzel vereinigt, in welche auch der 4. Arterienbogen
einmündet; beide Aorten wurzeln vereinigen sich zur Aorta, welche
unterhalb der Wirbelsäule nach hinten verläuft. Vor ihrer Ein-
mündung in die Aortenwurzel hat jedoch die 1. abführende Kiemen-
arterie zwei starke Aeste für den Kopf abgegeben (Carotiden), und
von dem 4. Arterienbogen ist die Lungenarterie abgegangen.
Ferner ist hervorzuheben, dass die zu- und abführenden Kiemen-
arterien desselben Paares durch dünne Querstämme, Anastomosen,
mit einander in Verbindung stehen. Aehnliche Verhältnisse findet
man auch bei den mit inneren Kiemen ausgestatteten Larven der
Froschlurche; bei ihnen sind aber jederseits vier zu- und ab-
führende Kiemenarterien vorhanden, indem auch der vierte Kiemen-
bogen Kiemen trägt, und die genannten Anastomosen fehlen. — Bei
der Metamorphose finden nun folgende Veränderungen statt: Die
einander entsprechenden zu- und abführenden Arterien vereinigen sich
auf jeder Seite zu einfachen Arterienbogen, indem — bei den Schwanz-
lurchen — die verbindenden Anastomosen sich erweitern, oder — bei
den Froschlurchen — indem sich eine Verbindung zwischen ihnen
bildet; der ausserhalb der Verbindungsstelle liegende Theil derselben
schrumpft ein. So erhalten wir jederseits vier Arterienbogen,
welche sich zur Aortenwurzel vereinigen. Von diesen giebt jedoch
der erste gewöhnlich die Verbindung mit der Aortenwurzel auf
und versorgt blos den Kopf mit Blut; auch der vierte, von welchem
die Lu ngenar te rie entspringt, giebt häufig die Verbindung mit der
Aortenwurzel auf; der dritte bleibt bei einigen erhalten, geht da-
gegen bei anderen völlig zu Grunde; im letzteren Fall wird die
Aortenwurzel — wenn gleichzeitig der erste und vierte Bogen keine
Verbindung mit derselben besitzen — allein von dem zweiten Ar-
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Wirbelthiere. 3. Classe: Amphibien.
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418
Specieller Theil.
terienbogen gebildet, welcher stets stärker als die übrigen ist. Die
Aorta wird somit bei den Amphibien bald nur von einem Paar
Arterienbögen, bald von mehreren gebildet (Fig. 255, B — C). (Die
Gymnophionen scbliessen sich im erwachsenen Zustande eng an die
übrigen an; das Gefässsystem der Larven ist bis jetzt unbekannt)
Bei den Larven der Amphibien entspricht der Kreislauf wesentlich
demjenigen der Fische. Bei den Erwachsenen wird trotz der einfachen
Herzkammer dennoch eine gewisse Sonderung des arteriellen Blutes
aus der Lunge und des venösen Blutes erreicht ; die Verhältnisse sind
jedoch zu coraplicirt, als dass wir näher auf dieselben eingehen könnten.
Es muss die Bemerkung genügen, dass namentlich mittels der Spiralfalte
des Herzkegels erreicht wird, dass das arterielle Blut des linken Vorhofa
fast allein in die beiden ersten Arterienbogen-Paare strömt, während das
venöse Blut des rechten Vorhofs theils in dieselben Arterienbögen, theüs
in das 3. und 4. Paar gelangt ; vom 4. Paar gehen , wie vorhin erwähnt , die
Lungenarterien aus, welche somit venöses Blut erhalten, während das Blut
der Körperarterien ein „gemischtes44 ist.
Vom 4. Arterienbögen gehen grössere oder kleinere Aeste an die
Haut (zuweilen auch von der Lungenarterie an die Speiseröhre), nament-
lich ist bei den Froschlurchen eine solche sehr grosse Hautarterie vorhanden,
welche dem Angeführten zu Folge venöses Blut empfängt; die Haut hat
ja auch, wie es durch Versuche nachgewiesen worden ist, bei diesen Thieren
eine grosse Bedeutung für die Respiration (S. 30). Das in der Haut
oxydirte Blut mischt sich übrigens mit dem Blut der anderen Venen und
geht zum rechten Vorhof. — Im Ganzen erhellt es , dass die Sonderung
der beiden Blutarten bei den Amphibien eine sehr unvollständige ist.
Die mehr oder weniger langgestreckten Nieren zeichnen sich
dadurch aus, dass sie, ebenso wie bei gewissen Fischen, an ihrer
Oberfläche mit Wimpertrichtern versehen sind (vergl. S. 363).
Die Harnleiter münden in die Kloake, welche mit einer oft in zwei
Zipfel ausgezogenen Harnblase versehen ist; letztere steht mit
den Harnleitern nicht in unmittelbarer Verbindung, sondern mündet
getrennt in die Kloake.
Die Eierstöcke variiren nach der Jahreszeit sehr an Grösse;
in der Portpflanzungszeit haben sie einen ansehnlichen Umfang. Die
Müller'schen Gänge sind lange gewundene Schläuche, welche in
der Fortpflanzungszeit wegen der stärkeren Entwicklung der in ihrer
"Wand gelegenen Eiweissdrüsen am dicksten sind ; sie öffnen sich ganz
vorne in die Bauchhöhle, weit von den Eierstöcken entfernt, mit einem
Trichter; die abgelösten Eier werden durch die Bewegung von Wimper-
haaren, mit denen ein Theil des die Bauchhöhle auskleidenden
Epithels ausgestattet ist, zu den Trichtern geführt. Mit dem anderen
Ende münden die Gänge, gewöhnlich getrennt, in die Kloake. Bei
den Froschlurchen ist der hinterste Theil der Eileiter blasenförmig
angeschwollen und in der Laichzeit mit Eiern angefüllt. — Die
H od e n (Fig. 258) stehen durch feine Kanäle in Zusammenhang mit
den Harnkanälchen des vorderen Theiles der Niere, welcher bei den
Schwanzlurchen schmäler als der hintere ist, und der Samen nimmt
somit denselben Weg wie der Harn; übrigens ist der Ausfuhrungs-
gang des vorderen Theiles der Niere in manchen Fällen fast ganz
von den Ausführungsgängen der übrigen Niere getrennt und vereinigt
sich mit letzteren erst dicht vor der gemeinsamen Einmündung in die
Kloake. Bei den Männchen ist an jeder Seite ein rudimentärer
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Wirbelthiere. 3. Clause: Amphibien.
419
Müller'scher Gang vorhanden. Besondere Begattungswerkzeuge
fehlen; bei den Gymnophionen fungirt die umgestülpte Kloake als
solches.
Wie schon vorhin erwähnt, findet sich bei den Kröten (Bufö) am
Vorderende der Hoden ein Körperchen , welches ganz wie ein unreifer
Eierstock gebaut ist. Bei den Weibchen derselben Gattung ist übrigens
ein entsprechender Theil des Eierstockes ähnlich entwickelt; dieser Theil
ist besonders bei jungen Weibchen deutlich, bildet sich später zurück.
An den Geschlechtsdrüsen, oft mit diesen eng verbunden , findet sich
bei den Amphibien ein Paar sehr fetthaltige, oft sehr augenfällige (gelbe),
bei den Froschlurchen fingerförmig gelappte Körper, die sogenannten
Fettkörper, welche durch Umbildung einer vorderen Partie der Eier-
stöcke resp. Hoden entstanden sind.
Die Eier werden in der Regel in's Wasser (Süsswasser) abgelegt
und sind bei der Ablage von je einer dünnen Eiweissschicht umgeben,
welche im Wasser zu einer dicken Gallertkapsel anschwillt; eine
Schale fehlt. Sie werden entweder einzeln (seltener), oder in Reiheu,
Schnüren, Klumpen abgelegt. Sie variiren in Grösse von ein paar
bis etwa 10 mm im Durchmesser. Die Furchung ist in der Regel
total, die Furchungszellen sind aber an einem Pol grösser (vergl.
S. 46 — 47 und Fig. 27) ; die grösseren Amphibien-Eier unterliegen jedoch
einer partiellen Furchung. Selten gelangt das Ei, wie beim Land-
salamander, im Eileiter zur Entwicklung. Eine Ei- oder Brutpflege
findet man bei verschiedenen Amphibien: Pipa, Geburtshelferkröte,
Coecilia etc.; vergl. unten.
Für die Amphibien ganz
besonders charakteristisch ist die
Metamorphose, welche sie
fast alle durchlaufen. Die Lar- Ä
ven sind, wie schon oben er-
wähnt, mit wohlentwickelten
Kiemen versehen, und der
Kreislauf und die Anordnung
des Gefässsystems entsprechen &
fast ganz den Verhältnissen der
Fische; sie besitzen schon Lun-
gen, welche aber noch nicht als
Athmungsorgane fungiren. Bei
der Metamorphose findet nun die
bedeutungsvolle Umänderung im
Baue und in den Lebensver-
hältnissen des Thieres statt,
dass die Kiemen sich rück- Fifr 29 Larven ,le9 grossen Wae«er-
V.;is1an A Ain T molchii. A neugeboren, von «1er Seite und
m,??! T\ ? e LuD8en xm von unten. Ii VI Ta*e alt. C ca. 5 Wochen
Thatigkeit treten , was unter ait. {A ca 5. ß s— 4, c kaum 2 Mai vorgr.)
Anderem grOSSe Umbildungen « After, / Vor<lerglicdinaa8*c, </ Kiemen, a Ilaft-
deß Gefässsystems nach sich °n;«"- — x«eh Kusconi.
zieht (vergl. S. 416). Die Un-
terschiede zwischen der Larve und dem ausgebildeten Thiere be-
schränken sich aber nicht hierauf; auch in mehreren anderen Be-
ziehungen weicht die Larve von dem Erwachsenen ab und nähert sich
den Fischen. So geht z. B. der Haut eine Horn schiebt ab, und
die Haut besitzt ganz ähnliche, z. Th. reihenweise geordnete Sinnes-
27*
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420
Specieller Theil.
hügel wie die Fische (vergl. S. 384); die Sinneshügel, welche stets
frei liegen, tragen sogar ähnliche feine Köhren wie bei letzteren.1)
Augenlider fehlen stets, ein Flossensaura ist selbst bei den-
jenigen vorhanden, denen er später abgeht. Das Visceralskelet (S. 411)
ist dem der Fische weit ähnlicher als später etc. — Die Larven sind,
wenn sie die Eihaut verlassen, gewöhnlich von der ausgebildeten
Larvengestalt etwas abweichend ; namentlich sind die Gliedmaassen
nicht vorhanden oder nur angedeutet, oft sind noch am Kopfe
Haftwerkzeuge vorhanden, welche später fehlen (Fig. 288 A—B
und 291, A).
Die Metamorphose selbst, d. h. der Uebergang aus der Larven-
form in die Gestalt des ausgebildeten Thieres, vollzieht sich ziemlich
plötzlich, die Umänderungen spielen sich im Laufe ziemlich kurzer
Zeit ab. Die Grösse, welche die Larve vor der Metamorphose er-
reicht, ist sehr verschieden, oft unterscheiden sich sogar nahe ver-
wandte Arten in dieser Beziehung auffallend (innerhalb der Gattung
Frosch werden die Larven des Wasserfrosches z. B. sehr gross, die
der Grasfrösche dagegen bleiben ziemlich klein) ; das Wachsthum ist
übrigens in der Regel mit der Metamorphose weitaus nicht abge-
schlossen (wie bei den Insekten), sondern dauert noch lange Zeit
fort a). — Bei einigen Schwanzlurchen, nämlich bei gewissen Wasser-
molchen, hat man beobachtet, dass die Larve zuweilen über ihre
gewöhnliche Grösse hinaus wächst und in derLarvengestaltge-
schlechtsreif wird (ob solche Exemplare sich später verwandeln,
ist unbekannt). Dasselbe geschieht gewöhnlich mit der Larve
eines raexicanischen Salamanders, dem A x o 1 o 1 1 (Siredon mexicanus),
wenigstens bei denjenigen Exemplaren, welche in Gefangenschaft ge-
halten werden: sie wird in der Regel in der Larvengestalt ge-
schlechtsreif und verwandelt sich nachher nicht; nur ausnahmsweise
findet eine Metamorphose, und dann vor der Geschlechtsreife, statt.
Endlich giebt es eine Anzahl Schwanzlurche, die Kiemenmolche
(Gatt. Proteus u. a.), welche stets auf der Larvenstufe verharren,
nie eine Metamorphose durchlaufen. Diese Formen verhalten sich in
ihrem Baue in allem Wesentlichen wie Larven , mit alleiniger Aus-
nahme der Entwicklung der Geschlechtsorgane ; in einzelnen Punkten
treten jedoch bei einigen derselben Rückbildungen ein, so sind z. B.
beim Olm die Lungen im Yerhältniss zur Grösse des Thieres sehr
schwach entwickelt (sie sind ebenso wenig wie die Lungen der Larven
von respiratorischer Bedeutung). Diese Rückbildungen sind theil-
weise von derartiger Beschaffenheit, dass wir mit Sicherheit behaupten
können, dass die betreffenden Formen nicht mehr im Stande
sind sich zu metamorphosiren *).
Bei ein paar Gattungen von Schwanzlurchen, Menopoma und Amjthi-
') Die Sinneshügel finden sich jedoch auch bei den im Wasser lebenden er-
wachsenen Schwanzlurchen, entbehren aber hier stets der feinen Röhre.
*) Eine kolossale Grösse erreichen die Larven eines südamerikanischen Frosches
( Pseudis paradox a ) .
*) Es fehlt z. B. bei Proteus derjenige Theil des 4. Arterienbogens , welcher
zwischen dem Arterienstamm und der (Trsprungsstelle der Lungenarterie liegt ;
dieser Theil ist aber der Lungenarterie eines erwachsenen Lurches unentbehrlich.
(Die Lunge empfängt bei Proteus ihr Blut aus der Aortenwurzel durch den in
Fig. 289 mit b bezeichneten Oefässabschnitt ; auch bei anderen Schwanzlurch-
Larven ist dies theilweise der Fall, was aus der Schwäche des übrigen Theiles
des 4. Arterienbogens in Vergleich mit der Lungenarterie erhellt)
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Wirbelthiore. 3. Claase: Amphibien.
421
utna, schwinden zwar die Kiemen, die Kiemenöffnungen bleiben aber be-
stehen, und die Thiere verharren überhaupt in mehreren Beziehungen auf
dem Larvenstudium oder richtiger auf einer Uebergangsstufe.
Die jetzt lebenden Amphibien leben alle im Süsswasser oder auf
dem Lande; es Bind fast immer kleine oder mittelgrosse Formen,
welche sich von Insekten und anderen Thierchen ernähren. In
früheren Perioden waren die Amphibien z. Th. durch ansehnlichere •
Formen vertreten (vergl. unten). In Bezug auf die geographische
Verbreitung der Amphibien ist die Merkwürdigkeit hervorzuheben,
dass die Schwanzlurche fast ausschliesslich den gemässigten Theilen
der nördlichen Halbkugel angehören.
1. Ordnung. Schwanzlurche (Urodela).
Schwanz wohl entwickelt. Vorder- und Hintergliedmaassen un-
gefähr gleich entwickelt, schwach. Larven mit drei äusseren Kiemen
auf jeder Seite.
1. Die Wassersalamander oder Wassermolche (7Wfew)
haben einen zusammengedrückten Schwanz , und auf der Rückenseite des
Kumpfes und oben und unten am Schwänze ist ein Flossensaum vorhanden,
welcher in der Fortpflanzungszeit am stärksten entwickelt ist (am grÖssten
beim Männchen). In der Laichzeit leben sie im Wasser, ausserhalb der-
selben auf dem Lande (das Männchen jedoch häufig im Wasser). Es findet
eine wirkliche Begattung statt; die Eier werden (im Frühling) einzeln oder
in kurzen Reihen an Wasserpflanzen abgelegt. Die soeben aus dem Ei
geschlüpfte Larve (Fig. 291, A) besitzt hinten am Kopfe ein Paar stiel-
artige Fortsätze, mittels welcher sie sich an Pflanzen anheftet; von den
Gtliedmaassen sind nur warzenförmige Anlagen der Vorderbeine vorhanden.
Allmählich entwickeln sich die Gliedmaassen, die vorderen zuerst; die Haft-
werkzeuge verschwinden bald. Das Larvenleben dauert gewöhnlich einige
Monate. In Deutschland leben: der grosse Wassermolch (T. crüifatus)
mit mehr körniger Haut, der kleine W. (T. taeniatus) , die gemeinste .
Art, der Feuer mo Ich (T. alpextris), besonders in Gebirgsgegenden häufig,
der Leistenmolch (T. Iielvetirits) mit fadenförmiger Schwanzspitze, selten;
die drei letzten sind ungefähr von gleicher Grösse, ersterer bedeutend
grösser.
2. Der Landsalamander (Salamatidra maculosa) ist ein Thier von
ansehnlicher Grösse (bis 18 cm), sammetschwarz mit grossen unregelmässigen
gelben Flecken , ohne jede Spur von Flossensaum , 8chwanz abgerundet.
In Mittel- und Süd -Europa. Gebärt lobendige Junge (von ganz
anderer Färbung), welche bei der Geburt mit Kiemen, beiden Beinpaaren
and Flossensaum versehen sind ; sie werden im Wasser geboren, worin man
den L. sonst nie antrifft. Es ist von Interesse, dass die Larve, während
sie noch im Eileiter lebt, mit weit längeren Kiemenblättern als später ver-
sehen ist. — Der schwarze Alpen Salamander (S. atra), dem soeben
erwähnten nahe verwandt, ganz schwarz, lebt in den Alpen. Gebärt eben-
falls lebendige Junge, auf einmal immer nur zwei (S. maculosa gebärt eine
grössere Anzahl), eins für jeden Eileiter. Im Eileiter befinden sich mit
demjenigen Ei zusammen, aus welchem diese Jungen sich entwickeln,
mehrere andere Eier, welche aber nicht zur Entwicklung gelangen, sondern
zusammenfliessen und der jungen Larve als Nahrung dienen; letztere ist
mit ausserordentlich grossen Kiemen versehen, welche einen grossen Theil
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Specieller Theil.
des Thieres umgeben , vor der Geburt aber sich rückbilden , so dass die
Metamorphose sich im Mutterleibe vollzieht ; der Alpensalamander gebärt
seine Jungen auf trockenem Lande, und letztere führen überhaupt kein
Wasserleben.
3. Der Axolotl (Siredon mcxicanus) zeichnet sich, wie vorhin er-
wähnt, dadurch aus, dass er (jedenfalls in Gefangenschaft) sich gewöhnlich
nicht metamorphosirt , sondern in der Larvengestalt geschlechtsreif wird.
Die metamorphosirte Form (Amblystoma mervanum) ist einem Landsala-
mander ähnlich, die Larve (welche den Namen Siredon erhalten hat, als
man noch mit der Metamorphose unbekannt war) sieht aus wie eine kolos-
sale Salamander - Larve. Der Axolotl, welcher in Mexico einheimisch ist,
ist eierlegend ; die neugeborenen Jungen sind Triton - Larven derselben
Stufe ganz ähnlich.
4. Unter dem Namen Kiemen molc he (Perennihranchiata) fasst man
die oben (S. 420) genannten Schwanzlurche zusammen , welche stets die
Kiemen und andere Larvencharaktere das ganze Leben hindurch behalten.
Hierzu gehört der blinde (mit rudimentären Augen versehene), blasse, sehr
langgestreckte Olm {Proteus anguiueus) mit 3 Zehen an den Vorder-, 2
an den Hintergliedmaassen ; in Höhlenseen Oesterreichs. Ferner die Gatt.
Mniobra Hehns, weniger gestreckt, mit 4 Zehen an allen Gliedmaassen, und
Siren lacertina mit Hornkiefern, aalförmig, ohne Hintergliedmaassen (letztere
Art bis 1 m lang), beide in Nordamerika. — Die Gattungen Menopoma
und Amphiuma (letztere aalförmig, mit 4 sehr kleinen Gliedmaassen mit je
2 — 3 Zehen) verlieren, wie schon vorhin erwähnt, dio Kiemen, behalten aber
die Kiemenspalten und mehrere andere Larvencharaktere. Mit Menopoma
nahe verwandt ist der 1 — 2 m lange japanische Riesensalamander
(ßryptobranchus japonicus), dessen Kiemenöffnungen sich schliessen.
Mit den jetztlebenden Schwanzlurchen verwandt sind die Stegocephalen
(Urlurche), eine grosse Abtheilung paläozoischer Lurche, von welchen einige
durch sehr bedeutende GrÖBse ausgezeichnet waren (man kennt Schädel
Fig. 29V. Schädel eines Stogocephalen (TVe-
matosaurus), von unten (Ä)y von oben (Ii) und von
der Seite (C). 1 Augenhöhle, 2 äusseres, 3 inneres
Nasenloch, 4 Hinterhauptsöftnung, a Hinterhaupts-,
b Scheitel-, c Stirnbein, d Parasphenoid, ;/ Gaumen-
und FlUgelbein, m Ober-, » Zwischenkieferbein, $ Qua-
dratbein, t Nasenbein, n Vomcr, x Hinterhaupts-Gelenk -
höcker. Die übrigen Buchstaben bezeichnen
dene
derselben von anderthalb Meter Länge). Das Kopfskelet ist mit einer
grösseren Anzahl von Deckknochen als bei den jetztlebenden Lurchen
versehen; es finden sich z. B. ein doppeltes oberes Hinterhauptsbein
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Wirbelthiere. 3. Gasse: Amphibien.
423
und mehrere andere1). Die Kopfknochen sind oft aussen grubig, was
darauf hindeutet , dass sie dicht unterhalb der Oberfläche , nur von einer
dünnen Hautschicht bedeckt, lagen; zuweilen finden sich Furchen am Kopfe,
welche an die Furchen am Kopfe mancher Fische , in denen die Aeste der
Seitenlienie liegen, erinnern*). Wie bei den jetztlebenden Lurchen waren
zwei Gelenkköpfe am Hinterhaupt vorhanden. Die Chorda war in be-
deutender Ausdehnung erhalten ; die Wirbel oft biconcav. Kippen zuweilen
lang. Einige Stegocephalen besassen 5 Zehen an den Vordergliedmaassen.
Die Sehnenhaut des Auges (im Gegensatz zu den jetztlebenden Amphibien)
häufig mit einem Ring von Knochenplatten. Häufig waren in der Haut
knöcherne Schuppen oder Platten entwickelt. Die Oberfläche der Zähne
besitzt bei einem Thoil der Stegocephalen tiefe , gewundene , zusammenge-
drückte Falten , welche namentlich am Grunde des Zahnes sich tief in die
Zahnmasse hinein erstrecken und auf einem Querschnitt als gewundene
Linien erscheinen; daher der Käme Labyrinthodonten, mit dem
man häufig diese Abtheilung bezeichnet, der aber nur auf einen Theil
ihrer Mitglieder passt, indem die übrigen einfach gebaute Zähne besitzen.
2. Ordnung. FrOSChlurche (Anura).
Bei den Erwachsenen fehlt ein vorstehender Schwanz. Die Hinter-
gliedmaassen, welche immer stärker sind als die Vordergliedmaassen,
sind Sprung- und Schwimmbeine mit grösserer oder kleinerer Schwimm-
haut zwischen den Zehen. Unterkiefer zahnlos. Larven zuerst mit
äusseren, später mit inneren Kiemen.
Beim Laichen wird das Weibchen vom Männchen fest umklammert,
und während die Eier die Kloakenöffnung des Weibchens verlassen, spritzt
das Männchen den Samen über sie aus. Die Vorderbeine des letzteren
sind kräftiger als die des Weibchens und bei manchen Formen in der
Laichzeit mit rauhen verhornten Schwielen an der Hand (Rana, Bufo) oder
zugleich am Arm (Bombinator) versehen, damit sie besser festhalten
können. — Die jungen Larven (Fig. 288, A — B) sind gestreckte Thierchen,
jederseits mit drei äusseren Kiemen versehen und am Kopfe mit ein Paar
saugnapfahnlichen , klebrigen Gebilden ausgestattet, vermittels welcher sie
sich an Pflanzen u. dergl. festhalten ; Gliedmaassen fehlen. Nach wenigen
Tagen werden aber die äusseren Kiemen von den grossen Kiemendeckeln
überdeckt und gehen zu Grunde, und es bilden sich an allen Kieraenbogen
innere Kiemen (vergl. oben S. 415). Gleichzeitig ändert sich die Form
des Körpers, Kopf und Rumpf bilden jetzt einen fast kugeligen Theil,
welcher von dem zusammengedrückten, kräftigen, mit grossem Flossensaum
ausgestatteten Schwanz abgesetzt ist (Fig. 288 C) ; die Haftapparate ver-
schwinden. Die Larve (Kaulquappe), welche mit Hornkiefern und einem langen,
spiralig aufgerollten Darm versehen ist, ernährt sich besonders von verwesenden
Pflanzentheilen, todten Thierchen, 8chlamm etc. ; sie schwimmt lebhaft um-
her. Von den sich allmählich entwickelnden Gliedmaassen liegen die vorderen
während des ganzen Larvenlebcns in der Kiemenhöhle versteckt; die
Stellen , an welchen sie hervorwachsen , sind nämlich zusammen mit den
Kiemenbögen von den Kiemendeckeln überdeckt worden. Das Vorderbein
x) Zwischen den Scheitelbeinen ein oft ziemlich grosse« Scheitelloch (Foramen
rietale) vorhanden , welches auf das Vorhandensein eines Scheitelauges (vergl.
352) hinweist.
*) Der Kopf erinnert überhaupt oft an de» der Knouhenganoidcn.
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424
Specieller Theil.
wird an der einen Seite ans der äusseren Oeffnnng der Kiemenhöhle hervor-
gestreckt, auf der anderen bricht es durch die äussere Wand der Kiemen-
höhle hindurch; dies geschieht aber erst, wenn die Metamorphose eintritt,
bei welcher der Schwanz schrumpft, die Zähne sich entwickeln (wenn das
erwachsene Thier solche besitzt), der kleine Mund grösser wird, etc.
1. Die Frösche (Ilana) haben Zähne im Obermund, glatte Haut,
rundliche Pupille, lange , kräftige Hinterbeine mit vollständiger Schwimm-
haut zwischen den Zehen. Die Eier werden in grossen Klumpen abgelegt.
In Deutschland leben folgende Arten: die Grasfrösche oder braunen
Frösche, drei verschiedene, einander sehr ähnliche, früher zusammen-
geworfene Arten, Ii. platyrrhina (oder fuaca), oxyrrhina (oder armlüs) und agUisy
wovon die erste weitaus die häufigere ist, die letzte (südlichere Art) selten ;
sie leben wesentlich nur in der Laichzeit im Wasser, sonst meistens auf
dem Lande, im Gegensatz zu dem grossen, grünen Wasserfrosch (R.
escuktUd)t welcher das ganze Jahr hindurch im oder am Wasser lebt, und
welcher besser als die anderen schwimmt und springt; der Wasserfrosch
laicht später als die Grasfrösche, deren Fortpflanzung in den ersten Früh-
ling fallt, und seine Larven erreichen eine weit bedeutendere Grösse.
2. Die Laubfrösche (Hyla u. a.) unterscheiden sich von den
Fröschen dadurch, dass sie an der Spitze jeder Zehe eine Haftscheibe be-
sitzen. Im grössten Theil von Europa lebt die grüne Flyla arborea, welche
man ausserhalb der Laichzeit meistens an Bäumen findet.
3. Die Krötenfrösche (Pelobatülae) weichen von den Fröschen
durch kürzere Hinterbeine, senkrechte Pupille und warzige Haut ab. In
Deutschland leben folgende : Die TJ n k e n {Bombinator igneus und bornbinus l)t
Bauchseite schwarz und gelb; die Knoblauchskröte (Pelofxiics fuscus),
Hinterfüsse mit einem messerscharfen verhornten Höcker an der Innenseite,
die Larve erreicht eine noch bedeutendere Grösse als diejenige des Wasser-
frosches ; die Geburtshelferkröte (Alytes obsteiricans), deren Mannchen
die Eier um seine Hinterbeine wickelt und dieselben mit sich umherträgt,
bis die Larven ausschlüpfen sollen, geht dann in's Wasser, und die Larven
verlassen die Eihülle; letztere Art nur im westlichen Deutschland (ausser-
dem in Frankreich etc.)
4. Die Kröten (Buf'o) sind zahnlos , haben kürzere Hinterbeine als
die Frösche und unvollständige Schwimmhaut zwischen den Hinterzehen,
querliegende Pupille, warzige Haut. Die Eier werden in langen Schnüren
abgelegt. In Deutschland: die Erdkröte (/>. vulgaris), die Kreuz-
kröte (Ii. calamita) mit einem gelben Längsstreifen auf der Rückenmitte,
die Wechselkröte (Ä viridis) mit grossen grünen Flecken auf dem
Rücken.
5. Die Pipa (Pipa aniericana) ist ein grosser abgeplatteter Frosch-
lurch mit kleinen Augen , zungenlos , zahnlos , mit grosser Schwimmhaut
zwischen den Hinterzehen. Mit Hülfe des Männchens werden die be-
fruchteten Eier auf den Rücken des Weibchens gebracht, wo sich für jedes
') Es ist kürzlich nachgewiesen worden, dass nicht eine Art — wie bisher
angenommen — , sondern zwei Arten von Bombinator in Deutschland einheimisch
sind; sie unterscheiden sich u. A. durch folgende Charaktere: bornbinus hat eine
gelbe Unterseite mit grossen schwarzen Flecken (die gelbe Farbe überwiegt) und
die Spitzen der Finger und Zehen sind gelb; igneus hat eine schwarze Unterseite
mit weissen Punkten und rothgelben Flecken; letztere Art soll mehr den Ebenen,
erstere den Gebirgsgegenden angehören.
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Wirbelthiere. 8. Classe: Amphibien. 425
Ei eine kleine Höhlung bildet, in welcher das Ei sich entwickelt and die
Metamorphose durchlaufen wird. Südamerika.
Fig. 293. Pipa, 9.
3. Ordnung. Schleichenlurche (Gymnoph'wna).
Körper gestreckt, wurmförmig, gliedmaassenlos; Schwanz rudi-
mentär ; Augen rückgebildet. Haut mit Ringfurchen an der Oberfläche,
oft Knochenschuppen enthaltend.
Die Gymnophionen (Gatt. Coecilia u. a.)
leben in der Erde in den wärmeren Ländern;
sie ernähren sich von Regenwürmern u. dergl.
Die Entwicklungsgeschichte ist nur für eine ein-
zige, in Ostindien lebende Art, Epicrium glutino-
sum, näher bekannt. Diese Form legt ihre
grossen Eier in ein Erdloch ab, umschlingt den
Eierklumpen mit ihrem Körper und verlässt ihn
nicht eher, als bis die Jungen ausgeschlüpft
sind. Der fertig ausgebildete Embryo . besitzt
drei Paar ähnliche Kiemen wie die Salamander-
Larven, rudimentäre Hintergliedmaassen und einen
kurzen mit Flossensaum versehenen Schwanz l).
"Wenn er das Ei verlässt, verliert er die Kiemen.
Das neugeborene Junge begiebt sich nach einer
"Wasseransammlung , in welcher es längere Zeit F«g- 294. Embryo von Epi-
ZUbrmgt' — - Nach Saraain.
') Sehr merkwürdig ist es, dass das abgelegte Ei bedeutend an Grösse zunimmt,
so dass sein Durchmesser doppelt so gross wird, und der ausgebildete Embryo fast
42ß
Specieller Theil.
4. Classe. Kriechthiere (ReptUia).
Der Körper schliesst sich, was die äussere Form betrifft, im
Allgemeinen eng an die der Schwanzlurche an, unterscheidet sich aber
dadurch, dass ein etwas deutlicherer Hals vorhanden ist; der kräftige
Schwanz, welcher sich ohne scharfe Grenze in den Rumpf fortsetzt,
ist oft ganz rund. Die Gliedmaassen sind ebenso wie bei den Schwanz-
lurchen gewöhnlich in Vergleich mit denen der beiden folgenden
Classen klein und schwach, Ellenbogen und Kniee nach aussen ge-
richtet; der Schwanz spielt in der Regel noch eine nicht geringe Rolle
als Bewegungswerkzeug.
Die Haut ist mit einer festen Hornschicht versehen, welche in
gewissen Zwischenräumen (mehrere Male jährlich) als ein zusammen-
hängendes Ganzes, oder in grösseren Fetzen, abgestreift und durch eine
neugebildete Schicht ersetzt wird. Die Körperoberfläche ist mit soge-
nannten Schuppen bedeckt, welche aber ganz andere Gebilde sind
als die Schuppen der Fische. Die Schuppen der Reptilien lassen sich
als Hautwarzen charakterisiren, welche im Allgemeinen stark ab-
geplattet, dicht neben einander gestellt und regelmässig angeordnet
sind. In den Furchen zwischen den Schuppen ist die Hornschicht
dünn, an der Oberfläche der Schuppen dicker. In einigen Fällen,
z. B. bei den Geckonen u. a. , sind die Schuppen einfache rundliche
Warzen: Körner sc huppen. Am Kopfe mancher Reptilien, zu-
weilen auch an anderen Theilen des Körpers finden sich sogenannte
Schilder, d. h. grosse, plattenförmige Schuppen, welche durch
regelmässige Funchen von den benachbarten getrennt sind. Die
C D
Fig. 295. Längsschnitte durch verschiedene Schuppen vou Reptilien. Schemata.
Ä Körnorscbuppen, J? Schilder, C Schindelachuppeti, D do. mit Verknöcherungen, h Horn-
schicht, 0 Schleimschicht der Oberhaut, l Lederhaut, o Knochenplattchen. — Orig.
meisten Schuppen sind aber hinten in eine Kante ausgezogen, welche
den vorderen Theil der folgenden dachziegelartig überdeckt: eigent-
liche Schuppen oder Schindelschuppen; wenn solche, wie an
viermal so viel ala das frisch abgelegte Ei wiegt. Dies ist wahrscheinlich zum
grossen Theil die Folge einer Wasseraafnahme aus der Umgebung, vielleicht Baugt
aber ausserdem der Embryo ein Secret aus den Hautdrüsen des Mutterthieres auf.
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Wirbelthiere. 4. Classe: Kriechthiere.
427
der Unterseite des Rumpfes bei den Schlangen, bedeutend breiter
als lang sind, bezeichnet man sie als Schienen. Nicht selten sind
die Schuppen zu kürzeren oder längeren Stachelschuppen ent-
wickelt, so bei manchen Erdleguanen, auf dem Rücken gewisser Baum-
leguane etc. Die Schuppen, besonders die Schindelschuppen, sind
Läufig längs der Mitte mit einem feinen Längskiel versehen (z. B. bei
vielen Schlangen). Nicht selten finden sich Verknöcherungen
in der Lederhaut; so ist z. B. in jeder Schuppe bei der Blindschleiche
eine kleine knöcherne Platte vorhanden; bei den Krokodilen finden
sich ähnliche, aber grössere Platten in der Lederhaut, und bei den
Schildkröten haben sich in der Haut sehr grosse Knochenplatten
entwickelt, welche oft durch Nähte mit einander verbunden sind und so
eine zusammenhängende Knochenkapsel um einen Theil des Thieres
bilden; ihre Grenzen entsprechen übrigens bei den Schildkröten nicht
den Furchen zwischen den Schildern. Hautdrüsen sind bei den
Reptilien nur spärlich entwickelt; es findet sich jedoch z. B. bei
manchen Sauriern eine Reihe grösserer Drüsen am Schenkel (ihre
Oeffnungen werden als Schenkelporen bezeichnet) oder vor dem After
(Analporen); auch bei den Krokodilen und manchen Schildkröten
sind grössere Hautdrüsen vorhanden. — Die Finger und Zehen sind
im Gegensatz zu denen der Amphibien mit Krallen ausgerüstet,
eigenthümlichen Horngebilden, welche dütenformig das äusserste
Zehenglied umgeben; sie nehmen nicht an den Häutungen Theil,
wachsen allmählich von innen und werden gleichzeitig an der Spitze
und der übrigen Oberfläche abgenutzt.
Das Skelet enthält bei dem ausgebildeten Thier nur eine ge-
ringe Menge Knorpel, besteht ganz überwiegend aus Knochengewebe.
Die Chorda ist gewöhnlich beim erwachsenen Thiere ganz verschwunden ;
nur bei den Geckonen bleibt sie als ein zusammenhängender Strang
durch die ganze Länge der Wirbelsäule hindurch bestehen1). Die
Wirbelkörper sind im Allgemeinen durch Gelenke mit einander
verbunden; sie sind in der Regel vorne concav, hinten convex (procöl);
bei den Krokodilen sind knorpelige Scheiben zwischen die Wirbelkörper
eingeschoben. Es sind deutliche Gelenkfortsätze vorbanden ; bei den
Schlangen und einigen Sauriern (Leguanen) entspringt ausserdem vom
vordersten Theil jedes Bogens ein unpaariger, mit zwei Gelenkflächen
versehener Fortsatz, welcher in eine Vertiefung am vorhergehenden
Wirbel hineinpasst, wodurch die Verbindung noch mehr befestigt
wird *). Die Wirbelsäule sondert sich in der Regel in mehr Ab-
schnitte als bei den Lurchen: wir haben zuerst eine verschiedene
Anzahl Halswirbel, rippenlos oder mit kurzen Rippen; dann eine
Anzahl mit längeren Rippen versehener Brustwirbel, auf welche
oft einige rippenlose Lendenwirbel folgen, dann die Becken-
wirbel, meistens zwei, an deren Querfortsätzen das Becken be-
festigt ist (seltener, besonders bei gewissen ausgestorbenen Reptilien,
ist eine grössere Anzahl Beckenwirbel vorhanden); endlich eine An-
') Bei iangen Eidechsen u. a. findet man noch in die Wirbelkörper einge-
schlossen bedeutende Theile der Chorda, welche aber später verschwinden.
■) Quer fortsätze sind besonders bei den Krokodilen stark entwickelt, welche
an den meisten Wirbeln grosse Querfortsätze besitzen, während solche sonst am
stärksten am Schwanz entwickelt sind. Häufig (z. B. bei den Schlangen) findet sich
an mehr oder weniger zahlreichen Wirbeln ein unpaariger, von der Unterseite des
Wirbelkörpers entspringender Fortsatz (unterer Dornfortsatz).
428
Specieller Tbeil.
zahl Schwanzwirbel*} (ohne Rippen). Bei den Schlangen hat
jedoch das Fehlen von Gliedmaassen zur Folge, dass die genannte
Sonderung wegfällt; bei ihnen tragen sämmtliche Hals- und Rumpf-
wirbel mit Ausnahme des allerersten ausgebildete Rippen, keine Wirbel
sind als Becken wirbel entwickelt, und man kann somit bei dieser
Gruppe nur Rumpf- und Schwanzwirbel unterscheiden. Von den Hals-
wirbeln der Reptilien sind die beiden ersten, Atlas und Epistro-
p h e u s , eigenartig ausgebildet (vergl. Fig. 337). Der Körper des ersten
Wirbels ist von diesem gesondert und mit dem des zweiten Wirbels
verwachsen, an dessen vorderem Ende er als ein vorragender Fortsatz
sitzt ; der vordere Wirbel besteht somit blos aus dem Bogen, welcher
unten durch eine Knochenplatte vervollständigt ist, so dass er ring-
förmig erscheint; in den unteren Theil des Ringes ragt der Fortsatz
des Epistropheus hinein, während das Rückenmark durch den oberen,
vom Fortsatz durch ein quer ausgespanntes bindegewebiges Band ge-
trennten Theil geht. Die Rippen der Brustwirbel zerfallen in je einen
oberen, knöchernen, und einen unteren, oft knorpeligen, Abschnitt,
welch letzterer zuweilen (z. B. bei den Krokodilen) wieder in zwei
Stücke getheilt ist; von dem oberen Stück entspringt zuweilen,
namentlich bei den Krokodilen, ein plattenförmiger , nach hinten ge-
richteter Fortsatz. Von den Brustrippen heften die vorderen (echte
Rippen) sich bei den Sauriern und Krokodilen (und manchen ausge-
storbenen Reptilien) an das Brustbein, die hinteren (unechte R.) enden
frei; da ein Brustbein bei den Schildkröten und Schlangen fehlt,
kommt hier ein solcher Unterschied nicht zum Vorschein. Bei den
Schildkröten sind die Rippen mit Theilen des Hautskelets verwachsen.
Bei den Krokodilen finden sich an allen Halswirbeln kleine Rippen,
welche sich grösstenteils ebenso wie die Brustrippen mit je zwei
Aesten an den Wirbel heften ; auch bei den Sauriern können ähn-
liche vorhanden sein (jedoch nicht am Atlas). Die hinteren Hals-
rippen werden allmählich länger, so dass ein allmählicher Uebergang
von Hals- zu Brustwirbeln besteht *). An der Unterseite der Schwanz-
wirbel, zwischen je zwei Wirbeln, sind bei Sauriern und Krokodilen
unpaarige, gabelige, mit den Wirbeln nicht verwachsene Knochen,
die V-förmigen Knochen (untere Bögen), vorhanden. — Das
Brustbein (Fig. 300), welches bei Schildkröten und Schlangen
fehlt, ist gewöhnlich ein kurzer, rhombischer, knorpeliger oder theil-
weise verknöcherter Skelettheil, welcher sich zuweilen (z. B. bei den
Krokodilen) hinten in einen ziemlich langen, schmalen Theil fortsetzt;
mit dem Brustbein ist vorne ein platter länglicher Deckknochen ver-
bunden, das Vorderbrustbein (Episternum), welches das Brustbein
theilweise von unten her bedeckt und an seinem vorderen Ende oft
in zwei Fortsätze, einen nach jeder Seite, ausgezogen ist.
Der Schädel, welcher grösstenteils aus Knochen besteht, ist bei
manchen Reptilien zwischen den Augenhöhlen zu einer senk-
') Die meisten Saurier haben die Eigenthümlichkeit, dass der Schwanz sehr
leicht zerbricht, was darauf beruht, dass sich mitten in jedem Schwanzwirbelkörper
eine unverkaufte Querscheibe findet. Nach dem Bruch regenerirt sich der Schwan/.
*) In der Bauchwand findet sich bei den Krokodilen eine Anzahl schmaler
Hautknochen, die sogen. Bauchrippen, welche nicht mit wirklichen Rippen zu
verwechseln sind; sie stehen in keiner Verbindung mit den Wirbeln und bestehen
nicht wie die Bippen anfänglich aus Knorpel, sondern entwickeln sich im Binde-
gewebe.
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Wirbelthiere. 4. Chuse: Kriechthiere.
429
rechten, knorpeligen oder sogar theilweise blos aus fibrösem Bindegewebe
gebildeten Platte (der Interorbital- oder Augenhöhlenplatte) zusammen-
gedrückt; in dem hinter dieser Platte liegenden Abschnitt des Schädels
1 2 H 4
Fig. 296. / und 3 SchKdel eines Sauriers (Varans) von oben und von unten. —
2 und 4 Schädel eines Krokodils, ebenso.
Gemeimsame Bezeichnung : C Gelenkhöcker , Ch hinteres Nasenloch , co Säulenbein,
JE Oeflhung der Ohrtrompeten, Fr Stirnhein, Ju .Jochbein, L Thr&nenbein, Mx Oberkieferbein,
Na Nasenbein, Ob unteres, Ol seitliches, Os oberes Hinterhauptsbein, Pa Scheitelbein, Pal
Gaumenbein, Pf Hinterstirnbein, Prf Vorderstirobein, Pt FlUgelbein, Px Zwischenkieferbein,
Quadratbein, Q' und Qj Quadratjochbein, Spb hinteres Keilbein, Sq Schuppenbein, Tr Quer-
bein, Vo Vomer. — Nach Gegenbaur.
hat das Gehirn seinen Platz, in dem Abschnitt vor derselben die
Geruchsorgane. Die Zwischen-1) und Oberkieferbeine sind
gewöhnlich fest mit dem Schädel verbunden; ferner schliessen sich
an denselben die an der Stelle des Gaumenknorpels (Palatoquadratum)
gebildeten Knochen an, nämlich zuhinterst das wohl entwickelte,
die Gelenkfläche für den ganzen Unterkiefer tragende Quadratbein,
vor diesem das Flügelbein und zuvorderst das Gaumen bein ;
die beiden letzteren Knochen erstrecken sich als eine Knochenbrücke
vom Quadratbein nach vorne, innerhalb der grossen Oberkieferbeine.
Merkwürdig ist die ausserordentliche Beweglichkeit, welche die
Gaumen -Flügel -Quadratbein -Partie und der mit dieser verbundene
Oberkiefer bei den Schlangen besitzt; das Quadratbein ist auch bei
den Sauriern etwas beweglich, ganz unbeweglich bei Krokodilen und
•) Bei den Schlangen und manchen Sauriern Bind beide Zwiachenkiefer zu
einem verschmolzen.
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430
Specialer The«.
Schildkröten, bei welchen Gruppen auch die Gaumen-, Flügel- und
Oberkieferbeine vollkommen unbeweglich sind. Es findet sich nur
ein Gelenkhöcker zur Verbindung
mit der Wirbelsäule unterhalb des
Hinterhauptsloches. Der Unterkiefer
besteht jedcrseits aus mehreren Kno-
chen, von welchen der vorderste zu-
weilen mit dem entsprechenden der
anderen Seite vorne verwächst (Schild-
kröten). Das Zungenbein, d. b. das
Visceralskelet mit Ausnahme des 1. Vis-
ceralbogens (des Quadrat-. Flügel- und
Gaumenbeines und des Unterkiefers),
besteht bei Schildkröten und Sauriern
aus einem unpaaren Theil, dem Körper,
(den Copulae der Fische entsprechend),
und zwei Paar Zungenbeinnörner n,
\i. Aungenuem eines , , j r* i_ ' l. j
Saurier», c Körper (Copul.), h welche den Zungenbeinbogen, resp. dem
ZungenbeinbogcnT &/•' erster Kiemen- l.Kiemenbogen der Fische entsprechen *);
bogen. Nach Walter. bei den Krokodilen und Schlangen findet
sich nur ein Paar Hörner, bei der letzt-
genannten Gruppe ist das ganze Zungenbein sehr schwach ent-
wickelt.
Die wichtigsten Knochen des Reptilienschädels ausser den schon ge-
nannten sind folgende: Die Hinterhauptsbeine, nämlich je ein un-
paariges oberes und unteres und zwei seitliche; sie umgeben das Hinter-
hauptsloch. Das Felsenbein, vor dem seitlichen Hinterhauptsbein. Das
Schuppenbein (Sfjuamosum), in der Nähe der genannten, ragt bei den
Schlangen stark hervor; es verbindet sich mit dem Quadratbein. Das
Hinterkeilbein (Basiitphenoid), vor dem unteren Hinterhauptsbein, ebenso
wie dieses eine Yerknöcherung in der unteren Wand des Schädels. Ein
Farasphenoid ist nicht deutlich entwickelt (vergl. Fische und Am-
phibien). Die vordere Wand der Schädelhöhle ist oft unverknöchert, häutig,
zuweilen mit einzelnen Verknöcherungen. Oben findet sich eine Anzahl
Knochen: die Scheitelbeine, welche bei den meisten (Schlangen, Sau-
riern, Krokodilen) zu einem unpaarigen Knochen verschmolzen sind; die
Stirnbeine, bei Krokodilen und manchen Sauriern ein anpaariger Knochen ;
die Hin ter Stirnbeine am Hinterrand der Augenhöhle; die Vor de r-
stirnbeine am Vorderrand derselben; die Thränenbeine unterhalb
der letzteren (nur bei Sauriern und Krokodilen vorhanden); die Nasen-
beine hinter den äusseren Nasenlöchern. Unterhalb der Augenhöhle,
hinter den Oberkieferbeinen, liegt gewöhnlich ein Jochbein, und von
diesem zum Quadratbein erstreckt sich das Quadrat-Jochbein( Qiiadrato-
jugale). An der Unterseite findet sich vor den Gaumenbeinen ein paariger
oder unpaariger Vom er. Vom Flügelbein zum Oberkieferbein geht bei
Krokodilen, Sauriern und Schlangen ein den Reptilien eigenthümlicher
Knochen, das Querbein (JVansvermtn). Bei manchen Sauriern findet sich
noch ein anderer eigenthümlicher Knochen, das Säulenbein (Cb/wwe/Za),
welches ungefähr senkrecht vom Scheitelbeine zum Flügelbein geht.
Der Schultergürtel der Reptilien schliesst sich eng an den
') Bei einigen Sauriern lassen sich noch Spuren eines dem 2. Kiemenbogen
entsprechenden Hörnerpaares nachweisen.
uigr
by Googl
Wirbelthiere. 4. Clawe: Kriechthiere. 431
der Amphibien an. Wir finden denselben bei den Sauriern, welche
wir zunächst betrachten, jederseits durch eine etwas gebogene, grössten-
Flg. 298. Linke Hälfte de« Schädels von Boa conrtrictor, von «1er Seite (und etwa«
von oben) gesehen. — Orig.
Fig. 299. Do. von einer grossen Grubenotter (Cra»pulocej,tuilu» atrox), ebenso.
— Orig
Gemeinsame Bezeichnung: /V Stirnbein, h llörknSchelchen. MrA »berkicferl.ein. S Nasen-
bein, O« oberes Hinterhauptsbein. /'«» Scheitelbein, /'"/ Gaumenbeiu, I'e Felsenbein, l'f Hinter-
stirnbein, l'rj Vorderstirnbein, Pt FlUgelbein, I'r Zwischenkieferbein, Q Ijuadratbcin, 8q
Schuppenbein, Tr Querbein. /, 2, 3 Unterkicfcrknochen.
theils verknöcherte Platte repräsentirt, welche unten in den Vorder-
rand des Brustbeins eingefalzt ist. Man unterscheidet ein Schulter-
blatt oberhalb der Gelenkpfanne für das Oberarmbein, und ein
Coracoid unterhalb derselben; letzteres ist in der Regel durch ein
oder zwei grosse Löcher in 2, resp. 3 Abschnitte getheilt. Das Schulter-
blatt zerfällt in einen oberen und einen unteren Abschnitt, von welchen
jener aus verkalktem Knorpel, dieser aus Knochen besteht; das Coracoid
ist fast vollständig verknöchert, durch eine Naht mit dem Schulter-
blatt verbunden. Ein Schlüsselbein geht vom Schulterblatt zum
Vorderbrustbein. Bei den Krokodilen ist das Schulterblatt zum
grössten Theil verknöchert (nur der obere Rand knorpelig), und das
Coracoid ist ein einfacher Knochen ; das Schlüsselbein fehlt. Bei
den Schildkröten ist das Coracoid wie bei den Sauriern in ein
vorderes und ein hinteres Stück getheilt, welche hier ganz von ein-
ander getrennt sind; jenes, das vordere Coracoid, ist mit dem Schulter-
blatt, mit welchem es unter einem rechten Winkel zusammentrifft,
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432
Specieller Theil.
verwachsen, letzteres (hinteres Coracoid) ist ein selbständiger Knochen.
Bei den Schlangen fehlt der Schultergürtel ganz. — Die Vor de r-
gliedmaa88en betreffend
ist zu bemerken, dass die Elle
der kräftigere der beiden Un-
terarmknochen ist. Bei den
Schildkröten sind in der Hand-
wurzel die neun ursprünglichen
Knochen vorhanden (zuweilen
sind allerdings einige ver-
wachsen); auch bei den Sau-
riern ist die Handwurzel nur
wenig verändert, während sie
bei den Krokodilen sich da-
durch auszeichnet, dass die
beiden Knochen der proxi-
malen Reihe sehr gross, an-
dere dagegen verschmolzen
oder rückgebildet sind. An
die Handwurzel schliesst sich
Fig. 800. Brustbein und linke Hälfte des ,.. n , . ..
Schultergürtels einer Eidechse, cl Schlüssel- öaufig an der AuSSCUSeite ein
bein, eo hinterer, co' vorderer Theil des Coracoids, Sesamknochen, das Erb8 6n-
ep Vorderbrustbein, r Rippe, *c und kc unterer und bein (Pisifonne). Die Anzahl
oberer Theil des Schulterblattes, ,/ Brustbein. - der Fi i{jt in dßr Regel
Nach (,c^enb;uir. _ , D . . °
5, kann aber eine geringere
sein; die Anzahl der Finger-
glieder ist eine verschiedene; bei den Sauriern finden wir meistens
folgende Zahlen: 2 im Daumen, 3 im zweiten, 4 im dritten, 5 im
vierten, 3 im fünften Pinger.
Fig. 801.
Fig. 802.
Fig. 308.
Flg. 301. Handwurzel einer Sceschildkröte. U unterer Theil der Elle, R der
Speiche, w Ulnare, t Intermediutn, r Kadiale, r Centrale, /— 5 Carpale Nr. 1 — 5; * Erbsen-
bein ; /— - V Mittelhandknochen. — Nach Gegenbanr.
Fig. 802. Handwurzel einer Eidechse {Lacerta agilis). — Nach Gegonbaur, verändert.
Fig. 303. Linke Hälfte des Beckens eines Sauriers (Varans). Jl Darmbein, a dessen
hinteres Ende, Ja Sitzbein, P Schambein, l Gelenkpfanne. — Nach Gcgenbaur.
Das Becken ist jederseits aus 3 Knochen zusammengesetzt, in-
dem der untere Theil des Beckengürtels bei den Reptilien stets in
ein vorderes und ein hinteres Stück gesondert ist, welche jedes für
sich verknöchern: Schambein und Sitzbein; sie sind durch eine
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Wirbelthiere.
4. Classe: Kriechthiere.
433
grosse Oeflfnung von einander getrennt und verbinden sich unten in
der Mittellinie mit denen der anderen Seite. Das Darmbein und die
beiden genannten Knochen bilden gewöhnlich je einen Theil der
Gelenkpfanne für das Schenkelbein; bei den Krokodilen ist jedoch
das Schambein aus der Gelenkpfanne hinausgedrängt, letztere wird
also hier nur von dem Darmbein und dem Sitzbein gebildet1). Bei
den Schlangen fehlt in der Regel ein Becken ganz, selten sind Rudi-
mente desselben vorhanden (bei den mit rudimentären Hinterbeinen
versehenen Riesenschlangen). — In der Fusswurzel der Hinter-
gliedmaassen sind immer einige Knochen mit einander verschmolzen;
wichtig ist es, dass die obere Reihe der Fusswurzelknochen (mit welcher
auch das Centrale verbunden ist) in der Regel eng mit dem unteren
Ende des Unterschenkels verbunden ist und die Bewegung in der
Fusswurzel wesentlich zwischen der oberen und der unteren Reihe
von I^usswurzelknochen stattfindet, während nur eine geringe oder
gar keine Beweglichkeit zwischen dem Unterschenkel und der oberen
Reihe besteht (vergl. die Säugethiere).'-) Für die Zehen gilt wesent-
lich dasselbe wie für die Finger; es sind gewöhnlich deren 5 vorhan-
den, die Anzahl der Glieder ist verschieden, bei den Sauriern, wenn
wir vom Daumen ausgehen, gewöhnlich 2, 3, 4, 5, 4.
Das Gehirn ist bei den A D
Reptilien gewöhnlich ziemlich klein.
Bei einigen, besonders bei den
Krokodilen, erreicht das Vorder-
hirn (das Grosshirn) eine ver-
hältnissmässig bedeutende Ent-
wicklung, ebenso wie auch das
Hinter hirn (Kleinhirn), wel-
ches bei Sauriern und Schlangen
einen schmalen Wulst vor dem
Nachhirn bildet, bei den Kroko-
dilen eine ansehnliche Grösse er-
reicht.
Die Geruchsorgane, die
Nasenhöhlen, nehmen das vordere
Ende des Kopfes ein und sind
durch die Nasenscheidewand von
einander getrennt. Jede Nasen-
höhle ist ein ziemlich geräumiger
Hohlraum, welcher gewöhnlich mit
einer grossen , vorspringenden
Falte , der Nasenmuschel,
versehen ist; die äusseren Nasen-
löcher sind klein, die inneren
öffnen sich gewöhnlich weit vorne
in die Mundhöhle und setzen sich oft in eine Rinne an der Decke
der Mundhöhle fort; bei den Krokodilen ist diese Rinne zu einer
Röhre geworden, indem die Ränder zusammengebogen und ver-
*) Ueber die abweichenden Beckenformen der fossilen Dinosaurier vergl. unten
8 449.
*) Von spezielleren Verhältnissen können wir anführen, dass derjenige Knochen
der proximalen Reihe, welcher dem Fersenbein der Säugethiere entspricht, bei
den Krokodilen mit einem ähnlichen Fortsatz (der Ferse) wie bei diesen versehen i*t.
Buai, Zoologie. 28
nu.
Fig. 304. Gehirn einer Eidechse von
oben (A) und von unten (B). I Riechkolben,
/ Vorder-, tni Mittel-, b Hinter-, e Nachhiro,
r Klickenmark, n Sehnerv, t Hirnanhang. In
A sieht man vor dem Mittelhirn die untere
Partie der Zirbel. — Nach T. Jenery Parker.
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4S4
Specialer Theil.
wachsen sind ; diese Röhre, welche sich weit hinten in die Mundhöhle
öffnet, ist von unten her von Theilen der Oberkiefer-, Gaumen- und
Flügelbeine bedeckt.
Das Auge. In der gewöhnlich theilweise knorpeligen Sehnen-
haut findet sich bei Sauriern und Schildkröten (nicht aber bei Schlan-
gen und Krokodilen) vorne, an der Grenze der Hornhaut, ein Kranz
von dünnen Knochenplättchen. An der Eintrittsstelle des Seh-
nerven entspringt bei den Sauriern von der inneren Wand des Aug-
apfels ein frei in den Glaskörper hineinragender Fortsatz, dem Kam m
(reden) der Vögel entsprechend; er fehlt oder ist rudimentär bei den
übrigen. — Es ist ein oberes oder ein unteres Augen lid vorhanden,
von welchen jenes nur wenig beweglich ist, während das untere (ähn-
Fig. 805. A Senkrechter Durchschnitt lies Auges und der Augenlider eines ge-
wöhnlichen Sauriers, B do. eines Geckos; beide schematisirt. n unteres, o oberes Augenlid
b augenbrauenahn liehe Kante oberhalb des Auges, oc Augapfel (in Umriss). Die Horn hau;
ist durch eine stärkere Linie angedeutet. — Orig.
lieh wie bei den Amphibien) vor das Auge hinaufgeschoben werden kann.
Das untere Augenlid ist in der Mitte oft etwas durchscheinend ( z. B. bei
den gewöhnlichen Eidechsen), bei gewissen anderen Sauriern sogar ganz
durchsichtig. Bei den Geckonen und einzelnen anderen Sauriem
und bei den Schlangen ist das untere Augenlid ebenfalls durch-
sichtig, ausserdem aber stets vor das Auge hinaufgezogen und mit
seinem oberen Rand an dem oberen Augenlid festgewachsen, so dass
bei diesen Thieren ein geschlossener Raum vor dem Auge liegt;
scheinbar können diese Thiere das Auge nicht „schliessen", indem das
durchsichtige Augenlid eine Hornhaut vortäuscht, thatsächlich ist das
Auge stets geschlossen. Eine Nickhaut ist gewöhnlich vorhanden.
Ebenso finden sich sowohl Thränendrüse als Harder'sche Drüse und
ein Thränenkanal. — Ueber das Scheitelauge vergl. S. 352.
Gehörorgan. Der Schneckengang steht bei den meisten
Reptilien auf einer ähnlichen niederen Stufe wie bei Fischen und
Amphibien, indem er nur eine wenig hervortretende Ausstülpung dar-
stellt; bei den Krokodilen erreicht er dagegen eine weit bedeutendere
Entwicklung als ein recht ansehnlicher, am Ende geschlossener Schlauch.
An demjenigen Theil der äusseren Wand des Schädels, welcher nach
aussen vom Schneckengange liegt, ist bei den Reptilien eine mit Binde-
gewebe ausgefüllte Oeffnung vorhanden, das runde Fenster (Fenestra
rotunda); ausserhalb des Vorhofs findet sich ebenso wie bei den Ara-
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Wirbelthiere. 4. Classe: Kriechthiere.
435
phibien ein ovales Fenster, von der Platte des Hörknöchelchens
geschlossen. — Gewöhnlich findet sich eine Paukenhöhle, welche
gegen die Oberfläche durch ein Trommelfell1) geschlossen ist;
letzteres liegt etwas vertieft, nicht wie bei den Amphibien in dem-
selben Niveau wie die übrige Haut. Die Paukenhöhle steht bei den
Sauriern ähnlich wie bei den Amphibien in weit offener Verbindung
mit der Mundhöhle ; dagegen ist sie bei Schildkröten und Krokodilen
durch einen engeren Kanal, die Ohrtrompete (Tuba Eustachii), mit
dieser verbunden. Die Krokodile haben die Eigenthümlichkeit, dass
die Paukenhöhle mit Lufthöhlen in der Wand des Schädels in Ver-
bindung steht, und dass beide Ohrtrompeten mit einer gemeinsamen
unpaaren Oeffnung in die Mundhöhle (nicht weit hinter den inneren
Nasenlöchern) einmünden. Bei den Schlangen und einzelnen anderen
fehlen Paukenhöhle und Trommelfell ganz. Ein demjenigen der Am-
phibien ähnlicher Gehörknochen ist stets vorhanden; er schliesat
mit seiner Platte das ovale Fenster und heftet sich, wenn ein Trommel-
fell vorhanden ist, mit dem anderen Ende an letzteres an. — Ein
„äusseres Ohr" ist bei den Krokodilen in Form einer Klappe, einer
Hautfalte, vorhanden, welche das Trommelfell aussen überdeckt.
Fig. SOG. Stlkk des Oberkiefers eines Sauriers (Iguana), von der Innenseite gesehen;
Wcichtheile entfernt, k der Kieferknochen, an dessen innerer Seite die Zähne durch eine
poröse Kiiochenmasse, l>, festgekittet sind. 7" — 7'1 drei Zähne, welche im Begriffe stehen
auszufallen, und deren unteres Ende mehr oder weniger resorbirt ist (7'1 am wenigsten, 7M am
meisten); r' i* die entsprechenden, noch nicht vollständig entwickelten Ersatzxahne. — Orig.
Zähne finden sich bei den meisten Keptilien an den Zwischen- und
Oberkieferbeinen und am Unterkiefer, bei den Schlangen (deren kleiner
Zwischenkiefer gewöhnlich zahnlos ist) und den Sauriern ausserdem
oft an den Gaumen- und Flügelbeinen, während den Schildkröten Zähne
ganz abgehen. Die Zähne sind in der Regel durch Knochenmasse an
die Knochen befestigt; nur bei den Krokodilen sitzen sie, in die
Knochen eingekeilt, in Zahnhöhlen. Neue Zähne werden das ganze
Leben hindurch zum Ersatz der älteren gebildet; letztere fallen aus,
indem die Knochenmasse, welche dieselben mit den Knochen verbindet,
mit den unteren Theilen des Zahnes zusammen aufgelöst (resorbirt)
wird. Die Zähne haben gewöhnlich eine einfache Form ; meistens sind
*) Bei den Chamäleonen ist eine Paukenhöhle vorhanden, welche aber nach
aussen von einer der übrigen Haut ganz ähnlichen Hautpartie geschlossen ist (ein
besonders ausgebildetes Trommelfell fehlt).
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436
Specieller Theil.
sie kegelförmig, zuweilen ist der äusserste Theil zusammengedrückt
und gezackt, zuweilen sind die Zähne höekerförmig etc. Alle Zähne
eines Thieres sind gewöhnlich wesentlich gleichgebildet. (Ueber den Gift-
zahn der Schlangen vergl. S. 442 und Fig. 309.) — Die hinten angeheftete,
vorne freie Zunge ist sehr verschieden ; bei den Krokodilen und Schild-
kröten ist sie nur wenig beweglich, mit einer kurzen Spitze versehen
und nicht aus dem Munde vorstreckbar, während sie bei den Sauriern
eine längere, oft sehr lange und gespaltene freie Spitze besitzt; auch
bei den Schlangen ist die Zunge lang, schmal und gespalten und kann
weit aus dem Munde hervorgestreckt werden. Bei den Schlangen und
einem Theil der Saurier kann die Zunge in eine Scheide im Boden
der Mundhöhle zurückgezogen werden. (Ueber die eigentümliche
Zunge der Chamäleonen vergl. diese.) — Die Speiseröhre, welche
eine ansehnliche Länge besitzt, ist stets sehr erweiterungsfähig. Der
Magen der Krokodile ist sehr musculös, jederseits mit einer Sehnen-
scheibe versehen, an welche die Muskelzellen sich anheften; er erinnert
an den Muskelmagen der Vögel. Der Dünndarm ist von verschiedener
Länge, der Enddarm kurz.
Athmungsorgane. Die Luftröhre der Reptilien ist ver-
längert und ihre Wand von Kuorpelringen gestützt. Der vorderste
Theil, der Kehlkopf, ist mit besonderen
Knorpelstücken versehen, und bei einigen Sau-
riern (Geckonen, Chamäleonen) sowie bei den
Krokodilen, nicht aber bei den übrigen, besitzt
er ein Paar Stimmbänder. Der Eingang aus
der Mundhöhle in den Kehlkopf ist eine Läugs-
spalte hinter der Zunge. Am hinteren Ende
theilt sich die Luftröhre in zwei Stammäste
(Bronchi), einen für jede Lunge. — Die Lungen
selbst sind bei verschiedenen Reptilien ziemlich
verschieden. Bei manchen Sauriern (Fig. 307)
ist jede Lunge ein Sack mit einem geräumigen
Hohlraum, und ihre Wand ist inwendig mit
netzförmig geordneten, vorspringenden Falten
versehen, welche kleine, in den Haupthohlraum
sich öffnende Räume begrenzen ; in jedem solchen
Raum finden sich wieder niedrigere Falten —
also ähnliche Verhältnisse wie bei den Frosch-
lurchen. Bei den Schildkröten finden wir eine
weitere Entwicklung; der centrale Hohlraum ist
hier eng und erscheint mehr als eine Fortsetzung des Stammastes der
Luftröhre, und in diesen röhrenförmigen Hohlraum öffnen sich tiefe
Säcke mit kleinen Ausstülpungen; die tiefen Säcke entsprechen den
kleinen Räumen an der Wand der Saurierlunge, ihre Ausstülpungen
den Unterabtheilungen der letzteren. Einen ähnlichen Bau der Lunge
findet man auch bei den Krokodilen. Von specielleren Verhältnissen
führen wir an, dass die Lungen der langgestreckten gliedmaassen-
losen Saurier (z. B. der Blindschleiche) von ungleicher Länge sind,
die rechte ist die längste. Auch bei den Schlangen ist die rechte
Lunge die grösste, in der Regel ist bei ihnen sogar die linke Lunge
rudimentär oder fehlt ganz. Die Schlangen zeigen ferner die Eigen-
tümlichkeit, dass die Lunge, welche in ihrer vorderen Partie der-
jenigen der Saurier ähnlich ist, hinten ein glatter Sack ohne Falten
Jpg y TT1 ' V^f^Jn •< «ff
Eos S\avv««P*' >
Fig. 307. Lunge eines
Sauriers, der Lange
nach durchschnitten.
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Wirbclthicre. 4. Claese: Krieohthiere.
437
ist, welcher sogar sein Blut, nicht wie die übrige Lunge von der
Lungenarterie, sondern von einer der Körperarterien empfängt; dieser
Theil der Lunge ist offenbar für die Respiration ohne Bedeutung.
Die Chamäleonen sind dadurch ausgezeichnet, dass von der Lunge
fingerförmige, dünnwandige Säcke ausgehen, welche sich zwischen die
Eingeweide hinein erstrecken, und welche das Thier mit Luft füllen
kann, wodurch der Umfang des Körpers bedeutend vergrössert wird
(es bläht sich auf). — Die Einatjimung, die Luftaufnahme, findet
bei der Mehrzahl in der Weise statt, dass die Leibeshöhle durch ge-
wisse Bewegungen der Rippen erweitert wird, wodurch die Luft in
den elastischen Lungen verdünnt wird und Luft von aussen durch die
Nasenlöcher hineinströmt; die Ausathmung geschieht durch entgegen-
gesetzte Bewegungen der Rippen. Bei den Schildkröten, deren Rippen
unbeweglich sind, geschieht die Einathmung durch die Zusammen-
ziehung eines besonderen in der Leibeshöhle angebrachten zwerchfell-
artigen Muskels (vergl. die Säugethiere).
Bei den Krokodilen münden die inneren Nasenlöcher, wie vorhin er-
wähnt, weit hinten in die Mundhöhle. Am hintersten Theil der Zunge
findet eich eine hervorragende steife Querfalte, welche, wenn der Mund
geöffnet ist, sich gegen deu Gaumen legt und den hintersten Theil der
Mundhöhle, in welchen die inneren Nasenlöcher
oben, die Luftröhre unten einmünden, ganz ab-
sperrt. In Folge dieser Einrichtung kann das
Thier mit geöffnetem Mund (auf Beute lauernd)
im Wasser liegen und, wenn nur die Schnauzen-
spitze mit den äusseren Nasenlöchern oberhalb
des Wassers ist, ruhig athmen.
Die Entwicklung eines Halses hat zur
Folge, dass das Herz bei den Reptilien
weiter vom Kopf entfernt ist als bei den
Fischen und Amphibien. Der Vorhof
ist in eine grössere rechte und eine kleinere
linke Abtheilung getheilt, von welchen letz-
tere das Blut aus den Lungen aufnimmt,
während die rechte das Blut aus dem
übrigen Körper empfängt. Die Herz-
kammer zeigt gewöhnlich nur einen An-
fang zu einer Theilung in zwei, indem eine
unvollkommene Scheidewand ausgebildet
ist; nur bei den Krokodilen ist eine
rechte und eine linke Herzkammer vor-
handen, welche vollständig von einander
getrennt sind und mit dem rechten, resp.
dem linken Vorhof in Verbindung stehen,
SO daSS das arterielle Lungenblut Und das und derArtcrienbügen bei einem
venöse Blut aus den Körpervenen innerhalb Krokodil. « rechter,«' linker Vor-
des Herzens ganz getrennt sind. Der J?of' v «»de' rechte undto*.H«x-
Hi i • i i ■!• i kannner. /, / die Carotinen (Ar-
e r z k e g e 1 ist entweder rudimentär oder
fehlt ganz, so dass der Arterienstamm
direkt von der Kammer entspringt.
sind dieselben drei Paar Arterien-
bogen, Nr. 1, 2 und 4. wie bei den
Froschlurchen (Fig. 255 C) vorhanden ; Nr. 4)~r«o Aorta. - -öri*
Fig. 308. Schema des Herzens
terienbögen Nr. 1 ) : 2, '/ rechter
und linker Aortenbogen (Artericn-
Es Mg« Nr. 2); c der dUnne Theil von
2' , nachdem dieser die beflisse m
zum Darmkanal abgegeben hat; V.
4' Lungenarterien (Artorteabögen
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438
8pecieller Theil.
von diesen Betzt sich das erste Paar in die Kopfarterien (Caro-
tiden) fort, die des zweiten Paares, die Aortenbögen, vereinigen
sich und bilden die Aorta, das letzte Paar setzt sich in die Lungen-
arterien fort. Der Arterienstamm, von welchem die Bögen ab-
gehen, ist nicht einheitlich (wie es bei den Fischen und theilweise bei
den Amphibien der Fall ist), sondern in drei Röhren getheilt, von
welchen eine sich in die Kopfarterien und in den Aortenbogen fort-
setzt, eine andere in den linken Aortenbogen, die dritte in die Lungen-
arterien ; am Ursprünge einer jeden derselben aus der Herzkammer
findet sich eine Querreihe von Klappen. Die erstgenannte Röhre ent-
springt bei den Krokodilen von der linken Kammer, führt also
arterielles Blut, während die beiden anderen von der rechten Kammer
entspringen, also venöses Blut führen. Die Folge dieser Anordnung
ist, dass der Kopf bei den Krokodilen mit rein arteriellem Blut ver-
sorgt wird, während die Aorta gemischtes Blut führt, indem sie durch
eine Vereinigung der beiden Aortenbögen gebildet wird, von welchen
der eine arterielles, der zweite venöses Blut enthält.
" Der grössere Theil des venösen Blutes im linken Aortenbogen bei den
Krokodilen geht übrigens an den Darmkanal durch ein Gefäss (m), welches
der Bogen abgiebt, ehe er sich mit dem rechten Aortenbogen vereinigt,
so dass das Blut in der Aorta überwiegend arteriell ist — Bei den
übrigen Reptilien, bei denen die Scheidewand der Herzkammer ganz
unvollständig ist, findet eine Mischung des Blutes schon im Herzen selbst
statt ; bei ihnen ist andererseits durch verschiedene Verhältnisse dafür ge-
sorgt, dass die Mischung dennoch nicht so bedeutend wird, wie man er-
warten könnte. Der ganze Mechanismus ist aber zu complicirt, ata dass
wir ihn hier einer näheren Betrachtung unterwerfen könnten.
Die Nieren sind etwas gestreckte, an der Oberfläche gefaltete
Organe, welche hinten in der Leibeshöhle liegen ; die Harnkanälchen
besitzen keine offenen Trichter wie bei den Amphibien. Die Harn-
leiter öffnen sich getrennt in die Kloake (nicht in die Harnblase).
Eine Harnblase findet sich bei Sauriern und Schildkröten, fehlt
bei den Schlangen und Krokodilen; sie ist eine Ausstülpung der
ventralen Wand der Kloake2); die Oeffnungen der Harnleiter sind
nicht weit von ihrer Einmündungsstelle entfernt.
Die beiden Eierstöcke sind in reifem Zustande traubenförmig,
wegen der ansehnlichen Grösse der Eier; die Eileiter (Müller'sche
Gänge) sind nach dem gewöhnlichen Typus gebildet und münden ge-
trennt in die Kloake. Bei den Schlangen liegen, in Anpassung an
die gestreckte Körperform, die Eierstöcke nicht neben einander, sondern
einer vor dem anderen. — Die Hoden verbinden sich mittels eines
aus feinen Kanälchen zusammengesetzten Nebenhodens mit je einem
Samenleiter, welcher in die Kloake mündet. — Begattungs-
werkzeuge treten unter zwei gänzlich verschiedenen Formen auf.
Bei den Sauriern und Schlangen findet sich ein Paar Be-
gattungsorgane: jederseits, in unmittelbarer Nähe des Afters, ist eine
Oeffnung vorhanden, welche in einen Sack oder Schlauch hineinführt,
*) Eb findet sich übrigens bei den Krokodilen eine Oeffnung in der Scheide,
wand zwischen den beiden Gefässstämmen, welche sich in den rechten Aortenbogen
(-(- die Kopfarterien), resp. in den linken Aortenbogen fortsetzen; eine Mischung
des Blutes findet jedoch an dieser Stelle nur in sehr beschränktem Umfange statt.
*) Bei den Schildkröten öffnet sich in die Kloake ausser der unpaarigen Harn-
blase noch ein Paar ähnliche Säcke, deren Bedeutung unbekannt ist.
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Wirbelthierc. 4. (Jlaase: Kriechthiere.
439
der sich unterhalb der Haut des Schwanzes nach hinten erstreckt
(ist als eine Einstülpung einer Hautpartie aufzufassen); dieser Sack
kann ausgestülpt werden und zeigt dann au der Oberfläche eine spiralige
Rinne, in welcher der Samen läuft, wenn das oft mit Stacheln oder
Falten ausgestattete Begattungsorgan in die weibliche Kloake ein-
geführt ist; ein Muskel, welcher sich an das Ende des Schlauches
heftet, zieht denselben wieder zurück. Bei den Krokodilen und
Schildkröten ist der Penis dagegen ein unpaariger, solider,
zungenähnlicher Körper, welcher an der ventralen Wand der Kloake
festgeheftet ist und durch den After hervorgeschoben werden kann;
er ist an seiner oberen Fläche mit einer Längsrinne für den Samen
versehen.
Die Eier der Reptilien sind von verhältnissmässig bedeutender
Grösse ; während ihrer Wanderung durch die Kloake werden sie von
einer Eiweissmasse und einer kalkhaltigen Schale umgeben,
welche bei Sauriern und Schlangen gewöhnlich lederartig, zäh ist, bei
Schildkröten und Krokodilen fest und spröde wie eine Vogel-Eierschale.
Die Form der Schale ist gewöhnlich oval, seltener kugelig (letzteres
bei den meisten Schildkröten). Nicht wenige Schlangen und einige
Saurier behalten die Eier so lange in den Eileitern, dass sie lebendige
Junge gebären; den Eiern solcher Formen geht eine Schale übrigens
keineswegs ab , dieselbe wird aber bei der Geburt gesprengt. Die
E i f u r c h u n g ist partiell, der Nahrungsdotter sehr gross ; der Embryo
ist von Embryonalhüllen (vergl. S. 368) umgeben. Die neugeborenen
Jungen sind in der Hauptsache den Erwachsenen ähnlich.
Bei den ausgebildeten Embryonen von Schlangen und Sauriern findet
sicli am oberen Kieferrand in der Mittellinie ein unpaarer vorstehender
Zahn (ein echter Zahn), welcher dazu verwendet wird, die Eischale durch-
zuschneiden („Eizahn").
Die Reptilien sind grösstenteils Landthiere; nicht ganz wenige
fuhren eine amphibische Lebensweise, indem sie sich theils im Wasser
(Süsswasser oder Meer), theils auf dem Lande aufhalten; die meisten
ernähren sich von Raub (Insekten , Wirbelthieren etc.). Sie sind in
den Tropen zahlreich, in den kälter gemässigten Ländern sparsam ver-
treten , fehlen in der kalten Zone. In früheren Perioden der Erd-
geschichte, in der mesozoischen Zeit, war die Abtheilung noch weit
reicher entfaltet und zum Theil durch riesigere Formen als heutzutage
vertreten.
Uebersicht der jetztlebenden Reptilien-Ordnungen.
' 1. Saurier. In der Regel mit Gliedmaassen.
Bewegliches Quadrat- Schuppen am Bauch. TJnterkieferäste unbeweg-
bein. After eine Quer- I lieh verbunden.
spalte. Paarige Be- | 2. Schlangen. Ohne Gliedmaassen. Schienen
gattungs Werkzeuge. am Bauch. Unterkieferäste durch ein elastisches
Band verbunden.
Quadratbein unbeweg- ( 3. Schildkröten. Zahnlos. Zusammenhän-
lich. After nicht eine j des Knochenscliild um den Rumpf.
Querspalte. Penis un- j 4. Krokodile. Zähne in Zahnhöhlen. Zwei
paarig. 1 Herzkammern.
440
Specieller Thcil.
1. Ordnung. Saurier (Sauria).
Bezüglich der Charaktere der Saurier ist die obenstehende Ueber-
sicht und die allgemeine Beschreibung der Reptilien zu vergleichen.
Von den zahlreichen Formen fuhren wir hier einige Beispiele an.
1. Die Eidechsen (ImcciUi) haben einen langen runden Schwanz,
wohl entwickelte Gliedmaassen, kleine Schuppen auf dem Rücken, grössere,
in wenigen Längsreihen geordnete am Bauche ; Zunge wohl entwickelt,
gespalten. In Deutschland häufig sind die einander sehr ähnlichen /,. agiiis
und /,. riripara (letztere lebendiggebärend), in den Rheingegenden ausserdem
auch die spitzschnauzige Mauereidechse (L. Mitralis); selten ist die
mehr südliche, grosse Grüne Eidechse (L. viridis). — Verwandt sind
dieVarane (Varanus), grosse tropische (alt weltliche) Saurier mit einer
sehr langen gespaltenen Zunge.
2. Die Leguane (Iguanidae) sind Saurier mit kleinen Schuppen und
einer dicken, kaum gespaltenen Zunge; manche sind mit Stacheln, Haut-
falten u. ähnl. ausgestattet. Sie zerfallen in zwei natürliche Gruppen, die
altweltlichen und die neuweltlichen L., jene acrodont (d. h. mit dem
Kiefer ran de angewachsenen Zähnen), letztere pleurodont (Zähne der
Innenseite der Kiefern angewachsen, Fig. 306). Innerhalb beider Gruppen
kommen mehr gestreckte, langbeinige, langschwänzige Formen, Baum-
leguane, und plumpe, abgeplattete, kurzschwänzige Formen, Erdleguane ,
vor ; zwischen Baum- und Erdleguane lässt sich übrigens keine scharfe Grenze
ziehen, es giebt zahlreiche Zwischenfortnen. Eine eigenthümliche Gattung
kleiner Baumleguane sind die Flugeidechsen oder Drachen (Draco
volans), deren unechte Rippen nicht den Rumpfseiten des Thieres an-
liegen, sondern nach aussen gerichtet sind und als Stützen für eine grosse,
als Fallschirm dienende Hautfalte jederseits fungiren ; Ostindien.
3. Die Blindschleiche (Anguia fragilUs) ist ein gliedmaassenloser
Saurier mit langem Schwanz und beweglichen Augenlidern ; lebendig ge-
bärend, in Deutschland häufig. Sie gehört zur Familie der Skinke
{Scinco'ulei), welche durch glatte, glänzende, angedrückte Schuppen und eine
kurze, abgeplattete Zunge ausgezeichnet sind ; innerhalb dieser Familie findet
man Formen mit wohlentwickelton Gliedmaassen und einem verhältnis-
mässig kurzen Körper, Formen mit mehr oder weniger rückgebildeten
Gliedmaassen und einem mehr gestreckten Körper, und endlich ganz glied-
maassen lose Arten wie die Blindschleiche. Die übrigen Arten gehören den
wärmeren Ländern an; einige derselben kommen schon in den Mittelmeer-
ländern vor.
4. Die Chamäleonen (CliamaeUo) bilden eine sehr eigenthümliche
Sauriergruppe. Die Spalte zwischen den Augenlidern ist sehr eng, letztere
bedecken fast ganz die Aussenseite des Augapfels, mit welchem sie ver-
wachsen sind, und werden zugleich mit demselben bewegt. Die in eine
Scheide zurückziehbare Zunge ist keulenförmig, von bedeutender Länge und
kann weit aus dem Munde hervorgeschnellt werden. Die Finger und Zehen
eines jeden Fusses sind zu zwei Bündeln, jeder aus zwei oder drei Zehen
(Fingern) bestehend, verwachsen; die Zehen sind in jedem Bündel fast bia
an die Spitze verwachsen, dagegen bis an die Fusswurzel von dem andern
Bündel getrennt, und beide Bündel sind derartig gedreht, dass sie wie
Aeste einer Zange gegen einander wirken können (werden zum Umgreifen
der Aeste benutzt). Körper zusammengedrückt, der Schwanz ein Wickel-
schwanz, Schuppen sehr klein. Bekannt ist das Vermögen der Chamäleonen,
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Wirbelthiere. 4. Claaae: Kriechthiere.
441
ihre Farben zu wechseln. In wärmeren Ländern (besonder s Afrika) ; eine
Art kommt schon in Andalusien vor.
5. Die G e ck o n e n (Ascalabotae) sind dadurch ausgezeichnet, dass die
Zehen an der Unterseite mit HaftBcheiben versehen sind, und dass die
Augenlider sich wie bei den Schlangen verhalten (vergl. S. 434); es sind
in der Regel abgeplattete Thiere mit sehr kleinen Schuppen. In wärmeren
Ländern (schon in Südeuropa).
6. Die Riagelechsen (Gatt. Amphitsbaena u. a.) sind kurzschwänzige,
sehr langgestreckte, cylindrische Saurier mit sehr kleinen Augen, gewöhn-
lich ganz gliedmaassenlos (oder nur mit kleinen Vorderbeinen) ; Schuppen
viereckig, nicht dachziegelartig, in Querringen angeordnet. Die Ringel-
echsen führen eine ähnliche Lebensweise wie die Coecilien. In wärmeren
Ländern (eine Art in Südeuropa).
2. Ordnung. Schlangen (Ophidia).
Die Schlangen , welche mit den Sauriern nahe verwandt sind, zeich-
nen sich aus: durch ihre Gliedmaasenlosigkeit (selten sind Rudimente
A B C D
Fig. 309. A Giftzahn einer Klapperschlange, von vorne und etwas von aussen ;
B derselbe Zahn der Länge nach durchschlift'en. f/ Giftzahn einer Br i llenschlange, vod
vorne und etwas von aussen; D Querschnitt desselben. K Querschnitt des Giftzahnes einer
Klapperschlange. — / Furche, g Giftkanal, o obere, o' untere Ocffhung des Giftkanals, p Pulpa-
höhle. — Orig.
der Hintergliedmaassen vorhanden), durch das vorhin (S. 434) erwähnte
Verhältni88 der Augenlider, durch das Fehlen eines Trommelfelles
(und einer Paukenhöhle), durch den sehr langgestreckten Rumpf, den
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442
Specieller Theil.
verhältnissmässig kurzen Schwanz, dadurch dass die Bauchseite mit
breiten Schienen bedeckt ist, und dass die Unterkieferäste durch ein
elastisches Band verbunden sind, durch die grosse Beweglichkeit des
Quadratbeines und der ganzen Kiefer-Gaumenpartie, durch die lange
gespaltene Zunge. Von den gliedmaassenlosen Sauriern unterscheiden
die Schlangen sich stets durch den Besitz des elastischen Bandes, da-
durch dass ihnen ein Brustbein und eine Schulterpartie ganz abgeht
(von diesen Theilen sind bei den gliedmaassenlosen Sauriern wenigstens
Rudimente vorhanden), und durch das rudimentäre Zungenbein.
Vermöge der bedeutenden Erweiterungsfähigkeit der Mundhöhle —
welche auf der grossen Beweglichkeit der Kiefer und der Gaumen-
partie beruht — und des Fehlens eines Brustbeines sind die Schlangen
im Stande, sehr grosse Beute zu verschlingen ; sie nehmen nur in sehr
grossen Zwischenräumen (bis zu mehreren Monaten) Nahrung zu sich.
Einige sind mit grossen Giftzähnen versehen, welche sich dadurch
auszeichnen, dass sie an der Vorderseite mit einer tiefen Rinne ver-
sehen sind, deren Ränder an einander schliessen oder gar ver-
schmolzen sind; nur an der Basis des Zahnes und in der Nähe der
Spitze ist sie offen. Der Giftzahn — es ist zur Zeit immer jederseits
nur einer vorhanden — hat stets seinen Platz vorne im Oberkiefer-
bein, und die in seinen Kanal führende Oeffnung an der Basis steht
mit dem Ausführungsgang einer hinter dem Kopf liegenden Giftdrüse
in Verbindung, welche als eine umgebildete Mundhöhlendrüse auf-
zufassen ist. In der Schleimhaut der Mundhöhle dicht beim Giftzahn
findet man mehrere Ersatzzähne für denselben auf verschiedener Ent-
wicklungsstufe. Wenn der Zahn nicht benutzt wird, ist er von einer
Falte der Mundhaut bedeckt, aus welcher er durch eine Bewegung
des mit ihm unbeweglich verbundenen Oberkieferbeines hervortritt.
Bei einigen Giftschlangen (Vipern und Grubenottern) ist das Ober-
kieferbein sehr kurz und trägt keine anderen Zähne als den Giftzahn,
bei anderen (den Giftnattern) finden sich hinter dem Giftzahn noch
einige kleine, einfache Zähne im Oberkiefer. (Bei einem Theil der
ungiftigen Schlangen sind einer oder mehrere der hintersten Oberkiefer-
zähne an der Vorderseite mit einer oberflächlichen Längsfurche ver-
sehen: Furchenzähne.)
1. Unterordnung. Ungiftige Schlangen (Colubrina innoctia).
1. Die Riesenschlangen {Pcioj>oda) besitzen Rudimente von
Hintergliedmaassen in Form eines kleinen krallen artigen Fortsatzes zu jeder
Seite des Afters. Hierzu gehören die grössten Schlangenformen. Als
Beispiele fuhren wir an: Pyifion (bis ca. 10 m lang), mehrere Arten
in Asien und Afrika, das Weibchen brütet seine Eier aus (seine
Körperwärme steigt in der Brutzeit bedeutend über die der Umgebung]).
Boa constrictor in Südamerika, bis ca. 6 m.
2. Von ungiftigen Schlangen findet man in Deutschland allgemein
verbreitet die Ringelnatter (Tropido7iotits natrix), an den zwei grossen
gelben Flecken am Hinterkopfe leicht kenntlich, und die glatte Natter
(Coronella austriaca oder lactns) , kleiner, röthlichgrau. Selten und local
sind die Würfelnatter (Troj?. tßsselatus) und die Aesculapnatter
(Coluber Acsrulapii) , am Rhein etc. — Zahllose ungiftige Schlangen be-
wohnen die Tropen.
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Wirbelthiere. 4. Classe: Xriechthiere.
443
2. Unterordnung. Giftnattern (Colubrina venenosa).
flinter dem Giftzahn finden sich noch einige kleinere Zähne. Gift-
zahn mit einer feinen Furche an der Vorderseite (vergl. Fig. 309 C—D).
1. Die Brillenschlange (Naja tript/dians) kann die Körperhaut
hinter dem Kopfe zu einer breiten Scheibe ausbreiten , indem sie die vor-
dersten Rippen nach der Seite richtet ; an der Scheibe zeigt sich dann eine
brillenähnliche Figur. 2 m lang. Indien. — Die Korallenottern
(Elaps), roth und schwarz geringelt, kleiner, in Südamerika. Mehrere
andere Gattungen von Giftnattern in den wärmeren Ländern.
2. Die Seeschlangen (Gatt. Hydrophil u. a.) zeichnen sich be-
sonders dadurch aus , dass der Schwanz stark zusammengedrückt und die
Bauchschienen sehr klein, schuppenartig sind. Zahlreiche Arten im In-
dischen und Grossen Ocean, gewöhnlich kleinere Thiere (selten länger als
die Ringelnatter, oft kleiner); ihr Biss gefährlich.
3. Unterordnung. Viperinen (Viperina).
Der Giftzahn ist der einzige Zahn im Oberkieferbein ; er besitzt
keine Furche an seiner Vorderseite. Kopf in der Regel hinten breit,
scharf vom Rumpfe abgesetzt.
1. Die Kreuzotter
(Vipern bcrus) mit Zickzack-
binde längs der Rückenmitte.
Lebendiggebärend. Besonders
in Haidegegenden, in Deutsch-
land häufig. — Die etwas
grössere Sand viper ( Vipera
ammodytes) mit nach oben
gerichtetem Fortsatz der
Schnauzenspitze lebt in den
Mittelmeerländern , Oester-
reich, Südbayern.
2. Die Grubenottern
( Crotalidae) zeichnen sich durch
den Besitz einer tiefen Grube
Fig. :» 1 0. A Schwauzcndc einer Klapperschlange
mit 11 DUtchen (/ die älteste, // die jüngste). Ii das-
selbe der Länge nach durchschnitten, r Wirbelsäule,
r' letztes, aus mehreren verwachsenen Wirbeln be-
stehendes, (llied der Wirbelsäule (die umgehenden Wcich-
theile punktirt); die durchschnittenen Dütchcn je durch
jederseits zwischen dem Auge oine stark aufgezogene Linie angegeben. Wie aus einem
und der Nasenöffnunif aus. VorKleich beider Figuren erhellt, tritt von jedem Dutcheu
• j. j (»»t Ausnahme des ältesten, /) nur der hintere Thcil
Dazu gehören die meisten dem nIscin gewölbter Ring Uervor. (ler übrig, Theil l9t von
Menschen gefährlichen Gift- dem nächst älteren ÜUtchcn verborgen. — Nach Garman.
schlangen der wärmeren Län-
der. Die Klapperschlangen (Crotahis) unterscheiden sich von den
anderen Grubenottern dadurch, dass sie am Schwanzende mehrere in
einander steckende, lose, rasselnde Horndütchen besitzen, Ueberreste von
abgestossenen Häuten (vergl. Fig. 310); mehrere Arten (bis über 2 m)
in Nord- und Südamerika. Die meistens kleineren, aber ebenso gefährlichen
Trigonocephalus- Arten leben in Ostindien und Amerika.
3. Ordnung. Schildkröten (Testudinata).
Die zahnlosen Kiefer sind von einer Hornscheide mit scharfem
Rande bekleidet. In der Rumpflederhaut sind grosse Knochen-
platten vorhanden, welche gewöhnlich mit ihren Rändern an ein-
444
Specieller Theil.
ander stossen und durch Zacken in einander greifen und so eine zu-
sammenhängende Knochenkapsel um denjenigen Theil des Körpers
bilden, welcher hinter den Vorder- und vor den Hintergliedmaassen
liegt; vorne besitzt diese Kapsel eine grosse Oeffnung für Kopf und
Vorderbeine, hinten für Schwanz und Hinterbeine. An der Rücken-
seite finden sich drei Reihen von Knochenplatten, von welchen die
mittlere Reihe mit den Wirbeln verbunden ist (Wirbelplatten), wäh-
rend die beiden anderen mit den Rippen (eine Platte mit jeder Rippe)
verwachsen sind ; zu äusserst, ausserhalb dieser drei Reihen, findet sich
eine Reihe von kleineren Randplatten. Auf der Bauchseite sind nur
zwei Plattenreihen vorhanden ; am vorderen Ende finden sich eine un-
paare Platte und vor dieser ein Plattenpaar, welche wahrscheinlich
dem Vorderbrustbein, resp. den Schlüsselbeinen der übrigen
Reptilien entsprechen. Die Knochenplatten bilden übrigens nicht bei
allen Schildkröten eine solche zusammenhängende Knochenkapsel ;
bei den Meerschildkröten z. B. schliessen die Platten nicht überall an
einander, sondern es sind an manchen Stellen grössere unverknöcherte
Lederhautpartien zwischen ihren Rändern vorhanden. Diejenige
Partie des Körpers, in welcher die Knochenplatten liegen, ist äusser-
lich gewöhnlich von grossen Hornschildern gedeckt, welche durch
Furchen getrennt sind ; ihre Grenzen entsprechen denen der Knochen-
platten nicht, wenn auch ihre Anordnung eine ähnliche ist. Der
übrige Theil des Körpers ist von kleineren Schuppen und Schildern
bedeckt; in einigen Schuppen können zuweilen ähnlich wie bei gewissen
Sauriern kleine Knochenplatten sich entwickeln.
Die Schildkröten ernähren sich theils von Pflanzen, theils von
Thieren. Sie leben auf dem Lande, im Süsswasser oder im Meere.
Es sind träge, langsame Thiere. Manche sind im Stande, Kopf und
Gliedmaassen innerhalb der Schildränder einzuziehen.
1. Die Sumpfschildkröten (Emydae) sind meistens abgeplattete
Thiere , mit Schwimmhaut zwischen den Zehen. Leben im Süsswasser,
manche gehen aber auch aufs Land. ' In Deutschland lebt die Eniys
europaea (oder lutaria). — Mehr ausschliessliche Wasserthiere sind die
Flussschildkröten (Gatt. Trionyx u. a.) mit grossen Schwimmfussen
(mit je drei Krallen), Schild ohne Hornplatten; bissige Thiere. Asien,
Afrika, Nordamerika.
2. Die Landschildkröten (TeMudinidac) sind mit den Sumpf-
schildkröten nahe verwandt; sie unterscheiden sich besonders durch das
stark gewölbte Rückenschild und die sehr verkürzten Füsse, deren Zehen
verwachsen und mit kurzen Krallen versehen sind (Klumpfüsse). In Sud-
Europa lebt die Griechische L. (Testudo yraeca).
3. Die Seeschildkröten (CJicloniac) haben ein abgeplattetes Schild
und unbeweglich verbundene Zehen ohne Krallen oder nur mit Krallen-
rudimenten; die Vordergliedmaassen weit grösser als die Hinterglied-
maassen , mächtige flossenartige Ruderwerkzeuge. Sie erreichen eine be-
deutende Grösse. Leben im Meere, die Eier werden jedoch auf dem Lande
abgelegt (sie werden im Ufersande vergraben). Eine Art im Mittelmeer.
Die Ordnung weicht in manchen Beziehungen von den übrigen
jetzt lebenden Reptilien ab und nähert sich den Vögeln und Säuge-
thieren (in dieser Beziehung sind die getheilte Herzkammer, die Aus-
4. Ordnung. Krokodile (CrocodUia).
Wirbelthiere. 4. Classe: Kriechthiere.
445
bildung des Gehirns und des Schneckenganges, sowie die in Zahn-
höhlen angebrachten Zähne hervorzuheben). Die Krokodile sind gross-
köpfige Thiere mit den Nasenlöchern an der Oberseite der Schnauzen-
spitze, mit Schwimmhaut zwischen den Hinterzehen und mit einem
langen zusammengedrückten Schwimmschwanz ; Krallen sind nur an
den drei inneren Zehen jedes Fusses vorhanden (an den Vorderfüssen
sind 5, an den Hinterfüssen 4 Zehen vorhanden). In der Haut finden
sich zahlreiche Kuochenplatten (besonders an der Rückenseite). Der
After eine Längsspalte. Ueber die Art, in welcher sie mit geöff-
netem Mund im Wasser athmen, und über andere Verhältnisse ver-
gleiche oben.
Die Krokodile, welche eine Länge von etwa 10 m erreichen
können, leben in wärmeren Ländern im Süsswasser (selten im Meere
an der Küste), gehen jedoch auch aufs Land; es sind gefrässige
Raubthiere und Aasfresser. Die Eier werden auf dem Lande abge-
legt, entweder in die Erde eingegraben oder zwischen verwesenden
Pflanzentheilen u. ähnl. angebracht; die Mutter überwacht die Eier
und füttert zuweilen die Jungen.
Die jetzt lebenden Krokodile werden in drei Gruppen getheilt:
1) Kaimane (Alligator) mit kurzer Schnauze und unvollständiger Schwimm-
haut zwischen den Hinterzehen ; der 4. Unterkieferzahn greift in ein Loch
des Oberkiefers hinein; Amerika (eine Art in Ostasien). 2) Echte
Krokodile (CrocodUm) mit langer Schnauze und vollständiger Schwimm-
haut zwischen den Hinterzehen ; der 4. Unterkieferzahn greift in einen
Ausschnitt an der Seite des Oberkieferrandes ein; sowohl in der alten als
in der neuen Welt. 3) Gaviale {Ramphostoma) mit sehr langer und
schmaler Schnauze , vollständiger Schwimmhaut ; der 4. Unterkieferzahn
greift in einen Ausschnitt am Oberkiefer ein ; Ostindien. Diese drei
Gruppen sind übrigens durch Zwischenformen mit einander verbunden: es
giebt Crocodilus - Arten , welche sich den Alligatoren nähern, und einen
Gavial, welcher den Uebergang zum Crocodilus vermittelt.
Die ältesten bekannten Krokodilformen, aus der Triaszeit (Belodon
u. a.) sind besonders dadurch ausgezeichnet, dass sie in Bezug auf die
Lage der inneren Nasenlöcher den Sauriern und Schildkröten ähnlich
Fij?. 311. A Schlldel eines Üavials, Ii eines TeUosauru*. n' innere Nasenlöcher
p Ganinen-, r FlUgelbcin.
waren: Gaumen- und Flügelbeine bilden keine Röhre, die inneren Nasen-
löcher münden viel weiter vorne als bei den jetzt lebenden. Die aus der
Juraformation und ein Theil der aus der Kreideformation bekannten Kroko-
A
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446
Specieller Theil.
dile (Teleosatmut u. a.) nähern sich in Bezug auf die Stellung der
inneren Nasenlöcher den jetzt lebenden, indem die Gaumenbeine (nicht
aber die Flügelbeine) zusammentreten und eine Röhre bilden, wodurch die
inneren Nasenlöcher weiter nach hinten gerückt werden. Alle diese älteren
Krokodilformen weichen auch darin von den jetzt lebenden ab, dass die
"Wirbelkörper sowohl vorn als hinten etwas ausgehöhlt sind. Die Krokodile
der Tertiärzeit und ein Theil derjenigen der Kreidezeit schliessen sich da-
gegen vollständig an die jetzt lebenden an : die Flügelbeine nehmen an der
Bildung des Nasenkanals Theil, und die Wirbel sind wie bei diesen vorne
concav , hinten convex. Es zeigt sich somit innerhalb der Ordnung der
Krokodile eine sehr interessante Stufenfolge durch die Zeiten.
Während manche ausgestorbene Reptilien, z. B. die soeben ge-
nannten Krokodilformen und viele andere, sich in die auch in der Jetztzeit
vertretenen Ordnungen einfügen lassen, giebt es zahlreiche andere, welche
Ordnungen bilden , die ohne jetzt lebende Vertreter sind. Mehrere dieser
Gruppen bieten ein bedeutendes Interesse dar ; wir wollen kurz die wich-
tigsten derselben betrachten.
Die Walsaurier ') (hhthyosatiria) nehmen unter den Reptilien einen
ähnlichen Platz ein wie unter den Säugethieren die Wale, und im Habitus
erinnern sie stark an letztere Gruppe. Der Kopf (besonders die Schnauzen-
partie) ist von kolossaler Grösse , der Hals ungemein kurz , der Schwanz
Behr lang und kräftig; beide Gliedmaassenpaare sind ähnlich wie die Flossen
der Wale gebildet: sie stellen kurze breite Platten dar, alle Gliedmaassen-
knochen waren unbeweglich verbunden und sehr verkürzt, die Zehen waren
von einer gemeinsamen Haut umschlossen, krallenlos, ihre Anzahl oft über
5 hinaus vermehrt, die Anzahl der Glieder jeder Zehe sehr gross (jedes
Glied aber sehr kurz). Von anderen Charakteren führen wir an . dass die
Sehnenhaut der grossen Augen mit einem Kranz von Knochenplatten ver-
sehen war; die Wirbelkörper waren sehr gross und vorne und hinten stark
ausgehöhlt, das Becken war nicht mit der Wirbelsäule verbunden, die Hinter-
gliedmaassen schwächer als die Vordergliedmaassen , die Zähne sassen in
Zahnhöhlen (welche in jedem Kieferrand eine zusammenhängende Furche
bildeten, was auch bei einzelnen anderen Thieren, z. B. bei gewissen Walen,
vorkommt). Die Walsaurier waren Meeresthiere , z. Th. von sehr ansehn-
licher Grösse (10 m und mehr); sie lebten in der (Trias-), Jura- und
Kreideformation .
Die Schwanensanrier *) {Pksiosauria) bilden einen anderen ausgestor-
benen Typus von Meeresreptilien, welche in einigen Beziehungen den Ich-
thyosauren ähnlich, in anderen Punkten denselben recht unähnlich sind.
Der Kopf der Plesiosauren ist klein, zuweilen sogar sehr klein, der Hals
dagegen lang, am längsten bei den mit dem kleinsten Kopfe versehenen
Formen. Das Gedrungene, Fischartige in der Leibesform der Walsaurier
fehlt somit hier völlig. Vorder- und Hintergliedmaassen sind wie bei letzteren
krallenlos und walflossenähnlich ; meistens sind sie jedoch grösser als bei
den Ichthyosauren, die Knochen sind nicht so stark verkürzt, und die Anzahl
der Zehen übersteigt nicht 5. Sie erreichen eine ähnliche Länge wie die
Ichthyosauren. Trias, Jura, Kreide.
Auch „Fischsaurier" genannt.
Gewöhnlich, sehr unglücklich, „Schlangensaurier" genannt.
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Wirbeltbiere. 4. Classe: Kriechthiere. 447
Die Flugsaurier (/^m>.<?o// r/V/ : QtXt.PlercHlnrtyhis, Rhamphorhytuhus u. a.)
waren besonders dadurch ausgezeichnet, dass die Yordergliedmaassen zu
I
wirklichen Flugorganen ausgebildet waren. Jedes Vorderbein besitzt
4 Finger, von welchen die drei inneren (Nr. 1, 2, 3) nicht besonders aus-
448
Specieller Theil.
gebildet sind, während der vierte nebst dem zagehörigen Mittelhandknochen
stark verlängert ist und im Rande der grossen Flughaut seinen Platz
hatte ; die Flughaut, vou welcher man in einigen Fällen im lithographischen
Kalkstein Abdrücke gefunden hat, war zwischen jenem Finger, dem Rumpf,
den Hintergliedmaassen und dem Schwanz ausgespannt. Der Kopf, beson-
ders die vordere Partie, ist von ansehnlicher Grösse, in der Sehnenhant
war ein Knochenring vorbanden ; Zähne sind gewöhnlich vorhanden und
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Wirbelt hiere. 4. Clasae: Kriechthiere.
449
sitzen in Zahnböhlen; das Brustbein besitzt einen Kamm, welcher den
grossen, die Flügel bewegenden Brustmuskeln zur Anheftung gedient haben
wird ; die Knochen waren pneumatisch (ebenso wie bei den Vögeln). Die
Flugsaurier, welche unter den Reptilien einen ähnlichen Platz einnehmen
wie die Fledermäuse unter den Säugethieren, waren grösstenteils kleinere
Thiere, welche in der Jura- und Kreideformation lebten.
Die Dinosaurier (Dinomuria) sind eine aus zahlreichen Formen be-
stehende Reptilien-Gruppe, welche dadurch vom grössten Interesse werden,
dass sie den Uebergang von den Reptilien zu den Vögeln bilden,
und zwar derart, dass wir innerhalb der Abtheilung einerseits Formen finden,
welche anderen Reptilien ziemlich nahe stehen, andererseits solche, welche
sich den Vögeln immer mehr nähern. Die Dinosaurier waren Landthiere,
zum grössten Theil von ansehnlicher, theilweise von kolossaler Grösse,
grösser als die allergrössten jetzt lebenden Landsäugethiere (bei einer Art ist
das Oberschenkelbein 2— 3 m lang und sehr dick); man findet jedoch auch kleine
Formen unter ihnen. Die Gliedmaassen sind kräftig ausgebildet; bei einigen
sind Vorder- und Hintergliedmaassen ungefähr von gleicher Länge, häufiger
Fig. 316. A — B Vorder- und Hintergliedmaasse eines der Dinosaurier, welche den
Vögeln ferner stehen (itorotaunut grandis). C — D Do. eine» vogelfthnlicheren Dinosaurs
(Camptonotus ditpar). a Fusswurzel, <• Coracoid, d Zehon, <T Finger, f Oberschenkel, g Waden-
bein, h Oberarm, »' Darmbein, k Sitzbein, m Mittelfuss, m Mittelhand, r Speiche, * Schulter-
blatt, *k Schambein, / Schienbein, u Elle. — Nach Marsh.
aber jene kleiner, zuweilen sogar viel schwächer als die Hintergliedmaassen,
und manche Dinosaurier bewegten sich offenbar ausschliesslich auf letzteren,
vielleicht springend fort; unter denen mit stärkeren Hintergliedmaassen
waren einige Zehengänger, während andere Kriechthiere mit dem ganzen
Fuss auftreten. Der Schwanz ist lang und kräftig. Sehr merkwürdig ist
daß Becken: das Darmbein ist stark nach vorne, vor der Gelenkpfanne,
verlängert, was bei anderen Reptilien nicht der Fall ist, während dies mit
dem übereinstimmt, was man bei den Vögeln findet; und bei denjenigen
Dinosauriern, welche mit kleinen Vordergüedmaassen versehen sind (z. B.
fiou, Zoologi«. 29
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4äu
Specialer Theil.
hjuunmUtn, Fig. Hl 4), hat das Schambein eine sehr merkwürdige Form, in-
dem von der Basis desselben ein langer, dünner Fortsatz {p ) entspringt,
welcher nach hinten (ungefähr in entgegengesetzter Richtung des Haupt-
astes), dem oft langen und dünnen Sitzbein parallel und dicht angelagert,
verläuft. Die Beckenwirbel sind in grösserer Zahl als sonst bei den Rep-
tilien vorhanden (-1 oder mehr) und mit einander verwachsen. Von anderen
Charakteren sind hervorzuheben, dass die obere Reihe der Fusswurzel-
knochen bei manchen mit dem Schienbein unbeweglich verbunden (oder gar
verwachsen) ist; das Schienbein ist an der Vorderseite mit einem vor-
springenden Längskamm versehen. Die Form des Oberschenkelbeins und
des Schienbeins ist stark von derjenigen anderer Reptilien abweichend und
sehr vogelähnlich, etc. (Vergl. übrigens die unten beim Vogelskelet ge-
machten Bemerkungen.) — Die Dinosaurier lebten in der Trias-, Jura- und
Kreideformation.
5. Classe. Vögel (Avas).
Die hervorragendste Eigenthümlichkeit in der allgemeinen äusseren
Gestalt des Vogelkörpers liegt in der eigenthtimlichen Ausbildung
der Gliedmaas sen, indem die hinteren ausschliesslich zum Gang
oder Sprung (zuweilen auch zum Schwimmen) entwickelt sind, während
die Vordergliedmaussen niemals Gehwerkzeuge, sondern — mit wenigen
Ausnahmen — Fl u g Werkzeuge sind. Der Körper wird gewöhnlich
von den Hintergliedmaassen in einer halb aufrechten Stellung getragen ;
er ruht nur auf den Zehen, nicht auf dem, sehr schlanken, Mittelfuss.
Der Hals ist von ansehnlicher Länge, sehr beweglich, der Rumpf kurz ;
der Schwanz ist bei allen jetzt lebenden Vögeln kurz, die grossen
demselben angehefteten Steuerfedern1) gehen ihm aber anscheinend
eine grössere Länge. Eine eigenthümliche Entwicklung bietet die
Gesichtspartie (der Schnabel) dar, welche gewöhnlich verlängert und
mit Hornscheiden umgeben ist.
Die Haut ist in ihrer grössten Ausdehnung mit Federn be-
deckt, complicirten, aus verhornten Oberhautzellen bestehenden An-
hängen, welche in ihrer ersten Anlage kleine Hautwarzen sind, die
sich aber bald in sackförmige Vertiefungen der Haut, die späteren
Federbälge, einsenken ; aus der die Warze überkleidenden Oberhaut-
schicht entwickelt sich die Feder2). Die Federn erscheinen unter ver-
schiedenen Formen. Die Deck- oder Co ntour federn, d. h. die
festeren Federn, welche wenigstens mit ihrem distalen Theil an die
Oberfläche treten und die äusseren Umrisse des Vogels bilden (im
Gegensatz zu den darunter liegenden Dunen), bestehen aus folgenden
Theilen: Proximal findet sich eine kurze, cylindrische, hohle Spule,
welche in den Federbalg, eine mehr oder weniger tiefe Haut-
einstülpung, eingesenkt ist. Die Spule setzt sich in den Schaft
fort, welcher auswendig aus einer festeren Hornschicht, innerlich aus
einer loseren Hornmasse besteht und nach der Spitze zu dünner wird.
') Wenn in Beschreibungen von Vögeln von einem langen oder kurzen
Schwanz die Rede ist, so bezieht sich das immer auf die Länge der Steuerfedern.
*) Es sind jedoch nur die Anlagen des ersten Federkleides des jungen Vogels,
welche als freie Warzen an der Oberfläche auftreten; die Anlagen der spateren
Federn sind zwar ähnliche Warzen, welche aber am Hoden der Bälge der vorher-
gehenden Federn erscheinen.
Wirbelthiere. 5. Claase: Vögel.
451
(Spule und Schaft bilden zusammen den Kiel der Feder.) Vom
Schaft entspringt nach jeder Seite eine Reihe von Aesten, welche
wieder mit je zwei Reihen von Strahlen versehen sind; die Aeste
und den Schaft bezeichnen wir zusammen als die Fahne. Am distalen
Theil der Feder — dieser kann einen
grösseren oder kleineren Theil der
Feder ausmachen — sind die Aeste
steifer, zusammengedrückt (ihre Flä-
chen denjenigen der benachbarten
Aeste zugewendet) und mit verhält-
nissmässig kurzen Strahlen versehen,
von welchen die der vorderen Reihe
sich schräg über die Strahlen der hin-
teren Reihe des davorsitzenden Astes
legen. Ferner sind die Strahlen der
vorderen Reihe mit je einer Reihe fei-
ner, haarartiger, mikroskopisch kleiner
Anhänge versehen, von welchen einige
an der Spitze umgebogen sind und
den Rand der Strahlen in der hinteren
Reihe des davorsitzenden Astes um-
greifen; durch diese Häkchen werden
die Aeste zu einer zusammenhängen-
den Platte zusammengeheftet. Im pro-
ximalen Theil der Fahne sind die
Aeste weicher und dünner, die Strah-
len lang und weich, aber ohne Häk-
chen ; dieser Theil der Fahne, welcher
von anderen Federn überdeckt ist, hat
Somit einen weichen, losen, dunen- Fig. 3 1 6. Stückchen einer Feiler,
artigen Charakter. An der Grenze Schema. * Schaft, « Ast, »t Strahlen einer
von Spule und Schaft entspringt von der \ot,lZ™ Kcih5 'nit Hlk1hen» strahl«.
. *. Ii. ci'xJT-ij der hinteren Reihen; ersterc decken Uber
nach innen gekehrten öeite der Ueder letztere hin und greif«, mit d«. Häkchen
häufig ein kleinerer, dünnerer Schaft um ihren Rand. — orig.
(der Afterschaft), welcher eine
doppelte Reihe loser Aeste trägt: den Afterschaft mit seinen Aesten
bezeichnen wir als die Nebenfahne. Dieser Theil ist zuweilen
kräftig ausgebildet (z. B. bei Hühnervögeln), gewöhnlich jedoch
ziemlich schwach ; sein Schaft ist zuweilen rudimentär, so dass die
Nebenfahne durch ein Bündel dicht neben einander entspringender
Aeste vertreten ist. Von den Deckfedern sind besonders Schwung-
und Steuerfedern hervorzuheben, die kräftigsten, steifsten, meistens
auch die längsten Federn am Körper; ihnen fehlt in der Regel eine
Nebenfahne, und der dunenartige (proximale) Theil ist sehr klein oder
fehlt; sie sitzen in sehr tiefen Federbälgen, die Schwungfedern in
einer Reihe längs des Aussenrandes des Unterarms und der Hand,
die Steuerfedern in einer Querreihe am Ende des Schwanzes. — Die
Dunen (Flaumfedern), weiche im Allgemeinen von den Deckfedern
ganz überdeckt werden, unterscheiden sich von diesen dadurch, dass
die ganze Fahne denselben Charakter hat wie dort der proximale
Theil: sie besteht aus lauter weichen, oft sehr langen Aesten, welche
mit langen hakenlosen Strahlen besetzt sind; dabei ist der Schaft
düun und schwach, oft sogar völlig rudimentär, so dass die Aeste
29*
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452
Specieller Theil.
dicht neben einander am distalen Ende der Spule entspringen. Eine
Nebe nf ahne ist an den Dunen häufig vorhanden; sie ist nicht
selten fast ebenso kräftig wie die Hauptfahne. Die Dunen sind
meistens weisslich oder grau, während die Deckfedern sehr verschieden
gefärbt sind. — Beide genannten Hauptformen von Federn gehen
übrigens ganz allmählich in einander über : es giebt Dunen, welche durch
einen kräftigeren Schaft etc. sich den Deckfedern nähern, und umge-
kehrt Deckfedern, welche so lose und weich sind oder einen so kleinen
zusammengehakten Theil besitzen, dass sie am Uebergang zu den
Dunen stehen.
Eine besondere Form von Dunen sind die sogenannten Faden federn ,
ganz schwache Federchen mit langem dünnen Schaft, welcher erst gegen die
Spitze hin eine geringe Anzahl von Aesten trägt; sie sind fast bei allen
Vögeln vorhanden, entspringen immer dicht bei den Deckfedern.
Von eigentümlich entwickelten Federn sind beispielsweise folgende
hervorzuheben : Die borstenartigen Federn, welche bei manchen Vögeln
an gewissen Theilen des Kopfes vorkommen; ihnen fehlen die Aeste, oder
solche sind nur in geringer Anzahl am Grunde des Schaftes vorhanden.
Die Deckfedern bei den Straussenvögeln, an denen Häkchen gänzlich,
auch an den distalen, steiferen Aesten, fehlen; bei den Kasuaren und dem
Emu sind die Federn ausserdem dadurch merkwürdig, dass Haupt- und
Nebenfahne gleich stark entwickelt sind. Die Schwungfedern des Kasuars,
deren lange, steife Schäfte ganz astlos sind.
Den jungen Vögeln fehlen Deckfedern, an deren Stelle tragen sie aber
kleine Dunen, welche nur mit wenigen an der Spitze der Spule oder längs
eines dünnen Schaftes sitzenden Aesten versehen sind.
Die Deckfedern sind in der Regel nicht gleichmässig über den
ganzen Körper vertheilt, sondern entspringen nur von gewissen Ge-
bieten desselben, den sogenannten Feder fluren, welche regelmässig,
bei verschiedenen Vogelformen mehr oder weniger verschieden, an-
geordnet sind; es findet sich z. B. ein Federflur längs der Rücken-
mitte, ein anderer an der Aussenseite des Schenkels etc. Die zwischen-
liegenden Partien, die Raine, tragen Dunen, welche übrigens auch
in den Fluren zwischen den Deckfedern vorkommen können, oder
sind ganz federlos; die Raine sind von den Deckfedern der benach-
barten Fluren überdeckt. — Eine fast gleichinässige Vertheilung der
Deckfedern über den ganzen Körper findet man bei den Straussen-
vögeln — welche ganz dunenlos sind, wenn man nicht etwa ihre
sämmtlichen Federn als Dunen bezeichnen will — , den Pinguinen und
einzelnen anderen.
Die Vögel werfen in regelmässigen Zwischenräumen, in der Regel
einmal im Jahre, ihr ganzes Gefieder ab, und gleichzeitig wird das-
selbe durch neugebildete Federn ersetzt; dieser Vorgang wird als
Mauser bezeichnet und findet im Allgemeinen bei nordischen Vögeln
im Laufe einiger Wochen zu Anfang des Herbstes statt. Ausser
dieser Herbstmauser wird öfter auch von einer Frühlingsmauser
gesprochen. In der That wechseln auch manche Vögel im Frühling
einige Federn, es kann also zu dieser Jahreszeit eine partielle
Mauser stattfinden ; in manchen Fällen beruhen aber die Unterschiede,
welche zwischen dem Winter- und dem Sommerkleid der Vögel zu
beobachten sind, auf anderen Umständen. Bei einigen Vögeln werden
im Frühling die besonders gefärbten Ränder vieler Federn abgestossen,
und das Aussehen des Federkleides kann schon dadurch wesentlich
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Wirbelthiere. 5. Classe: Vögel.
453
verändert werden; in anderen Fällen findet aber zu dieser Jahres-
zeit eine wirkliche Aenderung der Farben der Federn, eine Ver-
färbung derselben, statt, welche zuweilen, z. B. bei Vögeln, die im
Winter weiss, im Sommer bunt gefärbt sind, von sehr eingreifender
Art sein kann. Diese Verfärbung ist um so merkwürdiger, als die
Federn ausschliesslich aus Hornstoff bestehen und somit einen todten
Theil des Körpers darstellen ; wir haben es demnach hier wahrschein-
lich mit chemischen Veränderungen zu thun, welche sich von den
Lebensthiitigkeiten unabhängig abspielen.
Die jungen Federn sind noch eine Zeitlang, nachdem sie ihre Spitze
aus dem Federbslg hervorgestreckt haben, von einer dünnen röhrenförmigen
Hornhülle umgeben, welche die Aeste zusammenhält; diese Hülle schilfert
allmählich ab. — Die sogenannten „Puderdunen", welche bei einigen Vögeln,
z. B. den Reihern, vorkommen, sind Federn, welche (ähnlich etwa wie die
wurzellosen Zähne gewisser Säugethiere) fortwährend aus dem Federbalg
nachwachsen, während gleichzeitig ihr freies Ende abgestossen wird; der
bei ihnen vorkommende Puder stammt von der zerfallenden Hornhülle her,
welche am proximalen Federende immer wieder erneuert wird.
An die Bälge der grösseren Federn heften sich kleine Muskeln, welche
z. B. die Steuerfedern fächerförmig ausbreiten, die gewöhnlichen Deckfedorn
aufrichten können etc.
Die Federn sind wahrscheinlich als modificirte Reptilienschuppen
aufzufassen, worauf die Anlage derselben als warzenförmige Haut-
erhöhungen hindeutet Ausserdem besitzen aber die Vögel echte
Schuppen von ganz ähnlicher Beschaffenheit wie diejenigen der
Reptilien, aber Mos an den Hinterfüssen; diese Schuppen haben
ziemlich verschiedene Formen: Höcker, Platten, Schindelschuppen.
Eine eigenthümliche, grosse, kegelförmige Schuppe ist der Sporn des
Hahns (und anderer männlicher Hühnervögel), welcher innerlich mit
einer am Mittelfuss festwachsenden Verknöcherung versehen ist; der
Sporn ist auch beim Huhn vorhanden, hier aber gewöhnlich als eine
einfache warzenförmige Schuppe1). — Krallen sind an den Zehen
der Hinterfüsse vorhanden ; sie sind bei Vögeln, welche sich meistens
auf Bäumen aufhalten, lang, krumm und spitz, bei Erdvögeln kürzer
und stumpfer. An den Vorderglied maassen fehlen bei manchen
Vögeln Krallen ganz; häufig ist aber eine kleine, oft rudimentäre,
Eralle am Daumen vorhanden, nicht ganz selten ausserdem noch eine,
in der Regel aber völlig rudimentäre, Kralle am zweiten Finger (zu-
weilen ist letztere nur bei den Jungen vorhanden, fehlt später) ; beim
afrikanischen Strauss sind beide Krallen ziemlich gross und wohl ent-
wickelt. Bei allen jetzt lebenden Vögeln fehlt eine Kralle am dritten
Finger; dagegen waren bei dem ausgestorbenen Archaeopteryx wohl-
entwickelte, gebogene Krallen an allen drei Fingern vorhanden, was
aus der Form des letzten Fingergliedes mit Sicherheit zu erkennen
ist. — Die Kieferränder und die diesen zunächst liegenden Theile
des Kopfes, der Schnabel, sind gewöhnlich von einer dicken festen
Hornmasse, oft mit scharfen Rändern, bedeckt; seltener ist diese ganz
oder theilweise durch eine dünnere, weichere Hornschicht ersetzt. —
Eine Häutung wie bei den Reptilien findet bei den Vögeln nicht
statt, die Hornschicht schilfert in kleineren Partien ab.
') Auch an den Vordergliedmaassen, an der Hand, können bei einigen Vögeln
ähnliche Sporen wie am Hnhnenfuss vorhanden «ein (welche nicht mit den oben
erwähnten Krallen zu verwechseln sind). *
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454
Speciellcr Thcil.
Die Vögel besitzen nur ein Paar Hautdrüsen, nämlich die
grossen rundlichen Bürzeldrüsen, welche ihren Platz an der Ober-
seite des kurzen Schwanzes haben; sie liegen dicht beisammen, und
Fig. 317. Skelct eines Haben. /, 2, 3 erster— dritter Finger, /' und erste und
vierte Zehe, ca Handwurzel, <■/ Schlüsselbein, co ('orneoid (grösstentheils von h verdenkt),
j Wadenbein, h Oberarm, !l Darmbein, i7 dessen vordere Partie, i« Sitzbein, mc, und mc% erster
und dritter Mittelhandknochen, ml grosser Mittelfussknochen (aus den verwachsenen Mittel-
fuHsknochcu Nr. 2-4 bestehend), »tf, erster Mittclfussknochcii, n Nasenloch, p Schambein,
r HaLsrippeu, ra Speiche, sc Schulterblatt, st Brustbein, u Elle. — Orig.
ihre Ocffnungen finden sich dicht neben einander, gewöhnlich auf
einem kleinen Fortsatz. Jede Drüse besteht aus zahlreichen Schläuchen,
welche in einen geräumigen in den Ausführungsgang sich fortsetzenden
Hohlraum in der Mitte der Drüse einmünden ; bei einigen Vögeln hat
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Wirbelthiere. 5. Classe: Vögel.
455
jede Bürzeldrüse mehrere Ausführungsgänge. Die Bürzeldrüsen
sondern eine ölartige Masse ab, mit welcher die Vögel mittels des
Schnabels ihre Federn einschmieren ; sie sind am grössten bei Vögeln,
welche häufig in's Wasser kommen, fehlen bei den Straussenvögeln,
einigen Papageien und einzelnen anderen.
Das Skelet. Die Wirbelsäule zerfällt in dieselben Abschnitte
wie bei den Reptilien. Die Halswirbel sind zahlreich (bis einige
zwanzig), sehr beweglich mit einander verbunden. Der erste und
zweite Wirbel sind ebenso wie bei den Reptilien als Atlas, resp.
Epistropheus entwickelt (Wirbelkörper des Atlas mit dem des
Epistropheus verwachsen etc.). Uebrigens sind die Halswirbelkörper
durch sattelförmige Gelenkflächen verbunden (die vordere Gelenk-
fläche jedes Wirbels ist von recbts nach links concav, von oben nach
unten convex, die hintere umgekehrt von rechts nach links convex etc.);
bei Archaeopteryx und einigen der Zahnvögel (Ichthyornis) waren die
Endflächen der Wirbelkörper plan oder vorne und hinten schwach
concav. lieber die Halsrippen s. unten. Die Br u stwirbel sind im
Gegensatz zu den Halswirbeln in ziemlich geringer Zahl vorhanden
und wenig beweglich, zuweilen sogar mit einander verwachsen; die
Gelenkflächen der Wirbelkörper sind denen der Halswirbel ähnlich ;
Gelenkfortsätze finden sich sowohl an ihnen wie an den Halswirbeln.
Der hinterste, oder die zwei bis drei hintersten Brustwirbel, die Lenden-
wirbel, die Becken wirbel und einige Schwanz wirbel sind sämmt-
lich mit einander verwachsen; an diese aus zahlreichen Wirbeln zu-
sammengesetzte Partie heftet sich das Becken. Es geht hieraus
hervor, dass eine als selbständiger Abschnitt hervortretende Lenden-
wirbelpartie bei den Vögeln fehlt; das Becken folgt unmittelbar auf
die rippentragende Partie der Wirbelsäule. Bei allen jetzt lebenden
Vögeln ist die Anzahl der freien Schwanzwirbel gering, gewöhn-
lich scheinbar 6—8, von welchen der hinterste jedoch in Wirklichkeit
kein einfacher Wirbel, sondern durch Verschmelzung einer Reihe
kurzer Wirbel entstanden ist, welche bei dem jungen Vogel noch
deutlich gesondert sind; diesor hinterste Wirbel ist gewöhnlich ein
hoher, zusammengedrückter Knochen, an welchen die Steuerfeder-
bälge sich ansetzen. Uebrigens sind die Schwanz wirbel wie der
ganze Abschnitt kurz; nur bei dem ausgestorbenen Archaeqiteryx
(Fig. 331) war ein langer, dünner, aus zahlreichen, z. Th. langge-
streckten Wirbeln zusammengesetzter Schwanz vorhanden (ähnlich wie
bei den meisten Sauriern). — An den Halswirbeln finden sich kurze
Rippen, welche ebenso wie die der Brust oben, wo sie sich an die
Wirbel ansetzen, je in zwei kurze Aeste gespalten sind; die Hals-
rippen sind bei den erwachsenen Vögeln mit den Wirbeln ver-
schmolzen, bei jungen Individuen dagegen selbständige Knochen. An
den hinteren Halswirbeln werden sie allmählich länger und bleiben
hier das ganze Leben hindurch gesondert; diese Rippen bilden den
Uebergang zu den Rippen der Brustwirbel1), welche bei den
Vögeln aus je zwei knöchernen, unter einem Winkel mit einander
verbundenen Stücken bestehen, von denen das untere sich an den Rand
des Brustbeins heftet ; vom Hinterrande des oberen Rippenstückes ent-
') Gewöhnlich nennt man den ersten Wirbel, dessen Rippe sich an das Brust-
bein heftet, den ersten Brustwirbel; der Uebergang von den Hals- zu den Brust-
wirbeln ist aber thatsäclilich ein ganz allmählicher und diese Grenze eine künstliche.
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456
Spccieller Theil.
springt ein schräger Fortsatz {Processus uncinatus), eine schmale
Knochenplatte , welche sich über die folgende Rippe hinlegt; beim
jungen Vogel ist er ein besonderer Knochen (fehlt nur bei einzelnen
der jetzt lebenden Vögel; auch bei Archaeopteryx scheint er nicht
vorhanden gewesen zu sein). — Das Brustbein ist ein vollständig
verknöcherter, sehr grosser, breiter Knochen, welcher den grössten
Theil (oder wenigstens einen grossen Theil) der Unterseite des
Rumpfes bedeckt ; er ist fast immer mit einem grossen, vorspringenden
Mittelkamm versehen, welcher einem Theil der Flügelmuskeln zum
Ursprung dient und nur bei gewissen mit rudimentären Flügeln ver-
sehenen Vögeln (namentlich bei den Straussenvögeln) fehlt, bei denen
auch das Brustbein selbst von geringerem Umfang als gewöhnlich ist ;
oft finden sich hinten im Brustbein symmetrische Löcher oder Ein-
schnitte, welche von bindegewebigen Häuten ausgefüllt sind. Ein
Vorderbrustbein fehlt
Der Schädel zeigt eine grosse Uebereinstimmung mit dem der
Reptilien; unter den jetzt lebenden Reptilien sind es besonders die
Saurier, mit deren Schädel derjenige
der Vögel Aehnlichkeit darbietet: er
besitzt nur einen Gelenkhöcker
am Hinterhaupte, ein ähnliches Q u a -
d r a t b e i n und ein ähnliches Verhält-
niss der Gaumen- und Flügelbeine
wie der Saurierschädel ; derjenige Theil
des Schädels, welcher zwischen den
grossen Augen liegt, ist zu einer senk-
rechten Knochenplatte, der Interor-
bital- oder Augenhöhlenplatte,
in welcher häutige Stellen vorhanden
sein können, zusammengedrückt. Für
die Vögel charakteristisch ist die starke
Entwicklung der Zwischenkiefer-
beine, welche sehr früh zu einem
unpaaren Knochen verschmelzen; sie
bilden den ganzen Rand des Ober-
schnabels und senden ausserdem einen
langen Ast zwischen die äusseren Na-
senlöcher, fast bis an die Stirnbeine,
hinauf; die Oberkieferbeine sind da-
gegen verhältnissmässig klein und liegen innerhalb des hintersten
Theils der Zwischenkieferbeine. Von dem unteren Ende des grossen,
sehr beweglichen Quadratbeins geht eine, hinten von dem Flügel-,
vorne von dem Gaumenbein gebildete, Knochenbrücke zum Ober-
schnabel (Ober- und Zwischenkieferbein) hin; an der Stelle, wo
Flügel- und Gaumenbein, welche beide gestreckte Knochen sind, an
einander stossen, gleiten sie bei den meisten Vögeln an dem verdickten
unteren Rand der oben genannten Augenhöhlenplatte. Von dem
unteren Ende des Quadratbeins geht aber noch eine zweite Knochen-
brücke, der Jochbogen, zum Oberschnabel hin, ausserhalb der schon
genannten ; sie erscheint als ein dünner Knochenstab und wird hinten
von dem Quadratjochbein (Quadratojugah), davor von dem Joch-
bein, zuvorderst von einem Fortsatz des Oberkiefer beins gebildet ;
beim erwachsenen Vogel sind diese Knochen oft verschmolzen. Oben
Fig. 318. Schenintische Figuren zur
Illustration der BewcgungdesOber-
schnabels bei den Vögeln, n Nascn-
scheideirand, h hintere, häutige Partie
derselben, o Augenhöhlenplatte, l Qua-
dratbein, k .lochbogen, v Flugelbein,
g Gaumenbein. In A Ut der Schnabel
emporgehoben, in B gesenkt. — Orig.
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Wirbelthiere. 6. Classe: Vögel.
457
ist der Oberschnabel durch die hinteren oberen Enden der Zwischen-
kieferbeine und durch die hinter den Nasenlöchern liegenden Nasen-
beine mit dem übrigen Theil des Schädels verbunden; der hinterste
Theil der genannten Kno-
chen (Zwischenkieler- und
Nasenbeine) ist aber ab-
geplattet, dünn und ela-
stisch, — zuweilen (bei den
Papageien) ist sogar die
Knochenmasse in einem
Streifen quer über den-
selben unterbrochen und
durch einen Querstreifen
von straffem Bindegewebe
ersetzt — , und da der
unterhalb dieser Stelle
liegende Theil der Nasen-
scheidewand häutig ist,
xr"_ _i j i Ii knorpelige Wand der Nasenhöhle, ol seitliche», oa oberes
Sind^ die Vogel deSShalb Hinterhauptsbein./, Scheitel-, pa Gaumen-, Vm Zwischen-
Fig. 319. Schädel eines 2 Tage alten Huhnchens.
us eines der Keilbeine, d Dentale, < Verknöcherung im vor-
dersten Tbeil der Augenhöhlenplatte./Stirnbcin, j Jochbein,
/ Thr&nenbein, mx Oberkieferbein, n Nasenbein, na
im Stande ihren Ober
Schnabel
zu bewegen;
wegung nach oben findet
statt, indem das untere Ende des Quadratbeins nach vorne bewegt
wird, wodurch die beiden oben erwähnten Knochenbrücken nach
vorne geschoben werden und
kiefer-, pt Flügel-, q Quadratbein, qj Quadratjochbein,
auf Und ab Augenböhlenplatte, »q Schuppenbein, 1 1 Hörknochen,
die Be- T hÄuti8e Partien de8 Schädels (schraffirt). Die noch
knorpeligen Theile sind punktirt. — Nach K. Parker.
Fig. 820.
Fig. 321.
gegen den unteren hinteren
Theil des Oberschnabels drü-
cken, dessen Spitze dadurch
nach oben bewegt wird ; die Be-
wegung nach unten findet um-
gekehrt statt, indem das untere
Ende des Quadratbeins nach
hinten geführt wird. — Von
anderen Charakteren des knö-
chernen Vogelkopfes ist noch
hervorzuheben, dass die meisten
Nähte der Knochen früh, schon
beim jungen Thier, verschwin-
den, indem die Knochen mit
einander verwachsen ; ferner
dass die Schädelhöhle im Ver-
gleich mit derjenigen der mei-
sten Reptilien eine sehr geräu-
mige ist.
Der Schädel ist bei den Vö-
geln ungefähr aus denselben Kno-
°, ° . . . , Fig. 320. Schädel eines II u h n s von unten ge-
chen zusammengesetzt wie bei den NheQ< k Geienkh5ckor, y Jochbein, ,m Oberkiefer-
Reptilien (Vorder- und Hinter- bein, m Nasenscheide wand, pa Gaumenbein, pm
Stirnbein, Querbein und Säulenbein Zwischenkieferbein.;»/ FlUgclbein, q - q Quadratbein,
fehlen jedoch immer). Der Vo- W O^adratjoehbem, r Vomer. - Nach K Parker.
.* . -wy i Fig. 321. Zungenbein des Huhns. A Zungen-
mer ist ein unpaarer Knochen Umbog** (vordem Horn), ftr, erster Ki
von verschiedener Form, bald ZU- (hinteres Horn). — Nach K. l'arker.
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4ÖR
Specieller Theil.
sammengedrückt, bald ziemlich breit etc., welcher auterhalb der
Partie der Nasenscheidewand liegt and hinten mit den Gaumenbeinen zu-
sammenhängt, ebenso wie er auch an den Bewegungen der letzteren Theil
nimmt. Das Thränenbein liegt am Vorderrand der Augenhöhle und
bleibt bei manchen Vögeln das ganze Leben hindurch von den benachbarten
Knochen gesondert. Der Unterkiefer besteht aus mehreren Knochen
auf jeder Seite, von welchen der vorderste (Dentale) bei den jetzt lebenden
Vögeln sehr früh mit dem der anderen Seite verwächst ; bei den ausgestor-
benen Zahnvögeln (Othntornithes) waren sie dagegen getrennt.
Das Zungenbein besteht aus einer unpaarigen, theilweise ver-
knöcherten Mittelpartie (Copulae), an welche sich ein Paar sehr kurze
(zuweilen fehlende), den Zungenbeinbogen entsprechende vordere
Hörner und ein Paar lange hintere Hörner, das 1. Kiemen-
bogenpaar, ansetzen; die mittlere Partie zerfällt meistens in zwei bis
drei hinter einander liegende Stücke. Keines der ZungenbeinhÖrner
tritt mit dem Schädel in nähere Verbindung; die hinteren Hörner
biegen sich um den hinteren Theil des Schädels herum, bei den Spechten
(deren Zunge besonders ausstreckbar ist) sogar weit nach vorne bis
an die Basis des Oberschnabels.
Der Schultergürtel ist aus den gewöhnlichen Theilen zu-
sammengesetzt. Sowohl Schulterblatt als Ooracoid sind voll-
ständig verknöchert; ersteres ist ein platter, schmaler, säbelförmiger
Knochen, welcher sich gewöhnlich unter einem
spitzen oder rechten Winkel mit dem Coracoid
verbindet, das bei den Vögeln in der Regel
ziemlich lang und schmal ist in Vergleich
mit dem der Reptilien , dabei aber besonders
kräftig; sein unteres, breiteres Ende ist am
Vorderrand des Brustbeines eingelenkt. Bei
den Straussenvögeln und bei einigen Zahn-
vögeln, welche ebenso wie jene nicht fliegen
konnten, liegen beide Knochen mehr einer
in der Fortsetzung des andern und verschmel-
zen mit dem Alter ; das Ooracoid ist bei sol-
chen kürzer und breiter. Die Schlüssel-
v~' H22 Br tb • j beine sind zwei lange dünne Knochen,
Sch,ntirKü'ru.i de8rK»benn vön welcl,e bei d™ allermeisten Vögeln an ihrem
«ier linken Seite Kcsehen d unteren Ende, wo sie durch ein Band an
Schlüsselbein, co Coracoid, »c das Vorderende des Brustbeinkammes gebef-
SchuiterbUtt, ,t Brustbein - tet sind? mit einander verwachsen (Gabel-
ng' k n o c h e n , Furctda) ; mit dem anderen Ende
sind sie am oberen Ende des Coracoids befestigt, während sie übrigens
durch einen grösseren Zwischenraum von diesem getrennt sind. Bei
den Straussenvögeln und einzelnen anderen sind sie rudimentär oder
fehlen. — Die Vorderglied m aassen sind gewöhnlich sehr lang.
Die Elle ist weit kräftiger als die Speiche; die Handwurzel be-
steht beim erwachsenen Vogel nur aus zwei Knochen1). Die Hand
ist sehr schlank und besteht nie aus mehr als drei Fingern mit zuge-
hörigen Mittelhandknochen : von den fünf Fingern der Reptilien fehlen
') Der eine derselben ist das Kadiale, der andere entspricht dem Ulnare -j-
Intermedium. Die Handwurzelknochen der distalen Reihe sind durch ein paar
Knochen reprasentirt, welche mit den Mittelhandknochen verschmelzen.
i
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Wirbelthiere. 5. Classe: Vögel.
459
hier Nr. 4 und 5 Von den drei Mittel handknochen ist
Nr. 1 kurz, die beiden anderen weit länger; alle drei sind beim aus-
gebildeten Vogel mit einander verwachsen, Nr. 2 und 3 jedoch nur
an den beiden Enden, nicht in der ganzen Länge: nur bei Archaeo-
pteryx waren sie getrennt. Der Daumen ist ein- oder zweigliedrig,
Nr. 2 zwei- oder dreigliedrig. Nr. 3 eingliedrig (selten zweigliedrig); nur
bei Archaeopteryx besass Nr. 3 drei oder vielleicht vier Glieder. Bei
den mit Flugvermögen ausgestatteten Vögeln liegt der Oberarm in
der Ruhe längs des Rumpfes mit dem Ellbogenende nach hinten;
der Unterarm ist nach vorne gerichtet und liegt längs des Oberarmes,
die Elle nach aussen; und die Hand ist derart im Handgelenk gebogen,
dass sie längs und ausserhalb des Unterarmes liegt, mit der Spitze
nach hinten, dem inneren Rand (mit dem Daumen) nach aussen.
Das Becken schliesst sich eng an das der Dinosaurier an, bietet
eine weitere Entwicklung des letzteren dar (vergl. S. 449). Das
Darmbein ist eine langgestreckte
Platte, welche mit einer langen Reihe
von Wirbeln (vergl. S. 455) verbunden
ist ; an seinem unteren Rand findet sich
die Gelenkpfanne, und in dieser ver-
bindet es sich mit den beiden anderen
Beckeuknochen, welche ebenfalls je einen
Theil der Gelenkpfanne bilden: alle drei
sind hier beim ausgebildeten Thier mit
einander verwachsen. Das Sitzbein
ist ein kräftiger Knochen, welcher nach
hinten, dem hinteren Theil des Darmbeins
ungefähr parallel, gerichtet ist; bei den meisten Vögeln wächst der
hintere Theil des Sitzbeins mit dem Alter am Hüftbein fest, während
es bei den Zahnvögeln und bei don Straussenvögeln sich entweder
ganz frei erhält oder nur ganz hinten mit dem Darmbein verwächst.
Der merkwürdigste Abschnitt des Vogelbeckens ist jedoch das Scham-
bein. Es ist ein langer, dünner Knochen, welcher von der Gelenk-
pfanne nach hinten gerichtet ist und dem Sitzbein parallel verläuft:
häufig ist es mit letzterem theil weise verwachsen. Bei einigen
Vögeln (Zahn-, Straussen-, Hühnervögeln) entspringt am oberen Ende
des Schambeins dicht vor der Gelenkpfanne ein kurzer Fortsatz,
welcher jedoch den meisten Vögeln abgeht. Dieser Fortsatz (X Fig. 323)
entspricht dem Haupttheil des Schambeins der Dinosaurier und dem
Schambein anderer Reptilien, während das übrige Schambein der
Vögel dem hinteren Fortsatze des Schambeins der Dino-
saurier entspricht. Uebrigens ist zu bemerken, dass das Becken
der Vögel unten ganz offen ist, indem weder Sitz- noch Schambeim
sich unten mit denen der anderen Seite verbinden; nur beim
afrikanischen Strauss ist eine untere Verbindung der beiden dünnen
Schambeine vorhanden. — Hinterglied maassen. Das Ober-
schenkelbein ist ein verhältnissmässig kurzer Knochen; das Waden-
bein ist dünn, unten (mit Ausnahme von Archaeopteryx) unvollständig,
zugespitzt; das Schienbein ist ein langer, kräftiger Knochen, welcher
') Bei einigen Vögeln, welche das Flugyermögen verloren haben, hat eine
weitere Reduction stattgefunden; so geht den Pinguinen der Daumen, den Kasuaren
ausserdem noch Nr. 3 ab, so dass letztere nur noch einen Finger haben.
Fig. 3'23. Becken eines S t r a n s s e «.
n Gelenkpfanne, i Darmbein, k Sitz-
bein, itk Schambein, u die Spalte
zn 'lachen beiden letzteren, X vergl.
den Text. Nach I.ütken.
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460
Specieller Theü.
an seiner Vorderseite oben mit einem stark entwickelten Kamm -ver-
sehen ist (ein ähnlicher ist auch bei den Dinosauriern vorhanden,
während er bei anderen Reptilien sehr schwach ist). Gewöhnlich ist
eine knöcherne Kniescheibe vorhanden. Von Interesse sind die Ver-
hältnisse der Fuss wurzel. Ebenso wie bei den Reptilien zerfallt
sie in einen oberen und einen unteren Abschnitt, zwischen denen sich
ein sehr bewegliches Gelenk befindet; die Fusswurzelknochen des
oberen Abschnittes sind aber nur beim jungen Vogel vom Schienbein
gesondert, beim erwachsenen ohne Grenzlinie mit letzterem verwachsen,
und ebenso verschmilzt der untere Abschnitt mit dem Mittelfuss, so
dass beim erwachsenen Vogel scheinbar gar keine Fusswurzel vor-
handen ist. Der Fuss besteht niemals aus mehr als vier Zehen,
indem Nr. 5 mit zugehörigem Mittelfussbein immer spurlos fehlt. Die
Mittelfussknochen Nr. 2, 3 und 4 sind lang und nur beim Embryo
getrennt, später fast bis an die Zehen zu einem langgestreckten schmalen
Knochen (dem „Lauf") verschmolzen (mit welchem, wie oben erwähnt,
auch der distale Theü der Fusswurzel verschmüzt); dagegen ist der
Mittelfussknochen Nr. 1 getrennt, aber weit kürzer als die anderen
und am distalen Ende dieser festgeheftet. Der Daumen, welcher in
der Regel nach hinten gerichtet ist, besteht aus zwei, Nr. 2 aus drei,
Nr. 3 aus vier, Nr. 4 aus fünf Gliedern (in der Regel) — alles wie
bei den Sauriern und Dinosauriern. Nicht selten fehlt der Daumen, sehr
selten (beim afrikanischen Strauss) auch Nr. 2; Nr. 3 ist in der Regel
die längste Zehe.
Das Gehirn ist im Vergleich mit dem der Reptilien bei den
Vögeln gross. Namentlich ist das Vorderhirn stark entwickelt;
das Hinterhirn ist ebenfalls gross r sein mittlerer Theü, welcher
in die Länge gestreckt und mit tiefen Querfurchen versehen ist, über-
A B
Fig 324. Gehirn einer Taube von oben (A) und von unten (B). b Hinterhirn,
/ Vorderhirn, k Zirbel, l Riechkolben, im Mittelhirn, r Rückenmark, » Sehnerv, t' Trichter.
— Nach Jeffery I'arker.
deckt sowohl das Nachhirn als den mittleren Theü des Mittelhirns,
dessen beide Lappen nach der Seite geschoben sind. Diejenigen unter
den jetzt lebenden Reptilien, welche den Vögeln in Bezug auf die
Entwicklung des Gehirns am nächsten stehen, sind die Krokodile.
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Wirbelthiere. 6. Clasae: Vögel.
461
Das Geruchsorgan schliesst sich eng an das der Saurier an;
die usseren Nasenlöcher sitzen wegen der Länge des Zwischenkiefers
in der Regel etwas von der Schnabelspitze entfernt oder sogar an
der Basis des Schnabels; die inneren Nasenlöcher münden ziemlich
weit vorne im Munde in eine Furche, welche theilweise durch seit-
liche Längsfalten überdeckt wird (vergl. die Reptilien). An der
äusseren Wand der Nasenhöhle findet sich eine stark vorspringende,
oft spiralig aufgerollte, innerlich von einer Knorpelplatte gestützte
Falte (die sogenannte mittlere Nasenmuschel), welche der früher er-
wähnten Nasenmuschel der Reptilien entspricht ; ausserdem finden
sich noch zwei andere mehr oder weniger entwickelte Falten (vordere
und obere Nasenmuschel)1). — Das Auge und seine Nebenapparate
sind ebenfalls denen der Reptilien ähnlich. Der Augapfel hat eine
sehr bedeutende Grösse. Der vordere Theil der Sehnenhaut, in
welchem ein Kranz von Knochenplatten sich befindet, hat die Form
eines kürzeren oder längeren Kegels, dessen Spitze abgeschnitten ist ;
.4 B
c
Fig. 3*26. /t Auge eines Vogel«, durchschnitten, schematisirt. e Hornhaut, eh GtoflUa-
haut, ei Strahlenkör] er (z. Th. von der Linse verdeckt), i Iris, / Linse, « Sehnerv, o durch-
schnittenes Knochenplättchen, y Kamm, r Netzhaut; $ äusserer, bindegewebiger, s' innerer
knorpeliger Theil der Sehnenhaut. — B Schnitt durch das Auge einer Eule, um die etgen-
thümliche Fora desselben zu zeigen. — Orig.
die fehlende Spitze des Kegels wird durch die oft stark gewölbte
Hornhaut vertreten, seine Basis wird von der hinteren gewölbten
Partie der Sehnenhaut geschlossen; wenn der Kegel hoch ist und
seine Wand, wie es zuweilen (z. B. bei den Eulen) der Fall ist, etwas
nach innen gebogen ist, so entfernt die Form des Augapfels sich
natürlich sehr von der gewöhnlichen Kugelform, während sie sich in
anderen Fällen von dieser wenig unterscheidet. Von der Hinterwand
des Augapfels entspringt ein stark entwickelter häutiger, gefalteter,
pigmentirter Fortsatz, der Kamm (Pecten) , welcher frei in den Glas-
körper hineinragt. Von den beiden Augenlidern ist das untere
') In die Nasenhohle mündet der Ausführungsgang einer grossen Nasen -
drfise, welche gewöhnlich ihren Platz an der Oberseite des Stirnbeins hat (bei
Möwen und anderen in einer länglichen Vertiefung längs des Augenhöhlenrandes) ;
dieselbe Drüse findet sich bei manchen Reptilien, hat hier aber ihren l'latz an
anderen Stellen des Kopfes.
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462
Specialer Theil.
weit grösser und beweglicher als das obere (wie bei den Reptilien);
es ist eine wohlentwickelte Nick haut vorhanden, welche durch einen
besonderen Muskel vor das Auge hingezogen wird. Im inneren Augen-
winkel findet sich eine Harder'sche Drüse und im äusseren eine kleine
Thränendrüse. — Gehörorgan. Das häutige Labyrinth schliesst
sich, namentlich was die Ausbildung des Schneckenganges be-
trifft, eng an dasjenige der Krokodile an. Es ist ein kurzer
äusserer Gehörgang vorhanden, an dessen Roden das Trommel-
fell liegt (vergl. die Reptilien); die Oeffnung desselben ist von regel-
mässig geordneten Federn überdeckt (ein Ohrdeckel, d. h. eine bewegliche,
die Oeffnung überdeckende Hautfalte, findet sich nur bei den Eulen).
Tu der Paukenhöhle findet sich derselbe Hör kn och en wie bei den
Reptilien ; er besteht aus einem langen Stiel mit einer Platte am Ende,
welche das ovale Fenster schliesst; mit dem anderen Ende, welches
mit zwei bis drei knorpeligen Fortsätzen versehen ist, heftet er sich
an das Trommelfell. Die Ohrtrompeten, welche theilweise in die
Schädelwand (Keilbein) eingeschlossen sind, vereinigen sich schliess-
lich mit einander und münden mit einer unpaarigen Oeffnung in die
Mundhöhle.
Darmkanal. Zähne fehlen ') spurlos bei allen jetzt lebenden
Vögeln, waren aber bei Archaeopteryx und den Zahnvögeln in den
Kieferrändern vorhanden; die Zähne dieser ausgestorbenen Formen
sind einfach kegelförmig und sitzen ebenso wie bei den Krokodilen
in Zahnhöhlen (bei einigen der Zahnvögel verschmelzen letztere in
jedem Kieferrand zu einer zusammenhängenden Rinne, was wir auch
z. B. bei gewissen Säugethieren beobachten können). — Die Decke
der Mundhöhle ist gewöhnlich mit nach hinten gerichteten stachel-
artigen Warzen versehen. — Die Zunge der meisten Vögel ist ab-
geplattet, schmal , steif und hart und mit einer dicken , festen Horn-
schicht versehen , welche besonders am vorderen , gewöhnlich zuge-
spitzten, Ende stark entwickelt ist ; seltener ist sie dick und weich,
so bei den Papageien und beim Flamingo ; nicht Belten ist sie warzig
oder stachelig. — Die Speiseröhre ist von ansehnlicher Länge und
ziemlich weit. Bei manchen (keineswegs aber bei allen) Vögeln ist
die Speiseröhre unten am Halse zu einem Kropf erweitert, welcher
bei einigen in Form einer einfachen, nicht scharf begrenzten Er-
weiterung der Speiseröhre auftritt, während es bei anderen ein mehr
abgegrenzter, in die Speiseröhre mündender Sack ist. In der Wand
des Kropfes finden sich gewöhnlich Drüsen, welche bei den Tauben
in der Brutzeit eine stärkere Entwicklung erreichen und eine milchige
Flüssigkeit ausscheiden , mit welcher die Jungen gefüttert werden ;
übrigens ist der Kropf wesentlich ein Reservoir für die aufgenommene
Nahrung. — Der Magen der Vögel zerfällt in zwei, gewöhnlich ziem-
lich scharf gesonderte Abschnitte, den Drüsenmagen und den Muskel-
magen. Der Drüsenmagen ist eine kurze Röhre, welche als un-
mittelbare, mehr oder weniger verdickte Fortsetzung der Speiseröhre
erscheint; in seine dicke Wand sind zahlreiche Drüsen eingelagert,
welche zweierlei Art sind: 1) grössere, zusammengesetzte, eine ver-
dauende Flüssigkeit absondernde Drüsen , welche entweder über die
*) Die längs des Schnabelrandes, z. B. beim Sägetaucher (Mergu*), vorhandenen
„Zahne" sind lediglich zahnähnliche Vorspränge dos Randes der Schnabelscheide,
also Horngebilde.
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Wirbelthiere. 6. Claase: Vögel.
4<>:i
ganze Wand vertheilt oder auf begrenzte Stellen beschränkt sind,
und 2) ganz kleine schlauchförmige Drüschen, welche einen die
ganze Innenfläche des Drüsen magens deckenden schleimigen Ueberzug
ausscheiden. In dem untersten Theil des Drüsenmagens, an der Grenze
des Muskelmagens, fehlen die grösseren Drüsen, der Ueberzug nimmt
einen festeren Charakter an und geht allmählich in denjenigen des
Muskelmagens über. Der Muskel niagen ist ein kurzer, sackförmiger
Theil mit musculösen Wandungen; er besitzt nur eine Form von
Drüsen, nämlich einfache, dicht gestellte Drüsenschläuche, denjenigen
ähnlich, welche den schleimigen Ueberzug des Drüsenmagens ab-
scheiden. Das Secret dieser Drüsen ist aber ein sehr eigenthümliches:
jedes Drüschen scheidet eine feste, hornartige Faser aus, welche aus
<ler Drüsenöffnung hervorragt und mit den benachbarten Fasern ver-
klebt einen hornähnlichen Ueberzug1) der inneren Seite des
Muskelmagens bildet; in dem Maasse wie der freie Theil der Faser
abgenutzt wird, wird diese am entgegengesetzten Ende durch neue
Absonderung ergänzt. An der äussern Oberfläche des Muskelmagens
findet man sowohl an der Ober- als an der Unterseite eine Sehnen-
scheibe, von welcher die musculösen Elemente ihren Ursprung nehmen.
Besonders stark ist die Muskulatur der Wand bei manchen pflanzen-,
besonders samenfressenden Vögeln (z. B. Hühnern und Enten) ent-
wickelt, deren Muskelmagen jederseits mit einer grossen, aussen stark
gewölbten, nach innen zu platten Muskelmasse versehen ist, während
sein Hohlraum sehr klein ist. Bei solchen Vögeln ist der Muskel-
niagen ein echter Kaumagen, in welchem die aufgenommenen
Theile zwischen den beiden genannten Muskelmassen förmlich zer-
mahlen werden ; der hornartige innere Ueberzug ist bei ihnen sehr dick
und fest, und ausserdem, verschlingen sie Sand und Steinchen, wodurch
die Zerkleinerung der Nahrung weiter unterstützt wird. Bei insekten-
fressenden Vögeln und bei Raubvögeln ist der Muskelmagen dagegen
dünnwandig, mit schwacher Muskulatur und geräumigem Hohlraum.
Die Oeffnungen des Muskelmagens in den Dünndarm und in den
Drüsenmagen befinden sich stets dicht neben einander. — Der Dünn-
darm ist wohlentwickelt, am längsten bei den Pflanzenfressern; er
setzt sich in einen fast immer kurzen Enddarm fort, welcher eine
hinterste erweiterte Partie, die Kloake, besitzt; an der Grenze des
Dünn- und Enddarmes münden in letzteren gewöhnlich zwei Blind-
därme, welche bei manchen pflanzen- und allesfressenden Vögeln
von bedeutender Länge sind, während sie bei Vögeln, welche von
thierischer Nahrung leben, meistens ganz kurz oder rudimentär sind
(dasselbe kann übrigens auch bei anderen der Fall sein, die Tauben
besitzen z. B. ganz kurze Blinddärme). Bei den Vögeln findet sich
eine grosse, braunrothe, mit Gallenblase versehene Leber und eine
weissliche, langgestreckte Bauchspeicheldrüse, welche in der
ersten Dünndarmschlinge liegt2).
') Bei den Raubvögeln und anderen fleischfressenden Vögeln hat der Ueberzug
des Muskelmagens eine weichere Beschaffenheit.
*) An der dorsalen Wand der Kloake öffnet sich in letztere bei jungen Vögeln
ein kleiner unpaarer Sack, die Bursa Fabricii, in deren Wand kleine Epithelpartien
eingebettet sind, welche von dem den Sack auskleidenden Epithel her in die Wand
eingewachsen und später von dem übrigen Epithel abgeschnürt sind. Der Sack
wird meistens später rückgebildet und ist beim erwachsenen Vogel in der Regel
verschwunden oder ganz rudimentär; seine Bedeutung ist ganz räthselhaft.
464
Specialer Theil.
Viele Vögel erbrechen die unverdaulichen oder schwer verdaulichen
Theile des Futters, Knochen, Haare, Federn, Insektenpanzer etc., in Klum-
pen, den sogenannten Gewöllen; die bekanntesten solcher Gewölle sind
die der Eulen, welche meistens hauptsächlich aus Mäusehaaren und -knochen
bestehen, aber auch verschiedene andere Vögel liefern ähnliche : Mauersegler
(Insektenüberreste), Eisvogel (Fischknochen), Rabenvögel etc.
Die Athmungsorgane. Eine Längsspalte in der Mundhöhle
dicht hinter der Zunge führt in den kleinen Kehlkopf hinein, welcher
sich in die Luftröhre fortsetzt; letztere hat bei den Vögeln eine
bedeutende Länge und ist mit zahlreichen knorpeligen oder knöchernen
Ringen ausgestattet; sie theilt sich unten in zwei kurze Aeste, einen
für jede Lunge. Im Kehlkopf finden sich nicht wie bei der Mehrzahl
der anderen luftathmenden Wirbelthiere Stimmbänder, dagegen be-
sitzen die meisten Vögel am oberen Ende der beiden grossen Luft-
röhrenäste oder Bronchi — an der Grenze des Luftröhrenstammes —
einen eigentümlichen Stimmapparat, indem an der Wand der
Bronchi membranöse Partien (me u. mi Fig. 328) ausgebildet sind,
welche nach innen gefaltet werden können und durch die aus den
Lungen herausströmende Luft in Schwingungen versetzt werden (des
Näheren vergl. unten). — Die Lungen sind schwammige Körper von
Fig. 32G. Fig. 327.
fr
Fig. 826. Die Lungen eines 11 Tage alten Hühnerembryoi. t Luftröhre, / An-
lagen der Luftsacke. — Nach Selenka.
Fig. 327. Die Lungen einer Tauhe. tr Luftröhre, o Oeflnungen von der Lunge in
die liier weggelassenen Luftsacke. — Nach J. Parker.
etwas complicirtem Baue (vergl. unten), welche der dorsalen Wand
der Leibeshöhle dicht angeschmiegt sind. Es sind jedoch eigentlich
nur gewisse Theile der Lungen, welche diesen spongiösen Bau be-
sitzen; andere Partien sind zu grossen dünnwandigen Luft sacken
ausgebildet, welche durch je eine grössere OefFnung mit der übrigen
Lunge in Vorbindung stehen (vergl. die Chamäleonen). Diese Luft-
säcke erstrecken sich zwischen die Eingeweide hinein, zwischen ge-
wisse Muskeln, unterhalb der Haut hin, ja sogar mit langen Port-
sätzen in viele der Knochen, z. B. der Gliedmaassen-Knochen, hinein,
in denen sie die Stelle der Markräume einnehmen : die Knochen der
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Wirbelthiere. 5. Classe: Vögel
465
Vögel sind daher zum grossen Theil pneumatisch1). Diese Aus-
bildung von Luftsäcken hat die Bedeutung, dass der Körper dadurch
ein geringeres specifisches Gewicht erhält; die Lungen der Vögel
stellen mit anderen Worten, ebenso wie das Tracheensystem der In-
sekten, nicht allein einen respiratorischen, sondern auch einen
aerosta tischen Apparat dar.
Der Stirn map parat der Vögel hat im Allgemeinen folgenden Bau.
Die beiden Bronchi sind am oberen Ende, wo sie in die Luftröhre Über-
gehen, durch einen medianen verknöcherten Balken, den Steg, getrennt ;
letzterer hängt mit dem letzten Luftröhren ring zusammen. Die nach der
Mittellinie gekehrte Wand der Bronchi ist häutig und wird als innere
Paukenhaut bezeichnet. Die nach
aussen gekehrte Seite der Bronchus-
wand ist durch knorpelige oder knö-
cherne Halbringe gestützt, oft ist aber
auch hier eine häutige Stelle, die
äussere Paukenhaut, vorhanden
(welche bei anderen durch eine in das
Lumen des Bronchus vorspringende
Verdickung des Bindegewebes auf einem
der Halbringe ersetzt sein kann). Auch
das andere Ende der Luftröhre selbst,
welches als Trommel bezeichnet
wird, ist meistens im Dienste der
Stimmbildung von der übrigen Luft-
röhre etwas abweichend ausgebildet,
häufig sind z. B. die letzten Hinge mit
einander verschmolzen, oder dieser Ab-
schnitt ist zusammengedrückt, oder
aber erweitert etc. Bei den Männchen
der Säger (Mergus) und der meisten
Enten besitzt die Trommel eine ein-
seitige blasige Ausstülpung mit ver-
knöcherten Wänden, die Pauke (oder
das Labyrinth).
Zu dem oben von den Athmungs-
organen Mitgetheilten kann übrigens
noch Folgendes hinzugefügt werden. Bei dem Singschwan, dem Kranich u. a.
ist der Kamm des Brustbeins dick und ausgehöhlt mit einem oberen Ein-
gang ; in die Höhlung legt sich eine grosse Schlinge der Luftröhre hinein,
ehe diese sich in die LeibeBhöhle hinein begiebt ; bei anderen Vögeln findet
man ähnliche Windungen der Luftröhre unterhalb der Haut (beim Tetrao
itrogattuss) oder in der Leibeshöhle. — Jeder der beiden grossen Luftröhren-
äste setzt sich durch die zugehörige Lunge mit einem grossen Luftgang
fort, welcher schliesslich in einen der grossen Luftsäcke mündet, unterwegs
aber Aeste abgiebt; diese Aeste (welche thoilweise ebenfalls in Luftsäcke
ausgehen) geben zahlreiche lange, parallel verlaufende, dickwandige, sechs-
eckige Bohren ab, die sogenannten Lungenpfeifen, jede mit einem cen-
Fig. S28. Schnitt durch das untere Endo
der Luftröhre uud die obereu Knden der
beiden grossen Luftröhren&ste eines Vogels;
Schema, b Bronchi, nw Äussere, mi innere
I'aukenhaut * Steg, t Trommel, fr Luftröhre.
I -IV die vier unteren Ringe der Luftröhre;
1 oberster Halbring des einen Bronchus. —
Orig.
') Es mag hier bemerkt werden, dass die Vögel nicht die einzigen Thiere mit
pneumatischen Knochen sind ; auch die Flugsaurier und ein Theil der Dinosaurier
beBassen solche, und man muss demnach annehmen dass sie ebenso wie die Vögel
mit Luftsäcken ausgestattet waren.
Boas, Zoologie. 80
466
Specieller Theil.
tralen, kreisrunden Lumen, von welchem zahlreiche, etwas verästelte, radiäre
feine Kanälchen in die dicke Wand ausstrahlen; diese Kanülchen sind
vom Capillarnetz umsponnen und stellen die eigentlichen respiratorischen
Theile der Lunge dar. — Die Lufthöhlen, welche im Kopf vorhanden sind
(in den Knochen des Schädels etc.), stehen bei der Mehrzahl der Vogel
nicht mit den Lungen in Verbindung, sondern sind Ausstülpungen der
Nasenhöhle und der Paukenhöhle ; bei einigen comrauniciren sie aber mit
Luftsäcken am Hals. — Die Einathmung geschieht bei den Vögeln
wesentlich durch Bewegungen der Rippen, wodurch das Brustbein nach
aussen bewegt und die Leibeshöhle erweitert wird. Die Wirkung wird
durch gewisse Muskeln (die Lungenmuskeln) unterstützt, welche von der
Innenseite der Leibeshöhlenwand (von den Rippen und dem Brustbein)
entspringen und sich an eine die ventrale Seite der Lungen überziehende
fibröse Haut heften; durch ihre Zusammenziehung werden die Lungen er-
weitert.
Das Herz und die grossen von demselben entspringenden
Arterien8tärame erweisen sich als Modificationen des bei den
Fig. 329. Schemata des Herzens und der Arterieubogen eines Krokodils (A) und
eines Vogels (B). a rechter, a' linker Vorhof; r rechte, v' linke Herzkammer; uo Aort*.
/, 2, 4 erster, zweiter und vierter Arterienbogen der rechten Seit«, f, 2\ 4' dieselben der
linken Seite (c und w siehe Fig. 308.) — Orig.
Krokodilen vorgefundenen Verhaltens. Sowohl Vorhof als Herz-
kammer sind vollständig in einen rechten und einen linken Theil ge-
sondert, der Herzkegel fehlt. Der linke Aortenbogen (linker Arterien-
bogen Nr. 2), welcher bei denKrokodilen von der rechten Herzkammer
entspringt, fehlt hier völlig; die Aorta wird somit ausschliesslich
von dem aus der linken Herzkammer entspringenden rechten Aorten-
bogen gebildet; im Uebrigen sind die Verhältnisse wie bei den
.4
B
U
an
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Wirbelthiere. 5. Class*: Vogel
4fi7
Krokodilen. Es findet somit keine Mischung von arteriellem und
venösem Blut bei den Vögeln statt: das venöse Körperblut geht in
den rechten Vorhof, von diesem in die rechte Kammer, von letzterer
in die Lungen; das arterielle Blut aus den Lungen geht in den
linken Vorhof, von diesem in die linke Kammer, von hier in den
Körper.
Die Nieren sind längliche, dunkelrothe Körper, welche in der
Beckenregion dicht unterhalb der Wirbelsäule liegen; sie füllen die
Zwischenräume zwischen den Querfortsätzen aus, und an der ventralen
Fläche sind sie durch Quereinschnitte in mehrere (meistens drei)
Lappen getheilt. Zuweilen verschmelzen beide Nieren an ihrem
Iiinenrand in grösserer oder geringerer Ausdehnung mit einander.
Die Harnleiter münden getrennt in die Kloake; eine Harnblase fehlt.
Der Harn ist dickflüssig, weisslich.
Von den Eierstöcken ist bei den Vögeln nur der linke aus-
gebildet, ausnahmsweise ist jedoch ein rudimentärer rechter Eierstock
vorhanden ; bei manchen Tagraubvögeln (Falken, Habichten, Bussarden)
A B
Fig. 330. Geschlechts- und Harnapptrat, A einer weiblichen, B einer mann
liehen Taube. <* Eierstock, <r' grosser Graafscher 1-ullikel, iel linker Eileiter, <W rudimen-
tärer rechter Eileiter, k Kloake, n Niere, sl Samenleiter, / Hoden, Ir Trichter am Ende des
Eileiters, « Harnleiter. — Nach Jeffery Parker.
kommt ein solches Rudiment (und zwar ein recht grosses) ziemlich
constant vor. Wegen der Grösse der Eier treten die Graafschen
Follikel an der Oberfläche des Eierstockes stark hervor, und letzterer
erhält dadurch ein traubiges Aussehen. Von den Eileitern (den
Müller'scben Gängen) ist ebenfalls nur der linke vollständig entwickelt
(ein Rudiment des rechten dagegen häufig vorhanden); in der Fort-
pflanzungszeit ist der Eileiter ein langer und dicker, ausserhalb dieser
Zeit ein dünnerer Schlauch, welcher sich mit einem grossen Trichter
in die Leibeshöhle öffnet; nicht weit von der Einmündung in die
Kloake besitzt er einen erweiterten Abschnitt, den Ei hält er (Uterus),
in welchem die Schale gebildet wird. — Die Hoden, welche beide
30*
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468
Specieller Theil.
wohl entwickelt sind (zuweilen ist jedoch der linke der grössere),
liegen vor den Nieren; die Samenleiter, welche von je einem kleinen
Nebenhoden entspringen, haben einen gewundenen Verlauf und münden
getrennt in die Kloake, meistens auf einer kleinen Papille. Die
Hoden sind ausserhalb der Begattungszeit sehr klein, während sie in
der Fortpflanzungszeit eine ansehnliche Grösse erreichen. — Ein wohl
entwickelter Penis ist nur bei den Männchen einer geringen Anzahl
von Vögeln vorhanden : bei Straussenvögeln, Entenvögeln und einzelnen
anderen (bei den übrigen rudimentär oder ganz fehlend). Er ent-
spricht dem Begattungsorgan der Schildkröten und der Krokodile:
er hat seinen Platz an der ventralen Wand der Kloake, die freie
Spitze ist nach hinten gerichtet, an der Oberfläche ist er mit einer
Rinne versehen, an deren vorderem Ende die Samenleiter ausmünden :
durch die Kinne fliesst während der Begattung der Samen. Bei den
Entenvögeln ist der Penis korkzieherförmig, bei den anderen zungen-
oder wurstförmig ; die Spitzenpartie ist meistens einstülpbar. Bei den
Vögeln, deren Männchen mit einem Penis versehen sind, besitzen auch
die Weibchen ein rudimentäres Begattungsorgan (Clitoris).
Sehr häufig sind grössere oder geringere äussere Geschlechtsunter-
schiede zu beobachten: häufig ist das Männchen etwas oder viel grösser
(bei Hühnervögeln u. a.), seltener kleiner als das Weibchen (bei Raubvögeln),
oft ist das Männchen durch besondere Entwicklung gewisser Federn (Pfau,
Paradiesvögel etc.), durch eigentümliche Hautfortsätze (Sporn des Hahns etc.)
oder durch lebhaftere Färbung ausgezeichnet.
Die meisten Vögel pflanzen sich jährlich nur einmal fort (in ge-
mässigten Gegenden im Frühling), andere mehrmals im Jahre (z. B.
der Haussperling). Gewöhnlich leben sie während der Fortpflanzungs-
zeit (selten zeitlebens) paarweise: Monogamie; seltener hat jedes
Die Eier der Vögel sind von sehr bedeutender Grösse und ent-
halten eine grosse Menge von Nahrungsdotter. Indem sie den Eileiter
passiren, werden sie zuerst von einer Eiweissmasse , dann von der
letztere umgebenden Schalenhaut und schliesslich im Eihälter von
einer festen Kalkschale umhüllt; sämmtliche Umhüllungen werden von
den Drüsen der Eileiterwand abgesondert. Die Eier werden entweder
von den Weibchen allein .oder von Weibchen und Männchen gemein-
schaftlich, selten von den Männchen allein ausgebrütet (letzteres
beim afrikanischen Strauss und bei einzelnen anderen Vögeln) ; häufig
ist der brütende Vogel mit sogenannten Brut flecken versehen,
Hautstellen, wo die Federn ausgefallen sind, so dass die Eier direkt
mit der warmen Haut in Berührung kommen können. Vor dem Eier-
legen bauen sich die Vögel meistens ein Nest, auf oder in welches
die Eier gelegt werden (selten werden die Eier auf die blosse Erde
gelegt). Im einfachsten Fall schleppen sie nur eine spärliche Menge
von Aestchen, Strohhalmen. Federn etc. zusammen und legen die
Eier darauf; in anderen Fällen werden ähnliche Sachen zu einem
korbförmigen oder gar kugeligen Nest verwoben ; seltener bauen sie
sich ein Nest aus Lehm, Mist u. dergl. und aus eigenem Speichel
(Schwalben u. a.) oder aus Speichel allein (Salangane). Die Nester
werden von einigen Vögeln auf der Erde angelegt, andere nisten in
gegrabenen oder natürlichen Erdlöchern (Uferschwalbe, Papagei-
taucher), in Baumlöchern (Spechte etc.), auf Bäumen etc. Meistens
bauen Männchen und Weibchen gemeinschaftlich das Nest. Im All-
Männchen mehrere
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Wirbelthiere. 6. Classe: Vögel.
469
gemeinen verlassen die Jungen nicht sofort nach der Geburt das
Nest, sondern bleiben einige Zeit in demselben und werden von den
Eltern gefüttert („Nesthocker") ; seltener („Nestflüchter") sind sie
gleich im Stande sich selbst zu ernähren (meistens allerdings unter
der Obhut der Mutter). — Das neugeborene Junge ist in der Regel
nicht unerheblich von dem Erwachsenen verschieden ; es ist mit Dunen
bekleidet oder fast nackt und in der Färbung abweichend; die Form
des Schnabels ist häufig eine andere als später (z. B. bei manchen
Singvögeln); auch die Nahrung ist häufig von derjenigen des Er-
wachsenen verschieden (so füttern z. B. viele körnerfressende Vögel
ihre Jungen mit Insekten)1). Auch ist dasjenige Gefieder, welches
an die Stelle des Dunenkleides tritt, sehr häufig von dem des älteren
Vogels wesentlich abweichend.
Während einige Vögel sich das ganze Jahr hindurch an derselben
beschränkten Localität aufhalten :Standvögel, unternehmen andere
kleinere oder grössere Ausflüge oder wirkliche Wanderungen. Den
Standvögeln am nächsten stehen die Strich vö gel , welche innerhalb
eines grösseren Gebietes umherstreifen. Auch die sogenannten
Wechsel vögel, welche sich zu einer Zeit des Jahres etwa auf den
Bergen, zu einer anderen in den benachbarten Thälern aufhalten, oder
nach Bedürfniss den Wald mit dem freien Lande vertauschen etc.,
stehen noch den Standvögeln nahe. Weiter entfernen sich die Zug-
v ö gel, welche sich dadurch auszeichnen, dass sie alljährlich in einem
kälteren Klima brüten und in einem mehr oder weniger entfernten
wärmeren Lande den Winter zubringen. Die Zugvögel schlagen bei
ihren Wanderungen bestimmte Wege, Zugstrassen, ein, deren
eigenthümliche Richtungen offenbar in dem Bedürfniss begründet
sind , dass die Vögel während der ganzen Wanderung so weit wie
möglich nur Gegenden berühren, welche ihren natürlichen Aufent-
haltsorten einigermaassen entsprechen: Küstenvögel bewegen sich
hauptsächlich in Linien, welche an den Meeresküsten oder nöthigenfalls
an den Flüssen entlang laufen, Sumpfvögel ziehen mit Vorliebe durch
Sumpfgegenden oder längs Flüssen etc. Hin- und Rückweg sind
meistens dieselben. Die meisten Vögel ziehen in grossen Schaaren,
zuweilen mehrere Arten mit einander. Indem ältere und jüngere Vögel
zusammen wandern, wird die Kenntniss des Weges immerfort den
neuen Generationen überliefert und bewahrt ; „instinctiv" können die
Vögel natürlich den Weg nicht finden, während allerdings bei den
Zugvögeln häufig ein ererbter unbestimmter Wandertrieb zu erkenuen
ist, welcher sich auch bei jungen gefangenen Vögeln als eine gewisse
Unruhe zu der Zeit äussert, wenn das Ziehen stattfindet. Die Ab-
reise aus den kälteren Gegenden findet zu verschiedener, für jede Art
aber ziemlich bestimmter, Zeit statt, meistens im Herbst, für einige
Arten schon im August oder Juli ; die Ankunft in denselben findet
vom Februar bis Mai statt (für Deutschland), und zwar kommen die-
jenigen Vögel am spätesten an, welche am frühesten weggehen. Die
meisten in Deutschland brütenden Zugvögel überwintern in Süd-
europa und Nordafrika.
Es ist unschwer zu erkennen, dass die Wanderungen der Vögel über-
') Viele jungen Vb>el besitzen vorne an der Oberseite dea Schnabels einen
kleinen fest verhornten Höcker, mit welchem sie die Eischale beim Verlassen des
Eies zerbrechen.
470
Speoieller Theil.
haupt, und auch der Zug, wenigstens ursprünglich durch das Nahrungs-
bodürfhiss veranlasst sind : beobachtet man doch, dass gewisse Vögel, welche
für gewöhnlich nioht ziehen, in strengen Wintern bei Mangel an Nahrung
nach Süden reisen, während andererseits in milden Wintern einige Zugvögel
in dem Lande, wo sie brüten, zurückbleiben. Dem gegenüber ist aber auch
hervorzuheben, dass das Ziehen bei den meisten Vögeln dermaassen instinctiv
geworden ist, dass sie auch bei reichlich vorhandener Nahrung wegziehen,
sich überhaupt bei ihrer Wanderung nicht mehr direkt von der Nahrung
abhängig zeigen.
Die Vögel, welche über alle Theile der Erdoberfläche, wo über-
haupt organisches Leben vorhanden ist, verbreitet, am reichsten aber
in den Tropen vertreten sind, bilden eine in der Jetztzeit sehr zahl-
reiche, aber ziemlich einförmige Ordnung. Geologisch betrachtet, sind
die Vögel die jüngste der Wirbelthierclassen (von den Lanzettfischen
abgesehen, welche ausschliesslich aus der Jetztzeit bekannt sind),
indem der älteste bekannte Vogel aus der Juraformation stammt,
aus welcher Formation nur dieser Vogel allein bekannt ist, so dass
das Vogelleben zweifellos damals noch sehr spärlich entwickelt war:
eine grössere Anzahl kennt man aus der Kreideformation (sämmtliche
Zahnvögel), zahlreiche aus der Tertiärformation.
Die Jungen sind,
wenn sie das
Ei verlassen, von
einem dichten
Dunenkleid
bedeckt.
Die Jungen sind
beim Verlassen
des Eies fast nackt
und sehr hülflos.
üebersicht der Ordnungen der Vögel1).
1. Echsenvögel. Schwanzwirbelsäule
länger als der Rumpf. Zähne vor-
handen.
2. Zahnvögel. Schwanzwirbelsäule
kürzer als der Rumpf. Zähne vor-
handen.
3. S trau ss en vögel. Flügel zum Flug
unbrauchbar. Kräftige Laufbeine.
4« Hühnervögel. Kurzer, schwach ge-
bogener Schnabel. Gangfüsse. Flügel
kurz, gewölbt.
5. Schwimmvögel. Mit Schwimm-
füssen3).
6. Wat vögel. Mit Watbeinen.
7. Raubvögel. Schnabel kräftig,
stark gebogen. Raubfüsse.
8. Singvögel. 3 Vorderzehen, Hinter-
zehe gross, für sich beweglich.
9. Schreivögel. 3 Vorderzehen, die
Hinterzehe kleiner , wird zugleich
mit den Vorderzehen bewegt.
10. Klettervögel. 2 Vorder-, 2
terzehen.
Hinterzehe
in der Regel
klein.
Hinterzehe
in der Regel
wohl ent-
wickelt.
*) Die systematische Anordnung der Vögel bietet bei der grossen Einförmigkeit
derselben grosse Schwierigkeiten dar; mehrere der hier aufgeführten Ordnungen
sind keine natürlichen Gruppen.
*) Wegen der Begriffe Sohwimmfuss, Watbein etc. vergl. die Beschreibungen der
betreffenden Ordnungen.
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Wirbelthwre. 5. Claseo: Vögel.
471
1. Ordnung. Echsenvögel (Saururae).
Von dieser Ordnung kennt man nur eine einzige Art, Archaeo-
pteryx lithographica, aus der Juraformation (dem lithographischen
Schiefer). Von allen bekannten Vögeln steht aer Archaeopteryx den
Reptilien am nächsten. Er zeichnet sich in erster Linie durch den
sehr langen, aus 20 grösstenteils langgestreckten Wirbeln bestehenden
Schwanz aus, an welchem die Steuerfedern — deren Abdrücke man
in der Gesteinsmasse gefunden hat — in einer Reihe an jeder Seite
angebracht waren: ferner dadurch, dass die Mittelhandknochen
Fig. 331. ArchatopUryr. 1— 3 erster— dritter Finger, /' erst«, 4' vierte Zehc,^ Waden-
lx»in, t7 Darmbein, mcj erstes, wcj drittes Mittelhandbein, n Nasenloch, o Augenhöhle, r Halt-
rippen, ra Speiche, u Elle, r ist möglicher Weise ein Gelenk, vielleicht aber auch eine Bruch-
stelle (unter letzterer Voraussetzung ist der dritte Finger dreigliedrig, unter ersterer viergliedrig).
— Orig. (mit Benutzung der Figuren von Dames).
getrennt und alle drei Pinger wohl entwickelt und mit grossen Krallen
versehen waren (was aus der Form des äussersten Fingergliedes zu
erkennen ist); durch das Vorhandensein von kegelförmigen Zähnen
an den Kieferrändern. Von anderen Charakteren sind hervorzuheben,
dass den ziemlich dünnen Brustrippen der schräge Fortsatz, wie es
scheint, fehlt, dass die Halsrippen länger als bei anderen Vögeln sind,
dass der Hals und die Beckenpartie kürzer, die Brustpartie dagegen
länger ist als bei den Vögeln im Allgemeinen (die Brustwirbel
scheinen auch beweglicher als sonst gewesen zu sein) , dass die End-
flächen der Wirbelkörper, wie es scheint, abgeplattet (nicht sattel-
förmig) sind, und dass das untere Ende des Wadenbeines vollständig,
nicht zugespitzt ist (es ist sogar unten ein wenig erweitert). Aus
den wohlerhaltenen Abdrücken der grossen Schwungfedern ist zu er-
sehen, dass der Archaeopteryx ein guter Flieger war; die Grösse war
etwa diejenige einer Taube. (Nur in zwei Exemplaren bekannt, beide
472
Speeieller Theil.
unvollständig; Brustbein, Becken, Coracoid nicht oder mangelhaft
bekannt.)
2. Ordnung. ZahnVÖgel (Odontomithes).
Die Zahnvögel, welche in mehreren Arten aus der Kreide-
formation (Nordamerika) bekannt sind, sind im Ganzen den jetzt
lebenden Vögeln sehr ähnlich, unterscheiden sich aber durch den Be-
sitz von Zähnen in den Kieferrändern. Einige derselben (lchthyornis)
besitzen Wirbelkörper, deren vordere und hintere Endflächen beide
schwach ausgehöhlt sind; bei anderen (Hesperornis) verhalten die
Wirbel sich wie bei den jetzt lebenden Vögeln. Die Unterkiefer-
hälften waren vorne nicht verschmolzen. Das Becken ist dadurch
ausgezeichnet, dass Darmbein und Sitzbein hinten nicht verschmolzen
sind. Uebrigen8 sind ziemlich verschiedene Formen in dieser Gruppe
vereinigt : einige waren Flieger, andere besassen wie die Straussenvögel
rudimentäre Flügel.
3. Ordnung. Straussenvögel (Raütae).
Der hervorragendste Charakter der Ordnung ist der r ü c k g e -
bildete Zustand der Flügel, welche niemals zum Flug ge-
braucht werden können; oft sind sie sogar völlig rudimentär. Das
Brustbein ohne Kamm. Die Hintergliedmaassen, denen eine Hinter-
zehe in der Regel abgeht, sind gewöhnlich sehr kräftig, zum Lauf
eingerichtet, die Krallen kurz und stumpf. Die Federn sitzen nicht
in Fluren, sondern sind ziemlich gleichmässig über den ganzen Körper
vertheilt (es finden sich übrigens nackte Partien, z. B. an der Innen-
seite der Vordergliedmaassen beim Strauss und Nandu) ; zwischen den
Federn finden sich keine Dunen ; Schwung- und Steuerfedern ge-
wöhnlich nur wenig von den übrigen Federn verschieden. Keine
Bürzeldrüse.
Wenn wir die Straussenvögel an diese Stelle, unmittelbar nach Archaeo-
pteryx und den Zahnvögeln, stellen, so geschieht das, weil sie in mehreren
Punkten ursprünglichere Züge aufweisen als andere jetzt lebende
Vögel. So berühren z. B. die Gaumenbeine nicht den unteren Rand des
Schädels, sondern liegen mehr von der Mittellinie entfernt (wie bei den
Sauriern), ein Charakter, den sie nur mit einer einzelnen kleinen Gruppe
von Hühnervögeln1) theilen (hei Archaeopteryx und den Zahnvögeln ist
diese Partie unbekannt); die Knochen des Schädels bleiben länger als
bei anderen Vögeln getrennt (ebenso die Halsrippen); das Sitzbein ver-
wächst nicht oder ganz hinten mit dem Darmbein (wie bei den Zahnvögeln) ;
der zweite Finger der Vordergliedmaassen besitzt eine ziemlich wohl ent-
wickelte Kralle. In verschiedenen anderen Punkten weichen sie dagegen
weit von dem ursprünglichen Verhalten ab : der Zustand der Flügel ist
offenbar ein abgeleiteter (d. h. die Strausse stammen von fliegenden Vögeln
ab); das Fehlen des Brustbeinkammes ist von dem Verluste des Flugver-
mögens und der Rückbildung der Flugmuskeln abzuleiten; Aehnliches gilt
von dem Zustande der Federn etc.
') Nämlich den Steisshühnern oder Tinamu's (Crypturidae), einer Ab-
theilung von Hühnervögeln, welche durch einen langen Schnabel, sehr kurze oder
fehlende Steuerfedern (so dass sie kurzschwänzig oder schwanzlos erscheinen) und
eine sehr kleine (oder fehlende) Hinterzehe ausgezeichnet ist. Sie leben in Süd-
amerika.
_ Digitized b^Gpqgfc
Wirbelthiere. 5. Cime: Vögel.
473
Die meisten Straussenvögel sind Thiere von sehr ansehnlicher
Grösse: sie sind wesentlich Steppenthiere , welche in den wärmeren
Theilen der südlichen Halbkugel leben. Sie sind vorzugsweise
Pflanzenfresser (nehmen auch kleines Gethier). Die Männchen be-
sorgen entweder allein oder hauptsächlich das Brutgeschäft.
1. Die Straussenfamilie (StruÜiionidae). Schnabel kurz und breit;
.Federn ohne Nebenfahne ; Flügel verhältnissmässig gut entwickelt , mit
Daumen und grossen Federn ; kleinere oder grössere Federn am Schwanz.
Hierher gehören : Die Nandu'g (RJiea) mit drei Zehen , in Südamerika.
Ferner der afrikanische Strauss (Struthio camdu*) mit nur zwei
Zehen (No. 3 und 4), von denen die innere eine groBBe Kralle trägt,
während die äussere mit einer nur kleinen Kralle versehen ist, welche von
einer sie umgebenden grosse Hautfalte verdeckt ist (wenn sie nicht ganz
fehlt) ; Flügel mit sehr grossen, Schwanz ebenfalls mit ansehnlichen Federn ;
in Afrika und Westasien.
2. Die Kasuar familie (Ihomaeidae). Schnabel kurz; an den
Federn sind Haupt- und Nebenfahne von gleicher Grösse; Flügel sehr
schwach, daumenlos; Schwanz kaum angedeutet; drei Zehen. Die Kasuare
( Casuarim) haben oben am Kopfe einen knöchernen, mit Horn bedeckten
Kamm, einen zusammengedrückten Schnabel, 5 lange, starke astlose Feder-
schäfte an jedem Flügel; in Neuguinea, den Molucken und im nördlichen
Neuholland. Die Emu 's (Dromaeus) mit plattem Schnabel, ohne Kamm
und ohne nackte Federschäfte, leben in Neuholland. — Zu derselben
Familie gehören die theil weise riesigen, ausgestorbenen Moa-Vögel
(Dinornw u. a.) , von welchen einige eine Hinterzehe besassen; sie lebten
auf Neuseeland, einige bis vor wenigen Jahrhunderten.
3. Die Kiwi 's (Aptctyx) sind kleine, kurzbeinige und kurzhalsige
Straussenvögel (etwa von HühnergrösseJ mit langem, dünnem Schnabel, an
welchem die Nasenlöcher dicht an der Spitze angebracht sind ; Federn ohne
Nebenfahne; Flügel ganz rudimentär; Hintergliedmaassen mit einer kleinen
Hinterzehe. Leben von Insekten u. dergl. Neuseeland.
4. Ordnung. Hühnervögel (Rasores).
Schnabel kurz, an der Spitze schwach gebogen. Gangfüsse:
kräftige Füsse mit kleiner Hinterzehe, welche höher eingelenkt ist
als die übrigen Zehen, und mit schwach gebogenen, kurzen, nieder-
gedrückten Krallen ; selten mit grosser Hinterzehe. Die Flügel in
der Regel kurz, abgerundet, gewölbt. Die Hühnervögel sind durch-
gängig Vögel von etwa mittlerer Grösse ; sie sind weniger gute Flieger,
halten sich zumeist auf der Erde auf, sind in der Regel Allesfresser,
scharren mit ihren Krallen Samen, Larven, Würmer etc. hervor.
Nicht wenige leben in Polygamie, in welchem Falle das Männchen
gewöhnlich grösser und prächtiger gefärbt ist etc. als das Weibchen.
Die Eier werden meistens auf der Erde abgelegt und vom Weibchen
bebrütet; die neugeborenen Jungen sind kräftiger als diejenigen der
meisten anderen Vögel und können sofort umherlaufen.
1. Die Waldhühner- Gruppe (Tciraonomorphae). Die Nasen-
löcher und der Grund des Schnabels mit dichten Federn bedeckt. Mittel-
fusB mehr oder weniger befiedert, ohne Sporn. Hierher gehören: Das
Haselhuhn (Tetrwte.s bonam) in Gebirgswaldungen Deutschlands (auch
in Skandinavien etc.), Mittelfuss nur in seiner oberen Hälfte befiedert;
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474
Spocicller Theil.
lebt in Monogamie, und $ ungefähr gleich. Der Auerhahn (Tetrao
uroyaüus) und der Birkhahn (T. tetiix), beide in Deutschland in
Waldungen , stattliche Vögel , ersterer der grössere ; der Mittelfuss beider
ganz befiedert, die Zehen dagegen nackt; leben in Polygamie, die Männchen
viel grösser als die Weibchen, letztere braun, erstere schwärzlich. Die
Schneehühner (Lagopus) haben den ganzen Fuss befiedert ; sie sind im
Sommer braun, im Winter gewöhnlich weiss ; beide europäische Arten leben
nur in kälteren Gegenden; die eine, L. mutus, gehört ausschliesslich dem
hohen Norden und den Alpen an, die andere, L. albus, kommt noch inner-
halb der Grenzen Deutschlands (Ostpreussen) vor. Das Steppenhuhn
(Syrrhaptes parad&xus) zeichnet sich durch seine langen Flügel und durch
die kurzen, befiederten Füsse aus, welche keine Hinterzehe besitzen; es ist
auf den Steppen Westasiens zu Hause, ist aber in den letzten Jahrzehnten
zu wiederholten Malen in grossen Schaaren (1863, 1888) in Europa (auch
iu Deutschland) eingewandert, ohne sich jedoch dauernd anzusiedeln.
2. Die Fasan-Gruppe (Phasianomorjihac). Die Nasenlöcher nackt,
mit einem kleinen gewölbten Deckel. Der Mittelfuss des Männchens in der
Kegel mit einem Sporn (selten mit zwei solchen) versehen , welcher beim
Weibchen rudimentär ist.
a. Die Fasan-Familie (P)iasianidae). Schwanz um eine
Mittelaxe zusammengebogen, dachförmig. Häufig nackte Anhänge am Kopf.
Sporn vorhanden. Männchen und Weibchen sehr verschieden. Südasien.
Hierzu gehören: Das Haushuhn (Gallus domesticus) mit einem nackten
Hautkamm auf dem Kopfe, <J mit langen, gebogenen Schwanzdeckfedern;
es stammt vom Bankiva-Huhn (G. bankiva) ab. Ferner die Fasane
(Phasianm), von denen eine Art (Ph. colchicus) an vielen Stellen in halb-
gezähmtem ZuBtand gehalten wird; sie zeichnen sich durch ihren langen,
spitzen Schwanz aus (die Steuerfedern selbst sind verlängert).
b. Die Pfau-Familie (Pamnidae). Schwanz abgeplattet,
ziemlich lang; Sporn vorhanden. Der Pfau (Pavo cristatus) mit einem
Federbusch am Kopf; $ mit ausserordentlich langen Schwanzdeckfedern,
welche emporgerichtet werden können; Ostindien. Das Truthuhn (Me~
leagris gaüojtaro), Kopf und Hals nackt, ein weicher Hautfortsatz hängt
von der Oberseite des Kopfes am Grunde des Schnabels herab; Nord-
amerika.
c. Die Rebhuhn-Familie (Perdicidae). Schwanz abge-
plattet, kurz; Sporn fehlt oft. In Deutschland leben das gemeine Reb-
huhn (PerdLc cinerea) und die Wachtel (Gotumix communis), von welchen
letztere Zugvogel ist und in Polygamie lebt; beide haben eine nackte
Hautstelle hinter dem Auge , es fehlt ihnen der Sporn , ß und $ ziemlich
gleich. Das Perlhuhn (Namida meleayris), mit nacktem Kopf, welcher
einen grossen knöchernen Aufsatz trägt, grau mit weissen Flecken, ohne
Sporn, ist in Afrika zu Hause.
3. Die Hokko's (Oracidae: Gatt. Onuc etc.) Grosse Vögel mit
ziemlich langem Mittelfuss, gebogenen und spitzen Krallen, langem Schwanz ;
Schnabel am Grunde mit einer „Wachshaut" überzogen , oft ein grosser
Höcker auf der Schnabelwurzel, häufig eine aus aufgerichteten , nach vorne
gebogenen Federn gebildete Haube auf dem Scheitel. Brüten in Bäumen.
Mexico und Südamerika.
4. Die Grossfusshühner oder Talegalla's (Gatt. Mcgapo-
dius etc.) zeichnen sich durch die Länge der Krallen und die kräftige Aus-
bildung der Hinterzehe auB, welche auf gleicher Höhe mit den übrigen
Zehen eingelenkt ist. Sie Bind dadurch besonders merkwürdig, daas sie
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Wirbelthiere. 5. Classe: Vögel.
475
ihre sehr grossen Eier nicht ausbrüten, sondern dieselben entweder in einen
Haufen von zusammengetragenen Pflanzentheilen, in einen Sandhaufen oder
in eine im Sande gegrabene Vertiefung ablegen ; die Eier werden dann ent-
weder durch die Wärme ausgebrütet, welche durch die Gährung der Pflanzen-
stoffe entsteht, oder einfach durch die Sonnenhitze. Die Jungen verlieren
das Dunenkleid achon im Ei und schlüpfen mit ausgebildetem Federkleide
aus. Australien, Philippinen.
5. Ordnung. Schwimmvögel {Natahres).
Die Füsse sind im Allgemeinen Sch wimmf üsse, d. h. es ist
zwischen den Vorderzehen, fast bis an die Spitze derselben, eine Haut
ausgespannt. In der Regel sind die Füsse kurz, die Krallen kurz,
niedergedrückt, die Hinterzehe meistens sehr klein, das untere Ende
des Unterschenkels nackt, mit Schuppen bedeckt. Der Schwanz in
der Regel kurz. Das Gefieder dicht, elastisch. Die Schwimmvögel
sind im Stande, mittels der Hintergliedmaassen zu schwimmen,
nicht wenige können sogar mehr oder weniger tief unter die Ober-
fläche des Wassers hinunter schwimmen: tauchen ')> wobei sie öfters
die Flügel mit als Schwiramwerkzeuge benutzen; andere können nur
den Kopf, Hals und Vorderleib unter das Wasser bringen, während
der übrige Körper oberhalb des Wassers bleibt. Der Gang ist meistens
weniger gut; das Flugvermögen ist bei einigen gut, bei anderen mehr
oder weniger rückgebildet.
1 . Die Möwengruppe (Lonyipermes). Lange, spitze Flügel, kurze
Hinterzehe, spaltförmige, seitlich am Schnabel angebrachte Nasenlöcher;
Schwanz wohl entwickelt. Die meisten sind Küstenvögel (einige können
aber auch an süssen Gewässern leben) und ernähren sieh von Fischen und
anderen Meeresthieren , nach welchen sie sich in der Regel auf das Meer
niederstürzen; vorzügliche Flieger. Die Möwen (Larus) sind grössere
hellgefärbte Vögel mit einem an der Spitze gebogenen Schnabel und einem
quer abgeschnittenen Schwanz ; mehrere Arten an den Küsten Deutschlands.
Beiden Raubmöven (Lestris) sind die beiden mittleren Steuerfedern
länger als die übrigen ; Furchen am Schnabel . dunkle Farben ; sie ver-
folgen andere Meeresvögel, wenn diese eine Beute gemacht haben, und er-
greifen letztere, wenn jene sie fallen lassen; ausserdem fischen sie selbst
und treten als echte Raubvögel auf, indem sie Vögel und kleinere Säuge-
thiere rauben; nordische Yögel, an den Küsten Deutschlands selten. Die
8eeschwalben (Sterna) weichen von den Möwen durch ihren langen,
geraden, spitzen Schnabel und den gegabelten Schwanz ab ; mehrere Arten
in Deutschland.
2. Die Sturmvögel ( Tubinarea) unterscheiden sich besonders da-
durch von der vorhergehenden Gruppe, dass die Nasenlöcher oben auf
dem Schnabel am Ende zweier Röhren sitzen, welche längs des oberen
Schnabelrandes liegen. Werden in der Regel auf offenem Meere angetroffen.
Hierzu gehören der möwenähnliche, hochnordische Eissturmvogel (Ful-
marus glacialis), die kleine, dunkle gefärbte Sturmschwalbe oder
St. Peters vogel (Prof'eUaria peiagica) , im Atlantischen Meer , und der
grosse Albatross {Dioniedea exulatw) auf der südlichen Halbkugel, beim
Kap etc.; letzterem fehlt die Hinterzehe.
') Im Gegensatz zu solchen Schwimmtauchern werden diejenigen Vögel,
welche sich während des Fluges aus der Luft unter das Wasser hinabstürzen, als
Stosstaucher bezeichnet.
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476
Specieller Theil.
3. Die Ruderfüssler (Skganopodes) haben eine grosse, nach innen
gerichtete Hinterzehe, welche durch eine Schwimmhaut mit den übrigen
drei Zehen verbunden ist, so dass hier also eine Schwimmhaut zwischen
allen vier Zehen vorhanden ist (Ruderfuss). Schnabel lang, gerade, in der
Regel mit nach unten gebogener Spitze. Die schwarze Scharbe oder
der Kormoran {Urmrulm rarbo) ist ein dunkel gefärbter Vogel mit
schmalem , an der Spitze hakig gebogenem Schnabel ; brütet gesellig in
Bäumen in der Nähe des Meeres oder süsser Gewässer, ernährt sich von
Fischen ; fast durch ganz Europa, Asien, Nordamerika (im Winter auch in
Afrika). Die Pelikane {Pelemnm) sind weiss mit röthlichem oder gelb-
lichem Anfluge; der Schnabel lang, gerade, breit, an der Spitze hakig
gebogen; die Haut zwischen den Unterkieferästen sehr erweiterungsfähig,
bildet in ausgedehntem Zustande einen grossen Sack (zum Aufbewahren
der Beute) ; Zunge rudimentär ; zwei Arten in Südeuropa, welche sich bis-
weilen nach Deutschland verfliegen. Der Fregattvogel {Tachyjtttes
aquila) mit langen spitzen Flügeln, gabeligem Schwanz und schwach ent-
wickelter Schwimmhaut, lebt auf offenem Meere innerhalb der Wendekreise.
Der Tölpel (Sula Itassana), mit langen Flügeln und einem langen, kraftigen,
spitzen Schnabel , stürzt sich nach seiner Beute tief in's Wasser hinein ;
häufig bei Island und den Färbern, selten an der deutschen Nordseeküste.
4. Die Steissfüssler (Pygopodes). Flügel schwach entwickelt, aber
mit gewöhnlicher Befiederung. Schnabel verschieden. Schenkel und grösster
Theil des Unterschenkels in die Rumpfhaut eingeschlossen, aus welcher nur
das unterste Ende des Unterschenkels dicht beim After hervorragt Schwanz
kurz. Der Körper wird beim Gange aufrecht gehalten. Sie tauchen nach
Fischen, Schalthieren u. Aehnl. Gehören der nördlichen kalten Zone an.
a. Die Seetaucher (Colymbus) besitzen gewöhnliche Schwiram-
füsse mit einer kleinen Hinterzehe, Schnabel lang, spitz, gerade. Hoch-
nordische Vögel, welche am Süsswasser nisten; eine Art (C. septentrwnalis)
kommt im Winter häufig in Deutschland vor. — Die Steissfüsse oder
Lappentaucher (Podiceps) sind den Seetauchern ähnlich, unterscheiden
sich aber dadurch, dass eine zusammenhängende Schwimmhaut nicht vor-
handen ist, sondern jede Vorderzehe jederseits einen breiten Hautsaum
( »SpaltschwimmfuBsJ besitzt ; sie bauen ein schwimmendes Nest auf stehenden
Gewässern; mehrere Arten brüten in Deutschland.
b. Die Alkenfamilie (Alcidae) unterscheiden sich von den
vorigen durch den Mangel einer Hinterzehe. Sie brüten gesellig am Meere.
Dazu gehören: Die Lummen (Uria) mit ziemlich langem, geradem, zu-
gespitztem, zusammengedrücktem Schnabel ; brüten besonders an den nörd-
lichen Meeren, zwei Arten kommen im Winter häufig an die Ost- und Nord-
seeküsten. Der Alk (Alra tarda) mit stark zusammengedrücktem, ge-
furchtem, etwas gebogenem Schnabel ; brütet im hohen Norden , kommt im
Winter häufig an die deutschen Küsten. Mit letzterem verwandt ist der
in unserem Jahrhundert ausgestorbene, grosse Geiervogel oder Riesen-
alk (Alca impcnnix), dessen rückgebildete Flügel zum Flug völlig unbrauch-
bar waren ; er lebte bei Island, Neufundland etc. , in sehr alter Zeit auch
an den dänischen Küsten. Der Lund oder Papageitaucher (Momion
fratercttla) hat einen noch stärker zusammengedrückten, hohen, gefurchten
Schnabel ; er gräbt sich lange Röhren in die Erde und nistet in denselben ;
brütet hauptsächlich an den Küsten des hohen Nordens (Islands etc.).
5. Die Pinguine (Jmpewits) sind eine sehr abweichende Gruppe
von Vögeln, welche besonders dadurch ausgezeichnet sind, dass die ziemlich
kleinen Vordergliedmaassen in allen Gelenken mit Ausnahme des Schulter-
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Wirbelthiere. 5. Claase: Vögel. 477
gelenkes unbeweglich und mit kleinen, schuppenähnlichen Federn bedeckt
sind (keine besonders entwickelten Schwungfedern) ; sie sind natürlich als
Flugwerkzeuge unbrauchbar, werden aber beim Schwimmen benutzt. Ebenso
Fig. 332. K i ese na 1 k. — Nach Brehm. Fig. 333. Pinguin. — Nach Brehm.
wie die Alken haben die Pinguine einen aufrechten Gang und treten (wie
einige der Alken) mit dem ganzen Fuss auf, dessen Mittelfuss kurz und breit
ist ; die kleine Hinterzehe ist nach vorn gewendet. Der Schwanz ist sehr
kurz. Die Federn sind gleichmässig vertheilt, sitzen nicht in Fluren.
Leben auf der südlichen Halbkugel.
6. Die Entenvögel (Lamtllirostres). Grosser, in der Regel breiter,
am Grunde höherer, gegen die Spitze abgeplatteter Schnabel, welcher grössten-
theils mit einer weichen Haut bedeckt ist, nur an der Spitze des Ober-
schnabels eine nagelähnliche, feste Hornplatte ; längs der Kieferränder eine
Reihe kleiner, in der Regel plattenförmiger Fortsätze. Dicke weiche Zunge.
Kleine Hinterzehe.
a. Die Enten (Anaiinae) sind kleinere Entenvögel mit kurzem
Hals und breitem, plattem Schnabel mit einer kleinen Hornplatte ; das
Männchen prächtiger als das Weibchen gefärbt; Winter- und Sommerkleid
verschieden. Zugvögel. Hierzu gehören die Stockente (Amis boschas),
Stammform der Hausente, ferner die Krickente (A. crerca), die
Knäckente (A. querquedula), die Löffelente (^1. clypmt/i), deren 8chnabel
sehr gross und mit langen Randblättchen versehen ist, etc.; alle diese und
mehrere andere kommen in Deutschland vor, mit Ausnahme der Stockente
und Knäckente brüten sie aber ausschliesslich oder überwiegend in nörd-
licheren Gegenden. — Die Tauchenten (Fnligulinae) weichen von den
Enten durch den Besitz eines kleinen Hautlappens an der Hinterzehe ab,
welcher jenen abgeht, und dadurch, dass sie tauchen können; die meisten
sind hochnordische Vögel, mehrere erscheinen im Winter an den deutschen
Küsten. Zu dieser Abtheilung gehört die Eiderente (Somateria mollissima),
welche auf den Färöern, bei Island und Grönland massenhaft, in geringerer
Anzahl auf mehreren dänischen Inseln und auf Sylt brütet. — Die Säger
(Merginae: Gatt. Mergus u. a.) weichen dadurch von den Tauchenten ab.
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478
Specieller Theil.
dass der Schnabel schmal, an der Spitze hakig gebogen und am Rande
mit zahnartigen Fortsätzen versehen ist. Mehrere Arten in Deutschland.
b. Die Gänse (Anserinae). Grössere, ziemlich langhalsige und
hochbeinige Entenvögel ohne Hautlappen an der Hinterzehe, Schnabel an
der Wurzel hoch und mit einer grossen Hornplatte an der Spitze. Im
Gegensatz zu den übrigen Entenvögeln, welche sich von Gethier ernähren
oder Allesfresser sind, ernähren sich die Gänse vorzugsweise von Pflanzen,
welche sie mit ihrem Schnabel abweiden; auch leben sie weit mehr auf
dem Lande als die übrigen. In der Regel kein bedeutender Geschlechts-
unterschied. In Deutschland brütet die Graugans (Atiser citirreus), die
Stammform der Hausgans; mehrere nordische Gänse kommen auf dem
Zug nach Deutschland.
c. Die Schwäne (Oygnus). Grosse, sehr langhalsige, aber kurz-
beinige Entenvögel, die Hinterzehe ohne Hautlappen, Schnabel an der
Wurzel hoch, an der Spitze abgeplattet. In der gemässigten und der kalten
Zone ; die der nördlichen Halbkugel weiss, die der südlichen ganz oder
theilweise schwarz. Der Singschwan ((7. nmsicus) ist ein nordischer
Vogel, welcher Deutschland auf dem Zug durchzieht. Der Höcker*
schwan (C. ohr) brütet in Deutschland, wird häufig gezähmt gehalten.
Der schwarze Schwan (C. atrahts) lebt in Neuholland.
d. Die Flamingos (Phomicoptems) sind durch die sehr ver-
längerten Schien- und Mittelfussbeine Watvögeln ähnlich ; der Hals ausser-
ordentlich lang; der Schnabel querüber in der Mitte wie geknickt, übrigens
dem der Enten ähnlich ; Zunge weich und gross ; Schwimmhaut vorhanden.
Eine Art dieser grossen Vögel lebt in den Mittelmeerländern, watet im
Wasser am Strande umher.
6. Ordnung. Watvögel [GraUatores).
Die Beine sind Watbeine : der untere Theil des Unterschenkels
nackt, mit Schuppen bekleidet, der Mittelfuss lang, keine Schwimm-
baut (ausnahmsweise ist eine solche vorhanden). Der Kopf ist klein,
der Schnabel in der Regel lang und schmal. Der Hals lang, stark
S-förmig gekrümmt, oft mit langen Federn, welche die Biegungen
verdecken, so dass der Hals kurz und dick erscheint In der Regel
gute Flieger. Die Nahrung ist gewöhnlich thierischer Art.
1. Grossschnäblige Watvögel (AUinares). Schnabel gross,
kräftig, weit länger als der übrige Theil des Kopfes, mit fester Hornscheide,
kleinen, hoch gestellten Nasenlöchern. Flügel gross. Vögel von ansehn-
licher Grösse, welche ihr Nest hoch über der Erde (an Bäumen etc.) bauen
und ihre Jungen füttern.
a. Die Reiher (Herodii). Hinterzehe lang, mit einer grossen
Kralle verseben, berührt in ihrer ganzen Länge die Erde. In Deutachland
leben : Der Fischreiher (Ardea cinerea), häufig, nistet gesellig auf Bäumen ;
die Rohrdommel (Botaurus steUaris), mit losem Gefieder und bräunlichen
Farben, Nachtvogel; der Nachtreiher (Nycticorax grisms) mit dickem
Schnabel, selten; u. a.
b. Die Störche (Petorgi). Hinterzehe kürzer , mit kleinerer
Kralle und höher als die anderen Zehen eingelenkt. Hierzu: Der weisse
8torch (Ciconia alba) und der schwarze Storch (C nigra), beide in
Deutschland brütend (letzterer seltener), Zugvögel. Die Kropfstörche oder
Marabu 's (Leptoptilm) mit sehr kräftigem Schnabel, kahlem Hals und Kopf,
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Wirbelthiere. 5. Classe: Vögel.
479
A asfresser, in Afrika und Ostindien. Der Löffelstorch1) (Platalta
leiumrodia) mit stark abgeplattetem, an der Spitze breitem Schnabel, in Süd-
Europa, selten in Deutschland. Der weisse heilige Ibis {Ibis rdigiosa)
der alten Aegypter zeichnet sich durch einen ziemlich dünnen, sanft ge-
bogenen Schnabel und durch nackten Kopf und Hals aus ; jetzt in Aegypten
selten, häufig im Sudan und südlichen Nubien.
2. Kurzschnäblige Watvögel {Ürcvirostrex). Schnabel kurz,
gewöhnlich ziemlich dick, mit fester Hornscheide und grossen, niedrig ge-
stellten Nasenlöchern. Die Mehrzahl sind kleine oder mittelgrosse Vögel,
welche auf der Erde nisten; die Jungen laufen fast gleich umher.
a. Die Regenpfeifer ( Cfiaradriidae). Kleinere Vögel mit
kleiner Hinterzehe oder ohne solche. Unter den in Deutschland vorkom-
menden führen wir folgende an: Der Kiebitz (VaneUtts cristatus) mit
Federhaube auf dem Kopf, Hinterzehe vorhanden, nistet auf Wiesen. Der
H te in w ä 1 ze r (Strepsilas interpres) mit Hinterzehe, der kurze Schnabel etwas
nach oben gebogen ; fast über die ganze Erde verbreitet, am Strande. Der
Austernfischer (flaevtaiopus ostralegus) ohne Hinterzehe, mit langem
Schnabel, am 8trande. Der Goldregenpfeifer (Oharadrius plutrialis)
ohne Hinterzehe, mit kurzem, an der Spitze kolbigem Schnabel ; auf Haiden
etc., nicht am Meere. Alle vier sind Zugvögel, die drei ersteren brüten
in Deutschland, letzterer wesentlich im hohen Norden, kommt auf dem Zug
durch Deutschland.
b. Die Trappen (OUdidae). Grössere, hühnerartige Vögel mit
kurzem, kegelförmigem Schnabel und kurzen kräftigen Zehen; die Hinter-
zehe fehlt. Leben in baumlosen trockenen Ebenen. Die grosse Trappe
(Otis tarda) ist an einigen Stellen in Deutschland, z.B. in Sachsen, häufig;
die kleine Trappe (0. tetrax), in den Mittelmeerländern zu Hause, hat
sich seit den siebziger Jahren in Thüringen als Brutvogel niedergelassen,
verfliegt sich auch sonst zuweilen nach Deutschland.
c. Die Sumpfhühner {Raüidae). Zehen lang, die Hinterzehe
wohl entwickelt, der Schnabel kürzer oder länger. Beispielsweise führen
wir an: Die Wasser ralle (Ralius aquaticits), Schnabel gerade, länger als
der übrige Kopf; der Wachtel könig (Orex pratensis) ; das Teichhuhn
(üallmula chloropus); das Wasserhuhn (Fulica atra) mit einem Haut-
saum längs jeder 8eite der Vorderzehen; die beiden letzteren mit einer
nackten hornigen Stirnschwiele oberhalb des Schnabels. Alle vier sind
Zugvögel, welche in Deutachland brüten.
d. Die Kraniche (Uruidae). Ziemlich starker, gerader, spitzer
Schnabel; Beine sehr hoch, Zehen kurz, Hinterzehe klein, Hals lang.
Grössere Vögel. Der gemeine Kranich (Qrus cinerea) brütet innerhalb
Deutschlands nur im Nordosten, sonst in nördlicheren Ländern, kommt auf
dem Zug durch.
3. Dünnschnäblige Watvögel (fJebilirostres). Schnabel lang,
dünn, oft biegsam, häufig mit einer weichen Haut versehen. Uebrigens wie
die kurzschnäbligen. In der Lebensweise sind sie echte Watvögel. Dazu ge-
hören: Die Schnepfen (Scolopax) mit langem, geradem, weichem Schnabel
(Waldschnepfe [S. rusticola/, Mittelschnepfe /S. major J, Heerschnepfe oder
gemeine Bekassine [S. gaüinago/, Moorschnepfe /S. gaUinula/). Die kleinen
8trandläufer (Tringa), hochnordische Brutvögel. Der Kampfläufer
(Macheten pugnax). Die Wasserläufer (Totamis). Die Uferschnepfen
(Lfimosa). Der Braohvogel (Xumenius arcuata) mit sehr langem, bogen-
M Meistens Lötfeireiher genannt.
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480
Specieller Theil.
förmig abwärts gekrümmtem Schnabel . Der Säbelschnabler (Recurvi-
rostra avocetta) mit Behr langem, aufwärts gebogenem Schnabel und unvoll-
ständiger Schwimmhaut zwischen den Zehen. Alle genannten (und andere
mehr) kommen in Deutschland vor, alle sind Zugvögel. — Die kleinen
Odinshennen oder Wassertreter (Pltalaroj/us), mit Hautsaum längs der
Zehen, sind hochnordische Vögel (auf Island etc.J, welche sich selten nach
Deutschland verirren. Das Männchen scheint allein die Eier auszubrüten.
7. Ordnung. Raubvögel (Accipitres oder llapares).
Schnabel kurz, kräftig, an der Wurzel dick, Oberschnabel stark
gebogen, mit nach unten gerichteter Spitze. Kräftige Füsse. die
starken Krallen haben die Form eines langen , spitzen , gebogenen
Kegels; die Hinterzehe in der Regel sehr kräftig. Flügel gross. In
der Regel stattliche Vögel, welche sich von Raub oder Aas ernähren.
Das Weibchen grösser als das Männchen. Die neugeborenen Jungen
sind zwar mit Dunen dicht bekleidet, bleiben aber längere Zeit im
Nest und werden von den Eltern gefüttert.
1. Tagraubvögel (lkmeroharjxiges;). An der Wurzel des Schnabels
eine nackte, halbfeste Haut, die Wachshaut. Kopf und Hals befiedert.
Hinterzehe gross, in derselben Höhe mit den Vorderzehen eingelenkt,
trägt eine sehr kräftige Kralle. Sie fangen lebendige Thiere.
a. Die Habichte (Asturidae). Die Hinterseite des Mittel»
fusses mit grösseren Hornplatten bedeckt ; Flügel mittellang. In Deutsch-
land häufig sind der Hühnerhabicht (Astur palumbarius) und der kleinere
Sperber (A. nisus), beide Stand- oder Strichvögel. Der Secretär
((hfpogeranus secretarius), ausserordentlich hochbeinig, Mittelfuss sehr lang,
Zehen kurz, erinnert an die Watvögel; Steppenvogel, welcher besonders
von Reptilien lebt ; Afrika. — Von den Habichten weichen die Bussarde
(Buteo) besonders durch die längeren Flügel ab. Die Weihen (Circus),
ebenfalls mit langen Flügeln, zeichnen sich besonders durch den Besitz
eines ähnlichen „Schleiers" wie die Eulen aus.
b. Die Falken (Falconidae). Hinterseite des Mittelfusses mit
zahlreichen kleinen Schuppen. Kurzer, kräftiger, von der Wurzel aus ge-
bogener Schnabel mit grösserem Zahn nahe der Spitze. Flügel gewöhnlich
lang. Die wichtigsten in Deutschland vorkommenden sind: Der Thurm -
f a 1 k (Falco Hnnuncuhis), der W a n d e r f a 1 k (F. ]>eregrinus), der Lerchen-
falk (F. mhbuteo) und der Zwergfalk (F. aemhn)\ alle genannten sind
Zugvögel, die drei ersteren nisten in Deutschland, der letzte im Norden
(kommt im Winter nach Deutschland). Der Jagd falk (F.gyrfalco) iit ein
nochnordischer Vogel.
c. Die Adler (Aquüidae). Der Mittelfuss wie bei den Falken
(aber häufig befiedert) ; Schnabel meistens länger, nur an der Spitze gebogen,
sehr kräftig, ohne Zahn. Grosse Vögel mit langen Flügeln. Die Edel-
adler (Ayuila) zeichnen sich durch den ganz befiederten Mittelfuss aus;
die in Deutschland häufigste Art dieser Gattung ist der Schreiadler
(A.naevia), selten dagegen sind die grösseren, der S t ei n ad ler (A. cJirysaetus)
und der Kaiseradler (A.impenaHfi). Der grosse Seeadler (Haliaetus
aünciüa), dessen Mittelfinger nur in der oberen Hälfte befiedert ist, lebt
sowohl von Landthieren als von Fischen ; besonders in Norddeutschland.
Der Flussadler (Parulion haliaStus) zeichnet sich durch den kurzen Schnabel
und dadurch aus, dass die äussere Zehe eine Wendezehe ist (kann nach
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Wirbelthiere. ft. Clas»e: Vögel.
481
hinten gerichtet werden) : nährt sich von Fischen ; kosmopolitisch, ist in
allen fünf Welttheilen gefanden. — Der rothe Milan (Mürnus regalis)
unterscheidet sich von den Adlern durch seinen kleineren Schnabel, 8chwanz
gegabelt; häufig in Deutschland.
2. Die Ost geier (Suproharpages). Kopf und oberer Theil des Halses
in der Regel kahl oder mit Dunen bekleidet. Hinterzehe gross, mit den
übrigen Zehen auf gleicher Höhe eingelenkt. Die Krallen weniger kräftig,
etwas niedergedrückt. Flügel gross. Zahlreiche kleine Schuppen auf der
Hinterseite des Mittelfusses. Grosse Vögel, welche sich meistens von Aas
ernähren; leben in den heisseren Theilen der alten Welt. Der grosse
weiss köpf ige Geier (VuÜur fuivus), dessen Kopf und Hals mit weiss«
lichem Flaum bedeckt ist, und der kleinere Aasgeier (Neophron percnopterus),
mit nacktem Kopf und sehr langem, dünnem Schnabel, leben in den Mittel -
meerländern und in Afrika, verfliegen sich zuweilen nach Deutschland.
Bei dem grossen Lämmergeier (Otguiitus hnrbatus), in den Alpen,
Pyrenäen etc., ist der Hals mit Federn, der Kopf mit Dunen bekleidet; er
bildet den Uebergang zu den Tagraubvögeln.
3. Die Westgeier (Necrofoirpages). Kopf und oberer Theil den
Hai 868 in der Regel nackt. Hinterzehe kleiner, höher als die übrigen ein-
gelenkt. Nasenscheidewand durchbrochen. Sehr grosse Flügel. Aasfresser, in
Amerika, besonders Südamerika. Die grösste Art ist der Kondor (Sareo-
rhamphus grt/phus), eine zweite ansehnliche Form ist der Königsgeier
(S. papu) mit buntgefärbtem Hals und Kopf; kleiner die Rabengeier
(Cathartes).
4. Die Eulen (Nyctharpages). Der hintere Theil des Kopfes so breit,
dass die Augen nach vorne gerichtet sind (bei anderen Raubvögeln
sind sie seitwärts gerichtet). Das Gesicht ist von einem Kreis von kurzen
eigenthümlichen Federn, dem Schleier, eingefasst; ausserdem ein Feder-
kranz um jedes Auge ; zwischen diesem Kranz und dem Schleier die grosse
Ohröffnung. Borstenartige Federn umgeben die Schnabel wurzel. Das Ge-
fieder weich, in der Regel bräunlich, gesprenkelt. Die Aussenzehe (Nr. 4)
ist eine Wendezehe, welche nach hinten gewendet werden kann. Die
Hinterzehe etwas höher als die übrigen eingelenkt Der Fuss mit den
Zehen gewöhnlich befiedert.
a. Tag-Eulen (Striges diumae). Die Ohröffnung einfach, ohne
Deckel. Schleier oben unvollständig. Sie jagen sowohl am Tage wie
Abends. Hierher gehören von deutseben Eulen der grosse Uhu {Buhn
maximtts) und die kleine Z wergohreule (Ephialtes scops), beide mit zwei
Federbüscheln am Kopfe; häufiger als diese ist der Steinkauz (Atliene
)ioctuti). Die Schneeeule (Nydea mvea) und die Sperbereule
(Sumia nixoriä) sind hochnordische Vögel, welche sich hin und wieder nach
Deutschland verfliegen ; auch die an einzelnen Stellen in Deutschland ständig
vorkommende Sperlingseule (QltiiicUlium pusserinum) ist ein mehr
nördlicher Vogel.
b. Nacht-Eulen (Striges noctumae). Ohröffnung sehr gross,
von einer Klappe (Hautfalte) überdeckt. Schleier vollständig. In Deutsch-
land leben: Der Waldkauz (Symium alueo), der seltene Ural ka uz
(S. uralense), die Waldohreule (Otu.s mignrüt), die Sumpfohreule
(O. braehyotu#)j die beiden letzteren mit zwei aufrichtbaren Federbüscheln
auf dem Kopf, die rauhfüssigeEule (Nyclale fmiereti) und die fast kos-
mopolitische Schleiereule ( Strix flammen).
Bon, Zoologie. 81
482
Specieller Theil.
8. Ordnung. Singvögel (Oschles).
Füsse dünn, zart gebaut. Die Hinterzehe, welche kräftig und
mit einer grösseren Kralle als die anderen Zehen ausgestattet
ist, kann für sich bewegt werden, während sie hei allen anderen
Vögeln stets nur gleichzeitig mit den Vorderzehen bewegt werden
kann (weil eine der Beugesehnen der Hinterzehe bei den Vögeln im
Allgemeinen mit einer der Beugesehnen der Vorderzehen verbunden
ist, während dieselbe bei den Singvögeln frei ist). Die Flügeldeck»
federn klein und in geringer Zahl vorhanden. Bei der Mehrzahl ist
die Hinterseite des Mittelfusses grösstenteils von zwei langen,
schmalen Platten bedeckt (anstatt wie gewöhnlich von zahlreichen
Schuppen). Am unteren Ende der Luftröhre finden sich in der Regel
mehrere kleine , sonst den Vögeln fehlende Muskeln (Singmuskeln ).
Nestbau oft ziemlich künstlich. Gewöhnlich Körner-, Beeren- oder
Insektenfresser.
1. Drosselvögel (Turdiforrucs). Schnabel gewöhnlich gerade oder
an der Spitze schwach gebogen, oft mit einem Einschnitt vorne am Bande
des Oberkiefers; die Nasenlöcher sitzen niedrig.
a. Die Sänger (Sylviüdtie). Schnabel ziemlich schwach, zu-
sammengedrückt, mittellang, mit einem seichten Einschnitt. Kleine oder
mittelgrosse Vögel, z. Th. ausgezeichnete Sänger. Ernähren sich von In-
sekten und Beeren. Hierzu gehören von deutschen Vögeln unter anderen
folgende: Die Drosseln {Turdus): Schwarzdrossel oder Amsel (T. merulti),
Ringdrossel (T. torquutus), Singdrossel (T. musicus) etc. Die Wasaer-
amsel (Citiclua a<jwitictu>), ungefähr von gleicher Grösse wie die Drosseln,
an fliessendem Wasser, taucht; Standvogel. Die Nachtigall (Lusciniit
phüomeh), das Blaukehlchen (L. suecmi) und das Rothkehlchen
(L. rubecula). Die Rothschwänze (Jhiticiüa). Die Steinschmätzer
{Saxicola). Die Gatt. Syltia (Grasmücken, Rohr- und Laubsänger), kleine
zarte Vögel, meistens von unansehnlicher Färbung. Die Goldhähnchen
( Reyidus) und der Zaunschlüpfer ( Troglodytes jxtrvulua), die kleinsten
Vögel Deutschlands. Die Bachstelzen (Motacüla) mit langem, wippendem
Schwanz, an kleinen Gewässern. Die Pieper (Anilins) mit ähnlicher langer
Hinterkralle wie die Lerchen.
b. Die Würger (Laniadae) unterscheiden sich von den Sängern
durch ihren stärkeren Schnabel, welcher jederseits am Rande dicht inner-
halb der gebogenen Spitze mit einem starken Zahn versehen ist. Sie fangen
Insekten und kleine Wirbelthiere und spiessen dieselben auf Dornen. In
Deutschland leben mehrere Arten, von denen die grösste, Lantus ercubüor,
von der Grösse einer Drossel ist.
c. Die Meisen (Partiria«) sind kleine Vögel mit weichem Ge-
fieder ; Schnabel kurz, ziemlich dick, nicht gebogen, ohne Einschnitt ;
Nasenlöcher von Borstenfedern bedeckt. Insektenfresser, welche zumeist in
hohlen Bäumen und an ähnlichen Orten brüten. Hierhin von deutschen
Vögeln die Kohlmeise (Partus major), die Blaumeise (P. cyantus),
die Schwanzmeise (P. caudatua) u. a.
d. Die Fliegenschnäpper (Mitscieapidae) haben einen kurzen,
geraden, an der Wurzel breiten und abgeplatteten Schnabel mit steifen
Borsteniedern am Grunde. Vier Arten in Deutschland.
e. Der Seidenschwanz (Anipelis garrtdiai) hat einen ziemlich
kurzen, an der Wurzel etwas breiteren Schnabel ; das (iefieder weich. Die
merkwürdigste Eigentümlichkeit des Vogels ist. dass das Ende der Schäfte
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Wirbelthiere. 5. Clause: Vögel.
483
der Handschwungfedern und der Steuerfedern astlos und zu einem abge-
platteten, spatelähnlichen Theil verbreitert ist. Brütet im hohen Norden,
kommt im Winter häufig nach Deutschland. — Einer verwandten Gruppe
gehört der Pirol ( Oriolus galbula) an, welcher schön gelb, von der Grösse
einer Drossel ist. In Deutschland.
2. Kegelschnäbler ((Jonirostres). Schnabel kurz, dick, kegelförmig,
mit hochliegenden Nasenlöchern. Sie ernähren sich besonders von
Samen ; die Jungen werden mit Insekten gefüttert.
a. Die Finken (Fringilla). Schnabel dick, ohne hakige Spitze.
Der Kern beisser (F. iwvothranstts), der grösste deutsche Fink, Schnabel
ausserordentlich dick und kräftig. Der Buchfink (F. coeUbs), Strich- oder
Zugvogel; der Bergfink (/•'. monti/hngiUa), brütet im Norden, kommt
auf dem Zug nach Deutschland. Die Hänflinge: Grünfink {F. chloris),
Girlitz (F. s&Hnus), Bluthänfling (F. cannalrina), Berghänfling (F. montium);
der letztere brütet im Norden, kommt im Winter nach Deutschland. Der
8 1 i e g 1 i t z (F. cardnelis), der kleine gelblich grüne Erlenzeisig (F. spinn*),
der Birkenzeisig (F. linaiia). Der Haussperling (F. domesHeä) in
Europa, Asien, Nordafrika, auch nach Amerika und Australien übergeführt,
hat sich in Nordamerika ungeheuer stark vermehrt; der Feldsperling
(F. montatia). Der Dompfaff oder Gimpel (F. pyrrhula). Alle ge-
nannten in Deutschland, die meisten Stand- oder Strichvögel. Von fremden
Formen nennen wir nur den Kanarienvogel (F. canaria), von den ka-
narischen Inseln.
b. Die Ammern (Embcri\a). Schnabel an der Spitze zusam-
mengedrückt, Oberschnabel schmäler und niedriger als der Unterschnabel,
Schnabelränder eingebogen ; meistens ein harter Höcker am Gaumen. Die
Schneeammer (E. nivalis), nistet im Norden, erscheint im Winter häufig
in Deutschland; ohne Gaumenhöcker. Die Grauammer (E. müiaria),
die Goldammer (E. ritrineUa), die Gartenammer (E. Jiortulana), die
Rohrammer (E. schocniclus). Alle genannten in Deutschland.
c. Die Kreuzschnäbel (Loxin) sind besonders dadurch aus-
gezeichnet, dass die Spitzen des Ober- und Uuterschnabels einander kreuzen.
Nadelholzvögel. In Deutschland L. eurrirostra und pityopsittacus. — Ver-
wandt ist der Hakengimpel (Pinimla ennckator), drosselgrosser Vogel
mit hakiger Oberkieferspitze, gehört dem Norden an, selten in Deutschland.
3. Rabenvögel (ConHformes). Kräftiger, ziemlich grosser, ungefähr
gerader Schnabel; ziemlich kräftige Füsse. Meistens grössere, gesellschaft-
lich lebende, allesfressende Vögel.
a. Der 8 1 a a r ( Sturmis vulgaris), mittelgrosser Vogel mit langem,
geradem, niedergedrücktem Schnabel ; die Nasenlöcher nicht von Federn be-
deckt. Höhlenbrüter, Insektenfresser, Zugvogel. — Verwandt ist der
Hirtenvogel (Pastor roseus), dessen Schnabelfirst sanft gebogen ist;
ebenfalls Höhlenbrüter, in den Mittelmeerländern, verirrt sich selten nach
Deutschland.
b. Die Rabenfamilie (Corvulae) mit sehr kräftigem, vorne
zusammengedrücktem, etwas gebogenem Schnabel ; die Nasenlöcher sind von
borstenartigen Federn bedeckt. Grössere Vögel. Der Rabe (Corrus corax),
der grösste deutsche Singvogel, ganz schwarz; nicht sehr zahlreich. Die
ganz schwarze Rabenkrähe ( C. ct/rom) und die theilweise graue Nebel-
krähe (C. cornix) sind nicht selbständige Arten, sondern nur geographische
Varietäten: es giebt allerlei Uebergänge zwischen beiden, und sie paaren
sich unbedingt fruchtbar mit einander ; in Deutschland ist die R. die west-
liche, die N. die östliche Form, in Norddentschland bildet die Elbe ziem-
31*
484
Specieller Theil.
lieh scharf die Grenze. Die Saatkrähe (C. fmgüegus ), ganz schwarz,
die Borsienfedern an der Schnabelwurzel fehlen den Alten. Die Dohle
(C. monedula), schieferschwarz, Schnabel kürzer als bei den genannten.
Die Elster (Pica caudata), mit langem, stufigem Schwanz, schwarz und
weiss. Der Eichelheher (darrulns glandarius), bunt gefärbter Vogel
mit kürzerem Schnabel, dessen Spitze hakig gebogen ist. Der Tan nen-
nen er (Nucifraga caryomtaetes) mit langem, fast geradem Schnabel, nicht
häufig in Deutschland.
c. Die Paradiesvögel {Paradise'idae) zeichnen sich besonders
durch die prächtigen Farben und eigenthümliche Ausbildungen des Gefieders
aus, welche den Männchen eigen Bind, während die Weibchen ganz beschei-
den ausgestattet sind. Grössere Vögel, mit kräftigem, zusammengedrücktem
Schnabel und von Federn überdeckten Nasenlöchern. Neu-Guinea und an-
liegende Inseln.
4. Die Schwalben (Longipenties). Flügel sehr lang, Füsse kurz,
Schnabel kurz, an der Wurzel breit, die Mundwinkel erstrecken sich weit
nach hinten. Kleine Vögel, ausgezeichnete Flieger, Insektenfresser; Zug-
vögel. In Deutschland leben die Rauchschwalbe (Ilintndo rustien) mit
braunrother Kehle, die Hausschwalbe (//. urbira), welche ihr bekanntes
Nest aus Erde und Speichel bauen, und die braungraue Uferschwalbe
(H. riparia), welche ihre horizontalen, 1 — l1/^ m langen Niströhren in senk-
rechten Uferwänden graben, um in dem inneren , etwas erweiterten Ende
zu brüten.
5. Der Baumläufer ( Certhia famüiaris), der Mauerläufe r( Tüho-
dronia murarid) und der Kleiber (Sitta caejtia) gehören einer besonderen
kleinen Abtheilung der Singvögel an, welche dadurch ausgezeichnet ist, dass
die Hinterzehe ungemein gross ist, während die Vorderzehen am Grunde
von einer gemeinsamen Haut umschlossen sind. Die Krallen stark zusam-
mengedrückt, sehr spitz. Laufen an Baumstämmen oder an Felsen (Mauer-
läufer). Die beiden ersteren haben einen langen, dünnen, gebogenen Schnabel
(am längsten beim Mauerläufer), der letzte einen geraden, spitzen, kräftigen
Schnabel. Der erste und der letzte sind in Deutschland überall verbreitet,
der Mauerläufer gehört den Alpen an (innerhalb der deutschen Grenzen in
Oberbayern).
6. Die Lerchen (Alandidae) unterscheiden sich von allen vorher ge-
nannten Singvögeln dadurch, dass die Hinterseite des Mittelfusses von
mehreren kleinen Platten bedeckt ist. Die Hinterzehe mit einer langen,
geraden Kralle. Schnabel mittellang, ziemlich kräftig, fast gerade, First
gebogen. Sie leben besonders von Samen. Brüten auf dem Boden. In
Deutschland brüten die Feldlerche (Alauda '. arvensts), die Haidelerche
(A. arborea) und die Haubenlerche (A. aisteüa); beide erstere sind
Zugvögel, die letzte Standvogel. Die bunte Alpenlerche (Otocoris ab
pestris) brütet im hohen Norden , kommt aber ' im Winter zuweilen nach
Deutschland. — Mit den Lerchen verwandt ist der Wiedehopf {Ujmpn
epops) mit langem , dünnem , gebogenem Schnabel , einer ähnlichen Hinter-
kralle wie die Lerchen ; am Kopfe ein aufrichtbarer Federbusch. Insekten-
fresser, Zugvogel. In Deutschland.
9. Ordnung. Schreivögel (Clamatores).
Unterscheiden sich dadurch von den Singvögeln, dass die Hinter-
zehe und namentlich die Hinterkralle weniger kräftig ist und dass die
Hinterzehe nicht für sich bewegt werden kann. Keine Singmuskeln.
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Wirbelthiero. 5. CW: Vögel.
485
1. Die Blaurake ( Coracias garnda). Schnabel mittellang, vorn zu-
sammengedrückt , an der Wurzel breit, an der Spitze sanft gebogen.
Prächtiger, blaugrün gefärbter Vogel von etwas über Drosselgrösse. Stellen-
weise in Deutschland, nistet in Baumhöhlen, Insektenfresser, Zugvogel.
2. Die Segler (Cypselidae). Der Mund sehr groBS, die Mundspalte
setzt sich unterhalb des Auges nach hinten fort; Schnabel kurz, schwach,
am Grunde breit und abgeplattet; ungemein lange Flügel; sehr kleine
Füsse. 8chwalbenähnliche Vögel, Insektenfresser. In Deutschland lebt
der Mauersegler (Cypselus apus), dessen Hinterzehe nach vorn gedreht
ist; «las schüsselförmige Nest findet sich in Mauerlöchern etc. und wird
aus Strohhalmen, Federn etc. gebaut, welche von dem leimartigen Speichel
zusammengehalten werden. Der Mauersegler wird in den Alpen und in
den Mittelmeerländern durch den sehr ähnlichen , etwas grösseren , weiss-
bäucbigen Alpensegler (Ot/pselua meUta) vertreten. Die Salanganen
( Collocallia), mit normaler Fussform, sonst aber den vorigen Arten ähnlich,
in Ostindien, bauen ihr Nest ausschliesslich aus Speichel (essbare Vogel-
nester). — Zu einer verwandten Familie gehört ;die Nachtschwalbe
oder der Ziegenmelker (Uapriimtlgus mropaeus), welcher grösser ist,
mit bräunlichen eulenartigen Farben ; Federborsten an der Schnabelwurzel ;
Nachtthier, legt seine Eier an den Boden ohne Unterlage; in Deutschland.
3. Die Kolibris oder Schwirr vögel {Trochüidae). Schnabel lang,
dünn, röhrenförmig ; Zunge tief gespalten , kann weit aus dem Munde her-
vorgestreckt werden. Flügel lang, Füsse kurz. Prächtige Farben, besonders
beim Männchen, ausserdem oft eigentümliche Ausbildung gewisser Federn.
Insektenfresser. Zu dieser Familie, welche nur in den wärmeren Theilen
Amerikas vertreten ist, gehören die kleinsten aller Vögel.
4. Die Eisvögel ( AU-edinidae) haben einen geraden, kräftigen,
kantigen Schnabel , die äussere und mittlere Vorderzehe bis zum
zweiten Gelenk, die mittlere und innere Vorderzehe bis zum ersten Gelenk
mit einander verwachsen. Bunt gefärbt; meistens in wärmeren Ländern
zu Hause. In Deutschland der langschnäblige Königsfischer (Ahedo
ispidä), welcher von Fischen lebt und den Brutanstalten oft sehr schädlich
ist. — Dieselbe Fussform besitzt auch der Bienen fr esser (Merops api-
aster) mit langem, sehr spitzem, schwach gebogenem Schnabel; in Südeuropa
und den Donauländern, verfliegt sich selten nach Deutschland. — Auch bei
den Nashornvögeln {Burerotidac) sind die Vorderzehen an der Wurzel
verbunden ; ausserdem zeichnen sie sich durch ihren sehr langen , dicken,
etwas gebogenen Schnabel aus, welcher an der Wurzel meistens einen grösseren
Aufsatz trägt. Afrika und Ostindien.
5. Die Tauben (Columbidae) zeichnen sich besonders dadurch aus,
dass der ziemlich kurze Schnabel nur an der Spitze eine feste Hornbe-
kleidung besitzt, an der Wurzel dagegen weich ist. Die Ringeltaube
(Cvlumba palumbus), die Hohltaube (C. oena«), welche in hohlen Bäumen
nistet, und die Turteltaube (Turtur aurUitx)*) leben in Deutschland.
Die Felsentaube {('. liria) an Küsten des Mittelmeeres, bei England etc.,
ist die Stammform der in zahlreiche Rassen gespaltenen zahmen Taube.
Die Wandertaube (C. migratoriu) in Nordamerika durchwandert der
Nahrung halber in ungeheuren Schaaren weite Strecken. Zahlreiche andere
Taubenformen in verschiedenen Welttheilen. — Eine abweichende Form ist
die Zahntaube (Didinuulns .strigirostrix) auf den Samoa - Inseln ; sie
l) Die vielfach zahm gehaltene Lachtaube (T. risoritut) lebt wild in Asien
und Afrika.
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486
Spccieller Thcil.
zeichnet sich durch ihren kurzen, starken , an der Spitze hakig gebogenen
Schnabel aus ; an jedem Rand des Unterschnabels zwei Zähne. — Die aus-
gerottete Dronte (Didw ineptus) war eine schwanengrosse , sehr plumpe,
mit kräftigen Beinen und starkem Schnabel versehene Taube, welche wegen
der sehr geringen Grösse der Flügel nicht fliegen konnte (Kamm des
Brustbeins fehlt); auch der Schwanz war sehr rückgebildet. Sie lebte auf
Isle de France (Mauritius), wurde am Schluss des 17. Jahrhunderts aus-
gerottet.
10. Ordnung. Klettervögel (Scansores).
Unterscheiden sich dadurch von den Schreivögeln, dass die äussere
Vorderzehe (Zehe Nr. 4) nach hinten gewendet ist, so dass sie zwei
Vorder- und zwei Hinterz eben besitzen.
1. Die Kukuke (Ouculidae) haben einen mittellangen, etwas ge-
bogenen Schnabel; die äussere Hinterzehe (Zehe Nr. 4) kann nach
der Seite gewendet werden. Hierzu gehört der gemeine Kukuk ( Cucu-
lus canorus), welcher besonders dadurch merkwürdig ist, dass er seine Eier
in die Nester anderer Vögel (Singvögel) legt, um sie von diesen ausbrüten
zu lassen1); Insektenfresser, Zugvogel.
2. Die Spechte (Picitbie) haben einen sehr kräftigen, geraden,
kantigen, an der Spitze zusammengedrückten, keilförmigen Schnabel; die
Zunge, welche sehr weit aus dem Munde hervorgestreckt werden kann, ist
an den 8eitenrändern mit feinen, nach hinten gerichteten Widerhäkchen
versehen ; die Schwanzfedern sehr steif (Stützschwanz). Waldvögel, welche
sich von holzbohrenden Larven und anderen Insekten, dabei aber auch von
Samen ernähren; brüten in selhstgemeisselten Baumhöhlen; Stand- oder
Strichvögel. In Deutschland leben: Der Schwarzspecht (Picus mortum),
der Grünspecht (P. (iridis), der Grauspecht (P. canus); die Bunt-
spechte: der grosse (P. major), der weissrückige (P. kitcoitotutt) , der
mittlere (P. tnedius) und der kleine Buntspecht (P. minor). Der drei-
zehige Specht (P. trülactylus) , dem die innere Hinterzehe (Daumen)
abgeht, gehört dem Norden und den Alpen an , verirrt sich bisweilen nach
Deutschland. — Mit den 8pechten verwandt ist der Wendehals {Iytur
torquilhi), mit kegelförmigem, nicht keilförmigem Schnabel; die Schwanz-
federn sind zu weich, als dass der Schwanz als Stütze dienen könnte; Zug-
vogel, in Deutschland.
3 Die Papageien (Pstitttmdue) haben einen ungemein kurzen, dicken,
stark gebogenen Oberschnabel und einen kurzen, abgestutzten Unterschnabel;
Oberschnabel sehr beweglich; Zunge dick und weich. Tropische Vögel mit
lebhaften Farben (grün, roth etc.), Pflanzenfresser. Sie werden in mehrere
Gruppen getheilt: 1) Kakadu' s ( PUetohphinae) in Asien und Australien,
mit aufrichtbarem Federschopf (oft hellfarbige Vögel) ; 2) Sittiche (Sitto-
cinac) mit langem Schwanz ; 3) typische Papageien (PsiUacinae) mit kurzem
Schwanz und ohne Federschopf ; 4) L o r i ' s (Trichoglossinae), in Australien,
mit zahlreichen langen, fadenförmigen , hornigen Papillen an der Zungen-
spitze (Pinselzunge); 5) Eulenpapageien, mit nur einer Gattung, dem
neuseeländischen Stringopa (btbroptihis), Nachtvögeln mit weichem, dunkelm
(grünlichem) Gefieder, welche bei Tage sich in Erdhöhlen aufhalten, auch
ebendaselbst nisten; sie fliegen nicht oder sehr wenig (Brustbeinkamm ver-
kümmert), bewegen sich meistens auf dem Boden.
l) In vereinzelten Fällen hat man beobachtet, dass der Kukuk selbst seine
Eier ausbrütet.
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Wirbelthiero. 5. Chwse: Vögel.
487
4. Die Tukane oder Pfefferfresser (Rhntnphsistidac) haben einen
sehr grossen, dicken, etwas gebogenen, am Bande oft gekerbten Schnabel,
welcher fast von der Länge des Rampfes ist; die Zange ein schmales,
horniges, am Rande zerfasertes Band. Vögel von mittlerer Grösse, mit
prachtvollen Farben, Südamerika.
6. Classe. Säugethiere (Mammalüt).
In Bezug auf die ä u 8 s e r e Form des Körpers zeichnen sich
die Säugethiere gewöhnlich dadurch aus, dass sie einen wohlent-
wickelten Hals (übrigens von sehr verschiedener Länge) besitzen,
ferner dadurch, dass der Schwanz zu einem dünnen, längeren oder
kürzeren Anhang rückgebildet ist, welcher für das Thier nur von
untergeordneterer Bedeutung ist und namentlich nicht im Dienste der
Bewegung steht, während dagegen die als Bewegungsorgane fun-
girenden Gliedmaassen stark entwickelt sind, so dass der Rumpf
mehr oder minder hoch über dem Erdboden getragen wird; der Ell-
bogen ist nach hinten, das Knie nach vorn, die Finger- und Zehen-
spitzen nach vom gerichtet; oft ruht das Thier nicht auf dem ganzen
Fuss, sondern nur auf den Zehen oder sogar nur auf den Spitzen der-
selben, während der übrige Theil in die Höhe gerichtet ist. Inner-
halb der Classe finden wir übrigens, neben dem Gangtypus als
der gewöhnlichen Form, verschiedene andere Typen entwickelt:
fliegende, springende, schwimmende Formen etc. (vergl. die Reptilien).
Indem so der Körper einer abweichenden Lebensweise angepasst
ist, kann auch die äussere Gestalt zuweilen von der gewöhnlichen sehr
abweichen, was namentlich bei gewissen schwimmenden Säugethieren
(den Walen) sehr augenfällig wird; bei diesen wird der Hals auf ein
Minimum rückgebildet, die Gliedmaassen treten sehr zurück, während
der Schwanz eine enorme Entwicklung erlangt, so dass die äussere
Gestalt des Thieres in höchstem Grade fischähnlich wird.
Die Haut besteht aus den gewöhnlichen Schichten (Lederhaut,
Oberhaut mit Schleim- und Hornschicht); an der Oberfläche der
Lederhaut finden sich kürzere oder längere Papillen, welche sich
in die Schleimschicht hinein erstrecken. Pigment kann theils in der
Oberhaut (sowohl in der Schleim- als in der Hornschicht), theils in
der Lederhaut vorhanden sein. — Die Hornschicht wird nicht auf
einmal abgeworfen, sondern löst sich in kleinsten Stückchen (als
Staub) ab.
Der grös8te Theil der Haut ist bei den Säugethieren im Allge-
meinen mit Haaren bekleidet, welche einen der charakteristischsten
Bestandteile ihres Körpers ausmachen und nur bei sehr wenigen
Formen ganz fehlen. Die Haare, weiche ausschliesslich aus verhornten
Zellen bestehen, stecken jedes in einer tiefen Einstülpung der Haut,
dem Haarbalg. Im Grunde jedes Haarbalges findet sich ein kleiner
gefässreicher Lederhautzapfen, die Haarpapille, welche mit einer
Fortsetzung der Schleimschicht der Oberhaut bekleidet ist; oberhalb
dieser sitzt dann wieder das untere Ende des Haares, und letzteres
wächst dadurch, dass die oberflächlichen Zellen der Schleimschicht
der Papille verhornen und zu Theilen des Haares werden. Die übrige
Wand des Haarbalges wird von Fortsetzungen der Schleim- und
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Siioeicller Theil.
Hornschicht der allgemeinen Oberhaut ausgekleidet: äussere und
innere Wurzelscheide; letztere geht unten in das Haar, erstere
in die Schleimschicht der Papille über. Die Haare sind somit eigent-
lich nichts Anderes als scharf begrenzte,
enorm entwickelte Partien der Horn-
schicht der Oberhaut. In vielen dickeren
Haaren findet man ein inneres, aus
loseren Zellen zusammengesetztes (oft
lufthaltiges) Mark, welches von der
festeren Rinde umgeben ist ; zu äusserst
findet sich eine Schicht dünner, phasen-
förmiger Zellen, das Oberhäutchen
des Haares ; manche, besonders dünnere,
Haare bestehen aber nur aus Rinde
und Oberhäutchen. — Häufig sitzen die
Haare in kleinen Gruppen, 3 — 5 näher
beisammen, in anderen Fällen sind sie
mehr gleichmäßig vertheilt. Bei man-
chen Säugethieren kann man zwei Arten
von Haaren unterscheiden, Grannen-
haare und Wollhaare, letztere fei-
ner und von den anderen überdeckt.
Eigentümliche lange, kräftige, steife,
regelmässig angeordnete Haare sind
die sogenannten Tast- oder Spür-
haar e ( Vibrissae), welche bei manchen
Fig. 334. Längsschnitt eines ium res Säugethieren an gewissen Stellen des
iui4t de« zugehörigen Haarbuigcs, Kopfes , besonders an der Oberlippe
Schema, a äussere Wurzebchetde , b eingepflanzt sind; ihre Bälge sind da-
Bindegewebe C Ilurn-clücht der Uber- durch auggezeichnet da88 gie von einem
haut, « Haar, i innere >\ urzeiBcheide. *„■,■%? «~» , , . .
, SchieimHchicht der Oberhaut, P Haar- blutgefullten Behälter umgeben sind,
Papille. — Orig. welcher mit den Gefassen in Verbindung
steht. Längs des Randes der Augenlider
finden sich oft andere eigentümliche steife Haare, die Augen-
wimpern. Bei einzelnen Säugethieren erreicht ein Theil der Haare
eine enorme Entwicklung ; die Stacheln des Igels, des Stachelschweines
und anderer sind stark entwickelte Haare. Die Haare, welche
grösstenteils der Haut schief eingepflanzt sind, haben an verschiedenen
Theilen des Körpers verschiedene, aber regelmässige, bestimmte
Richtungen. — Am Grunde des Haarbalges heften sich an denselben
glatte Muskelbündel, welche in der Lederhaut entspringen;
durch ihre Contractionen richtet sich das schräg liegende Haar mehr
auf. Auch Nerven gehen an die Haare (richtiger: an das untere
Ende der Haarbälge) , namentlich an die oben genannten Spürhaare,
welche wichtige Tastwerkzeuge sind.
Ebenso wie die Federu der Vögel werden auch die Haare in
gewissen Zwischenräumen abgeworfen und durch neue ersetzt: es löst
sich das Haar von der Papille, und vom Grunde des Haarbalges
bildet sich ein neues Haar. Bei einigen Säugethieren (dem Menschen,
Affen) findet der Haarwechsel, die Haarung, das ganze Jahr
hindurch allmählich statt, bald wird ein, bald ein anderes Haar ab-
gestossen und durch ein neues ersetzt. Bei anderen aber ist der
Haarwechsel für jedes Jahr überwiegend auf einen kürzeren Zeitraum
Wirbelthiere. 6. Classe: Säugcthiere.
489
concentrirt : es findet alljährlich, und zwar bei den nordischen Säugu-
thieren im Frühling, eine den ganzen Körper umfassende Haarung l)
statt, wobei sowohl Grannen- als Wollhaare abgeworfen werden.
Gleichzeitig treten neue Grannenhaare auf, auch die Spitzen der
Wollhaare sprossen hervor, während die vollständige Entwicklung
letzterer erst später im Jahre erfolgt. Im Herbst findet meistens
kein allgemeiner Haarwechsel statt, der Unterschied des Sommer-
und des Winterkleides der Säugethiere beruht in der Regel theils
auf einem Auswachsen der schon vorhandenen Haare, namentlich
der Wollhaare, theils auf einer mehr oder weniger eingreifenden
Verfärbung3) der Haare im Herbst. — Bei einigen Säugethieren
vollzieht sich aber auch im Herbst ein Wechsel, jedenfalls der
Grannenhaare (bei den Hirschen z. B. ist dieses der Fall).
Bei einer nicht ganz geringen Anzahl von Säugethieren finden sich
an grösseren oder kleineren Partien des Körpers ähnliche Schuppen oder
Platten wie bei den Reptilien (Schuppenthier, Gürtelthier, Schwanz der
Mäuse). Zuweilen, z. B. beim Gürtelthier, enthält die Lederhaut-
partie jeder Schuppe oder Platte eine Verknöcherung; übrigens finden
wir aber auch unabhängig hiervon bei einzelnen Säugethieren grössere oder
kleinere Verknöcherungen in der Lederhaut.
Mit der Haut sind zahlreiche, gewöhnlich fast über die ganze
Oberfläche verbreitete kleine Drüsen verbunden, von denen man
zwei Hauptformen unterscheidet: Talgdrüsen und Schweissdrüsen.
Die Talgdrüsen sind kleine traubige Drüsen, welche fast immer
in die Haarbälge, selten frei an der Oberfläche des Körpers, aus-
münden, wesshalb sie in der Regel an den haarlosen Stellen fehlen;
sie sondern eine fettartige Masse ab. Die Schweissdrüsen sind
einfache schlauchförmige Drüsen, deren unterer Theil, welcher in der
Regel in dem losen Bindegewebe unterhalb der Haut liegt, meistens
zu einem Knäuel aufgewickelt ist. Auch die Schweissdrüsen münden
sehr häufig in die Haarbälge, aber näher an deren Oeffnung als die
Talgdrüsen; manche münden ganz selbständig, z. B. in grosser An-
zahl an gewissen unbehaarten Partien der Körperoberfläche. Ebenso
wie die Talgdrüsen sind sie an verschiedenen Theilen der Haut in
verschiedener Zahl und Grösse vorhanden. Die meisten Schweiss-
drüsen sondern die unter dem Namen Sc h weiss bekannte Flüssig-
keit ab ; an einigen Hautstellen hat aber ihr Secret eine anderweitige,
mehr fettartige Beschaffenheit (die Ohrschmalzdrüsen sind solche
eigenthümliche Schweissdrüsen). — Die Milchdrüsen sind eigen-
tümlich ausgebildete grosse Hautdrüsen oder Gruppen von solchen,
zunächst von dem Typus der trauben form igen Drüsen. Jede Milch-
drüse mündet mit 1 (Wiederkäuer), 2 (Schwein, Pferd) oder mehreren
(Mensch u. v. a.) Oeffnungen an der Spitze einer mehr oder weniger
hervortretenden Warze, der Zitze; in der Regel finden sich zwei
Längsreihen von Zitzen an der Unterseite des Rumpfes, jede Reihe
mit einer ziemlich verschiedenen Anzahl von Zitzen (1 — 7). Die
Milchdrüsen, welche während der Schwangerschaft an Umfang und
Ausbildung zunehmen, sondern eine Zeitlang nach der Geburt der
•) Daneben kann bei solchen auch ein Wechsel einzelner Haare zu änderet!
Zeiten stattfinden.
*) Vergl. das über die Verfärbung der Federn S. 463 Gesagte.
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490
Speoiellcr Theil.
Jungen die Milch ab, eine wässerige Flüssigkeit, in der zahlreiche
Fetttröpfchen suspendirt sind (letztere sind es, welche der Milch die
weisse Farbe verleihen). Nach Aufhören des Säugens bildet sich die
Drüse zum grossen Theil wieder zurück. Milchdrüsen der be-
schriebenen Form kommen allen Säugethieren mit Ausnahme der
Kloakenthiere zu, und zwar finden sie sich nicht allein beim Weibchen,
sondern in rudimentärer Form meistens auch beim Männchen. Sie
werden in der Regel als eigenthümlich umgebildete Talgdrüsen
augesehen, eine Auffassung, welche am meisten ihrem traubigen Bau,
auch wohl der Art des Secretes, Rechnung trägt. Ist sie richtig, so
gehen den Kloakont liieren echte Milchdrüsen gänzlich ab; die
Organe, welche bei diesen Thieren „Milch" absondern , sind nämlich
ganz deutlich sehr grosse verzweigte Schweissdr üsen; es findet
sich an jeder Seite des Bauches eine kleine sackförmige, behaarte Ein-
stülpung, in weiche je eine Gruppe von Drüsen müudet; zitzenartige
Theile fehlen.
Bei vielen Säugethieren sind die Hautdrüsen an einigen begrenzten
Stellen der Haut besonders stark oder eigenthümlich ausgebildet; häufig
sind die betreffenden Hautstellen, welche übrigens meistens normal ausge-
bildet, mit Haaren etc. versehen sind, sackförmig eingestülpt. Dazu ge-
hören z. B. die Klauensäcke des Schafes und anderer Wiederkäuer , die
beiden Aftersäcke, welche sich beim Hutule und anderen Raubthieren an der
Seite des Afters öffnen, der Moschusbeutel beim Moschusthier etc. —
Seltener ist eine einzelne Drüse oder eine kleine Gruppe dicht beisammen
mündender Drüsen , etwa in ähnlicher Weise wie die Milchdrüse . zu einer
riesigen Grösse angewachsen ; eine solche Drüse findet sich z. B. am Rücken
des Nabel sch wein es.
An der Unterseite der Füsse findet sich bei den Säugethieren
gewöhnlich eine unbehaarte elastische Hautpartie, welche von einer
A B C D
Fig. 835. l.ttng«»chnitt des Finger»: .1 de» Menschen, Ii eines At'ten, C eine»
K ralleuthierea, D eine» Pferdes; .nheniatimh. b Sohlenballcn, n Krallenplatte, p* — j>*
vorletzte» und letzte» Fingcrglicd, * Suhlenhorn, D Krallenwall. — Orig.
dicken, aber weichen Hornschicht bedeckt und mit zahlreichen
Schweissdrüsen versehen ist: der Sohlenballen. In einigen
Fällen erstreckt sich dieser über die ganze Unterseite des Fusses, in
anderen ist er auf einige Stellen derselben (namentlich auf die Zehen)
beschränkt. — Am Ende der Zehen finden sich Krallen, welche bei
den Säugethieren in ziemlich verschiedenen Formen auftreten: echte
Krallen, Nägel, Hufe, Klauen. DieechteKralle (Fig. 335 C) besteht
aus einer festen Hornplatte, der Krallenplatte, welche stark von
rechts nach links gewölbt, zu einer am Ende schräg abgeschnittenen,
nach unten zu offenen Röhre zusammengebogen ist, welche die Zehen-
spitze umgiebt ; in der Regel ist die Röhre dabei der Länge nach ge-
bogen. Die Wurzelpartie der Röhre ist in eine tiefe Furche (den Krallen-
falz) eingesenkt, äus8erlich von einer grossen Hautfalte, dem Krall en-
.Digitized by_Googie
Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere. 491
wall, überdeckt ; die Krallenplatte wächst in die Länge dadurch,
dass sich im Grunde der Furche neue Horntheilchen bilden, welche
ihrem Hinterrand angefügt werden, und wird so nach vorn geschoben ;
ABC D E F
Fig. 336. Spitze des Fingers von unten gesehen: A eines Menschen, Ii eines
Affen, C eines K r a 1 1 e n t h i e r e s , Ii des X a s h o r n s , E des P f e r d e I , F des E I e u -
t hier es; schematisirt. b Sohlenballen, » Rand der Krallenplattc, * Sohlenhorn. — Orig.
ausserdem werden noch am hinteren Theil der von der Krallenplatte
überdeckten Hautpartie (des Krallenbettes) Horntheilchen gebildet,
welche der Unterseite der Platte angefügt werden, wodurch sie an
Dicke zunimmt. Der freie Rand der Kralle , welcher immerfort ab-
genutzt wird, umgiebt eine Hautpartie, welche von einer loseren oder
festeren Hornmasse, dem Sohlenhorn, überzogen ist. Der Nagel,
wie wir ihn beim Menschen und bei den Affen finden, weicht dadurch
von der Kralle ab, dass er von rechts nach links weniger gewölbt
und auch der Länge nach schwach gebogen ist; er bedeckt somit
als eine gewölbte Platte die Oberseite der Zehenspitze; das Sohlen-
horn ist besonders beim Menschen sehr schwach ausgebildet, überzieht
nur einen schmalen Hautstreifen unterhalb des freien Randes des Nagels ;
die Hautfalte an der Wurzel des Nagels (Nagel wall) ist dem ent-
sprechenden Theil der Kralle ähnlich. Die Hufe oder Klauen
gleichen den Krallen darin, dass die Krallenplatte (hier als die Horn -
wand bezeichnet) zu einer am Ende schräg abgeschnittenen Röhre
zusammengebogen ist, unterscheiden sich aber dadurch, dass dieselbe
gewöhnlich fast gar nicht der Länge nach gebogen ist und eine an-
sehnlichere Dicke besitzt; der Krallenwall ist sehr schwach entwickelt,
das Sohlenhorn (hier als die Hornsohle bezeichnet) dick und fest.
Beim Elephant, Tapir und Nashorn sind die Verhältnisse übrigens
denen der Krallenträger ähnlich ; bei den übrigen Hufthieren dagegen
findet eine innigere Verbindung der Klaue (d. h. der Hornwand -f-der
Hornsohle) mit der Hprnschicht des Sohlenballens statt, welch letzterer
bei diesen Thieren meistens sehr klein, auf den distalen Theil der
Zehen beschränkt ist. Beim Pferd (Fig. 336 E) ist der Huf so zu
sagen um den sehr kleinen Sohlenballen (den „Strahl") zusammen-
gebogen, so dass letzterer in einem hinteren Ausschnitt des Hufes
seinen Platz hat: ein etwas ähnliches Verhältniss findet man beim
Schwein, dessen Sohlenballen sich jedoch weiter nach hinten als
der des Pferdes erstreckt. Bei den Wiederkäuern (Fig. 336 F)
hat sich das beim Schweine gefundene Verhältniss weiter entwickelt,
indem der Sohlenballen sich weit nach vorn erstreckt und den grössten
Theil der Hornsohle verdrängt hat ; letzteres ist nur als ein schmaler
Saum längs des unteren Randes der flornwand vorhanden. Dazu
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I
492 Speeieller Theil.
kommt noch, dass der vorderste Theil des Sohlenballens bei manchen
Wiederkäuern (Edelhirsch, Ochsen u. a.) eine grössere Festigkeit als
sonst erreicht, einer Hornsohle ähnlich wird, während er bei anderen
(z. B. beim Reh und Elenthier) seine gewöhnliche Weichheit bewahrt
Die eigentümliche Ausbildung der Kralle bei den Hufthieren ist auf
die Anpassung an eine neue Function zurückzuführen, nämlich die-
jenige, das Thier während des Cranges zu tragen, eine Function,
welche bei den Krall enträgern in der Regel dem Sohlenballen zu-
gewiesen ist, während die Krallen bei diesen Kletter-, Greifwerk-
zeuge etc. sind.
Das Horn des RhinoceroB ist eine enorme locale Verdickung der
Hornschicht der Oberhaut ; in die Horn m aase erstrecken sich von der unter-
liegenden Lederhaut lange (natürlich mit der Schleimschicht bekleidete)
Papillen. — Die Horner der Wiederkäuer haben einen ganz anderen
Bau; ein Wiederkäuerhorn kann als eine kolossale, unbehaarte Hauter-
höhung betrachtet werden , welche innerlich in ihrer grössten Ausdehnung
verknöchert und an ihrer Oberfläche mit einer festen verdickten Horn-
schicht bekleidet ist. Das Horn besteht somit innerlich aus einer Knochen-
masse, dem Hornzapfen, welcher mit dem Stirnbein verwachsen ist:
ausserhalb desselben findet sich eine Bindeyewebsschicht und die Schleim-
Schicht der Oberhaut, und zu äusserst die Hornschicht , welche durch Ab-
lagerung neuer Theile von innen her an Dicke zunimmt. Indem das Horn
mit dem Alter in die Länge wächst, bedecken die älteren Hornschichten
nicht seine ganze Oberfläche, sondern nur den oberen Theil, und die
jüngeren erscheinen an der Oberfläche als Ringe. Die Geweihe der
Hirsche sind ebenso wie die letztgenannten Hörner grosse innerlich ver-
knöcherte Hauterhöhungen. Sie unterscheiden sich jedoch dadurch, dass
sie behaart sind und nicht von einer aussorge wohn lieh verdickten Horn-
schicht bekleidet sind. Bei der Giraffe, deren Geweih nur eine geringe
Grösse erreicht, bleiben die Weichtheile um den Knochenzapfen sitzen ; bei
den übrigen schrumpfen sie dagegen , wenn das Geweih fertig gebildet ist.
auf dem grössten Theil der Oberfläche desselben ein und werden abgerieben
(„gefegt"), so dass die nackte Knochenmasse zum Vorschein kommt; nur
die Basal partie, der Rosenstock, bleibt immer mit Haut bedeckt. Die ent-
blösste Knochenmasse, das eigentliche Geweih, löst sich alljährlich vom
Rosenstock ab und wird abgeworfen ; die angrenzenden Hauttheile wachsen
dann über das entblösste Ende des Rosenstocks hin und es entwickelt sich
an derselben Stelle eine neue Geweihstange, welche zuerst mit Haut be-
deckt ist. Bei der Giraffe findet ein solches Abwerfen nicht statt
Die Wirbelkörper sind gewöhnlich an beiden Enden abge-
plattet, seltener hinten concav, vorne convex: sie sind mit einander
durch dicke, aus fibrösem Bindegewebe bestehende Bandscheiben
verbunden, welche in der Mitte einen sogenannten Gallertkern, einen
Ueberrest der Chorda, enthalten. Die Wirbelsäule /.erfällt in dieselben
Abschnitte wie bei den Reptilien. Die Halswirbel sind bei den
Säugethieren fast immer, sowohl bei den langhalsigen wie bei den
kurzhalsigen Formen, in der Siebenzahl vorhanden1). Die beiden
vordersten Halswirbel sind wie bei den Jteptilien als Atlas resp.
Epistropheus entwickelt. Die Halswirbel sind mit Querfortsätzen ver-
') Ausnahmen : Der Hauatus (aus der Ordnung der Seekühe) hat nur 6, das-
selbe ist auch bei einem Faulthier (Choloepus Hoffmanni) der Fall, während ein
anderes derselben Gattung (CA. didaetylm) 7 hat, und wieder andere Faulthiere
(Gatt. Bradypu») 9 Halswirbel besitzen.
— Digitized by-GöOgt?
Wirbelthiere. 6. Clawe: Säugethiere.
493
sehen, welche — gewöhnlich jedoch mit Ausnahme derjenigen des
siebten Halswirbels — vom Wirbel mit einer doppelten Wurzel
entspringen ; durch das entstandene Loch verläuft eine grössere Arterie
(Wirbelarterie). Die genannten Querfortsätze sind wahrscheinlich als
H i Krippen aufzufassen, gewöhn- A R
lieh verknöchern sie jedoch in Zu-
sammenhang mit dem Wirbel, nicht
gesondert, wie bei den Vögeln und
Reptilien. Nur bei den Kloaken-
thieren erreichen die Halsrippen
eine stärkere Entwicklung und er-
scheinen als besondere Gebilde (an
den 6 hinteren Wirbeln), fast bis das
Thier erwachsen ist: die hintersten r,K- 887- ^v^^m eine* junKen
sind jedoch nicht (wie den Vögeln \?XE^$fi£2X$L
lind Reptilien) VOn grösserer Länge als / Körper <les ersten Halswirbels, 2 do. «le»
die vorderen, sondern im G-egentheil «wetten, h Bogen, r Kippe, t unterer Dom-
kürzer. Die Brustwirbel Sind In B «ind Bogen, Körper und
gegen die Halswirbel schärfer als 5»- ta VW8obledener WdM *chraft,rt'
bei den Reptilien und Vögeln ab-
gegrenzt, indem die erste bewegliche Rippe wohlentwickelt ist und
sich an das Brustbein heftet. Die Lendenwirbel haben ge-
wöhnlich ziemlich grosse Querfortsätze. Von Brust- und Lenden-
wirbeln sind gewöhnlich etwa 20 vorhanden (die Zahl kann jedoch
bis auf 14 sinken und bis auf 30 steigen); die Anzahl der Brust-
wirbel beträgt gewöhnlich etwa 12—13, die Zahl kann aber bis mehr
als 20 steigen. Von echten Becken wirbeln , d. h. solchen, an
welchen das Darmbein befestigt ist, finden sich wie bei den Reptilien
in Allgemeinen nur zwei, welche beim ausgebildeten Thiere mit ein-
ander verwachsen sind. Mit diesen beiden vereinigen sich bei den
meisten Säugethieren einer oder mehrere der vordersten Schwanzwirbel
(unechte Becken wirbel) zu dem unter dem Namen Kreuzbein
bekannten, aus einer verschiedenen Anzahl verwachsener Wirbel be-
stehenden Knochen. Von Schwanzwirbeln ist eine sehr ver-
schiedene Anzahl vorhanden; die vorderen sind gewöhnlich mit
wohlentwickelten Querfortsätzen versehen und tragen oft an der
Unterseite ähnliche V-förmige Knochen (untere Bögen) wie die
mancher Reptilien ; die hinteren Schwanzwirbel sind immer mehr oder
weniger unvollkommen entwickelt, die hintersten am meisten (Bögen
und Fortsätze rückgebildet). — Die Rippen bestehen im Allgemeinen
aus einem oberen und einem unteren Stück, von welchen das letztere
sich gewöhnlich lange Zeit, oft zeitlebens, knorpelig erhält und
meistens überhaupt nur unvollständig verknöchert; bei den Kloaken-
thieren ist zwischen diesen beiden Abschnitten noch ein drittes Stück
eingeschoben (vergl. die Krokodile). Von den Rippen heften sich
im Allgemeinen die Mehrzahl, die vorderen, die sogenannten wahren
Rippen, an das Brustbein, während die hinteren, die falsc hen R,,
mit ihrem unteren Theil sich an einander und an die hinterste
wahre Rippe legen, oder ganz frei enden. Am oberen Ende der Rippe
findet sich an der äusseren Seite in der Regel ein Höcker (fehlt
häutig an den hintersten, weniger vollkommen ausgebildeten Rippen),
welcher sich mit dem Querfortsatz des entsprechenden Brustwirbels
verbindet, während das eigentliche obere Ende der Rippe, das
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494
Specieller Theil.
ms
Köpfchen, an einer Gelenkfläche eingelenkt ist, welche an der
Grenze der Wirbeikörper desselben und des vorangehenden Wirbels
liegt (an jedem befindet sich meistens ein Stück
der Gelenkfläche, zuweilen liegt jedoch die ganze
Gelenkfläche an dem hinteren derselben). Die
wahren Rippen — von welchen die vorderste
meistens besonders kräftig ist — werden in der
Regel nach hinten zu immer länger, während die
falschen immer kürzer werden. — Das Brust-
bein, welches fast immer ziemlich lang und
schmal ist, besteht zuerst aus einer Knorpelmasse,
in welcher später eine Reihe Verknöcherungen
erscheint; letztere bleiben in der Regel zeitlebens
getrennt, so dass das ausgebildete Brustbein ein
gegliedertes Aussehen erhält, seltener verschmelzen
sie grösstentheils mit einander (wie beim Menschen).
Das vorderste Stück, der Handgriff (Manu-
brium), ist gewöhnlich breiter als die folgenden:
hinten endet das Brustbein fast immer mit einem
in der Regel schmalen, theilweise knorpeligen
Stück, an welches sich keine Rippen heften, dem
S ch wertfortsatz (Processus xipho'ides). Nur
bei den Kloakenthieren findet sich am vorderen
Ende des Brustbeins ein Vorderbrustbein
(Epistemum), demjenigen der Reptilien entspre-
chend, wie bei manchen Sauriern ein grosser T-
förmiger Knochen ; er fehlt bei den übrigen Säuge-
thieren.
Das Kop fskelet enthält beim erwachsenen Thiere nur spärliche
Knorpeltheile , besteht überwiegend aus Knochen. Mit dem Schädel
sind nicht allein das kleine Zwischen- und das grosse Ober-
kieferbein, sondern auch die dem obersten Abschnitt de3 Kiefer-
bogens angehörigen Knochen unbeweglich verbunden. Von den
letztgenannten Knochen sind übrigens nur das Gaumenbein, welches
sich vorn dem Oberkieferbein anschliesst, und das ziemlich kleine
Plügelbein entwickelt, während das Quadratbein fehl-t
(wenigstens in seiner gewöhnlichen Form ; vergl. übrigens unten beim
Ohr) ; der Unterkiefer, welcher jederseits nur aus einem Knochen
besteht, ist dem Schädel direkt eingelenkt. Es finden sich zwei
Hinterhaupts-Gelenkhöck er statt nur eines bei Reptilien und
Vögeln. Zwischen den Augenhöhlen ist keine solche plattenförraige.
zusammengedrückte Partie wie bei manchen Reptilien etc. vorhanden,
die Schädelhöhle erstreckt sich vorne bis an die Nasenhöhlen.
Letztere sind gewöhnlich sehr stark entwickelt; sie sind von einander
durch eine ursprünglich ganz knorpelige, später theilweise durch
Knochen ersetzte Platte getrennt, welche von der Vorderwand der
Schädelhöhle entspringt und sich nach vorne erstreckt; auch seitlich
und oben sind die Nasenhöhlen zuerst von knorpeligen Theilen — der
vordersten Partie des knorpeligen Schädels — umgeben, später ver-
knöchern diese theils, theils werden sie von Deckknochen überlagert
und schwinden unter diesen, mit Ausnahme jedoch derjenigen Knorpel-
partien, welche die den äusseren Nasenlöchern am nächsten liegenden
Abschnitte der Nasenhöhlen umgeben (die knorpelige Nase).
Fig. 838. Brustbein
und Kippenknorpel eine«
Hundes. />< Handgriff,
x« Schwertfortsatz , um
Übrige Knocben«tucke. —
Nach Flower.
-Digitized b
y-Go
Wirbelthiere. 6. Clwse: Säugethiere.
495
B c
Fig. 839. Schädel eines Hunde». A der Länge nach durchsägt, B von oben,
C von unten. Die knorpeligen Theile sind entfernt. A8 seitliche Theilc (Flügel) des hin-
teren Keilbeines, BO unteres Hinterhauptsbein, /;.v hinteres Keilbein, OK Siebbein, ET eines
der vom Siebbein entspringenden Knochenblättchen, ExO äusseres Hinterhauptsbein, Fr Stirn-
bein, //' Zwischenschcitelbein, L Thräncnbcin, Ma Jochbein, ME knöcherner Theil der Nasen-
scheidenwand (hängt hinten mit dem Siebbein zusammen), Mt untere Muschel, Mr Oberkiefer-
bein, Ha Nasenbein, 08 seitliche Theile (Flügel) des vorderen Keilbeines, Ba Scheitelbein,
Ber Felsenbein, Bl Qaumenbein, /'.'/•• Zwischenkieferbein, BS vorderes Keilbein, Bt FlUgelbein,
80 oberes Hinterhauptsbein, Sq Schuppenbein, Ty Paukenbein, l'o Pflugscharbein, ch, gft, s/i
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496
Specialer Theil.
Beim ausgebildeten Thier sind die Nasenhöhlen somit von ver-
schiedenen Knochen umgeben : seitlich besonders vom Oberkiefer-
bein, oben besonders von den stark entwickelten plattenformigen. in
der Mittellinie zusammenstossenden Nasenbeinen, unten vom
Gaumendach (hartem Gaumen), welches von wagerechten, in der
Mittellinie zusammenstossenden Theilen der Zwischenkiefer-, Ober-
kiefer- und Gaumenbeine gebildet wird Hinten ist in der ursprüng-
lich knorpeligen Querscheidewand zwischen Schädelhöhle und Nasen-
höhlen ein von vielen feinen Oeffnungen (für die Geruchsnerven)
durchbohrter Knochen, das S i eb b e in , vorhanden, von dessen Vorder-
seite dünne gefaltete Knochenblättchen entspringen, welche (von einer
dünnen Haut überkleidet) weit in die Nasenhöhlen hineinragen. Weiter
vorn in der Nasenhöhle ist an der äusseren Wand ein besonderer,
aus einer grösseren oder kleineren Anzahl feiner Knochenblättchen
zusammengesetzter Knochen, die untere Muschel, angebracht,
welche mit den genannten Blattchen des Siebbeins zusammen den
grössten Theil der Nasenhöhle ausfüllt. Mit der Nasenhöhle stehen
bei den Säugethieren grössere oder kleinere Lufthöhlen (Fig. 340)
in gewissen Knochen des Kopfes in Verbindung, namentlich im Ober-
kieferbein (Kieferhöhle) und im Stirnbein (Stirnhöhle); zu-
weilen (beim Ochsen, Elepnant etc.) haben diese Höhlen einen be-
deutenden Umfang, erstrecken sich dann auch in andere Knochen als
die genannten hinein, werden durch unvollständige Scheidewände in
mehrere oder viele kleine Räume getheilt. Von anderen für das
Kopfskelet charakteristischen Verhältnissen mag hervorgehoben werden,
dass an jeder Seite von der Stelle, wo der Unterkiefer eingelenkt ist.
*) Vorne an der Grenze der Zwischen- und der Oberkieferbeine ist das Gaumen-
dach von zwei Oeffnungen (Canales incisivi) durchbrochen, durch welche die S. 350-
erwähnten Stensen'schen Gänge hindurch treten.
Glieder des vorderen Zuugenbeinhoros, hh Körper de« Zungenbeins, th hinteres Horn, au Äusseres
Nasenloch, cd Gelenkflttchc des Unterkiefers, ram O h re n o ftn u n g , fm Hiuterhauptsloch, Gelenk -
tUche am Schttdel fllr den Unterkiefer, oc Hinterhaupta-Gelenkhöcker, * die Stelle, wo die
Unterkieferhälfte sich mit derjenigen der anderen Seite verbindet. — Die Übrigen Bezeich-
nungen haben fttr unsere Zwecke kein Interesse. — Nach Flower.
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Wirbelthiere. 6. Claase: Säugethiere. 497
eine knöcherne Brücke, der Joch bogen1), zum Oberkieferbein hin
verläuft; derselbe ist von einem Fortsatz des Schuppenbein« (vergl.
unten), vom Jochbein und zuweilen von einem Fortsatz des Ober-
kieferbeins gebildet (vergl. die ähnliche Knochenbrücke der Reptilien
und Vögel, welche von Quadratjochbein und Jochbein gebildet ist). —
Das Zungenbein besteht aus einem unpaarigen Körper und
zwei Hörnern an jeder Seite. Das vordere Horn, welches dem
Zungenbeinbogen der Fische entspricht, ist gewöhnlich das längere
und aus drei beweglichen Gliedern zusammengesetzt; es ist mit
seinem oberen Ende am Schädel (Felsenbein) festgeheftet. Das
hintere Horn, welches dem 1. Kiemenbogen entspricht, ist kurz und
ungegliedert.
Das Hinterhauptsloch ist von vier Knochen umgeben: dem oberen,
dem unteren und den beiden seitlichen Hinterhauptsbeinen, von
denen die seitlichen die Gelenkhöcker tragen , welche sich jedoch auch auf
das untere Hinterhauptsbein hinab erstrecken können. Vor letzterem liegt
das hintere Keilbein (ftisistphmöidrmn) , vor diesem wieder das
vordere Keilbein (Praesphetmideum), beide in der nach unten gekehrten
Partie des knorpeligen Schädels entwickelt und beide mit flügelförmigen
Seitentheilen versehen, welche an der Begrenzung der 8chädelhöhle theil-
nehmen; vor dem vorderen Keilbein liegt das vorhin erwähnte Siebbein.
Vor dem seitlichen Hinterhauptsbein liegt derjenige Knochen, in welchem
das innere Ohr seinen Platz hat, das Felsenbein; an dieses schliesst
sich aussen da« Schuppen bei n, von welchem der Jochbogen entspringt ;
ferner liegt demselben ein ringförmiger Knochen an, in welchem das
Trommelfell ausgespannt ist, das Pauk en bei n (l\jmpanic*im)', bei manchen
Sängcthieren verschmelzen diese drei Knochen frühzeitig mit einander und
werden mit dem gemeinsamen Namen Schläfenbein (Temporale) be-
zeichnet. Oberhalb des oberen Hinterhauptsbeins findet sich ein einfacher
oder paariger Knochen , das Zwischenscheitelbein (Interjwietale),
welches bei manchen Säugethieren (z. B. beim Menschen) schon im embryo-
nalen Leben mit dem oberen Hinterhauptsbein verschmilzt. Vor dem
ZwischenBcheitelbein liegen die beiden, meistens grossen, Scheitelbeine,
vor diesen die Stirnbeine; letzteren ist, am Vorderrand der Augenhöhle,
jederseits das Thränenbein (Ijurymaie) angelagert, durch welches der
Thränenkanal verläuft. Der hinterste Theil der Nasenscheidewand ver-
knöchert und wird zu einer senkrechten, hinten mit dem Siebbein zusammen-
hängenden Knochenplatte, der Jjamina jterjirntlicularis des 8iebbeins, während
der vordere Theil knorpelig bleibt; der untere Theil der Nasenscheidewand
wird von einem unpaarigen, rinnenförmigen, zusammengedrückten Knochen,
dem Pflugscharbein (Vom er: entspricht schwerlich den gleichnamigen
Knochen der niederen Wirbelthiere), gebildet. — Von den im Kopfskelet der
Reptilien vorhandenen Knochen fehlen ausser dem Quadratbein noch das
Vorder- und das Hinterstirnbein, das Quadratjochbein, das Querbein und
das Säulenbein. — Im Allgemeinen sind die Knochen des Säugethier-
Schädels nur bei den Jungen gesondert, verschmelzen später alle oder zum
grossen Theil mit einander.
Die ungemein verschiedene äussere Form, welche der Schädel der
Säugethiere darbietet, ist wesentlich durch die verschiedenartige Ent-
*) Bei nicht wenigen Bäugethieren findet sich ungefähr an der Mitte des Joch-
bogen» ein Fortsatz, welcher mit einem ähnlichen vom Stirnbein zusammentrifft
und mit diesem eine Knnchenhrücke hinter dem Auge bildet.
Bon«, Znolofrie. 32
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498
Spedeller Theil.
wicklung der an und in demselben angebrachten Organe bedingt. Von
grosser Bedeutung ist in dieser Beziehung das Gehirn; durch eine starke
Entwicklung des Gehirns im Verhältniss zu den übrigen dem Kopf an ge-
hörigen Organen wird der hintere Theil des Kopfskeletes im Vergleich mit
dem vorderen Abschnitt (der Gesichtspartie) überwiegend ausgebildet, wie
solches z. B. beim Menschen der Fall ist. Auch die verschiedenartige
Entwicklung der Zähne hat einen hervorragenden Einfluss auf die Form
des Schädels ; eine mächtige Ausbildung der Zähne führt eine entsprechende
Ausbildung derjenigen Knochen mit sich, in welche dieselben eingepflanzt
sind, ebenso wie auch derjenigen Theile, von denen die Kaumuskeln ent-
springen. Die Entwicklung der in den Nasenhöhlen angebrachten Theile
spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, ferner auch die sehr variirende Aus-
bildung der Augen ; auch hat das Vorhandensein von Hörnern oder Ge-
weihen auf dem Kopf stärkeres oder schwächeres Wachsthum derjenigen
Theile des Schädels zur Folge, mit denen sie verbunden sind. — In un-
fangreichen Schädeln, bei Thieren mit grossen Zähnen, Hörnern etc.,
nehmen die Lufthöhlen oft einen sehr grossen Raum ein: die grossen
Knochenmassen , welche nothwendig sind, um diese Theile zu tragen, um
Muskeln Ansatzflächen darzubieten etc., sind — was natürlich in mehrfacher
Beziehung für das Thier von Bedeutung ist — überall ausgehöhlt,
indem die Lufthöhlen überall in dieselben vordringen (dies ist z. B. beim
Pferd, Elephant, Rind etc. der Fall). — Es mag an dieser Stelle auch noch
hervorgehoben werden, dass der Schädel des jungen Thieres in seiner
äusseren Form oft von dem des Erwachsenen sehr abweichend ist: das
Gehirn ist verhältnissmässig grösser, die Zähne und Kaumuskeln schwächer,
die Geeichtspartie desshalb klein, die Lufthöhlen wenig entwickelt, die vor-
springenden Kämme, von denen die Kaumuskeln ihren Ursprung nehmen,
klein oder gar nicht vorhanden, etc. *)
Der Schultergürtel verhält sich bei den Kloakenthieren
in der Hauptsache wie bei den Reptilien: sowohl das Sc hu Her -
Fig. 341. Fig. 342.
Fig. 341. Rechte Hälfte des Sc Ii u 1 1 e r gU r t e 1s eines jungen S c h n a be 1 1 b i e r« *
el Schlüsselbein, fo' vorderer, co hinterer Theil des Coracoid», / Gelenkpfanne, »c Schulter-
blatt. — Orig.
Fig. 842. Rechte Hälfte desSchultergUrtels einet jungen Affen; Schulterblatt in
starker VerkUrxuog gesehen, k Kamin des Schulterblattes. Uebrige Buchstaben wie in d*r
vorigen Figur. — Orig.
blatt als das Coracoid sind wohlentwickelt, letzteres ist breit und
abgeplattet, in ein vorderes und ein hinteres Stück getheilt und ver-
') 8ehr oft verhalten die Schädel kleiner (erwachsener) Säugethiere sich zu
den Schädeln grösserer nachstverwandter Formen in mehreren Punkten wie jugend-
liche Thiere zu erwachsenen derselben Art: die Gehirnpartie ist grösser, die
Muakelkämme sind schwächer etc.
Wirbelthiere. 6. Clause: Säugethiere.
499
bindet sich mit dem vorderen Ende des Brustbeins; auch ein
Schlüsselbein ist bei den Kloakenthieren vorhanden, es geht vom
Rande des Schulterblattes an das Vorderbrustbein, ganz wie bei den
Reptilien. Bei den übrigen Säuget liieren ist dagegen eine be-
deutende Veränderung eingetreten: dasCoracoid ist rudimentär ge-
worden, nur das äussere (obere) Ende ist in Form eines Fortsatzes
am unteren Ende des Schulterblattes, des Rabenschnabelfort-
satzes (Processus coracoideus)1) , vorhanden, welcher das Brustbein
nicht erreicht. Das Schulterblatt ist gewöhnlich eine breite
Platte, deren obere Randpartie in der Regel knorpelig bleibt ; es ist
an seiner äusseren Fläche mit einem aufrechten Längskamm versehen,
an dessen untere vortretende Spitze (Acromion} das äussere Ende
des Schlüsselbeins geheftet ist, während das innere Ende des
letzteren sich am Brustbein befestigt. Bei manchen Säugethieren fehlt
übrigens das Schlüsselbein (z. ß. bei allen Hufthieren) oder ist in
rudimentärer Form vorhanden (Hund), in welchen Fällen der Schulter-
gürtel keine direkte Verbindung mit dem Skelet des Rumpfes besitzt ;
bei anderen, z. B. bei grabenden, kletternden und fliegenden Säuge-
thieren, ist das Schlüsselbein dagegen ein kräftiger, in der Regel
stabförmiger Knochen.
Das Skelet der Vordergliedmaassen besteht aus den ge-
wöhnlichen Theilen. Die Knochen des Unterarmes sind meistens
entweder von ungefähr gleicher Stärke, oder die Speiche ist, wenigstens
am unteren Ende, stärker; oft ist sognr der untere Theil der Elle
rudimentär, während das obere Ende, welches den bei den Säuge-
thieren meistens grossen und vortretenden Eilbogen trägt, selbst
dann gewöhnlich wohlentwickelt ist. Oft kreuzen beide Knochen
einander, indem oben die Speiche am äusseren, die Elle am
inneren Theil des unteren Endes des Oberarmbeins eingelenkt ist.
während unten die Speiche sich mit dem i nneren, die Elle mit dem
äusseren Theil der Handwurzel verbindet; in anderen Fällen wird
aber die Elle oben ganz hinter die Speiche gedrängt, so dass keine
eigentliche Kreuzung stattfindet. Beide Knochen sind entweder be-
weglich *) oder häufiger unbeweglich mit einander verbunden ; in
letzterem Fall verwachsen sie oft mit zunehmendem Alter. Die
Handwurzel besteht aus zwei Querreihen von Knochen; in der
proximalen Reihe finden sich die gewöhnlichen drei Knochen, in der
distalen vier Knochen, indem die beiden äusseren der typischen fünf
Knochen (Carpalia Nr. 4 und 5) zu einem verschmolzen sind 3). Am
äusseren Rand der Handwurzel findet sich ein ziemlich grossser Se-
samknochen, das Erbsenbein {Pisiforme). Von den fünf Fingern
besitzt der Daumen (Nr. 1) zwei Glieder, die übrigen nur je drei;
') Beim jungen Thier ist dieser* Fortsatz durch zwei besondere Verknöche-
rungen vertreten, welche später mit dem Schulterblatt verschmelzen (vergl. Fig. 342).
*) Das untere Ende der Speiche kann dann im Zusammenhang mit der Hand
(welche nur an einer begrenzten Stelle mit der Elle, sonst mit der Speiche verbunden
ist) mehr oder weniger nach aussen schwingen, sehr stark z. B. beim Menschen.
*) Die Handwurzelknochen werden bei den Säugethieren gewöhnlich mit
folgenden Namen bezeichnet: in der proximalen Reihe von innen nach aussen
Naviculare, Lunatum, Triquetrum; in der distalen Reihe Multanguhm majus,
Mult. mintts, Capitatum, Hamatum. In einigen Fällen (bei Reduction der Anzahl
der Mittelhandknochen) können einzelne dieser Knochen fehlen ; auch können Ver-
schmelzungen zwischen einigen derselben stattfinden. Selten ist ein Centrale zwischen
den Reihen entwickelt.
32*
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500
Specieller Theil.
nur in gewissen sehr umgebildeten Vordergliedmaassen (bei den Walen)
kann die Gliederzabi vermehrt werden. Bei gewissen Säugethieren
ist der Daumen freier beweglich als die übrigen Finger, so dass die
Hand ein Greifwerkzeug wird. Bei Säugethieren, bei denen er diese
Function nicht besitzt, findet man häufig eine Reduction des Daumens
oder er fehlt ganz. Auch andere Finger können verkümmern oder
ganz verschwinden, namentlich bei Formen, deren Gliedmaassen in
ausgeprägtem Grade als Geh- oder Laufbeine entwickelt sind (Huf-
thiere); bei einer Beschränkung der Anzahl werden die übrig ge-
bliebenen oder einige derselben um so kräftiger ausgebildet. Eine
Verschmelzung von mehreren Mittelfussknochen kann in solchen Fällen
ebenfalls stattfinden. Ueberhaupt bietet die Ausbildung der Vorder-
gliedmaassen, bei Anpassung an verschiedene Function (Graben, Klet-
tern, Flug etc.), eine grosse Mannigfaltigkeit dar (vergl. auch die spe-
cielle Darstellung).
Das Becken zeichnet sich bei den Säugethieren dadurch aus,
dass das Darmbein nach hinten gerichtet ist. die Anheftungsstelle
desselben an die ßeckenwirbel liegt gegen sein vorderes Ende, die
Gelenkpfanne am hinteren Ende (während das Darmbein z. B. bei
den Reptilien nach unten oder nach unten und vorne gerichtet ist).
Fig. 348. Linke Hälft« des Beckens von einem jungen Ornilhorhynchua. I Gelenk-
pfanne, «7 Darmbein, i'a Sitzbein, p Schambein ; x die Stelle, wo Sitz- und Schambein unten
an einander grenzen; m Beutclknochou. — Orig.
Flg. 344. Linke Hälfte des Beckens eines neugeborenen Kalbe», verkleinert, c die
Stelle, wo Sitz- und Schambein unten mit einnnder verwachsen sind ; übrige Bezeichnung
wie in der vorigen Figur. — <>rig.
Scham- und Sitzbein jeder Seite vereinigen sich unten mit einander,
das Schambein ausserdem in der Mittellinie mit dem der anderen
Seite, was auch beim Sitzbein der Fall sein kann; selten fehlt eine
Verbindung zwischen beiden Beckenhälften ganz (z. B. bei gewissen
Insektenfressern). Beim erwachsenen Thier sind alle drei Knochen
jeder Beckenhälfte völlig verschmolzen ').
*) Auch die Verbinduno; der beiden Beckenhälften unten in der Mittellinie
kann in eine Verwachsung derselben übergehen, ebenso wie auch die Verbindung
zwischen Darmbein und Becken wirbeln. Bei einigen Säugethieren (z. B. gewissen
Edentaten) kann das Sitzbein sich mit den hinteren unechten Beckenwirbeln ver-
binden und verwachsen.
Fig. 343.
Fig. 344.
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Wirbelthierc. 6. Claste: Säugvthiere.
501
Bei den Kloakenthieren und den Beutelthieren ist dem vorderen Hand
der Schambeine ein Paar nach vorn gerichteter Knochen, die sogen.
Beutelknochen, angeheftet ; sie dürften als den Bauchmuskeln angehörige
Sehnenverknöcherungen aufzufassen sein.
Hintergliedmaassen. Von den beiden Knochen des Unter-
schenkels ist das Schienbein immer stärker als das Wadenbein,
welches oft sehr dünn oder sogar in seinem unteren Theil unvoll-
ständig ist ; häufig ist letzteres unten mit dem Schienbein verwachsen.
Vor dem Gelenk zwischen Schenkel und Unterschenkel (Kniegelenk) ist
eine grosse Kniescheibe vorhanden. Die Fusswurzel enthält in
ihrer proximalen Reihe nur zwei Knochen, das Sprungbein
(Astragalus) innen, und das Fersenbein (Calcaneus), mit der stark
vorspringenden Ferse, aussen und hinten. Die Bewegung im Fuss-
gelenk findet ganz überwiegend zwischen dem unteren Ende des
Unterschenkels und dem Sprungbein (oder zugleich dem Fersenbein)
statt, während die Bewegung zwischen den Fusswurzelknochen unter
sich im Allgemeinen nur gering ist (vergl. die ganz abweichenden
Verhältnisse bei Reptilien und Vögeln). In der distalen Reihe finden
sich vier Knochen1) ebenso wie in der Hand; eine Centrale
(Naviculare) findet sich zwischen beiden Reihen an der inneren Seite.
Mittelfuss und Zehen bieten, was Gliederanzahl
etc. betrifft, dieselben Verhältnisse dar wie die
Mittelhand und Finger; auch in Bezug auf die
speciellere Ausbildung, die Reduction der
Zehenzahl etc. finden sich in Allgemeinen ent-
sprechende Verhältnisse. Zuweilen ist jedoch
die Hand in einer Weise, der Fuss in einer
anderen entwickelt (z. B. bei springenden
Thieren, bei ausgeprägten Gräbern etc.).
Ausser den schon oben erwähnten Sesam-
b einen (Erbsenbein, Kniescheibe) sind bei den
Säugethieren noch andere vorhanden ; namentlich
finden sich häufig unterhalb des Gelenkes zwischen
jedem Mittelhaudknochen und dem ersten Finger-
glied (und ebenso zwischen jedem Mittel fuss-
knochen und dem ersten Zehenglied) zwei kleine
Knochen, und unterhalb des Gelenkes zwischen
vorletztem und letztem Finger(Zehen)glied ein Se-
samknochen; ausserdem andere weniger allgemein
vorkommende.
Ein allgemeiner Charakter des Säugethier-
skeletes besteht darin, dass die Endpartien zahl-
reicher, besonders der langen Knochen, ferner auch
viele Fortsätze, besonders verknöchern, so dass
man bei jüngeren Thieren manche Knochen aus
mehreren Stücken zusammengesetzt findet, welche
später verschmelzen. Die besonders verknöcherten
Endstücke oder Fortsätze nennt man Epiphysen.
Das Gehirn ist in mehreren Beziehungen
charakteristisch ausgebildet. Das Vorder-
hirn (Grosshirn) ist von bedeutender Grösse,
Fig. 345. Schienbein einet
einjährigen Pferdes, um die
Epiphysen e und t zu
«eigen. — Orig.
') Cuneiforme 7, IT, III und Cuboideum, letzteres den Tarsalia 4 -f 5 ent-
sprechend.
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502
Spccieller Theil.
an seiner Oberfläche mit labyrinthisch gewundenen tiefen Forchen
versehen, welche wulstförmige Erhebungen, die Windungen (Gyri),
von einander abgrenzen, seltener glatt oder fast glatt, wie z. B. bei
den Nagern ; es überdeckt nicht allein das Zwischenhirn, sondern ge-
wöhnlich auch das Mittelhirn, bisweilen sogar theilweise das Hinter-
hirn. Für die Säugethiere eigenthümlich ist der sogenannte Hirn-
balken (Corpus callosum), ein grosses System querverlaufender
Nervenfasern, welches von einer Halbkugel des Grosshirns zur anderen
geht, wo diese dicht an einander gelagert sind; der Hirnbalken ist
am schwächsten bei den Kloaken- und ßeutelthieren entwickelt. Das
Mittelhirn ist dadurch ausgezeichnet, dass seine Oberfläche nicht
allein mit einer Längsfurche, sondern auch mit einer Querfurche ver-
sehen ist, so dass es oben vier Erhebungen besitzt (Vierhügel, Corpora
quadrigemina). Das Hinterhirn ist stark entwickelt; seine sehr
verdickte obere Wand (Kleinhirn) zerfallt in eine mittlere Partie und
zwei Seitentheile und ist mit tiefen Querfalten versehen.
In Bezug auf die Grösse des Gehirns im Verhältnis« zum übrigen
Körper spielt der höhere oder niedrigere intellectuelle Standpunkt der be-
treffenden Art eine bedeutsame Bolle (vergl. z. B. die enorme Entwicklung
des Gehirns beim Menschen). Es giebt aber auch andere Verhältnisse,
welche von grosser Bedeutung sind. Namentlich ist es eine Regel, dass
kleine Säugethiere ein verhältnissmässig grösseres Gehirn haben als
ihre nächsten Verwandten von bedeutenderer Grösse ; im Ganzen kann man
sagen, dass sehr kleine Säugethiere ein verhältnissmässig grosses, sehr
grosse ein verhältnissmässig kleines Gehirn besitzen (so hat z. B. der Ele-
phant trotz seiner hervorragenden intellectuellen Eigenschaften ein verhält-
nissmässig sehr kleines Gehirn). — Es kann hier auch hervorgehoben
werden, dass das Gehirn bei jungen Thieren verhältnissmässig grösser ist
als bei den erwachsenen.
Geruchsorgane. Die inneren Nasenlöcher öffnen sich beim
Embryo eine Zeitlang weit vorne in die Mundhöhle ebenso wie bei
den meisten Reptilien; aber schon frühzeitig entwickelt sich oben in
der Mundhöhle an jeder Seite eine Leiste, welche bald mit derjenigen
der anderen Seite verwächst und so eine wagerechte Scheidewand
bildet, so dass die inneren Oeffnungen der Nasenhöhlen viel weiter
nach hinten rücken. In den Nasenhöhlen, welche gewöhnlich einen
bedeutenden Umfang besitzen, bilden sich an der äusseren und hinteren
Wand vorspringende Falten, die Nasenmuscheln, welche sich
in der Regel zu sehr grossen Blättern entwickeln, die wieder mit
Falten versehen werden, sich zusammenrollen etc., so dass sie Gebilde
von ziemlich complicirter Beschaffenheit werden; sie sind zuerst von
Knorpel gestützt, welcher aber später ganz oder theilweise verknöchert
(die unteren Muscheln und die Blättchen des Siebbeins sind Ver-
knöcherungen dieser Knorpelpartien). Die Riechzellen haben
ihren Platz in derjenigen Partie der Schleimhaut, welche den aller-
hintersten Theil der Nasenhöhle, der Querplatte des Siebbeins zu-
nächst, bekleidet; die Schleimhaut ist hier gelbbraun. Der übrige
Theil der Nasenhöhlen hat keine Bedeutung als Geruchsorgan; in
seiner Schleimhaut findet sich, ausser schleimabsondernden Drüsen,
ein reiches Gefässnetz, welches nach der Auffassung einiger Verfasser
die Aufgabe hat, die Luft zu erwärmen, welche durch die Nasenhöhlen
hindurch in die Lungen tritt. — Die oben (S. 496) erwähnten Luft-
höhlen in einigen der Knochen des Kopfes sind Ausstülpungen der
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Wirbelthiere. 6. Claase: Säugcthiere.
503
Nasenhöhlen und mit einem Häutchen ausgekleidet, welches eine Fort-
setzung der Schleimhaut jener darstellt.
Augen. Von den Augenlidern ist — im Gegensatz zu den-
jenigen anderer Wirbelthiere — das obere grösser und beweglicher
als das untere. Eine Nick haut ist im Allgemeinen vorhanden, aber
weniger als bei Vögeln und Reptilien entwickelt und nicht mit be-
sonderen Muskeln ausgestattet; sie gleitet vor einen Theil der Aussen-
fläche des Augapfels hin, wenn letzterer in die Augenhöhle zurück-
gezogen wird.
Die Sehnenhaut besteht aus Bindegewebe, ohne Knorpel oder
Knochengewebe; sie ist bei einigen Säugethieren, besonders bei den Walen,
von sehr bedeutender Dicke. In der Gefässhaut findet man häufig eine
eigentümlich ausgebildete, grünlich, bläulich oder weisslich schillernde
Partie von etwas verschiedenem Baue, das Tapet um (z. B. beim Pferd,
den Wiederkäuern, den Baubthieren). Die Form der Pupille ist ver-
schieden, entweder kreisrund (z. B. beim Menschen u. a.) oder eine senk-
rechte (Katze, Fuchs) oder wagerechte Spalte (Pferd, Wiederkäuer).
Gehörorgan. Der Sehn ecken gang ist noch bei den
Kloakenthieren dem entsprechenden Theil der Reptilien und
Vögel ähnlich, dagegen ist er
bei den übrigen Säugethieren
weit länger und spiralig auf-
gerollt. Ebenso wie bei den
Reptilien findet sich ein ova-
les und ein rundes Fenster
gegen die Paukenhöhle zu.
Anstatt eines Hörknochens
finden wir bei den Säuge-
thieren eine Reihe von drei:
den Hammer (Malleus), wel-
cher sich mit dem Trommel-
fell verbindet, den Amboss
(Incus) und den Steigbügel
(Stapes), dessen plattenförmige
Endpartie das ovale Fenster
schliesst. Der Steigbügel ent-
spricht zweifellos dem ver-
knöcherten Theil des Hör-
knochens der Reptilien und
Vögel (oder dem inuereu Theil
desselben); bei den Kloaken-
thieren besteht er ebenso wie
dieser aus einem einfachen
Schaft und einer Platte, bei
den übrigen ist der Schaft
in der Regel breiter und durchbohrt, wodurch das Knöchelchen
einem Steigbügel ähnlich wird. Die Deutung der beiden anderen
Gehörknöchelchen ist zweifelhaft Für die Säugethiere charakte-
') Der Hammer wird von Einigen als dem Quadratbein der Reptilien homolog
aufgefasst, während dann der Amboss als dem äusseren Theil des Gehörknöchelchens
derselben entsprechend betrachtet wird; Andere meinen, dass der Amboss dem
guadratbein, der Hammer dem oberen hinteren Knochen des Unterkiefers der
eptilien (Articulare) entspricht. Vielleicht enteprechen alle drei Gehörknöchelchen
Fig. 846. Querschnitt des Kopfes eine» Säuge-
t liiere», um die Verhältnisse des Gehörorgans zu
zeigen; Schema (das Labyrinth ist verhältnissmäasig
viel zu gross gezeichnet, etc.). a Ampulle, b Bogen-
gang (nur ein Bogengang ist dargestellt), c Schnecken-
gang ; ta Sacculua, u Utriculus (zusammen der Vor-
hof) ; um das Labyrinth herum Lymphräume, in der
Figur schwarz, k Schädelknochen , Allammer, am Am-
boss, s Steigbügel, ( Paukenhöhle, r rundes Fenster,
e Ohrtrompete, tr Trommelfell, y äusserer Gehörgang,
«»' äusseres Ohr. — Orig. (mit theilweiser
älterer Figg.).
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504
Spezieller Theil.
ristisch ist die Ausbildung eines äusseren Gehörganges: die
Grube, in deren Boden das Trommelfell bei den Reptilien seinen
Platz hat, ist bei den Säugethieren zu einer längeren Röhre geworden,
deren innerer Theil oft verknöchert ist (eine röhrenförmige Ver-
längerung des Paukenbeins), während der äussere Theil von knorpeligen
Theilen gestützt ist. Die äussere Oeffnung ist in der Regel von dem
äusseren Ohr umgeben, einer grossen Hautfalte von verschiedener
Form, welche ansehnliche elastische Knorpeltheile enthält.
Die Paukenhöhle, welche in das Schläfenbein eingeschlossen liegt,
ist oft von recht beträchtlichem Umfange, so dass die umgebenden Knochen-
partien (besonders das Paukenbein) zu einem blasenförmigen Theil (BuUaJ
anschwellen ; zuweilen steht die Paukenhöhle mit luftgefüllten Hohlräumen
der benachbarten Knochen in Verbindung (vergl. Krokodile und Vögel).
Die Ohrtrompeten haben in der Regel theilweise knorpelige Wände ;
sie münden getrennt in den Schlund. Beim Pferd hat jede Ohrtrompete
eine sehr grosse dünnwandige sackförmige Erweiterung.
Die Mundhöhle ist bei jungen Embryonen ein einheitlicher
Hohlraum ebenso wie bei den meisten Reptilien etc. Aber die Aus-
bildung des bei den Geruchsorganen erwähnten Gaumendaches hat
zur Folge, dass die Mundhöhle in mehrere Abschnitte gesondert wird,
nämlich : 1) eine hintere ungetheilte Partie, hinter dem hinteren Rande
des Gaumendaches, den Schlundkopf (Pharynx); 2) eine untere
vordere Partie unterhalb des Gaumendaches, die eigentliche
Mundhöhle; endlich 3) oberhalb des Gaumens eine obere vordere
Partie, welche sich mit den Nasenhöhlen vereinigt. Wir betrachten
zuerst die Organe der eigentlichen Mundhöhle und unter diesen zu-
nächst die Zähne.
Die Zähne der Säugethiere sind dadurch ausgezeichnet , dass
ihre Anzahl bei einer und derselben Art im Allgemeinen ziemlich
bestimmt und nicht sehr gross ist, dass ihre Form in der Regel ver-
hältnissmässig complicirt ist, dass sie in Zahnhöhlen sitzen , und be-
sonders durch die eigenthümliche Art des Zahnwechsels, indem
die Zähne nicht wie bei den niederen Wirbelthieren das ganze
Leben hindurch durch neue ersetzt werden, sondern nur zwei Serien
von Zähnen, das Milchgebiss und das bleibende Gebiss, in gesetz-
mässiger Reihenfolge nach einander auftreten; weiter ist hervorzuheben,
dass die Zähne bei den Säugethieren in ausgedehntem Maasse zur
Zerkleinerung der Nahrung, nicht blos zum Festhalten derselben be-
nutzt werden. — Am Säugethierzahn kann man Krone und Wurzel
unterscheiden. Die Wurzel ist der untere1), gewöhnlich schmälere,
oft in mehrere Aeste gespaltene, schmelzlose, aber mit Cement
bedeckte Theil des Zahnes, welcher im Kiefer versteckt bleibt; die
Krone der obere, schmelzbedeckte Theil , welcher gewöhnlich
ganz frei sitzt und in der Regel durch eine deutliche Grenze (eine
Einschnürung oder dgl.) von der Wurzel gesondert ist : in der Regel
ist die Krone cementlos, seltener findet sich an der Oberfläche des
Schmelzes eine dünnere oder dickere Cementschicht. Die Form der
Krone ist sehr verschieden : sie kann einfach kegelförmig oder meissel-
der Säugethiere zusammen dem einzigen Gehörknochen der Reptilien und Vögel
(incl. dessen äusserer knorpeliger Bndpartie).
') Das freie Ende des Zahnes nennen wir stets das obere, das entgegengesetzt*'
das untere Ende, obgleich diese Bezeichnungen eigentlich nur für die Unterkiefer-
zähne richtig sind.
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere.
505
förmig sein, sie kann niedrig und breit mit abgerundeten Höckern
oder mit spitzigen Zacken versehen sein, oder aber stark zusammen-
gedrückt mit mehrfachen Spitzen am Rande ; oder sie ist mit starken
Quer- oder Längskämmen ausgestattet, welche durch Thäler ge-
trennt sind. Letztere können sehr tief werden und sich bis an
den Grund der Krone erstrecken (z. B. an den Backenzähnen des
Elephanten); auch an den Seitenflächen des Zahnes können senk-
rechte Furchen vorhanden sein; meistens sind tiefere Falten ganz
oder theilweise mit Cement ausgefüllt (so beim Pferd und Elephant).
Während des Gebrauches wird sehr häufig, namentlich an gefalteten
Zähnen, die Schmelzschicht an allen vorspringenden Punkten des
Zahnes durch die Abnutzung abgeschliffen und dadurch das unter-
liegende Zahnbein entblösst ; an der Kaufläche sieht man dann Zahn-
beininseln von etwas erhabenen Schmelzstreifen und letztere oft noch
von Cement umgeben (besonders an Zähnen von Pflanzenfressern).
Krone und Wurzel sind an manchen Zähnen ungefähr von derselben
Länge, nicht selten ist die Wurzel etwas länger als die Krone, in
anderen Fällen erreicht dagegen die Krone eine überwiegende
Ausbildung. Letzteres ist besonders bei stark gefalteten Zähnen,
welche einer bedeutenden Abnutzung unterworfen sind, der Fall; bei
solchen ist die Wurzel (resp. die Wurzeln ) oft sehr kurz, die Krone
dagegen sehr lang, und es tritt letztere nicht sofort aus dem Kiefer
in ihrer ganzen Länge hervor, sondern zunächst kommt nur der obere
Theil zum Vorschein, und allmählich, während das freie Ende abgenutzt
wird, schiebt sich der Zahn heraus (solches ist z. B. mit den Backen-
zähnen des Pferdes der Fall). Oft ist die Wurzel nicht einmal ge-
bildet, wenn die Abnutzung des oberen Theiles der Krone schon an-
gefangen hat; in anderen Fällen kommt es überhaupt nicht
zu einer Wurzelbildung: in dem Maasse wie die Krone oben
abgenutzt wird, wächst sie unten, und das Wachsthum des Zahnes
wird nie abgeschlossen: wurzellose Zähne (die Vorderzähne der
Nager, die Backenzähne mancher Formen derselben Gruppe, die Eck-
zähne des Ebers etc.).
Die Zähne sitzen in einer einzigen Reihe längs des Randes des
Zwischen- und Oberkieferbeines und des Unterkiefers ; die Zähne des
Zwischenkiefers werden als Schneidezähne, der vorderste Zahn
des Oberkieferbeines dicht an der Grenze des Zwischenkiefers als
Eckzahn, die übrigen des Oberkiefers als Backenzähne be-
zeichnet; im Unterkiefer wird derjenige Zahn, welcher beim ge-,
schlossenem Munde vor den Oberkiefer-Eckzahn greift, als Eckzahn,
die davor sitzenden als Schneide-, die da hinter sitzenden als Backen-
zähne bezeichnet. Bei den meisten placentalen1) Säugethieren
bewegt sich die Zahl der Zähne jeder Kieferhälfte 2) in dem zweiten,
bleibenden Gebiss innerhalb 11: 3 Schneidezähne (t1, t2, »*),
1 Eckzahn (c), 7 Backenzähne, von denen die vier vorderen als
Prä molaren (pl— /?*), die drei hinteren als Molaren (tnl— ro8) be-
zeichnet werden8). Im ersten Gebiss, dem Milchgebiss, welches
') Vergl. S. 617. Die placentalen S. umfassen sämmtliche Säugethiere mit
Ausnahme der Kloaken- und Beutelthiere.
*) Oben werden ein Zwischenkieferbein und ein Oberkieferbein als eine Kiefer-
hälfte zusammengerechnet.
*) il ist der vorderste (innerste) der Schneidezähne, px der vorderste Prämolar,
m1 der vorderste Molar etc.
506
Specieller Theil.
eine Zeitlang beim jungen Thiere vorhanden ist, später aber ausfällt,
finden sich, wo es am vollständigsten ist, 8 Zähne in jeder Kiefer-
hälfte: 3 Schneidezähne (di*—di*), 1 Eckzahn (de) und 4 Backen-
zähne (dp1 — dp*), welche diejenigen
Plätze im Kiefer einnehmen, die
später von den entprechenden blei-
benden Schneidezähnen , Eckzahn
und Prämolaren besetzt sind; an
den Plätzen der Molaren haben
keine Milchzähne gesessen. Diese
Zahl von Zähnen wird jedoch bei
manchen Säugethieren reducirt, und
zwar betrifft die Reduction sowohl
Schneide- als Eck- und Backenzähne.
Flg. 347. GebiM ein«» Maulwurfs Gewöhnlich ist es durch einen Ver-
( vollständige Zahnformel); die Milchzähne
sind in Umras ober- und unterhalb der
entsprechenden bleibenden gezeichnet, i*
dritter Schneidezahn, c Eckzahn, p Prämo-
«i Molaren. — Nach Ch. Tomes.
gleich nicht schwierig nachzuweisen,
welcher oder welche Zähne es 6ind,
die fehlen. Für die Backenzahnreibe
ist es Regel, dass die Reduction am
vorderen oder hinteren Ende statt-
findet, so dass, wenn nur 6 Backenzähne vorhanden sind, der fehlende Zahn
in der Regel entweder der vorderste Prämolar oder der hinterste Molar
ist ; wenn nur 5 vorhanden sind, fehlen in der Regel entweder px und
p\ oder m3 und m8, oder pl und m3, etc. Bei einigen Gruppen ver-
di ..» .5
f' dp? ^
Fig. 348. Die Zähne einer Sau in Zahnwechsel; die Kiefer aufgcmeisselt. »l— i*
erster — dritter Schneidezahn, c Eckzahn, ^p1— j>*Präniolaren, ml—m* Molaren, di* zweiter Milch-
Schneidezahn, dp* — dp* Milchbackenzähne. (Milchzähne schraffirt.) Von den Milchzähnen
sind di*f di*, de schon ausgefallen; dp1 fehlt beim Schwein. — Orig.
schwinden vorzugsweise die Molaren (bei den Seehunden), bei anderen
die Prämolaren (z. B. bei den Nagern), bei anderen (z. B. der Katze)
fehlen Zähne an beiden Enden der Backenzahnreihe. Die Anzahl
der Milchzähne wird ebenfalls reducirt; fehlt ein Zahn im bleibenden
Gebiss, so ist gewöhnlich auch der entsprechende Milchzahn in Weg-
fall gekommen (es giebt jedoch von dieser Regel mehrere Ausnahmen).
Von den angeführten Milchbackenzähnen fehlt übrigens gewöhnlich
der vorderste (dp1) auch in den Fällen, wenn der entsprechende Zahn
des bleibenden Gebisses (pl) vorhanden ist; selten fehlen andere
Milchzähne, wenn die entsprechenden bleibenden vorhanden sind; zu-
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Wirbelthiere. 6. Claas«: Säugethiere.
fi07
weilen (z. B. bei den Seebunden) fallen die Milchzähne schon wäh-
rend des embryonalen Lehens oder beim neugeborenen Jungen aus
und sind dann sehr schwach entwickelt oder sogar rudimentär. —
Von den Zähnen haben die Backenzähne in der Hegel die compli-
cirteste Form, während die Schneide- und Eckzähne einfacher sind;
die Eckzähne sind meistens kegelförmig, die Schneidezähne häufig
meisselförmig. Die Zähne des Milchgebisses sind gewöhnlich denen
des bleibenden Gebisses ähnlich; es ist jedoch nicht immer so, dass
ein bestimmter Milchzahn in seiner Form eben demjenigen Zahn
gleicht, welcher an seine Stelle tritt ; bei den Raubthieren findet man
z. B. dass jeder Milchbackenzahn ziemlich genau demjenigen bleibenden
Zahn ähnlich ist, welcher einen Platz weiter zurück in der Zahn-
reihe sitzt. — Bei einem Theil der placentalen Säugethiere finden
wir jedoch Abweichungen von den beschriebenen regelmässigen Ver-
hältnissen, indem eine grössere Anzahl von Zähnen auftreten
kann. Besonders findet man solches bei Formen, welche, in Anpas-
sung an eigenthümliche Lebensverhältnisse, in gewissen Beziehungen
so zu sagen auf eine niedere Stufe hinabgedrückt sind; so besitzen
z. B. die Zahnwale, deren Lebensweise so sehr an die der Fische er-
innert, gleichartige, in der Regel kegelförmige Zähne, deren Anzahl
mehrere Mal so gross wie die typische sein kann; auch bei Thieren,
für welche die Zähne nur eine untergeordnete Bedeutung haben,
findet man, dass neben einem Rückgang in der Form und Ausbildung
des einzelnen Zahnes eine Vermehrung der Anzahl einhergeht (z. B.
bei den Gürtelthieren). Bei Formen mit solchen abweichenden Ver-
hältnissen des bleibenden Gebisses findet man häufig ein vollständiges
Fehlen des Milchgebisses. — Die Beutelthiere weichen von den
placentalen Säugethieren in Bezug auf das Gebiss besonders dadurch
ab, dass das bleibende Gebiss sich innerhalb einer etwas grösseren
Zahl als der regulären der placentalen Säugethiere bewegt, und dass
das Milchgebiss nur durch einen einzigen Zahn (Backenzahn) vertreten
ist ; vergl. des Näheren unten bei den Beutel thieren.
Dem oben über die Zähne der 8äugethiere Gesagten kann noch Fol-
gendes hinzugefügt werden. Häufig ist die Schmelzschicht an einigen
Theil en der Krone dünner als an anderen ; oder sie kann an gewissen Theilen
Fig. 848. A Schneidezahn eines
Hundes, kurz nachdem er in Gebrauch
getreten ist; B derselbe Zahn eines
alten Hundes; Längsschnitt«. An dem
jungen Zahn ist die Pulpahöhle sehr gross,
das Cemont noch gar nicht (oder in sehr
unbedeutender Menge) vorhanden; in dem
alten Zahn ist der obere Theil der ursprüng-
lichen Pulpahöhle ganz mit Dentin ausgefüllt
und der übrige Theil derselben sehr eng, das
Cement reichlich entwickelt, die Spitze des
Zahnes abgenutzt, c Cement, d Dentin,
p Pulpahöhle, $ Schmolz. — Orig.
derselben fehlen (z. B. an der Hinterseite der Vorderzähne der Nager), ja
sogar an dem grössten Theil (an den Schneidezähnen des Elephanten findet
sich Schmelz nur an der Spitze des noch nicht abgenutzten Zahnes) oder
508
Specieller Theil.
völlig fehlen (so bei manchen Walen). — Wenn der Zahn aus den Kiefern
hervorbricht und in Gebrauch tritt, ist seine Entwicklung meistens noch
keineswegs abgeschlossen: die Wurzel ist oft nicht fertig gebildet; die Zahn-
beinschicht hat noch nicht ihre volle Mächtigkeit erlangt, die Keimhöhle
ist gross, verkleinert sich allmählich langsam, während das Zahnbein gleich-
zeitig an Dicke zunimmt; auch das Cement an der Wurzel des Zahnes ver-
dickt sich allmählich, es ist bei sehr alten Thieren oft von sehr ansehn-
licher Mächtigkeit, während es bei jungen kaum angedeutet ist; nur der
Schmelz pflegt (von wurzellosen Zähnen abgesehen) vollständig zu sein,
wenn der Zahn in Gebrauch tritt. — Vor dem Ausfallen der Milchzähne
werden gewöhnlich die unteren Theile derselben allmählich in grösserer
oder geringerer Ausdehnung von eigenthümlichen, im umgebenden Binde-
gewebe liegenden Zellen aufgelöst, weggeätzt (resorbirt).
In der speciellen Darstellung wird die Zahl der Zähne folgendem Bei-
spiele gemäss angegeben : ^ t (= 3 Schneidezähne oben, 2 unten auf jeder
Seite), l c (= 1 Eckzahn oben, 0 unten), | fc (= 6 Backenzähne oben,
5 unten), oder $ P (= 3 Prämolaren oben, 3 unten), $ m (= 3 Molaren
oben, 2 unten). Wünscht man ausdrücklich anzugeben, welche bestimmten
Zähne vorhanden sind, so geschieht dies nach folgendem Schema, in welchem
die Zeichen oberhalb der Linie die Zähne der Oberkieferhälfte, die anderen
diejenigen der Unterkieferhälfte bezeichnen: i,.lt..'* — p* ,p* ?*- m>
Bei einer kleinen Anzahl von Säugethieren fehlen Zähne völlig;
zuweilen besitzen jedoch Säugethiere, welche als erwachsene zahnlos
sind (z. B. die Bartenwale), im Embryonalleben oder noch im Jugend-
zustande kleine Zähne, welche jedoch nicht hervorbrechen, sondern
durch Resorption wieder verschwinden.
Für die Säugethiere charakteristisch ist das Vorhandensein einer
Ober- und einer Unterlippe, zweier grosser musculöser Haut-
falten, welche die Kieferränder bedecken, seitlich in einander über-
gehen und die Wangen bilden; sie fehlen nur selten. — Die Zunge
ist sehr musculös, kräftig und beweglich, was von grosser Bedeutung
bei der Bearbeitung der Nahrung in der Mundhöhle wird; sie ist
an ihrer Oberseite mit kleinen spitzen Warzen (PapiUae filiformes)
bedeckt, welche zuweilen an ihrer Oberfläche stark verhornen (bei
den Katzen); ausserdem finden sich in geringerer Anzahl verschiedene
andere Fortsätze (P. fungif armes, circumvaUatae und foliatue), welche
Ge8cbmacksknospen tragen1). — An der oberen Wand der Mundhöhle,
dem harten Gaumen, findet sich bei den meisten Säugethieren
eine doppelte Reihe ziemlich fester Qu er falten, die Gaumenfalten ,
welche bei manchen Säugethieren, z. B. beim Rind, sehr hervor-
tretend, bei anderen ganz oder fast ganz verwischt sind (Mensch);
über die eigenthümliche Entwicklung der Gaumenfalten bei den Barten-
walen vergl. die Wale. — Bei einer geringen Anzahl von Säuge-
thieren (z. B. manchen Affen und Nagern) sind sackförmige Aus-
■
') An der Unterseite der Zunge findet »ich jederseits eine Falte, welche sich
oft vorne mit derjenigen der andern Seite vereinigt; diese Falten, welche man als
Unterzunge bezeichnet, erreichen ihre grösste Entwicklung bei den Halbaffen,
bei denen sie einen zungenähnlichen Anhang an der eigentlichen Zange bilden. —
Im vordersten Theil der Zunge findet sich dicht an der unteren Seite oei manchen
Säugethieren ein länglicher Körper, der sogen. Toll wurm (Lyssa); er ist von
lockerem Bindegewebe umschlossen und besteht selbst aus Muskel- und Bindegewebe ;
zuweilen enthält er einen knorpeligen Theil, welcher, wie es scheint, dem vorderen
dünnen Ende des Zungenbeinkörpers der Saurier (Fig. 297) entspricht.
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere.
f)09
stülpungen der Mundhöhle vorhanden, Reservoire für die aufgenom-
mene Nahrung. Back entaschen. — Ausser kleineren in die Wand
Fig. 350. Medianer Längsschnitt durch den Kopf eines mittelgrossen Hundes, verklein.
Naaetucheidewand entfernt. Die durchgeschnittenen Knochen punktirt. h Kleinhirn, txi Hirn-
balken, c Schadelwand, r Kehldeckel, en Oeffnung der Ohrtrompete, / Grosshirn, g Gaumen-
ilach (harter Gaumen), <jf Gaumentalten, h Haut, j Schneidezahn, in knoq>eliKe Nase, / Toll-
wurm, w» Muakeln, mu Nasenmuscheln, m äusseres Nasenloch, o Riechkolben, oe Speiseröhre,
ol Oberlippe, p Schlundkopf, r Ringknorpel, rro Rückenmark, * Schildknorpel (r und * dem
Kehlkopf zugehörig), tt Gaumensegel, »t Stimmband, I Luftröhre, to Tonsille, ui Unterkiefer,
ul Unterlippe, Z Zunge, zh Znngenbeinkörper. / Atlas, 2 Epistropheus, 4 vierter Halswirbel.
— Orig.
eingebetteten Drüsen öffnen sich in die Mundhöhle mehrere grössere
sogenannte Speicheldrüsen: Ohrspeicheldrüse (Parotis), Unter-
kieferdrüse (Glandula suhmaxUlarit), Unterzungendrüse (Gl. subungualis)1).
Die Mundhöhle im engeren Sinne wird hinten von dem Gaumen-
segel (Velum jKÜatinum) abgeschlossen, einer grossen musculösen,
sehr beweglichen Hautfalte, welche eine mehr oder weniger schräg
') Letztere ist übrigens nicht eine einzelne Drüse, sondern eine Gruppe von
kleineren Drüsen, jede mit einem Ausführungsgang.
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510
Specieller Theil.
liegende Fortsetzung des harten Gaumens bildet. Hinter demselben
liegt der Schlund köpf (Pharynx), in welchen unten, am hinteren,
unteren Rand des Graumensegels, die Mundhöhle, oben die Nasen-
höhlen einmünden; in den Schlundkopf öffnen sich auch die Ohr-
trompeten und die Luftröhre1).
Der Schlundkopf setzt sich in
die Speiseröhre fort, welche
gewöhnlich lang und eng ist.
Der Magen ist in seiner gewöhn-
lichen Form ein kurzer, weiter,
etwas gebogener Schlauch, wel-
cher dicht an der Einmündungs-
stelle der Speiseröhre mit einem
kurzen Blindsack versehen istT
der übrigens ganz allmählich in
den übrigen Theil des Magens
übergeht. Bei verschiedenen
Säugethieren ist der Magen
durch Einschnürungen in meh-
rere Abschnitte getheilt: zu-
sammengesetzter Magen (bei ge-
wissen Nagern, den Walen, den
Wiederkäuern etc.); oder er ist
dadurch ausgezeichnet, dass er
mit mehreren kurzen Blindsäcken
besetzt ist (beim Schwein) ; oder
er weicht auf andere Weise, z. B.
durch langgestreckte darmähn-
liche Form (Känguruh), von der
gewöhnlichen Gestalt ab. Mei-
stens ist die ganze Innenseite des
Magens mit einem Cylinderepithel
bekleidet und seine Wandung mit
zahlreichen Drüschen (Magensaft-
drüsen und Schleimdrüsen) aus-
gestattet; zuweilen setzt sich je-
doch das Epithel der Speiseröhre
— welches ebenso wie dasjenige
der Mundhöhle der Oberhaut ähn-
lich, also ein mehrschichtiges
Plattenepithel ist — eine Strecke
Fig. 851 feh.ua des Dar. ka,.|. de* weH jn den Magen Innern fort;
Menschen. .1 After, Ca, Cd, Ci Dickdarm, l>d \rnn„ ~° „„„ .o Ä„ • '
Dan«*»™, auh Schilddrüse, QUhy Thymus, zuweilen kann es sogar über eine
aU Speicheldrüsen, Lb Leber, Lg Lunge, Jf>Magen, 8ehr betrachtliche Partie de8 M .1-
OfSpeineröhre./'nBauchspeicheidrüBe, /•/•Schlund, gens ausgedehnt sein: der be-
/'rProce-.usvenniformis, ß Enddarm Vit Grenze treffende Theil macht beim Pferde
von iHlnn- und Dickdarm, ;? Zwerchfell. — Nach ^f-.i _ i- rr-if^ j XT„„ „
wiederum. ungeiahr die Hälfte ^ des Magens
aus; bei den meisten Wieder-
käuern sind sämmtliche Magenabtheilungen mit Ausnahme des Lab-
') An der Grenze von Mundhoble and Schiandkopf liegt unten an jeder Seite
eine Mandel (Tonsüla), eine grubige Partie der Schleimhaut, in welcher zahlreiche
LymphfoUikel vorhanden sind. Auch an andern Stellen der Mundachleimhaut sind
Lymphfollikel eingebettet.
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere.
511
magens mit dem mehrschichtigen Epithel bekleidet. — Der Dünndarm
ist von ansehnlicher Länge, am längsten bei Pflanzenfressern. — Der-
jenige Abschnitt des Darmkanals, den wir bei anderen Wirbelthieren
als Enddarm bezeichnen, ist bei den Säugethieren von bedeutender
Länge, gewöhnlich auch ziemlich weit und erhält den Namen Dick-
darm; nur sein Endabschnitt wird als Enddarm bezeichnet. An
der Grenze von Dünn- und Dickdarm entspringt von letzterem fast
immer ein Blinddarm, welcher bei einigen Säugethieren (z.B. dem
Pferd) eine kolossale Entwicklung erlangt, während er bei anderen
kleiner oder sogar rudimentär (z. B. beim Menschen) ist1). — Die
Leber, welche ihren Platz dicht hinter dem Zwerchfell hat, ist in
der Kegel, aber nicht immer, mit einer Galle n blase versehen (die
Gallenblase fehlt z. B. beim Pferd). Die Bauchspeicheldrüse
hat gewöhnlich einen Ausführungsgang2), welcher in den vordersten
Theil des Dünndarms entweder für sich oder erst nach Vereinigung
mit dem Gallengang ausmündet3).
Athmungsorgane. Der Eingang zum Kehlkopf ist eine Längs-
spalte hinter der Zunge, vor dem Eingang zur Speiseröhre. Vor der
Oeffnung befindet sich eine den Säugethieren eigenthümliche Klappe,
der Kehldeckel^ Epiglottis), welcher einen grossen elastischen Knorpel
enthält; er ist unter gewöhnlichen Umständen emporgerichtet, legt
sich aber, wenn Nahrung aus der Mundhöhle durch den Schlundkopf
in die Speiseröhre tritt, über die Oeffnung deR Schlundkopfes hinab.
Der Kehlkopf enthält in seiner Wand grosse Knorpel, nämlich:
hinten den Ringknorpel (Cartilago cricöidta), unten den grossen Schild-
knorpel (C. thyreoädea), vorne und oben die beiden Giesskannenknorpel
(Cartilagines arytaeniotdwe). Die übrige Luftröhre ist gewöhnlich
ziemlich lang, von Knorpelringen gestützt;
hinten spaltet sie sich in die beiden grossen
Luftröhrenäste, welche sich weiter verästeln;
jede Lunge ist, wie schon früher hervorge-
hoben wurde, ein bäum förmig verästeltes Or-
gan, dessen gröbere und feinere Aeste sämmt-
lich hohl sind. Nur in den äussersten Ver-
ästelungen, welche dünne Wände besitzen und
mit kleinen Ausstülpungen (Alveolen) besetzt
sind, findet die Respiration statt; im übrigen r g5>2 Kieiner Theil
Theil des Astsystems besitzen die Röhren einer Säugethicriunge mit
dickere Wände, welche bei den gröberen Aesten (Quecksilber gefüllt, a feinster
sogar ebenso wie die Luftröhre mit Knorpel- Luftröhrenast, & respmremie
ringen Oder -plättchen versehen sind. Alle Theile der Lunge. - Nach Frey.
Aeste werden von Bindegewebe zusammengehalten. — Die Lungen
haben mit dem Herzen zusammen ihren Platz im vordersten Abschnitt
der Leibeshöhle, der Brusthöhle, längs deren oberer Wand auch
die Speiseröhre verläuft, während der übrige Theil des Darmkanals
') Beim Menschen und einzelnen anderen Säugethieren setzt der Blinddarm
sieh in einen dünnen engen Anhang, den Processus vermiformis, fort.
*) Seltener besitzt die Bauchspeicheldrüse zwei Ausführungsgänge, welche ent-
weder beide getrennt in den Darm ausmünden, oder von welchen der eine sich mit
dem Gallengang vereinigt..
*) Das Netz (Omentum majus) ist ein besonders entwickelter Theil des Ge-
kröses, welcher bei manchen Säugethieren vorhangartig die Unterseite des Magens
und der Gedärme bedeckt.
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512
Specieller Theil.
mit8ammt der Niere und den Geschlechtsorganen in dem hinteren,
als Bauchhöhle bezeichneten Abschnitt der Leibeshöhle liegt.
Zwischen Brust- und Bauchhöhle ist eine grosse in der Mitte sehnige,
sonst musculöse Scheidewand, das Zwerchfell, ausgespannt, welches,
wenn seine musculösen Theile erschlafft sind, in die Brusthöhle hinein
gewölbt ist; wenn das Zwerchfell sich contrahirt, plattet es sich ab,
dadurch wird die Brusthöhle vergrössert und die sehr elastischen
Lungen erweitert, was zur Folge hat, dass die Luft von aussen hinein-
strömt; beim Erschlaffen des Zwerchfells werden die Lungen zu-
sammengedrückt und die Luft theilweise ausgetrieben. Das Zwerch-
fell ist somit ein wirksames Werkzeug für den Luftwechsel. Auch
die Muskeln, welche die Rippen bewegen, sind in dieser Beziehung von
Bedeutung ; wenn die unteren Enden der Rippen nach vorne geführt
werden, erweitert sich die Brusthöhle.
Gefässsystem. Wie bei den Krokodilen und Vögeln ist sowohl
Vorhof als Herzkammer in je zwei vollständig getrennte Hälften
getheilt; der linke Vorhof empfangt das Blut von den Lungen, der
rechte Vorhof das Blut vom übrigen Körper. Von der rechten Herz-
kammer entspringen ausschliesslich mit einem gemeinsamen Stamm
die Lungenarterien (die Arterienbögen des vierten Paares). Die
Arterienbögen des ersten und zweiten Paares entspringen sämmt-
lieh mit einem gemeinsamen Stamm, der Körp erarterie, von der
linken Herzkammer (vergl. Fig. 255 F) und führen somit alle arte-
rielles Blut; der rechte Arterienbögen des 2. Paares giebt nur die
Arterie für die rechte Vordergliedmaasse ab, die Aorta wird aus-
schliesslich von dem linken Bogen desselben Paares gebildet (im
Gegensatz zu den Vögeln); das 1. Arterienbogenpaar bildet wie ge-
wöhnlich die Kopfarterien. Bei den Säugethieren besteht demnach
dieselbe vollständige Trennung des arteriellen und des venösen Blutes
wie bei den Vögeln. — Ein Herzkegel fehlt.
Beim neugeborenem Säugethier findet sich noch in der Scheidewand
zwischen den beiden Vorhöfen eine grössere Oeffnung (hhramm ovale),
welche sich jedoch bald schliesst. Ebenso ist ein Verbindungsgang (der
Botallische Gang, vergl. Fig. 255 F, b') zwischen dem 2. linken Ar-
terienbögen und der Lungenarterie (4. Arterienbögen) noch offen ; er bildet
sich nach der Geburt zu einem soliden Strang um.
Die Nieren sind kurze, abgerundete Organe, in deren innerer
Seite ein grösserer Hohlraum von verschiedener Form, das Nieren-
becken, vorhanden ist, in welches die Harnkanälchen einmünden;
von der das Nierenbecken umgebenden . aus den Harnkanälchen zu-
sammengesetzten Nierensubstanz ragen oft mehrere grössere Papillen
in das Nierenbecken hinein. Letzteres setzt sich in den Harnleiter
fort. Eine Harnblase ist stets vorhanden. Ueber die Ausmündung
dieser so wie der Harnleiter vergl. die Geschlechtsorgane.
Bei den Säugethier-Embryonen sind die Nieren eine Zeitlang gelappte
Organe. In der Regel verschmelzen später die Lappen, so dass die Ober-
fläche der Niere glatt wird; innerlich erhalten sich jedoch oft Spuren des
zusammengesetzten Baues in Form der genannten in das Nierenbecken hinein-
ragenden Papillen. Bei anderen bleibt aber auch äusserlich der gelappte
Bau bestehen, z. B. beim Rind, bei den Seehunden etc.
Die Eierstöcke der Säugethiere sind ziemlich kleine Organe,
meistens mit einer glatten oder etwas höckerigen Oberfläche; nur
bei wenigen Säugethieren ( Kloaken thieren , Schwein etc.) erhält der
nigitiTPd hy^pngfr;
Wirbelthiere. fi. Classe: Säugethiere.
Eierstock durch stärkere Hervorwölbung der Graafschen Follikel ein
brombeerartiges oder traubenfbrmiges Aussehen. Die Graafschen
Follikel weichen, wie schon S. 364 geschildert wurde, von denen
anderer Wirbelthiere darin ab, dass sie eine grössere Anzahl Follikel-
zellen besitzen und einen grossen Spaltraum enthalten; bei den
Kloakenthieren ist jedoch ebenso wie
bei niederen Wirbelthieren nur eine
Zellenschicht um das Ei vorhanden und
es fehlt der Spaltraum, wie auch das
Ei bei diesen eine weit bedeutendere
Grösse als bei den übrigen Säugethieren
erlangt. — Die beiden Eileiter zer-
fallen bei den Kloakenthieren in
je einen engen vorderen Abschnitt, mit
dem sich in die Bauchhöhle öffnenden
Trichter, und einen weiteren hinteren
Abschnitt (die Gebärmutter); sie mün-
den getrennt in eine sackförmige Aus-
stülpung der ventralen Wand der Kloake,
den Urogenitalkanal, in welchen
auch die Harnblase und beide Harn-
leiter einmünden; alle 5 Oeffnungen be-
finden sich dicht beisammen am Boden
des Urogenitalkanals. Bei den Beutel-
thieren ist die Kloake derartig ver-
kürzt, dass sie nur eine kleine Grube
B
Seite gesehen. Schernau. ^Kloaken«
thier,£Beutelthier, C Übrige
Saugethier e. b Blase, cl Kioake,
t Enddarm, m Uterus, ug Urogenital-
kanal, u/Harnleiter, i; Scheide. — Orig.
Fig. 868. Die Endabachnitte de«
Darmes , des Harn- und Ge-
schlechtsapparates verschiede-
dar8tellt, in welche der Enddarm oben, ner weiblicher Slugethiere, von der
der Urogenitalkanal unten einmündet. Die
Eileiter zerfallen bei den Beutelthieren
in drei Abschnitte: einen engeren vor-
deren Abschnitt, die Tube mit dem
Trichter, einen mittleren weiteren Ab-
schnitt, die Gebärmutter (Uterus) , und einen etwas verengten
Endabschnitt, die Scheide (Vaaina); beide Scheiden münden ge*
trennt am Boden des Urogenitalkanals, in welchen ausserdem nur
noch die Harnblase sich öffnet, indem nämlich die Harnleiter
in den hinteren Theil der Blase einmünden1). Bei den placen-
talen Säugethieren fehlt eine Kloake beim ausgebildeten Thiere
ganz ; der Urogenitalkanal (sogenannter Scheiden- V o r h o f , Veslibulum)
und der Enddarm münden getrennt auf der Oberfläche, entweder ganz
dicht beisammen oder durch einen etwas grösseren Zwischenraum ge-
trennt. Die Eileiter zerfallen in dieselben Abschnitte wie bei den
Beutelthieren ; sie zeichnen sich aber dadurch aus, dass sie fast immer
in grösserer oder geringerer Ausdehnung vom hinteren Ende aus ver-
schmolzen sind: entweder blos die Scheiden, welche fast immer zu
einer vereinigt sind *) , oder auch die hinteren Theile der Uteri, oder
die Uteri sind in ihrer ganzen Länge verschmolzen; in ersterem Fall
haben wir also noch zwei vollständig getrennte Uteri, eine sogen.
') Bei einigen Beutelthieren sind die beiden Eileiter in ihrer ganzen Lange
getrennt, bei anderen sind die Seheiden zwar eine Strecke weit verschmolzen, münden
aber getrennt in den Urogenitalkanal.
*) Der Elephant besitzt zwei getrennte Scheiden, welche sich am Boden des
sehr verlängerten, am Bauche ausmündenden Urogenitalkanals öffnen.
Boa«, Zoologie. 33
514
Spezieller Theil.
doppelte Gebärmutter (Uterus duplex), wie beim Kanineben, im
zweiten Fall eine zweihörnige Gebärmutter (U. bicornis), wie
A B C D
Fig. 864. Die Müller 'sehen Gänge und der Urogenitalkanal verschiedener Säuge-
thiere, A von einein Heutelthier, ^doppelter, C zweihör niger, D einfacher
Uterus b Mündungsstelle der Blase am vorderen Ende den Urogenitalkanal*, o äussere Mün-
dung de» UrogenitaJkanala, t Tube, tr Trichter, u "Uterus, r Scheide. — Orlg.
beim Pferd, in letzterem Fall eine einfache Gebärmutter (U.
simplex), wie beim Menschen. Die Harnleiter und die Blase ver-
halten sich wie bei den Beutelthieren.
An der Grenze der Scheide und des Vorhofs findet sich bei manchen
Säugethieren eine von einer kleinen Oeffnung durchbohrte, dünne, häutige
Querscheidewand, Ifywcn, welche bei der ersten Begattung gesprengt wird.
— Der Vorhof ist von sehr verschiedener Länge, bei einigen sehr lang
(z. B. beim Hasen), bei anderen sehr kurz, fast verschwindend (z. B. beim
Menschen).
Die männlichen Geschlechtsorgane bieten bei den
Kloaken t liieren Verhältnisse dar, welche sich eng an diejenigen
der Reptilien und Vögel anschliessen : Die Hoden liegen vor den
Nieren an der dorsalen Wand der Bauchhöhle; die Samenleiter
münden ebenso wie die Harnleiter und die Harnblase in eine Aus-
stülpung der ventralen Wand der Kloake, den Urogenitalkanal,
welcher dem gleichnamigen des weiblichen Thieres entspricht; mit
der ventralen Wand der Kloake ist ein Begattungsorgan ver-
bunden, welches sich von dem entsprechenden (homologen) der Schild-
kröten, Krokodile und Vögel dadurch unterscheidet, dass die Rinne
an der Oberseite des Organs zu einer an beiden Enden offenen Röhre
umgebildet ist. — Die übrigen Säugethiere weichen in mehreren
Beziehungen ab. Die Hoden bewahren selten ihren ursprünglichen
Platz, sondern senken sich in der Regel am Ende des Embryonal-
lebens oder beim jungen Thier jeder in eine Ausstülpung der ventralen
Bauchwand hinab; beide Ausstülpungen sind äusserlich zu einem
beuteiförmigen Körper, dem Hodensack (Scrotum), vereinigt, welcher
durch eine Scheidewand in zwei Fächer getheilt ist; jedes Fach ent-
hält einen Hoden, und sein Hohlraum steht durch einen weiteren
oder engeren, oft mit der Zeit verwachsenden Kanal mit der übrigen
Bauchhöhle in Verbindung. Ein Kloake fehlt (bei den Beutelthieren
ist jedoch noch eine grubenförmige Kloake vorhanden), und das Be-
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere.
r,i5
gattungsorgan (Penis) hat sich mit dem Urogenitalkanal zu einem
zusammenhängenden dickwandigen Schlauch vereinigt, an dessen einem
Ende die Samenleiter und die Harnblase einmünden (die Harnblase
nimmt wie beim Weibchen die Harnleiter auf); das Begattungsorgan ent-
springt unterhalb des Afters und schlägt sich meistens mehr oder weniger
weit auf die Bauchseite herum, so dass seine Spitze nach vorn gerichtet
ist, und ist oft mit der Bauchwand auf einer längeren Strecke verbunden;
sein freies Ende ist von einer Hautfalte, der Vor haut (Praeputium), um-
geben. In den Urogenital kanal und dessen Fortsetzung durch das Be-
gattungsorgan, welche zusammen mit dem Namen Harn r Öhr e (Urethra)
bezeichnet werden, münden verschiedene Drüsen, deren Secretdem Samen
beigemischt wird; unter diesen sind die Vorsteherdrüse (Prostata) und
die Cowper'schen Drüsen die constantesten. In jeden Samenleiter
öffnet sich bei manchen Säugethieren dicht an dessen Einmündung
in den Urogenitalkanal (oder getrennt in diesen) eine Samen blase
( Vesicula seminalis) , ein sackförmiges oder verästeltes Hohlorgan,
welches sowohl als Samenreservoir wie als Absonderungsorgan fungirt.
Die Harnröhre ist von dem sogenannten schwammigen Körper
fCorjms sponghwum Urethra?) umgeben, welcher ein dichtes Venennetz ent-
hält. Ein ähnliches befindet sich auch in den grossen paarigen Schwell-
körpern (Curjtora eavcrnom f*nis), welche längs der oberen') Seite des
Regattungsorgaues liegen und vom Hinterrand des Schambeins entspringen.
Wenn diese Gefössnetze sich mit Blut füllen, wird der Penis erigirt. —
Ein dem Penis entsprechendes rudimentäres Organ findet sich oft beim
weiblichen Thiere unten an der äusseren Oeffnung des Urogenitalkanals in
Form eines meistens warzenförmigen, seltener längeren, Theiles (CliUtris).
— Beim männlichen Thier finden sich oft grössere oder kleinere Rudimente
der Eileiter (der sog. t 'terus ma.scitlinwi). Bei den Weibchen können Ru-
dimente der Uroiere ( Nebeneierstock, z. B. beim Menschen) und der Ur-
nierengänge (Gartner'ache Gänge, z. B. bei den Wiederkäuern) vorkommen.
Von den Säugethieren sind nur die Kloaken thiere eier-
legend; das Ei hat bei diesen eine verhältnissmässig bedeutende
Grösse*), und die Furchung ist partiell ; es ist wie bei manchen Rep-
tilien von einer pergamentartigen Schale umgeben; das Junge wird
mit einer milchartigen Absonderung der oben erwähnten Hautdrüsen
gefüttert. Alle anderen Säugethiere sind lebendiggebärend;
eine Eischale fehlt immer, das Ei ist mikroskopisch klein, die
Furchung total. Bei den Beutelthieren liegt der Embryo von
den Embrvonalhüllen umgeben im Uterus, wird ernährt und wächst
durch Aufsaugen einer von den Drüsen des Uterus abgesonderten
Flüssigkeit; eine engere Verbindung zwischen dem Embryo und der
Wand des Uterus besteht bei diesen nicht, und das neugeborene
Junge befindet sich in einem Zustand, welcher in Vergleich mit dem-
jenigen der neugeborenen placentalen Säugethiere als ungemein un-
entwickelt bezeichnet werden muss; es wird nach der Geburt lange Zeit
mit der Milch der Mutter ernährt. Bei den placentalen Säuge-
thieren tritt die äusserste 4er Embryonalhüllen mit der Wand des
Uterus in engere Verbindung; an ihrer Oberfläche entwickeln sich
feine, gefässreiche, verästelte, zottenähnliche Fortsätze, welche sich
') Wenn das Organ mit der Spitze nach vorn berichtet ist.
«) Beim Ameisenigel (Echidna) hat das Ei mit Schale einen Längsdurchmesser
von 15 mm, einen t^uerdurchmesser von 13 mm; beim Schnabelthier hat es eine
ähnliche Grösse.
33*
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516
Specieller Theil.
in entsprechende Vertiefungen der gefässreichen Wand des Uterus
einsenken und als Aufsaugungsorgane für die Blutflüssigkeit der
Mutter dienen. Die Zotten sind entweder einigermaassen gleich-
mässig über die ganze betreffende Hülle verbreitet (Pferd, Schwein,
Kamele, Wale) oder besonders, resp. ausschliesslich, und zwar sehr
stark, an einer Stelle entwickelt, welche dann als der Frucht-
kuchen, Pidcenta foetiüis1), bezeichnet wird; oder es finden sich
mehrere solche kleinere Stellen, an welchen Zotten entwickelt sind.
Letzteres ist bei den meisten Wiederkäuern der Fall, welche eine
grössere Anzahl stark hervortretender kleiner Fruchtkuchen („Cotyl e-
donen") besitzen; sonst findet man einen grossen zusammenhängenden
Fruchtkuchen, entweder einen gürtelförmigen (Raubthiere, Seehunde,
Elephanten) oder einen scheibenförmigen (beimMenschen und anderen2).
Derjenige Theil der Uteruswand, welcher mit dem Fruchtkuchen in
Verbindung tritt, wird als Mutterkuchen, Pldcentd uteritiä, be-
zeichnet. Bei der Geburt werden in einigen Fällen die Zotten ein-
fach aus den Vertiefungen der Uterus wand herausgezogen (Pferd,
Wiederkäuer etc.); in anderen Fällen (bei allen mit ringförmigem
oder scheibenförmigem Fruchtkuchen) bleibt ein Theil der Schleim-
haut des Uterus an den Embryonalhüllen haften und wird mit diesen
abgelöst, so dass die Schleimhaut des Uterus nach der Geburt sich
in grosser Ausdehnung regenerirt.
Bei den placentalen Säugethieren tritt die seröse Hülle (vergl. S. 369)
in enge Verbindung mit der Allantois, welche theilweise mit ihr ver-
wächst; die durch die Verwachsung beider
entstandene gefassreiche Hülle wird als
Chorion bezeichnet; von letzterem gehen
die oben erwähnten gefässreichen Zotten
aus. — Bei älteren Säugethierembryonen
wird das Amnion stark ausgedehnt und
legt sich oft dicht der Allantois an. Es
umschliesst dann zugleich scheidenform ig
die kanalartigen Verbindungsstücke der
Allantois und des Dottersackes mit dem
eigentlichen Embryo. Diese Theile (vergl.
Fig. 355) werden mit der genannten Scheide
zusammen als Nabelstrang bezeichnet.
Der Kreislauf bei einem älteren
Fig. 855. Die Fruchthullen Embryo eines placentalen Säugethieres ist
eines Säuirethieres, Schema, um Amnion, • « t» • « j
a*Au»ntois.A Dottersack; die äusserst« in mehreren Beziehungen von demjenigen
Linie ist die seröse Hülle. Das äussere des ausgebildeten Thieres sehr abweichend:
Blatt des Allantois ist mit der serösen die Lungen fungiren selbstverständlich noch
Httllc tu dem mit verästelten Fortsätzen njcj,t ^ Athmungsorgane ; den 8auer-
hesetzten Chorion verwachsen. - Orig. ^ deg8en ^ ^
er mit der aufgesogenen Blutflüssigkeit aus dem Mutterthiere. Die Haupt-
züge des Kreislaufes sind folgende: Das arterielle Blut ans dem Frucht-
kuchen mischt sich mit dem venösen Blut aus dem hinteren Theil des
Körpers, und dieses gemischte Blut gelangt in den rechten Vorhof,
in welchen auch das venöse Blut aus dem vorderen Theil des Körpers
') Wenn die Zotten über die ganze Hülle gleich massig vertheilt sind, sagt
man, die betreffenden Thiere (z. B. das Pferd) besitzen eine diffuse Piacents:
streng genommen besitzen sie keine Placenta.
^) Affen, Fledermäusen, Insektenfressern und Nagern.
— —
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Wirbclthicre. 6. Clause: Säugethiere.
517
hineinströmt. Ein Theil des Blutes aus dem rechten Vorhof gelangt in
die rechte Herzkammer, von hier in die Lungenarterie und aus dieser theils
in die Lungen, theils durch den Botalli'schen Gang in die Aorta. Ein
anderer Theil des Blutes des rechten Vorhofs geht durch die Oeffming
der Vorhofscheidewand in den linken Vorhof und aus diesem durch
die linke Herzkammer in den Körperarterienstamm. Es findet demnach
beim Embryo eine sehr ausgedehnte Mischung arteriellen und venösen
Blutes statt.
In Bezug auf die Länge der Zeit, welche der Embryo der placen-
talen Säugethiere im Uterus verweilt (die Tragzeit), bestehen bei
verschiedenen Formen grosse Unterschiede, während die Zeit für jede
Art ziemlich bestimmt ist. Als allgemeine Regel gilt, dass grosse
Säugethiere eine lange Tragzeit (bis ein Jahr oder mehr) haben und
auf einmal nur eins oder ganz wenige Junge gebären, während kleine
Säugethiere eine kurze Tragzeit haben und auf einmal mehrere oder
viele Junge zur Welt bringen. Wenn ein Säugethier auf einmal
mehrere Junge in seinem Uterus hat, so sind die Eier, von denen
aie herstammen, sämmtlich auf einmal befruchtet worden ; sie sind des-
halb sämmtlich gleichweit in ihrer Entwicklung fortgeschritten und
werden unmittelbar nach einander geboren. Bei einigen placentalen
Säugethieren sind die Jungen bei der Geburt sehr hülflos, nackt,
mit verschlossenen Augen (verklebten Augenlidrändern), während
andere sich sofort selbständig umherbewegen können. Sie werden
alle während der ersten Zeit mit der Milch der Mutter ernährt.
Die Säugethiere werden in die folgenden Hauptgruppen getheilt:
A. Ovipare Säugethiere. Legen grosse Eier ab, welche von einer
Schale umgeben sind. Kloake lang. — Hierher gehört nur die Ord-
nung der Kloakenthiere.
B. Aplacentale Säugethiere. Ei klein, entwickelt sich im Ei-
leiter, der Embryo wird von einer in der Eileiterwand abgesonderten
Flüssigkeit ernährt, ist bei der Geburt sehr klein und unvollkommen
entwickelt. Kloake rudimentär. — Hierher nur die Ordnung der
Beutelthiere.
C. Piacentale Säugethiere. Der Embryo, welcher sich aus einem
kleinen Ei entwickelt, tritt durch Zotten der äusseren Embryonal-
hülle in engere Verbindung mit der Eileiterwand. Kloake fehlt. —
Hierher alle übrigen Säugethier-Ordnungen.
1. Ordnung. Kloakenthiere (Monotnmata).
Diese kleine Abtheilung weicht in einer Reibe von Charakteren
von den übrigen Säugethieren ab und nähert sich in denselben den
Reptilien. Besonders auffallend ist es, dass sie eierlegend sind, dass
die Eier verhältnissmässig g r o s s und mit einer lederartigen Schale um-
geben sind; ferner besitzen sie eine wohlentwickelte Kloake wie die
Reptilien. Von anderen Charakteren, welche auf diese hinweisen, heben
wir hervor: das Vorhandensein wohlentwickelter Hals rippen , eines
grossen Coracoids, eines ganz reptilienähnlichen Vorderbrust-
beines; das Fehlen einesKammes am Schulterblatt; die Form des
Steigbügels (reptilienähnlich); den nicht spiralig gewundenen
Schneckengang; die schwache Entwicklung des Hirn b alk ens ;
das ganze (oben erwähnte) Verhältniss des Harn- und Geschlechts-
51R
Spezieller Thcil.
apparates. Von Interesse ist auch, dass die Körpertempera-
tur1) niedriger ist als bei anderen Säugethieren.
Dass sie trotzdem nicht mit Unrecht den Säugethieren zugerechnet
werden, ersieht man daraus, dass sie in den folgenden Charakteren mit
den übrigen Säugethieren übereinstimmen und von den Reptilien abweichen :
sie sind behaart, mit Talg- und Schweissdr üsen ausgestattet, sie
besitzen ein langes, gegliedertes Brustbein, es fehlt ihnen ein Quadrat-
bein, sie besitzen zwei Gelenkhöcker am Hinterhauptsbein, drei
Gehörknöchelchen, das Mittelhirn ist in vier Lappen getheilt, der
Penis ist röhrenförmig, etc.
Ausser den schon hervorgehobenen Punkten ist noch zu erwäh-
nen, dass die Kloakenthiere dieselben mit dem Becken verbundenen
Beutelknochen wie die Beutelthiere besitzen; ferner ist daran zu
erinnern, dass Zitzen fehlen, und dass es zweifelhaft ist, ob die
beiden Drüsengruppen, deren Secret zur Nahrung der Jungen ver-
wendet wird, den Milchdrüsen anderer Säugethiere entsprechen. Die
wenigen bekannten Formen sind in erwachsenem Zustand vollständig
zahnlos; dagegen können Hornzähne vorhanden sein. In den letzten
Jahren hat man aber nachgewiesen, dass Ornithorhynchus in der
Jugend echte Zähne besitzt, welche aber im Kiefer liegen bleiben,
nicht hervorbrechen und später resorbirt werden. Es ist kein deut-
liches äusseres Ohr vorhanden. Das Männchen besitzt an der
Ferse einen hornigen Sporn.
Von Kloakenthiere ii sind bis jetzt nur drei lebende Arten be-
kannt, welche im Folgenden erwähnt werden. Es sind mittelgrosse
Thiere, welche auf Neu-Holland, Neu-Guineaund Tasmanien beschränkt
sind. Von fossilen Ueberresten dieser Gruppe ist sehr wenig Sicheres
bekannt.
1 . Das Schnabelthier ( OrniÜu>rhynchm paradoxus). Die Schnauzen-
partie ist abgeplattet, breit, mit einer nackten hornigen Haut bekleidet;
hinten im Munde jederseits, oben und unten, ein grosser Hornzahn
(vorne ein kleinerer). Schwanz kräftig, abgeplattet; Füsbo mit Schwimm-
haut, kräftige Krallen. Behaarung weich. Ernährt sich von kleineren
Wasserthieren. Die Eier werden (zwei zur Zeit) in einer in die Erde
gegrabenen Höhle abgelegt; das aus dem Ei geschlüpfte Junge wird mit
der Milch der Mutter ernährt. Oe3tliches Neu-Holland und Tasmanien.
2. Der Ameisenigel (Echidna aruleala). Die Schnauzenpartie ist,
besonders gegen die Spitze hin , verschmälert und mit einer nackten Haut
bekleidet; der Mund klein, die Zunge lang und klebrig; der Körper mit
Haaren und Stacheln bedeckt; Schwanz sehr kurz; Krallen stark. Er-
nährt sich von Ameisen, Termiten u. dergl. Das Ei (es wird zur Zeit
nur ein Ei geboren) wird in eine unpaarige sackförmige Vertiefung der
Bauchseite aufgenommen und hier ausgebrütet; die Temperatur des
Sackes steigt um mehrere Grad über diejenige des übrigen Körpers. Der
Sack, welcher später als Aufenthaltsort für das Junge dient, bildet sich
schliesslich zurück ; vor dem Austritt eines Eies aus der Kloake bildet er
sich jedesmal aufs Neue (dieser Brutsack fehlt bei Ornithorhynchus). Lebt
in verschiedenen Varietäten auf Neuguinea, Neu-Holland und Tasmanien. —
Nahe verwandt ist K. (Proechidtui) lintijnii, welche einen längeren , ge-
') Bei Echidna unter gewöhnlichen Verhältnissen 28° 0., bei Ornithorhynchw
ca. 25° C. Bei anderen Säugethieren findet man durchschnittlich eine Körperwärme
von 38-89° C.
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Wirbelthicrc. 6. Classe: Säugetbiere.
519
bogenen Schnabel und an jedem Fuss (Vorder« wie Hinterfuss) nur 3 Krallen
besitzt (während K. aculcala mit 5 Krallen an allen Füssen versehen ist).
Neu-G-uinea.
2. Ordnung. Beutelthiere (MarsiqriaUa).
Die charakteristischste Eigentümlichkeit dieser Gruppe besteht
darin, dass die äussere Embryonalhülle keine in die Uteruswand
sich einsenkenden Zotten bildet, sondern der Embryo ernährt sich
durch Aufsaugen eines Secretes der Uterus-Drüsen und wird in einem
sehr unreifen und unvollkommenen Zustand geboren. Auch andere
Charaktere weisen auf den niederen Zustand der Beutelthiere in
Vergleich mit den folgenden Ordnungen der Säugethiere hin ; so ist
z. B. der Hirnbalken nur schwach entwickelt, es ist eine, wenn auch
nur grubenförmige, Kloake vorhanden, die beiden Eileiter münden
getrennt in den Urogenitalkanal. Die Beutelthiere besitzen — ebenso
wie die Kloakenthiere, im Gegensatz aber zu den übrigen Säugethieren
— Beutelknochen, ein Paar eigenthümlicher Knochen, welche mit
den Schambeinen in Verbindung stehen und sich von jenen in der
Bauchwand nach vorne erstrecken. Sie haben mit dem sogen. Beutel , *
welcher bei den meisten weiblichen Beutelthieren vorhanden ist, nichts
zu thun; letzterer ist eine sackförmige, von einer grossen Hautfalte
begrenzte, vorne offene Höhlung an der Bauchseite des Thieres, an
deren oberer Wand die Zitzen ihren Platz haben, und in welche die
Jungen sofort nach der Geburt hineingebracht werden; sie sitzen lange
Zeit unbeweglich in derselben an je einer Zitze festgesogen.
Die Zähne der Beutelthiere erinnern zwar im Ganzen an die-
jenigen anderer Säugethiere, verhalten sich jedoch in einigen Punkten
abweichend. Die Backenzähne bewegen sich innerhalb der Zahl 7 in
jeder Kieferhälfte (nur eine einzelne Form mit rückgebildeten Zähnen
hat eine grössere Anzahl); von Eckzähnen ist (höchstens) einer in jeder
Kieferhälfte vorhanden, die Anzahl der Vorderzähne steigt aber bis auf 5
oben, 4 unten auf jeder Seite. Von den 7 Backeuzähnen hat nur Nr. 3
einen Vorgänger, welcher überhaupt der einzige Milchzahn ist,
der, so weit man weiss, bei diesen Thieren auftritt. Die Form der
Zähne, besonders der Backenzähne, variirt, der sehr verschiedenartigen
Lebensweise entsprechend, in hohem Grade.
In den meisten Punkten des Baues stehen die Beutelthiere übrigens
den placentalen Säugethieren näher als den Kloaken thieren : echte Milch-
drüsen mit Zitzen sind vorhanden, das Coracoid ist rudimentär, Vorder-
bruatbein fehlt, der tSchneckengang ist spiralig gewunden, das Verbältniss
de» Penis ist wesentlich das gleiche wie bei den placentalen Säugethieren,
die Hoden treten in einen Hodensack hinab, die Furchung des sehr kleinen
Eies ist total, etc.
Die meisten Beutelthiere der Jetztzeit leben inNeu-Holland1)
und auf einem Theil der anliegenden Inseln, nur die Beutelratten leben
in Amerika. Dagegen waren Beutelthiere in früheren Perioden auch
in den anderen Welttheilen vorhanden.
') Die unten aufgeführten Formen, bei welchen keine besondere Bemerkung
jremacht ist, leben in Neu-Holland (einige derselben ausserdem auf Neu-Guinea,
Tasmanien etc.).
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520
Spccieller Thcil.
Wenigstens .'] kleine,
gleichgebildeteSchneide-
zähne jederseita im Un-
terkiefer. Der Eckzahn
grösser als die Schneide-
zähne.
Beutel ratten- (rruppe
Beutcldachs-Gruppe
Hinterbeine mit
Käng uru-Gruppe
Die Zehen Nr. 2
und 3 dünner als
Nr. 4 und 5
mit einander
wachsen.
Nur 1 grosser Schnei-
dezahn in jeder Unter-
kiefer - Hälfte. — Der
Eckzahn klein oder fehlt.
L. Die Beutelratten- Gruppe (Polyprotodontia). Jederseita
4 — 5 Vorderzähne im Zwischenkiefer, 3 — 4 im Unterkiefer. Wohlent-
wickelte kegelförmige Eckzähne. Backenzähne mit Spitzen oder Höckern.
Nr. 2 und 3 der Zehen der Hinterfüsse sind Nr. 4 und 5 ähnlich und
nicht verwachsen.
a. Die Beutelratten (Didelphyitlae) haben an den Hinter-
füssen einen wohlentwickelten, aber krallenlosen Daumen (Nr. I), welcher
den übrigen Zehen entgegengestellt werden kann, i c \, b l. Langer,
fast nackter, beschuppter Greifschwanz. Der Beutel ist bei einigen wohl-
entwickelt, bei anderen ist er rudimentär oder fehlt. Ernähren sich be-
sonders von Insekten. Kleinere Thiere, welche ausschliesslich in Amerika,
besonders in Südamerika, leben.
b. Die Beutelmarder (Dasyuridaf). Daumen des Hinter-
fuBses rudimentär oder fehlt, t J. Schwanz nicht als Greifwerkzeug ent-
wickelt. Baubthiere oder Insektenfresser. Hierher die eigentlichen Beutel-
marder (Dtuyttrw) und der hochbeinige, wolfähnliche Beutelwolf (7%-
lucinus) ; letzterer ausschliesslich in Tasmanien. Ferner der kleine eich-
hörnchenartige Ameisenbeutler (Myitnrcobiw), mit } kleinen schwachen
Backenzähnen und mit langer, glatter, vorstreckbarer Zunge (Ameisenfresser).
Fip. 35ß. Rechter H i n t e r f u « s : .4 von Phttlantji*ta . B vom Rlngura, V von
Chocropus. a Sprungbein, c Fersenbein, n < Zentrale (Naviculare). e'— c* Cuneiforme (Tarsale)
Kr. 1—3, cb Cuboideutn Tarsale 1 + 5); / — V erste— fünfte Zehe. — Nach Flower.
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säugcthicrc.
521
2. Die Beuteldaohse (Pcrawdina) sind der vorigen Gruppe in den
Verhältnissen der Zähne ähnlich , während sie mit der folgenden in den
Charakteren der Hinterfüsse übereinstimmen , indem die 2. und 3. Zehe
dünner und in eine gemeinsame Haut eingeschlossen sind; Hinterdaumen
fehlt oder ist rudimentär. / Während bei den übrigen Beutelthieren
die Vordergliedmaassen je 5 wohlentwickelte Finger besitzen, Bind bei der
einen der beiden Beuteldachs-Gattungen (Perunwles) der 1. und 5. Finger
stark rückgebildet und krallenlos, bei der anderen (Choerojms/ fehlen sie
sogar, und Nr. 4 ist ausserdem noch rudimentär geworden. Bei Pcramelat
ist am Hinterfuss ein Daumen-Rudiment vorhanden, Nr. 4 ist die am stärksten
entwickelte Zehe ; bei CJuteropus (Fig. 356 C) fehlt das Daumen-Rudiment,
and Nr. 2, 3 und 5 sind ungemein dünn, fast rudimentär.
3. Die Känguru- Gruppe (IHprotodoutia). In der Regel 3 Vorder-
zähne im Oberkiefer, l im Unterkiefer. Keine oder kleine Eckzähne. Backen-
sahne mit gröberen Zacken oder Querhügeln. Von den Zehen des Hinter-
fusses sind Nr. 2 und 0 schwächer als Nr. 4 und 5 und von einer
gemeinsamen Haut umschlossen (Syndactylie). Pflanzenfresser.
a. Die Kletterbeutler (Phalanffi&tidae). Die Hinterglied-
maassen wenig länger als die Vordergliedmaassen, Hinterdaumen wohlent-
wickelt, krallenlos, kann den übrigen Zehen entgegengestellt werden.
(Fig. 356 A). t ^. Kletternde Thiere. Hierzu gehören: Die Kusu's
(Phalangista) mit langem Greifschwanz; die Flugbeutler (Pelaurus) mit
einer zwischen Vorder- und Hintergliedmaassen ausgespannten grossen
Hautfalte; der Koala oder australische Bär ( Phascolardos) , ein
plumpes schwanzloses Geschöpf, bei welchem die Finger ähnlich wie bei
den Chamäleonen in zwei Bündel getheilt sind (Nr. ! — 2 können Nr. 3 — 5
entgegengestellt werden) ; der kleine, abweichende insektenfressende Tarsipc-s
mit langer vorstreckbarer Zunge, wenigen, rudimentären Backenzähnen (^)
und rudimentären Krallen an allen Fingern und Zehen mit Ausnahme der
2. und 3. Zehe des Hinterfusses.
b. Die Känguru'B (Manopodidae). Hintergliedmaassen sehr
lange Springbeine, Hinterdaumen fehlt, Zehen 2 — 3 sehr dünn, 4—5 stark
(Fig. 356 B): Vordergliedmaassen klein. Schwanz sehr kräftig, als Stütze
beim Sitzen benutzt, t i. Grössere und kleinere Formen (Halmaturtt.s,
Hyiisijrrymmiis u. a.) auf Neu-Holland und mehreren Inseln.
c. Die Wombats {Phascolvmys) zeichnen sich dadurch aus. dass
sie jederseits oben und unten nur einen Vorderzahn haben (ähnlich wie
die Nager). Alle Zähne wurzellos'; Nr. 2 und 3 an den Hinterfüssen nur
wenig schwächer als die übrigen Zehen. Schwanz sehr kurz. Plumpe
Nachtthiere.
3. Ordnung. Insektenfresser (InsecUwra).
Die Insektenfresser sind kleine, kurzbeinige placentale Säugethiere.
deren Schnauze mehr oder weniger rüsselartig verlängert ist, und
welche mit mehrspitzigen hinteren Backenzähnen versehen sind (die
vorderen Backenzähne sind meistens klein und einspitzig). Die Insekten-
fresser treten in der Regel mit dem ganzen Fuss auf (Sohlengänger);
der Fuss (Vorder- wie Hinterfuss) ist gewöhnlich mit 5 gleichgebildeten
Zehen ausgestattet.
Die Eckzähne sind oft von geringer Grösse, einige der Schneidezähne
häufig gross. Schlüsselbeine sind stets vorhanden. Augen und äussere
Ohren häufig wenig entwickelt Die Hoden treten nicht in einen Hoden-
sack hinab. Zitzen auf dem Bauch.
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f>22
Speoieller Theil.
Die Insektenfresser ernähren sich hauptsächlich von Insekten,
Würmern u. dergl., seltener auch von Pflanzenstoffen. Sie fehlen gänz-
lich in Australien und Südamerika.
t. Die Igel (Krtnareus). Rückenseite mit Stacheln (sehr dicken,
steifen Haaren), Unterseite mit gewöhnlichen, feineren oder gröberen Haaren:
Füsse einfach ; Schwanz kurz. Kann Bich zu einer Kugel zusammenrollen,
indem Kopf, Gliedmaassen und Schwanz gegen die Bauchseite gebogen
werden und die stachelige Rückenhaut mittels der grossen Hautmuskeln
über dieselben hinab gezogen wird. Eckzähne fehlen ; i 1 oben und unten
grösser als die übrigen Schneidezähne ; die Spitzen der Backenzähne weniger
spitz als bei anderen Insektenfressern ; im Ganzen 10 Zähne oben, 8 unten
auf jeder Seite. Fast durch ganz Europa verbreitet ist der gern eine
Igel (E. eurojKieius) , welcher sowohl von thierischer als von pflanzlicher
Nahrung lebt; hält Winterschlaf.
2. Die Maulwürfe (Taljta). Die Vordergliedmaassen sind zu sehr
kräftigen Grabwerkzeugen entwickelt; die Hand ist breit, mit 5 langen,
starken, fast geraden Krallen versehen und derartig gedreht, dass der (durch
einen eigenthünilichen sichelförmigen Knochen gestützte) innere Rand nach
unten, die Handfläche nach aussen gekehrt ist. Das Schlüsselbein ausser-
ordentlich kurz und kräftig, der vordere Theil des Brustbeins mit einem
Kamm. Augen rudimentär, äussere Ohren fehlen, Schwanz kurz, Behaarung
weich. Zahnformel vollständig : ; Eckzahn des Unterkiefers den Schneide-
zähnen, welche klein und einfach sind, ähnlich (Fig. 347). Leben aus-
schliesslich von thierischer Nahrung. In Deutschland lebt der gemeine
Maulwurf (T. eurojMiea). — Eine andere Gruppe grabender Insekten-
fresser bilden die Goldmaulwürfe (Ohrysachloris). Es sind dies blinde,
grabende Thiere mit sammetweichem Pelz, bei denen die Kralle und das
Krallenglied des zweiten und besonders des dritten Fingers ungemein kräftig
entwickelt, der 1. und der 4. Finger klein sind (der 5. Finger fehlt): die
Hand ist nicht gedreht. Südafrika.
3. Die Spitzmäuse (Soriculac) sind kleine Insektenfresser mit
langem Schwanz , spitzem Rüssel , einfach gebauten Füssen und weicher
Behaarung. Von Schneidezähnen findet sich in jeder Unterkieferhälfte nur
einer, welcher sehr gross und nach vorn gerichtet ist ; dieselbe Ausbildung
zeigt auch der vorderste obere Schneidezahn ; Eckzähne klein. Die Zahn-
spitzen sind bei manchen rothbraun. Seitlich am Körper eine Drüse, welche
eine moschusartig riechende Flüssigkeit absondert. Die Spitzmäuse, welche sich
von Insekten und Würmern ernähren , sind in Deutschland durch folgende
Arten vertreten: die Waldspitzmaus (Sorex vulgaris), die Zwergspitzmaus
(,s'« pygtnaeu*), die Wasserspitzmaus (Orossopus fodicns), die Hausspitzmaus
{Crocidura aratica) und die Feldspitzmaus \(\ Imcodon); von diesen haben
die beiden letzten weisse, die übrigen braunspitzige Zähne.
4. Von ausländischen Insektenfressern führen wir ausser
den Goldmaulwürfen noch folgende an: Die Bisamrüssler (Myogak),
mit den Maulwürfen verwandt, mit langem, beschupptem, rundem oder zu-
sammengedrücktem Schwanz; eine grössere Art, der Des man (3/. mo-
schalet) , mit zusammengedrücktem Schwanz und zahlreichen Moschusdrüsen
an der Unterseite des Schwanzes, in Südrussland ; eine andere, kleinere
Art (M. jfi/renaica), ohne solche Drüsen und mit rundem Schwanz , in den
Pyrenäen. — Die Rohrrüssler (Maarjscelideif ) sind springende Thiere
mit verlängertem Mittelfuss, langem Rüssel, grossen Ohren; Afrika. — Die
Spitzhörnchen ( Clatlofoiteji) mit kräftigem Schwanz, welcher mit langen,
nach beiden Seiten gerichteten Haaren versehen ist; eichhörnchenartige
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Wirbelthiere. 6. Classe: ßäugethiere.
523
Thiere, welche auf Bäumen leben ; Afrika. — Eine in manchen Beziehungen
abweichende Form ist der Kaguang {GnleopiÜiecus voUina), welcher eine
grosse, behaarte, zwischen Vordergliedmaassen, Rumpf und Hinterglied-
maassen ausgespannte Hautfalte besitzt (Fallschirm); die Vorderzähne des
Unterkiefers mit kammartig zerschlitzter Krone. Bas Thier, welches etwa
die Grösse einer Katze hat , ernährt sich von Pflanzen und lebt auf den
Sundainseln, den Molucken und Philippinen.
Anmerkung. An dieser 8telle erwähnen wir die (Gattung Hyrax
(Klippschliefer, Daman), welche in früherer Zeit meistens den Hufthieren
zugerechnet wurde, uns aber eher mit den Insektivoren verwandt erscheint;
ihre systematische Stellung ist übrigens noch eine sehr zweifelhafte. Die
wenigen Arten der Gattung sind kleinere , nagerähnliche , weichbehaarte
Thiere mit spitzer Schnauze, ganz kurzem Schwanz , mittelhohen Beinen ;
am Vorderfusse sind 4 wohlentwickelte Finger vorhanden (der Daumen ist
rudimentär), der Hinterfuss ist nur dreizehig; Finger und Zehen sind (mit
Ausnahme der inneren Zehe des Hinterfusses , welche eine Kralle trägt)
mit platten Nägeln versehen (keine Hufe) ; ein grosser weicher Sohlenballen.
$ * > o '■' i 7'» ü ' die Kaufläche der Backenzähne ist derjenigen der Nas-
hörner sehr ähnlich; der innere Schneidezahn gross, so dass die Bezahnung
etwas nagerähnlich wird. Pflanzenfresser; Afrika, Westasien.
4. Ordnung. Fledermäuse (Chiroptera).
Die hervorragendste Eigentümlichkeit der Fledermäuse liegt in
der eigenartigen Ausbildung der Vordergliedmaassen. Der 2. — 5. Mittel-
handknochen und die entsprechenden Finger sind sehr verlängert, und
zwischen denselben ist eine Flughaut ausgespannt, eine dünne, nackte
Hautfalte, welche sich auch vom 5. Finger längs des Ober- und Unter-
armes an den Rumpf und die Hintergliedmaassen erstreckt; vorne im
Winkel zwischen Ober- und Unterarm ist ebenfalls eine Hautfaltc aus-
gespannt, und eine solche ist ferner häufig zwischen Hintergliedmaassen
und Schwanz vorhanden. Die Hinterfüsse und der kurze Daumen
der Vordergliedmaassen siud frei. Von den Fingern sind Nr. 3 — 5
immer krallenlos ; bei den Klein-FledermÜusen fehlt auch die Kralle
des 2. Fingers; dagegen besitzen der Daumen und die 5 Zehen der
Hinterfüsse gebogene Krallen. An den krallenlosen Fingern fehlt das
äusserste Fingerglied. Ausser der Mittelhand und den Fingern sind
auch Ober- und Unterarm, wenn auch in verhältnissmässig geringerem
Grade, verlängert. Die Hinterbeine sind in einer eigenthümlichen
Weise nach aussen gedreht; sie sind dünn und schwach; von der
Ferse entspringt oft ein langer dünner Knochen oder Knorpel , der
Sporn, welcher im Rande der zwischen den Hintergliedmaassen
ausgespannten Haut liegt. Die Flughaut kann regenschirmartig zu-
sammengefaltet und dem Rumpf angelegt werden. Das Schlüsselbein
ist lang und kräftig, der vordere Theil des Brustbeins unten mit einem
Längskamm versehen. — Die Zitzen, 1—2 Paare, sind brustständig.
Die Fledermäuse sind Abend- oder Nachtthiere. Sie bewegen
sich nur gut im Fluge, kriechen dagegen schwerfällig mittels der
Hintergliedmaassen und des Vorderdaumens. Wenn sie ruhen, sind
sie an den Hinterfussen aufgehängt.
1 . Die Gross-Fledermäuse (Megaehiroptcra : Gatt. lHerojms,
fliegender Hund, u. a.) besitzen sowohl am 1. wie am 2. Finger eine
524
Spcciellcr Theil.
Kralle. Kopf länglich, Backenzähne mit zwei Längskämmen. Aeusseres
Ohr einfach. Ernähren sich besonders von Früchten. Grössere Formen,
welche die wärmeren Gegenden der alten Welt und Australien bewohnen.
2. Die Klein-Fledermäuse (Mier(jchiroj)tera). Keine Kralle am
2. Finger. Kopf kurz . Backenzähne mit mehreren Spitzen (ähnlich denen
der Insektenfresser). Aeusseres Ohr mit einem Lappen (Ohrdeckel), welcher
den Eingang in den äusseren Gehörgang mehr oder weniger überdeckt.
Sie ernähren sich besonders von Insekten, welche sie im Fluge fangen : sie
entdecken dieselben besonders durch das Hautgefühl, namentlich der Flug-
haut, der zuweilen sehr grossen äusseren Ohren und der häufig auf dem
Kopfe vorhandenen eigenthümlichen Auswüchse (Nasenaufsätze). Einzelne
in Südamerika lebende Formen (Vampire, Destnodus) saugen das Blut
lebendiger Säugethiere. Sehr zahlreiche, über die ganze Erde verbreitete,
besonders in den Tropen reich vertretene Abtheilung ; meistens kleine
Formen. In Deutschland lebt eine ziemlich grosse Anzahl verschiedener
Formen: VesjtertUio, mit g b und grossem Ohrdeckel, Vesjmmgo, mit 4 b
und kurzem Ohrdeckel, beide in mehreren Arten vertreten ; Plecotus auritw
(langohrige Fledermaus) mit kolossal verlängerten Ohren, welche durch
eine quer über den Kopf verlaufende Hautfalte verbunden sind, und
mit grossem Ohrdeckel ( ; b) ; lihitioloj/hux (Hufeisennasen) mit coin-
plicirtem Nasenaufsatz (während die übrigen deutschen Fledermäuse
eines solchen entbehren). Die deutschen Arten verfallen , ebenso wie die
Fledermäuse anderer Länder mit ähnlichem Klima, in einen Winterschlaf,
den sie in hohlen Bäumen etc. hängend durchmachen.
5. Ordnung. Hufthiere (Unguhttti).
Die Gliedmaassen sind verlängert, speciell zum Gang oder Lauf
entwickelt, der Rumpf hoch über die Erde erhoben. Der Mittelfuss
(die Mittelhand) ist gewöhnlich von beträchtlicher Länge; die Zehen
(Finger) sind mehr oder weniger vollständig in eine gemeinsame Haut
eingeschlossen ; in der Regel tritt das Thier nur mit dem äussersten
Zehenglied, besonders mit dem dasselbe umgebenden Huf oder der
Klaue (S. 491), auf, der übrige Fuss berührt den Boden nicht,
sondern trägt zur Verlängerung der Gliedmaasse bei. Der Daumen
und der entsprechende Mittelhand(fuss)knochen fehlt immer an allen
vier Gliedmaassen. Schlüsselbeine fehlen ebenfalls stets. Pflanzen-
fressende Thiere, gewöhnlich von ansehnlicher Grösse, mit gefalteten
oder höckerigen Backzähnen und in der Regel mit einem Blinddarm
von beträchtlicher Grösse.
1. Unterordnung. Unpaarzeher (Perismlactyla).
Die Zehe (der Finger) Nr. 3 ist (an allen vier Gliedmaassen) fast
symmetrisch, kräftiger als die übrigen, die Mittelebene des Fusses
geht durch die Mitte derselben. Nr. 5 fehlt gewöhnlich. Der Ober-
schenkelknochen mit einem Fortsatz am Aussenrande, welcher bei den
Paarzehern fehlt ( Trochanter tertim). Das Sprungbehi (Äshwalwh am
unteren Ende mit einer grossen, platten Gelenkfläche für das Navi-
culare (Centrale) und einer kleinen für dasCuboideum (= Tarsale 4 -|- 5).
Die Backenzähne sind gefaltet, mit Ausnahme von pl von ungefähr
_ Digiüzpd t}y-Gp.Qglf
Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere.
596
gleicher Grösse. Magen einfach. Blinddarm kolossal entwickelt.
Placenta diffus *).
ABC
.1
m i
Fig. 357. Hand (Vonlcrfuwt) von : A Tapir, D Nashorn, C Pferd. R Speiche,
V Elle; «, /, c die erste Reihe der Handwurzelknochen (Naviculare, Lunatum, Triquetrum),:
p Erhsenbein ; tm, Id, m, u die zweite Reihe der Handwurzelknochen (Multangulum maju»,
M. minus, Capitatum. Hamatum) ; //— V zweiter— fünfter Finger (in B ist V der rudimentäre
fUnfte Mittelhandknochen, in 0 bezeichnet // und IV den zweiten und vierten Mittelhand-
knochen). — Nach Flower.
1 . Die Tapire ( Taj/htts). Vorderfuss mit vier Zehen (Nr. 2, 3,
4, 5), Hinterfuss mic drei (Nr. 2, 3, 4); Nr. 3 ist nicht viel stärker als
2 und 4. Zehengänger. $ **t f <m 4 J7' i ! die Backenzähne je mit
zwei Querkämmen. Die 8chnauze ist in einen kurzen Rüssel verlängert ;
die Haut ist wohlbehaart. Eine Art in Ostindien , andere in Südamerika.
— Mit den Tapiren ziemlich nahe verwandt ist die ausgestorbene (eoeäne)
Gattung Palaeotheriuiif, bei welcher jedoch nur drei Vorderzehen vorhanden,
und deren Backenzähne denen der Nashörner ähnlicher sind.
2. Die Nashörner (Rhinoceros). Vorder- wie Hinterfuss symme-
trisch, dreizehig, Mittelzehe (Nr. 3) etwas stärker als die beiden anderen
(Nr. 2 und 4 . Zehengänger. J J i, § c, | p, % m \ Schneidezähne mehr
oder weniger rückgebildet, keine Eckzähne, starke, gefaltete Backenzähne.
Vorne an der Oberseite des Kopfes in der Mittellinie ein oder zwei aus
Hornmasse bestehende Hörner. Die Haut sehr dick , unbiegsam , sehr
spärlich behaart; die Oberlippe sehr beweglich. Ausschliesslich in den
wärmeren Theilen von Afrika und Asien. In Afrika leben zwei Arten mit
glatter Haut und mit zwei Hörnern (Rfi. l/ictjrnis und simus) ; in Asien
sowohl eine zweihörnige Art als auch einhörnige Arten mit grossen tiefen
Hautfalten (Rh, i/nicornui etc.). — Das wollhaarige Nashorn (Ith.
tiehorinwi), mit verknöcherter Nasenscheidewand, zwei Hörnern, reichlicher
Behaarung, lebte während der quaternären Formation in Mitteleuropa und
Sibirien mit dem Mammuth zusammen.
») Gallenblase fehlt. Zwei Zitzen, welche zwischen den Hinterheinen liegen.
Wenigstens 22 Brust-Lendenwirbel.
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526
Speeieller Theil.
3. Die Pferdefamilie {Rpiidae) ist ausgezeichnet durch die über-
wiegende Entwicklung der Mittelzehe (Nr. 3) im Vergleich mit den Seiten-
zehen und durch die bedeutende Länge des Mittelfusses. Vorder- und
Hinterfuss gleichartig gebildet. Hufgänger. Vollständige Zahnformel :
| (, } c, \ p, l m. Ein vollständiger Knochenring um das Auge herum
(d. h. : ein Fortsatz des Stirnbeins vereinigt sich mit einem Fortsatz des
Jochbogens hinter dem Auge).
a. Die jetzt lebenden Pferde gehören alle der Gattung
Equtm an. Bei ihnen fehlen die 2. und 4. Zehe ganz, so dass alle vier
Füsse nur einzehig sind ; die Zehe (Nr. 3) ist ebenso wie der entsprechende
Mittelfussknochen ausserordentlich kräftig entwickelt. 2. und 4. Mittelfuss-
knochen sind als dünne längliche Knochen (Griffelbeine) an den Seiten des
grossen Mittelfussknochens vorhanden. Die Thiere treten nur mit dem das
äusserste Zehenglied umgebenden Huf auf, welcher hinten den sehr kleinen
Sohlenballen umschliesst (vergl. S. 491, Fig 336 E). Die Schneidezähne
zeichnen sich durch den Besitz einer grossen, mit Gement theilweise
erfüllten Vertiefung aus (der Bohne) ; die Eckzähne beim <$ wohlentwickelt,
beim 5 rudimentär) p 1 ist sowohl im Ober- als im Unterkiefer angelegt,
kommt aber in der Regel nur im Oberkiefer zur Ausbildung, ist auch
dort rudimentär und fällt meistens früh aus (Wolfszahn); die übrigen
Backenzähne sind in beiden Kiefern ungefähr von gleicher Grösse (im
Oberkiefer breiter als im Unterkiefer), besitzen eine sehr lange Krone
und kurze Wurzeln; die Kronen sind mit Falten und Vertiefungen aus-
gestattet, welche sich bis an die Wurzeln erstrecken und mit Cement er-
füllt sind, welches an den Backenzähnen der Pferde ausserordentlich stark
ausgebildet ist und als eine dicke Schicht die Krone umgiebt; am Zahn
entsteht sehr bald, nachdem er in Gebrauch getreten ist, eine Kaufläche
mit Schmelzstreifen , und allmählich wird die Krone durch die Abnutzung
weggeschliffen, so dass sie bei alten Pferden ganz kurz wird. Im Gegen-
satz zum Verhalten der Tapire und Nashörner ist der untere Theil der
Elle und des Wadenbeins sehr schwach , theilweise sogar durch ein Band
vertreten. Hierzu gehören : die Zebra' s (E. xebra, iptagga, BurcheUi), mit
dunklen Querstreifen, kleinem Huf, Kuhschwanz, in Südafrika. Der Esel
(E. amnufi) mit einem schwarzen Streifen längs der Kückenmitte und einem
ähnlichen quer über den Schultern , kleinem Huf, KuhBchwanz , wild in
Nordafrika ; ein paar verwandte Formen ( K. hcmif/nus, Dschiggetai, und E.
(mager, Kulan, in Asien). Das Pferd (E. caballus) ist in der Regel grösser
als die vorigen, mit grösseren Hufen , Schwanz vom Grunde an mit langen
Haaren ; „Kastanien" (nackte hornige Hautstellen) an den Vorder- wie an
den Hinterbeinen (bei den übrigen nur an den Vorderbeinen) ; Heimath
nicht sicher festgestellt.
b. Von den ausgestorbenen Pferden gehören einige aus
der quaternären und pliocänen Formation ebenfalls zu Equus, welcher da-
mals nicht allein in der alten Welt, sondern auch in Nord- und Süd-
amerika vertreten war. — Andere pliocäne Pferde gehören zur Gattung
Hij/parion, einer kleineren Pferdeform, welche in den meisten Charakteren
mit Equus übereinstimmt, aber dadurch abweicht, dass die Zehen Nr. 2
und 4 an allen vier Gliedraaassen vorhanden sind, wenn auch nur als
schwach entwickelte „Nebenzehen", welche während des Ganges die Erde
nicht berührten ') ; ausser in der pliocänen lebten Hipparionarten in der
') Ein ganz, rudimentärer Mittel h an dknochen Nr. 5 ist vorhanden (Fig. 368 B);
derselbe kann auch beim Pferd entwickelt sein.
_ Digitized Q.QQ<p|
Wirbelthiere. 6. Classe: 8äa<rethiere.
527
jüngeren miocänen Formation. — Bedeutend mehr von Equus abweichend
ist die Gatt. Anchitherium mit denselben Zehen wie Hipparion, von welcher
aber Nr. 2 und 4 beträchtlich stärker als bei diesem sind, wenn auch be-
deutend schwächer als Nr. 3 ; die Kronen der Backenzähne weit kürzer als
bei Equus , die Faltenbildung an denselben mehr derjenigen bei den Nas-
hörnern (oder Palaeotherium) ähnlich, das Cement nur wenig entwickelt;
Aß C A' B' C
td
Fig. 358. Linker Yorderfuns von Anehilherium (A, A'), Hipparion {B, F), Pferd (C, (?),
von vorne und von der inneren Seite. Alle in gleicher Verkleinerung (ungef. ^). rmMul-
taugulum inaju.t, td M. minus, m Capitatum, w Haniatum. //. ///, IV zweiter— vierter Mittel-
handknochen. V rodimentirer fUnfler Mittelbandknochen. — Nach Gaudry.
die Wolfszähne (/> x) stärker und auch im Unterkiefer vorhanden; die
Vorderzähne ohne Bohne ; die Elle und das Wadenbein besser als bei
Equus entwickelt. Die Gattung Anchitherium, welche in der älteren Miocän-
aeit lebte, nähert sich schon sehr den oben genannten eoeänen Palaeo-
therien.
2. Unterordnung. Paarzeher (Artiodacttjla).
Die Zehen Nr. 3 und 4 (sowohl am Vorder- als am Hinterfuss)
sind jede für sich asymmetrisch, aber einander spiegelbildlich
gleich; die Mittelebene des Fusses geht zwischen diesen
beiden Zehen durch. Nr. 3 und 5 sind kleiner, berühren in der
Regel die Erde während des Ganges nicht und sitzen etwas hinter
den anderen; oft sind sie sogar rudimentär oder fehlen. Dem Ober-
schenkelbein fehlt der Fortsatz am äusseren Rand (Trochanter teiiius).
Beide Geleukflächen am unteren Ende des Sprungbeins (Astragalus),
für Naviculare resp. Cuboideum, sind ungefähr von gleicher Grösse
und beide in der Richtung von vorn nach hinten stark gewölbt. Der
Hagen ist mehr oder weniger complicirt, Blinddarm kleiner als bei
den Unpaarzehern. Backenzähne gefaltet oder höckerig, die Prämo-
laren schmäler als die Molaren *).
') Gallenblase in der Regel vorhanden. Die Anzahl der Hacken-Lendenwirbel
kleiner als 92 (selten grösser als 19).
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Specialer Theil.
1. Gruppe. Schweine-Gruppe (Non-liuminatUia).
Vorderzähne des Zwischenkiefers wohl entwickelt. Mittelfuss(hand)*
knochen Nr. 3 und 4 fast immer getrennt, Zehen Nr. 2 und 5 und
die entsprechenden Mittelfussknochen in der Regel verhältnissmässig
wohl entwickelt. Elle und Wadenhein kräftig ausgebildet. Mager)
» , . . .[
ABC
Fig. 359. Hand ( Vorderfu»f<) von: A Schwein. B Edelhirsch. C KaineeL
Ä Speiche, TKlle; « Naviculare. / Lunatum, r Triquctruin ; td Multangulum miniu, m Capi»
tatuni, m Haniatum ; in* und w»s zweiter und fünfter (rudimentärer) Mittelhandknochen ; // — I"
zweiter - fünfter Finger. — Nach Flower.
r
weniger complicirt als bei den Wiederkäuern, bei einigen Formen der
Gruppe (z. B. dem gewöhnlichen Schwein) ziemlich einfach, bei anderen
mit bestimmterer Andeutung einer Sonderung in mehrere Abschnitte*;
es findet kein Wiederkauen statt. Zitzen oft über die ganze Bauch-
seite zerstreut. Placenta diffus.
1. Die Schw eine familie (Sttidae). Die Gliedmaassen schlank, die
Zehen 2 und 5 bedeutend kürzer als 3 nnd 4, sitzen etwas hinter diesen
und berühren gewöhnlich die Erde während des Ganges nicht. Sohlenballen
klein, weich. Backenzähne höckerig. Ein kurzer Rüssel vorhanden. Haut
mit Haaren bekleidet.
a. Die Schweinegattung (Sus) ist in verschiedenen Arten
über die alte Welt verbreitet. $ i, | c, } p, }f vi ; die Schneidezähne des
Unterkiefers nach vorne, die des Zwischenkiefers nach unten gerichtet;
der Eckzahn des Oberkiefers nach aussen und oben gedreht , der ent-
sprechende des Unterkiefers stark gebogen (die des Männchens sind wurzel-
los, stärker als die des Weibchens); die Prämolaren sind zusammengedrückt,
die Molaren mit breiter höckeriger Kaufläche. Hierzu gehört das euro-
päische Wildschwein (Su-a srrofa), von welchem die alte Rasse
des nordeuropäischen Hausschweines abstammt; die meisten
jetzigen deutschen Hausschweine sind Bastarde des letzteren und des indo-
chinesischen Hausschweines, welches von einer oder mehreren
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säu^ethiere.
529
Arten asiatischer Wildschweine abstammt und in mehrfacher Be-
ziehung (auch im Skelet) von der alten Rasse (und vom europäischen
"Wildschwein) abweicht.
1). Von anderen Schweineformen führen wir folgende an : Die
Nabelschweine, Pekari's (DicoUflc*), sind kleinere Schweine mit einer
grossen Hautdrüse am Kücken (daher der Name „Nabelschwein"); die Zehe
Nr. 5 an den Hintergliedmaassen fehlt; der Eckzahn im Oberkiefer nach
unten gerichtet, keiner der Eckzähne von hervorragender Grösse; Süd-
amerika. Beim Hirscheber (Porcus babtpm&a) sind die Eckzähne des
Oberkiefers nach oben gerichtet und stark gebogen; beim ^ sind sie enorm
verlängert; Celebes. Das Warzenschwein (Phaeoclwerus) zeichnet sich
besonders durch die ausserordentliche Entwicklung des letzten Molars aus
(dieser Zahn ist auch bei Bus der grösste unter den Backenzähnen); bei
sehr alten Thieren ist er der einzige übrig bleibende Backenzahn ; Eckzähne
ungefähr wie bei Bus; Südafrika.
2. Die F 1 us s p f e rd f am i Ii e (Hippopotaniidae) sind Thiere von statt-
licher Grösse mit plumpen Gliedmaassen ; die Zehen 2 und 5 sehr kräftig ;
die Thiere treten mit allen vier Zehen auf (grosse Sohlenballen). Backen-
zähne höckerig-gefaltet. Vorder- und Eckzähne sehr kräftig. Kopf sehr
gross, ohne Rüssel, mit sehr breiter Schnauzenpartie. Behaarung sehr
spärlich. Nur ein paar jetztlebende Arten ; die bekannteste ist das F 1 u s s -
oder Nilpferd (Hippopotamus umphibiws), welches über einen grossen
Theil von Afrika verbreitet ist; eine andere, kleinere Art (Choeropsin
lilxrimsi«), welche sich etwas der Schweinefamilie nähert, lebt in Westafrika.
3. Zur Schweinegruppe gehören zahlreiche ausgestorbeneFormen,
welche theils den jetzt lebenden Schweinen und Flusspferden ähnlich sind,
theils mehr oder weniger von denselben abweichen. Es finden sich z. B.
verschiedene Formen, welche ähnliche Backenzähne wie die Wiederkäuer
besitzen , während sie sonst im Ganzen der Schweinefamilie ziemlich nahe
stehen ; andere, wie dieAnoplotheriender Eocän- und Miocänzeit, bieten
durch ihren langen Hals und ihre langen Beine eine oberflächliche Aehnlich-
keit mit den Wiederkäuern dar, unterscheiden sich von diesen jedoch dadurch
wesentlich, dass sie die vollständige Zahnformel ([[) mit wohlentwickelten
oberen Vorderzähnen besitzen, wie auch die Mittelfussknochen getrennt sind.
2. Gruppe. Wiederkäuer {Ruminantia).
Schneidezähne fehlen im Zwiscbenkiefer (oder es ist nur »s ent-
wickelt); Eckzahn des Unterkiefers gewöhnlich (nicht bei den Ka-
meelen) in der Form einem Schneidezahn ähnlich, so dass anscheinend
4 Schneidezähne in jeder Unterkieferhälfte vorhanden sind. Die Molaren,
z. Th. auch die Prämolaren, mit je vier gebogenen Längskämmen, zwei
äusseren und zwei inneren. An allen vier Gliedmaassen sind die
Mittelfussknochen Nr. 3 und 4 fast immer zu einem einzigen langen
Knochen verschmolzen, während Nr. 2 und 5 unvollständig sind oder
fehlen (nur bei den Traguliden sind sie vollständig). Die Zehen
Nr. 2 und 5 sind klein oder fehlen. Ueber die Bildung der Klauen
vergl. S. 491 und Fig. 336 F. Der Magen ist in mehrere Abtheilungen
gesondert, und das Futter wird, nachdem es eine Zeitlang im Magen
gewesen ist, wieder aufgebrochen und aufs Neue gekaut. Elle und
Wadenbein schwach entwickelt ; das untere Ende des letzteren ist vom
Übrigen abgetrennt und einem Fusswurzelknochen ähnlich. In der
Regel sind viele kleine Fruchtkuchen (Cotyledonen) vorhanden; die
Bon, Zoologl«, 84
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530
Specieller Theil.
Kameele besitzen jedoch eine diffuse Placenta wie die Schweine und
die Unpaarzeher. Zitzen zwischen den Hinterbeinen.
Bei der Mehrzahl der Wiederkäuer (Hohlhörnern, Hinsehen, Giraffen)
zerfällt der Magen in drei scharf gesonderte Abtheilungen. In die
erste Abtheilung, welche wir als Vordermagen bezeichnen, mündet die
Speiseröhre, von deren Oeffnung eine Rinne, die Schlundrinne, an der
vorderen Seite des Vordermagens nach der Einmündung desselben in die
zweite Hauptabtheilung des Magens (den Blättermagen) verläuft. Der Vor-
dermagen, welcher eine bedeutende Grösse erreicht, ist mit mehreren Ein-
buchtungen versehen, von welchen eine besonders stark ist und den Vorder-
magen in zwei unvollstän-
dig gesonderte TJnterabthei-
lungen theilt, den grossen
Pansen (Humen) und die
kleinere Haube (Reiku-
lum); letztere ist innerlich
mit hervortretenden, netz-
förmig verbundenen Falten
versehen, erstere dagegen
mit Papillen. Die zweite
Hauptabtheilung des Ma-
gens, der Mittelmagen
oder Blättermagen
(Psolterium oder Omasus),
Fig. 860. A Ma gen eines gewöhnlichen Wiederkäuers, ist innerlich mit zahl-
Ii eines Kameeis ; Schema, oe Speiseröhre, r Schluudrinne,
/Vordermagen (/'Pansen,/* Hanbe), m Mittelmagen, b Hin-
termagen, ( Dünndarm. — Orig.
reichen grossen blatt-
förmigen Längsfalten ver-
sehen , welche einander
Höhlung ausfüllen. Der
dicht anliegen und den grössten Theil seiner
letzte Abschnitt , der Hintermagen oder Labmagen (Abomasus) ist
ungefähr röhrenförmig. Vorder- und Mittelmagen sind mit einem mehr-
schichtigen Plattenepithel von derselben Beschaffenheit wie dasjenige der
•Speiseröhre und der Mundhöhle (= der Oberhaut) bekleidet und drüsenlos;
dagegen ist der Hintermagen mit einem Cylinderepithel bekleidet und mit
Drüsen versehen. Das abgebissene Futter wird, ohne viel gekaut zu sein,
in der Mundhöhle zu grösseren Ballen geformt, passirt die Speiseröhre,
welche während des Durchganges ausgedehnt wird, und wird in den Vorder-
magen gepresst ; hier unterliegt es einer Art Gährung oder Maceration und
wird dann portionsweise wieder in die Mundhöhle aufgebrochen, wo es fein
zerkaut wird, und mit Speichel gemischt geht es dann zum zweiten Mal, in
dickflüssigem Zustande, durch die Speiseröhre, läuft aber jetzt durch die
Schlundrinne, deren Ränder sich beim lebenden Thiere wahrscheinlich an
einander legen, in den Mittelnmgen hinein, von dessen Blättern ein Theil
der Flüssigkeit aufgesogen wird, und zuletzt in den Hintermagen. Flüssige
Nahrung scheint stets direkt von der Speiseröhre durch die Schlundrinne in
den Mittelmagen zu gelangen. — In der Kameelfamilie besteht der
Magen aus denselben drei Hauptabtheilungen wie bei der Mehrzahl der
Wiederkäuer, unterscheidet sich aber besonders dadurch von den übrigen,
dass der Mittelmagen länger und röhrenförmig ist, fast keine Blätter
besitzt und mit sehr kurzen Drüsenschläuchen in seinen Wandungen ver-
sehen ist (wahrscheinlich ist er auch mit einem Cylinderepithel bekleidet) ;
wohlentwickelte Drüsen finden sich erst im Hintermagen1). — Bei den
l) Der Vordermagen der Kumeele ist durch Einbuchtungen in mehrere Ab-
Wirbelthiere. 6. Classe: Säugcthiere.
531
Traguliden ist der Magen demjenigen der Mehrzahl der Wiederkäuer
im Ganzen sehr ähnlich, der Vordermagen ist in dieselben Unterabtheilungen
gesondert etc.: sie unterscheiden sich aber dadurch, dass der deutlich ab-
gegrenzte Blättermagen rudimentär ist. Einen Uebergsng zu
diesem Verhalten vermitteln einige andere kleine Wiederkäuer, deren Blätter-
magen sehr kurz und wenig ausgebildet ist.
1. Die Kameelfaroilie (Camelidac). Im Gegensatz zu anderen
Wiederkäuern besitzen die Kameele den hintersten Schneidezahn, i * des
des Zwischenkiefers !) ; er ist eckzahnähnlich. Der Eckzahn des Unter-
kiefers hat (ebenso wie der des Oberkiefers) gewöhnliche Eckzahnform
(kegelförmig). Der Hagen ist abweichend (vergl. oben). Placenta diffus2).
Hörner fehlen. An jedem Fuss nur zwei Zehen; Klauen klein, gebogen,
grosser, weicher Sohlenballen hinter denselben (im Gegensatz zu allen an-
deren Wiederkäuern); die Kameele treten mit der ganzen Zehe auf. Die
Kameelgattung {Camelus) besteht aus hochbeinigen Thieren mit einem
Fettbuckel auf dem Rücken ; Zahnformel : - ,„ /, %^%\ p* in
beiden Kiefern eckzahnähnlich, von den anderen Backenzähnen durch einen
Zwischenraum getrennt. Beim baktrischen Kameel (CJ/acfrianus), in
Asien, ist der Buckel in zwei, einen vorderen und einen hinteren, getheilt ;
beim Dromedar (C. dromedarius), in Afrika und Arabien, ist er einfach;
diese beiden ausgeprägten Wüstenthiere sind nur in gezähmtem (und ver-
wildertem) Zustand bekannt. Die Lama 's (Aucfienia) sind kleiner, ohne
Buckel und ohne den eckzahnartigen Backenzahn (p*) ; sie leben in mehreren
Arten, gezähmt und wild, im westlichen Südamerika.
2. Die Giraffe {^Camtfopardalis giraffa) besitzt zwei behaarte, inner-
lich verknöcherte Auswüchse am Kopfe ; sehr hochbeinig, Vorderbeine länger
als die Hinterbeine, Hals lang. Afrika.
3. Die Hirsche (Cenvdw) bilden eine grosse Abtheilung von in der
Regel schlanken , dünnbeinigen , kurzschwänzigen Wiederkäuern , deren
Männchen (selten auch die Weibchen) meist am Kopfe ein Geweih besitzen,
welches in fertigem Zustande (über Bau und Entwicklung vergl. S. 492)
ein Paar nackte Knochenfortsätze darstellt; am Grunde jeder Geweihstange
eine ein wenig verbreiterte Partie, die Rose (oberhalb des untersten, stets
mit Haut bekleideten Theiles, des Rosenstockes). Das erste Geweih, welches
der junge Hirsch trägt, ist einfach, unverästelt und von geringer Grösse;
die späteren werden grösser und gewöhnlich verästelt. i, c, ^ p
4 »iJ). In Deutschland leben folgende: das Reh (Certwt caprcolua), kleiner
als die übrigen europäischen Hirsche, die Gehörnstangen des ausgebildeten
Thieres selten mit mehr als drei Spitzen; der Edelhirsch (C. elaphus);
der Damhirsch (C. dama) , welcher aus den Mittelmeerländern stammt,
aber schon vor mehreren Jahrhunderten in Deutschland eingeführt wurde;
das Elenthier (C. alces), ein plumper, hochbeiniger Hirsch mit sehr
breitem Geweih, innerhalb Deutschlands nur noch in Ostpreussen, im Alter-
theilungen unvollkommen Resondert, die dadurch entstehenden Unterabtheilungen
sind aber denen anderer Wiederkäuer nicht sicher vergleichbar. — Einige Theile
des Vordermanns sind bei den Kameelen mit hohen, netzförmig verbundenen Falten
versehen, welche kleine, prismatische, bienenzellen-ähnliche Räume, die sog. K Wasser-
zellen", begrenzen.
') In rudimentärem Zustand kann auch bisweilen t* vorhanden sein, und im
Milchgebiss ist stets sowohl dt* als dt* entwickelt.
*> Blutkörperchen im Gegensatz zu denen aller anderen Säugethiere oval.
s) Im Oberkiefer kann ein Eckzahn (z. B. beim Edelhirsch) vorhanden sein,
aber auch fehlen. Von den Zähnen der typischen Zahnformel fehlt, ausser den
oberen Vorderzähnen, j>1 oben und unten.
84*
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532
Speciellcr Theil.
thum durch ganz Norddeutschland verbreitet (jetzt iu Bussland , Skandi-
navien, Nordamerika). Das Renthier (C. tarandus), dessen Weibchen
durch den Besitz eines kleinen Geweihes ausgezeichnet ist, lebt jetzt in den
circumpolaren Ländern der nördlichen Halbkugel ; KnoohenreBte aus quater-
närer Zeit in Deutschland. Auch von dem gänzlich ausgestorbenen Riesen-
hirsch (G\ curyceros), welcher durch sein kolossales Geweih ausgezeichnet
war, findet man Ueberreste in Deutschland; in Irland soll dieses Thier bis
in's Mittelalter gelebt haben. — Von den zahlreichen außereuropäischen
Hirschen ist der in Nordamerika lebende grosse Wapiti (C. canadetisis)
zu nennen, welcher daselbst den nahe verwandten Edelhirsch vertritt. Ferner
das geweihlose Moschusthier (Mosctiua moschiferus) , dessen Männchen
im Oberkiefer sehr lange, aus dem Mund herausragende Eckzähne besitzt
und hinten an der Bauchseite mit einem Hautbeutel versehen ist, in welchem
der Moschus abgesondert wird ; in Asien.
4. Die Traguliden (Tfayulidar) sind eine kleine Gruppe geweih-
und hörnerloser Wiederkäuer von geringer Grösse, welche in der äusseren
Form manchen kleineren Hirschformen ähnlich sind und wirklich auch in
den meisten Beziehungen der Hirschfamilie nahe stehen. Sie zeichnen sich
besonders dadurch aus , dass die Mittelfussknochen 3 und 4 (sowohl am
Vorder- als am Hinterfuss) spät oder gar nicht verwachsen , und dass die
Mittelfussknochen Nr. 2 und 5 vollständig sind. Der Blättermagen ist
rudimentär (vergl. oben) ; auch die Flacenta ist von derjenigen der ge-
wöhnlichen Wiederkäuer abweichend (wenn auch nicht, oder nicht immer,
diffus zu nennen; es ist vielmehr, wenigstens bei einigen, eine einzige,
scheibenförmige Placenta entwickelt). Ostindische Inseln, Afrika.
5. Die Hohlhörner (Cav&oraifi) sind mit zwei Hörne rn versehen,
welche haarlos, äusserlich mit einer festen Hornschicht bedeckt, innerlich
verknöchert sind (vergl. S. 492); meistens sind die Hörner in beiden Ge-
schlechtern entwickelt, zuweilen sind sie bei den Weibchen rudimentär oder
fehlen. $ »', \ c, $ p, % m ; der fehlende Prämolar ist p K
a. Antilopen (AntHopinoe) ist die gemeinsame Bezeichnung
einer grossen Anzahl, meistens hirsch ähnlicher, häufig jedoch mehr
rindähnlicher Wiederkäuer mit sehr verschiedener Hörnerform. Bei einigen
fehlen die Hörner beim Weibchen. Steppenthiere , welche besonders in
Afrika reich vertreten sind.
b. Schafe (Ovis). Schnauze behaart, Hörner quergerunzelt,
dick , kantig , oft stark gebogen , nach hinten und aussen gerichtet ; eine
Hauteinstülpung (Klauensack) zwischen den beiden grossen Zehen. Zwei
Zitzen. Hierzu gehört das Hausschaf (Ovis aries), dessen Weibchen
gewöhnlich rudimentäre oder keine Hörner besitzt; seine Abstammung ist
unbekannt. Von wilden Schafarten mögen der Muflon (0. mu&itnon),
auf Corsica und Sardinien, und der Argali (O. ammon), in Mittelasien,
angeführt werden; ausserdem mehrere andere asiatische Arten. Alle wilden
Schafe sind Gebirgsthiere. — Mit den Schafen nahe verwandt sind die Z i e g e n
(Capra) mit zusammengedrückten, weniger stark gebogenen Hörnern und
ohne Klauensäcke; Gebirgsthiere. Die Abstammung der Hausziege
(C. hirctts) ist unbekannt; von wilden Formen erwähnen wir den Stein-
bock (C. tbex), in den Alpen und anderen südeuropäischen Gebirgen, und
die Bezoarziege (<?. aeyagrua) in Kleinasien, auf Kreta etc. — An die
Ziegen schliesst sich die Gemse (CajwUa rupicajjrd) an, mit kleinen, auf-
rechten, nur an der Spitze gebogenen Hörnern ; in den Alpen, Pyrenäen etc.
— Mit den Schafen verwandt ist ferner der sogen. Bisam- oder Moschus -
ochse (Ovibox tnoachatus) , ein grosser langhaariger Wiederkäuer mit
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Wirbelthiere. fl. Classe: Säugethiere.
533
Hörnern, welche an diejenigen des Büffels erinnern, mit behaarter 8chnanze,
kurzem Schwanz und nur zwei Zitzen; lebt im arktischem Nordamerika
(in der quaternären Periode auch in Europa).
c. Rinder (Bocinac). Grosse plumpe Thiere mit breiter un-
behaarter Schnauze, langem Schwanz mit endständiger Quaste ; keine Klauen-
säcke; oft eine Wamme (herabhängende Hautfalte) an Hals und Brust.
Vier Zitzen. Die Hörner in der Regel rund und glatt ; sie sind am Grunde
nach aussen, mit der Spitze nach oben gebogen. Das Hausrind (Bos
taunts), mit platter Stirn, stammt wahrscheinlich von mehreren wilden Arten
ab ; einer seiner Stammväter ist der jetzt ausgestorbene riesige TJ r (B.
primigettius) , welcher im Alterthum und Mittelalter in Deutschland lebte.
Hit dem Hausrind nahe verwandt ist das ebenfalls gezähmte Zebu (B. in-
dictts), mit Fettbuckel, in Asien und Afrika; etwas entferpter das lang-
haarige Yak (B. gnmniens), welches (wild und gezähmt) in Gebirgsländern
Mittelasiens lebt. Die Wisente (Bison) haben eine gewölbte Stirn und
ziemlich kleine Hörner, welche ebenso wie die der Gatt. Bos am Grunde
weit von einander entfernt sind, der vordere Theil des Rumpfes fast buckel-
artig erhoben; der europäische Wisent1) (Bison europaeus) ist jetzt
beinahe ausgerottet (nur noch in Lithauen und im Kaukasus) , früher in
Deutschland etc. weit verbreitet ; die nahe verwandte amerikanische Art
(B. atnericanus, „Buffalo" der Amerikaner) kam bis vor wenigen Decennien
in grossen Heerden in Nordamerika vor, ist jetzt sehr an Zahl reducirt.
Die Büffel (Bubalus, zeichnen sich durch ihre am Grunde sehr abge-
platteten und verdickten, in der Mittellinie oft fast zusammenstossenden
Hörner und durch die schwache Behaarung aus; Sumpfthiere, von welchen
eine gezähmte, aus Indien stammende Art (Bub. vulgaris) unter Anderem in
Südeuropa gehalten wird.
6. Ordnung. Elephanten ( Probost idenj.
Die Elephanten der Jetztzeit (Elephas) sind grosse, plumpe,
sehr schwach behaarte, hochbeinige Thiere ; Vorder- und Hinterfüsse
(der Mittelfuss mitgerechnet) sind kurz, mit je 5 Zehen ausgestattet,
welche kurze Hufe-) tragen; unterhalb der in eine gemeinsame Haut
eingeschlossenen Zehen findet sich ein grosser Sohlenballen. Die
Schnauze ist zu einem langen Rüssel verlängert, an dessen Spitze
die Nasenlöcher und ein kleiner, beim asiatischen Elephant finger-
artiger Fortsatz sich befinden; der Rüssel ist ein Greifwerkzeug,
welches die Nahrung (Pflanzen) zum Munde führt; Wasser wird in
den Rüssel aufgesogen und in den Mund hinein gespritzt, indem die
Spitze des gebogenen Rüssels nach der Mundöffnung hin geführt wird.
Aeussere Ohren gross, plattenformig, herabhängend. Zitzen dicht bei
den Vorderbeinen. Der von einem kurzen , dicken Hals getragene
Kopf ist von kolossalem Umfang; die Schädelhöhle klein, ausgedehnte
Lufträume in den Kopf knochen. Schneidezähne fehlen im Unter-
kiefer; oben jederseits ein Schneidezahn, welcher, besonders beim
Männchen, in Form eines langen, nach vorn gebogenen, fast scbmelz-
losen, wurzellosen Stosszahnes entwickelt ist, der aus dem Mund her-
vorragt. Eckzähne fehlen. Die Backenzähne sind gross, mit hoher
') Der Name „Auerochs" wird sowohl von diesem als auch von dem Bos
primigenius gebraucht.
') Hufe können zuweilen an einer oder zwei Zehen fehlen.
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534
Specieller Theil.
Krone und kurzen Wurzeln ; die Krone ist in eine grössere oder
kleinere Anzahl zusammengedrückter, schmelzbekleideter Querplatten
gespalten, welche durch reichliches Cement zusammengehalten werden ;
in jeder Kieferhälfte zur Zeit immer nur ein, höchstens zwei Zähne
Fig. 861. Skolet eines Mastodon. — Nach Gaudry.
in Gebrauch; in dem Maasse, wie ein Zahn abgenutzt wird, tritt ein
anderer hinter ihm hervor und nimmt allmählich den Platz des ersteren
ein (das vordere Ende eines Zahnes tritt schon in Function, während das
hintere Ende noch im Kiefer versteckt ist, und ebenso wird das vordere
AB C
Fig. 862. Längsschnitt von Backenzähnen , A — li verschiedener H astodo n - Arteu,
C von einen» Elephanten, schematich. Das Cement weggelassen, d Dentin, e Schnieli,
k Pulpahöhle, r Wurzeln. — Orig.
Ende zuerst abgenutzt, so dass zuletzt nur das hintere Ende allein
übrig bleibt); im Ganzen kommen in dieser Weise in jeder Kiefer-
hälfte 6 Backenzähne zum Vorschein, von welchen die zuerst auf-
tretenden die kleinsten sind'). Nur zwei jetzt lebende Arten: der
l) Die 6 Backenzähne der Elephanten sind: dp*, dp*, dp*, m1, m*, m*; Prä-
molaren fehlen bei den jetzt lebenden, sind aber in rudimentärer Geatalt bei einer
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Wirbelthiere. 6. Clause: Säugethiere.
535
indische Elephant (E. indirtut) mit zahlreichen, stark zusammen-
gedrückten Platten in den Backenzähnen und verhältnissmässig kleineren
Ohren (gezähmt und wild), und der afrikanische E. (E. africanus)
mit einer geringeren Anzahl dickeren Zahnplatten und sehr grossen
Ohren.
Von den zahlreichen ausgestorbeneu Elephanten führen wir folgende
au: Der Mammut Ii (E. jrrimigenius), quaternär, in Sibirien und Europa,
stand in seinem Bau dem indischen Elephant nahe, besass aber in Anpassung
an das rauhe Klima ein dichtes Haarkleid. — Abweichender sind die Ma-
stodonten (Mastodon), deren Backenzähne,
von welchen mehrere auf einmal in Gebrauch
waren, sich dadurch auszeichnen, dass die Quer-
kämme niedriger, in geringerer Anzahl vor-
handen und nicht durch Cement verkittet sind ;
einige Mastodonten besassen in jeder Unter-
kieferhälfte einen nach vorne und unten ge-
richteten grossen Schneidezahn (ausserdem besitzen
die Mastodonten stets denselben oberen Schneide-
zahn wie Elephas). Uebrigens ist hervorzuheben,
dass beide Gattungen, Mastodon und Elephas,
in ihren Grenzformen in einander direkt über-
gehen. Tertiär. — Verhältnissmässitr kleine, _.
t, . ... , j. . .. Fig. 363. Schädel von Dtnotherium.
fast tapirahnliche Backenzahne besass die miocane
Gatt. Dinotherium , bei welcher die oberen Schneidezähne fehlen, während
dagegen in jeder Unterkieferhälfte ein nach unten gerichteter Schneidezahn
vorhanden ist.
In die Nähe der Elephanten stellt man die Gatt. Dinoceras, welche in
Grösse und Leibesform an jene erinnert, jedoch in manchen Beziehungen
sehr abweicht; es fehlen Schneidezähne im Zwischenkiefer (6 im Unter-
kiefer), dagegen sind ungemein lange obere Eckzähne vorhanden, Backen-
zähne klein. Miocän, Nordamerika.
7. Ordnung. Seekühe (Sirenia).
Die Seekühe sind eine kleine Gruppe von Meeres-Säugethieren,
welche früher mit den Walen zusammengestellt wurden, mit denen
sie jedoch in Wirklichkeit gar nicht näher verwandt sind ; die Aehn-
lichkeiten, welche in gewissen Punkten des Baues bestehen, sind als
durch die ähnliche Lebensweise beider Gruppen bedingt aufzufassen.
Dagegen erinnern die Seekühe in manchem an die Hufthiere.
Der Körper ist nur spärlich mit Haaren versehen. Der Kopf
wird von einem sehr kurzen Hals getragen, ist aber dennoch deutlich
vom Rumpf abgesetzt ; die Nasenlöcher sitzen am Ende der mit grossen
dicken Lippen versehenen Schnauze ; äussere Ohren fehlen. Der Rumpf
geht allmählich in den kräftigen Schwanz über, an dessen Ende jeder-
seits eine grosse wagerechte Hautfalte vorhanden ist (beide Hautfalten
zusammen werden als die „Schwanzflosse" bezeichnet). Die Vorder-
gliedmaassen sind kurz, nossenahnlich ; die Finger sind von einer ge-
meinsamen Haut umschlossen, der Daumen rudimentär, die übrigen
Finger dreigliedrig (im Gegensatz zu den Walen) ; der Arm ist nicht,
ausgestorbenen Elephas-Art nachgewiesen, ebenso wie sie auch bei Mastodon vor-
kamen.
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f>36
Specieller Theil.
wie bei den Walen, nur im Schultergelenk, sondern auch im Ellbogen-
gelenk etc. beweglich; beim Manati sind Rudimente hufähnlicher Krallen-
gebilde vorhanden. Hintergliedmaassen fehlen bei allen jetzt lebenden
Seekühen vollständig (Becken rudimentär) ; dagegen hat man bei der
miocänen Gatt. Halitheriinn Spuren der Hintergliedmaassen in Form
kleiner Oberschenkelknochen gefunden. Zwei Zitzen zwischen den
Vorderbeinen. Bei den Jungen sind oben und unten Schneidezähne
vorhanden, sie fallen aber in der Regel aus, so dass die Erwachsenen
vorne zahnlos sind; nur bei dem männlichen Dugong entwickelt sich
ein Paar der oberen Schneidezähne zu Stosszähnen, während dieselben
Zähne beim Weibchen im Kiefer versteckt bleiben. Statt der Schneide-
zähne besitzen sie vorne im Munde sowohl oben als unten eine grosse
Hornplatte. Eckzähne fehlen. Die Backenzähne sind klein, mit
Querkämmen ; der Manati besitzt deren etwa 10 in jeder Kieferhälfte,
der Dugong eine geringere Anzahl. Der Magen hat einen zusammen-
gesetzten Bau »).
Die Seekühe sind Pflanzenfresser (Tangfresser) von beträcht-
licher Grösse (die jetzt lebenden 3—5 ni), welche sich im Meere in
der Nähe der Küsten und in Flüssen aufhalten. In der Jetztzeit nur
der Manati (Manatux), welcher im Atlantischen Meer an den Küsten
von Afrika und Amerika (und in Flüssen, welche in jenes Meer aus-
münden) lebt, und der Dugong (Halicore dugong) im Indischen Ocean.
Ausgerottet ist die riesige, ganz zahnlose Steiler' sehe Seekuh
{Rhytina Stellen), welche bis in's vorige Jahrhundert in den nörd-
lichen Theilen des Grossen Oceans lebte.
8. Ordnung. Raubthiere (Carnivora).
Die Raubthiere bilden eine grosse, aus zahlreichen Gattungen
und Arten bestehende Abtheilung, innerhalb welcher zahlreiche Ver-
schiedenheiten im Bau wie in Lebensweise bestehen; daneben gehen
aber in mehreren Richtungen bestimmte charakteristische Züge durch
alle Formen, ein ausgeprägter gemeinsamer Typus tritt überall
hervor.
DaB gilt besonders von der Bezahnung, welche wir am
besten überblicken, wenn wir von einer Betrachtung des Zahnsystems
der Hundegattung ausgehen, indem sich diejenigen anderer Raub-
thiere als Modifikationen desselben nach verschiedenen Richtungen hin
betrachten lassen. Im Ober munde sind die Hunde jederseits mit
3 Schneidezähnen (von welchen der äusserste, *'8, etwas grösser als
die übrigen ist), einem kegelförmigen, gebogenen Eckzahn und 6 Backen-
zähnen (4 Prämolaren, 2 Molaren) versehen. Die drei vordersten
Backenzähne des Oberkiefers werden als Lückenzähne bezeichnet;
sie besitzen eine zusammengedrückte, dreikantige, zugespitzte Krone
und am Hinterrand des Dreiecks eine oder zwei kleinere Spitzen ; der
vorderste ist der kleinste. Der vierte Backenzahn (j)*), der Reiss-
zahn, hat eine ähnliche zusammengedrückte Form; hinter der Spitze
findet sich ein spaltförmiger Einschnitt im Rande, und an der inneren
Seite des Zahnes sitzt ein kleiner Höcker. Auf den Reisszahn
') In Bezug auf das Skelet mag hervorgehoben werden, dass der Untorkiefer
sehr gross und schwer, in der Form von demjenigen der Wale ganz verschieden
ist, was auch für den übrigen Schädel gilt.
DigitizecLby-GoGg*r
Wirbelthiere. 6. Clwee: Säugethicre.
537
folgen zwei breite, höckerige Zähne (ml und m~)f dieHöcker zahne,
von welchen der hinterste der kleinste ist. Im Untermunde finden
Fig. 364.
Fig. 865.
Fig. 364. Die Zähne des bleibenden Gebisse« der linkeu Hälfte des Schädel*
Hundes, und die Zähne de» Milchgebisse» desselben, letztere schraflSrt. — Orig.
Fig. 865. Desgl. einer Katze. — Orig.
sich, was die Vorder- und Eckzähne betrifft, ähnliche Verhältnisse
wie im Obermunde. Es sind aber im Unterkiefer 7 Backenzähne
(4 pt 3 m) vorhanden, von welchen die v i e r vordersten als Lücken-
zähne bezeichnet wer-
den und auch dieselbe
Form besitzen wie die
gleichnamigen desOber-
kiefers. Der fünfte Zahn
(m1), welcher dergrösste
der Unterkieferzähne
ist, erinnert in seiner
Form etwas an den
Reisszahn des Oberkie-
fers und wird auch als
Reisszahn bezeich-
net ; sein vorderster
Theil, welcher unter-
halb des Oberkiefer-
Reisszahnes sitzt , ist
zusammengedrückt und
mit zwei Spitzen ver-
sehen, von welchen die
hintere etwas höher als
die vordere ist; der
hintere, kleinere, Theil
des Zahnes ist niedri-
ger und höckerig. Die
beiden hintersten Ba-
ckenzähne («i», w3) sind
Höckerzähne, den
gleichnamigen desOber-
kiefers ähnlich , aber
kleiner als diese.
Fig. 366. Die Zähne des linken Oberkiefers von : .1
Hund, B Bär, C Marder, D Dachs, K Vivcrridc
(Uerpcatcs), /-'Hyäne, G Löwe. Besonders hervorzuheben
ist die starke Kntwickluug der höckerigen Partie (m1— im*)
in Ii und D und die Rückbildung derselben in E — 0. — Orig.
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538
Specieller Theil.
Die Entwicklung des Zahnsystems anderer Raubthiere bewegt
sich nun wesentlich theil s in die Richtung einer Reduction der
Backenzahnreihe von beiden Enden derselben, theils in die Richtung
einer einseitigen Ausbildung entweder des höckerigen oder des zu-
sammengedrückten Theils der Zahnreihe, während Schneide- und Eck-
zähne sich, was Zahl und Form betrifft, bei allen fast gleich ver-
halten. Wir führen davon ein paar Beispiele an. Bei der Katze
finden wir eine in Vergleich mit derjenigen des Hundes sehr rückge-
bildete Zahnreihe: von den 6 Oberkiefer-Backenzähnen des letzteren
fehlt der erste und der letzte, und von den 4 übrig gebliebenen sind
dazu noch der erste und der letzte fast rudimentär; von den 7 Unter-
kiefer-Backenzähnen fehlen bei der Katze sogar die beiden ersten und
die beiden letzten. Der höckerige Theil der Zahnreihe ist bei der
Katze fast gänzlich in Wegfall gekommen, indem nicht allein die
Höckerzähne (mit Ausnahme des rudimentären des Oberkiefers) fehlen,
sondern auch der höckerige Theil des Reisszahns des Unterkiefers
verschwunden ist. Bei den Bären finden wir das entgegengesetzte
Extrem: die Höckerzähne sind alle vorhanden und ebenso wie der
hintere (höckerige) Theil des Unterkiefer-Reisszahns ausserordentlich
stark entwickelt, während die Lückenzähne klein und beim erwachsenen
Thier z. Th. ausgefallen sind. Vergl. für die übrigen Gruppen die
specielle Darstellung und Fig. 366.
Noch grösser als im bleibendem Gebiss ist die Uebereinstimmung im
Milchgebiss, indem mit einer einzigen gleich anzuführenden Ausnahme
% dp vorhanden sind, nämlich dp-, dp*, dp*; von diesem ist oben dp* einem
Lückenzahn, dp* ganz dem oberen Reisszahn des bleibenden Gebisses ähnlich.
dp* im Oberkiefer ist ein Höckerzahn; im Unterkiefer sind dp9 und dp *
Luckenzähne, dp4 Reisszahn '). Merkwürdig ist es, dass der Reisszahn des
bleibenden Gebisses nicht denselben Platz wie der Milch-Reisszahn ein-
uimmt, sondern — sowohl im Ober- wie im Unterkiefer — einen Platz
weiter nach hinten gerückt ist. — Nur in dem Fall, dass die Anzahl der
Prämolaren unter drei sinkt (im Unterkiefer der Katze), sinkt die Anzahl
der Milchbackenzähne unter die typische herab (indem der dem fehlenden
Prämolar p~ entsprechende Milchbackenzahn dann auch fehlt).
Von anderen Charakteren sind folgende hervorzuheben. Das
äusserste Glied der Zehen trägt eine oft sehr stark gebogene Kralle
und wird durch ein elastisches Bändchen, welches von demselben bis
an das vorletzte Glied geht, mehr oder weniger nach oben gebogen gehalten,
so dass die Kralle bei einigen (z. B. der Katze) während des Ganges
die Erde gar nicht berührt (zurückgezogene Kralle). Der Daumen
ist (an beiden Gliedmaassenpaaren) meistens schwächer als die übrigen
Zehen, fehlt sogar häufig an den Hintergliedmaassen. Die Thiere
treten entweder mit dem ganzen Fuss auf (Sohlengänger) oder nur
mit den Zehen (Zehengänger). Das Schlüsselbein ist schwach ent-
wickelt oder fehlt. Fruchtkuchen ringförmig. (Bei manchen finden
sich besonders um den After herum besondere Hautdrüsen oder Haut-
einstülpungen, deren Secret oft widerlich stinkt.)
Die Raubthiere sind grösstenteils Thiere von mittlerer Grösse,
welche sich theils von anderen Säugethieren , Vögeln, Insekten etc.,
theils auch von Pflanzenkost (saftigen Wurzeln, Beeren etc.) ernähren.
') Es ist somit im Milchgebiss der Raubthiere stets dieselbe Anzahl von Höcker-
zähnen wie im bleibenden Gebiss der Katze, nämlich ^, vorhanden.
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Wirbelthiere. fl. Classe: Säugethiere.
539
Sie sind über die ganze Erde (mit Ausnahme von Australien) ver-
breitet, am reichsten in den Tropen vertreten.
Die ßaubthiere zerfallen in drei grössere natürliche Gruppen, von
welchen eine {Cynoidea) die Hundefamilie, eine andere (Ardoulea) die Bären-,
Halbbären- und Marderfamilie, eine dritte (Aeluroidm) die Katzen, Viverren
und Hyänen umfasst. Dies ist besonders in zahlreichen feineren Charakteren
des Schädels ausgeprägt, deren nähere Darstellung uns jedoch weit in den
ganz speciellen Bau des Schädels führen würde, wesshalb wir uns mit dieser
blossen Andeutung begnügen müssen.
1. Die Hundefamilie (Chnitlae). % L, \ R, % W) (= { p, % m)\
der höckerige Theil der Backenzahnreihe von mittlerer Stärke. Kopf länglich,
Schwanz lang, Beine hoch mit 5 Zehen vorn, 4 hinten; Zehengänger.
Hierzu gehören : Der F u c h s s) ( Canis mipes), der Polarfuchs8) (C. lago-
pus), beide mit senkrechter Pupille, letzterer ein hochnordisch es Thier; der
Wolf (C. /m/w/«), mit runder Pupille, durch Europa und Nordasien etc.
verbreitet, in Deutschland ausgerottet; der Schakal (C. aureus), mit dem
Wolf nahe verwandt , in Asien, Nordafrika und auf der Balkanhalbinsel ;
von ihm oder seinen nächsten Verwandten stammt wahrscheinlich der Haus-
hund (C. familiaris) ab. — Eine einzelne Hundeform, die Gatt. Icticyon
(in Brasilien), zeichnet sich durch den Besitz von nur \ i/aus; sie schliesst
sich sonst nahe an die übrigen an. Eine andere, der mit ungemein grossen
Ohren versehene , fuchsähnliche , spitzschnauzige , südafrikanische Otocyon
(■affer, hat eine grössere Anzahl Backenzähne als die typische, nämlich
i P> i m-
2. Die Bärenfamilie (I rsidcte). § L. { K, $ H (= { p, $
Höckertheil der Backenzahnreihe überwiegend entwickelt, übriger Theil der-
selben rückgebildet (meistens fehlen beim erwachsenen Thier einige L). Läng-
licher Kopf, sehr kurzer Schwanz, an allen vier Beinen je 5 Zehen, welche
mit sehr starken Krallen bewaffnet sind ; Sohlengänger von ansehnlicher
Grösse, welche sich zum grossen Theil von Pflanzenkost ernähren. Hierzu
gehören: Der gemeine Bär (Crsus arcios), innerhalb Deutschlands nur
noch im bayrischen Hochlande, ausserdem in der Schweiz, in Ungarn, Buss-
land. Skandinavien etc. (Winterschläfer); der Baribal (6r. americanus),
schwarz, in Nordamerika, ebenso wie der braungraue Grislibär ( f. eine-
mut) ; der Lippenbär (C. labiatus), in Indien, mit sehr vorstreckbaren
Lippen und ungemein langen Krallen, verliert gewöhnlich frühzeitig seine
Schneidezähne; der Eisbär (JT. maritimus), weiss, mit behaarten Sohlen,
gehört den arktischen Gegenden an. Grösser als die jetzt lebenden Bären
war der quaternäre Höhlenbär {U, spelaetts), dessen Ueberreste man häufig
in den Knochenhöhlen Deutschlands findet.
3. Die Halb bären (Procyonidae). $ L, [ Ii, \ Ii (= 4 p, $ m)\
Höckertheil der Backenzahnreihe weniger überwiegend als bei den Bären.
Kopf länglich , Schwanz lang , 5 Zehen vorn und hinten ; Sohlengänger.
Kleinere Formen. Nahrung gemischt. Hierzu die Waschbären (^Procyoti)
und die mit langer Schnauze versehenen Nasenbären (Nasua), beide
Gattungen in Amerika.
4. Die Marderfamilie {Mustelidae). §£| L, \ Ii, \ U (= }-£-} p,
£ w); bei einigen ist der sägeartige Theil der Backenzahnreihe (d. h. die
') L = Lückenzähne, R = Reisszahn, H = Höckerzähne.
•) An der Oberseite des Schwanzes nicht weit vom Rumpfe findet sich beim
Fuchs eine Grappe von kleinen Drüsen, welche eine riechende Flüssigkeit absondern.
*) Beim Polarfuchs sind meistens nur | H vorhanden.
540
Specieller Theil.
Lückenzähne, der Reisszahn im Oberkiefer, der vordere Theil des Reiss-
zahnes des Unterkiefers), bei auderen der Höckertheil derselben überwiegend
entwickelt. Schwanz meistens wohlentwickelt, Beine niedrig, 5 Zehen:
Zehen- oder Sohlengänger.
a. Die Mardergattung(J/«*tefo). Kleine, sehr langgestreckte,
schlanke Raubthiere, welche sich hauptsächlich von warmblütigen Wirbel-
thieren ernähren. Zehengänger. Höckertheil ziemlich klein. In Deutsch-
land leben die folgenden: Der Edelmarder (3/. mattes) mit dottergelber
Kehle, der Steinmarder (M. foina) mit weisser Kehle, die grossten
deutschen Arten; der Iltis (M, putorius) , braun, oben etwas heller als
unten (das Frettchen [AI. furo] ist eine durch Domestication erzeugte
weissliche Abart des Iltis) ; der Hermelin ( M. etmined) , welcher im
Winter weiss wird; das kurzschwänzige T kleine Wiesel (M. vulgaris).
die kleinste Art; der Nörz (M. lutreoh), von Grösse des Iltis, einfarbig
braun, mit Bindehaut zwischen den Zehen, lebt am Wasser, selten in Deutsch-
land, häutiger in Russland (erinnert an die Otter^. Der Zobel (3f. xi-
bdlina) in Sibirien steht dem Edelmarder sehr nahe. — Mit den Mardern
verwandt ist der Vielfrass (Guh botestlis), welcher grösser und plumper
ist, einen sehr kurzen buschigen Schwanz besitzt, Sohlengänger; in Skan-
dinavien, Russland, Sibirien, Nordamerika.
b. Die Ottern (Lu(ra) sind grössere Marderformen mit langem
kräftigen Schwanz, Schwimmhaut zwischen den Zehen, stumpfer Schnauze und
sehr kurzen Ohren. Schwimmen vorzüglich, ernähren sich besonders von
Fischen. In Europa die Fischotter (L. vulgaris), hält sich sowohl an
Süsswasser wie am Meere auf. — Verwandt ist die Seeotter (Erüiytlra
mathui) mit £ * (während andere Raubthiere \ haben) ; die Hinterglied-
maassen erinnern an diejenigen der Seehunde ; an den Küsten des nördlichen
Stillen Ocean.
c. Der Dachs (Melex taxus) zeichnet sich durch die starke Ent-
wicklung der Höckerzähne und des hinteren Theiles des Unterkiefer-Reisszahnes
aus ; Sohlengänger mit starken Grabkrallen an den Vorderbeinen; Allesfresser.
— Verwandt sind die Stinkthiere (MephUis) in Nord- und Südamerika,
Afrika und Kleinasien.
5. Die Schleichkatzen ( Vkcrridae). $ L, } R, { 11 (= { p, \ m)\
Sägetheil der Backenzahnreihe überwiegend entwickelt. Kleinere, marder-
ähnliche Thiere mit langgestrecktem Körper und niedrigen Beinen. In den
wärmeren Theilen der alten Welt. Hierzu gehören die Zibethkatzen
(Viretta), von welchen eine Art (T. genetta) in Südeuropa (und Nord-
afrika) lebt, und die Pharaosratte (Herjtestes Ichneumon) in Afrika.
6. Die Hyänenfamilie (Ilyaetiidae). % L, { R, J>- // (= \ p, \ m).
Grössere, hochbeinige, wolfähnliche, ziemlich langschwänzige Thiere ; Zehen-
gänger. In der alten Welt. Die Arten der Gatt. Hyaena sind Aasfresser:
die Gatt. l*roteles, in Südafrika, mit sehr schwachen, kleinen, spitzigen
Backenzähnen, soll sich besonders von Lämmern ernähren.
7. Die Katzenfamilie (Feluhie). $ L, \ R, ^ H (= £ p, \ m) ;
Höckertheil der Backenzahnreihe rudimentär. Schlanke, gestreckte Thiere
mit rundlichem Kopf, langem Schwanz, 4 Zehen an den Hintergliedraaassen,
sehr stark gebogenen , zusammengedrückten und zugespitzten Krallen.
Zeheugänger. Ernähren sich fast ausschliesslich von Warmblütern. Hierzu
gehören: Der Löwe (Felis la>), einfarbig, £ mit Mähne, Afrika, West-
asien, früher auch im südöstlichen Europa ; nahe verwandt ist der ausge-
storbene (quaternäre) Höhlenlöwe (F. spclticu). Der Tiger (F. tigtis) mit
Querstreifen, Asien. Der Jaguar (F. ouqu), in Südamerika, und der
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Wirbelthiere. «. Classe: Säugethiere.
541
Leopard oder Panther (F.pardus), in mehreren Varietäten in Afrika
und Südasien, sind grosse, mit Bingflecken versehene Katzen.' Der Puma
oder Kuguar (K concolor), eine mittelgrosse einfarbige Katze, lebt in
Südamerika. Kleinere Formen sind: die Tigerkatzen, verschiedene
kleine gefleckte Formen (F. tigrina u. a.) ; die Wildkatze (F. catus), in
Mittel- "und Südeuropa, auch noch an verschiedenen Stellen in Deutschland,
von ähnlicher Färbung wie graue Hauskatzen, aber kurzschwänziger ; die
Hauskatze (F. domestica), welche, wie es scheint, von der nubischen Wild-
katze (F. maniculata) abstammt. Abweichendere Formen sind: der Gepard
fOynailurm] jubata), eine grosse gefleckte hochbeinige Katze mit weniger
zurückgezogenen Krallen als die übrigen Katzen, in Afrika und Asien, wird
auch zahm gehalten; der Luchs (F. lyiuc oder Lynx vulgaris), durch seine
hohen Beine, kurzen 8chwanz und mit Haarpinseln versehene Ohren aus-
gezeichnet (meistens fehlt beim Luchs der vorderste der bei anderen Katzen
vorhandenen Oberkiefer-Lückenzähne, so dass die Zahnformel £ p, { m wird),
in Scandinavien, Russlaud etc., früher auch in Deutschland. — Die aus-
gestorbenen Säbelkatzen {Maflmerodus) haben 7 L, \ Ii, ^ II
(= rJ.? p, 1 vi) also eine noch mehr rückgebildete Backenzahnreihe als
die jetzt lebenden Katzen, denen sie übrigens im Ganzen nahe stehen ; der
Eckzahn des Oberkiefers ist nngemein kräftig und stark verlängert. Bei
einer anderen ausgestorbenen Katze, der Gatt. Dinictis, findet man dagegen
eine grössere Anzahl von Zähnen als bei den jetztlebenden, nämlich im
Unterkiefer einen Lückenzahn mehr und einen kleinen Höckerzahn (die
Oberkieferzähne dieselben wie bei Felis): $ L, \ R, \ H {— % p, ± in).
9. Ordnung. Robben oder Flossenfüssler (Pinnlpedia).
Die Robben sind mit den Raubtbieren nahe verwandt und
stimmen in zahlreichen Charakteren mit denselben überein; sie sind
als ein in Anpassung an das Leben im Meere umgestalteter Raubthier-
Typus aufzufassen.
Die Gliedmaassen sind kurz, breit, nach hinten gerichtet: der
proximale Theil der Vordergliedmaassen ist unter der Rumpfhaut
versteckt, der freie Theil derselben erinnert an die Brustflossen eines
Fisches; die Hintergliedmaassen liegen mit der Fussspitze nach
hinten dicht am Rumpf, zum grossen Theil in die Haut des letzteren
eingeschlossen; bei den echten Seehunden sind sie in dieser Stellung
befestigt, während sie beim Walross und den Ohrenrobben so weit nach
vorn gewendet werden können , dass das Thier auf denselben gehen
kann. An jedem Fuss sind fünf Zehen (Finger) vorhanden , welche
mit geraden Krallen versehen sind ; sowohl an den Vorder- als an
den Hintergliedmaassen ist eine Schwimmhaut zwischen den Zehen
ausgespannt, und ausserhalb der Spitzen der Zehen erstreckt sich als
Fortsetzung der Schwimmhaut ein mehr oder weniger entwickelter
Hautsaum. An den Vordergliedmaassen nehmen die Finger an Länge
und Stärke von Nr. 1 bis Nr. 5 ab (Nr. I und 2 sind jedoch unge-
fähr gleich stark); an den Hintergliedmaassen sind Nr. 1 und 5
kräftiger und meistens auch länger als die drei Übrigen. Die Ferse
ist kurz. Das äussere Ohr ist klein oder fehlt; die Augen gross;
die Nasenlöcher spaltförmig, schliessen sich von selbst durch die
Elasticität der Wand, werden durch Muskelwirkung geöffnet. Die
Behaarung besteht meistens aus dichtgestellten, angedrückten, glatten
Haaren (zuweilen liegt unter diesen ein dichtes Wollkleid); die neu-
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542
Specialer Thei)
geborenen Jungen gewöhnlich mit einer wolligen Behaarung, welche
jedoch bei einigen schon im Mutterleibe gewechselt wird ; die Schnurr-
haare sind sehr kräftig. Unterhalb der Haut findet sich eine dicke
Schicht von Fettgewebe (Speck). Von Schneidezähnen sind gewöhn-
lich $ (oder eine geringere Anzahl; selten |) vorhanden; sie sind
Fig. 867.
T i
mehr kegelförmig als bei den Raubthieren und schliessen sich nicht
wie bei diesen zu einem schneidenden Rand zusammen ; die Eckzähne
sind meistens schwächer als bei den Raubthieren, sonst aber ähnlich.
Von Backenzähnen sind meistens ^ p \ m vorhanden; sie sind alle
ungefähr gleich, gewöhnlich von ähnlicher Form wie die Lückenzähne
der Raubthiere oder einfach kegelförmig; sie sind verhältnissmässig
schwach. Die Milchzähne sind rudimentär; sie werden entweder schon
im Mutterleibe oder bald nach der Geburt gewechselt.
Von anderen Charakteren fuhren wir an, dass der hinterste Theil des
Schädels sehr breit ist, während derjenige Theil, welcher zwischen den
Augenhöhlen liegt, in der Regel stark zusammengedrückt ist. Der Unter-
kiefer ist in der Regel schwach. Thränenbein und Thränenkanal fehlen,
die Thränendrüse ist klein, die Harder'sche Drüse wohlentwickelt. Der
Fruchtkuchen ist wie bei den Raubthieren ringförmig.
Die Robben sind Thiere von ansehnlicher, nicht selten sogar
riesiger Grösse, welche im Meere leben (einzelne auch in grossen
Seen, so im Caspischen Meer), wo sie sich mit der grössten Ge-
wandtheit mittels des sehr biegsamen Hinterkörpers bewegen, wobei
die grossen nach hinten gerichteten Hinterfüsse ungefähr wie die
Schwanzflosse eines Fisches fungiren. Häufig gehen sie jedoch aufs
Land, um sich auszuruhen, um zu gebären etc.; sie halten sich aber
stets in unmittelbarer Nähe der Küste auf und bewegen sich nur müh-
sam auf dem Lande fort; Ohrenrobben und Walrosse können noch
auf allen vier Füssen gehen, die echten Seehunde hüpfen aber unge-
mein schwerfällig fort, indem sie den Rücken krümmen und sich mit
dem Hinterkörper abstossen (sie ruhen dabei mit der Bauchseite auf
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säu^ethiere. 543
der Erde; die Vordergliedmaassen werden bei der Bewegung meistens
nicht benutzt). Ihre Nahrung besteht hauptsächlich in Fischen. Sie
leben gewöhnlich in Polygamie; das Männchen ist häufig, wie bei
manchen anderen polygamen Thieren. bedeutend grösser als das
Weibchen. Sie gehören besonders den kälteren und temperirten
Theilen der Erde an.
1. Die Ohrenrobben (Otariidas). Mit kleinen äusseren Ohren.
Hals lang. Können auf den Füssen gehen, deren Unterseite nackt ist
(Sohlenballen); an allen vier Füssen ein grosser Randsaum, welcher an
den Hinterfüssen gelappt ist ; Krallen theilweise rudimentär oder sehr klein
(dies gilt von allen Krallen der Vordergliedmaassen und von Nr. 1 und 5
der Hintergliedmaassen, während die Krallen der mittleren Zehen der Hin-
terfüsse wohlentwickelt sind). Die Männchen Bind stets viel grösser als
die Weibchen. — Diese Abtheilung steht den Baubthieren am nächsten;
manche der Eigentümlichkeiten, welche die Ordnung der Flossenfüssler
jenen gegenüber auszeichnen, sind bei den Ohrenrobben weniger ausge-
prägt. — Hierzu die unter dem Namen „Seelöwen" bekannten Thier-
formen, deren Fell zum Theil ein ausgezeichnetes Pelzwerk liefert1). Sie
leben in den südlicheren Theilen der südlichen Halbkugel und in den nörd-
lichen Theilen des Stillen Oceans.
2. Das Walross (Triclitchus [ OdöbaenusJ rosmanut\ ist eine ohrlose,
übrigens mit den Ohrenrobben nächst verwandte, in den Zahnverhältnissen
aber sehr eigentümliche Robbe. Ebenso wie die Ohrenrobben kann sich
das Thier auf die mit grossem Randsaum versehenen Ftisse stützen, die
Unterseite der Füsse ist nackt, die Ausbildung der Krallen entspricht der-
jenigen der Ohrenrobben (sämratliche Krallen der Vorderfüsse und die 1.
und 5. der Hinterflisse sind rudimentär). Das junge Thier besitzt $ », \ c, £ U,
von diesen sind aber einige klein und fallen früh aus oder brechen gar nicht
hervor, so dass das erwachsene Thier gewöhnlich von functionirenden Zähnen
^ t, } c, $ b besitzt. Von diesen Zähnen ist der Oberkiefer-Eckzahn ein
langer wurzelloser Stosszahn, während die übrigen beim jungen Thier kegel-
förmig sind, während sie später flach abgekaut werden. Das Walross er-
nährt sich von Muscheln etc., welche es mit den langen Zähnen losschaben
soll. Sehr ansehnliche Form . welche in den arktischen Gegenden zu
Hause ist.
3. Echte Seehunde (Pltocidae). Aeussere Ohren fehlen. Hals
kurz. Die Füsse sind auf der Unterseite behaart, können gar nicht zum
Gang benutzt werden ; Randsaum der Füsse schmal ; Krallen meistens wohl-
entwickelt. Die Vordergliedmaassen sind klein (kleiner als die Hinterglied-
maassen). Besonders in den arktischen Gegenden.
a. Die Gatt. Phoca besitzt $ i und zusammengedrückte mehr-
spitzige Backenzähne. Hierzu der gemeine Seehund {Ph. vitulina) und
die Ringelrobbe (Ph. foetida), beide an den deutschen Küsten etc. — Mit
Phoca verwandt ist der graue Seehund (Halichoerus grypus), mit kegel-
förmigen Backenzähnen, häufig z. B. in der Ostsee.
b. Die Blasenrobbe oder Klappmütze (Cysiopfiom cristata),
mit \ i, ist besonders dadurch merkwürdig, dass das Männchen an der
Oberseite des Kopfes mit einem Paar Luftsäcken ausgestattet ist, welche
mit dem vordersten Theil der Nasenhöhlen in Verbindung stehen und vou
') Die in den Handel kommenden Seelöwenfelle sind der Deckhaare beraubt,
so dass die Wollhaare allein übrig geblieben, und sie haben desshalb ein von den
frischen Fellen Behr abweichendes Aussehen.
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r>44
Specieller Theil.
diesen ans mit Luft gefüllt, aufgeblasen werden. Grönland und andere
arktische Gegenden. — Ein naher Verwandter ist der See-Elephant
(C. jiroboscidm). bei dessen Männchen die Schnauze in einen kurzen Rüssel
verlängert ist, welcher aufgeblasen werden kann ; im Indischen und Grossen
Ocean, besonders in den südlicheren Theilen derselben.
10. Ordnung. Wale (Cetaceti).
Die Wale sind ein zu ausschliesslichem Aufenthalt im
Meere eingerichteter und demgemäss umgebildeter Säuge thier-Typus.
Sie sind dieser Lebensweise viel einseitiger
angepasst als die übrigen Typen von Meeres-
Siiugethieren (Robben und Seekühe) ; die An-
passung ist so innig, dass die Wale für die
oberflächliche unmittelbare Betrachtung weit
mehr an Fische als an Säugethiere erinnern.
Die Leibesform ist fischartig; Kopf.
Rumpf und Schwanz gehen sanft in einander
über, der Körper ist gegen beide Enden hin
zugespitzt; von einem Hals ist keine Spur
Uu8serlich zu entdecken; der Schwanz ist
zusammengedrückt für ein Säugethier ausser-
ordentlich kräftig entwickelt, sehr musculös.
Am Ende des Schwanzes befindet sich eine
wagerechte Schwanzflosse, eine breite
nach beiden Seiten ausgezogene steife Haut-
falte. An der Rückenseite befindet sich eine
gewöhnlich kurze, aufrechte, steife Hautfalte,
die Rückenflosse. Die Haut ist glatt
und glänzend ; Haare (und Hautdrüsen) fehlen
gewöhnlich beim ausgebildeten Thiere völlig,
höchstens sind einzelne Haare an gewissen
Stellen des Kopfes, besonders in der Nähe
der Mundränder, vorhanden1); die Lederhaut
ist sehr dick und ausserordentlich fetthaltig
(Speck). Lippen fehlen. Von den Glied*
maas8en sind nur die vorderen entwickelt
(über Rudimente der hinteren vergl. unten) ;
sie sind zu krallenlosen, steifen, nur im
Schultergelenk beweglichen Platten ausge-
bildet, die Finger von einer gemeinsamen
Haut umschlossen und ihre Grenzen äusser-
lich nicht erkennbar. Die Nasenlöcher sitzen
Oberarm, Ä Speiche, UUle;» Na- hoch oben auf dem Kopf Und sind Öfters ZU
viculare, / Lunatum. > Truiuetrum ; • • & • • j-
td Muitang. min«8, . Hamatu.» ; einer gemeinsamen Oeffnung vereinigt ; die
i—ir erster— vierter Finger, v Augen klein, äussere Ohren fehlen, die
ninfter Mitteihandknocben. — äussere Ohröffnung ausserordentlich klein.
Nach Flower.
Fig. 369. Rechte Vorderex-
tremität eines GrimlwaU. H
') Nur gewisse Barten wal e (und ein südamerikanischer Flussdelphin, Inia)
l>esitzen in ausgebildetem Zustande Haare. Dagegen findet sich fast bei allen Walen,
sowohl bei Barten- wie bei Zahnwalen, beim Embryo eine geringe Anzahl von
Haaren; bei den Zahnwalen sitzen dieselben stets ausschliesslich oberhalb de« oberen
Mundrandes.
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Wirhelthiere. 6. Classe: Säugrethiere. 545
Die Zitzen, eine auf jeder Seite, sitzen in Gruben neben dem
After.
Die Halswirbelpartie ist sehr kurz, besteht aber aus den gewöhn-
lichen 7 Wirbeln, von welchen meistens eine verschiedene Anzahl
Fig. 870.
Fig. 370. Schädel eine« Za huwalcs (Deijihi'nun) von der Seite. Verkleinert. — Orig.
Fig. 371. Schldel eine« Bartenwale!» (Palaena japonica), Foetus. Verkleinert.—
Nach Eschricht.
Gemeinsame Bezeichnung: C Hinterhaupts-Gelenkhöcker , Fr Stirnbein . Ju Jochbein,
L Thränenbein, Mr Oberkieferbein, n Nasenloch, Xa Nasenbein, oe seitliches Hinterhaupts-
i>ein, 0$ oberes Hinterhauptsbein, Pa Scheitelbein, Pal Gaumenbein, Pt FlUgelbein, Px Zwischen-
kieferbein, Bq Schuppenbein, 7> Paukenbein.
verwachsen ist (zuweilen, so beim Polarwal , sind sie sogar alle ver-
wachsen: bei den Furchenwalen und einigen Zahnwalen sind sie da-
gegen alle frei); die Halswirbelkörper sind abgeplattete Scheiben.
Nur eine sehr geringe Anzahl von Rippen verbindet sich mit dem
kurzen Brustbein. Die Lendenwirbelpartie zeichnet sich durch ihre
Boas, Zoologie. 35
546
Specieller Theil.
bedeutende Länge aus; Beckenwirbel sind nicbt unterschieden. Die
ganze Wirbelsäule (mit Ausnahme der Halswirbel) ist sehr biegsam,
die Bandscheiben zwischen den Wirbeln dick. Die Kiefer sind stark
verlängert; das Jochbein bei den Zahnwalen sehr dünn; die Nasen-
beine sehr kurz, oft rudimentär (am besten bei den Bartenwalen ent-
wickelt). Das Schulterblatt ohne Kamm ; Schlüsselbeine fehlen. Wie
oben erwähnt, sind die Knochen der Vordergliedmaassen unbeweglich
mit einander verbunden. Es sind 4 oder 5 Finger vorhanden ; von
Interesse ist es, dass die Anzahl der Glieder in einigen derselben
grösser ist als drei. Es findet sich ein Ueberrest des Beckens
in Form von zwei Knochen, einem auf jeder Seite, welche weder mit
einander noch mit der Wirbelsäule in Verbindung treten ; bei gewissen
Bartenwalen sind ausserdem Rudimente des Skeletes der Hinterglietl-
maassen, von Schenkel- und Schienbein, im Fleische versteckt, vor-
handen. — Thränendrüse und Thräuenkanal fehlen, eine Harder'sche
Drüse ist dagegen vorhanden und zwar wohlentwickelt (ihr Secrei
hat eine fettartig-schleimige Beschaffenheit). — Die Nasenhöhlen
sind bei den Bartenwalen ein Paar schräge, bei den Zahnwalen ein
Paar fast senkrechte Röhren; bei den Bartenwalen sind rudimen-
täre Nasenmuscheln und
schwache Riechnerven
vorhanden, bei den Zahn-
walen fehlen die Nasen -
muscheln (während Riech-
nerven zuweilen vorhanden
sind, zuweilen fehlen). - —
Bei den Zahnwalen finden
sich in der Regel zahl-
reiche Zähne, welche
meistens alle ungefähr
gleichgebildet, kegelför-
mig sind ; ein Zahnwechsel
fehlt. Bei den Barten -
walen sind im Embryonal-
zustande Zähne (von ähn-
licher Form wie bei den
Fig. 372. Querschnitt des vorderen Theilcs des Kopfes ZahllWalen) vorhanden,
eines Furchenwals, schematisirt. b Knorpel, welcher welche aber klein Sind Und
der Nasenscheidewand anderer SHuget liiere entspricht; ba niemals hervorbrechen
Barte, / Hautfurchen, i Zwischen-, m Oberkieferbein, Im , . , r 1 •• *
Zunge, « Unterkiefer, r Pflugscharbein. - Nach Yves Üelage. sondern Wieder autgelost
werden. Die Harten,
welche diese Thiere im Munde besitzen, sind zwei Längsreihen von
mächtigen , quergestellten, senkrecht von dem Gaumendach herab-
hängenden Hautfalten, welche mit einer stark entwickelten, die Haupt-
masse der Barte bildenden Hornschicht bekleidet sind. Jede Barte
stellt demnach eine dreieckige, feste Hornplatte dar, welche in ihrer
grössten Ausdehnung solid ist, an der Basis aber eine spalt form ige
Höhlung besitzt, in welcher der weiche Theil der Barte, der ans
Bindegewebe und der Schleimschicht der Haut bestehende „Barten-
keim", seinen Platz hat. Die Barte hat drei Ränder: einen kürzeren
oberen, welcher sich mit dem Gaumen verbindet, einen äusseren
glatten geraden Rand und einen inneren stark aufgefaserten schrägen
Raud, welcher der längste ist ; in dem inneren Theil der Barte finden
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere.
547
sich mehrere bis auf die Basis der Barte reichende senkrechte Ein-
schnitte. Die Barten, von welchen die vordersten und die hintersten
jeder Reihe die kleinsten sind, liegen jederseits ziemlich dicht an ein-
ander und fällen einen grossen Theil der Mundhöhle aus, in deren
Mitte jedoch ein im Querschnitt dreieckiger Baum übrig bleibt. Bei
geschlossenem Munde werden die Barten vom Unterkiefer verdeckt.
Sie haben die Bedeutung eines Seihapparates: die Bartenwale
schwimmen mit klaffend geöffnetem Munde eine Strecke weit durch's
Wasser, schliessen darauf den Mund, und das Wasser sickert dann
zwischen den Barten nach aussen, während die im Wasser enthaltenen
Organismen von den am inneren Rand der Barten befindlichen Fasern
zurückgehalten werden, welche zusammen eine filzige Wand an jeder
Seite im Munde bilden. Die Barten sind als ausserordentlich stark
entwickelte Gaumen falten (vergl. S. 508) aufzufassen. — Die
Speicheldrüsen sind rudimentär oder fehlen, der Magen hat einen
zusammengesetzten Bau. Der Kehlkopf ist zu einem aufrechten hohen
Zapfen verlängert, welcher vorne von dem stark entwickelten Gaumen-
segel umfasst wird ; die Nahrung gleitet zu beiden Seiten des Zapfens
in die Speiseröhre hinab. Die Hoden bleiben in der Bauchhöhle.
Die Wale sind fast alle Meeresthiere ; einige wenige leben in
Flüssen. Sie bewegen sich in ähnlicher Weise wie die Fische durch
Schläge des Schwanzes. Sie gehen nie freiwillig aufs Land. Sie
sind im Stande sich ziemlich lange Zeit unterhalb der Wasserober-
fläche aufzuhalten, ohne zu ersticken (nach einigen Angaben bis
4 Stunde). Ihre Nahrung b »steht besonders in Fischen und niederen
Seethieren. Sie leben in allen Meeren, die grösseren Formen jedoch
besonders in den kälteren Theilen der Erde. Zu dieser Abtheilung
gehören die grössten aller thierischen Geschöpfe.
m
1. Unterordnung. Bartenwale (Mystacocefl).
Zahnlos, mit Barten versehen. Zwei äussere Nasenlöcher, welche
weiter vorne sitzen als bei den Zahnwalen. Das Brustbein nur mit
einem einzigen Rippenpaare verbunden. Schädel ausserordentlich
gross, symmetrisch; Nasenbeine verhältnissmässig wohl entwickelt.
Sie ernähren sich von verschiedenen, schaarenweise lebenden kleinen
Meeresthieren (Leuchtkrebsen, Copepoden etc.), manche Furchenwale
ausserdem noch von kleineren Fischen. Hierzu die grössten Wale.
1. Die Furchenwale (htalaenopterid'tc^. Mit Rückenflosse. Auf der
Unterseite des Kopfes und des Rumpfes zahlreiche tiefe Längsfurchen. Lang-
gestreckte Thiere mit verhältnissmässig kleinerem Kopf und kürzeren Barten;
schmale Brustflossen. Hierzu der Blauwal {Balarnoptera gigaa), welcher
eine Länge von 30 m erreicht, und der etwas kleinere Fi nnwal (2?. mus-
culus), welche beide an den Küsten des nördlichen Norwegens den Gegen-
stand einer regelmässigen Fischerei bilden. AVeit kleiner (höchstens bis
10 m) ist der Zwerg wal (B. rostrata), ebenfalls im nördlichen Atlantischen
Meere. Der sehr ansehnliche Buckel wal (Megapteraboops), mit niedrigerer
buckeiförmiger Rückenflosse und mit sehr langen Brustflossen, ist weniger
gestreckt als die meisten übrigen Furchenwale; wird unter Anderem an
der Küste Norwegens ziemlich regelmässig angetroffen.
2. Die Glatt wale (Balaenidae). Keine Rückenflosse. Keine Furchen
auf der Unterseite. Körper weniger gestreckt, Kopf verhältnissmässig sehr
gross, Barten lang und schmal, Brustflossen breit. Hierzu der bis 20 m
85*
548
Specieller Theil.
lange, kolossale Grönlands- oder Polarwal (Balaena mysticetus), bei
Grönland etc.; jetzt an Zahl stark reducirt. Der Nordkaper (B. bis-
cayenxis), dem Grönlandswal sehr ähnlich, etwas südlichere Form (im nörd-
lichen Atlantischen Meer bis in die Bucht von Biscaya), jetzt äusserst selten.
2. Unterordnung. Zahnwale (Odontoceti).
Mit Zähnen versehen, keine Barten. Aeussere Nasenlöcher zu
einem einzigen J) vereinigt , welches oben auf dem Kopfe weit nach
hinten zu sitzt. Das Brustbein ist mit mehreren Rippenpaaren ver-
bunden. Die Gesichtspartie des Schädels deutlich asymmetrisch:
Nasenbeine rudimentär. Ernähren sich meistens von Fischen.
1. Die Del ph in e (Dclphinus) haben eine zugespitzte schnabelförmige
Schnauze, welche dnrch eine Furche von der Stirn abgegrenzt ist; zahl-
reiche (20 und mehr) kleine kegelförmige Zähne in jeder Kieferhälfte ; eine
Fig. 373. Schädel des Grind wals von der linken Seite, mit der großen der Schnauze
aufliegenden Fettmasse ; letztere in der Mittellinie durchschnitten. / weiche Fettmatse, & feste
bindegewebige Schicht unterhalb der durch eine dicke schwarze Linie angedeuteten Oberhaut,
n Nasenloch, / Luftsäckchen vom Nasengang ausgehend. — Nach Murie.
hohe Rückenflosse. Thiere von ca. 3 m Länge. Mehrere Arten kommen
in den europäischen Meeren vor. — Verwandt ist das Meerschwein
oder der Braun fisch (Phocaena communis), höchstens 2 m lang, mit kurzer
stumpfer Schnauze, zusammengedrückten Zähnen (ca. 25 in jeder Kiefer-
hälfte) ; häufig in den europäischen Meeren , ist z. B im Kleinen Belt bei
Gelegenheit seiner jährlichen schaaren weisen Wanderung durch den Belt
der Gegenstand einer regelmässigen Fischerei. — DerGrindwal (Globi<h
cephalus melas) ist nur im vordersten Theil jedes Kiefers mit Zähnen aus-
gestattet; der Kopf ist vorne dick und abgerundet, mit ganz kurzer vor-
stehender spitzer Schnauze ; bis etwa 7 m lang. Wird bei den Färöern regel-
mässig gefangen; zufälliger Gast — wie manche andere Wale — in der
Nord- und Ostsee. Ernährt sich besonders von Tintenfischen. — Der
Butzkopf oder Schwertfisch (Orca gladiaior) ist ein grösserer Zahn-
wal (bis 9 m) mit sehr hoher Rückenflosse (daher der Name Schwertfisch)
und ca. 12 kräftigen kegelförmigen Zähnen in jeder Kieferhälfte; ernährt
sich von Meerschweinen, Seehunden und Fischen; im nördlichen Atlan-
tischen Ocean.
') Bei den Zahnwalen, nicht aber bei den Bartenwalen, finden sich sackför-
mige Ausstülpungen sowohl des kurzen unpaarigen äusseren Nasenganges wie des
oberen Theiles der paarigen Nasengänge.
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere.
549
2. Von mehr abweichenden Zahnwalen seien angeführt: Der
Pottwal oder Cachelot (Physeter nuicrocepiialns), ein grosser Wal mit
kolossalem, vorne gerade abgeschnittenem Kopf: an der platten Schnauzen-
partie des Schädels liegt eine ungeheure Fettmasse') (aus welcher Walrat
gewonnen wird), welche dem Kopf seine eigenthüm liehe Form verleiht;
starke, kegelförmige Zähne im Unterkiefer, rudimentäre im Oberkiefer.
Weit verbreitet, ist auch einige Mal in der Nordsee gefangen worden. —
Verwandt ist der Dögling (Ifi/i>eroo(lon dünlott) mit schmaler, spitzer
Schnauze, der Kopf hinter derselben stark gewölbt; fast zahnlos (nur ein
grösserer und ein kleinerer Zahn vorne in jeder Unterkieferhälfte, ausser-
dem einige rudimentäre Zähne oben und unten) ; im nördlichen Atlantischen
Ocean, z. B. ziemlich häu6g an den Färöern , zufälliger Gast in der Nord-
und Ostsee. — Der Narwal (Mutuxlon monoceros) ist dadurch ausgezeichnet,
daas das Männchen vorne im linken Oberkiefer einen sehr laugen, geraden,
nach vorne gerichteten, spiralig gewundenen Stosszahn besitzt, welcher weit
aus dem Munde hervorragt; im rechten Oberkiefer ein ähnlicher, aber weit
kleinerer Zahn, welcher im Kieferknochen versteckt bleibt; sonst zahnlos2)
(beim Weibchen sind beide Zähne in den Kiefern eingeschlossen). — Als
Beispiel der im Süsswasser lebenden Zahnwale erwähnen wir den merk-
würdigen Gangesdelphin (PlatnnisUt gmvjdica), welcher lange, dünne
Kiefer mit zahlreichen spitzen Zähnen besitzt ; die Augen rudimentär, ohne
Linse ; das Skelet in mehrfacher Beziehung eigenthümlich. Das Thier,
welches nur 2 — 3 m lang wird, lebt im Ganges, Indus etc. Ein paar ver-
wandte Flusswale in Südamerika.
11. Ordnung. Zahnarme (Edentata).
Die zu den Edentaten gehörenden Thierfor^nen sind dadurch
ausgezeichnet, dass die Zähne, wenn solche überhaupt vorhanden
sind, stets ziemlich unvollkommen entwickelt sind, keine geschlossene
Zahnreihe bilden und stets schmelzlos sind; sie sind gewöhnlich alle
ungefähr gleich und wurzellos. Schneidezähne fehlen (nur bei
einem einzelnen Gürtelthier ist der hinterste Schneidezahn im Ober-
munde vorhanden). Ein Zahnwechsel findet in der Regel nicht statt.
Die Krallen sind gewöhnlich lang, gebogen, sehr kräftig. — Zu dieser
Ordnung gehört eine Anzahl verschiedener Formen, welche meist in
den heissen Ländern zu Hause sind.
1 . Die Faulthiere( Bradypodulnt : Gatt. Bradifttw etc). Der Körper ist
mit langen groben Haaren dicht bekleidet. Der Kopf ist rund, äussere
Ohren sehr klein. -J cylindrische Zähne. Yordergliedmaassen länger als
die Hintergliedmaassen. An jenen finden sich drei Finger (Nr. 2 — 4) oder
nur zwei (Nr. 2 — 3), an den Hintergliedmaassen stets drei Zehen (Nr. 2 — 4).
Sowohl Finger als Zehen sind bis an das Krallenglied, welches gegen die
Hand- resp. Fussfläche eingeschlagen werden kann, in eine gemeinsame
Haut eingeschlossen; die Krallen sind ungemein lang und kräftig, sichel-
förmig. Schwanz rudimentär. Ausschliesslich kletternde Thiere, welche
sich von Blättern ernähren. Süd- und Centraiamerika.
') An derselben Stelle finden sich auch bei anderen Zahnwalen eine dünnere
oder dickere Fettschicht, welche z. B. beim Grind stark entwickelt ist, und welcher
der Kopf dieses ThiereB seine gewölbte Form verdankt (Fig. 378).
*) Einige wenige rudimentäre Zähne können im Oberkiefer hinter dem Stoss-
zahn vorhanden sein.
550
Specieller Theil.
2. Die Megatherien oder Riesen faulthiere (MißgaÜteriidae:
Gatt. Mcgntheriitm , Mglmlon etc.) nehmen ungefähr eine Mittelstellung
zwischen der vorhergehenden und der folgenden Gruppe ein, indem sie in
den Verhältnissen des Kopfes und der Zähne den Faulthieren ähnlich sind,
während die Wirbelsäule, die Glied moassen (von welchen die hinteren un-
gefähr dieselbe Länge wie die vorderen besitzen) und der lange kräftige
Schwanz den entsprechenden Theilen der Ameisenfresser ähnlich sind. Es
waren pflanzenfressende Thiere, meistens von bedeutender Grösse (die
grössten übertreffen das Nashorn) von ausserordentlich plumpem Bau, mit
sehr massiven Knochen; einige besassen kleine knöcherne Knoten in der
Haut. Ihre Ueberreste hat man an verschiedenen Stellen Amerikas in
quaternären Schichten gefunden.
3. Die Ameisenfresser (Myrmcophagn) sind mit feineren oder
gröberen Haaren bekleidet, der Kopf ist mehr oder weniger gestreckt, zu-
weilen sehr lang, Zähne fehlen, die Mundöffnung ist sehr klein, die Zunge
A B
Fig. 374. A Hand des gros»en Ameisenbären, B des Zwerg-Ainciscn-
b I r e n. « Naviculare, / Lunatum, c Triquctruni ; p Erbsenbein ; Im Multaug. majus, td M. minu?,
m Capitatum, u Haraatuin. 1 — V die Zehen. — Nach Flower.
wurmförmig, die Unterkiefer - Speicheldrüsen von ungewöhnlicher Grösse.
Der 3. Finger ist sehr gross mit langer sichelförmiger Kralle, die anderen
Finger sind kleiner oder sogar rückgebildet; beim Gange ruht das Thier
auf dem äusseren Rand der Hand. Der Hinterfuss mit 4 — 5 ungefähr
gleichen Zehen mit kräftigen Krallen. Schwanz lang. Sie ernähren sich
von Insekten, z. B. Termiten, welche an der langen, vom Speichel klebrigen
Zunge hängen bleiben. Südamerika. Dazu der grosse Ameisenbär
( M. jubata) mit groben Haaren und buschigem Schwanz ; er lebt auf der
Erde, während die übrigen Arten überwiegend oder ausschliesslich kletternde
Thiere sind, wie das z. B. vom Zwerg-Ameisenbären (3/. didndyla)
gilt ; letzterer besitzt eine kurze Schnauze, feine, weiche Behaarung, Greif-
schwanz und hat an jeder der Vordergliedmaassen nur zwei krallentragende
Finger.
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Wirbelthicre. 6. Gasse: Säugcthiere.
551
4. Die Gürte 1 thi ere (Dasyjxjdülae) zeichnen sich dadurch aus, dass
die Oberseite des Rumpfes mit grossen plattenf örmigen Schuppen
von ähnlicher Beschaffenheit wie die der Reptilien versehen ist ; die Schuppen
oder Platten sind von einander durch weiche Furchen getrennt, während
ihre äussere Fläche stark verhornt ist ; in jeder Schuppe findet sich eine
grosse Hautverknöcherung. Diese Schuppen bilden über dem mitt-
leren Theil des Rückens mehrere durch weiche Hautpartien getrennte
Querreihen, während sie vorne und hinten auf dem Rücken dichter an ein-
ander liegen ; die entsprechenden Hautverknöcherungen sind an den letzt-
genannten Stellen, und ebenso diejenigen jeder Querreihe, eng mit einander
verbunden, so dass wir einen grossen knöchernen Schild vorne und hinten
auf dem Rücken und eine verschiedene Anzahl (3 — 12) knöcherne Halbringe
mitten über dem Rücken erhalten. Auch an der Oberseite des Kopfes, an
den Gliedmaßen und auf dem Schwanz finden sich ähnliche Schuppen
wie auf dem Rücken ; dagegen fehlen sie auf der behaarten Bauchseite.
Die Zähne cylindrisch, oft ziemlich zahlreich ; der Kopf länglich mit wohl-
entwickelten äusseren Ohren, die Beine niedrig mit kräftigen Krallen (das
Thier tritt mit der Fusssohle auf). Es sind grabende, wesentlich insekten-
fressende Thiere, ziemlich klein oder von mittlerer Grösse ; einige können
eich zusammenrollen. Süd- und Centraiamerika. — Verwandt sind die
ausgestorbenen Glyptodonten, bei welchen alle Rückenplatten mit ein-
ander unbeweglich zu einem grossen, dicken, gewölbten Panzer verbunden
waren ; es waren ungemein plumpe Thiere von ansehnlicher Grösse, bei
welchen grosse Partien der Wirbelsäule verwachsen waren. Quaternär,
Südamerika.
5. Die Erdferkel (Orydcropus) sind spärlich behaarte Thiere von
ziemlicher Grösse, mit langer Schnauze und Zunge, kleiner Mundöffnung,
grossen Ohren, kräftigem Schwanz, starken aber nicht sehr langen Krallen ;
sie besitzen Zähne. Afrika.
6. Die Schuppenthiere {Mnnia) sind besonders dadurch ausge-
zeichnet, dass der grösste Theil des Körpers (mit Ausnahme, der Unterseite
des Kopfes und Rumpfes) mit grossen, stark verhornten, dachziegelförmigen
Schuppen bedeckt ist, zwischen welchen einzelne Haare stehen. Der Kopf
ist länglich, äussere Ohren fehlen, die Mundöffnung ist klein, die Zunge
lang, Zähne fehlen ; der Schwanz ist kräftig ausgebildet, Krallen lang und
sichelförmig. Insektenfresser, welche in den tropischen Theilen der alten
Welt die Ameisenfresser, an welche sie in mehrfacher Beziehung erinnern,
repräsentiren.
12. Ordnung. Nagethiere (BodetUia).
Die Ordnung der Nager ist in erster Linie durch das eigenthüni-
lich ausgebildete Gebiss charakterisirt. Eckzähne fehlen stets; von
Schneidezähnen findet sich im Unterkiefer jederseits nur einer,
welcher seinen Platz am vorderen Ende des Kiefers, dicht an dem
entsprechenden der anderen Kieferhälfte, hat; im Zwischenkiefer
findet sich ebenfalls meist nur ein Schneidezahn, welcher ähnlich wie
der des Unterkiefers sitzt. Die Schneidezähne sind lang, wurzellos,
ungefähr vierseitig, prismatisch, bogenförmig gekrümmt; nur an der
Vorderseite und an dem angrenzenden Theil der Seitenflächen sind
sie mit Schmelz bekleidet (welcher an der Oberfläche zuweilen roth-
braun ist), und die Folge hiervon ist, dass sie hinten stärker als vorne
abgenutzt werden, so dass das freie Ende des Zahnes wie schräg ab-
559
Specieller Theil.
geschnitten, meisselförmig erscheint. Die Schneidezähne des Zwischen-
kiefers sind stärker als die des Unterkiefers gebogen; sowohl oben
wie unten erstreckt sich der im Kiefer versteckte Theil derselben
weit nach hinten, im Unterkiefer sogar meist unterhalb sämmtlicher
Backenzähne hin bis in den
allerhintersten Theil des
Kiefers hinein. Bei der
Hasen familie findet sich
im Obermunde hinter dem
grossen Schneidezahn noch
ein kleinerer ; weiter ist her-
vorzuheben, dass bei ihnen
der Schneidezahn des Unter-
kiefers sich nur bis an
das vorderste Ende der
Backenzahnreihe erstreckt
(Fig. 375 A). Zwischen
Schneide- und Backenzäh-
nen ist stets ein grosser
zahnloser Zwischenraum.
Die Form der Backen-
zähne ist bei den Nagern
eine sehr verschiedene.
Bei einigen findet man
Backenzähne mit kurzer,
höckeriger oder mit nie-
drigen Querkämmen ver-
sehener Krone und wohl-
entwickelten Wurzeln (Maus, Ratte) : bei anderen sind zwar Wur-
zeln wie bei jenen vorhanden , die Zahnkrone ist aber länger
und sowohl von oben nach unten wie an den Seiten gefaltet;
bei anderen sind wieder die Wurzeln ganz kurz in Vergleich
Fig. 375. Rechte Unterkieferhttlfte, A de« Kanin-
chens, B des A g u t i , von der inneren Seite. Zahn-
höhle des Schneidezahns in ihrer ganzen Länge aufge-
meissclt, um die sehr verschiedene Lange des Zahnes zu
zeigen. G vertritt das gewöhnliche Verhalten der Nager.
— Orig.
Fig. 376
niiehe gleich).
Nach Owen.
Querschnitte von Backe nz Ulmen
A Hase, B Biber, C Wühlmaus.
Nager (ungefähr der Kan-
al Dentin, e
mit der langen gefalteten Zahnkrone. Endlich sind bei zahlreichen
Nagern die Backenzähne wurzellos, an beiden Seiten mit tiefen
senkrecht verlaufenden Falten versehen, welche sich mehr oder
weniger tief in den Zahn hinein erstrecken und theilweise oder ganz
Wirbelthiere. 6. Clasae: Säugethiere.
553
mit Cement gefüllt sind; an der Kaufläche erscheinen dann Quer-
oder Schrägstreifen von Schmelz mit Cement und Dentin dazwischen.
Seltener sind die wurzellosen Backenzähne der Nager sogar (vergl.
die Backenzähne des Elephanten) in eine Reihe senkrechter Quer-
platten mit Cement dazwischen getheilt. Diese
verschiedene Ausbildung der Zähne steht mit Zahnformeln:
der verschiedenartigen Lebensweise in naher Hase | p, $ m.
Verbindung, die kurzkronigen Backenzähne Pfeifhase. 1 - 4 -
halten nur eine verhältnissmässig geringe Ab- Bichhorn.
nutzung aus, die anderen eine grössere oder Biber { - $ -
sehr grosse. Die Anzahl der Zähne ist Sminthus. . . £ - 4 -
höchstens, bei den Hasen, 4 p, $ m ; bei an- Mus # - $ -
deren ist die Zahl mehr oder weniger redu- Hydromys ß - $ -
cirt, und zwar stets von dem vorderen Ende
der Zahnreihe aus, wie aus der nebenstehenden Liste hervorgehen
wird, bei einigen sogar so weit, dass alle Prämolaren ') fehlen ; nur bei
einer einzigen, der Mausefamilie angehörigen, Form (der australischen
Gattung Hydromys) fehlt auch ein Molar, nämlich der hinterste, in3.
Während die Gelenkfläche am Schädel für den Unterkiefer bei
den meisten Säugethieren eine quergestellte Fläche oder Grube ist,
stellt sie bei den meisten Nagethieren eine Längsfurche dar, so dass
der Unterkiefer eine bedeutende Beweglichkeit von vorn nach hinten
besitzt (beim Kauen wird der Unterkiefer vorwärts und rückwärts
gezogen; die Schmelzstreifen der Backenzähne haben die entgegen-
gesetzte Hauptrichtung, der Quere nach). — Die Füsse sind im All-
gemeinen klein, krallentragend, und das Thier tritt in der Regel mit
dem ganzen Fuss auf; der Daumen der Vorderfüsse ist meistens rudi-
mentär oder fehlt, während die anderen Finger und Zehen bei der
Mehrzahl sämmtlich vorhanden sind. — Bei mehreren Nagethieren
finden sich innere Backentaschen, Ausstülpungen der Backen, welche
mit der Mundhöhle in Verbindung stehen; bei einzelnen sind un-
gefähr an derselben Stelle äussere, mit Haaren bekleidete Hautein-
stülpungen (äussere Backentaschen) vorhanden.2)
Die Nager bilden eine artenreiche, sehr verbreitete Gruppe von
mei8tentheils kleineren Säugethieren, welche fast ausschliesslich
Pflanzenfresser sind.
1. Die Hasenfam il ie (Isjxjrulae). | i, •S^*J 6; der grosse Schneide-
zahn im Zwischenkiefer mit einer Furche; die Backenzähne wurzellos, ge-
faltet. Die Hasengattung (Lepus) mit !j b, langen Ohren, sehr kurzem
8chwanz, langen Hintergliedmaassen 3) ; hierzu der Feldhase (L. earo-
jHiens)*), durch den grössten Theil Europas verbreitet, und der Schnee-
') Wie gewöhnlich fehlen auch die entsprechenden Milchzähne , und da die
Vorderzähne der Nager (abgesehen von den Hasen) keine Vorläufer haben, so fällt
bei Nagern, welche keine Prämolaren besitzen, der Zahnwechsel gänzlich aus.
*) Bei den Säugethieren findet sich im Oberkieferknochen ein kürzerer oder
längerer Kanal, der Oberkieferkanal (Canalis infraorbitalis) , durch welohen ein
grösserer Nerv (der Oberkieferast des Nervus trigeminus) verläuft; die vordere
Oefmung des Kanals befindet sich vor der Augenhöhle und wird als Unteraugen-
höhlenloch (Foramen infraorbitale) bezeichnet. Bei den Nagern ist der Oberkiefer-
kanal ganz kurz und in der Regel sehr weit, und eine Portion dea äusseren Kau-
muskels (Massetcr) geht dann durch denselben hindurch.
kleine Sohlenballen vorhanden, welche aber von den Haaren der angrenzenden
Hautpartien uberdeckt werden.
*) In manchen Büchern irrthümlich mit dem Namen L. Hmidus bezeichnet.
) Die Fusssohlen sind anscheinend
behaart, in Wirklichkeit sind jedoch
Diniti
554
Specieller Theil.
ha se (L. limidus oder mriahilis), in den nördlichen Theilen Europas und
Asiens, in Grönland und auf den Alpen und Pyrenäen; letzterer wird in
kälteren Gegenden im Winter weiss; ferner das kurzbeinigere, grabende
Kaninchen (/,. cuniculus), in Südeuropa einheimisch, an manchen Stellen
in Deutschland verwildert. Die Pfeifhasen (Ixtgomys) mit £ 6, kurzen
Ohren, kürzeren Hintergliedmaassen als die Hasen, schwanzlos; in Sibirien
und Nordamerika.
2. Die Eichhörnchen- Familie (Sciuridae). \ b, höckerig oder
gefaltet, der vorderste Oberkieferbackenzahn sehr klein ; Daumen rudimentär ;
Schwanz behaart. Hierzu das Eichhörnchen (Sciunis tn/jom) mit
langem buschigen Schwanz, Baumthier, ebenso wie die fliegenden
Eichhörnchen (Pteromys), welche durch den Besitz einer grossen Haut-
falte (Fallschirm) an den Seiten des Rumpfes zwischen Vorder- und Hinter-
gliedmaassen ausgezeichnet sind (eine Art, Pt. volans, in Nordrussland). Die
Murmelthiere (Arctfnnys) sind grabende Thiere, Winterschläfer, von
gedrungenerem Bau, mit kurzen Ohren und kurzem Schwanz; eine Art
(A. niarmota) in den Alpen. Letzteren steht der Ziesel (Spermophüiut
citUlus) in Osteuropa (westlich Mb in Schlesien) sehr nahe. — Mit den
Eichhörnchen verwandt ist der Biber (Castor fiber), ein Thier von ziemlich
ansehnlicher Grösse mit ^ gefalteten Backenzahnen, kurzen Ohren, grossem,
abgeplattetem, beschupptem Schwanz und mit einer Schwimmhaut zwischen
den Hinterzehen; schwimmt und gräbt vorzüglich; Rindenfresser. In
Deutschland nur noch an wenigen Stellen vorhanden, in Anhalt (an der
Elbe und Mulde) noch recht häufig. Eine verwandte, aber selbständige
Art (C. canadensis) in Nordamerika.
3. Die Schlafmäuse (Myoxidne). | b mit querverlaufenden Schmelz-
streifen; Daumen rudimentär; Schwanz lang, behaart. Erinnern äusserlich
an Eichhörnchen oder Mäuse. In Deutschland leben von dieser Gruppe
folgende: der Siebenschläfer (Myoxits glia), die grösste Art; der
Gartenschläfer (M. nitela) ; der seltene (mehr Östliche) Baumschläfer
(3f. dryas); die kleine, mäuseähnliche Haselmaus (3/. avcUanarius). — Mit
den Schlafmäusen verwandt ist die Streifen maus (SmuUhus betidinus oder
vagus) in Nord- und Osteuropa, eine äusserlich ganz mäuseähnliche Form
mit \ b. Der Streifenmaus sehr nahe stehen die Springmäuse (I)ipu$)t
welche sich besonders dadurch auszeichnen, dass die Hinterfüsse stark ver-
längert sind, was besonders von den Mittelfussknochen Nr. 2 — 4 gilt,
welche zu einem einzigen Knochen verschmolzen sind (die Zehen 1 und 5
sind klein oder fehlen); die Thiere treten nur mit den Zehen 2—4 des
Hinterfasses auf und springen auf diesen allein fort; der Schwanz ist
lang, mit einem Haarbüschel am Ende; Steppenthiere, Südrussland, Asien,
Afrika.
4. Die Mäusefamilie (Muridae). § h (selten \ b, vergl. S. 553) von
sehr verschiedenem Bau. Schwanz länger oder kürzer, beschuppt; Daumen
rudimentär. In der Regel Thiere von geringer Grösse.
a. Die Mäusegattung (Mus). Backenzähne höckerig, mit
kurzer Krone und mit Wurzeln. Schwanz lang, schwach behaart. Ohren
ziemlich entwickelt. In Deutschland: die Waldmaus (AT. sylvaticus) , die
Brandmaus (M. ugrarius) und die Zwerg maus (M. itiinuttt*)] einge-
wandert, an die Wohnungen des Menschen gebunden sind: die Hausmaus
(.1/. musculus), die Hausratte (M. rattus), jetzt selten, fast gänzlich von
der später eingewanderten Wanderratte (3/. decuinajws) verdrängt. —
Mit den Mäusen verwandt ist der bunt gefärbte Hamster (Q-icettui fni-
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere.
ittrntorius), mit Backentaschen und kurzem Schwanz; etwas grösser als eine
Ratte; Hitteleuropa.
b. Die Wühlmäuse (Arriocfa). Backenzähne lang, wurzellos,
mit tiefen Furchen an beiden Seiten (Kaufläche mit Schraelzschlingen) ;
selten finden sich kurze Wurzeln. Schwanz kürzer und mehr behaart als
bei den Mäusen. Ohren kurz. Mehr ausschliesslich Pflanzenfresser (Wurzel-,
Sindenfresser etc.) als die echten Mäuse. Graben. Folgende Arten kommen
in Deutschland vor: die Röthelmaus (A. ybtvcobi), bildet den Uebergang
zu Mus (die Backenzähne mit kurzen Wurzeln, etwas längere Ohren und
längerer Schwanz als die übrigen); die Feldmäuse (A. >iyrcsti# und awili.s)-f
die Wasserratte (A. nmpkibius)] letztere ist von der Grösse einer Wander-
ratte, die übrigen etwa wie eine Hausmaus. Nahe verwandt ist der Lern-
ming (Myodex lemmus) mit sehr kurzem Schwanz und starken Vorder-
krallen; in Skandinavien, berühmt wegen seiner Wanderungen. — Eine
andere mit den Wühlmäusen verwandte Form ist die Bisam- oder Zibeth-
ratte (Fiber lihcthictts) mit langem, zusammengedrücktem Schwanz; die
Zehen mit steifen Haaren am Bande. Pelzthier von ziemlich ansehnlicher
Grösse, im nördlichen Nordamerika, erinnert in seiner Lebensweise au
den Biber.
5. Die Stachel ratten- Gruppe (Hystricomoiyha) ist eine aus zahl-
reichen , äusserlich sehr verschiedenen Nagern bestehende Gruppe , welche
besonders in charakteristischen Punkten des Schädelbaues übereinstimmen1).
Backenzähne \, gestreift, mit oder ohne Wurzeln.
a. Die Stachelschweine (Hystriridac) sind dadurch ausge-
zeichnet, dass ein Theil der Haare zu steifen Stacheln, oft von enormer
Stärke und bedeutender Länge, entwickelt sind. Thiere von recht be-
trächtlicher Grösse. Hierzu das gemeine Stachelschwein (Flyslrix
cristata), in Südeuropa; lebt auf der Erde, Schwanz kurz. In Amerika
verschiedene kletternde Formen, einige (Cercolabex) mit Greifschwanz.
b. Die Halbhufer (Subungtilata). Krallen kurz, hufähnlich,
Beine in der Regel hoch, häufig berühren nur die Zehen die Erde. Anzahl
der Zehen an den Hinterfüssen verschieden; Vorderfüsse mit vier wohlent-
wickelten Fingern und mit Daumenwarze oder ohne solche. Schwanz klein
oder fehlt. Alle in Süd- (oder Central-)Amerika. Hierzu der Paka (Coclo-
ymys paca) mit 5 Zehen, die Goldhasen oder Aguti's (Dajfyprocta), das
gezähmte Meerschweinchen ((Jana cobaya), das Wasserschwein
(Hydrochoerm capybara), alle mit 3 Zehen; letzteres ist der grösste aller
jetzt lebenden Nager (an den südamerikanischen Flüssen).
13. Ordnung. Halbaffen (Prosimiae),
Ebenso wie bei den Affen — mit welchen die Halbaffen früher
vereinigt wurden — ist der Daumen sowohl an der Hand wie am
Fuss von den anderen Fingern (Zehen) getrennt und kann diesen
gegenübergestellt werden. Gewöhnlich ist nur die Zehe Nr. 2 an
den Hinterfüssen mit einer Kralle versehen, die anderen Zehen uud
Finger dagegen mit platteren N ä g e 1 n. Die Vordergliedmaassen sind
kürzer als die Hintergliedmaassen. Von Zähnen finden sich höchstens:
J *» \ cf t Pi $ w'i °ft jedoch die Anzahl eine geringere. Die
Vorderzähne im Obermunde sind gewöhnlich klein, und vorne in
') So ist z. B. das Unteraugenhöhlenloch von kolossaler Grösse, ebenso wie
auch der Unterkiefer eine ausgeprägt eigentümliche Form besitzt.
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f)f>6
Speoiellcr Theil.
der Mitte ist in der Regel ein zahnloser Zwischenraum zwischen den-
selben vorhanden; im Unterkiefer sind Schneide- und Eckzähne ganz
übereinstimmend, sie sind schmal und schräg nach vorne gerichtet; der
Eckzahn des Oberkiefers hat die gewöhnliche Eckzahnform ; die Prämo-
laren (alle oder nur die vorderen) sind zusammengedrückt, dreikantig
(der vorderste im Unterkiefer eckzahnähnlich), die übrigen Backenzähne
spitzhöckerig oder mit je zwei Querkämmen.
Die Halbaffen sind gewöhnlich dicht behaarte Thiere, oft mit
langem Schwanz. Das Skelet ist in manchen Punkten von dem der
Affen abweichend ; es ist z. B. keine hinten geschlossene knöcherne
Augenhöhle vorhanden, die Augenhöhle steht vielmehr wie bei den
übrigen Säugethieren mit der hinter derselben liegenden Schläfengrube
in weit offener Verbindung (es ist jedoch, wie bei verschiedenen
anderen Säugethieren, ein geschlossener Knochenring um die Augen-
höhle vorhanden); die Unterkieferäste sind gewöhnlich vorne getrennt;
die Gesichtspartie des Schädels ist im Verhältniss zur hinteren , das
Gehirn umschliessenden, Partie grösser als bei den meisten Affen. —
Der Uterus ist mit zwei langen Hörnern versehen. An der Brust
findet sich ein Paar Zitzen; zuweilen ausserdem ein Paar am Bauch.
Es sind kletternde Thiere, welche sich von Früchten, Insekten,
kleinen Wirbelthieren ernähren; sie sind gewöhnlich nur Nachts in
Bewegung. Sie leben ausschliesslich in der alten Welt, eine ansehn-
liche Zahl auf Madagascar.
1. Die Maki's oder Fuchsaffen (Lcmur). Schnauze spitz, fuchs-
ähnlich, Schwanz lang, \ i, fr, ß Madagascar. — Verwandt sind die
Lori's oder Faul äffen (Stctiops) mit kurzer Schnauze, grossen Augen,
keinem oder kurzem Schwanz. Indien.
2. Der Koboldmaki (Tarsius spectrum) ist dadurch ausgezeichnet,
dass gewisse der Fusswurzelknochen (Fersenbein und Centrale) ausserordent-
lich verlängert sind so dass der Fuss wie gestielt erscheint; breite weiche
Sohlenballen unterhalb der Zehenspitzen; 2. und 3. Zehe mit Kralle;
Schwanz lang mit einem Haarbüschel am Ende ; Augen von kolossaler
Grösse. Nachtthiere, springen vorzüglich. Auf verschiedenen indischen
Inseln.
3. Der Aye-Aye \Chiromys madagascariciisi«) ist ein in mehreren
Beziehungen eigentümlicher Hai baffe. Vorne im Ober- wie im Untermund
findet sich auf jeder Seite ein grosser wurzelloser Zahn, welcher an die
Vorderzähne der Nager erinnert; der im Obermunde befindliche ist ein
Schneidezahn , der des Unterkiefers scheint dem äussersten der drei bei
anderen Halbaffen nach vorne gerichteten Zähne, also dem Eckzahn, zu ent-
sprechen (demnach wird die Zahnformel lauten : ^ ' > ° r» i Hinter-
daumen mit Nagel, alle anderen Zehen und Finger mit Krallen ; 3. Finger
ausnehmend dünn (wird zum Hervorholen von Insekten aus Löchern und
Spalten verwendet). Madagascar.
14. Ordnung. Primaten (Primates).
Bei den Mitgliedern dieser Ordnung — den Affen und dem
Menschen — ist der Daumen sowohl an Vorder- wie an Hinter-
') Eine solche Verlängerung der Fusswurzel steht innerhalb der Säu^ethiere
fast isolirt da; bei einigen verwandten Halbaffen findet sich jedoch eine Annäherung
an dasselbe Verhältniss. (Vergl. auch die Fusswurzel der Froschlurche.)
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Wirbelthiere. 6. Classe: Säugethiere.
r>57
gliedmaassen von den übrigen Fingern oder Zehen getrennt und freier
beweglich als diese, denen er gewöhnlich mehr oder weniger vollkommen
gegenübergestellt werden kann, so dass die Gliedniaassen als Greif-
werkzeuge fungiren können ; besonders ist der Hinterdaumen gewöhn-
lich sehr frei und beweglich (mit Ausnahme des Menschen). In der
Regel sind alle Finger und Zehen mit ziemlich schwach gewölbten
Nägeln ausgestattet. Die Gesichtspartie ist gewöhnlich kurz und
klein in Vergleich mit derjenigen anderer Säugethiere und mit der
Schädelkapsel. Das Gesicht mehr oder weniger schwach behaart. -Die
Augen sind nach vorn gerichtet und sitzen dicht beisammen. Die
Augenhöhle ist im Gegensatz zu derjenigen aller anderer Säuge-
thiere durch eine knöcherne Querscheidewand (welche aus Theilen
des Jochbeines, des Stirnbeines und der Flügel des hinteren Keil-
beines zusammengesetzt ist) von der hinter ihr liegenden Schläfen-
grube getrennt Die Zähne verhalten sich an Zahl und der Haupt-
sache nach auch in der Form im Ober- und im Untermunde gleich;
in jeder Kieferhälfte finden sich 2 meissel förmige Schneidezähne,
l Eckzahn von gewöhnlicher Form, 2 oder 3 Prämolaren, und in der
Regel 3 (selten 2) Molaren; alle Backenzähne höckerig, mit kurzen
Kronen. Es finden sich stets nur zwei, an der Brust angebrachte
Zitzen. — Von anderen Charakteren ist hervorzuheben, dass die
vorderen Zungenbeinhörner kürzer sind als die hinteren, und dass
das Zungenbein ohne direkte Verbindung mit dem Schädel ist. Der
Uterus ist einfach (ohne Hörner).
Die Primaten sind gewöhnlich Thiere, welche überwiegend zum
Leben auf den Bäumen eingerichtet sind ; manche bewegen sich jedoch
auch mit Leichtigkeit auf der Erde auf allen vier Gliedmaassen , in-
dem sie mit der ganzen Hand- und Fussfläche die Erde berühren.
Nur der Mensch ist durch eine sehr starke Ausbildung der Hinter-
gliedmaassen etc. zur ausschliesslichen Bewegung auf der Erde auf
den Hintergliedmaassen allein eingerichtet. — Es sind fast aus-
schliesslich tropische Thiere, deren Hauptnahrung Früchte sind.
Abstand zwischen den äusseren
Nasenlöchern ziemlich gross. Kein
knöcherner äusserer Gehörgang.
In der Scheidewand zwischen Augen-
höhle und Schläfengrube ein kleines
Loch. i{ p.
Abstand zwischen den Nasen-
löchern gering. Aeusserer Gehör-
gang theilweise verknöchert. Kein
Loch in der Scheidewand zwischen
Augenhöhle und Schläfengrube.
Hinterdaumen sehr
beweglich. Hinterglied-
maassen nicht, oder nicht
viel, stärker als die Vor-
Hinterdaumen wenig
beweglich. Hinterglied-
maassen ausserordent-
lich stark entwickelt.
Westaffen
Ostaffen
Menschen
1. Unterordnung. Westaffen (Pfotynhhtae).
Aeussere Nasenlöcher durch eine breite Hautbrücke getrennt.
Drei Prämolaren oben und unten (Zahnformel in der Regel:
J », \ c, % p, % m). Kein Theil des äusseren Gehörgangs verknöchert.
In aer oben erwähnten Platte zwischen Augenhöhle und Schläfen-
grube findet sich (im Hinterrande des Jochbeins) ein kleines Loch
(d. h. die Platte ist nicht ganz vollständig). Blinddarm verhältniss-
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o58
Speoieller Theit.
massig gross. — Backentaschen und Gesässschwielen fehlen : Vorder-
gliedmaassen in der Regel etwas kürzer als die Hintergliedmaassen;
der Schwanz ist wohlentwickelt, zuweilen Greifschwanz. Ausschliess-
lich in Süd- und Centralamerika.
1. Die Rollaffe n (Gehns) haben einen langen, ringsum behaarten
Schwanz, welcher wie eine Uhrfeder zusammengerollt und um Aeste ge-
wickelt werden kann. — Bei den Brüllaffen (AfyeeU>s) ist der sehr
kräftige Schwanz, dessen Spitze an der Unterseite nackt und empfindlich
ist, ein ausgezeichnetes Werkzeug zum Festhalten (das Thier kann z. B. am
Schwanz allein hängen), ein echter Greifschwanz; der Zungenbein-
körper ist gross und ausgehöhlt und nimmt eine Ausstülpung des Kehlkopfes
auf (brüllende Stimme). — Die Klammeraffen (Ateles), mit ähnlichem
Schwanz, sind dadurch ausgezeichnet, dass der Vorderdaumen rudimentär
ist oder fehlt.
2. Die Krallenaffen (HajHtlr) haben nur auf dem Hinterdaumen
einen platten Nagel, an allen übrigen Zehen und Fingern sind die Nägel
dagegen so stark zusammengebogen, dass sie ganz krallenartig werden.
Diese kleine Gruppe ist ferner dadurch von den übrigen Westaffen zu unter-
scheiden, dass nur £ /// vorhanden sind. Der Schwanz ist behaart,
kann nicht zusammengerollt werden. Der Vorderdaumen nur wenig selb-
ständig. Die Krallenaffen stehen übrigens im Ganzen den übrigen West-
affen nahe.
2. Unterordnung. Ostaffen (Catarrhinae).
Aeussere Nasenlöcher dicht neben einander. Zwei Prämo-
laren (Zahnformel stets: £ i, } c, \ p, % m). Innerer Theil des
äusserenGehör ganges in beträchtlicher Ausdehnung verknöchert.
Die Platte zwischen Augenhöhle und Schläfengrube ohne Durchboh-
rung. Blinddarm klein. — Backentaschen oft, Gesässschwielen ge-
wöhnlich vorhanden; Schwanz niemals als Greifschwanz entwickelt,
fehlt zuweilen. Ausschliesslich in der alten Welt.
1. Die Hundsaffen (Cynoworphuc). Unterhalb jedes der dicken,
verbreiteten Sitzbeinenden befindet sich eine unbehaarte, gefärbte Hautpartie,
eine Gesässschwiele. Nägel verhältnissmässig stark gewölbt. Schwanz
in der Regel vorhanden. Hintergliedmaassen etwas länger als die Vorder-
gliedmaassen. Backen taschen (eine Ausstülpung an jeder Seite) in der
Regel vorhanden. Aousserer Schneidezahn des Unterkiefers schmäler als
(oder ebenso breit wie) der innere; 1. Molar des Unterkiefers mit vier
Höckern. Der Brust kastei» zusammengedrückt (wie gewöhnlich bei den
Säugethieren) ; der Handgriff des Brustbeins breit, der übrige Theil sehr
schmal. Becken lang und schmal, die Symphyse (die Linie, in welcher
beide Beckenhälften unten zusammentreten) lang; die Darmbeine lang und
schmal. Das Kreuzbein besteht aus drei Wirbeln.
a. Die Meerkatzen (Crrcopähectis). Schwanz lang, Schnauze
kurz, Backentaschen vorhanden ; mehrere Arten in Afrika. Nahe verwandt
ist der Innm miudatus mit rudimentärem, warzenförmigem Schwanz, in
Nordafrika und bei Gibraltar (der einzige europäische Affe). — Die P av i an e
(CyiMtcrphalus) unterscheiden sich von den Meerkatzen durch ihre verhält-
nissmässig sehr gestreckte, hundeartige Schnauze ; Schwanz lang oder kurz,
Backentaschen vorhanden; Asien, Afrika.
b. Die Schlankaffen (Sem nojn Olfens) zeichnen sich besonders
dadurch aus, dass die Backentaschen fehlen und dass der Magen in mehrere
Wirbelthiere. 6. Clane: Säugethiere.
f>59
Abschnitte getbeilt ist (bei anderen Affen einfach). Hierzu gehört u. a.
der mit einer stark verlängerten Nase versehene Nasenaffe (S. /uxsicm)
auf Borneo. — Nahe verwandt sind die Stummelaffen (Colobus), bei
denen der Vorderdaumen fehlt ; Afrika.
2. Die Menschenaf f e n oder anthropomor phen Affen (Anthro-
jHtniorjifuw). Keine oder kleine Gesässschwielen. Nägel bei den
Gibbonen gewölbt, bei anderen mehr abgeplattet. Behaarung bei den
Gibbonen reichlich, bei den übrigen an gewissen Körperteilen spärlich.
Schwanz fehlt (rudimentäre Schwanzwirbelpartie aus 4 — 5 kleinen Wirbeln
bestehend). Vordergliedmaassen länger als die Hintergliedmaassen. Keine
Backentaschen. Aeuaserer Schneidezahn des Unterkiefers breiter als
der innere; 1. Molar des Unterkiefers mit 5 Höckern. Der Brustkasten
breiter as bei den Hundsaffen, das Brustbein breit und platt. Das Becken
hat bei den Gibbonen dieselbe Form wie bei den Hundsaffen, bei den an-
dern sind die Darmbeine breiter, die Symphyse verkürzt. Das Kreuzbein
besteht aus fünf Wirbeln.1) — Die Menschenaffen sind ausschliesslichere
Baumbewohner als die übrigen Ostaffen ; sie bewegen sich nicht auf der
Erde wie gewöhnliche Säugethiere (und wie die Ostaffen es ebenfalls thun),
sondern sie gehen auf den Hinterfüssen, indem sie sich auf die Knöchel
der Vordergliedmaassen stützen, oder sie bewegen sich in anderer abweichender
Weise. Hierzu gehören die grössten Affen.
a. Die Gibbone (JIyhl>a(es) stehen den Hundsaffen am nächsten:
sie besitzen kleine Gesässschwielen, die Nägel sind stark gewölbt, und das
Becken ist lang und schmal, dem der Hundsaffen ähnlich. Es sind Thiere
mit dichter Behaarung und mit ausserordentlich verlängerten Vorderglied-
maassen ; sie können auf den Hintergliedmaassen allein gehen, indem sie die
Vordergliedmaassen schwingend bewegen. Kleiner als die folgenden. Mehrere
Arten in Asien.
b. Der Orang-Utan (Pithecus satyrtta}. Kopf oben fast kegel-
förmig zugespitzt, Gesichtspartie stark vortretend, Nase wie in das Gesicht
eingedrückt. Vordergliedmaassen sehr lang ; wenn das Thier sich aufrichtet,
reichen sie bis an die Knöchel. Hand und Fuss lang und schmal ; Hinter-
daumen ziemlich klein. Rothbraun. Höhe bis 1 ljs m (das Thier in auf-
rechter Stellung gemessen). Sumatra und Borneo.
c. Der Schimpanse -) (Simia troglodytts oder Troyl&lytes uiyer)
und der Gorilla'*) { S. od. T. yoriila) sind in den meisten Punkten überein-
stimmend. Die Stirn neigt sich nach hinten, die Nase ist zwar breit und
abgeplattet, aber doch vorstehender als beim Orang. Die Vordergliedmaassen
sind kürzer als bei diesem, die Hand und der Fuss breiter, der Hinterdaumen
gross und wohl entwickelt. Beide sind schwarz. Der Gorilla erreicht eine
Höhe von 1,7 m, der Schimpanse ist etwas kleiner. Beide in den tropischen
Theilen Westafrikas.
3. Unterordnung. Menschen (Anthropidae).
In Vergleich mit den übrigen Primaten ist es für den Menschen
besonders charakteristisch, dass die Hintergliedmaassen zu aus-
schliesslichen Geh w er k zeugen umgebildet sind, zu Organen, welche
geeignet sind, den übrigen Körper in aufrechter Stellung ohne Bei-
') Beim Orang, Schimpanse und Gorilla finden sich unterhalb der Haut grosse
Luft sacke, welche vom Kehlkopf ausgehen und sich nach unten auf Hals und
Brust erstrecken; sie können aufgeblasen und stark ausgedehnt werden.
*) Unter jedem dieser Namen verbergen sieh vielleicht mehrere nnheverwiindte
Arten.
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Specieller Theil.
hülfe der Vordergliedmaassen zu tragen. Die Hinterglied maassen
sind dementsprechend ungemein kräftig, weit länger als die Vorder-
gliedmaassen und ausserordentlich musculös. Der Hi nterdaumen
ist nur wenig mehr von den übrigen Zehen entfernt ') als diese Ton
einander, besitzt nur eine geringe selbständige Beweglichkeit und* kann
den übrigen nicht entgegengestellt werden ; er ist ein wenig länger
oder von derselben Länge wie die Zehe Nr. 2, oder sehr wenig
kürzer (bei anderen Primaten weit kürzer); die anderen vier Zehen
sind kurz, der Mittelfuss lang. Das Becken ist sehr kurz und breit,
besonders sind die Darmbeine sehr kurz, breit und ausgehöhlt; die
Symphyse ist kurz. Die Vordergliedmaassen, welche sich in ihrem
Bau eng an die der Menschenaffen anschliessen, sind verhältnissmässig
schwächer als bei diesen; es sind vorzüglich ausgebildete Greifwerk-
zeuge etc., welche aber bei den gewöhnlichen Bewegungsarten ohne
Bedeutung sind. Charakteristisch ist auch die ausserordentliche Ent-
wicklung des Gehirns2), was für den Schädel ein im Vergleich
mit anderen Säugethieren abnormes Uebergewicht der Schädelkapsel
über die beim Menschen sehr schwach entwickelte Gesichtspartie zur
Folge hat; in seinem Bau steht das Gehirn übrigens, sogar in ganz
speciellen Verhältnissen , dem der Menschenaffen sehr nahe. Als
Eigenthümlichkeiten sind ferner die sehr schwache Behaarung des
grössten Theiles des Körpers hervorzuheben, sodann die Kleinheit des
Eckzahns und, was hiermit eng zusammenhängt, der Mangel eines
grösseren Abstandes zwischen dem äusseren Schneidezahn und dem
Eckzahn des Obermundes als zwischen den übrigen Zahnen unter
einander (bei anderen Primaten greift der Eckzahn des Unterkiefers
in diese Spalte , das Diastema, hinein) ; endlich ist anzuführen , dass
der Brustkasten noch breiter und stärker abgeplattet ist als bei den
Menschenaffen.
Uebrigens stimmt der Mensch in allen Hauptpunkten seines Baues
mit den Ostaffen, besonders mit den Menschenaffen überein. Den
Ostaffen im Allgemeinen schliesst er sich in allen denjenigen
Charakteren an, durch welche letztere sich von den Westaffen unter-
scheiden: in der Stellung der Nasenlöcher, der Anzahl der Prämo-
laren (die Zahnformel des Menschen ist mit derjenigen der Ostaffen iden-
tisch), dem knöchernen äusseren Gehörgang, dem Fehlen einer Oeffnung
in der Platte zwischen Augenhöhle und Schläfengrube, dem kleinen
Blinddarm etc. Specicll mit den Menschenaffen, besonders den
grösseren (Orang, Schimpanse, Gorilla) stimmt er in Folgendem über-
ein : Geaässschwielen, Backentaschen und Schwanz fehlen ; es ist die-
selbe rudimentäre (aus 4—5 Wirbeln zusammengesetzte) Schwanz-
wirbelpartie vorhanden; die Nägel sind abgeplattet; aer äussere
Schneidezahn des Unterkiefers ist breiter als der innere: der 1. Molar
im Unterkiefer mit 5 Höckern: der Brustkasten breit, das Brustbein
') Der Abstand ist jedoch deutlich grösser und die Spalte zwischen dem
Daumen und der zweiten Zehe tiefer als zwischen den übrigen Zehen, übrigens
grösser und deutlicher bei Embryonen und kleinen Kindern als bei Erwachsenen.
*) Der Mensch hat übrigens keineswegs das grösste Gehirn im Verhaltniss
zum ganzen Gewicht des Körpers; sogar innerhalb der Primaten finden wir bei
kleinen Formen ein verhältnissmässig grösseres Gehirn (bei einem Krallenaffen
betrug z. ß. das Gehirngewicht im Verhaltniss zum ganzen Körper 1:20, beim
Menschen beträgt es durchschnittlich ungefähr 1 : 40). Dagegen ist das Gehirn des
Menschen weit grösser als bei irgend einem anderen Thier von ähnlicher Grösse
(das Gehirn des Gorillas beträgt im Verhaltniss zum Körpergewicht 1 : 200).
Wirbelthiere. 6. Clawe: SHugethiere. 561
breit und abgeplattet; dem breiten Becken des Menseben nähert
sich in der Form dasjenige der grossen Menschenaffen; das Kreuz-
bein besteht sowohl beim Menschen wie bei den Menschenaffen aus
5 Wirbeln. Die genannten Aehnlichkeiten Hessen sich noch durch
zahlreiche andere vermehren. Ueberhaupt steht der Mensch den
anthropomorphen Affen ausserordentlich nahe; die Unterschiede sind
fast alle solche , welche aus der Anpassung des Menschen an den
aufrechten Gang, aus der starken Entwicklung des Gehirns und aus
der grösseren Schwäche gewisser Theile der Muskulatur, z. B. der
Kiefermuskeln, abgeleitet werden können. Die innige Ueberein-
stimmung kann für eine oberflächliche Betrachtung an einzelnen
Punkten durch untergeordnete Momente verschleiert werden ; so scheint
z. B. der Schädel des Gorillas welcher von allen anthropomorphen
Affen derjenige sein dürfte, der mit dem Menschen die grösste Ueber-
einstimmung darbietet — beim ersten Anblick von demjenigen des
Menschen sehr verschieden , z. B. durch das Vorhandensein von
vorspringenden Knochenkämmen, welche am menschlichen Schädel
fehlen; die Ausbildung dieser Kämme steht aber in geradem Ver-
hältniss zu der starken Entwicklung der Kiefer- und Nackenmusku-
latur l), und eine sorgfältige , tiefer gehende Betrachtung ergiebt
in Wirklichkeit die innigste Uebereinstimmung in den meisten
Punkten.
Alle Menschen werden gewohnheitsmässig unter einer Art, Hcnno
sapiens, zusammengefasst , welche in eine Anzahl Rassen getheilt wird.
Letztere sind übrigens unter einander z. Th. ebenso verschieden wie nahe-
stehende Arten innerhalb mancher anderen Thiergruppen; wenn sie zu
einer Art zusammengefasst werden, so geschieht das besonders wegen der
Leichtigkeit, mit der sie in der Kegel Bastarde bilden (vergl. S. 58).
Die Eintheilung der Menschen in Kassen ist übrigens in manchen Pnnkten
ans derselben Ursache schwierig, indem in grossem Umfange Bastardirungen
stattgefunden haben. Die nähere Darstellung der Menschenrassen ist aber
die Aufgabe einer speciellen Wissenschaft, der Völkerkunde oder Ethnologie,
auf deren Gebiet wir uns hier nicht begeben können. Hier ist nur noch
hervorzuheben, dass gewisse Menschenrassen den anthropomorphen Affen näher
stehen als andere, wenn auch die Annäherung im Ganzen nicht besonders
gross ist. Die Negerrasse ist z. B. ausgezeichnet durch breite, platte
Nase, vorspringendere (stärker entwickelte) Gesichtspartie, grosse Zähne,
schräg gestellte Schneidezähne, zurückgezogenes Kinn, schmäleren und längeren
Brustkasten, schmäleres und tieferes Becken, längere Zehen — Charaktere,
welche sämmtlich auf die anthropomorphen Affen zurückweisen.
Anhang zu den Wirbelthieren.
Mantelthiere {Tmmata).
Die Mantelthiere sind eine kleinere Abtheilung von Meeres-
thieren, welche früher allgemein den Weichthieren zugerechnet oder
mit anderen Gruppen von wirbellosen Thieren zusammengestellt wurde ;
') Aach anter anderen einander nahestehenden Säugethieren können solche
Kämme bei einer Form vorhanden sein, bei einer anderen fehlen (Dachs — Marder).
Bon, Zoologie. 86
f>62
Speoieller Theil.
erst in neuerer Zeit ist man sich darüber klar geworden, dass sie am
nächsten mit den Wirbelthieren verwandt sind, wie dies besonders
aus der Entwicklungsgeschichte mit aller Klarheit hervorgeht. Be-
sonders hat es sich ergeben, dass sie — wenigstens in der Jugend —
mit den Wirbelthieren in dem Besitz einer Chorda und in der
Lagerung des centralen Nervensystems übereinstimmen, also in
Charakteren fundamentalster Natur. Wenn wir sie aber trotzdem
nicht einfach dem Wirbelthier-Typus einverleiben, sondern als An-
hang zu den Wirbelthieren behandeln, so geschieht das, weil die
Hauptmasse der Mantelthiere sich derartig eigentümlich entwickelt
hat, dass die Wirbelthier-Charaktere bei den Erwachsenen gänz-
lich verwischt sind und ein ganz fremdes Gepräge denselben auf-
gedrückt ist, weshalb es bequemer erscheint, sie gesondert zu be-
handeln.
Ea kann hier noch hervorgehoben werden, dass die Kanteith iere ebenso
wenig wie die echten Wirbeith iere nähere Beziehungen zu irgend einer Ab-
theilung wirbelloser Thiere darbieten.
Eine Einsicht in den Bau dieser Gruppe werden wir am besten
erreichen, wenn wir verschiedene der zu derselben gehörigen kleineren
Abtheilungen jede für sich betrachten. Von allgemeinen Charakteren
können jedoch folgende hervorgehoben werden: Das Skelet ist
höchstens durch die Chorda repräsentirt, das Nervensystem ist
schwach entwickelt, ebenso die Sinnesorgane. Die Mantelthiere
sind Zwitter; Eierstöcke und Hoden setzen sich direkt in die Aus-
führungsgänge fort. Bei manchen findet eine Fortpflanzung durch
Sprossung statt.
Den einfachsten und am leichtesten verständlichen Bau besitzen
die Appendicularien , wasserhelle , im Meere umherschwimmende
Thierehen, welche mit kleinen Froschlarven eine gewisse Aehnlichkeit
Fig. 877. A Schein* einer Appendicularie, von der Seite gesehen, gerade gestreckt.
B Do. einer A sei dien -Larve. « Alter, cA Churda, g Kiemenhölilc, m Mund, n Gehirn,
»' Nervenstrang, t Darm. — Orig.
darbieten. Der Körper zerfällt in einen rundlichen Rumpf und
einen abgeplatteten Schwanz, welcher gegen die Unterseite des
Rumpfes zurückgeschlagen ist. Die Wand der geräumigen Mundhöhle
ist an jeder Seite von einer bewimperten Oeffnung, der Kiemen-
Öffnung, durchbrochen, welche an der Oberfläche mündet; der
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Wirbelthiere. Anhang: Mantelthiere.
563
übrige Darmkanal ist kurz, der After befindet sich auf der Unterseite
des Körpers. Die Chorda ist nur im Schwanz vorhanden, hier aber
ansehnlich entwickelt. Das Centralnerven System ist durch einen
Strang repräsentirt , welcher oberhalb der Mundhöhle zu einem
grösseren Knoten (dem Gehirn) angeschwollen und auch in seinem
weiteren Verlaufe mit kleineren Anschwellungen versehen ist; er setzt
sich durch den Schwanz an der linken Seite der Chorda fort, in-
dem der plattgedrückte Schwanz eigentlich als ein seitlich zusammen-
gedrückter Schwanz aufzufassen ist, welcher an der Basis 90° um
seine Axe gedreht ist. Das einfache Herz liegt unterhalb des
Darmkanals. Eine Hörblase ist vorhanden, dagegen fehlen
Augen.
Einen scheinbar ganz anderen Bau be-
sitzen die einfachen (d. h. nicht-colonie-
bildenden) Ascldlen (Gatt. Aacidia u. a.). Es
sind tonnenförmige, rundliche oder anders ge-
staltete, häufig gallertige Thiere, welche stets
mit dem einen Ende oder der einen Seite des
Körpers festsitzen. An dem freien Ende be-
merkt man zwei Oeffnungen; davon führt die
eine, die Mundöffnung, in eine ausserordent-
lich geräumige, auch als Kiemensack be-
zeichnete Mundhöhle, deren Wand von zahl-
reichen bewimperten Oeffnungen durchbrochen
ist ; diese führen nicht direct nach der Körper-
oberfläche, sondern in einen grossen, den Kiemen-
sack umgebebenden Hohlraum, den Peribran-
chialraum, welcher durch die zweite der
Oeffnungen am Ende des Thieres, die K 1 o a k e n -
Öffnung, mit der Aussenwelt in Verbindung
steht. Längs der Bauchseite ist der Kiemen-
sack in einem Längsstreifen mit der Aussen-
wand des Peribranchialraumes verwachsen, und
hier findet sich im Kiemensack eine Längsfurche,
die Bauchfurche oder derEndostyl, mit
grossen, schleimabsondernden Zellen und Wim-
perzellen ; längs der entgegengesetzten Seite ver-
läuft eine oft mit mehreren Zipfeln versehene
Rücken leiste, welche vorne mit dem Endostyl
durch einen Wimperbogen auf jeder Seite des
Kiemensackes verbunden ist. Die Mundhöhle
geht hinten in den ziemlich kurzen Darmka-
nal über, welcher schlingenförmig gebogen ist
und in den Peribranchialraum ausmündet. Das
Herz liegt unterhalb des Darmkanals; merk-
würdigerweise strömt das Blut abwechselnd in
einer und in der umgekehrten Richtung durch
dasselbe. Die Blutkörperchen sind alle amöboid, farblos. Das Central-
n e r v e n s y s t e m ist auf einen Nervenknoten reducirt, welcher seinen
Platz zwischen der Mund- und der Kloakenöffnung hat. Die Ge-
schlechtsorgane (ein Eierstock und ein Hoden) münden in der
Nähe des Afters in den Peribranchialraum. Der Körper ist äusserlich
3ö*
Fig. 877. Schematischer
Längsschnitt eiuer A ■ c l d i e ;
der Schnitt ist nicht ganz
median, sondern etwa« seit-
lich, a After, cl Kloaken-
Öffnung, g Kiemensack, g'
Oeffnungen in der Wand des-
selben, m Mund, n Nerven-
knoten, p Peribranchialhöhle,
t Darin. B Bauch-, ÄRUckeu-
seite. — Orig.
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564
Specieller Theil.
mit einer dicken gallertigen oder lederartigen Schicht (dem „Mantel"),
einem Product der Oberhaut, bekleidet.
Der Unterschied zwischen den Appendicularien und den erwach-
senen Ascidien ist somit sehr gross. Betrachtet man aber die LarTen
der Ascidien und vergleicht dieselben mit den Appendicularien,
dann wird das Verhältniss ein anderes; man findet dann eine nahe
« Uebereinstimmung in fast allen Punkten. Die Ascidien-Larven sind
in noch höherem Grade als die Appendicularien froschlarvenähnlich;
sie haben einen rundlichen Rumpf und einen langen zusammenge-
drückten Schwanz mit einer Chorda, welche sich auch ein wenig in
den Rumpf hinein erstreckt; oberhalb der Chorda liegt das Central-
nervensystem, welches sich nach hinten durch den ganzen Schwanz
erstreckt und vorne eine Anschwellung (das Gehirn) besitzt ; mit der
Anschwellung ist ein Auge und ein als Gehörwerkzeug angesehenes
Organ verbunden , beide liegen merkwürdigerweise in der Höhlung
des Gehirns und sind besonders entwickelte Theile der Wandung des-
selben ; ein Peribranchialraum ist noch nicht vorhanden, dagegen finden
sich zwei einfache Kiemen Öffnungen, welche von der Mund-
höhle nach der Oberfläche gehen. Wie man hieraus ersieht, besteht
eine sehr grosse Uebereinstimmung zwischen dieser Larvenform und
den Appendicularien ; bald setzt sich aber die Larve fest, der Schwanz
schwindet und mit ihr die Chorda, die Sinnesorgane bilden sich
zurück, etc., und die Larve nimmt allmählich die sehr abweichende
Gestalt der erwachsenen Ascidie an.
Es ist leicht zu erkennen, wie genau der Bauplan dieser Larvenform
an den der Wirbelthiere sich anechliesst (gegenseitige Lage des Nerven-
systems, der Chorda und des Darmkanals) ; der Anschluss ist noch leichter
als für die erwachsenen Appendicularien zu erkennen, deren Schwanzdrehung
etc. die Uebereinstimmung etwas verschleiert. Es ist noch hervorzuheben,
dass die Chorda sich ganz in derselben Weise wie bei den echten Wirbel-
thieren bildet.
Einige Ascidien bilden Colonien, indem sie fadenförmige Aus-
läufer treiben, aus welchen neue Individuen emporwachsen: sociale
Ascidien; die Individuen sind im Uebrigen von einander fast un-
abhängig. Bei anderen coloniebildenden Formen, den zusammen-
gesetzten Ascidien (Ascidiae compositae), ist die Verbindung der
Individuen inniger ; die Colonien bilden hier weiche schwammähnliche,
festsitzende Massen, in denen die Individuen gewöhnlich in (oft stern-
förmigen) Gruppen geordnet sind ; die Individuen jeder Gruppe haben
eine gemeinsame Kloakenöffnung, jedes Individuum hat aber seine
eigene Mundöffnung. — Hieran schliessen sich auch die pelagischen,
freischwimmenden, leuchtenden Feuerwalzen {Pyrosoma). Die
Pyrosoma- Colonien haben die Form eines an einem Ende offenen,
an dem andern Ende geschlossenen, dickwandigen Rohres, dessen
Wand von den kleinen, dicht neben einander sitzenden Thieren ge-
bildet wird; letztere haben die Mundöffnung an der Oberfläche des
Rohres, die Kloakenöffnung an ihrem entgegengesetzten Ende, an
der inneren Seite des Rohres ; das Wasser, welches durch den Mund
aufgenommen wird, gelangt somit in den Hohlraum des Rohres hinein
und für alle Individuen gesammelt durch das offene Ende desselben
hinaus ; durch das ausströmende Wasser wird die Colonie mit dem ge-
schlossenen Ende voran fortgetrieben.
Eine merkwürdige Modifikation des Ascidien-Typus stellen die
Wirbelthiere. Anhang: Mantelthicre.
565
ebenfalls frei schwimmenden Salpen (Salpa) dar. Auch hei ihnen
sitzen Mund- und Kloakenöffnung fast an entgegengesetzten Enden des
Körpers. Der Kiemensack ist aber hier stark rückgehildet, indem
seine seitlichen Theile fehlen, so dass — ausser dem festgewachsenen
Bauchstreifen mit dem Endostyl — nur seine Rückenpartie als ein
in der vereinigten Kiemen- und Peribranchialhöhle ausgespannter
Balken übrig bleibt. Die Eingeweidemasse ist im Verhältniss zum
ganzen Thier von unbedeutendem Umfang, die genannte Höhle füllt
weitaus den grössten Theil des Thieres aus (auch bei den meisten
anderen Mantelthieren nimmt übrigens die Kiemenhöhle den grösseren
Theil des Körpers ein). In der durchsichtigen Wand des Thieres
sieht man schöne ringförmige Muskelbänder, durch deren Contractionen
das Wasser durch den Körper getrieben wird ; sie entsprechen einer
Leibeswand vorhanden ist. — Die Salpen sind aber nicht allein durch
ihren Bau merkwürdig, sondern auch dadurch, dass sie ein Beispiel
eines regelmässigen Generationswechsels darbieten. Man findet
von Salpen theils solitäre, ungeschlechtliche Individuen,
theils kettenförmige Colonien, welche aus einer grösseren oder
kleineren Anzahl von ziemlich locker verbundenen geschlecht-
lichen Individuen zusammengesetzt sind. Die erstgenannten erzeugen
die Ketten durch Sprossung; die Kette bleibt, bis sie eine gewisse
Entwicklung erreicht hat, in einer Höhlung in der Körperwand der
solitären Salpe liegen, reisst dann los und schwimmt selbständig um-
her. Die solitären und die Ketten-Inviduen sind mehr oder weniger
von einander verschieden. Die Individuen der Salpenketten sind
ferner dadurch merkwürdig, dass sie zuerst Eier erzeugen, welche
durch Samen von einer anderen Salpenkette befruchtet werden, während
sie später selbst Samen produciron; jedes Individuum erzeugt ge-
wöhnlich nur ein einziges Ei, welches seine Entwicklung im mütter-
lichen Körper durchläuft.
Von den oben genannten Formen sind verschiedene Arten von ein-
fachen Ascidien in der Nordsee (und anderen europäischen Meeren)
allgemein verbreitet ; sie sitzen auf Tang , an Steinen , Pfählen etc. fest.
Auch von zusammengesetzten Ascidien und von Appendicu-
1 a r i e n kommen in den nördlichen Meeren Arten vor. Pyrosomen und
Salpen sind dagegen mehr pelagische Thiere, welche in den grossen
Weltmeeren so wie auch schon im Mittelmeer leben. — Alle Man toi thiere
ernähren sich von mikroskopischen Organismen, welche mit dem Wasser
in die Kiemenhöhle hineingelangen.
zusammenhängenden
welche bei den Ascidien in der
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Register.
(Sachregister des Allgemeinen, Namenregister des Speciellen Theils.)
Seile
Aal, -familie .... 404
Aalmutter 4ÜZ
Aasgeier 4SI
Aaskäfer 27.fi
Abramis 404
Abstammungslehre . fil
Acalephae 121
Acanthia 222
Acanthias ». . . . 329.
Acanthocephali . . . Hl
Acarina 300
Accipenser .... 401
Accipitres 480
Acephala 323
Acerina 405
Achtarmige Korallen-
thiere 102
Acridium ..... 2M
Actinien 114
Adler 4M
Aega 221
Aefuroidea .... 539
Aeolidien 32ü
Aeolis 320
Aesculapnatter . . . 442
Aethiopische Region . 71
After ..... 23.
Afterscorpione . . . 299
Afterspinnen .... 299
Agonus 4M
Agrion 2fi2
Agrotis 29J.
Aguti's 656
Alauda, -idae . . . 484
Albatross 475
Alca, -idae .... 42fi
Alcedo, -inidae . . . 485
Alcippe 215
Alcyonella . ... IM
Alcyonium .... 110
Alk, -enfamilie . . . 42fi
Alligator 445
Alpenlerche .... 484
Alpensalamandcr
Alpensegler
Altinares .
Alytes . .
Amblystoma
Ameisen
Ameisenbär
Ameieenbeutler
Ameisenfresser
Ameisenigel .
Ameisenlöwen
Atnia . .
Ammern .
Ammocoetes
Ammodytes
Ammoniten
Amoeba
Amöbe .
Ampelis
Ampbibia
Amphilina
Auiphioxus
Amphipnous
Amphipoda, -en
Amphisbaena
Ampbiutna
Amsel . .
Anabas . .
Analogie .
Anarrhicbas
Anas . .
Anatinae
Anchitherium
Anchovis .
Anelasma ,
Anguilla
Anguillula
Anguillulinen
Anguis . .
Annclida
Anobium
Anodonta
Anoplotherieu
Seite
121 Anser, -inae . .
485 , Antedou . . .
478 ' Anthozoa . . .
121 ' Anthropidae . .
422 1 Anthropomorphac
265 Anthus ....
55ü Antilopen . . .
520 Antilopinae . .
550 Antimeren . .
618 Anora ....
224.
401
483
398
405
aaö
24
3, 24
482
408
151
369
391
226
441
122
482
405
Ü2
41)7
477
477
522
403
215
404
121
170
440
L23
2ß2
m
52Ö
Anus . .
. Aphaniptera
\ Aphidae
\ Aphis . .
j Aphodius .
Aphrodite .
Aphrophora
I Aphysostomi,
Apiariae .
Apis . . .
Aplacentale
thiere . .
I Aplytia . . ,
! Aporrhais . . ,
A ppendicularien
Apseudes . . ,
Apteryx . . .
Aptychus . . ,
Apus . . . .
Aquila, -idae
Arachntda . ,
Aruueina . . .
Archaeopteryx .
Architeuthus . .
Arctoidea . . .
Arctomys . . .
Ardea . . . .
Arenicola . . .
Argali . . . .
Argonauta . . .
Argyroneta . ,
Armadillidiuiu
Armflosser . ,
en
Sauge-
Register.
567
Seite ]
Arni fussler .... IM
Art 55 1
Artemia 202 ;
Arterielles Blut . . . 29
Arterien 2S j
Arthrogastra .... 298 :
Arthropoda . ... 122 '
Artiodactyla .... 522
Arvicola ..... 555
Ascalabotae .... 44J \
Ascaris 1ÖZ
Ascidia, -en .... 5S3 1
Ascidiae compositae . 564 j
Aaellus 224 !
Aspidiotua .... 222
Astacus 234 ;
Asterida 138
Asteroi dea, -den . . 138
Astenosoma .... 145
Astrophyton .... Iii
Astur, -idae .... 480.'
Astavismus .... 40
Ateles ...... 558
Athene 481
Athmungsorgane 27 1
Aachenia 531 j
Auerhahn 424.
Auerochs 533
Augenblase .... 21
Aulastomum .... IM
Aurelia 123
Auster 33Q
Austernäscher . . . 479
Australische Region . 22
Australischer Bär . . 521
Aves IM
Axencylinder . ... 12
Axolotl 422
Aye-Aye 55Ü
Bachmücken . . . 282
Bachstelzen . ... 480.
Bacillus 2fi5
Badeschwamm . . . 12fi
Bär 539.
Barenfatnilie .... 539
Bärenkrebse .... 235.
Bärthierchen .... 303
Balimus, -idae . . . 21fi
Balaeoa Ö1M
Balaenidae .... 517
Balaenoptera, -idae . 547
Balantidtum .... 9Ü
Balkenschröter . . . mi
Bandwürmer . . . 155 ;
Bankiva-Huhn . . 414
Barbe 404.'
Barbus ...... 401
Baribal 539
Barramunda .... 102
Barschfamilie . . . 4M
Bartenwale .... 541
Basomtnatophora . . 322
Bastard 53
Bauchseite .... 43
Baumläufer .... 434
Baumleguano
Bdellostoma
Becherzellen
Befruchtung
Bekkassine
Beiern nites . . .334,
Belinurus .
Belodon
Belone . .
Bergfink .
Berghanfling
Bernhardinerkrebs
Beroe . .
Bettwanze
Beuteldachse
Beutehnarder
Beutelratten, -Gruppe
Beutelthiere
Beutelwolf
Bezoarziege
Biber . .
Bienen . .
Bienenfresser
Bienenlaus
Bi cssfliegen
Bilateral .
Bindegewebe
Biologie
Birkeuze isig
Bisamochse
Bisamratte
Bisamrüssler
Bischir . .
Bison . .
Bithynia .
Bitterling .
Blasenquallen
Blasenrobbe
Bhisenschneckc
Blastopbaga
Blastula
Blatta . .
Blattfüssler
Blatthornkäfer
Blattkäfer .
Blattkrebse
Blattlauslöwen
Blattläuse •
Blattwespen
Blauhai . .
Blaukehlchen
Blaumeise
Blaurake .
Blauwal
Blindschleiche
Blut ...
Blutgefäss, -kürperchen
Blutbänfling
Boa . . .
Bockkäfer .
Bodo . .
Bohrassel .
Bohrmuschel
Bohrschwamm
Bombinator .
Helte 1
440
398
a
3Z
420
330
202
445
404
433
483
230
124
272
521
520
520
510
520
532
554
282
485
294
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42 |
9
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483
532
'in 5
522
401 1
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119
543
320
250
45
204
202
229
281
235
275
269
284
309
482
482
4M5
547
440
25
25
483
442
281
im
221
331
128
424
Bombus . . .
Bombyx, -cidac
Bonellia . .
Bopyrus, -en
Boreus . . .
Borkenkäfer .
Borste . . .
Borstenwürmer
Bos . . . .
Botaurus . .
Bothriocephalus
Bovinae
Brachiella
Brachiopoda, -en
Brachvogel
Brachyura
Bradypus, -odidae
Branchiobdella
Branchipus .
Brandmaus
Brassen
Braula .
Braunfisch
Bremen
Bremsen
Brevirostres .
Brillenschlange
Brissopsis . .
Brüllaffen . .
Brutpflege . .
Bryozoa, -en .
Bubalus . .
Bubo . . .
Buccinum . .
Bucerotidae .
Buchdrucker
Buchfink . .
Buckelwal
Bücberläuse .
Bücherscorpione
Büffel . .
Buflälo . .
Bufo . . .
Bulla . .
Buntspechte
Buprestes, -idae
Bussarde . .
Buteo . . .
Butirinus . .
Butzkopf - .
Cachelot . .
Caligus . . .
Camelopardalis
Camolus, -idae
Campodea . .
Camptonotus
Cancer . . .
Canis, -idae .
Capella . .
Capillaren
Capra . .
Caprella . .
Caprimulgus .
Carabus, -idae
Carassius . .
Seite
287
290
183
225
275
282
13
175
533
478
159
533
211
190
479
236
549
186
202
554
404
294
548
293
293
479
443
145
558
55
187
533
481
319
485
282
483
547
288
299
533
533
424
320
486
280
480
480
391
548
549
210
531
531
288
449
237
539
532
28
632
227
485
277
403
568
Register.
Carcharias
Carcinus . .
Carinaria . .
Carnivora . .
Caryopbyllaeus
Castor . . .
Casuarius . .
Cataphracti .
Catarrhinae .
CatbarteB . .
Catoph rag mns
Cavia . . .
Cavicornia
Cebus . . .
Cecidomyia .
Centrales Nervensystem
Cephalopoda .
Cepon . . .
Cerambyx, -cidae
Ceratodus . .
Cercolabes
Cerconionas .
Cercopithecus
Certhia . . .
-idae
Cervus,
Cestoda . .
Cestus . . .
Cetacea . .
Cetonia . .
Cbrysomelidae
Chaetopoda .
Chamaeleo
Cbamäleonen
Charadrius, -idae
Chelifer . .
Cbeloniae . .
Chermes . .
Chiloguatha .
Chilopoda . .
Cbimaera . .
Chimären . .
Chiromys . .
Cbiroptera
Chiton . . .
Chitonen . .
Choeropsis
Choeropus . .
Chondracanthus
Chondros tei .
Chrysis . . .
Chrysopa . .
Chrysochloris
Cicada . . .
Cicadellidae .
Cicaden . .
Cicindela . .
Cicouia . . .
Cidaris . . .
Ciliata . . .
Cimex . . .
Ci Ileitis . . .
Circus . . .
Cirripedia . .
Cladobates
Cladocera . .
Seite |
3M j Clamatores
aaa cusse . .
319 Cleodora .
536 Clepsine
157 j Clione . .
554 \ Clupea, -idae
473 Clypeaster
4Qfi Clypeastrideu
558 Cobitis . .
481 ' Coccidae .
213 1 Coccidium
556 Coccinellidoe
532 Coccua . .
55Ü Cochenillelaus
222 Coecilia .
lü Coelenterata
332 Cölenteraten
225 Coelogenys
281 Coenurus .
100
558
484
531
279
281
175
440
440
479
299
444
400
400
556
523.
309
308
Bffl
402 Coleoptera
555 Collocallia
Colobus . .
Colonie
Coluber
Colabrina innocua
155 Colubrina venenosa
124 Columba, -idae
544 j Columbaczer-Mücke
Colymbus .
Comatula .
Conger . .
Comrostres
Conoteuthis
Copepoda, -en
CopriB . .
Coprophaga
221 1 Coracias
24Q | Corallium .
239. 1 Coregonus
Coriutn . .
Coronella .
Coronula .
Corviformes
Corvus, -idae
Co 88 us . .
Cottus . .
521 1 Cutlirnix
211 ; Crabronidae
loo Crangon .
285 1 Crax, -cidae
225 Crevette .
522 Crex . .
269 Cricetus
269 Crinoidea .
Cristastella
Crocidura .
Crocodilia .
Crocodilus
Crossopus .
Crotalus, -idae
Cruatacea .
481) | Cryptobranchus
212 : Crypturidae
522 Ctenophora
203 Cuculus, -idae
MM
277
478
115
272
482
Seite
484 Cucumaria
6Q Culex . . .
321 Cumacea, -een
1SS Curculio, -nidae
321 Cuticula . .
403 Cyamus . .
145 Cyanea . . .
115 Cyclops . . .
4M , Cyclopterus .
271 Cyclostoma .
101 I Cyclostomi .
282 Cydippe . .
272 Cygnua . . .
272 Cymothoa . .
425 Cynailurus . .
103 Cynipidae . .
üiü : Cynocephalus
555 Cynoidea . .
158 Cynomorphae
27Ü Cypraea . .
485 Cyprinus, -iuidae
669 Cypris . . .
33 Cypselus, »idae
442 Cysticercus
442 Cystopbora .
443 Dachs . . .
485 Dactylopterus
293 . Daman . . .
47b ; Damhirsch
138 Daphniden .
IUI Darm . . .
483 Darmkanal
334
208
280
280
Darmrespiration
Darwinismus
Dasypodidae .
Dasyprocta
486 Dasyurus, -idae
Hl Dattelmuschel
403 Decapoda (Krebse)
13 Decapoda (Tinten-
442 fische) . .
216 Del a niiuation
483 Delphine . .
483. Delphinus . .
290 Demodex . .
406 Dendrophyllia
474 Dentalium
285 Dermanyssus
2iül Dermestes, -idae
474 Desman . .
233 Desmodua . .
479 Dexiobranchaea
554 Diastylis . .
135 Dibranchiata .
189 Dicotyles . .
522 ; Didelphyidae
444 DidunculuB
446 Didus . . .
522 Difflugia . .
443 Dimorphismus
122 Dinictis . .
422 Dinoceras . .
422
123
Dinornis . .
Dinosauria, -er
485 . Dinotherium .
Kette
147
292
222
281
8
228
123
210
407
319
398
124
478
224
641
284
558
539
568
312
403
208
485
158
543
540
406
523
531
203
23
22
27
61
561
555
520
331
«B
339
49
548
548
302
113
309
301
279
522
524
321
222
339
529
620
485
486
93
57
541
535
473
449
535
Kl by Googk
Register.
569
Seit«
Diodon 407
Diomedea 475
Diplopoda 940
Diplozoon 132
Dipnoi 102
Diprotodontia . . . 521
Diptera 2i»2
Dipus ...... 514
Diacophoru .... 184
Distal 43
Distomeae .... 153
Distomum . . . 153, 155
Dochmius . ... 167
Dogling 548
Dohle 484
Dompfafl' . .... 483
Donacia 281
Donnerkeile .... 339
Dörens 28G
Doriden 32Q
Doris 320
Dornhai 329.
Dorsch ...... 405
Dotterhaut, -kornchen 38
Dottersack .... 51
Drachen 440
Draco 440
Dracanculus .... 170.
Drahtwürmer . . . 280
Dreiasena 331
Dromaeus, -idae . . 473
Dromedar ..... 531
Dronte 486
Drossel 482
Drosselvogel .... 482
Drüsen ...... 8
Dschiggetai .... 528
Dünnschnäblige Wat-
vögel 4ZH
Dugong 538
Dunkeliauna .... 86.
Dytiscus 277
Echeneis 407
Echidna 518
Echinococcus . . . 158
Echinodermata . . . 128
Ecbinoidea .... 141
Echinometra .... 115
Ecbinorbyochas . . . 172
Echinus 146
Echscnvögel .... 4Z1
Edeladler 48Q
Edelhirsch .... 531
Edelkoralle . . . . Iii
Edelmarder .... 54Q
Edentata 549
Egel 184
Ei 34j 35
Eichelheher .... 484
Eichhörnchen . . . 554
Eidechsen .... 440
Eiderente 477
Eierlegend .... 61
Eierstock »4
Eihaut 38
45
Eileiter . . .
Einsiedlerkrebse
Eintagsfliegen
Eisbär . . .
Eishai . . .
Eissturmvögel
Eisvögel . .
Ektoderm . .
Ektoparasiten
Elaps . . .
Elastisches Gewebe
Elater, -idae .
Elenthier . .
Elephanten .
Elephas . .
Elpidia . . .
Elster . . .
Elysia . . .
Einberixa . .
Embryo . .
Embryologie .
j Emu's . . .
I Emys, -ydae .
Enchelyophis .
! Enddarm . .
! Endoparasiten
I Engraults . .
Enhydra . .
Enten, -vögel
Entenmuscheln
Entoderm . .
Entomostraca'
Entomostrakeu
Entoniscus
Entonisken
Entwicklungsgeschichte
Epeira . .
Ephemera .
Ephialtes .
Epibolische Gastrula
Epicrium . . .
Epidermis . . .
Epithelien . .
Eauus, -idae . .
Erblichkeit . .
Erdferkel . . .
Erdkröte . . .
Erdleguane . .
Erlenzeisig . .
Erinaceus . . .
Erwachsen . .
Esel
Estheria . . .
Esox, -cidae . .
Eulen (Vögel) .
Eulen (Insekten)
Euglypha . .
Eulenpapagcieu
Euphausia .
Euphausiacea
Euplectella
Eupteropoda
Eurypterus
Euspongia
Eustrongylus
Seite
35
235
287
589
399
475
485
, 60
m
113
9
280
531
533
533
112
484
320
483
52
H
113
444
405
23
HS
403
540
477
215
45. 50
202
202
225
225
44
300
2fi7
181
48
425
12
8
528
, 8Q
551
421
440
183
522
73
526
203
403
4SI
291
93
488
221
mi
128
321
207
128
167
40
Excretionsorgane
Exocoetus . . .
Fadenwürmer
Falco, «nidae
Falken ....
Faltenwespen
Familie . . .
Fa n g beuschrecken
Fasan, -familie .
Fasangruppe . .
Faulaflen . . .
Faulthiere . .
Federkoralle . .
Feldhase . . .
Feld beuschrecken
Feldlerche . .
Feldmäuse . .
j Feldsperling . .
Felds pitzmaus .
Felis, -idae . .
Felsentaube . .
Festsitzende Thiere
Fettzellen, -gewebe
Feuermolch
Feuerwalzen
Fiber .
Fierasfer .
Filaria . .
Filzlaus
Finken . .
Finnwal .
Fische . .
Fischegol .
Fischotter .
Fischreiher
Fischsaurier
Flagellaten
Flamingo's
Fledermäuse
Fleischlliege
Fliegende Eichhörn
eben
Fliegende Fische .
Fliegender Hund .
Fliegenschnäpper .
Flohe
Flohkrebse . . .
Flossenfüssler (Sehne
cken) ....
Flossenfüssler (Bob-
ben) ....
Flugbeutler . .
Flugeidechsen .
Flughabn . . .
Flugsaurier . .
Flunder . . .
Flussadler . . .
Flussbarsch . .
Flusskrebs . .
Flussmuscbeln .
Fl ussperlmuschel
Flusspferd . . .
Flussschildkröten
Fötus ....
Forelle ....
570
Register.
Mta
Forficula 263
Formica 28Ü
Formicariae .... 285
Fortpflanzung ... 821
Fossilien fiö |
Fregattvogel .... 476
Frettchen 6411
Fringilla 483
Frösche 424
Froschlurche .... 423
Frucht 52
Fuchs 53a
Fuchsafleu .... 556.
Fulica 422
Fuligulinac .... 422
Fulmarus 475
Furchung, -shühle . . 44
Furchenwale .... 547 |
4J ad idae 404 \
Gadus 405
Ganse 478
Galeopithecus . . . 523
Gallertgewebe ... Ü
Gallinula 4IÜ
Gallmilben .... MB
Gallmücken .... 292
Gallwespen .... 284
Gallus 424
Guma8us 301
Gammarus .... 227
Gangesdelphin . . . 540
Ganglien 15
Ganglienzellen ... U
Ganoidei IM
Ganoiden 40ü ,
Garneelen 282
Garrulus 184
Gartenammer . . . 488 ;
Gartenschläfer . . . 554
Gartenschnecken . . 822
Gasterosteus, idae . . 4jQü j
Gustropoda .... 809 |
Gastrula 45
Gastrus 2M
Gattung 59
Gaviale 445 j
Gebärmutter .... 85 .
Geburt 52
Geburtshelferkröte . . 424 |
Geckonen 441
Gefüsssystem .... 25
Gehörorgane , -blasen 17
Geier 481
Geiervogel .... 426
Geisselzellen .... 2
Gemse 532
Generationswechsel . 88
Geocores 272
Geographische Ver-
breitung ... 27
Geologische Entwick-
lung 22
Geometridae .... ülil
Geoplana 151
Geotrupes 280
Seit«
Gepard 541
Gephyrea, -een . . . 188
Geradflügler .... 268
Geruchsorgane ... 12
Geschlechtsdrüsen . . 85
Geschlechtsorgane . . 85
Geschmacksorgane.
•knospen .... 17
Gespenstheuschrecken 265
Gewebe 6
Gibbone 559
Giftnattern .... 448
Gimpel 488
Giraffe 581
Girlitz 483
Glasflügler . . . . S8Q
Glaskörper 19, 20, 22
Glasschwämme . . . 126
Glattbutt 405
Glattwale 547
Glaucidium .... 481
Gletschergast ... 215
Glieder 42 1
Gliederfüssler . . 192
Gliederkoralle . . . 111
Gliederspinnen . . . 298
Gliederwürmer . . . 128
GHedmaassen ... 43
Globigerina .... 94
Globiocepbalus . . . 548
Glockenthierchon . . 92
Glomeris ..... 241
Glyptodonten . . . 551
Gnathobdellidae . . 185
Gobio 4U4
Gobius 407
Goldammer .... 483
Goldfisch 408
Goldhähnchen . . . 482
Goldhasen .... 555
Goldmaulwürfe . . . 522
Goldregenpfeifer . . 479
Goldwespen .... 285
Gorgonia ..... 110
Grabwespen .... 285
Graculus 476
Grallatorcs .... 428
Granat 233
Grasmücken .... 482
Grasfrösche .... 424
Grauammer .... 483
Graugans . . . . . 478
Gregarineu, -inida. . 10Q
Grindwal 548
Grislibär 589
Grönlandswal . . . 548
Groppe 406
Grossfledermäuse . . 522
Grossfusshühner . • 474
Grossschmetterlinse . 290
Grossschnäblige Wat-
vögel 478
Grubenottern . . . 443
Gründling 404
Grünfink 488
Grünspecht
Grus, -idae
Gryllidac .
Gryllotalpa
Gryllus . .
Gürteltbiere
Guinea- Wurm
Gulo. . . .
Gymnophiona
Gymnothorax
Gymnotus .
Gypogeranus
Gyrinus
Gypaetus .
Haar . .
Haarbalginilbe
HaarquaTle
Haarsterne
Habichte .
Haematopus
Hämoglobin
Haemopis .
Hänflinge .
Häutung .
Haftkiefer .
Haidelcrche
Haie . .
1 lakcngimpel
Halbaffen .
Halbbaren .
Halbhufer .
Hsliactus .
Halichoerus
Halicore
Haliterium
Halmaturus
Halobates .
Hammerhaie
Hamster
Hapale . .
Harn . .
Harnorgane
Haselhuhn
Haselmaus
Hasengattung, -familie
Haubenlerche
Hausbiene .
Hausen . .
Hausente .
Hausgans .
Haushuhn .
Haushund .
Hauskatze
Hausmaus
Hausratte .
Hausrind .
Hausschaf
Hausschwalbe
Hausschwein
Haussperling
Hausspinne
Hausspitzmaus
Hausziege .
Haut . .
Hautbreme
AM
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52H
483
MB
522
532
12
294
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Register.
571
Seit«
Hautflügler .... 282
llautmuskelschlauch . 14
Hautrespiration ... 2Z
Hautakelet .... 14
Hecht, -familie ... 403
Hectocotylus .... 387
Heerschnepfe . . . 479
Heilbutt m.
Heliozoa 9g
Helix 322
Hemeroharpages . . 480
Hemiptera . . . . 26Ü
Hering, -sfamilie . . 403
Hermaphroditen . . M
Hermelin 540
Herodii 478
Herpes tes 540
Herpyllobius .... 211
Herz, -kammer ... 2fi
Herzigel 115
Hesperornia .... 472
Heterodera .... 171
Heterogonie .... 39
Heteropoda .... 319
Heteroptera .... 272
Heuachrecken . . . 264
Heuschreckenkrebse . 237.
Hexamita 100
Hexactinellidae . . . L2H
Hinterkiemer . . . 320
Hipparion 526
Hippobosca, -idae . . 294
Hippocampus . . . 408
Hippoglosus .... 405
ilippopotamus, -idae . 529.
Hirsche 531
Hirschkäfer .... 280
Hirtenvogel .... 483
Hirudo 186
Hirundo 484
Hirscheber .... 52£
Hoden 35
Höckerschwan . . . 478
Höhlenbär 538
Hörsteinchen .... 18
Hohlhörner .... 522
Hohltaube 486
Hokkos " 114
Holocephala .... 4O0 j
Holostei 401 |
Holut hur in .... 141
Holuthurioidea . . . 145
Holzbohrer .... 290
Holzwespen .... 284
Homarus 224
Homo 661
Homologie .... £2
Homoptera .... 2til>
Honigbiene .... 287
Hornbach 404
Hornkoralle .... 110 !
Hühnerhabicht . . . 48< \
Hühnervögel .... 473
Hufeisennasen . . . 624
Huftbierc 624
en
Hummeln .
Hummer .
Hundefamilie
HundsaiTen
Hundshai .
Hvaena, -idae
Hyänen .
Hybrid . .
Hydra . .
Hydracbna
Hydrochoerua
Hydrocores
Hydromedusae,
Hydrometra
ilydrophis .
Hydrozoa .
Hyla. . .
Hylesinus .
Hylobntes .
Hymenoptera
Hyperia, -inen
Hyperoodon .
Hypodernia .
Hypsiprymnus
Hyrax . . .
Hystricomorpha
Hystrix, -cidae
Jagdfalk . .
Jaguar . . .
Ibis ....
Ichneumonidae
Ichthyornis .
Ichthyosauria
Icticyon . .
Idothea. . .
Igel ....
Ige Iiis che . .
Iguanidae . .
Iguanodon
Iltis ....
Impennea . .
Indisch»! Region
Infusionsthierchen
Infusoria . . .
Inger ....
Insecta ....
Insectivora . .
Insekten . . .
Insektenfresser .
Intercellularsubstanz
Inuus ....
Johanniswürmchen
Isis
Isopoda, -en . .
Jugendstadium .
Julus ....
Junges ....
Ixodes ....
Iynx
Kabeljau . . .
Käfer ....
Käfermilbe . .
Känguru's, -Grupp<
Käser! iege . . .
Käsemilbe .
HeiU
287
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Kaguang . . .
Kaimane . . .
Kaiseradler . .
Kakadu's . . .
Kakerlaken . .
Kalkröhren würmer
Kalmar ....
Kameel ....
Kammmuscheln .
Kampfläufer . .
Kanarienvogel
Kaninchen . . .
Karausche . . .
Karpfen, -familie
Kasuare, -familie
Katzenfamilie
Kaulbarsch
Kaumagen. .
Kcgelschnäbler
Keimblatt . .
Keimbläschen
Keimfleck . .
Kermes-Schildlaus
Kern . . .
Kernbeiaser .
Kernkörperchen
Kiebitz . . .
Kieferegel . .
Kiefernspinner
Kielfussler. .
Kiemen . .
Kiemenmolche
Kiwi's . . .
Klaflmuschel .
Klamraerafleu
Klappenasseln
Klapperschlangen
Klappmütze .
Kleiber . . .
Kleiderlaus
Kleidermotte .
Kleinflederm äuse
Klei nsch metterl i n ge
Kletterbeutler
Kletterfische .
Klettervögel .
Kliesche . .
Klippschliefer
Kloakenthiere
I Klumpfische .
! Knäckente
j Knoblauchskröte
I Knochenfische
Knochenganoiden
I Knochengewebe
' Knochen becht
1 Knorpelegel .
{ Knorpelganoiden
Knorpelgewebe
Knospung . .
Knurrhahn
I Koala . . .
' Koboldmaki .
| Köcherfliegen
1 Königsfischer .
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521
556
275
485
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572
Register.
Königsgeier .
Koffer Ii sehe
Kohlmeise . .
Kohlraupen .
Kohlweißlinge
Kolibris . .
Kondor . . .
Kopf. . . .
Kopflaus . .
Korallenottcrn
Korallenriffe .
Korallenthiere
Kormoran . .
Krabben . .
Krätzmilben .
Krallenaffen .
Kraniche . .
Kratzer . . .
Krebsspinnen.
Krebstniere
Kreis . . •
Kreislauf . .
K re is m u ndsch necke
Kreuzchnabel
Kreuzkröte
Kreuzotter
Kreuzspinne .
Krickente . .
Kriebelmücken
Kriechthiere .
Kröten . . .
Krötenfrösche
Krokodile . .
Kropfstörchc .
Kuguar . . .
Kukuke . . .
Kukuksbienen
Ku an . . .
Kusu'* . . .
Kurzflügler
Kurzschnäblige
vögel . . .
Labrus . . .
Labyrinthodonten
Lacerta . . .
Ibachs, -Familie
Lachtaube . .
Lack-Schildlaus
Lagopus . .
1 Lämmergeier .
Läuse . . .
Lagomys . .
Lamas . . .
Lamellicornia
Lamellirostrea
Lampreten
Lampyris . .
Landasseln .
Landsalamander
Landschildkröten
Landthiere . .
Landwanzen . .
Langöhrige Fledermaus
Langusten . ,
Lantus, -adae
Wat-
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Lanzett&sohe.
Lappentaucher
Lappenquallen
LaruB . .
, Larve . .
485 | Larvenorgane
4fll Laubfrösche
LA Laubheuschrecken
273 Laubsänger
in Laufkäfer .
113 | Laufmilben
107 | Laus fliegen
47b' Lautorgane
236 Lebendiggebärend
301 Lebensdauer
558 1 Leber . .
479 I Leberegel .
171 1 Lecanium .
303 Lederhaut .
197 Lederkoralle
ÖÖ Leguane
25 Leibeshohle
319 Leisten molch
488 Lemming .
424 Lemur . .
443 Leopard .
30Q Lepadidae .
477 j Lepas . .
238 Lepidoptera
42H Lepidosiren
424 I Lepidosteus
424 Lepisma
444 ! Leporidae .
478 Leptocardii
541 j Leptoptilus
4M Lepus . .
288 Lerchen .
526 ; Lerohenfalk
521 Lernaea
278 Leetris . .
I Leuchtkäfer
479 Leuchtorgane
405 Leuchtkrebse
423 Leuciscus . .
440 Leucochloridium
103 ; Libellen .
485 Libellula .
272 ! Libellulidae
414 Ligula . .
4SI Limacina .
27_ä Limapontia
554 Limnadia .
521 Limnaeus .
279 Limnoria .
477 I Limosa . .
398 ; Limulus
28Q Linens . .
224 Lingula . .
421 Linse . .
444 Lippenbär .
62 Lippfische .
272 Lithodomus
524 j Litholhrya
235 j Littorina .
482 Locusta .
Helte
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Löffelente
Löflelreiher
Löffelstöre
Löilelstorch
Löwe . .
Loligo . .
Ijongipennes (Möwen
Longipennes (Schwal
ben) ....
Lophius . . .
Lophogastriden .
Loricaria , . .
Lori's (Papageien)
Lori's (Halbaffen)
LüLa . .
Loxia
Lucanus
Luchs .
Lucioperca
Lumbricua
Lummen
Lump .
Luna .
Lungen .
Lungenfische
Lungenschnecken
Lurche .
Luscinia
Lutra .
Lympbgefasssystem
Lynx . .
Lytta . .
HI achaerodus
Machetes .
Macrolepidoptera
Macroscelides
Macropodidae
Madreporaria
Männchen . .
Mäusegattung, -familie
Magen . . .
Magenbremen
Maifisch . .
Maikäfer . .
Maltis . . .
Makrel, -enfamilie
Makrelenhechte
Malacodertnata
Malacostraca .
Malakostraken
Malapterurns
Mallophaga
Maminalia .
Mammut Ii .
Manati . .
Manatus
Manis . .
Mantelthiere
Mantis . .
Marabus .
Maränen
Marder . .
Marderfamilie
Margaritana .
Manenkäferchen
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533
331
Reiter. 573
Markscheide .
Marsupialia .
Mastodon . .
Mauereidechse
Mauerläufer .
Mauersegler .
Maulwürfe
Medina-Wurm
Medusenkdpfe
Meeraal . .
Meerengel
Meeresthiere .
Meergrundeln
Meerkatzen .
Meerschwein .
Meerschweinchen
Meerwanzen .
Meerzähne
Megachiroptern
Megapodius .
Megaptera
Megatherium, -idae
Mehlkäfer . .
Mehlmilbe
Meisen . . .
Meleagrina
Meleagris . .
Meies . . .
Meloe . . .
Melolontha
Melophagus .
Membranipora
Menobramhus
Menopoma
Menschen . .
Menschenaffen
Mephitis . .
Mergus, -inae
Mertnis . . .
Merops . . .
Mesoderm . .
Metamer . .
Metamorphose
Metazoen . .
Microchiroptera
Microlepidoptera
Miescber'scher Schlauch 1Ü2
Miesmuschel .
Mikropyle . .
Milan . . .
Milben . . .
Millepora, -en
Milvu.s . . .
Missbildungen
Mistkäfer . .
Mitteldarm
Mittelschnepfe
Moa -Vögel .
Möwen, -gruppe
Mola . . .
Mollusca . .
Monadinen
Mondfische
Monodon . .
Monotremata .
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407
549
511
Monstrositäten
Moorschnepfe
Moosthierchen
Mormon .
Morosaurus
Morphologie
Moschus
Moschusochse
Moschusthier
Mosqtiitos
Motacilla
Motten .
Mücken .
Muflon .
Mund
Munddarm, -
Muräne . .
Muraenidae
Muridae . .
Murmelthiere
Mus ....
Musca . . .
Müschede rebse
Muscheln . .
Muscicapidae
Muscidae . .
Muskelgewebe
Muskelsystem
Maskelzellen, -fasern
Mustela . .
Mustelidae
Mya . . . .
Mycetes . .
Mygale . . .
Mylodon . .
Myodes . . .
Myogale . .
Myopsidae
Myoxua, -idae
Myriopoda
Myrmecobius .
Mvrmekophilen
Myrraeleon .
Myrmica . .
Mysidacen . .
Mysiden . .
Mysis . . .
Mystacoceti .
Mytilus . . .
Myxine . . .
Xabelschweine
Nacht-Eulen .
Nachtigall . .
Nachtreiher .
Nachtschwalbe
Nagekäfer
Naget hier e
Nahrungsdotter
Naja ....
Nais, -iden
Nandu's . .
Napfschnecken
Narwal . . .
Nasenaffe . .
Nasenbären .
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Nasenbreme
Nashörner . .
Nashornkäfer
Nashornvögel
Nasua . . .
Natantia . .
Natatores . .
Natter, glatte
Natürliche Ausw
Nautilus
Nearktische Region
Nebalia . . .
Nebelkrähe
Necroharpages
Necrophorus .
Nemathelminthes
Nematoden
Nemertinen
Nemocera .
Neophron .
Neotropische Kegion
Nepa . . .
Nereis, -iden .
Nerophis . .
Nerven . . .
Nervenfasern .
Nervengewebe,
Nervensystem
Nesselfalter .
Netzflügler
Netzhaut . .
Netzknorpel .
Neunaugen .
Neurilemm:! .
Neuroptera .
Nieren .
Nilpferd
Niphargus
Noctuidae
Nörz . .
Nogagus
Nonne .
Non-Ruminantia
Nordkaper
Notonecta . .
Nucifraga . .
Nudibranchiata
Numenius . .
Numida . .
Nyctale . . .
Nyctea . . .
Nyctharpages
Nycticorax
Nymphon . .
Oberhaut . .
Octactinia . .
Octopoda . .
Octopus . .
Odinshennen .
Odobaenus
Odontoceti
Odontornithes
Oegopsidae .
Oelkäfer . .
Üestridae . .
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574
Register.
s«it« I
Oestrus 224 !
Ohrenqualle .... 123
ohrrobben 543
Ohrwürmer .... 26~>
Oligochaeta . . . . 182
Olm 422 |
Ommatostrepbes . . 334
Oniscus 224 ,
Ontogenie Ii
Ophidia 441
Ophidiidae .... 405
Opbiura 141
Opbiurida 140
OpUthobranehiata . . 320
Orang-Utan .... 559
Orca 548 ;
Ordnung 60
Orgelkoralle . . . . 110
Onolas 483
Ornitborhynchus . . 618
Orthagoriscus . . . 407 >
Orthoceras .... 333 1
Ortboptera .... 233
Orycteropus .... 661 i
Oryetes 222
Oscines 482 !
Ostaffen 553
Oatgeier 431 ;
Ostracion 407
Ostracoda 207
Östren 33Q I
Otarüdae 543
Otis, -ididae . ... 479
Otocoria 484
Otocyon 539
Otolithen IS
Ottern 540
Otus 431
Ovarium 34
Ovibos 532
Ovipar ...... 51
Ovipare Säugetbiere . 517
Ovis 532
Oxyuria 137
Paarzeher .... 627
PachytyluB .... 234
Pagurus 236
Paka 555
Paläarktische Hegion 27
Palaemon 233
Paläontologie ... 31
Palaeothenuiu . . . 525
Palinurus 235
Paludina 312!
Pandion 430
Panorpa 225J
Panther Ol
Panzerwanzen . . . 408
Panzerwelse .... 404
Papageien .... 4M \
Papagei fische . . . 405 !
Papageitaueber . . . 473
Papihonidae .... 221
Paradiesvögel . . . 434
Paradiseidae .... 484 !
312,
Paramaecium
Parasiten . .
Parmacella .
P artbenogenesis
Partielle Furcbung
Parus, -idae
Pastor . .
Patella . .
Paviane
Pavo. -nidae
Pecten . .
Pediculati .
Pediculus, -idae
Peitacbenwurm .
Pekari's . . .
Pelugische Fauna
Pelargi ....
Pelecanus . . .
Pelikane . . .
Pelikansfuss . .
Pelobates, -idae
Peltogaster . .
Pelzfresser . .
Pelzmotte . . .
Pemphigus . .
Penaeus . . .
Penella ....
Penis ....
Pennatula . . .
Pentacrinus . .
Pentastomen . .
Pentastomum
Perameles . . .
Perca, .idae . .
Perdiz, -cidae .
Perennibranchiata
Peripatus . . .
Peripherisches Nerven
system . . .
Periplaneta . .
Periasodactyla
Perlenaugen . .
Perlhuhn . . .
Perlmuschel . .
Peropoda . . .
Petaurus . . .
Petermänneben .
Petromyzon . .
Pfahlwurm . .
Pfau, -familie
Pfeflerfreaser
Pfeifhasen . .
Pferde, -familie
Pferdeegel . .
Pflasterkäfer
Pfriemenschwanz
Phacochoerus
Pbalangiidae . .
Pbalangista, -idae
Phalaropus . .
Pharaosratte . .
Pbascolarctos
Pbascolomys . .
Phasianomornhae
Phaaianus, -idae
48
Seite
22
38
38
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474
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Pbasmidae
Phoca, -idae .
Phocaena . .
Pboenicopterus
Pholas . . .
Phryganea
Phthiriua . .
Pbyllium . .
PhjUopoda
Phylloaoma .
Phylloxera
Pbysalia . .
Physiologie
Pbysophora .
Physostomi,
Pbytoptua
Pica ....
Picus, -idae
Pieper . . .
Pieris . . .
Pigment . .
Pigmentzellen
Pifidium . ,
Pinguine . .
Pinicola . .
en
Pinnipedia
Piophila
Pipa. . .
Pirol . .
Pisces . .
Piscicola
Pithecus
Placentale Säugethi
Placophora
Planaria . .
Planorbis . .
Platalea . .
Platanista
Plathelminthes
Plattfische .
Plattwürmer .
Platyrrhinae .
Plecotus . .
Plectognathi .
Plesiosauria .
Pleuronectes,
Plictolophinae
Podiceps . ,
Podura . . .
Polarfuchs
Polarwal . .
Polyactinia
Polychaeta .
Polydesmus .
Polymorphismus
Polynoe, -idae
Polyprotodontia
Polypterus
Polystomeae .
Polystomum .
Pompilidae
Pontobdella .
Porcus . . .
Porifera . .
Porospora . .
idae
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162
152
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186
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134
101
Dir
oogle
Register.
575
4,
Porpita . .
Port umon . .
Porzellanschnecken
Pottwal . .
Prachtkäfer .
Primaten, -es
Frist ifl . . .
Proboscidea .
Procellaria
Procyon, -idae
Proechidna
Prosimiae . .
Prosobranchier
Proteles .
Proteus . .
Protoplasma .
Protopterus
Protozoen . .
Proximal . .
Pseudis . . .
Pseudopodien
Pseudoscorpionidae
Psittacidae, -inae
Psocus ....
Psolus ....
Psyche ....
Pterodactylua
Pteromys . . .
Pteropoda . .
Pteropus . . .
Pterosauria . .
Pterota . . .
Polex ....
Pulmonata . .
Puma ....
Pycnogonuni, -idae
Pygopodes . .
Pyrosoma . . .
Python ...
Quallenpolypen
Quappe . . ,
Qu er der . .
Rabe, -nfamüie
Kabengeier
Rabenkrahe .
Rabenvögel .
Radiär . . .
Radiolaria, -en
Räderthiere . .
Raja. ...
Rajida ....
Rainey 'scher Schlauch
Rallus, -idae . ,
Rana ....
Rankenfüssler .
Rapaces . . .
Rasores . . .
Kasse ....
Ratitae . . .
Raubmöven . .
Raubthiere . .
Raubvögel . .
Rauchschwalbe .
Raupenfliegen .
Rebhuhn, -familie
Seite
121
225
549
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474
Reblaus . .
Receptaculum aeminis
Recurvirostra
Regeneration
Regenpfeifer
Regenwürmer
Regulas . .
Reh ....
Reiher . . .
Renken . .
Renthier . .
Reptantia . .
Reptilia . .
Respiration* .
Retina . . .
Rhamphastidae
Rhamphorhynchus
Rbamphostoma
Rhea . . .
Rhinoceros
Rhinolophus .
Rhipidigorgia
Rhizocephala
Rhizocrinus .
Rhizopoda, -en
Rhodeus . .
Rhombus . .
Rbynchobdellidae
Rbynchocoela
Rhynchota
Rhytina . .
Riesenalk . .
r iesenf a u 1 tb iere
Riesenhai . .
Riesenhirach .
Riesensalamander
Riesenschlangen
Riesentintennsche
Rinder . . .
Ringdrossel .
Ringelechsen .
Ringelnatter .
Ringelrobbe .
Ringeltaube .
Rippenquallen
Robben . .
Rochen . .
Rochenegel .
Rodentia . .
Röthelmaus
Rohrammer .
Rohrdommel
Rohrkäfer . .
Rohrrüssler .
Rohrsänger .
Rollaflen . .
Rosenkäfer .
Rosskäfer . .
Rotalia . .
Rotatoria . .
Rothkehlchen
Rothschwänze
Ruderfüssler .
Ruderschnecken
Rudimentare Organe
Seite |
27Q
35
180
33.
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41
Seite
Rückenseite .... 43
Rückenach wimmer . 273
Rüsselegel .... 186
Rüsselkäfer .... 281
Rundmäuler . ... 398
Rundwürmer . . . IM
Ruminantia .... 529
Ruticilla 482
Saateule 291
Saatkrähe .... 484
Saccobranchus . . . 391
Sacculina 216
Sackträger .... 290
Säbelkatzen .... 641
Säbelschnabler . . . 480
Sägefische .... 4Q0
Sager 477
Sänger 482
Saugethiere .... 487
Saibling ..... 1D3
Saisondimorphismus . 39
Salamandra .... 421
Salangane .... 485
Sa Im n, -nidac . . . 40_3_
Salpa, -en .... 565
Samen, -leiter, -tasche 36
Samenkörperchen . 34, 36
St. Petersvogel . . . 475
Sandaale 405.
Snndfloh 295
Sa ml gar nee le . . . 233
Sandkäfer 277
Sandviper 443
Sandwurm .... 181
Saproharpages . . . 481
Sarcocystis .... 102
Sarcodina 92
Sarcophaga .... 223
Sarcopsyfla .... 295
Sarcoptes, -idae . . 3QI
Sarcorhamphus . . . 481
Sardelle 403
Sardine 403
Sarkolemma .... 11
Saugnapf 13.
Saugwürmer .... L51
Saumquallen . . . 115
Sauria, -er .... 440
Saururae 421
Saxicola 482
Scalpellum .... 216
Scansores 486
Scaphopoda .... 309
Scarabaeidae . . . 279
Scarus 405
Schaben 264
Schafe 532
Scbaflaus 294
Schakal 539
Scharbe 470
Schaumzirpe .... 269
Scheerenasseln . . . 225
Schellfisch .... 405
Schellfischfamilie . . 404
Schillahalter . ... 407
576
Reinster.
Schildigel .
Schildkröten
Schildläufe
Schimpanse
Schlaf . .
Schlaf mause
Schlammschnecken
Schlangen ....
Schlangensaurier
Schlangensterne
Schlankaffen . . .
Schlankjungfern
Schleichenlurche .
Schleichkatzen . .
Schleiereule . . .
Schleihe ....
Schleimfische (Blenni
idae)
Schleimfische (Myxine
Scbleimgewebe .
Schleimthi erche n
Schlupfwespen .
Schmarotzer . .
Schmarotzerbienen
Schmeissfliege
Schmerlen . .
Schmetterlinge .
Schnabelkerfe
Schnabelthier
Schnaken .
Schnecken
Schneeammer
Schneeeule
Schneehase
Schneehühner
Schnellkäfer
Schnepfen .
Scholle . .
Schreiadler
Schreivögel
Scb uppen flösse r .
Schuppenthiere .
Schwämme . .
Schwäne . . .
Schwärmer . .
Schwalben . ,
Schwanensaurier
Schwann'sche Scheide
Schwanz . .
Schwanzlurche
Schwanzmeise
Schwarzdrossel
Schwarzspecht
Schweine , - Familie
-Gruppe. . . .
Schwertfisch (Fisch)
Schwertfisch (Wal)
Schwertschwänze
Schwimmkäfer .
Schwimmpolypen
Schwimmvögel
Schwirrvögel .
Scincoideü . .
Sciurus, -idae
Scolopax . .
Seite |
145 Scolopender . .
443 Scomber, -idae .
271 Scomberesocidae
559 : Scorpione . . .
74 Scorpionidae . .
554 Scorpionsfliegen
322 Scorpionwanzen
441 Scyllarus
446 Scyllium
140 Scymnus
558 I Secretär
2S2 ' Secundäre Geschlechts
425 Charaktere .
540 Seeiuller . .
481 ; See-Anemonen
404 See-Elephant
| Seehase
407 | Seehase
398 Seehunde
9 1 Seeigel .
92 Seekühe
285 Seelilien
68 Seelöwen
288 Seemaus
293 | Seenadeln, -lämilie
404 Seeotter . .
288 Seepalmen
2H9 Seepferdchen
518 Seepocken . .
292 Seeraupen . .
309 See-Rosen
483 i Seeschildkröten
481 1 Seeschlangen
553 | Seeschwaloen
474 Seescorpion
um
479
Seesterne
Seesticbling
405 Seetaucher
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554
Seeteufel
Seewalzen
Seewolf
Seezunge
Segler .
Segment
Sehnen .
Sehorgane
Seidenschwanz
Seidenspinner
Selache . . .
Selachier . .
Selachii . .
8electionstheorie
Semnopithecus
Senile Periode
Sepia
Serpula
Sesia
Siebenschläfer
Silpha . .
Silphidae .
Silurus, -idae
Simia . .
Simulia
Singdrossel
479 I Singschwan
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239
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482
478
Singvögel . .
Singzirpen
Sinnesorgane
Hiphonophora
Siredon . .
Siren . . .
Sirenia . . .
Sirex . . .
Situ . . .
Sittacinae . .
Sittiche . . .
Skelet . . .
Skinke . . .
Sminthus . .
Sociale Ascidien
Solea . i . .
Somateria . .
Sonnenthierchen
Sorex, icidae
Spanische Fliege
Spanner . .
Spatangus, -iden
Spatularia . .
Spechte . .
Species . .
Speckkäfer .
Speicheldrüsen
Speiseröhre .
Sperber . .
Sperbereule .
Sperlingseule
Spermatozoon
Spermophilus
Sphingidae
Sphyrna . .
Spinachia . .
Spinnen . .
Spinnenthiere
Spinner . .
Spirula . .
Spirulirostra .
Spitzhörnchen
Spitzmäuse .
Spongiae . .
Spongilla . .
Springmäuse
Springschwänze
Sprossung
Sprott . . .
Spulwürmer .
Squalida . .
Squamipenne*
Squatina , .
Squilla . . .
Staar . . .
Stachelhäuter
Stachelratten - Gruppe
Stachelschweine
Staphylinus, -idae
Stechmücken .
Steganopodes
Stegocenhalen
Steinadler
Steinbock . .
Steinbutt . .
Google
Register.
577
Steinkauz . .
Steinkorallen
Steinmarder .
Steinpicker .
Steinschmätzer
Steinwälzer .
Steinsfusse
SteisBfüsgler .
Steisshühner .
Steiler 'sehe Seekuh
Stenops . .
Steppenhuhn
Sterlet . . .
Sterna . . .
Sternwürmer
Stichlinge, -fat ilie
Stieglitz . . ,
Stimmbänder
Sünkthiere . .
Stock ....
Stockente . . .
Störche . . .
Störe ....
Stomatopoda . .
Strahlen . . .
Strandkrabbe .
Strandläufer . .
Strandschnecken
Strauss, -familie
Straussenvögel
Streifenmaus .
Strepsilas . .
Strepsiptera .
Striges diurnae
Striges nocturnae
Stringops . .
Strix. . . .
Binde
Strongyliilen .
Strongvlus
Strudelwürmer
Struthio, -nidae
Stubenfliege .
Stützgewebe .
Stummelaften
Sturmschwulbe
Sturmvögel .
Sturnus . . .
Stylommatophora
Stylonychia .
Stylops . . .
Subcutanes
gewebe . .
Subungulata .
Süsswasserpolyp
Süsswasserschwamm
Susswasserthier .
Suidae ....
Sula
Sumpfhühner
Sumpfrohreule .
Sumpfschildkröten
Sumpfschnecke .
Surnia ....
Sus
Sylvia, -adae . .
Boa», Zoologie.
Iü7
Seite
4SI Sympathisches Nerven
114 System .
540 Synapta
4Dü Syncoryne .
482 Syngoathus, -idae
479 Syrnium .
4Zti Syrrbaptes
425 «Vstem . .
472 Tabanidae
536 Tachtna . ,
55ü Tachypetes
414 Taema . .
401 Tag-Eulen.
475 Tagfalter . .
183 Tagraubvögel
4üti Talegalla's
4M Talpa . . .
31 [ Tanais, -iden
540 Tannenheher ,
33 Tapes . .
422 [Tapire . .
42S Tapirus. .
401 Tardigrada
232 l Tarsipes .
42 Tarsius . .
237 Taschenkrebs
422 Tastorgane, -zellen
312 1 Tauben . . .
473 Tauchenten .
422 Taumelkäfer .
554 Tausendfüssler
422 Tegenaria . .
225 Teichhuhn. .
4fil . Teicbmuscheln
4SI Teleosaurus .
4M Teleostei . .
431 i Telephorus .
152 I Tellerschnecken
lfifi Tenebrio . .
142 Tenthredinidae
423 Terebratula .
293 Teredo . . .
2 j Termes . . .
552 Termiten . .
425 Testudinata .
425 Testudo, -inidae
483 Tetrabranchiata
322 Tetrao . . .
iül Tetraonomorphae
225 Tetrastes .
Theilung .
13 Thunfisch .
555 . Thurmfalk
112 Thylacinus
122 Thynnus .
03 Thysanopus
528 Thysanura
47ft Ticbodroma
479 Tiefseefauna
4fil Tiger . .
444 Tigerkatzen
312 Tinamus .
481 Tinea . .
523 Tinea, -idae
482 i Tintenfische
Seite [
Tintinnus .
15 Tipula . .
142 Tod . . .
llfi Todtengräber
408 Tölpel . .
481 Tomicus, -icidae
424 Torpedo . .
fiö Tortrix, -cidae
223 Tounus . .
293 Toxopneustes
425 Tracheen . .
158 Trachinus . .
481 Tragulidae, -en
221 Trappen . .
480 Trematoden .
474 Trichechus
522 Trichina, -e .
225 Trichocephalus
484 Trichodectea .
324. Trichoglossinae
525 Trigla . . .
525 Trigonocephalus
303 Trilobita, -en
ä21!Tringa . .
555 Trionyx .
232 ! Tristomum
lfi Triton . .
485 Trochilidae
422 Troctes. .
228 Troglodytes (Affe)
238 Troglodytes (Vogel)
3ÖÜ Trombidium
422 TropidonotuB
331 Truthuhn
44« Tubifex.
403 i Tubinares
281 i Tubipora
322 Tukane.
281 i Tunicata
234 Turbellaria
121 Turdiformes
331 j Turdus . .
255 Turteltaube
265 ; Turtur . .
443 Tylenchus .
444 Tyroglyphus
338 l/ferschnepfen
424. Uferschwalbe
423 > Uhu ....
423 Ungeschlechtlich
32 Ungulata .
402 Unio. . .
480 Unken . .
520 Unpaarzeher
4112 Unterart .
221 Unterhautbindegeweb
2Ü8 Upupa . . .
4M Ur ....
55 Uralkauz . .
540 Urdarm, -mund
541
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404
220
332
Uria
Urlurche .
Uroceridae
Urodela
Ursus, -idae
.Seite
22
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Uterus .
Vampire
Vanellus
Vanessa
Varanus,
Variation
Varietät
VeleUa .
Venen .
Venöses Blut
Vergleichende
Verraetus
Versteinerung
Verwandlung
Verwandtschaft
Vesicantia .
Vespariae .
Vespertilio
Vesperugo .
Vielfrass .
Vielarmige
thiere .
Vierkiemer
Vioa . . .
Vipera . .
Viperina,
Viverra,
Vivipar . .
Vogel . .
Vogelmilbe
Vogelspinnen
Vorderende
Vorderkiemer
Vorhof .
Vorticelle
Vultur .
Wachtel
Wachtelkönig
Waldhühner
Waldkauz .
Waldmaus
Waldohreule
Waldschnepfe
Waldspitzmaus
Wale . . .
Walfischlause
Walross . .
Walsaurier
Wanderfalk .
Wandermuschel
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Korallen
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338
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443
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51
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228
543
446
480
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Wanderratte .
Wandertaube
Wanderzelle .
Wanzen . .
Wapiti . . .
Warmblüter .
Warzenschwein
Waschbären .
Wasseramsel .
Wasserassel .
Wasserfrosch
Wasserhuhn .
Wasserjungfern . . .
Wasserläufer (Vögel)
Wasserläufer (Insekten)
Wassermilben
Wassermolche .
Wasserralle . .
W asserratte . .
Wassersalamander
Wasserschwein .
Wasserspinne
Wasserspitzmaus
Wassertreter
Wasserwarzen
Watvögel . . .
Weberknechte
Wechselkröte
Weibchen . . .
Weichflugler . .
Weichthiere . .
Weidenbobrer .
Weihen . . .
Weinbergschnecke
WeiBsfische . .
Wellhorn . . .
Wels, •familie
Wendehals . .
Wespen . . .
Westafl'en . . .
Westgeier . .
Wickler . . .
Wiedehopf . .
Wiederkäuer . .
Wiesel ....
Wildkatze . . .
Wildschwein . .
Wimperhaare, -ze
Winterschlaf.
Wisent . . .
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554
485
5
272
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7
74
533
Wolf . .
Woinbat's .
Wühlmäuse
Würfelnatter
Würger
Wurmsebnecken
Wurzelkrebse
Xenos . .
Xiphias
Xiphura
Xylophagu
Yak . . .
Zahnarme .
Zahntaube .
Zahnvögel .
Zahnwale .
Zander . .
Zaunschlüpfer
Zehra's . .
Zebu . . .
Zecken . .
Zehnfüssler
Zelle . .
Zibethkatzen
Zibethratte
Ziegen . .
Ziegenmelker
Ziesel . .
Zirpen . .
Zitteraal .
Zitterrochen
Zitterwels .
Zoarces . .
Zobel . .
Zoea . .
Zuckergast
Zungen würmer
Zusammengesetzte
cidien
Zweiflügler
Zweikiemer
Zwerg- Ameisenbär
Zwergfalk . .
Zwergtnaus .
Zwergohreule
Zwergspitzmaus
Zwergwal . .
Zwitter . .
Zwitterdrüse .
As-
Corrigendum.
Seite fiol. Durch ein Versehen ist Fig. IM auf den Kopf gestellt worden.
G. Pit/.'«cho Buchdr. (Llppcrt & Co.). Naumburg a,'S.
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