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Full text of "Lehrbuch der Zoologie für Studierende und Lehrer"

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Lehrbuch  der  Zoologie 
für  Studierende  und  Lehrer 


Johan  Erik  Vesti  Boas 


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% ibrars  of  tfet  ffiustura 


■  • 


OP 


COMPARATIVE  ZOÖLOGY, 

AI  HARVARD  COLLEGE,  CAMBRIDGE,  MASS. 

■ 

jouirtrt  b5  ptftate  «utacrfpUon,  In  1861. 


Depoeited  by  ALEX.  AQASSIZ. 

No.  ,  Z   r  o  S 

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Jd  by  GoogU 


9 


LEHRBUCH 

DER 

Z  0  0  L  0  G  I  E. 


FÜR  STUDIRENDE  UND  LEHRER. 

VON 

(  /'    '/ '  •  /  • 

D*  J.  E.  V.  BOAS. 

MIT  37ö  ABBILDUNGEN. 


JENA, 

VERLAG  VON  GUSTAV  FISCHER. 
"^1890. 


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Verlag  von  GUSTAV   F I  SCHER  in  JENA. 


-ry  Francis  K.,  M.A.,  FRS.,  Fei/ö|f  «dLedurer  of  Trinity  ColW 

15H»lIO III ,  Cambridge.   üjjjüM>no|j   <l(>r  ggfejghggfiB  l 
bryologie.   Zwei  Bände.    Jlit  öewillijrijn/f  <tes  Verfassers  au*  <iem  K 
lischen  übersetzt  von  Dr.  B.  Vetter,  Vrofetsor  am  Polytechnikum  in  Dre< 
I  Band.   58<i  S.  und  275  Holz8chnirfe.   1880-   Preis:  15  Mark. 
II  Band    740  S  "nA  4nn  xx~%—  -t—u*-    ,00°    «w..  ig  Mark. 


Das  Recht  der  Uebersetzung  in  andere  Sprachen  behält  sich  der  Verfasser  vor. 


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Vorwort. 


Das  vorliegende  Buch  hat  sich  in  erster  Linie  die  Aufgabe  ge- 
stellt, denjenigen  Studirenden  als  Leitfaden  zu  dienen,  in  deren 
Studienplan  die  Zoologie  einen  Platz  unter  den  naturwissenschaftlichen 
Vorbildungsfachern  einnimmt :  es  ist  also  zunächst  für  Studirende  der 
Medicin,  Veterinär-  und  Forstwissenschaft  etc.  bestimmt.    Diese  Be- 
stimmung ist  für  die  ganze  Anlage  des  Buches  und  für  die  speciellerc 
Darstellung  maassgebend  gewesen.  Der  Verfasser  hat  sich  überall  be- 
strebt, das  Wesentlichere  hervorzuheben  und  das  Nebensächliche  zu- 
rücktreten zu  lassen ;  dabei  wurde  noch  der  Stoff  möglichst  begrenzt, 
Manches  —  nicht  selten  mit  Widerstreben  —  ausgeschlossen,  was  für 
den  Zweck  nicht  nothwendig  erschien.    Bei  der  Auswahl  des  Vor- 
zutragenden wurde  darauf  Gewicht  gelegt,  ob  dasselbe  sich  für  den 
Standpunkt  der  betreffenden  Studirenden  fasslich  darstellen  Hess  und 
einem  Verständniss  zugänglich  war ;  wenn  solches  nicht  der  Fall  war, 
wurde  von  einer  Darstellung  gänzlich  abgesehen  oder,  wenn  noth- 
wendig, die  Sache  nur  berührt.  Die  allgemeineren  wissenschaftlichen 
Ergebnisse  der  Forschung  wurden  möglichst  in  den  Vordergrund  ge- 
stellt, jedoch  nur  wenn  sie  dem  Verfasser  genügend-  erhärtet  schienen ; 
dagegen  wurde  von  solchen  theoretischen  Erörterungen  Abstand  ge- 
nommen, denen  entweder  dieser  Charakter  nicht  zuerkannt  werden 
konnte,  oder  welche  für  den  Standpunkt  der  betreffenden  Studirenden 
nicht  elementar  genug  erschienen.    Auf  eine  Discussion  zweifelhafter 
Fragen  wurde,  als  in  einem  solchen  Lehrbuch  principiell  unzulässig, 
fast  gänzlich  verzichtet.    In  Bezug  auf  Einzelnes  ist  hervorzuheben, 
da88  das  „Systematische",  d.  h.  die  Darstellung  der  Gruppen  niederen 
Ranges,  in  der  Weise  behandelt  wurde,  dass  meistens  statt  des 
üblichen  systematischen  Skeletes  lediglich  Beispiele  vorgeführt 
wurden,  welche  dann  aber  wirklich  charakterisirt  worden  sind;  nur 
Wi  den  Wirbelthieren  hat  sich  der  Verfasser  manchmal  eine  mehr 
skeletmässige  Aufzählung  der  Formen  erlauben  dürfen,  weil  letztere 


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Vorwort. 


den  Studirenden  als  für  unseren  Zweck  hinlänglich  bekannt  voraus- 
gesetzt werden  konnten.  Ueberall  hat  der  Verfasser  sich  bemüht,  dem 
Studirenden  die  Aneignung  des  Stoßes  durch  Fasslichkeit  der  Dar- 
stellung und  Vermeidung  überflüssiger  Kunstausdrücke  zu  erleichtern. 
Die  zahlreichen  Figuren,  von  welchen  viele  schematisch  gehalten  sind, 
dienen  demselben  Zweck. 

Das  Buch  ist  eine  Neubearbeitung  meines  im  Jahre  1888  in  dänischer 
Sprache  erschienenen  Lehrbuches.  Die  vorliegende  von  mir  selbst 
besorgte  deutsche  Ausgabe  —  zu  deren  Veranstaltung  ich  von  nam- 
haften deutschen  Fachgenossen  aufgefordert  wurde  —  unterscheidet 
sich  aber  nicht  unwesentlich  von  jenem.  In  der  speciellen  Dar- 
stellung ist  natürlich  durchweg  bei  der  Auswahl  der  Formen  und  bei 
Angabe  von  Fundorten  auf  die  Fauna  Deutschlands  Bezug  genommen. 
Ferner  sind  aber  auch  manche  andere  Aenderungen  vorgenommen: 
ein  ganzer  Abschnitt  des  Allgemeinen  Theils  (Biologie)  ist  hinzu- 
gekommen, andere  Stücke  sind  gänzlich  umgearbeitet  worden,  überall 
sind  kleinere  Aenderungen  und  Verbesserungen  angebracht;  eine  an- 
sehnliche Anzahl  neuer  Figuren  sind  hinzugekommen,  resp.  an  die 
Stelle  älterer  getreten. 

Bei  dem  Umstände,  dass  das  Deutsche,  wenn  ich  mich  desselben 
auch  ohne  besondere  Schwierigkeit  bediene,  doch  nicht  meine  Mutter- 
sprache ist,  erschien  es  mir  geboten,  den  von  mir  verfassten  deutschen 
Text  von  einem  deutschen  Fachgenossen  durchsehen  zu  lassen.  Ich 
habe  dabei  das  Glück  gehabt,  dass  mein  lieber  Freund  Professor 
J.  W.  Spengel  in  Griessen  mir  den  Freundschaftsdienst  erwiesen 
hat,  diese  Arbeit  zu  übernehmen.  Ich  verdanke  es  zum  grossen  Tbeil 
seinen  Bemühungen,  dass  das  Buch  in  dem  sprachlichen  Gewände 
erscheinen  kann ,  in  dem  es  jetzt  vorliegt.  Allein  Prof.  Spengel  hat 
sich  nicht  darauf-  beschränkt,  das  Buch  sprachlich  zu  verbessern, 
sondern  er  hat  mir  auch  eine  ansehnliche  Reihe  von  sachlichen  Be- 
merkungen zugehen  lassen,  welche  an  manchen  Stellen  zu  wesent- 
lichen Verbesserungen  Anlass  gegeben  haben.  Ich  spreche  ihm  auch 
an  dieser  Stelle  meinen  wärmsten  Dank  für  das  Opfer  aus,  welches 
er  damit  unserer  durch  lange  Jahre  immer  mehr  befestigten  Freund- 
schaft gebracht  hat. 

Möge  das  Buch  auch  in  Deutschland,  dessen  Forschern  ich  so 
Vieles  verdanke,  eine  wohlwollende  Aufnahme  finden! 

Kopenhagen,  März  1890. 

J.  E.  V.  Boas. 


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Inhaltsverzeichnis^ 

Allgemeiner  Theil. 


I.  Zelle  und  Gewebe  ,  .  ,  .  .  .  .  .  ,  ,  ,  ,  .  .  ,  .  ,  ,  ,  3 

II.  Organe   12 

I.  Haut   12 

g  Skftlflt   ,    .   ■   ■   •   ■  IA 

3.  Muskelsyatem   14 

4.  Nervensystem     15 

5.  Sinnesorgane   16 

6.  Darmkanal   22 

7.  Gefässsystem   25 

8.  Athmungsorgane     27 

9.  Excretions-  oder  Harnorgane   ....  31 

10.  Fort pflanzung  mul  Fortpflanzungsorgane   32 

II.  Die  Verbindung  der  Organe  unter  einander;  die  Leibeshöhle  .  .  40 
12.  Rudimentäre  Organe                                                                  .    .  41 

III.  (rru mit ormeti  und  lUisnere  Gestaltung  des  Körpers   42 

IV.  Entwicklungsgeschichte  (Embryologie  oder  Ontogenle)   44 

V.  Die  Verwandtschaft  der  Thlere:  da«  System.    Die  Abstammungs- 
lehre   55 

VL  Biologie   62 

1.  Vertheilung  der  Thierwelt  auf  Land,  Süsswasser  und  Meer  ... 

2.  lieber  das  Verhältnis  der  Nahrung  zur  Gestaltung  des  Körpers.  — 

ParanitiHnina   67 

3.  Die  verschiedene  Art  der  Ortsbewegung.  Ueber  festsitzende  Thiere  70 

4.  Umgestaltende  Einwirkung  der  Lebensverhältnisse   71 

ö.  lTeber  die  Lebensperioden  und  die  Lebensdauer  der  Thiere  ...  73 
H.  Die  Widerstandsfähigkeit  der   Thiere   gegen    Kälte   und  Wärme, 

Austrocknen,  Hunger   75 

VII.  Geographische  Verbreitung  der  Thiere   77 

VIII.  Geologische  Entwicklung  der  Thiere   79 

Anhang.    Ueber  die  Aehnlichkeit  und  den  Gegensatz  des  Thier-  und  Pflanzen- 
reiches   ,   B3 


Specieller  Theil. 

Protozoen  oder  Urthiere  {l'rotoxon)  \\\ 

1,  ClaBse.    Schlcimthlerchen  (Snrcodina)  

1.  Ordnung.   Rhi/.opodeu  (ffltizopoda)  '*3 

2.  —       Radiolarien  (Radiolaria)  95 


VI  Inhalt  sverzoiohniae. 

2.  ('lasse.    InfnslouBthicrchen  (Infwsoria,  Ciliata)   97 

3.  (.'lasse.    (Iregarlnon  (Gregarinida)  100 


Cölenteraten  (CoeJeriterala)   103 

1.  ('lasse.    Korallenthierc  (Antho:oa)   107 

1.  Ordnung.  Achtarmige  Korallenthicrc  (Octactiniä)  ■    ■    .  109 

2.  —  Vielarmige  Kurallenthiere  (Polyactinia) .    .    .  111 

2.  Classc.   Qnallenpolyitcn  (Hydrozoa)   114 

1.  Ordnung.  Saumquallen  (Hydromedtuae)   115 

2.  —        Schwimmpolypen  (Siphonophora)   119 

3.  —        Lappenquallen  (Acatepkae)   121 

3.  Claase.   Rippenquallen  (Ctenophora)   123 

Anhang  zu  den  Cölenteraten:  Schwämme  (SpongUu  oder  Porifera)  ....  124 

Stachelhäuter  {FshiiindcrmnUi)  ,    ,        ,   128 

1.  Claase.   Seellllen  (Crinoidea)   135 

2.  (.'lasse.    Asteroiden  (Asteroiden)   138 

1.  Ordnung.  Seeaterne  (Astcrida)   188 

2.  —  Schlangensterne  (Ophiuridä)   140 

3.  Claaac.    Seeigel  (Eehinoidea)   141 

1.  Ordnung.   Keguliire  Seeigel  (Echinoidea  regularia)    .    .  145 

2.  —         Irreguläre  Seeigel  (Eehinoidea  irreyularia)     .  145 

4.  Classe.    Seewalzcn  (Holuthurioidca)   1 15 


Plattwürmer  (Platheiminthea)   148 

1.  (.'lasse.   Struu>lwUrmpr  (Turbellnria)   149 

2.  Classe.    Saugwürmer  (Trematoda)     151 

1.  Ordnung.  Monogene  Saug  wunner  (Polystomene)    .    .    .  152 

2.  —        Digene  Sangwürmer  (Distotncae)   153 

3.  ('lasse.    Bandwürmer  (  Cestoda)   155 

4.  Claase.   Nemertlnen  (Rhynchocoela)   160 

Anhang  zu  den  Plattwürmern :  Kftderthierc  (Rotutoria)  .    .    162 


Rundwürmer  (NemathclminÜiets)  165 

1.  Clasae.    Echte  Rundwürmer  (Xematoda)  .   1H5 

2.  ülaaae.    KratEer  (Acnnthoeephali)  171 


Gliederwürmer  (Amuiidu)   173 

1.  ('lasse.    Borstenwürmer  (Chaetopoda)   175 

1.  Ordnung.    Polyehäten  (Poh/ehaeta)   180 

2.   Oligochiiten  (Oligachneta)   182 

Atihang  zu  den  Borstenwürniern  :   Sternwürmer  (Gephyrea)     ....  183 

2.  Claase.   Egel  (Discophora)   184 

Anhang  /.u  den  Gliederwürmern: 

Moosthicrchen  (Bryozoa)   187 

ArnifÜHsler  (Brachiopoda)   190 


Gliederfüs8ler  (Arihro/ivlu)   ü>2 

1.  Claaae.   Krchsthiere  (Crxistacta)   197 

1.  Unterlasse.    Eutomostraken  (Entomnstrarg)   2<>2 

1.  Ordnung.    Blattfüsalcr  (Phyllopodn)   202 

2.  —        Daphniden  [Cladorern)   203 

3.  -  -  Schwertschwänze  (Xiphura)   205 


Inhaltaverzeichnias.  VII 

Spjtc 

4.  Ordnung.  Trilobiten  (Trilobita)   207 

5.  —       Moachelkrebge  (Ostracoda)   207 

6.  —  Copepoden  (Copepoda)   208 

7.  —  RankenfÜBBler  (Cirripediä)   212 

2.  Untere] asso.    Malakostraken  <  Malacostraca)   216 

1.  Ordnung.   Leuchtkrehse  {Enphnusiacea)   220 

H.  -          Mysidcn  (Mysidarm)   221 

3.       —  Cumaneen  (C'umarea)    222 

4       —  lsopoden  (Isopoda)   223 

5.  —  Amphipoden  (Amphipoda)   226 

6.  —        Zehnfüwler  (Decapoda)   228 

7.  —  Heuschreckenkrebse  (Stomatopnda)    ....  237 

2.  C'lassp.    Tausend  fUssl  er  (Myriopoda)   238 

I.  Ordnung.   Scolopcnder  (Ckilopoda)   239 

2.       —         Echte  Tausendfüssler  (ChUoQ»atha)    ....  240 

Anhang  zu  den  Tausendfüsslern :  Peripatus   241 

3.  Claase.    Insekten  (Insecta)   242 

1.  Ordnung.  Geradflügler  \Orthoptera)   263 

2.  -         Schnabelkerfe  [Rhynchota)   269 

3.  —         Netzflügler  (Neuroptera)   273 

4.  —         Kater  (Coleoptera)   276 

5.  —         Hautflügler  (Hymenoptera)   280 

6.  —        Schmetterlinge  (Lepidoptera)   288 

7.  —         Zweiflügler  (Diptera)   292 

4.  ('lasse.    Spinnent  hiere  (Arachnida)   295 

1.  Ordnung.  Oliederspinnen  (Arthroyastra)   298 

2.  —        Echte  Spinnen  (Aranema)   299 

3.  Milben  (Acarina)   300 

Anhang  zu  den  Spinnenthieren : 

Zungenwürmer  (Pentastomum)   302 

Krobaaptnnen  (Pycnogonidae)   303 

Bärthierchen  (Tardigrada)   303 


Weichthiere  {Mollusca)     305 

1.  Clasae.    Chitonen  (Placophora)   308 

2.  ('lasse.    Schnecken   Gastropoda)   309 

1.  Ordnung.    Vorderkiemer  (Proeobranrhiata)   318 

2.  —        Hinterkiemer  (Opisthobranchiata)   320 

3.  —        Lungenschnecken  (Pulmoruita)   322 

3.  Claaae.   Muscheln  (Acephala)    .    •   323 

4.  Classe.    Tintenfische  (Cephalopoda)   332 

1.  Ordnung.   Vierkiemer  {Tetrabranchiata)   338 

2.  —        Zweikiemer  (Dibranchiata)   339 


Wirbelthiere  ( Vertebrata)   340 

1.  Claaae.    Lame ttfl gehe  (Leptocardii)   369 

2.  Clasae.  Flache  (Pisces)   371 

1.  Ordnung.   Rundmäuler  (Cyclostomi)   398 

2.  —        Selachier  (Selachii)   398 

3.  —        Ganoiden  (Ganoidei)   400 

4.  —  Lungenfischc  (Dipnoi)   402 

5.  —        Knochenfische  (Trleostei)   403 


VIII  Inhalts  Verzeichnis». 

3.  Claaae.    Lurche  (Amphibia)   408 

1.  Ordnung.  Schwanzlurche  (Urodela)   421 

2.  —        Froschlurche  (Amira)   423 

3.  —  Schleichenlurche  (Gyiniinphiuna)   425 

4.  (Masse.    Krlechthlere  (Rrptilia)   42ti 

1.  Ordnung-   »Saurier  (Snuria)   440 

2.  —  Schlangen  {Opiii'Ha)   441 

3.  —        Schildkröten  (  /estudinatn)   443 

4.  —  Krokodile  (Crocodilia)   444 

Ausgestorbene  Kriechthier-Ordnungen   446 

5.  (lasse.    Vltgei  (Aves)   450 

1.  Ordnung.  Echsenvögel  (Saururae)   471 

2.   Zahnvögel  (Oduntornithes)   472 

3.  —        Straussvögel  (Ratitae)   472 

4.  —  Hühnervögel  (Rasorrs)   473 

">.        -  Schwimmvögel  (Xatutorrfi)   475 

_        Watvögel  (GraUatores)   478 

7.  —  Kaubvögel  ( A>  cipitrcs)   .  480 

8.  —         Singvögel  (  Purinen)   482 

9.  —  Schreivögel  (Clamatores)   484 

10.      —        Klettervögel  (Scamores)   48<> 

H.  ('lasse.    Siiugethiere  (Main  mal  ia     487 

1.  Ordnung.    Kloakenthiere  (Monotreniuta)   517 

2.  —  Beutelthiere  (Maraupialia  i   519 

3.  ■-  Insektenfresser  (lnsrctivora)   521 

4.  —        Fledermäuse  (Chiroptera)   523 

6.      —        Hufthiere  (Ungulata)   524 

6.  —  Elephanten  (Proboscidea)   683 

7.  —        Seekühe  (Sirenia)   535 

8.  —        Raubt hi ere  (Carnivora)   536 

9.  —        Robben  (Pinnipedia)   641 

10.  —        Wale  (Cetacca)   544 

11.  —        Zahnarme  (Edentata)   549 

12.  —         Nagethiere   Rodcntia)   551 

13.  —  Halbaffen  (Prorimiae)   555 

14.  —  Primaten  {Primates)   666 

Anhang  zu  den  Wirbelthieren :  Mantelthlere  (Tunicata)   561 


Allgemeiner  Theil. 


I.  Zelle  und  Gewebe. 


Die  niedrigste  Stufe  im  Thierreich  wird  von  einer  Gruppe  einfach 
gebildeter  Wesen  eingenommen,  welche  man  mit  dem  gemeinsamen 
Namen  Protozoen  bezeichnet.  Wir  beginnen  damit,  eine  einzelne 
der  vielen  Formen,  welche  zu  dieser  Gruppe  gehören,  eine  Amöbe, 
zu  betrachten,  indem  es  für  das  Verständniss  der  thierischen  Orga- 
nismen im  Allgemeinen  von  entscheidender  Bedeutung  ist,  ein  solches 
Geschöpf  genauer  zu  kennen  und  zu  verstehen. 

Die  Amöben  sind  mikroskopische  Organismen,  welche  man  häufig 
im  Siisswas8er  findet.  Ihre  äussere  Form  ist  unregelmiissig  und  un- 
bestimmt; sie  bestehen  aus  einer  Masse,  welche  als  Protoplasma 
bezeichnet  wird,  einer  fein  gekörnten,  dickflüssigen  Substanz,  welche 
chemisch  betrachtet  aus  einer  Mischung  verschiedener  Stoffe  besteht, 
unter  denen  Eiweisskörper  die  Hauptrolle  spielen.  Tn  der  Amöbe 
eingeschlossen  findet  sich  ein  kugeliger 
oder  etwas  ovaler  Körper,  der  Kern,  _/ — j 


überhaupt  sind  dieTheilchen  des  kleinen 
Körpers  in  beständiger  Bewegung,  was  sich  daran  zu  erkennen  giebt, 
dass  die  Körner  hin  und  her  bewegt  werden.  Diese  Beweglichkeit 
des  Protoplasmas  verleiht  der  Amöbe  ferner  das  Vermögen,  über  die 
im  Wasser  befindlichen  Gegenstände  mit  geringerer  oder  grösserer 
Schnelligkeit  hinzugleiten,  zu  kriechen.  Die  Bewegungen  können 
stattfinden,  ohne  dass  eine  äussere  Einwirkung  auf  die  Amöbe  statt- 
findet: sie  werden  dann  als  spontan  (freiwillig)  bezeichnet.  In 
anderen  Fällen  ist  eine  äussere  Einwirkung  vorhanden ;  der  plötzlichen 
Berührung  irgend  eines  Gegenstandes  folgt  in  der  Regel  eine  Be- 


1* 


4 


Allgemeiner  Theil. 


wegung,  oft  ein  Zurückziehen  der  Pseudopodien;  die  Bewegung  geht 
aber  auch  in  solchen  Fällen  von  der  Amöbe  selbst  aus,  sie  ist  nicht 
direkt  durch  die  äussere  Einwirkung  verursacht,  diese  giebt  viel- 
mehr nur  eine  Veranlassung  zu  derselben  ab.  Man  bezeichnet  dieses 
Vermögen  der  Amöbe,  auf  eine  äussere  Veranlassung  zu  reagiren,  als 
Irritabilität.  Es  zeichnet  sich  die  Amöbe  ferner  dadurch  aus, 
dass  sie  aus  der  Umgebung  Theile  aufnimmt  und  dieselben  zu  Be- 
standteilen des  eigenen  Körpers  umbildet:  sie  ernährt  sich, 
was  in  der  Weise  vor  sich  geht,  dass  sie  mit  den  Pseudopodien 
andere  kleine  Organismen  und  leblose  Theilchen  umschliesst  und  die- 
selben in  ihr  Protoplasma  aufnimmt;  aus  diesem  werden  dann  die- 
jenigen Theile  des  aufgenommenen  Gegenstandes  nach  einiger  Zeit 
wieder  ausgestosseu,  welche  sich  mit  dem  Protoplasma  nicht  dauernd 
vereinigen  können.  Ausser  solchen  festen  Körperchen  nimmt  die 
Amöbe  auch  Wasser  und  den  in  allen  natürlichen  Gewässern  vor- 
handenen freien  Sauerstoff  auf;  letzterer  ist  für  ihre  Existenz 
unbedingt  nothwendig;  in  Sauerstoff  freiem  Wasser  kann  die  Amöbe 
nicht  leben,  wenn  auch  alle  übrigen  Bedingungen  vorhanden  sind. 
Der  aufgenommene  Sauerstoff  geht  eine  Verbindung  mit  einem  Theile 
des  im  Protoplasma  vorhandenen  Kohlenstoffes  ein  und  bildet  mit 
demselben  Kohlensäure,  \  welche  entweicht :  durch  die  Aufnahme  des 
Sauerstoffes  verbrennt  ein  Theil  der  Amöbe,  und  durch  eben  diese 
Verbrennung  wird  die  Kraft  frei,  welche  sich  hei  den  Bewegungen 
der  Amöbe  geltend  macht.  Die  Amöbe  ist  so  zu  sagen  eine  kleine 
Maschine,  in  welcher,  ebenso  wie  in  einer  Dampfmaschine,  Kohlen- 
stoff verbrennt;  durch  die  Verbrennung  wird  eine  gewisse  Menge 
Kraft  entwickelt,  welche  als  Bewegung  sichtbar  wird.  So  viel  ist  klar 
und  sicher;  dagegen  sind  die  einzelnen  Glieder  in  der  Thätigkeit  der 
kleinen  Maschine  unbekannt.  Die  Aufnahme  des  Sauerstoffes  ist 
somit,  wie  man  leicht  einsehen  wird,  die  Ursache  einer  stetigen  par- 
tiellen Zerstörung  der  die  Amöbe  zusammensetzenden  Stoffe,  einer 
Verringerung  der  Masse  der  Amöbe;  die*se  Verringerung  wird  aber 
gedeckt  durch  die  oben  erwähnte  Ernährung,  welche  sogar  im  Stande 
ist,  einen  Ueberschuss  zu  erzeugen,  so  dass  die  Amöbe  wächst,  ihre 
Masse  sich  vergrössert.  In  naher  Beziehung  hierzu  steht  die  letzte 
Haupteigenschaft  der  Amöbe,  ihr  Vermögen,  sich  zu  vermehren, 
zu  theilen.  Die  Theilung  wird  damit  eingeleitet,  dass  der  Kern  sich 
in  zwei  theilt;  hierauf  folgt  eine  Einschnürung  des  Protoplasmas, 
welches  schliesslich  in  zwei  ungefähr  gleich  grosse  Stücke,  jedes  mit 
seinem  Kern,  geschieden  wird :  die  ursprünglich  eine  Amöbe  hat  sich 
in  zwei  ge theilt,  von  welchen  jede  in  derselben  Weise  wie  die 
ursprüngliche  fortlebt.  —  Durch  die  ganze  Reihe  von  Eigenschaften, 
welche  wir  hier  angeführt  haben,  charakterisirt  sich  die  Amöbe  als 
lebendig,  als  ein  Organismus  einfachster  Art,  den  leblosen 
Körperchen  gegenüber,  welche  sich  neben  ihr  im  Wasser  befinden. 
Mit  dem  Tod,  welcher  durch  verschiedenartige  äussere  Einflüsse 
(z.  ß.  durch  zu  grosse  Wärme)  bewirkt  wird,  verliert  die  Amöbe  diese 
sämmtlichen  Eigenschaften. 

Der  Hauptsache  nach  bieten  die  übrigen  sogenannten  Proto- 
zoen ähnliche  Verhältnisse  dar  wie  die  Amöbe.  Weniger  wesentliche 
Abweichungen  können  dadurch  zu  Stande  kommen,  dass  sich  in  dem 
Protoplasma  oder  um  dasselbe  feste  Theile  (Kalk,  Kiesel)  als  Stütz- 
gebilde (Skelet)  ausscheiden;  oder  die  äusserste  Lage  des  Proto- 


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I.  Zelle  und  Gewebe. 


5 


plasmas  kann  eine  etwas  festere  Beschaffenheit  als  das  übrige  erhalten, 
so  dass  keine  eigentlichen  Pseudopodien  mehr  hervorgestreckt  werden 
können,  während  übrigens  das  Protoplasma  seine  Beweglichkeit  be- 
wahrt (man  beobachtet  noch  immer  Strömungen  der  Körnchen  und 
gröbere  Veränderungen  der  Form  des  ganzen  Körpers);  im  Proto- 
plasma können  Oelkugeln  und  Aehnliches  ausgeschieden  werden;  die 
.Oberfläche  des  Körpers  kann  mit  feinen  haarartigen  Fortsätzen  des 
Protoplasmas,  Wimperhaaren,  bedeckt  erscheinen,  welche  in  beständig 
schwingender  Bewegung  sind;  u.  s.  w.  (Genaueres  im  Spec.  Theil  unter 
Protozoen)/^ 

Alle  übrigen  Thiere,  die  Metazoen,  sind  anfänglich,  als 
Eier,  ähnliche  mit  Kern  versehene  lebendige  Protoplasmaklümpchen, 
wie  die  Protozoen  es  Zeit  Lebens  sind,  und  stimmen  auf  diesem  Sta- 
dium im  Wesentlichen  mit  der  Amöbe  überein.  Aber  im  Gegensatz 
zu  den  Protozoen  bleiben  sie  nicht  auf  dieser  Stufe  stehen.  Das 
Ei  theilt  sich  in  eine  grosse  Anzahl  von  Stückchen,  jedes  mit  seinem 
Kern,  aber  diese  Theile  trennen  sich  nicht  vollständig  von  einander, 
sondern  bleiben  in  Zusammenhang.  Diese  durch  die  Theilung  des 
Eies  entstandenen  Stücke,  von  denen  jedes  die  wesentlichen  Eigen- 
schaften des  Eies  und  somit  auch  der  Amöbe  besitzt,v  werden  mit 
dem  Namen  Zellen  bezeichnet;  durch  fortgesetzte  Theilung  und 
Umbildung  derselben  entwickelt  sich  der  Körper  der  Metazoen  zu 
seiner  definitiven  Form.  Das  ausgebildete  Metazoon  ist  demnach  eine 
innig  verbundene  Gesellschaft  von  Zellen,  von  amöbenähnlichen  Ge- 
schöpfen in  mehr  oder  weniger  modificirter  Gestalt. 

Die  Zellen  bestehen  entweder  ihr  ganzes  Leben  hindurch  oder 
jedenfalls  in  ihrer  Jugend  aus  Protoplasma  von  ähnlicher  Be- 
schaffenheit wie  das  der  Amöbe.  Im  Protoplasma  findet  sich  ein  bläs- 
chenförmiger Kern  mit  einem  oder  mehreren  Kernkörperchen, 
welche  als  verdickte  Stellen  eines  feinen  Kernnetzes  aufzufassen 
sind,  das  im  Innern  des  Kernes  ausgespannt  ist;  der  Kern  ist  übrigens 
mit  einer  wässerigen  Flüssigkeit  (dem  Kernsaft)  angefüllt.  Die  Zelle 
besitzt  das  Vermögen,  sich  zu  t heilen;  die 
Theilung  wird  durch  eigenthümliche  Verände-  gg,1 
rungen  des  Kernnetzes  eingeleitet,  es  theilt  sich 
dann  der  Kern,  und  schliesslich  wird  das  Pro- 
toplasma in  zwei  Theile  geschieden.  Auch  die 
übrigen  Eigenschaften  der  Amöbe  besitzt  die 
Zelle :  sie  nimmt  Sauerstoff  und  Nahrung  auf  etc.  i  \< 
Die  Zellen  führen,  jede  für  sich,  ihr  eigenes  •v'''HJv^lv^^^ 
Leben,  unterscheiden  sich  aber  insofern  von  der 
Amöbe,  als  sie  Glieder  eines  grösseren  Ganzen 
und  diesem  bis  zu  einem  gewissen  Grade  unter-     Fig.  2.    Eine  Zeile. 

geordnet    Sind.      Ihre    Selbständigkeit    ist    also   «  Kern,  n  Kernkörperchen, 

relativ ,    aber  doch  immerhin  so  gross ,  dass  Jerone'2. Protoplasma, 
sie  —  für  viele  Zellen  wenigstens  ist  dies  nach- 
gewiesen  —  für  eine  kürzere  Zeit  fortleben  können,  wenn  sie  vom 
Organismus  abgetrennt  sind. 

Die  Selbständigkeit  der  verschiedenen  den  Körper  zusammen- 
setzen den  Zellen  ist  übrigens  recht  verschieden.  Einige  Zellen,  welche  mit 
dem  gemeinsamen  Namen  Wanderzcllen  bezeichnet  werden,  behalten 
dauernd  eine  sehr  bedeutende  Unabhängigkeit  und  bleiben  fast  in  allen 
Beziehungen  auf  dem  Standpunkte  der  Amöbe  stehen :  sie  besitzen  das 


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Allgemeiner  Theil. 


Vermögen,  Pseudopodien  auszusenden,  sie  bewegen  sich,  jede  für  sieb,  frei 
in  den  Hohlräumen  des  Körpers  umher.  Während  die  meisten  übrigen 
Zellen  die  Nährstoffe  (vergl.  den  Abschnitt  Darmkanal)  nur  in  flüssiger 
Form  aufnehmen  können,  besitzen  die  Wanderzellen  durchweg  dasVer- 
mögen,  auch  feste  Körperchen  aufzunehmen  und  aufzulösen.  Diese  Eigen- 
schaft zeigt  sich  z.  B.  dem  Organismus  selbst  gegenüber,  indem  in 
vielen  Füllen  (z.  B.  bei  der  Verwandlung  der  Insekten)  gewisse  Par- 
tien desselben  zu  Grunde  gehen  —  ohne  dass  der  Organismus  als 
Ganzes  abstirbt  — ,  bei  welcher  Gelegenheit  die  absterbenden  Theile 
von  den  Wanderzellen  aufgefressen  und  aufgelöst  werden.  Auch 
fremde,  in  den  Organismus  eindringende  Körperchen,  namentlich 
Bakterien,  werden  vielfach  von  denselben  aufgefressen.  Zu  den  Wander- 
zellen gehören  die  Blutkörperchen  der  meisten  wirbellosen1) 
Thiere  und  die  weissen  Blutkörperchen  der  Wirbelthiere.  — 
Freie  Zellen  sind  auch  noch  einige  andere  Zelleuformen,  nament- 
lich die  rothen  Blutkörperchen  der  Wirbelthiere,  welche  ebenso 
wie  die  Wanderzellen  nicht  mit  anderen  Zellen  dauernd  verbunden 
sind,  sich  aber  von  jenen  dadurch  unterscheiden,  dass  sie  das  Ver- 
mögen, Pseudopodien  auszusenden  und  sich  selbständig  zu  bewegen, 
verloreu  haben;  sie  werden  nur  passiv  (durch  den  Blutstrom)  im 
Körper  fortbewegt. 

Die  meisten  Zellen  des  thierischen  Körpers  sind  aber  fixe 
Zellen:  sie  sind  unbeweglich  mit  anderen  Zellen  verbunden,  können 
sich  nicht  frei  fortbewegen;  auch  ihre  Form  ist  insofern  eine  feste, 
als  sie  nicht  Pseudopodien  aussenden  können.  Die  fixen  Zellen  sind 
im  fertigen  Organismus  in  sehr  verschiedenartiger  Weise  ausgebildet; 
sie  sind  spccialisirt,  je  nach  dem  verschiedenartigen  Bedürfniss 
des  Körpers  einseitig  ausgebildet.  Gewöhnlich  sind  die  Zellen 
gruppenweise  in  derselben  oder  in  ähnlicher  Weise  ausgebildet; 
eine  solche  Gruppe  von  Zellen,  welche  ähnlich  entwickelt  sind,  wird 
mit  dem  Namen  Gewebe  bezeichnet.  Von  Geweben  unterscheidet  man 
vier  Hauptabteilungen :  Epithelien,  Stützgewebe,  Muskel- 
gewebe, Nervengewebe. 

1.  Mit  dem  Namen  Epithelien  werden  diejenigen  Gewebe  be- 
zeichnet, welche  als  dickere  oder  dünnere  Schichten  die  äusseren 
oder  inneren  Oberflächen  des  Körpers  bekleiden,  und  welche  aus 
Zellen  ohne  eine  zwischen  diesen  entwickelte  Intercellularsubstanz 

(wie  bei  der  folgenden 
A  Gruppe)  zusammenge- 

setzt sind.  Die  Zellen 
der  Epithelien  bestehen 
in  der  Regel  aus  Proto- 
plasma, in  welchem  je- 
doch Pigment  -  (Farb- 
stoff-)  Körnchen ,  Fett- 
tröpfchen etc.  ausge- 
schieden werden  können. 
Die  Form  der  Zellen  ist 
verschieden;  gewöhnlich 
sind  sie  eckig,  seltener 
rundlich ;   zuweilen  ist 


\  rrrrrn  i. 


Fig.  8.  A  Einschichtiges  Plattenepithcl,  von  der  Fläche 
gesehen.  B  Dasselbe  in  Querschnitt.  C  Einschichtigen 
Cylinderepithcl  in  Querschnitt.  —  Nach  Gcgcnbaur. 


')  Hierunter  begreift  man  sämmtliche  Metazocn  mit  Ausnahme  der  Wirbelthiere. 


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X.  Zelle  und  Gewebe.  7 

die  Höhe  und  Breite  ungefähr  die  gleiche,  zuweilen  ist  jene  geringer 
als  diese :  plattenförmige  Zellen,  oder  die  Höhe  übertrifft  die  Breite : 
prismatische  Zellen,  gewöhnlich  als  „Cylinderzellen"  bezeichnet. 

DieEpithelien  können  in  e  in  schichtige  und  mehrschichtige 
getheilt  werden.  Die  ersteren  bestehen  aus  einer  einzigen  Schicht 
neben  einander  gelagerter  Zellen,  welche  entweder  plattenförmig  sein 
können:  einschichtiges  Plattenepithel,  oder  Cylinderzellen :  ein- 
schichtiges Cylinderepithel.  —   Die  mehrschichtigen  Epithelien 


Fig.  4.    A  Mehrschichtiges  Plattenepithel.    B  Mehrschichtiges  Cylinderepithel.  — 

Nach  Gegenbaur. 

bestehen  aus  mehreren  Zellenlagen,  oder  richtiger:  ein  mehrschichtiges 
Epithel  ist  mehrere  Zellen  hoch,  denn  die  Zellen  derselben  sind 
meistens  nicht  schichtenweise  geordnet.  Während  die  tiefer  liegenden 
Zellen  sich  meistens  mehr  indifferent  verhalten,  bietet  die  äusserste 
Zellenlage  (resp.  die  äussersten  Zellenlagen)  mehrfache  Verschieden- 
heiten dar.  Zuweilen  sind  die  äussersten  Lagen  plattenförmig :  mehr- 
schichtiges Plattenepithel,  in  anderen  Fällen  ist  die  äusserste  Lage 
aus  Cylinderzellen  gebildet:  mehrschichtiges  Cylinderepithel. 

Die  Epithelzellen  —  sowohl  der  ein-  wie  der  mehrschichtigen 
Epithelien  —  können  auf  der  freien  Fläche  mit  feinen  haarähnlichen 
Anhängen  ausgestattet  sein,  welche  in  stetiger  regelmässiger,  schwin- 
gender Bewegung  sind,  Wimperhaaren;  solche  Zellen  bezeichnet 
man  als  Wimperzellen  (Flimmerzellen)  oder,  wenn  sie  nur  ein 
einziges  starkes  Wimperhaar,  eine  W  impergeissel ,  tragen,  als 
Geisselzellen.  In  einigen  Fällen  trifft  man  diese  Zellen  mehr 
vereinzelt,  resp.  gruppenweise,  zwischen  anderen  Zellen  (in  den  mehr- 
schichtigen Epithelien  natürlich  nur  in  der  äussersten  Lage),  in 
anderen  Fällen  besteht  das  ganze  Epithel  —  bei  den  mehrschichtigen 
Epithelien  die  äusserste  Lage  —  ausschliesslich  oder  überwiegend  aus 
solchen  Zellen.  Derartige  Epithelien  werden  häufig  als  Wimper- 
epithelien  bezeichnet. 

Nicht  selten  sondern  die  Epithelzellen  auf  ihrer  freien  Fläche  je 


§ 


e 


Fig.  5.    A  Wimperzellcn.    B  Cylinderzellcu  mit 
Cuticnlarplatte  (c).  -  Orig. 


B 


-c 


Fig.  6.    Einschichtiges  Epithel  mit  Cuticula  (c). 
—  Orig. 


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8 


Allgemeiner  Theil. 


eine  kleine  Platte  von  festerer Consistenz  ab,  eine  Cuticularplatte 
(auch  häufig  Cuticularsaum  genannt);  gewöhnlich  stehen  die  Cuticu- 
larplatten  benachbarter  Zellen  in  engerem  Zusammenhang  und  bilden 
somit  einen  einheitlichen  Ueberzug  des  Epithels,  eine  Cuticula, 
welche  zuweilen  eine  bedeutende  Dicke  und  Festigkeit  erlangen 
kann. 

Die  Epithelien  haben  in  erster  Linie  die  Aufgabe,  eine  schützende 
Decke  für  die  anderen  Gewebe  zu  bilden.  Zu  dieser  Function  können 
noch  andere  treten,  namentlich  wirken  die  Epithelien  häufig  als  Werk- 
zeuge einer  Absonderung  (Secretion)  von  Stoffen,  gewöhnlich 


heraus}.    B  Andere  einzellige  Drüsen.    (7  Echte  Drüse  in  Längsschnitt.  —  Orig. 


Flüssigkeiten,  welche  entweder  eine  Bedeutung  und  weitere  Verwendung 
im  Körper  haben,  oder  welche  aus  diesem  ausgeschieden  werden 
sollen  (Harn)»  Oefters  findet  man  in  einem  Epithel  einzelne  Zellen, 
gewöhnlich  von  eigenthümlicherForm,  welche  irgend  ein  Absonderungs- 
produet  (Secret)  liefern.  Hierzu  gehören  z.  B.  die  bei  vielen  Thieren 
vorkommenden  Becherzellen,  Zellen,  deren  freies  Ende  eine  Oeffnung 
besitzt,  welche  in  eine  Aushöhlung  hineinführt;  letztere  enthält  eine 


Fig.  8.  Schemata  von  verschiedenen  Drüsen.  A  Einfache 
schlauchförmige  Drüse;  Bx  ähnliche,  welche  in  einen  abson- 
dernden Theil  und  einen  Ausfuhrungsgang  gesondert  ist; 
/?,  verzweigte  schlauchförmige  Drüse;  C  traubige  Drüse.  — 
Nach  Hatschck. 


vom  Protoplasma  ab- 

§esonderte  Masse,  z.  B. 
ichleim,  welche  aus 
der  Oeffnung  ausge- 
führt wird.  Häufig  ist 
der  äussere  Theil  der 
Becherzellen  dünn  und 
gestreckt,  während  der 
innere  Theil  sich  brei- 
ter erhält,  und  man 
findet  dann  gewöhn- 
lich, dass  nur  der 
dünne  Theil  der  Zelle 
zwischen  den  übrigen 
Epithelzellen  liegt , 
während  der  breitere 
Endabschnitt  unter- 
halb derselben  Platz 
gefunden  hat.  Man  be- 
zeichnetalle  derartigen 
secernirenden  Zellen, 
welche,  wie  die  ge- 


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I.  Zelle  und  Gewebe. 


9 


nannten,  Glieder  eines  gewöhnlichen  Epithels  sind,  als  einzellige 
Drüsen,  indem  wir  unter  Drüsen  alle  Werkzeuge  des  thierischen 
Körpers,  welche  ein  Secret  liefern,  verstehen.  —  In  anderen  Fällen  ist 
die  abscheidende  Thätigkeit  an  grössere  zusammenhängende  Epithel- 
partien gebunden,  welche  dann  gewöhnlich  in  das  unterliegende  Gewehe 
(Bindegewebe)  eingestülpt  sind ;  derartige  eingestülpte,  absondernde  (se- 
cemirende)  Epithelpartien  werden  als  echte  Drüsen  bezeichnet.  In 
ihrer  einfachsten  Form  ist  die  Drüse  eine  Grube,  ein  kleiner  Sack  oder 
ein  längerer  Schlauch;  in  anderen  Fällen  ist  der  Schlauch  wieder  mit 
Ausstülpungen  versehen,  welche  ihrerseits  wiederum  Zweige  besitzen 
können  etc.,  so  dass  die  zusammengesetzteren  Drüsen  aus  einem  reich 
verästelten  System  von  Schläuchen  bestehen,  deren  Wandung  von 
einer  Epithelzellen-Schichte  gebildet  wird  (die  Schläuche  werden  durch 
Bindegewebe  —  vergl.  unten  —  zusammengehalten  und  gestützt).  In 
solchen  grösseren  Drüsen  —  häufig  auch  schon  in  ganz  einfachen 
Drüsen  —  ist  die  Absonderung  gewöhnlich  auf  die  Endabschnitte  der 
Aeste  beschränkt,  während  die  übrigen  Theile  des  Schlauch  Systems 
als  Behälter  und  Ausführungsgänge  fungiren.  Zuweilen  sind  diese 
Endabschnitte  kugelig  erweitert,  in  welchem  Fall  die  Drüse  als 
t raub ige  (acinöse)  bezeichnet  wird,  im  Gegensatz  zu  den  schlauch- 
förmigen (tubulösen)  Drüsen,  welche  derartige  Erweiterungen  ent- 
behren. 

Ueber  die  Entwicklung  der  Epithelien  als  8inneswerkzeuge  vergl. 
„Sinnesorgane". 

2.  Die  Stützgewebe  zeichnen  sich  dadurch  aus,  dass  sie  aus 
Zellen  bestehen,  zwischen  denen  eine  mehr  oder  weniger  mächtige 
Intercellularsubstanz  vorhanden  ist.  Auf  einer  frühen  Ent- 
wicklungsstufe im  Leben  des  Thieres  bestehen  diese  Gewebe  ebenso 
wie  die  Epithelien  aus  Zellen  allein,  später  sondern  aber  die  Zellen 
eine  Masse  von  verschiedener  Art,  die  Intercellularsubstanz,  um  sich 
her  ab;  diese  Substanz  bildet  meistens  die  Hauptmasse  des  fertigen 
Gewebes,  ebenso  wie  sie  es  auch  ist,  welche  diesen  Geweben  ihre 
wesentliche  Bedeutung  im  Thierkörper  verleiht  und  welche  in  der 
mannigfaltigsten  und  verschiedenartigsten  Ausbildung  auftritt,  während 
die  Zellen  sich  verhältnissmässig  einfacher  und  gleichartiger  verhalten. 
—  Die  Stützgewebe  theilen  wir  in :  Bindegewebe,  Knorpel,  Knochen- 
gewebe. Im  Bindegewebe  ist  die  Intercellularsubstanz  mehr  oder 
weniger  weich ;  die  Zellen  sind  von  verschiedener  Form,  spindelförmig, 
sternförmig,  flach  etc.  Das  Bindegewebe  kann  wieder  in  zel- 
liges Bindegewebe,  Schleim-  oder  Gallertgewebe  und 
fibrilläres  Bindegewebe  getheilt  werden.  Im  ersteren, 
welches  an  das  Parenchym  der  Pflanzen  erinnert,  ist  die  Intercellular- 
substanz nur  in  geringer  Menge  vorhanden,  bildet  nur  membranartige 
Scheidewände  zwischen  den  grossen,  oft  bläschenförmigen  Zellen.  Im 
Schleimgewebe  ist  die  Intercellularsubstanz  gallertig,  gleichartig ; 
die  Zellen  abgerundet,  sternförmig  etc.  Das  fibrilläre  Binde- 
gewebe ist  dadurch  ausgezeichnet,  dass  die  Intercellularsubstanz 
aus  feinen  Fasern  (Fibrillen)  zusammengesetzt  ist;  öfters  finden  sich 
unter  denselben  verzweigte  elastische  Fasern;  sind  solche  in  über- 
wiegender Menge  vorhanden,  so  wird  das  Gewebe  als  elastisches  Ge- 
webe bezeichnet.  —  Die  Intercellularsubstanz  des  Knorpelgewebes 
ist  fester,  gewöhnlich  gleichartig,  homogen  (hyaliner  Knorpel),  enthält 
jedoch  zuweilen  elastische  Fasern  (Netzknorpel)  oder  Fibrillen  ;  die 


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10 


Allgemeiner  Theil. 


Zellen  sind  in  dieser  Form  des  Stützgewebes,  welche  hauptsächlich 
bei  den  Wirbelthieren  verbreitet  ist,  in  der  Regel  abgerundet.  —  Das 
Knochengewebe  zeichnet  sich  durch  eine  noch  grössere  Festigkeit 


■fem 


Fig.  9.    Hyaliner  Knorpel.  —  Nach 
Gegenbaur,  gelindert. 


Fig.  10.    Knochengewebe.  —  Nach 
Gegenbaur. 


Fig.  11.  A-B  Junge 
C  ausgebildete  Fettzclle 


Fettzellen, 
mit  sehr 


grossem  Fetttropfen.  —  Orig. 


aus,  welche  dadurch  zu  Stande  kommt,  dass  in  die  Intercellularsub- 
stanz  Kalksalze  (besonders  phosphorsaurer  Kalk)  eingebettet  sind  '); 
die  Zellen  sind  sternförmig,  mit  verästelten  Ausläufern.  Dieses  Ge- 
webe kommt  nur  bei  Wirbelthieren  vor. 

In  den  Zellen  der  Stützgewebe,  namentlich  des  Bindegewebes, 
sind  zuweilen  Fett-  oder  Oeltropfen  ausgeschieden,  welche  öfters  in 

so  bedeutender  Menge  vorhanden  sein 
können,  dass  die  Zelle  zu  einer  Blase  aus- 
gedehnt wird,  deren  Wand  aus  Protoplasma 
besteht,  während  der  Inhalt  Fett  ist:  Fett- 
zellen. Finden  sich  derartige  Zellen 
massenhaft  im  Bindegewebe  angehäuft,  so 
wird  dieses  als  Fettgewebe  bezeichnet. 
—  Die  Zellen  des  Bindegewebes  können 
ferner  pigmentirt,  mit  einer  grösseren 
oder  kleineren  Menge  von  verschieden- 
farbigen (meistens  dunklen)  Farbstoffkörnchen  ausgestattet  sein : 
Pigmentzellen. 

3.  Die  Muskelgewebe  sind  dadurch  ausgezeichnet,  dass  das 
Protoplasma  der  Zellen  ganz  oder  theilweise  zu  einer  eigenthiimlichen 
contractilcn  Masse  umgehildet  ist,  welche  sich  auf  gewisse  Reize  zu- 
sammenzieht. Die  contra  etile  Substanz  der  Zellen  der  Muskel- 
gewebe ist  schon  dadurch  vom  Protoplasma  verschieden,  dass  ihre 
Bewegungen  nur  in  Folge  äusserer  Einwirkungen  auf  die  Zellen  er- 
folgen, während  die  Bewegungen  des  Protoplasmas  auch  spontan 
eintreten  können.  Aber  auch  in  einer  anderen  Beziehung  ist  ihre 
Substanz  vom  Protoplasma  verschieden :  die  Bewegung,  welche  die 
Muskelzellen  ausführen  können,  geht  immer  nur  nach  einer  be- 
stimmten Richtung  vor  sich,  indem  sie  sich  immer  äussert  als  eine 

Auch  im  Knorpelgewebe  können  zuweilen  Kalksalze  abgelagert  werden 
(verkalkter  Knorpel). 


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I.  Zelle  und  Gewebe. 


11 


') 


Verkürzung  und  Verdickung  der  betreffenden  Zelle,  auf  welche  dann 
eine  entsprechende  Verlängerung  und  Verdünnung  der  Zelle  folgt,  so 
dass  letztere  nach  dem  Schluss  der  Bewegung  wieder  ihr  ursprüng- 
liches Ansehen  hat.  Die  fliessende  Bewegung  der  Theilchen  der 
Zelle,  welche  wir  bei  der  Amöbe  kennen  gelernt  haben,  und  welche 
überhaupt  dem  Protoplasma  eigen  ist,  findet  man  in  der  contractilen 
Substanz  der  Muskelzellen  nie. 

In  seiner  einfachsten  Form  ist  das  Muskelgewebe  aus  sogenannten 
glatten  Muskelzellen  zusammengesetzt.  Dies  sind  meistens 
spindelförmige,  mehr  oder  weniger  langge- 
streckte, zuweilen  bandförmige  Zellen,  welche 
nach  beiden  Enden  zugespitzt  (zuweilen  ge- 
spalten) sind.  Sie  besitzen  einen  Kern,  welcher 
entweder,  von  einer  geringen  Menge  Proto- 
plasma umgeben,  in  der  Mitte  der  Zelle  liegt, 
oder  sich,  von  mehr  oder  weniger  Protoplasma 
umhüllt,  auf  der  einen  Seite  der  contractilen 
Substanz  befindet.  Die  contractile  Substanz 
ist  homogen,  etwas  glänzend,  nicht  körnig  oder 
quergestreift  (zuweilen  etwas  längsstreifig).  Die 
Muskeln  der  meisten  wirbellosen  Thiere  (mit 
Ausnahme  der  Arthropoden)  bestehen  aus 
diesem  Gewebe,  welches  auch  in  der  Wand  des 
Darmkanals  etc.  der  Wirbelthiere  vorkommt.  — 
Den  glatten  Muskelzellen  nahestehend  sind  die 
quergestreiften  Muskelzellen,  welche 
wesentlich  nur  dadurch  abweichen,  dass  die 
contractile  Substanz  quergestreift  erscheint; 
dieselbe  ist  nämlich  in  Querbänder  getheilt, 
welche  abwechselnd  verschiedenes  Lichtbrechungsvermögen  besitzen. 
(Finden  sich  z.  B.  im  Herzen  der  Wirbelthiere.) 

Abweichender  sind  die  quergestreiften  Muskelfasern, 
welche  sich  besonders  dadurch  von  den  eben  erwähnten  Muskelz  eilen 
unterscheiden,  dass  sie  nicht  als  einfache  Zellen,  sondern  als  unvoll- 
ständig geschiedene  Coraplexe  von  Zellen  aufzufassen  sind.  Eine  quer- 
gestreifte Muskelfaser  ist  anfänglich  eine  einfache  Zelle  mit  einem 
Kern,  welcher  sich  demnächst  mehrmals  theilt,  ohne  dass  der  Zell- 
körper sich  theilt.  Gewöhnlich  liegen  die  Kerne  der  ausgebildeten 
Muskelfaser  nicht  innen  in  der  Axe  derselben,  sondern  an  der  Ober- 
fläche der  contractilen  Substanz.  Diese  ist  quergestreift,  d.  h.  in 
Scheiben  getheilt,  welche  abwechselnd  verschieden  lichtbrechend  sind ; 
femer  bemerkt  man  eine  mehr  oder  weniger  ausgeprägte  Längs- 
streifung,  welche  auf  einer  Zusammensetzung  der  Faser  aus  feinsten 
sogenannten  Fibrillen  beruht.  Die  ganze  Muskelfaser  ist  von  einer 
dünnen  Hülle,  dem  Sarkolemma,  umgeben,  welche  sowohl  den 
glatten  wie  den  quergestreiften  Muskelz  eilen  abgeht.  Die  Muskeln 
der  Arthropoden  und  der  grösste  Theil  der  Wirbelthier-Muskeln  be- 
stehen aus  quergestreiften  Muskelfasern.  —  Sowohl  diese  als  auch  die 
quergestreiften  Muskelzellen  contrahiren  sich  schneller  und  kräftiger 
als  die  glatten  Muskelzellen. 

4.  Das  Nervengewebe  besteht  aus  Zellen,  Ganglien-  oder 
Nervenzellen,  deren  Function  es  ist,  einerseits  den  Muskelzellen 
(resp.  -fasern)  die  Reize  mitzutheilen ,  welche  eine  Vorbedingung  für 


9 


Fig.  12.  a  Glatte,  b  quer- 
gestreifte Muskelzelle,  c  quer- 
gestreifte Muskelfaser.—  Orig. 


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12 


Allgemeiner  Thcil. 


die  Contraction  derselben  sind,1)  andererseits  Eindrücke  von  der 
Aussenwelt  zu  empfangen.  Die  Gauglienzellen  sind  deswegen  mit 
zwei  oder  mehreren,  gewöhnlich  sehr  langen  Ausläufern  versehen, 

durch  welche  sie  theils  in  inniger  Ver- 
bindung mit  den  Muskelzellen  (-fasern), 
theils  mit  verschiedenen  anderen  Thei- 
len  des  Körpers,  namentlich  der  Ober- 
fläche, stehen;  einige  Ausläufer  ver- 
binden die  Ganglienzellen  unter  ein- 
ander. Die  genannten  Ausläufer,  die 
sich  in  der  Regel  während  ihres  Ver- 
laufes wiederholt  verzweigen,  sind  ge- 
wöhnlich mit  bindegewebigen  Scheiden 
umgeben,  welche  in  verschiedenartiger 
Weise  ausgebildet  sind;  die  Ausläufer 
mit  ihren  Scheiden  werden  als  N  e  r  v  e  n  - 
fasern  bezeichnet. 
Bei  den  Wirbelthieren  bestehen  die  meisten  Nervenfasern  zuinnerst 
aus  dem  sogenannten  Axencylinder,  dem  Ausläufer  der  Ganglienzelle; 
derselbe  wird  umgeben  von  einer  dicken,  fettartigen,  stark  lichtbrechenden 
Scheide,  der  Markscheide,  welche  wiederum  von  der  sehr  dünnen 
Schwann'schen  Scheide  (oder  dem  Neurilemm a)  umgeben  wird. 
8owohl  die  Markscheide  als  das  Neurilemma  sind  als  eine  besonders  ent- 
wickelte bindegewebige  Hülle  aufzufassen.  Bei  den  Wirbelthieren  finden 
sich  ausser  diesen  sogenannten  markhaltigen  Nervenfasern  auch  noch 
marklose  Fasern,  welche  nur  aus  dem  Axencylinder  und  einem  dünnen 
Neurilemma  bestehen,  und  ähnlich  wie  diese  verhalten  sich  die  Nervenfasen 
der  meisten  anderen  Metazoen. 


Fig.  18.  A  Ganglienzelle  mit  vielen 
Ausläufern  (multipolare  G.),  B  Ganglien- 
zelle mit  zwei  Ausläufern  (.bipolare  G.) 
—  Orig. 


II.  Organe. 


Obwohl  der  ganze  Körper  eine  zusammenhängende  Einheit  bildet, 
kann  man  doch  innerhalb  desselben  bei  den  meisten  Metazoen  sehr 
deutlich  eine  grössere  oder  geringere  Anzahl  bis  zu  einem  gewissen 
Grad  gesonderter  Werkzeuge  oder  Organe  unterscheiden,  welche  den 
Körper  zusammensetzen  und  welche  ein  jedes  wieder  aus  einer  oder 
mehreren  der  vorhin  beschriebenen  Gewebsarten  gebildet  werden; 
ihre  allgemeineren  Verhältnisse  werden  wir  im  Folgenden  betrachten. 

Eine  sehr  geringe  Sonderung  in  Organe  finden  wir  bei  der  niedersten 
Metazoen- Abtheilung ,  den  Cölenteraten ,  welche  in  mehrfacher  Beziehung 
eigentümliche  Verhältnisse  darbieten;  vergl.  den  Spec.  Theil. 

1.  Haut. 

Die  Haut,  welche  die  äussere  Begrenzung  des  Körpers  bildet, 
besteht  in  den  einfachsten  Fällen  nur  aus  einem  Epithel,  der  Epi- 
dermis oder  Oberhaut.    An  diese  schliesst  sich  aber  häufig  eine 


')  Viele  Drüsenzellen  treten  ebenfalls  erst  in  Wirksamkeit,  wenn  Bie  einen 
Reiz  von  einer  Ganglienzelle  empfangen. 


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II.  Organe. 


13 


bindegewebige  Schicht,  die  Lederhaut  (Corium).  Bei  den  meisten 
Met:  izoen  ist  die  Oberhaut  ein  einschichtiges  Epithel,  bald  ein 
Cylinderepithel,  bald  ein  Plattenepithel;  nur  bei  den  Wirbelthieren 
ist  sie  ein  mehrschichtiges  Epithel,  dessen  äussere  Zellen  in  der 
Regel  verhornen  und  dadurch  eine  schützende  Decke  für  die  inneren 
bilden.  Eine  ähnliche  Decke  ist  bei  vielen  anderen  Metazoen  in 
Form  einer  dünneren  oder  dickeren  Cuticula  vorhanden,  welche 
zuweilen  eine  bedeutende  Mächtigkeit  und  Festigkeit  erreicht  (In- 
sekten, Krebsthiere).  —  Die  Leder  haut  ist  eine  dünnere  oder 
ilickere,  meistens  ziemlich  feste  Bindegewebeschicht  unterhalb  der 
Oberhaut;  nach  innen  zu  ist  dieselbe  in  der  Regel  wenig  scharf  von 
den  benachbarten  Theilen  begrenzt;  bei  den  meisten  Wirbelthieren 
geht  sie  z.  B.  ohne  Grenze  in  das  lockere  Unterhautbindegewebe 
(subcutane  Bindegewebe)  über.  Nicht  selten  findet  man  bei  niederen 
Metazoen  in  der  Lederhaut  verkalkte  Ablagerungen  von  verschiedener 
Form  und  Grösse  entwickelt  (Stachelhäuter),  bei  den  Wirbelthieren 
öfters  kleinere  oder  grössere  Knochenplatten  (die  Schuppen  der 
Fische  etc.).  In  der  Lederhaut  sind  ferner  sehr  oft  Muskelzellen 
vorhanden. 

In  der  Haut  sind  sehr  häufig  theils  einzellige  Drüsen,  theils 
echte  Drüsen  vorhanden,  deren  Function  es  ist,  die  Haut  feucht  oder 
schleimig  zu  halten  oder  riechende  Flüssigkeiten  etc.  zu  produciren; 
zuweilen  sondern  sie  eine  Schleiramasse  ab,  welche  erhärtet  und  eine 
Hülle  um  das  Thier  bildet.  Die  Haut  kann  ferner  mit  Anhängen 
verschiedener  Art  versehen  sein,  unter  welchen  hier  besonders  die 
sogenannten  Haar-  oder  Borstenbildungen  hervorgehoben  werden 
mögen.  Mit  diesem  Namen  werden  übrigens  Gebilde  sehr  verschie- 
dener Art  bezeichnet;  die  Borsten  der  Gliederwürmer  sind  z.  B.  solide 
Cuticulargebilde,  welche  als  Absonderungsproducte  gewisser  Oberhaut- 
zellen entstehen;  die  Haare  der  Gliederfüssler,  ebenfalls  Cuticular- 
gebilde, sind  hohl  und  mit  einer  Fortsetzung  der  Epidermis  ausgefüllt; 
die  Haare  der  Säugethiere  bestehen  dagegen  aus  verhornten  Ober- 
liautzellen. 

Saugnäpfe  sind  speciell  ausgebildete  muskulöse  Hautpartien,  welche 
manchen  niederen  und  höheren  Thieren  als  Haftwerkzeuge  dienen.  Die 
betreffenden  Organe,  welche  häufig  über  die  übrige  Haut  hervortreten  können, 
haben  meistens  die  Gestalt  eines  kleinen  dickwandigen  Napfes  mit  ebenem 
Rande;  die  convexe  Seite  hängt  mit  der  übrigen  Haut  zusammen,  die  coneave 
•Seite  ist  frei.  Die  Saugnäpfe  wirken  meistens  etwa  in  folgender  Weise: 
Der  Rand  des  Napfes  wird  fremden  Gegenständen  angedrückt,  und  durch 
Zusammenziehung  der  in  der  Wand  des  Saugnapfes  reichlich  vorhandenen 
Muskulatur  wird  der  kleine  Hohlraum  zwischen  dem  Napfe  und  dem  fremden 
Gegenstand  vergrössert,  es  entsteht  dadurch  ein  luftverdünnter  Baum,  und 
der  Saugnapf  wird  durch  den  äusseren  Luftdruck  (Wasserdruck)  an  den 
Gegenstand  fest  angedrückt.  Saugnäpfe  der  beschriebenen  Art  kommen 
bei  Plattwürmern,  Egeln,  Tintenfischen,  Säugethieren  etc.  vor. 

Vielfach  finden  bei  den  Thieren  sogenannte  Häutungen  statt, 
d.  h.  die  äussere  Lage  der  Oberhaut,  entweder  die  Cuticula  (Insekten, 
Krebse)  oder  die  Hornschichte  (Wirbelthiere),  wird  in  Zusammenhang 
(seltener  sttickenweise)  von  der  übrigen  Haut  abgelöst  und  abgeworfen. 
Einer  solchen  Abwerfung  folgt  immer  eine  Neubildung  der  Cuticula 
re8p.  der  Hornschichte,  welche  Neubildung  übrigens  immer  angefangen 
H  bevor  das  Thier  die  alte  „Haut"  abwirft. 


14 


Allgemeiner  Theil. 


2.  Skelet. 

Die  vorhin  erwähnten,  an  der  Aussenfläche  der  Haut  befind- 
lichen Deckgebilde  oder  die  in  der  Lederhaut  vorhandenen  Verkal- 
kungen oder  Verknöcherungen  erlangen  häufig  eine  bedeutende  Dicke, 
Festigkeit  und  Zusammenhang  und  erscheinen  dann  als  Haut- 
skelet,  indem  wir  als  Skelet  überhaupt  alle  festen  Stützgebilde 
des  Körpers  zusammenfassen.  Die  an  die  Haut  geknüpften  Skelet- 
gebilde  verdanken  entweder  ihre  Entstehung  der  Überhaut,  wie  z.  B. 
beim  Hummer,  wo  die  mächtig  entwickelte,  sehr  verdickte  und  ver- 
kalkte Cuticula  das  Skelet  des  Thieres  darstellt;  oder  bei  den  Schnecken, 
deren  Schale  ein  Absonderungsproduct  gewisser  Theile  der  Oberhaut 
ist.  Oder  das  Hautskelet  gehört  der  Lederhaut  an,  wie  die  aus 
vielen  Kalkplatten  zusammengesetzte  Schale  eines  Seeigels,  oder  die 
ebenfalls  in  der  Lederhaut  gebildeten  Knochenplatten,  welche  den 
Panzer  einer  Schildkröte  zusammensetzen.  Aber  auch  völlig  un- 
abhängig von  der  Haut  findet  man  bei  manchen  Thieren  —  nament- 
lich bei  den  Wirbelthieren  —  im  Innern  des  Körpers  feste  Stütz- 
organe: ein  inneres  Skelet.  Dieses  besteht  vorzugsweise  aus 
Knorpel-  und  Knochengewebe  und  kann  öfters  neben  einem  Haut- 
skelet vorhanden  sein,  mit  welchem  es  dann  manchmal  z.  Th.  innige 
Verbindungen  eingehen  kann. 

Zu  der  stützenden  Function  des  Hautskelets  tritt  in  den  meisten  Fällen 
auch  die  eines  Schutzorgans  des  Körpers,  welche  in  vielen  Fällen  sogar 
die  Hauptfunction  ist,  wie  z.  B.  bei  den  Schnecken  und  Schildkröten. 
Für  das  innere  Skelet  gilt  Aehnliches  (wenn  auch  in  beschränkterem  Um- 
fange) ;  dasselbe  ist  meistens  nicht  nur  Stützorgan  des  Körpers ,  sondern 
auch  Schutzwerkzeug  gewisser  Organe  (z.  B.  der  Schädel  und  die  Wirbel- 
säule der  Wirbelthiere  für  das  Central-Nervensystcm). 

3.  Muskelsystem. 

Das  Muskelgewebe  kann  als  mehr  untergeordneter  Bestandtheil 
in  vielen  Organen  des  Körpers,  z.  B.  in  der  Haut,  im  Darmkanal  etc. 
vorkommen.  Als  Hauptbestandteil  findet  man  es  aber  in  den 
Muskeln,  denjenigen  Organen,  welche  im  Allgemeinen  die  Be- 
wegungen des  Körpers  oder  seiner  einzelnen  Abschnitte  und  der 
Körperanhänge  vermitteln.  In  diesen  Organen,  welche  zusammen 
das  Muskelsystem  ausmachen,  ist  das  Muskelgewebe  das  wesent- 
liche und  wirksame  Element.  Bei  vielen  niederen  Thieren  ohne 
äusseres  und  inneres  Skelet  schliesst  das  Muskelsystem  sich  eng  an 
die  Haut  an,  bildet  eine  zusammenhängende  Schicht  unterhalb  dieser, 
mit  welcher  es  innig  verbunden  ist;  bei  vielen  „Würmern"  wird  in 
dieser  Weise  ein  Hautmuskelschlauch  gebildet,  welcher  durch 
seine  Contractionen  die  Bewegungen  des  Thieres  veranlasst.  Die 
Ausbildung  eines  Hautskeletes  hat  den  grössten  Einfluss  auf  die 
Entwicklung  des  Muskelsystems,  besonders  in  denjenigen  Fällen,  in 
welchen  das  Hautskelet  in  eine  Anzahl  beweglicher  Stücke  (wie  bei 
den  Krebsen  u.  A.)  zerfällt.  Der  Muskelschlauch  sondert  sich  dann 
in  eine  Anzahl  mehr  oder  weniger  selbständiger  Abschnitte,  Muskeln, 
welche  von  einem  Stücke  des  Hautskelets  zum  anderen  gehen  und 
dieselben  gegen  einander  bewegen ;  die  Muskulatur  ist  aber  noch  immer 
an  die  Haut  gebunden,  das  Skelet  stellt  ja  in  diesen  Fällen  nur  einen 


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II.  Organe. 


15 


Theil  der  Haut  dar.  Die  Verbindung  des  MuskelBysteras  mit  der 
Haut  hört  aber  zum  grössten  Theil  auf,  wenn  ein  innerea  Skelet 
sich  entwickelt,  wie  bei  den  Wirbelthieren ;  die  Muskulatur  tritt  dann 
in  innige  Verbindung  mit  letzterem,  und  die  Bewegungen  des  Körpers 
kommen  jetzt  grösstenteils  dadurch  zu  Stande,  dass  die  einzelnen 
Skeletstücke  gegen  einander  bewegt  werden. 

Wie  oben  erwähnt,  ist  der  wirksame  Theil  der  Muskeln  das 
Muskelgewebe.  Sie  bestehen  aber  nicht  ausschliesslich  aus  diesem 
Gewebe,  sondern  enthalten  meistens  in  grösserer  oder  geringerer  Aus- 
dehnung Bindegewebe,  welches  die  Muskelelemente  zusammenhält  und 
umscheidet  und  öfters  an  den  Enden  der  Muskeln  kürzere  oder 
längere  Sehnen  bildet,  welche  dünner  als  der  übrige  Theil  des 
Muskels  sind  und  ausschliesslich  aus  straffem  Bindegewebe  gebildet 
werden ;  die  Sehnen  machen  es  möglich,  dass  der  wirksame ,  dickere 
(und  öfters  auch  breitere)  Theil  des  Muskels  in  kleinerem  oder 
grösserem  Abstand  von  der  Stelle  angebracht  werden  kann,  wo  die 
Kraft  zur  Geltung  kommen  soll.  —  Ausser  diesen  bindegewebigen 
Sehnen  werden  auch  andere  Theile  von  ähnlicher  Bedeutung,  aber 
anderem  Baue,  mit  demselben  Namen  bezeichnet,  wie  wir  bei  den 
öliederfüsslern  des  Näheren  sehen  werden. 

Bei  den  niederen  Metazoen  finden  wir  noch  vielfach  eine  Bewegung 
des  Körpers  wenigstens  theil  weise  durch  die  Wimper  haare  der  Oberhaut 
(oder  gewisser  Theile  derselben)  vermittelt.  Besonders  findet  dies  bei 
vielen  kleinen  Larven  (Cölentcraten ,  Stachelhäutern ,  Borstenwürmern, 
Weichthieren  etc.)  statt ,  welche  sich  frei  im  Meere  bewegen ;  bei  solchen 
findet  man  häufig  als  wesentliches  Fortbewegungsorgan  entweder  einen 
gleichiuiissig  entwickelten  Wimperüberzug  oder  Streifen  (Ringe)  von  mächtig 
entwickelten  Wimpern,  durch  deren  Schwingungen  der  kleine  Körper  fort- 
getrieben \?ird.  Beim  ausgebildeten  Thier  kommt  dagegen  nur  selten  (Platt- 
würmer, Räderthiere)  den  Wimpensellen  eine  wesentlichere  Bedeutung  für 
die  Locomotion  zu. 

4.  Nervensystem. 

Man  kann  gewöhnlich  das  Nervensystem  der  Thiere  in  ein  cen- 
trales und  ein  peripherisches  sondern.  Ersteres  wird  haupt- 
sächlich aus  Ganglien  gebildet,  Gruppen  von  Nervenzellen,  welche 
von  Bindegewebe  zusammengehalten  werden ;  letzteres  besteht  wesent- 
lich aus  den  nach  allen  Theilen  des  Körpers  vom  centralen  Nerven- 
system ausstrahlenden  Bündeln  von  Nervenfasern,  welche  als  Nerven 
bezeichnet  werden,  und  welche  während  ihres  Verlaufes  sich  wiederholt 
verzweigen,  indem  sie  sich  in  immer  dünner  werdende  Nerven  theilen, 
welche  aus  immer  wenigeren  Nervenfasern  zusammengesetzt  sind. ') 
Auch  im  centralen  Nervensystem  kommen  übrigens,  sogar  in  be- 
deutender Menge,  Nervenfasern  vor,  welche  z.  B.  die  einzelnen  Ganglien 
mit  einander  verknüpfen;  ebenso  kann  man  andererseits  in  das  peri- 
pherische Nervensystem  kleine  Ganglien  eingeschoben  finden. 

Dies  ist  besonders  bei  denjenigen  Theilen  des  peripherischen  Nerven- 
systems häufig  der  Fall,  welches  zum  Darmkanal  geht,  und  als  sym- 
pathisches Nervensystem   besonders  unterschieden  wird  (bei  den 


*)  Auch  die  Nervenfasern  selbst  können  sich  übrigens  während  des  Verlaufes 
der  Nerven  spalten. 


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16 


Allgemeiner  Theil. 


Wirbelthieren  versorgt  das  sympathische  Nervensystem  auch  noch  andere 
Eingeweide  und  das  Gefässsystem  mit  Nerven). 

Das  centrale  Nervensystem  richtet  sich  in  seiner  Anordnung  ge- 
wöhnlich genau  nach  dem  allgemeinen  Bauplan  des  Körpers  (vergl. 
unten).  Bei  den  Gliederwürmern  besteht  es  z.  B.  aus  einer  Anzahl 
durch  kurze  Nervenstämme  verbundener  Ganglienpaare,  welche  den 
einzelnen  Gliedern  entsprechen;  bei  den  Stachelhäutern  finden  wir 
eine  Anzahl  von  Ganglien ,  welche  regelmässig  auf  die  Strahlen  ver- 
theilt sind. 

Das  Centrainervensystem  ist  gewissermassen  der  Mittelpunkt  des 
Körpers:  von  demselben  gehen  durch  gewisse  Nerven,  die  Bewegungs- 
nerven (motorische  N.),  die  Reize  aus  zu  den  Muskelelementen  und 
bedingen  die  Bewegung  letzterer;  zu  ihm  kommen  durch  andere  Nerven, 
Empfindungsnerven  oder  sensible  Nerven  (welche  zum  Theil  mit  den 
Bewegungsnerven  innig  verbunden  sind),  die  von  den  verschiedenen 
Sinnesorganen  empfangenen  Eindrücke. 

In  weniger  innigem  Verhaltniss  zum  Centrainervensystem  stehen  die 
dem  sympathischen  NervenHystem  zugehörigen  Gebiete;  die  Be- 
wegungen der  Muskelelemente  derselben  sind  jedenfalls  relativ  unabhängig 
vom  Centrainervensystem ,  die  nöthigen  Reize  werden  von  den  eigenen 
Ganglien  des  sympathischen  Systems  empfangen. 

5.  Sinnesorgane. 

Durch  die  Sinnesorgane  empfängt  das  Thier  Eindrücke,  Em- 
pfindungen, von  der  Aussenwelt.  Gewöhnlich  sind  es  Theile  der  Ober- 
haut, welche  in  mehr  oder  weniger  modificirter  Form  als  Sinnesorgane 
fungiren ;  letztere  verbinden  sich  immer  mit  Einpfindungsnerven, 
deren  äusserste  Aestchen  in  die  Zellen  der  Sinnesorgane  übergehen. 
Man  theilt  gewöhnlich  die  Sinnesorgane  in  niedere  und  höhere; 
zu  jenen  werden  dann  die  Organe  des  Tastsinnes,  des  Geruches 
und  des  Geschmacks  gerechnet,  welche  in  der  Regel  von  ein- 
facherem Baue  sind  als  die  oft  sehr  complicirten  höheren  Sinnes- 
organe, die  Gehör-  und  Sehorgane. 

Der  Tastsinn  ist  im  Gegensatz  zu  den  übrigen  Sinnen  meistens 
über  die  ganze  Oberfläche  oder  grössere  Partien  des  Körpers  ver- 
breitet; die  ganze  Haut  wird  somit  ein  Sinnesorgan.  Es  sind  be- 
sonders Oberhautzellen,  welche  als  Tastorgane  fungiren,  indem  Nerven- 
fasern zu  ihnen  treten  und  sich  mit  ihnen  verbinden.  Nicht  selten 
sind  gewisse  Zellen  der  Oberhaut  besonders  als  Tastzellen  ent- 
wickelt, indem  sie  z.  B.  mit  stiftartigen  Fortsätzen  an  der  Oberfläche 
ausgestattet  sind  (Medusen,  Gliederwünner,  Weichthiere).  Bei  den 
Arthropoden  (Insekten  etc.),  deren  Körper  von  einem  festen  Cuti- 
cularskelet  umgeben  ist,  ist  der  Tastsinn  besonders  an  gewisse  Zellen 
geknüpft,  welche  mit  Nervenfasern  in  Verbindung  stehen  und  an 
dünnen  Stellen  des  Chitinüberzuges  liegen,  wo  Haare  befestigt  sind; 
eine  Berührung  des  Haares  wird  natürlich  eine  kleine  Bewegung  an 
der  dünnhäutigen  Stelle  und  damit  eine  Einwirkung  auf  die  dortigen 
Zellen  hervorrufen. 

Bei  den  Wirbelthieren  findet  man  verschiedene  eigenthümliche  Formen 
von  Tastapparaten,  welche  sich  dadurch  auszeichnen,  dass  sie  nicht  der 
Oberhaut,  sondern  der  Lederhaut  angehören,  ja  sie  können  sogar  im  Binde- 
gewebe im  Innern  des  Körpers  vorkommen.    Sie  werden  in  allen  Fällen 


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II.  Organe. 


17 


von  dem  Endabschnitte  einer  Nervenfaser  gebildet ,  welche  zuweilen  mit 
einer  geringen  Anzahl  dem  Bindegewebe  zugehöriger,  aber  durch  Grösse 
oder  in  anderer  "Weise  abweichender  Zellen  in  Verbindung  tritt;  oder  das 
Ende  der  Nervenfaser  ist  einfach  von  einer  Anzahl  bindegewebiger  Scheiden 
umgeben,  welche  zwiebelschalenartig  geordnet  sind  (Pacini'sche  Körperchen), 
oder  der  Apparat  hat  noch  andere  Formen. 

Die  tieruclisorgane  sind  Sinneswerkzeuge,  auf  welche  gasförmige 
Stoffe  in  eigenthümlicher  Weise  einwirken.  Organe,  denen  eine  Ge- 
ruchsemp findung  mit  völliger  Sicherheit  zugeschrieben  werden  darf, 
kennt  man  nur  bei  einer  verhältnissmässig  kleinen  Anzahl  von  Thier- 
gruppen, namentlich  bei  den  höheren,  auf  dem  Lande  lebenden  Wirbel- 
thieren ,  deren  Geruchsorgan  ein  Epithel  ist,  welches  nach  seinem 
Ursprung  einen  Abschnitt  der  Oberhaut  darstellt;  es  sind  besonders 
gewisse  am  freien  Ende  mit  einem  Stiftchen  versehene  Zellen  dieses 
Epithels,  denen  die  Geruchsempfindung  ohne  Zweifel  mit  Recht  zu- 
geschrieben wird.  Inwiefern  das  nach  seiner  Lage  und  übrigen 
Verhältnissen  jenem  entsprechende  Organ  der  Fische  ebenfalls  ein 
Geruchsorgan  ist,  dürfte  wohl  sehr  zweifelhaft  sein,  da  die  Fische  be- 
kanntlich in  der  Regel  nicht  mit  gasförmigen  Stoffen  in  Berührung 
kommen.  Bei  den  Insekten,  welche,  wie  es  aus  vielen  Beobachtungen 
hervorgeht,  einen  feinen  Geruchssinn  besitzen,  scheint  derselbe  an 
eigentümliche,  mit  einem  stabförmigen  Körper  ausgestattete  Ober- 
hautzellen gebunden  zu  sein,  welche  sich  an  den  Fühlern  finden. 

Auf  die  trcschmacksorgaiic  wirken  nur  Stoffe,  welche  sich  in 
flüssiger  Form  befinden.  Bei  den  Wirbelthieren  werden  sie  durch  die 
sogen.  Geschmacksknospen  vertreten,  welche  ihren  Platz  auf 
der  Zunge  und  an  anderen  Stellen  der  Mundhöhlenwand  haben  und 
je  aus  einer  Gruppe  von  Zellen  bestehen ,  unter  denen  einige  lange 
dünne  Zellen  mit  einer  feinen  hervorragenden  Spitze  am  freien  Ende 
sich  befinden;  letztere  stellen  die  eigentlichen  Werkzeuge  des  Ge- 
schmackssinnes dar  (vergl.  die  Geruchszellen  der  Wirbelthiere).  Die 
Geschmackskuospen  sind  speciell  ausgebildete  Partien  dos  Mundhöhlen- 
epit-hels  und  stehen  mit  Nerven  in  Verbindung;  speciell  scheint  dieses 
mit  dem  unteren  fadenförmigen  Ende  der  genannten  dünnen  Zellen 
der  Fall  zu  sein.  Ausser  in  der  Mundhöhle  kommen  die  genannten 
Organe  auch  noch  an  der  äusseren  Körperoberiläche  vor.  —  Aehn- 
liclie  Gebilde  finden  sich  auch  bei  manchen  Borstonwürmern  und 
Weichthieren  (Schnecken  /..  B.).  bei  denen  sie  besonders  in  der  Mund- 
höhle und  äusserlich  am  vorderen  Endo  des  Körpers  ihren  Platz 
haben.  —  Anderer  Art  sind  die  Organe,  welche  bei  den  Insekten,  wie 
es  scheint,  eine  Geschmacksempfindung  vermitteln.  Ks  sind  kurze 
Haare,  welche  einzeln  in  kleinen  Gruben  an  der  Unterlippe,  den 
Kiefern  etc.  angebracht  sind  und  mit  Nervenendigungen  in  Ver- 
bindung stehen. 

Den  niederen  Sinnesorganen  sind  noch  verschiedene  andere  Organe 
zuzuzählen,  deren  speciellero  Function  nicht  näher  bestimmt  werden  kann. 
Dazu  gehören  die  Sinneshügel  der  Fische  (vergl.  diese)  und  der  Amphibien 
nnd  ähnliche  Organo  bei  Borsten  Würmern  und  Weichthieren. 

Die  Gehörorgane  erscheinen  im  Allgemeinen  als  Blasen, 
welche  mit  einer  Flüssigkeit  gefüllt  sind ;  die  Blasen  sind  aus  einer 
eingestülpten  Partie  der  Oberhaut  gebildet  und  stehen  entweder  mit 
der  Oberfläche  in  offener  Verbindung  oder  sind  —  meistens  —  ganz 
von  der  Oberhaut  abgeschnürt  und  somit  geschlossene  Blasen;  ge- 
Boas, Zoologie.  2 


18 


Allgemeiner  Theil. 


wohnlich  sind  sie  ungefähr  kugelig,  nehmen  nher  bei  den  Wirbel- 
thieren  complicirtere  Formen  an,  welche  später  besprochen  werden 
sollen.  Die  Blase  besteht  aus  einem  einschichtigen  Epithel,  dessen 
Zellen  —  alle  oder  nur  zum  Theil  —  mit  feinen  in  die  Flüssigkeit 
hineinragenden  haarähnlichen  Fortsätzen  ausgestattet  sind;  die  Zellen 

sind  au  ihrer  Basis  mit  den  Fasern 
des  Hörnerven  verbunden.  Durch 
die  Schallwellen  werden  die  Här- 
chen der  Zellen  in  Bewegung  ge- 
setzt und  der  in  dieser  Weise 
hervorgerufene  Eindruck  wird 
dann  weiter  durch  den  Hörnerven 
nach  dem  Centrainervensystem 
geleitet.  In  den  Gehörblasen 
finden  sich  gewöhnlich  in  der 
Flüssigkeit  schwebend  ein  oder 
mehrere  feste  (kalkige)  Körper- 
chen, Otolithen  (Hörstein- 
chen).  Bei  den  höheren  Wirbel- 
thieren  treten  verschiedene  Ne- 
benapparate in  den  Dienst  des 
Gehörwerkzeuges  mit  derAufgabe 
der  Schallverstärkung  etc.  —  Ein  etwas  eigentümliches  Verhältniss 
zeigen  die  Gehörorgane  gewisser  höherer  Krebsthiere.  Bei  diesen  sind  es 
offene  sackförmige  Einstülpungen  der  Haut,  welche  ebenso  wie  letztere 
von  einer  zusammenhängenden  festen  Cuticula  ausgekleidet  und  mit 
ähnlichen  hohlen  Cuticularhaaren  ausgestattet  sind.  Aber  die  Haare 
weichen  in  gewissen  Beziehungen  von  den  übrigen  Haaren  des  Krebses 
ab,  indem  sie  an  theilweise  dünnhäutigen  Vorsprüngen  befestigt  sind, 
an  welche  Nervenfasern  hinantreten.  Diese  Haare  spielen  hier  die- 
selbe Rolle  wie  die  haarähnlichen  Theile  anderer  Gehörwerkzeuge; 
die  Otolithen  werden  durch  Sandkörnchen  vertreten,  welche  der  Krebs 
selbst  in  die  Blase  hineinbringt,  und  welche  nach  jeder  Häutung  durch 
neue  ersetzt  werden  müssen ,  indem  die  schon  vorhandenen  zugleich 
mit  der  Cuticula  des  Hörsäckchens  abgeworfen  werden.  Bei  einigen 
anderen  Krebsthieren  finden  sich  noch  einfachere  Verhältnisse,  indem 
die  Gehörwerkzeuge  nur  durch  Hörhaare  von  ähnlicher  Beschaffenheit 
wie  diejenigen ,  welche  in  dem  Hörsäckchen  bei  den  anderen  sich 
finden,  ersetzt  sind,  welche  aber  hier  unmittelbar  auf  einer  platten, 
nicht  eingestülpten  Hautstelle  angebracht  sind.  —  Ueber  die  eigen- 
tümlichen Gehörorgane  der  Insekten  vergl.  den  Spec.  Theil. 

Die  Sehorgane  sind  bei  den  meisten  Thieren,  ebenso  wie  die  im 
Vorhergehenden  erwähnten  Sinnesorgane,  eigenthümlich  entwickelte 
Theile  der  Oberhaut.  In  seiner  einfachsten  Form  (Fig.  15,  1)  ist  das 
Sehorgan  ein  kleiner  pigmentirter  Fleck  der  Oberhaut,  mit  dessen 
Zellen  (oder  mit  einigen  derselben)  Nervenfasern,  der  Sehnerv,  sich 
verbinden  (gewisse  Medusen,  einzelne  Muscheln).  In  anderen  Fällen 
(Fig.  15,  2)  ist  die  Oberhautpartie,  welche  als  Gesichtswerkzeug  aus- 
gebildet ist,  mehr  oder  weniger  vertieft,  bildet  eine  kleine  offene  pig- 
mentirte  Grube  (gewisse  Schnecken,  Cölenteraten).  Das  Verhältniss 
kann  zuweilen  dadurch  complicirt  werden,  dass  die  Cuticula,  welche 
bei  vielen  niederen  Thieren  die  Oberhaut  bekleidet,  sich  über  der 
grubenförmigen  Partie  stark  verdickt,  so  dass  eine  Linse,  ein  licht- 


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II.  Organe. 


19 


brechender  Körper,  gebildet  wird  (Fig.  15,  3  ;  gewisse  Cölenteraten). 
Oder  die  Grube  vertieft  sich  zu  einem  Sack,  welcher  nur  durch  eine 
kleine  Oeffnung  mit  der  Aussenwelt  in  Verbindung  steht  und  mit 
einer  gallertigen  Absonderung  des  Epithels  angefüllt  sein  kann  (Fig.  15, 
4;  einige  Schnecken).    Oder  selbst  diese  Oeffnung  kann  vollständig 


Fig.  15.  Verseil icilcnc  Formen  von  Sehorganen,  schematich,  n  Sehnerv,  r  Netzhaut, 
ep  Oberhaut,  g  Glaskörper,  /  Linse.  —  <>rig. 

geschlossen  und  die  Verbindung  des  Epithels  des  Sehorgans  mit  der 
übrigen  Oberhaut  abgebrochen  sein  ,  so  dass  das  Sehorgan  eine  ge- 
schlossene Blase  unterhalb  letzterer  bildet;  die  von  der  Oberfläche 
abgekehrte  Seite  der  Blase  ist  verdickt,  pigmentirt  und  bildet  den 
lichtempfindenden  Theil  des  Auges,  die  Netzhaut  (Retina),  während 
die  entgegengesetzte  Seite  dünn  und  durchsichtig  ist,  ebenso  wie  der- 
jenige Theil  der  Haut  (die  Hornhaut),  welche  oberhalb  der  Blase 
liegt:  der  Hohlraum  der  Blase  ist  von  einer  Gallertmasse,  dem  Glas- 
körper, ausgefüllt  (Fig.  15,6;  die  meisten  Schnecken,  Borstenwürmer). 
Bei  anderen  ist  im  vorderen  Theil  der  Augenblase  eine  lichtbrechende 
Linse  abgesondert,  welche  im  Glaskörper  ruht  und  als  ein  speciell 
entwickelter  Theil  desselben  aufzufassen  ist  (Fig.  15,6;  gewisse  Borsten- 
würmer und  Schnecken).  Mit  der  Entwicklung  dieser  Linse  ist  die 
Augenblase  zu  einem  wirklichen  Auge  geworden;  auf  dem  Hintergrund 
der  Augenblase,  auf  der  Netzhaut,  kann  jetzt  ähnlich  wie  im  mensch- 
lichen Auge  ein  wirkliches  Bild  erzeugt  werden,  während  in  den  ein- 
facheren Formen  des  Sehorganes  wohl  meistens  nur  von  einer  Unter- 
scheidung von  Hell  und  Dunkel  die  Rede  sein  kann. 

Eine  eigentümliche  Stellung  nehmen  die  Sehorgane  ein,  welche 
wir  bei  den  Glied  er  fü  sslern  (Arthropoden)  finden.  In  seiner 
einfachsten  Form  (Fig.  16,  A)  erscheint  das  Arthropodenauge  als 
eine  eingesenkte  Oberhautpartie ,  welche  unmittelbar  in  die  übrige 
Oberhaut  übergeht,  also  insofern  ein  ähnliches  Verhältniss  wie  etwa 
in  Fig.  15,  S;  es  zeichnet  sich  aber  immer  dadurch  aus,  dass  die 
frapfindenden  Zellen,  die  N e tzh au tzellcn,  von  der  Oberfläche  ab- 

2* 


20  Allgeraeiner  Theil. 

gerückt  und  von  den  angrenzenden  Oberhautzellen  überdeckt  sind; 
der  äussere  Theil  der  letzteren,  welcher  die  Netzhantzellen  bedeckt, 
ist  durchsichtig,  während  sie  übrigens  stark  pigmentirt  sind,  welch 
Letzteres  auch  mit  den  Netzhautzellen  der  Fall  ist,  ihren  äussersten 
stabförmigen  Theil  jedoch  ausgenommen.  Diejenige  Partie  der  Cuti- 
cula,  welche  das  Auge  überzieht,  ist  linsenförmig  verdickt.  Diese 
Augenform  findet  man  bei  gewissen  Insektenlarven.   Eine  folgende 


A  b  cd 


Fig.  16.  Verschiedene  Formen  von  G  1  i e de rfü ss  1  e r äugen ,  schematisch.  A ,  B 
PunkUugen,  C,  D  einzelne  Augen  aus  zusammengesetzten  Arthropodenaugen.  n  Sehnerv, 
r  Netzhaut,  *  Stabtheil  der  Netzhautzellen,  y  Glaskörper,  k  Krystallkegel,  /  Linse,  c  der 
angrenzende  Theil  der  allgemeinen  Cuttcula  des  Thiercs,  ep  Oberhautzellen.  —  Orig. 


Stufe  vertreten  diejenigen  Augen  (Fig.  16,  B;  Spinnen,  Punktaugen 
bei  Insekten  und  Insektenlarven),  in  welchen  die  Netzhautzellen 
sich  vollständig  aus  dem  direkten  Zusammenhang  mit  der  übrigen 
Oberhaut  losgelöst  haben ;  in  diesen  Augen  finden  wir  dann  unterhalb 
der  Linse  eine  dünnere  oder  dickere  Schicht  durchsichtiger  Zellen, 
welche  mit  den  angrenzenden  Oberhautzellen  unmittelbar  zusammen- 
hängen und  denjenigen  Zellen  entsprechen,  welche  in  der  einfacheren 
Augenform  sich  über  die  Netzhaut  hinschieben ;  unterhalb  dieser 
Zellenschicht,  welche  als  Glaskörper  bezeichnet  wird,  liegt  die 
Netzhaut.  —  Die  zusammengesetzten  Augen  (Fig.  1  f>,  C,  D). 
welche  man  bei  den  meisten  Insekten  und  Krebsthieren  findet,  be- 
stehen aus  einer  grossen  Anzahl  (bis  mehrere  Tausende)  dicht  zu- 
sammengelagerter einzelner  Augen,  welche  einen  ähnlichen  Bau  wie 
die  soeben  beschriebenen  besitzen.  Für  das  zusammengesetzte  Auge 
ist  es  jedoch  eigenthümlich ,  dass  die  einzelnen  Augen,  aus  welchen 
es  besteht,  sehr  schmal  und  gestreckt  sind  und  jedes  nur  eine  ganz 
kleine  Anzahl  von  Netzhautzellen  (6 — 8)  und  Glaskörperzellen  be- 
sitzen. Wie  in  den  Punktaugen  besitzt  jede  Netzhautzelle  einen  stab- 
artigen durchsichtigen  Theil  (am  oberen  Ende  oder  am  inneren  Rande 
der  Zellen);  häufig  findet  man  auch,  dass  in  jeder  Glaskörperzello 
ein  eigenthümlicher  lichtbrechender  Körper  sich  entwickelt,  welcher 
mit  den  entsprechenden  der  übrigen  Glaskörperzellen  zu  einem  so- 
genannten Krystallkegel  (D,  h)  verschmilzt. 

Wesentlich  verschieden  von  den  beschriebenen  Augenformen,  deren 
empfindender  Theil,  die  Netzhaut,  in  allen  Fällen  einen  besonders 


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II.  Organe. 


21 


entwickelten  Theil  der  Oberhaut  darstellt,  ist  das  Auge  der  Wirbel- 
thiere  (Fig.  17),  dessen  Netzhaut  kein  Oberhautabschnitt,  sondern 
eine  speciell  umgeformte  Partie  des  vorderen  Theiles  des  centralen 
Nervcnsystemes ,  des  Gehirnes,  ist.  Dieses  hat  auf  einer  frühen 
Entwicklungsstufe  die  Form  einer  Röhre,  welche  durch  Einschnürungen 
in  mehrere  Abschnitte  zerfällt.  Aus  dem  vordersten  Abschnitte  bildet 
sich  nach  jeder  Seite  eine  blasenförmige  Ausstülpung,  die  primitive 
Augen  blase,  welche  durch  einen  kurzen  Stiel  mit  dem  übrigen 


1  2  3 


Fig.  17.  Schematischo  Darstellung  der  Entwicklung  den  W  i  r  b  cl  t  h  ic  r auges.  /  Schnit 
durch  den  Kopf  auf  einem  frühen  Stadium:  die  primitiven  Augenbla.sen  sind  gebildet. 
2  Etwas  spätere  Stufe:  die  erste  Anlage  der  Linse,  die  Augenblase  liat  angefangen  sich 
in  sich  selbst  einzustülpen.  3 — 4  Weitere  Entwicklung :  Abschnllrung  der  Linse,  Bildung 
der  seeuudüren  Augenblase.  5  Auch  die  anderen  Haupttheile  des  Auges  sind  gebildet.  — 
ch  Aderbaut,  ep  Oberhaut,  ep'  Oberbautthcil  der  Hornhaut,  y  Glaskörper,  h  Hornhaut, 
hj  Gehirn,  »"  Iris,  /  Linse,  m  Mesodenn,  n  Sehnen*,  o  primitive  Augenblasc,  r  Netzhaut, 
S  Sclerotica,  t  Pigmenthaut  (äusserste  Schicht  der  Netzhaut).  —  Orig. 


Gehirn  zusammenhängt,  während  ihr  äusserer  Theil  unmittelbar  unter- 
halb der  Haut  liegt.  Es  erfolgt  sodann  eine  Einstülpung  des  äusseren 
Theiles  der  primitiven  Augenblase  in  den  inneren  Theil  derselben,  so 
dass  sie  zu  einer  doppelwandigen  Schale,  der  secundären  Augen- 
blase (oder  dem  Augenbecher),  umgebildet  wird,  während  gleichzeitig 
der  Stiel  zwischen  der  Augenblase  und  dem  Gehirn  sich  verlängert; 
darauf  verschwindet  ferner  die  Höhlung  des  Stieles  sowie  die  Spalte 
zwischen  den  beiden  Blättern  der  Schale  (die  Höhlung  der  primitiven 
Augenblase).  Der  Stiel  entwickelt  sich  zum  Sehnerven,  die  Schale  zur 
Netzhaut;  das  äussere  Blatt  der  Schale  wird  sehr  dünn  und  bildet 
eine  Lage  stark  pigmentirter  Zellen,  während  das  innere,  dickere 


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22 


Allgemeiner  Theil. 


Blatt  sich  zum  ganzen  übrigen  Theil  der  Netzhaut  entwickelt,  welcher 
einen  ziemlich  complicirten  Bau  besitzt.  Zur  gleichen  Zeit,  wo  die 
primitive  Augenblase  anfängt,  schalenförmig  zu  werden ,  nimmt  auch 
die  Bildung  der  Linse  ihren  Anfaug.  Dieselbe  legt  sich  als  eine 
Einstülpung  der  Oberhaut  an,  welche  sich  schliesslich  von  der  übrigen 
Oberhaut  abschnürt  und  unterhalb  dieser,  der  schalenförmigen  Netz- 
haut gegenüber,  Platz  findet;  aus  dieser  Epithelblase  wird  durch 
weitere  Umbildung  der  Zellen  die  durchsichtige  Linse.  In  Anschluss 
an  diese  Haupttheilo  des  Auges  bilden  sich  dann  die  übrigen  Theile 
des  Wirbelthierauges:  aus  dem  Bindegewebe,  welches  zwischen  der 
Linse  und  der  Netzhaut  sich  befindet,  entwickelt  sich  der  durchsichtige 
Glaskörper;  die  Hautpartie  vor  der  Linse  wird  zur  Hornhaut; 
zwischen  letzterer  und  der  Linse  bildet  sich  ein  Spaltraum,  in  welchen 
die  wässerige  Flüssigkeit  sich  ausscheidet ;  ausserhalb  der  Netz- 
haut entwickelt  sich  aus  dem  umgebenden  Bindegewebe  eine  schalen- 
förmige, gefässreichc  Hülle,  die  Aderhaut,  deren  freier  Rand  die 
Randpartie  der  Linse  umfasst  und  hier  als  Iris  oder  Regenbogenhaut 
bezeichnet  wird;  ausserhalb  der  Aderhaut  bildet  sich,  ebenfalls  vom 
Bindegewebe  aus,  eine  feste,  dickere,  faserige  (öfters  theilweise 
knorpelige  oder  verknöcherte)  Hülle,  die  Sclcrotica,  welche  in  die 
Hornhaut  sich  fortsetzt  und  mit  dieser  zusammen  den  Augapfel 
begrenzt,  unter  welchem  Namen  alle  genannten  Theile  zusammenge- 
fasst  werden. 

Die  Netzhaut  der  Wirbelthiere  besitzt  ebenso  wie  die  Netzhaut  vieler 
anderer  Thiere  stabformige  lichtbrechende  Theile ,  welche  im  Wirbelthier- 
auge eine  zusammenhängende  Schicht  (Stäbchenschicht)  bilden.  Während 
aber  die  Stäbchen  bei  anderen  Thieren  fast  immer  derjenige  Theil  der  Netz- 
haut sind,  welcher  dem  Licht  am  nächsten  liegt,  ist  es  bei  den  Wirbel- 
thieren  umgekehrt;  hier  liegt  die  Stäbchenschicht  der  Pigmentzellenlage 
unmittelbar  au,  und  das  Licht  muss,  um  zu  den  als  die  eigentlich  empfindenden 
Theile  der  Netzhaut  angesehenen  Stäbchen  zu  gelangen,  durch  alle  übrigen 
Schichten  der  Netzhaut  (man  unterscheidet  in  der  ausgebildeten  Netzhaut 
eine  ganze  Anzahl  dünner  Schichten)  hindurchtreten. 

Der  Gegensatz  des  Wirbel thierauges  zu  demjenigen  anderer  Thiere  ist 
übrigens  nicht  ganz  so  gross,  wie  es  auf  den  ersten  Blick  erscheint.  Wie  wir 
später  sehen  werden,  wird  nämlich  das  Nervensystem  vom  Ektoderm  gebildet, 
welches  als  die  Oberhaut  des  Embryos  bezeichnet  werden  kann  und  dessen 
grösster  Theil  zur  bleibenden  Oberhaut  wird.  Der  Unterschied  zwischen  dem 
Wirbelthierauge  und  dem  der  wirbellosen  Thiere  besteht  demnach  wesentlich 
darin,  dass,  während  die  Netzhaut  der  letzteren  sich  direkt  aus  der  Oberhaut 
entwickelt,  sie  bei  den  Wirbelthieren  indirekt  von  derselben  gebildet  wird. 

6.  Darmkanal. 

Ebenso  wie  die  Amöbe  erleiden  auch  die  Zellen  der  Metazoen 
einen  stetigen  Stoffverlust  durch  die  chemischen  Umbildungen,  welche 
eine  nothwendige  Bedingung  für  den  Fortgang  der  Lebensfunctionen 
sind.  Dieser  Verlust  wird  durch  die  Nahrung  ersetzt,  welche 
meistens  in  ein  besonderes  Organsystem,  den  Darm k anal,  auf- 
genommen und  darin  bearbeitet  wird.  Die  Bearbeitung  der  Nahrung 
im  Darmkanal  verfolgt  besonders  das  Ziel,  dieselbe  in  einen  löslichen 
Zustand  zu  bringen  (zu  verdauen),  so  dass  sie  von  der  Wand  des 
Darmkanals   aufgesogen  und  weiter  in  die  Gewebe  des  Körpers 


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II.  Organe. 


23 


übergeführt  werden  kann.  Diejenigen  Theile,  welche  im  Darmkanal 
nicht  aufgelöst  und  aufgesogen  werden,  gehen  wieder  nach  aussen  ab 
(die  Excremente).  —  Als  Nahrung  dienen  den  Thieren  neben 
anorganischen  auch  organische  Substanzen,  d.  h.  solche,  welche  ent- 
weder von  Thieren  oder  von  Pflanzen  stammen.  Von  anorganischen 
Stoffen  allein  kann  kein  Thier  sich  ernähren,  wenn  auch  solche, 
namentlich  Wasser  und  Kalksalze,  in  ausgedehntem  Maasse  aufge- 
nommen werden. 

In  seiner  einfachsten  Form  ist  der  Darmkanal  ein  Sack,  welcher 
nur  durch  eine  Oeflfnung  mit  der  Ausseuwelt  in  Verbindung  steht; 
diese  Oeffnung  dient  dann  sowohl  als  Eiufuhröffnung,  Mund,  wie  als 
Ausfuhröffnung  für  die  unverdauten  Theile  (Cölenteratcn ,  Platt- 
würmer). Oefters  kann  ein  solcher  sackförmiger  Darmkanal  mit 
grösseren  oder  kleineren  Ausstülpungen  versehen  sein,  welche  sich 
wieder  verzweigen  können  (Quallen,  manche  Plattwürmer). 

Bei  den  meisten  Thieren  besitzt  aber  der  Darmkanal  zwei  Oeff- 
nungen.  einen  Mund  und  einen  After  (Anus).  Der  Darmkanal  ist 
dann  gewöhnlich  ein  längerer  Schlauch,  mit  der  Mundöffnung  am 
einen,  der  Afteröffnung  am  anderen  Ende.  Meistens  zerfällt  der 
Schlauch  in  mehrere  Abschnitte,  denen  verschiedene  Functionen  zu- 
gewiesen sind.  In  einfacheren  Fällen  kann  man  nur  drei  Abschnitte 
unterscheiden:  den  Munddarm,  welcher  oft  sehr  musculös  ist  und 
in  verschiedener  Weise  dazu  dient,  die  Nahrung  in  den  Darmkanal 
einzuführen;  den  gewöhnlich  langen  Mitteldarm,  in  welchem  die 
Auflösung  und  Aufsaugung  vor  sich  geht;  und  den  Enddarm, 
welcher  als  Ausfuhrungskanal  und  Reservoir  der  unverdaulichen 
Theile  dient  (Rund-  und  Gliederwürmer).  Bei  anderen  ist  der  Mund- 
darm wieder  in  eine  geräumigere  Mundhöhle,  welche  öfters  mit 
Werkzeugen  zur  mechanischen  Bearbeitung  der  Nahrungsmittel 
(Zähnen)  ausgestattet  ist,  und  eine  gewöhnlich  engere  Speiseröhre 
getheilt.  Der  Mitteldarm  ist  häufig  (Wirbelthiere)  in  einen 
vorderen  geräumigeren  Abschnitt,  den  Magen,  und  einen  hinteren 
längeren  Abschnitt,  den  eigentlichen  Darm  (Dünndarm  der  Wirbel- 
thiere) getheilt;  ersterer  besorgt  dann  mehr  die  Verdauung,  indem 
seine  Wandung  mit  reichlichen  Drüsen  ausgestattet  ist,  welche  auf- 
lösende Flüssigkeiten  absondern,  während  der  Darm  mehr  aufsaugend 
wirkt  (der  Verdauungsprocess  wird  übrigens  auch  im  Darm  fortge- 
setzt). Seltener  ist  auch  der  Enddarm  in  mehrere  Abschnitte  ge- 
theilt. —  Nicht  ganz  selten  ist  der  eine  oder  andere  Abschnitt  des 
Darmkanals  zu  einem  Kaumagen  ausgebildet,  in  welchem  eine 
mechanische  Bearbeitung  der  Nahrung  vor  sich  geht;  der  Kaumagen 
ist  in  einigen  Fällen  (z.  B.  bei  den  höheren  Krebsen)  der  hintere 
Theil  der  Speiseröhre,  welcher  erweitert,  musculös  und  an  seiner 
inneren  Seite  mit  festen  Thcilen  ausgestattet  ist;  in  anderen  Fällen 
(bei  den  Vögeln)  ist  der  hintere  Theil  des  Magens  zu  einem  Kaumagen 
umgebildet. 

An  verschiedenen  Stellen  des  Darmkanals  findet  man  sehr  häufig 
Ausstülpungen.  Blindsäcke,  von  verschiedener  Form.  Einige  der- 
selben haben  die  Aufgabe,  als  vorläufige  Behälter  für  die  aufge- 
nommenen Nabrungsstoffe  zu  dienen  (Ausstülpungen  des  Munddarmes : 
Backentaschen  der  Affen,  der  Kropf  bei  Vögeln  und  Insekten),  durch 
andere  wird  eine  Vergrösserung  der  verdauenden  und  aufsaugenden 
inneren  Oberfläche  des  Darmkanals  erzielt  (der  Blindsack  am  Säuge- 


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Allgemeiner  Theil. 


thiermagen,  der  Blinddarm  der  Saugethiere,  die  Ausstülpungen  des 
Darmkanals  der  Egel).  Ausserdem  wird  die  innere  Oberfläche  des 
Darmes  häufig  dadurch  vergrössert,  dass  sich  an  der  inneren  Seite 
Falten  oder  feinere  Fortsätze  (Zotten)  bilden  (Wirbelthiere). 

Die  Flüssigkeiten,  durchweiche  die  Nahrung  aufgelöst  wird,  werden 
theils  von  "dem  Epithel  des  Darmkanals  selbst  abgesondert,  theils 
stammen  sie  von  kleinen  Drüsen,  welche  in  die  Waud  namentlich  des 
Magens  und  des  Darmes  eingelagert  sind,  theils  endlich  von  grösseren 
Drüsen,  welche  ausserhalb  des  Darmkanals  liegen  und  nur  mit  ihren 
Ausführungsgängen  dessen  Wand  durchbohren.  Bei  vielen  niederen 
Thieren  ist  diese  absondernde  Thätigkeit  an  das  Epithel  des  Darm- 
kanals allein  geknüpft,  während  sie  bei  höher  organisirten  Thieren, 
z.  B.  bei  den  Wirbelthieren.  wesentlich  oder  ausschliesslich  von  be- 
sonderen grösseren  oder  kleineren  Drüsen  besorgt  wird.  Die  grösseren, 
ausserhalb  des  Darmkanals  liegenden  Drüsen  werden  nach  den  ver- 
schiedenen Abschnitten  des  Darmkanals,  in  welche  sie  ausmünden,  mit 
verschiedenen  Namen  belegt;  es  werden  z.  B.  diejenigen,  welche  sich 
in  die  Mundhöhle  öffnen  —  und  welche  jedenfalls  in  vielen  Fällen 
für  die  Verdauung  nur  von  geringer  Bedeutung  sind,  öfters  nur  die 
Aufgabe  haben,  die  Nahrungsstoffe  zu  befeuchten  und  ihr  Hinabgleiten 
zu  erleichtern  — ,  Speicheldrüsen  genannt,  während  diejenigen, 
welche  in  den  Darm  münden,  meistens  mit  dem  Namen  Leber  be- 
zeichnet werden.  Die  Secrete  der  betreffenden  Drüsen  sind  übrigens 
bei  verschiedenen  Thieren  sehr  verschieden ;  die  Einwirkung  des  „Leber"- 
Secretes  auf  die  Nahrungsstoffe  ist  z.  B.  keineswegs  immer  dieselbe. 

Was  die  feinere  Zusammensetzung  betrifft,  so  besteht  der  Darm- 
kanal in  den  einfachsten  Fällen  lediglich  aus  einer  Epithelschicht ;  an 
diese  schliessen  sich  dann  bei  anderen  Bindegewebe  und  Muskel- 
elemente, so  das9  wir  in  einem  entwickelteren  Darmkanal  die  Wand 
aus  folgenden  Schichten  zusammengesetzt  finden :  zu  innerst  eine 
Epithelschicht,  ausserhalb  derselben  eine  bindegewebige  Lage,  welche 
mit  dem  Epithel  innig  verbunden  ist  und  Öfters  eine  grosse  Anzahl 
kleiner  Drüsen  einschliesst  (das  Epithel  und  die  Bindegewebslage 
werden  zusammen  als  die  Schleimhaut  bezeichnet),  und  nach  aussen 
eine  oder  mehrere  Muskelzellen-Schichten  (Muskelhaut),  deren  Con- 
tractionen  für  die  Wanderung  der  Nahrung  durch  den  Darmkanal 
von  grosser  Bedeutung  sind. 

Nur  bei  wenigen  Metazoen  fehlt  ein  Darmkaual  ganz.  Wir 
finden  in  diesem  Falle  entweder,  dass  trotzdem  eine  wirkliche  Mund- 
öffnung vorhanden  ist.  durch  welche  die  Nahrung  in  das  weiche  Ge- 
webe des  Körpers  hineintritt,  das  dann  die  Verdauung  besorgt  (ge- 
wisse Plattwürmer);  oder  es  fehlt  auch  eine  Mundöffnung,  und  die 
Nahrung  wird  dann  durch  die  Haut  des  Thieres,  durch  Eudosmose, 
aufgenommen.  Letzteres  Verhältniss  findet  man  nur  bei  Thieren, 
welche  als  Schmarotzer  leben,  und  namentlich  bei  solchen,  welche  sich 
im  Darrakanal  anderer  Thiere  aufhalten,  wo  sie  stets  von  halb  oder 
ganz  aufgelösten  Nährstoffen  umgeben  sind  (Bandwürmer,  Kratzer). 

Nur  als  reine  Ausnahmen  kennt  man  Thiere,  welche  nicht  nur  keinen 
Darmkanal  besitzen,  sondern  auch  ihr  ganzes  Lehon  hindurch  gar  keine 
Nahrung  zu  sich  nehmen,  und  somit  zu  völliger  Entwicklung  allein  durch 
Umbildung  des  im  Ei  deponirten  Stoffvorrathes  gelangen.  Dieses  ist  z.  B. 
mit  der  zweigeschlechtlichen  Generation  der  Reblaus  der  Fall  (vergl.  den 
Spec.  Theil). 


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II.  Organe. 


25 


7.  Gefässsystem. 

Die  aufgelösten  Nährstoffe  gehen,  nachdem  sie  die  Darmwandung 
durchsetzt  haben,  bei  manchen  niederen  Thieren  durch  eine  Art 
Eudosmose  iu  die  verschiedenen  Gewebe  des  Körpers  über,  werden  von 
denselben  aufgesogen,  dienen  ihnen  als  Nahrung,  indem  sie  übrigens 
auf  ihrem  Wege  durch  den  Körper  ohne  Zweifel  in  verschiedener 
Weise  verändert  werden.  Bei  den  meisten  Thieren  ist  aber  das  Ver- 
hältniss  etwas  complicirter ,  indem  sicli  ein  verzweigtes  Kanalsystem 
ausbildet,  welches  einerseits  die  aufgelöste  Nahrung  aus  der  Darm- 
wandung aufsaugt,  andererseits  dieselbe,  welche  übrigens  während 
ihres  Aufenthaltes  in  dem  Röhrensystem  gewissen  Veränderungen  unter- 
liegt, durch  den  Körper  herum  führt,  wobei  sie  von  den  Geweben 
theilweise  aufgesogen  wird.  Dieses  zusammenhängende  Röhrcnnetz 
wird  als  das  Gefässsystem  bezeichnet. 

Das  Gefäss  system  ist  also  ein  System  von  bäum  förmig  ver- 
zweigten Röhren,  den  Blutgefässen  oder  Adern,  welche  durch 
den  Körper  verbreitet  sind.  Es  ist  bald  sehr  vollkommen  und  fein 
verzweigt  und  durchdringt  dann  mit  seinen  Zweigen  fast  sämmtliche 
Organe  und  Gewebe  des  Körpers;  nur  die  Epithelien  bleiben  gefäss- 
los,  sie  erhalten  ihre  Nahrung  durch  Durchsickerung  aus  den  angren- 
zenden Geweben.  Tn  anderen  Fällen  besteht  es  dagegen  aus  ver- 
hältnissmässig  wenigen  abgegrenzten  Kanälen,  welche  mit  den  Spalten 
und  Hohlräumen  des  Körpers  in  offener  Verbindung  stehen.  In  einem 
wohl  ausgebildeten  Gefässsystem  zeichnen  sich  einige  der  Gefässe 
durch  ihre  bedeutende  Weite  vor  den  anderen  aus,  und  diese  Haupt- 
stämme können  dann  als  die  centralen  Theilc  des  Systems  betrachtet 
werden ,  von  welchen  nach  den  verschiedenen  Körpertheilen  andere 
Gefässe  ausgehen ;  letztere  verzweigen  sich  unterwegs,  theilen  sich  in 
immer  feinere  Aeste  und  diese  lösen  sich  endlich  in  die  feinsten  netz- 
förmig verbundenen  Gefässe  auf,  welche  die  Organe  durchdringen. 
Die  Flüssigkeit,  welche  von  den  grossen  Stämmen  in  die  kleineren 
und  kleinsten  strömt,  kehrt  durch  andere  Gefässe ,  welche  ebenfalls 
mit  den  feinsteu  Geftissen  in  Verbindung  stehen,  schliesslich  wieder 
in  die  Hauptstämme  zurück,  so  dass  wir  —  wenigstens  ist  dies  meistens 
der  Fall  —  einen  Kreislauf  der  Flüssigkeit  beobachten.  Die  in 
dem  Kanalsystem  befindliche  Flüssigkeit,  die  Blut  flüssigkeit,  ist 
wesentlich  als  die  umgebildete  aufgelöste  Nahrung  aufzufassen,  wobei 
jedoch  zu  bemerken  ist,  dass  sie  auch  von  den  Körper-Geweben  ge- 
wisse Theile  aufgenommen  hat,  Abfall-Produkte  von  den  chemischen 
Umbildungen .  welche  im  Körper  stattfinden ;  die  Blutflüssigkeit  ist 
gewöhnlich  klar  und  farblos .  seltener  gefärbt  (roth .  grün  etc.).  In 
derselben  finden  sich  freie  Zellen,  die  Blutzellen  oder  Blut- 
körperchen, gewöhnlich  amöboide  (amöbenähnliche)  farblose 
Zellen  ;  seltener  sind  die  Blutkörperchen,  so  bei  den  Wirbelthieren, 
formbeständige,  gefärbte  Zellen  von  der  Gestalt  ovaler  oder  rundlicher 
Scheiben  (bei  den  Wirbelthieren  finden  sich  ausser  diesen  „rothen 
Blutkörperchen"  übrigens  auch  amöboide  ,,weisse  Blutkörperchen", 
aber  in  geringerer  Anzahl).  Die  Blutflüssigkeit  und  die  Blut- 
körperchen bilden  zusammen  das  Blut,  dessen  Farbe  meistens  von 
der  Farbe  der  Flüssigkeit,  bei  den  Wirbelthieren  dagegen  von  der- 
jenigen der  Blutkörperchen  abhängt. 

Da   es   von  Wichtigkeit  ist,  dass  sich  das  Blut  in  stetiger 


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26 


Allgemeiner  Theil. 


Strömung  befindet,  ist  gewöhnlich  an  gewissen  Stellen  <les  Röhren- 
systems reichliches  Muskelgewehe  in  der  Wand  vorhanden,  so  dass 
diese  Abschnitte  im  Stande  sind,  rhythmische  Contractionen  auszu- 
führen, zu  pulsiren,  und  dadurch  das  Blut  fortzubewegen;  man 
nennt  einen  solchen  Abschnitt  des  Gefässsystems  ein  Herz.  Es 
können  mehrere  solche  bei  demselben  Thier  vorhanden  sein  ;  gewöhn- 
lich findet  sich  jedoch  nur  ein  einzelnes ,  oder ,  wenn  mehrere  vor- 
handen sind,  zeichnet  sich  eins  derselben  durch  Grösse  und  kräftige 
Entwicklung  aus  und  wird  als  das  Herz  bezeichnet;  dieses  steht 
immer  mit  einigen  der  grösstcn  Gefässe  des  Körpers  in  direkter 
Verbindung,  bildet,  so  zu  sagen,  den  Knotenpunkt  des  ganzen  Gefäss- 
systems.  Oft  finden  sich  an  den  Oeffnungen  des  Herzens  eigenthüni- 
liche  Falten.  Klappen,  deren  Aufgabe  es  ist,  die  Richtung  des 
Blutstroms  zu  reguliren,  indem  sie  nur  die  Durchströnmng  nach  der 
einen  Richtung  erlauben;  wenn  das  Blut  anfängt,  nach  der  entgegen- 
gesetzten Richtung  zu  strömen,  versperren  sie  den  \Veg(vergl.  Fig.  18,  l). 

Oefters  ist  „das  Herz"  aus  mehreren 
selbständigen  Abtheilungen  zusammen- 
gesetzt, welche  streng  genommen  als 
ebenso  viele  dicht  beisammen  gelagerte 
Herzen  aufzufassen  sind.  Meistens  ist  es 
dann  so,  dass  das  Blut  zunächst  in  eine 
dünnwandigere  Abtheilung.  den  Vor- 
hof, eintritt  und  von  dieser  in  eine  dick- 
wandigere ,  kräftigere ,  die  Herzkam- 
mer, gelangt,  welche  als  die  wichtigere 
der  beiden  erscheint.  Zuweilen  finden 
wir  auch,  dass  in  die  Herzkammer  meh- 
rere Vorhöfe  einmünden  (bei  manchen 
Mollusken);  oder  es  kann,  wie  bei 
manchen  Fischen,  auf  die  Herzkammer 
noch  eine  besondere  röhrenförmige  Herz- 
abtheilung folgen  etc.  Die  Gefässe,  in 
denen  das  Blut  in  der  Richtung  zum 
Fig.  18.  /  Schema  eine«  einfachen  Herzen  hin  verläuft,  werden  als  Venen  , 

^rr^20zr:.^f°:,":":  «k?™«». »  wich«,  <iaS  »«t » der 

Kammer,  v  Vorhof,  k  Klappe.  —  Orig.  entgegengesetzten  Richtung,  vom  Herzen 

weg,  verläuft,  ah  Arterien  bezeichnet. 
Die  feinsten,  netzförmig  verbundenen  Gefässe,  welche  die  äussersten 
Aeste  der  Venen  und  Arterien  verbinden,  nennt  man  Capillaren:  sie 
fehlen  übrigens  sehr  oft  und  sind  durch  die  Spalten  und  Hohlräume 
des  Körpers  gewissermassen  ersetzt;  die  Venen  und  Arterien  stehen  dann 
mit  diesen  in  offener  Verbindung,  das  Blut  gelangt  von  den  Arterien  in 
die  Spalträume  hinein  und  von  diesen  wieder  in  die  Venen.  —  Von 
grosser  Bedeutung  für  das  Gefässsystem  ist  sein  Verhältniss  zu  den 
Respirationsorganen,  welches  unten  besprochen  werden  wird.  —  Der 
feinere  Bau  der  Gefässe  ist  ziemlich  verschieden;  die  Grundlage  ist 
eine  einfache,  die  Höhlung  der  Röhre  begrenzende  Schicht  platter 
Zellen,  welche  in  den  Capillaren  ohne  weitere  Zuthat  die  Gefässe 
bildet,  während  sie  in  den  übrigen  Gefässen  gewöhnlich  von  Binde- 
gewebe, glatten  Muskelfasern  etc.  umgeben  ist,  so  dass  die  grösseren 
Gefässe  ziemlich  dickwandig  sein  können. 


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IL  Organe. 


27 


Ueber  das  ausschlieBslich  bei  den  Wirbelthieron  vorhandene  Lymph- 
gefässsystem  vergl.  diese. 

8.  Athmungsorgane. 

Es  ist  früher  (S.  4)  erwähnt  worden,  dass  die  Amöbe  und  andere 
Protozoen  Sauerstoff  aufnehmen  müssen,  ohne  welchen  die  che- 
mischen Processe,  die  „Verbrennung",  worauf  die  Lebensfunctionen 
beruhen,  nicht  stattfinden  können.  Dieselbe  Notwendigkeit  ist  auch 
für  die  Zellen  des  Mctazoenkörpers  vorhanden,  sie  müssen  Sauer- 
stoff aufnehmen,  um  leben  zu  können.  Es  muss  somit  vom  Körper 
imraeifort  Sauerstoff  aufgenommen  werden,  und  derselbe  muss  allen 
Zellen  der  verschiedenen  Körpertheile  zugeführt  werden.  Ferner 
müssen  die  Abfallprodukte,  welche  durch  die  in  den  Zellen  statt- 
findende Verbrennung  gebildet  werden,  aus  dem  Körper  ausgeschieden 
werden.  Einer  dieser  Abfallstoffe  ist  die  Kohlensäure  —  eine 
Verbindung  von  Kohlenstoff  und  Sauerstoff  (CO..)  — ,  deren  Aus- 
scheidung aus  dem  Körper  in  regelmässigem  Wechsel  mit  der  Auf- 
nahme des  Sauerstoffs  stattfindet,  während  andere  Abfallprodukte  in 
anderweitiger  Weise  fortgeschafft  werden  (vergl.  die  Excretionsorgane). 
Man  bezeichnet  die  Aufnahme  des  Sauerstoffs  und  die  Ausscheidung 
der  Kohlensäure  als  die  Athmung  (Respiration)  und  diejenigen 
Organe,  welche  dieser  Function  dienen,  als  die  Athmungsorgane. 
Der  Sauerstoff  wird  bei  einigen  Thieren  aus  der  atmosphärischen 
Luft  aufgenommen,  von  welcher  bekanntlich  ungefähr  '/R  Sauerstoff 
ist  (..luftathmende"  Thiere);  bei  anderen  ist  es  dagegen  der  in  allen 
natürlichen  Gewässern  vorhandene  freie  (gelöste)  Sauerstoff,  welcher 
bei  der  Athmung  verbraucht  wird. 

Viele  niedere  Thiere  besitzen  keine  besonderen  Athmungsorgane, 
sondern  athmen  mit  der  ganzen  freien  Oberfläche  des  Körpers:  der 
im  Wasser  oder  in  der  Luft  enthaltene  Sauerstoff  wird  endosmotisch 
von  der  Haut  aufgenommen  und  dringt  von  dieser  weiter  in  den 
Körper  hinein,  ebenso  wie  die  Kohlensäure  von  der  Haut  abgegeben 
wird.  Bei  denjenigen  von  diesen  Thieren,  welche  ein  Gefässsystem 
besitzen,  spielt  dieses  eine  gewichtige  Rolle  in  Bezug  auf  die  Ueber- 
führung  des  Sauerstoffs  in  den  Körper  und  auf  die  Fortschaffung  der 
Kohlensäure;  das  Blut  nimmt,  indem  es  durch  die  Hautgefässe  strömt, 
den  Sauerstoff  auf,  führt  ihn  in  das  Körperinnere  hinein,  giebt  ihn 
unterwegs  ab  und  nimmt  Kohlensäure  auf  und  kehrt  mit  dieser  be- 
laden nach  der  Haut  zurück,  wo  die  Kohlensäure  abgegeben  und 
Sauerstoff  aufgenommen  wird  (Hautrespiration).  —  Auch  der 
Darmkanal  kann  bei  den  Thieren,  welche  keine  Athmungsorgane  be- 
sitzen, eine  Rolle  bei  der  Athmung  spielen,  indem  mit  der  Nahrung 
immer  Luft  oder  lufthaltiges  Wasser  hinabgeschluckt  wird,  dessen 
Sauerstoff  während  der  Wanderung  der  Nahrung  durch  den  Darm- 
kanal von  letzterem  aufgenommen  wird  (Darmrespirati on).  -  Es 
sind  namentlich  eine  grosse  Anzahl  Wasserthiere,  welche  besondere 
Athmungsorgane  entbehren;  dazu  kommen  aber  noch  einzelne  Land- 
thiere  (z.  B.  der  Regenwurm).  Fast  immer  sind  es  ziemlich  „dünn- 
häutige"  Thiere,  d.  h.  solche  ohne  eine  dickere,  feste  Cuticula  oder 
einen  anderen  vom  Sauerstoff  schwer  zu  durchdringenden  Ueberzug, 
und  fast  immer  kleinere  oder  sehr  kleine  Thiere  (kleine  Körper 
haben  bekanntlich  eine  verhältnissmässig  grössere  Oberfläche  als  grosse 
Körper  von  derselben  Form). 


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28 


Allgemeiner  Theil. 


Die  meisten  Thiere  sind  jedoch  mit  Einrichtungen  ausgestattet, 
welche  für  die  Athtnungsfunction  speeiell  ausgebildet  sind  oder 
dieser  ausschliesslich  dienen:  A  thmungsorgane.  Das  allgemein 
durchgeführte  Princip  besteht  darin,  dass  das  lufthaltige  Wasser  oder 
die  atmosphärische  Luft  mit  grösseren,  dünnhäutigen  Flächen  in  Be- 
rührung gebracht  wird,  durch  welche  der  Sauerstoff  in  ausgedehntem 
Maasse  aufgenommen  und  Kohlensäure  ausgeschieden  wird  ;  meistens 
ist  unmittelbar  unter  der  betreffenden  Oberfläche  ein  dichtes  Capillar- 
netz  ausgebreitet.  Diejenigen  Thiere,  welche  den  im  Wasser  ent- 
haltenen Sauerstoff  aufnehmen,  athmen  meistens  durch  Kiemen, 
dünnhäutige  Körperanhänge  mit  verhältnissmässig  grosser  Oberfläche, 
welche  entweder  frei  auf  dem  Körper  sitzen  oder  in  Höhlungen  an- 
gebracht sind,  die  mit  der  Ausscnwelt  in  offener  Verbindung  stehen 
(Kieraenhöhlen) ;  die  Oberflächen  vergrösscrung  wird  durch  platten  - 
förmige  Verbreitung,  durch  Faltung,  Verzweigung  etc.  der  Kieme 
erreicht.  Wenn  die  Kiemen  in  Höhlungen  eingeschlossen  sind,  so  ist 
gewöhnlich  durch  besondere  Einrichtungen  dafür  gesorgt,  dass  eine 
Wasserströmung  stetig  oder  wenigstens  häufig  über  die  Kiemen  hin 
stattfindet  (so  bei  vielen  Krebsthieren.  z.  ß.  beim  Hummer  und  bei 
den  Fischen),  wodurch  erreicht  wird,  dass  immer  neue  Wassertheilchen 
—  und  damit  auch  neuer  Sauerstoff  —  mit  den  Kiemen  in  Berührung 
kommen.  Dasselbe  erreichen  die  mit  äusseren  Kiemen  ausgestatteten 
Thiere  theils  durch  die  Bewegungen  des  ganzen  Thieres  im  Wasser, 
theils  dadurch,  dass  die  Kiemen  geschwenkt  werden,  oder  dadurch, 
dass  die  Kiemen  mit  Wimperhaaren  ausgestattet  sind,  welche  das 
Wasser  über  dieselben  fortbewegen.  —  Selten  findet  man  bei  Wasser- 
athmern  statt  Kiemen  sogenannte  Wasser lungen,  sackförmige 
Organe,  in  welche  das  Wasser  ein-  und  ausgepumpt  wird,  und  deren 
Wand  den  im  Wasser  vorhandenen  Sauerstoff  aufnimmt  (Seewalzen). 

Bei  den  luftathmenden  Thieren  sind  die  Athmungsorgane  dagegen 
meistens  hohle  sack-  oder  schlauchförmige  Einstülpungen :  Lungen, 
Luftröhren.  In  ihrer  einfachsten  Form  ist  die  Lunge  ein  Sack, 
welcher  durch  eine  grössere  oder  kleinere  Oeffnung  mit  der  Ausscn- 
welt in  Verbindung  steht;  in  der  Wand  findet  sich  ein  feines  enges 
Gefässnetz  dicht  unter  der  inneren  Oborttäche  (Lungenschnecken). 
Nur  wenig  complicirter  erscheinen  die  Lungen  der  Wassersalamander 
(Triton),  welche  ebenfalls  einfache  Säcke  sind,  die  mit  einer  gemein- 
samen Oeffnung  in  den  hinteren  Theil  der  Mundhöhle  einmünden ; 
bei  anderen,  z.  B.  bei  den  Fröschen,  werden  sie  dadurch  etwas  com- 
plicirt  ,  dass  sich  in  den  Säcken  stark  hervorragende  Falten  bilden, 
wodurch  die  innere  Oberfläche  der  Lunge,  an  welcher  das  Gefässnetz 
sich  ausbreitet,  bedeutend  vergrössert  wird.  Noch  weit  vollkommener 
sind  z.  B.  die  Lungen  der  Säugethiere,  welche  baumförmig  verzweigte 
hohle  Organe  sind,  deren  Aeste  mit  je  einer  kleinen  blasenfÖrmigen 
Erweiterung  endigen,  an  deren  innerer  Seite  das  Gefässnetz  sich  findet : 
hier  ist  die  respirirende  Fläche  sehr  gross  im  Verhältniss  zum  Umfang 
der  Lunge. 

Ein  eigentümliches  Athmungswerkzeug  ist  das  Tracheen-  oder 
Luftröhrensystem,  welches  wir  bei  den  Insekten  und  anderen 
luftathmenden  Gliederfüsslem  finden.  Das  Tracheensystem  eines  Insekts 
kann  als  ein  Complex  stark  verzweigter  Lungen  aufgefasst  werden. 
Durch  mehrere  Oeffnungen  an  der  Oberfläche  des  Thieres  steht  das 
System  mit  der  Aussenwelt  in  Verbindung;  von  jeder  Oeffnung  ent- 


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II.  Organe. 


29 


springt  ein  starker  Stamm ,  der  sich  in  zahlreiche  immer  feiner 
werdende  Zweige  theilt,  welche  eine  Partie  des  Körpers  gelassartig 
durchdringen;  meistens  stehen  die  aus  den  verschiedenen  Stämmen 
entspringenden  Tracheen  mit  einander  in  Verbindung,  Der  ganze 
Körper  ist  somit  von  zahllosen  feinen  luftführenden  Röhren  durch- 
webt .  während  sonst  die  Athmungsorgane  auf  einen  kleineren  Raum 
des  Körpers  begrenzt  sind.  In  den  Wänden  der  Tracheen  ist  kein 
Gefüssnetz  vorhanden,  überhaupt  steht  das  Gefässsystem  bei  den  mit 
Tracheen  ausgestatteten  Thieren  meistens  auf  einer  sehr  wenig  aus- 
gebildeten Stufe ;  das  Blut  spielt  bei  diesen  Thieren  nur  eine  unter- 
geordnete Rolle  als  Träger  des  Sauerstoffs,  welcher  den  Geweben 
direkt  durch  das  Luftröhrensystem  zugeführt  wird. 

Ebenso  wie  es  für  die  Kiemen  nothwendig  war,  dass  sie  immerfort 
mit  neuen  Wassertheilen  in  Berührung  kamen,  so  ist  es  auch  für  die 
iuftathmenden  Organe  nothwendig,  dass  die  Luft  in  denselben  stetig 
erneuert  wird;  bleibt  dieselbe  Luftmasse  in  einer  Lunge  stehen,  so 
wird  der  Sauerstoff  allmählich  verbraucht,  die  Luft  wird  mit  Kohlen- 
säure beladen,  und  wird  die  Luftmasse  dann  nicht  erneuert,  so  hört 
die  Lunge  auf,  als  Athmungsorgan  zu  wirken.  Die  Entfernung  der  Luft 
geschieht  im  Allgemeinen  in  der  Weise,  dass  die  betreffenden  Organe 
zusammengepresst  werden,  die  Aufnahme  in  der  Regel  dadurch,  dass 
sie  sich  wieder  erweitern,  wodurch  die  zurückgebliebene  Luft  verdünnt 
wird  und  die  äussere  Luft  einströmt;  die  näheren  Einrichtungen  sind 
übrigens  höchst  verschieden. 

Die  Ausbildung  besonderer  Athmungswerkzeuge  hat  den  grössten 
Einfluss  auf  das  Gefässsystem,  dessen  Anordnung  zum  grossen  Theil 
von  den  Athmungsorganen  bedingt  wird.  Von  besonderer  Bedeutung 
erscheint  der  Umstand ,  dass  es  für  den  Organismus  vortheilhaft  ist, 
dass  das  Blut,  welches  in  die  verschiedenen  Organe,  die  Athmungs- 
organe ausgenommen,  hineinströmt,  möglichst  sauerstoffreich  und 
kohlensäurefrei  ist,  während  es  andererseits  zweckmässig  ist,  dass  das 
den  Athmungswerkzeugen  zufliessende  Blut  möglichst  viel  Kohlensäure 
aus  dein  übrigen  Körper  mitgenommen  hat,  wodurch  der  Gasaustausch 
in  den  Athmungsorganen  intensiver  wird.  Dieses  wird  im  Allgemeinen 
in  der  Weise  erreicht, 
dass  das  Blut  ,  nach- 
dem es  die  Organe 
durchströmt  hat,  sieh 
zu  einem  grösseren 
gemeinsamen  Be- 
hälter begiebt.  aus 
weichein  das  kohlen- 

siiurehaltige  ,        SOge-       Fig.  19.  Schema,  um  «Ins  allgemeine  Verhältnis»  der  AtliniuiiK>- 
nailllte    venöse  Blut   "r^al,e   zum  G*Ä*WJite«l  z»   ttlustriren.    /  Venöser,    'J  arte- 
.    ,       ...  i       rteller  Bfatbehttlter,  a  Athmungsorgane.    Die  Pfeile  «U  nten  die 

nach  den  Kiemen  oder  Hiehtun}?  tlc<  umströme*  an.  -  Orig. 
L  u  n  gen  b  e  f o  r  d  er  t  w  1  r  d . 

Nachdem  es  hier  die  Kohlensäure  abgegeben  und  Sauerstofl  aufge- 
nommen bat,  geht  das  Blut,  welches  jetzt  als  arterielles  bezeichnet 
wird,  in  einen  zweiten  grossen  Blutb  eh  älter,  aus  welchem  es 
in  den  Körper  hineinströmt.  Derartig  ist  die  Anordnung  durchgehends 
bei  den  mit  Athmungswerkzeugen  und  einem  ausgebildeten  Gefässsystem 
versehenen  Thieren;  innerhalb  dieses  gemeinsamen  Rahmens  findet  man 
aber  sehr  grosse  Unterschiede.   Bei  vielen  wirbellosen  Thieren  (Weich- 


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30 


Allgemeiner  Theil. 


thieren,  Krebsen)  wird  der  oben  genannte  ., zweite  grosse  Blutbehälter" 
(Fig.  19,  2)  von  dem  Herzen  repräsentirt;  dieses  empfängt  also  bei 
jenen  das  arterielle  Blut  von  den  Kiemen,  ist  ein  .,a  rteri  cl  1  e  s 
Herz",  aus  welchem  dann  das  Blut  in  den  Körper  getrieben  wird; 
vom  Körper  geht  das  venöse  Blut  in  einen  grossen  venösen,  nicht 
contractilen  Behälter,  einen  venösen  „ßlutsinus"  (dem  ersten  der  oben- 
genannten grossen  Blutbehälter  [Fig.  19.  1]  entsprechend),  welcher 
wieder  das  Blut  an  die  Kiemen  abgiebt.  Bei  den  Fischen  ist  es  ganz 
anders;  bei  ihnen  repräsentirt  das  Herz  den  ersten  grossen  Behälter, 
welcher  das  venöse  Blut  aus  dem  Körper  aufnimmt  und  dasselbe  an 
die  Kiemen  abgiebt,  das  Herz  dieser  Thiere  ist  ein  „venöses 
Herz";  von  den  Kiemen  geht  das  Blut  zur  Aorta,  einem  grossen 
(nicht  pulsirenden)  Gefäss,  welches  dem  zweiten  Behälter  entspricht, 
und  von  diesem  in  den  Körper  hinein.  Bei  Vögeln  und  Säugethieren 
ist  das  Verhältniss  wieder  wesentlich  anders,  indem  hier  eigentlich, 
wenn  man  die  Function  allein  betrachtet,  zwei  Herzen  vorhanden  sind, 
von  welchen  das  eine,  die  rechte  Seite  des  Herzens  (rechter  Vorhof 
und  rechte  Herzkammer),  den  ersten,  venösen  Blutbehälter  repräsen- 
tirt, indem  es  das  Blut  aus  dem  Körper  empfängt  und  in  die  Lungen 
führt,  während  das  andere  (linker  Vorhof  und  linke  Herzkammer)  den 
zweiten,  arteriellen  Behälter  darstellt,  das  Blut  aus  den  Athmungs- 
organen  empfängt  und  in  den  Körper  hineintreibt. 

Es  ist  hier  übrigens  hervorzuheben,  dass  die  Ausbildung  besonderer 
Athmungsorgane  es  in  keiner  Weise  mit  sich  führt,  dass  die  allgemeine 
Haut-  und  Darmrespiration  aufhört.  Diese  Seiten  der  Athmung  sind 
zwar  bei  manchen  Thieren,  z.  B.  bei  den  Säugethieren,  von  sehr  unter- 
geordneter Bedeutung,  bei  anderen  können  sie  dagegen,  besonders  die 
Hautathmung,  eine  bedeutende  Rolle  spielen;  ein  Frosch  kann  /.  B. 
einige  Zeit  fortleben,  nachdem  er  seiner  Lungen  beraubt  worden  ist, 
während  er  sehr  schnell  stirbt,  wenn  man  —  durch  Bestreichen  der 
Haut  mit  Oel  —  die  Hautrespiration  unterdrückt,  wenn  auch  die 
Lungen  in  voller  Thätigkeit  sind. 

In  den  rothen  Blutkörperchen  der  Wirbclthiere  ist  ein  rothfnrbiger 
Stoff,  Hämoglobin,  vorhanden,  welcher  für  die  Athmung  von  grosser 
Bedeutung  ist,  indem  der  grösste  Theil  des  aufgenommenen  Sauerstoffs  nicht 
einfach  in  der  Blutflüssigkeit  aufgelöst,  sondern  chemisch  an  das  Hämo- 
globin gebunden  ist,  von  welchem  er  sich  jedoch  sehr  leicht  wieder  trennt, 
was  eben  geschieht,  indem  das  Blut  in  den  Capillaren  durch  die  Gewebe 
tritt;  wenn  das  Hämoglobin  sauerstoffreich  ist,  hat  das  Blut  eine  hochrothe 
Farbe  (arterielles  Blut) ;  wenn  es  sauerstoffarm  ist,  erscheint  das  Blut  dunkel- 
roth  (venöses  Blut).  —  Das  Hämoglobin  ist  ausserdem  noch  in  der  Blut- 
flüssigkeit verschiedener  niederer  Thiere  nachgewiesen. 

Durch  die  in  den  Zellen  stattfindende  Oxydation  (Verbrennung) 
werden  nicht  nur  die  Kräfte  erzeugt,  welche  sich  als  die  Lebens- 
thätigkeiten  äussern:  die  Protoplasmabewegung,  die  Muskelcon- 
tractionen ,  die  eigentümlichen  Vorgänge  in  den  Nervenzellen  und 
-fasern  etc.,  sondern  auch  Wärme.  Die  so  erzeugte  Wärme  geht 
jedoch  im  Allgemeinen  durch  Ausstrahlung  von  der  Oberfläche  des 
Körpers  und  in  anderer  Weise  schnell  wieder  verloren,  so  dass  die 
Körperwärme  bei  den  meisten  Thieren  nur  sehr  wenig  höher  ist  als 
die  Wärme  der  sie  umgebenden  atmosphärischen  Luft.  Nur  bei  den 
sogenannten  ,. warmblütigen"  Wirbelthieren  (Vögeln  und  Säugethieren) 
ist  die  Wärmeproduction  so  bedeutend  und  der  Körper  ist  mit  Vor- 


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II.  Organe. 


31 


richtungen  ausgestattet,  welche  dazu  geeignet  sind,  die  erzeugte 
Wärme  besser  als  gewöhnlich  zurückzuhalten,  dass  sie  im  Stande 
sind,  ihren  Körper  auf  einem  einigermassen  Constanten,  ziemlich  hohen 
Wärraegrad  zu  halten,  welcher  zuweilen  sehr  bedeutend  von  dem  der 
umgebenden  Luft  abweichen  kann.  Der  Körper  bedarf  übrigens  einer 
gewissen  inneren  Wärme  —  welche  bei  verschiedenen  Thieren  ver- 
schieden ist  — ,  damit  die  Lebensthätigkeiten  auf  normale  Weise 
stattfinden  können ;  sinkt  dieselbe,  so  tritt  zunächt  eine  gewisse  Träg- 
heit ein,  welche  endlich  in  den  Tod  übergehen  kann.  Aehnliche 
Folgen  hat  die  Erhöhung  der  Wärme  über  eine  gewisse  Grenze  hinaus. 

Lautorgane.  Viele  Thiere  haben  das  Vermögen,  Laute  von  ver- 
schiedener Art  zu  erzeugen.  Wenn  wir  dieses  Vormögen  an  dieser  Stelle 
erwähnen,  so  geschieht  es  nicht  desshalb,  weil  dasselbe  in  irgend  einem  Ver- 
hältnisse zu  dem  eigentlichen  Respirationsprocess  steht ,  sondern  weil  die 
lauterzeugenden  Organe  bei  den  luftathmenden  Thieren ,  welche  besonders 
mit  diesem  Vermögen  ausgerüstet  sind,  gewöhnlich  eng  an  die  Athmungs- 
organe  geknüpft  sind.  Am  Eingange  zu  den  Luftathmungsorganen  sind 
öfters  dünne  Platten  oder  Hautfalten  („Stimmbänder")  vorhanden ,  welche 
durch  die  aus  den  Athmungsorganen  ausgepresste  Luft  in  Schwingungen 
versetzt  werden  können.  In  dieser  Weise  wird  nicht  nur  die  Stimme 
der  meisten  Wirbelthiere  erzeugt,  sondern  auch  manche  der  Laute  der  In- 
sekten werden  in  derselben  Weise  gebildet.  Die  Lautäusserung  kann  aber 
auch  von  den  Athmungswerkzeugen  ganz  unabhängig  sein.  Gewisse  Schrei- 
und  Knarrlaute  bei  Insekten,  Krebsen  und  Fischen  kommen  z.  B.  dadurch 
zu  Stande,  dass  feste  Flächen  gegen  einander  gerieben  werden ;  der  summende 
Laut  der  Bienen  und  anderer  fliegender  Insekten  kaun  durch  Schwingungen 
der  Flügel  erzeugt  werden  etc.  Die  verschiedenen  Lautäusserungen  haben 
in  erster  Linie  den  Zweck,  als  Mittheilungsmittel  anderen  Individuen  der- 
selben Art  gegenüber  zu  dienen,  sie  werden  aber  ausserdem  häufig  aus 
anderen  Gründen  hervorgebracht,  um  einen  Angreifer  zu  erschrecken  etc. 

Leuchtorgane.  In  einem  nahen  Verhältniss  zum  Respirationsprocess 
steht  das  Leuchtvermögen ,  welches  man  bei  manchen ,  namentlich  wirbel- 
losen Thieren  trifft.  Die  Lichtentwicklung  ist  gewöhnlich  an  gewisse  Zellen, 
namentlich  Oberhautzellen  geknüpft,  in  deren  Protoplasma  fettartige  Stoffe 
vorhanden  sind ;  das  Licht  wird  dadurch  erzeugt,  dass  der  Sauerstoff  sich 
mit  diesen  Stoffen  verbindet,  also  durch  eine  Art  „Verbrennung",  welche 
übrigens  nicht  mit  einer  Wärmeproduction  verbunden  zu  Bein  braucht. 
Das  Leuchten  findet  sich  bei  sehr  vielen  Thieren  verschiedener  Abtheilungen 
(wenn  auch  die  nichtleuchtenden  allerdings  in  grosser  Majorität  sind) :  bei 
gewissen  Protozoen,  Cölenterateu,  Stachelhäutern,  Borstenwürmern,  Krebsen, 
Insekten,  Muscheln,  Mantel  thieren,  Fischen.  — -  Mit  diesem  Leuchtvermögen 
lebender  Thiere  darf  das  Leuchten  todter  Thiere,  z.  B.  Fische,  nicht 
zusammengestellt  werden ;  letzteres  wird  durch  gewisse  Bakterien  bewirkt, 
wobei  es  fraglich  ist,  ob  das  Licht  von  den  in  Zersetzung  begriffenen  Ge- 
weben des  Thieres  oder  von  den  Bakterien  selbst  ausstrahlt. 

9.  Excretions-  oder  Harnorgane. 

Bei  den  chemischen  Processen  in  den  Zellen  werden  ausser 
Kohlensäure  auch  gewisse  andere,  besonders  stickstoffhaltige,  Abfall- 


nicht  weiter  verwendet  werden  können.  Zum  Wegschaffen  derselben 
sind  bei  der  Mehrzahl  der  Thiere  besondere  drüsige  Organe  aus- 


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32 


Allgemeiner  Theil. 


gebildet,  die  Harn-  oder  Excretionsorgane  (Nieren).  Diese 
treten  bei  verschiedenen  Thieren  in  ziemlich  verschiedener  Form  auf. 
Oft  sind  die  Harnorgano  durch  lange  gewundene  Drusenschläuche  — 
in  anderen  Fällen  durch  kürzere  Säcke  —  vertreten ,  welche  an  der 
Körperoberttäche  oder  in  den  hinteren  Theil  des  üarmkanals  aus- 
münden; das  Secret,  der  Harn,  ist  entweder  ganz  flüssig  oder  ent- 
hält feste,  körnige  oder  krystallinisehe  Körperchen.  Manchmal  ist  ein 
Sack  ausgebildet,  welcher  als  Reservoir  für  den  abgesonderten  Harn 
dient:  Harnblase;  diese  kann  z.  B.  eine  erweiterte  Partie  eines  Drüsen- 
scblauches  oder  des  Ausführungsganges  mehrerer  solcher  sein.  — 
Ausserdem  besitzen  aber  bei  manchen  Thieren  andere  Organe  eine 
exeretorische  Nebenfunction:  bei  einigen  Borstenwürmern 
sondern  die  Zellen  gewisser  Abschnitte  des  Darmkanals  feste  Con- 
cretionen  aus,  welche  ohne  Zweifel  Harnstoffe  sind;  Aehnliches  gilt 
auch  für  den  Enddarm  der  Räderthiere  und  für  einen  Theil  der 
Zellen  der  Leber  bei  den  Schnecken  etc. 

Nicht  immer  jedoch  werden  die  im  Körper  gebildeten  Abfall- 
produkte aus  dem  Körper  weggeschafft ;  in  einigen  (wahrscheinlich  in 
vielen)  Fällen  werden  sie  in  Zellen  abgelagert,  welche  keine  Verbin- 
dung mit  der  Aussenwelt  besitzen.  Solches  ist  z.  B.  mit  gewissen 
Fliegenlarven  der  Fall,  bei  denen  eine  Zellenmasse  um  das  Herz  sich 
findet,  in  welche  Excretionsstoffe  abgelagert  werden.  Bei  einer  Nackt- 
schnecke, deren  eigentliche  Niere  rückgebildet  ist.  findet  man  im 
ganzen  Körper  Zellen  zerstreut,  welche  Harnsäure-Öoncremente  ent- 
halten. 

Auch  die  bei  den  meisten  Thieren  in  so  ausgedehntem  Maasse  vorhandenen 
Pigmentbildungen  dürften  zum  grossen  Theil  eine  exeretorische  Bedeutung 
besitzen.  Es  scheinen  die  Pigmente  in  manchen  Fällen  Abfallprodukte  dar- 
zustellen, welche  ähnlich  wie  die  soeben  genannten  in  Zellen  dauernd  de- 
ponirt  werden.  In  anderen  Fällen  werden  regelmässig  grosse  Pigmentraassen 
au 8  dem  Körper  weggeschafft :  bei  der  Häutung  mancher  Thicre ,  bei  der 
Härung  der  Säugethiere ,  bei  der  Mauser  der  Vögel  werden  die  in  der 
Cuticula,  resp.  den  Haaren  und  den  Federn  vorhandenen  Pigmente  aus  dem 
Körper  entfernt.  ') 

10.  Fortpflanzung  und  Fortpflanzungsorgane 

Die  Fortpflanzung,  die  Erzeugung  neuer  Individuen,  erscheint 
irn  Thierreich  in  zwei  ganz  verschiedenen  Formen,  als  ungeschlecht- 
liche und  als  geschlechtliche  Fortpflanzung.  Wir  betrachten 
zunächst  die  erstere.  innerhalb  welcher  wieder  die  Fortpflanzung  durch 
Theil  ung  und  durch  Sprossung  (Knospung)  unterschieden 
werden. 

Die  Theilung  findet  in  der  Weise  statt,  dass  an  dem  betreffenden 
Individuum  Längs-  oder  Querfurchen  aultreten,  welche  immer  tiefer 
in  den  Körper  hineindringen  und  denselben  endlich  in  zwei  gewöhn- 
lich ungefähr  gleich  grosse  Theile  trennen,  welche  durch  Waehsthum 
vor,  während  oder  nach  der  Trennung  sich  derartig  vervollständigen, 
dass  jeder  Theil  dem  ursprünglichen  Individuum  gleich  wird:  seltener 


l)  Das  in  der  Oberhaut  und  den  Hanren  der  Säugethiere  vorhandene  Pigment 
wird  —  jedenfalls  zum  grossen  Theil  —  nicht  an  Ort  und  Stelle  gebildet,  sondern 
durch  Wanderzellen,  welche  aus  dem  unterliegenden  Bindegewebe  in  die  Oberhaut 
einwandern,  in  diese  hineingebracht. 


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II.  Organe. 


33 


findet  die  Theilung  ohne  vorhergehende  Einschnürung,  als  eine  plötz- 
liche Sprengung  des  Thieres  in  zwei  Stücke,  statt.  Die  Sprossnil g 
ist  dadurch  von  der  Theilung  abweichend,  dass  nur  ein  kleinerer 
Theil *)  des  Körpers  des  ursprünglichen  Individuums  durch  starkes 
Wachsthum  sich  zu  einem  neuen  Thiere  entwickelt,  so  dass  jenes  sich 
als  Mutterindividuum ,  als  erzeugendes,  dem  Sprössling  gegenüber 
verhält,  "während  bei  der  Theilung  die  beiden  Individuen  als  gleich- 
werthig  erscheinen.  Uebrigens  gehen  diese  beiden  Fortpflanzungs- 
formen  derartig  in  einander  über,  dass  es  vielfach  unmöglich  ist,  zu 
sagen,  ob  man  einer  Theilung  oder  einer  Sprossung  gegenüber  steht. 
Wir  werden  im  Laufe  der  speciellen  Darstellung  verschiedenen  Fällen 
der  ungeschlechtlichen  Fortpflanzung  begegnen,  besonders  (ausser 
bei  den  Protozoen)  bei  Cölenteraten ,  Plattwürmern  und  Borsten- 
würmern, seltener  bei  Stachelhäutern. 

Öe.fters  sondert  sich  das  durch  Theilung  oder  Sprossung  erzeugte 
neue  Individuum  nicht  vollständig  von  dem  anderen,  sondern  bewahrt 
einen  mehr  oder  weniger  innigen  Zusammenhang  mit  ihm;  indem  die 
Sprossung  oder  Theilung  sich  wiederholt,  entstellt  ein  grösserer  oder 
kleinerer  Complex  von  Thieren,  welche  sännntlich  mit  einander  in 
Verbindung  stehen  und  durch  ungeschlechtliche  Fortpflanzung  aus 
einem  ursprünglichen  Individuum  entstanden  sind:  eine  Colonie. 
ein  Thier  stock.  Die  den  Stock  zusammensetzenden  Individuen 
haben  in  grösserem  oder  geringerem  Grade  ihre  Selbständigkeit  ein- 
gebüsst,  je  nach  der  mehr  oder  weniger  engen  Verbindung  mit  den 
übrigen  Individuen  des  Stockes;  vergl.  den  Spec.  Theil.  Stock- 
bildungen finden  sich  besonders  bei  Korallen,  Hydroiden,  Plattwürmern 
und  Moosthieren. 

SprossuDg,  Theilung  und  Stockbildung  kommt  in  der  Regel  nicht  bei 
Wirbelthieren,  ebenso  wenig  wie  bei  Gliederfüsslern  und  bei  Weichthieren  vor. 
Die  Regel  ist  jedoch  nicht  ohne  Ausnahmen,  ja  die  erwähnten  Fortpflanzungs- 
formen können  sogar  bei  den  höchsten  Wirbelthieren  auftreten.  Iis  beruhen 
z.  6.  die  beim  Menschen  vorkommenden  Zwillingsgeburten  zuweilen  darauf, 
dass  sich  der  Embryo  (die  Frucht)  auf  einer  sehr  frühen  Entwicklungsstufe 
in  einer  Weise  get heilt  hat,  welche  völlig  der  Theilung  niederer  Thiere 
entspricht.  Ist  diese  Theilung  unvollständig,  so  wird  das  Resultat  ebenso 
wie  bei  niederen  Thieren  die  Bildung  eines  Stockes;  die  bekannten  „sia- 
mesischen Zwillinge"  und  ähnliche  Phänomene  (welche  bei  den  Hausthieren 
recht  häufig  vorkommen)  sind  durch  unvollständige  Theilung  eines  ursprüng- 
lich einfachen  Individuums  auf  einer  sehr  frühzeitigen  Entwicklungsstufe 
entstanden,  sie  bilden  einen  kleinen  „Menschenstock".  Diese  ungeschlecht- 
liche Fortpflanzung  der  Wirbelthiere  ist  jedoch  immer  an  sehr  frühe  Stadien 
der  Entwicklung  des  Thieres,  an  das  „Fruchtleben  w  geknüpft,  während 
das  ausgebildete  Wirbelthier  sich  nie  in  ungeschlechtlicher  Weise  fortpflanzt. 

Regeneration.  Mit  der  ungeschlechtlichen  Fortpflanzung  nahe  verwandt 
ist  das  Vermögen,  durch  Neubildung  Körpertheile  zu  ersetzen  (regeneriren), 
welche  durch  äussere  Eingriffe  verloren  gegangen  sind,  was  durch  Wachs- 
thum von  den  dem  Defect  am  nächsten  befindlichen  Gewebepartien  geschieht. 
Dieses  Vermögen  besitzen  die  verschiedenen  Thiere  in  sehr  verschiedenem 
Grade.  Sehr  gering  ist  es  z.B.  bei  den  Säugethieren,  welche  verloren  gegangene 
Hautpartien  und  Aehnliches  durch  Regeneration  ersetzen  können,  während 


')  Welcher  jedoch  immer  Theile,  die  aus  den  verschiedenen  Keimblättern 
(vergl.  den  Abschnitt  über  Jßntwicklung)  stamm™,  enthalten  mus«. 

Bon,  Zoologie.  3 


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34 


Allgemeiner  Theil. 


der  Verlust  grösserer  Theile  des  Organismus  (z.  B.  des  Schwanzes,  der 
Gliedmaassen)  nicht  ersetzt  wird.  Grösser  ist  es  bei  gewissen  niederen 
Wirbelthieren ,  z.  B.  bei  den  Eidechsen ,  bei  denen  der  Schwanz  sich  re- 
generiren  kann,  oder  bei  den  Wassersalamandern ,  welche  nicht  nur  einen 
neuen  Schwanz,  sondern  auch  neue  Gliedmaassen  bilden  können.  Bei  wirbel- 
losen Thieren,  sogar  bei  einem  verhältnissmässig  so  complicirten  Geschöpf 
wie  dem  Regenwurm,  können  sich  grosse  Stücke  des  Körpers  regeneriren ; 
ja  bei  einigen  Thieren  ist  das  Regenerationsvermögen  so  gross,  dass  sie,  in 
zwei  oder  mehrere  Stücke  zerschnitten,  zu  ebenso  vielen  neuen  Individuen 
auswachsen  (das  bekannteste  Beispiel  in  dieser  Richtung  bietet  der  Süss- 
wasserpolyp  dar). 

Während  die  ungeschlechtliche  Fortpflanzung  bei  einigen  Thier- 
formen  auftritt,  bei  anderen  fehlt,  besitzen  dagegen  alle  Meta- 
zoen  eine  geschlechtliche  Fortpflanzung:,  deren  wesentlicher  Cha- 
rakter darin  besteht,  dass  ei  im;  einzige  Zelle  sich  zu  einem 
neuen  Individuum  entwickelt,  gewöhnlich  nachdem  dieselbe  mit  einer 
anderen  Zelle  verschmolzen  ist,  welche  entweder  in  demselben  Indi- 
viduum oder  in  einem  anderen  derselben  Art  gebildet  ist.  An  ge- 
wissen Stellen  des  Körpers  findet  bei  vielen  thierischen  Organismen 
eine  Entwicklung  eigenthümlicher,  gewöhnlich  ziemlich  grosser  Zellen 
statt,  welche  als  Eier  bezeichnet  werden.  Ferner  entwickelt  sich  — 
bei  denselben  oder  anderen  Individuen  —  eine  andere  Art  von  Zellen, 
gewöhnlich  von  geringer  Grösse  und  eigenthüralichem  Aussehen, 
welche  als  Samenkör perchen  oder  Spermatozoon  bezeichnet 
werden.  Wenn  ein  Ei  und  ein  Samenkörperchen,  welche  in  Organismen 
derselben  thierischen  Art ')  gebildet  sind,  mit  einander  in  Berührung 
kommen,  so  dringt  das  Samenkörperchen  in  das  Ei  ein.  der  Kern 
des  ersteren  verschmilzt  mit  dem  Kern  des  Eies,  der  übrige  Theil 
des  Körperchens  löst  sich  im  Protoplasma  des  Eies  auf,  und  die 
durch  die  Verschmelzung  der  beiden  Zellen  gebildete  neue  Zelle, 
das  befruchtete  Ei,  wie  es  genannt  wird,  entwickelt  sich  durch 
eine  Reihe  von  Umbildungen,  welche  wir  später  (Abschnitt  IV)  näher 
betrachten  werden,  zu  einem  neuen  Individuum  derselben  Art  wie 
diejenige,  welcher  das  Ei  und  dns  Samenkörperchen  entstammen. 

Diejenigen  Individuen,  welche  Eier  erzeugen,  werden  als  Weib- 
chen diejenigen,  in  welchen  Samenkörperchen  gebildet  werden, 
als  Männchen  (3)  bezeichnet;  diejenigen  Thiere,  welche  beides  er- 
zeugen, nennt  man  Zwitter  oder  Hermaphroditen.  Falls  ein 
Thier  —  was  seltener  der  Fall  ist  —  es  nie  dazu  bringt,  Eier  oder 
Samenkörperchen  zu  produciren,  wird  es  als  ungeschlechtlich 
bezeichnet. 

Bei  verschiedenen  niederen  Thieren  (Cölenteraten  etc.)  ist  die 
Bildung  der  Eier  und  Samenkörperchen  nicht  an  bestimmte  Organe 
geknüpft,  sondern  an  verschiedenen  Stellen  des  Körpers  können  Zellen 
sich  zu  Eiern  oder  Spermatozoon  entwickeln.  Bei  den  meisten  Thieren 
werden  die  Eier  jedoch  in  mehr  oder  weniger  bestimmt  abgegrenzten 
Organen  gebildet,  welche  als  Eierstöcke  oder  Ovarien  bezeichnet 
werden,  und  von  welchen  in  demselben  Individuum  ein  einziges,  ein 
Paar  oder  eine  grössere  Anzahl  vorhanden  sein  können.  Der  Bau 
der  Eierstöcke  ist  bei  verschiedenen  Thiergruppen  ziemlich  verschieden, 
sie  stimmen  jedoch  insofern  mit  einander  überein,  als  sie  Eizellen  von 


')  Vergl.  den  Abschnitt  V. 


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II.  Organe. 


35 


verschiedenem  Entwicklungsgrade  enthalten ,  welche  meistens  durch 
Bindegewebe  zusammengehalten  werden.  Die  Eierstöcke  stehen  ge- 
wöhnlich mit  Eileitern  in  Verbindung,  welche  die  reifen  Eier  aus 
dem  Körper  hinausführen  und  nicht  selten  zugleich  als  vorläufige 
Aufbewahrungsstelle  derselben  dienen.  In  den  Eileiter  münden  öfters 
besondere  Drüsen,  die  z.  B.  das  Eiweiss  absondern,  welches  bei 
manchen  Thieren  das  Ei  umgiebt,  oder  deren  Secret  in  erhärtetem 
Zustande  die  häufig  vorhandene  Eischale  bildet.  Vielfach  sind  auch 
sackförmige  Ausstülpungen  am  Eileiter  vorhanden,  in  welchen  die  bei 
der  Paarung  aufgenommenen  Samenkörperchen  aufgehoben  werden 
(Samentasche,  Receptaculura  seminis);  nicht  selten  ist  ferner  ein 
Abschnitt  des  Eileiters  zu  einem  Uterus  (Gebärmutter)  erweitert, 
in  welchem  die  Eier  längere  oder  kürzere  Zeit  verweilen  und  öfters 
einen  grösseren  oder  kleineren  Theil  ihrer  Entwicklung  durchlaufen. 
Häufig  besteht,  wie  bei  den  meisten  Wirbelthieren,  kein  unmittelbarer 
Zusammenhang  zwischen  Eierstock  und  Eileiter;  letzterer  ist  dann 
ein  an  beiden  Enden  offenes  Rohr,  welches  mit  einer  trichterförmigen 
Oeffnung  in  die  Leibeshöhle  mündet;  die  Eier  gelangen  aus  dem 
Eierstock  in  die  Leibeshöhle  und  werden  von  dem  genannten  Trichter 
aufgenommen.  Bisweilen  fehlt  ein  besonderer  Eileiter  völlig,  so  bei 
vielen  Borstenwürmern  ,  und  die  Eier  werden  dann  aus  dem  Körper 
durch  Organe  ausgeführt,  deren  Hauptfunction  eine  andere  ist  (bei  den 
Borstenwürmem  von  den  Excretionsorganen),  oder  sie  gelangen  ein- 
fach durch  ein  Loch  in  der  Leibeswand  nach  aussen.  —  Die  Organe, 
in  denen  die  Samenkörperchen,  der  Samen,  gebildet  werden,  werden 
als  Hoden  bezeichnet.  Sie  bestehen  häufig  aus  drüsenähnlichen 
Röhren,  welche  sich  zu  einem  Samenleiter  vereinigen,  durch 
welchen  der  Samen  aus  dem  Körper  geführt  wird;  sie  können  wie 
die  Eierstöcke  in  verschiedener  Anzahl  vorhanden  sein.  Der  Samen- 
leiter kann  mit  Drüsen  ausgestattet  sein,  deren  Secret  dein  Samen 
beigemengt  wird.  Oefters  finden  sich  an  der  Geschlechtsöffnung  be- 
sondere Anhänge,  welche  dazu  geeignet  sind,  den  Samen  in  die  Ei- 
leiter des  Weibchens  überzuführen  (Begattungswerkzeuge,  Penis).  — 
Bei  den  Hermaphroditen  findet  man  entweder  einen  besonderen 
Eierstock  (oder  mehrere  solche)  und  einen  besonderen  Hoden,  oder 
eine  gemeinsame  Zwitterdrüse1),  in  welcher  sowohl  Eier  als 
Samenkörperchen  gebildet  werden.  —  Alle  Organe,  welche  der  ge- 
schlechtlichen Fortpflanzung  dienen,  werden  als  Geschlechts- 
organe bezeichnet. 

Bei  manchen  Hermaphroditen  werden  zu  gleicher  Zeit  reife  Eier  und 
Samenkörperchen  erzeugt.  Bei  anderen  werden  aber  entweder  zuerst  Eier, 
später  Samenkörperchen  gebildet,  so  dass  die  betreffenden  Thiere  zuerst  als 
Weibchen,  später  als  Männchen  fungiren  (protogyne  Hermaphroditen, 
2.  B.  die  Salpen),  oder  sie  erzeugen  zuerst  Samen,  später  Eier  (prot- 
andrischeH. ,  z.  B.  gewisse  Nematoden). 

Das  Ei  ist,  wie  schon  oben  erwähnt  wurde,  eine  einzige  Zelle. 
Dieselbe  besitzt  vielfach  einen  sehr  einfachen  Bau ,  besteht  aus 
Protoplasma  mit  einem  centralen  rundlichen  Kern,  dem  Keim- 
bläschen, in  welches  meistens  ein  deutliches  Kernkörperchen,  der 

')  Hoden  und  Eierstock  werden  mit  dem  gemeinsamen  Namen  Geschlechts- 
drüsen bezeichnet.  Es  versteht  sich,  dass  aas  Wort  „Drüse"  hier  wie  öfters  in 
unpassender  Weise  gebraucht  wird;  Eierstock.  Hoden,  Zwitterdrüse  sind  keine 
Drusen. 

8* 


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36 


Allgemeiner  Theil. 


sogenannte  Keimfleck,  eingeschlossen  ist;  das  ganze  Ei  ist  meist 
von  rundlicher  Form ;  zuweilen  führt  es  amöboide  Bewegungen  aus. 
In  der  Regel  sind  die  Bewegungen  jedoch  dadurch  begrenzt,  dass  das 
Ei  von  einer  dünneren  oder  dickeren  Hülle,  der  Dotter-  oder  Ei- 
haut, umschlossen  ist;  diese  ist  zuweilen  mit  einer  Ocffnung,  der 
Mikropyle,  versehen,  durch  welche  das  Saiuenkörperchen  in  das 


Fi«.  20.    Ki  de*  Men- 
schen,  n  Kiliant,  b  l'ru- 
tonhumm.    e  Kern. 
Nach  Kölliker. 


h 
d 


21.  Schema 
einen  Kies  mit  einer 
grossen  Menge  von 
Dotterkugeln,  d;  «las 
Protoplasma,  h,  mit 
«lein  Kern,  c,  gröbsten  - 
tlieils   au    einem  Pul 

Ita— mmeit.  —  Nach 
Hartwig. 


Ei  eindringt.  —  In  anderen  Fällen  erreicht  das  Ei  dadurch  eine  be- 
deutendere, zuweilen  kolossale  Grösse,  dass  sich  im  Protoplasma  eine 
Menge  fett-  oder  eiweissartiger  Körperchen  von  verschiedener  Form : 
D o tter körnchen,  -kugeln,  -plättcheu,  ausgeschieden  haben;  solches 
ist  z.  B.  beim  Frosch  und  noch  mehr  bei  den  Vögeln  der  Fall,  deren 
Ei  —  nach  gewöhnlichem  Sprachgebrauch  als  Eidotter  bezeichnet ')  — 
eine  kolossale  Zelle  ist,  welche  aus  einer  kleinen  Menge  Protoplasma 
und  einer  ungeheuren  Menge  Dotterkügelcheu  besteht;  letztere  bilden 
den  weitaus  grösseren  Theil  des  Eies,  das  Protoplasma  mit  dem 
Kern  ist  hauptsächlich  auf  der  einen  Seite  des  Eies  gelagert.  In 
anderen  Fällen  ist  das  Protoplasma,  wie  bei  Insekten  und  Krebs- 
thieren,  dagegen  über  die  ganze  Oberfläche  des  Eies  ausgebreitet  und 
umgiebt  überall  die  innere,  wesentlich  aus  Dotterkügelcheu  bestehende 
Masse. 

Als  ein  Abschluss  der  Entwicklung  der  Eizelle  finden  in  dein  übrigenB 
fertig  ausgebildeten  Ei  eigentümliche  Umbildungen  des  Kerns  statt,  durch 
welche  der  Kern  einen  Theil  seiner  Substanz  verliert  und  somit  von  ge- 
ringerer Grösse  wird.  Meistens  ist  diese  Umbildung  von  der  Erzeugung  so- 
genannter P o  1  z e  1 1  e n  oder  Richtungskörperchen  begleitet ,  welche 
Gebilde,  aus  T heilen  des  Kernes  und  etwas  Protoplasma  bestehend,  aus 
dem  Ei  ausgestosaen  werden.  Die  Bedeutung  dieses  Processes  ist  noch 
räthselhait. 

Das  Samenkörperchen  ist  ebenso  wie  das  Ei  eine  einzige, 
meistens  ziemlich  kleine  Zelle.  Nur  in  selteneren  Fällen  hat  es 
jedoch  eine  so  einfache  Form  wie  das  Ei;  bei  gewissen  Krebsthieren 
(Fig.  22,  l)  findet  man  z.  B.  Samenkörperchen .  welche  einfache, 
rundliche  Zellen  sind  mit  centralem  Kern,  und  Aehnliches  ist  auch 
bei  gewissen  Rundwürmern  (z.  B.  Heterodera)  der  Fall,  deren  Samen- 
körperchen sogar  Pseudopodien  aussenden  können  und  sich  amöben- 
artig fortbewegen.  In  der  Regel  ist  das  Samenkörperchen  mit  einem 
sehr  langen  kräftigen  Wimpergeissel ,  dem  sogenannten  Schwanz, 
versehen,  während  der  Kern  zu  dem  sogenannten  Kopf  des  Samen- 

')  Eiweiss  und  Schale  des  Vogeleies  sind  Absonderungsproducte  des  Eileiters 
und  gehören  somit  eigentlich  nicht  zum  Ei. 


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II.  Organe.  37 

körperchens  umgebildet  ist;  der  übrige  Theil  des  Protoplasmas 
schwindet  während  der  Entwicklung  des  Samenkörperchens ;  durch 
Schwingungen  des  Schwanzes  wird  das  Samenkörperchen  lebhaft 
fortbewegt.    In  einigen  Fällen,  wie  bei  manchen  Krebsthieren,  fehlt 


Fig.  22.  Spermatozoon  verschiedener  Thiere,  /  eine»  Krebses 
fT/iysanoputJ,  2  einer  Krabbe,  3  des  Menschen,  4  einen  Sala- 
manders (mit  einem  Saum  längs  des  Wimperhaares),  5  eines 
Küfers,    h  Kopf  (Kern).  —  Nach  verschiedenen  Autt. 


das  Wimperhaar ,  das  Protoplasma  erhält  sich  in  grösserem  oder 
kleinerem  Maasse  und  ist  in  längere  oder  kürzere  Fortsätze  aus- 
gezogen (Fig.  22,  2).  Andere  Formen  sind  in  Fig.  22,  4—5  abgebildet. 

Die  Befruchtung,  welche  übrigens  nur  in  wenigen  Fällen  voll- 
ständig beobachtet  worden  ist,  findet  in  der  Weise  statt,  dass  ein 
Samenkörperchen  in  das  Ei  eindringt,  in  dessen  Protoplasma  der 
Schwanz  dann  aufgelöst  wird,  während  der  Spermatozoenkopf  mit 
dem  Kern  des  Eies  verschmilzt.  Die  Befruchtung  findet  in  vielen 
Fällen,  so  bei  den  meisten  Fischen,  bei  den  Fröschen  etc.,  ausserhalb 
des  Körpers  der  betreffenden  Individuen,  im  Wasser,  statt:  das 
Weibchen  giebt  die  reifen  Eier,  das  Männchen  gleichzeitig  oder  kurz 
nachher  den  Samen  ab;  beiderlei  Geschlechtsstofte  werden  gemischt, 
und  die  Samenkörperchen  haben  Gelegenheit,  in  die  Eier  einzudringen. 
In  anderen  Fällen  findet  die  Befruchtung  im  Eileiter  des  Weibchens 
statt,  in  welchen  der  Samen  durch  die  Begattungswerkzeuge  des 
Männchens  übergeführt  wird  (die  Begattung). 

SecundHre  Gosen lechtscharakterc.  Die  geschlechtliche  Fort- 
pflanzung, deren  Hauptraomente  oben  erwähnt  sind,  greifen  in  der 
mannigfaltigsten  und  tiefsten  Weise  in  den  Bau  der  Thiere  ein. 
Vielfach  findet  man  ausser  den  Verschiedenheiten  der  Geschlechts- 
organe (den  primären  Geschlechtscharakteren)  auch  in  anderen  Be- 
ziehungen einen  bedeutenden  Unterschied  zwischen  Männchen  und 
Weibchen  derselben  Art  (secundäre  Geschlechtscharaktere).  Oefters 
*ind  die  Männchen  mit  besonderen  Werkzeugen  oder  besonders 
entwickelten  Körpertheilen  ausgestattet,  welche  dazu  geeignet  sind 
das  Weibchen  während  der  Paarung  festzuhalten  (Wasserkäfer); 


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38 


Allgemeiner  Theil. 


oder  sie  besitzen  besondere  Waffen,  um  andere  paarungslustige  Männ- 
„  eben  zu  bekämpfen  (Hirsche);  oder  die  Männchen  besitzen  einen 
besonderen  Schmuck  in  Gestalt  schöner  Farben,  eigenthümlicher 
Auswüchse  etc.  (viele  Vögel).  Andererseits  können  die  Weibchen 
mit  Werkzeugen,  welche  für  die  Erziehung  der  Jungen  von  Be- 
deutung sind,  versehen  sein  (Milchdrüsen  der  Säugethiere),  während 
die  Männchen  seltener  mit  solchen  ausgestattet  sind  (Seenadeln). 
Oefters  ist  ein  merklicher  oder  gar  bedeutender  Unterschied  in 
der  Grösse  beider  Geschlechter  vorhanden ;  zuweilen  übertrifft  das 
Männchen  das  Weibchen  an  Grösse  (viele  Säugethiere,  Vögel  und 
Insekten),  in  anderen  Fällen  ist  das  Weibchen  (Raubvögel,  'kund- 
würmer  etc.)  das  grössere;  in  letzterem  Fall  ist  der  Unterschied  zu- 
weilen ausserordentlich  gross,  so  bei  vielen  Schmarotzerkrebsen, 
deren  Männchen  nur  einen  geringen  Bruchtheil  der  Grösse  der 
Weibchen  erreichen,  oder  bei  einem  Gliederwurm  (Bonellia),  dessen 
Männchen  mikroskopisch  klein  sind  und  ganz  anders  aussehen  als 
die  ansehnlichen  Weibchen,  in  deren  Eileiter  sie  sich  aufhalten,  wess- 
halb  sie  früher  als  fremde  Schmarotzer  betrachtet  wurden. 

Parthenogenesis.  Die  Entwicklung  des  Eies  zu  einem  neuen  In- 
dividuum ist,  wie  oben  erwähnt,  im  Allgemeinen  davon  abhängig,  dass 
es  befruchtet  wird;  wenn  kein  Samenkörperchen  in  dasselbe  ein- 
dringt und  mit  ihm  verschmilzt,  so  wird  im  Allgemeinen  eine  weitere 
Entwicklung  ausbleiben.  Man  hat  früher  angenommen,  es  sei  ein 
unumstössliches  Gesetz,  dass  das  Ei  sich  ohne  Befruchtung  nie  zu 
einem  neuen  Individuum  entwickeln  könne.  Durch  Erfahrungen,  welche 
in  den  letzten  Decennien  gemacht  sind,  ist  es  jedoch  nachgewiesen 
worden,  dass  die  Regel  Ausnahmen  hat,  indem  die  Eier  gewisser 
Thiere  sich  auch  ohne  Befruchtung  entwickeln  können;  man 
bezeichnet  diese  Modifikation  der  geschlechtlichen  Fortpflanzung  als 
Parthenogenesis.  Dieselbe  ist  besonders  bei  Insekten,  Krebs- 
thieren  und  gewissen  Plattwürmern  verbreitet.  Bei  einigen  Thieren 
(Seidenspinner)  kommt  die  Parthenogenese  mehr  als  Ausnahme  vor : 
unbefruchtete  Eier  entwickeln  sich  nur  zuweilen ,  nicht  immer.  Bei 
anderen  ist  die  Parthenogenese  dagegen  eine  ganz  regelmässige  Er- 
scheinung, so  bei  der  Honigbiene,  deren  Eier,  wenn  sie  nicht  be- 
fruchtet werden,  sich  stets  zu  Männchen  entwickeln,  während  die  be- 
fruchteten Eier  zu  Weibchen  werden.  Bei  anderen  Formen  entwickeln 
sich  überhaupt  die  meisten  Individuen  aus  unbefruchteten  Eiern, 
indem  nur  hin  und  wieder  Männchen  erscheinen ;  oder  es  kann  sogar 
dazu  kommen,  dass  Männchen  überhaupt  —  so  weit  bekannt  —  fehlen, 
so  dass  die  Eier  scheinbar  stets  unbefruchtet  abgelegt  werden  (was 
z.  B.  bei  gewissen  Gallwespen  der  Fall  ist). 

Generationswechsel.  Bei  einigen  Thierformen  findet  man.  dass 
dasselbe  Individuum  sich  sowohl  ungeschlechtlich  als  geschlechtlich 
fortpflanzen  kann;  bei  manchen  Korallenthieren  kann  dasselbe  Indi- 
viduum sowohl  neue  Individuen  durch  Sprossung  als  auch  Eier  oder 
Samen  erzeugen,  und  dasselbe  ist  auch  bei  gewissen  Borstenwürmern 
und  Mantclthieren  der  Fall.  In  anderen  Fällen  aber  produciren  die- 
jenigen Individuen,  welche  Sprossen  erzeugen,  nicht  zugleich  Eier 
oder  Samen,  die  ungeschlechtliche  Fortpflanzung  ist  an  gewisse  Indi- 
viduen der  Art,  die  geschlechtliche  an  andere  geknüpft,  und  wir  haben 
in  solchen  Fällen  einen  mehr  oder  weniger  regelmässigen  Wechsel 
ungeschlechtlicher  und  geschlechtlicher  Brüten  oder  Generationen: 


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II.  Organe. 


39 


ungeschlechtliche  Individuen  erzeugen  durch  Sprossung  oder  Theilung 
geschlechtliche  Individuen,  deren  hefruchtete  Eier  wieder  zu  unge- 
schlechtlichen Individuen  werden  etc.;  oder  aber  es  folgen  nach  ein- 
ander zwei  oder  mehrere  Generationen  ungeschlechtlicher  Individuen, 
dann  kommt  eine  geschlechtliche  Generation,  dann  wieder  mehrere 
ungeschlechtliche  Generationen  etc.  Man  bezeichnet  einen  solchen 
regelmässigen  Wechsel  geschlechtlicher  und  ungeschlechtlicher  Brüten 
als  Generationswechsel.  Die  Generationen  können  in  einigen 
Fällen  einander  ähnlich  sein,  im  Allgemeinen  sind  die  geschlechtlichen 
aber  von  den  ungeschlechtlichen,  oft  sogar  in  hohem  Grade;  verschieden 
(Hydroiden,  Bandwürmer). 

Hetcrogonle.  Aehnlich  wie  wir  in  den  soeben  erwähnten  Fällen 
eine  regelmässige  Abwechslung  geschlechtlicher  und  ungeschlechtlicher 
Generationen  vor  uns  haben,  findet  sich  bei  manchen  Thieren  ein 
regelmässiger  Wechsel  von  Generationen,  welche  ausschliesslich  aus 
Weibchen  bestehen  und  sich  parthenogenetisch  fortpflanzen,  und 
anderen,  welche  aus  Männchen  und  Weibchen  bestehen  und  be- 
fruchtete Eier  erzeugen;  zwischen  den  jungfräulichen  und  den 
zweigeschlechtlichen  Generationen  besteht  dabei  meistens  ein  grösserer 
oder  kleinerer  Unterschied.  In  einfacher,  übersichtlicher  Form  finden 
wir  einen  solchen  Wechsel  bei  mehreren  Arten  von  Gallwespen, 
welche  auf  der  Eiche  Gallen  erzeugen:  eine  weibliche  Generation 
wechselt  hier  regelmässig  mit  einer  aus  Männchen  und  Weibchen 
bestehenden  Generation  ab;  beide  Generationen  sind  etwas,  wenn  auch 
nicht  sehr  erheblich  verschieden,  während  die  Gallen,  welche  sie  er- 
zeugen, meistens  sehr  verschieden  sind.  Etwas  complicirter  gestaltet 
sich  die  Fortpflanzung  bei  den  Blattläusen;  bei  diesen  erscheinen  den 
Sommer  hindurch  mehrere  weibliche  Generationen  nach  einander,  von 
welchen  die  letzte  eine  zweigeschlechtliche  Generation  erzeugt,  deren  be- 
fruchtete Eier  überwintern  und  zu  der  ersten  jungfräulichen  Generation 
des  folgenden  Jahres  werden ;  zu  jeder  zweigeschlechtlichen  haben  wir 
also  bei  diesen  mehrere  weibliche  Generationen.  Bei  der  Reblaus 
haben  wir  noch  dazu  die  Oomplication .  dass  nicht  nur  die  zwei- 
geschlecbtliche  Generation  von  den  weiblichen  sehr  verschieden,  son- 
dern unter  letzteren  eine  von  den  übrigen  bedeutend  verschieden 
ist.  —  Ausser  bei  den  Insekten  tritt  ein  solcher  Wechsel  weiblicher 
und  zweigeschlechtlicher  Generationen  noch  bei  verschiedenen  Krebsen 
und  Plattwürmcrn  auf. 

Bei  denjenigen  Thieren,  welche  sich  nur  durch  befruchtete  Eier 
fortpflanzen,  sind  die  auf  einander  folgenden  Generationen  fast  immer 
gleich.  Nur  ausnahmsweise  findet  sich  bei  solchen  in  Folge  besonderer 
Lebensbedingungen  ein  regelmässiger  Wechsel  von  Generationen  ver- 
schiedenen Aussehens.  Bei  gewissen  Schmetterlingen  z.  B.  findet  man 
alljährlich  zwei  (oder  drei)  Generationen,  beide  aus  Männchen  und 
Weibchen  bestehend,  von  welchen  eine,  die  Wintergeneration,  im 
Frühling  als  vollkommene  Insekten  erscheint  (sie  hat  im  Puppenzustande 
überwintert)  und  in  Farbenzeichnung  merklich  von  der  anderen  Gene- 
ration,  der  Sommergeneration,  sich  unterscheidet,  welche  sich  aus 
den  Eiern  der  ersteren  im  Laufe  des  Sommers  entwickelt  (Saison  - 
dimorphismus).  —  In  der  Lunge  der  Frösche  und  Kröten  lebt  ein 
hermaphroditischer  Rundwurm  (Rhabdonema  nigrovenosum),  dessen 
Junge  sich  zu  einer  Generation  entwickeln,  welche  freilebend  und  ge- 
trennten Geschlechts  ist  und  wesentlich  anders  aussieht  als  die  herma- 


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Allgemeiner  Theil. 


phroditische  Generation;  die  Jungen  der  freilebenden  Generation 
wandern  wieder  in  Amphibien  ein  und  werden  herraaphroditische 
Würmer  wie  ihre  Grosseltern.  Auch  einige  andere  Rundwürmer  zeigen 
dasselbe  Verhältniss :  einen  Wechsel  einer  hermaphroditischen  Gene- 
ration, welche  ein  Schmarotzerleben  führt,  und  einer  getrennt- 
geschlechtlichen, freilebenden  Generation. 

Alle  solche  regelmässigen  Wechselfolgen  geschlechtlicher  Genera- 
tionen, welche  von  verschiedenem  Aussehen  oder  verschiedenem  Ver- 
halten sind,  werden  mit  dem  gemeinsamen  Namen  Heterogonie 
bezeichnet. 

Erblichkeit.  Die  von  einem  Thier  oder  einem  Paare  vonThieren 
erzeugte  Brut  wird  im  Allgemeinen  im  ausgebildeten  Zustande  den 
Eltern  ganz  ähnlich  sein.  Diese  Aehnlichkeit  erstreckt  sich  nicht 
allein  auf  die  Charaktere,  welche  der  betreffenden  Art  (vergl.  den  Ab- 
schnitt V)  eigen  sind,  sondern  vielfach  auch  auf  solche,  welche  den 
Eltern  speciell,  individuell,  angehören.  Solche  Charaktere  werden 
zwar  nicht  immer  ererbt,  einige  können  ausfallen;  vielfach  kann  auch 
das  Junge  entweder  mehr  dem  männlichen  oder  mehr  dem  weiblichen 
Erzeuger  ähnlich  sein.  Ferner  kann  das  Junge,  z.  B.  unter  Ein- 
wirkung äusserer  Umstände,  in  kleinen  Punkten  von  den  Eltern  ab- 
weichend werden. 

Zuweilen  findet  man,  dass  Charaktere,  welche  bei  einem  Thiere 
vorhanden  waren,  welche  aber  bei  dessen  Jungen  ausgefallen  sind, 
bei  Jungen  der  letzteren  wieder  zum  Vorschein  kommen;  ein  Thier 
kann  also  individuelle  Charaktere  erhalten,  welche  nicht  bei  den 
Eltern,  sondern  bei  den  Grosseltern  vorhanden  waren;  ja  es  können 
sogar  Charaktere,  welche  noch  weiter  zurück  in  der  Ahnenreihe 
liegen,  wieder  erscheinen.  Dieses  Verhältniss  wird  als  Atavismus 
bezeichnet. 

Die  oben  als  Generationswechsel  und  Heterogonie  erwähnten 
Erscheinungen  stehen  nicht  in  Widerspruch  mit  dem  allgemeinen 
Erblichkeitsprincip.  Wenn  auch  in  jenen  Fällen  die  Jungen  den 
Eltern  unähnlich,  zuweilen  sogar  sehr  unähnlich  werden,  so  stimmen 
sie  doch  immer  mit  einer  vorhergehenden  Generation  überein;  etwas 
bleibend  Abweichendes  wird  somit  auch  nicht  in  diesen  Fällen,  welche 
vielleicht  sämintlich  als  regelmässige  Atavismen  bezeichnet  werden 
können,  erzeugt. 

11.  Die  Verbindung  der  Organe  unter  einander ;  die  Leibeshöhle. 

Die  oben  erwähnten  Organe  bilden  zusammen  den  Körper  der 
Metazoen  und  werden  gewöhnlich  durch  Bindegewebe  zusammengehalten, 
welches  bei  manchen  auch  die  Zwischenräume  zwischen  den  Organen 
ausfüllt,  so  dass  das  ganze  Thier  eine  compacte  Masse  bildet  (so 
bei  den  Plattwürmern).  Bei  den  meisten  Thieren  sind  die  Organe 
jedoch  nicht  derartig  zu  einer  zusammenhängenden  Masse  verbunden, 
sondern  es  findet  sich  im  Innern  des  Körpers  ein  grösserer  Raum, 
die  Leibeshöhle,  in  welche  ein  Theil  der  Organe,  namentlich  der 
Darmkanal,  die  Harn-  und  Geschlechtswerkzeuge,  eingeschlossen  sind, 
indem  sie  meistens  durch  bindegewebige  Fäden  oder  dünne  binde- 
gewebige Platten  (Gekröse)  an  den  Wänden  befestigt  sind.  Die  Leibes- 
höhle kann  öfters  durch  Scheidewände  in  mehrere  Abschnitte  ge- 
schieden sein:  bei  den  Sängethieren  z.  B.  durch  das  Zwerchfell  in 


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II.  Organe. 


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Brust-  und  Bauchhöhle;  bei  den  Borsten würmern  sogar  durch  Quer- 
scheidewände in  zahlreiche  Abschnitte.  Die  Leibeshöhle  wird  meistens 
mehr  oder  weniger  vollständig  von  den  in  derselben  angebrachten 
Organen,  „den  Eingeweiden",  ausgefüllt;  den  noch  übrigen  Raum 
nimmt  eine  Flüssigkeit  ein,  welche  zuweilen  einfach  Blut  ist,  indem 
die  Gefässe  vielfach  in  offener  Verbindung  mit  der  Leibeshöhle 
stehen.  —  Ausser  der  Leiheshöhle  können  bei  manchen  Thieren  noch 
an  verschiedenen  Stellen  des  Körpers  Hohlräume,  meistens  Spalten, 
von  verschiedener  Form.  Grösse  und  Bedeutung  vorhanden  sein,  welche 
ebenfalls  mit  einer  Flüssigkeit  gefüllt  sind,  die  meistens  als  diffundirte 
Blutflüssigkeit  aufzufassen  ist.  Solche  Spalträume  sind  die  Gelenk- 
höhlen  der  Wirbelthiere. 

12.  Rudimentäre  Organe. 

Neben  der  grossen  Mehrzahl  von  Organen,  welche  ganz  deutlich 
Werkzeuge  mit  bestimmten  Functionen  sind,  findet  man  hin  und 
wieder  Organe,  welche  ohne  jegliche  Bedeutung  für  das  betreffende 
Thier  sind,  sogenannte  rudimentäre  Organe. 

Als  Beispiel  solcher  Organe  kann  die  Hintergliedmaasse  des  Grön- 
landswales angeführt  werden,  welche  aus  einem  Oberschenkelknochen 
und  einem  Schienbein  besteht,  die  beide  im  Körper  des  Thieres  ver- 
borgen und  gänzlich  bedeutungslos  sind.  Die  sogenannten  Wolfszähne 
des  Pferdes  (der  vorderste  Backenzahn  jeder  Reihe)  bieten  ein  weiteres 
Beispiel  rudimentärer  Organe ;  besonders  geben  diejenigen  des  Unter- 
kiefers einen  Fall  von  sehr  weit  hervorgeschrittener  Reduction  ab, 
indem  sie  zwar  in  gewöhnlicher  Weise  angelegt  werden,  aber  sehr 
selten  durchbrechen.  Die  Augen  des  Schleimfisches  (Mt/xine),  des 
Olmes  (Proteus)  und  zahlreicher  anderer  blinder  Thiere,  die  Flügel 
des  Kiwi  (Apteryx)  und  mehrerer  anderer  straussartiger  Vögel,  die 
ganz  kurzen  Hinterflügel  verschiedener  flugunfähiger  Käfer  sind  Bei- 
spiele rudimentärer  Organe. 

Es  mag  sonderbar  erscheinen,  dass  solche  rudimentäre,  für  das 
Thier  bedeutungslose  Organe  überhaupt  existiren.  Bei  einer  näheren 
Betrachtung  wird  ihre  Existenz  aber  weniger  unverständlich.  Die 
rudimentären  Organe,  welche  jetzt  unbrauchbare  Theile  des  be- 
treffenden Thieres  sind,  waren  bei  früher  lebenden  Formen,  von  welchen 
jenes  abstammt  (vergl.  den  Abschnitt  V).  brauchbare  und  nützliche 
Theile,  welche  aber  während  der  Entwicklung  im  Laufe  der  Zeiten, 
gewöhnlich  unter  Anpassung  der  Thiere  an  eigenthümliche  und  neue 
Verhältnisse,  unnütz  geworden  und  dadurch  zu  einem  reducirten  und 
unbrauchbaren  Zustand  herabgesunken  sind.  Man  muss  z.  B.  an- 
nehmen, dass  die  Wale  von  Säugethieren  abstammen,  welche  ebenso 
wie  die  Mehrzahl  der  Säugethiere  mit  wohl  entwickelten  Hinterglied- 
maassen  ausgestattet  waren ;  diese  sind  aber  allmählich  unter  Anpassung 
der  Thiere  an  das  Leben  im  AVasser  verkümmert,  indem  der  Schwanz 
die  Function  als  das  wesentliche  Bewegungswerkzeug  des  Körpers 
übernommen  hat.  Eine  ganz  ähnliche  Betrachtung  lässt  sich  auch 
für  die  anderen  oben  citirten  Fälle  geltend  machen. 

Jedoch  nicht  für  jedes  rudimentäre  Organ  gilt  diese  Erklärung.  Solche 
Theile  wie  die  rudimentären  Milchdrüsen  der  Säugethiermännchen .  der 
rudimentäre  Eileiter  der  Amphibienmännchen ,  die  Rudimente  eines  Be- 
gsttungsorganes   bei    manchen   weiblichen  Thieren   etc.  sind  in  anderer 


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42 


Allgemeiner  Theil. 


Weise  zu  erklären.  Diese  Theile,  welche  immer  bei  dem  anderen  Geschlecht 
desselben  Thieres  in  wohl  entwickeltem  und  brauchbarem  Zustande  vor- 
handen sind,  wurden  wahrscheinlich  durch  Vererbung  von  dem  einen 
Geschlecht  —  demjenigen,  welches  dieselben  wohl  entwickelt  besitzt  —  auf 
das  andere  übertragen.  Die  Milchdrüsen  sind  z.  B.  wahrscheinlich  zunächst 
nur  bei  den  Weibchen  vorhanden  gewesen  und  von  diesen  dann  auch  auf 
die  Männchen  vererbt  worden  ;  umgekehrt  sind  z.  B.  die  Begattungsorgane 
der  Eidechsen  und  Schlangen  zuerst  wohl  nur  bei  den  Männchen  vorhanden 
gewesen,  daun  aber  in  rudimentärem  Zustande  auch  auf  die  Weibchen 
übertragen  worden. 


III.  Grundformen  und  äussere  Gestaltung 

des  Körpers. 


Bei  einer  kleineren  Anzahl  von  Metazoen  —  Cölenteraten  und 
Stachelhäutern  —  ist  der  Körper  derartig  gebaut,  dass  er  durch  ge- 
wisse Schnitte  in  eine  Anzahl  ungefähr  congruenter,  radiär  gestellter 
Stücke,  Strahlen  (Antimeren),  getheilt  werden  kann;  diese  Thiere 
besitzen  einen  radiären  oder  strahligen  Bauplan.  Die  einzelnen 
Organe  eines  solchen  Thieres  müssen  natürlich  entweder  ebenfalls 
einen  radiären  Bau  besitzen  oder  iu  einer  Anzahl  vorhanden  sein, 
welche  derjenigen  der  Strahlen  entspricht. 

Die  meisten  Metazoen  besitzen  dagegen  einen  bilateralen 
Typus:  der  Körper  kann  durch  einen  einzigen  Schnitt  in  zwei  ungefähr 
gleich  grosse  Stücke  getheilt  werden ,  welche  einander  spiegelbildlich 
gleich,  aber  nicht  congruent  sind;  die  Körpertheile  sind  hier  sym- 
metrisch in  Bezug  auf  eine  Mittelehene  geordnet. 

Einer  dieser  Typen  beherrscht  den  Bau  jedes  Metazoons.  Mit 
voller  mathematischer  Strenge  sind  sie  natürlich  niemals  durchgeführt, 
in  vielen  Fällen  sind  sie  aber  in  den  grösseren  Zügen  überall  im 
Körper  des  Thieres  deutlich  ausgeprägt.  In  anderen  Fällen  sind  die 
Abweichungen  augenfälliger;  bei  manchen  Stachelhäutern  z.  B.  kann 
der  Körper  in  fünf  Abschnitte  getheilt  werden,  welche  zwar  in  vielen 
Punkten  übereinstimmende  Verhältnisse  darbieten ,  aber  weit  davon 
entfernt  sind,  congruent  zu  sein.  In  ähnlicher  Weise  geht  es  mit 
vielen  bilateralen  Thieren;  bei  den  Wirbeltbieren  sind  z.  B.  gewöhn- 
lich die  meisten  Organe  symmetrisch  gebaut  oder  angeordnet,  hiervon 
macht  aber  in  der  Regel  der  grösste  Theil  des  Darmkanals  des  er- 
wachsenen Thieres  eine  Ausnahme  (beim  Embryo  ist  auf  einer  frühen 
Entwicklungsstufe  auch  der  Darmkanal  symmetrisch).  Noch  weit  ab- 
weichender gestalten  sich  die  Verhältnisse  bei  anderen,  indem  der 
symmetrische  Typus  nur  iu  gewissen  Partien  des  Körpers  deutlich  ist. 
während  er  in  grösseren  Abschnitten  desselben  nur  schwierig  erkenn- 
bar ist  (Schnecken). 

In  gewissen  Thiergruppen  zerfällt  der  bilateral  symmetrische 
Körper  in  eine  Reihe  von  Segmenten  (Metameren),  aufeinander- 
folgenden Abschnitten,  welcho  einen  ähnlichen  Bau  besitzen.  In  ihrer 
einfachsten  Form  findet  man  die  Segmentbildung  bei  manchen  Glieder- 
würmern, deren  Körper  aus  einer  Anzahl  sogenannter  Glieder  oder 


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III.  Grundformen  und  äussere  Gestaltung  des  Körpers. 


43 


Ringe  zusammengesetzt  ist,  welche  äusserlich  und  innerlich,  wenn 
man  von  dem  vordersten  und  dem  hintersten  Glied  absieht,  wesentlich 
übereinstimmend  gebaut  sind  (jedes  Glied  enthält  ein  Paar  Excretions- 
organe,  ein  Paar  Nervenknoten,  ist  mit  zwei  Borsten  fusspaaren  aus- 
gestattet etc.).  Bei  den  Gliederfüsslern  ist  der  Körper  ebenfalls  in 
Glieder  gesondert,  welche  aber  meistens  weniger  gleichraässig  aus- 
gebildet sind,  wenn  auch  ein  gemeinsamer  Plan  im  Baue  der  meisten 
Segmente  deutlich  zu  erkennen  ist.  In  ähnlicher  Weise  verhalten  sich 
auch  die  Segmente,  welche  man  im  Wirbelthierkörper  wahrnehmen 
kann ;  bei  diesen  ist  die  Segmentirung  aber  äusserlich  nicht  angedeutet 
und  überhaupt  nur  in  gewissen  Organsystemen,  namentlich  im  Skelet, 
ausgeprägt,  während  andere  Organe  von  der  Segmentirung  immer  un- 
berührt bleiben  (was  auch  bis  zu  einem  gewissen  Grade  für  die  Arthro- 
poden gilt). 

Bei  den  bilateralen  Thieren  unterscheidet  man  eine  Rücken-  und 
eine  Bauchseite,  ferner  ein  Vorderende  und  ein  Hinterende.  Die 
Bauchseite  ist  diejenige  Seite  des  Körpers,  welche  während  der 
Bewegung  des  Thieres  nach  unten  gekehrt  ist.  die  Rückenseite 
die  jener  entgegengesetzte;  oder  richtiger:  diejenige  Seite  des  Körpers, 
welche  bei  der  Mehrzahl  der  zu  einer  grösseren  natürlichen  Abtheilung 
angehörigen  Thiere  nach  unten  gekehrt  ist,  wird  bei  sämmtlichen 
Mitgliedern  derselben  als  Bauchseite,  die  gegenüberliegende  als  Rücken- 
seite bezeichnet.  Bei  den  Schnecken  ist  z.  B.  im  Allgemeinen  die- 
jenige Seite  nach  unten  gekehrt,  welche  mit  dem  sogenannten  Fuss 
ausgestattet  ist;  diese  Seite  des  Körpers  wird  dann  bei  allen  Schnecken 
als  die  Bauchseite  bezeichnet,  auch  bei  denjenigen,  bei  welchen  sie, 
wie  es  bei  gewissen  pelagischen  Formen  der  Fall,  nach  oben  ge- 
wendet ist.  —  Das  Vorderende  ist  dadurch  charakterisirt,  dass  die 
Mundöffnuug,  gewisse  Sinnesorgane  und  ein  grösserer  Abschnitt  des 
Centrainervensystems  (das  Gehirn)  meistens  an  und  in  ihm  angebracht 
sind,  und  dass  es  während  der  Bewegung  gewöhnlich  nach  vorn  ge- 
richtet ist ;  der  vordere  Theil  ist  öfters  von  dem  übrigen  Körper 
abgesetzt  oder  in  anderer  Weise  in  einem  gewissen  Gegensatz  zu  dem- 
selben entwickelt,  und  wird  dann  als  Kopf  bezeichnet.  —  Nicht 
selten  ist  auch  der  entgegengesetzte,  hintere  Theil  des  Körpers  eigen- 
thümlich  ausgebildet,  z.  B.  dünner  als  der  übrige  Körper  oder  besonders 
niusculös,  und  wird  dann  als  Schwanz  bezeichnet. 

Als  Gliedmaassen  bezeichnet  man  bewegliche  Körperanhänge, 
welche  im  Dienste  der  Ortsbewegung  stehen;  meistens  sind  sie  von 
gestreckter  Form,  oft  gegliedert.  Bei  den  niederen  Thieren  spielen 
derartige  Theile  gewöhnlich  nur  eine  geringere  Rolle,  während  sie 
bei  den  Gliederfüsslern  und  bei  den  höheren  Wirbelthieren  als  Be- 
wegungswerkzeuge in  den  Vordergrund  treten.  (Dasjenige  Ende  einer 
Gliedmaasse,  welches,  wenn  die  Gliedmaasse  ausgestreckt  ist,  vom 
Körper  am  entferntesten  ist,  wird  das  distale  Ende,  dasjenige, 
welches  dem  Körper  am  nächsten  liegt,  das  proximale  Ende  ge- 
nannt.) —  Andere  grössere  Körperanhänge  sind  die  meistens  als  Tast- 
oder Greifwerkzeuge  verwendeten  Tentakel,  Antennen  etc.  ver- 
schiedener Thiere.   (Vergl.  auch  das  unter  „Haut"  Mitgetheilte.) 


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44  Allgemeiner  Theil. 


IV.  Entwicklungsgeschichte  (Embryologie 

oder  Ontogenie). 


Die  Entwicklungsgeschichte  behandelt  die  Entwicklung 
vom  Ei  bis  zum  fertigen  Orgunismus,  d.  h.  die  Veränderungen,  welche 
das  Individuum  durchläuft,  bis  es  seine  definitive  Form  erreicht  hat. 
Streng  genommen  ist  das  Thier  übrigens  sein  ganzes  Leben  hindurch 
in  Umbildung  begriffen,  und  die  Entwicklungsgeschichte  sollte  dem- 
nach eigentlich  den  ganzen  Lebenslauf  umfassen.  Praktisch  beschränkt 
man  sie  aber  auf  die  erste  Periode  des  Lebens,  in  welcher  die  Ver- 
änderungen weitaus  augenfälliger  sind  als  später. 

Ebenso  wie  das  Ei  stets  eine  Zelle  ist,  wenn  auch  eine  Zelle 
von  sehr  verschiedener  Ausbildung  und  Grösse,  so  finden  wir  auch, 
dass  die  ersten  Entwicklungsstufen,  welche  das  befruchtete 
Ei  durchläuft,  bei  allen  Metazocn  gewisse  gemeinsame  Hauptzüge 
darbieten. 

1.  In  den  einfachsten  Fällen  fängt  die  Entwicklung  damit  an, 
dass  das  Ei  sich  in  zwei  ungefähr  gleich  grosse  Zellen  theilt,  jede  der 
letzteren  theilt  sich  wieder,  durch  radiär  gestellte  Theilungsebenen, 
in  zwei  etc.,  so  dass  das  Resultat  der  F  u  r  c  h  u  n  g ,  wie  dieser  Theilungs- 


/  2  3 


Fig.  '23.  Stufen  der  Entwicklung  «lex  Eies  einer  Ncntertinc  (fJneus).  /  Das  Ei  ist 
in  zwei  Zellen  getheilt.  2  Junge  Blat«tula  mit  kleiner  Furchungahöblc.  3-4  Spttere 
Furchungsstadicn  mit  grösserer  Furchungshöhle.  5-—t>  .lungere  und  ältere  Gastrula.  1  ist 
van  der  Obertlnche  gesehen,  die  übrigen  sind  Schnitte,  es  Furchungshöhle,  cc  Ekto-, 
en  Entodenn,  CT  Urdarm.  —  Nach  Barroi». 

process  genannt  wird,  eine  Anzahl  ungefähr  gleich  grosser,  radiär  ge- 
stellter Zellen  ist,  welche  zusammen  eine  Kugel  bilden.  Diese  Zellen 
weichen  allmählich  in  der  Mitte  aus  einander,  so  dass  sie  einen  mit 
Flüssigkeit  gefüllten  Hohlraum  in  der  Mitte  der  Kugel,  die 
Furchungshöhle,  umschliessen;  die  Wand  der  Kugel,  der  sogen. 


d  by  CjOO^lc 


IV.  Entwicklungsgeschichte  (Embryologie  oder  Ontogenie). 


45 


Blast  ula,  besteht  dem  Angeführten  zufolge  aus  einer  einzigen  Zellen- 
schicht. AVenn  die  Entwicklung  diese  Stufe  erreicht  hat,  findet  eine 
Einstülpung  der  einen  Kugelhälfte  in  die  andere  statt;  die  Kugel 
wird  zu  einem  Napf  oder  Sack  mit  einer  doppelten  Wand  umgebildet ; 
die  beiden  Schichten  dieser  Wand  sind  von  einander  durch  die  Furchungs- 
höhle  geschieden,  welche  übrigens  in  vielen  Fällen  bei  der  Einstülpung 
vollständig  verschwindet,  so  dass  die  beiden  Schichten  sich  dicht  an 
einander  lagern.  Diese  sackförmige  Entwicklungsstufe  wird  als  das 
Gastrula  Stadium  bezeichnet;  von  den  beiden  Schichten  der  Gastrula 


/  2  8  4 


Fig.  24.  Verschiedene  Stufen  «1er  Entwicklung  des  Kies  einer  Teller  Schnecke 
(tlanorb;*).  1—2  1  urchungsstadien,  3  durchschnittene  Hlastulu  (unten  sieht  man  die  etwas 
grösseren  Entodenn/ellen»,  4  Gastrula.  cn  Entodcmi,  kh  Furchungshöhle,  in  Mesoderui. 
0  1'miuud,  r  Kichtungskörpcrchen.  —  Nach  Knbl. 


wird  die  äussere  als  Ektoderm  oder  äusseres  Keimblatt,  die 
innere  als  Entoderm  oder  inneres  Keimblatt  bezeichnet;  die 
Höhlung  des  Sackes  heisst  Urdarm,  ihre  Oeffnung  Urmund  oder 
Gastrulamund.  —  In  manchen  Fällen ,  welche  sich  dem  soeben  be- 
schriebenen Entwicklungsgang  übrigens  unmittelbar  anreihen,  sind  die 
Zellen  der  Blastula  nicht  von  gleicher  Grösse  (Fig.  24),  sondern  die- 
jenigen, welche  eingestülpt  werden  und  das  Entoderm  bilden,  sind 
etwas  grösser  als  die  übrigen.  Auch  die  Grösse  der  Furchungs- 
höhle  variirt  sehr. 

In  der  beschriebenen  AVeise  findet  die  erste  Entwicklung  bei  einer 
grossen  Anzahl  von  Thieren  statt:  Cölenteraten  (vergl.  für  diese 
übrigens  S.  49),  Stachelhäutern,  vielen  Würmern,  Weichthieren,  ein- 
zelnen Wirbelthieren  (Lanzettfischchen),  Mantelthieren. 

2.  In  gewissen  Fällen,  in  welchen  die  Furchung  übrigens  in  der 
oben  beschriebenen  Weise  stattfindet,  entwickelt  sich  nur  eine  geringe 
oder  gar  keine  Furchungshöhle  (Fig.  25).    Die  Gastrula  wird  dann 


12  3  4 


Fig.  25.  Schnitte  durch  das  Ei  eines  Borste nwurms  (Nereia)  auf  verschiedenen 
Entwicklungsstufen.  In  3  ist  die  Gastrula  fertig  gebildet,  der  Frmund  (unten,  links)  aber 
noch  offen ;  in  4  ist  der  Urniund  geschlossen,  und  die  llildung  der  Mundhöhle  (s)  hat  an- 
gefangen, ei  Ekto-,  en  Entodenn,  /  Fetttropfen,  m  Mesoderm,  *  Anlage  der  Mundhohle. 
Die  Eihaut  ist  in  den  drei  ersten  Figuren  weggelassen,  in  der  letxten  gezeichnet.  — 
Nach  GStte. 


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46 


Allgemeiner  Theil. 


anscheinend  nicht  durch  eine  eigentliche  Einstülpung  gebildet,  sondern 
dadurch,  dass  die  Zellen,  welche  zum  Ektoderm  werden,  die  übrigen 
umwachsen.  In  derartigen  Fällen  sind  gewöhnlich  die  Ektoderm- 
zellen  von  den  Entodermzellen  sehr  verschieden;  die  letzteren  sehr 
gross,  oft  (wie  in  dem  in  Fig.  25  abgebildeten  Fall)  mit  Fetttropfen 
gefüllt  ,  und  sie  umschliessen  häufig  keinen  Urdarm,  sondern  bilden 
eine  compacte  Masse. 

Bei  der  typischen  Gastrulabildung  (1)  wird  die  Blast u In  offenbar  zur 
Uastrula  in  Folge  einer  Veränderung  der  Form  der  zum  Entoderm  werdenden 
Zellen  (vergl.  Fig.  23,  .1—6):  in  der  Blastula  ist  das  äussere  Ende 
dieser  Zellen  das  breitere,  die  betreffenden  Zellen  verändern  dann  all- 
mählich in  der  Weise  ihre  Form,  dass  das  innere  Ende  allmählich 
breiter  wird  als  das  äussere,  was  natürlich  einfach  durch  eine  Umlagerung 
der  Protoplasmatheilchen  der  Zellen  stattfindet ;  diese  Aenderung  der  Form 
der  betreffenden  Zellen  muss  nothwendig  zunächst  eine  Abflachung  der 
einen  Seite  der  Blastula  und  dann  eine  Einstülpung  derselben  mit  sich 
führen.  Die  äussersten  Entodermzellen  geben  dabei  keinen  Augenblick  den 
Zusammenhang  mit  den  äussersten  Ektodermzellen  auf,  von  einer  Wande- 
rung der  letzteren  über  die  Entodermzellen  hin  ist  nicht  die  Rede.  Hierin 


/  2  3 


Fig.  26.  Schematiche  Figuren  zum  Verständnis*  der  epibolischen  (iastrula  (vergl.  den 
Text).  /  jüngstes,  3  ältestes  Stadium,  t.  Entodermzellen.  Die  Buchstaben  a  und  b  be- 
zeichnen in  allen  drei  Figuren  dieselben  Stellen.  —  Orig. 

sollte  nun  die  unter  2  erwähnte  sogenannte  epibolische  (Umwachsungs-) 
Gastrula  abweichen.  In  der  That  scheint  sie  aber  auch  ohne  eine  wirk- 
liche Wanderung  der  Ektodermzellen  über  die  Entodermzellen  hin  ver- 
ständlich zu  sein.  Denken  wir  uns,  dass  die  breiten  äusseren  Enden  der 
Entodermzellen  der  Blastula  (vergl.  Fig.  26,  1)  allmählich  schmäler  und 
die  inneren  Enden  derselben  breiter  werden,  während  die  Ektodermzellen- 
partie  gleichzeitig  an  Ausdehnung  zunimmt,  so  werden  die  Entodermzellen 
durch  denselben  Process  wie  bei  der  Einstülpung  der  typischen  Gastrula 
allmählich  von  den  Ektodermzellen  umschlossen  werden  können,  ohne  dass 
von  einer  activen  Zellenwanderung  die  Rede  ist,  und  ohne  dass  die  Be- 
rührungsflächen (a — b)  der  äussersten  Ektodermzellen  mit  den  Entoderm- 
zellen sich  verändern.  Es  scheint  uns  wahrscheinlich,  dass  die  epibolische 
Gastrula  in  dieser  Weise  aufzufassen  ist ;  die  Thatsachen  scheinen  sich  dieser 
Deutung  ungezwungen  zu  fügen. 

3.  Bei  manchen  niederen  Wirbelthieren  (Rundmäulern.  Stör  und 
gewissen  anderen  Fischen,  Lurchen)  ist  die  Blastulawand  nicht  wie 
in  den  oben  erwähnten  Fällen  einschichtig,  sondern  mehrere  Zellen 
dick  (Fig.  27.  1);  die  Zellen  sind  an  der  einen  Seite  der  Blastula 
grösser  als  an  der  anderen  und  enthalten  reichliche  Dotterkörnchen. 
Dieser  Theil  der  Blastula  wird  in  den  anderen  eingestülpt;  es  wird 
wie  in  den  anderen  Fällen  eine  Gastrula  gebildet  (Fig.  27,  4),  deren 


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IV.  Entwicklungsgeschichte  (Embryologie  oder  Ontogenie).  47 


Entoderm  aber  theilweise  stark  verdickt  ist,  so  dass  sicli  in  der  Ur- 
tlarmhöhle  ein  grosser  Hügel  vom  Entoderm  erhebt.  Die  diesen  Hügel 
zusammensetzenden  Zellen  sind  dazu  bestimmt,  späterhin  zu  zerfiiessen 
und  den  übrigen  als  Nahrung  zu  dienen:  Nahrungsdotter.  Die 


Fig.  27.  Die  Gastrulabildung  bei  <len  Amphibien,  schematisch ;  Längsschnitte. 
'  BUk'tula.  2  Die  Einstülpung  hat  bei  t  angefangen  (die  entaprecbcndc  Stelle  ist  in  /  durch 
-inen  Pfeil  bezeichnet);  die  Einstülpung  ist  rinnenfönnig,  greift  aber  noch  nicht  um  das  ganze 
Ei  beruin.  3  Die  KinstUlpung  fortgeset7.t.  4  Fertige  Gastrula;  die  Urdarinhühle  grössten- 
teils von  einem  vorspringenden  Theil  des  Entoderms  gefüllt,  welcher  später  aufgelöst  und 
.'■in  Embryo  aufgesogen  wird,  et  Ektoderm  (hell).  SN  Entoderm  (schattirt),  g  Gastrulamuud, 
h  r'archungshöhle,  i  Kinstulpungsrinne,  H  t'rdarmhöhle.  —  Orig. 

Einstülpung  findet  übrigens  in  einer  etwas  eigenthümlichen  Weise 
*tatt:  es  bildet  sich  zunächst  an  der  einen  Seite  der  Blastula  eine 
Falte  (Fig.  27,  2),  welche  allmählich  zu  einer  das  ganze  Ei  umgebenden 
Ringfalte  wird;  diese  Ringfalte  überwächst  den  unteren  Theil  des 
Eies,  denjenigen,  welcher  später  als  ein  Hügel  im  Urdarm  hervorragt. 

Die  letztere  Form  der  Gastrulabildung  ist  von  der  typischen  leicht 
ableitbar  und  zwar  als  eine  Folge  der  bedeutenden  Dicke  der  Entoderm- 
zellenpartie  der  Blastula.  Denken  wir  uns  der  Blastula  Fig.  23,  4  unten 
eine  grössere  Zellenmasse  angefügt,  welche  sich  bei  der  Einstülpung  im 
Wesentlichen  passiv  verhält,  so  werden  wir  zu  einem  ähnlichen  Verhalten 
der  Einstülpung  gelangen  wie  in  Fig.  27. 

4.  Hieran  schliesst  sich  die  Entwicklungsform ,  welche  wir  bei 
manchen  Fischen,  bei  den  Reptilien  und  den  Vögeln  finden.  Die  Ei- 
zelle enthält  hier  eine  grosse  Menge  von  Dotterkugeln ;  das  Protoplasma 


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48 


Allgemeiner  Theil. 


ist  wesentlich  an  der  einen  Seite  des  Eies  angesammelt.  Nur  der 
letztere  Theil  des  Eies  theilt  sich  in  Furchungszellen,  während  der 
grössere  Theil  desselheu  ungefurcht  bleibt:  partielle  Furchung. 
Dieser  ungefurchte  Theil  des  Eies  entspricht  demjenigen  Theil  bei 
den  unter  3  erwähnten  Formen .  welcher  zwar  gefurcht  wird .  aber 
später  wieder  zerHiesst;  er  wird  mit.  einer  Partie  der  angrenzenden 


1  2 


Flg.  il8.  Schematiache  Darstellung  der  («astrulalnldung  bei  \V  ir  b  e  1 1  Ii  i  c  r  e  n  mit  par- 
tieller Kurchung  (Selachicrn,  Knochenfischen,  Reptilien,  Vögeln);  vergl.  die  vorhergehend«* 
Figur.  Die  Buchstaben  sind  dieselben  wie  in  dieser,  mit  Ausnahme  von  en',  dem  ungefurchteu 
Theil  des  Entodcrms  (dem  N  a  Ii  r  u  n  gsdo  1 1  er) ;  en  der  gefurchte  Theil  des  Entodcrms.  Es 
ist  hervorzuheben,  dass  der  Nahrungsdotter  meistens  verhältnissmassig  weit  grösser  ist.  —  Orig. 


Zellen  in  die  übrige  Zellenmasse  eingestülpt;  die  Einstülpung  ge- 
schieht in  ähnlicher  Weise  wie  bei  den  zuletzt  erwähnten  ')  (vergl. 
Fig.  27  u.  28).  In  die  Urdarmhöhle  wird  somit  eine  ungeheuer  grosse 
Masse  von  ungefurchter  Eisubstanz,  der  Nahrungsdotter,  ein- 
geschlossen, welcher  allmählich  von  den  Zellen  aufgesogen  wird  und 
somit  letztereu  als  Nahrung  während  der  Entwicklung  dient.  Es  ist 
übrigens  eigentümlich,  dass  die  Gastrulaeinstülpung  bei  diesen  Thieren 
sehr  langsam  fortschreitet;  die  Entwicklung  ist  schon  nach  anderen 


')  Jedenfalls  hei  den  Selachiern  und  den  Knochenfischen;  dagegen  ist  die 
Bilduug  einer  Kingfalte  nicht  deutlich  hei  den  Reptilien  und  Vögeln,  bei  welchen 
übrigens  dieselbe  Umwachsung  der  untern  Partie  des  Eies  durch  die  obere  stattfindet. 


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IV.  Entwicklungsgeschichte  (Embryologie  oder  Ontogenie).  49 


Richtungen  weit  vorgerückt,  wenn  die  Gastrulabildung  abgeschlossen 
wird  (in  den  schematiscben  Figuren  ist  von  diesem  Verhältniss  ab- 
gesehen). 

5.  Bei  den  Glieder- 
fdsslern  findet  im  All- 
gemeinen ebenso  wie 
bei  den  letztgenannten 
Thieren  eine  parti- 
elle Furchungstatt; 
der  un gefurchte  Theil 
des  Eies ,  der  Nah- 
rungsdotter, liegt  aber 
in  der  Mitte,  von  den 
Furchungszellen  rings 
umgeben ;  eine  Fur- 
chungshöhle  fehlt,  der 
Nahrungsdotter  nimmt 
gewissermaassen  ihre 
Stelle  ein.  Die  Ein- 
stülpung geschieht  Wie  Fig  29  Die  Entwicklang  dc9  Eics  eineg  Krebsthiere« 
bei  der  typischen  Gra-  (Schnitte),  bl  Nahrungsdotter,  rk  Kkto-,  en  Ento-,  m  Mesoderm, 
3tnila  (1,  S.  44);    der  o  Urmund.  —  Nach  Häckel. 

Nahrungsdotter  wird 

allmählich  von  den  Zellen  aufgesogen. 

6.  Bei  den  Quallen  geschieht  die  Gastrulabildung  zuweilen  (Fig. 
30,  A)  in  der  oben  unter  1  geschilderten  "Weise  durch  einfache  Einstülpung. 
In  anderen  Fällen  (Fig.  30,  C)  findet  aber  keine  Einstülpung  statt,  sondern 
es  lösen  sich  an  verschiedenen  Punkten  der  Blastula  Zellen  aus  dem  Ver- 
band der  übrigen  los  und  wandern  in  die  Furchungshöhle  ein,  um  hier  das 
Entoderm  zu  bilden.  Zuweilen  (B)  ist  diese  Loslösung  der  Zellen  auf  die 
eine  Seite  der  Blastula  beschränkt,  was  als  ein  Heb  ergang  zur  typischen 


D 


B 


Fig.  80.  Schematuche  Schnitte,  um  die  Gastrulabildung  der  Quallen  zu  erläutern. 
Erklärung  im  Text.  —  Orig.  (z.  Th.  nach  MetschnikofT). 


Gastrulabildung  aufzufassen  sein  dürfte.  Andererseits  findet  man  bei 
einigen  Quallen  (D)  eine  Entstehungsweise  dt*  Entoderms,  welche  sich  noch 
einen  weiteren  Schritt  von  der  typischen  Bildungsweise  entfernt:  die  von 
der  ganzen  Wand  der  Blastula  sich  ablösenden  Entodermzellen  entstehen 
durch  Abspaltung  von  den  Blastulazellen  und  zwar  durch  verschiedenartig 
gerichtete  Theilungsebenen ,  wie  dies  in  der  scheraatischen  Figur  D  an- 
gedeutet ist.  Wenn  das  Entoderm  wesentlich  durch  parallel  der  Blastula- 
oberfläche  gehende  Zell-Theilungen  (wie  in  D  bei  d)  entsteht,  spricht  man  von 
Gastrulabildung  durch  Delamination  (Abspaltung).  —  Die  in  Fig.  C  illustrirte 

Boa     Zoologie  4 


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50 


Allgemeiner  Theil. 


Form  ist  vielleicht  als  die  allerursprünglichste  Entstehungsweise  des  Euto- 
dermB  überhaupt  aufzufassen;  von  dieser  wäre  dann  die  in  Fig.  B  ab- 
gebildete Form  abzuleiten  und  von  dieser  wieder  die  typische  Gastrula- 
Bildung  (A).  Die  Abspaltungs-Gastrula  (D)  ist  ohne  Zweifel  ebenfalls  von 
C  abzuleiten. 

Ueberall,  wo  die  Verhältnisse  klar  erkannt  sind,  findet  man  so- 
mit als  Resultat  der  ersten  Entwicklung  des  Kies  die  Bildung  einer 
Gastrula,  und  zwar  scheint  die  Art.  in  welcher  dieselbe  gebildet 
wird,  in  jedem  Falle  mit  derjenigen  bei  anderen  Thieren  eng  zusammen- 
zuhängen —  wie  oben  des  Näheren  nachgewiesen  wurde. 

Zwischen  den  beiden  Schichten  oder  Keimblättern,  aus 
welchen  die  Gastrula  besteht ,  bildet  sich  bei  den  meisten  Thieren 
(die  Cölenteraten  ausgenommen)  sehr  bald,  oft  sogar  gleichzeitig  mit 
der  Gastrulaeinstülpung,  eine  dritte  Schicht,  das  Id  es  o  denn  oder 
das  mittlere  Keimblatt.  Bei  der  Bildung  desselben  ist  nicht 
wie  bei  der  Gastrulabildung  überall  ein  gemeinsamer  Typus  erkennbar. 
In  einigen  Fällen  wird  es  z.  B.  dadurch  gebildet,  dass  einige  wenige 


12  3  4 


Fig.  31.  Schematiche  Figuren  zur  Erläuterung  der  Bildung  des  Mesudenn»  bei  den 
Wirbelt hieren  (Querschnitte) ;  /  jüngste,  4  Iii  t  est.  Entwicklungsstufe.  fkt  en,  m  Ekto-,  Ento- 
und  Mesoderm.  —  Orlg. 

Zellen,  welche  am  Urmund  auf  der  Grenze  des  Ekto-  und  Entoderms 
liegen,  sich  aus  der  Verbindung  mit  den  übrigen  loslösen,  sich  zwischen 
das  Ekto-  und  Entoderm  einschieben  und  nach  wiederholter  Theilung 
alseine  selbständige  Schicht  zwischen  jenen  ausbreiten.  (Fig.  24,  25.) 
In  anderen  Fällen  wird  das  Mesoderm  in  der  "Weise  gebildet,  dass 
ein  Theil  des  Entoderms  sich  in  der  Form  zweier  Falten  oder  Säcke 
ausbuchtet,  welche  sich  dann  vom  übrigen  Entoderm  abschnüren 
und  zwischen  letzterem  und  dem  Ektoderm  ihren  Platz  einnehmen 
(Fig.  31). 

Nach  der  Anlage  des  Mesoderms  ist  der  in  Entstehung  begriffene 
Organismus  aus  drei  Keimblättern,  dem  Ekto-,  Meso-  und  Entoderm 
zusammengesetzt.  Aus  diesen  drei  Schichten  bilden  sich  die  ver- 
schiedenen Theile  des  Thieres:  aus  dem  Mesoderm  alles  Binde- 
gewebe, das  Skelet ')  (insofern  es  kein  Cuticularskelet  ist),  das  Muskel- 
gewebe, das  Gefäs88ystera ,  die  Excretions-  und  Geschlechtsorgane: 
aus  dem  Ektoderm  die  Oberhaut,  das  Nervensystem,  die  meisten 
Sinnesorgane;  aus  dem  Entoderm  die  Epithelbekleidung  (des  ganzen 
oder  des  grössten  Theiles)  des  Darmkanals  und  dessen  Drüsen.  Die 
Mesodermgebilde  liefern  meistens,  namentlich  bei  den  höheren  Thieren. 
den  grösseren  Theil  der  Körpermasse  des  ausgebildeten  Organismus. 

')  Die  Rückensaite  (Chorda)  der  Wirbelthiere  entwickelt  sich  jetloch  vom  Ento- 
derm aus,  als  eine  Falte,  welche  sich  von  letzterem  abschnürt  und  dann  einen 
Strang  oberhalb  des  Entoderms  bildet. 


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IV.  Entwicklungsgeschichte  (Embryologie  oder  üntogenie).  5] 


Aus  der  Entwicklung  der  verschiedenen  Organ  syst  eine  be- 
rühren wir  hier  nur  mit  einigen  Worten  die  Bildung  des  Nerven- 
systems und  des  Darmkanals.  A  /f 

Das  centrale  Nervensystem 
wird  gewöhnlich  in  Gestalt  von  Ein- 
faltungen.  Einstülpungen  oder  Ver- 
dickungen des  Ektoderms  angelegt, 
welche  sich  nachher  von  letzterem 
sondern ;  manchmal  (z.B.  bei  Stachel- 
häutern und  Borstenwürmern)  bleibt 
entweder  in  grösserer  Ausdehnung 
oder  wenigstens  an  einigen  Körper- 
stellen der  ursprüngliche  Zusam-  32-    z,,r  »>i»"»«"»»5  <ier  Bildung 

hi        vt  i    ,les  Nervensystems  und  der  Chorda  bei  deu 

ang  des   Nervensystems  und  Wirl>e,t,liewn   {^lvm&lhche  <luunehnitta). 

der  vom  übrigen  Ektoderm  stam-  a  jüngere,  b  altere  stufe,  dl  Chorda,  dk,  <•«, 

nieilden     Oberhaut     Zeitlebens     be-   "»  Kkt.»-,  Kntu-,  Meauilerni,  n  Nervensystem. 

stehen.  -  °*« 

Was  die  Bildung  des  Darm  kau  als  betrifft,  so  ist  Folgendes  zu 
bemerken.  Die  ursprüngliche  Oeffnung,  der  Urmund,  wird  in  der 
Regel  geschlossen,  so  dass  das  Entodermrohr  eine  Zeit  lang  einen 
geschlossenen  Sack  darstellt.  Später  bildet  sich  an  jedem  Ende  des 
Thieres  gewöhnlich  eine  Einstülpung  des  Ektoderms,  welche  zur  Mund- 
höhle, resp.  zum  Enddarm  wird;  an  den  Stellen,  wo  die  Einstülpungen 
und  das  Entodermrohr  zusammenstossen,  erfolgt  ein  Durchbruch.  Der 
definitive  Darmschlauch  besteht  somit  theils  aus  dein  ursprünglichen 
Entodermrohr,  theils  aus  gewissen  Partien  des  Ektoderms;  hier/u 
kommen  noch  bei  manchen  Thieren  Theile  des  Mesoderms,  welche 
sich  dem  Darmschlauch  aussen  anlagern  und  oftmals,  z.  B.  bei  Wirbel- 
thieren ,  die  grössere  Masse  des  Darmkanals  ausmachen.  —  Bei  den 
Cölenteraten  wird  der  Darmkanal  ausschliesslich  aus  dem  Entodenn 
gebildet;  ferner  wird  bei  Thieren,  welche  keinen  Enddarm  und  keinen 
After  besitzen,  die  hintere  Einstülpung  nicht  angelegt. 

In  denjenigen  Fällen,  in  welchen  der  Darm- 
kanal einen  grossen  Nahrungsdotter  enthält,  wird 
das  junge  Thier  (der  Embryo)  stark  durch  diesen 
ausgedehnt.  Oft  bildet  sich  dann  ein  Dotter- 
sack, eine  den  Nahrungsdotter  enthaltende 
Ausstülpung  des  Darmes,  welche  von  einer  ent- 
sprechenden Ausstülpung  der  Leibeswand  um- 
geben ist.  Der  Dottersack  kann  häufig  stark 
abgeschnürt  werden,  so  dass  seine  Höhlung  nur 
durch  eine  ziemlich  enge  Oeffnung  mit  dem  ^  33.  Sduuna  eine»  jung«! 
...         ^       ,       .  .    ir         j  Ti,     ..ct.        fcmbryos  mit  Dottersack;  zna 

übrigen  Darmkanal  in  Verbindung  steht:  öfters  gfefch  mt  Illustration  der  Bildung 

hat   der  Dottersack    eine    im  Verhältniss   zum  der  Mundhöhle  und  den  Eud- 

übrigen  Organismus  kolossale  Grösse,  so  dass  dann*.    M  Nahrunnsdotter, 

das  junge   Thier    mehr   als   ein   Anhang    am  l>«««-™«*i  '  Anlage  des  End- 
. .  .      «  ,    ,  ,    .          t  J        J«     'larms,  ek,  tu,  m  Lkto-,  huto-, 

Dottersack  als  umgekehrt  erscheint.    Tndem  die  McÄ0)lerin>  ,  Auluge  ,ier  Mund- 
Entwicklung  weiter  fortschreitet,  wird  der  Dotter-  höhle.  Orig. 
sack  allmählich  kleiner  und  verschwindet  zuletzt 
völlig. 

Die  meisten  Thiere  sind  eierlegend  (ovipar),  d.  h.  das  Ei 
wird,  unbefruchtet  oder  befruchtet,  von  der  Eihülle  umschlossen,  ab- 
gelegt.    Viele  Thiere   sind  aber  lebendiggebärend  (vivipar) 


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52 


Allgemeiner  Theil. 


d.  h.  das  befruchtete  Ei  verweilt  im  mütterlichen  Körper,  bis  die 
Entwicklung  so  weit  vorgeschritten  ist,  dass  das  junge  Thier  im 
Stande  ist,  ein  actives  Leben  zu  führen.  Zwischen  den  eierlegenden 
und  den  lebendiggebärenden  Thieren  lässt  sich  übrigens  keine  scharfe 
Grenze  ziehen;  manchmal  findet  man  bei  den  ersteren,  dass  das  Ei 
so  lange  im  Mutterkörper  zurückgehalten  wird,  dass  die  Entwicklung 
bei  der  Eiablage  mehr  oder  weniger,  zuweilen  bis  wenig  vor  dem  Aus- 
schlüpfen des  jungen  Thieres  aus  der  Eihülle,  fortgeschritten  ist. 

Bei  denjenigen  Thieren,  welche  ihre  Eier  ohne  andere  Umhüllung 
als  eine  Eihaut  oder  Eischale  ablegen,  durchläuft  der  junge  Organis- 
mus sämmtliche  Entwicklungsvorgänge,  bis  er  in  mehr  oder  weniger 
entwickelter  Gestalt  aus  der  Hülle  hervorbricht,  ohne  dass  er  anderen 
Zuschuss  von  Aussen  erhält  als  Sauerstoff,  welcher  dem  werdenden 
Organismus  ebenso  nothwendig  ist  wie  dem  ausgebildeten;  in  einer 
sauerstofffreien  Umgebung  kann  sich  kein  Ei  entwickeln.  Wenn  das 
abgelegte  Ei  von  einer  Eiweissmasse  umgeben  ist,  so  wird  diese 
(solches  ist  z.  B.  beim  Vogelei  der  Fall)  während  der  Entwicklung 
von  dem  jungen  Organismus  allmählich  aufgesogen1),  so  dass  dieser, 
während  er  noch  in  der  Eischale  eingeschlossen  ist,  einen  Zuschuss 
über  die  Stoffmasse  hinaus  erhält,  welche  die  Eizelle  enthielt.  Bei 
manchen  —  aber  keineswegs  allen  —  lebendiggebärenden  Thieren  er- 
hält der  sich  entwickelnde  Organismus  einen  Zuschuss  von  dem  Mutter- 
thier entweder  dadurch,  dass  gewisse,  in  den  Uterus  mündende  Drüsen, 
eine  nährende  Flüssigkeit  absondern,  welche  von  jenem  aufgesogen 
wird,  oder  dadurch,  dass  gewisse  Theile  des  jungen  Thieres  sich  zu 
einem  Aufsaugungswerkzeug  entwickeln,  welches  in  innige  Verbindung 
mit  der  Wand  des  Uterus  tritt  und  —  ähnlich  wie  eine  Schmarotzer- 
pflanze —  die  Blutflüssigkeit  der  Mutter  aufsaugt  (Säugethiere). 

So  lange  das  Thier  in  der  Eihülle  oder  im  mütterlichen  Körper 
eingeschlossen  bleibt,  wird  es  als  Embryo  (Fötus,  Frucht)  bezeichnet; 
nach  der  Geburt,  d.  h.  wenn  es  die  Eihülle  gesprengt  oder  den 
Mutterkörper  verlassen  hat,  um  ein  selbständigeres  Leben  zu  führen 
mit  activer  Nahrungsaufnahme  etc.,  wird  es  Junges  genannt.  Das 
neugeborene  Junge  weicht  mehr  oder  weniger  von  dem  ausgebildeten 
Organismus  ab.  Der  Unterschied  ist  in  einigen  Fällen  relativ  un- 
bedeutend, indem  er  wesentlich  in  einer  geringeren  Körpergrösse  und 
in  dem  unreifen  Zustand  der  Geschlechtsorgane  (wie  bei  manchen 
Säugethieren)  besteht ;  in  anderen  Fällen  weicht  das  Junge  stärker  von 
dem  ausgebildeten  Thiere  ab,  wie  es  z.  B.  bei  den  Vögeln  der  Fall 
ist,  deren  neugeborene  Jungen  sich  bekanntlich  namentlich  in  der 
Bekleidung  des  Körpers  von  den  Erwachsenen  erheblich  unterscheiden. 
Noch  weit  bedeutender  werden  die  Unterschiede  bei  vielen  anderen 
Thieren,  und  man  sagt  dann,  dass  das  Thier  eine  Metamorphose 
(Verwandlung)  durchläuft,  ehe  es  das  definitive  Aussehen  erlangt. 
Die  von  dem  Jungen,  welches  bei  Thieren  mit  Metamorphose  als 
Larve  bezeichnet  wird,  in  solchen  Fällen  durchlaufenen  Veränderungen 
sind  oft  sehr  eingreifend,  und  häufig  hat  die  Larve  nur  eine  äusserst 
geringe  Aehnlichkeit  mit  dem  Erwachsenen. 

Die  Ursachen  dieser  Unterschiede  zwischen  der  Larve  und 
dem  Erwachsenen  und  damit  auch  die  A  r  t  derselben  sind  verschiedener 

')  Diese  Aufsaugung  geschieht  meistens  durch  die  ganze  Oberfläche  oder 
durch  irgend  einen  Tneir  derselben,  seltener  wird  das  Eiweiss  in  den  Darmkanal 
de«  jungen  Organismus  aufgenommen. 


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IV.  Entwicklungsgeschichte  (Embryologie  oder  Ontogenie).  53 


Natur.  Vielfach  ist  als  nächste  Ursache  zu  erkennen,  dass  das  Ei 
zu  klein  dazu  ist,  dass  ein  dem  Erwachsenen  ähnlich  gebautes  Ge- 
schöpf aus  ihm  gebildet  werden  könnte.  Die  unvollkommene  Gestalt, 
in  welcher  manche  Fische  geboren  werden,  ist  vielfach  (vergl.  z.  B. 
die  Abbildungen  zur  Hechtentwicklung  im  Spec.  Theil,  Fische)  der 
geringen  Grösse  des  Eies  zuzuschreiben;  verwandte  Formen  mit 
grösseren  Eiern  sind,  wenn  sie  die  Eihülle  verlassen,  den  Erwachsenen 
weit  ähnlicher  oder  gar  fast  ganz  übereinstimmend.  Dasselbe  gilt 
auch  für  manche  Krebsthiere,  welche  in  sehr  wenig  entwickelter  Ge- 
stalt, mit  einer  ganz  geringen  Anzahl  von  Gliedmaassen  (drei  Paaren) 
ausgestattet,  die  Eihülle  verlassen;  hier  ist  das  Ei  offenbar  zu  klein, 
dass  aus  seiner  Masse  ein  Thier  mit  der  grossen  Anzahl  von  Glied- 
maassen, welche  das  Erwachsene  besitzt,  gebildet  werden  kann.  Es 
hat  den  Anschein,  als  ob  es  eine  gewisse,  bei  verschiedenen  Tbieren 
übrigens  verschiedene,  Grenze  giebt,  unter  welche  die  Grösse  der 
einzelnen  Gliedmaassen  etc.  nicht  hinabsinken  kann ;  bei  einer  Grössen- 
zunahme  der  Eier,  wie  wir  sie  bei  anderen  Krebsthieren  finden,  sieht 
man  dann  auch  das  Thier  auf  einer  vollkommeneren  Entwicklungsstufe 
das  Ei  verlassen. 

Als  weitere  Hauptursache  des  Unterschiedes  zwischen  den  Larven 
und  den  Erwachsenen  ist  die  Verschiedenartigkeit  der  Lebens- 
verhältnisse hervorzuheben ;  oft  ist  dieselbe  mit  der  oben  erwähnten 
innig  verbunden.  Bei  einer  Unzahl  von  Meeresthieren,  welche  im  aus- 
gebildeten Zustande  an  den  Boden  gebunden  sind,  leben  die  Larven 
als  frei  schwimmende  Thiere  an  der  Oberfläche,  was  für  die  ganze 
Gestaltung  von  durchgreifendem  Einfluss  wird  (Borstenwürmer,  Weich- 
thiere,  Krebse  etc.).  Zuweilen  (z.  B.  bei  den  Lurchen)  sind  die  Larven 
Wasserthiere,  die  Erwachsenen  Landthiere,  was  ebenfalls  mit  grossen 
Unterschieden  Hand  in  Hand  geht.  —  In  sehr  eigenartiger  Weise 
erscheint  die  Metamorphose  der  Insekten  aus  der  Verschiedenartigkeit 
der  Aufgaben  der  Larve  und  des  erwachsenen  Thieres  ableitbar*  indem 
das  letztere  sich  fast  ausschliesslich  der  Fortpflanzung  widmet,  dieser 
Aufgabe  gemäss  geflügelt  etc.  ist,  während  die  immer  flügellose  Larve 
sich  der  Ernährung  und  dem  Wachsthum  widmet  und  dieser  Aufgabe 
mehr  oder  weniger  speciell  angepasst  ist  (vergl.  des  Näheren  den 
Abschnitt  über  Insekten). 

In  Folge  der  verschiedenartigen  Lebensweise  fehlen  bei  den 
Larven  häutig  Theile,  welche  den  Erwachsenen  zukommen;  anderer- 
seits besitzen  sie  aber  oft  besondere  Werkzeuge,  welche  den  Er- 
wachsenen abgehen,  sogenannte  provisorische  Larvenorgane: 
Wimpersegel  der  Schneckenlarven,  Kiemen  der  Lurchlarven,  Bauch- 
füsse  der  Schraetterlingsraupen.  Diese  Larvenorgane  können  in  ge- 
wissen Fällen  einen  so  bedeutenden  Umfang  besitzen,  dass  nur  ein 
geringer  Theil  des  ursprünglichen  Larvenkörpers  sich  zu  dem  voll- 
kommenen Thiere  entwickelt,  während  der  grössere  Theil  desselben 
rückgebildet  wird  (Stachelhäuter). 

Die  Dauer  des  Larvenlebens  ist  meistens,  mit  der  des  ganzen 
Lebens  verglichen,  eine  kurze;  in  der  Regel  erlangt  das  Thier  in  der 
Hauptsache  die  definitive  Gestalt,  lange  bevor  es  seine  definitive 
Grösse  und  die  Geschlechtsreife  erreicht.  Hiervon  machen  die  In- 
sekten eine  sehr  beachtenswerthe  Ausnahme,  indem  sie  die  Gestalt 
des  „vollkommenen  Insekts"  meistens  erst  dann  annehmen,  wenn  der 
Organismus  die  definitive  Grösse  erlangt  hat 


54 


Allgemeiner  Thcil. 


Der  Uebergang  vom  Larvenstadium  zu  demjenigen  des  aus- 
gebildeten Thieres  ist  niemals  eine  plötzliche  Veränderung  —  wie  die 
Bezeichnung  Metamorphose,  Verwandlung,  etwa  vermuthen  bissen 
könnte  — ,  sondern  vollzieht  sich  immer  allmählich.  Oft  finden  die  be- 
treffenden Umbildungen  jedoch  im  Laufe  eines  oder  mehrerer  ver- 
hältnissmässig  kurzer  Zeitabschnitte  statt:  nachdem  die  Larve  längere 
Zeit  dieselbe  Gestalt  gehabt  hat.  durchläuft  sie  im  Laufe  kürzerer 
Zeit  grosse  Veränderungen,  so  dass  sie  gewissermaassen  in  einem  oder 
mehreren  Sprüngen  die  Form  des  ausgebildeten  Thieres  annimmt. 
Dies  ist  besonders  bei  den  Gliederfüsslern  auffällig,  indem  alle 
äusseren  Veränderungen  bei  diesen  an  die  Häutungen  gebunden  sind. 
Einige  Zeit  vor  der  Häutung  löst  sich  der  lebendige  Theil  der  Haut 
von  der  Cuticula  ab,  bildet  sich  mehr  oder  weniger  um,  so  dass  die 
Larve,  wenn  sie  die  alte  Cuticula  abstreift  ,  plötzlich  wie  mit  einem 
Sprunge  in  einer  neuen  und  geänderten  Gestalt  erscheint.  In  der 
That  haben  sich  die  Veränderungen  aber  auch  hier  im  Laufe  einiger 
Zeit  abgespielt,  und  nur  für  eine  äusserliche  Betrachtung  ist  die  Ent- 
wicklung eine  sprungweise. 

Häufig  findet  man,  dass  ein  Thier  während  seiner  Entwicklung,  sei 
es  im  Eie  oder  im  Larvenstadium,  gewisse  dem  Erwachsenen  fehlende  Cha- 
raktere darbietet,  welche  einem  niederen  Typus  angehören.  Die  Am- 
phibienlarven besitzen  z.  B.  Kiemen  und  eine  ähnliche  Anordnung  grosser 
Partien  des  Gefasssystems  wie  die  Fische ;  unter  den  Krebsthieren  besitzen 
manche  Zehnfüssler  im  Larvcnzustande  an  den  späteren  Gehfüssen  einen 
später  rückgebildeten  Schwimmast,  welcher  bei  manchen  niederen  Krebs- 
thieren zeitlebens  vorhanden  ist;  bei  den  höheren  Wirbelthieren  sind  im 
Embryonalzustande  Kiemenspalten  vorhanden  etc.  Häufig  haben  die  be- 
treffenden Bildungen ,  wie  im  letztgenannten  Beispiel ,  den  Charakter  der 
Nutzlosigkeit,  sind  also  rudimentärer  Art.  —  Diese  Verhältnisse  sind  nur 
verständlich,  wenn  wir  annehmen,  dass  die  betreffenden  Formen  von  jenen 
niederen  Typen  —  oder  von  ihnen  nahestehenden  —  abstammen,  und  dass 
sich  die  erwähuten  Charaktere  auf  den  frühen  Entwicklungsstufen  erhalten 
haben,  während  sie  bei  dem  ausgebildeten  Thiere  verloren  gingen  (vergl. 
den  nächsten  Abschnitt). 

Brutpflege.  In  vielen  Fällen  kommt  es  vor,  dass  den  aus  dem 
mütterlichen  Körper  ausgetretenen  Eiern  und  den  Jungen  in  ver- 
schiedener Weise  von  Seiten  des  Mutterthieres  (seltener  des  Vaters) 
eine  specielle  Fürsorge  zugewendet  wird.  Die  Aufgabe  dieser  ist  es 
zunächst,  die  Eier  oder  Jungen  gegen  die  Nachstellungen  anderer 
Thiere  oder  gegen  anderweitige  Gefahren  zu  schützen,  dann  aber 
auch  häufig,  die  Jungen  zu  ernähren;  weniger  allgemein  ist  speciell 
darauf  Rücksicht  genommen,  dass  die  Eier  oder  Jungen  auf  eine  für 
die  Entwicklung  günstige  Temperatur  erwärmt  werden  (Vögel).  Zu- 
weilen (z.  B.  bei  manchen  Insekten)  ist  die  Brutpflege  darauf  be- 
schränkt, dass  das  Mutterthier  sorgfältig  die  Stelle  auswählt,  an 
welcher  die  Eier  abgelegt  werden,  so  dass  das  Junge  gleich  eine 
passende  Nahrung  vorfindet;  in  anderen  Fällen  sammelt  die  Mutter 
vor  der  Eiablage,  oft  mit  grossem  Aufwand  von  Kräften,  eine  für 
das  Junge  passende  Nahrung  oder  vergräbt  das  Ei  an  einer  sicheren 
Stelle  etc.  In  anderen  Fällen  sitzt  die  Mutter  über  den  Eiern  bis 
zum  Ausschlüpfen  der  Junten  oder  noch  eine  Zeit  lang  über  den 
letzteren,  um  sie  zu  beschützen  oder  zu  erwärmen ;  oder  sie  trägt  Eier 
und  Junge  auf  ihrem  Körper  mit  sich  umher.    Daran  reiht  sich  dann 


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IV.  Entwicklungegeschichte  (Embryologie  oder  Ontogenie). 


55 


eine  mehr  active  Brutpflege  in  der  Form,  dass  die  Jungen,  welche 
zwar  im  Stande  sind,  Nahrung  zu  sich  zu  nehmen  und  zu  verdauen, 
aber  nicht  befähigt,  sich  dieselbe  selbst  zu  verschaffen,  kürzere 
oder  längere  Zeit  hindurch  von  der  Mutter  gefüttert  werden.  In 
vielen  Fällen  greift  die  Brutpflege  nicht  nur  tief  in  das  Leben  des 
Mutterthieres  ein,  sondern  führt  auch  zur  Ausbildung  besonderer 
Werkzeuge  an  demselben  oder  zur  Umbildung  bereits  existirender 
(Brutsäcke,  Milchdrüsen  etc.).  Von  noch  eingreifenderer  Bedeutung 
ist  die  Brutpflege  in  manchen  Fällen  für  die  Entwicklungsweise  des 
Eies  und  des  Jungen ;  viele  Verhältnisse  derselben  erscheinen  bei 
näherer  Betrachtung  durch  die  Brutpflege  bedingt  (vergl.  z.  B.  die 
Mysiden,  Isopoden  etc.). 

Bei  einer  eingehenderen  Betrachtung  erscheint  auch  das  Zurückbehalten 
der  Eior  im  Innern  des  mütterlichen  Organismus  bei  den  lebendig- 
gebärenden Thieren  als  eine  Art  Brutpflege;  in  der  That  scheint  der 
Unterschied  zwischen  dem  Verweilen  des  jugendlichen  Organismus  im  Ei- 
leiter (wie  bei  den  lebendiggebärenden  Thieren)  oder  in  einer  Einstülpung 
der  Haut  (wie  es  manchmal  bei  der  Brutpflege,  z.  B.  bei  den  Beutelthieren, 
stattfindet)  ein  rein  äusserlicher  zu  sein ;  der  Zweck  ist  auch  derselbe,  und 
in  beiden  Fällen  finden  wir  ganz  älinliche  Folgen  für  die  Mutter  und  für 
den  jugendlichen  Organismus:  Ausbildung  besonderer  Einrichtungen  bei 
ersterer,  Eigenthümlichkeiten  der  Entwicklung  des  letzteren. 


V.  Die  Verwandtschaft  der  Thiere;  das  System. 

Die  Abstammungslehre. 


Die  zahllosen  thierischen  Organismen,  welche  auf  der  Erde  leben, 
theilt  man  in  eine  Anzahl  Hauptgruppen,  diese  wieder  in  kleinere  und 
kleinere  Abtheilungen.  Diese  stufenweise  (iruppeneiiitheilung  ist  nicht 
willkürlich,  sondern  in  der  mehr  oder  minder  engen  Uebereinstimmung 
der  Thiere  begründet,  so  dass  die  in  den  Abtheilungen  niedersten 
Ranges  zusammengefassten  Thiere  die  grösste  Uebereinstimmung  dar- 
bieten. Wir  fangen  damit  an,  den  Begriff  der  Art  (Sjxcies)  etwas 
näher  zu  betrachten. 

Zu  einer  Art  rechnet  man  erstens  alle  diejenigen  Individuen, 
welche  auf  derselben  Altersstufe  eine  genaue  Uebereinstimmung  in 
allen  Einzelheiten  ihres  Baues  zeigen.  Ferner  alle  diejenigen  Indi- 
viduen, welche  sich  mit  jenen  unter  normalen  Verhältnissen  paaren 
und  fruchtbare  Nachkommen  erzeugen,  gleichgültig  ob  sie  jenen  gleich 
oder  unähnlich  sind.  Endlich  auch  die  Jungen,  es  seien  diese  den 
Eltern  ähnlich  oder  nicht.  Es  gehören  z.  B.  alle  Feldhasen weibchen, 
welche  in  Deutschland  gefunden  werden,  zu  ein  e  r  Art.  indem  sie  auf 
derselben  Altersstufe  eine  innige  Uebereinstimmung  in  allen  Theilen 
des  Körpers  zeigen ;  derselben  Art  gehören  ferner  alle  deutscheu  Feld- 
hasenmänuchen  an ,  obgleich  sie  besonders  in  den  Verhältnissen  des 
Geschlechtsapparates  abweichen,  weil  sie  sich  mit  jenen  freiwillig  be- 
gatten und  fruchtbare  Nachkommen  erzeugen;  endlich  auch  die  Jungen, 
welche  in  diesem  Fall  übrigens  von  den  Eltern  nicht  abweichen.  In 


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56 


Allgemeiner  Theii. 


anderen  Fällen  (bei  Generationswechsel  und  Heterogonie)  sind  die 
Jungen  dagegen  mehr  oder  weniger  von  den  Eltern  verschieden;  jede 
zweite  oder  dritte  (vierte  etc.)  Generation  ist  ähnlich,  aber  von  den 
zwischenliegenden  (oder  einigen  derselben)  abweichend;  alle  gehören 
trotzdem  derselben  Art  an. 

Der  Begriff  der  Art  beruht  somit  auf  drei  Momenten:  der  Ueber- 
ein8timmung  des  Baues,  dem  Geschlechtsverhältniss  und  dem  gene- 
tischen Zusammenhang  (der  Abstammung).  Die  Uebereinstimmung 
verschiedener  Exemplare  derselben  Art  ist  übrigens  keine  absolute, 
selbst  wenn  wir  von  denjenigen  Unterschieden  absehen,  welche  durch 
das  verschiedene  Geschlecht,  durch  das  Alter  oder  durch  Verschieden- 
artigkeit der  Generationen  (bei  Generationswechsel  und  Heterogonie) 
bedingt  sind.  Genau  betrachtet  sind  sogar  zwei  Individuen  niemals 
ganz  übereinstimmend;  eine  sorgfältige  Untersuchung  wird  immer  — 
wenn  wir  von  Geschöpfen  absehen,  welche  so  klein  sind,  dass  sie 
einer  näheren  Untersuchung  unzugänglich  siud  —  Unterschiede  auf- 
weisen: die  Arten  variiren,  wie  man  es  nennt,  stets  in  geringerem 
oder  höherem  Grade.  Die  Variation  ist  im  Allgemeinen  wenig  hervor- 
tretend; äu8serlich  beschränkt  sie  sich  meistens  auf  kleine  Unter- 
schiede der  Farbe,  der  Form  oder  der  relativen  Grösse  einzelner 
Theile,  der  absoluten  Grösse  oder  des  Gewichts  des  ganzen  Thieres; 
innerlich  sind  entsprechende  kleine  Unterschiede  zu  beobachten.  Jede 
grössere  Säugethierart  bietet  leicht  zu  beobachtende  Beispiele  dieser 
gewöhnlichen  Variation  dar.  Zuweilen  wird  die  Variation  aber  augen- 
fälliger: vom  Fuchs,  welcher  meistens  einen  weisslichen  Bauch  hat, 
kommen  zuweilen  Exemplare  mit  schwarzem  Bauch  vor  oder  solche 
mit  einer  schwarzen  Kreuzzeichnung  auf  der  Schultergegend  oder  fast 
schwarze  Exemplare  etc.,  und  ähnliche  Variationen  kommen  bei 
manchen  anderen  Säugethieren  und  Vögeln  vor;  vom  Hirschkäfer, 
dessen  Männchen  meistens  sehr  grosse  Vorderkiefer  besitzen,  findet  man 
zuweilen  männliche  Exemplare  mit  Vorderkiefern,  deren  Länge  nur  ein 
Bruchtheil  des  gewöhnlichen  Maasses  ist,  beim  Fuchs  fehlt  zuweilen 
der  hinterste  Höckerzahn  des  Unterkiefers  etc.  Alle  derartigen,  von 
dem  gewöhnlichen  (typischen)  Artgepräge  abweichende  Exemplare  be- 
zeichnen wir  als  individuelle  Variationen.  In  mehr  vereinzelten 
Fällen  findet  man  Individuen,  welche  sich  in  noch  höherem  Grade 
von  dem  typischen  Gepräge  entfernen,  die  z.  B.  Theile  besitzen,  welche 
der  Art  sonst  fehlen,  aber  bei  verwandten  Thieren  vorkommen  (Pferde 
mit  überzähligen  Zehen),  oder  denen  Theile  abgehen,  welche  typisch 
vorkommen  (geweihlose  Hirsche). 

Fälle  wie  die  letztgenannten  werden  gewöhnlich  unter  den  weiten  Be- 
griff der  Missbildungen  oder  Monstrositäten  gefasst,  worunter 
man  übrigens  auch  Vieles  versteht,  was  mit  unserem  jetzigen  Gegenstande, 
dem  Variiren  der  Art,  nichts  zu  thun  hat.  Zu  den  Missbildungen  (Miss- 
geburten) rechnet  man  z.  B.  Individuen,  welche  sich  in  Folge  äusserer 
schädlicher  Einflüsse  während  des  embryonalen  Lebens  (im  Ei  oder  im 
Mutterleibe)  abweichend  entwickelt  haben  oder  an  einem  oder  mehreren 
Punkten  der  Entwicklung  gehemmt  sind,  also  krankhafte,  pathologische 
Gebilde,  während  wir  uns  hier  lediglich  mit  dem  von  derartigen  Ein- 
wirkungen unabhängigen  Variiren  beschäftigen.  Es  muss  übrigens  zugegeben 
werden,  dass  es  nicht  möglich  ist,  eine  scharfe  Grenze  zwischen  diesen 
verschiedenen  Kategorien  von  Missbildungen  zu  ziehen. 

Bei  einigen  Thieren  findet  man,  dass  innerhalb  derselben  Art  zwei, 


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V.  Die  Verwandtschaft  der  Thiere;  da»  System.  Die  Abstammungslehre.  57 


Ii 


oder  mehrere,  in  gewissen  Charakteren  bestimmt  unterschiedene  Formen 
neben  einander  vorkommen,  und  zwar  meistens  ohne  dass  die  Formen  durch 
Uebergänge  (wie  es  bei  den  oben  genannten  individuellen  Variationen  in 
der  Regel  der  Fall  ist)  unter  einander  verbunden  sind.  Dieses  Verhältniss 
«ird  als  D  i  m  o  r  p  h  i  8  m  u  s  bezeichnet, 
wenn  die  Art  in  zwei  unterschiedenen 
Formen  auftritt,  als  Polymorphis- 
mus, wenn  mehr  als  zwei  Formen 
innerhalb  der  Art  auftreten.  Dimor- 
phismus findet  man  z.  B.  innerhalb  der 
Wanzen,  bei  welchen  verschiedeneArten 
sowohl  in  einer  geflügelten  als  in  einer 
ungeflügelten  Form  auftreten ;  dieser 
und  ähnliche  Fälle  schliessen  sich  eng 
an  die  gewöhnliche  individuelle  Varia- 
tion an  und  sind  leicht  von  derselben 
abzuleiten.  Ziemlich  verbreitet  ist  der 
Di-  oder  Polymorphismus  bei  stock- 
bildenden Thieren  (vergl.  die  Saum- 
und Blasenquallen,  die  achtarmigen 
Korallen,  die  Bryozoe'n),  und  hier  ist 
derselbe  offenbar  die  Folge  des  innigen 
Zusammenlebens  der  Personen  der  Co- 


Fig.  34.  Dimorphismus  einer  Wanze 
{Bliaam  Uucopterua).  A  flugfähige  Form  mit 
Vorder-  und  Ilintcrllugcln ;  B  tlugunfahige 
Form  mit  abgekürzten  VorderHugcln  und  ohne 
HintcrnUgcl.  —  Nach  Rilcy. 


louie:  indem  dieselben  mit  einander  in 
direktem  organischen  Zusammenhang  stehen,  können  gewisse  Arbeitsleistungen 
diesen,  andere  jenen  Personen  überwiesen  werden,  und  eine  natürliche  Folge 
dieser  Arbeitsteilung  wird  eine  verschiedene  Ausbildung  der  Personen  sein. 
Aebniiehes  gilt  auch  vom  Di-  oder  Polymorphismus  der  gesellig  lebenden 
Insekten  (Bienen,  Ameisen,  Termiten). 

Wenn  eine  Art  eine  weite  Verbreitung  hat,  so  findet  man  sehr 
häufig,  dass  die  Individuen  einer  Localität  in  einigen  Hinsichten  in 
der  Regel  von  den  Individuen  einer  anderen  Localität  abweichen. 
Man  sagt  dann,  dass  die  Individuen  jedes  Ortes  eine  besondere 
Varietät  (Rasse,  Unterart)  bilden.  Die  Feldhasen  z.  B. ,  welche 
durch  den  grössten  Theil  Europas  verbreitet  sind,  gehören  alle  einer 
Art  an,  zerfallen  aber  in  drei  Gruppen:  eine  südeuropäische,  deren 
Individuen  sich  durch  kürzere,  lockere  Behaarung,  längere  Ohren  und 
intensiv  rostfarbene  Oberseite  auszeichnen;  eine  mitteleuropäische  mit 
längerer  und  dichterer  Behaarung;  und  eine  nordöstliche  mit  sehr 
langer  und  dichter  Behaarung  und  stärkerem  weisslichen  Anflug  als 
die  beiden  Anderen.  Diese  drei  Individuengruppen  sind  verschiedene 
Varietäten,  indem  sie  bei  durchgehender  Uebereinstimmung  doch 
in  der  Regel  in  den  angegebenen  Punkten  von  einander  sich  unter- 
scheiden; verschiedene  Arten  sind  sie  aber  nicht,  weil  es  innerhalb 
einer  jeden  Exemplare  giebt,  welche  sich  dem  Gepräge  einer  der 
anderen  Gruppen  nähern,  so  dass  die  Gruppen  nicht  scharf  geschieden 
sind.  Dasselbe,  was  hier  für  den  Hasen  angegeben  wurde,  gilt  in 
ähnlicher  Weise  z.  B.  für  verschiedene  Säugethier-  und  Vogelarten, 
welche  durch  Europa  und  Nordasien  verbreitet  sind:  die  sibirischen 
Exemplare  bilden  eine  besondere  Varietät,  indem  sie  in  der  Regel 
W  einigen  Charakteren  von  den  europäischen  abweichen.  Findet  man 
dagegen  auf  einem  grösseren  oder  kleineren  Land-  oder  Wassergebiete 
eine  Gruppe  von  Individuen ,  welche  durch  bestimmte  Charaktere 


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58 


Allgemeiner  Theil. 


ohne  Ausnahme  von  den  ähnlichen  Individuen  anderer  Localitäten 
abweichen,  dann  bildet  sie  eine  besondere,  aber  nahe  verwandte 
Art.  Der  Wapitihirsch  (Cervus  canadensis)  Nordamerikas  ist  z.  B. 
eino  andere  Art  als  der  europäische  Edelhirsch,  dem  er  aber  sehr 
nahe  steht;  ebenso  ist  der  nordamerikanische  Biber  eine  andere  Art 
als  der  nahe  verwandte  europäische  Biber,  indem  man  bei  jedem  In- 
dividuum des  ersteren  bestimmte  besondere  Charaktere  findet,  welche 
nie  bei  den  europäischen  vorhanden  sind  und  umgekehrt  (namentlich 
im  Schädel).  Manchmal  kann  es  sehr  schwierig  sein,  zu  entscheiden, 
ob  eine  Gruppe  von  Individuen  eine  Varietät  oder  eine  selbständige 
Art  bildet ;  maassgebend  ist  es,  ob  die  betreffenden  Unterschiede  c  o  n  - 
staut  sind  oder  nicht,  ob  sie  lediglich  in  der  Regel  (Varietät)  oder 
ausnahmslos  (Art)  gelten  —  und  dieses  kann  man  vielfach  nicht  mit 
Sicherheit  feststellen.  Praktisch  genommen  nennt  man  eine  Indi- 
viduengruppe eine  besondere  Art,  wenn  „Uebergäuge"  von  ihr  zu 
einer  anderen  Art  unbekannt  sind.  d.  h.  wenn  man  nicht  Exem- 
plare kennt,  bei  welchen  die  Charaktere,  welche  jene  von  einer  nahe 
stehenden  Art  trennen ,  mehr  oder  weniger  verwischt  sind ;  sobald 
derartige  Uebergänge  bekannt  werden,  wird  die  Gruppe  als  Varietät 
der  anderen  untergeordnet.  Eine  scharfe  Grenze  ist  in  der  That  zwischen 
„Varietät"  und  „Art"  in  der  Natur  nicht  vorhanden. 

Die  Samcnkörperchen  einer  Thierart  sind  im  Allgemeinen 
nicht  im  Stande,  die  Eier  einer  anderen  Art  zu  befruchten.  Für 
einander  ferner  stehende  Arten  (etwa  Pferd  —  Kind  etc.)  gilt  dies 
sogar  ausnahmslos  1):  für  näher  verwandte  Arten  giebt  es  dagegen  zahl- 
reiche Ausnahmen,  für  ganz  nahe  stehende  Arten  ist  die  Ausnahrae 
sogar  Hegel.  Zuweilen  findet  man,  dass  eine  Befruchtung  zwar  statt- 
findet, dass  aber  der  Embryo  auf  einer  frühen  Entwicklungsstufe 
abstirbt  (Fasan  —  Huhn),  oder  dass  das  Embryonalleben  durchlaufen 
wird,  dass  dann  aber  das  Junge  schwächlich  ist  und  leicht  abstirbt. 
Manchmal  kommt  es  jedoch  auch  zu  einer  vollständigen  Entwicklung 
des  durch  die  Kreuzbefruchtung  erzeugten  Individuums,  des  Ba- 
stards oder  Hybriden,  aber  dieses  zeichnet  sich  meistens  dadurch 
aus,  dass  es  —  bei  sonst  völlig  regulärer  Ausbildung  —  unfrucht- 
bar (steril)  ist.  d.  h.  dass  es  ausser  Stande  ist,  reife  Eier  oder  Samen- 
körperchen  hervorzubringen.  In  nicht  ganz  wenigen  Fällen  ist  die 
Unfruchtbarkeit  jedoch  nicht  absolut,  die  Fruchtbarkeit  nur  bedeutend 
verringert;  in  mehr  vereinzelten  Fällen  sind  die  Bastarde  ebenso 
fruchtbar  wie  die  Stammarten  (Bastarde  gewisser  Hirscharten,  ver- 
schiedener Fasanenarten ,  Bastarde  der  europäischen  und  der  von 
dieser  ziemlich  bedeutend  verschiedenen  chinesischen  Gans  etc.).  — 
Im  Gegensatz  zu  dem  gewöhnlichen  Verhältnis  bei  der  Kreuzbefruch- 
tung verschiedener  Arten  sind  dagegen  verschiedene  Varietäten 
derselben  Art  immer  im  Stande,  einander  zu  befruchten,  und  die 
Fruchtbarkeit  der  Mischlinge  scheint  fast  niemals  verringert  zu  sein. 
Hiermit  ist  aber  nicht  etwa,  wie  man  früher  gemeint  hat,  ein  ab- 
soluter Unterschied  der  Begriffe  Art  und  Varietät  gegeben,  denn, 
wie  eben  erwähnt,  verhalten  gewisse  zweifellos  verschiedene  Arten 


J)  In  der  neueren  Zeit  ist  es  jedoch  durch  Experimente  nachgewiesen,  dnss 
die  Eier  einiger  Arten  durch  Samen  reeht  lern  stehender  Formen  befruchtet  werden 
können  (Frosch  —  Triton;  reguläre  Seeigel  —  irreg.  do.);  die  Entwicklung  des 
Eies  ist  dann  aber  meist  unregelmässig  und  hört  bald  auf. 


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V.  Die  Verwandtschaft  der  Thiere ;  das  System.  Die  Abstammungslehre.  59 


>ich  bei  einer  Kreuzung  genau  ebenso  wie  die  Varietäten :  i  m  A  1 1  - 
gemeinen  verhalten  die  Arten  sich  zwar  bei  einer  Kreuzung  ver- 
schieden von  den  Varietäten,  es  giebt  aber  Ausnahmen.  Es  ist  also 
ebenso  unmöglich,  nach  dem  Verhalten  bei  der  Kreuzung  wie  nach 
den  Charakteren  des  Baues  eine  Grenze  zwischen  „Varietät"  und 
..Art"  festzustellen.  —  Alle  fruchtbaren  Hybriden,  sowohl  Arts-  wie 
Varictätsmischlinge ,  haben  die  Eigenschaft  gemein,  dass  sie  bei 
Anpaarung,  sei  es  an  einander  oder  an  eine  der  Stammarten  oder 
Stammvarietäten,  meistens  eine  Nachkommenschaft  erzeugen,  welche 
nach  wenigen  Generationen  auf  eine  der  Stammformen  zurückschlägt 
oder  doch  jedenfalls  nicht  den  Zwischencharakter  behält,  welcher 
gewöhnlich  die  erste  Bastardgeneration  auszeichnet,  und  überhaupt 
schwer  ein  festes  Gepräge  behält,  sondern  bedeutender  und  regelloser 
Variation  anheimfällt  (..Ausarten"  der  Mischlinge);  letzteres  Ver- 
liältniss  spielt  für  die  Thierzucht,  bei  der  Kreuzung  verschiedener 
Rassen  (d.  h.  durch  Cultur  entstandener  Varietäten)  eine  bedeutungs- 
volle Rolle. 

In  der  freien  Natur  kommen  thierische  Bastarde  (Varietäts-  sowohl  als 
Artebastarde)  nur  relativ  selten  vor.  An  der  Grenze  des  Verbreitungs- 
gebietes naheverwandter  Formen  trifft  man  jedoch  zuweilen  Mischlinge,  und 
innerhalb  einzelner  Thiorgruppen  erscheinen  Bastarde  ziemlich  häufig  (Lachs- 
fische des  Süs8wasser8).  Die  Vermischung  der  Arten  wird  unter  Anderem 
dadurch  verhindert,  dass  die  Individuen  verschiedener  Arten,  wenigstens  unter 
natürlichen  Verhältnissen,  meistens  abgeneigt  sind,  sich  mit  einander  zu  paaren. 

Wie  die  Domestication  auch  anderweitig  in  die  Verhältnisse  der  be- 
treffenden Thiere  tief  eingreift,  so  scheint  sie  auch  die  Folge  zu  haben, 
das«  die  Fruchtbarkeit  der  Artsbastarde  in  manchen  Fällen  vergrössert 
wird.  Als  Beispiele,  welcho  hierauf  hinweisen,  führen  wir  Folgendes  an. 
Die  jetzt  in  Nordeuropa  gehaltenen  Schweine  sind  grüsstentheils  durch 
Kreuzung  des  alten  nordeuropäischen  Hausschweines  mit  einem  asiatischen 
Hauaschwein  entstanden;  jenes  war  ein  Abkömmling  des  nordeuropäischen 
Wildschweines,  mit  welchem  es  z.  B.  in  den  Einzelheiten  des  Schädels  (von 
der  Grösse  abgesehen)  genau  übereinstimmte,  während  das  genannte  asiatische 
Schwein  von  einem  oder  mehreren  asiatischen,  von  dem  nordeuropäischen 
zweifellos  verschiedenen,  Wildschweinen  abstammte;  beide  im  Schädel  z.  B. 
ausgesprochen  verschiedenen  Hausschweine  haben  trotzdem  Bastarde  erzeugt, 
von  welchen  die  meisten  jetzigen  nordeuropäischen  Hausschweine  abstammen. 
Der  Uund  scheint  ebenfalls  von  mehreren  Arten  abzustammen ;  das  gewöhn- 
liche Rind  erzeugt  vollkommen  fruchtbare  Hybride  mit  dem  zweifellos  eine 
selbständige  Art  bildenden  Zebu  etc. 

Mehrere  einander  ähnliche  Arten  werden  zu  einer  Gattung 
ideHMs)  zusammengefasst;  es  bilden  z.  B.  der  Löwe,  der  Tiger,  der 
•Jaguar,  die  Hauskatze  und  Andere  eine  Gattung,  dede  Gattung  des 
Thierreichs  wird  nach  einer  festgesetzten  Regel  mit  ihrom  lateinischen 
wler  latinisirten  Namen  bezeichnet,  welcher  immer  ein  einzelnes  Wort 
i*t:  z.  B.  wird  die  Gattung,  welche  die  soeben  genannten  Thiere  um- 
fesst,  Felix  genannt.  Die  Arten  werden  mit  dem  Gattungsnamen  nebst 
?iner  angefügten  Bezeichnung  benannt;  letztere  ist  gewöhnlich  ein 
Adjectiv,  zuweilen  ein  Substantiv  in  Apposition  zum  Gattungsnamen 
'»der  ein  Substantiv  im  Genitiv:  die  Hauskatze  nennt  man  /..  B. 
h(h  domextica,  den  Löwen  Felis  leo,  die  Cochenillelaus  Cmcus  caefi.  — 
Mehrere  ähnliche  Gattungen  werden  zu  einer  Familie  zusammen- 
gefasst; es  gehören  z.  B.  die  Mardergattung  (Mmlela).  die  Dachsgattung 


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60  . 


Allgemeiner  Theil. 


(Meies),  die  Ottergattung  (Liitra)  u.  a.  zu  einer  Familie,  der  Marder- 
familie,  Mmtelidae  (die  Familiennamen  werden  meistens  von  einem  der 
Gattungsnamen  mit  Hinzufügung  der  Endigung  idae  gebildet).  Mehrere 
Familien  werden  wieder  zu  einer  Ordnung  zusammengefasst;  die 
Katzenfamilie,  die  Marderfamilie,  die  Bärenfamilie  u.  A.  bilden  die 
Ordnung  Raubtbiere,  Carnivora.  Die  Ordnungen  bilden  wieder 
Classen;  es  gehören  z.  B.  die  Raubthiere  und  eine  Anzahl  anderer 
Ordnungen  zur  Classe  der  Säugethiere  {Mammalia).  Die  Classen 
bilden  ihrerseits  Thierkreise;  die  Classen  der  Säugethiere,  der 
Vögel,  der  Reptilien  etc.  bilden  den  Kreis  der  Wirbelthiere  (Vertebrata). 

Diese  Gruppirung  der  Tliiere  in  über-  und  untergeordnete  Ab- 
theilungen ist,  wie  oben  bemerkt,  nicht  willkürlich,  sondern  in  der 
Natur  selbst  begründet.  Die  Thierformen  sind  durch  eine  nähere 
oder  entferntere  Verwandtschaft,  d.  h.  durch  eine  mehr  oder 
minder  innige  Uebereinstimmung  des  Baues  mit  einander  verknüpft. 
Dieser  Zusammenhang  gelangt  in  der  genannten  Gruppirung,  in  dem 
sogenannten  System  des  Thierreichs,  zum  Ausdruck.  Das  System 
ist  übrigens  keineswegs  ein  vollständiger  Ausdruck  des  Zusammen- 
hanges der  Thierformen.  Wenn  z.  B.  die  Fische,  Lurche,  Reptilien, 
Vögel  und  Säugethiere  in  einen  Thierkreis  vereinigt  werden,  so  ist 
hiermit  zwar  hinlänglich  deutlich  ausgedrückt,  dass  alle  diese  Ab- 
theilungen in  gewissen  Hauptzügen  des  Baues  mit  einander  überein- 
stimmen, andererseits  ist  aber  damit  gar  nichts  darüber  gesagt,  dass 
die  genannten  Classen,  wie  es  thatsächlich  der  Fall  ist,  sich  wie  die 
Glieder  einer  Kette  an  einander  fügen,  und  zwar  derartig,  dass  die 
Lurche  sich  an  die  Fische,  die  Reptilien  an  die  Lurche,  die  Vögel 
und  Säugethiere  an  die  Reptilien  anreihen.  Es  besteht  im  Thierreiche 
thatsächlich  ein  weit  innigerer  Zusammenhang  der  Formen,  als  das 
System  es  ausdrückt;  eine  derartige  Verkettung,  wie  wir  sie  für  die 
Hauptgruppen  des  Wirbelthierkreises  angedeutet  haben,  ist  mehr  oder 
weniger  leicht  nachweisbar  überall  im  Thierreiche  vorhanden. 

Es  liegt  nahe,  zu  fragen,  was  etwa  die  Ursache  dieses  merk- 
würdigen Zusammenhanges  der  verschiedenen  Thierformen  sein  mag. 
Vor  wenigen  Decennien  ging  die  Antwort  allgemein  dahin,  dieses 
ganze  Verhältniss  sei  eines  der  grossen  Räthsel  der  Natur,  dem  mensch- 
lichen Geist  unzugänglich.  Jetzt  ist  es  dagegen  allgemein  erkannt, 
dass  jener  Zusammenhang,  jene  Uebereinstimmung  verschiedener  Thier- 
formen eine  Wirkung  desselben  Gesetzes  ist,  welches  die  Aehnlichkeit 
von  Eltern  und  Kindern,  von  Geschwistern,  von  entfernteren  Ver- 
wandten bedingt,  nämlich  des  Gesetzes  der  Erblichkeit.  Wenn 
der  Löwe,  der  Tiger,  die  Wildkatze  und  andere  Arten  kraft  einer 
engen  Uebereinstimmung  in  den  meisten  Punkten  des  Baues  zu  einer 
Gattung  zusammengehören,  so  ist  dies  darin  begründet,  dass  sie  alle 
ursprünglich  von  einer  einzigen  Art  abstammen,  welche  sich  all- 
mählich in  mehrere  Arten  gespalten  hat;  wenn  die  Bären.  Marder, 
Katzen  etc.  sich  alle  zu  einer  Ordnung  zusammenfügen,  so  beruht 
dieses  darauf,  dass  sie  alle  von  einer  gemeinsamen  Grundform  ab- 
stammen; ebenso  für  die  höheren  Abteilungen  (z.  B.  Säugethiere, 
Wirbelthiere).  Die  Verkettung  zweier  solcher  Gruppen,  wie  der 
Reptilien  und  der  Vögel,  beruht  darauf,  dass  letztere  Abtheilung 
von  ersterer  abstammt;  durch  allmähliche  Umbildung  eines  Zweiges 
des  Reptilien-Typus  ist  zunächst  eine  Vogelform  gebildet  worden, 
von  welcher  die  übrigen  abstammen. 


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V.  Die  Verwandtschaft  der  Thiere;  das  System.  Die  Abstammungslehre.  61 


Eine  consequente  Durchführung  dieser  Auffassung  führt  uns  zu 
dem  Resultat,  dass  alle  Thiere  von  einer  gemeinsamen  Urform  ab- 
stammen, welche  wahrscheinlich  etwa  die  Gestalt  einer  Amöbe  gehabt 
hat.  Dies  ist  der  wesentliche  Inhalt  der  Abstammungslehre 
(des  Darwinismus);  danach  sind  alle  Thiere  (und  Pflanzen)  von 
einer  gemeinsamen  Urform  ausgegangen,  welche  sich  allmählich  im 
Laufe  enormer  Zeiträume  in  die  ganze  unermesslich  grosse  Mannig- 
faltigkeit verschiedener  organischer  Formen  gespalten  hat. 

Die  Richtigkeit  dieser  Theorie  ergiebt  sich  einerseits 
daraus,  dass  sie  im  Stande  ist,  nicht  nur  die  schon  längst  bekannte 
..natürliche  Verwandtschaft"  der  Organismen  in  natürlicher  Weise  zu 
erklären,  sondern  auch  eine  unendliche  Menge  anderer  Erscheinungen 
der  organischen  Welt  verständlich  zu  machen,  —  andererseits 
daraus,  dass  es  trotz  der  eifrigsten  Bestrebungen  nicht  gelungen  ist, 
Thatsachen  aufzufinden,  welche  mit  der  Theorie  unvereinbar  wären.  — 
üeber  die  wichtigsten  Punkte,  welche  für  die  Abstammungslehre 
sprechen,  resp.  ohne  die  Annahme  derselben  unbegreiflich  dastehen, 
vergl.  oben  S.  41  (rudimentäre  Organe),  54  (gewisse  Erscheinungen 
der  Entwicklungsgeschichte)  und  im  Folgenden  die  Abschnitte  VI 
bis  VIII. 

Während  der  Gedanke  einer  Abstammung  schon  längst  von  verschiedener 
Seite  ausgesprochen  ist,  gelangte  er  erst  in  den  letzten  Decennien  zu  all- 
gemeiner Annahme,  und  zwar  verdankt  man  dies  in  erster  Linie  dem  eng- 
lischen Naturforscher  Chaklks  Dakwin  (1809 — 1882),  namentlich  seinem 
zam  ersten  Mal  1859  erschienenen  Werk  „Origin  of  Species".  Wir  erblicken 
das  Verdienst  Darwin  s  zunächst  darin,  dass  er  von  allen  Seiten  Daten  zu- 
sammengebracht hat,  welche  die  Notwendigkeit  der  Annahme  einer  Ab- 
stammung beweisen.  Er  hat  für  eine  grosse  Anzahl  von  Erscheinungen 
der  Thiergeographie,  der  Geologie,  der  Embryologie,  für  die  rudimentären 
"rgane,  für  die  ganze  Lehre  von  der  Verwandtschaft  der  Thiere  nach- 
gewiesen, dass  sie  unverständlich  bleiben,  wenn  man  eine  isolirte  Entstehung 
der  Arten  annimmt.  Er  hat  ferner,  was  ebenfalls  von  der  grössten  Wichtig- 
keit war,  dem  hergebrachten  Dogma  von  der  Unveränderlichkeit  der  Art 
and  dem  Wahn,  dass  der  Artbegriff  anderer  Qualität  sei  als  die  übrigen 
Begriffsbestimmungen  der  natürlichen  Verwandtschaft,  den  Boden  entzogen 
(vergl.  S.  58).  —  Von  geringerer  bleibender  Bedeutung  scheint  uns  seine 
Theorie  von  den  Kräften,  welche  in  erster  Linie  die  Abänderungen  geleitet 
haben  sollen  (die  Selectionstheorie),  eine  Seite  seiner  Arbeit,  welche 
er  übrigens  mit  der  grössten  Energie  und  mit  Aufgebot  der  ausgedehntesten 
Stadien  durchgeführt  hat.  Darwin  stellte  sich  vor,  dass  in  der  Natur  ähnlich 
wie  bei  der  Züchtung  der  Hausthier e  eine  Auswahl  stattfände,  und  zwar 
derart,  dass  immer  diejenigen  Individuen  am  besten  im  Kampfe  um's  Dasein 
bestanden,  welche  sich  durch  kleine  günstige  Abweichungen  von  dem  ge- 
wöhnlichen Artgepräge  auszeichnen,  und  dass  hierdurch  eine  Entwicklung 
in  fortschreitender  Richtung  bedingt  wäre,  indem  die  weniger  gut  aus- 
statteten Individuen  zu  Grunde  gingen,  während  die  besseren  überlebten : 
natürliche  Auswahl  {natural  sckäum).  Ob  eine  derartige  Auswahl 
überhaupt  in  der  Natur  vorkommt,  erscheint  aber  keineswegs  gesichert,  und 
jedenfalls  giebt  es  bei  den  Thieren  eine  grosse  Menge  von  Charakteren, 
welche  als  unnütz  oder  gleichgültig  nicht  durch  die  Annahme  einer  Auswahl 
verständlich  gemacht  werden  können.  Neben  der  natürlichen  Auswahl  er- 
kennt Darwin  übrigens  auch  eine  mehr  direkte  Einwirkung  der  umgebenden 
Verhältnisse  als  Ursache  der  Umänderung  an.    Diese  ganze  Frage  erscheint 


62 


Allgemeiner  Theil. 


nber  noch  zu  weit  von  ihrer  Lösung  entfernt,  als  dass  sie  in  einem  Lehr- 
buche wie  dem  vorliegenden  näher  behandelt  werden  könnte. 

Homologie,  Analogie.  Bei  der  allmählichen  Umbildung  der 
Thierformen  im  Laufe  der  Zeiten  haben  sich  die  einzelnen  Theile 
des  Organismus  oft  sehr  stark  verändert,  ja  ein  Organ  hat  sogar 
nicht  selten  seine  ursprüngliche  Function  verloren  und  eine  neue 
übernommen.  Organe  oder  Körpertheile  verschiedener  Thiere,  welche 
auf  einen  gemeinsamen  Ursprung  zurückgeführt  werden  können,  mag 
die  Function  dieselbe  oder  eine  verschiedene  sein,  werden  als  homo- 
log bezeichnet:  der  Arm  eines  Menschen  ist  dem  Vorderbein  eines 
Hundes  und  dem  Flügel  eines  Vogels  homolog,  obgleich  die  Function 
in  allen  Fällen  eine  verschiedene  ist.  Andererseits  kommt  es  häutig 
vor.  dass  dieselbe  Function  bei  einem  Thiere  von  einem  Organ,  bei 
einem  anderen  von  einem  anderen  Organ  übernommen  ist;  derartige, 
nach  Ursprung  verschiedene,  nach  Function  gleir.hwerthige  Theile 
werden  als  analog  bezeichnet:  das  Auge  der  Wirbelthiere  ist  z.  B. 
dem  der  Schnecken  analog.  Derjenige  Theil  der  Wissenschaft,  dem 
es  als  besondere  Aufgabe  obliegt,  den  Homologien  nachzuspüren  und 
die  Umwandlungen  der  Organe  darzustellen,  wird  als  v  e  r  g  1  e  i  c  h  e  n  d  e 
Anatomie  bezeichnet;  mit  der  Embryologie  zusammen  bildet 
sie  die  Morphologie  der  Thiere;  Dieser  gegenüber  ist  es  die 
Aufgabe  der  Physiologie,  die  Functionen  der  Organe  zu  studiren. 


VI.  Biologie. 

Die  Biologie  (in  engerem  Sinne)1)  behandelt  die  Lebensweise 
der  Thiere,  ihr  Verhältnis»  zur  umgebenden  Natur  etc.  Verschiedene 
biologische  Fragen  sind  schon  gelegentlich  bei  den  Organen  und  bei 
der  Entwicklungsgeschichte  behandelt;  wir  betrachten  im  Folgenden 
einige  andere  von  allgemeinerem  Interesse. 

1.  Die  Vertheilung  der  Thierwelt  auf  Land,  Süsswasser  und  Meer. 

Nach  den  verschiedenen  Verhältnissen  der  Umgebung  ist  die 
Thierwelt  sehr  verschiedenartig  entwickelt;  gewisse  Gruppen  leben 
besonders  unter  diesen,  andere  unter  jenen  Verhältnissen ;  Mitglieder 
derselben  Abtheilung,  welche  sich  unter  ungleichen  äusseren  Verhält- 
nissen befinden,  sind  in  mehr  oder  weniger  enger  Anpassung  an  die 
Umgebung  verschieden  ausgebildet.  Andererseits  können  bestimmte 
äussere  Verhältnisse  oft  den  Mitgliedern  verschiedener  Abteilungen, 
welche  in  denselben  leben,  in  gewissen  Richtungen  ein  ähnliches 
Gepräge  aufdrücken. 

Ausgeprägte  Landthier-Gruppen  sind  die  Säuge  thiere,  Vögel, 
Reptilien,  Insekten,  Spinnenthiere  und  Tausendfüssler, 
weniger  ausgeprägt  die  Lurche,  welche  halbwegs  Wasserthiere  sind. 
Ausserdem  hat  eine  Anzahl  Formen  aus  Gruppen,  die  übrigens 

')  Die  Biologie  in  weiterem  Sinne  umfasBt  die  ganze  Wissenschaft  von  den 
Organismen,  a!no  die  ganze  Zoologie  und  Botanik. 


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VI.  Biologie. 


63 


wesentlich  dem  Meere  angehören,  sich  dem  Landleben  angepasst,  vor 
Allem  die  grosse  Abtheilung  der  Lungenschnecken,  nicht  wenige 
Krebsthiere,  einige  Gr  1  i e d e r w ü r m e r  (Regenwürmer,  Egel),  ein- 
zelne Plattwürmer  etc.  Ein  gemeinsamer  Charakter  der  Landthiere 
besteht  darin,  dass  sie,  insofern  sie  mit  besonderen  Athmungswerk- 
zengen  ausgestattet  sind,  fast  immer  vermittels  Lungen  oder  lungen- 
ahnlicher  Organe  athmen.  —  Nach  dem  verschiedenen  Charakter  der 
Landschaft,  des  Erdbodens  und  des  davon  sehr  abhängigen  Ptianzen- 
lebens  ist  auch  die  Thierwelt,  die  Fauna,  in  verschiedener  Weise 
entwickelt;  die  Arten,  Gattungen,  ja  sogar  Familien,  die  man  z.  B. 
im  Walde  findet,  sind  theilweise  andere  als  diejenigen,  welche  in 
waldlosen  Landstrichen  angetroffen  werden,  so  dass  man  von  einer 
AValdfauna,  Steppenfauna,  Gebirgsfauna  etc.  reden  kann. 

Das  Thierleben  des  Süss  Wassers  hat  ein  verhältnissmässig  wenig 
charakteristisches  Gepräge;  von  den  grösseren  Abtheilungen  giebt  es 
kaum  eine,  welche  als  ein  besonderer  Süsswassertypus  bezeichnet 
werden  könnte;  das  Thierleben  der  süssen  Gewässer  ist  vielmehr 
wesentlich  aus  Formen  zusammengesetzt,  welche  theils  ausgeprägten 
Landthiertypen,  theils  Meerestypen  angehören;  es  bekommt  dadurch 
ein  eigenthüm  liebes  geborgtes  und  gemischtes  Gepräge.  Den  Land- 
tieren sind  die  zahlreichen  Lungenschnecken,  Insekten  und 
Spinnen  th  ie  re  entlehnt,  welche  im  Süsswasser  leben;  aus  den 
Abheilungen  der  Säugethiere  und  Vögel  hat  das  Thierleben  des 
Landes  an  das  Süsswasser  gar  keine  ständigen  Bewohner  abgegeben, 
wenn  auch  nicht  wenige  Formen  der  genannten  Gruppen  hin  und 
wieder  oder  sogar  überwiegend  sich  im  Süsswasser  aufhalten;  die 
Reptilien  haben  eine  nicht  geringe  Anzahl  Formen  geliefert,  welche 
jedoch  grösstenteils  hin  und  wieder  aufs  Land  gehen  (Krokodile, 
Schildkröten  etc.).  Die  Lurche  sind  als  Larven  fast  alle  Süss- 
wasserthiere ;  viele  trifft  man  auch  im  erwachsenen  Zustande  häufig 
<*ler  immer  im  Süsswasser.  Vom  Meere  hat  das  Süsswasser  em- 
pfangen: zahlreiche  Fische  (ganze  Familien  gehören  fast  ausschliess- 
lich dem  Süsswasser  an) ,  eine  Anzahl  Kiemenschnecken, 
Muscheln,  Krebsthiere,  Borsten  wür  in  er,  Bry  ozoeu, 
Platt w ü r m e r,  einzelne  Cölenteraten,  nicht  wenige  Rhizo- 
poden  etc.;  ganz  wenige  Säugethiere,  aus  einer  als  Meerestypus 
speciell  ausgebildeten  Ordnung  (den  Walen),  leben  im  Süsswasser. 
Die  Egel,  die  Rädert  liiere  und  die  Infusionsthierchen, 
Aufteilungen,  welche  sowohl  im  Süsswasser  wie  im  Meere  leben, 
sind  im  Süsswasser  so  reich  vertreten,  dass  sie  vielleicht  als  Süss- 
wassertypen  aufzufassen  sind.  Die  Modifikationen,  welche  die  Land- 
ser Meeresformen  beim  Uebergang  in's  Süsswasser  erlitten  haben, 
sind  gewöhnlich  nicht  sehr  bedeutend;  die  Landthierformen  bleiben 
gewöhnlich  luftathmend,  und  die  Umbildung  beschränkt  sich  wesent- 
lich auf  dasjenige,  was  durch  die  gewöhnlich  eintretende  Veränderung 
der  Bewegungsweise  nothwendig  bedingt  ist;  auch  für  die  Meeres- 
formen sind  die  Umänderungen  in  der  Regel  ziemlich  unwesentlich.1) 

Ausgeprägte  Meerost  Iiier-Gruppen  sind  die  Classe  der  Fische, 
der  Kreis  der  Weiehthicrc.  die  Krebsthiere,  Glieder- 
Türmer,  Bryozoen,  Brach  iopoden,  Platt  würm  er,  St  achel- 

')  Es  ist  jedoch  charakteristisch,  dass  manchen  Süsswasserthieren  ein  frei 
^hwimmendes  Larvenstadium  abgeht,  während  ihre  Verwandten  im  Meere  ein 
Elches  besitzen  (Flasskrebs,  Süsswassermuscheln  etc.). 


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64 


Allgemeiner  Theil. 


häuter,  Cölenteraten,  Schwämme,  Rhizopoden  und  Ra- 
diolarien;  von  diesen  gehören  sogar  die  Brachiopoden,  Stachelhäuter 
und  Radiolarien  ausschliesslich,  die  Cölenteraten  und  Schwämme 
mit  wenigen  Ausnahmen  dem  Meere  an.  —  Von  dem  Landthierleben 
hat  das  Meer  grosse  Beiträge  empfangen,  namentlich  von  Wirbel- 
thieren.  Zwei  Ordnungen  der  Säuget  liiere,  die  Wale  und  Sirenen, 
erstere  mit  zahlreichen  Grattungen  und  Arten,  haben  sich  völlig  dem 
Meeresleben  angepasst,  und  ihr  Bau  hat  dementsprechend  bedeutende 
Modificationen  erlitten;  eine  dritte  Säugethierordnung,  die  Seehunde, 
sind  ebenfalls  ausgeprägte  Meeresthiere,  wenn  sie  auch  der  Fort- 
pflanzung wegen  etc.  aufs  Land  gehen.  Auch  die  Reptilien  haben 
zu  dem  Thierlebon  des  Meeres  einiges  beigesteuert  (Seeschlangen, 
Seeschildkröten).  Unter  den  Vögeln  giebt  es  keine,  welche  aus- 
schliessliche Meeresthiere  geworden  sind,  wenn  auch  manche  sich 
mehr  oder  weniger  innig  an  das  Meer  gebunden  haben  (am  innigsten 
die  Pinguine,  ferner  viele  andere  Schwimmvögel).  Unter  den  jetzt 
lebenden  Lurchen  giebt  es  gar  keine  Meeresformen.  Von  den  Spinne n- 
thieren  werden  nur  wenige,  von  den  Insekten  fast  gar  keine  im 
Meere  angetroffen.  —  Aehnlich  wie  die  Landthiere  ist  auch  die  Meeres- 
fauna nach  den  sehr  verschiedenartigen  Verhältnissen,  welche  sich  im 
Meere  finden,  nach  dem  ungleichen  Charakter  des  Bodens,  nach 
der  Tiefe  etc.  verschieden  entwickelt:  im  Küstengebiet  ist  die  Fauna 
eine  andere  als  auf  grösserer  Tiefe,  liier  wiederum  nach  der  Bodenart 
verschieden  etc.  (über  die  Fauna  der  grossen  Tiefen  und  über  die 
.  pelagische  Fauna  vergl.  den  folgenden  Paragraphen.)  Von  durch- 
greifender Bedeutung  ist  auch  die  Grösse  des  Salzgehaltes,  und  zwar 
derart,  dass  ein  grösserer  Salzgehalt  im  Allgemeinen  dem  Thierleben 
günstiger  ist,  namentlich  einen  grösseren  Artenreichthum  bedingt  (an 
Individuen  können  auch  salzarme  Gewässer  reich  sein). 

Es  wird  letzteres  sehr  deutlich  illustrirt,  wenn  wir  die  Verhältnisse 
des  salzreichen  Kattegatts  mit  denen  der  salzärmeren  westlichen  Ostsee 
und  der  fast  brackischen  östlichen  Ostsee  vergleichen.  Im  Kattegatt  lebt 
eine  ziemlich  reiche  Fauna,  welche  aber  schon  am  nördlichen  Ende  des 
Sundes,  wo  der  Salzgehalt  ein  geringerer  ist,  ein  etwas  kümmerlicheres 
Gepräge  erhält:  die  meisten  Arten,  welche  im  Kattegatt  leben,  werden  zwar 
auch  hier  angetroffen,  z.  Th.  aber  in  kleineren  Exemplaren  und  geringerer 
Anzahl.  Südlicher  im  Sund  sowie  im  ganzen  westlichen  Theil  der  Ostsee 
(südlich  von  den  dänischen  Inseln)  sind  sehr  viele  der  Kattegattsformen 
verschwunden,  andere  zwar  vorhanden,  aber  in  zwerghaften  oder  (für  die 
Weichthiere)  dünnschaligeren  Exemplaren  vertreten.  Endlich  finden  wir 
nur  einen  Bruchtheil  der  Fauna  der  westlichen  Ostsee  in  der  sehr  salzarmen 
östlichen  Ostsee,  und  dies  gilt  auch  von  denjenigen  Partien  der  letzteren 
(südlich  von  Schweden),  welche  hinsichtlich  des  Klimas  von  der  westlichen 
nicht  wesentlich  verschieden  sind. 

Einige  Süsswasserthiere  (Hecht,  Barsch  etc.)  können  auch  in  schwach 
salzigem  Wasser  an  der  Küste  leben,  und  andererseits  können  gewißBe  Meeres- 
thiere im  Süsswasser  vorkommen  (Flunder  [Pkuronectes  fl&nts]).  Auch  gehen 
einige  Fische  des  Laichens  wegen  entweder  aus  dem  Süsswasser  in's  Meer 
(Aal)  oder  umgekehrt  (Maifisch,  Lachs,  Stör  etc.).  Auf  die  meisten  Süss- 
wasserthiere wirkt  dagegen  jedenfalls  die  plötzliche  Ueberführung  in  See- 
wasser als  Gift,  und  ähnlich  verhalten  sich  auch  die  meisten  Meeresthiere 
dem  Süsswasser  gegenüber;  dagegen  ertragen  viele  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  eine  allmähliche  Versalzung,  resp.  Versüssung  des  Wassers. 


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VI.  Biologie. 


65 


Auf  die  Vertheilung  der  Thiere  auf  der  Erde  hat  offenbar  die 
Temperatur  einen  grossen  Einfluss.  Namentlich  ist  dies  für  die 
Land t hier fauna  sehr  augenfällig,  welche  unter  übrigens  gleichen 
Verhältnissen  weit  reicher  in  den  heissen  als  in  den  kälteren  Erd- 
strichen entwickelt,  in  den  kältesten  sogar  fast  völlig  erloschen  oder 
wenigstens  auf  ein  Minimum  herabgedrückt  ist.  Dies  beruht  nicht 
nur  darauf,  dass  eine  höhere  Temperatur  den  Thieren  im  Allgemeinen 
günstig  ist,  sondern  auch  auf  der  Abhängigkeit  der  Thierwelt  von 
der  Pflanzenwelt,  welch  letztere  von  der  Temperatur  sehr  beeinflusst 
wird.  Bei  dem  Umstände,  dass  die  Temperatur  des  Meereswassers 
nicht  annähernd  so  tief  sinkt  wie  die  der  Luft,  können  dagegen  auch 
die  Meere  der  kältesten  Gegenden  eine  reiche  Thierwelt  beherbergen, 
wenn  letztere  auch  nicht  mit  derjenigen  der  heissen  Meere  wetteifern 
kann. 

Merkwürdig  ist  der  Umstand,  dass  manche  Säugethiere  und  Vögel  der 
kälteren  Zone  —  resp.  der  mit  letzterer  im  Wesentlichen  übereinstimmenden 
kalten  Regionen  des  Hochgebirges  —  sich  dadurch  auszeichnen,  dass  sie 
entweder  immer  oder  nur  im  Winter  weiss  sind;  manchmal  behalten  die- 
seU>en  Thierarten,  welche  in  den  kalten  Gegenden  im  Winter  weiss  werden, 
in  den  gemässigteren  Theilen  ihres  Verbreitungskreises  das  ganze  .fahr 
hindurch  die  dunklere  Farbe  (das  kleine  Wiesel  [Mustrto  vul</ari.s\  wird  im 
nördlichen  Skandinavien  im  Winter  weiss,  behält  dagegen  in  Deutachland 
fast  immer  seine  braune  Farbe) ;  es  scheint  sich  somit  hier  um  einen  mehr 
direkten  Einfluss  der  Temperatur  auf  das  Thier  zu  handeln. 

- 

"Wfcährend  wir  oben  die  allgemeineren  Erscheinungen  der  Ver- 
theilung  der  Thiere  behandelt  haben,  wollen  wir  im  Folgenden  einige 
speciellere  Anpassungsverhältnisse  betrachten. 

Dunkelfanna.  Die  „unterirdischen",  völlig  dunklen  Höhlen, 
welche  in  den  Gebirgen  verschiedener  Theile  der  Erde  vorkommen, 
und  die  in  denselben  befindlichen  Gewässer  beherbergen  eine  eigen- 
tümliche kleine  Thierwelt.  Die  meisten  der  an  diesen  Stellen  lebenden 
Thiere  besitzen  im  Gegensatz  zu  ihren  im  Tageslicht  lebenden  Ver- 
wandten sehr  rückgebildete  Sehorgane  oder  entbehren  solcher 
völlig;  häufig  ist  ihre  Haut  pigmentlos.  Als  charakteristisches  Höhlen- 
thier kann  der  blinde,  blasse  Olm  der  Krainer  Höhlen  angeführt 
werden ;  zur  Höhlenfauna  gehören  ferner  einzelne  Fische,  verschiedene 
Krehsthiere,  Insekten,  Spinnenthiere.  Uebrigens  sind  nicht  alle 
Höhlenthiere  blind;  einige  haben  die  Augen  bewahrt,  sind  somit 
weniger  vollständig  dem  Dunkelleben  angepasst.  —  Aehnlich  wie 
die  Höhlenthiere  verhalten  sich  auch  diejenigen  Formen,  welche 
in  den  oberen  Erdschichten  ein  grabendes,  wühlendes  Leben  führen 
und  selten  oder  nur  in  tiefer  Nacht  an  die  Oberfläche  kommen ;  auch 
bei  solchen  bilden  sich  die  Augen  mehr  oder  weniger  zurück  (Maul- 
wurf. Regenwurm). 

Einen  ähnliehen  Charakter  wie  die  Höhlenfauna  hat  auch  das 
namentlich  in  den  letzten  Jahren  bekannt  gewordene  reiche  Thier- 
leben der  Tiefsee,  wohin  ebenfalls  das  Tageslicht  nicht  zu  dringen 
im  Stande  ist.  Die  Tiefseethiere  sind  nicht  selten  fast  pigmentlos, 
und  häufig  sind  sie  mit  sehr  rückgebildeten  Augen  versehen  oder  gar 
völlig  augenlos,  selbst  wenn  sie  Abtheilungen  angehören,  deren  Mit- 
glieder sonst  mit  wohlentwickelten  Sehorganen  ausgestattet  sind  (ver- 

Boai,  Zoologie.  5 


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Allgemeiner  Theil. 


schiedene  Tiefseekrebse  und  -Fische).  Andere  Formen  der  Tiefsee 
sind  aber  sogar  mit  wohlentwickelten  Augen  versehen,  was  namentlich 
von  einer  Mehrzahl  der  Fische  gilt,  welche  als  der  Tiefsee  angehörig 
aufgeführt  worden  sind. *)  Viele  der  Tiefseefische  besitzen  Leucht- 
vermögen. Von  den  Tiefseethieren  sind  hervorzuheben:  die  Glas- 
schwämme, die  gestielten  Seelilien,  oigenthümliche  Seeigel  und  Krebs- 
thiere,  zahlreiche  Fische.  Unter  den  Fischen  und  Krebsen  giebt  es 
eine  Anzahl  Formen,  welche  den  charakteristischsten  Höhlenbewohnern 
völlig  analog  gebildet  sind. 

Noch  weit  eigentümlicher  ist  die  Thierwelt,  welche  auf  offenem 
Meer  in  bedeutendem  Abstand  vom  Lande  schwimmend  lebt,  die  so- 
genannte pelagische  Fauna.  Es  finden  sich  hier  eine  Anzahl  Thier- 
eruppen,  welche  entweder  gar  nicht  oder  nur  ausnahmsweise  in  die 
Nähe  der  Küste  gelangen  und  überhaupt  anderswo  nicht  vorkommen. 
Dazu  gehören  die  Radiolarien  und  gewisse  kleinere  Protozoen-Ab- 
theilungen, die  Siphonophoren,  Leuchtkrebse  (Euphausien),  Flossen- 
füssler  (Pteropoden),  Kielfüssler  (Heteropoden)  und  Salpen ;  ausserdem 
noch  eine  Menge  Formen,  deren  nahe  Verwandte  dem  Lande  näher 
leben;  endlich  eine  ungeheure  Anzahl  Larven,  welche  Formen  an- 
gehören, die  als  Erwachsene  am  Boden  des  Meeres  sich  aufhalten. 
Was  aber  die  pelagische  Thierwelt  besonders  auszeichnet,  ist  nicht 
so  sehr  das  Verhältniss,  dass  eine  Anzahl  Gruppen,  wie  eben  be- 
merkt, ihr  allein  zukommen,  sondern  weit  mehr  der  Umstand,  dass 
das  pelagische  Leben  den  Mitgliedern  der  verschiedenen  dort  lebenden 
Abtheilungen  gewisse  gemeinsame  Charaktere  aufdrückt,  welche 
übrigens  bei  einigen  Formen  weniger,  bei  anderen  stärker  ausgeprägt 
sind.  Es  ist  namentlich  eine  unverkennbare  Tendenz  nach  der  Richtung 
vorhanden,  dass  die  betreffenden  Thiere  derartig  gebaut  werden, 
dass  sie  sich  mit  gross tmögli eher  Leichtigkeit  in  der  Schwebe  er- 
halten können.  Dieses  wird  in  einigen  Fällen  dadurch  erreicht,  dass 
das  Thier  so  zu  sagen  wassersüchtig  wird,  in  seine  Gewebe  bedeutende 
Wassermengen  aufnimmt,  so  dass  sein  speeifisches  Gewicht  nur  wenig 
grösser  als  dasjenige  des  Wassers  wird;  derartige  Thiere  erhalten  ein 
gallertiges  Aussehen  (Medusen,  manche  Flossen-  und  Kielfüssler,  die 
Salpen).  In  anderen  Fällen  wird  dasselbe  dadurch  erreicht,  dass  die 
Oberfläche  des  Thieres  sich  vergrössert,  entweder  indem  der  Körper 
abgeplattet  wird,  oder  durch  Verlängerung  der  Gliedmaassen,  durch 
Ausbildung  langer  Stacheln  etc.  (manche  Krebsthiere  und  Larven  von 
Krebsen,  junge  Fische).  In  beiden  Fällen  findet  man,  dass  die 
zur  Bewegung  des  Thieres  dienende  Musculatur  gleichzeitig  rück- 
gebildet wird;  zuweilen  geht  diese  Rückbildung  so  weit,  dass  die  be- 
treffenden Thiere  ungemein  muskelarm  werden  und  nur  einer  be- 
schränkten activen  Bewegung  fähig  sind;  in  anderen  Fällen  sind  sie 
trotz  der  schwächeren  Musculatur  dennoch  gute  oder  sogar  ausge- 
zeichnete Schwimmer,  indem  der  Körper  fast  ohne  Muskelanstrengung 
sich  im  Wasser  schwebend  erhält.  Für  die  Mehrzahl  der  pelagischen 
Thiere  ist  ferner  eine  grosse  Durchsichtigkeit  des  Körpers  charak- 
teristisch.   Manche  pelagische  Thiere  besitzen  ausgebildetere  Seh- 

M  Es  ist  aber  für  manche  derselben  zweifelhaft,  ob  sie  in  der  Nähe  des 
Meeresbodens  oder  nicht  etwa  weit  näher  der  Oberfläche  leben  und  vom  Schlepp- 
netze aufgefangen  wurden,  während  dieses  vom  Boden  des  Heeres  an  die  Ober- 
fläche gehoben  wurde. 


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VI.  Biologie. 


67 


organe  als  die  Mehrzahl  ihrer  Verwandten  (das  ist  z.  B.  bei  gewissen 
pelagischen  Borstenwürmern  der  Fall);  andere  besitzen  im  Gegentheil 
rückgebildete  Sehorgane.  Letzteres  erklärt  sich  daraus,  dass  ein 
grosser  Theil  der  pelagischen  Fauna  nur  des  Nachts  an  der  Ober- 
Sache  des  Meeres  erscheint,  den  Tag  über  sich  dagegen  in  tieferen 
Wasserschichten  aufhält. 

2.  Ueber  das  Verhältniss  der  Nahrung  zur  Gestaltung  des 

Körpers.  —  Parasitismus. 

Die  Thiere  verhalten  sich,  was  die  Nahrung  betrifft,  bekanntlich 
in  sehr  verschiedener  Weise.  Die  Nahrung  kann  aus  lebenden  oder 
verwesenden  Pflanzen,  aus  lebenden  Thieren  oder  Aas  etc.  bestehen. 
Einige  Thiere  nehmen  sehr  verschiedenartige  Dinge,  sowohl  pflanz- 
licher als  thierischer  Art,  zu  sich,  während  andere  im  Gegentheil  auf 
ein  sehr  enges  Gebiet,  z.  B.  auf  ganz  wenige  Pflanzenarten,  angewiesen 
*ind;  einige  ernähren  sich  von  Organismen  von  verhältnissmässig  sehr 
geringer  Grösse,  andere  verzehren  dagegen  Thiere,  die  grösser  sind 
als  sie  selbst  etc. 

In  sehr  vielen  Fällen  zeigt  es  sich  deutlich,  dass  die  Art  der 
Nahrung  von  durchgreifendem  Einfluss  auf  den  Bau  des  Thieres  ist. 
Dieser  Einfluss  spricht  sich  zunächst  in  der  Gestalt  des  Darmkanals 
aus.  Unter  verwandten  Thieren  ist  z.  B.  die  Länge  des  Darmkanals 
bei  Pflanzenfressern  bedeutender  als  bei  Thieren,  welche  sich  von 
animalischen  Stoffen  ernähren :  innerhalb  der  Säugethiere  ist  der  Darm- 
kanal z.  B.  weit  länger  bei  den  pflanzenfressenden  Wiederkäuern  als 
bei  den  Raubthieren.  Mancherlei  andere  Verschiedenheiten  des  Darm- 
kanals lassen  sich  ebenfalls  aus  der  Verschiedenartigkeit  des  Futters 
ableiten.  Besonders  gilt  dies  auch  von  den  in  der  Mundhöhle  ange- 
brachten, zur  Zerkleinerung  und  zum  Festhalten  der  Nahrung  dienenden 
festen  Gebilden,  z.B.  den  Zähnen  der  Wirbelthiere.  Innerhalb  der  Säuge- 
thiere ist  dies  in  ausgezeichneter  Weise  zu  erkennen :  man  vergleiche 
z.  B.  die  Zähne  einer  Katze  mit  denen  eines  Pferdes  oder  selbst  die 
Zähne  verschiedener  Raubthiere  (Katze,  Hund,  Bär  etc.)  mit  einander. 
Tndem  die  Ausbildung  und  Verwendung  der  Zähne  wieder  z.  B.  auf 
den  Bau  des  Schädels  einwirkt,  erstreckt  sich  der  Einfluss  der  Nahrung 
mittelbar  auch  auf  andere  Organsysteme. 

Die  Art  der  Nahrung  wirkt  ferner  häufig  auf  die  Bewegungs- 
organ e  und  die  ganze  äussere  Körpeigestalt  ein.  Sehr  deutlich 
kommt  dies  bei  den  Insekten  zum  Vorschein :  man  vergleiche  die 
schlanken,  mit  gestreckten  Beinen  ausgestatteten,  nach  ihrer  Beute 
lebhaft  umherlaufenden  Larven  der  Laufkäfer  mit  den  kurzbeinigen, 
plumpen  blattfressenden  Larven  der  Blattkäfer  oder  gar  mit  den  maden- 
artigen.  mit  rudimentären  Beinen  ausgestatteten  oder  ganz  beinlosen 
Holz-  und  Rüsselkäferlarven,  welche  inmitten  ihrer  in  reichster  Fülle 
vorhandenen  Nahrung  leben.  Häufig  erhalten  ferner  die  Gliedmaassen 
«ler  räuberisch  lebenden  Thiere  die  Nebenverrichtung,  als  Greif- 
*erkzeuge  zu  fungiren  und  werden  dementsprechend  umgebildet.  — 
In  ähnlicher  Weise  wie  auf  die  Gliedmaassen  wirkt  auch  die  Art  und 
namentlich  die  mehr  oder  weniger  leichte  Beschaffbarkeit  der  Nahrung 
auf  die  Sinnesorgane,  besonders  die  Augen,  ein:  Raubthiere  be- 
sitzen öfters  grosse,  gut  ausgebildete  Augen,  während  Pflanzenfresser, 
deren  Nahrung  in  Fülle  gegeben  ist,  kleinere  oder  gar  rückgebildete 

5* 


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Allgemeiner  Theil. 


Augen  besitzen;  auch  hierfür  bieten  die  Insekten  charakteristische 
Beispiele  dar. 

Es  ist  hiermit  nicht  gesagt,  dass  die  Bewegungs-  und  Sinnesorgane 
bei  Pflanzenfressern,  deren  Nahrung  reichlich  vorhanden  ist,  immer  schlecht 
ausgebildet  sind.  Unter  den  Säugethieren  giebt  es  z.  B.  zahlreiche  Pflanzen- 
fresser, welche  an  Ausbildung  der  Bewegungs-  und  Sinnesorgane  gegen 
die  Baubthiere  nicht  zurückstehen  (Hirsche ,  Antilopen  etc.) ;  in  diesen 
Fällen  ist  die  gute  Ausbildung  der  betreffenden  Theile  ein  Mittel,  den  Ver- 
folgungen von  Raubthieren  zu  entgehen,  denen  gegenüber  sie  sonst  wehr- 
los dastehen. 

Der  unmittelbare  und  mittelbare  Einfluss  der  Ernährungsver- 
hültnisse  tritt  nirgends  deutlicher  als  bei  einer  Betrachtung  der  Para- 
siten hervor.  Als  Parasiten  oder  Schmarotzer  bezeichnet  man 
diejenigen  Thiere,  welche  sich  auf  oder  in  anderen  lebenden  Thieren 
aufbalten  und  auf  deren  Kosten  ernähren.  Die  von  den  Parasiten 
bewohnten  Thiere  werden  als  die  Wirthe  derselben  bezeichnet;  jene 
ernähren  sich  entweder  von  Theilen  des  Körpers  des  Wirths  (z.  B. 
vom  Blut  desselben)  oder  von  der  vom  Wirthe  aufgenommenen  und 
aufgelösten  Nahrung  (letzteres  ist  z.  B.  bei  den  Bandwürmern  der 
Fall).  Die  Schmarotzer  sind  theils  temporäre,  theils  stationäre; 
die  ersteren  (z.  B.  die  Bettwanze)  halten  sich  nicht  ununterbrochen 
am  Körper  des  Wirths  auf,  sondern  leben  abwechselnd  auf  dem  Wirthe 
und  frei,  indem  sie  jenen  wesentlich  der  Ernährung  wegen  aufsuchen, 
während  die  stationären  Parasiten  auf  oder  in  ihm  dauernd  Aufenthalt 
nehmen.  Je  nachdem  die  Schmarotzer  sich  an  der  äusseren  Ober- 
fläche oder  in  den  inneren  Theilen  des  Wirths  aufhalten,  nennt  man 
sie  Ektoparasiten  ( Aussenschmarotzer)  und  Endoparasiten 
(Binnenschmarotzer) ;  eine  scharfe  Grenze  ist  übrigens  zwischen  diesen 
beiden  Gruppen  schon  aus  dem  Grunde  nicht  zu  ziehen,  weil  die 
Grenze  zwischen  „inneren"  und  „äusseren"  Theilen  bekanntlich  keine 
scharfe  ist.  Die  Schmarotzer  verbringen  zum  grossen  Theil  nicht  ihr 
ganzes  Leben  als  solche,  sondern  führen  in  einem  oder  dem  anderen 
Abschnitt  desselben  ein  vom  Wirth  unabhängiges  Dasein ;  einige  sind 
z.  B.  in  der  Jugend  Schmarotzer,  als  Erwachsene  freilebend  (die 
Bremen),  während  andere  umgekehrt  als  Junge  ein  freies  Leben 
führen  und  späterhin  Schmarotzer  werden  (schmarotzende  Krebse). 
Sehr  charakteristisch  ist  nun  die  Einwirkung  des  Schmarotzerlebens 
auf  den  Bau  der  Parasiten.  Verhältnissmässig  gering  ist  sie  vielfach 
bei  den  temporären  Schmarotzern  und  bei  denjenigen  stationären  Ekto- 
parasiten, welche  sich  frei  auf  dem  Körper  des  Wirths  umherbewegen 
können,  sehr  bedeutend  aber  bei  den  meisten  sesshaften  stationären 
Ekto-  und  Endoparasiten.  Der  Umstand,  dass  die  Nahrung  in  reicher 
Fülle  vorhanden  und  unmittelbar  zugänglich  ist,  übt  seinen  gewöhn- 
lichen Einfluss:  die  Beweglichkeit  wird  verringert,  es  zeigt  sich  eine 
mehr  oder  weniger  weitgehende  Reduction  der  Gliedmaassen.  soweit 
die  Schmarotzer  Thiergruppen  angehören,  welche  mit  solchen  aus- 
gestattet sind;  bei  den  schmarotzenden  Copepoden  kann  man  die 
Rückbildung  der  Gliedmaassen  z.  B.  in  einer  langen  Stufenreihe  be- 
obachten, bis  die  Gliedmaassen  bei  den  reducirtesten  Formen  völlig 
verschwunden  sind,  während  sie  bei  anderen  zu  plumpen  Anhängen 
ohne  jegliche  Bedeutung  umgebildet  sind  etc.  Ferner  werden  die 
Sinnesorgane,  z.  B.  die  Augen,  stark  beeinflusst;  die  meisten  stationären 
Parasiten,  namentlich  Endoparasiten,  sind  blind.    Dagegen  entwickeln 


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VI.  Biologie. 


69 


sich  sehr  häufig  Haftwerkzeuge  in  Form  von  Saugnäpfen,  Haken  etc., 
oder  es  werden  gewisse  Gliedmaassen  zu  diesem  Zwecke  umgebildet. 
Auch  auf  den  ganzen  Lebensgang  übt  das  Schmarotzerthum  einen 
bestimmenden  Einrluss.  Eine  natürliche  Folge  des  Parasitismus  ist  es 
z.  B.,  dass  die  Schmarotzer  meistens  Wanderungen  vornehmen 
müssen,  d.  h.  dass  sie  nicht  ihren  ganzen  Lebenslauf,  vom  Ei  bis  zur 
eigenen  Fortpflanzung,  in  demselben  Wirthe  zubringen,  sondern  auf 
irgend  einem  Punkte  ihres  Lebens  activ  oder  passiv  in  einen  anderen 
übergerührt  werden.  Zu  dieser  einmaligen  Wanderung  des  Schma- 
rotzers gesellen  sich  oftmals  weitere  Wanderungen:  manche  Parasiten 
werden  regelmässig  als  Ei  in  einem  Wirthe  oder  im  Freien  erzeugt, 
verleben  dann  eiuige  Zeit  in  einem  anderen  Wirth  (dem  Zwischen- 
wirth)  und  erreichen  endlich  die  Geschlechtsreife  in  einem  dritten. 

Die  Parasiten  gehören  sehr  verschiedenen  Abtheilungen  des 
Thierreichs  an,  es  giebt  jedoch  gewisse  grosse  Gruppen,  von  welchen 
keine  oder  nur  ganz  einzelne  Formen  in  dieser  Richtung  ausgebildet 
sind,  unter  den  Wirbelthieren  z.  B.  nur  ein  paar  Fische ;  ebenso  sind 
es  nur  ganz  wenige  Weichthiere,  Borstenwürmer,  Cölenteraten  und 
gar  keine  Stachelhäuter,  welche  in  dieser  Weise  leben.  Ein  reiches 
Contingent  liefern  dagegen  die  Gliederfüssler ,  besonders  die  Krebs- 
thiere;  die  schmarotzenden  Gliederfüssler  leben  grösstenteils  als 
Ekto parasiten,  die  Schmarotzerkrebse  ausschliesslich  auf  (in)  Wasser- 
thieren,  die  übrigen  parasitischen  Gliederfüssler  fast  ebenso  ausschliess- 
lich auf  oder  in  Landthieren.  Weiter  sind  unter  den  Gliederwürmern 
ein  grosser  Theil  der  Egel  Schmarotzer  (temporäre  Ektoparasiten); 
von  den  Rundwürmern  leben  die  meisten  als  Schmarotzer  und  sind 
dann  immer  Endoparasiten,  während  die  Plattwürmer,  welche  ebenfalls 
eine  grosse  Anzahl  Schmarotzer  liefern,  theils  als  Endo-,  theils  als 
Ektoparasiten  auftreten ;  die  schmarotzenden  Rund-  und  Plattwürmer 
werden  häufig  mit  dem  gemeinsamen  Namen  „Eingeweidewürmer" 
bezeichnet.  Auch  von  den  Protozoen  leben  viele  (die  Gregarinen, 
manche  Infusionsthierchen)  in  dieser  Weise.  —  Als  Wirthe  müssen 
zahlreiche  verschiedene  Thiere  aller  Hauptabtheilungen  des  Thier- 
reichs dienen,  ganz  besonders  jedoch  die  Wirbelt hiere,  welche 
meistens  durch  bedeutende  Grösse,  zusammengesetzten  Bau  und  ver- 
hältnissmässig  bedeutende  Lebensdauer  den  Schmarotzern,  inneren  wie 
äusseren,  einen  vorzüglichen  Tummelplatz  darbieten.  Manche  Schma- 
rotzerarten sind  in  Bezug  auf  die  Wahl  des  Wirths  sehr  begrenzt; 
es  leben  z.  B.  einige  immer  nur  bei  einer  Art,  niemals  bei  anderen; 
andere  sind  auf  wenige  verwandte  Formen  augewiesen,  andere  haben 
wieder  eine  grössere,  aber  immer  begrenzte  Auswahl;  es  kann  der- 
selbe Schmarotzer  z.  B.  nicht  ohne  Unterschied  bei  einem  Fisch  und 
bei  einem  Säugethier  leben.  Dagegen  kommt  es  häufig  vor,  dass 
verschiedene  Entwicklungsstufen  desselben  Schmarotzers  in  Thieren 
von  sehr  verschiedener  systematischer  Stellung  leben,  die  Kratzer 
i-  B.  als  Junge  in  Gliederfüsslern,  als  Erwachsene  in  Wirbelthieren. 

Einige  Thiere  bilden  den  Uebergang  von  Raubthieren  zu  temporären 
Schmarotzern,  indem  sie  bald  kleinere  Thiere  auffressen,  bald  als  Blutsauger 
grösserer  Thiere  auftreten ;  dieses  ist  z.  B.  bei  gewissen  Egeln  der  Fall.  — 
Andere  Thiere  stellen  insofern  einen  Uebergang  zu  den  Schmarotzern  dar, 
aU  sie  sich  zwar  auf  anderen  Thieren  aufhalten,  jedoch  ohne  sich  auf  deren 
Kosten  zu  ernähren ;  höchstens  nehmen  sie  an  den  Mahlzeiten  derselben  einen 
f eecheidenen  Antheil  (Commensalen).    Für  einige  dieser  Fälle  hat  man 


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Allgemeiner  Theil. 


sogar  vermuthet,  dass  das  Verhältniss  der  beiden  zusammenlebenden  Thiere 
ein  gegenseitiges  sein  möge ;  das  Zusammenleben  sollte  beiden  nützlich  sein 
(Symbiose). 

3.  Die  verschiedene  Art  der  Ortsbewegung,  üeber 

festsitzende  Thiere. 

Die  Art  der  Bewegung  der  Thiere  ist  bekanntlich  eine  sehr 
mannigfache.  Viele,  namentlich  niedere  Thiere  (Würmer  etc.) 
kriechen  vermittels  Zusammenziehungen  der  Musculatur  der  Leibes- 
wand oder  durch  die  Wimperbewegung  der  Körperoberfläche.  Andere 
schwimmen,  was  ebenfalls  sehr  häufig  durch  Bewegungen  des 
ganzen  Körpers  oder  grösserer  Abschnitte  desselben  ausgeführt  wird; 
in  anderen  Fällen  geschieht  es  aber  vermittels  Gliedmaassen.  Die 
als  Gang  bezeichnete  Bewegungsart  ist  dagegen  an  die  Ausbildung 
von  Gliedmaassen  gebunden ;  eine  eigentümliche  Form  desselben  ist 
das  Laufen.  Die  Sprungbewegungen  sind  verschiedener  Art;  bei 
Wasserthieren  können  sie  vermittels  Schläge  eines  Theiles  des  Kör- 
pers gegen  das  Wasser  stattfinden  (bei  den  Zehnfüsslern  unter  den 
Krebsen) ;  bei  den  Landtieren  erfolgt  eine  Sprungbewegung  meistens 
dadurch,  das«  gewisse  Gliedmaassen  mit  Kraft  vom  Boden  abgestossen 
werden.  Die  Flugbewegung  findet  immer  vermittels  besonders  ent- 
wickelter Gliedmaassen  statt.  Ebenso  die  als  G  r  a  b  e  n  und  Klettern 
bekannten  Bewegungsformen. 

Jede  der  genannten  Arten  der  Ortsbewegung,  welche  teilweise 
bei  demselben  Thiere  combinirt  sein  können,  kann  nun  mehr  oder 
weniger  tief  in  den  Bau  des  Thieres  eingreifen.  Sehr  deutlich  tritt 
dies  hervor ,  wenn  wir  verwandte  Abtheilungen ,  welche  typisch 
durch  eine  verschiedene  Bewegungsart  ausgezeichnet  sind,  mit  einander 
vergleichen.  Ein  grosser  Theil  des  besonders  hervortretenden  Unter- 
schiedes der  Fische  und  der  höheren  Wirbeltiere  ist  z.  B.  auf  die 
Rechnung  der  verschiedenen  Bewegungsart  zu  schreiben.  Bei  jenen 
sind  die  Gliedmaassen  nur  wenig  entwickelt,  die  Musculatur  des 
Rumpfes  und  des  mächtigen  Schwanzes  dagegen  um  so  mehr,  was 
den  Anforderungen  der  schwimmenden  Lebensweise  entspricht.  Bei 
dem  am  meisten  ausgeprägten  Gangtypus  der  Wirbeltiere,  den 
Säugetieren,  finden  wir  den  Schwanz  nickgebildet,  die  Rumpf- 
Schwanzmusculatur  ebenso,  die  Gliedmaassen  dagegen  stark  ausge- 
bildet. Dass  dies  Alles  als  eine  Folge  der  veränderten  Art  der  Be- 
wegung aufzufassen  ist,  geht  weiter  daraus  hervor,  dass,  wenn 
Säugetiere  sich  ausnahmsweise  an  ein  schwimmendes  Leben  ange- 
passt  haben,  sie  wieder  in  einer  ganz  analogen  Weise  wie  die  Fische 
ausgebildet  werden  können.  Dies  ist  eben  bei  den  von  landlebenden 
Säugetieren  abzuleitenden  Walen  der  Fall,  deren  Gliedmaassen  durch 
das  schwimmende  Leben  rückgebildet  worden  sind,  während  der 
Schwanz  als  mächtiges  Bewegungsorgan  sich  entwickelte.  Ebenso 
tief  greifen  bei  den  Vögeln  die  dieser  Abtheilung  eigentümlichen 
Arten  der  Bewegung  (der  Flug  einerseits,  der  Gang  auf  den  Hinter- 
gliedmaassen  andererseits)  in  den  Bau  des  ganzen  Körpers  ein.  In 
ähnlicher  Weise  ist  der  Unterschied  einer  Garneele  und  einer  Krabbe 
grösstenteils  davon  abzuleiten,  dass  jene  ein  schwimmendes  und 
springendes  Thier  ist,  während  letztere  eine  ausgeprägte  Gangform 
ist.  Vergl.  auch  verschiedene  ausgeprägt  grabende  Thiere  (Maulwurf, 


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VI.  Biologie. 


71 


Maulwurfsgrille)  mit  ihren  nächsten  Verwandten.  Uebrigens  ist  es  keines- 
wegs immer  der  Fall,  dass  die  Art  der  Bewegung  sicn  so  entschieden 
wie  in  den  genannten  Fällen  im  Baue  ausspricht;  die  Anpassung  ist 
nicht  immer  so  innig,  die  Ausbildung  nicht  immer  so  exclusiv  wie 
bei  jenen ;  man  vergleiche  z.  B.  mit  den  Walen  andere  schwimmende 
Säugethiere:  Seehunde,  Otter  etc.,  oder  mit  dem  Maulwurf  und  der 
Maulwurfsgrille  andere  grabende  Thiere:  Kaninchen,  Mistkäfer. 

Festsitzende  Thiere.  Obgleich  das  Vermögen,  sich  frei  umher- 
zubewegen,  bekanntlich  für  die  Thierwelt  besonders  charakteristisch 
ist,  gießt  es  doch  viele  Thiere,  welche  wenigstens  den  grössten  Theil 
ihres  Lebens1)  an  eine  Stelle  gebunden  sind.  Es  geschieht  dies 
meistens  in  der  Weise,  dass  ein  begrenzter  Theil  der  Oberfläche  des 
Thieres  sich  untrennbar  mit  einem  fremden  Gegenstand,  einem  Stein, 
einer  todten  Muschelschale,  der  Oberfläche  eines  anderen  Thieres  etc.  ver- 
bindet; häufig  ist  es  eine  Guticularabscheidung,  welche  die  Verbindung 
bewerkstelligt.  Manchmal,  so  bei  vielen  Borstenwürmern,  ist  die  Ver- 
bindung des  Thieres  mit  dem  Fremdkörper  eine  weniger  innige,  indem 
sie  lediglich  durch  ein  vom  Thiere  gebildetes  Gehäuse  bewerkstelligt 
wird,  welches  mit  dem  Thiere  nicht  in  direktem  Zusammenhang  steht, 
ja  oftmals  sogar  von  demselben  unter  Umständen  verlassen  werden 
kann.  Der  Uebergang  von  den  freilebenden  zu  den  festsitzenden 
Thieren  wird  von  solchen  Formen  gebildet,  welche  zwar  einer  Orts- 
bewegung fähig  sind,  aber  meistens  lange  Zeit  (Tage  bis  Jahre  lang) 
auf  derselben  Stelle  verharren,  wie  dies  z.  B.  bei  gewissen  Schnecken, 
bei  der  Miessmuschel,  dem  Süsswasserpolypen  u.  a.  der  Fall  ist. 

Die  nächstliegende  und  sehr  natürliche  Folge  des  Festsitzens  ist 
die,  dass  die  Organe  der  Ortsbewegungen  rückgebildet  werden.  Weiter 
finden  wir  ungemein  häufig  bei  festsitzenden  Thieren  (bei  Korallen, 
Hydroiden,  Röhrenwürmern,  Bryozoen,  Brachiopoden  etc.),  dass  der 
Mund  von  langen  Fangarmen  oder  Tentakeln  umgeben  ist,  welche 
geeignet  sind,  entweder  zufällig  in  die  Nähe  kommende  Thiere  zu 
ergreifen  oder  vermittels  des  auf  denselben  vorhandenen  Wimper- 
besatzes winzige  Organismen  in  den  Mund  hineinzutreiben.  Bei 
anderen  festsitzenden  Thieren  (Vorticellen ,  Schwämmen,  Austern) 
fehlen  zwar  Tentakel,  es  ist  aber  in  anderer  Weise  dafür  gesorgt, 
dass  ein  Wimperstrom  kleine  organische  Theile  den  Verdauungswerk- 
zeugen zuführt.  —  Die  festsitzende  Lebensweise  ist  ferner  offenbar 
der  Stockbildung  besonders  günstig;  die  allermeisten  Thierstöcke, 
besonders  diejenigen,  welche  eine  baumförmige  Gestalt  haben,  sind 
festsitzend. 

4.  Umgestaltende  Einwirkung  der  Lebensverhältnisse. 

Nachdem  wir  im  Vorhergehenden  eine  Reihe  verschiedener  Formen 
der  Anpassung  an  die  äusseren  Lebensverhältnisse  kennen  gelernt 
haben,  gehen  wir  jetzt  zu  einer  Betrachtung  einiger  Thatsachen  über, 
welche  den  direkt  wirkenden  Einfluss  der  Lebensverhältnisse  auf 
den  Organismus  darlegen.2) 

Es  gehört  zu  den  sehr  leicht  zu  beobachtenden  Thatsachen,  dass 


')  Manche  durch  Sprossung  entstandene,  in  Stöcken  lebende  Thiere  sind  sogar 
lebenslänglich  an  dieselbe  Stelle  gebunden. 

*)  Das  Gebiet  gehört  nicht  zu  den  sehr  durchgearbeiteten,  so  dass  die 
folgenden  Bemerkungen  einen  aphoristischen  Charakter  tragen  müssen. 


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Allgemeiner  Theil. 


der  stärkere  Gebrauch  eines  Organs  dasselbe,  wenigstens  in  manchen 
Fällen,  stärker  ausbildet,  während  geringerer  Gebrauch,  resp.  Nicht- 
gebrauch eine  relative  Rückbildung  zur  Folge  hat.  Wir  sehen  dies 
für  den  Menschen  z.  B.  einerseits  in  der  kräftigeren  Ausbildung  der 
Arme  derjenigen  Personen,  welche  schwere  Hundearbeit  zu  verrichten 
haben,  andererseits  in  der  schwachen  Ausbildung  derselben  Körper- 
theile  bei  Personen,  deren  Arbeit  überwiegend  geistiger  Art  ist. 
Aehnliche  Thatsachen  sind  auch  für  die  Hausthiere  bekannt. 

Man  hat  ferner  in  verschiedenen  Fällen  nachgewiesen,  dass  eine 
bestimmte,  von  der  gewöhnlichen  abweichende  Nahrung  einen  um- 
ändernden Einfluss  auf  die  Farbe  gewisser  Vögel  haben  kann;  eine 
bekannte  lebhaft  gelbrothe  Abänderung  des  gewöhnlichen  Kanarien- 
vogels ist  z.  B.  dadurch  erzeugt  worden,  dass  man  den  Vogel  mit 
spanischem  Pfeffer  gefüttert  hat.  Durch  Fütterung  von  Tauben  mit 
Fleisch  hat  man  erreicht,  dass  der  Muskelmagen  dem  eines  Raub- 
vogels ähnlich  (dünnwandig)  wurde,  während  umgekehrt  der  Magen 
normal  fleischfressender  Vögel  (Möwen),  welche  gezwungen  wurden 
sich  von  Korn  zu  ernähren,  ein  Aussehen  wie  bei  den  körnerfressenden 
Vögeln  annahm. 

Ueber  den  umgestaltenden  Einfluss  eines  höheren  oder 
niederen  Salzgehaltes  hat  man  sehr  merkwürdige  Erfahrungen. 
Einen  in  Salzseen  lebenden  Krebs,  Artemia  salina,  einen  nahen  Ver- 
wandten des  Süsswasserkrebses  ß rauch ipus,  gelang  es  durch  allmähliche 
Erhöhung  des  Salzgehaltes  in  eine  andere  Form  umzubilden,  welche 
als  eigene,  und  zwar  ausgeprägt  verschiedene  Art,  A.  Milhausenii,  be- 
schrieben war.  Die  Umänderung  geschah  allmählich  durch  mehrere 
Generationen,  nicht  unmittelbar  an  denselben  Individuen.  Umgekehrt 
wurde  A.  Milhausenii  in  die  A.  salina  durch  Züchtung  in  weniger 
salzhaltigem  Wasser  übergeführt.  Ferner  wurde  Artemia  salina,  wenn 
das  Wasser  allmählich  süsser  gemacht  und  schliesslich  ganz  süss 
wurde,  allmählich  in  anderer  Richtung  umgebildet  und  zwar  so,  dass 
sie  schliesslich  die  Charaktere  der  Gatt.  Branchipus  annahm. 

Auch  eine  Aenderung  der  Beleuchtung  kann  auf  die  Thiere 
einwirken;  die  unter  normalen  Verhältnissen  weissliche  Höhlenform 
Proteus  (Olm)  wird  z.  B.  dem  Lichte  ausgesetzt  gefleckt  oder  bräun- 
lich :  es  entwickelt  sich  in  seiner  Haut  ein  sonst  fehlendes  Pigment. 

In  manchen  Fällen  übt  die  Ueberführung  einer  Thierform  in  eine 
neue  Localität  eine  merkwürdige  Einwirkung  auf  dieselbe  aus, 
ohne  dass  die  Ursache  näher  bestimmbar  ist.  Ein  paar  Beispiele 
werden  dieses  erläutern.  In  den  siebziger  Jahren  wurde  eine  kleine 
Anzahl  wilder  Truthühner  auf  eine  kleine  Insel  hei  Californien  über- 
geführt; sie  gediehen  ausgezeichnet,  und  zehn  Jahre  später  fanden  sich 
zahlreiche  Nachkommen  derselben  auf  der  Insel,  das  Gewicht  der 
Exemplare  war  aber  auf  1 .,  desjenigen  der  eingeführten  Exemplare 
gesunken:  im  Laufe  weniger  Generationen  hatte  sich  eine  Zwergform 
ausgebildet.  Ueherhaupt  scheint  das  Leben  auf  Inseln  zu  einer  geringen 
Grösse  zu  disponiren.  Auch  nach  anderen  Richtungen  hat  man  bei 
Ueberführung  von  Thieren  in  neue  Umgebungen  Aenderungen  eintreten 
sehen.  Auf  der  Insel  Porto  Santo  hat  sich  z.  B.  im  Laufe  der 
Zeiten  eine  eigenthümliche  wilde  Kaninchenforra  gebildet,  welche 
ganz  als  besondere  Art  erscheint,  eine  ausgeprägte  besondere  Farben- 
zeichnung etc.  besitzt;  dieselbe  stammt  von  spanischen  Kaninchen 
ab,  welche  vor  4  —  500  Jahren  ausgesetzt  wurden. 


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VI.  Biologie. 


73 


Sehr  deutlich  tritt  die  Einwirkung  veränderter  äusserer  Ver- 
bältnisse auf  den  thierischen  Organismus  bei  den  Haust  liieren 
hervor.  Viele  der  bei  den  Hausthierrassen  hervortretenden  Eigen- 
thümlichkeiten  sind  einfach  Producte  localer  Verhältnisse,  besonderer 
Nahrung  etc. 

Es  ist  hervorzuheben,  dass  die  oben  kurz  angedeuteten  Erschei- 
nungen in  ihrem  Wesen  meistens  unverständlich  sind.  Dass  die  Artemia 
durch  Ueherführung  in  Süsswasser  eine  Gestaltsänderung  erleidet, 
dass  sich  beim  Olm,  wenn  derselbe  dem  Licht  ausgesetzt  ist,  Pigment 
entwickelt,  ist  beides  einem  wirklichen  Verständniss  entzogen.  Die 
betreffenden  Thatsachen  sind  aber  desshalb  von  grösstem  Werth,  weil 
sie  die  in  den  vorhergehenden  Paragraphen  erwähnten  Eigentümlich- 
keiten der  verschiedenen  Faunen,  die  Anpassung  an  verschiedene 
Nahrung,  die  Um-  und  Rückbildung  der  Schmarotzer  etc.  mit  aller 
Wahrscheinlichkeit,  wenigstens  zum  grossen  Theil,  als  Wirkungen 
äusserer  Ursachen  erkennen  lassen. 

■ 

5.  Ueber  die  Lebensperioden  und  die  Lebensdauer  der  Thiere. 

Iin  Leben  der  meisten  Thiere  lässt  sich  ungezwungen  eine  Reihe 
von  Stadien  unterscheiden.  Als  erstes  Stadium  haben  wir  die 
Embryonalperiode,  ein  zweites  ist  das  darauf  folgende  Jugendstadium, 
ein  drittes  die  Periode  der  vollständigen  Ausbildung,  welcher  sich 
endlich  ein  Stadium  des  Rückschrittes  anreihen  kann. 

Die  Embryonalperiode  haben  wir  schon  vorhin  (S.  52)  genügend 
charakterisirt.  Das  Juge  nd Stadium  erstreckt  sich  von  der  Geburt 
bis  zu  der  Zeit,  wo  das  Individuum  die  Geschlechtsreife  und  damit 
gewöhnlich  ungefähr  die  definitive  Grösse  und  Gestalt  erreicht  hat. 
Während  des  Stadiums  des  Erwachsenen  bleibt  der  Organismus 
meistens  ungefähr  stationär,  und  dieses  Stadium  geht  dann  ganz  all- 
mählich in  die  senile  Periode  über,  in  welcher  die  Organe  theilweise 
eine  Rückbildung  erleiden  und  weniger  funetionsfähig  werden  und 
damit  auch  die  Kraft  des  ganzen  Organismus  abgeschwächt  wird,  so 
dass  er  leicht  schädlichen  äusseren  Einwirkungen  zum  Opfer  fällt. 
Das  letztere  Stadium  ist  wohl  übrigens  nur  bei  den  höheren  Wirbel- 
tbieren (Säugethieren  und  Vögeln)  deutlich  nachgewiesen.  Dass  die 
verschiedenen  Phasen  des  Lebens  meistens  keineswegs  scharf  begrenzt 
sind,  braucht  kaum  besonders  hervorgehoben  zu  werden. 

Die  obige  Angabe,  dass  die  Geschlechtsreife  mit  der  Erreichung 
der  definitiven  Grösse  zusammenfällt,  trifft  nicht  für  alle  Fälle  zu. 
Bei  manchen  Thieren  wird  das  Individuum  schon  lange  vor  der  Be- 
endigung des  Wachsthums  gcschlechtsreif ;  der  Dorsch  z.  B.  fängt 
schon  bei  verhältnissmässig  geringer  Grösse  an.  Eier  zu  legen,  und 
das  Wachsthum  schreitet  nachher  weiter  fort.  —  Das  Larvenstadium 
fallt,  wenn  ein  solches  überhaupt  vorkommt,  fast  immer  innerhalb  der 
Jugendperiode,  es  ist  abgeschlossen,  wenn  die  Geschlechtsreife  eintritt. 
Auch  hiervon  giebt  es  aber  bemerkenswerthe  Ausnahmen,  indem  die 
Larven  Charaktere  bis  nach  eingetretener  Geschlechtsreife  bestehen 
bleiben  können.  Solches  ist  bei  gewissen  Amphibien  der  Fall,  welche 
entweder  ausnahmsweise  (Wassersalamander)  oder  regelmässig  (Olm 
u.  a.)  in  der  Larvengestalt  geschlechtsreif  werden  und  dann  über- 
haupt die  Larvencharaktere  zeitlebens  bewahren.  Während  bei  den 
genannten  Amphibien  die  Geschlechtsthätigkeit  erst  bei  vollendetem 


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74 


Allgemeiner  Theil. 


"Wachsthum  eintritt,  findet  man  bei  gewissen  Rippenquallen,  dass 
junge,  kleine  Larven  es  zur  Erzeugung  von  Eiern  und  Samen  bringen 
(ob  sie  nachher  weiter  wachsen  und  sich  in  die  definitive  Form  um- 
wandeln, ist  unbekannt).  Vergl.  auch  die  ebenfalls  hierhergehörige, 
unten  bei  den  Insekten  besprochene  „Padogenesis"  gewisser  Mücken. 

Innerhalb  jedes  Lebensjahres  und  innerhalb  jedes  Lebenstages 
finden  wir  ebenfalls  sehr  häufig  regelmässige  Perioden.  Für  jeden 
Tag  kann  man  bei  vielen  Thieren  eine  Thätigkeits-  und  eine 
Ruheperiode  unterscheiden.  Manche  Thiere  schlafen  während 
der  letzteren:  d.  h.  sie  verfallen  in  einen  eigenthtimlichen  bewusst- 
losen  Zustand,  in  welchem  die  Thätigkeit  der  Organe  überhaupt 
wesentlich  herabgestimmt  ist  (Säugethiere,  Vögel).  Für  die  meisten 
dieser  Thiere  fällt  die  Ruheperiode  auf  die  Nacht,  die  Activitäts- 
periode  auf  den  Tag.  Einige  halten  sich  aber  bekanntich  den  Tag 
ruhig,  während  sie  Abends  oder  Nachts  in  Thätigkeit  sind  (Nacht- 
thiere). 

Für  sehr  viele  Thiere  ist  das  Jahr  ähnlich  in  zwei  grosse  Perioden 
getheilt,  von  welchen  die  eine  der  Activität,  die  andere  der  Ruhe  ge- 
widmet ist;  während  der  ersteren  können  natürlich  tägliche  Thätig- 
keits- und  Ruheperioden  mit  einander  abwechseln.  Es  tritt  dieses  be- 
sonders bei  Thieren  der  gemässigten  und  kalten  Zone  hervor,  welche 
zum  grossen  Theil  während  des  Winters  durch  die  Kälte  in  einen  Zustand 
der  völligen  Unthätigkeit  versetzt  werden,  während  dessen  die  Lebens- 
thätigkeiten  auf  ein  Minimum  herabgedrückt  werden  (z.  B.  über- 
winternde Insekten).  Manche  Säugethiere  (Bär,  Siebenschläfer)  ver- 
fallen während  dieser  Zeit  in  einen  sogenannten  Winterschlaf, 
einen  Zustand,  welcher  dem  gewöhnlichen  Schlaf  ähnlich  ist,  in  dem 
jedoch  die  Charaktere  des  letzteren  weit  ausgeprägter  hervortreten: 
die  Bewusstlosigkeit  ist  tiefer,  die  Thätigkeit  der  Organe  ausge- 
sprochener herabgesetzt,  die  Körperwärme  kann  bis  auf  wenige  Grade 
sinken.  —  Aehnliche  Ruheperioden  können  bei  tropischen  Thieren 
während  der  trockenen  Jahreszeit  eintreten. 

Viele  Thiere,  namentlich  der  kälteren  Klimate,  haben  alljährlich 
einmal  eine  Fortpflanzungsperiode,  in  welcher  die  Eier  und 
der  Samen  reif  werden,  die  Begattung  stattfindet  etc.  (Brunst). 
Ausserhalb  dieser  Periode  befinden  sich  die  Eierstöcke  und  Hoden 
in  einem  Zustand  der  relativen  Ruhe  und  der  Geschlechtstrieb  ist 
erloschen.  In  den  wärmeren  Klimaten  besteht  eine  solche  Periodicität, 
wenigstens  zum  grossen  Theil,  nicht:  viele  Gruppen,  welche  in  der 
gemässigten  Zone  eine  begrenzte  Fortpflanzungsperiode  haben,  pflanzen 
sich  dort  zu  jeder  Jahreszeit  fort.  Auch  ist  hervorzuheben,  dass  die 
Periodicität  für  die  Meeresthiere  weniger  als  für  die  Landthiere  aus- 
geprägt ist;  bei  einigen  Meeresformen  der  nördlichen  Klimate  kann 
man  zu  jeder  Jahreszeit  reife  Eier  finden.  Dieser  Unterschied  der 
Meeresfauna  und  der  Landfauna  hängt  natürlich  damit  zusammen, 
dass  die  Temperaturdifferenzen  des  Meereswassers  weit  kleiner  sind 
als  die  der  Luft. 


Der  Tod ,  d.  h.  das  dauernde  Aufhören  aller  Lebenserscheinungen, 
tritt  wohl  meistens  (sicher  ist  dies  bei  den  höheren  Thieren  der 


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VI.  Biologie. 


75 


Fall)  in  Folge  der  Functionsunfahigkeit  eines  für  das  Ganze  unent- 
behrlichen Organs  ein.  Wenn  z.  B.  das  Herz  der  Wirbelthiere  auf- 
hört sich  zu  contrahiren,  so  wird  damit  auch  den  übrigen  Theilen 
des  Körpers  eine  unentbehrliche  Existenzbedingung  entzogen,  nämlich 
die  Zufuhr  mit  Sauerstoff  beladener  Blutmassen,  und  alle  Theile  und 
Gewebe  des  Körpers  sterben  dann  allmählich  ab.  Von  einem 
Todesmoment  kann  man  somit  eigentlich  nicht  reden;  wenn  man 
einem  Säugethier  das  Leben  durch  einen  gewaltsamen  Schlag  auf 
den  Kopf  raubt,  so  hören  die  Herz-  und  die  Athembewegungen  aller- 
dings fast  augenblicklich  auf,  und  man  sagt,  das  Thier  sei  todt; 
manche  der  Gewebe  bleiben  aber  noch  viele  Stunden  am  Leben ,  die 
Muskeln  sind  noch  mehrere  Stunden  contractionsfähig  etc. 

Der  Tod  kann  bekanntlich  in  jeder  Lebensperiode  eintreten,  bei 
Formen  mit  einer  sehr  grossen  Production  von  Eiern  gehen  sogar 
regelmässig  die  allermeisten  Exemplare  schon  im  Embryonal-  oder 
im  Jugendzustande  zu  Grunde,  nur  ein  geringer  Bruchtheil  erreicht 
die  Geschlechtsreife.  Er  erfolgt  fast  immer  in  Folge  äusserer  schäd- 
licher Einwirkungen ;  die  allermeisten  Thiere  enden  wohl  ihr  Dasein, 
indem  sie  von  anderen  getödtet  (und  aufgefressen)  werden  ;  zahlreiche 
fallen  krankheitserregenden  Parasiten,  namentlich  aus  dem  Pflanzen- 
reich (Bakterien,  Pilzen),  zum  Opfer;  wieder  andere  erliegen  klima- 
tischen Einflüssen  etc.  Ein  Tod,  lediglich  durch  normale  innere  Um- 
stände des  Organismus  bedingt,  findet  wohl  nicht  häufig  statt;  selbst 
wenn  ein  Thier  anscheinend  an  Altersschwäche  stirbt,  oder  wenn  das- 
selbe, wie  es  nicht  selten  der  Fall  ist,  nach  einmaliger  Production 
und  Abgabe  von  Eiern  oder  Samen  regelmässig  stirbt,  so  spielen 
vielleicht  doch  öfters  äussere  Umstände  mit  hinein. 

Die  Lebensdauer  der  Thiere,  die  Zeit,  auf  welche  sich  unter 
günstigen  Umständen  ihr  Leben  ausdehnen  kann,  ist  bei  verschiedenen 
Formen  eine  äusserst  verschiedene;  sie  kann  sich  bei  einigen  regel- 
mässig auf  wenige  Wochen  oder  noch  weniger  beschränken,  bei 
anderen  auf  hundert  Jahre  uud  mehr  ausgedehnt  werden.  Im  All- 
gemeinen kann  man  die  Regel  aufstellen,  dass  innerhalb  einer  natür- 
lichen Abtheilung  die  grösseren  Arten  länger  leben  als  die  kleineren, 
ebenso  wie  auch  ihre  Entwicklung  längere  Zeit  beansprucht:  der 
Elephant  lebt  über  100  Jahre,  das  Pferd  sehr  selten  mehr  als  30  Jahre, 
die  Maus  nur  wenige  Jahre;  grössere  Insekten  leben  öfters  mehrere 
•Jahre  (der  Maikäfer  z.  B.  4  Jahre),  kleinere  nur  ein  Jahr  oder  gar 
nur  einen  Bruchtheil  eines  Jahres.  Bei  einigen  ist  die  Lebensdauer 
eine  sehr  bestimmte  (z.  B.  bei  den  meisten  Insekten,  welche  bald 
nach  der  Eiablage  sterben),  bei  anderen  eine  unbestimmtere. 

6.  Die  Widerstandsfähigkeit  der  Thiere  gegen  Kälte  und 
Wärme,  Austrocknen,  Hunger. 

Die  meisten  niederen  Thiere  halten  ein  bedeutendes  Sinken  der 
Körpertemperatur  gut  aus;  es  liegen  sogar  anscheinend  glaubwürdige 
Mittheilungen  vor,  nach  welchen  Thiere  (Insektenlarven),  deren  Körper- 
Hüssigkeit  zu  Eis  gefroren  war,  nachher  wieder  auflebten.  Anders 
ist  es  mit  den  warmblütigen  Wirbelthieren ,  deren  Körpertemperatur 
unter  normalen  Umständen  fast  constant  ist;  dieselben  können  zwar 
eine  Erniedrigung  der  Körperwärme  um  eine  Anzahl  Grade  ertragen, 
sterben  aber,  wenn  jene  tiefer  sinkt,  und  zwar  schon  während  die 


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76 


Allgeraeiner  Theil. 


Körperwärme  uoch  weit  oberhalb  des  Gefrierpunktes  ist  (das  Kanin- 
chen.  dessen  Körperwärme  normal  31—32"  C.  ist,  stirbt,  wenn  die- 
selbe auf  15°  sinkt).  Nur  die  Winterschläfer  machen  hiervon  eine 
Ausnahme;  bei  ihnen  kann  die  Körperwärme  bis  auf  wenige  Grade 
über  dem  Gefrierpunkt  sinken,  ohne  dass  das  Leben  gefährdet  wird. 

Sehr  häufig  finden  wir,  dass  die  äusseren  Körperschichten  der  Thiere  eine 
derartige  Beschaffenheit  besitzen,  dass  sie  die  inneren  Theile  gegen  die  Kälte 
mehr  oder  weniger  schützen  können:  Haarkleid  mancher  Säugethiere, 
Fettschicht  der  Seehunde  und  Wale,  Chitinpanzer  der  Insekten  etc.  Um 
der  Winterkälte  zu  entgehen,  begehen  sich  viele  Thiere  in  die  Erde  hinab 
(Regenwurm)  oder  —  wenn  es  sich  um  Wasserbewohner  handelt  —  auf  den 
eisfreien  Grund  der  Gewässer,  resp.  in  den  Schlamm  hinein. 

Noch  weniger  als  eine  Erniedrigung  der  Temperatur  könneu  die 
Warmblüter  eine  Erhöhung  der  Körperwärme  aushalten.  Schon 
wenn  letztere  wenige  Grade  über  das  Normale  steigt,  sterben  sie  ab. 
Bei  dem  Umstände,  dass  das  thierische  Protoplasma  bei  40—50°  C. 
gerinnt,  versteht  es  sich  von  selbst,  dass  die  Thiere  überhaupt  keine 
höheren  Wärmegrade  als  die  genannten  ertragen  können;  nur  ein- 
getrocknete Thiere  machen  vielleicht  hiervon  eine  Ausnahme. 

Wenn  kleine  Wassertümpel  austrocknen,  so  verschwindet  schein- 
bar damit  auch  das  darin  befindliche  Thierleben.  Füllen  sich  aber 
die  betreffenden  Localitäten  wieder  mit  Wasser,  so  zeigt  sich  meistens 
sehr  bald  wieder  ungefähr  dasselbe  Thierleben  wie  vorher.  Dies 
beruht  besonders  darauf,  dass  viele  Eier  von  einer  festen  Hülle  um- 
geben sind,  innerhalb  welcher  sie  sehr  lange  liegen  können,  ohne  ein- 
zutrocknen; ferner  sind  manche  Protozoen  im  Stande,  sich  mit  einer 
ähnlichen  Kapsel  zu  umgeben.  Seltener  besitzen  die  Thiere  das 
Vermögen,  ein  wirkliches  Austrocknen,  eine  bedeutende  Wasser- 
entziehung der  Gewebe,  auszuhalten.  Für  einige  ist  solches  jedoch 
nachgewiesen:  das  Weizenälchen  (Ti/knchus  fritici)  kann,  nachdem  es 
sehr  lange  in  stark  eingetrocknetem  j  eingeschrumpftem  Zustande  da- 
gelegen, wieder  aufleben,  wenn  es  in  Wasser  gebracht  wird  und 
dieses  in  seine  Gewebe  aufsaugt;  dasselbe  gilt  auch  von  manchen 
Rotatorien  und  Bärthierchen.  Die  meisten  Thiere  sterben  aber  bei 
einer  derartigen  bedeutenderen  Wasserentziehung  ab,  während  manche 
(z.  B.  viele  Schnecken)  einen  geringeren  Wasserverlust  ohne  Schaden 
ertragen. 

Während  einige  Thiere  kaum  einen  einzigen  Tag  ohne  Nahruug 
leben  können,  besitzen  andere  das  Vermögen,  kürzere  oder  längere 
Zeit  ohne  Schaden  zu  hungern.  Frösche,  Schlangen  und  manche 
andere  können  mehrere  Monate  ohne  Nahrung  leben.  Manchmal 
können  die  Thiere  sehr  lange  aushalten,  wenn  sie  mit  Wasser  ver- 
sehen, dagegen  von  aller  anderen  Nahrung  abgeschnitten  sind,  während 
sie  schnell  sterben,  wenn  sie  auch  kein  Wasser  aufzunehmen  Gelegen- 
heit haben.  —  Manche  Thiere  hungern  regelmässig  einen  grösseren 
oder  kleineren  Theil  ihres  Lebens,  namentlich  sind  die  Ruheperioden, 
welche  so  viele  durchmachen,  zugleich  Hungerperioden.  Für  einige 
Fische  (Lachsfische)  hat  man  nachgewiesen,  dass  sie  vor  und  während 
der  Fortpflanzungszeit  Wochen  lang  keine  Nahrung  zu  sich  nehmen 
(der  leere  Magen  zieht  sich  dabei  stark  zusammen),  und  dasselbe 
findet  wahrscheinlich  bei  manchen  anderen  Thieren  statt.  Manche 
Insekten  können  sogar  im  ausgebildeten  Zustande  (welcher  ebenfalls 
eine  Fortpflanzungsperiode  ist)  wegen  des  rudimentären  Zustandes  der 


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VII.  Geographische  Verbreitung  der  Thiere. 


77 


Mundtheile  keine  Nahrung  zu  sich  nehmen.  Während  der  Hunger- 
perioden verliert  natürlich  der  Körper  an  Gewicht,  indem  die  Oxy- 
dation der  Gewebe  stetig  weiter  geht. 


VII.  Geographische  Verbreitung  der  Thiere. 

Wenn  man  verschiedene  grössere  Theile  der  Erdoberfläche  mit 
einander  vergleicht,  so  findet  man,  dass  das  Thierleben  einen  mehr 
oder  weniger  verschiedenartigen  Charakter  besitzt,  und  dieses  gilt 
sowohl,  wenn  man  verschiedene  Landfaunen  (incl.  der  Süsswasser- 
faunen),  als  wenn  man  Meeresfaunen  vergleicht:  die  Fauna,  welche  in 
Südamerika  lebt,  ist  eine  andere  als  diejenige,  welche  in  Europa 
zu  Hause  ist,  das  Thierleben,  welches  man  an  den  Küsten  Ostindiens 
antrifft,  ist  ein  anderes  als  das  an  den  europäischen  Küsten  etc.. 

Was  die  Land-  und  Süsswasserfaunen  betrifft,  so  hat  man  ge- 
funden, dass  sich  die  Erdoberfläche  in  eine  Anzahl  grosser  thier- 
geographischer Regionen  theilen  lässt,  von  welchen  jede  ein 
Thierleben  beherbergt,  das  sich  in  gewissen  Zügen  im  Vergleich 
mit  dem  der  übrigen  auszeichnet.  Von  solchen  Regionen  hat  man 
folgende  aufgestellt: 

1.  Die  p  aläark  tische  Region,  welche  Europa,  das  gemässigte 
Asien,  Nordafrika  bis  zum  Atlasgebirge  umfasst. 

2.  Die  nearktische  R.:  Grönland  und  Nordamerika  bis 
Nordmexico. 

3.  Die  äthiopische  R.:  Afrika  südlich  vom  Atlas,  Mada- 
gaskar, Südarabien. 

4.  Die  indisch eR.:  Vorder-  und  Hinterindien  mit  anliegenden 
Inseln. 

5.  Die  australische  R. :  Der  Welttheil  Australien  nebst 
einigen  Inseln,  welche  in  der  Geographie  Asien  zugerechnet 
werden. 

<i.  Die  neotropische  R. :  Südamerika,  die  Antillen ,  Süd- 
mexico und  Centraiamerika. 

Jede  dieser  Regionen  zeichnet  sich  dadurch  aus,  dass  sie  eine 
grössere  Anzahl  Thierformen  besitzt,  welche  in  den  anderen  Regionen 
nicht  vorhanden  sind,  und  erlangt  dadurch  ihren  besonderen  Charakter, 
welcher  übrigens  bald  mehr,  bald  weniger  scharf  ausgeprägt  sein  kann. 
Die  Regionen  werden  wieder  getheilt;  man  zerlegt  z.  B.  die  palä- 
arktische  Region  in  4  Subregionen:  die  europäische,  welche 
Europa  mit  Ausnahme  der  südeuropäischen  Halbinseln  umfasst,  die 
mittelländische  (mediterrane),  die  Länder  um  das  Mittelmeer, 
die  sibirische,  den  grössten  Theil  von  Nordasien,  die  man- 
tschurische,  den  östlichen  Theil  des  chinesischen  Reichs  und 
Japan;  jeder  dieser  Abschnitte  zeichnet  sich  durch  kleinere  Eigen- 
thümlichkeiten  aus. 

Diese  verschiedenartige  Entwicklung  des  Thierlebens  verdankt 
ihre  Entstehung  mehreren  Ursachen.  Die  Temperatur  spielt  dabei 
eine  grosse  Rolle  und  erklärt  z.  B.,  warum  die  Regionen,  welche  die 
tropischen  Theile  der  Erde  umschliessen ,  ein  reicheres  und  mannig- 


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78 


Allgemeiner  Theil. 


faltigeres  Thierleben  als  die  kälteren  besitzen;  und  es  ist  ferner 
deutlich  zu  erkennen,  dass  gewisse  Thierarten  und  Thiergruppen 
einem  wärmeren,  andere  einem  kälteren  Klima  angepasst  sind.  Aber 
alle  Eigenthümlichkeiten ,  welche  die  grossen  Regionen  darbieten, 
lassen  sich  keineswegs  auf  diese  Weise  erklären.  Wenn  z.  ß.  die 
paläarktische  Region  eine  grosse  Anzahl  Thierarten  besitzt,  welche 
in  der  nearktischen  Region  nicht  vorhanden  sind,  so  kann  man  dies 
nicht  auf  Rechnung  der  Temperatur,  anderer  klimatischer  Verhältnisse 
etc.  allein  schreiben,  denn  grosse  Partien  beider  Regionen  stimmen 
in  diesen  Beziehungen  durchaus  überein,  viele  der  Thierformen,  welche 
für  die  paläarktische  Region  charakteristisch  sind,  würden  ganz  sicher 
auch  in  der  nearktischen  vortrefflich  gedeihen ;  das  Experiment  ist 
mit  mehreren  Arten  gemacht,  darunter  dem  gemeinen  Sperling,  welcher, 
vom  Menschen  in  Nordamerika  eingeführt,  sich  dort  derartig  ver- 
mehrt hat,  dass  er  eine  Landplage  geworden  ist.  Dasselbe  gilt  auch 
von  anderen  Regionen ;  weun  Australien  von  Säugethieren  mit  einzelneu 
Ausnahmen  nur  Beutelthiere  und  Schnabelthiere  beherbergt,  so  ist 
die  Ursache  nicht  die,  dass  nicht  manche  der  in  anderen  Regionen 
lebenden  Thiere  sich  dort  wohl  befinden  würden,  vielmehr  ist  eine 
Anzahl  europäischer  Thiere  in  Australien  eingeführt  und  gedeihen 
dort  vorzüglich  (das  Kaninchen  z.  B.  ist  in  Australien  verwildert  und 
jetzt  zu  Millionen  vorhanden).  Es  müssen  somit  andere  Gründe 
vorhanden  sein. 

Untersucht  man  die  Verhältnisse  näher,  so  findet  man,  dass  die 
grossen  Regionen  im  Allgemeinen  von  einander  durch  natürliche  schwer 
übersteigbare  Grenzen  verschiedener  Art  geschieden  sind :  grosse  Meere, 
hohe  Gebirge,  ausgedehnte  Wüsten  bilden  die  Grenzen.  Wenn  jede 
Region  ihr  eigenthümliches  Thierleben  umschliesst,  so  liegt  die  Ur- 
sache thatsächlich  in  erster  Linie  darin,  dass  ihre  Fauna  lange  Zeiten 
als  ein  verhältnissmässig  abgeschlossenes  Ganzes  für  sich  gelebt  hat 
und  während  dieser  Absonderung  sich  in  einer  Richtung  entwickelt 
hat,  während  das  Thierleben  in  anderen  Theilen  der  Erde  sich  in 
anderen  Richtungen  entwickelte.  Man  hat  sich  die  Differenzirung 
zweier  gesonderter,  ursprünglich  zusammenhängender  und  überein- 
stimmender Regionen  etwa  in  der  Weise  vorzustellen,  dass  einerseits 
in  jeder  eine  Anzahl  eigenthümlicher  Formen  entsteht,  andererseits 
in  der  einen  gewisse  von  den  ursprünglichen  Formen  aussterben,  wäh- 
rend sie  in  der  anderen  Region  ihre  Existenz  bewahren,  und  umge- 
kehrt. Der  grosse  faunistische  Unterschied  z.  B.  der  neotropischen  und 
der  äthiopischen  Region,  welche  ähnliche  Naturverhältnisse  darbieten, 
aber  durch  ausgedehnte  Meere  getrennt  sind  und  wahrscheinlich  durch 
ausserordentlich  lange  Zeiträume  keinen  Zusammenhang  besessen 
haben,  ist  danach  leicht  zu  verstehen.  Wenn  einzelne  der  Regionen 
von  einer  angrenzenden  weniger  scharf  geschieden  sind  und  trotzdem 
(wie  dies  z.  B.  bei  der  australischen  der  indischen  Region  gegenüber 
der  Fall  ist)  derselben  in  thiergeographischer  Beziehung  scharf 
gegenüberstehen,  so  rührt  dies  wahrscheinlich  daher,  dass  früher  eine 
grössere  Trennung  bestanden  hat.  Andererseits  muss  der  Umstand, 
dass  z.  B.  die  nearktische  und  paläarktische  Region,  welche  jetzt 
scharf  geschieden  sind,  in  vielen  Punkten  eine  erhebliche  Ueberein- 
stimmung  darbieten  (eine  Anzahl  Säugethierarten  sind  beiden  Regionen 
gemeinsam ,  andere  Typen  sind  in  den  beiden  Regionen  durch  nahe 
verwandte  Arten  vertreten),  in  der  Weise  erklärt  werden,  dass  diese 


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VIII.  Die  geologische  Entwicklung  der  Thierwelt. 


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Regionen  früher,  und  zwar  verhältnissmässig  spät,  in  einem  innigeren 
Zusammenhang  als  jetzt  gestanden  haben.  Die  Unterschiede  und 
Aehnlichkeiten  der  thiergeographischen  Regionen  lassen  sich  somit 
zu  einem  wesentlichen  Theil  als  ein  Product  der  wechselnden 
Oberfläch enverhältnisse  der  Erde  erklären. 

Aehnliche  Regionen  wie  für  die  Landthiere  kann  man  auch  für  die 
Meeresthiere ,  namentlich  für  die  Küstenthiere,  aufstellen.  Sie 
fallen  natürlich  nicht  mit  jenen  zusammen;  das  Thierleben  an  der 
Ostküste  Südamerikas  gehört  z.  ß.  einer  Region  an,  dass  der  West- 
küste einer  anderen,  etc.  —  Das  Thierleben  der  Tiefsee  hat 
dagegen  in  der  Hauptsache  in  allen  Meeren  dasselbe  Gepräge,  viele 
Tiefseearten  haben  die  weiteste  geographische  Verbreitung;  dies  ist 
leicht  verständlich,  denn  die  natürlichen  Bedingungen ,  die  Tempera- 
tur etc..  sind  in  den  grossen  Tiefen  überall  verhältnissmässig  ein- 
förmig, und  unübersteigbare  Grenzen  scheinen  dort  nicht  vorhanden 
zu  sein.  Aehnliches  gilt  auch  von  der  pelagischen  Fauna,  welche 
in  allen  Meeren  der  wärmeren  Zonen  ein  sehr  einförmiges  Gepräge 
besitzt,  während  man  in  den  nördlichen  und  südlichen  kalten  Meeren 
eine  mit  einem  deutlichen  Sondergepräge  findet ;  während  eine  ander- 
weitige natürliche  Begrenzung  fehlt,  wird  hier  die  Temperatur  von 
entscheidender  Bedeutung. 


VIII.  Die  geologische  Entwicklung  der 

Thierwelt. 


Die  Geologie,  die  Entwicklungsgeschichte  der  Erde,  lehrt  uns, 
dass  das  thierische  Leben  durch  unermessliche  Zeiträume  auf  der 
Erde  existirt  hat,  und  ferner,  dass  das  Thierleben  während  dieser 
langen  Zeit  keineswegs  immer  dasselbe  Gepräge  wie  jetzt  besessen 
hat,  vielmehr  einem  beständigen  und  ausserordentlich  grossen  Wechsel 
unterworfen  war.  Die  Quelle  dieses  Wissens  bilden  die  in  die  Schichten 
der  Erdkruste  eingeschlossenen,  aus  den  verschiedenen  Zeiten  stam- 
menden thierischen  Ueberreste. 

Dass  die  Erdrinde  solche  enthalten  kann ,  wird  aus  dem  Folgenden 
verständlich  sein.  In  allen  natürlichen  Gewässern  der  Erde,  besonders  aber 
im  Heere ,  findet  eine  beständige  Absetzung  von  feineren  oder  gröberen 
Theilchen  statt,  welche  im  Wasser  aufgeschlemmt  oder  aufgelöst  gewesen 
sind:  der  Wellenschlag  reiset  Theile  der  Küsten  los,  oft  durch  die  Ein- 
wirkung der  Luft  auf  dieselben  unterstützt,  und  die  so  abgetragenen  Theile 
werden  wieder  gefallt,  die  gröberen  (Sand,  Gerölle)  schon  auf  geringerer 
Tiefe,  die  sehr  feinen,  welche  durch  die  geringste  Unruhe  des  Wassers  in 
Bewegung  gesetzt  werden,  erst  auf  grösseren  Tiefen,  wohin  die  Wellen- 
Bewegung  nicht  dringt;  die  Flüsse  führen  grosse  Massen  aufgeschlemmten 
Materials  in  das  Meer  hinaus;  die  todten  Schalen  zahlloser  kleiner  Orga- 
nismen ,  welche  im  Meere  leben ,  sinken  auf  dessen  Boden  hinab.  Auf 
diese  Weise  entstehen  auf  dem  Meeresboden  ausgedehnte  Ablagerungen  in 
form  von  Schlamm,  Sand  oder  Geröll;  im  Laufe  der  Zeit  sintern  sie 
Öfters  zu  festeren  Massen,  Thonschiefer,  Kalksteinen,  Sandsteinen  etc.  zu- 


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Allgemeiner  Theil. 


sammen.  Die  Ablagerungen  sondern  sich  in  Schichten;  das  Aufhören 
einer  Schicht  und  der  Anfang  einer  neuen  bedeutet,  dass  entweder  eine 
Unterbrechung  des  Niederschlages  stattgefunden  hat,  oder  dass  eine  mehr 
oder  weniger  veränderte  Ablagerung  ihren  Anfang  genommen  hat.  Ganz 
ähnliche  Verhältnisse  finden  sich  in  grösseren  Binnenseen,  in  geringerem 
Maassstabe  auch  in  kleineren. 

Eine  derartige  Bildung  von  Schichten  hat  seit  den  ältesten  Zeiten 
stattgefunden,  und  in  diese  Schichten  wurden  Ueberreste  von  den  Thieren 
früherer  Zeiten  eingebettet,  insofern  letztere  im  Wasser  lebten  oder  nach 
dem  Tode  zufällig  in  dasselbe  geriethen.  Es  würde  uns  aber  wenig  helfen, 
dass  in  den  Ablagerungen  auf  dem  Boden  des  Meeres  oder  in  Binnenseen 
thierische  Ueberreste  aus  früheren  Zeiten  eingebettet  liegen,  wenn  uns  nicht 
ein  Zutritt  zu  denselben  ermöglicht  wäre.  Durch  die  grossen  Aenderungen 
der  Form  der  Erdoberfläche,  welche  im  Laufe  der  Zeiten  stattgefunden  und 
immer  noch  stattfinden,  ist  dies  aber  eben  erreicht  worden.  Theile  der 
Erdoberfläche,  welche  in  früheren  Zeiten  vom  Meere  bedeckt  waren,  sind 
durch  Hebungen  zu  trockenein  Lande  geworden,  wodurch  schon  eine  Mög- 
lichkeit für  eine  Untersuchung  gegeben  ist,  eine  Möglichkeit,  welche  da- 
durch vergrössert  wird,  dass  an  violen  Stellen  natürliche  Durchschnitte 
(Profile)  der  Schichten  zu  Stande  gekommen  sind,  indem  vulkanische  Kräfte 
dieselben  zerbrochen  und  die  ursprüngliche  horizontale  Lagerung  gestört 
haben.  Ferner  haben  Flüsse  häufig  solche  gehobenen  Schichten  durch- 
schnitten, das  Meer  hat  häufig  wieder  Theile  von  dem  niedergebrochen,  was 
es  selbst  aufgebaut  hatte;  auf  diese  und  andere  Weise  ist  die  Möglichkeit 
zu  Stande  gekommen ,  die  zu  verschiedenen  Epochen  in  die  Ablagerungen 
des  Meeres  eingebetteten  Ueberreste  wieder  an's  Licht  zu  fördern.  Binnen- 
seen sind  eingetrocknet  und  ihre  Ablagerungen  ebenfalls  später  Um- 
wälzungen unterworfen  und  leichter  zugänglich  gemacht. 

Die  tbieri8chen  Ueberreste,  welche  in  den  Erdschichten  gefunden 
werden,  bezeichnet  man  in  der  Regel  mit  dem  gemeinsamen  Namen 
Versteinerungen  oder  Fossilien.  Der  erstere  Name  ist  übrigens 
nicht  recht  zutreffend,  denn  die  betreffenden  Ueberreste  findet  man 
eigentlich  nur  mehr  ausnahmsweise  in  einem  solchen  Zustande,  dass 
sie  als  „versteinert"  bezeichnet  werden  können.  Es  sind  in  der 
Regel  nur  die  festen,  besonders  die  verkalkten  Theile,  welche  sich 
erhalten  haben;  nur  ganz  ausnahmsweise  haben  weiche  Theile  Spuren 
hinterlassen,  und  dann  gewöhnlich  als  Abdrücke  in  der  Gesteinmasse, 
welche  in  diesen  Fällen  sehr  feinkörnig  sein  muss  (in  dem  litho- 
graphischen Schiefer  in  Bayern,  ursprünglich  einem  Kalkschlamm, 
findet  man  zuweilen  Abdrücke  von  Quallen  und  Aehiilichem).  Die 
festen  Theile  der  Thiere,  welche  in  den  Schichten  vorkommen,  sind 
in  manchen  Fällen  ziemlich  unverändert  geblieben;  man  findet  z.  B. 
oft  die  Knochen  von  Wirbelthieren  völlig  unverändert  (abgesehen 
davon,  dass  die  organischen  Stoffe  derselben  verschwunden,  nur  die 
Kalksalze  übriggeblieben  sind ,  weshalb  auch  solche  fossile  Knochen 
leichter  sind  als  die  frischen);  ebenso  findet  man  öfters  die  Schalen 
von  Weichthieren,  Stachelhäutern  etc.  ziemlich  unverändert.  In  anderen 
Fällen  sind  Knochen  oder  Schalen  von  einem  anderen  Stoff,  z.  B.  von 
Kieselsäure,  welche  im  Wasser  aufgelöst  gewesen,  durchdrungen  oder 
ausgefüllt;  man  findet  z.  B.  nicht  selten  Seeigelschalen  aus  der  Kreide- 
periode, welche  mit  Kieselsäure  (Feuerstein)  ausgefüllt  sind,  oder 
steinharte ,  verkieselte  Knochen ,  in  deren  feinste  Lücken  überall 
Kieselsäure  eingedrungen  ist;  in  solchen  Fällen  kann  man  mit  einem 


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VIII.  Die  geologische  Entwicklung  der  Thierwelt. 


81 


gewissen  Recht  von  „Versteinerung"  reden.  Oft  sind  es  nicht  mehr 
die  festen  Theile  selbst,  welche  man  findet,  sondern  blosse  Ab- 
drücke derselben  in  der  Gesteinsmasse,  in  welche  sie  eingebettet 
wurden ;  zuweilen  sind  Schalen,  welche  zunächst  von  Kieselsäure  aus- 
gefüllt wurden,  später  aufgelöst,  so  dass  allein  der  Feuersteinkern, 
mit  einem  Abdruck  der  Innenseite  der  Schale  an  seiner  Oberfläche, 
übrig  geblieben  ist  etc. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  das  Bild,  welches  man  sich  durch 
das  Studium  der  Versteinerungen  (die  Paläontologie)  von  dem  Thierleben 
früherer  Zeiten  bilden  kann,  ein  höchst  mangelhaftes  sein  muss.  Nur  ein 
äusserst  geringer  Bruchtheil  des  zu  einer  gegebenen  Zeit  vorhandenen 
Thierlebens  wird  in  den  Ablagerungen  Ueberreste  hinterlassen,  der 
weitaus  grössere  Theil  wird  spurlos  verschwinden.  Von  den  Thieren 
werden  erstens  alle  diejenigen,  welche  kein  Skelet  besitzen,  so  gut 
wie  ausnahmslos  ganz  verschwinden;  von  den  übrigen  werden  die 
Landthiere  nur  in  günstigen  Fällen  Ueberreste  hinterlassen,  indem 
alle  diejenigen,  welche  nach  ihrem  Tode  auf  dem  trockenen  Lande 
liegen  bleiben,  bald  völlig  aufgelöst  werden;  die  Wasserthiere,  be- 
sonders die  Meeresthiere,  mit  festen  Theilen  in  oder  um  sich,  haben 
dagegen  bessere  Aussichten,  der  Nachwelt  aufbewahrt  zu  werden,  aber 
selbst  von  diesen  wird  der  allergrösste  Theil  der  Individuen,  selbst 
wenn  sie  nicht  von  einem  anderen  Thiere  aufgefressen  werden,  ganz 
verschwinden,  schon  deshalb,  weil  sich  keineswegs  jede  Stelle  des 
Meeresbodens  für  eine  dauernde  Aufbewahrung  eignet.  Und  von  den 
Theilen,  welche  in  früheren  Zeiten  an  geeigneten  Stellen  eingebettet 
und  so  erhalten  wurden,  sind  später  viele  wieder  verloren  gegangen, 
indem  die  Schichten  z.  B.  vulkanischen  Einwirkungen  ausgesetzt  wurden, 
welche  die  Spuren  des  organischen  Lebens  auswischten.  Endlich  ist 
hervorzuheben,  dass  nur  ein  äusserst  geringer  Theil  des  in  den  Schichten 
bis  auf  unsere  Tage  erhaltenen  Materials  der  Untersuchung  des  Menschen 
zugänglich  ist:  das  allermeiste  ist  gar  zu  gut  verwahrt.  Alles  dies 
muss  man  bedenken,  wenn  man  die  Bedeutung  des  Bildes  beurtheilen 
will,  welches  die  Untersuchung  der  Fossilien  von  den  Verhältnissen 
des  Thierlebens  in  vergangenen  Zeiten  liefert. 

Es  ergiebt  sich  nun  aus  dieser  Untersuchung,  dass  das  Thierleben 
von  den  ältesten  Zeiten  bis  jetzt  grosse  allmähliche  Veränderungen 
durchlaufen  hat ;  die  verschiedenen  Perioden  (vergl.  S.  83),  in  welche 
die  Entwicklungsgeschichte  der  Erde  getheilt  wird,  werden  eben  durch 
den  verschiedenen  Inhalt  an  pflanzlichen  und  thierischen  Ueberresten 
charakterisirt,  welche  in  den  während  derselben  abgelagerten  Schichten 
gefunden  werden,  durch  die  verschiedenen  Floren  und  Faunen,  welche 
in  ihnen  gelebt  haben.  Je  weiter  wir  in  der  Zeit  zurück  gehen,  um 
so  abweichender  von  der  jetztlebenden  wird  die  Thier-  (und  die 
Pflanzen-)  Welt.  Diejenigen  Thiere,  welche  in  den  älteren  Formationen 
gefunden  werden,  können  zwar  meistens  ohne  Schwierigkeit  in  unsere 
für  die  jetztlebenden  Thiere  aufgestellten  Thierkreise  und  -klassen 
eingeordnet  werden ;  sie  gehören  aber  ohne  Ausnahme  anderen  Arten 
und  Gattungen,  öfters  auch  Familien  und  Ordnungen  an,  welche  heut 
zu  Tage  nicht  vertreten  Bind;  und  dazu  kommt  noch,  dass  grosse 
Abtheilungen,  welche  zu  den  augenfälligsten  Bestandteilen  des  jetzigen 
Thierlebens  gehören,  damals  gar  nicht  vorhanden  waren.  So  sind 
z.  B.  die  Wirbel  thiere  in  den  ältesten  Formationen  bis  auf  die  devo- 
nische incl.  nur  durch  Fische  vertreten,  während  Amphibien,  Reptilien, 

Bon,  Zoologie.  6 


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82 


Allgemeiner  Theil. 


Vögel  und  Säugethiere  völlig  fehlten.  Nach  den  obigen  Bemerkungen 
muss  man  allerdings  sehr  vorsichtig  damit  sein,  aus  dem  Umstände, 
dass  gewisse  Thierformen  in  einer  gegebenen  Formation  nicht  gefunden 
sind,  zu  schliessen,  dass  sie  in  der  betreffenden  Periode  nicht  gelebt 
haben;  so  viel  darf  man  jedoch  sagen,  dass,  wenn  die  betreffenden 
Abtheilungen  in  jenen  alten  Zeiten  einigerraassen  reichlich  vertreten 
gewesen  wären,  man  ohne  Zweifel  einige  Ueberreste  derselben  gefunden 
haben  würde.  Je  näher  die  Perioden,  aus  welchen  die  Formationen 
stammen,  der  Jetztzeit  liegen,  desto  mehr  hat  die  Thierwelt  ein  Ge- 
präge, welches  dem  der  lebenden  Thierwelt  ähnlicher  ist. 

Dies  stimmt  genau  mit  dem,  was  man  nach  der  Abstammungs- 
lehre erwarten  müsste.  Von  den  Gegnern  dieser  Theorie  wird  zwar 
die  Meinung  ausgesprochen,  dass  der  Inhalt  der  Schichten,  wenn  die 
Theorie  richtig  wäre,  eine  weit  vollständigere  Geschichte  der  Ent- 
wicklung der  Thierwelt  liefern  müsste;  und  sie  heben  weiter  hervor, 
dass  man  schon  in  der  ältesten  versteinerungsführenden  Formation, 
der  kambrischen,  eine  kleine  Thierwelt  findet,  welche,  so  arm  sie  auch 
erscheint,  jedenfalls  hoch  über  dem  Standpunkt  erhaben  ist,  den  die 
ursprüngliche  Thierwelt  nach  der  Abstammungslehre  eingenommen 
haben  sollte.  Der  erstere  Einwand  wird  jedoch  schon  durch  einen 
Hinweis  auf  die  vorhin  gemachten  Bemerkungen  hinfällig,  aus  denen 
hervorgeht,  dass  unsere  Kenntniss  von  den  Faunen  der  früheren  Zeiten 
nothwendigerweise  äussert  unvollständig  sein  muss.  Und  was 
den  zweiten  Einwand  betrifft,  so  muss  hervorgehoben  werden,  dass 
wir  keineswegs  sagen  können,  dass  jene  ältesten  der  bekannten 
Thierformen  auch  die  ältesten  sind,  welche  überhaupt  existirt  haben ; 
es  ist  vielmehr  sehr  möglich,  dass  sie  eine  lange  Reihe  unbekannter 
Vorgänger  gehabt  haben;  unterhalb  jener  Formation  kann  die  Geologie 
nämlich  noch  ältere  nachweisen,  welche  wahrscheinlich  auch  im  Wasser 
abgelagert  wurden,  aber  im  Laufe  der  Zeit  derartig  umgebildet  (meta- 
morphosirt)  sind,  dass  es  nicht  wunderbar  ist,  wenn  das  damalige, 
vielleicht  grösstenteils  aus  skeletlosen  Formen  bestehende  Thierleben 
keine  Spuren  hinterlassen  hat. 

Wenn  man  das  Auftreten  einzelner  Abtheilungen  im  Laufe  der 
Zeiten  betrachtet,  so  erhält  man  einen  ähnlichen  Eindruck  von  dem 
engen  Anschlüsse  der  Thatsachen  an  die  Abstammungslehre.  Solches 
ist  z.  B.  bei  den  Wirbelthierklassen  der  Fall.  Wenn  man,  auf  eine 
Untersuchung  des  Baues  der  verschiedenen  Hauptabtheilungen  der 
Wirbelthiere  gestützt,  einen  Wirbelthier-„StammbaumM  in  den  grossen 
Zügen  entwirft,  so  wird  derselbe  (wenn  man  von  Amphioxus  und  den 
Mantelthieren  absieht)  folgendermassen  aussehen:  die  Fische  sind  die 
ursprünglichsten,  von  diesen  sind  die  Amphibien  ausgegangen,  von 
den  Amphibien  wieder  die  Reptilien  und  von  letzteren  einerseits  die 
Vögel,  andererseits  die  Säugethiere.  Dem  entspricht  genau,  was  wir 
in  den  Erdschichten  finden :  die  Fische  sind  die  einzigen  Wirbelthiere 
der  Silur-  und  Devonformation;  in  der  Kohlenformation  finden  wir 
die  ersten  Amphibien,  in  der  folgenden  grossen  Formation,  der 
permischen,  die  ersten  Reptilien,  in  der  Triasformation  die  ersten 
Säugethiere,  im  Jura  die  ersten  Vögel.  —  Aehnliches  finden  wir  auch, 
wenn  wir  speciellere  Beispiele  untersuchen.  Unter  den  jetztlebenden 
Säugethieren  ist  das  Pferd  bekanntlich  eine  in  gewisser  Hinsicht, 
namentlich  im  Fussbaue,  sehr  eigenthümlich  und  abweichend  gebildete 
Form.   Das  Pferd  ist  erst  spät  aufgetreten;  erst  aus  der  jüngeren 


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VUL  Die  geologische  Entwicklung  der  Thierwelt. 


83 


Pliocänzeit  kennt  man  wirkliche  Pferde  (Equvs)  mit  einer  einzigen 
Zehe  an  jedem  Fuss  ebenso  wie  die  jetztlebenden.  Aber  schon  im 
jüngeren  Theil  der  Miocänzeit  lebte  eine  andere,  mit  dem  Pferde  nahe 
verwandte  Form,  Hipparion,  welche  aber  ausser  der  Mittelzehe  die 
Zehen  2  und  4,  als  kleine  Nebenzehen  ausgebildet,  besass ;  Hipparion 
lebte  bis  in  die  Pliocänzeit  hinein,  starb  aber  in  dieser  aus.  In  den 
tieferen  (älteren)  Schichten  der  Miocänformation,  in  welchen  Hipparion 
noch  nicht  auftritt,  findet  man  eine  dritte  Gattung,  welche  mit  dem  Pferde 
zwar  verwandt  ist,  aber  doch  merklich  ferner  steht,  Anchitherium, 
welche  dieselben  Nebenzehen  wie  Hipparion  besitzt,  aber  in  kräftigerer 
Gestalt;  auch  im  Baue  der  Zähne  etc.  entfernt  sie  sich  mehr  vom 
Pferde,  nähert  sich  aber  hierin  wie  auch  in  der  Fussform  der  schon 
in  der  Eocänformation  auftretenden  Gattung  Palaeotherium.  Wenn 
man  nach  den  Verhältnissen  des  Körperbaues  den  Stammbaum  des 
Pferdes  con9truiren  will,  so  ist  es  sicher,  dass  man  das  Pferd  ( Equus) 
von  Hipparion,  dieses  von  Anchitherium  und  letzteres  von  Palaeotherium 
(oder  von  einer  diesem  nahe  verwandten  Form)  ableiten  muss;  wie 
man  sieht,  stimmt  die  geologische  Reihenfolge  genau  dazu.  Aehnliche 
Reihen  kann  man  für  manche  andere  Gruppen  aufstellen,  wenn  auch 
unsere  mangelhafte  Kenntnis«  von  den  ausgestorbenen  Thieren  es 
nicht  überall  ermöglicht. 


Uebersicht  der  versteinerungsführenden  Formationen. 


Die  Neuzeit  oder  die  k  ä  n  o- 
zoische  Formations- 
gruppe. 

Das  Mittelalter  der  Erde 
oder  die  mesozoische 
Formationsgruppe. 

Das  Alterthum  der  Erde 
oder  die  paläozoische 
Form  ati  on  sgruppe. 


Quartär-Formation. 

Pliocän. 


Tertiär-F. 


Miocän. 
Eocän. 


Kreideformation. 

Juraformation. 

Triasformation. 

Permische  Formation. 
Kohlenformation. 
Devonformation. 
Silur  formation. 
Kanibrische  Formation. 


Anhang. 


Ueber  die  Aehnlichkeit  und  den  Gegensatz  de8  Thier-  und  des 

Pflanzenreiches. 

Nachdem  wir  uns  im  Vorhergehenden  mit  den  Hauptpunkten 
des  Baues  etc.  der  Thiere  im  Allgemeinen  bekannt  gemacht  haben, 
durfte  es  am  Orte  sein,  das  Verhältniss  des  Thierreichs  zu  dem  anderen 
grossen  Reich  organischer  Geschöpfe,  dem  Pflanzenreich,  zu 
erwägen. 

Den  Thieren  und  Pflanzen  gemeinsam  ist  es,  dass  sie  aus 

6* 


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84 


Allgemeiner  Theil. 


Zellen  zusammengesetzt  sind,  in  den  einfachsten  Fällen  nur  aus 
einer  einzigen  Zelle,  gewöhnlich  aber  aus  sehr  vielen.  Die  Zellen 
bestehen,  jedenfalls  so  lange  sie  noch  jung  sind,  aus  Protoplasma 
und  enthalten  bei  den  Thieren  wie  bei  den  Pflanzen  gewöhnlich 
(vielleicht  immer)  einen  Kern;  das  Protoplasma  zeigt  bei  den 
Pflanzen  dieselben  wesentlichen  Eigenschaften  wie  bei  den  Thieren 
(vergl.  S.  3 — 4) :  es  besitzt  das  Vermögen,  sich  zu  bewegen,  es  besitzt 
Irritabilität,  es  ernährt  sich  durch  Aufnahme  von  Stoffen  von  aussen, 
es  nimmt  Sauerstoff  auf  und  scheidet  Kohlensäure  aus;  die  Zellen 
wachsen  und  vermehren  sich  durch  Theilung.  —  Eine  geschlechtliche 
Vermehrung,  d.  h.  die  Bildung  eines  neuen  Individuums  von  einer 
einzelnen  Zelle  aus,  nachdem  diese  vorher  mit  einem  anderen  ähn- 
lichen oder  verschiedenen  verschmolzen  ist,  findet  bei  den  meisten 
Pflanzen  wie  bei  den  meisten  Thieren  statt. 

Bei  der  Betrachtung  der  Unterschiede  der  beiden  Reiche 
sehen  wir  zunächst  von  den  niedersten,  einzelligen  Pflanzen  und 
Thieren,  den  Protophyten  und  Protozoen,  ab  und  vergleichen  vorläufig 
allein  die  Metazoen  und  die  mehrzelligen  Pflanzen  mit  einander. 

Im  allgemeinen  Bauplan  finden  wir  bedeutsame  Unterschiede.  Die 
Thiere  besitzen  mit  ganz  wenigen  Ausnahmen  einen  Darmkanal,  einen 
Hohlraum,  in  welchen  die  Nahrung  aufgenommen,  und  in  welchem  sie 
aufgelöst  und  aufgesogen  wird,  und  dieser  Darmkanal  legt  sich,  was 
besonders  charakteristisch  ist,  auf  einem  sehr  frühen  Stadium  der 
Entwicklung  des  Thieres  an.  Etwas  dem  Darrakanal  Entsprechendes 
oder  auch  nur  Analoges  fehlt  den  Pflanzen  völlig,  welche  ihre 
Nahrung  in  aufgelöstem  oder  in  gasförmigem  Zustande  durch  die 
Oberfläche  aufnehmen.  Der  genannte  Unterschied  ist  übrigens  kein 
absoluter;  denn  bei  einigen  Thieren  (z.  B.  den  Bandwürmern) 
fehlt  ein  Darmkanal.  —  Ferner  fehlt  ein  Muskel-  und  ein  Nerven- 
system bei  allen  Pflanzen,  während  diese  Systeme  bei  allen  Metazoen 
vorhanden  zu  sein  scheinen ;  Sinnesorgane,  welche  in  der  einfachsten 
Form,  als  Sinneszellen,  wohl  allen  Metazoen  zukommen,  sind  bei 
keiner  Pflanze  vorhanden;  ein  Gefässsystem  und  besondere 
Excretionsorgane  sind  ebenfalls  dem  Thierreiche  eigen,  wenn 
sie  auch  nicht  bei  allen  Thieren  vorkommen.  Im  Ganzen  kann  man 
sagen,  dass  die  Pflanzen  innerhalb  ihrer  Oberfläche  nur  eine  sehr 
geringe  Andeutung  einer  Sonderung  in  Organsysteme  zeigen,  welche 
den  bei  den  Thieren  ausgesprochenen  vergleichbar  wären.  Was  man 
bei  den  Pflanzen  als  Organe  bezeichnet,  sind  die  verschiedenartig  gestal- 
teten und  ausgebildeten  Abschnitte  und  Anhänge  des  Körpers. 

Nicht  geringer  ist  der  Gegensatz  in  Bezug  auf  die  den  Körper 
zusammensetzenden  Gewebe.  Bei  den  Thieren  finden  wir,  dass 
die  ursprünglich  gleichartigen  Zellen  sich  in  sehr  verschiedener  Rich- 
tung entwickeln;  einige  bleiben  in  der  Hauptsache  auf  dem  ursprüng- 
lichen Standpunkte,  andere  scheiden  eine  Intercellularstanz  von  ver- 
schiedener Structur  und  chemischer  Zusammensetzung  zwischen  sich 
aus,  in  anderen  entwickelt  sich  das  Protoplasma  zu  einer  eigentüm- 
lichen contractilen  Substanz  etc.  Bei  den  Pflanzen  sind  die 
Zellen  fast  immer  von  einer  Zellhaut  umgeben,  welche  aus  Cell ul  ose 
besteht,  und  die  Ungleichartigkeit  innerhalb  des  Pflanzenkörpers  in 
geweblicher  Beziehung  beruht  in  der  Hauptsache  auf  einer  ver- 
schiedenen Entwicklung  einerseits  der  Form  der  Zelle,  andererseits 
der  Dicke,   Festigkeit  etc.   der  Cellulosehaut,    weniger  dagegen 


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Anhang. 


85 


auf  einer  Umbildung  des  Protoplasmas,  welches  eigentlich  bei  den 
Pflanzen  immer  Protoplasma  bleibt,  wenn  es  nicht,  wie  in  manchen 
ausgebildeten  Pflanzenzellen,  gänzlich  verschwindet. 

In  Bezug  auf  die  Ernährung  findet  man  einen  durchgreifenden 
Unterschied  zwischen  den  Thieren  und  der  grossen  Mehrzahl  der 
Pflanzen.  Das  Thier  muss  für  seine  Ernährung  stets  sogenannte 
organische  Substanzen  aufnehmen,  d.  h.  Stoffe,  welche  nicht 
in  der  anorganischen  Natur  vorliegen,  sondern  Theile  organischer  Ge- 
schöpfe sind  oder  gewesen  sind;  sie  sind  nicht  im  Stande,  aus  anor- 
ganischen Stoffen  allein  ihren  Körper  aufzubauen  oder  den  durch  die 
Lebensthätigkeit  verursachten  Stoffverlust  zu  ersetzen,  wenn  auch 
anorganische  Stoffe  allerdings  Bestandtheile  ihrer  Nahrung  bilden 
(Wasser,  Kalksalze).  Die  Pflanze  dagegen  kann  sich  im  Allge- 
meinen aus  Stoffen  ernähren,  welche  ausschliesslich  der  leblosen  Natur 
entnommen  sind,  und  es  steht  damit  in  engster  Verbindung,  dass  ein 
Theil  ihrer  Zellen  mit  einem  eigenthümlichen  grünen  Farbstoff, 
Chlorophyll,  versehen  ist ,  wodurch  sie  die  Eigenschaft  erhalten, 
unter  der  Einwirkung  des  Lichtes  den  Kohlenstoff  aus  der  Kohlen- 
säure der  Luft  auszuscheiden,  den  Kohlenstoff  zu  assimiliren.  Dieses 
Vermögen  geht  der  thierischen  Zelle  ab,  indem  derselben  das  Chloro- 
phyll immer  fehlt');  andererseits  giebt  es  aber  auch  nicht  wenige 
Pflanzen  (z.  B.  die  sämmtlichen  Pilze),  welche  ebenfalls  das  Chloro- 
phyll und  damit  das  Assimilationsvermögen  entbehren,  und  welche 
sich  desshalb  ebenso  wie  die  Thiere,  durch  Aufnahme  organischer 
Stoffe,  ernähren  müssen. 

Das  Thier  besitzt  endlich  im  Gegensatz  zu  der  Pflanze  Empfindung 
und  das  Vermögen,  sich  willkürlich  zu  bewegen;  in  dieser  Beziehung 
ist,  wie  es  scheint,  ein  absoluter  Unterschied  zwischen  den  Metazoen 
und  den  Pflanzen  vorhanden. 

Es  wird  nach  dem  Obigen,  wenigstens  nach  einer  einigermassen 
gründlichen  Untersuchung,  niemals  zweifelhaft  sein  können,  ob  man 
ein  Metazoon  oder  eine  mehrzellige  Pflanze  vor  sich  hat.  Anders 
steht  es  mit  den  ei nzelligen  Organismen.  Die  meisten  der  oben 
erwähnten  unterscheidenden  Charaktere  der  mehrzelligen  Pflanzen  und 
Thiere  können  bei  diesen  nicht  in  Betracht  kommen :  von  Darmkanal, 
von  Muskel-  und  Nervensystem  etc.,  überhaupt  von  Organsystemen, 
kann  man  bei  den  einzelligen  nicht  reden ;  es  ist  für  die  meisten  der- 
selben schwer  zu  sagen ,  ob  Empfindung  und  willkürliche  Bewegung 
vorhanden  sind  oder  nicht;  die  Ernährungsweise  giebt  (vergl.  oben) 
kein  absolutes  Unterscheidungsmerkmal  ab.  Wenn  wir  dann  die  ein- 
zelligen Organismen  auf  die  beiden  grossen  organischen  Naturreiche 
vertheilen ,  so  kommt  dabei  nothwendig  eine  gewisse  Willkürlichkeit 
ins  Spiel.  Es  ist  natürlich  und  wohl  begründet,  wenn  alle  mit 
Chlorophyll  ausgestatteten  einzelligen  Organismen  dem  Pflanzenreich 
zugerechnet  werden,  haben  wir  ja  eben  gefunden,  dass  das  Chlorophyll 
den  Pflanzen  eigenthümlich  war  und  niemals  bei  den  Metazoen  vor- 
handen ist ;  dagegen  darf  man  nicht  die  vielen  einzelligen  Organismen, 
welche  kein  Chlorophyll  besitzen,  ohne  Weiteres  für  Thiere  erklären ; 


')  Man  hat  zwar  früher  angegeben,  dass  Chlorophyll  bei  einzelnen  Thieren 
vorhanden  wäre,  das  vermeintliche  Chlorophyll  hat  sich  aber  entweder  als  ein 
anderer  grüner  Farbstoff  erwiesen  oder  hat  Algen  angehört,  welche  im  Thiere 
schmarotzen. 


86 


Allgemeiner  Theil.  Anhang. 


dieser  Stoff  kann  ja  bei  vielen  zweifellosen  Pflanzen  fehlen,  und  der 
Mangel  desselben  ist  desshalb  nicht  genügend,  um  einen  einzelligen 
Organismus  zum  Thier  zu  stempeln.  Ferner  muss  man  es  als  wohl  be- 
gründet bezeichnen,  wenn  man  die  mit  einer  Cellulose-Zellhaut  aus- 
gestatteten dem  Pflanzenreich  überweist.  Es  ist  andererseits  natürlich, 
dass  man  dem  Thierreich  diejenigen  Organismen  zurechnet,  welche  in 
ihrem  Protoplasma  Differenzirungen  aufweisen,  die  an  die  Zellenum- 
bildungen der  Metazoen  erinnern  (muskelfaserähnliche  Theile  im 
Protoplasma  der  Infusionstierchen).  Zum  Thierreiche  werden  ferner 
gewöhnlich  alle  diejenigen  gezählt,  welche  als  Nahrung  feste  Fremd- 
körper in  ihr  Protoplasma  aufnehmen.  Für  manche  Formen,  welche 
dem  Thierreiche  zugerechnet  werden,  hat  man  aber  nicht  einmal 
solche  Anhaltspunkte,  und  ihre  Einordnung  ist  vielfach  alseine  ledig- 
lich herkömmliche  zu  bezeichnen. 


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Specieller  Theil. 


Das  Thierreich  wird  in  folgende  Hauptgruppen  eingetheilt: 

1.  Unterreich:  Protozoen. 

Einzellige  Thiere  (künnen  zuweilen  Stöcke  bilden,  deren  einzelne  Mit- 
glieder wesentlich  gleichartig  Bind). 

2.  Unterreich:  Metazoen. 

Mehrzellige  Thiere ;  die  Zellen  sind  verschiedenartig  entwickelt  (Arbeits- 
theilung) ;  Darmkanal ,  Nerven-  und  Muskelsystem  etc.  —  Die  Metazoen 
theilt  man  in  folgende  Thierkreise  ein: 

1.  Kreis.  Cölenteraten.  Radiäre  Thiere  von  sehr  einfachem  Baue, 
Körper  sackförmig,  aus  drei  Schichten  zusammengesetzt,  welche  eine  Darm- 
höhle umgeben.  Kein  After.  Keine  Leibeshöhle.  Die  verschiedenen  sonst 
bei  den  Metazoen  vorhandenen  Organsysteme  unter  sich  wenig  gesondert. 
—  Anhang :  Schwämme. 

2.  Kreis.  Stachelhäuter.  Radiärer  Bauplan.  Leibeshöhle.  Organ- 
eysteme  gesondert.  Verkalkungen  in  der  Körperwand.  Ein  Gefasssystem. 
Besonderes  Wassergefässsystem  in  Verbindung  mit  Saugfüsscheu.  Bilaterale 
Larven. 

3.  Kreis.  Plattwürmer.  Symmetrische  ungegliederte  Thiere,  ohne 
Leibeshöhle,  gewöhnlich  ohne  Gefasssystem  und  After.  Verästeiter  Ex- 
cretionsapparat  mit  eigentümlichen  Astspitzen.  —  Anhang:  Räderthier e. 

4.  Kreis.  Rundwürmer.  Symmetrische  ungegliederte  Thiere  von 
cylindrischer  Körperform,  mit  Leibeshöhle  und  After.  m 

5.  Kreis.  Gliederwürmer.  Symmetrische  gegliederte  Thiere  mit 
ziemlich  gleichartig  ausgebildeten  Segmenten.  Gliedraaassen,  wenn  vorhanden, 
ungegliedert.  Dünne  Cuticula.  Leibeshöhle,  Gefasssystem  (gewöhnlich)  und 
After  vorhanden.  Gegliederter  Bauchnervenstrang,  welcher  sich  mit  einem 
oberhalb  des  Schlundes  gelegenen  Ganglienpaar  verbindet.  Schwach  ent- 
wickelte Sehwerkzeuge.  Ein  Paar  röhrenförmige  Excretionsorgane  in  den 
meisten  Segmenten  (Segmentalorgane).  —  Anhang:  Bryozoen,  Brachio- 
poden. 

6.  Kreis.  Gliederfüssler.  Symmetrische  gegliederte  Thiere  mit 
ungleichartig  ausgebildeten  Segmenten.  Gegliederte  Gliedraaassen.  Haut- 
skelet  von  der  stark  entwickelten  Cuticula  gebildet.  Leibeshöhle.  Herz 
an  der  Rückenseite.  Nervensystem  wie  bei  den  Gliederwürmern.  Hoch 
ausgebildete  Sehwerkzeuge  (zusammengesetzte  Augen).  Segmentalorgane 
immer  sehr  an  Zahl  reducirt  oder  völlig  fehlend. 

7.  Kreis.  Weic hthi e re.  Symmetrische  ungegliederte  Thiere.  Mus- 
colöser  Fubs  an  der  Bauchseite.  Eine  Hautfalte,  der  Mantel,  bedeckt  einen 
Theil  des  Körpers.    Keine  zusammenhängende  Cuticula.    Gewisse  Theilo 


90 


Speoieller  Theil. 


der  Haut  sondern  eine  Schale  ab,  welche  an  begrenzten  Stellen  inniger  mit 
dem  Thiere  zusammenhängt.  Leibeshöhle.  Herz  an  der  Rückenseite. 
Ganglienpaare  ober-  und  unterhalb  des  Schlundes,  kein  gegliederter  Bauch- 
nervenstrang. Meistens  eine  mit  Reihen  von  Chitinzähnen  bewaffnete  Zunge. 
Die  Segmentalorgane  an  Zahl  reducirt. 

8.  Kreis.  Wirbel  thiere.  Symmetrische  Thiere;  gewisse  Theile 
des  Körpers  (Skelet,  Musculatur)  segmental  geordnet.  Gewöhnlich  2  Paar 
Gliedmaassen  (niemals  mehr).  Leibeshöhle.  Herz  an  der  Bauchseite.  Die 
centralen  Theile  des  Nervensystems  in  Form  eines  zusammenhängenden, 
meistens  vorn  angeschwollenen  dickwandigen  Rohres  längs  der  Rückenseite. 
Unterhalb  desselben  ein  strangförmiger  Körper,  die  Rückensaite,  welcher 
den  Grundstock  des  in  der  Regel  hoch  entwickelten  inneren  Skeletes  bildet 
Keine  Segmentalorgane.  —  Anhang:  Mantelthier e. 


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Erstes  Unterreicli. 


Protozoen  oder  Urtbiere  (Protozoa). 


Wie  es  schon  im  allgemeinen  Theil  hervorgehoben  wurde,  sind 
die  zu  den  Protozoen  gehörenden  Thiere  einfache  Zellen:  jedes 
Individuum  besteht  nur  aus  einer  einzigen  Zelle.  In  gewissen  Fällen 
können  jedoch  mehrere  Individuen  zu  Colonien  vereinigt  sein, 
wodurch  eine  gewisse  Annäherung  an  die  Metazoen  entsteht,  welche 
ebenfalls  Gesellschaften  von  Zellen  sind;  es  ist  aber  insofern  ein 
wesentlicher  Unterschied  zwischen  einer  Protozoen-Colonie  und  einem 
Metazoon ,  als  jene  aus  Zellen  besteht ,  welche  der  Hauptsache  nach 
alle  gleich  sind,  während  das  letztere  aus  Zellen  besteht,  welche  ein 
verschiedenes  Aussehen  und  verschiedene  Function  besitzen  (Ar- 
beitstheilung). 

Bei  allen  Protozoen  besteht  der  Körper  aus  Protoplasma, 
welchem  ein  Kern  eingelagert  ist;  letzterer  scheint  jedoch  bei  einigen 
sehr  einfach  gebauten  Formen  zu  fehlen  (?),  während  andererseits  bei 
einigen  Protozoen  mehrere  Kerne  vorhanden  sein  können.  Der  Kern 
ist  im  Allgemeinen  kugelig  oder  oval,  zuweilen  aber  mehr  gestreckt, 
wnrstformig.  Im  Protoplasma  finden  sich  häufig  Vacuolen,  kleine 
mit  Flüssigkeit  gefüllte  Hohlräume,  von  denen  gewisse  contractil 
sind.  d.  h.  sich  zusammenziehen  und  wieder  erweitern  können,  indem  sie 
Flüssigkeit  nach  aussen  abgeben,  resp.  wieder  aus  dem  Protoplasma 
aufnehmen;  ihre  Contractionen  hängen  natürlich  von  gewissen  Be- 
wegungen des  Protoplasmas  ab;  selbständige  Wände  besitzen  sie 
nicht.  Sie  scheinen  vorwiegend  eine  excretorische  Rolle  zu  spielen: 
mit  dem  Wasser  werden  wahrscheinlich  Abfallstoffe  nach  aussen 
entleert.  Nicht  selten  sind  im  Protoplasma  verschiedene  Stoffe  aus- 
geschieden wie  Oeltropfen,  Pigmentkörnchen  und  Aehnliches. 
Gewisse  Theile  des  Protoplasmas  können  (bei  einigen  Infusions- 
tierchen) zu  einer  contractilen  Substanz  umgebildet  werden, 
welche  dieselben  Eigenschaften  besitzt  wie  diejenige  der  Muskelzellen 
der  Metazoen.  Vom  Protoplasma  aus  geschieht  ferner  häufig  eine 
Absonderung  fester,  meistens  aus  kohlensaurem  Kalk  oder  aus 
Kieselsäure  bestehender  Theile,  welche  bald  in  der  Form  isolirter 
Tadeln,  bald  als  mehr  zusammenhängende  Schal enbildungen  er- 


92 


Specieller  Theil. 


scheinen;  die  Nadeln  bleiben  immer  im  Protoplasma  eingeschlossen, 
die  Schalen,  welche  mit  einer  oder  mehreren  Oeffnungen  ausgestattet 
sind,  werden  ebenfalls  häufig  ringsum  von  Protoplasma  umflossen,  in 
anderen  Fällen  liegt  aber  die  Schale  ganz  äusserlich. 

Viele  Protozoen  —  wie  die  Amöben  —  können  von  allen  Theilen 
der  Oberfläche  Pseudopodien  aussenden;  die  äussere  Form  des 
Körpers  ist  bei  ihnen  eine  beständig  wechselnde.  Die  Pseudopodien 
haben  entweder  mehr  die  Form  von  Lappen,  von  abgerundeten  Aus- 
buchtungen, oder  sie  erscheinen  als  feine,  dünne,  zugespitzte  Fäden. 
AVenn  der  Körper  von  einer  Schale  umschlossen  ist,  werden  die 
Pseudopodien  natürlich  nur  durch  die  Oeffnungen  derselben  hervorge- 
streckt. Bei  anderen  fehlt  das  Vermögen,  Pseudopodien  auszu- 
senden, ganz,  die  äusserste  Schicht  des  Protoplasmas  ist  dann  con- 
sistenter  geworden,  jedoch  häufig  ohne  von  dem  inneren  weicheren 
Theil  scharf  gesondert  zu  sein  (Tnfusionsthierchen) ;  oder  die  äussere 
Schicht  ist  zu  einer  bestimmter  unterschiedenen,  aber  biegsamen 
Hülle  geworden  (Gregarinen) ;  in  beiden  Fällen  kann  der  Körper 
zwar  gewöhnlich  bis  zu  einem  gewissen  Grad  die  Form  wechseln, 
aber  nicht  Pseudopodien  aussenden.  Bei  solchen  mehr  formbeständigen 
Protozoen  findet  man  öfters  den  Körper  mit  Wimper  haaren  oder 
Wimpergeissein  von  verschiedener  Stärke  und  Anzahl  versehen.  — 
Fast  immer  sind  die  Protozoen  Organismen  von  sehr  geringer, 
„mikroskopischer"  Grösse. 

Die  Fortpflanzung  der  Protozoen  geschieht  wie  jede  Zell- 
vermehrung durch  Th eilung;  zuerst  theilt  sich  der  Kern,  dann 
das  Protoplasma.  Zuweilen  sondert  das  Individuum  vor  der  Theilung 
eine  Kapsel  um  seinen  Körper  ab  und  wird  in  einen  Ruhezustand 
versetzt,  auf  welchen  eine  Theilung  in  zwei  oder  mehrere  Individuen 
folgt.  Einer  wiederholten  Theilung  geht  zuweilen  eine  Copulation 
vorauf:  zwei  Individuen  derselben  Art  nähern  sich  einander  und 
verschmelzen,  und  es  folgt  dann  eine  lebhafte  Theilung  des  neuen 
Individuums  und  der  Nachkommen  desselben.  Die  Copulation  erinnert, 
wie  man  leicht  sieht,  ganz  an  die  Befruchtung  der  Metazoen:  hier 
wie  dort  findet  eine  Verschmelzung  zweier  Zellen  statt,  auf  welche 
Theilungen  folgen ;  die  Aehnlichkeit  des  Processes  mit  der  Befruchtung 
wird  bei  einigen  Protozoen  dadurch  noch  grösser,  dass  das  eine 
copulirende  Individuum  an  Grösse  gegen  das  andere  wesentlich 
zurücksteht  (Vorticelleu).  Bei  einigen  Protozoen  (Infusiousthierchen) 
kommt  statt  einer  Copulation  eine  Conjugation  vor,  welche  sich 
dadurch  auszeichnet,  dass  die  beiden  Individuen  nur  theilweise  ver- 
schmelzen, sich  aber  später  wieder  trennen ;  während  der  Vereinigung 
linden  gewisse  noch  nicht  völlig  aufgeklärte  Veränderungen  sowie 
ein  Stoffaustausch  zwischen  den  Individuen  statt. 

Pseudopodien  vorhanden   Schleimthierchen. 

[  Der   Körper  mit  Wiinper- 

Keine  Pseudopodien1!      haaren  versehen  Infusionsthierchen. 

I  Keine  Wimperhaare  .    .    .  Gregarinen. 

l.  Classe.   Schleimthierchen  (Sarcodina). 

Die  zahlreichen  hierher  gehörigen  Formen  stimmen  darin  mit  ein- 
ander überein,  dass  sie  im  Stande  sind,  von  der  Oberfläche  des 
Körpers  Pseudopodien  auszusenden,  vermittels  welcher  sie  sich 


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Protozoen.   1.  Clasee:  Schleimthierchen.  93 

bewegen  und  ihre  Nahrung  aufnehmen;  die  meisten  sind  auch  mit 
festen  Theilen  im  Protoplasma  oder  um  dasselbe,  mit  einem  Skel et, 
versehen,  welches  übrigens  in  Form  und  chemischer  Beschaffenheit 
bedeutende  Unterschiede  darbietet.  Sie  sind  grösstentheils  Meeres- 
thiere. 

1.  Ordnung.    Rhizopoden  (Mizopoda). 

Bei  einigen  Rhizopoden,  z.  B.  bei  den  früher  erwähnten  Amöben, 
ist  kein  Skelet  vorhanden.  Die  meisten  sind  jedoch  mit  einem  solchen 
in  Form  einer  Schale  ausgestattet,  welche  den  grössten  Theil  des 
Körpers  umgiebt.  Die  Schale  ist  im  einfachsten  Fall  mützenförmig 
mit  einer  einzigen  weiten  Oeffnung,  durch  welche  das  Protoplasma 
hervortritt.  Bei  anderen  wird  die  Schale  dadurch  complicirt,  dass 
sie  mehr  kammerig,  d.  h.  durch  Scheidewände  in  mehrere  kleine 
Räume  getheilt  wird,  welche  jedoch  durch  kleine  Oeffnungen  der 


AB  C 


Fig.  85.  A  (Difflugia)  und  B  (Euglypha),  zwei  imperforate  Rhizopoden  des  Susswassers 
mit  chitiniger  Schale;  an  der  Schale  von  A  sind  kleine  Fremdkörper  festgekittet,  n  Kern, 
f  Pjeudopodien.  C  ein  Meeres-Rhizopod  (liotalia).  —  A  nach  Stein,  B  nach  Hertwig  u. 
L«ser,  C  nach  IL  Schultze. 


Scheidewände  mit  einander  in  Verbindung  stehen  und  sämmtlich 
Protoplasma  enthalten.  Derartige  mehrkammerige  Schalen  sind  ent- 
weder gerade  oder  spiralig  gewunden  —  was  auch  bei  den  einkam- 
merigen  Schalen  der  Fall  sein  kann  —  und  besitzen  dann  öfters  eine 
irrosse  Aehnlichkeit  mit  einer  Nautilusschale,  natürlich  in  sehr  ver- 
feinertem Maassstabe.  Sowohl  die  ein-  wie  die  mehrkammerigen 
»ind  entweder  perforat,  d.h.  ausser  der  grossen  Oeffnung  von  zahl- 
losen feinen  Oeffnungen  durchbohrt,  durch  weiche  das  Protoplasma 
hervortreten  kann,  oder  imperforat,  ohne  derartige  Oeffnungen. 
Bei  den  perforaten  und  bei  einigen  imperforaten  liegt  die  Schale 
eigentlich  im  Protoplasma,  indem  ihre  Oberfläche  von  diesem  um- 


94 


Specieller  TheiL 


flössen  wird.  —  Die  Schalen  bestehen  entweder  aus  einer  chitinartigen 
Masse,  an  welcher  bisweilen  Sandkörnchen  oder  anderweitige  Fremd- 
körperchen  festgekittet  sein  können,  oder  wesentlich  aus  kohlen- 
saurem Kalk,  wie  bei  den  meisten  der  im  Meere  lebenden  Formen 
(auch  die  Kalkschale  kann  bei  einigen  durch  angekittete  Fremd- 
körperchen verstärkt  sein). 

Das  Protoplasma  ist  in  der  Regel  durch  seine  ganze  Masse  hin- 
durch gleichartig,  zuweilen  ist  aber  eine  oberflächliche  Schicht  dadurch 
von  dem  übrigen  verschieden,  dass  sie  hyalin,  körnerfrei  erscheint, 
ohne  übrigens  von  dem  inneren  körnigen  Theil  scharf  gesondert  zu 
sein.  Zuweilen  finden  sich  im  Protoplasma  Pigmentkörnchen.  öfters 
sind  Vacuolen  vorhanden,  welche  in  der  Regel  nicht  contractil  sind. 
Der  Kern  ist  von  einfacher  rundlicher  Form ;  nicht  selten  sind  mehrere 
(bisweilen  zahlreiche)  Kerne  vorhanden ;  bei  einigen  Rhizopoden  scheint 
der  Kern  zu  fehlen  (?).  Die  Pseudopodien  sind  entweder  breite  Lappen 
(Fig.  1,  Fig.  35  A)  oder  feine  Fädchen,  welche  dann  in  grosser  Anzahl 
vom  Thiere  ausstrahlen  und  häufig  netzförmige  Verbindungen  unter 
einander  eingehen  (Fig.  35  C);  derartige  dünne  Pseudopodien  besitzen 
oft  eine  bedeutende  Länge,  sie  können  bis  etwa  zehnmal  so  lang  wie 
die  Schale  des  Thieres  werden.  Mit  Hülfe  der  Pseudopodien  bewegt 
sich  das  Thier  kriechend  über  den  Boden  des  Meeres,  über  Pflanzen 
etc.  fort;  vermittels  derselben  umfliesst  es  mikroskopische  Organismen 
oder  abgestorbene  organische  Theilchen,  um  dieselben  in  sich  aufzu- 
nehmen und  als  Nahrung  zu  verwerthen. 

Ueber  die  Fortpflanzung  ist  verhältnissmässig  nur  wenig  be- 
kannt. Eine  einfache  Zweitheilung  ist  für  verschiedene  Rhizo- 
poden beobachtet  worden;  bei  den  beschälten  Formen  bildet  sich  ge- 
wöhnlich das  eine  der  neugebildeten  Individuen  eine  neue  Schale, 
während  das  andere  in  der  alten  Schale  bleibt;  oder  letztere  wird 
ganz  verlassen,  und  beide  Individuen  bilden  sich  je  eine  neue  Schale. 
Auch  eine  Theilung  in  eine  grössere  Anzahl  von  Individuen  findet 
bei  einigen  Rhizopoden  statt.  Eine  Copulation,  resp.  Conju- 
gation  ist  zuweilen  beobachtet  worden. 

Von  den  Rhizopoden  lebt  ein  Theil  im  Süss w asser;  einige 
werden  sogar  in  Moos  oder  in  feuchter  Erde,  einzelne  auf  Mist  an- 
getroffen, einzelne  leben  als  Schmarotzer  (z.  B.  Amoeba  coli  im  Darm 
des  Menschen).  Die  Mehrzahl  aber  lebt  im  Meere,  wo  sie  meistens 
auf  Meerespflanzen,  Thierstöcken  oder  am  Boden  selbst  kriechend  an- 
getroffen werden,  zumeist  in  geringeren  Tiefen.  Einige  wenige  Formen 
zeichnen  sich  dadurch  aus,  dass  sie  pelagiech,  auf  dem  offenen  Meere, 
in  ungeheuren  Schaaren  uraherschwimmen ;  ihre  Schalen  sinken  nach 
dem  Tode  der  Thiere  auf  den  Grund  des  Meeres,  wo  man  Ablage- 
rungen trifft,  welche  zum  grossen  Theil  aus  ihren  Ueberresten  zu- 
sammengesetzt sind  (Globigerina).  Auch  in  früheren  Perioden  haben 
derartige  Ablagerungen  von  Rhizopoden-Schalen  stattgefunden,  welche, 
in  mehr  oder  weniger  zerstückeltem  Zustand,  eineu  wichtigen  Bestand- 
teil mächtiger  Erdschichten  ausmachen  (Schreibkreide). 

Die  Amöben  (Amoeba)  mit  lappenförmigen  Pseudopodien  und  ohne 
Schale  (vergl.  S.  1—3)  leben  sowohl  im  Süßwasser  wie  im  Meere.  —  Im 
SüsBwasser  findet  man  ferner  mehrere  Gattungen  mit  einfachen,  einkammerigen. 
chitinösen  (zuweilen  mit  Fremdkörpern  bedeckten)  Schalen  (Fig.  35  A — B).  — 
Von  den  zahlreichen  im  Meere  lebenden,  oft  ungemein  zierlichen,  schalen- 
tragenden Formen  ist  eine  in  Fig.  35  C  abgebildet.    Unter  den  ebenfalls 


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Protozoen.    1.  Classe:  Sohleimthierchen.  95 

sehr  zahlreichen  fossilen  Formen  nennen  wir  nur  die  durch  ihre  für  ein 
Protozoon  ungeheure  Grosse  ausgezeichnete  Gattung  Nummtdües. 

2.  Ordnung.    Rad  Marien  {Radtolaria). 

Die  Radiolarien  unterscheiden  sich  dadurch  von  den  Rhizopoden, 
(kss  der  grössere  Theil  ihres  Protoplasmas  in  eine  poröse  häutige 
Kapsel,  die  Centraikapsel,  eingeschlossen  ist.  Ausserhalb  der 
Centraikapsel  findet  sich  noch  eine  dünne  Protoplasmaschicht  und 
ausserhalb  letzterer  wieder  eine  dünnere  oder  dickere  Lage  einer 
gallertigen  Masse.  Die  Grundform  des  Körpers  ist  gewöhnlich  eine 
kugelige ;  jedoch  kommen  mannigfache  Abweichungen  hiervon  vor. 
Von  festen  Theilen  findet  sich  im  Thiere  ausser  der  Ceutralkapsel 
ein  gewöhnlich  reich  entwickeltes  Skelet,  in  der  Regel  aus  Kiesel- 
säure (seltener  aus  einer  organischen  Substanz)  bestehend.  Das 


A  B 


Fig.  86.  A.    Scheraatische  Darstellung  einen  Radio  Urs  mit  Weglassang  des  Skeletes. 
e  Centraikapsel,  g  GallerthtlUe,  A  Kern,  p  Pseudopodien.  —  Orig. 
Fig.  36.  B.    Skelet  eine«  Radiolars.  —  Nach  Hackel. 


Skelet  iBt  bei  verschiedenen  Formen  höchst  verschieden.  Bei  einigen 
besteht  es  aus  einer  Menge  isolirter  Stacheln,  welche  sämmtlich  vom 
Mittelpunkte  des  Thieres  ausstrahlen,  die  Oentralkapsel  und  die  ver- 
schiedenen weichen  Schichten  des  Thieres  durchbohren  und  nach  allen 
Seiten  über  die  Oberfläche  hinausragen.  Bei  anderen  bildet  das  Skelet 
eine  von  vielen  grossen  Oeffnungen  durchbrochene  Gitterkugel,  von 
deren  Oberfläche  zuweilen  Stacheln  ausstrahlen  (Fig.  36  B).  Bei  anderen 
sind  mehrere  solche  Gitterkugeln  vorhanden,  welche  in  einander  ein- 
geschachtelt liegen  und  durch  radiäre,  von  der  einen  Kugel  zur  anderen 
gehende,  Stacheln  verbunden  sind ;  wenn  zwei  solche  Kugeln  vorhanden 
sind,  liegt  die  eine  innerhalb  der  Oentralkapsel,  die  andere  ausserhalb 
derselben;  sind  drei  Kugeln  vorhanden,  kann  die  innerste  in  dem 
centralen  Kern  liegen.  In  anderen  Fällen  ist  die  Schale  mehr  scheiben- 
förmig oder  helmförmig  etc.;  wie  finden  überhaupt  in  dieser  Ab- 
theilung die  reichste  Auswahl  zierlicher  Skeletbildungen. 

In  dem  von  der  Oentralkapsel  eingeschlossenen  Protoplasma  findet 
sich  ein  Kern  (zuweilen  mehrere  solche),  ausserdem  sind  Vacuolen 


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9R 


Specieller  Theil. 


(nicht  contractile),  weisse,  rothe  oder  gelbe  Oeltropfen,  Pigment  (rothes, 
gelbes,  braunes)  in  demselben  vorhanden.  Von  der  dünnen  Proto- 
plasmalage, welche  die  Centralkapsel  umgiebt,  strahlen  die  feinen, 
dünnen  Pseudopodien  gewöhnlich  nach  allen  Seiten  aus;  sie  gehen 
öfters  netzförmige  Verbindungen  mit  einander  ein.  Sie  durchsetzen 
zunächst  den  wasserhellen  Gallertmantel  und  ragen  dann  als  lange 
dünne  Fäden  in  das  Wasser  hinaus.  In  dem  Protoplasma  ausserhalb 
der  Centralkapsel  finden  sich  häufig  Vacuolen,  welche  auch  in 
demjenigen  Theil  der  Pseudopodien,  der  die  Gallertlage  durchsetzt, 
vorhanden  sein  können,  wodurch  die  Gallerte  ein  blasiges,  schaumiges 
Aussehen  bekommt.  Die  Nahrung,  einzellige  Thiere  und  Pflanzen, 
werden  von  den  Pseudopodien  gefangen  und  in  das  Protoplasma  hinein- 
gezogen. 

Die  Fortpflanzung  ist  ungenügend  bekannt.  Bei  gewissen 
Formen  hat  man  gefunden,  dass  der  Inhalt  der  Centralkapsel  sich 
in  eine  Anzahl  kleiner,  je  mit  1—3  langen  Wimpergeissein  versehener 
Zellen,  „Schwärmsporenu,  theilen  kann;  das  nähere  Schicksal  letzterer 
ist  nicht  bekannt,  mau  weiss  nur,  dass  sie  die  Kapsel  sprengen  und 
frei  herausschwärmen.  Einige  Radiolarien  bilden  durch  wiederholte 
Theilung  Colon ien,  deren  Individuen  durch  den  gemeinsamen 
Giillertmantel  zusammenhängen. 

In  den  Radiolarien  findet  man  sehr  oft,  zuweilen  in  grosser  An- 
zahl, kleine  gelbe  Zellen,  welche  früher  —  mit  anderen  Verhält- 
nissen zusammen  —  zu  der  Ansicht  Veranlassung  gaben,  dass  die 
Radiolarien  mehrzellige  Organismen  seien.  Neuere  Untersuchungen 
haben  jedoch  nachgewiesen,  dass  diese  Zellen  in  Wirklichkeit  selbst- 
ständige Organismen,  kleine  Algen,  sind,  welche  in  den  Radiolarien 
schmarotzen  oder,  richtiger :  in  denselben  Aufenthalt  nehmen,  denn  die 
gelben  Zellen  scheinen  den  von  ihnen  bewohnten  Radiolarien  eher 
nützlich  als  schädlich  zu  sein,  namentlich  durch  die  bei  ihnen  wie 
bei  anderen  Pflanzen  stattfindende  Sauerstoffausscheidung,  welche  der 
Respiration  der  Radiolarien  zu  Gute  kommt. 

Die  Radiolarien  leben  ausschliesslich  im  Meere,  wo  sie  auf 
offener  See  schwimmend  angetroffen  werden;  sie  halten  sich  in  sehr 
verschiedener  Tiefe  auf,  jedoch  ohne  Zweifel  besonders  an  der  Ober- 
fläche ,  wo  sie ,  namentlich  in  den  wärmeren  Meeren ,  in  ungeheuer 
grosser  Anzahl  und  grossem  Formenreichthum  gefunden  werden.  Sie 
bewegen  sich  im  Wasser  auf  und  nieder  etc.,  ohne  dass  es  übrigens 
bisher  klar  wäre,  wie  die  Bewegungen  eigentlich  ausgeführt  werden. 
Ebenso  wie  die  Schalen  der  pelagischen  Rhizopoden  sinken  auch  die 
Kiesel-Skelete  der  Radiolarien  auf  den  Boden  des  Meeres,  wo  sie  an 
einigen  Stellen  die  Hauptmasse  ausgedehnter  Tiefsee-Ablagerungen 
bilden.1) 

In  Süsswasser  (seltener  im  Meere)  lebt  eine  kleine  Protozoen-Gruppe, 
die  Sonnenthierchen  {Uelioxoa),  welche  sich  in  mehreren  Beziehungen  den 
Radiolarien  anschliessen,  von  diesen  aber  durch  den  Mangel  einer  Central- 
kapsel sowie  durch  eine  gewöhnlich  geringere  Ausbildung  des  Skeletes  sich 
unterscheiden. 


')  Weshalb  einige  derartige  Ablagerungen  wesentlich  aus  pelagischen  Rhizo- 
podenschalen,  andere  aus  Radiolarien  bestehen,  ist  noch  nicht  sicher  erkannt. 


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Protozoen.   2.  Classe:  Infuaionsthierchen. 


97 


2.  Classe.    Infusionsthierchen  (Infusoria,  Ciliata). 

Bei  den  Infusionsthierchen  besitzt  eine  dünne  äusserste  Schicht 
eine  festere  Beschaffenheit  als  das  übrige  Protoplasma,  und  damit 
hängt  es  zusammen,  dass  den  Infusionsthierchen  das  Vermögen  abgeht, 
Pseudopodien  auszusenden.  Eine  Formveränderung  des  meistens  ab- 
gerundeten, ovalen  oder  mehr  länglichen  Leibes  ist  damit  nicht  aus- 
geschlossen; der  Körper  kann  sich  verlängern,  verkürzen,  abrunden. 
An  zwei  Stellen  der  Oberfläche  fehlt  übrigens  die  erwähnte  festere 
Schicht;  die  eine  dieser  Stellen  dient  zur  Nahrungsaufnahme  und 
wird  als  Mund  bezeichnet,  durch  die  andere,  den  After,  treten  die 
unverdauten  Theile  wieder  nach  aussen.  Die  beiden  Öffnungen  sitzen 
meistens  nahe  den  entgegengesetzten  Enden  des  Körpers;  (las  Ende, 
an  welchem  der  Mund  sitzt,  wird  als  Vorderende,  das  andere  als 
Hiuterende  bezeichnet;  der  Mund  befindet  sich  meistens  am  Boden 
einer  öfters  ziemlich  tiefen,  trichterförmigen  Einseukung,  während  der 
After  nur  dann  als  ein  Spalt  sichtbar  wird,  wenn  etwas  durch  den- 
selben entleert  wird.  Die  Infusionsthierchen  sind  durchweg  mit 
Wimperhaaren  versehen,  welche  bei  der  Bewegung  die  Hauptrolle 
spielen.  Sie  sind  bei  einigen  gleichmässig,  öfters  in  Längsreihen  an- 
geordnet, über  die  gesammte  Oberfläche  verbreitet;  bei  anderen  sind 
in  dem  Wimperkleid  einige  besonders  stark  oder  eigentümlich  ge- 
bildete (stachel-,  hakenförmige)  Wimperhaare  vorhanden,  oder  es 
finden  sich  eine  oder  mehrere  Reihen  derartiger  Wimperhaare  zwischen 
den  anderen;  besonders  häufig  ist  das  Vorhandensein  einer  spiral- 
förmigen Reihe  kräftiger  Wimperhaare  am  vorderen  Körperende, 
welche  die  Nahrung  der  Mundöffnung  zustrudelt.  Bei  anderen  wieder 
ist  das  gesammte  Wimperkleid  mit  Ausnahme  der  letztgenannten 
(oder  dieser  und  noch  einer  Wimperhaarreihe)  in  Wegfall  gekommen1). 
—  Derartige  feste  Skeletbildungen  wie  bei  den  Schleimthieren  kommen 
hier  nicht  vor;  einige  Infusionsthierchen  sondern  aber  ein  gallertiges 
oder  häutiges,  becher-  oder  röhrenförmiges  Gehäuse  ab,  welches 
den  Körper  lose  umgiebt,  und  in  welches  sie  sich  zurückziehen  können 
(das  Verhältniss  des  Thieres  zum  Gehäuse  ist  ein  ähnliches  wie 
zwischen  einem  Röhrenwurm  und  dessen  Röhre).  Das  Gehäuse  ist 
gewöhnlich  fremden  Körpern  augeheftet  ;  bei  einigen  im  Meere  lebenden 
Infusorien  trägt  das  Thier  aber  das  Gehäuse  mit  sich  umher. 

Im  Protoplasma  findet  sich  ein  grösserer  Kern  (Hauptkern, 
Macronucleus) ,  welcher  bald  rundlich,  bald  wurst-  oder  bandförmig 
oder  perlschnurformig  ist;  ausser  diesem  sind  fast  immer  ein  oder 
mehrere  kleinere  Nebenkerne  (Micromtclei)  vorhanden.  In  der 
Nähe  der  Oberfläche  finden  sich  eine  oder  mehrere  contractile 
Vacuolen,  welche  das  in  ihnen  enthaltene  Wasser  durch  je  eine 
»der  mehrere  feine  Poren  nach  aussen  entleeren ,  um  nachher  wieder 
Wasser  aus  dem  Protoplasma  aufzunehmen.  Im  äusseren  Tbeil  des 
Protoplasmas  findet  man  häufig  feine  Fädchen  von  contractiler  Substanz, 

')  Bei  einigen  Infusorien  findet  man  sogenannte  Membranellen,  schwingende 
bUttförmige  Gebilde,  deren  jedes  als  eine  Kurze  Reihe  mit  einander  verschmolzener 
Wimperhaare  aufzufassen  sind.  Die  sogenannten  undulirenden  Membranen, 
lindere,  bandartige,  mit  dem  einen  langen  Rand  angeheftete,  schwingende  Theile, 
«eiche  auch  zuweilen  verkommen,  sind  als  Membranellen  zu  betrachten,  welche 
tut  langen  Reihen  von  Wimperhaaren  entstanden  sind. 

Beil,  Zoologie.  7 


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98  Spccieller  Theil. 

Muskel fibrillen.  Im  Protoplasma  können  ausserdem  noch  Fett- 
kügelchen  und  Pigmentkörnehen  vorhanden  sein. 

Die  Infusionsthierchen  pflanzen  sich  durch  Th eilung  fort,  welche 
gewöhnlich  senkrecht  zur  Längsachse  erfolgt,  also  eine  Quertheilung 
ist;  vor  der  Theilung  theilen  sich  sowohl  der  Haupt-  als  der  Neben- 
kern. Zuweilen  finden  wir  als  Moditication  der  einfachen  Theilung 
eine  Knosp  ung,  der  Knospung  der  Metazoen  (vergl.  S.  32)  analog: 
ein  kleiner  Theil  eines  Individuums  wächst  zu  einem  neuen  Indi- 
viduum aus.  Häufig  geschieht  die  Theilung,  während  das  Thierchen 
sich  in  einem  eingekapselten,  ruhenden  Zustand  befindet.  Es 
umgiebt  sich  mit  einer  Kapsel  und  theilt  sich  nachher  in  zwei  oder 
mehrere  neue  Individuen.  Eine  derartige  Einkapselung  kann  übrigens 


A  B  CD 


Fig.  37.  A  Balantidium  coli.  B  Exemplare  in  Conjugatiou;  0,  D  Exemplare  auf  ver- 
schiedenen Stufen  der  Quertheilung.  Der  nierenförmige  Körper  ist  der  Kern,  die  hellen 
Flecken  sind  Vacuolen.  —  Nach  Louckart. 

auch  zu  anderen  Zwecken  als  der  Fortpflanzung  wegen  stattfinden; 
namentlich  besitzen  viele  Infusorien  das  Vermögen,  wenn  die  äusseren 
Verhältnisse  ihnen  ungünstig  werden,  z.  B.  beim  Austrocknen  der 
Gewässer,  in  denen  sie  leben,  eine  feste  Kapsel  um  sich  abzusondern, 
in  denen  sie  eine  vollständige  Austrocknung  der  Umgebung  aushalten 
können.  —  Sehr  oft  beobachtet  man  bei  den  Infusorien  eine  Copu- 
latiou  und  namentlich  eine  Conjugation;  bei  einigen  Formen 
findet  die  Copulation  zwischen  Individuen  von  sehr  verschiedener  Grösse 
statt,  z.  B.  bei  den  unten  erwähnten  Vorticellen,  bei  denen  ein  kleines 
freischwimmendes  Individuum  sich  an  ein  grosses  festsitzendes  heftet 
und  mit  diesem  verschmilzt. 

Die  Infusionsthierchen  sind  grösstentheils  sehr  lebhafte  Geschöpfe, 
welche  vermittels  ihres  Wimperkleides  und  durch  Contractionen  des 
Körpers  im  Wasser  umherschwärmen  oder  über  fremde  Gegenstände 
hingleiten.  Nicht  wenige  sind  zeitweilig  oder  dauernd  festsitzend; 
unter  diesen  bilden  mehrere  durch  unvollständige  Theilung  (oder 
Knospung)  Colonien.  Die  Infusorien  finden  sich  in  grosser  Individuen- 
anzahl und  durch  zahlreiche  Formen  repräsentirt  im  Süsswasser, 
wo  viele  derselben  sich  besonders  an  verwesenden  Pflanzen  und 
Thierleichen  sammeln;  in  verhältnismässig  geringerer  Anzahl 
werden  sie  im  Meere  angetroffen;  eine  Abtheiluug  gehäusetragender 


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Protozoon.    2.  Classe:  Infusionsthierchen. 


99 


Infusorien  ist  pelagisch;  die  betreffenden  Formen  schwimmen  auf  dem 
offenen  Meere  mit  Radiolarien  und  pelagischen  Rhizopoden  zusammen 
umher.  Einzelne  leben  als  Schmarotzer  auf  der  Haut  von 
Fischen    und   anderen   Wasserthieren ;   nicht  ganz   selten  werden 

Fig.  38.  Fig.  39.  Fig.  40. 


Fig.  38.    Paramaecium  aurclia.  —  Nach  Blochmann. 
Fig.  39.    Stylonychia  mytilus.        Nach  Stein. 

Fig.  40.    Vorti cellc,  rechts  ein  Individuum  in  Theilung.  —  Nach  Stein. 
An  After,  er  contractile  Vacuole,  n  Nebenkero,  X  Kern,  <v  Mund,  ir  Wimper. 

Infusorien  im  Darmkanal  verschiedener  Wirbelthiere  gefunden.  — 
In  eingekapseltem  Zustande  werden  sie  häufig  nach  dem  Austrocknen 
der  Pfützen  etc.,  in  denen  sie  leben,  von  den  Luftströmungen  mit 
auderem  „Staub"  zusammen  fortgeschleppt,  und  überall,  wo  eine  Mög- 
lichkeit für  das  Gedeihen  der  Infusorien  gegeben  ist,  treten  sie  dess- 
halb  sehr  bald  auf. 

1.  Von  den  zahlreichen  im  Süsswasser  lebenden  Infusorien  nennen 
wir  beispielsweise  folgende  häufig  vorkommenden  Formen:  Paramaecium, 
Körper  oval,  ringsum  gleichförmig  mit  Wimpern  bedeckt.  —  Stylonychia, 
oval,  vorn  mit  einer  zum  Mund  führenden  Wimperreihe,  an  der  Unterseite 
mit  starken  stachel-  und  hakenförmigen  Wimperhaaren.  —  Die  Vorticcllen 
(Glocken thierchen)  sind  gestielte  Infusorien,  welche  am  Vorderende  mit  einer 
WimperBpirale  versehen,  sonst  aber  nackt  sind ;  sowohl  Mund  als  After  in 
einer  gemeinsamen  Rinne  am  Vorderende ;  am  entgegengesetzten  Ende  ent- 
springt der  gewöhnlich  von  einem  Muskelfaden  durchlaufene ,  häufig  sehr 
lange  Stiel,  mit  dem  das  Thier  an  Fremdkörpern  festsitzt.  Sie  können  sich 
zuweilen  vom  Stiele  ablösen  und  frei  umherschwimmen.  Manche  Vorticellen 
bilden  verästelte  Colonien. 

2.  Auf  dem  offenen  Meere  werden  zuweilen  massenhaft  die  mit  einem 
zierlichen  Chitin-Gehäuse  ausgestatteten  Arten  der  Gattung  Tintitmus  u.  a. 
getroffen. 

3.  Unter  den  schmarotzenden  Infusorien  nennen  wir  das  Balantidium 
coli  (Fig.  37),  welches  im  Dickdarm  des  Schweines  constant,  beim  Menschen 

7* 


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1 00 


Specieller  Theil. 


seltener  vorkommt;  der  Körper  eiförmig,  überall  bewimpert,  in  der  Nähe 
des  Mundes  eine  Reihe  etwas  stärkerer  Wimperhaare.  —  Andere  Infusorien 
finden  sich  z.  B.  im  Pansen  der  Wiederkäuer  und  im  Dickdarm  des  Pferdes. 


Unter  dem  Namen  Fla^ellaten  wird  eine  grosse  Menge  sehr  ver- 
schiedenartiger einzelliger  Geschöpfe  zusamniengefasst,  welche  sich  durch  das 
Vorhandensein  einer  einzigen  starken  Wimpcrgeissel  oder  einer  geringen 

Anzahl  solcher  auszeichnen. 
Eine  natürliche  Abtheilung  bil- 
den diese  Organismen  jedoch 
nicht.  Einige  derselben  scheinen 
sich  den  Infusorien  zunächst  an- 
zuschliessen,  jedenfalls  zweifel- 
los dem  Thierreich  anzugehören, 
andere  sind  unzweifelhaft  pflanz- 
liche ,  mit  Chlorophyll  ausge- 
stattete Organismen  (vergl.  S. 
8ö),  wieder  andere  sind  von  ganz 
zweifelhafter  Stellung.  Von  den- 
jenigen Flagellaten,  welche  thie- 
rischer Natur  sind,  nennen  wir 
die  Monadinen,  kleine  mit 
einer  oder  mehreren  Geissein 

am    Vorderende  ausgestattete 
rig.  41.    Yorsolm'dene  Monadinen.    A  Ct.rco-  .  ,     .   °  , 

monas  nm$ou  (ans  dem  Chylusdarm  der  Stubenfliege),  Organismen,  welche  in  faulenden 
B  Bodo  ovatus,  V  Deramita  rottrata,  r  contractdo  Substanzen  und  im  Darmkanal 
Vacuole,  n  Kern.  —  Nach  Stein.  verschiedener  Thiere  in  unge- 

heurer Anzahl  gefunden  werden;  einige  Arten  finden  sich  z.  B.  constant 
im  Magen  der  Wiederkäuer,  im  Blinddarm  des  Schweines,  im  Enddarm  der 
Frösche  und  Kröten. 


3.  Classe.    Gregarinen  {(h-egnrimda). 

Die  Gregarinen,  welche  ohne  Ausnahme  als  Schmarotzer  leben, 
sind  ebenso  wie  die  Infusionstierchen  ausser  Stande  Pseudopodien 


Fig.  42.  Eine  Grcgarine  (Schema).  /  ein  einzelnes  Individuum,  2  zwei  copulirte 
Individuen,  3  zwei  solche  eingekapselt,  4  dieselben  völlig  verschmolzen,  5  sie  haben  sich 
in  Sporen  gctheilt,  C  in  den  Sporen  sind  Keime  gebildet.  7—  i)  eine  Spore  auf  verschiedenen 
Entwicklungsstufen,  stärker  vergr.  —  Orig. 

auszusenden,  unterscheiden  sich  aber  von  jenen  unter  Anderem  dadurch, 
dass  sie  keine  Wimperhaare  besitzen.  Ihr  einzelliger  Körper  ist  ge- 
wöhnlich, wenn  auch  nicht  immer,  mit  einer  deutlichen  Hülle  ver- 


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Protozoen.   8.  Clasae:  Gregarinen. 


101 


sehen;  häufig  ist  das  Protoplasma  in  zwei  Schiebten,  eine  innere 
körnige  und  eine  äussere  mehr  körnerfreie,  gesondert,  welche  jedoch 
von  einander  nicht  scharf  unterschieden  sind.  Fast  immer  ist  nur 
ein  einziger  rundlicher  Kern  vorhanden.  Die  Gregarinen  sind  meistens 
lauggestreckt,  abgeplattet,  zuweilen  bandförmig;  hei  manchen  ist  die 
Zelle  in  einen  vorderen  kleineren  und  einen  hinteren  grösseren  Ab- 
schnitt (in  dem  der  Kern  sich  befindet)  getheilt,  welche  durch  eine 
dünne  Scheidewand  von  einander  gesondert  sind;  bei  anderen  ist  die 
Zelle  dagegen  ganz  einfach.  Zuweilen  findet  sich  am  vorderen  Ende 
ein  rüsselartiger,  öfters  mit  Haken  bewaffneter  Fortsatz,  durch  welchen 
sie  sich  in  der  Darmwand  des  Wirthes  festhält.  Durch  Zusammen- 
ziehung und  Ausstrecken  des  Körpers,  durch  Biegungen  etc.,  welche 
anf  Strömungen  des  Protoplasmas  beruhen,  bewegen  sich  die  Grega- 
rinen in  dem  Wohnthiere.  Die  Nahrung  wird  endosmotisch  durch 
die  Oberfläche  des  Körpers  aufgenommen;  eine  Aufnahme  fester  Theile 
fandet  nicht  statt. 

Die  Fortpflanzung  ist  eine  sehr  charakteristische.  Sie  fangt 
damit  an,  dass  der  Körper  des  Thieres  sich  abrundet  und  eine  Kapsel 
um  sich  ausscheidet;  zuweilen  ist  die  eigentliche  feste  Kapsclwand 
von  einer  Gallerthülle  umgeben.  Dieser  Einkapselung  geht  meistens 
eine  Copulation  zweier  Individuen  voraus,  welche  sich  mit  einander 
verbinden,  zunächst  jedoch  ohne  mit  einander  zu  verschmelzen;  eine 
wirkliche  Verschmelzung  findet  erst  nach  der  Einkapselung  statt.  Ein 
einziges  Individuum  kann  sich  jedoch  auch  allein  einkapseln.  Der 
Kapselinhalt  theilt  sich  alsdann  in  eine  grössere  oder  kleinere  An- 
zahl kleiner  Zellen.  Sporen,  welche  sich  mit  je  einer  besonderen 
Hülle  umgeben.  Endlich  theilt  sich  der  Inhalt  jeder  Spore  in  eine 
seringe  Anzahl  kleinster  Zellen,  gewöhnlich  von  langgestreckter  Form, 
die  sogenannten  Keime.  Durch  Sprengung  der  Kapsel  werden  letztere 
frei;  ihre  weitere  Entwicklung  ist  nicht  verfolgt,  es  ist  jedoch  wahr- 
scheinlich, dass  jeder  Keim  sich  zu  einer  Gregarine  ausbildet.  Die 
Fortpflanzung  der  Gregarinen  besteht  somit,  wem»  wir  das  Wesent- 
lichste derselben  betrachten,  in  einer  wiederholten,  meistens  von  einer 
Copulation  eingeleiteten  Theilung  der  ursprünglichen  Zelle. 

Die  Gregarinen  leben  als  Schmarotzer  in  einer  Menge  Metazoen 
der  verschiedensten  Abtheilungen :  Stachelhäuter,  Plattwürmer,  Glieder- 
würmer. Arthropoden.  Weichthiere,  Wirbelthiere ;  als  Gruppen,  welche 
besonders  von  Gregarinen  heimgesucht  sind,  können  Tausendfüssler 
and  Insekten  genannt  werden.  Sie  halten  sich  theils  in  den  natür- 
lichen Höhlungen  des  Körpers  (z.  B.  im  Darmkanal),  theils  in  den 
Geweben  auf. 

Von  den  zahlreichen  Formen  führen  wir  folgende  als  Beispiele  an: 

1 .  Porospora  giyantm,  sehr  häufig  im  Darm  des  Hummers,  ist  eine  sehr 
langgestreckte,  schmale  Gregarine,  welche  die  für  ein  Protozoon  kolossale 
hänge  von  lfi  mm  erreicht. 

2.  Coeridium  otn  forme  sind  kleine  (0,035  mm  lange)  eiförmige  Gre- 
g&rinen,  welche  häufig  im  Epithel  der  Gallengänge  beim  Kaninchen,  selten 
taim  Menschen  vorhanden  sind  (die  dadurch  verursachte  Krankheit  kann 
den  Tod  mit  sich  führen).  Während  das  Coccidium  jung  ist ,  ist  es  noch 
«ne  nackte  Zelle,  später  erfolgt  eine  Einkapselung.  In  diesem  Zustande 
taben  sie  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  gewissen  Eingeweidewürmer-Eiern, 
mit  denen  sie  zuweilen  verwechsolt  worden  sind.  Nach  der  Einkapselung 
gehen  sie  mit  der  Galle  in  den  Darm  und  von  hier  mit  den  Excrementen 


102 


Specieller  Theil. 


Fig.  -48.  Coccidium  ovifurme ,  -1 — B  eingekapselt, 
0 — D  in  Sporen-  und  Keimbildung.  —  Nach  Leuckart. 


in's  Freie  hinaus ,  wo  erst  die  weiteren  Ilmwandelungen  vor  sich  gehen ; 
diese  bestehen  darin,  dass  der  Kapselinhalt  sich  in  4  8poren  theilt,  deren 

jede  sich  wieder  zu  2  Keimen  ent- 
wickelt. Wenn  eine  derartige 
sporenhaltige  Coccidienkapsel  von 
einem  Kaninchen  mit  der  Nah- 
rung aufgenommen  wird,  löst 
sich  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
die  Kapselwand  auf,  die  Keime 
wandern  durch  den  Gallengang 
in  die  Leber  ein  und  entwickeln 
sich  hier  zu  Coccidien. 

3.  In  den  quergestreiften  Mus- 
kelfasern findet  man  bei  vielen 
Säugethieren,  z.  B.  ungemein  häufig  beim  Schweine,  kleine  Körper,  die  soge- 
nannten Rainey' sehen  oder  M  iesch  er  'sehen  Schläuche  (Sarcocystis) 

eingebettet.  Es  sind  cylindrische  oder  spindel- 
förmige Körper  von  verschiedener  (bis  mehrere 
mm)  Länge,  welche  in  je  eine  Muskelfaser  ein- 
geschlossen liegen;  jeder  ist  von  einer  Hülle 
umgeben  und  besteht  aus  einer  protoplasma- 
tischen Masse ,  welche  stets  eine  grosse  An- 
zahl kleiner  Keime  enthält ;  letztere  sind 
zu  Gruppen  vereinigt,  welche  von  je  einem 
dünnen  Häutchen  umschlossen  sind.  Die  Rai- 
ney'schen  Schlauche  werden  jetzt  gewöhnlich 
als  Geschöpfe  aufgefasst,  welche  mit  den  Gre- 
garinen  verwandt  sind;  die  genannten  Gruppen 
von  Keimen  werden  als  den  Sporen  der  Gre- 
garinen  gleichwerthig  betrachtet.  Falls  dieser 
Vergleich  zutrifft,  würde  es  ihnen  jedoch  eigen- 
tümlich sein,  dass  die  Sporen-  und  Keimbildung 
sehr  früh  anfängt ,  ehe  das  Wachsthum  des 
Schlauches  abgeschlossen  ist  (schon  in  sehr  kleinen 
Fig.  44.    l  Kainey'Hcher  Schläuchen  findet  man  Keime),  und  dass  die- 


2 


s 


Schlauch  in  einer  Muskelfaser,  8en>e  ganz  allmählich  fortgeht,    SO   dass  immer 
2  die  Spitze  einea  Bolchen  ■ 
vergr.,  3  einzelne  Keime. 


2dieSpiUeeine89olchen,2tärker  ^   Theile   deg  protopla8ma8   zu  gporen  und 


Keimen  werden.    In  welcher  Weise  der  Wirth 
mit  den  Rainey'schen  Schläuchen  inficirt  wird, 
ist  unbekannt;  in  der  Regel  scheinen  sie  ihm  nicht  sehr  lästig  zu  werden. 
Sie  sind  bisher  nicht  beim  Menschen  gefunden. 


Zweites  Unterreich. 


Metazoen  (Metazoa). 


I.  Kreis.    Cöleilterateil  (Coelenterata). 

Die  Cölenteraten  zeichnen  sich  in  erster  Linie  durch  die  grosse 
Einfachheit  ihres  Baues  so  wie  durch  die  geringe  Sonderung  des 
Körpers  in  verschiedene  Organe  aus.  Unter  allen  bekannten  Metazoen 
nehmen  sie  die  ursprünglichste  Stelle  ein. 

Die  Cölenteraten  treten  in  verschiedenen  Haupttypen  auf.  Im 
einfachsten  Fall  ist  der  Körper  ein  kürzerer  oder  längerer,  an 


Fig.  45.  Schematiche  Figuren  der  Haupttypcn  der  Cölenteraten.  A  die  einfachste  Form, 
5  die  Medusen; -  mu.  C  der  Typus  der  Koralleuthierc.  t  Iuneulage,  m  Mittellage,  y  Ausscnlagc. 
*  Mundöffnung,  n  die  Äussere  OerTnung  des  Schlundrohres  der  Korallenthiere.  —  Orig. 

dem  einen  Ende  offener,  am  anderen  Ende  geschlossener  Schlauch 
mit  dreischichtiger  Wand  (Fig.  45  A).  Zuäusserst  haben  wir  die  aus 
Zellen  bestehende  Aussenlage,  innerhalb  dieser  findet  sich  eine 
dünne  Schicht,  die  Mittellage,  welche  aus  einer  structurlosen 
Gallerte  besteht,  und  zuinnerst  die  wieder  aus  Zellen  bestehende 
Innenlage,  welche  die  Höhlung  des  Schlauches  begrenzt;  an  der 
Mündung  des  Schlauches,  an  der  Mund  Öffnung,  gehen  die  Innen- 


104 


Specialer  Theil. 


und  Aussenlage  in  einander  über.  Wie  mau  sieht,  entfernen  Cölen- 
teraten  des  beschriebenen  Baues  sich  im  allgemeinen  Bauplan  sehr 
wenig  von  der  Gastrula,  von  welcher  sie  wesentlich  nur  darin  ab- 
weichen, dass  die  Aussen-  und  Innenlage,  welche  dem  Ekto-  resp. 
dem  Entoderm  der  Gastrula  entsprechen,  eine  Gallertmasse  (die  Mittel- 
lage) zwischen  sich  abgesondert  haben.  Da/u  kommt  aber  noch,  wie 
wir  weiter  unten  seheu  werden,  dass  die  Zellen  jeder  Schicht  nicht 
wie  in  der  Gastrula  gleichartig,  sondern  in  verschiedener  Weise,  einige 
als  Muskelzellen,  andere  als  Nervenzellen  etc.,  entwickelt  sind. 

An  diese  einfachste  Form  schliessen  sich  nun  andere  Typen  von 
etwas  complicirterer  Gestaltung  an,  welche  von  jener  abgeleitet  werden 
können.  Vielfach  finden  wir  (Fig.  45  B).  dass  das  untere  geschlossene 
Ende  des  Schlauches  sich  zu  einer  breiten  Scheibe  ausgebreitet  hat, 
so  dass  das  Thier  einem  altmodischen  Handleuchter  ähnlich  wird. 
Der  scheibenförmige  Theil  besteht  aus  denselben  Schichten  wie  der 
übrige  Körper;  die  Mittellage  ist  jedoch  besonders  stark  ent- 
wickelt, und  die  beiden  Blätter  der  Innenlage,  welche  die  obere  resp. 
die  untere  Wand  der  Höhlung  dieses  Theiles  auskleiden,  sind  an 
gewissen  Stellen  mit  einander  verwachsen,  so  dass  wir  anstatt 
eines  platten,  einfachen  Hohlraumes  ein  System  von  Kanälen  in  ihm 
finden;  an  den  verwachsenen  Stellen  schrumpft  die  Innenlage  zu  einem 
dünnen  Häutchen  zusammen.  Während  Cölenteraten  des  ersten,  ein- 
fachsten Typus  gewöhnlich  festsitzend  sind,  sind  diejenigen,  welche 
den  soeben  erwähnten  Typus,  die  Medusenform,  besitzen,  gewöhn- 
lich schwimmend;  die  Scheibe  ist  während  des  Schwimmens  nach 
oben,  die  Oeffnung  des  Schlauches  nach  unten  gerichtet. 

Einen  dritten  Typus  finden  wir  bei  den  Koralle nthieren 
(Fig.  45  C).  Bei  diesen  ist  der  Schlauch  mit  einer  sehr  weiten  Höhlung 
versehen,  in  welche  der  oberste  Theil  desselben  hinein  gestülpt 
ist,  so  dass  die  eigentliche  Mundüffnung  sich  am  unteren  Ende  des 
eingestülpten  Schlauchtheiles,  des  sogenannten  Schlundrohres,  befindet. 

Die  Cölenteraten  sind  gewöhnlich  mit  weichen  Körperan- 
hängen: Fangarmen,  Tentakeln,  versehen,  welche  Auswüchse  oder 
Ausstülpungen  der  Leibeswand  sind  und  von  denselben  Schichten 
zusammengesetzt  werden  wie  letztere;  sie  sind  gewöhnlich  in  der 
Nähe  der  Mundöffnung,  bei  den  Medusen  jedoch  auch  am  Rande  der 
Scheibe  angebracht. 

Im  ganzen  Körperbau,  z.  B.  in  der  Weise,  in  welcher  die  soeben 
genannten  Anhänge  angeordnet  sind,  und  in  der  Weise,  in  welcher 
die  Kanäle  sich  in  der  Scheibe  der  Medusen  vertheilen,  macht  sich 
ein  mehr  oder  wenig  scharf  ausgeprägter  strahliger  (radiärer) 
Bauplan  geltend,  und  zwar  so  dass  die  Hauptaxe,  um  welche  die 
Strahlen  sich  ordnen,  mit  der  Mittelaxe  des  Schlauches  zusammenfällt. 
Die  Anzahl  der  Strahlen  ist  bei  den  verschiedenen  Gruppen  der 
Cölenteraten  eine  verschiedene;  meistens  kann  der  Körper  in  4  oder 
2X4  Strahlen  getheilt  werden,  bei  anderen  in  6  oder  ein  Multiplum 
von  6. 

Die  Aussenlage,  welche  die  äussere  Bekleidung  des  Körpers 
bildet  (entspricht  zunächst  der  Oberhaut  anderer  Metazoeu),  ist  ein 
eigenthümliches  einschichtiges  Epithel ,  dessen  Zellen  eine  sehr  ver- 
schiedenartige Entwicklung  erreicht  haben.  Einige  derselben  sind 
einfache  Epithelzellen,  zuweilen  Cylinderzellen  mit  einem  oder  mehreren 
Wimperhaaren  versehen,  in  anderen  Fällen  platte  Zellen;  solche 


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Cölenteraten. 


105 


Zellen  können  den  Oberhautzellen  anderer  Metazoen  völlig  gleichgestellt 
werden,  und  wir  bezeichnen  sie  desshalb  als  die  eigentlichen  Ober- 
hautzellen. Andere  sind  diesen  ähnlich  und  sitzen  zwischen  ihnen, 
sind  aber  dadurch  ausgezeichnet,  dass  ihr  inneres  Ende  sich  zu  einem 
contractilen  Fäserchen  umgewandelt  hat,  so  dass  ihr  äusserer, 
protoplasmatischer  Theil  als  Epithelzelle,  ihr  innerer  Theil  als 
Muskelfaser  fungirt ;  derartige  Zellen,  welche  nur  bei  den  Cölenterateu 
vorkommen,  werden  als  Epithelmuskelzellen  bezeichnet1). 
Aebnliche  Zellen  können  aber  auch  aus  der  engeren  Verbindung  mit 
den  übrigen  Oberhautzellen  austreten  und  innerhalb  derselben  als 
einfache  Muskelzellen  Platz  nehmen ;  bei  solchen  liegt  dann  das 
nicht  zu  contractiler  Substanz  umgebildete  Protoplasma  mit  dem 
Kern  (wie  bei  manchen  Muskelzellen  anderer  Thiere)  auf  der  einen 


Fig.  46.    Zellen  eines  Cölenteraten  (Actinie).    a  Kpitbelmuxkclzcllon,  b  Muskelzelle, 
-d  Nervenzellen,  e  Sinneszelle,  /  Netwelzellc,  ;/  Xesselkapsel  mit  hervorgescbnelltem  Faden. 
-  Z.  Tb.  nach  Hertwig,  z.  Tb.  Orig. 

(äusseren)  Seite  des  coutractilen  Fäserchens.  Zwischen  den  eigentlichen 
Oberhautzellen,  oder  zwischen  den  Epithelmuskelzellen,  können  ferner 
Sinnes zellen  vorkommen,  feine,  dünne  Zellen,  welche  an  ihrem 
äusseren  (freien)  Ende  je  ein  feines  Stiftchen  tragen,  während  das 
innere  Ende  in  einen  oder  mehrere  feinste  Fäden  sich  fortsetzt. 
Zwischen  den  inneren  Enden  der  Oberhautzellen  oder  ganz  unterhalb 
derselben  liegen  andere  Zellen,  welche  nach  ihrem  ganzen  Aussehen 
als  Nervenzellen  aufgefasst  werden  müssen;  von  jeder  solcher 
gehen  nach  verschiedenen  Richtungen  mehrere  ähnliche  feine  Fäden 
aus  wie  von  den  Sinneszellen,  mit  deren  Ausläufern  sie  verflochten 
^ind  und  ohne  Zweifel  in  direktem  Zusammenhang  stehen.  —  In  der 
Aussenlage  findet  sich  ferner  meistens  eine  Anzahl  von  Nesselzelleu, 
deren  jede  an  ihrem  äusseren  Ende  ein  feines  Stiftchen  trägt  und  in 
ihrem  Inneren  eine  sogenannte  Nessel  kapsei  beherbergt,  ein 
olasenförmiges  Körperchen,  das  einen  aufgewundenen  Faden  einschliesst, 
welcher  unter  gewissen  Umständen,  namentlich  wenn  das  Thier  berührt 
wird,  aus  der  Kapsel  mit  grosser  Kraft  hervorgeschleudert  wird;  an 
dem  Faden  haftet  eine  ätzende  Flüssigkeit,  welche  an  der  Haut  des 
Menschen  eine  brennende  Empfindung  hervorrufen  kann  (bei  einigen 


')  In  der  neuesten  Zeit  hat  man  angeblich  auch  Epithelmuskelzellen  bei  ver- 
schiedenen Stachelhäutern  und  bei  einzelnen  Borsten würmeru  gefunden. 


106 


Specieller  Theil. 


Formen  ist  die  Wirkung  kräftiger  als  bei  anderen),  während  sie 
kleinere  Thiere  lähmen  oder  gar  zum  Absterben  bringen  kann. 
Endlich  können  in  der  Aussenlage  Zellen  vorhanden  sein,  welche 
Becherzellen  ähnlich  sind,  und  welche  den  diese  Thiere  öfters  be- 
deckenden Schleim  absondern  (Drüsenzellen).  —  Uebrigens  muss 
hervorgehoben  werden,  dass  die  beschriebenen,  die  Aussenlage  zu- 
sammensetzenden Zellen  nicht  gleicbmässig  über  den  ganzen  Körper 
vertheilt,  sondern  im  Gegentheil  an  verschiedenen  Stellen  sehr  un- 
gleich vertreten  sind:  einige  Theile  sind  reicher  an  Muskelzellen, 
Nervenzellen  etc.  als  andere.  —  Es  kann  hier  noch  erwähnt  werden, 
dass  bei  einigen  Cölenteraten  ein  Theil  des  Körpers  mit  einer  von 
der  Aussenlage  ausgeschiedenen  Cuticula  umgeben  ist;  ferner 
können  gewisse  Theile  der  Aussenlage  zu  Augen  oder  Gehör- 
werkzeugen einfacher  Formen  umgebildet  sein. 

Die  Innenlage,  dem  Darmepithel  anderer  Metazoen  entsprechend 
und  dem  Entoderm  der  Gastrula  entstammend,  schliesst  sich  in  ihrem 
Bau  eng  an  die  Aussenlage  an,  indem  in  ihr  ausser  einfachen  Epithel- 
zellen auch  Epithelmuskelzellen,  Muskelzellen,  Sinneszellen,  Nerven- 
zellen, Nesselzellen  und  Drüsenzellen  vorhanden  sein  können.  In 
Einzelheiten,  z.  B.  in  der  Form  der  Zellen,  können  übrigens  nicht 
ganz  geringe  Unterschiede  der  beiden  Schichten  bestehen1). 

Die  Mittellage  ist  bei  einigen  Cölenteraten  eine  dünne  struc- 
turlose  Schicht  ohne  Zellen.  Bei  anderen  ist  sie  mächtiger  entwickelt, 
und  es  wandern  in  dieselbe  von  der  Aussen-  und  Innenlage  Zellen 
hinein,  so  dass  die  Mittellage  ein  bindege websartiges  Gepräge  annimmt. 
(Seltener,  bei  den  Rippenquallen,  entwickelt  sich  ein  Theil  der  ein- 
gewanderten Zellen  zu  Muskel-  und  Nervenzellen.)  In  der  Mittellage 
können  sich  bei  einigen  Cölenteraten  feste  Körper  entwickeln,  worüber 
Näheres  unten. 

Eier  und  Spermatozoon  entwickeln  sich  bei  einigen  Cölente- 
raten in  der  Aussenlage,  bei  anderen  in  der  Innenlage,  durch  Um- 
bildung der  dortigen  Zellen.  Im  Allgemeinen  werden  sie  an  be- 
stimmten Stellen  des  Körpers  gebildet,  welche  dann  nach  Analogie 
mit  anderen  Thieren  als  Eierstöcke  und  Hoden  bezeichnet  werden, 
bei  einigen  aber  mehr  zerstreut  an  verschiedenen  Körperstellen. 

Aus  der  obigen  Schilderung  wird  es  hervorgehen,  dass  sich  eine 
ausserordentliche  Einfachheit  im  Baue  der  Cölenteraten  geltend 
macht.  Der  Hauptsache  nach  besteht  das  Thier  zeitlebens  aus  den 
zwei  Blättern  der  Gastrula,  welche  sich  lediglich  insofern  weiter  ent- 
wickeln, als  die  sie  zusammensetzenden  Zellen  eine  verschiedenartige 
Ausbildung  erleiden.  Ein  eigentliches  Mesoderm,  welches  bei  anderen 
Metazoen  frühzeitig  als  eine  besondere  Zellenraasse  (oder  als  mehrere 
solche)  angelegt  wird,  aus  welcher  grosse  Partien  des  Körpers  sich 
entwickeln,  fehlt  hier;  die  Muskelelemente  und  die  Geschlechtszellen 
(Eier  und  Samenkörperchen),  welche  sonst  von  Mesodermzellen  ge- 
bildet werden,  entwickeln  sich  hier  im  Ekto-  und  Entoderm.  Von 
den  meisten  bei  anderen  Metazoen  vorhandenen  Organen  kann  man 


*)  In  der  Innenlage  findet  man  bei  verschiedenen  Cölenteraten  (Actinien, 
Medusen,  Hydroiden)  öfters  in  grosser  Anzahl  rundliehe,  grün  -  oder  gelb- 
gefärbte Zellen,  von  je  einer  deutlichen  aus  Cellulose  bestehenden  Zellhaut 
umgeben.  Diese  Zellen  wurden  früher  als  Theile  des  Thieres  aufgefasst,  sind  aber 
in  Wirklichkeit  einzellige  Pflanzen  (Algen),  welche  in  den  betreffenden  Cölente- 
raten Aufenthalt  genommen  haben  (vergl.  die  Iladiolarien). 


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Cölenteraten. 


kaum  sprechen,  sie  sind  jedenfalls  sehr  wenig  von  einander  gesondert; 
sogar  ein  Centrainervensystem,  welches  sonst  bei  anderen,  selbst  sehr 
einfachen  Metazoen  meistens  sehr  wohl  ausgebildet  ist,  kann  hier  kaum 
unterschieden  werden;  höchstens  sind  die  Nervenzellen  an  einigen 
Stellen  dichter  gehäuft  als  an  anderen.  —  Excretionsorgane,  Grefäss- 
sTstem,  Athmung8organe  fehlen;  ebenso  wenig  ist  jemals  eine  Leibes- 
höhle vorhanden. 

Die  Fortpflanzung  bietet  dagegen  bei  den  Cölenteraten  oft 
ziemlich  complicirte  Verhältnisse  dar.  Ganz  allgemein  durchlaufen 
sie  eine  Metamorphose,  indem  das  Thier  als  ein  durch  Wiraper- 
bewegung  frei  umherschwimmendes,  sehr  einfaches,  tentakelloses  Ge- 
schöpf das  Ei  verlässt,  um  sich  später  mehr  oder  weniger  umzuge- 
stalten, meistens  nachdem  es  sich  festgesetzt  hat.  Ferner  spielt  u  n  - 
geschlechtliche  Fortpflanzung  durch  Theilung  oder  Sprossung 
eine  bedeutende  Rolle;  häufig  werden  dabei  Stöcke  gebildet;  bei 
manchen  findet  man  einen  regelmässigen  Generationswechsel. 

Die  Cölenteraten  sind  fast  sämmtlich  Meeresthiere;  nur  ganz 
wenige  leben  im  Süsswasser.  Vermittels  ihrer  Nesselzellen  bewältigen 
sie  öfters  sogar  verhältnissmässig  grosse  und  kräftige  Thiere,  nehmen 
dieselben  in  ihren  Darmschlauch  auf,  wo  die  verdaulichen  Theile  von 
den  Zellen  der  Innenlage  aufgenommen  werden ,  während  die  unver- 
dauten wieder  durch  die  Muudöffnung  ausgestossen  werden. 

l.  Classe.  Korallenthiere  (Äntkojsoa). 

Der  Körper  hat  die  Form  eines  kürzeren  oder  längeren  Cylinders 
mit  einem  grossen  inneren  Hohlraum,  der  Darmhöhle.  In  diese 
hangt  das  Schlundrohr  hinab, 
welches,  wie  oben  erwähnt,  den  um- 
gestülpten oberen  Theil  der  Körper- 
wand vorstellt;  die  äussere  Oeffnung 
des  Schlundrohrs  wird  gewöhnlich  als 
Mund  bezeichnet,  es  muss  aber  daran 
erinnert  werden ,  dass  die  eigentliche 
Mundöffnung,  der  Eingang  zur  Darm- 
höhle (der  Mundöffnung  z.  B.  einer 
Meduse  entsprechend)  am  unteren  Ende 
des  Schlundrohrs  ihren  Platz  hat ;  wir 
wollen  jene  Oeffnung  als  Aussen- 
mund,  den  eigentlichen  Mund  als 
Innenmund  bezeichnen.  In  der 
Darmhöhle  finden  sich  senkrecht  ste- 
hende, radiäre  Scheidewände, 
welche  oben  zwischen  Schlundrohr 
und  Körperwand  ausgespannt  sind 
während  sie  unterhalb  des  Schlund- 
rohrs mit  einem  freien  inneren  Rand 


l)  Bei  den  meisten  Actinica,  welche 
eine  grosse  Anzahl  von  Scheidewänden  be- 
sitzen, reichen  nur  einige  derselben  von  der 
Körperwand  bis  zum  Schlundrohr,  während 
»ndere  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  einen 
freien  Innenrand  haben. 


Fig.  47.  Längsschnitt  durch  einen 
Holitären  Korallen  (Schern»);  der  Schnitt 
geht  rechts  durch  eine  Scheidewand,  links 
zwischen  zwei  solchen  hindurch,  i  Innen-, 
nii  Mittel-,  y  Aussenlage,  m  Innen-, 
m'  Aussenmund,  s  Schlundrohr,  t  Ten- 
takel. —  Orig. 


108 


Specieller  Theil. 


endigen  (etwa  wie  die  Scheidewände  einer  Mohnkapsel).  Die  Anzahl  der 
Scheidewände  ist  eine  verschiedene,  hei  manchen  8,  bei  andern  12  oder 
ein  Multiplum  von  12.  Am  oberen  Ende  des  Thieres  befindet  sich  ein 
Kreis  von  Fangarmen  oder  Tentakeln  (ausnahmsweise  eine  Mehr- 
zahl von  Kreisen),  deren  Anzahl  derjenigen  der  Scheidewände  ent- 
spricht; es  sind  hohle  Ausstülpungen  der  Körperwand,  welche  von 
den  zwischen  je  zwei  Scheidewänden  gelegenen  Räumen  entspringen ; 
sie  sind  reichlich  mit  Nesselzellen  ausgestattet.  Das  mehr  oder 
weniger  ausgeprägte  scheibenförmige  Feld  innerhalb  des  Tentakel- 
kranzes, in  dessen  Mitte  der  Aussenmund  liegt,  wird  als  Mund- 
scheibe  bezeichnet;  das  untere  abgeplattete  Ende  des  Körpers  nennt 
man  die  Fussscheibe. 

Jede  Scheidewand  ist  eine  Falte  der  Innenlage,  welche  ein  von 
der  Mittellage  gebildetes  Blatt  bekleidet,  das  von  der  Mittellage  der 
Körperwand  entspringt  (vergl.  Fig.  48).  Ihr  innerer  freier  Rand  ist 
schnurartig  verdickt,  stark  gewunden  und  reichlich  mit  Wimperhaaren 
(fast  die  ganze  innere  und  äussere  Oberfläche  des  Körpers  ist  übrigens 
^  g  bewimpert),  mit  Nessel- und  Drüsen- 

zellen versehen :  „Mesenterialfila- 
ment." ')  In  den  Scheidewänden 
finden  sich  zahlreiche  Muskelzellen, 
welche  unter  Anderem  häufig  in 
jeder  einen  kräftigen  Längsmuskel 
bilden,  der  mit  den  entsprechenden 
der  anderen  Scheidewände  zusam- 
men den  oberen  Theil  des  Thieres 

b  weiter  unten,  a  Schiundhöhie,  h  Darmhöhle,  ziehen  kann.  In  den  Scheidewänden 
»in  Muskel wulst.  Die  Ausseuia^e  ist  durch  entwickeln  sich   auch   die  Eier 

eine  voll  ausgetogenc  Linie,   die  Innenlage  un(J      fae      §  a  m  6  n  k  Ö  r  p  e  r  C  h  e  11 

^;Z"-s^T'  "Cl-  durch  Umbildung  der  Zellen  der 

Innenlage;  diejenigen  Theile  der 
Scheidewände,  in  welchen  die  Bildung  der  Eier  und  des  Samens 
stattfindet,  sind  verdickt  und  werden  als  Eierstöcke  und  Hoden  be- 
zeichnet. Die  Korallenthiere  sind  meistens  getrennten  Ge- 
schlechts, nur  ausnahmsweise  hermaphroditisch.  —  Meistens  ent- 
wickeln sich  in  grösserem  oder  geringerem  Umfang  feste  Theile, 
welche  bei  den  Ordnungen  betrachtet  werden  sollen. 

Der  Bauplan  der  Korallenthiere  ist  zwar  wie  bei  anderen  Cölenteraten 
ein  radiärer,  tritt  aber  als  solcher  nie  ganz  rein  hervor.  Das  Schlundrohr 
ist  im  Durchschnitt  fast  immer  oval,  der  Aussenmund  spaltförmig,  so  dass 
schon  hierdurch  eine  Mittelebene  des  Körpers  bestimmt  wird;  jedem 
Ende  des  Ovals  entspricht  ein  Tentakel.  Ferner  sind  in  den  Scheidewänden 
die  Muskelelemente  meistens  nicht  an  beiden  Seiten  gleich  entwickelt,  sondern 
sie  bilden  auf  einer  Seite  eine  Verdickung  ;  die  verdickte  Seite  kann  bald 
die  eine,  bald  die  andere  sein,  es  ist  aber  immer  so,  dass  die  Verdickungen, 
wenn  wir  alle  Scheidewände  auf  einmal  überblicken,  in  Bezug  auf  die  oben 
erwähnte  Mittelebene  symmetrisch  geordnet  sind  (vergl.  Fig.  48,  welche 
die  Anordnung  bei  den  Achtarmigen  zeigt). 

*)  Von  dem  unteren  Ende  der  Scheidewände  entspringen  bei  einigen  Actinien 
eigenthümliche  freie  Faden,  welche  einen  ähnlichen  Bau  besitzen  wie  die  „Fila- 
mente" (sie  sind  sehr  reich  an  Nesselzellen):  sie  können  durch  die  Körperwand 
hervorgeschleudert  werden  und  dienen  zur  Verteidigung  resp.  zum  Angriff. 


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Cölenteraten.    1.  Classe:  Korallenthiere. 


109 


Bei  manchen  der  Vielarmigen  Korallenthiere  (jedenfalls  bei  den 
Actinien)  ist  das  Schlundrohr  mit  zwei  stark  bewimperten  Rinnen  ver- 
sehen, welche  den  beiden  Enden  des  ovalen  Querschnittes  entsprechen ;  wenn 
da«  8chlundrohr  sonst  zusammengeklappt  ist,  bleiben  diese  Rinnen  noch 
offen  und  dienen  wahrscheinlich  dazu,  die  für  die  Athmung  wichtige  Wasser- 
Strömung  durch  das  Körperinnere  zu  unterhalten.  —  Bei  manchen  Acht- 
armigen ist  eine  ähnliche  durch  verdicktes  Epithel  und  lange  Wimper- 
haare ausgezeichnete  Rinne,  aber  nur  an  dem  einen  Ende  des  Querdurch- 
schnittes, vorhanden;  der  Wimperstrom  geht  in  ihr  von  aussen  nach  innen, 
an  den  übrigen  Theilen  des  Schlundrohrs  in  umgekehrter  Richtung. 

Bei  den  allermeisten  Korallenthieren  kommt  eine  ungeschlecht- 
liche Vermehrung  durch  SprossuDg  oder  Theilung  vor.  Die 
hierbei  gebildeten  jungen  Individuen  sondern  sich  nur  ausnahmsweise 
von  dem  Stammthiere,  bleiben  gewöhnlich  mit  diesem  in  Zusammen- 
hang, so  dass  Stöcke  entstehen.  Diese  bestehen  meistens  aus  zahl- 
reichen Individuen  und  erreichen  häufig  einen  sehr  anselmlichen  Um- 
fang. Ein  Generationswechsel  kommt  nur  selten  vor,  indem  dieselben 
Individuen  sowohl  durch  Sprossuug  als  auch  auf  geschlechtlichem 
Wege  andere  hervorbringen  können. 

Wenn  die  Korallenthiere  das  Ei  verlassen,  sind  sie  tentakellose 
Larven,  welche  vermittels  ihrer  Bewimperung  umherschwimmen. 
Später  setzen  sie  sich  fast  immer  fest  und  bilden  sich  zu  der  defini- 
tiven Gestalt  um.  Nur  wenige  sind  zeitlebens  einer,  meist  geringen, 
Ortsverändening  fähig  (namentlich  Actinien).  Sie  gehören  sämmtlich 
dem  Meere  an. 

1.  Ordnung.   Achtarmige  Korallenthiere  (Octacünia). 

Besitzen  nur  8  Scheidewände  und  dementsprechend  8  Fangarme, 
welche  jederseits  mit  einer  Reihe  kleiner  Aeste  versehen  sind  (feder- 
förmige  Fangarme).  In  der  Mittellage  finden  sich  fast  immer  mikro- 
skopisch kleine,  mit  Warzen  oder  Spitzen  versehene  Kalkkörperchen 
von  verschiedener  Färbung,  welche  im  oberen  Tbeil  des  Thieres  in 
geringerer  Anzahl  vorhanden  sind,  so  dass  dieser  Tbeil  in  den  unteren, 
festeren,  mit  sehr  zahlreichen  Kalkkörperchen  ausgestatteten  Abschnitt 
zurückgezogen  werden  kann.  Die  Kalkkörperchen.  welche  meistens 
nicht  sehr  innig  mit  einander  verbunden  sind,  entstehen  in  Zellen, 
welche  von  der  Aussenlage  in  die  Mittellage  eingewandert  sind. 

Nur  ganz  wenige  Arten  sind  solitär,  die  allermeisten  bilden 
Colonien.  Seltener  sind  die  Personen  der  Colonie  durch  dünnere 
Ausläufer  verbunden,  die  einen  einfachen,  mit  ihren  Darmböhlen  in 
Verbindung  stehenden  Kanal  enthalten.  Häufiger  finden  wir,  dass 
die  unteren,  festeren  Theile  der  Personen  durch  grössere,  hauptsäch- 
lich aus  der  Mittellage  bestehende  Zwischenmassen  vereinigt  sind, 
welche  von  zahlreichen  Kanälen  durchzogen  werden ;  letztere  sind  von 
der  Innenlage  ausgekleidet  und  setzen  die  Coloniepersonen  miteinander 
in  Verbindung  (über  die  Verbindung  der  Individuen  bei  der  Orgel- 
koralle vergl.  unten).  Die  äussere  Form  der  Stöcke  ist  recht  ver- 
schieden ;  nicht  selten  sind  sie  baumförmig  verästelt.  In  letzterem  Fall 
ist  häufig  im  Stamm  und  in  den  Aesten  ein  Axenskelet  vorbanden, 
das  bei  der  Edelkoralle  aus  zahlreichen  mit  einander  verschmolzenen 
Kalkkörperchen  entstanden  ist  und  somit  in  der  Mittellage  Platz  hat. 
Ganz  anders  verhält  sich  dagegen  das  Axenskelet  der  Hornkorallen, 


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110 


Specieller  Theil. 


bei  welchen  die  ganz  junge  Colonie  an  ihrer  Fussfläche  (zwischen 
dieser  und  dem  Fremdkörper,  auf  welchem  sie  befestigt  ist)  eine  horn- 
artige Masse  ausscheidet,  welche  allmählich  höher  wird  und  mit  der 

ABC 


Fig.  49.  Schnitte  durch  junge  Colonien  verschiedener  Achtarmiger  Korallen  (schcniatiach*. 
Die  Kürperschichten  wie  in  Fig.  48  angedeutet.  A  einfachste  Art  der  Verbindung  der  Individuen  ; 
B  junge  Colonie  von  Alcyonium;  C  do.  einer  Hornkoralle,  Axenokclet  schwarz  gehalten.  — 
Nach  Koch. 

Colonie  emporwächst;  sie  wird  von  der  Aussen  läge  ausgeschieden 
und  ist  eine  reine  Cuticularbildung  (vergl.  Fig.  49  C).  Tn  derselben 
Weise  verhält  sich  das  theilweise  verkalkte  Axenskelet  von  Isis. 

Interessant  ist  das  bei  verschiedenen  Achtarmigen  constatirte 
Vorkommen  von  geschlechtslosen  Zwergindividuen  („Zooiden"). 
welche  in  den  Colonien  neben  den  normalen  Personen  vorhanden  sind. 
In  den  ausgeprägtesten  Fällen  sind  sie  völlig  tentakellos  und  auch  in 
anderen  Beziehungen  von  den  übrigen  verschieden ;  in  anderen  Fällen 
ist  der  Unterschied  weniger  eingreifend.  Sie  scheinen  hauptsächlich 
die  Function  zu  haben,  Wasser  in  Kanäle  der  Colonie  ein-  und  aus- 
zuleiten. In  grosser  Anzahl  kommen  sie  bei  den  Federkorallen 
vor,  sind  aber  auch  z.  B.  bei  den  Leder-  und  Edelkorallen,  dagegen 
nicht  bei  den  Hornkorallen  gefunden. 

Von  den  hierher  gehörigen  Formen  führen  wir  folgende  an: 

1.  Die  Lederkoralle  {Alnjuiiiinn  digitaUim)  bildet  gelbe  oder  weias- 
liche,  halbfeste  Colonien  von  unregelmässiger,  klumpiger  Form,  mit  kurzen 
dicken  Aesten.  Die  Darmhöhlen  setzen  sich  von  dem  freien,  oberen,  weichen 
Theil  der  Individuen  als  schwach  gebogene  Rühren  weit  in  den  Stock  hinein 
fort  und  sind  durch  feine  Kanäle  mit  einander  verbunden.  Kein  Axen- 
skelet.   In  der  Nordsee. 

2.  Die  Orgelkorallen  (Tubijwra)  bilden  klumpenformige  Colouien, 
welche  aus  langen,  röhrenförmigen,  parallel  gestellten  Thieren  zusammen- 
gesetzt sind ;  die  Coloniepersonen  sind  nicht  durch  grössere  Zwischen- 
raassen ,  sondern  durch  wagerechte  Platten  verbunden ,  welche  ein  netz- 
förmiges, mit  den  Darmhöhlen  in  Verbindung  stehendes  Röhrensystem  ent- 
halten. In  jedem  Individuum  sind  die  Kalkkörperchen  (wenn  wir  von  dem 
obersten  weichen  Theil  absehen)  zu  einer  festen  röhrenförmigen  Masse  ver- 
einigt, in  den  wagerechten  Platten  sind  sie  zu  Kalkplatten  verschmolzen,  welche 
mit  den  Kalkröhren  zusammenhängen.    Im  Indischen  und  Stillen  Ocean. 

3.  Die  Hornkorallen  (Gatt.  Gorgmiia  u.  a.)  bilden  baumfÖrmig 
verästelte  Colonien  mit  einer  festen  dunklen  Hornaxe  sowohl  im  Stamme 
wie  in  den  Aesten ;  der  übrige,  die  Hornaxe  bekleidende  Theil  der  Colonie, 
welcher  als  „Rinde"  bezeichnet  wird,  enthält  zahlreiche  Kalkkörperchen  und 
wird  von  Kanälen  durchzogen.  Auf  der  Oberfläche  des  getrockneten  Stockes 
bemerkt  man  kleine  Vertiefungen,  die  Stellen,  an  welchen  der  freie,  weiche 


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Tölenteraten.    1.  Classe:  Korallenfhiere. 


111 


Theil  der  Individuen  gesessen  hat.  Bei  einigen  Formen  (WäpidigQrgia) 
liegen  die  Aeste  der  Colonie  in  einer  Ebene  und  verwachsen  theilweise  mit 
einander,  so  dass  die  Colonie  einem  durchlöcherten  Blatt  ähnlich  wird.  Be- 
sonders in  den  wärmeren  Meeren,  einige  Arten  im  Mittelmeer.  ~  Die 
Gliederkorallen  {Isis)  stehen  den  Hornkorallen  nahe,  die  Axe  ist  aber 
abwechselnd  aus  hornigen  und  verkalkten  Stücken  zusammengesetzt.  Eine 
Art  im  Mittelmeer. 

4.  Die  Edelkoralle  (Cf/raUium  rubrum).  Stock  verästelt,  mit  fester, 
kalkiger  Axe.  Sowohl  letztere  wie  die  Rinde  sind  schön  roth,  der  freie 
Theil  der  Individuen  weiss.    Im  Mittelmeer. 

5.  Die  Federkorallen  (Gatt.  Pennatula  u.  a.).  Die  Stöcke  be- 
stehen aus  einem  unteren  nackten  Stiel  und  einem  oberen,  breiteren,  oft 
federförmigen  Theil,  aus  welchem  die  Individuen  hervorragen.  In  die  Axe 
der  Colonie  ist  ein  verkalkter,  unverzweigter  Stab  eingeschlossen.  Mit  dem 
Stiel  stecken  sie  lose  im  Boden  des  Meeres,  die  Colonie  soll  sich  sogar 
langsam  fortbewegen  können.  In  der  Nordsee  lebt  die  leuchtende,  roth- 
gei&rbte,  federförmige  Pennatula  jthosjihorea. 

2.  Ordnung.  Vielarmige  Korallenthiere  (Poh/actinia). 

Die  Anzahl  der  Scheidewände  ist  gewöhnlich  12  oder  ein  Multi- 
plum  von  12;  die  Anzahl  der  Arme  entspricht  fast  immer  derjenigen 
der  Scheidewände.  Bei  den  meisten  Formen  findet  sich  ebenso  wie 
hei  den  Achtarmigen  ein  Skelet,  welches  aber  von  demjenigen  dieser 
Abtheilung  sich  im  Allgemeinen  sehr  verschieden  verhält.  Das  Skelet, 
welches  ausschliesslich  im  unteren  Theil  des  Thieres  Platz  hat,  während 
der  obere  Theil  vollkommen  skeletlos  ist,  besteht  aus  einer  zusammen- 
hängenden, zuweilen  sehr  porösen,  zuweilen  mehr  dichten,  Masse  von 
kohlensaurem  Kalk.  Dieses  Skelet  entspricht  genau  dem  Grundplan 
des  Thieres  und  besteht  meistens  aus  folgenden  Haupttheilen :  einer 
scheibenförmigen  Fussplatte  am  unteren  Ende  des  Thieres,  einer 
röhrenförmigen  Mauerplatte,  welche  von  diesem  getragen  wird,  und 
einer  Anzahl  —  12,  24,  48  etc.  —  radiärer  Strahlen  platten 
(Sternleisten),  welche  mit  der  Mauer-  und  der  Fussplatte  verbunden 
sind  und  auch  häufig  mit  einander  in  der  Mitte  verwachsen. 

Es  lag  nach  der  beschriebenen  Anordnung  des  Skeletes  nahe,  zu  ver- 
muthen,  dass  die  Mauerplatte  eine  Verkalkung  in  der  äusseren  Körperwand, 
die  Strahlenplatten  ähnliche  in  den  Scheidewänden  und  die  Fussplatte  eine 
in  dem  unteren  scheibenförmigen  Theil  des  Thieres  darstellten.  Thatsächlich 
verhalt  es  sich  jedoch  anders.  Erstens  ist  hervorzuheben,  dass  das  Skelet 
nicht,  wie  man  früher  glaubte,  in  der  Mittellage  gebildet  wird,  sondern 
eine  Absonderung  der  Aussenlage  ist.  Wenn  die  kleine  Korallenlarve 
sich  nach  ihrem  freien  Leben  festgesetzt  hat,  scheidet  sie  bald  nachher  von 
ihrer  unteren  Fläche  eine  dünne  Kalkscheibe  aus ,  die  Anlage  der  Fuss- 
platte,  welche  sich  somit  zwischen  dem  Gegenstand,  an  welchem  das  Thier 
sich  festgesetzt  hat,  und  der  Aussenlage  der  unteren  Fläche  des  Thieres 
befindet.  Von  der  Knlkscheibe  erheben  sich  dann  12  radiäre  Leisten,  die 
Anlagen  der  Strahlenplatten,  welche  allmählich  höher  und  platten- 
formig  werden  und  dann ,  von  Falten  der  weichen  Fussscheibe  umgeben, 
zwischen  den  Bchon  vorhandenen  12  weichen  Scheidewänden  in  die  Darm- 
höhle  des  Thieres  emporragen.  Ferner  wächst  von  der  Fussplatte  eine 
ringförmige,  die  Strahlenplatten  verbindende  Leiste,  die  Anlage  der  Mauer- 
platte,  empor,  ebenfalls  als  Absonderung  der  unteren  Fläche  des  Thieres; 


112 


Specieller  Theil. 


dieselbe  wird  allmählich  zu  einer  höheren  Röhre  und  ragt,  wie  die  Strahlen- 
platten von  einer  Falte  der  Fussscheibe  überzogen,  in  die  Darmhöhle  hinauf ; 
sie  befindet  sich  in  dieser  in  einiger  Entfernung  innerhalb  der  weichen 
Körperwand.  Zwischen  den  ursprünglichen  Strahlenplatten  können  sich 
später  andere  entwickeln,  welche  ebenso  wie  jene  mit  den  weichen  Scheide- 
wänden nichts  zu  thun  haben.   Ferner  ist  zu  bemerken,  dass  die  Fussplatte 


Fig.  50.  A  Schcmatischcr  Längsschnitt  zwischen  zwei  Scheidewänden  einer  S  teru  korall  en- 
larve,  welche  sich  kürzlich  festgeheftet  hat.  Ii  Querschnitt  des  unteren  Endes  derselben.  Der 
Einfachheit  wegen  sind  anstatt  12  Scheidewände  und  12  Strahlenjdatten  nur  je  6  gezeichnet. 
i  Inuenlage,  m  Inncninund,  m'  Aussenmund,  »m»  Mittellagc,  sk  Scheidewand,  st  Strahlenplarte, 
t  Tentakel,  y  Aussonlage.    Das  Skclet  ist  ganz  schwarz,  gehalten.  —  Orig. 

sich  bei  einigen  Korallen  um  die  Seitenwand  des  Thieres  hinauf  fortsetzt 
(in  Fig.  50 A  angedeutet),  so  dass  wir  in  solchen  Fällen  eine  cylindrische 
Kalkablagerung  ausserhalb  der  Körperwand  (und  somit  natürlich  auch 
ausserhalb  der  Mauerplatte)  haben  (Aussenplatte).  —  Das  Skelet  ist  also 
ein  rein  äusseres,  ein  von  der  Aussenlage  des  Thieres  ausgeschiedenes 
Cuticularskelet. 

Zwischen  den  Strahlenplatten  entwickeln  sich  im  unteren  Theil  des 
Thieres  oft  kleine  kalkige  Querbalken  oder  wagerechte  Platten,  welche  von 
einer  Strahlenplatte  zur  anderen  gehen  (Interseptalbalken).  Im  unteren 
Theil  verwachsen  die  Strahlenplatten  meistens  in  der  Mitte ;  von  dieser  Stelle 
erheben  sich  häufig  ein  oder  mehrere  senkrechte  Stacheln.  Nicht  alle  Strahlen- 
platten sind  gleich  entwickelt,  die  letztgebüdeten  reichen  mit  ihrem  Innen- 
rand nicht  so  weit  nach  der  Mitte  wie  die  älteren,  mit  welchen  sie  regel- 
mässig abwechseln.  In  gleichem  Maasse  wie  das  Thier  in  die  Höhe  wächst, 
verdicken  sich  die  unteren  Theile  der  Strahleuplatten  und  der  Mauerplatte, 
so  dass  der  untere  Theil  des  Skeletes  compacter  und  solider  ist  als  der 
obere.  —  An  älteren  Korall enthieren  ziehen  sich  die  Weichtheile  von  den 
unteren  Partien  zurück,  nach  oben,  so  dass  diese  Theile  des  Skeletes  nackt 
werden. 

Die  Mehrzahl  der  Vielarmigen  Korallenthiere,  besonders  der- 
jenigen, welche  mit  einem  Skelet  ausgestattet,  sind,  bilden  durch 
Sprossung  oder  Längstheilung  Colon ien,  die  meistens  aus  einer 

f rossen  Anzahl  von  Individuen  zusammengesetzt  sind.  Die  äussere 
Vm  der  Colonie  —  und  dieser  entspricht  die  des  Skeletes  —  ist 
ungemein  verschieden.  Bei  einigen  Formen  sind  sie  baumförmig  ver- 
ästelt, bei  anderen  sind  sie  klumpenförmig  oder  kuchenfürmig,  indem 
die  Personen  neben  einander  wie  die  Zellen  einer  Bienenwabe  sitzen; 
die  oberen  Theile,  in  welche  das  Skelet  sich  nicht  hinein  streckt,  sind 
meistens  frei,  die  das  Skelet  einschliessenden  Theile  dagegen  entweder 


.1 


B 


■B-i 


Cölenteraten.   1.  Classe:  Korallenthiere. 


113 


in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  oder  nur  unten  mit  den  benachbarten 
Personen  vereinigt.  Zuweilen  —  es  ist  dies  indessen  nur  mehr  aus- 
nahmsweise der  Fall  —  ist  die  Verbindung  mit  den  Nachbarn  inniger; 
die  Mundöffnungen  sind  zwar  gesondert,  die 
Dannhöhlen  scheinen  aber  in  weit  offener  Ver- 
bindung zu  stehen,  und  am  getrockneten  Skelet 
sieht  man  nicht  wie  sonst  jedes  Individuum  durch 
einen  Stern  angedeutet  und  von  den  übrigen 
durch  seine  Mauerplatte  geschieden;  ganze 
Reihen  von  Personen  sind  vielmehr  durch  Rinnen 
angedeutet,  von  deren  Seiten  die  Strahlenplatten 
entspringen;  dem  entspricht  es  auch,  dass  die 

Fangarme  bei  solchen  Formen  nicht  in  Kreisen     ^ig.  öl.  Kleines  Stück  der 

j<      »»•      j../r  j  •      r*  1     Oberfläche  einer  Koralle,  bei 

um  die  MnndoffniioffeD«  sondern  in  Doppel-  ■    .•        ,     ,  ,.  ., 

-«v<  .  "  der  die  einzelnen  Individuell 

reihen  längs  der  Rinnen  sitzen  (Fig.  51).  unvollkommen  geändert  sind 

Verhältnisamässig  selten  lösen  sich  die  durch  (Heliastrata).  Man  bemerkt 
Sprossung  oder  Theilung  erzeugten  neuen  Individuen  drei  Aussenmunde;  Tentakeln 
von  dem  Erzeuger  ab.  Solches  geschieht  z.  B.  bis-  JJ  Edward/'^  Haime.  ^ 
weilen  hei  den  skeletlosen  Actinien,  bei  welchen  so- 
wohl Sprossung  als  Längs-  und  Quertheilung  mit  steter  Ablösung  der  neuen  In- 
dividuen stattfinden  kann.  Auch  bei  einigen  der  mit  Kalkskelet  versehenen  For- 
men kommt  eine  Ablösung  von  Sprossen  oder  eine  (Quertheilung,  wenn  auch 
nur  selten,  vor,  wobei  die  selbständig  gewordenen  Individuen  auch  einen  Theil 
des  Kalkskeletes  mit  sich  nehmen.  Die  solitäreu ,  eine  sehr  ansehnliche 
Grösse  erreichenden  Pilzkorallen  (Fungia) ,  welche  dem  Meeresboden  lose 
aufliegen,  sind  in  dieser  Weise  in  ihrer  Jugend  durch  Quertheilung  von 
kleinen  festsitzenden  solitären  (oder  aus  ganz  wenigen  Individuen  zusammen- 
gesetzten) Korallen  abgelöst  und  später  weiter  gewachsen. 

Die  in  den  Meeren  der  heissen  Zone  so  häufig  auftretenden,  oft 
sehr  grossen  (meilenlangen)  Korallenriffe  verdanken  ihre  Ent- 
stehung hauptsächlich  verschiedenen  mit  Skelet  versehenen  Vielarmigen 


Fig.  62. 


Fig.  58. 


Fig.  52.    Eine  A  c  t  i  n  i  e.  -  Nach  O.  Schmidt. 

Fig.  58.  Stück  einer  Steinkoralle  (Dendrophyüia)  mit  stark  gesonderten  Individuen,  — 
Mai  Edwards  u.  Haime. 

Korallenthieren.  Ausser  diesen  tragen  auch  noch  andere  Thiere, 
namentlich  gewisse  Hydroiden  {Millepora,  S.  118)  zur  Bildung  der 
Hiffe  bei.    Die  Riffe  bestehen  theils  aus  den  Skeleten  abgestorbener 


Bon.  Zoologie 


8 


114 


Specieller  Theil. 


Stöcke ,  theils  aus  den  lebendigen  Stöcken ,  welche  sich  auf  letzteren 
angesiedelt  haben;  an  und  bei  den  Riffen  lebt  eine  Menge  anderer 
Thierformen ,  welche  theilweise  diesen  eigentümlichen  Verhältnissen 
speciell  angepasst  sind,  so  dass  man  von  einer  besonderen  Riff-Fauna 
reden  könnte.  Die  Korallenriffe  gehören  zu  den  charakteristischsten 
Erscheinungen  der  tropischen  Meere. 

1.  In  den  nördlichen  Meeren  ist  die  Ordnung  fast  nur  durch  Actinien 
(See- Anemonen,  See-Rosen)  vertreten :  solitäre  skeletlose  Korallenthiere  von 
meistens  verhältnissmässig  ansehnlicher  Grösse  und  gewöhnlich  mit  mehreren 
Kreisen  von  Fangarmen;  unten  besitzen  sie  eine  breite  Fussscheibe,  mit 
welcher  sie  sich  fremden  Gegenständen  anheften;  sie  sind  eines  langsamen 
Ortwechsels  fähig.   Mehrere  Arten  in  der  Nordsee. 

2.  Die  mit  Kalkskelet  versehenen  Formen ,  die  Steinkorallen 
{Madrqxtraria),  gehören  fast  ausschliesslich  den  heisseren  Meeren  an,  in  welchen 
sie  in  grossem  Reichthum,  meistens  als  Colonien,  seltener  als  solitäre 
Formen  auftreten.  Im  Mittelmeer  sind  sie  durch  einige  wenige  Arten  ver- 
treten. 

2.  Classe.    Quallenpolypen  (Hydrozoa). 

Für  diese  Classe  ist  es  in  erster  Linie  charakteristisch,  dass 
durchgehends  ein  Generationswechsel  stattfindet,  und  dass 
die  geschlechtliche  und  die  ungeschlechtliche  Generation  sehr  ver- 
schieden sind. 

Die  ungeschlechtliche  Generation,  die  Polypen  form,  besitzt  die 
einfachste  Gestalt,  die  wir  überhaupt  bei  den  Cölenteraten  finden, 
indem  sie  als  ein  einfaches,  kürzeres  oder  längeres  Rohr  erscheint, 
welches  an  dem  einen  Ende  mit  einer  Mundöffnung  ausgestattet  und 
aus  den  gewöhnlichen  drei  Schichten  zusammengesetzt  ist  (vergl. 
Fig.  45  A) ;  am  oberen  Ende  des  Thieres  finden  sich  Fangarme  oder 
Tentakel  in  verschiedener  Anzahl,  welche  meistens  in  einem  Kreis 
in  einigem  Abstand  von  dem  das  Oentrum  des  Kreises  einnehmenden 
Mund  angeordnet  sind.  Die  Polypen  sind  in  der  Regel  mit  ihrem 
unteren  Ende  fremden  Gegenständen  (gewöhnlich  unbeweglich)  an- 
geheftet; sie  bilden  meistens  durch  Sprossung  Colonien. 

Die  geschlechtliche  Generation,  die  Medusen  form,  ist  dadurch 
ausgezeichnet,  dass  derjenige  Theil  des  Körpers,  welcher  dem  unteren 
Ende  der  Polypenform  entspricht,  zu  einer  kreisrunden  gewölbten 
Scheibe,  der  Glocke,  erweitert  ist  (vergl.  Fig.  45 ß),  in  welcher  die 
Mittellage  besonders  an  der  convezen  Seite  sehr  stark  entwickelt  iBt; 
in  die  Scheibe  hinein  erstrecken  sich  radiäre  Fortsätze  des  Darm- 
rohres, die  Radiärkanäle,  deren  Enden  meistens  durch  eine 
dicht  am  Rande  der  Scheibe  verlaufende  Röhre,  den  Ringkanal, 
verbunden  sind.  Die  Medusenform  ist  (über  Ausnahmen  vergl.  die 
Saum-  und  Röhrenquallen)  typisch  freischwimmend,  mit  der  Scheibe 
nach  oben  gekehrt ;  von  der  Mitte  der  Glocke  hängt  der  röhrenförmige, 
dem  oberen  Ende  der  Polypen  entsprechende  Theil  des  Thieres  als 
ein  längerer  oder  kürzerer  Klöpfel  herab,  welcher  unten  den  Mund 
trägt.  Vom  Rande  der  Glocke  hängen  contractile,  oft  sehr  lange 
Rand fä den  herab,  welche  reichlich  mit  Nesselfäden  versehen  sind ; 
am  Rande  entlang  findet  man  auch  Gehör-  und  Sehwerkzeuge 
von  einfacher  Form,  und  unterhalb  der  Oberhautlage  liegen  (jedenfalls 


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Cölenteraten.   2.  Clasac:  Quallenpolypen. 


115 


bei  den  Saumquallen)  am  ganzen  Rande  entlang  zahlreiche  Nerven- 
zellen, welche  mit  ihren  Ausläufern  zusammen  an  dieser  Stelle  einen 
Nervenring  bilden.  An  der  concaven  Unterseite  der  Glocke  findet 
sich  eine  Schicht  oft  quergestreifter  Muskelfasern,  welche,  vor- 
zugsweise kreisförmig  geordnet,  durch  ihre  Zusammenziehungen  die 
Unterseite  der  Glocke  concaver  machen  und  dadurch  das  Thier  fort- 
bewegen. Eier  und  Samenkörperchen  werden  meistens  in  der 
Aussenlage  an  der  Unterseite  der  Scheibe  längs  der  Radiärkanäle 
oder  an  der  Wand  des  Elöpfels  gebildet;  in  einigen  Fällen  ent- 
stehen sie  jedoch  durch  Umbildung  der  Zellen  der  Innenlage;  bei 
einzelnen  werden  die  Eier  in  der  Innenlage,  die  Samenkörperchen  in 
der  Aussenlage  gebildet,  bei  anderen  umgekehrt.  In  der  Regel  sind 
die  Medusen  getrennten  Geschlechts. 

Aus  dem  befruchteten  Ei  entwickelt  sich  eine  bewimperte  Larve, 
welche  sich  festsetzt  und  Tentakel  bildet;  durch  Knospung  kann  der 
so  entstandene  Polyp  eine  Colonie  erzeugen,  aber  auch  solitär  bleiben. 
Als  Knospen  der  Polypen  oder  durch  Quertheilung  derselben  entsteht 
wieder  die  Medusen  form.  Seltener  entwickelt  sich  das  Ei  der 
Meduse  direkt  zu  einer  neuen  Meduse,  in  welchen  Fällen  somit  die 
Polypenform  (und  damit  auch  ein  Generationswechsel)  fehlt. 

Im  Bau  der  Quallen  ist  gewöhnlich  ein  streng  radiärer  Grundplan 
ausgeprägt ;  die  Zahl  ist  in  der  Regel  4  oder  n  X  4,  seltener  6. 

1.  Ordnung.   Saumquallen,  Hydromedusen  (Hydromedusae). 

Die  Polypengeneration,  die  sogenannten  Hydroiden,  bildet  ge- 
wöhnlich Colonien;  seltener  sind  die  Polypen  solitär.  Der  röhren- 
förmige, oft  ungemein  langgestreckte  Körper  des  Polypen  ist  fast 
immer  von  einer  Gut icula  umgeben,  welche  eine  chitinartige,  in  der 
Regel  dünne,  seltener  dickere  und  verkalkte,  Hülle  bildet;  dieselbe 
umgiebt  nicht  den  ganzen  Körper,  sondern  ein  grösserer  oder  kleinerer 
Abschnitt  des  oberen  Theiles  bleibt  von  der  Cuticularröhre  unbedeckt ; 
zuweilen  besitzt  letztere  eine  obere  becherförmige  Erweiterung,  in 
welche  der  nackte,  breitere,  tentakeltragende  Abschnitt  des  Polypen 


sich  die  Tentakel,  entweder  in  einem  oder  mehreren  Kreisen  an- 
geordnet oder  mehr  unregelmässig  am  oberen  Ende  des  Thieres  ver- 
theilt (Fig.  54).  Die  Tentakel  sind  gewöhnlich  nicht,  wie  die  der  Ko- 
rallenthieren,  hohl,  sondern  besitzen  eine  von  einer  einzigen  Reihe  grosser 
Zellen  gebildete  solide  Axe,  welche  der  Innenlage  des  Polypen  ent- 
stammen ;  ausserhalb  derselben  findet  man  eine  Fortsetzung  der  Mittel- 
lage und  zu  äusserst  die  Aussenlage  mit  zahlreichen  Nesselzellen.  Die 
von  den  Polypen  gebildeten  Colonien  sind  im  Vergleich  mit  denen 
der  Korallenthiere  meistens  von  bescheidenem  Umfang,  ebenso  wie 
auch  die  Einzelthiere  jenen  durchgehends  an  Grösse  weit  nachstehen. 
Zuweilen  haben  die  Colonien  einen  ziemlich  streng  durchgeführten 
baumförmigen  Grundplan:  der  dem  Eie  entstammende  Polyp  ver- 
längert sich  immer  mehr ,  indem  er  gleichzeitig  Seitensprossen  bildet, 
welche  sich  zu  neuen  Polypen  (Seitenpolypen)  entwickeln,  von  denen 
die  untersten  die  ältesten  sind  und  welche  sich  in  ähnlicher  Weise 
wie  der  Hauptstamm  verzweigen.  In  anderen  Fällen  hört  das  Wachs- 
thum der  ersten  Polypen  bald  auf,  er  erzeugt  nur  eine  oder  zwei 
Seitenknospen,  deren  Wachsthum  ebenfalls  aufhört,  nachdem  sie  eine 

8* 


zuruc 


en 


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116 


Specieller  Theil. 


oder  zwei  Knospen  gebildet  haben,  etc.  (vergl.  die  centrifugalen 
Blüthen8tände  der  Pflanzen).  Das  untere  Ende  der  Colonien  ist  mit 
hohlen,  wurzelähnlichen,  von  der  Cuticula  umgebenen  Ausläufern 
versehen;  durch  diese  Ausläufer,  welche  sich  zuweilen  mit  einander 
netzförmig  verbinden  und  von  welchen  öfters  mehrere  Stämmchen  ent- 
springen, werden  die  Colonien  der  Unterlage  inniger  angeheftet. 
Wegen  der  Schwäche  des  Skeletes  (der  Cuticula)  kriechen  die  Colonien 
öfters  über  im  Wasser  befindliche  Gegenstände  hin,  winden  sich 
um  andere  Thierstöcke  etc. 

2  l 


3  4  5  6 


Fig.  64.  1  Hydroidencolonie  (8yncoryne frutxcoaa)  in  naL  Gr.  2  Zwei  Polypen  der- 
selben, die  eine  mit  Mcduseukiiospcn,  von  welchen  eine  im  Begriff  ist  sich  abzulösen.  8  Larve 
eines  anderen  Hydroiden  (Cordylophora  laeu$trit),  4 — 6  dieselbe,  nachdem  sie  sich  fest- 
geheftet hat.  —  Nach  Allna  an. 

Sehr  häufig  sind  die  Polypen  derselben  Colonie  nicht  alle  gleich- 
gebildet; namentlich  findet  man  öfters,  dass  diejenigen  Personen, 
welche  die  Medusenknospen  tragen,  von  den  übrigen  mehr  oder  weniger 
abweichen,  mit  kleineren  Tentakeln  ausgestattet  oder  ganz  tentakellos 
sind,  oder  dass  ihnen  sogar  die  Mundöffnung  abgeht  (in  welchem  Fall 
die  Cuticula  den  ganzen  Polypen  bekleiden  kann),  so  dass  sie  von  den 
übrigen  Polypen,  welche  nicht  Medusenknospen  produciren  (Nähr- 
polypen),  ernährt  werden. 


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Cölenteraten.   2.  Clasae:  Quallenpolypen. 


117 


Bei  einzelnen  Hydroiden  findet  sich  noch  eine  dritte  Form  von  In- 
dividuen, welche  dünn  und  mundlos  sind  und  sehr  kurze,  mit  zahlreichen 
Nesselzellen  versehene  Tentakel  tragen;  diese  Individuen  rollen  sich,  wenn 
die  Colonie  berührt  wird,  spiralig  zusammen  und  strecken  sich  dann  wieder 
aas.  Bei  anderen  fehlen  denselben  auch  die  Tentakel,  und  in  diesem  Falle 
scheinen  sie  nur  als  Tastwerkzeuge  der  Colonie  zu  fungiren,  während  sie 
im  enteren  Fall  vielleicht  als  Vertheidiger  („Wehrpolypen")  derselben  auf- 
zufassen sind. 

Die  Medusengeneration,  welche  durch  Sprossung  von  der 
Polypengeneration  gebildet  wird,  erreicht  bei  dieser  Ordnung  meistens 
nur  eine  geringe  Grösse.    Am  Rand  der  Scheibe  entlang  verläuft  ein 


Flg.  55.  Verschiedene  Formen  der  geschlechtlichen  Generation  der  Saum- 
quallen, »cbematuche  Längsschnitte.  A  freilebende  Meduse,  ß  festsitzende,  verhältnismässig 
wenig  umgebildete  Meduse,  C—D  mehr  umgebildete  Formen,  E—F  die  am  meisten  rück- 
gebildeten Formen,  E  ohne  Glocke,  F  eine  einfache  warzenförmige  Erhöhung  an  dem  Po- 
lypen, g  GeschlechUstoffe,  m  Mund,  r  Radiirk  anal,  t  Tentakel,  v  Randsaum.  —  Orig. 


dünner,  kragenartiger,  wagrechter,  nach  innen  gerichteter  Saum,  der 
Randsaum  (Velum),  welcher  die  Oeffnung  der  Glocke  einengt  (hier- 
nach der  Name  Saumquallen,  Craspedota)  *).  Der  Rand  der  Glocke, 
welcher  ganz,  ohne  Einschnitte  ist,  trägt  die  Sinnesorgane,  bald 
Gehörwerkzeuge,  bald  Augen  (selten  bei  demselben  Individuum  beides), 
welche  unbedeckt  sitzen.  In  der  Glocke  findet  sich  eine  meistens 
geringe  Anzahl  einfacher  radiärer  Kanäle  (4,  8,  etc.),  welche  durch 


«)  MfHumdov,  Saum. 


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118 


Specieller  Theil. 


einen  am  Rand  entlang  verlaufenden  Ringkanal  verbunden  sind.  Eier 
und  Samenkör perchen  entwickeln  sich  an  diesen  Kanälen  oder 
an  der  Aussenwand  des  Klöpfels.  Die  Randfaden  sind  entweder  hohl 
(ihre  Höhlung  steht  dann  mit  derjenigen  des  Ringkanals  in  Ver- 
bindung) oder  solid,  von  ähnlichem  Bau  wie  die  Polypententakel. 

Keineswegs  immer  jedoch  entwickelt  sich  die  geschlechtliche  Ge- 
neration so  weit.  Bei  sehr  vielen  Hydromedusen  lösen  sich  die  Me- 
dusenknospen nicht  von  den  Hydroiden  ab,  sondern  bleiben  mit  diesen 
verbunden.  Solche  festsitzende  Medusen  (Fig.  55)  bleiben  auf 
einer  mehr  oder  weniger  unvollkommenen  Stufe  stehen :  in  einigen 
Fällen  entwickelt  sich  noch  eine  mit  Randfäden  versehene  Glocke, 
die  Randfäden  sind  aber  schwach ;  in  anderen  Fällen  fehlen  sie  völlig, 
die  Glocke  ist  aber  recht  gut  entwickelt;  in  anderen  Fällen  ist  dann 
die  Glocke  rückgebildet,  um  endlich  bei  vielen  Formen  völlig  zu 
fehlen,  so  dass  die  Meduse  allein  aus  dem  mundlosen  Klöpfel  besteht, 
dessen  innere'Höhlung  sogar  in  den  am  weitesten  rückgebildeten  Fällen 
völlig  fehlt  (Fig.  55,  F ;  Süsswasserpolyp).  Ohne  Kenntniss  der  ver- 
schiedenen Uebergangsstufen  müsste  man  natürlich  die  kleine  Me- 
dusenknospe, welche  niemals  über  die  erste  Anlage  hinauskommt,  für 
ein  blosses  Organ  des  Polypen  erklären.  In  allen  Fällen  enthält  aber 
die  Medusenknospe  ebenso  wie  die  freischwimmende  Meduse  die  Ge- 
schlechtsstoffe, Eier  oder  Samenkörperchen.  —  Aus  den  Eiern  der 
Medusenform  entwickeln  sich  neue  Polypen,  resp.  Polypencolonien. 

In  den  meisten  Fällen  ist  die  Entwicklung  innerhalb  der  Abtheilung 
der  Saumquallen  die  oben  beschriebene  mit  einem  regelmässigen  Generations- 
wechsel. Es  giebt  aber  nicht  ganz  wenige  Ausnahmen.  Bei  verschiedenen 
Saumquallen  findet  man  z.  B.,  dass  die  Eier  sich  nicht  zn  Polypen,  sondern 
direkt  zu  neuen  Medusen  entwickeln.  Von  anderweitigen  Abweichungen 
hinsichtlich  der  Fortpflanzung  ist  hervorzuheben,  dass  die  Medusengeneration 
einiger  Saumquallen  sich  ungeschlechtlich  fortpflanzen  kann,  indem  z.  B. 
durch  Sprossung  von  dem  Klöpfel  oder  vom  Scheibenrande  andere,  gleich- 
gebildete Medusen  erzeugt  werden;  dieselben  Arten  besitzen  übrigens  eine 
Polypengeneration,  und  die  knospenbildenden  Medusen  pflanzen  Bich  auch 
geschlechtlich  fort. 

Die  allermeisten  Hydromedusen  gehören  dem  Meere  an,  und  zahl- 
reiche Vertreter  finden  sich  auch  in  den  nördlichen  Meeren.  Nicht 
wenige,  sowohl  von  der  Polypen-  wie  der  Medusengeneration, 
sind  mit  Leuchtvermögen  ausgestattet.  Nur  ganz  einzelne  Formen, 
unter  denen  die  Gattung  Hydra  die  bekannteste  ist,  leben  im 
Süsswasser. 

1.  Unter  den  im  Meere  lebenden  Formen  verdienen  die  Milleporen 
eine  besondere  Betrachtung.  Wie  oben  erwähnt,  entspringen  von  dem 
unteren  Ende  der  Hydroidenstöcke  meistens  Ausläufer,  welche  von  einer 
Fortsetzung  der  chitinigen  Hülle  der  Polypen  umgeben  sind  und  häufig 
unter  sich  netzförmige  Verbindungen  eingehen.  Zuweilen  ist  das  Ausläufer» 
netz  von  ziemlich  ansehnlichem  Umfange,  und  es  entspringt  dann  von  dem- 
selben eine  grössere  Anzahl  kleiner  Polypenstöcke  oder  isolirter  Polypen. 
Bei  der  Gattung  Millepora  und  verwandten  Formen  ist  die  chitinige 
Hülle  verkalkt,  und  indem  immer  neue  Ausläufer  oberhalb  der  alten, 
deren  "Weichtheile  allmählich  absterben,  entstehen,  bilden  diese  Thiere 
korallenähnliche  Stöcke,  zuweilen  von  bedeutendem  Umfange,  deren 
äusserste  Schicht  aus  lebendigen  Ausläufern  zusammengesetzt  ist,  von 
denen  die  Polypen  entspringen,  während  die  inneren  Theile  der  „Koralle11 


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Cölenteraten.   2.  Classe:  tyiallenpolypen. 


119 


aus  den  verkalkten  Wänden  abgestorbener  Ausläufer  bestehen.  Die  Mille- 
poren, welche  ausschliesslich  in  den  heisseren  Meeren  leben,  spielen  eine 
nicht  unwichtige  Rolle  bei  der  Bildung  der  Korallenriffe. 

2.  Die  Süsswasserpolypen  (Hydra)  sind  kleine  langgestreckte 
solit&re  Polypen  ohne  Chitinhülle;  um  den  Mund  steht  ein  Kreis  langer 
Tentakel  (4 — 10);  bei  Berührung  ziehen  sich  letztere  so  wie  der  ganze 
Körper  stark  zusammen.  Die  Thiere  sitzen  öfters  längere  Zeit  an  einer 
Stelle,  z.  B.  an  der  Unterseite  von  Wasserlinsen,  mit  dem  unteren  Ende 
festgeheftet,  besitzen  aber  das  Vermögen,  egelartig  fortzukriechen.  Wenn 
ein  Thierchen  in  die  Nähe  einer  festsitzenden  Hydra  kommt,  wird  es  von 
den  Tentakeln  dieser  ergriffen  und  von  den  Nesselfäden  gelähmt  in  ihren 
Mund  geführt.  Die  Hydra  hat  das  Vermögen,  Sprossen  zu  erzeugen,  bildet 
aber  keine  Colonien,  indem  die  neugebildeten  Individuen  bald  vom  Mutter- 
thiere  sich  ablösen.  Die  Medusengeneration  ist  durch  warzenförmige  Aus- 
wüchse der  Körperwand,  in  denen  Eier  oder  Samenkörperchen  sich  ent- 
wickeln, repräaentirt.  Berühmt  ist  die  grosse  Regenerationsfahigkeit  der 
Süsswasserpolypen;  wenn  man  ein  Individuum  in  mehrere  Stücke  zerschneidet, 
wird  jedes  derselben  zu  einem  vollständigen  Individuum. 

2.  Ordnung.  Schwimmpolypen  oder  Blasenquallen  (Siphomphora). 

Die  Blasenquallen  sind  mit  den  Hydromedusen  nahe  verwandt 
und  weichen  von  diesen  in  erster  Linie  darin  ab,  dass  die  von  ihnen 
gebildeten  Colonien  nicht  fremden  Gegenständen  angeheftet  sind, 
sondern  frei  im  Meere  umhertreiben.  Die  Siphonophorencolonien 
entsprechen  den  Hydroidencolonien  und  bestehen  ebenso  wie  diese 
zunächst  aus  Polypen,  welche  in  verschiedener  Weise  ausgebildet 
sind.  Ferner  tragen  die ColonienMed us en  oderMedusenknospen, 
welche  sich  ebenfalls  in  verschiedenartiger  Weise  entwickeln  können. 
Diese  verschiedenen  Personen  werden  von  einem  gemeinsamen  Co- 
loniestamm  getragen,  welcher  meistens  entweder  eine  längere  Röhre 
oder  eine  abgeplattete  Scheibe  ist;  am  oberen  Ende  ist  der  Stamm 
mit  einem  Luftsack  versehen,  oder  wenn  er  scheibenförmig  ist, 
schliesst  er  mehrere  kleinere  Luftbehälter  in  sich  ein,  durch  welche 
die  Colonie  sich  im  Wasser  schwebend  erhält.  Der  Stamm  ist  als 
ein  sehr  stark  verlängerter,  resp.  sehr  verbreiteter  Polyp  aufzufassen ; 
die  Luftsäcke  sind  Einstülpungen  desselben,  welche  durch  je  eine 
feine  Oeffnung  mit  der  Aussenwelt  in  Verbindung  stehen. 

Die  Polypengeneration  tritt  in  folgenden  Hauptformen  auf: 
1)  Nährpolypen,  schlauchförmige  Thiere  mit  Mundöffnung  und 
mit  nur  einem  einzigen,  nahe  an  der  Basis  des  Polypen  entspringenden 
Tentakel  *),  welcher  aber  dafür  eine  sehr  bedeutende  Länge  erreicht 
und  mit  Seitenästen  und  zahlreichen,  gehäuften  Nesselzellen  („Nessel- 
batterienw)  versehen  ist  (Fangfaden);  der  Tentakel  kann  zuweilen 
fehlen.  Die  Nährpolypen  desselben  Stockes  können  zuweilen  von  sehr 
verschiedener  Grösse  sein.  2)  Taster,  den  Nährpolypen  ähnlich, 
mit  Fangfäden,  aber  ohne  Mundöffnung.  3)  Tentakel  förmige 
Personen,  welche  selbständig  vom  Stamme  entspringen  (nicht  mit 
den  Fangfaden  zu  verwechseln) ;  sie  sind  mundlos  und  mit  Nesselzellen 
versehen.  *) 

')  Aach  bei  gewissen  Hydroiden  besitzen  die  Polypen  nur  je  einen  Tentakel. 
*)  Am  Rande  des  scheibenförmigen  Stammes  der  Gatt.  Porpita  finden  sich 
solche  tentakelförmige  Individuen. 


120 


Specieller  Theil. 


Die  M  e  d  u  s  e  n  generation  entspringt  entweder  vom  Stamm  der 
Colonie,  von  der  Basis  der  Taster  oder  der  Nährpolypen ;  sie  erscheint 
in  folgenden  verschiedenen  Formen :  l)FruchtbareMedusen  oder 
Medusenknospen  mit  den  Geschlechtsstoffen ,  der  Medusengeueration 
der  Hydromedusen  völlig  entsprechend ;  wenn  diese  Medusen ,  was 
übrigens  nur  bei  einer  Minorität  der  Blasenquallen  stattfindet,  sich  von 
der  Colonie  ablösen,  haben  sie  ein  ähnliches  Aussehen  wie  die  freien 
Medusen  der  Saumquallen  (sie  sind  mit  Randsaum  etc.  ausgestattet) ; 
in  der  Kegel  sind  sie  aber  zeitlebens  festsitzend  und  bieten  dann 


Fig.  56. 


Fig.  57. 


p 

mf 


Fig.  56.  Schema  eines  Schwimmpolypen 
mit  verlängertem  Stamm  (Phytophora) ;  die  Kr- 
nahrungskanale  sind  schwarz  gehalten.  —  Orig. 

Fig.  57.  Schema  eines  Schwimmpolypen  mit 
platteniörmigcm  Stamm  (l'orpita).  —  Orig. 

Gemeinsame  Bezeichnung:  d  Deckschuppc, 
/  Fangfaden,  l  Luftsack,  mf  fruchtbare  Meduse, 
X  grosser  Nährpolyp,  r»  kleiner  do.,  j> 
mit  kleinen  Luftbehttltern,  *  Schwimr 
ta  Taster,  te  tentakelförmige  Person. 


dieselben  Erscheinungen  dar  wie  die  festsitzenden  Medusen  der 
letzteren.  2)Schwimmglocken,  festsitzende  sterile  Medusen,  ohne 
Klöpfel  und    Mundöffnung,    aber    mit  wohl   entwickelter  Glocke 


gewisse 

Personen. 

Aus  diesen  verschiedenen  Individuen  setzen  sich  die  Colonien  der 
Blasenquallen  zusammen.  Sie  sind  nicht  immer  sämmtlich  vorhanden, 
die  Schwimmglocken  z.  B.  können  fehlen,  in  welchem  Fall  die  Colonien 
passiv  forttreiben ;  ebenso  können  die  Deckschuppen  fehlen.  Die  An- 
zahl und  Anordnung  der  Individuen  und  damit  das  äussere  Gepräge 
der  Stöcke  sind  äusserst  verschieden. 

Die  Blasenquallen  sind  echt  pelagisc  h  c  Thierformen,  welche  fast 


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Cölenteraten.   2.  Claase:  Quallenpolypen. 


121 


nur  in  den  tropischen  und  wärmeren  Meeren  (z.  B.  zahlreich  im  Mittel- 
meer) gefunden  werden. 

Beispielsweise  nennen  wir:  Physoptiora  und  Verwandte  (Fig.  56)  mit 
längerem,  oben  einen  kleinen  Luftsack  einschliessendem  Stamm,  zahlreichen 
Schwimmglocken  am  oberen  Theil  des  Stammes ;  Physalia  mit  ungeheuer 
grossem  Luftsack,  welcher  unten  die  Nährpolypen  und  Taster  (mit  langen 
Fangfaden)  trägt,  ohne  Deckstücke  und  Schwimmglocken;  Porpiia  (Fig.  57) 
mit  scheibenförmigem,  kreisrundem,  zahlreiche  Lufträume  einschliessendem 
Stamm,  welcher  unten  die  verschiedenen  Personen  trägt  (einen  grossen  Nähr- 
polypen in  der  Mitte,  tentakelformige  Personen  am  Rande,  keine  Schwimm- 
glocken und  Deckstücke) ;  Veleüa,  der  vorigen  ähnlich,  aber  Scheibe  elliptisch 
mit  aufrechtem  Kamm.    Alle  im  Mittelmeere  vertreten. 

3.  Ordnung.    Lappenquallen  (Acalephae). 

Die  Meduse ngeneration  ist  im  Allgemeinen  durch  wasserhelle 
Thiere  von  ansehnlicher  Grösse  vertreten.  Der  Mundrand  ist  in  4 
kräftige  Mundarme  verlängert,  mit  denen  sie  ihre  Beute  ergreifen ; 
ähnliche,  aber  in  der  Regel  weniger  entwickelte,  Fortsätze  können 
übrigens  auch  bei  den  Saumquallen  vorhanden  sein.  Der  Darm- 
schlauch des  Klöpfels  erweitert  sich  in  der  Mitte  der  Glocke  zu  einer 


Fig.  58.  Schnitt  durch  eine  L  ap  p  e  u  q'u  al  1  e  ,  zwischen  zwei  Mundarmen,  d  Lappen, 
welcher  einen  Randkörper  Uberdeckt,  h  Aushöhlung  unterhalb  eines  Geschlechtsorganes, 
m  Mund,  o  Eierstock,  r  Randkörper,  rk  Radiarkanal,  t  Magenhöhle,  t'  Magentascbe,  U  Ga- 
•tralfilament.  —  Orig. 

Höhle,  der  Magenhöhle,  welche  mit  einer  Anzahl  weiter  radiärer 
Ausstülpungen  (Magentaschen)  ausgestattet  sein  kann,  und  von  welcher 
die  oft  verästelten  radiären  Kanäle  entspringen.  In  der  Magenhöhle 
findet  sich  eine  Anzahl  tentakelartiger  Fäden  (Gastralfilamente),  welche 
bei  den  Saumquallen  fehlen,  und  die  Geschlechtsorgane,  Eier- 
stöcke und  Hoden,  gewöhnlich  in  Form  von  4  gefalteten  Bändern; 
unterhalb  jedes  derselben  findet  sich  auf  der  Unterseite  der  Glocke 
eine  Aushöhlung,  welche  nach  oben  durch  eine  dünne  Partie  von  der 
Magenhöhle  geschieden  ist  (/<  Fig.  58);  letztere  wird,  wenn  die  Ge- 
schlechtsorgane stark  entwickelt  sind,  ausgebauscht,  so  dass  diese 
dann  scheinbar  von  der  Unterseite  der  Glocke  herabhängen.  Eier 
und  Samenkörperchen,  welche  sich  im  Allgemeinen  in  verschiedenen 
Individuen  entwickeln,  fallen  in  die  Magenhöhle  und  werden  durch 
den  Mund  nach  aussen  geführt;  die  Zellen,  welche  zu  Eiern  und 
Samen  werden,  gehören  der  Innenlage  der  Meduse  an.  Die  Glocke, 
welche  eine  grosse  Gallertmasse  (die  Mittellage)  enthält  und  desshalb 
eine  bedeutende  Dicke  erreicht,  ist  am  Rande  mit  8  Einschnitten 


122 


Specieller  Tbeil. 


versehen ;  in  jedem  Einschnitt  sitzt,  von  Falten  des  Schirmrandes  über- 
deckt, ein  kleiner,  abgerundeter  Randkörper,  welcher  ein  Geh ör- 
o  r  g  a  n ,  öfters  auch  ein  A  u  g  e  trägt.  Längs  des  Glockenrandes  findet 
sich  ferner  eine  verschiedene,  oft  bedeutende,  Anzahl  von  Randfaden, 
welche  häufig  eine  ansehnliche  Länge  erreichen;  dagegen  fehlt  ein 
Ha  ml  sa  um.  Die  Eier  durchlaufen  ihre  erste  Entwicklung  bis  zum 
Larvenzustand  in  der  Magenhöhle  der  Mutter  oder  in  den  Rinnen  an 
den  Mundarmen  derselben. 


7  8  9 


Fig.  59.  Die  Entwicklung  der  Ohrenqualle.  /  Freibewegliche  Larve.  2  Der 
Polyp  kurze  Zeit  nach  der  Festheftung,  3  derselbe  etwas  spater.  4  Die  Theilung  in  ihrem 
Anfang,  5  spatere  Stufe;  6'  der  Polyp,  nachdem  eine  Anzahl  der  jungen  Medusen  sich  ab- 
gelöst haben.  7—  *J  Die  jungen  Medusen  auf  verschiedenen  Entwicklungsstufen.  —  Nach  M.  Sars. 

Die  Polypengeneration.  Die  bewimperte,  aus  dem  Ei  sich 
entwickelnde  Larve  setzt  sich,  nachdem  sie  die  Mutter  verlassen  hat, 
auf  einem  fremden  Gegenstand  fest  und  wird  zu  einem  kleinen  Po- 
lypen mit  einem  Kreis  von  Tentakeln.  Der  Polyp  kann  ebenso  wie 
die  Hydra  Knospen  bilden,  welche  sich  von  ihm  ablösen  und  zu  ähn- 
lichen Polypen  werden ;  dagegen  bildet  er  keine  eigentlichen  Colonien. 
Allmählich  wächst  der  Polyp,  welcher  zunächst  ziemlich  kurz  ist,  zu 
einer  ansehnlicheren  Länge  heran,  nimmt  eine  cylindrische  Form  an 
(das  untere  Ende  ist  jedoch  umgekehrt  kegelförmig),  und  es  bildet 
sich  an  demselben  eine  Anzahl  ringförmiger  Einschnürungen,  durch 
welche  der  grösste  Theil  des  Körpers  in  eine  Anzahl  scheibenförmiger 


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Cölenteraten.  2.  Classe:  Quallenpolypen. 


123 


Stücke  getheilt  wird,  welche  sich  von  einander  und  von  dem  untersten 
Theil  des  Polypen  loslösen,  und  deren  jedes  zu  einer  kleinen  Meduse 
wird.  —  Ausnahmsweise  fehlt  die  Polypengeneration,  indem  das  Me- 
dusen-Ei sich  direkt  zu  einer  neuen  Meduse  ausbildet. 

Die  Lappenquallen,  unter  denen  mehrere  leuchtende  Formen  sind, 
finden  sich  ausschliesslich  im  Meere.  Als  Beispiele  führen  wir  die 
folgenden  an. 

1.  Die  Ohrenqualle  (Aurdia  aurüa)  besitzt  eine  nur  wenig  ge- 
wölbte Scheibe,  welche  am  Bande  mit  zahlreichen  kurzen  Fäden  ausgestattet 
ist ;  die  Bandkörper  enthalten  sowohl  ein  Gehörwerkzeug  als  ein  Auge.  Die 
Magenhöhle  mit  vier  kurzen  Magen  sacken,  in  denen  die  4  Geschlechtsorgane 
ihren  Platz  haben,  welche  jede  dem  Bande  eines  menschlichen  Ohres  ähnlich 
sind;  der  Mund  mit  4  langen  Mundarmen.  Ebenso  wie  seine  Verwandten 
ist  das  Thier  ungemein  wasserhaltig  (95 — 96°/0  Wasser,  4 — 5°/0  Trocken- 
substanz).   Sehr  häufig  in  den  nordeuropäischen  Meeren. 

2.  Die  Haarqualle  (Cyanea  capiikUa)  ist  eine  grosse,  schöne  Meduse, 
welche  besonders  dadurch  ausgezeichnet  ist,  dass  die  ausserordentlich  langen 
Handfaden  in  8  Gruppen  an  der  Unterseite  der  stark  gelappten  Scheibe 
angesammelt  sind.  Ihre  Kesselkapseln  erzeugen  eine  intensiv  brennende 
Empfindung  an  dünnhäutigen  Stellen  des  menschlichen  Körpers.  An  den- 
selben Orten  wie  die  Ohrenqualle  häufig. 


3.  Classe.    Rippenquallen  {Ctenophora). 

Die  Bippenquallen  können  als  Medusen  aufgefasst  werden,  deren  Klöpfel 
fehlt  und  bei  denen  die  Glocke  so  stark  gewölbt  und  zusammengezogen 
worden  ist,  dasB  der  Baum  unterhalb  derselben  zu  einer  weiteren  oder 
engeren  Bohre  (dem  sogenannten  „Magen")  geworden  ist,  in  deren  Grund 
der  Eingang  zur  Darmhöhle,  also  die  Mundöffnung  liegt.  An  der 
Oberfläche  des  Körpers  bemerkt  man  8  schmale  Streifen,  welche  wie  die 
Meridiane  eines  Globus  verlaufen;  jeder  dieser  Streifen  oder  Bippen,  wie 
sie  genannt  werden,  ist  zusammengesetzt  aus  einer  Beihe  kleiner  Blättchen, 
welche  aus  je  einer  Querreihe  mit  einander  verschmolzener  Wimperhaare 
bestehen;  diese  Blättchen  bilden  die  wichtigsten  Bewegungswerkzeuge  des 
Thieres.  Viele  Bippenquallen  sind  mit  2  langen,  verästelten  Tentakeln 
versehen,  welche  an  entgegengesetzten  Körperseiten  entspringen  und  in  je 
eine  besondere  Tentakelhöhle  zurückgezogen  werden  können ;  übrigens  ist 
der  Körper  ohne  Anhänge.  Die  oben  genannte  Hundöffnung  führt  in  eine 
kleine  Darmhöhle  (den  sogenannten  „Trichter"),  von  welcher  unter 
Anderem  Kanäle  entspringen,  welche  den  Bippen  entlang  verlaufen.  Am 
oberen  Körperpol  findet  sich  ein  Gehörwerkzeug.    Nesselzellen  fehlen. 

Im  Körper  der  Bippenquallen  ist  ein  8  strahliger  Grundplan  bis  zu 
einem  gewissen  Grad  angedeutet,  aber  nicht  durchgeführt.  Thatsächlich 
kann  der  Körper  nur  in  zwei  congruente  Stücke  getheilt  werden:  er  ist 
ziemlich  streng  zweistrahlig.  Der  zweistrahlige  Grundplan  ist  z.  B. 
in  der  Anordnung  der  Tentakel,  der  Aeste  der  Darmhöhle  etc.  ausgeprägt. 

Die  Bippenquallen,  von  deren  Bau  oben  nur  gewisse  Momente  hervor- 
gehoben sind,  während  von  anderen  abgesehen  wurde,  sind  hermaphrodi- 
tische Thiere  ohne  Generationswechsel,  welche  in  mehrfacher  Beziehung 
eine  Sonderstellung  unter  den  Cölenteraten  einnehmen.  Die  meisten  leben 
in  den  wärmeren  Meeren;  alle  sind  pelagische  Thiere. 


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124 


Specieller  Theil. 


Von  einzelnen  Formen  führen  wir  an :  Berod,  tonnenförmig,  mit  weitem 
„Magen",  ohne  Tentakel;  Oydippc,  kugelig,  mit  engem  „Magen"  und  langen 
Tentakeln:  Cestus  Vcneris  (Venusgürtel)  mit  stark  zusammengedrücktem,  zu 
einem  Bande  gestrecktem  Körper.  Alle  genannten  im  Mittelmeer,  die 
beiden  ersten  auch  in  der  Nordsee  vertreten. 


Anhang  zu  den  Cölenteraten: 

Schwämme  (ßpongia  oder  Fmfera). 

Die  Schwämme  sind  wahrscheinlich  als  eine  besondere  Modification 
des  Typus  der  Cölenteraten  aufzufassen,  ihre  Stellung  im  System  ist 
jedoch  noch  nicht  völlig  sicher  festgestellt,  und  da  sie 
jedenfalls  in  mannigfachen  Punkten  ausgeprägte  Eigen- 
thümlichkeiten  darbieten,  dürfte  es  das  Richtigste  sein, 
sie  gesondert  zu  betrachten.  Bei  dem  Umstand,  dass 
das  Studium  dieser  Thiere  mit  bedeutenden  Schwierig- 
keiten zu  kämpfen  gehabt  hat,  ist  erst  durch  die  Ar- 
beit der  späteren  Jahre  eine  einigermassen  klare  Ein- 
sicht in  ihre  Bauverhältnisse  gebracht  worden. 

In  seiner  einfachsten  Gestalt  (Fig.  61 A) 
ist  der  Körper,  welcher  stets  fremden  Gegenständen 
angeheftet  ist,  ein  an  dem  einen  (oberen)  Ende  offener, 
am  entgegengesetzten  Ende  geschlossener  Sack,  welcher 
aus  drei  Lagen  zusammengesetzt  ist :  von  diesen  ist  die 
Aussenlage  ein  einschichtiges  Plattenepithel,  die  Mittel- 
lage besteht  aus  einer  bindegewebigen  Masse,  und  die 
Innenlage  ist  aus  einer  besonderen  Form  von  Wimper- 
zellen (Fig.  60)  zusammengesetzt,  welche  sich  dadurch  auszeichnen,  dass 
das  freie  Ende  einer  jeden  eine  dünne  schornsteinartige  Röhre  trägt, 


Fig.  60.  Kragen 
zollen  eines 
Schwämme». 
k  Kragen. 


AB  C 

Hg.  61.  Verschiedene  Formen  von  S  c  h  wr  |  m  ni  c  n  ,  srhematische  Längsschnitte,  o  Haupt- 
öffnung,  p  Poren.  —  Orig. 

innerhalb  welcher  das  einzige  Wimperhaar  sitzt  (Kragenzell en). 
Die  Höhle  des  Schlauches,  welche  der  Darmhöhle  der  Cölenteraten  zu 


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Schwämme. 


125 


vergleichen  ist,  steht  nicht  nur  durch  die  grosse  Endöffnung  (Osculum), 
sondern  auch  durch  sogenannte  Porenkanäle,  welche  die  Wand 
durchbohren  und  sich  mit  feinen  Poren  auf  der  Oberfläche  öffnen, 
mit  der  Aussenwelt  in  Verbindung.  Durch  die  Poren  geht  ein  steter 
Wasserstrom  in  die  grosse  Höhle  hinein  und  tritt  durch  die  grosse 
Oeffhung  wieder  nach  aussen;  die  Bewegung  des  Wasserstroms  wird 
durch  die  Kragenzellen  besorgt. 

Die  genannte  einfachste  Grundform  kommt  nur  bei  einer  Minder- 
zahl der  Schwämme  vor  (bei  gewissen  Kalkschwämmen).  Sie  wird 
bei  anderen  dadurch  complicirt,  dass  die  Darmhöhle  nach  allen  Seiten 
hin  mit  sackförmigen  Ausstülpungen  versehen  ist  (Fig.  61  B),  auf 
welche  dann  die  Kragenzellen  beschränkt  sind,  während  der  Haupt- 
raum mit  Plattenepithel  ausgekleidet  wird;  in  die  Ausstülpungen 
münden  die  Porenkanäle.  Bei  anderen  (Fig.  61  C,  die  linke  Seite 
der  Figur)  sind  die  Ausstülpungen  wieder  mit  kleineren  Ausstülpungen 
versehen,  in  welchen  letzteren  die  Kragenzellen  dann  allein  gefunden 
werden  und  welche  als  Geisseikammern  bezeichnet  werden ;  letztere 
stehen  mit  der  Oberfläche  des  Schwammes  durch  verzweigte  Poren- 
kanäle in  Verbindung.  Endlich  können  die  Geisseikammern  trauben- 
förmig  sein,  indem  sie  durch  kürzere  oder  längere  Stiele  mit  den 
Hauptästen  verbunden  sind  (Fig.  61  C,  die  rechte  Seite  der  Figur). 
In  allen  Fällen  tritt  das  Wasser  durch  die  Poren  hinein ,  durchströmt 
die  verschiedenen  Kanäle  und  Hohlräume,  um  schliesslich  den  Schwamm 
durch  die  Hauptöffnung  zu  verlassen.  Mit  dem  Wasser  treten  die 
mikroskopischen  Theilchen,  welche  dem  Schwamm  als  Nahrung  dienen, 
in  seinen  Körper  hinein  ;  ausserdem  ist  der  Wasserstrom  zweifellos 
für  die  Athmung  von  grosser  Wichtigkeit. 

Bei  einigen  Schwämmen  münden  die  Poren  zunächst  in  unregelmässige, 
unterhalb  der  Oberfläche  befindliche  Räume,  die  Subdermalhöhlen, 
von  welchen  dann  Kanäle  entspringen,  welche  zu  den  Geisseikammern  gehen. 
Die  Subdermalhöhlen  dürften  als  Erweiterungen  der  Porenkanäle  aufzu- 
fassen »ein. 

Die  Hauptmasse  des  Körpers  bildet  die  oben  genannte  Mittel- 
lage ,  welche  gewöhnlich  aus  einer  Art  Bindegewebe  mit  gallertiger 
Intercellularsubstanz  besteht.  In  demselben  finden  sich  neben  den 
gewöhnlichen,  fixen  Zellen  (welche  theilweise  pigmentirt  sein  können) 
amöboide  Wanderzellen,  welche  in  der  Gallertmasse  umher- 
kriechen. In  der  Mittellage  entwickeln  sich  ferner  fast  immer  feste 
Theile,  welche  ein  mehr  oder  weniger  zusammenhängendes  Skelet 
bilden.  Letzteres  besteht  entweder  aus  netzartig  verbundenen, 
elastischen  hornartigen  Fasern,  oder  aus  feinen  Kalknadeln, 
welche  entweder  einfach  sind  oder  aus  3 — 4  am  einen  Ende  verbundenen, 
nach  verschiedenen  Richtungen  ausstrahlenden  Aesten  bestehen,  oder 
es  ist  ein  Kiesel  skelet  sehr  verschiedener  Art,  welches  entweder 
aus  isolirten,  mit  einander  durch  eine  Kittmasse  verbundenen  Nadeln 
oder  aus  direkt  in  einander  übergehenden  Kiesel  fasern  zusammen- 
gesetzt ist;  die  Kieselnadeln  sind  häufig  von  complicirter,  und  zwar 
mannigfaltiger,  oft  ungemein  zierlicher  Form  (ankerförmig ,  stern- 
förmig etc.).  Nicht  selten  stecken  die  Kalk-  oder  Kieselnadeln  theil- 
weise aus  der  Oberfläche  des  Körpers  hervor.  Einige  Schwämme  be- 
sitzen allein  Kalktheile,  andere  allein  Kieseltheiie,  andere  ein  ausschliess- 
liches Hornskelet;  bei  manchen  sind  aber  gleichzeitig  hornige  und 
kieselige  Skelettheile  vorhanden,  während  Kalknadeln  und  Hornfasem 


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126 


Specieller  Theil. 


nie  zusammen  gefunden  werden.  —  In  der  Mittellage  sind  ausser  den 
schon  genannten  Theilen  auch  noch  Muskelzellen  vorhanden ;  auch 
Nervenzellen  meint  man  in  derselben  gefunden  zu  haben.  Bei 
einigen  Schwämmen  sollen  an  gewissen  Stellen  der  Oberfläche  Sinnes- 
zellen von  ähnlicher  Form  wie  bei  den  Cölenteraten  vorhanden  sein. 

Sehr  häufig  bilden  die  Schwämme  durch  ungeschlechtliche  Ver- 
mehrung Colonien,  deren  einzelne  Individuen  nur  in  wenigen  Fällen 
deutlich  unterscheidbar  sind,  während  sie  meistens  so  innig  mit  den 
benachbarten  Personen  verbunden  sind,  dass  äusserlich  nur  die  Mehr- 
zahl der  Hauptöffnungen  (Oscula)  darauf  hinweist,  dass  man  es  nicht 
mit  einem  Individuum,  sondern  mit  einer  Colonie  zu  thun  hat.  — 
Bei  einigen  Schwämmen  kommt  aber  auch  eine  Sprossung  vor,  bei 
welcher  die  neuen  Individuen  sich  ablösen  und  selbständig  weiter 
wachsen;  ferner  kennt  man  bei  einigen,  namentlich  bei  Süsswasser- 
schwämmen,  eine  eigenthümliche  Form  ungeschlechtlicher  Fortpflanzung, 
welche  in  der  Weise  stattfindet,  dass  Theile  des  Schwammkörpers 
von  einer  festen  Schale  umschlossen  werden,  um  sich  nach  einiger 
Zeit  der  Ruhe  zu  einem  neuen  Schwamm  zu  entwickeln,  nachdem 
die  Schale  gesprengt  ist  (ein  solcher  eingekapselter  Schwammtheil 
wird  als  Keim,  Gemmula,  bezeichnet). 

Die  Schwämme  pflanzen  sich  übrigens  durchweg  in  gewöhnlicher 
Weise  durch  Eier  und  Samen  fort,  welche,  wie  es  scheint,  bei 
einigen  in  denselben  Individuen,  resp.  Colonien,  bei  anderen  in  ver- 
schiedenen gebildet  werden.  Das  Ei  ist  nackt  und  einer  amöboiden 
Bewegung  fähig;  es  entwickelt  sich  noch  im  mütterlichen  Körper  zu 
einer  bewimperten  L  arve ,  welche  sich  nach  einem  kurzen  freien  Leben 
festsetzt  und  zu  einem  neuen  Schwamm  heranwächst. 

Die  äussere  Form  der  Schwämme  ist  eine  ungemein  verschiedene, 
sie  sind  bald  klump enförmig,  bald  mehr  gestreckt,  oder  becherförmig, 
scheibenförmig  etc.  oder  von  ganz  unregelmässiger  Form.  Sie  sind 
alle  festsitzend  und  gehören  zum  allergrössten  Theile  dem  Meere  an ; 
nur  wenige  Formen  leben  im  Süßwasser. 

Von  den  zahlreichen  Formen  fuhren  wir  nur  einzelne  an. 

1 .  Die  Badeschwämme  (Eusponpia),  von  welchen  verschiedene  Arten 
und  Varietäten  den  Gegenstand  einer  wichtigen  Fischerei  im  Mittelmeer 
bilden,  sind  Hornschwämme  (mit  ausschliesslichem  Hornskelet),  welche  sich 
dadurch  auszeichnen,  dass  das  Skelet  ungemein  elastisch  ist  und  vollständig 
austrocknen  kann,  ohne  brüchig  zu  werden.  Die  frischen  Schwämme  haben 
ein  schwärzliches  Aussehen ;  erst  wenn  sämmtliche  Weichtheile  entfernt  sind, 
bekommt  der  Schwamm  seine  helle  Farbe. 

2.  Die  G 1  a s  s  c h  w  ä m  m  e  (Hcxactinellidat)  sind  Kieselschwämme,  welche 
durch  die  hervorragende  Schönheit  ihres  einem  Glasgespinnst  ähnlichen 
Skeletes  ausgezeichnet  sind.  Die  oft  mit  einander  zu  einem  zusammen- 
hängenden Netze  verschmolzenen  Nadeln  sind  sechsstrahlig.  Eine  bekannte 
Form  dieser  Gruppe  ist  die  prachtvolle  philippinische  Eupledeüa  aspergiUum 
(Giesskannenschwamm),  welche  wie  mehrere  Verwandte  in  bedeutender 
Tiefe  lebt. 

3.  Die  Bohrschwämme  (Vioa)  sind  kleine  Kieselschwämme,  welche 
sich  in  Kalksteine,  Muschel-  und  Schneckenschalen  —  ohne  Zweifel  ver- 
mittels einer  chemischen  Einwirkung  —  einzufressen  vermögen;  in  den  von 
ihnen  bewohnten  Steinen  oder  Schalen  (sie  greifen  nicht  nur  todte  Schalen, 
sondern  auch  die  äusseren  Theile  der  Schalen  lebendiger  Weichthiere  an) 
findet  man  ein  System  von  Hohlräumen,  welche  von  dem  Körper  des 


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Schwämme. 


127 


Schwarames  aufgefüllt  sind  und  mit  der  Aussenwelt  durch  feine  Löcher  an 
der  Oberfläche  des  Steines  oder  der  Schale  in  Verbindung  stehen.  Die 
Bohrschwämme  spielen  eine  wichtige  Rolle  in  der  Natur,  indem  sie  Schalen 
und  Gesteine  auflösen.    In  den  europäischen  Meeren  überall  häufig. 

4.  Der  Süsswasserschwamm  (Spvnyiüa  fluviatüis),  in  den  süssen 
Gewässern  Deutschlands  häufig,  bildet  Colonien  von  verschiedener  Form 
ästig,  klumpig  etc.),  welche  an  Wasserpflanzen,  Pfählen  u.  A.  festsitzen; 
oft  wird  die  äussere  Form  der  Colonien  wesentlich  durch  die  der  Unterlage 
bedingt,  welche  der  Schwamm  überzieht.  Es  ist  ein  Kieselschwamm  mit 
einfachen  Nadeln;  im  Herbst  werden  in  grosser  Anzahl  Keime  gebildet, 
welche  überwintern  und  im  Frühjahr  sich  zu  je  einem  Schwamm  entwickeln. 


2.  Kreis.  Stachelhäuter  {Echinodermata). 


Ebenso  wie  bei  den  Cölenteraten  finden  wir  auch  bei  den  Stachel- 
häutern einen  radiären  Bauplan  des  Körpers,  während  diese  im 
Uebrigen  von  jenen  —  mit  denen  sie  in  früherer  Zeit  als  Strahl- 
thier e  (Radiata)  vereinigt  wurden  —  sich  in  hohem  Grade  abweichend 
verhalten.  Es  entwickelt  sich  z.  B.  hier  frühzeitig  ein  Mesoderm; 
wir  finden  beim  entwickelten  Thiere  eine  Leibeshöhle,  ferner  einen 
Darmkanal,  welcher  nicht  nur  eine  Höhlung  im  Körper  des  Thieres, 
sondern  ein  besonderes  unterschiedenes  Organ  ist,  das  auch  meistens 
mit  einem  After  versehen  ist;  es  ist  ein  Gefässsystem  und  ein  Wasser- 
gefässsystem  vorhanden  etc. 


Flg.  62.  Schematische  Figuren  zur  Erläuterung  des  strahligen  Baues  der  Stachelhäuter. 
/  Seestern  von  unten,  2  Seeigel  ebenso.  3  Seeigel  von  der  Seite,  4  Seewalze  ebenso. 
a  After,  o  Mund,  r  Radius,  i  Interradius;  /  Linien,  welche  die  Schnitte  andeuten,  durch 
welche  die  Thier«  in  Strahlen  getheilt  werdeu ;  /  Tentakel.  —  Orig. 

Die  Grundzüge  des  allgemeinen  Bauplanes  bei  regulär  ent- 
wickelten Stachelhäutern  sind  folgende.  Gewöhnlich  ist  die  Grund- 
zahl 5:  das  Thier  kann  durch  5  in  einer  Haupt-  oder  Mittelaxe 
zusammentreffende  Schnitte  in  6  ungefähr  congruente  Strahlen 
(Antimeren)  getheilt  werden.  Nach  der  verschiedenen  Länge  der 
Hauptaxe  hat  der  Körper  der  Stachelhäuter  sehr  verschiedene  äussere 
Formen:  ist  die  Hauptaxe  länger  als  die  Queraxen,  so  wird  der 


l 


3 


4 


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Stachelhäuter. 


129 


Körper  gurken-  oder  wurstförmig;  ist  sie  von  derselben  Länge  wie 
die  Qneraxen  oder  wenig  kürzer,  so  nähert  sich  die  Körpergestalt  der 
Kugelform;  ist  sie  viel  kürzer,  so  wird  der  Körper  scheibenförmig. 
Alle  diese  verschiedenen  Formen,  welche  durch  Uebergiinge  mit  ein- 
ander verbunden  sind,  finden  sich  bei  den  Stachelhäutern  vertreten. 
Anden  Polen  der  Hauptaxe  liegen  resp.  Mund  und  After.  Die 
Oberfläche  des  Körpers  kann  durch  meridionale  Linien  (vom  Mund- 
zum  Afterpol)  in  10  Segmente  getheilt  werden ;  5  derselben  sind  ein- 
ander ähnlich  und  wechseln  regelmässig  mit  den  5  anderen  ab,  welche 
ebenfalls  unter  sich  ähnlich,  aber  jenen  unähnlich  sind.  An  der  einen 
Gruppe  der  Segmente  finden  sich  die  unten  näher  zu  beschreibenden 
Füsschen,  welche  den  übrigen  5  abgehen.  Die  mit  Füsschen  be- 
setzten Segmente  des  Körpers  werden  als  Radien,  die  zwischen- 
liegenden als  Interradien  bezeichnet. 

Mit  voller  Strenge  ist  die  strahlige  Anordnung  der  Körpertheile 
übrigens  bei  den  Stachelhäutern  nicht  durchgeführt;  es  finden  sich 
immer,  wenigstens  in  einigen  Organsystemen,  grössere  oder  geringere 
Abweichungen.  Oefters  werden  diese  so  gross,  dass  sie  schon  bei 
einer  flüchtigeren  äusseren  Betrachtung  in  die  Augen  fallen.  Zu- 
weilen finden  wir  z.  B.  bei  den  mit  einer  langen  Hauptaxe  versehenen 
Formen  (Seewalzen),  dass  eine  Seite  des  Körpers  abgeplattet  oder 
sonstwie  besonders  ausgebildet  ist.  Bei  anderen,  mit  einer  kürzeren 
Hauptaxe  (Seeigeln),  ist  der  Körper,  anstatt  wie  bei  den  regulären 
kreisrund  zu  sein,  länglich  (oval,  eiförmig)  geworden,  mit  einer  längeren 
Längsaxe  und  einer  kürzeren  Queraxe;  oder  der  After,  welcher  bei 
den  regulären  seinen  Platz  in  dem  einen  Pol  hat,  rückt  in  einen  der 
Interradien  hinaus,  oder  die  Mundöffnung  wird  noch  ausserdem  ver- 
schoben etc.  (vergl.  unten,  namentlich  bei  den  Seeigeln). 

Zu  den  charakteristischesten  Zügen  des  Baues  der  Stachelhäuter 
gehört  es,  dass  in  den  bindegewebigen  Theilen  der  Körperwand  fast 
ausnahmslos  Verkalkungen  von  verschiedener  Grösse  und  Form 
auftreten.  Bald  sind  es  ganz  kleine  (fast  mikroskopische)  Kalk- 
körperchen,  oft  von  zierlicher  Form,  kleine  durchlöcherte  Kalkplatten, 
rad-  oder  ankerförmige  Körperchen;  bald  grössere  Platten,  welche 
mit  einander  beweglich  verbunden  sind;  bald  grosse  unbeweglich  ver- 
bundene Platten.  Wenn  man  von  einigen  ganz  kleinen  absieht,  sind 
die  Kalkkörper  stets  von  poröser,  durchlöcherter,  spongiöser  Beschaffen- 
heit. In  den  meisten  Fällen  sind  die  Verkalkungen  in  einem  solchen 
Umfange  vorhanden ,  dass  sie  einen  ansehnlichen  Theil  der  ganzen 
Masse  des  Körpers  ausmachen;  bei  einer  geringeren  Anzahl  (See- 
walzen) sind  dieselben  dagegen  mehr  untergeordnet.  —  Die  Ver- 
kalkungen finden  sich  übrigens  nicht  allein  in  der  Körperwand,  son- 
dern können  zuweilen  auch  anderswo  im  Thiere  vorkommen,  z.  B. 
in  der  Wand  des  Steinkanals  (vergl.  unten)  und  am  Schlund  der 
Seewalzen. 

Die  Haut  ist  sehr  häufig  äusserlich  bewimpert,  oft  prächtig 
gefärbt.  Mit  derselben  sind  verschiedenartige  Anhänge  verbunden, 
*on  welchen  viele  ebenso  wie  die  Körperwand  selbst  innerlich  ver- 
ulkt sind.  Das  ist  z.  B.  mit  den  bei  der  Mehrzahl  der  Stachel- 
häuter vorhandenen  beweglichen  Stacheln1)  der  Fall,  in  denen  die 


')  Häufig  sind  die  Stacheln  nicht  ganr  einfache  Gebilde ,  sondern  gespalten 
Bon,  Zoologie.  9 


130 


Specteller  Theil. 


Kalkmasse  ganz  überwiegend  wird  (wenn  auch  Bindegewebe  und 
Oberhaut  keineswegs  an  den  Stacheln  fehlen).  Bei  Seesternen  und 
Seeigeln  findet  sich  ferner  eine  eigenthümliche  Art  von  Anhängen, 
die  sogenannten  Greifzangen  oder  Pedicella- 
rien,  welche  aus  je  zwei  oder  drei  kurzen  verkalkten 
Stücken  bestehen,  die  am  einen  Ende  mit  einander 
verbunden  sind,  während  die  freien  Enden,  welche  oft 
mit  einer  umgebogenen  Spitze  versehen  sind,  kneip- 
zangenartig  an  einander  gelegt  werden  können;  häufig 
sitzen  die  Peilicellarien  am  Ende  eines  innerlich  von 
einem  Kalkstab  gestützten  längeren  oder  kürzeren  be- 
weglichen Stieles.  Ihre  Aufgabe  ist  es,  Kothpartikel 
s  und  Fremdkörperchen  von  der  Oberfläche  des  Körpers 
zu  entfernen,  was  in  der  Weise  geschieht,  dass  die 
kleinen  Theile  von  der  einen  Greifzange  zur  anderen 
gereicht  werden,  bis  sie  endlich  am  Rande  des  Kör- 
Fig.  69.  Podi-  pers  gänzlich  entfernt  werden  können, 
ceiiarie  eine«  Ein  besonderes  Interesse  beanspruchen  unter  den 
Seeigels^  m  Mu-  Körperanhängen  der  Stachelhäuter  die  Saugfüss- 
ximäicr  Theil  cnen>  feine,  meistens  cylindrische,  weiche  Anhänge, 
stiele»  nicht  mit  deren  freies  Ende  entweder  mit  einer  kleinen  Saug- 
gezeichnet).  —  scheibe  ausgestattet  oder  abgerundet  ist;  nur  im 
N«ch  Koehier.  ersteren  Fall  wirken  sie  als  Haftwerkzeuge.  Die 
Saugfüsschen  können  sich  zu  einer  sehr  bedeutenden 
Länge  ausdehnen  und  erscheinen  dann  häufig  als  sehr  lange  dünne 
Fäden,  während  sie  in  zusammengezogenem  Zustande  auf  einen 
geringen  Bruchtheil  jener  Länge  einschrumpfen.  Die  mit  einer 
Saugscheibe  versehenen  Füsschen  wirken  als  Bewegungswerkzeuge, 
indem  sie  zunächst  ausgestreckt  werden,  sich  dann  an  fremden 
Gegenständen  festheften,  dann  sich  wieder  verkürzen  und  so  den 
Körper  nach  sich  ziehen.  Die  Füsschen  sind  mit  einer  inneren  Höh- 
lung ausgestattet,  welche  mit  dem  den  Stachelhäutern  eigenthümlichen 
Wassergefässsystem  in  Verbindung  steht. 

Das  Wassergefässsy stem  besteht  aus  einer  Anzahl  mit  ein- 
ander verbundener ,  mit  Flüssigkeit  gefüllter  Röhren ,  von  welchem 
wir  zunächst  den  Ringkanal  nennen,  welcher  den  Darmkanal  dicht 
an  der  Mundöffnung  uragiebt,  und  von  welchem  5Radiär-Kanäle 
ausgehen,  die  an  der  Körperwand  in  der  Mitte  der  Radien  verlaufen 
und  an  jedes  Saugfüsschen  ein  kleines  Gefäss  abgeben.  Der  Ring- 
kanal steht  gewöhnlich  mit  der  Aussenwelt  durch  den  sogenannten 
Steinkanal  (der  Name  stammt  daher,  dass  die  Wand  des  Kanals 
oft  Kalkkörperchen  enthält)  in  Verbindung;  der  Steinkanal  heftet 
sich  an  eine  Platte  der  Körperwand,  die  Madreporenplatte, 
welche  von  einem  oder  mehreren  kleinen  Löchern  durchbohrt  ist, 
durch  welche  Meereswasser  in  die  Wassergefässe  aufgenommen  wird. 
Der  Ringkanal  ist  gewöhnlich  mit  einer  Anzahl  blasenförmiger  Er- 
weiterungen (Poli'scher  Blasen)  besetzt ;  ferner  sind  die  Aeste,  welche 
die  Radiärkanäle  an  die  Saugfüsschen  abgeben ,  öfters  mit  je  einer 
kleinen  Aussackung  (Ampulle)  versehen.  Durch  Zusammenziehung 
der  Wassergefässe  und  der  genannten  Erweiterungen  derselben  wird 

etc.  Solches  ist  z.  B.  mit  den  bei  einigen  Seesternen  vorkommenden  l'  a  x  i  1 1  e  n 
der  Fall,  welche  auf  dem  Ende  eines  Schaftes  eine  Rosette  feiner  Spitzen  tragen . 


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Stachelhäuter. 


131 


das  Wasser  in  die  Saugfüsschen  hineingetrieben  und  letztere  werden 
dadurch  ausgedehnt;  wenn  die  musculösen  Saugfüsschen  sich  dann 
wieder  contrahiren,  wird  das  Wasser  in  die  Kanäle  zurückgetrieben.1) 
—  Bei  der  Mehrzahl  der  See- 
walzen und  bei  den  Seelilien  steht 
der  Steinkanal  (oder  die  Steinkanäle, 
denn  es  können  mehrere  solche  vor- 
handen sein)  nicht  mit  der  Körper- 
oberfläche in  Verbindung,  sondern 
endet  in  der  Leibeshöhle  mit  einer 
oder  mehreren  Oeffnungen,  durch 
welche  die  in  der  Leibeshöhle  vor- 
handene Flüssigkeit  in  die  Wasser- 
gefasse  aufgenommen  wird.  Bei  den 
Seelilien  ist  die  Körperwand  mit 
feinen  Poren  versehen,  durch  welche 
das  Meereswasser  in  die  Leibeshöhle 
hinein  gelangt. 

Bei  den  Larven  steht  das  Wasser- 
gefüsssystem  übrigens  immer  durch 
einen  an  der  Körperoberfläche  sich 
öffnenden  Steinkanal  mit  dem  Meeres- 
wasser in  direkter  Verbindung.  Bei 
den  Larven  ist  auch  immer  nur  ein 
einziger  Steinkanal  vorhanden. 

Das  Wassergefässsy  stein  hat 
keine  Verbindung  mit  dem  eigent- 
lichen Blutgefässsystem,  so 
dass  die  Stachelhäuter  zwei  ge- 
sonderte Systeme  von  Flüssigkeit 
führenden  Kanälen  besitzen.  Auch  im  Blutgefässsysstem  finden 
wir  ein  den  Mund  umgebendes  Ringgefass,  von  welchem  unter 
Anderen  ein  Gefäss  entspringt,  welches  in  jedem  Radius  entlang 
verläuft.  Oft  (bei  Seesternen,  Schlangensternen)  ist  noch  ein  zweites 
Ringgefäss  vorhanden,  welches  vom  Munde  entfernter  liegt  und  mit 
ersterem  durch  ein  Gefässgeflecht  in  Verbindung  steht.  Ein  Hera 
fehlt. 

Der  Darmkanal  ist  (die  Schlangensterne  und  einige  Seesterne 
ausgenommen)  mit  einem  After  versehen,  welcher  entweder  in  dem 
dem  Munde  entgegengesetzten  Pol  des  Körpers  oder  (Seelilien, 
manche  Seeigel)  in  einem  der  Interradien  Platz  hat.  Bei  den  See- 
und  Schlangensternen  hat  der  Darmkanal  einen  radiären  Bau ;  bei 
den  letzteren  ist  er  ein  kurzer  weiter  Sack  mit  kurzen  radiären  Aus- 
buchtungen; bei  den  Seesternen  erstrecken  sich  vom  Darmsack  in 
jeden  Arm  2  mit  seitlichen  Ausbuchtungen  versehene  Blindsäcke,  die 
Lebersäcke,  hinein  (vergl.  Fig.  73).  Bei  den  übrigen  ist  der  Darmkanal 
dagegen  ein  längeres  cylindrisches  Rohr,  welches  meistens  eine  oder 
mehrere  Windungen  in  der  Leibeshöhle  macht,  und  es  ist  somit  bei 

')  An  der  Stelle,  wo  der  Ast  des  Radiärkanals  in  das  Saugfüsschen  eintritt, 
findet  sich,  wenigstens  bei  den  Seesternen,  ein  Ventil,  eine  Falte  der  Wand  des 
K an ü Ichens,  welche  die  Rückströmung  des  Wassers  aus  der  Höhlung  des  Saug- 
futschen»  verhindert,  wenn  gleichzeitig  das  Kanälchen  etwas  zusammengeschnürt 
wird. 

9* 


Fig.  64.    Schematische  Darstellung  des 
\V a  » ser  ge f  Ä88  *y  s  t  e  m  e  s     eines  See- 
sternB.    np  Ampulle,  k  Kingkanal,  ma  Ma 
clreporenplatte,  p  Poli'sche  Blase,  r  Radiär 
kanal,  *  SaugtHssehen ,  al  Steinkanal.  — 
Nach  Gegenbaur,  geändert. 


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132 


SpecieUer  Theil. 


Fig.  6B.  Schematischer  Längsschnitt  eines  Seeigel» 
mit  verschiedenen  Organen  darin,  a  After,  ap  Ampulle, 
k  Kiuggefass  des  Wasserkanalxystems ,  m  Mund,  ina  Ma- 
dreporenplatte,  mu  Muskel,  n  Kadiärnerv,  p  Poli'sche  Blase, 
r  Kadilrkanal,  s  Saugfuss,  l  Parin,  tu  Zahn.  —  Nach 
Huxley,  geändert. 


diesen,  selbst  in  dem  Fall,  dass  der  After  an  dem  einen  Ende  der 
Hauptaxe  sich  befindet,  von  einem  radiären  Baue  in  der  Regel  nicht 
die  Rede. 

Streng  genommen  liegt 
der  After  vielleicht  bei 
keinem  der  Stachelhäuter 
genau  am  Ende  der  Haupt- 
axe, sondern  immer  wenig- 
stens e  t  w  a  8  excentrisch. 
Dies  ist  z.  B.  bei  den  See- 
sternen, deren  After  schein- 
bar am  oberen  Pol  liegt,  der 
Fall,  so  dass  der  Darm- 
kanal bei  letzteren  auch 
keine  vollkommen  radiäre 
Form  besitzt. 

Ein  sehr  eigentümliches 
mit  dem  Darmkanal  in  Ver- 
bindung stehendes  Gebilde 
ist  der  sogenannte  Neben- 
darm mancher  Seeigel,  ein 
feiner  Kanal,  welcher  an 
einem  Theile  des  Darm- 
kanaU  entlang  verläuft  und 
an  beiden  Enden  in  diesen 
mündet. 

Besondere  Athmungsorgane  sind  gewöhnlich  nur  wenig  ent- 
wickelt oder  werden  völlig  vermisst.  Sie  treten  in  verschiedenen 
Formen  auf:  „Wasserlungen"  bei  den  Seewalzen,  Rückenpapillen  bei 
den  Seesternen,  buschige  Kiemen  am  Munde  der  Seeigel;  wir  werden 
sie  bei  den  einzelnen  Abtheilungen  näher  besprechen. 

Besondere  Excretionsorgane  wurden  früher  allgemein  den  Stachel- 
häutern abgesprochen.  Neuerdings  wird  aber  als  solches  bei  den  See- 
igeln ein  drüsiges  Organ  gedeutet,  welches  dem  Steinkanal  angelagert  ist 
und  früher  irrthümlich  als  „Herz"  bezeichnet  wurde.  Es  enthält  einen  von  einem 
Epithel  ausgekleideten  Hohlraum,  von  welchem  feine  Kanäle  ausgehen,  die 
mit  trichterförmigen  Oeffnungen  in  die  Leibeshöhle  münden;  von  dem  Hohl- 
raum entspringt  ein  Ausführungsgang,  welcher  in  den  Steinkanal  mündet.  Ein 
ähnliches  Organ  scheint  auch  bei  den  übrigen  Stachelhäutern  vorhanden  zu  sein. 

Das  Nervensystem  besteht  bei  allen  Stachelhäutern 
aus  einem  den  Mund  umgebenden  Nervenring,  von  welchem 
Nerveustämme  ausgehen,  die  in  je  einem  Radius  verlaufen.  Bei  den 
Seesternen  und  Seelilien  liegen  sowohl  der  Ring  als  die  radiären 
Nervenstämme  dicht  unterhalb  der  Oberhaut,  während  sie  bei  den 
übrigen  tiefer  hinein  gerückt  sind.  —  Von  Sinnesorganen  sind  die 
bei  den  Seesternen  an  der  Spitze  der  Arme  vorhandenen  kleinen 
Augen  hervorzuheben.  Ausser  diesen  sind  Sehorgane  unter  den 
Stachelhäutern  nur  noch  bei  einigen  Seeigeln  beschrieben,  wo  sie  in 
grosser  Anzahl  über  den  Körper  verbreitet  sind.  Bläschenförmige 
Gehörorgane  sind  nur  bei  einigen  See  walzen  bekannt. 

Die  For tpflanzung  ist  mit  wenigen  Ausnahmen  eine  ge- 
schlechtliche, und  im  Allgemeinen  sind  die  Stachelhäuter 
getrennten    Geschlechts.     Die   Geschlechtswerkzeuge  des 


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Stachelhäuter. 


133 


Männchens  und  des  Weibchens  sind  in  der  Form  einander  sehr  ähn- 
lich, können  aber  meistens  dadurch  auch  ohne  mikroskopische  Unter- 
suchung unterschieden  werden,  dass  die  Eierstöcke  gelblich  oder 
röthlich,  die  Hoden  weiss  sind.  Meistens  sind  sie  ausgeprägt  radiär 
geordnet,  und  zwar  so,  dass  in  jedem  Interradius  ein  Hoden  oaer  Eier- 
stock, resp.  eine  kleine  Gruppe  solcher  vorhanden  ist;  zuweilen 
fehlen  sie  aber  in  einem  oder  mehreren  Interradien  (bei  irregulären 
Seeigeln)  oder  sind  sogar  nur  in  einem  einzigen  vorhanden  (bei  den 
Seewalzen).  Sie  sind  meistens  schlauchförmig,  öfters  verästelt  und 
öffnen  sich  in  den  Interradien  mit  je  einer  Oeflnung,  bei  einigen  in 
der  Nähe  des  Afterpols,  bei  anderen  mehr  oder  weniger  von  diesem 
entfernt  oder  gar  in  der  Nähe  des  Mundes. 

Die  Befruchtung  findet  meistens  erat  nach  der  Ablage  der  in  der 
Regel  kleinen  Eier  statt.  Einige  wenige  Stachelhäuter  sind  aber  lebendig- 
gebärend, und  bei  diesen  erfolgt  die  Befruchtung  natürlich  im  mütter- 
lichen Körper.  Bei  einigen  Formen  findet  eine  Brutpflege  statt  in  der 
Weise,  daas  die  Eier  aussen  am  mütterlichen  Körper  entweder  unter  dem 
Schutz  der  Stacheln  oder  in  besonderen  Vertiefungen  der  Oberfläche  umher- 
getragen werden ;  einige  Seesterne  bilden  eine  Art  Bruthöhle  für  die  Eier, 
indem  sie  die  Arme  nach  unten  über  dieselben  zusammenbiegen. 

Die  Entwicklung  der  Stachelhäuter  bietet  dadurch  ein  be- 
sonderes Interesse  dar,  dass  diese  grösstentheils  eine  complicirte 
Metamorphose  durchlaufen  und  dabei  in  einer  Larvengestalt 


A'  A  B  C 


Fig.  66.  Schematische  Figuren  der  wichtigsten  Larvenformen  der  Stachelhäuter  (junge 
Larren).  A,  B,  C  von  unten  gesehen;  A  ist  A  von  der  linken  Seite,  a  After,  /  Wimper- 
whnur,  m  Mund.   Der  sattelförmig  eingedrückte  Thcil  ist  schraffirt.   Vergl.  übrigens  den  Text. 

auftreten,  welche  im  Gegensatz  zum  Erwachsenen  keine  Spur  eines 
radiären  Baues  aufweist,  sondern  imGegentheil  entschieden  bilateral 
symmetrisch  ist.  Die  Larven  lassen,  wenn  wir  von  denjenigen 
der  Seelilien  und  einzelner  anderen  absehen,  einen  gemeinsamenGru  nd- 
plan  erkennen.  In  ihrer  einfachsten  Form  (vergl.  Fig.  66),  wie  wir 
sie  bei  der  jungen  Larve  finden ,  ist  die  Stachelhäuterlarve  rundlich, 
etwas  länger  als  breit,  und  auf  der  Bauchseite  mit  einer  sattelförmigen 
Vertiefung  versehen.  Der  Rand  des  Sattels  ist  schnurförmig  verdickt 
und  mit  Wimperhaaren  besetzt,  vermittels  welcher  das  Thier  im  Wasser 
umherschwimmt.  Die  Mundöffnung  hat  ihren  Platz  vorn  in  der  sattel- 
förmigen Vertiefung,  der  After  hinter  dem  Hinterrand  der  Wimper- 
schnur.    Vorn  begrenzt  die  Wimperschnur  einen  hervorragenden 


134 


Specieller  Theil. 


Lappen  (b  Fig.  66  A),  welcher  in  einigen  Fällen  nur  durch  eine  schmale 
Brücke  mit  dem  übrigen  nicht  eingedrückten  Theil  der  Oberfläche 
des  Körpers  zusammenhängt  (Fig.  66  B,  Seewalzen)  und  in  anderen 
Fällen  sogar  von  demselben  völlig  abgeschnürt  ist  und  eine  besondere 
von  einer  kleinen  Wimperschnur  umsäumte  Insel  in  dem  vertieften 
Theil  bildet  (Fig.  66  C,  Seesterne).  Bei  älteren  Larven  wird  der  be- 
wimperte Rand  mehr  oder  weniger  ausgebuchtet,  ja  meistens  sogar  in 
lange  Fortsätze  oder  Arme  ausgezogen,  welche  dann  häufig  von  feinen 
inneren  Kalkstäben  gestützt  werden  (bei  Schlangensternen  und  See- 
igeln). Nachdem  die  Larve  sich  einige  Zeit  im  Wasser  umherbewegt 
hat,  fängt  eine  Partie  ihres  Körpers  an,  sich  durch  eine  complicirte 


Fig.  67.  Larv  en  von :  A  Sccatcrn,  B  Schlangenstcrn,  C  Seeigel,  Ü  Seewalze.  —  Nach 
J.  Muller. 

Umbildung  in  den  Körper  des  erwachsenen  Stachelhäuters  zu  ver- 
wandeln, während  der  übrige  Theil  der  Larve  allmählich  zusammen- 
schrumpft. Das  Endresultat  der  Metamorphose  ist  ein  kleines  Thier, 
welches  in  den  Hauptzügen  die  Gestalt  des  Erwachsenen  besitzt,  wenn 
es  auch  noch  in  manchen  Beziehungen  sich  von  letzterem  abweichend 
verhält,  z.  B.  darin,  dass  es  eine  geringere  Anzahl  von  Saugfüsschen 
besitzt  etc.  Der  so  entwickelte  Stachelhäuter  wird  also  durch  eine 
Umformung  des  Larvenkörpers  gebildet,  bei  welcher  grössere 
Partien  desselben  rückgebildet  werden,  während  andere  desto  mehr 
wachsen  und  ausgebildet  werden.  —  Bei  einem  Theil  der  Stachel- 
häuter, besonders  solchen,  deren  Eier  sich  in  oder  auf  dem  Körper 
des  Mutterthieres  entwickeln,  fehlt  eine  Metamorphose,  oder  dieselbe 
ist  weniger  ausgeprägt  oder  in  verschiedener  Weise  modificirt. 

Nur  in  wenigen  Fällen  pflanzen  sich  die  Stachelhäuter  durch 
Theilung  fort;  bei  gewissen  6-arraigen  Schlangensternen  wird  die 
Körperscheibe  querüber  in  zwei  Hälften  (jede  mit  3  Armen)  gesprengt, 
welche  sich  dann  zu  zwei  vollständigen  Individuen  entwickeln,  indem 
von  den  Wundrändern  je  3  neue  Arme  hervorsprossen;  Aehnliches  ist 
auch  bei  einzelnen  Seesternen  beobachtet  worden,  während  man  bei 
gewissen  Seewalzen  eine  in  Bezug  auf  die  Hauptaxe  des  Körpers 
quer  verlaufende  Theilung  gefunden  hat.  —  Während  eine  freiwillige 
Theilung  bisher  nur  bei  wenigen  Stachelhäutern  sicher  constatirt  ist 
und  jedenfalls  nur  ausnahmsweise  vorkommt,  besitzen  die  meisten  ein 
starkes  Regenerations  vermögen;  bei  See-  und  Schlangensternen 
sprossen  mit  der  grössten  Leichtigkeit  neue  Arme  an  der  Stelle  ab- 
gebissener oder  abgebrochener  hervor,  ja  ihr  Regenerationsvermögen 
ist  so  gross,  dass  ein  einzelner  abgerissener  Arm  (ohne  die  Körper- 
scheibe) bei  einigen  Formen  zu  einem  vollständigen  Individuum  an- 
wachsen kann.    Bei  Seewal/en  hat  man  in  Aquarien  eine  Regenera- 


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Stachelhäuter. 


135 


tion  von  Thailen  des  Darmkanals  und  anderen  Eingeweiden  beobachtet, 
welche  die  eingefangenen  Individuen  durch  eine  gewaltsame  Zusammen- 


Alle  Stachelhäuter  leben  im  M  e  e  r  e ,  in  grösseren  oder  kleineren 
Tiefen;  sie  kriechen  meistens  auf  dem  Boden  umher  oder  sind  fest- 
sitzend; nur  ausnahmsweise  sind  sie  einer  Schwimmbewegung  fähig. 
Die  Abtheilung  war  schon  in  den  ältesten  Perioden  der  Erdgeschichte, 
aas  denen  überhaupt  Thierüberreste  bekannt  sind,  vertreten,  und  wegen 
ihrer  Häufigkeit  und  des  gewöhnlichen  Vorhandenseins  eines  stark 
entwickelten  Hautskelets  haben  sie  sehr  zahlreiche  Versteinerungen 
geliefert. 


Die  Seelilien  zeichnen  sich  in  erster  Linie  dadurch  vor  den 
übrigen  Stachelhäutern  aus,  dass  sie  entweder  im  erwachsenen 
Zustande  oder  wenigstens  in  einem  auf  den  ersten,  freien  Larvenzustand 
folgenden  Jugendstadium  im  Meeresboden  oder  auf  Fremdkörpern 
vermittels  eines  Stieles  festsitzen,  welcher  von  der  Mitte  der  Rücken- 
seite entspringt.  Der  eigentliche  Körper  ist  im  Verhältniss  zum 
ganzen  Umfang  des  Thieres  von  geringer  Grösse,  auf  der  nach  oben 
gewendeten  Bauchseite  (Mundseite)  meistens  weich  und  abgeplattet, 
auf  der  Rückenseite  fest  und  gewölbt;  am  Rande  des  Körpers  ent- 
springt eine  Anzahl,  meistens  5  oder  10,  Arme,  welche  sich  oft,  zu- 
weilen zu  wiederholten  Malen,  spalten;  am  Rande  der  Arme  entlang 
entspringt  jederseits  eine  Reihe  von  Seitenästen  (Pinnulae),  ähn- 
lich wie  die  Strahlen  einer  Feder.  Die  Rückenseite  sowohl  des 
Körpers  wie  der  Arme  und  der  Seitenäste  enthält  grosse,  dicke,  dicht 
an  einander  gefügte  Kalkstücke,  welche  in  jedem  Arm  eine  Reihe 
wirbelartig  verbundener,  beweglicher  Glieder  bilden,  während  die  dem 
Körper  angehörigen  einen  Kelch  bilden,  in  welchem  die  Eingeweide 
liegen.  Alle  diese  Kalkstücke,  welche  einen  beträchtlichen  Theil  des 
ganzen  Thierkörpers  ausmachen,  sind  Verkalkungen  der  dorsalen  Wand 
des  Thieres.  Im  Stiel  ist  ebenfalls  eine  Reihe  von  Kalkgiiedern  vor- 
handen, welche  den  überwiegenden  Theil  desselben  ausmachen;  auch 
die  häufig  vom  Stiel  entspringenden  fadenförmigen  (selten  wurzelähn- 
lichen, verästelten)  Ranken  enthalten  ähnliche  Kalkglieder.  Im 
Gegensatz  zu  der  Rückenseite  ist  die  Bauchseite  sowohl  des  Körpers 
wie  der  Arme  gewöhnlich  weich,  wenig  verkalkt.  Auf  der  Bauchwand 
befindet  sich  in  der  Mitte  (seltener  excentrisch)  die  Mundöffnung; 
wenig  von  dieser  entfernt  der  After,  auf  der  Spitze  einer  kleinen 
kegelförmigen  Röhre  in  einem  der  Interradien.  Vom  Munde  gehen 
5  radiäre  bewimperte  Furchen  aus,  welche  sich,  wenn  nur  5  Arme 
vorhanden  sind,  ungetheilt  auf  letztere  fortsetzen,  während  sie,  wenn 
das  Thier  10  Arme  besitzt ,  sich  vorher  gabelförmig  theilen ,  ebenso 
wie  sie  sich  mit  den  Armen  spalten  und  die  kleinen  Seitenäste  derselben 
mit  je  einer  kleinen  Furche  versehen.  Längs  der  beiden  Seiten  der 
Furchen  findet  sich  —  sowohl  am  Körper  wie  auch  an  den  Armen 
und  den  Seitenästen  —  eine  Reihe  kleiner,  weicher  Füsschen  ohne 
Saugscheibe  (sogen.  Tentakel)  ;  unterhalb  der  Furchen  läuft  ein  Wasser- 
gefäss,  welches  zu  den  Füsschen  Aeste  abgiebt.  Ueber  die  Stein - 
kanäle  vergl.  S.  131.    Die  Geschlechtsorgane  (ähnlich  beim 


1.  Classe.    Seelilien  (Crinoidea). 


136  Specieller  Theil. 

Männchen  und  beim  Weibchen)  erstrecken  sich  als  eine  lange  Röhre 
durch  jeden  Arm  und  geben  an  jeden  Seitenast  der  Arme  einen  Ast 
ab;  nur  diese  Aeste  der  Geschlechtsorgane  entwickeln  reife  Eier  und 
Samen,  während  die  Hauptstämme  steril  bleiben;  die  Eier  und  der 
Samen  werden  durch  kleine  Oeffnungen  der  Seiteuäste  entleert;  letztere 


Fig.  68.  Fig.  69. 


Fig.  68.    Rhizocrinut  lofotenti*,  vergr. 
Fig.  69.    Haarstern  (Anttdon). 

Fig.  70.  Die  nach  oben  gekehrte  Seite  (Bauchseite)  einer  See  pal  nie  (Pentacrinut 
Oerste/HiJ;  die  zehn  Arme,  welche  sich  wieder  in  je  zwei  spalten,  sind  dicht  ani  Ursprung 
abgeschnitteu.  a  After ,  an  der  Spitze  eines  kegelförmigen  Fortsatzes ;  b  Arm ,  /  Furche, 
m  Mund.  r  Seitenast  (Pinnula).  —  Nach  LUtkcn. 

sind,  wenn  sie  reife  Geschlechtsproducte  enthalten,  stark  ange- 
schwollen. 

Die  Entwicklung  ist  nur  für  die  Haarsterne  ( Antedon ) 
bekannt.  Der  eiförmige  Körper  der  neugeborenen  Larve  ist  mit  4 
Wimpergürteln  und  an  dem  hinteren  Ende  mit  einem  Wimperbüschel 
versehen.  Nachdem  dieselbe  sich  einige  Zeit  im  Wasser  frei  bewegt 
hat,  setzt  sie  sich  mit  dem  einen  Ende  fest,  streckt  sich  in  der  Länge. 


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Stachelhäuter.    I.  Claase:  Seelilien. 


137 


ein  Theil  des  Körpers  wird  verdünnt  und  bildet  sich  zum  Stiel  aus. 
während  am  entgegengesetzten  Ende  die  Arme  hervorsprossen.  Später 
reisst  sich  der  Körper  mit  den  Armen  vom  Stiel  los,  und  das  Thier 
ist  in  seinem  übrigen  Leben  frei  beweglich. 

Fig.  72. 


Fig.  71. 


i 


3 


Fig.  71.  Larven  eines  Haarsterne»  (Anttdon  rosaceaj 
«of  verschiedenen  Entwicklungsstufen.  /  junge,  2  etwas  ältere 
Larve  de*  freischwimmenden  Stadiums;  im  letzteren  sind  schon 
ansehnliche  Theile  des  Skeletes  des  liaarsternes  angelegt.  3  Larve 
kurz  nach  dem  Festsetzen,  g  Gastrulamund,  j»  Fussscheibe,  r  Kump!, 
*  Stiel.  —  Nach  Wyv.  Thompson. 

Fig.  72.    Festsitzendes  Stadium  einer  anderen  Haar- 
fAnUdon  Etchrichtü),  f.  -  Nach  Levinsen. 


Von  den  zwölf  bisher  bekannten  Gattungen  jetzt  lebender  See- 
lilien ist  die  Hälfte  gestielt  und  lebt  fast  ausschliesslich  in  grossen 
Meerestiefen,  an  fremde  Gegenstände  angeheftet  oder  mit  dem  Ende 
des  Stieles  im  Meeresboden  steckend;  die  Bekanntschaft  mit  diesen 
Formen  ist  durch  die  Tiefsee-Untersuchungen  der  letzteren  Jahre  wesent- 
lich gefördert  worden.  Die  zweite  Hälfte  der  Gattungen  mit  ziemlich 
zahlreichen  Arten  umfasst  ungestielte  Formen,  welche  meistens  auf 
seichterem  Wasser  in  der  Nähe  der  Küste  sich  aufhalten.  Die  See- 
lilien ernähren  sich  von  mikroskopischen  Organismen,  welche  in 
den  Mund  geführt  werden  durch  die  Wirkung  der  Wimperhaare  der 
oben  erwähnten  Furchen.  —  In  früheren  Erdperioden,  besonders  in 
der  Silur-  und  Kohlenformation,  haben  die  Seelilien  (namentlich  ge- 


138 


Specieller  Theil. 


stielte  Formen,  in  den  älteren  Perioden  bis  zur  Juraformation  nur 
gestielte)  eine  hervorragende  Rolle  gespielt,  weit  bedeutender  als  in 
der  Jetztzeit;  sie  traten  damals  sowohl  in  grosser  Individuenanzahl 
als  auch  in  zahlreichen  Gattungen  und  Arten  auf. 

Als  Beispiele  erwähnen  wir  die  folgenden: 

1.  Ithixocn'nus  lofotetisis  ist  eine  kleine  (mit  dem  Stiel  bis  8  cm 
lange),  langgestielte  Seelilie  mit  5  (seltener  4,  C  oder  7)  einfachen  Armen; 
der  Stiel  ist  unten  mit  verzweigten  wurzelähnlichen  Banken  versehen,  mit 
welchen  er  sich  an  Gegenständen  auf  dem  Boden  festheftet,  während  er 
übrigens  rankenlos  ist.  Das  Thier  wurde  zuerst  bei  den  Lofoten  in  Tiefen 
von  100 — 300  Faden  gefunden,  später  auch  an  verschiedenen  anderen 
Stellen  in  grossen  Tiefen. 

2.  Die  Seepalmen  (PeiUacrinus)  sind  grosse  Seelilien  mit  10  Armen, 
welche  sich  wieder  spalten,  bei  einigen  zu  wiederholten  Malen ;  der  kräftige 
Stiel  ist  von  oben  bis  unten  mit  Kreisen  gegliederter  Ranken  besetzt.  In 
den  Meeren  der  wärmeren  Erdgegenden  in  bedeutender  Tiefe. 

3.  Die  Haarsterne  (Antedon  oder  Comatula)  sind  ungestielte  Seelilien 
mit  10  oder  einer  grösseren  Anzahl  von  Armen.  In  dem  gestielten  Jugend- 
stadium besitzen  sie  Ranken  nur  an  der  Verbindungsstelle  des  Stieles  und 
des  Körpers ;  diese  Ranken  bleiben  nach  der  Ablösung  des  Thieres  vom 
Stiel  am  Körper  und  dienen  dem  Thiere  zum  Anklammern  an  fremden 
Gegenständen,  während  es  sich  mit  den  Armen  schwimmend  fortbewegen 
kann.    Im  Mittelmeer  und  im  Atlantischen  Meer  lebt  A.  rosacea. 


2.  Classe.    Asteroiden  (Asteroiden). 

Bei  dieser  Abtheilung  ist  der  Körper  immer  scheibenförmig 
(die  Hauptaxe  verkürzt)  und  in  eine  Anzahl  Arme  (gewöhnlich  5) 
ausgezogen,  indem  die  Radien  stärker  als  die  Interradien  entwickelt 
sind.  Die  Saugfüsschen  sind  nur  auf  der  Bauchseite  (Mundseite) 
entwickelt,  welche  im  Gegensatz  zu  dem  Verhältniss  der  Seelilien  be- 
deutendere Verkalkungen  als  die  Rückenseite  enthält.  Die  Asteroiden 
zerfallen  in  zwei  ziemlich  verschiedene  Ordnungen,  die  Seesterne 
und  die  Schlangensterne. 

1.  Ordnung.    Seesterne  (Asterida). 

Der  abgeplattete  Körper  besteht  aus  einer  Scheibe  und  5  oder 
mehreren  von  dieser  entspringenden  Armen,  welche  am  Grunde, 
wo  sie  mit  einander  zusaramenstossen,  am  breitesten  sind,  während 
sie  nach  der  Spitze  zu  schmäler  werden.  Scheibe  und  Arme  gehen 
ohne  Grenze  in  einander  über.  Die  Länge  der  letzteren  ist  sehr  ver- 
schieden; während  sie  bei  einigen  vielmals  länger  sind  als  die  Scheibe 
breit  ist,  sind  sie  bei  anderen  eben  nur  angedeutet,  so  dass  das  ganze 
Thier  als  eine  fünfeckige  Platte  erscheint;  zwischen  diesen  Extremen 
giebt  es  alle  möglichen  Zwischenformen. 

Der  Mund  findet  sich  in  der  Mitte  der  Unterseite;  er  ist  un- 
bewaffnet, der  Magen  kann  aber  theilweise  aus  der  Mundöffnung  hervor- 
gestülpt werden  und  die  Beute  aufnehmen.  Der  kleine  After  hat 
seinen  Platz  ungefähr  in  der  Mitte  der  Rückenseite ;  bei  einigen  See- 
sternen fehlt  ein  After.    Die  siebartig  durchlöcherte  Madreporen- 


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Stachelhäuter.   2.  Claase:  Asteroiden. 


139 


platte  liegt  ebenfalls  auf  dem  Rücken,  in  einem  der  Interradien. 
Längs  der  Unterseite  jedes  Arms  läuft  eine  Rinne,  welche  sich  auch 
auf  der  Unterseite  der  Körperscheibe  bis  zum  Mund  fortsetzt;  in 
dieser  Rinne  sitzen  die  Saugfüsschen,  in  der  Regel  in  zwei,  seltener 
in  ?ier  Reihen  geordnet;  sie  sind  an  der  Spitze  gewöhnlich  mit  je 
einer  Saugscheibe  versehen.  An  dem  äussersten  Ende  der  Rinne  sitzt 
ein  unpaares  fadenförmiges  Gebilde,  welches  auf  seiner  Unterseite 
dicht  ara  Grunde  mehrere  kleine  rothe  Augen  trägt;  da  die  Spitze 
der  Arme  aufwärts  gebogen  wird,  kehren  sich  die  Augen  trotz  ihrer 
Stellung  auf  der  Unterseite  des  Thieres  dennoch  nach  oben.  Die 
Geschlechtsöffnungen  finden  sich  meistens  auf  der  Rückenseite 
der  Scheibe,  zwei  oder  mehrere  feine  Oeffnungen  in  jedem  Interradius. 


A  Ii 

Fig.  73.  Schematiche  Figuren  zur  Krlttulcrung  de»  Haue»  «1er  See» lerne.  .1  von 
unteu,  B  von  oben  gesehen  ;  in  B  sind  gewisse  innere  » >rgauc  eingezeichnet,  bt  Bliuditäcke 
-le«  Magens,  h  Geschlechtsorgane,  k'  Oeschlechtsotfnungcn ,  i»  Madreporenplattc ,  o  Mund, 
'  Saugfüsschen,  /  Magen,  ö  Augon.  -  Orig. 

Die  Körperwand  ist  namentlich  auf  der  Unterseite  stark  verkalkt; 
hier  findet  sich  oberhalb  der  oben  erwähnten  Rinne  eine  Reihe  be- 
weglich verbundener  jochförmiger  Kalkstücke;  jedes  derselben  besteht 
übrigens  aus  einem  Paar  eng  verbundener  Verkalkungen.  In  den 
Weichtheilen  oberhalb  der  Rinne  liegt  unter  Anderem  der  radiäre 
Wasserkanal.  Die  Oberseite  des  Körpers  ist  weniger  stark  verkalkt ; 
auf  dieser  finden  sich  zahlreiche  feine  dünnwandige  Ausstülpungen 
der  Körperwand,  welche  für  Kiemen  gehalten  werden  (sie  stehen 
nicht  in  Verbindung  mit  dem  Wassergefasssystem  und  enthalten  auch 
keine  Blutgefässe);  auf  der  Oberseite,  am  Rande  der  Arme  und  auf 
der  Unterseite  bis  zum  Rande  der  Rinne  finden  sich  oft  zahlreiche, 
bewegliche  oder  unbewegliche  Stacheln  und  ungestielte  oder  kurz- 
gestielte  P  e  d  i  c  e  1 1  a  r  i  e  n. 

Die  Seesterne  ernähren  sich  hauptsächlich  von  Muscheln  und 


140 


Specieller  Theil. 


Schnecken,  welche  sie  in  den  Magen  aufnehmen,  um  die  Schalen  wieder 
durch  den  Mund  auszustossen,  nachdem  die  Weichtheile  aufgelöst  sind : 
wenn  die  Beute  zu  gross  ist,  um  verschlungen  zu  werden,  wird  der 
Magensaft  über  dieselbe  ausgegossen  und  der  Seestern  saugt  dann 
die  aufgelösten  Theile  auf.  Sie  werden  in  allen  Meeren  gefunden. 
Als  Beispiele  führen  wir  folgende  an: 

1.  Asterias  rubens  ist  ein  5  armiger  Seestern  mit  vierzeiligen  Saug- 
füsschen, welche  je  eine  Saugscheibe  besitzen.  Sehr  gemein  vom  Strande 
bis  in  recht  ansehnliche  Tiefen  in  den  nordeuropäischen  Meeren.  Den 
Austernbänken  sehr  gefahrlich ;  das  Thier  verursacht  auch  dadurch  bedeutenden 
Schaden,  dass  es  die  in  Netzen  oder  mit  der  Angel  gefangenen  Fische  auf- 
frisBt.  Die  Exemplare  des  tieferen  Wassers  erreichen  eine  Breite  von 
50  cm,  die  des  Strandes  sind  viel  kleiner. 

2.  Solaster.  Seesterne  von  ansehnlicher  Grösse  mit  einer  grösseren  An- 
zahl, ca.  10,  Armen;  Saugfüsschen  mit  Scheibe,  in  2  Reihen.  In  den 
nordeuropäischen  Meeren. 

2.  Ordnung.  Schlangensterne  (OphiurUfa). 

Die  Arme  (gewöhnlich  5)  sind  schmal  und  lang  und  stossen  am 
Grunde  nicht  mit  einander  zusammen,  und  der  Rand  der  Körper- 
scheibe zwischen  je  zwei  Armen  ist  meistens  gerade  abgeschnitten 


Fig.  74.  Fig.  75. 


Fig.  74.  Schematische  Figur  zur  Erläuteruug  de»  Baue»  der  Schlangensterne; 
von  unten  gesehen,  k  Gcschlechtaspalte ,  m  Madreporenplatte,  o  Mund,  p  eine  der  Platten 
auf  der  Unterseite  der  Arme,  s  SaugfUsst-ucu,  »'  fr-prungsstellc  eines  solchen,  •"  Saugfüsschen 
an  der  MundöfFnung.  ta  zahnahnlicher  Stachel.  —  <>rig. 

Fig.  76.    Ein  Schlange us t er n  (von  oben).  —  Nach  <J.  Schmidt. 


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Stachelhäuter.   2.  Claas© :  Asteroiden. 


141 


oder  etwas  ausgebuchtet;  dazu  kommt  noch,  dass  die  obere  Wand 
der  Arme  meistens  anders  aussieht  als  die  der  Scheibe  (die  Kalk- 
platten verhalten  sich  verschieden) ;  die  Arme  erscheinen  desshalb  bei 
den  Schlangensternen,  namentlich  wenn  man  sie  von  oben  betrachtet, 
deutlich  von  der  Scheibe  abgegrenzt.  Sie  weichen  ferner  darin  von  den- 
jenigen der  Seesterne  ab,  dass  die  weiche  Rinne  der  Unterseite  fehlt; 
die  Unterseite  ist  im  Gegentheil  eben  und  gewöhnlich  mit  Kalkplatten 
versehen,  welche  ausserhalb  des  radiären  Wassergefässes  liegen,  während 
innerhalb  desselben  ebensolche  wirbelartige  Kalkstücke  wie  bei  den  See- 
sternen  vorhanden  sind;  letztere  sind  hier  etwas  anders  ausgebildet 
als  bei  den  Seesternen  und  füllen  den  grössten  Theil  des  Armes  aus. 
DieFüsschen  (welche  keine  Scheibe  besitzen)  sitzen  in  zwei  Reihen 
auf  der  Unterseite  nahe  den  Rändern  jedes  Arms  und  auf  der  Scheibe 
bis  zum  Mund  hin.  Die  Oberseite  der  Arme  ist  meistens  mit  grösseren 
Kalkplatten  versehen,  diejenige  der  Scheibe  gewöhnlich  weicher,  mit 
kleineren  oder  grösseren  Kalkplatten.  Die  Beweglichkeit  der  Arme 
ist  grösser  als  bei  den  Seesternen;  namentlich  können  sie,  was  bei 
den  Seesternen  nur  in  beschränkterem  Maasse  der  Fall  ist,  seitlich  stark 
gekrümmt  werden.  Trotzdem  brechen  sie  aber  sehr  leicht  ab,  eine 
Regeneration  erfolgt  jedoch  sehr  schnell.  Der  Mund  liegt  in  einer 
sternförmigen  Vertiefung,  deren  vorspringende  Ecken,  eine  in  jedem 
Interradius,  mit  zahnähnlichen  Stacheln  versehen  sind.  Ein  After 
fehlt.  In  einer  Platte  dicht  beim  Munde  liegt  die  Oeffnung,  oder  die 
Oeflnungen,  des  Steinkanals.  Auf  der  Unterseite  der  Scheibe  finden 
sich  in  jedem  Interradius  an  der  Grenze  der  Radien  zwei  grössere 
Spalten,  welche  in  ebenso  viele  Säcke  führen,  in  welche  die  Ge- 
schlechtsorgane einmünden;  seltener  finden  sich  statt  jeder  der  er- 
wähnten Spalten  zwei  kleinere,  indem  sie  je  durch  eine  Querbrücke 
in  zwei  gctheilt  sind.  Augen,  Pedicellarien  und  Kiemen  fehlen ;  da- 
gegen ist  eine  grössere  oder  kleinere  Anzahl  von  Stacheln  vorhanden, 
besonders  längs  der  Seiten  der  Arme. 

1.  Echte  Schlangensterne  (Gatt.  Ophiura  u.  a.)  mit  5  (selten 
einer  grösseren  Anzahl)  ungespaltenen  Armen  sind  in  allen  Meeren,  auch 
in  denjenigen  des  nördlichen  Europa,  in  zahlreichen,  einander  recht  ähn- 
lichen Arten  vertreten.  Einige  sind  mehr  stachelig,  andere  glatter.  Man 
ündet  sie  öfters  mit  ihren  Armen  an  fremden  Gegenständen  angeklammert. 

2.  Die  Medusenköpfe  (  Axtrophyton)  unterscheiden  sich  u.  A.  da- 
durch von  den  echten  Schlangensternen,  dass  die  5  Arme,  welche  gegen  die 
Mundöffnung  hin  zusammengebogen  werden  können,  reich  verzweigt  sind. 
Ihr  Haotskelet  ist  etwas  weniger  entwickelt  als  das  der  echten  Schlangen» 
*terne,  and  sie  sind  im  Stande,  sich  ähnlich  wie  die  Haarsterne  schwimmend 
fortzubewegen.  Sie  erreichen  eine  ansehnliche  Grösse.  Arten  dieser  Gattung 
finden  sich  auch  in  europäischen  Meeren,  aber  viel  weniger  häufig  als  die 
vorigen. 

3.  Classe.    Seeigel  (Echindidea). 

Der  Körper  nähert  sich  bei  einigen  Seeigeln  der  Kugelform ;  bei 
den  meisten  ist  aber  die  Hauptaxe  verkürzt,  so  dass  der  Körper 
niedriger  ist  als  hoch,  wenn  auch  nur  selten  scheibenförmig;  Arme 
fehlen  stets.  Der  grösste  Theil  der  Körperwand  ist  mit  einem  zu- 
sammenhängenden Skelet  unbeweglich  verbundener  Kalkplatten  ver- 


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142 


Specieller  Theil. 


sehen.  Bei  den  sogenannten  regulären  Seeigeln,  deren  Körper 
in  der  Regel  ungefähr  kreisrund  ist  (die  Seitenaxen  von  gleicher 
Länge),  finden  sich  20  Reihen  derartiger  Platten,  welche  als  Meridiane 


Ä  B 

Kig.  76.  Schale  eines  regulären  Seeigel»,  Toxapneuatea  drorlmchienaia  (junges 
Kxemplur,  vergr.),  von  oben  (A)  iiml  von  unten  (B).  Die  Radien  »ind  dunkel  gehalten. 
y  (ienitulplattc ,  »<  Madrcporcnplattc .  i>  Aiigenplatte.  In  der  Mitte  Von  A  sieht  man  das 
Afterfeld  mit  dem  After.  —  <  >rig. 


Fig.  77.  Schale  eine»  irregulären  Seeigels,  Briaaopala  lyri/ern  (junges  Kxemplar, 
vergr.),  von  oben  (A)  und  von  unten  (Ii).  (Die  Kadien  in  A  «ind  nicht  dunkel  genug  ge- 
worden.) Hinten  in  A  sieht  man  da»  Afterfeld.  Die  weissen  Blinder  sind  Partien  mit 
sehr  kleinen  Stacheln.  <>rig. 


in  der  Richtung  von  einem  Ende  der  Hauptaxe  zum  anderen  geordnet 
sind.  Zehn  dieser  Plattenreihen  tragen  feine  Poren,  jede  Platte  ein 
oder  mehrere  Paare1);  jedem  Porenpaar  entspricht  ein  Saugfüsschen. 

')  Die  Porenplatten  enthalten  ursprünglich  nur  je  ein  Porenpaar;  in  Folge 
einer  Verschmelzung  mehrerer  Platten  findet  man  aber  bei  den  meisten  regulären 
Seeigeln  Platten  mit  mehreren  Porenpaaren. 


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Stachelhäuter.   3.  Ciasso:  Seeigel. 


143 


Die  Keihen  dieser  Porenplatten  oder  Ambulacralplatten 
sind  paarweise  zusaramengeordnet  und  wechseln  mit  je  zweien  der 
anderen  10  Plattenreihen,  der  Zwischenplatten  oder  Inter- 
ambulacralplatten,  ab.  Letztere  sind  öfters  breiter  als  die 
Porenplatten  und  sind  ebenso  wie  diese  mit  grösseren  oder  kleineren, 
ungefähr  halbkugeligen  Höckern  besetzt,  welche  je  eine  kleinere, 
warzenförmige,  glatte  Erhebung  tragen;  die  grössten  Höcker  befinden 
sich  auf  den  stets  porenlosen  Zwischenplatten.  Die  oberen  Enden 
der  genannten  zwanzig  Plattenreihen  grenzen  an  einen  Kreis  von  10 
Scheitelplatten,  welche  mit  jenen  unbeweglich  verbunden  sind; 
5  dieser  Platten  sind  etwas  grösser  und  entsprechen  je  einer  Doppel- 
reihe von  Zwischenplatten,  während  die  5  übrigen  den  Doppelreihen 
der  Porenplatten  entsprechen.  Jede  der  5  grösseren  Scheitelplatten 
ist  von  der  Ausmündungsöfifnung  einer  Geschlechtsdrüse  durchbohrt, 
sie  werden  desshalb  als  G cn  italplatten  bezeichnet;  eine  derselben 
ist  grösser  als  die  übrigen  und  enthält  ausser  der  Geschlechtsöffnung 
noch  eine  Menge  ganz  feiner  Löcher,  durch  welche  das  Wasser  in 
den  an  diese  Platte  sich  anheftenden  Steinkanal  eintritt:  die  Madre- 
porenplatte.  Die  5  kleineren  Platten  sind  ebenfalls  mit  je  einer 
Oeffnung  versehen,  welche  kleiner  ist  als  die  Geschlechtsöffnung,  und 
durch  welche  ein  Nerv  hindurchtritt,  der  sich  in  der  Haut  in  der 
Umgegend  der  Oeffnung  ausbreitet  (die  betreffende  Stelle  ist  besonders 
empfindlich).  Diese  Platten  werden  als  Augenplatten  bezeichnet, 
weil  man  früher  gemeint  hat,  an  jeder  derselben  wäre  ein  Auge  vor- 
handen. Die  Scheitelplatten  umgeben  ein  kleines  weicheres  Feld,  das 
Afterfeld,  in  welchem  die  Afteröffnung,  übrigens  nicht  genau  in 
der  Mitte,  sondern  etwas  excentrisch  ihren  Platz  hat,  und  welches  mit 
kleineren,  beweglich  verbundenen  Kalkplatten  versehen  ist.  Die  unteren 
Enden  der  Poren-  und  Zwischenplattenreihen  umgeben  ein  grösseres 
Feld,  das  Mundfeld,  welches  ebenfalls  kein  zusammenhängendes 
Skelet  besitzt;  in  der  Mitte  dieses  weicheren,  mehr  oder  weniger 
reichlich  mit  grösseren  oder  kleineren  Kalkplatten  versehenen  Gebietes 
findet  sich  die  Mundöffnung. 

In  der  beschriebenen  Weise  verhalten  die  Platten  der  Körper- 
wand sich  bei  den  vorzugsweise  regelmässigen  Seeigeln.  Von  diesem 
Typus  können  nun  andere,  weniger  regelmässige  abgeleitet  werden. 
Eine  leichte  Abweichung  finden  wir  bei  gewissen  Seeigeln,  welche 
noch  zu  den  „regulären"  gehören;  sie  besteht  darin,  dass  die  Schale, 
statt  kreisrund  zu  sein,  oval  ist,  während  die  Verhältnisse  übrigens 
wie  oben  beschrieben  sind  (Gatt.  Echinometra).  Bei  den  sogenannten 
irregulären  Seeigeln  sind  die  Abweichungen  grösser;  hier  ist 
das  ganze  Afterfeld  mit  dem  After  stets  aus  dem  Kreis  der  Scheitel- 
platten heraus  in  einen  der  Interradien  gerückt  und  erhält  seinen  Platz 
zwischen  zwei  Reihen  von  Zwischenplatten  in  geringerem  oder  grösserem 
Abstand  vom  Scheitel,  zuweilen  sogar  in  der  Nähe  des  Mundfeldes; 
die  Scheitelplatten  schliessen  dann  oben  zusammen,  und  der  regel- 
mässige Bau  der  Schale  kann  übrigens  fast  vollständig  bewahrt,  die 
Form  sogar  kreisrund  bleiben.  Derjenige  Interradius,  in  welchem 
das  Afterfeld  liegt,  wird  als  der  hintere  bezeichnet.  Grösser  ist 
die  Störung  der  radiären  Anordnung,  wenn,  wie  es  bei  vielen  irregu- 
lären Seeigeln  der  Fall  ist  (Fig.  77  B),  der  Mund  nicht  mehr  im 
Mittelpunkt  der  Unterseite  liegt,  sondern  nach  vorne  rückt;  dieses 
hat  einen  wesentlichen  Einfluss  auf  den  ganzen  Bauplan,  indem  der 


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144 


Specieller  Theil. 


Mund  nicht  etwa  in  einen  Radius  hineinrückt,  sondern  seinen  Platz 
in  dem  unteren  Pol  der  Hauptaxe  behauptet;  für  sämmtliche  Radien 
und  Interradien  ist  der  Mund  noch  immer  der  untere  Sammelpunkt. 
Hieraus  müssen  notwendigerweise  bedeutende  Aenderungen  sich  er- 
geben: sowohl  die  Radien  wie  die  Interradien  entwickeln  sich  wesent- 
lich verschieden  (vergl.  Fig.  77  B).  Es  mag  aber  hervorgehoben 
werden,  dass  wir  noch  immer  dieselben  20  Plattenreihen  wie  bei  den 
regulären  vorfinden;  und  auch  die  Augen-  und  Genitalplatten  be- 
wahren wesentlich  die  ursprünglichen  Verhältnisse,  abgesehen  davon, 
dass  meistens  nur  vier  (oder  gar  eine  geringere  Anzahl)  Genitalplatten 
vorhanden  sind.  —  Zu  den  schon  erwähnten  Abweichungen  kommt 
bei  manchen  irregulären  Seeigeln  noch,  dass  die  Porenplatten  an  der 
Oberseite  der  Schale  anders  als  an  der  Unterseite  entwickelt  sind 
(Verschiedenheiten  der  zugehörigen  Saugfüsschen  entsprechend,  vergl. 
unten);  manchmal  sind  auch  die  Porenplatten  des  vorderen  Radius 
von  den  übrigen  abweichend. 

Den  kleinen  glatten  Warzen  der  oben  erwähnten  Höcker,  welche 
in  grosser  Zahl  die  Schalenoberfläche  bedecken,  sind  bewegliche 
Kalk  stach  ein  eingelenkt,  welche  durch  Muskelfasern  an  der  Schale 
angeheftet  sind.  Die  Stacheln  erreichen  bei  den  regulären  Seeigeln 
meistens  eine  ansehnliche  Entwicklung,  bei  einigen  derselben  werden 
sie  sogar  ungemein  lang  und  dick  und  dienen  dann  als  wichtige  Be- 
wegungswerkzeuge neben  den  Sfiugfüsschen ;  bei  den  irregulären  bleiben 
sie  dagegen  kleiner  und  dünner,  sind  sogar  oft  borstenförmig.  Bei 
demselben  Seeigel  sind  die  Stacheln  übrigens  keineswegs  alle  von 
gleicher  Grösse;  bei  den  mit  grossen  Stacheln  versehenen  sind  auch 
kleinere,  ja  sogar  ganz  kleine  vorhanden.  Die  Stacheln  sind  gerade, 
im  Durchschnitt  rundlich;  es  können  aber  auch  gebogene  und  ab- 
geplattete Formen  vorkommen.  Ebenso  wie  die  Schale  aus  Ver- 
kalkungen in  der  Körperwand  besteht,  sind  diese  Stacheln  Ver- 
kalkungen in  Anhängen  der  Körperwand  und  ebenso  wie  die  Schale 
mit  einem  weichen  Ueberzug  bekleidet,  welcher  jedoch  an  der  Spitze 
derselben  oft  abgenutzt  wird.  —  Der  Schale  sind  auch  (vergl.  S.  130) 
gestielte  oder  ungestielte  Pedicellarien  eingelenkt. 

Die  Saugfüsschen  sind  bei  den  regulären  Seeigeln 
meistens  an  demselben  Thiere  sämmtlich  gleichgebildet,  am  Ende 
mit  einer  Saugscheibe  versehen,  welche  von  einer  durchlöcherten  Kalk- 
platte gestützt  ist;  seltener  sind  die  Saugfüsschen  der  Rückenseite 
etwas  von  den  übrigen  abweichend,  zugespitzt  und  zusammengedrückt. 
Bei  manchen  irregulären  Seeigeln  treten  die  Füsschen  dagegen 
in  mehreren  verschiedenen  Formen  auf:  1)  als  wirkliche  mit  einer 
Scheibe  versehene  Saugfüsschen;  2)  ähnlich,  aber  am  Ende  abge- 
rundet; 3)  als  Fühler,  pinselförmig,  mit  zahlreichen  Fäden  am  Ende 
(in  der  Nähe  des  Mundes);  4)  als  Kiemen  füsschen,  d.  h.  blatt- 
förmige, am  Rande  eingeschnittene  Anhänge  (auf  der  Rückenseite). 

Der  Mund  ist  bei  den  regulären  und  bei  einigen  irregulären 
Seeigeln  mit  einem  Kreise  von  5  sehr  kräftigen  Kalkzähnen  be- 
waffnet, welche  von  einem  ziemlich  complicirten  Gerüst  von  Kalk- 
stücken, der  sogenannten  Laterne  des  Aristoteles,  gestützt 
werden.    Die  Mehrzahl  der  irregulären  ist  dagegen  vollständig  zahnlos. 

Bei  den  regulären  Seeigeln  ist  die  Laterne  wieder  von  einem  mit  5 
aufwärts  gerichteten  Fortsätzen  versehenen  Kalkring  umgeben  und  gestützt, 
welcher  mit  dem  unteren  Rand  der  Schale  zusammenhängt;   bei  diesen 


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Stachelhäuter.  3.  Classe:  Seeigel. 


ur, 


Thieren  füllt  der  Kauapparat  einen  ansehnlichen  Theil  des  ganzen  Hohl« 
raumes  der  Schale  aas. 

Däs  Mundfeld  trägt  bei  den  meisten  regulären  Seeigeln  dicht 
am  Rande  der  festen  Schale  10  Kiemen,  verzweigte,  buschige  Aus- 
stülpungen der  Körperwand.   Bei  den  übrigen  fehlen  solche. 

An  der  Unterseite  der  Schale  in  der  Nähe  des  Hundfeldes  sind  auf 
den  Porenplatten  der  meisten  Seeigel  einige  ungefähr  kugelige,  kurz- 
gestielte Körperchen  eingelenkt,  welche  ein  Kalkskelet  von  einem  glasartig 
glänzenden  Aussehen  enthalten.  Diese  sogenannten  Sphäridien  sind 
wahrscheinlich  Sinnesorgane,  vielleicht  Geschmacks-  oder  Geruchs  Werkzeuge. 

Die  Seeigel  leben  in  zahlreichen  Gattungen  und  Arten  in  allen 
Meeren.  Auch  in  früheren  Erdperioden  waren  sie  reichlich  vertreten. 

1.  Ordnung.    Reguläre  Seeigel  (Echinoidea  reyufaria). 

Afterfeld  am  oberen  Pol.  Körper  in  der  Regel  ungefähr  kreis- 
rund. Stacheln  kräftig.  Zähne  vorhanden.  Kiemen  meistens  ent- 
wickelt. 

Die  regulären  Seeigel  ernähren  sich  theils  in  der  Weise,  dass 
sie  vermittels  ihrer  Saugfüsschen  andere  Thiere,  z.  B.  grössere  Krebs- 
thiere,  einfangen,  theils  werden  ßryozoen-  und  Hydroidenstöcke  u. 
Aehnl.  mitsammt  dem  auf  denselben  vorhandenen  kleineren  Thier- 
leben, ferner  auch  Algenbüschel,  von  ihnen  abgeweidet.  Einige  graben 
sich  Löcher  in  Felsen  und  nehmen  in  denselben  ihren  Aufenthalt. 

Als  Beispiele  nennen  wir :  Cidaris  mit  langen  kräftigen  Stacheln,  kiemen- 
los ;  Ediimis  mit  kleineren  Stacheln  (mit  ihm  ist  der  in  Fig.  76  abgebildete 
Toxopneustes  nahe  verwandt);  Eckitiomeira  mit  ovaler  Schale.  —  Von  den 
übrigen  Seeigeln  weicht  die  Gatt.  Asthenosoma  dadurch  ab,  dass  die  Skelet- 
platten,  welche  einander  mit  den  Bändern  schuppenartig  decken,  beweg- 
lich verbunden  sind. 

2.  Ordnung.    Irreguläre  Seeigel  (Echinoidea  irregidaria). 

Afterfeld  in  einen  Interradius  gerückt.  Körper  kreisrund  oder 
(häufiger)  oval.  Stacheln  klein,  öfters  borstenartig.  Meistens  zahnlos. 
Kiemen  fehlen. 

1.  Die  Schildigel  oder  Cly peastriden  (Gatt.  Clypeaster  u.  a.) 
weichen  durch  das  Vorhandensein  von  Zähnen  von  den  übrigen  Irregu- 
lären ab.  8chale  dickwandig,  Mund  unten  in  der  Mitte.  Fast  nur  in 
aussereuropäischen  Meeren. 

2.  Die  Herzige  1  oder  Spatangiden  (Gatt.  Spaiangus  u.  a.)  sind 
ahnlos,  Schale  meistens  dünn,  Mund  nach  vorn  gerückt.  Ernähren  sich 
durch  Aufnahme  des  Bodenroaterials  in  ihren  Darmkanal.  Mehrere  Arten 
in  der  Nordsee,  darunter  die  in  Fig.  77  abgebildete  Brütsopsis  lyrifera. 


4.  Classe.    Seewalzen  (Holuthurioidea). 

Die  Hauptaxe  ist  bei  den  Seewalzen  immer  länger  als  die  Seiten- 
axen,  meistens  sogar  mehrmals  so  lang  wie  diese,  so  dass  der  Körper 
gurken-,  wurst-  oder  wurmförmig  wird.  Hiermit  hängt  es  auch  zu- 
sammen, dass  die  Seewalzen  nicht  wie  die  übrigen  auf  einem  Ende 

Bot.,  Zoologe.  10 


146 


Specialer  Theil. 


der  Hauptaxe,  sondern  auf  der  einen  Seite  des  Körpers  ruhen ;  öfters 
ist  in  Folge  dessen  eine  Seite  besonders  entwickelt  oder  sogar  ab- 
geplattet (Fig.  79),  wodurch  der  strahlige  Typus  äusserlich  mehr  oder 
weniger  gestört  wird;  die  abwärts  gekehrte  Seite  wird  als  Bauch- 
seite, die  andere  als  Rückenseite  bezeichnet. 


Fig.  78.  Fi«.  79. 


Fig.  78.  Schema  einer  See  walze;  die  Körperwand  ist  aufgeschnitten  und  ausgebreitet. 
a  Aller,  c  Cuvier'sche  Organe,  g  Geschlechtsurgan,  k  Ringkanal  de«  Wassergefässsystema, 
kp  Kalkring,  l  Wasserlunge ,  via  Madreporen platte,  j>  Poli'sche  Blase,  r  radiäres  Wasser- 
gefäss,  t  Darm,  tt  Fangarme.  —  Nach  Ludwig,  geändert. 

Fig.  79.  Querschnitt  der  Körperwand  einer  See  walze,  schematisch.  a  radiäres 
WassergcfiUs ,  /  Längsrauskel ,  n  RadiHrnerv  (der  weisse  Fleck  oberhalb  n  ist  das  radiäre 
Blutgefäss),  t  Quermuskelschicht,  r  Köqierwand.  —  Nach  Ludwig. 

Fig.  80.  Querschnitt  durch  einen  Kadius  der  Körperwand  einer  See  walze.  nj> 
Ampulle,  6  radiäres  Blutgefäss,  »  Saugfusa ;  Übrige  Buchstaben  wie  in  der  vorigen  Fig.  — 
Nach  Ludwig. 

Ein  anderes  für  die  Seewalzen  sehr  charakteristisches  Verhältniss 
ist  die  Weichheit  der  Körperwand;  diese  ist  zwar  ebenso  wie  bei 
anderen  Stachelhäutern  mit  Verkalkungen  ausgestattet,  dieselben 
erreichen  aber  meistens  nicht  einen  solchen  Umfang,  dass  man  von 
einem  Hautskelet  reden  könnte.  Die  Verkalkungen  der  Haut  er- 
scheinen meistens  als  sehr  kleine,  oft  sogar  mikroskopische  Körperchen 
von  verschiedener,  oft  zierlicher  Form,  anker-  oder  radförmig  etc.; 
in  einigen  Fällen  sind  sie  grösser,  schuppenförmig,  hervorragend.  Den 


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Stach elhäutcr.   4.  Classe:  Seewalzen. 


147 


vordersten  Theil  des  Darmkanals  umgiebt  jedoch  eine  Anzahl  grösserer 
Kalkplatten,  die  einen  Kalkring  bilden,  welcher  verschiedenen 
Muskeln  zum  Ursprung  dient. 

Die  SaugfüS8chen  sitzen  bei  einigen  Seewalzen  in  5  meridionalen 
Feldern  an  den  Seiten  des  Körpers  entlang,  also  in  ähnlicher  Weise 
wie  bei  den  Seeigeln ;  bei  anderen  sind  sie  mehr  unregelmässig  über 
den  ganzen  Körper  zerstreut.  Bei  einigen  verhalten  sich  die  Saug- 
füsschen der  Rückenseite  von  denjenigen  der  Bauchseite  darin  ab- 
weichend, dass  ihnen  eine  Saugscheibe  fehlt,  während  letztere  einen 
solchen  besitzen;  bei  einigen  fehlen  die  Saugfüsschen  der  Rücken- 
seite. Gewisse  Seewalzen  entbehren  sogar  völlig  der  Saugfüsschen. 
—  Mit  dem  Wassergefässsystem  stehen  bei  den  Seewalzen  ausser  den 
Füsschen  auch  noch  eine  Anzahl  sogenannter  Fangarme  in  Ver- 
bindung, welche  in  einem  Kreis  den  Mund  umgeben  und  jeder  von  einem 
weiten  Kanal  durchzogen  werden,  welcher  vom  Wassergefässring  ent- 
spriogt.  Die  Fangarme  sind  entweder  am  Rande  eingeschnittene 
Platten  oder  baumförmig  verästelt  etc. ;  ihre  Anzahl  ist  verschieden 
(10,  20  oder  mehrere).  —  Bei  den  meisten  Seewalzen  öffnet  sich  der 
Steinkanal  (resp.  die  Steinkanäle,  es  sind  öfters  mehrere  vorhanden) 
nicht  auf  der  Oberfläche,  sondern  in  die  Leibeshöhle. 

Der  After  befindet  sich  am  hinteren  Ende,  in  dem  einen 
Körperpol.  In  den  Enddarm  münden  bei  den  meisten  Seewalzen  mit 
einem  gemeinsamen  kurzen  Stamm  zwei  sogenannte  Wasserlungen, 
baumförmig  verästelte  Hohlorgane,  von  denen  durch  den  Enddarm 
Wasser  aufgenommen  und  wieder  ausgestossen  wird ;  sie  sind  jeden- 
falls zum  Theil  von  Blutgefässen  umsponnen.  Am  Enddarm  hängen 
bei  einigen  Seewalzen  noch  die  sogenannten  Cuvi er' sehen  Organe, 
schlauchförmige  oder  traubige,  drüsenartige  Gebilde  von  unbekannter 
Function  (vielleicht  Excretionsorgane).  —  Die  Geschlechtsorgane 
münden  mit  einer  Oeffnung  vorn  auf  der  Rückenseite.  Die  meisten 
sind  getrenntgeschlechtlich,  einzelne  Hermaphroditen. 

Die  meisten  Seewalzen  ernähren  sich  ebenso  wie  die  Herzigel 
durch  Aufnahme  von  Sand  und  Schlamm  mit  den  darin  enthaltenen 
organischen  Theilchen  in  den  Darmkanal;  einige  sitzen  mit  ruhig 
ausgestreckten  Fangarmen  und  stecken  von  Zeit  zu  Zeit  die  Arme 
einen  nach  dem  anderen  in  den  Mund  hinein,  um  die  auf  ihrer  Ober- 
fläche gestrandeten  kleinen  Organismen  abzulecken.  Sie  sind  in  allen 
Meeren  vertreten. 

Als  Beispiele  können  angeführt  werden:  Oncumaria,  Füsschen  in  5 
Doppelreichen  von  Mund  bis  zum  After,  baumförmig  verästelte  Fangarme; 
HoliUJniria  mit  zerstreuten  Saugfüsschen,  welche  auf  dem  Rücken  conisch, 
auf  der  Bauchseite  cylindrisch  sind ,  Fangarme  schildförmig ;  Psalm,  auf 
der  Bauchseite  mit  einer  abgeplatteten  Partie,  auf  welche  die  Saugfüsschen 
beschränkt  sind ,  auf  dem  Rücken  mit  Kalkschuppen ;  Synapta ,  fusslos, 
wurm  form  ig,  mit  kleinen  Fangarmen,  mikroskopische  Kalkanker  in  der 
durchsichtigen  Haut.  Die  genannten  Gattungen  sind  sämmtlich  in  euro- 
päischen Heeren  vertreten.  —  Aus  der  Tiefsee  ist  in  der  neuesten  Zeit 
eine  ganze  Anzahl  eigentümlicher  Seewalzen  mit  abgeplattetem  Bauch, 
langen  Körperfortsätzen  etc.  (Elpidia  u.  a.)  bekannt  geworden. 


10- 


3.  Kreis.    Plattwürmer  {Plathehmnihes). 


Die  Plattwürmer  sind  bilateral  -  symmetrische ,  ungegliederte, 
meistens  stark  abgeplattete  Thiere.  Der  Körper  ist  weich,  Glied- 
maassen  fehlen;  dagegen  finden  sich  häufig  musculöse  Saugnäpfe  an 
der  Unterseite  des  Körpers.  Eine  Leibeshöhle  fehlt,  alle  Organe  sind 
in  eine  weiche  Bindegewebsmasse  eingebettet;  auch  ein  After  und 
ein  GefäsBsystem  fehlen  meistens  (die  Nemertinen  ausgenommen).  Der 
Darmkanal  ist  entweder  ein  einfacher  Sack,  oder  er  ist  mehr  oder 
weniger  verästelt  ;  er  fehlt  bei  vielen  schmarotzenden  und  bei  einigen 
freilebenden  Formen.  Der  Centraltheil  des  Nervensystems  ist 
durch  einen  doppelten,  am  vorderen  Körperende  liegenden  Nerven- 
knoten ,  das  Gehirn ,  vertreten ,  von  welchem  nach  den  verschiedenen 
Theilen  des  Körpers  Nervenstämme  ausgehen ;  nach  hinten  verlaufen 
vom  Gehirn  aus  mehrere  Längsstämme ,  unter  denen  ein  jederseits 
verlaufender  S ei tennerven stamm  sich  durch  seine  Stärke  beson- 
ders auszeichnet;  die  Längsstämme  sind  oft  durch  feine  Querstämme 
(Oommissuren)  verbunden.  Zuweilen  finden  sich  Augen,  seltener 
Gehörwerkzeuge,  von  einfachem  Baue  und  geringer  Grösse, 
am  vorderen  Körperende.  Der  Excretionsapparat  ist  in  der 
Form  eines  reich  verzweigten  Röhrensystems  vorhanden,  welches  sich 
meistens  am  hinteren  Tncil  des  Körpers  mit  einer  einfachen  oder 
doppelten  Mündung  öffnet  (seltener  sind  mehrere  OefV- 
nungen  vorhanden);  vor  seiner  Oeffnung  besitzt  der 
Hauptstamm  zuweilen  eine  contractile  Erweiterung  (Harn- 
reservoir). Besonders  charakteristisch  verhalten  sich  die 
feinsten  Endäste  des  Röhrensystems;  sie  enden  mit  je 
einer  kleinen  becherförmigen  Anschwellung,  welche 
durch  eine  grosse  Zelle  geschlossen  ist,  die  an  ihrer  dem 
Lumen  der  Röhre  zugekehrten  Seite  eine  sehr  kräftige  in 
die  Röhre  hineinragende  Wimpergeissel  trägt.  —  Die 
<i  mg'eVchwoi-  männlichen  und  weiblichen  Geschlechtsorgane  sind 
Umen  Astspi-  meistens  in  demselben  Individuum  vereinigt  und  besitzen 
tzeu  des  Ex-  in  der  Regel  einen  sehr  complicirten  Bau,  indem  die 
cretionsor-  Hoden  und  Eierstöcke  sehr  oft  in  grösserer  Anzahl  vor- 
^uttwumeT  nan^en  8mQ<  unQl  nocn  ausserdem  verschiedene  Drüsen 
(schematisch),  sich  jedem  System  von  Geschlechtsorganen  anschliessen, 
—  Orig.        ebenso  wie  auch  häufig  ein  Uterus  vorhanden  ist  etc. 


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Plattwürmer. 


149 


Von  den  Anhangsdrüsen  der  Geschlechtswerkzeuge  sind  die  bei  manchen 
Plattwürmern  vorhandenen  Dotterdrüsen  (Dotterstöcke)  besonders  hervor- 
zuheben. Wenn  solche  vorhanden  sind,  erreicht  das  Ei  nicht  die  volle  Grösse  im 
Eierstock,  sondern  erst,  nachdem  es  letzteren  verlassen  hat,  durch  Auf- 
nahme von  Material,  welches  in  den  Dotterdrüsen  gebildet  ist.  Von  anderen 
Drüsen  nennen  wir  die  allgemein  vorhandenen  Schalendrüsen,  deren 
Secret  in  gehärtetem  Zustande  die  feste  Schale  bildet,  welche  das  Ei  vieler 
Plattwürmer  umgiebt. 

A.  Ohne  After  und  Gefässsystem. 

1.  Strudelwürmer.     In   der  Regel  freilebend,    Oberfläche  mit 
Wimperhaaren.    Darmkanal  (meistens)  vorhanden. 

2.  Saugwürmer.    8chmarotzer,   ohne  Wimperhaare.  Darmkanal 
vorhanden. 

3.  Bandwürmer.    Schmarotzer,  ohne  Wimperhaare.  Darmkanal 
stets  fehlend.    Bilden  in  der  Regel  kettenförmige  Colonien. 

B.  Mit  After  und  Gefässsystem. 

4.  Nemertinen. 

1.  Ciasse.    Strudelwürmer  (Turbellaria). 

Die  Strudelwürmer  sind  Thiere  von  verschiedener,  meistens  jedoch 
geringer  Grösse,  deren  Körper  überall  mit  Wimperhaaren  be- 
kleidet ist,  welche  für  die  Bewegung  des  Thieres  (sowie  für  die  Ath- 
mung)  wichtig  sind;  viele  sind  lebhaft,  manche  prachtvoll,  gefärbt. 
Bisweilen  findet  man  ähnliche  Nesselzellen  in  der  Haut  wie  bei 
den  Cölenteraten.  Sie  sind  mit  Augen  von  verschiedener  Zahl, 
zuweilen  auch  mit  Gehörblasen  versehen;  häufig  findet  sich  auch 
ein  Paar  kurzer  Tentakel  am  Vorderende,  während  der  Körper 


Fig.  82.  Längsschnitt  eines  Strudelwunnes  (Cycloporu*  papülosua),  um  das  Verhalten 
des  Schlundes  zu  zeigen ;  von  den  durch  den  Schuitt  getroffenen  Organen  ist  nur  der  Darm 
eingezeichnet.  m  Mundötfnung,  p  vorstreckbarer  Schlund,  r  KUckenpapille ,  «  Saugnapf, 
/  Dann;       männliche,  9  weibliche  Gcschlcchtsöffnung.    Vergr.  —  Nach  Lang,  geändert. 


übrigens  gewöhnlich  glatt  erscheint,  nicht  selten  ist  jedoch  ein  kleiner 
Saugnapf  an  der  Unterseite  vorhanden.  Die  Mund  Öffnung  liegt 
auf  der  Unterseite,  bald  in  der  Nähe  des  vorderen  Endes,  bald  in 
der  Mitte,  bald  näher  oder  gar  dicht  am  hinteren  Ende;  sie  führt 
in  eine  Mundhöhle  hinein,  welche  oft  mit  einem  eigentümlichen,  vor- 
streckbaren musculösen  Schlund  (Pharynx)  ausgestattet  ist;  dieser 
Schlund  ist  ein  an  beiden  Enden  offener,  kürzerer  oder  längerer 
Schlauch,  welcher  mit  dem  einen  Ende  hinten  in  der  Mundhöhle  fest- 
geheftet ist,  während  das  andere  Ende  aus  der  Mundöffnung  hervor- 


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150 


Specieller  Thoil. 


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geschoben  werden  kann,  um  die  Beute  zu  ergreifen;  er  ist  als  eine 
grosse  musculöse  Ringfalte  der  Mundhöhle  aufzufassen.  In  anderen 
Fällen  ist  der  als  Schlund  bezeichnete  Theil  eine  einfache  musculöse 
ringförmige  Verdickung  der  Mundhöhlenwand  und  kann  nicht  hervor- 
geschoben werden ;  in  wenigen  Fällen  fehlt  er  sogar  völlig.  An  die  Mund- 
höhle schliesst  sich  der  eigentliche  Darm,  welcher  bei  einigen  ein 

einfacher  Sack  (Rhab- 
Fig.  83.  Fig.  84.  docölen)  ist,  während 

er  bei  anderen  Aeste 
aussendet  (Dendrocö- 
len),  welche  sich  im 
Körper  ähnlich  wie  die 
Rippen  eines  Blattes 
verästeln.  Bei  gewissen 
Strudelwürmern  fehlt 
der  Darmkanal,  wäh- 
rend jedoch  eineMund- 
öffnung  noch  vorhan- 
den ist ;  die  Nahrung 
wird  in  die  weiche 
Grundmasse  des  Kör- 
pers aufgenommen  und 
verdaut.  Der  herm- 
aphroditische Ge- 
schlechtsapparat 
mündet  auf  der  Unter- 
seite entweder  mit 
einer  einzigen  Oeff- 
nung  oder  mit  einer 
für   den  männlichen 

Fig.  83.    Umriss  eines  rhabdocölcu  Strudelwurms  {Mesosto-        %  _  i 

gpUndidum)  mit  eingezeichnetem  Dann  und  Gehirn,   c  Ge-  U11Q      emer  Dimeren 
hirn,  da  Dann,  ge  Gcschlechtsöffnung,  vi  Blundöffhung,  «  Schlund,  für     den  weiblichen 

Vcrgr.  —  Nach  v.  Graff.  Geschlechtsapparat ; 

Fig.  84.   l'mrias  eine»  rhabdocölen  Strudelwurms  (Provorter  Eierstöcke  Und  Hoden 
affinis)  mit  den  Geschlechtsorganen,  d  DotterdrU.se,  g  Drüseu     •    i     n.  •      *  1    Ul  ' 
mit  dem  männlichen  Apparate  verbunden,  ge  Geschlechtsöftuung,   Sl°Q  0IC.  ln  V1Gle  UCiPe 
u  Auge,  ov  Eierstuck,  j>  Penis,  i  Schlund  (Dann  fortgelassen),  Abschnitte  getheilt 
t  Hoden,  r  Samenleiter.    Vergr.  —  Nach  v.  Graft*.  über  den  ganzen  Kör- 

per zerstreut.  —  Bei 

einzelnen  Formen  findet  eine  Fortpflanzung  durch  Sprossung  vom 
Hinterende  statt.  —  Von  den  Meeres-Turbellarien  durchlaufen  einige 


Fig.  85. 


Fig.  86. 


Fig.  85.  Pümaria  laden,  ein  Susswasscr  -  Strudelwunn ,  Schlund  ausgestülpt,  vcrgr. 
Nach  O.  Schmidt. 

Fig.  8Ü.    Larve  einer  Meeres-Turbcllarie,  vergr.  —  Nach  Lang. 


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Plattwürmer.    1.  Classe:  Strudelwürmer. 


151 


eine  Metamorphose;  die  Larven  schwimmen  frei  umher  und  sind 
mit  Fortsätzen  ausgestattet,  welche  bei  den  erwachsenen  Thieren 
fehlen. 

Die  Strudelwürmer  leben  im  Siisswasser  und  namentlich  im 
Meere,  einzelne  auf  dem  Lande  an  feuchten  Stellen.  Vermittels  der 
Schwingungen  der  "Wimperhaare  und  durch  kleine  Bewegungen  des 
Körpers  gleiten  sie  im  Wasser  und  über  fremde  in  diesem  befindliche 
Gegenstände  fort.  Ihre  Nahrung  besteht  aus  anderen  Thierchen, 
z.  B.  kleinen  Krebsen,  welche  durch  den  Schlund  ergriffen  und  aus- 
gesogen werden. 

In  Deutschland  lebt  auf  dem  Lande  die  seltene  Geoplana  terrestris, 
welche  durch  die  geringste  Berührung  zerfliesst.  —  Im  Süsswasser  kommen 
verschiedene  Formen  häufig  vor,  unter  denen  die  bis  ein  paar  cm  langen 
Arten  der  Gatt.  Pkmaria  (mit  verzweigtem  Darmkanal,  Fig.  85)  die  be- 
kanntesten sind.  —  Zahlreiche  Arten  in  allen  Meeren. 


2.  Classe.    SaugWÜrmer  {Trematoda). 


Die  Saugwürmer,  welche  immer  als  Schmarotzer  leben,  sind 
mit  den  Turbellarien  nahe  verwandt.  Sie  unterscheiden  sich  von  diesen 
dadurch,  dass  sie  höchstens  im  Larvenzustande  Wimperhaare  an  der 
Oberfläche  besitzen,  während  ihnen  später  solche  fehlen;  sie  sind 
meistens  blass  oder  unansehnlich  gefärbt.  Der 
Körper,  welcher  eine  etwas  festere  Beschaffenheit 
als  derjenige  der  Strudelwürmer  besitzt,  ist  mit 
einer  deutlichen  Cuticula  versehen,  welche 
zuweilen  kleine  Dornen  trägt,  und  mit  einer 
verschiedenen  Anzahl  kräftiger  Saugnäpfe, 
zuweilen  auch  mit  chitinigen  Haken  ausgestattet ; 
diese  Haftwerkzeuge  sind  besonders  bei  den- 
jenigen Formen  stark  entwickelt,  welche  als 
Schmarotzer  auswendig  au  anderen  Thieren 
leben.  Augen  fehlen  meistens  bei  den  Binnen- 
schmarotzern, während  sie  öfters  bei  den  Aussen- 
schmarotzern  unserer  Gruppe  vorhanden  sind. 
Die  Mundöffnung,  welche  häufig  im  Grunde 
eines  Saugnapfes  sich  befindet,  liegt  meistens 
am  Vorderende  des  Thieres ;  sie  führt  in  einen 
mit  musculöser  Wand  versehenen  Schlund 
hinein,  welcher  als  Pumpapparat  wirkt.  Der 
Schlund  setzt  sich  in  den  eigentlichen  Darm  Darmkanal  des  Leb er - 
fort,  welcher  selten  ein  einfacher  Sack,1)  son-  »gel«,  oa. \.  *,  vorderer, 
dem  in  der  Regel  gabelförmig  in  zwei  sym-  ■ «  hinter"  Sau«"ai'f.  '« 

.  .     .       .      ,    °  .  ,        °.  ,      im    •  r         Darm.  —  Nach  Thomas. 

metrische  Aeste  getheilt  ist ,  welche  bei  einigen 

wiederum  feinere  Aeste  aussenden,  während  sie  bei  anderen  un- 
verzweigt bleiben.  Die  Geschlechtsöffnungen  finden  sich  ge- 
wöhnlich dicht  beisammen  an  der  Bauchseite,  weit  nach  vorne.  Die 
Saugwürmer    sind    durchweg   hermaphroditisch,    bei  einigen 


Fig.  87.     Umrisa  und 


')  Bei  vielen  „Ammen"  ist  der  Darm  jedoch  einfach  sackförmig,  bei  anderen 
fehlt  er  sogar  völlig  (vergl.  das  unten  von  Distomum  hepaticum  MUtgetheilte). 


152 


SpecieUer  Theil. 


(vergl.  unten)  kommen  aber  weibliche,  parthenogenetische  Genera- 
tionen vor. 

Die  ektoparasitischen  Saugwürmer  durchlaufen  einen  bewimperten 
Larven  zustand,  während  dessen  sie  frei  im  Wasser  umherschwärmen. 
Viel  complicirter  gestaltet  sich  die  Fortpflanzung  der  meisten  endo- 
parasitischen,  bei  denen  verschiedene  mit  einander  abwechselnde 
Generationen,  nämlich  je  eine  hermaphroditische  und  eine  oder  mehrere 
parthenogenetische  Generationen  auftreten,  somit  eine  Heterogonie 
stattfindet.  Aus  dem  befruchteten  Ei  der  hermaphroditischen  Gene- 
ration schlüpft  eine  bewimperte  Larve  aus,  welche  in  ein  niederes 
Thier,  meistens  eine  Schnecke,  einwandert  und  sich  dort  in  ein  sehr 
unvollkommenes  weibliches  Thier  („Amme")  verwandelt,  in  dessen 
Körper  sich  Eier  entwickeln  (von  dem  complicirten  Geschlechtsapparat 
der  nermaphroditischen  Generation  ist  höchstens  noch  eine  Ausfuhr- 
öffnung vorhanden);  ein  Darm  fehlt  demselben  oder  ist  als  einfacher 
Sack  vorhanden.  Die  von  dieser  Generation  erzeugten  Eier  entwickeln 
sich  ohne  Befruchtung  und  schon  im  mütterlichen  Körper,  und  die 
so  gebildeten  neuen  Individuen  werden  bei  einigen,  meistens  nach 
einer  Verwandlung  und  nachdem  sie  in  einen  anderen  Wirth  (ein 
Wirbelthier)  übergeführt  sind,  zu  der  hermaphroditischen  Generation, 
während  sie  bei  anderen  zu  einer  zweiten  weiblichen  (parthenogene- 
tischen)  Generation  werden,  welche  dann  erst  die  hermaphroditische 
Generation  erzeugt.  Die  hermaphroditische  Generation  ist  durchweg 
den  anderen  an  Ausbildung  der  Organe  und  an  Grösse  weit  über- 
legen, und  bei  den  meisten  ist  jene  allein  bekannt. 

1.  Ordnung.   Monogene  Saugwürmer  (Polystomme). 

Fast  immer  Ektoparasiten ,  in  der  Regel  mit  mehr  als  2  Saug- 
näpfen ,  oft  auch  mit  Haken ;  ohne  Heterogonie.  Die  meisten  sind 
Schmarotzer  an  Fischen  (Haut  und  Kiemen). 

1.  Die  Gatt.  Tristomum  umschliesst  grosse  (bis  ungefähr  2  cm  lange), 
breite,  mit  einem  sehr  grossen  Saugnapf  am  Hinterende  und  zwei  kleinen 
Saugnäpfen  am  Vorderende  ausgestattete  Arten,  welche  an  verschiedenen 
MeereBfischen  schmarotzen. 

2.  Polystotmim  integen-imum  (Fig.  90)  lebt  in  der  Harnblase  des 
Frosches;  am  vorderen  Ende  4  Augen,  am  hinteren  Ende  6  grosse  Saug- 
näpfe und  mehrere  Haken  von  verschiedener  Grösse.  Im  Frühjahr  werden 
die  Eier  abgelegt,  welche  durch  den  After  des  Wirthes  nach  aussen  gelangen 
und  sich  im  Wasser  im  Laufe  einiger  Wochen  entwickeln.  Die  Larven 
sind  mit  Wimpergürteln,  Augen  und  mit  einem  Kreis  von  16  Haken  auf 
einer  Scheibe  am  Hinterende  versehen;  die  Saugnäpfe  der  Erwachsenen 
fehlen  noch.  Die  Larven  wandern  in  die  Kiemenhöhle  der  Froschlarven 
hinein,  wo  sie  die  Wimperhaare  verlieren  und  ein  oder  zwei  Paare  von 
Saugnäpfen  ausbilden ;  sie  bleiben  hier ,  bis  die  Kiemen  des  Wirthes  zu 
schrumpfen  anfangen,  und  wandern  dann  (wahrscheinlich  durch  den  Darm- 
kanal des  Frosches)  in  die  Harnblase  hinein,  wo  sie  sich  weiter  entwickeln. 

3.  Diploxoon  paradoxum,  das  „Doppelthier",  lebt  an  den  Kiemen  ver- 
schiedener Süsswasserfische.  Die  Larve  ist  mit  Wimperhaaren  versehen, 
welche  verloren  gehen,  wenn  sie  sich  an  den  Kiemen  festgeheftet  hat. 
Der  junge  Schmarotzer  ist  ein  langgestrecktes  Thier  mit  zwei  Sang- 
näpfen am  Vorderende  und  mehreren  am  Hinterende ;  ausserdem  besitzt  er 
an  der  Bauchseite  etwas  hinter  der  Mitte  einen  Saugnapf  und  an  der 


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Plattwürmer.   2.  Clawe:  Saugwürmer. 


153 


Rückenseite  ungefähr  gegenüber  dem  letzteren  einen  kegelförmigen  Zapfen. 
Nach  einiger  Zeit  verbinden  sich  die  jungen  Thiere  paarweise  mit  einander, 
in  der  Webe,  dass  ein  Individuum  mit  seinem  Bauchsaugnapf  den  Bücken- 
zapfen eines  anderen  ergreift  und  letzteres  sich  dann  umdreht  und  mit  seinem 


ABC  D 

Fig.  88.  Diplouwn  paradoxum.  A  freischwimmende  Larve.  /.'  Einzelnindividuum. 
''Zwei  Individuen,  welche  angefangen  haben  sich  mit  einander  zu  verbinden;  das  linke 
hat  mit  seinem  Bauchsaugnapf  den  Ruckenzapfen  des  anderen  ergriffen.  D  Dieselben  nach 
erfolgter  Vereinigung;  jedes  hat  den  RUckenzapfen  des  anderen  erfaast.  b  Bauchsaug- 
napf, d  Darm,  h  Haftapparat  am  Hinterendc,  m  Mundöffnung,  r  RUckenzapfen.  — 
Sach  Zeller. 

Saugnapf  den  Rückenzapfen  des  ersteren  ergreift,  so  dass  die  Thiere  kreuz- 
weise mit  einander  verbunden  sind ;  in  dieser  Stellung  verwachsen  beide  und 
bleiben  lebenslänglich  vereinigt ;  nach  der  Verwachsung  wächst  das  Doppel- 
thier noch  bedeutend. 

2.  Ordnung.    Digene  Saugwürmer  (Distomeae). 

Endoparasiten ,  mit  1  oder  2  Saugnäpfen  (oder  ganz  ohne  solche); 
mit  Heterogonie.  Die  hermaphroditische  Generation  in  Wirbelthieren, 
die  jungfräulichen  in  niederen  Thieren. 

1.  IHstomum  hepaticum,  der  Leberegel.  Die  hermaphroditische  Gene- 
ration findet  sich  häufig  in  den  Gallengängen  der  Leber,  namentlich  beim 
Schafe  und  beim  Kind  (seltener  in  anderen  Säugethieren) ;  3  cm  lang. 
Ausser  dem  Saugnapf  am  Vorderende,  in  dessen  Grunde  die  Mundöffnung 
liegt,  findet  sich  in  einigem  Abstand  vom  Vorderende  ein  kleiner  Bauch- 
8augiiapf.  Die  mikroskopischen  Eier  gelangen  mit  der  Galle  in  den  Darm 
des  Wirthes  und  von  letzterem  in's  Freie  hinaus.  Fallen  sie  in's  Wasser 
oder  an  eine  feuchte  Stelle ,  so  entwickelt  sich  aus  jedem  eine  mit  zwei 
Augen  und  mit  Wimperhaaren  ausgestattete  Larve,  welche  am  vorderen  Ende 
einen  kleinen  Zapfen  besitzt,  vermittels  dessen  sie  sich  durch  die  Haut 
einer  bestimmten  Art  von  Süsswasserschnecken  (Limnntus  tmticatulus)  ein- 
l>ohrt;  ist  diese  kleine  Schnecke  nicht  an  der  betreffenden  Stelle  vor- 
handen, so  gehen  die  Larven  zu  Grunde.  In  die  Schnecke  eingedrungen, 
wirft  sie  das  Wimperkleid  ab,  und  in  dem  kleinen  darmlosen  Thiere 
(1.  „Ammen" -Generation)  bildet  sich  eine  Anzahl  von  Eiern,  während 
das  Thier  gleichzeitig  wächst.  Die  Eier  entwickeln  sich  allmählich  inner- 
halb der  Amme  zu  kleinen  Saugwürmern,  welche  sich  namentlich  durch  das  Vor- 
handensein eines  Schlundes  und  eines  einfachen  sackförmigen  Darmes  von  der 
Mutter  unterscheiden ;  sie  durchbrechen  die  Körperwand  der  Mutter  und 
wandern  in  der  Schnecke  umher,  deren  Leber  sie  verzehren  (2.  „Ammen-" 
Generation).    In  ihnen  entwickeln  sich  ebenfalls  Eier,  welche  zu  je  einer 


Specieller  Theil. 


kleinen  mit  gabeligem  Darm  und  schwanzartigem  Anhang  ausgestatteten 
„Cercarie"  werden,  die  durch  eine  Oeffnung  am  mütterlichen  Körper 
auswandert,  um  nachher  auch  aus  der  Schnecke  auszubrechen;  die  Cercarie 
Bchwimmt  einige  Zeit  lebhaft  im  Wasser  umher,  heftet  sich  dann  an  einer 
Pflanze  fest,  wirft  den  Schwanz  ab  und  sondert  einen  Schleim  aus,  welcher 
um  ihren  Körper  zu  einer  festen  Kapsel  erhärtet.  Wird  sie  in  diesem 
Zustand  von  einem  Schaf  oder  Kind  mit  der  Nahrung  aufgenommen,  so  löst 
sich  die  Kapsel  im  Magensaft  auf  und  der  junge  Saugwurm  wandert  in 


•V  4  5 

Fig.  8i>.  Diatomum  hepaticum,  1.  Neugeboren«  Larve.  /  Bohrzapfen,  ö  Auge.  — 
2.  Dieselbe  Ijuuge  Amine  erster  Generation),  nachdem  sie  in  die  Schnecke  eingedrungen  ist  und 
daa  Wimperkloid  verloren  hat.  k  Ei  —  3.  Ausgebildete  Amme  erster  Generation.  —  4.  Amme 
zweiter  Generation.  /  gliedmaasscnartigc  Vorsprtlnge ,  A  ,  — A  4  ausgebildete  Cercarien  inner- 
halb der  Amme,  k  Ccrcaricn-Embryo,  m  Mund,  ta  Darm,  v  Gcschlechtsöffnung.  —  5.  Cercarie. 
ku  Drüsen,  deren  Secret  die  Kapsel  bildet,  »V ,—  S9  die  beiden  Saugnapfe,  ta  Darm.  Alle 
Figg.  vergr.  —  Nach  Thomas;  4  etwas  geändert. 

die  Leber  hinein,  wo  er  sich  zur  Geschlechtsreife  entwickelt  (die  hernia- 
phroditische  Generation).  Eingekapselte  Leberegel  finden  sich  nicht 
nur  an  Wasserpflanzen,  sondern  auch  an  Landpflanzen,  indem  die  Schnecke 
häufig  das  Wasser  verlässt  und  auf  angrenzenden  Wiesen  umherwandert. 

2.  Leucochbtridum  parndoxttm  ist  eine  Saugwurm-Amme,  welche  in  der 
an  feuchten  Stellen  lebenden  Schnecke  Succinen  amphibia  schmarotzt.  Diese 
Ammenform  ist  dadurch  merkwürdig,  dass  sie  als  ein  vielfach  verästelter 
Schlauch  erscheint,  von  dessen  Aesten  einige  eine  sehr  starke  Entwicklung 
erlangen  und  als  dicke  lebhaft  gefärbte  Würste  in  die  Fühlhörner  der 
Schnecke  hineindringen  und  dieselben  stark  ausdehnen.  Verschiedene  insekten- 
fressende Vögel  reissen  die  soeben  erwähnten  Theile  des  Schmarotzers  aus 


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Plattwürmer.   2.  Clause:  Saugwürmer. 


155 


der  Schnecke ;  in  diesem  Fall  kann  die  Schnecke  weiter  leben  und  ein  neuer 
Ast  des  Leucochloridium  in  das  Fühlhorn  hineinrücken;  in  dem  Darmkanal 
der  betreffenden  Vögel  wie  auch  in  demjenigen  verschiedener  Sumpfvögel, 


Fig.  90.  Fig.  91. 


Fig.  90.  Poly$tomnm  integtrrimtm,  von  der  Bauchseite,  m  Mund,  e  Saugnapf,  /  Darm. 
—  Nach  Zeücr. 

Fig.  91.  A  Schnecke  mit  Ltucochloridium  parndorum  in  beiden  Fühlern,  B  dasselbe 
aui  der  Schnecke  herauspraparirt,  C  Dittmnum  tnacrosltnnum.  p  Penis,  a  ,  vorderer,  s  9  hin- 
lerer Sangnapf,  t  Darm.   A  und  B  natürl.  Gr.,  C        —  Nach  Zeller. 

welche  die  ganze  Schnecke  verzehren,  erlangen  die  in  den  Würsten  ent- 
haltenen jungen  Saugwürmer  ihre  vollständige  Entwicklung  und  werden  zu 
der  uormalgebauten  hermaphroditischen  -Generation,  welche  unter  dem 
Namen  Distomum  macrostomum  beschrieben  ist. 


3.  Classe.   Bandwürmer  (Cestoda). 

Die  Bandwürmer  unterscheiden  sich  dadurch  von  den  Saugwürmern, 
mit  denen  sie  nahe  verwandt  sind,  dass  ihnen  ein  Darmkanal 
fehlt,  und  dass  sie  fast  immer  durch  Sprossung  Ketten  bilden. 

Eine  Bandwurmkette  besteht  zuvörderst  aus  einem  ungeschlecht- 
lichen Individuum,  dem  sogenannten  „Kopf"  (Scolex),  welcher  mit 
Saugnäpfen,  Haken  oder  anderen  Haftapparaten  an  seinem  Vorder- 
ende ausgestattet  ist.  Hinter  dem  Kopfe  folgt  eine  grössere  oder 
kleinere  Reihe  von  „Gliedern"  (Proglottiden) ,  d.  h.  Geschlechts- 
individuen von  verschiedener  Entwicklungsstufe  und  verschiedener 
Grösse,  welche  durch  Einschnürungen  von  einander  getrennt  sind; 
die  dem  Kopfe  am  nächsten  sitzenden  Glieder  sind  die  jüngsten,  die  von 
ihm  entferntesten  die  ältesten  und  grössten;  neue  „Glieder"  werden 
dadurch  gebildet,  dass  die  hintersten  Theile  des  Kopfes  sich  abschnüren. 
Wenn  die  Entwicklung  der  Glieder  so  weit  vorgeschritten  ist,  dass 
sie  reife  Eier  in  grosserer  Anzahl  enthalten,  trennen  sie  sich  im  All- 
gemeinen von  der  Kette  ab;  in  einzelnen  Fällen  trennen  sie  sich  jedoch 
schon  auf  einer  früheren  Stufe  von  dieser  und  wachsen  selbständig 
weiter ;  in  anderen  Fällen  bleibt  die  Kette  dauernd  in  Zusammenhang. 
Die  Anzahl  der  Glieder  einer  Kette  kann  von  ganz  wenigen  bis  auf 
viele  Hunderte  steigen. 

Die  ausgebildete  Bandwurmkette  findet  sich  ausschliesslich  im 


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Plattwürraer.  3.  Classe:  Bandwürmer. 


157 


Darm  der  Wirbelthiere ,  an  dessen  Wand  sie  durch  die  am  Kopfe 
vorhandenen  Haftwerkzeuge  angeheftet  ist;  sie  ernährt  sich  durch 
Aufsaugung  des  Darminhaltes  (durch  die  Haut).  Der  Bandwurm  ver- 
lebt aber  nicht  sein  ganzes  Leben  an  dieser  Stelle  oder  in  demselben 
Wirth ;  auf  einer  jüngeren  Stufe ,  im  sogenannten  Finnen  zustande, 
lebt  er  in  einem  anderen  Wirth  und  in  einem  anderen  Theil  des 
Wirtbkörpers.  Im  Finnenstadium  besteht  der  Bandwurm  öfters  nur 
aus  dem  „Kopfe";  in  anderen  Fällen  jedoch  aus  dem  Kopfe  und  einer 
Anzahl  von  Gliedern,  welche  aber  niemals  geschlechtsreif 
Bind.  Die  Geschlechtsreife  wird  erst  erreicht,  wenn  die  Finne  in  den 
Darmkanal  eines  anderen  Wirthes  übergeführt  wird,  was  gewöhnlich 
in  der  Weise  stattfindet,  dass  der  zweite  Wirth  den  ersten,  und  damit 
den  Schmarotzer,  verzehrt.  Der  Finnenwirth  wird  meistens  in  der 
Weise  inficirt,  dass  er  die  dem  Bandwurmwirth  mit  den  Excrementen 
abgegangenen  Eier  (resp.  die  abgegangenen,  Eier  enthaltenden  Glieder) 
in  seinen  Darmkanal  aufnimmt;  die  Eier  enthalten  je  eine  Larve, 
ein  rundliches  mit  6  Haken  ausgestattetes  Thierchen,  welches  sich, 
nachdem  die  sie  umgebende  Schale1)  vom  Magensaft  aufgelöst  ist, 
durch  die  Magenwand  hindurchbohrt  und  zu  einer  Finne  wird. 

Mit  Rücksicht  auf  den  Bau  schliessen  die  Bandwürmer  sich,  vom 
Fehlen  eines  Darmkanals  abgesehen,  im  Ganzen  eng  an  die  Saug- 
würmer an.  Die  Geschlechtsorgane  sind  hermaphroditisch,  von  sehr 
complicirtem  Bau ;  sie  öffnen  sich  entweder,  ebenso  wie  bei  den  Saug- 
würmern, an  der  Bauchseite  der  Glieder,  oder  am  Rande  derselben. 

Den  Uebergang  zu  den  Trematoden  scheinen  die  bei  verschiedenen 
Fischen  schmarotzenden  Gattungen  Amphüitia  (beim  Stör)  und  Caryopkyüaem 
(hei  Karpfenfischen)  zu  bilden,  bei  welchen  es  nicht  zu  einer  Kettenbildung 
kommt :  der  ungegliederte  Körper  enthält  nur  einen  Geschlechtsapparat ; 
wie  andere  Bandwürmer  sind  sie  übrigens  darmlos  und  stimmen  auch  mit 
diesen  in  gewissen  speciellen  Verhältnissen  des  Geschlechtsapparates  etc. 
überein.  Gewisse  andere  Bandwürmer  sind  den  erwähnten  Formen  inso- 
fern ähnlich,  als  sie  äusserlich  ungegliedert  erscheinen,  während  sie  that- 
süchlich  wesentlich  andere  Verhältnisse  darbieten,  indem  eine  deutliche 
innere  Gliederung  durch  die  Mehrzahl  der  Geßchlechtsapparate  ausgesprochen 
ist ;  bei  solchen  Formen  kommt  es  nicht  zu  einer  Ablösung  der  Geschlechts  - 
individuen,  und  eine  derartige  Kette  kann  etwa  einer  derjenigen  Korallen- 
colonien  verglichen  werden,  deren  einzelne  Individuen  mehr  als  gewöhnlich 
mit  einander  zusammenmessen.  Als  Beispiel  eines  solchen,  äusserlich  un- 
gegliederten, aber  innerlich  gegliederten  Bandwurmes  kann  der  im  Dann 


Fig.  91.  Taenia  »vlium,  a  Stücken  des  Thieres  in  natürl.  Grösse,  *  Kopf 
allein,  vergr. 

Fig.  92.  Finnenzustand  derselben,  mit  ausgestülptem  («)  und  eingezogenem  Kopfe  (A). 
Vergr.  —  Nach  Leuckart. 

Ftg.  98.    Sechshakige  Larve  derselben,  vergr.  —  Natfh  Leuckart. 

Fig.  94.    Taniae  mediocaneüata,  Stücke  de»  Thieres  in  natürl.  Gr.  —  Nach  Leuckart. 
Fig.  95.    Finne   derselben,  mit   eingezogenem  Kopfe,   durchgeschnitten.    $  Saug- 
napf.   Tergr.  —  Nach  Leuckart. 

Fig.  96.  Bothriotephalu»  latut,  nat.  Gr.  —  Nach  Leuckart. 
Fig.  97.  Finnenzustand  desselben,  vergr.  —  Nach  Leuckart. 
Fig.  98.    Bewimperte  Larve  desselben,  vergr.  —  Nach  Leuckart. 

')  Diese  Schale  ist  keine  Eischale  in  der  gewöhnlichen  Bedeutung  dieses 
Wortes,  sondern  eine  vom  Embryo  abgesonderte  Hülle.  Die  „Eier"  sind  somit  in 
der  That  eingekaspelte  Embryonen. 


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ir,8 


Specieller  Theil. 


verschiedener  Wasservögel  schmarotzende  Riemenwarm  (Ligula  simpli- 
cissima)  genannt  werden. 

Die  meisten  Bandwürmer  der  Säugethiere  und  Vögel  gehören 
den  Gattungen  Taenia  und  Bothriocephalus,  namentlich  der  ersten,  an. 
Zahlreiche  andere  Gattungen,  besonders  bei  Fischen. 

1.  Taenia.  Der  Kopf  ist  mit  4  in  einem  Kreis  stehenden  Saugnäpfen 
ausgestattet;  mitten  auf  dem  Vorderende  findet  sich  bei  vielen  Arten  ein 
Kreis  nach  aussen  gerichteter  Haken ,  zuweilen  eine  grössere  Anzahl  an 
einer  Erhöhung;  bei  anderen  fehlen  die  Haken  völlig.  Die  reifen  Glieder 
sind  bei  einigen  langgestreckt,  bei  anderen  kurz  und  breit;  sie  enthalten 
einen  verzweigten  Eierbehälter  (Uterus).  Die  Geschlechtsöffnungen  meist 
am  Rande,  oft  abwechselnd  am  rechten  oder  linken  Rand  an  den  auf  einander 
folgenden  Gliedern. 

a.  T.  solium  lebt  im  Darmkanal  des  Menschen.  Der  Kopf  mit 
Hakenkranz,  die  reifen  Glieder  bedeutend  länger  als  breit.  Der  Kopf  un- 
gefähr von  Stecknadelkopfsgrösse,  die  reifen  Glieder  5  mm  breit.  Die  Kette 
erreicht  eine  Länge  von  etwa  3 — Vjz  m.  —  Die  embryonenhaltigen 
festschaligen  Eier  gehen  ebenso  wie  die  reifen  Glieder  mit  den  Excrementen 
nach  aussen.  Wenn  dieselben  von  einem  Schwein  verzehrt  werden,  wird 
die  Eischale  aufgelöst  und  die  sechshakige  Larve  bohrt  sich  durch  den 
Darm  in  den  Körper  ein,  wo  sie  meistens  in  den  Muskeln  (seltener  im  Herz, 
Gehirn  etc.)  ihren  Aufenthalt  nimmt,  um  daselbst  bedeutend  zu  wachsen 
und  sich  in  eine  Schweinefinne  (Cysticercus  cellulosae)  zu  verwandeln, 
einen  Bandwurmkopf  von  demselben  Aussehen  wie  derjenige  des  erwachsenen 
Bandwurmes,  aber  hinten  mit  einem  Anhang  in  Form  einer  erbsen- 
grossen,  mit  Flüssigkeit  gefüllten  Blase  versehen,  in  welche  der  Kopf  ein- 
gestülpt ist.  Wenn  die  Finne  in  den  Darmkanal  des  Menschen  übergeführt 
wird,  so  geht  die  Blase  zu  Grunde,  und  der  Kopf  entwickelt  sich  zu  einer 
Bandwurmkette.  —  In  selteneren  Fällen  können  die  Finnen  auch  bei  ver- 
schiedenen anderen  Säugethieren  vorkommen.  Auch  beim  Menschen  kommen  sie 
zuweilen  vor,  und  zwar  öfters  an  Stellen,  wo  sie  verhängnisvoll  werden  können, 
im  Gehirn,  im  Auge,  in  der  Herzwand;  der  Mensch  erhält  sie  ebenso  wie 
das  Schwein  durch  Aufnahme  embryonenhaltiger  Eier  durch  den  Mund. 

b.  T.  niediocanellafa  {=  T.  saginata  Leuck.),  ebenfalls  im  Darm 
des  Menschen  in  den  meisten  Ländern  häufiger  als  solium  (in  Deutschland 
scheint  es  in  den  meisten  Gegenden  umgekehrt  zu  sein).  Der  Kopf  ohne 
Hakenkranz,  aber  mit  sehr  kräftigen  Saugnäpfen;  die  Aeste  des  Eier- 
behälters zahlreicher  als  bei  T.  solium,  welcher  diese  Art  übrigens  sehr 
ähnlich  ist.  Erreicht  eine  Länge  von  7—8  m.  Die  Entwicklung  ähn- 
lich wie  bei  solium,  die  Finne,  Rinds finne,  in  den  Muskeln  des  Rindes 
(fast  nur  bei  diesem  Thier),  derjenigen  von  solium  sehr  ähnlich. 

c.  T.  coenurus.  Mit  Hakenkranz,  im  Darm  des  Hundes,  1  m  lang. 
Ihre  Finne,  Quese  oder  Drehwurm  (Coenurus  cercbralis),  lebt  im  Ge- 
hirn des  Schafes,  bei  welchem  sie  die  Drehkrankheit  verursacht.  Bei  der 
Finne  dieser  Art  wird  die  Blase  sehr  gross  (bis  hühnereigross  und  mehr) 
und  erzeugt  durch  Sprossung  eine  Mehrzahl  von  „Köpfen",  so  dass  die 
Quese  eine  Colonie  von  Bandwurmköpfen  mit  gemeinsamer  Blase  wird. 

d.  T.  echinocoecus.  Ein  ganz  kleiner  Bandwurm  (höchstens  5  mm 
lang)  mit  3—4  Gliedern ;  im  Darm  des  Hundes.  Die  Finne,  der  Ecliinococcus, 
in  Leber  und  anderen  Organen  deB  Rindes,  Schafes,  Schweines  und  des 
Menschen,  ist  eine  Blase,  welche  oft  eine  bedeutende  Grösse  erreicht  (bis 
kindskopfgross  und  mehr)  und  von  einer  dicken,  geschichteten  Guticula 
umgeben  ist.    Von  der  Blase  sprossen  ebenso  wie  bei  T.  coenurus  viele 


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Plattwürmer.   3.  Classe:  Bandwürmer. 


159 


kleine  Köpfe  hervor,  welche  aber  bei  dem  Echinococcus  immer  an  kleinen 
Einstülpungen  der  Wand  (vergl.  Fig.  99  B),  den  sogenannten  Brut- 
kapseln, gebildet  werden.  (Die  beim  Menschen  —  an  den  meisten  Stellen 
selten,  in  Mecklenburg,  auf  Island,  in  Australien  häufig  -  vorkommenden 


A  B 


Echinococcen  zeichnen  sich  dadurch  aus,  dass  sie  oft  eine  enorme  Grösse 
erreichen,  und  dass  innerhalb  der  grossen  Blase ,  der  Mutterblase ,  viele 
kleinere  Blasen,  Tochterblasen,  gebildet  werden,  welche  denselben  Bau  wie 
jene  besitzen;  die  Tochterblasen  scheinen  durch  Umbildung  von  der  Wand 
losgerissener  Köpfe  zu  entstehen.) 

e.  T.  cucuineriiM.  Der  Kopf  mit  einem  rüsselartigen,  mit  meh- 
reren Hakenkränzen  versehenen  Fortsatz ;  die  reifen  Glieder  länglich,  oval. 
%  m  lang.  Sehr  häufig  beim  Hund  und  bei  der  Katze,  selten  beim 
Menschen  (Kindern).  Die  blasenlose  Finne  lebt  im  Hunde-Haarling  (Tricho- 
deetes  canis),  neueren  Angaben  zufolge  auch  im  Hundefloh. 

2.  Bothriocephnlus.  Der  Kopf  mit  zwei  länglichen  Sauggruben,  ohne 
eigentliche  Saugnäpfe  und  ohne  Haken.  Die  Geschlechtsöffnungen  an  der 
Bauchseite  der  immer  kurzen  und  breiten  Glieder;  der  Eierbehälter  ist  ein 
unverzweigter  gewundener  Schlauch.  B.  latus,  der  breite  Bandwurm  des 
Menschen,  häufig  in  den  russischen  Ostseeprovinzen,  in  Finnland,  in  der 
Westschweiz ,  erreicht  eine  Länge  von  8 — 9  m.  Die  Finne  lebt  im 
Fleisch  des  Hechts  und  verschiedener  anderer  Süsswasserfische ;  sie  ist 
länglich ,  blasenloB ,  1  cm  lang.  In  welcher  Weise  der  Fisch  die  Finne 
erwirbt,  ist  unbekannt ;  die  Eier  des  Bandwurms  entwickeln  sich  im  Wasser, 
die  neugebornen  Larven  sind  mit  einem  Wimperkleid  versehen,  und  in 
ihrem  Inneren  sieht  man  die  gewöhnlichen  6  Haken;  es  ist  aber  nicht  ge- 
lungen, Fische  mit  diesen  Larven  zu  inficiren,  so  dass  es  möglich  ist,  dass 
die  Finne  zuerst  in  einem  anderen  Wirth  lebt,  bevor  sie  in  den  Fisch 
kommt.  Dagegen  hat  man  durch  Versuche  nachgewiesen,  dass  die  Hecht- 
finne in  den  Darmkanal  des  Menschen  (und  des  Hundes)  übergeführt  sich 
zn  B.  latus  entwickelt. 


160 


Specieller  Theil. 


4.  Classe.  Nemertinen  (Rhynchocoda). 

Die  Nemertinen  sind  in  der  Regel  langgestreckte,  öfters  sogar 
bandförmige  Thiere  von  bedeutender  Länge.  Am  vorderen  Ende 
findet  sich  an  jedem  Seitenrande  eine  spaltenförmige  wimperbekleidete 
Grube,  wahrscheinlich  ein  Sinnesorgan  (diese  Wimpergruben  sind 
auch  bei  gewissen  Turbellarien  vorhanden);  oben  am  Vorderende  ge- 
wöhnlich eine  Anzahl  kleiner  Augen.    An  der  vordersten  Spitze 

A  D  C  D 


Fig.  100.  Ä  Umriss  einer  Nemertine  mit  eingezeichnetem  Nervensystem,  B  do. 
mit  Gefasssystem,  C  do.  mit  Darm  und  Kussel ;  D  do.,  Vorderende,  mit  ausgestülptem  Rüssel. 
Schematisch,  a  After,  c  Wimperorgan,  ce  Gehirn,  co  Commissur,  d  Rückengefass,  dtt  Darm- 
kanal,  g  Giftdrüse,  l  Seitengefaas,  m  Rückziehmuskel,  r  Rüssel,  ro  Oeffhung  des  Kussels, 
rs  Rüsselscheide,  *  seitlicher  Nervenstamm,  t  Quergefass.  —  Orig. 

des  Thieres  findet  sich  eine  Oeffnung,  welche  in  einen  tiefen  ausstülp- 
baren Blindsack,  den  Rüssel,  führt;  im  Grunde  des  eingestülpten 
Blindschlauches  findet  sich  bei  manchen  Nemertinen  ein  spitzer 
Stachel,  welcher,  wenn  der  Rüssel  ausgestülpt  ist,  an  dessen  Spitze 
liegt,  und  häufig  mündet  an  derselben  Stelle  eine  Giftdrüse.  Bei 
anderen  fehlt  der  Stachel,  der  Rüssel  ist  aber  dann  mit  zahlreichen 
Nesselzellen  ausgestattet.  Der  eingestülpte  Rüssel  (Fig.  100  C)  ist  von 
einer  musculösen  Rüsselscheide  umgeben  und  der  Raum  zwischen 


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Plattwürmer.    4.  Clause:  Nemertinen. 


Ifil 


beiden  ist  durch  eine  Flüssigkeit  erfüllt;  durch  Oontractionen  der 
Rüsselscheide  wird  der  Rüssel  aus-(um-)gestülpt.  Vom  hinteren  Ende 
des  eingestülpten  Rüssels  geht  an  die  Wand  der  Rüsselscheide  ein 
langer  Muskel,  der  Rückzieh muskel  (lietractor),  welcher  den  aus- 
gestülpten Rüssel  zurückzieht  (vergl.  Fig.  100  D).  Der  Rüssel,  welcher 
als  Waffe  und  Greifwerkzeug  aufzufassen  ist,  steht  nicht  mit  dem 
Darmkanal  in  Zusammenhang;  letzterer  nimmt  seinen  Anfang  unten 
am  Vorderende  (hinter  der  Rüsselöffnung)  mit  einer  spaltförmigen 
Mundöffnung,  läuft  als  ein  meistens  mit  kleinen  seitlichen  Aus- 
stülpungen versehener  Schlauch  durch  den  Körper  und  öffnet  sich 
mit  einem  After  am  flinterende.  Das  Nervensystem  zeigt  den 
gewöhnlichen  Plattwurm- Typus;  die  Rüsselscheide  durchbohrt  den 
die  grossen  Gehirnknoten  verbindenden  Nervenstrang;  vom  Gehirn 
entspringt  jederseits  ein  nach  hinten  ver- 
laufender seitlicher  Nervenstamm  (welcher 
zahlreiche  Nervenzellen  enthält);  die  beiden 
Stämme  sind  bei  manchen  Nemertinen  durch 
zahlreiche  feine,  ober-  und  unterhalb  des 
Darmkanals  verlaufende  Quercommissuren 
verbunden,  und  von  ihnen  gehen  zahlreiche 
Nerven  ab.  Ausser  den  oben  genannten 
Wimpergruben  und  Augen  sind  bei  ein- 
zelnen Nemertinen  auch  Gehörblasen 
vorhanden.  Im  Gegensatz  zu  anderen  Platt- 
würrnern  besitzen  die  Nemertinen  ein  Ge- 
fässsystem,  meistens  aus  3  Hauptlängs- 
stämmen bestehend,  zwei  seitlichen  und 
einem  dorsalen,  welche  vorne  und  hinten  scheide 
mit  einander  in  Verbindung  stehen  und 

ausserdem  durch  Quergefässe  verbunden  sind;  das  Blut  strömt  im 
Rückengefäss  von  hinten  nach  vorne,  in  den  Seitenstämmen  von  vorne 


Fig.  101.  Schematischer  Quer- 
schnitt einer  Nemertine.  d 
KüVkengefÄ«* ,  //  Geschlechtsdrüse, 
A  Haut,  i  Dann,  /  SeitengetUss, 
im  Muskelschicht,  n  seitlicher  Ner 
veiistamin,  y<    Rüssel,  ps  Rdssel- 


t'ig.  102.  Drei  Larven  stufen  einer  Neincrt'me;  die  älteste  Larve  (C)  ist  ein  sogeu. 
f  tUJium.  <  Geigsei.  y  Gaatrulaiuuud ;  t  und  >'  I  laut  einst  ul|>  Unheil,  aus  welchen  ein  grosser 
Theil  de>  definitiven  Nemertinenkörper*  entsteht ;  m  Magen,  oe  Speiserühe.      Nach  Metschuikolf. 

11 


1R2 


Specieller  Theil. 


nach  hinten;  es  ist  farblos  oder  roth  gefärbt.  Die  Nemertinen  sind  fast 
immer  getrennten  Geschlechts;  die  Geschlechtsorgane  besitzen 
einen  weit  einfacheren  Bau  als  bei  anderen  Plattwürmern ;  sowohl  von 
Eierstöcken  wie  von  Hoden  sind  viele  vorhanden,  welche  mit  je  einem 
Ausführungsgang  an  der  Seite  des  Körpers  münden;  es  sind  keine 
Hülfsorgane  vorhanden. 

Einige  Nemertinen  durchlaufen  eine  Metamorphose,  welche 
dadurch  ausgezeichnet  ist,  dass  bedeutende  Theile  des  Larvenkörpers 
abgeworfen  werden.  Die  Larve,  welche  zuweilen  eine  sehr  eigen- 
tümliche Form  besitzt  (Fig.  102),  schwimmt  frei  im  Meere  umher. 

Die  Nemertinen  leben  grösstentheils  im  Meere,  wo  sie  sich  meistens 
am  Boden  aufhalten  ;  einzelne  im  Süsswasser  oder  auf  dem  Lande. 
Sie  ernähren  sich  von  anderen  Thieren. 

Eine  in  den  europäischen  Meeren  lebende  Nemertine,  Linens  longissimva, 
erreicht  bei  einer  Körperbreite  von  8  mm  zuweilen  eine  Länge  von 
13  m;  die  meisten  Arten  sind  nur  wenige  cm  oder  gnr  wenige  mm  lang. 


Anhang  zu  den  Plattwürmern: 

Räderthiere  {Rotatmi«). 

Die  Räderthiere  sind  meistens  mikroskopisch  kleine  Geschöpfe, 
welche  in  Grösse,  Aufenthaltsort  und  Lebensweise  an  die  Infusions- 
tierchen erinnern.    Die  hinterste  Partie  des  Körpers  ist  bei  den 


,l 


/>' 


Fig.  108.  A  Schein»  des  Baues  eines  weiblichen  Riidcrthieres,  von  der  Seite 
genehen.  Ii  Desgl.  eine«  Männchens.  «  After,  c  (ichirn,  ch  coiitractile  Blase,  d  Dotter- 
stock, er  Kxcrctionsorgan,  k  Keimstock,  m  Magen,  o  Mundöfl'nung,  or  Auge,  r  RadcrorKau. 
s  Schlundkopf,  t  Hoden,  c?  männliche  (iesihlechtsöffnung.  —  Orig.  (mit  Benutzung  von 
Figuren  von  Plate). 

meisten  Räderthieren  verschmälert  (der  Schwanz),  vom  übrigen 
Theil  (dem  Rumpf)  abgesetzt  und  mit  einem  Paar  kurzer  Anhänge 
oder  mit  einer  Haftscheibe  an  der  Spitze  versehen.  Am  vorderen 
Ende  des  Körpers  findet  sich  eine  mehr  oder  weniger  entwickelte 


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Räderthiere. 


1(53 


(zuweilen  gelappte)  Scheibe,  das  Räderorgan,  das  an  seinem  Rande 
mit  kräftigen  Wimperbaaren  besetzt  ist;  das  Räderorgan  ist  einerseits 
ein  Schwimmwerkzeug,  andererseits  strudelt  es  kleine  Theile  in  die 
unten  liegende  Mundöffnung.  Der  Rumpf  ist  bei  einigen  Räderthieren 
von  einem  festen  Chitinpanzer  (einem  verdickten  Abschnitt  der 
den  ganzen  Körper  bekleidenden  Cuticula)  umgeben,  welcher  mit 
Dornen  bewaffnet  sein  kann ;  in  anderen  Fällen  ist  der  Rumpf  wie 
auch  der  Schwanz  mit  feinen  Quereiuschnürungen  versehen,  welche 
eine  G  Ii e derun g  vortäuschen,  die  jedoch  keineswegs  im  Inneren 
des  Thieres  ausgesprochen  ist;  der  Schwanz  ist  oft  sehr  beweglich 
mit  dem  Rumpf  verbunden,  so  dass  die  Thiere  mit  seiner  Hülfe  egel- 
artig fortkriechen  können.  Der  Mund  führt  in  einen  musculösen 
Schlundkopf,  welcher  mit  mehreren  kleinen  Kiefern  versehen  ist, 
die  fortwährend  gegen  einander  klappen ;  der  Darmkanal  ist  übrigens 
kurz  und  einfach,  der  After  befindet  sich  gewöhnlich  auf  der  Rück- 
seite am  Grunde  des  Schwanzes  (bei  einigen  Formen  fehlt  ein  After). 
Das  Nervensystem  ist  dem  der  Plattw ärmer  ähnlich  (Gehirnknoten 
am  Vorderende  und  von  demselben  ausgehende  Nervenstämme);  ein 
»  oder  zwei  Augen  finden  sich  öfters  am  vorderen  Ende.  Die  Ex- 
cretionsorgane  schliessen  sich  eng  ah  die  der  Plattwürmer  an: 
es  findet  sich  ein  Paar  Hauptstämme  mit  kleineren  Aesten,  deren 
kolbige  Endanschwellungen  mit  denen  dir  Plattwürmer  übereinstimmen; 
die  Hauptstämme  münden,  meistens  nachdem  sie  sich  vorher  vereinigt 
und  eine  contractile  Endblase  erzeugt  hnben,  in  den  hintersten  Theil 
des  Dannkanals,  die  Kloake.  Ein  Gefässsystem  fehlt.  Die  Räder- 
thiere sind  getrennten  Geschlechts;  nur  bei  einzelnen  Formen 
stimmen  die  beiden  Geschlechter  in  derHauptsache  mit  einander  überein, 
meistens  sind  sie  ausserordentlich  verschieden:  die  Männchen  sind 
kleiner  als  die  Weibchen,  es  fehlt  ihnen  die  Mundöffnung  ganz,  ihr 
Darmkanal  ist  rudimentär,  so  dass  sie  keine  Nahrung  zu  sich  nehmen 
können;  es  geht  ihnen  ein  Panzer  ab,  selbst  in  den  Fällen,  wo  das 
Weibcheu  einen  solchen  besitzt,  und  der  Wimperapparat  ist  klein; 
sie  scheinen  in  geringerer  Anzahl  als  die  Weibchen  aufzutreten  und 
sind  lange  nicht  bei  allen  Gattungen  bekannt.  Der  kurze  Eileiter ') 
öffnet  sich  in  der  Regel  in  den  hintersten  Theil  des  Darmkanals,  der 
Samenleiter  auf  der  Rückenseite  am  Grunde  des  Schwanzes.  Die  Räder- 
thiere legen  zwei  verschiedene  Sorten  von  Eiern  ab,  nämlich  dünn- 
schalige Sommereier  und  dickschalige  Wintereier,  welche 
letztere  im  Herbst  gebildet  werden  und  überwintern.  *)  Die  Jungen 
machen  keine  Metamorphose  durch. 

Ueber  die  systematische  Stellung  der  Räderthiere  haben  lange  Zweifel 
obgewaltet:  sie  sind  bald  den  GliederfUsslern ,  bald  den  „Würmern"  zu- 
gezahlt worden.  Nach  den  in  der  letzten  Zeit  hinsichtlich  ihres  Baues 
bekannt  gewordenen  Thatsachen  scheint  es  sicher,  dass  sie  von  den  Platt- 


')  Der  (meistens  unpaare)  Eierstock  ist  nach  neueren  Untersuchungen  in 
einen  eigentlichen  Eierstock  (Keimstock)  und  einen  Dotterstock  getheilt,  welch 
letzterer  eine  Dottermasse  erzeugt,  die  von  dem  Ei  aufgesogen  wird. 

*)  Man  hat  vermuthet,  dass  nur  die  Wintereier  befruchtet  werden,  während 
die  Sommereier  unbefruchtet  bleiben,  dass  also  eine  parthenogenetische  Entwick- 
lung bei  letzteren  im  Gegensatz  zu  enteren  stattfindet ;  etwas  Sicheres  ist  aber  in 
dieser  Richtung  nicht  bekannt. 

11* 


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Specieller  Theil.  Räderthiere. 


wUrmera  abgeleitet  werden  müssen ;  von  ausschlaggebender  Bedeutung  ist 
der  Bau  des  Excretionsapparates ,  namentlich  der  Endäste  desselben ,  dann 
auch  die  Verhältnisse  des  Nervensystems ;  der  Bau  der  übrigen  Organe 
scheint  jedenfalls  einer  solchen  Zurückführung  nicht  zu  widersprechen. 

Die  Räderthiere  leben  grösstenteils  im  Süsswasser,  eine  geringere 
Anzahl  im  Meere.  Die  meisten  bewegen  sich  lebhaft  fort,  einige  sind 
jedoch  festsitzend  (von  einer  gallertigen  Hülle  umgeben).  Einzelne 
sind  Schmarotzer. 


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4.  Kreis.    Ruildwttrmer  (Nemathelminthes). 


Die  beiden  Hauptgruppen,  aus  welchen  der  Kreis  der  Rund- 
würmer besteht,  sind  derartig  von  einander  verschieden,  dass  es  in 
der  That  sehr  zweifelhaft  erscheint,  ob  sie  mit  Recht  zusammen- 
gestellt werden.  Beiden  Gruppeu  gemeinsam  ist  der  gestreckte 
cylindrische  Körper  und  der  kräftige  Hautmuskelschlauch,  welcher 
eine  wohl  ausgeprägte  Leibeshöhle  umschliesst.  Wimperhaare  fehlen. 
Die  Geschlechter  sind  im  Allgemeinen  getrennt. 

Welchem  der  übrigen  Thierkreise  die  Rundwürmer  sich  am  nächsten 
anreihen,  ist  vor  der  Hand  noch  nicht  deutlich  zu  erkennen :  was  bisher 
von  ihrem  Bau  bekannt  wurde,  scheint  keine  charakteristischen  Anknüpfungen 
an  andere  Gruppen  darzubieten. 


i.  Ciaöse.  Nematoden  oder  echte  Rundwürmer 

(Nematoda). 

Der  glatte  Körper  ist  fast  immer  langgestreckt,  cylindrisch,  nicht 
selten  fadenförmig,  gewöhnlich  an  beiden  Enden  etwas  zugespitzt. 
Er  ist  von  einer  dicken,  elastischen,  blassen 
Cuticula  umgeben,  unter  welcher  eine 
dünne  Oberhaut  liegt.  Unterhalb  dieser  liegt 
eine  einzige  Schicht  oft  sehr  grosser  Mus- 
kelzellen von  verschiedener  Form;  die 
Muskelschicht  ist  jedoch  von  4  sogenannten 
Längslinien  unterbrochen,  strangförmigen 
Theilen,  welche  der  Länge  nach  den  Körper 
durchlaufen,  eine  in  der  Mitte  des  Rückens, 
eine  auf  dem  Bauche,  eine  auf  jeder  Seite, 
und  somit  die  Muskelschicht  in  vier  lauge 
Streifen  theilen;  von  den  vier  Längslinien 
sind  die  beiden  Seitenlinien  am  stärksten 
entwickelt.  Der  Darmkanal  nimmt  seinen  Ungrfinie,  d  Da™,  t Excretions- 
Anfang  am  Vorderende  des  Thieres  mit  einer  *m  M*^eLnc!9? (Tben* 

mehr  oder  weniger  entwickelten  Mundhöhle,  de?BlchIItob« undeutlich) dornte 
welche  von  einer  festen  Cuticula  ausgekleidet  Langsiinic, «  Seitenlinie.  —  Orig. 


Fig.  1(14.  (Querschnitt  eines 
Nematoden,  Schema,    b  ventrale 


166 


Specieller  Theil. 


ist,  und  an  deren  Rande  öftere  lippen-  oder  zahnartige  Fortsätze  vor- 
handen sind.  Der  übrige  Theil  des  Darmkanals,  welcher  in  gerader 
Linie  durch  den  Körper  verläuft,  zerfällt  in  drei  Abschnitte:  ein 
musculöses  Schlundrohr,  welches  als  Pumpwerkzeug  fungirt,  die 
eigentliche  Darmröhre,  und  den  kurzen  Enddarm;  der  After 
befindet  sich  «auf  der  Unterseite,  in  der  Nähe  des  hinteren  Körper- 
endes. Die  centralen  Theile  des  Nervensystems  sind  durch  einen 
mit  Ganglienzellen  ausgestatteten  Nervenring  um  den  Schlund  herum 
vertreten ;  von  diesem  gehen  mehrere  Nervenstämme  aus,  unter  denen 
namentlich  zwei  hervorzuheben  sind,  welche  nach  hinten,  der  eine 
längs  der  Rückenseite,  der  andere  längs  der  Bauchseite,  beide  in  der 
Mittellinie,  verlaufen;  der  ventrale  Stamm  endet  hinten  mit  einem 
kleinen  Ganglion.  Von  Sinnesorganen  sind  die  kleinen  Tast- 
p  a  p  i  1 1  e  n  zu  nennen,  welche  allgemein  am  vordersten  und  am  hintersten 
Theil  des  Körpers  (letztere  namentlich  bei  den  Männchen)  angebracht 
sind;  bei  einigen  freilebenden  Nematoden  hat  man  kleine  Augen 
am  Vorderende  gefunden.  Der  Excretionsapparat  scheint  bei 
den  Nematoden  durch  ein  Paar  feine  Röhren  vertreten  zu  sein,  welche 
in  den  Seitenlinien  verlaufen  und  vorne  auf  der  Unterseite  mit  einer 
gemeinsamen  Oeffnung  ausmünden.  Der  Geschlechtsapparat 
besteht  beim  Weibchen  aus  zwei  langen,  gewöhnlich  stark  gewundenen 
Rühren ,  welche  mit  einem  kurzen  gemeinschaftlichen  Gang  auf  der 
Unterseite,  meistens  vor  der  Mitte  der  Körperlänge,  ausmünden ;  jeder 
Schlauch  besteht  aus  zwei,  jedoch  nicht  scharf  gesonderten  Abschnitten, 
dem  Eierstocke  und  dem  Eileiter,  welch  letzterer  als  Behälter,  oft 
auch  als  Brutstätte ,  der  zahlreichen  Eier  dient  und  häufig  bei  dem 
reifen  Weibchen  stark  ausgedehnt  ist.  Beim  Männchen  sind  Hode 
und  Samenleiter  durch  einen  einzigen,  in  der  Regel  langen,  gewundenen 
Schlauch  vertreten,  welcher  in  den  somit  eine  Kloake  darstellenden 
Enddarm  einmündet;  der  Schlauch  zerfällt  in  zwei  Abschnitte,  von 
welchen  der  Samenleiter  der  weitere  und  kürzere,  der  Hode  der  längere 
und  dünnere  ist.  Das  Männchen  ist  gewöhnlich  mit  einem  Be- 
gattungsorgan versehen,  welches  aus  zwei  krummen  Chitinnadeln, 
den  sogenannten  Spicula,  besteht,  die  in  je  einem,  in  die  obere 
Wand  der  Kloake  mündenden,  Säckchen  sitzen;  die  Spicula  ragen 
jedoch  mit  der  Spitze  in  die  Kloake  hinein.  Bei  der  Paarung  werden 
die  Spicula  aus  dem  After  geschoben  und  in  die  weibliche  Geschlechts- 
öffnung  eingeführt;  bei  einigen  wird  auch  die  Kloake  bei  derselben 
Gelegenheit  umgestülpt.  (Ueber  die  speciellen  Verhältnisse  bei  der 
Trichine  und  bei  den  Strongyliden  siehe  unten.)  Im  Allgemeinen  ist 
das  Männchen  dem  Weibchen  an  Grösse  mehr  oder  weniger  unterlegen, 
zuweilen  sind  auch  andere  hervortretende  Unterschiede  vorhanden. 
Die  Nematoden  legen  in  der  Regel  von  einer  festen  Schale  umgebene 
Eier  ab;  häufig  ist  die  Entwicklung  mehr  oder  weniger  vorgeschritten, 
wenn  das  Ei  abgelegt  wird;  nicht  wenige  sind  lebendiggebärend. 
Eine  ausgeprägte  Metamorphose  wird  im  Allgemeinen  nicht  durch- 
laufen, wenn  auch  die  Jungen  bisweilen  von  den  Erwachsenen 
nicht  ganz  unerheblich  abweichen.  Ungeschlechtliche  Fortpflanzung 
findet  nicht  statt. 

Die  meisten  Nematoden  sind  Schmarotzer;  eine  nicht  geringe 
Anzahl,  meistens  kleine  Formen,  sind  jedoch  freilebend,  im  Süsswasser, 
in  feuchter  Erde  oder  im  Meere;  einige  in  faulenden  Substanzen  oder 
in  lebenden  Pflanzen.    Viele  der  Schmarotzer  leben  in  verschiedenen 


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Rundwürmer.    1.  Classe:  Nematoden. 


167 


Perioden  ihres  Lebens  in  verschiedenen  Wirthen  oder  eine  Zeitlang 
frei,  zu  einer  anderen  Zeit  als  Schmarotzer;  überhaupt  bieten  die 
Lebensverhältnisse  dieser  Thiere  ein  bedeutendes  Interesse  dar. 

1.  Die  Spulwürmer  (Ascaris).  Rundwürmer  von  oft  ansehnlicher 
Grösse ,  am  Vorderende  mit  drei  vorstehenden ,  wohlentwickelten  Lippen, 
welche  zusammen  einen  vom  übrigen  Körper  abgesetzten  zapfenförmigen 
Theil  bilden.  Hierher  gehören :  Der  Spulwurm  des  Menschen ,  A.  luinbri- 
r»ük8,  häufig  im  Dünndarm,  namentlich  bei  Kindern  in  grösserer  Anzahl 
vorhanden  und  dann  nicht  ungefährlich;  auch  beim  Schwein.  Nährt  sich 
wahrscheinlich  vom  Darmschleim  (nicht  Blutsauger).  Ob  der  Wirth  durch 
die  Ueberführung  embryonenhaltiger  Eier,  also  direkt,  inficirt  wird,  oder 
ob  die  Jungen  zuerst  einige  Zeit  in  einem  anderen  (Zwischen-) Wirth  ver- 
leben, ist  unsicher  —  ersteres  aber  nach  neueren  Beobachtungen  das  Wahr» 
Bcbeinlichere.  Das  Weibchen  wird  bis  40  cm,  das  Männchen  25  cm 
laug  (beide  aber  meistens  nur  etwa  halb  so  lang).  Etwas  grösser  als  lum- 
bricoides  ist  die  A.  megalocephala  des  Pferdes,  bedeutend  kleiner  die  A.  mystax 
der  Katze  und  des  Hundes  (£  bis  1 2  cm ,  £  bis  6  cm  lang) ;  die 
letztere  Art  ist  dadurch  leicht  kenntlich,  dass  sie  eine  flügel-  oder  leisten- 
artige Hautfalte  an  jeder  Seite  des  Vorderendes  besitzt. 

2.  Der  Pfriem  enschwanz  ( Oryuris  venniciilaris).  Mit  drei  rudi- 
mentären Lippen ;  oben  und  unten  am  Vorderende  eine  longitudinale  Haut- 
falte. 2  nrit  pfriemenförmig  verlängertem,  schwanzartigem  Hinterende, 
l  cm  lang ;  $  ohne  Schwanz ,  kleiner  und  seltener  als  das  Weibchen. 
Häufig  im  Dickdarm  des  Menschen  (namentlich  bei  Kindern),  wo  er  sich 
vom  Darminhalte  ernährt;  öfters  in  sehr  grosser  Anzahl  vorhanden  und 
kann  dann  ernste  Leiden  verursachen.  Die  Infection  geschieht  wahrscheinlich 
einfach  in  der  Weise,  dass  die  Eier,  welche  aus  dem  Darme  des  Wirths 
mit  den  Excrementen  abgehen,  zufällig  in  den  Mund  (desselben  oder  eines 
anderen  Menschen)  hinein  gerathen  und  von  dort  in  den  Magen  gelangen, 
wo  die  Schale  vom  Magensaft  ')  aufgelöst  wird  und  das  in  ihr  einge- 
schlossene Junge  frei  wird.  Eine  weit  grössere  Art  (0.  ettmtla)  im  Blind- 
darm des  Pferdes. 

3.  Die  Strongyliden  (Gatt.   Strongylun,  Eustrongylus,  IJorhmius 
a.)  zeichnen  sich  besonders  dadurch  aus,   dass  das  Hinterende  des 

Männchen  mit  einer  die  Kloakenöffnung  umgebenden  häutigen  Glocke  ver- 
sehen ist,  welche  als  Haftwerkzeug  während  der  Paarung  dient;  die  Glocke 
ist  durch  radiäre  rippenartige  Verdickungen  gestützt.  Spicula  sind  ausser- 
dem wie  gewöhnlich  vorhanden.  Die  Strongyliden  sind  häufig  Blutsauger ; 
die  Mundhöhle  ist  oft  weit  und  mit  Chitinzähnen  oder  -spitzen  versehen. 

a.  Eustrongylus  gigas,  y  bis  meterlang  (12  mm  dick),  $  bis  '/«  m 
•*ng.  Im  Nierenbecken  (d.  h.  dem  vordersten  erweiterten  Theil  des  Harn- 
leiters) beim  Hunde,  Otter,  Seehunden  u.  a.,  sehr  selten  beim  Menschen. 
Lebensgeschichte  unbekannt. 

b.  Dodimius  duodenalis  (Fig.  107).  $  bis  2  cm  lang,  ^  1  cm; 
Mond  mit  kräftigen  Hakenzähnen.  Lebt  als  Blutsauger  im  Dünndarm  des 
Menschen;  ein  sehr  gefährlicher  Schmarotzer,  findet  sich  in  den  Tropen 
md  in  warmternperirten  Ländern  (Brasilien,  Aegypten,  Italien),  ferner  auch 
nördlicher,  z.  B.  an  einigen  Stellen  in  Deutschland,  in  Bergwerken  („ägyp- 
tische Chlorose**,  „Grubenkrankheit").    Die  Eier  verlassen  das  Mutterthier 


')  Die  Schale  der  Eier  kann  ebenso  wenig  wie  die  der  meisten  anderen 
Dwipschmarotzer  im  Darm  aufgelöst  werden,  sondern  muss  den  Magen  passiren, 
•«mit  dieses  geschehen  kann. 


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168 


Speoieller  Theil. 


und  den  Wirth  des  letzteren  und  durchlaufen  ihre  Entwicklung  in  feuchter 
Erde  oder  Schlammpfützen,  wo  das  Junge  auch  einige  Zeit  verlebt.  Nach 
kurzer  Zeit  kapselt  es  sich  ein  (die  Kapsel  besitzt  die  gestreckte  Form 
des  Thieres  und  ist  wahrscheinlich  eine  abgelöste  Cuticula)  und  wird  wahr- 
scheinlich in  diesem  Zustande  mit  dem  Trinkwasser  oder  in  ähnlicher  Weise 
aufgenommen. 

c.  Strongylus  armatiis,  der  Palissadenwurm  (letzterer  Name  stammt 
daher,  dass  ein  Kranz  von  Chitinspitzen  längs  des  Mundrandes  sich  befindet), 
^  bis  5  cm,  £  2—  3  cm  lang.  Im  Dickdarm  (namentl.  im  Blinddarm)  des 
Pferdes  sehr  häufig.  Im  ersten  Jugendzustand  lebt  er  im  Freien,  gelangt 
dann  wahrscheinlich  mit  dem  Trinkwasser  in  das  Pferd  hinein,  wo  er  zu- 
nächst in  gewissen  Arterien  (besonders  in  der  vorderen  Gekrösearterie) 
lebt,  welche  durch  die  Einwirkung  des  Schmarotzers  bedeutende  pathologische 
Veränderungen  erleiden  (Wurm- Aneurysmen);  später  tritt  er  in  den  Darm 
über,  wo  er  geschlechtsreif  wird.  In  welcher  Weise  die  Wanderungen  zu 
und  von  der  Arterie  stattfinden,  ist  nicht  näher  bekannt.  Weder  der  Auf- 
enthalt des  Wurmes  in  den  Arterien  noch  der  im  Darme  scheint  das  Wohl- 
befinden des  Pferdes  direkt  zu  stören ;  dagegen  können  geronnene  Bluttheile 
aus  den  Aneurysmen  nicht  selten  Verstopfungen  der  Darmgefässe  und  somit 
gefahrliche,  oft  tödtliche  Krankheiten  des  Wirthes  veranlassen.  —  Andere 
Strongyliden  leben  in  verschiedenen  Hausthieren;  darunter  die  gefährliche 
6'.  filaria  in  der  Lunge  des  Schafes. 

4.  Der  Peitschen  wurm  (Triehoce^halus  d-ixpir),  im  Dickdarm  (nament- 
lich im  Blinddarm)  des  Menschen  sehr  häufig;  der  vordere  Theil  des 
Körpers  zu  einem  langen  dünnen  Faden  ausgezogen,  welcher  in  die  Darm- 
schleimhaut eingebohrt  ist;  bis  5  cm  lang.  Das  Embryo  entwickelt  sich 
innerhalb  der  Eischale  an  feuchten  Stellen  oder  im  Wasser  und  kommt  von 
der  Schale  umschlossen  in  den  Darmkanal  hinein,  wo  das  Junge  die  Schale 
verlässt  und  Bich  weiter  entwickelt. 

5.  Die  Trichine  (Tiichina  apiralü).  Der  Körper  des  geschlechts- 
reifen  Thieres,  der  sogenannten  Darmtrichine,  sehr  dünn,  ^  3 — 3,/2  mm, 
i5  l1/*  mm  lang;  weibliche  Geschlechtsöffnung  weit  vorne;  Hinterende  des 
Männchens  mit  zwei  Zapfen,  die  Kloake  ausstülpbar,  fungirt  ab  Begattungs- 
organ, Spicula  fehlen.  In  geschlechtsreifem  Zustand  im  Dünndarm  des 
Menschen  und  verschiedener  Säugethiere,  namentlich  des  Schweines  und  der 
Ratte.  Die  Darmtrichine  gebärt  im  Darme  des  Wirths  eine  grosse  Menge 
mikroskopisch  kleiner  lebendiger  Jungen  (jedes  Weibchen  wenigstens  ca. 
1500),  welche  sich  sofort  durch  die  Darmwand  in  die  Leibeshöhle  desselben 
Wirths  durchbohren  und  sich  von  dort  in  die  Muskeln  begeben,  wo  jedes 
Junge  sich  in  eine  Muskelfaser  einbohrt,  welche  dadurch  anschwillt;  der 
äussere  Theil  der  angeschwollenen  Muskelfaser  erhärtet  zu  einer  citronen- 
förmigen  Kapsel  um  die  junge  Trichine,  welche  allmählich  bedeutend  (bis 
1  mm  Länge)  gewachsen  ist  und  jetzt  in  der  die  Kapsel  ausfüllenden 
breiigen  Masse  aufgerollt  hegt;  die  Kapsel  nimmt  nach  einigen  Monaten  Kalk- 
salze in  sich  auf  und  wird  hart  und  undurchsichtig.  Wenn  ein  Thier, 
welches  solche  eingekapselten  Muskeltrichinen  enthält,  von  einem 
anderen  (bei  welchem  die  Trichine  leben  kann)  gefressen  wird,  werden  die 
Kapseln  im  Magen  deB  letzteren  aufgelöst,  die  Trichinen  werden  frei  und 
entwickeln  sich  im  Laufe  weniger  Tage  zur  Geschlechtsreife,  paaren  sich, 
und  schon  eine  Woche  nach  der  Einwanderung  in  den  neuen  Wirth  gebärt 
die  Darmtrichine  ihre  ersten  Jungen;  das  $  lebt  im  Darm  gewöhnlich  nur 
5 — 6  Wochen  und  stirbt  dann  ab,  das  gescblechtsreife  Männchen  lebt  noch 
kürzere  Zeit.    Als  Muskeltrichinen  können  sie  dagegen  längere  Zeit,  bis 


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Rundwürmer.    1.  Claaee:  Nematoden. 


169 


Fig.  105. 

4  B  Fig.  106.  Fig.  108. 


Fig.  105.    D  a  r  in  t  r  i  c  h  i  ii  c  ii ,  A  9t  B  Vergr. 

Fig.  106.  II  u>  k  el  t  ri  c  h  i  nc  von  Muskelfasern  umgeben,  oberhalb  und  unterhalb 
ler  Kapsel  Fettzellen.  Vcrgr. 

Fig.  107.     Duchmiua  duodenali$,  A         B  9.  Vergr. 
Flg.  108.    Guinea  - Wurm  ( Filaria  mcJinntsU). 
Fig.  105—108  nach  1-cuckart. 


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170 


Specieller  Theil. 


mehrere  Jahre,  leben;  alte  Muskeltrichinen  fallen  übrigens  häufig  einer 
Verkalkung  anbei  in  und  sterben  ab.  Der  Mensch  wird  mit  Trichinen  durch 
den  Genuss  von  rohem  Schweinefleisch  inficirt,  das  Schwein  bekommt  meistens 
die  seinigen,  indem  es  Ratten  frisst,  letztere  werden  wahrscheinlich  trichinös, 
indem  sie  Abfälle  von  Schweiueschlächtereien  oder  abgestorbene  Genossen 
auffressen.  Die  Trichinen*  Krankheit  wird  wesentlich  durch  die  Wande- 
lung der  jungen  Trichinen  durch  den  Körper  und  durch  ihren  ersten  Auf- 
enthalt in  den  Muskeln  verursacht:  wenn  die  Wanderung  abgeschlossen 
ist  und  die  Trichinen  sich  eingekapselt  haben,  hören  die  Krankheits- 
symptome wesentlich  auf;  die  Genesung  erfolgt  aber  häufig  erst  sehr  all- 
mählich, und  zahlreiche  Fälle  enden  mit  dem  Tode. 

6.  Die  Fadenwürmer  (Gatt.  Fibiria  u.  a.)  sind  Thiere  von  sehr 
langgestreckter  Körperform,  welche  in  der  Regel  nicht  im  Darmkanal  des 
Wirths,  sondern  an  andern  Stellen  des  Körpers,  namentlich  im  Binde- 
gewebe leben.    Hierher  gehören: 

a.  Der  Guinea-  oder  Medina-Wurm  (F.  [Dmcunculus]  niedi- 
nensis)  lebt  im  Bindegewebe  unterhalb  der  Haut  oder  zwischen  den  Muskeln 
beim  Menschen ,  jedoch  nur  in  den  warmen  Theilen  der  alten  Welt.  Nur  das 
Weibchen  ist  bekannt ;  es  erreicht  eine  Länge  von  80  cm.  Beim  erwachsenen 
Thiere  ist  der  Darm  zusammengefallen  und  ein  After  fehlt  (die  Ernährung 
geschieht  durch  Aufsaugen  durch  die  Körperwand);  der  grösste  Theil  der 
Leibeshöhle  wird  von  dem  kolossalen,  eine  Ausführungsöffnung  entbehrenden 
Eileiter  eingenommen,  in  welchem  mehrere  Millionen  Junge  vorhanden  sind. 
Wenn  das  Thier  vollständig  entwickelt  ist,  bricht  es  durch  die  Haut  des 
Wirths  an  einer  Stelle  hindurch,  wo  sich  durch  den  vom  Schmarotzer  er- 
zeugten Reiz  ein  kleines  Geschwür  gebildet  hat.  Die  Jungen  bohren  sich 
in  Wasserflöhe  (Cycfops)  hinein ,  in  welchen  sie  gewisse  Veränderungen  er- 
leiden ;  der  Mensch  erhält  wahrscheinlich  den  Schmarotzer,  indem  er  zufällig 
die  Wasserflöhe  mit  dem  Trinkwasser  aufnimmt. 

b.  Filaria  immUus  (2  bis  25,  £  bis  17  cm)  im  Herz  und  im  Unter- 
hautbindegewebe des  Hundes;  die  Jungen  im  Blute.  Häufig  in  Ost- Asien, 
selten  in  Europa.  —  Auch  im  Blute  des  Menschen  sind  Filaria- Junge  ge- 
funden worden. 

7.  Merviis.  Fadenförmige,  afterlose  Rundwürmer,  welche  in  ver- 
schiedenen Insekten  leben,  aus  denen  sie  sich  schliesslich  herausbohren,  um 
ihre  letzte  Zeit  in  feuchter  Erde  zu  verleben,  wo  sie  geschlechtsreif  werden, 
sich  begatten  und  Eier  ablegen.  Die  Jungen  bohren  sich  in  Insekten  ein.  — 
Eine  ähnliche,  aber  etwas  complicirtere  Lebensgeschichte  besitzt  die  in 
ihrem  Bau  vom  gewöhnlichen  Nematoden-Typus  sehr  abweichende  Gatt. 
Gordiwi,  welche  im  erwachsenen  Zustande  im  Süsswasser  lebt. 

8.  Die  Anguillulinen  sind  eine  Abtheilung  grösstentheils  sehr 
kleiner  Rundwürmer,  welche  meistens  frei,  entweder  im  Wasser,  in  ver- 
schiedenen faulenden  Substanzen  oder  in  (an)  lebenden  Pflanzen  leben.  Als 
Beispiele  können  folgende  genannt  werden: 

a.  Tyknchus  tritiei,  Weizenälchen.  In  Weizenkörnern  findet 
man  zuweilen  eine  faserige  Masse ,  welche  bei  näherer  Untersuchung  sich  als 
eine  Anzahl  kleiner  eingetrockneter  Rundwürmer  erweist,  die  bei  Anfeuch- 
tung sich  wieder  beleben.  Wenn  solche,  sogenannte  „ Gichtkörner"  mit  ge- 
sunden Körnern  zusammen  ausgesäet  werden ,  verlassen  die  Rundwürmer 
jene,  steigen  an  den  jungen  keimenden  Weizenpflanzen  hinauf,  an  welchen 
sie  zwischen  den  Blattscheiden  angetroffen  werden ;  zuletzt  bohren  sie  sich 
in  die  Fruchtknoten  ein,  in  welchen  sie  geschlechtsreif  werden  und  ihre 
Eier  ablegen ;  aus  diesen  entwickeln  sich  die  Jungen,  welche  in  den  durch 


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Rundwürmer.    1.  CUuwe:  Nematoden. 


171 


Umbildung    der  Fruchtknoten    entstandenen    „Gichtkörnern"  angetroffen 

b.  Hekrodera  Sohaektü,  Rübenälchen,  verursacht  die  sogenannte 
Rübenmüdigkeit.  Die  Larve  bohrt  sich  in  die  feineren  Wurzeln  der  Runkelrübe 
(und  verschiedener  anderer  Pflanzen)  ein  und  entwickelt  sich  hier  zur  Geschlechts» 
reife.  Die  reifen  Weibchen,  welche  sich  durch  ihre  kurze  citronenformige 
Gestalt  auszeichnen,  stecken  mit  dem  hinteren  Theil  ihres  Körpers  aus  der 
Wurzel  heraus,  indem  die  Wurzel-Oberhaut  durch  sie  gesprengt  wird;  die 
langgestreckten  reifen  Männchen  bohren  sich  dagegen  ganz  aus  den  Wurzeln 
hervor  und  suchen  die  Weibchen  zur  Begattung  auf.  Das  befruchtete 
Weibchen  wird  zuletzt,  indem  die  Organe  zerfallen,  zu  einer  mit  Larven 
und  Eiern  gefüllten  Brutkapsel,  welche  schliesslich  von  der  Wurzel  abfallt. 

c.  Angttillula  arrti,  Essigälchen,  lebt  in  saurem  Kleister  und 

in  Essig. 

2.  Classe.    Kratzer  {Acardkocephali). 

Der  Körper  ist  cylindrisch,  gestreckt,  oft  querrunzelig,  ziemlich 
fest.  Am  vorderen  Ende  befindet  sich  ein  Fortsatz,  der  sogenannte 
Rüssel,  welcher  aus-  und  eingestülpt  werden  kann  und  mit  mehreren 
Querreihen  nach  hinten  gerichteter  Chitinhaken  besetzt  ist;  am  übrigen 


Hg.  109.  Hg  110. 


Hg.  109.   Kin  Kratzer  (Echinurhynchua).  —  Nach  l.ctukart. 

Hg.  110.  Vier  Stufen  ans  der  Entwicklung  von  Echinorhynrhua  proteua.  Vergr.  —  Nach 
Leuckart. 


Körper  oder  nur  am  vorderen  Theil  desselben  finden  sich  zuweilen 
ähnliche,  aber  kleinere  Dornen.  In  der  Haut  findet  sich  ein  eigen- 
tümliches, netzförmiges  G efässsy stem,  welches  sich  auf  zwei  im 
vorderen  Theil  der  Leibeshöhle  befindliche,  von  der  Körperwand  ent- 


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172 


Specieller  Theil.   Rundwürmer.   2.  dura:  Krateer. 


springende  längliche  Körper  (die  sogenannten  Lemnisken)  fortsetzt. 
Ein  Darmkanal  fehlt  völlig;  die  Nahrung  wird  durch  die  Ober- 
fläche aufgesogen,  und  das  Gefässsystem  und  die  Lemnisken  führen 
wahrscheinlich  die  von  der  Haut  aufgenommene  Nahrungsflüssigkeit 
weiter  in  den  Körper  hinein.  Das  Nervensystem  ist  durch  einen 
im  vordersten  Theil  des  Körpers  (am  Grunde  des  Rüssels)  gelegenen 
Nervenknoten  vertreten,  von  welchem  Nervenstämme  nach  vorn  und 
nach  hinten  gehen.  Sinnesorgane  fehlen.  Beim  Weibchen  findet  man 
Eier  von  verschiedener  Entwicklungsstufe  frei  in  der  Leibeshöhle; 
es  ist  nur  e  i  n  Eileiter  vorhanden,  welcher  in  der  Hauptsache  (er  hat 
einen  etwas  complicirten  Bau) ')  ein  an  beiden  Enden  offener  Schlauch 
ist,  dessen  vordere  Oeffnung  die  Eier  auffängt;  die  hintere  Oeffnung 
ist  die  Ausfuhröffnung,  welche  am  Hinterende  des  Körpers  sich  be- 
findet. Das  Männchen,  welches  gewöhnlich  kleiner  ist  als  das  Weib- 
chen ,  besitzt  zwei  Hoden,  deren  Ausführungsgänge  sich  zu  einem 
gemeinsamen  Samenleiter  vereinigen,  in  welchen  einige  Drüsen  münden, 
und  welcher  sich  mit  einem  ziemlich  weiten  ausstülpbaren  Sack  am 
Hinterende  des  Körpers  öffnet. 

Die  Kratzer,  welche  sämmtlich  zu  einer  Gattung,  Echinorhynchm, 
gestellt  werden,  leben  im  erwachsenen  Zustande  im  Darmkanal  ver- 
schiedener Wirthe,  besonders  Säugethiere,  mit  dem  Rüssel  in  der 
Schleimhaut  befestigt,  und  ernähren  sich  vom  Darminhalte.  Von 
Interesse  ist  ihre  Entwicklung.  Die  Eier  des  im  Darm  ver- 
schiedener Süsswasserfische  lebenden  E.  proteus  (eines  derjenigen 
Kratzer,  deren  Lebensgeschichte  am  besten  bekannt  ist)  gehen  mit 
den  Excrementen  der  Fische  ab  und  werden  von  einem  kleinen  Krebs- 
thier (Gammanis  pulex)  verzehrt,  in  dessen  Darmkanal  dann  aus  jedem 
Ei  eine  längliche  Larve  ausschlüpft;  diese  besitzt  an  ihrem  Vorder- 
ende einen  aus  etwa  10  Stacheln  bestehenden  Bohrapparat,  vermittels 
dessen  sie  sich  durch  die  Darmwand  in  die  Leibeshöhle  des  Krebses 
einbohrt,  in  welcher  sie  dann  umherwandert,  wächst  und  allmählich 
die  Form  des  ausgebildeten  Kratzers  annimmt.  Es  ist  eigenthümlich, 
dass  der  grössere  Theil  des  Körpers  des  erwachsenen  Kratzers,  die 
Haut  allein  ausgenommen,  sich  aus  einem  kleinen  Zellenklümpchen 
entwickeln  soll,  welches  im  Innern  der  jungen  Larve  bemerkbar  ist 
(Fig.  110),  während  der  übrige,  weit  grössere  Theil  der  Larve  sich 
in  die  Haut  des  erwachsenen  Thieres  umbilden  soll.  Wenn  der  Krebs 
von  einem  Fisch  gefressen  wird,  so  kommt  der  Kratzer  in  den  Darm- 
kanal des  letzteren  hinein  und  wird  hier  geschlechtsreif.  —  Der 
Riesen  kratz  er  (E.  yigas),  dessen  £  eine  Länge  von  50  cm  er- 
reichen kann  bis  9  cm),  lebt  als  erwachsenes  Thier  im  Darm  des 
Schweines,  als  Larve  in  den  Larven  des  Rosenkäfers  (Cetotiia  aurata). 


')  Bemerkenswerth  ist  es,  dass  der  Eileiterschlauch  eine  seitliche  Oeffnung 
besitzt,  durch  welche  die  unreifen,  von  der  vorderen  Oeffnung  aufgenommenen 
Eier  wieder  in  die  Leibeshöhle  hinauspassiren,  während  die  reifen  Eier  durch  den 
Schlauch  weiter  wandern. 


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r>.  Kreis.  GliederwUrmer  (Amewia). 


Der  langgestreckte,  bilateral-symmetrische  Körper  bestellt  aus 
einer  Anzahl  Glieder  oder  Segm  ente,  welche  äusserlich  durch 
Einschnürungen  gesondert  sind;  die  Segmente  haben  äusserlich  und 
innerlich  zu  einem  gewissen  Ann 
Grade  denselben  Bau,  wenn 
sie  auch  nie  alle  gleich  ge- 
baut sind,  indem  das  vor- 
derste (oder  mehrere  der 
vordersten)  und  das  hin- 
terste immer  abweichend 
sind;  häufig  sind  auch  son- 
stige Unterschiede  der  Seg- 
mente vorhanden,  wenn  sie 
auch  andererseits  durch- 
gängig selbst  bei  bedeuten- 
der Verschiedenheit  gewisse 
gemeinsame  Züge  bewahren. 
Eine  dünne  C  u  t  i  c  u  1  a  be- 
kleidet den  Körper.  Die 
Mundöffnung  findet  sich 
dicht  am  vorderen  Ende; 
der  aus  mehreren  Abschnit- 
ten bestehende  Darmka- 
nal durchläuft  gewöhnlich 
den  Körper  ohne  Windun- 
gen, während  er  nicht  sel- 
ten mit  seitlichen  Ausstül- 
pungen ausgestattet  ist ;  der 

A  fter  befindet  8ich  am  hin-  IH-    Nervensystem  verschiedener  BorMcn- 

teren  Körperende.  Die  cen-  wUrmcr  t' Aphrodite),  e  Gehirn.  9  B»uch- 

tralen  Theile  des  Nerven-  ßan*Hen'  0  Au^  Nad'  (i"*,ref^- 
Systems  bestehen  aus  einem  doppelten  Ganglion  oberhalb  des  vor- 
deren Endes  des  Darmkanals,  dem  Gehirn,  und  zwei  von  diesem 
ausgehenden  Nervenstämmen,  welche  zunächst  den  Munddarm  um- 
fassen und  dann  neben  einander  unterhalb  des  Darmkanals,  an  der 
Bauchwand  des   Körpers  entlang,   verlaufen;    in  jedem  Segment 


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174 


Specialer  Theil. 


schwellen  die  Stämme  zu  je  einem  Ganglion  an;  die  beiden  Ganglien 
eines  Segmentes  sind  durch  eine  längere  oder  kürzere  Quercommissur 
verbunden.  Die  beiden  Nervenstämme  sind  öfters  einander  dicht  an- 
gelagert oder  gar  verschmolzen,  in  welchen  Fällen  auch  die  Ganglien 
jedes  Paares  innig  vereinigt  sind.  Bei  Verschmelzung  mehrerer  auf- 
einander folgender  Segmente  rücken  die  zugehörigen  Ganglien  eben- 
falls zusammen  und  verschmelzen  dann  öfters  mit  einander.  Vom 
Gehirn  und  von  den  genannten  Bauchganglien  gehen  zu  den  ent- 
sprechenden Segmenten  Nerven  ab.  Von  Sinnesorganen  sind 
die  häufig  vorhandenen  Fühlfäden  (Tentakel  etc.)  und  die  Augen 
hervorzuheben;  letztere,  welche  meistens  einen  einfachen  Bau  und 
eine  geringe  Grösse  besitzen,   finden  sich  besonders  am  vorderen 


Fig.  IH. 


i 


Fig.  112.    Vonlerer  Theil  des  Gcfünmy-i  >   eine«  Borstenwurms,    d  Racken-, 

t  Rauchgefass,  c  pulsireude  Querbogen.  -   Nach  Gegenbaur. 

Fig.  113.  Schcinatischer  Flächenschnitt  eines  Borstenwurms.  um  die  Verhältnisse  der 
Segmontalo  rgane  zu  zeigen.  Ds  Scheidewand  der  Leibeshöhle  (an  der  Hinterseite  der 
Scheidewund  Geschlechtsorgane),  Ittr  Wimpcrtrichter.  —  Nach  Semper. 

Körperende,  zuweilen  aber  auch  an  anderen  Segmenten.  Seltener 
sind  Gehör  blasen  vorhanden.  Das  Gefässsystem  ist  gewöhn- 
lich sehr  wohlentwickelt;  in  der  Regel  findet  sich  ein  Längsstamm 
an  der  Rückenseite,  das  Rückengefäss,  und  ein  ähnlicher  an  der 
Bauchseite,  das  Bauchgefäss,  welche  durch  quere  Grefässbögen 
mit  einander  verbunden  sind.  Das  Rückengefäss  —  zuweilen  auch 
einige  der  Querbögen  —  pulsirt  und  fungirt  somit  als  Herz;  der 
Blutstrom  ist  im  Rückengefäss  von  hinten  nach  vorne .  im  Bauch- 
gefäss umgekehrt  gerichtet.  Von  den  genannten  Gefässen  gehen 
feinere  Aeste  zu  verschiedenen  Theilen,  zum  Darm  etc..  auch  zu  den 
Kiemen,  wenn  solche  vorhanden  sind.  Die  Blutflüssigkeit  ist  meistens 
gefärbt  (in  der  Regel  roth,  bisweilen  gelb  oder  grün).    Das  Gefäss- 


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Gliederwürmer. 


175 


system  ist  bei  eiuigen  (Borstenwürmern)  völlig  von  der  eine  besondere, 
farblose  Flüssigkeit  enthaltenden  Leibes  höhle  getrennt;  letztere 
ist  durch  Querscheidewände  (Dissepimente) ,  welche  den  Einschnü- 
rungen zwischen  den  Segmenten  entsprechen,  in  Abschnitte  ge- 
theilt,  von  denen  einer  auf  jedes  Segment  fallt.  In  anderen  Fällen, 
z.  B.  bei  den  Egeln,  steht  dagegen  das  Gefässsystem  mit  der  Leibes- 
höhle in  Zusammenhang,  welch  letztere  übrigens  bei  den  Egeln  von 
geringem  Umfange  und  in  mehrere  zu  gefässähnlichen  Blutbe- 
hältern umgebildete  Theile  gesondert  ist.  Bei  einigen  Glieder- 
würmern (gewissen  Borstenwürmern)  fehlt  ein  Gefässsystem  völlig. 
In  den  meisten  Segmenten  ist  ein  Paar  sogenannter  Segmental- 
organe vorhanden ,  welche  meistens  stark  gewundene ,  an  beiden 
Enden  offene  Drüsenkanäle  sind,  die  in  der  Leibeshöhle  mit  einem 
bewimperten,  trichterförmig  erweiterten  Theile,  dem  Wimpertrichter, 
ihren  Anfang  nehmen  und  unten  auf  der  Seite  ausmünden  (bei  den 
Borstenwürmern  am  Grunde  des  Bauchfusses) ;  öfters  ist  der  äusserste, 
der  Mündung  zunächst  liegende,  Theil  der  Segmentalorgane  blasen- 
förmig  angeschwollen.  Bei  manchen  Egeln  fehlt  die  innere  Oeffnung. 
Diese  Organe  sind  die  Excretionsorgane  der  Gliederwürmer, ') 
sie  dienen  aber  auch  öfters  dem  Thiere  in  anderweitiger  Weise, 
namentlich  als  Ausführungsgänge  für  Eier  und  Samen.  Die  Ge- 
schlechtsorgane verhalten  sich  sehr  verschieden  (vergl.  unten); 
einige  Gliederwürmer  sind  getrennt -geschlechtlich,  andere  herma- 
phroditisch. 

Die  Gliederwürmer  schliessen  sich  in  manchen  Beziehungen  ziemlich 
eng  an  die  N  e  m  e  r  t  i  n  e  n  an,  von  welchen  sie  wahrscheinlich  abzuleiten  sind. 
Denkt  man  sich,  dasa  die  beiden  seitlichen  Längsnervenstämme  der  Nemer- 
tinen  auf  die  Bauchseite  hinab  und  einander  nahe  gerückt  sind,  und  dass 
dieselben  an  den  Abgangsstellen  der  Seitennerven  mit  Anschwellungen  aus- 
gestattet worden  sind,  so  haben  wir  in  der  Hauptsache  das  Nervensystem  der 
Gliederwürmer.  Das  Rückengefäss  der  Nemertinen  entspricht  völlig  dem 
der  Gliederwürmer,  die  seitlichen  Längsgefasse  der  Nemertinen  sind  bei  den 
Gliederwürmern  zum  Bauchgefäss  verschmolzen,  die  bogenförmigen  Quer- 
ge fasse  sind  in  beiden  Abtheilungen  in  gleicher  Weise  vorhanden.  Manche 
Ghederwürmer  besitzen  zwei  Wimpergruben,  welche  denen  der  Nemertinen 
entsprechen.  Von  grossem  Interesse  ist  es  auch,  dass  manche  Gliederwurm- 
larven mit  einem  provisorischen  Excretion  sapparat,  den  sogen.  Urnieren, 
versehen  sind,  welche  jedenfalls  bei  manchen  Borstenwurmlarven  mit  ganz 
ähnlichen  geschlossenen  Endästen  ausgestattet  sind  wie  der  dauernde 
Excretionsapparat  der  Plattwürmer  und  ohne  Zweifel  diesem  entspricht.  — 
Durch  die  Gliederung  des  Körpers,  durch  die  eigentümlichen  Segmental- 
organe, durch  die  Ausbildung  einer  Leibeshöhle  etc.  sind  aber  andererseits 
bedeutsame  Unterschiede  allen  Plattwürmern  gegenüber  bezeichnet. 


1.  Classe.    Borstenwürmer  (Chaetopodal 

Der  Körper  ist  durch  deutliche  Einschnitte  in  eine  grössere 
Anzahl  Glieder  getheilt.  Wenn  man  von  dem  letzten  und  den  ersten 
Gliedern   absieht,  trägt  jedes  Glied  gewöhnlich  vier  sogenannte 

l)  Bei  einigen  Borsten würmern  scheiden  auch  die  Zellen  des  Leibeshöhlen- 
Epithels  Excretionsstoffe  aus,  welche  wahrscheinlich  von  den  Trichtern  der  Seg- 
mentalorgane aufgenommen  und  durch  letztere  nach  aussen  geführt  werden. 


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176 


Specieller  Theil. 


Borstenfüs8e  oder  Stummelbeine  (Parapodia),  zwei  an  jeder  Seite 
(Fig.  116).  Letztere  sind  kurze  Fortsätze  von  verschiedener  Form, 
welche  je  ein  Bündel  Chitinborsten  enthalten,  die  in  tiefen 
sackförmigen  Einstülpungen  der  Haut  eingepflanzt  sind;  die  Borsten 
sind  Cuticulargebilde,  welche  von  einer  grossen  Zelle  am  Boden  der 


Fig.  114.  Fig.  116. 


Fig.  114.  Schematicher  Schnitt  durch  die  Haut  eines  Boratenwurms.  r  Cuticula,  tp 
Oberhaut ;  ep  Oberhautzelle,  welche  die  Borate,  h,  ausscheidet ;  m  Muskelschichte,  m  Muskel 
zu  dem  unteren  Ende  des  Boratensackes.  —  <>rig. 

Fig.  115.  Vorderes  Ende  eines  Borateuwurms  (Schema),  h  Kopflappeu,  m  Mundsegment 
mit  c,  den  Tentakelcirrcu ;   /  das  folgende  Segment.  —  Orig. 

Einstülpung  ausgeschieden  sind;  durch  Muskeln,  welche  sich  am 
unteren  Ende  der  Borstensäcke  anheften,  können  die  Borstenbündel 
bewegt  werden.  Die  Borsten  haben  verschiedene,  oft  zierliche 
Formen;  zuweilen  ist  der  äusserste  Abschnitt  von  dem  schaftartigen 


A  B  C  D 


Fig.  116.  Schematische  Querschnitte  verschiedener  Borstenwürmer.  In  B  sind  der 
obere  und  der  untere  Borstenfuss  verwachsen,  in  0  ist  der  obere  (mit  Ausnahme  des  Cirrus) 
rudimentär,  in  D  (Regenwurm)  sind  die  Borstenftlsse  uur  von  je  zwei  Boraten  reprttaentirt. 
u  Stütznadel,  y  Kieme,  t  Klicken-,  t   Bauchcirrus.  —  Orig. 

Haupttheil  gesondert  und  mit  ihm  beweglich  verbunden;  oft  ist  die 
Spitze  hakenförmig  gebogen,  oder  der  Endabschnitt  kann  kämm- 
förmig  sein  etc.;  die  Borsten  können  sehr  lang  sein,  so  dass  sie  als 
lange  dünne  Haare  erscheinen,  oder  sie  sind  sehr  kurz  etc.  In 


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Gliederwürmer.    1.  Clawe:  Boratenwürmer. 


177 


jedem  Borstenbündel  befindet  sich  bei  sehr  vielen  Borstenwürmern 
eine  eigenthümlich  entwickelte,  dicke  und  steife,  dunkelgefärbte 
Borste,  welche  weit  tiefer  als  die  übrigen  eingepflanzt  ist,  die  Stütz- 
nadel {Acieulum),  Sehr  häufig  sind  die  beiden  Borstenfüsse  der- 
selben Seite  entweder  in  ihrer  ganzen  Länge  oder  nur  an  der  Basis 
mit  einander  verwachsen ,  so  dass  scheinbar  nur  e  i  n  Borstenfuss 
jederseits  vorhanden  ist;  jeder  hat  aber,  selbst  wenn  sie  derartig 
verwachsen  sind,  sein  Borstenbündel  und  seine  Stütznadel.  In 
anderen  Fällen  ist  der  obere  Fuss,  der  Rückenfuss,  rudimentär  oder 
fehlt  ganz.  Zuweilen  sind  die  Borstenfüsse  gelappt,  gross  und  kräftig 
entwickelt;  in  anderen  Fällen  sind  sie  ganz  niedrige  Hautwarzen  oder 
fehlen  als  besondere  Fortsätze  ganz  und  sind  nur  durch  die  zuge- 
hörigen Borstenbündel  dargestellt,  welche  dann  direkt  der  Körper- 
wand eingepflanzt  sind  (wie  z.  B.  bei  den  Regenwürmern).  Sehr 
selten  kommt  es  vor,  dass  die  Stummelbeine  zwar  vorhanden,  aber 
borstenlos  sind;  bei  einigen  Formen  fehlen  an  einigen  Segmenten 
Borstenfüsse  vollständig.  Von  der  oberen  Seite  des  Rückenfusses 
und  von  der  unteren  des  Bauchfusses  entspringt  am  Grunde  häufig 
ein  fühlerartiger  Anhang,  der  Rückencirrus  resp.  der  Bauch- 
cirrus;  bei  gewissen  Formen  sind  die  Rückencirren  an  einigen  oder 
allen  Segmenten  zu  grossen,  den  Rücken  überdeckenden  Blättern 
umgebildet. 

Die  beiden  vordersten  Segmente  verhalten  sich  abweichend.  Das 
erste  Segment,  der  Kopflappen,  welches  über  die  Mundöffnung 
hervorragt,  besitzt  keine  Borstenfüsse,  sondern  eine  Anzahl  (meistens 
1  -  9 ,  bei  manchen  Röhrenwürmern  eine  weit  grössere  Anzahl ,  bei 
zahlreichen  anderen  Borstenwürmern  dagegen  gar  keine)  meistens  faden- 
förmige Anhänge,  sogenannte  Palpen  und  Tentakel.  Das  zweite 
Segment,  das  Mundsegment,  welches  meistens  die  Mundöffnung 
trägt  (zuweilen  ist  diese  übrigens  weiter  nach  hinten  gerückt),  ist  jeder- 
seits mit  einem  rudimentären  Borsten fuss  ausgestattet,  welcher  wenige 
oder  keine  Borsten  trägt,  während  ihm  dagegen  ein  oder  zwei  wohl- 
entwickelte, nach  vorn  gerichtete  Girren,  die  sogenannten  Tentakel - 
cirren,  angefügt  sind.  Mit  dem  Mundsegment,  dessen  Anhänge 
übrigens  ebenso  wie  die  des  Kopflappens  ganz  fehlen  können,  sind 
häufig  ein  oder  mehrere  der  folgenden  Segmente  innig  verbunden, 
und  die  Borstenfüsse  und  Cirren  der  letzteren  sind  dann  denjenigen 
des  Mundsegmentes  mehr  oder  weniger  ähnlich.  Häufig  sind  das 
Mundsegment  und  die  folgenden  Segmente  stark  zusammengeschoben 
und  schwierig  zu  unterscheiden.  —  Das  letzte  Körpersegment  ist 
borstenlos  und  häufig  mit  zwei  langen  Anhängen,  den  Analcirren, 
ausgestattet. 

Die  Haut  ist  mit  einer  dünnen  zusammenhängenden  Cuticula 
bedeckt,  trägt  aber  trotzdem  häufig  an  begrenzten  Stellen  W imp e r- 
haare.  Die  Haut  mit  den  unterhalb  derselben  befindlichen  Muskel- 
schichten bildet  einen  kräftigen  Hautmuskelschlauch,  welcher 
eine  geräumige  Leibeshöhle  umschliesst;  letztere  ist  sehr  häufig 
durch  quere  Scheidewände  (Dissepimente),  welche  den  Einschnitten 
zwischen  den  Segmenten  entsprechen,  in  eine  Reihe  von  Abschnitten 
getheilt. 

Der  vorderste  Abschnitt  des  Darmkanals  ist  gewöhnlich  ein 
musculöser  Schlund,  welcher  rüsselartig  vorgestülpt  werden  kann; 

Bot,,  Zoolotfe.  19 


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178 


Specieller  Theil. 


er  ist  häufig  mit  Chitinzähnen  oder  -haken  in  grösserer  oder 
kleinerer  Anzahl  versehen.  Der  übrige  Theil  des  Darmkanals  ist 
meistens  ein  gerader  Schlauch  mit  schwachen  Einschnürungen  an  den 
Stellen,  wo  er  durch  die  Scheidewände  der  Leibeshöhle  hindurchtritt, 
seltener  ist  er  gewunden,  bei  einigen  kurzen  Formen  („Seeraupen") 
ist  der  gerade  Darm  mit  einer  doppelten  Reihe  von  Blindsäcken  aus- 
gestattet. Der  After  hat  seiuen  Platz  an  der  hinteren  Spitze  des 
Körpers  oder  auf  der  Oberseite  nahe  dem  Hinterende. 

Die  Augen,  welche  übrigens  bei  vielen  Borstenwürmern  fehlen, 
finden  sich  gewöhnlich  in  einer  Anzahl  von  2  oder  4  auf  dem  Kopf- 
lappen, zuweilen  aber  an  anderen  Theilen  des  Körpers,  bei  gewissen 
Röhrenwürmern *  z.  B.  an  den  auf  dem  Kopflappen  sitzenden  faden- 
förmigen Anhängen,  oder  bei  einzelnen  anderen  Formen  an  mehreren 
der  Körpersegmente.  —  Ein  Paar  (oder  mehrere  Paare)  Gehör- 
blasen finden  sich  bei  einigen  (z.  B.  beim  Sand  wurm)  in  der  Nähe 
des  Gehirns. 

Kiemen  von  verschiedener  Form  —  büschel-,  kämm-,  fadenförmig 
—  sind  bei  einem  Theil  der  Borstenwürmer  an  einer  grösseren  oder 
kleineren  Anzahl  von  Segmenten  vorhanden,  auf  jedem  Segment  ein 
Paar;  sie  haben  ihren  Platz  auf  der  Rückenseite,  an  der  Basis  des 
Rückenfusses.  Bei  vielen  Röhrenwürmern  (Serpula  u.  a.)  fungiren  die  auf 
dem  Kopflappen  sitzenden  Fäden  zugleich  als  Kiemen.  Die  Mehr- 
zahl der  Borstenwürmer  besitzt  aber  keine  besonderen  Athmungs- 
organe. 

Die  Geschlechtsorgane  verhalten  sich  sehr  verschieden  bei 
den  beiden  Hauptabtheilungen,  in  welche  die  Borsten würmer  getheilt 
werden:  den  Polychäten  und  den  Oligochäten.  Die  ersteren 
sind  fast  immer  getrennten  Geschlechts;  Eier  und  Samen- 
körperchen  werden  bei  ihnen  an  der  Innenseite  der  Körperwand  oder 
an  den  Scheidewänden,  in  der  Regel  in  einer  grösseren  Anzahl  von 
Segmenten  gebildet,  so  dass  sie  also  viele  Eierstöcke  oder  Hoden  be- 
sitzen, welche  übrigens  nicht  als  wohl  begrenzte  Organe,  sondern  nur 
als  verdickte  Stellen  der  Wand  erscheinen ;  die  Eier  und  der  Samen 
fallen  in  die  Leibeshöhle  und  werden  durch  die  Segmental organe  aus- 
geführt. Die  Oligochäten  sind  dagegen  hermaphroditisch,  und 
die  Eierstöcke  und  Hoden,  welche  abgegrenztere  Organe  sind,  finden 
sich  nur  in  wenigen  Segmenten,  ein  Paar  in  jedem  Segment;  von  Eier- 
stöcken findet  sich  im  Ganzen  nur  ein  Paar,  von  Hoden  ein  oder 
zwei  Paare.  Die  Oligochäten  sind  ferner  dadurch  abweichend,  dass  Eier 
und  Samen  von  besonderen  Kanälen  ausgeführt  werden,  welche  sich 
übrigens  ebenso  wie  die  Segmentalorgane  mit  einem  Wimpertrichter 
in  die  Leibeshöhle  öffnen ;  in  denselben  Gliedern  sind  aber  ausserdem 
Segmentalorgane  vorhanden,  und  jene  Kanäle  stellen  somit  nicht 
Segmentalorgane  dar.  Statt  der  Eileiter  ist  bei  einigen  Oligochäten 
nur  ein  Paar  Spalten  der  Körperwand  vorhanden. 

Bei  den  Regenwürmern  entwickeln  sich  die  Samenkörperchen  nicht  bis 
zur  Reife  in  den  Hoden  selbst,  sondern  die  Zellen,  aus  welchen  sie  ge- 
bildet werden,  lösen  sich  von  den  Hoden  ab  und  werden  in  eine  Anzahl 
besonderer,  an  der  inneren  Körperwand  angebrachter  Säcke  (Samenblasen) 
aufgenommen ,  welche  mit  je  einer  kleinen  Oeffnung  in  die  Leibeshöhle 
münden;  hier  wandeln  sie  sich  zu  Spermatozoon  um.  Bei  einigen 
Regenwürmern  finden  sich  ähnliche  Behälter  auch  flir  die  Eier.  —  Bei  den 
Regenwürmern  (und  anderen  Oligochäten)  sind  ferner  einige  Säcke  (Samen- 


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Gliederwürmer.    I.  ClaBse:  Borstenwürmer. 


179 


taschen)  vorhanden,  welche  auf  der  Oberfläche  des  Thieres,  aber  nicht  in 
die  Leibeshöhle,  münden,  und  welche  während  der  wechselseitigen  Paarung 
den  Samen  von  dem  anderen  Individuum  aufnehmen. 

Bezüglich  des  Nervensystems,  des  Gefässsy stenis  und 
des  Excretionsap parates  wird  auf  das  über  die  Gliederwürmer 
im  Allgemeinen  Mitgetbeilte  hingewiesen. 

Die  Entwicklung  der  Polychäten  ist  mit  einer  ausgeprägten 
Metamorphose  verbunden,  welche  den  Oligochäten  abgeht.  Die 
Polychätenlarven  sind  frei  schwimmende,  mit  Wimperhaaren  ausge- 
stattete Thiere;  das  Wimperkleid  ist  bei  einigen  über  den  ganzen 


Fig.  117. 


Fig.  117.  Schematiche  Darstellung  des  Ueschlechtsapparates  eine«  Regen- 
wurms: das  Thier  ist  in  der  Mittelline  des  Kückens  aufgeschnitten  und  ausgebreitet.  8 — 14 
»chtes  —  vierzehntes  borstentragendes  Segment,  o  Eierstock,  od  Kileiter,  sh  Samenblase, 
»9  Samentasche,  t  Hoden,  rd  Samenleiter,  rd'  dessen  äusseres  Ende,  a-  Eierbehttlter.  Die 
tjuerlinien  deuten  die  Scheidewände  an.  —  Orig. 

Fig.  118.    Larve  von  Nerei».    a  After,    m  Mund,  o  Auge.  —  Nach  Götte. 

Körper  gleichmässig  verbreitet;  bei  anderen  findet  sich  ein  starker 
Wimperreif  an  dem  oft  scheibenförmig  verbreiteten  Vorderende,  öfters 
ausserdem  einer  am  Hinterende;  oder  es  ist  eine  grössere  Anzahl 
Wimperreifen  vorhanden ,  etc.  Der  Larvenkörper  ist  anfangs  kurz, 
Borstenfüsse  sind  keine  oder  wenige  vorhanden ;  dann  streckt  er  sich 
etwas  in  die  Länge,  theilt  sich  in  einige  wenige  mit  Borstenfüssen 
ausgestattete  Segmente;  allmählich  wird  die  Länge  bedeutender,  die 
Anzahl  der  Segmente  und  der  Borstenfüsse  grösser.  Zuweilen  sind 
bei  Gliederwürmern,  denen  als  Erwachsenen  Augen  und  Gehörblasen 
abgehen,  solche  im  Larvenzustande  vorhanden. 

Eine  ungeschlechtliche  Fortpflanzung  kommt  bei  einer 
nicht  geringen  Anzahl  Borstenwürmer  beider  Hauptgruppen  vor.  In 
einzelnen  Fällen  findet  eine  einfache  Querth  eilung  statt;  das  Thier 

12* 


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180 


Specieller  Theil. 


theilt  sich  quer  durch  in  zwei  ungefähr  gleich  grosse  Theile,  von  welchen 
der  hintere  vor  der  Trennung  an  seinem  vorderen  Ende  einen  neuen 
Kopflappen,  eine  Mundöffnimg  etc.  bildet,  während  das  vordere  ein 
neues  Hinterende  erhält.  In  anderen  Fällen  haben  wir  es  mit  einer 
Sprossung  zu  thun :  das  hinterste  Segment  oder  eine  Anzahl  der 
hinteren  Segmente  strecken  sich  in  die  Länge  und  entwickeln  sich 
zu  einem  neuen  Individuum,  welches  sich  nachher  vom  mütterlichen 

Individuum  abtrennt.  Zuweilen 
fängt  das  letztere  schon  vor  der 
Ablösung  des  neuen  Individuums 
an,  aus  seinem  jetzigen  Hinterende 
ein  zweites  neues  Individuum  zu  er- 
zeugen (vor  dem  erstgebildeten), 
was  sich  wiederholen  kann,  so  dass 
wir  Ketten  bekommen,  welche  je 
aus  einem  vordersten  Mutterindivi- 
duum und  mehreren  Knospen  be- 
stehen, von  denen  die  hinterste 
die  älteste  und  längste,  die  der 
Mutter  zunächst  sitzende  die  jüngste 
ist  (Fig.  119).  Es  ist  übrigens  leicht 
einzusehen,  dass  eine  scharfe  Grenze 
zwischen  Theilung  und  Kuospung 
bei  den  Borstenwürmern  nicht  ge- 
zogen werden  kann;  in  beiden 
Fällen  wird  eine  Anzahl  der  hin- 
teren Glieder  des  ursprünglichen 
Individuums  zu  einem  neuen  In- 
dividuum; im  ersteren  Fall  geht 
eine  grössere  Anzahl  Segmente  in 
das  neue  Thier  über,  im  letz- 
teren Fall  eine  geringere  Anzahl 
oder  ein  einziges.  —  Bei  einigen 
Borstenwürmern  hat  man  gefunden,  dass  die  Sprossen  erzeugenden 
Individuen  keine  Geschlechtsstoffe  entwickeln,  während  dieses  bei 
den  durch  Sprossung  erzeugten  der  Fall  ist,  so  dass  wir  in  diesem 
Fall  einen  regelmässigen  Generationswechsel  haben;  in  anderen 
Fällen  werden  aber  beide  Sorten  von  Individuen  geschlechtlich. 

Eine  seitliche  Sprossung  ist  bis  jetzt  nur  bei  sehr  wenigen  (polychiten  ) 
Borstenwürmern  beobachtet  worden.  Einer  derselben  (SyUis  ramosä)  ist 
eine  ungemein  langgestreckte  Form,  deren  Sprossen,  während  sie  noci  mit 
dem  Mutterthier  in  Zusammenhang  stehen,  wiederum  Knospen  erzeugen, 
so  dass  der  ganze  Wurmstock  ein  merkwürdiges  verzweigtes  Aussehen  be- 
kommt. 


Fig.  119.  Kettenbilden  der  Borsten- 
wurm (Myrianida  fasciata)%  mit  sehr  laugen 
ROokencirren.  —  Nach  H,  Milne  Edwards. 


1.  Ordnung.    Polychäten  {Polychaeta). 

Der  Kopf  läppen  und  das  Mundsegment  gewöhnlich  mit  Anhängen 
(Cirren  etc.);  Augen  häufig  vorhanden.  Die  Borsten  sitzen  in  uirk- 
lichen  Fussstummeln,  welche  häufig  mit  Cirren  ausgestattet  sind. 
Kiemen  können  vorhanden  sein.  Getrennten  Geschlechts  (mit  einz«  Inen 
Ausnahmen).  Metamorphose. 

Die  Polychäten  bilden  eine  sehr  umfangreiche  Abtheilung,  c  eren 


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Gliederwürmer.    1.  Classe:  Boratenwürmer. 


181 


Mitglieder  im  Meere  leben,  wo  sie  meistenteils  auf  dem  Grunde 
umherkriechen  oder  in  den  weichen  Boden  eingegraben  sind;  einige 
bohren  sich  sogar  in  festere  Theile  ein.  Eine  bedeutende  Anzahl 
leben  in  Röhren,  welche  in  vielen  Fällen  aus  fremden  Theilen  be- 
stehen :  Schlamm,  Thon,  Sand,  Steinchen,  kleineren  oder  grösseren  Frag- 
menten von  Schnecken-  und  Muschelschalen,  Rhizopodenschaleu  etc., 
welche  durch  das  Secret  gewisser  Hautdrüsen  zusammengekittet  werden; 
die  einzelnen  Theilchen  sind  entweder  mehr  unregelmässig  verbunden 
oder  zierlich,  mosaikartig  an  einander  gefügt.  Manchmal  ist  das 
Thier  von  einer  chitinartigen,  von  den  Hautdrüsen  abgesonderten 
Röhre  umgeben,  welcher  fremde  Körper  angeklebt  sind;  in  anderen 
Fällen  besteht  die  Röhre  allein  aus  dem  erhärteten  Secrete  der  Haut- 
drüsen und  ist  dann  entweder  chitinartig  oder  kalkig.  Die  Röhre 
verlängert  sich  in  dem  Maasse  wie  das  Wachsthum  des  Thieres  fort- 
schreitet; an  den  Kalkröhren  kann  man  ebenso  wie  an  Schnecken- 
schalen die  Zuwachslinien  deutlich  erkennen.  Die  Röhren  sind  ent- 
weder fremden  Gegenständen  angeheftet  oder  liegen  frei;  selten  ist 
das  Thier  im  Stande,  die  Röhre  mit  sich  zu  schleppen.  —  Manche 
Polychäten  sind  im  Stande  im  Wasser  umherzuschwimmen  (wenn  sie 
auch  vorzugsweise  kriechende  Thiere  sind);  nur  verhältnissmässig 
wenige  sind  echte  pelagische  Formen.  Unter  diesen  sind  manche, 
wie  so  viele  andere  pelagische  Thierformen,  prachtvoll  wasserhell, 
einige  auch  mit  für  Anneliden  riesigen  Augen  ausgestattet. 

Die  meisten  Polychäten  sind  Schlammfresser  und  ernähren  sich 
von  den  im  Schlamm  enthaltenen  kleinen  Organismen,  andere  ver- 
zehren kleine  Krebsthiere,  Schwämme  etc.,  wenige  ernähren  sich  von 
Tang  oder  anderen  Algen. 

Als  Beispiele  führen  wir  folgende  Formen  an: 

1.  Die  Nereiden  (Xereis)  haben  eine  sehr  gestreckte  Körperform. 
Der  Kopflappen  ist  mit  4  kleinen  Augen  ausgestattet.  Rücken-  und  Bauch- 
fuss der  Körperringe  sind  mit  einander  verschmolzen ;  Rücken-  und  Bauch- 
cirrus  vorhanden,  Kiemen  fehlen.  Der  Rüssel  besitzt  ein  Paar  starker 
Chitinkiefer.  Die  Haut  irisirt  ebenso  wie  die  der  Regenwürmer.  Eine  Art 
dieser  Gattung  (Ar.  diversicolor)  ist  in  der  Nord-  und  Ostsee  häufig  am 
Strande,  wo  sie  kriechend,  schwimmend  oder  in  den  Sand  eingebohrt  an- 
getroffen wird. 

2.  Die  Seeraupen  (Polynohlae),  deren  Körper  meistens  im  Verhältniss 
zu  demjenigen  anderer  Borstenwürmer  sehr  kurz  und  breit  ist,  zeichnen  sich 
besonders  dadurch  aus,  dass  die  Rückenseite  von  einer  verschiedenen  Anzahl 
grosser,  schuppenartiger  Hautplatten  überdeckt  ist;  diese  Schuppen  sind 
umgebildete  Rückencirren  und  sind  nur  an  einigen  Segmenten  vorhanden, 
während  die  übrigen  Körpersegmente  mit  Rückencirren  von  gewöhnlicher 
Form  ausgestattet  sind.  Kiemen  fehlen.  Hierher  gehören :  Pohpto'c  mjua- 
viala  mit  rauhen  höckerigen  Rückenplatten,  in  der  Nordsee  und  in  der 
westlichen  Ostsee  sehr  häufig.  Ferner  die  Seemaus  (Aphrodite  cvitlcata), 
deren  Rückenschuppen  von  sehr  langen ,  filzartigen,  den  Rückenfüssen  an- 
gehörigen  Borsten  bedeckt  sind,  welche  wie  eine  verfilzte  Wergschicht  über 
den  Rücken  ausgedehnt  ist;  andere  Rückenborsten  sind  dünne  metall- 
glänzende Haare,  and  wieder  andere  steife,  dicke  dunkle  Stacheln.  In  der 
Nordsee. 

3.  Der  Sandwurm  (Armicola  pincatorum).  Der  vordere  Theil  des 
cylindrischen  Körpers  etwas  angeschwollen,  Haut  rauh,   Kopflappen  und 


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182 


Specieller  Theil. 


Mundsegment  ohne  Anhänge ,  Augen  fehlen.  Rücken-  und  Bauchfuss  ge- 
trennt, kurz ;  letzterer  ist  ein  niedriger  Querwall  mit  wenig  hervorstehenden 
Hakenborsten ;  beide  ohne  Cirren.  Kiemen  sind  nur  am  mittleren  Theil 
des  Körpers  vorhanden,  hier  aber  wohlentwickelt.  Am  hinteren  Drittel 
des  Körpers  fehlen  die  Borstenfüsse.  Der  Rüssel  ohne  Zähne.  Der  Sand- 
wurm  lebt  in  den  Sand  eingegraben  dicht  am  Strande;  er  verschluckt  den 
Sand  wegen  der  in  demselben  enthaltenen  organischen  Theile,  die  Excremente 
werden  oben  auf  dem  Boden  abgelegt.    Sehr  häufig  in  der  Nord-  und  Ostsee. 

4.  Die  Kalkröhrenwürmer  (Setyula)  leben  in  festsitzenden  Kalk- 
röhren, welche  entweder  unregelmässig  gekrümmt  oder  spiralig  gewunden 
sind.  Aus  der  Röhre  steckt  das  Thier,  wenn  es  ungestört  ist,  eine  grosse 
Anzahl  von  langen,  mit  je  einer  doppelten  Reihe  feiner  Seitenäste  aus- 
gestatteten Fäden,  welche  in  zwei  Gruppen  auf  dem  Kopflappen  angebracht 
sind;  die  genannten  federformigen  Fäden  fungiren  theils  als  Kiemen,  theils 
treiben  die  an  denselben  vorhandenen  Wimperhaare  mikroskopische  Orga- 
nismen in  den  Mund  hinein.  Einer  der  Fäden  ist  besonders  kräftig,  ohne 
Seitenäste  und  mit  einem  kalkigen  Deckel  von  verschiedener  Form  am 
Ende  versehen.  Wenn  das  Thier  gestört  wird,  zieht  es  sich  sammt  dem 
ganzen  Fadenbüschel  in  die  Röhre  zurück,  und  der  Deckel  passt  dann  in 
die  Oeffnung  der  Röhre.  Am  vorderen  Theil  des  Thieres  sind  die  Rücken- 
füsse  mit  Haarborsten,  die  Bauchfüsse  mit  Hakenborsten  versehen,  während 
am  grösseren  hinteren  Theil  des  Körpers  das  Umgekehrte  der  Fall  ist. 
Mehrere  Arten  in  der  Nordsee  auf  Seepflanzen,  Steinen  etc. 

2.  Ordnung.    Oligochäten  (Oligochaeta). 

Der  Kopflappen  und  das  Mundsegment  fast  immer  ohne  Anhänge. 
Die  Borstenfüsse  sind  nur  durch  die  Borstenbündel  vertreten  (in  jedem 
Bündel  nur  wenige  Borsten) ;  keine  Cirren.  Kiemen  fehlen.  Herma- 
phroditen.   Keine  Metamorphose. 

Die  Oligochäten  leben  mit  wenigen  Ausnahmen  im  Süsswasser 
oder  in  der  Erde.  Im  Vergleich  mit  den  Polychäten  ist  es  eine  an 
Arten  ziemlich  arme  Abtheilung. 

1.  Die  Regenwürmer  (Lumbricus)  haben  einen  gestreckten,  cy- 
lindrischen,  vorne  zugespitzten  Körper.  Die  Segmente  sind  mit  je  4  Borsten- 
bündeln ausgestattet,  in  jedem  Bündel  sind  aber  nur  2  Borsten  vorhanden. 
Augen  fehlen.  Etwas  vor  der  Mitte  findet  sich  eine,  mehrere  Segmente 
umfassende,  verdickte  Hautpartie,  der  Gürtel  (Clitcäum),  welcher  eine  grosse 
Anzahl  Drüsen  enthält,  deren  zähes  Secret  die  Individuen  während  der 
Paarung  zusammenhält  und  vielleicht  auch  die  Cocons  bildet,  in  welchen 
die  abgelegten  Eier  eingeschlossen  sind  (in  jedem  Cocon  eine  Mehrzahl 
von  Eiern).  Der  Schlund  ist  nicht  ausstülpbar  und  Kiefer  fehlen.  —  Die 
Regenwürmer  leben  in  verschiedenen  Arten  in  der  Ackererde,  in  welcher 
sie  Gänge  bohren  und  welche  sie  fressen ;  ausserdem  verzehren  sie  auch 
abgestorbene  Pflanzentheile,  deren  Auflösung  sie  befördern,  indem  sie  die- 
selben in  ihre  Röhren  hineinziehen  und  mit  einer  speichelartigen  Flüssigkeit 
übergiessen.  Die  Excremente  werden  grösstentheils  auf  der  Erdoberfläche 
abgelegt,  wohin  die  Regenwürmer  sich  wesentlich  nur  Nachts  begeben. 
In  strenger  Kälte  sowie  bei  sehr  starker  Hitze  verlassen  die  Regenwürmer 
die  Ackererdschicht  und  gehen  in  den  Untergrund  hinab;  hier  sind  lange, 
ungefähr  senkrechte,  mit  einer  Excrementschicht  ausgefütterte  Gänge  vor- 
handen, welche  unten  mit  einer  kleinen  Erweiterung  versehen  sind,  in 
welcher  der  Regenwurm  in  einem  schlafahn  liehen  Zustande  bis  2  —  3  m 


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Gliederwürmer.    1.  Classe:  Borstenwürmer. 


183 


unterhalb  der  Oberfläche  liegt.  —  Durch  ihre  soeben  beschriebene  Lebens- 
weise, besonders  dadurch,  dass  sie  die  Ackererde  in  ihren  Darmkanal  auf* 
nehmen  und  dieselbe  wieder  auf  der  Oberfläche  in  Form  ihrer  körnigen 
Excremente  ablegen,  tragen  die  Regewürmer  mehr  als  irgend  welche  andere 
Thiere  zu  der  natürlichen  Bearbeitung  der  oberen  Erdschicht  bei  und  er- 
langen dadurch  eine  hervorragende  Bedeutung  in  der  Natur.  An  Stellen, 
welche  z.  B.  wegen  des  Mangels  eines  passenden  Feuchtigkeitsgrades  von 
den  Regenwürmern  verlassen  werden ,  ändert  sich  die  Beschaffenheit  der 
oberen  Erdschicht  und  sie  nimmt  einen  torfartigen  Charakter  an;  ist  dies 
in  einem  Walde  der  Fall,  so  ist  das  Resultat,  dass  die  natürliche  Verjüngung 
(durch  Selbstaussaat)  ausbleibt,  und  der  Wald  wird  dann,  wenn  der  Mensch 
nicht  eingreift,  allmählich  zur  Haide  umgewandelt. 

2.  Die  Na 'i den  (Xäis)  sind  kleine  (selten  mehr  als  1  cm  lang«), 
dünne,  durchsichtige  Würmer,  welche  meistens  mit  2  Augen  auf  dem  Kopf- 
lappen ausgestattet  sind;  die  Borstenbündel  des  Rückens  mit  langen  Haar- 
borsten, die  des  Bauches  mit  kürzeren  Hakenborsten.  Ungeschlechtliche 
Fortpflanzung  findet  häufig  statt.  Leben  im  Süsswasser  zwischen  Wasser- 
pflanzen. —  Mit  diesen  verwandt  ist  der  Tubifex  rivulorum,  welcher  häufig 
im  Süs&wasser  gefunden  wird ,  wo  er  im  Schlamme  in  einer  Röhre  lebt, 
aus  welcher  das  röthliche  Thier,  so  lange  es  ungestört  ist,  den  hinteren 
Theil  des  Körpers  in  schwingender  Bewegung  hervorgestreckt  hält.  Häufig 
viele  Exemplare  neben  einander,  so  dass  die  Oberfläche  des  Schlammes 
stellenweise  roth  gefärbt  erscheint ;  in  Folge  der  leisesten  Bewegung  des 
Wassers  verschwindet  die  rothe  Farbe,  indem  die  Thiere  sich  zurückziehen. 

Unter  dem  Namen  Gephyreen  oder  Sternwürmer  (Gqthyrea)  wird 
gewöhnlich  eine  Anzahl  wurmartiger  Geschöpfe  als  besondere  Classe  der 
Gliederwürmer  aufgeführt.  Nach  Ausscheidung  einiger  früher  zu  den 
Gephyreen  gezählten  Formon,  welche  sich  als  Weichthiere  erwiesen  haben, 
Bind  die  noch  übriggebliebenen  jetzt  allgemein  als  aberrante,  eigen- 
thümlich  ausgebildete  Borstenwürmer  erkannt  worden.  Einige  der- 
selben besitzen  noch  ähnliche  Borsten  wie  die  Borstenwürmer,  welche 
aber  in  geringer  Anzahl  vorhanden  und  nicht  bündelweise  angeordnet 
sind.  Eine  äussere  Gliederung  fehlt  durchweg ;  statt  der  doppelten 
ßauchganglienkette  ist  ein  einfacher  starker  Nervenstrang  ohne  Ganglien- 
anschwellungen vorhanden,  welcher  sich  vorne  in  zwei  den  Munddarm  um- 
greifende Stränge  spaltet,  die  sich  mit  dem  oftmals  sehr  wenig  ausgebildeten 
Gehirn  verbinden.  Die  Segmentalorgane  sind  sehr  gross,  aber  nur 
in  geringer  Anzahl  vorhanden,  höchstens  3  Paare,  oft  nur  1  Paar  oder  nur 
ein  einziges  Segmentalorgan;  sie  dienen  als  Ausführungsgänge  der  an  der 
Wand  der  Leibeshöhle  gebildeten  Geschlechtsstoffe.  Die  Gephyreen  sind 
getrennten  Geschlechts.  Sie  durchlaufen  eine  ähnliche  Meta- 
morphose wie  die  typischen  Borstenwürmer ;  hervorzuheben  ist,  dass  in 
einem  Jugendstadium  zuweilen  eine  Gliederung  des  Körpers  angedeutet  ist. 
Sie  führen  eine  ähnliche  Lebensweise  wie  die  Mehrzahl  der  anderen  Borsten- 
wärmer  und  gehören  alle  dem  Meere  an.  —  Eine  der  interessantesten  Formen 
der  Gephyreen  ist  die  in  verschiedenen  europäischen  Meeren  (z.  B.  im 
Mittelmeer)  vorkommende  Bondlia  viridis.  Das  Weibchen  dieser  Form 
besitzt  am  vorderen  Ende  des  kurzen  sackförmigen  Körpers  einen  sehr 
langen  tentakelähnlichen  Kopflappen,  dessen  vorderes  Ende  gabelförmig  ge- 
theilt  ist  (Körper  5  cm,  Kopflappen  ausgestreckt  1 — 2  m  lang);  nur  2 
Borsten,  1  Segmentalorgan.  Das  zwerghafte  Männchen  verhält  sich  ganz 
anders;  es  ist  1—2  mm  lang,  einem  Strudelwurm  ähnlich,  ringsum  be- 


184 


Specieller  Theil. 


wimpert ,  ohne  Mund  und  After ,  ohne  Kopflappen  etc. ;  es  hält  sich  im 
Segmentalorgan  des  Weibchens  auf. 


2.  Classe.    Egel  {Discophora). 

Der  Körper  ist  im  Allgemeinen  etwas  abgeplattet,  mit  scharfen 
Seitenrändern,  seltener  cylindrisch.  Die  Segmente  sind  äusserlich  durch 
Querrunzeln  ein  jedes  in  mehrere  kleine  Ringel  getheilt,  so  dass  die 
Anzahl  der  Segmente  anscheinend  mehrmals  grösser  ist  als  in  Wirk- 
lichkeit (Aehnliche8  findet  man  auch  bei  einzelnen  Borstenwürmern). 
Borstenfüsse  und  Borsten  fehlen  immer;  mit  einer  einzigen 
Ausnahme  sind  auch  keine  Kiemen  vorhanden.  Das  hintere  Ende 
des  Körpers  ist  zu  einem  kräftigen  Saugnapf  umgebildet;  um  die 
Mundöffnung  herum  findet  sich  ebenfalls  eine  Haftscheibe,  welche  bei 
einigen  ebenso  wie  die  hintere  napfförmig  ist,  während  sie  bei  anderen 
aus  einer  längeren,  gegliederten  Oberlippe  und  einer  kürzeren  Unter- 
lippe besteht. 

Der  Darmkanal  besteht  aus  drei  Abschnitten,  dem  Schlund, 
dem  Chylu8darm  und  dem  Enddarm.    Bei  der  einen  Hauptabtheilung, 


Fig.  l  ;:<'.  Dannkanal,  Nervensystem  und  Excrctionsorgane  eines  Kgels  in  den  L'mrias 
des  Thicres  eingezeichnet,  a  After,  b  Dannblindsack,  c  Gehirn,  e  Euddann,  >j  Bauchganglion, 
t»  Saugnapf,  te  Segmentalorgane.  —  Nach  Leuckart. 

den  Kieferegeln,  ist  der  Schlund  musculös  und  vorne  mit  drei  hervor- 
tretenden chitinisirten  Längsfalten,  den  Kiefern  versehen,  welche  an 
ihrem  scharfen  Rand  mit  Zähnchen  ausgestattet  sind,  so  dass  sie  als 
kleine  Sägen  benutzt  werden  können,  um  ein  Loch  in  der  Haut  der 
Beute  hervorzubringen;  darauf  fängt  das  Einpumpen  der  Körper- 
liüssigkeiten  der  letzteren  an,  welches  durch  den  Schlund  bewerk- 
stelligt wird.  Bei  der  anderen  Abtheilung,  den  Rüsselegeln,  ist  da- 
gegen am  hinteren  Ende  des  dünnwandigen  Schlundes  eine  dünne 
musculöse  Röhre,  der  Rüssel,  festgeheftet,  welcher  aus  der  Mund- 
öffnung hervorgestreckt  werden  kann  (vergl.  den  Rüssel  der  Strudel- 
würmer). Der  Chylusdarm  ist  eine  weite  gerade  Röhre,  welche 
fast  immer  mit  einer  grösseren  oder  geringeren  Anzahl  paariger  Blind- 
säcke versehen  ist.  Der  Enddarm  ist  enger  (zuweilen  ebenfalls  mit 
Blindsäcken)  und  öffnet  sich  auf  der  Rückenseite  oberhalb  des  Sang- 
napfes. 

Eine  Anzahl  Augen  findet  sich  allgemein  am  vorderen  Ende 
des  Thiere8,  bei  einigen  Fischegeln  ausserdem  noch  am  Hinterrande 
des  hinteren  Saugnapfes.  Am  vorderen  Ende  der  Egel  sind  ferner 
kleine  sogenannte  becherförmige  Organe  vorhanden,  welche  Sinnes- 
organe von  unbekannter  Function  sind. 

Die  Egel,  welche  immer  Zwitter  sind,  besitzen  zwei  längliche 
oder  rundliche  Eierstöcke,  welche  sich  mit  einem  gemeinsamen 


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Gliederwürmer.   2.  Glosse:  Egel. 


185 


-o«j 


4 


O 


Ausfuhrungsgang  weit  vorne  auf  der  Bauchseite  öffnen ;  in  den  Eileiter 
münden  Eiweissdrüsen.  Die  rundlichen  Hoden  sind  in  grösserer 
Anzahl  vorhanden,  es  finden  sich  deren  6—12  Paare,  jedes  Paar  in 
einem  Segment;  jederseits  verläuft  ein  langer  Samen- 
leiter, in  welchen  sämmtliche  Hoden  derselben  Seite  mit 
je  einem  kurzen  Gang  einmünden;  beide  Samenleiter 
vereinigen  sich  zuletzt  und  münden  mit  einer  unpaaren 
Oeffnung  vor  der  weiblichen  Geschlechtsöffnung.  Meistens 
ist  ein  Begattungsorgan  vorhanden.  —  Die  Eier  werden 
in  chitinartigen  Kapseln  (Cocons)  abgelegt,  welche 
meistens  je  mehrere  Eier  und  Eiweiss  umschliessen ;  die 
Kapseln,  welche  von  einem  erhärteten  Secret  der  Haut- 
drüsen gebildet  sind,  haben  entweder  eine  glatte  Ober- 
däche oder  sind,  wie  beim  medicinischen  Blutegel,  von 
einem  schwammigen  Ueberzug  (gehärteten  schaumartigen 
Schleim)  bedeckt.  Wenn  die  jungen  Egel  die  Cocons  ver- 
lassen, sind  sie  den  erwachsenen  ähnlich. 

Jedes  Ei  ist  natürlich  von  einer  Eihülle  umgeben,  welche 
bei  den  Kieferegeln,  deren  Eier  sehr  klein  sind,  früh  von 
dem  Embryo  gesprengt  wird;  der  junge  Egel  liegt  dann  frei 
im  Eiweiss  und  wächst  schnell  heran,  indem  er  das  Eiweiss 
verschluckt.  Er  ist  in  diesem  Stadium  sehr  von  seiner 
späteren  Gestalt  abweichend  und  besitzt  mehrere  provisorische 
Organe  (einen  Schlund ,  Muskeln  etc.) ,  welche  zu  Grunde 
gehen  und  von  bleibenden  Organen  ersetzt  werden,  ehe  da* 
Thier  den  Cocon  verläsBt.  Der  Kieferegel  durchläuft  somit 
gewissermassen  eine  Metamorphose  innerhalb  des 
Cocons.  —  Bei  den  Rüsselegeln,  deren  Eier  grösser  sind, 
findet  solches  nicht  statt. 

Die  Egel,  welche  in  Vergleich  mit  den  Borsten- 
würmern  eine  kleine  und  formenarrae  Gruppe  bilden, 
sind  verhältnissmässig  reich  im  Süsswasser  vertreten,  »traug,  »  Eicr- 
doch  gehört  auch  eine  bedeutende  Anzahl  dem  Meere  ?*fiud"n^lt£ 
an;  einige  leben  auf  dem  Lande  (in  den  Tropen),  andere  monioiTcr,  r«  be- 
gehen jedenfalls  häufig  auf  das  Ufer  hinauf.  Sie  leben  wundencr  Thon 
vom  Raub  oder  saugen  in  halbparasitischer  Weise  das  derselben,  «/Dru- 
Blut  lebendiger  Säugethiere ;  einige  sind  wirkliche  Schma-  ^f/'sPp",!el~ 
rotzer.  Sie  kriechen  in  allbekannter  Weise  mittels  der  ÄC  pe"K'c ' 
Saugnäpfe  umher,  sind  aber  auch  im  Stande  mittels  Biegungen  des 
Körpers  zu  schwimmen. 

1.  Kieferegel  (GnothobdcUidat).  Mit  Kiefern.  Vordere  Haftscheibe 
in  eine  längere  Oberlippe  und  eine  kürzere  Unterlippe  gesondert.  Eier 
klein ;  die  Jungen  durchlaufen  eine  Art  Metamorphose  innerhalb  des  Cocons. 
Alle  im  Süsswasser  oder  auf  dem  Lande. 

a.  Der  Blutegel  (Hirudo  mcdicinalis)  wird  in  verschiedenen  Farben- 
abänderungen an  verschiedenen  Stellen  in  Europa  im  Süsswasser  gefunden 
(auch  in  Deutschland).  Seine  Kiefer  sind  sehr  kräftig,  mit  spitzen  Zähnchen. 
Die  Grundfarbe  ist  oben  schmutzig  gelbbraun,  die  Bauchseite  heller,  ge- 
fleckt; auf  der  Rückenseite  rothe  Längsstreifen  mit  dunkleren  Flecken. 
10  Augen.  Die  schwammigen  Eierkapseln  werden  auf  dem  Lande,  am  Ufer, 
abgelegt.  —  Derselben  Gattung 'gehört  der  berüchtigte  ostindische  Land- 
blutegel  (H.  ceyhnica)  an.  —  Verwandt  ist  ferner  der  dem  Blutegel  in 
Gestalt  und  Grösse  ähnliche  Jlaemojns  vortue,  welcher  in  Südeuropa  und 


Fig.  121.  (le- 
üchlechtsorgane 
eines  Egels,  n 

RiMichncrven- 


186 


Specieller  Theil. 


Nordafrika  einheimisch  ist,  häufig  in  die  Nasenhöhle,  den  Schlundkopf  und 
den  Kehlkopf  verschiedener  Säugethiere  beim  Trinken  kommt  und  zu  ge- 
fährlichen Zufällen  Veranlassung  geben  kann. 

b.  Der  Pferdeegel  {Aiilutomum  <julo),  in  den  süssen  Gewässern 
Deutschlands  sehr  gemein,  ist  von  ähnlicher  Grösse  wie  der  Blutegel;  er 
ist  häufig  mit  dem  Haemopis  vorax  verwechselt  worden.  Die  Kiefer  sind 
weniger  ausgebildet  als  beim  Blutegel ,  der  Pferdeegel  greift  nicht  Säuge- 
thiere an,  sondern  ernährt  sich  von  Regenwürmern  und  kleineren  Wasser- 
thieren.  Er  ist  grünlichschwarz  mit  gelbgrüner  Bauchseite.  10  Augen. 
Die  Eierkapseln  sind  denjenigen  des  Blutegels  ähnlich  und  werden  auf  dem 
Lande  abgelegt.  —  Im  Süsswasser  werden  ausserdem  häufig  Arten  der 
Gatt.  Xephclis  getroffen,  welche  kleiner  und  schmäler  sind,  nur  8  Augen 
und  sehr  schwache  (nur  angedeutete)  Kiefer  besitzen ;  die  Cocons  sind  glatt 
und  werden  an  Wasserpflanzen  angeheftet. 

2.  Rüsselegel  (RhynchoMellidae),  Mit  Rüssel.  Vordere  Haftscheibe 
napfförmig.  Eier  grösser;  keine  Metamorphose.  Im  Süsswasser  und  im 
Meere. 

a.  Die  Knorpelegel  {Clepsim),  welche  häufig  im  Süsswasser 
gefunden  werden,  sind  kleine,  abgeplattete,  fast  knorpelharte  Egel ,  welche 
ihre  in  einem  sehr  dünnen  Cocon  eingeschlossenen  Eier  und  die  Jungen 
an  der  Unterseite  ihres  Körpers  umhertragen ;  letztere  erscheint  dann  napf- 
förmig ausgehöhlt. 

b.  Die  Fische  gel  {Pisdcoh),  mit  cylindrischem  Körper  und 
glockenförmigem  Saugnapf  an  beiden  Enden,  leben  als  Schmarotzer  auf 
Fischen,  die  meisten  Arten  auf  Meeresfischen.  —  Denselben  nahe  verwandt 
ist  der  grosse  Rochenegel  (Poiitobdetta  muricala)  mit  grossen  Hautwarzen, 
auf  Rochen,  in  der  Nordsee. 

An  merk.  Zu  den  Egeln  rechnet  man  gewöhnlich  einen  kleinen,  auf 
dem  Flusskrebs  (u.  A.  an  den  Kiemen)  schmarotzenden  Wurm,  ßraitcltio- 
bdelfa  axtaci,  welcher  sich  jedoch  in  verschiedenen  Punkten  den  Borsten- 
würmern nähert  und  von  Einigen  dieser  Abtheilung  einverleibt  wird.  Der 
Körper  ist  cylindrisch,  der  vordere  Saugnapf  undeutlich,  er  besitzt  zwei 
Kiefer  und  einen  Darm  ohne  Blindsäcke.  Die  Verhältnisse  der  Geschlechts- 
organe erinnern  an  die  der  Oligochäten. 


Anhang  zu  den  G  1  i  e  d  e  r  w  ii  r  m  e  r  n. 

Die  beiden  im  Folgenden  abzuhandelnden  Gruppen,  die  Bry  ozoen 
und  die  Brachiopoden,  nehmen  jede  für  sich  einen  besonderen 
und  isolirten  Platz  im  Thierreiche  ein,  so  dass  es  vielleicht  am 
Richtigsten  wäre,  dieselben  als  zwei  besondere  Thierkreise  aufzuführen. 
Sie  wurden  früher  mit  den  Weichthieren,  mit  denen  sie  aber  gar  nicht 
näher  verwandt  sind,  zusammengestellt;  aus  den  Untersuchungen  der 
späteren  Jahre  scheint  hervorzugehen,  dass  sie  am  nächsten  —  aber 
immerhin  entfernt  genug  —  mit  den  Gliederwürmern  verwandt  sind, 
wesshalb  wir  sie  an  dieser  Stelle  behandeln. 


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Bryozoön. 


187 


Bryozoen  oder  Moosthierchen  {Bnjozoa). 

Mit  einer  einzelnen  Ausnahme  bilden  alle  Bryozoen  durch  Knospung 
Stöcke,  deren  einzelne  Mitglieder  nur  eine  geringe  Grösse  erreichen, 
während  der  Umfang  des  ganzen  Stockes  ziemlich  ansehnlich  werden 
kann.  Der  meistens  ziemlich  kurze  Körper  jedes  Individuums  kann 
in  der  Regel  in  einen  Vorder-  und  einen  Hinterkörper  getheilt 
werden,  von  welchen  der  letztere  von  einer  festen,  dicken,  zuweilen 
stacheligen  Chitinhülle  umgeben  ist,  die  häufig  verkalkt.  Der 


B  C 


Fig.  122.  .4 — Ii  Schematicher  Längsschnitt  eine»  Bryoz ouns,  .1  ausgestreckt,  Ii 
zurückgezogen,  a  After,  b  Hinterkörper,  e  Euddarm,  /  Vorderkörper,  l  Deckel,  tu  Magen. 
■  Nervenknoten,  o  Mund,  s  Speiseröhre,  t  Tentakeln.  Die  ChitiuhUUc  ist  durch  eine  breitere 
schwarze  Linie  angedeutet,  die  weiche  Körperwaud  ist  schrattirt.  —  0  Avicularic  (Schema). 
{  Deckel,  tn  Muskeln  desselben,  ta  Dann.  —  Orig. 

Vorderkörper  ist  dagegen  ganz  weich  und  trägt  an  seinem  vorderen 
Ende  einen  Kranz  langer  bewimperter  Tentakel,  welche  bei  einem 
grossen  Theil  der  Bryozoen  einen  einfachen  Kreis  bilden,  während 
der  Tentakelkranz  bei  anderen  eine  starke  Einbuchtung  an  der  einen 
Seite  hat,  so  dass  er  nieren-  oder  hufeisenförmig  wird.  Der  ganze 
Vorderkörper  kann  vermittels  langer  Muskeln  in  den  Hinterkörper 
zurückgezogen  werden;  die  Wand  des  Vorderkörpers  wird  dann  um- 
gestülpt und  bildet  eine  Scheide  um  den  zusammengelegten  Tentakel- 
kranz  (Tentakelscheide).    Bei  einer  Abtheilung  der  Meeresbryozoen 


188 


Specieller  Thcil. 


(den  Chilostomen)  findet  sich  am  vorderen  Ende  des  Hinterkörpers 
eine  bewegliche,  stark  chitinisirte  Falte  der  Körperwand,  welche,  wenn 
der  Vorderkörper  zurückgezogen  ist.  als  ein  Deckel  die  Oeffnung 
der  Tentakelscheide  überdeckt.  —  Die  Mundöffnung  befindet  sich 
am  Vorderende  des  Thieres,  in  der  Mitte  des  Tentakelkranzes;  der 
After  liegt  ebenfalls  am  Vorderende,  nicht  weit  vom  Munde  ent- 
fernt, gewöhnlich  dicht  ausserhalb  des  Tentakelkranzes,  selten  inner- 
halb desselben.  Der  Darmkanal  hat  desshalb  die  Form  einer 
Schlinge;  er  besteht  aus  einer  Speiseröhre,  einem  in  einen  Blindsack 


Fig.  123. 


Fig.  125. 


Fig.  124. 


Fig.  123.  Süss  wasscrbryozoe' 
(  Fredericella),  zwei  Stöcke  auf  einem  Stein. 
Natur).  Grösse. 

Fig.  121.  Ein  einzelne*  Individuum 
des  in  voriger  Figur  abgebildeten  Brvo/.oons, 
vergr.  Da»  Individuum  cnthttlt  keine  Ge- 
schlechtsorgane, a  Arter,  e  Enddarm ,  m 
Mund,  mn  Magen,  wh  Muskel,  welcher  den 
Vorderkörpor  zurückzieht,  n  Nervenknoten, 
str  Funiculua. 

Fig  125.  Tlieil  eines  Individuums  eines 
anderen  Süsswasserbryozoon*  mit  ausgebil- 
deten Geschlechtsorganen.  »j>  Speiseröhre, 
ot>  Eierstock ,  ata  Statohlaat ,  te  Hoden, 
l'ebrigo  Bezeichnung  wie  in  voriger  Figur. 
—  Fig.  123 — 125  nach  Allmann. 


ausgezogenen  Magen  und  einem  Enddarm.    Die  Nahrung,  welche  aus 
mikroskopischen  Körperchen  besteht,  wird  durch  die  VVimperhaare 
der  Tentakel  in  den  Mund  hineingestrudelt.  —  Das  centrale  Nerven- 
system besteht  aus  einem  Nervenknoten,  welcher  seinen  Platz  auf 
der  dem  After  zugewendeten  Seite  der  Speiseröhre  hat,  und  aus  einem 
von  demselben  entspringenden  Ring,  welcher  die  Speiseröhre  umfasst; 
von  dem  Nervenknoten  gehen  Nerven  zu  den  verschiedenen  Körper- 
theilen  aus.    Augen  und  Gehörwerkzeuge  fehlen.  —  Ein  Gefässsystem 
und  besondere  Athmungswerkzeuge  sind  nicht  vorhanden ;  der  Tentakel- 
kranz ist  aber  zweifellos  für  die  Respiration  sehr  wichtig.  Excretions- 
organe  sind  bis  jetzt  nur  bei  wenigen  Bryozoen  gefunden  worden, 


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Bryozoen. 


189 


und  zwar  in  der  Form  zweier  dünner  Kanäle,  welche  sich  einerseits 
in  die  Leibeshöhle,  andrerseits  auf  der  Oberfläche  öffnen.  —  Die 
Bryozoen  besitzen  in  der  Regel  eine  geräumige  Leibeshöhle,  welche 
mit  einer  Flüssigkeit  erfüllt  ist,  in  der  amöboide  Zellen  sich  befinden. 
In  der  Leibeshöhle  ist  ausser  dem  Darmkanal  ein  Strang  (Funi- 
cuius)  vorhanden,  welcher  vom  Magen  zur  Leibeswand  geht.  An 
diesem  Strang  oder  an  der  inneren  Seite  der  Leibeswand  werden  die 
Eier  und  S  amen  körperchen  gebildet,  beides  gewöhnlich  in  dem- 
selben* Individuum;  besondere  Ausführungsgänge  fehlen,  bei  einigen 
Bryozoen  hat  man  aber  feine  Oeffnungen  am  vorderen  Theil  des 
Thiereß  gefunden,  durch  welche  die  Samenkörperchen  austreten.  Das 
befruchtete  Ei  durchläuft  seine  erste  Entwicklung  in  der  mütterlichen 
Leibeshöhle,  bei  manchen  Meeresbryozoen  in  einer  besonderen  Aus- 
stülpung der  Leibeswand  (Ovicelle). 

Bei  den  SüsswasBer-Bryozoen  findet  man  häufig  neben  der  Fortpflanzung 
durch  befruchtete  Eier  eine  Fortpflanzung  durch  sogenannte  Statoblasten, 
kleine  abgeplattete  rundliche  Körper,  welche  in  der  Leibeshöhle  am  Funi- 
culus,  namentlich  gegen  das  Ende  des  Sommers,  gebildet  werden,  und  welche 
überwintern ,  um  im  nächsten  Jahre  zu  je  einem  neuen  Stock  zu  werden. 
Jeder  Statoblast  ist  von  einer  festen,  oft  zierlichen  Chitinschale  umgeben, 
in  deren  Rand  kleine  lufthaltige  Hohlräume  vorhanden  sind;  innerhalb  der 
Schale  findet  man  eine  Anzahl  Zellen,  aus  welchen  das  neue  Thier  gebildet 
wird.  Ein  sicheres  Verständniss  der  Statoblasten  ist  noch  nicht  er- 
reicht ;  nach  der  gewöhnlichen  Auffassung  sollten  sie  Knospen  sein,  welche 
allerdings  in  sehr  abweichender  Weise  entständen;  nach  einer  anderen 
Meinung  wären  sie  parthenogenetische  Wintereier. 

Sehr  merkwürdig  ist  es,  dass  bei  vielen  Bryozoen  eine  Rückbildung 
des  Tentakelkranzes  und  des  Darmkanals  zu  einem  sogenannten  braunen 
Körper  stattfinden  kann,  welcher  Rückbildung  dann  nach  einiger  Zeit  eine 
Neubildung  derselben  Theile  folgen  kann. 

Wie  schon  oben  erwähnt,  bilden  die  Bryozoen  durch  Sprossung 
Stöcke.  Diese  sind  von  sehr  verschiedener  Form:  bei  einigen  sind 
sie  stark  verästelt  (Fig.  123)  und  dann  entweder  aufrecht  oder  über 
fremde  Gegenstände  hinkriechend;  bei  anderen  sind  sie  platteniormig, 
der  UnterInge  anliegend  oder  aufrecht;  oder  sie  sind  von  mehr 
massiger  Beschaffenheit  etc.  Fast  immer  sind  die  Stöcke  unbe- 
weglich festgeheftet;  nur  eine  einzelne  Süsswasserform  (Cristaiella) 
ist  im  Stande,  sich  fortzubewegen. 

Bei  vielen  der  mit  einem  Deckel  ausgestatteten  Bryozoen  findet 
eine  ähnliche  verschiedenartige  Entwicklung  der  Individuen  wie  bei 
den  Hydroiden  statt.  Namentlich  sind  häufig  ausser  den  gewöhn- 
lichen Individuen  sogenannte  Avicularien  entwickelt,  kleine  Indi- 
viduen ohne  Tentakel,  Mund  und  Darmkanal  (oder  nur  mit  Rudimenten 
dieser  Theile),  aber  mit  einem  grossen  beweglichen  Deckel,  welcher 
auf-  und  zuklappen  kann.  Die  am  besten  ausgebildeten  Avicularien 
sind  einer  Krebsscheere  oder  einem  Vogelschnabel  ähnlich,  indem  die 
Spitze  des  Deckels  hakenförmig  umgebogen  ist  und  gegen  einen  Fort- 
satz des  Körpers  bewegt  wird.  Die  beschriebenen  Gebilde  scheinen 
eine  Art  Wehrpersonen  zu  sein,  welche  die  über  die  Oberfläche  des 
Stockes  kriechenden  Thiercheu  abfangen.  Seltener  findet  man  die  so- 
genannten Vibrakel  (Vibracula) ,  ebenfalls  kleine  reducirte  Indivi- 
duen ,  deren  Deckel  sich  zu  einem  langen  geisselartigen  Anhang  ent- 
wickelt hat,  welcher  über  die  Oberfläche  des  Stockes  hinwegfegt. 


190 


Spezieller  Theil. 


Die  Bryozoen  durchlaufen  eine  Metamorphose.  Die  Larven 
schwimmen  frei  umher  mittels  ihres  Wimperkleides,  welches  entweder 
gleichmässig  über  den  Körper  verbreitet  oder  an  gewissen  Stellen  be- 
sonders entwickelt  ist  (Wimperreifen,  Wimperbüschel);  zuweilen  ist 
ein  Theil  des  Larvenkörpers  mit  einer  festen  Cuticula  (Schale)  ver- 
sehen, gewöhnlich  ist  der  ganze  Körper  nackt. 

Sie  leben  in  grosser  Anzahl  in  allen  Meeren,  in  geringerer  Zahl 
im  Süsswasser. 

Die  meisten  Süsswasserformen,  welche  an  Wasserpflanzen,  Bäumen  etc. 
gefunden  werden,  besitzen  einen  hufeisenförmigen  Tentakelkranz ;  gewöhnlich 
sind  es  feine  verästelte  Stöcke,  welche  sich  über  die  Unterlage  nicht  hoch 
emporheben ;  grössere  Klumpen  bildet  die  aus  dicht  neben  einander  ge- 
stellten röhrenförmigen  Einzelthieren  bestehende ,  häufig  vorkommende 
AkyoneUa  fungosa.  —  Unter  den  Meeresformen  sind  die  Mrmbranipom- Arten 
diejenigen,  welche  am  häufigsten  beobachtet  werden,  indem  man  sie  als 
dünne  kalkige  Krusten  an  der  Oberfläche  von  allen  grösseren  Seepflanzen  findet. 

Brachiopoden  oder  Armfiissler  (BracMopoda). 

Der  Körper  der  Brachiopoden  ist  grösstenteils  in  zwei  kalkige 
(seltener  chitinartige)  Schalen  eingeschlossen,  welche  mit  denen  der 
Muscheln  eine  gewisse  Aehnlichkeit  besitzen,  wesshalb  man  in  früherer 
Zeit  die  Brachiopoden  in  die  Nähe  der  Muscheln  gebracht  hat.  That- 
sächlich  sind  die  beiden  Abtheilungen  indessen  keineswegs  mit  ein- 
ander näher  verwandt,  und  dass  auch  nicht  die  Schalen  etwa  auf 
eine  Verwandtschaft  hindeuten,  ist  schon  daraus  ersichtlich,  dass  die 
Schalen  der  Brachionoden  der  Rücken-  und  Bauchseite  des  Thieres 
entsprechen,  während  die  der  Muscheln  resp.  der  rechten  und  linken 
Seite  angehören. 


Fig.  1'26.  Schcmatiseher  Längsschnitt  eines  Hraehio  potlen.  a  rechter  Ann,  <1 
Dann,  k  Mantelblatt,  n  Nervenknoten,  o  Mund,  s  Kücken-,  *'  Bauchsclialc,  st  Stiel,  t  Ten- 
takel. —  Orig. 

Der  eigentliche  R  u  m  p  f  ist  im  Verhältniss  zum  ganzen  Umfange  des 
Thieres  von  sehr  geringer  Grösse  und  sehr  kurz.  Von  ihm  entspringen  zwei 
nach  vorn  gerichtete,  grosse,  der  Innenseite  der  Schalen  angelagerte 
Mantellappen,  der  eine  von  der  oberen,  der  andere  von  der  unteren 
Seite.  Die  Schalen  werden  von  den  Mantellappen  abgesondert  und  sind 
als  Cuticulargebilde  aufzufassen  ;  sie  stehen  mit  einander  nicht  in  einer 
innigeren  Verbindung  (wie  die  Muschelschalen);  bei  einigen  greifen 
sie  jedoch  hinten  s  c  h  1  o  s  s  a  r  t  i  g  in  einander.  Am  Mantelraude  ent- 
lang finden  sich  öfters  Chitiuborsten,  in  Hauteinsenkungen  ein- 


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Brachiopoden. 


191 


gepflanzt  V  om  hinteren  Theil  des  Rumpfes  entspringt  gewöhnlich 
ein  dünnerer  Fortsatz,  der  Stiel,  welcher  zwischen  den  Schalen  oder 
aus  einem  Loch  im  hinteren  Ende  der  Bauchschale  hervorragt;  er  ist 
bei  einigen  länger  als  der  übrige  Körper,  bei  anderen  dagegen  ganz 
kurz;  meistens  sind  die  Thiere  mittelst  des  Stieles  an  fremden  Kör- 
pern festgeheftet,  einige  sind  aber  frei.  Um  den  Mund  findet  sich 
bei  den  jungen  Brachiopoden  ein  Kreis  von  Tentakeln;  während 
der  Entwicklung  erhält  aber  der  Kreis  eine  Einbuchtung,  so  dass  er 
die  Form  einer  Niere  oder  eines  Hufeisens  bekommt,  und  allmählich 
werden  die  beiden  Aeste  des  Hufeisens  zu  langen  Armen,  mit  je 
einer  Doppelreihe  von  Tentakeln  besetzt;  diese  Arme  sind  gewöhnlich 
spiralig  aufgerollt  und  liegen  in  diesem  Zustande  zwischen  den  Mantel- 
lappen; ihre  Aufgabe  ist  es,  einerseits  durch  ihren  Wimperüberzug 
die  Nahrung  (organische  Körperchen)  in  den  Mund  hineinzutreiben, 
andererseits  als  Athmungswerkzeuge  zu  dienen ;  innerlich  werden  sie 
häufig  von  einem  verschieden  gestalteten  (bandförmigen  etc.)  Kalk- 
gerüst gestützt,  welches  mit  der  Rückenschale  zusammenhängt.  — 
Der  Darmkanal  ist  kürzer  oder  länger;  merkwürdigerweise  fehlt 
bei  den  meisten  Brachiopoden  ein  After;  ist  ein  solcher  vorhanden, 
so  befindet  er  sich  meist  auf  der  rechten  Seite  des  Rumpfes.  Es  ist 
eine  wohl  entwickelte  Leber  vorhanden.  Das  centrale  Nerven- 
system wird  durch  einen  die  Speiseröhre  umgebenden  Nerven- 
ring dargestellt ,  welcher  auf  der  unteren  Seite  zu  einem  Nerven- 
knoten anschwillt;  von  letzterem  gehen  die  Nerven  aus.  Augen  und 
Gehörwerkzeuge  fehlen.  Das  Gefässsystem  ist  wohlentwickelt; 
oberhalb  des  Darmkanals  findet  sich  ein  sackförmiges  Herz.  Die 
Excretionsorgane  sind  ein  oder  zwei  Paare  röhrenförmiger  Or- 
gane, welche  sich  mit  einer  trichterförmigen  bewimperten  Mündung 
in  die  Leibeshöhle  öffnen  und  mit  dem  anderen  Ende  an  der  Ober- 
fläche ausmünden,  —  also  Organe,  welche  die  grösste  Aehnlichkeit 
mit  den  Segmentalorganen  der  Gliederwürmer  darbieten.  Sie 
dienen  zugleich  als  Ausführungsgäuge  für  die  Geschlechtsstoffe,  Eier 
und  Samen,  welche  an  den  Wänden  der  Leibes- 
höhle gebildet  werden.  Die  Brachiopoden  sind 
getrennten  Geschlechts.  —  Die  Larven 
sind  bewimpert,  ihr  Körper  in  mehrere  Seg- 
mente getheilt;  häufig  sind  sie  am  vorderen 
Ende  mit  Augen  ausgestattet. 

Die  Brachiopoden  sind  ausschliesslich  Meeres- 
thiere;  sie  werden  sowohl  in  wärmeren  als  in 
kälteren  Meeren  gefunden,  überall  nur  in  geringer 
Artenzahl.  In  früheren  Perioden  waren  sie  weitaus 
zahlreicher ;  schon  aus  der  kambrischen  Formation 
sind  sie  bekannt;  sehr  reichlich  waren  sie  in  der  Fig.  127.  Larve  eine« 
Silur-,  Devon-  und  Juraformation  vertreten.  Brachiopoden.  —  Nach 

Als  Beispiele  nennen  wir:  Terebratnla,  sowohl  acaze"  1  uor8, 
lebend  als  fossil,  Bauch-  und  Rückenschale  gewölbt,  erstere  hinten  in  einen 
schnabelförmigen  Fortsatz  ausgezogen,  welcher  von  einem  Loch  durchbohrt 
ist  für  den  kurzen  Stiel,  durch  welchen  das  Thier  Steinen  etc.  angeheftet 
ist  (bei  anderen,  ähnlichen  Formen  ein  Ausschnitt  an  derselben  Stelle) ; 
Rückenschale  innen  mit  einem  schleifenförmigen  Armgerüst.  —  Lingula, 
lebend  und  fossil,  zwei  dünne,  platte,  hornartige,  fast  gleiche,  schlosslose 
Schalen,  Stiel  sehr  lang,  von  einer  Sandröhre  umgeben. 


C.  Kreis.    GHederftlSNler  (Arthropoda). 


Ebenso  wie  bei  den  Gliederwürmern  ist  der  Körper  in  eine  An- 
zahl Glieder  oder  Segmente  gesondert,  welche  äusserlich  durch 
Einschnürungen  getrennt  sind.  Die  Segmente  unterscheiden  sich  aber 
dadurch  von  denen  der  Gliederwürmer,  dass  sie  mit  gegliederten 
Gliedmaassen  ausgestattet  sind,  welche  wichtige  Bewegungs  Werkzeuge 
bilden.  Weiter  findet  man  eine  grössere  Ungleich artigkeit  in 
der  Ausbildung  der  Körpersegmente  als  bei  den  Gliederwürmern ;  bei 
den  Gliederfüsslern  ist  der  Körper  gewöhnlich  in  zwei  oder  mehrere 
Abschnitte  (ausser  dem  Kopfe)  gesondert,  deren  jeder  durch  eine  be- 
sondere Ausbildung  der  sie  zusammensetzenden  Glieder  ausgezeichnet 
ist,  und  die  einzelnen  Glieder  jedes  Abschnittes  sind  oft  unter  sich 
wesentlich  verschieden  ausgebildet.  Diese  Ungleichartigkeit  ist  sowohl 
innerlich  als  äusserlich  ausgeprägt.  Oft  ist  ferner  die  Grenze  zweier 
oder  mehrerer  Segmente  derartig  verwischt,  dass  sie  sich  mehr  oder 
weniger  innig  zu  einer  Einheit  zusaromenschliessen,  deren  Zusammen- 
setzung aus  einer  Mehrzahl  von  Segmenten  oft  nur  durch  den  Ver- 
gleich mit  anderen  Formen  oder  durch  eine  Betrachtung  der  Ent- 
wicklung zu  erkennen  ist.  —  Der  vorderste  Körperabschnitt,  der  Kopf, 
ist  stets  aus  mehreren  verschmolzenen  Segmenten  zusammengesetzt; 
einige  der  daran  angebrachten  Gliedmaassen  dienen  der  Ernährung 
und  werden  als  Mundgliedmaassen  bezeichnet;  ausser  diesen  befinden 
sich  auf  dem  Kopfe  meistens  ein  oder  zwei  Paare  von  Fühlern  oder 
Antennen. 

Bei  der  Mehrzahl  der  Gliederfüssler  findet  man  drei  Mundgliedraoassen- 
Paare:  das  1.  Paar  sind  die  Vorderkiefer  (Mandibeln),  meistens  starke, 
feste  Beisswerkzeuge ;  das  2.  und  3.  Paar  bezeichnen  wir  resp.  als  die 
Mittel-  und  die  Hinterkiefer;  sie  sind  fast  immer  schwacher  als  die 
Vorderkiefer  ausgebildet.  Diesen  3  Paaren  können,  indem  einige  der 
folgenden  Segmente  sich  mit  dem  Kopfe  verbinden,  weiter  noch  ein  oder 
mehrere  Mundgliedmaassen-Paare  sich  anschliessen ,  welche  dann  meistens 
als  Kieferfüsse  bezeichnet  werden. 

Der  Körper  und  seine  Anhänge  sind  überall  ebenso  wie  bei  den 
Gliederwürmern  von  einer  Cuticula  bekleidet,  welche  von  der  Ober- 
haut abgesondert  ist.  Diese  Cuticula  unterscheidet  sich  jedoch  in  einein 
anscheinend  untergeordneten,  aber  in  seinen  Wirkungen  sehr  wesent- 
lichen Punkt  von  derjenigen  der  Gliederwürmer.    Sie  ist  nämlich  ge- 


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Gliederfüssler. 


19a 


wohnlich  von  einer  weit  bedeutenderen  Dicke  und  Festigkeit 
als  bei  jenen  und  erscheint  desshalb  als  ein  Panzer  des  Körpers,  als 
Hautskelet.  Nur  an  den  eingeschnürten  Stellen  an  der  Grenze 
der  Segmente  bewahrt  sie  eine  gewisse  Dünnheit,  so  dass  eine  Be- 
wegung an  diesen  Stellen  stattfinden  kann  (Gelenk häute).  Alle 
Arthropoden  häuten  sich  in  gewissen  Zwischenräumen,  wenigstens 
so  lange  das  Wachsthum  dauert:  es  wird  die  ganze  Cuticula  ab- 
geworfen, nachdem  sie  vorher  von  der  unterliegenden  Oberhaut  ab- 
gelöst ist;  letztere  scheidet,  schon  ehe  die  alte  Cuticula  abgesprengt 
ist,  eine  neue,  zunächst  dünne  Cuticula  ab,  welche  sich  später  verdickt. 
Solche  periodische  Häutungen  sind  eine  Notwendigkeit,  so  lange  das 
Thier  im  Wachsthum  begriffen  ist,  indem  die  wenig  nachgiebige  feste 
Cuticula  dem  Thiere  nur  in  geringem  Grade  gestattet,  seinen  Umfang 
zu  vergrössern.  Das  fortgesetzte 
Wachsthum  desThieres  würde  dess- 
halb aufhören,  wenn  die  umgebende 
feste  Kapsel  nicht  hin  und  wieder 
entfernt  und  durch  eine  neue,  weitere 
ersetzt  würde.  Der  Umfang  des 
Thieres  vergrössert  sich  somit  bei 
jeder  Häutung  ziemlich  plötzlich; 
die  in  der  Zwischenzeit  erworbene 
Vermehrung  an  Masse  erhält  erst 
dann  einen  äusseren  Ausdruck.1) 
Am  Körper  derGliederfüssler  finden 
sich  in  grösserer  oder  geringerer 
Ausdehnung  Haare,  Ausstülpun- 
gen der  Cuticula,  welche  eine  Fort- 
setzung der  weichen  Oberhaut  ent- 
halten; die  Cuticula  ist  an  der 
Stelle,  wo  sie  in  das  Haar  Ubergeht, 
verdünnt,  so  dass  das  Haar  hier  be- 
wegt werden  kann.  —  Die  Cuticula 
derGliederfüssler  besteht  aus  einem 
organischen  Stoff  von  horaähnlichem 
Aussehen,  Chitin,  welches  übri-  „ 

„  •      t       •  v      t>     •  v.  l    ~  Fig.  128.    Schnitt   durch  ein  Haar  und 

gens  irt  chemischer  Beziehung  etwas  <Ue  ^nnMXliXe  „ullt  eine8  Gliedernder*; 

ganz  Andres  18t  als  Hornstoff.  Dem  Schema.  c  Cuticula,  <i  dünnere  Stelle  der- 
Chitin   8ind   Öfters  (namentlich  bei  »clhenl>einaJcbcrgangindaalIaar,A:<7>Oher- 

den  Krebsthieren)  Kalksalze,  beson-  haat-  —  0riK> 
ders  kohlensaurer  Kalk,  eingelagert. 

—  Die  Haut  ist  bei  den  Gliederfüsslern  immer  unbewimpert;  über- 
haupt sind  bei  den  Mitgliedern  dieses  Thierkreises  niemals  Wimper- 
zellen (auch  nicht  in  anderen  Organen)  vorhanden. 

Das  Muskelsystem  ist  ebenso  wie  bei  den  Gliederwürmern  an 
die  Haut  geknüpft,  die  Ausbildung  eines  gegliederten  Hautskeletes 
bedingt  jedoch  wesentliche  Abweichungen  von  dem  Verhalten  der 
Gliederwürmer.  Statt  eines  zusammenhängenden  Muskelschlauches 
unterhalb  der  Haut  finden  wir  hier  meistens  eine  grosse  Anzahl  ge- 
sonderter Muskeln,  welche  von  einem  Glied  zum  anderen  gehen,  sich 


*)  Aach  bei  manchen  (allen?)  Gliederwürmern  finden  ähnliche  Häutungen 
»tatt  (z.  B.  bei  den  Egeln). 

Boll,  Zoologie. 


13 


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194 


Specieller  Theil. 


mit  ihren  Enden  der  Innenseite  der  Haut  anheften  und  durch  ihre 
Contractionen  die  Segmente  des  Körpers  so  wie  die  Glieder  der  Glied- 
maassen  gegen  einander  bewegen.  Oft  verbinden  die  Muskeln  sich 
mit  sogenannten  Sehnen,  welche  bei  den  Gliederfüsslern  stets  Ein- 


Fig.  129.  Fig.  130. 


Fig.  129.  Die  vier  letzten  Glieder  eines  Arthropodenbcincs  mit  den  zugehörigen 
Muskeln,  Schema,  o  Stellen,  wo  die  Glieder  einander  berühren  und  die  Gelenkhaut  sehr 
schmal  ist,  R  und  b  Beugemuskeln,  Sund  «Streckmuskeln,  I  Gelenkhaut;  /  letzt«»,  2  vor- 
letztes Glied  etc.  —  Orig. 

Hg.  180.  Längsschnitt  durch  ein  Gelenk  eines  GliedcrfUsslers,  Schema,  c  Cuticula, 
ep  Oberhaut,  l  Gelenkhaut,  M  Muskel,  o  Oeffuung  der  Sehne,  an  welche  sich  der  Muskel 
heftet.  —  Orig. 

stülpungen  der  Cuticula  der  Haut  sind  (natürlich  von  einer  ent- 
sprechenden Oberhauteinstülpuug  umgeben),  also  aus  Chitin  bestehen ; 
sie  werden  bei  jeder  Häutung  mit  der  übrigen  Cuticula  gewechselt 
und  neugebildet.  —  Das  Muskelgewebe  der  Gliederfüssler  besteht  aus 
quergestreiften,  vielkernigen  Muskelfasern. 

Das  Nervensystem  schliesst  sich  eng  an  das  der  Glieder- 
würmer an.  Ebenso  wie  bei  diesen  findet  sich  längs  der  Bauchseite 
eine  Reihe  von  Ganglienpaaren,  in  jedem  Segment  ein  Paar,  welches 
mit  dem  des  vorhergehenden  und  nachfolgenden  Segmentes  durch 
doppelte  Nervenstränge  verbunden  ist;  von  dem  vordersten  dieser 
Bauchganglienpaare  entspringen  zwei  Nervenstränge,  welche  ieder- 
seits  vom  Schlünde  verlaufend  sich  oberhalb  desselben  im  Kopfe  mit 
einem  doppelten  Ganglienknoten,  dem  Gehirn,  verbinden.  Das 
Gehirn  erreicht  oft  eine  sehr  bedeutende  Grösse,  was  u.  A.  zu  der 
starken  Entwicklung  gewisser  Sinneswerkzeuge ,  welche  am  Kopfe 
ihren  Platz  haben  (der  zusammengesetzten  Augen),  in  Beziehung 


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Gliedcrfüssler. 


195 


steht.  Aber  auch  die  Bauchganglien  zeigen  oft  bemerkenswerthe 
Abweichungen  von  denen  der  Gliederwürmer,  Abweichungen,  welche 
der  oben  erwähnten  Ungleichartigkeit  in  der  Ausbildung 
der  Körpersegraente  und  der  Verbindung  derselben  zu  ver- 
schiedenen Abschnitten  ihre  Entstehung  verdankeu.  Es 
werden  z.  B.  in  stark  entwickelten  Segmenten  auch  die 
zugehörigen  Ganglien  stärker  ausgebildet  und  eine  engere 
Vereinigung  mehrerer  Segmente  hat  sehr  oft  auch  eine 
Verschmelzung  der  betreffenden  Ganglienpaare  zur  Folge; 
in  einigen  Fällen  können  sogar  sämmtliche  Bauchganglien 
zu  einer  einzigen  ungegliederten  Masse  verschmelzen,  was 
dann  immer  mit  einer  Verkürzung  des  Körpers  auch  im 
Aeusseren  zusammenfällt  (z.  B.  bei  Krabben).  Nicht 
selten  findet  während  der  Entwicklung  eine  Verschiebung 
der  Ganglien  statt,  und  zwar  so,  dass  das  einem  Segment 
angehörige  Ganglienpaar  weiter  nach  vorn  rückt;  die 
demselben  entspringenden  Nerven  biegen  dann  um  und 
laufen  zu  dem  Segment  zurück,  dem  das  Ganglienpaar 
eigentlich  angehört.  Die  beiden  zu  demselben  Paare  ge- 
hörenden Gauglien  sind  durch  einen  Querstrang  verbunden, 
welcher  fast  immer  kurz,  oft  so  kurz  ist,  dass  die  beiden 
Ganglien  zu  einem  verschmelzen,  was  auch  mit  den  beiden, 
die  Ganglienpaare  der  verschiedenen  Segmente  verbinden- 
den Längsnervensträngen  der  Fall  sein  kann. 

Sinnesorgane.  Die  Ausbildung  eines  Cuticular- 
Skeletes  hat  es  mit  sich  geführt,  dass  der  Tastsinn 
nicht  über  die  ganze  Körperoberfläche  verbreitet,  sondern 
auf  einzelne  Stellen  derselben  beschränkt  ist.  An  die 
weicheren  Stellen,  wo  die  Haare  eingefügt  sind,  treten 
oft  Nerven,  so  dass  die  betreffenden  Haare  zu  einer  Art 
Tastwerkzeug  werden,  zu  Tasthaaren.  Solche  Tast- 
haare sind  über  die  Oberfläche  vertheilt,  an  gewissen 
Theilen  zahlreicher  als  an  anderen.  —  Als  Geruchs- 
organ betrachtet  man  feine,  mit  einer  dünnen  Cuticula 
versehene  Haare,  welche  an  dem  vorderen  Fühlerpaare 
der  Krebse  vorhanden  sind,  und  zapfenförmige  Gebilde 
an  den  Fühlern  der  Insekten.  —  Gehörorgane  sind 
bei  manchen  Krebsthiereu  und  bei  einigen  Insekten  be- 
kannt; wir  werden  dieselben  bei  den  betreffenden  Abthei- 
lungen betrachten.  —  Die  Ge  si  ch  ts  werk ze  u  ge ,  welche 
bei  den  Gliederfüsslern  eine  sehr  bedeutende  Entwicklung 
erreichen,  erscheinen  unter  zwei  Formen,  als  einfache 
Punktaugen  und  als  zusammengesetzte  Augen. 
Wir  haben  schon  im  Allg.  Th.,  S.  19  die  Hauptpunkte  des 
Baues  dieser  Augen  betrachtet.  Bei  den  meisten  findet 
sich  ein  Paar  zusammengesetzter  Augen  und  oft  gleichzeitig  einige 
Punktaugen;  bei  anderen  sind  nur  Punktaugen  entwickelt. 

Der  Darmkanal  durchläuft  gewöhnlich  den  Körper  als  ein 
ziemlich  gerader  Schlauch ;  die  Mundöffnung  befindet  sich  am  vorderen 
Ende,  gewöhnlich  auf  der  Unterseite,  der  After  am  hinteren  Ende. 
Oft  münden  in  den  vordersten  Theil  des  Darmkanals  Speichel- 
drüsen, welche  aber  auch  fehlen  können;  in  den  mittleren  Theil 
des  Darmkanals  mündet  oft  eine  Leber,  eine  aus  längeren  oder  kürzeren, 

13* 


Fig.  131.  Das 
Nervensystem 
eiuesGamma- 
nii  c  Gehirn, 
o  Auge, «erstes 

Ganglienpaar 
des  Schwanx- 
abschnittes ,  / 
erstes  ßauch- 

gangliennaar. 
—  Nach  Sara. 


196 


Specieller  Theil. 


verästelten  oder  unverästelten  Schläuchen  zusammengesetzte  Drüse, 
welche  übrigens  bei  den  Insekten  und  anderen  völlig  fehlt. 

Gefässsystem.  Das  gewöhnlich  röhrenförmige  Herz,  dem 
Rückengefäs8  der  Gliederwürmer  entsprechend,  befindet  sich  auf  der 
Rückenseite  des  Thieres  (oberhalb  des  Darmkanals).  Es  ist  mit 
venösen  Spaltöffnungen  (meistens  mehreren  Paaren)  ausgestattet, 
durch  welche  das  Blut  in  das  Herz  aus  einem  dasselbe  umgebenden 
Blutbehälter,  dem  Herzbeutel,  eintritt;  der  Herzbeutel  empfängt 
das  Blut  von  den  Kiemen  (Lungen),  wenn  solche  vorhanden  sind, 
oder  vom  Körper.  Uebrigens  bietet  das  Gefässsystem  bei  verschiedenen 
Gliederfüs8lern  sehr  verschiedenartige  Verhältnisse  dar,  welche  später 
betrachtet  werden  sollen.  In  selteneren  Fällen  (Milben,  kleine  Krebs- 
thiere)  fehlt  ein  Gefässsystem  völlig.  —  Das  Blut  ist  gewöhnlich  eine 
farblose  Flüssigkeit  mit  amöboiden,  farblosen  Blutkörperchen. 

Athmungswerkzeuge  fehlen  bei  gewissen  Arthropoden  völlig 
(namentlich  bei  gewissen  kleineren  Krebsthieren) ;  gewöhnlich  sind  aber 
entweder  Kiemen  oder  eigeuthümliche  Luftathmungs-Werkzeuge  vor- 
handen (vergl.  die  einzelnen  Classen). 

Excretionsorgane.  Die  Segmentalorgane,  welche  wir 
bei  den  Gliederwürmern  kennen  lernten,  finden  wir  auch  bei  einem 
Theil  der  Gliederfüssler  wieder,  wenn  auch  in  einer  ziemlich  ver- 
änderten und  reducirten  Gestalt;  namentlich  hat  man  in  der  soge- 
nannten Antennendrüse  und  Schalendrüse  der  Krebsthiere 
umgebildete  Segmentalorgane  erkannt,  denen  übrigens  die  innere 
Oeffnung  in  die  Leibeshöhle  abgeht.  Bei  den  Insekten,  Tausend- 
füsslern  und  Spinnenthieren  fehlt  jede  Spur  von  Segmentalorganen. 
Dagegen  besitzen  diese  Abtheilungen  statt  dessen  sogenannte  Mal- 
pighi'sche  Gefässe,  lange  Drüsenschläuche,  welche  in  verschiedener 
Anzahl  in  den  Enddarm  einmünden  und  als  Excretionsorgane  fungiren. 

Geschlechtsorgane.  Die  Gliederfüssler  sind  mit  wenigen 
Ausnahmen  getrennten  Geschlechts.  Die  männlichen  und  die 
weiblichen  Geschlechtsorgane  stimmen  in  den  Hauptzügen  mit  einander 
überein.  Es  ist  niemals  mehr  als  ein  Paar  Geschlechtsdrüsen  vor- 
handen ;  häufig  sind  beide  mit  einander  verbunden  oder  gar  zu  einer 
unpaaren  Geschlechtsdrüse  verschmolzen.  Von  jeder  Geschlechtsdrüse 
entspringt  ein  Ausführungsgang  (resp.  ein  Ei-  oder  ein  Samenleiter), 
welcher  an  der  Unterseite  des  Thieres  in  kürzerem  oder  längerem 
Abstand  vom  After,  immer  vor  diesem,  ausmündet;  oft  sind  die  beiden 
Ausführungsgänge  in  ihrem  äusseren  Theil  mit  einander  vereinigt 
und  münden  dann  mit  einer  unpaaren  Oeffnung.  In  dem  Falle,  dass 
die  Geschlechtsdrüsen  verbunden  oder  verschmolzen  sind,  sind  trotz- 
dem gewöhnlich  zwei  Ausfuhrungsgänge  vorhanden,  einer  an  jeder 
Seite.  Oft  sind  die  Ausfuhrungsgänge  mit  Drüsen  versehen,  beim 
Weibchen  zur  Absonderung  verschiedener  Stoffe  zur  Umhüllung  oder 
zum  Festkleben  der  Eier,  beim  Männchen  zur  Bildung  von  Sperma- 
tophoren;  weiter  können  sie  mit  sackförmigen  Ausstülpungen  zur 
Aufbewahrung  des  Samens  (sowohl  bei  den  Männchen  wie  oei  den 
Weibchen)  ausgestattet  sein.  Oft  sind  Begattungswerkzeuge  vorhanden ; 
diese  sind  entweder  durch  Umbildung  der  hinteren  Körpersegmente 
(wie  bei  manchen  Insekten)  entstanden,  oder  es  sind  gewisse  Glied- 
maassen,  welche  in  besonderer  Weise  entwickelt  sind  (bei  gewissen 
Krebsthieren),  etc.  Oft  ist  ein  bedeutender  oder  wenigstens  merk- 
licher Unterschied  zwischen  Männchen  und  Weibchen  vorhanden.  — 


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Gliederfüßler. 


197 


Bei  einer  nicht  geringen  Anzahl  von  Gliederfüsslern  (Krebsen  und 
Insekten)  kommt  parthenogenetische  Entwicklung  vor,  worüber  später 
mehr.  —  Eine  ungeschlechtliche  Fortpflanzung  findet  bei  den  Glieder- 
füsslern niemals  statt. 

l.  Classe.   Krebsthiere  (Crustacm). 

Der  Kopf  ist  im  Allgemeinen  nicht  durch  eine  scharfe  Grenze 
vom  übrigen  Körper  (wie  es  z.  B.  bei  den  Insekten  der  Fall  ist)  ge- 
sondert, und  oft  sind  einige  der  folgenden  Segmente  mit  dem  Kopf 
verschmolzen.  Am  Kopfe  findet  man  ausser  den  Augen,  auf  welche 
wir  später  zurückkommen,  zwei  Antennenpaare  (Vorder-  und 
Hinterantennen)  und  drei  Kieferpaare :  Vorderkief er  (Oberkiefer), 
Mittelkiefer,  Hinterkiefer.  Die  Antennen  sind  meistens 
langgestreckte  peitschenähnliche  Anhänge,  welche  aus  einem  kürzeren, 
aus  wenigen  Gliedern  bestehenden,  Basalabschnitt ,  dem  Schaft, 
und  einem  längeren,  aus  vielen  kurzen  Gliedern  zusammengesetzten 
biegsamen  Endabschnitt,  der  sogenannten  Geis  sei,  bestehen;  statt 
einer  Geissei  können  auch  zwei  solche  neben  einander  am  Ende  des 
Schaftes  (der  Vorderantennen)  entspringen.  Der  wichtigste  Theil  des 
V order kie fers  ist  die  grosse,  feste,  ungegliederte  Basalpartie,  der 
eigentliche  Vorderkiefer,  welcher  in  der  Regel  an  seiner  nach  innen 
gewendeten  Seite  mit  einem  scharfen  gezähnten  Rand  und  oft  mit 
einer  höckerigen  Kauplatte  ausgestattet  ist  (sowohl  der  scharfe  Rand 
als  die  Kauplatte  wirken  gegen  die  entsprechenden  Theile  des  anderen 
Vorderkiefers);  diesem  Basalabschnitt  ist  manchmal  ein  schmälerer 
gegliederter  Anhang,  „P  a  1  p  u  su,  angefügt.  Die  beiden  anderen  Kiefer- 
paare stehen  an  Stärke  meistens  den  Vorderkiefern  weit  nach;  sie 
sind  plattenförmig,  ihr  Innenrand  ist  in  mehrere  Lappen  (Kauladen) 
getheilt  und  mit  steifen  Borsten  besetzt;  sie  besitzen  ebenfalls  öfters 
einen  schmäleren  Endabschnitt,  einen  Palpus.  Am  übrigenKörper 
findet  sich  eine  verschiedene  Anzahl  Gliedmaas sen paare,  welche 
von  der  Bauchseite  entspringen,  an  jedem  Segment  ein  Paar;  die 
hintersten  Segmente  sind  jedoch  häufig  gliedmaassenlos,  was  auch 
zuweilen  bei  einzelnen  der  übrigen  Segmente  der  Fall  sein  kann./  In 
selteneren  Fällen  sind  diese  sämmtlichen  Gliedmaassen  gleich,  oder 
ungefähr  gleich,  gebildet,  im  Allgemeinen  sind  sie  aber  an  verschiedenen 
Segmenten  oder  Abschnitten  des  Körpers  mehr  oder  weniger  ungleich- 
artig. Häufig  sind  z.  B.  die  vordersten  in  den  Dienst  der  Ernährung 
getreten  und  dementsprechend  umgebildet  und  werden  dann  Kiefer- 
füsse  genannt;  die  hintersten  können  als  Schwimmwerkzeuge  fungiren, 
während  andere  weiter  vorne  am  Körper  Gehwerkzeuge  sind,  etc. 
Die  Gliedmaassen  haben  überhaupt  eine  höchst  verschiedene  Form 
und  Function. 

Bei  alledem  besitzen  jedoch  sämmtliche  Gliedmaassen,  und  zwar 
nicht  allein  diejenigen,  welche  dem  Rumpf  angehören,  sondern  auch 
die  Gliedmaassen  des  Kopfes,  d.  h.  die  Hinterantennen x)  und  die 

')  Die  Vorderantennen,  welche  oft  als  Gliedmaassen  bezeichnet  werden,  schliessen 
sich  nicht  an  die  übrigen  genannten  Anhänge  an,  sondern  weisen  eigentümliche 
Verhältnisse  auf  (ein  vom  zweiten  Glied  entspringender  Aussenast  fehlt  immer,  etc.) ; 
sie  sind  ebenso  wie  die  Augenstiele  als  besondere  Anhänge  aufzufassen,  welche  die 
Aufgabe  haben,  als  Träger  von  Sinneswerkzeugen  (Geruchs-  und  Gehörorganen)  zu 
fungiren. 


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19« 


Specieller  Theil. 


drei  Kieferpaare,  einen  bestimmten  gemeinsamen  Typus.  Eine 
vollständig  entwickelte  Gliedmaasse  eines  Krebsthieres  besteht  aus 
folgenden  Theilen:  1)  einem  Stamm  (Endopodit,  Innenast),  welcher 
aus  einer  Anzahl  Glieder  zusammengesetzt  ist  und  den  Haupttheil 
A  u  der    Gliedmaasse  darstellt; 

2)  einem  vom  zweiten  Glied 
des  Stammes  entspringenden 
Aussenas  t(Exopodit),  unge- 
gliedert oder  wenigstens  nicht 
in  eigentliche,  einzeln  gegen 
einander  bewegliche  Glieder 
getheilt,  gewöhnlich  abgeplat- 
tet und  mit  Randhaaren  ver- 
sehen; 3)  einem  Nebenast  (Epi- 
podit),  welcher  vom  ersten 
(Basal-)  Glied  des  Stammes 
entspringt,  immerungegliedert, 
gewöhnlich  spärlich  behaart, 
dünnhäutig  ist  (steht  in  der 
Regel  im  Dienst  der  Respi- 
Fig.  132.  Beispiele  typischer  Krebst  hier-  ration) ;  er  fehlt  übrigens  stets 
Giic.imaasson.  ,i  Kumpfiu**  von  x,b<üia,  n    nn  den  Gliedmaassen  des  Ko- 

lctzter  Kieferfuss  einer  CJumcclon  -  Larve  1  7  pfes  (Jen  Hinterantennen,  deil 
di^lieder  ^Stammes,  er  Auwen-,  rP  Nebenamt.      ^  Kieferpaaren)>    Auf  eincr 

verschiedenartigen  Ausbildung 
dieser  drei  Theile  beruht  die  grosse  Mannigfaltigkeit,  welche  die 
Krebsthiere  im  Baue  ibrer  Gliedmaassen  darbieten:  zuweilen  fehlt 
der  Nebenast,  zuweilen  der  Aussenast,  zuweilen  beide;  einige  Glieder 
des  Stammes  können  besonders  stark  ausgebildet  sein  —  solches  ist 
z.  B.  mit  den  ersten  Gliedern  der  Kiefer1)  der  Fall  —  während 
andere  wenig  entwickelt  oder  gar  rückgebildet  sind  etc.;  davon  werden 
wir  im  Folgenden  zahlreiche  Beispiele  kennen  lernen. 

Von  anderen  Körperanhängen  ist  das  sogenannte  Schild  (oder 
die  Schale)  hervorzuheben,  eine  von  dem  hinteren  Theil  des  Kopfes 
entspringende,  nach  hinten  gerichtete  mantelförmige  Hautfalte,  welche 
einen  grösseren  oder  kleineren  Theil  des  Körpers  überdeckt.  Häufig 
ist  das  Schild  mit  dem  Rumpf  längs  der  Mittellinie  der  Rückenseite 
verwachsen.  Zuweilen  ist  die  Mittellinie  des  Schildes  weicher  als 
das  übrige,  so  dass  es  in  zwei  bewegliche  Hälften  zerfällt,  welche  etwa 
wie  eine  Muschelschale  den  Körper  umgeben.  Die  äussere  Oberfläche 
des  Schildes  ist  gewöhnlich  mit  eincr  dicken,  festen  Cuticula  bedeckt, 
so  dass  das  Schild  eine  wirklich  schützende  Decke  des  Körpers  wird; 
die  dem  Köqier-  zugekehrte  Oberfläche  des  Schildes  ist  dagegen 
weicher.  Das  Schild  gehört  zu  den  sehr  charakteristischen  Bestand- 
teilen des  Krebsthier-Körpers,  wenn  es  auch  allerdings  bei  einer 
Anzahl  derselben  fehlt. 

Die  den  Körper  der  Krebse  bekleidende  Cuticula  besitzt  oft 
eine  ansehnliche  Dicke  und  Festigkeit;  das  Chitin  enthält  immer 
Kalksalze  (namentlich  kohlensauren  Kalk)  in  verschiedener  Menge. 


')  Der  eigentliche,  als  Beiss-  oder  Kauwerkzeug  thätige  Vorderkiefer  ist  z.  B. 
das  sehr  stark  entwickelte  Grundglied  der  betreffenden  Gliedmaasse;  der  gegliederte 
Anhang  des  Vorderkiefers,  der  Palpus,  stellt  den  übrigen  Theil  des  Stammes  dar. 


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GlicdcrfÜ8aler.    1.  Claase:  Krebathiere. 


199 


Die  Geruchsorgane  haben  ihren  Platz  auf  den  Vorderantennen ; 
es  sind  lange,  fadenförmige,  sehr  dünne  und  weiche  Haare,  denen 
man  diese  Function  beilegt. —  Ge  hör  Werkzeug  e  kennt  man  nur  bei 
gewissen  Malakostraken  (siehe  die  Mysiden  und  die  Zehnfüssler).  — 
Von  Seh  Werkzeugen  findet  man  bei  den  Krebsen  theils  das  Stirn- 
»uge  (Nnuplius-Auge),  oben  in  der  Mittellinie  des  Kopfes,  aus  einem 
einzigen  oder  einer  kleinen  Gruppe  von  Punktaugen  bestehend,  theils 
ein  Paar  grosse  zusammengesetzte  Augen  an  der  Seite  des  Kopfes,  die 
Seitenaugen,  welche  oft  auf  beweglichen  Stielen  sitzen  (in  anderen 
Fällen  sind  sie  unbeweglich).  Bei  einigen  Krebsen  sind  sowohl  das 
Stirnauge  als  die  Seitenaugen  vorhanden,  bei  einigen  nur  jenes,  bei 
manchen  nur  die  letzteren.  Bei  zahlreichen  Formen  ist  das  Stirnauge 
im  Larvenleben  vorhanden,  während  es  später  verschwindet. 

Der  Darmkanal  nimmt  seinen  Anfang  vorne  auf  der  Unterseite 
des  Kopfes  mit  einer  zwischen  den  Vorderkiefern  liegenden  Mund- 
öffnung, welche  vorne  und  hinten  oft  von  je  einer  hervorragenden  Haut- 
falte, der  Oberlippe  und  der  Unterlippe,  begrenzt  ist.  Der 
Darmkanal  ist  ein  ungefähr  gerader  Schlauch,  welcher  sich  auf  der 
Unterseite  des  letzten  Körpersegmentes  öffnet.  Der  mittlere  Theil 
ist  mit  Leberschläuchen  von  verschiedener  Zahl  ausgestattet. 

Athmungswerkzeuge.  Die  Krebsthiere  athmen  durchweg, 
indem  sie  den  im  Wasser  aufgelösten  Sauerstoff  durch  die  Haut  auf- 
nehmen. Bei  manchen,  besonders  kleinen,  dünnhäutigen  Krebsen 
fehlen  besondere  Athmungs Werkzeuge;  die  ganze  Körperoberfläche 
oder  ein  grösserer  Theil  derselben  fungirt  als  solches.  Bei  anderen 
sind  dagegen  gewisse  Theile  des  Körpers  besonders  als  Kiemen 
entwickelt.  Zuweilen  ist  es  einfach  das  Schild,  welches  neben  seiner 
Function  als  Schutzorgan  zugleich  durch  seine  dünnhäutige  Innen- 
seite als  Athmungswerkzeug  dient;  in  anderen  Fällen  fungiren  der 
abgeplattete  Nebenast  der  Gliedmaassen  oder  andere  Theile  derselben 
als  Kiemen ;  bei  anderen  sind  die  Kiemen  besondere,  meistens  ver- 
ästelte Anhänge,  welche  von  einem  der  ersten  Glieder  der  Glied- 
maassen oder  am  Grunde  derselben  entspringen.  Neben  diesen  eigent- 
lichen, meistens  durch  ein  sehr  feines  und  dichtes  Gefässnetz  aus- 
gezeichneten Kiemen  kann  auch  die  übrige  Oberfläche  ganz  oder 
theilweise  ihre  Bedeutung  für  die  Respiration  bewahren. 

Nur  wenige,  anf  dem  Lande  lebende,  Krebse  athmen  atmosphärische 
Lnft,  und  bei  diesen  kommt  es  in  vereinzelten  Fällen  zur  Ausbildung 
lungenähnlicher  Organe.  Solches  ist  z.  B.  bei  einem  mit  den  Ein- 
siedlerkrebsen verwandten ,  in  Ostindien  lebenden  Krebs,  Birgits  lalro,  der 
Fall;  seine  Kiemen  sind  sehr  klein,  die  von  den  Seitentheilen  des  Schildes 
begrenzte  Kiemenhöhle  fungirt  aber  als  luftathmendes  Organ  und  ist  dem- 
entsprechend mit  gefässreichen,  die  Oberfläche  vergrössernden  Auswüchsen 
(welche  von  der  Innenseite  des  Schildes  entspringen)  ausgestattet.  Bei 
einigen  Isopoden  haben  sich  in  den  Schwanzfussen  verästelte  Einstülpungen 
der  Haut  entwickelt,  welche  in  derselben  Weise  fungiren. 

Das  Gefä8ssystem  ist  ziemlich  verschiedenartig  ausgebildet. 
Bei  einigen  ist  das  ganze  Gefässsystem  nur  durch  das  Herz  vertreten, 
welches  das  Blut  durch  den  Körper  treibt,  wo  es  in  den  Lücken 
zwischen  den  verschiedenen  Organen  fliesst;  in  gewissen  Fällen  fehlt 
sogar  das  Herz.  Eine  derartige  geringe  Ausbildung  des  Gefässsystems 
steht  meistens  mit  einer  geringen  Körpergrösse  und  dem  Mangel 
besonderer  Athmungswerkzeuge  in  Verbindung.    Wenn   solche  vor- 


200 


Specieller  Theil. 


handen  sind,  findet  man  in  der  Regel  eine  reichere  Entwicklung  des 
Gefasssystems  und  wirklich  abgegrenzte  Gefässe,  wenn  solche  auch 
an  manchen  Stellen  des  Körpers  nicht  bestehen,  wo  dann  das  Blut 
in  den  Lücken  zwischen  den  Organen  strömt:  das  Gefässsystem  ist 
somit  auch  hier  nicht  völlig  abgeschlossen.  Der  Kreislauf  verhält 
sich  bei  kiementragenden  Krebsthieren  folgenderraassen  (vergl.  Fig.  133) : 


Fig.  133.  (jofässsy  stein  eines  Hummers,  Schema.  Die  Gefässe,  welche  arterielles  Blut 
enthalten,  sind  hell,  die  anderen  dunkel  gehalten ;  die  lYeile  deuten  die  Richtung  des  Blut- 
strouies  an.  </  Kiemen,  h  Hera,  y>  Herzbeutel,  r  venöser  Blutbehalter,  v  Gefässe  von  diesem 
nach  den  Kiemen,  a  von  den  Kiemen  nach  dem  Herz.  —  Nach  Gegenbaur. 

Von  dem  Herzen  wird  das  Blut  durch  mehr  oder  weniger  ausgebildete 
Arterien  in  die  verschiedenen  Theile  des  Körpers  getrieben ;  nachdem 
es  hier  Kohlensäure  aufgenommen  und  Sauerstoff  abgegeben  hat, 
sammelt  es  sich  in  grösseren  Blutbehältern  und  vertheilt  sich  von  da 
aus  zu  den  Kiemen ;  nachdem  es  hier  wieder  Sauerstoff  aufgenommen 
hat,  geht  es  durch  besondere  Gefässe  zum  Herzbeutel  und  von  diesem 
lilutbehälter  durch  die  Spalten  des  Herzens  in  das  letztere  hinein, 
um  schliesslich  wieder  in  den  Körper  zu  strömen. 

Excretionsorgane.  Man  findet  bei  den  Krebsthieren  zwei 
Paare  schlauchförmiger  Organe,  welche  wahrscheinlich  den  Segmen- 
talorganen  der  Gliederwürmer  entsprechen.  Die  betreffenden 
Organe  sind  gewöhnlich  von  ansehnlicher  Länge  und  liegen  in  zahl- 
reichen Windungen;  das  vorderste  Paar,  die  Antennendrüsen, 
münden  im  Basalgliede  der  Hinterantennen,  das  zweite,  die  Schalen- 
drüsen1), am  Grunde  der  Hinterkiefer.  Selten  sind  beide  Paare 
gleichzeitig  bei  demselben  Thiere  entwickelt;  oft  ist  das  eine  Paar 
im  Larveuzustande  vorhanden  und  verschwindet  später,  wenn  das 
andere  sich  ausgebildet  hat.    Oft  fehlen  beide. 

Die  Geschlechtsorgane  münden  auf  der  Unterseite  des 
Körpers,  in  der  Regel  ziemlich  weit  vom  hinteren  Ende  entfernt, 
gewöhnlich  mit  zwei  getrennten  Oeffnungen.  Die  Oeffnungen  der 
Eileiter  befinden  sich  bei  manchen  weiter  nach  vorne  als  die  der 
Samenleiter.  Die  grosse  Mehrzahl  der  Krebsthiere  sind  getrenn- 
ten Geschlechts;  davon  machen  aber  die  meisten  Ranken  Iii  ssler 
eine  Ausnahme,  indem  bei  ihnen  in  jedem  Individuum  sowohl  Eier- 


')  Der  Name  stammt  daher,  das«  diese  Drüsen  oftmals  (z.  B.  bei  Apus) 
grÖsstentheils  in  dem  Schild  (der  Schale)  liegen. 


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Gliederfüasler.  1.  Clwse:  Krebsthiere. 


201 


Stöcke  als  Hoden,  jede  mit  besonderen  Ausfuhrungsgängen,  vorhanden 
sind.  —  Nicht  selten  findet  eine  parthenogenetische  Ent- 
wicklung statt  (siehe  Branchipus,  Apus,  die  Daphniden.) 

Die  Entwicklung  bietet  bei  den  Krebsen  ein  bedeutendes 
Interesse  dar.  Gewöhnlich  ist  sie  mit  einer  sehr  ausgeprägten  M  e  t  a- 
morphose  verbunden,  indem  das  Junge,  wenn  es  das  Ei  verlässt, 
von  dem  Erwachsenen  wesentlich  verschieden  ist.  Der  Unterschied 
beruht  unter  Anderem  darauf,  dass  die  Larve  eine  geringere  Anzahl 
Segmente  und  Gliedmaassen  als  das  erwachsene  Thier  besitzt  (vergl. 
die  Entwicklung  der  Gliederwürmer);  ferner  besitzen  viele  der  Glied- 
maassen einen  anderen  Bau  und  theilweise  auch  eine  andere  Function 
als  bei  letzterem.  Einer 
grossen  Anzahl  von  Krebs- 
thieren  ist  es  gemeinsam, 
dass  sie  das  Ei  auf  dem  so- 
genannten N  a  p  1  i  u  s  Stadium 
verlassen,  als  ein  kleines  ge- 
drungenes Geschöpf,  welches 
nur  mit  dem  ersten  und  zwei- 
ten Antennenpaare  und  mit 
den  Vorderkiefern  ausge- 
stattet ist;  diese  Anhänge 
sind  alle  als  ziemlich  kräf- 
tige Schwimmwerkzeuge  ent- 
wickelt, die  Hinterantennen 
und  die  Vorderkiefer  (welche 
letztere  von  ihrer  späteren 
Form  ganz  abweichend  ge- 
staltet sind)  mit  einem  lang- 
behaarten Aussenast  ver- 
sehen ;  von  den  Augen  besitzt  Fr  mäivr* 
der  Nauplius  nur  das  Stirn- 
auge, die  Seitenaugen  fehlen  völlig.  Der  Nauplius,  welcher  frei  im 
W asser  umherschwimmt,  wächst  allmählich  in  die  Länge,  die  nach- 
folgenden Gliedmaassen  sprossen  hervor,  und  nach  einer  Reihe  mit 
Häutungen  einhergehender  Umgestaltungen  erreicht  der  Krebs  schliess- 
lich die  definitive  Gestalt.  Bei  anderen  Krebsthieren  verlässt  das 
Junge  aber  das  Ei  in  einem  weiter  ausgebildeten  Zustand,  mit 
mehreren  Gliedmaassenpaaren  ausgestattet  etc.  (vergl.  unten). 

Die  allermeisten  Krebsthiere  gehören  dem  Meere  an,  einige 
kriechen  auf  dem  Boden  des  Meeres  umher,  andere  sind  vorzügliche 
Schwimmer,  zahlreiche  findet  man  auf  dem  offenen  Meere;  im  Larven- 
zustande  schwimmen  die  allermeisten  frei  umher.  Eine  nicht  sehr 
grosse  Anzahl  Krebsthiere  leben  im  Süsswasser,  andere  auf  dem 
Lande  an  feuchten  Stellen. 

Man  theilt  die  Krebse  in  zwei  Unterclassen :  Entomostraken 
und  Malakostraken.  Letztere  Abtheilung  bildet  eingeschlossenes 
Ganze,  während  die  Entomostraken  mehrere  z.  Th.  nur  entfernter  ver- 
wandte Gruppen  umfassen. 


184.  Nauplius  von  l'enueua.  Vergr.  —  Nacb 


202 


Speoieller  Theil. 


1.  Unterclasse.    Entomostraken  (Entnmostraca). 

1.  Ordnung.    Blattfüssler  (Phi/llopoda). 

Der  Kopf  ist  mit  einem  Stirn auge  und  mit  zusammengesetzten, 
gestielten  oder  sitzenden  Seiten  äugen  ausgestattet;  die  Kiefer  sind 
meistens  schwach  entwickelt,  zuweilen  auch  die  Antennen.  Auf  den 
Kopf  folgt  ein  meistens  aus  zahlreichen  Segmenten  zusammengesetzter 
Rumpf;  jedes  Rumpfsegment  trägt  ein  Paar  stark  abgeplattete  blatt- 
ähnliche Gliedmaassen,  welche  gleichzeitig  als  Schwimmwerk- 
zeuge und  als  Kiemen  fungiren,  und  welche  an  allen  Segmenten  un- 
gefähr gleich  gebildet  sind.  Die  letzten  Glieder  des  Körpers  sind 
gliedmaassenlos  (Schwanz);  an  dem  hintersten  findet  sich  ein  Paar  ge- 
gliederte oder  ungegliederte  nach  hinten  gerichtete  Anhänge.  Der 
Körper  (Rumpf  und  Schwanz)  ist  bei  der  Mehrzahl  der  Formen  ganz 
oder  theilweise  von  einem  Schild  bedeckt,  welches  vom  Kopfe  ent- 
springt. Sie  verlassen  das  Ei  als  Nauplien.  Die  meisten  Formen 
dieser  kleinen  Abtheilung  leben  im  Süsswasser,  in  der  Regel  in 
kleinen  Pfützen.  Die  Eier  der  Blattfüssler  sind  im  Stande,  eine  voll- 
ständige Austrocknung  der  Umgebung  auszuhalten,  einige  ent- 
wickeln sich  sogar  nicht,  wenn  sie  nicht  vorher  einige  Zeit  eingetrocknet 
gelegen  haben. 

1 .  Thanrh ipus  besitzt  ein  Paar  gestielte  bewegliche  Seitenaugen, 
das  Schild  fehlt.  Das  zweite  Antennenpaar  des  Männchens  ist  derartig 
umgebildet,  dass  es  das  Weibchen  während  der  Paarung  festhalten  kann. 
Der  Rumpf  trägt  11  Beinpaare,  der  Schwanz  ist  9gliedrig,  die  Schwanz- 
anhänge ungegliedert.  (Die  Geschlechtsorgane  liegen  im  Schwanz  und  öffnen 
sich  an  seinem  vordersten  Theil ,  welcher  beim  Weibchen  sackförmig  an- 


Fig.  135.  liranchipua  rcrnalit,  al  Vorder-,  Oo  Hintcnwtenneii,/  Stirnforts&tzc.  o  Stiel- 
auge,  /<  Penis,  r  ScliwAuzniihatige,  I,  II,  XI:  l.,  2..  11.  Rumpfsegment.  XII— XIII  die  zwei 
vordersten  Sohwanz.tegmente.     -  Nach  Packard. 


geschwollen  ist,  um  den  Eiern  Platz  zu  gewähren.)  Die  /?.-Arten  sind 
durchsichtige,  gestreckte  (1  —  2  cm  lange)  Thierchen,  welche  man  in  kleinen 
Süsswasserpfützen  findet:  sie  schwimmen  ununterbrochen,  mit  der  Bauch- 
seite nach  oben,  umher.  Ein  paar  Arten  in  Deutschland  (Ii.  stagnalis  etc.). 
—  Die  Arten  der  nahe  verwandten  Gatt.  Artcmia  (vergl.  S.  72)  leben  in 
Salzlachen  am  flachen  Meeresstrande  oder  in  Salzseen  (Utah)  ;  einige  dieser 
Formen  pflanzen  sich  für  gewöhnlich  parthenogenetisch  fort,  Männchen 
erscheinen  nur  hin  und  wieder  (A.  salina  in  Südeuropa). 

2.  Apus  ist  mit  einem  breiten,  schwach  gewölbten  Schild  aus- 
gestattet, welches  den  Körper  mit  Ausnahme  des  hintersten  Theils  überdeckt. 


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GliederfÜMler.    1.  Classe:  Krebsthiere.    1.  Unterclasse:  Entomostraken.  203 


Die  Seitenaugen  sind  ungestielt,  sitzen  dicht  neben  einander  und 
nahe  dem  kleinen  Stirnauge  auf  der  Oberseite  des  Kopfes.  Die  Antennen 
sind  sehr  klein.  Es  sind  ca.  60  Paare  blattförmiger  Füsse  vorhanden,  deren 
Stamm  ebenso  wie  bei  anderen  Blattfüsslern  in  Lappen  ausgezogen  ist,  welche 
auf  dem  vordersten  Beinpaare  bei  Apus  zu  langen  gegliederten  Fäden  ver- 
längert sind.  (Beim  Weibchen  ist  der  breite  Aussenast  des  elften  Bein- 
paares  uhrglasartig  gewölbt,  und  der  Nebenast  desselben  legt  sich  als  ein 
Deckel  an'  denselben,  so  dass  beide  zusammen  eine  kleine  Schachtel  bilden, 
in  welcher  die  Eier  umhergetragen 
werden.)  Schwanzanhänge  lange 
gegliederte  Fäden.  Die  Schalen- 
drüsen liegen  im  Schilde  und  sind 
durch  die  Haut  hindurch  sicht- 
bar. Die  A.' Arten  sind  recht 
ansehnliche  (mehrere  cm  lange), 
bräunliche  oder  grünliche  Ge- 
schöpfe mit  einem  dünnen  Haut- 
skelet,  welche  man  besonders  im 
Frühling  in  kleinen  Süsswasser- 
lachen  findet,  oft  in  solchen, 
welche  im  Laufe  des  Sommers 
austrocknen ;  sie  schwimmen  auf 
dem  Rücken.  Meistens  findet 
man  blos  Weibchen  (bei  einigen 
Arten  sind  sogar  ausschliesslich 
solche  bekannt),  Männchen  treten 
nur  selten  auf :  die  Fortpflanzung 
ist  in  der  Regel  eine  parthe- 
nogenetische.  Mehrere  Arten 
in  Deutschland. 

3.  Den  Uebergang  zur  fol- 
genden Ordnung  bilden  die  Gat- 
tungen Kütheria,  Limtiadia  u.  a., 
welche  sich  dadurch  auszeichnen, 
dass  das  Schild  in  zwei  bewegliche 
Hälften  getheilt,  auf  der  Aussen- 
seite  mit  einer  sehr  festen  Cuticula 
ausgestattet  ist  und  den  ganzen 
Körper  umschliesst  (einer  Mu- 
schelschale zum  Verwechseln  ähn- 
lich, kann  wie  eine  solche  ge- 
schlossen werden);  ferner  dadurch,  dass  die  Seitenaugen  sehr  nahe  an  einander 
gerückt  oder  gar  verschmolzen  sind,  und  dass  die  Hinterantennen  sehr  kräftig 
und  mit  zwei  gegliederten  Geissein  (resp.  dem  Aussenast  und  dem  distalen 
Theil  des  Stammes)  ausgestattet  sind ,  während  das  erste  Antennenpaar 
nur  eine  geringe  Grösse  erreicht. 

2.  Ordnung.    Daphniden  (Chulocera). 

Die  Daphniden  sind  als  eigenthümlich  entwickelte  Phyllopoden 
aufzufassen  mit  einer  geringenAnzahl  von  Gliedmaassen  und 
einem  grossen,  zusammengedrückten,  zwciklappige  n  Schild, 
welches  den  Körper  mit  den  Gliedmussen  umschliesst.  Auf  dem  Kopf 


Fif?.  13«.  .4/«»«  proilnrhiH,  von  unten  genchcn. 
«,  Vorderall  tenne,  an  After.  /Oberlippe,  nul  Vorder- 
kielcr,  /»,  erster  Fuss,  r  S«'h  wanzfaden  (Knde  ab- 
geschnitten ),  5  Schild.      Nach  II.  Milne  Kdward«. 


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204 


Specieller  Thoil. 


befindet  sich  ei n  grosses  zusammengesetztes,  bewegliches,  kurz- 
gestieltes Auge,  welches  durch  eine  Verschmelzung  der  beiden 
Seitenaugen  entstanden  ist;  dieses  Auge  ist  in  eine  besondere  Höh- 
lung eingeschlossen,  welche  dadurch  entstanden  ist,  dass  eine  Falte 
der  Haut  des  Kopfes  über  das  Auge  hin  gewachsen  ist.  Ausser 
diesem  Auge  findet  sich  gewöhnlich  das  kleine  unpaare  Stirnauge 
(das  Naupliusauge).  Das  vorderste  Antennenpaar  ist  gewöhnlich  kurz, 
mit  Riech  haaren  versehen.     Die  Hinterantennen  sind  kräftige 


Fig.  137.  Daphniile,  8ida  crystallina,  mit  S  Wintereiern  in  der  Bruthöhle. 
«,  Vorder-,  a,  Hinterantenne,  an  After,  d  Darm,  A  Herz,  m  Mundöffnung,  O  Eier,  oc  Auge, 
od  Eierstock,  r  Schwanzanhang,  S  Schild.  —  Nach  Weismann. 

zweiästige  Schwimmwerkzeuge.  Ausser  den  Vorderkiefern  ist 
nur  noch  ein  schwach  entwickeltes  Kieferpaar  vorhanden.  Der  kurze 
Rumpf  ist  mit  ähnlichen  abgeplatteten  Schwimm füssen  wie  bei 
den  Phyllopoden  ausgestattet,  es  sind  aber  nur  4—6  Paare  davon 
vorhanden  Der  Schwanz  ist  nach  unten  gebogen  und  an  der  Spitze 
mit  zwei  zugespitzten,  ungegliederten  Schwanzanhängen  versehen.  — 
Es  befindet  sich  ein  kräftig  pulsirendes  Herz  vorn  auf  der  Rücken- 
seite, eigentliche  Gefässe  fehlen  sonst.  Es  ist  eine  wohlentwickelte 
Schalendrüse  vorhanden. 

Einige  Daphniden  weichen  von  dem  beschriebenen  allgemeinen 
Typus  dadurch  ab,  dass  das  Schild  fehlt  oder  nur  schwach  entwickelt 
ist,  durch  die  langgestreckte  Form  des  Körpers  und  durch  abweichende 
Gestaltung  der  Rumpfgliedraaassen. 

Die  Daphniden  sind  kleine  (höchstens  wenige  mm  lange)  durch- 
sichtige Thiere,  welche  grösstentheils  im  Süsswasser,  in  geringerer 
Anzahl  im  Meere  leben;  sie  bewegen  sich  hüpfend  im  Wasser.  Im 
Laufe  des  Sommers  findet  man  gewöhnlich  nur  Weibchen,  welche  sich 
parthenogenetisch  durch  grosse  dünnschalige  „Sommereier"  fort- 
pflanzen, die  in  dem  Räume  zwischen  der  Rückenseite  des  Rumpfes 
und  dem  Schilde  „ausgebrütet"  werden ;  die  Jungen  verlassen  diese 
Bruthöhle  ungefähr  in  der  Gestalt  der  Mutter;  Im  Herbst  erscheinen 


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Gliederfusaler.    1.  Classe:  Krebsthiere.    1.  Unterclasse:  Entomostraken.  205 


auch  Männchen;  die  befruchteten  Eier,  „Wintereier"  („Dauereier"), 
welche  dickschaliger  sind  als  die  Sommereier,  überwintern,  gewöhnlich 
in  eine  eigenthümliche  Hülle  (Ej)hippium)  eingeschlossen,  welche  die 
verdickte  Cuticula  des  Schildes  (oder  ein  Theil  derselben)  ist,  die 
das  Weibchen  mit  den  Eiern  zusammen  abwirft.  Die  Wintereier  ent- 
wickeln sich  erst  im  Frühling ;  bei  einigen  Formen  verlässt  das  Junge 
das  Winterei  in  der  Naupliusgestalt. 

3.  Ordnung.   Schwertschwänze  {Xiphura). 

Bei  den  jetzt  lebenden  Schwertschwänzen,  welche  nur  eine  einzige 
Gattung,  IAmuliis  (die  Molukkenkrebse),  umfassen,  zerfällt  der  Körper 
in  zwei  ungegliederte  Abschnitte, 
Vorderkörper  und  Hin- 
terkörper, welche  durch  ein 
Gelenk  mit  einander  verbunden 
sind;  jeder  dieser  Abschnitte 
ist  durch  Verschmelzung  meh- 
rerer Segmente  entstanden.  Der 
vordere  Abschnitt  trägt  ein 
Schild,  welches  oben  mit  der 
Rückenseite  des  Thieres  ver- 
wachsen ist,  während  die  Seiten- 
theile  die  Beine  dachförmig  über- 
decken. Auf  der  Oberseite  des 
Vorderkörpers  findet  sich  ein 
Paar  grosser,  zusammengesetz- 
ter, sitzender  Seitenaugen; 
das  Stirnauge  ist  durch  ein 
Paar  kleiner  Augen  vertreten, 
welche  dicht  neben  einander 
vorn  auf  dem  Thiere  sitzen. 
An  tennen  und  Kiefer  (Vor- 
der-, Mittel-  und  Hinterkiefer) 
fehlen  ganz.  Auf  der  Unter- 
seite des  Vorderkörpers  finden 
sich  6  Paar  drehrunde  geglie- 
derte Gehfüsse,  welche  beim 
Weibchen  sämmtlich  mit  Schee- 
ren (vergl.  die  Zehnfüssler)  aus- 
gestattet sind,  während  solche 
beim  Männchen  häufig  an  ei- 
nigen Füssen  fehlen.  Die  6 
Fusspaare  umgehen  die  weit 
nach  hinten  gerückte  Mundöff- 
nung; das  vorderste  Paar, 
welches  weit  kleiner  ist  als  die 
übrigen,  hat  sogar  seinen  Platz 
vor  dem  Munde;  das  Grundglied 
der  Beine  ist  mit  Dornen  be- 
setzt, so  dass  sie  gleichzeitig  als  Kauwerkzeuge  dienen.  Auf  der  Unter- 
seite des  Hinterkörpers  sitzen  5  plattenförmige  Glied- 
maas sen -Paare,  welche  am  Innenrande  paarweise  am  Grunde  ver- 


Fig.  138.  LimuluB  pofepfeMM,  9,  von  der 
Unterseite.  Verkleinert.  / — 6  GehfUnae,  o  der 
Deckel  der  kiemen  tragen  den  GliedmaasMMi,  deren 
Ränder  man  hinter  jenem  sieht. 


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aoe 


Specicller  Theil. 


wachsen  sind ;  jedes  dieser  Gliedmaassen  trägt  an  seiner  hinteren  Seite 
eine  Reihe  breiter  niedriger  Kiemenblätter.  Vom  hinteren  Rand 
des  Vorderkörpers  entspringt  ein  Paar  ähnlicher  plattenförmiger,  aber 
fester  chitinisirter  und  kiemenloser  Gliedmaassen,  welche  in  der  Mittel- 
linie verwachsen  sind  und  als  ein  Deckel  die  kiementragenden 
Gliedmaassen  bedecken ;  an  der  hintereu  Seite  des  Deckels  befinden 
sich  sowohl  beim  Männchen  als  beim  Weibchen  die  zwei  Geschlechts- 
öffnungen. Der  Körper  wird  hinten  durch  einen  langen,  beweglich 
eingelenkten,  zugespitzten  Schwanzstachel  abgeschlossen.  —  Das 
Hautskelet  ist  ziemlich  fest,  von  horuartiger  Consistenz  und  Farbe. 

Die  Jungen  der  Schwertschwänze  verlassen  das  Ei  auf  einer 
ziemlich  vorgeschrittenen  Entwicklungsstufe.  Das  neugeborene  Junge 
zeichnet  sich  dadurch  aus,  dass  der  Hinterkörper  gegliedert  und 
der  Schwanzstachel  nur  sehr  wenig  entwickelt  ist. 


Fig.  189.  Junges  von  Limulus,  A  von  «1er  Oberseite,  B  von  der  Bauchseite.  —  Nach 
Kingaley. 


Die  wenigen  jetzt  lebenden  Arten  dieser  Gruppen  sind  grosse 
(bis  über  '/*  m  lange)  Formen  ,  welche  an  den  Küsten  Asiens  und 

A  Dl  C         .  D 


Fig.  140.    A  Limutus,  B  Belinunta,  C  Kuri/j>lrrus,  D  ein  T  r  i  lo  b  i  t  (Dalmanite*  nocialis). 


Amerikas  leben.  Bei  der  Bewegung  spielt  der  Schwanzstachel  eine 
nicht  unwichtige  Rolle,  indem  er  wie  ein  Stock  benutzt  wird,  um 


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Gliederfussler.    1.  Classe:  Krebsthiere.    1.  Unterclasse:  Entomostraken.  207 

den  Körper  nach  vorne  zu  schieben.  Sie  leben  von  animalischer 
Nahrung. 

Unter  den  ausgestorbenen  Schwertschwänzen  giebt  es  einige 
(z.  B.  Belmurus  aus  der  Kohlenformation)  mit  einem  gegliederten 
Hinterkörper  ebenso  wie  das  Junge  von  Limtdus.  —  Entferntere  Ver- 
wandte der  Schwertschwänze  sind  die  Gatt.  Eurypterus  (Silur)  und 
andere,  mit  einem  verhältnissmässig  kleinen  Vorderkörper  mit  5  Glied- 
maassen-Paaren  (in  der  Hauptsache  von  ähnlicher  Form  und  Lagerung 
wie  die  Vorderkörper-Gliedmaassen  von  Limulus),  mit  einem  grossen 
gegliederten  Hinterkörper  und  einem  kürzeren  Schwanzstachel. 

4.  Ordnung.   Trilobiten  {Trihbita). 

Der  abgeplattete,  im  Allgemeinen  ovale  Körper  der  Trilobiten 
zerfallt  in  drei  Abschnitte  (vergl.  Fig.  140  D):  Vorderkörper,  Hinter- 
körper und  Schwanz,  von  welchen  der  Hinterkörper  gewöhnlich  der 
grösste  ist.  Der  Vorderkörpe  r  ist  ungegliedert,  vorn  und  seitlich 
von  einem  gebogeuen  Rand  begrenzt,  hinten  gerade  abgeschnitten ;  die 
Seitenecken  sind  nicht  selten  in  je  einen  nach  hinten  gerichteten  Dorn 
verlängert.  Auf  der  Oberseite  befindet  sich  in  der  Kegel  ein  Paar 
grosser,  zusammengesetzter,  sitzender  Augen.  Der  H  i  n  t  e  r  k  ö  rp  e  r 
besteht  aus  einer  Anzahl  (2 — 26)  beweglicher,  kurzer,  breiter  Seg- 
mente. Der  Schwanz  ist  aus  einer  Anzahl  verwachsener  Glieder 
gebildet,  deren  Grenzen  meistons  deutlich,  zuweilen  aber  verwischt 
sind.  Der  ganze  Körper  ist  auf  seiner  Oberseite  mit  zwei  Längs- 
furchen versehen,  welche  fast  von  einem  Ende  des  Körpers  bis  zum 
anderen  verlaufen  und  die  Oberfläche  in  ein  Mittelfeld  und  zwei 
Seitenfelder  theilen.  Die  Unterseite  des  Körpers  mit  den  Gliedmaassen 
ist  wahrscheinlich  von  sehr  weicher,  dünnhäutiger  Beschaffenheit  ge- 
wesen, während  die  Oberseite  fest  war;  von  der  Unterseite  und  den 
daran  sitzenden  Gliedmaassen  hat  man 
nur  in  wenigen  Fällen  undeutliche  /7T\ 
Spuren  gefunden ,  so  dass  man  sich 
nicht  mit  Sicherheit  über  den  Bau 
der  Gliedmaassen  aussprechen  kann; 
es  ist  wahrscheinlich,  dass  es  weiche,  QT\ 
schwache  Gliedmaassen  ebenso  wie  die  ^5* 
der  Phyllopoden  gewesen  sind.  Einige      F,K.  m.  Kotwieklun^tadien  eines 

Trilobiten  besaSSen  das  Vermögen,  8ich   Trilobiten  (Sao  hirtutuj.  —  Nach  Barran.lo. 

ähnlich  wie  gewisse  Asseln  zusammen- 
zurollen.  Ueber  ihre  Entwicklung  weiss  man,  dass  sie  als  kleine  Junge 
eine  geringere  Anzahl  Segmente  als  im  erwachsenen  Zustande  besassen. 

Die  sehr  artenreiche  Ordnung  der  Trilobiten  umfasst  ausschliess- 
lich ausgestorbene  Formen.  Die  Abtheilung  blühte  namentlich 
in  der  Silurformation ,  in  geringerer  Anzahl  war  sie  in  der  Devon- 
forraation  vertreten,  sie  starb  in  der  Kohlenformation  aus.  Manche 
Mitglieder  derselben  waren  von  recht  ansehnlicher  Grösse. 

5.  Ordnung.    MlJSChelkrebse  {Ostracod(i). 

Für  eine  oberflächlichere  Betrachtung  haben  die  Muschelkrebse  eine 
ziemlich  grosse  Aehnlichkeit  mit  den  Daphniden,  von  welchen  sie  sich  aber 


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208 


Specieller  Theil. 


bei  näherer  Betrachtung  bedeutend  unterscheiden.  Der  Körper  ist  kurz, 
etwas  zusammengedrückt  und  kann  mit  den  Gliedmaassen  zusammen  völlig 
von  dem  sehr  festen  Schild  umschlossen  werden;  dieses  ist  in  zwei  be- 
wegliche Hälften  getheilt,  die  ebenso  wie  die  Hälften  einer  Muschelschale 
geöffnet  und  geschlossen  werden  können.  Vorne  auf  dem  Thiere  befindet 
sich  ein  (zuweilen  in  zwei  getheiltes)  Stirnauge  und  ausserdem  noch  bei 
einigen  Formen  ein  Paar  beweglicher  8eitenaugen.  Das  erste  und  zweite 
Antennenpaar  sind  kräftig  ausgebildet  und  mit  langen  Schwimmborsten 
versehen;  beide,  jedoch  besonders  das  zweite  Paar,  sind  Schwimm-  und 
Gehwerkzeuge.   Der  Vorderkiefer  trägt  einen  wohlentwickelten  Palpus, 


F»g.  142.  Fig.  148. 


Fig.  142.  Ein  Muschelkrebs  (Cypria).  oc  Stirnauge,  an '^Vord*r-,  a«*  Hinter- 
antenne; md  Vorder-,  mxl  Mittel-,  toj-*  Hinterkiefer;  px— p9  erstes— zweites  Gehfusspaar, 
c  Schwanz.    Vergr.  —  Nach  Zenker. 

Flg.  148.  N au p Ii us  eines  Muschelkrebses.  *  Schale,  die  Übrigen  Buchstaben  wie 
in  der  nebenstehenden  Figur.  —  Nach  Clans. 

welcher  häufig  mit  einem  Aussenast  ausgestattet  ist.  Der  Kittel-  und 
der  Hinterkiefer  sind  wohlentwickelt;  ersterer  trägt  bei  einigen  einen 
grossen  plattenformigen  Aussenast;  auch  der  Hinterkiefer  kann  mit  einem 
Aussenast  ausgestattet  sein.  Ausser  den  genannten  Gliedmaassen  sind  nur 
noch  zwei  Paar  schlanke,  gegliederte  Rumpfgliedraaasaen  vorhanden.  Der 
hinterste  Theil  des  Körpers  ist  nach  unten  gebogen  und  endet  gewöhnlich 
mit  zwei  plattenförmigen  Anhängen.  —  Was  den  inneren  Bau  betrifft,  so  ist 
hervorzuheben,  dass  bei  manchen  Muschelkrebsen  ein  Herz  fehlt.  —  Männ- 
chen und  Weibchen  sind  schon  äusserlich  kenntlich  verschieden  (im  Baue 
der  Gliedmaassen  etc.) ;  merkwürdig  ist  die  kolossale  Grösse ,  welche  die 
8 am  e nkörp e r chen  erreichen:  bei  der  Art  Oypris  ovum  sind  sie  z.  B. 
in  ausgestrecktem  Zustand  ein  paar  mm  lang,  cL  h.  mehr  als  dreimal  so 
lang  wie  das  ganze  Thier.  —  Bei  manchen  Muschelkrebsen  verläset  das 
Junge  das  Ei  auf  der  Nauplius  - Stufe,  also  nur  mit  Antennen  und  Vorder- 
kiefern ausgestattet ;  das  Schild  ist  übrigens  schon  auf  diesem  frühen  Stadium 
entwickelt. 

Die  Kuschelkrebse  sind  Thiere  von  geringer  Grösse,  welche  schwimmend 
und  kriechend  sowohl  im  Meere  als  im  Süsswasser  gefunden  werden. 

6.  Ordnung.    Copepoden  (Copepoda). 

Die  Ordnung  der  Copepoden  nmfasst  theils  eine  grosse  Anzahl 
freilebender  Formen,  theils  eine  Menge  Schmarotzer,  welche  sich  zwar 
jenen  eng  anschliessen ,  andererseits  aber  entsprechend  ihren  eigen- 
thumlichen  Lebensverhältnissen  mehr  oder  weniger,  zuweilen  sogar  in 


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Gliederfüßler.    1.  Claase:  Krebsthiere.    1.  TJnterclasse :  Entomostraken.  209 

hohem  Grade,  umgebildet  sind.  Wir  werden  zunächst  die  freilebenden 
Copepoden  betrachten. 

Der  Körper  zerfällt  in  drei  Abschnitte:  Vorderkörper, 
Hinterkörper  und  Schwanz.  Auf  dem  Vorderkörper  befandet 
sich  oben  ein  Stirnauge,  welches  aus  2,  3  oder  mehreren  Punkt- 
augen besteht  (die  bei  einigen  pelagischen  Copepoden  eine  bedeutende 
Grösse  erreichen);  dagegen  fehlen  Seitenaugen  immer.  Der 
Vorderkörper  trägt  ferner  zwei  Antennen  paare,  welche  beide  wohl- 
entwickelt sind.  Die  vorderen  Antennen  sind  gewöhnlich  die 
längsten  und  werden  als  Schwimmwerkzeuge  verwendet ;  beim  Männchen 


Fig.  144.  Cyclop».  a  Nauplius,  b  —  d  spätere  Entwicklungastadien ,  e  erwachsenes 
Thier  (von  den  Mundgliedinaassen  ist  Oberkiefer  und  Kieferfuss  nur  auf  der  linken  Seite  der 
Figur,  der  Mittel-  und  HinUrkiefer  nur  auf  der  rechten  Seite  dargestellt).  Vcrgr. 

haben  sie  häufig  ausserdem  die  Aufgabe,  das  Weibchen  während  der 
Paarung  festzuhalten :  sie  sind  dann  in  der  Mitte  wie  geknickt,  und 
der  distale  Theil  kann  gegen  den  proximalen  eingeschlagen  werden. 
Die  hinteren  Antennen  besitzen  manchmal  einen  Aussenast.  Die 
Vorderkiefer  sind  im  Allgemeinen  mit  einem  Palpus  ausgestattet, 
welcher  oft  einen  kleinen  Aussenast  besitzt.  Hinter  den  Vorderkiefern 
finden  sich  die  Mittel*  und  Hinterkiefer  und  ein  Paar  Kiefer« 
füsse.  Der  Hinte  r  kör  per  besteht  aus  5  Segmenten,  von  welchen 
das  vorderste  häufig  mit  dem  Vorderkörper  verschmolzen  ist;  jedes 
Segment  —  oder  nur  die  vier  vorderen  —  trägt  ein  Paar  Schwimm- 
beine,  welche  aus  je  einem  kurzen  in  zwei  Blätter  ausgehenden 
Schaft  bestehen ;  das  äussere  Blatt  stellt  den  Aussenast  dar,  das  innere 
sammt  dem  Schaft  den  Stamm.  Der  Schwanz  ist  der  verschmälerte, 

Bon,  Zoologie.  14 


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210 


Specieller  Theil. 


gliedmaassenlose,  aus  5  Segmenten  zusammengesetzte  Endahschnitt  des 
Körpers;  an  seinem  hinteren  Ende  finden  sich  ein  Paar  ungegliederte 
platten-  oder  griffeiförmige  Schwanzanhänge,  zwischen  denen  der  After 
seinen  Platz  hat.  —  Das  Gefässsystem  ist  wenig  ausgebildet; 
sogar  das  Herz  fehlt  meistens.  Ebenso  fehlen  besondereAth- 
mungs Werkzeuge.  Die  Eileiter  münden  auf  der  Unterseite  des 
ersten  Schwanzsegmentes;  die  Eier  werden,  in  ein  oder  zwei  Eier- 
säcke eingeschlossen,  vom  Weibchen  umhergetragen;  jene  sind  am 
Grunde  des  Schwanzes  festgeheftet,  und  ihre  Wand  besteht  aus  dem 
gehärteten  Secret  von  ein  oder  zwei  Drüsen ,  welche  entweder  in  die 
Eileiter  oder  an  der  Oberfläche  in  der  Nähe  der  Geschlechtsöffnungen 
münden.  Die  Samenleiter  öffnen  sich  ebenfalls  auf  dem  1.  Schwanz- 
glied ;  der  Samen  wird,  in  Spermatophoren  eingeschlossen,  an  den  weib- 
lichen Geschlechtsöffnungen  angebracht.  —  Das  Junge  verlässt  das 
Ei  als  ovaler  Nauplius  mit  Stirnauge  und  den  für  diese  Entwick- 
lungsstufe charakteristischen  Gliedmaassen  (Antennen,  Vorderkiefern), 
vermittels  welcher  es  lebhaft  im  Wasser  umherschwimrat.  Die  übrigen 
Gliedmaassen  sprossen  allmählich  hervor,  indem  der  Körper  nach  und 


Die  freilebenden  Oopepoden,  deren  Bau  und  Entwicklung 
wir  soeben  betrachtet  haben,  sind  kleine  schwimmende  Thiere,  welche 
man  sowohl  im  Süsswasser  wie  im  Meere,  häufig  in  ungeheuren 
Schaaren,  findet;  grosse  Strecken  der  Oberfläche  des  Meeres  können 
von  diesen  Thierchon  rothgefärbt  sein.  Die  wichtigste  Nahrung  der 
grossen  Häringsschwärme  besteht,  wenigstens  an  manchen  Stellen,  aus 
gewissen  Arten  dieser  Abtheilung,  welche  auch  einen  bedeutenden 
Beitrag  zur  Nahrung  der  Bartenwale  liefert. 

In  den  süssen  Gewässern  Deutschlands  finden  sich  häufig  Arten  der 
Gatt.  Oyclops,  Wasserfloh,  mit  zwei  Eiersäcken,  u.  a. 

Die  schmarotzenden  Copepoden  umfassen  eine  Menge  verschie- 
dener Formen,  welche  auf  (seltener  in)  verschiedenen  Wasserthieren, 
meistens  Meeresthieren  leben;  man  trifft  sie  besonders  bei  Fischen 
(namentlich  an  der  Haut  und  an  den  Kiemen),  ferner  auch  bei  Wür- 
mern, Weichthieren  etc. ;  oft  erreichen  sie  eine  ansehnlichere  Grösse  als 
die  freilebenden  (mehrere  cm).  Einige  von  ihnen,  z.  B.  die  Fiscb- 
1  äuse  (Caligus),  weichen  verbal tnissmässig  wenig  von  den  freilebenden 
Copepoden  ab:  die  Oberkiefer  sind  zu  Stechwerkzeugen  umgebildet, 
welche  in  eine  durch  Verwachsung  der  Ober-  und  Unterlippe  gebildete 
Röhre,  denRüssel,  eingeschlossen  sind;  einige  von  den  Gliedmaassen 
(Hinterantennen,  Hinterkiefer,  Kieferfüsse)  sind  zu  Greifhaken  (Haft- 
werkzeugen) umgebildet;  im  Uebrigen  sind  aber  diese  Formen,  welche 
man  z.  B.  an  der  Haut  der  Fische  findet,  von  den  freilebenden  nicht 
auffallend  verschieden  '),  die  beiden  Geschlechter  sind  nicht  sehr  un- 
gleich, und  sowohl  Männchen  als  Weibchen  sind  beweglich,  nicht  an 
dieselbe  Stelle  des  Wirths  gebunden.  —  Bei  anderen  ist  aber  die 
Umbildung  grösser,  die  Anpassung  an  das  Schmarotzerleben  inniger; 


*)  Es  ist  jedoch  zu  bemerken,  dass  die  vorderen  Antennen,  welche  bei  den 
freilebenden  Copepoden  gewöhnlich  sehr  lang  sind,  mehr  oder  weniger  verkürzt 
sind;  der  Mittelkiefer  ist  rudimentär;  das  Auge  kann  vorhanden  sein  oder  fehlen. 
Nicht  selten  (z.  B.  bei  Caligus)  ist  der  Körper  abgeplattet,  der  Hautoberfläche  des 
Wirths  angepasst. 


nach  an  Lä 


zunimmt. 


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Gliederfussler.    1.  Clwse:  Krebsthiere.    1.  Unterclaase :  Entomostraken.  211 


besonders  wird  das  bei  den  Weibchen  augenfällig.  Die  Umbildung, 
welche  übrigens  bei  verschiedenen  Formen  einen  sehr  verschiedenen 

l  2  3 


5  4 

Fig.  145.  /  Xogagut  borcalis,  Männchen  von  unten.  2  Caligtis  rapar,  Weibchen  von 
oben.  3  Chondracanthus  gibbotus,  Weibchen  von  unten  (o*  das  Männchen).  4  Brac/iiclln 
(Aynni,  Weibchen,  5  Männchen  derselben  Art  (stärker  vergr.).  a, — <i9  Vorder-  und  Hinter- 
atitenne, /  Anhang  am  Hinterende,  hk  Hinterkiefer,  hf  Kieferfuss,  /»* 

r,  o  Eieraack.  —      2,  4,  5  nach  Stcenstrup  &  Lütken,  3  nach  Claus. 


Grad  erreicht,  bewegt  sich  in  der  Richtung  des  Plumpen,  Unförm- 
lichen, Unbeweglichen :  der  Schwanz  bildet  sich  zurück,  die  Gliederung 
verwischt  sich,  diejenigen 
Gliedmaassen,  welche  nicht  als 
Haftwerkzeuge  fungiren,  ver- 
schwinden oder  werden  un- 
brauchbar ,  was  namentlich 
von  den  eigentlichen  Beinen 
gilt,  welche  entweder  fehlen, 
oder  zu  verschwindend  kleinen 
Theilen  rückgebildet  sind  (Fig. 
146  B)  oder  aber  zu  grossen, 
plumpen ,  borstenlosen  An- 
hängen werden,  welche  nur      Fig  ,46    A  Pendla  tag!tta  ^^-^  auf 

schwache  Andeutungen  der  gewissen  Fischen),  9,  natürl.  Gr.,  B  der  vorderste 
Ursprünglichen  Form  aufwei-  Theil  derselben,  vergr.  pi  erstes,  p*  vierte*  Bern- 
sen.   Oft  sind  solche  Schma-  p-t,  o  fj^.  -    jr^^« -rri,««  (Seh«.- 

,      ,  rotzer  auf  Borstcnwürmeru),  V,  vergr.  o  hiersack. 

rotzerkrebse  mit  eigentnum-  Uer  anregeimäs8ig  gelappte  Abschnitt  ist  in  den  Kör- 
bchen Auswüchsen   Versehen,  perdesWirthnelngosenkt.—  NachSteeustrup-LUtkeu. 

14* 


212 


Specieller  Theil. 


wodurch  ihr  Aussehen  noch  auffälliger  wird.  In  der  Regel  sind  sie. 
blind.  Wo  die  Reduction  am  weitesten  vorgeschritten  ist,  ist  das 
ganze  Thier  ein  Sack  ohne  Gliedraaassen  (Fig.  146 G),  nur  mit  zwei 
kürzeren  oder  längeren  (oft  fadenförmigen)  Eiersäcken  ausgestattet. 
Sie  sind  dem  Wirth  unbeweglich  angeheftet,  in  einigen  Fällen  ver- 
mittels der  hinteren  Antennen,  der  Hinterkiefer  oder  der  zu  langen 
Armen  umgebildeten  Kieferfüsse,  in  anderen  Fällen  dadurch,  dass  der 
ganze  vordere  Theil  des  Thieres  in  den  Körper  des  Wirths  eingesenkt 
ist.  Die  Männchen  dieser  stärker  umgebildeten  Formen  sind  meistens 
Zwergmännchen,  welche  nur  einen  geringen  Bruchtheil  der 
Grösse  der  Weibchen  erreichen  und  in  der  Regel  an  diesen,  in  der 
Nähe  der  Geschlechtsöffnungen,  festgeheftet  sitzen;  sie  sind  gewöhn- 
lich nicht  in  dem  Maasse  umgebildet,  wie  die  Weibchen  es  sein  Können, 
besitzen  in  der  Regel  mehrere  deutliche  Gliedmaassenpaare  etc. 

Die  schmarotzenden  Copepoden  verlassen  ebenso  wie  die  frei- 
lebenden das  Ei  als  Nauplien,  welche  frei  umherschwimmen ,  und 
nach  einigen  Häutungen  erreichen  sie  eine  Gestalt,  welche  der  bleibenden 
Form  der  freilebenden  ähnlich  ist;  wenn  die  Schmarotzer  später  im 
ausgebildeten  Zustand  unförmliche  Gestalten  sind,  so  verdanken  sie 
dies  einer  nach  der  Festheftung  stattfindenden  „rückschreitenden 
Metamorphose". 

Bei  einigen  Schmarotzerkrebsen,  z.  B.  der  an  den  Kiemen  des  Dorsches 
lebenden  Lernaea  branehialis ,  sind  Männchen  und  Weihchen  noch  auf  dem 
Zeitpunkt,  wo  sie  sich  begatten,  einander  einigermassen  ähnlich  und  besitzen 
dann  noch  eine  ziemlich  normale  Copepodenform ;  nach  der  Paarung  wächst 
das  Weibchen  aber  stark  und  wird  ganz  unförmlich,  während  das  Männchen 
zu  Grunde  geht,  weshalb  man  an  den  erwachsenen  Lernaea- Weibchen  keine 
Männchen  findet. 


7.  Ordnung.    Rankenfüssler  {Cinipedia). 

Die  Rankenfüssler  sind  mit  einem  futteralartigen  Schild,  dem 
sogenannten  Mantel,  versehen,  welches  nur  am  Kopfende  mit  dem 
übrigen  Thier  zusammenhängt,  während  es  im  Uebrigen  den  Körper 
lose  umhüllt;  der  von  demselben  umschlossene  Hohlraum  steht  nur 
durch  eine  Spalte  an  der  Bauchseite  mit  der  Aussenwelt  in  Ver- 
bindung. Bei  einer  Hauptabteilung  der  Rankenfüssler,  den  L  e  p  a  - 
diden  (Entenmuscheln),  ist  der  Mantel  an  seinem  vorderen  Ende 
in  einen  dicken,  kürzeren  oder  längeren  Stiel  ausgezogen,  vermittels 
dessen  das  Thier  an  fremden  Gegenständen  festgeheftet  ist.  Der 
Mantel  ist  bei  den  meisten  Lepadiden  (z.  B.  der  Gatt.  Lejxis)  auf 
seiner  Aussenseite  mit  5  Kalkplatten  versehen,  von  welchen  eine 
schmal  ist  und  längs  des  Rückenrandes  des  zusammengedrückten 
Mantels  liegt,  während  die  übrigen  4,  2  auf  jeder  Seite,  grössere 
oder  kleinere  Theile  der  Seitenflächen  des  Mantels  bedecken;  die- 
jenigen Theile  der  Aussenfläche ,  welche  diese  Platten  unbedeckt 
lassen  (bei  Lepas  sind  das  übrigens  nur  die  Grenzfurchen  zwischen 
den  Platten,  bei  anderen  können  grössere  Theile  unbedeckt  sein),  sind 
mit  einer  dünnen  Cuticula  überzogen,  welche  auch  den  Stiel,  die 
Innenseite  des  Mantels  und  den  Körper  bekleiden;  die  Kalkplatten 
sind  als  besonders  stark  ausgebildete  Partien  der  Cuticula  aufzufassen. 
Bei  einigen  Lepadiden  (Scalpellum)  findet  man  ausser  diesen  5  Platten 
noch  eine  Anzahl  grössere  und  kleinere  Platten  an  der  Grenze  des 


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Glieder  Plissier.    I.  Classe:  Krebsthiere.    I.  Unterclasac:  Entomostraken.  213 

Stieles  und  des  übrigen  Mantels  (Fig.  149  B).  Bei  den  Balanen 
(Seepocken),  einer  anderen  Hauptabtheilung  der  Rankenfüssler,  fehlt 

Fig.  147.  Fig.  148. 


*, 

Fig.  147.  Lepas.  Die  rechte  Mantelhälfte  ist  entfernt,  der  Körper  in  Längsschnitt 
dargestellt.  —  Nach  Claus. 

Fig.  148.  Baiann«.  Die  rechte  Hälfte  des  Mantels  und  der  Schale  weggenommen. 
—  Nach  Darwin. 

Gemeinsame  Bezeichnung:  ■•  und  b  die  paarigen  Mantelplattcn,  c  un paare  RUckenplatte. 
at  Vorderantenne,  an  After,  k  KittdrUsc,  l  Leber,  m  Schliessmuskel  des  Mantels,  m'  RUckzieh- 
muskel,  o'  weibliche  Geschlechtsölluung,  od  Eileiter,  ov  Eierstock,  j>  Penis,  r  Schale,  sl  Samen- 
leiter, t  Hoden. 

der  Stiel,  das  Thier  ist  aber  auch  hier  an  fremden  Gegenständen 
festgeheftet  und  zwar  mit  demselben  Theil  des  Mantels  wie  bei  den 


A  B  C  D 


Fig.  149.  Schematische  Figuren,  welche  den  Uebergang  von  der  Lepadiden-  zur 
ßalanengestalt  zeigen.  A  Lrpa*,  B  Scalpcüum,  C  ciu  Balanidc  mit  vielen  kleinen  Platten 
(CatophragmusJ,  D  BaUmus.  i  Stiel,  a — d  Kalkplatten,  a—b  Seitenplatten,  c  RUckenplatte. 
Die  Buchstaben  haben  in  allen  Figuren  dieselbe  Bedeutung.  —  Orig. 


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214 


Specialer  Theil. 


Lepadiden ;  die  Haftfläche  ist  bei  diesen  Thieren  gross  und  mit  einem 
Kalküberzug  versehen.  Diejenigen  Platten,  welche  bei  den  letzt- 
genannten Lepadiden  (Scalpellum)  an  der  Grenze  des  Stieles  sitzen 
(Fig.  149  B  d),  sind  nebst  der  unpaaren  der  zuerst  genannten 
5  Platten  (c)  bei  den  Balanen  zu  einer  festen  Schale  verbunden, 
welche  wie  eine  Schachtel  den  grössten  Theil  des  Thieres  uragiebt; 
diese  Schale  besteht  zuweilen,  aber  seltener,  aus  einer  grossen  Anzahl 
von  Platten  in  mehreren  Kreisen  (Fig.  149  C),  weit  häufiger  aber  aus 
einer  geringeren  Anzahl  (8,  6)  grosser  Platten,  welche  einen  Kreis 
bilden  (D,  d—c).  Einen  Deckel  der  Schachtel  stellt  der  übrige  Theil 
des  Mantels  mit  den  vier  grossen  Platten  (a,  b)  der  Lepadiden  dar, 
welche  hier  verhältnissmässig  klein  sind;  in  diesem  Theil  des  Mantels 
findet  sich  die  enge  spaltförmige  Oeffnung,  welche  in  die  Mantel- 
höhle führt. 

Von  den  Anhängen  des  Körpers  ist  das  ersteAntennenpaar 
in  einem  rudimentären  Zustand  vorhanden;  es  befindet  sich  bei  den 
Lepadiden  auf  der  Haftfläche  des  Stieles,  bei  den  Balanen  an  der 
entsprechenden  Stelle.  In  diesen  Antennen  öffnet  sich  je  eine  Kitt- 
drüse,  durch  deren  Secret  das  Thier  an  der  Unterlage  befestigt  ist. 
Das  2.  Antennenpaar  fehlt  dagegen  beim  erwachsenen  Thier 
völlig.  An  der  Mundöffnung  sind  die  gewöhnlichen  drei  Kieferpaare 
vorhanden;  keines  derselben  ist  stark  entwickelt.  Die  Unterseite  des 
Rumpfes  —  welche,  wie  aus  Fig.  147 — 148  ersichtlich,  nach  oben 
gewendet  ist  —  trägt  6  Paar  Ranken füsse,  die  aus  je  einem  zwei- 
gliedrigen Schaft  und  zwei  vielgliedrigen,  sehr  biegsamen,  peitschen- 
ähnlichen Aesten  bestehen ;  der  äussere  der  letzteren  ist  der  Aussen- 
ast,  der  Schaft  und  der  andere  Ast  bilden  den  Stamm.  Die 
Rankenfüsse,  deren  Aeste  mit  Haaren  ausgestattet  sind,  können  aus 
der  Mantelspaltc  hervorgestreckt  und  wieder  zurückgezogen  werden ; 
sie  werden  dazu  benutzt,  kleine  Organismen,  welche  dem  Thiere  als 
Nahrung  dienen,  in  die  Mantelhöhle  hineinzustrudeln ;  die  Bewegung 
der  Rankenfüsse  geschieht  in  der  Weise,  dass  sie  dicht  zusammenge- 
legt aus  der  Spalte  hervorgestreckt,  dann  fächerförmig  ausgebreitet, 
darauf  wieder  zusammengelegt  und  mit  einem  Ruck  in  die  Mantel- 
höhle zurückgezogen  werden.  Bei  den  Balanen  sind  die  vorderen 
Rankenfüsse  bedeutend  kürzer  als  die  hinteren.  Der  Körper  ist 
meistens  undeutlich  gegliedert  und  trägt  häufig  an  der  Spitze  ein 
Paar  kleine  gegliederte  oder  ungegliederte  Schwanzanhänge.  —  Von 
Augen  besitzt  das  ausgebildete  Thier  nur  ein  doppeltes  Stirnauge, 
während  die  Seitenaugen  fehlen.  Herz  und  Blutgefässe 
fehlen. 

Die  Bauchganglienkette  ist  sehr  zusammengedrängt,  bei  den 
Balanen  sind  sogar  sämmtliche  Bauchganglien  zu  einem  einzigen  grossen 
Knoten  verschmolzen.  Der  Darmkanal  öffnet  sich  auf  der  Spitze  des 
Körpers.  Bei  den  Balanen  findet  sich  jederseits  eine  wohlentwickelte 
Kieme,  welche  von  der  Innenseite  des  Mantels  entspringt  und  als  eine 
Falte  desselben  aufzufassen  ist;  die  Kieme  ist  wieder  mit  kleineren  Quer- 
falten versehen.  Sie  ist  bei  den  meisten  Lepadiden  sehr  schwach  entwickelt 
und  hat  bei  diesen  eine  andere  Aufgabe,  nämlich  diejenige,  die  Eierplatten 
(vergl.  unten)  zu  tragen.  Besondere  Excretionsorgane  scheinen  nicht 
vorhanden  zu  sein. 

Im  Gegensatz  zu  beinahe  allen  anderen  Krebsthieren  sind  die 
meisten  Rankenfüssler  hermaphroditisch.  Die  Eierstöcke  liegen 


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Gliedcrfiissler.    1.  Classe:  Krebsthiere.    1.  Unterclawe:  Entomostraken.  215 


bei  den  Lepadiden  im  Stiel,  bei  den  Balanen  an  der  Anheftungsfläche ; 
auf  jeder  Seite  des  Körpers  mündet  ein  Eileiter.  Die  verzweigten 
Hoden  finden  sich  im  eigentlichen  Körper;  die  Samenleiter  münden 
mit  einer  gemeinsamen  Oeffnung  an  der  Spitze  eines  lauggestreckten 
Begattungsorgans,  welches  am  Ende  des  Körpers  angebracht  ist.  Sehr 
merkwürdig  ist  es,  dass  man  bei  gewissen  Lepadiden  (z.  B.  Seal  pell  um) 
ausser  den  zwittrigen  Individuen  ganz  kleine  Männchen  findet,  stark 
reducirtc  Geschöpfe,  welche  von  den  Hermaphroditen,  auf  denen  sie 
angeheftet  leben,  sehr  verschieden  sind:  Ergänzungsmännchen. 
Bei  anderen  ist  eine  wirkliche  Trennung  der  Geschlechter  vorhanden : 
die  Weibchen  besitzen  die  gewöhnliche  Form,  die  Männchen  sind 
Zwerge,  den  genannten  Ergänzungsmännchen  ganz  ähnlich.  —  Die 
Eier  bleiben,  zu  grossen  Eierplatten  zusammengekittet,  in  der 
Mantelhöhle,  so  lange  bis  das  Junge  sich  entwickelt  hat. 

Die  Rankenfüssler  verlassen  das  Ei  als  Nauplien,  mit  einem 
ersten  und  zweiten  Antennenpaar  und  Vorderkiefern.  Nach  einigen 
Häutungen  geht  die  Larve  in  das  sogenannte  Cypris-Stadium 
über,  in  welchem  sie  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  einem  Muschelkrebs 
besitzt  (Cypris  ist  der  Name  einer  Gattung  der  Muschelkrebse).  In 
diesem  Stadium,  in  welchem  das  Thier  ebenso  wie  im  Nauplius- 
Stadium  frei  umherschwimmt,  ist  das  erste  Antennenpaar  wohlent- 
wickelt vorhanden  und  an  seinem  vorletzten  Glied  mit  einer  Haft- 
scheihe  versehen;  das  zweite  Antennenpaar  ist  ganz  verschwunden, 
dagegen  aber  haben  sich  6  Paar  Schwimmbeine,  welche  denen 
der  Copepoden  ähnlich  sind,  entwickelt  (die  späteren  Rankenfüsse) ; 
ausser  dem  Nauplius-Auge  findet  sich  ein  Paar  grosser  zusammen- 
gesetzter Seitenaugen,  und  es  ist  ein  zweiklapp iges,  den  Körper 
uraschliessendes  Schild  vorhanden.  Nach  einiger  Zeit  heftet  sich 
das  Thier  mit  den  Antennen  fest,  das  Secret  der  Kittdrüsen  strömt 
durch  letztere  hinaus  und  fesselt  für  immer  das  Thier  an  den  einmal 
gewählten  Platz,  die  grossen  Augen  verschwinden,  dagegen  bleibt  das 
Stirnauge  erhalten,  die  Schwimmheinc  bilden  sich  allmählich  zu 
Rankenfüssen  um,  indem  ihre  Aeste  sich  in  die  Länge  strecken  etc., 
und  durch  eine  Reihe  von  Umbildungen  erreicht  das  Thier  die 
Lepadiden-  resp.  Balanen-Gestalt. 

Alle  Rankenfüssler  leben  im  Meere. 

1 .  Die  Lepadiden  (Entenmuscheln,  Lejtadidac)  sind  mit  einem  kürzeren 
oder  längeren  Stiel  versehen;  der  Mantel  mit  5  (oder  mehr)  Platten.  Viele 
Lepadiden  heften  sich  an  Gegenständen  an ,  welche  im  Meere  schwimmen 
(Schiffen,  schwimmenden  Bimssteinstücken  etc.);  dies  ist  z.  B.  bei  der  Gatt. 
Ispax  der  Fall,  deren  5  Kalkplatten  fast  die  ganze  Oberfläche  des  Mantels 
bedecken.  —  Andere  Lepadiden,  z.  B.  das  mit  zahlreicheren  Kalkplatten 
und  mit  Ergänzungsmännchen  ausgestattete  Scalpdlum ,  heften  sich  an  un- 
bewegten Gegenständen  an,  z.  Th.  in  grösserer  Tiefe. 

Zu  den  Lepadiden  gehört  auch  die  Gatt.  Lithothrya,  welche  vermittels 
feiner,  fester,  dem  sehr  dicken  Stiel  aufsitzender  Chitindornen  sich  eine 
Höhle  in  Kalkstein,  Korallenblöckteu  etc.  bohrt.  —  Ferner  die  sehr  ab- 
weichende Gatt.  Alcijt/tr,  welche  getrennten  Geschlechts  ist  (das  Weibchen 
besitzt  nur  das  1.,  5.  und  6.  Paar  Rankenfüsse,  das  Männchen  ist  ein  Zwerg 
ohne  Darmkanal  etc. ) ;  sie  bohrt  sich  Höhlungen  in  der  Wand  todter  Schnecken- 
gehäuse. —  In  die  Haut  gewisser  Haie  eingebohrt  findet  man  eine  eigen- 
tümliche Lepadide,  Anehsma  mpialicola.  von  deren  Stiel  feine  verästelte 
Fäden  entspringen,  welche  im  Körper  des  Haies  festsitzen;  die  Rankcn- 


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216 


Specieller  Theil. 


füsse  sind  borstenlos  (erinnern  an  die  Gliedmaassen  gewisser  schmarotzender 
Copepoden),  der  Mantel  ohne  Kalkplatten,  dagegen  sind  die  Mundtheile 
recht  gut  entwickelt.  Ob  diese  Form  ein  echter  Schmarotzer  ist,  welcher 
sich  vom  Körper  des  Haies  ernährt,  oder  ob  sie  lediglich  auf  diesem  ihre 
Wohnung  hat,  ist  unsicher;  ersteres  dürfte  aber  das  wahrscheinlichere  sein. 

2.  Die  Balanen  (Seepocken,  Balanidae)  sind  ungestielt  und  besitzen 
eine  meistens  aus  einem  einzigen  Kreis  von  Kalkplatten  gebildete  Schale 
mit  einem  Deckel,  welcher  mit  4  Platten  ausgestattet  ist  und  eine  8palte 
in  der  Mitte  besitzt  (vergl.  oben).  Dazu  gehört  die  Gatt.  Baianus,  welche 
z.  B.  oft  in  Schaaren  grosse  Steine  am  Meeresstrande  überzieht,  wo  die  Thiere 
bald  vom  Wasser  bedeckt,  bald  unbedeckt  sind.  Andere  Gattungen  findet 
man  auf  Seeschildkröten  festgeheftet  oder  an  der  Haut  von  Walen  (mit  dem 
unteren  Ende  in  die  Oberhaut  des  Wales  eingesenkt:  Corotiula  u.  a.). 

3.  Die  Wurzelkrebse  (Rhizocej)hala)  bilden  eine  dem  Schmarotzer- 
leben entsprechend  umgebildete,  höchst  eigentümliche  Abtheilung  derRanken- 
füssler,  welche  sich,  wenn  wir  nur  den  ausgebildeten  Zustand  in  Betracht 
ziehen,  von  dem  Bilde,  das  wir  oben  von  der  Ordnung  gegeben  haben, 
weit  entfernen.  Der  Körper  des  erwachsenen  Thieres  zerfallt  in  zwei  Ab- 
schnitte :  einen  vorderen,  aus  reich  verästelten  Fäden  bestehend,  welche  im 
Körper  des  Wirths  versteckt  liegen,  und  einen  hinteren  sackförmigen  Ab- 
schnitt, welcher  ausserhalb  des  Körpers  hängt  und  durch  einen  kurzen  8tiel 
mit  dem  vorderen  verbunden  ist;  die  Fäden  des  vorderen  Abschnittes  um- 
spinnen die  inneren  Organe  des  Wirths  und  nehmen  endosmotisch  Nahrung 
aus  demselben  auf;  sie  lassen  sich  sowohl  nach  ihrem  Aussehen  als  nach 
ihrer  Function  mit  dem  Wurzelsystem  einer  Pflanze  vergleichen.  Der  sack- 
förmige Theil  ist  von  einem  weichen  Mantel  umgeben;  die  Mantelhöhle,  in 
weloher  die  Eier  aufbewahrt  werden,  steht  nur  durch  eine  kleine  Oeffnung 
mit  der  umgebenden  Welt  in  Verbindung.  Darmkanal  und  sämmtliche 
Gliedmaassen  fehlen.  —  Die  Wurzelkrebse  durchlaufen  eine  Metamorphose, 
deren  erste  Stufen  denen  der  normalen  Rankenfüssler  ähnlich  (Nauplius-, 
Cypris-Stadium)  sind ;  nach  der  Festheftung  am  Wirth  unterliegt  das  Thier  aber 
einer  Umbildung,  deren  Resultat  die  oben  beschriebene  abenteuerliche  Gestalt 
ist.  —  Sie  schmarotzen  auf  ZehnfÜsslern,  eine  Art  (SaceiUina  carcini)  findet 
man  z.  B.  recht  häufig  auf  der  Unterseite  des  Schwanzes  der  gemeinen 
Krabbe  (Carcinwt  maenas)  der  europäischen  Küsten,  eine  andere  (PcUogaster 
paguri)  am  Schwänze  der  Einsiedlerkrebse  (das  Wurzelsystem  durchzieht  in 
beiden  Fällen  den  ganzen  Körper  des  Wirths,  dessen  Geschlechtsorgane 
nicht  zur  Reife  kommen  etc.). 


2.  Unterclasse.    Malakostraken  (Malacostraca). 

Im  Gegensatz  zu  den  Entomostraken,  deren  Segment-  und  Glied- 
maassen-Zahl  innerhalb  sehr  weiter  Grenzen  schwankt,  finden  wir  bei 
den  Malakostraken  eine  typische  Zahl  von  Segmenten  und  Glied- 
maassen, eine  Zahl,  welche  bei  gewissen  Formen  dadurch  verringert 
werden  kann,  dass  einzelne  Segmente  oder  Gliedin  aas senpaare  nicht 
zur  Entwicklung  gelangen,  welche  aber  niemals  überschritten  wird. 

Der  Körper  der  Malakostraken  zerfallt  in  3  Abschnitte :  den  Kopf, 
den  Rumpf,  welcher  aus  8  Segmenten  besteht,  und  den  7gliedrigen 
Schwanz.  Vom  Kopf  entspringt  bei  den  meisten  Ordnungen  ein 
Schild,  welches  immer  nur  den  Rumpf  selbst  (oft  sogar  nicht  den 


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Gliederiussler.    1.  Classe:  Krebsthiere.   2.  Unterlasse:  Malakostraken.  217 


ganzen  Rumpf)  bedeckt,  nicht  aber  die  Rumpfgliedmaassen  und  den 
Schwanz  (vergl.  die  Verhältnisse  bei  den  Daphniden,  Phyllopoden  etc.); 


Fig.  160.  Die  G 1  i ed m a as s e n  eines  Hummers,  <f  \  alle  gehören  der  linken  Seite 
•n  und  sind  von  hinten  (unten)  gesehen.  In  der  oberen  Kcihc  sind  dargestellt  (von  links 
nach  rechts):  Vorderantenne,  Hinterantenne,  Vorder-,  Mittel-,  Hinterkiefer ;  1.,  2.,  3.  Kiefer- 
tus»  (die  drei  vordersten  Rumpffutse).  In  der  mittleren  Keihe  der  4. — 8.  Kuinpffuss  (die  Brust- 
fassc).  In  der  unteren  Keihe  die  Schwanzfünse.  i  Stamm,  y  Aussenast,  b  Nebenast,  >j  Kieme, 
k  Oeffhung  der  AntcnnendrUse.  —  Orig. 


das  Schild  ist  stets  mit  einem  kleineren  oder  grösseren  Theil  der 
Rückenseite  des  Rumpfes  verwachsen,  während  die  Seitentheile  frei 


218 


Specieller  Theil. 


sind;  seine  äussere  Oberfläche  ist  mit  einer  festen  Cuticula  bedeckt, 
welche  oft  eine  bedeutende  Dicke  erreicht.  Der  Kopf  trägt  ferner: 
ein  Paar  grosse ,  zusammengesetzte ,  meist  gestielte  und  bewegliche 
Seiten  äugen,  während  das  Stirnauge  in  der  Regel  beim  ausge- 
bildeten Thier  fehlt ;  die  Vorderantennen,  aus  einem  dreigliedrigen 
Schaft  und  zwei  vielgliedrigen  Geissein  bestehend,  von  welchen  die 
äussere  die  Riechhaare  trägt  (die  andere  fehlt  nicht  selten);  die 
Hinterantennen,  mit  einem  fünfgliedrigen  Schaft,  welcher  sich 
in  eine  vielgliedrige  Geissei  fortsetzt,  und  von  dessen  zweitem  Seg- 
ment sehr  häufig  ein  plattenförmiger,  ungegliedeter  Aussenast  ent- 
springt; endlich  ein  Paar  kräftiger  Vord  er kief er,  häufig  mit  drei- 
gliedrigem Palpus,  ein  Mittel- und  ein  Hinterkieferpaar,  beide 
von  abgeplatteter  Form.  Der  Rumpf,  welcher  vom  Kopf  nicht 
durch  eine  scharfe  Grenze  gesondert  ist,  und  dessen  Segmente,  alle 
oder  zum  Theil,  mit  einander  oder  mit  dem  Kopfe  unbeweglich  ver- 
bunden sind,  trägt  8  Paar  Rumpffüsse,  welche  typisch  aus  je 
einem  7gliedrigen,  schlanken  Stamm  bestehen,  dessen  Grund- 
glied einen  plattenförmigen,  ungegliederten  Nebenast  trägt,  während 
vom  zweiten  Glied  ein  gewöhnlich  schmälerer,  am  Rande  behaarter 
feingliedriger  Aussenast  entspringt;  häufig  fehlt  übrigens  der 
Aussenast  oder  der  Nebenast  oder  beide,  und  in  Folge  von  Ver- 
wachsung einiger  Glieder  kann  der  Stamm  eine  geringere  Glieder- 
anzahl als  sieben  haben.  Selten  sind  alle  8  Rumpffusspaare  wesent- 
lich gleich;  gewöhnlich  sind  das  erste  oder  die  zwei  bis  drei  ersten 
Paare  als  Kieferfüsse  ausgebildet,  in  den  Dienst  der  Ernährung 
getreten,  während  die  übrigen  der  Bewegung  dienen ;  häufig  sind  einige 
von  den  Rumpffüssen  scheerenformig,  indem  das  Endglied  gegen  einen 
vom  vorletzten  Glied  entspringenden  Fortsatz  eingeschlagen  werden 
kann  (vergl.  Figur  150,  mittlere  Reihe).  Der  Schwanz  ist  typisch 
7gliedrig  (das  letzte  Segment  kann  zuweilen  fehlen,  einige  Segmente 
können  verwachsen);  während  die  Eingeweide  grösstentheils  ihren 
Platz  im  Rumpfe  finden,  ist  jener  gewöhnlich  von  kräftigen  Muskeln 
ausgefüllt  und  als  wirksames  Bewegungswerkzeug  thätig;  die  6  vor- 
deren Segmente  tragen  in  der  Regel  je  ein  Paar  Gliedmaassen,  die 
Schwanzfüsse,  welche  aus  einem  zweigliedrigen  Schaft  und  zwei 
Blättern  bestehen  (das  äussere  Blatt  stellt  den  Aussenast  dar)  und 
meistens  als  Schwimmwerkzeuge  fungiren ;  das  letzte  Schwanzfusspaar 
ist  in  der  Regel,  von  den  übrigen  etwas  abweichend,  nach  hinten  gerichtet, 
oft  breit  und  mit  kurzem  Schaft;  es  bildet  mit  dem  siebten,  immer 
gliedmaassenlosen  Schwanzglied  häufig  einen  Schwanzfächer.  —  Von 
anderen  gemeinsamen  Charakteren  sind  die  folgenden  hervorzuheben. 
Die  Mundöffnung  hat  ihren  Platz  auf  der  Unterseite  des  Kopfes;  vor 
derselben  befindet  sich  eine  Oberlippe,  hinter  derselben  eine  zwei- 
lappige Unterlippe,  an  den  Seiten  die  Vorderkiefer.  Die  Malakostraken 
besitzen  einen  mit  festen  Platten  und  Borsten  ausgestatteten,  chitini- 
sirten  Kaumagen,  welcher  auf  die  kurze  Speiseröhre  folgt;  der 
übrige  Theil  des  Darmkanals  ist  schlauchförmig,  der  After  befindet 
sich  auf  der  Unterseite  des  letzten  Schwanzgliedes;  hinter  dem  Kau- 
magen mündet  in  den  Darm  die  aus  einer  grösseren  oder  kleineren 
Anzahl  von  Schläuchen  zusammengesetzte  Leber.  Das  Herz  ist  in 
den  meisten  Fällen  kurz  und  breit,  zuweilen  mehr  gestreckt,  fast 
immer  mit  nur  3  Spaltenpaaren  (oder  weniger)  versehen;  die  Ent- 
wicklung  des   übrigen  Gefässsystems  ist   sehr   verschieden.  Ale 


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Güederfüsaler.    1.  Clane :  Krebathiere.    2.  Unterclasse:  Malakostraken.  219 


Kiemen  fungiren  sehr  verschiedene  Theile  (vergl.  die  einzelnen 
Ordnungen).  Als  Excretionsorgane  finden  wir  bei  der  Mehrzahl  der 
Ordnungen  die  Antennendrüsen,  welche  sich  im  Basalgliede  der 
Hinterantenneu  öffnen  und  oft  eine  sehr  ansehnliche  Ausbildung  er- 
reichen (die  ,. grüne  Drüse"  der  Zehnfüssler),  während  sie  bei  anderen 
fehlen  (Isopoden).  Die  Eierstöcke  sind  meistens  theilweise  mit 
einander  verbunden ;  die  Eileiter  sind  dagegen  gesondert  und  öffnen 
sich  an  der  Unterseite  des  drittletzten  Rumpfsegmentes  oder  im  Basal- 
gliede der  diesem  Segmente  angehörenden  Gliedraaassen  (des  6.  Rumpf- 
fusspaares). Die  Hoden  verhalten  sich  wesentlich  wie  die  Eier- 
stöcke, die  Samenleiter  öffnen  sich  auf  dem  letzten  (8.)  Rumpf- 
segment oder  im  Basalgliede  des  8.  Rumpffusspaares. 

Bei  manchen  Malakostraken  verlässt  das  Junge  das  Ei  als  ein 
Naup  Ii  us,  welcher  allerdings  nur  bei  einer  geringeren  Anzahl  Formen 
(den  Leuchtkrebsen  und  einigen  Garneelen,  Fig.  134)  ein  frei  beweg- 
licher Nauplius  wie  derjenige  der  Entomostraken  ist;  in  der  Regel 
ist  der  Nauplius  madenartig  (Fig.  154),  und  die  Larve  verlässt 
das  Mutterthier,  welches  eine  Bruthöhle  besitzt,  erst  später,  nachdem 
sich  eine  grössere  Anzahl  von  Gliedmaassen  entwickelt  hat  (Mysiden, 
Cumaceen,  Isopoden).  Bei  anderen  verlässt  das  Junge  das  Ei  auf 
einem  vorgeschritteneren  Stadium,  durchläuft  jedoch  gewöhnlich  eine 
mehr  oder  weniger  eingreifende  Metamorphose. 

Anmerkung.  Eine  Uebergangsform  von  den  Entomostraken,  speciell 
den  Blattfüaslern,  zu  den  Malakostraken  ist  die  am  richtigsten  den  Blatt- 
fusslern  zuzurechnende  Gattung  Ncbalia,  welche  im  Mittelmeer,  in  der  Nordsee, 
an  der  Küste  von  Grönland  etc.  lebt.    Der  Körper  zerfällt  in  Kopf,  Rumpf 


Fig.  151.    Nfbnlin   Gtoffrtnji.     VIII  acht«?!«   Kuni|if;>egmeiit ;  I,  7  erstes  und  nicbtes 
Schwanzsegment ;  At     H.t  Vorder-  und  llhitcratitcnne,  C'Kopf;  //«,,  erster  und  sechatcr 

Si-hwanzfUM;  h\,  A\  enter  und  achter  Kumpflaas,  o  Auge,  r  Schwanzanhiinge,  S  Schild 
(linke  Seite  weggenommen).  —  Nach  H.  Müne  Edwards. 

und  Schwanz ;  der  Rumpf  ist  8  gliedrig  mit  8  gleichgebildeton  Gliedmaassen- 
paaren,  welche  denen  anderer  Blattfüssler  ähnlich  sind:  jede  dieser  Glied- 
maassen (Fig.  132,  A)  ist  siebengliedrig,  abgeplattet,  mit  breitem  Aussen- 
und  Nebenast    Der  Schwanz  ist  8  gliedrig  und  an  der  Spitze  mit  einem 


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220 


Specieller  Theil. 


Paar  von  Schwanzanhängen  wie  die  Blattfiissler  ausgestattet,  dabei  aber  mit 
ähnlichen  Schwanzfüssen  (6  Paar)  wie  die  Malakostraken  versehen.  Ein 
grosser  Theil  des  Körpers  und  der  Gliedmaassen  (nicht  wie  bei  den  Mala- 
kostraken der  Kampf  allein)  ist  von  einem  grossen  zusammengedrückten 
Schild  bedeckt,  das  lose  über  den  Rumpf  hin  liegt,  ohne  mit  demselben 
verwachsen  zu  sein.  Das  Thier  bietet  überhaupt  eine  merkwürdige  Ver- 
einigung von  Charakteren  der  Blattfüssler  und  der  Malakostraken  dar. 


Uebersicht  der  Ordnungen. 


Stielaugen. 
Schild  vorhanden, 

wohlentwickelt. 
Hinterannen  mit  Aussenast. 

Sitzende  Augen. 

Schild  klein  oder  fehlend. 

Hinterantennen  ohneAussenast. 


6.  Zehn füssler 

7.  Maulfüssler 

1.  Leuchtkrebse 

2.  Mysiden 

3.  Cumaceen 

4.  Isopoden 

5.  Amphipoden 


Kein  Brutsack. 


Brutsack  vorhanden. 
Ein    Paar  Kiefer- 


1.  Ordnung.   Leuchtkrebse  (Euphausuicea). 

Die  Leuchtkrebse  sind  durchsichtige,  ein  paar  cm  lange,  gar- 
neelenähnliche  Thiere,  welche  in  grossen  Schaaren  auf  dem 
offenen  Meere  leben.  Sie  unterscheiden  sich  dadurch  von  allen  an- 
deren Malakostraken,  dass  keiner  von  den  Rumpffüssen  als 


Fig.  152.  Thytanopus  tricuspidatu*.  1,  7  erste«  und  siebtes  Schwanzsegment ; 
Ax—At  Vorder-  und  Hinterantennc ;  J73  dritter  Schwanzfuss ;  A",,  A'9,  K-,  erster,  zweiter  und 
siebter  Rumpffuss;  K3ex  und  K*ex  Aussenast  des  3.  und  8.  Rumpffussos;  ep  Nebenast  des 
8.  Rtunpfrnsses ;  L  Leuchtorgan;  S  Schild.  —  Nach  Sars. 


Kiefer fuss  ausgebildet  ist,  sondern  alle  8  Paare  sind  wesentlich 
gleich  (das  hinterste  oder  die  beiden  hintersten  Paare  jedoch  mehr 
oder  weniger  rückgebildet)  und  alle  dienen  der  Bewegung :  sie  bestehen 
aus  je  einem  7gliedrigen,  gestreckten  und  dünnen  Stamm,  einem 
kräftigen,  am  Rande  behaarten,  als  Schwimmwerkzeug  thätigen  A  u  s  s  e  n- 
a s t  und  einem  Nebenast,  welcher  an  allen  Füssen  mit  Ausnahme 
des  vordersten  Paares  stark  verästelt  ist  und  als  Kieme  fungirt 
(die  Kiemen  hängen  frei  an  der  Seite  des  Tbieres).  Augen,  Antennen, 


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Gliederfüßler.    1.  Classe:  Krebsthiere.   2.  Unterclaase:  Malakostraken.  221 

Schild,  Schwanz  und  Schwanzfüsse  verhalten  sich  im  Wesentlichen 
wie  bei  den  Garneelen  (vergl.  diese).  Die  Leuchtkrebse  zeichnen 
sich  ferner  dadurch  aus,  dass  sie  ein  Stirnauge  durch  das  ganze 
Leben  bewahren,  dass  sie  eigentümliche  augenähnliche  Leucht- 
organe besitzen  (je  eines  in  den  Augenstielen,  im  Basalglied  des 
2.  und  7.  Rumpffusses,  ferner  auf  der  Unterseite  des  1.  bis  4.  Schwanz- 
segmentes), und  dass  das  neugeborene  Junge  ein  frei  schwimmender 
N  a  u  p  1  i  u  s  ist.  —  Die  an  Arten  verhältnissraässig  arme  Abtheilung 
ist  sowohl  in  wärmeren  als  in  kälteren  Meeren  vertreten  (Thysanopus, 
Euphamia  u.a.);  gewisse  Arten  bilden  einen  wichtigen  Bestandteil 
der  Nahrung  der  Bartenwale. 

2.  Ordnung.    Mysiden  (Mysidaced). 

Diese  Ordnung  theilt  man  in  zwei  Hauptgruppen,  die  eigentlichen 
Mysiden  und  dieLophogastriden,  welch  letztere  Gruppe  auf  grössere 
Meerestiefen  beschränkt  ist  und  mehrere  merkwürdige  und  abweichende 
Formen  umfasst.  In  den  folgenden  Angaben  beschäftigen  wir  uns  nur  mit 
den  eigentlichen  Mysiden. 

Das  allgemeine  Aussehen  der  Mysiden  ist  ebenso  wie  das  der 
Leuchtkrebse  garneelenartig;  der  Körper  ist  jedoch  weniger  zu- 
sammengedrückt, mehr  abgerundet,  und  der  Schwanz  besitzt  nicht 


Fig.  153.  Boreomysi»  meyalops,  ein  Myaide,  9-  /,  6  erstes  und  sechstes  Schwanzseg- 
ment; .1, — At  Vorder-  und  Hinterantenne;  ex  Aussenast  des  letzten  Rumpffusses;  fünfter 
Schwanzfuas;  Ä, ,  A*  dritter  und  achter  Kutnplfuss;  mtl  Vorderkiefer-Taster;  Ol  Otolith; 
h  Bratsack;  S  Schild.  -  Nach  Sars. 

den  ausgeprägten  Knick,  der  die  Garneelen  (und  Leuchtkrebse)  aus- 
zeichnet. Alle  8  Rumpffusspaare  sind  mit  je  einem  Schwimmast, 
dem  Aussenast,  versehen,  ein  Nebenast  ist  aber  nur  am  ersten  Paare 
vorhanden.  Das  erste  Rumpffusspaar  ist  zu  Kieferfüssen  ent- 
wickelt; auch  das  zweite  Paar  ist  von  den  folgenden  etwas  abweichend. 
Die  Schwanzfüsse  mit  Ausnahme  des  letzten  Paares  (des  Schwanz- 
fachers)  sind  beim  Weibchen  immer,  oft  auch  beim  Männchen,  schwach 
entwickelt.  Im  inneren  Blatte  des  letzten  Schwanzfusspaares  befindet 
sich  eine  geschlossene  Gehörblase,  welche  innen  mit  einer  Reihe 
von  Haaren  ausgestattet  ist,  die  einen  grossen  Otolithen  trägt  (die 
Mysiden  sind  die  einzigen  Krebse,  welche  an  dieser  Stelle  Gehör- 
blasen besitzen).  Als  Athmungsorgan  fungirt  die  innere,  dünn- 
häutige Seite  des  Schildes,  welche  mit  einem  dichten  Gefässnetz  ver- 
sehen ist;  der  Nebenast  des  ersten  Rumpffusses  hat  seinen  Platz 
unter  dem  Schilde  und  bewirkt  durch  seine  Bewegungen  die  Er- 


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222 


Specialer  Theil. 


neuerung  des 
Seite  des  Bass 

(D 


Fi«.  154.  »fruit- 
X  a  u  p  1  i  u  s ,  von 

unteo  gesehen 
(verjfr.).    at  Vor- 
der- ,    a  t  Hinter- 
antcmie,  md  Vor- 
derkiefer. —  Orig. 


"Wassers  unterhalb  des  Schildes.  —  Von  der  inneren 
lgliedes  einiger  Rumpffüsse  entspringt  je  eine  gebogene, 
nach  innen  gerichtete  dünne  Platte;  diese  Platten 
bilden  zusammen  einen  Brutsack  auf  der  Unterseite 
des  Körpers,  welcher  den  Eiern  und  Jungen  als 
Aufenthaltsort  dient.  Die  Jungen  verlassen  das  Ei 
als  Nauplien  mit  den  drei  bekannten  Paaren  von 
Anhängen  (Antennen,  Vorderkiefern),  sind  aber  Maden 
ähnlich,  ausser  Stande  sich  zu  bewegen,  ernähren  sich 
von  dem  aus  dem  Eie  mitgebrachten  Nahrungsdotter, 
und  verlassen  erst  den  Brutsack,  wenn  sie  im  Wesent- 
lichen das  Aussehen  der  Erwachsenen  angenommen 
haben. 

Einige  Mysiden  findet  man  auf  offenem  Meere, 
andere  sind  Küstenthiere ;  an  den  nordeuropäischen 
Küsten  leben  z.  B.  Arten  der  Gattung  Mysis,  durch- 
sichtige ,  schwach  pigmentirte  Thierchen ,  welche 
schaarenweise  umherschwimmen. 


3.  Ordnung.   Cumaceen  [Cnmaced). 

Die  Thiere  dieser  Ordnung  sind  zwar  mit  der  vorhergehenden  verwandt, 
besitzen  aber  nicht  dasselbe  garneelenartige  Gepräge  and  sind  überhaupt  in 
manchen  Punkten  abweichend.  Das  Hautskelet  ist  fest  und  spröde.  Das 
Schild  ist  so  klein,  dasB  es  nur  den  vorderen  Theil  des  Rumpfes  deckt, 


Fig.  1 56.    Diastylta  ncapolitana,  ein  Cumocee.     V  und  VIII  fünftes  und  achtes  Rumpf- 
;  /,  2,  7  erstes,  zweites,  siebtes  Schwanzsegment ;  ex  Anssenast  eines  Rumpffusses ; 
//„  sechster  Schwanzfuss -,  A'4(  A*8  vierter  und  achter  Rumpffuss;  o  Auge,  S  Schild.  —  Nach  Sar*. 

während  die  fünf  hinteren  Rumpfsegmente  unbedeckt  sind.  Die 
Seitenaugen  sind  ungestielt,  klein,  gewöhnlich  zu  einem  einzigen  ver- 
schmolzen; den  Hinterantennen  fehlt  der  Aussenast.  Von  den  Rumpf« 
f ü s s e n  sind  einige  mit  einem  Schwimmast  ausgestattet,  an  anderen 
fehlt  ein  solcher;  ein  Nebenast  (welcher  eine  Kieme  trägt)  findet  sich  ebenso 
wie  bei  den  Mysiden  nur  am  1.  Rumpffuss,  welcher  als  Kieferfuss  aus- 
gebildet ist  (das  2.  Glied  des  Kieferfusses  ist  mit  einigen  Haken  versehen, 
so  das8  er  mit  dem  gegenüberstehenden  zusammengehakt  werden  kann) ;  auch 
der  2.  Rurapffuss  ist  von  den  folgenden  etwas  abweichend  (wie  bei  den  Mysiden). 


')  Bei  den  MyBiden  ist  das  Schild  auch  nicht  mit  diesen  5  Segmenten  ver- 
wachsen, erstreckt  sich  aber  über  den  grössten  Theil  derselben  hin  (nur  auf  der 
Rückenseite  sind  die  zwei  hintersten  Segmente  unbedeckt). 


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Gliederfdssler.    1.  Classe:  Krebsthiere.   2.  Unterlasse:  Malakostraken.  223 


Die  Rumpffüsse  sind  übrigens  —  besonders  ist  dies  mit  den  hintersten 
Paaren  der  Fall  —  mehr  zum  Gang  geeignet  als  bei  den  Mysiden  und 
Leuchtkrebsen.  Der  Schwanz  ist  lang,  dünn,  gerade,  sehr  beweglich.  Von 
den  Schwanzfüssen  besitzt  das  Weibchen  nur  das  nach  hinten  gerichtete 
hinterste  Paar,  welches  schlank,  nicht  abgeplattet  ist,  und  nicht  als  Schwimm- 
facher  wirken  kann ;  beim  Männchen  sind  in  der  Regel  auch  die  übrigen 
Schwanzfüsse  vorhanden.  —  Die  Weibchen  sind  mit  einem  ebensolchen,  aus 
plattenförmigen  Anhängen  der  Rumpfrusse  zusammengesetzten,  Brutsack 
wie  die  Mysiden -Weibchen  ausgestattet;  wenn  die  Jungen  aus  dem  Ei 
kommen,  sind  sie  ähnliche  madenartige  Nauplien  wie  bei  letzteren; 
wenn  sie  den  Brutsack  verlassen,  sind  sie  den  Erwachsenen  ähnlich,  es 
fehlt  ihnen  aber  noch  das  letzte  Rumpffusspaar,  welches  sich  erst  später 
entwickelt  (vergl.  die  Isopoden). 

Die  Cumaceen  sind  kleinere  Thiere,  welche  auf  dem  Meeresboden  in 
einiger  Tiefe  leben.    Sie  sind  auch  in  der  Nord-  und  Ostsee  vertreten. 

4.  Ordnung.    Isopoden  (Isopoda). 

Der  Körper  ist  von  oben  nach  unten  abgeplattet,  mit  einem 
festen,  oft  spröden  Hautskelet  umgeben,  der  Schwanz  ist  kurz,  höch- 
stens figliedrig,  indem  das  letzte  (7.)  Segment  fehlt;  von  den  übrigen 
Schwanzsegmenten  ist  das  Endsegment  (6.)  gewöhnlich  gross;  durch 

1  2  3 


Fig.  156.  /  Argax  2—3  C'ffmothoa  von  oben  und  von  unten.  //  und  VIII  zweites 
und  achtes  Kuinpfse^iieiit ;  /,  2  und  6  erstes,  zweite»  und  sechstes  Schwnnzse^ment ;  //„  sechster 
Schwanzfuss:  A'2,  Ä'4  etc.  zweiter,  vierter  etc.  Ruinpffuss;  //  Brutsack-Blatt.  —  Nach  11.  Milne 
Edwards. 

Verwachsung  ist  oft  scheinbar  eine  geringere  Anzahl  als  6  vorhanden. 
Das  Schild  fehlt.  Die  A u g e n  TSeitenaugen)  sind  sitzend,  der 
Aussenast  der  Hinterantennen  fehlt  (meistens).  Das  1.  Rumpfsegment 
ist  mit  dem  Kopf  verschmolzen,  die  übrigen  7  sind  dagegen 
frei,  beweglich  und  kräftig  ausgebildet.    Der  erste  Rumpffuss  ist 


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224 


Specieller  Theil. 


als  Kieferfuss  entwickelt,  an  seinem  innern  Rand  meistens  mit 
Haken  ausgestattet,  so  dass  die  beiden  Kieferfüsse  zusammengeheftet 
werden  können.  Die  übrigen  sieben  Rumpffusspaare  sind  kräftige 
Gehfüsse  ohne  Aussenast  und  ohne  Nebenast.  Die  Schwanz- 
füsse  sind  dadurch  ausgezeichnet,  dass  das  innere  Blatt  an  einigen 
derselben  als  Kieme  ausgebildet  ist;  das  Blatt  ist  dünnhäutig 
und  mit  einem  feinen,  dichten  Capillargefässnetz  versehen;  andere 
Athmungswerkzeuge  sind  in  der  Regel  nicht  vorhanden.  —  Die  Iso- 
poden  besitzen  einen  ähnlichen,  aus  blattförmigen  Anhängen  der 
Basalglieder  der  Rumpffüsse  gebildeten  Brut  sack  unterhalb  des 
Rumpfes  wie  die  Mysiden ;  die  Jungen  verlassen  das  Ei  als  maden- 
förmige  Nauplien,  mit  den  drei  Paar  als  kurze  Stummel  ent- 
wickelten Anhängen  (oder  ganz  ohne  dieselben);  wenn  sie  den  Brot- 
sack verlassen,  besitzen  sie  in  der  Hauptsache  die  Gestalt  des  aus- 
gebildeten Thieres,  es  fehlt  ihnen  aber  noch  das  letzte  Rumpf- 
fusspaar. 

Die  Isopoden  leben  sowohl  im  Meere  als  im  Süsswasser  und  auf 
dem  Lande  (an  feuchten  Stellen).  Sie  sind  wesentlich  zum  Gang 
ausgebildet;  einige  schwimmen  iedoch  vermittels  der  Schwanzfüsse 
umher.    Zahlreiche  Isopoden  sind  Schmarotzer. 

1.  In  der  Nord-  und  Ostsee  leben  u.  a.  folgende:  Mehrere  Arten  von 
Klappenasseln  (Idathea),  ziemlich  gestreckte  Isopoden  mit  einer  eigen- 
tümlichen Ausbildung  des  letzten  Schwanzfusspaares,  das  zwei  thürähnliche 
Klappen  unterhalb  des  Schwanzes  bildet,  innerhalb  welcher  die  übrigen 
Schwanzfüsse  sitzen;  eine  Art  dieser  Gattung  (I.  tricttspidata),  welche  auf 
dem  Strande  zwischen  Tang  lebt,  zeichnet  sich  dadurch  aus,  dass  sie  in 
vielen  verschiedenen  Farbenvariationen  auftritt  (in  verschiedener  Weise 
gefleckt  etc.).  Weiter  die  kleine  Bohrassel  (Limnoria  terebrans),  welche 
in  Holzwerk  (Hafenbauten  etc.)  Gänge  nagt  und  zuweilen  ßehr  schädlich  wird. 

2.  In  SüsswaBserlachen  mit  verwesenden  Pflanzentheilen  findet  man 
allgemein  die  platte,  langbeinige  Wasserassel  (Aseüus  aquaiicus). 

3.  Auf  dem  Lande  leben  zahlreiche  Arten  der  Abtheilung  der  Land- 
a  s  s  e  1  n  (Gatt.  Oniscus  tu  a.).  Sie  zeichnen  sich  dadurch  aus,  dass  die 
Vorderantennen  rudimentär  sind  und  das  Endsegment  des  Schwanzes  un- 
gemein klein  ist.  Einige  derselben  haben  ausser  dem  gewöhnlichen  Kiemen- 
apparat eine  Art  Lungen  ausgebildet,  indem  das  äussere  Blatt  einiger 
Schwanzfüsse  eine  verzweigte,  mit  einer  spaltförmigen  Oeffnung  versehene 
Höhlung  einschliesst,  welche  ohne  Zweifel  als  Athmungswerkzeug  fungirt. 
Die  Landasseln  („Mauerassel",  „Kellerassel"  etc.)  sind  lichtscheue  Thiere 
von  unansehnlicher-  Färbung;  einige  (ArmadiUidium)  können  sich  ebenso 
wie  gewisse  Tausendfüssler,  mit  denen  sie  eine  oberflächliche  Aehnlichkeit 
besitzen,  zusammenkugeln. 

4.  Die  zahlreichen  schmarotzenden  Isopoden  leben  besonders 
an  Fischen  und  Krebsthieren.  Wir  finden  bei  denselben  eine  ähnliche 
Stufenfolge  in  der  durch  das  Schmarotzerleben  bedingten  Umbildung  wie 
bei  den  schmarotzenden  Copepoden.  Die  Gatt.  Aega,  welche  als  Blutsauger 
an  Fischen  lebt,  ist  z.  B.  noch  wenig  umgebildet:  das  2.-4.  Rumpffuss- 
paar sind  zwar  als  Hakenbeine  zum  Festhalten  eingerichtet,  die  Thiere  sind 
aber  im  Stande,  sich  frei  umherzubewegen,  und  mit  grossen  Augen  aus- 
gestattet; Männchen  und  Weibchen  sind  wenig  verschieden.  Inniger  dem 
Schmarotzerleben  angepasst  ist  die  mit  Aega  verwandte  plumpe  Cytnothoa  ]), 

')  Für  Cymothoa  und  einige  andere  schmarotzende  Isopoden  hat  man  die 


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Gliederfussler.   1.  Classe:  Krebsthiere.   2.  Unterclasse:  Malakostraken.  225 


mit  kleineren  Augen  (oder  augenlos)  und  7  knrzen  Hakenbeinpaaren ;  sie 
lebt  in  der  Mond-  und  Kiemenhöhle  bei  Fischen.  Noch  weit  mehr  um- 
gebildet sind  die  in  der  Kiemenhöhle  von  Garneelen  nnd  anderen  Zehn- 
füsslern  schmarotzenden  Bopyren  (Dojrt/rus  u.  a.),  deren  Weibchen  asym- 


12  3 


Fig.  167.  /  Crpon  eUgatu,  eine  Bopyride  aus  der  Kiemenhöhle  einer  Krabbe,  Weih- 
chen (das  Männehen.  c*,  an  der  Basis  des  Schwanzes  festgeheftet).  Von  oben  gesehen.  — 
2—3  Portvnion  Kotamanni,  <j*  (von  der  rechten  Seite)  und  9  (von  der  Unken  Seite),  eine 
Entoniacide,  welche  in  einer  Krabbe  schmarotzt ;  a*  weit  stärker  als  9  vergr. 

//—  VIII  Rumpfsegmente,  1—6  Schwanzsegmente,  3'  seitlicher  Fortsatz  des  dritten 
Schwanzsegmentes  (diese  Fortsätze  der  Schwanzsegmente  sind  hell,  die  SchwanzfUssc  dunkel 
gehalten),  C  Kopf  (+  1.  Rumpfsegment),  Ca  Schwanz;  TT,,  TT,.  Ha  1..  5.,  0.  Schwanzfuss ; 
Jß  Brntsackblätter.  —  Nach  Giard  &  Bounier. 

metrisch,  angenlos  nnd  mit  ganz  kleinen  Hakenbeinen  ausgestattet  sind; 
die  Glieder  des  breiten  Rumpfes  sind  unbeweglich  verbunden.  Die  Männchen 
der  Bopyren  besitzen  eine  mehr  normale  Isopodengestalt,  aber  eine  sehr 
geringe  Grösse  (Zwergmännchen)  und  sitzen  am  Schwanz  des  Weibchens 
festgeheftet.  Ganz  oder  fast  gliedmassenlos,  überhaupt  von  wunderbarer 
Gestaltung  sind  die  Weibchen  der  in  gewissen  Krebsthieren  schmarotzenden 
Entonisken  (Enfotiiscwij  Porttniioti  u.a.),  deren  Zwergmännchen  von 
ziemlich  normaler,  wenn  auch  etwas  reducirter  Gestalt  sind.  —  Die  Jutigen 
der  parasitischen  Isopoden  besitzen  in  allen  Fällen  eine  normale  Isopoden- 
geetalt  und  das  Vermögen  sich  frei  umherzubewegen. 

5.  Die  Tan a'f den  oder  Scheerenasseln  (die  Gattungen  Tuwis, 
Apseiidc.s  u.  a.)  bilden  eine  kleine  Isopoden-Abtheilung,  welche  in  mehreren 
Hinsichten  von  den  übrigen  abweicht  und  sich  den  Mysiden  und  Cumaceen 
nähert.  Sie  besitzen  nur  6  freie  Rumpfglieder,  indem  auch  das  2.  Rumpf- 
segment  (nicht  blos  das  erste  wie  bei  der  Hehrzahl  der  Isopoden)  mit  dem 
Kopf  verbunden  ist.  Es  ist  ein  kleines  Schild  vorhanden,  welches  oben 
mit  den  beiden  mit  dem  Kopfe  verbundenen  Segmenten  verwachsen  ist, 
während  seine  Seitentheile  frei  sind  und  ebenso  wie  bei  den  Mysiden  mit 


interessante  Beobachtung  gemacht,  dnss  sie  (im  Gegensatz  zu  allen  anderen  Mala- 
kostraken) Hermaphroditen  sind,  und  zwar  der  Art,  dsss  sie  in  der  Jugend  eine 
Zeitlang  als  Männchen  fungiren,  während  der  weibliche  Geschlechtsapparat  erst 
später  zur  Entwicklung  gelangt,  zu  gleicher  Zeit  wo  der  männliche  sich  rückbildet. 

Boa»,  Zoologie.  15 


22f> 


Specieller  Theil. 


ihrer  innern,  dünnhäutigen  Oberfläche  als  Kiemen  fungiren ;  unter  dem 
Schilde  sitzt  jederseits  der  dem  1 .  Rumpffuss  angehörende  weiche  Nebenast, 
welcher  ebenso  wie  bei  den  Mysiden  die  Erneuerung  des  Wassers  bewirkt. 
Die  Augen  oft  auf  kurzen,  unbeweglichen,  vom  übrigen  Kopf  aber  deutlich 


Fig.  Ii'iK.  Ai'KMuhs  Lalrt  illd.  2,  3,  4,  8  zweiter,  dritter  etc.  Rumpffuss ;  Al — At  Vorder  - 
und  Ilinterantenne:  r.r  Aussenast  des  2.  Rumpffussea;  7/u  sechster  Schwanzfuas ;  o  Auge.  — 
Nach  Surs. 

abgegrenzten  Stielen;  der  Aussenast  der  Hinterantennen  ist  zuweilen 
vorhanden.  Der  zweite  und  der  dritte  Rumpffuss,  von  welchen  ersterer 
als  Scheerenfuss  ausgebildet  ist,  sind  manchmal  mit  einem  rudimentären, 
aber  deutlichen,  Aussenast  versehen.  Die  Schwan zfüsse  dienen  nicht 
alB  Kiemen.  —  An  den  europäischen  Küsten. 

5.  Ordnung.    Amphipoden  (Amphipoda). 

Das  Hautskelet  ist  meistens  weniger  fest  als  bei  den  Isopoden. 
Der  Schwanz  ist  7gliedrig  (das  letzte  Segment  klein).  Das  Schild 
fehlt,  die  Augen  sind  sitzend,  der  Aussenast  der  Hinterantennen 


Fig.  löy.  Kin  mit  (Jammurtta  nahe  verwandter  Amphiphod  (etwas  vergr.).  Ax — As  Vor- 
der- und  Ilinterantfiinc,  /  Kieferfuss,  2 — 3  zweiter — dritter  Rumpffuss,  (r  Brutsack,  g  Kieme, 
//,.  nk,  //„  3.,  4.  und  G.  Schwan/.fuss.  —  Nach  Sars. 

fehlt.  Das  erste  Rumpfsegment  ist  mit  dem  Kopf  verschmolzen,  die 
übrigen  sieben  sind  frei  und  beweglich.  An  allen  Rumpf- 
füssen fehlt  ein  Aussen-  und  Nebenast,  so  dass  sie  blos  aus  dem 


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Gliederfüssler.    1.  Classe:  Krebsthiere.   2.  Unterclasse:  Malakostraken.  227 


Stamme  bestehen;  das  vorderste  Rumpffusspaar  ist  zu  Kieferfüssen 
entwickelt,  welche  mit  einander  am  Grunde  verwachsen  sind;  die 
übrigen  siebenPaare  sind  G  e  h  f  ü  s  s  e  ,  von  denen  einige,  besonders 
die  vorderen,  zugleich  Greifwerkzeuge  sind,  indem  das  letzte  Glied 
gegen  das  vorletzte  eingeschlagen  werden  kann ;  das  Grundglied  dieser 
Gliedmaassen  (besonders  der  vier  vorderen  Paare)  ist  plattenförmig, 
nach  abwärts  gerichtet,  wodurch  der  Körper  ein  zusammenge- 
drücktes Gepräge  erhält  (der  Rumpf  selbst  ist  nicht  zusammen- 
gedrückt, Fig.  160).  Von  der  inneren  Seite  desselben  Gliedes  entspringt 
an  einigen  Rumpffüssen  ein  dünnhäutiger  plattenförmiger  Anhang, 
welcher  als  Kieme1)  fungirt.  Die  drei  vorderen  Schwanzfuss- 
Paare  sind  kräftige  Schwirambeine,  die 
drei  hinteren  dagegen  kleiner,  ziemlich  steif 
und  nach  hinten  gerichtet.  —  Die  Amphipoden 
besitzen  einen  eben  solchen  Brutsack  wie  die 
Isopoden,  die  Jungen  verlassen  aber  das  Ei 
schon  mit  sämmtlichen  Gliedmaassen  ausge- 
stattet. 

Die  Amphipoden  sind  meistens  lebhafte 
Thiere,  welche  im  Wasser  umherschwimmen 
und  -hüpfen;  ersteres  geschieht  vermittels  des 
1. — 3.  Schwanzfusspaares,  letzteres,  indem  die 
Schwanzspitze  nach  hinten  geschlagen  wird; 
andere  (vergl.  unten)  sind  trägerer  Natur.  Sie 
leben  in  grosser  Arten-  und  Individuenzahl  im 
Meere,  sowohl  dicht  am  Ufer  als  auf  tieferem 
Wasser  und  auf  offenem  Meer;  wenige  leben  im 
Süsswasser,  einzelne  zwischen  angeschwemmtem 
Tang  auf  dem  Meeresstrande  oder  gar  weit  vom 
Strande  in  feuchter  Erde.  Eine  geringe  Anzahl 
leben  als  S  c  h  m  a  r  o  t  z  e  r. 

1.  Die  Flohkrebse  (Gammarua)  können  als 
Repräsentanten  der  typischen  Amphipoden-Gestalt 
gelten.  Augen  ziemlich  klein,  2.  und  3.  Rumpf- 
fasspaar Greiforgane.  Leben  sowohl  im  Meere  wie  im  Süsswasser ;  in 
der  Nord-  und  Ostsee  findet  man  z.  B.  am  Strande  den  G.  locusta  häufig; 
der  sehr  nahe  verwandte  G.  jmlex  ist  im  Süsswasser  gemein;  in  Brunnen 
lebt  der  blinde  G.  (Niphargus)  puteanus. 

2.  Auf  offenem  Meere  leben  zahlreiche  Gattungen  der  ITyperinen, 
durchsichtige,  mit  kolossalen  Augen  ausgestattete  Amphipoden,  von  welchen 
einige  in  Quallen  und  anderen  durchsichtigen  Meeresthieren  Aufenthalt 
nehmen;  in  der  gemeinen  Ohrenqualle  findet  man  z.  B.  nicht  selten  eine 
Art,  llyperia  gallxt. 

3.  Eine  abweichende  Form  ist  die  Gatt.  CaprrUu,  welche  dadurch  aus- 
gezeichnet ist,  dass  der  Schwanz  ganz  rudimentär  (zu  einer  gliedmaassen  - 
losen  Warze  rückgebildet)  ist,  und  dass  sie  nur  6  freie  Rurapfsegmente 
besitzt,  indem  auch  das  2.  Rumpfglied  mit  dem  Kopfe  verschmolzen 
ist.  Der  Körper  ist  langgestreckt  und  dünn,  fast  fadenförmig,  das  2.  und 
3.  Rumpffusspaar  sind  Greiffüsse  (das  erste  derselben  ist  klein,  das  andere 


Fig.  160.  Querschnitt  des 
Rumpfe«  von  GttMMMM  (ver- 
grössert).  1  —  2  erste?«  — 
zweites  Glied  eines  Beines. 
r  Bruthöhle,  b  eines  der  die- 
selbe unten  begrenzenden 
Blätter,  g  Kieme,  A  Herz, 
o  Kierstock,  /  Dann,  /  I.eber- 
BchlXache,  ..  Bnuchganglien. 
—  Nnch  Sars,  gelindert. 


')  Dieser  Anhang  kann  nicht  als  dem  Nebenast  entsprechend  aufgefasst 
werden,  denn  der  Nebenast  entspringt  von  der  Aussenfleite  des  Grundgliedes 
(vergL  Fig.  160). 

15* 


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228 


Specieller  Theil. 


gross),  von  dem  4.  und  5.  Paar  ist  nur  das  Basalglied  mit  der  Kiemen- 
platte ausgebildet  (dagegen  fehlen  Kiemen  an  den  übrigen  Beinpaaren),  das 
6. — 8.  Paar  sind  echte  Gangbeine.  Die  Caprellen  leben  im  Meere,  wo  sie 
langsam  auf  Meerespflanzen  und  Thierstöcken  umherwandern.  —  Mit  ihnen 

1  .? 


2 

Fig.  161.  / — 2  Capreüa  aeuti/rons,  von  üben  und  von  der  linken  Stute.  3  Cyamns 
mytticeti,  von  oben.  /// — VIII  Rumpfscgmeutc.  At  Vorderantenne,  Aa  Schwauzrudiincnt, 
ij  Kieme,  if3 — A"9  zweiter  —  achter  RiunpfYiiBs.  —  / — 2  nach  Mayer,  3  nach  I.ütkon  (geändert). 

nahe  verwandt  sind  die  Walfischläuse  (Ctj(tmn$),  deren  6  freie  Rumpf- 
segmente jederseits  in  je  einen  langen,  an  seiner  Spitze  das  Bein  tragenden 
Fortsatz  ausgezogen  sind,  wodurch  der  Körper  eine  abgeplattete,  isopoden- 
ähnliche  Gestalt  erhält;  übrigens  wesentlich  wie  Caprella.  Sie  leben  als 
Schmarotzer  an  der  Haut  der  Wale. 

C.  Ordnung.    ZehnfÜSSler  (Decapoda). 

Das  wohlentwickelte  Schild  ist  auf  der  Rückenseitc  mit  allen 
8  Rumpfsegmenten  verwachsen,  die  Seitentheile  desselben  sind  aber 
frei,  und  zwischen  ihnen  und  dem  Rumpf  findet  sich  jederseits  ein 
geräumiger  Hohlraum,  die  Kiemen  höhle.  Die  Augen  sitzen  auf 
beweglichen  Stielen,  die  Hinterantennen  haben  in  der  Regel 
(mit  Ausnahme  der  Krabben)  einen  plattenförmigen ,  ungegliederten 
Aussenast.    Von  den  Rumpffüasen  (siebe  Fig.  150  ,  S.  217)  sind  die 


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(iliederfüflsler.    1.  C lasse:  Krcbsthiere.   ±  Uuterelassc:  Malakostrakeu.  229 

drei  vorderen  Paare  als  Kiefer  füsse  ausgebildet;  das  erste  Paar 
ist  ebenso  wie  die  Mittel-  und  Hinterkiefer  stark  abgeplattet,  die 
beiden  anderen  Paare  sind  von  den  übrigen  Rumpffüssen  weniger  ab- 
weichend, gewöhnlich  aber  weit  kürzer  als  diese.  Die  übrigen  5  Paar 
Rumpffüsse  bezeichnet  man  mit  dem  Namen  Brustfüsse;  sie 
dienen  wesentlich  als  Gang  bei  ne,  ein  oder  mehrere  Paare  (meistens 
das  vorderste  Paar)  sind  aber  gewöhnlich  als  Scheeren beino  aus- 
gebildet, indem  das  vorletzte  Glied  sich  in  einen  kräftigen  Fortsatz 
verlängert,  gegen  welchen  das  äusserste  Glied  greift;  solche  werden 
dann  zugleich  oder  ausschliesslich  als  Greifwerkzeuge  verwendet.  Die 
Kieferfüsse  besitzen  in  der  Regel  einen  recht  gut  entwickelten,  schlanken 


Fig.  162.  Palaemon.  1 — 7  Schwanzacgtncntc ,  Ax — At  Vorder-  und  Hintcrautenno, 
J|«  Aussenast  der  letzteren ;  fftt  dritter  und  sechster  Schwanzfua? ;  A'*  dritter  Runipf- 
hu»  (—  dritter  Kieferfuss) ,  Kk  vierter  Kumpffuss  (=  erster  ßrustfuss) ,  A'g  achter  Rumpf- 
im  (=  fünfter  Brustfuss);  8  Schild.  —  Nach  II.  Milne  Edwards. 


Aussenast,  der  dagegen  an  den  Brustfüssen  fast  immer  fehlt;  so- 
wohl an  den  Kieferfüssen  wie  an  den  Brustfussen  kann  ein  Neben- 
ast  vorhanden  sein,  welcher  immer  in  der  Kicmenhöhle  versteckt 
liegt.  Von  den  Nebenästen  und  von  der  Seite  des  Rumpfes  (und  von 
der  Gelenkhaut  zwischen  Rumpf  und  Rumpffüssen)  entspringen  die 
Kiemen,  welche  aus  je  einem  Stamm  mit  zwei  Blätterreihen  oder 
mit  einer  grösseren  Anzahl  von  Fäden  bestehen ;  von  solchen  Kiemen 
sind  iederseits  5  bis  einige  20  vorhanden.  Sie  haben  ihren  Platz  in 
der  Kiemenhöhle,  in  welche  das  Wasser  gewöhnlich  am  Grunde  der 
Rumpffüsse  eintritt,  über  die  Kiemen  hin  fliesst,  um  dann  am  vorderen 
Ende  der  Kiemenhöhle  dieselbe  wieder  zu  verlassen;  die  Strömung 
in  der  Kiemenhöhle  wird  dadurch  bewirkt,  dass  der  grosse  platten- 

I 

i 


Di 


230 


Specieller  Theil. 


förmige,  am  Räude  behaarte  Aussenast  des  Hinterkiefers  als 
ein  stetig  schwingendes  Ventil  am  vorderen  Ende  derselben  sitzt. 
Von  den  Schwanz fUssen  bildet  das  letzte  (6.)  Paar,  wenn  es  vor- 
handen ist,  zusammen  mit  dem  letzten  (7.)  Schwanzsegment  die  breite 
sogenannte  Schwanzflosse  (den  Schwanzfächer) ;  von  den  übrigen 
5  Paaren  sind  das  1.  und  2.  beim  Männchen  in  der  Regel  ganz  oder 
theilweise  zu  Begattungswerkzeugen  umgebildet.  Die  Ent- 
wicklung des  Schwanzes  ist  übrigens  eine  sehr  verschiedene  bei  den 
verschiedenen  Gruppen  der  Zehnfüssler. 

Die  Zehnfüssler  sind  mit  einem  Gehörorgan  ausgestattet, 
welches  im  Basalgliede  der  Vorderantennen  seinen  Platz  hat.  Bei 
manchen  (Garneelen,  Hummer  u.  a.)  ist  es  eine  offene  Hauteinstülpung, 
welche  auf  der  Oberseite  des  betreffenden  Gliedes  mündet;  in  der- 
selben sind  eigenthümlich  eingelenkte  Haare  (Hörhaare)  angebracht, 
welche  durch  die  Schallwellen  in  Bewegung  gesetzt  werden;  auf  den 
Hörhaaren  ruhen  Sandkörner  u.  Aehnl.,  welche  nach  jeder  Häutung  von 
dem  Thiere  in  den  Sack  hineingebracht  werden  und  die  fehlenden 
Otolithen  ersetzt;  bei  anderen  ist  die  Einstülpung  ganz  von  der  Aussen- 
welt  abgeschlossen,  enthält  aber  dieselben  Hörhaare  und  zuweilen 
einen  im  Hohlräume  abgesonderten  Otolith;  bei  anderen  Formen  mit 
geschlossenem  Hörsack  (den  Krabben)  fehlt  dagegen  ein  Otolith.  In 
den  allereinfachsten  Fällen  (bei  gewissen  Garneelen)  ist  gar  keine 
Einstülpung  entwickelt,  an  der  Stelle,  wo  sonst  der  Hörsack  liegt, 
linden  sich  aber  Reihen  von  Hörhaaren1)  an  der  Haut;  solche  freie 
Hörhaare  können  übrigens  auch  bei  Krebsen,  welche  einen  Hörsack 
besitzen,  vorhanden  sein,  ebenso  wie  sie  auch  an  anderen  Stellen  als 
an  Vorderantennen  getroffen  werden  (auf  dem  Schwanz).  —  Die 
Zehnfüssler  besitzen  einen  kräftigen  Kaumagen,  oft  mit  grossen 
verkalkten  Mahlzähnen;  in  einer  Einstülpung  der  Wand  desselben 
wird  auf  jeder  Seite  bei  manchen  Formen  eine  rundliche  Kalkmasse 
ausgeschieden,  welche  vor  den  Häutungen  aufgelöst  wird  („Krebs- 
augen"). Die  Leber,  welche  mit  einer  Oeffnung  jederseits  hinter 
dem  Kaumagen  in  den  Darm  einmündet,  ist  aus  einer  grossen  Menge 
feiner  Röhren  zusammengesetzt  (ähnlich  bei  den  Leuchtkrebsen;  bei 
Mysiden,  Cumaceen,  Iso-  und  Amphipoden  ist  nur  eiue  geringe  Anzahl 
grosser  Leberschläuche  vorhanden).  Das  Herz  ist  kurz  und  breit, 
liegt  auf  der  Rückenseite  des  Rumpfes  dicht  unterhalb  der  Rücken- 
haut. —  Es  ist  eine  grosse  Antennendrüse,  die  sogenannte 
„grüne  Drüse",  vorhanden;  sie  mündet  mit  einem  feinen  Loch  im 
Basalgliede  der  Hinterantenne.  Bei  einigen  Zehnfüssler-Larven  hat 
man  eine  der  „Schalendrüse"  der  Entomostraken  entsprechende  Drüse 
nachgewiesen,  welche  sich  am  Hinterkiefer  öffnet,  später  aber  wieder 
verschwindet.  —  Der  Geschlechtsapparat  zeigt  den  gewöhnlichen 
Typus  (zwei  Geschlechtsdrüsen,  welche  durch  ein  unpaares  Stück  ver- 
bunden sind;  getrennte  Ausführungsgänge).  Die  Eileiter  münden  im 
Basalglied  des  drittletzten  Rumpffusspaares  oder  (bei  den  Krabben) 
auf  der  Bauchseite  des  entsprechenden  Rumpfsegmentes,  die  Samen- 
leiter im  Basalgliede  des  letzten  Rumpffusspaares.  Wie  oben  erwähnt, 
sind  die  beiden  vorderen  Schwanzfusspaare  des  Männchens  in  der 
Regel  mehr  oder  weuiger  umgebildet,  um  die  Spermatophoren  auf  das 
Weibchen  zu  übertragen. 

')  Dasselbe  Verhältniss  findet  mau  auch  bei  den  Leuchtkrebsen. 


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(ilicderfdsaler.    1.  Classe:  Krcbsthiei c   2.  l'nterclasse:  Malakostraken.  231 


Den  Zehnfüssler- Weibchen  geht  immer  ein  Brutsack  ab,  trotzdem 
tragen  sie  aber  fast  immer  die  Eier  (aber  nicht,  oder  nur  ganz  kurze 
Zeit,  die  Jungen)  mit  sich  umher,  indem  diese  nach  dem  Austritt  aus 
den  Eileitern  an  den  Schwanzfüssen  festgeklebt  werden.  Nur  bei 
einer  geringen  Anzahl  tritt  als  erstes  Jugendstadium  ein  frei  umher- 
scbwimmender  Naupli us  auf;  solches  ist  bei  der  Garneelengattung 
Penaeus  (vergl.  unten)  und  einigen  damit  nahe  verwandten  Formen 
der  Fall.  Die  Mehrzahl  verlässt  das  Ei  auf  dem  sogenannten  Zoea  - 
stadium  '),  in  welchem  das  Thier  sich  fortbewegt  vermittels  der  später 
als  Kieferfüsse  ausgebildeten 
Anhänge,  welche  auf  dieser  Ent- 
wicklungsstufe noch  nicht  der 
Ernährung  dienen .  sondern  als 
Schwimmwerkzeuge  fungiren;  na- 
mentlich sind  es  die  Aussenäste 
derselben,  vermittels  welcher  das 
Schwimmen  ausgeführt  wird.  Die 
Zoea  ist  ferner  mit  Stirnauge  und 
Seitenaugen,  mit  den  beiden  An- 
tennenpaaren und  den  drei  Kiefer- 
paaren ausgestattet ,  auch  das 
Schild  ist  vorhanden,  dagegen  die 
Brustfüsse  und  Schwanzfüsse  noch 
nicht,  oder  nur  als  kleine  Anlagen, 
ebenso  wie  auch  der  hintere  Theil 
des  Rumpfes  und  der  Schwanz 
nicht  so  stark  wie  später  ent- 
wickelt sind.  (Diejenigen  Formen, 
welche  das  Ei  als  Nauplien  ver- 
lassen ,  durchlaufen  später  das 
Zoeastadium).  Auf  das  Zoeasta- 
dium  folgt  bei  manchen  Zehn- 
füsslern  ein  sogenanntes  Mysis- 
stadium  (es  hat  diesen  Namen  wegen 
der  Aehnlichkeit  mit  der  ausgebil- 

,  \(  i_   ix     \    •         l  i  rtc.  1G3.   /  nöa  einer  («urncele  (ver^r. ). 

deten  Mysis  erhalten),  in  welchem  KjiL  Kf,  2weitcr  uml  ,lritter  Kietcr.u.,,.  - 
die  Brustfüsse  ausgebildet  wor-  Nach  Clan», 
den  sind  und  das  Thier  sich  ver- 
mittels der  Aussenäste  dieser  (und  der  hinteren  Kieferfüsse)  schwimmend 
fortbewegt;  die  Schwanzfüsse  sind  noch  nicht  oder  nur  unvollkommen 
entwickelt.  Nach  dem  Mysisstadium  tritt  das  Thier  in  das  G  a  r  n  e  e  1  e  n  - 
Stadium  ein,  in  welchem  die  Aussenäste  der  Brustfüsse  verschwunden 
sind,  während  die  Schwanzfüsse  stark  entwickelt  sind  und  als 
kräftige  Schwimmwerkzeuge  fungiren,  vermittels  welcher  das  Thier, 
das  auf  dieser  wie  auf  den  vorhergehenden  Stufen  ganz  oder  fast  durch- 
sichtig ist,  sich  in  den  oberen  Wasserschichten  fortbewegt.  Einige 
Zehnfüssler  (z.  B.  die  Krabben)  gehen  von  dem  Zoeastadium  direkt 
i n  das  Garneelenstadium  über,  ü  b  e  r  s  p  r  i  n  g  e  n  d  a  s  M  y  s  i  s  s t  a  d  i  u  m . 
d.  h.  sie  sind  auf  keiner  Stufe  mit  einem  Schwimmast  an  den  Brust- 

• 

')  Zehnfüssler  dieser  Entwicklungsstufe  hat  man  in  früherer  Zeit  als  voll- 
ständig ausgebildete  Thiere  aufgefasst  und  unter  dem  Gattungsnamen  Zoea  be- 
schrieben; daher  der  Name  dieser  Entwicklungsstufe. 


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232  Specieller  Theil. 

füsseu  ausgestattet.  Für  die  eine  Hauptabtheilung  der  Zehnfüssler, 
die  Garneelen,  fällt  das  Garneelenstadium  mit  der  Stufe  des  Er- 
wachsenen zusammen,  sie  bleiben  zeitlebens  in  dieser  Gestalt,  die 
Schwanzfüsse  sind  bleibend  Schwimmwerkzeuge  etc. :  bei  der  anderen 


Fig.  Iti4.  Mysisstadium  von  Penaen*  (vergr.).  / — V  die  fünf  HrusttUsse  mit 
langem  Aussenast  und  kurzem  Stamm.  —  Nach  Claus. 

Hauptabtheilung,  den  kriechenden  Zehnfüsslern ,  ist  das  Garneelen- 
stadium kein  bleibendes,  sondern  nach  einiger  Zeit  werden  die  Schwanz- 
füsse (mit  Ausnahme  des  6.  Paares)  zurückgebildet,  sie  hören  auf, 
Schwimmwerkzeuge  zu  sein,  das  Thier  wird  undurchsichtig  und  dem 
vollständig  entwickelten  Thier  geht  das  Vermögen  eines  eigentlichen 
Schwimmen*  ab. 

Die  meisten  Arten  der  formenreichen  Abtheilung  der  Zehnfüssler, 
zu  welcher  die  grössten  unter  den  Malakostraken  gehören,  leben  im 
Meere;  eine  verhältnissmässig  geringe  Anzahl  (Flusskrebse,  gewisse 
Garneelen)  im  Süsswasser,  einzelne  auf  dem  Lande. 

1.  Unterordnung.  Garneelen  oder  schwimmende  Zehnfüssler  (Natantia). 

Das  Skelet  der  Garneelen  ist  nicht  sehr  fest,  hornartig,  das 
Thier  durchsichtig  oder  halbdurchsichtig.  Der  Körper  (Fig.  162) 
ist  zusammengedrückt,  der  Schwanz  kräftig  und  gebogen 
(kann  nicht  ganz  gerade  gerichtet  werden).  Das  Schild  besitzt  vorne 
einen  kräftigen,  zusammengedrückten,  gesägten  Stirn  Stachel.  An 
der  Hinterantenne  ein  grosser,  plattenförmiger  Aussenast,  lange,  sehr 
bewegliche  Geissein  an  beiden  Antennenpaaren,  grosse,  langge- 
stielte Augen.  Die  Brust füsse  sind  dünn  und  schwach,  der 
3.  Kieferfuss  lang  und  beinähnlich.  Die  Schwanzfüsse,  mit 
kräftigem  Schaft  und  langen  Blättern,  sind  starke  Schwimmwerkzeuge; 
von  dem  inneren  Rand  des  Innenblattes  entspringt  ein  an  der  Spitze 
mit  kurzen  kleinen  Haken  ausgestatteter  Anhang,  durch  welchen  der 
Schwanzfuss  mit  dem  andern  desselben  Paares  zusammengeheftet  wird, 
so  dass  die  Schwanzfüsse  paarweise  bewegt  werden.  —  Die  Garneelen 
sind  in  der  Regel  lebhaft  schwimmende  Thiere,  welche,  indem  sie  die 
Schwanzfüsse  (die  5  ersten  Paare)  nach  hinten  schlagen,  sich  im 
Wasser  vorwärts  bewegen  (das  eigentliche  Schwimmen  der  Garneelen), 
während  sie  auch  im  Stande  sind,  indem  sie  mit  grosser  Kraft  den 


y  Googl 


Gliederfüssler.    1.  Clasae:  Krebsthiere.   2.  Unterlasse:  Malakostrakeu.  233 


hinteren  Theil  des  Schwanzes  mit  ausgebreitetem  Schwanzfächer  gegen 
die  Bauchseite  einschlagen,  grosse  Sprünge  rücklings  zu  machen. 

Einige  Garneelen  weichen  von  den  übrigen  dadurch  ab ,  dass  sie  in 
Schwämmen  u.  Aehnl.  Aufenthalt  nehmen,  und  sind  dieser  halbparasitischen 
Lebensweise  entsprechend  mehr  oder  weniger  umgestaltet:  die  Augen  und 
Antennen  werden  klein  etc. 

Von  den  sehr  zahlreichen,  meistens  kleineren,  Formen  führen 
wir  nur  einzelne  an: 

1.  Penaeas  ist  eine  Gattung  grosser  Garneelenformen  (sie  erreichen 
die  Grösse  eines  Flusskrebses  und  mehr),  welche  nur  in  den  wärmeren 
Meeren  leben  (ein  paar  Arten  im  Mittelmeer).  Es  sind  zusammengedrückte, 
langgestreckte  Garneelen  mit  kleinen  Scheeren  an  den  drei  vorderen  Brust- 
fusspaaren. Fenaeus  und  einige  seiner  Verwandten  zeichnen  sich  vor  allen 
Zehnfüsslern  dadurch  aus.  dass  sie  das  Ei  als  Nauplien  verlassen  (Fig.  134). 

2.  In  den  europäischen  Meeren  findet  man  häufig  Arten  der  Gatt. 
Palaetnon  (Crevette,  Granat),  welche  weniger  zusammengedrückt  als  Fenaeus 
und  nur  an  den  zwei  vorderen  Brustfusspaaren  mit  Scheeren  ausgestattet 
sind;  der  Schwanz  hat  einen  sehr  starken  Garneelenknick ,  die  Platte  (der 
Aussenast)  der  Hinterantennen  sehr  gross,  die  Geissein  der  Antennen  sehr 
lang  (3  GeisBeln  an  jeder  Vorderantenne).  Das  neugeborene  Junge  ist,  wie 
bei  der  grossen  Mehrzahl  der  Garneelen,  eine  Z  o  e  a ;  später  durchläuft  das 
junge  Thier  ein  Mysisstadium.  Mehrere  Arten  dieser  Gattung  werden  ge- 
gessen. Dasselbe  gilt  auch  von  der  im  Sande  an  der  Küste  der  Nord-  und 
Ostsee  lebenden  Sandgarneele  (Orangon  vulgaris),  welche  in  mehrfacher 
Beziehung  von  Palaemon  abweicht. 

2.  Unterordnung.   Kriechende  Zehnfüssler  (Reptantia). 

Das  Skelet  ist  im  Allgemeinen  dick,  fest,  hart,  stark  verkalkt, 
das  Thier  g e f ä r b t ,  undurchsichtig.  Der  Körper  ist  abgerundet 
oder  abgeplattet,  der  Schwanz  in  einigen  Fällen  recht  kräftig, 
musculös,  in  anderen  Fällen  sehr  rückgebildet;  der  Stirnstachel 
kurz,  nicht  zusammengedrückt.  Der  Aussenast  der  Hinterantenne 
ist  klein  oder  fehlt,  die  Antennengeisseln  gewöhnlich  schwach.  Die 
Augen  kleiner,  kürzer  gestielt  als  bei  den  Garneelen.  Die 
Brustfüsse  sind  mehr  oder  weniger  kräftige  Gehfüsse,  das 
vorderste  Paar  ist  in  der  Regel  weit  kräftiger  als  die  übrigen 
und  mit  grossen  Scheeren  versehen ;  der  3.  Kieferfuss  ist  kurz,  nicht 
beinähnlich.  Die  Schwanzfüsse  sind  beim  ausgebildeten  Thier 
niemals  Schwimm  Werkzeuge;  sie  haben  wesentlich  die  Aufgabe 
(von  dem  6.  Paare  abgesehen),  beim  Weibchen  die  Eier  zu  tragen, 
während  beim  Männchen  die  beiden  ersten  Paare  als  Begattungswerk- 
zeuge fungiren ;  die  folgenden  drei  Paare  haben  nur  eine  geringe  Be- 
deutung und  fehlen  deshalb  oft  oder  sind  rückgebildet.  Das  6.  Paar 
bildet  bei  einigen  einen  mächtigen  Fächer,  bei  anderen  (den  Krabben), 
die  einen  schwachen  Schwanz  haben,  fehlt  es  ganz.  —  Die  kriechenden 
Zehnfüssler  bewegen  sich  als  ausgebildete  Thiere  auf  dem  Meeres- 
boden vermittels  der  kräftigen  Brustfüsse  (welche  bei  den  Garneelen 
ganz  untergeordnete  Bewegungswerkzeuge  waren),  während  das  Ver- 
mögen eines  eigentlichen  Schwimmens  ihnen  abgeht ;  diejenigen,  welche 
einen  musculösen  Schwanz  besitzen,  können  in  derselben  Weise  wie 
die  Garneelen  mächtige  Sprünge  rücklings  machen. 


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234 


Specieller  Theil. 


1.  Der  Hummer  (Ibmarus  vulgaris)  ist  ein  grosser,  dunkelblauer 
Krebs  mit  einem  starken  musculösen  Schwanz  mit  breitem  Schwanzfacher. 
Hinterantennen  mit  Aussenast  und  langer  kräftiger  Geissei.  Das  1.  Brust- 
fusspaar sind  gewaltige  Scheerenfusse,  von  welchen  der  eine  (bald  der  rechte, 
bald  der  linke)  kräftiger  und  mit  plumperen  Zähnen  ausgestattet  ist  als 
der  andere;  das  2.  und  3.  Paar  sind  ebenfalls  scheerentragend ,  aber  nicht 
stärker  als  die  beiden  letzten  Beinpaare.  —  Der  Hummer  durchläuft  kein 


Fig.  165.  Pfg.  166. 


Fig.  165.    (lanz  junge  II  u  m mcrlarvc  (Mysisstadium).  von  oben  und  von  der  iScitc, 
vergr.  —  Nach  Sar». 

Fig.  166.    Neugeborener  Fl ub «krebs,  vergr.  —  Nach  Huxlcy. 


Zoeastadium,  sondern  ist ,  wenn  er  das  Ei  verlässt,  sebou  mit  säuimtlicben 
Brustfusspaaren  versehen,  die  ebenso  wie  das  dritte  KieferfuBspaar  Schwiraiu- 
äste  tragen,  vermittels  welcher  das  fast  durchsichtige  Thierchen  sich  im 
Wasser  fortbewegt.  Auf  dieses  Mysisstadium  folgt  ein  Garneelenstadium, 
aus  welchem  endlich  der  ausgebildete  Hummer  hervorgeht.  An  den  euro- 
päischen Küsten,  besonders  an  der  Küste  Korwegens  häufig;  eine  verwandte 
Art  wird  massenhaft  an  der  Küste  Nordamerikas  gefangen. 

2.  Der  Flusskrebs  (A$tacnx  flueiatilin)  ist  in  den  meisten  Be- 
ziehungen dem  Hummer  ähnlich  (3  Scheerenfusspaare  etc.),  weicht  aber  u.  A. 
darin  von  diesem  ab,  dass  der  Körper  kleiner  und  etwas  plumper  ist,  das» 
die  beiden  grossen  Scheerenfusse  gleich  sind,  und  dass  die  Geissei  der  Hinter- 
antenne kürzer  und  schwächer  ist.  In  Bezug  auf  die  Entwicklung  ver- 
hält der  Flusskrebs  sich  aber  sehr  abweichend  nicht  allein  vom  Hummer, 
sondern  von  fast  allen  Zehnfüsslern.  Wenn  das  Junge  das  Ei  verlässt, 
ist  es  schon  in  den  meisten  Beziehungen  dem  ausgebildeten  Thiere  ähnlich, 
namentlich  sind  alle  Brustfüsse  ungefähr  wie  bei  diesem  entwickelt  und  be- 
sitzen keinen  Aussenast;  das  Schild  ist  aber  kürzer  und  breiter,  der  Schwanz 
schwacher,  und  von  den  Schwanzfüssen  ist  das  letzte  Paar  noch  nicht  vor- 
handen. Es  geht  hieraus  hervor,  dass  der  Flusskrebs  kein  Mysisstadium 
durchläuft,  und,  soweit  man  weiss,  ist  auch  von  einem  Garneelenstadium 
nicht  die  Rede.    In  der  ersten  Zeit  halten  sich  die  Jungen  an  den  Schwanz- 


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(iliederfüssler.    I.  Cla»se:  Kicbsthiere.    2.  Unterclasse :  Malakustraken.  235 


füssen  der  Mutter  angeklammert.  —  Die  Art  ist  über  einen  grossen  Theil 
von  Europa  verbreitet;  verwandte  Formen  in  gewissen  Theilen  Europas 
und  in  anderen  Welttheilen ;  alle  im  Süsswasser. 

3.  Die  Langusten  (Pulimtru*)  sind  grosse,  stachlige  Krebse,  welche 
sich  in  den  meisten  Beziehungen  dem  Hummer  anschliessen ,  sich  jedoch 
von  diesem  dadurch  unterscheiden,  dass  keine  der  Brustfüsse  ScheerenfüBse 
fam  1.  Paare,  welches  zuweilen  etwas  stärker  ist  als  die  folgenden,  kann 
eine  Andeutung  einer  Scheere  vorhanden  sein),  sondern  alle  5  Paare  einfache 
<Tehfu88e  sind;  die  Hinterantennen  sind  mit  einer  besonders  langen  und 
starken  Geissei  ausgestattet.  Eine  im  Mittelmeer  lebende  Art,  P.  nilyari*, 
kann  einen  knarrenden  Laut  dadurch  erzeugen ,  dass  sie  die  Schäfte  der 
Hinterantennen  gegen  einen  von  der  Mitte  des  Kopfes  hervorstehenden  Theil 
mit  glatten  Seitenflächen  reibt.  —  Mit  den  Langusten  nahe  verwandt  sind 
die  Bärenkrebse  (Scyl/aru.s),  welche  darin  abweichen,   dass  die  Hinter- 


Fig.  167.    Eiu  Blatt  krebs  (I'hyllotumu),  wenig  vergr.     Die  4  am  stärksten  ausge- 
bildeten Gliedmaassenpanrc  sind:  3.  Kiefcrfuss,  1. — 8.  Bmsttuss. 

antenne  statt  der  langen  vielgliedrigen  Geissei  eine  kurze,  breite,  un- 
gegliederte Platte  besitzt.  —  Beiden  Gattungen  eigentümlich  ist  das  höchst 
sonderbare  Aussehen  der  Larven.  Sie  verlassen  das  Ei  auf  dem  Mysis- 
stadium  ,  die  hintersten  Brustfüsse  sind  aber  bei  der  neugeborenen  Larve 
noch  nicht  vorhanden.  Das  ganze,  vollkommen  durchsichtige  Thier  ist  stark 
blattartig  abgeplattet;  das  Schild,  in  welchem  man  die  Verästelungen  der 
Leber  sieht,  ist  eine  flache  Platte,  welche  nicht  den  ganzen  Rumpf  über- 
deckt; letzterer  iBt  eine  rundliche  Scheibe,  an  deren  Rande  die  langen  Be- 
wegtiiigsgliedmaassen  (der  dritte  Kieferfuss  und  die  Brustfüsse,  mit  je  einem 
kleinen  Schwimmast)  angeheftet  sind;  der  Schwanz  ist  ein  unbedeutender 
Anbang.  Später  ändern  diese  Blattkrebse  (Phyütßsoma),  wie  sie  genannt 
werden,  ihre  Form,  durchlaufen  ein  Oarneelenstadium,  in  welchem  sie  schon 
in  der  Hauptsache  das  Aussehen  der  Erwachsenen  besitzen,  aber  noch  durch- 
sichtig sind  und  mittels  der  Schwanzfüsse  frei  umherschwimmen,  und  nehmen 
endlich  die  definitive  Form  an. 

4.  Die  Einsiedlerkrebse  {Payurus)  zeichnen  sich  besonders  dadurch 
aus,  dass  der  Schwanz  zu  einem  grossen  düpnhäutigen  Sack  um- 


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236 


Speeieller  Theil. 


gebildet  ist,  welcher  fast  keine  Muskeln  enthält,  sondern  von  der  grossen 
Leber  und  den  Geschlechtsdrüsen  ausgefüllt  ist,  welche  aus  dem  Rumpfe 
in  den  Schwanz  gerückt  sind.  Der  Schwanz  wird  von  dem  Thiere  in  einer 
leeren  Schneckenschale  versteckt,  welche  es  mit  sich  herumschleppt;  er  ist 
immer  asymmetrisch,  seine  Unterseite  ist  ganz  dünnhäutig,  an  der 
Rückenseite  finden  sich  als  dünne  Platten,  welche  durch  grosse,  weichhäutige 
Zwischenräume  geschieden  sind,  Spuren  der  Rückentheile  der  Schwanz- 
segmente. Nur  die  beiden  letzten  Segmente 
sind  etwas  fester,  das  vorletzte  trägt  ein  kleines 
6.  Schwanzfusspaar,  welches  mit  dem  7.  Seg- 
ment zusammen  das  Thier  in  der  Schale  fest- 
hält. Von  den  übrigen  Schwanzfüssen  sind 
nur  die  der  linken  Seite  vorhanden 
(das  l.  Paar  fehlt  oft  ganz).  Auch  die  Brust- 
füsse  sind  eigenthümlich ;  das  1.  Paar  sind 
kräftige  Scheerenfüsse,  das  2.  —  3.  Paar  ein- 
fache Gehfüsse,  das  4. — 5.  sind  sehr  klein 
und  helfen  das  Thier  in  der  Schale  festhalten ; 

...    ...    rm  j.         ...     .   ,    das  5.  Paar  hat  ausserdem  die  Aufgabe,  die 

Hg.  Ib8.    /oc*  eines  Linsied-  .  .  PJ ~J  . 

1  er krebsen  (vergr.).   /f9  Hinter-  Jviemenhohle  zu  reinigen       und  wird  dabei 

antcnnc,  1—3  erster— dritter  Kie-  von  hinten  in  diese   eingeschoben.  —  Die 

fcrfu*8,  /  erster  Brustfu^,  //„  Anlage  Einsiedlerkrebse  verlassen  das  Ei  als  Z  o  e  e  n  ; 

deuteten  Schwanzfusses.  -  Nach  ^   My8i88tadium    wird    übersprungen,  das 

junge  Thier  geht  vom  Zoeastadium  direkt 
in  das  Garneelenstadium  über,  in  welchem  es  vermittels  der  Schwanzfüsse 
umherschwimmt;  der  Schwanz  ist  in  diesem  Stadium  musculös  und  voll- 
kommen symmetrisch.  Nach  Abschluss  dieses  Stadiums  sucht  der  Einsiedler- 
krebs eine  kleine  leere  Schale  auf,  welche  später  allmählich  mit  grösseren 
Exemplaren  vertauscht  wird.  —  Einsiedlerkrebse  finden  sich  in  allen  Meeren : 
in  der  Nord-  und  Ostsee  lebt  der  Bernhardinerkrebs  (P.  IkrnJiardus), 
welcher  in  den  Schalen  des  Wellhorns  haust. 

5.  Als  Krabben  (Drachjura)  bezeichnet  man  eine  aus  vielen  Gat- 
tungen und  sehr  zahlreichen  Arten  bestehende  Abtheilung  der  Zehnfüssler, 
welche  gewissermaassen  den  Gipfel  dieser  Unterordnung  bildet,  indem  einer- 
seits die  Ausbildung  der  Brust füsse  als  Gehwerkzeuge, 
andererseits  die  Rcduction  des  Schwanzes  hier  am  ausgeprägtesten 
durchgeführt  ist.  Der  Körper  ist  breit  (die  Kopf-Rumpf-Partie  häufig 
breiter  als  lang),  der  Schwanz  ist  stark  abgeplattet,  kurz  und  schwach, 
und  auf  die  Bauchseite  des  Rumpfes  umgeschlagen,  beim  Weibchen 
breiter  als  beim  Männchen.  Die  Antennen  sind  kurz,  Hinterantennen  ohne 
Aussenast,  letztes  Kieferfusspaar  abgeplattet,  bedeckt  die  übrigen  Mund- 
füsse  wie  eine  Flügelthür.  Nur  das  1.  Brustfusspaar  Scheerenfüsse,  die 
übrigen  starke  Gangbeine.  Das  6.  Schwanzfuss  paar  (Schwanzfächer) 
fehlt;  beim  Weibchen  tragen  das  2. — 5.  Schwanz  fusspaar  die  Eier  (das 
1 .  Paar  fehlt  in  der  Regel) ,  beim  Männchen  sind  meistens  nur  die  als 
Begattungswerkzeuge  ausgebildeten  Schwanzfüsse  (1. — 2.  Paar)  vorhanden. 
—  Die  Krabben  verlassen  das  Ei  als  Zoeen  mit  dem  1.  und  2.  Kieferfuss 
als  Schwimmwerkzeuge  ausgebildet  (das  3.  Paar  entwickelt  sich  nicht  in 
Weise) ;  die  Krabben-Zoeen  zeichnen  sich  oft  dadurch  aus,  dass  sie  auf 


')  Bei  gewissen  (wahrscheinlich  bei  vielen)  Garneelen  wird  das  vorderste, 
ziemlich  schwache,  Brustfusspaar  in  derselben  Weise  verwendet;  sie  werden  in  die 
Höhle  von  vorn  und  unten  hineingesteckt  und  putzen  und  fegen  die  Kiemen  rein. 


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Gliederfusaler.    1.  Classe:  Krebsthiere.   2.  TTnterclasse :  Malakostraken.  237 


dem  kurzen  Schild  lange  Stacheln  besitzen.  Ein  MysissUdium  haben  sie 
nicht,  dagegen  durchlaufen  sie  ein  Garneelen  Stadium  (das  sogenannte  Me- 
galops-Stadium),  in  welchem  die  junge  Krabbe  zwar  in  den  meisten  Be- 
ziehungen dem  auagebildeten  Thiere  ähnlich  ist,  aber  einen  kräftigeren, 
nach  hinten  gerichteten  Schwanz  besitzt,  welcher  mit  Füssen  ausgestattet 
ist,  die  als  Schwimmwerkzeuge  fungiren.    Endlich  werden  Schwanz  und 


AB  C 


Fig.  169.  A  Zotfa  einer  Krabbe,  B — C  Garneelenstadiam  derselben  von  oben  and 
von  der  Seite  (vergr.).  Ax — At  Vorder-  und  Hintorantenne,  /—  3  erster — dritter  Kiefer- 
fuss,  Hn  sechster  SchwanzfuM,  T  RUckcnstachel.  —  Nach  Rathke. 


Schwanzfüsse  reducirt,  der  Schwanz  umgeschlagen,  und  die  Krabbe  ist  für 
den  Rest  ihres  Lebens  ein  kriechendes  Thier.  —  An  den  Küsten  der  Nord- 
and  Ostsee  (und  anderer  europäischen  Meere)  lebt,  schon  dicht  am  Strande, 
in  grosser  Anzahl  die  Strandkrabbe  (Carduus  maenas),  ebenso  wie 
andere  Krabben  ein  lebhaftes,  schlaues  Raubthier,  welches  sich,  wenn  es 
angegriffen  wird,  muthig  wehrt.  In  der  Nordsee  lebt  auf  tieferem  Wasser 
der  grosse,  dickschalige,  sehr  breite  Taschenkrebs  ((hurer  jtagiirus). 

7.  Ordnung.   Heuschreckenkrebse  (Stomafopoda). 

Die  Heuschreckenkrebse  sind  Malakostraken  mit  grossen  Stielaugen, 
mit  Schild  und  kräftigem  Schwanz.    Das  Schild  ist  jedoch  ziemlich 


Fig.  170.  Stfuilla.  VIII  achtes  Rumpfsegment ;  /,  7  erstes  und  siebtes  Schwanz- 
segment;  Ax — A%  Antennen ;  y  Kieme ;  //,,  //«,  erster  und  sechster  Schffanzfuss  :  K».  KH  zweiter 
und  achter  Rnmpfross;  o  Auge;  S  Schild.  —  Nach  Linken. 


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238 


Specieller  Theil. 


klein  und  die  vier  hinteren  Rumpfsegmente  sind  frei ,  beweglich ,  kräftig 
ausgebildet  und  nicht  vom  Schilde  überdeckt.  Der  Schwanz  ist  stark,  fast 
gerade ,  mit  den  gewöhnlichen  6  Fusspaaren  ausgestattet ,  von  denen  das 
hinterste  mit  dem  7.  Schwanzsegment  zusammen  den  Schwanzfächer  bildet, 
während  die  übrigen  fünf  Paare  alle  kräftig  ausgebildete,  paarweise  zu- 
saromengehakte  Schwimmfüsse  sind,  welche  auf  ihrem  äusseren  Blatt  je  eine 
grosse  verästelte  Kieme  tragen.  Von  den  8  Rumpffusspaaren  sind  die 
5  vorderen  sämmtlich  Greiffüsse,  deren  äusserstes  Glied  gegen  das  vorletzte 
eingeschlagen  werden  kann,  das  zweite  Paar  ist  besonders  stark  entwickelt. 
Die  drei  letzten  Rumpffusspaare  sind  schwache  Gehfüsse.  —  Die  Heu- 
schreckenkrebse, welche  ihre  Eier  nicht  mit  sich  umhertragen,  durchlaufen 
eine  Metamorphose,  deren  erste  Stufen  nicht  genau  bekannt  sind. 
Weiter  entwickelte  Larven  von  recht  ansehnlicher  Grösse,  zart  und  durch- 
sichtig,  aber  übrigens  von  einem  Baue,  welcher  in  der  Hauptsache  dem  des 
erwachsenen  Thieres  entspricht,  gehören  zu  den  charakteristischsten  Be- 
standteilen des  pelagischcn  Thierlebens. 

Die  Gruppe,  welche  nur  verhältnissraässig  wenige  und  ziemlich  gleich- 
gebildete Formen  umfasst,  gehört  den  wärmeren  Meeren  an.  Eine  an- 
sehnliche Art,  fym'lla  mun/is,  ist  im  Mittelmeer  häufig. 


2.  Classe.    TSUSOndfÜSSler  (Myriopoda). 

Der  vielgliedrige ,  in  der  Regel  langgestreckte  Körper  ist  von 
einer  unverkalkten  oder  verkalkten  Chitiuhaut  umgeben.  Der  deutlich 
abgegrenzte  Kopf  ist  jederseits  mit  einer  Gruppe  von  Punktaugen 
versehen  ,  seltener  ist  jederseits  ein  wirkliches  zusammengesetztes 
Auge  vorhanden ;  der  Kopf  trägt  ferner  e  i  n  Paar  Antennen,  welche 
einfach  fadenförmig  oder  schwach  gekeult  sind,  und  die  drei  ge- 
wöhnlichen Kieferpaare,  oder  nur  zwei  solche.  Der  übrige  Körper 
ist  nicht  in  mehrere  Abschnitte  getheilt,  sondern  besteht  aus  einer 
meistens  grossen  Anzahl  der  Hauptsache  nach  gleichartiger  Segmente, 
welche  meistens  je  ein  Paar  kurzer  cylindrischer  Beine  tragen,  jedes 
aus  einer  einfachen  Reihe  von  Gliedern  (6  —  7)  zusammengesetzt. 

In  ihrem  inneren  Bau  sind  die  Myriopoden  den  Insekten  ähnlich. 
Der  Darmkanal  ist  meistens  gerade  und  zerfällt  in  eine  engere 
Speiseröhre,  einen  cylindrischen  Mitteldnnn  (Chylusdarm)  und  einen 
engeren  Enddarm;  dicht  am  Munde  öffnen  sich  einige  Speicheldrüsen, 
in  den  Enddarm  münden  an  der  Grenze  des  Chylusdarmes  2  (sel- 
tener 4)  Harnkanäle  (Malpighi'sche  Gefasse,  vergl.  die  Insekten); 
der  After  befindet  sich  im  letzten  Segment.  Eine  Leber  fehlt.  Das 
Herz  ist  ein  auf  der  Rückenseite  befindlicher  langer  Schlauch  mit 
paarigen  Seitenspalten,  durch  welche  das  Blut  eintritt;  von  den» 
vorderen  Ende  (und  von  den  Seiten)  gehen  Arterien  aus,  während 
das  Blut  sich  übrigens  in  den  Spalten  und  Hohlräumen  des  Körpers 
bewegt.  Die  Tausendfüssler  besitzen  ebenso  wie  die  Insekten  ein 
System  luftführender  Röhren,  ein  Trache  ensy  stein  ,  welches  sich 
im  Körper  verzweigt  und  durch  Athemlöcher  öffnet,  welche  sich 
meistens  am  Grunde  einiger  der  Beinpaare  befinden.  Das  Nerven- 
system hat  den  für  die  Gliederfüssler  gewöhnlichen  Typus;  die 
Bauchnervenknoten  sind  meistens  gleichartig  ausgebildet,  der  gleich- 
artigen Entwicklung  der  Körpersegmente  entsprechend.  Segmental- 


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GliederfÜBsler.   2.  Claase:  Tausendfüssler. 


239 


organe  fehleu;  sie  werden  functionell  durch  die  oben  genannten 
Malpighi'schen  Gefässe  ersetzt.  Die  Eierstöcke  sind  ebenso  wie 
auch  die  Hoden  im  Allgemeinen  zu  einem  unpaaren 
Organ  verschmolzen,  welches  bei  den  Scolopendern  mit 
einer  unpaaren  Oeffuung  unten  am  hinteren  Ende  des  £ 
Körpers  vor  dem  After  mündet,  während  bei  den  echten 
Tausendfüsslern  ein  PaarGeschlecutsoffnungen  zwischen 
dem  2.  und  3.  Beinpaare  vorhanden  ist.  also  weit  vorne 
auf  der  Bauchseite  des  Körpers.  Bei  den  letzteren  sind 
die  am  7.  Segment  sitzenden  Beine  meistens  zu  Bc- 
gattungswerkzeugen  umgebildet. 

Sowohl  bei  den  echten  Tausendfüsslern  wie  bei 
einigen  Scolopendern  wird  eine  Metamorphose 
durchlaufen,  indem  das  Junge  eine  geringere  Glied- 


Ä 


Fig.  172.  Neugeborene  Larve  eine*  echten  Tausendfüssler». 
Nach  Metschnikoff. 


maassen-  und  Segmentenzahl  besitzt  als  das  erwach- 
sene Thier.  Bei  den  echten  Tausendfüsslern  ist  das 
neugeborene  Junge  nur  mit  3,  bei  jenen  Scolopendern 
mit  7  Beinpaaren  versehen. 

Die  Tausendfüssler  bilden  eine  verhält nissmässig 
kleine  Abtheilung,  deren  Mitglieder  ohne  Ausnahme 
Landbewohner  sind;  sie  leben  an  feuchten,  schattigen 
Stellen,  unter  Laub,  in  der  Erde  etc. 

Die  Tausendfüssler  stehen  der  folgenden  grossen  Classe. 
den  Insekten,  in  den  meisten  Punkten  so  nahe,  das»  es  ohne 
Zweifel  das  Richtigste  sein  würde,  sie  diesen  einzuverleiben. 
Wenn  wir  sie  hier  als  besondere  Olasse  aufführen,  so  ge- 
schieht das,  weil  sie  immerhin  in  gewissen  Beziehungen  Eigentümlichkeiten 
darbieten,  welche  sie  unter  den  Insekten  als  etwas  Fremdartiges  erscheinen 
lassen  und  die  Abrundung  jener  Classe  beeinträchtigen  würden. 


Fig.  171.  Darm- 
kanal von  Litkv 
fjiug  aus  dcrOrdji. 
der  Scolopender. 
n  After,  h  Hinter- 
dann,  tu  Mittel- 
dann,  *  Speichel- 
drüse, n  Malpi- 
ghi'schcs  «  JefUs-, 
<•  Yorderdarni. — 
Nach  Plateau. 


t.  Ordnung.    Scolopender  (Chilopwla). 

Der  Kopf  ist  abgeplattet  und  trägt  drei'Kieferpaare,  von  welchen 
die  Mittelkiefer  sehr  oft  in  der  Mittellinie  verwachsen  sind ;  das  Grund- 
glied des  Hinterkiefers  ist  ebenfalls  mit  dem  der  andern  Seite  ver- 
wachsen, während  die  übrigen  Glieder  einen  Palpus  bilden.  Der 


240 


Specieller  Theil. 


übrige  Körper,  welcher 
menten  besteht,  ist  oben 


oft  aus  einer  sehr  grossen  Anzahl  von  Seg- 
und  unten  abgeplattet ;  die  Beine  entspringen 
weit  von  einander  entfernt,  von  den  weichen 
Seitentheilen  der  Segmente,  an  jedem  Seg- 
ment ein  Paar.  Das  vorderste  Paar 
Beine  ist  von  den  übrigen  sehr  abweichend 
gestaltet:  es  ist  sehr  kräftig  entwickelt  und 
bildet  ein  Paar  plumpe  hakenförmige  Werk- 
zeuge, an  denen  dicht  vor  der  Spitze  die 
Oeffnung  einer  Giftdrüse  sich  befindet  (die 
Gift  haken).  Auch  das  letzte  Beinpaar  ist 
in  der  Regel  etwas  abweichend;  es  ist  länger 
als  die  vorhergehenden  und  nach  hinten  ge- 
richtet. —  Wie  oben  bemerkt,  münden  »die 
Geschlechtsorgane  am  Hinterende. 

Die  Scolopender,   von  denen  mehrere 
Arten  leuchten,  sind  lebhafte  Raubthiere, 
welche  ihre  Beute  mit  den  Gifthaken  tödten. 
In  den  Ländern  der  gemässigten  Zone  leben  nur  ziemlich  kleine 
Arten;  eine  bedeutendere  Grösse  (etwa  bis  Fusslänge)  erreichen  sie 
in  den  Tropen. 


Fig.  173.  Kopf  von  Lühobitts 
von  unten.  A  Antenne,  mJb  Mittel-, 
hk  Hinterkiefer,  hkt  Grundglied 
des  letzteren,  o  Ange.  —  Nach 


2.  Ordnung.    Echte  Tausendfüssler  (Chüogmtha.  oder 

Diphpodn), 

Mit  nur  zwei  Kieferpaaren,  welche  gewöhnlich  als  Vorder-  und 
Mittelkiefer  bezeichnet  werden.  Der  Bau  des  Rumpfes  ist  sehr  eigen- 
tümlich. Während  die  zwei  Beine  jedes  Paares  bei  den  Scolopendern 
weit  von  einander  entspringen,  durch  eine  breite  Bauchplatte  getrennt, 
sind  sie  hier  dicht  neben  einander  auf  der  Unterseite  eingelenkt;  ferner 
tragen  die  allermeisten  Segmente  je  zwei  Beinpaare,  was  wahrschein- 
lich in  der  Weise  aufzufassen  ist,  dass  je  zwei  Segmente  mit  einander 
verwachsen  sind ;  die  zunächst  auf  den  Kopf  folgenden  vier  Segmente 
besitzen  jedoch  nur  ein  Beinpaar  (eines  derselben  ist  sogar  glied- 
maassenlos).  Die  Form  der  Segmente  ist  verschieden;  bei  einigen 
(Fig.  174  B)  sind  sie  vollkommen  cylindrisch,  bei  anderen  ist  jedes 


A  B  C  D 


Fig.  174.    Querschnitte  von  :  A  LiÜtobivs  (einem  Scolopender),  B  Jtdut,  C  Polydtsmus, 
I)  Qlonitris.    F  seitlicher  Fortsatz.  —  Orig. 

Segment  ebenfalls  ein  kurzer  Cylinder,  welcher  aber  jederseits  einen 
kurzen  nach  aussen  gerichteten  Fortsatz  besitzt,  was  dem  Körper  ein 
mehr  abgeplattetes  Aussehen  verleiht  (Fig.  174  0);  wieder  bei  anderen 


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Gliederfüßler.    2.  Classe:  Tausendfüssler. 


241 


ist  der  Körper  wirklich  abgeplattet  mit  convexer  Ober-  und  concaver 
Unterseite  (Fig.  174  D).  Die  Beine  sind  schwach  und  dünn  und  nach 
aussen  gerichtet;  sie  sind  in  der  Hauptsache  (abgesehen  von  denen, 
welche  beim  Männchen  als  Begattungswerkzeuge  fungiren,  vergl.  oben) 
alle  gleichgebildet.  —  Dass  die  echten  Tausendfüssler  die  Geschlechts- 
öffnungen vorne  am  Körper  haben,  dass  sie  Begattungsgliedmaassen 
besitzen,  und  dass  die  Jungen  eine  Metamorphose  durchlaufen,  ist 
schon  oben  hervorgehoben. 

Die  echten  Tausendfüssler  sind  laugsame  Thiere,  welche  sich  von 
verwesenden  oder  weichen  Pflanzentheilen  oder  thierischen  Ueberresten 
ernähren.    Sie  rollen  sich  bei  der  Berührung  spiralig  zusammen. 

Von  den  in  Nord-  und  Mitteleuropa  vorkommen- 
den Formen  (welche  alle  klein  sind)  führen  wir  an: 
.Julus  mit  cylindriachem,  gestrecktem  Körper ;  (Horner is 
mit  halbcylindrischem,  kurzem,  aus  einer  ziemlich  ge- 
ringen Gliederzahl  zusammengesetztem  Körper  (assel- 
artig). 


Anmerkung.  Wegen  des  Besitzes  eines  Luft- 
röbrensysteras  wird  in  der  neueren  Zeit  die 
früher  den  Gliederwürmern  zugezählte  Gattung  Peri- 
patus  allgemein  zu  den  Gliederfüsslern  gerechnet,  und 
derselben  ein  Platz  in  der  Nähe  der  Tausendfüssler 
angewiesen.  Thatsächlich  erscheint  es  aber  sehr 
zweifelhaft,  ob  man  hiermit  das  Richtige  getroffen 
hat,  ob  nicht  vielmehr  der  Peripatus  ein  dem  Leben 
auf  dem  Lande  in  eigenthümlichcr  Weise  angepasster 
(rliederwurm  ist ;  das  Vorhandensein  einer  Reihe 
typisch  gebildeter  Segmentalorgane  stellt  ihn  in 
entschiedenen  Gegensatz  zu  den  Tausendfüsslern  so  wie 
überhaupt  zu  den  mit  Tracheen  ausgestatteten  Glieder- 
füsslern, welche  niemals  Segmentalorgane  besitzen, 
und  der  Bau  der  Augen  (vergl.  unten)  spricht  noch 
entschiedener  gegen  eine  Verwandtschaft  mit  den 
tracheenathmenden  Gliederfüsslern.  Wenn  wir  dess- 
halb  den  Peripatus  an  dieser  Stelle  behandeln,  so 
geschieht  es  nur  wegen  der  ausgesprochenen  Ana- 
logie, welche  er  mit  den  Tausendfüsslern  darbietet. 

Nach  ihrem  äusseren  Aussehen  sind  die  Peripatus- 
Arten  am  meisten  Schmetterlingsraupen  ähnlich.  Der 
Körper  ist  gestreckt,  cylindrisch,  die  Segmente  nicht 
sehr  scharf  unterschieden,  die  Haut  ziemlich  weich, 
die  Cuticula  dünn.  Der  Kopf  trägt  ein  Paar  aus 
kurzen  Gliedern  zusammengesetzte  Fühler  (auch 
bei  Borstenwürmern  können  derartige  Anhänge  ge- 
ringelt sein)  und  ein  Paar  einfache  Augen,  welche 
denjenigen  mancher  Borstenwürmer  und  Weichthiere 
ähnlich  Bind  (von  dem  in  Fig.  15,  5  abgebildeten 
Typus).  In  der  Mundöffnung  befinden  sich  ein  Paar 
kieferartige  Mundtheile.  Die  übrigen  Körpersegmente 
sind  gleichartig  ausgebildet  und  jedes  trägt  ein  Paar 
kurze,  undeutlich  gegliederte  Glied  maassen,  welche 
mit  je  zwei  Chitinkrallen  enden.  Die  Muskeln  bestehen  Bdtour. 

Bon,  Zoologie 


Eft 


Fi«.  175.  Peripatus,  von 
der  Klkken*eito.  —  Nach 


lö 


242 


Specieller  Theil. 


grösstenteils  aus  glatten  Muskelfasern.  Das  Nervensystem  ist  dadurch 
ausgezeichnet,  dass  die  beiden  Bauchstränge  auseinander  gerückt  sind,  nur 
schwache  Anschwellungen  in  jedem  Segment  aufweisen  und  durch  zahlreiche 
feine  Querstränge  verbunden  sind.  Der  Darmkanal  ist  ein  gerader 
Schlauch,  der  After  befindet  sich  am  hinteren  Ende.  Das  Herz  liegt  auf 
der  Rückenseite  und  ist  ein  mit  seitlichen  Spalten  ausgestatteter  Schlauch. 
Die  Respirationsorgane  sind  durch  ein  stark  entwickeltes  System 
luftführender  Röhren,  welche  sich  im  Körper  verzweigen  und  mit  einer 
grösseren  Anzahl  feiner,  unregelmässig  über  die  Körperoberfläche  vertheilter 
Athemlöcher  öffnen.  In  den  meisten  Segmenten  findet  sich  ein  Paar  ähnliche 
Segmentalorgane  wie  bei  den  Gliederwürmern ;  sie  öffnen  sich  mit  einem 
grossen  Trichter  in  die  Leibeshöhle  und  mit  einer  feinen  Oeffhung  am  Grunde 
der  Gliedmaassen  nach  aussen.  Die  paarigen  Geschlechtsorgane  münden 
am  hinteren  Körperende.  Die  Geschlechter  sind  getrennt.  Die  Eier  ent- 
wickeln sich  in  den  langen,  erweiterten  Eileitern .  und  die  Jungen  werden 
„lebendig"  geboren. 

Die  Peripatus- Arten  leben  ausschliesslich  in  den  wärmeren  Ländern 
beider  Erdhälften  an  ähnlichen  Stellen  wie  die  Tausendfüssler  (in  faulem 
Holz  etc.). 


3.  Classe.    Insekten  (Insecta). 

Der  Körper  der  Insekten  zerfallt  naturgemäss  in  drei  Abschnitte : 
Kopf,  Brust  und  Hinterleib.  Der  Kopf  ist  scharf  von  der  Brust 
gesondert,  oft  theüweise  von  einer  hervorragenden  Kante  des  vorder- 
sten Brustsegmentes  bedeckt;  er  ist  gewöhnlich  sehr  beweglich.  Auf 
dem  Kopfe  befindet  sich  jederseits  ein  ungestieltes,  zusammengesetztes 
Auge,  welches  aus  einer  gewöhnlich  sehr  grossen  Anzahl  kleiner 
Augen  besteht,  deren  jedem  eine  kleine,  in  der  Regel  sechseckige, 


/  2  3  4  5  tj  7 


Juckich-Nitsche. 


convexe  Facette  (die  Linse)  auf  der  Oberfläche  des  Kopfes  entspricht; 
von  solchen  Facetten  finden  sich  20  bis  viele  tausend  in  jedem  zu- 
sammengesetzten Auge.  Die  Augen  nehmen  bei  vielen  Insekten  einen 
sehr  grossen  oder  sogar  den  grössten  Theil  des  Kopfes  ein  (bei  vielen 
Zweiflüglern  ist  z.  B.  letzteres  der  Fall) ;  ihr  Umkreis  ist  am  häufig- 


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CHiederfüssler.   3.  Classe:  Insekten. 


243 


sten  annähernd  kreisrund,  oft  jedoch  nierenfürmig  etc.  Selten  sind 
die  zusammengesetzten  Augen  durch  je  eine  kleine  Gruppe  von  Punkt- 
augen  *)  (so  bei  den  Springschwänzen)  oder  gar  von  einem  einzigen 
Punktauge  jederseits  ersetzt  (Flöhe,  Läuse).  Bei  manchen  Insekten 
finden  sich  ausser  den  zusammengesetzten  Augen  1 — 3  Punktauge  n 
auf  der  Mitte  des  Kopfes  (vergl.  das  Stirnauge  der  Krebse).  Auf 
dem  Kopfe  entspringt  ferner  ein  Paar  Antennen  oder  Fühler, 
welche  entweder  aus  einer  beschränkten  Anzahl  wohlentwickelter 
Glieder  oder  aus  einer  grossen  Anzahl  sehr  kurzer  besteht.  Die  Form 
der  Antennen  ist  äusserst  verschieden ;  sie  sind  bald  —  die  einfachste 
Form  —  faden-  oder  borstenförmig,  bald  perlschnurförmig  (die  Glieder 
stark  eingeschnürt,  wo  sie  sich  mit  einander  verbinden),  kammförmig 
(die  Glieder  einer-  oder  beiderseits  in  Fortsätze  ausgezogen),  keulen- 
förmig (die  Spitze  der  Antenne  angeschwollen)  etc. 

Der  Kopf  trägt  ferner  die  Mundöffnung  und  die  dieselbe  um- 
gebenden Mundtheile.  Diese  bieten  bei  den  Insekten  die  mannig- 
faltigste und  verschiedenartigste  Entwicklung  dar ;  trotzdem  lässt  sich 
aber  der  innigste  Zusammenhang  der  Mundtheile  verschiedener  Insekten 
nachweisen.  Das  einfachste  und  ursprünglichste  Verhalten  bieten  die 
beissenden  Mundtheile  dar,  welche  man  bei  den  Geradflüglern, 
Käfern,  Netz-  und  Hautflüglern  findet.  Bei  diesen  Insektengruppen 
haben  wir  folgende  Mundtheile :  eine  Oberlippe  und  je  ein  Paar 
Vorder-,  Mittel-  und  Hinterkiefer.  Die  Oberlippe  ist  eine  beweg- 
liche, breite,  unpaare  Platte,  welche  vor  der  Mundöffnung  gelegen  ist. 
Hinter  der  Oberlippe  sitzen  die  Vorderkiefer  (Oberkiefer)  welche 
der  Hauptsache  nach  denen  der  Krebse  ähnlich  sind ;  der  Palpus  fehlt 
jedoch  immer,  so  dass  jeder  Vorderkiefer  aus  einem  einzelnen,  unge- 
gliederten Stück  besteht,  welches  nach  innen  (nach  der  Mittellinie  zu) 
und  nach  aussen  bewegt  werden  kaun  ;  innen  besitzt  er  einen  schnei- 
denden Rand  und  am  Grunde  einen  gefurchten  oder  höckerigen  Mahl- 
zahn, welch  letzterer  am  besten  bei  Pflanzenfressern  entwickelt  ist, 
während  ersterer  bei  Raubinsekten  am  stärksten  ausgebildet  ist. 
Die  Mittelkiefer  (meistens  als  Unterkiefer  bezeichnet)  bestehen 
gewöhnlich  aus  6 — 8  Gliedern ;  von  diesen  ist  das  Basalglied,  die 
Angel  (Cardo),  kurz,  das  zweite  Glied,  der  Schaft  (Stipes),  dagegen 
gross  und  vorne  in  zwei  grosse  Lappen  oder  Laden,  die  innere  und 
äussere  Kaulade,  verlängert,  von  denen  die  erstere  an  ihrem 
inneren  Rande  gewöhnlich  mit  steifen  Borsten  oder  Stacheln  versehen 
ist;  die  äussere  Lade  ist  bei  einzelnen  Formen  zweigliedrig;  zuweilen 
ist  nur  eine  Lade  vorhandeu.  Der  übrige  meistens  4— 6gliedrige 
Theil  des  Mittelkiefers  bildet  einen  nach  aussen  gebogenen  Palpus 
oder  Taster.  Die  Function  des  Mittelkiefers  besteht  hauptsächlich 
darin,  die  Nahrung  festzuhalten  und  zu  betasten,  während  die  Vorder- 
kiefer dieselbe  zerkleinern;  zuweilen  nehmen  jedoch  auch  die  Mittel- 
kiefer an  letzterer  Aufgabe  Theil.  Die  Hinterkiefer  sind  in  ihrer 
Zusammensetzung  den  Mittelkiefern  ähnlich,  unterscheiden  sich  jedoch 
von  diesen  dadurch,  dass  sie  in  ihrem  proximalen  Abschnitt  mit  ein- 
ander verwachsen  sind ;  die  beiden  Angeln  sind  immer  zu  einer  un- 
paaren  Platte,  dem  Kinn  (Mentum),  verschmolzen,  ebenso  wie  auch 
die  Schäfte  mehr  oder  weniger  vollständig  verwachsen  und  die  Laden 


*)  Wir  reden  hier  nur  von  den  erwachsenen  Insekten ;  über  die  Verhältnisse 
der  Insektenlarven  vergl.  unten. 

16* 


244 


Specieller  Theil. 


oft  mehr  oder  weniger  in  Vergleich  mit  denen  der  Mittelkiefer  um- 
geformt sind;  die  Taster  verhalten  sich  wie  an  den  Mittelkiefern, 
bestehen  aber  nie  aus  mehr  als  vier  Gliedern.    Die  Hinterkiefer  der 


12  3  4 


12  3  4 


Fig.  177.  St-liemaiische  Abbildungen  der  Hundtheile  verschiedener  Insekten.  A  eine» 
Infektes  mit  bei  «senden  Mnndtheilen,  B  eines  Schmetterlings,  feines  Zweiflügler*. 
/  Oberlippe,  2  Vorderkiefer,  3  Mittelkiefer,  4  Unterlippe,  c  Angel,  $  Schaft,  /'— f"  innere 
und  Äussere  Knulade,  /  Lade  des  Mittelkicfcrs  bei  Schmetterlingen  uud  Zweiflüglern.  /<  Taster. 
—  Orig. 

Insekten  werden  gewöhnlich  mit  dem  Namen:  der  Unterlippe, 
ihre  Taster  als  Lippentaster,  die  Laden  als  Zunge  und  Neben- 
zunge bezeichnet.  Mit  der  Unterlippe  der  Krebsthiere  darf  dieser 
Theil  natürlich  nicht  verglichen  werden;  ebenso  wie  die  Vorder-  und 


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Gliederfüßler.    3.  C lasse:  Insekten. 


245 


Mittelkiefer  ist  die  Unterlippe  der  Insekten  ein  Gliedmaassenpaar, 
den  Hinterkiefern  der  Krebsthiere  entsprechend,  während  die  Unter- 
lippe der  letzteren  eine  Hautfalte  ist,  welche  bei  den  Insekten  fehlt. 
Die  Unterlippe  bildet  übrigens  bei  den  Insekten  die  hintere  Begrenzung 
des  Mundes,  wie  die  Oberlippe  die  vordere. 

Bei  den  mitsaugendenMundtheilen  ausgestatteten  Insekten 
finden  wir  dieselben  Elemente,  welche  aber  in  verschiedener  Weise 
den  veränderten  Aufgaben  entsprechend  umgeformt  sind.  Bei  den 
Schmetterlingen  ist  die  Oberlippe  eine  kurze,  breite  Platte  ohne 
weitere  Bedeutung;  die  Oberkiefer  sind  rudimentär  oder  fehlen.  Da- 
gegen sind  die  M  i  1 1  e  1  k  i  e  f e  r  mächtig  entwickelt :  sie  besitzen  aller- 
dings jeder  nur  eine  Lade,  diese  aber  ist  verlängert  und  halbrinnen- 
förniig  an  ihrer  nach  innen  gewendeten  Seite  ausgehöhlt  und  mit  der- 
jenigen der  andern  Seite  derartig  zusammengefalzt,  dass  beide  Laden 

ABC  D 


Fig.  178.  Schematuche  Querschnitte  des  Rüssels  von:  A  Schmetterling,  B 
Schuabelkerf,  6'Tabanus  (Bremse),  D  Muica  (einem  anderen  Zweiflügler,  dem  Vorder- 
kiefer und  Mittelkieferladen  fehlen),  an  die  SaugrShre,  durch  welche  die  Flüssigkeit  in  den 
Mund  hinauf  steigt;  a  Speichclkanal,  o  Oberlippe,  m  Vorderkiefer,  k  Mittelkiefer,  u  Unter- 
lippe, h  Hypopharynx.  —  Urig. 

eine  längere,  nur  an  den  Enden  offene  Röhre  bilden:  diese  Röhre 
bildet  das  Saugwerkzeug,  den  Rüssel,  des  Schmetterlings.  Die 
Mittelkiefertaster  sind  schwach,  aber  vorhanden.  Der  unpaare  Theil 
der  Unterlippe  ist  schwach  entwickelt,  dagegen  sind  die  Taster 
derselben  grosse  behaarte  Klappen,  welche  den  in  der  Ruhe  spiralig 
aufgerollten  Rüssel  zwischen  sich  fassen.  —  Bei  den  Schnabelkerfen 
(Wanzen  und  Cicaden)  ist  das  Saugrohr  ebenfalls  von  den  Mittel- 
kiefern gebildet,  welche  hier  in  Form  zweier  zusammengedrückter 
Klingen  ohne  Taster  auftreten;  an  ihrer  inneren  Fläche  ist  jede 
Klinge  mit  zwei  Rinnen  versehen,  und  sie  sind  derart  zusammengelegt 
und  zusammengefalzt,  dass  die  Rinnen  beider  Klingen  zusammen  zwei 
Röhren  bilden,  eine  obere  und  eine  untere;  durch  die  obere  Röhre, 
welche  die  weitere  ist,  wird  die  Flüssigkeit  in  den  Mund  einge- 
sogen; durch  die  untere,  welcher  sich  hinten  (proximal)  die  Oeffnung 
des  Ausführungsganges  der  Speicheldrüsen  anschliesst,  wird  der 
Speichel  in  die  Nahrung  hineingeleitet  (der  Speichel  wird  somit  der 
Nahrung  beigemischt,  ehe  diese  von  dem  Thiere  aufgesogen  wird). 
An  den  Seiten  der  Mittelkiefer  liegen  zwei  andere  dolchfbrmige  Werk- 
zeuge, die  umgebildeten  Vorderkiefer,  welche  ebenso  wie  die 
Mittelkiefer  zugespitzt  und  dazu  geeignet  sind,  als  Stechwerkzeuge  zu 
fungiren;  beide  Paare  sind  in  tiefe  Gruben  eingefügt  und  können  nach 
▼orn  geschoben  und  wieder  zurückgezogen  werden.  Die  Unterlippe 
ist  dadurch  ausgezeichnet,  dass  auch  die  Taster  mit  einander  ver- 
wachsen sind,  so  dass  die  ganze  Unterlippe  einen  unpaaren  3—  4  gliedrigen 


246 


Specieller  Theil. 


Theil  bildet,  welcher  stark  rinnenförmig  ausgehöhlt  ist  und  als  eine 
Scheide  Vorder-  und  Mittelkiefer  umschliesst.    Diese  Scheide  ist  oben 
offen,  die  Oeffnung  übrigens  im  grössten  Theile  ihrer  Länge  eine 
blosse  Spalte ;  nur  am  Grunde  ist  die  Scheide  oben  weiter  offen,  die 
Oeffnung  wird  aber  hier  von  der  dreieckigen  Oberlippe  bedeckt.  Man 
hat  früher  die  Unterlippe  der  Schnabelkerfe  als  die  eigentliche  Saug- 
röhre aufgefasst,  später  aber  erkannt,  dass  dieselbe  thatsächlich  ein 
Futteral  für  die  eigentliche  von  den  Mittelkiefern  gebildete  Saugröhre 
ist.  —  Bei  den  Zweiflüglern  wird  die  Saugröhre  wieder  auf  eine 
ganz  andere  Weise  als  bei  den  Schnabelkerfen  gebildet,  nämlich  in 
der  Hauptsache  von  der  Oberlippe,  weiche  von  ansehnlicher  Länge 
und  auf  ihrer  Unterseite  stark  rinnenförmig  ausgehöhlt  ist ;  die  Spalte, 
welche  längs  der  nach  unten  gewendeten  Seite  bleibt,  wird  entweder 
von  den  degenartig  verlängerten  Vorderkiefern  geschlossen,  oder, 
wenn  letztere  (was  häufig  der  Fall  ist)  fehlen,  von  einem  besonderen 
langen,  schmalen,  abgeplatteten  Theil,  dem  Hy p  o phary  nx,  welcher 
hinten  von  der  Unterlippe  entspringt,  und  an  dessen  Spitze  der  Aus- 
fuhrungsgang der  Speicheldrüsen  ausmündet.   Das  so  gebildete  Saug- 
werkzeug wird  von  der  langen,  rinnenförmig  ausgehöhlten,  aber  taster- 
losen Unterlippe  umschlossen,  welche  ebenso  wie  bei  den  Schnabel- 
kerfen nur  ein  Futteral  für  die  eigentliche  Saugröhre  darstellt.  Die 
Vorderkiefer  sind,  wenn  vorhanden,  lange,  schmale,  klingenförmige, 
stechende  oder  schneidende  Werkzeuge;  die  Mittelkiefer,  welche  nur 
je  eine  Lade  besitzen,  sind  in  ähnlicher  Weise  entwickelt  und  ebenso 
wie  die  Vorderkiefer  mit  in  die  Unterlippenröhre  eingeschlossen  ;  die 
grossen  Taster  der  Mittelkiefer  befinden  sich  jedoch  ausserhalb  der 
Röhre.    Die  Vorderkiefer  und  die  Mittelkiefer  mit  Ausnahme  der 
Taster  (und  des  Grundtheiles,  von  welchem  die  Taster  entspringen) 
fehlen  bei  manchen  Zweiflüglern,  z.  B.  bei  der  Stubenfliege  etc.  (vor- 
handen z.  B.  bei  den  Mücken  und  Bremsen  [Tabanus]).  —  Bei  den 
Hautflüglern    (deren  Mehrzahl    einfache   beissende  Mundtbeile 
besitzt)  findet  man  zuweilen,  z.  B.  bei  der  Biene,  dass  die  Mundwerk- 
zeuge zugleich  beissend  und  saugend  sind:  die  Vorderkiefer  sind 
kräftige  Beisswerkzeuge,  während  Mittelkiefer  und  Unterlippe  zusam- 
men eine  eigentümliche  Saugröhre  bilden. 

Die  Brust  ist  aus  drei  Segmenten  zusammengesetzt:  Vorder-, 
Mittel-  und  Hinterbrust  (Pro-,  Meso-,  Metathorax). 
Meistens  sind  die  beiden  hinteren  mit  einander  unbeweg- 
lich verbunden,  während  die  Vorderbrust  frei  beweglich 
ist;  in  anderen  Fällen  sind  alle  drei  Segmente  unbeweg- 
lich verbunden.  Jedes  derselben  trägt  ein  Paar  Beine 
(als  Vorder-,  resp.  Mittel-  und  Hinterbeine  bezeichnet), 
welche  in  die  folgenden  Abschnitte  zerfallen :  Hüfte  (Coxa), 
Schenkelring  (Trochanter),  Schenkel  (Femur),  Schiene  (77- 
bia)  und  Fuss  (Tarsus);  davon  bestehen  die  vier  ersteren 
Ii  nur  aus  je  einem  Glied,  während  der  Fuss  gewöhnlich 
mehrgliedrig  ist.  Die  Hüfte  und  der  Schenkelring  sind 
Beweine*  in-  gewöhnlich  kurz,  der  Schenkel  und  die  Schiene  dagegen 
.nektes.  h  Huf-  fast  immer  gestreckt,  ersterer  dicker  als  letztere ;  am 
te,  r  Schenkel-  unteren  Ende  der  Schiene  ist  häufig  ein  Paar  bewegliche 
keL  «Schien1  Dorne  (die  Sporen)  eingelenkt.  Der  Fuss  besteht  bei  sehr 
/  Fuss  k  Kral-  viele*1  Insekten  aus  fünf  Gliedern  (bei  anderen  aus  einer 
ien.  '  geringeren  Anzahl)  und  trägt  an  seiner  Spitze  meistens  zwei 


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Gl ieder fü ssler.   3.  Gaue:  Insekten. 


247 


bewegliche  Haken,  die  Krallen.  Die  Beine  der  Insekten  sind  wesent- 
lich Gehwerkzeuge,  Gangbeine;  während  des  Ganges  ruht  das  Thier 
auf  der  Unterseite  des  Fusses,  welche  oft  filzig  ist;  das  distale  Ende 
des  Schenkels  ist  nach  aussen,  das  der  Schiene  nach  unten,  die  Spitze 
des  Fusses  nach  aussen  gerichtet  (an  den  Vorderbeinen  hat  der  Fuss 
ausserdem  noch  eine  Richtung  nach  vorne,  an  den  Hinterbeinen  nach 
hinten).  Bei  manchen  Insekten  haben  die  Beine  oder  einige  derselben 
ausser  der  genannten  Function  noch  andere :  es  dienen  z.  B.  die  Vor- 
derbeine des  Maikäfers  nicht  allein  als  Gehwerkzeuge,  sondern  auch  zum 
Graben;  bei  anderen  sind  die  Beine  zum  Zweck  der  Nebenfunction  so 
einseitig  ausgebildet,  dass  die  ursprüngliche  Hauptfunction  ganz  in  den 
Hintergrund  tritt:  die  Vorderbeine  der  Maulwurfsgrille  sind  z.  B.  fast 
nur  Grab  Werkzeuge,  dasselbe  Bein  paar  beim  Wasserskorpion  Fang- 
werkzeuge; die  Hinterbeine  der  Heuschrecken  bilden  hauptsächlich 
einen  Springapparat,  bei  den  Schwimmkäfern  sind  dieselben  ausge- 
prägte Schwimmwerkzeuge. 

Die  Brust  trägt  ausserdem  in  der  Regel  zwei  Paar  Flügel, 
welche  oben  von  der  Seite  des  Thieres,  von  der  Mittel-,  resp.  Hinter- 
brust entspringen.  Jeder  Flügel  ist  eine  grosse,  plattenforinige  Haut- 
falte, welche  anfänglich  dieselben  Schichten  wie  die  übrige  Haut 
besitzt,  d.  h.  der  Flügel  ist  jederseits  mit  einer  Chitinschicht  (der 
Cuticula)  bekleidet,  innerhalb  dieser  befindet  sich  jederseits  eine 
Oberhautschicht,  und  zwischen  den  beiden  Oberhautschichten  laufen 
Tracheen,  Nerven  etc.  Wenn  der  Flügel  aber  fertig  ausgebildet  ist, 
schwinden  die  weichen  Theile  zwischen  den  beiden  Chitinlamellen, 
so  dass  der  Flügel  dann  fast  allein  aus  den  zwei,  dicht  zusammen- 
geklappten Chitinblättern  besteht.  Die  Flügel,  welche  mit  der  Brust 
beweglich  verbunden  sind,  sind  im  Allgemeinen  dünne,  durchsichtige 
Platten,  in  welchen  ein  Netz  von  etwas  dickeren,  fester  chitinisirten 
(und  dunkleren)  Rippen  vorhanden  ist,  deren  Verlauf  bei  verschiedenen 
Formen  oft  sehr  verschieden  ist;  'in  einigen  der  dickeren  Rippen 
findet  man  zuweilen  Tracheen.  Die  Vorder-  und  Hinterflügel  sind 
manchmal  fast  völlig  gleich,  auch  was  die  Grösse  betrifft  (z.  B.  bei 
gewissen  Libellen),  weit  häufiger  sind  sie  aber  mehr  oder  weniger 
verschieden,  von  ungleicher  Grösse  (bald  sind  die  Vorder-,  bald  die 
Hinterflügel  die  grösseren)  und  Form  etc.  Nicht  selten  können  der 
Vorder-  und  Hinterflügel  jeder  Seite  zusammengeheftet  werden,  so 
dass  sie  eine  zusammenhängende  Platte  bilden  (Hautflügler,  Schmetter- 
linge). Die  gewöhnliche  Function  der  Flügel  besteht  darin,  den  Flug  zu 
bewirken  (sie  werden  durch  einen  in  der  Brust  befindlichen  Muskel- 
apparat in  Bewegung  gesetzt),  zuweilen  übernehmen  sie  aber  andere 
Verrichtungen.  So  sind  namentlich  die  Vorderflügel  bei  den  Heu- 
schrecken (und  ihren  Verwandten),  den  Wanzen  und  den  Käfern  als 
mehr  oder  weniger  vollkommene  Flügeldecken  ausgebildet:  sie 
sind  steifer,  dicker  und  fester  chitinisirt  und  haben  die  Aufgabe,  eine 
schützende  Decke  für  die  Hinterflügel  zu  bilden,  wenn  letztere  nicht 
gebraucht  werden,  während  ihre  direkte  Bedeutung  für  den  Flug  eine 
geringe  oder  gar  keine  ist ;  unter  den  Flügeldecken  findet  man  dann, 
wenn  die  Insekten  nicht  fliegen,  die  grösseren  Hinterflügel  liegen, 
welche  entweder  nur  der  Länge  nach  (fächerförmig)  oder  zugleich 
querüber  zusammengefaltet  sind  (auch  bei  Insekten,  welche  keine 
Flügeldecken  besitzen,  findet  manchmal  eine  Zusammenfaltung  der 
Hinterflügel  in  der  Ruhe  statt).  Die  höchste  Entwicklung  erreichen  die 


248 


Specieller  Thcil. 


Flügeldecken  bei  den  Käfern,  bei  denen  sie  nicht  nur  vorzüglich 
geeignet  sind,  eine  schützende  Decke  für  die  dünnen  Hinterflügel  zu 
bilden,  sondern  auch,  iadem  der  innere  Rand  gerade  ist  und  sich  dem 
des  anderen  Flügels  eng  anschliesst  und  der  äussere  sich  dicht  an 
den  Seitenrand  des  Körpers  legt,  eine  Decke  für  die  Oberseite  des 
Hiuterkörpers  abzugeben,  welche  dementsprechend  weicher  als  die 
Unterseite  ist;  und  wir  finden  denn  auch,  dass  die  nicht  wenigen 
Käfer,  welche  keine  oder  rudimentäre  Hinterflügel  besitzen,  trotzdem 
in  der  Regel  vollkommen  entwickelte  Vorderflügel  haben.  Eine  andere 
Umbildung  eines  Flügelpaares  findet  man  bei  den  Zweiflüglern,  deren 
Hinterflügel  als  kleine  keulenförmige  Anhänge,  Schwingkolben, 
entwickelt  sind,  deren  Bedeutung  nicht  klar  ist,  welche  aber  jeden- 
falls nicht  Flugorgane  sind.  —  Bei  einer  Anzahl  Insekten  verschie- 
dener Gruppen  sind  die  Flügel  rudimentär  oder  fehlen  ganz;  viele 
davon  sind  Schmarotzer. 

Der  Hinterleib,  der  hintere,  gliedmaassenlose  Abschnitt  des 
Körpers,  besteht  aus  bis  zu  10  Segmenten,  welche  in  der  Regel  mit 
einander  beweglich  verbunden  sind,  wenn  auch  nicht  selten  einige  der- 
selben verwachsen  sind ;  zwischen  Brust  und  Hinterleib  ist  seltener 
eine  solche  tiefere  Einschnürung  vorhanden  wie  zwischen  Kopf  und 
Brust.  An  jedem  Hinterleibssegment  kann  man  in  der  Regel  eine 
Rücken-  und  eine  Bauchplatte  unterscheiden,  welche  jederseits  durch 
eine  weichere  Partie  verbunden  sind.  Bei  einigen  Insekten  (Maul- 
wurfsgrille, Libellen  etc.)  findet  man  am  hinteren  Ende  des  Hinter- 


Schwanz raife  (Cerci),  sonst  aber  keine  Grliedmaassen  oder  glied- 
maassenähnliche  Anhänge  ')• 

Die  chitinige  Cuticula  ist  bei  den  Insekten  nicht  verkalkt, 
erreicht  aber  trotzdem  oft  eine  sehr  bedeutende  Festigkeit,  und  ist 


g  (.teschlechtsöflnung.  h  Hera,  k  Kropf,  m  Mund,  n  Hauchgauglion,  sp  Speicheldrüse,  ■  Mal- 
pighiVhcs  Gefass,  «  Eierstock.  —  Orig. 

oft  von  ansehnlicher  Dicke.  Unter  derselben  findet  sich  die  gewöhnliche 
einschichtige  Oberhaut.  Mit  der  Haut  sind  häufig  Hautdrüsen 
verbunden,  welche  auf  der  Oberfläche  ausmünden ;  von  solchen  nennen 
wir  die  Stinkdrüsen  an  der  Unterseite  der  Brust  bei  den  Wanzen, 

')  Bei  einigen  Gattungen,  welche  zu  den  Thysanuren  gehören  —  einer 
Gruppe,  welche  ausschliesslich  flügellose  Insekten  mit  beissenden  Mundtheilen  um- 
fasst,  —  findet  man  auf  der  Unterseite  der  Hinterleibssegmente  kleine  paarige 
Anhänge,  welche  zwar  nicht  gegliedert  sind,  aber  ihrem  Ursprung  nach  ganz  an 
Gliedmaassen  erinnern.  Auch  ist  hervorzuheben,  dass  bei  manchen  Insekten- 
enibryonen  am  1.  Hinterleibssegment  (zuweilen  an  mehreren  Hinterleibsseg- 
menten) deutliche  Gliedtnaassenanlagen  hervorsprossen,  welche  aber  später  rück- 
gebildet werden. 


leibes  ein  Paar  gegliederte  od 


liederte,  nach  hinten  gerichtete 


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Gliederfüsaler.    3.  Gaste:  Insekten. 


249 


die  Afterdrüsen  der  Laufkäfer,  die  Wachsdrüsen  der  Bienen  und 
Schildläuse,  die  Honigdrüsen  der  Blattläuse  etc. 

Das  N  er ven  systera zeichnet  ,  D  ^ 

sich  dadurch  aus,  dass  das  Gehirn 
oft  eine  sehr  bedeutende  Grösse 
erreicht.  Das  vorderste  der  Bauch- 
ganglien, das  untere  Schlund- 
ganglion, hat  ebenso  wie  das 
Gehirn  seinen  Platz  im  Kopf  und 
giebt  Aeste  an  die  Mundtheile  ab. 
Auf  dasselbe  folgen  drei  Ganglien 
oder  Ganglienpaare,  eines  für  jedes 
Brustsegment,  und  endlich  eine 
Reihe  Hinterleibsganglien.  Oft 
rücken  jedoch  einige  der  Ganglien 
zusammen  und  bilden  eine  Masse ; 
es  verschmelzen  z.  B.  das  2.  und 
3.  Brustganglion  häufig  mit  ein- 
ander, ferner  können  die  hinteren 
Hinterleibsganglien  verschmelzen ; 
oder  das  2.-3.  Brustganglion  und 
alle  Hinterleibsknoten  vereinigen 
sich  zu  einer  Masse,  welcher  in 
extremen  Fällen  auch  das  erste 
Brustganglion  sich  anschliesst. 

Sinnesorgane.  Als  Ge- 
ruchsorgane deutet  man  stab- 
förmige  Theile  (feine,  kurze  Haare), 
welche  mit  eigentümlichen  Ober- 
hautzellen (Sinneszellen)  in  Ver- 
bindung stehen,  welch  letztere  sich 
wieder  mit  den  Nervenfasern  verbinden:  solche  Theile  sind  auf  den 
Antennen,  oft  in  Gruben  derselben,  angebracht.  Gehörwerk- 
zeuge finden  sich  wahrscheinlich  bei  vielen  oder  allen  Insekten,  da 
man  einerseits  durch  Versuche  nachgewiesen  hat,  dass  manche  eine 
Lautempfindung  besitzen,  andererseits  weiss,  dass  viele  Laute  erzeugen, 
was  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  auch  das  Vermögen,  solche  zu 
empfinden,  voraussetzt:  trotzdem  sind  aber  Gehörwerkzeuge  bis  jetzt 
mit  Sicherheit  nur  für  eine  geringe  Anzahl  Insekten  bekannt  geworden. 
Bei  den  Feldheuschrecken  rindet  man  auf  der  Seite  des  1.  Hinterleib- 
segmentes ein  im  Boden  einer  Grube  ausgespanntes  dünnes  Häutchen 
(das  „Trommelfell",  einen  besonders  entwickelten  Abschnitt  der  Haut), 
und  bei  den  Laubheuschrecken  sind  ähnliche  Häutchen  an  den  Vor- 
derschienen vorhanden ;  an  der  Innenseite  dieser  Häutchen  sind  eigen- 
thümliche  Zellen  angebracht,  welche  je  ein  stiftartiges  Körperchen 
einschliessen,  und  an  welche  Nebenfasern  herantreten.  Man  meint, 
dass  die  Häutchen  durch  die  Schallwellen  in  Schwingungen  versetzt 
werden,  und  dass  dabei  auf  die  genannten  Zellen  eingewirkt  wird; 
die  Wirkung  der  Schallwellen  wird  dadurch  verstärkt,  dass  eine  dicht 
an  dem  „Trommelfell"  liegende  Tracheenblase  als  Resonanzboden 
dient.  Bei  anderen  Insekten  hat  man  ähnliche  Zellen  wie  die  be- 
schriebenen gefunden,  ohne  dass  aber  in  der  Nähe  derselben  ein 
„Trommelfell"  oder  eine  Tracheenblase  vorhanden  wäre,  und  man  hat 


Fig.  IM.  Nervensystem  einer  Ameise 
(.!),  eine»  Maikäfer)*  (B)  und  einer 
So  L  in e  is  b f  1  i ege  (V).  h  Gehirn,  h  unteren 
Schlnndganglion,  /  — 3  die  drei  Brustganglien, 
<»i—  ",i  Hinterleibsganglien,  a  verschmolzene 
Iltiiterleibaganglien,  »/>  Durchtrittsöffnung  für 
die  Speiseröhre.  —  Nach  Brandt. 


250 


Specieller  TheiL 


in  denselben  ebenfalls  einfache  Gehörwerkzeuge  gesehen.  —  Was  die 
Augen  betrifft,  so  verweisen  wir  auf  das  S.  242 — 243  Mitgetheilte  und 
auf  die  im  Allgemeinen  Theil  enthaltenen  Angaben  über  den  Bau  der 
Augen  bei  den  Gliederfüsslern. 

D arm k anal.  Bei  den  saugenden  Insekten  gehen  von  der 
Mundhöhle  zur  Innenseite  des  Kopfes  starke  Muskeln,  welche  durch 
ihre  Oontractionen  die  Mundhöhle  erweitern  und  dadurch  bewirken, 
dass  die  Flüssigkeit,  in  welche  die  Saugröhre  hineingesteckt  wird, 


besonderer  beutelartiger  Anhang  erscheint,  der  durch  einen  engen 
Gang  mit  der  übrigen  Speiseröhre  in  Verbindung  steht  (letzteres  bei 
manchen  saugenden  Insekten) ;  der  Kropf  dient  als  vorläufiges  Reser- 
voir für  die  aufgenommene  Nahrung.  Nicht  selten  ist  der  allerletzte 
Theil  der  Speiseröhre  besonders  musculös,  mit  festen  Theilen  an  der 
Innenseite  versehen  und  als  K a u m ag e n  thätig.  Der  Chylusdarm 
ist  der  eigentlich  verdauende  (doch  ist  auch  das  Secret  der  Speichel- 
drüsen in  dieser  Beziehung  wirksam)  und  aufsaugende  Abschnitt  des 
Darmkanals;  er  ist  schlauchförmig,  zuweilen  in  mehrere  Abschnitte 
gesondert:  in  seine  Wand  sind  kleine  Drüsen  eingebettet,  welche  auch 
zuweilen  als  Warzen  oder  Zotten  an  seiner  Aussenfläche  hervorragen 
können;  eine  gesonderte  Leber  ist  nie  vorhanden,  sie  wird  von  den 
genannten  Drüschen  ersetzt.  Der  Enddarm  zerfällt  gewöhnlich  in 
einen  vorderen,  engeren,  und  einen  hinteren,  weiteren  Abschnitt;  der 
After  befindet  sich  am  hintersten  Körpersegment.  In  das  vorderste 
Ende  des  Enddarmes,  an  der  Grenze  des  Chylusdarmes,  münden  die 
Harnge fasse  oder  Malpighi' sehen  Ge fasse,  feine,  dünne, 
unverästelte,  lebhaft  gefärbte  (weisse,  gelbe,  braune,  grüne)  Schläuche ; 
meistens  sind  sie  nur  in  geringer  Anzahl  vorhanden,  4-6,  und  er- 
reichen dann  eine  bedeutende  Länge,  bei  den  Hautflüglern  und  einigen 
Geradflüglern  treten  sie  dagegen  in  grösserer  Anzahl  auf,  sind  dann 
aber  kürzer.  Diese  Schläuche  sind  die  Excretionsorgane  der 
Insekten  (es  ist  in  denselben  Harnsäure  nachgewiesen  worden); 
Organe,  welche  den  Segmentalorganen  der  Gliederwürmer  entsprechen, 
fehlen. 

Die  Athmungsorgane  sind  bei  den  Insekten  durch  ein  System 
luftführender  Röhren,  die  Tracheen,  vertreten,  welche  sich  durch 
den  ganzen  Körper  verzweigen,  die  Organe  umspinnen  und  durch- 
dringen, und  vermittels  mehrerer  Oeffnungen,  der  Athemlö eher 
oder  Stigmen  (Spirakeln),  welche  wie  das  ganze  System  symmetrisch 
angeordnet  sind,  mit  der  umgebenden  Welt  in  Verbindung  stehen. 


in  letztere  und  dann  in  die 


Fig.  182.  Scherontischer  Längsschnitt  des  Kopfes 
eines  saugenden  Insektes,  tu  Sangröhre,  m Mund- 
höhle, wim  Muskeln,  welche  letztere  erweitern, 
or  Speiseröhre  —  Orig. 


!  aber  öfters  zu  einem  Kropf 


Mundhöhle  hinaufsteigt.  In 
die  Mundhöhle  öffnen  sich  ein 
oder  mehrere  Paare  von 
Speicheldrüsen.  Der 
übrige  Theil  des  Darmkanals 
zerfällt  in  die  Speiseröhre, 
den  Chylusdarm  und  den  End- 
darm. Die  Speiseröhre  ist 
gewöhnlich  vorne  eng,  hinten 


ausgedehnt,  welcher  entweder 
als  eine  einfache  Erweiterung 
der  Speiseröhre  oder  als  ein 


Gliederfüssler.   3.  Classe:  Insekten. 


251 


Von  Stigmen  finden  sich  höchstens  10  Paare,  je  eines  auf  der  Mittel- 
und  Hinterbrust  und  auf  den  8  vorderen  Hinterleibsegmenten,  wo  die 
Stigmen  in  der  weichen  Partie  zwischen  Rücken-  und  Bauchplatte 
sitzen;  der  Kopf  und  die  Vorderbrust  sind  stets  stigmenlos1).  Die 
Stigmen  sind  in  der  Regel  spaltförmige  Oeffnungen,  welche  häufig 
längs  jedes  Randes  mit  einer  Reihe  Borsten  versehen  sind,  die  über  die 
Oeffnung  hin  liegen  und  verhindern,  dass 
Fremdkörperchen  in  die  Tracheen  eindringen; 
auch  auf  andere  Weise  kann  derselbe  Zweck 
erreicht  werden.  Von  der  Oeffnung  geht  ge- 
wöhnlich ein  kurzer,  querer  Stamm  nach 
innen,  welcher  in  einen  der  grossen  Haupt- 
Tracheenstämme  einmündet;  letztere  laufen 
in  verschiedener  Zahl  der  Länge  nach  durch 
das  Thier,  stehen  mit  einander  durch  mehrere 
Querstämme  in  Verbindung  und  geben  zahl- 
reiche Aeste  ab,  welche  sich  baumförmig 
in  allen  Theilen  des  Körpers  verästeln.  Sel- 
tener fehlen  die  genannten  Längsstämrae,  und 
die  von  jedem  Stigma  entspringende  Trachee 
löst  sich  unmittelbar  in  eine  Anzahl  Aeste 
auf,  welche  mit  dem  übrigen  Tracheen- 
system in  keiner  Verbindung  stellen.  Von 
den  Tracheen  sind  oft  einige  zu  Blasen 
erweitert,  welche  einen  geringeren  oder 
grösseren,  zuweilen  aber  bedeutenden  Um- 
fang besitzen;    diese  Blasen  haben  keine    ^  l88<  stuck  einer  Tr.chee. 

Wesentliche    Bedeutung    für    die    Athmung,   von  einer  Blattwespen-Lsrve  (ein 

wohl  aber  in  einer  anderen  Beziehung ;  wenig  schemaüdrt).  z  eine  Zeile 
indem  sie  das  speeifische  Gewicht  des  Jer  ^ and- — 
Körpers  verringern,  werden  sie  von  wesentlicher  Bedeutung  für  den 
Flug;  das  Tracheensystem  ist  mit  anderen  Worten  nicht  allein  Ath- 
mungsorgan,  sondern  bei  manchen  Insekten  zugleich  ein  hochausge- 
bildeter aerostatischer  Apparat.  Alle  Tracheen  sind  von  einer 
dünnen  Chitinhaut  ausgekleidet,  welche  in  den  gröberen  derselben 
edoch  nicht  in  den  blasenformigen  Anschwellungen)  von  einem  feinen 
piralfaden,  einer  spiraligen  Verdickung  der  Chitinhaut  gestützt 
ist.  Die  Lufterneuerung  geschieht  durch  Bewegungen  des  Hinter- 
leibes :  durch  Zusammenziehung  desselben  wird  ein  Theil  der  in  den 
Tracheen  befindlichen  Luft  ausgestossen,  und  wenn  der  Hinterleib 
wieder  erschlafft,  so  tritt  wieder  eine  neue  Luftmenge  ein.  Damit 
die  Luft  in  die  äussersten  Ausläufer  der  Tracheen  eindringen  kann, 
ist  an  der  von  dem  Stigma  entspringenden  Trachee  eine  eigenthüm- 
liche  Einrichtung  vorhanden,  vermittels  welcher  die  Trachee  völlig 
zusammengeklemmt  werden  kann;  wenn  dies  geschehen  ist  und  das 
Thier  dann  seinen  Hinterleib  zusammenzieht,  so  kann  die  Luft  nicht 
durch  die  Stigmen  austreten  und  wird  dann  in  die  äussersten  Ver- 
ästelungen und  in  die  blasigen  Anschwellungen  getrieben.  Wird  dann 
der  Hinterleib  erschlafft  und  der  Verschlussapparat  gleichzeitig 
geöffnet,  so  strömt  eine  neue  Luftmenge  von  aussen  in  die  Tracheen 


')  Ueber  die  Verhältnisse  bei  den  Larven  vergl.  unten;  die  Bemerkungen 
gelten  nur  für  die  Erwachsenen. 


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252 


Specieller  Theil. 


hinein;  durch  Zusammenziehung  des  Hinterleibs  wird  dann,  indem 
gleichzeitig  der  Verschlussapparat  thätig  ist,  die  neue  Luftmenge  in 
die  feinsten  Aeste  und  in  die  Blasen  getrieben.  Durch  wiederholte 
Anwendung  dieses  Mittels  kann  das  Tracheensystem  mit  Luft  stark 


ABC 


Fig.  184.  Verschlussapparat  der  Tracheen  (schematisirt).  A  der  Verschlussappar&t 
ft)Mn i  geöffnet,  D  derselbe,  geschlossen,  C  die  Trachce  mit  dem  Verschlussapparat.  Der 
Apparat  besteht  aus  drei  Chitinstucken,  welche  zusammen  die  Trachee  ringförmig  umgeben  ; 
das  eine  StUck  (&)  ist  so  lang  wie  die  beiden  anderen  zusammen,  von  diesen  entsendet  das 
eine  (a)  einen  hohen  Fortaatz,  an  welchen  sich  ein  von  dem  dritten  Stück  fc)  entspringender 
Muskel  (m)  heftet.  Wenn  der  Muskel  sich  contrahirt ,  werden  a  und  r  gegen  b  hinab  ge- 
drückt und  die  Trachee  wird  zwischen  den  drei  Stücken  zusammengeklemmt.  (A  in  0  ist  ein 
StUck  der  äusseren  Haut  mit  dem  Stigma).  —  Nach  Judeich-Nitsche,  geändert. 

gefüllt  und  sämmtliche  Blasen  völlig  aufgebläht  werden,  was  für  die 
Verwendung  des  Tracheensystems  als  aerostatischer  Apparat  besonders 
von  Bedeutung  ist;  vor  dem  Flug  sieht  man  namentlich  plumpere 
Insekten  sich  in  dieser  Weise  mit  Luft  vollpurapen. 

Bei  einer  Anzahl  im  Wasser  lebender  Insektenlarven  (Libellen,  Ein- 
tagsfliegen, Netzflüglern)  ist  das  Tracheensystem  geschlossen,  d.  h.  ohne 
offene  Stigmen.  Bei  diesen  wird  die  Luft  durch  sogenannte  Tracheen- 
kiemen aufgenommen ,  dünnhäutige  Anhänge  mit  grosser  Oberfläche  und 
einem  reichen  Netz  von  Tracheen,  welche  den  im  Wasser  aufgelösten  Sauer- 
stoff endosmotisch  aufnehmen. 

Neben  seiner  Function  als  Athmungsorgan  und  aerostatischer  Apparat 
hat  das  Tracheensystem  mancher  Insekten  auch  die  Aufgabe,- als  laut- 
erzeugendes Organ  zu  wirken.  Dicht  innerhalb  der  Stigmen  findet  man 
in  der  Trachee  recht  häufig  dünne  Hautfalten  (Stimmbänder),  welche  in  Be- 
wegung gesetzt  werden,  wenn  die  Luft  aus  den  Tracheen  ausgestossen  wird, 
und  so  gewisse  Laute  erzeugen  (Brummen  der  Fliegen  und  des  Maikäfers). 
Die  Lautäusserungen  der  Insekten  finden  übrigens  noch  auf  mancherlei 
andere  Weise  statt.  Fliegen,  Bienen  und  Mücken,  welche  sämmtlich  durch 
die  Schwingungen  der  Stimmbänder  Laute  erzeugen,  können  auch  einen 
summenden  Laut  vermittels  schnell  auf  einander  folgender  Schwingungen 
der  Flügel  hervorbringen.  Andere  erzeugen  einen  Laut,  indem  sie  ver- 
schiedene Theile  der  Körperoberfläche  gegen  einander  reiben :  die  Männchen 
der  Feldheuschrecken  z.  B.,  indem  sie  eine  mit  einer  Reihe  kleiner  Spitzen 
besetzte  Leiste  des  Hinterschenkels  über  die  Flügeldecke  streichen ;  andere 
wieder,  indem  sie  irgend  einen  Theil  des  Körpers  gegen  einen  fremden 
Gegenstand  schlagen  (die  Bohrkäfer  klopfen  z.  B.  mit  dem  Kopfe  gegen 
die  Wand  ihrer  im  Holz  genagten  Gänge  und  erzeugen  hierdurch  das  be- 
kannte tickende  Geräusch). 

Einige  Insekten  besitzen  das  Vermögen,  im  Dunkeln  zu  leuchten. 
Das  Leuchten  geht  von  grossen  Zellen  aus,  welche  im  Innern  des  Körpers 
innerhalb  durchsichtiger  Hautstellen  sich  befinden,  und  beruht  auf  einer 


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(»Iiederfüsfller.    8.  Classe:  Insekten. 


253 


185. 


Oxydation  gewisser  in  den  Zellen  vorhandener  Stoffe ,  wesshalb  die  Zellen 
aach  von  einem  reichen  Tracheennetz  umsponnen  sind. 

Das  Gefässsystem  ist  bei  den  Insekten  nur  wenig  ausgebildet, 
was  zu  der  hohen  Ausbildung  der  Athmungsorgane  in  naher  Beziehung 
steht :  indem  die  Luft  allen  Theilen  des  Körpers  direkt  zugeführt  wird, 
wird  die  Bedeutung  des  Blutes  als  Sauerstoffträger  in  wesentlichem 
Grade  verringert,  und  das  Gefässsystem  kann  weniger  ausgebildet  sein. 
Bs  findet  sich  im  Hinterleib  auf  der  Rücken- 
seite ein  röhrenförmiges,  hinten  geschlossenes,  Fi(?*  186- 
vorn  offenes  Herz,  welches  durch  Einschnürun- 
gen, die  den  Einschnitten  zwischen  den  Hinter- 
leibsringen entsprechen,  in  eine  Anzahl  von 
Kammern  getheilt  ist;  jede  Kammer  ist  mit 
einem  Paar  von  Spaltöffnungen  versehen, 
an  welchen  kläppenartige  Einrichtungen  sich 
befinden;  auch  an  der  Grenze  der  Kammern 
finden  sich  gewöhnlich  Klappen.  Das  Herz  ist 
wie  bei  anderen  Gliederfüsslern  von  einem  ge- 
räumigen Hohlraum,  einem  Herzbeutel,  um- 
geben, welcher  oben  von  der  Rückenwand  des 
Hinterleibes,  unten  von  einer  mit  Muskelfasern 
durchwebten,  durchlöcherten  Bindegewebeplatte 
begrenzt  wird.  Das  Herz  und  eine  schlauch- 
artige Fortsetzung  seines  vorderen  Endes,  die 
Aorta,  sind  die  einzigen  Gefässe  des  Körpers; 
sonst  läuft  das  Blut  in  den  Lücken  zwischen 
den  Organen,  übrigens  in  ziemlich  regelmässigem 
Strom.  Das  Blut  tritt,  nachdem  es  den  Körper 
durchflössen  hat,  in  den  Herzbeutel  und  von 
diesem,  indem  das  Herz  erschlafft  und  die 
Spalten  sich  dabei  öffnen,  in  das  Herz  selbst 
ein ,  und  wird  von  letzterem  durch  die 
Aorta  in  die  Höhlungen  des  Körpers  getrie- 
ben. —  Das  Blut  ist  gewöhnlich  eine  farblose, 
seltener  durch  in  derselben  schwebende  Fett- 
tröpfchen gelblich,  röthlich  oder  grün  gefärbte 
Flüssigkeit  mit  amöboiden  Blutkörperchen. 

Geschlechtsorgane.  Die  Insekten  be- 
sitzen ebenso  wie  andere  Gliederfüssler  ein 
Paar  Eierstöcke.  Jeder  Eierstock  besteht 
aus  einer  geringeren  oder  grösseren  Anzahl 
von  Ei  röhren,  welche  in  der  Regel  dem  vor- 
deren Ende  des  Eileiters  wie  Finger  aufsitzen. 
Die  Eiröhren,  welche  jede  von  einer  dünnen 
Hülle  umgeben  sind,  verjüngen  sich  gegen 
das  vordere  Ende  zu  und  bestehen  hier  aus  kleinen  gleichartigen 
Zellen;  etwas  weiter  hinten  bemerkt  man  in  der  Mitte  der  Röhre 
grössere  Zellen,  die  jungen  Eizellen,  von  kleineren  Zellen  um- 
geben, welche  an  die  Eizellen  Nahrung  abgeben  und  auch  die 
Schale  absondern,  die  das  fertige  Ei  umgiebt.  Die  ausgebildeten 
Eier  haben  ihren  Platz  am  hinteren  Ende  der  Eiröhre  und  gehen  von 
dieser  in  den  Eileiter  hinein;  wenn  ein  Ei  in  letzteren  übergetreten 
ist,  so  schrumpft  die  entsprechende  Partie  der  Eiröhre  ein ,  und  da- 


Fig.  186.  Sttlck  des  Ii  er- 
zeug eines  Insekte»,  Schema, 
i  Einschnürung  zwischen  zwei 
Kammern,  k  Klappen,  $  ve- 
nöse Spalte.  —  Orig. 

Fig.  186.  Eiröhre  eines 
Insektes,  Schema.  <>■  junge 
Eier ,  <t '  ausgebildetes  Ei, 
«Schale,  r  leeres  untere«  Ende 
der  Eiröhre  (ein  Ei  ißt  kürzlich 
entleert).  —  Orig. 


254 


Specieller  Theil. 


durch  wird  das  weiter  vorne  liegende  Ei  dem  Eileiter  genähert.  Die 
beiden  Eileiter  vereinigen  sich  zu  einem  unpaaren  Ei  er  gang 
(oder  der  Scheide),  welcher  unterhalb  des  Afters  ausmündet.  An 
der  Scheide  ist  in  der  Regel  eine  Ausstülpung  vorhanden,  welche  als 


ABC 


Fig-  187.  A  Weibliche  (Jeschlechtsorgane  eines  Borkenkäfers,  B  do.  eine»  Schmetter- 
ling» (Bombyx) ,  C  männliche  Geschlechtsorgane  eine»  Maikäfer«.  In  A—B  bedeuten  r  F.i- 
rühreu ,  r  abgeschnittene  Eiröhren,  /  Eileiter,  g  Scheide,  »g  Samentasche,  k  Nebendrüaen, 
ps  Begattungstasche,  p»  dereu  äussere  Uetfnung  (bei  den  Schmetterlingen).  In  C  ist  t  Hoden, 
/  Samenleiter,  b  Satnenblase,  g  Samengang,  k  Nebendruse.  A  nach  Lindemann,  B  nach 
Suckow,  0  nach  Gegcnbaur. 

Samentasche  (Receptaculum  seminis)  fungirt,  und  eine  oder  ein  Paar 
Nebendrüsen,  welche  entweder  eine  klebrige  Flüssigkeit,  womit 
die  Eier  an  fremden  Gegenständen  festgeheftet  werden ,  oder  einen 
die  Eier  umhüllenden  Schleim  (z.  B.  bei  Insekten,  welche  ihre  Eier 
im  Wasser  ablegen)  absondern;  zuweilen  findet  man  auch  als  Aus- 
stülpung der  Scheide  eine  Begattungstasche  (Bursa  copitkUtnx), 
in  welche  die  Ruthe  des  Männchens  während  der  Paarung  eingeführt 
wird  *).  Nicht  selten  findet  sich  an  der  weiblichen  Geschlechtsöffnung 
eine  aus  mehreren  messer-  oder  degenförmigen  Blättern  zusammenge- 
setzte Legeröhre  (Heuschrecken)  oder  ein  Legestachel  (Haut- 
flügler),  oder  die  hintersten  Segmente  des  Hinterleibs,  welche  dann 
dünn,  gestreckt  sind  und  fernrohrartig  zusammengeschoben  werden 
können,  dienen  als  Legeröhre  (Schmetterlinge).  —  Die  Schale  des 
Eies  ist  häufig  sehr  fest,  oft  mit  einer  feinen  und  regelmässigen  Sculptur 
und  immer  mit  einer  oder  mehreren  Oeffnungen,  Mikrop  ylen,  ver- 
sehen, durch  welche  die  Samenkörperchen  in  das  Ei  eindringen  können. 


')  Bei  den  Schmetterlingen  bietet  diese  Begattungstasche  ein  eigentümliches 
Verhältnis»  dar,  indem  sie  nicht  wie  bei  anderen  Insekten  eine  einfache  Aus- 
stülpung der  Scheide,  sondern  eine  an  beiden  Enden  offene  Röhre  darstellt,  welche 
mit  dem  einen  Ende  in  die  Scheide,  mit  dem  anderen  auf  der  Oberfläche  mündet, 
so  dass  hier  aUo  zwei  Eingänge  zu  dem  weiblichen  Geschlechtsapparat  vorhanden 
sind,  von  welchen  die  äussere  Oeffnung  der  Begattungstasche  bei  der  Paarung,  die 
der  Scheide  bei  der  Ausführung  der  Eier  benutzt  wird. 


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Gliederfüwler.   3.  Claase:  Insekten.  255 

Die  äussere  Form  des  Eies  ist  verschieden:  es  kann  kugelig,  oval, 
gestreckt,  abgeplattet,  mit  Auswüchsen  versehen,  gestielt  etc.  sein. 

Die  männlichen  Geschlechtsorgane  sind  äusserlich  in  der  Haupt- 
sache eine  Wiederholung  der  weiblichen.  Es  findet  sich  ein  Paar 
Hoden,  aus  je  einer  oder  mehreren  langen  Samenröhren  oder 
kürzeren  Samensäcken  bestehend,  welche  am  Ende  des  Samenleiters 
sitzen.  Die  beiden  Samenleiter  vereinigen  sich  zu  einem  unpaaren 
Samengang,  welcher  an  derselben  Stelle  mündet  wie  beim  Weibchen 
die  Scheide.  Die  Samenleiter  erweitern  sich  an  ihrem  hinteren  Ende 
zu  je  einer  Samenblase  (Samenreservoir);  in  den  Samengang  oder 
in  die  Samenleiter  münden  häufig  besondere  Anhangsdrüsen.  Der 
Samengang  setzt  sich  in  ein  röhren-  oder  rinnenförmiges  Be- 
gattungswerkzeug fort,  welches,  wenn  es  nicht  gebraucht  wird, 
in  den  Körper  zurückgezogen  ist.  Der  Samen  wird  in  der  Regel  auf 
das  Weibchen  in  Sperma tophoren  übergeführt,  welche  von  er- 
härtetem Schleim  aus  den  genannten  Anhangsdrüsen  gebildet  werden. 

Sehr  häufig  findet  man  bei  den  Insekten  mehr  oder  weniger  ausgeprägte 
GeBchlechtsnnterschiede,  welche  sich  wenigstens  zum  grossen  Theil 
unschwer  aus  den  verschiedenartigen  Ansprüchen  ableiten  lassen,  die  das 
Geschlechtsleben  und  die  mit  der  Fortpflanzung  in  Verbindung  stehenden 
Lebensverhältnisse  an  Männchen  und  Weibchen  stellen.  Häufig  besitzt  das 
Männchen  Einrichtungen,  welche  beim  Weibchen  fehlen,  oder  gewisse 
Körpertheile  desselben  sind  besonders  entwickelt;  wir  nennen  beispielsweise: 
die  grossen  Vorderkiefer  des  Hirschkäfers,  die  kolossalen  Augen  der  männ- 
lichen Honigbiene,  die  stärker  ausgebildeten  Antennen  bei  den  Männchen 
des  Maikäfers  und  zahlreicher  Schmetterlinge,  die  breiten  Vorderfüsse  der 
Wasserkäfer-Männchen;  derartige  Einrichtungen  sind  (wenn  sie  überhaupt 
einem  Verständniss  zugänglich  sind)  entweder  davon  abzuleiten,  dass  die 
Männchen  mit  einander  um  die  Weibchen  kämpfen  (Hirschkäfer),  oder  sie 
sind  —  wenn  es  sich  um  eine  besondere  Entwicklung  der  Sinnesorgane 
handelt  —  die  Folgen  der  Ansprüche,  welche  in  der  Kegel  an  das  Männchen 
in  Bezug  auf  die  Aufsuchung  des  weniger  beweglichen  Weibchens  gestellt 
werden,  oder  die  betreffenden  Theile  wirken  als  Werkzeuge  zum  Festhalten 
während  der  Begattung  (Wasserkäfer).  Seltener  ist  irgend  ein  Körpertheil 
beim  Weibchen  besonders  entwickelt:  beim  Weibchen  des  Nussrüsslers 
(BcUaninus  nucum)  ist  der  Rüssel  länger  als  beim  Männchen,  weil  jenes 
denselben  bei  der  Durchnagung  der  Fruchtknoten  benutzt,  in  denen  es  seine 
Eier  anbringt.  Nicht  selten  sind  die  Geschlechter  an  Grösse  unterschieden 
und  zwar  so,  dass  das  TJebergewicht  meistens  auf  der  Seite  des  Weibchens 
ist,  was  sich  häufig  einfach  davon  ableiten  läset,  dass  die  Eier  weitaus 
voluminöser  sind  als  der  Samen.  Auch  in  der  Färbung  und  Zeichnung 
sind  häufig  Unterschiede  vorhanden,  welche  ebenso  wie  viele  plastische 
Unterschiede  (z.  B.  diejenigen 
zwischen  Nashornkäfer-Männchen 
und  -Weibchen)  in  der  Regel 
keiner  Erklärung  zugänglich  er- 
scheinen. —  Wie  schon  erwähnt, 
ist  das  Männchen  in  der  Regel 
beweglicher  als  das  Weibchen, 
und  der  Unterschied  der  Ge- 
schlechter in  dieser  Beziehung  Fi«'  } 88/,  Weibchen  d™<*  verwandter  Spanner- 
.  ,  ,  ,     .  °   arten   (/  Ihbernia  proyemmana,   2  H.  aurantiarxa, 

kann  sehr  weit  gehen  und  eine  3  H  ^1^^  um  die  fortocbreitende  Rückbildung 
bedeutende  Um- und  Rückbildung  der  Flügel  zu  zeigen.  —  Nach  Rateeburg. 


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2r.fi 


Specialer  Theil. 


verschiedener  Theile  des  Körpers  des  Weibchens  mit  sich  führen.  Bei  nicht 
wenigon  Schmetterlingen  sind  z.  B.  die  Flügel  der  Weibchen  bedeutend  verkürzt, 
so  dass  sie  als  Flugwerkzeuge  unbrauchbar  werden,  oder  sie  werden  sogar  rudi- 
mentär oder  verschwinden  völlig;  ja  bei  einigen  Schmetterlingsweibchen  geht 
die  Rückbildung  noch  weiter,  auch  die  Beino  sind  schlecht  oder  gar  nicht  aua- 
gebildet, so  dass  das  Thier  auf  einen  madenartigen  Zustand  herabsinkt  und  dem 


A  B 


Fig.  189.     Mastophaya  groinorum.    A  9  ß  0*  (V)"  —  Xach  P"  Mayer. 

Männchen  so  unähnlich  wie  nur  möglich  wird.  Der  entgegengesetzte  Fall: 
dass  das  Weibchen  dem  Männchen  an  Beweglichkeit  überlegen  ist,  kann 
ebenfalls  vorkommen,  wenn  solches  auch  weit  seltener  ist;  man  findet  z.  B. 
in  Feigen  eine  Art  kleiner  Gallwespen  {Blastojthago  grossorum),  welche 
ab  Larve  in  den  kleinen  Früchten  im  Innern  der  Feige  lebt;  das  Männchen 
verlässt  die  Feige,  in  welcher  es  als  Larve  gelebt  hat,  gar  nicht  und  ist 
desshalb  plump  und  ungeflügelt,  während  das  Weibchen,  welches  zum  Zweck 
der  Eiablage  junge  Feigen  aufsuchen  muss,  beweglich  und  geflügelt  ist. 

Bei  einer  Anzahl  von  Insektenarten  findet  man  das  sehr  merk- 
würdige Verhältniss,  dass  eine  grosse  Anzahl  Individuen  das  ganze 
Leben  hindurch  steril  bleiben  und  somit  keinen  Beitrag  zur  Fort- 
pflanzung der  Art  liefern  können;  die  betreffenden  Individuen  be- 
sitzen wohl  in  der  Regel  deutliche  Anlagen  zu  Geschlechtswerkzeugen, 
welche  sich  aber  nicht  so  weit  entwickeln,  dass  sie  brauchbare  Ge- 
schlechtsstoffe bilden  (oder  mit  anderen  Mängeln  behaftet  sind,  so 
dass  die  betreffenden  Individuen  sich  jedenfalls  nicht  am  Fort- 
pflanzungsgeschäft  betheiligen  können);  solche  unfruchtbare  Individuen 
sind  bei  einigen  Insekten  (Bienen,  Ameisen)  immer  unvollkommen  aus- 
gebildete Weibchen,  bei  anderen  (Termiten)  sowohl  Männchen  als 
Weibchen.  Die  Ausbildung  solcher  sterilen  Individuen  ist  dadurch  be- 
dingt, dass  die  betreffenden  Arten  gesellig  lebende  Insekten  sind, 
welche  grössere  oder  kleinere  Gemeinschaften  bilden;  sie  ist  ein 
Ausdruck  einer  Arbeitstheilung  innerhalb  dieser  Gesellschaften,  indem 
den  sterilen  Individuen  die  Brutpflege  etc.  auferlegt  ist.  während  die 
Fortpflanzungsthätigkeit  nur  von  relativ  wenigen  ausgeübt  wird, 
welche  dann  aber  auch  eine  ungeheuer  grosse  Nachkommenschaft  er- 
zeugen (vergl.  die  Arbeitstheilung  der  Hydroidenstöcke). 

Parthenogenesis  ist  bei  vielen  Insekten  nachgewiesen.  Bei 
manchen  Insekten  ist  Parthenogenesis  eine  mehr  ausnahmsweise 
auftretende  Erscheinung;  so  legt  z.  B.  das  Weibchen  des  Seiden- 
spinners (Bombyx  mori),  wenn  es  unbefruchtet  bleibt,  trotzdem  Eier 
ab,  welche  dann  meistens  absterben,  sich  zuweilen  aber  in  regel- 


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Gliederfiissler.   3.  Classe:  Insekten. 


257 


massiger  Weise  entwickeln.  Aehnliches  ist  für  eine  Anzahl  anderer 
Schmetterlinge  bekannt.  In  anderen  Fällen  ist  die  Parthenogenesis 
eine  mehr  regelmässige  Erscheinung:  bei  gewissen  Insekten  ist 
eine  parthenogenetische  Fortpflanzung  die  Re  gel,  nur  hin  und  wieder 
treten  Männchen  auf,  so  bei  gewissen  Schmetterlingen,  z.  B.  der 
Psyche  helix,  bei  welcher  das  Weibchen  flügellos  und  madenartig  ist, 
das  Männchen  dagegen  normal  gestaltet  ist ;  oder  die  Männchen  er- 
scheinen zwar  stets  neben  den  Weibchen,  aber  in  geringer  Anzahl 
und,  wie  es  scheint,  in  der  Regel  ohne  sich  mit  diesen  zu  begatten 
(so  bei  Cytiips  rosae ,  einer  bekannten  Gallwespe  der  Rose);  oder  es 
findet,  wie  bei  gewissen  Blatt-  und  Gallwespen,  wie  es  scheint,  eine 
ausschliesslich  parthenogenetische  Fortpflanzung  statt,  in  welchem 
Fall  die  betreffende  Art  allein  aus  Weibchen  besteht;  oder  die  Fort- 
pflanzung ist  in  gewissen  Generationen  (bei  Heterogonie)  eine  aus- 
schliesslich parthenogenetische.  Eine  andere  Form  von  Regelmässigkeit 
finden  wir  bei  manchen  gesellig  lebenden  Hautflüglern ,  bei  welchen 
die  Männchen  unbefruchteten,  die  Weibchen  befruchteten  Eiern  ent- 
stammen. —  Nicht  selten  tritt  die  parthenogenetische  Fortpflanzung 
in  gesetzmässiger  Abwechselung  mit  gewöhnlicher  geschlechtlicher 
Fortpflanzung  auf,  so  dass  wir  also  eine  Heterogonie  haben;  ent- 
weder wechselt  je  eine  parthenogenetische  mit  einer  Männchen- 
Weibchen-Generation  ab  (Gallwespen),  oder  aber  es  kommen  auf  eine 
^  -  Generation  mehrere  parthenogenetische  (Blattläuse).  Meistens 
sind  die  parthenogenetischen  Generationen  von  den  anderen  mehr  oder 
weniger  verschieden;  nicht  selten  können  auch,  wenn  mehrere  par- 
thenogenetische .  Generationen  auf  einander  folgen ,  Unterschiede 
zwischen  diesen  unter  einander  vorhanden  sein. 

Bei  einigen  Zweiflüglern  (Kücken,  Cesidomyia)  können  schon  in  der 
Larve  Eier  erzeugt  werden,  welche  sich  gleich  ohne  Befrachtung  im 
mütterlichen  Körper  zu  neuen  Larven  entwickeln;  die  Mutterlarve  geht 
dann  zu  Grunde,  während  die  jungen  Larven  weiter  wachsen  und  entweder 
eine  neue  Larvengeneration  auf  dieselbe  Weise  erzeugen  oder  sich  zu  voll- 
kommenen Insekten  ausbilden.  Wir  finden  also  hier  eine  Parthenogenesis 
auf  ein  Lebensstadium  zurückverlegt,  in  welchem  sonst  keine  geschlechtliche 
Vermehrung  stattfindet.  Man  bezeichnet  diese  Erscheinung  mit  dem  be- 
sonderen Namen  Pädogenesis. 

Die  Entwicklung  des  Eies  findet  in  der  Regel  ausserhalb  der 
Mutter  statt,  welche  allgemein,  oft  mit  der  grössten  Sorgfalt  und  be- 
deutender Arbeit,  dafür  sorgt,  dass  das  neugeborene  Junge  sofort 
reichliche  Nahrung  vorfindet;  gewöhnlich  wird  dieses  einfach  in  der 
Weise  erreicht,  dass  die  Mutter  die  Eier  an  solchen  Stellen  ablegt, 
wo  eine  für  die  Jungen  passende  Nahrung  natürlich  vorhanden  ist;  nicht 
selten  findet  man  aber,  dass  die  Mutter  vor  der  Eiablage  einen  für 
das  Junge  bestimmten  Nahrungsvorrath  einsammelt  und  das  Ei  neben 
demselben  ablegt  (gewisse  Mistkäfer,  Grabwespen);  seltener  ist  eine 
Brutpflege  in  der  Form,  dass  die  Mutter  dem  ausgeschlüpften  Jungen 
täglich  frisches  Futter  bringt.  —  Bei  einer  geringen  Anzahl  Insekten 
werden  die  Eier  erst  dann  abgelegt,  wenn  die  Entwicklung  des  Embryos 
so  weit  vorgeschritten  ist,  dass  er  bald  die  Eihülle  verlassen  wird, 
andere  gebären  „lebendige  Junge",  indem  die  ganze  embryonale  Ent- 
wicklung im  Eiergang  abgeschlossen  wird.  Ein  eigentümliches  Ver- 
hältniss  findet  man  bei  den  Lausfliegen  (Hippoboscen),  bei  welchen 
nicht  nur  die  eigentliche  Eientwicklung  im  Eiergang  abläuft,  sondern 

Bon.  Zoologie.  17 


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258 


Specieller  Theil. 


deren  Larve  noch  lange  Zeit  in  diesem  verweilt  und  durch  das  Secret 
der  Anhangsdrüsen  ernährt  wird. 

Die  allermeisten  Insekten  besitzen ,  wenn  sie  das  Ei  verlassen, 
nicht  die  definitive  Gestalt,  müssen  vielmehr  eine  Metamorphose 
durchlaufen ;  nur  bei  einer  geringeren  Anzahl ,  z.  B.  den  Läusen  und 
verschiedenen  anderen  flügellosen  Insekten,  sind  die  Veränderungen 
zu  unbedeutend,  als  dass  man  von  einer  eigentlichen  Metamorphose 
reden  könnte.  Die  Metamorphose  kann  übrigens  mehr  oder  weniger 
tief  eingreifend  sein,  und  namentlich  kann  man  zwischen  zwei  wohl- 
gesonderten Hauptformen  unterscheiden,  der  vollkommenen  und 
der  unvollkommenen  Metamorphose. 

Bei  Insekten  mit  unvollkommener  Metamorphose  (Gerad- 
flüglern, Schnabelkerfen)  unterscheidet  sich  die  neugeborene  Larve 
gewöhnlich  in  der  Hauptsache  nur  dadurch  von  dem  ausgebildeten 
Thier,  der  Imago,  dass  sie  völlig  flügellos  ist  (ausserdem  sind 
natürlich,  wie  bei  allen  neugeborenen  Thieren,  die  Geschlechtsorgane 
noch  nicht  ausgebildet).  Meist  sind  auch  in  anderen  Beziehungen 
kleinere  Unterschiede  zu  verzeichnen :  die  Anzahl  der  Glieder  der 
Antennen  kann  eine  geringere  sein,  der  Kopf  kann  verhältnissmässig 
grösser  als  bei  dem  Erwachsenen  sein  etc.  Der  Uehergang  von  der 
ersten  Larvenstufe  zu  dem  ausgebildeten  Thiere  findet  nun  allmählich 
statt:  es  bilden  sich  Flügelanlagen,  welche  zunächst  klein  sind,  mit 
jeder  Häutung  aber  grösser  werden,  ebenso  wie  auch  andere  Ver- 
schiedenheiten allmählich  ausgeglichen  werden;  endlich  nach  der 
letzten  Häutung  sind  die  Flügel  vollständig  entwickelt  und  functions- 
fähig,  was  bei  den  Larven  nicht  der  Fall  ist,  und  gleichzeitig  haben 
auch  die  anderen  Körpertheile  die  definitive  Form  und  die  Geschlechts- 
organe die  Reife  erlangt.  —  Bei  einigen  Insekten  mit  unvollkommener 
Metamorphose  sind  aber  die  Unterschiede  zwischen  der  Larve  und 
dem  Erwachsenen  bedeutend  grösser,  was  dann  daraus  abzuleiten  ist, 
dass  beide  eine  wesentlich  verschiedene  Lebensweise  führen.  Sehr  aus- 
geprägt sind  die  Unterschiede  bei  den  Libellen  und  den  Eintags- 
fliegen, welche  als  Larven  im  Wasser,  als  ausgebildete  Insekten  auf 
dem  Lande  (resp.  in  der  Luft)  leben :  bei  den  Larven  dieser  Insekten 
ist  das  Tracheensystem  geschlossen  und  sie  athmen  vermittels  Tracheen- 
kiemen (vergl.  S.  252),  bei  den  Erwachsenen  dagegen  besteht  das  ge- 
wöhnliche Verhältniss;  auch  in  mehreren  anderen  Beziehungen,  bei 
den  Libellen  z.  B.  in  Bezug  auf  die  Mundtheile,  sind  namhafte  Unter- 
schiede zu  verzeichnen.  Diese  Unterschiede  erhalten  sich  durch  das 
ganze  Larvenleben  bis  zur  letzten  Häutung;  ebenso  wie  bei  den 
übrigen  bilden  sich  aber  allmählich  Flügelanlagen  aus.  Mit  der 
letzten  Häutung  verschwinden  dagegen  alle  besondern  Larvencharaktere 
wie  mit  einem  Schlag;  natürlich  haben  aber  thatsächlich  die  Ver- 
änderungen sich  allmählich  innerhalb  der  alten  Cuticula  vollzogen. 
—  Nachdem  die  Flügel  fertig  ausgebildet  und  in  Function  getreten 
sind,  häutet  sich  das  Thier  nicht  mehr  und  das  Wachsthum  hört  auf. 

Bei  den  Eintagsfliegen,  deren  Larven,  wie  schon  erwähnt,  im  Wasser 
leben,  findet  man  die  Eigentümlichkeit,  dass  die  Thiere,  wenn  sie  das 
Wasser  verlassen,  mit  schwachen,  immerhin  aber  brauchbaren  Flügeln  aus- 
gestattet sind,  dann  aber  gleich  nachher  eine  letzte  Häutung  bestehen  und 
darauf  erst  mit  vollständiger  ausgebildeten  Flügeln  erscheinen.  Man  hat 
das  Thier  auf  jenem  Stadium,  in  welchem  es  flugfähig,  aber  dennoch  nicht 
vollständig  entwickelt  ist,  als  Subhnago  bezeichnet. 


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Gliederfussler.   3.  Classe:  Insekten. 


259 


Die  Insekten  mit  vollkommener  Metamorphose  (Käfer, 
Hautflügler,  Schmetterlinge,  Zweiflügler)  unterscheiden  sich  von  denen 
mit  unvollkommener  Metamorphose  zunächst  dadurch,  dass  der  Unter- 
schied der  Larve  und  des  ausgehildeten  Thieres  weit  durchgreifender 
ist  (vergl.  unten) ;  ferner  dadurch,  dass  die  Larve  während  der  ganzen 
Larvenperiode  äusserlich  keine  allmähliche  Annäherung  an  die  Ge- 
stalt des  ausgehildeten  Thieres  darbietet;  und  endlich  —  und  zwar 
ist  dies  der  wichtigste  Charakter  der  vollkommenen  Metamorphose  — 
dadurch,  dass  zwischen  das  Larven-  und  das  Imagostadium  eine  be- 
sondere Entwicklungsstufe,  das  Puppenstadium,  eingeschoben  ist, 
während  dessen  das  Thier  keine  Nahrung  zu  sich  nimmt  und  sich 
in  der  Regel  vollständig  ruhig  hält ;  es  ist  eine  Ruheperiode,  in  welcher 
eine  Reihe  bedeutsamer,  oft  ausserordentlich  eingreifender  Verände- 
rungen im  Körper  des  Thieres  stattfindet. 

Die  Larve  der  Insekten  mit  vollkommener  Verwandlung  unter- 
scheidet sich  von  der  Imago  durch  folgende  Charaktere :  Die  kleinen 
Punktaugen  auf  der  Mitte  des  Kopfes  fehlen  stets,  und  die  zusammen- 
gesetzten Augen  sind  durch  eine  Gruppe  von  Punktaugen  auf  jeder 
Seite  des  Kopfes  ersetzt  (welche  aber  auch  ganz  fehlen  können).  Die 
Antennen  sind  fast  immer  kurz  und  bestehen  meistens  aus  einer  ge- 
ringen Anzahl  Glieder.  Die  Mundtheile  sind  Beisswerkzeuge ,  selbst 
wenn  das  ausgebildete  Thier  saugende  Mundtheile  besitzt.  Die  Beine 
sind  kurz,  besitzen  eine  geringere  Anzahl  und  gleichartiger  entwickelte 
Glieder  als  bei  der  Imago  und  haben  gewöhnlich  nur  je  eine  Kralle. 
Flügel  fehlen  völlig.  Die  Brust  ist  klein,  der  Hinterleib  gross,  nicht 
selten  mit  Schwanzraifen  ausgestattet,  während  solche  bei  dem  aus- 
gebildeten Insekt  meist  fehlen  oder  undeutlich  sind.  Die  Chitinhaut 
ist.  vom  Kopf  abgesehen,  meistens  weniger  verdickt  als  bei  der  Imago. 
Das  Nervensystem  zeichnet  sich  in  der  Regel  durch  den  Besitz  zahl- 
reicher gesonderter  Nervenknoten  aus,  selbst  bei  solchen  Insekten,  bei 
welchen  es  später  stark  concentrirt  ist.  Der  Darmkanal  ist  oft  sehr 
abweichend,  namentlich  ist  dies  in  auffallendem  Grade  bei  Insekten 
der  Fall,  deren  Lebensweise  im  Larvenzustand  von  derjenigen  des 
ausgebildeten  Thieres  sehr  verschieden  ist  (z.  B.  bei  den  Schmetter- 
lingen)1); von  den  Speicheldrüsen  ist  bei  manchen  Insektenlarven  ein 
Paar  zu  Spinndrüsen  umgebildet,  deren  Secret  entweder  dazu  ver- 
wendet wird,  fremde  Theile  zu  einer  schützenden  Hülle  um  die  Larve 
zusammenzukitten  oder  für  sich  allein  eine  solche  zu  bilden  (meistens 
wird  eine  solche  Hülle  gebildet,  um  das  Thier  während  der  Puppenruhe 
zu  beschützen)  *).  Das  Tracheensystem  verhält  sich  bei  manchen  unter 
Anderem  darin  abweichend,  dass  auf  der  Vorderbrust  ein  Paar  Stigmen 
vorhanden  ist,  während  die  der  Mittel-  und  Hinterbrust  geschlossen  sind 
(Schmetterlingsraupen,  Käferlarven);  bei  anderen  können  anderweitige 
Modifikationen  auftreten.    Bei  der  Larve  sind  grosse  Fettmassen,  der 

')  Bei  gewissen  Insektenlarven  (z.  B.  der  Larve  der  Biene  und  des  Ameisen- 
löwen) findet  man  das  eigentümliche  Verhältniss,  dass  der  Enddarm,  in  welchen 
die  Malpighi'schen  Gefasse  münden,  nicht  mit  dem  Chylusdarm  in  Verbindung  steht; 
sowohl  das  Hinterende  des  Chylusdarms  wie  auch  das  Vorderende  des  Enddarms 
enden  blind.    Erst  bei  der  Metamorphose  verbinden  sich  beide  mit  einander. 

*)  Bei  der  Larve  des  Ameisenlöwen  (und  vermuthlich  ebenso  bei  den  Larven 
seiner  Verwandten)  wird  das  Secret,  aus  welchem  die  Spinnfäden  des  Puppengeh ülses 
gebildet  werden,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in  einigen  der  Malpighi'schen  Gefässe 
erzeugt  (vergl.  die  analogen  Verhältnisse  bei  gewissen  Fischen,  deren  Niere  Spinn- 
stoff liefert).  , 

17* 


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2fiO 


Specieller  Thei). 


Fettkörper,  in  der  Leibeshöhle  vorhanden,  welche  grösstenteils 
während  der  Metamorphose  verbraucht  werden ,  wenn  sie  auch  beim 
ausgebildeten  Insekt  nicht  völlig  fehlen.  Die  Geschlechtsorgane  sind 
nur  als  Anlagen  vorhanden. 

Während  des  Larvenlebens  häutet  sich  das  Thier  zu  wiederholten 
Malen  und  nimmt  allmählich  an  Grösse  zu,  in  der  Regel  ohne  seine 
Form  wesentlich  zu  verändern.  Wenn  die  definitive  Grösse  erreicht 
ist,  ändert  es  aber ,  scheinbar  plötzlich ,  seine  äussere  Form  in  einer 
Reihe  wesentlicher  Punkte  und  erscheint  nach  einer  Häutung  in  der 
Puppen gestalt.  Die  Puppe  zeigt  in  der  äusseren  Form  eine  sehr 
bedeutende  Annäherung  an  die  Imagogestalt :  sie  besitzt  grosse  Flügel- 
anlagen und  zusammengesetzte  Augen,  die  Beine  und  die  Antennen 
nähern  sich  in  der  Form  denen  des  ausgebildeten  Insekts,  dasselbe  ist 
mit  den  Mundtheilen  der  Fall,  alle  Anhänge  stehen  aber  noch  in 
weichen  Umrissen  da,  ohne  deutliche  Gliederung  etc.,  sind  in  einem 
unbrauchbaren  Zustande  (ähnlich  wie  die  Gliedmaassen-Anlagen  am 
Körper  eines  Embryos)  und  liegen  unbeweglich  über  den  Körper  hin, 
dessen  allgemeine  Form  ebenfalls  wichtige  Annäherungen  an  die 
Imagoform  darbietet  (relative  Ausbildung  der  Brust  und  des  Hinter- 
leibs etc.);  innerlich  steht  aber  die  Puppe  in  dem  Augenblick,  wo 
die  Larvenhaut  abgestreift  worden  ist,  noch  wesentlich  auf  der  Stufe 
der  Larve.  Die  bedeutenden  Veränderungen,  welche  man  im  äusseren 
Bau  findet,  haben  natürlich  thatsächlich  nicht  so  plötzlich  stattge- 
funden, wie  es  den  Anschein  hat;  alle  sind,  besonders  gegen  den 
Schluss  des  Larvenlehens  hin,  vorbereitet  worden,  die  Flügelanlagen 
z.  B.  können  oft  lange  vorher  als  E  i  n  stülpungen  der  Leibeswand  gebildet 
sein,  welche  dann,  wenn  die  Larvenhaut  endlich  zum  letzten  Mal  abge- 
streift wird,  ausgestülpt  werden  und  als  Auswüchse  des  Körpers  er- 
scheinen ;  die  Beine  sind  vorher  innerhalb  ihrer  Chitinhüllen  gewachsen,  in 
welchen  man  in  den  letzten  Tagen  des  Larvenlebens  die  Puppenbeine  in 
zusammengefaltetem  Zustande  finden  kann,  etc. ;  am  Ende  des  Larven- 
lebens ist  das  Thier  wegen  dieser  Umänderungen  .  welche  theilweise 
seine  Anhänge  functionsunfähig  machen ,  träge  und  hält  sich  so  weit 
wie  möglich  ruhig.  Während  des  Puppenzustandes  werden  die  Ver- 
änderungen fortgesetzt :  die  äusseren  Formen  des  Körpers  ändern  sich 
unter  der  schützenden  Decke  der  Puppen-Chitinhaut,  und  im  Inneren 
des  Körpers  bilden  sich  die  Larvenorgane  allmählich  zu  denen  der 
Imago  um,  so  dass  die  Theile  in  der  Puppe  am  Anfang  ganz  anders 
als  am  Schluss  des  Puppenstadiums  aussehen,  obgleich  scheinbar 
die  Puppe  —  d.  h.  die  Chitinhaut  —  die  ganze  Zeit  dieselbe  bleibt.  — 
Wenn  alle  Umbildungen  endlich  abgeschlossen  sind,  wird  die  Chitin- 
hülle  der  Puppe  gesprengt  und  die  Imago  tritt  hervor.  Nachdem 
sämmtliche  Anhänge  der  letzteren  entfaltet  sind  und  die  Chitinhaut 
erhärtet  ist,  ist  die  Umbildung  des  Insekts  abgeschlossen.  Das  aus- 
gebildete Insekt  häutet  sich  nie,  es  wächst  nicht,  jedenfalls  nicht 
mehr  als  die  meistens  nicht  sehr  dehnbare  Chitinhaut  es  erlaubt.  Wenn 
das  Insekt  die  Puppenhaut  verlässt,  sind  die  Geschlechtsorgane  fertig 
ausgebildet,  und  manche  Insekten  paaren  sich  dann  gleich  und  fangen 
an,  Eier  zu  legen. 

Die  Veränderungen,  denen  das  Insekt  am  Schluss  der  Larvenperiode 
und  im  Puppenstadium  unterliegt,  beschränken  sich  nicht  auf  eine  Um- 
formung der  schon  vorhandenen  Theile,  sondern  es  gesellt  sich  dazu  eine 
umfassende  Zerstörung  und  Auflösung  vieler  Theile  des  Larvenkörpers; 


Gliederfüßler.   3.  Claeae:  Insekten. 


2ßl 


bei  einigen  Insekten  ist  es  sogar  nur  ein  kleinerer  Theil  der  Larve,  welcher 
sich  zur  Imago  gestaltet,  während  ein  grosserer  Theil  aufgelöst  wird  und 
dem  übrigen  lediglich  als  Nahrung  dient.  Bei  diesem  Auflösungsprocess 
spielen  die  amöboiden  Blutkörperchen  der  Larve  eine  wichtige  Bolle,  indem 
sie  die  absterbenden  Gewebe  förmlich  auffressen,  dieselben  stückweise  in 
Bich  aufnehmen  und  verdauen,  um  die  so  aufgenommene  Nahrung  wieder  an 
die  lebenskräftigen,  wachsenden  Theile  des  Thieres  abzugeben.  Besonders 
weit  geht  diese  Auflösung  des  Larvenkörpers  bei  einem  grossen  Theil  der 
Zweiflügler,  deren  Larven  nach  Aussehen  und  Lebensweise  so  ausserordent- 
lich von  den  ausgebildeten  Thieren  verschieden  sind  (z.  B.  bei  der  Schmeiß- 
fliege und  vielen  anderen). 

Die  Larven  der  Insekten  mit  vollkommener  Verwandlung  treten 
in  einer  Anzahl  verschiedener  Gestalten  auf.  Von  besonders 
entwickelten  Formen  führen  wir  hier  die  eigenthümliche  Larvengestalt 
an,  welche  bei  den  Schmetterlingen  und  den  Blattwespen  vorkommt 
und  besonders  dadurch  charakteristisch  ist,  dass  an  der  Unterseite 
des  langen  wurstförmigen  Hiuterkörpers  eine  Anzahl  sogenannter 
Afterfüsse  vorhanden  sind,  kleiner  musculöser  Hautausstülpungen, 
welche  bei  der  Bewegung  eine  wichtige  Rolle  spielen ;  derartige  Larven 
werden  als  Raupen,  resp.  (bei  den  Blattwespen)  als  Afterraupen 
bezeichnet  Bei  zahlreichen  Larven  verschiedener  Ordnungen  finden 
wir,  dass  die  Beine  ganz  fehlen;  solche 
Larven,  welche  man  als  Maden  bezeichnet, 
sind  gewöhnlich  blasse,  meistens  blinde  Ge- 
schöpfe, welche  ein  verborgenes  Leben  führen 
(im  Innern  von  Pflanzen,  als  Schmarotzer  etc.), 
seltener  sind  die  Maden  beweglicher  (Wasser- 
thiere,  z.  B.  die  Larven  der  Stechmücken). 
Die  am  meisten  rückgebildeten  Maden  findet 
man  bei  den  Schmeissfliegen  und  manchen 
anderen  Zweiflüglern,  deren  Larven  sich  da- 
durch auszeichnen,  dass  sogar  der  Kopf  nicht 
deutlich  ausgebildet  ist:  kopflose  Maden, 
während  der  Kopf  bei  manchen  anderen  Maden 
durch   seine  dicke  braune  Chitinbekleidung 

oft  gegen  den  übrigen  Körper  sehr  absticht,  einer  Wespe  von  der  Unken 
Manche  Insektenlarven,  welche  ein  verborgenes  Scite'  B  Pupp«  derselben  von 
Dasein,  in  der  Erde,  in  Holz  etc.  führen,  haben  untcn-  ~  Nach  K*tzeburs* 
übrigens,  ohne  Maden  zu  sein.  d.  h.  ohne  die 

Brustgliedmaassen  zu  entbehren,  einen  ähnlichen  Habitus  wie  die  meisten 
Maden:  sie  sind  blind  oder  fast  blind,  mit  kurzen  oder  schwachen 
Beinen,  weich  und  plump.  —  Bei  einzelnen  Insekten  hat  die  Larve 
auf  verschiedenen  Altersstufen  ein  verschiedenes  Aussehen,  was 
meistens  dazu  in  Beziehung  steht,  dass  ihre  Lebensverhältnisse  auf 
den  verschiedenen  Stufen  verchieden  sind.  Einen  solchen  Fall  finden 
wir  beim  Oelkäfer  und  mehreren  mit  diesem  verwandten  Insekten: 
aus  den  Eiern  schlüpft  eine  kleine,  lebhafte,  mit  wohlentwickelten 
Beinen  ausgestattete  Larve  aus,  welche  auf  eine  Pflanze  kriecht  und 
sich  an  gewissen  Bienen  anheftet,  in  deren  Wohnungen  sie,  nachdem 
sie  sich  zu  einem  madenartigen  Geschöpf  umgebildet  hat,  den 
Rest  des  Larvenlebens  zubringt  (sie  nährt  sich  von  den  Vorräthon 
der  Bienen).  —  Die  Puppen  haben  zwar  nicht  so  mannigfache  For- 
men wie  die  Larven,  doch  ist  auch  hier  Manches  von  Interesse  her- 


Fig.  190.    A  Larve  (Made) 


262  Specieller  Theil. 

vorzuheben.  Wir  finden  z.  B.  eine  eigentümliche  Puppengestalt  bei 
den  Schmetterlingen,  welche  dadurch  ausgezeichnet  ist,  dass  Antennen, 
Mundtheile,  Beine  und  Flügel  dem  Körper  dicht  anliegen  und  überall 
an  ihrer  Aussenseite  fest  und  dick  chitinisirt  sind,  was  auch  mit  dem 
Körper  überall  dort  der  Fall  ist,  wo  er  von  den  genannten  Theilen 
nicht  bedeckt  ist;  die  Gliedmaassen  erscheinen  hierdurch  dem  Körper 
wie  angeklebt,  und  es  hat  den  Anschein,  als  wäre  dieser  sammt 
den  Gliedmaassen  von  eiuer  gemeinsamen  Firnisschicht  über- 
zogen. Bei  manchen  Zweiflüglern  verdickt  sich  die  Chitinhaut  der 
Larve  vor  der  Verpuppung  bedeutend,  und  wenn  sie  nachher  von 
den  unterliegenden  Weichtheilen  sich  losgelöst  hat,  wird  sie  nicht  wie 
sonst  abgestreift,  sondern  bleibt  als  eine  feste  Kapsel  um  die  dünn- 
häutige Puppe  zurück  und  dient  dieser  so  als  schützende  Hülle;  sie 
wird  erst  abgestossen,  wenn  die  Imago  hervorbricht  (Tönnchenpuppe). 
Einen  ähnlichen  Schutz  bilden  sich  manche  Insekten  dadurch,  dass 
die  Larve  vor  der  Verpuppung  aus  einem  Gespinnst  oder  aus  zusam- 
mengesponnenen Theilen  eine  Hülle  (Cocon)  um  sich  herum  bildet, 
innerhalb  welcher  die  Puppe  dann  ruht  (Schmetterlinge,  Hautflügler, 
gewisse  Käfer  u.  a.).  Die  meisten  Puppen  liegen  ruhig  da;  zum 
Zweck  der  Athmung  wird  jedoch  der  Hinterleib  bewegt,  während 
eine  grössere  Ortsveränderung  nur  bei  wenigen  stattfindet  (z.  B.  bei 
Mückenpuppen,  welche  an  die  Oberfläche  des  "Wassers,  in  welchem 
sie  leben,  hinauf  müssen,  um  Luft  zu  holen). 

Bei  einem  Theil  der  Hautflügler  ist  eine  eigenthümliche  Entwicklungs- 
stufe zwischen  dos  Larven-  und  das  Puppenstadium  eingeschoben  oder, 
richtiger,  sie  durchlaufen  zwei  Puppenstadien.  Die  erwachsene  Larve  wird 
nämlich  zunächst  zu  einer  sogenannten  Halbpuppe  mit  kleinen  Anlagen 
zu  Flügeln,  Beinen  etc.,  und  erst  nachher  tritt  das  Thier  in  das  eigentliche 
Puppenstadium  ein,  welches  durch  grössere  Flügel-  und  Beinanlagen,  über- 
haupt durch  eine  bedeutendere  Annäherung  an  die  Imago  charakterisirt  ist. 

Die  Metamorphose  der  Insekten  ist  ein  Ausdruck  einer  scharfen 
Arbeit8th eilung  im  Leben  des  Thieres.  Die  Larvenperiode  ist 
eine  Frass-  und  Wachsthumsperiode,  das  Leben  der  Imago 
ist  der  Fortpflanzung  gewidmet;  mit  der  Metamorphose  ist  das 
Wachsthum  abgeschlossen,  als  Imago  nimmt  das  Thier  in  der  Regel 
nicht  mehr  Nahrung  zu  sich  als  nöthig  ist,  um  die  durch  die  Lebens- 
vorgänge verursachten  Verluste  zu  decken,  und  es  stirbt,  wenn  die 
Fortpflanzung  besorgt  ist.  In  einigen  Fällen  ist  der  Gegensatz  beider 
Perioden  besonders  ausgeprägt :  als  Imago  nimmt  das  Thier  gar  keine 
Nahrung  auf,  die  Frassperiode  und  die  Fortpflanzungsperiode  sind 
somit  hier  in  schärfster  Weise  getrennt.  Aber  wenn  auch  das  Thier 
in  seiner  letzten  Lebensperiode  Nahrung  aufnimmt,  so  zeigt  doch  der 
Umstand,  dass  es  sich  nicht  mehr  häutet,  zur  Genüge,  dass  das 
Wachsthum  wesentlich  abgeschlossen  ist.  (Eine  Ausnahme  bilden  in 
gewisser  Weise  die  wenigen  Insekten,  deren  Hinterleib  im  Imago- 
stadium  in  Folge  der  starken  Entwicklung  der  Eierstöcke  stark  an- 
schwillt [Termiten]). 

Durch  den  angegebenen  Charakter  tritt  die  Metamorphose  der  Insekten 
in  einen  ausgesprochenen  Gegensatz  zu  derjenigen  anderer  Thiere,  z.  B.  der 
Krebse,  bei  welchen  der  Abschluss  des  Larvenlebens  und  der  Abschluss 
des  Wachsthums  keineswegs  zusammenfallen. 

Die  Lebensdauer  ist  bei  den  Insekten  fast  immer  scharf  be- 
grenzt und  ziemlich  kurz.    Meistens   dauert  das  ganze  Leben  des 


)gle 


GHederfüssler.   3.  Classe:  Insekten. 


263 


Individuums  nur  ein  Jahr  (das  Leben  als  Ei,  Larve,  Puppe  und 
Imago  einbegriffen)  ;  bei  nicht  ganz  wenigen,  z.  6.  bei  den  Blattläusen, 
nur  einen  Bruchtheii  eines  Jahres;  bei  anderen  (manchen  grösseren 
Insekten)  dauert  es  mehrere  Jahre,  in  der  Regel  aber  eine  ziemlich 
bestimmte  Anzahl  Jahre  (der  Maikäfer  lebt  z.  B.  im  nördlichen 
Deutschland  in  der  Regel  4  Jahre).  Von  der  ganzen  Lebenszeit  des 
Insekts  fällt  in  der  Regel  der  grösste  Theil  auf  das  Larvenstadium 
und  nur  ein  geringer  Bruchtheii  auf  die  Periode  der  Imago;  als 
solche  lebt  das  Thier  nur  kurze  Zeit,  nicht  selten  nur  wenige  Tage  oder 
gar  nur  wenige  Stunden.  Nur  ausnahmsweise,  bei  gewissen,  hoch 
ausgebildeten  Insekten,  kennt  man  Beispiele  davon,  dass  das  Leben 
als  Imago  mehrere  Jahre  dauern  kann:  man  hat  beobachtet,  dass 
Honigbienen  5  Jahre,  Ameisen  sogar  12  Jahre  in  Gefangenschaft 
gelebt  haben. 

Die  Insekten  sind  ein  sehr  ausgeprägter  Landthi er- Typus, 
dessen  ganze  Organisation  dem  Leben  auf  dem  Lande  und  in  der 
Luft  eng  angepasst  ist.  Nicht  wenige  sind  jedoch  derartig  modificirt, 
dass  sie  im  Süsswasser  entweder  ihr  ganzes  Leben  lang  oder  blos 
als  Larven  leben  können.  Ganz  wenige  Insekten  findet  man  im 
Meere :  im  Schlamm  an  flachen  Meeresküsten  kann  man  Fliegenlarven 
antreffen ;  wirkliche  Meeresthiere  sind  aber  eigentlich  nur  die  Meer- 
wanzen, welche  auf  offenem  Meere  ein  ähnliches  Leben  führen  wie 
ihre  nahen  Verwandten,  die  Wasserläufer,  im  Süsswasser1).  —  Ver- 
schiedene Insekten  (Läuse,  Pelzfresser,  Flöhe  etc.)  leben  als  voll- 
kommene Insekten  oder  das  ganze  Leben  hindurch  als  Schmarotzer 
an  verschiedenen  Wirbelthieren ;  andere  sind  nur  als  Larven 
Schmarotzer  auf  oder  in  verschiedenen  anderen  Thieren,  während 
sie  als  vollkommene  Insekten  ein  freies  Leben  führen. 

Die  Insekten  bilden  die  an  Arten  weitaus  zahlreichste  Classe 
der  Thiere.  Nach  einer  Berechnung  sollen  die  Insekten  sogar  */» 
aller  Arten  ausmachen;  von  den  Insekten  sind  wieder  etwa  die 
Hälfte  Käfer. 

Unvollkommene  Meta-  (  Geradflügler         Beissende  Mundtheile. 
morphose  \  Schnabelkerfe        Saugende  „ 

Netzflügler 


Käfer  J  Beissende 


Vollkommene  Meta-  I  H  a  u  t  f  1  ü  g  1  e  r 

morphose  |  Schmetterlinge  \  a 

Zweiflügler        }  Saugende 


1.  Ordnung.    Geradflügler  (Orthoptera). 

Die  Orthopteren  siud  Insekten  mit  unvollkommener  Ver- 
wandlung und  mit  beissenden  Mündt  heilen.  Die  Unterlippe 
lässt  deutlicher  als  bei  anderen  Insekten  erkennen,  dass  sie  durch 
Verschmelzung  eines  Kieferpaares  entstanden  ist,  dessen  einzelne 
Theile  meistens  leicht  nachweisbar  sind.  Die  Flügel  besitzen  gewöhn- 
lich ein  dichtes  Rippennetz,  bieten  aber  sonst  grosse  Unterschiede 
dar.    Häufig  ist  eine  grosse  Anzahl  Hinterleibsringe  vorhanden;  der 


')  Als  Meeresinsekten  können  noch  die  auf  Seehunden  schmarotaenden  Läuse 
aufgeführt  werden. 


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Specieller  Theil. 


Hinterleib  ist  gewöhnlich  mit  zwei  kürzeren  oder  längeren  gegliederten 
oder  ungegliederten  Schwanzraifen  ausgestattet.  —  Die  Orthopteren 
umfassen  zahlreiche  sehr  verschiedene  Formen;  von  den  im  Folgen- 
den genannten  Haupttypen  sind  bei  Nr.  1  —  6  die  Vorderflügel  als 
lederartige  Flügeldecken  entwickelt,  bei  den  übrigen  sind  alle  vier 
Flügel  gleichartig. 

1.  Die  Feldheuschrecken  (Gatt.  Acridium  u.  a.).  Die  Hinter- 
beine sind  lange  Springbeine  mit  verdickten  8chenkeln.  Die  Vorderflügel 
lange,  schmale,  etwas  verdickte  Flügeldecken,  unter  welchen  die  breiten 
Hinterflügel  fächerförmig  zusammengefaltet  liegen.  Vorderbrust  gross. 
Antennen  kurz,  fadenförmig  (höchstens  24  Glieder),  Gehörwerkzeuge  (vergl. 
8.  249)  am  1.  Hinterleibssegment.  Das  Männchen  erzeugt  einen  Laut,  indem 
es  eine  mit  einer  Reihe  kleiner  Spitzen  versehene  Leiste  an  der  Innenseite 
der  Hinterschenkel  über  die  Flügeldecken  streicht.  Kein  hervortretender 
Legestachel  beim  Weibchen.  Auf  den  Feldern  findet  man  häufig  in  grosser 
Anzahl  verschiedene  kleinere  Arten  dieser  Gruppe.  Gewisse  Arten  (einige 
gross,  andere  klein)  treten  häufig  in  wärmeren  Ländern  als  „Wander- 
heuschrecken' i  auf,  d.  h.  nachdem  sie  sich  an  einigen  Localitäten  sehr  stark 
vermehrt  haben,  wandern  sie  in  unglaublich  grossen  Schaaren  aus  und  ver- 
nichten auf  ihren  Wanderungen  den  Pflanzenwuchs  der  Gegenden,  durch 
welche  sie  kommen.  Eine  südeuropäische  (auch  in  Asien  und  Afrika  ein- 
heimische) Art,  Pachytylufi  miyratorius,  kommt  auf  ihren  Wanderungen  auch 
zuweilen  nach  Deutschland. 

2.  Die  Laubheuschrecken  (Gatt.  Locuata  u.  a.)  sind  in  Habitus, 
in  Bezug  auf  die  Ausbildung  der  Flügel  und  Hinterbeine  etc.  den  vorigen 
ähnlich,  weichen  aber  von  ihnen  in  wichtigen  Charakteren  ab.  Die  An- 
tennen sind  borstenfbrmig,  in  der  Regel  sehr  lang  und  bestehen  immer  aus 
zahlreichen  kurzen  Gliedern.  Sie  besitzen  in  jeder  Vorderschiene  zwei 
Gehörwerkzeuge  (dagegen  keine  auf  dem  Hinterleib),  und  die  Lautäusserung 
des  Männchens  wird  dadurch  erzeugt,  dass  es  eine  Basalpartie  der  einen 
Flügeldecke,  welche  auf  ihrer  Unterseite  mit  einer  quergeriefelten  Kante 
versehen  ist,  über  eine  entsprechende  Partie  der  anderen  Flügeldecke  reibt. 
Es  ist  ein  langer  säbelförmiger  Legestachel  vorhanden.  Eine  der  bekanntesten 
Arten  ist  die  grosse,  hellgrüne  Lorwtta  riridUntna,  welche,  wie  die  Laub- 
heuschrecken überhaupt,  Bowohl  pflanzliche  als  thierische  Nahrung  frisst. 
—  Mit  den  Locusten  verwandt  sind  die  Grabheuschrecken  (GrtfUidae), 
welche  mit  jenen  im  Besitz  vielgliedriger  Antennen  und  in  der  Lage  der 
Gehörwerkzeuge  und  des  Stirn  map  parates  übereinstimmen,  sich  aber  durch 
kürzere  Hinterbeine  und  lange  gegliederte  Raife  (die  Raife  sind  sowohl  bei 
Laub-  als  bei  Feldheuschrecken  sehr  kurz)  unterscheiden,  und  ferner  meistens 
dadurch,  dass  der  hintere  Theil  der  fächerförmig  zusammengelegten  Hinter- 
flügel nicht  von  den  Flügeldecken  überdeckt  wird,  sondern  als  ein  Paar 
spitzer  Anhänge  über  diese  hinaus  vorragt.  Hierher  gehört  das  Heimchen 
(Gryttus  rlotmsticus)  in  Bäckereien  und  an  ähnlichen  warmen  Stellen,  und 
die  Feldgrille  (O.  campestris),  welche  auf  dürren  Feldern  häufig  ist  und 
sich  Gänge  in  der  Erde  baut,  beide  mit  wohlentwickelten  Flügeldecken, 
das  Weibchen  mit  hervortretender  Legescheide.  Ferner  die  Maulwurfs- 
grille oder  Werre  {firyllotal}xi  rulgarits),  deren  Vorderbeine  zu  enorm 
kräftigen  Grabbeinen  ausgebildet  sind,  mit  sehr  grosser  Vorderbrust,  kurzen 
Flügeldecken,  ohne  Legestachel ;  sie  führt  ein  unterirdisches,  grabendes  Leben 
und  ernährt  sich  sowohl  von  Pflanzen  als  von  Thieren.  Alle  drei  in 
Deutschland. 

3.  Die  Schaben  oder  Kakerlaken  (Blatta)  sind  abgeplattete  Thiere 


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Gliederfüsaler.   3.  Claase:  Insekten. 


265 


mit  langen  borstenförmigen  Antennen  und  kräftigen  Laufbeinen  mit  grossen 
Hüften-,  die  Vorderflügel  sind  dünne  Flügeldecken,  welche  einander  theil- 
weise  überdecken,  der  Hinterleib  hinten  mit  zwei  gegliederten  Raifen,  der 
Kopf  vom  Vorderrand  der  Vorderbrust  überdeckt.  Oft  sind  beide  Flügel- 
paare, besonders  beim  Weibchen,  abgekürzt  oder  rudimentär.  Die  Eier 
werden  in  chitinigen  Kapseln  eingeschlossen  abgelegt,  welche  eine  Zeitlang, 
halb  aus  der  Geschlechtsöffnung  hervorragend,  von  dem  Weibchen  umher- 
getragen werden;  in  jeder  Kapsel  liegen  zahlreiche  Eier  in  zwei  Reihen. 
Ein  paar  grosse  Arten  dieser  Gruppe,  unter  welchen  besonders  die  all- 
bekannte Küchenschabe  (U.  /PeriplanetaJ  orfcntalis)  hervorzuheben  ist, 
sind  durch  die  Schifffahrt  aus  den  Tropen  nach  Europa  gebracht  worden, 
wo  sie  in  Häusern  leben;  im  Freien  findet  man  in  Deutschland  mehrere 
kleinere  Arten. 

4.  Die  Fangheuschrecken  (MaiUis)  sind  den  Schaben  verwandt, 
weichen  jedoch  von  ihnen  in  verschiedenen  Beziehungen  ab.  Der  Körper 
ist  im  Ganzen  gestreckter,  namentlich  die  Vorderbrust  sehr  lang.  Die 
Vorderbeine  sind  Fangbeine  mit  grosser  Hüfte,  kräftigem  Schenkel  mit 
zwei  Dornenreihen  und  einer  ebenfalls  mit  zwei  Stachelreihen  ausgestatteten 
Schiene,  welche  gegen  den  Schenkel  eingeschlagen  werden  kann;  mit  den 
Fangbeinen  ergreift  das  Thier  seine  aus  andern  Insekten  bestehende  ßeute. 
Flügel  wohleutwickelt,  sonst  ähnlich  wie  bei  den  Schaben;  gegliederte 
Raife  vorhanden.  Die  Eier  werden  gruppenweise  auf  Pflanzen  angebracht, 
von  einer  ähnlichen,  aus  einem  erhärteten  Drüsensecret  gebildeten  Hülle 
umgeben  wie  bei  den  Schaben.  Eine  grosse  grüne  Art  dieser  Gattung, 
M.  religiosa,  lebt  in  Südeuropa. 

5.  Die  Ohrwürmer  (Forfictda)  sind  etwas  abgeplattete  Thiere, 
welche  besonders  durch  die  Beschaffenheit  der  Flügel  charakterisirt  sind. 
Die  Flügeldecken  sind  ganz  kurze  Platten,  welche  die  dünnen  Hinterflügel 
nicht  völlig  bedecken,  obgleich  letztere  mehrmals  der  Länge  und  Quere 
nach  zusammengelegt  sind.  Der  grössere  Theil  des  Hinterleibs  ist  von  den 
Flügeln  unbedeckt;  er  ist  stark  chitinisirt,  sehr  beweglich,  besitzt  hinten 
ein  Paar  ungegliederte,  etwas  gebogene,  oft  gezähnte  Raife,  welche  zusammen 
eine  Zange  bilden.  Die  Ohrwürmer  halten  sich  in  der  Regel  während  des 
Tages  versteckt,  leben  hauptsächlich  von  pflanzlicher  Nahrung.  Das  Weibchen 
sitzt  in  einer  brütenden  Stellung  über  den  Eiern.  Mehrere  Arten  in 
Deutachland. 

6.  Die  Gespennstheuschrecken  {Pluutmidae)  bilden  eine  kleine 
Orthopteren- Abtheilung,  welche  eine  Anzahl  Arten  von  abenteuerlicher 
Gestalt  umschliesst;  sie  ist  nur  in  wärmeren  Ländern  zu  Hause.  Dazu 
gehört  die  flügellose  Gatt,  llacillu*,  deren  langgestreckter  Körper  mit  den 
ebenfalls  gestreckten  Beinen  einem  dürren  Ast  mit  seinen  kleineren  Zweigen 
ähnlich  sieht ;  einige  Arten  in  Südeuropa.  Ferner  das  ostindische  I'hyüium 
aticdfolium,  „das  wandelnde  Blatt",  dessen  breiter  Hinterleib  und  Flügel- 
decken blattähnlich  sind. 

7.  Die  Termiten  (Gatt.  Tenne«  u.  a.)  besitzen  vier  gleichgebildete, 
grosse,  dünne  Flügel,  welche  nicht  zusammengefaltet  werden  können.  Die 
Antennen  kurz,  perlschnurförmig,  die  Beine  gleichartig.  Die  Termiten  sind 
namentlich  dadurch  merkwürdig,  dass  sie  in  grossen  Gesellschaften  leben, 
welche  neben  fortpflanzungsfühigen  Männchen  und  Weibchen  eine  grosse 
Anzahl  Individuen  umfassen,  deren  Geschlechtswerkzeuge  (bei  einigen  männ- 
liche, bei  anderen  weibliche)  auf  einer  unentwickelten  Stufe  stehen  bleiben, 
und  welche  flügellos  und  blind  sind.  Von  diesen  flügellosen  Individuen 
sind  gewöhnlich  einige  mit  grösserem  Kopf  und  kräftigeren  Vorderkiefern 


266 


Specieller  Theil. 


versehen  und  werden  . .Soldaten' 1  genannt,  während  die  übrigen  als  Arbeiter 
bezeichnet  werden;  das  Nest  wird  von  den  Arbeitern  entweder  in  Baum- 
stümpfen und  dergl.  angelegt,  in  denen  sie  Gänge  und  Kammern  ausnagen 
und  mit  einer  Kothschicht  ausfüttern,  oder  in  anderen  Fällen  aus  Excre- 
menten  und  Erde  gebaut;  manchmal  bilden  sie  sich  ausgedehnte  Köhren  in 
der  Erde.  Die  Soldaten  vertheidigeu  das  Nest  gegen  Angriffe.  Vor  der 
Begattung  verlassen  Männchen  und  Weibchen  das  Nest,  fliegen  eine  kurze 
Zeit  umher,  verlieren  die  Flügel  und  gehen  zum  grössten  Theil  zu  Grunde; 
nur  einzelne  retten  sich  in  ein  Nest  hinein,  worauf  die  Paarung  stattfindet, 
Dach  welcher  der  Hinterleib  des  Weibchens  anschwillt,  bei  manchen  Termiten 
in  ungeheurem  Grade.    Ausser  den  geflügelten  Männchen  und  Weibchen 


12  4  5  3 


giebt  es,  wie  es  scheint,  auch  andere,  welche  in  Bezug  auf  die  Ausbildung 
der  Flügel  auf  der  älteren  Larvenstufe  stehen  bleiben,  wo  die  Flügel  nur 
als  kurze  Stummel  angelegt  sind ;  sie  verlassen  das  Nest  nicht  und  treten 
in  Function,  wenn  keine  ausgeflogenen  Männchen  oder  Weibchen  in  das 
Nest  gelangen.  (Einige  Termiten  weichen  in  gewissen  Beziehungen  von  der 
gegebenen  Darstellung  ab ;  in  manchen  Punkten  ist  die  Lebensweise  übrigens 
noch  keineswegs  vollständig  aufgeklärt.)  Die  Termiten,  auch  „weisse 
Ameisen"  genannt,  leben  besonders  in  den  Tropen,  schon  in  Südeuropa 
kommen  aber  ein  paar  Arten  vor  (eine  derselben  ist  in  Fig.  191  abgebildet); 
sie  verursachen  oft  einen  bedeutenden  Schaden,  indem  sie  ihre  Nester  in 
Holzwerk  anlegen,  durch  das  Auffressen  von  Kleidern,  Geräthen  etc. 

8.  Die  Libellen  oder  Wasserjungfern  (Libellulidae)  besitzen  vier 
grosse,  gleichartig  entwickelte  und  ungefähr  gleich  grosse  Flügel,  welche 
mit  einem  dichten  Kippennetz  ausgestattet  sind.  Der  Kopf  ist  sehr  be- 
weglich, mit  grossen  zusammengesetzten  Augen  (und  drei  Nebenaugen), 
kurzen  Antennen,  kräftigen  Vorderkiefern,  ohne  Mittelkiefer-  und  Lippen- 
taster, mit  sehr  breiter  Unterlippe.  Die  Beine  schwach.  Hinterleib  meistens 
gestreckt,  mit  zwei  ungegliederten  Raifen.  Ausgezeichnete  Flieger,  welche 
ihre  Beute  (z.  B.  Schmetterlinge)  im  Fluge  ergreifen1).  —  Die  Larven 


*)  Sehr  eigentümlich  ist  die  Begattung  bei  den  Libellen.  Das  2.  Hinter- 
leibssegment ist  beim  Männchen  angeschwollen  und  mit  einem  Begattungsapparat 


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(iliederfüssler.   8.  Clasae:  Insekten. 


267 


leben  im  Süsswasser  und  zeichnen  sich  dadurch  aus,  dass  die  Unterlippe  zu 
einem  langachaftigen,  vorstreckbaren  Greifwerkzeug  ausgebildet  ist,  und  da- 
durch, dass  die  Athemlöcher  alle  geschlossen  sind;  sie  athmen  vermittels 
Tracheenkiemen,  welche  bei  einigen  blattförmig  und  am  Hinterleibsende 
angebracht  sind,  während  sie  bei  anderen  durch  zahlreiche  im  Enddarm  ent- 
wickelte Falten  vertreten  sind;  in  letzterem  Fall  saugt  der  Enddarm 
rhythmisch  das  Wasser  ein  und  stösst  es  wieder  aus;  durch  Ausspritzung 
des  Wassers  aus  dem  Enddarm  bewegen  die  Larven  der  letzteren  Art  sich 
auch  im  Wasser  fort.  —  Hierher  gehört  die  Gatt.  Libeliula,  bei  welcher 
die  Basalpartie  der  Hinterflügel  breiter  als  die  Spitze  ist  und  die  grossen 
Augen  in  der  Mittellinie  des  Kopfes  zusammenstossen,  als  Larven  mit  Darm- 
kiemen; ferner  die  feinen  schlanken  Ayrion-Arten  (Schlankjungfern),  bei 
welchen  die  Basalpartie  der  Hinterflügel  schmäler  ist  als  das  Ende,  deren 
Augen  weit  getrennt  sind,  und  welche  als  Larven  drei  äussere  Kiemen- 
blätter besitzen. 

9.  Die  Eintagsfliegen  (Gatt.  Ejrfteniera  u.  a.)  Bind  gewöhnlich  kleinere 
Insekten  mit  vier  dünnen  Flügeln,  von  welchen  die  Hinterflügel  weit  kleiner 


Fig.  192.  Fig.  194. 


Fig.  )  92.    Eino  Eintagsfliege  (Ephemera). 
Fig.  198.  'Ein  .Springschwan/.  (I'odura). 
Fig.  194.    Zuckergast  (Leintma). 

sind  als  die  Vorderflügel .  Die  Mundtheile  der  Imago  sind  rudimentär; 
Hinterleib  hinten  mit  drei  langen  gegliederten  Fäden.  —  Die  Larve  lebt 


ausgestattet,  welcher  vor  der  Begattung  mit  Samen  gefüllt  wird,  indem  die  Spitze 
des  Hinterleibs,  auf  welcher  der  Samengaug  mündet,  nach  demselben  hin  gebogen 
wird.  Das  Männchen  greift  dann  vermittels  der  Schwanzraife  das  Weibchen  um 
den  Hals  herum,  und  letzteres  krümmt  darauf  seinen  Körper  derartig  zusammen, 
dass  das  Hinterleibsende  den  fiegattungsapparat  des  Männchens  erreicht,  so  dass 
die  Begattung  vollzogen  werden  kann. 


2fi8 


Specieller  Theil. 


im  Wasser  und  besitzt  ebenso  wie  die  der  Libellen  ein  geschlossenes 
Tracheensystem  und  ist  mit  blattförmigen  oder  verästelten  Tracheenkiemen 
ausgestattet,  welche  in  einer  Reihe  längs  jeder  Seite  des  Hinterleibs  an- 
gebracht sind;  sie  besitzt  dieselben  drei  fadenförmigen  Anhänge  wie  die 
Imago.  Die  Larven  sind  gefrässige  Raubthiere  mit  wohlentwickelten  llund- 
theilen  ;  einige  graben  sich  Gänge  in  die  Ufer.  —  Die  Eintagsfliegen  durch- 
laufen ein  Subimago-StAdium  (vergl.  S.  258) ;  als  Imagines  nehmen  sie  keine 
Nahrung  zu  sich,  und  manche  Arten  leben  als  solche  nur  wenige  Nacht- 
stunden (die  Metamorphose  findet  Abends  statt),  andere  wenige  Tage, 
während  das  Larvenleben,  wenigstens  bei  einigen,  ein  paar  Jahre  dauert.  — 
Mehrere  Arten  in  Deutschland  geraein. 

10.  Zu  den  Orthopteren  gehören  auch  die  Biicherläuse  (TYocfcw), 
kleine  flügellose  Insekten,  welche  häufig  zwischen  altem  Papier,  in  Insekten- 
sammlungen u.  dergl.  angetroffen  werden;  sie  bilden  zusammen  mit  einigen 
geflügelten  Verwandten  (Psowis),  welche  im  Walde  leben,  eine  besondere 
kleine  Familie  innerhalb  der  Ordnung. 

Anhang  zu  den  Orthopteren. 

Die  beiden  kleineren  Abtheilungen,  welche  hier  in  Kürze  besprochen 
werden  sollen,  sind  mit  den  Orthopteren  am  nächsten  verwandt,  nehmen 
aber  einen  besonderen  Platz  ein,  namentlich  die  erstere.  Sie  umfassen  beide 
ausschliesslich  flügellose  Formen  mit  beissenden  Hundtheilen  und  ohne  Meta- 
morphose. 

Die  Thysanuren  (Thysarwra)  sind  kleine,  freilebende  flügellose  In- 
sekten, welche  statt  der  zusammengesetzten  Augen  meistens  jederseits  nur 
eine  Gruppe  von  Punktaugen  besitzen.  Das  Hinterleibsende  oft  mit  mehreren 
Raifen.  Man  trifft  sie  an  versteckten,  meistens  feuchten  Stellen.  Einige 
besitzen  Rudimente  von  Hinterleibsbeinen,  bo  die  auch  in  Deutschland  vor- 
kommende Campoden.  In  Häusern  lebt  der  Zucker  gast  (Lcpisma  sart-ha- 
rina) ,  dessen  Körper  mit  glänzenden  Schuppen  bedeckt  ist  (umgebildeten 
Haaren).  Die  Springschwänze  (Podura)  zeichnen  sich  dadurch  aus, 
dass  von  der  Spitze  des  Hinterleibs  ein  unter  den  Bauch  geschlagener  ge- 
spaltener Fortsatz  entspringt,  vermittels  dessen  Sprungbewegungen  ausgeführt 
werden  (Springgabel) ;  kleine  Insekten ,  welche  man  unter  abgefallenem 
Laub  und  an  ähnlichen  Stellen  häufig  findet. 

Die  Pelzfresser  {Mallopfiaga)  sind  kleine ,  abgeplattete ,  lausähnliche 
Thiere  mit  ziemlich  festem  Chitinskelet;  der  Kopf  ist  breiter  als  die  Vorder- 
brust und  trägt  die  gewöhnlichen  beissenden  Mundtheile,  von  denen  namentlich 
die  Vorderkiefer  wohlentwickelt  sind.  Die  Antennen  sind  3 — 5  gliedrig ; 
jederseits  auf  dem  Kopfe  ein  Punktauge ,  welches  aber  auch  fehlen  kann. 
Die  Füsse  1  —  2  gliedrig  mit  einer  oder  zwei  Krallen ;  am  »unteren  Eude 
der  Schiene  ein  Fortsatz,  gegen  welchen  die  Kralle  zurückgeschlagen  werden 
kann,  so  dass  die  Beine  geeignet  sind  Haare  und  Federäste  zu  umgreifen. 
Die  zahlreichen  Arten  dieser  Abtheilung  leben  ausschliesslich  an  Säuge- 
thieren  und  Vögeln,  deren  Oberhaut,  Haare  und  Federn  sie  benagen.  An 
Säugethieren  trifft  man  besonders  Arten  der  Gatt.  Triehodectes .  unsere 
gewöhnlichen  Hausthiere  besitzen  je  eine  (7'.  aini.s  beim  Hunde)  ;  an  den 
Vögeln  zahlreiche  Arten  anderer  Gattungen  (vom  Haushuhn  kennt  man 
z.  B.  nicht  weniger  als  6  verschiedene  Arten). 


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Gliedtrfüssler.    3.  Classe:  Insekten. 


2K9 


2.  Ordnung.    Schnabelkerfe  (Rhynchota  oder  Hemiptera). 

Die  Schnabelkerfe  —  Wanzen  und  Zirpen  —  durchlaufen  eben- 
so wie  die  vorige  Ordnung  eine  unvollkommene  Metamor- 
phose. Die  Mundtheile  sind  zu  einem  Saugwerkzeug,  dem 
Rüssel,  umgebildet,  dessen  Bau  schon  früher  (S.  245)  geschildert 
wurde.  Der  Rüssel  ragt  bei  einigen  frei  hervor,  bei  anderen  ist  er 
nach  hinten,  unter  den  Körper  geschlagen.  Die  zusammengesetzten 
Augen  sind  in  der  Regel  nicht  sehr  gross;  ausserdem  sind  gewöhnlich 
2—3  Punktaugen  vorhanden. 

1.  Unterordnung.    Zirpen  oder  Cicaden  (Homopteru). 

Vorder-  und  Hinterflügel  sind  in  der  Regel  gleichartig,  beide 
häutig  *),  die  Vorderflügel  grösser  als  die  Hinterflügel.  Der  Kopf  ist 
gross.  Der  Rüssel  entspringt  hinten  von  der  Unterseite  des  Kopfes, 
dicht  an  der  Brust.  —  Alle  saugen  Pflanzensäfte. 

1.  Die  Singzirpen  {Oicada)  sind  grosse,  ziemlich  plumpe  Cicaden, 
deren  Männchen  vermittels  der  an  der  Hinterbrust  gelegenen,  mit  Stimm- 
bändern ausgestatteten  Stigmen  einen  eigenthümlichen  „Gesang"  hervor- 
bringen; der  Ton  wird  durch  einen  complicirten  Resonanzapparat  verstärkt. 
Vermittels  eines  Legestachels  legen  die  Weibchen  die  Eier  in  Aeste  ab; 
die  Larven,  deren  Vorderbeine  zum  Graben  eingerichtet  sind,  gehen  aber 
in  die  Erde  hinab,  wo  sie  sich  von  Wurzelsäften  saugend  ernähren;  erst 
wenn  die  Metamorphose  unmittelbar  bevorstehend  ist,  verlässt  die  Larve 
die  Erde,  geht  auf  die  Bäume  hinauf  und  häutet  sich  hier  zum  letzten 
Mal ;  die  Imago  saugt  die  jungen  Triebe  aus.  Die  Abtheüung  gehört  vor- 
züglich den  wärmeren  Ländern  an  ;  in  Süddeutschland  kommen  jedoch 
noch  mehrere  Arten  vor.  In  Nordamerika  lebt  die  17jährige  Cicade 
{Oicada  septettdeäm),  deren  Entwicklung  17  Jahre  dauert  (eine  Varietät  der- 
selben Art  hat  eine  Entwicklungszeit  von  13  Jahren). 

2.  Die  Schaumzirpe  (Aphrophma  sjmmaria)  ist  eine  kleine  Cicade, 
welche  besonders  dadurch  ausgezeichnet  ist,  dass  die  dünnhäutige,  weiche 
Larve,  welche  man  auf  verschiedenen  Pflanzen  saugend  antrifft,  sich  mit 
einer  speichelartigen,  schaumigen  Absonderung  umgiebt  („Kuckuksspeichel"). 
Das  Thier  gehört  zur  Familie  der  Kleinzirpen  {Cicaddlidne) ,  von  welchen 
ausserdem  noch  zahlreiche  Arten  in  Deutschland  vorkommen  ;  die  betreffenden 
Thiere  sind  meistens  im  Stande,  weite  Sprünge  zu  machen. 

3.  Die  Blattläuse  (Aphidae)  sind  eine  grosse  Cicadenfamilie,  deren 
Mitglieder  sich  durch  ihren  plumpen,  in  der  Regel  dünnhäutigen  Körper, 
schwache  Beine,  spärliches  Rippennetz  der  Flügel  und  geringe  Grösse  aus- 
zeichnen ;  häufig  fehlen  die  Flügel,  besonders  bei  den  Weibchen ;  es  sind  trüge 
Thierchen,  welche  schaarenweise  zusammen  leben.  Manche  derselben  besitzen 
Wachsdrüsen,  welche  feine  Wachsfäden  absondern,  die  wollartig  den  Körper 
umgeben  ;  ferner  ist  bei  einem  grossen  Theil  der  Blattläuse  ein  Paar  Drüsen 
vorhanden,  welche  hinten  auf  dem  Hinterleibsrücken  mit  zwei  Oeffnungen 
ausmünden  ,  die  entweder  jede  auf  einer  Warze  oder  an  der  Spitze  einer 
längeren ,  vorstehenden  Röhre  (Honigröhre)  sich  befinden ;  diese  Drüsen 
sondern  einen  süssen  Saft  ab.  Allgemein  findet  eine  Heterogonie  statt: 
jährlich  erscheinen  nach  einander  mehrere  jungfräuliche  Generationen  und 


l)  Ausnahmsweise  sind  die  Vorderflügel  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  lederartig. 


270 


Specieller  Theil. 


zuletzt  eine  Männchen- Weibchen-Generation.  Manche  Blattläuse  erzeugen 
durch  ihren  Stich  Gallen  von  verschiedener  Form. 

a.  Aphis,  die  Blattläuse  in  engerem  Sinn,  sind  grüne  oder  schwarze, 
weiche,  wenig  bewegliche  Thierchen,  welche  in  grossen  Schaaren  und  un- 
gemein häufig  an  den  Blättern  von  allerlei  Kraut-  und  Holzpflanzen  leben ; 
sie  haben  ziemlich  lange  Antennen  und  zwei  lange  Honigröhren.  Im  Laufe 
des  Sommers  findet  man  mehrere  auf  einander  folgende  Generationen  von 
Weibchen,  denen  eine  Samentasche  abgeht,  und  welche  sich  ohne  Befruchtung 
fortpflanzen ;  die  Eier  entwickeln  sich  im  Eileiter,  so  dass  die  Thiero  also 
lebendiggebärend  sind;  einige  dieser  Weibchen  sind  geflügelt,  die  meisten 
alier  flügellos.  Im  Herbst  wird  schliesslich  eine  Generation  von  in  der 
Hegel  ungeflügelten  Weibchen  und  meistens  geflügelten  Männchen  erzeugt, 
welche  sich  begatten,  Eier  ablegen  und  sterben.  Diesen  Eiern  entstammt 
die  im  nächsten  Frühling  erscheinende  erste  weibliche  Generation. 


3 


Fig.  195.  Phylloxera  rattatrür.  1  Junge*  Weibchen  einer  der  ungeflUgelten  partheno- 
genetiscben  Generationen ;  2  älteres  do.,  von  der  Unterseite.  3  Ausgebildetes  Weibchen  der 
geflügelten  Generation.  4  Weibchen  der  Generation,  welche  aus  beiden  Geschlechtern  besteht 
(das  Ei  schimmert  durch  die  Haut  hindurch) ;  .5  Männchen.  Alle  Figuren  in  gleicher  Vcrgr. 
—  Nach  Cornu. 

b.  Die  Reblaus  (Phyüox&ra  vastati-ix),  berühmt  wegen  der  furcht- 
baren Verheerungen,  welche  sie  namentlich  in  den  französischen  Weinbergen 
angerichtet  hat,  ist  in  Nordamerika  zu  Hause,  wo  sie  übrigens  keinen  be- 
deutenderen Schaden  verursacht  hat,  und  wurde  vor  wenigen  Deoennien 
zufällig  mit  amerikanischen  Reben  nach  Europa  eingeführt.  Honigröhren 
gehen  der  Phylloxera  ab,  und  sie  hat  kürzere  Beine  und  Fühler  als  Aphis. 
Im  Frühling  trifft  man  flügellose  Weibchen ,  welche  an  den  Wurzeln  des 
Weinstocks  saugen  und  an  diesen  knotenförmige  Anschwellungen  erzeugen. 


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Gliederfüßler.   3.  Classe:  Insekten. 


271 


Sie  legen  je  ca.  30—40  unbefruchtete  Eier,  aus  welchen  eine  Generation 
kommt,  welche  den  Müttern  ähnlich  ist.  Auf  diese  Weise  werden  5 — 8 
ähnliche  Generationen  den  Sommer  hindurch  erzeugt.  Zuletzt  entwickelt 
sich  aus  den  Eiern  der  flügellosen  Weibchen  eine  Generation,  welche  aus 
geflügelten  Weibchen  besteht;  diese  verlassen  vor  der  Metamorphose  (also 
nur  erst  mit  Flügel  anlagen  ausgestattet)  die  Wurzel  und  begeben  sich 
auf  die  oberirdischen  Theile  des  Weinstocks,  an  welchen  sie  nachher  je 
ca.  vier,  ebenfalls  unbefruchtete,  Eier  ablegen.  Diese  Eier  sind  von  ver- 
schiedener Grösse,  einige  grösser,  andere  kleiner.  Aus  den  enteren  kommen 
Weibchen,  aus  den  letzteren  Männchen  ;  beide  Geschlechter  sind  von  geringer 
Grösse,  flügellos,  die  Mundtheile  sind  rudimentär  und  der  Darmkanal  fehlt, 
so  dass  sie  keine  Nahrung  aufnehmen  können ;  nach  der  Befruchtung  legen 
die  Weibchen  je  ein  einziges  Ei  ab,  welches  vor  der  Ablage  den  grössten 
Theil  ihres  kleinen  Körpers  ausfüllt.  Diese  Eier  überwintern  und  werden 
im  nächsten  Frühling  zu  der  ersten  jungfräulichen  Generation.  (Ausser 
den  befruchteten  Eiern  überwintert  auch  eine  Anzahl  flügelloser  partheno- 
genetischer  Weibchen  im  Larvenstadium,  indem  sie  an  den  Wurzeln  fest- 
gesogen sitzen1).) 

c .  Verschiedene  Aph  i  den  erzeugen  auf  Bäum  en  und  Sträuchern  cha- 
rakteristische  Gallen.  Ghertnes  abietis  (ohne  Honigröhren,  mit  kurzen  Beinen 
und  Antennen)  erzeugt  z.  B.  durch  Saugen  an  den  jungen  Fichtentrieben 
die  bekannte  tannenzapfenähnliche  Galle,  indem  die  Nadeln  kurz  und  breit 
werden ;  an  Pappelblattstielen  erzeugt  Pemphigus  sjrirotheme  eine  korkzieher- 
artig gewundene  Galle;  Kräuselungen  der  Blätter  oder  Beutelgallen  werden 
von  verschiedenen  Blattläusen  an  TJlmenblättern  hervorgebracht  etc. 

4.  Die  Schildläuse  (Coccidae)  sind  mit  den  Blattläusen  verwandt, 
weichen  jedoch  in  verschiedenen  Beziehungen  von  denselben  ab.  Die  beiden 
Geschlechter  sind  in  der  Regel  sehr  verschieden.  Die  Weibchen  sind 
plumpe,  flügellose,  kurzbeinige  Thiere,  welche  in  der  Regel  nur  als  Junge 
einigermaas8en  beweglich  sind,  während  sie  später  ganz  unbeweglich  werden 
und  an  einer  Stelle  festgesogen  sitzen  bleiben ,  wo  sie  auch  ihre  Eier  ab- 
legen^ nach  der  Eiablage  ist  der  Körper  des  Weibchens  meistens  zu  einem 
flachen  gewölbten,  die  Eier  überdeckenden  Schild  zusammengeschrumpft, 
welches  bald  nachher  abstirbt,  trotzdem  aber  über  den  Eiern  sitzen  bleibt; 
häufig  ist  das  Weibchen  an  seiner  Oberseite  von  einer  zusammenhängenden 
Wachsplatte,  einer  Absonderung  der  Hautdrüsen,  bedeckt;  zuweilen  sind 
die  Eier  von  feinen  Wachsfäden  umgeben.  Die  Männchen  Bind  dagegen 
mit  wohlentwickelten  Vorderflügeln  (mit  wenigen  Rippen)  ausgestattet, 
wahrend  die  Hinterflügel  rudimentär,  schwingkolbenartig  sind  oder  fehlen; 
die  Mundtheile  sind  rudimentär.  Als  Larven  sind  sie  den  jungen  Weibchen 
ähnlich.  Sehr  merkwürdig  ist  es,  dass  die  Männchen  (nicht  die  Weibchen) 
ein  ruhendes  Puppenstadium  besitzen,  also  eine  vollkommene  Meta- 
morphose durchlaufen  im  Gegensatz  zu  allen  übrigen  Mitgliedern  der 
Ordnung.  Für  mehrere  Arten  ist  es  constatirt  worden,  dass  die  Weibchen 
sich  parthenogenetisch  fortpflanzen  können.  —  Von  der  gegebenen  Darstellung 
der  allgemeinen  Verhältnisse  der  Schildläuse  weichen  jedoch  mehrere  Formen 
in  gewissen  Beziehungen  ab:  bei  einigen  ist  das  Weibchen  sein  ganzes 
Leben  hindurch  beweglich  und  bleibt  nicht  über  den  Eiern  sitzen;  unter 
diesen  Formen  giebt  es  wieder  einzelne,  bei  welchen  beide  Geschlechter  mit 

')  Dem  Angeführten  kann  noch  hinzugefügt  werden,  dass  flügellose  partheno- 
genetische  Weibchen  ausnahmsweise  auch  auf  den  Weinblättern  angetroffen  werden 
können,  wo  sie  eine  Gallenbüdung  verursachen. 


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272 


Specialer  Theil. 


vier  Flügeln  ausgestattet  sind,  und  welche  somit  einen  Uebergang  zu  den 
Blattläusen  bilden.  —  Als  Beispiele  führen  wir  an:  Aspidiotns  nerii,  dessen 
schildförmige  Weibchen  auf  dem  Oleander  häu6g  vorkommen;  ähnliche 
Formen  finden  sich  auch  recht  häufig  an  wildwachsenden  Bäumen.  Cocchs 
cacti,  Cochenillelaus,  lebt  auf  gewissen  mexicanischen  Cactus- Arten ; 
die  Männchen  sind  zweiilüglig  mit  langen  Raifen  ;  die  Weibchen  sind  flügel- 
lose, plumpe  Thiere,  welche  aber  nicht  die  Eier  mit  ihrem  Körper  über- 
decken; sie  sind  von  ähnlichen  Wachsfäden  wie  viele  Blattläuse  umgeben 
(die  Cochenille  des  Handels  besteht  aus  den  eingetrockneten  Weibchen). 
Zu  dieser  Familie  gehören  auch  die  Lack-8childlaus  (Ö.xxvs  Uitva), 
welche  in  Ostindien  auf  gewissen  Fious-Arten  lebt  und  das  Ausfliessen  einer 
Harzmasse,  des  Schellacks,  aus  den  betreffenden  Bäumen  verursacht,  und 
die  Kermes-Schildlaus  {Iju-nnium  Mcis),  welche  in  Südeuropa  auf 
einer  Eichenart  lebt  und  deren  kugelrunde  Weibchen  einen  Farbstoff 
liefern. 

2.  Unterordnung.    Wanzen  (Heteroptera). 

Vorder-  und  Hinterflügel  sind  verschieden:  letztere  sind  dünn, 
häutig,  zum  Fluge  eingerichtet,  jene  sind  als  Flügeldecken  ausge- 
bildet, welche  jedoch  nicht  in  ihrer  ganzen  Länge,  sondern  nur  in 
der  basalen  Hälfte  (oder  mehr),  lederartig  verdickt  sind;  die  dünnen 
Spitzentheile  der  Flügeldecken  liegen  im  Ruhezustande  über  einander. 
(Uebrigens  ist  der  Gegensatz  der  beiden  Abschnitte  des  Vorderflügels 
häufig  fast  ganz  verwischt.)  Die  Flügeldecken  bedecken  den  grössten 
Theil  der  Mittelbrust,  die  Hinterbrust  und  den  Hinterleib,  ein  drei- 
eckiger mittlerer  Theil  der  Mittelbrust  (das  Schildchen,  Scutellum) 
bleibt  aber  unbedeckt.  Der  Rüssel  entspringt  vorn  an  dem  gewöhn- 
lich kleinen  Kopf;  die  Vorderbrust  ist  gross  und  selbständig  beweg- 
lich, der  ganze  Körper  meistens  abgeplattet.  Bei  den  Landwanzen 
öffnet  sich  auf  der  Unterseite  der  Hinterbrust  ein  Paar  Stinkdrüsen, 
deren  Secret  häufig  einen  ungemein  widrigen  Geruch  besitzt.  —  Die 
Wanzen  saugen  Säfte  von  Pflanzen  oder  Thieren  (Insekten,  Wirbel- 
thieren). 

1.  Landwanzen  (Gcocores)  ist  die  gemeinsame  Bezeichnung  für 
eine  grosse  Anzahl  Wanzen  (sie  bilden  mehrere  Familien),  welche  sich  durch 
den  Besitz  wohlentwickelter  Antennen  und  eines  langen  Rüssels  auszeichnen. 
Die  allermeisten  leben  auf  dem  Lande;  einige  sind  Pflanzensauger,  andere 
Raubthiere,  welche  Insekten  aussaugen,  einzelne  leben  als  Schmarotzer 
an  Wirbelthieren ;  manche  sind  durch  prächtige  Farben  ausgezeichnet. 
Zahlreich  sowohl  in  den  Ländern  der  gemässigten  Zone  als  besonders  in 
den  Tropen.  —  Die  Bettwanze  (Cimex  (AcanthiaJ  lectnarius)  ist  eine 
äusserst  abgeplattete,  bräunliche,  flügellose  (nur  mit  Rudimenten  von  Vor- 
derflügeln ausgestattete)  Landwanze,  welche  als  temporärer  Schmarotzer 
auf  dem  Menschen  lebt.  Sie  soll  ursprünglich  aus  Ostindien  stammen.  — 
Zu  den  Landwanzen  gehören  auch  die  Wasserläufer  (Ilydromelra), 
schlanke,  gestreckte  Thiere,  welche  auf  ihren  langen  Mittel-  und  Hinter- 
beinen lebhaft  an  der  Oberfläche  von  süssen  Gewässern  umherlaufen;  die 
Vorderbeine  sind  bedeutend  kürzer  als  die  übrigen,  aber  ziemlich  kräftig 
und  werden  zum  Einfangen  von  Insekten  benutzt,  von  welchen  die  Thiere 
sich  ernähren ;  der  Hinterleib  ist  ziemlich  klein,  kaum  länger  als  die  Brust. 
Nahe  Verwandte  der  Wasserläufer  sind  die  Meerwanzen  (Halobates), 
welche  auf  dem  offenen  Meere  umherlaufen ;  sie  zeichnen  sich  besonders 
durch  die  ausserordentlich  geringe  Grösse  des  Hinterleibs  aus. 


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Gliederfüsaler.   3.  Clause:  Insekten. 


273 


2.  Die  Wasserwanzen  (Hydrocores)  haben  kurze  Antennen  und 
einen  kurzen  Rüssel;  sie  leben  im  Wasser,  welches  sie  jedoch  verlassen 
können,  um  in  der  Luft  umherzufliegen.  Sie  ernähren  sich  alle  vom  Raub. 
Hierher  gehören  von  in  Deutschland  lebenden  Formen  u.  A.  die  Scorpion- 
wanzen  (Nejm),  abgeplattete,  dunkelgefärbte  Thiere,  welche  sehr  allgemein 
im  Süss wasser  auf  dem  Grunde  kriechend  vorkommen;  die  Vorderbeine  sind 
Greifwerkzeuge,  die  Schiene  kann  in  eine  Rinne  des  Schenkels  eingeschlagen 
werden ;  am  Hinterende  zwei  fadenähnliche,  rinnenartig  ausgehöhlte  Fort- 
sätze, welche  zusammen  eine  Röhre  (die  Athemröhre)  bilden,  an  deren 
Grunde  ein  Paar  Stigmen  Platz  hat.  Ferner  die  Rückenschwimmer 
(Xotonecta)  mit  langen,  nach  aussen  gerichteten,  an  der  Schiene  und  dem 
Fuss  mit  steifen  Haaren  ausgestatteten  Hinterbeinen,  welche  als  Schwimm- 
werkzeuge fungiren. 

3.  Die  Läuse  (Pedictdidae)  sind  eine  kleine  Gruppe  schmarotzender 
Insekten,  welche  wahrscheinlich  als  eigentümlich  modificirte  Wanzen  auf- 
zufassen sind.  Der  Kopf  ist  schmal  mit  5gliedrigen  Antennen  und  einem 
Punktauge  auf  jeder  Seite ;  der  Saugapparat,  welcher  ganz  in  den  Kopf 
durch  eine  Oeffnung  an  der  Spitze  des  letzteren  zurückgezogen  werden 
kann,  besteht  zunächst  aus  einer  dickeren,  kürzeren  Röhre  mit  einigen 
Haken  am  Ende,  durch  welche  eine  zweite,  dünnere  Röhre,  die  eigentliche 
Saugröhre,  ausgestreckt  werden  kann;  die  feinere  Zusammensetzung  der 
letzteren  ist  nicht  sicher  bekannt.  Die  Beine,  welche  kurz  und  kräftig 
sind,  enden  jedes  mit  einer  Art  Greifzange:  der  eingliedrige  Fubs  trägt 

12  3 


Fig.  196.    /  Bettwanze,  2  Kopflaus,  3  Filzlau»,  alle  vergr.  —  Nach  Taschenberg. 

eine  sehr  kräftige  Kralle,  welche  gegen  einen  vom  unteren  Ende  der  Schiene 
entspringenden  Fortsatz  greift.  Flügel  fehlen  vollständig.  Hinterleib  gross, 
breit  und  zähe.  Die  grossen  Eier  werden  an  den  Haaren  des  Wirths  fest- 
geklebt; die  Jungen  durchlaufen  keine  Metamorphose.  Die  Läuse  leben 
nur  bei  den  Säugethieren,  an  deren  Haut  sie  als  stationäre  Schmarotzer 
wohnen  und  deren  Blut  sie  saugen;  vermittels  der  Beine  umklammern  sie 
die  Haare.  Auf  dem  Menschen  kommen  folgende  drei  Arten  vor:  die 
Kopflaus  {Pedimdm  capitis)  und  die  Kleiderlaus  (P.  vestimenii),  welche 
einander  sehr  ähnlich  sind,  und  von  denen  erstere  ausschliesslich  im  Kopf- 
haar, die  andere  auf  den  unbehaarten  (richtiger :  schwachbehaarten)  Theilen 
des  Körpers  lebt,  ferner  die  Filzlaus  (Pfithirius  pubis')  an  den  behaarten 
Theilen  des  Körpers  mit  Ausnahme  des  Kopfhaares  (in  den  Scham-  und 
Barthaaren  etc.);  letztere  zeichnet  sich  durch  die  ausserordentliche  Breite 
der  Brust  und  des  Hinterleibes  aua.  Andere  Arten  bei  den  Haussäuge- 
thieren  etc. 

3.  Ordnung.    Netzflügler  (Neuroptera). 

Die  Netzflügler  sind  Insekten  mit  vollkommener  Meta- 
morphose, vier   gleichartigen,    dünnen  Flügeln  und 

Bon,  Zoologie.  18 


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274 


Specialer  Theil. 


beissenden  Mundth eilen.  Der  Kopf  ist  oft  mit  Nebenaugen 
ausgestattet,  die  Antennen  sind  in  der  Regel  vielgliedrig;  bei  einigen 
sind  die  Mundtheile  wohlentwickelt,  bei  anderen  rudimentär.  Die 
Vorderbrust  ist  frei  beweglich,  die  Füsse  gewöhnlich  ögliedrig,  die 
Flügel  besitzen  bei  einigen  ein  ähnliches  dichtes  Rippennetz  wie  bei 
den  Libellen ,  bei  anderen  sind  die  Rippen  spärlicher.  Die  Larven 
sind  mit  Beinen  versehen,  übrigens  aber  äusserst  verschieden.  Die 
Puppen  sind  dadurch  eigenthümlich ,  dass  sie  vor  der  Umwandlung 
zur  Imago  im  Stande  sind  sich  fortzubewegen  und  eine  Stelle  aufzu- 
suchen ,  wo  sie  sich  bequem  verwandeln  können ;  ist  die  Puppe  in 
einen  Cocon  eingeschlossen ,  so  beisst  sie  zuerst  ein  Loch  in  diesen 
und  wandert  dann  fort.  —  Als  Beispiele  führen  wir  die  folgenden 
Formen  an. 

1 .  Die  Ameisenlöwen  (Myrmekon).  Vorder-  nnd  Hinterflügel  gross, 
gleichartig,  fast  von  gleicher  Grösse,  mit  einem  feinen  dichten  Rippennetz. 
Die  Antennen  ziemlich  kurz  nnd  dick,  etwas  keulenförmig;  die  Mundtheile 
wohlentwickelt.    Im  Habitus  den  Libellen  sehr  ähnlich.  —  Die  Larven, 


Fig.  197.  Fig.  198. 


cd  eh 

Fig.  197.    Chrytopa.    a  Imago,  b  Larve,  c — d  Puppe,  e  —/  PuppcnhUlle  (/  geöffnet). 
g  Eier,  h  Ei,  vergr.  —  Nach  Taachenberg. 
Fig.  198.    Panorpa  communis,  <j*. 
Fig.  199.    Boreus  hiemalis,  ^. 

denen  der  Name  „Ameisenlöwen"  eigentlich  zukommt,  haben  kolossale, 
schlanke  Vorderkiefer,  welche  an  der  Unterseite  rinnenförmig  ausgehöhlt 
sind ;  auf  diese  Rinne  passen  die  langgestreckten  Mittelkiefer,  so  dass  je 
ein  Vorder-  und  Mittelkiefer  zusammen  einen  von  einem  Kanal  durchbohrten 


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Gliederfüßler.   3.  ClasBe:  Insekten. 


275 


Haken  bilden ;  der  Kanal  führt  in  den  Mund  hinein,  welcher  sonst  ge- 
schlossen ist.  Die  Larve  sitzt  in  einer  trichterförmigen  Vertiefung  im 
Sande  und  fängt  vorüberkriechende  kleine  Insekten,  welche  entweder  zufällig 
in  den  Trichter  hinabfallen  oder  dadurch  zum  Niederstürzen  gebracht  werden, 
dass  der  Ameisenlöwe  mit  seinem  Kopf  einen  Sandstrahl  auf  dieselben 
schleudert.  Die  Beute  wird  mittels  der  genannten  Haken  ausgesogen. 
Mehrere  Arten  in  Deutschland.  —  Mit  den  Ameisenlöwen  nahe  verwandt  sind 
die  Perlenaugen  (Chrysopa),  kleine,  zarte, grünliche  Insekten  mit  grossen 
Flügeln,  welche  in  der  Hauptsache  den  Aroeisenlöwen  ähnlich  sind,  aber 
sich  u.  A.  durch  die  längeren,  borstenförmigen  Antennen  unterscheiden. 
Die  grünlichen  Larven,  „ Blattlauslöwen u ,  sind  auch  den  Larven  jener  ähnlich  ; 
sie  bewegen  sich  aber  frei  auf  den  Bäumen  umher  und  fressen  Blattläuse. 
Die  Eier  sitzen  auf  einem  langen  Stiel  an  Blättern.  Einige  Arten  sind  in 
Deutschland  sehr  häufig. 

2.  Die  Scorpionfliegen  {Patioqta)  zeichnen  sich  durch  die  schnabel- 
artige Verlängerung  des  Kopfes  aus,  das  Männchen  ausserdem  besonders 
durch  das  Vorhandensein  einer  Greifzange  am  Ende  des  Hinterleibs, 
welche  ähnlich  wie  der  Gifthaken  der  Scorpione  nach  oben  gebogen  getragen 
wird.  Flügel  schmal,  gleichartig,  Körper  und  Beine  schlank.  Lebhafte 
Räuber  (Länge  etwa  10  mm).  Larve  (mit  Afterfüssen)  lebt  in  der  Erde 
von  verwesenden  Stoffen.  P.  cotnmunw  im  Sommer  überall  häufig.  —  Mit 
jenen  verwandt  ist  der  springende,  flügellose  (mit  Flügelrudimenten  aus- 
gestattete) Gletschergast  (Boreus  hiettuilis),  ungef.  4  mm  lang,  welcher 
von  October  bis  März  als  Iinago  vorkommt  und  zuweilen  sogar  an  Gletschern 
angetroffen  wird.  Larve  derjenigen  der  Scorpionfliegen  ähnlich.  In  Deutsch- 
land, selten. 

3.  Die  Köcherfliegen  (Gatt.  Phryganea  u.  a.).  Die  Flügel  sind 
behaart  oder  beschuppt,  die  Hinterflügel,  welche  breiter  sind  als  die  Vor- 
derflügel, werden  unter  letzteren  fächerförmig  zusammengefaltet;  das  Rippen- 
netz ist  weniger  als  bei  den  Ameisenlöwen  entwickelt.  Die  Antennen  sind 
lang,  die  Mundtheile  rudimentär,  unbrauchbar.  —  Die  Larven  leben  im 
Wasser ;  es  Bind  Thiere  mit  einem  langen,  cylindrischen,  an  den  Seiten  mit 
fadenförmigen  Tracheenkiemen  ausgestatteten  Hinterleib,  den  sie  in  einer 
aus  Pflanzentheilen,  Schneckengehäusen  oder  Steinchen  gebildeten,  zuweilen 
sehr  regelmässig  gebauten  Röhre  bergen ;  die  Theilchen  der  Röhre  werden 
durch  ein  Gespinnst  zusammengehalten.  Wenn  sie  umherwandern,  stecken 
Kopf,  Beine  und  Brust  aus  der  Röhre  hervor ;  sie  Bind  an  der  Röhre  mittels 
zweier  hakenförmiger  Schwanzraife  und  einige  durch  plumpe  Auswüchse 
am  1 .  Hinterleibssegment  festgeheftet.  (Bei  einigen  ist  die  Röhre  an  frem- 
den Gegenständen,  grösseren  Steinen  u.  dergl.  befestigt.)  Vor  der  Ver- 
puppung schliesst  die  Larve  die  Röhre  mit  einem  Netz  von  Fäden,  nach- 
dem sie  dieselbe  zuerst  an  einem  Gegenstand  im  Wasser  angeheftet  hat; 
die  Puppe  besitzt  ebenso  wie  die  Larve  Tracheenkiemen. 

Zu  den  Netzflüglern  wird  von  Einigen  die  kleine  Gruppe  der  Strepsiptera 
gerechnet,  deren  systematische  Stellung  übrigens  zweifelhaft  ist.  Als 
Larven  werden  die  Thiere  (Gatt.  Xenos,  Stylops  etc.)  in  der  Larve  und 
später  in  der  Imago  von  Bienen  und  Wespen  gefunden,  indem  der  Wirth 
sich  trotz  des  Vorhandenseins  des  Schmarotzers  metamorphosirt.  Vor  ihrer 
Verpuppung  schiebt  die  Strepsipterenlarve  sich  zwischen  zwei  Hinterleibs- 
ringen des  Wirths  halbwegs  hinaus,  und  hier  findet  man  dann  die  Puppe 
mit  einem  Ende  hervorstehend.  Die  Geschlechter  sind  äusserst  verschieden ; 
das  Männchen  ist  mit  wohlentwickelten  Augen  und  Beinen  (ohne  Krallen) 

18* 


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276 


Specieller  Theil. 


und  grossen  Hinterflügeln  ausgestattet,  welche  der  Länge  nach  gefaltet 
werden  können,  während  die  Vorderflügel  ganz  rudimentär  sind;  das  Weib- 
chen ist  madenförmig,  ohne  Gliedinaaasen,  Flügel  und  Augen,  es  verläast 
den  Körper  des  Wirths  nicht,  sondern  streckt  nur  einen  Theil  des  Körpers 
hervor,  und  wird  hier  vom  Männchen  aufgesucht  und  befruchtet.   Die  Larven 


/  2  3  4  5 


Fig.  200.  1—4  Xenos  Ro$$ii,  5  X.  Peckii.  1  Neugeborene  Larve,  2  erwachsene  weib- 
liche Larve,  3  Weibchen  (Imago),  4  erwachsene  männliche  Larve,  5  Mttntichen  (a  Vorder- 
flügel). —  1-4  nach  v.  Siebold,  5  nach  Kirby. 

entwickeln  sich  schon  im  mütterlichen  Körper  und  werden  als  sechsbeinige 
Larven  geboren,  welche  sich  lebhaft  auf  dem  Körper  des  Wirths  umher- 
bewegen, um  sich  nachher  in  die  Larven  des  letzteren  einzubohren ;  in  diese 
gelangt,  werden  sie  madenförmig.  (8owohl  der  Larve  als  dem  ausgebildeten 
Weibchen  geht  ein  After  ab.) 

4.  Ordnung.    Käfer  (Coleoptera). 

Die  Käfer  haben  eine  vollkommene  Verwandlung,  beis- 
sendeMundtheile,  und  die  Vorderflügel  sind  zu  Flügeldecken 
umgebildet.  Das  Hautskelet  ist  in  der  Regel  sehr  fest,  oft  lebhaft 
gefärbt.  Der  Kopf,  welcher  theil  weise  in  eine  Aushöhlung  an  der 
Vorderbrust  eingesenkt  ist,  trägt  ein  Paar  zusammengesetzte  Augen 
von  verschiedener  Form;  zuweilen  sind  die  Augen  nierenformig ,  mit 
einer  Einbuchtung  am  Vorderrand,  welche  bei  einzelnen  so  tief  ist, 
dass  sie  dadurch  in  je  ein  oberes  und  unteres  Stück  getheilt  werden, 
so  dass  zwei  zusammengesetzte  Augen  jederseits  vorhanden  sind. 
Punktaugen  fehlen  fast  immer.  Die  Antennen  bestehen  in  der  Regel 
aus  11  Gliedern,  die  Zahl  kann  aber  bis  ungefähr  30  steigen  und 
bis  4  sinken ;  sie  besitzen  bei  verschiedenen  Käfern  sehr  verschiedene 
Formen.  Die  Vorderkiefer  haben  je  nach  der  verschiedenartigen 
Nahrung  eine  verschiedene  Form :  schlank  bei  Räubern,  plumper  bei 
Pflanzenfressern;  die  Mittelkiefertaster  sind  in  der  Regel  4-,  die 
Lippentaster  3gliedrig ;  das  Kinn  ist  in  der  Regel  eine  wohlentwickelte, 
fest  cbitinisirte  Platte,  während  der  übrige  Theil  der  Unterlippe,  die 
Taster  ausgenommen,  häufig  nur  schwach  entwickelt  ist.  Die  Vorder- 
brust ist  gross,  stark  chitinisirt,  mit  der  Mittelbrust  stets  beweglich 
verbunden ;  zwischen  Vorder-  und  Mittelbrust  eine  tiefe  Einschnürung. 
Mittel-  und  Hinterbrust,  von  welchen  letztere  am  stärksten  entwickelt 
ist,  sind  unbeweglich  verbunden ;  sie  sind  oben  von  den  Flügeldecken 


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Gliederfüssler.  3.  Claese:  Insekten. 


277 


überdeckt,  welche  nur  eine  kleine  dreieckige  Partie  der  Mittelbrust 
(das  „Schildchen",  Scutellum)  unbedeckt  lassen  (der  vorderste  Theil 
der  Mittelbrust  ist  vom  Hinterrand  der  Vorderbrust  überdeckt).  Die 
Füsse  sind  meistens  ögliedrig,  hiervon  giebt  es  jedoch  nicht  wenige 
Ausnahmen.  Die  Vorderflügel  sind  Flügeldecken,  welche  meistens 
in  der  Buhe  in  einer  Naht  längs  der  Mittellinie  des  Rückens  zu- 
sammenstossen  und  daselbst  sogar  in  einander  gefalzt  sein  können, 
während  ihre  seitlichen  Ränder  um  den  Seitenrand  des  Körpers  her- 
umgreifen; sie  bilden  somit  eine  sehr  vollkommene  Decke  nicht  nur 
über  den  Hinterflügeln,  sondern  auch  über  der  Rückenseite  der  Mittel- 
und  Hinterbrust  und  in  der  Regel  des  grössten  Theiles  des  Hinter- 
leibs; sie  sind  gewöhnlich  sehr  fest.  Seltener  sind  die  Flügeldecken 
verkürzt,  so  dass  ein  grösserer  Theil  des  Hinterleibs  unbedeckt  bleibt; 
bei  einzelnen  stossen  sie  nicht  in  der  Mittellinie  zusammen,  sondern 
greifen  über  einander  über.  Die  Hinterflügel  sind  echte,  dünne  und 
häutige  Flügel,  mit  spärlichem  Rippennetz;  sie  sind  in  der  Ruhe 
meistens  nicht  nur  der  Länge ,  sondern  auch  der  Quere  nach  zu- 
sammengefaltet. Die  Hinterflügel  sind  übrigens  bei  nicht  wenigen 
Käfern  rudimentär  oder  fehlen,  trotzdem  sind  aber  in  der  Regel  die 
Flügeldecken  ebenso  wohl  entwickelt  wie  sonst,  indem  sie  als  Decke 
des  Hinterleibs  dienen;  nur  bei  sehr  wenigen  fehlen  beide  Flügel- 
paare. Die  Hinterleibsringe  sind  in  je  einen  Rücken-  und  Bauch- 
halbring getheilt.  welche  häufig  etwas  gegen  einander  verschoben 
sind;  stets  sind  die  Bauchhalbringe  in  geringerer  Anzahl  (4 — 7)  als 
die  Rückenhalbringe  (in  der  Regel  8)  vorhanden;  letztere  sind,  so 
weit  sie  von  den  Flügeldecken  bedeckt  sind,  weniger  stark  chitinisirt, 
die  Rückenseite  des  Hinterleibs  somit  weicher  als  die  Bauchseite.  — 
Die  Larven  sind  sehr  verschieden;  in  der  Regel  besitzen  sie  Beine, 
sie  können  aber  auch  Maden  sein. 

Von  dieser  ausserordentlich  grossen  Ordnung  führen  wir  im 
Folgenden  nur  einige  der  wichtigsten  Familien  auf. 

1.  Die  Laufkäfer  (Girabida* :  Gattung  Carabus  u.  viele  a.)  sind 
lebhafte,  schlanke,  in  der  Regel  dunkelgefärbte  Thiere  mit  langen  kräftigen 
Beinen.  Antennen  fadenförmig,  Vorderkiefer  schlank,  vorstehend,  Mittel- 
kiefer mit  zweigliedriger  Aussenlade ;  die  drei  ersten  Bauchhalbringe  des 
Hinterleibs  mit  einander  verwachsen.  Beim  Männchen  sind  die  Vorder- 
füsse  sehr  oft  unten  breit  und  filzig  (um  das  Weibchen  festzuhalten),  übrigens 
sind  die  Füsse  lang  und  dünn.  Bei  nicht  wenigen  sind  die  Hinterfliigol 
rudimentär.  Die  Larven,  welche  ebenso  wie  die  ausgebildeten  Thiere  fast 
immer  ein  räuberisches  Leben  führen,  sind  in  der  Regel  dunkelgefärbte 
Thiere  mit  einer  Gruppe  Punktaugen  auf  jeder  Seite  und  mit  wohlent- 
wickelten, mit  je  zwei  Krallen  ausgestatteten  Beinen  (bei  anderen  Käfer- 
larven ist  in  der  Regel  nur  eine  Kralle  an  jedem  Fuss  vorhanden).  —  Die 
Sandkäfer  (Oicindela)  sind  kleine  Laufkäfer,  welche  sich  durch  lebhafte 
Farben  (grün  etc.)  und  besonders  dadurch  auszeichnen,  dass  die  Larve, 
welche  hinten  auf  der  Rückenseite  mit  einem  Paar  Haken  ausgestattet  und 
blasser  ist,  als  es  bei  Laufkäferlarven  in  der  Regel  der  Fall  ist,  in  einer 
Röhre  in  der  Erde  lebt,  wo  sie  auf  Beute  lauert.  —  Als  ein  speciell  zum 
Wasserleben  entwickelter  Laufkäfertypus  sind  die  Schwimmkäfer  (Gatt. 
Ihjtiscits  u.  a.)  aufzufassen,  welche  in  den  meisten  Beziehungen  mit  den 
Laufkäfern  übereinstimmen,  von  diesen  aber  dadurch  ahweichen,  dass  der 
Körper  breit,  oval  ist,  und  dass  die  Hinterbeine  zu  Schwimmwerkzeugen 
umgebildet  erscheinen,  indem  die  Füsse  breit  und  am  Rande  behaart  sind. 


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27R 


Specieller  Theil. 


Beim  Männchen  sind  die  drei  ersten  Glieder  der  Vorderfüsse  noch  breiter 
als  bei  den  Laufkäfern  und  mit  Saugnäpfchen  (umgebildeten  Haaren)  an  der 
Unterseite  versehen.  Sie  kommen  an  die  Oberfläche,  um  zu  athmen ;  in 
der  Nacht  verlassen  sie  häufig  das  Wasser  und  fliegen  umher.  Die  Larven, 
welche  ebenfalls  im  Wasser  leben,  sind  schlanke  Thiere  mit  am  Rande 
behaarten  Beinen ;  ihre  am  meisten  hervortretende  Eigenthümlichkeit  besteht 
darin,  dass  die  langen  dünnen  Vorderkiefer  von  einem  feinen  Kanal  durch- 
bohrt sind,  welcher  sich  an  der  Spitze  und  am  entgegengesetzten  Ende  in 
die  Mundhöhle  öffnet  (eigentlich  ist  der  Kanal  eine  Rinne  mit  an  einander 
gelegten  Rändern;  vergl.  den  Giftzahn  der  Schlangen),  während  die 
Mundöffnung  sonst  geschlossen  ist.    Mit  den  Vorderkiefern  wird  die  Beute 


1  2  3  4  5 


Fig.  201.    /  Prachtkäfer,  2  Taumelkäfer,  3  Kurzflügler,  4-5  Johanniswürmchen,  ö* 
und  Larve.  —  Nach  Taechenberg. 


ausgesogen.  —  Mit  den  Schwimmkäfern  verwandt  ist  eine  andere  Gruppe 
von  Wasserinsekten,  die  Taumelkäfer  (Gt/rinm),  kleine  Insekten,  welche 
im  Sonnenschein  häufig  an  der  Oberfläche  des  Wassers  lebhaft  umher- 
schwimmen. 8ie  sind  in  mehreren  Beziehungen  ausgezeichnet:  die  Mittel- 
und  Hinterbeine  sind  zu  kurzen,  breiten,  abgeplatteten,  flossenähnlichen 
8chwimmwerkzeugen  umgebildet,  während  die  längeren  Vorderbeine  eine 
normalere  Form  besitzen  und  als  Klammerworkzeuge  etc.  verwendet  werden, 
wenn  das  Thier  im  Wasser  untergetaucht  ist.  Die  Augen  sind  in  je  ein 
oberes  und  ein  unteres  getheilt,  von  welchen  jenes  nach  oben,  letzteres 
nach  unten  sieht.  Die  Larven  stimmen  mit  denen  der  Schwimmkäfer 
in  Bezug  auf  den  Bau  der  Vorderkiefer  etc.,  unterscheiden  sich  aber  dadurch, 
dass  sie  geschlossene  Stigmen  und  eine  Reihe  fadenförmiger  Kiemen  längs 
der  Seiten  des  Hinterleibs  besitzen. 

2.  Die  Kurzflügler  ( Staphylinidae :  Gatt.  Stophylinus  u.  a.)  zeichnen 
sich  besonders  dadurch  aus,  dass  die  Flügeldecken  sehr  verkürzt  sind,  so 
dass  der  grössere  Theil  des  sehr  beweglichen  und  auch  oben  stark  chitini- 
sirten  Hinterleibs  unbedekt  ist ;  die  Hinterflügel  sind  zwei  Mal  in  die  Quere 
zusammengelegt,  um  unter  den  Flügeldecken  Platz  zu  finden.  Der  Körper 
gestreckt,  Fühler  faden-  oder  schwach  keulenförmig.  Die  meisten  leben  im 
ausgebildeten  Zustande  von  verwesenden  Pflanzen-  und  Thierstoffen.  Die 
Larven  sind  denen  der  Laubkäfer  ähnlich,  besitzen  aber  an  jedem  Fuss 
nur  eine  Kralle  (oder  richtiger:  das  Fussglied  selbst  ist  zugespitzt);  sie 
sind  mit  zwei  gegliederten  Raifen  versehen,  und  der  After  sitzt  auf  einem 
röhrenartigen  Fortsatz.  Sie  leben  in  ähnlicher  Weise  wie  die  Erwachsenen 
oder  vom  Raub.    Ausserordentlich  artenreiche  Käferfamilie. 

3.  Die  Aaskäfer  (Silphidae)  haben  keulenförmige  oder  wenigstens 
gegen  die  Spitze  hin  verdickte  Antennen.    Die  Flügeldecken  bedecken  bei 


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Gliederfüßler.  3.  ülawe:  Insekten. 


279 


einigen  den  ganzen  Hinterleib,  bei  anderen  ist  das  Ende  desselben  unbe- 
deckt. Sie  ernähren  sich  hauptsächlich  von  Aas.  Hierher  gehört  die  Gatt. 
Süpha  (Aaskäfer  im  engeren  Sinne)  mit  schwach  keulenförmigen  Antennen, 
den  ganzen  Hinterleib  überdeckenden  Flügeldecken  und  von  abgeplatteter 
ovaler  Körperform ;  die  Larven  sind  breit  und  abgeplattet,  fest  chitinisirt, 
streifen  frei  umher;  sowohl  die  Larven  als  die  Erwachsenen  ernähren  sich 
in  der  Segel  von  todten  Thieren,  welche  sie  aufsuchen.  Ferner  die 
Todtengräber  (Xecrophoru*)  mit  ausgeprägten  keulenförmigen  Fühlern, 
langgestrecktem  Körper  und  abgestutzten,  meiBt  schwarz  und  roth  gebän- 
derten Flügeldecken,  welche  das  Hinterende  des  Körpers  unbedeckt  lassen 
(  sie  erzeugen  einen  Laut,  indem  sie  die  Rückenseite  des  5.  Hinterleibsringes, 
welche  mit  zwei  quergeriefelten  Feldern  versehen  ist,  gegen  den  Hinterrand 
der  Flügeldecken  reiben);  sie  vergraben,  mehrere  vereint,  die  Leichen 
kleiner  Säugethiere  u.  Ae.,  indem  sie  die  Erde  unterhalb  derselben  entfernen, 
und  legen  dann  ihre  Eier  an  denselben  ab  ;  die  Larven  sind  blass  und  plump, 
jedoch  mit  Beinen  und  Augen  ausgestattet,  und  ernähren  sich  von  dem 
durch  die  Fürsorge  der  Eltern  vergrabenen  Aas ,  streifen  nicht  wie  die 
Silpha-Larven  umher. 

4.  Die  Speckkäfer  (Derniestidae :  Gatt.  Denncstes  u.  a.)  sind  kleine 
mit  gekeulten  Fühlern  ausgestattete  Insekten,  deren  Körperoberfläche  in 
grösserer  oder  kleinerer  Ausdehnung  mit  kurzen  anliegenden  Haaren  bedeckt 
ist.  Die  Larven  sind  mit  zahlreichen  aufgerichteten  Haaren  versehen ;  die 
Puppe  bleibt  in  der  geplatzten  Larvenhaut  liegen,  welche  somit  als  Puppen- 
hülle dient.  Die  Speckkäfer  und  ihre  Larven  ernähren  sich  von  todten 
thierischen  Stoffen  und  sind  häufig  Wollen-  und  Pelzwaaren,  Museumsgegen- 
ständen etc.  verderblich. 

5 .  Die  Blatthornkäfer  ( Scarabaeidae  oder  La mdlicornia)  sind  eine 
sehr  artenreiche  Käferfamilie,  welche  eine  Fülle  prächtiger  und  ausgezeich- 
neter Formen  enthält.  Die  letzten  (drei  bis  mehrere)  Glieder  der  Fühler 
bilden  eine  Blätterkeule :  jedes  der  betreffenden  Glieder  ist  nach  einer  Seite 
blattartig  verbreitert,  und  die  Blätter  bilden,  wenn  sie  aneinander  gelegt 
worden,  zusammen  eine  keulenförmige  Anschwellung.  Die  Augen  haben 
vorn  einen  tiefen  Einschnitt,  in  welchen  der  Seitenrand  des  Kopfes  sich 
fortsetzt.  Die  Vorderbeine  sind  mehr  oder  weniger  ausgeprägte  Grabbeine, 
mit  abgeplatteten  und  stacheligen  Schienen  und  walzenförmigen  Hüften; 
die  Vorderbrust  ist  zu  demselben  Zweck  sehr  kräftig  entwickelt.  Der 
ganze  Körper  gewöhnlich  ziemlich  plump.  Die  Männchen  sind  oft  von  den 
Weibchen  sehr  abweichend  mit  Auswüchsen  am  Kopf  und  an  der  Vorder- 
brust etc.  Die  Larven  sind  weisslich  (mit  Ausnahme  des  stark  chitini- 
sirten  Kopfes),  fett,  dünnhäutig,  spärlich  behaart,  in  der  Regel  blind;  die 
Beine  ziemlich  schwach,  der  Hinterleib  wurstförmig  gekrümmt;  das  Ende 
desselben  oft  sackförmig  angeschwollen.  Sowohl  die  Larven  als  die  Er- 
wachsenen sind  Pflanzen-  oder  Mistfresser.  Zu  dieser  Familie  gehören  unter 
anderen  folgende:  Der  Maikäfer  (Mdolontha  vulgaris),  das  Männchen  vom 
Weibchen  durch  grössere  Fühlerkeule  unterschieden;  die  Larve  lebt  von 
Wurzeln,  die  Imago  von  Blättern ;  die  ganze  Lebensdauer  des  Thieres  in 
Norddeut8chland  beträgt  4,  in  Süddeutschland  3  Jahre.  Die  Rosen- 
käfer (Cetonia)  sind  glänzend  grün;  Flügeldecken  mit  einer  Ausbuchtung 
am  Seitenrand,  so  dass  das  Thier,  nachdem  es  die  Hinterflügel  ausgebreitet 
hat,  die  Flügeldecken  wieder  auf  dem  Rücken  zusammenlegen  und  mit 
zusammengeklappten  Flügeldecken  umherfliegen  kann ;  die  Larve  lebt  in  faulem 
Holz.  Der  Nashornkäfer  {Oryctts  nasicornis)  ist  ein  grosser  brauner 
Blatthornkäfer,  dessen  Männchen  einen  grossen  Fortsatz  am  Kopfe  trägt; 


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Speoieller  Theil. 


die  Larve  in  Gerberlohe  und  dergl.  Die  Mistkäfer  (Coprophaga)  leben 
als  Larven  meistens  vom  Mist  der  Hnfsäugethiere :  die  Larven  und  Erwach- 
senen der  Gatt.  Aphodius  werden  z.  B.  hänfig  in  Kuhdünger  gefunden;  das 
Weibchen  der  Gatt.  Coprü  gräbt  Löcher  in  die  Erde,  legt  in  jedes  ein  Ei 
und  einen  Mistklumpen  als  Nahrung  ftir  die  dem  Ei  entschlüpfende  Larve. 
Die  Bosskäfer  (Geotrupcs),  plumpe,  blaugefarbte  Thiere,  deren  Augen 
vollständig  in  ein  oberes  und  ein  unteres  Stück  getheilt  sind,  und  mit 
kräftigen  Grabbeinen;  sie  fuhren  eine  ähnliche  Lebensweise  wie  die  letzt- 
genannten Mistkäfer.  Der  Hirschkäfer  (Lucanus  cerrttx)  ist  der  statt- 
lichste deutsche  Käfer;  das  Männchen  hat  einen  grossen  viereckigen  Kopf 
und  kolossale,  geweihähnliche  Vorderkiefer,  welche  übrigens  sehr  in  der 
Grösse  variiren;  die  Fühler  sind  „gebrochen",  mit  langem  Schaftglied,  die 
Keule  kammartig,  indem  die  Fortsätze  der  Keulenglieder  nicht  blattartig, 
sondern  zahnähnlich  sind  und  nicht  dicht  zusammengelegt  werden;  die 
Larve  in  faulem  Eichenholz.  Häufiger  ist  der  verwandte  kleinere  Balken- 
schröter (Dörens  paraüelepipedus),  bei  welchem  die  Vorderkiefer  des  Mann- 
chens nur  sehr  wenig  vergrössert  sind;  Larve  in  morschem  Buchenholz. 

6.  Die  Schnellkäfer  {Elatcridac:  Gatt.  FAater  u.  a.)  sind  gewöhn- 
lich kleinere  Thiere  von  abgeplatteter,  langgestreckt  -  ovaler  Körperform. 
Die  Vorderbrust  ist  lang,  mit  der  Mittelbrust  sehr  beweglich  verbunden ; 
ein  hinten  von  der  Vorderbrust  entspringender  Stachel  greift  in  eine  Grube 
der  Mittelbrust  ein;  wenn  das  Thier  die  Vorderbrust  nach  oben  hebt,  wird 
dieser  Stachel  (oder  richtiger  ein  kleiner  Vorsprung  desselben)  gleichzeitig 
gegen  den  Band  der  Grube  gestemmt,  und  wenn  dann  das  Thier  plötzlich 
den  Stachel  in  die  Grube  zurückgleiten  läset,  so  schlägt  es  gewaltsam 
gegen  die  Unterlage  und  schnellt  hoch  empor  (das  Emporschnellen  findet 
sowohl  bei  Bücken-  als  bei  Bauchlage  des  Thieres  statt).  Der  Kopf 
ist  tief  in  die  Vorderbrust  hineingesenkt,  die  Fühler  sind  gesägt  oder 
gekämmt.  Die  Larven  („Drahtwürmer")  sind  gestreckte,  zuweilen  fast 
drahtförmige,  fest  chitinisirte  Thiere  mit  Beinen,  aber  ohne  Augen;  letztes 
Segment  gross,  verschieden  geformt;  sie  sind  hauptsächlich  Pflanzen- 
fresser. —  Die  Frachtkäfer  (Buprestidae :  Gatt.  Buprestia  u.  a.)  sind  mit 
den  Schnellkäfern  verwandt,  denen  sie  in  Leibesform,  in  den  Verhältnissen 
des  Kopfes  und  der  gesägten  Fühler  ähnlich  sind;  sie  unterscheiden  sich 
aber  unter  Anderem  dadurch,  dass  ihnen  der  Springapparat  abgeht.  Die 
Larven  sind  weisslich,  blind,  gliedmaassenlos,  die  Vorderbrust,  in  welche 
der  grössere  Theil  des  Kopfes  eingesenkt  ist,  meistens  sehr  gross  und  breit, 
der  Hinterleib  schmal;  sie  leben  gewöhnlich  in  und  von  Holz,  ungefähr 
wie  die  Bockkäfer-Larven,  denen  sie  sehr  ähnlich  sind.  Die  Prachtkäfer 
sind  besonders  in  den  Tropen  reich  vertreten;  daselbst  findet  man  grosse 
prächtige  Formen,  in  den  Ländern  der  gemässigten  Zone  kommen  nur 
relativ  wenige,  meist  kleinere  Formen  vor. 

7.  Die  Weichflügler  (Malacodermaia)  zeichnen  sich  besonders  da- 
durch aus,  dass  ihr  Hautskelet  eine  für  Käfer  ungewöhnlich  weiche  Beschaffen- 
heit hat,  so  dass  z.  B.  die  Flügeldecken  sich  beim  Eintrocknen  krümmen. 
Der  Kopf  ist  meistens  mehr  oder  weniger  unter  dem  Vorderrand  der 
breiten,  schildförmigen  Vorderbrust  verborgen.  Die  Flügeldecken  schliessen 
weniger  eng  an  den  Körper  als  gewöhnlich.  Hierher  die  in  Deutschland 
durch  ein  paar  Arten  vertretenen  Johanniswürmchen  oder  Leucht- 
käfer (Lamptjris),  bei  welchen  der  Kopf  oben  ganz  von  der  Vorderbrust 
bedeckt  ist,  dem  Weibchen  fehlen  sowohl  Vorder-  als  Hinterflügel,  so  dass 
es  larvenähnlich  erscheint :  sowohl  die  Erwachsenen  (beide  Geschlechter) 
als  die  Larve  (welche  sich  von  Schnecken  ernährt)  haben  Leuchtorgane  auf 


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Gliederfüssler.  3.  Clane:  Insekten. 


281 


der  Unterseite  des  Hinterleibs.  Bei  der  verwandten  Gattung  Tdephorus 
( welcher  nicht  leuchtet)  steht  der  Kopf  frei  hervor ;  mehrere  Arten  kommen 
im  Sommer  auf  Blumen  ungemein  häufig  vor. 

8.  Die  Pflasterkäfer  ( Vcsicanha)  sind  heteromere  Käfer,  d.  h. 
die  Füsse  der  Vorder«  und  Mittelbeine  sind  5  gliedrig ,  die  der  Hinterbeine 
4gliedrig1).  Der  Kopf  ist  hinten  halsartig  eingeschnürt,  die  Vorderbrust 
schmaler  als  die  Flügeldecken,  welche  weniger  fest  als  bei  den  meisten 
anderen  Käfern  sind.  Die  Krallen  sind  gespalten.  Im  Körper  sind  blasen- 
ziehende Stoffe  enthalten.  Die  Larven  leben  in  den  Nestern  verschiedener 
Bienen,  und  verzehren  die  von  diesen  für  ihre  Brut  eingesammelte  Nahrung. 
Hierzu  gehören  die  Oelkäfer  (Mehe),  welche  keine  Hinterflügel  haben,  und 
deren  kurze  Flügeldecken  nicht  an  einander  stossen,  sondern  mit  den  Innen- 
rändern über  einander  greifen.  Die  Oelkäfer  legen  ihre  Eier  in  Erdlöcher ; 
die  neugeborenen,  mit  Augen  und  wohlentwickelten  Beinen  ausgestatteten 
Larven  kriechen  auf  Pflanzen  hinauf,  heften  sich  gewissen  Bienen  an 
und  kommen  mit  denselben  in  ihre  Nester  hinein ;  in  dem  Augenblick,  wo 
die  Biene  ein  Ei  ablegt,  verlässt  die  Oelkäfer-Larve  diese  und  bleibt  in 
der  Bienenzelle,  wo  sie  zuerst  das  Ei  auffrisst,  nachher  ihre  Form  ändert 
und  sich  zu  einem  plumpen,  blinden,  kurzbeinigen  Geschöpf  umbildet,  welches 
den  für  die  Bienenlarve  bestimmten  Vorrath  verzehrt.  Ferner  die  Spanische 
Fliege  {Lytta  vesicatoria),  ein  schöner,  smaragdgrüner  Käfer  mit  wohlent- 
wickelten Flügeldecken  und  Hinterflügeln ;  die  Entwicklung  ähnlich  wie  bei 
den  Oelkäfern.  In  Deutschland  ebenso  wie  die  Oelkäfer  häufig.  —  Zu  einer 
andern  Familie  der  heteromeren  Käfer  gehört  der  Mehlkäfer  (Tembrio 
molilor),  ein  braunes,  längliches,  laufkäferähnliches  Thier,  dessen  den  Schnell- 
käferlarven ähnliche  Larve  in  Mehl  und  Korn  lebt  und  unter  dem 
Namen  „Mehlwurm"  allbekannt  ist. 

9.  Die  Bockkäfer  (CerambyeUlae :  Gatt.  Cei'ambtp:  u.a.).  Die  breiten 
Füsse  sind  anscheinend  nur  4gliedrig,  indem  das  vorletzte  Glied  kurz  und 
schwierig  zu  sehen  ist  (Käfer  mit  dieser  Fussform  werden  als  crypto- 
pentamer  bezeichnet).  Es  sind  meistens  grössere  Insekten  mit  gestrecktem 
Körper,  langen  Fühlern  (besonders  bei  den  Männchen  sind  die  Fühler  oft 
sehr  stattlich  entwickelt),  ausgerandeten  Augen.  Die  Larven,  welche  Bich 
im  Holz  lebender  und  (besonders)  todter  Bäume  aufhalten  und  darin  lange 
Gänge  ausnagen,  sind  weisslich,  gestreckt,  etwas  abgeplattet,  vorn  etwas 
breiter,  ohne  Augen  (oder  mit  undeutlich  ausgebildeten  Augen),  mit  Behr 
kleinen  Beinen.  —  Mit  den  Bockkäfern  nahe  verwandt,  beim  ersten  Anblick 
allerdings  in  der  Regel  sehr  abweichend,  sind  die  Blattkäfer  (Chryso- 
inclidac),  welche  dieselbe  Fussform  wie  die  Bockkäfer  besitzen.  Der  Körper 
ist  in  der  Hegel  bei  den  Blattkäfern  plump  und  stark  gewölbt,  der  Kopf 
mehr  oder  weniger  von  der  Vorderbrust  bedeckt,  die  Fühler  kürzer  als 
der  Körper,  die  Farben  lebhaft ;  aber  auch  mehr  gestreckte,  den  Bockkäfern 
ahnliche  Formen  kommen  vor  (Rohrkäfer,  Doitacia).  Die  Larven  sind 
meistens  gefärbt,  mit  Augen  und  wohlentwickelten  Gliedmaassen,  die  meisten 
leben  auf  und  von  Blättern. 

10.  Die  Rüsselkäfer  (Cwculümidae:  Gatt.  Ourculio  u.  a.)  haben 
dieselbe  Fussform  wie  die  Bockkäfer.  Es  sind  in  der  Regel  kleine  Insekten, 
deren  Kopf  vorne  in  einen  kürzeren  oder  längeren  rüsselähnlichen  Fortsatz  ver- 
längert ist,  an  dessen  Spitze  die  kleinen,  aber  wohlentwickelten  Mundtheile  sich 
befinden.  Die  Antennen  sind  keulenförmig  und  in  der  Regel  gebrochen,  mit  einem 
langen  Schaftglied.    Die  Flügeldecken  umfassen  den  Rand  des  Hinterleibs  ; 

•)  Die  im  Vorhergehenden  erwähnten  Käferfamilien  haben  in  der  Regel 
ögliedrige  Füsse  an  allen  Beinen  und  werden  als  pentamore  Käfer  bezeichnet. 


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282 


Specieller  Theil. 


die  Hinterflügel  fehlen  nicht  selten.  Hautekelet  meistens  sehr  fest.  Die 
Larven  sind  fasslose,  gekrümmte,  (mit  Ausnahme  des  braunen  Kopfes) 
weissliche,  in  der  Regel  blinde  Kaden.  Sowohl  die  Larven  als  die  Er- 
wachsenen ernähren  sich  von  pflanzlicher  Nahrung  (Blättern,  Binde,  Holz, 
Wurzeln) ;  die  Larve  lebt  immer  versteckt.  Zahlreiche  Gattungen  und 
Arten  auch  in  Deutschland.  —  Nahe  verwandt  sind  die  Borkenkäfer 
(Tomindne),  kleine  cylindrische  Käfer  mit  kurzem,  rüssellosem  Kopfe  (dies 
ist  der  wesentlichste  Unterschied  von  den  Küsselkäfern),  kurzen,  gebrochenen 
Fühlern  mit  dicker  Keule  und  nierenfÖrmigen  Augen ;  die  Larve  denen  der 
Rüsselkäfer  ähnlich1).  Vor  der  Eiablage  nagt  das  Weibchen  sich  in  der 
Regel  durch  die  Rinde  eines  kränkelnden  oder  kürzlich  abgestorbenen, 
noch  einigertnaassen  saftreichen  (seltener  ganz  gesunden)  Baumes  ein, 
friast  eich  dann  an  der  Grenze  von  Holz  und  Rinde  einen  längeren 
oder  kürzeren  „Muttergang"  und  legt  längs  der  Seiten  des  letzteren  eine 
Anzahl  Eier  ab,  welche  in  je  einer  vom  Weibchen  genagten  kleinen  Ver- 
tiefung angebracht  werden ;  wenn  die  Larve  nachher  aus  dem  Eie  ausge- 
schlüpft ist,  so  frisst  sie  sich  später  von  dieser  Stelle  aus  einen  Gang, 
welcher  allmählich  verlängert  wird  und  gleichzeitig  in  dem  Maasse,  wie  die 
Larve  grösser  wird,  an  Breite  zunimmt;  die  Larvengänge  gehen  meistens 
ungefähr  winkelrecht  von  dem  Muttergange  ab  und  verlaufen  ebenso  wie 
dieser  auf  der  Grenze  von  Holzkörper  und  Rinde.  Von  diesem  typischen 
Frassbild  giebt  es  übrigens  allerlei  Abweichungen  bei  den  verschiedenen 
Formen.  Zu  den  Borkenkäfern  gehören  einige  der  allergefahrlichsten  Feinde 
der  Forstwirtschaft  (namentlich  der  Nadelholzkultur) :  Tomicus  typograpktis 
(Buchdrucker)  und  manche  andere,  welche  zuweilen  durch  eine  von  äusseren 
Umständen  (z.  B.  Windbrüchen,  welche  ihnen  ein  grosses  passendes  Brut- 
material darbieten)  bedingte  massenhafte  Vermehrung  im  Laufe  kurzer  Zeit 
ungeheuren  Schaden  anrichten  können ;  ihre  Schädlichkeit  ist  weniger  durch 
ihr  normales  Brutgeschäft  als  dadurch  bedingt,  dass  sie,  wenn  sie  einmal 
in  grosser  Anzahl  aufgetreten  sind,  auch  gesunde  Bäume  mit  ihren  Eiern 
belegen;  auch  werden  die  Erwachsenen  einiger  Arten  durch  Ausfressen 
junger  Sprossen  (Hyleninus  phiiperda),  durch  Benagen  von  Wurzeln  junger 
Pflanzen  etc.  schädlich. 

11.  Die  Marienkäferchen  (Coct-ineUidae)  haben  scheinbar  nur 
drei  Glieder  in  jedem  Fuss,  thatsächlich  aber  vier,  von  welchem  das  vorletzte 
sehr  kurz  ist  (cryptotetramere  Käfer).  Es  sind  kleine,  oft  fast  halb- 
kuglige  oder  wenig  ovale,  gewölbte  Käfer;  der  Kopf  ist  kurz,  in  die  Vor- 
derbrust eingesenkt,  mit  kurzen  gekeulten  Fühlern;  die  Beine  sind  kurz. 
Die  Larven  sind  denen  der  Blattkäfer  ähnlich  (auch  die  Imagines  gleichen 
manchen  Blattkäfern),  sind  aber,  ebenso  wie  die  vollkommenen  Insekten,  in 
der  Regel  Räuber,  welche  Blattläusen  u.  dergl.  nachstellen. 

5.  Ordnung.    Hautflügler  (Hymenoptera). 

Die  Hautflügler  sind  Insekten  mit  vollkommener  Ver- 
wandlung,  beissenden  Mundtheilen   und  vier  häutigen 

')  Mit  den  Borkenkäfern  dürfen  die  Nagekäfer  (Anobinm)  nicht  verwechselt 
werden.  Letztere  besitzen  eine  ähnliche  Körperform  wie  jene  und  nagen  ebenfalls 
in  Bolz,  gehören  aber  einer  ganz  andern  Familie  an  und  unterscheiden  sich  leicht 
von  jenen  dadurch,  dass  die  Augen  rund,  die  Fühler  gegen  die  Spitze  nur  ganz  wenig 
verdickt  sind,  und  dass  die  Füsse  5  deutliche  Glieder  besitzen;  die  Larven  sind 
mit  Beinen  ausgestattet  (kleinen  Scarabäenlarven  ähnlich)  und  fressen  meistens 
labyrinthische  unregelmässige  Gänge  in  todtem,  trockenem  Holz,  z.  B.  in  Möbeln, 
welche  oft  völlig  von  ihnen  vernichtet  werden. 


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GliederfdBsler.  8.  Clasae:  Insekten. 


283 


Flügeln.  Der  Kopf  ist  kurz  und  breit,  von  der  Vorderbrust  tief 
abgeschnürt  und  in  letztere  niemals  eingesenkt,  sondern  stets  ganz 
frei;  zuweilen  sitzt  er  sogar  an  einem  stielartigen  Fortsatz  der  Vorder- 
brust Der  Kopf  trägt  ein  Paar  wohlentwickelte  zusammengesetzte 
Augen  und  in  der  Regel  drei  Punktaugen.  Es  sind  die  gewöhnlichen 
Mundtheile  vorhanden ,  davon  die  Vorderkieler  kräftige  Beisswerk- 
zeuge.  Bei  einigen  Hautflüglern  —  diese  sind  aber  nur  eine  Minder- 
zahl —  ist  die  von  den  verwachsenen  inneren  Laden  der  Unterlippe 
gebildete  Zunge  lang  und  auf  ihrer  Unterseite  rinnenförmig  ausge- 
höhlt, während  die  langen  abgeplatteten  Unterlippen -Taster  und 
Mittelkiefer-Laden  (von  welch  letzteren  jederseits  nur  eine  vorhanden 
ist)  zusammen  eine  Röhre  um  jene  bilden;  vermittels  der  Zunge  und 
dieser  Röhre  werden  süsse  Flüssigkeiten  in  den  Mund  eingesogen.  Die 
Vorderbrust  ist  nur  schwach  entwickelt,  der  Rückentheil  derselben 
vom  Bauchtheil  gesondert  und  mit  der  Mittelbrust  fest  verbunden, 
während  der  Bauchtheil  (mit  den  Vorderbeinen)  beweglich  ist.  Mittel- 
und  Hinterbrust  sind  gewöhnlich  unbeweglich  verbunden,  bei  den 
Blatt-  und  Holzwespen  jedoch  gegen  einander  beweglich.  Die  Beine 
zeichnen  sich  durch  die  Grösse  des  Hüftgliedes  aus ;  der  Schenkelring 
ist  oft  (bei  den  Blatt-,  Holz-,  Schlupf-  und  Gallwespen)  in  zwei  Glieder 


Fig.  202.  -I  Hinterleib  mit  «lern  Lcgc^achcl  einer  Hulzwespc.  Der  Stachel  (a)  ist  aus 
der  Rinne,  «/,  in  welcher  er  in  der  Ruhe  liegt,  herausgehüben :  diese  Rinne  setzt  sich  bei  k 
in  die  beiden  langen  Klappen  <•  fort,  welche  die  Endpartie  des  Stachels  umgeben.  B  Quer- 
schnitt des  Stachels  und  der  Klappen,  vergr.  ab  und  a'b'  Klappen  C  in  A),  cd,  e  und 
tt  die  drei  nadelförruigen  Stücke  des  Stachels.  —  Nach  Graber. 

getheilt;  das  erste  Glied  des  ögliedrigen  Fusses  ist  bedeutend  länger 
als  die  folgenden  („Mittelfuss").  Von  den  Flügeln  ist  das  vordere 
Paar  fast  immer  bedeutend  grösser  als  das  hintere ;  beide  Paare  sind 
mit  einem  nicht  sehr  dichten  Rippennetz  versehen.  Der  Vorderflügel 
und  der  Hinterflügel  derselben  Seite  sind  mittels  einer  Reihe  kleiner 
Haken,  welche  am  Vorderrande  des  Hinterfiügels  sitzen  und  den  um- 
gebogenen Hinterrand  des  Vorderflügels  umgreifen,  verbunden;  die 
beiden  Flügel  wirken  desshalb  während  des  Fluges  als  eine  zu- 
sammenhängende Platte.  Am  Grunde  des  Vorderflügels  findet  sich 
eine  hervortretende  Schuppe,  welche  den  Grund  des  Flügels  bedeckt. 
Bei  allen  Hautflüglern  ist  das  vorderste  Hinterleibssegment  mit  der 
Hinterbrust  unbeweglich  verbunden,  und  bei  der  Mehrzahl  (d.  h.  bei 
allen  mit  Ausnahme  der  Blatt-  und  Holzwespen)  findet  man  eine 
tiefe  Einschnürung  zwischen  dem  vordersten  Hinterleibssegment  und 
den  folgenden;  man  sagt  dann,  dass  der  Hinterleib  gestielt  ist, 
wobei  aber  nicht  zu  vergessen  ist,  dass  die  betreffende  Einschnürung 


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Specieller  Theil. 


sich  nicht  zwischen  Brust  und  Hinterleib,  sondern  am  Hinterleib 
selbst  befindet;  die  auf  die  Einschnürung  folgenden  Segmente  sind 
häufig  schmäler  als  die  letzten  Hinterleibsringe.  Am  Hinterende  des 
Weibchens  findet  man  einen  hohlen,  aus  mehreren  nadel-  oder  messer- 
förmigen  Theilen  zusammengesetzten  Stech-  oder  Bohrapparat,  den 
sogenannten  Stachel,  durch  welchen  die  Eier  bei  der  Eiablage  aus- 
treten,  und  mit  welchem  bei  vielen  in  einer  Pflanze  oder  einem  Thier 
eiu  Einstich  oder  Einschnitt  hervorgebracht  wird,  in  welchen  nach- 
her das  Ei  abgelegt  wird :  Legestachel  (bei  den  unten  sub  1  und  2 
genannten  Formen);  bei  anderen  (den  sub  3 — 6  genannten)  ist  der 
Stachel  nicht  allein  eine  Legeröhre,  sondern  fungirt  zugleich  als 
Giftstachel,  indem  sich  in  denselben  eine  Giftdrüse  öffnet,  deren 
Secret  durch  den  Stachelkanal  austritt;  sie  stechen  damit  andere 
Thiere,  entweder  um  sich  zu  wehren  oder  aus  anderen  Gründen  (siehe 
die  Grabwespen).  —  Die  Larven  sind  bei  der  überwiegenden  Mehr- 
zahl weissliche,  blinde  Maden;  nur  bei  den  Blatt-  und  Holzwespen 
sind  die  Larven  abweichend  gestaltet,  mit  Beinen  ausgestattet  etc. 
(vergl.  unten).  Die  Larven  spinnen  in  der  Regel  vor  der  Verpuppung 
einen  Cocon. 

1.  Die  Blattwespen  (Tenthredinidae).  Hinterleib  sitzend,  d.  h. 
ohne  vordere  Einschnürung,  breit  und  kurz,  beim  Weibchen  mit  einem 
kurzen  gesägten  Legestachel ,  mit  dem  es  kleine  Einschnitte  in  Blätter 
schneidet,  in  welche  die  Eier  abgelegt  werden.  Mittel-  und  Hinterbruat 
beweglich  verbunden.  Zweigliedriger  Schenkelring.  Ziemlich  dichtes 
Rippennetz  in  den  Flügeln.  Einige  Blattwespen  pflanzen  sich  partheno- 
genetisch  fort,  entweder  ausschliesslich  (?)  oder  neben  einer  Fortpflanzung 
mittels  befruchteter  Eier.  Die  Larven  sind  gefärbt,  cylin drisch ,  denen 
der  Schmetterlinge  ähnlich;  sie  besitzen  in  der  Regel  ausser  den  Brust- 
füssen  noch  6  —  8  Paar  Afterfttsse  ohne  Haken  (vergl.  die  Schmetterlinge) 
und  ein  Punktauge  auf  jeder  Seite  des  Kopfes ;  sie  leben  auf  Bäumen  und 
anderen  Pflanzen,  deren  Blätter  sie  verzehren.  —  Nahe  verwandt  sind  die 
Holzwespen  (Urocerülae:  Gatt.  «SVrar  u.  a.),  deren  Hinterleib  länger, 
cylindrisch  und  mit  einem  längeren  Legestachel  ausgestattet  ist,  während  sie 
im  Uebrigen  mit  den  Blattwespen  übereinstimmen ;  die  Larven,  welche  in 
Holz  leben,  worin  sie  sich  ähnliche  Gänge  wie  die  Bockkäferlarven  ausnagen, 
sind  blinde,  weissliche  Thiere  mit  3  Paar  kurzen  Brustfüssen,  aber  ohne 
AfterfÜsse. 

2.  Die  Gallwespen  (Cynipidae)  sind  kleine  Wespen  mit  linsen- 
förmigem ,  kurzem ,  zusammengedrücktem  Hinterleib  mit  einem  von  der 
Unterseite  entspringenden  Legestachel ;  Flügel  mit  sehr  schwachem  Rippen- 
netz; zweigliedriger  Schenkelring.  Die  Larven  leben  in  Gallen;  die 
Mutter  bohrt  mit  ihrem  Stachel  in  lebende  Pflanzentheile  (Blätter,  Stengei- 
theile, Knospen  u.  dergl.)  und  legt  das  Ei  in  das  so  hervorgebrachte  Loch ;  später 
schwillt  der  betreffende  Theil  in  einer  für  jede  Art  charakteristischen  Weise 
an,  wie  es  scheint  durch  die  Einwirkung  der  Larve  auf  das  Pflanzenge- 
webe, und  letztere  lebt  in  und  von  der  so  gebildeten  Galle.  Einige 
Gallen  sind  mehrkammerig ,  d.  h. :  es  sind  dicht  neben  einander  mehrere 
Eier  in  die  Pflanze  eingebracht  worden ,  und  es  bildet  sich  dann  eine  zu- 
sammenhängende Galle  um  säm ratliche  Larven.  Bei  einer  Anzahl  der  zahl- 
reichen auf  der  Eiche  lebenden  Gallwespenarten  beobachtet  man 
einen  regelmässigen  Wechsel  von  parthenogenetischen  und  zweigeschlecht- 
lichen Generationen  (je  eine  jährlich};  beide  Generationen  erzeugen  Gallen 
von  verschiedenem  Aussehen.    Von  anderen  Eichen  -  Gallwespen  scheinen 


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Gliederfdssler.  3.  Clane:  Insekten. 


285 


nur  Weibchen  vorzukommen.  —  Mit  den  Gallwespen  verwandt  sind  die 
Schlupfwespen  (Ichneu  nionüUw),  eine  sehr  umfangreiche  Gruppe  meistens 
sehr  kleiner  Hautflügler,  oft  mit  sehr  langem  Legestachel;  ihre  Larven 
leben  als  Schmarotzer  in  (seltener  ausserlich  an)  Insekten-Larven,  Puppen, 
Eiern,  besonders  sind  die  Schmetterlingsraupen  von  ihnen  heimgesucht. 
Wenn  das  Ei  einer  Schlupfwespe  in  das  Ei  eines  anderen  Insekts  gelegt 
wird,  so  lebt  und  entwickelt  die  Schmarotzerlarve  sich  auf  Kosten  des 
Wirth-Eies,  und  letzteres  kommt  nicht  zur  Entwicklung.  Diejenigen 
8chlupfwespen-Larven,  welche  in  Larven  schmarotzen,  haben  in  der  Begel 
das  Wachsthum  beendet,  wenn  der  Wirth  sich  verpuppen  soll,  brechen 
dann  durch  die  Haut  desselben  hervor  und  verpuppen  sich  gleich  nachher, 
während  der  Wirth  abstirbt;  oder  der  Wirth  verpuppt  sich  zuerst  und 
nachher  die  Schmarotzerlarve  innerhalb  jenes ,  welcher  dann  abstirbt ,  und 
der  Schmarotzer  bricht  erst  als  Imago  durch  die  Puppenhaut  des  Wirthes 
hervor.  Die  Schlupfwespen-Larven,  welche  sehr  unvollkommene  Mundtheile 
besitzen ,  scheinen  (mit  Ausnahme  der  Ei-Schmarotzer)  Bich  vom  Blut  des 
Wirthes  zu  ernähren ;  es  können  entweder  ein  oder  mehrere  (viele)  der- 
selben in  demselben  Wirthe  vorhanden  sein.  Für  einige  Schlupfwespen 
hat  man  eine  parthenogenetische  Fortpflanzung  beobachtet  (aus  den  unbe- 
fruchteten Eiern  kommen  meistens  Männchen). 

3.  Die  Grabwespen  (Crabronidae ,  Fompilidae)  haben,  ebenso  wie 
die  folgenden  Gruppen,  einen  einfachen  Schenkelring,  gestielten  Hinterleib 
und  einen  Giftstachel.  Es  sind  lebhafte  Insekten,  welche  besonders  durch 
ihre  Lebensweise  ausgezeichnet  sind:  sie  fangen  Insekten  (auch  Larven)  oder 
Spinnen,  lähmen  sie  durch  einen  Stich  in  den  Bauchnervenstrang  und 
sammeln  sie  in  Röhren ,  welche  sie  in  die  Erde  graben  oder  in  Holz  aus- 
nagen ;  darauf  legen  sie  in  jede  Bohre  ein  Ei  und  verschliessen  die  Böhre; 
die  Larve  ernährt  sich  von  dem  eingesammelten  Vorrath.  Andere  theilen 
die  Röhren  durch  Lehmwände  in  „Zellen"  und  legen  in  jede  Zelle  ein  Ei. 
Seltener  bringen  sie  täglich  der  Larve  frisch  eingesammeltes  Futter.  — 
Die  verwandten  Goldwespen  (Chrysis)  sind  prächtig  metallglänzende 
Formen  mit  sehr  festem  Chitinskelet ,  besonders  auch  am  Hinterleib, 
welcher  scheinbar  aus  sehr  wenigen,  grossen  Segmenten  besteht,  indem 
die  letzten  Hinterleibssegmente  fernrohrartig  zurückgezogen  sind;  oben  ist 
der  Hinterleib  stark  gewölbt,  unten  concav;  die  Fühler  gebrochen.  8ie 
sind  im  Stande,  sich  zusammenzurollen,  und  sind  hierdurch  und  durch  ihr 
festes  Skelet  gegen  den  Stich  der  Grabwespen  geschützt,  bei  denen  sie 
meist  ihre  Eier  ablegen :  die  Larven  der  Goldwespen  leben  nämlich  als 
Ektoparasiten  an  den  Larven  der  Grabwespen. 

4.  Die  Ameisen  (Fortnicariae)  sind  vor  anderen  Hautflüglern  dadurch 
kenntlich,  dass  das  2.  (oder  2.  und  3.)  HinterleibBsegment  bedeutend  Bchlanker 
als  die  folgenden  und  mit  einem  aufrechten,  schuppen-  oder  knoten- 
artigen Auswuchs  versehen  ist;  die  Fühler  sind  gebrochen.  Die  Ameisen 
bilden  Gesellschaften,  die  aus  Männchen,  Weibchen  und  „Arbeitern"  be- 
stehen, welch  letztere  Weibchen  mit  unvollkommen  ausgebildetem  Geschlechts- 
apparat sind;  Männchen  und  Weibchen  haben  grosse  Flügel,  welche  aller- 
dings bei  den  Weibchen  nach  der  Paarung  abgeworfen  werden,  die  Arbeiter 
sind  dagegen  stets  ungeflügelt.  Bei  einigen  Ameisen  treten  die  Arbeiter 
unter  zwei  verschiedenen  Formen  auf,  einige  mit  grossem  Kopf  (Soldaten), 
andere  mit  kleinerem  Kopf  (eigentliche  Arbeiter).  Einige  Ameisen  (natürlich 
nur  Weibchen  und  Arbeiter)  besitzen  einen  Giftstachel ,  andere  nur  die 
entsprechende  Giftdrüse,  deren  Secret  in  die  durch  die  Vorderkiefer  hervor- 
gebrachte Wunde  eingespritzt  wird.   Die  Nester,  welche  aus  unregelroässigen 


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286 


Specieller  Theil. 


Kammern  und  labyrinthischen  Gängen  bestehen,  werden  in  verschiedener 
Weise  angelegt:  in  der  Erde,  in  Baumstämmen  oder  in  grossen  Haufen, 
welche  aus  zusammengeschlepptem  Material  (Blättern,  Nadeln,  Holzstückchen 
etc.)  bestehen  (letzteres  bei  der  bekannten  rothen  Waldameise,  Formira 
nifn) ;  zuweilen  werden  die  Gänge  und  Kammern  einfach  ausgegraben  oder 


l'ig.  2')3.  A  Formica,  mit  einer  Schuppe,  Ii  ilyrmica,  mit  I  w  ei  Knoten  um  Hinter- 
leil.Hstiel.    Beides  Arbeiter. 

ausgenagt .  seltener  aus  fein  gekauten  Pflanzentheilen  aufgemauert.  Die 
Ameisen  sind  Omnivoren ;  die  Larven  werden  von  den  Arbeitern  mit  aua- 
gebrochener  Nahrung  gefüttert.  —  Die  Lebensverhältnisse  der  Ameisen 
bieten  das  grösste  Interesse  dar,  und  bei  manchen  Arten  finden  wir  äusserst 
merkwürdige  Verhältnisse.  Beispielsweise  erwähnen  wir,  dasa  es  (auch  in 
Deutschland)  Arten  giebt,  welche  Larven  und  Puppen  aus  den  NeBtern  anderer 
Arten  rauben  und  dieselben  in  ihr  eigenes  Nest  bringen ;  die  Arbeiter,  welche 
sich  aus  den  geraubten  Larven  und  Puppen  entwickeln,  werden  ein  Bestand- 
theil  der  Arbeitskraft  des  Nestes  der  Räuber  oder  müssen  sogar  alle  Arbeit 
ausführen ,  ja  sogar  letztere  füttern.  Bei  einer  mexicanischen  Ameisenart 
ist  der  Hinterleib  bei  einigen  Arbeitern  in  Folge  einer  enormen  Erweiterung 
des  mit  einer  honigartigen  Flüssigkeit  gefüllten  Kropfes  stark  angeschwollen  ; 
die  betreffenden  Arbeiter  sitzen  ruhig  im  Nest,  während  andere  draussen 
sind,  um  Honig  aufzusuchen,  den  sie  nach  der  Rückkunft  erbrechen  und 
den  anderen  übergeben,  welche  als  förmliche  Reservoire  für  den  Honigvor- 
rath des  Nestes  dienen.  —  Die  Ameisennester  beherbergen  (was  übrigens 
ahnlich  bei  den  Termitennestern  der  Fall  ist)  ausser  den  Ameisen  noch 
eine  ganze  kleine  Insekten-Fauna,  die  sogenannten  My rmekophilen,  von 
welchen  manche  sogar  ausschliesslich  hier  vorkommen  (dies  gilt  von  mehreren 
kleinen  Käfern).  Bekannt  ist  das  Verhältniss  der  Ameisen  zu  den  Blatt- 
läusen ,  deren  süsse  Absonderungen  von  jenen  begierig  aufgeleckt  werden ; 
manche  Ameisen  tragen  sogar  Blattläuse  in  ihre  Nester  hinein  und  halten 
sie  hier  förmlich  als  Hausthiere. 

5.  Die  eigentlichen  Wespen  oder  Faltenwespen  ( Vatpariae) 
zeichnen  sich  dadurch  aus,  dass  die  Fühler  gebrochen,  die  Augen  nieren- 
förmig,  die  Vorderkiefer  lang  und  vorragend  sind,  und  dass  die  Vorderflügel 
in  der  Ruhe  gefaltet  sind.  Einige  derselben  sind  einzeln  lebende  Thiere, 
welche  eine  ähnliche  Lebensweise  führen  wie  die  Grabwespen  ;  andere,  darunter 
die  Gatt.  V&tpa  (Papierwespen,  Hornissen),  leben  in  kleineren  oder  grösseren 
Gesellschaften,  welche  aus  Männchen,  Weibchen  und  Arbeitern  (Weibchen 
mit  unvollkommenen  Geschlechtswerkzeugen,  aber  geflügelt)  bestehen,  und 
bauen  sich  künstliche  Nester ;  letztere  bestehen  aus  einer  oder  mehreren 
wagerechten  Waben,  aus  je  einer  Anzahl  neben  einander  gestellter  prisma- 
tischer, (ieckiger,  am  einen  Ende  geschlossener  Röhren  (sogenannter  Zellen) 
zusammengesetzt,  welche  senkrecht  mit  der  Oeffnung  nach  unten  gestellt 
sind,  und  welche  als  Wohnungen  für  die  Larven  und  Puppen  verwendet 
werden ;  die  Waben  können  durch  kurze  Pfeiler  verbunden  und  das  ganze 


.1 


B 


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Gliederfüwler.  8.  Clasae:  Insekten. 


287 


Nest  von  loseren  oder  festeren  Hüllen  umgeben  sein ;  als  Material  zum 
Nestbau  verwenden  die  Thiere  eine  aus  feingekauten  Holz-  oder  Rinden- 
theilen  gebildete  Masse,  welche  im  trocknen  Zustande  papierähnlich  er- 
scheint. Die  Larven  werden  mit  gekauten  Insekten  gefüttert.  Mit  Aus- 
nahme der  jungen  befruchteten  Weibchen  stirbt  die  ganze  Bevölkerung  der 
Nester  im  Spätherbst  aus;  jene  überwintern  dagegen  und  gründen  im  näch- 
sten Frühling  je  ein  neues  Nest,  dessen  Aufbau  später  von  den  von  ihnen 
erzeugten  Arbeitern  fortgesetzt  wird ;  die  oft  grossen  Nester  sind  somit  die 
Arbeit  eines  einzigen  Sommers. 

6.  Die  Bienen  (Apiariae)  sind  in  der  Regel  stark  behaarte  Thiere, 
die  Fühler  sind  gebrochen,  die  Augen  nicht  ausgerandet,  die  Zunge  lang, 
die  Mittelkieferladen  und  die  Unterlippentaster  oft  stark  verlängert  und 
abgeplattet,  die  Schiene  und  der  Mittelfuss  der  Hinterbeine  in  der  Regel  ver- 
breitert. Einige  Bienen  bilden  Gesellschaften,  welche  aus  Männchen,  Weibchen 
und  geflügelten  Arbeitern  (unfruchtbaren  Weibchen)  bestehen,  andere  sind 
einzeln  lebend.  —  Zu  den  ersteren  gehört  die  Honig-  oder  Hausbiene 
(Apis  mtllifica).  in  deren  Nestern   nur  je  ein  fruchtbares  Weibchen  (die 


ab  c 


Fig.  204.    Köpfe  von  Ilausb  ietieu.    a  Königin,  b  Arbeiter,  e  Männchen.  —  Nach 
Ratzeburg. 

Königin)  vorhanden  ist ;  die  Geburt  neuer  Weibchen  giebt  stets  dazu  Ver- 
anlassung, dass  das  Bienenvolk  sich  theilt,  so  dass  neue  Gesellschaften  ge- 
bildet werden.  Die  Honigbiene  baut  Waben  aus  Wachs,  welches  in  Haut- 
drüsen des  Hinterleibs  ausgesondert  wird ;  die  Waben  stehen  senkrecht  und 
bestehen  aus  zwei  Lagen  von  an  einem  Ende  geschlossenen ,  6eckigen, 
wagerechten  „Zellen",  deren  Oeffnungen  nach  der  Seite  gerichtet  sind;  in 
jedem  Nest  finden  sich  mehrere  derartige  Waben.  Die  Larven,  aus  welchen 
fruchtbare  Weibchen  kommen,  leben  in  besonderen,  grösseren,  rundlichen 
Zellen,  welche  am  Rande  der  Waben  angebracht  sind;  die  übrigen  Zellen 
werden  theils  für  die  Arbeiter-  und  Männchen-Larven ,  theils  zur  Aufhebung 
des  von  den  Arbeitern  eingesammelten  Honigs  und  Blütenstaubes  (Bienen- 
brot) verwendet;  der  Honig  wird  im  Kropf  nach  Hause  getragen,  den 
Blüthenstaub  tragen  sie  in  zusammengeknetetem  Zustande  an  den  breiten, 
aussen  etwas  ausgehöhlten,  am  Rande  behaarten  Hinterschienen  („Körbchen"; 
nur  bei  den  Arbeitern  sind  die  Hinterschienen  in  dieser  Weise  ausgebildet). 
Die  ganze  Gesellschaft  überwintert  und  zwar  ohne  in  einen  Winterschlaf 
zu  verfallen;  im  Nest  herrscht  eine  bedeutend  erhöhte  Temperatur.  Die 
männlichen  Bienen  (Drohnen)  sind  sehr  grossäugig  nud  ebenso  wie  die 
Königinnen  bedeutend  grösser  als  die  Arbeiter;  die  Drohnen  kommen  aus 
unbefruchteten  Eiern.  —  Mit  der  Honigbiene  nahe  verwandt  sind  die  plum- 
pen Hummeln  (Bombus),  welche  kleine  Gesellschaften  bilden,  die  ihre 
Nester  in  Erdlöchern  haben;  jede  dieser  Gesellschaften  wird  von  einem 
einzigen,  grossen,  befruchteten  überwinterten  Weibchen  gegründet  und  be- 
steht, wenn  sie  fertig  ist,  aus  einigen  wenigen  grossen  Weibchen,  einigen 


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288 


Specieller  Theil. 


kleineren  Weibchen,  welche  nur  Drohneneier  ablegen,  einer  Anzahl  Arbeiter 
und  Männchen.  Sowohl  die  fruchtbaren  Weibchen  wie  die  Arbeiter  be- 
sitzen ein  „Körbchen" ;  sie  bauen  keine  Zellen,  sondern  die  Eier  werden 
zu  je  einem  aus  Bienenbrot  und  Honig  bestehenden  Klümpchen  gelegt,  in 
welches  die  junge  Larve  sich  einfrisst,  und  welches  dadurch  allmählich  an 
Grösse  zunimmt,  dass  ihm  neue  Theile  aussen  angefügt  werden;  vor  der 
Verpuppung  spinnt  die  Larve  eine  glasartige  eiförmige  Hülle  um  sich ; 
diese  Cocons,  welche  häufig  unrichtig  als  Wachszellen  aufgefasst  worden 
sind,  werden  zuweilen,  wenn  die  Hummeln  ausgekrochen  sind,  als  Vorraths- 
töpfe für  die  Nahrung  verwendet.  —  Die  Weibchen  der  zahlreichen  ein- 
samen Bienen  bauen  in  der  Erde  oder  in  Holz  kleine  Räume  oder  wirk- 
liche Zellen  aus  zusammengekittetem  Sand,  Lehm  oder  abgebissenen  Blatt  - 
Stückchen  ;  in  diese  Räume  oder  Zellen  sammeln  Bie  Blütenstaub  und 
Honig  und  legen  in  jeden  Raum  ein  Ei  und  verschliessen  dasselbe  nach- 
her; die  Larven  ernähren  sich  von  dem  eingesammelten  Futter,  die  Mutter 
kümmert  sich  weiter  nicht  mehr  um  dieselben.  Bei  einigen  dieser  einsamen 
Bienen  besitzt  das  Weibchen  ebenso  wie  die  Arbeiter  der  Honigbiene  ein 
Körbchen,  bei  anderen  wird  dagegen  der  Blütenstaub  in  dem  dichten 
Haarbesatz  der  Hinterbeine  oder  an  der  ebenfalls  behaarten  Unterseite  des 
Hinterleibs  gesammelt.  —  Nicht  wenige  einsame  Bienen  sind  Schmarotzer- 
bienen (Kukuksbienen),  welche  ihre  Eier  in  die  Vorräthe  anderer  Bienen 
ablegen,  so  dass  ihre  Larven  auf  Kosten  der  von  letzteren  gesammelten 
Vorräthe  leben. 

(i.  Ordnung.    Schmetterlinge  (Lepidoptera). 

Die  Schmetterlinge  sind  Insekten  mit  vollkommener  Ver- 
wandlung, vier  gleichgebildeten  Flügeln  und  saugenden 
Mundtheilen.  Das  ganze  Thier  ist  stark  behaart.  Der  Kopf  ist 
frei  beweglich;  die  vielgliedrigen  Fühler  faden-  oder  borstenförmig, 
gekeult  oder  gekämmt  etc. ;  die  zusammengesetzten  Augen  gross,  rund, 
stark  gewölbt ;  es  sind  zwei  oder  keine  Nebenaugen  vorhanden.  Ueber 
den  Bau  der  Mund  theile  siehe  S.  245.  Alle  drei  Brustringe 
sind  eng  verbunden ;  die  Vorderbrust  klein,  die  Mittelbrust  gross.  Die 
Flügel  sind  gross,  mit  feinen,  gefärbten,  dachziegelartig  geordneten 
Schuppen  (abgeplatteten  Haaren)  „Staub44,  bedeckt,  welche  in  der  Regel 
das  Kippennetz  und  die  übrige  Flügeloberfläche  völlig  verdecken ;  die 
Vordernügel  sind  länger,  dabei  aber  in  der  Regel  schmäler  als  die 
Hinterflügel;  letztere  tragen  sehr  häufig  nicht  weit  von  ihrer  Ur- 
sprungstelle eine  kräftige  Borste  oder  eine  kleine  Gruppe  zusammen- 
gelegter steifer  Borsten  (Retinaculutn),  welche  in  einen  kleinen  Bügel 
an  der  Unterseite  der  Vorderflügel  eingreifen ;  auf  diese  Weise  werden 
Vorder-  und  Hinterflügel  derselben  Seite  zusammengeheftet.  Am 
Grunde  der  Vorderflügel  befindet  sich  eine  ähnliche,  häufig  aber 
kräftiger  entwickelte  Schuppe  wie  bei  den  Hautflüglern.  Die  Beine 
sind  schwach  mit  grossen  Hüften  und  5gliedrigen  Füssen,  deren 
Grundglied  weit  länger  als  die  folgenden  ist  (vergl.  die  HautflUgler). 
Es  ist  keine  tiefere  Einschnürung  zwischen  Brust  und  Hinterleib 
vorhanden,  letzterer  ist  somit  „sitzend".  —  Die  Larven,  „Raupen", 
besitzen  ein  deutlich  ausgesprochenes  gemeinsames  Gepräge;  es  sind 
cylindri8che  Thiere  mit  einem  langen  Hinterleib,  welcher  von  After- 
füssen  getragen  wird;  sie  sind  fast  ausschliesslich  Pflanzenfresser, 
welche  zum  grossen  Theil  frei  an  Blättern  leben  und,  was  hiermit  in 


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Gliederfüssler.  3.  Classe:  Insekten. 


289 


Zusammenhang  steht,  in  Gegensatz  zu  den  meisten  anderen  Insekten- 
larven oft  lebhaft  gefärbt;  das  Hautskelet  ist,  wenn  man  von  dem 
stark  chitinisirten  Kopf  und  der  Vorderbrust  absieht,  ziemlich  dünn, 
aber  zäh.  Der  Kopf  trägt  jederseits  5—6  Punktaugeu,  ein  Paar  kurze 
dreigliedrige  Fühler  und  die  gewöhnlichen  beissenden  Hundtheile.  Die 
Brust  ist  mit  drei  Paar  kurzen  einkralligen  Beinen  versehen.  An  dem 
langen  Hinterleib  finden  sich  gewöhnlich  5  Paar  Afterfüsse  (je 
ein  Paar  am  3.-6.  und  am  9.  Hinterleibssegment),  zuweilen  eine  ge- 
ringere Anzahl,  und  dann  meistens  2  Paare  (bei  den  Spannern,  am 
6.  und  9.  Segment) ;  äussert  selten  (bei  einer  einzelnen  Mottengattung) 
6  Paar  Afterfüsse.  Die  Afterfüsse  sind  entweder,  bei  den  Klein- 
schmetterlingen, Kranzfüsse,  mit  einem  Kreis  von  nach  aussen 
(in  Bezug  auf  das  Centrum  des  Kreises)  gebogenen  beweglichen 
Haken  am  unteren  Ende,  oder,  bei  den  Grossschmetterlingen, 
Klammer füsse,  mit  einer  Reihe  von  Haken  am  unteren  Fussende; 
am  Klammerfuss  sind  die  Haken  nach  innen  in  Bezug  auf  die 
Mitte  des  Thieres  gebogen,  und  die  Afterfüsse  werden  hierdurch  ge- 
eignet, dünnere  Aeste  zu  umklammern  (Von  den  sehr  ähnlichen 
Blattwespenlarven  unterscheiden  sich  die  Raupen  der  Schmetterlinge 
durch  die  grössere  Anzahl  von  Punktaugen,  die  kleinere  Anzahl 
Afterfüsse  und  dadurch,  dass  letztere  mit  Haken  besetzt  sind.)  Die 
Puppen  zeichnen  sich  dadurch  aus,  dass  alle  Anhänge  (Flügel^ 
Beine  etc.)  dem  Körper  dicht  angelegt  «ind;  alle  freiliegenden  Flächen 
der  Anhänge  sowohl  als  des  Körpers  sind  dabei  stark  chitinisirt 
(während  die  aneinander  liegenden  Flächen  dünnhäutig  sind),  so  dass 
das  Thier  aussieht,  als  ob  es  gefirnisst  wäre.  Die  Larven  besitzen 
Spinndrüsen,  welche  sich  an  der  Unterlippe  öffnen,  und  manche  bilden 
vor  der  Verpuppung  entweder  ein  vollständiges  Gespinnst  (einen  Cocon) 
um  sich  oder  verbinden  mittels  des  Gespinnstes  verschiedene  Theilchen 
zu  einer  Hülle,  während  andere  sich  nur  mit  wenigen  Fäden  fest- 
spinnen; nicht  wenige  umgeben  sich  schon  früher  mit  einer  sack- 
förmigen, am  einen  Ende  offenen  Hülle,  welche  sie  mit  sich  umher- 
schleppen. 

Die  Schmetterlinge  sind  mit  den  Hautflüglern,  besonders  den  Blatt- 
wespen verwandt;  mit  letzteren  stimmen  sie  in  der  Beinform  (Mittelfass, 
Hüfte),  im  Vorhandensein  einer  Deckschuppe  an  der  Wurzel  der  Vorder- 
flügel,  in  der  schwachen  Entwicklung  der  Vorderbrust  und  im  Bau  der 
Larve  überein. 

1.  Unterordnung.    Kleinschmetterlinge  (Microlepidoptera). 

Die  Larven  besitzen  Kranzfüsse  und  einen  nach  vorn  ge- 
richteten Kopf,  sie  leben  grösstentheils  mehr  oder  weniger  versteckt, 
entweder  in  Blättern  rainirend,  in  Stengeln  oder  in  Holz,  zwischen 
zusammengesponnenen  Blättern  etc.  Die  Puppen  gewöhnlich  mit 
Stachelquerreihen  an  der  Rückenseite  des  Hinterleibs.  Die  ausge- 
bildeten Insekten  Bind  mit  wenigen  Ausnahmen  Thiere  von  geringer 
Grösse,  schlankem  Körper,  Hinterschienen  mit  4  Sporen. 

*)  Die  Hakenreihe  entspricht  der  inneren  Hälfte  des  Haken  kränz  es  des 
Kranzfusses,  und  der  Klammerfuss  lässt  sich  von  letzterem  ableiten,  wenn  man 
sich  die  äussere  Hälfte  des  Hakenkranzes  verschwunden  denkt.  —  Das  hinterste 
Paar  Afterfüsse  der  Kleinschmetterlinge  besitzt  übrigens  auch  keinen  vollständigen 
Kreis  von  Haken,  sondern  eine  Reihe,  in  welcher  die  Haken  nach  vorne  gebogen 
sind. 

Born,  Zoologie.  1® 


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Specieller  Theil. 


1.  Die  Motten  (Tineidac)  sind  kleine  Thiere  mit  schmalen  Flügeln, 
welche  einen  fransenartigen  Haarsaum  besitzen.  Zu  dieser  Abtheilung, 
welche  aus  sehr  zahlreichen,  oft  sehr  prächtig  gefärbten,  in  der  Regel  aber 
ungemein  kleinen  Formen  besteht,  gehören  die  Kleider-  oder  Pelz- 
motten,  Tinea-  peüionelki  und  T.  tapezeila ;  erster e  Art  ernährt  sich  als 
Larve  von  Pelzwerk  und  Wolle  und  ist  von  einem  etwas  abgeplatteten,  vorn 
und  hinten  offenen,  von  abgenagten  zusammengesponnenen  Theilen  gebil- 
deten Sack  umgeben,  in  welchem  das  Thier  sich  auch  verpuppt;  die  Larve 
der  anderen,  etwas  grösseren  Art  bildet  oft  aussen  an  Pelzwerk  u.  ä. 
lange  Röhren  von  einem  dünnen  Gespinnste,  innerhalb  deren  sie  sich  fort- 
bewegt; der  von  der  Röhre  überdeckte  Theil  des  Felles  oder  wollenen 
Stoffes  wird  oberflächlich  von  der  Larve  abgenagt. 

2.  Die  Wickler  {Tortricidac)  sind  im  Ganzen  etwas  grösser  als  die 
Motten,  mit  breiteren,  kurzgefransten  Flügeln.  Der  Name  „Wickler"  bezieht 
sich  darauf,  dass  die  Larven  häufig  —  übrigens  keineswegs  bei  allen  For- 
men —  in  und  von  zusammengesponnenen  Blättern  leben.  Eine  Larve,  welche 
man  häufig  im  Kerngehäuse  von  („wurmstichigen")  Aepfeln  findet,  gehört 
einer  Art  dieser  Abtheilung  an  (Tortrix  pomonana)  ;  andere  Arten  sind 
wichtige  Forstschädlinge  (Tortnx  btioliana,  Kieferntriebwickler,  u.  a.). 

3.  Die  Holzbohrer  (Xylotropha)  sind  eine  kleine  Familie,  deren  Mit- 
glieder sich  von  anderen  Kleinschmetterlingen  durch  ihre  in  der  Regel 
bedeutendere  Grösse  unterscheiden.  Dazu  gehört  der  Cosxitx  liyiiiperda 
(Weidenbohrer),  ein  grosser,  schöner,  bräunlichgrauer  Schmetterling  (von 
ca.  80  mm  Flügelspannung),  dessen  etwas  abgeplattete,  fast  kahle,  auf 
dem  Rücken  rosenrothe  Larven  sich  in  Pappeln,  Weiden  und  anderen 
Laubhölzern  Gänge  nagen.  Ferner  die  wespenähnlichen  Glasflügler 
(Sesia)  mit  durchsichtigen ,  fast  schuppenlosen  Flügeln ,  deren  weissüche 
Larven  in  Bäumen  oder  in  den  Stengeln  strauchartiger  Pflanzen  leben. 

2.  Unterordnung.    Gr0388Chmetterlinge  (Macrolepidopttra). 

Die  Larven  mit  Kl  am  merf  üssen  und  nach  unten  gerichtetem 
Kopfe;  sie  leben  frei  an  Pflanzen  und  ernähren  sich  von  Blättern. 
Die  Puppen  ohne  Stachelquerreihen  am  Hinterleib.  Die  ausgebildeten 
Insekten  sind  gewöhnlich  Thiere  von  ansehnlicher  Grösse. 

1.  Die  Spinner  (Bombyddae)  sind  plumpe  Schmetterlinge  mit  matten, 
gedämpften  Farben,  meistens  etwas  verwischter  Zeichnung ;  die  Flügel  sind 
breit,  in  der  Ruhe  sind  sie  dachförmig  gestellt ;  die  Fühler  beim  Männchen 
doppelt  gekämmt,  beim  Weibchen  borsten  form  ig  oder  gezähnt;  der  Rüssel 
klein.  Die  Larven  sind  in  der  Regel,  und  zwar  oft  sehr  stark,  behaart; 
die  Puppe  ruht  in  einem  Cocon,  welcher  entweder  aus  Gespinnst  allein 
oder  ans  Gespinnst  und  abgestossenen  Haaren  der  Larve  etc.  gebildet  ist. 
Die  Spinner  sind  Nachtthiere,  deren  Männchen  umherfliegen  und  die  still 
sitzenden,  sehr  schwerfälligen  Weibchen  aufsuchen;  letztere  sind  bei  einigen 
Arten  nur  mit  rudimentären  Flügeln  ausgestattet  oder  sogar  völlig  flügellos, 
larvenähnlich.  —  Zu  den  Spinnern  gehört  der  aus  China  stammende  Seiden- 
spinner {Bombyx  mori),  dessen  Puppengespinnst  die  Hauptmasse  der  Seide 
abgiebt,  welche  zu  industriellen  Zwecken  verwendet  wird;  die  Imago  ist 
weiss,  die  Larve  kahl  und  (von  allen  anderen  Spinnerraupen  abweichend) 
mit  einem  kleinen  Horn  am  Hinterende  des  Körpers  versehen.  Auch  von 
mehreren  anderen  Spinnern  wird  Seide  gewonnen.  Andere  Spinner  gehören 
zu  den  gefährlichsten  Feinden  der  Nadelholz- Cultur:  Kiefernspinner 
(Bombyx  pini)  und  Nonne  (B.  tnonacha).    Die  Gattung  P»yche  (Sack- 


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GliederfÜMler.  8.  Claase:  Insekten. 


291 


spinner)  zeichnet  sich  dadurch  uns.  dass  die  Larven,  welche  keine  After- 
fiisse  besitzen,  ähnlich  wie  manche  Mottenlarven  in  einen  aus  zusammenge- 
sponnenen Pflanzentheilen  u.  ä.  gebildeten  Sack  eingeschlossen  umherwandeln, 
welcher  von  den  flügellosen,  larvenähnlichen  Weibchen 
nicht  verlassen  wird ;  eine  Art  dieser  Gattung,  die  Psyche, 
helix,  welche  eine  ans  feinen  Sandkörnchen  gebildete 
spiralige  Hülle  besitzt,  pflanzt  sich  in  der  Regel  partheno- 
genetisch  fort,  Männchen  erscheinen  nur  hin  und  wieder. 
—  Mit  den  Spinnern  verwandt  sind  die  „Eulen"  (Aw- 
tuidae)  mit  borstenförraigen  (beim  Männchen  oft  gezähnten) 
Fühlern,  ziemlich  schmalen  Flügeln,  wohlentwickeltem 
Rüssel;  die  Larven  in  der  Regel  kahl.  Gewisse  Eulen- 
raupen (z.  B.  die  Larve  der  Saateule,  Agrotis  sege- 
Uim)  sind  oft  durch  Frass  an  Rüben,  Kartoffeln  etc. 
sehr  schädlich. 

2.  Die  Spanner  (Geovietrülae)  sind  den  Spinnern 
in  Habitus  ziemlich  ähnlich,  mit  breiten  (dünneren) 
Flügeln,  borstenformigen  (beim  Männchen  oft  gekämm- 
ten) Fühlern.  Sie  sind  besonders  im  Larvenstadium 
charakteristisch,  indem  die  fast  kahle  Raupe  von  After- 
füssen nur  die  beiden  hintersten  Paare  besitzt;  die  Be- 
wegung ist  egelartig  mit  abwechselnder  Streckung  und 
Beugung  des  Körpers  (die  Brustfüsse  und  die  Klammer- 
fusse  fungiren  resp.  wie  der  vordere  und  der  hintere 
8augnapf  eines  Egels).  Auch  zu  den  Spannern  gehören 
Arten,  deren  Weibchen  mehr  oder  weniger  rückgebildete 
Flügel  besitzen.    (Fig.  188.) 

3.  Die  Schwärmer  (Sphingidae)  haben  einen 
kurzen,  spindelförmigen  Körper  mit  kegelförmig  zuge- 
spitztem Hinterleib,  langen,  schmalen  Vorderflügeln, 
kleinen  Hinterflügeln,  langem  Rüssel,  zugespitzten  im 
Querschnitt  dreieckigen  Fühlern ;  die  Flügel  liegen  in 
der  Ruhe  wagerecht.  Es  sind  grosse ,  ausgezeichnet 
fliegende  Schmetterlinge,  deren  kahle  Larven  hinten  auf 
dem  Hinterleib  ein  gekrümmtes  Horn  tragen. 

4.  Die  Tagfalter  {Pajnlionidae)  haben  einen 
schmächtigen  Körper,  gekeulte  Fühler,  breite  Flügel, 
welche  in  der  Ruhe  aufrecht,  zusammengeklappt  ge- 
halten werden ;  sie  besitzen  prächtige  reine  Farben  und 
fliegen  bei  Tage.  Die  Larven  sind  oft  mit  verästelten 
stachelartigen  Auswüchsen  versehen ;  sie  sind  übrigens 
nackt  oder  wenig  behaart.  Die  Puppen  sind  durch  Nach  T\ 
ihren  merkwürdig  kantigen  Körper  charakterisirt ;  in 
der  Regel  sind  sie  nur  durch  einen  einzigen  Seidenfaden  um  den  Leib 
herum  festgeheftet,  seltener  liegen  sie  in  einem  losen  Cocon.  Dazu  gehören, 
um  ein  paar  der  bekanntesten  Formen  anzuführen,  dieKohlweisslinge 
(Pieris  brassicae  n.  a.)  mit  weissen  Flügeln  mit  wenigen  dunklen  Flecken 
(die  behaarten  Larven,  Kohlraupen,  auf  Kohl)  und  der  Nesselfalter 
oder  „kleine  Fuchs"  (Vanessa  urticae)  mit  rothbraunen,  schwarzgefleckten 
Flügeln  (die  stachligen  Larven  leben  auf  Brennnesseln). 


b 


Fi*.  205.  Kine  P$ychr. 
a  Männchen ,  b  manu- 
lk-he  l*uppe ,  t  Weib- 
chen, (/  weibliche  Puppe, 
r  Sack  mit  einein  Weib- 
chen, /  Sack  mit  oiner 
männlichen  Larve.  — 
henberg. 

um 


19* 


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292 


Specieller  Theil. 


7.  Ordnung.    Zweiflügler  (Diptera). 


Die  Zweiflügler  sind  Insekten  mit  vollkommener  Meta- 
morphose, verkümmertenHinter Hügeln  und  mit  saugenden 
Mundtheilen.  Der  Kopf  besitzt  ein  Paar  in  der  Regel  grosser 
Augen,  welche  bei  den  Männchen,  bei  denen  sie  am  stärksten 
entwickelt  sind,  oft  oben  in  der  Mittellinie  zusammenstossen ; 
in  der  Regel  sind  drei  Punktaugen  vorhanden.  Die  Fühler  sind  bei 
der  Mehrzahl  (Fliegen)  kurz  und  bestehen  dann  nur  aus  drei  wohl- 
entwickelten Gliedern  (von  welchen  das  letzte  jedoch  häufig  eine 
Andeutung  von  einer  Zusammensetzung  aus  mehreren  Gliedern  auf- 
weist), während  sie  bei  den  Mücken  lang  sind  und  aus  einer  grösseren 
Anzahl  Glieder  bestehen.  Die  Mundtheile  sind  zum  Saugen  von 
Pflanzensäften  oder  von  thierischen  Flüssigkeiten  eingerichtet;  die 
Hauptpunkte  ihres  Baues  sind  S.  246  mitgetheilt.  Alle  drei  Brust- 
ringe sind  verwachsen;  die  Vorderbrust  ist  klein.  Von  den  Flügeln 


wickelt,  zum  Flug  geeignet;  die  Hinterflügel  sind  zu  kleinen  keulen- 
förmigen Anhängen,  Schwingkölbchen,  rückgebildet,  welche 
während  des  Fluges  in  lebhafter  Bewegung  sind;  ihre  Function  ist 
nicht  sicher  festgestellt.  Die  Beine  besitzen  ein  langes  Hüftglied, 
ein  langes  erstes  Fussglied  und  oft  2—3  kleine  weiche  Kissen  (Pe- 
lotten)  am  äussersten  Fussglied.  Der  Hinterleib  ist  entweder  sitzend 
oder  durch  eine  Einschnürung  von  der  Brust  gesondert.  —  Die 
Larven  sind  stets  Maden,  d.  h.  die  Brustfüsse  fehlen;  einige  der- 
selben besitzen  aber  noch  einen  deutlichen,  fest  chitinisirten ,  mit 
Augen,  Fühlern  und  Mundtheilen  versehenen  Kopf;  bei  anderen  ist 
dagegen  der  Kopf  nicht  ausgeprägt,  Augen  fehlen,  die  Fühler  ebenso 
(oder  sie  sind  sehr  rückgebildet),  die  Mundtheile  sind  durch  ein  Paar 
dunkel  gefärbter  Chitinhaken  am  Munde  (die  Vorderkiefer?)  repräsen- 
tirt.  Die  Larven  leben  im  Wasser,  in  faulenden  Theilen,  in  (an) 
Pflanzen  oder  als  Schmarotzer.  Bei  denjenigen  Zweiflüglern,  deren 
Larven  einen  ausgebildeten  Kopf  besitzen,  erinnern  die  Puppen  an 
Schmetterlingspuppen,  indem  die  Anhänge  dem  Körper  dicht  angelegt 
sind;  bei  denjenigen  mit  „kopflosen"  Maden  bleibt  die  Puppe  inner- 
halb der  erhärteten  letzten  Larvenhaut  liegen  (Tönnchenpuppe). 

1.  Die  Mücken  (Nemocera)  sind  in  der  Regel  schmächtige  Thiere 
mit  langen  Fühlern ,  welche  bei  den  Männchen  oft  mit  langen  auswärts 
gerichteten  Haaren  versehen  sind,  schmalen  Flügeln,  langen  dünnen  Beinen. 
Hierzu  gehören  n.  a.  folgende:  Die  Stechmücken  (Culex)  haben  14- 
gliedrige  Fühler,  welche  beim  Männchen  lang  behaart  sind;  Mittelkiefer- 
taster beim  Männchen  länger  als  der  Rüssel;  nur  das  Weibchen  besitzt 
Vorderkiefer,  sticht  und  saugt  Blut.  Die  Larven  im  Wasser;  sie  besitzen 
nur  zwei  Stigmen,  welche  am  Ende  eines  Fortsatzes  (der  „Athemröhre") 
am  Hiuterende  sitzen;  die  bewegliche  Puppe  hat  vorne  am  Körper  zwei 
aufrechte  AthemrÖhren;  sowohl  Larven  als  Puppen  hängen  häufig  mittels 
der  Athemröhren  an  der  Wasseroberfläche.  Die  Schnaken  oder  Bach- 
mücken (Ttptiiä)  sind  grosse  Mücken,  deren  Larven  in  Wiesen  oder  in 
fauligem  Holz  leben.  Die  Gallmücken  (Cecidomyia  u.  a.)  sind  sehr 
kleine,  zarte  Mücken,  deren  Larven  häufig  in  Gallen  ebenso  wie  die  der 
Gallwespen  leben  (eine  Gallmücke,  C.  fagi,  lebt  z.  B.  in  den  bekannten 
spitzen  Gallen  an  Buchenblättern);  manche  Arten  erzeugen  übrigens  keine 


ist  das  erste  Paar,  dessen 


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Gliederfüssler.  3.  Claas«:  Insekten. 


293 


Fig.  206.  CuUjc.  a  Larve  (Kopf  nach  unten),  b  Puppe, 
r.  ausgebildetes  Thier.  —  Nach  Tawhenberg. 


Gallen,  die  Larven  leben  aber  durchweg  in  lebenden  oder  abgestorbenen 
Pflanzen.  Bei  einigen  Arten  dieser  Gruppe  ist  Pädogenesis  nachgewiesen 
(vergl.  8.  257).  Die  Kriebelmücken  [Simulia)  sind  kleine  fliegen- 
ähnliche Mücken,  deren  Weibchen  ebenso  wie  Culex  Blutsauger  sind ;  mehrere 
der  berüchtigten  „Mosquitos" 

wärmerer  Länder  sind  Arten         «  c  b 

dieser  Gattung;  andere,  z.  B. 
die  Columbaczer- Mücke  (S. 
columbaczensis)  in  Ungarn, 
werden  zuweilen,  wenn  sie 
in  grosser  Anzahl  auftreten, 
eine  ernste  Plage  des  Viehs, 
indem  sie  die  Weidethiere 
an  dünnhäutigen  Stellen 
stechen ,  was  Entzündung, 
Fieber,  oft  sogar  den  Tod 
mit  sich  führen  kann.  Die 
Larven  der  Kriebelmücken 
leben  im  Wasser. 

2.  Die  Bremsen  (Ta- 
banidae)  haben  am  letzten 
Glied  der  sogenannten  drei- 
gliedrigen Fühler  deutliche  Einschnürungen  (die  Fühler  sind  somit  eigent- 
lich mehr  als  dreigliedrig).  Der  Kopf  kurz  und  breit,  mit  sehr  grossen 
Angen.  Oberkiefer  nur  beim  Weibchen.  Hinterleib  abgeplattet.  Die 
Larven  cylindrisch,  leben  in  der  Erde.  Die  Weibchen  saugen  Blut  von 
Säugethieren,  plagen  z.  B.  im  Sommer  die  Pferde  sehr. 

3.  Zu  der  Familie  der  Muscidae  gehört  eine  ungeheure  Menge  von 
Fliegenformen,  welche  darin  mit  einander  übereinstimmen,  dass  die  kurzen, 
dreigliedrigen  Fühler  an  ihrem  Endglied  mit  einer  gegliederten  Borste  ver- 
sehen sind;  die  Unterlippe  mit  zwei  lippenartigen  Theilen  am  Ende;  die 
Schwingkölbchen  häufig  von  einem  häutigen ,  vom  Grunde  der  Vorder- 
flügel  entspringenden  Lappen  überdeckt.  Die  Larven  sind  kopflos  mit  zwei 
starken  Cbitinhaken  am  Munde  und  zwei  grossen  Stigmen  am  Hinterende. 
Die  Stubenfliege  (Musen  domcslica),  welche  über  die  ganze  Erde  ver- 
breitet ist,  lebt  als  Larve  besonders  in  Mist  (in  Stallungen  etc.);  die  blaue 
SchmeiBsfliege  (M.  vomitoria)  legt  ihre  Eier  (Schmeiss)  an  Fleisch  ab, 
von  welchem  die  bald  nachher  ausschlüpfenden  Maden  sich  ernähren;  eine 
verwandte,  ebenfalls  häufig  vorkommende  Fliege  mit  gewürfelter  Zeichnung 
am  Hinterleib,  die  „graue  Fleisch  fliege" ,  Sarcophaga  cartiaria,  ist 
lebendig-gebärend,  die  Larven  leben  in  verwesenden  thierischen  oder  pflanz- 
lichen Stoffen ;  auch  die  springenden  Maden,  welche  in  altem  Käse  leben, 
sind  die  Larven  einer  Muscide  (Piophila  casei,  Käsefliege).  Die  Raupen- 
fliegen /TacJnnaj  sind  der  Schmeissfliege  und  deren  Verwandten  ähnlich, 
unterscheiden  sich  aber  durch  gröbere  Behaarung  und  einzelne  andere 
Charaktere  ;  die  Larven  sind  Schmarotzer,  welche  besonders  in  Scbroetter- 
lingsraupen,  in  ähnlicher  Weise  wie  die  Schlupfwespen-Larven,  leben,  ge- 
wöhnlich findet  sich  jedoch  nur  ein  Exemplar  in  jedem  Wirth. 

4.  Die  Biess  fliegen  oder  Bremen  (OeMridae)  sind  mit  den  Musciden 
nahe  verwandt,  unterscheiden  sich  aber  dadurch,  dass  die  Mundtheile  rudi- 
mentär sind,  da  die  Imago  keine  Nahrung  zu  sich  nimmt.  Die  Larven, 
welche  denen  der  Musciden  ähnlich  sind,  leben  als  Schmarotzer  in  ver- 
schiedenen Säugethieren:  Die  Magenbrenien,   Oastnts  w/i/t*  (und  andere 


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294 


Specieller  Theil. 


Arten  derselben  Gattung),  sind  ausserordentlich  häufig  im  Magen  des  Pferdes; 
mit  ihren  Mundhaken  ist  die  Larve  an  der  Magenwand  festgeheftet  und 
ernährt  sich  von  dem  an  der  betreffenden  Stelle  sich  bildenden  Eiter;  die 
Eier  werden  an  der  Haut  des  Pferdes  abgelegt,  die  jungen  Larven  werden 


Fig.  207.  (iastrus  equi.  n  Ei,  b  erwachsene  Larve,  c  junge  Larve,  d  Tönnchenpuppc, 
t  die  Fliege.  —  Nach  Taschenberg. 

vom  Pferde  abgeleckt,  und  so  gelangt  der  Schmarotzer  in  den  Magen  hinein ; 
die  reife  Larve  geht  mit  den  Excrementen  durch  den  After  ab,  und  die 
Verpuppung  findet  in  der  Erde  statt.  Die  Nasenbrem  e  des  Schafes 
( Oestrus  oviv)  lebt  in  der  Nasenhöhle  und  den  Stirnhöhlen  des  Schafes ; 
die  Hautbremen  des  Rindes  {Ilypodcrma  bovis)  kommen  sehr  häufig  in 
geschwürartigen  Knoten  in  der  Haut  des  Kindes  vor. 

5.  Die  Laus  fliegen  (Hippoboscidae)  bilden  eine  im  Baue  und  in 
den  Lebensverhältnissen  sehr  abweichende  Gruppe  der  Zweiflagier.  Es 
sind  abgeplattete  Thiere  mit  lederartigem ,  dehnbarem  Hinterleib ;  einige 
haben  Flügel  und  Schwingkölbchen ,  bei  anderen  fehlen  diese  Theile;  die 
Brust  ist  breit ,  die  Beine  der  einen  Seite  sitzen  weit  von  denen  der  an- 
deren ,  die  Krallen  sind  kräftig ,  mit  je  einem  kleinen  Zahn.  Die  ausge- 
bildeten Thiere  leben  als  Schmarotzer,  Blutsauger,  an  Säugethieren  und 
Vögeln.  Sehr  merkwürdig  ist  die  Fortpflanzung:  das  Ei  (es  reift  auf  ein- 
mal immer  nur  ein  Ei)  bleibt  im  Eiergang  der  Mutter  liegen,  die  aus  dem 
Ei  schlüpfende  Larve  wird  von  einer  milchartigen  Absonderung  gewisser  in 
den  Eiergang  mündender  Drüsen  ernährt  und  verlässt  den  Eiergang  der 
Mutter  erst,  wenn  sie  ihre  definitive  Grösse  erreicht  hat,  um  sich  gleich 
nach  der  Geburt  zu  verpuppen.  Auf  dem  Pferd  (und  Bind)  findet  man 
die  lebhafte,  geflügelte  Hippobosca  equina,  auf  Schafen  in  der  Wolle  den 
flügellosen  Melophagtis  ovinus  (Schaflaus).  —  Dieselbe  Fortpflanzungsweise 
besitzt  auch  die  nahe  verwandte  kleine ,  blinde ,  flügellose  Bienen  laus 
(Braula  com/),  welche  auf  Honigbienen  schmarotzt. 

In  die  Nähe  der  Zweiflügler  stellt  man  gewöhnlich ,  wahrscheinlich 
übrigens  mit  Unrecht,  die  Flohe  (Aphaniptcra).  Der  Körper  dieser  Thiere 
ist  zusammengedrückt,  die  Farbe  hellgelb  bis  dunkelbraun,  der  Kopf  klein 
mit  einem  einzigen  Punktauge  auf  jeder  Seite  (statt  der  zusammengesetzten 
Augen) ,  die  Fühler  klein ,  gekeult ,  in  einer  Grube  hinter  den  Augen 
liegend.  Die  Mundtheile  sind  zum  Saugen  eingerichtet,  von  denen  der 
Zweiflügler  aber  etwas  abweichend  gebildet:  die  eigentliche  Saugröhre  be- 
steht aus  der  sehr  langen,  an  ihrer  Unterseite  rinnenförmig  ausgehöhlten 
Oberlippe  und  den  beiden  Vorderkiefern ,  welche  letztere  zusammen  eine 
nach  oben  offene  Halbrinne  bilden ;  die  Mittelkiefer  sind  kurz ,  zugespitzt, 
mit  einem  4gliedrigen  Taster  von  bedeutender  Länge  versehen  und  bilden 


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GliederfÜBsler.   3.  Classe:  Insekten. 


295 


zusammen  mit  der  Unterlippe,  welche  zwei  3gliedrige  Taster  trägt,  eine 
Art  Scheide  um  die  eigentliche  Saugröhre ;  ein  Hypopharynx  fehlt.    Es  Bind 
drei  deutlich  unterschiedene  Brustringe  vorhanden,  welche  drei  Paar  lange 
kräftige  Beine  (die  Hinterbeine  sind  etwas  stärker  als  die  anderen)  mit 
ungewöhnlich  grossen  Hüften   und    5  gliedrigen 
Füssen  tragen ;    Flügel  fehlen.     Sie    leben   als  * 
Schmarotzer    an  Säugethieren   und  Vögeln.  — 
Den  Larven  fehlen  Augen  und  Beine,  der  weiss- 
liche  Körper  ist  cyl indrisch,  etwas  behaart,  die 
Mundtheile  sind  beissend ;  vor  der  Verpuppung 
spinnen  sie  einen  Cocon.    Sie  leben  in  Kehricht 
u,  ä.  —  Auf  dem  Menschen  lebt  Pitlex  irräans, 
an  verschiedenen  anderen  Thieren  kommen  andere 
Arten  derselben  Gattung  vor.   In  den  tropischen 
Gegenden  von  Amerika  lebt  der  Sand  floh  (Sar- 
copsyüa  penetrant?),  welcher  das  Blut  des  Menschen 
und  verschiedener Säugethiere  saugt;  das  befruch- 
tete Weibchen  bohrt  sich  vollständig  in  die  Haut  ""^uyrfrtv^ 
ein,  und  der  Hinterleib  schwillt  nachher  in  Folge  *VV^>£ 
der  Entwicklung  der  Eier  ausserordentlich  an  i08  irritaJU. 

(zur  Grösse  einer  Erbse) ;  die  Oeffnung  zu  der  /  ausgebildetes  Thier,  2  Larve, 
kleinen  Höhlung  der  Haut,  in  welcher  der  Floh  3  Puppe  —Nach  Taschenberg, 
sitzt,  wird  von  dessen  Hinterende  ausgefüllt,  so 

dass  er  bequem  die  Eier  ablegen  kann;  nach  der  Eiablage  stirbt  er  ab. 


3 


4.  Classe.    Spinnenthiere  (Arachnida). 

Der  Körper  zerfällt  in  einen  Vorderleib  und  einen  glied- 
maassenlosen  Hinterleib,  von  welchen  ersterer  als  dem  Kopf  -{-  der 
Brust  der  Insekten  entsprechend  betrachtet  wird.    Der  Vorderleib 


Fig.  209.  Schema  der  Organisation  einer  echten  Spinne,  a  After;  b  ßlimMurni 
des  Mitteldarmes,  b'  sein  vorderes  Ende,  b"  Acste  des  Blinddarms  in  die  (hier  abgeschnittenen) 
Beine;  c  Gehirn,  mit  der  Hauclignnglienmasse  zusammenhangend,  d  Mitleidarm,  g  Giftdrüse, 
H  Herz,  i-,  Oberkiefer,  4,  Unterkiefer,  l  Lebergaug,  /,  Lunge,  Lc  Leber,  -V  Malpighi'sches 
Gefass,  itx  Anschwellung  des  Enddarmes,  in  welche  M  einmünden;  o  Augen,  Ov  Eierstock, 

8  grössere  Spinndrüsen,  8'  kleinere  do.,  T  Oeffnung  des  Trachccnsystems,  Z  Spinnwarzen, 

9  weibliche  Geachlechtsöffnung.  -  Nach  Krieger,  geändert. 

ist  in  der  Regel  ungegliedert,  der  meistens  kurze  Hinterleib  ist  bei 
einigen  gegliedert,  bei  anderen  ungegliedert;  zuweilen  sind  beide  Ab- 
schnitte durch  eine  tiefe  Einschnürung  getrennt  (bei  den  eigentlichen 


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296 


Specieller  Theil. 


Spinnen),  meistens  ist  aber  keine  tiefere  Trennung  vorhanden ;  zuweilen 
ist  sogar  der  ganze  Körper  zu  einem  einzigen  ungegliederten  Stück 
verschmolzen  (bei  den  Milben).  Der  Vorderleib  ist  vorn  mit  einer 
verschiedenen  Anzahl  in  verschiedener  Weise  gruppirter  Punkt- 
äugen,  niemals  aber  mit  zusammengesetzten  Augen,  ausgestattet; 
gewisse  Milben  sind  blind.  Antennen  fehlen.  Es  sind  zwei  Paar 
Kiefer  vorhanden,  welche  wir  als  Ober-  und  Unterkiefer  be- 
zeichnen ;  es  wird  meistens  angenommen,  dass  sie  resp.  den  Vorder-  und 
Mittelkiefern  der  Insekten  entsprechen,  was  aber  zweifelhaft  ist.  Die 
Oberkiefer,  welche  vor  dem  Munde  liegen,  sind  2 — 3gliedrig,  von 
den  Vorderkiefern  der  Insekten  (und  Krebse)  ganz  verschieden, 
bei  manchen  (z.  B.  bei  den  Scorpionen*  haben  sie  die  Form  kleiner 
Scheeren,  bei  den  Spinnen  ist  das  Endglied  krallenförmig  und  mit 
der  Ausführungsöfifnung  einer  Giftdrüse  versehen.  Die  Unterkiefer 
sind  in  der  Regel  beinähnlich,  länger  oder  kürzer;  ihr  Basalglied  ist 
oft  mit  einer  Art  Kaulade  versehen,  während  die  übrigen  Glieder  ent- 
weder alle  einfach  sind  und  zusammen  einen  kräftigen  Taster  bilden, 
oder  die  beiden  äussersten  Glieder  sind  zu  einer  grösseren  oder  kleineren 
Scheere  umgebildet.  Hinter  den  Unterkiefern  sind  vier  Beinpaare 

vorhanden,  von  welchen  das  erste  nach 
der  allgemeinen  Annahme  den  Hinter- 
kiefern (der  Unterlippe)  der  Insekten,  die 
übrigen  den  Brustfüssen  der  Insekten 
entsprechen;  sie  sind  übrigens  alle  in 
der  Regel  wesentlich  gleichgebildet,  be- 
stehen meistens  aus  je  7  Gliedern. 

Die  Haut  ist  bei  den  meisten 
Spinnenthieren  weniger  fest  als  bei  den 
Insekten,  gewöhnlich  ist  die  Chitinhaut 
lederartig,  oft  behaart.  Von  Hautdrüsen 
müssen  besonders  die  bei  gewissen  Ab- 
theilungen (Spinnen ,  Afterscorpionen 
u.  a.)  vorhandenen Sp in ndrüsen  her- 
vorgehoben werden.  Das  Nerven- 
system besitzt  den  gewöhnlichen 
Gliederfüssler- Typus,  zeichnet  sich  aber 
bei  der  Mehrzahl  dadurch  aus,  dass 
alle  Bauchganglien  zu  e  i  n  e  r  Ganglien- 
masse verschmolzen  sind ;  nur  bei  einer 
geringeren  Anzahl  (z.  B.  den  Scor- 
pionen)  findet  man  eine  Reihe  ge- 
trennter Bauchganglien.  Von  höheren 
Sinnesorganen  kennt  man  nur  die 
oben  erwähnten  Augen ;  da  aber  gewisse 
Formen  einen  Laut  erzeugen  können, 
ist  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  auch 

sind.  Der 

Geftwe  einmünden,  M.ebergänge,  m  Darmkanal  zeichnet  sich  bei  man- 
Mitteler  «Speiseröhre  o>  An*chwoi-  cnen  Spinnenthieren  dadurch  aus,  dass 

lung  derselben,  welche  als  Saugupparat  ^m»*^«v  ..     ,  " 

dient,  u  Maipighi'sches  ({eft»8.  -  Orig.  vom  vorderen  Theil  des  Mitteldarms 

mehrere  Blindsäcke  entspringen, 
welche  sich  häufig  mehr  oder  weniger  weit  in  die  Beine  hinein  er- 
strecken. Bei  den  echtenSpinnen  entspringt  jederseits  vom  Mittel- 


Fig.  210.  Dartnkunal  einer  echten 
Spinne,  schematisirt.  b  Blinddarm, 
b'  dessen  vorderes  Ende  b"  $eitcuä*tc 
desselben,  r  Enddarm,  t  Anschwellung 
desselben,  in  welche  die  Malpighi'schen   Hörwerkzeuge  Vorhanden 


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Gliederfüßler.   4.  Classe:  Spinnenthiere. 


297 


darm  ein  starker,  gebogener,  nach  vorn  gerichteter  Blinddarm,  welcher 
vier  lange,  in  den  Basalabschnitt  der  Beine  sich  erstreckende  Aeste 
entsendet;  die  vordersten  Enden  beider  Hauptblinddärrae  legen  sich 
oberhalb  des  Vorderdarmes  dicht  aneinander  (Fig.  210)  und  ver- 
schmelzen an  dieser  Stelle  bei  vielen  Spinnen  mit  einander.  Es  finden 
sich  Speicheldrüsen  und,  im  Gegensatz  zu  den  Insekten,  bei  manchen 
eine  grosse  aus  zahlreichen  Schläuchen  zusammengesetzte  Leber, 
welche  ihren  Platz  im  Hinterleib  hat.  Bei  den  meisten  Arachniden 
hat  man  ähnliche  Mal pighi 'sehe  Gefässe  wie  bei  den  Insekten 
nachgewiesen.  Segmentalorgane  fehlen *).  Die  Ath mungsorgane 
sind  entweder  durch  ein  Tracheensystem,  welches  sich  mit  einer 
geringen  Anzahl  Athemlöcher  an  der  Körperoberfläche  öffnet,  oder 
durch  sogenannte  Lungen  repräsentirt ;  letztere  sind  Hauteinstülpungen , 
welche  jede  wieder  mit  einer  Reihe  flacher  Ausstülpungen  versehen  sind, 
die  neben  einander  ähnlich  wie  die  Blätter  eines  Buches  liegen ;  beide 
Formen  von  Athmungsorganen  können  einzeln  oder  neben  einander 
bei  demselben  Spinnenthier  vorhanden  sein.  Die  Lungen  dürften 
übrigens  als  modificirte,  auf  einen  eng  begrenzten  Theil  des  Körpers 
beschränkte  Tracheen  aufzufassen  sein.  Bei  manchen  Milben  fehlen 
besondere  Athmungswerkzeuge  ganz.  DasGef  äs  s  System  ist  oft  besser 
entwickelt  als  bei  den  Insekten ;  man  findet  z.  B.  bei  den  Scorpionen, 
welche  mit  Lungen  versehen  sind,  ähnliche  Verhältnisse  des  Kreis- 
laufs wie  bei  manchen  Krebsen:  das  Blut  fliesst  vom  Herzen  durch 
eine  Anzahl  Arterien  in  den  Körper;  das  venöse  Blut  sammelt  sich 
in  einem  grossen  Blutbehälter  an  der  Bauchseite  und  geht  von  da 
zu  den  Lungen,  von  welchen  das  jetzt  arterielle  Blut  zu  dem  das 
Herz  umgebenden  Herzbeutel  und  dann  durch  die  Spaltöffnungen  in 
das  Herz  tritt;  letzteres  ist  bei  den  Scorpionen  ein  langer  Schlauch, 
welcher  ebenso  wie  bei  den  Insekten  in  eine  Reihe 
von  Abschnitten  oder  Kammern  (8)  getheilt  ist, 
jede  mit  einem  Paar  Spaltöffnungen.  Bei  anderen 
Arachniden  ist  das  Herz  kürzer  und  hat  eine  ge- 
ringere Anzahl  von  Spaltöffnungen ,  und  das  Ge- 
fässsystem  ist  weniger  vollkommen,  das  Blut  fliesst 
in  grösserer  Ausdehnung  in  Spalten  zwischen  den 
Organen.  Bei  den  meisten  Milben  scheint  sogar 
das  Herz  zu  fehlen.  Wie  bei  anderen  Glieder- 
füsslern  ist  auch  hier  beim  Weibchen  1  Paar  Eier- 
stöcke und  beim  Männchen  1  Paar  Hoden  vor- 
handen; beide  Eierstöcke,  resp.  Hoden,  sind  häufig 
theilweise  mit  einander  verbunden  und  die  Aus- 
fuhrungsgänge münden  mit  gemeinsamer  Oeffnung 
weit  vorne  auf  der  Unterseite  des  Hinterleibs.  „cj^JfchfgipparaV 
Bei  den  Afterspinnen  und  den  Milben  sind  die  c;nor  Afternpinne. 
Geschlechtsdrüsen  an  dem  einen  Ende  verbunden  «Eierstock  «Auschwei- 
und  setzen  sich  mit  dem  anderen  in  die  Ei-  oder  ,nn&  (lcs  Eier- 
Samenleiter  fort,  welche  sich  bald  zu  einem  Eier-  ^SxieTmuSfd^ 
oder  Samengang  vereinigen ,  der  somit  von  einem  8eibcn.  —  Nach  c.ogen- 
ringformigen.  von  den  Geschlechtsdrüsen  und  ihren  baur. 
paarigen  Ausfuhrungsgängen  gebildeten  Theil  ent- 


')  Bei  gewissen  Phalanpiden  hat  man  ein  Paar  besondere  harnabsondernde 
Organe  gefunden,  welche  seitlich  auf  dem  Kücken  ausmünden. 


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298 


Specieller  Theil. 


springt.  Häufig  sind  Männchen  und  Weibeben  schon  äusserlich  mehr 
oder  weniger  verschieden.  Eine  Metamorphose  durchlaufen  die 
Spinnenthiere  selten;  die  neugeborenen  Thiere  sind  meistens  den 
Eltern  ähnlich,  zuweilen  fehlt  jedoch  das  letzte  Glied maassenpaar. 

Ebenso  wie  die  Insekten  sind  die  Spinnenthiere  überwiegend 
Land-  und  Süsswasserthiere ;  manche  sind  Schmarotzer.  Im  Meere 
leben,  ausser  den  Asselspinnen  (Pycnogoniden),  deren  Zugehörig- 
keit zu  den  Arachniden  nicht  unzweifelhaft  ist,  nur  einige  wenige 
Milben. 

1.  Ordnung.    Gliederspinnen  (Arthrogastra). 

Die  Mitglieder  dieser  Ordnung,  welche  eine  Anzahl  sehr  ver- 
schiedener Formen  umschliesst,  zeichnen  sich  den  beiden  folgenden 
Ordnungen  gegenüber  dadurch  aus,  dass  der  Hinterleib  deutlich 
gegliedert  ist.  Die  Oberkiefer  sind  meistens  scheerenförmig. 
Sie  athmen  entweder  durch  Lungen  oder  durch  Tracheen. 

1.  Die  Scorpione  (Scotjnonidae}  besitzen  eine  gestrecktere  Leibes- 
form als  die  übrigen  Spinnenthiere.  Der  Vorderleib,  welcher  vom  Hinter- 
leib nicht  durch  eine  Einschnürung  getrennt  ist,  trägt  oben  in  der  Mitte 
zwei  Augen  und  vorne  jederseits  eine  kleine  Gruppe  (2 — 5)  Augen;  die 

Oberkiefer  sind  kurze ,  kräftige  Scheeren ; 
die  Unterkiefer,  welche  in  der  Form  leb- 
haft an  die  grossen  ScheerenfÜsse  eines 
Flusskrebses  erinnern,  sind  von  ansehnlicher 
Länge  (wie  die  Beine  oder  mehr)  und  mit 
je  einer  kräftigen  Scheere  ausgestattet;  die 
4  Beinpaare  sind  wohlentwickelt.  Von  den 
13  Segmenten  des  Hinterleibs  sind  die 
6  hintersten  weit  schmäler  als  die  vorderen 
und  bilden  einen  sehr  beweglichen  Schwanz  , 
welchen  das  Thier  über  den  übrigen  Körper 
gebogen,  mit  der  Spitze  nach  vorn  gerichtet, 
trägt.  Das  hinterste  Schwanzglied  endet  mit 
einem  spitzen  Haken,  dem  Giftstachel, 
an  dessen  Spitze  sich  zwei  feine  Oeflnungen 
befinden,  die  Mündungen  zweier  Giftdrüsen, 
welche  im  vorderen,  angeschwollenen  Theil 
des  Gliedes  liegen.  Der  After  befindet  sich 
in  der  Gelenkhaut  zwischen  dem  letzten  und 
vorletzten  Schwanzglied.  Vorne  an  der 
Unterseite  des  Hinterleibs,  dicht  hinter  den 
Beinpaaren,  entspringt  ein  Paar  abgeplatteter, 


men,  1—4  die  Heine.  —  Nach  M 
Edward«. 


Fig.  212.    Scorpion,   von  der 
Unterseite;   Unterkiefer ,   Beine  und 
Schwanz  nicht  vollständig  gezeichnet. 
y  Geochlcchtsöffnuug,  i  kammartiger  ungegliederter,  an  ihrem  nach  hinten  ge- 
Anhang, o  Ober-,  «  Unterkiefer,  *  Stig-  kehrten  Rande  gekämmter  Anhänge,  deren 

Bedeutung  unbekannt  ist,  und  dicht  bei 
diesen  liegt  die  Gesohlechtsöffnung;  an  dem 
breiten  Theil  des  Hinterleibs  finden  sich  noch,  gleichfalls  an  der  Unter- 
seite, 4  Paar  spaltformige  Stigmen,  welche  die  Oeffnungen  ebenso  vieler 
Lungen  paare  sind.  —  Die  Scorpione,  welche  ziemlich  grosse  Thiere 
sind,  gebären  lebendige  Junge,  die  in  den  ersten  Wochen  bei  der  Mutter 
bleiben;  letztere  stirbt  bald  nachher  ab.  Sie  leben  in  den  Tropen  und 
den  wärmeren  Ländern  der  gemässigten  Zone  (ein  paar  Arten  in  Südeuropa), 


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Gliederfussler.   4.  Claate:  Spinnenthiere. 


299 


halten  sich  an  versteckten  Stellen  auf  und  ernähren  sich  von  Insekten  and 
Spinnen,  welche  sie  mit  den  Scheeren  ergreifen  and  durch  einen  Stich  des 
Giftstachels  tödten. 

2.  Die  Afterscorpione  (Pseuäoscorpionidae :  Gatt.  CMifer  u.  a.) 
erinnern  auf  den  ersten  Blick  lebhaft  an  die  Scorpione,  denen  sie  in  der 
Ausbildung  der  Ober-  und  der  Unterkiefer  ähnlioh  sind.  Sie  unterscheiden 
sich  jedoch  in  manchen  Beziehungen.  Der  hintere  Theil  des  llgliedrigen 
Hinterleibes  ist  nicht  als  Schwanz  entwickelt  und  ein  Giftstachel  fehlt; 
weiter  ist  hervorzuheben,  dass  sie  durch  Tracheen  athmen,  welche  sich 
mit  zwei  Paar  Stigmen  auf  der  Unterseite  des  Hinterleibes  öffnen.  Auf 
dem  Vorderleib  sind  vorne  an  jeder  Seite  1—2  Augen  vorhanden ,  welche 
jedoch  zuweilen  fehlen.  An  der  Unterseite  des  Hinterleibs  findet  sich 
vorne,  in  der  Nähe  der  Geschlechtsöffnung,  eine  Menge  feiner  durchbohrter 
8pitzen  mit  den  Oeflhungen  der  Spinndrtisen.  Die  Eier  und  nachher  die 
bei  der  Geburt  sehr  unvollkommen  entwickelten  Jungen  werden  auf  der 
Unterseite  des  Körpers  umhergetragen;  erstere  sind  zu  einem  kuchen- 
form igen  Gebilde  zusammengeklebt.  Die  Afterscorpione  (Bücherscorpione) 
sind  kleine  Thiere,  welche  unter  Rinde,  in  Moos,  alten  Büchern,  Insekten- 
sammlungen u.  ä.  Stellen  vorkommen ;  sie  ernähren  sich  von  Milben,  Bücher- 
läusen etc. 

3.  Die  Afterspinnen  (P/uUangüdae) *)  haben  einen  kurzen  gewölbten 
Körper  ohne  scharfe  Grenze  zwischen  Vorder-  und  Hinterleib.  Der  Vorder- 
leib, welcher  aus  drei  undeutlich  gesonderten  und  unbeweglich  verbundenen 
Segmenten  zusammengesetzt  ist,  trägt  an  seiner  Oberseite  ein  Paar  Augen, 
welche  ähnlich  wie  die  beiden  Mittelaugen  der  Scorpione  gestellt  Bind;  die 
Oberkiefer  sind  kleine  Scheeren,  die  Unterkiefer  tasterförmig,  viel  kürzer 
als  die  ausserordentlich  langen  Beine,  welche  dadurch  ausgezeichnet  sind, 
dass  das  Endglied  in  eine  grosse  Anzahl  kleiner  Glieder  getheilt  ist.  Der 
Hinterleib  besteht  aus  8  undeutlichen  Segmenten ;  er  ist  vorne  mit  einem 
Stigmenpaar  versehen,  welches  in  ein  Tracheensystem  hineinfuhrt. 
Den  Afterspinnen  eigentümlich  ist  das  lange,  vorstreckbare  Begattungs- 
urgan des  Männchens  und  die  ebenfalls  lange,  ausstülpbare  Legeröhre  des 
Weibchens ;  die  Geschlechtsöffnung  hat  ihren  Platz  weit  nach  vorn.  Die 
Afterspinnen  (auch  „Weberknechte"  etc.  genannt),  welche  beim  ersten  An- 
blick an  langbeinige  Spinnen  erinnern,  trifft  man  häufig  bei  menschlichen 
Wohnungen. 

2.  Ordnung.    Echte  Spinnen  (Aranetna). 

Die  Spinnen  sind  dadurch  von  den  übrigen  Arachniden  zu  unter- 
scheiden, dass  Vorder-  und  Hinterleib  durch  eine  tiefe  Ein- 
schnürung von  einander  getrennt  sind.  Beide  sind  ungegliedert; 
doch  hat  das  neugeborene  Junge  Andeutungen  einer  Gliederung  des 
Hinterleibes.  Der  Vorderleib  trägt  vorne  eine  Gruppe  von  6—8,  in 
verschiedener  Weise  geordneten  Augen.  Die  Oberkiefer  sind  aus 
einem  einfachen,  starken  Grundglied  und  einem  krallenförmigen  End- 
glied, an  dessen  Spitze  eine  Giftdrüse  ausmündet,  zusammengesetzt. 
Die  Unterkiefer  sind  tasterförmig  mit  breiterem  Grundglied;  das 
Endglied  ist  beim  erwachsenen  Männchen  derartig  umgebildet,  aus- 
gehöhlt etc.,  dass  es  geeignet  ist,  den  Samen  von  der  Gcschlechts- 
öffnung  des  Männchens  in  diejenige  des  Weibchens  zu  übertragen; 
es  ist  oft  sehr  complicirt  gebaut.    Die  Beine  sind  recht  kräftig,  oft 

*)  Bei  der  Darstellung  ist  von  einzelnen  abweichenden  Formen  abgesehen. 


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300 


Specialer  Theil. 


von  ansehnlicher  Länge.  Der  Hinterleib  ist  vorne  auf  der  Unterseite 
stets  mit  einem  Paar  Stigmen  versehen,  welche  in  je  eine  Lunge 
führen;  bei  einer  geringeren  Anzahl  Spinnen  findet  sich  hinter  diesem 
Stigmenpaar  noch  ein  zweites,  welches  entweder  (z.  ß.  bei  den 
Vogelspinnen)  in  ein  ähnliches  Lungenpaar  oder  (z.  ß.  bei  der  Wasser- 
spinne) in  ein  Tracheensystem  führt,  ßei  den  meisten  Spinnen 
fehlt  jedoch  letzteres  Stigmenpaar;  anstatt  dessen  besitzen  sie  dann 
weiter  hinten,  dicht  vor  den  Spinnwarzen,  ein  unpaares  Stigma,  welches 


Mehrzahl  der  Spinnen  besitzen  somit  sowohl  Tracheen  als 
Lungen,  eine  geringere  Anzahl  nur  Lungen,  dann  aber  vier.  Am 
Hinterende,  unterhalb  des  Afters,  finden  sich  4—6  Spinnwarzen, 
ziemlich  grosse  Fortsätze,  welche  mit  einer  kleineren  oder  grösseren 
Anzahl  (bei  der  Kreuzspinne  zusammen  ca.  700)  kurzer  feinster 
Röhrchen  besetzt  sind,  welche  jedes  an  der  Spitze  die  Ausfübrungs- 
öffnung  einer  im  Hinterleib  gelegenen  Spinndrüse  trägt.  Die  Spinn- 
drüsen können  bei  demselben  Thier  verschieden  gebaut  sein  und  ver- 
schiedenes Secret  liefern ;  wenn  letzteres  durch  die  Röhrchen  hinausge- 
presst  wird,  erhärtet  es  zu  feinen  Fäden ;  bei  manchen  Spinnen,  welche 
Fangnetze  bilden,  bleiben  einige  Fäden  klebrig.  Mittels  der  Füsse 
werden  die  feinen  Fäden  zu  gröberen  zusammengesponnen;  bei  allen 
Spinnen  wird  das  Gespinnst  zu  einer  Hülle  um  die  Eier  verwendet, 
bei  manchen  werden  ausserdem  aus  demselben  Fangnetze,  Wohnungen 
u.  desgl.  gebildet.  Die  Geschlechtsöffnung  befindet  sich  vorne  zwischen 
dem  ersten  Stigmenpaare.  Die  Männchen  sind  oft  kleiner  als  die 
Weibchen,  zuweilen  ist  sogar  der  Unterschied  so  gross,  dass  jene, 
welche  übrigens  den  gewöhnlichen  Bau  besitzen,  als  Zwergmännchen 
zu  bezeichnen  sind.  Die  Spinnen,  welche  sich  besonders  von  Insekten 
ernähren,  die  sie  mit  den  Oberkiefern  tödten,  sind  eine  sehr  artenreiche, 
aber  einförmige  Abtheilung,  welche  auch  in  den  Ländern  der  ge- 
mässigten Zone  reich  vertreten  ist. 

Als  Beispiele  führen  wir  an:  die  Vogelspinnen  (Mygale),  grosse, 
dicht  behaarte ,  mit  4  Lungen  versehene  tropische  Thiere ,  welche  sogar 
kleine  Wirbelthiere  anfallen  und  verzehren;  die  gemeine  Kreuz s  pinne 
{Epeira  diadema),  welche  ebenso  wie  die  Hausspinne  (Tegenaria  domestica) 
Fangnetze  bildet  und  oft  in  und  bei  Häusern  lebt;  die  Wasserspinne 
(Argyronela  aquatica) ,  baut  sich  im  Wasser  ein  glockenförmiges  Gespinnst, 
dessen  Höhlung  mit  Luft  gefüllt  wird,  welche  das  Thier  in  seiner  samniet- 
artigen  Körperbehaarung  von  der  Oberfläche  des  Wassers  holt ;  in  kleinerem 
Gewässern  häufig. 


Die  Milben  sind  kleine,  häufig  sogar  mikroskopische  Spinnenthiere, 
deren  Vorder  -  undHinterleibzu  einem  in  der  Regel  ungegliederten 
Stück  verschmolzen  sind.  Sie  besitzen  1—3  Paar  Augen  oder  gar  keine. 
Die  Mundtheile  sind  in  der  Regel  kurz,  die  Oberkiefer  meistens 
scheerenförmig,  ebenso  bisweilen  die  Unterkiefer;  sie  werden  bald  als 
ßeiss-,  bald  als  Stechwerkzeuge  verwendet.  Die  Beine  haben  ver- 
schiedene Formen.  Ein  Herz  ist  nur  bei  einzelnen  Milben  nachge- 
wiesen; besondere  Athmungswerkzeuge  fehlen  ebenfalls  häufig,  bei 
manchen  ist  aber  ein  durch  ein  Paar  Stigmen  sich  öffnendes 
Tracheensystem  vorhanden.     Wenn  die  Jungen  das  Ei  ver- 


in  ein  verschieden 


Die 


3.  Ordnung.    Milben  (Acarina). 


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Gliederfdssler.   4.  Classe:  Spinnenthiere. 


301 


Fig.  213.  Schema  der  Organisation  eines  Ty- 
roglyphus ;  Beine  abgeschritten,  a  After,  c  Gehini, 
d  Mitteidann,  *,  Ober-  k,  Unterkiefer.  31  Mal- 
pighi'schea  Gefäsa.  n  Bmuchganglienraaase.  Op  Eier- 
stock;  9  Auaführungsöffnung  der  Eier.  9'  Begat- 
tungsöffnung. —  Orig. 


lassen,  besitzen  sie  nur  drei  Beinpaare,  das  vierte  entwickelt  sich  erst 
später;  auch  in  anderer  Hinsicht  können  die  Jungen  mehr  oder 
weniger  von  den  Erwachsenen  abweichen.  Manche  Milben  verfallen  vor 
den  Häutungen  in  einen  Zustand  der  Ruhe. 

Die  Geschlechtsöffnung  be- 
findet  sich  wie  bei  anderen  Arach- 
niden  vorne  auf  der  Unterseite 
des  Hinterleibs.  Bei  einigen 
Milben  (Tyroglyphus;  wahrschein-  £ 
lieh  auch  bei  den  Krätzmilben)  ^ 

ist  aber  beim  Weibchen  ausser  ^  ^/~~ — *  V- i  lläs^J 
der  gewöhnlichen  Geschlechts- 
öffnung noch  eine  zweite,  hinten 
dicht  oberhalb  des  Afters  ge- 
legene Oeffnung  des  Geschlechts- 
apparates vorhanden,  durch  wel- 
che der  Samen  bei  der  Paarung 
aufgenommen  wird,  während  die 
vordere  als  Ausführungsöffhung  der  Eier  verwendet  wird. 

1.  Die  Lauf  m  üben  (Dombidium)  sind  rothe,  fein  sammetartig  be- 
haarte, viereckige  Thiere,  von  denen  einige  zu  den  grössten  Milben  gehören; 
ihre  Jungen  leben  als  Schmarotzer  an  Weberknechten ,  Spinnen  und  In- 
sekten ;  die  Erwachsenen  sind  Räuber.  —  Die  Wassermilben  (Hydrachna 
u.  A.)  sind  rundliche,  oft  rothgefärbte  Thiere,  welche  vermittels  der  be- 
haarten Beine  im  Wasser  umherschwimmen;  die  sechsbeinigen  Larven 
kommen  als  Schmarotzer  an  Wasserinsekten  vor,  während  die  Erwachsenen 
meistens  frei  leben  (eine  Art  dieser  Abtheilung  schmarotzt  im  erwachsenen 
Zustande  zwischen  den  Kiemen  von  Süsswasserrauscbeln).  —  An  Käfern, 
Hummeln  u.  A.  findet  man  häufig  Arten  der  Gatt.  Ganiasus  (K  äf  e r  m  i  1  b  e) , 
kleine  Thiere  mit  einem  ovalen,  abgeplatteten,  ziemlich  festen,  bräunlichen 
Körper  ;  sie  laufen  frei  auf  dem  Wirthe  umher.  Eine  verwandte,  aber  dünn- 
häutigere Milbe,  die  gemeine  Vogelmilbe  (Dermanyssits  avium),  kommt 
an  Vögeln  (Hühnern ,  Kanarienvögeln)  vor,  deren  Blut  sie  saugt ;  ähnlich 
wie  die  Bettwanze  ist  sie  ein  temporärer  Parasit,  welcher  Nachts  die  Vögel 
heimsucht  (ca.  1  mm  lang).  —  Die  Zecken  {Ixodes)  sind  abgeplattete 
Milben  mit  einem  ziemlich  festen,  aber  sehr  erweiterungsfähigen  Hautskelet, 
welche  an  Säugethieren,  Vögeln  und  Kriechthieren  Blut  saugen;  wenn  das 
Weibchen  sich  mit  Blut  vollgesogen  hat,  ist  es  vielmals  grösser  als  vorher. 
—  Die  Arten  der  Gattung  Tyroglyphus  (Käsemilbe,  Mehlmilbe) 
leben  in  altem  Käse,  Mehl  und  vielen  anderen  halbtrockenen  organischen 
Substanzen ;  es  sind  weisaliche,  glänzende,  fast  mikroskopische  Thierchen.  — 
Alle  hier  angeführten  Milben,  mit  Ausnahme  von  Tyroglyphus,  besitzen 
Tracheen. 

2.  Die  Krätzmilben  (Sarcoptidae)  sind  mikroskopische,  blinde, 
tracheenlose  Milben,  meistens  mit  Saugnäpfen  an  der  Spitze  der  Püsse; 
sie  leben  als  stationäre  Schmarotzer  an  Säugethieren  und  Vögeln  und  ernähren 
sich  entweder  von  ausgeschwitzter  Lymphe  oder  von  Oberhautgebilden.  Es  ist 
interessant,  dass  die  Männchen,  welche  von  den  Weibchen  meistens  an- 
sehnlich verschieden  sind,  sich  mit  letzteren  begatten,  ehe  diese  ihre  defini- 
tive Form  erreicht  haben  und  während  der  Eierstock  noch  gar  nicht  aus- 
gebildet ist.  Hierzu  gehört  die  Krätzmilbe  des  Menschen,  Sarcoptes  scabie), 
welche  in  der  Oberhaut  Gänge  nagt;  das  Weibchen  hat  Saugnäpfe  an  den 
beiden  vorderen  Fusspaaren  ,   das  kleinere  Männchen  ausserdem  noch 


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302 


Specieller  Theil. 


vierten  Paar.  Verschiedene  nähere  und  entferntere  Verwandte  leben  in 
und  an  der  Haut  bei  anderen  Säugethieren  und  bei  Vögeln  und  erzeugen  die 
als  Räude  bezeichneten  Krankheiten.  In  den  Haarbälgen  an  der  Nase 
des  Menschen  findet  man  sehr  allgemein  eine  eigenthümliche  mikroskopische 
Milbe  von  gestreckter  Leibesform  und  mit  ganz  kurzen  Beinen  ohne  Saug- 
näpfe: die  Haarbalgmilbe  {Jkmodex  foUimlomm) ;  sie  ist  ganz  unschäd- 
lich, während  eine  Varietät  derselben  Art,  welche  auf  dem  Hunde  lebt, 
bei  diesem  Thiere  ein  sehr  ernstes  Hautleiden  verursacht. 

3.  Die  Gallmilben  (Phyloptus)  sind  mikroskopische  Milben  mit  ge- 
strecktem Körper,  welche  besonders  dadurch  von  anderen  Milben  leicht  zu 
unterscheiden  sind,  dass  sie  nur  zwei,  und  zwar  die  beiden  vorderen  Bein- 
paare besitzen.  Die  Gallmilben  saugen  Pflanzensäfte  und  erzeugen  dadurch 
an  sehr  vielen,  besonders  holzartigen,  Pflanzen  verschiedenartige  Missbil- 
dungen der  Blätter  und  Knospen:  Filzflecken.  Benlen,  Beutelgallen,  Um- 
rollungen  der  Blattränder  etc. 

Anhang  zu  den  Spinn ent liieren. 

Die  drei  im  Folgenden  zu  erwähnenden,  sehr  eigenthümlichen  kleinen 
Gruppen   werden  in  der  Regel  alle  den  Arachniden  zugerechnet.  Ihre 

systematische  Stellung  ist  aber  nicht  sicher  fest- 
gestellt, wenn  es  auch  —  wenigstens  für  die  bei- 
den ersteren  —  als  wahrscheinlich  gelten  muss, 
dass  sie  mit  den  Arachniden  am  nächsten  verwandt 
sind.  Unter  allen  Umständen  sind  sie  aber  so 
abweichend,  dass  sie  am  besten  anhangsweise  zu 
behandeln  sind. 

Die  Pentastomen  oder  Zungenwürmer 
(PetttaaUmium),  welche  als  Schmarotzer  in  ver- 
schiedenen Wirbelthieren  leben,  sind  Thiere  von 
recht  ansehnlicher  Grösse,  welche  auf  den  ersten 
Blick  kurzgliedrigen  Bandwürmern  ähnlich  sind. 
Der  Körper  ist  gestreckt,  in  der  Regel  abge- 
plattet, durch  Querfurchen  in  eine  grosse  Anzahl 
kurzer  Glieder  getheilt  (die  Gliederung  ist  übrigens 
nur  im  Aeusseren  des  Thieres,  keineswegs  im  Innern 
ausgesprochen);  von  Gliedmaassen  bemerkt  man 
nur  zwei  Paar  Chitinhaken  vorne  nicht  weit  von 
der  Mundöffnung.  Der  Darmkanal  ist  ein  gerader 
Schlauch,  der  After  befindet  sich  am  Hinterende 
des  Thieres.  Die  Geschlechtsöffnung  des  Männchens 
liegt  weit  vorne  an  der  Bauchseite,  die  des  Weib- 
chens dicht  am  After;  die  Geschlechtsorgane  er- 
innern an  die  der  Arachniden.  Das  centrale 
Nervensystem  ist  auf  einen  Nervenknoten  unter- 
halb des  Schlundes  und  einen  von  dem  Knoten 
entspringenden  Ring  um  letzteren  reducirt.  Sinnes- 
organe, Athmungs-  und  Kreislaufsorgane  fehlen. 
—  Hierzu  gehört  Pentastoniwm  taenundes,  welches 
in  geschlechtsreifem  Zustande  in  der  Nasenhöhle 
Flg.  214.    Weihchen  von  und  den  Stirnhöhlen  des  Hundes  und  Wolfes  lebt 

PcrtattomumtatnioüU*  Jliarm,  /q  g  cm  und  meh  ^  2  Cm  lang).  Die  Eier, 
h  Haken,  ut  .Speiseröhre,  uv  Eier-    VT .  ,  .        ...  .  °{ 

stock.  r$  SamenbUae,  va  Eier-  welche  mit  dem  Nasenschleim  nach  aussen  ge- 
gang. —  Nach  Leuckart.         langen,  enthalten  je  ein  kleines  Junges  mit  zwei 


va 


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Gliederfüssler.   4.  Classe:  Spinnenthiere.  303 

Paar  kleinen  Hakenbeinen.  Wenn  solche  Eier  zufällig  von  einem  Häsen 
oder  Kaninchen  aufgenommen  werden,  wird  die  Eischale  in  deren  Magen 
aufgelöst,  und  das  kleine  Junge  dringt  in  die  Leber  ein,  wo  es  bedeutend 
anwächst,  aber  die  Geschlechtsreife  nicht  erreicht  (auch  beim  Menschen 
werden  hin  und  wieder  in  der  Leber  geschlechtslose  Pentastomen  dieser 
Art  gefunden) ;  wird  eine  solche  Leber  von  einem  Hunde  verzehrt,  so  wandert 
der  Schmarotzer  in  die  Nasenhöhle  ein  und  entwickelt  sich  hier  vollständig. 

Die  Pycnogoniden  oder  Krebsspinnen  (I*ycnogonulae)  haben  einen 
ganz  rudimentären  Hinterleib;  der  Vorderleib  ist  schmal  und  in 
vier  Glieder  getheilt,  von  welchen  das  vorderste  zu  einem  rüsselförmigen 
Portaatz  verlängert  ist,  an  dessen  Spitze  der  Mund  liegt;  im  Uebrigen 
trägt  der  Vorderleib  vier  Punktaugen,  ein  Paar  meistens  scheerenförmige 
Oberkiefer  und  ein  Paar  tasterförmige  Unterkiefer  (beide  Kieferpaare  können 
aber  auch  fehlen),  und  ferner  vier  Paar  Sgliedrige  Beine,  welche 
bald  plumper,  bald  sehr  langgestreckt  sind,  stets  aber  die  Hauptmasse  des 
Körpers  ausmachen.  Beim  Männchen  findet  sich  am  Grunde  des  1 .  Bein* 
paares  ein  Paar  gegliederte,  beinähnliche  Anhänge,  an  welchen  die  Eier 
befestigt  werden ;  dieselben  Anhänge  finden  sich  auch  zuweilen  beim  Weib- 
chen, welches  keine  Eier  trägt.  Die  Blindsäcke  des  Darmes  erstrecken 
sich  weit  in  die  Beine  hinein.  Athmungsorgane  fehlen,  dagegen  ist  ein 
Herz  vorhanden.  Es  finden  sich  ein  Paar  Eierstöcke  resp.  ein  Paar  Hoden, 
welche  sich  hinten  vereinigen  und  Aeste  in 
alle  Beine  hineinsenden;  Eier  und  Samen 
treten  durch  eine  Oeffnung  im  zweiten  Glied 
aller  oder  einiger  Beine  aus.  Die  neugeborenen 
Jungen  sind  ungegliedert  und  besitzen  nur 
drei  Gliedmaassenpaare,  von  welchen  das  vor- 
derste kleine  Scheeren  darstellt  und  zu  den 
Oberkiefern  des  ausgebildeten  Thieres  wird; 
das  zweite  und  dritte  Paar  sind  kurz;  das 
letztere  scheint  zu  Grunde  zu  gehen,  während 
das  zweite  zu  den  Unterkiefern  umgebildet  Fig-  Pyeaogmum. 
wird.     Zuweilen  schmarotzen  die  Larven  in 

Hydroiden.  Die  Pycnogoniden  leben  im  Meere,  wo  sie  langsam  auf  dem 
Boden  umherkriechen  ;  in  den  nördlichen  Meeren  findet  man  sowohl  kurz- 
beinige (Pycnogonum)  als  langbeinige  Formen  (Xytuphon). 

Die  Bärthierchen  {Tarditjrada)  sind  mikroskopisch  kleine  Thiere, 
welche  in  Moos,  in  Dachrinnen,  im  Süsswasser  leben.  Sie  sind  länglich,  un- 
deutlich gegliedert,  und  besitzen  vier  Paar  stummeiförmige,  ungegliederte, 


Fig.  216.  Schematiche  Darstellung  iler  Organisation  eines  Bärthierchen,  Q*,  von 
der  linken  Seite.  «  After,  by  Bauchganglion,  c  Gehirn,  d  Urüne,  ej  niutlunaa-tHliches  Excrc- 
Üonsorgan,  m  Magen,  o  Mund,  p  .Schlundkopf,  /  Hoden.  /  4  die  vier  Stuuimelbeine.  — 
Orig.  (mit  Benutzung  von  Figuren  von  Plate). 


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304  Specieller  Theil.   Gliederfössler.   4.  Claase:  Spinnenthiere. 

an  der  Spitze  mit  Krallen  versehene  Beine,  mittels  welcher  sie  langsam 
nmherkrieohen.  Ans  dem  Munde  können  sie  ein  Paar  stiletförmige  Werk- 
zeuge hervorschieben.  Athmungs-  und  Kreislaufsorgane  fehlen ;  dagegen 
besitzen  sie  ein  Paar  kleine  Augen  und  ein  ziemlich  wohlentwickeltes,  aus 
einem  grossen  Gehirnganglion  und  mehreren  gesonderten  Bauch^anglien  zu- 
sammengesetztes Nervensystem.  Die  Tardigraden  wurden  früher  für  Zwitter 
gehalten,  nach  neueren  Untersuchungen  sind  sie  aber  getrennten  Geschlechts ; 
die  Männchen  sind  weit  seltener  als  die  Weibchen.  Wenn  das  Wasser  in 
der  Umgebung,  wo  die  Tardigraden  leben,  austrocknet,  schrumpfen  sie  zu 
einem  unansehnlichen  Körnchen  ein  uud  können  in  diesem  Zustande  Jahre 
zubringen ;  wenn  sie  wieder  befeuchtet  werden,  dehnen  sie  sich  aus  und 
leben  wieder  auf.  —  Die  systematische  Stellung  dieser  kleinen  Gruppe  ist 
eine  noch  unentschiedene,  und  ihre  Unterbringung  bei  den  Arachniden  scheint 
uns  kaum  das  Richtige  zu  treffen. 


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7.  Kreis.   Weicllthiere  (Mollusca). 


Der  Körper  ist  ungegliedert,  von  sehr  verschiedener  Form, 
ohne  gegliederte  Anhänge;  die  Haut  weich,  oft  in  grosser  Ausdehnung 
bewimpert,  eine  Cuticula  fehlt  oder  ist  (in  der  Regel)  sehr  dünn. 
Die  Leibeswand  ist  an  ihrer  Unterseite  zu  einem  mnsculösen  soge- 
nannten Fuss  ausgebildet,  welcher  bald  scheibenförmig,  bald  zu- 
sammengedrückt ist  und  in  Folge  seines  grossen  Zusammenziehungs- 
vermögens  ein  wichtiges  Bewegungsorgan  bildet.  Vorne  findet  sich 
ein  mehr  oder  weniger  deutlich  entwickelter  Kopf  mit  MundöfFnung, 
Tentakeln  (Fühlern)  und  Augen.  Oberhalb  des  Fusses  und  des 
Kopfes  befindet  sich  eine  Hautfalte ,  der  Mantel,  welcher  um  das 
ganze  Thier  herum  verläuft;  bei  einigen  ist  er  nur  ein  niedriges  Ge- 
bräme,  bei  anderen  als  eine  grosse  blattartige  Hautfalte  an  beiden 
Seiten  des  Körpers  entwickelt  (Muscheln),  wieder  bei  anderen  ist  er 
entweder  an  der  Vorder-  oder  an  der  Hinterseite  des  Thieres  stärker 
entwickelt  (Schnecken,  Tintenfischen),  so  dass  zwischen  dem  Körper 
und  dem  Mantel  ein  taschenförmiger Hohlraum,  die  Mantelhöhle, 
entsteht  (A-  in  Fig.  220  und  242  B).  Bei  der  Mehrzahl  ist  ein  grösserer 
Theil  des  Körpers  von  einer  offenen  Schale  umgeben,  welche  eine 
Absonderung  der  Haut  ist;  sie  hängt  übrigens  nur  an  einzelnen 
Stellen  mit  der  Haut  zusammen ,  zum  grössten  Theil  liegt  sie  nur 
lose  auf  der  Oberfläche  des  Thieres.  Die  Schale  wird  nicht  ge- 
wechselt (wie  die  Cuticula  der  Arthropoden) ,  sondern  wird  dadurch 
vergrössert,  dass  neue  Theilchen  am  Bande  abgelagert  werden,  wäh- 
rend ihre  Wand  durch  Ablagerung  an  der  inneren  Seite  verdickt 
wird;  sie  besteht  aus  einer  chitinähnlichen  (chemisch  jedoch  von  Chitin 
sehr  verschiedenen)  Substanz,  Conchiolin,  welche  aber  in  der 
Regel  mit  Kalksalzen  (besonders  kohlensaurem  Kalk)  so  stark  im- 
prägnirt  ist,  dass  letztere  dem  Gewichte  nach  die  weitaus  über- 
wiegende Masse  der  Schale  ausmacht. 

Der  Darm kanal  ist  gewöhnlich  mit  einer  grösseren  Erweiterung, 
einem  Magen,  versehen;  der  After  befindet  sich  entweder  am  Hinter- 
ende oder  ist  auf  die  eine  Seite  des  Thieres  gerückt.  Gewöhnlich  sind 
Speicheldrüsen,  welche  sich  in  die  Mundhöhle  öffnen,  und  immer 
eine  wohlentwickelte  Leber  vorhanden.  Bei  der  Mehrzahl  der 
Weichthiere  (mit  Ausnahme  aller  Muscheln)  befindet  sich  auf  dem 
Boden  der  Mundhöhle  ein  musculöser  Wulst,  die  Zunge,  welche  an 

Bon,  Zoologie.  20 


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306 


Specieller  Theil. 


ihrer  Oberfläche  mit  einem  dünnen,  festen  Häutchen  bekleidet  ist,  an 
welchem  Querreihen  feiner  chitinartiger  Zähnchen  von  verschiedener 
Form  sitzen,  deren  Spitzen  nach  hinten  gerichtet  sind:  Radula, 

Reihplatte.  Die  Zähne  einer  Radula- 
Querreihe  können  gleichartig  sein, 
häufiger  jedoch  sind  einige  anders 
gestaltet  als  die  übrigen ;  jede  Quer- 
reihe ist  stets  symmetrisch,  meistens 
ist  ein  Mittelzahn  vorhanden ,  und 
die  übrigen  Zähne  sind  nach  beiden 
Seiten  symmetrisch  geordnet.  Die 
auf  einander  folgenden  Querreihen 
„      ..    ,    „  ,  .  sind  in  der  Regel  gleich.    Das  vor- 

big.  21  i.   Querreihe  der  KaduU  einer    ,        n   i      j     *V»   j  1        •   1  • 

strandsehnecke.  -  Nach  Loviu.  ™™  Ende  der  Radula  wird  immer- 

fort abgenutzt  und  abgestossen;  das 
hintere  Ende  steckt  in  einem  oft  sehr  tiefen,  engen  Sack,  der 
Zungenscheide,  in  welcher  hinten  neue  Zähne  gebildet  werden; 
die  Radula  wird  allmählich  aus  diesem  Sack  hervorgeschoben. 
Ausser  diesem  für  die  Weichthiere  sehr  charakteristischen  Gebilde 
findet  man  häufig  in  der  Mundhöhle  noch  andere  feste  (ebenfalls  aus 
einer  chitinähnlichen  Substanz  bestehende)  Theile  sehr  verschiedener 
Art,  welche  sämmtlich  als  Kiefer  bezeichnet  werden. 

Die  Athmungsorgane  sind  meistens  Kiemen  von  ver- 
schiedener Form,  welche  in  der  Regel  ihren  Platz  in  der  Mantelhöhle 
haben,  die  desshalb  auch  häufig  als  Kiemenhöhle  bezeichnet  wird. 
Bei  einigen  Weichthieren  fehlen  Kiemen,  und  die  Oberfläche  der 
Mantelhöhle  kann  dann  (bei  den  Lungenschnecken)  als  Lunge 
fungiren ;  bei  anderen  fehlen  besondere  Athmungsorgane  gänzlich.  — 
Das  Gefäss System  ist  meistens  wohlentwickelt;  es  sind  zahlreiche 
Gefässe  vorhanden,  wenn  auch  das  Blut  theilweise  durch  die  Spalten 
zwischen  den  Organen  fliesst.  Das  Herz  besteht  aus  einem  oder 
zwei  (bei  Nautilus  sogar  vier)  Vorhöf en,  in  welche  das  Blut  von 
den  Kiemen  (oder  der  Lunge)  her  eintritt,  und  einer  dickwandigeren 
Herzkammer,  welche  das  Blut  aus  den  Vorhöfen  empfängt  und 
dasselbe  in  den  Körper  treibt.  Das  venöse  Blut  sammelt  sich  in 
einem  oder  mehreren  grösseren  ßlutbehältern,  welche  die  Athmungs- 
organe mit  Blut  speisen.  —  Die  Excretionsorgane,  die  Nieren, 
sind  sackförmige  Organe,  welche  je  zwei  Oeffnungen  besitzen,  von 
welchen  die  eine  an  der  Oberfläche  des  Thieres  liegt,  während  die 
andere  in  den  sogenannten  Herzbeutel  (Pericardium),  einen  das  Herz 
umgebenden  Abschnitt  der  Leibeshöhle,  hineinführt.  Die  Zahl  der 
Nieren  ist  verschieden  (1—4);  sie  entsprechen  offenbar  den  Seg- 
mentalorganen der  Gliederwürmer. 

Das  Nervensystem  ist  eigenthümlich ;  der  Typus  ist  folgender: 
Oberhalb  des  vorderen  Theiles  des  Darmkanals  liegt  ein  Paar  durch 
einen  Querstrang  verbundene  Gehirnganglien;  von  diesen  geht 
jederseits  ein  Nervenstrang  um  die  Speiseröhre  herum  zu  einem  im 
Fu8se  liegenden  Ganglienpaar,  den  Fussganglien,  welche  ebenfalls 
durch  einen  Querstrang  verbunden  sind;  ferner  entspringt  von  jedem 
der  Gehirnganglien  ein  meistens  langer  Nervenstrang,  welcher  nach 
hinten  durch  den  Körper  läuft,  und  in  einem  Bogen  sich  mit  dem 
der  anderen  Seite  vereinigt;  beide  Stränge  werden  zusammen  als 
Eingeweidestrang  (Visceralcommissur)  bezeichnet.  An  denselben 


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Weichthiere. 


307 


sind  bei  den  Muscheln  nur  hinten  einige  Ganglien  eingeschoben .  die 
Eingeweideganglien  (Visceralg.l,  bei  anderen  ausserdem  noch 
vorne  ein  Paar  Seitenganglien  (Pleuralg.),  welche  durch  einen 


ABC 


Fig.  218.  Scheint!  «leg  centralen  N  erveusvnteni»  verschiedener  Weichthiere. 
A  einige  Schnecken,  B  andere  Schnecken,  ('  Muscheln,  h  Oehirn-,  /  Fuss-,  p  Seiten-,  t  Ein- 
geweideganglien, n  Kussmerven.  —  Orig. 

Querstrang  mit  den  Fussganglien  in  Verbindung  stehen.  Im  Einzelnen 
sind  übrigens  grosse  Unterschiede  bei  verschiedenen  Weichthieren  aus- 
geprägt :  die  Nervenstränge  können  lang  oder  kurz  sein ,  zuweilen 
so  kurz,  dass  alle  Granglien  dicht  an  einander  rücken,  etc. 

Die  Gehirnganglien  scheinen  dem  Gehirn  der  Gliederwürmer  zu  ent- 
sprechen, die  Fussganglien  dem  ersten  Bauchganglienpaar  derselben;  ein 
Paar  Nerven,  die  Fussnerven  (Pedalnerven),  welche  von  den  Fussganglien 
ausgehen  und  nach  hinten  verlaufen ,  und  welche  bei  einzelnen  (z.  6.  bei 
den  Chitonen)  sehr  kräftig  und  durch  feine  Querstränge  verbunden  sind, 
entsprechen  wahrscheinlich  den  Bauchnervensträngen  der  Gliederwürmer. 
Der  Eingeweidestrang  wäre  dann  als  eine  Neubildung  aufzufassen. 

Bei  den  Schnecken  und  Cephalopoden  befindet  sich  am  Kopfe 
ein  Paar  Augen,  welche  in  der  Regel  nach  einem  der  in  Fig.  15,  2, 4-6 
(S.  19)  abgebildeten  Typen  gebaut  sind ;  selten  finden  sich  bei  einzelnen 
Schnecken  ausserdem  noch  Augen  an  anderen  Theilen  des  Körpers. 
Bei  Chitonen  und  Muscheln  fehlen  dagegen  die  Kopfaugen ;  wenn  bei 
diesen  Thieren  Augen  vorhanden  sind,  so  liegen  sie  stets  an  anderen 
Theilen  des  Körpers.  Die  Weichthiere  besitzen  ein  Paar  Gehör- 
bläschen mit  einem  oder  mehreren  Kalk-Otolithen  (vergl.  Fig.  14 
S.  18) ;  die  Gehörbläschen  haben  in  der  Nähe  der  Fussganglien  ihren 
Platz,  die  Nerven,  welche  zu  ihnen  gehen  (Hörnerven),  kommen  aber 
stets  von  den  Gehirnganglien.  Als  Tastwerkzeuge  sind  die  bei 
den  Schnecken  allgemein  auftretenden  Tentakel  aufzufassen;  bei  anderen 
Weichthieren  fungiren  andere  Anhänge,  Papillen  etc.  in  derselben 
Weise.  Ein  oder  ein  Paar  als  Geruchsorgane  gedeutete  Sinnes- 
werkzeuge (besonders  ausgebildete  Hautpartien)  finden  sich  in  der 
Mantelhöhle  der  meisten  Schnecken  und  einiger  Muscheln;  bei  den 
Cephalopoden  findet  man  häufig  hinter  den  Augen  ein  Paar  Gruben, 
welche  in  derselben  Weise  gedeutet  werden. 

Was  die  Geschlechtsorgane  betrifft,  so  ist  das  ursprüng- 

20* 


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Specieller  Theil. 


liehe  Verhältniss  bei  den  Weichthieren  derart,  dass  ein  Paar  Ge- 
schlechtsdrüsen, jede  mit  ihrem  Ausführungsgang,  vorhanden  sind;  die 
Geschlechtsdrüsen  sind  aber  fast  immer  zu  einer  verschmolzen,  und 
häufig  ist  der  eine  Ausführungsgang  zu  Grunde  gegangen.  Uebrigens 
bietet  der  Geschlechtsapparat  eine  grosse  Mannigfaltigkeit  dar:  manche 
Weichthiere  sind  hermaphroditisch,  andere  getrenntgeschlechtlich;  oft 
sind  die  Ausführungsgänge  mit  Nebenapparaten  versehen ;  häufig  sind 
eigentümliche  Begattungsorgane  verschiedener  Art  vorhanden  etc. 
(vergl.  die  einzelnen  Classen).  —  Parthenogenesis  ist  ebenso  wenig 
wie  eine  ungeschlechtliche  Fortpflanzung  innerhalb  dieser  Abtheilung 
bekannt. 

Die  Mehrzahl  der  Weichthiere  durchlaufen  eine  Metamorphose; 
die  Larve  schwimmt  mittels  eines  sogenannten  Segels  (Velum),  einer 
am  Kopfe  sitzenden,  am  Rande  mit  Wimperhaaren  versehenen  Scheibe, 
frei  umher,  oft  ist  das  Segel  nur  durch  einen  am  Kopfe  angebrachten 
Kranz  von  Wimperhaaren  vertreten. 

Die  Weichthiere  sind  überwiegend  Was  se  rthiere,  besonders 
Meeresthiere ;  viele  Schnecken  leben  jedoch  auf  dem  Lande,  in  der 
Regel  an  feuchten  Stellen.  Sie  sind  nicht  allein  in  der  Jetztzeit  in 
einem  grossen  Reichthum  von  Formen  vertreten,  sondern  waren  auch 
in  früheren  Perioden  sehr  mannigfaltig  repräsentirt,  und  Schalen  von 
Weichthieren  gehören  zu  den  häufigsten  Fossilien. 


I.  Classe.    Chitonen  (Placophont). 

Die  Chitonen  (Käferschnecken),  welche  früher  unrichtiger  Weise 
zu  der  folgenden  Classe  gestellt  wurden,  sind  eine  kleine  Abtheilung 
von  fast  durchweg  streng  symmetrisch  gebauten  Weichthieren; 

von  der  für  die  Schnecken  so  charakteristischen 
Schiefheit  ist  hier  keine  Spur  vorhanden.  Es  sind 
ziemlich  abgeplattete,  schwach  gewölbte,  ovale 
Thiere,  deren  Unterseite  von  einem  grossen, 
scheibenförmigen  Fuss  eingenommen  wird.  An 
der  Rückenseite  findet  sich  eine  Reihe  von  8 
breiten,  verkalkten  Querplatten,  welche  ein- 
ander dachziegelartig  überdecken;  ebenso  wie  die 
kleineren  Kalkplättchen ,  Stacheln  und  Borsten, 
welche  die  Randpartie  der  Oberseite  bedecken, 
sind  es  echte  Cuticulargebilde.  Der  Mantel  ist 
nur  durch  eine  niedrige  Falte,  welche  oberhalb 
des  Fusses  und  des  Kopfes  um  den  ganzen 
Körper  herum  zieht,  repräsentirt  (Fig.  242  Ä)\ 
er  bedeckt  eine  Reihe  federförmiger  Kiemen 
auf  jeder  Seite.  Der  nicht  sehr  ausgeprägte  Kopf 
ist  tentakel-  und  augenlos;  dagegen  sind  bei 
einigen  Chitonen  Augen  an  der  Rückenseite  des 
Thieres  zerstreut  vorhanden;  sie  sitzen  an  der 
Spitze  von  weichen  Hautfortsätzen,  welche  die 
Schalenplatten  durchbohren,  also  scheinbar  auf  den  Schalenplatten 
selbst.  —  Das  Nervensystem  ist  besonders  dadurch  ausgezeichnet, 
dass  zwei  von  den  Fussganglien  entspringende,  nach  hinten  verlaufende 


Fig.  219.  Schema- 
tiche Figur  eines  Chi- 
tonen, von  unten  ge- 
sehen, m  Mund,  f  Fuss, 
a  After,  g  Kieme,  o 
Geschlechts-,  nNieren- 
öffnung.  —  Orig. 


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Weichthiere.    1.  Clawe:  Chitonen. 


309 


Nerven  (vergl.  S.  307)  sehr  kräftig  und  durch  viele  feine  Querstränge 
verbunden  sind.  Es  ist  eine  wohlentwickelte  Radula  vorhanden; 
der  After  befindet  sich  am  Hinterende  in  der  Mittellinie  des  Thieres. 
Das  Herz  liegt  oberhalb  des  Enddarmes;  es  ist  mit  zwei  Vorhöfen 
ausgestattet,  welche  symmetrisch  einer  an  jeder  Seite  der  Herzkammer 
gelagert  sind.  Es  finden  sich  ein  Paar  gestreckte,  mit  Aesten  ver- 
sehene Nieren,  welche  in  die  Mantelfurche,  eine  an  jeder  Seite, 
etwas  vor  dem  After  ausmünden.  Die  Geschlechter  sind  getrennt; 
Eierstock  und  Hoden  sind  unpaar,  die  Ausführungsgänge  aber  ge- 
trennt und  münden  jederseits  dicht  vor  den  Nierenöffnungen  in  die 
Mantelfurche.  Die  Larven  sind  oval,  vorne  mit  einem  Wimperkranz 
(Velum)  und  zwei  (später  sicli  rückbild enden)  Augen  versehen.  —  In 
der  Nord-  und  Ostsee  kommen  kleinere  Arten  der  augenlosen  Gatt. 
Giiton  vor,  in  den  wärmeren  Meeren  leben  grössere  Formen. 

Zu  den  Sohnecken  rechnete  man  früher  auch  eine  andere  kleine  Gruppe 
symmetrischer  Weichthiere,  nämlich  die  Meerzähne  (Scaphopoda:  Gatt. 
Dentaliwn  u.  a.),  deren  langgestreckter  Körper  von  einer  kegelförmigen, 
schwach  gebogenen,  an  beiden  Enden  offenen  Schale  umgeben  ist.  Wir 
icönnen  hier  übrigens  nicht  näher  auf  den  Bau  dieser  in  mancher  Hinsicht 
sehr  abweichenden  und  isolirt  stehenden  Gruppe  eingehen. 


2.  Classe.    Schnecken  (Gastropoda). 


Der  Bau  der  Schnecken  wird  am  leichtesten  dem  Verständnisse 
zugänglich,  wenn  wir  uns  den  Schneckentypus  durch  Umformung  eines 
Chiton  in  folgender  Weise  entstanden  denken  (vergl.  Fig.  242  A  und 
Fig.  220):  Die  Rückenpartie 
ist  stark  gewölbt  geworden, 
meistens  sogar  in  einen  hohen 
Sack  ausgezogen ;  der  untere 
Rand  der  Mantelfalte  umgiebt 
den  unteren  Theil  des  Sackes. 
An  der  Vorderseite  des  Sackes 
ist  die  Mantelfurche  sehr  stark 
vertieft,  so  dass  wir  hier  eine 
tiefe,  tascheuförmige  Höhlung, 
die  Mantel  höhle,  finden, 
deren  Oeffnung  nach  unten  ge- 
richtet ist  ;  hinten  ist  die  Man- 
telfurche niedrig  ebenso  wie  bei 

j      r%x  •  .  t     j  _        i.f  Fig.  220.  Scheinntische  Figur  einer  S  c  n  n  o  c  k  e 

den  Ohrtonen.  In  den  sackfor-  von  /w  lillken  Seite  ge8ehe*  (Schalc  wcggenom. 
migon  Theil  des  Korpers  sind  men).  «  After,  /  Fuss,  k  Manteihöhic,  «  Magen, 

die  meisten  Eingeweide  (Darm-   mu  Schalenrauskel,  o  Mund,  op  Deckel-  Ausser 
kanal,    Leber,    Geschleclltsor-   den   mit  Buchstaben   bezeichneten  Theileu  sind 
,    v        "  Ii.       -1        j  j-     auch  gewisse  Partien  des  Nervensystems  mit  ein- 

gane  etc.)  geruckt,  wahrend  die  gMeichneti  nttmlich  Gehirn.  und"  Seitenganglion 

Untere  Partie  de8  Körpers  fa8t  (oberhalb  der  Speiseröhre  ku  sehen)  und  Fuss- 
ohne  Eingeweide  ist;  der  Sack  ganglion  (unterhalb  der  Speiseröhre).    Die  punk- 

ist  von  einer  Kalkschale  um-  tir,c  Linie  deutel  die  Grcnze  dcr  Mwitelhöhie  an. 
geben.    Das  Thier  zerfällt  in  ~  n"e 

Folge  dieser  eigentümlichen  Ausbildung  naturgemäss  in  zwei  Haupt- 
abschnitte: den  weichen  Ei  nge  weide  sack,  dessen  untere  Grenze 


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310 


Speoieller  Theil. 


durch  den  Mantelrand  bezeichnet  wird,  und  einen  unteren  Abschnitt, 
den  Unterkörper,  mit  dem  Fuss  und  dem  Kopf. 

Der  Kopf  ist  gewöhnlich  ziemlich  deutlich  ausgebildet;  er  trägt 
ein  Paar  Fühler, Tentakel,  welche  bei  den  Landschnecken  hand- 
schuhfingerartig  eingestülpt  und  in  den  Kopf  zurückgezogen  werden 
können,  bei  anderen  Schnecken  nur  stark  zusammenziehbar  sind.  Bei 
einigen  Schnecken  (Hinterkiemern)  findet  sich  hinter  diesen  noch  ein 
Paar  Tentakel,  welche  oft  in  einer  Vertiefung  verborgen  werden 
können  und  häufig  an  der  Oberflüche  gefaltet  sind;  sie  werden  als 
Geruchsorgane  gedeutet  (Rhinophoren).  Ausserdem  findet  sich  auf 
dem  Kopfe  ein  Paar  meistens  kleine  Augen,  welche  zuweilen  an 
der  Spitze  besonderer  tentakelähnlicher  Stiele  sitzen  (so  bei  den  ge- 
wöhnlichen Landschnecken),  meistens  aber  direkt  am  Kopfe  ihren 
Platz  haben  oder  auf  die  Seite  der  Tentakel  gertickt  sind.  Der  Fuss 
ist  in  der  Regel  eine  platte  sehr  contractile  Scheibe,  welche  die  ganze 
Unterseite  des  Unterkörpers  einnimmt. 

Der  weiche,  dünnhäutige  Eingeweidesack  ist  von  einer  röhren- 
förmigen, am  einen  Ende  offenen,  am  anderen  geschlossenen  Schale 
bedeckt,  welche  gegen  die  Oeffnung  zu  allmählich  weiter  wird.  Nur 


ABC  D 


Fig.  221.  Verschiedene  Formen  Ton  Sehn  eckenschalen  von  der  linken  Seite  gesehen 
(.Schernau).  A — B  schwach  gebogen ;  C  spiraligo  Schaleuröhre ,  deren  Windungeu  einander 
nicht  berühren ;  D  do.,  deren  Windungen  an  einander  liegen  (der  gewohnliche  Typus).  —  Orig. 

in  selteneren  Fällen  ist  die  Röhre  gerade  oder  nur  schwach  gebogen, 
in  der  Regel  ist  sie  s  p  i  r  a  1  i  g  gewunden ;  die  Concavität  der  Spirale 
entspricht  bei  den  Schnecken  stets  der  Hinterseite  des  Eingeweide- 
sackes (vergl.  Fig.  220).  Die  einzelnen  Windungen  der  spiraligen 
Schalenröbre  berühren  einander  fast  immer,  ja  sind  sogar  innig  ver- 
bunden. In  einigen  Fällen  ist  die  Spirale ,  welche  sie  bilden ,  völlig 
oder  annähernd  symmetrisch,  wie  eine  Uhrfeder :  scheibenförmige 
Schalen ;  in  den  meisten  Fällen  ist  aber  der  innerste  Theil  der  Spirale 
(das  geschlossene  Ende  der  Röhre)  nach  der  einen  Seite  ausgezogen, 
so  dass  die  Axe  der  Schalenröhre  eine  um  einen  Kegel  gewundene 
Schraubenlinie  beschreibt.  Die  Grundform  der  meisten  Schnecken- 
schalen wird  desshalb  die  Kegelform,  wenn  auch  manche  wegen 
der  verschiedenen  Gestalt  der  Schalenröhre  etc.  von  derselben  sehr 
abweichen.  Stellt  man  eine  solche  Schale  derartig  auf,  dass  die  Axe 
des  Kegels,  die  Schalenaxe,  senkrecht  steht  und  die  Spitze  der 
Schale  (das  geschlossene  Ende  der  Schalenröhre)  nach  oben,  die 
Mündung  der  Schale  gegen  den  Beschauer  gewendet  ist  (Fig.  222), 
so  liegt  die  Mündung  entweder  rechts  von  der  Schalenaxe:  die 


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Weichthiere.   *>.  Cause:  Sohnecken. 


311 


Schale  wird  dann  als  rechtsgewunden  bezeichnet;  oder  sie  liegt 
links  von  der  Schalenaxe :  dann  ist  die  Schale  linksgewunden.  Die 
Schale  wird  derartig  von  dem  Thiere  getragen,  dass  die  Spitze  der- 
selben, wenn  die  Schale  rechtsgewunden 

ist,  nach  rechts  (und  nach  oben  und  A  B 

hinten),  wenn  sie  linksgewunden  ist, 
nach  links  (oben  und  hinten)  gerichtet 
ist.  Rechtsgewundene  Schalen  sind  weit 
häufiger  als  linksgewundene ;  bei  einigen 
Arten  findet  man  die  eine,  bei  anderen 
die  andere  Form  ;  als  individuelle  Ab- 
weichung kann  man  aber  bei  Formen, 
welche  normal  eine  rechtsgewundene 
Schale  besitzen,  Exemplare  mit  links- 
gewundener Schale  treffen ;    Selten   ist      Fig.  m.    Die  Schalen  zweier  Exem- 

beides  gleich  häufig  bei  derselben  Plare  einer  tropischen  Land»chnecke 
Art.    Bei  einzelnen  Schnecken  ist  die  fBulimus  f'TA1  7'??°  baldln"k"- 

Q  i  ,  sji  j  t*  i         j         gewunden    (A) ,    bald  rechUge- 

Schalenrohre  derartig  gewunden,  dass  wanden  (B)  »t.  Nach  v.  Martens, 
in  der  Schalenmitte  eine  grössere  von 

den  Windungen  umgebene,  unten  offene  Höhlung  entsteht;  häufiger 
liegen  aber  die  Windungen  derartig  an  einander,  dass  dieser  Hohl- 
raum ausserordentlich  eingeengt  wird  oder  völlig  verschwindet;  die 
Oeffnung  an  der  Basis  der  Schale  (dem  der  Spitze  entgegengesetzten 
Ende),  welche  in  diesen  spalt-  oder  röhrenförmigen  Hohlraum  führt, 
wird  als  Nabel,  der  Hohlraum  selbst  als  Nabelröhre  bezeichnet.  Bei 
enger  oder  geschlossener  Nabelröhre  bilden  die  der  Schalenaxe  zu- 
nächst liegenden  Theile  der  Windungen  ein  mehr  oder  weniger  aus- 
geprägtes 8trangförmiges  Gebilde  (ähnlich  wie  der  Stützpfeiler  einer 
Wendeltreppe),  die  Spindel  (Columella),  welche,  wenn  eine  Nabel- 
röhre vorhanden  ist,  von  letzterer  durchbohrt  ist,  sonst  aber  einen 
soliden  Pfeiler  bildet. 

Das  Wachst h um  der  Schale  findet  in  der  Weise  statt,  dass 
von  dem  verdickten  Rande  des  Mantels  neue  Schalentheilchen  ab- 
gesondert werden,  welche  sich  an  den  Rand  der  Mündung  legen  und  so 
die  Schalenröhre  verlängern ;  das  Wachsthum  scheint  stets  mit  Unter- 
brechungen stattzufinden,  im  Laufe  kürzerer  Zeit  wird  ein  grösseres 
Stück  gebildet,  dann  tritt  eine  längere  Periode  der  Ruhe  ein,  etc.  Der- 
jenige Theil  der  Wandung  des  neugebildeten  Schalenröhrenstückes, 
welcher  ältere  Windungen  überdeckt  und  mit  denselben  verwächst, 
ist  meistens  dünner  als  der  übrige,  freie  Theil,  zuweilen  sogar  schwierig 
zu  sehen.  Ausser  der  genannten  Ablagerung  von  Schalentheilchen 
an  der  Mündung  werden  auch  innen  in  der  Schalenröhre  von  der 
ganzen  Oberfläche  des  Eingeweidesackes  Kalktheile  abgelagert  und 
dadurch  die  Schale  verdickt;  die  allerältesten  engen  Windungen  an 
der  Spitze  der  Schale  werden  in  dieser  Weise  mit  Kalk  angefüllt; 
nicht  selten  werden  solche  mit  Kalk  gefüllten  Windungen  abgestossen. 
Neben  der  Neubildung  von  Schalentheilchen  findet  man  auch  häufig 
eine  Resorption  älterer  Theile  der  Schale;  nicht  selten  beobachtet 
man  z.  B.,  dass,  ehe  eine  Wachsthumsperiode  der  Schale  anhebt,  in 
der  Nähe  der  Mündung  Theile  der  Oberfläche  der  alten  Schale  an 
denjenigen  Stellen  aufgelöst,  weggeätzt,  werden,  wo  das  neue  Schalen- 
stück sich  über  ältere  hinlegen  wird;  ferner  findet  auch  tiefer  im 
Innern  häufig  eine  Resorption  der  versteckten  Theile  der  Schalen- 


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312 


Specialer  Theil. 


röhre  statt,  wodurch  die  Scheidewände  zwischen  zusammenstossenden 
Windungen  stark  verdünnt  oder  sogar  völlig  aufgelöst  werden  können. 
—  Die  Schale  der  Schnecken  besteht  in  der  Hauptsache  aus  kohlen- 
saurem Kalk  mit  einer  geringen  Menge  Conchiolin;  an  der  Oberfläche 
der  Schale  findet  man  häufig  eine  dünne  un verkalkte,  leicht  ab- 
schilfernde, hornartige  Schicht. 

Der  Querschnitt  der  Schalenröhre  ist  verschieden,  selten  kreisrund, 
meistens  etwas  zusammengedrückt,  zuweilen  sogar  spaltförmig.  Bei  einigen 
können  die  jüngeren  Windungen  die  älteren  völlig  oder  fast  völlig  ein- 
hüllen ,  so  dass  jene  ausser  lieh  nicht  oder  sehr  wenig  zu  sehen  sind.  Die 
Schalenaxe  der  kegelförmigen  Schalen  ist  bald  lang,  bald  kurz,  im  letzteren 
Falle  nähert  sich  die  Gestalt  der  scheibenförmigen.  In  einigen  Fällen  sind 
die  Windungen  sehr  zahlreich,  und  der  Querschnitt  der  Schalenröhre  nimmt 
ganz  allmählich  an  Grösse  zu;  in  anderen  Fällen  sind  nur  wenige,  rasch 
an  Umfang  zunehmende  Windungen  vorhanden.  Bei  nicht  wenigen  Schnecken 
nimmt  die  Mündung,  wenn  das  Wachsthum  abgeschlossen  ist,  eine  eigen- 
tümliche Form  an ,  wird  verdickt ,  erweitert  etc. ;  bei  anderen  hat  die 
Mündung  schon  bei  jüngeren  Thieren  einen  eigen thümlichen  (verdickten, 
Btaeheligen)  Rand,  und  am  Schluss  jeder  Wachsthumsperiode  wird  ein  neuer 
Rand  gebildet,  so  dass  man  an  der  Schale  die  älteren  Mündungen  als  be- 
sonders hervortretende  Theile  angedeutet  findet.  (Ueber  den  Ausschnitt 
oder  Halbkanal  der  Schale  für  die  Athemröhre  vergl.  unten.)  Die  Schalen 
sind  oft  bunt  gefärbt,  stachelig,  mit  feinerer  oder  gröberer  Sculptur  der 
Oberfläche  etc.  Zuweilen  ist  der  Mantelrand  besonders  stark  entwickelt, 
schlägt  sich  über  die  Schale  hinauf  und  sondert  an  der  Aussenflüche  der- 
selben eine  glänzende  Schicht  ab  (z.  B.  bei  den  Porzellanschnecken,  Oypraea). 

In  der  Weise,  wie  wir  sie  oben  geschildert  haben,  ist  die  Schale 
bei  der  Mehrzahl  der  Schnecken  gebildet.  Es  giebt  aber  Ausnahmen. 
Bei  einzelnen  Schnecken,  z.  B.  den  Wurmschnecken  (Vermetus),  ist 
die  Schalenröhre  ganz  unregelmässig  spiralig  gewunden,  was  damit  in 
Verbindung  steht,  dass  diese  Schnecken  mit  der  Schale  an  fremden 
Gegenständen  festgewachsen  sind :  die  regelmässige  Spiralwindung  der 
Schneckenschalen  steht  offenbar  damit  in  Zusammenhang,  dass  eine 
regelmässig  spiralig  gewundene  Schale  bequemer  von  dem  Thier  zu 
tragen  ist  als  eine  lange  gerade  oder  eine  unregelmässig  gewundene 
Röhre.  Bei  einigen,  welche  in  der  Jugend  frei  lebend,  später  an- 
gewachsen sind,  ist  die  Schale  in  der  ersten  Periode  regelmässig  ge- 
wunden, später  wächst  sie  gerade  oder  unregelmässig  aus.  —  Bei 
anderen  Schnecken  kann  man  von  einer  Schalenröhre  kaum  reden, 
die  ganze  Schale  ist  ein  einfacher  Napf  und  der  Eingeweidesack  ein 
weiches  Polster  an  der  Rückenseite  (Napfschnecken,  Patdia).  —  Bei 
manchen  Schnecken  sind  die  Schale  und  der  Eingeweidesack  rudimentär 
oder  fehlen  völlig ;  die  Eingeweide  sind  dann  in  den  Unterkörper  auf- 
genommen. In  einigen  Fällen,  in  welchen  die  Schale  rudimentär  oder 
schwach  entwickelt  ist,  ist  sie  ganz  oder  theilweise  von  Hautfalten 
eingeschlossen. 

Der  Eingeweidesack  liegt  im  Ganzen  frei  innerhalb  der  Schale, 
ist  aber  an  einer  einzelnen  Stelle  mit  letzterer  fester  verbunden,  nämlich 
dort,  wo  der  Schalenmuskel  (Spindelmuskel)  von  der  Spindel  ent- 
springt. Der  Schalenrauskel  liegt  an  der  Hinterseite  des  Eingeweide- 
sackes und  zieht  von  da  in  den  Unterkörper  hinab,  welch  letzteren 
er,  wenn  das  Thier  beunruhigt  wird,  mit  in  die  Schale  zurückzieht. 

An  der  Oberseite  des  hinteren  Theiles  des  Unterkörpers  findet 


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Weichthiere.   2.  Classe.  Schnecken. 


313 


man  bei  manchen  —  aber  bei  Weitem  nicht  allen  —  Schnecken  eine 
aus  Conchiolin,  oder  Conchiolin  und  Kalk,  bestehende  Platte,  welche, 
wenn  das  ganze  Thier  in  die  Schale  zurückgezogen  ist,  einen  ge- 
wöhnlich dicht  schliessenden  Deckel  (Operculum)  in  der  Mündung 
bildet  (indem  das  Thier  sich  in  die  Schale  zurückzieht,  klappt  es 
den  Fuss  derartig  zusammen,  dass  die  Platte  nach  unten  gerichtet 
wird).  Der  Deckel  ist  an  dem  Thiere  mit  einem  Theil  seiner  Unter- 
fläche festgeheftet  und  wächst  dadurch ,  dass  von  der  Haut  neue 
Theilchen  abgesondert  werden,  welche  sich  den  älteren  auschliessen ; 
zuweilen  findet  das  Wachsthum  in  der  Weise  statt,  dass  der  Deckel 
auf  seiner  Oberfläche  eine  Spirallinie  zeigt  (dieses  ist  aber  nur  bei 
einer  Minderzahl  der  Fall). 

Mit  dem  echten  Deckel,  welcher  mit  dem  Thiere  fest  zusammenhäugt 
and  allmählich  wächst,  ist  der  bei  einigen  Landschnecken  vorkommende 
sogenannte  Winterdeckel  (Epiphmgma)  nicht  zu  verwechseln.  Letzterer  ist 
eine  meistens  papierdünne,  seltener  dickere  Platte,  welche  man  z.  B.  bei  den 
Ilelix- Arten  (bei  H.  pomalia  ist  er  sehr  dick  und  fest)  in  der  Mündung  der 
Schale  findet,  wenn  die  Thiere  im  Winterschlaf  liegen  und  sich  deshalb  in 
die  Schale  zurückgezogen  haben;  sie  ist  aus  einem  erhärteten  kalkhaltigen 
Schleim  gebildet,  hängt  nicht  mit  dem  Thiere  zusammen  und  wird  am 
Ende  des  Winterschlafes  abgestossen,  um  jedes  Jahr  aufs  Neue  gebildet  zu 
werden. 

Die  Haut  ist  bei  den  Schnecken  weich  und  schleimig;  der  Schleim 
wird  von  einzelligen  Drüsen  abgesondert,  welche  massenhaft  an  der 
Oberfläche  des  Körpers  münden.  Bei  manchen  Lungenschnecken  sind 
ausserdem  einige  grössere,  schleimabsondernde  Hautdrüsen  vorbanden. 
Bei  den  Vorderkiemern  findet 
sich  eine  eigenthümliche ,  gefal- 
tete ,  schleimabsondernde  Epi- 
thelpartie an  der  inneren  Seite 
des  Mantels,  die  sogenannte 
„Schleimdrüse".  Bei  ein- 
zelnen Schnecken  sondert  diese 
Drüse  ausser  Schleim  noch  eine 
Flüssigkeit  ab,  welche  durch 
Einwirkung  des  Lichts  eine  vio- 
lette, sehr  dauerhafte  Farbe  an- 
nimmt: „Purpur". 

Das  centrale  Nerven- 
system besteht  aus  einem  Paar 
Gehirnganglien,  einem  Paar  Fuss- 
ganglien, einem  Paar  Seitengang- 
lien und  einer  verschiedenen  An- 
zahl Eingeweideganglien,  welche 
in  der  S.  306—307  angegebenen 
Weise  mit  einander  verbunden 
sind.  Bei  den  Hinterkiemern  und 
den  Lungenschnecken  verläuft  der 
Gingeweidestrang  in  einem  Bo- 
gen nach  hinten  von  einem  Sei- 
tenganglion   zum   anderen  und 


Fig.  228.  Hauptpartien  de**  Nervensystem» 
in  ihrem  Verhältnis«  zum  Durmkanal  bei  einein 
Hinterkiemer  (A)  und  bei  einem  Vorder- 
kieiner  (&);  Schemata.  A  Gehirn-,  p  Seiten-, 
/  Fuss-,  i"  Eingeweideganglien;  t  Darmkanal.  — 
Orig. 


hat  während  des  ganzen  Verlaufes  seinen  Platz  unterhalb  des  Darm- 
kanals.   Bei  den  Vorderkiemern  dagegen  ist  der  Eingeweidestrang  in 


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314 


Specieller  Theil. 


einer  eigenthümlichen  Weise  um  den  Darmkanal  gewunden  und  zwar 
so,  dass  er,  wenn  wir  von  dem  vom  linken  Seitenganglion  entspringenden 
Ende  desselben  ausgehen,  nach  rechts  und  hinten  unterhalb  des  Darm- 
kanals  verläuft,  um  sich  dann  umzukehren,  oberhalb  des  Darmkanals 
querüber  nach  der  linken  Seite  zu  gehen  und  dann  wieder,  oberhalb 
des  Darmkanals,  nach  vorn  und  rechts  zu  verlaufen  und  im  rechten 
Seitenganglion  zu  enden  (Fig.  223  B).  Diese  eigentümliche  Anordnung 
des  Nervensystems,  welche  Umlagerungen  grösserer  Theile  des  Thieres 
voraussetzt,  findet  man  bei  allen  Vorderkiemern.  —  Von  den  Sinnes- 
organen haben  wir  schon  oben  die  Augen  erwähnt:  für  die  Gehör- 
organe ist  auf  das  S.  307  für  die  Weichthiere  im  Allgemeinen  Be- 
merkte zu  verweisen.  Bei  den  meisten  Schnecken  findet  sich  in  der 
Alantelhöhle  eine  besonders  ausgebildete,  nervenreiche,  oft  gefaltete 
Hautpartie,  welche  mit  einem  eigenthümlichen  Epithel  bekleidet  ist; 
sie  hat  ihren  Platz  in  der  Nähe  der  Kieme,  und  wenn  zwei  Kiemen 
vorhanden  sind,  sind  auch  zwei  solche  Organe  ausgebildet.  Es  sind 
zweifellos  Sinnesorgane,  mit  denen  wir  es  hier  zu  thun  haben;  sie 
werden  als  Geruchsorgane  bezeichnet. 


A  B 


Fig.  224.  Strandschnecken  (Lit(orina)  au*  der  Schale  genommen,  von  oben  ge- 
sehen. In  beiden  Fallen  ist  der  Mantel  auf  der  rechten  Seite  losgeschnitten  und  auf  die  linke 
Seite  hinüber  gelegt;  in  B,  einem  cA  ist  im  Uebrigen  alles  ungestört,  in  A,  einem  9,  sind 
einige  Theile  der  Leibeswand  entfernt  und  einige  Organe  geöffnet,  a  After,  <r  Eierstock, 
al  Eileiter.  /  Fuss,  g  Kieme,  h  Herzkammer  (in  A  ist  der  Herzbeutel  geöffnet),  k  Schleim- 
drüse, l  Leber,  lu  Geruchsorgan,  m  Magen,  mu  Schalenmuskel,  n  Niere  (in  A  geöffnet),  n'  die 
Oeffnung  derselben  in  die  Mantclhöhle,  0  Geschlechtsöffnung  des  Weibchens,  oe  Speiseröhre, 
b  Auge,  i>  Penis,  r  in  A  die  sehr  lange  aufgerollte  Zungenscheide,  r  in  B  Samenrinne,  $  Speichel- 
drüse, al  Samenleiter,  t  Hoden.  —  Nach  Souleyet. 


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Weichthiere.   2.  Olasse:  Schnecken 


315 


In  Bezug  auf  den  Darmkanal  ist  besonders  hervorzuheben, 
dass  der  After  in  der  Regel  an  der  rechten1)  Seite  in  der  Mantel- 
höhle, also  ganz  asymmetrisch,  liegt;  nur  bei  einigen  wenigen  Formen 
unter  denjenigen  Schnecken,  bei  welchen  die  Schale  verloren  gegangen 
ist,  kann  der  After  eine  symmetrische  Lage  einnehmen  (vergl.  die 
Hinterkiemer).  Im  Munde  ist  eine  Radula  vorhanden,  welche  bei 
den  verschiedeneu  Schnecken  mancherlei  Modifikationen  darbietet; 
manche  besitzen  ausserdem  ein  Paar  Kiefer,  welche  entweder  an 
der  Seite  der  Mundhöhle  sitzen  oder  oben  zusammenrücken,  wo  sie 
dann  zu  einem  einzigen  (so  bei  manchen  Lungenschnecken)  ver- 
schmelzen können,  oder  an  der  unteren  Seite  der  Mundhöhle  vor  der 
Radula  zusammenrücken.  Bei  einem  Theil  der  Schnecken  ist  die 
Mundhöhle  sehr  stark  entwickelt  und  kann  als  ein  langer  Rüssel 
ausgestülpt  werden,  an  dessen  Spitze  Kiefer  und  Radula  sitzen.  Zu- 
weilen findet  sich  ein  mit  festen  Cuticularplatten  ausgestatteter,  mus- 
culöser  Kaumagen.  Speicheldrüsen  und  Leber  sind  vorhanden.  — 
Das  Herz  besteht  gewöhnlich  aus  einem  Vorhof  und  einer  Herz- 
kammer, von  welchen  jener  das  Blut  von  der  Kieme  oder  Lunge 
empfangt;  sind  zwei  Kiemen  vorhanden,  so  finden  sich  ebenfalls  zwei 
Vorhöfe,  einer  an  jeder  Seite  der  Herzkammer,  und  letztere  wird  in 
diesem  Fall  vom  Enddarm  durchbohrt  (vergl.  die  Muscheln,  bei 
welchen  es  erklärt  werden  wird,  was  darunter  zu  verstehen  ist).  Das 
vom  Herzen  entspringende  Arteriensystem  ist  wohlentwickelt,  ebenso 
die  Venen,  welche  das  Blut  zu  den  Kiemen  (oder  der  Lunge)  führen; 
dagegen  fehlt  ein  Capillarnetz ,  die  Aeste  der  Arterien  und  Venen 
stehen  durch  grosse  bluterfüllte  Räume  zwischen  den  Eingeweiden 
mit  einander  in  Verbindung. 

Die  Athmungsorgane.  Bei  einem  grossen  Theil  der  Schnecken 
finden  sich  eine,  seltener  zwei  Kiemen,  welche  in  der  Mantelhöhle 
links  an  der  inneren  Seite  des  Mantels  sitzen ;  die  Kieme  ist  entweder 
mit  einer  oder  zwei  Reihen  von  Blättern  versehen.  Der  Eingang  zur 
Mantelhöhle  ist  ein  breiter  Schlitz  unten  an  der  Vorderseite  des 
Eingeweidesackes;  der  musculöse  Mantelrand  legt  sich  aber  in  der 
Regel,  mit  Ausnahme  einer  begrenzten  Stelle,  eng  an  den  Einge- 
weidesack an,  so  dass  das  Wasser  nur  an  der  genannten  Stelle  in  die 
Mantelhöhle  eindringen  kann.  Diese  Oeffnung  wird  als  dasAthem- 
loch  bezeichnet  und  liegt  auf  der  linken  Seite.  Bei  manchen  Vorder- 
kiemern  ist  derjenige  Theil  des  Mantelrandes,  welcher  das  Athemloch 
begrenzt,  zu  einem  kürzeren  oder  längeren  Halbkanal,  der  Athem- 
röhre,  ausgezogen,  deren  Ränder  häufig  dicht  an  einander  gelegt 
werden  können  und  so  einen  vollständigen  Kanal  erzeugen.  Wenn 
eine  Athemröhre  vorhanden  ist,  hat  die  Mündung  der  Schale  unten 
(wenn  die  Schale  mit  der  Spitze  nach  oben  gestellt  wird)  einen  Aus- 
schnitt oder  ist  zu  einem  Halbkanal  verlängert,  durch  welchen  die 


')  Ebenso  wie  bei  anderen  in  gewissen  Beziehungen  asymmetrischen  Thiercn 
(z.  B.  bei  den  Säugethieren)  kann  auch  bei  den  Schnecken  oine  Umkehrung  der 
gewöhnlichen  Lage  der  Organe  derart,  dass  alles,  was  sonst  rechts  ist,  links  liegt 
und  umgekehrt  (eine  Inverrio  viacerum),  vorkommen;  es  liegt  daun  der  After 
links  statt  rechts,  und  die  übrigen  Theile  nehmen  ebenfalls  eine  der  gewöhnlichen 
entgegengesetzte  Lage  ein.  Dies  fällt  zuweilen  mit  Linksgewundensein  der 
Schale  zusammen;  es  kommen  aber  auch  Formen  mit  linksgewundenen  Schalen 
vor,  welche  die  gewöhnliche  Lage  der  Organe  besitzen,  also  auch  den  After  rechts 
haben. 


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316 


Specialer  Theil. 


Athemröbre  horvorgestreckt  wird.  Das  Wasser  wird  durch  Wimper- 
haare, welche  an  der  Kieme  und  in  der  Mantelhöhle  sitzen,  in  Be- 
wegung gesetzt.  —  Bei  einer  geringeren 
Anzahl  Schnecken,  nackten  Hinterkiemern, 
welche  keine  Kiemenhöhle  besitzen,  sind 
verschieden  gestaltete  als  Kiemen  fun- 
girende  Hautauswüchse  frei  auf  der  Rücken- 
seite angebracht;  bei  einigen  um  den 
After  herum,  bei  anderen  an  den  Seiten 
etc.  —  Bei  den  Lungenschnecken  und 
einigen  der  Vorderkiemer  fehlen  Kiemen, 
die  Innenseite  des  Mantels  ist  dann  aber 
mit  einem  Netz  von  feinen  Gefässeu  aus- 
gestattet, und  die  Mantelhöhle  wird  auf 
diese  Weise  zu  einer  Lunge.  —  Endlich 
giebt  es  eine  Anzahl  Schnecken,  denen 
besondere  Athmungsorgane  ganz  abgehen  ; 
dies  ist  bei  nicht  wenigen,  besonders 
nackten.  Hinterkiemern  der  fall. 

Bei  den  Schnecken  findet  sich  meist 
eine  sackförmige  Niere  mit  einer  Oeff- 
nung  in  den  Herzbeutel  und  einer  andern 
an  der  Oberfläche ;  wenn  eine  Mantelhöhle 
vorhanden  ist,  öffnet  sich  die  Niere  in 
letztere,  sonst  an  der  rechten  Seite  des 
Thieres.  Die  Niere  ist  in  der  Regel  an 
ihrer  inneren  Oberfläche  stark  gefaltet, 
zuweilen  ist  sie  reich  verästelt.  Selten 
sind  zwei  Nieren  vorhanden. 

Die  Geschlechtsorgane  verhal- 
ten sich  bei  den  verschiedenen  Gruppen 
recht  verschieden ;  es  ist  ihnen  jedoch  ge- 
meinsam, das8  die  Geschlechtsöffnung  fast 
immer  auf  der  rechten  Seite  sich  befindet, 
in  der  Regel  in  der  Mantelhöhle,  wenn 
eine  solche  vorhanden  ist.  Die  Vorder- 
kiemer, welche  fast  immer  getrennten 
Geschlechts  sind,  bieten  die  einfachsten 
Verhältnisse  dar.  Bei  diesen  sind  der 
Eierstock  und  der  Hode  —  welche  beide 
stets  nur  in  der  Einzahl  vorhanden  sind 
—  äusserlich  wesentlich  übereinstimmend. 
Der  Eileiter  ist  eine  gewundene  Röhre, 
von  welcher  ein  Abschnitt  erweitert  ist; 
er  öffnet  sich  in  die  Mantelhöhlo.  Der 
Samenleiter  mündet  bei  den  meisten 
Vorderkiemern  an  derselben  Stelle  wie 
der  Eileiter,  und  von  der  Geschlechts- 
öffnung geht  dann  eine  Rinne  an  der 
Oberfläche  des  Körpers  nach  dem  Penis 
hin,  welcher  an  der  rechten  Seite  am  Kopfe  angebracht  ist; 
die  Rinne  setzt  sich  am  Begattungsorgan  bis  an  dessen  Spitze 
hin  fort.    Bei  anderen  Vorderkiemern  ist  die  genannte  Rinne  zu 


Fig.  225.  Geschlechtsap- 
parat der  Wegschnecke  (Arion 
tmpiricurum).  a  Eiweissdrtlse ,  e 
Zwittergang,  A  Zwitterdrüse,  o  Eier- 
gang, p  Samenhlase,  t  Samenleiter 
(im  grösseren  Theil  seines  Verlaufes 
ist  der  Samenleiter  lediglich  eine 
Kinne  an  der  Eileiterwand),  r  eine 
kurze  Einstülpung  der  Haut ,  in 
welche  sowohl  Ei-  wie  Samenleiter 
münden.  Als  Begattungsorgan  fun- 
girt  der  äusserst«.  ausstulphare  Theil 
des  Samenleiters.  —  Nach  Baudelot. 


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Weichthiere.   2.  Classe:  Schnecken. 


317 


einem  geschlossenen  Kanal  geworden ,  und  der  Samenleiter  öffnet 
sich  dann  erst  an  der  Spitze  des  Penis,  welcher  bei  den  Vorder- 
kiemern  nicht  wie  bei  anderen  Schnecken  zurückgestülpt  werden  kann. 
Anhangsdrüsen  der  Geschlechtsorgane  fehlen  in  der  Regel  bei  den 
Vorderkiemern.  Die  Hinterkiemer  und  Lungenschnecken 
sind  Zwitter,  und  Eier  und  Samen  werden  in  einem  und  demselben 
Organ,  der  Zwitterdrüse,  gebildet.  Der  Ausführungsgang  dieser 
ist  bei  einigen  Hinterkiemern  für  Eier  und  Samen  gemeinsam,  und 
es  ist  dann  auch  eine  gemeinsame  äussere  Geschlechtsöffnung  vor- 
handen; von  dieser  geht  eine  Rinne  an  der  Haut  bis  an  die  Spitze 
des  Begattungsorgans.  Bei  den  meisten  Hinterkiemern  und  bei  den 
Lungenschnecken  ist  der  Ausfuhrungsgang  nur  theilweise  gemeinsam, 
spaltet  sich  aber  in  einigem  Abstand  von  der  Zwitterdrtise  in  zwei 
Kanäle,  einen  Eileiter  und  einen  Samenleiter,  welche  meistens  dicht 
neben  einander  ausmünden,  der  Samenleiter  an  der  Spitze  eines  Penis, 
welcher  also  hier  mit  einem  wirklichen  Kanal,  nicht  mit  einer  blossen 
Rinne  ausgestattet  ist.  Der  Penis  kann  bei  allen  Lungenschnecken 
und  Hinterkiemern  in  das  Thier  zurückgestülpt  werden.  Der  Ge- 
schlechtsapparat besitzt  bei  diesen  Gruppen,  besonders  aber  bei  den 
Lungenschnecken,  zahlreiche  Nebenorgane  :  Eiweissdrüsen  (welche  das 
die  Eier  umgebende  Eiweiss  erzeugen),  Schleimdrüsen  (welche  wäh- 
rend der  Paarung  Schleim  absondern),  Samentasche  etc.;  bei  einigen 
Landschnecken  (z.  B.  bei  den  gewöhnlichen  Helixarten)  findet  sich 
ein  sogenannter  Pfeilsack,  eine  Ausstülpung  des  Eileiters  dicht 
an  der  äusseren  Geschlechtsöffnung,  in  welchem  ein  Kalkkörper  etwa 
von  der  Form  eines  Pfeiles,  der  „Liebespfeil",  abgesondert  wird,  der 
während  der  Begattung  hervorgeschossen  und  als  ein  Reizwerkzeug 
aufgefasst  wird.  Die  Begattung  ist  bei  den  hermaphroditischen 
Schnecken  wechselseitig. 

Bei  den  Hinterkiemern,  einigen  Vorderkiemern  und  den  im  Wasser 
lebenden  Lungenschnecken  werden  die  Eier  haufenweise,  in  einen  ge- 
meinsamen Schleimklumpen  von  verschiedener  Form  eingelagert, 
abgelegt  und  an  Wasserpflanzen  u.  dergl.  festgeklebt.  Bei  den  meisten 
Vorderkiemern  sind  die  Eier  dagegen  in  Eierkapseln  eingeschlossen, 
welche  eine  lederartige  Wandung  besitzen  ;  jede  Kapsel  enthält  mehrere 
Eier,  welche  in  einer  vom  Eileiter  abgesonderten  Eiweissmasse  liegen, 
welch  letztere  von  den  Jungen  verzehrt  wird ;  die  Kapseln ,  welche 
in  der  Regel  gruppenweise,  zusammengeklebt,  abgelegt  werden,  haben 
sehr  verschiedene,  oft  bizarre  Formen.  Bei  den  auf  dem  Lande 
lebenden  Lungenschnecken  sind  die  Eier  von  mehr  oder  weniger  ver- 
kalkten Schalen  umschlossen,  welche  zuweilen  denen  kleiner  Vogel- 
eier sehr  ähnlich  sind  (eine  Absonderung  der  Eileiterwandung);  in 
jeder  Schale  liegt  ein  kleines  Ei  in  einer  grossen  Eiweissmasse.  — 
Einzelne  Schnecken  aus  den  Abtheilungen  der  Vorderkiemer  und 
Lungenschnecken  gebären  lebendige  Junge:  die  Eier  entwickeln 
sich  im  Eileiter. 

Die  Eier  sind  bei  den  Schnecken  immer  klein,  und  es  findet  eine 
totale  Furchung  statt.  Bei  den  Vorder-  und  Hinterkiemern  durch- 
läuft das  Junge  eine  Metamorphose;  wenn  es  aus  dem  Ei  kommt, 
besitzt  es  in  der  Regel  ein  wohlentwickeltes  Schwimmsegel,  mittelst 
dessen  es  sich  im  Wasser  umherbewegt  ;  der  Fuss  ist  dagegen  zunächst 
nur  schwach  entwickelt.  Es  ist  besonders  hervorzuheben,  dass  die 
zahlreichen  Hinterkiemer,  welche  als  ausgebildete  Thiere  nackt, 


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318 


Specieller  Theil. 


schalenlos  sind,  als  Larven  mit  einer  dünnen  feinen  Schale,  ja  sogar 
mit  Schalendeckel  ausgestattet  sind;  beides  wird  später  abgeworfen. 
—  Den  Jungen  der  Lungenschnecken  geht  ein  Segel  ab,  und  sie 
machen  überhaupt  keine  solche  Verwandlung  durch  wie  die  anderen. 

Bei  denjenigen  Vorderkiemern,  welche  Eierkapseln  ablegen,  die  viele  Eier 
enthalten,  gelangen  in  jeder  Kapsel  oft  nur  wenige  oder  gar  nur  ein  einziges  Ei 
zur  Entwicklung,  und  die  nicht  entwickelten  Eier  werden  von  den  im  Ei  weiss 
umherschwimmenden  Jungen  verschluckt.  Manchmal  durchlaufen  die  Jungen 
solcher  Formen  die  Metamorphose  innerhalb  der  Eierkapsel  und  verlassen 
letztere  erst,  wenn  das  Segel  verschwunden,  der  Fuss  ausgebildet  und  die 
Körpergröße  eine  recht  ansehnliche  geworden  ist  (Buccinum  undatum). 

Die  Schnecken  sind  grösstenteils  kriechende  Thiere,  welche 
mittels  wellenförmiger  Contractionen  ihrer  Fussscheibe  über  die  Unter- 
lage hingleiten;  nicht  wenige  (z.  B.  Süsswasserschnecken)  haben  das 
Vermögen,  mit  der  Fussfläche  in  der  Wasseroberfläche  und  den  Ein- 
geweidesack nach  unten  gerichtet,  so  zu  sagen  an  der  Oberfläche  des 
Wassers  zu  hängen  und  sich  ebendaselbst  langsam  fortzubewegen. 
Einige  kleinere  Abtheilungen  der  Meeresschnecken  zeichnen  sich  da- 
durch aus,  dass  sie  mittels  des  umgebildeten  Fusses  oder  besonderer 
Werkzeuge  einer  wirklichen  S  c  h  w  i  m  m  bewegung  fähig  sind.  Die 
Hauptmasse  der  ßchnecken  (die  Hinterkiemer,  die  überwiegende  Mehr- 
zahl der  Vorderkiemer)  leben  im  Meere,  nicht  wenige  im  Süsswasser 
(einige  Vorderkiemer,  ein  Theil  der  Lungenschnecken),  manche  (die 
Mehrzahl  der  Lungenschnecken,  einige  Vorderkiemer)  auf  dem  Lande. 

Die  folgende  Tabelle  wird  eine  Uebersicht  über  die  wichtigsten 
Charaktere  der  drei  Ordnungen  der  Schnecken  geben. 


Lungenschnecken. 
Zwitter. 


Vorderkiemer.  Hinterkiemer. 

Getrennten  Geschlechts.  I  Zwitter. 

Eingeweidenervenstrang    Eingeweidenervenstrang  Eingeweidenervenstrang 

achterförmig :  8-              einfach:  U-  einfach:  U- 

Der  Vorhof  in  der  Re-  Der  Vorhof    vor  der 

gel  hinter  der  Herz-  Herzkammer, 

kammer.  Athmen     durch  eine 

Athmen  durch  Kiemen.  Lunge. 

Penis  einstülpbar.  Penis  einstülpbar 


Der  Vorhof    vor  der 

Herzkammer. 
Athmen  (in  der  Hegel) 

durch  eine  Kieme. 
Penis  frei  hervorstehen  d . 


Metamorphose.  Metamorphose.  1  Keine  Metamorphose. 


1.  Ordnung.   Vorderkiemer  ( Prosobranchiata). 

Zu  dieser  Abtheilung,  deren  wesentliche  Charaktere  aus  dem  Vor- 
hergehenden erhellen,  gehört  die  Mehrzahl  der  schal  entragenden 
Meeresschnecken,  ferner  einige  Süsswasserschnecken  und  einige 
lungenathmende  Landschnecken.  So  gut  wie  alle  Vorderkiemer  be- 
sitzen eine  Schale,  meistens  eine  wohlentwickelte  Spiralschale  mit 
oder  ohne  Ausschnitt  oder  Kanal,  seltener  eine  mützenförmige 
Schale  etc.  Meistens  ist  ein  Deckel  vorhanden.  In  der  Regel  findet 
sich  in  der  Mantelhöhle  nur  eine  Kieme.  Einige  sind  Pflanzen- 
fresser, andere  ernähren  sich  von  lebenden  oder  todten  Thieren;  einige 
bohren  mittels  ihrer  Radula  die  Schalen  anderer  Weichthiere  an, 
stecken  den  Rüssel  durch  die  so  hervorgebrachte  Oeffnung  und  fressen 
die  Beute  aus. 


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Weichthiere.   2.  Clas»e:  Schnecken. 


319 


1.  Im  Meere  ist  diese  Abtheilung  durch  zahllose  Formen  vertreten; 
besonders  in  den  Tropen  leben  viele  grosse  und  schöne  Arten.  In  den 
kälteren  Meeren  findet  man  ebenfalls  zahlreiche  Vorderkieraer,  meistens  aber 
kleinere  und  unscheinbarere  Formen.  Von  den  in  der  Nordsee  (z.Th.  auch 
in  der  Ostsee)  lebenden  führen  wir  an:  die  Strandschnecken  (IÄHorina), 
kleine,  dickschalige  Schnecken  ohne  Ausschnitt,  welche  an  Steinen  etc.  dicht 
am  Ufer  in  grosser  Anzahl  gefunden  werden;  das  Well  hörn  (Ifuccinum 
undatum),  eine  grosse  Schnecke  mit  kurzem  Kanal,  lebt  auf  etwas  tieferem 
Wasser,  wird  vielfach  als  Köder  verwendet;  der  Pelikans fuss  (Aporrhais 
j)€s  pdicani),  dessen  Mündung  in  mehrere  zehenartige  Fortsätze  ausgezogen 
ist;  die  Napfschnecken  (Paietta)  mit  mützenförmiger  Schale,  sitzen 
lange  Zeit  unbeweglich  an  einer  Stelle. 

2.  Im  Süsswasser  leben  in  Deutschland  u.  A.  folgende :  Die  Sumpf- 
schnecke (Paludina  vivipara),  ziemlich  gross  (bis  4  cm  hoch),  mit  kegel- 
förmiger Schale,  gebärt  lebendige  Junge,  welche  bei  der  Geburt  ungefähr 
erbsengross  und  den  Erwachsenen  ähnlich  sind;  die  Eier  sind  jedes  in  eine 
Kapsel  eingeschlossen,  welche  eine  reichliche  Eiweissmasse  enthält  und  in 
dem  stark  erweiterten  Eileiter  der  Mutter  liegen  bleibt;  innerhalb  der 
Kapsel  wird  die  Metamorphose  durchlaufen.  Geraeiner  sind  die  kleineren 
Arten  der  verwandten,  aber  eierlegenden  Gattung  Bithynia.  Einer  anderen, 
auch  im  Meere  vertretenen  Familie  gehören  die  kleinen  mit  halbkugeliger 
Schale  versehenen  XmÜna- Arten  an ;  der  Innenrand  der  Mündung  abgeplattet. 

3.  Auf  dem  Lande  lebt  in  Deutschland  u.  A.  die  Ereismund- 
s  c  h  n  e  c  k  e  ( Oyclosionia  elfgans),  welche  durch  eine  Lunge  athraet,  von  den 
echten  Lungenschnecken  aber  durch  Vorhandensein  eines  Deckels  auf  den 
ersten  Blick  leicht  zu  unterscheiden  ist. 

Eine  eigenthümliche ,  auf  das  pelagische  Leben  eingerichtete  Gruppe 
der  Vorderkiemer  sind  die  KieltYinsler  (fletfropoda).  Es  sind  wasserklare, 
grossäugige  Thiere  mit  einem  grossen  zusammengedrückten  Fuss, 


Fig.  226.  Ein  Kielfüssler  (Carinaria).  /  Fuss  mit  einem  hinteren  Saugnapf  (tu), 
g  Kieme,  welche  aus  der  Hantelbuhle  hervorragt,  m  Mund,  s  Schale,  k  Kiel  auf  der  Schale. 
—  Nach  Souleyet. 

mittels  dessen  sie  sich  im  Wasser  fortbewegen ;  der  Fuss  stellt  eine  senk- 
rechte musculöse  Platte  mit  scharfem  unteren  Rand  dar,  welche  höchstens 
an  einer  begrenzten  Stelle  die  gewöhnliche  Beschaffenheit  des  Schnecken- 


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320 


Speoieller  Theil. 


fusses  in  der  Gestalt  eines  am  Rande  sitzenden  Saugnapfes  bewahrt 
hat  (der  Saugnapf  kann  aber  auch  fehlen).  Der  Eingeweidesack  ist  bei 
einigen  recht  wohl  entwickelt  und  in  eine  zusammengedrückte,  scheiben- 
förmige Spiralschale  eingeschlossen  j  der  Unterkörper  trägt  bei  diesen  einen 
Deckel  und  kann  in  die  Schale  zurückgezogen  werden.  Bei  anderen 
(Fig.  226)  ist  der  Eingeweidesack  klein  und  nur  mit  einer  napfförmigen 
Schale  versehen,  während  der  Unterkörper  verhältnissmässig  kolossal,  deckel- 
los ist  und  natürlich  nicht  in  die  Schale  zurückgezogen  werden  kann ;  end- 
lich giebt  es  einige,  welche  einen  noch  kleineren  Eingoweidesack  und  gar 
keine  Schale  besitzen.  Als  Larven  sind  alle  schalen-  und  deckeltragend. 
—  Die  Kielfüssler  sind  lebhafte  Raubthiere,  welche  mit  der  Bauchseite 
nach  oben  gekehrt  umherschwimmen;  Bie  kommen  in  allen  wärmeren  Meeren, 
verschiedene  Formen  z.  B.  im  Mittelmeere,  vor. 

2.  Ordnung.    Hinterkiemer  (Opisthobranchiata). 

Einige  Hinterkiemer  sind  mit  einem  Eingeweidesack,  einer  (ge- 
wöhnlich spiralig  gewundenen)  Schale,  einer  Mantelhöhle  und  einer 
in  letzterer  angebrachten  Kieme,  zuweilen  auch  mit  einem  Deckel, 
ausgestattet,  ebenso  wie  die  Vorderkiemer ;  manchmal  ist  aber  die 
Schale  mehr  oder  weniger  rückgebildet,  und  den  meisten  flinter- 
kiemern  (nackte  H..  Ntidibranchiata)  geht  eine  Schale,  und  damit 
auch  der  Eingeweidesack  und  die  Mantelhöhle,  völlig  ab,  und  die 
Eingeweide  sind  in  den  Unterkörper  hinabgesenkt;  an  der  rechten 
Seite  oberhalb  des  Fusses  findet  man  die  Nieren-  und  die  Geschlechts- 
öffnung, oft  auch  den  After.  Bei  den  Nudibranchien  fehlt  in  der 
Regel  auch  die  gewöhnUche  Kieme,  welche  dann  aber  meistens  durch 
besondere,  verschieden  gestaltete  Hautauswüchse  ersetzt  ist,  die  als 
Kiemen  fungiren.  Die  Larven  sind,  wie  schon  früher  hervorgehoben, 
mit  Schale  und  Deckel  versehen.  —  Alle  Hinterkiemer,  von  welchen 
die  nackten  meistens  in  prachtvollen  Farben  prangen,  leben  im  Meere, 
sowohl  in  den  kälteren  als  in  den  wärmeren  Zonen  der  Erde. 

1.  Von  gehäusetragenden  Kinterkiemern  führen  wir  an:  Bulla 
(Blasenschnecke)  mit  bauchiger  Schale,  deren  Spitze  in  eine  nabelähnliche 
Vertiefung  eingesenkt  ist  (in  den  wärmeren  Meeren  gemein,  verwandte 
Gattungen  in  den  nördlichen  Meeren).  Bei  einigen  mit  Bulla  ver- 
wandten Formen  ist  die  Schale  von  Hautfalten  umgeben,  welche  mit  ein- 
ander verwachsen  und  die  dann  immer  dünne  Schale  völlig  einBchliessen 
können  (innere  Schale);  letzteres  ist  z.  B.  mit  der  im  Mittelmeere  und  an- 
deren wärmeren  Meeren  lebenden  Gatt.  Aplyaia  (Seehase)  der  Fall. 

2.  Unter  den  n ackten Hinte rkiemern  sind  die  Doriden  (Gatt.  Doris 
u.  a.)  dadurch  ausgezeichnet,  dass  der  After  sich  hinten  auf  dem  Rücken 
in  der  Mittellinie  befindet  und  von  einem  Kreis  gefiederter  Kiemen  um- 
geben ist.  Die  Aeolidien  (Gatt.  Aeolis  u.  a.)  haben  unverästelte  Kiemen 
auf  der  Rückenseite  ;  in  jede  Kieme  erstreckt  sich  ein  Ast  der  Leber,  welche 
sehr  verästelt  und  vom  Darmkanal  nicht  scharf  gesondert  ist.  Manche 
Nudibranchien  sind  kieraenlos  (z.B.  Elysia,  Limapotäüi)  und  haben  oft  eine 
bedeutende  oberflächliche  Aehnlichkeit  mit  Plattwürmern.  Alle  genannten 
Formen  sind  auch  in  den  nördlichen  Meeren  vertreten. 

Zu  den  Hinterkiemern  gehören  zwei  abweichende  Gruppen  pelagischer 
Thiere,  welche  gewöhnlich,  aber  nicht  ganz  richtig,  unter  den  Namen 
R uders ch necken  (Pterojjoda)  zusammengefasst  werden.   Die  eine  dieser 


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Weifhthiere.   2.  Clause:  Schnecken. 


321 


Abtheilungen,  die  FlossenfUssler  oder  beschälten  Raderschnecken 
(Eupteropoda),  zeichnet  sich  unter  Anderem  dadurch  aus,  dass  der  vordere, 
sehr  breite  und  mnsculöse  Theil  des  Fusses  ein  Paar  flossenartige  Be- 
wegungswerkzeuge bildet;  der  hintere  Theil  des  Fusses  (f)  ist  an  seiner 
Unterseite  mit  dichtgestellten  langen  Wimperhaaren  besetzt,  welche  mikro- 


Fig.  227.  Ein  Flossenfllssler  (CUodora).  m  Mond,/'  hinterer  Theil  des  Fasses, 
r  Flosse,  $  Schale.  —  Orig. 

Fig.  228.  Nackte  Rud  er *ch  necke  (ßexwärancAa*«).  »w  Saugnipfe,/*Fuss,  r  Flosse, 
g  After,  b  Kieme.  —  Orig. 

skopiache  Organismen,  die  in  ihre  Nähe  kommen,  dem  Munde  zutreiben; 
letzterer  liegt  vorne  zwischen  den  Flossen  und  ist  von  einem  Paar  Lippen- 
falten umgeben,  welche  vor  dem  Munde  sich  mit  einander  vereinigen  und 
somit  verhindern,  dass  die  von  dem  Wimperstrom  ergriffenen  Thierchen 
entwischen.  Der  Eingeweidesack  ist  wohlentwickelt  und  in  eine  Schale 
eingeschlossen,  welche  bei  einigen  spiralig  gewunden  ist  (es  ist  dann  meistens 
auch  ein  Deckel  vorhanden),  bei  der  Mehrzahl  aber  gerade  oder  schwach 
gekrümmt,  symmetrisch  ist.  Die  Eupteropoden  gehören  zu  den  häufigsten 
und  charakteristischsten  pelagischen  Thierformen ;  sie  sind  blind  und  werden 
besonders  Abends  an  der  Oberfläche  des  Meeres  getroffen ;  sowohl  in  kälteren 
als  in  den  warmen  Meeren.  —  Die  andere  zu  den  Pteropoden  gerechnete 
Abtheilung,  die  nackten  Raderschnecken  (Pterota),  sind  schalenlos  und 
besitzen  einen  kleinen,  oft  fast  rudimentären  Fuss ;  sie  bewegen  sich  mittels 
zweier  besonderen,  flossenartigen,  musculösen  Anhänge,  welche  vorne  dicht 
beim  Fasse  sitzen,  aber  nicht  einen  Theil  des  letzteren  darstellen.  Aua  der 
Mundhöhle  können  bei  diesen  Thieren  verschiedene  Fangwerkzeuge,  „Arme", 
mit  Saugwerkzeugen  etc.  hervorgestreckt  werden ;  die  Pteroten  sind  nämlich 
gefräs sige  Räuber,  welche  besonders  den  wehrlosen  Eupteropoden  nach- 
stellen, deren  Verbreitung  mit  der  ihrigen  zusammenfällt.  Eine  bekannte 
Art  dieser  Gruppe  ist  die  an  den  Küsten  Grönlands  häufige,  bis  4  cm  lange 
Cliotie  Umacina,  welche  sich  von  einem  mit  Spiralschale  versehenen  Euptero- 
poden, Limacma  hdicina,  ernährt. 

Bon,  Zoologie.  21 


Fig.  227. 


Fig.  228. 


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32L> 


Specieller  Theil. 


3.  Ordnung.   Lungenschnecken  (Pulmonata). 

Bei  den  Lungenschnecken  finden  wir  ebenso  wie  bei  den  Hinter- 
kiemern,  dass  einige  Formen  (die  Mehrzahl)  schalentragend  sind  und 
einen  wohlentwickelten  Eingeweidesack  besitzen,  während  andere  nackt 
sind  und  keinen  Eingeweidesack  haben  (die  Eingeweide  sind  in  den 
Unterkörper  aufgenommen).  Es  besteht  aber  der  Unterschied  zwischen 
ihnen  und  den  Hinterkiemern,  dass,  selbst  wenn  Schale  und  Eingeweide- 
sack fehlen,  dennoch  die  Mantelhöhle  stets  als  eine  taschenartige,  von 
einem  schildförmigen  Mantel  überdeckte  Höhle  an  der  Oberseite  des 
Thieres  vorhanden  ist;  die  Innenseite  des  Mantels  ist  sowohl  bei  den 
nackten  als  bei  den  schalentragenden  mit  einem  reichen  Gefässnetz 
versehen.  Die  Oeffnung,  welche  in  die  Mantelhöhle  hineinführt,  ist 
nicht  wie  bei  anderen  Schnecken  eine  breite  Spalte,  sondern  beschränkt 
sich  auf  ein  Loch  an  der  rechten  Seite;  die  Schale  ist  immer  ohne 
Ausschnitt,  und  ein  Deckel  fehlt.  Zwischen  den  schalentragenden 
und  den  nackten  Lungenschnecken  giebt  es  eine  vollständige  Reihe 
von  Uebergängen:  wir  finden  Formen,  deren  Schale  nicht  so  gross 
ist,  dass  das  Thier  bei  sehr  feuchter  Luft  (unter  solchen  Umständen 
ist  der  Weichkörper  voluminöser  als  bei  trockener  Luft)  sich  völlig 
in  die  Schale  zurückziehen  kann,  während  es  dies  bei  trockener  Luft 
kann ;  wir  treffen  andere,  welche  eine  regelmässig  ausgebildete  Schale 
besitzen,  die  aber  so  klein  ist,  dass  sie  nur  den  kleinen  Eingeweide- 
sack bedeckt,  während  der  übrige  Theil  niemals  in  dieselbe  zurück- 
gezogen werden  kann;  oder  der  Eingeweidesack  ist  eigentlich  ganz 
verschwunden,  und  die  kleine  plattenförmige  Schale  bedeckt  nur  noch 
den  Mantel;  oder  die  Schale  ist  eine  kleine  dünne  Platte,  welche  in 
die  Mantelhaut  eingeschlossen  ist, !)  oder  sie  ist  sogar  nur  durch  lose 
Kalkkörner  repräsentirt,  welche  ebenfalls  im  Mantel  versteckt  liegen 
(letzteres  ist  z.  B.  bei  der  grossen  Wegschnecke  der  Fall),  oder  sie 
fehlt  völlig.  —  Die  Lungenschnecken  leben  auf  dem  Lande  und  im 
Süsswasser  und  ernähren  sich  hauptsächlich  von  pflanzlicher  Nahrung. 
Sie  sind,  wie  vorhin  erwähnt,  Luftathmer ;  gewisse  Süsswasserschnecken 
(Limnaeus)  besitzen  aber,  besonders  im  Jugendzustande,  das  Vermögen, 
Wasser  in  die  Mantelhöhle  aufzunehmen  und  demselben  den  aufgelösten 
Sauerstoff  zu  entnehmen. 

1 .  Die  Land-Lungenschnecken  (Stylojnmatophora)  zeichnen  sich 
dadurch  aas,  dass  die  Augen  an  der  Spitze  je  eines  Stieles  sitzen,  welcher 
den  Tentakeln  ganz  ähnlich  ist  und  ebenso  wie  diese  in  den  Kopf  zurückge- 
stülpt werden  kann.  Hierzu  gehören  sowohl  gehäusetragende  als  nackte 
Formen.  Von  den  ersteren  nennen  wir  die  Gatt.  Helix,  zu  welcher  die 
kleineren  Gartenschnecken  und  die  grosse  Weinbergschnecke 
(JIctix  potnatia)  gehören;  unter  den  letzteren  die  grosse  Wegschnecke 
(Arien  empiricorum)  und  die  kleinere,  schädliche,  graue  Ackerschnecke 
(Limax  agrestis). 

2.  Die  Sü8swa8ser-Lungen8chnecken  (Basommatopliwa)  haben 
un gestielte ,  an  der  BasiB  der  Fühler  sitzende  Augen ;  die  Fühler  können 
nicht  eingestülpt  werden.  Hierzu  gehören  die  zahlreichen  Arten  der 
Schlammschnecken  (Limnaeus)  mit  spitzer  Schale  und  die  Teller- 

*)  Bei  einer  einzelnen  Form  (Parmacelia)  findet  sich  bei  dem  jungen  Thiere 
eine  kleine  äussere  Schale,  welche  später  von  der  Mantelhaut  überdeckt  und  ein- 
geschlossen wird,  so  dass  ältere  Thiere  eine  innere  Schale  haben. 


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Weichthiere.    2.  Classe:  Schnecken. 


323 


Schnecken  {Planorbis)  mit  scheibenförmiger  Schale;  beide  Gattungen  sind 
überall  im  Süsswasser  gemein,  durch  grössere  und  kleinere  Arten  vertreten  ; 
gewisse  Schlammschnecken  führen  eine  amphibische  Lebensweise  (kommen 
sowohl  auf  dem  Lande  als  im  Wasser  vor). 


3.  Classe.     Muscheln  (Acephala). 


Der  Körper  der  Muscheln  ist  im  Allgemeinen  im  Gegensatz  zu 
dem  der  Schnecken  fast  vollkommen  symmetrisch  (wenn  man  von 
den  Windungen  des  Darmkanals  ab- 
sieht) :  der  After  liegt  am  Hinterende, 
die  Geschlechts-  und  Nierenöffnungen 
sind  symmetrisch  angeordnet  etc.  Zur 
allgemeinen  Orientirung  kann 
Folgendes  dienen :  Der  eigentliche 
Rumpf  ist  im  Vergleich  mit  dem 
ganzen  Umfang  des  Thieres  ziemlich 
klein;  die  Mantelfalte  ist  an  jeder 
Seite  des  Thieres  in  Form  eines  grossen, 
vorhangartig  herabhängenden  Blattes 
entwickelt.  Vom  Rumpf  entspringen 
dicht,  unterhalb  der  Ursprungsstelle  des 
Mantel blattes  an  jeder  Seite  zwei  blatt- 
förmige Kiemen,  welche  innerhalb  der 
Mantelblätter  herabhängen ;  an  der  Un- 
terseite des  Thieres  befindet  sich  der 
gewöhnlich  kielförmige  Fuss:  vorne  an  Fig.  229.  Querschnitt  einer 
der  Mundöffnung  sitzen  vier  «rosse  ^'^VS^ti 
Mundlappen.  Em  gesonderter  Kopf  K.ppe,  «  Niere,  »  Schale,  /  Darm  — 
fehlt.  Das  ganze  Thier  ist  von  einer  in  «Jrig. 
der  Regel  symmetrischen,  zusammen- 
gedrückten, zweiklappigen  Schale  umgeben. 

Der  Fuss  ist  gewöhnlich  nicht  sehr  deutlich  vom  Rumpf  ge- 
sondert; häufig  ist  er  nur  ein  zusammengedrückter  Längskiel  an  der 
Unterseite  des  Thieres  ;  bei  einigen  ist  er  ein  längerer,  mehr  hervor- 
stehender, zusammengedrückter  (zuweilen  knieförmig  gebogener)  Theil; 
bei  einzelnen  ist  er  zungenförmig  (Miesmuschel);  bei  einigen  besitzt 
er  eine  wirkliche  Scheibe  an  der  Unterseite.  Der  Fuss  ist  das 
wichtigste  Bewegungswerkzeug  der  Muscheln,  welches  aus  der  Schale 
hervorgestreckt  wird,  indem  es  von  dem  Rumpf  aus  mit  Blut  gefüllt 
wird ;  wird  das  Thier  beunruhigt,  so  zieht  es  den  Fuss  mittels  einiger 
von  der  Innenseite  der  Schale  entspringender  Muskeln  zurück.  — 
Bei  wenigen  Muscheln  (z.  B.  der  Auster)  fehlt  der  Fuss  völlig,  bei 
anderen  ist  er  rudimentär  oder  sehr  klein. 

Jede  Kieme  ist  ein  Blatt,  dessen  oberer  Rand  am  Rumpf  fest- 
geheftet ist;  der  untere  Theil  —  ungefähr  die  Hälfte  des  Blattes  — 
ist  umgebogen  und  dem  oberen  Theil  dicht  angelegt  (ähnlich  wie  die 
eine  Hälfte  eines  Bogens  Papier  der  anderen);  an  der  äusseren  Kieme 
liegt  er  ausserhalb,  an  der  inneren  innerhalb  des  oberen  Theiles.  Der 
Rand  dieses  aufgebogenen  Theiles  der  Kieme  ist  bei  einigen  frei,  bei 
anderen  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  oder  nur  theilweise  am  Rumpf. 

21* 


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324 


Specieller  Theil. 


dicht  am  Ursprung  des  Kiemenblattes,  festgewachsen.  Das  Kiemeu- 
blatt  besteht  aus  feinen,  in  der  Richtung  von  oben  nach  unten  ver- 
laufenden Fäden;  die  Fäden  sind  zuweilen  frei  oder  nur  unter  ein- 
ander verklebt,  gewöhnlich  aber  durch  Querstäbe  fest  verbunden,  so 
dass  das  Kiemenblatt  eine  netzförmig  durchlöcherte  Platte  darstellt; 
ähnlich  ist  der  aufgebogene  Theil  des  Kiemenblattes  mit  dem  anderen 
durch  kleine  Querbalken  verbunden  (Fig.  229).  —  Die  Kiemen,  von 
welchen,  wie  oben  erwähnt,  in  der  Regel  jederseits  zwei,  selten  nur 
eine,  vorhanden  sind,  besitzen  an  ihrer  Oberfläche  ein  dichtes  Kleid 
von  Wimperhaaren,  welche  das  Wasser  über  sie  hin  bewegen. 

Der  M  antel  zerfällt  bei  den  Muscheln  in  zwei  symmetrische 
Hälften,  ein  rechtes  und  ein  linkes  Mantelblatt,  welches  ausser- 
halb der  Kiemen  liegt.  Die  Mantelblätter  sind  dünne  Platten,  deren 
bandförmige  Randpartie,  der  Mantelsaum,  jedoch  etwas  ver- 
dickt und  mit  querlaufenden  Muskelfasern  versehen  ist,  deren  obere 
Enden  an  der  sogenannten  Mantellinie  (vergl.  unten)  an  der  Innen- 
seite der  Schale  festgeheftet  sind,  und  welche  durch  ihre  Verkürzung 
den  Mantelsaum  innerhalb  des  Randes  der  Schale  zurückziehen; 
längs  des  freien  Randes  des  Mantels  finden  sich  häufig  Tastfäden. 
Die  Ränder  der  beiden  Mantelblätter  sind  übrigens  nur  bei  einer  ge- 
ringeren Anzahl  von  Muscheln  (z.  B.  der  Auster)  von  einander  voll- 
ständig frei;  in  der  Regel  sind  sie  theilweise  verwachsen,  so  dass 
die  grosse  Oeffnung  zwischen  ihnen  in  zwei  oder  mehrere  Abschnitte 
getheilt  ist.  In  den  einfachsten  Fällen  (z.  B.  bei  der  Miesmuschel) 
ist  nur  der  allerhinterste  Theil  von  der  übrigen  Oeffnung  gesondert, 
indem  die  Mantelränder  auf  eine  kurze  Strecke  mit  einander  ver- 
bunden sind;  wir  erhalten  bei  solchen  Muscheln  eine  kleine  hintere 


ohne  jedoch  mit  einander  zu  verwachsen.  Bei  anderen  Muscheln  ver- 
wachsen die  Mantelblätter  an  der  entsprechenden  Stelle  in  geringerer 
oder  grösserer  Ausdehnung,  und  wir  finden  dann  die  ursprünglich  ein- 
heitliche Spalte  in  drei  Oeffnungen  getheilt:  hinten  die  Kloaken- 
öffnung, unter  dieser  die  A themöffnung,  durch  welche  das 
Wasser  einströmt,  und  vorne  und  unten  die  Fuss  Öffnung,  durch 
welche  der  Fuss  hervorgestreckt  wird,  letztere  weit  grösser  als  die 


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Weichthiere.   3.  Claaae:  Muscheln. 


325 


beiden  anderen.  Die  Kloaken-  und  die  Athemöffnung  sind  oft  zu 
zwei  Röhren,  der  Kloaken-  und  der  Athemröhre,  ausgezogen, 
welche  aus  der  Schale  hervorgestreckt  werden  können  und  zuweilen 
eine  ansehnliche  Länge  erreichen ;  meistens  sind  sie  mit  einander  ver- 


Fig.  231.  Klaff  muschel.  Sehr  lange  verwachsene  Mantelröhren,  welche  nicht  in 
die  Schale  zurückgezogen  werden  können,  u  OefTnung  der  Kloaken-,  »'  der  Athemröhre, /Fuss. 

bunden  und  erscheinen  dann  äusserlich  als  eine  einzige  (zuweilen  am 
Ende  gespaltene)  Röhre,  welche  aber  innerlich  durch  eine  Scheidewand 
in  zwei  getheilt  ist;  seltener  sind  sie  auch  äusserlich  getrennt.  Zu- 
weilen erreichen  sie  eine  so  bedeutende  Entwicklung,  dass  sie  nicht 
in  die  Schale  zurückgezogen  werden  können  (Fig.  231).  Bei  Muscheln 
mit  diesen  Röhren  sind  die  Mantelränder  oft  in  so  grosser  Aus- 
dehnung verwachsen,  dass  auch  die  Fussöffnung  bedeutend  ver- 
kleinert ist. 

Die  Schale  liegt  ausserhalb  des  Mantels,  letzterem  dicht  an- 
gelagert. Sie  zerfällt  in  zwei  Hälften,  welche  oben  durch  eine  bieg- 
same Masse,   das  unten  näher  zu  besprechende  Band  (Ligament), 


A  •  B 


Fig.  232.  Rechte  ScbalenhHlfte  zweier  verschiedener  Muscheln,  von  der  Innenseitc  ge- 
sehen. A  ohne,  B  mit  Mantelbucht,  b  Band,  bu  Wirbel,  kb  Mantelbucht.  I  Mantellinie, 
m  SchliessmuakeleindrUcke.  —  Orig. 

verbunden  sind.  Die  beiden  Schalenhälften  sind  im  Allgemeinen 
wesentlich  einander  spiegelbildlich  gleich;  seltener  sind  grössere 
Unterschiede  vorhanden  (z.  B.  hei  der  Auster).  Sie  sind  mehr  oder 
weniger  gewölbt;  oben  findet  sich  in  der  Regel  ein  vorragender  Buckel, 
der  sogen.  Wirbel  (der  älteste  Theil  der  Schale),  welcher  gewöhn- 
lich dem  Vorderende  näher  als  dem  Hinterende  liegt.  Der  obere 
Rand  jeder  Schalenhälfte  besitzt  gewöhnlich  zahn-  oder  leistenartige 
Vorsprünge,  welche  zwischen  entsprechende  der  anderen  Hälfte  ein- 
greifen :  Sehl  o 88  (Cardo)]  bei  nicht  wenigen  fehlt  dasselbe  übrigens 


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326 


Spezieller  Theil. 


oder  ist  nur  wenig  ausgebildet.  Wenn  die  Schale  geschlossen  ist, 
passen  gewöhnlich  die  Ränder  beider  Hälften  überall  eng  an  einander, 
so  dass  die  weichen  Theile  des  Thieres  von  der  Aussenwelt  ganz  ab- 
geschlossen sind;  nicht  selten  klafft  jedoch  die  Schale  an  einer  oder 
mehreren  Stellen,  namentlich  hinten  bei  denjenigen,  welche  mit  nicht 
zurückziehbaren  Mantelröhren  versehen  sind,  vorne  bei  einigen,  welche 
mittelst  eines  Byssus  (S.  328)  festgeheftet  sind.  Das  Schliessen  der 
Schale  wird  durch  die  Schliessmuskeln,  gewöhnlich  zwei,  be- 
wirkt, welche  quer  durch  das  Thier  gehen,  der  eine  im  vorderen,  der 
andere  im  hinteren  Theil  desselben,  und  welche  der  Innenseite  der 
Schale  angeheftet  sind;  seltener  ist  nur  ein  Schliessmuskel  vorhanden 
(z.  B.  bei  der  Auster).  An  der  Stelle,  wo  ein  Schliessmuskel  der 
Schale  angeheftet  war,  bemerkt  man  an  der  Innenseite  derselben 
einen  scharf  begrenzten  Fleck,  einen  Muskeleindruck,  an  jeder 
Schalenhälfte  also  in  der  Regel  zwei;  ausserdem  findet  man  an  der 
Innenseite  der  Schale  häufig  kleinere  Eindrücke,  welche  den  An- 
heftungen  der  Fussmuskeln  entsprechen.  Ferner  die  sogenannte 
Mantellinie,  von  welcher  die  Muskelfasern  des  Mantelsaumes 
ihren  Ursprung  nehmen ;  die  Mantellinie  läuft  bei  denjenigen  Muscheln, 
welche  keine  Mantelröhren  besitzen,  dem  Rande  der  Schale  parallel, 
in  einigem  Abstand  von  demselben;  bei  denjenigen,  welche  solche 
Röhren  haben,  beschreibt  die  Mantellinie  in  der  Regel  hinten  eine 
nach  vorne  gerichtete  Bucht ;  längs  derselben  entspringen  die  Muskeln 
der  Röhren  —  welche  besonders  entwickelte  Theile  der  Muskulatur 
des  Mantelsaumes  sind  — ;  indem  sie  weiter  vorne  in  der  Schale  ent- 
springen, können  die  zusammengezogenen  Röhren  (wenn  sie  nicht 
etwa  ungemein  lang  sind)  innerhalb  derselben  Platz  linden.  —  An  der 
Schale  kann  man  gewöhnlich  drei  Schichten  unterscheiden:  eine 
äusserste  hornähnliche,  bei  einigen  (z.  B.  der  Miesmuschel)  sehr  deut- 
liche, bei  anderen  undeutlichere  Schicht  ,  und  zwei  der  Hauptmasse 
nach  aus  kohlensaurem  Kalk  bestehenden  Schichten,  von  welchen  die 
innere  zuweilen  irisirt  (Perlmutter). 


Fig.  233.  Schematischc  tjuerschnitte  der  Schalen  von  Muscheln  mit  innerem  (A  A') 
und  mit  nusserem  Bande  (fl,  ff).  In  A  und  Ii  ist  die  Schale  geöffnet,  in  A'  und  If  ge- 
schlossen dargestellt,  b  olHaticcher  Theil  de»  Bundes,  b'  iiusserer,  nicht  elastischer  Theil  des- 
selben; m  Schliessmuskel.  —  Orig. 


Die  biegsame  Masse,  welche  die  Schalenhälften  verbindet,  das 
sogen.  Band,  besteht  aus  einer  äusseren,  biegsamen,  aber  unelastischen 


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Weiohthiere.   3.  Classe:  Muscheln. 


327 


Schicht  (einer  Fortsetzung  der  äusseren  Lage  der  Schale)  und  einer 
inneren,  elastischen ,  aus  radiären  Fasern  zusammengesetzten  Masse. 
Bei  manchen  Muscheln  tritt  das  Band  äusserlich  mit  einer  grossen 
Fläche,  hoch  gewölbt  hervor  und  wird  dann  als  äusseres  Band 
bezeichnet;  bei  anderen  ist  es  zwischen  den  oberen  Rändern  versteckt, 
bietet  äusserlich  nur  eine  schmale  Fläche  dar,  während  es  nach  innen 
gewölbt  ist,  und  wird  als  inneres  Band  bezeichnet.  In  beiden 
Fällen  ist  seine  Wirkung  wesentlich  dieselbe.  Wenn  eine  mit  innerem 
Band  versehene  Schale  durch  Verkürzung  der  Schliessmuskeln  ge- 
schlossen wird,  so  wird  die  innere  elastische  Masse  des  Bandes  zu- 
sammengepresst,  und  wenn  die  Muskeln  wieder  erschlaffen,  so  drängt 
sie  die  Schalenhälften  wieder  auseinander.  Bei  den  Schalen  mit 
äusserem  Bande  erfährt  die  elastische  Masse  des  Bandes  beim 
Schliessen  der  Schale  ebenfalls  eine  Zusammendrückung  oder  Zu- 
sammenbiegung innerhalb  der  äusseren  unelastischen  Schicht,  und  bei 
der  Erschlaffung  der  Muskeln  ist  die  Wirkung  dieselbe  wie  bei  den 
Schalen  mit  innerem  Bande  Die  Wirkung  des  Bandes  ist  eine 
rein  mechanische  und  findet  ebenso  nach  dem  Tode  des  Thieres  wie 
im  Leben  desselben  statt.  Es  ist  noch  zu  bemerken,  dass  seine  Lage 
entweder  gerade  unterhalb  der  Wirbel  oder,  gewöhnlicher,  hinter  den- 
selben ist.  Nur  bei  sehr  unvollkommen  entwickelter  Schale  (z.  B. 
bei  Teredo)  fehlt  das  Band  völlig  und  die  Schalenhälften  sind  ganz 
gesondert. 

Die  Schale  nimmt  dadurch  an  Umfang  zu,  dass  die  Oberhaut- 
zellen am  Rande  des  Mantels  neue  Theilchen  absondern,  welche  dem 
Schalenrande  angefügt  werden ;  sie  wächst  an  Dicke,  indem  von  der 
äusseren  Seite  des  Mantels  und  (für  den  oberen  Theil  der  Schale)  des 
Rumpfes  auf  die  innere  Fläche  der  Schale  neue  Schichten  abgelagert 
werden. 

Von  dem  gewöhnlichen  Typus  weicht  die  Schale  bei  einigen  Muscheln 
dadurch  ab,  dass  sie  sehr  asymmetrisch  ist;  bei  der  Auster  und  bei  einigen 
Kammmuscheln  ist  z.  B.  nur  die  eine  Schalenhälfte  gewölbt,  die  andere 
platt.  Eine  geringere  Asymmetrie  findet  man  bei  manchen  anderen,  eine 
ganz  geringfügige  bei  den  meisten  (die  Schlosszähne  der  beiden  Hälften 
greifen  ja  zwischen  einander  ein:  an  derjenigen  Stelle,  wo  an  der  einen 
Schalenhälfte  ein  Zahn .  vorhanden  ist ,  muss  an  der  anderen  Hälfte  eine 
Vertiefung  sein).  Andere  Muscheln  sind  dadurch  ausgezeichnet,  dass  die 
Schale  nur  einen  kleineren  Theil  ihres  Körpers  bedeckt  (Teredo  und  andere), 
was  aufzufassen  ist  als  eine  weitere  Entwicklung  des  oben  berührten  Ver- 
hältnisses, dass  die  Schale  bei  einigen  die  Mantelröhren  nicht  in  sich  auf- 
nehmen kann.  —  Perlen  sind  Kalkablagerungen  von  der  äusseren  Seite 
des  Mantels  um  Fremdkörper  herum,  welche  zufällig  zwischen  den  Mantel 
und  die  Schale  hineingerathen ;  sie  sind  entweder  an  der  Innenseite  der 
Schale  festsitzend  oder  liegen  frei;  sie  werden  bei  verschiedenen  Muscheln 
gebildet.  —  Einige  Muscheln  von  gestreckter  Körperform  und  mit  unvoll- 
kommenen Schalen  bilden  sich  entweder  eine  Röhre  aus  kleinen  zusammen- 
gekitteten Fremdkörpern,  oder  sondern  häufiger  eine  Kalkröhre  um 
sich  herum  ab,  mit  welcher  die  kleinen  Schalenhälften  dann  zuweilen  ver- 
bunden sind. 

Was  die  Haut  betrifft,  so  ist  besonders  die  Bildung  von  Byssus- 


')  Die  gewöhnliche  Angabe,  dass  ein  Ausspannen  des  äusseren  Bandes  beim 
Schliessen  der  Sehale  stattfinden  sollte,  ist  unrichtig. 


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328 


Specieller  Theil. 


Fäden  hervorzuheben,  welche  man  bei  einem  Theil  der  Muscheln 
findet.  Die  Byssus-Fäden  sind  hornartige  Fasern,  welche  in  einer 
Höhlung  und  einer  damit  in  Verbindung  stehenden  Rinne  des  Fusses 
von  den  dort  gelegenen  Oberhautzellen  ausgeschieden  werden.  Diese 
Fäden  dienen  bei  einigen  (z.  B.  bei  der  Miesmuschel)  dazu,  das  Thier 
an  fremden  Gegenständen  festzuheften,  indem  das  eine  Ende  mit  dem 
Thiere  in  Verbindung  bleibt,  während  das  andere  an  dem  Gegenstande 
festgeklebt  wird.  Andere  verbinden  mittels  der  Byssus- Fäden 
Steinchen  und  dergl.  zu  einer  Art  Nest,  in  welchem  sie  Aufenthalt 
nehmen. 

Bei  manchen  Muscheln,  welche  keinen  Byssus  bilden,  ist  trotzdem  ein 
rudimentäres  Byssus-Organ  vorhanden.  Einige  Formen  erzeugen  nur  in  der 
Jugend  einen  Byssus,  während  sie  alß  Erwachsene  diese  Fähigkeit  nicht 
mehr  besitzen. 

Das  Centrainervensystem  besteht  bei  den  Muscheln  aus 
je  einem  Paar  Gehirn-,  Fuss-  und  Eingeweideganglien;  die  beiden 
letzteren  Paare  sind  meistens  durch  ansehnliche  Nervenstränge  mit 
den  Gehirnganglien  verbunden.  Seitenganglien  fehlen.  —  Von  Sinnes- 
organen findet  man  stets  ein  Paar  Gehörblasen,  welche  ihren 
Platz  an  den  Fussganglien  haben;  sie  sind  mit  einem  oder  mehreren 
Otolithen  versehen.  Augen  sind  nur  bei  einer  geringeren  Anzahl 
von  Muscheln  vorhanden,  und  dann  immer,  oft  in  grosser  Anzahl,  am 
Mantelrande  entlang,  bei  den  mit  Mantelröhren  ausgestatteten  an  der 
Spitze  dieser  letzteren.  Beispielsweise  führen  wir  an,  dass  bei  den 
Kammmuscheln  (Pectcn)  längs  des  Mantelrandes  eine  Reihe  ziemlich 
complicirt  gebauter  Augen  vorhanden  ist.  Ein  Geruchsorgan, 
dem  der  Schnecken  entsprechend,  findet  sich  bei  manchen  Muscheln 
in  der  Nähe  des  Afters  als  ein  besonders  ausgebildeter,  mit  Nerven 
in  Verbindung  stehender  Abschnitt  der  Oberhaut. 


«?  es 


Fig.  234.  Schematischer  Längsschnitt  einer  Muschel  mit  eingezeichneten  Or- 
ganen, a  vorderer,  b  hinterer  Schliessmuskel,  c  Mund,  d  Magen,  r.  Darm,  g  Herz,  h  Arterien, 
j  Gehirn-,  Jt  Fuss-,  /  Kingeweidegangliun,  m  Kieme  der  rechten  Seite,  welche  grösstentheils 
vom  Fuss  verdeckt  ist,  n  Leber,  o  Eierstock,  p  Mantel,  g  Fuss,  r  hinterer  Mantelrand,  t  Alter. 
—  Nach  Kitsche. 

Der  Mund  ist  eine  Querspalte  am  Vorderende  des  Thieres  unter- 
halb des  vorderen  Schliessmuskels.  Er  ist  oben  und  unten  von  einer 
Ober-  resp.  Unterlippe  begrenzt,  deren  jede  au  beiden  Seiten  in  einen 
in  der  Regel  wohlentwickelten  Mundlappen  ausgezogen  ist.  Die 


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Weichthiere.    3.  Classe:  MuBcheln. 


329 


Mundlappen,  von  welchen  also  jederseits    zwei   vorhanden  sind, 
sind  mit  zahlreichen  Wimperhaaren  bedeckt,  welche  die  kleinen  Theile, 
mikroskopische  Pflanzen  und  Thiere  etc.,  die  in  dem  in  die  Mantel- 
höhle aufgenommenen  Wasser  enthalten  sind,  in  den  Mund  hinein- 
strudeln.  Radula  und  Kiefer  fehlen.   Vom  Munde  führt  eine 
kurze  Speiseröhre  in  einen  Magen,  welcher  bei  manchen  Muscheln 
mit  einem  Blindsack  ausgestattet  ist;  in  letzterem  oder  im  Magen 
selbst  oder  im  Darm  ist  der  sogenannte  Krystallstiel,  ein  gallertiger, 
durchsichtiger  Körper,  enthalten.    Der  Krystallstiel  entwickelt  sich, 
wenn  das  Thier  reichlich  ernährt  wird,  bildet  sich  dagegen  zurück 
und  verschwindet,   wenn  es  hungert;   er  ist  wahrscheinlich  als  ein 
überschüssiger,  als   Reserve   dienender  Theil  der  aufgenommenen 
Nahrung  aufzufassen,  welcher  durch  Einwirkung  der  Verdauungssäfte 
eine  eigenthümliche  Beschaffenheit  angenommen  hat  (nach  einer  anderen 
Auffassung  wäre  der  Krystallstiel  von  dem  Epithel  des  Blindsackes 
abgesondert) ;  er  kommt  fast  bei  allen  Muscheln  vor.    In  den  Magen 
mündet  mit  mehreren  Oeffnungen  die  wohlentwickelte,  den  Magen 
umgebende  Leber.  Der  eigentliche  Darm  macht  mehrere  Windungen ; 
sein  hinterer  Theil  verläuft  an  der  Rückenseite  des  Thieres  entlang, 
zuletzt  oberhalb  des  hinteren  Schliessmuskels  und   öffnet  sich  am 
Hinterende  des  Rumpfes.  —  Die  Herzkammer  hat  ihren  Platz  an 
der  Rückenseite  des  Thieres  oberhalb  des  Enddarmes ;  bei  den  meisten 
Muscheln  theilt  sie  sich  in  zwei  Aeste,  welche  den  Darm  umfassen 
und  sich  unterhalb  desselben  vereinigen,  so  dass  die  Herzkammer 
ringförmig,  „vom  Darm  durchbohrt"  wird.    Es  finden  sich  zwei 
Vorhöfe,  einer  an  jeder  Seite,  welche  das  Blut  von  den  Kiemen 
empfangen  und  in  die  Herzkammer  führen.  Das  Herz  liegt  in  einem 
Herzbeutel.  Das  Gefasssystem   ist   unvollständig;    in  den  Kiemen 
findet  sich  jedoch  ein  reiches  Capillarnetz.  —  Die  Nieren  sind  ein 
Paar  sackförmige  Organe,  welche  oft  mehr  oder  weniger  innig  mit  ein- 
ander verbunden  sind  (das  Bojanus'sche  Organ);  sie  münden  mit  je 
einer  Oeffnung  seitlich  am  Körper  unterhalb  des  Ursprungs  der  inneren 
Kieme;  ausserdem  stehen  sie  durch  je  eine  Oeffnung  mit  dem  Herz- 
beutel in  Verbindung.  —  Die  Mehrzahl  der  Muscheln  sind  getrennten 
Geschlechts,  eine  kleinere  Anzahl  (z.  B.  die  Auster)  Zwitter. 
Eierstöcke  und  Hoden,  stets  in  einem  Paare  vorhanden,  sind  verästelte 
Organe,  welche  sich  zwischen  die  anderen  Eingeweide,  in  den  Fuss 
oder  (z.  B.  bei  der  Miesmuschel)  in  den  Mantel,  erstrecken;  sie  mün- 
den an  beiden  Seiten  dicht  an  der  Nierenöffnung,  oder  der  Aus- 
führungsgang vereinigt  sich  mit  dem  der  Niere,  so  dass  jederseits 
eine  gemeinsame  Oeffnung  für  den  Harn  und  die  Geschlechtsstoffe 
vorhanden  ist.    Bei  einigen  hermaphroditischen  Muscheln  finden  sich 
ein  Paar  Eierstöcke  und  ein  Paar  Hoden,  völlig  gesondert  und  auch 
selbständig  ausmündend;   bei  anderen  nur  ein  Paar  Geschlechts- 
drüsen, von  welchen  gewisse  Theile  als  Eierstock,  andere  als  Hode 
fungiren.    Die  befruchteten  Eier  durchlaufen  bei  einigen  Muscheln 
ihre  Entwicklung  in  den  Hohlräumen  der  äusseren  Kieme  des  Mutter- 
thieres,  in  welche  sie  aufgenommen  werden  (z.  B.  bei  der  Teichmuschel 
u.  a.);  bei  andern  werden  sie  ausserhalb  des  Thieres  abgelegt. 

Die  Muscheln  des  Meeres  durchlaufen  eine  ähnliche  Metamor- 
phose wie  die  Meeresschnecken ;  die  neugeborene  Larve  bewegt  sich 
mittels  eines  Wimpersegels  am  Vorderende  umher;  manchmal  ist 
sie  am  vorderen  Theil  des  Körpers  mit  Augeu  versehen,  welche 


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330 


Specieller  Theil. 


Fig.  235.  JUngere  und  Rltero  Larve 
einer  Mceresmuachel  (Cardium);  bei  der 
älteren  i*t  eine  kleine  Schale,  8,  entwickelt, 
r  Wimpersegel.  —  Nach  Lovrfn. 


später  verschwinden.  Ein  solcher  freischwimmender  Larvenzustand 
fehlt  bei  den  Süsswassermuscheln,  ein  Wimpersegel  kommt  bei  diesen 
nicht  zur  Entwicklung  oder  ist  nur  vorübergehend  bei  den  Embryonen 
angedeutet. 

Alle  Muscheln  leben  im  Wasser, 
die  Mehrzahl  im  Meere.  Sie  er- 
nähren sich  von  den  kleinen  orga- 
nischen Körpern,  Diatomeen  etc., 
welche  in  dem  in  die  Mantelhöhle 
einströmenden  Wasser  enthalten  sind. 
Mittels  des  Fusses  können  sie  lang- 
sam fortkriechen,  indem  sie 
denselben  der  Unterlage  an-  oder 
in  dieselbe  eindrücken;  einzelne 
können  mittels  des  Fusses  '  eine 
Art  Sprünge  ausführen.  Ausnahms- 
weise können  sie,  indem  sie  die 
vSchalen  schnell  auf-  und  zuklappen, 
sich  im  Wasser  fortschnellen.  Allgemein  sind  sie  befähigt,  mittels 
des  Fusses  sich  in  den  weichen  (sandigen  oder  schlammigen)  Grund 
hineinzuarbeiten,  so  dass  schliesslich  nur  Kloaken-  und  Athem- 
öffnung  hervorragen,  und  manche  verleben  den  grössten  Theil  ihres 
Lebens  derartig  eingegraben;  die  Ausbildung  kürzerer  oder  län- 
gerer Mantelrohren  steht  eben  hiermit  in  Zusammenhang.  Einige  be- 
sitzen sogar  das  Vermögen,  sich  in  festere  Theile,  Holz,  Kalkstein 
etc.  einzu  bohren,  indem  sie  mittels  des  Fusses,  in  welchem  feine 
Kiesel(?)-Theilchen  eingelagert  sind,  jene  langsam  ausschleifen.  Einige 
Muscheln  sind  mit  der  einen  Schale  an  fremden  Gegenständen  mittels 
einer  Kalkausscheidung  festgekittet  uud  entbehren  natürlich  jeder 
Ortsbewegung.  Wie  schon  oben  erwähnt,  kann  eine  Festheftung 
an  fremden  Gegenständen  auch  durch  Byssusfäden  geschehen;  das  in 
dieser  Weise  festgeheftete  Thier  bleibt  lange  Zeit  an  derselben  Stelle, 
kann  sie  aber  verlassen,  indem  es  den  Byssus  zurücklässt;  die  unten 
genannte  Dreissena  z.  B.  ist  im  Sommer  dicht  unterhalb  der  Ober- 
fläche des  Wassers  an  fremden  Gegenständen  angeheftet,  im  Herbst 
zieht  sie  sich  aber  unter  Zurücklassung  des  Byssus  auf  den  Grund 
zurück. 

Beispielsweise  führen  wir  folgende  Formen  an: 

1.  Die  Auster  (Ostrea  edulis)  besitzt  nur  einen  Schliessmuskel,  das 
Band  ist  ein  inneres,  der  Fuss  fehlt,  die  rechte  Schalenhälfte  flach,  die  linke 
gewölbt  und  an  fremden  Gegenständen  angewachsen.  In  der  Nordsee  und 
anderen  nordischen  Meeren;  andere  Arten  derselben  Gattung  im  Mittelmeer. 
—  Mit  den  Austern  verwandt  sind  die  Kammmuscheln  (Pecten)  mit 
radiär  gerippter  Schale,  deren  vordere  und  hintere  Hälfte  fast  gleich  sind; 
vor  und  hinter  den  Wirbeln  eine  abgeplattete  dreieckige  Partie,  von  welchen 
die  vordere  an  der  rechten  8chalenhälfte  eine  Ausbuchtung  für  den  Byssus 
besitzt.  Bei  einigen  Arten  sind  die  rechte  und  die  linke  Schalenhälfte 
sonst  gleich;  bei  anderen  ist  die  linke  flach,  die  rechte  gewölbt.  Inneres 
Band,  Augen  am  Mantelrand.  1  Schliessmuskel,  kleiner  Fuss.  Arten  in 
der  Nordsee  etc. 

2.  Die  Miesmuschel  (Mytüw  edulis)  zeichnet  sich  besonders  dadurch 
,  dass  die  Wirbel  an  das  vorderste  Ende  der  ziemlich  dünnen  Schale 


gerückt  sind;  sie  besitzt  ein  langes  inneres  Band  und  einen  kräftigen 


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I 


Weichthiere.   8.  Classe:  Muscheln.  331 


By8sus,  vermittels  dessen  das  Thier  an  Steinen  etc.  angeheftet  ist.  An  den 
Küsten  der  Nord-  und  Ostsee  sehr  häufig:  wenn  sie  in  stagnirenden  Ge- 
wässern (in  Hafenbassins  etc.)  lebt,  lagert  sich  oft  ein  giftiger  x 
Stoff  in  der  Leber  ab.  —  Die  verwandte,  etwas  kleinere 
Wandermuschel  (Dreissena  polymorpha)  lebt  im  Süss- 
wasser ;  ursprünglich  in  Südost  •  Europa  einheimisch ,  hat  sie 
sich  in  unserem  Jahrhundert  allmählich  beinahe  über  ganz  Europa 
verbreitet.  —  Eine  andere  verwandte  Form  ist  die  fast  cylin- 
drische,  längliche  Battelmuschel  {LiÜiodomus  Utliophagm), 
welche  sich  in  Kalkstein  einbohrt;  im  Mittelmeer. 

3.  Die  Teichmuscheln  (Anodonta)  sind  grosse,  ei- 
förmige, dünnschalige  Muscheln,  welche  in  den  süssen  Ge- 
wässern häufig  sind.  Die  zahlreichen  Eier  werden  in  der 
äusseren  Kieme  des  Weibchens  ausgebrütet,  und  die  Jungen 
durch  die  Kloakenöffnung  ausgestossen.  Letztere  sind  mit 
einem  langen  klebrigen  Faden  versehen,  welcher  im  Wasser 
flottirt  und  an  vorüberschwimmenden  Fischen  leicht  festklebt; 
geschieht  dieses,  so  heftet  die  junge  Muschel  sich  mittels  eines 
am  unteren  Rand  der  Schale  jederseits  vorhandenen  Zahnes  au 
dem  Fisch  fest,  wird  von  dessen  Haut  überwuchert  und  führt 
eine  Zeitlang  ein  Schmarotzerleben  auf  dem  Fisch,  um  ihn 
später  wieder  zu  verlassen.  —  Verwandt  sind  die  Fluss- 
muschel  (f'nio)  und  die  Flussperlmuschel  {Margaritana 
nutrgarüifera),  welche  ebenfalls  in  Deutschland  vorkommen; 
letztere  liefert  einen  Theil  der  in  den  Handel  gelangenden 
Perlen.  (Zu  einer  anderen  Familie  der  Muscheln  gehört  die 
echte  Perlmuschel,  Meleagritia  margarüifera,  welche  die 
schönsten  Perlen  liefert;  im  Indischen  und  Stillen  Ocean.) 

4.  Die  Klaffmuschel  {Mya  arenaria)  zeichnet  sich 
besonders  durch  den  Besitz  einer  sehr  langen  (natürlich  aus 
zwei  zusammengesetzten)  Mantelröhre  aus,  welche  nicht  in  die 
Schale  zurückgezogen  werden  kann  und  mit  einer  Cuticula 
bekleidet  ist;  die  Mantelränder  grösstenteils  verwachsen. 
Findet  sich  auf  dem  Strande,  an  der  Küste  der  Nord-  und 
Ostsee,  bis  mehr  als  fusstief  eingegraben.  (Fig.  231.) 

5.  Der  Pfahlwurm  (Teredo  navalis)  ist  eine  wurm- 
förmig  gestreckte  Muschel  mit  zum  allergrössten  Theile  ver- 
wachsenen Mantelrändern,  mit  einem  Paar  ganz  kleiner,  nicht 
durch  Bandmasse  zusammengehaltener  Schalen  am  vordersten 
Theil  des  Körpers  und  zwei  theilweise  getrennten  Mantelröhren 
am  Hinterende.  Er  lebt  im  Meere,  in  Holz  (Pfählen,  Schiffen), 
in  welches  er  lange,  mit  einer  abgesonderten  Kalkschicht  aus- 
gefütterte Röhren  bohrt;  die  äussere  Oeffnung  und  die  diesen 
zunächst  liegenden  Theile  der  Röhre  sind  eng  (wurde  von 
der  jungen  Muschel  gebildet),  weiter  nach  innen  zu  wird  sie 
weiter,  cvlindrich;  das  Thier  sitzt  mit  seinem  Vordertheii  im 
innersten  Ende  der  Röhre,  mit  den  Mantelröhren  an  ihrer  Pfahl  warm, 
äusseren  Oeffnung,  und  ist  ausser  Stande,  dieselbe  zu  vor-  "  Schale,  b 
lassen.  An  den  europäischen  Küsten  gemein  ;  sehr  schädlich.  f^antelröliren' 
—  Bei  der  verwandten  Gattung  Pliolas  (Bohrmuschel),  welche 

in  Kalkstein,  Holz  etc.  bohrt,  ist  der  Körper  kürzer,  die  Schalen  besser 
als  bei  Teredo  entwickelt ;  sie  besitzt  Leuchtvermögen.  In  den  europäischen 
Meeren, 


Fig.  286. 


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332 


Specieller  Theil. 


4.  Classe.    Tintenfische  (Cephahpoda). 

Der  Körper  ist  äusserlich,  und  in  der  Hauptsache  auch  inner- 
lich, streng  symmetrisch.  Er  zerfällt  in  zwei  natürliche  Abschnitte, 
den  Kopf  und  den  Rumpf.  Der  Kopf  ist  sehr  kräftig  entwickelt; 
vorne  findet  sich  die  Mundöffnung,  welche  bei  allen  Zweikiemern 
(d.h.  allen  Cephalopoden  mit  Ausnahme  des  Nautilus)  von  einem  Kreis 
von  8  langen,  musculösen  Armen  umgeben  ist;  innerhalb  dieser  ent- 
springen bei  einigen  Zweikiemern  (den  zehnarmigen)  noch  zwei 
längere,  sogenannte  Fangarme.  Einige  der  Arme  oder  alle  acht 
sind  bei  gewissen  Cephalopoden  entweder  nur  am  Grunde  oder  weiter 
hinauf  durch  eine  dünne  Biudehaut  mit  einander  verbunden  (ähnlich 
wie  die  Zehen  mancher  schwimmenden  Säugethiere  und  Vögel).  Die 
Arme  und  die  Fangarme  sind  —  letztere  jedoch  nur  gegen  die  Spitze 
hin  —  an  der  inneren,  dem  Mund  zugekehrten  Seite  mit  zahlreichen 
musculösen  Saugnäpfen  ausgestattet,  welche  bei  den  8 armigen 
Tintenfischen  sitzend,  bei  den  10  armigen  in  der  Regel  kurzgestielt 
sind;  bei  den  letzteren  (dagegen  nicht  bei  den  8 armigen)  findet  sich 
im  Rande  des  Saugnapfes  ein  chitinartiger  Ring,  der  „Hornring", 
welcher  in  der  Regel  am  Rande  fein  gezähnt  ist.  Einige  der  Saug- 
näpfe können  bei  gewissen  10  armigen  Cephalopoden  zu  Haken  um- 
gebildet sein,  indem  der  Hornring  nach  der  einen  Seite  stark  aus- 
gezogen und  an  der  Spitze  hakenförmig  umgebogeu  ist.  Bei  den  Vier- 
kiemern  (Nautilus)  findet  sich  statt  der  Arme  eine  grössere  Anzahl 
dünner  Tentakel,  welche  in  mehreren  Kreisen  um  die  Mundöffnung 
geordnet  sind  und  in  Tentakelschichten  zurückgezogen  werden  können, 
welche  theilweise  zu  handartigen  Platten  verwachsen  sind,  von  deren 
Rand  die  Tentakel  entspringen;  letztere  entbehren  der  Saugnäpfe.  — 
Auf  dem  Kopfe  finden  sich  ausserdem  noch  ein  Paar  grosser  Augen 
und  ein  Paar  als  Geruchsorgane  gedeuteter  Organe,  von  welchen 
unten  mehr. 

Der  Rumpf  —  dessen  Unterseite  der  hinteren  Seite  des  Ein- 
geweidesackes der  Schnecken  entspricht  —  ist  bei  einigen,  den  8  armigen 
und  Nautilus,  kurz  und  dick,  bei  den  10 armigen  mehr  gestreckt;  bei 
letzteren  ist  er  mit  einem  Paar  wagerechter  Flossen  versehen, 
welche  von  den  Seiten  des  Rumpfes  gegen  die  Rückenseite  zu  ent- 
springen und  in  der  Regel  am  hinteren  Theil  des  Thieres  ihren  Platz 
haben.  An  der  Grenze  von  Kopf  und  Rumpf  findet  man  an  der  Bauch- 
seite eine  Querspalte,  welche  in  eine  geräumige  Mantelhöhle 
hineinführt  (vergl.  Fig.  242  B),  die  sich  längs  der  ganzen  Bauchseite 
des  Thieres  bis  an  das  Hinterende  und  auf  die  Seiten  hinauf  erstreckt ; 
nach  aussen  wird  sie  von  einem  meist  sehr  musculösen,  dicken  Mantel 
begrenzt,  welcher  sich  bei  manchen  mit  einer  niedrigeren  Falte  auch 
hinter  dem  Kopfe  auf  die  Oberseite  fortsetzt.  Aus  der  Mantelspalte 
ragt  das  vordere  Ende  einer  an  beiden  Enden  offenen  Röhre,  des 
Trichters,  hervor,  welcher  mit  seiner  oberen  Seite  an  der  oberen 
Wand  der  Mantelhöhle,  auf  der  Grenze  des  Kopfes,  befestigt  ist; 
der  Trichter  ist  übrigens  nur  bei  den  Zweikiemern  eine  wirkliche 
Röhre,  bei  Nautilus  dagegen  eine  dütenförmig  zusammengerollte 
Platte,  deren  Ränder  sich  unten  decken;  er  entspricht  dem  Fuss 
anderer  Weichthiere.  Das  Thier  nimmt  durch  die  grosse  Spalte 
Wasser  in  die  Mantelhöhle  auf,  stösst  es  aber  durch  den  Trichter 


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Weichthiere.   4.  Clame:  Tintenfische. 


333 


aus ,  indem  sich  der  Hand  des  Mantels  dem  Rumpfe  andrückt  und  der 
musculöse  Mantel  sich  zusammenzieht;  in  dem  Trichter  findet  sich 
oft  oben  eine  kleine  zungenartige  Platte,  welche  mit  ihrem  hinteren 
Ende  festgeheftet  ist,  während  das  vordere  Ende  frei  ist,  und  welche 


Fig.  287.  Nautilus,  die  Schale  durchgesägt,  o  Äuge,  {Trichter,  U  Tentakel;  «der 
Strang,  welcher  sich  durch  die  Rammern  erstreckt ;  h  eine  Hautfalte,  welche  sich  Uber  die 
Schale  hinauf  schlagt.  —  Nach  v.  Martens. 

somit  als  ein  Ventil  wirkt,  das  verhindert,  dass  das  Wasser  durch 
den  Trichter  zurückströmt.  In  der  Mantelhöhle  finden  sich  bei  den 
8-  und  10 armigen  Tintenfischen  ein  Paar,  bei  Nautilus  zwei  Paar 
blättrige  Kiemen. 

Bei  Nautilus  ist  der  Rumpf  in  eine  Schale  eingeschlossen, 
welche  ebenso  wie  die  der  Schnecken  eine  Absonderung  der  Ober- 
haut ist.  Die  Schale  ist  spiralig  gewunden,  aber  symmetrisch;  die 
Convexität  entspricht  der  Bauchseite  des  Thieres  (vergl.  Fig.  237). 
Die  Schale  ist  mehr  kammerig,  durch  gewölbte  Querscheidewände 
in  eine  grosse  Anzahl  Räume  getheilt,  von  welchen  das  äusserste 
(und  grösste)  den  Rumpf  umschliesst,  während  die  übrigen  mit  Luft 
gefüllt  sind;  die  Scheidewände  sind  von  je  einem  Loch  durchbohrt, 
durch  welches  eine  dünne,  strangförmige  Verlängerung  des  Hinter- 
endes des  Thieres  geht,  die  sich  durch  die  ganze  Schale  fortsetzt. 
Man  muss  annehmen,  dass  die  Scheidewände  auf  die  Weise  gebildet 
werden,  dass  das  Thier,  wenn  die  Schale  ein  Stück  an  der  Mündung 
gewachsen  ist,  sein  Hinterende  von  der  äussersten  Scheidewand  eine 
kurze  Strecke  abrückt  und  eine  neue  Scheidewand  vor  der  letzteren 
ausscheidet;  gleichzeitig  streckt  sich  auch  der  Strang  in  die  Länge. 
Bei  einigen  ausgestorbenen  N auti  1  u s f o rm en  war  die  Schalen- 
röhre gerade  (Orthoceras) ,  bei  anderen  schwach  gebogen  oder  nur 
theilweise  spiralig  aufgerollt,  bei  anderen  wieder  zwar  spiralig  ge- 


334 


Specieller  Theil. 


wunden,  aber  ohne  dass  die  Windungen  einander  berührten  (wie  bei 
den  jetzt  lebenden  und  bei  einigen  ausgestorbenen  Nautilusformen).  — 
Bei  der  jetzt  lebenden  Gattung  Spirufa,  welche  zu  den  10  arm  igen 
Cephalopoden  gehört,  findet  man  eine  ähnliche  spiralige,  mehr- 
kammerige  Schale  wie  beim  Nautilus,  deren  Windungen  sich  aber 
nicht  berühren ,  und  welche  in  entgegengesetzter  Richtung  aufgerollt 
ist,  indem  die  Convexität  der  Rückenseite  entspricht ;  nur  ein  geringer 
Theil  des  Rumpfes  ist  in  die  Schale  eingeschlossen,  deren  äussere 
Kammer  nur  klein  ist,  und  die  Schale  ist  ganz  von  Hautfalten  um- 
schlossen, welche  sich  um  dieselbe  herum  geschlagen  haben  und  mit 
einander  verwachsen  sind.    Bei  gewissen  ausgestorbenen  zehn- 

A  Ii  C  D  E 


Fig.  288.  Schematische  Figuren  verschiedener  Tinteuusch  -  Scholcnforuaen ,  von  der 
Seite,  A  SpiruUt;  Ii  Spintlirottra  (ausgestorben) ;  V  BtUmnite*  (ausgestorben) ;  in  D  uud 
C  ist  eine  starke  stachelförmige  Fortsetzung  des  hinteren  Theile*  der  Schale  fortgelassen; 
D  Conoteuthi»  (ausgestorben):  E  Ominatottiephes  (jetztlebendcr  zehnarmiger  Tintenfisch). 
p  platteufönniger  Theil  der  Schule.  —  <>rig. 

armigen  Cephalopoden  findet  man  ebenfalls  eine  mehrkammerige  Schale 
(Fig.  238  B,  C),  welche  aber  gewöhnlich  gerade  und  vorne  in  einen 
plattenförmigen  Theil  ausgezogen  ist;  bei  den  jetztlebenden  zehn- 
armigen  (mit  Ausnahme  von  Spirula)  ist  dieser  platteuformige  Theil 
fast  das  Einzige,  was  von  der  Schale  übrig  geblieben  ist,  indem  der 
hintere,  kegelförmige,  bei  den  ausgestorbenen  gekammerte,  Theil  ganz 
rudimentär  geworden  ist  oder  völlig  fehlt.  Die  Schale  ist  bei  diesen 
in  der  Regel  eine  dünne,  hornartige,  schmälere  oder  breitere,  lang- 
gestreckte Platte,  seltener  dicker,  mit  einer  Kalklage  unterhalb  der 
Hornplatte  (Sepia)  -,  sie  ist  völlig  in  eine  Höhlung  auf  der  Rückenseite 
des  Thieres,  eine  Einstülpung  der  äusseren  Haut,  eingeschlossen. 
Diese  sogenannte  „innere  Schale"  entspricht  nach  dem  Angeführten 


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Weichthiere.   4.  Clause:  Tintenfische. 


335 


der  äusseren  Schale  des  Nautilus,  ist  in  der  That  ebenso  wie  diese 
eine  Absonderung  der  Oberhaut.  Bei  den  Hannigen  fehlt  die  Schale 
(wegen  der  ganz  abweichenden  Schale  bei  Argonauta  vergl.  unten  S.  339). 

Die  Haut  zeichnet  sich  durch  ihren  lebhaften  Farben  Wechsel 
aus,  den  sie  dem  Vorhandensein  sternförmiger  Pigmentzellen  verdankt, 
welche  sich  zusammenziehen  und  wieder  ausdehnen  können  (Chroma- 
tophoren).  —  Eine  eigentümliche,  mit  der  Haut  zusammenhängende 
Drüse  ist  der  sogenannte  Tintenbeutel  der  Zweikiemer.  ein  ge- 
wöhnlich birnförmiger  Sack,  in  dessen  Wand  eine  tintenartige  Flüssig- 
keit abgesondert  wird;  er  öffnet  sich  in  die  Mantelhöhle  dicht  hinter 
dem  After  oder  in  diesen,  und  die  Flüssigkeit  wird,  wenn  das  Thier 
sich  in  Gefahr  glaubt,  durch  den  Trichter  ausgestossen. 

Die  Cephalopoden  besitzen  ein  wirkliches,  wenn  auch  nur 
schwach  entwickeltes  inneres  Skelet  in  Form  von  knorpeligen 
Theilen,  von  welchen  besonders  eine  das  centrale  Nervensystem,  die 
Gehörorgane  und  theilweise  die  Augen  umhüllende  Knorpelkapsel  im 
Kopfe  hervorzuheben  ist.  Ausser  dieser  Kapsel  finden  sich  bei  den 
meisten  Cephalopoden  an  verschiedenen  Körperstellen  noch  mehrere 
kleinere  Knorpelstücke. 

Das  Nervensystem  zeichnet  sich  dadurch  aus,  dass  sämmtliche 
grossen  Nervenknoten  —  Gehirn-,  Fuss-,  Seiten-  und  Eingeweide- 
ganglien —  um  die  Speiseröhre  dicht  zusammengerückt  und  die  Com- 
missuren  derartig  verkürzt  sind,  dass  die  Ganglien  unmittelbar  mit 
einander  zusammenhängen.  —  Die  Augen  sind  gross  und  erreichen 
bei  manchen  Formen  eine  hohe  Ausbil- 
dung. Am  einfachsten  verhalten  sie  sich 
beim  Nautilus,  dessen  Augen  tiefe  sack- 
förmige Einstülpungen  der  Oberhaut  sind; 
der  Hohlraum  derselben  steht  mit  der 
Aussenwelt  durch  eine  kleine  Oeffnung 
in  Verbindung  (das  Auge  gehört  zu  dem 
Fig.  15,  4  abgebildeten  Typus,  ein  Glas- 
körper fehlt  aber).  Bei  den  übrigen  Ce- 
phalopoden ist  die  Augenblase  ge- 
schlossen und  mit  einer  kugeligen  Linse 
versehen ;  ferner  ist  im  Umkreis  des  Auges 
eine  grosse  augenlidartige  Ring- 
falte vorhanden,  welche  einen  Raum  um 
das  Auge  herum  begrenzt;  bei  einigen 
10  armigen  (Oegopsidae)  steht  dieser  Raum 
in  weit  offener  Verbindung  mit  der  Aussen- 
welt, bei  den  übrigen  10  armigen  (Mi/opsidae) 
und  bei  den  8 armigen  erstreckt  die  Falte 
sich  vollständig  über  das  Auge  hinweg,  und  die  in  den  Raum  führende 
Oeffnung  ist  ganz  klein  geworden;  an  der  Stelle,  wo  die  Falte  vor 
der  Linse  liegt,  ist  sie  durchsichtig  und  wird  als  Hornhaut  be- 
zeichnet. In  dem  genannten  äusserlich  von  dieser  Falte  begrenzten 
Raum  findet  sich  eine  zweite,  kleinere,  pigmentirte  Ringfalte,  welche 
eine  gewisse  Aehnlichkeit  mit  der  Iris  der  Wirbelthiere  besitzt  und 
auch  mit  diesem  Namen  bezeichnet  wird.  —  Bei  den  Cephalopoden 
ist  stets  ein  Paar  mit  Otolithen  versehener  Gehör  blasen  vorhanden, 
welche  gewöhnlich  in  den  Kopfknorpel  eingeschlossen  sind.  —  Als 
Geruchsorgan  wird  eine  Hautvertiefung  gedeutet,  welcher  sich 


Fig.  239.  Schema  des  Auges 
eine»  Tintenfisches,  c  Hornhaut,  o  Oeff- 
nung der  Hornhaut,  i  Iris,  f  Linse, 
r  Netzhaut,  n,  n'  Sehnen-,  g  Ganglion 
—   Nach  Grenadier, 


336 


Specieller  Theil. 


seitlich  am  Kopfe  hinter  dem  Auge  befindet,  und  zu  welchem  ein 
Tom  Gehirn  entspringender  Nerv  geht. 

Die  Mund  Öffnung  ist  von  einer  vorspringenden  Ringfalte,  der 
Lippe,  umgeben,  innerhalb  welcher  zwei  kräftige  hornartige  Kiefer, 
ein  Ober-  und  ein  Unterkiefer,  sich  befinden;  letzterer  greift  mit 
seinem  Rand  vor  den  ersteren,  und  beide  haben  zusammen  eine  be- 
deutende Aehnlichkeit  mit  einem  umgekehrten  Papageienschnabel.  In 
der  mit  sehr  musculösen  Wänden  versehenen  Mundhöhle  findet  sich 
eine  ähnliche  Radula  wie  bei  den  Schnecken.  Der  After  liegt 
weit  vorne  auf  der  Bauchseite  des  Körpers  in  der  Mantelhöhle,  in 
der  Mittellinie  des  Thieres.  Es  sind  ein  Magen,  eine  grosse  Leber, 
in  der  Regel  auch  Speicheldrüsen  vorhanden.  —  Das  Herz  besteht 
aus  einer  Herzkammer  und  so  vielen  Vorhöfen  als  Kiemen  vorhanden 
sind,  d.  h.  4  heim  Nautilus,  2  bei  den  übrigen  Cephalopoden.  Bei  den 


Fig.  240.  Schema  de»  Herzens  etc.  eines  Cephalopoden.  h  Herzkammer,  /  Vorhof, 
a,  a'  Arterien,  rh  Kieroonhenr.,  vt  Vene  nach  der  Kieme,  vf  Vene  au*  der  Kieme,  g  Kieme. 
-  Orig. 

Zweikiemern  sind  die  grossen  Venenstämme,  welche  das  Blut  zu  den 
Kiemen  führen,  vor  dem  Eintritt  in  die  letzteren  erweitert  und  rhyth- 
misch contractu :  Kiemenherzen.  —  Die  Nieren,  beim  Nautilus 
zwei  Paare,  bei  den  Zweikiemern  ein  Paar,  sind  sackförmige  Organe, 
welche  mit  je  einer  Oeffnung  (symmetrisch)  in  die  Mantelhöhle  aus- 
münden, bei  einigen  Zweikiemern  sind  die  beiden  Nieren  theilweise 
verschmolzen,  jede  besitzt  aber  ihre  Oeffnung.  Die  Nieren  zeichnen 
sich  dadurch  aus,  dass  von  den  grossen  angrenzenden  Venen  trauben- 
förmige  Ausstülpungen  entspringen,  welche  die  dicht  anliegende  Wand 
der  Niere  in  den  Hohlraum  der  Niere  einstülpen ;  diese  Ausstülpungen 
hängen  somit  anscheinend  frei  in  den  Nierensack  hinein. 

Die  Geschlechtsorgane  sind  bei  Weibchen  und  Männchen  — 
die  Cephalopoden  sind  stets  getrennten  Geschlechts  —  in  ziemlich 
Ubereinstimmender  Weise  angeordnet.  Es  findet  sich  ein  unpaarer 
Eierstock,  resp.  Hoden;  beide  setzen  sich  nicht  direct  in  die 
Ausfuhrungsgänge  fort,  sondern  sind  in  einen  dünnwandigen  Sack  ein- 
geschlossen, von  welchem  diese  entspringen.  Bei  einigen  Cephalo- 
poden sind  zwei  symmetrische  Eileiter  vorhanden,  welche  sich, 
einer  auf  jeder  Seite,  hinter  dem  After  in  die  Mantelhöhle  öffnen; 
bei  anderen  fehlt  der  eine  Eileiter  (in  der  Regel  der  rechte).  Dicht 
bei  den  Geschlechtsöffnungen  münden  bei  manchen  Cephalopoden- 
Weibchen  ein  Paar  grosse  Drüsen,  die  Nidamentaldrüsen,  deren 
Secret  zur  Bildung  der  Eierkapseln  verwendet  wird.  —  Bei  einzelnen 
Cephalopoden  finden  sich  ebenfalls  zwei  symmetrische  Samenleiter, 


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Weichthiere.    4.  Ciasso:  Tintenfische. 


337 


in  der  Kegel  ist  aber  nur  der  eine,  der  linke,  vorhanden.  Der  Same 
wird  in  gestreckte,  fast  fadenförmige  Spermatophoren  eingeschlossen, 
welche  in  einer  mit  dem  Samenleiter  verbundenen  Drüse  gebildet  werden. 

Sehr  merkwürdig  ist  die  Art  und  Weise,  wie  die  Spermatophoren 
bei  den  Zweikiemern  auf  das  Weibchen  übertragen  werden.  Es  ge- 
schieht dies  mittels  eines  Armes  des  Männchens,  welcher  für  diese 
Aufgabe  besonders  ausgebildet,  „hectocotylisirt"  ist.  Bei  den 
10  armigen  ist  es  in  der  Regel  ein  Arm  des  4.  Paares  (seltener  des 
ersten  Paares),  bei  den  8 annigen  stets  ein  Arm  des  3.  Paares,  ent- 
weder der  linke  oder  der  rechte,  selten  beide.    Die  Weise,  in  welcher 


Fig.  341.  Achtarmiger  Tintenfisch ,  bei  dem  der  hectocot yl  isirte  Theil  (A)  des 
dritten  rechten  Armes  sehr  stark  entwickelt  ist.  ?  Trichter,  1—4  erster  -  vierter  rechter  Ann. 
-  Nach  Verrill. 

der  Arm  umgebildet  ist,  ist  verschieden :  er  kann  an  der  Spitze  löffei- 
förmig ausgehöhlt  und  längs  des  Randes  mit  einer  häutigen  Kante 
versehen  sein  (8 armige),  oder  die  Saugnäpfe  können  in  der  Mitte 
oder  an  der  Basis  des  Armes  fehlen  oder  umgebildet  sein  (lOarmige),  etc. 
Am  grössten  ist  die  Umbildung  bei  einzelnen  8  armigen  (darunter  die 
unten  zu  erwähnende  Argonauta),  bei  welchen  der  betreffende  Arm 
ausschliesslich  in  den  Dienst  der  Begattung  getreten  ist;  er  ist  bei 
diesen  vor  dem  Gebrauch  in  einen  Sack  eingeschlossen,  und  bei  der 
Begattung  wird  er  losgerissen  und  bleibt,  mit  Samen  erfüllt,  in  der 
Mantelhöhle  des  Weibchens  zurück,  wo  er  sich  noch  einige  Zeit  lebendig 
und  beweglich  erhält,  weshalb  er  seiner  Zeit  für  einen  eigentümlichen 
Schmarotzer  angesehen  und  unter  dem  Namen  Hectocot yliis  beschrieben 
wurde;  später  wurde  er  von  Einigen  als  das  sehr  stark  umgestaltete 
Männchen  aufgefasst,  bis  endlich  seine  wahre  Natur  sich  herausstellte. 
(Bei  dem  Männchen  des  Nautilus  findet  sich  auf  der  linken  Seite  eine 
kleine  Gruppe  umgeformter  Tentakel,  welche  möglicherweise  ebenfalls 
im  Dienst  der  Begattung  stehen.) 

Die  Eier  werden  entweder  haufenweise  in  Schleimmassen  oder 
einzeln  in  festere  Kapseln  eingeschlossen  etc.  abgelegt.  Sie  sind  von 
verhältnissmässig  bedeutender  Grösse;  die  Furchung  ist  partiell  und 
der  Embryo  oftmals  eine  Zeit  lang  mit  einem  grossen  Dottersack  ver- 
sehen (welcher  aber  nicht,  wie  derjenige  der  Wirbelthiere,  eine  Aus- 
stülpung des  Darmes  ist).  Eine  Metamorphose  wird  nicht  durch- 
laufen; die  neugeborenen  Jungen  haben  in  der  Hauptsache  dasselbe 
Aussehen  wie  die  Erwachsenen. 

Die  Cephalopoden,  welche  sämmtlich  im  Meere  leben,  sind  grössten- 

Bo»i,  Zoologie.  22 


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33R 


Specieller  Theil. 


theils  gefrässige  Raubtlriere,  welche  ihre  Beute  (z.  B.  Krebse)  mit  den 
Armen  ergreifen;  letztere  werden  ausserdem  als  Werkzeuge  zum 
Kriechen  (besonders  bei  den  8  arm  igen)  verwendet.  Ein  langsames 
Schwimmen  vorwärts  kann  durch  Bewegungen  der  Flossen  statt- 
finden; eine  eilige  Flucht,  rückwärts,  meistens  unter  gleichzeitiger 
Abgabe  von  Tinte,  wird  dagegen  dadurch  bewirkt,  dass  die  Thiere 
das  in  die  Mantelhöhle  aufgenommene  Wasser  durch  den  Trichter 
ausstossen.  Die  besten  Schwimmer  sind  die  10 armigen,  während  die 
8armigen  im  Ganzen  mehr  Kriecher  sind.  Manche  Cephalopoden 
(besonders  10 armige,  einige  8armige)  werden,  oft  schaaren weise,  auf 
dem  offenen  Meere  gefunden ;  andere  sind  mehr  Küstenthiere.  Sie 
sind  am  reichsten  in  den  wärmeren  Meeren  vertreten. 

A  B 


Fig.  242.  Schematische  Figuren  zur  Illustration 
des  Verhältnisses  zwischen  den  Chitonen  (A) 
und  den  Tintenfischen  (2?>;  Profil.  /  Fuss 
(Trichter),  A  Kopf,  *  Msntelböhle,  r  Rand  des 
Mantels,  dessen  obere  Grenze  durch  eine  punktirte 
Linie  angedeutet  ist,  »  Auge.  -  Orig. 


Den  Cephalopoden  •  Typus  kann  man  sich  von  einem  Geschöpf  wie 
Chiton  (oder  einem  ähnlichen)  abgeleitet  denken,  indem  der  obere  Theil  von 
Chiton  stark  in  die  Höhe  entwickelt,  die  Mantelrinne  an  der  Hinterseite 
dieses  aufgerichteten  Theiles  stark  vertieft,  der  Kopf  kräftig  ausgebildet 
und  der  Fuss  reducirt  wird. 

1.  Ordnung.    Vierkiemer  (Tetrabranchiata). 

Zahlreiche  Arme  (Tentakel)  ohne  Saugnäpfe.  Trichter  eine  zu- 
sammengerollte Platte.  Augen  ohne  Linse.  4  Kiemen  (4  Vorhöfe. 
4  Nieren).    Kein  Tintenbeutel.    Aeussere  Schale. 

Die  Vierkiemer  sind  in  der  jetzigen  Erdperiode  nur  durch  die  Gatt. 
Nautilus  vertreten,  von  welcher  ein  paar  Arten  im  Indischen  und  Grossen 
Ocean  vorkommen;  sie  leben  sowohl  auf  dem  Boden  kriechend  als  an  der 
Oberfläche  schwimmend.  In  früheren  Perioden  (schon  in  der  Silurformation) 
war  die  Abtheilung  reich  entwickelt,  z.  Th.  durch  Formen  mit  einer  geraden 
oder  schwach  gebogenen  Schale  vertreten  (vergl.  S.  334). 

Eine  sehr  reichhaltige  Gruppe  ausgestorbener  Thiere  sind  die  Ammo- 
niten,  welche  eine  ähnliche  mehrkammerige  Schale  wie  Nautilus  besitzen, 
mit  durchbohrten  Scheidewänden,  spiralig  gewunden  oder  gerade,  gebogen  etc., 


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Weichthiere.    4.  Clause:  Tintenfische. 


339 


welche  sich  aher  von  derjenigen  des  NautiluB  dadurch  unterscheidet, 
dass  das  Loch  der  Scheidewände  dicht  an  dor  convexen  Seite  der  gebogenen 
oder  gewundeneu  8chalenröhre  liegt  (beim  Nautilus  in  der  Regel  ungefähr 
in  der  Mitte),  und  dadurch,  dass  die  Scheidewände  längs  ihrer  Anheftung 
an  die  Innenseite  der  Schale  stark  gebuchtet  Bind ;  manche  waren  mit  einem 
Schalendeckel  (Aptyrhus)  versehen.  Die  Aramoniten  treten  zuerst  in  der 
silurischen  Formation  auf,  sterben  in  der  Kreideformation  aus.  Ihre  syste- 
matische Stellung  ist  ganz  unsicher ;  wir  nennen  sie  hier  wegen  der  Aehn- 
lichkeit  der  Schale  mit  derjenigen  des  Nautilus,  ob  sie  aber  mit  diesen 
verwandt  sind,  ist  nicht  zu  sagen. 

2.  Ordnung.    Zweikiemer  (Dihranvhiatn). 

8 — 10  Arme  mit  Saugnäpfen.  Tricbter  röhrenförmig.  Augen  mit 
einer  Linse.  2  Kiemen  (2  Vorhöfe,  2  Nieren).  Tintenbeutel.  Innere 
oder  keine  Schale. 

1.  Zehn  armige  Tintenfische  (iJewpöda).  10  Arme,  Saugnäpfe 
gestielt  und  mit  Hornring,  Schale  vorhanden,  Rumpf  gestreckt  und  mit 
Flossen.  —  Hierzu  gehört  z.  B.  die  in  den  europäischen  Meeren  häufige 
Sepm  officinalüs,  deren  dicke  aus  feinen  Kalklamellen  zusammengesetzte  Schale 
(  (h  sepitie  der  Apotheker)  für  verschiedene  technische  Zwecke  verwendet 
wird,  und  der  ebendaselbst  lebende  Kalmar  (Loliyo  rulgaris)  mit  dünner, 
hornartiger  Schale.  Femer  die  Riesentintenfische  ( .1  rchitfidh us) , 
pelagische  Thiere  von  mehreren  Metern  Länge,  übrigens  in  Körpergestalt 
vom  gewöhnlichen  Zehnarmer-Typus  nicht  abweichend.  —  Die  sogenannten 
„Donnerkeile",  welche  man  häufig  in  den  Schreibkreideschichten  und  in 
Folge  der  in  der  Glacialperiode  stattgefundenen  Umwälzungen  auch  in  den 
glacialen  Ablagerungen  Nordeuropas  findet,  sind  das  hintere  dornförmige 
Ende  der  Schale  gewisser  ausgestorbener  zehnarm iger  Cephalopoden 
(Rdem-irilett). 

2.  Achtarmige  Tintenfische  (Oclopwla).  8  Arme,  ungestielte 
Saugnäpfe  ohne  Hornring,  keine  Schale,  plumper  flossenloser  Rumpf.  — 
Hierzu  gehört  z.  B.  der  (Jctfjj>u,s  vulgaris,  ein  grosser  langarmiger  Tinten- 
fisch mit  kleinem  rundlichem  Rumpf,  im  Mittelmeer  häufig.  Ferner 
Argonuuta  aryo,  dessen  Weibchen  sich  dadurch  auszeichnet,  dass  das  obere 
Paar  Arme  nach  hinten  gerichtet  und  stark  zusammengedrückt  ist,  so  dass 
sie  zwei  den  Rumpf  umgebende  Platten  bilden;  beide  Platten  sondern  auf 
ihrer  nach  innen  gekehrten  Seite  zusammen  eine  dünne  mützen förmige 
Kalkschale  ab,  welche  dem  Körper  als  Schutz  dient  und  in  welcher  die 
Eier  aufgehoben  werden ;  diese  Schale  hängt  an  keiner  Stelle  inniger  mit 
der  Oberfläche  des  Thieres  zusammen.  Das  Männchen  von  Argonauta  besitzt 
einen  Hectocotylus,  hat  aber  das  1 .  Armpaar  auf  normale  Weise  ausgebildet 
und  ist  ohne  Schale.    Die  Argonauten  sind  pelagische  Thiere. 


22* 


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8.  Kreis.    Wirbelthiere  (Vrrtehrate). 


Allgemeine  Uebersicht.  Die  Wirbelthiere  haben  einen 
symmetrischen  Bau.  An  der  Rückenseite  liegt  das  Centrainerven- 
system, dessen  vorderster  Theil  gewöhnlich  zum  Gehirn  auge- 
schwollen ist,  während  der  übrige  Theil  einen  langen  Straug,  das 
Rückenmark,  bildet.  Unterhalb  des  Nervensystems  liegt  ein  anderer 
strangförmiger  Körper,  die  Rückensaite  (Chorda  dorsalis)  ;  um  die 
letztere  und  das  centrale  Nervensystem  herum  sind  in  der  Regel 
Skelettheile  entwickelt.  Unterhalb  der  Rückensaite  findet  sich  der 
Darmkanal  mit  der  Mundöffnung  am  Vorderende  des  Thieres,  dem 
After  an  der  Unterseite,  gewöhnlich  in  ansehnlicher  Entfernung  vom 
Hinterende.  Das  Herz  liegt  vorne  unterhalb  des  Darmkanals.  Es 
sind  ein  Paar  Nieren  und  ein  Paar  Geschlechtsdrüsen  vor- 
handen; die  Ausführungsgänge  sowohl  der  ersteren  als  der  letzteren 
münden  in  der  Nähe  des  Afters  oder  in  den  hinteren  Theil  des  Darm- 
kanals. Es  ist  eine  geräumige  Leibeshöhle  vorhanden,  in  welcher 
Darmkanal,  Herz  etc.  ihren  Platz  haben.  Augen,  Gehör-  und 
Geruchsorgane  am  vorderen  Theil  des  Körpers.  —  Der  Körper  zer- 
fällt naturgemäss  in  drei  aufeinander  folgende  Abschnitte:  1)  den  Kopf, 
mit  Gehirn,  Sinnesorganen,  Mundhöhle;  2)  der  Rumpf,  den  vom  Kopf 
bis  an  den  After  reichenden  Theil  des  Körpers,  welcher  die  Leibes- 
höhle mit  den  darin  eingeschlossenen  Organen  umfasst  und  meistens 
mit  zwei  Paar  Anhängen,  den  Gliedmaassen,  ausgestattet  ist,  die 
—  besonders  bei  den  höheren  Wirbelthieren  — '  eine  wichtige  Rolle 
bei  der  Bewegung  spielen;  3)  den  Schwanz,  den  musculösen  End- 
abschuitt  des  Körpers,  bei  den  Fischen  als  ein  mächtiges  Bewegungs- 
werkzeug entwickelt,  bei  den  höheren  Wirbelthieren  meistens  von 
untergeordneterer  Bedeutung.  Bei  den  höheren  Wirbelthieren,  von 
deu  Reptilien  an,  ist  der  vordere  Theil  des  Rumpfes  als  Hals  aus- 
gebildet, d.  h.  die  Leibeshöhle  zieht  sich  aus  dem  vorderen  Theil  des 
Rumpfes  zurück,  Organe  (z.  B.  das  Herz),  welche  sonst  hier  ihren 
Platz  haben,  rücken  weiter  nach  hinten,  und  der  vordere  Abschnitt 
wird  so  zu  einem  musculösen,  im  Wesentlichen  eingeweidelosen,  stiel- 
artigen Verbindungsglied  zwischen  Kopf  und  Rumpf,  was  von  der 
grö98ten  Bedeutung  für  die  freie  Beweglichkeit  des  Kopfes  ist. 

Die  Oberhaut  ist  beim  Amphioxus  ein  einschichtiges  Cylinder- 
epithel,   bei  den  übrigen  Wirbelthieren  dagegen  stets  ein  mehr- 


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Wirbelthiere. 


341 


schichtiges  Plattenepithel  von  verschiedener  Dicke.  Eine  dünne,  oft 
schwierig  nachweisbare,  Cuticula  bedeckt  bei  Amphioxus,  den  Fischen, 
Amphibien  und  Reptilien  die  äussere  Oberfläche  der  Oberhaut;  sie 
fehlt  bei  Vögeln  und  Säugethieren.  Bei  den  Fischen  sind  sämmtliche 
Oberhautzellen  protoplasmatische  weiche  Zellen,  bei  den  übrigen  be- 
steht dagegen  der  äussere  Theil  der  Oberhaut  aus  vollständig  ver- 
hornten Zellen f  so  dass  man  in  der  Oberhaut  eine  äussere  Horn- 
schicht und  eine  tiefere  Schleimschicht  (Bete  Malpighii)  unter- 
scheidet, welch  letztere  aus  protoplasmatischen  Zellen  besteht.  Die 
Hornschicht  ist  bei  den  Amphibien  nur  eine  oder  zwei  Zellen  stark, 
bei  den  höheren  Wirbelthieren  dicker;  an  verschiedenen  Theilen  der 
Körper-Oberfläche  ist  sie  in  verschiedener  Weise  entwickelt  und  kann 
an  gewissen  Stellen  eine  sehr  bedeutende  Dicke  und  grosse  Festigkeit 
erreichen.  Derartige  verdickte,  feste  Partien  der  Homschicht  sind  die 
Krallen  der  Reptilien,  Vögel  und  Säugethiere,  welche  dütenförmig 
das  Endglied  der  Finger  und  Zehen  umgeben.  Die  Häutung  der 
Wirbelthiere  besteht  in  einem  Abwerfen  der  Hornschicht  (sammt  der 
dünnen  Cuticula,  wenn  eine  solche  vorhanden  ist),  entweder  als  eines 
zusammenhängenden  Ganzen  (Amphibien,  Reptilien)  oder  stückweise. 
Unterhalb  der  Oberhaut  findet  man  die  bindegewebige  Lederhaut, 
von  verschiedener  Dicke  und  Festigkeit,  durch  das  lockere  sub- 
cutane Bindegewebe  mit  den  unterliegenden  Theilen  verbunden; 
in  der  Lederhaut  sind  häufig  glatte  oder  quergestreifte  Muskelelemente 
vorhanden,  ebenso  wie  auch  unterhalb  derselben,  aber  in  Zusammen- 
hang mit  ihr,  besonders  bei  höheren  Wirbelthieren  häufig  zusammen- 
hängende platte  Hautmuskeln  (aus  quergestreiften  Muskelfasern  be- 
stehend). Sowohl  in  der  Ober-  als  in  der  Lederhaut  findet  sich  sehr 
häufig  in  die  Zellen  Pigment  eingelagert.  Zur  Haut  gehören  Drüsen 
mancherlei  Art:  bei  den  Fischen  finden  sich  zwischen  den  Zellen  der 
äussersten  Oberhautschicht schleimabsondernde Becherzel len;  echte 
Drüsen  Rind  dagegen  in  der  Regel  in  der  Haut  der  Fische  nicht  vor- 
handen, während  sie  den  übrigen  Wirbelthieren  in  grosser  Ausdehnung 
zukommen,  in  die  Lederhaut  (oder  unterhalb  derselben)  eingesenkt, 
durch  die  Oberhaut  ausmündend.  Von  besonderen  Hautgebilden  sind 
hier  zu  erwähnen  die  Schuppen  der  Reptilien  (Vögel,  gewisser 
Säugethiere),  welche  von  einer  festen  Hornschicht  bekleidete  Haut- 
warzen von  verschiedener  Form  sind,  ferner  die  Federn  und  Haare 
(welche  später  eingehender  behandelt  werden  sollen).  Bei  manchen 
Fischen  (Selachiern  etc.)  findet  man  an  der  Haut  Zähne  von  dem- 
selben Bau  wie  die  Zähne  der  Mundhöhle  (vergl.  letztere).  In  der 
Lederhaut  sind  häufig,  bei  Mitgliedern  aller  Wirbelthierklassen  (mit 
Ausnahme  der  Lanzettfische  [AmphioxusJ),  Verknöcherungen, 
namentlich  in  Form  dünnerer  oder  dickerer  Platten  (Schuppen  der 
Fische  etc.)  vorhanden.  Zuweilen  erreichen  diese  Verknöcherungen 
einen  bedeutenden  Umfang  und  können  sich  zu  einem  Hautskelet 
mit  einander  verbinden ,  welches  grössere  oder  kleinere  Theile  des 
Körpers  umgiebt  (bei  gewissen  Fischen,  den  Schildkröten,  einzelnen 
Säugethieren).  Die  Hautknochen  treten'  auch  in  grossem  Umfang 
mit  dem  inneren  Skelet.  besonders  mit  dem  des  Kopfes,  in  Ver- 
bindung. 

Das  innere  Skelet  wird  auf  sehr  frühen  Stufen  der  Entwick- 
lung ausschliesslich  durch  die  Rü  c  k  en  s  ai  te  .  Chorda  dorsafis,  re- 
präsentirt.  einen  gewöhnlich  aus  zelligem  Bindegewebe  bestehenden 


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342 


Specieller  Theil. 


Strang  oder  Stab  unterhalb  des  Centrainervensystems.  Bei  Ampkioxus 
besteht  das  Skelet  auch  bei  dem  ausgebildeten  Thiere  fast  allein  aus 
der  Rückensaite  (Fig.  260,  S.  369);  bei  den  übrigen  Wirbel thieren 
aber  entwickeln  sich,  zum  grossen  Theil  um  die  Chorda  und  in  Ver- 
bindung mit  ihr,  andere  Skelettheile,  welche  die  Chorda  an  Masse 
weit  übertreffen,  ja  letztere  wird  häufig  fast  ganz  von  den  neugebildeten 
Skelettheilen  verdrängt.  Letztere  bestehen  theils  aus  Knorpel, 
theil8  aus  Knochengewebe;  bei  denjenigen  Wirbel  thieren ,  deren 
Skelet  im  ausgebildeten  Zustande  hauptsächlich  aus  Knochengewebe 
besteht,  sind  die  meisten  Theile  übrigens  anfänglich  knorpelig,  später 
wird  der  Knorpel  entweder  allmählich  aufgelöst  und  durch  Knochen- 
gewebe ersetzt:  er  verknöchert,  oder  er  wird  von  Knochenplatten, 
Deckknochen,  überdeckt  und  bleibt  dann  entweder  unterhalb 
letzterer  bestehen  oder  schwindet  allmählich. 

betrachten  zunächst  das  Skelet  des  Stammes,  d.  h.  des 
mit  Ausschluss  der  Gliedmaassen.  Um  die  Chorda  entwickelt 
sich  im  Rumpf  und  im  Schwanz  bei  gewissen 
Fischen  eine  zusammenhängende  Knorpelröhre, 
welche  die  Chorda  umschliesst;  oben  schliesst  sich 
an  diese  Röhre  eine  Reihe  kurzer,  dachförmiger 
Körper,  Bögen,  welche  das  Rückenmark  umgeben. 
Bei  den  allermeisten  Wirbelthieren  ist  jedoch  die 
Knorpelröhre  in  eine  grössere  Anzahl  auf  einander 
folgende  Stücke  getheilt,  meistens  eines  für  jeden 
Bogen,  welche  zusammen  die  Chorda  umschliessen. 
Diese  Stücke,  welche  man  als  Wirbelkörper  be- 
zeichnet, haben  eine  sehr  verschiedene  Form  und  Aus- 
bildung; zuweilen  bleibt  die  umschlossene  Chorda  in 
grosser  Ausdehnung  erhalten,  in  anderen  Fällen  wird 
sie  stark  rückgebildet  oder  schwindet  sogar  ganz. 
Ein  Wirbelkörper  -\-  dem  mit  ihm  verbundenen  Bogen 
wird  als  ein  Wirbel  bezeichnet;  Bogen  und  Körper 
sind  in  der  Regel  fest  verwachsen  und  bestehen  aus 
Knorpel-  oder  Knochengewebe.  An  die  Wirbel 
schliessen  sich  im  Schwanz  häufig  untere  Bögen 
von  ähnlichem  Aussehen  wie  die  oben  genannten 
oberen  Bögen ;  sie  umgeben  die  grossen  Gefässstämme 
des  Schwanzes.  Von  den  Wirbeln  entspringen  meistens  verschiedene 
Fortsätze:  oben  in  der  Mitte  des  Bogens  der  Dornfortsatz,  seitlich 
Querfortsätze,  Gelenkfortsätze  mit  Gelenkflächen,  welche  sich  an  die 
entsprechenden  des  folgenden  Wirbels  anlegen,  etc.  An  die  Wirbel 
des  Rumpfes  —  meistens  mit  Ausnahme  der  vorderen  und  hinteren 
derselben  —  heften  sich  Rippen,  ein  Paar  an  jeden  Wirbel.  Es 
sind  dies  knorpelige  oder  knöcherne  gebogene  Stäbe,  welche  als  Stützen 
in  der  Körperwand  liegen;  unten  verbinden  sie  sich  bei  den  höheren 
Wirbelthieren  theilweise  mit  einem  Brustbein,  einem  unpaaren 
(meistens  theilweise  oder  fast  vollständig  verknöcherten)  Knorpel, 
welcher  seinen  Platz  unten  in  der  Körperwand  hat;  bei  den  Fischen 
fehlt  er,  bei  den  Amphibien  ist  er  zwar  vorhanden,  steht  aber  nicht 
mit  den  Rippen  in  Zusammenhang.  —  Bei  den  höheren  Wirbelthieren 
(Reptilien,  Vögeln,  Säugethieren .  theilweise  auch  schon  bei  den 
Amphibien)  zerfällt  die  Reihe  der  Rumpfwirbel  in  mehrere  Ab- 
schnitte: 1)  die  Halswirbel,  ohne  oder  mit  kleinen  Rippen,  2)  die 


Fig  248.  Schema 
eine«  Wirbels  mit 
den  zugehörigen 
Theüeit.  ch  Chorda, 
h  Wirbelkörper,  b 
Rogeu,  t  Dornfort- 
satz, m  Rückenmark, 
<•  Kippe,  br  Brust- 
hein. —  Orig. 


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Wirbelthiere. 


343 


Brustwirbel  mit  wohlentwickelten  Rippen,  3)  die  L  enden  wirbel, 
rippenlose  Wirbel,  welche  auf  die  Brustwirbel  folgen,  4)  die  Becken- 
wirbel, an  welchen  das  Becken  befestigt  ist;  solche  Abschnitte 
lassen  sich  dagegen  bei  den  Fischen  nicht  unterscheiden,  deren  Rumpf- 
wirbel sich  gewöhnlich  alle  in  der  Hauptsache  gleich  verhalten. 

Die  Grundlage  des  Skeletes  des  Kopfes  wird  von  einer  festen 
Kapsel  gebildet,  welche  das  Gehirn  umschliesst,  in  «deren  Wand  die 
Gehörorgane  eingebettet  sind,  und  welche  ausserdem  für  die  Seh-  und 
Geruchsorgane  eine  Stütze  abgiebt:  die  Schädelkapsel.  iDiese 
Kapsel,  deren  unterer  Theil  in  der  Fortsetzung  der  Reihe  der  Wirbel- 
körper liegt  und  das  vordere  Ende  der  Chorda  einschliesst,  besteht 
beim  Embryo  zuerst  stets  aus  Knorpel,  beim  ausgebildeten  Thiere  gleich- 
falls zuweilen  aus  diesem  Gewebe  alleiu  (mit  fibrösem  Bindegewebe 
zusammen,  welches  kleinere  oder  grössere  Oeffnungen  der  Knorpel- 
kapsel ausfüllt),  während  bei  der  Mehrzahl  der  Wirbelthiere  der 
Knorpel  theilweise,  meistens  zum  allergrössten  Theil,  im  Laufe  der 
Entwicklung  durch  Knochengewebe  ersetzt  wird.  Das  Knochengewebe 
nimmt  dabei  zum  Theil,  wie  es  auch  in  anderen  Abschnitten  des 
Skelets  überwiegend  der  Fall  ist.  geradezu  deu  Platz  des  Knorpels 
ein:  letzterer  wird  allmählich  aufgelöst,  und  gleichzeitig  entwickelt 
sich  an  seiner  Stelle  Knochengewebe.  Zum  grossen  Theil  aber  ent- 
wickelt sich  die  Knochenmasse  des  Schädels  in  Form  von  Platten, 
Deckknochen  (Belegknochen),  welche  in  dem  umgebenden  Binde- 
gewebe entstehen  und  sich  äusserlich  dem  Schädel  anlegen,  indem  sie 
theils  die  obengenannten  von  Bindegewebe  ausgefüllten  Oeffnungen, 
theils  auch  den  Knorpel  selbst  überdecken ,  welch  letzterer  zuweilen 
(z.  B.  bei  manchen  Knochenfischen)  in  grösserer  oder  geringerer  Aus- 
dehnung unterhalb  der  Deckknochen  erhalten  bleibt,  während  er  in 
anderen  Fällen  verschwindet.  Diejenigen  Knochenplatten,  welche  die 
Oberseite  des  Schädels  bedecken,  liegen  bei  manchen  Thieren,  z.  B. 
bei  zahlreichen  Fischen,  so  oberflächlich,  nur  von  einer  ganz  dünnen, 
mit  dem  Knochen  eng  verbundeneu  Bindegewebsschicht  und  der  Ober- 
haut überzogen,  dass  sie  als  Verknöcherungen  der  Lederhaut,  als 
Hautknochen,  zu  bezeichnen  sind,  welche  mit  dem  inneren  Skelet 
in  Verbindung  getreten  sind;  bei  anderen  wird  die  überliegende  Binde- 
gewebsschicht dicker,  die  Knochen  rücken  mithin  mehr  nach  innen, 
und  bei  höheren  Wirbelthieren.  z.  B.  Vögeln  und  Säugethieren,  sind 
sie  immer  ganz  von  der  Lederhaut  gesondert.  Der  ausgebildete 
Schädel  besteht  demnach  theils  aus  Knochentheilen,  die  sich  im  Knorpel 
entwickelt  haben,  theils  aus  Deckknochen ;  erstere  bestehen  aus  einer 
Anzahl  gesonderter  Knochenstücke  (durch  Ueberreste  des  Knorpels 
verbunden,  während  die  Deckknochen  durch  Bindegewebe  verbunden 
sind),  und  der  knöcherne  Schädel  ist  somit  aus  vielen  getrennten 
Knochen  zusammengesetzt,  welche  übrigens  öfters  bei  alten  Thieren 
alle  oder  zum  Theil  mit  einander  verschmelzen.  —  An  den  Schädel 
schliesst  sich  jederseits  eine  Anzahl  Visceralbögen  (Fig.  266,  A, 
S.  379),  welche  ebenso  wie  der  Schädel  anfänglich  knorpelig  sind; 
es  sind  bogenförmige  Körper,  welche  wie  Spanten  in  der  Mundhöhlen- 
wand liegen ;  unten  stossen  sie  entweder  direkt  (der  vorderste  Visce- 
ralbögen) mit  den  entsprechenden  der  anderen  Seite  zusammen  oder 
verbinden  sich  mit  einer  Reihe  (oder  einem  einzigen)  unpaarer  Knorpel- 
oder Knochenstücke  (Copulae).  Der  erste  Visceralbögen,  der  Kiefer- 
bogen,  ist  kräftiger  als  die  folgenden  und  in  eine  obere  und  eine 


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344 


Specieller  Theil. 


untere  Partie ,  den  Gaumenknorpel  (Palato-Quadratum)  und  den 
Unterkieferknorpel,  getheilt.  Auch  der  folgende  Bogen,  der 
Zungenbeinbogen,  ist  gewöhnlich  kräftig  entwickelt.  Die  übrigen 
Visceralbogen  werden  alsKiemenbogen  bezeichnet;  bei  den  Fischen 
und  den  Amphibienlarven  sind  gewöhnlich  4,  5  oder  mehr  Kiemen- 
bogen  jederseits  vorhanden,  während  man  sonst  bei  den  Wirbelthieren 
deren  höchstens  1  oder  2  findet.  Ebenso  wie  andere  Theile  des  Ske- 
letes  werden  die  Visceralbogen  bei  den  meisten  Wirbelthieren  im  Laufe  der 
Entwicklung  ganz  oder  theilwcise  durch  Knochen  ersetzt  oder  von 
solchen  überdeckt,  der  Gaumenknorpel  von  den  als  Gaumen-,  Flügel- 
und  Quadratbein  bezeichneten  Knochen ,  der  Unterkieferknorpel  von 
einem  oder  mehreren  Knochen,  etc.  —  Von  den  Visceralbogen  unab- 
hängig sind  die  Ober-  und  Zwischenkiefer,  paarige  Knochen, 
welche  bei  den  meisten  Wirbelthieren  vorhanden  sind  und  die  vordere 
Begrenzung  des  Mundrahmens  bilden;  sie  entwickeln  sich  im  Binde- 
gewebe, und  es  gehen  ihnen  keine  knorpeligen  Theile  voraus. 

Die  vorderen  Gliedmaassen  sind  mit  dem 
Körper  durch  den  Schultergürtel  verbunden, 
welcher  auf  jeder  Seite  aus  einem  knorpeligen 
oder  knöchernen  Bogen  besteht,  der  in  den  vor- 
dersten Theil  des  Rumpfes  eingelagert  ist;  zu- 
weilen gehen  beide  Bögen  unten  direkt  in  ein- 
ander über,  meistens  sind  sie  aber  getrennt.  Ge- 
wöhnlich zerfällt  jeder  Bogen,  wenn  er  ver- 
knöchert ist,  naturgemäss  in  einen  oberen  Ab- 
schnitt (oberhalb  der  Einlenkungsstelle  der  Glied- 
maasse,  des  Schultergelenks),  das  Schulter- 
blatt (ikapula),  und  einen  unteren.  dasCoraco'id 
(Babensclinabelbein);  vor  dem  letzteren  findet 
man  häufig  noch  einen  besonderen  Knochen,  das 
Schlüsselbein  ( Clacicula ).  Coracoid  und 
Schlüsselbein  heften  sich,  wenn  ein  Brustbein 
vorhanden  ist,  gewöhnlich  mit  ihrem  hinteren 
Ende  an  dieses.  —  Das  Skelet  der  Vorder- 
gliedmaassen  selbst  ist  bei  den  Fischen 
plattenförmjg,  aus  radial  angeordneten  Knorpel- 
oder Knochenstücken  zusammengesetzt  (Näheres 
siehe  unten  bei  den  Fischen).  Bei  den  übrigen 
Wirbelthieren  hat  das  Skelet  der  Vorder- 
gliedmaassen  einen  ausgeprägten  geraeinsamen 
Typus:  Am  Schultergürtel  ist  mit  seinem  einen 
Ende  ein  länglicher  Knochen,  das  Oberarm- 
bein (Humcrus),  eingelenkt;  an  sein  unteres 
Ende  schliessen  sich  zwei  ebenfalls  längliche 
welche  neben  einander  liegen,  die 
Speiche  (Radius)  und  die  Elle  (Ulna),  zu- 
sammen den  Unterarm  bildend;  die  Elle  hat 
gewöhnlich  an  ihrem  oberen  Ende  einen  das 
obere  Ende  der  Speiche  überragenden  Fortsatz 
(Ellenbogen.  Olecranon).  Am  unteren  Ende  des 
Unterarms  findet  sich  die  Handwurzel 
(Carpus),  welche  aus  einer  Anzahl  kleiner  Knorpel-  oder  Knochen- 
stücke besteht;  vollständig  ausgebildet  ist  die  Handwurzel  durch  zwei 


Fig.  244.  Schema  des 
Skeletes  der  Vorder- 
glied  maasse  der  Wirbel- 
thierc  (mit  Ausnahme  »1er  Knochen , 
Fische).  //Oberarmknocheii, 
H  Speiche,  V  Elle,  «  Ulnare, 
/  Intermediuni,  r  Radiale, 
c  Central«,  / — 5  Carpale 
Nr.  1.  2  etc.;  /—I'  1.-5. 
Finger.  Orig. 


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Wirbelthiere. 


345 


Querreihen  von  Knorpeln  oder  Knochen  repräsentirt,  mit  drei  Stücken 
in  der  oberen  an  den  Unterarm  grenzenden  Reihe  (Radiale,  Inter- 
medium,  Ulnare)  und  fünf  in  der  unteren  Reihe,  einem  für  jeden 
Mittelhandknochen  (1.,  2.,  3.,  4.  und  5.  Carpale):  endlich  ist  zwischen 
beiden  Reihen  ein  kleiner  Knochen  (Knorpel)  eingeschoben ,  das 
Centrale  (selten  sind  zwei  Centralia  vorhanden).  An  die  Handwurzel- 
knochen ,  welche  mannigfachen  Modifikationen  unterworfen  sind, 
schliessen  sich  5  (oder  eine  geringere,  seltener  eine  grössere  Anzahl) 
Reihen  von  Knorpeln  oder  Knochenstücken,  von  welchen  das  obere 
jeder  Reihe  als  Mittelhan dknochen  (Meimarpale),  die  anderen 
als  Fingerglieder  (Phalanges)  bezeichnet  werden.  Während  die 
Mittelhandknochen  gewöhnlich  dicht  aneinander  liegen  und  von  einer 
gemeinsamen  Haut  umschlossen  werden,  sind  die  Finger  meistens 
grösstenteils  frei. 

Der  Beckengürtel,  welcher  für  die  Hintergliedmaassen  die- 
selbe Rolle  spielt  wie  der  Schultergürtel  für  die  Vordergliedmaassen, 
ist  ein  unpaarer  oder  paariger  Knorpel-  oder  Knochenbogen,  an  welchem 
die  Hintergliedmaassen  eingelenkt  sind.  Er  steht  bei  den  Fischen 
nicht  mit  der  Wirbelsäule  in  Verbindung;  bei  den  übrigen  Wirbel- 
thieren  ist  er  dagegen  fast  immer  oben  an  jeder  Seite  mit  einem 
oder  mehreren  Wirbeln,  den  Beckenwirbeln,  eng  verbunden.  Aehnlich 
wie  der  Schultergürtel  zerfällt  er  —  von  den  Fischen  abgesehen  — 
jederseits  in  einen  oberen  Abschnitt,  oberhalb  der  Einlenkungsstelle  , 
der  Hintergliedmaassen  (des  Hüftgelenkes),  das  Darm-  oder  Hüft- 
bein (Os  Munt),  und  einen  unteren  Abschnitt,  welcher  jedoch  gewöhn- 
lich wieder  in  eine  vordere  und  eine  hintere,  das  Schambein  (Os 
pubis)  und  das  Sitzbein  (Os  ischii),  getheilt  ist;  letztere  stossen  in 
der  Regel  unten  in  der  Mittellinie  mit  den  entsprechenden  der  ent- 
gegengesetzten Seite  zusammen.  Darm-,  Scham-  und  Sitzbein  sind 
jedenfalls  bei  jüngeren  Thieren  durch  je  einen  besonderen  Knochen 
vertreten,  welcher  durch  Knorpel  (woraus  ursprünglich  das  ganze 
Becken  besteht)  mit  den  anderen  zusammenhängt ;  später  verschmelzen 
häufig  alle  drei  mit  einander.  —  Das  Skelet  der  Hinterglied- 
maassen schliesst  sich  eng  an  das  der  Vordergliedmaassen  an,  und 
zwar  sowohl  bei  den  Fischen  als  bei  den  übrigen  Wirbelthieren;  wir 
haben  bei  letzteren  ein  Oberschenkelbein  (Femur),  dem  Ober- 
armbein entsprechend,  einen  Unterschenkel  (dem  Unterarm  ent- 
sprechend), bestehend  aus  einem  Schienbein  (Tibia)  und  einem 
Wadenbein  (Fibula),  eine  Fusswurzel  (Tarsus)  aus  zwei  Reihen 
von  Knochen  (in  der  oberen  Reihe:  Tibink,  Intermedium,  WbuUirc,  in 
der  unteren:  1. — 5.  Tarsale)  und  einem  Centrale  (selten  2)  bestehend, 
5  Mittel fussknoc heu  (Metatarsalia)  und  5  Zehen,  jede  aus 
mehreren  Zehengliedern  (Plialanges)  zusammengesetzt. 

Die  Knochen-  oder  Knorpelstücke  sind  zuweilen  einfach  mittels 
einer  zwischenliegenden  Bindegewebsschicht  oder  (seltener)  mittels 
Knorpels  mit  einander  verbunden,  und  es  besteht  dann  meistens  nur 
eine  geringe  Beweglichkeit  zwischen  den  betreffenden  Theilen.  Wenn 
die  Beweglichkeit  grösser  ist,  so  ist  in  der  Regel  ein  Gelenk  vor- 
handen, d.  h.  die  Knochen-  und  Knorpelstücke  sind  an  der  Stelle, 
wo  sie  an  einander  stossen,  durch  einen  spaltförmigen,  mit  einer 
geringen  Menge  Flüssigkeit  erfüllten  Hohlraum,  die  Gelenkhöhle, 
getrennt  und  nur  um  letztere  herum  durch  Bindegewebe  verbunden 
(Gelenkkapsel).  Die  zusammenstossenden  Flächen  der  betreffenden 


346 


Specieller  Theil. 


Skeletstücke .  die  Gelenkflächen,  sind  stets  glatt  und  einander 
angepasst,  übrigens  aber  von  sehr  verschiedener  Form;  handelt  es 

sich  um  Knochenstücke ,  so  sind  die  Flächen 
,    fast  immer  von  einer  dünnen  Knorpellage  (Ge- 
lenkknorpel) bedeckt,  einem  Ueberrest  des  Knor- 
pels, aus  welchem  ursprünglich  das  ganze  Skelet- 
*    stück  bestanden  hat.    Oft  ist  das  ganze  Binde- 
gewebe in  der  Umgebung  des  Gelenks  theilweise 
zu  festeren  Strängen   entwickelt,   welche  von 
kn  einem  Knochen  zum  andern  gehen:  Bänder, 
Ligamente.  —  Wenn  man  von  den  Gelenkflächen 
—    h    absieht,  sind  die  Knochen  überall  von  einer  in  der 
Regel  aus  straffem  (fibrösem)  Bindegewebe  be- 
Fig. -245.  L»nK8»chiiitt  stehenden  Knochenhaut,  Periost,  bekleidet, 
eines  Gelenke«,  a  und  die  Knorpelstücke  ähnlich  von  einer  Knorpel- 

B   die   zwoi   an  einander  haut  (PericllOmh'ium). 

.tobenden  Knochen  h  Kno-         Die  Knochen  bestehen,  wenn  sie  nicht  ungemein 

Knorpel  an  den  Knochen-  dünn  8ind>  mcht  ausschliesslich  aus  Knochengewebe, 
cuden.  —  Nach  Gegenbaur.  sondern  es  sind  in  ihnen  Hohlräume  vorhanden,  welche 

Bindegewebe  undGefässe  enthalten.  Der  äussere  Theil 
der  Knochen  besteht  in  der  Regel  aus  einer  festen  Masse,  der  compacten 
Knochensubstanz,  welche  nur  feinere ,  gegen  das  Knochengewebe  an 
Masse  zurücktretende  Kanäle  (Havers'sche  Kanäle)  enthält.  Das  Innere 
der  Knochen  besteht  dagegen  gewöhnlich  aus  spongiöser  Knochen- 
substanz, in  welcher  die  Kanäle  und  Hohlräume  (Markräume)  mehr 
überwiegen,  das  Knochengewebe  in  Gestalt  feinerer  Balken  und  Plättchen 
zwischen  letzteren  erscheint.  In  der  Mitte  grösserer  Knochen  befindet  sich 
oft  ein  ausgedehnter,  mit  meistens  fettreichem  Bindegewebe  erfüllter  Hohl- 
raum, die  Markhöhle.  —  Auch  in  den  Knorpelstücken  sind,  meistens  aber 
in  geringer  Zahl,  feine  Kanäle  vorhanden,  welche  Bindegewebe  und  Blut- 
gefässe enthalten. 

Die  Muskulatur  theil  t  man  in  die  Muskeln  des  Stammes  und 
der  Gliedmaassen.  Bei  Amphioxus  und  den  Fischen  bestehen  die 
Muskeln  des  Stammes  hauptsächlich  aus  grossen  zusammenhängenden, 
an  der  Seite  von  Rumpf  und  Schwanz  gelagerten  Muskelraassen, 
welche  nicht  in  ein  sehr  nahes  Verhältniss  zum  Skelet  treten,  und 
welche  durch  dünne  bindegewebige  Scheidewände  in  eine  Anzahl 
Segmente  zerfallen;  ausserdem  sind  kleinere  Muskeln  zur  Bewegung 
des  Visceralskeletes ,  der  Flossenstrahlen  etc.  vorhanden.  Die 
Gliedmaassenmuskeln  sind  bei  den  Fischen  gewöhnlich  nur  schwach 
entwickelt.  Aehnliche  Verhältnisse  wie  bei  den  Fischen  bestehen 
z.Th.  auch  bei  den  Amphibien,  während  bei  den  höheren  Wirbelthieren 
sowohl  die  Stamm-  wie  die  Gliedmaassenmuskulatur  grösstentheils 
in  zahlreiche  selbständige  Muskeln  gesondert  ist,  welche  von  einem 
Knochen  zum  andern  gehen  und  an  den  Enden  mit  diesen  eng  ver- 
bunden sind;  dabei  sind  die  Gliedmaassenmuskeln  in  der  Regel  mächtig 
entwickelt.  —  Die  Muskeln  bestehen  aus  quergestreiften  Muskelfasern, 
welche  von  Bindegewebe  zusammengehalten  werden.  An  den  Enden 
gehen  sie  häufig  in  Sehnen  über,  welche  aus  straffem  Bindegewebe 
bestehen;  nicht  selten  sind  die  Sehnen,  besonders  bei  Säugethieren 
und  Vögeln,  von  ansehnlicher  Länge.  Zuweilen  können  die  Sehnen 
in  grösserer  oder  geringerer  Ausdehnung  verknöchern;  besonders 
entwickeln  sich  oft  iu  demjenigen  Theil  einer  Sehne,  welcher  über 


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Wirbelthiere. 


347 


einen  Knochen  hiuweggleitet,  kleine  sogenannte  Sesam  b  eine  mit 
einer  dem  Knochen  zugekehrten  iiberknorpelten  Fläche;  die  Knie- 
scheibe der  Vögel  und  Säugethiere  ist  ein  solches  Sesambein. 

Die  centralen  Theile  des  Nervensystems  legen  sich  bei  den 
Wirbelthiereu  als  eine  rinnenförmige  Einfaltung  des  Ektoderms 
(Fig.  32,   S.  51)  längs  der  Rückenseite  des  Thieres  au.  welche 


Fig.  246.  Schematisrhcr  Henkrechter  Lttng^sdiuitt  durch  «Im  Gehirn  eines  Wirbel- 
thierea.  /  Vorder-,  me  Zwischen-,  mi  Mittel-,  h  Hinter-,  >•  Nachhirn,  /  Kiechkolbcn,  *  Zirbel, 
tr  Trichter,  t  Hirnanliang.  —  Orig. 

sich  später  von  dem  übrigen  Ektoderm  abschnürt  und  als  eine  Röhre 
unterhalb  der  Haut  liegt.  Bei  Amphioxus  bleibt  das  Centrainerven- 
system das  ganze  Leben  hindurch  auf  dieser  Stute 
stehen,  hei  den  übrigen  aber  entwickelt  sich  der 
vorderste  Theil  stärker :  zum  Gehirn,  im  Gegensatz 
zu  dem  übrigen:  dem  Rückenmark.  Das  Lumen 
der  Röhre  bleibt  in  der  Regel  das  ganze  Leben 
hindurcli  bestehen,  als  ein  enger  Kanal  im  Rücken- 
mark, in  Gestalt  ausgedehnterer  spaltenföriniger 
Hohlräume  im  Gehirn.  Das  Gehirn  wird  schon 
auf  einer  sehr  frühen  Entwicklungsstufe  durch 
Einschnürungen  in  drei  Abschnitte  getheilt,  von 
denen  das  erste  und  letzte  wieder  in  je  zwei  zer- 
fallen. Wir  erhalten  somit  5  Abschnitte :  Vorder-, 
Zwischen-,  Mittel-,  Hinter- und  Nachhirn, 
eines  hinter  dem  audern  liegend,  welche  sich  durch 
die  ganze  Wirbelthierreihe  von  den  Fischen  an 
nachweisen  lassen,  während  übrigens  in  der  Aus- 
bildung sowohl  des  Gehirns  als  Ganzes  als  der  ein- 
zelnen Abschnitte  grosse  Verschiedenheiten  obwalten. 
Der  vorderste,  in  der  Regel  wohlentwickelte,  bei 
höheren  Wirbelthieren  (Vögeln  und  Säugethieren) 
sehr  stark  ausgebildete.  Abschnitt,  das  Vorder- 


Kig. 


hirn  oder  Gross  hirn ,  ist  gewöhnlich  durch  eine  raebtw 


■  litn-h  da.' 


247.  Wagc- 
Lingsschnitt 
G  e  Ii  i  r  n  ei- 


Längsfalte,  welche  sich  von  oben  und  vorne  in  die- 
selbe erstreckt,  in  zwei  Hälften  (Gehirnhemisphären) 
getheilt.  welche  sich  vorne  in  ein  Paar  schmälere  «chen-,  mi  Mittel-,  6 
hohle  Körper,  die  Riech  kol  ben  (Lobi  olfactorii).  Hinter-,  «  Nachhirn, 
fortsetzen  ;  die  Wand  des  Vorderhirns  ist  sowohl  f, '  die  Hohlräume  i 
oben  als  unten  gewöhnlich  stark  verdickt.  Das 
Zwischen  hirn  ist  stets  ziemlich  klein;  seine 
Wand  ist  nur  seitlich  und  unten  verdickt,  oben  sehr 
dünn ;  oben  entsendet  es  einen  nach  oben  gerichteten 
Fortsatz,  welcher  mit  einem  verschiedenartig  gestal- 
teten Körperchen,  der  Zirbeldrüse  (Glandula  hir»  <Ve*fr»ötjüj 
pinealis,  Epiphysis),  endet;   unten  stülpt  sich  die  M-  °»g. 


neu  Wirbelthiere».  Sche- 


Vorderhirn  (  Ventn'rnU 
latemU»),  3  Hohlraum 
des  Zwischenhirns  (  Ven- 
tricnlut  tertiu»),  n  desgl. 
des  Mittelhirns  (Aquae- 
ductus Siffrii),  4  desgl. 
des  Hinter-  und  Nach* 


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Spccieller  Theil. 


Wand  des  Zwischenhirns  zu  einer  trichterförmigen 
Vertiefung,  dem  Trichter  {Inf undibtdum)  aus,  an 
welchen  unten  ein  eigentümlicher  kleiner  Körper 
(ursprünglich  eine  Einstülpung  des  Epithels  der  Mund- 
höhle) sich  anheftet .  der  Hirnanhang  (Hypo- 
physis,  Glandula  pituitaria);  die  verdickten  Seitentheile 
des  Zwischenhirns  werden  als  die  Sehhügel  (Thalami 
optici)  bezeichnet.  Zwischen  dem  Vorder-  und  dem 
Äwischenhirn  befindet  sich  oben  eine  tiefe,  spalten- 
artige Quereinfaltung.  Das  Mittelhirn  hat  eine 
verdickte,  durch  eine  Längsfurche  in  zwei  Hälften 
getheilte  obere  Wand  (bei  den  Säugethieren  ausser- 
dem eine  Querfurche,  wodurch  die  Oberseite  in  vier 
Erhöhungen  getheilt  wird,  daher  der  Name:  Vierhügel, 
Corpora  quadrigetnina).  Das  Hinter  h  im  oder  Klein- 
hirn hat  gewöhnlich  eine  stark  verdickte  obere  Wand, 
welche  sich  oft  nach  hinten  über  das  Nachhirn  neigt; 
das  Hinterhirn  ist  besonders  bei  Vögeln  und  Säuge- 
thieren stark  entwickelt.  Die  obere  Wand  des  Nach- 
hirns ist  dagegen  stark  verdünnt,  während  übrigens 
dieser  Gehirnabschnitt  dem  Rückenmark,  in  welches 
er  sich  hinten  ohne  Grenze  fortsetzt,  ziemlich  ähnlich 
ist  (wird  auch  als  verlängertesMark,  Medulla  oblonguta, 
bezeichnet).  —  Das  Rückenmark  erstreckt  sich  als 
ein  cylindrischer  Stab  durch  die  Wirbelsäule.  Oft, 
z.  B.  hei  den  Säugethieren,  reicht  es  beim  ausgebil- 
deten Thier  nicht  durch  den  ganzen  Kanal  bis  in  den 
hintersten  Theil  desselben,  indem  die  ursprünglichen 
Lagerungsverhältnisse  dadurch  eine  Verschiebung  er- 
leiden, dass  die  Wirbelsäule  stärker  wächst  als  das 
Rückenmark  und  letzteres,  welches  vorne  fixirt  ist. 
dann  nicht  den  ganzen  Kanal  ausfüllen  kann,  so  dass 
dieser  hinten  leer  wird.  Die  Folge  hiervon  ist  wieder, 
dass  die  zwischen  den  hinteren  Wirbeln  austretenden 
Nerven  von  ihrem  Ursprung  an  eine  Strecke  weit 
innerhalb  des  Wirbelkanals  verlaufen.  Hinten  ist  das 
Rückenmark  verschmälert  und  zugespitzt;  an  den 
beiden  Stellen,  wo  die  Nerven  für  die  Gliedraaassen 
entspringen,  ist  es  meistens  etwas  angeschwollen.  — 
Gehirn  und  Rückenmark  sind  aus  zwei  schon  für 
das  blosse  Auge  verschiedenen  Bestandteilen  zu- 
sammengesetzt, der  grauen  und  der  weissen  Sub- 
stanz; erstere  besteht  aus  Ganglienzellen,  welche  in 
einer  reichlichen  Menge  einer  eigenthümlichen  Art 
Bindegewebe  (Neuroglia)  eingebettet  liegen,  letztere 
besteht  aus  Nervenfasern. 

Gehirn  und  Rückenmark  Bind  von  drei  bindegewebigen 
Hüllen  umgeben.  Zuäusserst  liegt  die  meistens  fibröse 
harte  Haut  (Dura  maier),  welche  stets  zugleich  die 
innere  Oberfläche  der  Schädelhöhle  bekleidet,  während 
im  Rückgratskanal  bei  den  Säugethieren  eine  besondere 
von  derselben  getrennte  Knochenhaut  vorhanden  ist, 
welche  die  Wand  des  Kanals  auskleidet ;  die  Dura  mater 


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Wirbelthiere. 


349 


bildet  häufig  grosse  Falten  ,  welche  sich  zwischen  die  Hirnabschnitte 
hineinstrecken.  Dem  Gehirn  und  Rückenmark  zunächst  liegt  eine  gefäss- 
reiche  Hülle,  die  Gefässhaut  {Pia  mater),  und  zwischen  ihr  und  der  Dura 
die  dünne  8pinnwebehaut  (Aradmoidea),  welche  bei  den  Fischen  nicht 
von  der  Pia  zu  unterscheiden  ist  und  auch  bei  anderen  Wirbelthieren  mit 
dieser  eng  zusammenhängt. 

Vom  Gehirn  entspringt  eine  Anzahl  Nervenpaare,  welche 
theils  Sinnesnerven  (Tast-,  Riech-,  Seh-  und  Hörnerven),  theils  Be- 
wegungsnerven sind;  sie  haben  ihre  hauptsächlichste  Verbreitung  am 
Kopf.  Vom  Zwischen-  und  Mittelhirn  entspringt  der  Sehnerv, 
welcher,  wie  wir  wissen,  ursprünglich  ein  Theil  des  Gehirns  ist  (S.  21). 
Die  Sehnerven  sind  dadurch  merkwürdig,  dass  sie  an  ihrem  Ursprung  sich 
kreuzen :  der  Sehnerv  des  rechten  Auges  entspringt  links  von  der  Mittel- 
linie, und  umgekehrt.  Am  einfachsten  verhält  sich  diese  Kreuzung 
(Chiasma)  bei  manchen  Knochenfischen,  bei  denen  beide  Nerven  sich 
einfach  kreuzen,  ohne  mit  einander  in  nähere  Verbindung  zu  treten. 
Bei  den  meisten  anderen  Wirbelthieren  wechseln  dagegen  die  Seh- 
nerven an  der  Kreuzungsstelle  Nervenfasern  aus,  so  dass  zwar  die 
Hauptmasse  der  von  der  rechten  Seite  entspringenden  Nerven  an  das 
linke  Auge  tritt,  aber  einige  seiner  Nervenfasern  biegen  an  der 
Kreuzungsstelle  um  und  gehen  in  den  anderen  Sehnerv  über,  welcher 
seinerseits  einige  Nervenfasern  an  den  ersteren  abgiebt.  Von  den 
anderen  Gehirnnerven  entspringen  die  Riechnerven  von  den  Riech- 
kolben, die  übrigen  aber  grösstentheils  von  der  Unterseite  des  Nach- 
hirns. Einer  derselben,  der  Vagus,  ist  dadurch  merkwürdig,  dass 
er  sich  nicht  allein  auf  dem  Kopfe  verzweigt,  sondern  weit  nach  hinten 
verläuft  und  z.  B.  gewisse  Theile  des  Darmkanals  mit  Nerven  ver- 
sorgt. —  Die  Rückenmarks-Nerven  verlassen  in  der  Regel  den 
Wirbelkanal  an  der  Seite  zwischen  den  Wirbeln,  ein  Paar  zwischen 
je  zwei  auf  einander  folgenden  Wirbeln;  jeder  Nerv  entspringt  aus 
dem  Rückenmark  mit  zwei  Wurzeln,  von  welchen  die  obere,  dicht  an 
ihrem  Ursprung  mit  einem  kleinen  Ganglion  versehene,  ausschliesslich 
Gefühlnervenfasern  (sensible  Nervenfasern)  enthält,  während  die  untere 
ausschliesslich  aus  Bewegungsnervenfasern  (motorischen  Fasern)  be- 
steht. Die  zu  den  Gliedmaassen  gehenden  Nerven  entstammen  einer 
Anzahl  Rückenmarks-Nerven,  die  sich  mit  einander  zu  sogenannten 
Nervengetlechten  (Plexus)  verbinden,  aus  welchen  dann  wieder  die 
Nerven  der  betreffenden  Gliedmaasse  entspringen  (Armgeflecht,  Kreuz- 
geflecht, für  Vorder-  resp.  Hintergliedmaasse).  —  Ein  eigentümliches 
System  von  Nerven  sind  die  sogenannten  sympathischen  Nerven 
(Sympathicus),  deren  Hauptstamra  ein  starker  Nervenstrang  ist,  welcher 
vom  Kopf  an  auf  jeder  Seite  unterhalb  der  Wirbelsäule  verläuft  und 
nur  durch  kleinere  Verbindungsnerven  mit  dem  Rückenmark  und  Gehirn 
zusammenhängt.  Die  sympathischen  Nerven,  welche  sich  zum  Darm- 
kanal und  anderen  Eingeweiden  verzweigen,  sind  mit  zahlreichen  Gan- 
glien ausgestattet;  die  Bewegung  der  Theile,  welche  von  ihnen  mit 
Nervenfasern  versehen  werden  (z.  B.  der  Darmmuskulatur),  ist  un- 
willkürlicher Art. 

Tastorgane.  An  die  Haut  geht  eine  grosse  Anzahl  Nerven, 
deren  feinste  Zweige  in  die  tieferen  Oberhautzellen  eintreten. 
Ausserdem  finden  sich  bei  einem  Theil  der  Wirbelthiere  in  der  Leder- 
haut eigenthümliche,  als  Tastorgane  fungirende  Gebilde,  welche  oben 
(S.  16)  erwähnt  wurden. 


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350 


Specieller  Theil. 


Geschmacksorgane  sind  bei  den  meisten  Wirbelthieren  (bei 
den  Vögeln  sind  sie  bislang  nicht  nachgewiesen)  in  Form  sogenannter 
Geschmacksknospen  (-zwiebeln)  vorhanden,  welche  ihren  Platz  besonders 
in  der  Mundhöhle  (an  der  Zunge,  am  Gaumen)  haben,  bei  manchen 
Fischen  auch  in  der  äusseren  Haut.  Die  Geschmacksknospen  sind 
kleine  Epithelpartien,  welche  im  übrigen  Epithel  liegen  und  tbeils  aus 
langen,  dünnen  Zellen  mit  einer  kleinen  hervorragenden  Spitze  am 
freien  Ende,  den  eigentlichen  Geschmacksz eilen,  theils  aus 
cylindrischen  oder  spindelförmigen  Zellen  bestehen,  welche  jene  stützen 
und  zusammenhalten. 

Die  G e ruch sorga  11  e  sind  bei  den  Fischen  ein  Paar  grössere 
Gruben  an  der  Oberfläche  des  Kopfes,  vdn  einem  Epithel  ausgekleidet, 
welches  den  Geschmackszellen  ähnliche  Zellen  enthält.  Bei  den  übrigen 
Wirbelthieren  sind  die  Geruchsorgane  nur  auf  einer  frühen  Stufe  des 
embryonalen  Lebens  zwei  solche  oberflächliche  Gruben  (Fig.  254) ;  all- 
mählich werden  sie  tiefer,  die  umgebenden  Theile  wachsen  um  sie 
hinauf  und  bilden  jede  Grube  zu  einer  Röhre  mit  einer  vorderen  und 
einer  hinteren  Oeffnung  um,  von  welchen  erstere  frei  an  der  Ober- 
fläche des  Kopfes,  letztere  in  die  Mundhöhle  innerhalb  des  Oberkiefer- 
randes mündet  (die  Zwischen-  und  Oberkieferbeine  entwickeln  sich 
in  denjenigen  Theilen,  welche  über  die  Riechgruben  hinaufgewachsen 
sind).  So  wird  das  vordere  Ende  des  Kopfes  von  zwei  Röhren  durch- 
bohrt, welche  oft  (z.  B.  bei  den  Säugethieren),  dicht  neben  einander 
gelagert,  nur  durch  eine  ziemlich  dünne  Scheidewand  getrennt  sind; 
in  den  Röhren  findet  sich  dann  ein  begrenzter  Abschnitt,  welcher  die 
Riechzellen  enthält.  Oft  entwickeln  sich  an  der  die  Röhren  aus- 
kleidenden Haut  grosse  Falten,  welche  innerlich  von  Knorpel-  oder 
Knochentheilen  gestützt  werden  können  (die  Nasenmuscheln).  Vergl. 
übrigens  die  einzelnen  Classen 1 ).  —  Bei  denjenigen  Wirbelthieren, 
deren  Geruchsorgane  derartig  als  zwei  von  der  Oberfläche  des  Kopfes 
in  die  Mundhöhle  gehende  Röhren  ausgebildet  sind,  dienen  sie  übrigens 
noch  einer  anderen  Function,  indem  die  atmosphärische  Luft  durch 
dieselben  in  die  Respirationsorgane  eintritt. 

Die  Entwicklung  der  Augen  haben  wir  schon  früher  betrachtet 
(S.  21).  Der  fertig  ausgebildete  Augapfel  besteht  zuäusserst  im 
grössten  Theil  seines  Umfanges  aus  der  Sehnen  haut  (Sclerotica), 
einer  festen  bindewebigen  Schicht  von  verschiedener  Dicke,  oft  mit  ein- 
gelagerten Knorpel-  oder  Knochentheilen,  vorne  aus  der  durchsichtigen 
Hornhaut  (Cornea).  Innerhalb  der  Sclerotica  liegt  die  dunkel- 
gefärbte Gefässhaut  (Choriotdea).  innerhalb  dieser  wieder  die  Netz- 
haut (Retinn).  Im  Hohlraum  des  Augapfels  befindet  sich  nach  aussen 
zu  die  Linse,  welche  hauptsächlich  aus  langen  faserformigen  Zellen 
besteht;  sie  ist  bei  Wasserthieren  gewöhnlich  ungefähr  kugelig,  bei 
Landthieren  mehr  abgeplattet.    Hinter  der  Linse  liegt  der  Glas- 


')  Bei  gewissen  Reptilien  und  den  meisten  Säugethieren  findet  sich  in  naher 
Verbindung  mit  dem  Geruchsorgan  ein  eigenthümliches,  sack-  oder  schlauchförmiges 
paariges  Organ,  dessen  Epithel  Riechzellen  enthält,  und  welches  vom  Riechnerven 
Nervenfasern  erhält :  das  J  a  c  o  b  b  o  n '  s  c  h  e  U  r  g  a  n.  Bei  den  Reptilien  (Schlangen 
und  Sauriern)  ist  es  ein  kleiner  Sack,  welcher  unterhalb  der  Nasenhöhle  liegt  und 
sich  vorne  in  die  Mundhöhle  öffnet.  Hei  den  Säugethieren  ist  es  eine  lange,  ninten 
geschlossene  Röhre,  welche  unterhalb  der  Schleimhaut  der  Nasenhöhle  am  unteren 
Rand  der  Nasenscheidewand  entlang  fan  beiden  Seiten  derselben)  verläuft  und  sich 
in  der  Regel  in  einen  feinen  Kanal  (den  Stensen'schen  Nasengang),  welcher  vorne 
aus  der  Nasenhöhle  in  die  Mundhöhle  tritt,  seltener  direkt  in  letztere  öffnet 


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Wirbclthiere. 


351 


kör  per  (Corpus  vitreum),  eine  gallertige  Bindegewebsmasse ;  zwischen 
der  Linse  und  der  Hornhaut  ist  ein  mit  Lymphe  („wässeriger  Flüssig- 
keit*', Humor  aqueus)  erfüllter  Spaltraum.  Vor  den  Rand  der  Linse 
erstreckt  sich  eine  ringförmige  Fortsetzung  der  Gefasshaut,  die  mus- 
culöse,  pigmentirte  Regenbogenhaut  (Iris),  deren  kreisförmig  an- 
geordnete Muskelzellen  sich  bei  der  Einwirkung  des  Lichts  unwill- 
kürlich zusammenziehen  und  die  Oeffnung  verengen,  so  dass  weniger 
Licht  in  das  Auge  hineinfällt,  wenn  die  Beleuchtung  stark  ist.  Die 
Oeffnung  der  Regenbogenhaut,  die  Pupille,  ist  entweder  rund  oder 
länglich ,  in  letzterem  Fall  entweder  senkrecht  oder  wagerecht.  Die 
Gefasshaut  selbst  ist  dicht  hinter  der  Linse  mit  einein  Kranz  von 
zahlreichen  meridionalen  Falten  versehen  (Strahlenkörper.  Corpus 
ciliare,  schwach  entwickelt  oder  fehlend  bei  den  Fischen). 

Wie  vorhin  erwähnt  (S.  22)  ist  die  Hornhaut  ein  eigentümlich  aus- 
gebildeter Theil  der  Hant  und  liegt  in  der  Fortsetzung  derselben.  Der 
Übrige  Augapfel  ist  von  der  Haut  unabhängig,  der  der  Hornhaut  am  näch- 
sten liegende  Theil  der  Sclerotica  hat  aber  seinen  Platz  unmittelbar  unter 
der  Haut.  Die  Hautpartie,  welche  somit  einen  Theil  der  Sclerotica  über- 
kleidet, ist  von  der  übrigen  Haut  mehr  oder  weniger  abweichend:  dünner, 
weicher  etc.  und  wird  als  Bindehaut,  ConjunHiva  bulbi,  bezeichnet. 

An  die  Augen  schliesseu  sich  verschiedene  Neben ap parate 
an,  unter  welchen  wir  zunächst  die  Muskeln  erwähnen,  welche,  vom 
Schädel  entspringend,  den  Augapfel  bewegen.  Von  Muskeln  finden 
wir  fast  immer  vier  gerade  Augenmuskeln  (Musculi  recti),  einen  oberen, 
einen  unteren,  einen  vorderen  und  einen  hinteren,  und  zwei  schiefe; 
die  geraden,  welche  sich  an  den  Augapfel  in  einer  Kreislinie  in  einigem 
Abstand  von  der  Hornhaut  anheften,  bewegen  den  Augapfel  nach  oben 
(der  obere  gerade),  nach  unten,  vorne,  hinten ;  die  schiefen  drehen  das 
Auge  um  seine  Axe  (letztere  durch  die  Mitte  der  Hornhaut  und  die 
Eintrittsstelle  des  Sehnerven  bestimmt).  Ausserdem  kann  bei  nicht 
wenigen  Thieren  (Amphibien,  Reptilien,  Säugethieren^  sich  an  das 
Auge  ein  Muskel  heften,  welcher  den  Augapfel  zurückzieht  (Betractor 
bulbi).  —  Die  Augenlider  sind  bewegliche  Hautfalten  vor  dem  Auge, 
welche  bei  den  Fischen  fehlen  oder, nur  angedeutet,  bei  den  übrigen 
vorhanden  sind.  Man  unterscheidet  ein  oberes  und  ein  unteres  Augen- 
lid, welche  aber  seitlich  in  einander  übergehen;  sie  können  vor  die 
freie  Oberfläche  des  Auges  hinab  resp.  hinauf  gezogen  werden;  bei 
den  Säugethieren  ist  das  obere,  bei  den  übrigen  das  untere  Augenlid 
am  stärksten  entwickelt.  Bei  vielen  Wirbelthieren  ist  eine  Nickhaut 
vorhanden;  dies  ist  eine  innerhalb  der  eigentlichen  Augenlider  vorne 
(im  vorderen  „Augenwinkel")  befindliche  Hautfalte,  welche  schon  bei 
einem  Theil  der  Haie  (bei  denen  die  eigentlichen  Augenlider  nur 
schwach  angedeutet  sind)  vorkommt,  ferner  bei  manchen  Reptilien  und 
bei  den  Vögeln ;  sie  wird  durch  besondere  Muskeln  vorhangartig  vor 
das  Auge  gezogen  und  ist  in  der  Regel  halb  durchsichtig.  Bei  den 
Säugethieren  ist  sie  ebenfalls  häufig  vorhanden,  aber  schwächer  ent- 
wickelt und  entbehrt  besonderer  Muskeln ;  sie  gleitet  bei  diesen  vor 
das  Auge  hin,  wenn  letzteres  in  seine  Höhle  zurückgezogen  wird.  — 
Mit  dem  Auge  sind  ferner  verschiedene  Drüsen  verbunden,  welche 
unter  den  Augenlidern  oder  der  Nickhaut  münden  und  dazu  dienen, 
die  Hornhaut  und  die  Innenseite  der  Augenlider  feucht  und  glatt  zu 
erhalten;  ihr  Secret  ist  entweder  wässeriger  oder  fettartiger  Natur. 
Bei  den  Fischen  fehlen  solche  Drüsen  noch  völlig,  während  bei  den 


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352 


Specieller  Theil. 


übrigen  eine  oder  mehrere  vorhanden  sind.  In  der  Regel  finden  sich 
eine  Thränendrüse,  welche  hinten  (im  hinteren  Augenwinkel) 
innerhalb  des  oberen  Augenlides,  gewöhnlich  mit  mehreren  Oeffnungen. 
ausmündet,  und  eine  Harder'sche  Drüse,  welche  sich  vorne,  im 
vorderen  Augenwinkel,  öffuet  (innerhalb  der  Nickhaut,  wenn  eine  solche 
vorhanden  ist).  Ein  Theil  des  von  diesen  Drüsen  abgesonderten  Secretes 
wird  durch  einen  Kanal,  den  Thränenkanal,  abgeleitet,  welcher 
mit  mehreren  Oeffnungen  an  den  Augenlidern  im  vorderen  Augenwinkel 
seinen  Anfang  nimmt  und  in  die  Nasenhöhle  mündet.  (Der  Thränen- 
kanal ist  anfänglich  eine  rinnenförmige  Einsenkung  der  Oberhaut,  welche 
sich  abschnürt  und  zu  einem  Kanal  wird;  vergl.  Fig.  254  ANr.) 

Bei  einigen  Sauriern  (z.B.  den  gewöhnlichen  Eidechsen,  der  Blind- 
schleiche und  anderen)  hat  man  in  der  neueren  Zeit  ein  unvollkommenes 
drittes,  unpaares  Auge,  das  Scheitelauge,  nachgewiesen,  welches 
mit  dem  oberen  Ende  der  Zirbel  in  Verbindung  steht  oder  vielmehr  das 
obere,  besonders  ausgebildete  Ende  derselben  ist.  Es  liegt  in  einem  kleinen 
Loch  der  oberen  Schädelwand  (im  Scheitelbein  oder  an  der  Grenze  von 
diesem  und  dem  Stirnbeine)  dicht  unterhalb  der  an  dieser  Stelle  einiger- 
massen  durchsichtigen  Haut ;  es  stellt  eine  aus  einer  epithelartigen  Schicht 
gebildete  Blase  dar,  deren  nach  oben  gekehrter  Theil  linsenförmig  verdickt 

1  2 


0 


Fig.  249.  Scheitclauge  einer  Eidechse;  scbeniatbtirt.  /  Gehirn  und  obere  Sebadel- 
wand,  letztere  durchschnitten ;  2  Sclieitelauge  allein,  durchschnitten.  F,  Z,  .V,  H  Vorder-, 
Zwischen-,  Mittel-  und  Hinterhirn;  h  Haut,  s  Schädeldecke,  o  unpigmentirte  Hautstellc,  unter- 
halb welcher  da*  Scheitelauge  in  einem  Loche  der  Schadeldecke  liegt,  /.  Zirbel,  i  Trichter, 
2  Sehnen-.  —  L  Linse,  R  Netzhaut.  X  oberes  Ende  der  Zirbeldrüse.  —  Orig.  (mit  Benutzung 
von  Figuren  von  Spencer). 

ist,  während  der  unterer  Theil  stark  pigmentirt  ist  (Retina).  Bei  anderen 
Sauriern  ist  dasselbe  Gebilde  in  mehr  rudimentärer  Form,  als  einfaches, 
nicht  augenähnliches  (unpigmentirtes,  linsenloses)  Bläschen  an  derselben 
Stelle  vorhanden.  Ein  ähnliches  Organ  wie  bei  den  erstgenannten  Sau- 
riern kommt  auch  bei  den  Cyclostomen  vor ,  ist  hier  aber  von  der 
oberen  Schädelwand  bedeckt,  welche  allerdings  an  dieser  Stelle  oft  etwas 
verdünnt  ist,  ebenso  wie  auch  die  Haut  an  derselben  Stelle  durchsichtig 
sein  kann.  —  Auch  für  verschiedene  andere  Wirbelthiere  sind  Thatsachen 
bekannt  geworden,  welche  auf  ein  Verhältniss  der  Zirbel  zur  Aussenwelt 
hinweisen.  Bei  den  Selachiern  ist  die  Zirbel  fadenförmig  ausgezogen, 
und  ihr  erweiterter  Endabschnitt  liegt  in  einem  Loch  der  oberen  Schädel- 
wand, wesentlich  nur  von  der  Haut  bedeckt  (ohne  aber,  so  weit  bekannt, 
einen  augenähnlichen  Bau  zu  besitzen).    Auch  bei  den  Froschlurchen 


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Wirhelthiero. 


353 


(Ajauren)  wird  die  zuerst  kurze  Zirbel  allmählich  im  Laufe  des  Larven- 
lebens zu  einem  langen  Faden  ausgezogen,  welcher  an  seinem  Ende 
eine  Anschwellung  trägt;  der  Faden  durchbohrt  die  Schädeldecke,  und  die 
Anschwellung  liegt  an  der  Oberseite  des  Kopfes  unmittelbar  unter  der 
Oberhaut. 

Das  Gehörorgan  —  eines  auf  jeder  Seite  —  legt  sich  beim 
Embryo  als  eine  blasenförmige  Einstülpung  der  Oberhaut  an,  welche 
sich  allmählich  tiefer  senkt  und  vom  Knorpel  des  Schädels  (später 
oft  von  Knochen)  umschlossen  wird.  Die  Einstülpung  steht  eine 
Zeitlang  durch  einen  Kanal  mit  der  Oberfläche  in  Verbindung,  wird 
aber  in  der  Regel  später  von  der  Haut  abgeschnürt,  so  dass  die  An- 
lage zu  einer  geschlossenen  Blase  wird;  in  einigen  Fällen  (bei  ge- 
wissen Selachiern)  bleibt  jedoch  der  Kanal  zeitlebens  als  eine 
offene  Röhre  bestehen.  Die  Blase  behält 
nicht  ihre  ursprüngliche  einfache  Form, 
sondern  gestaltet  sich  weiter  um,  so  dass  das 
Gehörorgan  im  fertigen  Zustande  aus  einem 
bl  asen  förmigen  Vor  hof  und  drei  Bogen- 
gängen {Canales  semicirculares)  besteht; 
letztere  sind  Röhren,  welche  an  beiden 
Enden  in  den  Vorhof  einmünden,  dem  sie 
wie  hohle  Henkel  aufsitzen.  Der  Vorhof 
ist  durch  eine  Einschnürung  in  zwei  Theile 
gesondert,  den  Sacculus  und  den  Utrteultts; 
in  letzteren  münden  die  Bogengänge, 
welche  an  einem  Ende  je  eine  Anschwel- 
lung (Ampulle)  besitzen;  ersterer  trägt 
meistens  eine  Ausstülpung,  den  Schne- 
ckengang (Ductus  cochlearis),  welcher  bei 
den  Säugethieren  eine  längere,  an  einem 
Ende  geschlossene,  spiralig  aufgewundene 
Röhre  (daher  der  Name),  sonst  kürzer  ist. 
Die  so  umgebildete  Blase,  welche  aus 
einem  von  einer  dünnen  Bindegewebe- 
schicht umgebenen  Epithel  besteht,  wird 

als  das  häuti ge  Labyrinth  bezeichnet,  der  Hörblaae  mit  der  Aussenwelt  in 
Di  es  68  ist  da8   eigentliche  Gehörorgan,  Verbindung  stand ; /Schneckengang; 

welches   allen  Wirbelthieren  (mit  Aus-  8  8*ccnlu*  •  utried«  (lauter,  beide 

i_  »       i  .         v  .V  1-  i  zusammen   der   Vorhof).    -  jSach 

nähme  von  Amphioxus),  gewöhnlich  mit  wiedersheim. 
allen  genannten  Haupttheilen,  zukommt. 

Es  sind  gewisse  mit  einer  oder  mehreren  hervorragenden  Spitzen 
ausgestattete  Zellen  seines  Epithels,  an  welche  die  Aeste  der 
Hörnerven  treten,  und  an  welche  der  Hörsinn  geknüpft  ist.  Im 
Labyrinth  finden  sich  Otolithen,  theils  in  Form  feiner  Krystalle, 
theils  als  grössere  verkalkte  Körper  (bei  den  Knochenfischen).  —  Das 
Labyrinth  ist  stets  in  die  Wand  des  Schädels  (hinten,  seitlich)  ein- 
geschlossen ;  ist  diese  verknöchert,  so  entwickelt  sich  oft  in  derselben, 
dem  Labyrinth  zunächst,  eine  compacte  letzteres  überziehende  Knochen- 
schiebt, welche  sich  aus  der  übrigen  Knochenmasse  herauspräpariren 
lässt  (z.  B.  bei  Vögeln  und  Säugethieren)  und  dann  die  wesentliche 
Form  des  eingeschlossenen  häutigen  Labyrinths  wiedergiebt;  dieser 
Theil  wird  als  das  knöcherne  Labyrinth  bezeichnet,  welches 
somit  nur  ein  Theil  der  Knochenmasse  des  Schädels  ist.  —  Das 

Boas,  Zoologie.  98 


Fig.  260.  Gehörorgan  eines  Fisches. 
a  Ampullen,  ca,  et,  cp  die  drei 
Hogcngange;  d  der  jetzt  geschlossene 
Kanal,  durch  welchen  der  Hohlraum 


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354 


Spezieller  Theil. 


häutige  Labyrinth  stellt  bei  den  Fischen  das  ganze  Gehörwerkzeug 
dar;  bei  den  übrigen  Wirbelthieren  schliessen  sich  demselben  gewöhn- 
lich gewisse  Nebenorgane  an  (Paukenhöhle,  Eustachische  Röhre. 
Trommelfell,  Gehörknöchelchen),  welche  bei  den  einzelnen  Abtheilun- 
gen betrachtet  werden  sollen. 

Der  Darmkanal  zerfällt  in  folgende  Abschnitte:  Mundhöhle, 
Speiseröhre,  Magen.  Dünndarm,  Enddarm.  Von  den  mit  der  ge- 
räumigen Mundhöhle  verbundenen  Gebilden  werden  wir  zunächst 
die  Zähne  betrachten. 

Die  Zähne  der  Wirbelthiere  sind  Gebilde,  welche  nach  Bau 
und  Entwicklung  diesem  Thiertypus  durchaus  eigen  sind.  Wie  vor- 
hin erwähnt,  kommen  sie  nicht  allein  in  der  Mundhöhle,  sondern  bei 
manchen  Fischen  (besonders  bei  den  Selachiern)  auch  an  der  Haut 
vor;  in  der  Mundhöhle  findet  man  sie  innerhalb  aller  Wirbelthier- 


A  B  C 

4  d.  4  * 

•    •  •  t 


Fig.  251.  Verschiedene  Zahnanlagen;  Schemata.  .1  die  einfachste  Form  ohne  vor- 
hergehende Einwachsung  des  Epithels  in  das  Bindegewebe;  B  mit  geringfügiger  Epithel- 
Einwachsung;  C:  die  hineingewachsene  Epithelpartie  oder  das  Schmelzorgau  (o)  steht  nur 
durch  einen  dUnnen  Strang  mit  dem  übrigen  Epithel  in  Zusammenhang,  ep  Epithel,  ep'  die 
tiefste  Zellenschicht  desselben,  h  Bindegewebe,  p  Papille  (Zahnpulpu).  d  Dentin,  e  Schmelz 
(schwarz  gehalten).  —  Orig. 

klassen  (mit  Ausnahme  der  Lanzettfische  [AmphioxusJ)  vor,  wenn 
sie  auch  manchmal  fehlen  können.  Im  einfachsten  Fall  (Fig. 
251,  A)  findet  die  Bildung  der  Zähne  auf  folgende  Weise  statt: 
Von  der  Lederhaut  oder  der  ihr  entsprechenden  Schleimhaut  (der 
Bindegewebsschicht  unterhalb  des  Epithels)  der  Mundhöhle  wächst 
eine  Papille  in  die  Oberhaut,  resp.  in  das  Epithel  der  Mundhöhle 
hinein  (letzteres  hat  denselben  Bau  wie  die  Oberhaut).  Die  Papille 
scheidet  jetzt  eine  Schicht  von  Zahnbein  oder  Dentin,  einer 
knochenharten  Substanz,  deren  Bau  wir  später  betrachten  werden, 
an  ihrer  Oberfläche  aus,  während  die  unterste  aus  cylindrischen 
Zellen  bestehende  Zellenlage  des  Epithels,  welches  die  Papille  über- 
kleidet, an  ihrer  Unterseite  eine  Schicht  von  einer  noch  festeren 
Substanz,  dem  sogenannten  Email  oder  Schmelz,  ausscheidet. 
Zwischen  der  Papille  und  dem  Epithel  wird  somit  eine  feste  Kappe 
gebildet,  welche  innerlich  aus  einer  von  der  Papille  abgesonderten 
Zahnbeinschicht,  äusserlich  aus  einer  vom  Epithel  abgesonderten 
Schmelzschicht  besteht;  beide  Schichten  sind  untrennbar  verbunden 
und  machen  zusammen  den  jungen  Zahn  aus.  Die  Zahnbeinschicht 
wird  allmählich  dadurch  verdickt,  dass  von  der  Papille  neue  Theilchen 


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Wirbelthiere. 


355 


ausgeschieden  werden;  die  Papille  wird  gleichzeitig  immer  kleiner 
und  schliesslich  oft  zu  einem  verhältnissmässig  kleinen  Theil  im  Innern 
des  Zahnes  reducirt :  Z  a  h  n  p  u  1  p  a.  Die  Schmelzschicht  wird  dadurch 
verdickt,  dass  an  ihrer  Oberfläche  neue  Theile  abgelagert  werden ;  sie 
erreicht  übrigens  meistens  keine  so  bedeutende  Mächtigkeit  wie  die 
Zahnbeinlage  und  ist  häufig  nicht  über  den  ganzen  Zahn,  sondern 
nur  über  dessen  Spitze  ausgedehnt.  —  In  der  Regel  ist  jedoch  die 
Entwicklung  etwas  complicirter  (vergl.  Fig.  251,  B— C),  indem  vor 
der  Bildung  der  Papille  eine  Verdickung  des  Epithels  an  der  be- 
treffenden Stelle  und  eine  damit  verbundene  Einwachsung  desselben 
in  das  Bindegewebe  stattfindet,  eine  Einwachsung,  welche  häufig  so 
tief  wird,  dass  die  Spitze  des  Zahns  gar  nicht  in  die  eigentliche  Epithel- 
lage hinaufragt,  sondern  ausschliesslich  in  der  eingesenkten  Partie  liegt 
(Fig.  251,  C).  welch  letztere  häufig  nur  durch 
einen  dünnen  Strang  die  Verbindung  mit  dem 
Epithel  bewahrt,  ja  oftmals  sogar  völlig  abge- 
schnürt wird;  diese  eingesenkte  Partie  wird  als 
Schmelzorgan  bezeichnet.  Im  Uebrigen  aber 
entwickelt  sich  der  Zahn  ganz  in  derselben  Weise 
wie  im  zuerst  erwähnten  Fall:  eine  Papille 
wächst  der  eingesenkten  Epithelpartie  entgegen 
etc.  —  Das  Zahnbein  ist  nach  seinem  Bau  als 
eine  Modifikation  des  gewöhnlichen  Knochen- 
gewebes aufzufassen,  welche  dadurch  ausgezeich-  Fig.  252.  Schnitt  durch 
net  ist,  dass  die  Zellen  (die  Odontoblasten)  je  ^nen  Zahn,  um  dieStructur 
nur  einen  einzigen,  langen,  fadenförmigen,  mit  Bd^^^D^S 
feinen  oeitenästcn  versehenen  Ausläufer  besitzen,  n  odontoblasten  an  der 
welcher  quer  durch  die  ganze  Zahnbeinschicht,  den  Innenseite  den  ivntin«.  — 
benachbarten  Ausläufern  parallel,  verläuft,  wäh-  nriK- 
rend  der  Zellkörper  mit  dem  Kem  gar  nicht  in  die 

Intercellularsubstanz  eingeschlossen  wird,  sondern  an  der  Oberfläche  der 
Papille  liegt;  das  Zahnbein  ist  demnach  mit  zahlreichen  feinen  Röhren 
versehen,  welche  je  einen  Ausläufer  enthalten ;  indem  die  Zahnbein- 
schicht an  Dicke  zunimmt,  verlängern  sich  allmählich  die  Ausläufer. 
Der  Schmelz  ist  eine  sehr  feste,  hauptsächlich  aus  phosphorsaurem 
Kalk  bestehende  Masse,  welche  jedenfalls  bei  den  Säugethieren  aus 
faserförmigen ,  sogenannten  Schmelzprismen  zusammengesetzt  ist, 
während  sie  bei  niederen  Wirbelthiercn  mehr  homogen  erscheint;  sie 
ist  eine  cuticula-ähnliche  Ausscheidung  der  genannten  untersten  Lage 
von  Epithelzellen.  Ausser  diesen  beiden  Zahusubstanzen  findet  sich 
an  den  meisten  Säugethierzähnen  noch  eine  dritte,  das  Cement, 
welches  einfach  eine  Schicht  von  Knochengewebe  ist,  das  um  den 
Zahn  von  dem  umgebenden  Bindegewebe  abgelagert  wird;  es  hat 
seinen  Platz  ausserhalb  der  anderen  Substanzen  und  wird  zuletzt  ge- 
bildet. Seine  Härte  ist  geringer  als  die  der  beiden  anderen  Bestandteile. 
—  Der  ausgebildete  Zahn,  dessen  Form  recht  verschieden  sein  kann 
(als  Grundform  kann  jedoch  die  Kegelform  gelten),  wird  durch  Wachs- 
thum  der  benachbarten  Theile  mit  seiner  Spitze  durch  die  Mundhaut 
hervorgeschoben  und  mit  seinem  unteren  Ende  an  den  unterliegenden 
Knochen  (oder  Knorpeln)  befestigt,  indem  sich  entweder  eine  straffe 
Bindegewebspartie  oder  eine  kleine  Knochenmasse,  der  Z ahnsockel , 
zwischen  dem  Zahn  und  dem  Knochen,  mit  beiden  eng  verbunden, 
entwickelt;  bei  den  Säugethieren  und  einzelnen  anderen  sitzen  die 

23* 


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356 


Specieller  Theil. 


Zähne  in  Alveolen:  tiefen  Gruben  der  Knochen,  in  welche  das 
untere  Ende  der  Zähne  eingesenkt  ist.  —  Die  Zähne,  welche  bekannt- 
lich einer  starken  Abnutzung  und  ziemlich  unsanften  Behandlung 
unterworfen  sind,  sitzen  im  Allgemeinen  ein  jeder  nur  eine  begrenzte 
Zeit  in  der  Mundhöhle,  fallen  dann  aus  und  werden  durch  neugebildete 
ersetzt:  Zahnwechsel;  vor  dem  Ausfallen  eines  Zahnes  lockert 
sich  die  Verbindung  mit  dem  Knochen,  die  Sockel  werden  aufgelöst 
etc.  (Ueber  die  besonderen  Verhältnisse  beim  Zahnwechsel  der  Säuge- 
thiere  vergl.  diese.) 

Von  anderweitigen  mit  der  Mundhöhle  verbundenen  festen  Theilen 
können  die  unter  den  Wirbelthieren  hie  und  da  auftretenden  Horn« 
g  e  b  i  1  d  e  aufgeführt  werden,  local  verdickte  und  erhärtete  Theile  der 
allgemeinen,  in  der  Mundhöhle  wie  an  der  äusseren  Haut  entwickelten 
Horndecke:  die  Hornzähne  bei  Cyclostomen  und  Monotremen,  die 
Hornkiefer  der  Vögel,  Schildkröten  etc. 

Die  Zunge  ist  ein  vom  Boden  der  Mundhöhle  hervorragendes 
Gebilde,  welches  mit  dem  Visceralskelet,  besonders  mit  seinen  un paaren 
Verbindungsstücken,  eng  zusammenhängt;  sie  ist  bei  den  Fischen 
schwach  ausgebildet,  bei  den  Säugethieren  dagegen  stark  entwickelt, 
sehr  musculös  und  ungemein  beweglich  und  dadurch  bei  der  Behandlung 
der  Nahrung  in  der  Mundhöhle  von  grosser  Bedeutung.  Die  Zunge 
hat  übrigens  verschiedene  Formen,  wie  wir  bei  den  einzelnen  Ab- 
theilungen des  Näheren  betrachten  werden.  Selten  fehlt  sie  ganz.  — 
Mit  der  Mundhöhle  sind  ferner  verschiedene  Drüsen  verbunden, 
welche  in  dieselbe  ihr  Secret  ergiessen,  das  dazu  dient,  die  Nahrung 
zu  befeuchten  etc.  Sie  fehlen  noch  bei  den  Fischen,  sind  aber  bei 
den  übrigen  entwickelt ;  in  der  Regel  sind  sie  in  die  Wand  der  Mund- 
höhle eingebettet,  bei  den  Säugethieren  sondern  sich  aber  einige 
derselben  von  der  Wand  ab  und  durchbohren  letztere  nur  mit  ihren 
Ausfiihrungsgängen,  indem  sie  gleichzeitig  eine  bedeutendere  Volum- 
entfaltung erreichen :  Speicheldrüsen;  solches  ist  nur  mehr  aus- 
nahmsweise bei  den  übrigen  Gruppen  der  Fall. 

Mit  der  Mundhöhle  steht  nach  ihrer  Entwicklung  auch  die  Schild- 
drüse (Thyreoidea)  in  Zusammenhang.  Sie  wird  in  Gestalt  einer  oder 
mehrerer  Ausstülpungen  des  Bodens  der  Mundhöhle  angelegt,  welche  sich 
bald  von  letzterem  abschnüren,  um  sich  später  selbständig  zu  einem  oft 
ansehnlichen,  drüsenähnlichen,  aber  geschlossenen  Organ  von  unbekannter 
Bedeutung  weiter  zu  entwickeln.  Nach  einer  allgemeinen  Annahme  ent> 
spricht  es  der  Bauchfurche  in  der  Kiemenhöhle  der  Mantelthiere  (vergl. 
diese).  —  Auch  die  ziemlich  räthselhafte  Thymus  (Bries)  wird  in  Form 
von  Ausstülpungen  der  Mundhöhle  angelegt,  welche  sich  später  von  letzterer 
abschnüren :  sie  ist  besonders  bei  Embryonen  und  bei  jugendlichen  Thieren 
stark  entwickelt  (bei  manchen  jungen  Säugethieren  ist  sie  ein  umfängliches 
Organ,  welches  sich  weit  in  den  Brustkasten  hinein  erstreckt)  und  bildet 
sich  später  zurück. 

Die  Speiseröhre  ist  bei  Fischeu  und  Amphibien  kurz  und 
weit,  wird  —  in  Folge  der  Ausbildung  einer  Halspartie  des  Körpers  — 
bei  Reptilien  und  Vögeln  länger;  bei  den  Säugethieren  hat  sie  nicht 
allein  eine  ansehnliche  Länge,  sondern  ist  auch  ziemlich  eng.  —  Der 
Magen  ist  ein  erweiterter  Abschnitt  von  verschiedener  Form,  mit 
zahlreichen  kleinen  schlauchförmigen  Drüsen  in  seiner  Wand.  —  Der 
Dünndarm  ist  bei  den  Cyclostomen  und  gewissen  anderen  Fischen 
ein  gerader  Schlauch,  sonst  immer  gewunden.    Bei  den  Fischen  und 


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^ 


Wirbelthiere. 


357 


Amphibien  und  manchen  Reptilien  ist  er  im  Ganzen  noch  verhältniss- 
mässig  kurz,  bei  den  Vögeln  und  Säugethieren  erreicht  er  dagegen 
eine  ansehnliche  Länge  (mehrere  Mal  die  Länge  des  Körpers).  Die 
Bedeutung  des  Dünndarms  als  Aufsaugungsorgan  hat  verschiedene 
Einrichtungen  zur  Vergrösserung  seiner  inneren  Oberfläche  mit  sich 
geführt,  besonders  in  Form  von  feinen  Falten,  welche  netzförmig  an- 
geordnet sein  können,  oder  Papillen  (Darmzotten,  Villi),  letztere  be- 
sonders bei  den  Säugethieren.  —  In  das  vordere  Ende  des  Dünndarms 
mündet  der  (zuweilen  in  der  Mehrzahl  vorhandene)  Ausfuhrungsgang 
einer  sehr  grossen,  oft  gelappten,  aus  sehr  zahlreichen  Köhren  zusammen- 
gesetzten Drüse,  der  Leber;  der  Ausführungsgang  (Gallengang)  ist 
häufig  mit  einer  sackförmigen  Ausstülpung,  der  Gallenblase,  ver- 
sehen, welche  ein  Reservoir  für  das  Lebersecret,  die  Galle,  darstellt. 
Dicht  an  der  Einmündung  des  Ausführungsganges  in  den  Darm  öffnet 
sich  auch  eine  andere  grosse  Drüse  in  letzteren,  die  Bauchspeichel- 
drüse (Pancreas),  welche  ebenso  wie  die  Leber  unter  den  Wirbel- 
thieren  allgemein  verbreitet  ist  (fehlt  bei  einigen  Fischen).  Ausser 
diesen  grösseren,  ausserhalb  der  Darm  wand  gelagerten  Drüsen  findet 
man  häufig  in  der  Darmwand  selbst  zahlreiche  kleine  schlauch-  oder 
traubenförmige  Drüsen  (z.  B.  bei  den  Säugethieren).  —  Als  letzten 
Abschnitt  des  Darmkanals  finden  wir  den  Enddarm,  welcher  weiter 
ist  als  der  Dünndarm;  er  hat  bei  den  meisten  Wirbelthieren  keine 
bedeutende  Länge  und  ist  dann  ein  gerader  Schlauch;  eine  grössere 
Länge  erreicht  er  fast  nur  bei  den  Säugethieren,  bei  denen  er  als 
Dickdarm  bezeichnet  wird  (der  Name  Enddarm  wird  dann  nur  als 
Bezeichnung  für  den  hintersten  Abschnitt  benutzt).  An  seinem  vor- 
dersten Ende,  an  der  Grenze  des  Dünndarms,  ist  der  Enddarm  (resp. 
der  Dickdarm)  bei  den  Reptilien  und  Säugethieren  oft  mit  einem,  bei 
den  Vögeln  mit  zwei  Blinddärmen  von  verschiedener  Länge 
versehen.  Der  After  findet  sich  an  der  Unterseite,  am  Grunde 
des  Schwanzes;  er  ist  entweder  rundlich  oder  eine  Längs-  oder  eine 
Querspalte. 

Der  Darmkanal  verläuft  eine  A  B 

Zeitlang  beim  Embryo  als  ein 
gerader  Schlauch  durch  die  Lei- 
beshöhle längs  der  oberen  Wand 
derselben  und  wird  unten  von 
einer  dünnen  Bindegewebshaut, 
dem  Bauchfell  {Peritoneum), 
bekleidet,  welches  sämmtliche  in 
der  Leibeshöhle  liegenden  Organe 
überzieht.  Später  entfernt  sich 
der  Darmkanal  von  der  Leibes- 
wand, sinkt  tiefer  in  die  Leibes- 
höhle hinab  und  zieht  das  Bauch-  Fig.  268,  Schernau  zur  Erläuterung  der  Bil- 
fell  mit  sich,  SO  dass  der  Darm-  dnng  des  Gekröses:  der  Rumpf  quer  durch- 
kanal  beim  ausgebildeten  Thier  in  g«chniu«n.   A  frühere«.  B  späteres  Stadium,  d 

f  iniT  trroura  Fftlt«  den  Bauchfelles  Darm'  *  Ba»chfe11  (dicke  Lioie)>  *'  ller  den  D»"» 
einer  grossen  i?  alte  Oes  öaucnieiies  ttbe„iehende  Theil  deMelben.  m  Gekröse,  aus 

aufgehängt  ist;  die  beiden  Blatter  zwei  Bauchfellplatten  gebildet;  r  Rückenmark.  — 

dieser  Falte   liegen,    soweit   sie  Orig. 

nicht    den  Darmkanal  umgeben, 

dicht  an  einander  und  bilden  zusammen  das  Gekröse  (Mesenterium),  welches 
als  eine  dünne  Bindegewebsplatte  zwischen  der  oberen  Leibeswand  und  dem 


-6' 


358 


Speoieller  Theil. 


Darmkanal  erscheint.  Aehnliche  Gekröse  können  auch  bei  anderen  Organen 
der  Leibeshöhle  gebildet  werden. 

Von  Athmungsorganen  finden  wir  bei  den  Wirbelthieren 
theils  K  i  e  m  en,  tlieils  Lungen,  welch  letztere  fast  bei  allen  Wirbel- 
thieren (mit  Ausnahme  des  Amphioxus,  der  Cyclostomen,  derSelachier 
und  gewisser  Knochenfische)  vorhanden  sind,  während  erstere  auf 
die  Fische  und  die  Amphibienlarven  beschränkt  sind.  Die  Kiemen 

bestehen  gewöhnlich  aus  gefäss- 
reichen  Blättchen,  welche  in 
einer  Reihe  an  den  Seiten  der 
Visceralspalten  sitzen;  letz- 
tere sind  grosse,  dicht  auf  ein- 
ander folgende,  seitliche  Spalten, 
welche  die  Wand  der  Mundhöhle 
durchbrechen  und  durch  cou- 
lissenartige  Platten  getrennt  sind, 
in  denen  die  oben  erwähnten 
Visceralbögen  liegen  (vergl.  übri- 
gens die  Fische).  Sehr  inter- 
essant ist  es,  dass  auch  bei  den 
höheren  Wirbelthieren  (Repti- 
lien, Vögeln,  Süugethieren),  wel- 
che zu  keiner  Zeit  ihres  Lebens 
durch  Kiemen  athmen,  im  Em- 
bryonalzustande ähnliche  Visce- 
ralspalten auftreten,  welche  je- 
doch nicht  mit  Kiemenblättern 
bekleidet  werden  und  sich  später 
wieder  schliessen  (mit  Ausnahme 
der  ersten,  welche  in  den  Dienst 
des  Gehörorgans  tritt). 

Die  Lungen  werden  als 
eine  unpaare  Ausstülpung  des 
Darmkanals  an  der  Grenze  von 
Mundhöhle  und  Speiseröhre  an- 
gelegt. Während  der  weiteren 
Entwicklung  bleibt  die  Ausstül- 
pung in  der  Regel  nicht  einfach, 
sondern  theilt  sich  in  zwei  Säcke, 
einen  rechten  und  einen  linken, 
welche  durch  einen  gemeinsamen 
Kanal  mit  dem  Darmkanal  in 
Verbindung  stehen.  Jeder  Sack  wächst  im  einfachsten  Fall  zu 
einem  grossen  dünnwandigen  Beutel  aus,  dessen  Wand  reichlich  mit 
Gefässen  ausgestattet  ist  (so  bei  den  gewöhnlichen  Wassersalamandern). 
Bei  anderen  (z.  B.  den  Fröschen)  wird  die  innere  Oberfläche  dadurch 
vergrössert,  dass  sich  an  der  inneren  Seite  des  äusserlich  einfachen 
Sackes  stark  vorspringende,  unter  einander  netzförmig  verbundene 
Falten  bilden.  Die  höchste  Entwicklung  wird  bei  den  Säugethieren 
erreicht,  bei  denen  der  Sack  sich  stark  verzweigt,  so  dass  er  ein 
baumförmig  verästeltes  hohles  Organ  darstellt,  dessen  feinste  Aeste 
mit  kleinen  dünnwandigen  Blasen  enden ,  in  deren  Wand  ein  feines 
Gefässnetz  ausgebreitet  ist,  während  die  gröberen  Aeste  dickwandiger 


Fig.  254.  Vorderer  Theil  eines  Hühner- 
erabryos  (4.  Brüttag).  LVj  Anlage  des 
Thranenkanals  (noch  rinnenfönuig),  Ex  Anlage 
der  linken  Vordergliedmaasse ,  Oh  (iehörblase, 
H  Vorderhirn ,  Hz  Herz,  Lb  Lebcraulage.  L$ 
Linse  des  Aages,  Lw  Leibeswand ,  il  Mund, 
Mg  Magenanlage,  Mh  Mittelhirn,  Ok  Oberkiefer- 
anlage, Rg  Kiechgrube,  8p  1.  Visceral  - 
spalte,  hinter  welcher  uoch  drei  an- 
dere zu  bemerken  sind,  Uk  Unterkiefer. 
—  Nach  His. 


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4 


Wirbelthiere. 


359 


und  steif  werden,  so  dass  sie  eine  Art  Skelet  für  die  übrige  Lunge 
abgeben,  deren  grössere  und  kleinere  Aeste  übrigens  durch  lockeres 
Bindegewebe  zusammengehalten  werden,  so  dass  die  Verästelung 
äusserlich  nicht  hervortritt.  —  An  der  Innenfläche  der  Lungen  findet 
man,  wie  schon  bemerkt,  meistens  ein  feines  dichtes  Gefassnetz.  Hier- 
von bilden  jedoch  die  meisten  Fische  eine  Ausnahme;  ihrer  Lunge, 
welche  gewöhnlich  nicht  gespalten,  sondern  ein  unpaares  Organ  ist, 
geht  ein  solches  feineres  Gefassnetz  und  damit  auch  die  Function  als 
Athmungswerkzeug  ab  (eine  respiratorische  Lunge  besitzen  blos  die 
Lungentische  und  einzelne  andere);  sie  hat  bei  ihnen  ausschliesslich 
die  Aufgabe,  das  specifische  Gewicht  des  Thieres  zu  verringern: 
Schwimmblase.  Dasselbe  kann  auch  bei  gewissen  Abschnitten 
der  Lungen  anderer  Wirbelthiere  der  Fall  sein  (Luftsäcke  der  Vögel).  — 
Der  unpaare,  meistens  röhrenförmige  Theil,  welcher  die  beiden  Lungen 
mit  dem  Darmkanal  in  Verbindung  setzt,  die  Luftröhre,  ist  von  sehr 
verschiedener  Länge  (was  besonders  von  der  verschiedenartigen  Aus- 
bildung des  Halses  abhängt);  sie  ist  in  der  Regel  von  knorpeligen 
oder  knöchernen,  in  ihre  Wand  eingelagerten  Ringen  gestützt  und 
öffnet  sich  bei  den  meisten  Wirbelthieren  an  der  ventralen  Seite  des 
Darmkanals  (Amphibien,  Reptilien,  Vögeln,  Säugethieren  und  einzelnen 
Fischen),  bei  der  Mehrzahl  der  Fische  dagegen  an  der  dorsalen  Seite.  — 
Im  vordersten,  besonders  ausgebildeten  Theil  der  Luftröhre,  dem  Kehl- 
kopf, findet  sich  bei  manchen  Wirbelthieren  (schwanzlosen  Amphibien, 
Sauriern.  Krokodilen,  Säugethieren)  ein  Paar  vorspringender  Haut- 
falten, die  Stimmbänder,  welche  durch  den  Luftstrom  in  Schwin- 
gungen versetzt  werden  und  Laute  erzeugen  können.  Bei  den 
Vögeln  finden  sich  ähnliche  Einrichtungen  am  hinteren  Ende  der 
Luftröhre. 

Kreislaufsorgane.  Das  Herz  ist  beim  Embryo  eine  Zeit- 
lang ein  einfacher  Schlauch,  welcher  sich  später  in  mehrere  auf  ein- 
ander folgende  Abschnitte  tbeilt:  den  Vorhof,  die  Herzkammer 
und  den  Herzkegel  (Conus  arteriosus) ,  welch  letzterer  jedoch  bei 
der  Mehrzahl  der  Wirbelthiere  rudimentär  ist  oder  fehlt;  alle  drei 
Abschnitte,  von  denen  die  Herzkammer  die  dicksten,  der  Vorhof  die 
dünnsten  Wände  hat,  bestehen  hauptsächlich  aus  quergestreiften 
Muskelzellen;  an  der  Grenze  des  Vorhofs  und  der  Herzkammer  und 
im  Herzkegel  (oder,  wenn  dieser  fehlt,  an  der  Grenze  der  Herzkammer 
und  des  von  ihr  entspringenden  Arterienstammes)  finden  sich  K 1  appe  n , 
welche  die  Richtung  des  Blutstromes  reguliren.  Bei  den  Fischen 
sind  die  genannten  Abschnitte  ungetheilte  Hohlräume,  und  dasselbe 
ist  bei  ihnen  auch  mit  dem  am  Herzen  liegenden  Sinus  venosus  (Venen- 
sack) der  Fall,  aus  welchem  das  Herz  das  venöse  Blut  vom  Körper 
erhält;  der  Vorhof  ist  ein  dünnwandiger  Sack,  welcher  oberhalb  der 
mit  dicken,  spongiösen  Wänden  versehenen  Herzkammer  liegt;  der 
Herzkegel  ist  röhrenförmig.  Bei  den  Amphibien  ist  der  Vorhof 
durch  eine  Längsscheidewand  in  zwei  Hohlräume  (rechten  und  linken 
Vorhof)  getheilt,  welche  mit  je  einer  Abtheilirog  des  ebenfalls  ge- 
theilten  Sinus  venosus  in  Verbindung  stehen,  dessen  eine  Abtheilung 
das  Blut  von  den  Lungen  empfängt  und  in  den  linken  Vorhof  sendet, 
während  die  andere  das  Blut  aus  dem  übrigen  Körper  erhält  und  in 
den  rechten  Vorhof  befördert;  dagegen  ist  die  Herzkammer  und  der 
bei  den  Amphibien  wohlentwickelte  Herzkegel  ungetheilt.  Bei  den 
Reptilien  ist  der  Sinus  venosus  theilweise  in  dem  Vorhof  aufgc- 


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360 


Specieller  Theil. 


gangen,  welcher  ebenso  wie  bei  den  Amphibien  getheilt  ist ;  die  Herz- 
kammer ist  in  der  Regel  unvollständig  getheilt,  bei  den  Krokodilen 
dagegen  vollständig  in  zwei  gesondert;  der  Herzkegel  ist  rudimentär 
oder  fehlt  ganz.  Vögel  und  Säugethiere  schliessen  sich  eng  an 
die  Krokodile  an  (Vorhof  und  Herzkammer  getheilt,  kein  Herzkegel 
vorhanden).  —  Das  Herz  ist  von  einem  aus  fibrösem  Bindegewebe 
bestehenden  Herzbeutel  lose  umgeben. 

A  B  C 


D  E  F 

Fig.  255.  Schemata  der  Arterienbögen  verschiedener  Wirbelthier«,  in  den  Umrus 
der  6  ursprunglichen  Arterienbögen  (0,  00,  1,  2,  3,  4)  eingezeichnet.  A  Lungenfisch, 
ASchwanzlurch.  6'  Frosch,  D  Eidechse,  E  Vogel,  /''Säugethier,  t  Arterien- 
Stamm,  c  und  c'  Carotiden,  p  Lungenarterie,  b  dasjenige  Stllck  des  letzten  Arterienbögen«, 
welches  oberhalb  oder  ausserhalb  des  Ursprunges  der  Lungcuarterie  liegt,  b'  strangförraiger 
Ueberrest  desselben  bei  den  Säugethieren ,  ao  Aorta,  s  Arterieu  zu  den  Vordergliedmaassen 
(entspringen  bei  den  meisten  Wirbelthiercn  weiter  hinten).  —  Otigt 

Vom  Herzen  entspringt  auf  einer  gewissen  Stufe  des  einbryonaleii 
Lebens  bei  allen  Wirbelthieren  ein  unpaarer,  nach  vorne  verlaufender 


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Wirbelthiere. 


361 


Arterienstamm.  Er  giebt  nach  beiden  Seiten  eine  Anzahl  Gefäese, 
die  Arterienbögen,  ab,  in  der  Regel  6  Paare  (bei  gewissen  Fischen 
eine  grössere  Anzahl),  welche  an  der  Seite  des  Kopfes  längs  der  Vis- 
ceralbögen  nach  oben  verlaufen;  der  erste  läuft  längs  des  Kiefer- 
bogens, der  zweite  längs  des  Zungenbeinbogens  etc.  Oben  vereinigen 
sie  sich  sämmtlich  zu  einem  unpaaren  Gefäss,  der  Aorta,  welche 
unterhalb  der  Wirbelsäule  nach  hinten  verläuft  und  allmählich  an  die 
verschiedenen  Theile  des  Körpers  Aeste  abgiebt.  Von  den  Arterien- 
bögen  geht  immer  der  vorderste,  in  der  Regel  auch  der  folgende  im 
Laufe  der  embryonalen  Entwicklung  zu  Grunde;  wir  sehen  im 
Folgenden  von  diesen  beiden  ab.  Bei  den  Fischen  spalten  sich  die 
übrigen  in  je  zwei  neben  einander  verlaufende  Gefasse,  von  welchen 
eines  mit  dem  Arterienstamm,  das  andere  mit  der  Aorta  in  Zu- 
sammenhang bleibt;  ersteres,  die  zuführendeArterie  der  Kieme, 
giebt  ein  Aestchen  an  jedes  Kiemenblatt  ab,  letzteres,  die  ab- 
führende Arterie  der  Kieme,  empfängt  eins  von  jedem  Kiemen- 
blatt. Von  der  ersten  abführenden  Arterie  entspringen  die  grossen 
Arterien  des  Kopfes  (Ca  roti  den);  wenn  eine  respiratorische  Lunge 
bei  den  Fischen  entwickelt  ist,  so  empfängt  sie  gewöhnlich  ihr  Blut 
durch  ein  von  der  hintersten  abführenden  Arterie  entspringendes  Ge- 
fäss.  Wie  die  Fische  verhalten  sich  iu  der  Hauptsache  auch  die 
Amphibien  während  des  Larven lebens ;  später  vereinigen  sich 
die  zu-  und  abführenden  Arterien  wieder  zu  vier  einfachen  Arterien- 
bögen  an  jeder  Seite,  von  welchen  der  vorletzte  oft  zu  Grunde  geht, 
so  dass  nur  drei  übrig  bleiben,  von  welchen  der  letzte  (4  in  Fig.  255) 
ebenso  wie  bei  den  Fischen  die  Lungenarterie  abgiebt;  der  zweite 
wird  stark,  bildet  mit  demjenigen  der  andern  Seite  zusammen  die 
Aorta  und  empfängt  bei  manchen  Amphibien  auch  Blut  vom  ersten, 
dritten  und  vierten  ;  übrigens  versorgt  der  erste  wesentlich  nur  den 
Kopf,  der  vierte  die  Lunge  mit  Blut.  Bei  den  übrigen  Wirbei- 
th i  e  r  e  n  bleiben  die  Arterienbögen  einfach  (spalten  sich  nicht  in 
Kiemengefässe) ,  und  der  vorletzte  Arterienbögen  geht  während  der 
Entwicklung  verloren,  so  dass  nur  noch  drei  übrig  bleiben;  ferner 
ist  hervorzuheben,  dass  der  ursprüngliche  ungetheilte  Arterienstamm 
sich  derartig  theilt,  dass  das  letzte  Bogenpaar  (mit  den  Lungen- 
arterien) sein  Blut  für  sich  erhält  (wenn  die  Herzkammer  getheilt 
ist,  von  der  rechten  Seite  derselben).  Bei  den  Reptilien  finden 
wir  im  Uebrigen  wesentlich  ähnliche  Verhältnisse  wie  bei  den 
Amphibien;  bei  den  Vögeln  und  Säugethieren  ist  dagegen  eine 
weitere  Reduction  eingetreten,  indem  die  Aorta  nur  von  einem 
Bogen  des  zweiten  Paares  gebildet  wird,  nämlich  bei  den  Vögeln 
vom  rechten,  bei  den  Säugethieren  vom  linken  Bogen  dieses  Paares; 
auch  fehlt  die  Verbindung  zwischen  den  verschiedenen  Bogenpaaren, 
welche  z.  Th.  noch  bei  manchen  Reptilien  vorhanden  ist,  bei  den 
Vögeln  und  Säugethieren  stets.  (Näheres  bei  den  einzelnen  Ab- 
theilungen.) 

Das  Vorhandensein  der  genannten  Arterienbögen  bei  den  Embryonen 
der  höheren  Wirbelthiere  (Reptilien,  Vögel,  Säugethiere)  weist,  in  Ver- 
bindung mit  der  Entwicklung  von  später  verschwindenden  Visceral  spalten, 
mit  Bestimmtheit  darauf  hin,  dass  diese  Wirbelthiere  von  Formen  mit 
Kiemenathmung  abgeleitet  werden  müssen;  ohne  eine  solche  Annahme  sind 
diese  Entwicklungs-Erscheinungen  ganz  unverständlich. 


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3(,2 


Specieller  Theil. 


Vom  Nervensystem  ist  hervorzuheben,  dass  das  venöse  Blut 
vom  Darmkanal,  der  Milz  und  anderen  Eingeweiden  nicht  direkt  nach 
dem  Herzen  geht,  sondern  sich  in  einem  grossen  Stamm  sammelt,  der 
Pfortader,  welche  dann  in  die  Leber  eintritt,  sich  in  letzterer  ver- 
zweigt und  in  ein  Capillarnetz  auflöst,  aus  welchem  das  Blut  sich 
wieder  zur  Leber  vene  sammelt,  die  dasselbe  zum  Herzen  führt.  Eine 
ähnliche  Einrichtung  finden  wir  bei  Amphibien  und  Reptilien  auch 
für  die  Niere,  das  Nierenpfortadersystem:  Venen  von  den 
Hintergliedmaassen  etc.  lösen  sich  aufs  Neue  in  den  Nieren  auf,  und 
von  hier  begiebt  sich  ein  Stamm  dann  direkt  zum  Herzen.  Bei  Fischen 
und  Amphibien  findet  man  nicht  ganz  selten,  dass  einzelne  grössere 
Venen  pulsiren  (Venen herzen);  an  den  betreffenden  Stellen  sind 
ebenso  wie  im  Herzen  quergestreifte  Muskelzellen  vorhanden.  Durch- 
weg findet  man  in  den  Venen  (nicht  aber  in  den  Arterien)  Klappen, 
welche  den  Blutstrom  reguliren.  —  Bei  den  Wirbelthieren  ist  ein 
ausgebildetes  Capillarnetz  vorhanden,  welches  die  feinsten  Arterien 
und  Venen  mit  einander  verbindet.  —  Die  Blutkörperchen  sind 
bei  den  Wirbelthieren  von  zweierlei  Art:  amöboide,  weisse  Blut- 
körperchen in  geringerer  Anzahl,  und  formbeständige,  scheibenförmige 
rothe  Blutkörperchen,  welche  in  der  Regel  oval  und  kernhaltig,  bei 
den  Säugethieren  kreisrund,  in  der  Mitte  eingedrückt,  kernlos  sind. 
Letztere  verleihen  dem  Blut  seine  rothe  Färbung;  die  Blutflüssigkeit 
selbst  ist  farblos. 

Zuweilen  theilt  sich  eine  Arterie  oder  eine  Vene  plötzlich  in  eine 
grössere  Anzahl  dicht  an  einander  gelagerter,  oft  anastomosirender  Aeste. 
welche  sich  nachher  wieder  zu  einem  einfachen  Uefass  vereinigen.  Ein 
solches  Gefassnetz  nennt  man  ein  Wundernetz,  Reie  mirabilc. 

Den  Wirbelthieren  eigen  ist  dassogenannteLymphgefässsystem, 
ein  besonderes,  in  allen  Theilen  des  Körpers  verbreitetes  System  Flüssig- 
keit führender  Kanäle  und  Räume.  Seine  Aufgabe  ist  es,  theils  die 
von  den  Oapillargefässen  in  die  Gewebe  ausgetretene  Blutflüssigkeit 
wieder  aufzusaugen,  theils  die  von  der  Darmwand  aufgesogene  gelöste 
Nahrung  (Chylus)  aufzunehmen  und  beiderlei  Flüssigkeiten  in  den 
Blutstrom  überzuführen:  seine  Hauptstämme  münden  in  gewisse 
grössere  Venen  hinein.  Die  Lymphgefässe  sind  bei  niederen  Wirbel- 
thieren (Fischen,  Amphibien,  Reptilien)  theilweise  als  Arterien  (und 
Venen)  umgebende  Scheiden  vorhanden,  während  sie  sonst  durch  ge- 
sonderte Gefässe  repräsentirt  sind,  welche  allerdings  theilweise  von 
unregelmässiger  Form,  oft  sehr  weit,  sackförmig  etc.  sind.  Oft  finden 
sich  grössere  Lymphräunie  (Lymphsinusse),  z.  B.  unterhalb  der  Haut 
der  Frösche.  Häufig  finden  sich  in  der  Nähe  der  Stellen ,  wo  die 
grossen  Lymphstämme  in  die  Venen  münden,  Erweiterungen .  welche 
rhythmisch  contractu  sind:  Lymphherzen,  beim  Frosch  z.  B.  ein 
Paar  weit  nach  hinten  auf  der  Rückenseite;  sie  fehlen  bei  den  Säuge- 
thieren, kommen  dagegen  in  den  übrigen  Classen  vor.  Die  in  den 
Lymphgefässen  vorhandene  Flüssigkeit  ist  farblos  oder  weisslich  und 
enthält  zahlreiche,  mit  den  weissen  Blutkörperchen  identische  Zellen, 
Lymphkörperchen.  Letztere  werden  in  zelleureichen  Bindegewebs- 
partien  gebildet,  welche  mit  den  Lymphbahnen  in  Verbindung  stehen 
und  an  die  durchströmende  Lymphe  Zellen  abgeben;  oft  sind  diese 
Theile  bestimmter  gestaltete,  rundliche  Körper,  sogenannte  L  y  m  p  h  - 
follikel.  welche,  besonders  bei  den  Säugethieren,  häufig  zu 
grösseren  Massen,  Lymphdrüsen,  augehäuft  sind.  —  Ein  mit  dem 


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Wirbelthiere. 


363 


eigentlichen  Gefässsystera  in  Verbindung  stehendes  Organ  mit  der- 
selben Aufgabe,  der  Production  weisser  Blutkörperchen,  ist  die  Milz, 
ein  ansehnlicher,  dunkelrother  Körper,  welcher  seinen  Platz  in  der 
Bauchhöhle  in  der  Nähe  des  Magens  hat.  (Auch  die  oben  erwähnte 
Thymus  scheint  eine  ähnliche  Bedeutung  zu  besitzen.) 

Bei  den  Wirbelthieren  findet  sich  ein  Paar  Niereu.  Orgaue  von 
sehr  verschiedener  Form ,  welche  ihren  Platz  in  der  Leibeshöhle  an 
der  oberen  Wand  derselben  haben.  Jede  Niere  besteht  aus  einer 
Anzahl  langer  gewundener  Drüsenschläuche,  Harukanälchen,  an 
deren  geschlossenem  Ende  ein  kleiner  Ge- 
fässknäuel  (Glomerulus)  liegt,  welcher  so 
zu  sagen  in  den  erweiterten  Endabschnitt 
des  Kanälchens  eingedrückt  ist,  so  dass 
dieser  in  sich  selbst  zurückgestülpt  ist  (die 
Bow man' sehe  Kapsel);  der  Glomeru- 
lus ist  ein  kleines  Gefassnetz  (Wundernetz), 
gebildet  von  einer  kleinen  Arterie,  welche 
sich  an  dieser  Stelle  in  eine  Anzahl  netz- 
förmig verbundener  Aestchen  spaltet,  die 
sich  wieder  zu  einer  einfachen  Arterie 
sammeln;  letztere  löst  sich  nachher  in  das 
Haargefassnetz  der  Niere  auf.  Das  Gefäss- 
knäuel  scheint  die  Aufgabe  zu  haben ,  die 
wässerigen  Theile  des  Harns  auszuscheiden 
(durch  Endosmose  durch  die  dünne  Wand), 
während  die  darin  aufgelösten  Stoffe  von 
dem  Epithel  der  Harukanälchen  abgesondert 
werden.  Bei  manchen  Fischen  (Selachiern) 
und  bei  den  Amphibien  entspringen  von 
den  Harnkanälchen  Aeste,  welche  an  die 
Oberfläche  der  Niere  fuhren  und  hier  mit 
einem  offenen  Wimpertrichter  enden, 

so  dass  die  Harnkanälchen  bei  diesen  Thieren  mit  der  Leibes- 
höhle in  offener  Verbindung  stehen.  Die  Harnkanälchen  sammeln 
sich  für  jede  Niere  zu  einem  Harnleiter  (Ureter),  welcher  hei 
der  Mehrzahl  der  Wirbelthiere,  nämlich  bei  den  Selachiern,  Lungen- 
fi sehen,  Amphibien,  Reptilien,  Vögeln  und  Monotremen,  in  den 
hintersten  Theil  des  Enddarmes,  die  Kloake,  mündet,  während  seine 
Ausführungsöffnung  bei  den  Knochenfischen  und  Säugethieren  vom 
Enddarm  gesondert  ist;  bei  den  Säugethieren  ist  ührigens  im  Embryo- 
nalleben eine  Kloake  vorhanden,  später  werden  aber  Darmkanal  uud 
Harnwerkzeuge  von  einander  völlig  getrennt.  Bei  den  Reptilien, 
Vögeln  und  Säugethieren  findet  man  die  Eigentümlichkeit,  dass  sich 
auf  einer  frühen  Stufe  ein  Paar  Nieren,  die  Urnieren,  bilden, 
welche  nur  eine  Zeitlang  während  des  Embryonallebens  als  solche 
bestehen,  später  aber  entweder  zu  Grunde  gehen  oder  jedenfalls  auf- 
hören, als  Excretionsorgane  thätig  zu  sein  (vergl.  die  Geschlechts- 
organe); anstatt  derselben  und  unabhängig  von  ihnen  bildet  sich  dann 
ein  zweites  Nierenpaar,  die  bleibenden  Nieren,  welche  dem  ausge- 
bildeten Thiere  zukommen.  Die  Urnieren  entsprechen  der  vordersten 
Partie  der  Niere  der  Fische  und  Amphibien,  was  aus  dem  Verhältnis« 
dieser  Partie  zu  den  Hoden  hervorgeht,  welches  völlig  dem  der  Ur- 
niere  zu  diesen  Organen  entspricht  (vergl.  die  Geschlechtsorgane),  die 


Fig.  3öti.  Eude  eines  Harn- 
kanälchens  eines  Wirbelthiarea, 
Schema,  n  das  Harnkanälchen, 
welches  sich  in  zwei  Acste  spaltet, 
von  welchen  der  eine  mit  einem 
Wimpertrichter,  /,  der  andere  mit 
einer  Bowman'scheu  Kapsel,  b, 
endet,  a  zu-,  c  abfahrende  Ar- 
terie. —  Örig. 


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364 


Specieller  Theil. 


bleibenden  Nieren  entsprechen  der  hinteren  Partie  der  Niere  bei  den- 
selben Abtheilungen.  —  Die  Harnblase  ist  ein  Sack,  welcher  bei 
den  Amphibien,  manchen  Reptilien  (Sauriern  und  Schildkröten)  und 
den  Monotremen  in  die  Kloake  an  der  ventralen  Wand  derselben  ein» 
mündet,  dicht  an  der  Stelle,  wo  die  Harnleiter  sich  in  die  Kloake 
öffnen ;  bei  den  Säugethieren  mit  Ausnahme  der  Monotremen  münden 
die  Harnleiter  dagegen  direkt  in  die  Blase  (über  die  Verhältnisse  der 
Harnblase  bei  den  Säugethieren  vergl.  übrigens  letztere  Abtheilung). 
Bei  den  Fischen,  manchen  Reptilien  und  den  Vögeln  fehlt  die  Harn- 
blase, häufig  findet  man  aber  an  den  Harnleitern  Erweiterungen, 
welche  dieselbe  Function  besitzen :  als  Behälter  für  den  abgesonderten 
Harn  zu  dienen.  —  Bei  den  Wirbelthieren  findet  man  allgemein  ein 
Paar  (zuweilen  in  mehrere  Stücke  gesonderter)  sogenannter  Neben- 
nieren, Organe,  deren  Bedeutung  bislang  ganz  unbekannt  ist;  wir 
erwähnen  sie  nur  an  dieser  Stelle,  weil  sie  in  der  Nähe  der 
Nieren  liegen ,  zu  denen  sie  übrigens  in  keinem  näheren  Verhältniss 
stehen. 

Die  Eierstöcke,  von  welchen  die  Wirbelthiere  ein  Paar  be- 
sitzen (bei  manchen  Fischen  sind  beide  verschmolzen,  bei  den  Vögeln 
fehlt  meistens  der  eine),  haben  ihren  Platz  in  der  Leibeshöhle,  an 
deren  oberer  Wand  sie  festgeheftet  sind.  Ihre  Oberfläche  ist  mit 
einem  einschichtigen  Epithel  bekleidet,  von  welchem  (schon  auf  einer 
frühen  Entwicklungsstufe)  in  das  unterliegende  Bindegewebe  Ein- 
stülpungen stattfinden.  Diese  eingestülpten  Epithelpartien  schnüren 
sich  vom  Oberflächenepithel  ab  und  theilen  sich  in  kleine  rund- 
liehe  Zellengruppen,  in   denen  man  eine  centrale,  grössere  Zelle 

bemerkt,  welche  von  einer  Schiebt 
kleinerer  Zellen  umgeben  ist.  Eine 
solche  Zellengruppe  wird  mit  dem 
Namen  eines  Graafschen  Follikels 
bezeichnet;  die  centrale  Zelle  ist  das 
junge  Ei,  welches  sich  allmählich 
vergrössert  und  oft  eine  enorme 
Grösse  erreicht.  Um  das  Ei  herum 
scheiden  die  umgebenden  Zellen  eine 
zuweilen  ziemlich  dicke  Dotter- 
haut aus.  Diese  Zellen  bilden  bei 
allen  Wirbelthieren  zunächst  eine 
einfache  Schicht  um  das  Ei  und 
bleiben  auch  meistens  auf  dieser 
Stufe  stehen;  nur  bei  den  Säuge- 
thieren theilen  sie  sich  derartig, 
dass  das  junge  Ei  von  mehreren 
Zellenschichten  umgeben  wird;  in 
dieser  Zellenmasse  bildet  sich  nach- 
her ein  spaltförmiger  Hohlraum  (Fig. 
257,  s),  welcher  allmählich  grösser 
wird,  so  dass  der  reife  Graafsche 
Follikel  der  Säugethiere  als  ein 
kugeliger  Körper  erscheint  mit  einem 
ansehnlichen,  von  Zellen  umgebenen  Hohlraum,  in  welchen  ein  das  Ei 
um  sch  Ii  essen  der  Zellenhügel  hineinragt.  Die  reifen  Eier  fallen 
in  die  Leibeshöhle,  indem  der  Eierstock  über  dem  Graafschen 


Fig.  257.  Schnitt  durch  den  Eier- 
stock eines  Säugethiercs,  Schema,  e  Epi- 
thel an  der  Oberflache  des  Eierstocks,  e' 
eingestülpte  Theile  des  Epithels,  g'  jüngerer 
Graafscher  Follikel,  g  etwas  älterer  do., 
*  Spaltraum,  ar  Ei,  k  Kern  desselben.  — 
Nach  Wiedersheim.  verludert. 


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Wirbelthiere. 


365 


Follikel  gesprengt  wird.  Die  Eier  sind  bei  verschiedenen  Wirbel- 
thieren  von  sehr  verschiedener  Grösse,  am  kleinsten  bei  den  Säuge- 
thieren  (mikroskopisch  klein),  am  grössten  bei  Vögeln  und  Selachiern ; 
bei  den  mit  grösseren  Eiern  versehenen  Wirbelthieren  drängen  die 
Eier  die  Oberfläche  des  Eierstocks  derartig  vor,  dass  letztere  sehr 
uneben  wird ;  bei  den  Vögeln  sogar  derartig,  dass  der  Eierstock  trauben- 
förmig  wird,  während  er  im  Gegensatz  bei  den  Säugethieren  in  der 
Regel  ein  kleiner,  glatter,  abgerundeter  Körper  ist.  —  Die  Eier  werden 
in  der  Regel  von  den  sogenannten  Mülle  r' sehen  Gängen  ausgeführt, 
einem  Paar  langer,  an  beiden  Enden  offener  Schläuche, 
welche  sich  an  dem  einen  Ende  mit  einem  bewimperten  Trichter  in 
die    Leibeshöhle  (meistens 

in  der  Nähe  des  Eierstockes  A  B 

derselben  Seite)  öffnen,  mit 
dem  anderen  Ende  in  die 
Kloake  (bei  Selachiern  und 
Lungenfischen,  Amphibien, 
Reptilien,  Vögeln,  Monotre- 
men)  oder  mit  einer  beson- 
deren Oeffnung  in  der  Nähe 
des  Afters  ausmünden.  Häufig 
ist  ein  Abschnitt  der  Gänge 
von  grösserer  Weite  und  dient 
als  Gebärmutter  (Uterus). 
Bei  den  meisten  Säugethieren 
sind  die  hinteren  Partien 
beider  Müller'schen  Gänge  zu 
einem  unpaaren  Gang  ver- 
schmolzen. (Ueber  die  ab* 
weichenden  Verhältnisse  der 
Eierstöcke  und  Eileiter,  wel- 
che bei  einem  Theil  der 
Fische  bestehen,  sind  diese 
zu  vergleichen.) 

Die  Hoden,  ebenfalls 
ein  Paar,  haben  gewöhnlich 
ebenso  wie  die  Eierstöcke 
ihren  Platz  an  der  oberen 
Wand  der  Leibeshöhle  (über 
die  bei  den  Säugethieren  wäh- 
rend der  Entwicklung  statt- 
findende Lageveränderung 
vergl.  diese).  Sie  bestehen 
aus  einer  Menge  dicht  zu- 
sammengepackter ,  gewunde- 
ner, drüsenähnlicher  Schläu- 
che (Samenkanälchen) ,  in 
denen  die  Samenkörperchen 


Fig.  258.  Harn-  und  Geschlechtsorgane 
eines  Schwanzlurchs,  A  eines  o* ,  B  eines  9«  etwas 
schematisirt.  t  Hoden,  o  Eierstock,  n  Niere,  n'  vor- 
derer, schmälerer  Theil  der  Niere,  durch  welchen  beim 
Männchen  der  Samen  passirt ;  e  Verbindungskanälchen 
zwischen  Hoden  und  Niere,  u  Harnleiter,  u'  Ausflih- 
rungsgang  aus  dem  vorderen,  schmäleren  Theil  der 
durchUmbildung  derdortvor-  Niere  (beim  a*),  «  Muller'scher  Gang,  tr  dessen 
handenen  Zellen  gebildet  wer-  Trichter.  -  Nach  Spengel,  geändert. 

den.  BeidenSelachiern  und 

Amphibien  stehen  die  Samenkanälchen  durch  feine  querverlaufende 
Kanäle  mit  den  Harnkanälchen  des  vorderen  Theils  der  Niere  in 


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Specieller  Theil. 


Verbindung,  und  der  Samen  wird  mit  dem  Harn  zusammen  ausgeführt. 
Der  vordere  Theil  der  Niere,  welchen  der  Samen  durchsetzt,  ist  bei 
den  genannten  Gruppen  häufig  schmäler  als  der  hintere,  und  es  ent- 
springt dann  von  demselben  ein  gesonderter  Ausführungsgang,  welcher 
erst  dicht  vor  der  Einmündung  in  die  Kloake  sich  mit  den  Ausführungs- 
gängen des  hinteren  Theils  der  Niere  vereinigt,  so  dass  jener  wesentlich 
die  Bedeutung  eines  Samenleiters  erhält.  Bei  den  Reptilien,  Vögeln 
und  Säugethieren  verbindet  sich  die  Urniere  mit  dem  Hoden, 
die  Urniere  selbst  wird  zum  sogenannten  Nebenhoden  (Epididymis) 
umgebildet,  einem  aus  mehreren  gewundenen  Schläuchen  bestehenden 
Körper,  welcher  an  der  Seite  des  Hodens  liegt  und  den  Samen  aus 
diesem  aufnimmt,  um  ihn  in  den  Urnierengang  (WolfFschen  Gang) 
überzuleiten,  welcher  somit  bei  dem  ausgebildeten  Thier  als  Samen- 
leiter (Vas  deferem)  fungirt.  Die  Urniere  verhält  sich  also  bei  den 
genannten  Thieren  wesentlich  wie  der  vordere  Theil  der  Niere  bei 
den  Selachiern  und  Amphibien;  sie  unterscheidet  sich  aber  dadurch, 
dass  sie  aufhört,  als  Excretionsorgan  zu  fungiren.  (Ueber  die  Hoden 
und  Samenleiter  der  Knochenfische  vergl.  den  Abschnitt , .Fische".)  — 
Oft  (Selachier,  Amphibien,  Säugethiere)  findet  man  auch  beim  männ- 
lichen Thier  Müller'sche  Gänge,  aber  in  mehr  oder  weniger  rudi- 
mentärem Zustand  und  ohne  Function,  ebenso  wie  man  auch  beim 
weiblichen  Thier  zuweilen  Ueberreste  der  Urniere  (Nebeneierstock, 
Parovarium)  und  der  Urnierengänge  (Gartner'sche  Gänge,  z.  B.  bei 
den  Wiederkäuern)  findet.  —  Mit  den  Samenleitern  sind,  besonders 
bei  Säugethieren,  verschiedene  Drüsen  verbunden,  deren  Secret  dem 
Samen  beigemischt  wird,  ferner  auch  Behälter  für  den  fertigen  Samen.  — 
Als  Begattungs Werkzeuge,  welche  übrigens  bei  sehr  vielen  Wirbel- 
thieren  fehlen,  fungiren  sehr  verschiedenartige  Theile.  Bei  den 
Männchen  der  Selachier  sind  die  Hintergliedraaassen  theilweise  dazu 
eingerichtet,  den  Samen  in  das  Weibchen  überzuführen;  bei  den 
Schlangen  und  Sauriern  wird  ein  Paar  ausstülpbarer  Säcke,  welche 
an  der  Seite  des  Afters  sitzen,  in  derselben  Weise  verwendet;  das 
Begattungsorgan  der  Schildkröten,  Krokodile  und  Vögel  ist  ein  in 
der  Kloake  sitzender,  unpaarer,  meistens  zungen förmiger  Fortsatz, 
welcher  bei  den  Säugethieren  in  weiter  entwickeltem  und  umgeformtem 
Zustand  auftritt  (vergl.  des  Näheren  die  einzelnen  Abtheilungen). 

Die  allermeisten  Wirbelthiere  sind  getrennten  Geschlecht«.  Nur  bei 
einzelnen  Arten  von  Knochenfischen  findet  man,  dass  dasselbe  Individuum 
sowohl  Eier  als  Samen  erzeugt,  also  einen  wirklichen  Hermaphroditis- 
mus; es  werden  bei  diesen  Eier  und  Samen  in  einer  gemeinsamen  Ge- 
schlechtsdrüse gebildet ,  indem  sich  die  Eier  in  gewissen  Theilen  derselben, 
die  Samenkörperchen  in  anderen  entwickeln.  Bei  nicht  wenigen  anderen 
Knochenfischen  findet  man,  ebenfalls  als  regelmässige  Erscheinung,  dass  die 
Geschlechtsdrüsen  gewissermaßen  einen  gemischten  Charakter  haben,  derart, 
dasB  Bie  zwar  überwiegend  entweder  Eierstöcke  oder  Hoden  sind,  dass  aber 
dabei  kleinere  Partien  der  Eierstöcke  als  Hoden,  der  Hoden  als  Eierstöcke, 
gebaut  sind;  diese  kleineren  Partien  liefern  aber  keine  reifen  Geschlechts- 
producte.  Auch  mit  dem  Hoden  der  Kröten  (finfo)  ist  ein  Theil  verbunden, 
welcher  einem  Eierstock  ähnlich  ist,  zu  einer  Bildung  reifer  Eier  kommt 
es  aber  in  demselben  nicht1).  —  Als  seltene  Abnormität  können  ähn- 


')  Aus  einigen  in  den  letzten  Jahren  gemachten  Beobachtungen  hat  man 
geschlossen,  daas  auch  der  Inger  {Myxine)  ein  wirklicher  Hermaphrodit 


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Wirbelthiere. 


367 


liehe  Verhältnisse  auch  bei  anderen  Wirbelthieren  (z.  B.  bei  den  Säuge- 
thieren)  vorkommen :  man  kann  z.  B.  an  der  einen  Seite  einen  Hoden,  an  der 
anderen  einen  Eierstock  finden,  oder  es  kann  jederseits  eine  Geschlechtsdrüse 
verhanden  sein,  welche  theilweise  Hoden-,  theilweise  Eierstocksbau  besitzt ;  zu 
einer  Production  reifer  Geschlechtsstoffe  beiderlei  Art  scheint  es  aber  in  solchen 
Fällen  nie  zu  kommen.  Häufiger  als  diese  ,, echten  Hermaphroditen " 
sind  die  sogenannten  Pseudohermaphroditen,  welche  entweder  nur 
Hoden  oder  nur  Eierstöcke  besitzen,  dabei  aber  in  den  Ausführungsgängen 
oder  in  der  Ausbildung  der  Begattungsorgane  Charaktere  des  anderen  Ge- 
schlechts aufweisen :  so  kommen  z.  B.  unter  den  Haussäugethieren  gar  nicht 
so  sehr  selten  männliche  Individuen  vor,  welche  sehr  entwickelte ,  denen  des 
Weibchens  ähnliche  Müller'sche  Gänge  besitzen.  Als  leise  Andeutungen 
von  Pseudohermaphroditismus  sind  auch  gewisse  normale  Verhältnisse 
aufzufassen :  das  schon  vorhin  erwähnte  Vorhandensein  rudimentärer  Müller'scher 
Gänge  beim  Männchen,  oder  von  rudimentären  Begattungsorganen  beim 
Weibchen  verschiedener  Wirbelthiere  (Clitoris  der  Säugethiere  etc.) 

Die  Mehrzahl  der  Wirbelthiere  sind  e  i  e  r  1  e  g  e  n  d.  Das  abgelegte 
Ei  ist  zuweilen  von  einer  Gallertniasse  (bei  den  Amphibien),  in  anderen 
Fällen  (Selachiern)  von  einer  hornartigen  Schale,  wieder  in  anderen 
(Reptilien,  Vögeln)  von  einer  kalkhaltigen,  festen  oder  halbfesten 
Schale  umgeben ,  welche  ausser  dem  Ei  eine  dasselbe  umhüllende 
Eiweissmasse  umschliesst,  welch  letztere  allmählich  vom  Embryo  auf- 
gesogen wird;  sämmtliche  Umhüllungen  sind  Producte  von  Drüsen, 
welche  in  der  Eileiterwand  eingebettet  liegen.  —  Viele  Wirbelthiere 
sind  jedoch  lebendiggebärend,  die  embryonale  Entwicklung  wird 
im  Eileiter  der  Mutter  (oder  bei  den  Knochenfischen  in  deren  hohlem 
Eierstock)  durchlaufen.  In  den  einfachsten  Fällen  findet  man 
dann,  dass  das  Ei  von  den  gewöhnlichen  Umhüllungen  (Schale  etc.) 
umgeben  seine  Entwicklung  in  der  Mutter  durchläuft,  ohne  dass  übrigens 
von  Seiten  letzterer  ein  Zuschuss  zu  dem  sich  entwickelnden  Embryo 
geliefert  wird;  die  Geschlechtswege  des  Mutterthieres  sind  lediglich 
eine  Aufbewahrungsstelle  für  das  Ei  (so  bei  manchen  Reptilien) : 
ovovivipare  Thiere.  Eine  Annäherung  an  dieses  Verhältniss  findet 
man  schon  bei  manchen  eierlegenden  Wirbelthieren,  bei  denen  die 
abgelegten  Eier  schon  einen  mehr  oder  weniger  ausgebildeten  Embryo 
enthalten,  bei  denen  somit  ein  erster  Abschnitt  der  embryonalen  Ent- 
wicklung in  dem  Mutterthiere,  der  Schluss  derselben  dagegen  ausserhalb 
desselben  durchlaufen  wird  (solches  ist  z.  B.  bei  der  gemeinen  Ringel- 
natter der  Fall).  Bei  anderen  lebendiggebärenden  Thieren  nimmt 
der  Embryo  während  der  Entwicklung  von  der  Mutter  Nahrung  auf, 
entweder  abgesonderte  Flüssigkeiten  (Beutelthiere,  Aalmutter)  oder 
geradezu  die  Blutflüssigkeit  der  Mutter,  indem  gewisse  Partien  seines 
Körpers  in  eine  innige  Verbindung  mit  demjenigen  der  Mutter 
treten,  in  welcher  er  gewissermassen  ein  schmarotzendes  Dasein  führt 
(Säugethiere). 


wäre  und  zwar  derart,  dass  er  in  jüngerem  Zustande  als  Männchen,  später  als  Weib- 
chen fungirte.  Ob  dieser  Schluss  berechtigt  ist,  dürfte  aber  noch  sehr  zweifelhaft 
sein ;  sicher  ist,  dass  bei  einigen  männlichen  Exemplaren  dieser  Form  der  vordere 
Theil  der  (Geschlechtsdrüse  den  Charakter  eines  unreifen  Eierstockes  hat  (während 
der  hintere  Theil  Hoden  ist);  ob  aber  dieser  Theil  Bich  später  zu  einem  reifen 
Eierstock  entwickelt,  oder  ob  er  —  wie  der  ähnliche  Theil  bei  den  männlichen 
Kröten  —  auf  derselben  Stufe  verharrt,  ist  nach  den  bisherigen  Befunden  nicht 
eu  entscheiden. 


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368 


Specieller  Theil. 


Die  Eifurchung  ist  bei  einem  Theil  der  Wirbelthiere  — 
Amphioxus,  Cyclostomen,  Ganoiden,  Amphibien  (mit  Ausnahme  der 
Coecilien  und  einzelner  anderen),  den  meisten  Säugethieren  —  eine 
totale,  bei  anderen,  deren  Eier  einen  grösseren  Umfang  besitzen,  da- 
gegen eine  partielle  (Selachier,  Knochenfische,  Reptilien,  Vögel,  Mouo- 
tremen).  Es  bildet  sich  wie  bei  anderen  Thieren  eine  Gastrula,  welche 
bei  Amphioxus  die  einfachsten  Verhältnisse  darbietet  (vergl.  S.  44 
und  Fig.  28),  während  die  Bildung  bei  den  übrigen  etwas  complicirter 
ist  (S.  46  ff.) ;  für  die  Säugethiere  ist  man  über  die  Gastrula-Bildung 
noch  nicht  vollkommen  in's  Klare  gekommen.  Die  meisten  Wirbel- 
thier-Embryonen sind  eine  Zeitlang  mit  einem  Dottersack  ver- 
sehen (vergl.  S.  51),  welcher  bei  einigen  eine  kolossale  Grösse  besitzt 
(bei  den  Selachiern  z.  B.),  aber  meistens  verschwunden  oder  nicht 
mehr  äusserlich  sichtbar  ist,  wenn  das  Thier  geboren  wird,  d.  h.  die 
Eischale  oder  die  Mutter  verlässt.  Bei  den  Reptilien,  Vögeln 
und  Säugethieren  (den  amnioten  Wirbelthieren)  findet  man  das 
eigenthümliche  Verhältniss,  dass  der  Embryo  von  mehreren  Embryonal- 
hüllen (Fruchthüllen)  umgeben  ist,  welche  nach  ihrer  Entwicklung 
besondere  Körperanhänge  des  jungen  Thieres  darstellen,  embryonale 
Organe  sind,  die  abgeworfen  werden,  wenn  das  Junge  geboren  wird. 
Bei  den  Säugethieren  treten  gewisse  Theile  dieser  Hüllen  mit  der 
Wand  des  Uterus  in  Verbindung  und  dienen  dem  Embryo  als  Apparat 
für  die  A  u f saugu  n  g  der  Blutflüssigkeit  des  Mutterthieres  (Placenta). 

Am  Hühnerei  bemerkt  man  auf  einer  sehr  frühen  Entwicklungsstufe 
um  diejenige  Partie,  welche  zu  dem  eigentlichen  Embryo  wird  —  im  Gegen- 


^1  B 


C  D 


Fig.  259.  Zur  Illustration  der  Entwicklung  der  Embryonalhullen  bei  einem  Vogel- 
embryo;  schematische  Längsschnitte  verschiedener  Stadien.  In  A  hat  die  Entwicklung  der 
Hullen  noch  nicht  angefangen,  ei  Ekto-,  en  Ento-,  m  Mesodenn  (breitere  Linie),  am  Amnion, 
am'  die  Falten,  aus  welchen  Amnion  und  seröse  Hülle  entstehen,  $  seröse  Hülle,  al  Allantob, 
bl  Nahrungsdotter,  t  Darm.  —  Orig.  (t.  Th.  nach  alteren  Vorbildern). 


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i 


Wirbelthiere. 


3G9 


satz  zu  der  weit  grösseren  Partie ,  welche  zum  Dottersack  wird  —  eine 
von  dem  Ektoderni  und  der  äussersten  Schicht  des  Mesoderms  gebildete 
Falte.  Diese  wächst  allmählich  über  den  ganzen  Embryo  hinaus ,  ihre 
Ränder  begegnen  sich  und  verschmelzen  mit  einander,  und  so  wird 
oberhalb  des  Embryos  ein  Hohlraum  gebildet,  welcher  von  dem  inneren 
Blatte  der  verwachsenen  Falten  begrenzt  wird ;  letzteres  Blatt  wird  jetzt  als 
Amnion  (Schafhaut)  bezeichnet,  während  das  äussere  Blatt,  welches  unten 
in  die  Bekleidung  des  Dottersackes  übergeht,  die  seröse  Hülle  genannt 
wird.  Ferner  wächst  in  den  Hohlraum  zwischen  der  serösen  Hülle  und 
dem  Amnion  eine  Ausstülpung  von  dem  hinteren  Theile  des  Darmes  des 
Embryos  hinein,  welche  aus  einer  inneren  Entodermlage  und  einer  äusseren 
Mesoderralage  besteht.  Diese  Ausstülpung,  die  Allantois,  wächst  all- 
mählich zu  einem  abgeplatteten  Sack  von  bedeutender  Grösse  heran,  welcher 
sich  zwischen  das  Amnion  und  die  seröse  Hölle  erstreckt  und  durch  einen 
engen  Gang  mit  dem  Darmkanal  des  Embryos  in  Verbindung  steht;  die 
Allantois  ist  sehr  gefässreich  und  fungirt  theils  als  Behälter  des  vom  Em- 
bryo abgesonderten  Harns,  theils  als  Athmungs Werkzeug.  Aehnliche 
Verhältnisse  findet  man  auch  bei  den  übrigen  Vögeln,  den  Reptilien 
und  den  8äugethieren;  bei  letzteren  verwächst  die  Allantois  mit  der 
serösen  Hülle,  und  es  bilden  sich  an  denselben  gefässreiche  Auswüchse, 
welche  in  die  Wand  des  Uterus  hineinwachsen  und  als  Aufsaugungsapparate 
fungiren  ').  —  Bei  den  Fischen  und  Amphibien  fehlen  die  Eihüllen  völlig. 

Die  Wirbelthiere  nehmen  in  der  Thierwelt  einen  etwas  isolirten 
Platz  ein;  einen  engeren  Anschluss  an  (inen  anderen  Thierkreis  hat 
man  bislang  nicht  nachweisen  können. 


l.  C lasse.  Lanzettflsche  (Lqptoeardü). 

» 

Die  Classe  der  Lanzettfische  umfasst  nur  die  Gatt.  Amphioxus, 
welche  früher  den  Fischen  zugerechnet  wurde,  was  aber  nicht  zu- 
treffend ist. 

Der  Körper  ist  gestreckt,  zusammengedrückt,  an  beiden  Enden 
zugespitzt;  längs   der  Rückenseite  und   längs  der  Unterseite  des 


Fig.  260.  Schematischer  Längsschnitt  von  Amphiorm.  a  After,  c  Chorda,  g  Kiemen- 
höhle,  m  Magen,  n  Rückenmark,  p  Peribrnnchialhöhle,  p'  deren  Oeffnung,  t  Darm,  tt  Tenta- 
keln um  die  Mundöflhung.  —  Orig. 

Schwanzes  läuft  ein  Flossensaum;  Gliedmaassen  fehlen.  Das  Skelet 
ist  durch  eine  kräftig  entwickelte,  den  ganzen  Körper  durchziehende, 
vorne  und  hinten  zugespitzte  Chorda  repräsentirt.  Oberhalb  der- 
selben liegt  das  C  e  n  t  r  a  1  n  e  r  v  e  n  s  y  s  t  e  m  als  ein  langes  stabförmiges 

*)  Bei  den  Insekten  und  bei  einzelnen  Würmern  findet  man  eine  Bildung 
ähnlicher,  den  Embryo  umgebender  Hüllen  wie  bei  den  genannten  Wirbelthieren. 

Bon,  Zoologie.  24 


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370  Specieller  Theil. 

Organ  ohne  vordere  Anschwellung,  also  ohne  gesondertes  Gehirn;  sein 
centraler  Kanal  steht  vorne  durch  eine  feine  Oeffnung  mit  der  Ober- 
fläche in  Verbindung.  Es  ist  ein  unpaares  Auge  in  Form  einer 
pigmentirten  Partie  im  vordersten  Theil  des  Centralnervensystems 
vorhanden:  paarige  Augen  und  Gehörwerkzeuge  fehlen.  Die  Mus- 
kulatur ist  in  ähnlicher  Weise  wie  bei  den  Fischen  angeordnet; 

die  Muskelfasern  sind  quergestreift.  Unterhalb  der 
Chorda  liegt  der  Darmkanal,  welcher  unter 
dem  Vorderende  des  Tliieres  mit  einer  von  einer 
Anzahl  hervorstehender  Tentakel  umgebeneu  Mund- 
öffnung seinen  Anfang  nimmt;  letztere  führt  in  einen 
sehr  grossen ,  von  zahlreichen  Querspalten  durch- 
brochenen Kiemen  sack  hinein,  welcher  sich  nach 
hinten  durch  einen  grösseren  Theil  des  Körpers  er- 
streckt. Hinten  geht  der  Kiemensack  in  den  Magen 
Fi«.  2ßi.  Quer-  uoerJ  welcher  mit  einer  grösseren  Ausstülpung,  der 
schnitt  durch  <ion  Leber,  versehen  ist;  der  Darm  ist  kurz,  gerade  und 
vorderen  Theil  des  mündet  auf  der  Unterseite  nicht  sehr  weit  vom  hin- 
Körpcrf.  von  Am-  teren  Ende  (so  dass  die  Länge  des  Schwanzes  nicht 
RuXenmark  ,",a'  d  bedeutend  ist).  Die  Spalten  des  Kiemensackes  führen 
Chordn,  y  Kiemen-  nicht  direkt  an  die  Oberfläche,  sondern  in  eine  den- 
höhie,  j>  Peribran-  selben  umgebende  Pcribranchialhöhle,  welche 

»d'icchHdrüse*  8'c'1  au^  ^er  Unterseite  in  einigem  Abstand  vor  dem 
0r^  s  e*  After  öffnet.  Bei  dem  ganz  jungen  Amphioxus 
münden  die  Kiemenspalten  direkt  nach  aussen,  später 
entwickelt  sich  aber  oberhalb  derselben  auf  jeder  Seite 
eine  Längsfalte,  welche  über  sie  nach  unten  auswächst  und  auf  der 
Bauchseite  mit  derjenigen  der  anderen  Seite  verwächst.  Das  Ge- 
fäss System  ist  dadurch  merkwürdig,  dass  ein  abgegrenztes  Herz 
fehlt:  dagegen  pulsiren  sämmtliche  Göfässe.  Es  befindet  sich  unterhalb 
des  Kiemensackes  ein  unpaarer  Gefässstamm,  welcher  das  venöse  Blut 
aus  dem  Körper  empfängt,  und  von  welchem  Aeste  zum  Kiemensack 
abgehen ;  aus  letzterem  sammelt  sich  das  Blut  zu  einer  unterhalb  der 
Chorda  verlaufenden  Aorta.  Es  ist  dasselbe  Leberpfortadersystem 
wie  bei  den  anderen  Wirbelthieren  vorhanden.  Rothe  Blutkörperchen 
fehlen.  Excretionsorgane  sind  nicht  mit  Sicherheit  bekannt  *). 
Die  Geschlechter  sind  getrennt,  die  Geschlechtsorgane  sind 
durch  mehrere  Eierstock-  resp.  Hodenpaare  repräsentirt,  welche  in 
der  Leibeswand,  an  deren  der  Peribranchialhöhle  zugekehrter  Seite, 
liegen;  Eier  und  Samen  werden  durch  Bersten  der  Organe  in  die 
Peribranchialhöhle  entleert,  gelangen  durch  die  Kiemenspalten  in 
die  Kiemenhöhle  und  werden  durch  die  Mundöffnung  ausgestossen. 
Die  Entwicklung  ist  dadurch  ausgezeichnet,  dass  die  Eifurchung 
total,  die  Gastrula-Einstülpung  ganz  einfach  (nach  dem  Fig.  23  S.  44 
abgebildeten  Typus)  und  die  Ento-  und  Ektodermzellen  einander  sehr 
ähnlich  sind. 

An  den  europäischen  Küsten  lebt,  in  den  Sand  vergraben,  der  farb- 
lose, 5 — 7  cm  lange  Amphioxus  lanceokUtts. 


')  Als  Niere  ist  ein  mit  Trichter  versehener  Kanal  auf  der  linken  Seite  des 
Thieres  beschrieben  worden. 


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Wirlielthiere.    2.  Classe:  Fische. 


371 


2.  Classe.    Fische  (P'isces), 

Die  Leibesform  ist  im  Allgemeinen  zusammengedrückt-spindel- 
förniig;  Kopf,  Rumpf  und  Schwanz  gehen  allmählich  in  einander  Uber; 
letzterer  ist  sehr  musculös;  ein  Hals  ist  nicht  entwickelt  und  die 
Beweglichkeit  des  Kopfes  gewöhnlich  sehr  gering.  Von  diesem  ge- 
wöhnlichen Typus  können  übrigens  zahlreiche  Fische  mehr  oder  weniger 
abweichen ;  man  findet  z.  B.  Fische,  welche  so  stark  seitlich  zusammen- 
gedrückt sind,  dass  ihr  Körper  eine  senkrechte  Platte  darstellt;  bei 
anderen  sind  vielmehr  Kopf  und  Rumpf  stark  niedergedrückt,  bei 
anderen  wieder  ist  der  Körper  so  gestreckt,  dass  er  eine  wurmförmige 
Gestalt  hat.  oder  er  ist  im  Gegentheil  ausserordentlich  kurz,  klumpig  etc. 
Längs  der  Rückenseite  des  Rumpfes  und  des  Schwanzes  und  längs 
der  Unterseite  des  letzteren  finden  sich  unpaare  Flossen  (vergl.  unten 
bei  der  Haut).  Gewöhnlich  sind  zwei  Paar,  in  der  Regel  verhältniss- 
mässig  schwach  entwickelte,  plattenfönnige  Gliedinaassen  vorhanden 
(zuweilen  fehlt  das  hintere  oder  sogar  beide  Paare);  für  die  Fische 
cigenthüinlich  ist  es,  dass  die  Hintergliedmaassen,  die  Bauchflossen, 
oft  weit  nach  vorne,  in  die  Nähe  der  Vordergliedinaassen,  der  Brust- 
flossen, oder  sogar  vor  dieselben  vorrücken  können. 

Der  ziemlich  dünnen  Oberhaut  der  Fische  fehlt,  wie  vorhin  er- 
wähnt, eine  Hornschicht,  dagegen  ist  eine  dünne  Cuticula  an  der  Ober- 
fläche entwickelt;  in  der  Oberhaut  sind  oft  Becherzellen  vor- 
handen ,  deren  Secret  der  Haut  ihre  schleimige  Beschaffenheit  giebt. 
Die  Leder  haut  enthält  sehr  allgemein  Verknöcherungen,  von  welchen 
die  bekanntesten  die  sogenannten  Schuppen  sind,  dünne  Knochen- 
platten, welche  in  entsprechenden  Höhlungen  der  Lederhaut  liegen; 
oft  sind  sie  so  locker  mit  letzterer  verbunden  und  liegen  so  dicht  unter 
der  Oberfläche  (von  dieser  nur  durch  eine  dünne  Bindegewebsschicht 
und  die  Oberbaut  getrennt),  dass  sie  sich  bei  Berührung  des  Fisches 
gleich  loslösen  und  ausfallen ;  sie  decken  sich  in  der  Regel  dachziegel- 
artig (der  deckende  Rand  ist  der  hintere)  und  sind  dann  regelmässig 
reihenförmig  geordnet.  Sie  werden  in  Cycloid-  und  Ctenoid- 
schuppen  getheilt;  letztere  besitzen  längs  des  Hinterrandes  feine  zahn- 
artige Spitzen,  welche  den  ersteren  fehlen.  Die  Schuppen,  welche 
besonders  bei  den  Knochenfischen  vorkommen ,  sind  übrigens  nur 
eine  Form  der  Lederhaut -Verknöcherungen  und  nicht  scharf  von 
anderen  Formen  derselben,  Knochenplatten,  -schildern,  -dornen  etc., 
getrennt,  welche  bei  manchen  Fischen  vorkommen.  Ganz  verschieden 
ist  dagegen  eine  andere  Art  fester  Theile,  welche  an  der  Fischhaut 
vorkommen,  nämlich  die  Haut-Zähne,  welche  bei  manchen  Selachiern 
die  ganze  Körperoberfläche  bedecken  und  auch  an  der  Haut  ver- 
schiedener anderer  Fische  vorkommen  ;  Bau  und  Entwicklung  dieser 
Zähne  entsprechen  ganz  denen  der  Mundhöhlen-Zähne:  sie  bestehen 
aus  Zahnbein  und  Schmelz,  welche  in  gewöhnlicher  Weise  gebildet 
werden;  sie  liegen  nicht  in  die  Lederhaut  eingeschlossen,  wie  es 
meistens  mit  den  Lederhaut- Verknöcherungen  der  Fall  ist1),  sondern 
ragen  mit  ihrem  oberen  Theil  aus  der  Haut  hervor;  sie  fallen  aus  und 


')  Nicht  ganz  selten  findet  man  jedoch  bei  den  Fischen,  dass  echte  Lederhaut- 
Verknöcherungen  mit  einer  grösseren  Fläche  oder  mit  hervorragenden  Spitzen  ent- 
blösat  liegen. 

24* 


372 


Specieller  Theil. 


werden  durch  neue  ersetzt,  während  die  Lederhaut- Verknöcherun gen 
allmählich  mit  dem  Thier  wachsen,  nicht  ausfallen  und  nicht  erneuert 
werden.  Die  Form  der  Hautzähne  ist  verschieden,  zuweilen  sind  sie 
mehrspitzig  etc.;  meistens  sind  sie  klein,  können  aber  auch  eine  an- 
sehnliche Grösse  erreichen.  Bei  denjenigen  Knochenfischen  und 
Ganoiden,  welche  Hautzähne  besitzen,  verbindet  ihr  unteres  Ende  sich 
oft  mit  den  Hautverknöcherungen '). 

Die  unpaaren  Flossen  sind  Hautfalten,  welche  meistens  von 
festen  Theilen  gestützt  werden.  Auf  einer  gewissen  Entwicklungsstufe, 
oft  noch  bei  dem  neugeborenen  Fisch,  bei  anderen  in  der  Embryonal- 
periode, sind  die  unpaaren  Flossen  durch  einen  zusammenhängenden 
Flossensaum  repräsentirt ,  welcher  längs  der  Mitte  der  Rückenseite 
des  Rumpfes  und  Schwanzes,  um  die  Spitze  des  letzteren  herum  und 
längs  der  Unterseite  desselben  und  eines  Theils  des  Rumpfes  ver- 
läuft.   Bei  gewissen  Fischen  erhält  sich  dieser  Saum  ungetheilt  das 

Sanze  Leben  hindurch  (stets  schwindet  jedoch  der  vor  dem  After  an 
er  Bauchseite  befindliche  Theil);  häufiger  aber  zerfällt  er  in  drei 
oder  mehrere  Abschnitte,  von  welchen  derjenige,  resp.  diejenigen, 
welche  auf  der  Rückenseite  sitzen,  als  Rückenflosse,  derjenige, 
welcher  die  Schwanzspitze  umgiebt,  als  Schwanzflosse,  und  das 
oder  die  Stücke,  welche  an  der  Unterseite  des  Schwanzes  sitzen,  als 
Afterflosse  bezeichnet  werden.  In  den  ausgebildeten  Flossen  sind 
in  der  Regel  festere  Theile,  sogenannte  Strahlen,  vorhanden.  Bei 
den  Selachiern  finden  sich  in  den  Flossen  sogenannte  Horn  str  ah  1  en5), 
hornartige,  elastische,  structurlose  Fasern,  welche  sich  von  der  Basis 
der  Flosse  gegen  ihren  Rand  hin  erstrecken;  sie  liegen  in  mehreren 
Schichten  in  jeder  Flosse,  welche  steif,  nicht  zusammenlegbar  ist. 
Statt  dieser  finden  sich  in  den  unpaaren  Flossen  der  Ganoiden 
und  Knochenfische  eine  Reihe  stabförmiger  Hautverknöcherungen, 
Knochenstrahlen,  welche  als  Stützen  in  der  Flosse  liegen.  Von 
solchen  Strahlen  unterscheidet  man  zwei  Hauptformen:  Weich  - 
strahlen  und  Stachelstrahlen,  zwischen  denen  sich  jedoch 
Uebergänge  finden.  Ein  ausgeprägter  Weichstrahl  ist  ein  Knochen- 
stab, welcher  in  seiner  grössten  Ausdehnung  (an  der  Basis  nicht)  ge- 
gliedert, d.  h.  der  Quere  nach  in  eine  grosse  Anzahl  kurze,  durch 
Bindegewebe  verbundene  Stücke  getheilt  ist;  ferner  ist  er  an  der 
Spitze  in  mehrere  hinter  einander  liegende  (ebenfalls  gegliederte) 
Aeste  mehr  oder  weniger  tief  gespalten.  Einigen  Weichstrahlen  fehlt 
aber  diese  Spaltung,  und  bei  einigen  ist  dazu  noch  die  Gliederung 
auf  einen  Endabschnitt  des  Strahles  beschränkt.  Jeder  Weichstrahl 
ist  übrigens  aus  zwei  symmetrischen  Hälften  zusammengesetzt,  welche 
aber  dicht  an  einander  gelagert  sind  und  einander  ganz  genau  ent- 
sprechen. Die  Stachelstrahl  en  sind  steife,  spitzige,  ungegliederte 
Knochenstäbe,  auch  sie  sind  aus  je  zwei  Hälften  zusammengesetzt, 
welche  aber  entweder  eng  verbunden  oder  geradezu  verschmolzen 
sind.    Der  Uebergang  zwischen  beiden  genannten  Strahlenformen 

')  Mit  den  Hautzähnen  sind  die  feinen  zahnartigen  Spitzen  nicht  zn  ver- 
wechseln, welche  längs  des  Hinterrandes  der  oben  genannten  Ctenoidschuppen 
vorbanden  sind  und  nur  besonders  entwickelte  Theile  der  Knochenmasse  dieser 
letzteren  darstellen. 

•)  Der  Name  ist  nicht  sehr  glücklich ,  denn  es  handelt  sich  hier  um  Theile, 
welche  sich  im  Bindegewebe  entwickeln  und  von  den  wirklichen  Horngebilden  der 
Wirbelthiere  ganz  verschieden  sind. 


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Wirbelthiere.   2.  Clasae:  Fische.  373 

wird  von  solchen  Strahlen  gebildet,  welche,  ohne  gegliedert  zu  sein, 
dennoch  biegsam  sind.    Während  Weichstrahlen  bei  alleu  überhaupt 


mit  knöchernen  Strahlen  versehenen  Fischen  vorhanden  sind,  finden 
sich  Stachelstrahlen  nur  bei  einem  Theil  derselben  und  dann  fast  immer 


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374 


Speoieller  Theil. 


nur  im  vorderen  Theil  der  betreffenden  Flosse;  in  der  Schwanzflosse 
fehlen  sie  immer.  Die  knöchernen  Strahlen  können  niedergelegt  und 
aufgerichtet  werden;  in  ersterem  Fall  faltet  sich  die  Flossenhaut  zu- 
sammen, in  letzterem  wird  sie  ausgespannt.  Zuweilen  kann  zwischen 
einigen  auf  einander  folgenden  Strahlen  die  Flossenhaut  fehlen  (freie 
Strahlen).  Ueber  die  mit  den  unpaaren  Flossen  in  Verbindung 
tretenden  inneren  Skelettheile,  Flossenträger  etc.,  vergl.  unten.  — 
Längs  des  Randes  der  bei  den  Fischen  gewöhnlich  sehr  kurzen  Glied- 
maassen,  der  Brust  -  und  Bauch  flösse  n,  findet  sich  ein  Flossen - 
s  a  u  m ,  welcher  in  ganz  ähnlicher  Weise  wie  die  unpaaren  Flossen 
gebaut  ist,  bei  den  Selachiern  also  von  Hornstrahlen,  bei  Ganoiden 
und  Knochenfischen  mit  Weich-  und  Stachelstrahlen  ausgestattet  ist. 
Stachelstrahlen  finden  sich  jedoch  in  den  Brustflossen  sehr  selten, 
häufiger  vorne  in  den  Bauchnossen  (in  letzterem  Fall  sind  gleichzeitig 
in  der  Rücken-  und  Afterflosse  Stachelstrahlen  vorhanden).  —  Ueber 
die  mit  der  Haut  verbundenen  Sinnesorgane  (Seitenlinie  etc.)  vergl. 
unten. 

Mit  der  Haut  einiger  Fische  sind  Leuchtorgane  verbunden,  eigen- 
thümlich  ausgebildete  Hautpartien,  welche  äusserlich  als  kleinere  oder  grössere 
Flecken  erscheinen;  ihr  Bau  ist  bisjetzt  nicht  völlig  klargestellt  worden. 
Derartige  Organe  sind  unter  den  Tiefsee-Fischen  ziemlich  verbreitet,  kommen 
aber  auch  z.  B.  bei  gewissen  pelagischen  Formen  vor. 

Bei  manchen  Fischen  (Cyclostomen  und  Selachiern)  besteht  das 
Skelet,  abgesehen  von  der  Chorda,  ausschliesslich  aus  Knorpel, 
welcher  aber  häufig  theilweise  verkalkt,  d.  h.  in  die  Intercellularsub- 
stanz  Kalksalze  aufnimmt;  bei  anderen  (Ganoiden,  Lungen-  und 
Knochenfischen)  wird  der  Knorpel,  welcher  auch  bei  ihnen  ursprüng- 
lich das  ganze  Skelet  bildet,  durch  wirkliche 
-■"*■  •■■  Knochen  ersetzt,  welche  aus  echtem  Knochen- 

 gewebe  bestehen.  —  Das  Rückgrat  wird 

'    nicht   ganz   selten   (bei    den  Cyclostomen, 

einigen  Selachiern,  den  Lungenfischen,  den 
\h  Knorpclganoiden)  durch  eine  die  Chorda  um- 
schliessende,  von  Knorpel  oder  fibrösem  Binde- 
gewebe gebildete,  zusammenhängende  Röhre 
J/^^/\yr      repräsentirt,  welche  nicht  in  gesonderte  Wirbel- 
^\z\,/7\/2\eA  Körper  getheilt  ist  und  oben  die  knorpeligen 
1  T  Bogen  trägt  (welche  sogar,  z.  B.  bei  dem 

'  *  Inger    Myxine ,    fehlen    können).     In  der 

Fig.  '2ö3.  L»ngM.,ci»uitt  durch  Regel  aber  zerfällt  die  Röhre  in  eine  Anzahl 
,ue  Wirbelsäule  yemhie-  Stücke   die  Wirbelkörper,  welche  durch 

<lcner  Fisrhc,  Schemata.  In  A  -      '      .  ...        _,  1  i       j  •  , 

uud  b  ist  noch  eine  zusammen-  Bindegewebe  mit  einander  verbunden  sind, 
hängende  •Knorpeiröhre  vor-  Die  Wirbelkörper  sind  kurze  röhrenförmige 
banden,  in  c  ist  dipacibc  in  Stücke,  welche  an  ihrer  Innenseite  in  der 
:™r„'  £.  Ä*!  ringförmig  verdickt  sind  und  nach  beiden 

i>ern,  cA  Chorda.  —  orig.       Enden  allmählich  du ii !kt  werden;  sie  besitzen 

eine  kegelförmige  Vertiefung  vorne  und  eine 
ähnliche  hinten,  welche  durch  eine  kleine  Oeffnung  in  der  Mitte  mit 
einander  verbunden  sind  (ähnlich  wie  der  Hohlraum  in  einer  Sand- 
uhr): biconeave  (amphicöle)  Wirbel.  Sie  umschliessen  die  Chorda, 
welche  dem  entsprechend  starke  ringförmige  Einschnürungen  in  der  Mitte 
der  Wirbel  besitzt  (die  Chorda  ist  perlschnurähnlich).  (Bei  einzelnen 
Haien,  deren  Rückgrat  uicht  in  Wirbel  getheilt  ist,  sind  die  genannten 


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Wirbelthiere.   2.  Classe:  Fische. 


375 


inneren  Verdickungen  der  Wirbelkörper  schon  durch  ringförmige  Ver- 
dickungen an  der  Innenseite  der  zusammenhängenden  Knorpelröhre 
angedeutet,  vergl.  Fig.  263  B).  Die  Wirbelkörper  tragen  meistens 
je  einen  oberen  Bogen,  welcher  oft  in  einen  Dornfortsatz  ausge- 
zogen ist;  ferner  finden  sich  oft  unten  an  den  Wirbeln  des  Rumpfes 
Querfortsätze,  welche  am  Anfang  des  Schwanzes  sich  nach  unten 
biegen  und  an  diesem  zu  unteren  Bögen  von  demselben  Aussehen 
wie  die  oberen  vereinigen.  (Ausser  diesen  unten  vom  Wirbelkörper 
entspringenden  Querfortsätzen  findet  man  zuweilen  bei  den  Knochen- 
fischen höher  oben  entspringende  Querfortsätze;  auch  kleine  Gelenk- 
fortsätze sind  gewöhnlich  bei  den  Knochenfischen  vorhanden).  Bei 
den  Selachiern  bestehen  die  Wirbel  aus  Knorpel,  welcher  oft  theil- 
weise  verkalkt,  bei  den  Knochenganoiden  und  den  Knochenfischen 


A  B 


D 


Fig.  '264.  Ende  des  Schwanzes  verschiedener  Fische:  A  Stör,  B  Knochenhecht, 
C  Lachs,  D  Dorsch,  h  Wirbelsäule,  A'  aufgebogene  Endpartic  derselben,  ö  obere  Bögen, 
t  Stachelfortsälze,  m  untere  Bögen,  u'  der  lelzte  untere  Bogen,  mit  h'  verwachsen.  In  C  Ist 
der  aufgebogene  Theil  der  Wirbelsäule  noch  ziemlich  wohl  entwickelt  (er  ist  zwischen  den 
beiden  Hälften  der  Schwanznossenstrahlen ,  von  welchen  die  linke  hier  entfernt  ist ,  einge- 
schlossen), in  Z>,  welcher  den  gewöhnlichen  Zustand  der  Knochenfische  repräsentirt,  dagegen 
sehr  klein.  —  Z.  Th.  Original,  z.  Th.  Copie. 

entweder  nur  aus  Knochengewebe  oder  aus  solchem  und  knorpeligen 
Theilen.  —  Eine  besondere  Betrachtung  verdienen  der  im  hintersten 
Ende  des  Schwanzes  liegende  Theil  der  Wirbelsäule  und  seine  Be- 
ziehungen zur  Schwanzflosse.  Bei  einer  geringen  Anzahl  Fische 
(Cyclostomen,  Lungenfischen)  ist  das  hintere  Ende  der  Wirbelsäule 
gerade,  und  oben  und  unten  findet  sich  ein  fast  gleich  grosser  Theil 
der  Schwanzflosse,  deren  oberer  Theil  also  mit  dem  unteren 
congruent  ist:  man  sagt  dann,  der  Fisch  sei  diphycerk.  Bei  den 
allermeisten  Fischen  ist  dagegen  der  hintere  Theil  der  Wirbelsäule 
schräg  nach  oben  gekrümmt  und  die  an  ihrer  Unterseite  sitzende 
Flossenportion  dann  in  der  Regel  weit  stärker  als  die  obere  entwickelt. 


376 


Specieller  Theil. 


Bei  den  meisten  Haien,  den  Knorpelganoiden  und  Lepidosteus  ist 
dieses  Verhältniss  sehr  deutlich:  heterocerke  Fische.     Bei  den 
Knochenfischen  ist  eigentlich  dasselbe  der  Fall,  hier  ist  aber  die 
aufgebogene  Partie  meistens  ziemlich  kurz,  besteht  nicht  aus  ge- 
trennten Wirbeln,  sondern  aus  einem  stabförmigen ,  das  Chordaende 
umschließenden,  knorpeligen  oder  knöchernen  Stück '),  welches  oft  mit 
dem  hinteren  unteren  Bogen  (oder  mit  mehreren  der  unteren  Bögen) 
verwächst  und  als  das  Endglied  der  Wirbelsäule  erscheint;  und  unter- 
halb dieses  scheinbaren  Endgliedes  sitzt  dann   in  der  Regel  eine 
Strahlenpartie,  welche  der  oberhalb  desselben  angebrachten  ungefähr 
congruent  ist,  so  dass  der  Schwanz  dem  der  diphycerken  Fische  sehr 
ähnlich  wird:  homocerke  Fische.    Thatsächlich  sind  diese  aber 
ebenso  wie  die  oben  genannten  heterocerk,  denn  das  Wirbelsäulen- 
Ende  ist  auch  hier  nach  oben  gebogen  und  die  im  Verhältniss  zu 
letzterem  obere   Flossenpartie   ist  kleiner  als    die   untere  (vergl. 
Fig.  264  D).    Bei  manchen  ausgeprägt  hetcrocerken  Fischen,  mit 
sehr  grosser  aufgebogener  Wirbelsäulen- Partie ,  finden  wir  übrigens 
eine  Annäherung  an   dieselbe  Bildung,   indem  das  Schwanzende, 
rein  äusserlich  betrachtet,  in  zwei  ungefähr  gleiche  Theile  zerfällt, 
einen  oberen,  in  welchen  der  aufgebogene  Theil  der  Wirbelsäule  sich 
erstreckt,  und  einen  unteren,  welcher  ausschliesslich  aus  Strahlen  be- 
steht (Fig.  264  A,  etc.).    Beim  Embryo,  in  manchen  Fällen  auch 
noch  bei  dem  neugeborenen  Jungen  (Knochenfischen),  ist  die  Chorda 
immer  eine  Zeitlang  auch  hinten  ein  gerader  Stab;  später  wird  das 
hintere  Ende  aufgebogen.  Bei  den  Knochenfischen  ist  der  aufgebogene 
hintere  Theil  verhältnissmässig  weit  grösser  und  deutlicher  bei  den 
Jungen  als  bei  den  Erwachsenem   —   An  die  oben  genannten  Quer- 
fortsätze der  Rumpfwirbel  heften  sich  bei  den  meisten  Ganoiden, 
Knochen-  und  Lungenfischen  knöcherne  (oder  theilweise  verknöcherte) 
Rippen;  bei  manchen  Selachiern  sind  knorpelige  Rippen  vorhanden, 
welche   aber  häufig  rudimentär  sind  oder  fehlen.     Bei  manchen 
Knochenfischen  heften  sich  an  die  Rippen  (oder  die  Wirbel)  dünne 
rippenähnliche  Fleisch  gräten,  welche  sich  in  die  Rumpfmuskeln 
hinein  erstrecken  und  denselben  als  Stütze  dienen.    Ein  Brustbein 
fehlt,  und  die  Rippen  treten  nicht  mit  einander  unten  in  der  Mittel- 
linie zusammen.  —  Bei  den  Selachiern  findet  sich  als  Stützapparat 
der  Rücken-  und  Afterflosse  im   Grundtheil   dieser   Flossen  eine 
plattenförmige  Skeletpartie ,  welche  sich  theils  zwischen  die  rechts- 
uud  linksseitigen  Muskelmassen  des  Rumpfes  und  Schwanzes,  theils 
in  den  Grundtheil  der  Flosse  hinein  erstreckt;  jede  dieser  Skelet- 
partien  besteht  aus  einer  Anzahl  knorpeliger  Stücke,  welche  in  ähn- 
licher Weise  wie  das  Skelet  der  Brust-  und  Bauchflossen  angeordnet 
sind.    Bei  den  Ganoiden,  Lungen-  und  Knochenfischen  finden  wir 
statt  dieser  Theile  sogenannte  Flossenträger,  in  der  Regel  dolch- 
förmige  Knochen,  welche  zwischen  die  Muskelmassen  gelagert  sind  und 
sich  durch  Bindegewebe  mit  den  oberen  oder  (an  der  Unterseite  des 
Schwanzes)  den  unteren  Dornfortsätzen  der  Wirbel  verbinden;  die 
Flossenträger,   welche  sich  nicht  in  die  Flosse  hinein  erstrecken, 
tragen  je  einen  beweglich  eingelenkten  Strahl  (zwischen  Strahl  und 
Flossenträger  sind  gewöhnlich  ein  paar  kurze  Knochen  eingeschoben). 


einige  wenige  Wirbel. 


umfasst  die  aufgebogene  Partie  ausser  diesem 


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Wirbelthiere.   2.  Classe:  Fische. 


377 


Die  Schwanzflosse  heftet  sich  direkt  an  die  oberen  und  unteren 
Bögen  der  Wirbel  (diese  Bögen  sind  am  hinteren  Theil  des  Schwanzes 
z.  Th.  von  den  Wirbeln  getrennt). 

Der  Schädel  besteht  bei  den  Cyclostoraen  und  Selachiern  aus- 
schliesslich aus  Knorpel,  welcher  bei  letzterer  Abtheilung  häufig 
an  der  Oberfläche  verkalkt;  bei  den  Knorpelganoiden  ist  der  Schädel 
eine  ähnliche  dickwandige  Knorpelkapsel,  welche  aber  theilweise  mit 
Deckknochen  überkleidet  wird ;  bei  Knochenganoiden,  Lungen-  und 
Knochenfischen  besteht  er  ebenfalls  anfänglich  aus  Knorpel,  welcher 
aber  nicht  allein  von  Deckknochen  überdeckt  wird,  sondern  auch  in 
geringerer  oder  grösserer  Ausdehnung  verknöchert,  d.  h.  durch 
Knochengewebe  ersetzt  wird,  welches  geradezu  den  Platz  des  Knorpels 
einnimmt;  dabei  erhalten  sich  übrigens  immer  Theile  des  letzteren, 
oft  sogar  ansehnliche  Theile,  durch  das  ganze  Leben.  Der  verdickte 
Grundtheil  des  Schädels  liegt  in  der  Fortsetzung  der  Wirbelsäule 
und  umschliesst  das  vordere  Ende  der  Chorda;  hinten,  wo  er  mit 
dem  ersten  Wirbelkörper  zusammentrifft,  ist  er  gewöhnlich  wie  ein 
Wirbelkörper  ausgehöhlt,  und  die  Verbindung  zwischen  dem  Schädel 
und  dem  ersten  Rumpfwirbel  ist  ungefähr  die  gleiche  wie  zwischen 
zwei  Wirbeln;  oft  findet  sich  an  jeder  Seite  des  Hinterhauptsloches 
eine  Gelenkfläche,  welche  einer  ähnlichen  am  1.  Wirbel  entspricht. 
An  den  Seiten  des  Schädels  ist  eine  Aushöhlung,  in  welcher  die  Augen 
ihren  Platz  haben,  oben  von  einer  dachförmigen  Kante  des  Schädels 
überdeckt;  bei  manchen  Knochen  ist  der  Schädel  an  dieser  Stelle, 
zwischen  beiden  Augen,  zu  einer  dünnen  knorpeligen  oder  binde- 
gewebigen Platte  zusammengedrückt,  oberhalb  welcher  die  Schädel- 
höhle sich  als  ein  enger  Kanal  fortsetzt.  Vorne  auf  dem  Schädel 
finden  sich  ein  Paar  kleinere  Vertiefungen  für  die  Geruchsorgano. 

Bei  den  Knochenfischen  —  denen  auch  die  Knochenganoiden  sich  im 
Ganzen  ansch  Hessen  —  ist  der  Schädel  aus  grösseren  oder  kleineren  Knor- 
pelpartien und  einer  Anzahl  getrennter  Knochen  zusammengesetzt.  Von 
den  im  Knorpel  (durch  Verknöcheruug  desselben)  gebildeten  Knochen  fuhren 
wir  an:  ein  unteres,  oberes  und  ein  Paar  seitlicher  Hinterhauptsbeine; 
alle  vier,  oder  nur  ersteres  und  die  beiden  letzteren ,  umgeben  das  Hinter- 
hauptsloch ;  ferner  einige  Knochen  in  der  Umgebung  des  Labyrinths ,  von 
welchen  das  Felsenbein  (Prootieum  od.  Pctrus-nm)  das  wichtigste  ist 
(die  anderen  sind:  Epioticum  und  Ojnsthoticu/n)  \  einige  im  Grundtheil  und 
in  den  Seitentheilen  des  Schädels  vor  der  letztgenannten  Partie  gebildete 
Knochen,  welche  als  Keilbeine  bezeichnet  werden;  eine  Verknöcherung 
oben  auf  jeder  Seite  im  Knorpel  vor  der  Augenhöhlo,  das  Vorderstirn- 
bein (Praefroniale) ,  und  eine  ähnliche  hinter  derselben,  Hinterstirn- 
bein (Postfrontale) ;  eine  Verknöcherung  (oder  zwei)  im  vorderen  Ende  des 
knorpeligen  Schädels,  das  Ethmoi'd.  Von  Deckknochen  sind  folgende 
zu  nennen:  oben  vorne  ein  Paar  Nasenbeine,  dann  ein  Paar  Stirn- 
beine (zuweilen,  z.  B.  beim  Dorsch,  zu  einem  einzigen  vorwachsen),  hinter 
diesen  ein  Paar  Scheitelbeine,  an  der  Seite  der  Scheitelbeine  jederseits 
ein  Schuppenbein  (Sfpianiosum) ;  unten  ein  langer,  platter,  unpaarer 
Knochen,  welcher  den  grössten  Theil  des  Unterrandes  des  Schädels  be- 
deckt, das  Parasphenoi'd,  und  vor  diesem  der  gleichfalls  unpaaro  Vo- 
rn er.  Ausser  den  genannten  können  noch  andere,  aber  weniger  constante 
Knochen  vorhanden  sein.  —  Bei  den  Lungenfischen  findet  man  einen  Theil 
dieser  Knochen,  der  Knorpel  ist  aber  in  grösserer  Ausdehnung  erhalten. 
—  Bei  den  Knorpelganoiden  findet  man ,  wie  vorhin  erwähnt ,  nur  Deck- 


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378 


Specieller  Theil. 


knochen,  darunter  ein  Parasphenoid,  Stirnbeine,  Scheitelbeine  und  mehrere 
kleinere  Knochen  auf  der  Oberseite. 


Fig.  265.  Schädel  eines  Barsches,  A  von  oben,  ß  von  unten.  /  Stirnbein,  2  Vorder- 
stirnbein, 3  Ethmoid,  4  Hinterstirnbein,  5  unteres  Hinterhauptsbein,  6  Parasphenoid,  7  Scheitel- 
bein, 8  oberes  Hinterhauptsbein,  1)  Epioticum,  tü  seitliches  Hinterhauptsbein,  11  Felsenbein, 
12  Schuppenbein,  13  Opisthoticum,  14  Keilbein,  16  Vomer.  —  Nach  Cuvier  u.  Valonciennes. 

Die  Deckknochen  der  Oberseite  des  Kopfes  liegen  bei  manchen  Fischen 
(Stör,  Knochenganoiden ,  vielen  Knochenfischen)  so  oberflächlich,  nur  von 
einer  ganz  dünnen  Bindegewebsschicht  und  von  der  Oberhaut  bedeckt,  dass 
sie  als  Hautknochen  erscheinen;  bei  anderen  ist  die  Bindegewebslage 
an  der  Aussenseite  derselben  dicker,  so  dass  sie  mehr  von  der  Haut  ge- 
sondert sind. 

An  den  Schädel  heften  sich  oder  schliessen  sich  eine  grössere 
Anzahl  Visceralbögen1),  in  der  Regel  7  auf  jeder  Seite,  selten 
mehr  (einzelne  Haie) ;  von  diesen  verbindet  sich  der  vorderste  unten  in 
der  Mittellinie  mit  dem  entsprechenden  der  anderen  Seite,  während 
die  übrigen  sich  unten  mit  einer  Reihe  unpaarer  Knorpel-  oder 
Knochenstücko  (Copulae)  vereinigen.  Der  vorderste  Visceralbögen, 
der  Kiefer  bogen,  besteht  bei  den  Haien  aus  einem  oberen  und 
einem  unteren  knorpeligen  Abschnitt,  von  denen  ersterer,  welcher 
oben  mit  dem  der  anderen  Seite  zusammentrifft,  als  der  Gaumen- 
knorpel (Palatoquatlratum)  oder,  weniger  glücklich,  als  Oberkiefer, 
letzterer  als  der  Unterkiefer  knorpel  bezeichnet  wird;  beide  Ab- 
schnitte sind  durch  ein  Gelenk  mit  einander  verbunden.  Die  Kiefer- 
bögen, welche  die  am  stärksten  entwickelten  Visceralbögen  sind,  sind 
bei  den  Haien  locker  mit  dem  Schädel  verbunden  und  bilden  den 
Mundrahmen  dieser  Thiere.  Der  2.  Visceralbögen,  der  Zungen- 
bein bogen  (Hyoidbogen),  ist  ebenfalls  in  zwei  Stücke  getheilt;  von 
diesen  ist  das  obere  oben  am  Schädel  befestigt  und  mit  seinem 
unteren  Ende  durch  straffes  Bindegewebe  mit  dem  Kieferbogen  ver- 

')  Bei  der  Beschreibung  der  Visceralbögen  sehen  wir  ganz  von  den  stark 
modificirten  und  schwierig  verständlichen  Verhältnissen  bei  den  Cyclostomen  ab. 


ß 


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Wirbelthiere.   2.  Clawe:  Fische. 


379 


bunden.  Die  übrigen  5  (selten  6  oder  7)  Visceralbögen,  die  Kiemen  - 
bögen,  sind  ein  jeder  in  mehrere  Glieder  getheilt  und  an  ihrem 


Fig.  266.  Skizzen  der  Visceralbögen  A  eines  Haies  (schematuich) ,  B  eines 
Störs,  C  eines  Hechts;  beim  letzten  sind  die  Kiemcnbögeu  künstlich  aus  einander  gerückt, 
Zwischen-  und  Oberkicfcrkiioehcn  entfernt.  Erster  Visceralbögen  punktirt,  zweiter  schraffirt. 
brt  —  Ar6  l.~6.  Kienienbogeu  (3. —  8.  Visceralbögen),  d  Dentale,  <j  (Jaumeuknorpcl,  gb  Gaumen- 
bein, h  Zungenbeinbogen,  Am  Hyotnandibulare,  k  l'nterkiefer.  I  Kiechgrubc,  o  Augenhöhle, 
q  Quadratbein,  »  Symplecticum,  r    r"  FlUgelbeine.  —  A — Ii  nach  Ucgcubaur,  geändert;  C'Orig. 

äusseren  Rande  mit  feinen  Knorpelstrahlcn  versehen,  welche  die 
Scheidewände  zwischen  den  Kiemenspalten  stützen  (ähnliche  sind 


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380 


Specieller  Theil. 


auch  am  Zungenbeinbogen  vorhanden).1)  —  Bei  den  Ganoiden, 
Lungen-  und  Knochenfischen  findet  man  ebenfalls  7  Visceral- 
bögen.  Der  obere  Abschnitt  des  Kieferbogens,  der  Gaumen- 
knorpel, trifft  bei  den  Knorpelganoiden  vorne  oben  mit  dem  der 
andern  Seite  zusammen,  während  er  bei  den  übrigen  von  diesem  ge- 
trennt ist.  Dieser  Abschnitt  ist  unten  mit  dem  unteren  Ende  des 
oberen  Theiles  des  Zungenb  einbogens  innig  verbunden,  welcher 
oben  am  Schädel  eingelenkt  ist  und  somit  als  Aufhängeapparat  für 
den  Kieferbogen  dient,  indem  dieser  selbst  keine  solche  direktere 
Verbindung  mit  dem  Schädel  besitzt.  Besonders  ist  die  Verbindung 
der  beiden  genannten  Theile  (des  oberen  Stückes  des  Kiefer-  und  des 
Zungenbeinbogens)  bei  den  Knochenfischen  (und  den  Knochen- 
ganoiden)  sehr  innig;  bei  diesen  bilden  sie  einen  zusammenhängenden 
Abschnitt,  in  welchem  der  Knorpel  grösstentheils  von  Knochenstiicken 
ersetzt  ist,  während  solche  bei  den  Knorpelganoiden  weniger 
entwickelt  sind;  bei  letzteren  ist  auch  die  Verbindung  beider  Theile 
weniger  innig  (über  die  Lungenfische  vergl.  unten).  An  diese  Partie 
heftet  sich  theils  der  Unterkiefer-Knorpel,  welcher  aber  mehr 
oder  weniger  durch  Knochen  ersetzt  und  überdeckt  ist,  theils  der 
untere  Theil  des  Zunge nbeinbogens  (ebenfalls  mehr  oder  weniger 
verknöchert).  Von  den  5,  in  der  Regel  theilweise  verknöcherten  oder 
von  Knochenplatten  überdeckten  Ki emen bögen  ist  der  hinterste 
bei  den  Knochenganoiden  und  den  Knochenfischen  stets  kurz,  indem 
nur  das  unterste  Glied  vorhanden  ist;  letzteres  Knochenpaar,  welches 
in  der  Regel  zahlreiche  Zähne  trägt,  wird  als  unterer  Schlund- 
knochen bezeichnet.  (Obere  Schlundknochen  nennt  man  bei 
denselben  Thieren  das  oberste,  ebenfalls  bezahnte  Glied  einiger  der 
anderen  Kiemenbögen.) 

Bei  den  Knochenfischen  ist  die  obere  Partie  des  Kiefer- 
bogens durch  folgende  Theile  repräsentirt :  unten  und  hinten  durch  das 


Fig.  '267.  Kupfskelct  eines  I)  o  r  s  c  h  c  s.  a  Ethinoid.  b  Nasenbein,  o  Stirnbein,  d  Scheitel- 
bein, e  obere!«  Hinterhauptsbein,  /  da«  oberste  Stück  der  Knochcnreihe,  welche  den  Schulter- 
gllrtel  an  den  Schädel  heftet;  >j  Seitcnlinienknochcn,  h  Vomer,  »  Parasphenoid,  k  Gaumen- 
bein, /  eines  der  FlUgelbcine,  m  Zwischen-,  n  Oberkieferbein,  o  Dentale  des  Unterkiefers, 
p  Quadratbeil),  f  eine»  der  FlUgclbeine,  r  Hyomandibulare,  -  Praeoperculum,  t  Operculum, 
u  Suboperculum,  v  Interoperculum.  —  Nach  Möbius  u.  Heincke. 


')  Die  Rochen  verhalten  sich,  was  die  Vwceralbögen  betrifft,  im  Ganzen  wie 
die  Haie,  der  Zungenbeinbogen  bietet  aber  gewisse  Eigentümlichkeiten  dar,  auf 


r 


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Wirbeltbiere.    2.  Classe:  Fische. 


381 


Quadratbein  ((^utuknlum)  mit  Gelenkfläche  für  den  Unterkiefer,  dann 
durch  mehrere  Knochen,  welche  als  Flügelbeine  (Pterygoiflea)  bezeichnet 
werden,  endlich  vorne  durch  daa  Gaumenbein.  Die  untere  Partie 
des  Kieferbogens  ist  ein  Knorpel,  dessen  obereB  Ende  verknöchert  ist  und  die 
Gelenkfläche  trägt,  während  der  übrige  Theil  sich  als  ein  dünner  Knorpel- 
sträng  (der  lleckel'sche  Knorpel)  erhält,  welcher  von  Deckknochen 
umgeben  ist,  unter  denen  das  grosse  zahntragende  Dentale,  welches  vorne 
mit  dem  der  anderen  Leiste  zusammentrifft,  das  wichtigste  ist.  Der  obere 
Abschnitt  des  Zungenbeinbogens,  welcher  mit  dem  entsprechenden 
Theile  des  Kieferbogens  verwachsen  ist,  wird  durch  zwei  Knochen  repräsen- 
tirt :  das  grosse  am  Schädel  eingelenkte  Hyomandibulare  und  eine 
kleinere  untere  Verknöcherung  (Symplccticmn).  —  Ueber  die  mit  dem 
Zungenbeinbogen  verbundenen  Hautknochen  vergl.  unten  beim  Kiemen- 
apparat. 

Bei  den  Lungenfischen  sind  die  oberen  Partien  des  Kieferbogens 
und  des  Zungenbeinbogens  verwachsen  und  theilweise  verknöchert  —  es 
besteht  dort  also  insofern  wesentlich  dasselbe  Verhältniss  wie  bei  den 
Knochenfischen ;  der  so  gebildete  Abschnitt  ist  aber  dabei  mit  dem  Schädel 
unbeweglich  verbunden. 

Von  den  Visceralbögen  unabhängig  sind  bei  den  Knochen- 
gan oi den  und  den  Knochenfischen  vorne  am  Kopf  jederseits 
zwei  Hautknochen,  das  Zwischen-  und  das  Oberkieferbein, 
entwickelt,  von  denen  letzteres  (welches  zuweilen  durch  mehrere  ge- 
trennte Knochenstücke  vertreten  ist)  hinter  oder  hinten  und  innen 
von  ersterem  seinen  Platz  bat ;  die  beiden  Zwischenkiefer  sind  in  der 
Mittellinie  mit  einander  verbunden.  Zwischen-  und  Oberkieferbeine 
sind  gewöhnlich  ziemlich  locker  mit  dem  vordersten  Theil  des  Schädels 
verbunden  und  bilden  den  oberen  Band  des  Mundrahmens,  während 
die  um  den  Unterkieferknochen -Knorpel  liegenden  Knochen  den 
unteren  bilden. 

Der  Schultergürtel  ist  bei  den  Selac Iiiern  ein  unpaarer 
(zuweilen  in  zwei  Stücke  getrennter)  Knorpelbogen,  welcher  hinter 
den  KiemenbÖgen  Hegt  und  sich  an  den  Seiten  des  Körpers  hinauf 
erstreckt.  Bei  den  Öanoiden  und  Knochenfischen  ist  der 
Gürtel  stets  in  zwei  Hälften  getheilt,  eine  auf  jeder  Seite  des  Körpers, 
und  es  knüpft  sich  bei  diesen  an  den  Schultergürtel  auf  jeder  Seite 
eine  Reihe  von  Hautknochen,  von  welchen  der  grösste,  ein  länglicher, 
abgeplatteter,  etwas  gebogener  Knochen,  als  Schlüsselbein  (Cla- 
vicula)  bezeichnet  wird ;  mit  ihrem  oberen  Ende  heftet  diese  Knochen- 
reihe sich  an  den  hinteren  Theil  des  Schädels.  Bei  den  Knorpel- 
ganoiden  ist  der  knorpelige  Schultergürtel  trotz  des  Vorhandenseins 
der  genannten  Hautknochen  immerhin  sehr  wohl  entwickelt,  bei  den 
Knochenganoiden  und  den  Knochenfischen  ist  der  ursprüngliche  Theil 
des  Schultergürtels  dagegen  in  der  Regel  sehr  an  Umfang*  reducirt 
und  nur  durch  eine  kleine  Platte  jederseits  vertreten,  welche  sich  an 
das  Schlüsselbein  heftet;  in  dieser  Platte  findet  man  bei  den  Knochen- 
fischen zwei  Verknöcherungen,  welche  als  Schulterblatt  und 
Coracoid  bezeichnet  werden.  Bei  den  Lungenfischen  bestehen  ähn- 
liche Verhältnisse  wie  bei  den  Knorpelganoiden.  —  Das  Skelet  der 

welche  hier  nicht  näher  eingegangen  werden  kann.  —  Bei  manchen  Haien  finden 
sich  vorne  dicht  am  Kieferbogen  auf  jeder  Seite  zwei  schwach  entwickelte  Knorpel- 
bögen  (die  Lippenknorpel),  welche  vielleicht  als  rudimentäre  vorderste  Visceralbögen 
aufzufassen  sind. 


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382 


Specieller  Theil. 


Vordergliedmaas se n  wird  bei  den  Selachiern  aus  einer 
grösseren  Anzahl  plattenförmig  angeordneter  Knorpel  gebildet.  Am 
Grunde  der  Gliedmaasse  finden  sich  drei  grössere  Knorpelstücke. 


Fig  "268.  Schultergurtel  ui.it  YnrderextremitUt  eine«  Dar  »dies.  a\  a't 
b,  c  Haut-  oder  Deckknochen  (i  Schlu«*elbein),  e,  /  der  eigentliche  Schultergurtel  (r  Schulter- 
blatt, /  Coracoid),  g  Kadien,  h  Flossenstrahlen. 


welche  am  Schultergürtel  eingelenkt  sind,  und  an  deren  Rand  sich 
eine  grössere  Anzahl  gegliederter  Knorpelstrahlen,   die  Radien , 

A  B  C  D 


Grösstenteils  nach  Gegenbaur. 


heften,  welche  bei  den  Haien  dicht  neben  einander  liegen.  Bei  den 
Ganoiden  ist  dieses  Skelet  an  Umfang  reducirt,  die  Radien  sind 
kürzer,  die  grossen  Knorpel  meistens  weniger  entwickelt  oder  fehlen 


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Wirbelthiere.   2.  Claase:  Fische. 


383 


zum  Theil ;  dabei  findet  oft  eine  Verknöcherung  gewisser  Theile  statt. 
Bei  den  Knochenfischen  ist  der  vom  ursprünglichen  Skelet  ge- 
stützte Theil  der  Gliedmaasse  meistens  sehr  klein,  der  Flossensaum 
ganz  überwiegend;  die  grossen  Knorpel  fehlen,  und  die  Radien  sind 
kurz  und  in  geringer  Anzahl  vorhanden.  Letztere  sind  bei  den 
Knochenfischen  wesentlich  nur  durch  eine  Querreihe  von  vier  (oder 
drei)  theilweise  verknöcherten,  kurzen  Stücken  (früher  fälschlich  als 
„Handwurzelknochen"  bezeichnet)  vertreten,  welche  die  Brustflosse 
mit  dem  Schultergürtel  verbinden;  ausserhalb  derselben  können  noch 
einige  kleine  kurze  Knorpelstücke  vorhanden  sein.  —  Sehr  abweichend 
verhalten  sich  die  Lungenfische,  bei  denen  durch  die  Mitte  der 
langgestreckten  Vordergliedmaassen  ein  langer  gegliederter  Knorpel- 
stamm verläuft,  welcher  bei  der  Gatt.  Oeratodus  zwei  Reihen,  bei 
Protopterus  nur  eine  Reihe,  knorpeliger  gegliederter  Radien  trägt 
(bei  Lepidosiren  fehlen  die  Radien  ganz). 

Das  Becken,  welches  bei  den  Fischen  nicht  mit  der  Wirbel- 
säule verbunden  ist,  ist  bei  den  Selachiern  ein  unpaares,  querliegendes 
Knorpelstück  an  der  Bauchseite  des  Thieres.  Auch  bei  den  Lungen- 
fischen ist  es  eine  ungetheilte  Knorpelplatte.  Bei  den  Ganoiden  und 
Knochenfischen  ist  das  Becken,  welches  bei  letzteren  und  bei  den 
Knochenganoiden  ganz  oder  theilweise  verknöchert,  in  zwei  zusammen- 
stossen  de  Hälften  getheilt.  —  Die  Hintergliedmaassen  schliessen 
sich  durchweg  in  ihrem  Bau  eng  an  die  Vordergliedmaassen  an :  bei 
den  Selachiern  finden  sich  an  der  Basis  zwei  grosse  Knorpelstücke, 
welche  mit  Radien  besetzt  sind;  bei  den  Ganoiden  sind  die  grossen 
Knorpelstücke  rückgebildet  oder  fehlen;  letzteres  ist  auch  bei  den 
Knochenfischen  der  Fall,  bei  denen  das  eigentliche  Hintergliedmaassen- 
skelet  durch  weuige  kurze  Radien  repräsentirt  wird  (es  ist  noch  ge- 
ringer als  in  den  Vordergliedmaassen  entwickelt).  Auch  bei  Lungen- 
fischen bieten  die  Hintergliedmaassen  wesentlich  dieselben  Verhält- 
nisse dar  wie  die  Vordergliedmaassen. 

Das  Muskelsystem  zeichnet  sich  durch  die  geringe  Entwick- 
lung aus,  welche  in  der  Regel  die  Gliedmaassenmuskeln  erreichen, 
im  Gegensatz  zur  mächtig  entwickelten  Rumpf -Schwanz- Muskulatur, 
welche  in  Form  von  vier  grossen  Muskelmassen,  zwei  an  jeder  Seite, 
sich  am  Körper  entlang  erstrecken.  Jeder  dieser  grossen  Muskeln 
zerfällt  durch  dünne  bindegewebige  Querscheidewände  in  eine  Reihe 
kurzer,  den  Wirbeln  an  Zahl  entsprechender  Abschnitte  (Myomeren); 
im  dorsalen  Muskel  und  in  demjenigen  Theil  des  ventralen,  welcher 
dem  Schwanz  angehört,  sind  diese  Querscheidewände  in  eigentüm- 
licher Weise  geknickt. 

Bei  einer  kleineren  Anzahl  Fische  (Zitterrochen,  -weis,  -aal) 
findet  man  elektrische  Organe,  welche  Elektricität  erzeugen  und 
dieselbe  unter  dem  Einfluss  des  Nervensystems  entladen  können. 
Diese  Organe  sind  aus  kleinen,  durch  Bindegewebe  getrennten  Säulen 
zusammengesetzt,  und  jede  Säule  ist  wiederum  durch  Querscheide- 
wände in  eine  Menge  von  Räumen  getheilt;  in  jedem  Raum  findet 
sich  eine  elektrische  Platte  (von  homogenem  Aussehen,  enthält  ver- 
ästelte Zellen),  zu  welcher  ein  Nerv  geht,  ein  Ast  der  grossen  Nerven, 
welche  das  Organ  versorgen.  In  welcher  Weise  die  Elektricität  in 
diesem  gebildet  wird,  ist  unbekannt. 

Das  Gehirn  ist  bei  den  Fischen  von  geringem  Umfang  und 
füllt  bei  Weitem  nicht  die  Gehirnhöhle  aus;   diese  ist  wesentlich 


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Specieller  Theil. 


von  der  äuBsersten  der  das  Gehirn  umgebenden  Häute  (der  Dura) 
ausgefüllt,  welche  eine  sehr  bedeutende  Dicke  erreicht  und  haupt- 
sächlich aus  meistens  sehr  fettzellenreichem  Gallertgewebe  besteht. 
Die  Riechkolben  sind  gewöhnlich  gross  und  oft  von  bedeutender 
Länge,  indem  das  Geruchsorgan  vorne  weit  von  der  Hauptmasse  des 
Gehirns  entfernt  liegt.  Bei  manchen  Knochenfischen  ist  das  Vorder- 
hirn von  sehr  geringer  Grösse,  kleiner  als  das  Mittelhira;  dagegen 
ist  das  Hinterhirn  in  der  Regel  recht  wohlentwickelt. 

Die  Riech organe  erscheinen  im  Allgemeinen  bei  den  Fischen 
als  ein  Paar  grubenförmige  Vertiefungen  am  vorderen  Ende  des 
Kopfes;  die  Schleimhaut  dieser  Gruben  ist  gewöhnlich  radiär  gefaltet. 
Die  Oeffnung  jeder  Grube  ist  bei  manchen  (einigen  Knochenfischen, 
Selachiern)  ganz  einfach ;  bei  andern  geht  von  der  einen  Seite  des 
Grubenrandes  zur  anderen  querüber  eine  schmälere  oder  breitere 
Hautbrücke,  welche  die  Oeffnung  in  zwei  theilt,  eine  vordere  und  eine 
hintere  Nasenöffnung,  von  welchen  ersterc  nicht  selten  zu  einer  kleinen 
Röhre  ausgezogen  sein  kann;  bei  manchen  Selachiern  ist  die  Haut- 
brücke nur  durch  einen  von  der  einen  Seite  entspringenden  Lappen 
repräsentirt,  welcher  sich  über  die  Oeffnung  legt,  ohne  an  der  andern 
Seite  festgewachsen  zu  sein.  —  Bei  den  Lungenfischen  findet  man 
die  Eigentümlichkeit,  dass  beide  Nasenöffnuugen  innerhalb  des  oberen 
Mundrandes  liegen.  —  Bei  den  Cyclostomen  sind  beide  Riech- 
gruben zu  einem  tiefen  unpaaren  röhrenförmigen  Sack  vereinigt, 
dessen  Boden  der  oberen  Wand  der  Mundhöhle  nahe  liegt,  .ja  beim 
Schleimfisch  (Myxine)  durchbohrt  das  Organ  sogar  die  Decke  der 
Mundhöhle  und  stellt  eine  an  beiden  Enden  offene  Röhre  dar.  welche 
die  Mundhöhle  mit  der  Oberfläche  verbindet. 

Geschmacksknospen  kommen,  wie  früher  (S.  350)  erwähnt, 
bei  manchen  Fischen  (Knochenfischen)  nicht  allein  in  der  Mundhöhle, 
sondern  auch  an  der  Körperoberfläche  vor. 

Mit  der  Haut  der  Fische  ist  eine  Gruppe  eigenthümlicher  Sinnes- 
organe verbunden,  welche  eine  nicht  geringe  Aehnlichkeit  mit  Ge- 
schmacksknospen besitzen,  indem  sie  aus 
Zellengruppen,  modificirten  Theilen  der 
Oberhaut  bestehen ,  welche  stiftchen- 
tragende  Sinneszellen  enthalten,  die  je- 
doch von  anderer  Form  sind  als  die  der 
Geschmacksknospen.  Diese  Zellengrup- 
pen, Sinneshügel,  an  welche  Nerven 
hinantreten,  sitzen  zum  Theil  frei  an  der 
Körperoberfläche  (z.  B.  bei  den  meisten 
Knochenfischen),  in  welchem  Falle  sie 
manchmal  eine  schornsteinartige  Röhre 
(ein  cuticulares  Gebilde)  tragen,  welche 
die  Stiftchen  umgiebt  und  schützt  (Fig. 
270,  r).  In  anderen  Fällen  sind  diejenigen 
Hautpartien,  denen  sie  angehören,  zu  klei- 
nen Säcken  mit  einer  äusseren  Oeffnung 
eingesenkt  (Ganoiden),  oder  die  Säcke 
sind  zu  langen  schleimgefuHten  Röhren 

Geworden,  welche  sich  unterhalb  der  Haut  hinziehen  und  am  einen 
Inde  mit  einer  Erweiterung  versehen  sind,  in  welcher  die  Sinnes- 
zellen sitzen,  während  das  andere  Ende  sich  an  der  Oberfläche 


n 


Fig.  270.  Sinnenhügcl  eines 
jungen  Knochenfisches,  r  die  Köhre, 
•  Sinne.tzellen.  —  Nach  F.  F..  Schnitze. 


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Wirbelthiere.   2.  Classe:  Fische. 


385 


öffnet  (am  Kopf  der  Selachier).  Ferner  kommen  die  genannten 
Sinne8zellen-Gruppen  in  der  bei  den  meisten  Fischen  vorhandenen 
sogenannten  Seitenlinie  vor.  Die  Seitenlinie  ist  eine  enge 
Röhre  (eine  Einfaltung  der  Haut),  welche  sich  dicht  unter  der 
Oberfläche  längs  jeder  Seite  des  Körpers  erstreckt  und  sich  auf  dem 
Kopfe  gewöhnlich  in  mehrere  Aeste  theilt,  von  denen  einer  quer 
über  den  Scheitel  zieht,  ein  anderer  oberhalb  des  Auges,  ein  dritter 
unterhalb  des  Auges,  beide  nach  der  Schnauzenspitze,  ein  vierter  am 
Unterkiefer  entlang  verläuft.  Die  Seitenlinie,  welche  mit  Nerven 
reichlich  versehen  wird,  steht  durch  zahlreiche  OefFnungen  mit  der 
Oberfläche  in  Verbindung  (bei  einigen  ist  sie  sogar  theilweise  eine 
offene  Rinne);  bei  manchen  Knochenfischen  läuft  sie  längs  der  Seite 
des  Rumpfes  und  Schwanzes  durch  eine  Reihe  von  Schuppen,  welche 
entsprechend  von  je  einem  Loch  durchbohrt  sind  *) ;  am  Kopfe  wird 
sie  theils  von  besonderen  röhrenförmigen  Hautknochen  umschlossen, 
von  welchen  z.  B.  gewöhnlich  eine  Reihe  unterhalb  des  Auges  sich 
findet  (Fig.  267 #),  theils  von  oberflächlichen  Partien  der  Kopfknochen 
umgeben. 

Die  Augen  der  Fische  sind  in  der  Regel  verhältnissmässig  gross; 
sie  besitzen  eine  abgeplattete  Hornhaut,  so  dass  der  Augapfel  be- 
deutend von  der  Kugelform  abweicht.  —  Bewegliche  Augenlider 
fehlen;  manchmal  ist  aber  das  Auge  von  einer  niedrigen  Kreisfalte 
umgeben,  und  bei  einigen  sind  grössere,  aber  unbewegliche  Haut- 
falten  an  den  Augen  vorhanden;  bei  der  Makrele  und  dem  Häring 
findet  man  z.  B.  vor  und  hinter  dem  Auge  eine  durchsichtige  Haut- 
falte, welche  dasselbe  theilweise  überdeckt.  Bei  gewissen  Haien  ist 
eine  Nickhaut  vorhanden,  welche  durch  einen  besonderen  Muskel 
vor  das  Auge  hin  gezogen  wird. 

Die  Sehnenhaut  besteht  in  der  Regel  zu  äusserst  aus  einer  Binde- 
gewebsschicht ,  innen  aus  einer  Knorpelschicht  von  verschiedener  Dicke 
(sehr  dick  z.  B.  beim  Stör) ;  bei  den  Knochenfischen  ist  der  Knorpel  ge- 
wöhnlich der  Hornhaut  zunächst  theilweise  durch  zwei  Knochenplatten  er- 
setzt, welche  zuweilen  eine  ansehnliche  Entwicklung  erreichen  und  sich  zu 
einem  Ring  vereinigen  können.  Die  Gefässhaut  ist  aus  mehreren  Schichten 
zusammengesetzt;  zu  äusserst  findet  sich  die  gewöhnlich  silberglänzende 
Tunica  aryentea,  eine  dünne  Bindegewebsschicht  mit  zahlreichen  eingelager- 
ten Krystallen:  bei  Selachiern  und  Knorpelganoiden  ist  in  der  Gefässhaut 
eine  bei  den  anderen  fehlende  Schicht  vorhanden ,  das  sogenannte  T  a  p  e  - 
tum,  ein  das  Licht  reflectirendes,  aus  krystallgefüllten  Zellen  bestehendes 
Häutchen.  Bei  den  Knochenfischen  findet  sich  in  der  Gefässhaut  gewöhnlich 
eine  sogenannte  Chorioidealdrüse,  ein  grosses  hufeisenförmiges  Wun- 
dernetz in  der  Nähe  des  Sehnerven;  die  Knochenfische  besitzen  gewöhnlich 
auch  einen  Processus  falciformis,  eine  niedrige  Falte  der  Gefässhaut,  welche 
längs  der  Innenseite  des  Augapfels  von  der  Eintrittsstelle  der  Sohnerven 
zur  Linse  verläuft. 

Das  Gehörorgan  (Fig.  250)  ist  nur  durch  das  häutige  Labyrinth 
repräsentirt,  welches  in  die  Schädelwand  eingeschlossen  ist;  nach  innen, 
gegen  die  Schädelhöhle  zu,  ist  das  Labyrinth  oft  nicht  völlig  von 
Knorpel  oder  Knochen  umschlossen,  sondern  blos  durch  Bindegewebe 


*)  Dies  ist  naturlich  in  der  Weise  zu  verstehen,  dass  die  betreffenden  Schuppen 
sich  nach  der  Anlage  der  Röhre  in  der  Umgebung  der  letzteren  gebildet  haben. 

Bon,  Zoologe.  25 


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3sr, 


Specieller  Theil. 


von  der  Schädelhühle  getrennt.  Bei  gewissen  Selachiern  steht  der 
Hohlraum  des  Labyrinths  durch  einen  au  der  Oberfläche  des  Kopfes 
mündenden  Kanal  (Ductus  endolymphaticus)  mit  der  Aussenwelt  in 
offener  Verbindung ;  bei  anderen  ist  der  Kanal  zwar  vorhanden,  aber 
an  seinem  äusseren  Ende  geschlossen,  ßei  den  Knochenfischen  findet 
sich  im  Sacculus  ein  grosser  porzellanartiger,  abgeplatteter  Hör  stein, 
in  einer  Ausstülpung  des  Sacculus  ein  kleinerer,  ferner  ein  dritter  im 
vordersten  Theil  des  Utriculus.  Bei  den  Selachiern  und  den  Knorpel- 
ganoiden  sind  sie  durch  Ballen  feiner  Krystalle  ersetzt. 

In  einer  rückgebildeten  Gestalt  erscheint  das  Labyrinth  bei  den  Cyclo« 
stomen  mit  einem  oder  zwei  Bogengängen  —  ein  unter  den  Wirbelthieren 
einzig  dastehender  Fall. 

Die  Mundhöhle  der  Fische  ist  in  der  Regel  mit  Zähnen  aus- 
gestattet, welche  bei  den  Selachiern  ')  am  Gaumen-  (Oberkiefer-)  und 
Unterkiefer-Knorpel,  bei  den  Knochenganoiden  und  den  Knochen- 
fischen auf  einer  Menge  verschiedener  Knochen  angebracht  sind:  auf 
den  Zwischen-,  Ober-  und  Unterkieferknochen,  den  Gaumen-  und 
Flügelbeinen,  den  Kiemenbögen  (besonders  den  unteren  und  oberen 
Schlundknochen),  den  Copulae  des  Visceralskeletes  und  dem  Vomer; 
Übrigens  können  sie  auf  dem  einen  oder  anderen  dieser  Knochen  fehlen. 
Die  Zähne  haben  ziemlich  verschiedene  Formen:  am  häufigsten  sind 
sie  spitz,  kegelförmig,  schwach  gebogen,  kräftiger  oder  schwächer ;  in 
anderen  Fällen  sind  es  niedrige,  gewölbte  Mahlzähne  (Rochen,  gewisse 
Knochenfische),  oder  sie  sind  zusammengedrückt,  dreikantig  (Haie), 
oder  meisselartig,  den  Schneidezähnen  des  Menschen  ähnlich  (gewisse 
Knochenfische),  etc.  Die  Zähne  sind  sehr  oft  ungeheuer  zahlreich, 
bedecken  rasenförmig  oder  —  wenn  es  Höckerzähne  sind  —  pflaster- 
artig die  Knochen ;  an  den  Kieferknochen  ist  jedoch  häufig  nur  eine 
Reihe  Zähne  (oder  eine  Reihe  grösserer  Zähne  ausser  kleineren)  vor- 
handen. Die  Zähne  sind  entweder  durch  Bindegewebe  am  unter- 
liegenden Knorpel  oder  Knochen  befestigt  und  dann  oft  etwas  be- 
weglich, oder  sie  sind  mit  dem  Knochen  durch  einen  knöchernen  Zahn- 
sockel verbunden.  Sie  werden  immer  das  ganze  Leben  hindurch  erneuert ; 
die  alten  Zähne  fallen  aus,  indem  die  Verbindung  zwischen  ihnen 
und  dem  Knorpel  oder  Knochen  sich  lockert;  ist  ein  Zahnsockel  vor- 
handen, so  wird  dieser  aufgelöst.  Die  gewöhnlichen  kegelförmigen 
Fischzähne  haben  wesentlich  die  Aufgabe,  die  Beute  festzuhalten,  und 
sind  deshalb  mit  der  Spitze  nach  hinten  und  innen  gerichtet ;  sind  sie 
beweglich,  so  kann  die  Spitze  auch  blos  nach  dieser  Richtung  bewegt 
werden.  Diejenigen  Zähne,  welche  andere  Formen  haben,  werden  zum 
Abbeissen  oder  Zerkleinern  der  Nahrung  verwendet. 

Die  Speiseröhre  ist  so  kurz  und  weit,  dass  die  Mundhöhle  fast 
direkt  in  den  Magen  übergeht.  In  den  vordersten  Theil  des  Dünndarms, 
dicht  am  Magen,  mündet  bei  manchen  Knochenfischen  eine  verschiedene 
Anzahl  (1,  2,  3...  bis  ein  paar  hundert)  kurzer  Blinddärme,  die 
Pförtneranhänge  (Appendices  pyloricae);  sie  sind  drüsiger  Natur. 
Bei  den  Cyclostomen,  Selachiern  und  Ganoiden  findet  sich  im  Dünn- 
darm eine  grosse,  stark  vorspringende  Falte,  welche  in  einer  Spiral- 
linie an  der  Innenseite  des  Darmes  entspringt  und  die  Höhlung  des 


')  Ausser  den  wohlentwickelten  Zähnen  an  den  Kiefern  besitzen  die  Selachier 
oftmals  noch  zahlreiche  Behr  kleine  Zähne  an  anderen  Stellen  der  Mundhöhlenwand 
(an  der  oberen  und  unteren  Wand  der  Mundhöhle  und  an  den  Kiemenbögen). 


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Wirbelthiere.   2.  Clause:  Fische. 


387 


Darmes  zum  grossen  Theil  ausfüllt:  die  Sp i r al f al te ') ;  sie  fehlt 
bei  den  Knochenfischen.    Der  Enddarm  ist  ein  ganz  kurzer  Schlauch. 

Bei  einigen  Fischen  findet  man  —  was  bei  den  hoher  stehenden 
Wirbelthieren  nie  der  Fall  ist  — ,  dass  der  After  nicht  an  der  Grenze  von 


Fig.  271.    Bin  Fisch  mit  k  e  h  1  n  t  il  n  d  i  gern  A  ft  er  (Stmtarchua  ciirvirontrii).    A  von 
der  Seite,  Ii  vorderer  Theil  von  unten,    u  After,  u  Mund.        Nach  Boulcnger. 

Rumpf  und  8chwanz  liegt,  sondern  nach  vorn  gerückt  ist,  zuweilen  sogar 
bis  an  den  Kopf  heran  („After  kehlständig").  Die  Afterflosse  folgt  in 
solchen  Fällen  dem  After  und  nimmt  wie  gewöhnlich  dicht  hinter  demselben 
ihren  Anfang. 

Der  Kiemenapparat.  Die  Mundhöhle  ist  bei  den  Selachiern 
hinten  jederseits  von  5  (selten  6  oder  7)  grossen  schrägen  Spalten 
durchbrochen,  welche  dicht  auf  einander  folgen  und  durch  senkrechte 
coulissenartige  Platten  getrennt  sind;  in  jeder  Coulisse  liegt  in  dem 
inneren,  der  Mundhöhle  zugewandten  Rande  ein  Kiemenbogen,  während 
der  übrige  Theil  derselben  durch  die  von  letzterem  entspringenden 
Knorpelstrahlen  (vergl.  S.  379)  ausgespannt  wird.  Von  den  Spalten 
oder  Kiementaschen,  deren  äussere  OefFnung  häufig  kleiner  ist 
als  die  innere,  liegt  die  vorderste  zwischen  dem  Zungenbeinbogen  und 
dem  1.  Kiemenbogen;  die  folgenden  zwischen  dem  1.  und  2..  resp. 
2.  und  3.,  3.  und  4.,  4.  und  5.  Kiemenbogen.  Sowohl  an  der  Vorder- 
ais an  der  Hinterwand  —  in  der  letzten  Kiementasche  jedoch  nur 
auf  der  Vorderwand  —  findet  sich  eine  senkrechte  Reihe  platter, 
wagerecht,  eine  über  der  anderen,  stehender  Hautfalten,  Kiemen- 
blättchen;  von  solchen  besitzen  die  Selachier  also  in  der  Regel 
jederseits  9  Reihen :  die  erste  sitzt  an  der  Hinterseite  des  Zungenbein- 
bogens, die  übrigen  acht  an  der  Vorder-  und  Hinterseite  der  vier  ersten 
Kiemenbogen.  Jedes  Kiemenblatt  ist  wieder  mit  feineren  Querfalten 
versehen.  Ausser  den  genannten  5  Kiementaschen  findet  sich  noch 
bei  manchen  Selachiern  eine  vorderste  röhrenförmige  Kiementasche 
zwischen  den  obersten  Theilen  des  Zungenbeinbogens  und  des  Kiefer- 
bogens, das  Spritzloch,  in  welchem  eine  rudimentäre  Kiemenblattreihe 
vorhanden  sein  kann :  das  Spritzloch  mündet  mit  einer  verhältnissmässig 
kleinen  Oeffnung  auf  der  Oberfläche  des  Kopfes.  —  Die  Cyclostomen 
schliessen  sich  in  der  Hauptsache  an  die  Selachier  an;  die  Kiemen- 
taschen sind  aber  bei  ihnen  röhrenförmig,  in  der  Mitte  angeschwollen ; 
sowohl  die  äussere  als  die  innere  Oeffnung  ziemlich  klein;  die  Kiemen- 
blätter sitzen  in  dem  erweiterten  Abschnitte.  —  Die  Verhältnisse  des 


')  Ausnahmsweise  —  bei  gewissen  Haien  —  entspringt  die  Falte,  welche  dann 
ein  breites,  papierrollenartig  zusammengerolltes  Blatt  ist,  in  einer  ungefähr  geraden 
Linie  an  der  Wand  des  Darmes. 

26* 


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388 


Speeieller  Theil. 


Kiemenapparates  bei  den  Granoiden,  Lungen-  und  Knochen- 
fischen lassen  sich  von  denen  der  Selachier  ableiten.    Bei  diesen 


Fig.  272.  Wagerechter  Schnitt 
durch  den  Kopf  eines  Haies 
(Aatnthias),  «chematisirt*  Die 
Visceralbogen  sind  punktirt,  die 
Kiemenblattchen  schraffirt.  hrt, 
brs,  brs  erster,  dritter,  fünfter 
Kietnenbogen ;  <r  Couliase;  y 
oberer  Abschnitt  des  ersten  Vi<- 
ceralbogens  (Gaumeuknorpel) : 
h  Zungenbeinbogen,  k  Leibes- 
wand, l  Leibesböhle,  m  Mund- 
höhle, ii  Kiechgrobe,  oe  Speise 
röhre,  »  Stäbchen  am  Innen* 
rande  der  Kiemenbogen  (Seih- 
apparat);  *p,  erste,  sys  fünfte 
Kiemenspalte.  —  Ürig. 


Fig.  273.  Wagerechter  Schnitt 
durch  den  Kopf  eines  Kno- 
chenfisches (Dorsch),  ober- 
halb der  Mundöflnung;  etwas 
schematisirt.  Buchstaben  wie  in 
Fig.  272,  mit  Ausnahme  von : 
g  oberer  Abschnitt  des  ersten 
Visceralbogen»  (hier  knöchern), 
op  Kiemendeckel,  Sp  äussere 
Oefihung  de 
Orig. 


Gruppen  sind  alle  5  äusseren  Kiemenspaltenöffnungen  überdeckt  von 
einer  von  Knochenplatten  und  -Stäben  gestützten  mächtigen  Hautfalte, 


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Wirbelthiere.   2.  Clause:  Fische. 


389 


dem  Kiemendeckel,  welcher  vom  Zungenbeinbogen  entspringt  und 
sich  über  dieselben  hin  erstreckt.  Dabei  sind  die  Couiissen  zwischen 
den  Kiemenspalten  schmäler  geworden,  besonders  bei  den  Knochen- 
fischen. Während  es  bei  den  Selachiern  breite  Platten  sind,  welche 
von  den  Kiemenblättern  nicht  völlig  bedeckt  sind,  so  dass  nach  aussen 
ein  freier  Saum  bleibt,  fehlt  ein  solcher  bei  den  genannten  Gruppen, 
und  das  äussere  Ende  der  Kiemenblättchen  ragt  mehr  oder  weniger  weit 
über  den  Aussenrand  der  Coulisse  hinaus,  am  meisten  bei  den  Knochen- 

A  B  C  D  E 


Fig.  274.  Querschnitte  eines  Kiemenbogens  verschiedener  Fische:  A  Hai,  B 
Chimaera  (vergl.  S.  400),  C  Stör,  D — E  verschiedene  Knochenfische;  schematisirt. 
b  Kiemenbogen,  c Coulisse,  «Stäbchen  (des  Seihapparates).  Kiemenblättchen  schrafflrt.  —  Orig. 

fischen,  deren  schmale  zugespitzte  Kiemenblättchen  meist  mit  kurzer 
Basis  von  der  sehr  reducirten  Coulisse  entspringen.  Bei  diesen  Gruppen 
werden  die  beiden  zu  einem  Kiemenbogen  gehörigen  Kiemenblattreihen 
als  eine  Kieme  bezeichnet  (von  solchen  haben  wir  also  jederseits  4) ; 
den  innerhalb  des  Kiemendeckels  befindlichen  Raum,  in  welchen  die 
Kiemenblätter  hineinragen,  nennt  man  die  Kiemenhöhle.  Bei 
Ganoiden  und  Lungenfischen  ist  oft  noch  die  Kiemenblattreihe  an 
der  Hinterseite  des  Zungenbeinbogens  (Innenseite  des  Kiemendeckels), 
Opercularkieme,  vorhanden,  während  dieselbe  bei  den  Knochen- 
fischen rudimentär  ist  oder  fehlt ;  beim  Stör  und  Bischir  hat  sich  das 
Spritzloch  erhalten. 

Der  Kiemendeckel  enthält  platten-  and  stabförmige  Hautknochen, 
welche  sich  an  den  Zungenbeinbogen  heften.  Bei  den  Knochenfischen  liegt 
am  Hinterrande  der  oberen  Partie  des  Zungenbeinbogens  entlang  ein  läng- 
licher Knochen,  Praeoj)erculum ,  hinter  diesem  finden  sich  drei  grosse 
plattenformige  Knochen:  Operculum  (der  grösste),  Suboperculum  und  Inter- 
oj>erculnm ,  und  vom  unteren  Theile  des  Zungenbeinbogens  entspringt  eine 
Reihe  dünner,  gebogener  Knochen,  die  Kiemenhautstrahlen,  welche  in 
den  unteren  häutigen  Theil  des  Kiemendeckels  eingelagert  sind.  —  Die  äussere 
Oeffnung  der  Kiemenhöhle  ist  im  Allgemeinen  eine  sehr  grosse  Spalte,  bei 
einigen  Fischen  (z.  B.  dem  Aal)  veswächst  aber  der  Hinterrand  des  Kiemen- 
deckels in  so  grosser  Ausdehnung  mit  dem  Körper,  dass  nur  eine  kleine 
seitliche  Oeffnung  übrig  bleibt. 


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390 


Specieller  Theil. 


DieErneuerung  des  Athemwassers  in  den  Kiementaschen  oder 
der  Kiemenhöhle  findet  in  folgender  Weise  statt:  das  Wasser  wird 
durch  den  Mund  in  die  Mundhöhle  aufgenommen ,  darauf  wird  die 
Mundöffnung  geschlossen,  die  Zunge  gehoben  und  der  Kiemendeckel 
einwärts  gepresst  und  so  das  Wasser  durch  die  Kiemenspalten,  über 
die  Kiemenblättchen  hin,  getrieben.  —  Am  inneren  Rand  der  Kiemen- 
bögen  findet  sich  ein  mehr  oder  weniger  entwickelter  Seih-Apparat, 
der  die  Aufgabe  hat,  zu  verhindern,  dass  feste  Theile,  welche  mit 
dem  Wasser  in  die  Mundhöhle  eindringen,  auch  in  die  Kiementaschen 
oder  in  die  Kiemenhöhle  gerathen.  Bei  den  Selachiern,  den  Lungen- 
fischen und  den  Knorpelganoiden  ist  dieser  Apparat  meist  durch  eine 
doppelte  (am  Zungenbeinbogen  und  am  letzten  Kiemenbogen  eine  ein- 
zelne) Reihe  knorpeliger  Stäbchen  am  inneren  Rand  der  Kiemenbogen 
repräsentirt ;  die  Stäbchen  der  vorderen  Reihe  an  jedem  Bogen  greifen 
zwischen  diejenigen  der  hinteren  des  vorangehenden  Bogens  ein.  Bei 
den  Knochenfischen  sind  dieselben  durch  knöcherne,  oft  zahntragende 
Auswüchse  ersetzt,  von  welchen  die  der  vordersten  Reihe  des  1.  Kiemen- 
bogens  oft  sehr  lange  Stäbe  sind,  um  die  Spalte  zwischen  dem  1.  Kiemen- 
bögen und  dem  Zungenbeinbogen,  welch  letzterem  derartige  Auswüchse 
abgehen,  überdecken  zu  können;  übrigens  ist  der  Seih-Apparat  bei 
verschiedenen  Knochenfischen  in  sehr  verschiedenem  Grade  entwickelt, 
bei  einigen,  z.  B.  beim  Hering,  stark  ausgebildet,  bei  anderen  kaum 
angedeutet. 

Bei  den  Cyclostomen  und  Selachiern  fehlen  noch  Gebilde,  welche 
den  Lungen  der  höheren  Wirbelthiere  entsprechen.  Dagegen  findet 
sich  eine  wirkliche  Lunge,  welche  nicht  allein  den  Lungen  der 
Amphibien  u.  a.  homolog  ist,  sondern  auch  als  Athmungsorgan 
fungirt,  bei  einigen  Knochenganoiden  (Knochenhecht  und 
Amia)  und  bei  den  Lungen  fischen,  ferner  auch  bei  einzelnen 
Knochenfischen.  Diese  Lunge  ist  unpaarig  oder  unvollständig  in  zwei 
getheilt,  liegt  oberhalb  des  Darmkanals  und  mündet  mit  einer  weiten 
Oeffnung  in  die  Speiseröhre;  sie  ist  inwendig  mit  Falten  ungefähr  wie 
die  Froschlunge  ausgestattet.  Die  betreffenden  Thiere  haben  neben 
der  Lunge  auch  Kiemen ,  welche  ebenfalls  als  Athmungsorgane 
fungiren  *).  Bei  den  übrigen  Fischen  ist  zwar  gewöhnlich  eine  Lunge 
vorhanden,  dieselbe  fungirt  aber  nicht  als  Athmungsorgan,  sondern 
lediglich  als  hydrostatischer  Apparat  und  wird  als  Schwimm- 
blase bezeichnet.  Die  Schwimmblase  ist  ein  unpaariger,  luftge- 
füllter, oft  ziemlich  dickwandiger  Sack,  welcher  seinen  Platz  dicht 
unterhalb  der  Wirbelsäule,  oberhalb  des  Darmkanals,  hat;  bei  manchen 
Fischen  steht  sie  durch  einen  engen  Kanal,  den  Luft  gang,  mit  der 
Speiseröhre  *)  in  Verbindung,  bei  anderen  ist  eine  solche  Verbindung 
nur  während  des  embryonalen  Lebens  vorhanden,  während  der  Gang 
sich  später  schliesst  und  verschwindet.  Die  Schwimmblase  ist  zu- 
weilen durch  eine  Quereinschnürung  in  einen  vorderen  und  hinteren 
Abschnitt  getheilt,  welche  übrigens  in  offener  Verbindung  mit  ein- 
ander stehen  (bei  Karpfenfischen\  oder  sie  kann  mit  Ausstülpungen 
versehen  sein.    Das  in  der  Schwimmblase  enthaltene  Gas  ist  nicht 


l)  Von  einigen  dieser  Fische  weiss  man,  dass  sie  ein  Austrocknen  der  Um- 
gebung aushalten  können,  bei  welchem  die  Kiemen  zeitweise  ausser  Function  gesetzt 
werden. 

3)  Bei  einzelnen  mündet  der  Luftgang  weiter  nach  hinten,  in  den  Magen,  ein. 


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Wirbelthiere.    2.  Classe:  Fische. 


391 


direkt  aus  der  Atmosphäre  aufgenommen,  sondern  wird  von  den  in 
der  Wand  der  Schwimmblase  liegenden  G-efässen  ausgeschieden,  welche 
zuweilen  dichte  begrenzte  Gefässnetze  bilden,  die  als  „ro  t h  e  Kö r p  e  rw 
an  der  Innenseite  der  Schwimmblase  hervortreten. 

Manche  Fische,  z.  B.  die  gewöhnlichen  Süss  wasserfische,  deren  Schwimm- 
blase kein  Athmungsorgan  ist,  kommen  trotzdem  nicht  selten  an  die  Ober- 
fläche und  schnappen  mit  dem  Mund  etwas  atmosphärische  Luft,  die  sie 
übrigens  bald  wieder  fahren  lassen;  es  handelt  sich  hier  wahrscheinlich  um 
eine  in  der  Mundhöhle  stattfindende  Luftathmung  von  verhältnissmässig 
untergeordneter  Bedeutung.  Bei  einzelnen  Fischen  entwickeln  sich  in  An- 
schluss  hieran  besondere  A thmungsapparate;  so  findet  sich  z.  B. 
bei  gewissen  Welsen  (Snccobrancims)  jederseits  eine  sackförmige,  als  Lunge 
fungirende  Ausstülpung  der  Mundhöhle,  welche  sich  vor  dem  ersten  Kiemen- 
bogen  in  letztere  öffnet  und  sich  weit  nach  hinten  durch  den  Körper  er- 
streckt; ähnliche  bei  einer  Art  Aal  (Amphipnons),  welcher  in  Ostindien  in 
Erdlöchern  lebt  und  dessen  Kiemen  stark  rückgebildet  sind.  Beim  ostin- 
dischen Kletterfisch  (Anabas),  welcher  oft  auf  das  Land  wandert  und  eben- 
falls schwach  entwickelte  Kiemen  besitzt,  befinden  sich  oben  in  der  Kiemen- 
höhle eigen thümliche  gekräuselte  Blätter  (durch  umgebildete  Theile  der 
Kiemenbögen  gestützt),  welche  als  Luftathmungs-Organ  fungiren,  etc.  —  Bei 
anderen,  z.  B.  den  Schmerlen  (Cobitis)  findet  eine  Darmathmung  statt: 
es  wird  durch  den  Mund  Luft  aufgenommen,  welche  verschluckt  wird  und 
durch  den  an  gewissen  Stellen  besonders  gefassreichen  Darmkanal  passirt; 
die  nicht  aufgenommene  Luft  tritt  mit  ausgeschiedener  Kohlensäure  zu- 
sammen durch  den  After  aus. 

Nicht  wenige  Fische  können  Laute  erzeugen.  Es  geschieht  dieses  ent- 
weder dadurch,  dass  die  Wand  der  Schwimmblase  durch  gewisse  an  der- 
selben angebrachte  (resp.  von  Skelettheilen  entspringende  und  an  dieselbe 
sich  heftende)  Muskeln  in  Schwingungen  versetzt  wird  (Knurrhahn),  oder 
dass  gewisse  Knochenoberflächen  gegen  einander  gerieben  werden  (bei  ge- 
wissen Welsen  wird  z.  B.  der  Grundtheil  stark  entwickelter  Strahlen  gegen 
unterliegende  Knochen  gerieben). 

Das  Herz,  welches  seinen  Platz  weit  vorne,  dicht  am  Kopfe, 
bat,  ist  gewöhnlich  ungefähr  symmetrisch.  Bei  den  Selachiern, 
Ganoiden  und  Lu ngen fischen  besteht  es  aus  einem  grossen 
dünnwandigen  V  o  r  h  o  f ,  einer  unterhalb  des  letzteren  liegenden  Herz- 
kammer, von  deren  engem  Hohlraum  zahlreiche  Fortsätze  in  die 
dicke  Wand  sich  erstrecken,  welche  dadurch  einen  spongiösen  Charakter 
erhält,  und  endlich  aus  einem  schlauchförmigen  Herzkegel  (Conus 
arteriosus),  von  dessen  vorderem  Ende  der  Kiemenarterienstamm  ent- 
springt, und  in  welchem  eine  verschiedene  Anzahl  (aber  immer 
mehrere)  Reihen  von  häutigen,  taschenförmigen  Klappen  sich  be- 
finden; alle  drei  Abschnitte  sind  rÖthlich  und  ihre  Wand  mit  quer- 
gestreiften Muskelzellen  versehen.  Bei  den  Knochenfischen  ist 
der  Herzkegel  in  der  Regel  vollkommen  rudimentär  (äusserst  kurz 
und  ohne  Muskulatur)  und  nur  mit  zwei  einander  gegenüber  sitzenden 
Klappen  versehen ;  nur  bei  einzelnen  Knochenfischen  (aus  der  Herings- 
familie) ist  ein  etwas  deutlicherer,  wenn  auch  sehr  kurzer  Herzkegel 
vorhanden,  und  bei  einer  einzigen  Gattung  unter  diesen  (Butirimis) 
finden  sich  zwei  Querreihen  von  Klappen1).    (Bei  den  Cyclostomen 


')  Schon  bei  eiuem  der  Knochen^anoiden  (Amia)  ist  der  Herzkegel  sehr  ver- 
kürzt und  besitzt  nur  drei  Klappenreihen. 


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392 


Specieller  Theil. 


fehlt  ein  Herzkegel.)  Auf  der  Grenze  des  Vorhofs  und  der  Herz- 
kammer findet  sich  hei  den  Fischen  in  der  Regel  eine  Querreihe  von 
Klappen;  ähnliche  in  der  Regel  auch  auf  der  Grenze  des  Venen- 
sackes (vergl.  unten)  und  des  Vorhofs.  —  Von  dem  Vorderende  des 


AB  C 


Fig.  275.  -  Schematische  Längsschnitte  des  Herzens  verschiedener  Fische.  A  von 
einem  Fisch  mit  wohlentwickeltem  Herzkegel,  B  von  Amia,  C  eines  Knochenfisches, 
in  B  und  C  ist  der  Vorhof  weggelassen,  a  Vorhof,  b,  Arterienbulbus,  welcher  bei  Amia  nur 
noch  angedeutet  ist,  c  Herzkegel,  k  Klappen,  $  Venensack,  t  Arterienatamni,  v  Herzkammer. 
—  Orig. 

Herzkegels  oder,  wenn  dieser  fehlt,  von  der  Herzkammer  entspringt 
ein  kürzerer  oder  längerer  unpaarer  Kiemenarterienstamm, 
welcher  beidenKnochenfischen  unmittelbar  an  seinem  Ursprung 
stark  angeschwollen  und  dickwandig  ist.  Diese  Anschwellung,  der 
Arterienbulbus1)  (Bulbus  arteriosus) ,  ist  ebenso  wie  d er  übrige 
Theil  der  Arterie  weisslich  und  enthält  blos  glatte  Muskelzellen 
(während  der  Herzkegel,  mit  welchem  er  in  früherer  Zeit  zusammen- 
geworfen wurde,  roth  ist  und  quergestreifte  Muskelzellen  besitzt).  Der 
Kiemenarterienstamm  giebt  an  jeden  Kiemenbogen,  welcher  Kiemen- 
blättchen  trägt,  einen  Ast  ab;  wenn  die  Kieme  am  Zungenbeinbogen 
wohlentwickelt  ist,  geht  auch  an  diese  ein  ähnlicher  Ast,  welcher  da- 
gegen fehlt,  wenn  die  Kieme  rudimentär  ist.  Diese  Aeste,  die  zu- 
führenden Kiemenarterien,  laufen  (von  unten  nach  oben)  am 
Hinterrande  der  Kiemenbogen  entlang  und  geben  an  jedes  Kiemen- 
blättchen  einen  Ast  ab,  welcher  sich  in  ein  Gefässnetz  auflöst.  Von 
jedem  Kiemenblättchen  entspringt  wieder  ein  kleines  Gefäss,  welches 
mit  den  ähnlichen  desselben  Visceralbogens  zusammen  eine  abfüh- 
rende Kiemenarterie2)  bildet,  die  neben  der  zuführenden  Arterie 


')  Auch  bei  der  soeben  genannten  Amia  —  sonst  aber  bei  keinem  Fisch  ausser- 
halb der  Abtheilung  der  Knochenfische  —  ist  eine  Anschwellung  vorhanden,  ihre 
Wand  ist  aber  bei  dieser  Gattung  nur  wenig  verdickt. 

")  Oftmals,  aber  unrichtiger  Weise,  werden  die  abführenden  Kiemenarterien 
mit  dem  Namen  Kiomcny.enen  bezeichnet,  in  welchem  Fall  dann  die  zufuhrenden 
Kiemenarterien  einfach  „die  Kiomenartericn"  genannt  werden. 


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Wirbelthiere.    2.  ClasBe  :  Fische. 


393 


verläuft  und  sich  an  der  Bückenseite  mit  den  entsprechenden  aus  den 
anderen  Visceralbögen  derselben  und  der  anderen  Seite  vereinigt  und 
so  die  Aorta  bildet,  welche  nach  hinten  dicht  unterhalb  der  Wirbel- 
säule verläuft  und  Aeste  zu  den  verschiedenen  Theilen  des  Körpers 
abgiebt.  Die  Venen  des  Körpers  sammeln  sich  alle  zum  Venensack 
(Sintts  venosus),  welcher  in  den  Vorhof  einmündet.  Das  in  das  Herz 
eintretende  Blut  ist  somit  venös,  gelangt  in  diesem  Zustande  in 
die  Kiemen,  wird  hier  arteriell  und  fliesst  dann  in  die  Arterien  des 
Körpers. 

Es  besteht  demnach  im  Allgemeinen  eine  strenge  Trennung  der  beiden 
Blutarten  (des  arteriellen  and  des  venösen  Blutes)  bei  den  Fischen,  und 
die  Einrichtung  des  Gefässsystems  entspricht  den  8.  29 — 30  hervorgehobenen 
allgemeinen  Principien.  Hiervon  machen  aber  diejenigen  Fische  eine  Aus- 
nahme, welche  ausser  den  Kiemen  noch  andere  Athmungsorgane  besitzen; 
bei  ihnen  mischen  sich  das  arterielle  und  das  venöse  Blut  in  grösserem 
oder  kleinerem  Umfange.  Beim  Knochenhecht  z.  B.  erhält  die  Lunge 
Blut  von  der  Aorta,  also  arterielles  Blut,  welches  in  der  Lunge  weiter 
oxydirt  wird,  während  die  Lungenvenen,  welche  also  sehr  sauerstonreiches 
Blut  fuhren,  sich  mit  den  grossen  Venen  vereinigen,  welche  das  venöse 
Blut  aus  dem  übrigen  Körper  zum  Herzen  fuhren ;  das  Herz  und  damit  auch 
die  Kiemen  empfangen  also  ein  gemischtes ,  arteriell  •  venöses  Blut.  — 
Bei  den  Lungenfischen,  deren  Lunge  (ebenso  wie  die  der  höheren 
Wirbelthiere)  ihr  Blut  von  dem  letzten  Arterienbogen  (der  letzten  abfuh- 
renden Kiemenarterie)  erhält,  sind  besondere  Einrichtungen  vorhanden, 
welche  dem  genannten  TJebelstand  theilweise  abhelfen,  welche  aber  zu  com- 
plicirt  sind,  als  dass  wir  hier  auf  dieselben  eingehen  könnten. 

Die  Nieren  der  Fische  haben  sehr  verschiedene  Formen.  Ge- 
wöhnlich sind  es  langgestreckte,  abgeplattete  Körper,  welche  bei 
manchen  Knochenfischen  sich  vom  Kopf  durch  die  ganze  Leibeshöhle 
erstrecken  und  dicht  unterhalb  der  Wirbelsäule  (oberhalb  der  Schwimm- 
blase) ihren  Platz  haben;  zuweilen  ist  (bei  Knochenfischen)  der 
vorderste  Theil  stark  entwickelt,  die  folgenden  Partien  schwächer; 
nicht  selten  sind  die  Nieren  hinten,  zuweilen  auch  vorne,  ver- 
schmolzen *).  Bei  den  Selachiern  finden  sich  oft  an  einigen  der  Harn- 
kanälchen  Wimpertrichter ,  welche  sich  in  die  Leibeshöhle  öffnen 
(vergl.  S.  363).  Die  Harnleiter  münden  bei  den  Selachiern  und 
Lungenfischen  in  die  Kloake,  bei  den  übrigen,  nachdem  sie  sich  mit 
einander  vereinigt  haben,  mit  einer  Oeffnung  hinter  dem  After,  ent- 
weder gemeinschaftlich  mit  den  Geschlechtsgängen  oder  mit  einer 
besonderen  Oeffnung  hinter  der  Geschlechtsöffnung;  letzteres  ist  bei 
den  meisten  Knochenfischen  der  Fall,  bei  denen  man  also  drei  Oeff- 
nungen,  eine  hinter  der  anderen,  findet:  zuerst  den  After,  dann  die 
Geschlechtsöffnung,  zuletzt  die  Harnöffnung2).    Eine  Harnblase, 


*)  Eine  sehr  interessante  Umbildung  der  Nieren  findet  man  beim  Männchen 
des  Seestichlings  (Sninachia  vulgaris),  welches  mittels  feiner  Schleimfäden 
fremde  Theile  zu  einem  Nest  für  die  Eier  zusammenspinnt.  Der  Schleim,  aus 
welchem  diese  Fäden  bestehen,  wird  in  den  Nieren  erzeugt,  indem  ein  Theil 
der  Drüsenzellen  der  Harnkanälchen  zu  schleimabsondernden  Zellen,  von  einem 
anderen  Aussehen  als  die  übrigen  Zellen  der  Kanälchen,  umgebildet  sind. 

*)  In  der  genannten  Region  findet  sich  seitlich  vom  After  bei  einigen  Fischen, 
nämlich  den  Selachiern,  den  Ganoiden  und  gewissen  Knochenfischen  (der  Lachs- 
familie), ein  Paar  feine  Oeffnungen,  die  sogenannten  Abdominalporen  {Port 
abdominale»),  welcho  die  Bauchwand  durchbohren  und. die  Leibeshöhle  mit  der 
Aussenwelt  in  Verbindung  setzen;  ihre  Bedeutung  ist  unbekannt. 


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394 


Specialer  Theil. 


welche  derjenigen  anderer  Wirbelthiere  entspricht,  fehlt;  bei  manchen 
ist  aber  der  äusserste  Theil  der  Harnleiter  erweitert  und  dieser  Ab- 
schnitt fungirt  dann  als  Harnbehälter;  bei  den  Selachiern  sind  zwei 
solche  vorhanden,  bei  den  Knochenfischen  nur  eine,  indem  die  Harn- 
leiter in  ihrem  hintersten  Theile  verschmolzen  sind. 

Weibliche  Geschlechtsorgane.  Bei  Selachiern,  Ga- 
noiden1)  und  Lungen  fischen  verhalten  die  Eierstöcke  sich 
wie  bei  den  meisten  anderen  Wirbelthieren,  und  es  finden  sich  bei 
den  Weibchen  ein  Paar  Müller'sche  Gänge,  welche  sich  wie  ge- 
wöhnlich mit  je  einem  Trichter8)  vorne  in  die  Bauchöhle  öffnen;  bei 
den  Selachiern  und  den  Lungenfischen  münden  sie  hinten  in  die 
Kloake,  während  sie  sich  bei  den  Ganoiden  mit  den  Harnleitern  ver- 
einigen und  hinter  dem  After  mit  einer  unpaarigen  Oeffnung  aus- 
münden. Bei  den  Selachiern  findet  sich  an  jedem  Eileiter  eine  an- 
geschwollene Partie,  in  deren  Wand  Drüsen  vorhanden  sind,  zur 
Abscheidung  der  hornartigen  Hülle,  welche  bei  diesen  Thieren  ein 
oder  mehrere  Eier  umgiebt.  —  Bei  den  Knochenfischen  fehlen 
Müller'sche  Gänge  vollständig;  die  Eierstöcke  sind  bei  den 
Knochenfischen  hohle  Organe  von  verschiedener  Form,  welche  sich 
in  je  einen  kurven  schlauchförmigen  Ausführungsgang  fortsetzen,  der 
mit  dem  der  andern  Seite  verschmilzt  und  hinter  dem  After  aus- 
mündet. Der  Eierstock  bietet  somit  bei  den  Knochenfischen  ein  von 
demjenigen  aller  anderer  Wirbelthiere  sehr  abweichendes  Verhalten 
dar  (aber  ein  ähnliches  wie  dasjenige,  welches  wir  bei  manchen  niederen 
Thieren,  z.  B.  den  Weichthieren,  vorfinden);  die  Eier  lösen  sich  von 
der  inneren,  oft  stark  gefalteten  Seite  der  Wand  ab,  fallen  in  den 
Hohlraum  des  Eierstocks  und  gelangen  durch  den  Ausführungsgang 
nach  aussen.  Zuweilen  sind  die  beiden  Eierstöcke  der  Knochenfische 
mit  einander  verschmolzen,  und  der  Eiergang  ist  dann  unpaarig.  Im 
reifen  Zustande,  in  der  Laichzeit,  sind  die  Eierstöcke  der  Knochen- 
fische oft  von  sehr  ansehnlicher  Grösse.  Von  der  gegebenen  Dar- 
stellung weichen  nur  die  Familien  der  Lachse  und  Aale  ab,  deren 
Eierstöcke  solide  Organe  sind;  bei  diesen  fallen  die  Eier  in  die 
Bauchhöhle  und  gelangen  durch  eine  unpaarige  Oeffnung8)  in  der 
Leibeswand  hinter  dem  After  (Poms  genitalis)  nach  aussen.  —  Aehn- 
lich  wie  die  Lachse  verhalten  sich  auch  die  Cyclostomen  (welche 
nur  einen  Eierstock  besitzen). 

Männliche  Geschlechtsorgane.  Bei  den  Selachiern 
wird  der  Samen  durch  den  vordersten  Theil  der  Niere  (welcher  oft 
als  Nebenhoden  bezeichnet  wird)  ausgeführt;  der  betreffende  Theil 
tritt  durch  querlaufende  feine  Kanäle  mit  dem  Hoden  in  Verbindung, 
und  es  entspringt  von  ihm  ein  besonderer  Ausfuhrungsgang,  welcher 
wesentlich  als  Samenleiter  fungirt,  indem  die  Bedeutung  dieser  Nieren- 
partie für  die  Harnabsonderung  nur  geringfügig  ist  (auch  beim  Weib- 
chen ist  der  entsprechende  Nierenabschnitt  nur  wenig  entwickelt). 


l)  Mit  Ausnahme  des  Knochenhechts,  welcher,  wie  es  scheint,  Bich  ähnlich 
wie  die  Knochenfische  verhält. 

')  Bei  den  Selachiern  sind  die  beiden  Miiller'schen  Gänge  mit  ihrem  aller- 
vordersten  Theil  mit  einander  verbanden,  so  dass  man  bei  ihnen  einen  unpaarigen 
Trichter  für  beide  Eileiter  findet.  —  Bei  gewissen  Haien  ist  nur  der  eine  Eierstock 
entwickelt. 

*)  Welcher  nicht  mit  den  S.  393  Anm.  2  erwähnten  Abdominalporen  zu  ver- 
wechseln ist. 


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Wirbelthiere.    2.  Classe:  Fische. 


395 


Bei  den  Knochenfischen  ist  eine  solche  Verbindnng  mit  der 
Niere  nicht  vorhanden,  der  Hoden  setzt  sich  vielmehr  direkt  in  einen 
Ausführungsgang  fort,  die  Verhältnisse  sind  ganz  dieselben  wie 
beim  Eierstock J).  (Die  Lachse  und  Aale  verhalten  sich  hierin 
wie  die  übrigen.)  Ebenso  wie  die  Eierstöcke  sind  auch  die  Hoden 
in  reifem  Zustande  von  bedeutender  Grösse,  sackförmig,  gelappt  oder 
(so  beim  Dorsch)  lange  gekräuselte  Körper.  Die  Samenleiter  münden 
bei  den  Selachiern  in  die  Kloake,  bei  den  Ganoiden  und  einem  Theil 
der  Knochenfische  mit  den  Harnleitern  zusammen  mit  einer  Oeffnung 
hinter  dem  After,  bei  anderen  Knochenfischen  mit  einer  besonderen 
Oeffnung  hinter  dem  After,  vor  der  Harnöffnung.  —  Bei  den 
Cyclostomen  fallen  die  Spermatozoen  aus  dem  unpaarigen  Hoden 
in  die  Bauchhöhle  und  gelangen  durch  eine  Oeffnung  der  Bauchwand 
nach  aussen  (ebenso  wie  die  Eier). 

Nicht  wenige  Fische  weisen  ausgesprochene  Geschlechtsunter- 
schiede  auf:  beim  Männchen  können  gewisse  Flossen  besonders  stark  aus- 
gebildet sein,  oder  es  kann  eine  besonders  prächtige  Färbung  besitzen  etc. 
Zuweilen  (z.  B.  bei  den  Stichlingen)  ist  das  Männchen  in  der  Fortpflanzungs- 
zeit  durch  augenfällige,  später  schwindende  Farben  ausgezeichnet. 

Ueber  Hermaphroditismus  bei  Fischen  vergl.  S.  366. 

Begattungswerkzeuge  finden  sich  bei  den  Selachiern,  bei 
deren  Männchen  ein  Abschnitt  der  Hintergliedmaassen  zu  ziemlich 
complicirten  zusammengerollten  Organen  ausgebildet  ist,  welche  bei 
der  Begattung  benutzt  werden  (vergl.  die  ßegattungsorgane  der  zehn- 
füs8igen  Krebse).  Bei  den  meisten  Fischen  findet  gar  keine  Begattung 
statt,  sondern  der  Samen  („Milch")  wird  erst  nach  oder  bei  der  Eilage 
über  die  Eier  ausgegossen2). 

Die  Eier  sind  von  sehr  verschiedener  Grösse  (von  Stecknadel- 
kopf- bis  Hühnereigrösse  und  darüber),  am  grössten  bei  den  Selachiern, 
kleiner  bei  den  Knochenfischen,  deren  Eier  von  einer  dünnen  durch- 
sichtigen Eihaut  umgeben  sind,  welche  mit  einer  Mikropvle  versehen 
sein  kann.  Die  Eier  nicht  weniger  Knochenfische  —  z.  B.  des  Dorsches 
—  schwimmen  an  der  Oberfläche  des  Wassers,  andere  werden  an  den 
Boden  abgelegt,  an  Wasserpflanzen  festgeklebt  etc.  Bei  den  Selachiern 
sind  die  abgelegten  Eier  von  einer  hornartigen  Hülle  umgeben,  welche 
oft  abgeplattet,  viereckig  und  an  den  Ecken  in  Fäden  ausgezogen  ist. 
Einige  Fische  gebären  lebendige  Junge,  z.  B.  die  meisten 
Selachier,  bei  denen  die  Entwicklung  in  einem  erweiterten  Abschnitt 
des  Eileiters  (Uterus)  vor  sich  geht,  welcher  mit  gekräuselten  gefass- 
reichen  Falten  versehen  ist;  ebenso  mehrere  Knochenfische,  deren 
Eier  sich  in  dem  hohlen  Eierstock  entwickeln  (z.  B.  bei  der  Aal- 
mutter). —  Nicht  wenige  Fische  zeigen  eine  besondere  Fürsorge  für 
Eier  und  Brut;  so  baut  z.  B.  das  Männchen  der  Stichlinge  (und 
verschiedener  anderer  Knochenfische)  ein  Nest,  in  welchem  die  Eier 
sich  entwickeln;  die  Männchen  der  Seenadeln  tragen  die  Eier  (und 
zuweilen  auch  die  Jungen)  unterhalb  des  Bauches  mit  sich  umher, 


')  Für  die  Ganoiden  und  die  Lungenfische  ist  das  Verhältniss  der  Hoden  zu 
ihren  Ausfuhrungsgängen  noch  nicht  völlig  aufgeklärt 

*)  Bei  einigen  Knochenfischen  nähert  sich  das  Männchen  dem  Weibchen,  und 
in  demselben  Momente,  wo  die  Eier  das  letztere  verlassen,  wird  der  Samen  aus- 
gespritzt. 


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396 


Speciellar  Theil. 


c 


indem  dieselben  entweder  einfach  festgeklebt  oder  von  besonderen 
Falten  umschlossen  sind.  (Aehnliches  bei  verschiedenen  ausländischen 

Fischformen.)  Seltener  wer- 
den die  Eier  in  ähnlicher 
Weise  vom  Weibchen  ge- 
hütet. 

Mit  Recht  kann  man  bei 
manchen  Knochenfischen 
von  einer  Metamor p h o s e 
reden,  indem  die  Jungen  das 
Ei  in  einer  von  der  des  Er- 
wachsenen sehr  abweichen- 
den ,  unvollkommenen  Ge- 
stalt verlassen,  oft  noch  mit 
geradem  Schwanz,  mit  zu- 
sammenhängendem Flossen- 
saum an  der  Rücken-  und 
Bauchseite  etc.  Bei  manchen 
kommt  hierzu  noch,  dass  der 
Uebergang  aus  diesem  Sta- 
dium in  die  definitive  Ge- 
stalt keine  einfache,  allmäh- 
lich fortschreitende  Entwick- 
lung ist,  sondern  die  Jungen 
bieten  nicht  selten  längere 

Fig.  276.    JoDge  Hechte;  A  neugeborener,  Zeit,     nachdem    8ie    das  Ei 

b,  11  Tage  alter,  c  and  d  ältere.  Bei  a  ist  verlassen  haben,  besondere 
der  Schwanz  noch  gerade  bei  c  und  d  ausprägt  Charaktere  dar,  welche  man 

hetcroeork.  a  Afterflosse,  c  C  horda,  d  KUcken  ,»  Brust-,         ,       ,    .   ,         '  , 

u  Schwan*-,  r  Bauchflosse,  x  After.  —  Nach  Sundevall.  ^der  bei  dem  neugeborenen 

Jungen  noch  bei  dem  Er- 
wachsenen findet.  Namentlich  trifft  man  in  der  pelagischen  Fauna  zahl- 
reiche groBsäugige  Knochenfischlarven  mit  enorm  entwickelten  Dornen 


Fig.  277.    Larve  eines  Fisches  {Trachypteru»),  welcher  im  ausgebildeten 
gemein  gestreckt,  bandförmig  ist  und  der  langen  Flossenfaden  entbehrt. 


und  Flossentheilen  etc.,  Gebilden,  welche  an  diejenigen  erinnern,  die 
man  bei  manchen  in  ähnlicher  Weise  lebenden  Krebsthierlarven  (z.  B. 


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Wirbelthiere.   2.  Clasae:  Fische. 


397 


der  Krabben)  beobachtet.  —  Ueber  die  eigentümliche  Entwicklung 
der  Neunaugen  vergl.  S.  398. 

Die  Embryonen  derSelachier  zeichnen  sich  durch  den  Besitz 
eines  kolossalen  Dottersackes  und  ferner  dadurch  aus,  dass  aus  den  Kiemen- 
spalten eine  Zeitlang  zahlreiche  lange  Kiemenfäden  heraushängen,  welche 
Fortsätze  der  Kiemenblättchen  sind.  Diese  Kiemenfäden  sind  embryonale 
Organe,  welche  sich  vor  der  Geburt  zurückbilden. 


Fig.  278.  A  Rochen-,  B  Hai-Embryo  mit  äusseren  Kiemen  (k).  d  Dottersack 
(nicht  ganz  aasgezeichnet;  in  A  weggelassen). 

Die  meisten  Fische  sind  Raubthiere,  nur  wenige  Pflanzen-  oder 
Schlammfresser.  Die  Mehrzahl  lebt  im  Meere,  viele  aber  im  Süß- 
wasser (einige  Arten  an  beiden  Orten),  einzelne  trifft  man  hin  und 
wieder  oder  sogar  überwiegend  auf  dem  Lande.  Sie  unternehmen 
oft  Wanderungen,  theils  von  einer  Stelle  im  Meere  zur  anderen,  theils 
vom  Meer  in's  Süsswasser  hinauf  und  umgekehrt.  Sie  halten  sich 
zum  grossen  Theil  schaarenweise  zusammen. 

Die  Fische,  welche  in  der  Jetztzeit  durch  zahlreiche  Gattungen 
und  Arten  vertreten  sind,  haben  auch  infrüherenPerioden  eine 
wichtige  Rolle  gespielt;  die  Knochenfische,  welche  in  der  Jetztzeit 
an  Zahl  weit  überwiegen,  sind  verhältnissmässig  spät  aufgetreten, 
während  die  jetzt  nur  wenige  Arten  umfassenden  Ganoiden  eine 
Zeitlang  sehr  zahlreich  vertreten  waren. 


A 


B 


Uebersicht  über  die  Ordnungen. 


Skelet  aus  Knorpel  und 
Knochen  bestehend.  Kie- 
mendeckel vorhanden. 


Ganoiden 
Lungenfische 


Herzkegel  wohlentwi- 
ckelt. Spiralfalte  im 
Darm. 


Schwimmblase  oder  Lunge 
entwickelt. 


Herzkegel  rudimentär. 
Keine  Spiralfalte. 


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398 


Specieller  Theil. 


I.  Ordnung.    Rundmäuler  (Cydostomi). 

Die  Cyclostomen  bilden  eine  kleine,  von  den  übrigen  Fischen  in 
manchen  Beziehungen  abweichende  Gruppe.  Der  Körper  ist  cylindrisch, 
aalförmig,  ohne  Gliedmaassen,  die  flaut  entbehrt  fester  Theile,  das 
Skelet  ist  ausschliesslich  knorpelig,  das  Rückgrat  nicht  in  Wirbel 
getheilt,  Rippen  fehlen;  es  ist  ein  complicirtes  Mund-  und  Visceral- 
skelet  vorhanden,  welches  sich  schwer  auf  den  allgemeinen  Typus  des 
Visceralskelets  der  Fische  zurückführen  lässt.  Gewöhnlich  finden 
sich  6 — 7  (bei  einzelnen  eine  noch  grössere  Anzahl)  Kiemen- 
ta sehen  an  jeder  Seite  (vergl.  S.  387).  Der  Mund  ist  mit  Horn- 
zahnen  ausgestattet,  dagegen  fehlen  echte  Zähne.  Das  Geruchs- 
organ ist  unpaarig.  Schwanzende  gerade;  ein  Flossensaum  ist  vor- 
handen. (Vergl.  übrigens  das  in  dem  Abschnitt  über  die  Fische  im 
Allgemeinen  Mitgetheilte.) 

Die  Cyclostomen  sind  mit  den  Selachiern  am  nächsten  verwandt;  ihre 
besonderen  Charaktere  verdanken  sie  ohne  Zweifel  z.  Th.  ihrer  eigentüm- 
lichen Lebensweise  als  Halbschmarotzer  oder  Aasfresser. 

1.  Die  Neunaugen  oder  Lampreten  (Pctromyxon)  haben  einen 
kreisrunden  Saugmund  mit  Hornzähnen;  7  kleine  Kiemenöffnungen  auf 
jeder  Seite  führen  in  je  eine  Kiementasche;  diese  öffnen  sich  nicht  direkt 
in  die  Mundhöhle,  sondern  in  einen  hinten  geschlossenen  kurzen  Schlauch, 
welcher  unterhalb  der  Speiseröhre  liegt  und  vorne  mit  der  Mundhöhle  in 
Verbindung  steht.  Augen  wohl  entwickelt.  Die  Neunaugen  saugen  sich 
an  lebenden  Fischen  fest  und  fressen  sich  in  dieselben  ein;  ausserdem 
fressen  sie  auch  kleinere  Thiere.  In  Deutschland  leben  drei  Arten ,  von 
welchen  zwei,  das  bis  1  m  lange  Meerneunauge  (P.  marimus)  und  das 
kleinere  Flussneunauge  (/'.  fluviatiiis ,  Pricke),  im  Meere  leben,  zum 
Laichen  aber  in's  Süsswasser  hinaufsteigen,  während  die  dritte,  kleinste 
Art,  das  Bachneunauge  (P.  Plana  i),  ausschliesslich  im  Süsswasser 
lebt.  —  Die  Neunaugen  durchlaufen  eine  Metamorphose:  die  Larve, 
Qu  er  der  (Ammococtes) ,  welche  (bei  P.  Pianeri)  vor  der  Verwandlung 
ein  Alter  von  3 — 4  Jahren  und  eine  ansehnliche  Grösse  erreicht,  hat  einen 
abweichend  geformten  Mund,  es  fehlen  ihr  die  Hornzähne,  die  Augen  sind 
verschwindend  klein  und  die  Kiementaschen  öffnen  sich  direkt  in  die  Mund- 
höhle; sie  lebt  im  Schlamm.  Nach  der  Verwandlung  pflanzen  sich  die 
Lampreten  fort  und  sterben. 

2.  Die  Inger  oder  Schleimfische  (Myrine)  haben  rudimentäre 
Augen ,  der  Mund  ist  von  Tastfäden  umgeben ;  die  Kiementaschen  (jeder- 
seits  6)  sind  lange,  in  ihrer  Mitte  blasenförmig  erweiterte  Röhren,  welche 
sich  jede  für  sich  direkt  in  den  Schlund  öffnen,  während  ihre  äusseren  Ab- 
schnitte sich  jederseits  vereinigen  und  mit  einer  gemeinsamen  Oeffnung 
ziemlich  weit  nach  hinten  münden,  (Bei  gewissen  verwandten  fremden 
Formen ,  Bdelloatoma ,  münden  sie  einzeln  nach  aussen.)  Die  Inger ,  von 
welchen  in  den  nordeuropäischen  Meeren  oine  bis  30  cm  lange  Art,  M. 
glutinom,  häufig  vorkommt,  bohren  sich  in  todte  (und  lebende  ?)  Fische  ein ; 
sie  können  eine  enorme  Schleimmasse  absondern. 


2.  Ordnung.    Selachier  (Selachii). 

Das  Skelet  besteht  ausschliesslich  aus  Knorpel  (welcher  aber 
theilweise  verkalken  kann);  Knochengewebe  fehlt  immer.  Herzkegel 
vorhanden.  Spiralfalte  im  Darm.  5  (selten  6  oder  7)  Kiemenspalteo 


Wirbelthiere.    2.  Classe:  Fische 


399 


auf  jeder  Seite;  oft  ein  Spritzloch.  Kein  Kiemendeckel  (die  Chimären 
ausgenommen).  Keine  Schwimmblase.  Die  Haut  mit  Zähnen,  welche 
oft  die  ganze  Oberfläche  bedecken.  In  den  Flossen,  welche  nicht 
zusammengelegt  werden  können,  Hornstrahlen.  Der  Mund  auf  der 
Unterseite  des  Kopfes.  Theile  der  Bauchflossen  des  Männchens 
fungiren  als  Begattungswerkzeuge.  Sehr  grosse  Eier.  —  Fast  aus- 
schliesslich Meeresthiere. 

1.  Die  Haie  (Squalida)  sind  Thiere  ungefähr  von  gewöhnlicher 
Fischform,  meistens  gestreckt,  von  etwa  kreisrundem  Querschnitt.  Die 
Haut  mit  in  der  Hegel  kleinen  Zähnen  dicht  besetzt.  Längs  der  Kiefer- 
ränder in  der  Kegel  eine  oder  ein  paar  Reihen  meistens  dreieckiger  Zähne 
(Ersatzzähne  in  der  Mundhaut  an  der  Innenseite  der  Kiefer  versteckt). 
Deutlich  heterocerk.  Von  den  zahlreichen  Formen  können  folgende  bei- 
spielsweise genannt  werden :  Der  gemeine  Dornhai  {Amnthias  vulgaris), 
1  m  lang,  mit  einem  Stachel  (stark  entwickeltem  Hautzahn)  vorn  in  jeder 
der  beiden  Rückenflossen ,  ohne  Afterflosse ;  gebärt  lebendige  Junge ;  Nord- 
und  Ostsee.  DerHundshai  (Scyüium  caniada),  etwas  kleiner,  eierlegend 
(Eierkapsel  viereckig  mit  langen  von  den  Ecken  ausgehenden  rankenartigen 
Anhängseln,  welche  um  Meerespflanzen  gewunden  werden);  Nordsee.  Der 
Blauhai  (Carcharias  glaucus),  3 — 4  m  lang,  vertritt  im  Mittelmeer  die 
übrigens  besonders  in  den  Tropen  zahlreichen,  gefrässigen  „Menschenhaie". 
Die  Hammerhaie  (Sphyrna)  haben  den  Kopf  jederseits  in  einen  längeren 
oder  kürzeren  Fortsatz  ausgezogen,  an  dessen  Ende  das  Auge  sitzt;  eine 
Art  im  Mittelmeer.  Der  Eishai  (Scymnus  borealis) ,  welcher  eine  Länge 
von  8  m  erreicht,  wird  wegen  der  fettreichen  Leber  in  grosser  Anzahl  an 
den  Küsten  Islands  etc.  gefangen.  Noch  grösser  (bis  12  m)  ist  der 
Riesenhai  (SelacJie  maxima),  dessen  äussere  Kiemenöffnungen  ungemein 
lange  Spalten  sind,  Augen  sehr  klein,  Zähne  klein  und  schlecht  ausgebil- 
det, der  innere  Rand  der  Kiemenbögen  mit  einer  Reihe  sehr  langer  Zähne, 
welche  zusammen  einen  dichten  Kamm  bilden,  der  als  Seihapparat  wirkt, 
um  die  kleinen  Krebse  etc.  zurückzuhalten,  von  welchen  dieser  Riese  sich 
nach  Art  der  Bartenwale  ernährt. 

2.  Die  Rochen  (Ifajüia)  zeichnen  sich  besonders  durch  die  abge- 
plattete Form  des  Kopfes  und  Rumpfes,  durch  den  dünnen,  peitschenför- 
migen,  oft  fast  flössen  losen  Schwanz  und  durch  die  enorme  Entwicklung 
der  Brustflossen  aus,  welche  als  wagerechte  Platten  vom  Seitenrand  des 
Körpers  entspringen  und  mit  den  Seitentheilen  des  Kopfes  oberhalb  der 
Kiemenspalten  verwachsen  sind,  so  dass  letztere  an  der  Unterseite  der  von 
dem  Kopf,  dem  Rumpf  und  den  Brustflossen  gebildeten  Scheibe  ihren  Platz 
haben ;  an  der  Oberseite  sitzen  Augen  und  Spritzlöcher.  Von  anderen 
Charakteren  sind  hervorzuheben ,  dass  die  Haut  in  der  Regel  in  grösserer 
oder  geringerer  Ausdehnung  nackt  ist,  dass  ein  Theil  der  übrig  gebliebenen 
Hautzähne  grosse  Dornen  sind,  und  dass  die  Zähne  der  Mundhöhle  niedrige 
Höcker  (zuweilen  mit  einer  Spitze)  oder  Platten  sind,  welche  in  mehreren 
Reihen  die  Kieferränder  pflasterförmig  bedecken.  In  ihrer  gewöhnlichen 
Erscheinung  weichen  die  Rochen  somit  sehr  von  den  Haien  ab.  Aber  das 
Rochengepräge  ist  nicht  immer  in  gleichem  Grade  ausgebildet:  bei  einigen 
sind  die  Brustflossen  kleiner,  der  Schwanz  kräftiger,  während  es  anderseits 
Haie  giebt  (Squatina,  Meerengel^,  welche  etwas  abgeplattet  sind,  nach  oben 
gekehrte  Augen  und  grosse  wagerechte  Brustflossen  besitzen,  welche  sich 
sowohl  nach  hinten  als  nach  vorne  längs  der  Seite  des  Kopfes  erstrecken, 
ohne  aber  mit  letzterem  verwachsen  zu  sein.  In  der  That  giebt  es  eine 
vollständige  Reihe  von  Uebergängen  von  dem  gewöhnlichen  schlanken  Hai- 


400 


Specieller  Theil. 


typus  zu  der  extremsten  Rochen  form  mit  einer  Kopf-Rumpfscheibe,  welche 
breiter  als  lang  ist ,  und  mit  einer  dünnen  Schwanzpeitsche.  —  In  der 
Kordsee  leben  verschiedene  Arten  (besonders  der  Gatt.  Iiaja),  alle  von 
typischem  Rochengepräge.  Von  Formen,  welche  südlicheren  Meeren  ange- 
hören, sind  die  Zitterrochen  (Torpedo)  und  die  Sägefische  (Pristis) 
zu  nennen;  die  Schnauze  der  letzteren  ist  in  eine  lange,  gerade,  schmale 
Platte  ausgezogen,  mit  einer  Reihe  langer  zahnartiger  Gebilde  in  jedem 
Seitenrand;  beide  Gattungen,  welche  zu  den  mehr  haiartigen  Rochen  mit 
ziemlich  kräftigem  Schwanz  gehören,  sind  im  Mittelmeer  vertreten. 

3.  Die  Chimären  (Uolocephala:  Gatt.  Chimaera  u.  a.)  sind  eine 
kleine  Abtheilung  der  Selachier,  welche  namentlich  durch  den  Besitz  eines 
die  Kiemenspalten  überdeckenden  Kiemendeckels  (der  jedoch  nicht 
von  Skelettheilen  gestützt  ist)  von  den  übrigen  Selachiem  abweicht  und 
sich  den  folgenden  Ordnungen  nähert;  die  Kiemenblättchen  bedecken  die 


Fig.  279.    Chimaera  motutrota,  o*. 


Seite  der  Coulisse  völlig,  überragen  aber  deren  äusseren  Rand  nicht 
(Fig.  274  13).  Die  Haut  ist  grösstenteils  nackt,  der  Mund  mit  einer  ge- 
ringen Anzahl  grosser  Zähne  bewaffnet.  Der  obere  Abschnitt  des  Kiefer- 
bogens ist  mit  dem  Schädel  verwachsen.  Im  Uebrigen  besitzen  sie  in  der 
Hauptsache  die  Charaktere  anderer  Selachier.  Eine  Art,  Ch.  monstrosa, 
kommt  häufig  im  Mittelmeer,  an  der  Küste  Norwegens  etc.  vor. 

4.  Ordnung.    Ganoiden  (Ganöidei). 

Das  Skelet  besteht  aus  Knorpel  und  Knochen.  Herzkegel  und 
Spiralfalte  des  Darmes  vorhanden.  Ein  von  knöchernen  Theilen  ge- 
stützter Kiemendeckel;  oft  ein  Spritzloch.  Schwimmblase  oder  echte 
Lunge  vorhanden.  Die  Haut  gewöhnlich  mit  Knochenplatten  oder 
Schuppen ;  auch  Hautzähne  können  ausserdem  vorhanden  sein,  aber 
in  geringerer  Menge.  In  den  zusammenlegbaren  Flossen  sind  Knochen- 
strahlen vorhanden. 

Die  wichtigsten  jetztlebenden  Formen  dieser  in  der  Vorzeit  so 
reich  entwickelten  Abtheilung  sind  die  im  Folgenden  genannten. 

1.  Unterordnung.   Knorpelganoiden  (Ckondrostei). 

Das  Skelet  ist  zum  grossen  Theil  knorpelig,  nur  Deckknochen 
sind  vorhanden.  Kein  Zwischen-  und  Oberkieferbein.  Der  Mund  an 
der  Unterseite  des  Kopfes.   Ausgeprägte  Heterocercie. 


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Wirbelthiere.    2.  Classe:  Fische. 


401 


1.  Die  Störe  (/icrij/enser)  haben  5  Längsreihen  von  grossen  Knochen- 
platten längs  des  Körpers  (davon  eine  längs  der  Mitte  des  Rückens)  und  viele 
kleine  Platten  über  den  ganzen  Körper;  oben  auf  dem  Kopfe  grosse 
knöcheren  Platten ,  welche  den  knorpeligen  Schädel  überdecken.  Der  Mund 
klein,  zahnlos  (die  kleinen  Jungen  haben  jedoch  Zähne;  zuweilen  sind  auch 
bei  den  Erwachsenen  an  den  Kiemenbögen  kleine  Zähne  vorhanden) ;  an  der 
Unterseite  der  oft  langgestreckten  Schnauze  sind  Tastfäden  vorhanden.  Sie 
besitzen  ein  Spritzloch.  In  den  nordeuropäischen  Meeren  lebt  der  eine 
Länge  von  mehreren  Metern  erreichende  A.  sturio ,  welcher  des  Laichens 
wegen  in  die  Flüsse  hinaufwandert.  Mehrere  andere  Arten  im  Kaspischen 
und  Schwarzen  Meere  und  in  den  grossen  russischen  Flüssen  (Sterlet, 
Hausen). 

2.  Die  Löffelstöre  {Spatularia)  weichen  von  den  Stören  besonders 
dadurch  ab,  dass  die  Schnauze  zu  einem  grossen  wagerechten  Blatt  ver- 
längert ist,  und  dass  die  Haut  fast  ganz  fester  Theile  entbehrt;  im  Munde 
sind  schwache  Zähne  entwickelt.  In  nordamerikanifichen  und  chinesischen 
Flüssen. 

2.  Unterordnung.   Knochenganoiden  (Holosfei). 

Das  Skelet  ist  zum  grössten  Theil  verknöchert.  Zwischen-  und 
Oberkieferbein  vorhanden.  Der  Mund  am  Vorderende  des  Kopfes. 
Grosse,  rautenförmige,  „emaillirte"')  Schuppen,  welche  theilweise  mit 
kleinen  Fortsätzen  in  einander  eingreifen ,  seltener  gewöhnliche 
Schuppen  wie  bei  den  Knochenfischen.  Meistens  (Lepidosteus,  Amia) 
eine  wirkliche,  als  Athmungsorgan  fungirende  Lunge.  —  Alle  jetzt- 
lebenden sind  Süsswas8erfische. 

1.  Der  BiBchir  (Polyj)tems).  Lange  Kückenflosse  mit  starken  an 
der  Spitze  fächerförmig  gespaltenen  Flossenstrahlen ,  welche  nicht  mit  ein- 
ander zusammenhängen ;  keine  Afterflosse ;  Schwanzflosse  abgerundet ;  schwach 
ausgesprochene  Heterocercie  (der  aufgebogene  Theil  des  Rückgrates  sehr 
klein).  Grosse  rautenförmige  Schuppen.  Ein  Spritzloch.  In  Afrika 
(z.  B.  im  Nil). 

2.  Der  Knoche nhecht  (Ij?pidostcus).  Schnauze  stark  verlängert. 
Kurze  Rücken  -  und  Afterflosse ;   stark  ausgesprochene  Heterocercie ,  die 


Fig.  280.    Knochenhecht  (Lepidottctu). 

Schwanzflosse  hat  ihren  Platz  fast  ausschliesslich  an  der  Unterseite  des 
langen,  aufgebogenen  Rückgrats -Endes  (Fig.  264  B).  Rautenförmige 
Schuppen.    Mehrere  Arten  in  Nordamerika. 

3.  Amia  ist  ausser]  ich  fast  ganz  einem  Knochenfisch  ähnlich ;  sie  hat 
gewöhnliche  cycloide  Schuppen.  Ueber  ihre  wichtigsten  Charaktere  vergl. 
S.  391  Anm.  1 ;  S.  392  Anm.  1  ;  Fig.  269  C ;  Fig.  275  B.  Nordamerika. 

')  Die  Schuppen  sind  äusserlich  von  einer  glänzenden  Schichte  überzogen, 
welche  allgemein  als  „Schmelz"  bezeichnet  wird;  es  handelt  sich  hier  aber  that- 
sächlich  nicht  um  wirklichen  Schmelz  wie  an  den  Zähnen,  sondern  nur  um  eine 
äusserste,  glänzende,  dichte  Knochenschicht. 

Bon,  Zoologie.  26 


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402 


Specieller  Theil. 


4.  Ordnung. 


Lungenfische  (Dipnoi). 


Skelet  theil  weise  verknöchert.  Herzkegel  spiralig  gewunden  und 
innerlich  mit  einer  aus  umgebildeten  Klappen  gebildeten  Längsfalte 
versehen.  Spiralfalte  im  Darm.  Kiemendeckel  von  knöchernen 
Theilen  gestützt.  Die  Lunge  ist  Athmungsorgan.  Haut  mit  Schuppen. 
Flossen  mit  Hornstrahlen.  —  Zwischen-  und  Oberkieferknochen  fehlen. 
Sowohl  die  vorderen  als  die  hinteren  Nasenlöcher  liegen  innerhalb 
des  Mundrandes.  Die  Gliedmaassen  sind  entweder  lange,  zugespitzte 
Platten  mit  einem  gegliederten  Knorpelstab  in  der  Mitte,  von  welchem 
jederseits  eine  Reihe  Knorpelstrahlen  entspringt;  oder  sie  sind  faden- 
förmig, mit  einem  ähnlichen,  aber  mehr  oder  weniger  reducirten  Ske- 
let. Diphycerk,  Schwanz  zugespitzt.  Das  Rückgrat  ist  nicht  in 
Wirbel  getheilt,  die  Chorda  mächtig  ausgebildet.  Wenige,  aber 
grosse  Zähne  im  Munde.  —  Ausschliesslich  im  Süsswasser. 

Diese  abweichende,  in  der  Jetztzeit  nur  durch  ganz  wenige  Formen 
vertretene  Gruppe  schliesst  sich  ganz  nahe  an  die  Gauoiden  (besonders  die 
Knochenganoiden)  an.  Merkwürdig  ist  der  Bau  des  Herzkegels,  welcher 
an  den  Befund  bei  den  Amphibien  erinnert  (vergl.  diese);  hiermit  stehen 
auch  gewisse  Eigentümlichkeiten  im  Bau  der  übrigen  Theile  des  Herzens 
in  Verbindung,  wodurch  eine  partielle  Sonderung  des  von  der  Lunge  und 
des  vom  übrigen  Körper  kommenden  Blutes  bewirkt  wird.  Sehr  eigen- 
tümlich ist  auch  der  Bau  der  Gliedmaassen,  die  Lage  der  Nasenlöcher  etc. 

1 .  Der  Barramunda  (( Yratodus  J  ist  ein  grosser,  gestreckter,  an  beiden 
Enden  zugespitzter  Fisch  mit  grossen  Schuppen ;  grosse  breite  Gliedmaassen ; 


Rücken-,  Schwanz-  und  Afterflosse  nicht  gesondert.  Lebt  in  den  Flüssen 
Neu-Hollands. 

2.  Protopterus  annectens  ist  der  Name  eines  in  Afrika  lebenden  Lungen- 
fisches mit  sehr  schmalen,  langen  Gliedmaassen;   er  besitzt  einige  kleine 


fadenförmige,  vielleicht  als  Kiemen  fungirende  Hautanhänge  am  oberen  Ende 
der  Kiemenöffnung  (von  den  gewöhnlichen  Kiemen  fehlen  dagegen  die  am 


Fig.  281.    Ceratodus.  —  Nach  Günther. 


Fig.  282.    Protopterus  annectens. 


Wirbelthiere.   2.  Classe:  Fische. 


403 


1 .  und  2.  Kiemenbogen) ;  übrigens  ist  er  äusserlich  in  der  Hauptsache  dem 
vorhergehenden  ähnlich.  —  Eine  verwandte  form  (I,cpido$ircn  paradoxa)  in 
Südamerika. 

5.  Ordnung.   Knochenfische  (Tcleostci). 

Das  Skelet  besteht  aus  Knorpel  und  Knochen;  letzterer  bildet 
die  Hauptmasse.  Herzkegel  rudimentär.  Arterienbulbus  vorhanden. 
Keine  Spiralfalte  im  Darm.  Ein  von  knöchernen  Theilen  gestützter 
Kiemendeckel.  Kein  Spritzloch.  Die  Haut  mit  Schuppen  oder 
Knochenhöckern,  -platten,  etc. ;  Hautzähne  fehlen  in  der  Regel  (können 
aber  in  geringerer  Menge  vorhanden  sein).  Flossen  zusammenfaltbar, 
mit  Knochenstrahlen  versehen. 

1.  Unterordnung.    Physostomen  (Physostomi). 

Schwimmblase  durch  einen  Luftgans  mit  dem  Darmkanal  ver- 
bunden. Bauchflossen  weit  hinten,  dicht  beim  After.  In  der  Regel 
fehlen  Stachelstrahlen.    Schuppen  cycloid. 

1.  Die  Heringsfamilie  (Clujmdae).  Körper  länglich,  zusammen- 
gedrückt. Grosse ,  leicht  abfallende  Cycloidschuppen.  Nur  eine  Rücken- 
flosse. Zähne  schwach.  Hierher  gehören:  der  Hering  (Cluj)ea  harenaus) 
nnd  der  Sprott  (Cl.  spraitus),  beide  in  der  Nord-  und  Ostsee  gemein, 
die  Sardine  (67.  püchardas)  an  den  Küsten  Frankreichs  und  Englands 
gemein,  der  Mai  fisch  (Cl.  ahm)  in  der  Nordsee  etc.,  welcher  zum  Laichen 
die  FlüsBe  (z.  B.  den  Rhein)  hinaufsteigt;  alle  diese  einander  sehr  ähn- 
lichen Formen  haben  eine  Reihe  Kielschuppen  längs  der  Bauchseite;  weiter 
der  echte  Anchovis  oder  die  Sardelle  (Engraidis  encrassicholus),  ohne 
Kielschuppen,  mit  verlängerter  Schnauze,  im  Mittelmeer,  seltener  in  den 
nördlichen  Meeren. 

2.  Die  Laohsfamilie  (Salmonidae).  Schuppen  klein  oder  mittel- 
gross. Zwei  Rückenflossen,  von  welchen  die  hintere  eine  strahlenlose 
Fettflosse  ist.  Besonders  im  Süsswasser.  In  Deutschland  leben  u.  A. : 
Der  Lachs  (Salmo  salar),  in  den  nordeuropäischen  Meeren,  wandert  zum 
Laichen  in  die  Flüsse  hinein;  die  nahe  verwandte  Forelle  (S.  fario),  im 
Süsswasser;  der  Saibling  (S.  salvelinm),  kleiner,  in  Gebirgsseen;  von 
den  Maränen  oder  Renken  (Corcgonus),  mit  kleinen  Zähnen  oder  zahn- 
los (die  Salmo-Arten  haben  grosse  Zähne),  leben  einige  Arten  im  Meere, 
andere  im  Süsswasser. 

3.  Die  Hechtfamilie  (Esocidae).  Kleine  Schuppen.  Rückenflosse 
weit  hinten.  Abgeplattete,  gestreckte  Schnauze.  Mund  gross  mit  zahl- 
reichen, z.  Th.  grossen  Zähnen.  Wenige  Arten.  Der  gemeine  Hecht 
(Esox  lueius)  häufig  in  Süsswasser. 

4.  Die  Karpfenfamilie  (Oyprinidae).  Körper  zusammengedrückt, 
mit  grösseren  oder  kleineren  Schuppen.  Eine  Rückenflosse.  Die  Knochen 
des  Mundes  sind  sämratlich  zahnlos  mit  Ausnahme  der  unteren  Schlund- 
knochen, welche  mit  kräftigen  Mahlzähnen  versehen  sind,  die  gegen  eine 
dicke,  an  der  Unterseite  des  Schädels  angebrachte  Hornplatte  wirken. 
Häufig  Bartfaden  am  Mundrande.  Süsswasserfische ,  welche  sich  theilweise 
von  zerfallenen  Pflanzen  ernähren.  Von  den  zahlreichen  Formen  seien  an- 
geführt: der  Karpfen  (typrinus  carjrio)  mit  vier  Bartfäden  am  oberen 
Mundrand  (aus  Asien  eingeführt),  die  Karausche  (Carassim  vulgaris)  ohne 
Bartfäden,  sonst  jenem  ähnlich,  der  Goldfisch  (Car.  auratus)  aus  China, 

26* 


404 


Specieller  Theil. 


die  Barbe  (Morbus  vulgaris)  mit  4  Bartfaden,  davon  zwei  an  der  Schnau- 
zenspitze, der  kleine  Gründling  (Gubio  fluviatilis) ,  die  Weissfische 
(Leuciscus),  die  Sch leihe  {  Tinea  vulgaris)  mit  kleinen  Schuppen  in  der 
dicken,  schleimigen  Haut;  der  kleine  Bitterling  (Rhodens  amarun). 
Weibchen  in  der  Laichzeit  mit  einer  langen,  an  der  Spitze  die  Geschlechts  - 
Öffnung  tragenden  Legeröhre,  mittels  welcher  die  Eier  in  die  Kiemenhöhle 
von  Flussmuscheln  (l'nio)  abgelegt  werden ;  der  Brassen  (Abramis  brama) 
mit  hohem,  seitlich  zusammengedrücktem  Körper;  die  Schmerlen  (Cobi- 
tis),  kleine  Fische  mit  gestrecktem,  zuweilen  aalartig  verlängertem,  Körper, 
sehr  kleinen,  verborgenen  Schuppen,  6  oder  mehr  Bartfäden.  (Darmre- 
spiration, vergl.  S.  391.)  Alle  genannten,  mit  Ausnahme  des  Goldfisches, 
in  Deutschland  einheimisch. 

5.  Die  Welsfamilie  (Siluridne).  Körper  niemals  mit  gewöhnlichen 
Schuppen,  entweder  nackt  oder  mit  grösseren  Knochenplatten  (Hautzähne 
können  vorhanden  sein).  Der  Oberkieferknochen  sehr  schwach  entwickelt. 
Bartfäden  am  Munde.  Eine  FettflosBe  häufig  vorhanden.  Süsswasserfische, 
welche  besonders  durch  zahlreiche  interessante  Formen  in  den  Tropen  ver- 
treten sind.  Der  Wels  (Silurus  glanis),  nackt,  mit  ganz  kleiner  Rücken- 
flosse weit  vorne,  langer  Afterflosse,  zwei  langen  und  vier  kurzen  Bart- 
fäden, kleinen  Augen;  wird  bis  4  Meter  lang;  der  einzige  europäische 
Repräsentant  der  Familie  (auch  in  Deutschland).  Der  Zitterwels 
(Malapterurus  eleetricus)  mit  Fettflosse  (sonst  aber  ohne  Rückenflosse), 
meterlang,  in  Afrika.  Die  Panzerwelse  (Lorimria),  Haut  mit  grossen 
Knochenplatten  bedeckt,  in  Südamerika. 

6.  Die  Aalfamilie  (Muraetxidae).  Körper schlangenformig,  schuppen- 
los oder  mit  kleinen  Schuppen,  ohne  Bauchflossen,  Rücken-,  Schwanz-  und 
Afterflosse  bilden  einen  zusammenhängenden  Flossensaum,  kleine  Kiemen- 
spalte, kleine  Augen.  Der  Aal  (AtujuiUa  vulgaris),  mit  Schuppen,  laicht 
im  Meere,  wahrscheinlich  auf  tiefem  Wasser,  die  noch  durchsichtigen  Jungen 
wandern  in 's  Süsswasser  hinauf;  später  gehen  die  Aale  wieder  in's  Meer. 
Der  Meeraal  (Cotiger  vulgaris),  schuppenlos,  erreicht  eine  bedeutende 
Grösse  (ein  paar  Meter),  in  der  Nordsee.  Die  Muräne  (Qymnothorax  tnu- 
raena),  ganz  gliedmaassenlos,  indem  auch  die  Brustflossen  fehlen,  im  Mittel- 
meer. —  Zu  einer  anderen  Familie  schlangenförmiger  Physostomen  gehört 
der  Zitteraal  (Oymnotus  ekclricus),  in  Südamerika;  After  dicht  beim 
Kopfe,  Afterflosse  lang,  keine  Rücken-  und  Bauchflossen. 

2.  Unterordnung.    Aphysostomen  (Aphysostonri). 

Kein  Luftgang.  Bauchflossen  gewöhnlich  weit  nach  vorne  ge- 
rückt. Meistens  sind  Stachelstrahlen  vorhanden  (nicht  bei  den 
sub  1  —  3  aufgeführten  Formen). 

1.  Die  Makrelenhechte  (Scombercsocidae).  Cycloidschuppen. 
Rückenflosse  kurz ,  weit  hinten.  Bauchflossen  weit  hinten.  Keine 
Stachelstrahlen.  Der  Hornfisch  (Melone  vulgaris)  hat  Unter-  und  Zwischen- 
kiefer zu  einem  langen ,  mit  feinen  Zähnen  besetzten  Schnabel  verlängert, 
Körper  sehr  gestreckt,  Knochen  grün;  in  der  Nord-  und  Ostsee.  Die 
fliegenden  Fische  (Exoooetus)  zeichnen  sich  durch  die  kolossale  Ent- 
wicklung der  Brustflossen  aus,  vermittels  welcher  sie  eine  kurze  Strecke  über 
die  Oberfläche  des  Meeres  hin  fliegen  können;  in  den  wärmeren  Meeren 
(eine  Art  schon  im  Mittelmeer). 

2.  Die  Schellfischfamilie  (Gatlidae),  Körper  etwas  gestreckt, 
mit  kleinen  Cycloidschuppen.    Tn  der  Regel  2 — 3  Rückenflossen  und  1  —  2 


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Wirbelthiere.   2.  Classe:  Fische. 


405 


Afterflossen.  Bsuchflossen  vor  den  Brustflossen.  Keine  Stachelstrahlen. 
Oft  ein  Bartfaden  am  Kinn.  Zur  Gattung  Gadus,  mit  3  Rücken-,  2  After- 
flossen, gehören:  der  Dorsch  oder  Kabljau  (G.  morrhua) ,  welcher  in 
ungeheuren  Schaaren  im  nordatlantischen  Meer  vorkommt,  bis  m  lang, 
und  der  Schellfisch  (G.  aeglefinus\  zahlreich  z.B.  in  der  Nordsee,  beide 
mit  Bartfaden.  Die  Quappe  ( L.  vulgaris),  im  Süsswasser ,  hat  eine  vor- 
dere kurze  und  eine  lange  hintere  Bückenflosse  (die  hintere  entspricht  den 
beiden  hinteren  Bückenflossen  von  Gadus),  eine  Afterflosse  und  einen  Bart- 
faden. —  Zu  einer  verwandten  Familie  (Ophidiidac)  gehören  die  Sandaale 
(Ammodytes) ,  kleine  langgestreckte  Fische  ohne  Kieferzähne ,  mit  vor- 
ragendem Unterkiefer ,  ohne  Bauchflossen ,  mit  langer  Rückenflosse  und 
Afterflosse;  an  der  Küste  der  Nord-  und  Ostsee.  Zu  derselben  Familie 
gehört  auch  die  Gatt.  Fierasfcr ,  deren  Arten  in  den  Wasserlungen  der 
Seewalzen  ihren  Aufenthalt  nehmen  (ohne  eigentlich  Parasiten  zu  sein ;  sie 
ernähren  sich  von  kleineren  Thieren) ;  eine  verwandte  Gattung,  Enchelyophis, 
soll  ein  wirklicher  Parasit  sein. 

3.  Die  Plattfische  (PkuromcUdae).  Der  Körper  ist  eine  hohe, 
zusammengedrückte  Scheibe;  beide  Augen  auf  derselben  Seite,  bei  einigen 
Arten  auf  der  rechten ,  bei  anderen  auf  der  linken  (bei  wenigen  Arten 
haben  einige  Individuen  die  Augen  rechts,  andere  links);  die  blinde  Seite 
ist  weiss  und  nach  unten  gekehrt,  die  andere  gefärbt ;  der  Mund  ist  etwas 
nach  der  blinden  Seite  verschoben.  Rücken-  und  Afterflosse  sehr  lang, 
After  weit  vorne.  Die  Bauchflossen  vor  den  Brustflossen.  Keine  Stachel- 
strahlen. —  Als  kleine  Junge  sind  sie  vollkommen  symmetrisch,  die  Augen 
sitzen  jedes  an  seiner  Seite  des  Kopfes ,  und  die  Thiere  schwimmen  mit 
dem  Bauch  nach  unten ;  später  dreht  sich  das  eine  Auge  auf  die  andere 
Seite  hinüber ,  das  Thier  legt  sich  auf  die  Seite  etc.  —  In  der  Nord- 
und  Ostsee  leben  unter  anderen:  die  Scholle  (Pleworiectes  plaicssa), 
Augen  rechts  (äusserst  selten  links),  Schuppen  glatt;  die  Kliesche  (PI. 
limanda),  Augen  rechts,  Schuppen  rauh;  der  Flunder  (PI.  flesus),  mit 
rauhen  Knochen hückern,  Augen  meistens  rechts,  sehr  oft  jedoch  links ;  letz- 
terer kommt  nicht  nur  im  Meere,  sondern  auch  im  Süsswasser  vor.  Die 
Seezunge  (Üoka  adgarüs) ,  weniger  hoch  als  die  vorhergehenden,  Augen 
rechts;  der  Heilbutt  (Wjtpoglo.ssu.s  vulgaris),  ebenfalls  mit  den  Augen 
rechts,  erreicht  eine  ansehnliche  Grösse  (ein  paar  Meter).  Der  Steinbutt 
{Rhombus  maxhnus),  mit  Knochenwarzeu,  und  der  Glattbutt  (Rh.  laevis), 
mit  kleinen  glatten  Schuppen,  beide  mit  den  Augen  an  der  linken  Seite. 

4.  Die  Barschf am ilie  (Pereidae).  Schuppen  ctenoid.  Zwei  Rücken- 
flossen ,  welche  jedoch  häufig  zusammenhängen ,  die  vordere  mit  lauter 
Stachel  strahlen.  Bauchflossen  unterhalb  der  Brustflossen.  Kiemendeckel 
mit  Dornen.  Hierzu  der  Flussbarsch  (Perca  flumaHlis),  der  grössere, 
gestrecktere,  mit  grossen  Zähnen  versehene  Zander  (Lucioperca  satulra), 
der  Kaulbarsch  (Acerina  eeinuä),  mit  verschmolzenen  Rückenflossen; 
alle  drei  sind  Süsswasserfische  (der  erste  auch  im  Brackwasser)  und  kommen 
in  Deutschland  vor.  —  Zu  einer  verwandten  Familie  gehören  die  vorhin 
(S.  391)  erwähnten  Kletterfische  (Anabua). 

5.  Die  Lippfische  (Labridae)  erinnern  äusserlich  an  die  Barsche; 
sie  zeichnen  sich  besonders  dadurch  aus  ,  dass  die  unteren  Scblundknochen 
mit  einander  verschmolzen  sind,  häufig  auch  durch  eine  wulstige  Hautver- 
dickung (Lippe)  längs  des  Mundrandes.  Zu  dieser  Familie,  welche  durch 
mehrere  kleine  Arten  in  der  Nord-  und  Oßtsee  vertreten  ist,  gehören  auch 
die  Papageifische  (S/nru.s),  welche  dadurch  ausgezeichnet  sind,  dass 
der  Rand  und  ein  Theil  der  Vorderseite  des  Zwischen-  und  Unterkiefers 


406 


Specieller  Theil. 


mit  Zähnen  besetzt  sind,  welche  mit  einander  und  mit  den  theüweise  ent- 
blössten  Kieferknochen  durch  eine  Knochenmasse  verbunden  sind,  wodurch 
ein  zusammenhängender  schneidender  Rand  gebildet  wird;  an  den  oberen 
und  unteren  Schlundknochen  in  ähnlicher  Weise  verkittete  Mahl  zahne.  Die 
Papageifische ,  welche  ausschliesslich  den  wärmeren  Meeren  angehören 
(eine  Art  im  Mittelmeer),  sollen  sogar  Aeste  von  Steinkorallen  abbeia&en 
können. 

6.  Das  Petermännchen  (Trachimts  draco)  ist  ein  etwas  gestreckter 
Fisch  mit  kurzem  Kopf  und  kleinen  cycloiden  Schuppen-,  zwei  Bücken« 
flössen,  von  welchen  die  hintere  lang  und  weichstrahl  ig ,  die  vordere 
ganz  kurz  und  stachelstrahlig  ist;  Bauchflossen  vor  den  Brustflossen.  Am 
Kiemendeckel  findet  sich  ein  knöcherner  Stachel  mit  zwei  Giftdrüsen,  welche 
in  Rinnen  an  der  Oberfläche  desselben  liegen  und  dicht  vor  dessen  Spitze 
ausmünden;  ähnliche  Drüsen  an  den  Stachelstrahlen  der  Rückenflossen.1) 
Häufig  in  der  Nordsee  (selten  in  der  westl.  Ostsee);  wird  häufig  mit  dem 
grössten  Theil  des  Körpers  in  den  8and  vergraben  angetroffen. 

7.  Die  Schuppen  flosser  (Squamijwnwsy  Stachelflosser  mit  sehr 
hohem ,  stark  zusammengedrücktem  Körper  und  mit  prächtigen  Farben ; 
die  Schuppen  erstrecken  sich  weit  auf  die  unpaaren  Flossen  hin.  In  den 
wärmeren  Meeren. 

8.  Die  Panzerwangen  (Cataphracti).  Körper  in  der  Regel  ohne 
gewöhnliche  Schuppen,  nackt  oder  mit  grösseren  Knochenplatten;  einer 
der  unterhalb  des  Auges  liegenden  Seitenlinienknochen  (Suborbitalknochen) 
ist  stark  entwickelt  und  erstreckt  sich  hinten  bis  an  das  Praeoperculum  (den 
vordersten  der  Kiemendeckel  -  Knochen).  Bauchflossen  unter  den  Brust- 
flossen. Hierher  gehören:  Der  Seescorpion  (Cottus  sc&rpius),  ein  gross- 
köpfiger  Fisch  mit  nackter  Haut,  mit  Dornen  am  Kopfe,  häufig  in  der 
Kord-  und  Ostsee;  in  den  Süßwassern  Deutschlands  lebt  die  kleine  (bis 
15  cm  lange)  Groppe  (Cottus  gobio).  Der  kleine  Steinpicker  {Ago- 
mts  cataphr actus),  mit  Knochenplatten  am  Körper  und  mit  zahlreichen  Bart- 
faden,  und  der  Knurrhahn  (JIYigla  gurnardus)  mit  gepanzertem  Kopf, 
kleinen  Schuppen  und  den  untersten  Strahlen  der  Brustflossen  frei,  finger- 
artig, als  formliche  Beinchen  zum  Kriechen  verwendbar,  leben  ebenfalls  in 
der  Nord-  und  Ostsee.  Beim  Flughahn  (Daclghpterus  volitans)  ist  jede 
Brustflosse  in  zwei  Theile  gesondert,  von  welchen  der  eine  sehr  gross  ist, 
so  dass  das  Thier  mittels  desselben  sich  über  die  Meeresoberfläche  erheben 
kann;  im  Uebrigen  steht  das  Thier  den  beiden  vorher  genannten  nahe;  im 
Mittelmeer. 

9.  Die  Stichlingsfamilie  (Gasterosteidae)  ist  der  vorhergehenden 
Familie  in  Bezug  auf  das  Verhalten  der  Suborbitalknochen  ähnlich.  Der 
stachelstrahlige  Theil  der  Rückenflosse  besteht  aus  freien  Strahlen;  die 
Bauchflossen,  welche  etwas  hinter  den  Brustflossen  sitzen,  bestehen  ans  je 
einem  langen  Stachelstrahl  und  einem  kurzen  Weichstrahl.  Keine  Schuppen, 
sondern  grössere  Knochenplatten  in  der  Haut.  Das  Männchen  baut  oft  ein 
Nest.  Die  Stichlinge  (Gasterosteus)  sind  kleine  Fische,  welche  sowohl 
in  Süss-  als  in  schwach  salzigem  Meereswasser  leben;  der  dreistachlige 
Stichliug  (ff.  acideatus)  mit  3,  der  n eunstach lige  Stichling  (ff. 
pungiHus)  mit  ca.  9  Stachelstrahlen  der  Rückenflosse,  beide  in  Deutschland. 
Ausschliesslich  dem  Meere  (Nord-,  Ostsee,  etc.)  gehört  der  Seestich- 
ling  (Spiuachia  vulgaris)  an,  sehr  gestreckt,  mit  langem  dünnen  Schwanz, 
15  freien  Stachelstrahlen. 

')  Auch  bei  einigen  anderen,  tropischen,  Fischen  sind  ähnliche  Giftwerkzeuge 
nachgewiesen. 


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Wirbelthiere.   2.  Classe:  Fische. 


407 


10.  Die  Makrelen familie  (Scomberidae).  StachelflosBer.  Körper 
gestreckt,  wenig  zusammengedrückt,  mit  kleinen  Schuppen.  Hinterer  Theil 
der  Rücken-  und  Afterflosse  in  eine  Anzahl  kleiner  Stücke  zerfallen. 
Bauchflossen  unterhalb  der  Brustflossen.  Hierzu  die  Makrele  (Scomber 
sromber) ,  gemein  an  den  europäischen  Küsten ,  und  der  Thunfisch 
(Thynnus  vulgaris],  gemein  im  Mittel meer,  seltener  in  den  nördlichen  Meeren. 
—  Verwandt  sind  die  Schiffshalter  (Ecficncis),  deren  vordere  Rücken- 
flosse zu  einem  Saugapparat  umgebildet  ist,  welcher  sich  auf  den  Kopf 
hinauf  erstreckt,  und  mit  welchem  das  Thier  sich  an  grösseren  Fischen, 
Schiffen  etc.  anheftet.  Ferner  der  grosse  Schwertfisch  (Xiphias  gladius), 
dessen  Oberkiefer  stark  schnabelförmig  verlängert  ist,  und  welcher  keine 
Brustflossen  besitzt ;  häufig  im  Mittel  meer,  erscheint  hin  und  wieder  in  den 
nördlichen  Meeren,  sogar  in  der  Ostsee. 

11.  Die  Schleimfische  (Blcnniidae).  Körper  in  der  Regel  fast 
aalförmig,  mit  sehr  kleinen  Schuppen.  Gewöhnlich  eine  lange  Rücken-  und 
Afterflosse,  aus  biegsamen,  ungegliederten  Strahlen  bestehend  (keine  Stachel- 
strahlen).  Bauchflossen  vor  den  Brustflossen.  Hierzu  gehören:  Die  Aal- 
mutter (Zoarees  virijmrus) ,  sehr  häufig  in  der  Nord-  und  Ostsee,  bis 
40  cm  lang,  lebendiggebärend.  Der  S  e  e  w  o  1  f  (Amnhicluis  lupus),  grösser, 
mit  mächtig  entwickelten,  starken,  kegelförmigen  Zähnen  vorne  und  Mahl- 
zähnen mehr  hinten  im  Munde,  ohne  Bauchflossen;  ernährt  sich  von 
Muscheln  u.  ä. ;  in  den  nördlichen  Meeren  (selten  in  der  Ostsee). 

12.  Die  Meergrundeln  (Gobius)  sind  kleine  Fische  mit  ziemlich 
weichen  8tachelstrahlen ;  sie  zeichnen  sich  besonders  dadurch  aus,  dass  die 
Bauchflossen ,  welche  unterhalb  der  Brustflossen  sitzen ,  mit  einander  ver- 
schmolzen sind.  —  Bei  dem  einer  anderen  Familie  angehörigen  Seehasen 
(Cyclupterus  lumpiix]  sind  die  Bauchflossen  ebenfalls  verwachsen  und  dazu 
noch  zu  einer  Saugscheibe  umgebildet;  der  Seehase  (Lump)  ist  ein  kurzer, 
plumper  Fisch  mit  knöchernen  Dornen  in  der  Haut ;  in  der  Nord-  und  Ostsee. 

13.  Die  Armflosser  (Pediculati).  Körper  plump,  nackt,  Kopf  oft 
gross ,  Kiemenöffnung  klein ;  Bauchflossen  vor  den  Brustflossen ,  welch 
letztere  wie  gestielt  sind,  indem  die  sonst  bei  den  Knochenfischen  kurzen 
Radien  (die  „Handwurzel")  hier  verlängert  sind.  Der  vordere  Theil  der 
Rückenflosse  besteht  aus  einer  Anzahl  freier  Strahlen.  In  den  nordischen 
Meeren  nur  der  grosse  Seeteufel  ([jophius  piscatorim) ,  abgeplattet,  mit 
kolossaler  Mundöffnung ;  die  freien  Rückenstrahlen  verlängert,  der  vorderste 
(nebst  zwei  folgenden  auf  dem  Kopfe  sitzend)  mit  einem  weichen  Anhang 
an  der  Spitze. 

14.  Die  Haftkiefer  (Pkdognathi)  sind  Fische  von  sehr  verschie- 
denem Aussehen,  welche  darin  mit  einander  übereinstimmen,  dass  die  Ober- 
und  Zwischenkieferbeine  der  gewöhnlichen  Regel  entgegen  mit  dem  Schädel 
unbeweglich  verbunden  sind ;  Bauchflossen  fehlen.  Grösstentheils  Thiere 
von  sehr  eigentümlichem  Gepräge,  welche  in  den  wärmeren  Meeren  zu 
Hause  sind.  Die  Kofferfische  (Oäraciun) ,  kurz,  mit  abgeplattetem 
Bauch,  zeichnen  sich  dadurch  aus,  dass  der  grösste  Theil  des  Körpers  von 
einem  dünnen  Knochenpanzer  umgeben  ist,  welcher  aus  polygonalen,  fest 
verbundenen  Platten  zusammengesetzt  ist;  nur  der  kleine  Schwanz  und  die 
Flossen  sind  beweglich.  Die  Igel  fische  (IHodo)i)  sind  mit  knöchernen 
Dornen  besetzt,  welche  sich  aufrichten,  wenn  das  Thier  sich  aufbläst;  dies 
geschieht,  indem  es  eine  sackförmige  Ausstülpung  der  Speiseröhre  mit  Luft 
füllt,  welche  durch  den  Mund  aufgenommen  wird  (es  liegt  dann  mit  dem 
Bauch  nach  oben  im  Wasser) ;  ihre  Bezahnung  erinnert  an  die  der  Papagei- 
fische.   Die  Klump-  oder  Mondfische  (Mola  oder  Orthayw  isais)  siud 


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408 


Specieller  Theil. 


grosse,  pelagische  Fische,  stark  zusammengedrückt  und  sehr  kurz  (der 
Körper  bildet  eine  senkrechte  kurz-ovale  Scheibe),  die  Schwanzflosse  ist  ein 
Saum  längs  des  Hinterrandes  des  Thieres,  Bücken-  und  Afterflosse  hoch; 
eine  Art  {Mola  nasus),  welche  der  pelagischen  Fauna  des  Atlantischen 
Meeres  angehört,  ist  einige  Male  im  Kattegat  getroffen  worden. 

15.  Die  Seenadelfamilie  (Syngnathidae).  Körper  gestreckt  mit 
Knochenplatten  bekleidet,  die  Schnauze  in  eine  Röhre  ausgezogen,  an  deren 
Spitze  die  kleine  zahnlose  Mundöffnung  liegt;  Bauchflossen  fehlen.  Kiemen- 
blättchen  in  ganz  geringer  Zahl  an  jedem  Bogen,  aber  stark  gefaltet ;  äussere 
Kiemenöffnung  klein.  Die  Eier  werden  von  den  Männchen  an  der  Unter- 
seite von  Bumpf  und  Schwanz  umhergetragen,  indem  sie  in  einigen  Fällen 
einfach  derselben  angeklebt  sind,  in  anderen  zwischen  zwei  Längsfalten 
oder  in  einen  Sack  eingeschlossen  sind.  Die  Thiere  schwimmen  mittels 
sehr  schneller  wellenförmiger  Vibrationen  der  nicht  sehr  langen  Bücken- 
flosse In  den  nördlichen  Meeren  leben  verschiedene  Seenadeln,  Arten 
der  Gattungen  Sytignathus ,  Nerophis  u.  a. ,  welcher  letztgenannten  alle 
Flossen  mit  Ausnahme  der  Bückenflosse  fehlen.  Die  Seepferdchen 
(Hippocampus)  mit  flossenlosem  Greifschwanz,  nach  unten  gebogeuem  Kopfe 
und  dornartigen  Auswüchsen  an  Kopf  und  Bumpf,  stehen  während  des 
Schwimmens  senkrecht  im  "Wasser;  meistens  in  den  wärmeren  Meeren,  eine 
Art  in  Mittelmeer  häufig,  kommt  auch  noch  in  der  Nordsee  vor. 


3.  Classe.   Amphibien  oder  Lurche  (AmphMa). 

Im  Gegensatz  zu  den  Fischen  ist  der  Kopf  bei  den  Amphibien  in  der 
Regel  ziemlich  deutlich  vom  Rumpf  abgegrenzt,  wenn  auch  noch  kein 
deutlich  abgesonderter  Hals  vorhanden  ist;  der  Kopf,  und  gewöhn- 
lich auch  der  Rumpf,  ist  mehr  oder  weniger  niedergedrückt,  ersterer 
in  der  Regel  etwas  freier  beweglich.  Wenn  ein  Schwanz  vorhanden 
ist ,  so  ist  er  gewöhnlich  mehr  oder  weniger  zusammengedrückt  und 
kräftig  entwickelt,  aber  bei  Weitem  nicht  so  musculös  wie  bei  den 
Fischen;  oben  geht  er  ziemlich  allmählich  in  den  Rumpf  über,  unten 
ist  er  dagegen  deutlich  von  diesem  abgesetzt.  Die  Gliedmaassen 
stehen  auf  einer  höheren  Entwicklungsstufe  als  bei  den  Fischen;  sie 
zerfallen  in  mehrere  durch  Gelenke  gesonderte  Abschnitte,  der 
äusserste  ist  in  Finger  oder  Zehen  gespalten ,  ein  Flossensaum  wie 
bei  den  Fischen  fehlt  immer:  sie  sind  Gehwerkzeuge  geworden. 
In  Vergleich  mit  den  Gliedmaassen  z.  B.  der  Säugethiere  sind  sie 
allerdings,  wenigstens  bei  der  einen  Hauptgruppe,  noch  klein  und 
schwach. 

Die  Oberhaut  ist  beim  ausgebildeten  Thiere  mit  einer  dünnen 
(eine  oder  zwei  Zellen  dicken)  Hornschic h t  versehen,  welche  ebenso 
wie  die  der  Reptilien  periodisch  als  ein  Ganzes  abgeworfen  und  durch 
eine  neue  ersetzt  wird  (Häutung).  Einzelne  Stellen  der  Oberfläche 
können  mit  einer  festeren  Hornschicht  versehen  sein,  z.  B.  gewisse 
Stellen  an  den  Vordergliedmaassen  der  Frösche  während  der  Fort- 
pflanzungszeit. Krallen*  fehlen.  Mit  der  Haut  sind  rundliche, 
sackförmige  echte  Drüsen  verbunden,  welche  über  die  ganze  Ober- 
fläche verbreitet  ausmünden ;  zuweilen  sind  sie  an  einigen  Stellen 
dichter  gehäuft,  welche  sich  dann  etwas  hervorwölben  können  (die 
sogenannten  „Parotidei!"  hinter  dem  Kopfe  beim  Landsalamander  und 


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Wirbelthiere.    3.  Classe:  Amphibien. 


409 


bei  Kröten  sind  Haufen  von  Hautdrüsen).  Die  Absonderung  hat 
wenigstens  theilweise  den  Zweck,  die  Haut  feucht  zu  erhalten;  zu- 
weilen ist  das  Secret  giftig.  In  die  Lederhaut  sind  bei  den  meisten 
Qymnophionen  (Schleichenlurchen) wirkliche  Schuppen  von  derselben 
Art  wie  bei  den  Fischen  eingeschlossen;  bei  einzelnen  anderen  können 
an  gewissen  Hautstellen  auch  grössere  Hautknochen  *)  vorhanden 
sein,  oder  es  kann  sich  (wie  bei  alten  Exemplaren  der  gemeinen  Kröte) 
in  der  Lederhaut  Kalk  ablagern.  Ebenso  wie  die  Fische  sind  nicht 
wenige  Amphibien  mit  einem  unpaaren  Flossensaum  versehen, 
welcher  sich  längs  eines  grösseren  oder  kleineren  Theiles  des  Rückens 
(zuweilen  vom  Kopfe  ab)  und  um  die  Schwanzspitze  herum  an  der 
Unterseite  des  Schwanzes  bis  an  den  After  erstreckt;  er  ist  stets 
strahlenlos,  gewöhnlich  in  der  Fortpflanzungszeit  am  stärksten  und 
beim  Männchen  stärker  als  beim  Weibchen  entwickelt;  er  ist  übrigens 
nur  bei  einer  Anzahl  Schwanzlurchen  vorhanden,  fehlt  bei  den 
übrigen  Amphibien  (dagegen  im  Larvenzustand  vorhanden,  vergl. 
unten). 


Fig.  288.    Skclet  eines  Schwanzlurches  (Afcnopoma). 


Das  Skelet  ist  zwar  zum  grösseren  Theil  verknöchert,  ähnlich 
wie  bei  manchen  Fischen  sind  jedoch  bedeutende  Knorpelpartien,  be- 
sonders im  Schädel,  vorhanden.  Bei  den  Kiemenlurchen  und  Gymno- 
phionen  sind  die  Wirbelkörper  biconcav,  vorn  und  hinten  aus- 
gehöhlt, und  die  Chorda  gross;  bei  den  übrigen  ist  die  Chorda 
dagegen  in  der  Hegel  rückgebildet,  ihre  Ueberreste  sind  in  die 
Wirbelkörper  eingeschlossen,  welche  mit  einander  durch  Gelenke  ver- 
bunden sind;  bei  den  Schwanzlurchen  sind  die  Wirbelkörper  hinten 
ausgehöhlt,  vorne  convex  (opisthocoel),  bei  den  Froschlurchen  in 
der  Regel  vorne  ausgehöhlt,  hinten  convex  (procoel).  Die  Bögen 
der  Wirbel  tragen  hinten  an  der  Unterseite  je  zwei  Gelenkflächen, 


')  Aach  bei  manchen  ausgestorbenen  Amphibien  (Labyrintbodonten)  waren  in 
der  Lederhaut  grössere  oder  kleinere  Knochen  vorhanden. 


410 


Specieller  Theil. 


welche  zwei  ähnlichen  vorne  an  der  Oberseite  des  folgenden  Bogens 
entsprechen  (Gelenkfortsätze).  Aehnlich  wie  bei  den  Fischen,  im 
Gegensatz  aber  zu  den  folgenden  Classen ,  ist  der  zweite  Rumpf- 
(Hals-)wirbel  nicht  besonders  entwickelt  (vergl.  die  Reptilien).  Von 
den  Rumpfwirbeln  ist  überhaupt  nur  der  erste,  an  welchen  der  Kopf 
eingelenkt  ist,  und  der  letzte,  an  welchen  das  Becken  befestigt  ist, 
von  den  übrigen  etwas  abweichend.  Die  Schwanzwirbel  sind  bei  den 
Schwanzlurchen  mit  unteren  Bögen  versehen ;  bei  den  Froschlurchen 
sind  die  im  Larvenzustande  zahlreichen  Schwanzwirbel  beim  erwachsenen 
Thiere  zu  einem  langen,  ungegliederten  Knochen,  dem  Steissbein, 
verschmolzen  —  Die  Rippen  erreichen  nie  das  Brustbein;  sie  waren 
bei  gewissen  ausgestorbenen  Amphibien  (Stegocephalen)  wohl  ent- 
wickelt, bei  allen  jetztlebenden  Amphibien  dagegen  sind  sie  stark 
rückgebildet;  am  deutlichsten  sind  sie  noch  bei  den  Schwanzlurchen 
und  Gymnophionen,  bei  denen  sie  als  kurze  Anhänge  in  der  Regel 
an  allen  Rumpfwirbeln,  mit  Ausnahme  des  ersten,  und  (bei  den 
Schwanzlurchen)  zugleich  an  den  vorderen  Schwanzwirbeln,  vor- 
handen sind;  bei  den  Froschlurchen  sind  die  Rippen  rudimentär  und 
beim  erwachsenen  Thiere  gewöhnlich  mit  den  langen  Querfortsätzen 
verschmolzen.  —  Das  Brustbein  steht  nicht  in  Beziehung  zu  den 
Rippen,  schliesst  sich  dagegen  eng  an  die  untere  Partie  des  Schulter- 
gürtels an ;  bei  den  Schwanzlurchen  ist  es  eine  kurze  Knorpelplatte, 
in  deren  Vorderrand  die  Coracoide  eingefalzt  sind,  bei  den  Frosch- 
lurchen ist  es  oft  theilweise  verknöchert  und  mit  den  genannten 
Knochen  eng  verbunden. 

Das  Kopfskelet  schliesst  sich  in  vielen  Punkten  an  das  derGa- 
noiden  und  Knochenfische  an.    Bedeutende  Theile  des  knorpeligen 


A  B 


Fig.  284.  Die  V  i  ■  c e r al b  6 ge  n  des  La n  il s  al a in  and c  rs  ,  von  unten  gesehen, 
A  Larve,  B  erwachsenes  Thier,  c  Copulac,  c  die  letzte  Copula  (beim  erwachsenen  von  den 
Übrigen  abgetrennt),  k  Unterkiefer,  h  Zuiigenbeiiibu^cn,  brt  -  4  erster — vierter  Kiemcnbogen. 
I  Hintcrhauptsgelenkhöcker,  o  Auge.  —  Nach  Husconi. 

')  Der  Schwanz  tritt  bei  diesen  Thieren  äusserlich  nicht  hervor,  indem  die 
langen  Darmbeine,  welche  mit  ihrem  vorderen  Ende  am  Beckenwirbel  festgeheftet 
sind,  sich  dem  Steissbein  ungefähr  parallel  gerade  nach  hinten  erstrecken ;  letzterer 
ist  etwa  von  derselben  Länge  wie  das  Darmbein,  so  dass  die  Gelenkpfanne  ihren 
Platz  neben  der  Spitze  des  Steissbeins  bekommt. 


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Wirbelthiere.   3.  Clasae:  Amphibien. 


411 


Schädels  bleiben  das  ganze  Leben  hindurch  erhalten,  grösstenteils 
von  Deckknochen  überdeckt.  Es  sind  zwei  Gelenkhöcker  am 
Hinterhauptsbein  vorhanden.  Die  Zwischen-  und  Oberkiefer- 
beine sind  mit  dem  vordersten,  soliden  Theil  des  Schädels  in  nähere 
Verbindung  getreten  und  liegen  demselben  dicht  an  (sie  sind  nicht 
wie  bei  den  Knochenfischen  beweglich).  Der  obere  Abschnitt  des 
Kieferbogeiis ,  der  Gaumen knorpel  (Palatoquadratum) ,  ist  am 
hinteren  Theil  des  Schädels  festgewachsen,  zuweilen  (bei  den  Frosch- 
lurchen)  ist  er  auch  noch  an  seinein  vorderen  Ende  mit  dem  vorderen 
Theil  desselben  verwachsen;  auch  er  bleibt  theilweise  knorpelig.  Bei 
den  Larven  finden  sich  ausser  dem  Kiefer-  und  Zungenbeiubogen  ge- 
wöhnlich vier  Paar  knorpelige  Kiemenbögen,  welche  bei  der 
Metamorphose  mehr  oder  weniger  rückgebildet  werden;  bei  den 
Schwanzlurchen  bleiben  jedoch  die  beiden  ersten  Paare  erhalten. 

Von  den  Knochen  des  Kopfskeletes  der  Amphibien  sind  ausser  den 
oben  genannten  folgende  zu  nennen.  Im  knorpeligen  Schädel  selbst  ent- 
wickeln sich:  ein   Paar    seitliche  Hinterhauptsbeine  ((kcijritalia 


Fig.  285.    Schädel  eines  Frosches  (Huna  ttcuUnla)  von  oben  (A)  und  von  unten  (Ii), 
c  knorpelige  Seitentheile  des  Schädels,  c  Gurtelbein,  e   knorpelige  Nasenkapsel,  fn  Nasenbein, 


m  < Quadrat  bei n  ,  o  »eitliches  Hinterhauptsbein,  op  Knorpel  /.wischen  letzterem  und  pt  dem 
Felsenbein,  p  vorderer  Theil  des  Felsenbeins  mit  einer  grossen  Nervenöftnung  (p"),  pl  Gaumen-, 
pt  FlUgelbein.  pt'  hinterer  Theil  des  FlUgelbeins,  •  Parasphenoid,  t — (  Tympanicum,  v  Vomer. 
—  Nach  Ecker. 


laicralia),  welche  das  Hinterhauptsloch  fast  völlig  umgeben  und  die  Gelenk- 
höcker tragen;  vor  diesen  jederseits  das  Felsenbein  (Petras um) ;  am 
vordersten  Theil  der  Schädelhöhle  eine  in  der  Regel  ringförmige  Ver- 
knöcherung, das  Gürtelbein.  Oben  wird  der  Schädel  von  folgenden 
Stücken  bedeckt:  einem  Paar  Nasenbeine  hinter  den  äusseren  Nasen- 
öffnungen, einem  Paar  Stirnbeine  und  Scheitelbeine  (bei  den  Frosch- 
lurchen  sind  Stirn-  und  Scheitelbein  jeder  Seite  zu  einem  Knochen  ver- 
schmolzen); unten  findet  sich  ein  Parasphenoid  (vergl.  die  Fische) 
und  vor  diesem  jederseits  der  Vomer.  Im  Gaumenknorpel  findet 
sich  unten,  an  der  Verbindungsstelle  mit  dem  Unterkiefer,  eine  unbe- 
deutende Verknöcherung,  das  Quadratbein  {Quatlratum),  und  hinten  wird 
der  Knorpel  seitlich  von  einem  grossen  Deckknochen,  dem  Tympanicum, 


A 


B 


412 


Specieller  Theil. 


bedeckt;  nach  vorne  erstreckt  sich  das  Flügelbein  (Pterygoideum),  und 
vor  diesem  findet  sich  bei  den  Froschlurchen  ein  querliegendes  Gaumen- 
bein, welches  sich  mit  seinem  inneren  Ende  an  den  Schädel  heftet.  Bei 
den  Froschlurchen  geht  auch  vom  Quadratbein  zum  Oberkieferbein  ein 
dünner  Knochenstab ,  das  Jochbein  (Jwjcüc  oder  (Juculratojugate).  Die 
U  nterkieferästc  bestehen  jeder,  ebenso  wie  bei  den  Fischen,  aus 
mehreren  Knochenstücken. 

Fig.  286.  Fig.  287. 


sc 


Fig.  286.  Brustbein  und  Schu  1  tcrgürtel  eines  La n dsaUraandcrs.  $1  Brust- 
bein, co  Coracoid,  sc  Schulterblatt. 

Fig.  287.  Dieselben  Theile  eines  Frosches.  «<  Brustbein,  ep  Vorderbrustbein,  co  hinterer 
Abschnitt  des  Coracoids,  sc  unterer  Theil  des  Schulterblattes,  sc'  oberer  Theil  desselben,  et 
Schlüsselbein.  Die  knorpeligen  Theile  in  dieser  und  der  vorigen  Figur  punktirt.  —  Nach  Ecker. 

Der  Schultergürtel  wird  bei  den  Schwanzlurchen  jederseits 
durch  eine  gebogene  Knorpelplatte  repräsentirt,  welche  man  in  zwei 
Abschnitte  theilen  kann,  einen  oberhalb  und  einen  unterhalb  der  Ge- 
lenkpfanne für  den  Oberarm;  von  diesen  ist  der  obere,  welcher  dem 
Schulterblatt  der  höheren  Wirbel thiere  entspricht,  schmäler  als 
der  untere,  dem  Coracoid  entsprechende;  letzterer  legt  sich  theil- 
weise  über  den  der  anderen  Seite  hin.  Der  untere  Theil  des  Schulter- 
blatts ist  in  grösserer  oder  geringerer  Ausdehnung  verknöchert,  und 
häufig  streckt  sich  die  Verknöcherung  auch  in  die  Coracoid-Partie 
hinein;  die  obere  und  die  untere  Partie  des  Schultergürtels  bleiben 
aber  stets  knorpelig  (Fig.  286).  —  Bei  den  Froschlurchen  ist 
die  untere  Partie,  das  Coracoid,  von  einer  grossen  Oeffnung  durch- 
brochen und  dadurch  in  ein  vorderes  und  hinteres  Stück  getheilt; 
letzteres  verknöchert,  ersteres,  welches  von  einem  Deckknochen,  dem 
Schlüsselbein  (Clavicula),  überdeckt  wird,  dagegen  nicht ;  das  rechte 
und  das  linke  Coracoid  schieben  sich  entweder  etwas  über  einander 
hin  oder  stossen  in  einer  geraden  Linie  zusammen  (letzteres  bei  den 
Fröschen)1).  Die  obere  Partie  des  Gürtels,  das  Schulterblatt, 
zerfällt  bei  den  Froschlurchen  in  ein  oberes  und  ein  unteres  Stück, 

')  Bei  einigen  Froschlurcheu  (z.  B.  den  Fröschen)  findet  sich  in  der  Mittel- 
linie vor  den  Coracoiden  ein  besonderer,  theilweise  verknöcherter  Knorpel,  welcher 
fälschlich  als  Vorderbrustbein  (Episternum)  bezeichnet  wird,  obgleich  er  keinen 
Zusammenhang  mit  dem  Brustbein  besitzt  und  der  gleichbenannte  Knochen  anderer 
Wirbelthiere  ein  reiner  Deckknochen  ist.  Er  ist  wahrscheinlich  als  ein  besonders 
entwickelter  Theil  der  Coracoid-Partie  aufzufassen. 


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Wirbelthiere.   3.  Claaae:  Amphibien. 


413 


von  welchen  ersteres  wesentlich  aus  verkalktem  Knorpel,  letzteres  aus 
Knochen  besteht.  —  Die  Vordergliedmaassen  bestehen  aus  den- 
selben Hauptabschnitten  wie  bei  den  höheren  Wirbelthieren.  Die 
Handwurzel  weist  namentlich  bei  den  Schwanzlurchen  gewöhnlich 
einen  innigen  Anschluss  an  das  typische  Verhältniss  auf  (es  können 
jedoch  Verschmelzungen  einiger  Knochen  stattfinden).  Bei  den  jetzt- 
lebenden Amphibien  sind  nie  mehr  als  4  Finger  vorhanden,  deren 
Gliederzahl  variirt.  Bei  den  Froschlurchen  sind  die  beiden  Unter- 
armknochen zu  einem  verschmolzen. 

Jede  Hälfte  des  Beckens  besteht  bei  den  Schwanzlurchen 
aus  einer  oberen,  schmäleren  Partie,  dem  Darmbein,  und  einer 
u nteren ,  breiteren  Partie ,  dem  Scham-Sitzbein,  welch  letzteres 
in  der  Mittellinie  mit  dem  der  anderen  Seite  zusammentrifft ;  jedes 
ist  durch  eiue  besondere  Verknöcherung  repräsentirt ;  vorne  setzt  sich 
das  Becken  in  einen  schmalen  unpaaren,  an  der  Spitze  gewöhnlich 
Y-förmig  gespaltenen  Knorpel  fort  (Cartilago  ypsiloHdes).  Bei  den 
Froschlurchen  sind  die  Darmbeine  nach  hinten  gerichtete  Knochen- 
stäbe ;  das  Scham-Sitzbein  ist  mit  dem  der  anderen  Seite  zu  einer  zu- 
sammengedrückten senkrechten  Scheibe  verschmolzen.  — Die  Hinte r- 
gliedmaasscn  schliessen  sich  in  ihrem  Bau  eng  an  die  Vorder- 
gliedmaassen an.  Bei  den  Froschlurchen  sind  die  beiden  Unterschenkel- 
knochen verschmolzen,  und  von  den  Knochen  der  Fusswurzel  sind  bei 
denselben  die  beiden  in  der  obersten  Reihe  (der  dritte  fehlt)  sehr  lang 
und  kräftig.    Die  Hintergliedmaassen  besitzen  gewöhnlich  je  5  Zehen. 

Die  Musculatur  des  Rumpfes  und  des  Schwanzes  schliesst  sich 
bei  den  Amphibien-Larven  eng  an  die  der  Fische  an  (sie  ist  in 
4  Längenmuskel-Partien  gesondert,  welche  jede  durch  dünne  Quer- 
wände in  eine  Reihe  von  Abschnitten  getheilt  sind) ;  bei  den  erwachsenen 
Schwanzlurchen  sind  die  Verhältnisse  nur  wenig  verändert,  während 
8i  ch  bei  den  Froschlurchen  grössere  Umgestaltungen  vollziehen.  — 
Das  Gehirn  ist  klein,  das  Hinterhirn  sehr  wenig  entwickelt. 

Die  Geruchsorgane  sind  zwei  Kanäle,  welche  von  der  Aussen- 
seite  des  Kopfes  in  die  Mundhöhle  fuhren  und  sich  hier,  hinter  dem 
Kieferrande,  öffnen ;  die  äusseren  Nasenlöcher  können  geschlossen  und 
geöffnet  werden.  —  Von  den  Augenlidern  ist  nur  das  untere  be- 
weglich ;  es  ist  oft  halb  durchsichtig,  nickhautartig.  Augenlider  fehlen 
bei  den  Larven ,  bei  den  Kiemenlurchen  und  den  mit  rudimentären 
Augen  versehenen  Gymnophionen.  Thränendrüsen  fehlen,  dagegen  ist 
eine  Harder'sche  Drüse  vorhanden.  Bei  den  erwachsenen  Amphibien 
findet  sich  ein  Thränenkanal.  —  Gehörwerkzeuge.  Bei  den  meisten 
Froschlurchen  besteht  ein  kurzer,  dem  Spritzloch  der  Fische  ent- 
sprechender Kanal,  welcher  vom  hinteren  Theil  der  Mundhöhle  hinter 
dem  ersten  Visceralbogen  gegen  die  Oberfläche  des  Kopfes  hin  ver- 
läuft; er  öffnet  sich  an  der  Oberfläche  nicht,  sondern  ist  aussen  von 
einer  dünnen  Haut,  dem  Trommelfell,  geschlossen.  Dieser  Kanal, 
welcher  der  Paukenhöhle  -f"  der  Ohrtrompete  der  höheren  Wirbel- 
thiere entspricht,  zieht  an  demjenigen  Theil  des  Schädels  vorüber,  in 
welchem  das  häutige  Labyrinth  eingeschlossen  liegt ;  in  der  Knochen- 
kapsel des  letzteren  ist  an  der  betreffenden  Stelle  eine  Oeffnung,  das 
ovale  Fenster,  Fenestra  ovalis  (innerhalb  welcher  der  Vorhof  liegt) ; 
diese  Oeffnung  ist  von  einer  besonderen  kleinen  Knorpelplatte  bedeckt, 
welche  das  verbreiterte  Ende  eines  theilweise  verknöcherten  stabförmigen 
Körpers,  des  Hörknochens  (Columella  auris),  bildet;  das  andere 


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414 


Specieller  Theil. 


Ende  des  Hörknochens  heftet  sich  an  das  Trommelfell.  Bei  den 
übrigen  Amphibien  (einigen  Froschlurchen,  z.  B.  der  Unke,  allen 
Schwanzlurchen  und  Gymnophionen)  fehlt  der  Kanal  und  damit  auch 
das  Trommelfell;  das  ovale  Fenster  und  den  Hörknochen  besitzen 
sie  dagegen  alle. 

Darrakanal.  Zähne  können  an  den  Zwischen-  und  Ober- 
kieferknochen, am  Unterkiefer,  am  Vomer  und  zuweilen  an  den  Flügel- 
beinen vorhanden  sein;  sie  sind  bei  den  jetztlebenden  Amphibien  immer 
klein  und  von  einfacher  Form.  —  Die  Zunge  ist  besser  als  bei  den 
Fischen  entwickelt;  sie  ist  mit  ihrer  Unterseite  an  der  unteren  Wand 
der  Mundhöhle  festgeheftet,  aber  derartig,  dass  die  Ränder  frei  sind ; 
für  die  Froschlurche  ist  es  charakteristisch,  dass  der  hintere  freie, 
zuweilen  zweilappige  Rand  besonders  stark  entwickelt  ist,  während  der 
Vorderrand  undeutlich  ist,  bo  dass  diese  Thiere  eine  vorn  angeheftete 
Zunge  haben,  deren  hinterer  Theil  aus  dem  Munde  herausgeklappt 
werden  kann.  Bei  gewissen  Schwanzlurchen  kann  die  Zunge  auf  einer 
Art  Schaft,  welcher  von  ihrer  Unterseite  entspringt,  vorgestreckt  werden. 
Die  Zunge  fehlt  bei  der  Pipa  und  einer  verwandten  Gattung.  —  Die 
Speiseröhre  ist  kurz  und  weit,  der  Darm  kurz. 

Die  Athmung8organe  der  Amphibien  sind  theils  Kiemen, 
theils  Lungen;  wir  betrachten  zunächst  die  ersteren. 

Bei  den  Larven  der  Schwanz lurche  finden  sich  auf  jeder 
Seite  vier  Kiemenspalten,  die  erste  zwischen  dem  Zungenbein- 
bogen und  dem  1.  Kiemeubogen.  die  letzte  zwischen  dem  3.  und 
4.  Kiemenbogen;  jeder  Kiemenbogen  trägt  an  seinem  äusseren  Rand 
eine  dünne  häutige  Platte,  und  vom  Zungenbeinbogen  entspringt  eine 

dicke  Hautfalte  —  dem  Kiemen- 
d  e  c  k  e  1  der  Fische  entsprechend, 
aber  ohne  feste  Theile  — ,  welche 
sich  über  die  genannten  Platten 
hin  legt.  Die  Platten  entsprechen 
den  Coulissen  zwischen  den  Kie- 
menspalten bei  den  Fischen,  tra- 
gen aber  keine  Kiemenblätter, 
sondern  am  oberen  Ende  jedes 
der  drei  ersten  Kiemenbogen 
sitzt  eine  vom  Kiemendeckel  nicht 
überdeckte  Kieme,  welche  aus 
einem  Stamm  und  zwei  Reihen  von 
Blättchen  besteht  (Fig.  291).  Diese 
Kiemen  bleiben  bei  den  Kiemen  - 
lurchen  zeitlebens  bestehen;  sie 
sind  bei  diesen  etwas  compli- 
Fig.  288.  A  junge  FroschUrve  von  cjrter  (verästelt).  Aehnliche  Kie- 
iler  Seite,  B  ahnliche  (ein  wenig  altere)  von  v     •  <   _i.  j«    tt«  i  

der  Bauchseite:   6'  altere  Larve    mit  inneren  besitzen  auch  die  Embryonen 

Kiemen.  /.  2,  3  die  drei  äusseren  Kiemen,  einiger  Gymnophl  Onen ')  (vergl. 
a  After,  b  Hintergliedruaasaen,  g  Kicmenöffnung,  Flg.  294).  —  Auch  die  Larven 
mu   Muskeln   des   Schwanzes     «    Nasealoch,      e  r  Froschlurche    sind  eine 

c^A°PJ?7^£L:™:^  kurze  Zeit  nach  der  Geburt  mit 
von  Ecker.  drei  ähnlichen  äusseren  Kiemen  auf 
  jeder  Seite  wie  die  Larven  der 

')  Bei  anderen  Embryonen  dieser  Abtheilung  hat  man  statt 
eine  grosse  gefässreiche  Platte  an  jeder  Seite  gefunden. 


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Wirbelthiere.   3.  Clane:  Amphibien. 


415 


Schwanzlurche  versehen ;  bald  werden  aber  diese  Kiemen  von  den  Kiemen- 
deckeln überdeckt,  welche  sich  mächtig  entwickeln,  die  Kiemen  und 
Kiemenöffnungen  überwachsen  und  hinter  denselben  mit  der  Körper- 
oberfläche verwachsen,  so  dass  eine  grosse  Kiemenhöhle  entsteht,  welche 
nur  durch  eine  einzige,  in  der  Regel  auf  der  linken  Seite  befindliche 
Oeftnung1)  mit  der  Aussenwelt  in  Verbindung  steht.  Die  in  diese 
Höhle  eingeschlossenen  Kiemen  bilden  sich  zurück,  an  ihrer  Stelle 
entwickelt  sich  aber  am  Aussenrande  aller  vier  Kiemenbögen  eine 
grosse  Anzahl  verästelter,  sogenannter  innerer  Kiemen,  welche 
eigenthümliche,  den  Froschiurch-Larven  allein  zukommende  Gebilde 
sind.  —  Bei  den  mit  äusseren  Kiemen  versehenen  Formen  findet  sich 
gewöhnlich  am  Innenrande  der  Kiemenbögen  ein  ähnlicher  unvoll- 
kommener Seih-Apparat  wie  bei  Selachiern  etc.,  an  jedem  Bogen 
durch  eine  oder  zwei  (am  1.  und  4.  Kiemenbögen  einer,  an  den  beiden 
anderen  je  zwei)  Reihen  kurzer  Fortsätze  repräsentirt,  welche  zwischen 
die  entsprechenden  der  angrenzenden  Kiemenbögen  eingreifen.  Bei  den 
mit  inneren  Kiemen  versehenen  Larven  der  Froschlurche  ist  dieser 
Seih-Apparat  zu  einem  hohen  Grade  von  Vollkommenheit  entwickelt, 
so  dass  er  im  Stande  ist,  alle,  selbst  sehr  feine,  feste  Theile  von  der 
Kiemenhöhle  und  den  zahlreichen  in  derselben  eingeschlossenen  zarten 
dünnhäutigen  Kiemenbüscheln  fernzuhalten.  —  Ueber  die  Gefässe 
der  Kiemen  vergl.  unten. 

Die  bei  allen  Amphibien  vorhandenen  Lungen  sind  zwei  sack- 
förmige Organe,  deren  innere  Oberfläche  bei  einigen  (z.  B.  den  Wasser- 
salamandern, dem  Olm)  glatt,  bei  anderen  (Landsalamander,  Frosch- 
lurchen) dagegen  mit  hervortretenden,  netzförmig  verbundenen  Falten 
versehen  ist.  Bei  den  Gymnophionen  ist  die  rechte  Lunge  weit  kürzer 
als  die  linke.  Die  fast  immer  sehr  kurze  Luftröhre  öffnet  sich  mit 
einer  Längsspalte  hinten  in  die  Mundhöhle;  sie  ist  von  mehreren 
Knorpelstücken  gestützt  und  enthält  bei  den  Froschlurchen  Stimm- 
bänder, welche  dagegen  bei  den  übrigen  fehlen.  —  Die  Luftaufnahme 
findet  in  der  Weise  statt,  dass  das  Thier  bei  geschlossener  Mund- 
öffnung die  weiche  Partie  zwischen  den  Unterkieferästen  senkt  und 
durch  die  geöffneten  Nasenlöcher  Luft  in  die  Mundhöhle  einsaugt; 
darauf  werden  die  Nasenlöcher  geschlossen  und  die  untere  Wand  der 
Mundhöhle  wieder  gehoben,  wodurch  die  Luft  in  die  Luftröhre  hinein- 
gepresst  wird.  Die  Luft  wird  aus  den  Lungen  ausgestossen ,  indem 
die  Leibeswand  sich  zusammenzieht  und  auf  die  elastischen  Lungen- 
wände drückt. 

Der  Laut,  den  die  Froschlurche  durch  die  oben  genannten  8timmbänder 
erzeugen,  indem  dieselben  durch  die  ausgepresste  Luft  in  Schwingungen 
versetzt  werden,  wird  bei  den  Männchen  mancher  Arten  durch  Ausstülpungen 
des  hinteren  Theiles  des  Mundhöhlenbodens  verstärkt,  welche,  wenn  das 
Thier  seine  Stimme  gebrauchen  will,  zu  dünnwandigen  Säcken  von  an- 
sehnlicher Grösse  aufgeblasen  werden.  Es  sind  zwei  solche  Schallblasen 
vorhanden,  welche  bei  einigen  (z.  B.  dem  Wasserfrosch)  auch  äusserlich 
ganz  getrennt  sind,  während  sie  bei  anderen  (z.  B.  beim  Laubfrosch)  dicht 
aneinander  gelagert  und  von  einer  gemeinsamen  äusseren  Haut  umgeben 
sind ,  so  dass  es  äusserlich  den  Anschein  hat ,  als  ob  eine  unpaare  Schall- 
blase vorhanden  wäre.  —  Obgleich  bei  den  Schwanzlurchen  keine  Stimm- 
bänder entwickelt  sind,  können  auch  sie  einen  Laut  erzeugen. 

')  Bei  der  Pipa  und  einer  verwandten  Gattung  finden  sich  zwei  OefTnungen, 


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416 


Specieller  Theil. 


Das  Herz  ist  gegenüber  dem  der  Fische  dadurch  ausgezeichnet, 
dass  der  Yorhof  durch  eine  dünne  Scheidewand  in  zwei,  einen 
rechten  und  einen  linken,  getheilt  ist.  von  welchen  der  letztere  kleiner 
ist  und  das  Blut  aus  den  Lungen  empfangt,  während  der  rechte  das 
Blut  der  übrigen  Venen  aufnimmt.  Oft  ist  die  Scheidewand  von 
kleineren  oder  grösseren  Oeffnungen  durchbrochen,  also  unvollständig. 
Die  Herzkammer  ist  stets  ungetheilt,  zeigt  nicht  einmal  eine 
Andeutung  einer  Theilung;  sie  besitzt  ebenso  wie  die  der  Fische 
dicke  spongiöse  Wände,  deren  kleine  Höhlungen  in  den  Centrai- 
hohlraum einmünden ;  an  der  Grenze  des  Vorhofes  ist  ein  Paar 
Klappen  vorhanden.  Der  Herzkegel,  welcher  von  der  Herzkammer 
vorne  rechts  entspringt,  ist  eine  gewöhnlich  wohlentwickelte  Röhre, 
welche  etwas  spiralig  gewunden  ist;  er  enthält  an  jedem  Ende  eine 
Querreihe  von  Klappen  und  ist  ausserdem  mit  einer  Längsfalte 
versehen,  welche  mit  einer  der  Klappen  der  vorderen  Reihe  zusammen- 
hängt und  in  den  Hohlraum  des  Herzkegels  stark  hervortritt  (über 
ihre  Bedeutung  vergl.  unten). 

Vom  Herzkegel  entspringt  ein  ganz  kurzer  Arterienstamm,  welcher 
bei  den  Larven  der  Schwanzlurche,  die  wir  zunächst  be- 
trachten wollen,  jederseits  vier  Gefässe  entsendet,  nämlich  die  1. — 3. 
zuführen  de.  Kiemenarterie,  welche  ungefähr  gleich  stark  sind, 
und  den  sehr  dünnen  4.  Arterienbogen.  Die  drei  ersteren  gehen 
an  die  entsprechenden  Kiemen,  in  welchen  sie  sich  verzweigen.  Von 
jeder  Kieme  entspringt  eine  abführende  Kiemenarterie, 
welche  sich  mit  den  anderen  derselben  Seite  zu  einem  kräftigen  Gefass, 
der  Aortenwurzel  vereinigt,  in  welche  auch  der  4.  Arterienbogen 
einmündet;  beide  Aorten  wurzeln  vereinigen  sich  zur  Aorta,  welche 
unterhalb  der  Wirbelsäule  nach  hinten  verläuft.  Vor  ihrer  Ein- 
mündung in  die  Aortenwurzel  hat  jedoch  die  1.  abfuhrende  Kiemen- 
arterie zwei  starke  Aeste  für  den  Kopf  abgegeben  (Carotiden),  und 
von  dem  4.  Arterienbogen  ist  die  Lungenarterie  abgegangen. 
Ferner  ist  hervorzuheben,  dass  die  zu-  und  abführenden  Kiemen- 
arterien desselben  Paares  durch  dünne  Querstämme,  Anastomosen, 
mit  einander  in  Verbindung  stehen.  Aehnliche  Verhältnisse  findet 
man  auch  bei  den  mit  inneren  Kiemen  ausgestatteten  Larven  der 
Frosch  1  urc he;  bei  ihnen  sind  aber  jederseits  vier  zu-  und  ab» 
führende  Kiemenarterien  vorhanden,  indem  auch  der  vierte  Kiemen- 
bogen  Kiemen  trägt,  und  die  genannten  Anastomosen  fehlen.  —  Bei 
der  Metamorphose  finden  nun  folgende  Veränderungen  statt :  Die 
einander  entsprechenden  zu-  und  abfuhrenden  Arterien  vereinigen  sich 
auf  jeder  Seite  zu  einfachen  Arterienbogen,  indem  —  bei  den  Schwanz- 
lurchen —  die  verbindenden  Anastomosen  sich  erweitern,  oder  —  bei 
den  Froschlurchen  —  indem  sich  eine  Verbindung  zwischen  ihnen 
bildet;  der  ausserhalb  der  Verbindungsstelle  liegende  Theil  derselben 
schrumpft  ein.  So  erhalten  wir  jederseits  vier  Arterienbogen, 
welche  sich  zur  Aortenwurzel  vereinigen.  Von  diesen  giebt  jedoch 
der  erste  gewöhnlich  die  Verbindung  mit  der  Aortenwurzel  auf 
und  versorgt  blos  den  Kopf  mit  Blut;  auch  der  vierte,  von  welchem 
die  Lungenarterie  entspringt,  giebt  häufig  die  Verbindung  mit  der 
Aortenwurzel  auf;  der  dritte  bleibt  bei  einigen  erhalten,  geht  da- 
gegen bei  anderen  völlig  zu  Grunde;  im  letzteren  Fall  wird  die 
Aortenwurzel  —  wenn  gleichzeitig  der  erste  und  vierte  Bogen  keine 
Verbindung  mit  derselben  besitzen  —  allein  von  dem  zweiten  Ar- 


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Wirbelthier*.  3.  Classe:  Amphibien. 


417 


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418 


Specieller  Thftil. 


terienbogen  gebildet,  welcher  stets  stärker  als  die  übrigen  ist.  Die 
Aorta  wird  somit  bei  den  Amphibien  bald  nur  von  einem  Paar 
Arterienbögen,  bald  von  mehreren  gebildet  (  Fig.  255,  B — C).  (Die 
Gymnophionen  schliessen  sich  im  erwachsenen  Zustande  eng  an  die 
übrigen  an;  das  Gefässsystem  der  Larven  ist  bis  jetzt  unbekannt) 

Bei  den  Larven  der  Amphibien  entspricht  der  Kreislauf  wesentlich 
demjenigen  der  Fische.  Bei  den  Erwachsenen  wird  trotz  der  einfachen 
Herzkammer  dennoch  eine  gewisse  Sonderung  des  arteriellen  Blutes 
aus  der  Lunge  und  des  venösen  Blutes  erreicht ;  die  Verhältnisse  sind 
jedoch  zu  complicirt,  als  dass  wir  näher  auf  dieselben  eingehen  könnten. 
Es  muss  die  Bemerkung  genügen,  dass  namentlich  mittels  der  Spiralfalte 
des  Herzkegels  erreicht  wird,  dass  das  arterielle  Blut  des  linken  Vorhofa 
fast  allein  in  die  beiden  ersten  Arterienbogen-Paare  strömt,  während  das 
venöse  Blut  des  rechten  Vorhofs  theils  in  dieselben  Arterienbögen,  theils 
in  das  3.  und  4.  Paar  gelangt ;  vom  4.  Paar  gehen ,  wie  vorhin  erwähnt ,  die 
Lungenarterien  ans,  welche  somit  venöses  Blut  erhalten,  während  das  Blut 
der  Körperarterien  ein  „gemischtes"  ist. 

Vom  4.  Arterienbögen  gehen  grössere  oder  kleinere  Aeste  an  die 
Haut  (zuweilen  auch  von  der  Lungenarterie  an  die  Speiseröhre),  nament- 
lich ist  bei  den  Froschlurchen  eine  solche  sehr  grosse  Hautarterie  vorhanden, 
welche  dem  Angeführten  zu  Folge  venöses  Blut  empfängt;  die  Haut  hat 
ja  auch,  wie  es  durch  Versuche  nachgewiesen  worden  ist,  bei  diesen  Thieren 
eine  grosse  Bedeutung  für  die  Respiration  (8.  30).  Das  in  der  Haut 
oxydirte  Blut  mischt  sich  übrigens  mit  dem  Blut  der  anderen  Venen  und 
geht  zum  rechten  Vorhof.  —  Im  Ganzen  erhellt  es,  dass  die  Sonderung 
der  beiden  Blutarten  bei  den  Amphibien  eine  sehr  unvollständige  ist. 

Die  mehr  oder  weniger  langgestreckten  Nieren  zeichnen  sich 
dadurch  aus,  dass  sie,  ebenso  wie  bei  gewissen  Fischen,  an  ihrer 
Oberfläche  mit  Wimpertrichtern  versehen  sind  (vergl.  S.  363). 
Die  Harnleiter  münden  in  die  Kloake,  welche  mit  einer  oft  in  zwei 
Zipfel  ausgezogenen  Harnblase  versehen  ist;  letztere  steht  mit 
den  Harnleitern  nicht  in  unmittelbarer  Verbindung,  sondern  mündet 
getrennt  in  die  Kloake. 

Die  Eierstöcke  variiren  nach  der  Jahreszeit  sehr  an  Grösse; 
in  der  Fortpflanzungszeit  haben  sie  einen  ansehnlichen  Umfang.  Die 
Müller' sehen  Gänge  sind  lange  gewundene  Schläuche,  welche  in 
der  Fortpflanzungszeit  wegen  der  stärkeren  Entwicklung  der  in  ihrer 
Wand  gelegenen  Eiweissdrüsen  am  dicksten  sind ;  sie  öffnen  sich  ganz 
vorne  in  die  Bauchhöhle,  weit  von  den  Eierstöcken  entfernt,  mit  einem 
Trichter ;  die  abgelösten  Eier  werden  durch  die  Bewegung  von  Wimper- 
haaren, mit  denen  ein  Theil  des  die  Bauchhöhle  auskleidenden 
Epithels  ausgestattet  ist,  zu  den  Trichtern  geführt.  Mit  dem  anderen 
Ende  münden  die  Gänge,  gewöhnlich  getrennt,  in  die  Kloake.  Bei 
den  Froschlurchen  ist  der  hinterste  Theil  der  Eileiter  blasenförmig 
angeschwollen  und  in  der  Laichzeit  mit  Eiern  angefüllt.  —  Die 
Hoden  (Fig.  258)  stehen  durch  feine  Kanäle  in  Zusammenhang  mit 
den  Harnkanälchen  des  vorderen  Theiles  der  Niere,  welcher  bei  den 
Schwanzlurchen  schmäler  als  der  hintere  ist,  und  der  Samen  nimmt 
somit  denselben  Weg  wie  der  Harn;  übrigens  ist  der  Ausführungs- 
gang des  vorderen  Theiles  der  Niere  in  manchen  Fällen  fast  ganz 
von  den  Ausführungsgängen  der  übrigen  Niere  getrennt  und  vereinigt 
sich  mit  letzteren  erst  dicht  vor  der  gemeinsamen  Einmündung  in  die 
Kloake.    Bei  den  Männchen   ist  an  jeder  Seite  ein  rudimentärer 


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Wirbelthiere.   3.  Clastie:  Amphibien. 


419 


Müller'scher  Gang  vorhanden.  Besondere  Begattungswerkzeuge 
fehlen;  bei  den  Gymnophionen  fungirt  die  umgestülpte  Kloake  als 
solches. 

Wie  schon  vorhin  erwähnt,  findet  sich  bei  den  Kröten  (Bufo)  am 
Vorderende  der  Hoden  ein  Körperchen ,  welches  ganz  wie  ein  unreifer 
Eierstock  gebaut  ist.  Bei  den  Weibchen  derselben  Gattung  ist  übrigens 
ein  entsprechender  Theil  des  Eierstockes  ähnlich  entwickelt ;  dieser  Theil 
ist  besonders  bei  jungen  Weibchen  deutlich,  bildet  sich  später  zurück. 

An  den  Geschlechtsdrüsen,  oft  mit  diesen  eng  verbunden,  findet  sich 
bei  den  Amphibien  ein  Paar  sehr  fetthaltige,  oft  sehr  augenfällige  (gelbe), 
bei  den  Froschlurchen  fingerförmig  gelappte  Körper,  die  sogenannten 
Fettkörper,  welche  durch  Umbildung  einer  vorderen  Partie  der  Eier- 
stöcke resp.  Hoden  entstanden  sind. 

Die  Eier  werden  in  der  Regel  in's  Wasser  (Süsswasser)  abgelegt 
und  sind  bei  der  Ablage  von  je  einer  dünnen  Eiweissschicht  umgeben, 
welche  im  Wasser  zu  einer  dicken  Gallertkapsel  anschwillt;  eine 
Schale  fehlt.  Sie  werden  entweder  einzeln  (seltener),  oder  in  Reihen, 
Schnüren,  Klumpen  abgelegt.  Sie  variiren  in  Grösse  von  ein  paar 
bis  etwa  10  mm  im  Durchmesser.  Die  Furchung  ist  in  der  Regel 
total,  die  Furchungszellen  sind  aber  an  einem  Pol  grösser  (vergl. 
S.  46 — 47  und  Fig.  27) ;  die  grösseren  Amphibien-Eier  unterliegen  jedoch 
einer  partiellen  Furchung.  Selten  gelangt  das  Ei,  wie  beim  Land- 
salamander, im  Eileiter  zur  Entwicklung.  Eine  Ei-  oder  Brutpflege 
findet  man  bei  verschiedenen  Amphibien:  Pipa,  Geburtshelferkröte, 
Coecilia  etc.;  vergl.  unten. 

Für  die  Amphibien  ganz 
besonders  charakteristisch  ist  die 
Metamorphose,  welche  sie 
fast  alle  durchlaufen.  Die  Lar-  ^ 
ven  sind,  wie  schon  oben  er- 
wähnt ,  mit  wohlentwickelten 
Kiemen  versehen ,  und  der 
Kreislauf  und  die  Anordnung 
des  Gefässsystems  entsprechen  ß 
fast  ganz  den  Verhältnissen  der 
Fische;  sie  besitzen  schon  Lun- 
gen, welche  aber  noch  nicht  als 
Athmungsorgane  fungiren.  Bei 
der  Metamorphose  findet  nun  die 
bedeutungsvolle  Umänderung  im 
Baue  und  in  den  Lebensver- 
hältnissen   des    Thieres  statt, 

daSS     die     Kiemen     sich    IÜck-        FiK«  29 1-     l*rv«n    <le3  grossen  W  asser - 

bilden    und    die    Lungen     in  mo,ch,8-  ' Vv^r'nu ^  S'wJÜ 

rni     *  *  i  °  von  unten.    Ii  1'2  Tage  alt.    C  ca.  5  Wochen 

Tnatigkeit  treten ,    was   unter  ait.  (A  Ca  &,  ß  8—4,  c  kaum  2  Mai  vergr.) 

Anderem     grosse    Umbildungen   a  Alter,  /  \ror<lergliedmaa««e,  <J  Kiemen,  »  Haft- 

des  Gefässsystems  nach  sich  or*nn-  —  Nacn  R«"coni. 
zieht  (vergl.  S.  416).  Die  Un- 
terschiede zwischen  der  Larve  und  dem  ausgebildeten  Thiere  be- 
schränken sich  aber  nicht  hierauf;  auch  in  mehreren  anderen  Be- 
ziehungen weicht  die  Larve  von  dem  Erwachsenen  ab  und  nähert  sich 
den  Fischen.  So  geht  z.  B.  der  Haut  eine  Hornschicht  ab,  und 
die  Haut  besitzt  ganz  ähnliche,  z.  Th.  reihenweise  geordnete  Sinnes- 

27* 


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420 


Specieller  Theil. 


hü  gel  wie  die  Fische  (vergl.  S.  384);  die  Sinneshügel,  welche  stets 
frei  liegen,  tragen  sogar  ähnliche  feine  Röhren  wie  bei  letzteren.1) 
Augenlider  fehlen  stets,  ein  Flossensaum  ist  selbst  bei  den- 
jenigen vorhanden,  denen  er  später  abgeht.  Das  Visceralskelet  (S.  411) 
ist  dem  der  Fische  weit  ähnlicher  als  später  etc.  —  Die  Larven  sind, 
wenn  sie  die  Eihaut  verlassen,  gewöhnlich  von  der  ausgebildeten 
Larvengestalt  etwas  abweichend ;  namentlich  sind  die  Gliedmaassen 
nicht  vorhanden  oder  nur  angedeutet,  oft  sind  noch  am  Kopfe 
Haftwerkzeuge  vorhanden,  welche  später  fehlen  (Fig.  288  A—B 
und  291,  A). 

Die  Metamorphose  selbst,  d.  h.  der  Uebergang  aus  der  Larven- 
form in  die  Gestalt  des  ausgebildeten  Thieres,  vollzieht  sich  ziemlich 
plötzlich,  die  Umänderungen  spielen  sich  im  Laufe  ziemlich  kurzer 
Zeit  ab.  Die  Grösse,  welche  die  Larve  vor  der  Metamorphose  er- 
reicht, ist  sehr  verschieden,  oft  unterscheiden  sich  sogar  nahe  ver- 
wandte Arten  in  dieser  Beziehung  auffallend  (innerhalb  der  Gattung 
Frosch  werden  die  Larven  des  Wasserfrosches  z.  B.  sehr  gross,  die 
der  Grasfrösche  dagegen  bleiben  ziemlich  klein) ;  das  Wachsthum  ist 
übrigens  in  der  Regel  mit  der  Metamorphose  weitaus  nicht  abge- 
schlossen (wie  bei  den  Insekten),  sondern  dauert  noch  lange  Zeit 
fort2).  —  Bei  einigen  Schwanzlurchen,  nämlich  bei  gewissen  Wasser- 
molchen, hat  man  beobachtet,  dass  die  Larve  zuweilen  über  ihre 
gewöhnliche  Grösse  hinaus  wächst  und  in  derLarvengestaltge- 
schlechtsreif  wird  (ob  solche  Exemplare  sich  später  verwandeln, 
ist  unbekannt).  Dasselbe  geschieht  gewöhnlich  mit  der  Larve 
eines  mexicanischen  Salamanders,  dem  Axolotl  (Siredon  mexicanus), 
wenigstens  bei  denjenigen  Exemplaren,  welche  in  Gefangenschaft  ge- 
halten werden:  sie  wird  in  der  Regel  in  der  Larvengestalt  ge- 
schlechtsreif und  verwandelt  sich  nachher  nicht;  nur  ausnahmsweise 
findet  eine  Metamorphose,  und  dann  vor  der  Geschlechtsreife,  statt. 
Endlich  giebt  es  eine  Anzahl  Schwanzlurche,  die  Kiemenmolche 
(Gatt.  Proteus  u.  a.) ,  welche  stets  auf  der  Larvenstufe  verharren, 
nie  eine  Metamorphose  durchlaufen.  Diese  Formen  verhalten  sich  in 
ihrem  Baue  in  allem  Wesentlichen  wie  Larven,  mit  alleiniger  Aus- 
nahme der  Entwicklung  der  Geschlechtsorgane ;  in  einzelnen  Punkten 
treten  jedoch  bei  einigen  derselben  Rückbildungen  ein,  so  sind  z.  B. 
beim  Olm  die  Lungen  im  Verhältniss  zur  Grösse  des  Thieres  sehr 
schwach  entwickelt  (sie  sind  ebenso  wenig  wie  die  Lungen  der  Larven 
von  respiratorischer  Bedeutung).  Diese  Rückbildungen  sind  theil- 
weise  von  derartiger  Beschaffenheit,  dass  wir  mit  Sicherheit  behaupten 
können,  dass  die  betreffenden  Formen  nicht  mehr  im  Stande 
sind  sich  zu  metamorphosiren *). 

Bei  ein  paar  Gattungen  von  Schwanzlurchen,  Menqpoma  und  Amphi* 

')  Die  Sinneshügel  finden  sich  jedoch  auch  bei  den  im  Wasser  lebenden  er- 
wachsenen Schwanzlurchen,  entbehren  aber  hier  stets  der  feinen  Röhre. 

*)  Eine  kolossale  Grösse  erreichen  die  Larven  eines  südamerikanischen  Frosches 
(  Psevulis  paradox a  ) . 

')  Es  fehlt  z.  B.  bei  Proteus  derjenige  Theil  des  4.  Arterienbogens ,  welcher 
zwischen  dem  Arterienstamm  und  der  I  Jrsprungsstelle  der  Lungenarterie  lieert ; 
dieser  Theil  ist  aber  der  Lungenarterie  eines  erwachsenen  Lurches  unentbehrlich. 
(Die  Lunge  empfängt  bei  Proteus  ihr  Blut  aus  der  Aortenwurzel  durch  den  in 
Fig.  289  mit  b  bezeichneten  öefassabschnitt ;  auch  bei  anderen  Schwanzlurch- 
Larven  ist  dies  theilweise  der  Fall,  was  aus  der  Schwäche  des  übrigen  Theiles 
des  4.  Arterienbogens  in  Vergleich  mit  der  Lungenarterie  erhellt.) 


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Wirbelthiere.   3.  Claas«:  Amphibien. 


421 


urna,  schwinden  zwar  die  Kiemen,  die  Kiemenöffnungen  bleiben  aber  be- 
stehen ,  und  die  Thiere  verharren  überhaupt  in  mehreren  Beziehungen  auf 
dem  Larvenstudium  oder  richtiger  auf  einer  Uebergangsstufe. 

Die  jetzt  lebenden  Amphibien  leben  alle  im  Süsswasser  oder  auf 
dem  Lande;  es  sind  fast  immer  kleine  oder  mittelgrosse  Formen, 
welche  sich  von  Insekten  und  anderen  Thierchen  ernähren.  In 
früheren  Perioden  waren  die  Amphibien  z.  Th.  durch  ansehnlichere  ■ 
JFormen  vertreten  (vergl.  unten).  In  Bezug  auf  die  geographische 
Verbreitung  der  Amphibien  ist  die  Merkwürdigkeit  hervorzuheben, 
dass  die  Schwanzlurche  fast  ausschliesslich  den  gemässigten  Theilen 
der  nördlichen  Halbkugel  angehören. 

1.  Ordnung.    Schwanzlurche  (Urodela). 

Schwanz  wohl  entwickelt.  Vorder-  und  Hintergliedmaassen  un- 
gefähr gleich  entwickelt,  schwach.  Larven  mit  drei  äusseren  Kiemen 
auf  jeder  Seite. 

1.  Die  Wassersalamander  oder  Wassermolche  {Triton) 
haben  einen  zusammengedrückten  Schwanz ,  und  auf  der  RückenBeite  des 
Rumpfes  und  oben  und  unten  am  Schwänze  ist  ein  Flossensaum  vorhanden, 
welcher  in  der  Fortpllanzungszeit  am  stärksten  entwickelt  ist  (am  grössten 
beim  Männchen).  In  der  Laichzeit  leben  sie  im  Wasser,  ausserhalb  der- 
selben auf  dem  Lande  (das  Männchen  jedoch  häufig  im  Wasser).  Es  findet 
eine  wirkliche  Begattung  statt ;  die  Eier  werden  (im  Frühling)  einzeln  oder 
in  kurzen  Reihen  an  Wasserpflanzen  abgelegt.  Die  soeben  aus  dem  Ei 
geschlüpfte  Larve  (Fig.  291,  A)  besitzt  hinten  am  Kopfe  ein  Paar  stiel- 
artige Fortsätze ,  mittels  welcher  sie  sich  an  Pflanzen  anheftet ;  von  den 
Gliedmaassen  sind  nur  warzenförmige  Anlagen  der  Vorderbeine  vorhanden. 
Allmählich  entwickeln  sich  die  Gliedmaassen,  die  vorderen  zuerst ;  die  Haft- 
werkzeuge verschwinden  bald.  Das  Larvenleben  dauert  gewöhnlich  einige 
Monate.  In  Deutschland  leben:  der  grosse  Wassermolch  (7".  criatalus) 
mit  mehr  körniger  Haut,  der  kleine  W.  (T.  tatniatus) ,  die  gemeinste 
Art,  der  Feuer mo Ich  (T.  (üpentris),  besonders  in  Gebirgsgegenden  häufig, 
der  L  e  i  s  t  e  n  m  o  1  c  h  (71  Mveticux)  mit  fadenförmiger  Schwanzspitze,  selten ; 
die  drei  letzten  sind  ungefähr  von  gleicher  Grösse,  ersterer  bedeutend 
grösser. 

2.  Der  Landsalamander  (Salamandra  maculosa)  ist  ein  Thier  von 
ansehnlicher  Grösse  (bis  18  cm),  sammetschwarz  mit  grossen  unregelmässigen 
gelben  Flecken ,  ohne  jede  Spur  von  Flossensaum ,  8chwanz  abgerundet. 
In  Mittel-  und  Süd -Europa.  Gebärt  lebendige  Junge  (von  ganz 
anderer  Färbung),  welche  bei  der  Geburt  mit  Kiemen,  beiden  Beinpaaren 
und  Flossensaum  versehen  sind ;  sie  werden  im  Wasser  geboren,  worin  man 
den  L.  sonst  nie  antrifft.  Es  ist  von  Interesse ,  dass  die  Larve ,  während 
Bie  noch  im  Eileiter  lebt,  mit  weit  längeren  Kiemenblättern  als  später  ver- 
sehen ist.  —  Der  schwarze  Alpen  Salamander  (S.  atra),  dem  soeben 
erwähnten  nahe  verwandt,  ganz  schwarz,  lebt  in  den  Alpen.  Gebärt  eben- 
falls lebendige  Junge,  auf  einmal  immer  nur  zwei  (S.  maculosa  gebärt  eine 
grössere  Anzahl) ,  eins  für  jeden  Eileiter.  Im  Eileiter  befinden  sich  mit 
demjenigen  Ei  zusammen ,  aus  welchem  diese  Jungen  sich  entwickeln, 
mehrere  andere  Eier,  welche  aber  nicht  zur  Entwicklung  gelangen,  sondern 
zusammenfliessen  und  der  jungen  Larve  als  Nahrung  dienen;  letztere  ist 
mit  ausserordentlich  grossen  Kiemen  versehen,  welche  einen  grossen  Theil 


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422 


Specieller  Theil. 


des  Thieres  umgeben,  vor  der  Geburt  aber  sich  rückbilden,  so  dass  die 
Metamorphose  sich  im  Mutterleibe  vollzieht ;  der  Alpensalamander  gebärt 
seine  Jungen  auf  trockenem  Lande,  und  letztere  führen  überhaupt  kein 
Wasserleben. 

3.  Der  Axolotl  (Siredon  niexicanus)  zeichnet  sich,  wie  vorhin  er- 
wähnt, dadurch  aus,  dass  er  (jedenfalls  in  Gefangenschaft)  sich  gewöhnlich 
nicht  metamorphosirt ,  sondern  in  der  Larvengestalt  geschlechtsreif  wird. 
Die  metamorphosirte  Form  (Amblystoma  mcximnuni)  ist  einem  Landsala- 
mander ähnlich,  die  Larve  (welche  den  Namen  Siredon  erhalten  hat,  als 
man  noch  mit  der  Metamorphose  unbekannt  war)  sieht  aus  wie  eine  kolos- 
sale Salamander  -  Larve.  Der  Axolotl,  welcher  in  Mexico  einheimisch  ist, 
ist  eierlegend  ;  die  neugeborenen  Jungen  sind  Triton  -  Larven  derselben 
Stufe  ganz  ähnlich. 

4.  Unter  dem  Namen  Kiemen  molche  (I'erennihranchiata)  fasst  man 
die  oben  (S.  420)  genannten  Schwanzlurche  zusammen,  welche  stets  die 
Kiemen  und  andere  Larvencharaktere  das  ganze  Leben  hindurch  behalten. 
Hierzu  gehört  der  blinde  (mit  rudimentären  Augen  versehene),  blasse,  sehr 
langgestreckte  Olm  (Profcnx  anyiiineus)  mit  3  Zehen  an  den  Vorder-,  2 
an  den  Hintergliedmaassen ;  in  Höhlenseen  Oesterreichs.  Ferner  die  Gatt. 
Mcnobranchm,  weniger  gestreckt,  mit  4  Zehen  an  allen  Gliedmaassen,  und 
Siren  lacertina  mit  Hornkiefern,  aalförmig,  ohne  Hintergliedmaassen  (letztere 
Art  bis  1  m  lang) ,  beide  in  Nordamerika.  —  Die  Gattungen  Mcnojxrma 
und  Ämphinma  (letztere  aalförmig,  mit  4  sehr  kleinen  Gliedmaassen  mit  je 
2 — 3  Zehen)  verlieren,  wie  schon  vorhin  erwähnt,  die  Kiemen,  behalten  aber 
die  Kiemenspalten  und  mehrere  andere  Larvencharaktere.  Mit  Menopoma 
nahe  verwandt  ist  der  1 — 2  m  lange  japanische  Riesensalamander 
(Cryptobranchits  japonkus),  dessen  Kiemenöffnungen  sich  schliessen. 

Mit  den  jetztlebenden  Schwanzlurchen  verwandt  sind  die  Stegocephalen 
(Urlurche),  eine  grosse  Abtheilung  paläozoischer  Lurche,  von  welchen  einige 
durch  sehr  bedeutende  Grösse  ausgezeichnet   waren  (man  kennt  Schädel 


Fig.  Schädel  eines  Stogocephalcn  (TVe- 

matosaurns).  von  unten  (A),  von  oben  (B)  und  von 
der  Seite  ((7).  /  Augenhöhle,  2  Äusseres,  3  inneres 
Nasenloch,  •/  HintcrhauptaörTnung,  a  Hinterhaupts-, 
b  Scheitel-,  c  Stirnbein,  d  I'arasphcnoid,  g  Gaumen- 
und  Flugclhein,  m  Ober-,  »  Zwischenkieferbein,  $  Qua- 
dratbein, t  Nasenbein,  r  Vomer,  i  Hinterhaupts-Gelenk- 
höcker.  Die  übrigen  Buchstaben  bezeichnen  verschie- 
dene Deckknochen. 


derselben  von  anderthalb  Meter  Länge).  Das  Kopfskelet  ist  mit  einer 
grösseren  Anzahl  von  Deckknochen  als  bei  den  jetztlebenden  Lurchen 
versehen;    es   finden    sich    z.  B.    ein    doppeltes  oberes  Hinterhauptsbein 


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Wirbelthiere.   3.  Classe:  Amphibien. 


423 


und  mehrere  andere1).  Die  Kopfknochen  sind  oft  aussen  grubig,  was 
darauf  hindeutet ,  das 8  sie  dicht  unterhalb  der  Oberfläche ,  nur  von  einer 
dünnen  Hautschicht  bedeckt,  lagen;  zuweilen  finden  sich  Furchen  am  Kopfe, 
welche  an  die  Furchen  am  Kopfe  mancher  Fische ,  in  denen  die  Aeste  der 
Seitenlienie  biegen,  erinnern8).  Wie  bei  den  jetztlebenden  Lurchen  waren 
zwei  Gelenkköpfe  am  Hinterhaupt  vorhanden.  Die  Chorda  war  in  be- 
deutender Ausdehnung  erhalten;  dio  Wirbel  oft  biconcav.  Rippen  zuweilen 
lang.  Einige  Stegocephalen  besassen  5  Zehen  an  den  Vordergliedmaassen. 
Die  Sehnenhaut  des  Auges  (im  Gegensatz  zu  den  jetztlebenden  Amphibien) 
häufig  mit  einem  King  von  Knochenplatten.  Häufig  waren  in  der  Haut 
knöcherne  Schuppen  oder  Platten  entwickelt.  Die  Oberfläche  der  Zähne 
besitzt  bei  einem  Theil  der  Stegocephalen  tiefe,  gewundene,  zusammenge- 
drückte Falten ,  welche  namentlich  am  Grunde  des  Zahnes  sich  tief  in  die 
Zahumasse  hinein  erstrecken  und  auf  einem  Querschnitt  als  gewundene 
Linien  erscheinen ;  daher  der  Name  Labyrinthodonten,  mit  dem 
man  häufig  diese  Abtheilung  bezeichnet,  der  aber  nur  auf  einen  Theil 
ihrer  Mitglieder  passt,  indem  die  übrigen  einfach  gebaute  Zähne  besitzen. 


2.  Ordnung.    Froschlurche  (Anura). 

Bei  den  Erwachsenen  fehlt  ein  vorstehender  Schwanz.  Die  Hinter- 
gliedmaassen,  welche  immer  stärker  sind  als  die  Vordergliedmaassen, 
sind  Sprung-  und  Schwirambeine  mit  grösserer  oder  kleinerer  Schwimm- 
haut zwischen  den  Zehen.  Unterkiefer  zahnlos.  Larven  zuerst  mit 
äusseren,  später  mit  inneren  Kiemen. 

Beim  Laichen  wird  das  Weibchen  vom  Männchen  fest  umklammert, 
und  während  die  Eier  die  Kloakenötfnung  des  Weibchens  verlassen,  spritzt 
das  Männchen  den  Samen  über  sie  aus.  Die  Vorderbeine  des  letzteren 
sind  kräftiger  als  die  des  Weibchens  und  bei  manchen  Formen  in  der 
Laichzeit  mit  ranhen  verhornten  Schwielen  an  der  Hand  (Rana,  Bufo)  oder 
zugleich  am  Arm  (Bombinator)  versehen ,  damit  sie  besser  festhalten 
können.  —  Die  jungen  Larven  (Fig.  288,  A — B)  sind  gestreckte  Thierchen, 
jederseits  mit  drei  äusseren  Kiemen  versehen  und  am  Kopfe  mit  ein  Paar 
saugnapfähnlichen ,  klebrigen  Gebilden  ausgestattet,  vermittels  welcher  sie 
sich  an  Pflanzen  u.  dergl.  festhalten  ;  Gliedmaassen  fehlen.  Nach  wenigen 
Tagen  werden  aber  die  äusseren  Kiemen  von  den  grossen  Kiemendeckeln 
überdeckt  und  gehen  zu  Grunde,  und  es  bilden  sich  an  allen  Kiemenbogen 
innere  Kiemen  (vergl.  oben  S.  415).  Gleichzeitig  ändert  sich  die  Form 
des  Körpers,  Kopf  und  Rumpf  bilden  jetzt  einen  fast  kugeligen  Theil, 
welcher  von  dem  zusammengedrückten,  kräftigen,  mit  grossem  Flossensaum 
ausgestatteten  Schwanz  abgesetzt  ist  (Fig.  288  C);  die  Haftapparate  ver- 
schwinden. Die  Larve  (Kaulquappe),  welche  mitHornkiofern  und  einem  langen, 
spiral  ig  aufgerollten  Darm  versehen  ist,  ernährt  sich  besonders  von  verwesenden 
Pflanzen theilen,  todten  Thierchen,  Schlamm  etc. ;  sie  schwimmt  lebhaft  um- 
her. Von  den  sich  allmählich  entwickelnden  Gliedmaassen  liegen  die  vorderen 
während  des  ganzen  Larvenlebens  in  der  Kiemenhöhle  versteckt;  die 
Stellen ,  an  welchen  sie  hervorwachsen ,  sind  nämlich  zusammen  mit  den 
Kiemenbogen  von  den  Kiemendeckeln  überdeckt  worden.    Das  Vorderbein 

')  Zwischen  den  Scheitelbeinen  ein  oft  ziemlich  grosses  Scheitelloch  (Foramen 
parietale)  vorhanden,  welches  auf  das  Vorhandensein  eines  Scheitelauges  (vergl. 
S.  352)  hinweist. 

*)  Der  Kopf  erinnert  überhaupt  oft  an  den  der  Knochenganuiden. 


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424 


Speoieller  Theil. 


wird  an  der  einen  Seite  aus  der  äusseren  Oeffhung  der  Kiemenhöhle  hervor- 
gestreckt, auf  der  anderen  bricht  es  durch  die  äussere  Wand  der  Kiemen- 
höhle hindurch;  dies  geschieht  aber  erst,  wenn  die  Metamorphose  eintritt, 
bei  welcher  der  Schwanz  schrumpft,  die  Zähne  sich  entwickeln  (wenn  das 
erwachsene  Thier  solche  besitzt),  der  kleine  Mund  grösser  wird,  etc. 

1.  Die  Frösche  (Heina)  haben  Zähne  im  Obermund,  glatte  Haut, 
rundliche  Pupille,  lange,  kräftige  Hinterbeine  mit  vollständiger  Schwimm- 
haut zwischen  den  Zehen.  Die  Eier  werden  in  grossen  Klumpen  abgelegt. 
In  Deutschland  leben  folgende  Arten:  die  Grasfrösche  oder  braunen 
Frösche,  drei  verschiedene ,  einander  sehr  ähnliche ,  früher  zusammen- 
geworfene Arten,  Ii.  platyrrhina  (oder  fwtca),  oxytrhitui  (oder  arvajis)  und  agüis, 
wovon  die  erste  weitaus  die  häufigere  ist,  die  letzte  (südlichere  Art)  selten; 
sie  leben  wesentlich  nur  in  der  Laichzeit  im  Wasser,  sonst  meistens  auf 
dem  Lande,  im  Gegensatz  zu  dem  grossen,  grünen  Wasserfrosch  (72. 
eacitlctUa),  welcher  das  ganze  Jahr  hindurch  im  oder  am  Wasser  lebt,  und 
welcher  besser  als  die  anderen  schwimmt  und  springt*  der  Wasserfrosch 
laicht  später  als  die  Grasfrösche,  deren  Fortpflanzung  in  den  ersten  Früh- 
ling fällt,  und  seine  Larven  erreichen  eine  weit  bedeutendere  Grösse. 

2.  Die  Laubfrösche  (Hyla  u.  a.)  unterscheiden  sich  von  den 
Fröschen  dadurch,  dass  sie  an  der  Spitze  jeder  Zehe  eine  Haftscheibe  be- 
sitzen. Im  grössten  Theil  von  Europa  lebt  die  grüne  Hyla  arborea,  welche 
man  ausserhalb  der  Laichzeit  meistens  an  Bäumen  findet. 

3.  Die  Krötenfrösche  (Pelobatidae)  weichen  von  den  Fröschen 
durch  kürzere  Hinterbeine,  senkrechte  Pupille  und  warzige  Haut  ab.  In 
Deutschland  leben  folgende :  Die  Unken  (Botnbinator  iynetis  und  bombinu*  x\ 
Bauchseite  schwarz  und  gelb;  die  Knoblauchskröte  (Pelobates  fttseus), 
Hinterfüsse  mit  einem  messerscharfen  verhornten  Höcker  an  der  Innenseite, 
die  Larve  erreicht  eine  noch  bedeutendere  Grösse  als  diejenige  des  Wasser- 
froscheB ;  die  Geburtshelferkröte  (Alytes  obstdricatis),  deren  Männchen 
die  Eier  um  seine  Hinterbeine  wickelt  und  dieselben  mit  sich  umherträgt, 
bis  die  Larven  ausschlüpfen  sollen,  geht  dann  in's  Wasser,  und  die  Larven 
verlassen  die  Eihülle;  letztere  Art  nur  im  westlichen  Deutschland  (ausser- 
dem in  Frankreich  etc.) 

4.  Die  Kröten  (Bufo)  sind  zahnlos,  haben  kürzere  Hinterbeine  als 
die  Frösche  und  unvollständige  Schwimmhaut  zwischen  den  Hinterzehen, 
querliegende  Pupille,  warzige  Haut.  Die  Eier  werden  in  langen  Schnüren 
abgelegt.  In  Deutschland:  die  Erdkröte  (Ii.  vulgaris),  die  Kreuz- 
kröte  (B.  calamita)  mit  einem  gelben  Längsstreifen  auf  der  Rückenmitte, 
die  Wechsel  kröte  (D.  viridis)  mit  grossen  grünen  Flecken  auf  dem 
Rücken. 

5.  Die  Pipa  (Pipa  americana)  ist  ein  grosser  abgeplatteter  Frosch- 
lurch  mit  kleinen  Augen ,  zungenlos ,  zahnlos ,  mit  grosser  Schwimmhaut 
zwischen  den  Hinterzehen.  Mit  Hülfe  des  Männchens  werden  die  be- 
fruchteten Eier  auf  den  Rücken  de«  Weibchens  gebracht,  wo  sich  für  jedes 


*)  Es  ist  kürzlich  nachgewiesen  worden,  dass  nicht  eine  Art  —  wie  bisher 
angenommen  — ,  sondern  zwei  Arten  von  Bombinator  in  Deutschland  einheimisch 
sind;  sie  unterscheiden  sich  u.  A.  durch  folgende  Charaktere:  bombinus  hat  eine 
gelbe  Unterseite  mit  grossen  schwarzen  Flecken  (die  gelbe  Farbe  überwiegt)  und 
die  Spitzen  der  Finger  und  Zehen  sind  gelb;  igneus  hat  eine  schwarze  Unterseite 
mit  weissen  Punkten  und  rothgelben  Flecken;  letztere  Art  soll  mehr  den  Ebenen, 
erstere  den  Gebirgsgegenden  angehören. 


DicjitizedjDy  Coo^Iü 


Wirbelthiere.  3.  Classe:  Amphibien.  425 

Ei  eine  kleine  Höhlung  bildet,  in  welcher  das  £i  sich  entwickelt  und  die 
Metamorphose  durchlaufen  wird.  Südamerika. 


Fig.  293.    Pipa,  9. 


3.  Ordnung.    Schleichenlurche  {Gymnoph'uma). 

Körper  gestreckt,  wurmförmig,  gliedmaassenlos;  Schwanz  rudi- 
mentär ;  Augen  rückgebildet.  Haut  mit  Ringfurchen  an  der  Oberfläche, 
oft  Knochenschuppen  enthaltend. 

Die  Gymnophionen  (Gatt,  (hecilia  u.  a.) 
leben  in  der  Erde  in  den  wärmeren  Ländern; 
sie  ernähren  sich  von  Regenwürmern  u.  dergl. 
Die  Entwicklungsgeschichte  ist  nur  für  eine  ein- 
zige, in  Ostindien  lebende  Art,  Epicrium  glutino- 
sum,  näher  bekannt.  Diese  Form  legt  ihre 
grossen  Eier  in  ein  Erdloch  ab,  umschlingt  den 
Eierklumpen  mit  ihrem  Körper  und  verlässt  ihn 
nicht  eher,  als  bis  die  Jungen  ausgeschlüpft 
sind.  Der  fertig  ausgebildete  Embryo  .  besitzt 
drei  Paar  ähnliche  Kiemen  wie  die  Salamander- 
Larven,  rudimentäre  Hintergliedmaassen  und  einen 
kurzen  mit  Flossensaum  versehenen  Schwanz  l). 
Wenn  er  das  Ei  verlässt,  verliert  er  die  Kiemen. 
Das  neugeborene  Junge  begiebt  sich  nach  einer 
Wasseransammlung,  in  welcher  es  längere  Zeit 
zubringt. 


Fig.  294.    Embryo  von  Epi- 
crium glutinosvm  dem  Ei  cnt- 
—  Nach  Sarasin. 


*)  Sehr  merkwürdig  ist  es,  dass  das  abgelegte  Ei  bedeutend  an  Grösse  zunimmt, 
•o  dass  sein  Durchmesser  doppelt  so  gross  wird,  und  der  ausgebildete  Embryo  fast 


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426 


Specieller  Theil. 


4.  Classe.    Kllechthiere  (Beptilia). 

Der  Körper  schliesst  sich,  was  die  äussere  Form  betrifft,  im 
Allgemeinen  eng  an  die  der  Schwanzlurche  an,  unterscheidet  sich  aber 
dadurch,  dass  ein  etwas  deutlicherer  Hals  vorhanden  ist;  der  kräftige 
Schwanz,  welcher  sich  ohne  scharfe  Grenze  in  den  Rumpf  fortsetzt, 
ist  oft  ganz  rund.  Die  Gliedmaassen  sind  ebenso  wie  bei  den  Schwanz- 
lurchen gewöhnlich  in  Vergleich  mit  denen  der  beiden  folgenden 
Gassen  klein  und  schwach,  Ellenbogen  und  Kniee  nach  aussen  ge- 
richtet; der  Schwanz  spielt  in  der  Regel  noch  eine  nicht  geringe  Rolle 
uls  Bewegungswerkzeug. 

Die  Haut  ist  mit  einer  festen  Hornschicht  versehen,  welche  in 
gewissen  Zwischenräumen  (mehrere  Male  jährlich)  als  ein  zusammen- 
hängendes Ganzes,  oder  in  grösseren  Fetzen,  abgestreift  und  durch  eine 
neugebildete  Schicht  ersetzt  wird.  Die  Körperoberfläche  ist  mit  soge- 
nannten Schuppen  bedeckt,  welche  aber  ganz  andere  Gebilde  sind 
als  die  Schuppen  der  Fische.  Die  Schuppen  der  Reptilien  lassen  sich 
als  Hautwarzen  charakterisiren,  welche  im  Allgemeinen  stark  ab- 
geplattet, dicht  neben  einander  gestellt  und  regelmässig  angeordnet 
sind.  In  den  Furchen  zwischen  den  Schuppen  ist  die  Hornschicht 
dünn,  an  der  Oberfläche  der  Schuppen  dicker.  In  einigen  Fällen, 
z.  B.  bei  den  Geckonen  u.  a. ,  sind  die  Schuppen  einfache  rundliche 
Warzen:  Körnerschuppen.  Am  Kopfe  mancher  Reptilien,  zu- 
weilen auch  an  anderen  Theilen  des  Körpers  finden  sich  sogenannte 
Schilder,  d.  h.  grosse,  plattenförmige  Schuppen,  welche  durch 
regelmässige  Funchen  von  den  benachbarten   getrennt  sind.  Die 


A  B 


C  D 


Fig.  295.  Lttngs»chnittc  durch  verschiedene  Schuppen  von  Kcptilien.  Schemata. 
A  Körnerschuppen,  B  Schilder,  C  Schindelschuppen,  D  do.  mit  Verknöcherungen,  h  Horn- 
schiebt, *  Schlcimschicht  der  Oberhaut,  l  Lederhaut,  o  Knochonplättchen.  —  Orig. 

meisten  Schuppen  sind  aber  hinten  in  eine  Kante  ausgezogen,  welche 
den  vorderen  Theil  der  folgenden  dachziegelartig  überdeckt:  eigent- 
liche Schuppen  oder  Schindelschuppen;  wenn  solche,  wie  an 


viermal  so  viel  als  das  frisch  abgelegte  Ei  wiegt.  Dies  ist  wahrscheinlich  zum 
grossen  Theil  die  Folge  einer  Wasseraufnahme  aus  der  Umgebung,  vielleicht  saugt 
aber  ausserdem  der  Embryo  ein  Secret  aus  den  Hautdrüsen  des  Mutterthieres  auf. 


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Wirbelthierc  4.  Classe:  Kricchthiere. 


427 


der  Unterseite  des  Rumpfes  bei  den  Schlangen,  bedeutend  breiter 
als  lang  sind,  bezeichnet  man  sie  als  Schienen.  Nicht  selten  sind 
die  Schuppen  zu  kürzeren  oder  längeren  Stachelschuppen  ent- 
wickelt, so  bei  manchen  Erdleguanen,  auf  dem  Rücken  gewisser  Baum- 
leguane etc.  Die  Schuppen,  besonders  die  Schindelschuppen,  sind 
häufig  längs  der  Mitte  mit  einem  feinen  Längskiel  versehen  (z.  B.  bei 
vielen  Schlangen).  Nicht  selten  finden  sich  Verknöcherungen 
in  der  Lederhaut;  so  ist  z.  B.  in  jeder  Schuppe  bei  der  Blindschleiche 
eine  kleine  knöcherne  Platte  vorhanden;  bei  den  Krokodilen  finden 
sich  ähnliche,  aber  grössere  Platten  in  der  Lederhaut,  und  bei  den 
Schildkröten  haben  sich  in  der  Haut  sehr  grosse  Knochenplatten 
entwickelt,  welche  oft  durch  Nähte  mit  einander  verbunden  sind  und  so 
eine  zusammenhängende  Knochenkapsel  um  einen  Theil  des  Thieres 
bilden;  ihre  Grenzen  entsprechen  übrigens  bei  den  Schildkröten  nicht 
den  Furchen  zwischen  den  Schildern.  Hautdrüsen  sind  bei  den 
Reptilien  nur  spärlich  entwickelt;  es  findet  sich  jedoch  z.  B.  bei 
manchen  Sauriem  eine  Reihe  grösserer  Drüsen  am  Schenkel  (ihre 
Oeffnungen  werden  als  Schenkelporen  bezeichnet)  oder  vor  dem  After 
(Analporen);  auch  bei  den  Krokodilen  und  manchen  Schildkröten 
sind  grössere  Hautdrüsen  vorhanden.  —  Die  Pinger  und  Zehen  sind 
im  Gegensatz  zu  denen  der  Amphibien  mit  Krallen  ausgerüstet, 
eigenthümlichen  Horngebilden,  welche  dütenförmig  das  äusserste 
Zehenglied  umgeben;  sie  nehmen  nicht  an  den  Häutungen  Theil, 
wachsen  allmählich  von  innen  und  werden  gleichzeitig  an  der  Spitze 
und  der  übrigen  Oberfläche  abgenutzt. 

Das  Skelet  enthält  bei  dem  ausgebildeten  Thier  nur  eine  ge- 
ringe Menge  Knorpel,  besteht  ganz  überwiegend  aus  Knochengewebe. 
Die  Chorda  ist  gewöhnlich  beim  erwachsenen  Thiere  ganz  verschwunden ; 
nur  bei  den  Geckonen  bleibt  sie  als  ein  zusammenhängender  Strang 
durch  die  ganze  Länge  der  Wirbelsäule  hindurch  bestehen *).  Die 
"Wirbelkörper  sind  im  Allgemeinen  durch  Gelenke  mit  einander 
verbunden;  sie  sind  in  der  Regel  vorne  concav,  hinten  convex  (procöl); 
bei  den  Krokodilen  sind  knorpelige  Scheiben  zwischen  die  Wirbelkörper 
eingeschoben.  Es  sind  deutliche  Gelenkfortsätze  vorhanden ;  bei  den 
Schlangen  und  einigen  Sauriern  (Leguanen)  entspringt  ausserdem  vom 
vordersten  Theil  jedes  Bogens  ein  unpaariger,  mit  zwei  Gelenkflächen 
versehener  Fortsatz,  welcher  in  eine  Vertiefung  am  vorhergehenden 
"Wirbel  hineinpasst,  wodurch  die  Verbindung  noch  mehr  befestigt 
wird8).  Die  Wirbelsäule  sondert  sich  in  der  Regel  in  mehr  Ab- 
schnitte als  bei  den  Lurchen:  wir  haben  zuerst  eine  verschiedene 
Anzahl  Halswirbel,  rippenlos  oder  mit  kurzen  Rippen;  dann  eine 
Anzahl  mit  längeren  Rippen  versehener  Brustwirbel,  auf  welche 
oft  einige  rippenlose  Lendenwirbel  folgen,  dann  die  B  ecken - 
wir  bei,  meistens  zwei,  an  deren  Querfortsätzen  das  Becken  be- 
festigt ist  (seltener,  besonders  bei  gewissen  ausgestorbenen  Reptilien, 
ist  eine  grössere  Anzahl  Beckenwirbel  vorhanden);  endlich  eine  An- 


*)  Bei  jungen  Eidechsen  u.  a.  findet  man  noch  in  die  Wirbelkörper  einge- 
schlossen bedeutende  Theile  der  Chorda,  welche  aber  später  verschwinden. 

*)  Querfortsätze  sind  besonders  bei  den  Krokodilen  stark  entwickelt,  welche 
an  den  meisten  Wirbeln  grosse  Querfortsätze  besitzen,  während  solche  sonst  am 
stärksten  am  Schwanz  entwickelt  sind.  Häufig  (z.  B.  bei  den  Schlangen)  findet  sich 
an  mehr  oder  weniger  zahlreichen  Wirbeln  ein  unpaariger,  von  der  Unterseite  des 
Wirbelkörpers  entspringender  Fortsatz  (unterer  Dornfortsatz). 


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428 


Speoieller  Theil. 


zahl  Schwan  z  wir  bei *)  (ohne  Rippen).  Bei  den  Schlangen  hat 
jedoch  das  Fehlen  von  Gliedmaassen  zur  Folge,  dass  die  genannte 
Sonderung  wegfallt;  bei  ihnen  tragen  sämmtliche  Hals-  und  Rumpf- 
wirbel mit  Ausnahme  des  allerersten  ausgebildete  Rippen,  keine  Wirbel 
sind  als  Becken wirbel  entwickelt,  und  man  kann  somit  bei  dieser 
Gruppe  nur  Rumpf-  und  Schwanzwirbel  unterscheiden.  Von  den  Hals- 
wirbeln der  Reptilien  sind  die  beiden  ersten,  Atlas  und  Epistro- 
pheus,  eigenartig  ausgebildet  (vergl.  Fig.  337).  Der  Körper  des  ersten 
Wirbels  ist  von  diesem  gesondert  und  mit  dem  des  zweiten  Wirbels 
verwachsen,  an  dessen  vorderem  Ende  er  als  ein  vorragender  Fortsatz 
sitzt ;  der  vordere  Wirbel  besteht  somit  blos  aus  dem  Bogen,  welcher 
unten  durch  eine  Knochenplatte  vervollständigt  ist,  so  dass  er  ring- 
förmig erscheint;  in  den  unteren  Theil  des  Ringes  ragt  der  Fortsatz 
des  Epistropheus  hinein,  während  das  Rückenmark  durch  den  oberen, 
vom  Fortsatz  durch  ein  quer  ausgespanntes  bindegewebiges  Band  ge- 
trennten Theil  geht.  Die  Rippen  der  Brustwirbel  zerfallen  in  je  einen 
oberen,  knöchernen,  und  einen  unteren,  oft  knorpeligen,  Abschnitt, 
welch  letzterer  zuweilen  (z.  B.  bei  den  Krokodilen)  wieder  in  zwei 
Stücke  getheilt  ist;  von  dem  oberen  Stück  entspringt  zuweilen, 
namentlich  bei  den  Krokodilen,  ein  plattenförmiger ,  nach  hinten  ge- 
richteter Fortsatz.  Von  den  Brustrippen  heften  die  vorderen  (echte 
Rippen)  sich  bei  den  Sauriern  und  Krokodilen  (und  manchen  ausge- 
storbenen Reptilien)  an  das  Brustbein,  die  hinteren  (unechte  R.)  enden 
frei;  da  ein  Brustbein  bei  den  Schildkröten  und  Schlangen  fehlt, 
kommt  hier  ein  solcher  Unterschied  nicht  zum  Vorschein.  Bei  den 
Schildkröten  sind  die  Rippen  mit  Theilen  des  Hautskelets  verwachsen. 
Bei  den  Krokodilen  finden  sich  an  allen  Halswirbeln  kleine  Rippen, 
welche  sich  grösstenteils  ebenso  wie  die  Brustrippen  mit  je  zwei 
Aesten  an  den  Wirbel  heften;  auch  bei  den  Sauriern  können  ähn- 
liche vorhanden  sein  (jedoch  nicht  am  Atlas).  Die  hinteren  Hals- 
rippen werden  allmählich  länger,  so  dass  ein  allmählicher  Uebergang 
von  Hals-  zu  Brustwirbeln  besteht  *).  An  der  Unterseite  der  Schwanz- 
wirbel, zwischen  je  zwei  Wirbeln,  sind  bei  Sauriern  und  Krokodilen 
unpaarige,  gabelige,  mit  den  Wirbeln  nicht  verwachsene  Knochen, 
die  V-förmigen  Knochen  (untere  Bögen),  vorhanden.  —  Das 
Brustbein  (Fig.  300),  welches  bei  Schildkröten  und  Schlangen 
fehlt,  ist  gewöhnlich  ein  kurzer,  rhombischer,  knorpeliger  oder  theil- 
weise  verknöcherter  Skelettheil,  welcher  sich  zuweilen  (z.  B.  bei  den 
Krokodilen)  hinten  in  einen  ziemlich  langen,  schmalen  Theil  fortsetzt; 
mit  dem  Brustbein  ist  vorne  ein  platter  länglicher  Deckknochen  ver- 
bunden, das  Vorderbrustbein  (Episternum),  welches  das  Brustbein 
theilweise  von  unten  her  bedeckt  und  an  seinem  vorderen  Ende  oft 
in  zwei  Fortsätze,  einen  nach  jeder  Seite,  ausgezogen  ist. 

Der  Schädel,  welcher  grösstentheils  aus  Knochen  besteht,  ist  bei 
manchen  Reptilien  zwischen  den  Augenhöhlen  zu  einer  senk- 

')  Die  meisten  Saurier  haben  die  Eigentümlichkeit,  dass  der  Schwanz  sehr 
leicht  zerbricht,  was  darauf  beruht,  dass  Bich  mitten  in  jedem  Schwanzwirbelkörper 
eine  unverkalkte  Querscheibe  findet.  Nach  dem  Bruch  regenerirt  sich  der  Schwanz. 

*)  In  der  Bauchwand  findet  sich  bei  den  Krokodilen  eine  Anzahl  schmaler 
Hautknochen,  die  sogen,  ßauohrippen,  welche  nicht  mit  wirklichen  Rippen  zu 
verwechseln  sind;  sie  stehen  in  keiner  Verbindung  mit  den  Wirbeln  und  bestehen 
nicht  wie  die  Rippen  anfänglich  aus  Knorpel,  sondern  entwickeln  sich  im  Binde- 
gewebe. 


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Wirbelthiere.  4.  Classe:  Kriechthiere. 


429 


rechten,  knorpeligen  oder  sogar  theilweise  blos  aus  fibrösem  Bindegewebe 
gebildeten  Platte  (der  Interorbital-  oder  Augenhöhlenplatte)  zusammen- 
gedrückt; in  dem  hinter  dieser  Platte  liegenden  Abschnitt  des  Schädels 

1  2  3  4 


fig.  296.  /  und  3  Schädel  eine»  Sauriers  (Varans)  von  oben  und  von  unten.  — 
2  und  4  Schftdel  eines  Krokodils,  ebenso. 

Gemeimsame  Bezeichnung:  C  Oelenkhöcker ,  Ch  hinteres  Nasenloch,  co  Säulenbein, 
E  Oeffhung  der  Ohrtrompeten,  Fr  Stirnbein,  Ju  .Jochbein,  /,  Thrttnenbein,  Mx  Oberkieferbein, 
Ha  Nasenbein,  Ob  unteres,  Ol  seitliches,  0$  oberes  Hinterhauptsbein,  Pa  Scheitelbein,  Pal 
Gaumenbein,  Pf  Hinterstirnbein,  PrJ  Vorderstimbein,  Pt  Flugelbein,  Px  Zwischcnkieferbein, 
O  Quadratbein,  Q'  und  Qj  Quadratjochboin,  8pb  hinteres  Keilbein,  Sq  Schuppenbein,  7V  Quer- 
bein, Vo  Vomer.  —  Nach  Gegenbaur. 

hat  das  Gehirn  seinen  Platz,  in  dem  Abschnitt  vor  derselben  die 
Geruchsorgane.  Die  Zwischen-1)  und  Oberkieferbeine  sind 
gewöhnlich  fest  mit  dem  Schädel  verbunden;  ferner  schliessen  sich 
an  denselben  die  an  der  Stelle  des  Gaumenknorpels  (PalatoquadrcUum) 
gebildeten  Knochen  an,  nämlich  zuhinterst  das  wohl  entwickelte, 
die  Gelenk  fläche  für  den  ganzen  Unterkiefer  tragende  Quadratbein, 
vor  diesem  das  Flügelbein  und  zuvorderst  das  Gaumenbein; 
die  beiden  letzteren  Knochen  erstrecken  sich  als  eine  Knochenbrücke 
vom  Quadratbein  nach  vorne,  innerhalb  der  grossen  Oberkieferbeine. 
Merkwürdig  ist  die  ausserordentliche  Beweglichkeit,  welche  die 
Gaumen  -  Flügel  -  Quadratbein  -  Partie  und  der  mit  dieser  verbundene 
Oberkiefer  bei  den  Schlangen  besitzt;  das  Quadratbein  ist  auch  bei 
den  Sauriern  etwas  beweglich,  ganz  unbeweglich  bei  Krokodilen  und 


')  Bei  den  Schlangen  und  manchen  Sauriern  sind  beide  Zwischenkiefer  zu 
einem  verschmolzen. 


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430 


Specieller  Thett. 


Fig.  297. 
Saurier*.  c 


eines 


Zungenbein 
Körper    (Copula) ,  h 
Zungenbeiubogen,    brl  erster  Kienien- 
—  Nach  Walter. 


Schildkröten,  bei  welchen  Gruppen  auch  die  Gaumen-,  Flügel-  und 
Oberkieferbeine  vollkommen  unbeweglich  sind.    Es  findet  sich  nur 

ein  Gelenkhöcker  zur  Verbindung 
mit  der  Wirbelsäule  unterhalb  des 
Hinterhauptsloches.  Der  Unterkiefer 
besteht  jederseits  aus  mehreren  Kno- 
chen, von  welchen  der  vorderste  zu- 
weilen mit  dem  entsprechenden  der 
anderen  Seite  vorne  verwächst  (Schild- 
kröten). Das  Zungenbein,  d.  h.  das 
Visceralskelet  mit  Ausnahme  des  1.  Vis- 
ceralbogens  (des  Quadrat-,  Flügel-  und 
Gaumenbeines  und  des  Unterkiefers), 
besteht  bei  Schildkröten  und  Sauriern 
aus  einem  unpaaren  Theil,  dem  Körper, 
(den  Copulae  der  Fische  entsprechend), 
und  zwei  Paar  Z ungenbeinhörnern, 
welche  den  Zungenbeinbogen,  resp.  dem 
l.Kiemenbogen  der  Fische  entsprechen1); 
bei  den  Krokodilen  und  Schlangen  findet 
sich  nur  ein  Paar  Hörner,  bei  der  letzt- 
genannten Gruppe  ist  das  ganze  Zungenbein  sehr  schwach  ent- 
wickelt. 

Die  wichtigsten  Knochen  des  Reptilienschädels  ausser  den  schon  ge- 
nannten Bind  folgende:  Die  Hinterhauptsbeine,  nämlich  je  ein  un- 
paariges oberes  und  unteres  und  zwei  seitliche;  sie  umgeben  das  Hinter- 
hauptaloch.  Das  Felsenbein,  vor  dem  seitlichen  Hinterhauptsbein.  Das 
Schuppenbein  (Squamosuvi),  in  der  Nähe  der  genannten,  ragt  bei  den 
Schlangen  stark  hervor;  es  verbindet  sich  mit  dem  Quadratbein.  Das 
Hinterkeilbein  (Ikuruphenoid),  vor  dem  unteren  Hinterhauptsbein,  ebenso 
wie  dieses  eine  Yerknöcherung  in  der  unteren  Wand  des  Schädels.  Ein 
Parasphenoid  ist  nicht  deutlich  entwickelt  (vergl.  Fische  und  Am- 
phibien). Die  vordere  Wand  der  Schädelhöhle  ist  oft  unverknöchert,  häutig, 
zuweilen  mit  einzelnen  Yerknöcherungen.  Oben  findet  sich  eine  Anzahl 
Knochen:  die  Scheitelbeine,  welche  bei  den  meisten  (Schlangen,  Sau- 
riern, Krokodilen)  zu  einem  unpaarigen  Knochen  verschmolzen  sind;  die 
Stirnbeine,  bei  Krokodilen  und  manchen  Sauriern  ein  unpaariger  Knochen ; 
die  Hinter  Stirnbeine  am  Hinterrand  der  Augenhöhle;  die  Vorder- 
stirnbeine am  Vorderrand  derselben;  die  Thränenbeine  unterhalb 
der  letzteren  (nur  bei  Sauriern  und  Krokodilen  vorhanden);  die  Nasen- 
beine hinter  den  äusseren  Nasenlöchern.  Unterhalb  der  Augenhöhle, 
hinter  den  Oberkieferbeinen,  liegt  gewöhnlich  ein  Jochbein,  und  von 
diesem  zum  Quadratbein  erstreckt  sich  das  Quadrat-Jochbein  {Qttadrato- 
jugale).  An  der  Unterseite  findet  sich  vor  den  Gaumenbeinen  ein  paariger 
oder  unpaariger  Vom  er.  Vom  Flügelbein  zum  Oberkieferbein  geht  bei 
Krokodilen,  Sauriern  und  Schlangen  ein  den  Reptilien  eigenthümlicher 
Knochen,  das  Querbein  (Transversitm).  Bei  manchen  Sauriern  findet  sich 
noch  ein  anderer  eigenthümlicher  Knochen,  das  Säulen  be  in  (ColumeUa), 
welches  ungefähr  senkrecht  vom  Scheitelbeine  zum  Flügelbein  geht. 

Der  Schultergürtel  der  Reptilien  schliesst  sich  eng  an  den 


*)  Bei  einigen  Sauriern  lassen  sich  noch  Spuren  eines  dem  2.  Kiemenbogen 
entsprechenden  Hörnerpaares  nachweisen. 


Wirbelthiere.  4.  Claaae:  Kriechthiere. 


431 


der  Amphibien  an.  Wir  finden  denselben  bei  den  Sauriern,  welche 
wir  zunächst  betrachten,  jederseits  durch  eine  etwas  gebogene,  grössten- 


Fig.  298.  Linke  Hälfte  des  Schädel«  von  Boa  conntrietor ,  von  der  Seite  (und  etwas 
vtin  oben)  gesehen.  —  Orig. 

Fig.  299.  Do.  von  einer  grossen  Grubenotter  (Cratpedocephalu*  atrox),  ebenso. 
—  Orig. 

Gemeinsame  Bezeichnung:  Fr  Stirnbein,  A  IIGrknöchelchen,  Mx  Oberkieferbein.  .V  Nasen- 
bein* O»  oberes  Hinterhauptsbein,  Pa  Scheitelbein,  Pul  Gaumenbein,  Pt  Felsenbein,  Pf  Iiiuter- 
stirnbein, Prf  Vorderstirnbein,  Pt  FlUgelbein.  Px  Zwischeukieferbein,  Q  Quadratbein,  8u 
Schuppenbein,  Tr  Querbein.    /,  2,  3  Unterkieferknochen. 

theils  verknöcherte  Platte  repräsentirt,  welche  unten  in  den  Vorder- 
rand des  Brustbeins  eingefalzt  ist.  Man  unterscheidet  ein  Schulter- 
blatt oberhalb  der  Gelenkpfanne  für  das  Oberarmbein,  und  ein 
Coracoid  unterhalb  derselben;  letzteres  ist  in  der  Regel  durch  ein 
oder  zwei  grosse  Löcher  in  2,  resp.  3  Abschnitte  getheilt.  Das  Schulter- 
blatt zerfällt  in  einen  oberen  und  einen  unteren  Abschnitt,  von  welchen 
jener  aus  verkalktem  Knorpel,  dieser  aus  Knochen  besteht;  das  Coracoid 
ist  fast  vollständig  verknöchert,  durch  eine  Naht  mit  dem  Schulter- 
blatt verbunden.  Ein  Schlüsselbein  geht  vom  Schulterblatt  zum 
Vorderbrustbein.  Bei  den  Krokodilen  ist  das  Schulterblatt  zum 
grössten  Theil  verknöchert  (nur  der  obere  Rand  knorpelig),  und  das 
Coracoid  ist  ein  einfacher  Knochen ;  das  Schlüsselbein  fehlt.  Bei 
den  Schildkröten  ist  das  Coracoid  wie  bei  den  Sauriern  in  ein 
vorderes  und  ein  hinteres  Stück  getheilt,  welche  hier  ganz  von  ein- 
ander getrennt  sind;  jenes,  das  vordere  Coracoid,  ist  mit  dem  Schulter- 
blatt, mit  welchem  es  unter  einem  rechten  "Winkel  zusammentrifft, 


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432 


Specteller  Theil. 


verwachsen,  letzteres  (hinteres  Coracoid)  ist  ein  selbständiger  Knochen. 
Bei  den  Schlangen  fehlt  der  Schultergürtel  ganz.  —  Die  Vorder- 

gliedmaassen  betreffend 
ist  zu  bemerken,  dass  die  Elle 
der  kräftigere  der  beiden  Un- 
terarmknochen ist.  Bei  den 
Schildkröten  sind  in  der  Hand- 
wurzel die  neun  ursprünglichen 
Knochen  vorhanden  (zuweilen 
sind  allerdings  einige  ver- 
wachsen); auch  bei  den  Sau- 
riern ist  die  Handwurzel  nur 
wenig  verändert,  während  sie 
bei  den  Krokodilen  sich  da- 
durch auszeichnet,  dass  die 
beiden  Knochen  der  proxi- 
malen Reihe  sehr  gross,  an- 
dere dagegen  verschmolzen 
oder  rückgebildet  sind.  An 
 die  Handwurzel  schliesst  sich 

Fig.  300.  Brustbein  und  linke  Hälfte  des  ,..  n  ja  -a. 
Schultergurtels  einer  Eidechse,  cl  Schlüssel-  häufig  an  der  AuSSenseite  ein 
Dein,  eo  hinterer,  <V  vorderer  Tbeil  de«  Üoracoids,  Sesamknochen,  das  Erbs  en- 
gl Vorderbrustbein,  r  Rippe,  *r  und  «<•'  unterer  und  b  e  i  n  ( Pisiforme ).  Die  Anzahl 
oberer  Theil  des  Schulterblattes.  *<  Brustbein.  —  der  ]«Wer  jgt  {n  <Jer  Regel 
Nach  Gegenbaur.  r     ,        °  ,  .  ° 

5,  kann  aber  eine  geringere 
sein;  die  Anzahl  der  Finger- 
glieder ist  eine  verschiedene;  bei  den  Sauriern  finden  wir  meistens 
folgende  Zahlen:  2  im  Daumen,  3  im  zweiten,  4  im  dritten,  5 
vierten,  3  im  fünften  Finger. 


Fig.  801. 


Fig.  802. 


Fig.  308. 


Fig.  301.  Handwurzel  einer  Seeschildkrote.  U  unterer  Theil  der  Elle,  R  der 
Speiche,  u  Ulnare,  t  Intermedium,  r  Radiale,  c  Centrale,  / — S  Carpale  Nr.  1 — 6;  s  Erbsen- 
bein; / — V  Mittelhaudknochen.  —  Nach  Gegenbaur. 

Fig.  802.    Handwurzel  einer  Eidechse  (Lacerta  affilis).  —  Nach  Gegenbaur,  verändert. 

Fig.  303.  Unke  Hälfte  des  Beckens  eines  Saurier s(Varans).  Jl Dannbein,  « dessen 
hintere«  Ende,  J»  Sitzbein,  P  Schambein,  l  Gelenkpfanne.  —  Nach  Gegenbaur. 

Das  Becken  ist  jederseits  aus  3  Knochen  zusammengesetzt,  in- 
dem der  untere  Theil  des  ßeckengürtels  bei  den  Reptilien  stets  in 
ein  vorderes  und  ein  hinteres  Stück  gesondert  ist,  welche  jedes  für 
sich  verknöchern:  Schambein  und  Sitzbein;  sie  sind  durch  eine 


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Wirbelthiere.  4.  Classe:  Kriechthiere. 


433 


grosse  Oeflfnung  von  einander  getrennt  und  verbinden  sich  unten  in 
der  Mittellinie  mit  denen  der  anderen  Seite.  Das  Darmbein  und  die 
beiden  genannten  Knochen  bilden  gewöhnlich  je  einen  Theil  der 
Gelenkpfanne  für  das  Schenkelbein;  bei  den  Krokodilen  ist  jedoch 
das  Schambein  aus  der  Gelenkpfanne  hinausgedrängt,  letztere  wird 
also  hier  nur  von  dem  Darmbein  und  dem  Sitzbein  gebildet1).  Bei 
den  Schlaugen  fehlt  in  der  Regel  ein  Becken  ganz,  selten  sind  Rudi- 
mente desselben  vorhanden  (bei  den  mit  rudimentären  Hinterbeinen 
versehenen  Riesenschlangen).  —  In  der  Fusswurzel  der  Hinter- 
gliedmaassen  sind  immer  einige  Knochen  mit  einander  verschmolzen; 
wichtig  ist  es,  dass  die  obere  Reihe  der  Fusswurzelknochen  (mit  welcher 
auch  das  Centrale  verbunden  ist)  in  der  Regel  eng  mit  dem  unteren 
Ende  des  Unterschenkels  verbunden  ist  und  die  Bewegung  in  der 
Fusswurzel  wesentlich  zwischen  der  oberen  und  der  unteren  Reihe 
von  Fusswurzelknochen  stattfindet,  während  nur  eine  geringe  oder 
gar  keine  Beweglichkeit  zwischen  dem  Unterschenkel  und  der  oberen 
Reihe  besteht  (vergl.  die  Säugethiere).2)  Für  die  Zehen  gilt  wesent- 
lich dasselbe  wie  für  die  Finger;  es  sind  gewöhnlich  deren  5  vorhan- 
den, die  Anzahl  der  Glieder  ist  verschieden,  bei  den  Sauriern,  wenn 
wir  vom  Daumen  ausgehen,  gewöhnlich  2,  3,  4,  5,  4. 

Das  Gehirn   ist  bei    den  A  „ 

Reptilien  gewöhnlich  ziemlich  klein. 
Bei  einigen,  besonders  bei  den 
Krokodilen,  erreicht  das  V  o  r  d  e  r- 
h  i  r  n  (das  Grosshirn)  eine  ver- 
hältnissmässig  bedeutende  Ent- 
wicklung, ebenso  wie  auch  das 
Hinterhirn  (Kleinhirn),  wel- 
ches bei  Sauriem  und  Schlangen 
einen  schmalen  Wulst  vor  dem 
Nachhirn  bildet,  bei  den  Kroko- 
dilen eine  ansehnliche  Grösse  er- 
reicht. 

Die  Geruchsorgane,  die 
Nasenhöhlen,  nehmen  das  vordere 
Ende  des  Kopfes  ein  und  sind 
durch  die  Nasenscheidewand  von 
einander  getrennt.  Jede  Nasen- 
höhle ist  ein  ziemlich  geräumiger 
Hohlraum,  welcher  gewöhnlich  mit  flg.  304.  Gehirn  einer  Eidechse  von 
einer     grossen  ,      Vorspringenden   ob«»  (A)  und  von  unten  (B).  I  Riechkolben, 

Falte,    der    Nasenmuschel,  /  y°r?er-'  7  Mi"cl->  b  1Iinter-'  e  Nachhim, 

versehen  ist-  die  äusseren  Nasen-  r\R*ok*nmark'  1  Seh»"v.  '  »«manhang.  In 
versenen  isi,  uie  äusseren  xsasen-  A  ^icht  man  Vür  dem  Milteihiru  die  ulltere 

löcher     8ind     klein,     die    inneren    1'artie  der  Zirbel.  -   Nach  T.  Jeffery  Parker. 

öffnen  sich  gewöhnlich  weit  vorne 

in  die  Mundhöhle  und  setzen  sich  oft  in  eine  Rinne  au  der  Decke 
der  Mundhöhle  fort;  bei  den  Krokodilen  ist  diese  Rinne  zu  einer 
Röhre   geworden,   indem  die  Ränder  zusammengebogen  und  ver- 


8  449 


')  Ueber  die  abweichenden  Beckenformen  der  fossilen  Dinosaurier  vergl.  unten 


*)  Von  spezielleren  Verhältnissen  können  wir  anführen,  dass  derjenige  Knochen 
der  proximalen  Reihe,  welcher  dem  Fersenbein  der  Säugethiere  entspricht,  bei 
den  Krokodilen  mit  einem  ähnlichen  Fortsatz  (der  Ferse)  wie  bei  diesen  veraehen  iat. 

Bo»i,  Zoologie.  28 


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4S4  Spezieller  Theil. 

wachsen  sind ;  diese  Röhre,  welche  sich  weit  hinten  in  die  Mundhöhle 
öffnet,  ist  von  unten  her  von  Theilen  der  Oberkiefer-,  Gaumen-  und 
Flügelbeine  bedeckt. 

Das  Auge.  In  der  gewöhnlich  theilweise  knorpeligen  Sehnen- 
haut findet  sich  bei  Sauriern  und  Schildkröten  (nicht  aber  bei  Schlan- 
gen und  Krokodilen)  vorne,  an  der  Grenze  der  Hornhaut,  ein  Kranz 
von  dünnen  Kn  och  enp  lättchen.  An  der  Eintrittsstelle  des  Seh- 
nerven entspringt  hei  den  Sauriern  von  der  inneren  Wand  des  Aug- 
apfels ein  frei  in  den  Glaskörper  hineinragender  Fortsatz,  dem  Kamm 
(Pecten)  der  Vögel  entsprechend;  er  fehlt  oder  ist  rudimentär  bei  den 
übrigen.  —  Es  ist  ein  oberes  oder  ein  unteres  Augenlid  vorhanden, 
von  welchen  jenes  nur  wenig  beweglich  ist,  während  das  untere  (ähn- 


A  B 


Fig.  805.  A  Senkrechter  Durchschnitt  des  Auges  und  der  Augenlider  eine«  ge- 
wöhnlichen Sauriers,  Ii  do.  eine»  Geckos;  beide  schematisirt.  n  unteres,  o  oberes  Augenlid 
b  augenbrauenahnliche  Kaute  oberhalb  des  Auges,  oc  Augapfel  (in  Umritt).  Die  HornhaiK 
ist  durch  eine  stärkere  Linie  angedeutet.  —  Orig. 

lieh  wie  bei  den  Amphibien)  vor  das  Auge  hinaufgeschoben  werden  kann. 
Das  untere  Augenlid  ist  in  der  Mitte  oft  etwas  durchscheinend  (z.B.  bei 
den  gewöhnlichen  Eidechsen),  bei  gewissen  anderen  Sauriern  sogar  gauz 
durchsichtig.  Bei  den  Geckonen  und  einzelnen  anderen  Sauriern 
und  bei  den  Schlangen  ist  das  untere  Augenlid  ebenfalls  durch- 
sichtig, ausserdem  aber  stets  vor  das  Auge  hinaufgezogen  und  mit 
seinem  oberen  Rand  an  dem  oberen  Augenlid  festgewachsen,  so  dass 
bei  diesen  Thieren  ein  geschlossener  Raum  vor  dem  Auge  liegt; 
scheinbar  können  diese  Thiere  das  Auge  nicht  „schliessen",  indem  das 
durchsichtige  Augenlid  eine  Hornhaut  vortäuscht,  thatsächlich  ist  das 
Auge  stets  geschlossen.  Eine  Nick  haut  ist  gewöhnlich  vorhanden. 
Ebenso  finden  sich  sowohl  Thränendrüse  als  Harder'sche  Drüse  und 
ein  Thränenkanal.  —  Ueber  das  Scheitelauge  vergl.  S.  352. 

Gehörorgan.  Der  Schneckengang  steht  bei  den  meisten 
Reptilien  auf  einer  ähnlichen  niederen  Stufe  wie  bei  Fischen  und 
Amphibien,  indem  er  nur  eine  wenig  hervortretende  Ausstülpung  dar- 
stellt; bei  den  Krokodilen  erreicht  er  dagegen  eine  weit  bedeutendere 
Entwicklung  als  ein  recht  ansehnlicher,  am  Ende  geschlossener  Schlauch. 
An  demjenigen  Theil  der  äusseren  Wand  des  Schädels,  welcher  nach 
aussen  vom  Schneckengange  liegt,  ist  bei  den  Reptilien  eine  mit  Binde- 
gewebe ausgefüllte  Oeffnung  vorhanden,  das  runde  Fenster  (Fenestra 
rotunda);  ausserhalb  des  Vorhofs  findet  sich  ebenso  wie  bei  den  Ara- 


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Wirbelthiere.  4.  Classe:  Kriechthiere. 


435 


phibien  ein  ovales  Fenster,  von  der  Platte  des  Hörknöchelchens 
geschlossen.  —  Gewöhnlich  findet  sich  eine  Paukenhöhle,  welche 
gegen  die  Oberfläche  durch  ein  Trommelfell1)  geschlossen  ist ; 
letzteres  liegt  etwas  vertieft,  nicht  wie  bei  den  Amphibien  in  dem- 
selben Niveau  wie  die  übrige  Haut.  Die  Paukenhöhle  steht  bei  den 
Sauriern  ähnlich  wie  bei  den  Amphibien  in  weit  offener  Verbindung 
mit  der  Mundhöhle ;  dagegen  ist  sie  bei  Schildkröten  und  Krokodilen 
durch  einen  engeren  Kanal,  die  Ohrtrompete  (Tuba  Eustachi i),  mit 
dieser  verbunden.  Die  Krokodile  haben  die  Eigenthümlichkeit,  dass 
die  Paukenhöhle  mit  Lufthöhlen  in  der  Wand  des  Schädels  in  Ver- 
bindung steht,  und  dass  beide  Ohrtrompeten  mit  einer  gemeinsamen 
unpaaren  Oeffnung  in  die  Mundhöhle  (nicht  weit  hinter  den  inneren 
Nasenlöchern)  einmünden.  Bei  den  Schlangen  und  einzelnen  anderen 
fehlen  Paukenhöhle  und  Trommelfell  ganz.  Ein  demjenigen  der  Am- 
phibien ähnlicher  Gehörknochen  ist  stets  vorhanden;  er  schliesst 
mit  seiner  Platte  das  ovale  Fenster  und  heftet  sich,  wenn  ein  Trommel- 
fell vorhanden  ist,  mit  dem  anderen  Ende  an  letzteres  an.  —  Ein 
„äusseres  Ohr"  ist  bei  den  Krokodilen  in  Form  einer  Klappe,  einer 
Hautfalte,  vorhanden,  welche  das  Trommelfell  aussen  überdeckt. 


Fig.  SOG.  Stück  des  Oberkiefers  eines  Sauriers  (Iguaua),  von  der  Innenseite  gesehen; 
Weichtheile  entfernt,  k  der  Kieferknochen,  an  dessen  innerer  Seite  die  Zähne  durch  eine 
poröse  Knochcnmasso,  t>,  festgekittet  sind.  7"—  7'1  drei  Zilhne ,  welche  im  Begriffe  stehen 
auszufallen,  und  deren  unteres  Ende  mehr  oder  weniger  resorbirt  ist  ('/''  um  wenigsten,  7'' am 
meisten);  f1  —  /*  die  entsprechenden,  uoch  nicht  vollständig  entwickelten  Ersatzzuhne.  —  Orig. 

Zähne  finden  sich  bei  den  meisten  Reptilien  an  den  Zwischen-  und 
Oberkieferbeinen  und  am  Unterkiefer,  bei  den  Schlangen  (deren  kleiner 
Zwischenkiefer  gewöhnlich  zahnlos  ist)  und  den  Sauriern  ausserdem 
oft  an  den  Gaumen-  und  Fliigelbeinen,  während  den  Schildkröten  Zähne 
ganz  abgehen.  Die  Zähne  sind  in  der  Regel  durch  Knochenmasse  an 
die  Knochen  befestigt;  nur  bei  den  Krokodilen  sitzen  sie,  in  die 
Knochen  eingekeilt,  in  Zahnhöhlen.  Neue  Zähne  werden  das  ganze 
Lieben  hindurch  zum  Ersatz  der  älteren  gebildet;  letztere  fallen  aus, 
indem  die  Knochenmasse,  welche  dieselben  mit  den  Knochen  verbindet, 
mit  den  unteren  Theilen  des  Zahnes  zusammen  aufgelöst  (resorbirt) 
wird.    Die  Zähne  haben  gewöhnlich  eine  einfache  Form;  meistens  sind 


')  Bei  den  Chamäleonen  ist  eine  Paukenhöhle  vorhanden,  welche  aber  nach 
ausaen  von  einer  der  übrigen  Haut  ganz  ähnlichen  Hautpartie  geschlossen  ist  (ein 
besonders  ausgebildetes  Trommelfell  fehlt). 

88* 


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430 


Specieller  Tlieil. 


sie  kegelförmig,  zuweilen  ist  der  äusserste  Theil  zusammengedrückt 
und  gezackt,  zuweilen  sind  die  Zähne  höckerförmig  etc.  Alle  Zähne 
eines  Thieres  sind  gewöhnlich  wesentlich  gleichgebildet.  (Ueber  den  Gift» 
zahn  der  Schlangen  vergl.  S.  442  und  Fig.  309.)  —  Die  hinten  angeheftete, 
vorne  freie  Zunge  ist  sehr  verschieden;  bei  den  Krokodilen  und  Schild- 
kröten ist  sie  nur  wenig  beweglich,  mit  einer  kurzen  Spitze  versehen 
und  nicht  aus  dem  Munde  vorstreckbar,  während  sie  bei  den  Sauriern 
eine  längere,  oft  sehr  lange  und  gespaltene  freie  Spitze  besitzt;  auch 
bei  den  Schlangen  ist  die  Zunge  lang,  schmal  und  gespalten  und  kann 
weit  aus  dem  Munde  hervorgestreckt  werden.  Bei  den  Schlangen  und 
einem  Theil  der  Saurier  kann  die  Zunge  in  eine  Scheide  im  Boden 
der  Mundhöhle  zurückgezogen  werden.  (Ueber  die  eigentümliche 
Zunge  der  Chamäleonen  vergl.  diese.)  —  Die  Speiseröhre,  welche 
eine  ansehnliche  Länge  besitzt,  ist  stets  sehr  erweiterungsfähig.  Der 
Magen  der  Krokodile  ist  sehr  musculös,  jederseits  mit  einer  Sehnen- 
scheibe versehen,  an  welche  die  Muskelzellen  sich  anheften;  er  erinnert 
an  den  Muskelmagen  der  Vögel.  Der  Dünndarm  ist  von  verschiedener 
Länge,  der  Enddarm  kurz. 

Athmungsorgane.  Die  Luftröhre  der  Reptilien  ist  ver- 
längert und  ihre  Wand  von  Knorpelringen  gestützt.    Der  vorderste 

Theil,  der  Kehlkopf,  ist  mit  besonderen 
Knorpelstücken  versehen,  und  bei  einigen  Sau- 
riern (Geckonen,  Chamäleonen)  sowie  bei  den 
Krokodilen,  nicht  aber  bei  den  übrigen,  besitzt 
er  ein  Paar  Stimmbänder.  Der  Eingang  aus 
der  Mundhöhle  in  den  Kehlkopf  ist  eine  Längs- 
spalte hinter  der  Zunge.  Am  hinteren  Ende 
theilt  sich  die  Luftröhre  in  zwei  Stammäste 
(Bronchi),  einen  für  jede  Lunge.  —  Die  Lungen 
selbst  sind  bei  verschiedenen  Reptilien  ziemlich 
verschieden.  Bei  manchen  Sauriern  (Fig.  307) 
ist  jede  Lunge  ein  Sack  mit  einem  geräumigen 
Hohlraum,  und  ihre  Wand  ist  inwendig  mit 
netzförmig  geordneten,  vorspringenden  Falten 
versehen,  welche  kleine,  in  den  Haupthohlraum 
sich  öffnende  Räume  begrenzen ;  in  jedem  solchen 
Raum  finden  sich  wieder  niedrigere  Falten  — 
also  ähnliche  Verhältnisse  wie  bei  den  Frosch- 
lurchen. Bei  den  Schildkröten  finden  wir  eine 
weitere  Entwicklung ;  der  centrale  Hohlraum  ist 
hier  eng  und  erscheint  mehr  als  eine  Fortsetzung  des  Stammastes  der 
Luftröhre,  und  in  diesen  röhrenförmigen  Hohlraum  öffnen  sich  tiefe 
Säcke  mit  kleinen  Ausstülpungen;  die  tiefen  Säcke  entsprechen  den 
kleinen  Räumen  an  der  Wand  der  Saurierlunge,  ihre  Ausstülpungen 
den  Unterabtheilungen  der  letzteren.  Einen  ähnlichen  Bau  der  Lunge 
findet  man  auch  bei  den  Krokodilen.  Von  specielleren  Verhältnissen 
führen  wir  an,  dass  die  Lungen  der  langgestreckten  gliedmaassen- 
losen  Saurier  (z.B.  der  Blindschleiche)  von  ungleicher  Länge  sind, 
die  rechte  ist  die  längste.  Auch  bei  den  Schlangen  ist  die  rechte 
Lunge  die  grösste,  in  der  Regel  ist  bei  ihnen  sogar  die  linke  Lunge 
rudimentär  oder  fehlt  ganz.  Die  Schlangen  zeigen  ferner  die  Eigen- 
thümlichkeit,  dass  die  Lunge,  welche  in  ihrer  vorderen  Partie  der- 
jenigen der  Saurier  ähnlich  ist,  hinten  ein  glatter  Sack  ohne  Falten 


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Fig.  307.  Lunge  eines 
Sauriern,  der  Lange 
nach  durchschnitten. 


Wirbclthiere.  4.  Claaee:  Krieohthiere. 


437 


ist,  welcher  sogar  sein  Blut,  nicht  wie  die  übrige  Lunge  von  der 
Lungenarterie,  sondern  von  einer  der  Körperarterien  empfängt;  dieser 
Theil  der  Lunge  ist  offenbar  für  die  Respiration  ohne  Bedeutung. 
Die  Chamäleonen  sind  dadurch  ausgezeichnet,  dass  von  der  Lunge 
fingerförmige,  dünnwandige  Säcke  ausgehen,  welche  sich  zwischen  die 
Eingeweide  hinein  erstrecken,  und  welche  das  Thier  mit  Luft  füllen 
kann,  wodurch  der  Umfang  des  Körpers  bedeutend  vergrössert  wird 
(es  bläht  sich  auf).  —  Die  Einatjimung,  die  Luftaufnahme,  findet 
bei  der  Mehrzahl  in  der  Weise  statt,  dass  die  Leibeshöhle  durch  ge- 
wisse Bewegungen  der  Rippen  erweitert  wird,  wodurch  die  Luft  in 
den  elastischen  Lungen  verdünnt  wird  und  Luft  von  aussen  durch  die 
Nasenlöcher  hineinströmt;  die  Ausathmung  geschieht  durch  entgegen- 
gesetzte Bewegungen  der  Rippen.  Bei  den  Schildkröten,  deren  Rippen 
unbeweglich  sind,  geschieht  die  Einathraung  durch  die  Zusammen- 
ziehung eines  besonderen  in  der  Leibeshöhle  angebrachten  zwerchfell- 
artigen  Muskels  (vergl.  die  Säugethiere). 

Bei  den  Krokodilen  münden  die  inneren  Nasenlöcher,  wie  vorhin  er- 
wähnt, weit  hinten  in  die  Mundhöhle.  Am  hintersten  Theil  der  Zunge 
findet  sich  eine  hervorragende  steife  Querfalte,  welche,  wenn  der  Mund 
geöffnet  ist,  sich  gegen  den  Gaumen  legt  und  den  hintersten  Theil  der 
Mundhöhle,  in  welchen  die  inneren  Nasenlöcher 
oben,  die  Luftröhre  unten  einmünden,  ganz  ab- 
sperrt. In  Folge  dieser  Einrichtung  kann  das 
Thier  mit  geöffnetem  Mund  (auf  Beute  lauernd) 
im  Wasser  liegen  und,  wenn  nur  die  Schnauzen- 
spitze mit  den  äusseren  Nasenlöchern  oberhalb 
des  Wassers  ist,  ruhig  athmen. 

Die  Entwicklung  eines*  Halses  hat  zur 
Folge,  dass  das  Herz  bei  den  Reptilien 
weiter  vom  Kopf  entfernt  ist  als  bei  den 
Fischen  und  Amphibien.  Der  Vorhof 
ist  in  eine  grössere  rechte  und  eine  kleinere 
linke  Abtheilung  getheilt,  von  welchen  letz- 
tere das  Blut  aus  den  Lungen  aufnimmt, 
während  die  rechte  das  Blut  aus  dem 
übrigen  Körper  empfängt.  Die  Herz- 
kammer zeigt  gewöhnlich  nur  einen  An- 
fang zu  einer  Theilung  in  zwei,  indem  eine 
unvollkommene  Scheidewand  ausgebildet 
ist;  nur  bei  den  Krokodilen  ist  eine 
rechte  und  eine  linke  Herzkammer  vor- 
handen, welche  vollständig  von  einander 
getrennt  sind  und  mit  dem  rechten,  resp. 
dem  linken  Vorhof  in  Verbindung  stehen, 

SO  daSS  das  arterielle  Lungenblut  Und  das   und  der  Arterien  bögen  bei  einem 

venöse  Blut  aus  den  Körpervenen  innerhalb  Krokodil,  n  rechter,  a  linker  Vor- 
des   Herzens  ganz  getrennt  sind.     Der  hüf-  '  ,,nd  r'  r,ec',te  "f1  lin,ke 

H,  ,  .  ~        .        ,  ...       ,        kaimner.    /.  /    die  Larotideu  (Ar- 

erzkegel  ist  entweder  rudimentär  oder  terienbögen  Xr.  l);  2,  2'  rechter 

fehlt  ganz,  80  daS8  der  Arterienstamm  und  liuker  Aortenbogen  (Arterien- 
direkt  von   der  Kammer    entspringt.     E8   bögen  Nr.  2);  c  der  dUnne  Theil  voll 

sind  dieselben  drei  Paar  Arterien-  2''  n»d,,1«m  fefr  * 

h-vr        .      „  1     .  1    .    j        zum  Darmkunal  abgegeben   hat;  4, 

ogen,  Nr.  1,  2  und  4,  wie  bei  den  r  Langonarlerien  (Artcrienbög.,,. 
Froschlurchen    (Fig.    255  C)   vorhanden  :  nr.  4);  «o  Aorta.  —  orig. 


Fig.  308.   .Schema  des  Herzen» 


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438 


Specieller  Theil. 


von  diesen  setzt  sieb  das  erste  Paar  in  die  Kopfarterien  (Caro- 
tiden)  fort,  die  des  zweiten  Paares,  die  Aortenbögen,  vereinigen 
sich  und  bilden  die  Aorta,  das  letzte  Paar  setzt  sieb  in  die  Lungen- 
arterien fort.  Der  Arterienstamm.  von  welcbem  die  Bögen  ab- 
gehen, ist  nicht  einheitlich  (wie  es  bei  den  Fischen  und  theilweise  bei 
den  Amphibien  der  Fall  ist),  sondern  in  drei  Röhren  getheilt,  von 
welchen  eine  sich  in  die  Kopfarterien  und  in  den  Aortenbogen  fort- 
setzt, eine  andere  in  den  linken  Aortenbogen,  die  dritte  in  die  Lungen- 
arterien; am  Ursprünge  einer  jeden  derselben  aus  der  Herzkammer 
findet  sich  eine  Querreihe  von  Klappen.  Die  erstgenannte  Röhre  ent- 
springt bei  den  Krokodilen  von  der  linken  Kammer,  fuhrt  also 
arterielles  Blut,  während  die  beiden  anderen  von  der  rechten  Kammer 
entspringen,  also  venöses  Blut  führen.  Die  Folge  dieser  Anordnung 
ist,  dass  der  Kopf  bei  den  Krokodilen  mit  rein  arteriellem  Blut  ver- 
sorgt wird,  während  die  Aorta  gemischtes  Blut  führt,  indem  sie  durch 
eine  Vereinigung  der  beiden  Aortenbögen  gebildet  wird,  von  welchen 
der  eine  arterielles,  der  zweite  venöses  Blut  enthält. 

•  Der  grössere  Theil  des  venösen  Blutes  im  linken  Aortenbogen  bei  den 
Krokodilen  geht  übrigens  an  den  Darmkanal  durch  ein  Gefäss  (m),  welches 
der  Bogen  abgiebt,  ehe  er  sich  mit  dem  rechten  Aortenbogen  vereinigt, 
so  dass  das  Blut  in  der  Aorta  überwiegend  arteriell  ist ').  —  Bei  den 
übrigen  Reptilien,  bei  denen  die  Scheidewand  der  Herzkammer  ganz 
unvollständig  ist,  findet  eine  Mischung  des  Blutes  schon  im  Herzen  selbst 
statt;  bei  ihnen  ist  andererseits  durch  verschiedene  Verhältnisse  dafür  ge- 
sorgt, dass  die  Mischung  dennoch  nicht  so  bedeutend  wird,  wie  man  er- 
warten könnte.  Der  ganze  Mechanismus  ist  aber  zu  complicirt,  als  dass 
wir  ihn  hier  einer  näheren  Betrachtung  unterwerfen  könnten. 

Die  Nieren  sind  etwas  gestreckte,  an  der  Oberfläche  gefaltete 
Organe,  welche  hinten  in  der  Leibeshöhle  liegen;  die  Hamkanälchen 
besitzen  keine  offenen  Trichter  wie  bei  den  Amphibien.  Die  Harn- 
leiter öffnen  sich  getrennt  in  die  Kloake  (nicht  in  die  Harnblase). 
Eine  Harnblase  findet  sich  bei  Sauriern  und  Schildkröten,  fehlt 
bei  den  Schlangen  und  Krokodilen;  sie  ist  eine  Ausstülpung  der 
ventralen  Wand  der  Kloake2);  die  Oeffnungen  der  Harnleiter  sind 
nicht  weit  von  ihrer  Einmündungsstelle  entfernt. 

Die  beiden  Eierstöcke  sind  in  reifem  Zustande  traubenförmig, 
wegen  der  ansehnlichen  Grösse  der  Eier;  die  Eileiter  (Müller'sche 
Gänge)  sind  nach  dem  gewöhnlichen  Typus  gebildet  und  münden  ge- 
trennt in  die  Kloake.  Bei  den  Schlangen  liegen,  in  Anpassung  an 
die  gestreckte  Körperform,  die  Eierstöcke  nicht  neben  einander,  sondern 
einer  vor  dem  anderen.  —  Die  Hoden  verbinden  sich  mittels  eines 
aus  feinen  Kanälchen  zusammengesetzten  Nebenhodens  mit  je  einem 
Samenleiter,  welcher  in  die  Kloake  mündet.  —  Begattungs- 
werkzeuge treten  unter  zwei  gänzlich  verschiedenen  Formen  auf. 
Bei  den  Sauriern  und  Schlangen  findet  sich  ein  Paar  Be- 
gattungsorgane: jederseits,  in  unmittelbarer  Nähe  des  Afters,  ist  eine 
Oeffnung  vorhanden,  welche  in  einen  Sack  oder  Schlauch  hineinführt, 

')  Es  findet  sich  übrigens  bei  den  Krokodilen  eine  Oeffnung  in  der  Scheide- 
wand zwischen  den  beiden  Gefässstämmen,  welche  sich  in  den  rechten  Aortenbogen 
(-f-  die  Kopfarterien),  resp.  in  don  linken  Aortenbogen  fortsetzen;  eine  Mischung 
des  Blutes  findet  jedoch  an  dieser  Stelle  nur  in  sehr  beschränktem  Umfange  statt. 

*)  Bei  den  Schildkröten  öffnet  sich  in  die  Kloake  ausser  der  unpaarigen  Harn- 
blase noch  ein  Paar  ähnliche  Säcke,  deren  Bedeutung  unbekannt  ist. 


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Wirbelthiere.  4.  Classe:  Kriechthiere. 


439 


der  sich  unterhalb  der  Haut  des  Schwanzes  nach  hinten  erstreckt 
(ist  als  eine  Einstülpung  einer  Hautpartie  aufzufassen);  dieser  Sack 
kann  ausgestülpt  werden  und  zeigt  dann  an  der  Oberfläche  eine  spiralige 
Rinne,  in  welcher  der  Samen  läuft,  wenn  das  oft  mit  Stacheln  oder 
Falten  ausgestattete  Begattungsorgan  in  die  weibliche  Kloake  ein- 
geführt ist;  ein  Muskel,  welcher  sich  an  das  Ende  des  Schlauches 
heftet,  zieht  denselben  wieder  zurück.  Bei  den  Krokodilen  und 
Schildkröten  ist  der  Penis  dagegen  ein  unpaariger,  solider, 
zungenähnlicher  Körper,  welcher  an  der  ventralen  Wand  der  Kloake 
festgeheftet  ist  und  durch  den  After  hervorgeschoben  werden  kann; 
er  ist  an  seiner  oberen  Fläche  mit  einer  Längsrinne  für  den  Samen 
versehen. 

Die  Eier  der  Reptilien  sind  von  verhältnissmässig  bedeutender 
Grösse ;  während  ihrer  Wanderung  durch  die  Kloake  werden  sie  vou 
einer  Eiweissmasse  und  einer  kalkhaltigen  Schale  umgeben, 
welche  bei  Sauriern  und  Schlangen  gewöhnlich  lederartig,  zäh  ist,  bei 
Schildkröten  und  Krokodilen  fest  und  spröde  wie  eine  Vogel-Eierschale. 
Die  Form  der  Schale  ist  gewöhnlich  oval,  seltener  kugelig  (letzteres 
bei  den  meisten  Schildkröten).  Nicht  wenige  Schlangen  und  einige 
Saurier  behalten  die  Eier  so  lange  in  den  Eileitern,  dass  sie  lebendige 
Junge  gebären;  den  Eiern  solcher  Formen  geht  eine  Schale  übrigens 
keineswegs  ab,  dieselbe  wird  aber  bei  der  Geburt  gesprengt.  Die 
E  i  f  u  r  c  h  u  n  g  ist  partiell,  der  Nahrungsdotter  sehr  gross ;  der  Embryo 
ist  von  Embryonalhüllen  (vergl.  S.  368)  umgeben.  Die  neugeborenen 
Jungen  sind  in  der  Hauptsache  den  Erwachsenen  ähnlich. 

Bei  den  ausgebildeten  Embryonen  von  Schlangen  und  Sauriern  findet 
sich  am  oberen  Kieferrand  in  der  Mittellinie  ein  unpaarer  vorstehender 
Zahn  (ein  echter  Zahn),  welcher  dazu  verwendet  wird,  die  Eischale  durch- 
zuschneiden („Eizahn"). 

Die  Reptilien  sind  grösstenteils  Landthiere;  nicht  ganz  wenige 
führen  eine  amphibische  Lebensweise,  indem  sie  sich  theils  im  Wasser 
(Süsswasser  oder  Meer),  theils  auf  dem  Lande  aufhalten;  die  meisten 
ernähren  sich  von  Raub  (Insekten .  Wirbelthieren  etc.).  Sie  sind  in 
den  Tropen  zahlreich,  in  den  kälter  gemässigten  Ländern  sparsam  ver- 
treten, fehlen  in  der  kalten  Zone.  In  früheren  Perioden  der  Erd- 
geschichte, in  der  mesozoischen  Zeit,  war  die  Abtheilung  noch  weit 
reicher  entfaltet  und  zum  Theil  durch  riesigere  Formen  als  heutzutage 
vertreten. 


Uebersicht  der  jetztlebenden  Reptilien-Ordnungen. 

1.  Saurier.    In  der  Regel  mit  Gliedmaassen. 

Bewegliches     Quadrat-  Schuppen  am  Bauch.  Unterkieferäste  unbeweg- 

bein.  After  eine  Quer-  I  lieh  verbunden. 

spalte.    Paarige  Be-  I  2.  Schlangen.    Ohne  Gliedmaassen.  Schienen 

gattungswerkzeuge.  am  Bauch.  Unterkieferäste  durch  ein  elastisches 

Band  verbunden. 

Quadratbein    unbeweg-  (  3.  Schildkröten.     Zahnlos.  Zusammenhän- 

lich.  After  nicht  eine  |  des  Knochenscliild  um  den  Rumpf. 

Querspalte.  Penis  un-  |  4.  Krokodile.    Zähne   in  Zahnhöhlen.  Zwei 

paarig.  '  Herzkammern. 


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440 


Specieller  Thcil. 


1.  Ordnung.   Saurier  (Sauria). 

Bezüglich  der  Charaktere  der  Saurier  ist  die  obenstehende  Ueber- 
sicht  und  die  allgemeine  Beschreibung  der  Reptilien  zu  vergleichen. 
Von  den  zahlreichen  Formen  führen  wir  hier  einige  Beispiele  an. 

1.  Die  Eidechsen  (Laccrta)  haben  einen  langen  runden  Schwanz, 
wohl  entwickelte  Gliedmaassen,  kleine  Schuppen  auf  dem  Rücken,  grössere, 
in  wenigen  Längsreihen  geordnete  am  Bauche ;  Zunge  wohl  entwickelt, 
gespalten.  In  Deutschland  häufig  sind  die  einander  sehr  ähnlichen  L.  agitis 
und  L.  riri/nra  (letztere  lebendiggebärend),  in  den  Rheingegenden  ausserdem 
auch  die  spitzschnauzige  Mauereidechse  (/>.  »tu rate);  selten  ist  die 
mehr  südliche,  grosse  Grüne  Eidechse  (L.  riridis).  —  Verwandt  sind 
dieVarane  (Varanus),  grosse  tropische  (altweltliche)  Saurier  mit  einer 
sehr  langen  gespaltenen  Zunge. 

2.  Die  Leguane  (fguanüiae)  sind  Saurier  mit  kleinen  Schuppen  und 
einer  dicken,  kaum  gespaltenen  Zunge;  manche  sind  mit  Stacheln,  Haat- 
falten  u.  ähnl.  ausgestattet.  Sie  zerfallen  in  zwei  natürliche  Gruppen,  die 
altweltlichen  und  die  neuweltlichen  L.,  jene  acrodont  (d.  h.  mit  dem 
Kiefer  ran  de  angewachsenen  Zähnen),  letztere  pleurodont  (Zähne  der 
Innenseite  der  Kiefern  angewachsen,  Fig.  306).  Innerhalb  beider  Gruppen 
kommen  mehr  gestreckte,  langbeinige,  langschwänzige  Formen,  Baum- 
leguane,  und  plumpe,  abgeplattete,  kurzschwänzige  Formen,  Erdleguane, 
vor;  zwischen  Baum-  und  Erdleguane  läset  sich  übrigens  keine  scharfe  Grenze 
ziehen,  es  giebt  zahlreiche  Zwischenformen.  Eine  eigentümliche  Gattung 
kleiner  Baumleguane  sind  die  Flugeidechsen  oder  Drachen  (Draco 
tvlans),  deren  unechte  Rippen  nicht  den  Rumpfseiten  des  Thieres  an- 
liegen, sondern  nach  aussen  gerichtet  sind  und  als  Stützen  für  eine  grosse, 
als  Fallschirm  dienende  Hautfalte  jederseits  fungiren ;  Ostindien. 

3.  Die  Blindschleiche  (Atiguis  fragilis)  \%t  ein  gliedmaassenloser 
Saurier  mit  langem  Schwanz  und  beweglichen  Augenlidern ;  lebendig  ge- 
bärend, in  Deutschland  häufig.  Sie  gehört  zur  Familie  der  S  k  i  n  k  e 
(Scineoiilei),  welche  durch  glatte,  glänzende,  angedrückte  Schuppen  und  eine 
kurze,  abgeplattete  Zunge  ausgezeichnet  sind ;  innerhalb  dieser  Familie  findet 
man  Formen  mit  wohlentwickelten  Gliedmaassen  und  einem  verhältniss- 
massig kurzen  Körper,  Formen  mit  mehr  oder  weniger  rückgebildeten 
Gliedmaassen  und  einem  mehr  gestreckten  Körper,  und  endlich  ganz  glied- 
maassenloBe  Arten  wie  die  Blindschleiche.  Die  übrigen  Arten  gehören  den 
wärmeren  Ländern  an;  einige  derselben  kommen  schon  in  den  Mittelmeer- 
ländern vor. 

4.  Die  Chamäleonen  (Chamaeleo)  bilden  eine  sehr  eigentümliche 
Sauriergruppe.  Die  Spalte  zwischen  den  Augenlidern  ist  sehr  eng,  letztere 
bedecken  fast  ganz  die  Aussenseite  des  Augapfels,  mit  welchem  sie  ver- 
wachsen sind,  und  werden  zugleich  mit  demselben  bewegt.  Die  in  eine 
Scheide  zurückziehbare  Zunge  ist  keulenförmig,  von  bedeutender  Länge  und 
kann  weit  aus  dem  Munde  hervorgeschnellt  werden.  Die  Finger  und  Zehen 
eines  jeden  Fusses  sind  zu  zwei  Bündeln,  jeder  aus  zwei  oder  drei  Zehen 
(Fingern)  bestehend,  verwachsen;  die  Zehen  sind  in  jedem  Bündel  fast  bis 
an  die  Spitze  verwachsen,  dagegen  bis  an  die  Fusswurzel  von  dem  andern 
Bündel  getrennt,  und  beide  Bündel  sind  derartig  gedreht,  dass  ßie  wie 
Aeste  einer  Zange  gegen  einander  wirken  können  (werden  zum  Umgreifen 
der  Aeste  benutzt).  Körper  zusammengedrückt,  der  Schwanz  ein  Wickel- 
schwanz, Schuppen  sehr  klein.  Bekannt  ist  das  Vermögen  der  Chamäleonen, 


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Wirbelthiere.  4.  Claase:  Kriechthiere. 


441 


ihre  Farben  zu  wechseln.  In  wärmeren  Ländern  (besonders  Afrika);  eine 
Art  kommt  schon  in  Andalusien  vor. 

5.  Die  Oeckonen  (Ascalabotae)  sind  dadurch  ausgezeichnet,  dass  die 
Zehen  an  der  Unterseite  mit  Haftscheiben  versehen  sind,  und  dass  die 
Augenlider  sich  wie  bei  den  Schlangen  verhalten  (vergl.  S.  434);  es  sind 
in  der  Regel  abgeplattete  Thiere  mit  sehr  kleinen  Schuppen.  In  wärmeren 
Ländern  (schon  in  Südeuropa). 

6.  Die  Ringelechsen  (Gatt.  Amphisbaena  u.  a.)  sind  kurzschwänzige, 
sehr  langgestreckte,  cylindrische  Saurier  mit  sehr  kleinen  Augen,  gewöhn- 
lich ganz  gliedmaassenlos  (oder  nur  mit  kleinen  Vorderbeinen) ;  Schuppen 
viereckig,  nicht  dachziegelartig,  in  Querringen  angeordnet.  Die  Ringel- 
echsen  führen  eine  ähnliche  Lebensweise  wie  die  Coecilien.  In  wärmeren 
Ländern  (eine  Art  in  Südeuropa). 

2.  Ordnung.    Schlangen  (Ophidia). 

Die  Schlangen ,  welche  mit  den  Sauriern  nahe  verwandt  sind,  zeich- 
nen sich  aus:  durch  ihre  Gliedmaasenlosigkeit  (selten  sind  Rudimente 

A  B  C  D 


Fig.  309.  A  Giftzahn  einer  Klapperschlange,  von  vorne  und  etwa»  von  aussen ; 
Ii  derselbe  Zahn  der  Länge  nach  durchschliflen.  C  Giftzahn  einer  Br  i  1 1  ens  c  h  1  a  n  ge ,  von 
vorne  und  etwa»  von  aussen;  D  Querschnitt  desselben.  /•'  Querschnitt  des  Giftzahncs  einer 
Klapperschlange.  —  /  Furche,  g  Giftkanal,  o  obere,  o'  untere  OefTnung  des  Giftkanals,  p  Pulpa- 
höhle.  —  Orig. 

der  Hintergliedmaassen  vorhanden),  durch  das  vorhin  (S.  434)  erwähnte 
Verhältniss  der  Augenlider,  durch  das  Fehlen  eines  Trommelfelles 
(und  einer  Paukenhöhle),  durch  den  sehr  langgestreckten  Rumpf,  den 


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442 


Specieller  Thoil. 


verhältnis8mä88ig  kurzen  Schwanz,  dadurch  dass  die  Bauchseite  mit 
breiten  Schienen  bedeckt  ist,  und  dass  die  Unterkieferäste  durch  ein 
elastisches  Band  verbunden  sind,  durch  die  grosse  Beweglichkeit  des 
Quadratbeines  und  der  ganzen  Kiefer-Gaumenpartie,  durch  die  lange 
gespaltene  Zunge.  Von  den  gliedmaassenlosen  Sauriern  unterscheiden 
die  Schlangen  sich  stets  durch  den  Besitz  des  elastischen  Bandes,  da- 
durch dass  ihnen  ein  Brustbein  und  eine  Schulterpartie  ganz  abgeht 
(von  diesen  Theilen  sind  bei  den  gliedmaassenlosen  Sauriern  wenigstens 
Rudimente  vorhanden),  und  durch  das  rudimentäre  Zungenbein. 

Vermöge  der  bedeutenden  Erweiterungsfähigkeit  der  Mundhöhle  — 
welche  auf  der  grossen  Beweglichkeit  der  Kiefer  und  der  Gaumen- 
partie beruht  —  und  des  Fehlens  eines  Brustbeines  sind  die  Schlangen 
im  Stande,  sehr  grosse  Beute  zu  verschlingen  ;  sie  nehmen  nur  in  sehr 
grossen  Zwischenräumen  (bis  zu  mehreren  Monaten)  Nahrung  zu  sich. 
Einige  sind  mit  grossen  Giftzähnen  versehen,  welche  sich  dadurch 
auszeichnen,  dass  sie  an  der  Vorderseite  mit  einer  tiefen  Rinne  ver- 
sehen sind,  deren  Ränder  an  einander  schliessen  oder  gar  ver- 
schmolzen sind;  nur  an  der  Basis  des  Zahnes  und  in  der  Nähe  der 
Spitze  ist  sie  offen.  Der  Giftzahn  —  es  ist  zur  Zeit  immer  jederseits 
nur  einer  vorhanden  —  hat  stets  seineu  Platz  vorne  im  Oberkiefer- 
bein, und  die  in  seinen  Kanal  führende  Oeffnung  an  der  Basis  steht 
mit  dem  Ausführungsgang  einer  hinter  dem  Kopf  liegenden  Giftdrüse 
in  Verbindung,  welche  als  eine  umgebildete  Mundhöhlendrüse  auf- 
zufassen ist.  In  der  Schleimhaut  der  Mundhöhle  dicht  beim  Giftzahn 
findet  man  mehrere  Ersatzzähne  für  denselben  auf  verschiedener  Ent- 
wicklungsstufe. Wenn  der  Zahn  nicht  benutzt  wird,  ist  er  von  einer 
Falte  der  Mundhaut  bedeckt,  aus  welcher  er  durch  eine  Bewegung 
des  mit  ihm  unbeweglich  verbundenen  Oberkieferbeines  hervortritt. 
Bei  einigen  Giftschlangen  (Vipern  und  Grubenottern)  ist  das  Ober- 
kieferbein sehr  kurz  und  trägt  keine  anderen  Zähne  als  den  Giftzahn, 
bei  anderen  (den  Giftnattern)  finden  sich  hinter  dem  Giftzahn  noch 
einige  kleine,  einfache  Zähne  im  Oberkiefer.  (Bei  einem  Theil  der 
ungiftigen  Schlangen  sind  einer  oder  mehrere  der  hintersten  Oberkiefer- 
zähne an  der  Vorderseite  mit  einer  oberflächlichen  Längsfurche  ver- 
sehen: Furchenzähne.) 

1.  Unterordnung.    Ungiftige  Schlangen  (Colubrina  intwetm). 

1 .  Die  Riesenschlangen  ( Peropoda)  besitzen  Rudimente  von 
Hintergliedmaassen  in  Form  eines  kleinen  krallenartigen  Fortsatzes  zu  jeder 
Seite  des  Afters.  Hierzu  gehören  die  grössten  Schlangenformen.  Als 
Beispiele  fuhren  wir  an:  I*ylhon  (bis  ca.  10  m  lang),  mehrere  Arten 
in  Asien  und  Afrika,  das  Weibchen  brütet  seine  Eier  aus  (seine 
Körperwärme  steigt  in  der  Brutzeit  bedeutend  über  die  der  Umgebung). 
Jha  constrictor  in  Südamerika,  bis  ca.  6  m. 

2.  Von  ungiftigen  Schlangen  findet  man  in  Deutschland  allgemein 
verbreitet  die  Ringelnatter  (Tropidonotus  iiatrix),  an  den  zwei  grossen 
gelben  Flecken  am  Hinterkopfe  leicht  kenntlich,  und  die  glatte  Natter 
(Coronella  austriaca  oder  laevu) ,  kleiner,  röthlichgrau.  Selten  und  local 
sind  die  Würfelnatter  (Troj).  tesselatm)  und  die  Aesculapnatter 
(Coluber  Aescidapü),  am  Rhein  etc.  —  Zahllose  ungiftige  Schlangen  be- 
wohnen die  Tropen. 


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Wirbelthiere.  4.  Clnsse:  Kriechthiere. 


443 


2.  Unterordnung.    Giftnattern  (Colubrina  venenosa). 

Hinter  dem  Giftzahn  finden  sich  noch  einige  kleinere  Zähne.  Gift- 
zahn mit  einer  feinen  Furche  an  der  Vorderseite  (vergl.  Fig.  309  C—D). 

1.  Die  Brillenschlange  {Naja  tripudians)  kann  die  Körperhaut 
hinter  dem  Kopfe  zu  einer  breiten  Scheibe  ausbreiten ,  indem  sie  die  vor* 
dersten  Rippen  nach  der  Seite  richtet ;  an  der  Scheibe  zeigt  sich  dann  eine 
brillenähnliche  Figur.  2  m  lang.  Indien.  —  Die  Korallenottern 
(Efaps),  roth  und  schwarz  geringelt,  kleiner,  in  Südamerika.  Mehrere 
andere  Gattungen  von  Giftnattern  in  den  wärmeren  Ländern. 

2.  Die  Seeschlangen  (Gatt,  llydrophis  u.  a.)  zeichnen  sich  be- 
sonders dadurch  aus,  dass  der  Schwanz  stark  zusammengedrückt  und  die 
Bauchschienen  sehr  klein ,  schuppen  artig  sind.  Zahlreiche  Arten  im  In- 
dischen und  Grossen  Ocean ,  gewöhnlich  kleinere  Thiere  (selten  länger  als 
die  Ringelnatter,  oft  kleiner);  ihr  Biss  gefährlich. 

3.  Unterordnung.   VipeHnen  (Viperina). 

Der  Giftzahn  ist  der  einzige  Zahn  im  Oberkieferbein;  er  besitzt 
keine  Furche  an  seiner  Vorderseite.  Kopf  in  der  Regel  hinten  breit, 
scharf  vom  Rumpfe  abgesetzt. 

1 .  Die  Kreuzotter 
(  Vipera  bcrus)  mit  Zickzack- 
binde längs  der  Rückenmitte. 
Lebendiggebärend.  Besonders 
in  Haidegegenden,  in  Deutsch- 
land häufig.  —  Die  etwas 
grössere  Sand  viper  (  Vipera 
ammodyies)  mit  nach  oben 
gerichtetem  Fortsatz  der 
8chnauzenspitze  lebt  in  den 
Mittelmeerländern ,  Oester- 
reich, Südbayern. 

2.  Die  Grubenottern 
(Crotalülac)  zeichnen  sich  durch 
den  Besitz  einer  tiefen  Grube 
jederseits  zwischen  dem  Auge 
und    der   Nasenöffnung  aus. 


B 


Fig.  ;t  1 0.  A  .Seh  wAiizcnde  einer  K  1  h  p  p  c  r  s  c  h  I «  n  g  o 
mit  11  DUtchcii  (/  die  ältesto,  //  die  jüngste).  //  das- 
selbe der  litnge  iiAch  durchschnitten,  r  Wirbelsäule, 
r'  letztes,  aus  mehreren  verwachsenen  Wirbeln  be- 
stehende». Glied  der  Wirbelsäule  (die  umgebenden  Wcich- 
theile  punktirt);  die  durchschnittenen  Dütchen  je  durch 
eine  stArk  Aufgezogene  Linie  Angegeben.  Wie  aus  einem 
Vergleich  beider  Figuren  erhellt,  tritt  von  jedem  Dutchen 
(mit  AusnAbme  des  ältesten,  /)  nur  der  hintere  Theil 

Dazu  gehören  die  meisten  dem  al<  ein  K,ew61bter  King  hervor.  dcr  übrif,e  TheU  ist  von 

Menschen    gefährlichen    Gift-   dem  nächst  älteren  DUtchcn  verborgen.  —  Nach  Gannan. 

schlangen  der  wärmeren  Län- 
der. Die  Klapperschlangen  ( Orotatus)  unterscheiden  sich  von  den 
anderen  Grubenottern  dadurch ,  dass  sie  am  Schwanzende  mehrere  in 
einander  steckende,  lose,  rasselnde  Horndütchen  besitzen,  Ueberreste  von 
abgestossenen  Häuten  (vergl.  Fig.  310);  mehrere  Arten  (bis  über  2  m) 
in  Nord-  und  Südamerika.  Die  meistens  kleineren,  aber  ebenso  gefährlichen 
Trigwocepkalus- Arten  leben  in  Ostindien  und  Amerika. 


3.  Ordnung.   Schildkröten  (Tedudinata). 

Die  zahnlosen  Kiefer  sind  von  einer  Hör  n scheide  mit  scharfem 
Rande  bekleidet.  In  der  Rumpflederhaut  sind  grosse  Knoche n - 
platten  vorhanden,  welche  gewöhnlich  mit  ihren  Rändern  an  ein- 


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444 


Specieller  Theil. 


ander  stossen  und  durch  Zacken  in  einander  greifen  und  so  eine  zu- 
sammenhängende Knochenkapsel  um  denjenigen  Theil  des  Körpers 
bilden,  welcher  hinter  den  Vorder-  und  vor  den  Hintergliedraaassen 
liegt;  vorne  besitzt  diese  Kapsel  eine  grosse  Oeffnung  für  Kopf  und 
Vorderbeine,  hinten  für  Schwanz  und  Hinterbeine.  An  der  Bücken- 
seite finden  sich  drei  Reihen  von  Knochenplatten,  von  welchen  die 
mittlere  Reihe  mit  den  Wirbeln  verbunden  ist  (Wirbelplatten),  wäh- 
rend die  beiden  anderen  mit  den  Rippen  (eine  Platte  mit  jeder  Rippe) 
verwachsen  sind ;  zu  äusserst,  ausserhalb  dieser  drei  Reihen,  findet  sich 
eine  Reihe  von  kleineren  Randplatten.  Auf  der  Bauchseite  sind  nur 
zwei  Plattenreihen  vorhanden ;  am  vorderen  Ende  finden  sich  eine  un- 
paare  Platte  und  vor  dieser  ein  Plattenpaar,  welche  wahrscheinlich 
dem  Vorderbrustbein,  resp.  den  Schlüsselbeinen  der  übrigen 
Reptilien  entsprechen.  Die  Knochenplatten  bilden  übrigens  nicht  bei 
allen  Schildkröten  eine  solche  zusammenhängende  Knochenkapsel; 
bei  den  Meerschildkröten  z.  B.  schliessen  die  Platten  nicht  überall  an 
einander,  sondern  es  sind  an  manchen  Stellen  grössere  unverknöcherte 
Lederhautpartien  zwischen  ihren  Rändern  vorhanden.  Diejenige 
Partie  des  Körpers,  in  welcher  die  Knochenplatten  liegen,  ist  äusser- 
lich  gewöhnlich  von  grossen  Hornschildern  gedeckt,  welche  durch 
Furchen  getrennt  sind ;  ihre  Grenzen  entsprechen  denen  der  Knochen- 
platten nicht,  wenn  auch  ihre  Anordnung  eine  ähnliche  ist.  Der 
übrige  Theil  des  Körpers  ist  von  kleineren  Schuppen  und  Schildern 
bedeckt;  in  einigen  Schuppen  können  zuweilen  ähnlich  wie  bei  gewissen 
Sauriern  kleine  Knochenplatten  sich  entwickeln. 

Die  Schildkröten  ernähren  sich  theils  von  Pflanzen,  theils  von 
Thieren.  Sie  leben  auf  dem  Lande,  im  Süsswasser  oder  im  Meere. 
Es  sind  träge,  langsame  Thiere.  Manche  sind  im  Stande,  Kopf  und 
Gliedmaassen  innerhalb  der  Schildränder  einzuziehen. 

1.  Die  Sumpfschildkröten  (Emydae)  sind  meistens  abgeplattete 
Thiere,  mit  Schwimmhaut  zwischen  den  Zehen.  Leben  im  Süsswasser, 
manche  gehen  aber  auch  aufs  Land.  In  Deutschland  lebt  die  Ernys 
europaea  (oder  luiarid).  —  Mehr  ausschliessliche  Wasserthiere  sind  die 
Flussschildkröten  (Gatt.  Trionyx  u.  a.)  mit  grossen  Schwimmfussen 
(mit  je  drei  Krallen),  Schild  ohne  Hornplatten;  bissige  Thiere.  Asien. 
Afrika,  Nordamerika. 

2.  Die  Landschildkröten  (Testudinidac)  sind  mit  den  Sumpf- 
schildkröten nahe  verwandt;  sie  unterscheiden  sich  besonders  durch  das 
stark  gewölbte  Rückenschild  und  die  sehr  verkürzten  Füsse,  deren  Zehen 
verwachsen  und  mit  kurzen  Krallen  versehen  sind  (Klumpfüsse).  In  Süd- 
Europa  lebt  die  Griechische  L.  (Testudo  yracai). 

3.  Die  Seeschildkröten  (Chclonim)  haben  ein  abgeplattetes  Schild 
und  unbeweglich  verbundene  Zehen  ohne  Krallen  oder  nur  mit  Krallen- 
rudimenten ;  die  Vordergliedmaassen  weit  grösser  als  die  Hinterglied- 
maassen,  mächtige  flossenartige  Ruderwerkzeuge.  Sie  erreichen  eine  be- 
deutende Grösse.  Leben  im  Meere,  die  Eier  werden  jedoch  auf  dem  Lande 
abgelegt  (sie  werden  im  Ufersande  vergraben).    Eine  Art  im  Mittelmeer. 

4.  Ordnung.    Krokodile  {Cromülia). 

Die  Ordnung  weicht  in  manchen  Beziehungen  von  den  übrigen 
jetzt  lebenden  Reptilien  ab  und  nähert  sich  den  Vögeln  und  Säuge- 
thieren  (in  dieser  Beziehung  sind  die  getheilie  Herzkammer,  die  Aus- 


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Wirbelthiere.  4.  Clasae:  Kriechthiere. 


445 


bildung  des  Gehirns  und  des  Schneckenganges,  sowie  die  in  Zahn- 
höhlen angebrachten  Zähne  hervorzuheben).  Die  Krokodile  sind  gross- 
köpfige  Thiere  mit  den  Nasenlöchern  an  der  Oberseite  der  Schnauzen- 
spitze, mit  Schwimmhaut  zwischen  den  Hinterzehen  und  mit  einem 
langen  zusammengedrückten  Schwimraschwanz ;  Krallen  sind  nur  an 
den  drei  inneren  Zehen  jedes  Fusses  vorhanden  (an  den  Vorderfüssen 
sind  5,  an  den  Hinterfüssen  4  Zehen  vorhanden).  In  der  Haut  finden 
sich  zahlreiche  Knochenplatten  (besonders  an  der  ßückenseite).  Der 
After  eine  Längsspalte.  Ueber  die  Art,  in  welcher  sie  mit  geöff- 
netem Mund  im  Wasser  athmen,  und  über  andere  Verhältnisse  ver- 
gleiche oben. 

Die  Krokodile,  welche  eine  Länge  von  etwa  10  m  erreichen 
können,  leben  in  wärmeren  Ländern  im  Süsswasser  (selten  im  Meere 
an  der  Küste) ,  gehen  jedoch  auch  aufs  Land ;  es  sind  gefrässige 
Raubthiere  und  Aasfresser.  Die  Eier  werden  auf  dem  Lande  abge- 
legt, entweder  in  die  Erde  eingegraben  oder  zwischen  verwesenden 
Pflanzentheilen  u.  ähnl.  angebracht;  die  Mutter  überwacht  die  Eier 
und  füttert  zuweilen  die  Jungen. 

Die  jetzt  lebenden  Krokodile  werden  in  drei  Gruppen  getheilt: 
1)  Kaimane  (Alligator)  mit  kurzer  Schnauze  und  unvollständiger  Schwimm- 
haut zwischen  den  Hinterzehen;  der  4.  Unterkieferzahn  greift  in  ein  Loch 
des  Oberkiefers  hinein;  Amerika  (eine  Art  in  Ostasien).  2)  Echte 
Krokodile  (Orocodilws)  mit  langer  Schnauze  und  vollständiger  Schwimm- 
haut zwischen  den  Hinterzehen;  der  4.  Unterkieferzahn  greift  in  einen 
Ausschnitt  an  der  Seite  des  Oberkieferrandes  ein;  sowohl  in  der  alten  als 
in  der  neuen  Welt.  3)  Gaviale  (Ramphostoma)  mit  sehr  langer  und 
schmaler  Schnauze ,  vollständiger  Schwimmhaut ;  der  4.  Unterkieferzahn 
greift  in  einen  Ausschnitt  am  Oberkiefer  ein;  Ostindien.  Diese  drei 
Gruppen  sind  übrigens  durch  Zwischenformen  mit  einander  verbunden:  es 
giebt  Crocodilus  -  Arten ,  welche  sich  den  Alligatoren  nähern,  und  einen 
Oavial,  welcher  den  Uebergang  zum  Crocodilus  vermittelt. 

Die  ältesten  bekannten  Krokodilformen,  aus  der  Triaszeit  (Betodon 
u.  a.)  sind  besonders  dadurch  ausgezeichnet,  dass  sie  in  Bezug  auf  die 
Lage  der  inneren  Nasenlöcher  den  Sauriern  und  Schildkröten  ähnlich 


Fig.  311.    A  Schädel  eines  Gaviala,  B  eines  Teleotnurv*.    n'  innere  Nasenlöcher 
p  Ganinen-,  r  FlUgelbein. 

waren :  Gaumen-  und  Flügelbeine  bilden  keine  Röhre ,  die  inneren  Nasen- 
löcher münden  viel  weiter  vorne  als  bei  den  jetzt  lebenden.  Die  aus  der 
Juraformation  und  ein  Theil  der  aus  der  Kreideformation  bekannten  Kroko- 


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44ß 


Specieller  TheJl. 


dile  (Teleosaurua  u.  a.)  nähern  sich  in  Bezug  auf  die  Stellung  der 
inneren  Nasenlöcher  den  jetzt  lebenden,  indem  die  Gaumenbeine  (nicht 
aber  die  Flügelbeine)  zusammentreten  und  eine  Röhre  bilden,  wodurch  die 
inneren  Nasenlöcher  weiter  nach  hinten  gerückt  werden.  Alle  diese  älteren 
Krokodilformen  weichen  auch  darin  von  den  jetzt  lebenden  ab,  dass  die 
Wirbelkörper  sowohl  vorn  als  hinten  etwas  ausgehöhlt  sind.  Die  Krokodile 
der  Tertiärzeit  und  ein  Theil  derjenigen  der  Kreidezeit  schliessen  sieb  da- 
gegen vollständig  an  die  jetzt  lebenden  an:  die  Flügelbeine  nehmen  an  der 
Bildung  des  Nasenkanals  Theil,  und  die  Wirbel  sind  wie  bei  diesen  vorne 
concav,  hinten  convex.  Es  zeigt  sich  somit  innerhalb  der  Ordnung  der 
Krokodile  eine  sehr  interessante  Stufenfolge  durch  die  Zeiten. 


Während  manche  ausgestorbene  Reptilien,  z.  B.  die  soeben  ge- 
nannten Krokodilformen  und  viele  andere,  sich  in  die  auch  in  der  Jetztzeit 
vertretenen  Ordnungen  einfügen  lassen ,  giebt  es  zahlreiche  andere ,  welche 
Ordnungen  bilden ,  die  ohne  jetzt  lebende  Vertreter  sind.  Mehrere  dieser 
Gruppen  bieten  ein  bedeutendes  Interesse  dar;  wir  wollen  kurz  die  wich- 
tigsten derselben  betrachten. 

Die  Walsaurier *)  {lchthyosauria)  nehmen  unter  den  Reptilien  einen 
ähnlichen  Platz  ein  wie  unter  den  Säugethieren  die  Wale,  und  im  Habitus 
erinnern  sie  stark  an  letztere  Gruppe.  Der  Kopf  (besonders  die  Schnauzen- 
partie) ist  von  kolossaler  Grösse ,  der  Hals  ungemein  kurz ,  der  Schwanz 
sehr  lang  und  kräftig ;  beide  Gliedmaassenpaare  sind  ähnlich  wie  die  Flossen 
der  Wale  gebildet:  sie  stellen  kurze  breite  Platten  dar,  alle  Gliedmaassen- 
knochen  waren  unbeweglich  verbunden  und  sehr  verkürzt,  die  Zehen  waren 
von  einer  gemeinsamen  Haut  umschlossen,  krallenlos,  ihre  Anzahl  oft  über 
5  hinaus  vermehrt,  die  Anzahl  der  Glieder  jeder  Zehe  sehr  gross  (jedes 
Glied  aber  Behr  kurz).  Von  anderen  Charakteren  führen  wir  an ,  dass  die 
Sehnenhaut  der  grossen  Augen  mit  einem  Kranz  von  Knochenplatten  ver- 
sehen war ;  die  Wirbelkörper  waren  sehr  gross  und  vorne  und  hinten  stark 
ausgehöhlt,  das  Becken  war  nicht  mit  der  Wirbelsäule  verbunden,  die  Hinter- 
gliedmaassen  schwächer  als  die  Vordergliedmaassen ,  die  Zähne  Bassen  in 
Zahnhöhlen  (welche  in  jedem  Kieferrand  eine  zusammenhängende  Furche 
bildeten,  was  auch  bei  einzelnen  anderen  Thieren,  z.  B.  bei  gewissen  Walen, 
vorkommt).  Die  Walsaurier  waren  Meeresthiere ,  z.  Th.  von  sehr  ansehn- 
licher Grösse  (10  m  und  mehr);  sie  lebten  in  der  (Trias-),  Jura-  und 
Kreideformation . 

Die  Schwanensaurier  *)  (Plcsiosanria)  bilden  einen  anderen  ausgestor- 
benen Typus  von  Meeresreptilien,  welche  in  einigen  Beziehungen  den  Ich* 
thyosauren  ähnlich,  in  anderen  Punkten  denselben  recht  unähnlich  sind. 
Der  Kopf  der  Plesiosauren  ist  klein,  zuweilen  sogar  sehr  klein,  der  Hals 
dagegen  lang,  am  längsten  bei  den  mit  dem  kleinsten  Kopfe  versehenen 
Formen.  Das  Gedrungene,  Fischartige  in  der  Leibesform  der  Walsaurier 
fehlt  somit  hier  völlig.  Vorder-  und  Hintergliedmaassen  sind  wie  bei  letzteren 
krallenlos  und  walflossenähnlich ;  meistens  sind  sie  jedoch  grösser  als  bei 
den  Ichthyosauren,  die  Knochen  sind  nicht  so  stark  verkürzt,  und  die  Anzahl 
der  Zehen  übersteigt  nicht  5.  8ie  erreichen  eine  ähnliche  Länge  wie  die 
Ichthyosauren.    Trias,  Jura,  Kreide. 


Auch  „Fischsaurier"  genannt. 

Gewöhnlich,  sehr  unglücklich,  „Schlangensaurier"  genannt 


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Wirbelthiere.  4.  Clasae:  Kricchthiere.  447 

Die  Flugsaurier  (Werosauria  :  Q&tt.Pterodncti/lus.  Rhamphorhynchus  u.  a.) 
waren  besonders  dadurch  ausgezeichnet,  dass  die  Vordergliedmaassen  zu 


wirklichen  Flugorganen  ausgebildet  waren.  Jedes  Vorderbein  besitzt 
4  Finger,  von  welchen  die  drei  inneren  (Nr.  1,  2,  3)  nicht  besonders  aus- 


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448  Specieller  Theil. 


gebildet  sind,  während  der  vierte  nebst  dem  zugehörigen  Mittelhandknocheu 
stark  verlängert  ist  und  im  Rande  der  grossen  Flughaut  seinen  Platz 
hatte ;  die  Flughaut,  vou  welcher  man  in  einigen  Fällen  im  lithographischen 


Kalkstein  Abdrücke  gefunden  hat,  war  zwischen  jenem  Finger,  dem  Rumpf, 
den  Hintergliedmaassen  und  dem  Schwanz  ausgespannt.  Der  Kopf,  beson- 
ders die  vordere  Partie,  ist  von  ansehnlicher  Grösse,  in  der  Sehnenhaut 
war  ein  Knochenring  vorhanden ;  Zähne  sind  gewöhnlich  vorhanden  und 


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Wirbelthiere.  4.  Classe:  Kriechthiere. 


449 


sitzen  in  Zahnhöhlen ;  das  Brustbein  besitzt  einen  Kamm,  welcher  den 
grossen,  die  Flägel  bewegenden  Brustmuskeln  zur  Anheftung  gedient  haben 
wird;  die  Knochen  waren  pneumatisch  (ebenso  wie  bei  den  Vögeln).  Die 
Flugsaurier,  welche  unter  den  Reptilien  einen  ähnlichen  Platz  einnehmen 
wie  die  Fledermäuse  unter  den  Säugethieren,  waren  grösstentheils  kleinere 
Thiere,  welche  in  der  Jura-  und  Kreideformation  lebten. 

Die  Dinosaurier  (Dino.sauria)  sind  eine  aus  zahlreichen  Formen  be- 
stehende Reptilien-Gruppe,  welche  dadurch  vom  grössten  Interesse  werden, 
dass  sie  den  Uebergang  von  den  Reptilien  zu  den  Vögeln  bilden, 
und  zwar  derart,  dass  wir  innerhalb  der  Abtheilung  einerseits  Formen  finden, 
welche  anderen  Reptilien  ziemlich  nahe  stehen,  andererseits  solche,  welche 
sich  den  Vögeln  immer  mehr  nähern.  Die  Dinosaurier  waren  Landthiere, 
zum  grössten  Theil  von  ansehnlicher,  theilweise  von  kolossaler  Grösse, 
grösser  als  die  allergrösBten  jetzt  lebenden  Landsäugethiere  (bei  einer  Art  ist 
daB  Oberschenkelbein  2 —  3  m  lang  und  sehr  dick);  man  findet  jedoch  auch  kleine 
Formen  unter  ihnen.  Die  Gliedraaassen  sind  kräftig  ausgebildet;  bei  einigen 
sind  Vorder-  und  Hintergliedraaassen  ungefähr  von  gleicher  Länge,  häufiger 


Fig.  315.  A—B  Vorder-  und  Hintergliedmaa»»e  eines  der  I)  inoaa ur ier,  welche  den 
Vögeln  ferner  stehen  (Morotauru*  grandi»).  C — D  Do.  eines  vogelähnlicheren  Dinosaurs 
(Camptonotus  ditpar).  a  Fusswurzel,  e  Coracoid,  d  Zehen,  d"  Finger,/ Oberschenkel,  </  Waden- 
bein, h  Oberarm,  i  Darmbein,  *  Sitzbein,  m  Mitteln»»,  m  Mittelhand,  r  Speiche,  i  Schulter- 
blatt, *k  Schambein,  t  Schienbeiu,  u  Elle.  —  Nach  Marsh. 

aber  jene  kleiner,  zuweilen  sogar  viel  schwächer  als  die  Hintergliedmaassen, 
und  manche  Dinosaurier  bewegten  sich  offenbar  ausschliesslich  auf  letzteren, 
vielleicht  springend  fort;  unter  denen  mit  stärkeren  Hintergliedmaassen 
waren  einige  Zehen  ganger,  während  andere  Kriechthiere  mit  dem  ganzen 
Fuss  auftreten.  Der  Schwanz  ist  lang  und  kräftig.  Sehr  merkwürdig  ist 
das  Becken:  das  Darmbein  ist  stark  nach  vorne,  vor  der  Gelenkpfanne, 
verlängert,  was  bei  anderen  Reptilien  nicht  der  Fall  ist,  während  dies  mit 
dem  übereinstimmt,  was  man  bei  den  Vögeln  findet;  und  bei  denjenigen 
Dinosauriern,  welche  mit  kleinen  Vordergliedmaassen  versehen  sind  (z.  B. 

Bon,  Zoologi«.  29 


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451) 


Specieller  Theil. 


hjuanoilon,  Fig.  314),  hat  das  Schambein  eine  sehr  merkwürdige  Form,  in- 
dem von  der  Basis  desselben  ein  langer,  dünner  Fortsatz  (pf)  entspringt, 
welcher  nach  hinten  (ungefähr  in  entgegengesetzter  Richtung  des  Haupt- 
astes), dem  oft  langen  und  dünnen  Sitzbein  parallel  und  dicht  angelagert, 
verläuft.  Die  Beckenwirbel  sind  in  grösserer  Zahl  als  sonst  bei  den  Rep- 
tilien vorhanden  (4  oder  mehr)  und  mit  einander  verwachsen.  Von  anderen 
Charakteren  sind  hervorzuheben,  dass  die  obere  Reihe  der  Fusswurzel- 
knochen bei  manchen  mit  dem  Schienbein  unbeweglich  verbunden  (oder  gar 
verwachsen)  ist;  das  Schienbein  ist  an  der  Vorderseite  mit  einem  vor- 
springenden Längskamm  versehen.  Die  Form  des  Oberschenkelbeins  und 
des  Schienbeins  ist  stark  von  derjenigen  anderer  Reptilien  abweichend  und 
sehr  vogelähnlich,  etc.  (Vergl.  übrigens  die  unten  beim  Vogelskelet  ge- 
machten Bemerkungen.^ —  Die  Dinosaurier  lebten  in  der  Trias-,  Jura-  und 
Kroideformation. 

5.  Classc.    Vögel  (Äves). 

Die  hervorragendste  Eigentümlichkeit  in  der  allgemeinen  äusseren 
Gestalt  des  Vogelkörpers  liegt  in  der  eigentümlichen  Ausbildung 
der  Gliedmaas s-en,  indem  die  hinteren  ausschliesslich  zum  Gang 
oder  Sprung  (zuweilen  auch  zum  Schwimmen)  entwickelt  sind,  während 
die  Vordergliedmaassen  niemals  Gehwerkzeuge,  sondern  —  mit  wenigen 
Ausnahmen  —  Flug  Werkzeuge  siud.  Der  Körper  wird  gewöhnlich 
von  den  Hintergliedmaasscn  in  einer  halb  aufrechten  Stellung  getragen ; 
er  ruht  nur  auf  den  Zehen,  nicht  auf  dem,  sehr  schlanken,  Mittelfuss. 
Der  Hals  ist  von  ansehnlicher  Länge,  sehr  beweglich,  der  Rumpf  kurz ; 
der  Schwanz  ist  bei  allen  jetzt  lebenden  Vögeln  kurz,  die  grossen 
demselben  angehefteten  Steuerfedern1)  gehen  ihm  aber  anscheinend 
eine  grössere  Länge.  Eine  eigenthümliche  Entwicklung  bietet  die 
Gesichtspartie  (der  Schnabel)  dar,  welche  gewöhnlich  verlängert  und 
mit  Hornscheiden  umgeben  ist. 

Die  Haut  ist  in  ihrer  grössten  Ausdehnung  mit  Federn  be- 
deckt, complicirten,  aus  verhornten  Oberhautzellen  bestehenden  An- 
hängen, welche  in  ihrer  ersten  Anlage  kleine  Hautwarzen  sind,  die 
sich  aber  bald  in  sackförmige  Vertiefungen  der  Haut,  die  späteren 
Federbälge,  einsenken;  aus  der  die  Warze  überkleidenden  Oberhaut- 
schicht entwickelt  sich  die  Feder2).  Die  Federn  erscheinen  unter  ver- 
schiedenen Formen.  Die  Deck-  oder  Contour federn,  d.  h.  die 
festeren  Federn,  welche  wenigstens  mit  ihrem  distalen  Theil  an  die 
Oberfläche  treten  und  die  äusseren  Umrisse  des  Vogels  bilden  (im 
Gegensatz  zu  den  darunter  liegenden  Dunen),  bestehen  aus  folgenden 
Theilen:  Proximal  findet  sich  eine  kurze,  cylindrische,  hohle  Spule, 
welche  in  den  Federbalg,  eine  mehr  oder  weniger  tiefe  Haut- 
einstülpung,  eingesenkt  ist.  Die  Spule  setzt  sich  in  den  Schaft 
fort,  welcher  auswendig  aus  einer  festeren  Hornschicht,  innerlich  aus 
einer  loseren  Hornmasse  besteht  und  nach  der  Spitze  zu  dünner  wird. 

')  Wenn  in  Beschreibungen  von  Vögeln  von  einem  langen  oder  kurzen 
Schwanz  die  Rede  ist,  so  bezieht  sich  das  immer  auf  die  Länge  der  Steuerfedem. 

•)  Es  sind  jedoch  nur  die  Anlagen  des  ersten  Federkleides  des  jungen  Vogels, 
welche  als  freie  Warzen  an  der  Oberfläche  auftreten;  die  Anlagen  der  späteren 
Federn  sind  zwar  ähnliche  Warzen,  welche  aber  am  Hoden  der  Bälge  der  vorher- 
gehenden Federn  erscheinen. 


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Wirbelthiere.    fi.  Clause:  Vöffel. 


451 


(Spule  und  Schaft  bilden  zusammen  den  Kiel  der  Feder.)  Vom 
Schaft  entspringt  nach  jeder  Seite  eine  Reihe  von  Aesten,  welche 
wieder  mit  je  zwei  Reihen  von  Strahlen  versehen  sind;  die  Aeste 
und  den  Schaft  bezeichnen  wir  zusammen  als  die  F  ah  n  e.  Am  distalen 
Theil  der  Feder  —  dieser  kann  einen 
grösseren  oder  kleineren  Theil  der 
Feder  ausmachen  —  sind  die  Aeste 
steifer,  zusammengedrückt  (ihre  Flä- 
chen denjenigen  der  benachbarten 
Aeste  zugewendet)  und  mit  verhält- 
nissmassig kurzen  Strahlen  versehen, 
von  welchen  die  der  vorderen  Reihe 
sich  schräg  über  die  Strahlen  der  hin- 
teren Reihe  des  davorsitzonden  Astes 
legen.  Ferner  sind  die  Strahlen  der 
vorderen  Reihe  mit  je  einer  Reihe  fei- 
ner, haarartiger,  mikroskopisch  kleiner 
Anhänge  versehen,  von  welchen  einige 
an  der  Spitze  umgebogen  sind  und 
den  Rand  der  Strahlen  in  der  hinteren 
Reihe  des  davor  sitzenden  Astes  um- 
greifen; durch  diese  Häkchen  werden 
die  Aeste  zu  einer  zusammenhängen- 
den Platte  zusammengeheftet.  Im  pro- 
ximalen Theil  der  Fahne  sind  die 
Aeste  weicher  und  dünner,  die  Strah- 
len lang  und  weich,  aber  ohne  Häk- 
chen ;  dieser  Theil  der  Fahne,  welcher 
von  anderen  Federn  überdeckt  ist,  hat 
somit  einen  weichen,  losen,  dunen- 
artigen Charakter.  An  der  Grenze 
von  Spule  und  Schaft  entspringt  von  der 
nach  innen  gekehrten  Seite  der  Feder 
häufig  ein  kleinerer,  dünnerer  Schaft 
(der  Afterschaft),  welcher  eine 
doppelte  Reihe  loser  Aeste  trägt :  den  Afterschaft  mit  seinen  Aesten 
bezeichnen  wir  als  die  Nebenfahne.  Dieser  Theil  ist  zuweilen 
kräftig  ausgebildet  (z.  B.  bei  Hühnervögeln),  gewöhnlich  jedoch 
ziemlich  schwach;  sein  Schaft  ist  zuweilen  rudimentär,  so  dass  die 
Nebenfahne  durch  ein  Bündel  dicht  neben  einander  entspringender 
Aeste  vertreten  ist.  Von  den  Deckfedern  sind  besonders  Schwung- 
und  Steuerfedern  hervorzuheben,  die  kräftigsten,  steifsten,  meistens 
auch  die  längsten  Federn  am  Körper;  ihnen  fehlt  in  der  Regel  eine 
Nebenfahne,  und  der  dunenartige  (proximale)  Theil  ist  sehr  klein  oder 
fehlt;  sie  sitzen  in  sehr  tiefen  Federbälgen,  die  Schwungfedern  in 
einer  Reihe  längs  des  Aussenrandes  des  Unterarms  und  der  Hand, 
die  Steuerfedern  in  einer  Ouerreihe  am  Ende  des  Schwanzes.  —  Die 
Dunen  (Flaumfedern),  welche  im  Allgemeinen  von  den  Deckfedern 
ganz  Uberdeckt  werden,  unterscheiden  sich  von  diesen  dadurch,  dass 
die  ganze  Fahne  denselben  Charakter  hat  wie  dort  der  proximale 
Theil:  sie  besteht  aus  lauter  weichen,  oft  sehr  langen  Aesten,  welche, 
mit  langen  hakenlosen  Strahlen  besetzt  sind;  dabei  ist  der  Schaft 
dünn  und  schwach,  oft  sogar  völlig  rudimentär,  so  dass  die  Aeste 

29* 


Fig.  816.  StUckchen  einer  Feiler, 
Schema.  «  Schaft,  n  Aat,  *t  Strahlen  einer 
volleren  Reihe  mit  Htlkchen,  »C  Strahlen 
der  hinteren  Reihen;  erstere  decken  Uber 
letztere  hin  und  greifen  mit  den  Häkchen 
um  ihren  Raud.  —  Orig. 


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452 


Specieller  Theil. 


dicht  neben  einander  am  distalen  Ende  der  Spule  entspringen.  Eine 
Nebenfahne  ist  an  den  Dunen  häufig  vorhanden;  sie  ist  nicht 
selten  fast  ebenso  kräftig  wie  die  Hauptfahne.  Die  Dunen  sind 
meistens  weisslich  oder  grau,  während  die  Deckfedern  sehr  verschieden 
gefärbt  sind.  —  Beide  genannten  Hauptformen  von  Federn  gehen 
übrigens  ganz  allmählich  in  einander  über:  es  giebt Dunen,  welche  durch 
einen  kräftigeren  Schaft  etc.  sich  den  Deckfedern  nähern,  und  umge- 
kehrt Deckfedern,  welche  so  lose  und  weich  sind  oder  einen  so  kleinen 
zusammengehakten  Theil  besitzen ,  dass  sie  am  Uebergang  zu  den 
Dunen  stehen. 

Eine  besondere  Form  von  Dunen  sind  die  sogenannten  Faden  federn, 
ganz  schwache  Federchen  mit  langem  dünnen  Schaft,  welcher  erst  gegen  die 
Spitze  hin  eine  geringe  Anzahl  von  Aesten  trägt;  sie  sind  fast  bei  allen 
Vögeln  vorhanden,  entspringen  immer  dicht  bei  den  Deckfedern. 

Von  eigentümlich  entwickelten  Federn  sind  beispielsweise  folgende 
hervorzuheben :  Die  borstenartigen  Federn,  welche  bei  manchen  Vögeln 
an  gewissen  Theilen  des  Kopfes  vorkommen;  ihnen  fehlen  die  Aeste,  oder 
solche  sind  nur  in  geringer  Anzahl  am  Grunde  des  Schaftes  vorhanden. 
Die  Deckfedern  bei  den  Straussen  vögeln ,  an  denen  Häkchen  gänzlich, 
auch  an  den  distalen,  steiferen  Aesten,  fehlen;  bei  den  Kasuaren  und  dem 
Emu  sind  die  Federn  ausserdem  dadurch  merkwürdig,  dass  Haupt-  und 
Nebenfahne  gleich  stark  entwickelt  sind.  Die  Schwungfedern  des  Kasuars, 
deren  lange,  steife  Schufte  ganz  astlos  sind. 

Den  jungen  Vögeln  fehlen  Deckfedern,  an  deren  Stelle  tragen  sie  aber 
kleine  Dunen,  welche  nur  mit  wenigen  an  der  Spitze  der  Spule  oder  längs 
eineB  dünnen  Schaftes  sitzenden  Aesten  versehen  sind. 

Die  Deckfedern  sind  in  der  Regel  nicht  gleichmässig  über  den 
ganzen  Körper  vertheilt,  sondern  entspringen  nur  von  gewissen  Ge- 
bieten desselben,  den  sogenannten  Federfluren ,  welche  regelmässig, 
bei  verschiedenen  Vogelformen  mehr  oder  weniger  verschieden.,  an- 
geordnet sind;  es  findet  sich  z.  B.  ein  Federflur  längs  der  Rücken- 
mitte, ein  anderer  an  der  Aussenseite  des  Schenkels  etc.  Die  zwischen- 
liegenden Partien,  die  Raine,  tragen  Dunen,  welche  übrigens  auch 
in  den  Fluren  zwischen  den  Deckfedern  vorkommen  können,  oder 
sind  ganz  federlos;  die  Raine  sind  von  den  Deckfedern  der  benach- 
barten Fluren  überdeckt.  —  Eine  fast  gleichmässige  Vertheilung  der 
Deckfedern  über  den  ganzen  Körner  findet  man  bei  den  Straussen- 
vögeln  —  welche  ganz  dunenlos  sind,  wenn  man  nicht  etwa  ihre 
sämmtlichen  Federn  als  Dunen  bezeichnen  will  — ,  den  Pinguinen  und 
einzelnen  anderen. 

Die  Vögel  werfen  in  regelmässigen  Zwischenräumen,  in  der  Regel 
einmal  im  Jahre,  ihr  ganzes  Gefieder  ab,  und  gleichzeitig  wird  das- 
selbe durch  neugebildete  Federn  ersetzt;  dieser  Vorgang  wird  als 
Mauser  bezeichnet  und  findet  im  Allgemeinen  bei  nordischen  Vögeln 
im  Laufe  einiger  Wochen  zu  Anfang  des  Herbstes  statt.  Ausser 
dieser  Herbstmauser  wird  öfter  auch  von  einer  Frühlingsmauser 
gesprochen.  In  der  That  wechseln  auch  manche  Vögel  im  Frühling 
einige  Federn,  es  kann  also  zu  dieser  Jahreszeit  eine  partielle 
Mauser  stattfinden ;  in  manchen  Fällen  beruhen  aber  die  Unterschiede, 
welche  zwischen  dem  Winter-  und  dem  Sommerkleid  der  Vögel  zu 
beobachten  sind,  auf  anderen  Umständen.  Bei  einigen  Vögeln  werden 
im  Frühling  die  besonders  gefärbten  Ränder  vieler  Federn  abgestossen, 
und  das  Aussehen  des  Federkleides  kann  schon  dadurch  wesentlich 


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j()()Q 


Wirbelthiere.   6.  Gasse:  Vögel. 


453 


verändert  werden;  in  anderen  Fällen  findet  aber  zu  dieser  Jahres- 
zeit eine  wirkliche  Aenderung  der  Farben  der  Federn,  eine  Ver- 
färbung derselben,  statt,  welche  zuweilen,  z.  B.  bei  Vögeln,  die  im 
Winter  weiss,  im  Sommer  bunt  gefärbt  sind,  von  sehr  eingreifender 
Art  sein  kann.  Diese  Verfärbung  ist  um  so  merkwürdiger,  als  die 
Federn  ausschliesslich  aus  Hornstoff  bestehen  und  somit  einen  todten 
Theil  des  Körpers  darstellen;  wir  haben  es  demnach  hier  wahrschein- 
lich mit  chemischen  Veränderungen  zu  thun,  welche  sich  von  den 
Lebensthätigkeiten  unabhängig  abspielen. 

Die  jungen  Federn  sind  noch  eine  Zeitlang,  nachdem  sie  ihre  Spitze 
aus  dem  Federbalg  hervorgestreckt  haben,  von  einer  dünnen  röhrenförmigen 
Hornhülle  umgeben,  welche  die  Aeste  zusammenhält;  diese  Hülle  schilfert 
allmählich  ab. — Die  sogenannten  „ Puderdunen welche  bei  einigen  Vögeln, 
z.  B.  den  Reihern,  vorkommen,  sind  Federn,  welche  (ähnlich  etwa  wie  die 
wurzellosen  Zähne  gewisser  Säugethiere)  fortwährend  aus  dem  Federbalg 
nachwachsen,  während  gleichzeitig  ihr  freies  Ende  abgestossen  wird;  der 
bei  ihnen  vorkommende  Puder  stammt  von  der  zerfallenden  Hornhülle  her, 
welche  am  proximalen  Federende  immer  wieder  erneuert  wird. 

An  die  Bälge  der  grösseren  Federn  heften  sich  kleine  Muskeln,  welche 
z.  B.  die  Steuerfedern  fächerförmig  ausbreiten,  die  gewöhnlichen  Deckfedern 
aufrichten  können  etc. 

Die  Federn  sind  wahrscheinlich  als  modificirte  Reptilienschuppen 
aufzufassen,  worauf  die  Anlage  derselben  als  warzenförmige  Haut- 
erhöhungen hindeutet.  Ausserdem  besitzen  aber  die  Vögel  echte 
Schuppen  von  ganz  ähnlicher  Beschaffenheit  wie  diejenigen  der 
Reptilien,  aber  blos  an  den  Hinterfüssen;  diese  Schuppen  haben 
ziemlich  verschiedene  Formen:  Höcker,  Platten,  Schindelschuppen. 
Eine  eigenthümliche,  grosse,  kegelförmige  Schuppe  ist  der  Sporn  des 
Hahns  (und  anderer  männlicher  Hühnervögel) ,  welcher  innerlich  mit 
einer  am  Mittelfuss  festwachsenden  Verknöcherung  versehen  ist;  der 
Sporn  ist  auch  beim  Huhn  vorbanden,  hier  aber  gewöhnlich  als  eine 
einfache  warzenförmige  Schuppe1).  —  Krallen  sind  an  den  Zehen 
der  Hinterfüsse  vorhanden ;  sie  sind  bei  Vögeln,  welche  sich  meistens 
auf  Bäumen  aufhalten,  lang,  krumm  und  spitz,  bei  Erdvögeln  kürzer 
und  stumpfer.  An  den  Vordergliedmaassen  fehlen  bei  manchen 
Vögeln  Krallen  ganz;  häufig  ist  aber  eine  kleine,  oft  rudimentäre, 
Kralle  am  Daumen  vorhanden,  nicht  ganz  selten  ausserdem  noch  eine, 
in  der  Regel  aber  völlig  rudimentäre,  Kralle  am  zweiten  Finger  (zu- 
weilen ist  letztere  nur  bei  den  Jungen  vorhanden,  fehlt  später) ;  beim 
afrikanischen  Strau68  sind  beide  Krallen  ziemlich  gross  und  wohl  ent- 
wickelt. Bei  allen  jetzt  lebenden  Vögeln  fehlt  eine  Kralle  am  dritten 
Finger;  dagegen  waren  bei  dem  ausgestorbenen  Archaeopteryx  wohl- 
entwickelte, gebogene  Krallen  an  allen  drei  Fingern  vorhanden,  was 
aus  der  Form  des  letzten  Fingergliedes  mit  Sicherheit  zu  erkennen 
ist.  —  Die  Kieferränder  und  die  diesen  zunächst  liegenden  Theile 
des  Kopfes,  der  Schnabel,  sind  gewöhnlich  von  einer  dicken  festen 
Hornmasse,  oft  mit  scharfen  Rändern,  bedeckt ;  seltener  ist  diese  ganz 
oder  theilweise  durch  eine  dünnere,  weichere  Hornschicht  ersetzt.  — 
Eine  Häutung  wie  bei  den  Reptilien  findet  bei  den  Vögeln  nicht 
statt,  die  Hornschicht  schilfert  in  kleineren  Partien  ab. 

*)  Auch  an  den  Vordergliedmaassen,  an  der  Hand,  können  bei  einigen  Vögeln 
ähnliche  8poren  wie  am  Hahnenfusa  vorhanden  sein  (welche  nicht  mit  den  oben 
erwähnten  Krallen  zu  verwechseln  sind).  » 


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454 


Specieller  Tluil. 


Die  Vögel  besitzen  nur  ein  Paar  Hautdrüsen,  nämlich  die 
grossen  rundlichen  Bürzeldrüsen,  welche  ihren  Platz  an  der  Ober- 
seite des  kurzen  Schwanzes  haben ;  sie  liegen  dicht  beisammen ,  und 


Fig.  317.  Skelet  eines  Hüben.  /,  2,  3  erster — dritter  Finger,  /'  und  4*  erste  und 
vierte  Zehe,  m  Handwurzel,  cl  Schlüsselbein,  co  Coracoid  (grössteuthcils  von  h  verdeckt». 
/  Wadenbein,  h  Oberarm,  il  Dannbein,  i7'  dessen  vordere  Partie,  i»  Sitzbein,  mc,  und  ww,  erster 
und  dritter  Mittelhandknochen,  mt  grosser  Mittelfussknocheu  (aus  den  verwachseneu  Mittel- 
fussknocheu Nr.  2  —  4  bestehend),  jnt,  erster  Mittelfussknocheu,  n  Nasenloch,  ;/  Schambein, 
r  Ualsrippeii,  ra  Speiche,  »c  Schulterblatt,  at  Brustbein,  u  Elle.  —  Ürig. 

ihre  Oeffnungeu  finden  sich  dicht  neben  einander,  gewöhnlich  auf 
einem  kleinen  Fortsatz.  Jede  Drüse  besteht  aus  zahlreichen  Schläuchen, 
welche  in  einen  geräumigen  in  den  Ausführ ungsgaug  sich  fortsetzenden 
Hohlraum  in  der  Mitte  der  Drüse  einmünden;  bei  einigen  Vögeln  hat 


Wirbelthiere.   5.  Classc:  Vögel. 


455 


jede  Bürzeldrüse  mehrere  Ausführungsgänge.  Die  Bürzeldrüsen 
sondern  eine  ölartige  Masse  ab,  mit  welcher  die  Vögel  mittels  des 
Schnabels  ihre  Federn  einschmieren ;  sie  sind  am  grössten  bei  Vögeln, 
welche  häufig  in's  Wasser  kommen,  fehlen  bei  den  Straussenvögeln, 
einigen  Papageien  und  einzelnen  anderen. 

Das  Skelet.  Die  Wirbelsäule  zerfällt  in  dieselben  Abschnitte 
wie  bei  den  Reptilien.  Die  Halswirbel  sind  zahlreich  (bis  einige 
zwanzig),  sehr  beweglich  mit  einander  verbunden.  Der  erste  und 
zweite  Wirbel  sind  ebenso  wie  bei  den  Reptilien  als  Atlas,  resp. 
Epistropheus  entwickelt  (Wirbelkörper  des  Atlas  mit  dem  des 
Epistropheus  verwachsen  etc.).  Uebrigens  sind  die  Halswirbelkörper 
durch  sattelförmige  Gelenkflächen  verbunden  (die  vordere  Gelenk- 
fläche  jedes  Wirbels  ist  von  rechts  nach  links  concav,  von  oben  nach 
unten  convex,  die  hintere  umgekehrt  von  rechts  nach  links  convex  etc.); 
bei  Archaeopteryx  und  einigen  der  Zahnvögel  (Ichthyornis)  waren  die 
Endflächen  der  Wirbelkörper  plan  oder  vorne  und  hinten  schwach 
concav.  Ueber  die  Halsrippen  s.  unten.  Die  Brustwirbel  sind  im 
Gegensatz  zu  den  Halswirbeln  in  ziemlich  geringer  Zahl  vorhanden 
und  wenig  beweglich,  zuweilen  sogar  mit  einander  verwachsen;  die 
Gelenkflächen  der  WTirbelkörper  sind  denen  der  Halswirbel  ähnlich; 
Gelenkfortsätze  finden  sich  sowohl  an  ihnen  wie  an  den  Halswirbeln. 
Der  hinterste,  oder  die  zwei  bis  drei  hintersten  Brustwirbel,  dieLenden- 
wirbel,  die  Becke nwirbel  und  einige  Schwanzwirbel  sind  sämmt- 
lich  mit  einander  verwachsen;  an  diese  aus  zahlreichen  Wirbeln  zu- 
sammengesetzte Partie  heftet  sich  das  Becken.  Es  geht  hieraus 
hervor,  dass  eine  als  selbständiger  Abschnitt  hervortretende  Lenden- 
wirbelpartie bei  den  Vögeln  fehlt;  das  Becken  folgt  unmittelbar  auf 
die  rippentragende  Partie  der  Wirbelsäule.  Bei  allen  jetzt  lebenden 
Vögeln  ist  die  Anzahl  der  freien  Schwanzwirbel  gering,  gewöhn- 
lich scheinbar  6—8,  von  welchen  der  hinterste  jedoch  in  Wirklichkeit 
kein  einfacher  Wirbel,  sondern  durch  Verschmelzung  einer  Reihe 
kurzer  Wirbel  entstanden  ist,  welche  bei  dem  jungen  Vogel  noch 
deutlich  gesondert  sind;  dieser  hinterste  Wirbel  ist  gewöhnlich  ein 
hoher,  zusammengedrückter  Knochen,  an  welchen  die  Steuerfeder- 
bälge sich  ansetzen.  Uebrigens  sind  die  Schwanzwirbel  wie  der 
ganze  Abschnitt  kurz;  nur  bei  dem  ausgestorbenen  Archaeopteryx 
(Fig.  331)  war  ein  langer,  dünner,  aus  zahlreichen,  z.  Th.  langge- 
streckten Wirbeln  zusammengesetzter  Schwanz  vorhanden  (ähnlich  wie 
bei  den  meisten  Sauriern).  —  An  den  Halswirbeln  finden  sich  kurze 
Rippen,  welche  ebenso  wie  die  der  Brust  oben,  wo  sie  sich  an  die 
Wirbel  ansetzen,  je  in  zwei  kurze  Aeste  gespalten  sind;  die  Hals- 
rippen sind  bei  den  erwachsenen  Vögeln  mit  den  Wirbeln  ver- 
schmolzen, bei  jungen  Individuen  dagegen  selbständige  Knochen.  An 
den  hinteren  Halswirbeln  werden  sie  allmählich  länger  und  bleiben 
hier  das  ganze  Leben  hindurch  gesondert;  diese  Rippen  bilden  den 
Uebergang  zu  den  Rippen  der  Brustwirbel1),  welche  bei  den 
Vögeln  aus  je  zwei  knöchernen,  unter  einem  Winkel  mit  einander 
verbundenen  Stücken  bestehen,  von  denen  das  untere  sich  an  den  Rand 
des  Brustbeins  heftet;  vom  Hinterraude  des  oberen  Rippenstückes  ent- 


')  Gewöhnlich  nennt  man  den  ersten  Wirbel,  dessen  Rippe  sich  an  das  Brust- 
bein heftet,  den  ersten  Brustwirbel;  der  Uebergang  von  den  Hals-  zu  den  Brust- 
wirbeln ist  aber  thatsächlich  ein  ganz  allmählicher  und  diese  Grenze  eine  künstliche. 


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456 


Specieller  Theil. 


springt  ein  schräger  Fortsatz  (Processus  uncinatus),  eine  schmale 
Knocnenplatte ,  welche  sich  über  die  folgende  Rippe  hinlegt;  beim 
jungen  Vogel  ist  er  ein  besonderer  Knochen  (fehlt  nur  bei  einzelnen . 
der  jetzt  lebenden  Vögel;  auch  bei  Archaeopteryx  scheint  er  nicht 
vorhanden  gewesen  zu  sein).  —  Das  Brustbein  ist  ein  vollständig 
verknöcherter,  sehr  grosser,  breiter  Knochen,  welcher  den  grössten 
Theil  (oder  wenigstens  einen  grossen  Theil)  der  Unterseite  des 
Rumpfes  bedeckt;  er  ist  fast  immer  mit  einem  grossen,  vorspringenden 
Mittelkamm  versehen,  welcher  einem  Theil  3er  Flügelmuskeln  zum 
Ursprung  dient  und  nur  bei  gewissen  mit  rudimentären  Flügeln  ver- 
sehenen Vögeln  (namentlich  bei  den  Straussenvögeln)  fehlt,  bei  denen 
auch  das  Brustbein  selbst  von  geringerem  Umfang  als  gewöhnlich  ist ; 
oft  finden  sich  hinten  im  Brustbein  symmetrische  Löcher  oder  Ein- 
schnitte,  welche  von  bindegewebigen  Häuten  ausgefüllt  sind.  Ein 
Vorderbrustbein  fehlt 

Der  Schädel  zeigt  eine  grosse  Uebereinstimraung  mit  dem  der 
Reptilien;  unter  den  jetzt  lebenden  Reptilien  sind  es  besonders  die 

Saurier,  mit  deren  Schädel  derjenige 
der  Vögel  Aehnlichkeit  darbietet:  er 
besitzt  nur  einen  Gelenkhöcker 
am  Hinterhaupte,  ein  ähnliches  Q  u  a  - 
d  r  a  t  b  e  i  n  und  ein  ähnliches  Verhält- 
niss  der  Gaumen-  und  Flügelbeine 
wie  der  Saurierschädel ;  derjenige  Theil 
des  Schädels,  welcher  zwischen  den 
grossen  Augen  liegt,  ist  zu  einer  senk- 
rechten Knochenplatte,  der  Interor- 
bital- oder  Augenhöhlenplatte, 
in  welcher  häutige  Stellen  vorhanden 
sein  können,  zusammengedrückt.  Für 
die  Vögel  charakteristisch  ist  die  starke 
Entwicklung  der  Zwischen  kiefer- 
beine,  welche  sehr  früh  zu  einem 
unpaaren  Knochen  verschmelzen;  sie 
bilden  den  ganzen  Rand  des  Ober- 
schnabels und  senden  ausserdem  einen 
langen  Ast  zwischen  die  äusseren  Na- 
senlöcher, fast  bis  an  die  Stirnbeine, 
hinauf;  die  Oberkieferbeine  sind  da- 
gegen verhältnissmässig  klein  und  liegen  innerhalb  des  hintersten 
Theils  der  Zwischenkieferbeine.  Von  dem  unteren  Ende  des  grossen, 
sehr  beweglichen  Quadratbeins  geht  eine,  hinten  von  dem  Flügel-, 
vorne  von  dem  Gaumenbein  gebildete,  Knochenbrücke  zum  Ober- 
schnabel (Ober-  und  Zwischenkieferbein)  hin;  an  der  Stelle,  wo 
Flügel-  und  Gaumenbein,  welche  beide  gestreckte  Knochen  sind,  an 
einander  stossen,  gleiten  sie  bei  den  meisten  Vögeln  an  dem  verdickten 
unteren  Rand  der  oben  genannten  Augenhöhlenplatte.  Von  dem 
unteren  Ende  des  Quadratbeins  geht  aber  noch  eine  zweite  Knochen- 
brücke, der  Jochbogen,  zum  Oberschnabel  hin,  ausserhalb  der  schon 
genannten;  sie  erscheint  als  ein  dünner  Knochenstab  und  wird  hinten 
von  dem  Quadratjochbein  (Quadratojugale),  davor  von  dem  Joch- 
bein, zuvorderst  von  einem  Fortsatz  des  Oberkieferbeins  gebildet; 
beim  erwachsenen  Vogel  sind  diese  Knochen  oft  verschmolzen.  Oben 


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Fig.  3 1 8.  Scheniatische  Figuren  zur 
Illustration  der  Beweg  ungdeaOber- 
schnabels  bei  den  Vögeln,  n  Nasen- 
Scheidewand,  A  hintere,  häutige  Partie 
derselben,  o  Augenhöhlenplatte.  I  Qua- 
dratbein ,  k  Jochbogen ,  c  FlUgelbein, 
g  Gaumenbein.  In  A  ist  der  Schnabel 
emporgehoben,  in  B  gesenkt.  —  Orig. 


Wirbelthiere.   5.  Classe:  Vögel. 


457 


ist  der  Oberschnabel  durch  die  hinteren  oberen  Enden  der  Zwischen- 
kieferbeine und  durch  die  hinter  den  Nasenlöchern  liegenden  Nasen- 
beine mit  dem  übrigen  Theil  des  Schädels  verbunden;  der  hinterste 
Theil  der  genannten  Kno- 
chen (Zwischenkiefer-  und 
Nasenbeine)  ist  aber  ab- 
geplattet, dünn  und  ela- 
stisch, —  zuweilen  (bei  den 
Papageien)  ist  sogar  die 
Knochenmasse  in  einem 
Streifen  quer  über  den- 
selben unterbrochen  und 
durch  einen  Querstreifen 
von  straffem  Bindegewebe 

ersetzt  — ,  Und  da  der  Fig  Sl9  Schädel  eine*  2  Tage  alten  Hühnchens. 
Unterhalb  dieser  Stelle  „,  eine»  der  Keilbeine,  d  Uentale,  e  Verknöcherung  im  vor- 
liegende Theil  der  Nasen-  dersten  Theil  der  Augenhö^lenplatte./Stirnbein,,/'  Jochbein, 
Scheidewand     häutig     ist,  'Thränenbein,  mx  Oberkieferbein^ 

*  A  A'  V"  1  A  V»  11  knorpelige  >V and  der  Nasenhohle,  ol  seitliches,  0$  oberes 
Sina  Üie  VOgei  aeSSnalO  Hinterhauptsbein.  P  Scheitel-,  pa  Gaumen-,  jmi  Zwischen- 
im  Stande  ihren  Ober-  kiefer-,  pt  Flügel-,  q  Quadratbein,  qj  Quadratjochbein, 
Schnabel    auf  Und  ab  **  Augenhöhlenplatte,  «'/  Schuppenbein,  $t  Hörknochen, 

zubewegen;    die  Be-  ■  hÄU?e  I^u«n  def  Sc^el8  {athT1^\  wDie  noch 

0 1      1         n    ,   .    knorpeligen  lheile  sind  punktirt.  —  Nach  K.  Parker. 

wegung  nach  oben  findet 

statt,  indem  das  untere  Ende  des  Quadratbeins  nach  vorne  bewegt 
wird,  wodurch  die  beiden  oben  erwähnten  Knochenbrücken  nach 
vorne  geschoben  werden  und  R  g20 

gegen  den  unteren  hinteren 
Theil  des  Oberschnabels  drü- 
cken ,  dessen  Spitze  dadurch 
nach  oben  bewegt  wird ;  die  Be- 
wegung nach  unten  findet  um- 
gekehrt statt,  indem  das  untere 
Ende  des  Quadratbeins  nach 
hinten  geführt  wird.  —  Von 
anderen  Charakteren  des  knö- 
chernen Vogelkopfes  ist  noch 
hervorzuheben,  dass  die  meisten 
Nähte  der  Knochen  früh,  schon 
beim  jungen  Thier,  verschwin- 
den, indem  die  Knochen  mit 
einander  verwachsen ;  ferner 
dass  die  Schädelhöhle  im  Ver- 
gleich mit  derjenigen  der  mei- 
sten Reptilien  eine  sehr  geräu- 
mige ist. 

Der  Schädel  ist  bei  den  Vö- 

treln  ungefähr  ans  denselben  Kno- 

°,  0  .  ,  .  ,  Kig.  320.  Schädel  eines  Huhns  von  unten  gc- 
chen  zusammengesetzt  wie  bei  den  8ehen>  k  Gclenkh5ckor(  ;  Jochbein,  mm  Oberkiefer- 
Reptilien  (V Order-  und  Hinter-  bein,  ns  Nasenscheidewand,  pa  Gaumenbein,  pm 
Stirnbein,  Querbein  und  Säulenbein  Zwischenkieferbein, pt  Klugelbein.y  -  7' Quadrathein, 
fehlen   jedoch  immer).     Der  Vo-  «  Quadratjochbein,  r  Vomer.  -  Nach  K  Parker. 

.         .                       tr      X.  321  •  Zungenbein  des  Huhns,  h 

mer    ist    ein   unpaarer   .Knochen  bergen  (vorderes  Horn),  6r,  erster 

Von  verschiedener  Form,  bald  ZU-  (hinteres  Horn).  -  Nach  K.  l'arker 


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458 


Specieller  Theil. 


sammengedrückt,  bald  ziemlich  breit  etc.,  welcher  uuterhalb  der  hinteren 
Partie  der  NaBenscheidewand  liegt  und  hinten  mit  den  Gaumenbeinen  zu- 
sammenhängt, ebenso  wie  er  auch  an  den  Bewegungen  der  letzteren  Theil 
nimmt.  Das  Thränenbein  liegt  am  Vorderrand  der  Augenhöhle  und 
bleibt  bei  manchen  Vögeln  das  ganze  Leben  hindurch  von  den  benachbarten 
Knochen  gesondert.  Der  Unterkiefer  besteht  aus  mehreren  Knochen 
auf  jeder  Seite,  von  welchen  der  vorderste  (Dentale)  bei  den  jetzt  lebenden 
Vögeln  sehr  früh  mit  dem  der  anderen  Seite  verwächst ;  bei  den  ausgestor- 
benen Zahnvögeln  (Cklontornithes)  waren  sie  dagegen  getrennt. 

Das  Zungenbein  besteht  aus  einer  unpaarigen,  theil  weise  ver- 
knöcherten Mittelpartie  (Copulae),  an  welche  sich  ein  Paar  sehr  kurze 
(zuweilen  fehlende),  den  Zungenbeinbogen  entsprechende  vordere 
Hörn  er  und  ein  Paar  lange  hintere  Hörner,  das  1.  Kiemen- 
bogenpaar,  ansetzen;  die  mittlere  Partie  zerfällt  meistens  in  zwei  bis 
drei  hinter  einander  liegende  Stücke.  Keines  der  Zungenbeinhörner 
tritt  mit  dem  Schädel  in  nähere  Verbindung;  die  hinteren  Horner 
biegen  sich  um  den  hinteren  Theil  des  Schädels  herum,  bei  den  Spechten 
(deren  Zunge  besonders  ausstreckbar  ist)  sogar  weit  nach  vorne  bis 
an  die  Basis  des  Oberschnabels. 

Der  Schultergürtel  ist  aus  den  gewöhnlichen  Theilen  zu- 
sammengesetzt. Sowohl  Schulterblatt  als  Coracoid  sind  voll- 
ständig verknöchert;  ersteres  ist  ein  platter,  schmaler,  säbelförmiger 

Knochen,  welcher  sich  gewöhnlich  unter  einem 
spitzen  oder  rechten  Winkel  mit  dem  Coracoid 
verbindet,  das  bei  den  Vögeln  in  der  Regel 
ziemlich  lang  und  schmal  ist  in  Vergleich 
mit  dem  der  Reptilien ,  dabei  aber  besonders 
kräftig;  sein  unteres,  breiteres  Ende  ist  am 
Vorderrand  des  Brustbeines  eingelenkt.  Bei 
den  Straussenvögeln  und  bei  einigen  Zahn- 
vögeln, welche  ebenso  wie  jene  nicht  fliegen 
konnten,  liegen  beide  Knochen  mehr  einer 
in  der  Fortsetzung  des  andern  und  verschmel- 
zen mit  dem  Alter ;  das  Coracoid  ist  bei  sol- 
chen kürzer  und  breiter.  Die  Schlüssel- 
,  beine   sind  zwei  lange  dünne  Knochen, 

>iH.   'ATI.     Brustbein    und        1  1      v    •   j         11  ■  »       tt..     ,  •» 

SchuitcrKtirt*i  dos  Haben  von  welche  bei  den  allermeisten  Vögeln  an  ihrem 

der  linken  Seite  gesehen    d  unteren  Ende,  wo  sie  durch  ein  Band  an 

Schlüsselbein,  «»  Coracoid,  sc  das  Vorderende  des  Brustbeinkammes  gehef- 

Schulterbiatt,  st  Brustbein  -  tet  gind>  rait  einanfjer  verwachsen  (Gabel- 

K"  knochen,  FurcuUt) :  mit  dem  anderen  Ende 

sind  sie  am  oberen  Ende  des  Coracoids  befestigt,  während  sie  übrigens 
durch  einen  grösseren  Zwischenraum  von  diesem  getrennt  sind.  Bei 
den  Straussenvögeln  und  einzelnen  anderen  sind  sie  rudimentär  oder 
fehlen.  —  Die  V  ordergli edm  aasse  n  sind  gewöhnlich  sehr  lang. 
Die  Elle  ist  weit  kräftiger  als  die  Speiche;  die  Handwurzel  be- 
steht beim  erwachsenen  Vogel  nur  aus  zwei  Knochen1).  Die  Hand 
ist  sehr  schlank  und  besteht  nie  aus  mehr  als  drei  Fingern  mit  zuge- 
hörigen Mittelhandknochen ;  von  den  fünf  Fingern  der  Reptilien  fehlen 


')  Der  eine  derselben  ist  das  Radiale,  der  andere  entspricht  dem  Ulnare  -}~ 
Intermedium.  Die  Handwurzelknochen  der  distalen  Reihe  sind  durch  ein  paar 
Knochen  repräsentirt,  welche  mit  den  Mittelhandknochen  verschmelzen. 


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Wirbclthiere.  5.  Classe:  Vögel. 


459 


hier  Nr.  4  und  5 Von  den  drei  Mittel h andknochen  ist 
Nr.  1  kurz,  die  beiden  anderen  weit  länger;  alle  drei  sind  beim  aus- 
gebildeten Vogel  mit  einander  verwachsen,  Nr.  2  und  3  jedoch  nur 
an  den  beiden  Enden,  nicht  in  der  ganzen  Länge;  nur  bei  Archaeo- 
pteryx waren  sie  getrennt.  Der  Daumen  ist  ein-  oder  zweigliedrig, 
Nr.  2  zwei-  oder  dreigliedrig,  Nr.  3  eingliedrig  (selten  zweigliedrig) ;  nur 
bei  Archaeopteryx  besass  Nr.  3  drei  oder  vielleicht  vier  Glieder.  Bei 
den  mit  Flugvermögen  ausgestatteten  Vögeln  liegt  der  Oberarm  in 
der  Ruhe  längs  des  Rumpfes  mit  dem  Ellbogenende  nach  hinten; 
der  Unterarm  ist  nach  vorne  gerichtet  und  liegt  längs  des  Oberarmes, 
die  Elle  nach  aussen ;  und  die  Hand  ist  derart  im  Handgelenk  gebogen, 
dass  sie  längs  und  ausserhalb  des  Unterarmes  liegt,  mit  der  Spitze 
nach  hinten ,  dem  inneren  Rand  (mit  dem  Daumen)  nach  aussen. 

Das  Becken  schliesst  sich  eng  an  das  der  Dinosaurier  an,  bietet 
eine  weitere  Entwicklung  des  letzteren  dar  (vergl.  S.  449).  Das 
Darmbein  ist  eine  langgestreckte 
Platte,  welche  mit  einer  langen  Reihe 
von  Wirbeln  (vergl.  S.  455)  verbunden 
ist;  an  seinem  unteren  Rand  findet  sich 
die  Gelenkpfanne  ,  und  in  dieser  ver- 
bindet es  sich  mit  den  beiden  anderen 
Beckenknochen,  welche  ebenfalls  je  einen 
Theil  der  Gelenkpfanne  bilden:  alle  drei  FIg.838.  Becken  eines  st rauaae». 
sind  hier  beim  ausgebildeten  Thier  mit  «  Gelenkpfanne,  /  Darmbein,  k  Bta- 
einander  verwachsen.    Das  Sitzbein    b*i,  -t  Scharobeiu.  o  die  Sprit« 

■   ,      •      i    «■    •        -tt       l  li  i       zwischen  beulen  letzteren,  _<  vcr^l. 

ist  ein  kraftiger  Knochen,  welcher  nach    dcn  Text      Nach  ,  ,Hk;n 
hinten,  dem  hinteren  Theil  des  Darmbeins 

ungefähr  parallel,  gerichtet  ist;  bei  den  meisten  Vögeln  wächst  der 
hintere  Theil  des  Sitzbeins  mit  dem  Alter  am  Hüftbein  fest,  während 
es  bei  den  Zahnvögeln  und  bei  den  Straussenvögeln  sich  entweder 
ganz  frei  erhält  oder  nur  ganz  hinten  mit  dem  Darmbein  verwächst. 
Der  merkwürdigste  Abschnitt  des  Vogelbeckens  ist  jedoch  das  Sc  ha  ni- 
bein.  Es  ist  ein  langer,  dünner  Knochen,  welcher  von  der  Gelenk- 
pfanne nach  hinten  gerichtet  ist  und  dem  Sitzbein  parallel  verläuft; 
häufig  ist  es  mit  letzterem  theil  weise  verwachsen.  Bei  einigen 
Vögeln  (Zahn-,  Straussen-,  Hühnervögeln)  entspringt  am  oberen  Ende 
des  Schambeins  dicht  vor  der  Gelenkpfanne  ein  kurzer  Fortsatz, 
welcher  jedoch  den  meisten  Vögeln  abgeht.  Dieser  Fortsatz  (X  Fig.  323) 
entspricht  dem  Haupttheil  des  Schambeins  der  Dinosaurier  und  dem 
Schambein  anderer  Reptilien ,  während  das  übrige  Schambein  der 
Vögel  dem  hinteren  Fortsatze  des  Schambeins  der  Dino- 
saurier entspricht.  Uebrigens  ist  zu  bemerken,  dass  das  Becken 
der  Vögel  unten  ganz  offen  ist,  indem  weder  Sitz-  noch  Schambeim 
sich  unten  mit  denen  der  anderen  Seite  verbinden ;  nur  beim 
afrikanischen  Strauss  ist  eine  untere  Verbindung  der  beiden  dünnen 
Schambeine  vorhanden.  —  Hinterglied maassen.  Das  Ober- 
schenkelbein ist  ein  verhältnissmässig  kurzer  Knochen:  das  Waden- 
bein ist  dünn,  unten  (mit  Ausnahme  von  Archaeopteryx)  unvollständig, 
zugespitzt ;  das  Schienbein  ist  ein  langer,  kräftiger  Knochen,  welcher 


')  Bei  einigen  Vögeln,  welche  daa  Flugvermögen  verloren  haben,  hat  eine 
weitere  Reduction  stattgefunden;  so  geht  den  Pinguinen  der  Daumen,  den  Kasuaren 
ausserdem  noch  Nr.  3  ab,  so  dass  letztere  nur  noch  einen  Finger  haben. 


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460  Specialer  TbeiL 

an  seiner  Vorderseite  oben  mit  einem  stark  entwickelten  Kamm  -ver- 
sehen ist  (ein  ähnlicher  ist  auch  bei  den  Dinosauriern  vorhanden, 
während  er  bei  anderen  Reptilien  sehr  schwach  ist).  Gewöhnlich  ist 
eine  knöcherne  Kniescheibe  vorhanden.  Von  Interesse  sind  die  Ver- 
hältnisse der  Fu 88 wurzel.  Ebenso  wie  bei  den  Reptilien  zerfallt 
sie  in  einen  oberen  und  einen  unteren  Abschnitt,  zwischen  denen  sich 
ein  sehr  bewegliches  Gelenk  befindet;  die  Fusswurzelknochen  des 
oberen  Abschnittes  sind  aber  nur  beim  jungen  Vogel  vom  Schienbein 
gesondert,  beim  erwachsenen  ohne  Grenzlinie  mit  letzterem  verwachsen, 
und  ebenso  verschmilzt  der  untere  Abschnitt  mit  dem  Mittelfuss,  so 
dass  beim  erwachsenen  Vogel  scheinbar  gar  keine  Fusswurzel  vor- 
handen ist.  Der  Fuss  besteht  niemals  aus  mehr  als  vier  Zehen, 
indem  Nr.  5  mit  zugehörigem  Mittelfussbein  immer  spurlos  fehlt.  Die 
Mittelfussknochen  Nr.  2,  3  und  4  sind  lang  und  nur  beim  Embryo 
getrennt,  später  fast  bis  an  die  Zehen  zu  einem  langgestreckten  schmalen 
Knochen  (dem  „Lauf")  verschmolzen  (mit  welchem,  wie  oben  erwähnt, 
auch  der  distale  Theil  der  Fuss  wurzel  verschmilzt);  dagegen  ist  der 
Mittelfussknochen  Nr.  1  getrennt,  aber  weit  kürzer  als  die  anderen 
und  am  distalen  Ende  dieser  festgeheftet.  Der  Daumen ,  welcher  in 
der  Regel  nach  hinten  gerichtet  ist,  besteht  aus  zwei,  Nr.  2  aus  drei, 
Nr.  3  aus  vier,  Nr.  4  aus  fünf  Gliedern  (in  der  Regel)  —  alles  wie 
bei  den  Sauriern  und  Dinosauriern.  Nicht  selten  fehlt  der  Daumen,  sehr 
selten  (beim  afrikanischen  Strauss)  auch  Nr.  2 ;  Nr.  3  ist  in  der  Regel 
die  längste  Zehe. 

Das  Gehirn  ist  im  Vergleich  mit  dem  der  Reptilien  bei  den 
Vögeln  gross.  Namentlich  ist  das  Vorderhirn  stark  entwickelt; 
das  Hinterhirn  ist  ebenfalls  gross,,  sein  mittlerer  Theil,  welcher 
in  die  Länge  gestreckt  und  mit  tiefen  Querfurchen  versehen  ist,  über- 


Ä  B 


Fig  324.  Gehirn  einer  Taube  von  oben  (A)  und  von  unten  (B).  b  Hinterhirn, 
/  Vorderbirn.  k  Zirbel,  l  Riechkolben,  mi  Mittelhirn,  r  Rückenmark,  *  Sehnerv,  t'  Trichter. 
—  Nach  Jeflery  Parker. 

deckt  sowohl  das  Nachhirn  als  den  mittleren  Theil  des  Mittelhirns, 
dessen  beide  Lappen  nach  der  Seite  geschoben  sind.  Diejenigen  unter 
den  jetzt  lebenden  Reptilien,  welche  den  Vögeln  in  Bezug  auf  die 
Entwicklung  des  Gehirns  am  nächsten  stehen,  sind  die  Krokodile. 


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Wirbelthiere.   6.  Claas« :  Vögel. 


4fil 


Das  Geruchsorgan  schliesst  sich  eng  an  das  der  Saurier  an; 
die  äusseren  Nasenlöcher  sitzen  wegen  der  Länge  des  Zwischenkiefers 
in  der  Regel  etwas  von  der  Schnabelspitze  entfernt  oder  sogar  an 
der  Basis  des  Schnabels;  die  inneren  Nasenlöcher  münden  ziemlich 
weit  vorne  im  Munde  in  eine  Furche,  welche  theilweise  durch  seit- 
liche Längsfalten  überdeckt  wird  (vergl.  die  Reptilien).  An  der 
äusseren  Wand  der  Nasenhöhle  findet  sich  eine  stark  vorspringende, 
oft  spiralig  aufgerollte ,  innerlicli  von  einer  Knorpelplatte  gestützte 
Falte  (die  sogenannte  mittlere  Nasenmuschel),  welche  der  früher  er- 
wähnten Nasenmuschel  der  Reptilien  entspricht ;  ausserdem  finden 
sich  noch  zwei  andere  mehr  oder  weniger  entwickelte  Falten  (vordere 
und  obere  Nasenmuschel) ').  —  Das  Auge  und  seine  Nebenapparate 
sind  ebenfalls  denen  der  Reptilien  ähnlich.  Der  Augapfel  hat  eine 
sehr  bedeutende  Grösse.  Der  vordere  Theil  der  Sehnenhaut,  in 
welchem  ein  Kranz  von  Knochenplatten  sich  befindet,  hat  die  Form 
eines  kürzeren  oder  längeren  Kegels,  dessen  Spitze  abgeschnitten  ist ; 


A  H 
c 


Fig.  826.  ^  Augeeine!  Vogel»,  durchschnitten,  schematisirt.  c  Hornhaut,  ch  GeftUs- 
haut,  et  Strahlenkdrp«?  (z.  Th.  von  der  Linse  verdeckt),  t  Iris,  /  Linse,  «  Sehnerv,  o  durch- 
schnittenes Knochenplättchen,  j#  Kamm,  r  Netzhaut;  s  äusserer,  bindegewebiger,  s*  innerer 
knorpeliger  Theil  der  Sehnenhaut.  —  B  Schnitt  durch  das  Auge  einer  Eule,  uro  die  eigen- 
tümliche Form  desselben  zu  zeigen.  —  Orig. 

die  fehlende  Spitze  des  Kegels  wird  durch  die  oft  stark  gewölbte 
Hornhaut  vertreten,  seine  Basis  wird  von  der  hinteren  gewölbten 
Partie  der  Sehnenhaut  geschlossen ;  wenn  der  Kegel  hoch  ist  und 
seine  Wand,  wie  es  zuweilen  (z.  B.  bei  den  Eulen)  der  Fall  ist,  etwas 
nach  innen  gebogen  ist,  so  entfernt  die  Form  des  Augapfels  sich 
natürlich  sehr  von  der  gewöhnlichen  Kugelform,  während  sie  sich  in 
anderen  Fällen  von  dieser  wenig  unterscheidet.  Von  der  Hinterwand 
des  Augapfels  entspringt  ein  stark  entwickelter  häutiger,  gefalteter, 
pigmentirter  Fortsatz,  der  Kamm  (Pecten) ,  welcher  frei  in  den  Glas- 
körper hineinragt.    Von  den  beiden  Augenlidern  ist  das  untere 

')  In  die  Nasenhohle  mündet  der  Ausführt!  ngsgang  einer  grossen  Nasen- 
dr äse,  welche  gewöhnlich  ihren  Platz  an  der  Oberseite  dos  Stirnbeins  hat  (bei 
Möwen  und  anderen  in  einer  länglichen  Vertiefung  längs  des  Augenhöhlenrande6) ; 
dieselbe  Drüse  findet  sich  bei  manchen  Reptilien,  hat  hier  aber  ihren  Platz  an 
anderen  Stellen  des  Kopfes. 


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I 


462  Specialer  Theil. 

weit  grösser  und  beweglicher  als  das  obere  (wie  bei  den  Reptilien); 
es  ist  eine  wohlentwickelte  N  i  c  k  h  a  u  t  vorhanden,  welche  durch  einen 
besonderen  Muskel  vor  das  Auge  hingezogen  wird.  Im  inneren  Augen- 
winkel findet  sich  eine  Harder'sche  Drüse  und  im  äusseren  eine  kleine 
Thränendrüse.  —  Gehörorgan.  Das  häutige  Labyrintb  schliesst 
sich,  namentlich  was  die  Ausbildung  des  Schneckenganges  be- 
trifft, eng  an  dasjenige  der  Krokodile  an.  Es  ist  ein  kurzer 
äusserer  Gehörgang  vorhanden,  an  dessen  Boden  das  Trommel- 
fell liegt  (vergl.  die  Reptilien);  die  Oeffuung  desselben  ist  von  regel- 
mässig geordneten  Federn  überdeckt  (ein  Ohrdeckel,  d.  h.  eine  bewegliche, 
die  Öeffnung  überdeckende  Hautfalte,  findet  sich  nur  bei  den  Eulen). 
In  der  Paukenhöhle  findet  sich  derselbe  Hörkn och en  wie  bei  den 
Reptilien;  er  besteht  aus  einem  langen  Stiel  mit  einer  Platte  am  Ende, 
welche  das  ovale  Fenster  schliesst;  mit  dem  anderen  Ende,  welches 
mit  zwei  bis  drei  knorpeligen  Fortsätzen  versehen  ist,  heftet  er  sich 
an  das  Trommelfell.  Die  Ohrtrompeten,  welche  theilweise  in  die 
Schädelwand  (Keilbein)  eingeschlossen  sind,  vereinigen  sich  schliess- 
lich mit  einander  und  münden  mit  einer  unpaarigen  Oeffnung  in  die 
Mundhöhle. 

Darmkanal.  Zähne  fehlen  l)  spurlos  bei  allen  jetzt  lebenden 
Vögeln,  waren  aber  bei  Archaeopteryx  und  den  Zahnvögeln  in  den 
Kieferrändern  vorhanden;  die  Zähne  dieser  ausgestorbenen  Formen 
sind  einfach  kegelförmig  und  sitzen  ebenso  wie  bei  den  Krokodilen 
in  Zahnhöhlen  (bei  einigen  der  Zahnvögel  verschmelzen  letztere  in 
jedem  Kieferrand  zu  einer  zusammenhängenden  Rinne,  was  wir  auch 
z.  B.  bei  gewissen  Säugethieren  beobachten  können).  —  Die  Decke 
der  Mundhöhle  ist  gewöhnlich  mit  nach  hinten  gerichteten  stachel- 
artigen Warzen  versehen.  —  Die  Zunge  der  meisten  Vögel  ist  ab- 
geplattet, schmal,  steif  und  hart  und  mit  einer  dicken,  festen  Horn- 
schicht versehen ,  welche  besonders  am  vorderen ,  gewöhnlich  zuge- 
spitzten, Ende  stark  entwickelt  ist ;  seltener  ist  sie  dick  und  weich, 
so  bei  den  Papageien  und  beim  Flamingo  ;  nicht  selten  ist  sie  warzig 
oder  stachelig.  —  Die  Speiseröhre  ist  von  ansehnlicher  Länge  und 
ziemlich  weit.  Bei  manchen  (keineswegs  aber  bei  allen)  Vögeln  ist 
die  Speiseröhre  unten  am  Halse  zu  einem  Kropf  erweitert,  welcher 
bei  einigen  in  Form  einer  einfachen,  nicht  scharf  begrenzten  Er- 
weiterung der  Speiseröhre  auftritt,  während  es  bei  anderen  ein  mehr 
abgegrenzter,  in  die  Speiseröhre  mündender  Sack  ist.  In  der  Wand 
des  Kropfes  finden  sich  gewöhnlich  Drüsen,  welche  bei  den  Tauben 
in  der  Brutzeit  eine  stärkere  Entwicklung  erreichen  und  eine  milchige 
Flüssigkeit  ausscheiden ,  mit  welcher  die  Jungen  gefüttert  werden ; 
übrigens  ist  der  Kropf  wesentlich  ein  Reservoir  für  die  aufgenommene 
Nahrung.  —  Der  Magen  der  Vögel  zerfällt  in  zwei,  gewöhnlich  ziem- 
lich scharf  gesonderte  Abschnitte,  den  Drüsenmagen  und  den  Muskel- 
magen. Der  Drüsenmagen  ist  eine  kurze  Röhre,  welche  als  un- 
mittelbare, mehr  oder  weniger  verdickte  Fortsetzung  der  Speiseröhre 
erscheint;  in  seine  dicke  Wand  sind  zahlreiche  Drüsen  eingelagert, 
welche  zweierlei  Art  sind:  1)  grössere,  zusammengesetzte,  eine  ver- 
dauende Flüssigkeit  absondernde  Drüsen ,  welche  entweder  über  die 


*)  Die  längs  des  Schnabelrandes,  z.  B.  beim  Sägetaucher  ( Mergus),  vorhandenen 
„Zahne"  sind  lediglich  zahnähuliche  Vorsprünge  des  Randes  der  Schnabelscheide, 
also  Horngebilde. 


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Wirbelthiere.   6.  Ciasse:  Vögel. 


4fi3 


ganze  Wand  vertheilt  oder  auf  begrenzte  Stellen  beschränkt  sind, 
und  2)  ganz  kleine  schlauchförmige  Drüschen,  welche  einen  die 
ganze  Innenfläche  des  Drüsenmagens  deckenden  schleimigen  Ueberzug 
ausscheiden.  In  dem  untersten  Theil  des  Drüsenmagens,  an  der  Grenze 
des  Muskelmagens,  fehlen  die  grösseren  Drüsen,  der  Ueberzug  nimmt 
einen  festeren  Charakter  an  und  geht  allmählich  in  denjenigen  des 
Muskelmagens  über.  Der  Muskel  mag en  ist  ein  kurzer,  sackförmiger 
Theil  mit  musculösen  Wandungen;  er  besitzt  nur  eine  Form  von 
Drüsen,  nämlich  einfache,  dicht  gestellte  Drüsenschläuche,  denjenigen 
ähnlich,  welche  den  schleimigen  Ueberzug  des  Drüsenmagens  ab- 
scheiden. Das  Secret  dieser  Drüsen  ist  aber  ein  sehr  eigenthümliches: 
jedes  Drüschen  scheidet  eine  feste,  hornartige  Faser  aus,  welche  aus 
der  Drüsenöffnung  hervorragt  und  mit  den  benachbarten  Fasern  ver- 
klebt einen  hornähnlichen  Ueberzug1)  der  inneren  Seite  des 
Muskelmagens  bildet;  in  dem  Maasse  wie  der  freie  Theil  der  Faser 
abgenutzt  wird,  wird  diese  am  entgegengesetzten  Ende  durch  neue 
Absonderung  ergänzt.  An  der  äussern  Oberfläche  des  Muskelmagens 
findet  man  sowohl  an  der  Ober-  als  an  der  Unterseite  eine  Sehnen- 
scheibe, von  welcher  die  musculösen  Elemente  ihren  Ursprung  nehmen. 
Besonders  stark  ist  die  Muskulatur  der  Wand  bei  manchen  pflanzen-, 
besonders  samenfressenden  Vögeln  (z.  B.  Hühnern  und  Enten)  ent- 
wickelt, deren  Muskelraagen  jederseits  mit  einer  grossen,  aussen  stark 
gewölbten,  nach  innen  zu  platten  Muskelmasse  versehen  ist,  während 
sein  Hohlraum  sehr  klein  ist.  Bei  solchen  Vögeln  ist  der  Muskel- 
magen ein  echter  Kaumagen,  in  welchem  die  aufgenommenen 
Theile  zwischen  den  beiden  genannten  Muskelraassen  förmlich  zer- 
mahlen  werden ;  der  hornartige  innere  Ueberzug  ist  bei  ihnen  sehr  dick 
und  fest,  und  ausserdem,  verschlingen  sie  Sand  und  Steinchen,  wodurch 
die  Zerkleinerung  der  Nahrung  weiter  unterstützt  wird.  Bei  insekten- 
fressenden Vögeln  und  bei  Raubvögeln  ist  der  Muskelmagen  dagegen 
dünnwandig,  mit  schwacher  Muskulatur  und  geräumigem  Hohlraum. 
Die  Oeffnungen  des  Muskelmagens  in  den  Dünndarm  und  in  den 
Drüsenmagen  befinden  sich  stets  dicht  neben  einander.  —  Der  Dünn- 
darm ist  wohlentwickelt,  am  längsten  bei  den  Pflanzenfressern;  er 
setzt  sich  in  einen  fast  immer  kurzen  Enddarm  fort,  welcher  eine 
hinterste  erweiterte  Partie,  die  Kloake,  besitzt;  an  der  Grenze  des 
Dünn-  und  Enddarmes  münden  in  letzteren  gewöhnlich  zwei  Blind- 
därme, welche  bei  manchen  pflanzen-  und  allesfressenden  Vögeln 
von  bedeutender  Länge  sind,  während  sie  bei  Vögeln,  welche  von 
thierischer  Nahrung  leben,  meistens  ganz  kurz  oder  rudimentär  sind 
(dasselbe  kann  übrigens  auch  bei  anderen  der  Fall  sein,  die  Tauben 
besitzen  z.  B.  ganz  kurze  Blinddärme).  Bei  den  Vögeln  findet  sich 
eine  grosse,  braunrothe,  mit  Gallenblase  versehene  Leber  und  eine 
weissliche,  langgestreckte  Bauchspeicheldrüse,  welche  in  der 
ersten  Dünndarmschlinge  liegt2). 

')  Bei  den  Raubvögeln  und  anderen  fleischfressenden  Vögeln  hat  der  Ueberzug 
des  Muskelmagens  eine  weichere  Beschaffenheit. 

■)  An  der  dorsalen  Wand  der  Kloake  öffnet  sich  in  letztere  bei  jungen  Vögeln 
ein  kleiner  unpaarer  Sack,  die  Bursa  Fabricii,  in  deren  Wand  kleine  Epithelpartien 
eingebettet  sind,  welche  von  dem  den  Sack  auskleidenden  Epithel  her  in  die  Wand 
eingewachsen  und  später  von  dem  übrigen  Epithel  abgeschnürt  sind.  Der  Sack 
wird  meistens  später  rückgebildet  und  ist  beim  erwachsenen  Vogel  in  der  Hegel 
verschwunden  oder  ganz  rudimentär;  seine  Bedeutung  ist  ganz  räthselhaft. 


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464 


Specieller  Theil. 


Viele  Vögel  erbrechen  die  unverdaulichen  oder  schwer  verdaulichen 
Theile  des  Futters,  Knochen,  Haare,  Federn,  Insektenpanzer  etc.,  in  Klum- 
pen, den  sogenannten  Gewöllen;  die  bekanntesten  solcher  Gewölle  sind 
die  der  Eulen,  welche  meistens  hauptsächlich  aus  Mäusehaaren  und  -knochen 
bestehen,  aber  auch  verschiedene  andere  Vögel  liefern  ähnliche :  Mauersegler 
(Insektenüberreste),  Eisvogel  <  Fischknochen).  Rabenvögel  etc. 

Die  Athmungsorgane.  Eine  Längsspalte  in  der  Mundhöhle 
dicht  hinter  der  Zunge  führt  in  den  kleinen  Kehlkopf  hinein,  welcher 
sich  in  die  Luftröhre  fortsetzt;  letztere  hat  bei  den  Vögeln  eine 
bedeutende  Länge  und  ist  mit  zahlreichen  knorpeligen  oder  knöchernen 
Ringen  ausgestattet;  sie  theilt  sich  unten  in  zwei  kurze  Aeste,  einen 
für  jede  Lunge.  Im  Kehlkopf  finden  sich  nicht  wie  bei  der  Mehrzahl 
der  anderen  luftathmenden  Wirbelthiere  Stimmbänder,  dagegen  be- 
sitzen die  meisten  Vögel  am  oberen  Ende  der  beiden  grossen  Luft- 
röhrenäste oder  Bronchi  —  an  der  Grenze  des  Luftröhrenstammes  — 
einen  eigenthümlichen  Stimmapparat,  indem  an  der  Wand  der 
Bronchi  membranöse  Partien  (me  u.  mi  Fig.  328)  ausgebildet  sind, 
welche  nach  innen  gefaltet  werden  können  und  durch  die  aus  den 
Lungen  herausströmende  Luft  in  Schwingungen  versetzt  werden  (des 
Näheren  vergl.  unten).  —  Die  Lungen  sind  schwammige  Körper  von 


Fig.  826.  Fig.  327. 

tr 


Fig.  826.    Die  Lungen  eines  11  Tage  alten  Hühnerembryoi.    /  Luftröhre,  /  An- 
lagen der  LuftsKcke.  —  Nach  Seleuka. 

Fig.  327.    Die  Lungen  einer  Taube,    tr  Luftröhre,  o  Oefluungen  von  der  Lunge  in 
die  hier  weggelassenen  Luftaäcke.  —  Nach  J.  Parker. 

etwas  complicirtem  Baue  (vergl.  unten),  welche  der  dorsalen  Wand 
der  Leibeshöhle  dicht  angeschmiegt  sind.  Es  sind  jedoch  eigentlich 
nur  gewisse  Theile  der  Lungen,  welche  diesen  spongiösen  Bau  be- 
sitzen; andere  Partien  sind  zu  grossen  dünnwandigen  Luft  sacken 
ausgebildet,  welche  durch  je  eine  grössere  Oeffnung  mit  der  übrigen 
Lunge  in  Verbindung  stehen  (vergl.  die  Chamäleonen).  Diese  Luft- 
säcke erstrecken  sich  zwischen  die  Eingeweide  hinein,  zwischen  ge- 
wisse Muskeln,  unterhalb  der  Haut  hin,  ja  sogar  mit  langen  Fort- 
sätzen in  viele  der  Knochen,  z.  B.  der  Giiedmaassen-Knochen,  hinein, 
in  denen  sie  die  Stelle  der  Markräume  einnehmen :  die  Knochen  der 


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Wirbelthiere.   5.  Classe:  Vögel. 


465 


Vögel  sind  daher  zum  grossen  Theil  pneumatisch1).  Diese  Aus- 
bildung von  Luftsäcken  hat  die  Bedeutung,  dass  der  Körper  dadurch 
ein  geringeres  specißsches  Gewicht  erhält;  die  Lungen  der  Vögel 
stellen  mit  anderen  Worten,  ebenso  wie  das  Tracheensystem  der  In- 
sekten, nicht  allein  einen  respiratorischen,  sondern  auch  einen 
aerostatischen  Apparat  dar. 

Der  Stimmapparat  der  Vögel  hat  im  Allgemeinen  folgenden  Bau. 
Die  beiden  Bronchi  sind  am  oberen  Ende,  wo  sie  in  die  Luftröhre  über- 
gehen, durch  einen  medianen  verknöcherten  Balken,  den  Steg,  getrennt; 
letzterer  hängt  mit  dem  letzten  Luftröhren  ring  zusammen.  Die  nach  der 
Hittellinie  gekehrte  Wand  der  Bronchi  ist  häutig  und  wird  als  innere 
Paukenhaut  bezeichnet.  Die  nach 
aussen  gekehrte  Seite  der  Bronchus- 
wand  ist  durch  knorpelige  oder  knö- 
cherne Halbringe  gestützt,  oft  ist  aber 
auch  hier  eine  häutige  Stelle,  die 
äussere  Paukenhaut,  vorhanden 
(welche  bei  anderen  durch  eine  in  das 
Lumen  des  Bronchus  vorspringende 
Verdickung  des  Bindegewebes  auf  einem 
der  Halbringe  ersetzt  sein  kann).  Auch 
das  andere  Ende  der  Luftröhre  selbst, 
welches  als  Trommel  bezeichnet 
wird,  ist  meistens  im  Dienste  der 
Stimmbildung  von  der  übrigen  Luft- 
röhre etwas  abweichend  ausgebildet, 
häufig  sind  z.  B.  die  letzten  Ringe  mit 
einander  verschmolzen,  oder  dieser  Ab- 
schnitt ist  zusammengedrückt,  oder 
aber  erweitert  etc.  Bei  den  Männchen 
der  8äger  (Mergus)  und  der  meisten 
Enten  besitzt  die  Trommel  eine  ein- 
seitige blasige  Ausstülpung  mit  ver- 
knöcherten Wänden,  die  Pauke  (oder 
das  Labyrinth). 

Zu  dem  oben  von  den  Athmungs- 
organen  Mitgetheilten  kann  übrigens 
noch  Folgendes  hinzugefügt  werden.  Bei  dem  Singschwan,  dem  Kranich  u.  a. 
ist  der  Kamm  des  Brustbeins  dick  und  ausgehöhlt  mit  einem  oberen  Ein- 
gang ;  in  die  Höhlung  legt  sich  eine  grosse  Schlinge  der  Luftröhre  hinein, 
ehe  diese  sich  in  die  Leibeshöhle  hinein  begiebt ;  bei  anderen  Vögeln  findet 
man  ähnliche  Windungen  der  Luftröhre  unterhalb  der  Haut  (beim  Tetrao 
urogaüus)  oder  in  der  Leibeshöhle.  —  Jeder  der  beiden  grossen  Luftröhren- 
äste setzt  sich  durch  die  zugehörige  Lunge  mit  einem  grossen  Luftgang 
fort,  welcher  schliesslich  in  einen  der  grossen  Luftsäcke  mündet,  unterwegs 
aber  Aeste  abgiebt;  diese  Aeste  (welche  theilweise  ebenfalls  in  Luftsäcke 
ausgehen)  geben  zahlreiche  lange,  parallel  verlaufende,  dickwandige,  sechs- 
eckige Röhren  ab,  die  sogenannten  Lungenpfeifen,  jede  mit  einem  cen- 


Fig.  828.  Schuitt  durch  da«  untere  Endo 
der  Luftröhre  und  die  oberen  Enden  der 
beiden  grossen  Luftröhreniste  eines  Vogeli ; 
Schema,  b  Bronchi,  vu  äussere,  mi  innere 
Paukenhaut  »  Steg,  t  Trommel,  tr  Luftröhre. 
/— IV  die  vier  unteren  Ringe  der  Luftröhre; 
/  oberster  Halbring  des  einen  Bronchus.  — 
Orig. 


')  Es  mag  hier  bemerkt  werden,  dass  die  Vögel  nicht  die  einzigen  Thiere  mit 

Eneumatischen  Knochen  sind ;  auch  die  Flugsaurier  und  ein  Theil  der  Dinosaurier 
esassen  solche,  und  man  muss  demnach  annehmen  dass  sie  ebenso  wie  die  Vögel 
mit  Luftsäcken  ausgestattet  waren. 

Boas,  Zoologie.  80 


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466 


Speoieller  Theil. 


tralen,  kreisrunden  Lumen,  von  welchem  zahlreiche,  etwas  verästelte,  radiäre 
feine  Kanälchen  in  die  dicke  Wand  ausstrahlen;  diese  Kanälchen  sind 
vom  Capillarnetz  umsponnen  und  stellen  die  eigentlichen  respiratorischen 
Theile  der  Lunge  dar.  —  Die  Lufthöhlen,  welche  im  Kopf  vorhanden  sind 
(in  den  Knochen  des  Schädels  etc.),  stehen  bei  der  Mehrzahl  der  Vögel 
nicht  mit  den  Lungen  in  Verbindung,  sondern  sind  Ausstülpungen  der 
Nasenhöhle  und  der  Paukenhöhle ;  bei  einigen  communiciren  sie  aber  mit 
Luftsäcken  am  Hals.  —  Die  Einathmung  geschieht  bei  den  Vögeln 
wesentlich  durch  Bewegungen  der  Rippen,  wodurch  das  Brustbein  nach 
aussen  bewegt  und  die  Leibeshöhle  erweitert  wird.  Die  Wirkung  wird 
durch  gewisse  Muskeln  (die  Lungenmuskeln)  unterstützt,  welche  von  der 
Innenseite  der  Leibeshöhlenwand  (von  den  Rippen  und  dem  Brustbein) 
entspringen  und  sich  an  eine  die  ventrale  Seite  der  Lungen  überziehende 
fibröse  Haut  heften;  durch  ihre  Zusammenziehung  werden  die  Lungen  er- 
weitert. 

Das  Herz  und  die  grossen  von  demselben  entspringenden 
Arterien8tämme    erweisen    sich   als   Modifikationen   des   bei  den 


Flg.  329.  Schemata  des  Herzen»  und  der  Arterienbogen  eines  Krokodils  (A)  und 
eines  Vogels  (B).  a  rechter,  a'  linker  Vorhof;  r  rechte,  p'  linke  Herzkammer;  ao  Aorta. 
1,  2,  4  erster,  zweiter  und  vierter  Arterienbogen  der  rechten  Seit«,  f,  2\  4'  dieselben  der 
linken  Seite  (c  und  m  siehe  Flg.  308.)  —  Orig. 

Krokodilen  vorgefundenen  Verhaltens.  Sowohl  Vorhof  als  Herz- 
kammer sind  vollständig  in  einen  rechten  und  einen  linken  Theil  ge- 
sondert, der  Herzkegel  fehlt.  Der  linke  Aortenbogen  (linker  Arterien- 
bogen Nr.  2),  welcher  bei  den  Krokodilen  von  der  rechten  Herzkammer 
entspringt,  fehlt  hier  völlig;  die  Aorta  wird  somit  ausschliesslich 
von  dem  aus  der  linken  Herzkammer  entspringenden  rechten  Aorten- 
bogen gebildet;  im  Uebrigen   sind  die  Verhältnisse  wie  bei  den 


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Wirbelthiere.   5.  Clause:  Vögel. 


467 


Krokodilen.  Es  findet  somit  keine  Mischung  von  arteriellem  und 
venösem  Blut  bei  den  Vögeln  statt:  das  venöse  Körperblut  geht  in 
den  rechten  Vorhof,  von  diesem  in  die  rechte  Kammer,  von  letzterer 
in  die  Lungen:  das  arterielle  Blut  aus  den  Lungen  geht  in  den 
linken  Vorhof,  von  diesem  in  die  linke  Kammer,  von  hier  in  den 
Körper. 

Die  Nieren  sind  längliche,  dunkelrothe  Körper,  welche  in  der 
Beckenregion  dicht  unterhalb  der  Wirbelsäule  liegen ;  sie  füllen  die 
Zwischenräume  zwischen  den  Querfortsätzen  aus,  und  an  der  ventralen 
Fläche  sind  sie  durch  Quereinschnitte  in  mehrere  (meistens  drei) 
Lappen  getheilt.  Zuweilen  verschmelzen  beide  Nieren  an  ihrem 
Innenrand  in  grösserer  oder  geringerer  Ausdehnung  mit  einander. 
Die  Harnleiter  münden  getrennt  in  die  Kloake ;  eine  Harnblase  fehlt. 
Der  Harn  ist  dickflüssig,  weisslich. 

Von  den  Eierstöcken  ist  bei  den  Vögeln  nur  der  linke  aus- 
gebildet, ausnahmsweise  ist  jedoch  ein  rudimentärer  rechter  Eierstock 
vorhanden ;  bei  manchen  Tagraubvögeln  (Falken,  Habichten,  Bussarden) 

A  B 


Fig.  330.    Geschlechts-  and  Harnapparnt,  A  einer  weiblichen,  B  einer  mann 
liehen  Taube.   »  Eierstock,  <r"  grosser  Graafscher  Follikel,  ol  linker  Eileiter,  ttt  rudimen- 
tärer rechter  Eileiter,  *  Kloake,  n  Niere,  $1  Samenleiter,  t  Hoden,  tr  Trichter  am  Ende  des 
Eileiters,  u  Harnleiter.  —  Nach  Jeffery  Parker. 


kommt  ein  solches  Rudiment  (und  zwar  ein  recht  grosses)  ziemlich 
constant  vor.  Wegen  der  Grösse  der  Eier  treten  die  Graafschen 
Follikel  an  der  Oberfläche  des  Eierstockes  stark  hervor,  und  letzterer 
erhält  dadurch  ein  traubiges  Aussehen.  Von  den  Eileitern  (den 
Müller'schen  Gängen)  ist  ebenfalls  nur  der  linke  vollständig  entwickelt 
(ein  Rudiment  des  rechten  dagegen  häufig  vorhanden);  in  der  Fort- 
pflanzungszeit ist  der  Eileiter  ein  langer  und  dicker,  ausserhalb  dieser 
Zeit  ein  dünnerer  Schlauch,  welcher  sich  mit  einem  grossen  Trichter 
in  die  Leibeshöhle  öflFnet;  nicht  weit  von  der  Einmündung  in  die 
Kloake  besitzt  er  einen  erweiterten  Abschnitt,  den  Eihälter  (Uterus), 
in  welchem  die  Schale  gebildet  wird.  -  Die  Hoden,  welche  beide 

30* 


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468 


Specieller  Theil. 


wohl  entwickelt  sind  (zuweilen  ist  jedoch  der  linke  der  grössere), 
liegen  vor  den  Nieren;  die  Samenleiter,  welche  von  je  einem  kleinen 
Nebenhoden  entspringen,  haben  einen  gewundenen  Verlauf  und  münden 
getrennt  in  die  Kloake,  meistens  auf  einer  kleinen  Papille.  Die 
Hoden  sind  ausserhalb  der  Begattungszeit  sehr  klein,  während  sie  in 
der  Portpflanzungszeit  eine  ansehnliche  Grösse  erreichen.  —  Ein  wohl 
entwickelter  Penis  ist  nur  bei  den  Männchen  einer  geringen  Anzahl 
von  Vögeln  vorhanden :  bei  Straussenvögeln,  Entenvögeln  und  einzelnen 
anderen  (bei  den  übrigen  rudimentär  oder  ganz  fehlend).  Er  ent- 
spricht dem  Begattungsorgan  der  Schildkröten  und  der  Krokodile: 
er  hat  seinen  Platz  an  der  ventralen  Wand  der  Kloake,  die  freie 
Spitze  ist  nach  hinten  gerichtet,  an  der  Oberfläche  ist  er  mit  einer 
Rinne  versehen,  an  deren  vorderem  Ende  die  Samenleiter  ausmünden: 
durch  die  Rinne  fliesst  während  der  Begattung  der  Samen.  Bei  den 
Entenvögeln  ist  der  Penis  korkzieherförmig,  bei  den  anderen  zungen- 
oder  wurstförmig :  die  Spitzenpartie  ist  meistens  einstülpbar.  Bei  den 
Vögeln,  deren  Männchen  mit  einem  Penis  versehen  sind,  besitzen  auch 
die  Weibchen  ein  rudimentäres  Begattungsorgan  (Clitoris). 

Sehr  häufig  sind  grössere  oder  geringere  äussere  Geschlechtsunter- 
schiede zu  beobachten:  häufig  ist  das  Männchen  etwas  oder  viel  grösser 
(bei  Hühnervögeln  u.  a.),  seltener  kleiner  als  das  Weibchen  (bei  Raubvögeln), 
oft  ist  das  Männchen  durch  besondere  Entwicklung  gewisser  Federn  (Pfan, 
Paradiesvögel  etc.),  durch  eigentümliche  Hautfortsätze  (Sporn  des  Hahns  etc.) 
oder  durch  lebhaftere  Färbung  ausgezeichnet. 

Die  meisten  Vögel  pflanzen  sich  jährlich  nur  einmal  fort  (in  ge- 
mässigten Gegenden  im  Frühling),  andere  mehrmals  im  Jahre  (z.  B. 
der  Haussperling).  Gewöhnlich  leben  sie  während  der  Fortpflanzungs- 
zeit (selten  zeitlebens)  paarweise:  Monogamie;  seltener  hat  jedes 
Männchen  mehrere  Weibchen:  Polygamie. 

Die  Eier  der  Vögel  sind  von  sehr  bedeutender  Grösse  und  ent- 
halten eine  grosse  Menge  von  Nahrungsdotter.  Indem  sie  den  Eileiter 
passiren,  werden  sie  zuerst  von  einer  Eiweissmasse ,  dann  von  der 
letztere  umgebenden  Schalenhaut  und  schliesslich  im  Eihälter  von 
einer  festen  Kalkschale  umhüllt;  sämmtliche  Umhüllungen  werden  von 
den  Drüsen  der  Eileiterwand  abgesondert.  Die  Eier  werden  entweder 
von  den  Weibchen  allein  .oder  von  Weibchen  und  Männchen  gemein- 
schaftlich, selten  von  den  Männchen  allein  ausgebrütet  (letzteres 
beim  afrikanischen  Strauss  und  bei  einzelnen  anderen  Vögeln) ;  häufig 
ist  der  brütende  Vogel  mit  sogenannten  Brut  flecken  versehen. 
Hautstellen,  wo  die  Federn  ausgefallen  sind,  so  dass  die  Eier  direkt 
mit  der  warmen  Haut  in  Berührung  kommen  können.  Vor  dem  Eier- 
legen bauen  sich  die  Vögel  meistens  ein  Nest,  auf  oder  in  welches 
die  Eier  gelegt  werden  (selten  werden  die  Eier  auf  die  blosse  Erde 
gelegt).  Im  einfachsten  Fall  schleppen  sie  nur  eine  spärliche  Menge 
von  Aestchen,  Strohhalmen,  Federn  etc.  zusammen  und  legen  die 
Eier  darauf;  in  anderen  Fällen  werden  ähnliche  Sachen  zu  einem 
korbförmigen  oder  gar  kugeligen  Nest  verwoben;  seltener  bauen  sie 
sich  ein  Nest  aus  Lehm,  Mist  u.  dergl.  und  aus  eigenem  Speichel 
(Schwalben  u.  a.)  oder  aus  Speichel  allein  (Salangane).  Die  Nester 
werden  von  einigen  Vögeln  auf  der  Erde  angelegt,  andere  nisten  in 
gegrabenen  oder  natürlichen  Erdlöchern  (Uferschwalbe,  Papagei- 
taucher), in  Baumlöchern  (Spechte  etc.),  auf  Bäumen  etc.  Meistens 
bauen  Männchen  und  Weibchen  gemeinschaftlich  das  Nest.  Im  All- 


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Wirbelthiere.   5.  Classe:  Vögel. 


469 


gemeinen  verlassen  die  Jungen  nicht  sofort  nach  der  Geburt  das 
Nest,  sondern  bleiben  einige  Zeit  in  demselben  und  werden  von  den 
Eltern  gefüttert  („Nesthocker");  seltener  („Nestflüchter")  sind  sie 
gleich  im  Stande  sich  selbst  zu  ernähren  (meistens  allerdings  unter 
der  Obhut  der  Mutter).  —  Das  neugeborene  Junge  ist  in  der  Regel 
nicht  unerheblich  von  dem  Erwachsenen  verschieden ;  es  ist  mit  Dunen 
bekleidet  oder  fast  nackt  und  in  der  Färbung  abweichend;  die  Form 
des  Schnabels  ist  häufig  eine  andere  als  später  (z.  B.  bei  manchen 
Singvögeln);  auch  die  Nahrung  ist  häufig  von  derjenigen  des  Er- 
wachsenen verschieden  (so  füttern  z.  B.  viele  körnerfressende  Vögel 
ihre  Jungen  mit  Insekten)1).  Auch  ist  dasjenige  Gefieder,  welches 
an  die  Stelle  des  Dunenkleides  tritt,  sehr  häufig  von  dem  des  älteren 
Vogels  wesentlich  abweichend. 

Während  einige  Vögel  sich  das  ganze  Jahr  hindurch  an  derselben 
beschränkten  Localität  aufhalten  :Standvögel,  unternehmen  andere 
kleinere  oder  grössere  Ausflüge  oder  wirkliche  Wanderungen.  Den 
Standvögeln  am  nächsten  stehen  die  Strichvögel,  welche  innerhalb 
eines  grösseren  Gebietes  umherstreifen.  Auch  die  sogenannten 
Wechsel  vögel ,  welche  sich  zu  einer  Zeit  des  Jahres  etwa  auf  den 
Bergen,  zu  einer  anderen  in  den  benachbarten  Thälern  aufhalten,  oder 
nach  Bedürfniss  den  Wald  mit  dem  freien  Lande  vertauschen  etc., 
stehen  noch  den  Standvögeln  nahe.  Weiter  entfernen  sich  die  Zug- 
vögel, welche  sich  dadurch  auszeichnen,  dass  sie  alljährlich  in  einem 
kälteren  Klima  brüten  und  in  einem  mehr  oder  weniger  entfernten 
wärmeren  Lande  den  Winter  zubringen.  Die  Zugvögel  schlagen  bei 
ihren  Wanderungen  bestimmte  Wege,  Zugstrassen,  ein,  deren 
eigenthümliche  Richtungen  offenbar  in  dem  Bedürfniss  begründet 
sind,  dass  die  Vögel  während  der  ganzen  Wanderung  so  weit  wie 
möglich  nur  Gegenden  berühren,  welche  ihren  natürlichen  Aufent- 
haltsorten einigermaassen  entsprechen :  Küstenvögel  bewegen  sich 
hauptsächlich  in  Linien,  welche  an  den  Meeresküsten  oder  nötigenfalls 
an  den  Flüssen  entlang  laufen,  Sumpfvögel  ziehen  mit  Vorliebe  durch 
Sumpfgegenden  oder  längs  Flüssen  etc.  Hin-  und  Rückweg  sind 
meistens  dieselben.  Die  meisten  Vögel  ziehen  in  grossen  Sehaaren, 
zuweilen  mehrere  Arten  mit  einander.  Indem  ältere  und  jüngere  Vögel 
zusammen  wandern,  wird  die  Kenntniss  des  Weges  immerfort  den 
neuen  Generationen  überliefert  und  bewahrt;  „instinctiv"  können  die 
Vögel  natürlich  den  Weg  nicht  finden,  während  allerdings  bei  den 
Zugvögeln  häufig  ein  ererbter  unbestimmter  Wandertrieb  zu  erkennen 
ist,  welcher  sich  auch  bei  jungen  gefangenen  Vögeln  als  eine  gewisse 
Unruhe  zu  der  Zeit  äussert,  wenn  das  Ziehen  stattfindet.  Die  Ab- 
reise aus  den  kälteren  Gegenden  findet  zu  verschiedener,  für  jede  Art 
aber  ziemlich  bestimmter,  Zeit  statt,  meistens  im  Herbst,  für  einige 
Arten  schon  im  August  oder  Juli;  die  Ankunft  in  denselben  findet 
vom  Februar  bis  Mai  statt  (für  Deutschland),  und  zwar  kommen  die- 
jenigen Vögel  am  spätesten  an,  welche  am  frühesten  weggehen.  Die 
meisten  in  Deutschland  brütenden  Zugvögel  überwintern  in  Süd- 
europa und  Nordafrika. 

Es  ist  unschwer  zu  erkennen,  dass  die  Wanderungen  der  Vögel  über- 


')  Viele  jungen  Vögel  besitzen  vorne  an  der  Oberseite  des  Sohnabels  einen 
kleinen  fest  verhornten  Höcker,  mit  welchem  sie  die  Eischale  beim  Verlassen  des 
Eies  zerbrechen. 


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470 


Specieller  Theil. 


hsupt,  und  auoh  der  Zug,  wenigstens  ursprünglich  durch  das  Nahrungs- 
bodürfhiss  veranlasst  sind :  beobachtet  man  doch,  dass  gewisse  Vögel,  welche 
für  gewöhnlich  nicht  ziehen,  in  strengen  Wintern  bei  Mangel  an  Nahrung 
nach  Süden  reisen,  während  andererseits  in  milden  Wintern  einige  Zugvögel 
in  dem  Lande,  wo  sie  brüten,  zurückbleiben.  Dem  gegenüber  ist  aber  auch 
hervorzuheben,  dass  das  Ziehen  bei  den  meisten  Vögeln  dermaassen  instinctiv 
geworden  ist,  dass  sie  auch  bei  reichlich  vorhandener  Nahrung  wegziehen, 
sich  überhaupt  bei  ihrer  Wanderung  nicht  mehr  direkt  von  der  Nahrung 
abhängig  zeigen. 

Die  Vögel,  welche  über  alle  Theile  der  Erdoberfläche,  wo  über- 
haupt  organisches  Leben  vorhanden  ist,  verbreitet,  am  reichsten  aber 
in  den  Tropen  vertreten  sind,  bilden  eine  in  der  Jetztzeit  sehr  zahl- 
reiche, aber  ziemlich  einförmige  Ordnung.  Geologisch  betrachtet,  sind 
die  Vögel  die  jüngste  der  Wirbel thierclassen  (von  den  Lanzettfischen 
abgesehen,  welche  ausschliesslich  aus  der  Jetztzeit  bekannt  sind), 
indem  der  älteste  bekannte  Vogel  aus  der  Juraformation  stammt, 
aus  welcher  Formation  nur  dieser  Vogel  allein  bekannt  ist,  so  dass 
das  Vogelleben  zweifellos  damals  noch  sehr  spärlich  entwickelt  war; 
eine  grössere  Anzahl  kennt  man  aus  der  Kreideformation  (sämmtliche 
Zahnvögel),  zahlreiche  aus  der  Tertiärformation. 


Die  Jungen  sind. 

wenn  sie  das 
Ei  verlassen,  von 
einem  dichten 
Dunenkleid 
bedeckt. 


Die  Jungen  sind 

beim  Verlassen 
des  Eies  fast  nackt 
und  sehr  hülflos. 


Uebersicht  der  Ordnungen  der  Vögel1). 

1.  Echsenvögel.  Schwanzwirbelsäule 
länger  als  der  Rumpf.  Zähne  vor- 
handen. 

2.  Zahnvögel.  Schwanzwirbelsäule 
kürzer  als  der  Rumpf.  Zähne  vor- 
handen. 

3.  Straussenvögel.  Flügel  zum  Flug 
unbrauchbar.     Kräftige  Laufbeine. 

4.  Hühnervögel.  Kurzer,  schwach  ge- 
bogener Schnabel.  GangfÜsse.  Flügel 
kurz,  gewölbt. 

5.  Schwimmvögel.  Mit  Schwimm- 
füssen3). 

6.  Wat vögel.    Hit  Watbeinen. 

7.  Raubvögel.  Schnabel  kräftig, 
stark  gebogen.  Raubfüsse. 

8.  Singvögel.  3  Vorderzehen,  Hinter- 
zehe gross,  für  sich  beweglich. 

9.  Schreivögel.  3  Vorderzehen,  die 
Hinterzehe  kleiner,  wird  zugleich 
mit  den  Vorderzehen  bewegt. 

10.  Klettervögel.  2  Vorder-,  2  Hin- 
terzehen. 


in  der  Regel 
klein. 


Hinterzehe 
in  der  Regel 
wohl  ent- 
wickelt. 


')  Die  systematische  Anordnung  der  Vögel  bietet  bei  der  grossen  Einförmigkeit 
derselben  grosse  Schwierigkeiten  dar;  mehrere  der  hier  aufgeführten  Ordnungen 
sind  keine  natürlichen  Gruppen. 

a)  Wegen  der  Begriffe  SchwimmfuM,  Watbein  etc.  vergl.  die  Beschreibungen  der 
betreffenden  Ordnungen. 


_Digitized  ty_Go.o.  I?J 


Wirbelthwre.   6.  Clawc:  Vögel. 


1.  Ordnung.   Echsenvögel  (Saururae). 

Von  dieser  Ordnung  kennt  man  nur  eine  einzige  Art,  Archaeo- 
pteryx lithoaraphica,  aus  der  Juraformation  (dem  lithographischen 
Schiefer).  Von  allen  bekannten  Vögeln  steht  der  Archaeopteryx  den 
Reptilien  am  nächsten.  Er  zeichnet  sich  in  erster  Linie  durch  den 
sehr  langen,  aus  20  grösstenteils  langgestreckten  Wirbeln  bestehenden 
Schwanz  aus,  an  welchem  die  Steuerfedern  —  deren  Abdrücke  man 
in  der  Gesteinsmasse  gefunden  hat  —  in  einer  Reihe  an  jeder  Seite 
angebracht  waren:  ferner  dadurch,  dass  die  Mittelhandknochen 


Fig.  331.  Archaeopteryx.  i — 3  erster — dritter  Finger,  /'  erste,  4'  vierte  Zehe,  fi  Waden- 
bein, il  Darmbein,  tnct  erstes,  mc3  drittes  Mittelhandbein,  n  Nasenloch,  o  Augenhöhle,  r  Hals- 
rippen,  ra  Speiche,  u  Elle,  r  ist  möglicher  Weise  ein  Gelenk,  vielleicht  aber  aoeh  eine  Bruch* 
stelle  (uuter  letzterer  Voraussetzung  ist  der  dritte  Finger  dreigliedrig,  unter  ersterer  viergliedrig). 
—  Orig.  (mit  Benutzung  der  Figuren  von  Dames). 


getrennt  und  alle  drei  Finger  wohl  entwickelt  und  mit  grossen  Krallen 
versehen  waren  (was  aus  der  Form  des  äussersten  Fingergliedes  zu 
erkennen  ist);  durch  das  Vorhandensein  von  kegelförmigen  Zähnen 
an  den  Kieferrändern.  Von  anderen  Charakteren  sind  hervorzuheben, 
dass  den  ziemlich  dünnen  Brustrippen  der  schräge  Fortsatz,  wie  es 
scheint,  fehlt,  dass  die  Halsrippen  länger  als  bei  anderen  Vögeln  sind, 
dass  der  Hals  und  die  Beckenpartie  kürzer,  die  Brustpartie  dagegen 
länger  ist  als  bei  den  Vögeln  im  Allgemeinen  fdie  Brustwirbel 
scheinen  auch  beweglicher  als  sonst  gewesen  zu  sein) ,  dass  die  End- 
flächen der  Wirbelkörper,  wie  es  scheint,  abgeplattet  (nicht  sattel- 
förmig) sind,  und  dass  das  untere  Ende  des  Wadenbeines  vollständig, 
nicht  zugespitzt  ist  (es  ist  sogar  unten  ein  wenig  erweitert).  Aus 
den  wohlerhaltenen  Abdrücken  der  grossen  Schwungfedern  ist  zu  er- 
sehen, dass  der  Archaeopteryx  ein  guter  Flieger  war ;  die  Grösse  war 
etwa  diejenige  einer  Taube.   (Nur  in  zwei  Exemplaren  bekannt,  beide 


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472 


Speoieller  Theil. 


I 


unvollständig;  Brustbein,  Becken,  Coracoid  nicht  oder  mangelhaft 
bekannt.) 

2.  Ordnung.    Zahnvögel  (OdontornitJies). 

Die  Zahnvögel ,  welche  in  mehreren  Arten  aus  der  Kreide- 
formation (Nordamerika)  bekannt  sind,  sind  im  Ganzen  den  jetzt 
lebenden  Vögeln  sehr  ähnlich,  unterscheiden  sich  aber  durch  den  Be- 
sitz von  Zähnen  in  den  Kieferrändern.  Einige  derselben  (IchthyornL*) 
besitzen  Wirbelkörper,  deren  vordere  und  hintere  Endflächen  beide 
schwach  ausgehöhlt  sind;  bei  anderen  (Hesperoniis)  verhalten  die 
Wirbel  sich  wie  bei  den  jetzt  lebenden  Vögeln.  Die  Unterkiefer- 
hälften waren  vorne  nicht  verschmolzen.  Das  Becken  ist  dadurch 
ausgezeichnet,  dass  Darmbein  und  Sitzbein  hinten  nicht  verschmolzen 
sind.  Uebrigen8  sind  ziemlich  verschiedene  Formen  in  dieser  Gruppe 
vereinigt :  einige  waren  Flieger,  andere  besassen  wie  die  Straussenvögel 
rudimentäre  Flügel. 

3.  Ordnung.    Straussenvögel  {Raütue). 

Der  hervorragendste  Charakter  der  Ordnung  ist  der  r  ü  c  k  g  e  - 
bildete  Zustand  der  Flügel,  welche  niemals  zum  Flug  ge- 
braucht werden  können ;  oft  sind  sie  sogar  völlig  rudimentär.  Das 
Brustbein  ohne  Kamm.  Die  Hintergliedmaassen,  denen  eine  Hinter- 
zehe in  der  Regel  abgeht,  sind  gewöhnlich  sehr  kräftig,  zum  Lauf 
eingerichtet,  die  Krallen  kurz  und  stumpf.  Die  Federn  sitzen  nicht 
in  Fluren,  sondern  sind  ziemlich  gleichmässig  über  den  ganzen  Körper 
vertheilt  (es  finden  sich  übrigens  nackte  Partien,  z.  B.  an  der  Innen- 
seite der  Vordergliedmaassen  beim  Strauss  und  Nandu) ;  zwischen  den 
Federn  finden  sich  keine  Dunen ;  Schwung-  und  Steuerfedern  ge- 
wöhnlich nur  wenig  von  den  übrigen  Federn  verschieden.  Keine 
Bürzeldrüse. 

Wenn  wir  die  Straussenvögel  an  diese  Stelle,  anmittelbar  nach  Archaeo- 
pteryx  und  den  Zahnvögeln,  stellen,  so  geschieht  das,  weil  sie  in  mehreren 
Punkten  ursprünglichere  Züge  aufweisen  als  andere  jetzt  lebende 
Vögel.  So  berühren  z.  B.  die  Gaumenbeine  nicht  den  unteren  Hand  des 
Schädels,  sondern  liegen  mehr  von  der  Mittellinie  entfernt  (wie  bei  den 
Sauriern),  ein  Charakter,  den  sie  nur  mit  einer  einzelnen  kleinen  Gruppe 
von  Hühnervögeln1)  theileu  (bei  Arcbaeopteryx  und  den  Zahnvögeln  ist 
diese  Partie  unbekannt);  die  Knochen  des  Schädels  bleiben  länger  als 
bei  anderen  Vögeln  getrennt  (ebenso  die  Halsrippen);  das  Sitzbein  ver- 
wächst nieht  oder  ganz  hinten  mit  dem  Darmbein  (wie  bei  den  Zahnvögeln) ; 
der  zweite  Finger  der  Vordergliedmaassen  besitzt  eine  ziemlich  wohl  ent- 
wickelte Kralle.  In  verschiedenen  anderen  Punkten  weichen  sie  dagegen 
weit  von  dem  ursprünglichen  Verhalten  ab :  der  Zustand  der  Flügel  ist 
offenbar  ein  abgeleiteter  (d.  h.  die  Strausse  stammen  von  fliegenden  Vögeln 
ab) ;  das  Fehlen  des  Brustbeinkammes  ist  von  dem  Verluste  des  Flugver- 
mögens und  der  Rückbildung  der  Flugmuskeln  abzuleiten;  Aehnliches  gilt 
von  dem  Zustande  der  Federn  etc. 

')  Nämlich  den  Steisshühnern  oder  Tinamu's  (Crypturidae),  einer  Ab- 
theilung von  Hühnervögeln,  welche  durch  einen  langen  Schnabel,  sehr  kurze  oder 
fehlende  Steuerfedern  (so  dass  sie  kurzschwiinzig  oder  schwanzlos  erscheinen)  und 
eine  sehr  kleine  (oder  fehlende)  Hinterzehe  ausgezeichnet  ist.  Sie  leben  in  Süd- 
amerika 


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Wirbelthiere.  5.  Clane:  Vögel. 


473 


Die  meisten  Straussenvögel  sind  Thiere  von  sehr  ansehnlicher 
Grösse;  sie  sind  wesentlich  Steppenthiere ,  welche  in  den  wärmeren 
Theilen  der  südlichen  Halbkugel  leben.  Sie  sind  vorzugsweise 
Pflanzenfresser  (nehmen  auch  kleines  Gethier).  Die  Männchen  be- 
sorgen entweder  allein  oder  hauptsächlich  das  Brutgeschäft. 

1.  Die  Straussenfamilie  (SiiHUhionidae).  Schnabel  kurz  und  breit; 
Federn  ohne  Nebenfahne;  Flügel  verhältnissmässig  gut  entwickelt,  mit 
Daumen  und  grossen  Federn ;  kleinere  oder  grössere  Federn  am  Schwanz. 
Hierher  gehören:  Die  Nandu 's  (Jiliea)  mit  drei  Zehen,  in  Südamerika. 
Ferner  der  afrikanische  Strauss  (Struthio  camelus)  mit  nur  zwei 
Zehen  (No.  3  und  4),  von  denen  die  innere  eine  grosse  Kralle  trägt, 
während  die  äussere  mit  einer  nur  kleinen  Kralle  versehen  ist,  welche  von 
einer  sie  umgebenden  grosse  Hautfalte  verdeckt  ist  (wenn  sie  nicht  ganz 
fehlt) ;  Flügel  mit  sehr  grossen,  Schwanz  ebenfalls  mit  ansehnlichen  Federn ; 
in  Afrika  und  Westasien. 

2.  Die  Kasuarfamilie  (Ihomaeuhe).  Schnabel  kurz;  an  den 
Federn  sind  Haupt-  und  Nebenfahne  von  gleicher  Grösse;  Flügel  sehr 
schwach,  daumenlos;  Schwanz  kaum  angedeutet;  drei  Zehen.  Die  Kasuare 
( Casuarim)  haben  oben  am  Kopfe  einen  knöchernen ,  mit  Horn  bedeckten 
Kamm,  einen  zusammengedrückten  Schnabel,  5  lange,  starke  astlose  Feder- 
schäfte an  jedem  Flügel;  in  Neuguinea,  den  Molucken  und  im  nördlichen 
Neuholland.  Die  Emu 's  (Vromaeiut)  mit  plattem  Schnabel,  ohne  Kamm 
und  ohne  nackte  Federschäfte,  leben  in  Neuholland.  —  Zu  derselben 
Familie  gehören  die  theilweise  riesigen,  ausgestorbenen  Moa-Vögel 
(Dinwnis  u.  a.),  von  welchen  einige  eine  Hinterzehe  besassen;  sie  lebten 
auf  Neuseeland,  einige  bis  vor  wenigen  Jahrhunderten. 

3.  Die  Kiwi 's  (Aptenjx)  sind  kleine,  kurzbeinige  und  kurzhalsige 
Straussenvögel  (etwa  von  Hühnergrösse)  mit  langem,  dünnem  Schnabel,  an 
welchem  die  Nasenlöcher  dicht  an  der  Spitze  angebracht  sind ;  Federn  ohne 
Nebenfahne;  Flügel  ganz  rudimentär;  Hintergliedmaas sen  mit  einer  kleinen 
Hinterzehe.    Leben  von  Insekten  u.  dergl.  Neuseeland. 

4.  Ordnung.    Hühnervögel  (ttasores). 

Schnabel  kurz,  an  der  Spitze  schwach  gebogen.  Gangfüsse: 
kräftige  Füsse  mit  kleiner  Hinterzehe,  welche  höher  eingelenkt  ist 
als  die  übrigen  Zehen,  und  mit  schwach  gebogenen,  kurzen ,  nieder* 

Sedrückten  Krallen;  selten  mit  grosser  Hinterzehe.  Die  Flügel  in 
er  Regel  kurz,  abgerundet,  gewölbt.  Die  Hühnervögel  sind  durch- 
gängig Vögel  von  etwa  mittlerer  Grösse ;  sie  sind  weniger  gute  Flieger, 
halten  sich  zumeist  auf  der  Erde  auf,  sind  in  der  Regel  Allesfresser, 
scharren  mit  ihren  Krallen  Samen,  Larven,  Würmer  etc.  hervor. 
Nicht  wenige  leben  in  Polygamie,  in  welchem  Falle  das  Männchen 
gewöhnlich  grösser  und  prächtiger  gefärbt  ist  etc.  als  das  Weibchen. 
Die  Eier  werden  meistens  auf  der  Erde  abgelegt  und  vom  Weibchen 
bebrütet;  die  neugeborenen  Jungen  sind  kräftiger  als  diejenigen  der 
meisten  anderen  Vögel  und  können  sofort  umherlaufen. 

1.  Die  Waldhühner -Gruppe  (Tctraonomorphae).  Die  Nasen- 
löcher und  der  Grund  des  Schnabels  mit  dichten  Federn  bedeckt.  Mittel- 
fuss mehr  oder  weniger  befiedert,  ohne  Sporn.  Hierher  gehören:  Das 
Haselhuhn  {Tdrastes  bonasa)  in  GebirgB Waldungen  Deutschlands  (auch 
in  Skandinavien  etc.),  Mittelfuss  nur  in  seiner  oberen  Hälfte  befiedert; 


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474 


Spocicller  Theil. 


lebt  in  Monogamie,  £  und  $  ungefähr  gleich.  Der  Auerhahn  (Tetrao 
vroyaüus)  und  der  Birkhahn  (T.  Mrix),  beide  in  Deutschland  in 
Waldungen,  stattliche  Vögel,  ersterer  der  grössere;  der  Mittelfuss  beider 
ganz  befiedert,  die  Zehen  dagegen  nackt ;  leben  in  Polygamie,  die  Mannchen 
viel  grösser  als  die  Weibchen,  letztere  braun,  entere  schwärzlich.  Die 
Schneehühner  (Layopus)  haben  den  ganzen  Fuss  befiedert;  sie  sind  im 
Sommer  braun,  im  Winter  gewöhnlich  weiss ;  beide  europäische  Arten  leben 
nur  in  kälteren  Gegenden;  die  eine,  L.  mulus,  gehört  ausschliesslich  dem 
hohen  Norden  und  den  Alpen  an,  die  andere,  L.  albus,  kommt  noch  inner- 
halb der  Grenzen  Deutschlands  (Ostpreussen)  vor.  Das  Steppenhuhn 
(Syrrhaptes  paradoxus)  zeichnet  Bich  durch  seine  langen  Flügel  und  durch 
die  kurzen,  befiederten  Füsse  aus,  welche  keine  Hinterzehe  besitzen;  es  ist 
auf  den  Steppen  Westasiens  zu  Hause,  ist  aber  in  den  letzten  Jahrzehnten 
zu  wiederholten  Malen  in  grossen  Schaaren  (1863,  1888)  in  Europa  (auch 
iu  Deutschland)  eingewandert,  ohne  sich  jedoch  dauernd  anzusiedeln. 

2.  Die  Fasan-Gruppe  (Phasianomorphae).  Die  Nasenlöcher  nackt, 
mit  einem  kleinen  gewölbten  Deckel.  Der  Mittelfuss  des  Männchens  in  der 
Regel  mit  einem  Sporn  (selten  mit  zwei  solchen)  versehen,  welcher  beim 
Weibchen  rudimentär  ist. 

a.  Die  Fasan-Familie  (Pliasianidae).  Schwanz  um  eine 
Mittelaxe  zusammengebogen,  dachförmig.  Häufig  nackte  Anhänge  am  Kopf. 
Sporn  vorhanden.  Männchen  und  Weibchen  sehr  verschieden.  Südasien. 
Hierzu  gehören:  Das  Haushuhn  (Gallus  domestious)  mit  einem  nackten 
Hautkamm  auf  dem  Kopfe,  <$  mit  langen,  gebogenen  Schwanzdeckfedern; 
eß  stammt  vom  Bankiva-Huhn  (G.  bankiva)  ab.  Ferner  die  Fasane 
(Phasianus),  von  denen  eine  Art  (Ph.  Colchicum)  an  vielen  Stellen  in  halb- 
gezähmtem Zustand  gehalten  wird;  sie  zeichnen  sich  durch  ihren  langen, 
spitzen  Schwanz  aus  (die  Steuerfedern  Belbst  sind  verlängert). 

b.  Die  Pfau-Familie  (Paivnidae).  Schwanz  abgeplattet, 
ziemlich  lang;  Sporn  vorhanden.  Der  Pfau  (Pavo  cristaim)  mit  einem 
Federbusch  am  Kopf;  £  mit  ausserordentlich  langen  Schwanzdeckfedern, 
welche  emporgerichtet  werden  können;  Ostindien.  Das  Truthuhn  (JWf- 
Icagris  yalloparo) ,  Kopf  und  Hals  nackt ,  ein  weicher  Hautfortsatz  hangt 
von  der  Oberseite  des  Kopfes  am  Grunde  des  Schnabels  herab;  Nord- 
amerika. 

c.  Die  Rebhuhn- Familie  (Perdicidae).  Schwanz  abge- 
plattet, kurz;  Sporn  fehlt  oft.  In  Deutschland  leben  das  gemeine  Reb- 
huhn (Perdix  cinerea)  und  die  Wachtel  {Cotnmix  communis),  von  welchen 
letztere  Zugvogel  ist  und  in  Polygamie  lebt;  beide  haben  eine  nackte 
Hautatelle  hinter  dem  Auge,  es  fehlt  ihnen  der  Sporn,  $  und  $  ziemlich 
gleich.  Das  Perlhuhn  (Xumida  meleayris),  mit  nacktem  Kopf,  welcher 
einen  grossen  knöchernen  Aufsatz  trägt,  grau  mit  weissen  Flecken,  ohne 
Sporn,  ist  in  Afrika  zu  Hause. 

3.  Die  Hokko's  (Oracidac.  Gatt.  Orax  etc.)  Grosse  Vögel  mit 
ziemlich  langem  MittelfuBS,  gebogenen  und  spitzen  Krallen,  langem  Schwanz ; 
Schnabel  am  Grunde  mit  einer  „Wachshaut"  überzogen,  oft  ein  grosser 
Höcker  auf  der  Schnabel wurzel,  häufig  eine  aus  aufgerichteten ,  nach  vorne 
gebogenen  Federn  gebildete  Haube  auf  dem  Scheitel.  Brüten  in  Bäumen. 
Mexico  und  Südamerika. 

4.  Die  Grossfus shühner  oder  Talegalla's  (Gatt.  Megapo- 
diu*  etc.)  zeichnen  sich  durch  die  Länge  der  Krallen  und  die  kräftige  Aus- 
bildung der  Hinterzehe  aus,  welche  auf  gleicher  Höhe  mit  den  übrigen 
Zehen  eingelenkt  ist.    Sie  sind  dadurch  besonders  merkwürdig,  dass  sie 


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Wirbelthiere.   5.  Classe:  Vögel. 


475 


ihre  sehr  grossen  Eier  nicht  ausbrüten,  sondern  dieselben  entweder  in  einen 
Haufen  von  zusammengetragenen  Pflanzentheilen,  in  einen  Sandhaufen  oder 
in  eine  im  Sande  gegrabene  Vertiefung  ablegen ;  die  Eier  werden  dann  ent- 
weder durch  die  Wärme  ausgebrütet,  welche  durch  die  Gährung  der  Pflanzen- 
stoffe entsteht,  oder  einfach  durch  die  Sonnenhitze.  Die  Jungen  verlieren 
das  Dunenkleid  schon  im  Ei  und  schlüpfen  mit  ausgebildetem  Federkleide 
aus.    Australien,  Philippinen. 

5.  Ordnung.    Schwimmvögel  (Natutorea). 

Die  Füsse  sind  im  Allgemeinen  Schwimmfüsse,  d.  h.  es  ist 
zwischen  den  Vorderzehen,  fast  bis  an  die  Spitze  derselben,  eine  Haut 
ausgespannt.  In  der  Regel  sind  die  Füsse  kurz,  die  Krallen  kurz, 
niedergedrückt,  die  Hinterzehe  meistens  sehr  klein,  das  untere  Ende 
des  Unterschenkels  nackt,  mit  Schuppen  bedeckt.  Der  Schwanz  in 
der  Regel  kurz.  Das  Gefieder  dicht,  elastisch.  Die  Schwimmvögel 
sind  im  Stande,  mittels  der  Hintergliedraaassen  zu  schwimmen, 
nicht  wenige  können  sogar  mehr  oder  weniger  tief  unter  die  Ober- 
fläche des  Wassers  hinunter  schwimmen:  tauchen  *),  wobei  sie  öfters 
die  Flügel  mit  als  Schwimmwerkzeuge  benutzen  ;  andere  können  nur 
den  Kopf,  Hals  und  Vorderleib  unter  das  Wasser  bringen,  während 
der  übrige  Körper  oberhalb  des  Wassers  bleibt.  Der  Gang  ist  meistens 
weniger  gut ;  das  Flugvermögen  ist  bei  einigen  gut,  bei  anderen  mehr 
oder  weniger  rückgebildet. 

1.  Die  Möwengruppe  (Longipennes).  Lange,  spitze  Flügel,  kurze 
Hinterzehe,  spaltförmige ,  seitlich  am  Schnabel  angebrachte  Nasenlöcher-, 
Schwanz  wohl  entwickelt.  Die  meisten  sind  Küstenvögel  (einige  können 
aber  auch  an  süssen  Gewässern  leben)  und  ernähren  sieh  von  Fischen  und 
anderen  Meeresthieren ,  nach  welchen  sie  sich  in  der  Regel  auf  das  Meer 
niederstürzen;  vorzügliche  Flieger.  Die  Möwen  (Larus)  sind  grössere 
hellgefärbte  Vögel  mit  einem  an  der  Spitze  gebogenen  Schnabel  und  einem 
quer  abgeschnittenen  Schwanz ;  mehrere  Arten  an  den  Küsten  Deutschlands. 
Bei  den  Raubmöven  (Lesiris)  sind  die  beiden  mittleren  Steuerfedern 
länger  als  die  übrigen ;  Furchen  am  Schnabel ,  dunkle  Farben ;  sie  ver- 
folgen andere  Meeresvögel,  wenn  diese  eine  Beute  gemacht  haben,  und  er- 
greifen letztere,  wenn  jene  sie  fallen  lassen;  ausserdem  fischen  sie  selbst 
und  treten  als  echte  Raubvögel  auf,  indem  sie  Vögel  und  kleinere  Säuge- 
thiere  rauben;  nordische  Vögel,  an  den  Küsten  Deutschlands  selten.  Die 
Seeschwalben  (Sterna)  weichen  von  den  Möwen  durch  ihren  langen, 
geraden,  spitzen  Schnabel  und  den  gegabelten  Schwanz  ab ;  mehrere  Arten 
in  Deutschland. 

2.  Die  Sturmvögel  (Tubinares)  unterscheiden  sich  besonders  da- 
durch von  der  vorhergehenden  Gruppe,  dass  die  Nasenlöcher  oben  auf 
dem  Schnabel  am  Ende  zweier  Röhren  sitzen,  welche  längs  des  oberen 
Schnabelrandes  liegen.  Werden  in  der  Regel  auf  offenem  Meere  angetroffen. 
Hierzu  gehören  der  möwenähnliche,  hochnordische  Eissturmvogel  (Ful- 
marus  glaciaHs),  die  kleine,  dunkle  gefärbte  Sturmschwalbe  oder 
St.  Petersvogel  (ProceUaria  peiagica) ,  im  Atlantischen  Meer,  und  der 
grosse  Albatross  (Diomedea  exulans)  auf  der  südlichen  Halbkugel,  beim 
Kap  etc.;  letzterem  fehlt  die  Hinterzehe. 

l)  Im  Gegensatz  zu  solchen  Schwimmtauchern  werden  diejenigen  Vögel, 
welche  sich  während  des  Fluges  aus  der  Luft  unter  das  Wasser  hinabstürzen,  als 
Stosstauoher  bezeichnet. 


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476  Specieller  Theil. 

3.  Die  Ruderfüssler  (Steganojxxies)  haben  eine  grosse,  nach  innen 
gerichtete  Hinterzehe,  welche  durch  eine  Schwimmhaut  mit  den  übrigen 
drei  Zehen  verbunden  ist,  so  daBS  hier  also  eine  Schwimmhaut  zwischen 
allen  vier  Zehen  vorhanden  ist  (Ruderfuss).  Schnabel  lang,  gerade,  in  der 
Regel  mit  nach  unten  gebogener  Spitze.  Die  schwarze  Scharbe  oder 
der  Kormoran  ((rraculus  mrbo)  ist  ein  dunkel  gefärbter  Vogel  mit 
schmalem,  an  der  Spitze  hakig  gebogenem  Schnabel;  brütet  gesellig  in 
Bäumen  in  der  Nähe  des  Meeres  oder  süsser  Gewässer,  ernährt  sich  von 
Fischen ;  fast  durch  ganz  Europa,  Asien,  Nordamerika  (im  Winter  auch  in 
Afrika).  Die  Pelikane  (Pekianns)  sind  weiss  mit  röthlichem  oder  gelb- 
lichem Anfluge;  der  Schnabel  lang,  gerade,  breit,  an  der  Spitze  hakig 
gebogen ;  die  Haut  zwischen  den  Unterkieferästen  sehr  erweiterungsfähig, 
bildet  in  ausgedehntem  Zustande  einen  grossen  Sack  (zum  Aufbewahren 
der  Beute) ;  Zunge  rudimentär ;  zwei  Arten  in  Südeuropa,  welche  sich  bis« 
weilen  nach  Deutschland  verfliegen.  Der  Fregattvogel  {Tachypete-s 
aquila)  mit  langen  spitzen  Flügeln,  gabeligem  Schwanz  und  schwach  ent- 
wickelter Schwimmhaut,  lebt  auf  offenem  Meere  innerhalb  der  Wendekreise. 
Der  Tölpel  (Sula  Itassana),  mit  langen  Flügeln  und  einem  langen,  kräftigen, 
spitzen  Schnabel,  stürzt  sich  nach  seiner  Beute  tief  in's  Wasser  hinein; 
häufig  bei  Island  und  den  Färöern,  selten  an  der  deutschen  Nordseeküste. 

4.  Die  Steissfüssler  (I)jgo]x>des).  Flügel  schwach  entwickelt,  aber 
mit  gewöhnlicher  Befiederung.  Schnabel  verschieden.  Schenkel  und  grösster 
Theil  des  Unterschenkels  in  die  Rumpfhaut  eingeschlossen,  aus  welcher  nur 
das  unterste  Ende  des  Unterschenkels  dicht  beim  After  hervorragt  Schwanz 
kurz.  Der  Körper  wird  beim  Gango  aufrecht  gehalten.  Sie  tauchen  nach 
Fischen ,  Schalthieren  u.  Aehnl.    Gehören  der  nördlichen  kalten  Zone  an. 

a.  Die  Seetaucher  {Colymbus)  besitzen  gewöhnliche  Schwimm- 
füsse  mit  einer  kleinen  Hinterzehe,  Schnabel  lang,  spitz,  gerade.  Hoch- 
nordische Vögel,  welche  am  Süsswasser  nisten;  eine  Art  (C.  septentrionaiis) 
kommt  im  Winter  häufig  in  Deutschland  vor.  —  Die  Steiss füsse  oder 
Lappentaucher  (l'odiceps)  sind  den  Seetauchern  ähnlich,  unterscheiden 
sich  aber  dadurch ,  dass  eine  zusammenhängende  Schwimmhaut  nicht  vor- 
handen ist,  sondern  jede  Vorderzehe  jederseits  einen  breiten  Hautsaum 
( Spaltschwimmfuss )  besitzt ;  sie  bauen  ein  schwimmendes  Nest  auf  stehenden 
Gewässern;  mehrere  Arten  brüten  in  Deutschland. 

b.  Die  Alkenfamilie  (Ahidat)  unterscheiden  sich  von  den 
vorigen  durch  den  Mangel  einer  Hinterzehe.  Sie  brüten  gesellig  am  Meere. 
Dazu  gehören:  Die  Lummen  (Cria)  mit  ziemlich  langem,  geradem,  zu- 
gespitztem, zusammengedrücktem  Schnabel ;  brüten  besonders  an  den  nörd- 
lichen Meeren,  zwei  Arten  kommen  im  Winter  häufig  an  die  Ost-  und  Nord- 
seeküsten. Der  Alk  (AU-a  tarda)  mit  stark  zusammengedrücktem,  ge- 
furchtem, etwas  gebogenem  Schnabel ;  brütet  im  hohen  Norden ,  kommt  im 
Winter  häufig  an  die  deutschen  Küsten.  Mit  letzterem  verwandt  ist  der 
iu  unserem  Jahrhundert  ausgestorbene,  grosse  Geiervogel  oder  Rieseu- 
alk  (Alca  imjjcnnis),  dessen  rückgebildete  Flügel  zum  Flug  völlig  unbrauch- 
bar waren ;  er  lebte  bei  Island,  Neufundland  etc. ,  in  Behr  alter  Zeit  auch 
an  den  dänischen  Küsten.  Der  Lund  oder  Papageitaucher  (Momton 
fraicrmla)  hat  einen  noch  stärker  zusammengedrückten,  hohen,  gefurchten 
Schnabel ;  er  gräbt  sich  lange  Röhren  in  die  Erde  und  nistet  in  denselben ; 
brütet  hauptsächlich  an  den  Küsten  des  hohen  Nordens  (Islands  etc.). 

5.  Die  Pinguine  (Impenws)  sind  eine  sehr  abweichende  Gruppe 
von  Vögeln,  welche  besonders  dadurch  ausgezeichnet  sind,  dass  die  ziemlich 
kleinen  Vordergliedmaassen  in  allen  Gelenken  mit  Ausnahme  des  Schulter- 


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Wirbelthiere.   5.  Classe:  Vögel. 


477 


gelenkes  unbeweglich  und  mit  kleinen,  schuppenähnlichen  Federn  bedeckt 
sind  (keine  besonders  entwickelten  Schwungfedern) ;  sie  sind  natürlich  als 
Flugwerkzeuge  unbrauchbar,  werden  aber  beim  Schwimmen  benutzt.  Ebenso 


Fig.  332.    Kiese  n  ulk.  —  Nach  Brehm.  Fig.  333.    Pinguin.  —  Nach  Brehm. 

wie  die  Alken  haben  die  Pinguine  einen  aufrechten  Gang  und  treten  (wie 
einige  der  Alken)  mit  dem  ganzen  Fuss  auf,  dessen  Mittelfuss  kurz  und  breit 
ist;  die  kleine  Hinterzehe  ist  nach  vorn  gewendet.  Der  Schwanz  ist  sehr 
kurz.  Die  Federn  sind  gleichmässig  vertheilt,  sitzen  nicht  in  Fluren. 
Leben  auf  der  südlichen  Halbkugel. 

6.  Die  Entenvögel  (Lamdlirostres).  Grosser,  in  der  Regel  breiter, 
am  Grunde  höherer,  gegen  die  Spitze  abgeplatteter  Schnabel,  welcher  grössten- 
theils  mit  einer  weichen  Haut  bedeckt  ist,  nur  an  der  Spitze  des  Ober- 
schnabels  eine  nagelähnliche,  feste  Hornplatte ;  längs  der  Kieferränder  eine 
Reihe  kleiner,  in  der  Regel  plattenförmiger  Fortsätze.  Dicke  weiche  Zunge. 
Kleine  Hinterzehe. 

a.  Die  Enten  (Anntinae)  sind  kleinere  Entenvögel  mit  kurzem 
Hals  und  breitem,  plattem  Schnabel  mit  einer  kleinen  Hornplatte;  das 
Männchen  prächtiger  als  das  Weibchen  gefärbt;  Winter-  und  Sommerkleid 
verschieden.  Zugvögel.  Hierzu  gehören  die  Stockente  {Anas  botchai), 
Stammform  der  Hausente,  ferner  die  Krickente  (A.  creeca),  die 
Knäckente  (A.  qmrquedula),  die  Löffelente(.4.  elyprata),  deren  Schnabel 
sehr  gross  und  mit  langen  Randblättchen  versehen  ist,  etc.;  alle  diese  und 
mehrere  andere  kommen  in  Deutschland  vor,  mit  Ausnahme  der  Stockente 
und  Knäckente  brüten  sie  aber  ausschliesslich  oder  überwiegend  in  nörd- 
licheren Gegenden. —  Die  Tauchenten  (Fulignlinae)  weichen  von  den 
Enten  durch  den  Besitz  eines  kleinen  Hautlappens  an  der  Hinterzehe  ab, 
welcher  jenen  abgeht,  und  dadurch,  dass  sie  tauchen  können;  die  meisten 
sind  hochnordische  Vögel,  mehrere  erscheinen  im  Winter  an  den  deutschen 
Küsten.  Zu  dieser  Abtheilung  gehört  die  Eiderente  (Somateria  moüwftima), 
welche  auf  den  Färöern,  bei  Island  und  Grönland  massenhaft,  in  geringerer 
Anzahl  auf  mehreren  dänischen  Inaein  und  auf  Sylt  brütet.  —  Die  Säger 
(Merginae:  Gatt.  Mergus  u.  a.)  weichen  dadurch  von  den  Tauchenten  ab, 


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478 


Specieller  Theil. 


das s  der  Schnabel  schmal,  an  der  Spitze  hakig  gebogen  und  am  Rande 
mit  zahnartigen  Fortsätzen  versehen   ist.    Mehrere  Arten  in  Deutschland. 

b.  Die  Gänse  (Anserinae).  Grössere,  ziemlich  langhalsige  und 
hochbeinige  Entenvögel  ohne  Hautlappen  an  der  Hinterzehe,  Schnabel  an 
der  Wurzel  hoch  und  mit  einer  grossen  Hornplatte  an  der  Spitze.  Im 
Gegensatz  zu  den  übrigen  Entenvögeln,  welche  sich  von  Gethier  ernähren 
oder  Allesfresser  sind,  ernähren  sich  die  Gänse  vorzugsweise  von  Pflanzen, 
welche  sie  mit  ihrem  Schnabel  abweiden;  auch  leben  sie  weit  mehr  auf 
dem  Lande  als  die  übrigen.  In  der  Regel  kein  bedeutender  Geschlechts- 
unterschied. In  Deutschland  brütet  die  Graugans  (Amer  cinrrewi),  die 
Stammform  der  Hausgans;  mehrere  nordische  GänBe  kommen  auf  dem 
Zug  nach  Deutschland. 

c.  Die  Schwäne  (Oygnits).  Grosse,  sehr  langhalsige,  aber  kurz- 
beinige Entenvögel,  die  Hinterzehe  ohne  Hautlappen,  Schnabel  an  der 
AVurzel  hoch,  an  der  Spitze  abgeplattet.  In  der  gemässigten  und  der  kalten 
Zone;  die  der  nördlichen  Halbkugel  weiss,  die  der  südlichen  ganz  oder 
theil  weise  schwarz.  Der  Singschwan  (C.  mtuticux)  ist  ein  nordischer 
Vogel,  welcher  Deutschland  auf  dem  Zug  durchzieht.  Der  Höcker- 
schwan (C.  okjr)  brütet  in  Deutschland,  wird  häufig  gezähmt  gehalten. 
Der  schwarze  Schwan  (C.  atralus)  lebt  in  Neuholland. 

d.  Die  Flamingos  (Phoenicojitcrus)  sind  durch  die  sehr  ver- 
längerten Schien-  und  Mittelfussbeine  Watvögeln  ähnlich ;  der  Hals  ausser- 
ordentlich lang;  der  Schnabel  querüber  in  der  Mitte  wie  geknickt,  übrigens 
dem  der  Enten  ähnlich;  Zunge  weich  und  gross;  Schwimmhaut  vorhanden. 
Eine  Art  dieser  grossen  Vögel  lebt  in  den  Mittelmeerländern,  watet  im 
Wasser  am  Strande  umher. 

6.  Ordnung.    Watvögel  {GraUatores). 

Die  Beine  sind  "Watbeine:  der  untere  Theil  des  Unterschenkels 
nackt,  mit  Schuppen  bekleidet,  der  Mittelfuss  lang,  keine  Schwimm- 
haut (ausnahmsweise  ist  eine  solche  vorhanden).  Der  Kopf  ist  klein, 
der  Schnabel  in  der  Regel  lang  und  schmal.  Der  Hals  lang,  stark 
S-förmig  gekrümmt,  oft  mit  langen  Federn,  welche  die  Biegungen 
verdecken,  so  dass  der  Hals  kurz  und  dick  erscheint.  In  der  Regel 
gute  Flieger.    Die  Nahrung  ist  gewöhnlich  thierischer  Art. 

1.  Grosssch  näblige  Watvögel  (Altinares).  Schnabel  gross, 
kräftig,  weit  länger  als  der  übrige  Theil  des  Kopfes,  mit  fester  Hornscheide, 
kleinen,  hoch  gestellten  Nasenlöchern.  Flügel  gross.  Vögel  von  ansehn- 
licher Grösse,  welche  ihr  Nest  hoch  über  der  Erde  (an  Bäumen  etc.)  bauen 
und  ihre  Jungen  füttern. 

a.  Die  Reiher  (Herodii).  Hinterzehe  lang,  mit  einer  grossen 
Kralle  versehen,  berührt  in  ihrer  ganzen  Länge  die  Erde.  In  Deutschland 
leben :  Der  Fischreiher  (Ardea  cinerea),  häufig,  nistet  gesellig  auf  Bäumen  : 
die  Rohrdommel  {Botaurus  steUaris),  mit  losem  Gefieder  und  bräunlichen 
Farben,  Nachtvogel;  der  Nachtreiher  (Nycticorax  gris&ts)  mit  dickem 
Schnabel,  selten;  u.  a. 

b.  Die  Störche  {Pelnrgi),  Hinterzehe  kürzer,  mit  kleinerer 
Kralle  und  höher  als  die  anderen  Zehen  eingelenkt.  Hierzu:  Der  weisse 
Storch  {Ciconia  alba)  und  der  schwarze  8torch  (C.  nigra),  beide  in 
Deutschland  brütend  (letzterer  seltener),  Zugvögel.  Die  Kropfstörche  oder 
Marabu 's  (Leptoptilus)  mit  sehr  kräftigem  Schnabel,  kahlem  Hals  und  Kopf, 


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Wirbelthiere.   5.  Cla«*}:  Vögel 


479 


Aasfresser,  in  Afrika  und  Ostindien.  Der  Löffel  storch ')  (PkUolea 
leucorodia)  mit  stark  abgeplattetem,  an  der  Spitze  breitem  Schnabel,  in  Süd- 
Europa,  selten  in  Deutschland.  Der  weisse  heilige  Ibis  (Ibis  reiigiosa) 
der  alten  Aegypter  zeichnet  sich  durch  einen  ziemlich  dünnen,  sanft  ge- 
bogenen Schnabel  und  durch  nackten  Kopf  und  Hab  aus ;  jetzt  in  Aegypten 
selten,  häufig  im  Sudan  und  südlichen  Nubien. 

2.  K  u rz s ch näbl ige  Wat  vögel  (Brevirostres).  Schnabel  kurz, 
gewöhnlich  ziemlich  dick,  mit  fester  Hornscheide  und  grossen,  niedrig  ge- 
stellten Nasenlöchern.  Die  Mehrzahl  sind  kleine  oder  mittelgrosse  Vögel, 
welche  auf  der  Erde  nisten;  die  Jungen  laufen  fast  gleich  umher. 

a.  Die  Regenpfeifer  (Cfiaradriidas).  Kleinere  Vögel  mit 
kleiner  Hinterzehe  oder  ohne  solche.  Unter  den  in  Deutschland  vorkom- 
menden führen  wir  folgende  an:  Der  Kiebitz  (Vandlus  cristatits)  mit 
Federhaube  auf  dem  Kopf,  Hinterzehe  vorhanden,  nistet  auf  Wiesen.  Der 
Steinwälzer  ( Strepsilas  interpres)  mit  Hinterzehe,  der  kurze  Schnabel  etwas 
nach  oben  gebogen ;  fast  über  die  ganze  Erde  verbreitet,  am  Strande.  Der 
Austernfischer  (Haematopus  ostralegus)  ohne  Hinterzehe,  mit  langem 
Schnabel,  am  Strande.  Der  Goldregenpfeifer  (Cfiaradritis  pluvialis) 
ohne  Hinterzehe,  mit  kurzem,  an  der  Spitze  kolbigem  Schnabel ;  auf  Haiden 
etc.,  nicht  am  Meere.  Alle  vier  sind  Zugvögel,  die  drei  enteren  brüten 
in  Deutschland,  letzterer  wesentlich  im  hohen  Norden,  kommt  auf  dem  Zug 
durch  Deutschland. 

b.  Die  Trappen  (Otididae).  Grössere,  hühnerartige  Vögel  mit 
kurzem,  kegelförmigem  Schnabel  und  kurzen  kräftigen  Zehen;  die  Hinter- 
zehe fehlt.  Leben  in  baumlosen  trockenen  Ebenen.  Die  grosse  Trappe 
(Otis  tarda)  ist  an  einigen  Stellen  in  Deutschland,  z.B.  in  Sachsen,  häufig; 
die  kleine  Trappe  (O.  tetrax),  in  den  Mittelmeerländern  zu  Hause,  hat 
sich  seit  den  siebziger  Jahren  in  Thüringen  als  Brutvogel  niedergelassen, 
verfliegt  sich  auch  sonst  zuweilen  nach  Deutschland. 

c.  Die  Sumpfhühner  (HaUidae).  Zehen  lang,  die  Hinterzehe 
wohl  entwickelt,  der  Schnabel  kürzer  oder  länger.  Beispielsweise  führen 
wir  an:  Die  Wasser  ralle  (RoUhs  aquaticus),  Schnabel  gerade,  länger  als 
der  übrige  Kopf;  der  Wachtel  könig  (Orea  pratensis) ;  das  Teichhuhn 
(Gallinula  cläoropus);  das  Wasserhuhn  (Fulica  atra)  mit  einem  Haut- 
saum längs  jeder  Seite  der  Vorderzehen ;  die  beiden  letzteren  mit  einer 
nackten  hornigen  Stirnschwiele  oberhalb  des  Schnabels.  Alle  vier  sind 
Zugvögel,  welche  in  Deutschland  brüten. 

d.  Die  Kraniche  (Gruidae).  Ziemlich  starker,  gerader,  spitzer 
Schnabel;  Beine  sehr  hoch,  Zehen  kurz,  Hinterzehe  klein,  Hals  lang. 
Grössere  Vögel.  Der  gemeine  Kranich  (Grus  cinerea)  brütet  innerhalb 
Deutschlands  nur  im  Nordosten,  sonst  in  nördlicheren  Ländern,  kommt  auf 
dem  Zug  durch. 

3.  Dünnschnäblige  Watvögel  (Debüirostres).  Schnabel  lang, 
dünn,  oft  biegsam,  häufig  mit  einer  weichen  Haut  versehen.  Uebrigens  wie 
die  kurzschnäbligen.  In  der  Lebensweise  sind  sie  echte  Watvögel.  Dazu  ge- 
hören: Die  Schnepfen  (Scolopax)  mit  langem,  geradem,  weichem  Schnabel 
(Waldschnepfe  fS.  rustwola/,  Mittelschnepfe  /S.  major],  Heerschnepfe  oder 
gemeine  Bekassine  [S.  gaUinago/,  Moorschnepfe  /S.  gaüinulaj).  Die  kleinen 
Strandläufer  (Tringa),  hochnordische  Brutvögel.  Der  Kampfläufer 
(Machetes  pugnax).  Die  Wasserläufer  (Totanus).  Die  Uferschnepfen 
(Limosa).    Der  Brachvogel  (Xumenws  arcuata)  mit  sehr  langem,  bogen- 


')  Meistens  Löflelr  einer  genannt. 


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480 


Specieller  Theil. 


förmig  abwärts  gekrümmtem  Schnabel .  Der  Säbelschnabler  (Ruurvi- 
rostra  avocetta)  mit  sehr  langem,  aufwärts  gebogenem  Schnabel  und  unvoll- 
ständiger Schwimmhaut  zwischen  den  Zehen.  Alle  genannten  (und  andere 
mehr)  kommen  in  Deutschland  vor,  alle  sind  Zugvögel.  —  Die  kleinen 
Odinshennen  oder  Wassertreter  (Plialaropm),  mit  Hautsaum  längs  der 
Zehen,  sind  hochnordische  Vögel  (auf  Island  etc.),  welche  sich  selten  nach 
Deutschland  verirren.    Das  Männchen  scheint  allein  die  Eier  auszubrüten. 

7.  Ordnung.    Raubvögel  (Accipitres  oder  Rapaces). 

Schnabel  kurz,  kräftig,  an  der  Wurzel  dick,  Oberschnabel  stark 
gebogen,  mit  nach  unten  gerichteter  Spitze.  Kräftige  Füsse,  die 
starken  Krallen  haben  die  Form  eines  langen,  spitzen,  gebogenen 
Kegels;  die  Hinterzehe  in  der  Regel  sehr  kräftig.  Flügel  gross.  In 
der  Regel  stattliche  Vögel,  welche  sich  von  Raub  oder  Aas  ernähren. 
Das  Weibchen  grösser  als  das  Männchen.  Die  neugeborenen  Jungen 
sind  zwar  mit  Dunen  dicht  bekleidet,  bleiben  aber  längere  Zeit  im 
Nest  und  werden  von  den  Eltern  gefüttert. 

1.  Tagraubvögel  (fkmeroharjxujes).  An  der  Wurzel  des  Schnabels 
eine  nackte,  halbfeste  Haut,  die  Wachshaut.  Kopf  und  Hals  befiedert. 
Hinterzehe  gross ,  in  derselben  Höhe  mit  den  Vorderzehen  eingelenkt, 
trägt  eine  sehr  kräftige  Kralle.    Sie  fangen  lebendige  Thiere. 

a.  Die  Habichte  (Astttridae).  Die  Hinterseite  des  Mittel* 
fuBses  mit  grösseren  Hornplatten  bedeckt;  Flügel  mittellang.  In  Deutsch* 
land  häufig  sind  der  Hühnerhabicht  (Astur  palumbarius)  und  der  kleinere 
Sperber  (--1.  nisus),  beide  Stand-  oder  Strichvögel.  Der  Secretär 
{Gypogeramis  secretariw),  ausserordentlich  hochbeinig,  Mittelfuss  sehr  lang, 
Zehen  kurz,  erinnert  an  die  Watvögel;  Steppenvogel,  welcher  besonders 
von  Reptilien  lebt;  Afrika.  —  Von  den  Habichten  weichen  die  Bussarde 
(Buteo)  besonders  durch  die  längeren  Flügel  ab.  Die  Weihen  (Ora«s)» 
ebenfalls  mit  langen  Flügeln,  zeichnen  sich  besonders  durch  den  Besitz 
eines  ähnlichen  „ Schleiers"  wie  die  Eulen  aus. 

b.  Die  Falken  (Fahonidae).  Hinterseite  des  Mittelfusses  mit 
zahlreichen  kleinen  Schuppen.  Kurzer,  kräftiger,  von  der  Wurzel  aus  ge- 
bogener Schnabel  mit  grösserem  Zahn  nahe  der  Spitze.  Flügel  gewöhnlich 
lang.  Die  wichtigsten  in  Deutschland  vorkommenden  sind:  Der  Thurm- 
falk  (Falco  tinnunculwi),  der  Wander  falk  (F.jwcgrinus),  der  Lerchen- 
falk  (F.  subbuteo)  und  der  Zwergfalk  (  F.  aesalon);  alle  genannten  sind 
Zugvögel,  die  drei  ersteren  nisten  in  Deutschland,  der  letzte  im  Korden 
(kommt  im  Winter  nach  Deutschland).  Der  Jagd  falk  (F.gyrfalco)  ist  ein 
hochnordischer  Vogel. 

c.  Die  Adler  (Aquüida*).  Der  Mittelfuss  wie  bei  den  Falken 
(aber  häufig  befiedert) ;  Schnabel  meistens  länger,  nur  an  der  Spitze  gebogen, 
sehr  kräftig,  ohne  Zahn.  Grosse  Vögel  mit  langen  Flügeln.  Die  Edel- 
adler  (Aqtiila)  zeichnen  sich  durch  den  ganz  befiederten  Mittelfuss  aus; 
die  in  Deutschland  häufigste  Art  dieser  Gattung  ist  der  Schreiadler 
(A.  ttaevia),  selten  dagegen  sind  die  grösseren,  derStei  n  ad  ler  (A.chrysdetus) 
und  der  Kaiseradler  (A.  imj)eriaiut).  Der  grosse  Seeadler  {Haliaetus 
aUncüla),  dessen  Hittelfinger  nur  in  der  oberen  Hälfte  befiedert  ist,  lebt 
sowohl  von  Landthieren  als  von  Fischen;  besonders  in  Norddeutschland. 
Der  Flussadler  (Pattdioti  halütetus)  zeichnet  sich  durch  den  kurzen  Schnabel 
und  dadurch  aus,  dass  die  äussere  Zehe  eine  Wendezehe  ist  (kann  nach 


Wirhelthiere.    ft.  Claas«» :  Vögel. 


481 


hinten  gerichtet  werden);  nährt  sich  von  Fischen;  kosmopolitisch,  ist  in 
allen  fünf  Welttheilen  gefunden.  —  Der  rothe  Milan  (Müvus  regalia) 
unterscheidet  sich  von  den  Adlern  durch  seinen  kleineren  Schnabel,  Schwanz 
gegabelt;  häufig  in  Deutschland. 

2.  Die  Ost  geier  {^qrrohoipngts).  Kopf  und  oberer  Theil  des  Halses 
in  der  Kegel  kahl  oder  mit  Dunen  bekleidet.  Hinterzehe  gross,  mit  den 
übrigen  Zehen  auf  gleicher  Höhe  eingelenkt.  Die  Krallen  weniger  kräftig, 
etwas  niedergedrückt.  Flügel  gross.  Zahlreiche  kleine  Schuppen  auf  der 
Hinterseite  des  Mittelfusses.  Grosse  Vögel,  welche  sich  meistens  von  Aas 
ernähren;  leben  in  den  heisseren  Theilen  der  alten  Welt.  Der  grosse 
weissköpfige  Geier  {Vultur  fukus),  dessen  Kopf  und  Hals  mit  weiss- 
lichem  Flaum  bedeckt  ist,  und  der  kleinere  Aasgeier  {Ncophron percnopterns), 
mit  nacktem  Kopf  und  sehr  langem,  dünnem  Schnabel,  leben  in  den  Mittel- 
meerländern und  in  Afrika,  verfliegen  sich  zuweilen  nach  Deutschland. 
Bei  dem  grossen  Lämmergeier  {Gyjxietus  btibutus),  in  den  Alpen, 
Pyrenäen  etc.,  ist  der  Hals  mit  Federn,  der  Kopf  mit  Dunen  bekleidet;  er 
bildet  den  Uebergang  zu  den  Tagraubvögeln. 

3.  Die  Westgeier  (Necrofotrpages).  Kopf  und  oberer  Theil  des 
Halses  in  der  Regel  nackt.  Hinterzehe  kleiner,  höher  als  die  übrigen  ein- 
gelenkt. Nasenscheidewand  durchbrochen.  Sehr  grosse  Flügel.  Aasfresser,  in 
Amerika,  besonders  Südamerika.  Die  grösste  Art  ist  der  Kondor  (Sarco- 
rhamphus  gryphtis),  eine  zweite  ansehnliche  Form  ist  der  Königsgeier 
(S.  papa)  mit  buntgefärbtem  Hals  und  Kopf;  kleiner  die  Rabengeier 
(Githartes). 

4.  Die  Eulen  (Nycth/trpages).  Der  hintere  Theil  des  Kopfes  so  breit, 
dass  die  Augen  nach  vorne  gerichtet  sind  (bei  anderen  Raubvögeln 
sind  sie  seitwärts  gerichtet).  Das  Gesicht  ist  von  einem  Kreis  von  kurzen 
eigenthümlichen  Federn,  dem  Schleier,  eingefasst;  ausserdem  ein  Feder- 
kranz um  jedes  Auge ;  zwischen  diesem  Kranz  und  dem  Schleier  die  grosse 
Ohröffnung.  Borstenartige  Federn  umgeben  die  Schnabelwurzel.  Das  Ge- 
fieder weich,  in  der  Regel  bräunlich,  gesprenkelt.  Die  Aussenzehe  (Nr.  4) 
ist  eine  Wendezehe,  welche  nach  hinten  gewendet  werden  kann.  Die 
Hinterzehe  etwas  höher  als  die  übrigen  eingelenkt.  Der  Fuss  mit  den 
Zehen  gewöhnlich  befiedert. 

a.  Tag-Eulen  (Striges  diumne).  Die  Ohröffnung  einfach,  ohne 
Deckel.  8chleier  oben  unvollständig.  Sie  jagen  sowohl  am  Tage  wie 
Abends.  Hierher  gehören  von  deutschen  Eulen  der  grosse  Uhu  (Bubo 
niaximus)  und  die  kleine  Zwergohreule  (Ephialtes  scoj?s)t  beide  mit  zwei 
Federbüscheln  am  Kopfe;  häufiger  als  diese  ist  der  Steinkauz  {AUiene 
noctivi).  Die  Scbneeeule  (Xycten  nivea)  und  die  Sperbereule 
(Surnia  nisoria)  Bind  hochnordische  Vögel,  welche  sich  hin  und  wieder  nach 
Deutschland  verfliegen ;  auch  die  an  einzelnen  Stellen  in  Deutschland  ständig 
vorkommende  Sperlingseule  (OlnucitHum  p<mcrimtm)  ist  ein  mehr 
nördlicher  Vogel. 

b.  Nacht  -Eulen  (Striges  nocturnac).  Ohröffnung  sehr  gross, 
von  einer  Klappe  (Hautfalte)  überdeckt.  Schleier  vollständig.  In  Deutsch- 
land leben:  Der  Waldkauz  (Syrnium  ahtm),  der  seltene  Ural  k au z 
(S.  uralense),  die  Waldohreule  (Otus  ndgurü),  die  Sumpfohreule 
(O.  brachyotus*))  die  beiden  letzteren  mit  zwei  aufrichtbaren  Federbüscheln 
auf  dem  Kopf,  die  rauhfüss ige  Eule  (Xyciule  fttrur&t)  und  die  fast  kos- 
mopolitische Schleiereule  ( Strix  flammen). 

Boa«,  Zoologie.  31 


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482 


Specieller  Theil. 


8.  Ordnung.   Singvögel  (Oscines). 

Füsse  dünn,  zart  gebaut.  Die  Hinterzehe,  welche  kräftig  und 
mit  einer  grösseren  Kralle  als  die  anderen  Zehen  ausgestattet 
ist,  kann  für  sich  bewegt  werden,  während  sie  bei  allen  anderen 
Vögeln  stets  nur  gleichzeitig  mit  den  Vorderzehen  bewegt  werden 
kann  (weil  eine  der  Beugesehnen  der  Hinterzehe  bei  den  Vögeln  im 
Allgemeinen  mit  einer  der  Beugesehnen  der  Vorderzehen  verbunden 
ist,  während  dieselbe  bei  den  Singvögeln  frei  ist).  Die  Flügeldeck- 
federn klein  und  in  geringer  Zahl  vorhanden.  Bei  der  Mehrzahl  ist 
die  Hinterseite  des  Mittelfusses  grösstenteils  von  zwei  langen, 
schmalen  Platten  bedeckt  (anstatt  wie  gewöhnlich  von  zahlreichen 
Schuppen).  Am  unteren  Ende  der  Luftröhre  finden  sich  in  der  Regel 
mehrere  kleine ,  sonst  den  Vögeln  fehlende  Muskeln  (Singmuskeln). 
Nestbau  oft  ziemlich  künstlich.  Gewöhnlich  Körner-,  Beeren-  oder 
Insektenfresser. 

1.  Drosselvögel  (Timli formen).  Schnabel  gewöhnlich  gerade  oder 
an  der  Spitze  schwach  gebogen,  oft  mit  einem  Einschnitt  vorne  am  Rande 
des  Oberkiefers;  die  Nasenlöcher  sitzen  niedrig. 

a.  Die  Sänger  (Sylvuukie).  Schnabel  ziemlich  schwach,  zu- 
sammengedrückt, mittellang,  mit  einem  seichten  Einschnitt.  Kleine  oder 
mittelgrosse  Vögel,  z.  Th.  ausgezeichnete  Sänger.  Ernähren  sich  von  In- 
sekten und  Beeren.  Hierzu  gehören  von  deutschen  Vögeln  unter  anderen 
folgende:  Die  Drosseln  (Tunlus):  Schwarzdrossel  oder  Amsel  (T.  mertdn), 
Ringdrosßel  (T.  torquatiui),  Singdrossel  (T.  musicus)  etc.  Die  Wasser- 
ainsel  (Oinclus  aqiuiticux),  ungefähr  von  gleicher  Grösse  wie  die  Drosseln, 
an  üiessendem  Wasser,  taucht;  Standvogel.  Die  Nachtigall  (Lusciniu 
philomda),  das  Blaukehlchen  (L.  suecicu)  und  das  Rothkehlchen 
(L.  rubecula).  Die  Rothschwänze  (Iiutieiüa).  Die  Steinschmätzer 
(Saxicola).  Die  Gatt.  Syh'ia  (Grasmücken,  Rohr-  und  Laubsänger),  kleine 
zarte  Vögel,  meistens  von  unansehnlicher  Färbung.  Die  Goldhähnchen 
( Ifcguhis)  und  der  Zaunschlüpfer  ( Troglodytes  jxirvidux),  die  kleinsten 
Vögel  Deutschlands.  Die  Bachstelzen  (Motaeilia)  mit  langem,  wippendem 
Schwanz,  an  kleinen  Gewässern.  Die  Pieper  (Antiius)  mit  ähnlicher  langer 
Hinterkralle  wie  die  Lerchen. 

b.  Die  Würger  (Laniadae)  unterscheiden  sich  von  den  Sängern 
durch  ihren  stärkeren  Schnabel,  welcher  jederseits  am  Rande  dicht  inner- 
halb der  gebogenen  Spitze  mit  einem  starken  Zahn  versehen  ist.  Sie  fangen 
Insekten  und  kleine  Wirbelthiere  und  spiessen  dieselben  auf  Dornen.  In 
Deutschland  leben  mehrere  Arten,  von  denen  die  grösste,  Lantus  exeubüor, 
von  der  Grösse  einer  Drossel  ist. 

c.  Die  Meisen  (Paridae)  sind  kleine  Vögel  mit  weichem  Ge- 
fieder ;  Schnabel  kurz,  ziemlich  dick,  nicht  gebogen,  ohne  Einschnitt; 
Nasenlöcher  von  Borstenfedern  bedeckt.  Insektenfresser,  welche  zumeist  in 
hohlen  Bäumen  und  an  ähnlichen  Orten  brüten.  Hierhin  von  deutschen 
Vögeln  die  Kohlmeise  (Parus  major),  die  Blaumeise  (P.  cyaneus), 
die  Schwanzmeise  (P.  caudatm)  u.  a. 

d.  Die  Fliegenschnäpper  {Muscuxqmlae)  haben  einen  kurzen, 
geraden,  an  der  Wurzel  breiten  und  abgeplatteten  Schnabel  mit  steifen 
Borstenfedern  am  Grunde.    Vier  Arten  in  Deutschland. 

e.  Der  Seidenschwanz  (Ampelis  gamdus)  hat  einen  ziemlich 
kurzen,  an  der  Wurzel  etwas  breiteren  Schnabel ;  das  (Gefieder  weich.  Die 
merkwürdigste  Eigentümlichkeit  des  Vogels  ist,  dass  das  Ende  der  Schäfte 


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Wirbelthiere.    ß.  Claase:  Vögel. 


483 


der  Handschwungfedern  und  der  Steuerfedern  astlos  und  zu  einem  abge- 
platteten, spatelähnlichen  Theil  verbreitert  ist.  Brütet  im  hohen  Norden, 
kommt  im  Winter  häufig  nach  Deutschland.  —  Einer  verwandten  Gruppe 
gehört  der  Pirol  {Oriolus  galtnila)  an,  welcher  schön  gelb,  von  der  Grösse 
einer  Drossel  ist.    In  Deutschland. 

2.  Kegelschnäbler( (hrärostres).  Schnabel  kurz,  dick,  kegelförmig, 
mit  hochliegenden  Nasenlöchern.  Sie  ernähren  sich  besonders  von 
Samen;  die  Jungen  werden  mit  Insekten  gefüttert. 

a.  Die  Finken  (FringiUa).  Schnabel  dick,  ohne  hakige  Spitze. 
Der  Kernbeisser  (F.  coecothraustcs),  der  grösste  deutsche  Fink,  Schnabel 
ausserordentlich  dick  und  kräftig.  Der  Buchfink  (F.  coelebs),  Strich-  oder 
Zugvogel;  der  Bergfink  (F.  montifrinf/illa),  brütet  im  Norden,  kommt 
auf  dem  Zug  nach  Deutschland.  Die  Hänflinge:  Grünfink  (F.  chloris), 
Girlitz  (F.  serinus),  Bluthänfling  (F.  rannabina),  Berghänfling  (F.  montium)\ 
der  letztere  brütet  im  Norden,  kommt  im  Winter  nach  Deutschland.  Der 
S t  i e g  1  i  t z  (F. rardwlis),  der  kleine  gelblich  grüne  Erlenzeisig  (F. spinus), 
der  Birkenzeisig  (F.  litiaria).  Der  Haussperling  (F.  domesUca)  in 
Europa,  Asien,  Nordafrika,  auch  nach  Amerika  und  Australien  übergeführt, 
hat  sich  in  Nordamerika  ungeheuer  stark  vermehrt;  der  Feldsperling 
(F.  montana).  Der  Dompfaff  oder  Gimpel  (F.  pyrrhula).  Alle  ge- 
nannten in  Deutschlaud,  die  meisten  Stand-  oder  Strichvögel.  Von  fremden 
Formen  nennen  wir  nur  den  Kanarienvogel  (F.  canaria),  von  den  ka- 
narischen Inseln. 

b.  Die  Ammern  (Emberixa).  Schnabel  an  der  Spitze  zusam- 
mengedrückt, Oberschnabel  schmäler  und  niedriger  als  der  Unterscbnabel, 
Schnabelränder  eingebogen ;  meistens  ein  harter  Höcker  am  Gaumen.  Die 
Sehn  eea  ramer  (E.  nivalis),  nistet  im  Norden,  erscheint  im  Winter  häufig 
in  Deutschland;  ohne  Gaumenhöcker.  Die  Grauammer  (E.  müiaria), 
die  Goldammer  (E.  ritrineün),  die  Gartenammer  (E.  hortularta),  die 
Rohrammer  (E.  sehornicius).    Alle  genannten  in  Deutschland. 

c.  Die  Kreuzschnäbel  {Loxin)  sind  besonders  dadurch  aus- 
gezeichnet, dass  die  Spitzen  des  Ober-  und  Unterschnabels  einander  kreuzen. 
Nadelholzvögel.  In  Deutschland  L.  cwrirostra  und  pityopsittaetts.  —  Ver- 
wandt ist  der  Hakengimpel  (IHnicola  enndrator),  drosselgrosser  Vogel 
mit  hakiger  Oberkieferspitze,  gehört  dem  Norden  an,  selten  in  Deutschland. 

3.  Rabenvögel  (Corrifonurs).  Kräftiger,  ziemlich  grosser,  ungefähr 
gerader  Schnabel;  ziemlich  kräftige  Füsse.  Meistens  grössere,  gesellschaft- 
lich lebende,  alleefressende  Vögel. 

a.  Der  8t aar  (Stumm  vttlgaru*),  raittelgrosser  Vogel  mit  langem, 
geradem,  niedergedrücktem  Schnabel ;  die  Nasenlöcher  nicht  von  Federn  be- 
deckt. Höhlenbrüter,  Insektenfresser,  Zugvogel.  —  Verwandt  ist  der 
Hirtenvogel  [Pastor  ro.*ens)t  dessen  Schnabelfirst  sanft  gebogen  ist; 
ebenfalls  Höhlenbrüter,  in  den  Mittelmeerländern,  verirrt  sich  selten  nach 
Deutschland. 

b.  Die  Rabenfamilie  (CorvUlae)  mit  sehr  kräftigem,  vorne 
zusammengedrücktem,  etwas  gebogenem  Schnabel ;  die  Nasenlöcher  sind  von 
borstenartigen  Federn  bedeckt.  Grössere  Vögel.  Der  Rabe  {Covvus  corax), 
der  grösste  deutsche  Singvogel,  ganz  schwarz;  nicht  sehr  zahlreich.  Die 
ganz  schwarze  Raben  krähe  (C.  corone)  und  die  theil  weise  graue  Nebel- 
krähe  (C.cornix)  sind  nicht  selbständige  Arten,  sondern  nur  geographische 
Varietäten:  es  giebt  allerlei  Uebergänge  zwischen  beiden,  und  sie  paaren 
sich  unbedingt  fruchtbar  mit  einander;  in  Deutschland  ist  die  R.  die  west- 
liche, die  N.  die  östliche  Form,  in  Norddentschland  bildet  die  Elbe  ziem- 

3l+ 


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484 


Specieller  Theil. 


lieh  scharf  die  Grenze.  Die  Saatkrähe  (C.  frugdegus),  ganz  schwarz, 
die  Borstenfedern  an  der  Schnabelwurzel  fehlen  den  Alten.  Die  Dohle 
(C.  vwnedula),  schieferschwarz,  Schnabel  kürzer  als  bei  den  genannten. 
Die  Elster  (Pica  caudaia),  mit  langem,  stufigem  Schwanz,  schwarz  nnd 
weiss.  Der  Eichelheher  {(iamibis  glandariujt),  bunt  gefärbter  Vogel 
mit  kürzerem  Schnabel,  dessen  Spitze  hakig  gebogen  ist.  Der  Tannen- 
heher  (Nucifraga  can/omtactes)  mit  langem,  fast  geradem  Schnabel,  nicht 
häufig  in  Deutschland. 

c.  Die  Paradiesvögel  {Paraduteidac)  zeichnen  sich  besonder« 
durch  die  prächtigen  Farben  und  eigenthümliche  Ausbildungen  des  Gefieders 
aus,  welche  den  Männchen  eigen  sind,  während  die  Weibchen  ganz  beschei- 
den ausgestattet  sind.  Grössere  Vögel,  mit  kräftigem,  zusammengedrücktem 
Schnabel  und  von  Federn  überdeckten  Nasenlöchern.  Neu-Guinea  und  an- 
liegende Inseln. 

4.  Die  Schwalben  (Longipennes).  Flügel  sehr  lang,  Füsse  kurz, 
Schnabel  kurz,  an  der  Wurzel  breit,  die  Mundwinkel  erstrecken  sich  weit 
nach  hinten.  Kleine  Vögel,  ausgezeichnete  Flieger,  Insektenfresser;  Zug- 
vögel. In  Deutschland  leben  die  Rauchschwalbe  (Himtido  ritstica)  mit 
braunrother  Kehle,  die  Hausschwalbe  ( //.  nrMro),  welche  ihr  bekanntes 
Nest  aus  Erde  und  Speichel  bauen,  und  die  braungraue  Uferschwalbe 
(//.  riparia),  welche  ihre  horizontalen,  1 — l  Vt  m  langen  Niströhren  in  senk- 
rechten Uferwänden  graben,  um  in  dem  inneren ,  etwas  erweiterten  Ende 
zu  brüten. 

5.  Der  Baumläufer  (Crrthia  famüiaris),  der  Mauerläufer  (Tirho- 
droma  muraria)  und  der  Kleiber  (Siüa  ca&tia)  gehören  einer  besonderen 
kleinen  Abtheilung  der  Singvögel  an,  welche  dadurch  ausgezeichnet  ist,  dass 
die  Hinterzehe  ungemein  gross  ist,  während  die  Vorderzehen  am  Grunde 
von  einer  gemeinsamen  Haut  umschlossen  sind.  Die  Krallen  stark  zusam- 
mengedrückt, sehr  spitz.  Laufen  an  Baumstämmen  oder  an  Felsen  (Mauer- 
läufer). Die  beiden  ersteren  haben  einen  langen,  dünnen,  gebogenen  Schnabel 
(am  längsten  beim  Mauerläufer),  der  letzte  einen  geraden,  spitzen,  kräftigen 
Schnabel.  Der  erste  und  der  letzte  sind  in  Deutachland  überall  verbreitet, 
der  Mauerläufer  gehört  den  Alpen  an  (innerhalb  der  deutschen  Grenzen  in 
Oberbayern). 

6.  Die  Lerchen  (Alaiididne)  unterscheiden  sich  von  allen  vorher  ge- 
nannten Singvögeln  dadurch ,  dass  die  Hinterseite  des  Mittelfusses  von 
mehreren  kleinen  Platten  bedeckt  ist.  Die  Hinterzehe  mit  einer  langen, 
geraden  Kralle.  Schnabel  mittellang,  ziemlich  kräftig,  fast  gerade,  First 
gebogen.  Sie  leben  besonders  von  Samen.  Brüten  auf  dem  Boden.  In 
Deutschland  brüten  die  Feldlerche  (Alatuln  arvensis),  die  Haidelerche 
(A.  arborea)  und  die  Haubenlerche  (A.  cristata))  beide  erstere  sind 
Zugvögel,  die  letzte  Standvogel.  Die  bunte  Alpenlerche  (Otocoria  aJ' 
pestris)  brütet  im  hohen  Norden ,  kommt  aber  im  Winter  zuweilen  nach 
Deutschland.  —  Mit  den  Lerchen  verwandt  ist  der  Wiedehopf  (Upupn 
epops)  mit  langem,  dünnem,  gebogenem  Schnabel,  einer  ähnlichen  Hinter- 
kralle wie  die  Lerchen ;  am  Kopfe  ein  aufrichtbarer  Federbusch.  Insekten- 
fresser, Zugvogel.    In  Deutschland. 

9.  Ordnung.    Schreivögel  (Cfamatores). 

Unterscheiden  sich  dadurch  von  den  Singvögeln,  dass  die  Hinter- 
zehe und  namentlich  die  Hinterkralle  weniger  kräftig  ist,  und  dass  die 
Hinterzehe  nicht  für  sich  bewegt  werden  kann.  Keine  Singrauskeln. 


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Wirbelthiere.  6.  Clan»«:  Vögel. 


485 


1.  Die  Blaurake  (Coracias  garrula).  Schnabel  mittollang,  vorn  zu* 
sam  mengedrückt ,  an  der  Wurzel  breit,  an  der  Spitze  sanft  gebogen. 
Prächtiger,  blaugrün  gefärbter  Vogel  von  etwas  über  Drosselgrösse.  Stellen- 
weise in  Deutschland,  nistet  in  Baumhöhlen,  Insektenfresser,  Zugvogel. 

2.  Die  Segler  (Cypselidae).  Der  Mund  sehr  gross,  die  Mundspalte 
setzt  sich  unterhalb  des  Auges  nach  hinten  fort;  Schnabel  kurz,  schwach, 
am  Grunde  breit  und  abgeplattet;  ungemein  lange  Flügel;  sehr  kleine 
Füsse.  Schwalbenäbnliche  Vögel ,  Insektenfresser.  In  Deutschland  lebt 
der  Mauersegler  (Oypxdus  aptts),  dessen  Hinterzehe  nach  vorn  gedreht 
ist;  das  schüsseiförmige  Nest  findet  sich  in  Mauerlöchern  etc.  und  wird 
aus  Strohhalmen,  Federn  etc.  gebaut,  welche  von  dem  leimartigen  Speichel 
zusammengehalten  werden.  Der  Mauersegler  wird  in  den  Alpen  und  in 
den  Mittelmeerländern  durch  den  sehr  ähnlichen ,  etwas  grösseren ,  weiss- 
bäuchigen  Alpensegler  (Oypselus  mcUta)  vertreten.  Die  Salanganen 
(  Collocallia),  mit  normaler  FusBform,  sonst  aber  den  vorigen  Arten  ähnlich, 
in  Ostindien,  bauen  ihr  NeBt  ausschliesslich  aus  Speichel  (essbare  Vogel- 
nester). —  Zu  einer  verwandten  Familie  gehört  ;die  Nachtschwalbe 
oder  der  Ziegenmelker  (Caprimulgits  eurojxieus),  welcher  grösser  ist, 
mit  bräunlichen  eulenartigen  Farben ;  Federborsten  an  der  Schnabelwurzel ; 
Nachtthier,  legt  seine  Eier  an  den  Boden  ohne  Unterlage ;  in  Deutschland. 

3.  Die  Kolibris  oder  Schwirrvögel  (Trochilidae).  Schnabel  lang, 
dünn,  röhrenförmig;  Zunge  tief  gespalten ,  kann  weit  aus  dem  Munde  her- 
vorgestreckt werden.  Flügel  lang,  Füsse  kurz.  Prächtige  Farben,  besonders 
beim  Männchen,  ausserdem  oft  eigentümliche  Ausbildung  gewisser  Federn. 
Insektenfresser.  Zu  dieser  Familie,  welche  nur  in  den  wärmeren  Theilen 
Amerikas  vertreten  ist,  gehören  die  kleinsten  aller  Vögel. 

4.  Die  Eisvögel  (AUvdinidae)  haben  einen  geraden,  kräftigen, 
kantigen  Schnabel ,  die  äussere  und  mittlere  Vorderzehe  bis  zum 
zweiten  Gelenk,  die  mittlere  und  innere  Vorderzehe  bis  zum  ersten  Gelenk 
mit  einander  verwachsen.  Bunt  gefärbt;  meistens  in  wärmeren  Ländern 
zu  Hause.  In  Deutschland  der  langschnäblige  Königsfischer  (Ak-edo 
ispida),  welcher  von  Fischen  lebt  und  den  Brutanstalten  oft  sehr  schädlich 
ist.  —  Dieselbe  Fussform  besitzt  auch  der  Bienenfresser  (Merops  api- 
astet")  mit  langem,  sehr  spitzem,  schwach  gebogenem  Schnabel;  in  Südeuropa 
und  den  Donauländern,  verfliegt  sich  selten  nach  Deutschland.  —  Auch  bei 
den  Nashornvögel^  (Buceiotulac)  sind  die  Vorderzehen  an  der  Wurzel 
verbunden ;  ausserdem  zeichnen  sie  sich  durch  ihren  sehr  langen ,  dicken, 
etwas  gebogenen  Schnabel  aus,  welcher  an  der  Wurzel  meistens  einen  grösseren 
Aufsatz  trägt.    Afrika  und  Ostindien. 

5.  Die  Tauben  (Colmnbülae)  zeichnen  sich  besonders  dadurch  aus, 
dass  der  ziemlich  kurze  Schnabel  nur  an  der  Spitze  eine  feste  Hornbe- 
kleidung besitzt,  an  der  Wurzel  dagegen  weich  ist.  Die  Ringeltaube 
(Cvlumba  palumbus),  die  Hohltaube  (C.  oawx),  welche  in  hohlen  Bäumen 
nistet,  und  die  Turteltaube  (Turtur  aurihts)1)  leben  in  Deutschland. 
Die  Felsentaube  (C.  livia)  an  Küsten  des  Mittelmeeres,  bei  England  etc., 
ist  die  Stammform  der  in  zahlreiche  Rassen  gespaltenen  zahmen  Taube. 
Die  Wandertaube  (6'.  migratorm)  in  Nordamerika  durchwandert  der 
Nahrung  halber  in  ungeheuren  Schaaren  weite  Strecken.  Zahlreiche  andere 
Taubenformen  in  verschiedenen  Welttheilen.  —  Eine  abweichende  Form  ist 
die  Zahntaube  (1 Hdtinriäus    striijirostris)  auf   den  Samoa  -  Inseln ;  sie 


*)  Die  vielfach  zahm  gehaltene  Lachtaube  (T.  risoriwi)  lebt  wild  in  A«ien 
und  Afrika. 


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486 


Specieller  Theil. 


zeichnet  sich  durch  ihren  kurzen,  starken ,  an  der  Spitze  hakig  gebogenen 
Schnabel  aus ;  an  jedem  Rand  des  Unterschnabels  zwei  Zähne.  —  Die  aus- 
gerottete Dronte  (Didus  ineptus)  war  eine  schwanengrosse ,  sehr  plumpe, 
mit  kräftigen  Beinen  und  starkem  Schnabel  versehene  Taube,  welche  wegen 
der  sehr  geringen  Grösse  der  Flügel  nicht  fliegen  konnte  (Kamm  des 
Brustbeins  fehlt);  auch  der  Schwanz  war  sehr  rückgebildet.  8ie  lebte  auf 
Isle  de  France  (Mauritius),  wurde  am  Schluss  des  17.  Jahrhunderts  aua- 
gerottet. 

10.  Ordnung.   Klettervögel  (Scansore*). 

Unterscheiden  sich  dadurch  von  den  Schreivögeln,  dass  die  äussere 
Vorderzehe  (Zehe  Nr.  4)  nach  hinten  gewendet  ist,  so  dass  sie  zwei 
Vorder-  und  zwei  Hinterzehen  besitzen. 

1.  Die  Kukuk e  {Ouculidite)  haben  einen  mittellangen,  etwas  ge- 
bogenen Schnabel;  die  äussere  Hinterzehe  (Zehe  Nr.  4)  kann  nach 
der  Seite  gewendet  werden.  Hierzu  gehört  der  gemeine  Kukuk  {Cueti- 
lus  caiiorus),  welcher  besonders  dadurch  merkwürdig  ist,  dass  er  seine  Eier 
in  die  Nester  anderer  Vögel  (Singvögel)  legt,  um  sie  von  diesen  auabrüten 
zu  lassen  *) ;  Insektenfresser,  Zugvogel. 

2.  Die  Spechte  {PicUbie)  haben  einen  sehr  kräftigen,  geraden, 
kantigen,  an  der  Spitze  zusammengedrückten,  keilförmigen  Schnabel;  die 
Zunge,  welche  sehr  weit  aus  dem  Munde  hervorgestreckt  werden  kann,  ist 
an  den  Seitenrändern  mit  feinen,  nach  hinten  gerichteten  Widerhäkchen 
versehen ;  die  Schwanzfedern  sehr  steif  (Stützschwanz).  Waldvögel,  welche 
sich  von  holzbohrenden  Larven  und  anderen  Insekten,  dabei  aber  auch  von 
Samen  ernähren ;  brüten  in  selbstgemeisselten  Baumhöhlen ;  Stand  •  oder 
Strichvögel.  In  Deutschland  leben:  Der  8ch warzspecht  (Picus  mnrtius), 
der  Grünspecht  (P.  riridis),  der  Grauspecht  (P.  cunus);  die  Bunt- 
spechte: der  grosse  (P.  major),  der  weissrückige  (P.  leuconolus),  der 
mittlere  (P.  medium)  und  der  kleine  Buntspecht  (P.  minor).  Der  drei- 
zehige  Specht  (P.  trvlactylus) ,  dem  die  innere  Hinterzehe  (Daumen) 
abgeht,  gehört  dem  Norden  und  den  Alpen  an ,  verirrt  sich  bisweilen  nach 
Deutschland.  —  Mit  den  Spechten  verwandt  ist  der  Wendehals  {h/njr 
lorquübi),  mit  kegelförmigem,  nicht  keilförmigem  Schnabel;  die  Schwanz- 
federn sind  zu  weich,  als  dass  der  Schwanz  als  Stütze  dienen  könnte ;  Zug- 
vogel, in  Deutschland. 

3  Die  Papageien  (Pftithicidnc)  haben  einen  ungemein  kurzen,  dicken, 
stark  gebogenen  Oberschnabel  und  einen  kurzen,  abgestutzten  Unterschnabel; 
Oberschnabel  sehr  beweglich;  Zunge  dick  und  weich.  Tropische  Vögel  mit 
lebhaften  Farben  (grün,  roth  etc.),  Pflanzenfresser.  Sie  werden  in  mehrere 
Gruppen  getheilt:  1)  Kakadu 's  ( Plictolophitiae)  in  Asien  und  Australien, 
mit  aufrichtbarem  Federschopf  (oft  hellfarbige  Vögel) ;  2)  Sittiche  (Süta- 
cinae)  mit  langem  Schwanz ;  3)  typische  Papageien  (Psittacinae)  mit  kurzem 
Schwanz  und  ohne  Federschopf;  4)  Lori's  {Trichoglossinae),  in  Australien, 
mit  zahlreichen  langen,  fadenförmigen ,  hornigen  Papillen  an  der  Zungen- 
spitze (Pinselzunge);  5)  Eulenpapageien,  mit  nur  einer  Gattung,  dem 
neuseeländischen  Stringoj)*  (Imbroptilus),  Nachtvögeln  mit  weichem,  dunkelm 
(grünlichem)  Gefieder,  welche  bei  Tage  sich  in  Erdhöhlen  aufhalten,  auch 
ebendaselbst  nisten  ;  sie  fliegen  nicht  oder  sehr  wenig  (Brustbeinkamm  ver- 
kümmert), bewegen  sich  meistens  auf  dem  Boden. 

l)  In  vereinzelten  Fällen  hat  man  beobachtet,  dass  der  Kukuk  selbst  seine 
Eier  aasbrütet. 


i 
i 


Di§rtizecWDy-Gt*—  1 


Wirbolthiere.   5.  Clawe:  Vögel. 


487 


4.  Die  Tukane  oder  Pfefferfresser  (Rhamphastidtic)  haben  einen 
sehr  grossen,  dicken,  etwaB  gebogenen,  am  Rande  oft  gekerbten  Schnabel, 
welcher  fast  von  der  Länge  des  Rumpfes  ist;  die  Zunge  ein  schmales, 
horniges,  am  Rande  zerfasertes  Band.  Vögel  von  mittlerer  Grösse,  mit 
prachtvollen  Farben,  Südamerika. 


6.  Clause.    Säugethiere  (Mammalia). 

In  Bezug  auf  die  äussere  Form  des  Körpers  zeichnen  sich 
die  Säugethiere  gewöhnlich  dadurch  aus,  dass  sie  einen  wohlent- 
wickelten Hals  (übrigens  von  sehr  verschiedener  Länge)  besitzen, 
ferner  dadurch,  dass  der  Schwanz  zu  einem  dünnen,  längeren  oder 
kürzeren  Anhang  rückgebildet  ist,  welcher  für  das  Thier  nur  von 
untergeordneterer  Bedeutung  ist  und  namentlich  nicht  im  Dienste  der 
Bewegung  steht,  während  dagegen  die  als  Bewegungsorgane  fun- 
girenden  Gliedmaassen  stark  entwickelt  sind,  so  dass  der  Rumpf 
mehr  oder  minder  hoch  über  dem  Erdboden  getragen  wird ;  der  Ell- 
bogen ist  nach  hinten,  das  Knie  nach  vorn,  die  Finger-  und  Zehen- 
spitzen nach  vorn  gerichtet ;  oft  ruht  das  Thier  nicht  auf  dem  ganzen 
Fuss,  sondern  nur  auf  den  Zehen  oder  sogar  nur  auf  den  Spitzen  der- 
selben, während  der  übrige  Theil  in  die  Höhe  gerichtet  ist.  Inner- 
halb der  Olasse  finden  wir  übrigens,  neben  dem  Gangtypus  als 
der  gewöhnlichen  Form,  verschiedene  andere  Typen  entwickelt: 
fliegende,  springende,  schwimmende  Formen  etc.  (vergl.  die  Reptilien). 
Indem  so  der  Körper  einer  abweichenden  Lebensweise  angepasst 
ist,  kann  auch  die  äussere  Gestalt  zuweilen  von  der  gewöhnlichen  sehr 
abweichen,  was  namentlich  bei  gewissen  schwimmenden  Säugethieren 
(den  Walen)  sehr  augenfällig  wird;  bei  diesen  wird  der  Hals  auf  ein 
Minimum  rückgebildet,  die  Gliedmaassen  treten  sehr  zurück,  während 
der  Schwanz  eine  enorme  Entwicklung  erlangt,  so  dass  die  äussere 
Gestalt  des  Thieres  in  höchstem  Grade  fischähnlich  wird. 

Die  Haut  besteht  aus  den  gewöhnlichen  Schichten  (Lederhaut, 
Oberhaut  mit  Schleim-  und  Hornschicht);  an  der  Oberfläche  der 
Lederhaut  finden  sich  kürzere  oder  längere  Papillen,  welche  sich 
in  die  Schleimschicht  hinein  erstrecken.  Pigment  kann  theüs  in  der 
Oberhaut  (sowohl  in  der  Schleim-  als  in  der  Hornschicht),  tbeils  in 
der  Lederhaut  vorhanden  sein.  —  Die  Hornschicht  wird  nicht  auf 
einmal  abgeworfen,  sondern  löst  sich  in  kleinsten  Stückchen  (als 
Staub)  ab. 

Der  grösste  Theil  der  Haut  ist  bei  den  Säugethieren  im  Allge- 
meinen mit  Haaren  bekleidet,  welche  einen  der  charakteristischsten 
Bestandteile  ihres  Körpers  ausmachen  und  nur  bei  sehr  wenigen 
Formen  ganz  fehlen.  Die  Haare,  welche  ausschliesslich  aus  verhornten 
Zellen  bestehen,  stecken  jedes  in  einer  tiefen  Einstülpung  der  Haut, 
dem  Haarbalg.  Im  Grunde  jedes  Haarbalges  findet  sich  ein  kleiner 
gefässreicher  Lederhautzapfen,  die  Haarpapille,  welche  mit  einer 
Fortsetzung  der  Schleimschicht  der  Oberhaut  bekleidet  ist;  oberhalb 
dieser  sitzt  dann  wieder  das  untere  Ende  des  Haares,  und  letzteres 
wächst  dadurch,  dass  die  oberflächlichen  Zellen  der  Schleimschicht 
der  Papille  verhornen  und  zu  Theilen  des  Haares  werden.  Die  übrige 
Wand  des  Haarbalges  wird  von  Fortsetzungen  der  Schleim-  und 


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488 


Speeieller  Theil. 


Hornschicht  der  allgemeinen  Oberhaut  ausgekleidet:  ausser«  und 
innere  Wurzelscheide;  letztere  geht  unten  in  das  Haar,  erstere 
in  die  Schleimschicht  der  Papille  über.  Die  Haare  sind  somit  eigent- 
lich nichts  Anderes  als  scharf  begrenzte, 
enorm  entwickelte  Partien  der  Horn- 
schicht der  Oberhaut.  In  vielen  dickeren 
Haaren  findet  man  ein  inneres,  aus 
loseren  Zellen  zusammengesetztes  (oft 
lufthaltiges)  Mark,  welches  von  der 
festeren  Rinde  umgeben  ist ;  zu  äusserst 
findet  sich  eine  Schicht  dünner,  platten- 
förmiger  Zellen,  das  Oberhäutchen 
des  Haares ;  manche,  besonders  dünnere. 
Haare  bestehen  aber  nur  aus  Rinde 
und  Oberhäutchen.  —  Häufig  sitzen  die 
Haare  in  kleinen  Gruppen,  3 — 5  näher 
beisammen,  in  anderen  Fällen  sind  sie 
mehr  gleichmässig  vertheilt.   Bei  man- 
chen Säugethieren  kann  man  zwei  Arten 
von  Haaren  unterscheiden,  Grannen- 
haare und  Wollhaare,  letztere  fei- 
ner und  von  den  anderen  überdeckt. 
Eigentümliche  lange,  kräftige,  steife, 
regelmässig   angeordnete  Haare  sind 
die  sogenannten  Tast-  oder  Spür- 
h  a  a  r  e  {  Vibrissae),  welche  bei  manchen 
Säugethieren  an  gewissen  Stellen  des 
Kopfes,  besonders  an  der  Oberlippe 
eingepflanzt  sind;  ihre  Bälge  sind  da- 
durch ausgezeichnet,  dass  sie  von  einem 
blutgefüllten  Behälter  umgeben  sind, 
welcher  mit  den  Gefassen  in  Verbindung 
steht.  Längs  des  Randes  der  Augenlider 
finden  sich  oft  andere   eigenthümliche  steife  Haare,  die  Augen- 
wimpern.   Bei  einzelnen  Säugethieren  erreicht  ein  Theil  der  Haare 
eine  enorme  Entwicklung;  die  Stacheln  des  Igels,  des  Stachelschweines 
und  anderer  sind  stark  entwickelte  Haare.     Die  Haare,  welche 
grösstenteils  der  Haut  schief  eingepflanzt  sind,  haben  an  verschiedenen 
Theilen  des  Körpers  verschiedene,   aber  regelmässige,  bestimmte 
Richtungen.  —  Am  Grunde  des  Haarbalges  heften  sich  an  denselben 
glatte  Muskelbündel,  welche  in  der  Lederhaut  entspringen; 
durch  ihre  Contractionen  richtet  sich  das  schräg  liegende  Haar  mehr 
auf.    Auch  Nerven  gehen  an  die  Haare  (richtiger:  an  das  untere 
Ende  der  Haarbälge) ,  namentlich  an  die  oben  genannten  8pürhaare, 
welche  wichtige  Tastwerkzeuge  sind. 

Ebenso  wie  die  Federn  der  Vögel  werden  auch  die  Haare  in 
gewissen  Zwischenräumen  abgeworfen  und  durch  neue  ersetzt:  es  löst 
sich  das  Haar  von  der  Papille,  und  vom  Grunde  des  Haarbalges 
bildet  sich  ein  neues  Haar.  Bei  einigen  Säugethieren  (dem  Menschen, 
Affen)  findet  der  Haarwechsel,  die  Haarung,  das  ganze  Jahr 
hindurch  allmählich  statt,  bald  wird  ein,  bald  ein  anderes  Haar  ab- 
und  durch  ein  neues  ersetzt.    Bei  anderen  aber  ist  der 


Fig.  334.  L 


Li  :i  r  e 


ang*#chuitt  einet-  II 
und  des  zugehörigen  Haarbalges, 
Schema,  a  äussere  WurzeUchcide ,  b 
Bindegewebe,  c  Homschicht  der  Ober- 
haut, A  Haar,  i  innere  Wurzelschoidc, 
r  Schleimschicht  der  Oborhaut,  /<  Haar- 
papillc.  —  Orig. 


Haarwechsel  für  jedes  Jahr  überwiegend  auf  einen  kürzeren  Zeitraum 


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Wirbelthiere.   6.  Claase:  Säugethiere. 


489 


concentrirt :  es  findet  alljährlich,  und  zwar  bei  den  nordischen  Säuge- 
thieren  im  Frühling,  eine  den  ganzen  Körper  umfassende  Haarung 1) 
statt,  wobei  sowohl  Grannen-  als  Wollhaare  abgeworfen  werden. 
Gleichzeitig  treten  neue  Grannenhaare  auf,  auch  die  Spitzen  der 
Wollhaare  sprossen  hervor,  während  die  vollständige  Entwicklung 
letzterer  erst  später  im  Jahre  erfolgt.  Im  Herbst  findet  meistens 
kein  allgemeiner  Haarwechsel  statt,  der  Unterschied  des  Sommer- 
und  des  Winterkleides  der  Säugethiere  beruht  in  der  Regel  theils 
auf  einem  Auswachsen  der  schon  vorhandenen  Haare,  namentlich 
der  Wollhaare,  theils  auf  einer  mehr  oder  weniger  eingreifenden 
Verfärbung*)  der  Haare  im  Herbst.  —  Bei  einigen  Säugethieren 
vollzieht  sich  aber  auch  im  Herbst  ein  Wechsel,  jedenfalls  der 
Grannenhaare  (bei  den  Hirschen  z.  B.  ist  dieses  der  Fall). 

Bei  einer  nicht  ganz  geringen  Anzahl  von  Säugethieren  finden  sich 
an  grösseren  oder  kleineren  Partien  des  Körpers  ähnliche  Schuppen  oder 
Platten  wie  bei  den  Reptilien  (Schuppenthier,  Gürtelthier,  Schwanz  der 
Mäuse).  Zuweilen .  z.  B.  beim  Gürtelthier ,  enthält  die  Lederhaut- 
partie jeder  Schuppe  oder  Platte  eine  Verknöcherung;  übrigens  finden 
wir  aber  auch  unabhängig  hiervon  bei  einzelnen  Säugethieren  grössere  oder 
kleinere  Verknöcherungen  in  der  Lederhaut. 

Mit  der  Haut  sind  zahlreiche,  gewöhnlich  fast  über  die  ganze 
Oberfläche  verbreitete  kleine  Drüsen  verbunden,  von  denen  man 
zwei  Hauptformen  unterscheidet:  Talgdrüsen  und  Schweissdrüsen. 
Die  Talgdrüsen  sind  kleine  traubige  Drüsen,  welche  fast  immer 
in  die  Haarbälge,  selten  frei  an  der  Oberfläche  des  Körpers,  aus- 
münden, wesshalb  sie  in  der  Regel  an  den  haarlosen  Stellen  fehlen; 
sie  sondern  eine  fettartige  Masse  ab.  Die  Schweissdrüsen  sind 
einfache  schlauchförmige  Drüsen,  deren  unterer  Theil,  welcher  in  der 
Regel  in  dem  losen  Bindegewebe  unterhalb  der  Haut  liegt,  meistens 
zu  einem  Knäuel  aufgewickelt  ist.  Auch  die  Schweissdrüsen  münden 
sehr  häufig  in  die  Haarbälge,  aber  näher  an  deren  Oeffnung  als  die 
Talgdrüsen;  manche  münden  ganz  selbständig,  z.  B.  in  grosser  An- 
zahl an  gewissen  unbehaarten  Partien  der  Körperoberfläche.  Ebenso 
wie  die  Talgdrüsen  sind  sie  an  verschiedenen  Theilen  der  Haut  in 
verschiedener  Zahl  und  Grösse  vorhanden.  Die  meisten  Schweiss- 
drüsen sondern  die  unter  dem  Namen  Sch weiss  bekannte  Flüssig- 
keit ab ;  an  einigen  Hautstellen  hat  aber  ihr  Secret  eine  anderweitige, 
mehr  fettartige  Beschaffenheit  (die  Ohrschmalzdrüsen  sind  solche 
eigentümliche  Schweissdrüsen).  —  Die  Milchdrüsen  sind  eigen- 
tümlich ausgebildete  grosse  Hautdrüsen  oder  Gruppen  von  solchen, 
zunächst  von  dem  Typus  der  trauben förmigen  Drüsen.  Jede  Milch- 
drüse mündet  mit  1  (Wiederkäuer),  2  (Schwein,  Pferd)  oder  mehreren 
(Mensch  u.  v.  a.)  Oeffnungen  an  der  Spitze  einer  mehr  oder  weniger 
hervortretenden  Warze,  der  Zitze;  in  der  Regel  finden  sich  zwei 
Längsreihen  von  Zitzen  an  der  Unterseite  des  Rumpfes,  jede  Reihe 
mit  einer  ziemlich  verschiedenen  Anzahl  von  Zitzen  (1 — 7).  Die 
Milchdrüsen ,  welche  während  der  Schwangerschaft  an  Umfang  und 
Ausbildung  zunehmen,  sondern  eino  Zeitlang  nach  der  Geburt  der 


')  Daneben  kann  bei  solchen  auch  ein  Wechsel  einzelner  Haare  zu  anderen 
Zeiten  stattfinden. 

*)  Vergl.  das  über  die  Verfärbung  der  Federn  S.  463  Gesagte. 


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490 


Specialer  Thcil. 


Jungen  die  Milch  ab.  eine  wässerige  Flüssigkeit,  in  der  zahlreiche 
Fetttröpfchen  suspendirt  sind  (letztere  sind  es,  welche  der  Milch  die 
weisse  Farbe  verleihen).  Nach  Aufhören  des  Säugens  bildet  sich  die 
Drüse  zum  grossen  Theil  wieder  zurück.  Milchdrüsen  der  be- 
schriebenen Form  kommen  allen  Säugethieren  mit  Ausnahme  der 
Kloakenthiere  zu,  und  zwar  finden  sie  sich  nicht  allein  beim  Weibchen, 
sondern  in  rudimentärer  Form  meistens  auch  beim  Männchen.  Sie 
werden  in  der  Regel  als  eigentümlich  umgebildete  Talgdrüsen 
angesehen,  eine  Auffassung,  welche  am  meisten  ihrem  traubigen  Bau, 
iiuch  wohl  der  Art  des  Secretes,  Rechnung  trägt.  Ist  sie  richtig,  so 
gehen  den  Kloakenthieren  echte  Milchdrüsen  gänzlich  ab;  die 
Organe,  welche  bei  diesen  Thieren  „Milch"  absondern,  sind  nämlich 
ganz  deutlich  sehr  grosse  verzweigte  Schweissdr iisen;  es  findet 
sich  an  jeder  Seite  des  Bauches  eine  kleine  sackförmige,  behaarte  Ein- 
stülpung, in  welche  je  eine  Gruppe  von  Drüsen  mündet;  zitzenartige 
Theile  fehlen. 

Bei  vielen  Säugethieren  sind  die  Hautdrüsen  an  einigen  begrenzten 
Stellen  der  Haut  besonders  stark  oder  eigentümlich  ausgebildet;  häufig 
sind  die  betreffenden  Hautstellen,  welche  übrigens  meistens  normal  ausge- 
bildet, mit  Haaren  etc.  versehen  sind,  sackförmig  eingestülpt.  Dazu  ge- 
hören z.  B.  die  Klauensäcke  des  Schafes  und  anderer  Wiederkäuer ,  die 
beiden  Aftersäcke,  welche  sich  beim  Hunde  und  anderen  Raubthieren  an  der 
Seite  des  Afters  öffnen,  der  Moschusbeutel  beim  Moschusthier  etc.  — 
Seltener  ist  eine  einzelne  Drüse  oder  eine  kleine  Gruppe  dicht  beisammen 
mündender  Drüsen,  etwa  in  ähnlicher  Weise  wie  die  Milchdrüse,  zu  einer 
riesigen  Grösse  angewachsen ;  eine  solche  Drüse  findet  sich  z.  B.  am  Rücken 
des  Nabelschweines. 

An  der  Unterseite  der  Füsse  findet  sich  bei  den  Säugethieren 
gewöhnlich  eiue  unbehaarte  elastische  Hautpartie,  welche  von  einer 


A  B  C  D 


Fig.  835.  Längsschnitt  de»  Fingern:  .1  des  Menschen ,  II  eine*  Aftcn,  V  eine* 
K  ral  le  n  t  hiercs ,  D  eines  l'ferdes;  schematisrh.  b  Sohlenballeu,  n  Krallenplatte,  j>* — j* 
vorletztes  und  letztes  Fingcrglied,  »  Suhlenhorn,  v  Krallcnwall.  —  Orig. 

dicken,  aber  weichen  Hornschicht  bedeckt  und  mit  zahlreichen 
Sch weissdrüsen  versehen  ist:  der  Sohlenballen.  In  einigen 
Fällen  erstreckt  sich  dieser  über  die  ganze  Unterseite  des  Fusses,  in 
anderen  ist  er  auf  einige  Stellen  derselben  (namentlich  auf  die  Zehen) 
beschränkt.  —  Am  Ende  der  Zehen  finden  sich  Krallen,  welche  bei 
den  Säugethieren  in  ziemlich  verschiedenen  Formen  auftreten:  echte 
Krallen,  Nägel,  Hufe,  Klauen.  Die  echte  Kralle  (Fig.  335 C)  besteht 
aus  einer  festen  Hornplatte,  der  Krallenplatte,  welche  stark  von 
rechts  nach  links  gewölbt,  zu  einer  am  Ende  schräg  abgeschnittenen, 
nach  unten  zu  offenen  Röhre  zusammengebogen  ist,  welche  die  Zehen- 
spitze umgiebt ;  in  der  Regel  ist  die  Röhre  dabei  der  Lance  nach  ge- 
bogen. Die  Wurzelpartie  der  Röhre  ist  in  eine  tiefe  Furche  (den  Krallen- 
falz) eingesenkt,  äusserlich  von  einer  grossen  Hautfalte,  dem  Krallen- 


Wirbelthiere.    6.  Classe:  Säugcthierc. 


491 


wall,  überdeckt;  die  Krallenplatte  wächst  in  die  Länge  dadurch, 
dass  sich  im  Grunde  der  Furche  neue  Horntheilchen  bilden,  welche 
ihrem  Hinterrand  angefügt  werden,  und  wird  so  nach  vorn  geschoben ; 


f 


Fig.  336.  Spitze  des  Finger»  von  unten  gesehen:  A  eine»  Menschen,  Ii  eines 
Affen,  C  eines  Kralle  nthicres,  I)  des  Nashorns,  Eden  Pferdes,  F  des  Klcn- 
t  hier  es;  schematisirt.    b  Sohlenballen,  n  Rand  der  Krallenplatte,  *  Sohlenhorn.  —  Orig. 

ausserdem  werden  noch  am  hinteren  Theil  der  von  der  Krallenplatte 
überdeckten  Hautpartie  (des  Krallenbettes)  Horntheilchen  gebildet, 
weiche  der  Unterseite  der  Platte  angefügt  werden,  wodurch  sie  an 
Dicke  zunimmt.  Der  freie  Rand  der  Kralle ,  welcher  immerfort  ab- 
genutzt wird,  umgiebt  eine  Hautpartie,  welche  von  einer  loseren  oder 
festeren  Hornmasse,  dem  Sohlen  Horn,  überzogen  ist.  Der  Nagel, 
wie  wir  ihn  beim  Menschen  und  bei  den  Affen  finden,  weicht  dadurch 
von  der  Kralle  ab,  dass  er  von  rechts  nach  links  weniger  gewölbt 
und  auch  der  Länge  nach  schwach  gebogen  ist;  er  bedeckt  somit 
als  eine  gewölbte  Platte  die  Oberseite  der  Zehenspitze;  das  Sohlen- 
horn ist  besonders  beim  Menschen  sehr  schwach  ausgebildet,  überzieht 
nur  einen  schmalen  Hautstreifen  unterhalb  des  freien  Randes  des  Nagels ; 
die  Hautfalte  an  der  Wurzel  des  Nagels  (Nagelwall)  ist  dem  ent- 
sprechenden Theil  der  Kralle  ähnlich.  Die  Hufe  oder  Klauen 
gleichen  den  Krallen  darin,  dass  die  Krallenplatte  (hier  als  die  Horn - 
wand  bezeichnet)  zu  einer  am  Ende  schräg  abgeschnittenen  Röhre 
zusammengebogen  ist,  unterscheiden  sich  aber  dadurch,  dass  dieselbe 
gewöhnlich  fast  gar  nicht  der  Länge  nach  gebogen  ist  und  eine  an- 
sehnlichere Dicke  besitzt ;  der  Krallenwall  ist  sehr  schwach  entwickelt, 
das  Sohlenhorn  (hier  als  die  Hornsohle  bezeichnet)  dick  und  fest. 
Beim  Elephant,  Tapir  und  Nashorn  sind  die  Verhältnisse  übrigens 
denen  der  Krallenträger  ähnlich ;  bei  den  übrigen  Hufthieren  dagegen 
rindet  eine  innigere  Verbindung  der  Klaue  (d.  h.  der  Hornwand  +  der 
Hornsohle)  mit  der  Hornschicht  des  Sohlenballens  statt,  welch  letzterer 
bei  diesen  Thieren  meistens  sehr  klein ,  auf  den  distalen  Theil  der 
Zehen  beschränkt  ist.  Beim  Pferd  (Fig.  336  E)  ist  der  Huf  so  zu 
sagen  um  den  sehr  kleinen  Sohlenballen  (den  „Strahl")  zusammen- 
gebogen, so  dass  letzterer  in  einem  hinteren  Ausschnitt  des  Hufes 
seinen  Platz  hat;  ein  etwas  ähnliches  Verhältniss  findet  man  beim 
Schwein,  dessen  Sohlenballen  sich  jedoch  weiter  nach  hinten  als 
der  des  Pferdes  erstreckt.  Bei  den  Wiederkäuern  (Fig.  336  F) 
hat  sich  das  beim  Schweine  gefundene  Verhältniss  weiter  entwickelt, 
indem  der  Sohlenballen  sich  weit  nach  vorn  erstreckt  und  den  grössten 
Theil  der  Hornsohle  verdrängt  hat ;  letzteres  ist  nur  als  ein  schmaler 
Saum  längs  des  unteren  Randes  der  flornwand  vorhanden.  Dazu 


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492 


Spezieller  Theil. 


kommt  noch,  dass  der  vorderste  Theil  des  Sohlenballens  bei  manchen 
Wiederkäuern  (Edelhirsch,  Ochsen  u.  a.)  eine  grössere  Festigkeit  als 
sonst  erreicht,  einer  Hornsohle  ähnlich  wird,  während  er  hei  anderen 
(z.  B.  beim  Reh  und  Elenthier)  seine  gewöhnliche  Weichheit  bewahrt- 
Die  eigenthümliche  Ausbildung  der  Kralle  bei  den  Hufthieren  ist  auf 
die  Anpassung  an  eine  neue  Function  zurückzuführen,  nämlich  die- 
jenige, das  Thier  während  des  Ganges  zu  tragen,  eine  Function, 
welche  bei  den  Krallenträgern  in  der  Regel  dem  Sohlenballen  zu- 
gewiesen ist,  während  die  Krallen  bei  diesen  Kletter-,  Greifwerk- 
zeuge etc.  sind. 

Das  Horn  des  Rhinoceros  ist  eine  enorme  locale  Verdickung  der 
Hornschicht  der  Oberhaut ;  in  die  Hornraasse  erstrecken  sich  von  der  unter- 
liegenden Lederhaut  lange  (natürlich  mit  der  Schleimschicht  bekleidete) 
Papillen.  —  Die  Hörn  er  der  Wiederkäuer  haben  einen  ganz  anderen 
Bau;  ein  Wiederkäuerhorn  kann  als  eine  kolossale,  unbehaarte  Hauter- 
höhung betrachtet  werden,  welche  innerlich  in  ihrer  grössten  Ausdehnung 
verknöchert  und  an  ihrer  Oberfläche  mit  einer  festen  verdickten  Horn- 
schicht bekleidet  ist.  Das  Horn  besteht  somit  innerlich  aus  einer  Knochen- 
masse, dem  Hornzapfen,  welcher  mit  dem  Stirnbein  verwachsen  iat; 
ausserhalb  desselben  findet  sich  eine  Bindegewebsschicht  und  die  Schleim- 
Schicht  der  Oberhaut,  und  zu  äusserst  die  Hornschicht,  welche  durch  Ab- 
lagerung neuer  Theile  von  innen  her  an  Dicke  zunimmt.  Indem  das  Horn 
mit  dem  Alter  in  die  Länge  wächst,  bedecken  die  älteren  Hornschichten 
nicht  Beine  ganze  Oberfläche,  sondern  nur  den  oberen  Theil,  und  die 
jüngeren  erscheinen  an  der  Oberfläche  als  Ringe.  Die  Oeweihe  der 
Hirsche  sind  ebenso  wie  die  letztgenannten  Hörner  grosse  innerlich  ver- 
knöcherte Hauterhöhungen.  Sie  unterscheiden  sich  jedoch  dadurch,  dass 
sie  behaart  sind  und  nicht  von  einer  ausserge wohnlich  verdickten  Horn- 
schicht bekleidet  sind.  Bei  der  Giraffe,  deren  Geweih  nur  eine  geringe 
Grösse  erreicht,  bleiben  die  Weichtheile  um  den  Knochenzapfen  sitzen ;  bei 
den  übrigen  schrumpfen  sie  dagegen,  wenn  das  Geweih  fertig  gebildet  ist, 
auf  dem  grössten  Theil  der  Oberfläche  desselben  ein  und  werden  abgerieben 
(«gefegt"),  so  dass  die  nackte  Knochenraasse  zum  Vorschein  kommt;  nur 
die  Basalparti  e,  der  Rosenstock,  bleibt  immer  mit  Haut  bedeckt.  Die  ent- 
blösste  Knochenmasse,  das  eigentliche  Geweih,  löst  sich  alljährlich  vom 
Rosenstock  ab  und  wird  abgeworfen ;  die  angrenzenden  Hauttheile  wachsen 
dann  über  das  entblösste  Ende  des  Rosenstocks  hin  und  es  entwickelt  sich 
an  derselben  Stelle  eine  neue  Geweihstange,  welche  zuerst  mit  Haut  be- 
deckt ist.    Bei  der  Giraffe  findet  ein  solches  Abwerfen  nicht  statt. 

Die  Wirbelkörper  sind  gewöhnlich  an  beiden  Enden  abge- 
plattet, seltener  hinten  concav,  vorne  convex;  sie  sind  mit  einander 
durch  dicke,  aus  fibrösem  Bindegewebe  bestehende  Bandscheiben 
verbunden,  welche  in  der  Mitte  einen  sogenannten  Gallertkern,  einen 
Ueberrest  der  Chorda,  enthalten.  Die  Wirbelsäule  zerfällt  in  dieselben 
Abschnitte  wie  bei  den  Reptilien.  Die  Halswirbel  sind  bei  den 
Säugethieren  fast  immer,  sowohl  bei  den  langhalsigen  wie  bei  den 
kurzhalsigen  Formen,  in  der  Siebenzahl  vorhanden 1 ).  Die  beiden 
vordersten  Halswirbel  sind  wie  bei  den  Reptilien  als  Atlas  resp. 

Epistropheus  entwickelt.  Die  Halswirbel  sind  mit  Querfortsätzeu  ver- 

— ,  . — . — 

')  Ausnahmen :  Der  Manatus  (aus  der  Ordnung  der  Seekühe)  hat  nur  6,  das- 
selbe ist  auch  bei  einem  Faulthier  (Choloepus  Hof  mannt)  der  Fall,  während  ein 
anderes  derselben  Gattung  (Cft.  didactylus)  7  hat,  und  wieder  andere  Faulthiere 
(Gatt  Bradypns)  9  Halswirbel  besitzen. 


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Wirbelthicre.   6.  Clwse:  Säugethiere.  493 

sehen,  welche  —  gewöhnlich  jedoch  mit  Ausnahme  derjenigen  des 
siebten  Halswirbels  —  vom  Wirbel  mit  einer  doppelten  Wurzel 
entspringen ;  durch  das  entstandene  Loch  verläuft  eine  grössere  Arterie 
(Wirbelarterie).  Die  genannten  Querfortsätze  sind  wahrscheinlich  als 
Halsrippen  aufzufassen,  gewöhn-  A  7i 

lieh  verknöchern  sie  jedoch  in  Zu- 
sammenhang mit  dem  Wirbel,  nicht 
gesondert,  wie  bei  den  Vögeln  und 
Reptilien.  Nur  bei  den  Kloake n- 
thieren  erreichen  die  Halsrippen 
eine  stärkere  Entwicklung  und  er- 
scheinen als  besondere  Gebilde  (an 
den  6  hinteren  Wirbeln),  fast  bis  das 
Thier  erwachsen  ist;  die  hintersten  Fi*-  3,87-  J™**D 
sind  jedoch  nicht  (wie  den  Vögeln  ^Ä^VÄÄÄ 
und  Reptilien)  von  grosserer  Länge  als  /  KörjM>r  <ie*  mten  Htbwiriwls,  2  «"«>.  de, 
die  vorderen,  sondern  im  Gegentheil  /.weiten,  a  Bogen,  r  Rinne,  /'  unterer  Dom- 
kürzer.  Die  Brustwirbel  sind  In  B  *imi  So<c«n«  K*rp«r  und 
gegen  die  Halswirbel  schärfer  als  ™*^'m  Web*  schraft,r«- 
bei  den  Reptilien  und  Vögeln  ab- 
gegrenzt, indem  die  erste  bewegliche  Rippe  wohlentwickelt  ist  und 
sich  an  das  Brustbein  heftet.  Die  Lendenwirbel  haben  ge- 
wöhnlich ziemlich  grosse  Querfortsätze.  Von  Brust-  und  Lenden- 
wirbeln sind  gewöhnlich  etwa  20  vorhanden  (die  Zahl  kann  jedoch 
bis  auf  14  sinken  und  bis  auf  30  steigen);  die  Anzahl  der  Brust- 
wirbel beträgt  gewöhnlich  etwa  12—13,  die  Zahl  kann  aber  bis  mehr 
als  20  steigen.  Von  echten  Beckenwirbeln,  d.  h.  solchen,  an 
welchen  das  Darmbein  befestigt  ist,  finden  sich  wie  bei  den  Reptilien 
in  Allgemeinen  nur  zwei,  welche  beim  ausgebildeten  Thiere  mit  ein- 
ander verwachsen  sind.  Mit  diesen  beiden  vereinigen  sich  bei  den 
meisten  Säugethieren  einer  oder  mehrere  der  vordersten  Schwanzwirbel 
(unechte  Becken  wirbel)  zu  dem  unter  dem  Namen  Kreuzbein 
bekannten,  aus  einer  verschiedenen  Anzahl  verwachsener  Wirbel  be- 
stehenden Knochen.  Von  Schwan  zwirbeln  ist  eine  sehr  ver- 
schiedene Anzahl  vorhanden;  die  vorderen  sind  gewöhnlich  mit 
wohlentwickelten  Querfortsätzen  versehen  und  tragen  oft  an  der 
Unterseite  ähnliche  V-förmige  Knochen  (untere  Bögen)  wie  die 
mancher  Reptilien  ;  die  hinteren  Schwanzwirbel  sind  immer  mehr  oder 
weniger  unvollkommen  entwickelt,  die  hintersten  am  meisten  (Bögen 
und  Fortsätze  rückgebildet).  —  Die  Rippen  bestehen  im  Allgemeinen 
aus  einem  oberen  und  einem  unteren  Stück,  von  welchen  das  letztere 
sich  gewöhnlich  lange  Zeit,  oft  zeitlebens,  knorpelig  erhält  und 
meistens  überhaupt  nur  unvollständig  verknöchert;  bei  den  Kloaken- 
tieren ist  zwischen  diesen  beiden  Abschnitten  noch  ein  drittes  Stück 
eingeschoben  (vergl.  die  Krokodile).  Von  den  Rippen  heften  sich 
im  Allgemeinen  die  Mehrzahl,  die  vorderen,  die  sogenannten  wahren 
Rippen,  an  das  Brustbein,  während  die  hinteren,  die  falsc hen  R., 
mit  ihrem  unteren  Theil  sich  an  einander  und  an  die  hinterste 
wahre  Rippe  legen,  oder  ganz  frei  enden.  Am  oberen  Ende  der  Rippe 
findet  sich  an  der  äusseren  Seite  in  der  Regel  ein  Höcker  (fehlt 
häutig  an  den  hintersten,  weniger  vollkommen  ausgebildeten  Rippen), 
welcher  sich  mit  dem  Querfortsatz  des  entsprechenden  Brustwirbels 
verbindet,  während  das  eigentliche  obere  Ende  der  Rippe,  das 


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494 


Specieller  Theil, 


ms 


arg 


Köpfchen,  an  einer  Gelenkfläche  eingelenkt  ist,  welche  an  der 
Grenze  der  Wirbelkörper  desselben  und  des  vorangehenden  Wirbels 

liegt  (an  jedem  befindet  sich  meistens  ein  Stück 
der  Gelenkfläche,  zuweilen  liegt  jedoch  die  ganze 
Gelenkfläche  an  dem  hinteren  derselben).  Die 
wahren   Rippen  —  von  welchen  die  vorderste 
meistens  besonders  kräftig  ist  —  werden  in  der 
Kegel  nach  hinten  zu  immer  länger,  während  die 
falschen  immer  kürzer  werden.  —  Das  Brust- 
bein,  welches  fast  immer  ziemlich  lang  und 
schmal  ist,  besteht  zuerst  aus  einer  Knorpelmasse, 
in  welcher  später  eine  Reihe  Verknöcherungen 
erscheint;  letztere  bleiben  in  der  Regel  zeitlebens 
getrennt,  so  dass  das  ausgebildete  Brustbein  ein 
gegliedertes  Aussehen  erhält,  seltener  verschmelzen 
sie  grösstentheils  mit  einander  (wie  beim  Menschen). 
Das  vorderste  Stück,  der  Handgriff  (Mann- 
Imum),  ist  gewöhnlich  breiter  als  die  folgenden  : 
hinten  endet  das  Brustbein  fast  immer  mit  einem 
in  der  Regel  schmalen,  theilweise  knorpeligen 
Stück,  an  welches  sich  keine  Rippen  heften,  dem 
Schwertfortsatz  (Processus  xiphotdts).  Nur 
bei  den  Kloakenthieren  findet  sich  am  vorderen 
Ende  des  Brustbeins  ein  Vorderbrustbein 
(Epistemum),  demjenigen  der  Reptilien  entspre- 
chend, wie  bei  manchen  Sauriern  ein  grosser  T- 
förmiger  Knochen ;  er  fehlt  bei  den  übrigen  Säuge- 
thieren. 

Das Kopfskelet  enthält  beim  erwachsenen  Thiere  nur  spärliche 
Knorpeltheile ,  besteht  überwiegend  aus  Knochen.  Mit  dem  Schädel 
sind  nicht  allein  das  kleine  Zwischen-  und  das  grosse  Ober- 
kieferbein, sondern  auch  die  dem  obersten  Abschnitt  des  Kiefer- 
bogens angehörigen  Knochen  unbeweglich  verbunden.  Von  den 
letztgenannten  Knochen  sind  übrigens  nur  das  Gaumenbein,  welches 
sich  vorn  dem  Oberkieferbein  anschliesst,  und  das  ziemlich  kleine 
Flügelbein  entwickelt,  während  das  Quadratbein  fehH 
(wenigstens  in  seiner  gewöhnlichen  Form;  vergl.  übrigens  unten  beim 
Ohr) ;  der  Unterkiefer,  welcher  jederseits  nur  aus  einem  Knochen 
besteht,  ist  dem  Schädel  direkt  eingelenkt.  Es  finden  sich  zwei 
Hinterhaupts-Gelenkhöck  er  statt  nur  eines  bei  Reptilien  und 
Vögeln.  Zwischen  den  Augenhöhlen  ist  keine  solche  plattenförmige, 
zusammengedrückte  Partie  wie  bei  manchen  Reptilien  etc.  vorhanden, 
die  Schädelhöhle  erstreckt  sich  vorne  bis  an  die  Nasenhöhlen. 
Letztere  sind  gewöhnlich  sehr  stark  entwickelt;  sie  sind  von  einander 
durch  eine  ursprünglich  ganz  knorpelige,  später  theilweise  durch 
Knochen  ersetzte  Platte  getrennt,  welche  von  der  Vorderwand  der 
Schädelhöhle  entspringt  und  sich  nach  vorne  erstreckt;  auch  seitlich 
und  oben  sind  die  Nasenhöhlen  zuerst  von  knorpeligen  Theilen  —  der 
vordersten  Partie  des  knorpeligen  Schädels  —  umgeben,  später  ver- 
knöchern diese  theils,  theils  werden  sie  von  Deckknochen  überlagert 
und  schwinden  unter  diesen,  mit  Ausnahme  jedoch  derjenigen  Knorpel- 
partien, welche  die  den  äusseren  Nasenlöchern  am  nächsten  liegenden 
Abschnitte  der  Nasenhöhlen  umgeben   (die  knorpelige  Nase). 


Fig.  888.  Brustbein 
und  Rippenknorpel  eines 
Hundes,  pa  Handgriff, 
w  Schwertfortsatz ,  wia 
Übrige  Knochenstdcke.  — 
Nach  Flower. 


DigitizedijyXiQ^gJi- 


Wirbelthiere.   6.  Clause:  Säugethiere. 


495 


B  C 


Fig.  339.  Schädel  eines  Hundes.  A  der  lAngc  nach  durchsägt,  ß  von  oben, 
C  von  unten.  Die  knorpeligen  Theile  sind  entfernt.  AS  seitliche  Theilc  f  Flügel)  des  hin- 
teren Keilbeines,  BO  unteres  Hinterhauptsbein,  BS  hinteres  Keilbein,  OK  Siebbein,  /•.'  /'  eines 
der  vom  Siebbein  entspringenden  Knochenblättchen,  ExO  äusseres  Hinterhauptsbein,  Fr  Stirn- 
bein, IP  Zwijchenschcitelbein,  L  Thränenbcin,  Ma  Jochbein,  MF.  knöcherner  Theil  der  Xasen- 
scheidenwand  (hängt  hinten  mit  dem  Siebbein  zusammen),  Mt  untere  Muschel,  Mx  Oberkiefer- 
bein, Na  Nasenbein,  OS  seitliche  Theile  (Flügel)  des  vorderen  Keilbeines,  Fa  Scheitelbein, 
ter  Felsenbein,  Fl  Gaumenbein,  PMx  Zwischenkieferbein,  FS  vorderes  Keilbein,  Fl  Flügelbeln, 
SO  oberes  HinterhaupUbein,  Sq  Schuppenbein,  Ty  l'aukenbein,  Vo  PÜugscharbein.  ch,  eh,  $h 


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4% 


Spezieller  Theil. 


Beim  ausgebildeten  Thier  sind  die  Nasenhöhlen  somit  von  ver- 
schiedenen Knochen  umgeben:  seitlich  besonders  vom  Oberkiefer- 
bein, oben  besonders  von  den  stark  entwickelten  plattenförmigen,  in 
der  Mittellinie  zusammenstossenden  Nasenbeinen,  unten  vom 
Gaumendach  (hartem  Gaumen),  welches  von  wagerechten,  in  der 
Mittellinie  zusammenstossenden  Theilen  der  Zwischenkiefer-,  Ober- 
kiefer- und  Gaumenbeine  gebildet  wird  Hinten  ist  in  der  ursprüng- 
lich knorpeligen  Querscheidewand  zwischen  Schädelhöhle  und  Nasen- 
höhlen ein  von  vielen  feinen  Oeffnungen  (für  die  Geruchsnerven) 
durchbohrter  Knochen,  das  S  i  eb  b  e  in ,  vorhanden,  von  dessen  Vorder- 
seite dünne  gefaltete  Knochenblättchen  entspringen,  welche  (von  einer 
dünnen  Haut  überkleidet)  weit  in  die  Nasenhöhlen  hineinragen.  Weiter 
vorn  in  der  Nasenhöhle  ist  an  der  äusseren  Wand  ein  besonderer, 
aus  einer  grösseren  oder  kleineren  Anzahl  feiner  Knochenblättchen 
zusammengesetzter  Knochen,  die  untere  Muschel,  angebracht, 
welche  mit  den  genannten  Blättchen  des  Siebbeins  zusammen  den 
grössten  Theil  der  Nasenhöhle  ausfüllt.  Mit  der  Nasenhöhle  stehen 
bei  den  Säugethieren  grössere  oder  kleinere  Lufthöhlen  (Fig.  340) 


Fig.  340.  Schädel  eine«  alten  Schweines  der  Dinge  nach  durchsagt,  um  die  grossen 
Lufthöhlen  zu  zeigen,  h  Schadelhöhle,  /,  /'  /"  Lufthöhlen,  z.  Th.  (/'  die  Stirnhöhle)  von 
Knochenplattrhen  durchsetzt :  *  knöcherne  Nasenscheidewand.  —  Nach  Bendz. 

in  gewissen  Knochen  des  Kopfes  in  Verbindung,  namentlich  im  Ober- 
kieferbein (Kieferhöhle")  und  im  Stirnbein  (Stirnhöhle);  zu- 
weilen (beim  Ochsen,  Elephant  etc.)  haben  diese  Höhlen  einen  be- 
deutenden Umfang,  erstrecken  sich  dann  auch  in  andere  Knochen  als 
die  genannten  hinein,  werden  durch  unvollständige  Scheidewände  in 
mehrere  oder  viele  kleine  Räume  getheilt.  Von  anderen  für  das 
Kopfskelet  charakteristischen  Verhältnissen  mag  hervorgehoben  werden, 
dass  an  jeder  Seite  von  der  Stelle,  wo  der  Unterkiefer  eingelenkt  ist. 


»)  Vorne  an  der  Grenze  der  Zwischen-  und  der  Oberkieferbeine  ist  das  Gaumen- 
dach  von  zwei  Oeffnungen  {Canales  incisivi)  durchbrochen,  durch  welche  die  S.  350- 
erwähnten  StensenVhen  Gänge  hindurch  treten. 


Glieder  des  vorderen  Zuugenbeinhoms,  bh  Körper  des  Zungenbeins,  th  hinteres  Horn,  a»  äusseres 
Nasenloch,  cd  (telenktlMchc  des  Unterkiefers,  <atn  Obrenöffhung,  fm  Hinterhauptsloch,  p/"  Gelenk  - 
tläche  am  Schädel  fllr  den  Unterkiefer,  oc  HinterhaupU-Geleukhöcker,  *  die  Stelle,  wo  die 
Uoterkieferbälfte  sich  mit  derjenigen  der  anderen  Seite  verbindet.  —  Di«  übrigen  Bezeich- 
nungen haben  für  uusere  Zwecke  kein  Interesse.  —  Nach  Flower. 


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Wirbelthiere.   6.  Ckrae:  Säugethiere. 


497 


eine  knöcherne  Brücke,  der  Jochbogen ^  zum  Oberkieferbein  hin 
verläuft;  derselbe  ist  von  einem  Portsatz  des  Schuppenbeins  (vergl. 
unten),  vom  Jochbein  und  zuweilen  von  einem  Fortsatz  des  Ober- 
kieferbeins gebildet  (vergl.  die  ähnliche  Knochenbrücke  der  Reptilien 
und  Vögel,  welche  von  Quadratjochbein  und  Jochbein  gebildet  ist).  — 
Das  Zungenbein  besteht  aus  einem  unpaarigen  Körper  und 
zwei  Hörnern  an  jeder  Seite.  Das  vordere  Horn,  welches  dem 
Zungenbeinbogen  der  Fische  entspricht,  ist  gewöhnlich  das  längere 
und  aus  drei  beweglichen  Gliedern  zusammengesetzt;  es  ist  mit 
seinem  oberen  Ende  am  Schädel  (Felsenbein)  festgeheftet.  Das 
hintere  Horn,  welches  dem  1.  Kiemenbogen  entspricht,  ist  kurz  und 
ungegliedert. 

Das  Hinterhauptsloch  ist  von  vier  Knochen  umgeben:  dem  oberen, 
dem  unteren  und  den  beiden  seitlichen  Hinterhauptsbeinen,  von 
denen  die  seitlichen  die  Gelenkhöcker  tragen ,  welche  sich  jedoch  auch  auf 
das  untere  Hinterhauptsbein  hinab  erstrecken  können.  Vor  letzterem  liegt 
das  hintere  Keilbein  {fttsisphenöUleinu) ,  vor  diesem  wieder  das 
vordere  Keilbein  (Prafisphenmdmm),  beide  in  der  nach  unten  gekehrten 
Partie  des  knorpeligen  Schädels  entwickelt  und  beide  mit  flügeiförmigen 
Seitentheilen  versehen,  welche  an  der  Begrenzung  der  Schädelhöhle  theil- 
nehmen;  vor  dem  vorderen  Keilbein  liegt  das  vorhin  erwähnte  Siebbein. 
Vor  dem  seitlichen  Hinterhauptsbein  liegt  derjenige  Knochen,  in  welchem 
das  innere  Ohr  seinen  Platz  hat,  das  Felsenbein;  an  dieses  schliesst 
sich  aussen  das  Schuppen  bei n,  von  welchem  der  Jochbogen  entspringt; 
ferner  liegt  demselben  ein  ringförmiger  Knochen  an,  in  welchem  das 
Trommelfell  ausgespannt  ist,  das  Pauken  bei n  (rPympanictmi)\  bei  manchen 
Säugethieren  verschmelzen  diese  drei  Knochen  frühzeitig  mit  einander  und 
werden  mit  dem  gemeinsamen  Namen  Schläfenbein  {Temporale)  be- 
zeichnet. Oberhalb  des  oberen  Hinterhauptsbeins  findet  sich  ein  einfacher 
oder  paariger  Knochen,  das  Zwischen  Scheitelbein  (Interj>aruitaJf)t 
welches  bei  manchen  Säugethieren  (z.  B.  beim  Menschen)  schon  im  embryo- 
nalen Leben  mit  dem  oberen  Hinterhauptsbein  verschmilzt.  Vor  dem 
Zwischenscheitelbein  liegen  die  beiden,  meistens  grossen,  Scheitelbeine, 
vor  diesen  die  Stirnbeine;  letzteren  ist,  am  Vorderrand  der  Augenhöhle, 
jederseits  das  Thränenbein  (Ixuryinale)  angelagert,  durch  welches  der 
Thränenkanal  verläuft.  Der  hinterste  Theil  der  Nasenscheidewand  ver- 
knöchert und  wird  zu  einer  senkrechten,  hinten  mit  dem  Siebbein  zusammen- 
hängenden Knochenplatte,  der  Jjamina  /wr/H'tvlicnlarit:  des  Siebbeins,  während 
der  vordere  Theil  knorpelig  bleibt ;  der  untere  Theil  der  Naaenncheidewand 
wird  von  einem  unpaarigen,  rinnenförmigen,  zusammengedrückten  Knochen, 
dem  Pflugscharbe  in  (Vomrr;  entspricht  schwerlich  den  gleichnamigen 
Knochen  der  niederen  Wirbelthiere),  gebildet.  —  Von  den  im  Kopfskelet  der 
Reptilien  vorhandenen  Knochen  fehlen  ausser  dem  Quadratbein  noch  das 
Vorder-  und  das  Hinterstirnbein ,  das  Quadratjochbein,  das  Querbein  und 
das  Säulenbein.  —  Im  Allgemeinen  sind  die  Knochen  des  Säugethier- 
schädels  nur  bei  den  Jungen  gesondert,  verschmelzen  später  alle  oder  zum 
grossen  Theil  mit  einander. 

Die  ungemein  verschiedene  äussere  Form,  welche  der  Schädel  der 
Säugethiere  darbietet,   ist  wesentlich  durch    die  verschiedenartige  Ent- 


')  Bei  nicht  wenigen  8äugethieren  findet  sich  ungefähr  an  der  Mitte  des  Joch- 
bo^ena  ein  Fortsatz,  welcher  mit  einem  ähnlichen  vom  Stirnbein  zusammentrifft 
und  mit  diesem  eine  Knochenbrücke  hinter  dem  Auge  bildet. 

Boa«,  Znnloirle.  32 


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498 


Specieller  Theil. 


wicklung  der  an  und  in  demselben  angebrachten  Organe  bedingt.  Von 
grosser  Bedeutung  ist  in  dieser  Besiehung  das  Gehirn;  durch  eine  starke 
Entwicklung  des  Gehirns  im  Yerhältniss  zu  den  übrigen  dem  Kopf  Ange- 
hörigen Organen  wird  der  hintere  Theil  des  Kopfskeletes  im  Vergleich  mit 
dem  vorderen  Abschnitt  (der  Gesichtspartie)  überwiegend  ausgebildet,  wie 
solches  z.  B.  beim  Menschen  der  Fall  ist.  Auch  die  verschiedenartige 
Entwicklung  der  Zähne  hat  einen  hervorragenden  Einfluss  auf  die  Form 
des  Schädels ;  eine  mächtige  Ausbildung  der  Zähne  fuhrt  eine  entsprechende 
Ausbildung  derjenigen  Knochen  mit  sich .  in  welche  dieselben  eingepflanzt 
sind,  ebenso  wie  auch  derjenigen  Theile,  von  denen  die  Kaumuskeln  ent- 
springen. Die  Entwicklung  der  in  den  Nasenhöhlen  angebrachten  Theile 
spielt  ebenfalls  eine  wichtige  Rolle .  ferner  auch  die  sehr  varürende  Aus- 
bildung der  Augen;  auch  hat  das  Vorhandensein  von  Hörnern  oder  Ge- 
weihen auf  dem  Kopf  stärkeres  oder  schwächeres  Wachsthum  derjenigen 
Theile  des  Schädels  zur  Folge,  mit  denen  sie  verbunden  sind.  —  In  un- 
fangreichen  Schädeln ,  bei  Thieren  mit  grossen  Zähnen ,  Hörnern  etc.. 
nehmen  die  Lufthöhlen  oft  einen  sehr  grossen  Kaum  ein:  die  grossen 
Knochenmassen ,  welche  nothwendig  sind ,  um  diese  Theile  zu  tragen ,  um 
Muskeln  Ansatzfiächen  darzubieten  etc.,  sind  —  was  natürlich  in  mehrfacher 
Beziehung  für  das  Thier  von  Bedeutung  ist  —  überall  ausgehöhlt, 
indem  die  Lufthöhlen  überall  in  dieselben  vordringen  (dies  ist  z.  B.  beim 
Pferd,  Elephant,  Rind  etc.  der  Fall).  —  Es  mag  an  dieser  Stelle  auch  noch 
hervorgehoben  werden,  dass  der  Schädel  des  jungen  Thieres  in  seiner 
äusseren  Form  oft  von  dem  des  Erwachsenen  sehr  abweichend  ist:  das 
Gehirn  ist  verhältnissmässig  grösser,  die  Zähne  und  Kaumuskeln  schwächer, 
die  Gesichtspartie  desshalb  klein,  die  Lufthöhlen  wenig  entwickelt,  die  vor- 
springenden Kämme,  von  denen  die  Kaumuskeln  ihren  Ursprung  nehmen, 
klein  oder  gar  nicht  vorhanden,  etc.  *) 

Der  Schultergürtel  verhält  sich  bei  den  Klo akenthieren 
in  der  Hauptsache  wie  bei  den  Reptilien:  sowohl  das  Schulter- 


Fig.  341.  fig.  342. 


Fig.  841.  Recht«  Hälfte  des  Schultcrgurtcls  eines  jungen  Schnabelthiere» 
cl  Schlüsselbein,  co'  vonlerer,  co  hinterer  Theil  de*  Coracoids,  /  Gelenkpfanne,  sc  Schulter- 
blatt. —  Orig. 

Fig.  342.  Rechte  Hälfte  desSchultergürtela  eines  jungen  Affen;  Schulterblatt  in 
starker  Verkürzung  gesehen,  k  Kamin  des  Schulterblattes.  Uebrige  Buchstaben  wie  in  der 
vorigen  Figur.  —  Orig. 

blatt  als  dasOoracoid  sind  wohlentwickelt,  letzteres  ist  breit  und 
abgeplattet,  in  ein  vorderes  und  ein  hinteres  Stück  getheilt  und  ver- 

')  Sehr  oft  verhalten  die  Schädel  kleiner  (erwachsener)  Säugethiere  sich  zu 
den  Schädeln  grösserer  nächstverwandter  Formen  in  mehreren  Punkten  wie  jugend- 
liche Thiere  zu  erwachsenen  derselben  Art:  die  Gehirnpartie  ist  grösser,  die 
Muskelkämme  sind  schwächer  etc. 


Dig 


Wirbelthiere.   6.  Classc:  Säugethiere. 


499 


bindet  sich  mit  dem  vorderen  Ende  des  Brustbeins;  auch  ein 
Schlüsselbein  ist  bei  den  Kloaken thieren  vorhanden,  es  geht  vom 
Rande  des  Schulterblattes  an  das  Vorderbrustbein,  ganz  wie  bei  den 
Reptilien.  Bei  den  übrigen  Säuget hieren  ist  dagegen  eine  be- 
deutende Veränderung  eingetreten:  dasCoracoid  ist  rudimentär  ge- 
worden, nur  das  äussere  (obere)  Ende  ist  in  Form  eines  Fortsatzes 
am  unteren  Ende  des  Schulterblattes,  des  Rabenschnabel fort- 
satzes  (Processus  coraco'ideus)1) ,  vorhanden,  welcher  das  Brustbein 
nicht  erreicht.  Das  Schulte rblatt  ist  gewöhnlich  eine  breite 
Platte,  deren  obere  Randpartie  in  der  Regel  knorpelig  bleibt ;  es  ist 
an  seiner  äusseren  Fläche  mit  einem  aufrechten  Längskamm  versehen, 
an  dessen  untere  vortretende  Spitze  (Acromion)  das  äussere  Ende 
des  Schlüsselbeins  geheftet  ist ,  während  aas  innere  Ende  des 
letzteren  sich  am  Brustbein  befestigt.  Bei  manchen  Säugethieren  fehlt 
übrigens  das  Schlüsselbein  (z.  B.  bei  allen  Hufthieren)  oder  ist  in 
rudimentärer  Form  vorhanden  (Hund),  in  welchen  Fällen  der  Schulter- 
gürtel keine  direkte  Verbindung  mit  dem  Skelet  des  Rumpfes  besitzt : 
bei  anderen,  z.  ß.  bei  grabenden,  kletternden  und  fliegenden  Säuge- 
thieren, ist  das  Schlüsselbein  dagegen  ein  kräftiger,  in  der  Regel 
st&bformiger  Knochen. 

Das  Skelet  der  Vordergli edmaassen  besteht  aus  den  ge- 
wöhnlichen Theilen.  Die  Knochen  des  Unterarmes  sind  meistens 
entweder  von  ungefähr  gleicher  Stärke,  oder  die  Speiche  ist,  wenigstens 
am  unteren  Ende,  stärker;  oft  ist  sognr  der  untere  Theil  der  Elle 
rudimentär,  während  das  obere  Ende,  welches  den  bei  den  Säuge- 
thieren meistens  grossen  und  vortretenden  Ellbogen  trägt,  selbst 
dann  gewöhnlich  wohlentwickelt  ist.  Oft  kreuzen  beide  Knochen 
einander ,  indem  oben  die  Speiche  am  äusseren,  die  Elle  am 
inneren  Theil  des  unteren  Endes  des  Oberarmbeins  eingelenkt  ist, 
während  unten  die  Speiche  sich  mit  dem  inneren,  die  Elle  mit  dem 
äusseren  Theil  der  Handwurzel  verbindet;  in  anderen  Fällen  wird 
aber  die  Elle  oben  ganz  hinter  die  Speiche  gedrängt,  so  dass  keine 
eigentliche  Kreuzung  stattfindet.  Beide  Knochen  sind  entweder  be- 
weglich 8)  oder  häufiger  unbeweglich  mit  einander  verbunden ;  in 
letzterem  Fall  verwachsen  sie  oft  mit  zunehmendem  Alter.  Die 
Handwurzel  besteht  aus  zwei  Querreihen  von  Knochen;  in  der 
proximalen  Reihe  finden  sich  die  gewöhnlichen  drei  Knochen,  in  der 
distalen  vier  Knochen,  indem  die  beiden  äusseren  der  typischen  fünf 
Knochen  (Carpalia  Nr.  4  und  5)  zu  einem  verschmolzen  sind 3).  Am 
äusseren  Rand  der  Handwurzel  findet  sich  ein  ziemlich  grossser  Se- 
samknochen, das  Erbsenbein  (Pisifornie).  Von  den  fünf  Fingern 
besitzt  der  Daumen  (Nr.  1)  zwei  Glieder,  die  übrigen  nur  je  drei; 

')  Beim  jungen  Thier  ist  dieser  Fortsatz  durch  zwei  besondere  Verknöche- 
rungen vertreten,  welche  später  mit  dem  Schulterblatt  verschmelzen  (vergl.  Fig.  342). 

*)  Das  untere  Ende  der  Speiche  kann  dann  im  Zusammenhang  mit  der  Hand 
(welche  nur  an  einer  begrenzten  Stelle  mit  der  Elle,  sonst  mit  der  Speiche  verbunden 
ist)  mehr  oder  weniger  nach  aussen  schwingen,  sehr  stark  z.  B.  beim  Menschen. 

*)  Die  Handwurzelknochen  werden  bei  den  Säugethieren  gewöhnlich  mit 
folgenden  Namen  bezeichnet:  in  der  proximalen  Reihe  von  innen  nach  aussen 
Naviculare,  Lunatum,  Triquttrum;  in  der  distalen  Reihe  Multangulum  majus, 
Mult.  minus,  Capitatum,  Hamatum.  In  einigen  Fällen  (bei  Reduction  der  Anzahl 
der  Hittelhandknochen)  können  einzelne  dieser  Knochen  fehlen;  auch  könneu  Ver- 
schmelzungen zwischen  einigen  derselben  stattfinden.  Selten  ist  ein  Centrale  zwischen 
den  Reihen  entwickelt. 

32* 


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500 


Specieller  Theil. 


nur  in  gewissen  sehr  umgebildeten  Vordergliedmaassen  (bei  den  Walen) 
kann  die  Gliederzahl  vermehrt  werden.  Bei  gewissen  Säugethieren 
ist  der  Daumen  freier  beweglich  als  die  übrigen  Finger,  so  dass  die 
Hand  ein  Greifwerkzeug  wird.  Bei  Säugethieren,  bei  denen  er  diese 
Function  nicht  besitzt,  findet  man  häufig  eine  Reduction  des  Daumens 
oder  er  fehlt  ganz.  Auch  andere  Finger  können  verkümmern  oder 
ganz  verschwinden,  namentlich  bei  Formen,  deren  Gliedmaassen  in 
ausgeprägtem  Grade  als  Geh-  oder  Laufbeine  entwickelt  sind  (Huf- 
thiere);  bei  einer  Beschränkung  der  Anzahl  werden  die  übrig  ge- 
bliebenen oder  einige  derselben  um  so  kräftiger  ausgebildet.  Eine 
Verschmelzung  von  mehreren  Mittelfussknochen  kann  in  solchen  Fällen 
ebenfalls  stattfinden.  Ueberhaupt  bietet  die  Ausbildung  der  Vorder- 
gliedmaassen,  bei  Anpassung  an  verschiedene  Function  (Graben,  Klet- 
tern, Flug  etc.),  eine  grosse  Mannigfaltigkeit  dar  (vergl.  auch  die  spe- 
cielle  Darstellung). 

Das  Becken  zeichnet  sich  bei  den  Säugethieren  dadurch  aus. 
dass  das  Darmbein  nach  hinten  gerichtet  ist.  die  Anheftungsstelle 
desselben  an  die  Beckenwirbel  liegt  gegen  sein  vorderes  End«»,  die 
Gelenkpfanne  am  hinteren  Ende  (während  das  Darmbein  z.  B.  hei 
den  Reptilien  nach  unten  oder  nach   unten  und  vorne  gerichtet  ist). 


Fig.  343.  Linke  Hallte  de.«  Beckens  von  einem  jungen  Ornithorhynchva.  I  Gelenk- 
pfanne, II  Darmbein,  is  Sitzbein,  p  Schambein ;  x  die  Stelle,  wo  Sitz-  und  Schambein  unten 
an  einander  grenzen;  m  Beutelknocheu.  —  Orig. 

Flg.  844.  Linke  Hälfte  des  Reckens  eines  neugeborenen  Kalbes,  verkleinert,  x  die 
Stelle,  wo  Sitz-  und  Schambein  unten  mit  einander  verwachsen  sind ;  Übrige  Bezeichnung 
wie  in  der  vorigen  Figur.  —  Orig. 

Scham-  und  Sitzbein  jeder  Seite  vereinigen  sich  unten  mit  einander, 
das  Schambein  ausserdem  in  der  Mittellinie  mit  dem  der  anderen 
Seite,  was  auch  beim  Sitzbein  der  Fall  sein  kann ;  selten  fehlt  eine 
Verbindung  zwischen  beiden  Beckenhälften  ganz  (z.  B.  bei  gewissen 
Insektenfressern).  Beim  erwachsenen  Thier  sind  alle  drei  Knochen 
jeder  Beckenhälfte  völlig  verschmolzen  '). 


')  Auch  die  Verbindung  der  beiden  Beckenhälften  unten  in  der  Mittellinie 
kann  in  eine  Verwachsung  derselben  übergehen,  ebenso  wie  auch  die  Verbindung 
zwischen  Darmbein  und  Beckenwirbeln.  Bei  einigen  Säugethieren  (z.  B.  gewissen 
Edentaten)  kann  das  Sitzbein  sich  mit  den  hinteren  unechten  Beckenwirbeln  ver- 
binden und  verwachsen. 


Fig.  343. 


Fig.  344. 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säagethiere. 


501 


Bei  den  Kloakenthieren  und  den  Bentelthieren  ist  dem  vorderen  Rand 
der  Schambeine  ein  Paar  nach  vorn  gerichteter  Knochen,  die  Bogen. 
Beutelknochen,  angeheftet ;  sie  dürften  als  den  Bauchmuskeln  angehörige 
Seh  neu  verknöcherungen  aufzufassen  sein. 

Hinte r g Ii edmaa 88e u.  Von  den  beiden  Knochen  des  Unter- 
schenkels ist  das  Schienbein  immer  stärker  als  das  Wadenbein , 
welches  oft  sehr  dünn  oder  sogar  in  seinem  unteren  Theil  unvoll- 
ständig ist ;  häufig  ist  letzteres  unten  mit  dem  Schienbein  verwachsen. 
Vor  dem  Gelenk  zwischen  Schenkel  und  Unterschenkel  (Kniegelenk)  ist 
eine  grosse  Kniescheibe  vorhanden.  Die  Fusswurzel  enthält  in 
ihrer  proximalen  Reihe  nur  zwei  Knochen,  das  Sprungbein 
(Astragalus)  innen,  und  das  Fersenbein  (Calcaneus),  mit  der  stark 
vorspringenden  Ferse,  aussen  und  hinten.  Die  Bewegung  im  Fuss- 
gelenk findet  ganz  überwiegend  zwischen  dem  unteren  Ende  des 
Unterschenkels  und  dem  Sprungbein  (oder  zugleich  dem  Fersenbein) 
statt,  während  die  Bewegung  zwischen  den  Fusswurzelknochen  unter 
sich  im  Allgemeinen  nur  gering  ist  (vergl.  die  ganz  abweichenden 
Verhältnisse  bei  Reptilien  und  Vögeln).  In  der  distalen  Reihe  finden 
sich  vier  Knochen1)  ebenso  wie  in  der  Hand;  eine  Centrale 
(Xavkulare)  findet  sich  zwischen  beiden  Reihen  an  der  inneren  Seite. 
Mittelfuss  und  Zehen  bieten,  was  Gliederanzahl 
etc.  betrifft,  dieselben  Verhältnisse  dar  wie  die 
Mittelhand  und  Finger;  auch  in  Bezug  auf  die 
speciellere  Ausbildung,  die  Reduction  der 
Zehenzahl  etc.  finden  sich  in  Allgemeinen  ent- 
sprechende Verhältnisse.  Zuweilen  ist  jedoch 
die  Hand  in  einer  Weise,  der  Fuss  in  einer 
anderen  entwickelt  (z.  B.  bei  springenden 
Thieren,  bei  ausgeprägten  Gräbern  etc.). 

Ausser  den  schon  oben  erwähnten  8  es  am- 
beinen (Erbsenbein,  Kniescheibe)  sind  bei  den 
Säugethieren  noch  andere  vorhanden;  namentlich 
finden  sich  häufig  unterhalb  des  Gelenkes  zwischen 
jedem  Mittelhandknochen  und  dem  ersten  Finger- 
glied (und  ebenso  zwischen  jedem  Mittel  f u  s  s  - 
knochen  und  dem  ersten  Zehenglied)  zwei  kleine 
Knochen,  und  unterhalb  des  Gelenkes  zwischen 
vorletztem  und  letztem  Finger(Zehen)glied  ein  Se- 
samknochen; ausserdem  andere  weniger  allgemein 
vorkommende. 

Ein  allgemeiner  Charakter  des  Säugethier- 
skeletes  besteht  darin,  dass  die  Endpartien  zahl- 
reicher, besonders  der  langen  Knochen,  ferner  auch 
viele  Fortsätze,  besonders  verknöchern,  so  dass 
bei  jüngeren  Thieren  manche  Knochen  aus 


man 


mehreren  Stücken  zusammengesetzt  findet,  welche 
später  verschmelzen.  Die  besonders  verknöcherten 
Endstücke  oder  Fortsätze  nennt  man  Epiphysen. 


Fig.  345.  Schienbein  eine« 


Das  Gehirn  ist  in  mehreren  Beziehungen  «»y*hrigen  Pferdes,  um  die 

 j „±       n«„    tr  j  _  „     hpipbyacn  e  und  r  zu 


charakteristisch  ausgebildet.     Das  Vorder 
hirn  (Grosshirn)  ist  von  bedeutender  Grösse, 


zeigen.  —  Orig. 


*)  Cuneiforme  I,  IT,  III  und  Cuboideum,  letzteres  den  Tanalia  4  -f  5  ent- 
sprechend. 


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502 


Specieller  Theil. 


an  seiner  Oberfläche  mit  labyrinthisch  gewundenen  tiefen  Furchen 
versehen,  welche  wulstförmige  Erhebungen,  die  Windungen  (Gyri), 
von  einander  abgrenzen,  seltener  glatt  oder  fast  glatt,  wie  z.  B.  bei 
den  Nagern ;  es  überdeckt  nicht  allein  das  Zwischenhirn,  sondern  ge- 
wöhnlich auch  das  Mittelhirn,  bisweilen  sogar  theilweise  das  Hinter- 
hirn.  Für  die  Säugethiere  eigenthümlich  ist  der  sogenannte  Hirn- 
balken  (Corpus  caUosum),  ein  grosses  System  querverlaufender 
Nervenfasern,  welches  von  einer  Halbkugel  des  Grosshirns  zur  anderen 
geht,  wo  diese  dicht  an  einander  gelagert  sind;  der  Hirnbalken  ist 
am  schwächsten  bei  den  Kloaken-  und  ßeutelthieren  entwickelt.  Das 
Mittelhirn  ist  dadurch  ausgezeichnet,  dass  seine  Oberfläche  nicht 
allein  mit  einer  Längsfurche,  sondern  auch  mit  einer  Querfurche  ver- 
sehen ist,  so  dass  es  oben  vier  Erhebungen  besitzt  (Vierhügel,  Corpora 
quadriqemina).  Das  Hinterhirn  ist  stark  entwickelt;  seine  sehr 
verdickte  obere  Wand  (Kleinhirn)  zerfallt  in  eine  mittlere  Partie  und 
zwei  Seitentheile  und  ist  mit  tiefen  Querfalten  versehen. 

In  Bezug  auf  die  Grösse  de8  Gehirns  im  Verhältniss  zum  übrigen 
Körper  spielt  der  höhere  oder  niedrigere  intellectuelle  Standpunkt  der  be- 
treffenden Art  eine  bedeutsame  Bolle  (vergl.  z.  B.  die  enorme  Entwicklung 
des  Gehirns  beim  Menschen).  Es  giebt  aber  auch  andere  Verhältnisse, 
welche  von  grosser  Bedeutung  sind.  Namentlich  ist  es  eine  Begel,  dass 
kleine  Säugethiere  ein  verhältnissmässig  grösseres  Gehirn  haben  als 
ihre  nächsten  Verwandten  von  bedeutenderer  Grösse ;  im  Ganzen  kann  man 
sagen,  dass  sehr  kleine  Säugethiere  ein  verhältnissmassig  grosses,  sehr 
grosse  ein  verhältnissmässig  kleines  Gehirn  besitzen  (so  hat  z.  B.  der  Ele- 
phant  trotz  seiner  hervorragenden  intellectuellen  Eigenschaften  ein  verhält- 
nissmässig sehr  kleines  Gehirn).  —  Es  kann  hier  auch  hervorgehoben 
werden,  dass  das  Gehirn  bei  jungen  Thieren  verhältnissmässig  grösser  ist 
als  bei  den  erwachsenen. 

Geruchsorgane.  Die  inneren  Nasenlöcher  öffnen  sich  beim 
Embryo  eine  Zeitlang  weit  vorne  in  die  Mundhöhle  ebenso  wie  bei 
den  meisten  Reptilien;  aber  schon  frühzeitig  entwickelt  sich  oben  in 
der  Mundhöhle  an  jeder  Seite  eine  Leiste,  welche  bald  mit  derjenigen 
der  anderen  Seite  verwächst  und  so  eine  wagerechte  Scheidewand 
bildet,  so  dass  die  inneren  Oeffnungen  der  Nasenhöhlen  viel  weiter 
nach  hinten  rücken.  In  den  Nasenhöhlen,  welche  gewöhnlich  einen 
bedeutenden  Umfang  besitzen,  bilden  sich  an  der  äusseren  und  hinteren 
Wand  vorspringende  Palten,  die  Nasenmuscheln,  welche  sich 
in  der  Regel  zu  sehr  grossen  Blättern  entwickeln,  die  wieder  mit 
Falten  versehen  werden,  sich  zusammenrollen  etc.,  so  dass  sie  Gebilde 
von  ziemlich  complicirter  Beschaffenheit  werden ;  sie  sind  zuerst  von 
Knorpel  gestützt,  welcher  aber  später  ganz  oder  theilweise  verknöchert 
(die  unteren  Muscheln  und  die  Blättchen  des  Siebbeins  sind  Ver- 
knöcherungen dieser  Knorpelpartien).  Die  Riechzellen  haben 
ihren  Platz  in  derjenigen  Partie  der  Schleimhaut,  welche  den  aller- 
hintersten  Theil  der  Nasenhöhle,  der  Querplatte  des  Siebbeins  zu- 
nächst, bekleidet;  die  Schleimhaut  ist  hier  gelbbraun.  Der  übrige 
Theil  der  Nasenhöhlen  hat  keine  Bedeutung  als  Geruchsorgan;  in 
seiner  Schleimhaut  findet  sich,  ausser  schleimabsondernden  Drüsen, 
ein  reiches  Gefässnetz,  welches  nach  der  Auffassung  einiger  Verfasser 
die  Aufgabe  hat,  die  Luft  zu  erwärmen,  welche  durch  die  Nasenhöhlen 
hindurch  in  die  Lungen  tritt.  —  Die  oben  (S.  496)  erwähnten  Luft- 
höhlen in  einigen  der  Knochen  des  Kopfes  sind  Ausstülpungen  der 


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Wirbelthieru.   6.  Ciasso:  Säugethiere. 


503 


"Nasenhöhlen  und  mit  einem  Häutchen  ausgekleidet,  welches  eine  Fort- 
setzung der  Schleimhaut  jener  darstellt. 

Augen.  Von  den  Augenlidern  ist  —  im  Gegensatz  zu  den- 
jenigen anderer  Wirbelthiere  —  das  obere  grösser  und  beweglicher 
als  das  untere.  Eine  Nick  haut  ist  im  Allgemeinen  vorhanden,  aber 
weniger  als  bei  Vögeln  und  Reptilien  entwickelt  und  nicht  mit  be- 
sonderen M ii- kein  ausgestattet;  sie  gleitet  vor  einen  Theil  der  Aussen- 
fläche  des  Augapfels  hin,  wenn  letzterer  in  die  Augenhöhle  zurück- 
gezogen wird. 

Die  Sehnen  haut  besteht  aus  Bindegewebe,  ohne  Knorpel  oder 
Knochengewebe;  sie  ist  bei  einigen  Säugethieren,  besonders  bei  den  Walen, 
von  sehr  bedeutender  Dicke.  In  der  Gefässhaut  findet  man  häufig  eine 
eigentümlich  ausgebildete,  grünlich,  bläulich  oder  weiss! ich  schillernde 
Partie  von  etwas  verschiedenem  Baue,  das  Tapet  um  (z.  B.  beim  Pferd, 
den  Wiederkäuern,  den  Haubthieren).  Die  Form  der  Pupille  ist  ver- 
schieden, entweder  kreisrund  (z.  B.  beim  Menschen  u.  a.)  oder  eine  senk- 
rechte (Katze,  Fuchs)  oder  wagerechte  Spalte  (Pferd,  Wiederkäuer). 

Gehörorgan.  Der  Schneckengang  ist  noch  bei  den 
Kloakenthieren  dem  entsprechenden  Theil  der  Reptilien  und 
Vögel  ähnlich,  dagegen  ist  er 
bei  den  übrigen  Säugethieren 
weit  länger  und  spiralig  auf- 
gerollt. Ebenso  wie  bei  den 
Reptilien  findet  sich  ein  ova- 
les und  ein  rundes  Fenster 
gegen  die  Paukenhöhle  zu. 
Anstatt  eines  Hörknochens 
rinden  wir  bei  den  Säuge- 
thieren eine  Reihe  von  drei: 
den  Hammer  (Malleus),  wel- 
cher sich  mit  dem  Trommel- 
fell verbindet,  den  Amboss 
(Iticus)  und  den  Steigbügel 
(Stapes),  dessen  plattenförmige 
Endpartie  das  ovale  Fenster 

SChliesst.    Der  Steigbügel  ent-      ,  Fiß-  »«     Querschnitt  des  Kopfe,  eines  Säuge- 
•  i  ,  -r  ii         j  „  tlueres,  um  die  Verhältnisse  de«  Ge  h  o  r  o  r  u&n  s  zu 

spricht   zweifellos  dem  ver-  zeigen; 'Schema  (das  Labyrinth  i8t  verhÄltnf88mÄ88ig 

knocherten  Theil  des  Hör-  viel  zu  gros,  gezeichnet,  etc.).  o  Ampulle,  b  Bogen- 
knochens    der   Reptilien    Und  (fang  (nur  ein  Bogengang  ist  dargestellt),  e Schnecken- 

Vögel  (oder  dem  innereu  Theil  Rang;  *°  Stcculu«'  u  utricuim  (zu.ammen  der  Vor- 

dp^plhonV  hui  d*»n  Kloakpn-  hof);  Um  daB  L»bJrrinlh  herum  Lymphräume,  in  der 
tiesseiDenj  ,   Del  üen  ÄlOaKen-  FigUf  Mhwara>  k  gchädelknochcn,  h  Hammer,  am  Am- 

thieren  besteht  er  ebenso  Wie  boss,  •  Steigbügel,  t  Paukenhöhle,  r  rnnde.  Fenster, 

dieser    aU8    einem    einfachen  «  Ohrtrompete,  tr  Trommelfell,  y  äusserer  Gehörgang, 

Schaft  und  einer  Platte,  bei  *  äussern  Ohr.  —  Orfc.  (mit  theilweiser  Benutzung 
den   übrigen  ist  der  Schaft  Ä,teror  F,gg) 

in  der  Regel  breiter  und  durchbohrt,  wodurch  das  Knöchelchen 
einem  Steigbügel  ähnlich  wird.  Die  Deutung  der  beiden  anderen 
Gehörknöchelchen  ist  zweifelhaft Für  die  Säugethiere  charakte- 

')  Der  Hammer  wird  von  Einigen  als  dem  Quadratbein  der  Reptilien  homolog 
aufgcfasst,  während  dann  der  Amboss  als  dem  äusseren  Theil  des  Gehörknöchelchens 
derselben  entsprechend  betrachtet  wird;  Andere  meinen,  dass  der  Amboss  dem 
Quadratbein,  der  Hammer  dem  oberen  hinteren  Knochen  deB  Unterkiefers  der 
Reptilien  (Articulare)  entspricht.  Vielleicht  entsprechen  alle  drei  Gehörknöchelchen 


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ÖU4 


Specialer  Theil. 


ristisch  ist  die  Ausbildung  eines  äusseren  Gehörganges:  die 
Grube,  in  deren  Boden  das  Trommelfell  bei  den  Reptilien  seinen 
Platz  hat,  ist  bei  den  Säugethieren  zu  einer  längeren  Röhre  geworden, 
deren  innerer  Theil  oft  verknöchert  ist  (eine  röhrenförmige  Ver- 
längerung des  Paukenbeins),  während  der  äussere  Theil  von  knorpeligen 
Theilen  gestützt  ist.  Die  äussere  Oeffnung  ist  in  der  Regel  von  dem 
äusseren  Ohr  umgeben,  einer  grossen  Hautfalte  von  verschiedener 
Form,  welche  ansehnliche  elastische  Knorpeltheile  enthält. 

Die  Paukenhöhle,  welche  in  das  Schläfenbein  eingeschlossen  liegt, 
ist  oft  von  recht  beträchtlichem  Umfange,  so  dass  die  umgebenden  Knochen- 
partien (besonders  das  Paukenhein)  zu  einem  blasenförroigen  Theil  (Buliaj 
anschwellen ;  zuweilen  steht  die  Paukenhöhle  mit  luftgefüllten  Hohlräumen 
der  benachbarten  Knochen  in  Verbindung  (vergl.  Krokodile  und  Vögel). 
Die  Ohrtrompeten  haben  in  der  Regel  theilweise  knorpelige  Wände ; 
sie  münden  getrennt  in  den  Schlund.  Beim  Pferd  hat  jede  Ohrtrompete 
eine  sehr  grosse  dünnwandige  sackförmige  Erweiterung. 

Die  Mundhöhle  ist  bei  jungen  Embryonen  ein  einheitlicher 
Hohlraum  ebenso  wie  bei  den  meisten  Reptilien  etc.  Aber  die  Aus- 
bildung des  bei  den  Geruchsorganen  erwähnten  Gaumendaches  hat 
zur  Folge,  dass  die  Mundhöhle  in  mehrere  Abschnitte  gesondert  wird, 
nämlich :  1)  eine  hintere  ungetheilte  Partie,  hinter  dem  hinteren  Rande 
des  Gaumendaches,  den  Sei» lund köpf  (Pharynx);  2)  eine  untere 
vordere  Partie  unterhalb  des  Gaumendaches,  die  eigentliche 
Mundhöhle;  endlich  3)  oberhalb  des  Gaumens  eine  obere  vordere 
Partie,  welche  sich  mit  den  Nasenhöhlen  vereinigt.  Wir  betrachten 
zuerst  die  Organe  der  eigentlichen  Mundhöhle  und  unter  diesen  zu- 
nächst die  Zähne. 

Die  Zähne  der  Säugethiere  sind  dadurch  ausgezeichnet,  dass 
ihre  Anzahl  bei  einer  und  derselben  Art  im  Allgemeinen  ziemlich 
bestimmt  und  nicht  sehr  gross  ist,  dass  ihre  Form  in  der  Regel  ver- 
hältnissmässig  complicirt  ist,  dass  sie  in  Zahnhöhlen  sitzen,  und  be- 
sonders durch  die  eigenthümliche  Art  des  Zahnwechsels,  indem 
die  Zähne  nicht  wie  bei  den  niederen  Wirbelthieren  das  ganze 
Leben  hindurch  durch  neue  ersetzt  werden,  sondern  nur  zwei  Serien 
von  Zähnen,  das  Milchgebiss  und  das  bleibende  Gebiss,  in  gesetz- 
mässiger  Reihenfolge  nach  einander  auftreten ;  weiter  ist  hervorzuheben, 
dass  die  Zähne  bei  den  Säugethieren  in  ausgedehntem  Maasse  zur 
Zerkleinerung  der  Nahrung,  nicht  blos  zum  Festhalten  derselben  be- 
nutzt werden.  —  Am  Säugethierzahn  kann  man  Krone  und  Wurzel 
unterscheiden.  Die  Wurzel  ist  der  untere1),  gewöhnlich  schmälere, 
oft  in  mehrere  Aeste  gespaltene,  schmelzlose,  aber  mit  Cement 
bedeckte  Theil  des  Zahnes,  welcher  im  Kiefer  versteckt  bleibt  ;  die 
Krone  der  obere,  schmelzbedeckte  Theil,  welcher  gewöhnlich 
ganz  frei  sitzt  und  in  der  Regel  durch  eine  deutliche  Grenze  (eine 
Einschnürung  oder  dgl.)  von  der  Wurzel  gesondert  ist:  in  der  Regel 
ist  die  Krone  cementlos,  seltener  findet  sich  an  der  Oberfläche  des 
Schmelzes  eine  dünnere  oder  dickere  Cementschicht.  Die  Form  der 
Krone  ist  sehr  verschieden :  sie  kann  einfach  kegelförmig  oder  meissel- 

der  Säugethiere  zusammen  dem  einzigen  Gehörknochen  der  Reptilien  und  Vögel 
(incl.  dessen  äusserer  knorpeliger  Endpartie). 

')  Das  freie  Ende  des  Zahnes  nennen  wir  stets  das  obere,  das  entgegengesetzte 
das  untere  Ende,  obgleich  diese  Bezeichnungen  eigentlich  nur  für  die  Unterkiefer- 
zihne  richtig  sind. 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugetbiero. 


505 


förmig  sein,  sie  kann  niedrig  und  breit  mit  abgerundeten  Höckern 
oder  mit  spitzigen  Zacken  versehen  sein,  oder  aber  stark  zusammen- 
gedrückt mit  mehrfachen  Spitzen  am  Rande ;  oder  sie  ist  mit  starken 
Quer-  oder  Längskämmen  ausgestattet,  welche  durch  Thäler  ge- 
trennt sind.  Letztere  können  sehr  tief  werden  und  sich  bis  an 
den  Grund  der  Krone  erstrecken  (z.  B.  an  den  Backenzähnen  des 
Elephanten);  auch  an  den  Seitenflächen  des  Zahnes  können  senk- 
rechte Furchen  vorhanden  sein;  meistens  sind  tiefere  Falten  ganz 
oder  theilweise  mit  Cement  ausgefüllt  (so  beim  Pferd  und  Elephant). 
Während  des  Gebrauches  wird  sehr  häufig,  namentlich  an  gefalteten 
Zähnen,  die  Schmelzschicht  an  allen  vorspringenden  Punkten  des 
Zahnes  durch  die  Abnutzung  abgeschliffen  und  dadurch  das  unter- 
liegende Zahnbein  entblösst ;  an  der  Kaufläche  sieht  man  dann  Zahn- 
beininseln von  etwas  erhabenen  Schmelzstreifen  und  letztere  oft  noch 
von  Cement  umgeben  (besonders  an  Zähnen  von  Pflanzenfressern). 
Krone  und  Wurzel  sind  an  manchen  Zähnen  ungefähr  von  derselben 
Länge,  nicht  selten  ist  die  Wurzel  etwas  länger  als  die  Krone,  in 
anderen  Fällen  erreicht  dagegen  die  Krone  eine  überwiegende 
Ausbildung.  Letzteres  ist  besonders  bei  stark  gefalteten  Zähnen, 
welche  einer  bedeutenden  Abnutzung  unterworfen  sind,  der  Fall;  bei 
solchen  ist  die  Wurzel  (resp.  die  Wurzeln )  oft  sehr  kurz,  die  Krone 
dagegen  sehr  lang,  und  es  tritt  letztere  nicht  sofort  aus  dem  Kiefer 
in  ihrer  ganzen  Länge  hervor,  sondern  zunächst  kommt  nur  der  obere 
Theil  zum  Vorschein,  und  allmählich,  während  das  freie  Ende  abgenutzt 
wird,  schiebt  sich  der  Zahn  heraus  (solches  ist  z.  B.  mit  den  Backen- 
zähnen des  Pferdes  der  Fall).  Oft  ist  die  Wurzel  nicht  einmal  ge- 
bildet, wenn  die  Abnutzung  des  oberen  Theiles  der  Krone  schon  an- 
gefangen hat;  in  anderen  Fällen  kommt  es  überhaupt  nicht 
zu  einer  Wurzelbildung:  in  dem  Maasse  wie  die  Krone  oben 
abgenutzt  wird,  wächst  sie  unten,  und  das  Wachsthum  des  Zahnes 
wird  nie  abgeschlossen:  wurzellose  Zähne  (die  Vorderzähne  der 
Nager,  die  Backenzähne  mancher  Formen  derselben  Gruppe,  die  Eck- 
zähne des  Ebers  etc.). 

Die  Zähne  sitzen  in  einer  einzigen  Reihe  längs  des  Randes  des 
Zwischen-  und  Oberkieferheines  und  des  Unterkiefers ;  die  Zähne  des 
Zwischenkiefers  werden  als  Schneidezähne,  der  vorderste  Zahn 
des  Oberkieferbeines  dicht  an  der  Grenze  des  Zwischenkiefers  als 
Eckzahn,  die  übrigen  des  Oberkiefers  als  Backenzähne  be- 
zeichnet; im  Unterkiefer  wird  derjenige  Zahn,  welcher  beim  ge-. 
schlossenem  Munde  vor  den  Oberkiefer-Eckzahn  greift,  als  Eckzahn, 
die  davor  sitzenden  als  Schneide-,  die  da  hinter  sitzenden  als  Backen- 
zähne bezeichnet.  Bei  den  meisten  placen  talen  l)  Säugethieren 
bewegt  sich  die  Zahl  der  Zähne  jeder  Kieferhälfte a)  in  dem  zweiten, 
bleibenden  Gebiss  innerhalb  11:  3  Schneidezähne  (t1,  »2,  t8), 
1  Eckzahn  (c),  7  Backenzähne,  von  denen  die  vier  vorderen  als 
Prä  molaren  (p1 — p4),  die  drei  hinteren  als  Molaren  (wl — w8)  be- 
zeichnet werden8).   Im  ersten  Gebiss,  dem  Milchgebiss,  welches 


')  Vergl.  S.  617.  Die  placentalen  S.  umfassen  sämmtliche  Säugethiere  mit 
Ausnahme  der  Kloaken-  und  Beutelthiere. 

■)  Oben  werden  ein  Zwischenkieferbein  und  ein  Oberkieferbein  als  eine  Kiefer- 
hälfte zusammengerechnet. 

•)  i1  ist  der  vorderste  (innerste)  der  Schneidezähne,  py  der  vorderste  Pramolar, 
m1  der  vorderste  Molar  etc. 


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506 


Specieller  Theil. 


eine  Zeitlang  beim  jungen  Thiere  vorhanden  ist,  später  aber  ausfällt, 
finden  Bich,  wo  es  am  Tollständigsten  ist,  8  Zähne  in  jeder  Kiefer- 
hälfte: 3  Schneidezähne  (dix—di*),  1  Eckzahn  (de)  und  4  Backen- 
zähne (dp1 — dp*),  welche  diejenigen 
Plätze  im  Kiefer  einnehmen,  die 
später  von  den  entprechenden  blei- 
benden Schneidezähnen ,  Eckzahn 
und  Prämolaren  besetzt  sind;  an 
den  Plätzen  der  Molaren  haben 
keine  Milchzähne  gesessen.  Diese 
Zahl  von  Zähnen  wird  jedoch  bei 
manchen  Säugethieren  reducirt,  und 
zwar  betrifft  die  Reduction  sowohl 
Schneide-  als  Eck-  und  Backenzähne. 
Fig.  347.  Gebiss  eine«  Maulwurfs  Gewöhnlich  ist  es  durch  einen  Ver- 
vollständige Zahnfonnel);  die  Milchzähne  gfofcjj  njcüt  8cnwierig  nachzuweisen, 
sind  in  Urnru«  ober-  und  unterhalb  der  °  «  ,  j  «  ,      rj-\  •  j 

entsprechenden   bleibenden  gezeichnet.    •»  0(leL  welche  Zahne  CS  Sind, 

dritter  Schneidezahn,  c.  Eckzahn,  p  PrÄmo-  die  fehlen.  Für  die  Backenzahnreibe 

loren,  m  Molaren.  —  Nach  Ch.  Tome«.       igt  e8  Regel,  da88  die  Reductioil  am 

vorderen  oder  hinteren  Ende  statt- 
findet, so  dass,  wenn  nur  6  Backenzähne  vorhanden  sind,  der  fehlende  Zahn 
in  der  Regel  entweder  der  vorderste  Prämolar  oder  der  hinterste  Molar 
ist;  wenn  nur  5  vorhanden  sind,  fehlen  in  der  Regel  entweder  p1  und 
p*,  oder  m*  und  ro8,  oder  px  und  wi9,  etc.   Bei  einigen  Gruppen  ver- 


Fig.  348.  Die  Zähne  einer  Sau  in  Zahnwochsel;  die  Kiefer  aufgemeisaelt.  t1 — »"* 
erster — dritter  Schneidezahn,  c  Eckzahn,  pl — 4  Prämolaren,  ml-  •  w*  Molaren,  dt*  zweiter  Milch- 
Schneidezahn,  dp* — dp*  Milchbackenzihne.  (Milchzähne  schroffirt.)  Von  den  Milchzähnen 
sind  dil,  di*,  de  schon  ausgefallen;  dp1  fehlt  beim  8chwein.  —  Orig. 

schwinden  vorzugsweise  die  Molaren  (bei  den  Seehunden),  bei  anderen 
die  Prämolaren  (z.  B.  bei  den  Nagern),  bei  anderen  (z.  B.  der  Katze) 
fehlen  Zähne  an  beiden  Enden  der  Backenzahnreihe.  Die  Anzahl 
der  Milchzähne  wird  ebenfalls  reducirt;  fehlt  ein  Zahn  im  bleibenden 
Gebiss,  so  ist  gewöhnlich  auch  der  entsprechende  Milchzahn  in  Weg- 
fall gekommen  (es  giebt  jedoch  von  dieser  Regel  mehrere  Ausnahmen). 
Von  den  angeführten  Milchbackenzähnen  fehlt  übrigens  gewöhnlich 
der  vorderste  (dp1)  auch  in  den  Fällen,  wenn  der  entsprechende  Zahn 
des  bleibenden  Gebisses  (p1)  vorhanden  ist;  selten  fehlen  andere 
Milchzähne,  wenn  die  entsprechenden  bleibenden  vorhanden  sind;  zu- 


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Wirbelthiere.   6.  Clasee:  Säufrethiere. 


f»07 


weilen  (z.  B.  bei  den  Seebunden)  fallen  die  Milchzähne  schon  wäh- 
rend des  embryonalen  Lebens  oder  beim  neugeborenen  Jungen  aus 
und  sind  dann  sehr  schwach  entwickelt  oder  sogar  rudimentär.  — 
Von  den  Zähnen  haben  die  Backenzähne  in  der  Regel  die  compli- 
cirteste  Form,  während  die  Schneide-  und  Eckzähne  einfacher  sind; 
die  Eckzähne  sind  meistens  kegelförmig,  die  Schneidezähne  häufig 
meisselförmig.  Die  Zähne  des  Milchgebisses  sind  gewöhnlich  denen 
des  bleibenden  Gebisses  ähnlich;  es  ist  jedoch  nicht  immer  so,  dass 
ein  bestimmter  Milchzahn  in  seiner  Form  eben  demjenigen  Zahn 
gleicht,  welcher  an  seine  Stelle  tritt;  bei  den  Raubthieren  findet  man 
z.  B.  dass  jeder  Milchbackenzahn  ziemlich  genau  demjenigen  bleibenden 
Zahn  ähnlich  ist,  welcher  einen  Platz  weiter  zurück  in  der  Zahn- 
reihe sitzt.  —  Bei  einem  Theil  der  placentalen  Säugethiere  finden 
wir  jedoch  Abweichungen  von  den  beschriebenen  regelmässigen  Ver- 
bältnissen, indem  eine  grössere  Anzahl  von  Zähnen  auftreten 
kann.  Besonders  findet  mau  solches  bei  Formen,  welche,  in  Anpas- 
sung an  eigenthümliche  Lebensverhältnisse,  in  gewissen  Beziehungen 
so  zu  sagen  auf  eine  niedere  Stufe  hinabgedrückt  sind;  so  besitzen 
z.  B.  die  Zahnwale,  deren  Lebensweise  so  sehr  an  die  der  Fische  er- 
innert, gleichartige,  in  der  Regel  kegelförmige  Zähne,  deren  Anzahl 
mehrere  Mal  so  gross  wie  die  typische  sein  kann;  auch  bei  Thieren, 
für  welche  die  Zähne  nur  eine  untergeordnete  Bedeutung  haben, 
findet  man,  dass  neben  einem  Rückgang  in  der  Form  und  Ausbildung 
des  einzelnen  Zahnes  eine  Vermehrung  der  Anzahl  einhergeht  (z.  B. 
bei  den  Gürteith ieren).  Bei  Formen  mit  solchen  abweichenden  Ver- 
hältnissen des  bleibenden  Gebisses  findet  man  häufig  ein  vollständiges 
Fehlen  des  Milchgebisses.  —  Die  Beutelthiere  weichen  von  den 
placentalen  Säugethieren  in  Bezug  auf  das  Gebiss  besonders  dadurch 
ab,  dass  das  bleibende  Gebiss  sich  innerhalb  einer  etwas  grösseren 
Zahl  als  der  regulären  der  placentalen  Säugethiere  bewegt,  und  dass 
das  Milchgebiss  nur  durch  einen  einzigen  Zahn  (Backenzahn)  vertreten 
ist;  vergl.  des  Näheren  unten  bei  den  Beutelthieren. 

Dem  oben  über  die  Zähne  der  Säugethiere  Gesagten  kann  noch  Fol- 
gendes hinzugefügt  werden.  Häufig  ist  die  Schmelzschicht  an  einigen 
Theilen  der  Krone  dünner  als  an  anderen ;  oder  sie  kann  an  gewissen  Theilen 

A  B 

Fig.  848.  A  Schneidezahn  eines 
Huudes,  kurz  nachdem  er  in  Gebrauch 
getreten  ist;  B  derselbe  Zahn  eines 
alten  Hundes;  Längsschnitte.  An  dem 
jungen  Zahn  ist  die  Pulpahöhle  sehr  gross, 
das  Cement  noch  gar  nicht  (oder  in  sehr 
unbedeutender  Menge)  vorhanden;  in  dem 
alten  Zahn  ist  der  obere  Theil  der  ursprüng- 
lichen Pulpahohle  ganz  mit  Dentin  ausgefüllt 
uud  der  übrige  Theil  derselben  sehr  eng,  das 
Cement  reichlich  entwickelt,  die  Spitze  des 
Zahnes  abgenutzt,  c  Cement,  d  Dentin, 
p  Pulpahöhle,  «  Schmelz.  —  Orig. 


derselben  fehlen  (z.  B.  an  der  Hinterseite  der  Vorderzähne  der  Nager),  ja 
sogar  an  dem  grössten  Theil  (an  den  Schneidezähnen  des  Elephanten  findet 
sich  Schmelz  nur  an  der  Spitze  des  noch  nicht  abgenutzten  Zahnes)  oder 


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I 


508  Speoieller  Theü. 

völlig  fehlen  (so  bei  manchen  Walen).  —  Wenn  der  Zahn  aus  den  Kiefern 
hervorbricht  und  in  Gebrauch  tritt,  ist  seine  Entwicklung  meistens  noch 
keineswegs  abgeschlossen  :  die  Wurzel  ist  oft  nicht  fertig  gebildet ;  die  Zahn- 
beinschicht hat  noch  nicht  ihre  volle  Mächtigkeit  erlangt,  die  Keimhöhle 
ist  gross,  verkleinert  sich  allmählich  langsam,  während  das  Zahnbein  gleich- 
zeitig an  Dicke  zunimmt;  auch  das  Cement  an  der  Wurzel  des  Zahnes  ver- 
dickt Bich  allmählich,  es  ist  bei  sehr  alten  Thieren  oft  von  sehr  ansehn- 
licher Mächtigkeit,  während  es  bei  jungen  kaum  angedeutet  ist;  nur  der 
Schmelz  pllegt  (von  wurzellosen  Zähnen  abgesehen)  vollständig  zu  sein, 
wenn  der  Zahn  in  Gebrauch  tritt.  —  Vor  dem  Ausfallen  der  Milchzähne 
werden  gewöhnlich  die  unteren  Theile  derselben  allmählich  in  grösserer 
oder  geringerer  Ausdehnung  von  eigenthümlichen,  im  umgebenden  Binde- 
gewebe liegenden  Zellen  aufgelöst,  weggeätzt  (resorbirt). 

In  der  Bpeciellen  Darstellung  wird  die  Zahl  der  Zähne  folgendem  Bei- 
spiele gemäss  angegeben :  ^  i  (=  3  Schneidezahne  oben,  2  unten  auf  jeder 
Seite),  \  c  (=  1  Eckzahn  oben,  0  unten),  £  b  (=  6  Backenzähne  oben, 
5  unten),  oder  $  p  {==  3  Prämolaren  oben,  3  unten),  £  m  (=  3  Molaren 
oben,  2  unten).  Wünscht  man  ausdrücklich  anzugeben,  welche  bestimmten 
Zähne  vorhanden  sind,  so  geschieht  dies  nach  folgendem  Schema,  in  welchem 
die  Zeichen  oberhalb  der  Linie  die  Zähne  der  Oberkieferhälfte,  die  anderen 

diejenigen  der  Unterkieferhälfte  bezeichnen:    ^/'p*  ~  pp,p^j>t  ""^r- 

Bei  einer  kleinen  Anzahl  von  Säugethieren  fehlen  Zähne  völlig; 
zuweilen  besitzen  jedoch  Säugethiere,  welche  als  erwachsene  zahnlos 
sind  (z.  B.  die  Bartenwale),  im  Embryonalleben  oder  noch  im  Jugend- 
zustande kleine  Zähne,  welche  jedoch  nicht  hervorbrechen,  sondern 
durch  Resorption  wieder  verschwinden. 

Für  die  Säugethiere  charakteristisch  ist  das  Vorhandensein  einer 
Ober-  und  einer  Unterlippe,  zweier  grosser  musculöser  Haut- 
falten, welche  die  Kieferränder  bedecken,  seitlich  in  einander  über- 
gehen und  die  "Wangen  bilden;  sie  fehlen  nur  selten.  —  Die  Zunge 
ist  sehr  rausculös,  kräftig  und  beweglich,  was  von  grosser  Bedeutung 
bei  der  Bearbeitung  der  Nahrung  in  der  Mundhöhle  wird;  sie  ist 
an  ihrer  Oberseite  mit  kleinen  spitzen  Warzen  (Pupillae  filiformes) 
bedeckt,  welche  zuweilen  an  ihrer  Oberfläche  stark  verhornen  (bei 
den  Katzen);  ausserdem  finden  sich  in  geringerer  Anzahl  verschiedene 
andere  Fortsätze  (P.  fungiformea,  cimtmvallatae  und  foliatae),  welche 
Geschmacksknospen  tragen1).  —  An  der  oberen  Wand  der  Mundhöhle, 
dem  harten  Gaumen,  findet  sich  bei  den  meisten  Säugethieren 
eine  doppelte  Reihe  ziemlich  fester  Querfalten,  die  Gaumen  falten  , 
welche  bei  manchen  Säugethieren,  z.  B.  beim  Rind,  sehr  hervor- 
tretend, bei  anderen  ganz  oder  fast  ganz  verwischt  sind  (Mensch)  ; 
über  die  eigenthümliche  Entwicklung  der  Gaumenfalten  bei  den  Barten- 
walen vergl.  die  Wale.  —  Bei  einer  geringen  Anzahl  von  Säuge- 
thieren  (z.  B.  manchen  Affen  und  Nagern)  sind  sackförmige  Aus- 

')  An  der  Unterseite  der  Zunge  findet  sich  jederseits  eine  Falte,  welche  sich 
oft  vorne  mit  derjenigen  der  andern  Seite  vereinigt ;  diese  Falten,  welche  man  als 
Unterzunge  bezeichnet,  erreichen  ihre  grösste  Entwicklung  bei  den  Halbaffen, 
bei  denen  sie  einen  zungenähnlichen  Anhang  an  der  eigentlichen  Zunge  bilden.  — 
Im  vordersten  Theil  der  Zunge  findet  aich  dicht  an  der  unteren  Seite  bei  manchen 
Säugethieren  ein  länglicher  Körper,  der  sogen.  Toll  wurm  (Lyssa);  er  ist  von 
lockerem  Bindegewebe  umschlossen  und  besteht  selbst  aus  Muskel-  und  Bindegewebe ; 
zuweilen  enthält  er  einen  knorpeligen  Theil,  welcher,  wie  es  scheint,  dem  vorderen 
dünnen  Ende  des  Zungenbeinkörpers  der  Saurier  (Fig.  2Ö7)  entspricht. 


 Digitizfid-hy  QoogW 


Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugethiere. 


509 


stülpungen  der  Mundhöhle  vorhanden,  Reservoire  für  die  aufgenom- 
mene Nahrung,  Backentaschen.  —  Ausser  kleineren  in  die  Wand 


Fig.  350.  Medianer  Längsschnitt  durch  den  Kopf  eine«  mittelgrossen  Hundes,  verklein. 
Xasenscheidewand  entfernt.  Die  durchgeschnittenen  Knochen  punktirt.  b  Kleinhirn,  6a  Hirn- 
balken, c  Schadelwand,  e  Kehldeckel,  <«  Oeffnung  der  Ohrtrompete,  /  Grosshirn,  g  Gaumen- 
dach (harter  (intimen),  yf  Gaumenfalten,  h  Haut,  i  Schneidezahn,  kn  knorpelige  Naae,  /  Toll- 
wurm, m  Muskeln,  w«  Nasenmuscheln,  «  äusseres  Nasenloch,  o  Riechkolben,  ac  Speiseröhre, 
ol  Oberlippe,  p  Scblundkopf,  r  Ringknorpel,  rm  KQckenmark,  ■  Schildknorpel  (»■  und  s  dem 
Kehlkopf  zugehörig),  se  Gaumensegel,  »t  Stimmband,  t  Luftröhre,  lo  Tonsille,  uk  Unterkiefer, 
ul  Unterlippe,  Z  Zunge,  z6  Zungenbeinkörper.  /  Atlas,  2  Epistropheus,  4  vierter  Halswirbel. 
—  Orig. 

eingebetteten  Drüsen  öffnen  sich  in  die  Mundhöhle  mehrere  grössere 
sogenannte  Speicheldrüsen:  Ohrspeicheldrüse  (Parotis),  Unter- 
kieferdrüse (Glandula  submaxillaris),  Unterzungendrüse  (Gl.  subungualis) '). 

Die  Mundhöhle  im  engeren  Sinne  wird  hinten  von  dem  Gaumen- 
segel (Trfi/m  ;ä'w«;m)  abgeschlossen,  einer  grossen  musculösen, 
sehr  beweglichen  Hautfalte,   welche  eine  mehr  oder  weniger  schräg 


*)  Letztere  i»t  übrigens  nicht  eine  einzelne  Drüse,  sondern  eine  Gruppe  von 
kleineren  Drüsen,  jede  mit  einem  Ausführungsgang. 


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51  n 


Specialer  Theil. 


liegende  Fortsetzung  des  harten  Gaumens  bildet.  Hinter  demselben 
liegt  der  Schlundkopf  (Pharynx),  in  welchen  unten,  am  hinteren, 
unteren  Rand  des  Gaumensegels,  die  Mundhöhle,  oben  die  Nasen- 
höhlen einmünden;  in  den  Schlundkopf  öffnen  sich  auch  die  Ohr- 
trompeten und  die  Luftröhre1). 
Der  Schlundkopf  setzt  sich  in 
die  Speiseröhre  fort,  welche 
gewöhnlich  lang  und  eng  ist. 
Der  Mage  n  ist  in  seiner  gewöhn- 
lichen Form  ein  kurzer,  weiter, 
etwas  gebogener  Schlauch,  wel- 
cher dicht  an  der  Einmündungs- 
stelle  der  Speiseröhre  mit  einem 
kurzen  Blindsack  versehen  ist, 
der  übrigens  ganz  allmählich  in 
den  übrigen  Theil  des  Magens 
übergeht.  Bei  verschiedenen 
Säugethieren  ist  der  Magen 
durch  Einschnürungen  in  meh- 
rere Abschnitte  getheilt:  zu- 
sammengesetzter Magen  (bei  ge- 
wissen Nagern,  den  Walen,  den 
Wiederkäuern  etc.);  oder  er  ist 
dadurch  ausgezeichnet,  dass  er 
mit  mehreren  kurzen  Blindsäcken 
besetzt  ist  (beim  Schwein) ;  oder 
er  weicht  auf  andere  Weise,  z.  B. 
durch  langgestreckte  darmähn- 
liche Form  (Känguruh),  von  der 
gewöhnlichen  Gestalt  ab.  Mei- 
stens ist  die  ganze  Innenseite  des 
Magens  mit  einem  Cylinderepithel 
bekleidet  und  seine  Wandung  mit 
zahlreichen  Drüschen  (Magen  saft- 
drüsen  und  Schleimdrüsen)  aus- 
gestattet; zuweilen  setzt  sich  je- 
doch das  Epithel  der  Speiseröhre 
—  welches  ebenso  wie  dasjenige 
der  Mundhöhle  der  Oberhaut  ähn- 
lich, also  ein  mehrschichtiges 
Plattenepithel  ist  —  eine  Strecke 
weit  in  den  Magen  hinein  fort; 
zuweilen  kann  es  sogar  über  eine 
sehr  beträchtliche  Partie  des  Ma- 
gens ausgedehnt  sein:  der  be- 
treffende Theil  macht  beim  Pferde 
ungefähr  die  Hälfte  des  Magens 


Fig.  861.  Schema  des  Darmkanal*  de« 
Menschen.  I  After,  Ca,  Cd,  Ct  Dickdarm,  Dd 
Dünndarm,  (Sl.th  Schilddrüse,  OLthy  Thymus, 
Iiis  Speicheldrüsen,  Lb  Leber,  Lg  Lunge,  Jtf^Magen, 
0r  Speiseröhre,  Pa Bauchspeicheldrüse,  .TÄSchlund, 
Fr  Processus  vermiformis,  It  Enddarm,  17c  Grenze 
von  Dünn-  und  Dickdarm,  Z  Zwerchfell.  —  Nach 


aus ;  bei  den  meisten  Wieder- 
käuern sind  sämmtliche  Magenabtheilungen  mit  Ausnahme  des  Lab- 

')  An  der  Grenze  von  Mundhöhle  und  Schlundkopf  Hegt  unten  an  jeder  Seite 
eine  Handel  (TonsiUa),  eine  grubige  Partie  der  Schleimhaut,  in  welcher  zahlreiche 
Lymphfollikel  vorhanden  sind.  Auch  an  andern  Stellen  der  Mundschleimhaut  sind 
Lynophfollikel  eingebettet. 


r  ,1 

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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugethiere. 


511 


magens  mit  dem  mehrschichtigen  Epithel  bekleidet.  —  Der  Dünndarm 
ist  von  ansehnlicher  Länge,  am  längsten  bei  Pflanzenfressern.  —  Der- 
jenige Abschnitt  des  Darmkanals,  den  wir  bei  anderen  Wirbelthieren 
als  Enddarm  bezeichnen,  ist  bei  den  Säugethieren  von  bedeutender 
Länge,  gewöhnlich  auch  ziemlich  weit  und  erhält  den  Namen  Dick- 
darm; nur  sein  Endabschnitt  wird  als  Enddarm  bezeichnet.  An 
der  Grenze  von  Dünn-  und  Dickdarm  entspringt  von  letzterem  fast 
immer  ein  Blinddarm,  welcher  bei  einigen  Säugethieren  (z.B.  dem 
Pferd)  eine  kolossale  Entwicklung  erlangt,  während  er  bei  anderen 
kleiner  oder  sogar  rudimentär  (z.  B.  beim  Menschen)  ist1).  —  Die 
Leber,  welche  ihren  Platz  dicht  hinter  dem  Zwerchfell  hat,  ist  in 
der  Regel,  aber  nicht  immer,  mit  einer  Gallenblase  versehen  (die 
Gallenblase  fehlt  z.  B.  beim  Pferd).  Die  Bauchspeicheldrüse 
hat  gewöhnlich  einen  Ausführungsgang2),  welcher  in  den  vordersten 
Theil  des  Dünndarms  entweder  für  sich  oder  erst  nach  Vereinigung 
mit  dem  Gallengang  ausmündet3). 

Athmungsorgane.  Der  Eingang  zum  Kehlkopf  ist  eine  Längs- 
spalte hinter  der  Zunge,  vor  dem  Eingang  zur  Speiseröhre.  Vor  der 
OefFnung  befindet  sich  eine  den  Säugethieren  eigentümliche  Klappe, 
der  Kehldeckel  ( Epiglottis),  welcher  einen  grossen  elastischen  Knorpel 
enthält;  er  ist  unter  gewöhnlichen  Umständen  emporgerichtet,  legt 
sich  aber,  wenn  Nahrung  aus  der  Mundhöhle  durch  den  Schlundkopf 
in  die  Speiseröhre  tritt,  über  die  Oeffnung  des  Schlundkopfes  hinab. 
Der  Kehlkopf  enthält  in  seiner  Wand  grosse  Knorpel,  nämlich: 
hinten  den  Ringknorpel  (Cartilago  cricotdea),  unten  den  grossen  Schild  - 
knorpel  ( C.  thyreoidea),  vorne  und  oben  die  beiden  Giesskannenknorpel 
(Cartilagines  arytaenioideae).  Die  übrige  Luftröhre  ist  gewöhnlich 
ziemlich  lang,  von  Knorpelringen  gestützt; 
hinten  spaltet  sie  sich  in  die  beiden  grossen 
Luftröhrenäste,  welche  sich  weiter  verästeln; 
jede  Lunge  ist,  wie  schon  früher  hervorge- 
hoben wurde,  ein  bäum  förmig  verästeltes  Or- 
gan, dessen  gröbere  und  feinere  Aeste  sämmt- 
lich  hohl  sind.  Nur  in  den  äussersten  Ver- 
ästelungen, welche  dünne  Wände  besitzen  und 
mit  kleinen  Ausstülpungen  (Alveolen)  besetzt 

sind,  findet  die  Respiration  statt;  im  übrigen  Rg  852  Kleiner  Theil 
Theil  des  Astsystems  besitzen  die  Röhren  etnerSäugethicriu nge  mit 
dickere  Wände,  welche  bei  den  gröberen  Aesten  ^ueciuuiber  genau,  a  feinster 
sogar  ebenso  wie  die  Luftröhre  mit  Knorpel-  Luftröhrenast,  b  rospirirende 
ringen  oder  -plättchen  versehen  sind.  Alle  Theilc  ,lcr  Lun«e'  "  Nach  Fre^ 
Aeste  werden  von  Bindegewebe  zusammengehalten.  —  Die  Lungen 
haben  mit  dem  Herzen  zusammen  ihren  Platz  im  vordersten  Abschnitt 
der  Leibeshöhle,  der  Brusthöhle,  längs  deren  oberer  Wand  auch 
die  Speiseröhre  verläuft,  während  der  übrige  Theil  des  Darmkanals 


')  Beim  Menschen  und  einzelnen  anderen  Säugethieren  setzt  der  Blinddarm 
sich  in  einen  dünnen  engen  Anhang,  den  Processus  vermiformis,  fort 

*)  Seltener  besitzt  die  Bauchspeicheldrüse  zwei  Ausführungsgänge,  welche  ent- 
weder  beide  getrennt  in  den  Darm  ausmünden,  oder  von  welchen  der  eine  sich  mit 
dem  Gallengang  vereinigt.. 

•)  Das  Netz  (Omentum  maju8)  ist  ein  besonders  entwickelter  Theil  des  Ge- 
kröses, welcher  bei  manchen  Säugethieren  vorhangartig  die  Unterseite  des  Magens 
und  der  Gedärme  bedeckt. 


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512 


Specialer  Theil. 


uiitsammt  der  Niere  und  den  Geschlechtsorganen  in  dem  hinteren, 
als  Bauchhöhle  bezeichneten  Abschnitt  der  Leibeshöhle  liegt. 
Zwischen  Brust-  und  Bauchhöhle  ist  eine  grosse  in  der  Mitte  sehnige, 
sonst  musculöse  Scheidewand,  das  Zwerchfell,  ausgespannt,  welches, 
wenn  seine  musculösen  Theile  erschlafft  sind,  in  die  Brusthöhle  hinein 
gewölbt  ist;  wenn  das  Zwerchfell  sich  contrahirt,  plattet  es  sich  ab. 
dadurch  wird  die  Brusthöhle  vergrössert  und  die  sehr  elastischen 
Lungen  erweitert,  was  zur  Folge  hat,  dass  die  Luft  von  aussen  hinein- 
strömt; beim  Erschlaffen  des  Zwerchfells  werden  die  Lungen  zu- 
sammengedrückt und  die  Luft  theilweise  ausgetrieben.  Das  Zwerch- 
fell ist  somit  ein  wirksames  Werkzeug  für  den  Luftwechsel.  Auch 
die  Muskeln,  welche  die  Rippen  bewegen,  sind  in  dieser  Beziehung  von 
Bedeutung;  wenn  die  unteren  Enden  der  Rippen  nach  vorne  geführt 
werden,  erweitert  sich  die  Brusthöhle. 

Gefässsystem.  Wie  bei  den  Krokodilen  und  Vögeln  ist  sowohl 
Vorhof  als  Herzkammer  in  je  zwei  vollständig  getrennte  Hälften 
getheilt;  der  linke  Vorhof  empfängt  das  Blut  von  den  Lungen .  der 
rechte  Vorhof  das  Blut  vom  übrigen  Körper.  Von  der  rechten  Herz- 
kammer entspringen  ausschliesslich  mit  einem  gemeinsamen  Stamm 
die  Lungenarterien  (die  Arterienbögen  des  vierten  Paares).  Die 
Arterienbögen  des  ersten  und  zweiten  Paares  entspringen  sämmt- 
lich  mit  einem  gemeinsamen  Stamm,  der  Körperarterie,  von  der 
linken  Herzkammer  (vergl.  Fig.  266  F)  und  führen  somit  alle  arte- 
rielles Blut;  der  rechte  Arterienbögen  des  2.  Paares  giebt  nur  die 
Arterie  für  die  rechte  Vonlergliedmaasse  ab,  die  Aorta  wird  aus- 
schliesslich von  dem  linken  Bogen  desselben  Paares  gebildet  (im 
Gegensatz  zu  den  Vögeln);  das  1.  Arterienbogenpaar  bildet  wie  ge- 
wöhnlich die  Kopfarterien.  Bei  den  Säugethieren  besteht  demnach 
dieselbe  vollständige  Trennung  des  arteriellen  und  des  venösen  Blutes 
wie  bei  den  Vögeln.  —  Ein  Herzkegel  fehlt. 

Beim  neugeborenem  8äugethier  findet  sich  noch  in  der  8cheidewand 
zwischen  den  beiden  Vorhöfen  eine  grössere  Oeffnung  f Foramen  ovak}, 
welche  sich  jedoch  bald  schliesst.  Ebenso  ist  ein  Verbindungsgang  (der 
Botallische  Gang,  vergl.  Fig.  255  F,  b)  zwischen  dem  2.  linken  Ar- 
terienbögen und  der  Lungenarterie  (4.  Arterienbögen)  noch  offen ;  er  bildet 
sich  nach  der  Geburt  zu  einem  soliden  8trang  um. 

Die  Nieren  sind  kurze,  abgerundete  Organe,  in  deren  innerer 
Seite  ein  grösserer  Hohlraum  von  verschiedener  Form,  das  Nieren- 
becken, vorhanden  ist,  in  welches  die  Harnkanälchen  einmünden; 
von  der  das  Nierenbecken  umgebenden .  aus  den  Harnkanälchen  zu- 
sammengesetzten Nierensubstanz  ragen  oft  mehrere  grössere  Papillen 
in  das  Nierenbecken  hinein.  Letzteres  setzt  sich  in  den  Harnleiter 
fort.  Eine  H arn  blase  ist  stets  vorhanden.  Ueber  die  Ausmündung 
dieser  so  wie  der  Harnleiter  vergl.  die  Geschlechtsorgane. 

Bei  den  Säugethier-Embryonen  sind  die  Nieren  eine  Zeitlang  gelappte 
Organe.  In  der  Regel  verschmelzen  später  die  Lappen,  so  dass  die  Ober- 
fläche der  Niere  glatt  wird ;  innerlich  erhalten  sich  jedoch  oft  Spuren  des 
zusammengesetzten  Baues  in  Form  der  genannten  in  das  Nierenbecken  hinein- 
ragenden Papillen.  Bei  anderen  bleibt  aber  auch  äusserlich  der  gelappte 
Bau  bestehen,  z.  B.  beim  Rind,  bei  den  Seehunden  etc. 

Die  Eierstöcke  der  Säugethiere  sind  ziemlich  kleine  Organe, 
meistens  mit  einer  glatten  oder  etwas  höckerigen  Oberfläche;  nur 
bei  wenigen  Säugethieren  (Kloakenthieren .  Schwein  etc.)  erhält  der 


Wirbelthiere.   6.  Claas«:  Säugethiere. 


513 


B 


Eierstock  durch  stärkere  Hervorwölbung  der  Graafschen  Follikel  ein 
brombeerartiges  oder  traubenförraiges  Aussehen.    Die  Graafschen 
Follikel  weichen,  wie  schon  S.  364  geschildert  wurde,  von  denen 
anderer  Wirbelthiere  darin  ab,  dass  sie  eine  grössere  Anzahl  Follikel- 
zellen  besitzen  und  einen  grossen  Spaltraum  enthalten;  bei  den 
Kloakenthieren  ist  jedoch  ebenso  wie 
bei  niederen  Wirbelthieren  nur  eine 
Zellenschicht  um  das  Ei  vorhanden  und 
es  fehlt  der  Spaltraum,  wie  auch  das 
Ei  bei  diesen  eine  weit  bedeutendere 
Grösse  als  bei  den  übrigen  Säugethieren 
erlangt.  —  Die  beiden  Eileiter  zer- 
fallen bei  den  Kloakenthieren  in 
je  einen  engen  vorderen  Abschnitt,  mit 
dem  sich  in  die  Bauchhöhle  öffnenden 
Trichter,  und  einen  weiteren  hinteren 
Abschnitt  (die  Gebärmutter);  sie  mün- 
den getrennt  in  eine  sackförmige  Aus- 
stülpung der  ventralen  Wand  der  Kloake, 
den  Urogenitalkanal,   in  welchen 
auch  die  Harnblase  und  beide  Harn- 
leiter einmünden;  alle  5  Oeffnungen  be- 
finden sich  dicht  beisammen  am  Boden 
des  Urogenitalkanals.  Bei  den  Beutel- 
thieren  ist  die  Kloake  derartig  ver- 
kürzt, dass  sie  nur  eine  kleine  Grube 
darstellt,  in  welche  der  Enddarm  oben, 
der  Urogenitalkaual  unten  einmündet.  Die 
Eileiter  zerfallen  bei  den  Beutelthieren 
in  drei  Abschnitte:  einen  engeren  vor- 
deren Abschnitt,  die  Tube  mit  dem 
Trichter,  einen  mittleren  weiteren  Ab- 
schnitt, die  Gebärmutter  (Uterus),   und  einen  etwas  verengten 
Endabschnitt,  die  Scheide  (Vagi wo);  beide  Scheiden  münden  ge- 
trennt am  Boden  des  Urogenitalkanals,  in  welchen  ausserdem  nur 
noch  die  Harnblase   sich  öffnet,   indem  nämlich  die  Harnleiter 
in  den  hinteren  Theil  der  Blase  einmünden1).    Bei  den  placen- 
talen  Säugethieren  fehlt  eine  Kloake  beim  ausgebildeten  Thiere 
ganz ;  der  Urogenitalkanal  (sogenannter  Scheiden- V  o  r  h  o  f ,  Vestibulnm) 
und  der  Enddarm  münden  getrennt  auf  der  Oberfläche,  entweder  ganz 
dicht  beisammen  oder  durch  einen  etwas  grösseren  Zwischenraum  ge- 
trennt.   Die  Eileiter  zerfallen  in  dieselben  Abschnitte  wie  bei  den 
Beutelthieren ;  sie  zeichnen  sich  aber  dadurch  aus,  dass  sie  fast  immer 
in  grösserer  oder  geringerer  Ausdehnung  vom  hinteren  Ende  aus  ver- 
schmolzen sind:  entweder  blos  die  Scheiden,  welche  fast  immer  zu 
einer  vereinigt  sind  *) ,  oder  auch  die  hinteren  Theile  der  Uteri,  oder 
die  Uteri  sind  in  ihrer  ganzen  Länge  verschmolzen;  in  ersterein  Fall 
haben  wir  also  noch  zwei  vollständig  getrennte  Uteri,  eine  sogen. 


Fig.  863.  Die  Endabachnitte  de« 
Darmes,  des  Harn-  und  Ge- 
schlechtsapparates verschiede- 
ner weiblicher  Säugethiere ,  von  der 
Seite  gesehen.  Schernau.  ^Kloaken- 
thier,  Ii  Beutelthier,  Cubrige 
Säugethiere.  b  Blase,  cl  Kloake, 
t  Knddarm,  u  Uterus,  uy  Urogenital- 
kanal, ul Harnleiter,  »Scheide.  —  <>rig. 


')  Bei  einigen  Beutelthieren  sind  die  beiden  Eileiter  in  ihrer  ganzen  Lange 
getrennt,  bei  anderen  sind  die  Seheiden  zwar  eine  Strecke  weit  verschmolzen,  münden 
aber  getrennt  in  den  Urogenitalkanal. 

*)  Der  Elephant  besitzt  zwei  getrennte  Scheiden,  welche  sich  am  Boden  des 
sehr  verlängerten,  am  Bauche  ausmündenden  l'mgenitnlkanala  öffnen. 

Buat,  Zoologie.  83 


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514 


Specieller  Theil. 


doppelte  Gebärmutter  (Uterus  duplex),  wie  beim  Kaninchen,  im 
zweiten  Fall  eine  zweihörnige  Gebärmutter  (U.  bicomis),  wie 

A  B  C  D 


Fig.  864.  Die  Müller'schcn  Gänge  und  der  Urogenitalkanal  verschiedener  Sauge- 
thiere,  A  von  einem  Beuteltbier,  ^doppelter,  C  zwei  horniger,  D  einfacher 
Uterus  b  Mündungsstelle  der  Blaue  am  vorderen  Ende  des  Urogenitalkanals,  o  äussere  Mün- 
dung de«  Urogenitalkauais,  t  Tube,  tr  Trichter,  «  Uterus,  r  Scheide.  —  Orig. 

beim  Pferd,  in  letzterem  Fall  eine  einfache  Gebärmutter  ((/. 
simplex),  wie  beim  Menschen.  Die  Harnleiter  und  die  Blase  ver- 
halten sich  wie  bei  den  ßeutelthieren. 

An  der  Grenze  der  Scheide  und  des  Vorhofs  findet  sich  bei  manchen 
Häugethieren  eine  von  einer  kleinen  Oeffnung  durchbohrte,  dünne,  häutige 
Querscheidewand,  Hymen,  welche  bei  der  ersten  Begattung  gesprengt  wird. 
—  Der  Vorhof  ist  von  sehr  verschiedener  Länge,  bei  einigen  sehr  lang 
(z.  B.  beim  Hasen),  bei  anderen  sehr  kurz,  fast  verschwindend  (z.  B.  beim 
Menschen). 

Die  männlichen  Geschlechtsorgane  bieten  bei  den 
Kloakenthieren  Verhältnisse  dar,  welche  sich  eng  an  diejenigen 
der  Reptilien  und  Vögel  anschliessen :  Die  Hoden  liegen  vor  den 
Nieren  an  der  dorsalen  Wand  der  Bauchhöhle;  die  Samenleiter 
münden  ebenso  wie  die  Harnleiter  und  die  Harnblase  in  eine  Aus* 
stülpung  der  ventralen  Wand  der  Kloake,  den  Urogenitalkanal, 
welcher  dem  gleichnamigen  des  weiblichen  Thieres  entspricht ;  mit 
der  ventralen  Wand  der  Kloake  ist  ein  Begattungsorgan  ver- 
bunden, welches  sich  von  dem  entsprechenden  (homologen)  der  Schild- 
kröten, Krokodile  und  Vögel  dadurch  unterscheidet,  dass  die  Rinne 
an  der  Oberseite  des  Organs  zu  einer  an  beiden  Enden  offenen  Röhre 
umgebildet  ist.  —  Die  übrigen  Säugethiere  weichen  in  mehreren 
Beziehungen  ab.  Die  Hoden  bewahren  selten  ihren  ursprünglichen 
Platz,  sondern  senken  sich  in  der  Regel  am  Ende  des  Embryonal- 
lebens oder  beim  jungen  Thier  jeder  in  eine  Ausstülpung  der  ventralen 
Bauchwand  hinab;  beide  Ausstülpungen  sind  äusserlich  zu  einem 
beuteiförmigen  Körper,  dem  Hodensack  (Scrotum),  vereinigt,  welcher 
durch  eine  Scheidewand  in  zwei  Fächer  getheilt  ist;  jedes  Fach  ent- 
hält einen  Hoden,  und  sein  Hohlraum  steht  durch  einen  weiteren 
oder  engeren,  oft  mit  der  Zeit  verwachsenden  Kanal  mit  der  übrigen 
Bauchhöhle  in  Verbindung.  Ein  Kloake  fehlt  (bei  den  Beutelthieren 
ist  jedoch  noch  eine  grubenförmige  Kloake  vorhanden),  und  dasBe- 


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Wirbelthiere.   6.  Cliuwe:  Säugethiere.  515 

gattungsorgan  (Penis)  hat  sich  mit  dem  Urogenitalkanal  zu  einem 
zusammenhängenden  dickwandigen  Schlauch  vereinigt,  an  dessen  einem 
Ende  die  Samenleiter  und  die  Harnblase  einmünden  (die  Harnblase 
nimmt  wie  beim  Weibchen  die  Harnleiter  auf);  das  Begattungsorgan  ent- 
springt unterhalb  des  Afters  und  schlägt  sich  meistens  mehr  oder  weniger 
weit  auf  die  Bauchseite  herum,  so  dass  seine  Spitze  nach  vorn  gerichtet 
ist,  und  ist  oft  mit  der  Bauchwand  auf  einer  längeren  Strecke  verbunden; 
sein  freies  Ende  ist  von  einer  Hautfalte,  der  Vor  haut  (Praeputium),  um- 
geben. In  den  Urogenitalkanal  und  dessen  Fortsetzung  durch  das  Be- 
gattungsorgan, welche  zusammen  mit  dem  Namen  Harn  röhr  e  (Urethra) 
bezeichnet  werden,  münden  verschiedene  Drüsen,  deren  Secretdem  Samen 
beigemischt  wird;  unter  diesen  sind  die  Vorsteherdrüse  (Prostata)  und 
die  Cowper'schen  Drüsen  die  constantesten.  In  jeden  Samenleiter 
öffnet  sich  bei  manchen  Säugethieren  dicht  an  dessen  Einmündung 
in  den  Urogenitalkanal  (oder  getrennt  in  diesen)  eine  Samen  blase 
(  Vesicula  seminalis),  ein  sackförmiges  oder  verästeltes  Hohlorgan, 
welches  sowohl  als  Samenreservoir  wie  als  Absonderungsorgan  fungirt. 

Die  Harnröhre  ist  von  dem  sogenannten  schwammigen  Körper 
(CorjruH  spongiuxum  urethrar)  umgeben,  welcher  ein  dichtes  Venennetz  ent- 
hält. Ein  ähnliches  befindet  sich  auch  in  den  grossen  paarigen  Schwell- 
körpern  (Otrjxtra  ravcrnosa  penijt),  welche  längs  der  oberen1)  Seite  des 
liegattungsorganes  liegen  und  vom  Hinterrand  des  Schambeins  entspringen. 
Wenn  diese  Gefäasnetze  sich  mit  Blut  füllen,  wird  der  PeniB  erigirt.  — 
Ein  dem  Penis  entsprechendes  rudimentäres  Organ  findet  sich  oft  beim 
weiblichen  Thiere  unten  an  der  äusseren  Oeffnung  des  Urogenitalkanals  in 
Form  eines  meistens  warzenförmigen,  seltener  längeren,  Theiles  (OUton*). 
—  Beim  männlichen  Thier  finden  sich  oft  grössere  oder  kleinere  Rudimente 
der  Eileiter  (der  sog.  f  'tcnts  nia.smtvitfs).  Bei  den  Weibchen  können  Ru- 
dimente der  Urniere  (Nebeneierstock,  z.  B.  beim  Menschen)  und  der  ITr- 
nierengänge  (Gartner'sche  Gänge,  z.  B.  bei  den  Wiederkäuern)  vorkommen. 

Von  den  Säugethieren  sind  nur  die  Kloaken  thiere  eier- 
legend;  das  Ei  hat  bei  diesen  eine  verhältnissmässig  bedeutende 
Grösse8),  und  die  Furchung  ist  partiell ;  es  ist  wie  bei  manchen  Rep- 
tilien von  einer  pergamentartigen  Schale  umgeben;  das  Junge  wird 
mit  einer  milchartigen  Absonderung  der  oben  erwähnten  Hautdrüsen 
gefüttert.  Alle  anderen  Säugethiere  sind  lebendiggebärend; 
eine  Eischale  fehlt  immer,  das  Ei  ist  mikroskopisch  klein,  die 
Furchung  total.  Bei  den  Beutelt  liieren  liegt  der  Embryo  von 
den  Embryonalhüllen  umgeben  im  Uterus,  wird  ernährt  und  wächst 
durch  Aufsaugen  einer  von  den  Drüsen  des  Uterus  abgesonderten 
Flüssigkeit;  eine  engere  Verbindung  zwischen  dem  Embryo  und  der 
Wand  des  Uterus  besteht  bei  diesen  nicht,  und  das  neugeborene 
Junge  befindet  sich  in  einem  Zustand,  welcher  in  Vergleich  mit  dem- 
jenigen der  neugeborenen  placentalen  Säugethiere  als  ungemein  un- 
entwickelt bezeichnet  werden  muss;  es  wird  nach  der  Geburt  lange  Zeit 
mit  der  Milch  der  Mutter  ernährt.  Bei  den  placentalen  Säuge- 
thieren tritt  die  äusserste  der  Embryonalhüllen  mit  der  Wand  des 
Uterus  in  engere  Verbindung;  an  ihrer  Oberfläche  entwickeln  sich 
feine,  gefässreiche,  verästelte,  zottenähnliche  Fortsätze,  welche  sich 

')  Wenn  das  Orffan  mit  der  Spitze  nach  vorn  gerichtet  ist. 

*)  Beim  Aineisenigel  (Echidna)  hat  das  Ei  mit  Schale  einen  Längsdurchmeaser 
von  16  mm,  einen  Querdurchmesser  von  13  mm;  beim  Schnabelthier  hat  eB  eine 
ähnliche  Grösse. 

38* 


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516  Specialer  Theil. 

in  entsprechende  Vertiefungen  der  gefässreichen  Wand  des  Uterus 
einsenken  und  als  Aufsaugungsorgane  für  die  Blutflüssigkeit  der 
Mutter  dienen.  Die  Zotten  sind  entweder  einigermaassen  gleich- 
massig  über  die  ganze  betreffende  Hülle  verbreitet  (Pferd,  Schwein, 
Kamele,  Wale)  oder  besonders,  resp.  ausschliesslich,  und  zwar  sehr 
stark,  an  einer  Stelle  entwickelt,  welche  dann  als  der  Frucht- 
kuchen, Pldcenta  foetxilis1),  bezeichnet  wird;  oder  es  finden  sich 
mehrere  solche  kleinere  Stellen,  an  welchen  Zotten  entwickelt  sind. 
Letzteres  ist  bei  den  meisten  Wiederkäuern  der  Fall,  welche  eine 
grössere  Anzahl  stark  hervortretender  kleiner  Fruchtkuchen  („Cotyle- 
donen")  besitzen;  sonst  rindet  man  einen  grossen  zusammenhängenden 
Fruchtkuchen,  entweder  einen  gürtelförmigen  (Raubthiere,  Seehunde, 
Elephanten)  oder  einen  scheibenförmigen  (beimMenschen  und  anderen5). 
Derjenige  Theil  der  Uteruswand,  welcher  mit  dem  Fruchtkuchen  in 
Verbindung  tritt,  wird  als  Mutterkuchen,  Pldcenta  itteritia,  be- 
zeichnet. Bei  der  Geburt  werden  in  einigen  Fällen  die  Zotten  ein- 
fach aus  den  Vertiefungen  der  Uteruswand  herausgezogen  (Pferd. 
Wiederkäuer  etc.);  in  anderen  Fällen  (bei  allen  mit  ringförmigem 
oder  Scheiben  förmigem  Fruchtkuchen)  bleibt  ein  Theil  der  Schleim- 
haut des  Uterus  an  den  Embryonalhüllen  haften  und  wird  mit  diesen 
abgelöst,  so  dass  die  Schleimhaut  des  Uterus  nach  der  Geburt  sich 
in  grosser  Ausdehnung  regenerirt. 

Bei  den  placentalen  Säugethieren  tritt  die  seröse  Hülle  (vergl.  S.  369) 
in  enge  Verbindung  mit  der  AI  lau  toi*,  welche  theilweise  mit  ihr  ver- 
wächst; die  durch  die  Verwachsung  beider 
entstandene  gefässreiche  Hülle  wird  als 
Ch  o  r  i  o  n  bezeichnet ;  von  letzterem  gehen 
die  oben  erwähnten  gefässreichen  Zotten 
aus.  —  Bei  älteren  Säugethierembryonen 
wird  das  Amnion  stark  ausgedehnt  und 
legt  sich  oft  dicht  der  Allantois  an.  Es 
umschliesst  dann  zugleich  scheiden  form  ig 
die  kanalartigen  Verbindungsstücke  der 
All  an  toi  8  und  des  Dottersackes  mit  dem 
eigentlichen  Embryo.  Diese  Theile  (vergl. 
Fig.  355)  werden  mit  der  genannten  Scheide 
zusammen  als  Nabelstrang  bezeichnet. 
Der  Kreislauf  bei  einem  älteren 
Fig.  855.    Die  Frucbthullen  Embry0  eines  placentalen  Säugethieres  iBt 

eines  SUugethicres,  Schema,  am  Amnion,  .         \  -n     .  ,  , 

«iAuantoi».  6  Dottersack;  die  äusserte  in  mehreren  Beziehungen  von  demjenigen 

Linie  ist  die  seröse  Hülle.  Das  äussere  des  ausgebildeten  Thieres  sehr  abweichend; 

Blatt  des  Allantois  ist  mit  der  serösen  die  Lungen  fungiren  selbstverständlich  noch 

Hülle  zu  dem  mit  verästelten  Fortsätzen  nicht  als  Athmungsorgane  ;  den  Sauer- 
besetzten  Chorion  verwachsen.  - —  Orur.        «•     j  *       £  \ 

^  ston,  dessen  der  Embryo   bedarf,  erhalt 

er  mit  der  aufgesogenen  Blutflüssigkeit  aus  dem  Mutterthiere.  Die  Haupt- 
züge des  Kreislaufes  sind  folgende:  Das  arterielle  Blut  aus  dem  Frucht- 
kuchen mischt  sich  mit  dem  venösen  Blut  aus  dem  hinteren  Theil  des 
Körpers,  und  dieses  gemischte  Blut  gelangt  in  den  rechten  Vorhof, 
in  welchen   auch  das  venöse  Blut  aus  dem  vorderen  Theil  des  Körpers 


l)  Wenn  die  Zotten  Uber  die  ganze  Hülle  gleichmässig  vertheilt  sind,  aafft 
man,  die  betreffenden  Thiere  (z.  B.  das  Pferd)  besitzen  eine  diffuse  Placenta; 
streng  genommen  besitzen  sie  keine  Placenta. 

•)  Affen,  Fledermäusen,  Insoktenfressern  und  Nagern. 


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Wirlielthicre.    H.  (.'lasse:  Siiugethierc. 


517 


hineinströmt.  Ein  T }» eil  des  Blutes  aus  dem  rechten  Vorbof  gelangt  in 
die  rechte  Herzkammer,  von  hier  in  die  Lungenarterie  und  aus  dieser  theils 
in  die  Lungen,  theils  durch  den  Botalli'schen  Gang  in  die  Aorta.  Ein 
anderer  Theil  des  Blutes  des  rechten  Vorhofs  geht  durch  die  Oefftmng 
der  Vorhofsoheidewand  in  den  linken  Vorhof  und  aus  diesem  durch 
die  linke  Herskammer  in  den  Körperarterienstamm.  Es  findet  demnach 
beim  Embryo  eine  sehr  ausgedehnte  Mischung  arteriellen  und  venösen 
Blutes  statt. 

In  Bezug  auf  die  Länge  der  Zeit,  welche  der  Embryo  der  placen- 
talen  Säugethiere  im  Uterus  verweilt  (die  Tragzeit),  besteben  bei 
verschiedenen  Formen  grosse  Unterschiede,  während  die  Zeit  für  jede 
Art  ziemlich  bestimmt  ist.  Als  allgemeine  Regel  gilt,  dass  grosse 
Säugethiere  eine  lange  Tragzeit  (bis  ein  Jahr  oder  mehr)  haben  und 
auf  einmal  nur  eins  oder  ganz  wenige  Junge  gebären,  während  kleine 
*  Säugethiere  eine  kurze  Tragzeit  haben  und  auf  einmal  mehrere  oder 
viele  Junge  zur  Welt  bringen.  Wenn  ein  Säugethier  auf  einmal 
mehrere  Junge  in  seinem  Uterus  hat,  so  sind  die  Eier,  von  denen 
»ie  herstammen,  sämmtlich  auf  einmal  befruchtet  worden ;  sie  sind  des- 
halb sämmtlich  gleichweit  in  ihrer  Entwicklung  fortgeschritten  und 
werden  unmittelbar  nach  einander  geboren.  Bei  einigen  placentalen 
Säugethieren  sind  die  Jungen  bei  der  Geburt  sehr  hülflos,  nackt, 
mit  verschlossenen  Augen  (verklebten  Augenlidrändern),  während 
andere  sich  sofort  selbständig  umherbewegen  können.  Sie  werden 
alle  während  der  ersten  Zeit  mit  der  Milch  der  Mutter  ernährt. 

Die  Säugethiere  werden  in  die  folgenden  Hauptgruppen  getheilt: 

A.  Ovipare  Säugethiere.  Legen  grosse  Eier  ab,  welche  von  einer 
8chale  umgeben  sind.  Kloake  lang.  —  Hierher  gehört  nur  die  Ord- 
nung der  Kloakenthier e. 

B.  Aplacentale  Säugethiere.  Ei  klein,  entwickelt  sich  im  Ei- 
leiter, der  Embryo  wird  von  einer  in  der  Eileiterwand  abgesonderten 
Flüssigkeit  ernährt,  ist  bei  der  Geburt  sehr  klein  und  unvollkommen 
entwickelt.  Kloake  rudimentär.  —  Hierher  nur  die  Ordnung  der 
Beutelthiere. 

C.  Placentale  Säugethiere.  Der  Embryo,  welcher  sich  aus  einem 
kleinen  Ei  entwickelt,  tritt  durch  Zotten  der  äusseren  Embryonal- 
hülle in  engere  Verbindung  mit  der  Eileiterwand.  Kloake  fehlt.  — 
Hierher  alle  übrigen  Säugethier-Ordnungen. 


1.  Ordnung.    Kloakenthiere  (Mfmotrentatn). 

Diese  kleine  Abtheilung  weicht  in  einer  Reihe  von  Charakteren 
von  den  übrigen  Säugethieren  ab  und  nähert  sich  in  denselben  den 
Reptilien.  Besonders  auffallend  ist  es,  dass  sie  eierlegend  sind,  dass 
die  Eier  verhältnissmässig  gross  und  mit  einer  lederartigen  Schale  um- 
geben sind;  ferner  besitzen  sie  eine  wohlentwickelte  Kloake  wie  die 
Reptilien.  Von  anderen  Charakteren,  welche  auf  diese  hinweisen,  hebeu 
wir  hervor:  das  Vorhandensein  wohlentwickelter  H  a  lsri  ppen  ,  eines 
grossen  Coracoids,  eines  ganz  reptilienähnlichen  Vorderbrust- 
Seines;  das  Fehlen  eines  Kammes  am  8  c  h  u  1 1  e  r  b  1  a  1 1 ;  die  Form  des 
Steigbügels  (reptilienähnlich);  den  nicht  spiralig  gewundenen 
Schneckengang;  die  schwache  Entwicklung  des  Hirn b  alk  ens; 
das  ganze  (oben  erwähnte) Verhältniss  des  Harn-  und Geschlechts- 


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51R 


Spceieller  Theil. 


upparates.  Von  Interesse  ist  auch,  dass  die  Körpertempera- 
tur1) niedriger  ist  als  bei  anderen  Säugethieren. 

Dass  sie  trotzdem  nicht  mit  Unrecht  den  Säugethieren  zugerechnet 
worden,  ersieht  man  daraus,  dass  sie  in  den  folgenden  Charakteren  mit 
den  übrigen  Säugethieren  übereinstimmen  und  von  den  Reptilien  abweichen  : 
sie  sind  behaart,  mit  Talg-  und  Schweissdrüsen  ausgestattet,  sie 
besitzen  ein  langes,  gegliedertes  Brustbein,  es  fehlt  ihnen  ein  Quadrat- 
bein, sie  besitzen  zwei  Gelenkhöcker  am  Hinterhauptsbein ,  drei 
Gehörknöchelchen,  das  Mittelhirn  ist  in  vier  Lappen  getheilt,  der 
Penis  ist  röhrenförmig,  etc. 

Ausser  den  schon  hervorgehobenen  Punkten  ist  noch  zu  erwäh- 
nen, dass  die  Kloakenthiere  dieselben  mit  dem  Becken  verbundenen 
Beutelknochen  wie  die  Beuteltbiere  besitzen;  ferner  ist  daran  zu 
erinnern,  dass  Zitzen  fehlen,  und  dass  es  zweifelhaft  ist,  ob  die 
beiden  Drüsengruppen,  deren  Secret  zur  Nahrung  der  Jungen  ver- 
wendet wird,  den  Milchdrüsen  anderer  Siiugethiere  entsprechen.  Die 
wenigen  bekannten  Formen  sind  in  erwachsenem  Zustand  vollständig 
zahnlos;  dagegen  können  Hornzähne  vorhanden  sein.  In  den  letzten 
Jahren  hat  man  aber  nachgewiesen,  dass  Ornithorhynchus  iu  der 
Jugend  echte  Zähne  besitzt,  welche  aber  im  Kiefer  liegen  bleiben, 
nicht  hervorbrechen  und  später  resorbirt  werden.  Es  ist  kein  deut- 
liches äusseres  Ohr  vorhanden.  Das  Männchen  besitzt  an  der 
Ferse  einen  hornigen  Sporn. 

Von  Kloakentlrieren  sind  bis  jetzt  nur  drei  lebende  Arten  be- 
kannt, welche  im  Folgenden  erwähnt  werden.  Es  sind  mittelgrosse 
Thiere,  welche  auf  Neu-Holland,  Neu-Guineaund  Tasmanien  beschränkt 
sind.  Von  fossilen  Ueberresten  dieser  Gruppe  ist  sehr  wenig  Sicheres 
bekannt. 

1 .  Das  Schnabelthier  ( OrniÜutrhymhiui paradoxes).  Die  Schnauzen- 
partie ist  abgeplattet,  breit,  mit  einer  nackten  hornigen  Haut  bekleidet; 
hinten  im  Munde  jederseits,  oben  und  unten,  ein  grosser  Hornzahn 
(vorne  ein  kleinerer).  Schwanz  kräftig,  abgeplattet;  Füsse  mit  Schwimm- 
haut, kräftige  Krallen.  Behaarung  weich.  Ernährt  sich  von  kleineren 
Was8erthieren.  Die  Eier  werden  (zwei  zur  Zeit)  in  einer  in  die  Erde 
gegrabenen  Höhle  abgelegt;  das  aus  dem  Ei  geschlüpfte  Junge  wird  mit 
der  Milch  der  Mutter  ernährt.    Oe3tliches  Neu-Holland  und  Tasmanien. 

2.  Der  Ameisenigel  (Fxhidua  amkata).  Die  Schnauzenpartie  ist, 
besonders  gegen  die  Spitze  hin ,  verschmälert  und  mit  einer  nackten  Haut 
bekleidet ;  der  Mund  klein ,  die  Zunge  lang  und  klebrig ;  der  Körper  mit 
Haaren  und  Stacheln  bedeckt ;  Schwanz  sehr  kurz ;  Krallen  stark.  Er- 
nährt sich  von  Ameisen,  Termiten  u.  dergl.  Das  Ei  (es  wird  zur  Zeit 
nur  ein  Ei  geboren)  wird  in  eine  unpaarige  sackförmige  Vertiefung  der 
Bauchseite  aufgenommen  und  hier  ausgebrütet;  die  Temperatur  des 
Sackes  steigt  um  mehrere  Grad  über  diejenige  des  übrigen  Körpers.  Der 
Sack,  welcher  später  als  Aufenthaltsort  für  das  Junge  dient,  bildet  sich 
schliesslich  zurück ;  vor  dem  Austritt  eines  Eies  aus  der  Kloake  bildet  er 
sich  jedesmal  aufs  Neue  (dieser  Brutsack  fehlt  bei  Ornithorhynchus).  Leht 
in  verschiedenen  Varietäten  auf  Neuguinea,  Neu-Holland  und  Tasmanien.  — 
Nahe  verwandt  ist  E.  (Proechidmi)  Iiruijnü,   welche  einen  längeren,  ge- 

')  Bei  Echidna  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  28°  C,  bei  Oniithorhynchu* 
ca.  25"  C.  Bei  anderen  Säugethieren  findet  man  durchschnittlich  eine  Körperwärme 
von  38-39°  C. 


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Wirbelthitre.   6.  Classe:  Säugethiere. 


519 


bogenen  Schnabel  und  an  jedem  Fuss  (Vorder-  wie  Hinterfuss)  nur  3  Krallen 
besitzt  (während  K  andcata  mit  5  Krallen  an  allen  Füssen  versehen  ist). 
Neu-Guinea. 

2.  Ordnung.    Beutelthiere  {MursiqmUa). 

Die  charakteristischste  Eigentümlichkeit  dieser  Gruppe  besteht 
darin ,  dass  die  äussere  Embryonalhülle  keine  in  die  Üteruswand 
sich  einsenkenden  Zotten  bildet,  sondern  der  Embryo  ernährt  sich 
durch  Aufsaugen  eines  Secretes  der  Uterus-Drüsen  und  wird  in  einem 
sehr  unreifen  und  unvollkommenen  Zustand  geboren.  Auch  andere 
Charaktere  weisen  auf  den  niederen  Zustand  der  Beutelthiere  in 
Vergleich  mit  den  folgenden  Ordnungen  der  Säugethiere  hin ;  so  ist 
z.  B.  der  Hirnbalken  nur  schwach  entwickelt,  es  ist  eine,  wenn  auch 
nur  grubenförmige,  Kloake  vorhanden,  die  beiden  Eileiter  münden 
getrennt  in  den  Urogenitalkanal.  Die  Beutelthiere  besitzen  —  ebenso 
wie  die  Kloakenthiere,  im  Gegensatz  aber  zu  den  übrigen  Säugethieren 
—  Beutelknochen,  ein  Paar  eigentümlicher  Knochen,  welche  mit 
den  Schambeinen  in  Verbindung  stehen  und  sich  von  jenen  in  der 
Bauchwand  nach  vorne  erstrecken.  Sie  haben  mit  dem  sogen.  Beutel ,  * 
welcher  bei  den  meisten  weiblichen  Beutelthieren  vorhanden  ist,  nichts 
zu  thun;  letzterer  ist  eine  sackförmige,  von  einer  grossen  Hautfalte 
begrenzte,  vorne  offene  Höhlung  an  der  Bauchseite  des  Thieres,  an 
deren  oberer  Wand  die  Zitzen  ihren  Platz  haben,  und  in  welche  die 
Jungen  sofort  nach  der  Geburt  hineingebracht  werden;  sie  sitzen  lange 
Zeit  unbeweglich  in  derselben  an  je  einer  Zitze  festgesogen. 

Die  Zähne  der  Beutelthiere  erinnern  zwar  im  Ganzen  an  die- 
jenigen anderer  Säugethiere,  verhalten  sich  jedoch  in  einigen  Punkten 
abweichend.  Die  Backenzähne  bewegen  sich  innerhalb  der  Zahl  7  in 
jeder  Kieferhälfte  (nur  eine  einzelne  Form  mit  rückgebildeten  Zähnen 
hat  eine  grössere  Anzahl);  von  Eckzähnen  ist  (höchstens)  einer  in  jeder 
Kieferhälfte  vorhanden,  die  Anzahl  der  Vorderzähne  steigt  aber  bis  auf  5 
oben.  4  unten  auf  jeder  Seite.  Von  den  7  Backenzähnen  hat  nur  Nr.  3 
einen  Vorgänger,  welcher  überhaupt  der  einzige  Milchzahn  ist, 
der,  so  weit  man  weiss,  bei  diesen  Thieren  auftritt.  Die  Form  der 
Zähne,  besonders  der  Backenzähne,  variirt,  der  sehr  verschiedenartigen 
Lebensweise  entsprechend,  in  hohem  Grade. 

In  den  meisten  Punkten  des  Baues  stehen  die  Beutelthiere  übrigens 
den  placentalen  Säugethieren  näher  als  den  Kloakenthieren :  echte  Milch- 
drüsen mit  Zitzen  sind  vorhanden,  das  Coracoid  ist  rudimentär,  Vorder- 
brustbein fehlt,  der  Schneckengang  ist  spiralig  gewunden,  das  Verhältniss 
des  Penis  ist  wesentlich  das  gleiche  wie  bei  den  placentalen  8äugethieren, 
die  Hoden  treten  in  einen  Hodensack  hinab,  die  Furchung  des  sehr  kleinen 
Eies  ist  total,  etc. 

Die  meisten  Beutelthiere  der  Jetztzeit  leben  inNeu-Holland1) 
und  auf  einem  Theil  der  anliegenden  Inseln,  nur  die  Beutelratten  leben 
in  Amerika.  Dagegen  waren  Beutelthiere  in  früheren  Perioden  auch 
in  den  anderen  Welttheilen  vorhanden. 


')  Die  unten  aufgerührten  Formen,  bei  welchen  keine  besondere  Bemerkung 
gemacht  ist.  leben  iu  Neu-Holland  (einige  derselben  ausserdem  auf  Neu-Guinea, 
Tasmanien  etc.). 


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520 


Spcciellcr  Theil. 


Wenigstens  kleine, 
glei  chgebildeteSchneide- 
zähno  jederseits  im  Un- 
terkiefer. Der  Eckzahn 
grösser  als  die  Schneide- 
zähne. 


Beutel  ratteu- (Gruppe 
Beutoldachs-Gruppe 


I 


Keine  Zehen  der 
Hinterbeine  mit 
einander  verwach- 


sen. 


Käng  uru-(Jru  ppe 


Die  Zehen  Nr.  2 
und  3  dünner  als 
Nr.  4  und  5  und 
mit  einander  ver- 


Nur  1  grosser  Schnei- 
dezahn in  jeder  Unter- 
kiefer-Hälfte. —  Der 
Eckzahn  klein  oder  fehlt. 

1.  Die  Beutel  ratten- Gruppe  (Pobjprotwlonlia).  Jedereeita 
4 — 5  Vorderzähne  im  Zwischenkiefer,  3 — 4  im  Unterkiefer.  Wohlent- 
wickelte kegelförmige  Eckzähne.  Backenzähne  mit  Spitzen  oder  Höckern. 
Nr.  2  und  3  der  Zehen  der  Hinterfüsse  sind  Nr.  4  und  5  ähnlich  und 
nicht  verwachsen. 

a.  Die  Beutelratten  ( Didelphyirlae)  haben  an  den  Hinter- 
füssen  einen  wohlentwickelten,  aber  krallenlosen  Daumen  (Nr.  1),  welcher 
den  übrigen  Zehen  entgegengestellt  werden  kann,    i  |,  c  |,  i  ».  Langer, 

.  fast  nackter,  beschuppter  Greifschwanz.  Der  Beutel  ist  bei  einigen  wohl- 
entwickelt, bei  anderen  ist  er  rudimentär  oder  fehlt.  Ernähren  sich  be- 
sonders von  Insekten.  Kleinere  Thiere,  welche  ausschliesslich  in  Amerika, 
besonders  in  Südamerika,  leben. 

b.  Die  Beutelmarder  (Dasiptridaf).  Daumen  des  Hinter- 
fusses  rudimentär  oder  fehlt,  i  4,.  Schwanz  nicht  als  Greifwerkzeug  ent- 
wickelt. Raubthiere  oder  Insektenfresser.  Hierher  die  eigentlichen  Beutel- 
marder (Dasi/urus)  und  der  hochbeinige,  wolfähnliche  Beutelwolf  {Thy- 
lucinus) ;  letzterer  ausschliesslich  in  Tasmanien.  Ferner  der  kleine  eich- 
hörnchenartige Ameisenbeutler  ( Myrviccobius),  mit  $  kleinen  schwachen 
Backenzähnen  und  mit  langer,  glatter,  vorstreckbarer  Zunge  ( Ameisenfresser). 

B  C 


Fig.  356.    Rechter  II  i  n  tc  r  f  u  »8 :   A  von   Phn/angista ,  B  vom  Rlnguru, 
Chotropus.    a  Sprungbein,  c  Fersenbein,  n  Zentrale  (NnvicuUrc), 
Jir.  1—3,  cb  Cuboidcum  (=  Tarsale  1  +  6);  / —  V  erat«— fünfte  Zehe. 


•c*  Cuneiformc  (Tarsale) 
ihc.  —  Nach  Flower. 


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Wirbolthicre.   6.  Claasc:  Säugethicre. 


521 


2.  Die  Beuteldachse  (PerautcUiui)  sind  der  vorigen  Gruppe  in  den 
Verhältnissen  der  Zähne  ähnlich,  während  sie  mit  der  folgenden  in  den 
Charakteren  der  Hinterfüsse  übereinstimmen,  indem  die  2.  und  3.  Zehe 
dünner  und  in  eine  gemeinsame  Haut  eingeschlossen  sind;  Hinterdaumen 
fehlt  oder  ist  rudimentär.  *  Während  bei  den  übrigen  Beutelthieren 
die  Vordergliedmaassen  je  5  wohlentwickelte  Finger  besitzen,  sind  bei  der 
einen  der  beiden  Beuteldachs-Gattungen  (Pernmeles)  der  1.  und  5.  Fioger 
stark  rückgebildet  und  krallenlos,  bei  der  anderen  (Choeropuy  fehlen  sie 
sogar,  und  Nr.  4  ist  ausserdem  noch  rudimentär  geworden.  Bei  Peramcks 
ist  am  Hinterfuss  ein  Daumen-Rudiment  vorhanden,  Nr.  4  ist  die  am  stärksten 
entwickelte  Zehe ;  bei  Choeropus  (Fig.  356  C)  fehlt  das  Daumen-Rudiment, 
und  Nr.  2,  3  und  5  sind  ungemein  dünn,  fast  rudimentär. 

3.  Die  Känguru-Gruppe(  IHprotodotitia).  In  der  Regel  3  Vorder- 
zähne im  Oberkiefer,  1  im  Unterkiefer.  Keine  oder  kleine  Eckzähne.  Backen  - 
sähne  mit  gröberen  Zacken  oder  Querhügeln.  Von  den  Zehen  des  Hinter- 
fnsses  sind  Nr.  2  und  3  schwächer  als  Nr.  4  und  5  und  von  einer 
gemeinsamen  Haut  umschlossen  (Syndactylie).  Pflanzenfresser. 

a.  Die  Kletterbeutler  (Phalangüstidac).  Die  Hinterglied- 
jnaassen  wenig  länger  als  die  Vordergliedmaassen,  Hinterdaumen  wohlent- 
wickelt, krallenlos,  kann  den  übrigen  Zehen  entgegengestellt  werden. 
(Fig.  356  A).  i  ^.  Kletternde  Thiere.  Hierzu  gehören:  Die  Kusu 's 
(Phaiangista)  mit  langem  Greifschwanz;  die  Flugbeutler  (Pelaurus)  mit 
einer  zwischen  Vorder-  und  Hintergliedmaassen  ausgespannten  grossen 
Hautfalte;  der  Koala  oder  australische  Bär  (Phascolarctos) ,  ein 
plumpes  schwanzloses  Geschöpf,  bei  welchem  die  Finger  ähnlich  wie  bei 
den  Chamäleonen  in  zwei  Bündel  getheilt  sind  (Nr.  1  — 2  können  Nr.  3  —  5 
entgegengestellt  werden) ;  der  kleine,  abweichende  insektenfressende  Tarsipc-s 
mit  langer  vorstreckbarer  Zunge,  wenigen,  rudimentären  Backenzähnen  (4J 
und  rudimentären  Krallen  an  allen  Fingern  und  Zehen  mit  Ausnahme  der 
2.  und  3.  Zehe  des  Hinterfusses. 

b.  Die  Känguru  's  {Mcuropodidae).  Hintergliedmaassen  sehr 
lange  Springbeine,  Hinterdaumen  fehlt,  Zehen  2—3  sehr  dünn,  4 — 5  stark 
(Fig.  356  B);  VordergliedmaaBson  klein.  Schwanz  sehr  kräftig,  als  Stütze 
beim  Sitzen  benutzt,  i  f.  Grössere  und  kleinere  Formen  (Htümalurus, 
Ihjpsipryninus  u.  a.)  auf  Neu-Holland  und  mehreren  Inseln. 

c.  Die  Wombats  {Phascoloniyfi)  zeichnen  sich  dadurch  aus,  dass 
sie  jederseits  oben  und  unten  nur  einen  Vorderzahn  haben  (ähnlich  wie 
die  Nager).  Alle  Zähne  wurzellos';  Nr.  2  und  3  an  den  Hinterfüssen  nur 
wenig  schwächer  als  die  übrigen  Zehen.    Schwanz  sehr  kurz.  Plumpe 

3.  Ordnung.  Insektenfresser  (Inscctivora). 

Die  Insektenfresser  sind  kleine,  kurzbeinige  placentale  Säugethiere. 
(leren  Schnauze  mehr  oder  weniger  rüsselartig  verlängert  ist,  und 
welche  mit  mehrspitzigen  hinteren  Backenzähnen  versehen  sind  (die 
vorderen  Backenzähne  sind  meistens  klein  und  einspitzig).  Die  Insekten- 
fresser treten  in  der  Regel  mit  dem  ganzen  Fuss  auf  (Sohlengänger); 
der  Fuss  (Vorder-  wie  Hinterfuss)  ist  gewöhnlich  mit  5  gleichgebildeten 
Zehen  ausgestattet. 

Die  Eckzähne  sind  oft  von  geringer  Grösse,  einige  der  Schneidezähne 
häufig  gross.  Schlüsselbeine  sind  stets  vorhanden.  Augen  und  äussere 
Ohren  häufig  wenig  entwickelt  Die  Hoden  treten  nicht  in  einen  Hoden- 
sack hinab.    Zitzen  auf  dem  Bauch. 


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f>22 


Specieller  Theil. 


Die  Insektenfresser  ernähren  sich  hauptsächlich  von  Insekten, 
Würmern  u.  dergl.,  seltener  auch  von  Pflanzenstoffen.  Sie  fehlen  ganz- 
lich in  Australien  und  Südamerika. 

1.  Die  Igel  (Erittacetts).  Rückenseite  mit  Stacheln  (sehr  dicken, 
steifen  Haaren),  Unterseite  mit  gewöhnlichen,  feineren  oder  gröberen  Haaren  : 
Füsbc  einfach :  Schwanz  kurz.  Kann  sich  zu  einer  Kugel  zusammenrollen, 
indem  Kopf.  Gliedmaassen  und  Schwanz  gegen  die  Bauchseite  gebogen 
werden  und  die  stachelige  Rückenhaut  mittels  der  grossen  Hautmuskeln 
über  dieselben  hinab  gezogen  wird.  Eckzähne  fehlen ;  t  1  oben  und  unten 
grösser  als  die  übrigen  Schneidezähne ;  die  Spitzen  der  Backenzähne  weniger 
spitz  als  bei  anderen  Insektenfressern;  im  Ganzen  10  Zahne  oben,  8  unten 
auf  jeder  Seite.  Fast  durch  ganz  Europa  verbreitet  ist  der  gemeine 
Igel  (E.  eurojtar.ua) ,  welcher  sowohl  von  thierischer  als  von  pflanzlicher 
Nahrung  lebt  ;  hält  Winterschlaf. 

2.  Die  Maulwürfe  (Taljta).  Die  Vordergliedmaassen  sind  zu  sehr 
kräftigen  Grabwerkzeugen  entwickelt;  die  Hand  ist  breit,  mit  5  langen, 
starken,  fast  geraden  Krallen  versehen  und  derartig  gedreht,  dass  der  (durch 
einen  eigenthürolichen  sichelförmigen  Knochen  gestützte)  innere  Rand  nach 
unten ,  die  Handfläche  nach  aussen  gekehrt  ist.  Das  Schlüsselbein  ausser- 
ordentlich kurz  und  kräftig,  der  vordere  Theil  des  Brustbeins  mit  einem 
Kamm.  Augen  rudimentär,  äussere  Ohren  fehlen,  Schwanz  kurz,  Behaarung 
weich.  Zahnformel  vollständig :  {}  ;  Eckzahn  des  Unterkiefers  den  Schneide- 
zahnen ,  welche  klein  und  einfach  sind ,  ähnlich  (Fig.  347).  Leben  aus- 
schliesslich von  thieriBcher  Nahrung.  In  Deutschland  lebt  der  gemeine 
Maulwurf  (T.  europaea).  —  Eine  andere  Gruppe  grabender  Insekten- 
fresser bilden  die  Goldmaulwürfe  (Chrysochloria).  Es  sind  dies  blinde, 
grabende  Thiere  mit  sam metweichem  Pelz,  bei  denen  die  Kralle  und  das 
Krallenglied  des  zweiten  und  besonders  des  dritten  Fingers  ungemein  kräftig 
entwickelt,  der  1.  und  der  4.  Finger  klein  sind  (der  5.  Finger  fehlt);  die 
Hand  ist  nicht  gedreht.  Südafrika. 

3.  Die  Spitzmäuse  (Soricidar)  sind  kleine  Insektenfresser  mit 
langem  Schwanz ,  spitzem  Rüssel ,  einfach  gebauten  Füssen  und  weicher 
Behaarung.  Von  Schneidezähnen  findet  sich  in  jeder  Unterkieferhälfte  nur 
einer,  welcher  sehr  gross  und  nach  vorn  gerichtet  ist;  dieselbe  Ausbildung 
zeigt  auch  der  vorderste  obere  Schneidezahn ;  Eckzähne  klein.  Die  Zahn- 
spitzen sind  bei  manchen  rothbraun.  Seitlich  am  Körper  eine  Drüse,  welche 
eine  moschusartig  riechende  Flüssigkeit  absondert.  Die  Spitzmäuse,  welche  sich 
von  Insekten  und  Würmern  ernähren ,  sind  in  Deutschland  durch  folgende 
Arten  vertreten:  die  Waldspitzmaus  (Sorr.r  mtlgaris),  die  Zwergspitzmaus 
(S.  pyymaeus),  die  Wasserspitzmaus  (Crosaopua  fodiena),  die  Hausspitzmaua 
(Croculura  araitea)  und  die  Feldspitzmaus  (f\  Irucodon);  von  diesen  haben 
die  beiden  letzten  weisse,  die  übrigen  brau □  spitzige  Zähne. 

4.  Von  ausländischen  Insektenfressern  führen  wir  ausser 
den  Goldmaulwürfen  noch  folgende  an:  Die  Bisamrüssler  (MyoyaJr), 
mit  den  Maulwürfen  verwandt,  mit  langem,  beschupptem ,  rundem  oder  zu- 
sammengedrücktem Schwanz;  eine  grössere  Art,  der  Desman  (J/.  tno- 
achata),  mit  zusammengedrücktem  8chwanz  und  zahlreichen  Moschusdrüsen 
an  der  Unterseite  des  Schwanzes,  in  Südrussland;  eine  andere,  kleinere 
Art  (J/.  pyrenaicn),  ohne  solche  Drüsen  und  mit  rundem  Schwanz,  in  den 
Pyrenäen.  —  Die  Rohrrüssler  (Macrosrclidea )  sind  springende  Thiere 
mit  verlängertem  Mittelfuss,  langem  Rüssel,  grossen  Ohren;  Afrika.  —  Die 
Spitzhörnchen  (Ckulobites)  mit  kräftigem  Schwanz,  welcher  mit  langen, 
nach  beiden  Seiten  gerichteten  Haaren  versehen   iat;  eichhörnchenartige 


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Wirbelthiere.   6.  Glasse:  Säugethicre. 


523 


Thiere,  welche  auf  Bäumen  leben ;  Afrika.  —  Eine  in  manchen  Beziehungen 
abweichende  Form  ist  der  Kaguang  ( Goleopilliecus  voltina),  welcher  eine 
grosse,  behaarte,  zwischen  Vordergliedmaassen,  Rumpf  und  Hinterglied- 
maassen ausgespannte  Hautfalte  besitzt  (Fallschirm);  die  Vorderzähne  des 
Unterkiefers  mit  kammartig  zerschlitzter  Krone.  Das  Thier,  welches  etwa 
die  Grösse  einer  Katze  hat,  ernährt  sich  von  Pflanzen  und  lebt  auf  den 
Sundainseln,  den  Holucken  und  Philippinen. 

Anmerkung.  An  dieser  Stelle  erwähnen  wir  die  Gattung  liyrax 
(Klippschliefer,  Daman),  welche  in  früherer  Zeit  meistens  den  Hufthieren 
zugerechnet  wurde,  uns  aber  eher  mit  den  Insektivoren  verwandt  erscheint; 
ihre  systematische  Stellung  ist  übrigens  noch  eine  sehr  zweifelhafte.  Die 
wenigen  Arten  der  Gattung  sind  kleinere ,  nagerähnliche ,  weichbehaarte 
Thiere  mit  spitzer  Schnauze,  ganz  kurzem  Schwanz ,  mittelhohen  Beinen ; 
am  Vorderfus8e  sind  4  wohlentwickelte  Finger  vorhanden  (der  Daumen  ist 
rudimentär),  der  Hinterfuss  ist  nur  dreizehig;  Finger  und  Zehen  sind  (mit 
Ausnahme  der  inneren  Zehe  des  Hinterfusses ,  welche  eine  Kralle  trägt) 
mit  platten  Nägeln  versehen  (keine  Hufe) ;  ein  grosser  weicher  Sohlenballen. 
\  \  '■'  4  l'>  Ü  >  die  Kaufläche  der  Backenzähne  ist  derjenigen  der  Nas- 
hörner sehr  ähnlich;  der  innere  Schneidezahn  gross,  so  dass  die  Bezahnung 
etwas  nagerähnlich  wird.    Pflanzenfresser;  Afrika,  Westasien. 

4.  Ordnung.   Fledermäuse  (Chiroptem). 

Die  hervorragendste  Eigentümlichkeit  der  Fledermäuse  liegt  in 
der  eigenartigen  Ausbildung  der  Vordergliedmaassen.  Der  2.  —  5.  Mittel- 
liandknochen  und  die  entsprechenden  Finger  sind  sehr  verlängert,  und 
zwischen  denselben  ist  eine  Flughaut  ausgespannt,  eine  dünne,  nackte 
Hautfalte,  welche  sich  auch  vom  5.  Finger  längs  des  Ober-  und  Unter- 
armes an  den  Rumpf  und  die  Hintergliedmaassen  erstreckt;  vorne  im 
Winkel  zwischen  Ober-  und  Unterarm  ist  ebenfalls  eine  Hautfalte  aus- 
gespannt, und  eine  solche  ist  ferner  häufig  zwischen  Hintergliedmaassen 
und  Schwanz  vorhanden.  Die  Hinterfüsse  und  der  kurze  Daumen 
der  Vordergliedmaassen  sind  frei.  Von  den  Fingern  sind  Nr.  3 — 5 
immer  krallenlos :  bei  den  Klein-Flederniiiusen  fehlt  auch  die  Kralle 
des  2.  Fingers;  dagegen  besitzen  der  Daumen  und  die  5  Zehen  der 
Hinterfüsse  gebogene  Krallen.  An  den  krallenlosen  Fingern  fehlt  das 
äusserste  Fingerglied.  Ausser  der  Mittel  band  und  den  Fingern  sind 
auch  Ober-  und  Unterarm,  wenn  auch  in  verhältnissmässig  geringerem 
Grade,  verlängert.  Die  Hinterbeine  sind  in  einer  eigentümlichen 
Weise  nach  aussen  gedreht;  sie  sind  dünn  und  schwach;  von  der 
Ferse  entspringt  oft  ein  langer  dünner  Knochen  oder  Knorpel,  der 
Sporn,  welcher  im  Rande  der  zwischen  den  Hintergliedmaassen 
ausgespannten  Haut  liegt.  Die  Flughaut  kann  regenschirmartig  zu- 
sammengefaltet und  dem  Rumpf  angelegt  werden.  Das  Schlüsselbein 
ist  lang  und  kräftig,  der  vordere  Theil  des  Brustbeins  unten  mit  einem 
Längskamm  versehen.  —  Die  Zitzen,  1—2  Paare,  sind  brustständig. 

Die  Fledermäuse  sind  Abend-  oder  Nachtthiere.  Sie  bewegen 
sich  nur  gut  im  Fluge,  kriechen  dagegen  schwerfallig  mittels  der 
Hintergliedmaassen  und  des  Vorderdaumens.  Wenn  sie  ruhen,  sind 
sie  an  den  Hinterfüssen  aufgehängt. 

1.  Die  Gross-Fledermäuse  ( Megwh iroptcm :  Gatt .  l*tero]nts, 
fliegender  Hund,   u.  a.)  besitzen   sowohl  am  1.  wie  am  2.  Finger  eine 


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524 


Spcciellcr  Theil. 


Kralle.  Kopf  länglich,  Backenzähne  mit  zwei  Längskämmen.  Aeusseres 
Ohr  einfach.  Ernähren  sich  besonders  von  Früchten.  Grossere  Formen, 
welche  die  wärmeren  Gegenden  der  alten  Welt  und  Australien  bewohnen. 

2.  Die  Klein-Fleder mause  (Micrfjcfiiroj)tera).  Keine  Kralle  am 
2.  Finger.  Kopf  kurz,  Backenzähne  mit  mehreren  Spitzen  (ähnlich  denen 
der  Insektenfresser).  Aensseres  Ohr  mit  einem  Lappen  (Ohrdeckel),  welcher 
den  Eingang  in  den  äusseren  Gehörgang  mehr  oder  weniger  überdeckt. 
Sie  ernähren  sich  besonders  von  Insekten,  welche  sie  im  Fluge  fangen  ;  sie 
entdecken  dioselben  besonders  durch  das  Hautgefühl,  namentlich  der  Flug- 
haut, der  zuweilen  sehr  grossen  äusseren  Ohren  und  der  häufig  auf  dem 
Kopfe  vorhandenen  eigentümlichen  Auswüchse  (Nasenaufsätze).  Einzelne 
in  Südamerika  lebende  Formen  (Vampire,  Deswodus)  saugen  das  Blut 
lebendiger  Säugethiere.  Sehr  zahlreiche,  über  die  ganze  Erde  verbreitete, 
besonders  in  den  Tropen  reich  vertretene  Abtheiluog;  meistens  kleine 
Formen.  In  Deutschland  lebt  eine  ziemlich  grosse  Anzahl  verschiedener 
Formen:  VeapertUio,  mit  Jj  b  und  grossem  Ohrdeckel,  Vcspemgo,  mit  « -  :-  b 
und  kurzem  Ohrdeckel,  beide  in  mehreren  Arten  vertreten ;  Pleadm  aurittus 
(langolirige  Fledermaus)  mit  kolossal  verlängerten  Ohren ,  welche  durch 
eine  quer  über  den  Kopf  verlaufende  Hautfalte  verbunden  sind,  und 
mit  grossem  Ohrdeckel  (g  b) ;  Rhiuolophn»  (Hufeisennasen)  mit  com- 
plicirtem  Nasenaufsatz  (während  die  übrigen  deutschen  Fledermäuse 
eines  solchen  entbehren).  Die  deutschen  Arten  verfallen,  ebenso  wie  die 
Fledermäuse  anderer  Länder  mit  ähnlichem  Klima,  in  einen  Winterschlaf, 

den  sie  in  hohlen  Bäumen  etc.  hängend  durchmachen. 

i 

T>.  Ordnung.    Hufthiere  (Ungnlata). 

Die  Gliedmaassen  sind  verlängert,  speciell  zum  Gang  oder  Lauf 
entwickelt,  der  Rumpf  hoch  über  die  Erde  erhoben.  Der  Mittelfuss 
(die  Mittelhand)  ist  gewöhnlich  von  beträchtlicher  Länge;  die  Zeheu 
(Finger)  sind  mehr  oder  weniger  vollständig  in  eine  gemeinsame  Haut 
eingeschlossen ;  in  der  Regel  tritt  das  Thier  nur  mit  dem  äussersten 
Zehenglied,  besonders  mit  dem  dasselbe  umgebenden  Huf  oder  der 
Klaue  (S.  491),  auf,  der  übrige  Fuss  berührt  den  Boden  nicht, 
sondern  trägt  zur  Verlängerung  der  Gliedmaasse  bei.  Der  Daumen 
und  der  entsprechende  Mittelhand(fuss)knochen  fehlt  immer  an  allen 
vier  Gliedmaassen.  Schlüsselbeine  fehlen  ebenfalls  stets.  Pflanzen- 
fressende Thiere,  gewöhnlich  von  ansehnlicher  Grösse,  mit  gefalteten 
oder  höckerigen  Backzähnen  und  in  der  Regel  mit  einem  Blinddarm 
von  beträchtlicher  Grösse. 

1.  Unterordnung.    Unpaarzeher  (Perissortactyla). 

Die  Zehe  (der  Finger)  Nr.  3  ist  (an  allen  vier  Gliedmaassen)  fast 
symmetrisch,  kräftiger  als  die  übrigen,  die  Mittelebene  des  Fusses 
geht  durch  die  Mitte  derselben.  Nr.  5  fehlt  gewöhnlich.  Der  Ober- 
schenkelknochen mit  einem  Fortsatz  am  Aussenrande,  welcher  bei  den 
Paarzehern  fehlt  (Trochanter  tertius).  Das  Sprungbein  (Asfrayalm)  am 
unteren  Ende  mit  einer  grossen,  platten  Gelenkfläche  für  das  Navi- 
culare  (Centrale)  und  einer  kleinen  für  dasCuboideum  (=  Tarsale 4 -f  5). 
Die  Backenzähne  sind  gefaltet,  mit  Ausnahme  von  pl  von  ungefähr 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugethiere. 


525 


fleichör  Grösse.  Magen  einfach.  Blinddarm  kolossal  entwickelt, 
»lacenta  diffus  1). 

ABC 


■ 
• 


i 


Fig.  357.  Hand  (Vorderfuss)  von:  A  Tapir,  B  Nashorn,  C  Pferd.  R  Speiche, 
U  Elle;  s,  /,  c  die  erste  Reihe  der  Handwurzelknochen  (Naviculare,  Lunatum,  Triquetruni)^ 
p  Erbsenbein ;  tm,  td,  m,  ti  die  zweite  Reihe  der  Handwurzelkuochen  (Multangulum  majua. 
M.  minus,  Capitatuiu.  Hamatum);  // — V  zweiter — fünfter  Kinger  (in  B  ist  V  der  rudimentäre 
Itlnfte  Mittelhandknochen,  in  0  bezeichnet  //  und  IV  den  zweiten  und  vierten  Mittelhand- 
knochen). —  Nach  Plower. 

1.  Die  Tapire  (Tajn'in.s).  Vorderfuss  mit  vier  Zehen  (Nr.  2,  3, 
4,  5),  Hinterfuss  mit  drei  (Nr.  2,  3,  4);  Nr.  3  ist  nicht  viel  stärker  ule 
2  und  4.  Zehengänger.  %  i,  \  r,  |  />,  %  m  ;  die  Backenzähne  je  mit 
zwei  Querkämmen.  Die  Schnauze  ist  in  einen  kurzen  Rüssel  verlängert  : 
die  Haut  ist  wohlbehaart.  Eine  Art  in  Ostindien ,  andere  in  Südamerika. 
—  Mit  den  Tapiren  ziemlich  nahe  verwandt  ist  die  ausgestorbene  (eoeäne) 
Gattung  Palaentheriuvi,  bei  welcher  jedoch  nur  drei  Vorderzehen  vorhanden, 
und  deren  Backenzähne  denen  der  Nashörner  ähnlicher  sind. 

2.  Die  Nashörner  (Rhhtoceros).  Vorder-  wie  Hinterfuss  symme- 
trisch, dreizehig,  Mittelzehe  (Nr.  3)  etwas  stärker  als  die  beiden  anderen 
(Nr.  2  und  4,.  Zehengänger.  ?  "  *>  $  c»  i  Jh  %  »' ;  Schneidezähne  mehr 
oder  weniger  rückgebildet,  keine  Eckzähne,  starke,  gefaltete  Backenzähne. 
Vorne  an  der  Oberseite  des  Kopfes  in  der  Mittellinie  ein  oder  zwei  aus 
Hornmasse  bestehende  Hörner.  Die  Haut  sehr  dick ,  unbiegsam ,  sehr 
s  nur  lieh  behaart;  die  Oberlippe  sehr  beweglich.  Ausschliesslich  in  den 
wärmeren  Theilen  von  Afrika  und  Asien.  In  Afrika  leben  zwei  Arten  mit 
glatter  Haut  und  mit  zwei  Hörnern  (Rh.  bicomits  und  simus) ;  in  Asien 
sowohl  eine  zweihörnige  Art  als  auch  einhörnige  Arten  mit  grossen  tiefen 
Hautfalten  (Uli.  iinioornis  etc.).  —  Das  wollhaarige  Nashorn  (Ith. 
tichorinus),  mit  verknöcherter  Nasenscheidewand,  zwei  Hörnern,  reichlicher 
Behaarung,  lebte  während  der  quaternären  Formation  in  Mitteleuropa  und 
Sibirien  mit  dem  Mammuth  zusammen. 

')  Gallenblase  fehlt.  Zwei  Zitzen,  welche  zwischen  den  Hinterbeinen  liegen. 
Wenigstens  22  Brust-Lendenwirbel. 


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526 


Speeieller  Theil. 


3.  Die  Pferdefamilie  (Equidne)  ist  ausgezeichnet  durch  die  über- 
wiegende Entwicklung  der  Mittelzehe  (Nr.  3)  im  Vergleich  mit  den  Seiten- 
zehen und  durch  die  bedeutende  Länge  des  Mittelfusses.  Vorder-  und 
Hinterfuss  gleichartig  gebildet.  Hufgänger.  Vollständige  Zahnformel: 
|  t,  |  c,  ^  p,  ^  m.  Ein  vollständiger  Knochenring  um  das  Auge  herum 
(d.  h. :  ein  Fortsatz  des  Stirnbeins  vereinigt  sich  mit  einem  Fortsatz  des 
Jochbogens  hinter  dem  Auge). 

a.  Die  jetzt  lebenden  Pferde  gehören  alle  der  Gattung 
Equus  an.  Bei  ihnen  fehlen  die  2.  und  4.  Zehe  ganz,  so  dass  alle  vier 
Füsse  nur  einzehig  sind ;  die  Zehe  (Nr.  3)  ist  ebenso  wie  der  entsprechende 
Mittelfussknochen  ausserordentlich  kräftig  entwickelt.  2.  und  4.  Mittelfuss- 
knochen sind  als  dünne  längliche  Knochen  (Griffelbeine)  an  den  Seiten  des 
grossen  MittelfuBsknochens  vorhanden.  Die  Thiere  treten  nur  mit  dem  das 
äusserste  Zehenglied  umgebenden  Huf  auf,  welcher  hinten  den  sehr  kleinen 
Sohlenballen  umschliesst  (vergl.  S.  491,  Fig  336  E).  Die  Schneidezähne 
zeichnen  sich  durch  den  Besitz  einer  grossen,  mit  Cement  theilweise 
erfüllten  Vertiefung  aus  (der  Bohne) ;  die  Eckzähne  beim  <J  wohlentwickelt, 
beim  5  rudimentär;  p  1  ist  sowohl  im  Ober-  als  im  Unterkiefer  angelegt, 
kommt  aber  in  der  Regel  nur  im  Oberkiefer  zur  Ausbildung,  ist  auch 
dort  rudimentär  und  fällt  meistens  früh  aus  (Wolfszahn);  die  übrigen 
Backenzähne  sind  in  beiden  Kiefern  ungefähr  von  gleicher  Grösse  (im 
Oberkiefer  breiter  als  im  Unterkiefer),  besitzen  eine  sehr  lange  Krone 
und  kurze  Wurzeln;  die  Kronen  sind  mit  Falten  und  Vertiefungen  aus- 
gestattet, welche  sich  bis  an  die  Wurzeln  erstrecken  und  mit  Cement  er- 
füllt sind,  welches  an  den  Backenzähnen  der  Pferde  ausserordentlich  stark 
ausgebildet  ist  und  als  eine  dicke  Schicht  die  Krone  umgiebt;  am  Zahn 
entsteht  sehr  bald,  nachdem  er  in  Gebrauch  getreten  ist,  eine  Kaufläche 
mit  Schmelzstreifen ,  und  allmählich  wird  die  Krone  durch  die  Abnutzung 
weggeschliffen,  so  dasB  sie  bei  alten  Pferden  ganz  kurz  wird.  Im  Gegen- 
satz zum  Verhalten  der  Tapire  und  Nashörner  ist  der  untere  Theil  der 
Elle  und  des  Wadenbeins  sehr  schwach,  theilweise  sogar  durch  ein  Band 
vertreten.  Hierzu  gehören :  die  Zebra 's  (E.  xebra,  quagga,  liurehelli),  mit 
dunklen  Querstreifen,  kleinem  Huf,  Kuhschwanz,  in  Südafrika.  Der  Esel 
(E.  usinus)  mit  einem  schwarzen  Streifen  längs  der  Rückenmitte  und  einem 
ähnlichen  quer  über  den  Schultern ,  kleinem  Huf,  Kuhschwanz ,  wild  in 
Nordafrika;  ein  paar  verwandte  Formen  (E.  hcmionus,  Dschiggetai,  und  E. 
(mager,  Kulan,  in  Asien).  Das  Pferd  (E.  caballus)  ist  in  der  Regel  grösser 
als  die  vorigen,  mit  grösseren  Hufen ,  Schwanz  vom  Grunde  an  mit  langen 
Haaren;  „Kastanien"  (nackte  hornige  Hautstellen)  an  den  Vorder-  wie  an 
den  Hinterbeinen  (bei  den  übrigen  nur  an  den  Vorderbeinen) ;  Heimath 
nicht  sicher  festgestellt. 

b.  Von  den  ausgestorbenen  Pferden  gehören  einige  aus 
der  quaternären  und  pliocänen  Formation  ebenfalls  zu  Equus,  welcher  da- 
mals nicht  allein  in  der  alten  Welt,  sondern  auch  in  Nord-  und  Süd- 
amerika vertreten  war.  —  Andere  pliocäne  Pferde  gehören  zur  Gattung 
Hiftparion,  einer  kleineren  Pferdeform,  welche  in  den  meisten  Charakteren 
mit  Equus  übereinstimmt,  aber  dadurch  abweicht,  dass  die  Zehen  Nr.  2 
und  4  an  allen  vier  Gliedmaasseu  vorhanden  sind,  wenn  auch  nur  als 
schwach  entwickelte  „ Nebenzehen u,  welche  während  des  Ganges  die  Erde 
nicht  berührten1);  ausser  in  der  pliocänen  lebten  Hipparionarten  in  der 


')  Ein  ganz  rudimentärer  Mittel  h  a  n  d  knochen  Nr.  6  ist  vorhanden  (Fig.  368  B); 
derselbe  kann  auch  beim  Pferd  entwickelt  sein. 


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Wirbelthiere.   6.  Ciasse:  Säufrethiere. 


527 


jüngeren  miocänen  Formation.  —  Bedeutend  mehr  von  Equus  abweichend 
ist  die  Gatt.  Anchitherium  mit  denselben  Zehen  wie  Hipparion,  von  welcher 
aber  Nr.  2  und  4  beträchtlich  Btärker  als  bei  diesem  sind ,  wenn  auch  be- 
deutend schwächer  als  Nr.  3 ;  die  Kronen  der  Backenzähne  weit  kürzer  als 
bei  Equus,  die  Faltenbildung  an  denselben  mehr  derjenigen  bei  den  Nas- 
hörnern (oder  Palaeotherium)  ähnlich,  das  Cement  nur  wenig  entwickelt; 

A  B  C  £  B'  C 


Fi«.  358.  Linker  Vordertuss  von  Anchitherium  (A,  A  ),  Hipparion  [B,  IT),  Pferd  ((',  Cf), 
von  vorne  und  von  der  inneren  Seite.  Alle  in  gleicher  Verkleinerung  (ungef.  4).  /mMul- 
tangulnm  majus,  td  M.  minu«,  m  Capitatum,  w  Haniatum.  //,  ///,  IV  /.weiter— vierter  Mittel- 
handknochen.    I'  rudimentärer  fünfter  Mittelhandknochen.  -  Nach  Gaudry. 

die  Wolfszähne  (/>  *)  stärker  und  auch  im  Unterkiefer  vorhanden;  die 
Vorderzähne  ohne  Bohne ;  die  Elle  und  das  Wadenbein  besser  als  bei 
Equus  entwickelt.  Die  Gattung  Anchitherium,  welche  in  der  älteren  Miocän- 
zeit  lebte,  nähert  sich  schon  sehr  den  oben  genannten  eoeänen  Fnlaeo- 
therien. 

2.  Unterordnung.    Paarzeher  (Artiodaetyla). 

Die  Zehen  Nr.  3  und  4  (sowohl  am  Vorder-  als  am  Hinterfuss) 
sind  jede  für  sich  asymmetrisch,  aber  einander  spiegelbildlich 
gleich;  die  Mittelebene  des  Fusses  geht  zwischen  diesen 
beiden  Zehen  durch.  Nr.  3  und  5  sind  kleiner,  berühren  in  der 
Regel  die  Erde  während  des  Ganges  nicht  und  sitzen  etwas  hinter 
den  anderen;  oft  sind  sie  sogar  rudimentär  oder  fehlen.  Dem  Ober- 
schenkelbein fehlt  der  Fortsatz  am  äusseren  Rand  ( Trochanter  tetiius). 
Beide  Gelenkflächen  am  unteren  Ende  des  Sprungbeins  (Astragalm). 
für  Naviculare  resp.  Guboideum ,  sind  ungefähr  von  gleicher  Grösse 
und  beide  in  der  Richtung  von  vorn  nach  hinten  stark  gewölbt.  Der 
Magen  ist  mehr  oder  weniger  complicirt,  Blinddarm  kleiner  als  bei 
den  Unpaarzehern.  Backenzähne  gefaltet  oder  höckerig,  die  Prämo- 
laren schmäler  als  die  Molaren  *). 


')  Gallenblase  in  der  Regel  vorhanden.  Die  Anzahl  der  Kücken-Lendenwirbel 
kleiner  als  82  (selten  grösser  als  19). 


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f>28 


Speoieller  Theil. 


1.  Gruppe.   Schweine-Gruppe  (Non-Iiutninantia). 

Vorderzähne  des  Zwischenkiefers  wohl  entwickelt.  Mittelfuss(hand)A 
knochen  Nr.  3  und  4  fast  immer  getrennt,  Zehen  Nr.  2  und  5  und 
die  entsprechenden  Mittelfussknochen  in  der  Regel  verhältnissmässig 
wohl  entwickelt.    Elle  und  Wadenhein  kräftig  ausgebildet.  Mager) 

ABC 


Fig.  359.  Hand  (Vonierfiis»)  von:  A  Schwein.  B  Edelhirsch,  C  KameeL 
H  Speiche,  V  Klle ;  *  NavicnUre.  {Lunatum,  c  Triquetruin ;  td  Mnltangulum  ininoa,  m  Capi,* 
Utum,  m  Uaniatuiu ;  w*  und  m4  zweiter  und  fünfter  (rudimentärer)  Mittelhandknochen  ;  II—  I' 
zweiter  -  fünfter  Finger.  —  Nach  Flower.  . 

t 

•  *  • 

weniger  complicirt  als  bei  den  Wiederkäuern,  bei  einigen  Formen  der 
Gruppe  (z.  B.  dem  gewöhnlichen  Schwein)  ziemlich  einfach,  bei  anderen 
mit  bestimmterer  Andeutung  einer  Sonderung  in  mehrere  Abschnittes 
es  findet  kein  Wiederkauen  statt.  Zitzen  oft  über  die  ganze  Bauch- 
seite zerstreut.    Placenta  diffus. 

1.  Die  Schw  eine  familie  (Sitidae).  Die  Gliedmaassen  schlank,  die 
Zehen  2  und  5  bedeutend  kürzer  als  3  and  4,  sitzen  etwas  hinter  diesen 
und  berühren  gewöhnlich  die  Erde  während  des  Ganges  nicht.  Sohlenballen 
klein,  weich.  Backenzähne  höckerig.  Ein  kurzer  Rüssel  vorhanden.  Haut 
mit  Haaren  bekleidet. 

a.  Die  Schweinegattung  (Sus)  ist  in  verschiedenen  Arten 
über  die  alte  Welt  verbreitet.  $  /,  {  c,  |  jj,  $  m die  Schneidezähne  des 
Unterkiefers  nach  vorne,  die  des  Zwischenkiefers  nach  unten  gerichtet; 
der  Eckzahn  des  Oberkiefers  nach  aussen  und  oben  gedreht,  der  ent- 
sprechende des  Unterkiefers  stark  gebogen  (die  des  Männchens  sind  wurzel* 
Ins.  stärker  als  die  des  Weibchens);  die  Prämolaren  sind  zusammengedrückt, 
die  Molaren  mit  breiter  höckeriger  Kaufläche.  Hierzu  gehört  das  euro« 
päische  Wildschwein  (Sus  acrofa),  von  welchem  die  alte  Rasse 
des  nordeuropäischen  Hausschweines  abstammt;  die  meisten 
jetzigen  deutschen  Hausschweine  sind  Bastarde  des  letzteren  und  des  indo- 
chinesischen Hausschweines,    welches    von  einer   oder  mehrerei 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugethiere. 


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Arten  asiatischer  Wildschweine  abstammt  und  in  mehrfacher  Be- 
ziehung (auch  im  Skelet)  von  der  alten  Rasse  (und  vom  europäischen 
"Wildschwein)  abweicht. 

b.  Von  anderen  Schweineformen  fuhren  wir  folgende  an:  Die 
Nabelschweine,  Pekari's  (Dicotylcs),  sind  kleinere  Schweine  mit  einer 
grossen  Hautdrüse  am  Rücken  (daher  der  Name  „Nabelschwein");  die  Zehe 
Nr.  5  an  den  Hintergliedmaassen  fehlt;  der  Eckzahn  im  Oberkiefer  nach 
unten  gerichtet,  keiner  der  Eckzähne  von  hervorragender  Grösse;  Süd- 
amerika. Beim  Hirscheber  (Porrus  babipussa)  sind  die  Eckzähne  des 
Oberkiefers  nach  oben  gerichtet  und  stark  gebogen;  beim  £  sind  sie  enorm 
verlängert ;  Celebes.  Das  Warzenschwein  (Phncoehocrus)  zeichnet  sich 
besonders  durch  die  ausserordentliche  Entwicklung  des  letzten  Molars  aus 
(dieser  Zahn  ist  auch  bei  Sus  der  grösste  unter  den  Backenzähnen);  bei 
sehr  alten  Thieren  ist  er  der  einzige  übrig  bleibende  Backenzahn ;  Eckzähne 
ungefähr  wie  bei  8us ;  Südafrika. 

2.  Die  Flussp  f  e  rd  fami  lie  (Jlipjtopotamidae)  sind  Thiere  von  statt- 
licher Grösse  mit  plumpen  Gliedmaassen ;  die  Zehen  2  und  5  sehr  kräftig ; 
die  Thiere  treten  mit  allen  vier  Zehen  auf  (grosse  Sohlenballen).  Backen- 
zähne höckerig-gefaltet.  Vorder-  und  Eckzähne  sehr  kräftig.  Kopf  sehr 
gross,  ohne  Rüssel,  mit  sehr  breiter  Schnauzenpartie.  Behaarung  sehr 
spärlich.  Nur  ein  paar  jetztlebende  Arten;  die  bekannteste  ist  das  Fluss- 
oder  Nilpferd  (Hippopotamus  amphibius),  welches  über  einen  grossen 
Theil  von  Afrika  verbreitet  ist;  eine  andere,  kleinere  Art  (Choerqpsi* 
liberimsis),  welche  sich  etwas  der  Schweinefamilie  nähert,  lebt  in  Westafrika. 

3.  Zur  Schweinegruppe  gehören  zahlreiche  ausgestorbeneFormen, 
welche  theils  den  jetzt  lebenden  Schweinen  und  Flusspferden  ähnlich  sind, 
theils  mehr  oder  weniger  von  denselben  abweichen.  Es  finden  sich  z.  B. 
verschiedene  Formen,  welche  ähnliche  Backenzähne  wie  die  Wiederkäuer 
besitzen ,  während  sie  sonst  im  Ganzen  der  Schweinefamilie  ziemlich  nahe 
stehen  ;  andere,  wie  die  Anoplotherien  der  Eocän-  und  Miocänzeit,  bieten 
durch  ihren  langen  Hals  und  ihre  langen  Beine  eine  oberflächliche  Aehnlich- 
keit  mit  den  Wiederkäuern  dar,  unterscheiden  sich  von  diesen  jedoch  dadurch 
wesentlich,  dass  sie  die  vollständige  Zahnformel  (||)  mit  wohlentwickelten 
oberen  Vorderzähnen  besitzen,  wie  auch  die  Mittelfussknochen  getrennt  sind. 

2.  Gruppe.   Wiederkäuer  (Ruminantia). 

Schneidezähne  fehlen  im  Zwiscbenkiefer  (oder  es  ist  nur  a3  ent- 
wickelt); Eckzahn  des  Unterkiefers  gewöhnlich  (nicht  bei  den  Ka- 
meelen) in  der  Form  einem  Schneidezahn  ähnlich,  so  dass  anscheinend 
4  Schneidezähne  in  jeder  Unterkieferhälfte  vorhanden  sind.  Die  Molaren, 
z.  Th.  auch  die  Prämolaren,  mit  je  vier  gebogenen  Längskämmen,  zwei 
äusseren  und  zwei  inneren.  An  allen  vier  Gliedmaassen  sind  die 
Mittelfussknochen  Nr.  3  und  4  fast  immer  zu  einem  einzigen  langen 
Knochen  verschmolzen,  während  Nr.  2  und  5  unvollständig  sind  oder 
fehlen  (nur  bei  den  Traguliden  sind  sie  vollständig).  Die  Zehen 
Nr.  2  und  5  sind  klein  oder  fehlen.  Ueber  die  Bildung  der  Klauen 
vergl.  S.  491  und  Fig.  336  F.  Der  Magen  ist  in  mehrere  Abtheilungen 
gesondert,  und  das  Futter  wird,  nachdem  es  eine  Zeitlang  im  Magen 
gewesen  ist,  wieder  aufgebrochen  und  auf's  Neue  gekaut.  Elle  und 
Wadenbein  schwach  entwickelt;  das  untere  Ende  des  letzteren  ist  vom 
übrigen  abgetrennt  und  einem  Fusswurzelknochen  ähnlich.  In  der 
Regel  sind  viele  kleine  Fruchtkuchen  (Ootyledonen)  vorhanden;  die 

Ion,  Zoologie  34 


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Specieller  Theil. 


Kameele  besitzen  jedoch  eine  diffuse  Placenta  wie  die  Schweine  und 
die  Unpaarzeher.    Zitzen  zwischen  den  Hinterbeinen. 

Bei  der  Mehrzahl  der  Wiederkäuer  (Hohlhörnern,  Hirschen,  Giraffen) 
zerfallt  der  Ifagen  in  drei  scharf  gesonderte  Abtheilungen.  In  die 
erste  Abtheilung,  welche  wir  als  Vorderraagen  bezeichnen,  mündet  die 
Speiseröhre,  von  deren  Oeffnuug  eine  Rinne,  die  Schlundrinne,  an  der 
vorderen  Seite  des  Vordermagens  nach  der  Einmündung  desselben  in  die 
zweite  Hauptabtheilung  des  Magens  {den  Blättermagen)  verläuft.  Der  Vor- 
dermagen, welcher  eine  bedeutende  Grösse  erreicht,  ist  mit  mehreren  Ein- 
buchtungen versehen,  von  welchen  eine  besonders  stark  ist  und  den  Vorder- 
magen in  zwei  unvollstän- 
dig gesonderte  Unterabthei- 
lungen theil  t,  den  grossen 
Pansen  (fimnenj  und  die 
kleinere  Haube  (Retten- 
htm) ;  letztere  ist  innerlich 
mit  hervortretenden,  netz- 
förmig verbundenen  Falten 
versehen ,  erstere  dagegen 
mit  Papillen.  Die  zweite 
Hauptabtheilung  des  Ma- 
gens, der  Mittelmagen 
oder  Blättermagen 
(PsaUtrium  oder  Omastts), 
Fig.  860.  A  Hagen  eine»  gewöhnlichen  Wiederkäuers,  ist  innerlich  mit  zahl- 
B  eine«  Kameeis ;  Schema,  oe  Speiseröhre,  r  Schlundriune,  reichen 
/Vordermagen  (/'  Pansen,/*  Haube),  m  Mittelmaßen,  h  Hin- 
termagen, t  Dünndarm.  —  Orig. 


blatt- 
förmigen Längsfalten  ver- 
sehen ,     welche  einander 
Höhlung  ausfüllen.  Der 


dicht  anliegen  und  den  grössten  Theil  seiner 
letzte  Abschnitt ,  der  Hinterraagen  oder  Labmagen  ( Abomastts)  ist 
ungef&hr  röhrenförmig.  Vorder-  und  Mittelmagen  sind  mit  einem  mehr- 
schichtigen Plattenepithel  von  derselben  Beschaffenheit  wie  dasjenige  der 
Speiseröhre  und  der  Mundhöhle  (—  der  Oberhaut)  bekleidet  und  drüsenlos: 
dagegen  ist  der  Hintermagen  mit  einem  Cylinderepithel  bekleidet  und  mit 
Drüsen  versehen.  Das  abgebissene  Futter  wird,  ohne  viel  gekaut  zu  sein, 
in  der  Mundhöhle  zu  grösseren  Ballen  geformt,  passirt  die  Speiseröhre, 
welche  während  des  Durchganges  ausgedehnt  wird,  und  wird  in  den  Vorder- 
magen gepresst ;  hier  unterliegt  es  einer  Art  Gährung  oder  Maceration  und 
wird  dann  portionsweise  wieder  in  die  Mundhöhle  aufgebrochen,  wo  es  fein 
zerkaut  wird,  und  mit  Speichel  gemischt  geht  es  dann  zum  zweiten  Mal,  in 
dickflüssigem  Zustande,  durch  die  Speiseröhre,  läuft  aber  jetzt  durch  die 
Schlundrinne,  deren  Bänder  sich  beim  lebenden  Thiere  wahrscheinlich  an 
einander  legen,  in  den  Mittelmagen  hinein,  von  dessen  Blättern  ein  Theil 
der  Flüssigkeit  aufgesogen  wird,  und  zuletzt  in  den  Hintermagen.  Flüssige 
Nahrung  scheint  stets  direkt  von  der  Speiseröhre  durch  die  Schlundrinne  in 
den  Mittelmagen  zu  gelangen.  —  In  der  Kameelfamilie  besteht  der 
Magen  aus  denselben  drei  Hauptabtheilungen  wie  bei  der  Mehrzahl  der 
Wiederkäuer,  unterscheidet  sich  aber  besonders  dadurch  von  den  übrigen, 
dass  der  Mittelmagen  länger  und  röhrenförmig  ist,  fast  keine  Blätter 
besitzt  und  mit  sehr  kurzen  Drüsenschläuchen  in  seinen  Wandungen  ver- 
sehen ist  (wahrscheinlich  ist  er  auch  mit  einem  Cylinderepithel  bekleidet); 
wohlentwickelte  Drüsen  finden  sich  erst  im  Hintermagen1).  —  Bei  den 


')  Der  Vordermagen  der  Kameele  ist  durch  Einbuchtungen  in 


Ab- 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugethiere. 


531 


Traguliden  ist  der  Magen  demjenigen  der  Mehrzahl  der  Wiederkäuer 
im  Ganzen  sehr  ähnlich,  der  Vordermagen  ist  in  dieselben  Unterabtheilungen 
gesondert  etc.  :  sie  unterscheiden  sich  aber  dadurch,  dass  der  deutlich  ab- 
gegrenzte Blättermagen  rudimentär  ist.  Einen  Uebergang  zu 
diesem  Verhalten  vermitteln  einige  andere  kleine  Wiederkäuer,  deren  Blätter- 
magen sehr  kurz  und  wenig  ausgebildet  ist. 

1.  Die  Kameelfamilie  (Gamdidae).  Im  Gegensatz  zu  anderen 
Wiederkäuern  besitzen  die  Kamee] e  den  hintersten  Schneidezahn,  i  *,  des 
des  Zwischenkiefers *) ;  er  ist  eckzahnähnlich.  Der  Eckzahn  des  Unter- 
kiefers hat  (ebenso  wie  der  des  Oberkiefers)  gewöhnliche  Eckzahnform 
(kegelförmig).  Der  Magen  ist  abweichend  (vergl.  oben).  Placenta  diffus'2). 
Hörner  fehlen.  An  jedem  Fuss  nur  zwei  Zehen ;  Klauen  klein,  gebogen, 
grosser,  weicher  Sohlenballen  hinter  denselben  (im  Gegensatz  zu  allen  an- 
deren Wiederkäuern);  die  Kameele  treten  mit  der  ganzen  Zehe  auf.  Die 
Kameelgattung  (Camelus)  besteht  aus  hochbeinigen  Thieren  mit  einem 

Fettbuckel  auf  dem  Bücken;  Zahnformel:  ,7  *  „,  p*  in 

beiden  Kiefern  eckzahnähnlich,  von  den  anderen  Backenzähnen  durch  einen 
Zwischenraum  getrennt.  Beim  baktrischen  Kameel  (C.hactrianus),  in 
Asien,  ist  der  Buckel  in  zwei,  einen  vorderen  und  einen  hinteren,  getheilt; 
beim  Dromedar  (C.  dromedarius),  in  Afrika  und  Arabien,  ist  er  einfach; 
diese  beiden  ausgeprägten  Wüstenthiere  sind  nur  in  gezähmtem  (und  ver- 
wildertem) Zustand  bekannt.  Die  Lama 's  (Auchenia)  sind  kleiner,  ohne 
Buckel  und  ohne  den  eckzahnartigen  Backenzahn  (p1) ;  sie  leben  in  mehreren 
Arten,  gezähmt  und  wild,  im  westlichen  Südamerika. 

2.  Die  Giraffe  (Canidopardalis  girafla)  besitzt  zwei  behaarte,  inner- 
lich verknöcherte  Auswüchse  am  Kopfe ;  sehr  hochbeinig,  Vorderbeine  länger 
als  die  Hinterbeine,  Hals  lang.  Afrika. 

3.  Die  Hirsche  (Ccrridae)  bilden  eine  grosse  Abtheilung  von  in  der 
Regel  schlanken ,  dünnbeinigen ,  kurzschwänzigen  Wiederkäuern ,  deren 
Männchen  (selten  auch  die  Weibchen)  meist  am  Kopfe  ein  Geweih  besitzen, 
welches  in  fertigem  Zustande  (über  Bau  und  Entwicklung  vergl.  S.  492) 
ein  Paar  nackte  Knochenfortsätze  darstellt;  am  Grunde  jeder  Geweihstange 
eine  ein  wenig  verbreiterte  Partie,  die  Rose  (oberhalb  des  untersten,  stets 
mit  Haut  bekleideten  Theiles,  des  Rosenstockes).  Das  erste  Geweih,  welches 
der  junge  Hirsch  trägt ,  ist  einfach ,  unverästelt  und  von  geringer  Grösse ; 
die  späteren  werden  grösser  und  gewöhnlich  verästelt.  $  i,  LH  <»  Cf  ^.  p 
§  m*).  In  Deutschland  leben  folgende:  das  Reh  (Cervtut  capreolus),  kleiner 
als  die  übrigen  europäischen  Hirsche,  die  Gehörnstangen  des  ausgebildeten 
Thieres  selten  mit  mehr  als  drei  Spitzen;  der  Edelhirsch  (C.  elaphus)] 
der  Damhirsch  (C.  datna),  welcher  aus  den  Mittelmeerländern  stammt, 
aber  schon  vor  mehreren  Jahrhunderten  in  Deutschland  eingeführt  wurde; 
das  Elenthier  (C.  alces),  ein  plumper,  hochbeiniger  Hirsch  mit  sehr 
breitem  Geweih,  innerhalb  Deutschlands  nur  noch  in  Ostpreussen,  im  Alter- 

theilungen  unvollkommen  gesondert,  die  dadurch  entstehenden  Unterabtheilungen 
sind  aber  denen  anderer  Wiederkäuer  nicht  sicher  vergleichbar.  —  Einige  Theile 
des  Vordermagens  sind  bei  den  Kameelen  mit  hohen,  netzförmig  verbundenen  Falten 
versehen,  welohe  kleine,  prismatische,  bienenzellen-ähnliche  Räume,  die  80g.nWaaser- 
zellen",  begrenzen. 

')  In  rudimentärem  Zustand  kann  auch  bisweilen  t*  vorhanden  sein,  und  im 
Milch (febias  ist  stets  sowohl  dt*  als  dt*  entwickelt. 

*>  Blutkörperchen  im  Gegensatz  zu  denen  aller  anderen  Säugethiere  oval. 

s)  Im  Oberkiefer  kann  ein  Eckzahn  (z.  B.  beim  Edelhirsch)  vorhanden  sein, 
aber  auch  fehlen.  Von  den  Zähnen  der  typischen  Zahnformel  fehlt,  ausser  den 
oberen  Vorderzähnen,  pl  oben  und  unten. 

84* 


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532 


Specieller  Tbeil. 


thum  durch  ganz  Norddeutschland  verbreitet  (jetzt  in  Russland,  Skandi- 
navien, Nordamerika).  Das  Renthier  (C  tarandus),  dessen  Weibchen 
durch  den  Besitz  eines  kleinen  Geweihes  ausgezeichnet  ist,  lebt  jetzt  in  den 
circumpolaren  Ländern  der  nördlichen  Halbkugel ;  Knochenreste  aus  quater- 
närer  Zeit  in  Deutschland.  Auch  von  dem  gänzlich  ausgestorbenen  Riesen- 
hirsch (C.  euryceros),  welcher  durch  sein  kolossales  Geweih  ausgezeichnet 
war,  findet  man  TJeberreste  in  Deutschland;  in  Irland  soll  dieses  Thier  bis 
in's  Mittelalter  gelebt  haben.  —  Von  den  zahlreichen  außereuropäischen 
Hirschen  ist  der  in  Nordamerika  lebende  grosse  Wapiti  (C.  ccmadeiufü) 
zu  nennen,  welcher  daselbst  den  nahe  verwandten  Edelhirsch  vertritt.  Ferner 
das  geweihlose  Moschusthier  {Moschiis  mosrJrifcnts) ,  dessen  Männchen 
im  Oberkiefer  sehr  lange,  aus  dem  Mund  herausragende  Eckzähne  besitzt 
und  hinten  an  der  Bauchseite  mit  einem  Hautbeutel  versehen  ist,  in  welchem 
der  Moschus  abgesondert  wird ;  in  Asien. 

4.  Die  Traguliden  (Tragulida?)  sind  eine  kleine  Gruppe  geweih- 
und  hörnerloser  Wiederkäuer  von  geringer  Grösse,  welche  in  der  äusseren 
Form  manchen  kleineren  Hirsi-hformen  ähnlich  sind  und  wirklich  auch  in 
den  meisten  Beziehungen  der  Hirschfamilie  nahe  stehen.  Sie  zeichnen  sich 
besonders  dadurch  aus ,  dass  die  Mittelfussknochen  3  und  4  (sowohl  am 
Vorder-  als  am  Hinterfuss)  spät  oder  gar  nicht  verwachsen,  und  dass  die 
Mittelfussknochen  Nr.  2  und  5  vollständig  sind.  Der  Blättermagen  ist 
rudimentär  (vergl.  oben) ;  auch  die  Placenta  ist  von  derjenigen  der  ge- 
wöhnlichen Wiederkäuer  abweichend  (wenn  auch  nicht,  oder  nicht  immer, 
diffus  zu  nennen;  es  ist  vielmehr,  wenigstens  bei  einigen,  eine  einzige, 
scheibenförmige  Placenta  entwickelt).    Ostindische  Inseln,  Afrika. 

5.  Die  Hohlhörner  (Cavkornia)  sind  mit  zwei  Hörnern  versehen, 
welche  haarlos,  äusserlich  mit  einer  festen  Hornschicht  bedeckt,  innerlich 
verknöchert  sind  (vergl.  S.  492};  meistens  sind  die  Hörner  in  beiden  Ge- 
schlechtern entwickelt,  zuweilen  sind  sie  bei  den  Weibchen  rudimentär  oder 
fehlen.       i,  \  c,  -J  jt>,  $  m ;  der  fehlende  Prämolar  ist  /* 

a.  Antilopen  ( Antilopinae)  ist  die  gemeinsame  Bezeichnung 
einer  grossen  Anzahl,  meistens  hirschähnlicher,  häufig  jedoch  mehr 
rindähnlicher  Wiederkäuer  mit  sehr  verschiedener  Hörnerform.  Bei  einigen 
fehlen  die  Hörner  beim  Weibchen.  Steppenthiere ,  welche  besonders  in 
Afrika  reich  vertreten  sind. 

b.  Schafe  (Om).  Schnauze  behaart,  Hörner  quergerunzelt, 
dick,  kantig,  oft  stark  gebogen,  nach  hinten  und  aussen  gerichtet;  eine 
Hauteinstülpung  (Klauensack)  zwischen  den  beiden  grossen  Zehen.  Zwei 
Zitzen.  Hierzu  gehört  das  Hausschaf  {Ovis  aries) ,  dessen  Weibchen 
gewöhnlich  rudimentäre  oder  keine  Hörner  besitzt;  seine  Abstammung  ist 
unbekannt.  Von  wilden  Schafarten  mögen  der  Muflon  (0.  musinton), 
auf  Cornea  und  Sardinien,  und  der  Argali  (0.  amnion),  in  Mittelasien, 
angeführt  werden;  ausserdem  mehrere  andere  asiatische  Arten.  Alle  wilden 
Schafe  sind  Gebirgsthiere.  —  Mit  den  Schafen  nahe  verwandt  sind  die  Ziegen 
( Capra)  mit  zusammengedrückten ,  weniger  stark  gebogenen  Hörnern  und 
ohne  Klauensäcke;  Gebirgsthiere.  Die  Abstammung  der  Hausziege 
(C.  hircus)  ist  unbekannt;  von  wilden  Formen  erwähnen  wir  den  Stein- 
bock (C.  ibex),  in  den  Alpen  und  anderen  südeuropäischen  Gebirgen,  und 
die  Bezoarziege  (C.  aeyagrm)  in  Kleinasien,  auf  Kreta  etc.  —  An  die 
Ziegen  schliesst  sich  die  Gemse  (Capclla  rujncajirä)  an ,  mit  kleinen,  auf- 
rechten, nur  an  der  Spitze  gebogenen  Hörnern ;  in  den  Alpen,  Pyrenäen  etc. 
—  Mit  den  Schafen  verwandt  ist  ferner  der  sogen.  Bisam-  oder  Moschus- 
ochse   (Ociboa   monchatus) ,    ein  grosser   langhaariger  Wiederkäuer  mit 


Wirbelthiere.   «.  Clasae:  Säugethiere. 


533 


Hörnern,  welche  an  diejenigen  des  Büffels  erinnern,  mit  behaarter  Schnauze, 
kurzem  Schwanz  und  nur  zwei  Zitzen;  lebt  im  arktischem  Nordamerika 
(in  der  quaternären  Periode  auch  in  Europa). 

c.  Rinder  (Bovinae).  Grosse  plumpe  Tbiere  mit  breiter  un- 
behaarter Schnauze,  langem  Schwanz  mit  endständiger  Quaste)  keine  Klauen- 
säcke; oft  eine  Wamme  (herabhängende  Hautfalte)  an  Hals  und  Brust. 
Vier  Zitzen.  Die  Hörner  in  der  Regel  rund  und  glatt ;  sie  sind  am  Grunde 
nach  aussen,  mit  der  Spitze  nach  oben  gebogen.  Das  Hausrind  (Bos 
taurtfs),  mit  platter  Stirn,  stammt  wahrscheinlich  von  mehreren  wilden  Arten 
ab ;  einer  seiner  Stammväter  ist  der  jetzt  ausgestorbene  riesige  U  r  (B. 
primigenius)  ,  welcher  im  Alterthum  und  Mittelalter  in  Deutschland  lebte. 
Mit  dem  Hausrind  nahe  verwandt  ist  das  ebenfalls  gezähmte  Zebu  (B.  in- 
dicus) ,  mit  Fettbuckel ,  in  Asien  und  Afrika ;  etwas  entferpter  das  lang- 
haarige Yak  (B.  grunniens),  welches  (wild  und  gezähmt)  in  Gebirgsländern 
Mittelasiens  lebt.  Die  Wisente  (Bisoti)  haben  eine  gewölbte  Stirn  und 
ziemlich  kleine  Hörner,  welche  ebenso  wie  die  der  Gatt.  Bos  am  Grunde 
weit  von  einander  entfernt  sind,  der  vordere  Theil  des  Rumpfes  fast  buckel- 
artig erhoben ;  der  europäische  Wisent1)  ( Bison  curopaeus)  ist  jetzt 
beinahe  ausgerottet  (nur  noch  in  Lithauen  und  im  Kaukasus) .  früher  in 
Deutschland  etc.  weit  verbreitet ;  die  nahe  verwandte  amerikanische  Art 
(B.  amerioanusj  „Buffalo"  der  Amerikaner)  kam  bis  vor  wenigen  Decennien 
in  grossen  Heerden  in  Nordamerika  vor,  ist  jetzt  sehr  an  Zahl  reducirt. 
Die  Büffel  (Bithalm)  zeichnen  sich  durch  ihre  am  Grunde  sehr  abge- 
platteten und  verdickten ,  in  der  Mittellinie  oft  fast  zusammenstossenden 
Hörner  und  durch  die  schwache  Behaarung  aus ;  Sumpfthiere,  von  welchen 
eine  gezähmte,  aus  Indien  stammende  Art  (Buh.  vulgaris)  unter  Anderem  in 
Südeuropa  gehalten  wird. 

6.  Ordnung.    Elephanten  (Proboscidea). 

Die  Elephan  ten  der  Jetztzeit  (Elephas)  sind  grosse,  plumpe, 
sehr  achwach  behaarte,  hochbeinige  Thiere;  Vorder-  und  Hinterfüsse 
(der  Mittelfuss  mitgerechnet)  sind  kurz,  mit  je  5  Zehen  ausgestattet, 
welche  kurze  Hufe  2)  tragen ;  unterhalb  der  in  eine  gemeinsame  Haut 
eingeschlossenen  Zehen  findet  sich  ein  grosser  Sohlenballen.  Die 
Schnauze  ist  zu  einem  langen  Rüssel  verlängert,  an  dessen  Spitze 
die  Nasenlöcher  und  ein  kleiner,  beim  asiatischen  Elephant  finger- 
artiger  Fortsatz  sich  befinden;  der  Rüssel  ist  ein  Greif  Werkzeug, 
welches  die  Nahrung  (Pflanzen)  zum  Munde  führt;  Wasser  wird  in 
den  Rüssel  aufgesogen  und  in  den  Mund  hinein  gespritzt,  indem  die 
Spitze  des  gebogenen  Rüssels  nach  der  Mundöffnung  liin  geführt  wird. 
Aeussere  Ohren  gross,  plattenfbrmig,  herabhängend.  Zitzen  dicht  bei 
den  Vorderbeinen.  Der  von  einem  kurzen,  dicken  Hals  getragene 
Kopf  ist  von  kolossalem  Umfang;  die  Schädelhöhle  klein,  ausgedehnte 
Lufträume  in  den  Kopfknochen.  Schneidezähne  fehlen  im  Unter- 
kiefer; oben  jederseits  ein  Schneidezahn,  welcher,  besonders  beim 
Männchen,  in  Form  eines  langen,  nach  vorn  gebogenen,  fast  schmelz- 
losen, wurzellosen  Stosszahnes  entwickelt  ist,  der  aus  dem  Mund  her- 
vorragt.   Eckzähne  fehlen.    Die  Backenzähne  sind  gross,  mit  hoher 


*)  Der  Name  „Auerochs"  wird  sowohl  von  diesem  als  auch  von  dem  Bos 
primigenius  gebraucht. 

•)  Hufe  können  zuweilen  an  einer  oder  zwei  Zehen  fehlen. 


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534 


Specieller  Theil. 


Krone  und  kurzen  Wurzeln ;  die  Krone  ist  in  eine  grössere  oder 
kleinere  Anzahl  zusammengedrückter,  schmelzbekleideter  Querplatten 
gespalten,  welche  durch  reichliches  Cement  zusammengehalten  werden ; 
in  jeder  Kieferhälfte  zur  Zeit  immer  nur  ein,  höchstens  zwei  Zähne 


Hg.  861.    Skelet  eines  Mastodon.  —  Nach  Gaudry. 


in  Gebrauch ;  in  dem  Maasse,  wie  ein  Zahn  abgenutzt  wird ,  tritt  ein 
anderer  hinter  ihm  hervor  und  nimmt  allmählich  den  Platz  des  ersteren 
ein  (das  vordere  Ende  eines  Zahnes  tritt  schon  in  Function,  während  das 
hintere  Ende  noch  im  Kiefer  versteckt  ist,  und  ebenso  wird  das  vordere 


AB  C 


Fig.  862.  Längsschnitt  von  Hacken/ihnen ,  A—li  verschiedener  II  a  st  o  d  o  n  -  Arten, 
C  von  einem  Elcphantcn.  schematisch.  Das  Cement  weggelassen.  >t  Dentin,  «Schmelz, 
*  Pulpahöhle,  r  Wurzeln.  —  Orig. 

Ende  zuerst  abgenutzt,  so  dass  zuletzt  nur  das  hintere  Ende  allein 
übrig  bleibt);  im  Ganzen  kommen  in  dieser  Weise  in  jeder  Kiefer- 
hälfte 6  Backenzähne  zum  Vorschein,  von  welchen  die  zuerst  auf- 
tretenden die  kleinsten  sind1).    Nur  zwei  jetzt  lebende  Arten:  der 

')  Die  6  Backenzähne  der  Elephanten  sind:  dp*,  dp*,  dp1,  m\  m*,  m*;  Prä- 
molaren  fehlen  bei  den  jetzt  lebenden,  sind  aber  in  rudimentärer  Gestalt  bei  einer 


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Wirbelthiere.   6.  Claase:  Säugethiere. 


535 


i  ndische  Elephant  (E.  indi^us)  mit  zahlreichen,  stark  zusammen- 
gedrückten Platten  in  den  Backenzähnen  und  verhältnissmässig  kleineren 
Ohren  (gezähmt  und  wild),  und  der  afrikanische  E.  (E.  africamis) 
mit  einer  geringeren  Anzahl  dickeren  Zahnplatten  und  sehr  grossen 
Ohren. 

Von  den  zahlreichen  ausgestorbenen  Elephanten  führen  wir  folgende 
an:  Der  Mamrauth  (E.  primigcniifs),  quaternär,  in  Sibirien  und  Europa, 
stand  in  seinem  Bau  dem  indischen  Elephant  nahe,  besass  aber  in  Anpassung 
an  das  rauhe  Klima  ein  dichtes  Haarkleid.  —  Abweichender  sind  die  Ma- 
stodonten (Mastodon),  deren  Backenzähne, 
von  welchen  mehrere  auf  einmal  in  Gebrauch 
waren,  sich  dadurch  auszeichnen,  dass  die  Quer- 
kämme niedriger,  in  geringerer  Anzahl  vor- 
handen und  nicht  durch  Cement  verkittet  sind; 
einige  Mastodonten  besassen  in  jeder  Unter- 
kieferhälfte einen  nach  vorne  und  unten  ge- 
richteten grossen  Schneidezahn  (ausserdem  besitzen 
die  Mastodonten  stets  denselben  oberen  Schneide- 
zahn wie  Elephas).  Uebrigens  ist  hervorzuheben, 
dass  beide  Gattungen,  Mastodon  und  Elephas, 
in  ihren  Grenzformen  in  einander  direkt  über- 
gehen. Tertiär.  —  Verhältnissmässig  kleine, 
fast  tapirähnliche  Backenzähne  besass  die  miocäne 
Gatt.  IXnotherium ,  bei  welcher  die  oberen  Schneidezähne  fehlen ,  während 
dagegen  in  jeder  Unterkieferhälfte  ein  nach  unten  gerichteter  Schneidezahn 
vorhanden  ist. 

In  die  Nähe  der  Elephanten  stellt  man  die  Gatt.  Dinoceras,  welche  in 
Grösse  und  Leibesform  an  jene  erinnert,  jedoch  in  manchen  Beziehungen 
sehr  abweicht;  es  fehlen  Schneidezähne  im  Zwischenkiefer  (6  im  Unter- 
kiefer), dagegen  sind  ungemein  lange  obere  Eckzähne  vorhanden,  Backen- 
zähne klein.    Miocän,  Nordamerika. 


Fig.  363.  Schädel  von  Dinotherium. 


7.  Ordnung.    Seekühe  (Sirenia). 

Die  Seekühe  sind  eine  kleine  Gruppe  von  Meeres-Säugethieren, 
welche  früher  mit  den  Walen  zusammengestellt  wurden,  mit  denen 
sie  jedoch  in  Wirklichkeit  gar  nicht  näher  verwandt  sind ;  die  Aehn- 
lichkeiten,  welche  in  gewissen  Punkten  des  Baues  bestehen,  sind  als 
durch  die  ähnliche  Lebensweise  beider  Gruppen  bedingt  aufzufassen. 
Dagegen  erinnern  die  Seekühe  in  manchem  an  die  Hufthiere. 

Der  Körper  ist  nur  spärlich  mit  Haaren  versehen.  Der  Kopf 
wird  von  einem  sehr  kurzen  Hals  getragen,  ist  aber  dennoch  deutlich 
vom  Rumpf  abgesetzt ;  die  Nasenlöcher  sitzen  am  Ende  der  mit  grossen 
dicken  Lippen  versehenen  Schnauze ;  äussere  Ohren  fehlen.  Der  Rumpf 
geht  allmählich  in  den  kräftigen  Schwanz  über,  an  dessen  Ende  jeder- 
seits  eine  grosse  wagerechte  Hautfalte  vorhanden  ist  (beide  Hautfalten 
zusammen  werden  als  die  „Schwanzflosse"  bezeichnet).  Die  Vorder- 
gliedmaassen  sind  kurz,  flossenähnlich ;  die  Finger  sind  von  einer  ge- 
meinsamen Haut  umschlossen,  der  Daumen  rudimentär,  die  übrigen 
Finger  dreigliedrig  (im  Gegensatz  zu  den  Walen) ;  der  Arm  ist  nicht, 


ausgestorbenen  Elephas-Art  nachgewiesen,  ebenso  wie  sie  auch  bei  Mastodon  vor- 
kamen. 


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f>36 


Specieller  Theil. 


wie  bei  den  Walen,  nur  im  Schultergelenk,  sondern  auch  im  Ellbogen- 
gelenk etc.  beweglich;  beim  Manati  sind  Rudimente  hufähnlicher  Krallen- 
gebilde vorhanden.  Hintergliedmaassen  fehlen  bei  allen  jetzt  lebenden 
Seekühen  vollständig  (Becken  rudimentär) ;  dagegen  hat  man  bei  der 
miocänen  Gatt.  Halitherium  Spuren  der  Hintergliedmaassen  in  Form 
kleiner  Oberschenkelknochen  gefunden.  Zwei  Zitzen  zwischen  den 
Vorderbeinen.  Bei  den  Jungen  sind  oben  und  unten  Schneidezähne 
vorhanden,  sie  fallen  aber  in  der  Regel  aus,  so  dass  die  Erwachsenen 
vorne  zahnlos  sind;  nur  bei  dem  männlichen  Dugong  entwickelt  sich 
ein  Paar  der  oberen  Schneidezähne  zu  Stosszähnen,  während  dieselben 
Zähne  beim  Weibchen  im  Kiefer  versteckt  bleiben.  Statt  der  Schneide- 
zähne besitzen  sie  vorne  im  Munde  sowohl  oben  als  unten  eine  grosse 
Hornplatte.  Eckzähne  fehlen.  Die  Backenzähne  sind  klein,  mit 
Querkämmen ;  der  Manati  besitzt  deren  etwa  10  in  jeder  Kieferhälfte, 
der  Dugong  eine  geringere  Anzahl.  Der  Magen  hat  einen  zusammen- 
gesetzten Bau »). 

Die  Seekühe  sind  Pflanzenfresser  (Tangfresser)  von  beträcht- 
licher Grösse  (die  jetzt  lebenden  3—5  m),  welche  sich  im  Meere  in 
der  Nähe  der  Küsten  und  in  Flüssen  aufhalten.  In  der  Jetztzeit  nur 
der  Manati  (Munatm),  welcher  im  Atlantischen  Meer  an  den  Küsten 
von  Afrika  und  Amerika  (und  in  Flüssen,  welche  in  jenes  Meer  aus- 
münden) lebt,  und  der  Dugong  (Halicore  dugong)  im  Indischen  Ocean. 
Ausgerottet  ist  die  riesige,  ganz  zahnlose  Steiler' sc  he  Seekuh 
(Rhytitut  Stelleri),  welche  bis  in's  vorige  Jahrhundert  in  den  nörd- 
lichen Theilen  des  Grossen  Oceans  lebte. 

8.  Ordnung.    Raubthiere  (Carnivora). 

Die  Raubthiere  bilden  eine  grosse,  aus  zahlreichen  Gattungen 
und  Arten  bestehende  Abtheilung,  innerhalb  welcher  zahlreiche  Ver- 
schiedenheiten im  Bau  wie  in  Lebensweise  bestehen;  daneben  gehen 
aber  in  mehreren  Richtungen  bestimmte  charakteristische  Züge  durch 
alle  Formen,  ein  ausgeprägter  gemeinsamer  Typus  tritt  überall 
hervor. 

Das  gilt  besonders  von  der  Bezahnung,  welche  wir  am 
besten  überblicken,  wenn  wir  von  einer  Betrachtung  des  Zahnsystems 
der  Hundegattung  ausgehen,  indem  sich  diejenigen  anderer  Raub- 
thiere als  Modificationen  desselben  nach  verschiedenen  Richtungen  hin 
betrachten  lassen.  Im  Ober  munde  sind  die  Hunde  jederseits  mit 
3  Schneidezähnen  (von  welchen  der  äusserste,  i8,  etwas  grösser  als 
die  übrigen  ist),  einem  kegelförmigen,  gebogenen  Eckzahn  und  6  Backen» 
zähnen  (4  Prämolaren,  2  Molaren)  versehen.  Die  drei  vordersten 
Backenzähne  des  Oberkiefers  werden  als  Lückenzähne  bezeichnet; 
sie  besitzen  eine  zusammengedrückte,  dreikantige,  zugespitzte  Krone 
und  am  Hinterrand  des  Dreiecks  eine  oder  zwei  kleinere  Spitzen ;  der 
vorderste  ist  der  kleinste.  Der  vierte  Backenzahn  (p4)>  der  Reiss- 
zahn, hat  eine  ähnliche  zusammengedrückte  Form ;  hinter  der  Spitze 
findet  sich  ein  spaltförmiger  Einschnitt  im  Rande,  und  an  der  inneren 
Seite  des  Zahnes  sitzt  ein  kleiner  Höcker.    Auf  den  Reisszahn 

')  In  Bezug  auf  das  Skelet  mag  hervorgehoben  werden,  dass  der  Unterkiefer 
sehr  gross  und  schwer,  in  der  Form  vou  demjenigen  der  Wale  ganz  verschieden 
ist,  was  auch  für  den  übrigeu  Schädel  gilt. 


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Wirbelthiere.   6.  Ciasse:  Säugethiere. 


537 


folgen  zwei  breite,  höckerige  Zähne  (m1  und  m*),  die  Höckerzähne, 
von  welchen  der  hinterste  der  kleinste  ist.  Im  Untermunde  finden 


Fig.  364. 


Fig.  365. 


Fig.  364.    Uic  Zähne  dea  bleibenden  Gebisse*  der  linken  Hallte  des  Schädel* 
Hundes,  and  die  Zähne  des  Milchgebisses  desselben,  letztere  schraffirt.  —  Orig. 
Hg.  366.    Desgl.  einer  Katze.  —  Orig. 


Verhältnisse 
Backenzähne 

(4  jp,  3  m)  vorhanden,  von  welchen  die  vier  vordersten  als  Lücken  - 


sich,  was  die  Vorder-  und  Eckzähne  betrifft,  ähnliche 
wie  im  Obermunde.  Es  sind  aber  im  Unterkiefer  7 
(4  p 

zähne  bezeichnet  wer- 
den und  auch  dieselbe 
Form  besitzen  wie  die 
gleichnamigen  desOber- 
kiefers. Der  fünfte  Zahn 
(m l),  welcher  dergrösste 
der  Unterkieferzähne 
ist,  erinnert  in  seiner 
Form  etwas  an  den 
Reisszahn  des  Oberkie- 
fers und  wird  auch  als 
Reisszahn  bezeich- 
net ;  sein  vorderster 
Theil,  welcher  unter- 
halb des  Oberkiefer- 
Reisszahnes  sitzt ,  ist 
zusammengedrückt  und 
mit  zwei  Spitzen  ver- 
seilen, von  welchen  die 
hintere  etwas  höher  als 
die  vordere  ist;  der 
hintere,  kleinere,  Theil 
des  Zahnes  ist  niedri- 
ger und  höckerig.  Die 
beiden  hintersten  Ba- 
ckenzähne (»I»,  m3)  Sind  Kig>  366-  Dic  Zahuc  dc8  ,illkcn  Oberkiefers  von:  A 
Höckerzähne,  den  Hund,  ß  Bär,  C  Marder,  1>  Dachs,  E  Vivcrridc 
gleichnamigen  desOber-  (Merptstes),  /'Hyäne,  0  I.öwe.  Besonders  hervorzuheben 
kieferS    ähnlich,     aber  ut  dic  8tarke  Entwicklung  der  höckerigen  Partie  (m'-w*) 

kleiner  als  diese. 


in  Ii  und  D  und  die  Rückbildung  derselben  in  E—G.  —  Orig. 


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538 


Speoieller  Theil. 


Die  Entwicklung  des  Zahnsystems  anderer  Baubthiere  bewegt 
sich  nun  wesentlich  theil s  in  die  Richtung  einer  Reduction  der 
Backenzahnreihe  von  beiden  Enden  derselben,  theils  in  die  Richtung 
einer  einseitigen  Ausbildung  entweder  des  höckerigen  oder  des  zu- 
sammengedrückten Theils  der  Zahnreihe,  während  Schneide-  und  Eck- 
zähne sich,  was  Zahl  und  Form  betrifft,  bei  allen  fast  gleich  ver- 
halten. Wir  führen  davon  ein  paar  Beispiele  an.  Bei  der  Katze 
finden  wir  eine  in  Vergleich  mit  derjenigen  des  Hundes  sehr  rückge- 
bildete Zahnreihe:  von  den  6  Oberkiefer-Backenzähnen  des  letzteren 
fehlt  der  erste  und  der  letzte,  und  von  den  4  übrig  gebliebenen  sind 
dazu  noch  der  erste  und  der  letzte  fast  rudimentär ;  von  den  7  Unter- 
kiefer-Backenzähnen fehlen  bei  der  Katze  sogar  die  beiden  ersten  und 
die  beiden  letzten.  Der  höckerige  Theil  der  Zahnreihe  ist  bei  der 
Katze  fast  gänzlich  in  Wegfall  gekommen,  indem  nicht  allein  die 
Höckerzähne  (mit  Ausnahme  des  rudimentären  des  Oberkiefers)  fehlen, 
sondern  auch  der  höckerige  Theil  des  Reisszahns  des  Unterkiefers 
verschwunden  ist.  Bei  den  Bären  finden  wir  das  entgegengesetzte 
Extrem:  die  Höckerzähne  sind  alle  vorhanden  und  ebenso  wie  der 
hintere  (höckerige)  Theil  des  Unterkiefer-Reisszahns  ausserordentlich 
stark  entwickelt,  während  die  Lückenzähne  klein  und  beim  erwachsenen 
Thier  z.  Th.  ausgefallen  sind.  Vergl.  für  die  übrigen  Gruppen  die 
specielle  Darstellung  und  Fig.  366. 

Noch  grösser  als  im  bleibendem  Gebiss  ist  die  Uebereinstimmung  im 
Milchgebiss,  indem  mit  einer  einzigen  gleich  anzuführenden  Ausnahme 
^  dp  vorhanden  sind,  nämlich  rf/?2,  dp9,  dj>* :  von  diesem  ist  oben  dp*  einem 
Lückenzahn,  dp*  ganz  dem  oberen  Reisszahn  des  bleibenden  Gebisses  ähnlich. 
dp4  im  Oberkiefer  ist  ein  Höckerzahn;  im  Unterkiefer  sind  dp*  und  dp* 
Lücken  zahne,  dp*  Reisszahn •).  Merkwürdig  ist  es,  dass  der  Reisszahn  des 
bleibenden  Gebisses  nicht  denselben  Platz  wie  der  Milch-Reisszahn  ein- 
nimmt, sondern  —  sowohl  im  Ober-  wie  im  Unterkiefer  —  einen  Platz 
weiter  nach  hinten  gerückt  ist.  —  Nur  in  dem  Fall,  dass  die  Anzahl  der 
Prämolaren  unter  drei  sinkt  (im  Unterkiefer  der  Katze),  sinkt  die  Anzahl 
der  Milchbackenzähne  unter  die  typische  herab  (indem  der  dem  fehlenden 
Prämolar  p  -  entsprechende  Milchbackenzahn  dann  auch  fehlt). 

Von  anderen  Charakteren  sind  folgende  hervorzuheben.  Das 
äusserste  Glied  der  Zehen  trägt  eine  oft  sehr  stark  gebogene  Kralle 
und  wird  durch  ein  elastisches  Bändchen,  welches  von  demselben  bis 
an  das  vorletzte  Glied  geht,  mehr  oder  weniger  nach  oben  gebogen  gehalten, 
so  dass  die  Kralle  bei  einigen  (z.  B.  der  Katze)  während  des  Ganges 
die  Erde  gar  nicht  berührt  (zurückgezogene  Kralle).  Der  Daumen 
ist  (an  beiden  Glied maassenpaaren)  meistens  schwächer  als  die  übrigen 
Zehen,  fehlt  sogar  häufig  an  den  Hintergliedmaassen.  Die  Thiere 
treten  entweder  mit  dem  ganzen  Fuss  auf  (Sohlengänger)  oder  nur 
mit  den  Zehen  (Zehengänger).  Das  Schlüsselbein  ist  schwach  ent- 
wickelt oder  fehlt  Fruchtkuchen  ringförmig.  (Bei  manchen  finden 
sich  besonders  um  den  After  herum  besondere  Hautdrüsen  oder  Haut- 
einstülpungen, deren  Secret  oft  widerlich  stinkt.) 

Die  Raubthiere  sind  grösstentheils  Thiere  von  mittlerer  Grösse, 
welche  sich  theils  von  anderen  Säugethieren ,  Vögeln,  Insekten  etc., 
theils  auch  von  Pflanzenkost  (saftigen  Wurzeln,  Beeren  etc.)  ernähren. 


')  Es  ist  somit  im  Milchgebiss  der  Raubthiere  stets  dieselbe  Anzahl  von  Höcker- 
zähnen wie  im  bleibenden  Gebiss  der  Katze,  nämlieh  ^,  vorhanden. 


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Wirbelthiere.   6.  Claase:  Säugethiere. 


539 


Sie  sind  über  die  ganze  Erde  (mit  Ausnahme  von  Australien)  ver- 
breitet, am  reichsten  in  den  Tropen  vertreten. 

Die  Raubthiere  zerfallen  in  drei  grössere  natürliche  Gruppen,  von 
welchen  eine  (Q/twidea)  die  Hundefamilie,  eine  andere  (Arctouiea)  die  Bären-, 
Halbbären-  und  Marderfamilie,  eine  dritte  [Aeltnoidca)  die  Katzen,  Viverren 
und  Hyänen  umfasst.  Dies  ist  besonders  in  zahlreichen  feineren  Charakteren 
des  Schädels  ausgeprägt,  deren  nähere  Darstellung  uns  jedoch  weit  in  den 
ganz  speciellen  Bau  des  Schädels  führen  würde,  wesshalb  wir  uns  mit  dieser 
blossen  Andeutung  begnügen  müssen. 

1.  Die  Hundefamilie  (Canidae).  $  L,  [  H,  \  H%)  (=  +, p,  $  w); 
der  höckerige  Theil  der  Backen  zahnreihe  von  mittlerer  Stärke.  Kopf  länglich, 
Schwanz  lang,  Beine  hoch  mit  5  Zehen  vorn,  4  hinten;  Zehengänger. 
Hierzu  gehören  :  Der  Fuchs2)  ( Catiis  nd/ies),  der  P  o  1  a r  f  u  c  h  ■  s)  (C.  lago- 
;/i«),  beide  mit  senkrechter  Pupille,  letzterer  ein  hochnordisches  Thier ;  der 
Wolf  (C.  lupus),  mit  runder  Pupille,  durch  Europa  und  Nordasien  etc. 
verbreitet,  in  Deutschland  ausgerottet;  der  Schakal  (C.  aureus),  mit  dem 
Wolf  nahe  verwandt ,  in  Asien,  Nordafrika  und  auf  der  Balkanhalbinsel ; 
von  ihm  oder  seinen  nächsten  Verwandten  stammt  wahrscheinlich  der  Haus- 
hund (C.  familiär is)  ab.  —  Eine  einzelne  Hundeform,  die  Gatt.  Icticyon 
(in  Brasilien),  zeichnet  sich  durch  den  Besitz  von  nur  j  //  aus ;  sie  schliesst 
sich  sonst  nahe  an  die  übrigen  an.  Eine  andere,  der  mit  ungemein  grossen 
Ohren  versehene .  fuchsähnliche ,  spitzschnauzige ,  südafrikanische  Qtocyon 
mffer ,  hat  eine  grössere  Anzahl  Backenzähne  als  die  typische,  nämlich 
(  p,  J  m. 

2.  Die  Bärenfamilie  (I'rxidae).  %  L.  [  K,  $  H  (=  \  p,  $  im); 
Höckertheil  der  Backenzahnreihe  überwiegend  entwickelt,  übriger  Theil  der- 
selben rückgebildet  (meistens  fehlen  beim  erwachsenen  Thier  einige  L).  Läng- 
licher Kopf,  sehr  kurzer  Schwanz,  an  allen  vier  Beinen  je  5  Zehen,  welche 
mit  sehr  starken  Krallen  bewaffnet  sind;  Sohlengänger  von  ansehnlicher 
Grösse,  welche  sich  zum  grossen  Theil  von  Pflanzenkost  ernähren.  Hierzu 
gehören:  Der  gemeine  Bär  (Tr«w  arctos),  innerhalb  Deutschlands  nur 
noch  im  bayrischen  Hochlande,  ausserdem  in  der  Schweiz,  in  Ungarn,  Buss- 
land .  Skandinavien  etc.  (Winterschläfer);  der  Baribal  (!r.  americanus), 
schwarz,  in  Nordamerika,  ebenso  wie  der  braungraue  Grislibär  (U.  eine- 
retts);  der  Lippenbär  ((*.  labiatus},  in  Indien,  mit  sehr  vorstreckbaren 
Lippen  und  ungemein  langen  Krallen,  verliert  gewöhnlich  frühzeitig  seine 
Schneidezähne;  der  Eisbär  (J\  maritimus),  weiss,  mit  behaarten  Sohlen, 
gehört  den  arktischen  Gegenden  an.  Grösser  als  die  jetzt  lebenden  Bären 
war  der  quaternäre  Höhle n bär  (T.  spdaeu*),  dessen  Ueberreste  man  häufig 
in  den  Knochenhöhlen  Deutschlands  findet. 

3.  Die  Halbbären  (Procyonidae).  $  L,  }  lt,  \  H  (=  \  p,  $  w); 
Höckertheil  der  Backenzahnreihe  weniger  überwiegend  als  bei  den  Bären. 
Kopf  länglich ,  Schwanz  lang ,  5  Zehen  vorn  und  hinten ;  Sohlengänger. 
Kleinere  Formen.  Nahrung  gemischt.  Hierzu  die  Waschbären  (Procyon) 
und  die  mit  langer  Schnauze  versehenen  Nasenbären  (Nastta),  beide 
Gattungen  in  Amerika. 

4.  Die  Marder  familie  (Mustelidae).  L,  \  11,  }  //  (=  p, 
^  m)\  bei  einigen  ist  der  sägeartige  Theil  der  Backenzahnreihe  (d.  h.  die 

')  L  =  Lückenzähne,  R  =  Reisazahn,  H=  Höckerzähne. 
*)  An  der  Oberseite  des  Schwanzes  nicht  weit  vom  Rumpfe  findet  sich  beim 
Fuchs  eine  Gruppe  von  kleinen  Drüsen,  welche  eine  riechende  Flüssigkeit  absondern. 
*)  Beim  Polarfuchs  sind  meistens  nur  '*  H  vorhanden. 


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f)40 


Specialer  Theil. 


Lückenzähne ,  der  ReisBzahn  iin  Oberkiefer ,  der  vordere  Theil  des  Reise - 
zahnes  des  Unterkiefers),  bei  anderen  der  Höcker  theil  derselben  überwiegend 
entwickelt.  Schwanz  meistens  wohlentwickelt,  Beine  niedrig,  5  Zehen; 
Zehen-  oder  Sohlengänger. 

a.  Die  Mardergattung  (Mustelu ).  Kleine,  sehr  langgestreckte, 
schlanke  Raubthiere,  welche  sich  hauptsächlich  von  warmblütigen  Wirbel- 
thieren  ernähren.  Zehengänger.  Höckertheil  ziemlich  klein.  In  Deutsch- 
land leben  die  folgenden:  Der  Edelmarder  (M.  märten)  mit  dottergelber 
Kehle,  der  Steinmarder  (M.  foina)  mit  weisser  Kehle,  die  grössten 
deutschen  Arten;  der  Iltis  (M.  putorius),  braun,  oben  etwas  heller  als 
unten  (das  Frettchen  [.V.  furo]  ist  eine  durch  Domestication  erzeugte 
weissliche  Abart  des  Iltis);  der  Hermelin  (M.  erminea),  welcher  im 
Winter  weiss  wird;  das  kurzschwänzige ,  kleine  Wiesel  (3/.  vulgaris), 
die  kleinste  Art;  der  Nörz  (M.  lutreola),  von  Grösse  des  Iltis,  einfarbig 
braun,  mit  Bindehaut  zwischen  den  Zehen,  lebt  am  Wasser,  selten  in  Deutsch- 
land, häußger  in  Russland  (erinnert  an  die  Otter).  Der  Zobel  (J/.  xi- 
Mlina)  in  Sibirien  steht  dem  Edelmarder  sehr  nahe.  —  Mit  den  Mardern 
verwandt  ist  der  Vielfrass  {Gulo  borcalis),  welcher  grösser  und  plumper 
ist,  einen  sehr  kurzen  buschigen  Schwanz  besitzt,  Sohlengänger  ;  in  Skan- 
dinavien, Russland,  Sibirien,  Nordamerika. 

b.  Die  Ottern  (Lutra)  sind  grössere  Marderformen  mit  langem 
kräftigen  Schwanz.  Schwimmhaut  zwischen  den  Zehen,  stumpfer  Schnauze  und 
sehr  kurzen  Ohren.  Schwimmen  vorzüglich,  ernähren  sich  besonders  von 
Fischen.  In  Europa  die  Fischotter  (L.  vulgaris),  hält  sich  sowohl  an 
Süsswasser  wie  am  Meere  auf.  —  Verwandt  ist  die  Seeotter  (Enltytlra 
maritui)  mit  $  i  (während  andere  Raubthiere  $  haben) ;  die  Hinterglied- 
maassen  erinnern  an  diejenigen  der  Seehunde ;  an  den  Küsten  des  nördlichen 
Stillen  Ocean. 

c.  Der  Dachs  (Meie»  taxtis)  zeichnet  sich  durch  die  starke  Ent- 
wicklung der  Höckerzähne  und  des  hinteren  Theiles  des  Unterkiefer-Reisszahnes 
aus ;  Sohlengänger  mit  starken  Grabkrallen  an  den  Vorderbeinen;  Allesfresser. 
—  Verwandt  sind  die  Stinkthiere  (Mephiti»)  in  Nord-  und  Südamerika, 
Afrika  und  Kleinasien. 

5.  Die  Schleichkatzen  (Vivcrridae).  \  L,  \  H,  j  II  (=  |  p,  \  m)\ 
Sügetheil  der  Backenzahnreihe  überwiegend  entwickelt.  Kleinere,  marder- 
ähnliche Thiere  mit  langgestrecktem  Körper  und  niedrigen  Beinen.  In  den 
wärmeren  Theilen  der  alten  Welt.  Hierzu  gehören  die  Zibethkatzen 
(Virena),  von  welchen  eine  Art  (F.  geneita)  in  Südeuropa  (und  Nord- 
afrika) lebt,  und  die  Pharaosratte  (Hcrjßestex  khmumoii)  in  Afrika. 

6.  Die  Hyänenfamilie  (Hyaeuidae).  %  L,  }  Ii,  ^  II  (=  jf  p,  J  m). 
Grössere,  hochbeinige,  wolfahnliche,  ziemlich  langschwänzige  Thiere;  Zehen- 
gänger. In  der  alten  Welt.  Die  Arten  der  Gatt,  Hyaena  sind  Aasfresser: 
die  Gatt.  Protek»,  in  Südafrika,  mit  sehr  schwachen,  kleinen,  spitzigen 
Backenzähnen,  soll  sich  besonders  von  Lämmern  ernähren. 

7.  Die  Katzenfamilie  (Felidsie).  %  L,  \  R,  \  II  (=  \  p,  \  m); 
Höckertheil  der  Backenzahnreihe  rudimentär.  Schlanke,  gestreckte  Thiere 
mit  rundlichem  Kopf,  langem  Schwanz,  4  Zehen  an  den  Hintergliedmaassen, 
sehr  stark  gebogenen,  zusammengedrückten  und  zugespitzten  Kralleu. 
Zehengänger.  Ernähren  sich  fast  ausschliesslich  von  Warmblütern.  Hierzu 
gehören :  Der  L  ö  we  (Felis  leo),  einfarbig,  £  mit  Mähne,  Afrika,  West- 
asien, früher  auch  im  südöstlichen  Europa ;  nahe  verwandt  ist  der  ausge- 
storbene (quaternäre)  Höhlenlöwe  (F.  spcluea).  Der  Tiger  (F.  tigriji)  mit 
Querstreifen,  Asien.    Der  Jaguar  (F.  oiup),    in  Südamerika,  und  der 


j 

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Wirbelthiere.   «.  Classe:  Säugethiere. 


f)41 


Leopard  oder  Panther  (F.  pardus),  in  mehreren  Varietäten  in  Afrika 
und  Südasien,  sind  grosse,  mit  Ringflecken  versehene  Katzen. '  Der  Puma 
oder  Kuguar  (F.  concolor),  eine  mittelgrosse  einfarbige  Katze,  lebt  in 
Südamerika.  Kleinere  Formen  sind:  die  Tigerkatzen,  verschiedene 
kleine  gefleckte  Formen  (F.  tigrina  u.  a.) ;  die  Wildkatze  {F.  catus),  in 
Mittel-  "und  Südeuropa,  auch  noch  an  verschiedenen  8tellen  in  Deutschland, 
von  ähnlicher  Färbung  wie  graue  Haaskatzen,  aber  kurzschwänziger ;  die 
Hauskatze  (F.  domesiiea),  welche,  wie  es  scheint,  von  der  nubischen  "Wild- 
katze (F.  maniculata)  abstammt.  Abweichendere  Formen  sind  :  der  Gepard 
(F.  [Cynailurus]  jubatä),  eine  grosse  gefleckte  hochbeinige  Katze  mit  weniger 
zurückgezogenen  Krallen  als  die  übrigen  Katzen,  in  Afrika  und  Asien,  wird 
auch  zahm  gehalten;  der  Luchs  (F.  Ujnx  oder  Ijym  vulgaris),  durch  seine 
hohen  Beine,  kurzen  Schwanz  und  mit  Haarpinseln  versehene  Ohren  aus- 
gezeichnet (meistens  fehlt  beim  Luchs  der  vorderste  der  bei  anderen  Katzen 
vorhandenen  Oberkiefer- Lückenzähne,  so  dass  die  Zahnformel  £  p,  \m  wird), 
in  Scandinavien,  Russlaud  etc.,  früher  auch  in  Deutschland.  —  Die  aus- 
gestorbenen Säbelkatzen  (Much modus)  haben  y.*^  L,  f  It,  ±  11 
(=  TJ[7  p.  \  m)  also  eine  noch  mehr  rückgebildete  Backenzahnreihe  als 
die  jetzt  lebenden  Katzen,  denen  sie  übrigens  im  Ganzen  nahe  stehen ;  der 
Eckzahn  des  Oberkiefers  ist  ungemein  kräftig  und  stark  verlängert.  Bei 
einer  anderen  ausgestorbenen  Katze,  der  Gatt.  Dinicti*.  findet  man  dagegen 
eine  grössere  Anzahl  von  Zähnen  als  bei  den  jetztlebenden,  nämlich  im 
Unterkiefer  einen  Lückenzahn  mehr  und  einen  kleinen  Höckerzahn  (die 
Oberkieferzähne  dieselben  wie  bei  Felis):  $  L,  }  II,  \  H  (=  %  p,  ±  m). 

9.  Ordnung.    Robben  oder  FlossenfÜSSler  (Pinnipedia). 

Die  Robben  sind  mit  den  Raubtbieren  nahe  verwandt  und 
stimmen  in  zahlreichen  Charakteren  mit  denselben  überein;  sie  sind 
als  ein  in  Anpassung  an  das  Leben  im  Meere  umgestalteter  Raubthier- 
Typus  aufzufassen. 

Die  Gliedmaassen  sind  kurz,  breit,  nach  hinten  gerichtet;  der 
proximale  Theil  der  Vordergliedmaassen  ist  unter  der  Rumpfhaut 
versteckt,  der  freie  Theil  derselben  erinnert  an  die  Brustflossen  eines 
Fisches;  die  Hintergliedmaassen  liegen  mit  der  Fussspitze  nach 
hinten  dicht  am  Rumpf,  zum  grossen  Theil  in  die  Haut  des  letzteren 
eingeschlossen ;  bei  den  echten  Seehunden  sind  sie  in  dieser  Stellung 
befestigt,  während  sie  beim  Walross  und  den  Ohrenrobben  so  weit  nach 
vorn  gewendet  werden  können ,  dass  das  Thier  auf  denselben  gehen 
kann.  An  jedem  Fuss  sind  fünf  Zehen  (Finger)  vorhanden ,  welche 
mit  geraden  Krallen  versehen  sind ;  sowohl  an  den  Vorder-  als  an 
den  Hintergliedmaassen  ist  eine  Schwimmhaut  zwischen  den  Zehen 
ausgespannt,  und  ausserhalb  der  Spitzen  der  Zehen  erstreckt  sich  als 
Fortsetzung  der  Schwimmhaut  ein  mehr  oder  weniger  entwickelter 
Hautsaum.  An  den  Vordergliedmaassen  nehmen  die  Finger  an  Länge 
und  Stärke  von  Nr.  1  bis  Nr.  5  ab  (Nr.  1  und  2  sind  jedoch  unge- 
fähr gleich  stark);  an  den  Hintergliedmaassen  sind  Nr.  1  und  5 
kräftiger  und  meistens  auch  länger  als  die  drei  übrigen.  Die  Ferse 
ist  kurz.  Das  äussere  Ohr  ist  klein  oder  fehlt;  die  Augen  gross; 
die  Nasenlöcher  spaltförmig,  schliessen  sich  von  selbst  durch  die 
Elasticität  der  Wand,  werden  durch  Muskelwirkung  geöffnet.  Die 
Behaarung  besteht  meistens  aus  dichtgestellten,  angedrückten,  glatten 
Haaren  (zuweilen  liegt  unter  diesen  ein  dichtes  Wollkleid) ;  die  neu- 


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542 


Specieller  Theil. 


geborenen  Jungen  gewöhnlich  mit  einer  wolligen  Behaarung,  welche 
jedoch  bei  einigen  schon  im  Mutterleibe  gewechselt  wird ;  die  Schnurr- 
haare sind  sehr  kräftig.  Unterhalb  der  Haut  findet  sich  eine  dicke 
Schicht  von  Fettgewebe  (Speck).  Von  Schneidezähnen  sind  gewöhn- 
lich $  (oder  eine  geringere  Anzahl;  selten  |)  vorhanden;  sie  sind 


Fig.  868. 


Fig.  .167.  Hinterfuss  eine*  jungen  See-Elephanten. 
«  Sprungbein,  c  Fersenbein,  m  Centrale,  — c%  Cuneifonne 
(Tanule)  Nr.  1—8,  cb  Ouhoidcum;  /— 1' erste— fllnfte  Zehe. 
—  Nach  Flower. 

Fig.  868.  Ober-  und  Zwischenkiefentahne  de»  See- 
Elephanten;  unterhalb  der  Zähne  de«  bleibenden  Ge- 
bUnes  sind  die  Milchzähne  gezeichnet.       Nach  Flower. 


mehr  kegelförmig  als  bei  den  Raubthieren  und  schliessen  sich  nicht 
wie  bei  diesen  zu  einem  schneidenden  Rand  zusammen ;  die  Eckzähne 
sind  meistens  schwächer  als  bei  den  Raubthieren,  sonst  aber  ähnlich. 
Von  Backenzähnen  sind  meistens  {  p  \  m  vorhanden;  sie  sind  alle 
ungefähr  gleich,  gewöhnlich  von  ähnlicher  Form  wie  die  Lückenzähne 
der  Raubthiere  oder  einfach  kegelförmig;  sie  sind  verhältnissmässig 
schwach.  Die  Milchzähne  sind  rudimentär;  sie  werden  entweder  schon 
im  Mutterleibe  oder  bald  nach  der  Geburt  gewechselt. 

Von  anderen  Charakteren  führen  wir  an,  dass  der  hinterste  Theil  des 
Schädels  sehr  breit  ist,  während  derjenige  Theil,  welcher  zwischen  den 
Augenhöhlen  liegt,  in  der  Regel  stark  zusammengedrückt  ist.  Der  Unter- 
kiefer ißt  in  der  Regel  schwach.  Thränenbein  und  Thränenkanal  fehlen, 
die  Thränendrüse  ist  klein,  die  Harder'sche  Drüse  wohlentwickelt.  Der 
Fruchtkuchen  ist  wie  bei  den  Raubthieren  ringförmig. 

Die  Robben  sind  Thiere  von  ansehnlicher,  nicht  selten  sogar 
riesiger  Grösse,  welche  im  Meere  leben  (einzelne  auch  in  grossen 
Seen,  so  im  Caspischen  Meer),  wo  sie  sich  mit  der  grössten  Ge- 
wandtheit mittels  des  sehr  biegsamen  lliuterkörpers  bewegen,  wobei 
die  grossen  nach  hinten  gerichteten  Hinterfüsse  ungefähr  wie  die 
Schwanzflosse  eines  Fisches  fungiren.  Häufig  gehen  sie  jedoch  aufs 
Land,  um  sich  auszuruhen,  um  zu  gebären  etc.;  sie  halten  sich  aber 
stets  in  unmittelbarer  Nähe  der  Küste  auf  und  bewegen  sich  nur  müh- 
sam auf  dem  Lande  fort;  Ohrenrobben  und  Walrosse  können  noch 
auf  allen  vier  Füssen  gehen,  die  echten  Seehunde  hüpfen  aber  unge- 
mein schwerfällig  fort,  indem  sie  den  Rücken  krümmen  und  sich  mit 
dem  Hinterkörper  abstossen  (sie  ruhen  dabei  mit  der  Bauchseite  auf 


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Wirbelthiere.   6.  Clane:  Säugethiere. 


r>43 


der  Erde;  die  Vordergliedmaassen  werden  bei  der  Bewegung  meistens 
nicht  benutzt).  Ihre  Nahrung  besteht  hauptsächlich  in  Fischen.  Sie 
leben  gewöhnlich  in  Polygamie;  das  Männchen  ist  häufig,  wie  bei 
manchen  anderen  polygamen  Thieren,  bedeutend  grösser  als  das 
Weibchen.  Sie  gehören  besonders  den  kälteren  und  temperirten 
Theilen  der  Erde  an. 

1.  Die  Ohrenrobben  (Otariulae).  Mit  kleinen  äusseren  Ohren. 
Hals  lang.  Können  auf  den  Füssen  gehen,  deren  Unterseite  nackt  ist 
(Sohlenballen);  an  allen  vier  Füssen  ein  grosser  Randsaum,  welcher  an 
den  Hinterfüssen  gelappt  ist ;  Krallen  theilweise  rudimentär  oder  sehr  klein 
(dies  gilt  von  allen  Krallen  der  Vordergliedmaassen  und  von  Nr.  1  und  5 
der  Hintergliedmaassen,  während  die  Krallen  der  mittleren  Zehen  der  Hin- 
terfüsse  wohlentwickelt  sind).  Die  Männchen  sind  stets  viel  grösser  als 
die  Weibchen.  —  Diese  Abtheilung  steht  den  Raubthieren  am  nächsten ; 
manche  der  Eigentümlichkeiten,  welche  die  Ordnung  der  FlossenfÜssler 
jenen  gegenüber  auszeichnen,  sind  bei  den  Ohrenrobben  weniger  ausge- 
prägt. —  Hierzu  die  unter  dem  Namen  „Seelöwen"  bekannten  Thier- 
formen,  deren  Fell  zum  Theil  ein  ausgezeichnetes  Pelzwerk  liefert1).  Sie 
leben  in  den  südlicheren  Theilen  der  südlichen  Halbkugel  und  in  den  nörd- 
lichen Theilen  des  Stillen  Oceans. 

2.  Das  Walross  (TS'icJischus / Odohaenus/  rottmarns)  ist  eine  ohrlose, 
übrigens  mit  den  Ohrenrobben  nächst  verwandte,  in  den  Zahnverhältnissen 
aber  sehr  eigentümliche  Robbe.  Ebenso  wie  die  Ohrenrobben  kann  sich 
das  Thier  auf  die  mit  grossem  Randsaum  versehenen  Füsse  stützen,  die 
Unterseite  der  Füsse  ist  nackt,  die  Ausbildung  der  Krallen  entspricht  der- 
jenigen der  Ohrenrobben  (sämmtliche  Krallen  der  Vorderfüsse  und  die  1. 
und  5.  derHinterfüsse  sind  rudimentär).  Das  junge  Thier  besitzt  $  i,  \  c,  £  />, 
von  diesen  sind  aber  einige  klein  und  fallen  früh  aus  oder  brechen  gar  nicht 
hervor,  so  dass  das  erwachsene  Thier  gewöhnlich  von  functionirenden  Zähnen 
^  i,  +  c,  £  b  besitzt.  Von  diesen  Zähnen  ist  der  Oberkiefer-Eckzahn  ein 
langer  wurzelloser  Stosszahn,  während  die  übrigen  beim  jungen  Thier  kegel- 
förmig sind,  während  sie  später  flach  abgekaut  werden.  Das  Walross  er- 
nährt sich  von  Muscheln  etc.,  welche  es  mit  den  langen  Zähnen  losschaben 
soll.  Sehr  ansehnliche  Form .  welche  in  den  arktischen  Gegenden  zu 
Hanse  ist. 

3.  Echte  Seehunde  (Phocidac).  Aeussere  Ohren  fehlen.  Hals 
kurz.  Die  Füsse  sind  auf  der  Unterseite  behaart,  können  gar  nicht  zum 
Gang  benutzt  werden  ;  Randsaum  der  Füsse  schmal ;  Krallen  meistens  wohl- 
entwickelt. Die  Vordergliedmaassen  sind  klein  (kleiner  als  die  Hinterglied- 
maassen).   Besonders  in  den  arktischen  Gegenden. 

a.  Die  Gatt.  Phoca  besitzt  £  »  und  zusammengedrückte  mehr- 
spitzige Backenzähne.  Hierzu  der  gemeine  Seehund  (Ph.  vitulina)  und 
die  Ringelrobbe  (Ph.  foetida),  beide  an  den  deutschen  Küsten  etc.  —  Mit 
Phoca  verwandt  ist  der  graue  Seehund  (Halichoenis  grypns),  mit  kegel- 
förmigen Backenzähnen,  häufig  z.  B.  in  der  Ostsee. 

b.  Die  Blasenrobbe  oder  Klappmütze  (Oystophora  cristata), 
mit  ^  /,  ist  besonders  dadurch  merkwürdig,  dass  das  Männchen  an  der 
Oberseite  des  Kopfes  mit  einem  Paar  Luftsäcken  ausgestattet  ist,  welche 
mit  dem  vordersten  Theil  der  Nasenhöhlen  in  Verbindung  stehen  und  von 

')  Die  in  den  Handel  kommenden  Seelöwenfelle  sind  der  Deckhaare  beraubt, 
so  dass  die  Wollhaare  allein  übrig  geblieben,  und  sie  haben  desshalb  ein  von  den 
frischen  Fellen  sehr  abweichendes  Aussehen. 


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544 


8pecieller  Theil. 


diesen  aus  mit  Luft  gefüllt,  aufgeblasen  werden.  Grönland  und  andere 
arktische  Gegenden.  —  Ein  naher  Verwandter  ist  der  See-Elep  haot 
(C.  jyroboscidm),  bei  dessen  Männchen  die  Schnauze  in  einen  kurzen  Rüssel 
verlängert  ist,  welcher  aufgeblasen  werden  kann ;  im  Indischen  und  Grossen 
Ocean,  besonders  in  den  südlicheren  Theilen  derselben. 


10.  Ordnung.    Wale  (Cetacea)- 


Die  Wale  sind  ein 
Meere  eingerichteter  und 


Fig.  369.  Rechte  Vorderex- 
tremitat  eines  G  r  i  n  d  w  a  1  a.  H 
Oberarm,  Ii  Speiche,  U  Elle ;  $  Na- 
viculare,  /  Lunatum,  eTriquetrum ; 
td  Multang,  minus,  m  Ilamattim ; 
I—1V  erster— vierter  Finger,  V 
fUnftcr  Mittelhandknochen.  — 
Nach  Flower. 


zu  ausschliesslichem  Aufenthalt  im 
demgemäss  umgebildeter  Säugethier-Typus. 
Sie  sind  dieser  Lebensweise  viel  einseitiger 
angepasst  als  die  übrigen  Typen  von  Meeres- 
Säugethieren  (Robben  und  Seekühe);  die  An- 
passung ist  so  innig,  dass  die  Wale  für  die 
oberflächliche  unmittelbare  Betrachtung  weit 
mehr  an  Fische  als  an  Säugethiere  erinnern. 

Die  Leibesform  ist  fischartig;  Kopf. 
Runipf  und  Schwanz  gehen  sanft  in  einander 
Uber,  der  Körper  ist  gegen  beide  Enden  hin 
zugespitzt;  von  einem  Hals  ist  keine  Spur 
äusserlich  zu  entdecken:  der  Schwanz  ist 
zusammengedrückt,  für  ein  Säugethier  ausser- 
ordentlich kräftig  entwickelt,  sehr  musculös. 
Am  Ende  des  Schwanzes  befindet  sich  eine 
wagerechte  Schwanzflosse,  eine  breite 
nach  beiden  Seiten  ausgezogene  steife  Haut- 
falte. An  der  Rückenseite  befindet  sich  eine 
gewöhnlich  kurze,  aufrechte,  steife  Hautfalte, 
die  Rückenflosse.   Die  Haut  ist  glatt 
und  glänzend ;  Haare  (und  Hautdrüsen)  fehlen 
gewöhnlich  beim  ausgebildeten  Thiere  völlig, 
höchstens  sind  einzelne  Haare  an  gewissen 
Stellen  des  Kopfes,  besonders  in  der  Nähe 
der  Mundränder,  vorhanden1);  die  Lederhaut 
ist  sehr  dick  und  ausserordentlich  fetthaltig 
(Speck).    Lippen  fehlen.    Von  den  Glied - 
maassen  sind  nur  die  vorderen  entwickelt 
(über  Rudimente  der  hinteren  vergl.  unten) ; 
sie  sind  zu  krallenlosen,  steifen,  nur  im 
Schultergelenk  beweglichen  Platten  ausge- 
bildet, die  Finger  von  einer  gemeinsamen 
Haut  umschlossen  und  ihre  Grenzen  äusser- 
lich nicht  erkennbar.  Die  Nasenlöcher  sitzen 
hoch  oben  auf  dem  Kopf  und  sind  öfters  zu 
einer  gemeinsamen  Oeffnung  vereinigt;  die 
Augen  klein,   äussere  Ohren  fehlen,  die 
äussere  Ohröflfnung  ausserordentlich  klein. 


')  Nur  gewisse  Barten  wale  (und  ein  südamerikanischer  Flusadelphin,  Inia) 
besitzen  in  ausgebildetem  Zustande  Haare.  Dagegen  findet  sich  fast  bei  allen  Walen, 
sowohl  bei  Barten-  wie  bei  Zahnwalen,  beim  Embryo  eine  geringe  Anzahl  von 
Haaren;  bei  den  Zahnwalen  sitzen  dieselben  stets  ausschliesslich  oberhalb  des  oberen 
Mundrandes. 


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Wirbelthiere.  6.  Classe:  Säugethiere.  545 

Die  Zitzen,  eine  auf  jeder  Seite,  sitzen  in  Gruben  neben  dem 
After. 

Die  Halswirbelpartie  ist  sehr  kurz,  besteht  aber  aus  den  gewöhn- 
lichen 7  Wirbeln,  von  welchen  meistens  eine  verschiedene  Anzahl 


Fig.  870. 


Fig.  370.    Schädel  eine«  Z  a  h  n  w  al  es  (Dclphmua)  von  der  Seite.  Verkleinert.  —  Orig. 
Fig.  871.    Schädel  eine*  Barten  walcs  (Üalaena  japtmica),  Foetus.   Verkleinert. — 
Nach  Eachricht. 

Gemeinsame  Bezeichnung:  C  Hinterhaupts-Gelenkhöcker ,  Fr  Stirubein,  Ju  Jochbein, 
L  Thr&nenbein,  Mr  Oberkieferbein,  n  Nasenloch,  Xa  Nasenbein,  ot  seitliches  Hinterhaupts- 
bein, 0$  oberes  Hinterhauptsbein,  Pa  Scheitelbein,  Pal  Gaumenbein,  Pt  FlUgelbein,  Pr  Zwischen- 
kieferbein, 8q  Schuppenbein,  Ty  Paukenbein. 

verwachsen  ist  (zuweilen,  so  beim  Polarwal ,  sind  sie  sogar  alle  ver- 
wachsen :  bei  den  Furchenwalen  und  einigen  Zahnwalen  sind  sie  da- 
gegen alle  frei);  die  Halswirbelkörper  sind  abgeplattete  Scheiben. 
Nur  eine  sehr  geringe  Anzahl  von  Rippen  verbindet  sich  mit  dem 
kurzen  Brustbein.    Die  Lendenwirbelpartie  zeichnet  sich  durch  ihre 

Bon,  Zoologtt.  35 


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546 


Specieller  Theil. 


bedeutende  Länge  aus;  Beckenwirbel  sind  nicht  unterschieden.  Die 
ganze  Wirbelsäule  (mit  Ausnahme  der  Halswirbel)  ist  sehr  biegsam, 
die  Bandscheiben  zwischen  den  Wirbeln  dick.  Die  Kiefer  sind  stark 
verlängert;  das  Jochbein  bei  den  Zahnwalen  sehr  dünn;  die  Nasen- 
beine sehr  kurz,  oft  rudimentär  (am  besten  bei  den  Bartenwalen  ent- 
wickelt). Das  Schulterblatt  ohne  Kamm :  Schlüsselbeine  fehlen.  Wie 
oben  erwähnt,  sind  die  Knochen  der  Vordergliedmaassen  unbeweglich 
mit  einander  verbunden.    Es  sind  4  oder  5  Finger  vorhanden ;  von 
Interesse  ist  es,  dass  die  Anzahl  der  Glieder  in  einigen  derselben 
grösser  ist  als  drei.    Es  findet  sich  ein  Ueberrest  des  Beckens 
in  Form  von  zwei  Knochen,  einem  auf  jeder  Seite,  welche  weder  mit 
einander  noch  mit  der  Wirbelsäule  in  Verbindung  treten ;  bei  gewissen 
Bartenwalen  sind  ausserdem  Rudimente  des  Skeletes  der  Hinterglied- 
maassen,  von  Schenkel-  und  Schienbein,  im  Fleische  versteckt,  vor- 
handen. —  Thränendrüse  und  Thränenkanal  fehlen,  eine  Harder'sche 
Drüse  ist  dagegen  vorhanden  und  zwar  wohlentwickelt  (ihr  Secret 
hat  eine  fettartig-schleimige  Beschaffenheit).  —  Die  Nasenhöhlen 
sind  bei  den  Bartenwalen  ein  Paar  schräge,  bei  den  Zahnwalen  ein 
Paar  fast  senkrechte  Röhren;  bei  den  Bartenwalen  sind  rudimen- 
täre Nasen m uschein  und 
schwache  Riechnerven 
vorhanden,  bei  den  Zahn- 
walen fehlen  die  Nasen- 
muscheln (während  Riech- 
nerven zuweilen  vorhanden 
sind,  zuweilen  fehlen).  — 
Bei  den  Zahnwalen  finden 
sich  in  der  Regel  zahl- 
reiche   Zähne,  welche 
meistens    alle  ungefähr 
gleichgebildet,  kegelför- 
mig sind ;  ein  Zahnwechsel 
fehlt.    Bei  den  Barten- 
walen sind  im  Embryonal- 
zustande Zähne  (von  ähn- 
licher Form  wie  bei  den 


Fig.  372.  Querschnitt  de«  vorderen  Theiles  de»  Kopfes 
eines  Für  c  he  n  w  al s  ,  schematisirt.  /.  Kuorpel,  welcher 
der  Nasenscheidewand  anderer  Sauget  liiere  entspricht ;  bit 
Barte,  /  Hautfurchen,  •'  Zwischen-,  «i  Oberkieferbein,  tu 
Zunge,  u  Unterkiefer,  r  Pflugscharbciu.  —  Nach  Yves  Delage. 


Zahuwalen)  vorhanden, 
welche  aber  klein  sind  und 
niemals  hervorbrechen, 
sondern  wieder  aufgelöst 
werden.  Die  Barten, 
welche  diese  Thiere  im  Munde  besitzen,  sind  zwei  Längsreihen  von 
mächtigen,  quergestellten,  senkrecht  von  dem  Gaumendach  herab- 
hängenden Hautfalten,  welche  mit  einer  stark  entwickelten,  die  Haupt- 
masse der  Barte  bildenden  Hornschicht  bekleidet  sind.  Jede  Barte 
stellt  demnach  eine  dreieckige,  feste  Hornplatte  dar,  welche  in  ihrer 
grössten  Ausdehnung  solid  ist,  an  der  Basis  aber  eine  spaltförmige 
Höhlung  besitzt,  in  welcher  der  weiche  Theil  der  Barte,  der  aus 
Bindegewebe  und  der  Schleimschicht  der  Haut  bestehende  „Barten- 
keim", seinen  Platz  hat.  Die  Barte  hat  drei  Ränder:  einen  kürzeren 
oberen,  welcher  sich  mit  dem  Gaumen  verbindet,  einen  äusseren 
glatten  geraden  Rand  und  einen  inneren  stark  aufgefaserten  schrägen 
Rand,  welcher  der  längste  ist ;  in  dem  inneren  Theil  der  Barte  finden 


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Wirbelthiere.   6.  Clftsae:  Säugethiere. 


547 


sich  mehrere  bis  auf  die  Basis  der  Barte  reichende  senkrechte  Ein- 
schnitte.  Die  Barten,  von  welchen  die  vordersten  und  die  hintersten 
jeder  Reihe  die  kleinsten  sind,  liegen  jederseits  ziemlich  dicht  an  ein- 
ander und  füllen  einen  grossen  Theil  der  Mundhöhle  aus,  in  deren 
Mitte  jedoch  ein  im  Querschnitt  dreieckiger  Raum  übrig  bleibt.  Bei 
geschlossenem  Munde  werden  die  Barten  vom  Unterkiefer  verdeckt. 
Sie    haben    die  Bedeutung    eines    Seihapparates:    die  Bartenwale 
schwimmen  mit  klaffend  geöffnetem  Munde  eine  Strecke  weit  durch's 
Wasser,  schliessen  darauf  den  Mund ,  und  das  Wasser  sickert  dann 
zwischen  den  Barten  nach  aussen,  während  die  im  Wasser  enthaltenen 
Organismen  von  den  am  inneren  Rand  der  Barten  befindlichen  Fasern 
zurückgehalten  werden,  welche  zusammen  eine  filzige  Wand  an  jeder 
Seite  im  Munde  bilden.    Die  Barten  sind  als  ausserordentlich  stark 
entwickelte  Gaumen  falten  (vergl.  S.  508)  aufzufassen.  —  Die 
Speicheldrüsen  sind  rudimentär  oder  fehlen,  der  Magen  hat  einen 
zusammengesetzten  Bau.    Der  Kehlkopf  ist  zu  einem  aufrechten  hohen 
Zapfen  verlängert,  welcher  vorne  von  dem  stark  entwickelten  Gaumen- 
segel umfasst  wird ;  die  Nahrung  gleitet  zu  beiden  Seiten  des  Zapfens 
in  die  Speiseröhre  hinab.    Die  Hoden  bleiben  in  der  Bauchhöhle. 

Die  Wale  sind  fast  alle  Meeresthiere ;  einige  wenige  leben  in 
Flüssen.  Sie  bewegen  sich  in  ähnlicher  Weise  wie  die  Fische  durch 
Schläge  des  Schwanzes.  Sie  gehen  nie  freiwillig  aufs  Land.  Sie 
sind  im  Stande  sich  ziemlich  lange  Zeit  unterhalb  der  Wasserober- 
fläche aufzuhalten,  ohne  zu  ersticken  (nach  einigen  Angaben  bis 
^  Stunde).  Ihre  Nahrung  besteht  besonders  in  Fischen  und  niederen 
Seethieren.  Sie  leben  in  allen  Meeren,  die  grösseren  Formen  jedoch 
besonders  in  den  kälteren  Theilen  der  Erde.  Zu  dieser  Abtheilung 
gehören  die  grössten  aller  thierischen  Geschöpfe. 

1.  Unterordnung.   Bartenwale  (Mystacmeti). 

Zahnlos,  mit  Barten  versehen.  Zwei  äussere  Nasenlöcher,  welche 
•weiter  vorne  sitzen  als  bei  den  Zahnwalen.  Das  Brustbein  nur  mit 
einem  einzigen  Rippenpaare   verbunden.     Schädel  ausserordentlich 

§ross,  symmetrisch;  Nasenbeine  verhältnissmässig  wohl  entwickelt, 
ie  ernähren  sich  von  verschiedenen,  schaarenweise  lebenden  kleinen 
Meeresthieren  (Leuchtkrebsen,  Copepoden  etc.),  manche  Furchenwale 
ausserdem  noch  von  kleineren  Fischen.    Hierzu  die  grössten  Wale. 

1.  Die  Furchenwale  {Balaenoptcridoc^ .  Mit  Rückenflosse.  Auf  der 
Unterseite  des  Kopfes  und  des  Rumpfes  zahlreiche  tiefe  Längsfurchen.  Lang- 
gestreckte Thiere  mit  verhältnissmässig  kleinerem  Kopf  und  kürzeren  Barten ; 
schmale  Brustflossen.  Hierzu  der  Blauwal  (Balanwptera  gigas),  welcher 
eine  Länge  von  30  m  erreicht,  und  der  etwas  kleinere  Fi n n  wal  (B.  mus- 
ctäus),  welche  beide  an  den  Küsten  des  nördlichen  Norwegens  den  Gegen- 
stand einer  regelmässigen  Fischerei  bilden.  Weit  kleiner  (höchstens  bis 
10  m)  iBt  der  Zwerg  wal  (D.  rostraiä),  ebenfalls  im  nördlichen  Atlantischen 
Meere.  Der  sehr  ansehnliche  Buckelwal  (Megajttcra  boops),  mit  niedrigerer 
huckelformiger  Rückenflosse  und  mit  sehr  langen  Brustflossen,  ist  weniger 
gestreckt  als  die  meisten  übrigen  Furchenwale;  wird  unter  Anderem  an 
der  Küste  Norwegens  ziemlich  regelmässig  angetroffen. 

2.  Die  Q  latt  wale  (ßalarnidae).  Keine  Rückenflosse.  Keine  Furchen 
auf  der  Unterseite.  Körper  weniger  gestreckt,  Kopf  verhältnissmässig  sehr 
gross,  Barten  lang  nnd  schmal,  Brustflossen  breit.    Hierzu  der  bis  20  m 

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548 


Specieller  Theil. 


lange,  kolossale  Grönlands-  oder  P o  1  a r w a  1  (Dalaena  mystuxhts ),  bei 
Grönland  etc.;  jetzt  an  Zahl  stark  reducirt.  Der  Nordkaper  (B.  bis- 
cayensis),  dem  Grönlandswal  sehr  ähnlich,  etwas  südlichere  Form  (im  nord- 
lichen Atlantischen  Meer  bis  in  die  Bucht  von  Biscaya),  jetzt  äusserst  selten. 


Mit  Zähnen  versehen,  keine  Barten.  Aeussere  Nasenlocher  zu 
einem  einzigen ')  vereinigt ,  welches  oben  auf  dem  Kopfe  weit  nach 
hinten  zu  sitzt.  Das  Brustbein  ist  mit  mehreren  Rippenpaaren  ver- 
bunden. Die  Gesichtspartie  des  Schädels  deutlich  asymmetrisch : 
Nasenbeine  rudimentär.    Ernähren  sich  meistens  von  Fischen. 

1.  Die  Delphine  (Delphinm)  haben  eine  zugespitzte  schnabelförmige 
Schnauze,  welche  durch  eine  Furche  von  der  Stirn  abgegrenzt  ist;  zahl- 
reiche (20  und  mehr)  kleine  kegelförmige  Zähne  in  jeder  Kieferhälfte ;  eine 


Fig.  373.  Scbtdel  des  Grind w als  von  der  linken  Seite,  mit  der  grossen  der  Schnauz« 
aufliegenden  Fettmasse ;  letztere  in  der  Mittellinie  durchschnitten.  /  weiche  Fettmasse,  6  feste 
bindegewebige  Schicht  unterhalb  der  durch  eine  dicke  schwarze  Linie  angedeuteten  Oberhaut, 
n  Nasenloch,  l  Luftsäckchen  vom  Nasengang  ausgehend.  -  Nach  Murie. 

hohe  Rückenflosse.  Thiere  von  ca.  3  m  Länge.  Mehrere  Arten  kommen 
in  den  europäischen  Meeren  vor.  —  Verwandt  ist  das  Meerschwein 
oder  der  Braun  fisch  (Phocaena  communis),  höchstens  2  m  lang,  mit  kurzer 
stumpfer  Schnauze,  zusammengedrückten  Zähnen  (ca.  25  in  jeder  Kiefer- 
hälfte) ;  häufig  in  den  europäischen  Meeren ,  ist  z.  B  im  Kleinen  Belt  bei 
Gelegenheit  seiner  jährlichen  schaarenweisen  Wanderung  durch  den  Belt 
der  Gegenstand  einer  regelmässigen  Fischerei.  —  Der  Grind wal  (Globio- 
cephalm  melas)  isi  nur  im  vordersten  Theil  jedes  Kiefers  mit  Zähnen  aus- 
gestattet; der  Kopf  ist  vorne  dick  und  abgerundet,  mit  ganz  kurzer  vor- 
stehender spitzer  Schnauze ;  bis  etwa  7  m  lang.  Wird  bei  den  Färöern  regel- 
mässig gefangen;  zufalliger  Grast  —  wie  manche  andere  Wale  —  in  der 
Nord-  und  Ostsee.  Ernährt  sich  besonders  von  Tintenfischen.  —  Der 
Butzkopf  oder  Schwertfisch  (Orca  gladiator)  ist  ein  grösserer  Zahn- 
wal (bis  9  m)  mit  sehr  hoher  Rückenflosse  (daher  der  Name  Schwertfisch) 
und  ca.  12  kräftigen  kegelförmigen  Zähnen  in  jeder  Kieferhälfte;  ernährt 
sich  von  Meerschweinen,  Seehunden  und  Fischen ;  im  nördlichen  Atlan- 
tischen Ocean. 

')  Bei  den  Zahnwalen,  nicht  aber  bei  den  Bartenwalen,  finden  sich  sackför- 
mige Ausstülpungen  sowohl  des  kurzen  unpaarigen  äusseren  Nasenganges  wie  des 
oberen  Theiles  der  paarigen  Nasengänge. 


2.  Unterordnung.    Zahnwale  (Odontoceti). 


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Wirbelthiere.   8.  Classe:  Säugethiere.  549 

2.  Von  mehr  abweichenden  Zahnwalen  seien  angeführt:  Der 
Pottwal  oder  C  a  c  h  e  1  o  t  (Physder  macroceplialua),  ein  grosser  Wal  mit 
kolossalem,  vorne  gerade  abgeschnittenem  Kopf:  an  der  platten  Schnauzen- 
partie des  Schädels  liegt  eine  ungeheure  Fettmasse')  (aus  welcher  Walrat 
gewonnen  wird),  welche  dem  Kopf  seine  eigentümliche  Form  verleiht; 
starke,  kegelförmige  Zähne  im  Unterkiefer,  rudimentäre  im  Oberkiefer. 
AVeit  verbreitet,  ist  auch  einige  Mal  in  der  Nordsee  gefangen  worden.  — 
Verwandt  ist  der  Dögling  (Ilyjtcroodon  diodon)  mit  schmaler,  spitzer 
Schnauze,  der  Kopf  hinter  derselben  stark  gewölbt;  fast  zahnlos  (nur  ein 
grösserer  und  ein  kleinerer  Zahn  vorne  in  jeder  Unterkieferhälfte,  ausser- 
dem einige  rudimentäre  Zähne  oben  und  unten) ;  im  nördlichen  Atlantischen 
Ocean,  z.B.  ziemlich  häufig  an  den  Färöern,  zufälliger  Gant  in  der  Nord« 
und  Ostsee.  —  Der  Narwal  (Monodon  monoccros)  ist  dadurch  ausgezeichnet, 
dass  das  Männchen  vorne  im  linken  Oberkiefer  einen  sehr  langen,  geraden, 
nach  vorne  gerichteten,  spiralig  gewundenen  Stosszahn  besitzt,  welcher  weit 
aus  dem  Munde  hervorragt ;  im  rechten  Oberkiefer  ein  ähnlicher,  aber  weit 
kleinerer  Zahn,  welcher  im  Kieferknochen  versteckt  bleibt;  sonst  zahnlos2) 
(beim  Weibchen  sind  beide  Zähne  in  den  Kiefern  eingeschlossen).  —  Als 
Beispiel  der  im  Süsswasser  lebenden  Zahnwale  erwähnen  wir  den  merk- 
würdigen Gangesdelphin  (Platanista  gongetieu),  welcher  lange,  dünne 
Kiefer  mit  zahlreichen  spitzen  Zähnen  besitzt ;  die  Augen  rudimentär,  ohne 
Linse ;  das  Skelet  in  mehrfacher  Beziehung  eigentümlich.  Das  Thier, 
welches  nur  2 — 3  m  lang  wird,  lebt  im  Ganges,  Indus  etc.  Ein  paar  ver- 
wandte Flusswale  in  Südamerika. 

11.  Ordnung.    Zahnarme  (Edentata). 

Die  zu  den  Edentaten  gehörenden  Thierforjnen  sind  dadurch 
ausgezeichnet,  dass  die  Zähne,  wenn  solche  überhaupt  vorhanden 
sind,  stets  ziemlich  unvollkommen  entwickelt  sind,  keine  geschlossene 
Zahnreihe  bilden  und  stets  schmelzlos  sind;  sie  sind  gewöhnlich  alle 
ungefähr  gleich  und  wurzellos.  Schneidezähne  fehlen  (nur  bei 
einem  einzelnen  Gürtelthier  ist  der  hinterste  Schneidezahn  im  Ober- 
munde vorhanden).  Ein  Zahnwechsel  findet  in  der  Regel  nicht  statt. 
Die  Krallen  sind  gewöhnlich  lang,  gebogen,  sehr  kräftig.  —  Zu  dieser 
Ordnung  gehört  eine  Anzahl  verschiedener  Formen,  welche  meist  in 
den  heissen  Ländern  zu  Hause  sind. 

1 .  Die  Faulthiere(  Dradypodidne :  Gatt,  lirndypus  etc).  Der  Körper  ist 
mit  langen  groben  Haaren  dicht  bekleidet.  Der  Kopf  ist  rund,  äussere 
Ohren  sehr  klein.  cylindrische  Zähne.  Vordergliedmaassen  länger  als 
die  Hintergliedmaassen.  An  jenen  finden  sich  drei  Finger  (Nr.  2 — 4}  oder 
nur  zwei  (Nr.  2 — 3),  an  den  Hintergliedmaassen  stets  drei  Zehen  (Nr.  2 — 4). 
Sowohl  Finger  als  Zehen  sind  bis  an  das  Krallenglied,  welches  gegen  die 
Hand-  resp.  Fussfläche  eingeschlagen  werden  kann,  in  eine  gemeinsame 
Haut  eingeschlossen ;  die  Krallen  sind  ungemein  lang  und  kräftig,  sichel- 
förmig. Schwanz  rudimentär.  Ausschliesslich  kletternde  Thiere ,  welche 
sich  von  Blättern  ernähren.    Süd-  und  Centralamerika. 


')  An  derselben  Stelle  finden  sich  auch  bei  anderen  Zahnwalen  eine  dünnere 
oder  dickere  Fettschicht,  welche  z.  B.  beim  Grind  stark  entwickelt  ist,  und  welcher 
der  Kopf  dieses  Thieres  seine  gewölbte  Form  verdankt  (Fig.  373). 

•)  Einige  wenige  rudimentäre  Zähne  können  im  Oberkiefer  hinter  dem  Stoss- 
zahn vorhanden  sein. 


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550 


Specieller  Theil. 


2.  Die  Megatherien  oder  Riesen  faulthiere  {Megntheriidae  : 
Gatt.  Megntherium ,  Mylodon  etc.)  nehmen  ungefähr  eine  Mittelstellung 
zwischen  der  vorhergehenden  und  der  folgenden  Gruppe  ein,  indem  sie  in 
den  Verhältnissen  des  Kopfes  und  der  Zähne  den  Faulthieren  ähnlich  sind, 
während  die  Wirbelsäule,  die  Gliedmaassen  (von  welchen  die  hinteren  un- 
gefähr dieselbe  Länge  wie  die  vorderen  besitzen)  und  der  lange  kräftige 
Schwanz  den  entsprechenden  Theilen  der  Ameisenfresser  ähnlich  sind.  Es 
waren  pflanzenfressende  Thiere,  meistens  von  bedeutender  Grösse  (die 
grössten  übertreffen  das  Nashorn)  von  ausserordentlich  plumpem  Bau,  mit 
sehr  massiven  Knochen ;  einige  besassen  kleine  knöcherne  Knoten  in  der 
Haut.  Ihre  Ueberreste  hat  man  an  verschiedenen  Stellen  Amerikas  in 
quaternären  Schichten  gefunden. 

3.  Die  Ameisenfresser  (Mynncrophago)  sind  mit  feineren  oder 
gröberen  Haaren  bekleidet,  der  Kopf  ist  mehr  oder  weniger  gestreckt,  zu- 
weilen sehr  lang,  Zähne  fehlen,  die  Alundöffnung  ist  sehr  klein,  die  Zuuge 


A  B 


Fig.  374.  A  lland  des  grossen  Ameisenbären,  B  des  Zwerg-Ameisen- 
bären, s  Kaviculare,  /  Lunatum,  c  Triquctnun  ;  p  Erbsenbein;  tm  Multang,  majus,  td  M.  rainu  . 
»»  Capitatum,  u  Hamatum.    1 — V  die  Zehen.  —  Nach  Flowcr. 

wurmförmig,  die  Unterkiefer  -  Speicheldrüsen  von  ungewöhnlicher  Grösse. 
Der  3.  Finger  ist  sehr  gross  mit  langer  sichelförmiger  Kralle,  die  anderen 
Finger  sind  kleiner  oder  sogar  rückgebildet;  beim  Gange  ruht  das  Thier 
auf  dem  äusseren  Rand  der  Hand.  Der  Hinterfuss  mit  4  —  5  ungefähr 
gleichen  Zehen  mit  kräftigen  Krallen.  Schwanz  lang.  Sie  ernähren  sich 
von  Insekten,  z.  B.  Termiten,  welche  an  der  langen,  vom  Speichel  klebrigen 
Zunge  hängen  bleiben.  Südamerika.  Dazu  der  grosse  Ameisenbär 
(M.  jubata)  mit  groben  Haaren  und  buschigem  Schwanz ;  er  lebt  auf  der 
Erde,  während  die  übrigen  Arten  überwiegend  oder  ausschliesslich  kletternde 
Thiere  sind,  wie  das  z.  B.  vom  Zwerg-Ameisenbären  (M.  didadyla) 
gilt ;  letzterer  besitzt  eine  kurze  Schnauze,  feine,  weiche  Behaarung,  Greif- 
schwanz und  hat  an  jeder  der  Vordergliedmaassen  nur  zwei  krallentragende 
Finger. 


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Wirbelthiere.   6.  Clawe:  Saugethiere. 


551 


1.  Die  Gürte lthi er e  (Iktsi/j>odulae)  zeichnen  sich  dadurch  aus,  dass 
die  Oberseite  des  Rumpfes  mit  grossen  plattenförmigen  Schuppen 
von  ähnlicher  Beschaffenheit  wie  die  der  Reptilien  versehen  ist ;  die  Schuppen 
oder  Platten  sind  von  einander  durch  weiche  Furchen  getrennt,  während 
ihre  äussere  Fläche  stark  verhornt  ist ;  in  jeder  Schuppe  findet  sich  eine 
grosse  Hautverknöcherung.    Diese  Schuppen  bilden  über  dem  mitt- 
leren Theil   des  Ruckens  mehrere  durch   weiche   Hautpartien  getrennte 
Querreihen,  während  sie  vorne  und  hinten  auf  dem  Rücken  dichter  an  ein- 
ander liegen ;  die  entsprechenden  Hautverknöcherungen  sind  an  den  letzt- 
genannten Stellen,  und  ebenso  diejenigen  jeder  Querreihe,  eng  mit  einander 
verbunden,  so  dass  wir  einen  grossen  knöchernen  Schild  vorne  und  hinten 
auf  dem  Rücken  und  eine  verschiedene  Anzahl  (3 — 12)  knöcherne  Halbringe 
mitten  über  dem  Rücken  erhalten.    Auch  an  der  Oberseite  des  Kopfes,  an 
den  Gliedmaassen  und  auf  dem  Schwanz  finden  sich  ähnliche  Schuppen 
wie  auf  dem  Rücken ;  dagegen  fehlen  sie  auf  der  behaarten  Bauchseite. 
Die  Zähne  cyl indrisch,  oft  ziemlich  zahlreich;  der  Kopf  länglich  mit  wohl- 
entwickelten äusseren  Ohren,  die  Beine  niedrig  mit  kräftigen  Krallen  (das 
Thier  tritt  mit  der  Fusssohle  auf).  Es  sind  grabende,  wesentlich  insekten- 
fressende Thiere,  ziemlich  klein  oder  von  mittlerer  Grösse ;  einige  können 
sich  zusammenrollen.    Süd-  und  Centraiamerika.  —  Verwandt  sind  die 
ausgestorbenen  Glyptodonten,  bei  welchen  alle  Rückenplatten  mit  ein- 
ander unbeweglich  zu  einem  grossen,  dicken,  gewölbten  Panzer  verbunden 
waren;  es  waren  ungemein  plumpe  Thiere  von  ansehnlicher  Grösse,  bei 
welchen  grosse  Partien  der  Wirbelsäule  verwachsen  waren.  Quaternär, 
Südamerika. 

5.  Die  Erdferkel  (Orycteropux)  sind  spärlich  behaarte  Thiere  von 
ziemlicher  Grösse,  mit  langer  Schnauze  und  Zunge,  kleiner  Mundöffnung, 
grossen  Ohren,  kräftigem  Schwanz,  starken  aber  nicht  sehr  langen  Krallen ; 
sie  besitzen  Zähne.  Afrika. 

6.  Die  Schuppenthiere  (Afanus)  sind  besonders  dadurch  ausge- 
zeichnet, dass  der  grösste  Theil  des  Körpers  (mit  Ausnahme,  der  Unterseite 
des  Kopfes  und  Rumpfes)  mit  grossen,  stark  verhornten,  dachziegelförmigen 
Schuppen  bedeckt  ist,  zwischen  welchen  einzelne  Haare  stehen.  Der  Kopf 
ist  länglich,  äussere  Ohren  fehlen,  die  Mundöffnung  ist  klein,  die  Zunge 
lang,  Zähne  fehlen  ;  der  Schwanz  ist  kräftig  ausgebildet,  Krallen  lang  und 
sichelförmig.  Insektenfresser,  welche  in  den  tropischen  Theilen  der  alten 
Welt  die  Ameisenfresser,  an  welche  sie  in  mehrfacher  Beziehung  erinnern, 
repräsentiren. 

12.  Ordnung.    Nagethiere  (Rodentia). 

Die  Ordnung  der  Nager  ist  in  erster  Linie  durch  das  eigenthüm- 
lich  ausgebildete  G  e  b  i  s  s  charakterisirt.  Eckzähne  fehlen  stets ;  von 
Schneidezähnen  findet  sich  im  Unterkiefer  jederseits  nur  einer, 
welcher  seinen  Platz  am  vorderen  Ende  des  Kiefers,  dicht  an  dem 
entsprechenden  der  anderen  Kieferhälfte,  hat;  im  Zwischenkiefer 
findet  sich  ebenfalls  meist  nur  ein  Schneidezahn,  welcher  ähnlich  wie 
der  des  Unterkiefers  sitzt.  Die  Schneidezähne  sind  lang,  wurzellos, 
ungefähr  vierseitig,  prismatisch,  bogenförmig  gekrümmt;  nur  an  der 
Vorderseite  und  an  dem  angrenzenden  Theil  der  Seitenflächen  sind 
sie  mit  Schmelz  bekleidet  (welcher  an  der  Oberfläche  zuweilen  roth- 
braun ist),  und  die  Folge  hiervon  ist,  dass  sie  hinten  stärker  als  vorne 
abgenutzt  werden,  so  dass  das  freie  Ende  des  Zahnes  wie  schräg  ab- 


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552 


Spezieller  Theil. 


geschnitten,  meisselförmig  erscheint.  Die  Schneidezähne  des  Zwischen- 
kiefers sind  stärker  als  die  des  Unterkiefers  gebogen;  sowohl  oben 
wie  unten  erstreckt  sich  der  im  Kiefer  versteckte  Theil  derselben 
weit  nach  hinten,  im  Unterkiefer  sogar  meist  unterhalb  sämmtlicher 

Backenzähne  hin  bis  in  den 
allerhintersten  Theil  des 
Kiefers  hinein.  Bei  der 
H  isenfamilie  findet  sich 
im  Obermunde  hinter  dem 
grossen  Schneidezahn  noch 
ein  kleinerer;  weiter  ist  her- 
vorzuheben, da ss  bei  ihnen 
derSchneidezahn  des  Unter- 
kiefers sich  nur  bis  an 
das  vorderste  Ende  der 
Backenzahnreihe  erstreckt 
(Fig.  375  A).  Zwischen 
Schneide-  und  Backenzäh- 
nen ist  stets  ein  grosser 
zahnloser  Zwischenraum. 
Die  Form  der  Backen- 
zähne ist  bei  den  Nagern 
eine  sehr  verschiedene. 
Bei  einigen  findet  man 
Backenzähne  mit  kurzer, 

verschiedene  Länge  des  Zahnes  KU  höckeriger  oder  mit  nie- 
gewöhnliche Verhalten  der  Nager.  drigen  QUerkämmen  ver- 
sehener Krone  und  wohl- 
entwickelten Wurzeln  (Maus,  Ratte):  bei  anderen  sind  zwar  Wur- 
zeln wie  bei  jenen  vorhanden,  die  Zahnkrone  ist  aber  länger 
und  sowohl  von  oben  nach  unten  wie  an  defi  Seiten  gefaltet; 
bei  auderen   sind   wieder   die  Wurzeln   ganz  kurz  in  Vergleich 


Fig.  375.  Rechte  Unterkieferhälfte,  A  des  Kanin- 
chens, B  des  A gut i,  von  der  inneren  Seite.  Zahn- 
höhle des  Schneidezahns  in  ihrer  ganzen  Länge  aufge- 
meißelt, um  die  sehr 
zeigen.  C  vertritt  das 
—  Orig. 


Fig.  376.    Querschnitte  von  Backenzähnen 
fläche  gleich).    AHase,  B  Biber,  C  Wühlmaus. 
Nach  Owen. 


Nager  (ungefähr  der  Kau- 
c  Cement,  d  Dentin,  e  Schmelz.  — 


mit  der  langen  gefalteten  Zahnkrone.  Endlich  sind  bei  zahlreichen 
Nagern  die  Backenzähne  wurzellos,  an  beiden  Seiten  mit  tiefen 
senkrecht  verlaufenden  Falten  versehen,  welche  sich  mehr  oder 
weniger  tief  in  den  Zahn  hinein  erstrecken  und  theilweise  oder  ganz 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugethiere. 


553 


4  - 


mit  Cement  gefüllt  sind;  an  der  Kaufläche  erscheinen  dann  Quer- 
oder Schrägstreifen  von  Schmelz  mit  Cement  und  Dentin  dazwischen. 
Seltener  sind  die  wurzellosen  Backenzähne  der  Nager  sogar  (vergl. 
die  Backenzähne  des  Elephanten)  in  eine  Reihe  senkrechter  Quer- 
platten mit  Cement  dazwischen  getheilt.  Diese 
verschiedene  Ausbildung  der  Zähne  steht  mit  Zahnformeln ; 
der  verschiedenartigen  Lebensweise  in  naher  Hase  .... 
Verbindung,  die  kurzkronigen  Backenzähne  Pfeifhase, 
halten  nur  eine  verhältnissmässig  geringe  Ab-  Eichhorn, 
nutzung  aus,  die  anderen  eine  grössere  oder  Biber  .... 
sehr  grosse.  Die  Anzahl  der  Zähne  ist  Sminthus. 
höchstens,  hei  den  Hasen,  $  p,  $  t» ;  bei  an-  Mus ..... 
deren  ist  die  Zahl  mehr  oder  weniger  redu-  Hydromys  . 
cirt,  und  zwar  stets  von  dem  vorderen  Ende 
der  Zahnreihe  aus,  wie  aus  der  nebenstehenden  Liste  hervorgehen 
wird,  bei  einigen  sogar  so  weit,  dass  alle  Prämolaren  ')  fehlen ;  nur  bei 
einer  einzigen,  der  Mausefamilie  angehörigen,  Form  (der  australischen 
Gattung  Hydromys)  fehlt  auch  ein  Molar,  nämlich  der  hinterste,  w5. 

Während  die  Gelenkfläche  am  Schädel  für  den  Unterkiefer  bei 
den  meisten  Säugethieren  eine  quergestellte  Fläche  oder  Grube  ist, 
stellt  sie  bei  den  meisten  Nagethieren  eine  Längsfurche  dar,  so  dass 
der  Unterkiefer  eine  bedeutende  Beweglichkeit  von  vorn  nach  hinten 
besitzt  (beim  Kauen  wird  der  Unterkiefer  vorwärts  und  rückwärts 
gezogen;  die  Schmelzstreifen  der  Backenzähne  haben  die  entgegen- 
gesetzte Hauptrichtung,  der  Quere  nach).  —  Die  Füsse  sind  im  All- 
gemeinen klein,  krallentragend,  und  das  Thier  tritt  in  der  Regel  mit 
dem  ganzen  Fuss  auf;  der  Daumen  der  Vorderfüsse  ist  meistens  rudi- 
mentär oder  fehlt,  während  die  anderen  Finger  und  Zehen  bei  der 
Mehrzahl  sämmtlich  vorhanden  sind.  —  Bei  mehreren  Nagethieren 
finden  sich  innere  Backentaschen,  Ausstülpungen  der  Backen,  welche 
mit  der  Mundhöhle  in  Verbindung  stehen;  bei  einzelnen  sind  un- 
gefähr an  derselben  Stelle  äussere,  mit  Haaren  bekleidete  Hautein- 
stülpuugen  (äussere  Backentaschen)  vorhanden.9) 

Die  Nager  bilden  eine  artenreiche,  sehr  verbreitete  Gruppe  von 
meistenteils  kleineren  Säugethieren,  welche  fast  ausschliesslich 
Pflanzenfresser  sind. 

1.  Die  Hasenfamil  ie  (Ijcporülae).  }  i,  b;  der  grosse  Schneide- 
zahn im  Zwischenkiefer  mit  einer  Furche;  die  Backenzähne  wurzellos,  ge- 
faltet. Die  Hasengattung  (Lepus)  mit  f  b,  langen  Ohren,  sehr  kurzem 
Schwanz,  langen  Hintergliedmaassen  3) ;  hierzu  der  Feldhase  (L.  etoo- 
jmem)*),  durch  den  grössten  Theil  Europas  verbreitet,  und  der  Schnee- 

')  Wie  gewöhnlich  fehlen  auch  die  entsprechenden  Milchzähne,  und  da  die 
Vorderzahne  der  Nager  (abgesehen  von  den  Hasen)  keine  Vorläufer  haben,  so  fällt 
bei  Nagern,  welche  Keine  Prämolaren  besitzen,  der  Zahnwechsel  gänzlich  aus. 

*)  Bei  den  Säugethieren  findet  sich  im  Oberkieferknochen  ein  kürzerer  oder 
längerer  Kanal,  der  Oberkieferkanal  (Canalis  infraorbitali») ,  durch  welchen  ein 
grösserer  Nerv  (der  Oberkieferast  des  Nervus  trigetninus)  verläuft;  die  vordere 
Oeffnung  des  Kanals  befindet  sich  vor  der  Augenhöhle  und  wird  als  Unteraugen- 
höhlenloch (Foramen  infraorbitale)  bezeichnet.  Bei  den  Nagern  ist  der  Oberkiefer- 
kanal ganz  kurz  und  in  der  Regel  sehr  weit,  und  eine  Portion  des  äusseren  Kau- 
muskels (Massettr)  geht  dann  durch  denselben  hindurch. 

')  Die  Fusssohlen  sind  anscheinend  ganz  behaart,  in  Wirklichkeit  sind  jedoch 
kleine  Sohlenballen  vorhanden,  welche  aber  von  den  Haaren  der  angrenzenden 
Hautpartien  überdeckt  werden. 

4)  In  manchen  Büchern  irrthümlich  mit  dem  Namen  L.  timidus  bezeichnet. 


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554 


Specieller  Theil. 


ha  so  (L.  limidus  oder  lariabilis)  t  in  den  nördlichen  Theilen  Europas  und 
Asiens,  in  Grönland  und  auf  den  Alpen  und  Pyrenäen;  letzterer  wird  in 
kälteren  Gegenden  im  Winter  weiss ;  ferner  das  kurzbeinigere ,  grabende 
Kaninchen  (/..  cuniculus),  in  Südeuropa  einheimisch,  an  manchen  Stellen 
in  Deutschland  verwildert.  Die  Pfeifhasen  (Isiyomys)  mit  £  b,  kurzen 
Ohren,  kürzeren  Hintergliedmaassen  als  die  Hasen,  schwanzlos;  in  Sibirien 
und  Nordamerika. 

2.  Die  Eichhörnchen- Familie  (Sciuridae).  4  bf  höckerig  oder 
gefaltet,  der  vorderste  Oberkieferbackenzahn  sehr  klein ;  Daumen  rudimentär ; 
Schwanz  behaart.  Hierzu  das  Eichhörnchen  (Sciurus  inlgaris)  mit 
langein  buschigen  Schwanz,  Baumthier,  ebenso  wie  die  fliegenden 
Eichhörnchen  (Pterotnys),  welche  durch  den  Besitz  einer  grossen  Haut- 
falte (Fallschirm)  an  den  Seiten  des  Rumpfes  zwischen  Vorder«  und  Hinter- 
gliedmaassen  ausgezeichnet  sind  (eine  Art,  Pt.  volans,  in  Nordrussland).  Die 
Murmelthiere  (Arctomys)  sind  grabende  Thiere,  Winterschläfer,  von 
gedrungenerem  Bau,  mit  kurzen  Ohren  und  kurzem  Schwanz;  eine  Art 
(A.  martnota)  in  den  Alpen.  Letzteren  steht  der  Ziesel  (iSpermophilimt 
r'UUlus)  in  Osteuropa  (westlich  bis  in  Schlesien)  sehr  nahe.  —  Mit  den 
Eichhörnchen  verwandt  ist  der  Biber  (Castor  fiber),  ein  Thier  von  ziemlich 
ansehnlicher  Grösse  mit  \  gefalteten  Backenzähnen,  kurzen  Ohren,  grossem, 
abgeplattetem,  beschupptem  Schwanz  und  mit  einer  Schwimmhaut  zwischen 
den  Hinterzehen;  schwimmt  und  gräbt  vorzüglich;  Rindenfresser.  In 
Deutschland  nur  noch  an  wenigen  Stellen  vorhanden ,  in  Anhalt  (an  der 
Elbe  und  Mulde)  noch  recht  häufig.  Eine  verwandte,  aber  selbständige 
Art  (C.  canadeiisis)  in  Nordamerika. 

3.  Die  Schlafmäuse  (Myoxidue).  {  h  mit  querverlaufenden  Schmelz- 
streifen;  Daumen  rudimentär;  Schwanz  lang,  behaart.  Erinnern  äusserlich 
an  Eichhörnchen  oder  Mäuse.  In  Deutschland  leben  von  dieser  Gruppe 
folgende:  der  Siebenschläfer  (Myoxus  glis),  die  grösste  Art;  der 
Gartenschläfer^/,  niiela);  der  seltene  (mehr  östliche)  Baumschläfer 
(3/.  dryas);  die  kleine,  mäuseähnliche  Haselmaus  (,V.  avellanar^ius).  —  Mit 
den  Schlafmäusen  verwandt  ist  die  Streifenmaus  (Sminthus  betulinus  oder 
vayus)  in  Nord-  und  Osteuropa ,  eine  äusserlich  ganz  mäuseähnliche  Form 
mit  ^  b.  Der  Streifenmaus  sehr  nahe  stehen  die  Springmäuse  (/><)>«*•), 
welche  sich  besonders  dadurch  auazeichnen,  dass  die  Hinterfüsse  stark  ver- 
längert sind,  was  besonders  von  den  Mittelfussknochen  Nr.  2 — 4  gilt, 
welche  zu  einem  einzigen  Knochen  verschmolzen  sind  (die  Zehen  1  und  5 
sind  klein  oder  fehlen);  die  Thiere  treten  nur  mit  den  Zehen  2 — 4  des 
Hinterfusaes  auf  und  springen  auf  diesen  allein  fort;  der  Schwanz  ist 
lang,  mit  einem  Haarbüschel  am  Ende;  Steppenthiere,  Südrussland.  Asien, 
Afrika. 

4.  Die  Mäusefamilie  (Muridae).  %  b  (selten  £  b,  vergl.  S.  553)  von 
sehr  verschiedenem  Bau.  Schwanz  länger  oder  kürzer,  beschuppt;  Daumen 
rudimentär.    In  der  Regel  Thiere  von  geringer  Grösse. 

a.  Die  Mäusegattung  (Mus).  Backenzähne  höckerig,  mit 
kurzer  Krone  und  mit  Wurzeln.  Schwanz  lang,  schwach  behaart.  Ohren 
ziemlich  entwickelt.  In  Deutschland:  die  Waldmaus  (M.  pylvaticus) ,  die 
Brandmaus  (M.  ngrarUus)  und  die  Zwergmaus  (M.  ininutus)\  einge- 
wandert, an  die  Wohnungen  des  Menschen  gebunden  sind:  die  Hausmaus 
(.1/.  miwulus),  die  Hausratte  (3i.  rattus),  jetzt  selten,  fast  gänzlich  von 
der  später  eingewanderten  Wanderratte  (Jf.  decumajuis)  verdrängt.  — 
Mit  den  Mäusen  verwandt  ist  der  bunt  gefärbte  Hamster  (Cricetus  fm- 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugethiere. 


555 


■ntcntariug)t  mit  Backentaschen  ond  kurzem  Schwanz;  etwas  grösser  als  eine 
Ratte;  Mitteleuropa. 

b.  Die  Wühlmäuse  (Arinocln).    Backenzähne  lang,  wurzellos, 
mit  tiefen  Furchen  an   beiden  Seiten  (Kaufläche  mit  Schmelzschlingen); 
selten  finden  sich  kurze  Wurzeln.    Schwanz  kürzer  und  mehr  behaart  als 
bei  den  Mäusen.  Ohren  kurz.  Mehr  ausschliesslich  Pflanzeufresser  (  Wurzel-, 
Rindenfresser  etc.)  als  die  echten  Mäuse.   Graben.  Folgende  Arten  kommen 
in  Deutschland  vor:  die  Röthelmaus  (A.  gbircoli),  bildet  den  Uebergang 
asti  Mus  (die  Backenzähne  mit  kurzen  Wurzeln,  etwas  längere  Ohren  und 
längerer  Schwanz  als  die  übrigen);  die  Feldmäuse  (A.  >H?rcxtis  und  annli.s); 
die  Wasserratte  (A.  ampkibins)'t  letztere  ist  von  der  Grösse  einer  Wander- 
ratte, die  übrigen  etwa  wie  eine  Hausmaus.    Nahe  verwandt  ist  der  Lern- 
niing  (Afyode*  Uimmna)  mit  sehr  kurzem  Schwanz  und  starken  Vorder- 
krallen; in  Skandinavien,  berühmt  wegen  seiner  Wanderungen.  —  Eine 
andere  mit  den  Wühlmäusen  verwandte  Form  ist  die  Bisam-  oder  Zibeth- 
ratte  (Fiber  xiltethiruft)  mit  langem,  zusammengedrücktem  Schwanz;  die 
Zehen  mit  steifen  Haaren  am  Rande.    Pelzthier  von  ziemlich  ansehnlicher 
Grösse,   im   nördlichen  Nordamerika,  erinnert  in  seiner  Lebensweise  an 
den  Biber. 

5.  Die  Stachel ratten- Gruppe  (Hystricotnotp)ta)  ist  eine  aus  zahl- 
reichen, äusserlich  sehr  verschiedenen  Nagern  bestehende  Gruppe,  welche 
besonders  in  charakteristischen  Punkten  des  Schädelbaues  übereinstimmen1). 
Backenzähne  ^,  gestreift,  mit  oder  ohne  Wurzeln. 

a.  Die  Stachelschweine  (Flysirmdae)  sind  dadurch  ausge- 
zeichnet, dass  ein  Theil  der  Haare  zu  steifen  Stacheln,  oft  von  enormer 
Stärke  und  bedeutender  Länge,  entwickelt  sind.  Thiere  von  recht  be- 
trächtlicher Grösse.  Hierzu  das  gemeine  Stachelschwein  (FJyslrix 
cristata),  in  Südenropa;  lebt  auf  der  Erde,  Schwanz  kurz.  In  Amerika 
verschiedene  kletternde  Formen,  einige  (Cercolabes)  mit  Greifschwanz. 

b.  Die  Halbhufer  (Suimnguhla).  Krallen  kurz,  hufähnlich, 
Beine  in  der  Regel  hoch,  häufig  berühren  nur  die  Zehen  die  Erde.  Anzahl 
der  Zehen  an  den  Hinterfüssen  verschieden;  Vorderfüsse  mit  vier  wohlent- 
wickelten Fingern  und  mit  Daumenwarze  oder  ohne  solche.  Schwanz  klein 
oder  fehlt.  Alle  in  Süd-  (oder  Central-)Amerika.  Hierzu  der  Paka  {Coclo- 
genys  pam)  mit  5  Zehen,  die  Goldhasen  oder  Aguti's  (Dasyprocta),  das 
gezähmte  Meerschweinchen  (Caria  cobaya),  das  Wasserschwein 
(HydrtjcJioerus  rapybara),  alle  mit  3  Zehen;  letzteres  ist  der  grösste  aller 
jetzt  lebenden  Nager  (an  den  südamerikanischen  Flüssen). 

13.  Ordnung.    Halbaffen  (Prosimme). 

Ebenso  wie  bei  den  Affen  —  mit  welchen  die  Halbaffen  früher 
vereinigt  wurden  —  ist  der  Daumen  sowohl  an  der  Hand  wie  am 
Fuss  von  den  anderen  Fingern  (Zehen)  getrennt  und  kann  diesen 
gegenübergestellt  werden.  Gewöhnlich  ist  nur  die  Zehe  Kr.  2  an 
den  Hinterfüssen  mit  einer  Kralle  versehen,  die  anderen  Zehen  und 
Finger  dagegen  mit  platteren  Nägeln.  Die  Vordergliedmaassen  sind 
kürzer  als  dieHintergliedmaassen.  Von  Zähnen  finden  sich  höchstens: 
*>  i  ct  4  Pf  4  m>  °ft  jedoch  die  Anzahl  eine  geringere.  Die 
orderzähne  im  Obermunde  sind  gewöhnlich  klein,  und  vorne  in 


)  So  ist  z.  B.  das  Unteraugenhöhlenloch  von  kolossaler  Grösse,  ebenso  wie 
auch  der  Unterkiefer  eine  ausgeprägt  eigentümliche  Form  besitzt 


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f>56 


Speoieller  Theil. 


der  Mitte  ist  in  der  Regel  ein  zahnloser  Zwischenraum  zwischen  den- 
selben vorhanden ;  im  Unterkiefer  sind  Schneide-  und  Eckzähne  ganz 
übereinstimmend,  sie  sind  schmal  und  schräg  nach  vorne  gerichtet;  der 
Eckzahn  des  Oberkiefers  hat  die  gewöhnliche  Eckzahnform ;  die  Prämo- 
laren (alle  oder  nur  die  vorderen)  sind  zusammengedrückt,  dreikantig 
(der  vorderste  im  Unterkiefer  eckzahnähnlich),  die  übrigen  Backenzähne 
spitzhöckerig  oder  mit  je  zwei  Querkämmen. 

Die  Halbaffen  sind  gewöhnlich  dicht  behaarte  Thiere,  oft  mit 
langem  Schwanz.  Das  Skelet  ist  in  manchen  Punkten  von  dem  der 
Affen  abweichend :  es  ist  z.  B.  keine  hinten  geschlossene  knöcherne 
Augenhöhle  vorhanden,  die  Augenhöhle  steht  vielmehr  wie  bei  den 
übrigen  Säugethieren  mit  der  hinter  derselben  liegenden  Schläfengrube 
in  weit  offener  Verbindung  (es  ist  jedoch,  wie  bei  verschiedenen 
anderen  Säugethieren,  ein  geschlossener  Knochenring  um  die  Augen- 
höhle vorhanden);  die  Unterkieferäste  sind  gewöhnlich  vorne  getrennt; 
die  Gesichtspartie  des  Schädels  ist  im  Vernältniss  zur  hinteren,  das 
Gehirn  umschliessenden,  Partie  grösser  als  bei  den  meisten  Affen.  — 
Der  Uterus  ist  mit  zwei  langen  Hörnern  versehen.  An  der  Brust 
findet  sich  ein  Paar  Zitzen;  zuweilen  ausserdem  ein  Paar  am  Bauch. 

Es  sind  kletternde  Thiere,  welche  sich  von  Früchten,  Insekten, 
kleinen  Wirbelthieren  ernähren;  sie  sind  gewöhnlich  nur  Nachte  in 
Bewegung.  Sie  leben  ausschliesslich  in  der  alten  Welt,  eine  ansehn- 
liche Zahl  auf  Madagascar. 

1.  Die  Maki's  oder  Fuchsaffen  (Lemur).  Schnauze  spitz,  fuchs- 
ähnlich, Schwanz  lang,  $  i,  {  r,  £  b.  Madagascar.  —  Verwandt  sind  die 
Lori's  oder  Faulaffen  (Stmop.s)  mit  kurzer  Schnauze,  grossen  Augen, 
keinem  oder  kurzem  Schwanz.  Indien. 

2.  Der  Koboldmaki  (Tnr.mis  spectrum)  ist  dadurch  ausgezeichnet, 
dass  gewisse  der  Fusswurzelknochen  (Fersenbein  und  Centrale)  ausserordent- 
lich verlängert  sind  bo  dass  der  Fuss  wie  gestielt  erscheint;  breite  weiche 
Sohlenballen  unterhalb  der  Zehenspitzen;  2.  und  3.  Zehe  mit  Kralle; 
Schwanz  lang  mit  einem  Haarbüschel  am  Ende;  Augen  von  kolossaler 
Grösse.  Nachtthiere,  springen  vorzüglich.  Auf  verschiedenen  indischen 
Inseln. 

3.  Der  Aye-Aye  (Chiromys  wadagasmrienifijs)  ist  ein  in  mehreren 
Beziehungen  eigentümlicher  Mal  baffe.  Vorne  im  Ober-  wie  im  Untermund 
findet  sich  auf  jeder  Seite  ein  grosser  wurzelloser  Zahn,  welcher  an  die 
Vorderzähne  der  Nager  erinnert;  der  im  Oberinunde  befindliche  ist  ein 
Schneidezahn,  der  des  Unterkiefers  scheint  dem  äussersten  der  drei  bei 
anderen  Halbaffen  nach  vorne  gerichteten  Zähne,  also  dem  Eckzahn,  zu  ent- 
sprechen (demnach  wird  die  Zahnformel  lauten :  ^  j  ct  4  ^)-  Hinter- 
daumen mit  Nagel,  alle  anderen  Zehen  und  Finger  mit  Krallen ;  3.  Finger 
ausnehmend  dünn  (wird  zum  Hervorholen  von  Insekten  aus  Löchern  und 
Spalten  verwendet).  Madagascar. 

14.  Ordnung.    Primaten  (Primates). 

Bei  den  Mitgliedern  dieser  Ordnung  —  den  Affen  und  dem 
Menschen  —  ist  der  Daumen  sowohl  an  Vorder-  wie  an  Hinter- 

l)  Eine  solche  Verlängerung  der  Fusswurzel  steht  innerhalb  der  Säugethiere 
fast  isolirt  da;  bei  einigen  verwandten  Halbaffen  fändet  eich  jedoch  eine  Annäherung 
an  dasselbe  Vernältniss.   (Vergl.  auch  die  Fusswurzel  der  Froschlurohe.) 


Wirbelthiere.   6.  Clame:  Saugethiere. 


r>r>7 


gliedmaassen  von  den  übrigen  Fingern  oder  Zehen  getrennt  und  freier 
beweglich  als  diese,  denen  er  gewöhnlich  mehr  oder  weniger  vollkommen 
gegenübergestellt  werden  kann,  so  dass  die  Gliedmaassen  als  Greif- 
werkzeuge fungiren  können ;  besonders  ist  der  Hinterdaumen  gewöhn- 
lich sehr  frei  und  beweglich  (mit  Ausnahme  des  Menschen).  In  der 
Regel  sind  alle  Finger  und  Zehen  mit  ziemlich  schwach  gewölbten 
Nägeln  ausgestattet.  Die  Gesichtspartie  ist  gewöhnlich  kurz  und 
klein  in  Vergleich  mit  derjenigen  anderer  Säugethiere  und  mit  der 
Schädelkapsel.  Das  Gesicht  mehr  oder  weniger  schwach  behaart.  -Die 
Augen  sind  nach  vorn  gerichtet  und  sitzen  dicht  beisammen.  Die 
Augenhöhle  ist  im  Gegensatz  zu  derjenigen  aller  anderer  Säuge- 
thiere durch  eine  knöcherne  Querscheidewand  (welche  aus  Theilen 
des  Jochbeines,  des  Stirnbeines  und  der  Flügel  des  hinteren  Keil- 
beines zusammengesetzt  ist)  von  der  hinter  ihr  liegenden  Schläfen- 
grube getrennt.  Die  Zähne  verhalten  sich  an  Zahl  und  der  Haupt- 
sache nach  auch  in  der  Form  im  Ober-  und  im  Untermunde  gleich; 
in  jeder  Kieferhälfte  finden  sich  2  meissel förmige  Schneidezähne, 
1  Eckzahn  von  gewöhnlicher  Form,  2  oder  3  Prämolaren,  und  in  der 
Kegel  3  (selten  2)  Molaren;  alle  Backenzähne  höckerig,  mit  kurzen 
Kronen.  Es  finden  sich  stets  nur  zwei,  an  der  Brust  angebrachte 
Zitzen.  —  Von  anderen  Charakteren  ist  hervorzuheben,  dass  die 
vorderen  Zungenbeinhörner  kürzer  sind  als  die  hinteren,  und  dass 
das  Zungenbein  ohne  direkte  Verbindung  mit  dem  Schädel  ist.  Der 
Uterus  ist  einfach  (ohne  Hörner). 

Die  Primaten  sind  gewöhnlich  Thiere,  welche  überwiegend  zum 
Leben  auf  den  Bäumen  eingerichtet  sind;  manche  bewegen  sich  jedoch 
auch  mit  Leichtigkeit  auf  der  Erde  auf  allen  vier  Gliedmaassen ,  in- 
dem sie  mit  der  ganzen  Hand-  und  Fussfläche  die  Erde  berühren. 
Nur  der  Mensch  ist  durch  eine  sehr  starke  Ausbildung  der  Hinter- 
gliedmaassen  etc.  zur  ausschliesslichen  Bewegung  auf  der  Erde  auf 
den  Hintergliedmaassen  allein  eingerichtet.  —  Es  sind  fast  aus- 
schliesslich tropische  Thiere,  deren  Hauptnahrung  Früchte  sind. 

Abstand  zwischen  den  äusseren 
Nasenlöchern  ziemlich  gross.  Kein 
knöcherner  äusserer  Gehörgang. 
In  der  Scheidewand  zwischen  Augen- 
höhle und  Schläfengrube  ein  kleines 
Loch.  %  p. 

Abstand  zwischen  den  Nasen- 
löchern gering.  Aensserer  Gehör- 
gang  theilweise  verknöchert.  Kein 
Loch  in  der  Scheidewand  zwischen 
Augenhöhle     und  Schläfengrube. 


Hinterdaumen  sehr 
beweglich.  Hinterglied- 
maassen nicht,  oder  nicht 
viel,  stärker  als  die  Vor- 
derglied maassen . 


Hinterdaumen  wenig 
beweglich.  Hinterglied- 
maassen ausserordent- 
lich stark  entwickelt. 


Westaffen 


Ostaffen 


Menschen 


1.  Unterordnung.   Westaffen  (Ptotyrrhinae). 

Aeussere  Nasenlöcher  durch  eine  breite  Hautbrücke  getrennt. 
Drei  Prämolaren  oben  und  unten  (Zahnformel  in  der  Regel: 
/,  j-  c,  |  p,  m).  Kein  Theil  des  äusseren  Gehörgangs  verknöchert, 
n  der  oben  erwähnten  Platte  zwischen  Augenhöhle  und  Schläfen- 
grübe  findet  sich  (im  Hinterrande  des  Jochbeins)  ein  kleines  Loch 
(d.  h.  die  Platte  ist  nicht  ganz  vollständig).    Blinddarm  verhältniss- 


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558 


Specieller  Theil. 


massig  gross.  —  Backentaschen  und  Gesässschwielen  fehlen ;  Vorder- 
gliedmaassen  in  der  Regel  etwas  kürzer  als  die  Hintergliedmaassen ; 
der  Schwanz  ist  wohlentwickelt,  zuweilen  Greifschwanz.  Ausschliess- 
lich in  Süd-  und  Centraiamerika. 

1.  Die  Rollaffen  (Cebus)  haben  einen  langen,  ringsum  behaarten 
Schwanz,  welcher  wie  eine  Uhrfeder  zusammengerollt  und  um  Aeste  ge- 
wickelt werden  kann.  —  Bei  den  Brüllaffen  (Mycete.s)  ist  der  sehr 
kräftige  Schwanz,  dessen  Spitze  an  der  Unterseite  nackt  und  empfindlich 
ist,  ein  ausgezeichnetes  Werkzeug  zum  Festhalten  (das  Thier  kann  z.  B.  am 
Schwanz  allein  hängen),  ein  echter  Greifschwanz;  der  Zungenbein- 
körper ist  gross  und  ausgehöhlt  und  nimmt  eine  Ausstülpung  des  Kehlkopfes 
auf  (brüllende  Stimme).  —  Die  Klammeraffen  (Ateks),  mit  ähnlichem 
Schwanz,  sind  dadurch  ausgezeichnet,  dass  der  Vorderdaumen  rudimentär 
ist  oder  fehlt. 

2.  Die  Krallenaffen  ^Hapak)  haben  nur  auf  dem  Hinterdaumen 
einen  platten  Nagel,  an  allen  übrigen  Zehen  und  Fingern  sind  die  Nägel 
dagegen  so  stark  zusammengebogen,  dass  sie  ganz  krallenartig  werden. 
Diese  kleine  Gruppe  ist  ferner  dadurch  von  den  übrigen  Westaffen  zu  unter- 
scheiden ,  dass  nur  £  m  vorhanden  sind.  Der  Schwanz  ist  behaart , 
kann  nicht  zusammengerollt  werden.  Der  Vorderdaumen  nur  wenig  selb- 
ständig. Die  Krallenaffen  stehen  übrigens  im  Ganzen  den  übrigen  West- 
affen nahe. 

2.  Unterordnung.    Ostaffen  (Catarrhinae). 

Aeussere  Nasenlöcher  dicht  neben  einander.  Zwei  Prämo- 
laren (Zahnformel  stets:  \  i,  \  c,  %  p,  $  m).  Innerer  Theil  des 
äusserenGehÖrgangesin  beträchtlicher  Ausdehnung  verknöchert. 
Die  Platte  zwischen  Augenhöhle  und  Schläfengrube  ohne  Durchboh- 
rung. Blinddarm  klein.  —  Backentaschen  oft,  Gesässschwielen  ge- 
wöhnlich vorhanden;  Schwanz  niemals  als  Greifschwanz  entwickelt, 
fehlt  zuweilen.   Ausschliesslich  in  der  alten  Welt. 

1.  Die  Hund s äffen  (Cynomorpluie).  Unterhalb  jedes  der  dicken, 
verbreiteten  Sitzbeinenden  l>efindet  sich  eine  unbehaarte,  gefärbte  Hautpartie, 
eine  Gesässschwiele.  Nägel  verhältnissmassig  stark  gewölbt.  Schwanz 
in  der  Regel  vorhanden.  Hintergliedmaassen  etwas  länger  als  die  Vorder- 
gliedmaassen.  Backentaschen  (eine  Ausstülpung  an  jeder  Seite)  in  der 
Regel  vorhanden.  Aeusserer  Schneidezahn  des  Unterkiefers  schmäler  als 
(oder  ebenso  breit  wie)  der  innere;  1.  Molar  des  Unterkiefers  mit  vier 
Höckern.  Der  Brust  kästen  zusammengedrückt  (wie  gewöhnlich  bei  den 
Säugethieren) ;  der  Handgriff  des  Brustbeins  breit,  der  übrige  Theil  sehr 
schmal.  Becken  lang  und  schmal,  die  Symphyse  (die  Linie,  in  welcher 
beide  Beckenhälften  unten  zusammentreten)  lang;  die  Darmbeine  lang  und 
schmal.    Das  Kreuzbein  besteht  aus  drei  Wirbeln. 

a.  Die  Meerkatzen  (Crrcopitliecw).  Schwanz  lang,  Schnauze 
kurz,  Backentaschen  vorhanden ;  mehrere  Arten  in  Afrika.  Nahe  verwandt 
ist  der  Inuus  e/vtudatus  mit  rudimentärem ,  warzenförmigem  Schwanz,  in 
Nordafrika  und  bei  Gibraltar  (der  einzige  europäische  Affe). —  Die  Pav  iane 
(Cynocephalus)  unterscheiden  sich  von  den  Meerkatzen  durch  ihre  verhält- 
nissmassig sehr  gestreckte,  hundeartige  Schnauze;  Schwanz  lang  oder  kurz, 
Backentaschen  vorhanden;  Asien,  Afrika. 

b.  Die  Schlankaffen  (Semuopilheriis)  zeichnen  sich  besonders 
dadurch  aus,  dass  die  Backentaschen  fehlen  und  dass  der  Magen  in  mehrere 


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Wirbelthiere.   6.  Claas«:  Säugethiere. 


f>59 


Abschnitte  getheilt  ist  (bei  anderen  Affen  einfach).  Hierzu  gehört  u.  a. 
der  mit  einer  stark  verlängerten  Nase  versehene  Nasenaffe  (S.  tuuticus) 
auf  Borneo.  —  Nahe  verwandt  sind  die  Stummel  äffen  (Colobus),  bei 
denen  der  Vorderdaumen  fehlt;  Afrika. 

2.  Die  Menschenaffen  oder  anthropomor  phen  Affen  (Atithro- 
ju*morj)hae).     Keine   oder  kleine  Gesässschwielen.     Nägel  bei  den 
Gibbonen   gewölbt,   bei  anderen  mehr   abgeplattet.    Behaarung  bei  den 
Gibbonen  reichlich,  bei  den  übrigen  an  gewissen  Körperstellen  spärlich. 
Schwanz  fehlt  (rudimentäre Schwanzwirbelpartie  aus  4 — 5  kleinen  Wirbeln 
bestehend).    Vordergliedraaassen  länger  als  die  Hintergliedmaassen.  Keine 
Backe  ii  taacben.    Aeusserer  Schneidezahn  des  Unterkiefers  breiter  als 
der  innere;  1.  Molar  des  Unterkiefers  mit  5  Höckern.  Der  Brustkasten 
breiter  as  bei  den  Hundsaffen,  das  Brustbein  breit  und  platt.    Das  Becken 
bat  bei  den  Gibbonen  dieselbe  Form  wie  bei  den  Hundsaffen,  bei  den  an- 
dern sind  die  Darmbeine  breiter,  die  Symphyse  verkürzt.    Das  Kreuzbein 
besteht  aus  fünf  Wirbeln.1)  —  Die  Menschenaffen  sind  ausschliesslichem 
Baumbewohner  als  die  übrigen  Ostaffen ;  sie  bewegen  sich  nicht  auf  der 
Erde  wie  gewöhnliche  Säugethiere  (und  wie  die  Ostaffen  es  ebenfalls  thun). 
sondern  sie  gehen  auf  den  Hinterfüssen,  indem  sie  sich  auf  die  Knöchel 
der  Vordergliedraaassen  stützen,  oder  sie  bewegen  Bich  in  anderer  abweichender 
Weise.    Hierzu  gehören  die  grössten  Affen. 

a.  Die  Gibbone  (Hylolxiies)  stehen  den  Hundsaffen  am  nächsten: 
sie  besitzen  kleine  Gesässschwielen,  die  Nägel  sind  stark  gewölbt,  und  das 
Becken  ist  lang  und  schmal,  dem  der  Hundsaffen  ähnlich.  Es  sind  Thiere 
mit  dichter  Behaarung  und  mit  ausserordentlich  verlängerten  Vorderglied- 
maassen ;  sie  können  auf  den  Hintergliedmaassen  allein  gehen,  indem  sie  die 
Vordergliedmaassen  schwingend  bewegen.  Kleiner  als  die  folgenden.  Mehrere 
Arten  in  Asien. 

b.  Der  Orang-Utan  (Pithecus  satyrus).  Kopf  oben  fast  kegel- 
förmig zugespitzt,  Gesichtspartie  stark  vortretend,  Nase  wie  in  das  Gesicht 
eingedrückt.  Vordergliedmaassen  sehr  lang ;  wenn  das  Thier  sich  aufrichtet, 
reichen  sie  bis  an  die  Knöchel.  Hand  und  Fuss  lang  und  schmal ;  Hinter- 
daumen ziemlich  klein.  Rothbraun.  Höhe  bis  1  '/>,  m  (das  Thier  in  auf- 
rechter Stellung  gemessen).    Sumatra  und  Borneo. 

c.  Der  Schimpanse3)  (Simin  trogtodyt&t  oder  Troglodyte*  niyer} 
und  der  Gorilla2)  (S.  od.  T.  yoriUa)  sind  in  den  meisten  Punkten  überein- 
stimmend. Die  Stirn  neigt  sich  nach  hinten,  die  Nase  ist  zwar  breit  und 
abgeplattet,  aber  doch  vorstehender  als  beim  Orang.  Die  Vordergliedmaassen 
sind  kürzer  als  bei  diesem,  die  Hand  und  der  Fuss  breiter,  der  Hinterdaumen 
gross  und  wohlentwickelt.  Beide  sind  schwarz.  Der  Gorilla  erreicht  eine 
Höhe  von  1,7  m,  der  Schimpanse  ist  etwas  kleiner.  Beide  in  den  tropischen 
Theilen  Westafrikas. 

3.  Unterordnung.   Menschen  (Anthropidae). 

In  Vergleich  mit  den  übrigen  Primaten  ist  es  für  den  Menschen 
besonders  charakteristisch,  dass  die  Hintergliedmaassen  zu  aus- 
schliesslichen Geh  w  erk zeu  gen  umgebildet  sind,  zu  Organen,  welche 
geeignet  sind,  den  übrigen  Körper  in  aufrechter  Stellung  ohne  Bei- 

')  Beim  Orang,  Schimpanse  und  Gorilla  finden  sich  unterhalb  der  Haut  grosse 
Luft  sacke,  welche  vom  Kehlkopf  ausgehen  und  sich  nach  unten  auf  Hals  und 
firuBt  erstrecken;  sie  können  aufgeblasen  und  stark  ausgedehnt  werden. 

*)  Unter  jedem  dieser  Namen  verbergen  sich  vielleicht  mehrere  naheverwandte 
Arten. 


5R0 


Specieller  Theil. 


hülfe  der  Vordergliedmaassen  zu  tragen.     Die  Hintergliedmaassen 
sind  dementsprechend  ungemein  kräftig,  weit  länger  als  die  Vorder- 
gliedmaassen und  ausserordentlich  musculös.  Der  Hinterdaumen 
ist  nur  wenig  mehr  von  den  übrigen  Zehen  entfernt1)  als  diese  von 
einander,  besitzt  nur  eine  geringe  selbständige  Beweglichkeit  und*  kann 
den  übrigen  nicht  entgegengestellt  werden;  er  ist  ein  wenig  länger 
oder  von  derselben  Länge  wie  die  Zehe  Nr.  2,   oder  sehr  wenig 
kürzer  (bei  anderen  Primaten  weit  kürzer);  die  anderen  vier  Zehen 
sind  kurz,  der  Mittelfuss  lang.    Das  Becken  ist  sehr  kurz  und  breit, 
besonders  sind  die  Darmbeine  sehr  kurz,  breit  und  ausgehöhlt;  die 
Symphyse  ist  kurz.    Die  Vordergliedmaassen,  welche  sich  in  ihrem 
Bau  eng  an  die  der  Menschenaffen  anschliessen,  sind  verhältnissmässig 
schwächer  als  bei  diesen;  es  sind  vorzüglich  ausgebildete  Greifwerk- 
zeuge etc.,  welche  aber  bei  den  gewöhnlichen  Bewegungsarten  ohne 
Bedeutung  sind.  Charakteristisch  ist  auch  die  ausserordentliche  Ent- 
wicklung des  Gehirn 8*),  was  für  den  Schädel  ein  im  Vergleich 
mit  anderen  Säugethieren  abnormes  Uebergewicht  der  Schädelkapsel 
über  die  beim  Menschen  sehr  schwach  entwickelte  Gesichtspartie  zur 
Folge  hat;  in  seinem  Bau  steht  das  Gehirn  übrigens,  sogar  in  ganz 
speciellen  Verhältnissen,  dem  der  Menschenaffen  sehr  nahe.  Als 
Eigentümlichkeiten  sind  ferner  die  sehr  schwache  Behaarung  des 
grössten  Theiles  des  Körpers  hervorzuheben,  sodann  die  Kleinheit  des 
Eckzahns  und,  was  hiermit  eng  zusammenhängt,  der  Mangel  eines 
grösseren  Abstandes  zwischen  dem  äusseren  Schneidezahn  und  dem 
Eckzahn  des  Obermundes  als  zwischen  den  übrigen  Zähnen  unter 
einander  (bei  anderen  Primaten  greift  der  Eckzahn  des  Unterkiefers 
in  diese  Spalte ,  das  Diastema,  hinein) ;  endlich  ist  anzuführen ,  dass 
der  Brustkasten  noch  breiter  und  stärker  abgeplattet  ist  als  bei  den 
Menschenaffen. 

Uebrigens  stimmt  der  Mensch  in  allen  Hauptpunkten  seines  Baues 
mit  den  Ostaffen ,  besonders  mit  den  Menschenaffen  überein.  Den 
Ostaffen  im  Allgemeinen  schliesst  er  sich  in  allen  denjenigen 
Charakteren  an,  durch  welche  letztere  sich  von  den  Westaffen  unter- 
scheiden: in  der  Stellung  der  Nasenlöcher,  der  Anzahl  der  Prämo- 
laren (die  Zahnformel  des  Menschen  ist  mit  derjenigen  der  Ostaffen  iden- 
tisch), dem  knöchernen  äusseren  Gehörgang,  dem  Fehlen  einer  Oeffnung 
in  der  Platte  zwischen  Augenhöhle  und  Schläfengrube,  dem  kleinen 
Blinddarm  etc.  Speciell  mit  den  Menschenaffen,  besonders  den 
grösseren  (Orang,  Schimpanse,  Gorilla)  stimmt  er  in  Folgendem  über- 
ein: Gesässschwielen,  Backentnschen  und  Schwanz  fehlen;  es  ist  die- 
selbe rudimentäre  (aus  4—5  Wirbeln  zusammengesetzte)  Schwanz- 
wirbelpartie vorhanden;  die  Nägel  sind  abgeplattet;  aer  äussere 
Schneidezahn  des  Unterkiefers  ist  breiter  als  der  innere:  der  1.  Molar 
im  Unterkiefer  mit  5  Höckern:  der  Brustkasten  breit,  das  Brustbein 

')  Der  Abstand  ist  jedoch  deutlich  grösser  und  die  Spalte  zwischen  dem 
Daumen  und  der  zweiten  Zehe  tiefer  als  zwischen  den  übrigen  Zehen,  übrigens 
grösser  und  deutlicher  bei  Embryonen  und  kleinen  Kindern  als  bei  Erwachsenen. 

ä)  Der  Mensch  hat  übrigens  keineswegs  das  grösste  Gehirn  im  Verhältniss 
zum  ganzen  Gewicht  des  Körpers;  sogar  innerhalb  der  Primaten  finden  wir  bei 
kleinen  Formen  ein  verhältnissmassig  grösseres  Gehirn  (bei  einem  Krallenaffen 
betrug  z.  ß.  das  Gehirngewicht  im  Verhältniss  zum  ganzen  Körper  1:20,  beim 
Menschen  beträgt  es  durchschnittlich  ungefähr  1 : 40).  Dagegen  ist  das  Gehirn  des 
Menschen  weit  grösser  als  bei  irgend  einem  anderen  Thier  von  ähnlicher  Grösse 
(das  Gehirn  des  Gorillas  beträgt  im  Verhältniss  zum  Körpergewicht  1  :  200). 


Wirbelthiere.   6.  Clawie:  Säugethiere. 


r>61 


breit  und  abgeplattet;  dem  breiten  Becken  des  Menschen  nähert 
sich  in  der  Form  dasjenige  der  grossen  Menschenaffen:  das  Kreuz- 
bein besteht  sowohl  beim  Menschen  wie  bei  den  Menschenaffen  aus 
5  "Wirbeln.    Die  genannten  Aehnlichkeiten  Hessen  sich  noch  dnrch 
zahlreiche  andere  vermehren.     Ueberhaupt  steht  der  Mensch  den 
anthropomorphen  Affen  ausserordentlich  nahe;  die  Unterschiede  sind 
fast  alle  solche,  welche  aus  der  Anpassung  des  Menschen  an  den 
aufrechten  Gang,  aus  der  starken  Entwicklung  des  Gehirns  und  aus 
der  grösseren  Schwäche  gewisser  Theile  der  Muskulatur,  z.  B.  der 
Kiefermuskeln,    abgeleitet  werden   können.    Die  innige  Ueberein- 
stimmung  kann  für  eine  oberflächliche  Betrachtung  an  einzelnen 
Punkten  durch  untergeordnete  Momente  verschleiert  werden;  so  scheint 
z.  B.  der  Schädel  des  Gorillas  —  welcher  von  allen  anthropomorphen 
Affen  derjenige  sein  dürfte,  der  mit  dem  Menschen  die  grösste  Ueber- 
einstimmung  darbietet  —  beim  ersten  Anblick  von  demjenigen  des 
Menschen  sehr  verschieden ,  z.  B.   durch  das  Vorhandensein  von 
vorspringenden  Knochenkämmen,  welche  am  menschlichen  Schädel 
fehlen;  die  Ausbildung  dieser  Kämme  steht  aber  in  geradem  Ver- 
hültniss  zu  der  starken  Entwicklung  der  Kiefer-  und  Nackenmusku- 
latur 1),  und  eine  sorgfaltige ,  tiefer  gehende  Betrachtung  ergiebt 
in   Wirklichkeit   die    innigste   Uebereinstimmung   in   den  meisten 
Punkten. 

Alle  Menschen  werden  gewohnheitsmässig  unter  einer  Art.  Homo 
sapiens,  zusammengefasst ,  welche  in  eine  Anzahl  Rassen  getheilt  wird. 
Letztere  sind  übrigens  unter  einander  z.  Th.  ebenso  verschieden  wie  nahe- 
stehende Arten  innerhalb  mancher  anderen  Thiergruppen ;  wenn  sie  zu 
einer  Art  zusammengefasst  werden,  so  geschieht  das  besonders  wegen  der 
Leichtigkeit,  mit  der  sie  in  der  Regel  Bastarde  bilden  (vergl.  8.  58). 
Die  Eintheilung  der  Menschen  in  Rassen  ist  übrigens  in  manchen  Punkten 
aus  derselben  Ursache  schwierig,  indem  in  grossem  Umfange  Bastardirungen 
stattgefunden  haben.  Die  nähere  Darstellung  der  Menschenrassen  ist  aber 
die  Aufgabe  einer  speciellen  Wissenschaft,  der  Völkerkunde  oder  Ethnologie, 
auf  deren  Gebiet  wir  uns  hier  nicht  begeben  können.  Hier  ist  nur  noch 
hervorzuheben,  dass  gewisse  Menschenrassen  den  anthropomorphen  Affen  näher 
stehen  als  andere ,  wenn  auch  die  Annäherung  im  Ganzen  nicht  besonders 
gross  ist.  Die  Negerrasse  ist  z.  B.  ausgezeichnet  durch  breite,  platte 
Nase,  vorspringendere  (stärker  entwickelte)  Gesichtspartie,  grosse  Zähne, 
schräg  gestellte  Schneidezähne,  zurückgezogenes  Kinn,  schmäleren  und  längeren 
Brustkasten,  schmäleres  und  tieferes  Becken,  längere  Zehen  —  Charaktere, 
welche  sämmtlich  auf  die  anthropomorphen  Affen  zurückweisen. 


Anhang  zu  den  Wirbelthieren. 

Mantelthiere  (Tunkata). 

Die  Mantelthiere  sind  eine  kleinere  Abtheilung  von  Meeres- 
thieren,  welche  früher  allgemein  den  Wcichthieren  zugerechnet  oder 
mit  anderen  Gruppen  von  wirbellosen  Thieren  zusammengestellt  wurde ; 


•)  Aach  anter  anderen  einander  nahestehenden  Säugrethieren  können  solche 
Kämme  bei  einer  Form  vorhanden  sein,  bei  einer  anderen  fehlen  (Dachs  —  Marder). 

Bdh,  Zoologi*.  36 


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562 


Specieller  Theil. 


erst  in  neuerer  Zeit  ist  man  sich  darüber  klar  geworden,  dass  sie  am 
nächsten  mit  den  Wirbel thieren  verwandt  sind,  wie  dies  besonders 
aus  der  Entwicklungsgeschichte  mit  aller  Klarheit  hervorgeht.  Be- 
sonders hat  es  sich  ergeben,  dass  sie  —  wenigstens  in  der  Jugend  — 
mit  den  Wirbelthieren  in  dem  Besitz  einer  Chorda  und  in  der 
Lagerung  des  centralen  Nervensystems  übereinstimmen,  also  in 
Charakteren  fundamentalster  Natur.  Wenn  wir  sie  aber  trotzdem 
nicht  einfach  dem  Wirbelthier-Typus  einverleiben,  sondern  als  An- 
hang zu  den  Wirbelthieren  behandeln,  so  geschieht  das,  weil  die 
Hauptmasse  der  Mantelthiere  sich  derartig  eigentümlich  entwickelt 
hat,  dass  die  Wirbelthier-Charaktere  bei  den  Erwachsenen  gänz- 
lich verwischt  sind  und  ein  ganz  fremdes  Gepräge  denselben  auf- 
gedrückt ist ,  weshalb  es  bequemer  erscheint,  sie  gesondert  zu  be- 
handeln. 

Es  kann  hier  noch  hervorgehoben  werden,  dass  die  Mantelthiere  ebenso 
wenig  wie  die  echten  Wirbelthiere  nähere  Beziehungen  zu  irgend  einer  Ab- 
theilung wirbelloser  Thiere  darbieten. 

Eine  Einsicht  in  den  Bau  dieser  Gruppe  werden  wir  am  besten 
erreichen,  wenn  wir  verschiedene  der  zu  derselben  gehörigen  kleineren 
Abtheilungen  jede  für  sich  betrachten.  Von  allgemeinen  Charakteren 
können  jedoch  folgende  hervorgehoben  werden:  Das  Skelet  ist 
höchstens  durch  die  Chorda  repräsentirt,  das  Nervensystem  ist 
schwach  entwickelt,  ebenso  die  Sinnesorgane.  Die  Mantelthiere 
sind  Zwitter;  Eierstöcke  und  Hoden  setzen  sich  direkt  in  die  Aus- 
führungsgänge fort.  Bei  manchen  findet  eine  Fortpflanzung  durch 
Sprossung  statt. 

Den  einfachsten  und  am  leichtesten  verständlichen  Bau  besitzen 
die  Appendieularieu ,  wasserhelle,  im  Meere  umherschwimmende 
Thiercnen,  welche  mit  kleinen  Froschlarven  eine  gewisse  Aehnlichkeit 


Fig.  877.  A  Schema  einer  Appen dicularie,  von  der  Seite  gesehen,  gerade  gestreckt. 
B  Do.  einer  A  Bei  dien- Larve,  u  After,  c/i  Chorda,  g  Kiemenhohlc,  m  Mund,  tt  Gehirn, 
«'  Nervenstrang,  /  Darm.  —  Orig. 

darbieten.  Der  Körper  zerfällt  in  einen  rundlichen  Rumpf  und 
einen  abgeplatteten  Schwanz,  welcher  gegen  die  Unterseite  des 
Rumpfes  zurückgeschlagen  ist.  Die  Wand  der  geräumigen  Mundhöhle 
ist  an  jeder  Seite  von  einer  bewimperten  Oeffnung,  der  Kieme n- 
öffnung,   durchbrochen,   welche  an  der  Oberfläche  mündet;  dir 


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Wirbelthiere.   Anhang:  Mantelthiere. 


563 


übrige  Darmkanal  ist  kurz,  der  After  befindet  sich  auf  der  Unterseite 
des  Körpers.  Die  Chorda  ist  nur  im  Schwanz  vorhanden,  hier  aber 
ansehnlich  entwickelt.  Das  Central  nervensystem  ist  durch  einen 
Strang  repräsentirt ,  welcher  oberhalb  der  Mundhöhle  zu  eiuem 
grösseren  Knoten  (dem  Gehirn)  angeschwollen  und  auch  in  seinem 
weiteren  Verlaufe  mit  kleineren  Anschwellungen  versehen  ist;  er  setzt 
sich  durch  den  Schwanz  an  der  linken  Seite  der  Chorda  fort,  in- 
dem der  plattgedrückte  Schwanz  eigentlich  als  ein  seitlich  zusammen- 
gedrückter Schwanz  aufzufassen  ist,  welcher  an  der  Basis  90°  um 
seine  Axe  gedreht  ist.  Das  einfache  Herz  liegt  unterhalb  des 
Darmkanals.  Eine  Hörblase  ist  vorhanden,  dagegen  fehlen 
Augen. 

Einen  scheinbar  ganz  anderen  Bau  be- 
sitzen die  einfachen  (d.  h.  nicht-colonie- 
bildenden)  Ascidlen  (Gatt.  Ascidia  u.  a.).  Es 
sind  tonnenförmige,  rundliche  oder  anders  ge- 
staltete, häufig  gallertige  Thiere,  welche  stets 
mit  dem  einen  Ende  oder  der  einen  Seite  des 
Körpers  festsitzen.  An  dem  freien  Ende  be- 
merkt man  zwei  Oeffnungen;  davon  führt  die 
eine,  die  Mundöffnung,  in  eine  ausserordent- 
lich geräumige ,  auch  als  K  i  e  m  e  n  s  a  c  k  be- 
zeichnete Mundhöhle,  deren  Wand  von  zahl- 
reichen bewimperten  Oeffnungen  durchbrochen 
ist ;  diese  führen  nicht  direct  nach  der  Körper- 
oberfiäche,  sondern  in  einen  grossen,  den  Kiemen- 
sack umgebebenden Hohlraum,  den Peribran- 
chialraum,  welcher  durch  die  zweite  der 
Oeffnungen  am  Ende  des  Thieres,  die  K 1  o  a  k  e  n- 
öffnung,  mit  der  Aussenwelt  in  Verbindung 
steht.  Längs  der  Bauchseite  ist  der  Kiemen- 
sack in  einem  Längsstreifen  mit  der  Aussen- 
wand  des  Peribranchialraumes  verwachsen,  und 
hier  findet  sich  im  Kiemensack  eine  Längsfurche, 
die  Bauchfurche  oder  derEndostyl,  mit 
grossen,  schleimabsondernden  Zellen  und  Wim- 
perzellen ;  längs  der  entgegengesetzten  Seite  ver- 
läuft eine  oft  mit  mehreren  Zipfeln  versehene 
Rücken  leiste,  welche  vorne  mit  dem  Eiulostyl 
durch  einen  Wimperbogen  auf  jeder  Seite  des 
Kiemensackes  verbunden  ist.  Die  Mundhöhle 
geht  hinten  in  den  ziemlich  kurzen  Darmka- 
nal über,  welcher  schlingenförmig  gebogen  ist 
und  in  den  Peribranchialraum  ausmündet.  Das 
Herz  liegt  unterhalb  des  Darmkanals;  merk- 
würdigerweise strömt  das  Blut  abwechselnd  in 
einer  und  in  der  umgekehrten  Richtung  durch 
dasselbe.  Die  Blutkörperchen  sind  alle  amöboid,  farblos.  Das  Central- 
nervensystem  ist  auf  einen  Nervenknoten  reducirt,  welcher  seinen 
Platz  zwischen  der  Mund-  und  der  Kloakenöffnung  hat.  Die  Ge- 
schlechtsorgane (ein  Eierstock  und  ein  Hoden)  münden  in  der 
Nähe  des  Afters  in  den  Peribranchialraum.    Der  Körper  ist  äusserlich 

3tf* 


Fig.  877.  Schematischer 
Längsschnitt  einer  A  s  c  i  d  i  e  ; 
der  Schnitt  ist  nicht  ganz 
median,  sondern  etwas  seit- 
lich, a  After,  cl  Kloaken- 
Öffnung,  g  Kiemensack,  g 
Oeffnungen  in  der  Wand  des- 
selben, m  Mund,  «  Nerven- 
knoten, p  Peribranchialhöhle, 
t  Darm.  B  Bauch-,  ÄRücken- 
—  Orig. 


564 


Specieller  Theil. 


mit  einer  dicken  gallertigen  oder  lederartigen  Schicht  (dem  „M  a  n  t  e  ltt), 
einem  Product  der  Oberhaut,  bekleidet. 

Der  Unterschied  zwischen  den  Appendicularien  und  den  erwach- 
senen Ascidien  ist  somit  sehr  gross.  Betrachtet  man  aber  die  Larven 
der  Ascidien  und  vorgleicht  dieselben  mit  den  Appendicularien, 
dann  wird  das  Verhältniss  ein  anderes;  man  findet  dann  eine  nahe 
*  Uebereinstimmung  in  fast  allen  Punkten.  Die  Ascidien-Larven  sind 
in  noch  höherem  Grade  als  die  Appendicularien  froschl arvenähnlich ; 
sie  haben  einen  rundlichen  Rumpf  und  einen  langen  zusammenge- 
drückten Schwanz  mit  einer  Chorda,  welche  sich  auch  ein  wenig  in 
den  Rumpf  hinein  erstreckt;  oberhalb  der  Chorda  liegt  das  Centrai- 
nervensystem, welches  sich  nach  hinten  durch  den  ganzen  Schwanz 
erstreckt  und  vorne  eine  Anschwellung  (das  Gehirn)  besitzt;  mit  der 
Anschwellung  ist  ein  Auge  und  ein  als  Gehörwerkzeug  angesehenes 
Organ  verbunden ,  beide  liegen  merkwürdigerweise  in  der  Höhlung 
des  Gehirns  und  sind  besonders  entwickelte  Theile  der  Wandung  des- 
selben ;  ein  Peribranchialraum  ist  noch  nicht  vorhanden,  dagegen  finden 
sich  zwei  einfache  Kiemenöffnungen,  welche  von  der  Mund- 
höhle nach  der  Oberfläche  gehen.  Wie  man  hieraus  ersieht,  besteht 
eine  sehr  grosse  Uebereinstimmung  zwischen  dieser  Larvenform  und 
den  Appendicularien ;  bald  setzt  sich  aber  die  Larve  fest,  der  Schwanz 
schwindet  und  mit  ihr  die  Chorda,  die  Sinnesorgane  bilden  sich 
zurück,  etc.,  und  die  Larve  nimmt  allmählich  die  sehr  abweichende 
Gestalt  der  erwachsenen  Ascidie  an. 

Es  ist  leicht  zu  erkennen,  wie  genau  der  Bauplan  dieser  Larvenform 
an  den  der  Wirbelthiere  sich  an sch liegst  (gegenseitige  Lage  des  Nerven- 
systems, der  Chorda  und  des  Barmkanals) ;  der  Anschluss  ist  noch  leichter 
als  für  die  erwachsenen  Appendicularien  zu  erkennen,  deren  Schwanzdrehung 
etc.  die  Uebereinstimmung  etwas  verschleiert.  Es  ist  noch  hervorzuheben, 
dasa  die  Chorda  sich  ganz  in  derselben  Weise  wie  bei  den  echten  Wirbel- 
thieren  bildet. 

Einige  Ascidien  bilden  C  o  1  o  n  i  e  n ,  indem  sie  fadenförmige  Aus- 
läufer treiben,  aus  welchen  neue  Individuen  emporwachsen:  sociale 
Ascidien;  die  Individuen  sind  im  Uebrigen  von  einander  fast  un- 
abhängig. Bei  anderen  coloniebildenden  Formen,  den  zusammen- 
gesetzten Ascidien  (Ascidine  compottitae),  ist  die  Verbindung  der 
Individuen  inniger ;  die  Colonien  bilden  hier  weiche  schwammähnliche, 
festsitzende  Massen,  in  denen  die  Individuen  gewöhnlich  in  (oft  stern- 
förmigen) Gruppen  geordnet  sind;  die  Individuen  jeder  Gruppe  haben 
eine  gemeinsame  Kloakenöffnung,  jedes  Individuum  hat  aber  seine 
eigene  Mundöffnung.  —  Hieran  scbliessen  sich  auch  die  pelagischen. 
freischwimmenden,  leuchtenden  Feuerwalzen  {Pyrosoma).  Die 
Pyrosoma  -  Colonien  haben  die  Form  eines  an  einem  Ende  offenen, 
an  dem  andern  Ende  geschlossenen,  dickwandigen  Rohres,  dessen 
Wand  von  den  kleinen,  dicht  neben  einander  sitzenden  Thieren  ge- 
bildet wird;  letztere  haben  die  Mundöffnung  an  der  Oberfläche  des 
Rohres,  die  Kloakenöffnung  an  ihrem  entgegengesetzten  Ende,  an 
der  inneren  Seite  des  Rohres ;  das  Wasser,  welches  durch  den  Mund 
aufgenommen  wird,  gelangt  somit  in  den  Hohlraum  des  Rohres  hinein 
und  für  alle  Individuen  gesammelt  durch  das  offene  Ende  desselben 
hinaus ;  durch  das  ausströmende  Wasser  wird  die  Colonie  mit  dem  ge- 
schlossenen Ende  voran  fortgetrieben. 

Eine  merkwürdige  Modifikation  des  Ascidien-Typus  stellen  die 


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Wirbelthiere.   Anhang:  Mantelthicro. 


565 


ebenfalls  frei  schwimmenden  Salpen  (Salpa)  dar.  Auch  hei  ihnen 
sitzen  Mund-  und  Kloakenöffnung  fast  an  entgegengesetzten  Enden  des 
Körpers.  Der  Kiemensack  ist  aber  hier  stark  rückgebildet,  indem 
seine  seitlichen  Theile  fehlen,  so  dass  —  ausser  dem  festgewachsenen 
Bauchstreifen  mit  dem  Endostyl  —  nur  seine  Rückenpartie  als  ein 
in  der  vereinigten  Kiemen-  und  Peribranchialhöhle  ausgespannter 
Balken  übrig  bleibt.  Die  Eingeweidemasse  ist  im  Verhältniss  zum 
ganzen  Thier  von  unbedeutendem  Umfang,  die  genannte  Höhle  füllt 
weitaus  den  grössten  Theil  des  Thieres  aus  (auch  bei  den  meisten 
anderen  Mantelthieren  nimmt  übrigens  die  Kiemenhöhle  den  grösseren 
Theil  des  Körpers  ein).  In  der  durchsichtigen  Wand  des  Thieres 
sieht  man  schöne  ringförmige  Muskelbänder,  durch  deren  Contractionen 
das  Wasser  durch  den  Körner  getrieben  wird;  sie  entsprechen  einer 
zusammenhängenden  Muskelschicht,  welche  bei  den  Ascidien  in  der 
Leibeswand  vorhanden  ist.  —  Die  Salpen  sind  aber  nicht  allein  durch 
ihren  Bau  merkwürdig,  sondern  auch  dadurch,  dass  sie  ein  Beispiel 
eines  regelmässigen  Generationswechsels  darbieten.  Man  findet 
von  Salpen  theils  solitäre,  ungeschlechtliche  Individuen, 
theils  kettenförmige  Colonien,  welche  aus  einer  grösseren  oder 
kleineren  Anzahl  von  ziemlich  locker  verbundenen  geschlecht- 
lichen Individuen  zusammengesetzt  sind.  Die  erstgenannten  erzeugen 
die  Ketten  durch  Sprossung;  die  Kette  bleibt,  bis  sie  eine  gewisse 
Entwicklung  erreicht  hat,  in  einer  Höhlung  in  der  Körperwand  der 
solitiire n  Salpe  liegen,  reisst  dann  los  und  schwimmt  selbständig  um- 
her. Die  solitären  und  die  Ketten-Inviduen  sind  mehr  oder  weniger 
von  einander  verschieden.  Die  Individuen  der  Salpenketten  sind 
ferner  dadurch  merkwürdig,  dass  sie  zuerst  Eier  erzeugen,  welche 
durch  Samen  von  einer  anderen  Salpenkette  befruchtet  werden,  während 
sie  später  selbst  Samen  produciren ;  jedes  Individuum  erzeugt  ge- 
wöhnlich nur  ein  einziges  Ei,  welches  seine  Entwicklung  im  mütter- 
lichen Körper  durchläuft. 

Von  den  oben  genannten  Formen  sind  verschiedene  Arten  von  ein- 
fachen Ascidien  in  der  Nordsee  (und  anderen  europäischen  Meeren) 
allgemein  verbreitet;  sie  sitzen  auf  Tang,  an  Steinen,  Pfählen  etc.  fest. 
Auch  von  zusammengesetzten  Ascidien  und  von  Appendiou- 
larien  kommen  in  den  nördlichen  Meeren  Arten  vor.  Pyrosomen  und 
Salpen  sind  dagegen  mehr  pelagische  Thiere ,  welche  in  den  grossen 
"Weltmeeren  so  wie  auch  schon  im  Mittelmeer  leben.  —  Alle  Mantelthiere 
ernähren  sich  von  mikroskopischen  Organismen,  welche  mit  dem  Wasser 
in  die  Kiemenhöhle  hineingelangen. 


Register. 

(Sachregister  de»  Allgemeinen,  Namenregister  des  Specicllon  Theils.) 


Aal,  -familie .... 

Aalmutter  

Aasgeier  

Aaskäfer  

Abramis  

Abstammungslehre  . 

Acalephae  

Acanthia  

Acanthias  ... 
Acanthocephali  .    .  . 

Acarina  

Accipenser     .    .    .  . 

Accipitre*  

Acephala  

Acerina  

Achtarmige  Korallen- 

thiere  

Acridium  

Actinien  

Adler  

Aega  ...... 

Aeluroidea    .    .    .  . 

Aeolidien  

Aeolis  

Aesculapnatter  .  .  . 
Aethiopucbe  Region  . 

After  

Afterscorpione  .  .  . 
Afterspinnen  .... 

Agonus  

Agrion  

Agrotis  

Aguti's  

Ahiuda,  -idoe    .    .  . 

Albatross  

Alca,  -idae  .... 
Alcedo,  -inidae  .  .  . 
Aloippe  .  .  .  .  . 
Alcyonella  .... 
Alcyoniutn  .... 
Alk,  -enfamilie  .    .  . 

Alligator  

Alpenlerche  .... 


Seit«  | 

404  ,  Alpensalarounder 
407  Alpensegler 
481  Altinarcs  . 
278  Alytes  .  . 

404  Amblystoina 
61  Ameisen 

121  Ameisenbär 
272  Ameisenbeutler 
399  I  Ameisenfresser 
171  Ameisenigel  . 
800  Ameisenlöwen 
401  Amia    .  . 
480  Ammern  . 
328  Ammocoetes 

405  Ammodytes 
!  Ammoniten 

109  i  Amoeba 
Amöbe  .  . 
Ampel  is 


2H4 
114 
480 
224 


Aiunhibia 


Auiphilina 
539  |  Amphioxus 
320  I  Ampbipnous 
320 1  Amphipoda, 
442  Amphisbaena 
77  Ampbiuma 
23  Amsel  .  . 
299  Anabas  .  . 
299  Analogie 
406  I  Anarrhiehas 


Anas     .  . 
Anatinae  . 
Anchitberium 
Anchovis  . 
Anelasma  . 


291 
555 
484 
475 

476 !  Anguilla 
485 
215 
190 


Anguillulii 
Anguillulinen 
Anguis  .  . 
HO  Annelida  . 
476 ,  Anobium  . 
445  i  Anodontn  . 
484  Anoplotherien 


en 


Seite 

,   421  Anser,  -i 

485  Antedon 

478  ,  Anthozoa  . 

424  Anthropidae 
.   422  |  Anthropomorphac 
,   285  Anthus  .  . 

550 ;  Antilopen  . 
,  520  Antilopinac 
.   550 !  Antimeren 

518  i  Annra  .  . 

274  Anus    .  . 
.   401 ,  Aphaniptera 

483  Aphidae  . 

398  Aphis   .  . 

405  Aphodius  . 

338  Aphrodite  . 
94  Aphrophora 
3,  94  Apbysostomi,  -en 

482  Apiariae 

4')8  Apis  .  . 

157  •  Aplacentale  Sauge 

369'    tbiere  . 

391 1  Aplysia 

226 !  Aporrbais  . 

441 1  Appendicularien 

422 !  Apseudes  . 

482 ;  Apteryx  . 

405 ,  Aptychus  . 
62  Apus    .  . 

407  j  Aquila,  -idae 

477  Arachnida 

477  Araneina  . 

527  Arcbaeopteryx 

403  Architeuthus 
215  Arctoidea  . 

404  Arctomys  . 
171  Ardea  .  . 
170  Arenicola  . 
440  Argali  .  . 
173  i  Argonauta . 
282  '  Argyroneta 
331  Armadillidiuui 
529: 


478 
138 
107 
559 
559 


42 
423 

33 
294 
2«9 
270 
280 
181 
269 
404 
287 


517 

390 

319 

5tfi 

225 

478 

339 

203 

480 

295 

299 

471 


554 
478 
181 


407 


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Regster. 


Seite 

Helte 

Armfussler 

190 

Baumleguanc    .    .  . 

440 

Art  ...... 

66 

ßdelloatoma  .... 

398 

Artemia  .... 

202 

Becherzellen  .... 

8 

Arterielles  Blut  .  . 

29 

Befruchtung  .... 

87 

Arterien  .... 

26 

Bekkasaine  .... 

479 

Arthrogastra  .  . 

298 

Belemnitca    .    .    334,  339 

Arthropod»   .    .    .  , 

192 

Beliiuirus 

207 

Artiodaetvla  . 

527 

Hol  fifinn 

445 

Arvicola  

555 

Rplonp 

404 

Ascalabotae  . 

441 

Bergfink   

483 

Ascaris  

167 

Bertrhiinflini? 
Bernhardinerkrebs 

483 

Ascidia,  -en  .   .    .  . 

563 

236 

Ascidiae  comnositac  . 

564 

Berod 

I»Pt  t  W  Jl  11/ P 

124 

Asellus   

224 

272 

Asnidiütus 

272 

Hpiitplilachsp 

521 

Astacus  

234 

Hpntpl  m:ir<l*>r 

520 

Asterida  

136 

Beutel  ritt  ton    -( Brunne 

520 

Asteroiden,  -den 

138 

Beutelthiere 

519 

Astenosoina           ,  . 

145 

Beutelwolf 

520 

Astronhyton  . 
Astur,  -idae  .   .    .  . 

141 

Bezoarziei/e  . 

532 

480 

Biber   

554 

Astavismus  . 

40 

Bienen 

287 

•\telc8 

558 

Ripnpnfrr>H*ii*r 

485 

Athene  ...... 

481 

Hu'Ii  t'TlI.'ins 

j_* n        ii  ittUki        n       •      •  • 

294 

Athmungsorgane 

27 

RiessfliPppn 

293 

Aucbenia  

531 

Bilateral 

42 

Auerhahn  

474 

RintleiTP  webe 

9 

Auerochs  

533 

Bio  lotr  io 

62 

Aiigenblase  . 
\  ulastornum  . 

21 

Hirkpu7oisi 

483 

186 

Hmamoi'lme 

532 

Aurclni  •        *    •    *  • 

123 

XJ 10  i\ Uli  II  HL          «        .  * 

555 

Auster  

330 

Himimrim**K»r 

522 

Austern  tisc  her 

479 

\\ isf*liir 

401 

Australische  Reeion  . 

77 

Bison                      •  . 

533 

Australischer  Bar  . 

521 

Hi  t  Ii  v  niü 

^yii  Ii  t  ijim  ..... 

319 

Ares   

450 

Bitterling 

404 

Axencvlinder . 

12 

R 1  AH  A  flfl  U  H 1  Ip  n 

X  t  IditLUU  U  11  1  1  V  II           •          •  » 

119 

Axolotl  .  • 

422 

BluRpiirohh«» 

543 

Ave-Ave    .            .  . 

556 

Blase nsch necke 

320 

Bachmücken 

292 

Kl;mtOT)hii(rM 

XJ  IrtoLV  L/itllLlca     •         ♦         *  • 

25H 

Bacbstelzen    .    ,    .  . 

482 

Blaatuia   

45  i 

Bacillus  

265 

Blatta  .  .... 

2H4 

Badeschwamm   .  . 

126 

BlattfüBaler  .... 

202 

Bär  

Barenfaniilie  .    .    .  . 

539 

Bhitt  burnkafer  . 

279 

539 

Blattkater  .... 

281  1 

Bärenkrebse  .    .    .  . 

235 

Bliittkrebse 

X  J  1  II  Iii.  IV  1  V  ^'iS  V           •           •           •  • 

235 

303 

Blattlaii«l()\veii 

275 

Haianus,  -idae        .  . 

216 

Ml;it tlauip  . 

Ulli  t  lllWUBV     •         *         •        *  • 

269 ! 

Balaeoa  

548 

Rliltt  WPHDPIl 

284 

Balaenidae    .   .   .  . 

547 

Blauhai  

399 

Balaenuptera,  -idae  . 

547 

Blaukehlchcn     .    .  . 

482 

Balantidium  .    .  . 

99 

Blaumeise  .... 

482 

Balkensehroter  . 

280 

Blaurake   

485 

Bandwürmer         .  . 

155 

Blauwal  

547 

Bankiva-liubn  . 

474 

Blindschleiche   .   .  . 

440 

Barbe  

404 

Blut  

Blutgefäss,  -körperchen 

26 

Burbus  

404 

25 

Baribal  

639 

Bluthanfling  .... 

483 

Barramunda  .    .   .  . 

402 

Boa  

442 

Barschfamilie     .  . 

406 

Bockkäfer  

281 

Barten  wale   .   .    .  . 

647 

Bodo  

100 

Basoromatophora   .  . 

32*2 

Bobrassel  

224 

Bastard  

58 

Bohrmuschel  .... 

331 

Bauchseite    .   .    .  . 

43 

Bohrachwamra  ,    .  . 

126 

Baumläufer   .    .    .  . 

484 

Bombinator  .... 

424 

Bombus . 
Borabyx,  -cidae 
Bonellia  . 
Bopyrus,  -en 
Boreua  .  . 
Borkenkäfer 
Borate  .  . 
Borstenwürmer 
Boa  .  . 
Botaurus 
Bothriocephalus 
Bovinae 
Brachiella 
Bracbiopoda, 
Brachvogel 
Brachyura 
Bradypus,  -odidae 
Branchiobdell 
Branchipua 
Brandmaus 
Brassen 
Braula  .  . 
Braunfisch . 
Bremen 
Bremsen  . 
Brevirostres 
Brillenschlange 
Brissopsis  . 
Brüllafl'eu  . 
Brutpflege . 
Bryozoa, 
Bubalus 
Bubo    .  . 
Buccinum  . 
Bucerotidae 
Buchdrucker 
Buchfink  . 
Buckelwal 
Bücherläuse 
Bücherscorpione 
Büffel   .  . 
Bullälo  .  . 
Bufo .   .  . 
Bulla    .  . 
Buntspechte 
Buprestes,  -idae 
Bussarde 
Buteo  . 
Butirinus 
Butzkopf 
Cachelot 
Caligus  . 
Camelopardalia 
Camelua,  -idae 
Campodea . 
Camptonotua 
Cancer  . 
Cania,  -idae 
Capella 
Capillaren 
Capra 
Caprella  . 
Caprimulgus 
Carabua,  -idae 


568 


Register. 


Helte 

Carcbarias    ....  399 

Carcinus   237 

Carinaria   319 

Carnivora   536 

Caryophyllaeus  ...  157 

Castor   554 

Casuarius   473 

Cataphracti  ....  406 

Catarrhinae  ....  558 

Cathartes   481 

Catophragmus  .    .    .  213 

Cavia   555 

Cavicornia     ....  532 

Cebus   558 

Cecidomyia   ....  292 

Centrales  Nervensystem  16 

Cephalopoda.    ...  332 

Cepon   225 

Cerambyx,  -cidae  .    .  281 

Ceratodus   402 

Cercolabes    ....  565 

Cercomonas  ....  100 

Cercopithecus    ...  558 

Certhia   484 

Cervus,  -idac     ...  531 

Cestoda   155 

Cestus   124 

Cetacea   544 

Cetonia     .....  279 

Cbrysomelidae  .   .   .  281 

Chaetopoda  ....  176 

Cbamaeleo    ....  440 

ChamäLeonen    .   .   .  440 

Charadrius,  -idae   .    .  479 

Cbelifer   299 

Cbeloniae   444 

Cbermes   271 

Chilognatba  ....  240 

Cbilopoda   239 

Cbimaera   400 

Chimären   400 

Chiromys   556 

Cbiroptera    ....  523 

Chiton   309 

Chitonen   308 

Choeropsis     ....  529 

Cboeropus   521 

Chondracanthus .   .   .  211 

Chondrostei  ....  400 

Cbrysis   285 

Chrysopa   276 

Chrysochloris     .    .    .  522 

Cicada   269 

Cicadellidae  ....  269 

Cicaden   269 

Cicindela   277 

Ciconia   478 

Cidaris   145 

CUiata   97 

Ciroex   272 

Cinclus   482 

Circus   480 

Cirripedia   212 

Cladobates    ....  522 

Cladocera   203 


Clamatores 
Classe  .  . 
Cleodora 
Clepsine 
Clione  .  . 
Clupea,  -idac 
Clypeaster 
Clypeaatriden 
Cobitis  .  . 
Coccidae  . 
Coccidium 
Coccinellidne 
Coccus  .  . 
Cochenillelaus 
Coecilia 
Coelenterata 
Cölenteraten 
Coelogenys 
Coenurus  . 
Coleoptera 
Collocallia 
Colobus .  . 
Colouie 
Coluber 
Colubrina 
Colubrina  venenosu 
Columba, 
Columba     -  V  . 
Colymbus  . 
Comatula  . 
Conger  .  . 
Comrostres 
Conoteuthis 
Copepoda,  -cn 
Copns  .  . 
Coprophaga 
Coracias 
!  Corallium  . 
I  Coregonus 
Corium  .  . 
Coronella  . 
Coronula  . 
Corviformes 
;  Corvus,  -idae 
Cossus  .  . 
Cottus  .  . 
Coturnix  . 
Crabronidae 
Crangon  . 
Crax,  -cidae 
Crevette 
Crex     .  . 
Cricetus 
Crinoidea  . 
Cristastella 
Crocidura  . 
Crocodilia  . 
Crocodilus 
Crossopus  . 
Crotalus,  -idae 
Crustacea 
Cryptobranchus 
Crypturidae 
Ctenophora 
Cuculus,  -idae 


Seite  t 

484  i  Cucamaria 
60 1  Culex    .    .  . 

321  i  Cumacea,  -een 
186  Curcalio,  -nidae 
321 ,  Cuticula    .  . 

403  :  Cyamus  .  . 
145  Cyanea  .  .  . 
145  Cyclops .   .  . 

404  |  Cyclopterus  . 

271  Cyclostoma  . 
101 1  Cyclostomi  . 
282  Cydippe  .  . 
272 ,  Cygnus  .   .  . 

272  Cymothoa  .  . 
425  Cynailurus .  . 
103  Cynipidae  .  . 
103  Cynocephalus 
555  Cynoidea  .  . 
158  Cynomorphac 
276  Cypraea    .  . 

485  Cyprinus,  -iiiidae 
559  Cypris  . 

33  Cypselus, 
442  Cysticercus  . 

442  Cystopbora  . 

443  Dachs  .   .  . 

485  |  Uactylopterus 
293  Daman  .    .  . 
476  Damhirsch 
138  •  Daphniden  . 
404  Darm    .    .  , 
483  *  Darmkanal 
334  Darmrespiration 
208  Darwinismus 
280 1  Dasypodidae  . 
280  |  Dasyprocta  . 

486  Dasyurus,  -idae 
111 1  Dattelmuschel 
403  |  Decapoda  (Krebse) 

13  Decapoda  (Tinten 
442 !  fische) 
216  Delanii 


483  j  Delphine  .  . 
483  Delphinus  .  . 
290  Demodex  .  . 
406  Dendropbyllia 
474  Dentalium 
285  Dermanyssus 
233  Dermestea,  -idae 
474  Desman  .  . 
238  Desmodua  .  . 
479  Dexiobranchaea 
664  Diastylis  .  . 
135  Dibranchiata  . 
189  Dicotyles  .  . 
522 
444 
446 
522 
443 
197 

422  Dinoceras 
472 
123 
486 


Didelphyidae 
Didunculus 
Didus   .    .  . 
Difflugia   .  . 
Dimorphismus 
Dinictis     .  . 


Dinornis   .  . 
Diuosauria,  -er 


147 

292 
222 
281 
8 
228 
123 
210 
407 
319 

124 
478 
224 
541 

284 
558 
539 
558 
312 
403 


485 
158 


540 
406 
523 
531 
203 
23 
22 
27 
61 
561 


331 


339 
49 
548 
548 
302 
113 
309 
301 
279 


524 
321 


339 
529 
520 
485 
486 
93 
67 
541 
535 
473 
449 


Digitized  by  Google 


569 


51 
440 
440 
170 
280 
331 
473 


Diodon   407 

Diomcdea   475 

Diplopoda   240 

Diplozoon   152 

Dipnoi   402 

Diprotodontia    .    .    .  521  | 

Diptera   292 

Dipus   544 

Discophura   ....  184  j 

Distal   43  , 

Distomeau  ....  153 1 
Distomum  .    .    .    153,  155 

Dochmius  .       .    .    .  Iö7 

Dögliog   549' 

Dohle   484 

Dompfaff   483 

Donacia   281 

Donnerkeile  ....  339 

Dörens   280 

Doriden   320 

Doris   320 

Dornhai   399 

Dorsch   405 

Dotterhaut,  -kurticheu  36 
Dottersack  .... 

Drachen  

Draco  

Dracunculus  .... 
Drahtwürmer    .    .  . 

Dreiasena  

Dromaeas,  -idae    .  . 

Dromedar   531 

I  »roiite   48ü 

Drossel   482 

Drosselvögel  ....  482 

Drüsen   9 

Dscbiggetai  ....  526 
Dünnscnnäblige  Wat- 
vögel   479 

Dugong   536 

Dunkelfauna  ....  65 

Dvtiscus   277 

Echeneis   407 

Echidna   518 

Echinococcus     .    .    .  158 

Echinodermata  .    .    .  128 

Ecbiuoidea    ....  141 

Echinometra  ....  145 

Echinorhyncbus .    .    .  172 

Echinus   145 

Ecbsenvögel  ....  471 

Edeladler   480 

Edelhirsch     ....  531 

Edelkoralle   ....  111 

Edelmarder   ....  540 

Edentata   549 

Egel   184 

Ei  34,  35 

Eichelheber  ....  484 

Eichhörnchen    .   .   .  554 

Eidechsen     ....  440 

Eiderente   477 

Eierlegend    ....  51 

Eierstock   84 

Eihaut   36 


Eileiter .    .  . 
Einsiedlerkrebse 
Eintagsfliegen 
Eisbar  .  . 
Eishai    .  . 
Eissturmvögel 
Eisvögel 
Ektoderm  . 
Ektoparasiten 
Elaps    .  . 
Elastisches  Gewebe 
Elater,  -idae 
Elenthier  . 
Elephanten 
Elephas  . 
Elpidia  .  . 
Elster   .  . 
Elysia  .  . 
Emberiza  . 
Embryo 
Embryologie 
Emu's    .  . 
Erays,  -ydae 
Enchelyophis 
Enddarm  . 
Endoparasiten 
Engraulis  . 
Enbydra  . 
Enten,  -vögel 
Entenro  uschein 
Entoderm  . 
Entomostraca* 
Entomostraken 


40, 


Entonisken  .  . 
Entwicklungsgeschichte 
Epeira  .... 
Ephemera  .  .  . 
Epbialtes  .  .  . 
Epibolische  Gastrula 
Epicrium  .  .  . 
Epidermis .  .  . 
Epithelien  .  . 
Euuus,  -idae  .  . 
Erblichkeit  .  . 
Erdferkel  .  .  . 
Erdkröte  .  .  . 
Erdleguane  .  . 
Erlenzeisig  .  . 
Erinaceus  .  .  . 
Erwachsen    .  . 

Esel  

Estheria  .  .  . 
Esox,  -cidae  .  . 
Eulen  (Vögel)  . 
Eulen  (Insekten) 
Euglypha  .  .  . 
Eulenpapageien 
Eupbausia .  .  . 
Euphauaiacea .  . 
Euplectella  .  . 
Eupteropoda  .  . 
Eurypterus  .  . 
Euspongia  .  . 
Eustrongylus  .  . 


.  35 
.  235! 
.  2671 
.   539  j 
.  399 
.  475 
.  485 
45,  50. 
.  68 
.  443 
9 

.  280 
.  531, 
.  533, 
.  533 
.  147 
.  484 
.  320 
.  483 
.  52 
.  44 
.  473 
.  444 
.  405 
.  23 
.  68 
.  403 
.  540 
.  477 
.  215 
45,  60 
.  202 
.  202 
.  225 
.  225 
44 
300 
267 
481 
46 
425 
12 
6 
526 
60 


Excretionsorgano 
Exocoetus  .  .  . 
Fadenwürmer  . 
Falco,  -nie! 


Falken 
Faltenwespen 
Familie     .    .  . 
Fangheuschrecken 
Fasan,  -familie  . 


551 
424 
440 
483 
522 

73 
626 
203 
403 
481 
291 ' 

98 ' 
486 
221, 
2201 
126 
321! 
2071 
126 
167 


Fasangruppe  .  . 
Faulaflen  .    .  . 
Faulthierc     .  . 
Federkoralle  .  . 
Feldhase   .    .  . 
Feldheuschrecken 
Feldlerche    .  . 
Feldmäuse     .  . 
Feldsperling  .  . 
FeldBpitzmaus 
Felis,  -idae   .  . 
Felsentaube  .  . 
Festsitzende  Thiere 
Fettzellen,  -gewebe 
Feuermolch 
Feuerwalzen 
Fiber    .  -. 
Fierasfer  . 
Filaria  .  . 
Filzlaus 
Finken  .  . 
Finnwal  . 
Fische  .  . 
Fischegel  . 
Fischotter  . 
Fischreiher 
Fischsaurier 
Flagellaten 
Flamingos 
Fledermäuse 
Fleisch  fliege 
Fliegende  Eichhörn 

chen  .... 
Fliegende  Fische 
Fliegender  Hund 
Fliegenschnäpper 
Flöhe  .... 
Flohkrebse  .  . 
Flossenfüssler  (Sch 

cken) 

Flossenfüssler  (Rob- 
ben) .  . 
Flugbeutler 
Flugeidechsen 
Flughabn  . 
Flugsaurier 
Flunder  . 
Fluasadler  . 
Flussbarsch 
Flusskrebs 
Flussmuscbeln  . 
Fluss  perlmuschel 
Flusspferd .   .  . 
Flussschildkröten 
Fötus  .... 
Forelle  .... 


Seit« 
31 
404 
170 
480 
480 
286 
59 
265 
474 
474 
55« 
549 
III 
553 
264 
484 
555 
483 
522 
540 
485 
71 
10 
421 
564 
555 
405 
170 
273 
483 
547 
371 
186 
540 
478 
446 
100 
478 
523 


554 
404 
523 
482 
294 
227 

321 

641 
621 
440 
406 
447 
405 
480 
405 
234 
331 
331 
529 
444 
62 


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570 


Register. 


Forficula  .  . 

Koronen    .  . 

Formicariae  . 

Fortpflanzung 

Fossilien  . 

Fregattvogel 

Frettcheo  . 

Fringilla  . 

FrÖHchc 

Froschlurcho 

Frucht  .  . 

Fuchs   .  . 

Fuchsafl'en 

Fulica  .  . 

Fuligulinae 

Fulnmrus  . 

Furchung,  -shöhle 

Furchenwale 

Gadidae  . 

Gadus  .  . 

Ganse   .  . 

Galeopithecus 

Gallertgewebe 

Galliuula  .  . 

Gallmilben  . 

Gallmücken  . 

Gallwespen  . 

Gallus  .    .  . 

Gatnasus   .  . 

Gammarus 

Gangesdelphin 

Ganglien  .  . 

Ganglienzellen 

Ganoidei   .  . 

Ganoiden  .  . 

Garneelen .  . 

Garrulus    .  . 

Gartenammer 

Gartenschläfer 

Gartenschnecken 

Gasterosteus,  idae 

Gastropoda    .  . 

Gastrula    .    .  . 

Gastrus.   .    .  . 

Gattung    .    .  . 

Gaviale  .... 

Gebärmutter  .  . 

Geburt  .... 

Geburtshelferkröte 

Geckonen  .  . 

Gefasssystem  . 

Gehörorgane,  -blasen 

Geier    .  . 

Geiervogel 

Geisselzellen 

Gemse  .  . 

Generationswechsel 

Geocores  . 

Geographiscbe  Ver- 
breitung 

Geologische  Entwick- 
lung .  . 

Geometridae 

Geoplana  . 

Geotrupes  . 


Seit« 

965 


285 

32 

80 
476 
540 
488 
424 
423 

52 
539 
556 
479 
477 
475 

44 
547 
404 
405 
478 
523 
9 
479 
302 
292 
284 
474 
301 
227 
549 

15 

11 
400 
400, 
232  | 
484; 
483 
554 
322 
406 
309  i 

46 
293 

59 
445 

35; 

52! 
424 
441 

25 

17 
481 
476 
7 
532 

38 
272 

77 

79 
291 
151 
280 


19, 


Gepard     .   .  . 

Gephvrea,  -een  . 

Geradflügler  .  . 

Geruchsorgane  . 

Geschlechtsdrüsen 

Geschlechtsorgane 

Geschmacksorgane 
-knospen 

Gespenstheuschrecken 

Gewebe    .  . 

Gibbone    .  . 

Giftnattern 

Gimpel  .   .  . 

Girafle  .   .  . 

Girlitz  .   .  . 

Glasflügler  . 

Glaskörper 

Glasschwämmc 

Glattbutt  .    .  . 

Glattwalc  .    .  . 

Glaucidium    .  . 

Glctschergast  . 

Glieder     .    .  . 

Gliederfüssler  . 

Gliederkorallo  . 

Gliederspinnen  . 

Gliederwürmer  . 

Gliedinaassen 

Globigerina  .  . 

Globiocephalus  . 

Glockenthienjhen 

Glomeris   .    .  . 

Glyptodonten  . 

Gnathobdellidae 

Gobio  .... 

Gobius  .... 

Goldammer   .  . 

Goldfisch  .    .  . 

Goldhähnchen  . 

Goldhasen     .  . 

Goldmaulwürfe  . 

Goldregenpfeifer 

Goldwespen  .  . 

Gorgonia  .    .  . 

Grabwespen  .  . 

Graculus   .   .  . 

Grallatores    .  . 

Granat  .... 

Grasmücken  .  . 

Grasfrösche  .  . 

Grauammer  .  . 

Graugans  .    .  . 

Gregarinen,  -inida 

Grindwal  .    .  . 

Grislibar    .    .  . 

Grönlandswal 

Groppe     .    .  . 

Grossfledermäuse 

Grossfusshühner 

Grossschmetterlinge 

Grossschnäblige  Wat- 
vögel .    .  . 

Grubenottern 

Gründling .  . 

Grünfink   .  . 


Seit« 

541 

183 
263 
17 

35 
35 

17 
265 
6 
559 
443 
483 
531 
483 
290 
20,  22 
126 
405 
547 
481 
275 
42» 
192 
111 
298 
173 
43 
94 
548 
99 
241 
551 
185 
404 
407 
483 
403 
482 
555 
522 
479 
285 
HO 
2&5 
476 
478 
233 
482 
424 
483 
478 
100 
548 
539 
548 
406 


474 

290 

478 
443 
404 
483 


Grünspecht 
Grus,  -idae 
Gryllidae  . 
Gryllotalpa 
Gryllus  .  . 
Gürtel  tbi  er  e 
Guinea-Wurm 
Gulo.   .   .  . 
Gymnophiona 
Gymnothorax 
Gymnotus  . 
Gypogeranus 
Gyrinus 
Gypaetus  . 
Haar    .  . 
Haarbalgtnilbc 
HaarquaTle 
Haarsterne 
Habichte  . 
Haematopus 
Hämoglobin 
Ilaemopis  . 
Hänflinge  . 
Häutung  . 
Haftkiefer  . 
Haidelerche 
Haie     .  . 
Hakengimpel 
Halbaffen  . 
Halbbären . 
Halbhufer  . 
Haliactus  . 
Halichoerus 
Halicore 
Haliterium 
Halmaturus 
Halohates  . 
Hammerhaie 
Hamster  . 
Hapale  .  . 
Harn    .  . 
Harnorgane 
Haselhuhn 
Haselmaus 
Hasengattung 
Haubenlerche 
Hausbiene  . 
Hausen  .  . 
Hausente  . 
Hausgans  . 
Haushuhn  . 
Haushund  . 
Hauskatze 
Hausmaus 
Hausratte  . 
Hausrind  . 
Hausschaf 
Hausschwalbe 
Hausschwein 
Haussperling 
Hausspinne 
Hausspitzmaus 
Hausziege  . 
Haut     .  . 
Hautbreme 


S«lt* 

486 
479 
264 
264 


-familie 


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Register. 


571 


Hautflügler  .  .  . 
liautmuskelachlauch 
Hautrespiration 
Hautskelet 
Hecht,  -familie 
Hectocotylua . 


idae 


Heilbutt 
Heliozoa 
Heliz  . 
Uemeroharpages 
Hemiptera    .  . 
Hering,  -sfamilie 
Hermaphroditen 
Hermelin  .  . 
Herodii .   .  . 
Herpes  tes  .  . 
Ilerpyllobius  . 
Herz,  -kämm er 
Herzigel    .  . 
Hesperornis  . 
Heterodera  . 
Heterogoni©  . 
Heteropoda  . 
Heteroptera  . 
Heuschrecken 
Heuschreckenkrebse 
Hexamita  .  . 
Hexactinellidae 
Hinterkiemer 
Hipparion .  . 
Hippobosca,  -idae 
Hippocampus 
Hippoglosua  . 
Hippopotamus, 
Hirsche     .  . 
Hirschkäfer  . 
Hirtenvogel  . 
Hirudo  .    .  . 
Hirundo    .  . 
Hirscheber 
Hoden  .   .  . 
Höckerschwan 
Huhlenbär .  . 
Hörsteinchen . 
Hohlhörner  . 
Hohltaube.  . 
Hokkos 
Holocepbala  . 
Holostei    .  - 
Holuthuria  . 
Holuthurioidea 
Holzbohrer  . 
Holzwespen  . 
Homarus  .  . 
Homo   .    .  . 
Homologie  . 
Homoptera 
Honigbiene  . 
Hornfisch  .  . 
Hornkoralle  . 
Hühnerhabicht 
Hühnervögel . 
Hufeisennasen 
Hufthiere  .  . 


Helte 
282 

14 

27 

14 
403 
337 
479 
405 

96 
322 
480 
269 
403 

34 
640 
478 
540 
211 

26 
145 
472 
171 

39 
319  j 
272 
264  1 
237  ! 
100: 
126  1 
320! 
526' 
294 
408 
405 
629 
531 
280 
483 
185 
484 
529 

35 
478 
539 

18 
532 
485 
474 
400 
401 
147 
145 
290 
284 
234 
561 

62 
269 
287 
404 
110 
480 
473 
524 


en 


Hummeln  .  . 
Hummer   .  . 
Hundefamilie 
Hundsaffen  . 
Hundshai  .  . 
Hyaena,  -idae 
Hyänen    .  . 
Hybrid  .    .  . 
Hydra  .   .  . 
Hydrachna  . 
Hydrochoerus 
Hydrocorea  . 
Hydromcdusae, 
Hydrometra  . 
Hydrophis .  . 
Hydrozoa  .  . 
Hyla.    .    .  . 
Hylesinus  .  . 
Hylobntes  .  . 
Hymenoptera 
Hyperia,  -inen 
Hyperoodon  . 
Hypoderma  . 
Hypsiprymnus 
Hyrax  .    .  . 
Hystricomorpha 
Hystrix,  -cidae 
Jagdfalk  .  . 
Jaguar  •    •  • 
Ibis  .... 
Ichneumonidae 
Ichthyornia 
Ichthyosauria 
Icticyon    .  . 
Idothea.    .  . 
Igel  .... 
Igelfische  .  . 
Iguanidae  .  . 
Iguanodon  . 
Iltis  .... 
Impennes  .  . 
Indische  Region 
Infusionstierchen 
Infusoria  .  . 
Inger    .   .  . 
Insecta  .    .  . 
Insectivora 
Insekten    .  . 
Insektenfresser 
I  ntercellularsubstanz 
Inuus    .    .  . 
Johanniswürmchen 
Isis  .... 
Isopoda,  -en  . 
Jugendstadium 
Julus    .    .  . 
Junges  .    .  . 
Ixodes  .    .  . 
Iynx  .... 
Kabeljau  .  . 
Käfer    .    .  . 
Käfermilbe  . 
Känguru's,  -Gruppe 
Käsefliege  .  . 
Käsemilbe .  . 


Seit« 
287 
234 
539 
558 
399 
540 
540 
58 
119 
301 
655 
273 
115 
272 
443 
114 
424 
282 
559 


227 
549 
294 
521 
523 
555 
555 
480 
540 
479 
285 
472 
446 
539 
224 
522 
407 
440 
450 
640 
476 
77 
97 
97 
398 
242 
521 
242 
521 
9 


280 
III 


73 
241 

52 
301 
486 
405 
276 
301 
521 
293 
301 


Kaguang  .  .  . 
Kaimane  .  .  . 
Kaiseradler  .  . 
Kakadu's  .  .  . 
Kakerlaken  .  . 
Kalkröhrenwürmer 
Kalmar  .... 
Kameel.   .   .  . 


Kampfläufer  .  . 

Kanarienvogel  . 

Kaninchen.    .  . 

Karausche .   .  . 

Karpfen,  -familie 

Kasuare,  -familie 

Katzenfamilie 

Kaulbarsch   .  . 

Kaumagen .    .  . 

Kegelschnäbler  . 

Keimblatt  .    .  . 

Keimbläschen 

Keimfleck  .    .  . 

Kermea-Schildlaus 

Kern  .... 

Kernbei&ser  .  . 

Kernkörperchen 

Kiebitz  .... 

Kieferegel .    .  . 

Kiefernspinner  . 

Kielfüssler.    .  . 

Kiemen .... 

Kiemenmolche  . 

Kiwi's  .... 

Klaff  muschel .  . 

Klammeraffen  . 

Klappenasseln  . 

K  la  p  persch  langen 

Klappmütze  .  . 

Kleioer  .... 

Kleiderlaus    .  . 

Kleidermotte  .  . 

Kleinfledermäuse 

Kleinschmetterlinge 

Kletter  beutler 

Kletterfische  .  . 

Klettervögel  .  . 

Kliesche    .    .  . 

Klippschliefer 

Kloakenthiere 

Klumpfische  .  . 

Knäckente    .  • 

Knoblauchskröte 

Knochenfische 

Knochenganoiden 

Knochengewebe . 
I  Knochenhecht  . 

Knorpelegel  .  . 

Knorpelganoiden 

Knorpelgewebe  . 

Knospung  .    .  . 

Knurrhahn    .  . 

Koala  .... 
I  Koboldmaki  .  . 
|  Köcherfliegen 
1  Königsfischer .  . 


Hcill 
623 
445 
480 
486 
264 
182 
339 
531 
330 
479 
483 
554 
403 
403 
473 
540 
405 
23 
483 
45,  60 
35 
36 
272 
3,  5 
483 
3,  5 
479 
185 
200 
319 
28 
422 
473 
331 
568 
224 
443 
643 
484 
273 
290 
524 
289 
521 
405 
486 
406 
523 
517 
407 
477 
424 
403 
401 
10 
401 
186 
400 
9 
32 
406 
521 
556 
275 


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572 


Register. 


Konigsgeier  . 
Kofterfiscbe 
Kohlmeise  .  . 
Kohlraupen  . 
Kohlweißlinge 
Kolibri'»    .  . 
Kondor .   .  . 
Kopf.    .    .  . 
Kopflau«   .  . 
Korallenottcrn 
Korallenriffe  . 
Korallenthiere 
Kormoran  .  . 
Krabben 
Krätzmilbeu  . 
Krallenaffen  . 
Kraniche  .  . 
Kratzer .   .  . 
Krebsspinnen . 
Krebsthiere 
Kreis    .   .  . 
Kreislauf  .  . 
Kre  is  tu  undschnecke 
Kreuzchnäbel 
Kreuzkröte 
Kreuzotter  . 
Kreuzspinne  . 
Krickente  . 
Kriebelmücken 
K  riech  thiere  . 
Kröten  .   .  . 
Krötenfrösche 
Krokodile  .  . 
Kropfstörche  . 
Kuguar .   .  . 
Kukuke.   .  . 
Kukuksbienen 
Kulan    .    .  . 
Kusu'*  .   .  . 
Kurzflügler 
Kurzschnablige 
vögel .   .  . 
Ij»brus .    .  . 
Labyrinthodonten 
Lacerta .   .  . 
Lachs,  -familie 
Lachtaube.  . 
Lack-Schildlaus 
Lagopus 


Läuse 
Lagomys  .  . 
Lama's .  .  . 
Lamellicornia 
Lamellirostres 
Lampreten 
Lampyris 


Wat- 


481 

407 
482 
291 
291 
485 
481 

43 
973 
443 
113 
107 
476 
236 
301 
568 
479 
171 
303 
197 

60 

25 
319 
483 
424 
443 
300 
477! 
293 
42H 
424' 
424 
444 
478 
541 

186 
288 
526 
521 
278 

479  I 

405 

423 

440  | 

403 

485 

272 

474 

481 

273 

554 

531 

279 

477 

398 

280 


Lanzettfische. 
Lappentaucher 
Lappenquallen 
Larus    .    .  . 


Larve  .  .  . 
Larvenorgane 
Laubfrösche  . 
Laubbenschrecken 
Laubaangcr  . 
Laufkäfer  .  . 
Laufmilben 
Lausfliegen 
Lautorgane  . 
Lebendiggebärend 
Lebensdauer  . 
Leber  .  .  . 
Leberegel  .  . 
Lecanium  .  . 
Lederhaut .  . 
Lederkoralle  . 
Leguane  .  . 
Leibeshuble  . 
Leisten  molch. 
Lemming  .  . 
Lemur  .  .  . 
Leopard  .  . 
Lepadidae.  . 


Landsalamander 
Landschildkröten 
Landthiere    .  . 
l^andwanzen  .... 
Langohrige  Fledermaus 

Langusten  

Lantus,  -adae    .   .  . 


421 
444 
62 
272 
524 
235 
482 


L  , 

Lepidoptera  , 
Lepidosiren 
Lepidosteus  . 
Lepisma    .  , 
Leporidae .  . 
Leptocardü  , 
Leptoptilus 
Lepus   .   .  , 
Lerchen    .  . 
Lerchenfalk  . 
Lernaea    .  , 
Lestris  .   .  . 
Leuchtkäfer  . 
Leuchtorganc 
Leuchtkrebse 
Leuciscus  .  . 
Leucocbloridium 
Libellen 
Libellula  . 
Libcllulidae 
Ligula  .  . 
Limacina  . 
Limapontia 
Limnadia  . 
Limnaeus  . 
Limnoria  . 
Limosa  .  . 
Limulus 
Linens  .  . 
Lingula.  . 
Linse    .  . 
Lippenbar . 
Lippfische  . 
Lithodotnus 
Lithothrya 
Littorina  . 
Locusta 


Seit* ' 
.   869  Löffelente. 
.    476  Löflelreiher 
.    121  Löfielstöre 
.   475  Löfielstorcb 

52  Löwe    .  . 

53  Loligo  .  . 
424  Ijongipennes  (Möwen) 

.   264  Longipennes  (Schwal- 

.   482  ben)   

.    277  I^ophius  

.    301  I  Lophogastriden  .    .  . 

.   294  Loricana  

31  Lori's  (Papageien).  . 
51,  55   Lori's  (Halbaffen)  .  . 

.     75  Lota  

24  Lozia  

.    158 !  Lucanus  

.   272  j  Luchs  

13  i  Lucioperca  .... 

110  Lumbricus  

440  Lummen  

40 .  Lump  ...... 

.   421  Lund  

.    656  .  Lungen  

.  656  Lnngcnfische .... 
.   541  Lungenschnecken  .  . 

.   216  Lurche  

.   215 1  Luscinia  

.   288  Lutra  

403  Lymphgefässsystem  . 

.   401  Lynx  

.   268  Lytta  

.   653  Nachaerodus    .   .  . 

.   369  Machete«  

.   478  Macrolepidoptera  .  . 

553  Macroscelides    .    .  . 

484  Macropodidae  .  .  . 
.   480  Madreporaria    .    .  . 

.   212  Männchen  

.   475  Mausegattung, -familie 

.   280  Magen  

31  Magenbremen    .    .  . 

.   220  Maifisch  

.    404  Maikäfer  

.    154  Maki's  ...... 

266  Makrel,  -enfamilie  .  . 
.   267  Makrelenhechte 

266  Malacodermata 

158  Malacostraca . 
.   321  Malakostraken 

320  j  Mala pterurus 

203  Mallopbaga 
.  322  Mammalia . 
.  224  Mammuth  . 
.   479 1  Manati  .  . 

205  Manatus  . 
.  162jManis  .  . 
.  191  Mantelthiere 
19,  20  Mantia  .  . 
.  539  Marabu'«  . 
.  405  Maränen  . 
.   331  Marder  .  . 

215  Marderfamilic 
.  319  Margaritana  . 
.    264  Manenkäferchen 


8«lte 

477 
471» 
401 
479 
540 
339 
475 

484 
407 


404 


405 


541 
405 
182 
476 
407 
476 
28 


540 
27 
541 


541 
479 
290 
522 
521 
114 

34 
554 

23 
293 
403 
279 
556 
404 
404 
280 
216 
216 
404 
268 
487 
535 


536 
551 
561 
265 
478 
403 
540 
.539 
331 


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Register. 


573 


Markscheide  . 
Marsupialia  . 
Mastodon  .  . 
Mauereidechse 
Mauerläufer  . 
Mauersegler  . 
Maulwürfe 
Medina-Wurm 
Medusenköpfe 
Meeraal  .  . 
Meerengel 
Meeresthiere  . 
Meergrundeln 
Meerkatzen  . 
Meerschwein  . 
Meerschweinchen 


Meerzähne 
Megachiroptera 
Megapodius  . 
Megaptera  , 
Megatherium, 
Mehlkäfer .  . 
Mehlmilbe 
Meisen  .    .  . 
Meleagrina  . 
Meleagris  .  . 
Meies    .    .  . 
Meloe    .    .  . 
Melolontha  . 
Melonhagus  . 
Membranipora 
Menobranchus 
Menopoma  . 
Menschen  .  . 
Menschenaffen 
Mcphitis    .  . 
Mergus,  -inae 
Mertnis .    .  . 
Merops  . 
Mesoderm  .  . 
Metamer  .  . 
Metamorphose 
Metazoen  .  . 
Microchiroptera 
Microlepidoptera 


ida 


Miescher'scber  Schlauch  102 


Miesmuschel 
Mikropyle  .  . 
Milan    .    .  . 
Milben  .    .  . 
Millepora,  -en 
Milvus  .   .  . 
Missbildungen 
Mistkäfer  .  . 
Mitteldarm 
Mittelschnepfe 
Moa  -Vogel  . 
Möwen,  -gruppe 
Mola     .  . 
Mollusca  . 
Monadinen 
Mondfische 
Monodon  , 


Seit« : 
19  I 
519 
535 

440; 

484 
485 
522 
170 
141 
404 
399 
63 
407 
558 
548 
555 
272 
309 
523 
474 
517 
5501 
281 
301 
482 
381  | 
474 
540  ) 
281  , 
279 
294 
190 
422 
422 
559 
559 
5401 
477  i 
170  j 
485 
50 
42, 
52 
5,  89 
524 
289 


Monstrositäten 
Moorschnepfe 
Moosthierchen 
Mormon 
Morosaurus 
Morphologie 
Moschus 
Moschusochse 
Moschusthier 
Mosquitos  . 
Motacilla  . 
Motten  .  . 
Mücken.  . 
Muflon  .  . 
Mund 
Munddarm,  -höhle 
Muräne .  . 
Muraenidae 
Muridae  .  . 
Murmelthiere 
Mus  .    .  . 
Musca  .  . 
Muschelkrebse 
Muscheln  . 
Muscicapidae 
Muscidae  . 
Muskelgewebe 
Muskelsystem 
Muskelzellen, 
Mustela     .  . 


330 
86 
481 
300 
118 
481 
66 
280 
23 
479 
473 
476 
407 
305 
100 
407 
549 
517 


Älyfi  .    ■    •  • 
Mycetes    .  . 
Mygale .    .  . 
Myiodon   .  . 
Myodes .    .  . 
Myogale    .  . 
Myopsidae 
Myoxus,  -idae 
Myriopoda 
Myrmecobius . 
Myrmekophilen 
Myrmeleon  . 
Myrmica   .  . 
Mysidacea .  . 
Mysiden    .  . 
Mysis    .    .  . 
Mystacoceti  . 
Mytilus .   .  . 
Myxine  .    .  . 
Xabelschweine 
Nacht-Eulen  . 
Nachtigall .  . 
Nachtreiher  . 
Nachtschwalbe 
Nagekäfer 
Nagethiere  . 
Nahrangsdotter 
Naja .... 
Nais,  -iden  . 
Nandus     .  . 
Napfschnecken 
Narwal .   .  . 
Nasenaffe  .  . 
Nasenbären  . 


56 
479 
187 
476 
449 
62 
532 
532 
532 
293 
482 
290 
292 
532 
23 
23 
404 
404 
554 
554 
554 
293 
207 
323 
482 
293 
10 
14 
11 
540 
539 
331 
658 
300 
550 
565 
522 
335 
554 
238 
520 
286 
274 


lon 


zellen 


19, 


221 
221 
222 
547 
330 
398 
529 
481 
482 
478 
486 
282 
551 
48 
443 
183 
473 
812,  319 
549 
559 


Nasenbreme  . 
Nashörner .  . 
Nashornkäfer 
Nashornvögel 
Nasua  .  .  . 
Natantia  .  . 
Natatores  .  . 
Natterf  glatte 
Natürliche  Auswahl 
Nautilus 

Nearktische  Reg 
Nebalia .    .  . 
Nebelkrähe 
Necroharpages 
Necrophorus  . 
Nemathelminthes 
Nematoden 
Nemertinen 
Nemocera  . 
Neophron  . 
Neotropische  Region 
Nepa    .    .  . 
Nereis,  -iden . 
Nerophis  .  . 
Nerven  .    .  . 
Nervenfasern . 
Nervengewebe, 
Nervensystem 
Nesselfalter  . 
Netzflügler  . 
Netzhaut  .  . 
Netzknorpel  . 
Neunaugen  . 
Neurilemma  • 
Neuroptera  . 
Nieren  .   .  . 
Nilpferd    .  . 
Nipbargus .  . 
Noctuidae  .  . 
Nörz .... 
Nogagus    .  . 
Nonne  .    .  . 
Non-Ruminantia 
Nordkaper  . 
Notonecta .  . 
Nucifraga  .  . 
Nudibranchiata 
Numenius  .  . 
Numida    .  . 
Nyctale .   .  . 
Nyctea  .   .  . 
Nyctharpages 
Nycticorax 
Nymphon  .  . 
Oberhaut  .  . 
Octactinia  .  . 
Octopoda  .  . 
Octopua    .  . 
Odinshennen  . 
Odobaenus 
Odontoceti 
Odontornithes 
Oegopsidae  . 
Oelkäfer    .  . 
Oestridae  .  . 


475 
442 
61 

333,  338 
77 
219 
483 
481 
279 
165 
166 
160 


481 
77 
273 
181 
408 
15 
12 
U 
15 
291 
273 
20,  21 
9 


Seit« 
294 
525 
279 
485 
539 


12 
273 

32 
529 
227 
291 
540 
211 
29t) 
528 
548 
273 
484 
320 
479 
474 
481 
481 
481 
478 
303 

12 
109 


480 
543 
548 
472 
335 
281 


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574 


Register. 


iata 


Oeatrua  .  . 
Ohrenqualle 
Ohrrobben . 
Ohrwürmer 
Oligochaeta 
Olm  .  .  . 
Ommatostrephes 
Oniacua . 
Ontogenie 
Ophidia 
Ophidiidae 
Ophiura 
Ophiurida  . 
Opiathobraneh 
Orang-Utan 
Orca .  .  . 
Ordnung  . 
Orgelkoralle 
Oriolua  .  . 
Ornithorbynchus 
Orthagoriacus 
Orthoceraa 
Orthoptera 
Orycteropua 
Oryctea .  . 
Oscinea  .  . 
Oatafl'en 
Oatgeter 
Oatracion  . 
Oatracoda  . 
Oatrea  .  . 
Otarüdae  . 
Otis,  -ididae 
Otocoria  . 
Otocyon  . 
Otolithen  . 
Ottern  .  . 
Otua  .  .  . 
Ovarium 
Ovibo8  .  . 
Ovipar  .  . 
Ovipare  Saugeth 
Ovis  .  . 
Oxyuris 
Paarzeher 
Pachytylua 
Pagurua 
Paka  .  . 
Paläarktiache 
Palaemon  .  . 
Paläontologie 
Palaeothenum 
Palinurua  .  . 
Paludina  .  . 
Pandion  .  . 
Panorpa  .  . 
Panther  .  . 
Panzerwanzen 


Papageien 
Papageifiache 
Papageitaucher 
Papihonidae  . 
Paradieavögel 
Paradiseidae  . 


lere 


Kegion 


44 
441 
405 
141 
140 
320 
559 
548 

60 
110 
483 
518 
407 
333 
263 
551 
279 
482 
558 
481 
407 
207 
330 
543 
479 
484 
539 

18 
540 
481 

34 
532 

51 
517 
532 
167 
527 
264 
235 
655 

77 


474 


81 
525 
235 
319 
480 
275 ' 
541 
406 
404 
486 
405 
476 
291 
484 
484 


Seite  l  Seite  | 

294  Paramaecium    ...  99 

123  Paraaiten  68 

543  Parmacella    ....  322 
265  Parthenogeneaia     .   .  38 
182  Partielle  Furchung  48,  49 1 
422  Parua,  -idae  ....  482 

334  Pastor  483 

Patella  ....    312,  319 

Paviane  558 

Pavo,  -nidae 
Pecten  . 
I  Pediculati  . 
Pediculua,  -idae 
1  Vitachenwurm 
Pekari'a    .  . 
Pelagiache  Fauna 
i  Pelargi  .    .  . 
Pelecanua  .  . 
Pelikane   .  . 
Pelikanafuaa  . 
Pelobatea,  -idae 
j  Peltogaater  . 

Pelzfresser 
!  Pelzmotte  .  . 
Pemphigua  . 
j  Penaeua    .  . 
Penella .   .  . 
Penia        .  . 
j  Pennatula  .  . 
Pentacrinua  . 
Pentastomen  . 
Pentaatomum 
Perameles  .  . 
Perca,  -idae  . 
Perdix,  -cidae 
Perennibranchiata 
Peripatua 

i  Peripherisches  Nerven 
ayatem    .  . 
Periplaneta  . 
Periaaodactyla 
Perlenaugen  . 
Perlhuhn  .  . 
Perlmuachel  . 
Peropoda  .  . 
Petaurua   .  . 
Petermim  neben 
Petromyzon  . 
Pfahlwunn 
Pfau,  -familie 
Pfefferfresser 

Pfeifhasen 

Pferde,  -familie 
Pferdeegel 
Pflasterkäfer 
Pfriemenachwanz 
Phacochoerua 
Phalangiidae  . 
Phalangista,  -idae 
Phalaropua  . 
Pharaosratte  . 
Phaacolarctoa 
Phaacolomya  . 


Phaaianua, 


407 
273 
168  | 
529, 

66 
478 
476 
476 
319  j 
424 
2161 
268 
290 
271 
233  ! 
211 

35 
111 
138 
302  j 
302 
521 
405 
474 


241 

15 
265 
524 
275 
474 
331 
442 
521 
406 
398 
331 
474 
487 
554 
526 
186 
281  ! 
167: 
529! 
299  | 
521 
480 
540 
521 
521 
474 
474 


Pbaamidae 
Phoca,  -idae  . 
Phocaena  .  . 
Phoenicopterus 
Pholaa  .  .  . 
Phrvganea  . 
Phthiriua  .  . 
Pbyllium  .  . 
Phyllopoda 
Phylloaoma  . 
Phylloxera  . 
Physalia  .  . 
Phyaiologie  . 
Physophoi-a  . 
Phyaoatomi, 
Phytoptua 
Pica  .... 
Pioua,  -idae 
Pieper  .  .  . 
Pieria  .  .  , 
Pigment  .  . 
Pigmentzellen 
Pitldium  .  , 
Pinguine  .  . 
Pinicola    .  . 


-en 


idae 


483 
371 
186 


Pinnipedia 
Piophila 
Pipa.    .  . 
Pirol     .  . 
Piacea   .  . 
Piacicola 
Pithecua 
Piacentale  iSäugethiere  617 
Placophora 
Planaria    .  . 
Planorbis   .  . 
Platalea    .  . 
Plataniata 
Plathelminthes 
Plattfiache  . 
Plattwiirmer  . 
Platyrrhinae  . 
Plecotus    .  . 
Plectognathi  . 
Pleaioaauria 
Pleuronectes,  - 
Plictolophinae 
Podiceps    .  . 
Podura  .    .  . 
Polarfuchs 
Polarwal    .  . 
Polyactinia 
Polychaeta  . 
Polydeamua  . 
Polymorphiamua 
Polynoe,  -idae 
Polyprotodontia 
Polypterua 
Polystomeae  . 
Poly8tomum  . 
Pompilidae  . 
Pontobdella  . 
Porcua  .   .  . 


265 
543 
548 
478 
331 
275 
273 
265 
2<  »2 
235 
270 
121 
62 
121 
403 
302 
484 
486 
482 
291 
32 
10 
161 
476 
483 
541 
293 


151 
323 
479 
649 
148 
406 
148 
657 
524 
407 
446 
405 


476 


548 
111 
180 


57 
181 


401 
162 
152 
286 
186 


124 
101 


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Register. 


575 


Porpita     .  . 
Portunion  .  . 
Porzellanschnecken 
Pottwal     .  . 
Prachtkäfer  . 
Primaten,  -es 
Pristis  .    .  . 
Proboscidea  . 
Procellaria 
Procyon,  -idae 
Proechidna  . 


lmiae  .  . 
Prosobranchicr 
Protele»    .  . 
Proteus     .  . 
Protoplasma  . 
Protopterus  . 
Protozoen  .  . 
Proximal  .  . 
Pseudis .    .  . 
Pseudopodien 
Pseudoscorpionidae 
Psittacidae,  -inae 
Paocus  .... 
Psolus  .... 
Psyche  .... 
Pterodactylus 
Pteromys  .    .  . 
Pteropoda     .  . 
Pteropus 


Pterota  .  .  . 
Pulex  .... 
Pulmonata  .  . 
Puma  .... 
Pycnogonum,  -idae 
Pygopodes  .  . 
Pyrosoma  .  .  . 
Python  .... 
Quallenpolypen 


Quappe 
Querder 


Querder 

Rabe,  -nfamilie 
Rabengeier  .  . 
Rabenkrähe  .  ■ 
Rabenvögel  .  . 
Radiär  .... 
Radiolaria,  -en  . 
Räderthiere  .  . 

Raja  

Rajida  .... 
Rainey'scher  Schlauch 
Rallus,  -idae  .  . 
Rana  .... 
RankenfUssler  . 
Rapaces  .  .  . 
Rasores  .  .  . 
Rasse  .... 
Ratitae  .  .  . 
Raubmöven  .  . 
Raubthiere  .  . 
Raubvögel  .  . 
Rauchschwalbe  . 
Raupenfliegen  . 
Rebhuhn,  -familie 


121 

226 
312 
549 
280 
566 
400 
533 
475 
639 
518 
555 
318 
540 
422 
3 
402 
89,  91 
43 
420 
3 

299 
486 
268 
147 
290 
447 
554 
320 
523 
447 
821 
295 
322 
541 
303 
476 
664 
442 
114 
405 


483 
481 
483 
483 
42 
95 
162 
400 
399 
102 
479 
424 
212 
480 
473 
67 
472 
475 
536 
480 
484 
293 
474 


Reblaus  

Receptaculum  seminis 
Recurvirostra 
Regeneraüon 
Regenpfeifer 
Regenwürmer 
Kegulus  . 
Reh  .    .  . 
Reiher  .  . 
Renken 
Rentbier  . 
Reptantia  . 
Reptilia  . 
Respiration« 
Retina  .  . 
Rhamphastiüae 
Rhamphorhynchus 
Rhainphostoma 
Rhea     .    .  . 
Rhinoceros 
Rhinolophus  . 
Rhipidigorgia 
Rhizocephala 
Rhizocrinus  . 
Rhizopoda,  -en 
Rhodeus    .  . 
Rhombus  .  . 
Rhynchobdellidae 
Rhynchocoela 
Rhynchota 
Rhytina    .  . 
Riesenalk  .  . 
Riesenfaulthiere 
Riesenhai  . 
Riesenhirsch 
Riesensalamander 
Riesenschlangen 
Riesentintennsche 
Rinder  .  . 
Ringdrossel 
Ringelechsen 
Ringelnatter 
Ringelrobbe 
Ringeltaube 
Rippenquallen 
Robben 
Rochen 
Rochenegel 
Rodentia  . 
Röthelroaus 
Rohrammer 
Rohrdommel 
Rohrkäfer . 
Rohrrüssler 
Rohrsänger 
Rolladen  . 
Rosenkäfer 
Rosskäfer  . 
Rotalia 
Rotatoria  . 
Rothkehlchen 
Rothschwänze 
Ruderfüssler  . 
Ruderschneckeu 
Rudimentäre  Organe 


Seit« 

270 
35 
480 
33 
479 
182 
482 
531 
478 
403 
532 
233 
426 
27 
19 
487 
447 
446 
473 
525 
524 
111 
2)6 
138 
93 
404 
405 
186 
160 
269 
536 
476 
660 
399 
632 
422 
442 
339 
633 
482 
441 
442 
643 
485 
123 
541 
399 
188 
651 
665 
483 
478 
281 
522 
482 
558 
279 
280 
93 
162 
482 
482 
476 


41 


Rückenseite  .  . 
Rückenschwimmer 
Rüsselegel 
Rüsselkäfer  . 
Rundmäuler  . 
Rundwürmer 
Ruminantia  . 
Ruticilla  .  . 
Saateule  .  . 
Saatkrähe 
Saccobranchus 
Sacculina  .  . 
Sackträger  . 
Säbelkatzen  . 
Säbelschnäbler 
Sägefische 
Sager  .  .  . 
Sänger  .  .  . 
Säugethiere  . 
Saibling  .  . 
Saisondimorphisinus 
Salamandra  . 
Salangane 
Salmo,  -nidae 
Salpa,  -en 
Samen,  -leiter,  -tast 
Sam  enkörperchen 
St.  Petersvogel 
Sandaale  .  . 
Sandfloh  .  . 
Sandgarneele 
Sandkäfer  .  . 
Sandviper  .  . 
Sandwurm 
Saproharpages 
Sarcocystis 
Sarcodina  .  . 
Sarcophaga  . 
Sarcopsyfla  . 
Sarcoptes,  -idae 
Sarcorhamphus 
Sardelle  .  . 
Sardine  .  . 
Sarkolemma  . 
Saugnapf  .  . 
Saugwürmer  . 
Saumquallen 
Sauria,  -er 
Saururae  .  . 
Saxicola  .  . 
Scalpellum  . 
Scansores  '.  . 
Scaphopoda  . 
Scarabaeidae 
Scarus  .  .  . 
Schaben  .  . 
Schafe  .  .  . 
Schaflaus  .  . 
Schakal  .  . 
Scharbe  .  . 
Schaumzirpe  . 
Scheerenasseln 
Schellfisch  . 


Schiflshalter  .  . 


8»ito 

43 
273 
186 
281 
398 
165 
629 
482 
291 
484 
391 
216 
290 
641 
480 
400 
477 
482 
487 
403 
39 
421 
485 
403 
5ü5 
35 
34,  36 
475 
405 
295 
233 
277 
443 
181 
481 
102 
92 
293 
295 
301 
481 
403 
403 
11 
13 
151 
115 
440 
471 
482 
215 
486 
309 
279 
405 
264 
532 
294 
539 
476 
269 
225 
405 
404 
407 


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576 


Register. 


Schildigel  . 
Schildkröten 
Schildlaufe 
Schimpanse 
Schlaf  .  . 
Schlafmäuse 
Schla  m  mach  necke  n 
Schlangen  .... 
Schlangensaurier 
Schlangensterne 
Schlankaffen  .    .  . 
Schlankjungfern 
Schleichenlurche  . 
Schleichkatzen  .  . 
Schleiereule  .   .  . 
Schleihe  .... 
Schleimfische  (Blenni 

idae)   

Schleimfische  (Mjxine) 
Scbleimgewebe  . 
Schleimthi  erchen 
Schlupfwespen  . 
Schmarotzer  .  . 
Schmarotzerbienen 
Schmeissfiiege  . 
Schmerlen  .  . 
Schmetterlinge  . 
Schnabelkerfe  . 
Schnabelthier 
Schnaken  .  .  . 
Schnecken  .  . 
Schneeammer  . 
Schneeeule  .  . 
Schneehase  .  . 
Schneehühner 
Schnellkäfer  .  . 
Schnepfen .  .  . 
Scholle  .... 
Schreiadler  .  . 
Schreivögel  .  . 
Schuppenflosser . 
Schuppenthiere  . 
Schwämme  .  . 
Schwäne  .  .  . 
Schwärmer  .  . 
Schwalben  .  . 
Schwanensaurier 
Schwann'sche  Scheide 
Schwanz  .... 
Schwanzlurche  .  . 
Schwanzmeise  .  . 
Schwarzdrossel  .  . 
Schwarzspecht  .  . 
Schweine ,    -  Familie 

-Gruppe .... 
Schwertfisch  (FiBch) 
Schwertfisch  (Wal) 
Schwertschwänze 
Schwimmkäfer  . 
Schwimmpolypen 
Schwimmvögel 
Schwirrvögel  . 
Scincoidei  .  . 
Sciurus,  -i 
Scolopax 


Seite  I 

146  Scolopender  .  . 
443  Scomber,  -idae  . 
271  Scomberesocidae 
559  Scorpione  .    .  . 

74  Scorpionidae  .  . 
554  Scorpionafliegen 
322  Scorpionwanzen 
441  Scyllarus   .  . 
446  Scyllium    .  . 
140  Scymnus    .  . 
568  Secretär    .  . 
267  Secundäre  Geschlechts 
425      Charaktere  . 
640  Seeadler    .  . 
481  See-Anemonen 
404  See-Elephant 
i  Seehase     .  . 
407  i  Seehase    .  . 
398  Seehunde  .  . 
9  Seeigel .    .  . 

92  Seekühe  .  . 
285  Seelilien    .  . 

68  Seelöwen  .  . 
288  Seemaus  .  . 
293  i  Seenadeln,  -iämilie 

404  ;  Seeotter    .  . 
288  Seepalmen 
269  Seepferdchen 
518  Seepocken  .  . 
292  1  Seeraupen  .  . 
309  See- Rosen  . 

483  ;  Seeschildkröten 
481  Seeschlangen 
553  SeeschwalDen 
474  Seescorpion  . 
280  Seesterne  .  . 

479  Seesticbling  . 

405  Seetaucher 

480  Seeteufel  .  . 

484  Seewalzen  .  . 

406  Seewolf  .  . 
561  Seezunge  .  . 
124  Segler  .  .  . 
478  Segment    .  . 


407 
548 
205 
277 


Sehnen 
Sehorgane 
Seidenschwanz 
Seidenspinner 
Selache .    .  . 
Selachier  .  . 
Selachii    .  . 


291 
484 
446 

12 

43 
421 
482 
482 

486  Semnopithecus 
Senile  Periode 
Sepia 
Serpula 
Sesia 

Siebenschläfer 
Silpha  .  . 
1 19  I  Silpbidae  . 
475 1  Silurua,  -idae 
485  Simia 
440 
554 
479 


Simulia 
Singdrossel 
Singschwan 


480 

37 
480 
114 


Seit«  i 

239  Singvögel  .  . 
407  Singzirpen 
404  Sinnesorgane 
298  Siphonophora 
298  Siredon     .  , 
275  Siren     .    .  . 
273  Sirenia  .   .  . 
236  Sirex    .    .  . 
399  Sitta     .   .  . 
Sittacinae  .  , 
Sittiche .  . 
Skelet  .  . 
Skinke  .  . 
Sminthus  .  . 
Sociale  Ascidien 
644  I  Solea    .  - 

407  Somateria 
320  Sonnen  tl.ierchen 
643  ]  Sorex,  icidae 
141  Spanische  Fliege 
535  Spanner 
135  Spatangus,  -iden 
543  i  Spatularia 
181  i  Spechte 

408  I  Species 
640 !  Speckkäfer 
138  Speicl 
408  Speiseröhre  . 
216  '  Sperber    .  . 

181  Sperbereule 
114  ■■  Sperlingseule 
444  j  Spermatozoon 
443  !  Spermophilus 
475  |  Sphingidae 
406  !  Sphyrna    .  . 

Spinachia  .  . 
Spinnen  .  . 
Spinnentbiere 
Spinner  .  . 
Spirula  .  . 
Spirulirostra  . 
Spitzhörnchen 
Spitzmäuse 
Spongiae  .  . 
15  j  Spongilla  .  . 
18  Springmäuse 

Sprossung 
Sprott 
Spulwürmer 
Squalida 
Squami 
Squatina 
Squilla 
Staar 

182  Stachelhäuter 
290  Stachelratten  •  Gruppe 
554  Stachelschweine 
279  |  Staphylinua,  -idae 
278  Stechmücken  . 
404  Steganopodes 
669  Stegocenhalen 
293  Steinadler  . 
482  Steinbock  .  . 
478  Steinbutt  .  . 


138 
406 
476 
407 
146 
407 
405 
485 
42 


290 
399 
398 

or»ö 

61 
558 
73 


Digitized  by  Google 


Register. 


577 


Steinkauz  .  . 
Steinkorallen 
Steinmarder  . 
Steinpicker  . 
Steinschmätzer 
Steinwälzer  . 
Steissfusse 
Steissfussler  . 
Steisshühner  . 
Steller'sche  Seekuh 
Stenops  .  , 
Steppenhnhn 
Sterlet  .  .  . 
Sterna  .  .  . 
Stern  würraer 
Stichlinge,  -fai.  ilie 
Stieglitz  .  .  . 
Stimmbänder 
Stinkthiere  .  . 
Stock  .... 
Stockente  .  .  . 
Storche  .  .  . 
Store  .... 
Stomatopoda  .  . 
Strahlen  .  .  . 
Strandkrabbe 
Strandläufer  .  . 
Strandschnecken 
Strauss,  -familie 
Straussenvögel  . 
Streifenmaus  .  . 
Strepsilas  .  .  . 
Strepsiptera  .  . 
Striges  diurnae  . 
Striges  nocturnae 
Stringops  .   .  . 

Strix  

Strongylideu  .  . 
Strongvlus  .  . 
Strudelwürmer  . 
Struthio,  -nidae. 
Stubenfliege  .  . 
Stützgewebe  .  . 
Stummelaffen 
Sturmschwalbe  . 
Sturmvögel  .  . 
Sturnus  .... 
Stylommatophora 
Stylonychia  .  . 
Stylops  .... 
Subcutanes 

gewebe  .  . 
Subungulata  . 
SüBswasserpolyp 
S  üas  w  assersch  wa  mm 
Süsswasserthier  . 
Suidae  .... 

Sula  

Sumpfhühner 
Sumpfrohreule  . 
Sum  pfschildkröten 
Sumpfschnecke  . 
Surma  .... 

Sus  

Sylvia,  -adae.  . 

Boai,  Zoologie. 


167 


Seite 
481 
114 
540 
406 
482 
47» 
476 
476 
472 
536 
556 
474 
401  ! 
475 
183 
406  I 
483 

31 
540 

33 
477 
478  ! 
401  ! 
237 

42 
237 
478 
319 
478 
472 
554 
479 
275 
481 
481 
486 
481 
167 
168 
149 
473 
293 
9 
559 
475 
475 
483 
322 

99 
275 

13 
555 
119 
127 

63 
528 
476 
479 
481 
444 
319 
481 


482 


Sympathisches  N 

System  . 
Synapta  . 
Syncoryne . 
Syngnathus,  -idae 
Syrnium  . 
Syrrbaptes 
System  .  . 
Tabanidae 
Tachina  . 
Tachypetes 
Taenia  .  . 
Tag-Eulen . 
Tagfalter  . 
Tagruubvögel 
Tafegalla's 
Talpa   .  . 
Tanai's,  -iden 
Tannenheher 
Tapes   .  . 
Tapire  .  . 
Tapirus.  . 
Tardigrada 
Tarsipea  . 
Tarsius  .  . 
Taschenkrebs 
Tastorgane,  -zellen 
Tauben  .  . 
Tauchenten 
Taumelkäfer 
Tausendfüssler 
Tegenaria . 
Teichhuhn . 
Teichmuscheln 
Teleosaurus 
Teleostei  . 
Telephorus 
Tellerschnecken 
Tenebrio  . 
Tenthredi  nidae 
Terebratula 
Teredo  .  . 
Termes  .  . 
Termiten  . 
Testudinata 
Testudo,  -inidae 
Tetrabranchiata 
Tetrao  .   .  . 
Tetraonomorphae 
Tetrastee  . 
Theilung  . 
Thunfisch  . 
Thurmfalk 
Thylacinus 
Thynnus  . 
Thysanopus 
Thysanura 
Tichodroraa 
Tiefseefauna 
Tiger    .  . 
Tigerkatzen 
Tinamu's  . 
Tinea    .  . 
Tinea,  -idae 
Tintenfische 


Seite  | 


Tintinnus 


Seit« 
99 


74 
279 
476 


15  Tipula  

147  Tod  

116  Todtengräber    .  . 

408  Tölpel  

481  Tomicus,  -icidae 

474  Torpedo   400 

60  Tortrix,  -cidae  .   .   .  290 

293  Totanus   479 

298 1  Toxopneustes    .   .   .  145 

476  |  Tracheen   28 

158  Trachinus   406 

481  Tragulidae,  -en .    .    .  532 

291  Trappen   479 

480  Trematoden  ....  161 

474  Trichechus    ....  543 

522 1  Trichina,  -e  .   .   .   .  1»* 

225  Tricbocepbalus  .   .    .  168 


268 
486 

406 

443 
207 


484  Trichodectes  . 
324  Trichogloßsinae  . 
525  Trigla  .... 
525  Trigonocephalus 
303  Trilobita,  -en 

621  Tringa  479 

556  Trionyx  444 

287  Tristomum    ....  152 

16  Triton  421 

485  |  Trochilidae  .... 

477  Troctes  

278  ;  Troglodytes  (Affe)  .  . 
238  Troglodytes  (Vogel)  . 
300  "Trombidium  .... 
479  Tropidonotus    .   .  . 

331  Truthuhn  474 

446  Tubifex  183 

403  ,  Tubinares  475 

281  |  Tubipora  110 

322  Tukane  487 

28lTunicata  561 

284  Turbellaria 
191  ;  Turdiformes 


268 
559 


30  t 
442 


149 
482 
482 
485 


331  Turdus  

265  Turteltaube  .   .  . 

266  Turtur   485 

443  Tylenchus   170 

444  Tyroglyphus  ....  301 
338  Uferschnepfen  ...  479 
474  Uferschwalbe     ...  484 

473  Uhu   481 

473  I  Ungeschlechtlich    .    .  34 

32'Ungulata   524 

407  Unio                        .  331 

480  Unken   424 

520  Unpaarzeher  ....  524 

407  Unterart   67 

221  Unterhautbindegewebe  13 

268  Upupa   484 

484  Ur   533 

65  Uralkauz   481 

540  Urdarm,  -mund  ...  45 


541  Uria 
472  Urlurche  . 
404  Uroceridae 
290 :  Urodela  . 
332  I  Ursus.  -idae  . 


476 
422 


421 

539 


37 


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578 


Register. 


Uterus  . 
Vampire 
Vanellus 
Vanessa 
Varanus,  -e 
Variation 
Varietät 
Vclella  . 


Venöses  Blut 


Vergleichende  Anatomie  62 


Vermetus 
Versteinerung 
Verwandlung 
Verwandtschaft 
Vesicantia 
Vespariae 
Vespertilio 
Vesperugo 
Vielfrass 
Vielarmige 

thiere 
Vierkiemer 
Vioa. 
Vipera 
Viperina,  -en 
Viverra,  -idae 
Vivipar  . 
Vögel  . 
Vogelmilbe 
Vogelspinnen 
Vorderende 
Vorderkiemer 
Vorhof  . 
Vorticelle 
Vultur  . 
Wachtel 
Wachtelkönig 
Waldhühner 
Waldkauz . 
Waldmaus 
Waldohreule 
Waldschnepfe 
Waldspitzmaus 
Wale  .  .  . 
Walfischläuse 
Walross  .  . 
Walsaurier 
Wanderfalk  . 
Wandermuschel 


Koralhu) 


Beito 
35 
524 
479 
291 
440 
56 
57 
121 
26 
29 


312 
80 
52 
60 
281 
286 
524 
524 
540 

111 

336 
126 
443 
443 
540 

51 
450 
301  , 
300  ! 

43 
318 

26, 

99| 
481 
474 
479 
473 
481 
551 
481 
479 
522 
544 
228 
543 
446 
480 
331 


Wanderratte  .  .  . 
Wandertaube  .  . 
Wanderzelle  .  .  . 
Wanzen  .... 

Wapiti  

Warmblüter  .  .  . 
Warzenschwein  .  . 
Waschbären  .  .  . 
Waaseramsel .  .  . 
Wasserassel  .  .  . 
Wasserfrosch 
Wasserhuhn  .  .  . 
Wasserjungfern  .  . 
Wasserläufer  (Vogel) 
Wasserläufer  (Insekten) 
Wassermilben  .  . 
Wassermolche  .  . 
Wasserralle  .  .  . 
Wasserratte  .  .  . 
Wastersalamander . 
Wasserschwein  .  . 
Wasserspinne  .  . 
Wasserspitzmau» 
Wassertreter  .  . 
Waaserwarzen  .  . 
Watvögel  .... 
Weberknechte  .  . 
Wechselkröte  .  . 
Weibchen  .... 
Weichnugler .  .  . 
Weichthiere  .  .  . 
Weidenbohrer  .  . 
Weihen  .... 
Weinbergschnecke 
Weissfische  .  .  . 
Wellhorn  .... 
Wels,  -familie  .  . 
Wendehals  .  .  . 
Wespen  .... 
Westaflen  .... 
Westgeier  .  .  . 
Wickler  .... 
Wiedehopf  .  .  . 
Wiederkäuer  .    .  . 

Wiesel  

Wildkatze  .... 
Wildschwein .   .  . 
Wimperhaare,  -zellen 
Winterschlaf.   .  . 
Wisent  


Seite 

664   Wolf     .  . 

485  |  Worabat's  . 
5  Wühlmäuse 

272  Würfelnatter 
532  1  Würger  . 

30  Wurmschnecken 
529  Wurzelkrebse 

539  ;  Xenos  .  . 
482  !  Xiphias 
224  I  Xiphura  . 
424  |  Xylophaga 
479  Yak  .  .  . 
266 !  Zahnarme  . 
479 •  Zahntaube . 

272  Zahnvögel . 
301  Zahnwale  . 
421  ,  Zander  .  . 

479  Zaunschlüpfer 
655  Zebra's  .  . 
421  |  Zebu  .  .  . 
555  '  Zecken  .  . 
300  Zehnfüssler 
522;  Zelle  .  . 
480 '  Zibethkatzen 

273  Zibethratte 
478  Ziegen  .  . 
299  Ziegenmelker 
424  Ziesel  . 

34  Zirpen  . 
280  Zitteraal 
305  Zitterroche 
290  Zitterwels 

480  Zoarces . 
322  Zobel  . 
404  Zoea 
319  Zuckergast 
404 ,  Zungenwürmer 

486  [  Zusammengesetzte 
286 '  cidien 
667  |  Zweiflügler 
481 1  Zwcikiemer 
290 !  Zwerg» Am 
484  :  Zwergfalk  .  . 
629 !  Zwergmaus  . 

540  Zwergohreule 
641  { Zwergspitzmaus 


528 
7 
74 


Zwergwal 
Zwitter 
Zwitterdrüse 


Corrigendum. 

Seite  201.  Durch  ein  Versehen  ist  Fig.  134  auf  den  Kopf  gestellt  worden. 


O.  P4tx'4che  liuebdr.  (Lippcrt  &  Co.).  Naumburg  »  S. 


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Date  Due 


380 


Specieller  Theil. 


von  der  Schädelhöhle  getrennt.  Bei  gewissen  Selachiern  steht  der 
Hohlraum  des  Labyrinths  durch  einen  an  der  Oberfläche  des  Kopfes 
mündenden  Kanal  (Ductus  endolymphaticus)  mit  der  Aussenwelt  in 
offener  Verbindung ;  bei  anderen  ist  der  Kanal  zwar  vorhanden,  aber 
an  seinem  äusseren  Ende  geschlossen,  ßei  den  Knochenfischen  findet 
sich  im  Sacculus ein  grosser  porzellanartiger,  abgeplatteter  Hörstein, 
in  einer  Ausstülpung  des  Sacculus  ein  kleinerer,  ferner  ein  dritter  im 
vordersten  Theil  des  Utriculus.  Bei  den  Selachiern  und  den  Knorpel- 
ganoiden  sind  sie  durch  Ballen  feiner  Krystalle  ersetzt. 

In  einer  rückgebildeten  Gestalt  erscheint  das  Lahyrinth  bei  den  Cyclo- 
stomen  mit  einem  oder  zwei  Bogengängen  —  ein  unter  den  Wirbel thieren 
einzig  dastehender  Fall. 

Die  Mundhöhle  der  Fische  ist  in  der  Regel  mit  Zähnen  aus- 
gestattet, welche  bei  den  Selachiern  *)  am  Gaumen-  (Oberkiefer-)  und 
Unterkiefer-Knorpel,  bei  den  Knochenganoiden  und  den  Knochen- 
fischen auf  einer  Menge  verschiedener  Knochen  angebracht  sind:  auf 
den  Zwischen-,  Ober-  und  Unterkieferknochen,  den  Gaumen-  und 
Flügelbeinen,  den  Kiemenbögen  (besonders  den  unteren  und  oberen 
Schlundknochen),  den  Oopulae  des  Visceralskeletes  und  dem  Vomer; 
übrigens  können  sie  auf  dem  einen  oder  anderen  dieser  Knochen  fehlen. 
Die  Zähne  haben  ziemlich  verschiedene  Formen:  am  häufigsten  sind 
sie  spitz,  kegelförmig,  schwach  gebogen,  kräftiger  oder  schwächer ;  in 
anderen  Fällen  sind  es  niedrige,  gewölbte  Mahlzähne  (Rochen,  gewisse 
Knochenfische),  oder  sie  sind  zusammengedrückt,  dreikantig  (Haie), 
oder  meisselartig,  den  Schneidezähnen  des  Menschen  ähnlich  (gewisse 
Knochenfische),  etc.  Die  Zähne  sind  sehr  oft  ungeheuer  zahlreich, 
bedecken  rasenförmig  oder  —  wenn  es  Höckerzähne  sind  —  pflaster- 
artig die  Knochen;  an  den  Kieferknochen  ist  jedoch  häufig  nur  eine 
Reihe  Zähne  (oder  eine  Reihe  grösserer  Zähne  ausser  kleineren)  vor- 
handen. Die  Zähne  sind  entweder  durch  Bindegewebe  am  unter- 
liegenden Knorpel  oder  Knochen  befestigt  und  dann  oft  etwas  be- 
weglich, oder  sie  sind  mit  dem  Knochen  durch  einen  knöchernen  Zahn- 
sockel verbunden.  Sie  werden  immer  das  ganze  Leben  hindurch  erneuert  ; 
die  alten  Zähne  fallen  aus,  indem  die  Verbindung  zwischen  ihnen 
und  dem  Knorpel  oder  Knochen  sich  lockert;  ist  ein  Zahnsockel  vor- 
handen, so  wird  dieser  aufgelöst.  Die  gewöhnlichen  kegelförmigen 
Fischzähne  haben  wesentlich  die  Aufgabe,  die  Beute  festzuhalten,  und 
sind  deshalb  mit  der  Spitze  nach  hinten  und  innen  gerichtet;  sind  sie 
beweglich,  so  kann  die  Spitze  auch  blos  nach  dieser  Richtung  bewegt 
werden.  Diejenigen  Zähne,  welche  andere  Formen  haben,  werden  zum 
Abbeissen  oder  Zerkleinern  der  Nahrung  verwendet. 

Die  Speiseröhre  ist  so  kurz  und  weit,  dass  die  Mundhöhle  fast 
direkt  in  den  Magen  übergeht.  In  den  vordersten  Theil  des  Dünndarms, 
dicht  am  Magen,  mündet  bei  manchen  Knochenfischen  eine  verschiedene 
Anzahl  (1,  2,  3...  bis  ein  paar  hundert)  kurzer  Blinddärme,  die 
Pförtneranhänge  (Appemlices  pyloricae);  sie  sind  drüsiger  Natur. 
Bei  den  Cyclostomen,  Selachiern  und  Ganoiden  findet  sich  im  Dünn- 
darm eine  grosse,  stark  vorspringende  Falte,  welche  in  einer  Spiral- 
linie an  der  Innenseite  des  Darmes  entspringt  und  die  Höhlung  des 


')  Ausser  den  wohlentwickelten  Zähnen  an  den  Kiefern  besitzen  die  Selachier 
oftmals  noch  zahlreiche  sehr  kleine  Zähne  an  anderen  Stellen  der  Mundhöhlen  wand 
(an  der  oberen  und  unteren  Wand  der  Mundhöhle  und  an  den  Kiemenbögen). 


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Wirbelthiere.   2.  Clasae:  Fische.  387 

Darmes  zum  grossen  Theil  ausfüllt:  die  Spiral  falte ');  sie  fehlt 
bei  den  Knochenfischen.    Der  Enddarm  ist  ein  ganz  kurzer  Schlauch. 

Bei  einigen  Fischen  findet  man  —  was  bei  den  höher  stehenden 
Wirbelthieren  nie  der  Fall  ist  —,  dass  der  After  nicht  an  der  Grenze  von 


Fig.  '271.    Kin  Fisch  mit  k  e  Ii  Ks  t  tt  n  d  i^c  m  Alter  (Stemarchua  curcirontria).     A  von 
«ler  Seite,  B  vonlerer  Theil  von  unten,    n  After,  <>  Mund.        Nach  Botilcn^cr. 

Rumpf  nnd  Schwanz  liegt,  sondern  nach  vorn  gerückt  ist,  zuweilen  sogar 
bis  an  den  Kopf  heran  („ After  kehlst&ndig").  Die  Afterflosse  folgt  in 
solchen  Fällen  dem  After  und  nimmt  wie  gewöhnlich  dicht  hinter  demselben 
ihren  Anfang. 

Der  Kiemenapparat.  Die  Mundhöhle  ist  bei  den  Selachiern 
hinten  jederseits  von  5  (selten  6  oder  7)  grossen  schrägen  Spalten 
durchbrochen,  welche  dicht  auf  einander  folgen  und  durch  senkrechte 
coulissenartige  Platten  getrennt  sind;  in  jeder  Coulisse  liegt  in  dem 
inneren,  der  Mundhöhle  zugewandten  Rande  ein  Kiemenbogen,  während 
der  übrige  Theil  derselben  durch  die  von  letzterem  entspringenden 
Knorpelstrahlen  (vergl.  S.  379)  ausgespannt  wird.  Von  den  Spalten 
oder  Kiementaschen,  deren  äussere  Oeffnung  häufig  kleiner  ist 
als  die  innere,  liegt  die  vorderste  zwischen  dem  Zungenbeinbogen  und 
dem  1.  Kiemenbogen;  die  folgenden  zwischen  dem  1.  und  2.,  resp. 
2.  und  3.,  3.  und  4.,  4.  und  5.  Kiemenbogen.  Sowohl  an  der  Vorder- 
ais an  der  Hinterwand  —  in  der  letzten  Kiementasche  jedoch  nur 
auf  der  Vorderwand  —  findet  sich  eine  senkrechte  Reihe  platter, 
wagerecht,  eine  über  der  anderen,  stehender  Hautfalten,  Kiemen- 
blättchen;  von  solchen  besitzen  die  Selachier  also  in  der  Regel 
jederseits  9  Reihen :  die  erste  sitzt  an  der  Hinterseite  des  Zungenbein- 
bogens, die  übrigen  acht  an  der  Vorder-  und  Hinterseite  der  vier  ersten 
Kiemenbogen.  Jedes  Kiemenblatt  ist  wieder  mit  feineren  Querfalten 
versehen.  Ausser  den  genannten  5  Kiem entaschen  findet  sich  noch 
bei  manchen  Selachiern  eine  vorderste  röhrenförmige  Kiementasche 
zwischen  den  obersten  Theilen  des  Zungenbeinbogens  und  des  Kiefer- 
bogens, das  Spritzloch,  in  welchem  eine  rudimentäre  Kiemenblattreihe 
vorhanden  sein  kann ;  das  Spritzloch  mündet  mit  einer  verhältnissmässig 
kleinen  Oeffnung  auf  der  Oberfläche  des  Kopfes.  —  Die  Cyclostomen 
schlie88en  sich  in  der  Hauptsache  an  die  Selachier  an;  die  Kiemen- 
taschen sind  aber  bei  ihnen  röhrenförmig,  in  der  Mitte  angeschwollen ; 
sowohl  die  äussere  als  die  innere  Oeffnung  ziemlich  klein ;  die  Kiemen- 
blätter sitzen  in  dem  erweiterten  Abschnitte.  —  Die  Verhältnisse  des 


*)  Ausnahmsweise  —  bei  gewissen  Haien  —  entspringt  die  Falte,  welche  dann 
ein  breites,  papierrollenartig  zusammengerolltes  Blatt  ist,  in  einer  ungefähr  geraden 
Linie  an  der  Wand  des  Darmes. 

26* 


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388 


Specieiler  Theil. 


Kiemenapparates  bei  den  Gtanoiden,  Lungen-  und  Knochen- 
fischen lassen  sich  von  denen  der  Selachier  ableiten.    Bei  diesen 


Hg.  272.  Wagerechter  Schnitt 
durch  den  Kopf  eine«  Haies 
(AcaiUhiat),  schematisirt.  Die 
Visceralbogen  sind  punktirt,  die 
Kiemenblattchen  schraffirt.  &r,, 
brjf,  br^  erster,  dritter,  fünfter 
Kiemenbogen ;  e  Coulisse ;  y 
oberer  Abschnitt  den  ersten  Vis- 
cernlbogens  (Uatunenknorpel) ; 
h  Zungenbeinbogen,  k  Leibes- 
wand, /  Leibeahöhle,  in  Mund- 
höhle, n  Riccbgrube,  oe  Speise- 
röhre, m  Stabchen  am  Innen- 
rande  der  Kiemenbogen  (Seih- 
apparat); tpt  erste,  tpb  fünft« 
Kiemenspalte.  —  Orig. 


Hg.  278.  Wagerechter  Schnitt 
durch  den  Kopf  eines  K  n  o  - 
chenfisches  (Dorsch),  ober- 
halb der  Mundöffnung;  etwas 
schematisirt.  Buchstaben  wie  in 
Fig.  272,  mit  Ausnahme  von: 
g  oberer  Abschnitt  des  ersten 
Visceralbogena  (hier  knöchern), 
op  Kiemendeckel,  8p 
Oeffnung  der 
Orig. 


Gruppen  sind  alle  5  äusseren  Kienienspaltenöffnungen  Uberdeckt  von 
einer  von  Knochenplatten  und  -Stäben  gestützten  mächtigen  Hautfalte, 


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Wirbelthiere.   2.  Classe:  Fische. 


389 


dem  Kiemendeckel,  welcher  vom  Zungenbeinbogen  entspringt  und 
sich  über  dieselben  hin  erstreckt  Dabei  sind  die  Ooulissen  zwischen 
den  Kiemenspalten  schmäler  geworden,  besonders  bei  den  Knochen- 
fischen. Während  es  bei  den  Selacbiern  breite  Platten  sind,  welche 
von  den  Kiemenblättern  nicht  völlig  bedeckt  sind,  so  dass  nach  aussen 
ein  freier  Saum  bleibt,  fehlt  ein  solcher  bei  den  genannten  Gruppen, 
und  das  äussere  Ende  der  Kiemenblättchen  ragt  mehr  oder  weniger  weit 
über  den  Aussenrand  der  Coulisse  hinaus,  am  meisten  bei  den  Knochen- 

A  B  C  DE 


Fig.  274.  Querschnitte  eines  Kiemenbogens  verschiedener  Fische:  A  Hai,  B 
Chimaera  (vergl.  S.  400),  C  Stör,  D — E  verschiedene  Knochenfische;  schematisirt. 
b  Riemenbogen,  c  Coulisse,  •  Stabchen  (des  Seihapparates).  Kiemenblättchen  schraffirt.  —  Orig. 

fischen,  deren  schmale  zugespitzte  Kiemenblättchen  meist  mit  kurzer 
Basis  von  der  sehr  reducirten  Coulisse  entspringen.  Bei  diesen  Gruppen 
werden  die  beiden  zu  einem  Kiemenbogen  gehörigen  Kiemenblattreihen 
als  eine  Kieme  bezeichnet  (von  solchen  haben  wir  also  jederseits  4); 
den  innerhalb  des  Kiemendeckels  befindlichen  Raum,  in  welchen  die 
Kiemenblätter  hineinragen ,  nennt  man  die  Kiemen  höhle.  Bei 
Ganoiden  und  Lungenfischen  ist  oft  noch  die  Kiemenblattreihe  an 
der  Hinterseite  des  Zungenbeinbogens  (Innenseite  des  Kiemendeckels), 
Opercularkieme,  vorhanden,  während  dieselbe  bei  den  Knochen- 
fischen rudimentär  ist  oder  fehlt ;  beim  Stör  und  Bischir  hat  sich  das 
Spritzloch  erhalten. 

Der  Kiemendeckel  enthält  platten-  und  stabformige  Hautknochen, 
welche  sich  an  den  Zungenbeinbogen  heften.  Bei  den  Knochenfischen  liegt 
am  Hinterrande  der  oberen  Partie  des  Zungenbeinbogens  entlang  ein  läng- 
licher Knochen,  Praeoj>erculum ,  hinter  diesem  finden  sich  drei  grosse 
platten  förmige  Knochen:  Operculum  (der  grösste),  Suboperculttm  und  Inter- 
operculwn ,  und  vom  unteren  Theile  des  Zungenbeinbogens  entspringt  eine 
Reihe  dünner,  gebogener  Knochen,  die  Kiemenhautstrahlen,  welche  in 
den  unteren  häutigen  Theil  des  Kiemendeckels  eingelagert  sind.  —  Die  äussere 
Oeffnung  der  Kiemenhöhle  ist  im  Allgemeinen  eine  sehr  grosse  Spalte,  bei 
einigen  Fischen  (z.  B.  dem  Aal)  v erwächst  aber  der  Hinterrand  des  Kiemen- 
deckels in  so  grosser  Ausdehnung  mit  dem  Körper,  dass  nur  eine  kleine 
seitliche  Oeffnung  übrig  bleibt. 


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390 


Specieller  Theil. 


Die  Erneuerung  des  Athemwassers  in  den  Kiementaschen  oder 
der  Kiemenhöhle  findet  in  folgender  Weise  statt:  das  Wasser  wird 
durch  den  Mund  in  die  Mundhöhle  aufgenommen,  darauf  wird  die 
Mundöffnung  geschlossen,  die  Zunge  gehoben  und  der  Kiemendeckel 
einwärts  gepresst  und  so  das  Wasser  durch  die  Kiemenspalten,  über 
die  Kiemenblättchen  hin,  getrieben.  —  Am  inneren  Rand  der  Kiemen- 
bögen  findet  sich  ein  mehr  oder  weniger  entwickelter  Seih-Apparat, 
der  die  Aufgabe  hat,  zu  verhindern,  dass  feste  Theile,  welche  mit 
dem  Wasser  in  die  Mundhöhle  eindringen,  auch  in  die  Kiementaschen 
oder  in  die  Kiemenhöhle  gerathen.  Bei  den  Selachiern,  den  Lungen- 
fischen und  den  Knorpelganoidcn  ist  dieser  Apparat  meist  durch  eine 
doppelte  (am  Zungenbeinbogen  und  am  letzten  Kiemenbogen  eine  ein- 
zelne) Reihe  knorpeliger  Stäbchen  am  inneren  Rand  der  Kiemenbogen 
repräsentirt ;  die  Stäbchen  der  vorderen  Reihe  an  jedem  Bogen  greifen 
zwischen  diejenigen  der  hinteren  des  vorangehenden  Bogens  ein.  Bei 
den  Knochenfischen  sind  dieselben  durch  knöcherne,  oft  zahntragende 
Auswüchse  ersetzt,  von  welchen  die  der  vordersten  Reihe  des  1.  Kiemen- 
bogens  oft  sehr  lange  Stäbe  sind,  um  die  Spalte  zwischen  dem  1.  Kiemen- 
bogen und  dem  Zungenbeinbogen,  welch  letzterem  derartige  Auswüchse 
abgehen,  überdecken  zu  können;  übrigens  ist  der  Seih-Apparat  bei 
verschiedenen  Knochenfischen  in  sehr  verschiedenem  Grade  entwickelt, 
bei  einigen,  z.  B.  beim  Hering,  stark  ausgebildet,  bei  anderen  kaum 
angedeutet. 

Bei  den  Cyclostomen  und  Selachiern  fehlen  noch  Gebilde,  welche 
den  Lungen  der  höheren  Wirbelthiere  entsprechen.  Dagegen  findet 
sich  eine  wirkliche  Lunge,  welche  nicht  allein  den  Lungen  der 
Amphibien  u.  a.  homolog  ist,  sondern  auch  als  Athmungsorgan 
fungirt,  bei  einigen  Knochenganoiden  (Knochenhecht  und 
Amia)  und  bei  den  Lungen  fischen,  ferner  auch  bei  einzelnen 
Knochenfischen.  Diese  Lunge  ist  unpaarig  oder  unvollständig  in  zwei 
getheilt,  liegt  oberhalb  des  Darmkanals  und  mündet  mit  einer  weiten 
Oeffnung  in  die  Speiseröhre ;  sie  ist  inwendig  mit  Falten  ungefähr  wie 
die  Froschlunge  ausgestattet.  Die  betreffenden  Thiere  haben  neben 
der  Lunge  auch  Kiemen,  welche  ebenfalls  als  Athmungsorgane 
fungiren  1).  Bei  den  übrigen  Fischen  ist  zwar  gewöhnlich  eine  Lunge 
vorhanden,  dieselbe  fungirt  aber  nicht  als  Athmungsorgan,  sondern 
lediglich  als  hydrostatischer  Apparat  und  wird  als  Schwimm- 
blase bezeichnet.  Die  Schwimmblase  ist  ein  unpaariger,  luftge- 
füllter, oft  ziemlich  dickwandiger  Sack,  welcher  seinen  Platz  dicht 
unterhalb  der  Wirbelsäule,  oberhalb  des  Darmkanals,  hat;  bei  manchen 
Fischen  steht  sie  durch  einen  engen  Kanal,  den  Luft  gang,  mit  der 
Speiseröhre  *)  in  Verbindung,  bei  anderen  ist  eine  solche  Verbindung 
nur  während  des  embryonalen  Lebens  vorhanden,  während  der  Gang 
sich  später  schliesst  und  verschwindet.  Die  Schwimmblase  ist  zu- 
weilen durch  eine  Quereinschnüruug  in  einen  vorderen  und  hinteren 
Abschnitt  getheilt,  welche  übrigens  in  offener  Verbindung  mit  ein- 
ander stehen  (bei  Karpfenfischen),  oder  sie  kann  mit  Ausstülpungen 
versehen  sein.    Das  in  der  Schwimmblase  enthaltene  Gas  ist  nicht 


')  Von  einigen  dieser  Fische  weiss  man ,  dass  sie  ein  Austrocknen  der  Um- 
gebung aushalten  können,  bei  welchem  die  Jvietnen  zeitweise  ausser  Function  gesetzt 
werden. 

J)  Bei  einzelnen  mündet  der  Luftgaug  weiter  nach  hinten,  in  den  Magen,  ein. 


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Wirbelthiere.    2.  Claas c  :  Fische. 


391 


direkt  aus  der  Atmosphäre  aufgenommen ,  sondern  wird  von  den  in 
der  Wand  der  Schwimmblase  liegenden  Gefässen  ausgeschieden,  welche 
zuweilen  dichte  begrenzte  Gefässnetze  bilden,  die  als  „rothe  Körper" 
an  der  Innenseite  der  Schwimmblase  hervortreten. 

Manche  Fische,  z.  B.  die  gewöhnlichen  Süsswasserfische,  deren  Schwimm- 
blase kein  Athmnngsorgan  ist,  kommen  trotzdem  nicht  selten  an  die  Ober- 
fläche und  schnappen  mit  dem  Mund  etwas  atmosphärische  Luft,  die  sie 
übrigens  bald  wieder  fahren  lassen;  es  handelt  sich  hier  wahrscheinlich  um 
eine  in  der  Mundhöhle  stattfindende  Luftathmung  von  verhältnismässig 
untergeordneter  Bedeutung.  Bei  einzelnen  Fischen  entwickeln  sich  in  An- 
schluss  hieran  besondere  A thmungsapparate;  so  findet  sich  z.  B. 
bei  gewissen  Welsen  (Saecobranchus)  jederseits  eine  sackförmige,  als  Lunge 
fungirende  Ausstülpung  der  Mundhöhle,  welche  sich  vor  dem  ersten  Kiemen- 
bogen  in  letztere  öffnet  und  sich  weit  nach  hinten  durch  den  Körper  er- 
streckt; ähnliche  bei  einer  Art  Aal  (Amphipnous),  welcher  in  Ostindien  in 
Erdlöchern  lebt  und  dessen  Kiemen  stark  rückgebildet  sind.  Beim  ostin- 
dischen Kletterfisch  (Anabas),  welcher  oft  auf  das  Land  wandert  und  eben- 
falls schwach  entwickelte  Kiemen  besitzt,  befinden  sich  oben  in  der  Kiemen- 
höhle eigen thümliche  gekräuselte  Blätter  (durch  umgebildete  Theile  der 
Kiemenbögen  gestützt),  welche  als  Luftathmungs-Organ  fungiren,  etc.  —  Bei 
anderen,  z.  B.  den  Schmerlen  (Cobitis)  findet  eine  Darmathmung  statt: 
es  wird  durch  den  Mund  Luft  aufgenommen,  welche  verschluckt  wird  und 
durch  den  an  gewissen  Stellen  besonders  gefUssreichen  Darmkanal  passirt; 
die  nicht  aufgenommene  Luft  tritt  mit  ausgeschiedener  Kohlensäure  zu- 
sammen durch  den  After  aus. 

Nicht  wenige  Fische  können  Laute  erzeugen.  Es  geschieht  dieses  ent- 
weder dadurch,  dass  die  Wand  der  Schwimmblase  durch  gewisse  an  der- 
selben angebrachte  (resp.  von  Skelettheilen  entspringende  und  an  dieselbe 
sich  heftende)  Muskeln  in  Schwingungen  versetzt  wird  (Knurrhahn),  oder 
dass  gewisse  Knochenoberflachen  gegen  einander  gerieben  werden  (bei  ge- 
wissen Welsen  wird  z.  B.  der  Grundtheil  stark  entwickelter  Strahlen  gegen 
unterliegende  Knochen  gerieben). 

Das  Herz,  welches  seinen  Platz  weit  vorne,  dicht  am  Kopfe, 
hat,  ist  gewöhnlich  ungefähr  symmetrisch.  Bei  den  Selachiern, 
Ganoiden  und  Lungenfischen  besteht  es  aus  einem  grossen 
dünnwandigen  V  o  r  h  o  f ,  einer  unterhalb  des  letzteren  liegenden  Herz- 
kammer, von  deren  eugera  Hohlraum  zahlreiche  Fortsätze  in  die 
dicke  Wand  sich  erstrecken,  welche  dadurch  einen  spongiösen  Charakter 
erhält,  und  endlich  aus  einem  schlauchförmigen  Herzkegel  {Conus 
arteriosus),  von  dessen  vorderem  Ende  der  Kiemeuarterienstamm  ent- 
springt, und  in  welchem  eine  verschiedene  Anzahl  (aber  immer 
mehrere)  Reihen  von  häutigen,  taschenförmigen  Klappen  sich  be- 
finden; alle  drei  Abschnitte  sind  röthlich  und  ihre  Wand  mit  quer- 
gestreiften Muskelzellen  versehen.  Bei  den  Knochen fi sehen  ist 
der  Herzkegel  in  der  Regel  vollkommen  rudimentär  (äusserst  kurz 
und  ohne  Muskulatur)  und  nur  mit  zwei  einander  gegenüber  sitzenden 
Klappen  versehen ;  nur  bei  einzelnen  Knochenfischen  (aus  der  Herings- 
familie) ist  ein  etwas  deutlicherer,  wenn  auch  sehr  kurzer  Herzkegei 
vorhanden,  und  bei  einer  einzigen  Gattung  unter  diesen  (Butirinm) 
finden  sich  zwei  Querreihen  von  Klappen1).    (Bei  den  Cyclostomen 


')  Schon  bei  einem  der  Knochenganoiden  (Amia)  ist  der  Herzkegel  sehr  ver- 
kürzt und  besitzt  nur  drei  KUppenreihen. 


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392 


Specialer  Theil. 


fehlt  ein  Herzkegel.)  Auf  der  Grenze  des  Vorhofs  und  der  Herz- 
kammer findet  sich  bei  den  Fischen  in  der  Regel  eine  Querreihe  von 
Klappen;  ähnliche  in  der  Regel  auch  auf  der  Grenze  des  Venen- 
sackes (vergl.  unten)  und  des  Vorhofs.  —  Von  dem  Vorderende  des 


AB  C 


Fig.  275.  -  Schematische  Längsschnitte  des  Herzens  verschiedener  Fische.  A  von 
einem  Fisch  mit  wohlentwickeltein  Herzkegel,  B  von  Anu'a,  C  eines  Knochenfisches, 
in  B  und  C  ist  der  Vorhof  weggelassen,  a  Vorhof,  b]  Arterienbulbns,  welcher  bei  Ami«  nur 
noch  angedeutet  ist,  c  Herzkegel,  k  Klappen,  •  Venensack,  t  Arterienstamm,  v  Herzkammer. 
—  Orig. 

Herzkegels  oder,  wenn  dieser  fehlt,  von  der  Herzkammer  entspringt 
ein  kürzerer  oder  längerer  unpaarer  Kiemenarterienstamm, 
welcher  bei  den  Knochenfischen  unmittelbar  an  seinem  Ursprung 
stark  angeschwollen  und  dickwandig  ist.  Diese  Anschwellung,  der 
Arterienbulbus1)  (Bulbus  arteriosus),  ist  ebenso  wie  der  übrige 
Theil  der  Arterie  weisslich  und  enthält  blos  glatte  Muskelzellen 
(während  der  Herzkegel,  mit  welchem  er  in  früherer  Zeit  zusammen- 
geworfen wurde,  roth  ist  und  quergestreifte  Muskelzellen  besitzt).  Der 
Kiemenarterienstamm  giebt  an  jeden  Kiemenbogen,  welcher  Kiemen- 
blättchen  trägt,  einen  Ast  ab;  wenn  die  Kieme  am  Zungenbeinbogen 
wohlentwickelt  ist,  geht  auch  an  diese  ein  ähnlicher  Ast,  welcher  da- 
gegen fehlt,  wenn  die  Kieme  rudimentär  ist.  Diese  Aeste,  die  zu- 
führenden Kiemenarterien,  laufen  (von  unten  nach  oben)  am 
Hinterrande  der  Kiemenbogen  entlang  und  geben  an  jedes  Kiemen- 
blättchen  einen  Ast  ab,  welcher  sich  in  ein  Gefässnetz  auflöst.  Von 
jedem  Kiemenblättchen  entspringt  wieder  ein  kleines  Gefass,  welches 
mit  den  ähnlichen  desselben  Visceralbogens  zusammen  eine  abfüh- 
rendeKiemenarterie*)  bildet,  die  neben  der  zuführenden  Arterie 

')  Auch  bei  der  soeben  genannten  Amia  —  sonst  aber  bei  keinem  Fisch  ausser- 
halb der  Abtheilung  der  Knochenfische  —  ist  eine  Anschwellung  vorhanden,  ihre 
Wand  ist  aber  bei  dieser  Gattung  nur  wenig  verdickt. 

a)  Oftmals,  aber  unrichtiger  Woisc,  werden  die  abführenden  Kiemenarterien 
mit  dem  Namen  Kiemen  ynen  bezeichnet,  in  welchem  Fall  dann  die  zuführenden 
Kiemenartcrien  einfach  „die  Kicmenartcricn"  genannt  werden. 


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Wirbelthiere.    2.  Classe  :  Fische. 


393 


verläuft  und  sich  an  der  Bückenseite  mit  den  entsprechenden  aus  den 
anderen  Visceralbögen  derselben  und  der  anderen  Seite  vereinigt  und 
so  die  Aorta  bildet,  welche  nach  hinten  dicht  unterhalb  der  Wirbel- 
säule verläuft  und  Aeste  zu  den  verschiedenen  Theilen  des  Körpers 
abgiebt.  Die  Venen  des  Körpers  sammeln  sich  alle  zum  Venensack 
(Sintis  venosus),  welcher  in  den  Vorhof  einmündet.  Das  in  das  Herz 
eintretende  Blut  ist  somit  venös,  gelangt  in  diesem  Zustande  in 
die  Kiemen,  wird  hier  arteriell  und  fliesst  dann  in  die  Arterien  des 
Körpers. 

Es  besteht  demnach  im  Allgemeinen  eine  strenge  Trennung  der  beiden 
Blutarten  (des  arteriellen  und  des  venösen  Blutes)  bei  den  Fischen,  und 
die  Einrichtung  des  Qefasssystems  entspricht  den  S.  29—30  hervorgehobenen 
allgemeinen  Principien.  Hiervon  machen  aber  diejenigen  Fische  eine  Aus- 
nahme, welche  ausser  den  Kiemen  noch  andere  Athmungsorgane  besitzen; 
bei  ihnen  mischen  sich  das  arterielle  und  das  venöse  Blut  in  grösserem 
oder  kleinerem  Umfange.  Beim  Knochenhecht  z.  B.  erhält  die  Lunge 
Blut  von  der  Aorta,  also  arterielles  Blut,  welches  in  der  Lunge  weiter 
oxydirt  wird,  während  die  Lungenvenen,  welche  also  sehr  sauerstoftreiches 
Blut  fuhren,  sich  mit  den  grossen  Venen  vereinigen,  welche  das  venöse 
Blut  aus  dem  übrigen  Körper  zum  Herzen  führen ;  das  Herz  und  damit  auch 
die  Kiemen  empfangen  also  ein  gemischtes,  arteriell  -  venöses  Blut.  — 
Bei  den  Lungenfischen,  deren  Lunge  (ebenso  wie  die  der  höheren 
"Wirbelthiere)  ihr  Blut  von  dem  letzten  Arterienbogen  (der  letzten  abfüh- 
renden Kiemenarterie)  erhält,  sind  besondere  Einrichtungen  vorhanden, 
welche  dem  genannten  Uebelstand  theilweise  abhelfen,  welche  aber  zu  com- 
plicirt  sind,  als  dass  wir  hier  auf  dieselben  eingehen  könnten. 

Die  Nieren  der  Fische  haben  sehr  verschiedene  Formen.  Ge- 
wöhnlich sind  es  langgestreckte,  abgeplattete  Körper,  welche  bei 
manchen  Knochenfischen  sich  vom  Kopf  durch  die  ganze  Leibeshöhle 
erstrecken  und  dicht  unterhalb  der  Wirbelsäule  (oberhalb  der  Schwimm- 
blase) ihren  Platz  haben ;  zuweilen  ist  (bei  Knochenfischen)  der 
vorderste  Theil  stark  entwickelt,  die  folgenden  Partien  schwächer; 
nicht  selten  sind  die  Nieren  hinten,  zuweilen  auch  vorne,  ver- 
schmolzen ')•  Bei  den  Selachiern  finden  sich  oft  an  einigen  der  Harn- 
kanälchen  Wim pertrichter,  welche  sich  in  die  Leibeshöhle  öffnen 
fvergl.  S.  363).  Die  Harnleiter  münden  bei  den  Selachiern  und 
Lnngenfischen  in  die  Kloake,  bei  den  übrigen,  nachdem  sie  sich  mit 
einander  vereinigt  haben,  mit  einer  Oeffnung  hinter  dem  After,  ent- 
weder gemeinschaftlich  mit  den  Geschlechtsgängen  oder  mit  einer 
besonderen  Oeffnung  hinter  der  Geschlechtsöffnung;  letzteres  ist  bei 
den  meisten  Knochenfischen  der  Fall,  bei  denen  man  also  drei  Oeff- 
nungen,  eine  hinter  der  anderen,  findet:  zuerst  den  After,  dann  die 
GeBchlechtsöffnung,  zuletzt  die  Harnöffnung9).    Eine  Harnblase, 


')  Eine  sehr  interessante  Umbildung  der  Nieren  findet  man  beim  Männchen 
des  Scestichlings  {Smnachia  vulgaris),  welches  mittels  feiner  Schleimfäden 
fremde  Theile  zu  einem  Nest  für  die  Eier  zusammenspinnt.  Der  Schleim,  aus 
welchem  diese  Fäden  bestehen,  wird  in  den  Nieren  erzeugt,  indem  ein  Theil 
der  Drüsenzellen  der  Harnkanälchen  zu  schleimabsondernden  Zellen,  von  einem 
anderen  Aussehen  als  die  übrigen  Zellen  der  Kanälchen,  umgebildet  sind. 

*)  In  der  genannten  Region  findet  sich  seitlich  vom  After  bei  einigen  Fischen, 
nämlich  den  Selachiern,  den  Uanoiden  und  gewissen  Knochenfischen  (der  Lachs- 
familie), ein  Paar  feine  Oeffnungen,  die  sogenannten  Abdominalporen  (Pori 
abdominales),  welche  die  fiauohwand  durchbohren  und. die  Leibeshöhle  mit  der 
Aussenwelt  in  Verbindung  setzen;  ihre  Bedeutung  ist  unbekannt. 


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394 


Specieller  Theil. 


welche  derjenigen  anderer  Wirbelthiere  entspricht,  fehlt;  bei  manchen 
ist  aber  der  äusserste  Theil  der  Harnleiter  erweitert  und  dieser  Ab- 
schnitt fungirt  dann  als  Harnbehälter;  bei  den  Selachiern  sind  zwei 
solche  vorhanden,  bei  den  Knochenfischen  nur  eine,  indem  die  Harn- 
leiter in  ihrem  hintersten  Theile  verschmolzen  sind. 

Weibliche  Geschlechtsorgane.  Bei  Selachiern,  Ga- 
tt oiden1)  und  Lungen  fischen  verhalten  die  Eierstöcke  sich 
wie  bei  den  meisten  anderen  Wirbelthieren,  und  es  finden  sich  bei 
den  Weibchen  ein  Paar  Müller 's  che  Gänge,  welche  sich  wie  ge- 
wöhnlich mit  je  einem  Trichter2)  vorne  in  die  Bauchöhle  öffnen;  bei 
den  Selachiern  und  den  Lungenfischen  münden  sie  hinten  in  die 
Kloake,  während  sie  sich  bei  den  Ganoiden  mit  den  Harnleitern  ver- 
einigen und  lunter  dem  After  mit  einer  unpaarigen  Oeffnung  aus- 
münden. Bei  den  Selachiern  findet  sich  an  jedem  Eileiter  eine  an- 
geschwollene Partie,  in  deren  Wand  Drüsen  vorhanden  sind,  zur 
Abscheidung  der  hornartigen  Hülle,  welche  bei  diesen  Thieren  ein 
oder  mehrere  Eier  umgiebt.  —  Bei  den  Knochenfischen  fehlen 
Müller'sche  Gänge  vollständig;  die  Eierstöcke  sind  bei  den 
Knochenfischen  hohle  Organe  von  verschiedener  Form,  welche  sich 
in  je  einen  kurzen  schlauchförmigen  Ausführungsgang  fortsetzen,  der 
mit  dem  der  andern  Seite  verschmilzt  und  hinter  dem  After  aus- 
mündet. Der  Eierstock  bietet  somit  bei  den  Knochenfischen  ein  von 
demjenigen  aller  anderer  Wirbelthiere  sehr  abweichendes  Verhalten 
dar  (aber  ein  ähnliches  wie  dasjenige,  welches  wir  bei  manchen  niederen 
Thieren,  z.  B.  den  Weichthieren,  vorfinden);  die  Eier  lösen  sich  von 
der  inneren,  oft  stark  gefalteten  Seite  der  Wand  ab,  fallen  in  den 
Hohlraum  des  Eierstocks  und  gelangen  durch  den  Ausführuugsgang 
nach  aussen.  Zuweilen  sind  die  beiden  Eierstöcke  der  Knochenfische 
mit  einander  verschmolzen,  und  der  Eiergang  ist  dann  unpaarig.  Im 
reifen  Zustande,  in  der  Laichzeit,  sind  die  Eierstöcke  der  Knochen- 
fische oft  von  sehr  ansehnlicher  Grösse.  Von  der  gegebenen  Dar- 
stellung weichen  nur  die  Familien  der  Lachse  und  Aale  ab,  deren 
Eierstöcke  solide  Organe  sind;  bei  diesen  fallen  die  Eier  in  die 
Bauchhöhle  und  gelangen  durch  eine  unpaarige  Oeffnung8)  in  der 
Leibeswand  hinter  dem  After  (Porus  yenitalis)  nach  aussen.  —  Aehn- 
lich  wie  die  Lachse  verhalten  sich  auch  die  Cyclostomen  (welche 
nur  einen  Eierstock  besitzen). 

Männliche  Geschlechtsorgane.  Bei  den  Selachiern 
wird  der  Samen  durch  den  vordersten  Theil  der  Niere  (welcher  oft 
als  Nebenhoden  bezeichnet  wird)  ausgeführt;  der  betreffende  Theil 
tritt  durch  querlaufende  feine  Kanäle  mit  dem  Hoden  in  Verbindung, 
und  es  entspringt  von  ihm  ein  besonderer  Ausführungsgang,  welcher 
wesentlich  als  Samenleiter  fungirt,  indem  die  Bedeutung  dieser  Nieren- 
partie für  die  Harnabsonderung  nur  geringfügig  ist  (auch  beim  Weib- 
chen ist  der  entsprechende  Niereuabschnitt  nur  wenig  entwickelt). 


')  Mit  Ausnahme  des  Knochenhecht«,  welcher,  wie  es  scheint,  sich  ähnlich 
wie  die  Knochenfische  verhält. 

*)  Bei  den  Selachiern  sind  die  beiden  Müller'schen  Gänge  mit  ihrem  aller- 
vordersten  Theil  mit  einander  verbunden,  so  dass  man  bei  ihnen  einen  unpaarigen 
Trichter  für  beide  Eileiter  findet.  —  Bei  gewissen  Haien  ist  nur  der  eine  Eierstock 
entwickelt. 

*)  Welcher  nicht  mit  den  S.  393  Anm.  2  erwähnten  Abdominal poren  zu  ver- 
wechseln ist. 


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Wirbelthierc.    2.  Classc :  Fische. 


395 


Bei  den  Knochenfischen  ist  eine  solche  Verhindnng  mit  der 
Niere  nicht  vorhanden,  der  Hoden  setzt  sich  vielmehr  direkt  in  einen 
Aus  führungsgang  fort,  die  Verhältnisse  sind  ganz  dieselben  wie 
beim  Eierstock  *).  (Die  Lachse  und  Aale  verhalten  sich  hierin 
wie  die  übrigen.)  Ebenso  wie  die  Eierstöcke  sind  auch  die  Hoden 
in  reifem  Zustande  von  bedeutender  Grösse,  sackförmig,  gelappt  oder 
(so  beim  Dorsch)  lange  gekräuselte  Körper.  Die  Samenleiter  münden 
bei  den  Selachiern  in  die  Kloake,  bei  den  Ganoiden  und  einem  Theil 
der  Knochenfische  mit  den  Harnleitern  zusammen  mit  einer  Oeffnung 
hinter  dem  After,  bei  anderen  Knochenfischen  mit  einer  besonderen 
Oeffnung  hinter  dem  After,  vor  der  Harnöffnung.  —  Bei  den 
Cyclostomen  füllen  die  Spermatozoen  aus  dem  unpaarigen  Hoden 
in  die  Bauchhöhle  und  gelangen  durch  eine  Oeffnung  der  Bauchwand 
nach  aussen  (ebenso  wie  die  Eier). 

Nicht  wenige  Fische  weisen  ausgesprochene  Geschlechtsunter- 
schiede  auf:  beim  Männchen  können  gewisse  Flossen  besonders  stark  aus- 
gebildet sein,  oder  es  kann  eine  besonders  prächtige  Färbung  besitzen  etc. 
Zuweilen  (z.  B.  bei  den  Stichlingen)  ist  das  Männchen  in  der  Fortpflanzungs- 
zeit  durch  augenfällige,  später  schwindende  Farben  ausgezeichnet. 

Ueber  Hermaphroditismus  bei  Fischen  vergl.  8.  366. 

Begattungswerkzeuge  finden  sich  bei  den  Selachiern,  bei 
deren  Männchen  ein  Abschnitt  der  Hintergliedmaassen  zu  ziemlich 
complicirten  zusammengerollten  Organen  ausgebildet  ist,  welche  bei 
der  Begattung  benutzt  werden  (vergl.  die  Begattungsorgane  der  zehn- 
füssigen  Krebse).  Bei  den  meisten  Fischen  findet  gar  keine  Begattung 
statt,  sondern  der  Samen  („Milch")  wird  erst  nach  oder  bei  der  Eilage 
über  die  Eier  ausgegossen*). 

Die  Eier  sind  von  sehr  verschiedener  Grösse  (von  Stecknadel- 
kopf- bis  Hühnereigrösse  und  darüber),  am  grössten  bei  den  Selachiern, 
kleiner  bei  den  Knochenfischen,  deren  Eier  von  einer  dünnen  durch- 
sichtigen Eihaut  umgeben  sind,  welche  mit  einer  Mikropyle  versehen 
sein  kann.  Die  Eier  nicht  weniger  Knochenfische  —  z.  B.  des  Dorsches 
—  schwimmen  an  der  Oberfläche  des  Wassers,  andere  werden  an  den 
Boden  abgelegt,  an  Wasserpflanzen  festgeklebt  etc.  Bei  den  Selachiern 
sind  die  abgelegten  Eier  von  einer  hornartigen  Hülle  umgeben,  welche 
oft  abgeplattet,  viereckig  und  an  den  Ecken  in  Fäden  ausgezogen  ist. 
Einige  Fische  gebären  lebendige  Junge,  z.  B.  die  meisten 
Selachier,  bei  denen  die  Entwicklung  in  einem  erweiterten  Abschnitt 
des  Eileiters  (Uterus)  vor  sich  geht,  welcher  mit  gekräuselten  gefäss- 
reichen  Falten  versehen  ist;  ebenso  mehrere  Knochenfische,  deren 
Eier  sich  in  dem  hohlen  Eierstock  entwickeln  (z.  B.  bei  der  Aal- 
mutter). —  Nicht  wenige  Fische  zeigen  eine  besondere  Fürsorge  für 
Eier  und  Brut;  so  baut  z.  B.  das  Männchen  der  Stichlinge  (und 
verschiedener  anderer  Knochenfische)  ein  Nest,  in  welchem  die  Eier 
sich  entwickeln;  die  Männchen  der  Seenadeln  tragen  die  Eier  (und 
zuweilen  auch  die  Jungen)  unterhalb  des  Bauches  mit  sich  umher, 


')  Für  die  Ganoiden  und  die  Lungennsche  ist  das  Verhältniss  der  Hoden  zu 
ihren  Ausfiihrungsgängen  noch  nicht  völlig  aufgoklärt. 

*)  Bei  einigen  Knochenfischen  nähert  sich  das  Männchen  dem  Weibchen,  und 
in  demselben  Momente,  wo  die  Eier  das  letztere  verlassen,  wird  der  Samen  aus- 
gespritzt. 


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396 


Speoieller  Theil. 


c 


V 


indem  dieselben  entweder  einfach  festgeklebt  oder  von  besonderen 
Falten  umschlossen  sind.  (Aehnliches  bei  verschiedenen  ausländischen 

Fischformen.)  Seltener  wer- 
den die  Eier  in  ähnlicher 
Weise  vom  Weibchen  ge- 
hütet. 

Mit  Recht  kann  man  bei 
manchen  Knochenfischen 
von  einer  Metamorphose 
reden,  indem  die  Jungen  das 
Ei  in  einer  von  der  des  Er- 
wachsenen sehr  abweichen- 
den ,  unvollkommenen  Ge- 
stalt verlassen,  oft  noch  mit 
geradem  Schwanz,  mit  zu- 
sammenhängendem Flossen- 
saum an  der  Bücken-  und 
Bauchseite  etc.  Bei  manchen 
kommt  hierzu  noch,  dass  der 
Uebergang  aus  diesem  Sta- 
dium in  die  definitive  Ge- 
stalt keine  einfache,  allmäh- 
lich fortschreitende  Entwick- 
lung ist,  sondern  die  Jungen 
bieten  nicht  selten  längere 

Fig.  276.    Junge  Hechte;  A  neugeborener,  Zeit,     nachdem    sie    das  Ei 

b,  b'  11  Tage  alter,  c  und  d  ältere.  Bei  a  ist  verlassen  haben,  besondere 
£LÄJ£Ä^^TB2!  Charaktere  dar,  welche  man 

«  Schwanz-,  v  Bauchflosse,  x  After.  —  Nach  SundevaU.  Weder  bei  dem  neugeborenen 

Jungen  noch  bei  dem  Er- 
wachsenen findet.  Namentlich  trifft  man  in  der  pelagischen  Fauna  zahl- 
reiche grossäugige  Knochenfischlarven  mit  enorm  entwickelten  Dornen 


Fig.  277.   Larve  eines  Fisches  (Trachypterus),  welcher  im  ausgebildeten  Zustande  un- 
gemein gestreckt,  bandförmig  ist  und  der  langen  Flossenfaden  entbehrt. 

und  Flossentheilen  etc.,  Gebilden,  welche  an  diejenigen  erinnern,  die 
man  bei  manchen  in  ähnlicher  Weise  lebenden  Krebsthierlarven  (z.  B. 


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Wirbelthiere.   2.  Clause:  Fische. 


397 


der  Krabben)  beobachtet.  —  Ueber  die  eigentümliche  Entwicklung 
der  Neunaugen  vergl.  S.  398. 

Die  Embryonen  der  Selachier  zeichnen  sich  durch  den  Besitz 
eines  kolossalen  Dottersackes  und  ferner  dadurch  aus,  dass  aus  den  Kiemen- 
spalten eine  Zeitlang  zahlreiche  lange  Kiemenfäden  heraushängen,  welche 
Fortsätze  der  Kiemenblättchen  sind.  Diese  Kiemenfäden  sind  embryonale 
Organe,  welche  sich  vor  der  Geburt  zu  rückbilden. 


Fig.  278.    A  Rochen-,  B  Hai-Embryo  mit 
(nicht  ganz  auagezeichnet ;  in  A 


(*)•  d 


Die  meisten  Fische  sind  Raubthiere,  nur  wenige  Pflanzen-  oder 
Schlammfresser.  Die  Mehrzahl  lebt  im  Meere,  viele  aber  im  Süss- 
wasser  (einige  Arten  an  beiden  Orten),  einzelne  trifft  man  hin  und 
wieder  oder  sogar  überwiegend  auf  dem  Lande.  Sie  unternehmen 
oft  Wanderungen,  theils  von  einer  Stelle  im  Meere  zur  anderen,  theils 
vom  Meer  in's  Süsswasser  hinauf  und  umgekehrt.  Sie  halten  sich 
zum  grossen  Theil  schaarenweise  zusammen. 

Die  Fische,  welche  in  der  Jetztzeit  durch  zahlreiche  Gattungen 
und  Arten  vertreten  sind,  haben  auch  infrüherenPerioden  eine 
wichtige  Rolle  gespielt ;  die  Knochenfische,  welche  in  der  Jetztzeit 
an  Zahl  weit  überwiegen,  sind  verhältnissmassig  spät  aufgetreten, 
während  die  jetzt  nur  wenige  Arten  umfassenden  Ganoiden  eine 
Zeitlang  sehr  zahlreich  vertreten  waren. 

Uebersicht  über  die  Ordnungen. 


Skelet  ausschliesslich  knor- 
pelig. Kein  Kiemendeckel. 
Keine  Schwimmblase.' 

Skelet  aus  Knorpel  und 
Knochen  bestehend.  Kie- 
mendeckel vorhanden. 


f  Cyclostomen 
\  Selachier 

Ganoiden 
Lungenf  ische 


Herzkegel  wohlentwi- 
ckelt. Spiralfalte  im 
Darm. 


Schwimmblase  oder  Lunge  ,     *  Herzkegel  rudimentär 

entwickelt.  ^nocnennscnej     K^  gpirftlfalto 


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398 


Specieller  Theil. 


1.  Ordnung.   Rundmäuler  (Cyäostomi). 

Die  Cyclostomen  bilden  eine  kleine,  von  den  übrigen  Fischen  in 
manchen  Beziehungen  abweichende  Gruppe.  Der  Körper  ist  cylindrisch, 
aalförmig,  ohne  Gliedmaassen,  die  flaut  entbehrt  fester  Theile,  das 
Skelet  ist  ausschliesslich  knorpelig,  das  Rückgrat  nicht  in  Wirbel 
getheilt,  Rippen  fehlen ;  es  ist  ein  complicirtes  Mund-  und  Visceral- 
skelet  vorhanden,  welches  sich  schwer  auf  den  allgemeinen  Typus  des 
Visceralskelets  der  Fische  zurückführen  lässt.  Gewöhnlich  finden 
sich  6 — 7  (bei  einzelnen  eine  noch  grössere  Anzahl)  Kiemen- 
taschen an  jeder  Seite  (vergl.  S.  387).  Der  Mund  ist  mit  Horn- 
zähnen  ausgestattet,  dagegen  fehlen  echte  Zähne.  Das  Geruchs- 
organ ist  unpaarig.  Schwanzende  gerade;  ein  Flossensaum  ist  vor- 
handen. (Vergl.  übrigens  das  in  dem  Abschnitt  über  die  Fische  im 
Allgemeinen  Mitgetheilte.) 

Die  Cyclostomen  sind  mit  den  Seiachiern  am  nächsten  verwandt;  ihre 
besonderen  Charaktere  verdanken  sie  ohne  Zweifel  z.  Th.  ihrer  eigentüm- 
lichen Lebensweise  als  Halbschmarotzer  oder  Aasfresser. 

1.  Die  Neunaugen  oder  Lampreten  (Pctromyxon)  haben  einen 
kreisrunden  Saugmund  mit  Hornzähnen;  7  kleine  Kiemenöffnungen  auf 
jeder  Seite  führen  in  je  eine  Kiementasche;  diese  öffnen  sich  nicht  direkt 
in  die  Mundhöhle,  sondern  in  einen  hinten  geschlossenen  kurzen  Schlauch, 
welcher  unterhalb  der  Speiseröhre  liegt  und  vorne  mit  der  Mundhöhle  in 
Verbindung  steht.  Augen  wohl  entwickelt.  Die  Neunaugen  saugen  sich 
an  lebenden  Fischen  fest  und  fressen  sich  in  dieselben  ein;  ausserdem 
fressen  sie  auch  kleinere  Thiere.  In  Deutschland  leben  drei  Arten,  von 
welchen  zwei,  das  bis  l  ra  lange  Meerneunange  (P.  marinus)  und  das 
kleinere  Flussneunauge  (/'.  fhivia litis ,  Pricke),  im  Meere  leben,  zum 
Laichen  aber  in's  Süsswasser  hinaufsteigen,  während  die  dritte,  kleinste 
Art,  das  Bachneunauge  (P.  Pianeri),  ausschliesslich  im  Süsswasser 
lebt.  —  Die  Neunaugen  durchlaufen  eine  Metamorphose:  die  Larve, 
Qu  er  der  (Ammocoetes) ,  welche  (bei  P.  Pianeri)  vor  der  Verwandlung 
ein  Alter  von  3 — 4  Jahren  und  eine  ansehnliche  Grösse  erreicht,  hat  einen 
abweichend  geformten  Mund,  es  fehlen  ihr  die  Hornzähne,  die  Augen  sind 
verschwindend  klein  und  die  Kiementaschen  öffnen  sich  direkt  in  die  Mund- 
höhle; sie  lebt  im  Schlamm.  Nach  der  Verwandlung  pflanzen  sich  die 
Lampreten  fort  und  sterben. 

2.  Die  Inger  oder  Schleimfische  (Myxine)  haben  rudimentäre 
Augen,  der  Mund  ist  von  Tastfäden  umgeben;  die  Kiementaschen  (jeder- 
seits  6)  sind  lange,  in  ihrer  Mitte  blasenförmig  erweiterte  Röhren,  welche 
sich  jede  für  sich  direkt  in  den  Schlund  öffnen,  während  ihre  äusseren  Ab- 
schnitte sich  jederseits  vereinigen  und  mit  einer  gemeinsamen  Oeffnung 
ziemlich  weit  nach  hinten  münden.  (Bei  gewissen  verwandten  fremden 
Formen,  Bddlostoma ,  münden  sie  einzeln  nach  aussen.)  Die  Inger,  von 
welchen  in  den  nordeuropäischen  Meeren  eine  bis  30  cm  lange  Art,  M. 
glutinosa,  häufig  vorkommt,  bohren  sich  in  todte  (und  lebende  ?)  Fische  ein : 
sie  können  eine  enorme  Schleimmasse  absondern. 

2.  Ordnung.    Selachier  (SelacJin). 

Das  Skelet  besteht  ausschliesslich  aus  Knorpel  (welcher  aber 
theilweise  verkalken  kann);  Knochengewebe  fehlt  immer.  Herzkegel 
vorhanden.  Spiralfalte  im  Darm.  5  (selten  6  oder  7)  Kiemenspalten 


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Wirbelthiere.   2.  Clawc:  Fische. 


399 


auf  jeder  Seite;  oft  ein  Spritzloch.  Kein  Kiemendeckel  (die  Chimären 
ausgenommen).  Keine  Schwimmblase.  Die  Haut  mit  Zähnen,  welche 
oft  die  ganze  Oberfläche  bedecken.  In  den  Flossen,  welche  nicht 
zusammengelegt  werden  können,  Hornstrahlen.  Der  Mund  auf  der 
Unterseite  des  Kopfes.  Theile  der  Bauchflossen  des  Männchens 
fungiren  als  Begattungswerkzeuge.  Sehr  grosse  Eier.  —  Fast  aus- 
schliesslich Meeresthiere. 

1.  Die  Haie  (S([ualida)  sind  Thiere  ungefähr  von  gewöhnlicher 
Fischform,  meistens  gestreckt,  von  etwa  kreisrundem  Querschnitt.  Die 
Haut  mit  in  der  Regel  kleinen  Zähnen  dicht  besetzt.  Längs  der  Kiefer* 
ränder  in  der  Kegel  eine  oder  ein  paar  Reihen  meistens  dreieckiger  Zähne 
(Ersatzzähne  in  der  Mundhaut  an  der  Innenseite  der  Kiefer  versteckt). 
Deutlich  heterocerk.  Von  den  zahlreichen  Formen  können  folgende  bei- 
spielsweise genannt  werden :  Der  gemeine  Dornhai  (Acantfiias  vulgaris), 
1  m  lang,  mit  einem  8tachel  (stark  entwickeltem  Hautzahn)  vorn  in  jeder 
der  beiden  Rückenflossen ,  ohne  Afterflosse ;  gebärt  lebendige  Junge ;  Nord- 
und  Ostsee.  Der  Hunds hai  (Scyliium  canicula),  etwas  kleiner,  eierlegend 
(Eierkapsel  viereckig  mit  langen  von  den  Ecken  ausgehenden  rankenartigen 
Anhängseln,  welche  um  Meerespflanzen  gewunden  werden);  Nordsee.  Der 
Blauhai  (CarcJiarias  glaucus),  3 — 4  m  lang,  vertritt  im  Mittelmeer  die 
übrigens  besonders  in  den  Tropen  zahlreichen,  gefrässigen  „Menschenhaie". 
Die  Hammerhaie  {Sphyrna)  haben  den  Kopf  jederseits  in  einen  längeren 
oder  kürzeren  Fortsatz  ausgezogen,  an  dessen  Ende  das  Auge  sitzt;  eine 
Art  im  Mittelmeer.  Der  Eishai  (Seymnus  borealis),  welcher  eine  Länge 
von  8  m  erreicht,  wird  wegen  der  fettreichen  Leber  in  grosser  Anzahl  an 
den  Küsten  Islands  etc.  gefangen.  Noch  grösser  (bis  12  m)  ist  der 
Riesenhai  (Sclaclie  maxima),  dessen  äussere  Kiemenöffnungen  ungemein 
lange  Spalten  sind ,  Augen  sehr  klein ,  Zähne  klein  und  schlecht  ausgebil- 
det, der  innere  Rand  der  Kiemenbögen  mit  einer  Reihe  sehr  langer  Zähne, 
welche  zusammen  einen  dichten  Kamm  bilden,  der  als  Seihapparat  wirkt, 
um  die  kleinen  Krebse  etc.  zurückzuhalten,  von  welchen  dieser  Riese  sich 
nach  Art  der  Bartenwale  ernährt. 

2.  Die  Rochen  (Ihjida)  zeichnen  sich  besonders  durch  die  abge- 
plattete Form  des  Kopfes  und  Rumpfes,  durch  den  dünnen,  peitschenför- 
ni  igen ,  oft  fast  flossenlosen  Schwanz  cnd  durch  die  enorme  Entwicklung 
der  Brustflossen  aus,  welche  als  wagerechte  Platten  vom  Seitenrand  des 
Körpers  entspringen  und  mit  den  Seitentheilen  des  Kopfes  oberhalb  der 
Kiemenspalten  verwachsen  sind,  so  dass  letztere  an  der  Unterseite  der  von 
dem  Kopf,  dem  Rumpf  und  den  Brustflossen  gebildeten  Scheibe  ihren  Platz 
haben;  an  der  Oberseite  sitzen  Augen  und  8pritzlöcher.  Von  anderen 
Charakteren  sind  hervorzuheben ,  dass  die  Haut  in  der  Regel  in  grösserer 
oder  geringerer  Ausdehnung  nackt  ist,  dass  ein  Theil  der  übrig  gebliebenen 
Hautzähne  grosse  Dornen  sind,  und  dass  die  Zähne  der  Mundhöhle  niedrige 
Höcker  (zuweilen  mit  einer  Spitze)  oder  Platten  sind,  welche  in  mehreren 
Reihen  die  Kieferränder  pflasterförmig  bedecken.  In  ihrer  gewöhnlichen 
Erscheinung  weichen  die  Rochen  somit  sehr  von  den  Haien  ab.  Aber  das 
Rochengepräge  ist  nicht  immer  in  gleichem  Grade  ausgebildet :  bei  einigen 
sind  die  Brustflossen  kleiner,  der  Schwanz  kräftiger,  während  es  anderseits 
Haie  giebt  (Stjuatina,  Meerengel,),  welche  etwas  abgeplattet  sind,  nach  oben 
gekehrte  Augen  und  grosse  wagerechte  Brustflossen  besitzen,  welche  sich 
sowohl  nach  hinten  als  nach  vorne  längs  der  Seite  des  Kopfes  erstrecken, 
ohne  aber  mit  letzterem  verwachsen  zu  sein.  In  der  That  giebt  es  eine 
vollständige  Reihe  von  TTebergängen  von  dem  gewöhnlichen  schlanken  Hai- 


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400 


Specieller  Theü. 


typue  zu  der  extremsten  Bochenform  mit  einer  Kopf-Rumpfscheibe,  welche 
breiter  als  lang  ist,  und  mit  einer  dünnen  Schwanzpeitsche.  —  In  der 
Nordsee  leben  verschiedene  Arten  (besonders  der  Gatt.  Iiaja),  alle  von 
typischem  Bochengepräge.  Von  Formen,  welche  südlicheren  Meeren  ange- 
hören, sind  die  Zitterrochen  {Torpedo)  und  die  Sägefische  (Pristis) 
zu  nennen;  die  Schnauze  der  letzteren  ist  in  eine  lange,  gerade,  schmale 
Platte  ausgezogen,  mit  einer  Reihe  langer  zah Dartiger  Gebilde  in  jedem 
Seitenrand;  beide  Gattungen,  welche  zu  den  mehr  haiartigen  Bochen  mit 
ziemlich  kräftigem  Schwanz  gehören,  sind  im  Mittelmeer  vertreten. 

3.  Die  Chimären  (HoiocepJiala :  Gatt.  Chimaera  u.  a.)  sind  eine 
kleine  Abtheilung  der  Selachier,  welche  namentlich  durch  den  Besitz  eines 
die  Kiemenspalten  überdeckenden  Kiemendeckels  (der  jedoch  nicht 
von  Skelettheilen  gestützt  ist)  von  den  übrigen  Selachiern  abweicht  und 
sich  den  folgenden  Ordnungen  nähert;  die  Kiemenblättchen  bedecken  die 


Kg.  279.    Chimaera  monstrosa, 


Seite  der  Coulisse  völlig,  überragen  aber  deren  äusseren  Rand  nicht 
(Fig.  274  Ii).  Die  Haut  ist  grösstenteils  nackt,  der  Mund  mit  einer  ge- 
ringen Anzahl  grosser  Zähne  bewaffnet.  Der  obere  Abschnitt  des  Kiefer- 
bogens ist  mit  dem  Schädel  verwachsen.  Im  Uebrigen  besitzen  sie  in  der 
Hauptsache  die  Charaktere  anderer  Selachier.  Eine  Art,  Ch.  niomtrosa, 
kommt  häufig  im  Mittelmeer,  an  der  Küste  Norwegens  etc.  vor. 

4.  Ordnung.    Ganoiden  (Ganöidei). 

Das  Skelet  besteht  aus  Knorpel  und  Knochen.  Herzkegel  und 
Spiralfalte  des  Darmes  vorhanden.  Ein  von  knöchernen  Theilen  ge- 
stützter Kiemendeckel ;  oft  ein  Spritzloch.  Schwimmblase  oder  echte 
Lunge  vorhanden.  Die  Haut  gewöhnlich  mit  Knochenplatten  oder 
Schnppen ;  auch  Hautzähne  können  ausserdem  vorhanden  sein,  aber 
in  geringerer  Menge.  In  den  zusammenlegbaren  Flossen  sind  Knochen- 
strahlen vorhanden. 

Die  wichtigsten  jetztlebenden  Formen  dieser  in  der  Vorzeit  so 
reich  entwickelten  Abtheilung  sind  die  im  Folgenden  genannten. 

1.  Unterordnung.   Knorpelganoiden  (Chondrostei). 

Das  Skelet  ist  zum  grossen  Theil  knorpelig,  nur  Deckknochen 
sind  vorhanden.  Kein  Zwischen-  und  Oberkieferbein.  Der  Mund  an 
der  Unterseite  des  Kopfes.   Ausgeprägte  Heterocercie. 


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Wirbelthiere.    2.  Olasse:  Fische. 


401 


1.  Die  Störe  (/tccipemer')  haben  5  Längsreihen  von  grossen  Knochen- 
platten längs  des  Körpers  (davon  eine  längs  der  Mitte  des  Rückens)  und  viele 
kleine  Platten  über  den  ganzen  Körper;  oben  auf  dem  Kopfe  grosse 
knöcheren  Platten ,  welche  den  knorpeligen  Schädel  überdecken.  Der  Mund 
klein,  zahnlos  (die  kleinen  Jungen  haben  jedoch  Zähne;  zuweilen  sind  auch 
bei  den  Erwachsenen  an  den  Kiemenbögen  kleine  Zähne  vorhanden) ;  an  der 
Unterseite  der  oft  langgestreckten  Schnauze  sind  Tastfäden  vorhanden.  Sie 
besitzen  ein  Spritzloch.  In  den  nordeuropäischen  Meeren  lebt  der  eine 
Länge  von  mehreren  Metern  erreichende  A.  sturio,  welcher  des  LaichenB 
wegen  in  die  Flüsse  hinaufwandert.  Mehrere  andere  Arten  im  Kaspischen 
und  Schwarzen  Meere  und  in  den  grossen  russischen  Flüssen  (Sterlet, 
Hausen). 

2.  Die  Löffelstöre  (Sjmtularia)  weichen  von  den  Stören  besonders 
dadurch  ab,  dass  die  Schnauze  zu  einem  grossen  wagerechten  Blatt  ver- 
längert ist,  und  dass  die  Haut  fast  ganz  fester  Theile  entbehrt;  im  Munde 
Bind  schwache  Zähne  entwickelt.  In  nordamerikanischen  und  chinesischen 
Flüssen. 

2.  Unterordnung.    Knochenganoiden  (Holostei). 

Das  Skelet  ist  zum  grössten  Theil  verknöchert.  Zwischen-  und 
Oberkieferbein  vorhanden.  Der  Mund  am  Vorderentie  des  Kopfes. 
Grosse,  rautenförmige,  „emaillirte"1)  Schuppen,  welche  theilweise  mit 
kleinen  Fortsätzen  in  einander  eingreifen,  seltener  gewöhnliche 
Schuppen  wie  bei  den  Knochenfischen.  Meistens  (Lepidosteus,  Amia) 
eine  wirkliche,  als  Athmungsorgan  fungirende  Lunge.  —  Alle  jetzt- 
lebenden sind  Süsswasserfische. 

1.  Der  Bischir  (Pohflrterus).  Lange  Rückenflosse  mit  starken  an 
der  Spitze  fächerförmig  gespaltenen  Flossenstrahlen,  welche  nicht  mit  ein- 
ander zusammenhängen ;  keine  Afterflosse;  Schwanzflosse  abgerundet ;  schwach 
ausgesprochene  Heterocercie  (der  aufgebogene  Theil  des  Rückgrates  sehr 
klein).  Grosse  rautenförmige  Schuppen.  Ein  Spritzloch.  In  Afrika 
(z.  B.  im  Nil). 

2.  Der  Knoche nhecht  (Lepulosfeus).  Schnauze  stark  verlängert. 
Kurze  Rücken  -  und  Afterflosse ;   stark  ausgesprochene  Heterocercie ,  die 


Fig.  280.    Knochen h echt  (Ltpidottem). 


Schwanzflosse  hat  ihren  Platz  fast  ausschliesslich  an  der  Unterseite  des 
langen,  aufgebogenen  Rückgrats  -  Endes  (Fig.  264  B).  Rautenförmige 
Schuppen.    Mehrere  Arten  in  Nordamerika. 

3.  Amia  ist  äussert  ich  fast  ganz  einem  Knochenfisch  ähnlich ;  sie  hat 
gewöhnliche  cycloide  Schuppen.  Ueber  ihre  wichtigsten  Charaktere  vergl. 
8.  391  Anm.  1 ;  S.  392  Anm.  1 ;  Fig.  269  C :  Fig.  275  B.  Nordamerika. 


')  Die  Schoppen  sind  äusserlich  von  einer  glänzenden  Schichte  überzogen, 
welche  allgemein  als  „Schmelz44  bezeichnet  wird;  es  handelt  sich  hier  aber  that- 
sächlich  nicht  um  wirklichen  Schmelz  wie  an  den  Zähnen,  sondern  nur  um  eine 
äusserste,  glänzende,  dichte  Knochenschicht. 

Bon,  Zoologie.  26 


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402 


Specialer  Theil. 


4.  Ordnung.    Lungenfische  (Dipnoi). 

Skelet  theil  weise  verknöchert.  Herzkegel  spiralig  gewunden  und 
innerlich  mit  einer  aus  umgebildeten  Klappen  gebildeten  Längsfalte 
versehen.  Spiralfalte  im  Darm.  Kiemendeckel  von  knöchernen 
Theilen  gestützt.  Die  Lunge  ist  Athmungsorgan.  Haut  mit  Schuppen. 
Flossen  mit  Hornstrahlen.  —  Zwischen-  und  Oberkieferknochen  fehlen. 
Sowohl  die  vorderen  als  die  hinteren  Nasenlöcher  liegen  innerhalb 
des  Mundrandes.  Die  Gliedmaassen  sind  entweder  lange,  zugespitzte 
Platten  mit  einem  gegliederten  Knorpelstab  in  der  Mitte,  von  welchem 
jederseits  eine  Reihe  Knorpelstrahlen  entspringt;  oder  sie  sind  faden- 
förmig, mit  einem  ähnlichen,  aber  mehr  oder  weniger  reducirten  Ske- 
let. Diphycerk,  Schwanz  zugespitzt.  Das  Rückgrat  ist  nicht  in 
Wirbel  getheilt,  die  Chorda  mächtig  ausgebildet.  Wenige,  aber 
grosse  Zähne  im  Munde.  —  Ausschliesslich  im  Süsswasser. 

Diese  abweichende,  in  der  Jetztzeit  nur  durch  ganz  wenige  Formen 
vertretene  Gruppe  schliesst  sich  ganz  nahe  an  die  Ganoiden  (besonders  die 
Knochenganoiden)  an.  Merkwürdig  ist  der  Bau  deB  Herzkegels,  welcher 
an  den  Befund  bei  den  Amphibien  erinnert  (vergl.  diese);  hiermit  stehen 
auch  gewisse  Eigenthümlichkeiten  im  Bau  der  übrigen  Theile  des  Herzens 
in  Verbindung,  wodurch  eine  partielle  Sonderung  des  von  der  Lunge  und 
des  vom  übrigen  Körper  kommenden  Blutes  bewirkt  wird.  Sehr  eigen- 
tümlich ist  auch  der  Bau  der  Gliedraaassen,  die  Lage  der  Nasenlöcher  etc. 

1 .  Der  Barramunda  (Ccratodus)  ist  ein  grosser,  gestreckter,  an  beiden 
Enden  zugespitzter  Fisch  mit  grossen  Schuppen ;  grosse  breite  Gliedmaassen ; 


Fig.  281.    Ceraiodu$.  —  Nach  Günther. 


Rücken-,  Schwanz-  und  Afterflosse  nicht  gesondert.  Lebt  in  den  Flüssen 
Neu-Hollands. 

2.  Protopterus  annedem  ist  der  Name  eines  in  Afrika  lebenden  Lungen- 
fisches mit  sehr  schmalen,  langen  Gliedmaassen;  er  besitzt  einige  kleine 


Fig.  282.    Protoptent*  annecten*. 


fadenförmige,  vielleicht  als  Kiemen  fungirende  Hautanhänge  am  oberen  Ende 
der  KiemenöflFnung  (von  den  gewöhnlichen  Kiemen  fehlen  dagegen  die  am 


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Wirbelthiere.   2.  Clatse:  Fische. 


403 


1.  und "2.  Kiemenbogen) ;  übrigens  ist  er  äusBerlich  in  der  Hauptsache  dem 
vorhergehenden  ähnlich.  —  Eine  verwandte  Form  (iAipidosiren  jtaradoxa)  in 
Südamerika. 

5.  Ordnung.  Knochenfische  (Tehostei). 

Das  Skelet  besteht  aus  Knorpel  und  Knochen  ;  letzterer  bildet 
die  Hauptmasse.  Herzkegel  rudimentär.  Arterienbulbus  vorhanden. 
Keine  Spiralfalte  im  Darm.  Ein  von  knöchernen  Theilen  gestützter 
Kiemendeckel.  Kein  Spritzloch.  Die  Haut  mit  Schuppen  oder 
Knochenhöckern,  -platten,  etc. ;  Hautzähue  fehlen  in  der  Regel  (können 
aber  in  geringerer  Menge  vorhanden  sein).  Flossen  zusammenfaltbar, 
mit  Knochenstrahlen  versehen. 

1.  Unterordnung.    Physostomen  (Physostomt). 

Schwimmblase  durch  einen  Luftgan»  mit  dem  Darmkanal  ver- 
bunden. Bauchflossen  weit  hinten,  dicht  beim  After.  In  der  Regel 
fehlen  Stachelstrahlen.    Schuppen  cycloid. 

1.  Die  Herings familie  (Clupeidae).  Körper  länglich,  zusammen- 
gedrückt. Grosse,  leicht  abfallende  Cycloidschuppen.  Nur  eine  Rücken- 
flosse. Zähne  schwach.  Hierher  gehören:  der  Hering  (Clttpea  harenyits) 
und  der  Sprott  (Cl.  spraltus),  beide  in  der  Nord-  und  Ostsee  gemein, 
die  Sardine  (Cl.  pilcftardun)  an  den  Küsten  Frankreichs  und  Englands 
gemein,  der  Mai  fisch  (Cl.  alosa)  in  der  Nordsee  etc.,  welcher  zum  Laichen 
die  Flüsse  (z.  B.  den  Rhein)  hinaufsteigt;  alle  diese  einander  sehr  ähn- 
lichen Formen  haben  eine  Reihe  Kielschuppen  längs  der  Bauchseite;  weiter 
der  echte  Anchovis  oder  die  8ardelle  (Engraiiiis  encrassicholus),  ohne 
Kielschuppen ,  mit  verlängerter  Schnauze ,  im  Mittelmeer ,  seltener  in  den 
nördlichen  Meeren. 

2.  Die  Lachsfamilie  (Salwonidae).  Schuppen  klein  oder  mittel- 
gross. Zwei  Rückenflossen ,  von  welchen  die  hintere  eine  strahlenlose 
Fettflosse  ist.  Besonders  im  Süsswasser.  In  Deutschland  leben  u.  A. : 
Der  Lachs  (Salmo  salar),  in  den  nordeuropäischen  Meeren,  wandert  zum 
Laichen  in  die  Flüsse  hinein;  die  nahe  verwandte  Forelle  (S.  fario),  im 
Süsswasser;  der  8aibling  (S.  salvelinus),  kleiner,  in  Gebirgsseen;  von 
den  Maränen  oder  Renken  (Coregonm),  mit  kleinen  Zähnen  oder  zahn- 
los (die  Salmo-Arten  haben  grosse  Zähne),  leben  einige  Arten  im  Meere, 
andere  im  Süsswasser. 

3.  Die  Hecht  familie  (Esocidae).  Kleine  Schuppen.  Rückenflosse 
weit  hinten.  Abgeplattete ,  gestreckte  Schnauze.  Mund  gross  mit  zahl- 
reichen, z.  Th.  grossen  Zähnen.  Wenige  Arten.  Der  gemeine  Hecht 
(Esox  lueitis)  häufig  in  Süsswasser. 

4.  Die  Karpfenfamilie  (Üyprinidae).  Körper  zusammengedrückt, 
mit  grösseren  oder  kleineren  Schuppen.  Eine  RückenflosBo.  Die  Knochen 
des  Mundes  sind  sämmtlich  zahnlos  mit  Ausnahme  der  unteren  Schlund- 
knochen, welche  mit  kräftigen  Mahlzähnen  versehen  sind,  die  gegen  eine 
dicke ,  an  der  Unterseite  des  Schädels  angebrachte  Hornplatte  wirken. 
Häufig  Bartfäden  am  Mundrande.  Süßwasserfische ,  welche  sich  theilweise 
von  zerfallenen  Pflanzen  ernähren.  Von  den  zahlreichen  Formen  seien  an- 
geführt: der  Karpfen  (Oyprinus  carpio)  mit  vier  Bartfäden  am  oberen 
Mundrand  (aus  Asien  eingeführt),  die  Karausche  (Carassitis  vulgaris)  ohne 
Bartfäden,  sonst  jenem  ähnlich,  der  Goldfisch  (Cur.  auratus)  aus  China, 

26* 


■ 

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•104 


Specieller  Theil. 


die  Barbe  (Ilarbus  vulgaris)  mit  4  Bartfäden,  davon  zwei  an  der  Schnau- 
zenspitze ,  der  kleine  Gründling  ( Oobio  flu  riatilis) ,  die  Weissfische 
(Leueiseus) ,  die  S  c  h  1  e  i  h  e  (  Tinea  ndgaris)  mit  kleinen  Schuppen  in  der 
dicken,  schleimigen  Haut;  der  kleine  Bitterling  (Rkwlrus  atnaru.s), 
Weibchen  in  der  Laichzeit  mit  einer  langen,  an  der  Spitze  die  Geschlechts* 
Öffnung  tragenden  Legeröhre,  mittels  welcher  die  Eier  in  die  Kieraenhöhle 
von  FluBsmuscheln  (l'nio)  abgelegt  werden;  der  Brassen  (Abramis  brmna) 
mit  hohem,  seitlich  zusammengedrücktem  Körper;  die  Schmerlen  {Cobi- 
tis),  kleine  Fische  mit  gestrecktem,  zuweilen  aalartig  verlängertem,  Körper, 
sehr  kleinen,  verborgenen  Schuppen,  6  oder  mehr  Bartfäden.  (Darmre- 
spiration, vergl.  S.  391.)  Alle  genannten,  mit  Ausnahme  des  Goldfisches, 
in  Deutschland  einheimisch. 

5.  Die  Welsfamilie  (Siluridae).  Körper  niemals  mit  gewöhnlichen 
Schuppen,  entweder  nackt  oder  mit  grösseren  Knochenplatten  (Hautzähne 
können  vorhanden  sein).  Der  Oberkieferknochen  sehr  schwach  entwickelt. 
Bartfäden  am  Munde.  Eine  Fettflosse  häufig  vorhanden.  Süsswasserfische, 
welche  besonders  durch  zahlreiche  interessante  Formen  in  den  Tropen  ver- 
treten sind.  Der  Wels  ( Silurus  gUinis).  nackt,  mit  ganz  kleiner  Rücken- 
Ii  osse  weit  vorne,  langer  Afterflosse,  zwei  langen  und  vier  kurzen  Bart- 
fäden ,  kleinen  Augen ;  wird  bis  4  Meter  lang ;  der  einzige  europäische 
Repräsentant  der  Familie  (auch  in  Deutschland).  Der  Zitterwels 
( Malaptcrurus  elrctricus)  mit  Fettflosse  (sonst  aber  ohne  Rückenflosse), 
meterlang,  in  Afrika.  Die  Panzerwelse  (Lorieuria),  Haut  mit  grossen 
Knochenplatten  bedeckt,  in  Südamerika. 

6.  Die  Aalfamilie  (Muraenidae).  Körper schlangenförmig,  schuppen- 
los oder  mit  kleinen  Schuppen,  ohne  Bauchflossen,  Rücken-,  Schwanz-  und 
Afterflosse  bilden  einen  zusammenhängenden  Flossensaum ,  kleine  Kiemen- 
spalte, kleine  Augen.  Der  Aal  (Anguilla  vulgaris),  mit  Schuppen,  laicht 
im  Meere,  wahrscheinlich  auf  tiefem  Wasser,  die  noch  durchsichtigen  Jungen 
wandern  in's  Süsswasser  hinauf;  später  gehen  die  Aale  wieder  in's  Meer. 
Der  Meeraal  (Conger  vulgaris),  schuppenlos,  erreicht  eine  bedeutende 
Grösse  (ein  paar  Meter),  in  der  Nordsee.  Die  Muräne  (Oymnothorax  mu- 
raena),  ganz  gliedmaassenlos,  indem  auch  die  Brustflossen  fehlen,  im  Mittel- 
meer. —  Zu  einer  anderen  Familie  schlangenförmiger  Physostomen  gehört 
der  Zitteraal  (Üymnotus  clectricus),  in  Südamerika;  After  dicht  beim 
Kopfe,  Afterflosse  lang,  keine  Rücken-  und  Bauchflossen. 

2.  Unterordnung.    Aphysostomen  (ApJtysostomi). 

Kein  Luftgang.  Bauchfloäsen  gewöhnlich  weit  nach  vorne  ge- 
rückt. Meistens  sind  Stachelstrahlen  vorhanden  (nicht  bei  den 
sub  1  —  3  aufgeführten  Formen). 

1.  Die  Makrelenhechte  (Scomberesocidae).  Cycloidschuppen. 
Rückenflosse  kurz,  weit  hinten.  Bauchflossen  weit  hinten.  Keine 
Stachelstrahlen.  Der  Hornfisch  (Melone  imlgaris)  hat  Unter-  und  Zwischen- 
kiefer zu  einem  langen ,  mit  feinen  Zähnen  besetzten  Schnabel  verlängert, 
Körper  sehr  gestreckt,  Knochen  grün;  in  der  Nord-  und  Ostsee.  Die 
fliegenden  Fische  (Exocvetus)  zeichnen  sich  durch  die  kolossale  Ent- 
wicklung der  Brustflossen  aus,  vermittels  welcher  sie  eine  kurze  Strecke  über 
die  Oberfläche  des  Meeres  hin  fliegen  können ;  in  den  wärmeren  Meeren 
(eine  Art  schon  im  Mittelmeer). 

2.  Die  Schellfisch familie  (Oadidae).  Körper  etwas  gestreckt, 
mit  kleinen  Cycloidschuppen.    In  der  Regel  2 — 3  Rückenflossen  und  1—2 


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Wirbelthiere.   2.  Classe:  Fische. 


405 


Afterflossen.  Bauchflossen  vor  den  Brustflossen.  Keine  8tachelstrahlen. 
Oft  ein  Bartfaden  am  Kinn.  Zur  Gattung  Gadtis,  mit  3  Bücken-,  2  After- 
flossen, gehören:  der  Dorsch  oder  Kabljuu  (G.  morrhua),  welcher  in 
ungeheuren  Schaaren  im  nordatlantischen  Meer  vorkommt,  bis  1  V.>  m  lang, 
und  der  Schellfisch  (G.  aeglefinus),  zahlreich  z.B.  in  der  Nordsee,  beide 
mit  Bartfäden.  Die  Quappe  ( L.  vulgaris),  im  Süsswasser,  hat  eine  vor- 
dere  kurze  und  eine  lange  hintere  Bückenflosse  (die  hintere  entspricht  den 
beiden  hinteren  Rückenflossen  von  Gadus),  eine  Afterflosse  und  einen  Bart- 
faden.  —  Zu  einer  verwandten  Familie  (Ophidiidae)  gehören  die  Sandaale 
(  Aminodytes) ,  kleine  langgestreckte  Fische  ohne  Kieferzähne,  mit  vor- 
ragendem Unterkiefer ,  ohne  Bauchflossen ,  mit  langer  Rückenflosse  und 
Afterflosse;  an  der  Küste  der  Nord-  und  Ostsee.  Zu  derselben  Familie 
gehört  auch  die  Gatt.  Picrasfer ,  deren  Arten  in  den  Wasserlungen  der 
Seewalzen  ihren  Aufenthalt  nehmen  (ohne  eigentlich  Parasiten  zu  sein ;  sie 
ernähren  sich  von  kleineren  Thieren) ;  eine  verwandte  Gattung,  EtwJielyophis, 
soll  ein  wirklicher  Parasit  sein. 

3.  Die  Plattfische  (Plcuroncdidae).  Der  Körper  ist  eine  hohe, 
zusammengedrückte  Scheibe;  beide  Augen  auf  derselben  Seite,  bei  einigen 
Arten  auf  der  rechten ,  bei  anderen  auf  der  linken  (bei  wenigen  Arten 
haben  einige  Individuen  die  Augen  rechts,  andere  links) ;  die  blinde  Seite 
ist  weiss  und  nach  unten  gekehrt,  die  andere  gefärbt ;  der  Mund  ist  etwas 
nach  der  blinden  Seite  verschoben.  Rücken-  und  Afterflosse  sehr  lang, 
After  weit  vorne.  Die  Bauchflossen  vor  den  Brustflossen.  Keine  Stachel- 
strahlen. —  Als  kleine  Junge  sind  sie  vollkommen  symmetrisch,  die  Augen 
sitzen  jedes  an  Beiner  Seite  des  Kopfes ,  und  die  Tbiere  schwimmen  mit 
dem  Bauch  nach  unten ;  später  dreht  sich  das  eine  Auge  auf  die  andere 
Seite  hinüber ,  das  Thier  legt  sich  auf  die  Seite  etc.  —  In  der  Nord- 
und  Ostsee  leben  unter  anderen:  die  Scholle  (Plewonectes  platessa), 
Augen  rechts  (äusserst  selten  links),  Schuppen  glatt;  die  Kliesche  (/'/. 
limanda),  Augen  rechts,  Schuppen  rauh;  der  Flunder  (/V.  flesus),  mit 
rauhen  Knochenhöckern,  Augen  meistens  rechts,  sehr  oft  jedoch  links ;  letz- 
terer kommt  nicht  nur  im  Meere,  sondern  auch  im  Süsswasser  vor.  Die 
Seezunge  (Solen  rtdyaris),  weniger  hoch  als  die  vorhergehenden,  Augen 
rechts  ;  der  Heilbutt  (Ilippoylossns  vulgaris),  ebenfalls  mit  den  Augen 
rechts,  erreicht  eine  ansehnliche  Grösse  (ein  paar  Meter).  Der  Steinbutt 
(Rfioinbus  maxhn wi'),  mit  Knochenwarzen,  und  der  Glattbutt  (Rh.  laevis), 
mit  kleinen  glatten  Schuppen ,  beide  mit  den  Augen  an  der  linken  Seite. 

4.  Die  Barschfaroilie  (Percidae).  Schuppen  cteuoid.  Zwei  Rücken- 
flossen, welche  jedoch  häufig  zusammenhängen,  die  vordere  mit  lauter 
Stachelstrahlen.  Bauchflossen  unterhalb  der  Brustflossen.  Kiemendeckel 
mit  Dornen.  Hierzu  der  Flussbarsch  (Perm  fhtviatilis),  der  grössere, 
gestrecktere,  mit  grossen  Zähnen  versehene  Zander  ( Luciopnca  sandra), 
der  Kaulbarsch  (Acerina  remua),  mit  verschmolzenen  Rückenflossen; 
alle  drei  sind  Süsswasserfische  (der  erste  auch  im  Brackwasser)  und  kommen 
in  Deutschland  vor.  —  Zu  einer  verwandten  Familie  gehören  die  vorhin 
(S.  391)  erwähnten  Kletterfische  (Anabas). 

5.  Die  Lippfische  (Labridae)  erinnern  äusserlich  an  die  Barsche; 
sie  zeichnen  sich  besonders  dadurch  aus  ,  dass  die  unteren  Schlundknochen 
mit  einander  verschmolzen  sind,  häufig  auch  durch  eine  wulstige  Hautver- 
dickung (Lippe)  längs  des  Mundrandes.  Zu  dieser  Familie,  welche  durch 
mehrere  kleine  Arten  in  der  Nord-  und  Ostsee  vertreten  ist,  gehören  auch 
die  Papageifische  (Spants) ,  welche  dadurch  ausgezeichnet  sind,  dass 
der  Rand  und  ein  Theil  der  Vorderseite  des  Zwischen-  und  Unterkiefers 


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406 


Speoieller  Theil. 


mit  Zähnen  besetzt  sind,  welche  mit  einander  und  mit  den  theilweise  ent- 
blössten  Kieferknochen  durch  eine  Knochenmasse  verbunden  sind,  wodurch 
ein  zusammenhängender  schneidender  Rand  gebildet  wird;  an  den  oberen 
und  unteren  Schlundknochen  in  ähnlicher  Weise  verkittete  Mahlzähne.  Die 
Papageifische,  welche  ausschliesslich  den  wärmeren  Meeren  angehören 
(eine  Art  im  Mittelmeer),  sollen  sogar  Aeste  von  Steinkorallen  abbeissen 
können. 

6.  Das  Petermännchen  (Traehinus  draco)  ist  ein  etwas  gestreckter 
Fisch  mit  kurzem  Kopf  und  kleinen  cycloiden  Schuppen ;  zwei  Rücken- 
flossen ,  von  welchen  die  hintere  lang  und  weichstrahlig ,  die  vordere 
ganz,  kurz  und  stachelstrahlig  ist;  Bauchflossen  vor  den  Brustflossen.  Am 
Kiemendeckel  findet  sich  ein  knöcherner  Stachel  mit  zwei  Giftdrüsen,  welche 
in  Rinnen  an  der  Oberfläche  desselben  liegen  und  dicht  vor  dessen  Spitze 
ausmünden;  ähnliche  Drüsen  an  den  Stachelstrahlen  der  Rückenflossen.') 
Häufig  in  der  Nordsee  (selten  in  der  westl.  Ostsee);  wird  häufig  mit  dem 
grössten  Theil  des  Körpers  in  den  Sand  vergraben  angetroffen. 

7.  Die  Schuppen  flosser  (Squamijientwi).  Stachelflosser  mit  sehr 
hohem,  stark  zusammengedrücktem  Körper  und  mit  prächtigen  Farben; 
die  Schuppen  erstrecken  sich  weit  auf  die  unpaaren  Flossen  hin.  In  den 
wärmeren  Meeren. 

8.  Die  Panzerwangen  (Gataphracti).  Körper  in  der  Regel  ohne 
gewöhnliche  Schuppen,  nackt  oder  mit  grösseren  Knochenplatten;  einer 
der  unterhalb  des  Auges  liegenden  Seitenlinienknochen  (Suborbitalknochen) 
ist  stark  entwickelt  und  erstreckt  sich  hinten  bis  an  das  Praeoperculum  (den 
vordersten  der  Kiemendeckel  -  Knochen).  Bauchflossen  unter  den  Brust- 
flössen.  Hierher  gehören:  Der  Sees corpion  (Cottus  scorpitts),  ein  gross- 
köpfiger  Fisch  mit  nackter  Haut,  mit  Dornen  am  Kopfe,  häufig  in  der 
Nord-  und  Ostsee;  in  den  Süsswassern  Deutschlands  lebt  die  kleine  (bis 
15  cm  lange)  Groppe  (Cottw  gobio).  Der  kleine  Steinpicker  (-l^o- 
mis  catapkr actus),  mit  Knochenplatten  am  Körper  und  mit  zahlreichen  Bart- 
faden, und  der  Knurrhahn  (Trigla  gurnardus)  mit  gepanzertem  Kopf, 
kleinen  Schuppen  und  den  untersten  Strahlen  der  Brustflossen  frei,  finger- 
artig, als  förmliche  Beinchen  zum  Kriechen  verwendbar,  leben  ebenfalls  in 
der  Nord-  und  Ostsee.  Beim  Flughahn  (Daäylopierus  volitans)  ist  jede 
Brustflosse  in  zwei  Theile  gesondert,  von  welchen  der  eine  sehr  gross  ist, 
so  dass  das  Thier  mittels  desselben  sich  über  die  Meeresoberfläche  erheben 
kann;  im  Uebrigen  steht  das  Thier  den  beiden  vorher  genannten  nahe;  im 
Mittelmeer. 

9.  Die  Stichlingsfamilie  (Gasterosteidac)  ist  der  vorhergehenden 
Familie  in  Bezug  auf  das  Verhalten  der  Suborbitalknochen  ähnlich.  Der 
stachelstrahlige  Theil  der  Rückenflosse  besteht  aus  freien  Strahlen ;  die 
Bauchflossen ,  welche  etwas  hinter  den  Brustflossen  sitzen ,  bestehen  aus  je 
einem  langen  Stachelstrahl  und  einem  kurzen  "Weichstrahl.  Keine  Schuppen, 
sondern  grössere  Knochenplatten  in  der  Haut.  Das  Männchen  baut  oft  ein 
Nest.  Die  Stich linge  (Gasterostcus)  sind  kleine  Fische,  welche  sowohl 
in  Süss-  als  in  schwach  salzigem  Meereswasser  leben;  der  dreistachlige 
Stichliug  (G.  aculeattisj  mit  3,  der  neunstachlige  Stichling  (G. 
pungitius)  mit  ca.  9  Stachelstrahlen  der  Rückenflosse,  beide  in  Deutschland. 
Ausschliesslich  dem  Meere  (Nord-,  Ostsee,  etc.)  gehört  der  See  stich- 
ling (Spiiwhia  vulgaris)  an,  sehr  gestreckt,  mit  langem  dünnen  Schwanz, 
15  freien  Stachelstrahlen. 

J)  Auch  bei  einigon  anderen,  tropischen,  Fischen  sind  ähnliche  Giftwerkzeuge 
nachgewiesen. 


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Wirbelthiere.   9.  Classe:  Fi«che. 


407 


10.  Die  Makrelenfamilie  (Scomberidae).  Stachelflosser.  Körper 
gestreckt,  wenig  zusammengedrückt,  mit  kleinen  Schuppen.  Hinterer  Theil 
der  Bücken-  und  Afterflosse  in  eine  Anzahl  kleiner  Stücke  zerfallen. 
Bauchllossen  unterhalb  der  Brustflossen.  Hierzu  die  Makrele  (Scomber 
scomber) ,  gemein  an  den  europäischen  Küsten,  und  der  Thunfisch 
(Thynnus  vulgaris),  gemein  im  Mittelmeer r  seltener  in  den  nördlichen  Meeren. 
—  Verwandt  sind  die  Schiffshalter  (Echene'i.s),  deren  vordere  Rücken- 
flosse zu  einem  Saugapparat  umgebildet  ist,  welcher  sich  auf  den  Kopf 
hinauf  erstreckt,  und  mit  welchem  das  Thier  sich  an  grösseren  Fischen, 
Schiffen  etc.  anheftet.  Ferner  der  grosse  Schwertfisch  (Xipkias  gladius), 
dessen  Oberkiefer  stark  schnabelförmig  verlängert  ist,  und  welcher  keine 
Brustflossen  besitzt;  häufig  im  Mittelmeer,  erscheint  hin  und  wieder  in  den 
nördlichen  Meeren,  sogar  in  der  Ostsee. 

11.  Die  Schleimfische  (Ulciiniidae).  Körper  in  der  Regel  fast 
aalförmig,  mit  sehr  kleinen  Schuppen.  Gewöhnlich  eine  lange  Rücken-  und 
Afterflosse,  aus  biegsamen,  ungegliederten  Strahlen  bestehend  (keine  Stachel- 
strahlen). Bauchflossen  vor  den  Brustflossen.  Hierzu  gehören:  Die  Aal- 
mutter (Zoarces  vivijmrus) ,  sehr  häufig  in  der  Nord-  und  Ostsee,  bis 
40  cm  lang,  lebendiggebärend.  Der  Seewolf  (Anarrhiclias  lupiis),  grösser, 
mit  mächtig  entwickelten,  starken,  kegelförmigen  Zähnen  vorne  und  Mahl- 
zähnen mehr  hinten  im  Munde ,  ohne  Bauchflossen ;  ernährt  sich  von 
Muscheln  u.  ä. ;  in  den  nördlichen  Meeren  (selten  in  der  Ostsee). 

12.  Die  Meergrundeln  (Gobius)  sind  kleine  Fische  mit  ziemlich 
weichen  Stachelstrahlen;  sie  zeichnen  sich  besonders  dadurch  aus,  dass  die 
Bauchflossen,  welche  unterhalb  der  Brustflossen  sitzen,  mit  einander  ver- 
schmolzen sind.  —  Bei  dem  einer  anderen  Familie  angehörigen  Seehasen 
(Cyclopterus  lumjni-s)  sind  die  Bauchflossen  ebenfalls  verwachsen  und  dazu 
noch  zu  einer  Saugscheibe  umgebildet;  der  Seehase  (Lump)  ist  ein  kurzer, 
plumper  Fisch  mit  knöchernen  Dornen  in  der  Haut ;  in  der  Nord-  und  Ostsee. 

13.  Die  Armflosser  (Pedicidati).  Körper  plump,  nackt,  Kopf  oft 
gross,  Kiemenöffnung  klein;  Bauchflossen  vor  den  Brustflossen,  welch 
letztere  wie  gestielt  sind,  indem  die  sonst  bei  den  Knochenfischen  kurzen 
Radien  (die  „ Handwurzel ")  hier  verlängert  sind.  Der  vordere  Theil  der 
Rückenflosse  besteht  aus  einer  Anzahl  freier  Strahlen.  In  den  nordischen 
Meeren  nur  der  grosse  Seeteufel  (Lophiux  piscatorius) ,  abgeplattet ,  mit 
kolossaler  Mundöffnung ;  die  freien  Rückenstrahlen  verlängert,  der  vorderste 
(nebst  zwei  folgenden  auf  dem  Kopfe  sitzend)  mit  einem  weichen  Anhang 
an  der  Spitze. 

14.  Die  Haftkiefer  (Vledogtmthi)  sind  Fische  von  sehr  verschie- 
denem Aussehen,  welche  darin  mit  einander  übereinstimmen,  dass  die  Ober- 
und  Zwischenkieferbeine  der  gewöhnlichen  Regel  entgegen  mit  dem  Schädel 
unbeweglich  verbunden  sind;  Bauchflossen  fehlen.  Grösstenteils  Thiere 
von  sehr  eigenthüm liebem  Gepräge,  welche  in  den  wärmeren  Meeren  zu 
Hause  sind.  Die  Kofferfische  (Ostraeion),  kurz,  mit  abgeplattetem 
Bauch,  zeichnen  sich  dadurch  aus,  dass  der  grösste  Theil  des  Körpers  von 
einem  dünnen  Knochenpanzer  umgeben  ist ,  welcher  aus  polygonalen ,  fest 
verbundenen  Platten  zusammengesetzt  ist;  nur  der  kleine  Schwanz  und  die 
Flossen  sind  beweglich.  Die  Igel  fische  (Diodon)  sind  mit  knöchernen 
Dornen  besetzt,  welche  sich  aufrichten,  wenn  das  Thier  sich  aufbläst;  dies 
geschieht,  indem  es  eine  sackförmige  Ausstülpung  der  Speiseröhre  mit  Luft 
füllt,  welche  durch  den  Mund  aufgenommen  wird  (es  liegt  dann  mit  dem 
Bauch  nach  oben  im  Wasser) ;  ihre  Bezahnung  erinnert  an  die  der  Papagei- 
fische.   Die  Klump-  oder  Mondfische  (Mola  oder  Orthagoriacits )  siud 


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♦ 


408  Specieller  Theil. 

grosse,  pelagische  Fische,  stark  zusammengedrückt  und  sehr  kurz  (der 
Körper  bildet  eine  senkrechte  kurz-ovale  Scheibe),  die  Schwanzflosse  iat  ein 
Saum  längs  des  Hinterrandes  des  Thieres,  Rücken-  und  Afterflosse  hoch; 
eine  Art  (Mola  na&us) ,  welche  der  pelagischen  Fauna  des  Atlantischen 
Meeres  angehört,  ist  einige  Male  im  Kattegat  getroffen  worden. 

15.  Die  Seenadelfamilie  (Syngnalliidae).  Körper  gestreckt  mit 
Knochenplatten  bekleidet,  die  Schnauze  in  eine  Röhre  ausgezogen,  an  deren 
Spitze  die  kleine  zahnlose  Mundöffnung  liegt;  Bauchflossen  fehlen.  Kiemen- 
blättchen  in  ganz  geringer  Zahl  an  jedem  Bogen,  aber  stark  gefaltet ;  äussere 
Kiemenöffnung  klein.  Die  Eier  werden  von  den  Männchen  an  der  Unter- 
seite von  Rumpf  und  Schwanz  umhergetragen,  indem  sie  in  einigen  Fällen 
einfach  derselben  angeklebt  sind,  in  anderen  zwischen  zwei  Längsfalten 
oder  in  einen  Sack  eingeschlossen  sind.  Die  Thiere  Bchwiinmen  mittels 
sehr  schneller  wellenförmiger  Vibrationen  der  nicht  sehr  langen  Rücken- 
flosse In  den  nördlichen  Meeren  leben  verschiedene  Seenadeln,  Arten 
der  Gattungen  Syngnatiius ,  Nerophix  u.  a. ,  welcher  letztgenannten  alle 
Flossen  mit  Ausnahme  der  Rückenflosse  fehlen.  Die  Seepferdchen 
(Hippocampus)  mit  flossenlosem  Greifschwanz,  nach  unten  gebogenem  Kopfe 
und  dornartigen  Auswüchsen  an  Kopf  und  Rumpf,  stehen  während  des 
Schwimmens  senkrecht  im  WasBer;  meistens  in  den  wärmeren  Meeren,  eine 
Art  in  Mittelmeer  häufig,  kommt  auch  noch  in  der  Nordsee  vor. 


3.  Classe.    Amphibien  oder  Lurche  (Amphibia). 

Im  Gegensatz  zu  den  Fischen  ist  der  Kopf  bei  den  Amphibien  in  der 
Regel  ziemlich  deutlich  vom  Rumpf  abgegrenzt,  wenn  auch  noch  kein 
deutlich  abgesonderter  Hals  vorhanden  ist;  der  Kopf,  und  gewöhn- 
lich auch  der  Rumpf,  ist  mehr  oder  weniger  niedergedrückt,  ersterer 
in  der  Regel  etwas  freier  beweglich.  Wenn  ein  Schwanz  vorhanden 
ist,  so  ist  er  gewöhnlich  mehr  oder  weniger  zusammengedrückt  und 
kräftig  entwickelt,  aber  bei  Weitem  nicht  so  musculös  wie  bei  den 
Fischen ;  oben  geht  er  ziemlich  allmählich  in  den  Rumpf  über,  unten 
ist  er  dagegen  deutlich  von  diesem  abgesetzt.  Die  Gliedmaassen 
stehen  auf  einer  höheren  Entwicklungsstufe  als  bei  den  Fischen;  sie 
zerfallen  in  mehrere  durch  Gelenke  gesonderte  Abschnitte,  der 
äusserste  ist  in  Finger  oder  Zehen  gespalten,  ein  Flossensaum  wie 
bei  den  Fischen  fehlt  immer :  sie  sind  Gehwerkzeuge  geworden. 
In  Vergleich  mit  den  Gliedmaassen  z.  ß.  der  Säugethiere  sind  sie 
allerdings,  wenigstens  bei  der  einen  Hauptgruppe,  noch  klein  und 
schwach. 

Die  Oberhaut  ist  beim  ausgebildeten  Thiere  mit  einer  dünnen 
(eine  oder  zwei  Zellen  dicken)  Hornschicht  versehen,  welche  ebenso 
wie  die  der  Reptilien  periodisch  als  ein  Ganzes  abgeworfen  und  durch 
eine  neue  ersetzt  wird  (Häutung).  Einzelne  Stellen  der  Oberfläche 
können  mit  einer  festeren  Hornschicht  versehen  sein,  z.  B.  gewisse 
Stellen  an  den  Vordergliedmaassen  der  Frösche  während  der  Fort- 
pflanzungszeit. Krallen- fehlen.  Mit  der  Haut  sind  rundliche, 
sackförmige  echte  Drüsen  verbunden,  welche  über  die  ganze  Ober- 
fläche verbreitet  ausmünden ;  zuweilen  sind  sie  an  einigen  Stellen 
dichter  gehäuft,  welche  sich  dann  etwas  hervorwölben  können  (die 
sogenannten  „Parotidei!"  hinter  dem  Kopfe  beim  Landsalam ander  und 


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Wirbelthiere.    3.  Claase:  Amphibien. 


409 


bei  Kröten  sind  Haufen  von  Hautdrüsen).  Die  Absonderung  hat 
wenigstens  theilweise  den  Zweck,  die  Haut  feucht  zu  erhalten;  zu- 
weilen ist  das  Secret  giftig.  In  die  Lederhaut  sind  bei  den  meisten 
Gymnophionen  (Schleichenlurchen)  wirkliche  Schuppen  von  derselben 
Art  wie  bei  den  Fischen  eingeschlossen;  bei  einzelnen  anderen  können 
an  gewissen  Hautstellen  auch  grössere  Hautknochen  l)  vorhanden 
sein,  oder  es  kann  sich  (wie  bei  alten  Exemplaren  der  gemeinen  Kröte) 
in  der  Lederhaut  Kalk  ablagern.  Ebenso  wie  die  Fische  sind  nicht 
wenige  Amphibien  mit  einem  unpaaren  Flossensaum  versehen, 
welcher  sich  längs  eines  grösseren  oder  kleineren  Theiles  des  Rückens 
(zuweilen  vom  Kopfe  ab)  und  um  die  Schwanzspitze  herum  an  der 
Unterseite  des  Schwanzes  bis  an  den  After  erstreckt;  er  ist  stets 
strahlenlos,  gewöhnlich  in  der  Fortpflanzungszeit  am  stärksten  und 
beim  Männchen  stärker  als  beim  Weibchen  entwickelt;  er  ist  übrigens 
nur  bei  einer  Anzahl  Schwanzlurchen  vorhanden,  fehlt  bei  den 
übrigen  Amphibien  (dagegen  im  Larvenzustand  vorhanden,  vergl. 
unten). 


Fig.  283.    Skelet  eines  Scliwanzlurchci  (Mtnopoma). 


Das  Skelet  ist  zwar  zum  grösseren  Theil  verknöchert,  ähnlich 
wie  bei  manchen  Fischen  sind  jedoch  bedeutende  Knorpelpartien,  be- 
sonders im  Schädel,  vorhanden.  Bei  den  Kiemenlurcheu  und  Gymno- 
phionen  sind  die  Wirbelkörper  biconcav,  vorn  und  hinten  aus- 
gehöhlt, und  die  Chorda  gross;  bei  den  übrigen  ist  die  Chorda 
dagegen  in  der  Regel  rückgebildet,  ihre  Ueberreste  sind  in  die 
Wirbelkörper  eingeschlossen,  welche  mit  einander  durch  Gelenke  ver- 
bunden sind;  bei  den  Schwanzlurchen  sind  die  Wirbelkörper  hinten 
ausgehöhlt,  vorne  convex  (opisthocoel),  bei  den  Froschlurchen  in 
der  Regel  vorne  ausgehöhlt,  hinten  convex  (procoel).  Die  Bögen 
der  Wirbel  tragen  hinten  an  der  Unterseite  je  zwei  Gelenkflächen, 


')  Auch  bei  manchen  ausgestorbenen  Amphibien  (Labyrinthodonten)  waren  in 
der  Lederhaut  grössere  oder  kleinere  Knochen  vorhanden. 


410 


Specieller  Theil. 


welche  zwei  ähnlichen  vorne  an  der  Oberseite  des  folgenden  Bogens 
entsprechen  (Gelenkfortsätze).  Aehnlich  wie  bei  den  Fischen,  im 
Gegensatz  aber  zu  den  folgenden  Classen ,  ist  der  zweite  Rumpf- 
( Hals-) wirbel  nicht  besonders  entwickelt  (vergl.  die  Reptilien).  Von 
den  Rumpfwirbeln  ist  überhaupt  nur  der  erste,  an  welchen  der  Kopf 
eingelenkt  ist,  und  der  letzte,  an  welchen  das  Becken  befestigt  ist, 
von  den  übrigen  etwas  abweichend.  Die  Schwanzwirbel  sind  bei  den 
Schwanzlurchen  mit  unteren  Bögen  versehen ;  bei  den  Froschlurchen 
sind  die  ini  Larvenzustande  zahlreichen  Schwanzwirbel  beim  erwachsenen 
Thiere  zu  einem  langen ,  ungegliederten  Knochen ,  dem  Steissbein, 
verschmolzen  —  Die  Rippen  erreichen  nie  das  Brustbein;  sie  waren 
bei  gewissen  ausgestorbenen  Amphibien  (Stegocephalen)  wohl  ent- 
wickelt, bei  allen  jetztlebenden  Amphibien  dagegen  sind  sie  stark 
rückgebildet;  am  deutlichsten  sind  sie  noch  bei  den  Schwanzlurchen 
und  Gymnophionen ,  bei  denen  sie  als  kurze  Anhänge  in  der  Regel 
an  allen  Rumpfwirbeln ,  mit  Ausnahme  des  ersten ,  und  (bei  den 
Schwanzlurcheu)  zugleich  an  den  vorderen  Schwanzwirbeln,  vor- 
handen sind ;  bei  den  Froschlurchen  sind  die  Rippen  rudimentär  und 
beim  erwachsenen  Thiere  gewöhnlich  mit  den  langen  Querfortsätzen 
verschmolzen.  —  Das  Brustbein  steht  nicht  in  Beziehung  zu  den 
Rippen,  schliesst  sich  dagegen  eng  an  die  untere  Partie  des  Schulter- 
gürtels an ;  bei  den  Schwanzlurchcn  ist  es  eine  kurze  Knorpelplatte, 
in  deren  Vorderrand  die  Coracoide  eingefalzt  sind,  bei  den  Frosch- 
lurchen ist  es  oft  theilweise  verknöchert  und  mit  den  genannten 
Knochen  eng  verbunden. 

Das  Kopfskelet  schliesst  sich  in  vielen  Punkten  an  das  derGa- 
noiden  und  Knochenfische  an.    Bedeutende  Theile  des  knorpeligen 


A  B 


Fig.  284.  Die  V  i  «  cc  ral  b  ö  ge  n  des  L  und  Salamanders,  vun  unten  gesehen, 
.1  Larve,  b  erwachsenes  Thier,  c.  CopulM,  e  die  letzte  Copulu  (beim  erwachsenen  von  den 
übrigen  abgetrennt).  *  Unterkiefer,  A  ZungenbeinboKen,  brx  —  t  erster — vierter  Kienienbogen. 
I  IlintcrhauptAgelenkhöt-kor,  o  Auge.  —  Nach  Huscuui. 

')  Der  Schwanz  tritt  bei  diesen  Thieren  äasserlich  nicht  hervor,  indem  die 
langen  Darmbeine,  welche  mit  ihrem  vorderen  Ende  am  Beckenwirbel  festgeheftet 
sinu,  sich  dem  Steissbein  ungefähr  parallel  gerade  nach  hinten  erstrecken;  letzterer 
ist  etwa  von  derselben  Länge  wie  das  Darmbein,  so  dnss  die  Gelenkpfanne  ihren 
Platz  neben  der  Spitze  des  Steissbcins  bekommt. 


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Wirbelthiere.  3.  Classe:  Amphibien. 


411 


Schädels  bleiben  das  ganze  Leben  hindurch  erhalten,  grösstenteils 
von  Deckknochen  überdeckt.  Es  sind  zwei  Gelenk höcker  am 
Hinterhauptsbein  vorhanden.  Die  Zwischen-  und  Oberkiefer- 
beine sind  mit  dem  vordersten,  soliden  Theil  des  Schädels  in  nähere 
Verbindung  getreten  und  liegen  demselben  dicht  an  (sie  sind  nicht 
wie  bei  den  Knochenfischen  beweglich).  Der  obere  Abschnitt  des 
Kieferbogens .  der  Gaumen knorpel  (Palatoquadratum) ,  ist  am 
hinteren  Theil  des  Schädels  festgewachsen,  zuweilen  (bei  den  Frosch- 
lurchen) ist  er  auch  noch  an  seinem  vorderen  Ende  mit  dem  vorderen 
Theil  desselben  verwachsen ;  auch  er  bleibt  theilweise  knorpelig.  Bei 
den  Larven  finden  sich  ausser  dem  Kiefer-  und  Zuugenbeinbogeu  ge- 
wöhnlich vier  Paar  knorpelige  Kiemenbögen,  welche  bei  der 
Metamorphose  mehr  oder  weniger  rückgebildet  werden;  bei  den 
Schwanzlurchen  bleiben  jedoch  die  beiden  ersten  Paare  erhalten. 

Von  den  Knochen  des  Kopfskeletes  der  Amphibien  sind  ausser  den 
oben  genannten  folgende  zu  nennen.  Im  knorpeligen  Schädel  selbst  ent- 
wickeln sich:  ein   Paar    seitliche  Hinterhauptsbeine  (Oirijritotia 


Fig.  285.  Schädel  eines  Frosche*  (Hann  esculenta)  von  oben  (A)  und  von  unten  (Ii), 
c  knorpelige  Seitcntheile  des  Schädels,  e  Gurtelbein,  t  knorpelige  Nascnkapsel,  J'n  Nasenbein, 
fp  Stirn-Scheitelbein,  ti  Zungenbeinbogen,  i  Zwischenkicforbein,  j  Jochbein,  m  Oberkieferbein, 
m  ljuadratbein ,  o  seitliches  Hinterhauptsbein,  op  Knorpel  /.wischen  letzterem  und  /»,  dem 
Felsenbein,  p  vorderer  Theil  des  Felsenbeins  mit  ciuer  grossen  Nervenöffnung  (p  ),  /«/Gaumen-, 
jil  FlUgelbein.  pt  hinterer  Theil  des  Flugelbeins,  «  Paraspheuoid,  t—t'  Tympanicum,  v  Vomer. 
—  Nach  Ecker. 

laieralia),  welche  das  Hinterhauptsloch  fast  völlig  umgeben  und  die  Gelenk- 
höcker tragen ;  vor  diesen  jederseits  das  Felsenbein  (Pctroaum) ;  am 
vordersten  Theil  der  Schädelhöhle  eine  in  der  Kegel  ringförmige  Ver- 
knöcherung, das  Gürtelbein.  Oben  wird  der  Schädel  von  folgenden 
Stücken  bedeckt:  einem  Paar  Nasenbeine  hinter  den  äusseren  Nasen- 
öffnungen, einem  Paar  Stirnbeine  und  Scheitelbeine  (bei  den  Frosch- 
lurchen sind  Stirn-  und  Scheitelbein  jeder  Seite  zu  einem  Knochen  ver- 
schmolzen); unten  findet  sich  ein  Parasphenoid  (vergl.  die  Fische) 
und  vor  diesem  jederseits  der  Vomer.  Im  Gaumenknorpel  findet 
sich  unten ,  an  der  Verbindungsstelle  mit  dem  Unterkiefer ,  eine  unbe- 
deutende Verknöcherung,  das  Quadratbein  (Qiiadralum),  und  hinten  wird 
der  Knorpel  seitlich  von  einem  grossen  Deckknochen,  dem  Tympanicum, 


A 


B 


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412 


Specioller  Theil. 


bedeckt;  naoh  vorne  erstreckt  sich  das  Flügelbein  (Pterygoideum),  und 
vor  diesem  findet  sich  bei  den  Froschlurchen  ein  querliegendes  Gaumen- 
bein, welches  sich  mit  seinem  inneren  Ende  an  den  Schädel  heftet.  Bei 
den  Froschlurchen  geht  auch  vom  Quadratbein  zum  Oberkieferbein  ein 
dünner  Knochenstab ,  das  Jochbein  {Jwjair  oder  Quadratojugale).  Die 
Unterkiefer  äste  bestehen  jeder,  ebenso  wie  bei  den  Fischen,  aus 
mehreren  Knochenstücken. 


Fig.  286.  Fig.  287. 


Fig.  286.  Brustbein  und  Sehn  ltergtlrtcl  eines  Landsalamanders.  «/Brust- 
bein, co  Coracoid,  $c  Schulterblatt. 

Fig. 287.  Dieselben  Theile  eines  Frosches,  st  Brustbein,  ep  Vorderbrustbein,  co  hinterer 
Abschnitt  des  Coracoids,  sc  unterer  Theil  des  Schulterblattes,  »c  oberer  Theil  desselben,  cl 
Schlüsselbein.  Die  knorpeligen  Theile  in  dieser  und  der  vorigen  Figur  punktirt.  —  Nach  Ecker. 

Der  Schultergürtel  wird  bei  den  Schwanzlurchen  jederseits 
durch  eine  gebogene  Knorpelplatte  repräsentirt,  welche  man  in  zwei 
Abschnitte  theilen  kann,  einen  oberhalb  und  einen  unterhalb  der  Ge- 
lenkpfanne für  den  Oberarm;  von  diesen  ist  der  obere,  welcher  dem 
Schulterblatt  der  höheren  Wirbel thiere  entspricht,  schmäler  als 
der  untere,  dem  Coracoid  entsprechende;  letzterer  legt  sich  theil- 
weise  über  den  der  anderen  Seite  hin.  Der  untere  Theil  des  Schulter- 
blatts ist  in  grösserer  oder  geringerer  Ausdehnung  verknöchert,  und 
häufig  streckt  sich  die  Verknöcherung  auch  in  die  Coracoid-Partie 
hinein;  die  obere  und  die  untere  Partie  des  Schultergürtels  bleiben 
aber  stets  knorpelig  (Fig.  286).  —  Bei  den  Froschlurchen  ist 
die  untere  Partie,  das  Coracoid,  von  einer  grossen  Oeffnung  durch- 
brochen und  dadurch  in  ein  vorderes  und  hinteres  Stück  getheilt; 
letzteres  verknöchert,  ersteres,  welches  von  einem  Deckknochen,  dem 
Schlüsselbein  (Clavictda),  überdeckt  wird,  dagegen  nicht ;  das  rechte 
und  das  linke  Coracoid  schieben  sich  entweder  etwas  über  einander 
hin  oder  stossen  in  einer  geraden  Linie  zusammen  (letzteres  bei  den 
Fröschen)1).  Die  obere  Partie  des  Gürtels,  das  Schulterblatt, 
zerfällt  bei  den  Froschlurchen  in  ein  oberes  und  ein  unteres  Stück, 

')  Bei  einigen  Froschlurchen  (z.  B.  den  Fröschen)  findet  sich  in  der  Mittel- 
linie vor  den  Coracoiden  ein  besonderer,  theil  weise  verknöcherter  Knorpel,  welcher 
falschlich  als  Vorderbrustbein  (Eputtemum)  bezeichnet  wird,  obgleich  er  keinen 
Zusammenhang  mit  dem  Brustbein  besitzt  und  der  gleichbenannte  Knochen  anderer 
Wirbelthicre  ein  reiner  Deckknochen  ist.  Er  ist  wahrscheinlich  als  ein  besonders 
entwickelter  Theil  der  Coracoid-Partie  aufzufassen. 


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Wirbelthiere.   3.  Classe:  Amphibien. 


413 


von  welchen  ersteres  wesentlich  aus  verkalktem  Knorpel,  letzteres  aus 
Knochen  besteht.  —  Die  Vordergliedmaassen  bestehen  aus  den- 
selben Hauptabschnitten  wie  bei  den  höheren  Wirbelthieren.  Die 
Handwurzel  weist  namentlich  bei  den  Schwanzlurchen  gewöhnlich 
einen  innigen  Anschluss  an  das  typische  Verhältniss  auf  (es  können 
jedoch  Verschmelzungen  einiger  Knochen  stattfinden).  Bei  den  jetzt- 
lebenden Amphibien  sind  nie  mehr  als  4  Finger  vorhanden,  deren 
Gliederzahl  variirt.  Bei  den  Froschlurchen  sind  die  beiden  Unter- 
armknochen zu  einem  verschmolzen. 

Jede  Hälfte  des  Beckens  besteht  bei  den  Schwanzlurchen 
aus  einer  oberen,  schmäleren  Partie,  dem  Darmbein,  und  einer 
unteren,  breiteren  Partie,  dem  Scham-Sitzbein,  welch  letzteres 
in  der  Mittellinie  mit  dem  der  anderen  Seite  zusammentrifft;  jedes 
ist  durch  eine  besondere  Verknöcherung  repräsentirt ;  vorne  setzt  sich 
das  Becken  in  einen  schmalen  unpaaren,  an  der  Spitze  gewöhnlich 
Y-förmig  gespaltenen  Knorpel  fort  (Cartüago  ypsilcndes).  Bei  den 
Froschlurchen  sind  die  Darmbeine  nach  hinten  gerichtete  Knochen- 
stäbe ;  das  Scham-Sitzbein  ist  mit  dem  der  anderen  Seite  zu  einer  zu- 
sammengedrückten senkrechten  Scheibe  verschmolzen.  —  Die  Hinter- 
gliedmaassen  schliesscn  sich  in  ihrem  Bau  eng  an  die  Vorder- 
gliedmaassen an.  Bei  den  Froschlurchen  sind  die  beiden  Unterschenkel- 
knochen verschmolzen,  und  von  den  Knochen  der  Fusswurzel  sind  bei 
denselben  die  beiden  in  der  obersten  Reihe  (der  dritte  fehlt)  sehr  lang 
und  kräftig.    Die  Hintergliedmaassen  besitzen  gewöhnlich  je  5  Zehen. 

Die  Musculatur  des  Rumpfes  und  des  Schwanzes  schliesst  sich 
bei  den  Amphibien-Larven  eng  an  die  der  Fische  an  (sie  ist  in 
4  Längenmuskel-Partien  gesondert,  welche  jede  durch  dünne  Quer- 
wände in  eine  Reihe  von  Abschnitten  getheilt  sind) ;  bei  den  erwachsenen 
Schwanzlurchen  sind  die  Verhältnisse  nur  wenig  verändert,  während 
sich  bei  den  Froschlurchen  grössere  Umgestaltungen  vollziehen.  — 
Das  Gehirn  ist  klein,  das  Hinterhirn  sehr  wenig  entwickelt. 

Die  Geruchsorgane  sind  zwei  Kanäle,  welche  von  der  Aussen- 
seite  des  Kopfes  in  die  Mundhöhle  führen  und  sich  hier,  hinter  dem 
Kieferrande,  öffnen ;  die  äusseren  Nasenlöcher  können  geschlossen  und 
geöffnet  werden.  —  Von  den  Augenlidern  ist  nur  das  untere  be- 
weglich ;  es  ist  oft  halb  durchsichtig,  nickhautartig.  Augenlider  fehlen 
bei  den  Larven,  bei  den  Kiemenlurchen  und  den  mit  rudimentären 
Augen  versehenen  Gymnophionen.  Thränendrüsen  fehlen,  dagegen  ist 
eine  Harder'sche  Drüse  vorhanden.  Bei  den  erwachsenen  Amphibien 
findet  sich  ein  Thränenkanal.  —  Gehörwerkzeuge.  Bei  den  meisten 
Froschlurchen  besteht  ein  kurzer,  dem  Spritzloch  der  Fische  ent- 
sprechender Kanal,  welcher  vom  hinteren  Theil  der  Mundhöhle  hinter 
dem  ersten  Visceralbogen  gegen  die  Oberfläche  des  Kopfes  hin  ver- 
läuft; er  öffnet  sich  an  der  Oberfläche  nicht,  sondern  ist  aussen  von 
einer  dünnen  Haut,  dem  Trommelfell,  geschlossen.  Dieser  Kanal, 
welcher  der  Paukenhöhle  -f-  der  Ohrtrompete  der  höheren  Wirbel- 
thiere entspricht,  zieht  an  demjenigen  Theil  des  Schädels  vorüber,  in 
welchem  das  häutige  Labyrinth  eingeschlossen  liegt;  in  der  Knochen- 
kapsel  des  letzteren  ist  an  der  betreffenden  Stelle  eine  Oeffnung,  das 
ovale  Fenster,  Fenestra  ovalis  (innerhalb  welcher  der  Vorhof  liegt) ; 
diese  Oeffnung  ist  von  einer  besonderen  kleinen  Knorpelplatte  bedeckt, 
welche  das  verbreiterte  Ende  eines  theilweise  verknöcherten  stabförmigen 
Körpers,  des  Hörknochens  (Columella  auris),  bildet;  das  andere 


414 


Specieller  Theil. 


Ende  des  Hörknochens  heftet  sich  an  das  Trommelfell.  Bei  den 
übrigen  Amphibien  (einigen  Froschlurchen,  z.  B.  der  Unke,  allen 
Schwanzlurchen  und  Gymnophionen)  fehlt  der  Kanal  und  damit  auch 
das  Trommelfell;  das  ovale  Fenster  und  den  Hörknochen  besitzen 
sie  dagegen  alle. 

Darmkanal.  Zähne  können  an  den  Zwischen-  und  Ober- 
kieferknochen, am  Unterkiefer,  am  Vomer  und  zuweilen  an  den  Flügel- 
beinen vorhanden  sein;  sie  sind  bei  den  jetztlebenden  Amphibien  immer 
klein  und  von  einfacher  Form.  —  Die  Zunge  ist  besser  als  bei  den 
Fischen  entwickelt;  sie  ist  mit  ihrer  Unterseite  an  der  unteren  Wand 
der  Mundhöhle  festgeheftet,  aber  derartig,  dass  die  Ränder  frei  sind ; 
für  die  Froschlurche  ist  es  charakteristisch,  dass  der  hintere  freie, 
zuweilen  zweilappige  Rand  besonders  stark  entwickelt  ist,  während  der 
Vorderrand  undeutlich  ist,  so  dass  diese  Thiere  eine  vorn  angeheftete 
Zunge  haben,  deren  hinterer  Theil  aus  dem  Munde  herausgeklappt 
werden  kann.  Bei  gewissen  Schwanzlurchen  kann  die  Zunge  auf  einer 
Art  Schaft,  welcher  von  ihrer  Unterseite  entspringt,  vorgestreckt  werden. 
Die  Zunge  fehlt  bei  der  Pipa  und  einer  verwandten  Gattung.  —  Die 
Speiseröhre  ist  kurz  und  weit,  der  Darm  kurz. 

Die  Athmungsorgane  der  Amphibien  sind  theils  Kiemen, 
theils  Lungen;  wir  betrachten  zunächst  die  ersteren. 

Bei  den  Larven  der  Schwanzlurche  finden  sich  auf  jeder 
Seite  vier  Kiemensp  alten,  die  erste  zwischen  dem  Zungenbein- 
bogen und  dem  1.  Kiemenbogen ,  die  letzte  zwischen  dem  3.  und 
4.  Kiemenbogen;  jeder  Kiemenbogen  trägt  an  seinem  äusseren  Rand 
eine  dünne  häutige  Platte,  und  vom  Zungenbeinbogen  entspringt  eine 

dicke  Hautfalte  —  dem  Kiemen- 
d  e  c  k  e  1  der  Fische  entsprechend, 
aber  ohne  feste  Theile  — ,  welche 
sich  über  die  genannten  Platten 
hin  legt.  Die  Platten  entsprechen 
den  Coulissen  zwischen  den  Kie- 
menspalten bei  den  Fischen,  tra- 
gen aber  keine  Kiemenblätter, 
sondern  am  oberen  Ende  jedes 
der  drei  ersten  Kiemenbogen 
sitzt  eine  vom  Kiemendeckel  nicht 
überdeckte  Kieme,  welche  aus 
einem  Stamm  und  zwei  Reihen  von 
Blättchen  besteht  (Fig.  291).  Diese 
Kiemen  bleiben  bei  den  Kiemen - 
lurchen  zeitlebens  bestehen;  sie 
sind    bei   diesen   etwas  compli- 


•  s 


Fig.  288.  /i  Junge  Froschi.rve  von  cirter  (verästelt).   Aehnliche  Kie- 

der  Seite,  B  ähnliche  (ein  wenig  ältere)  von 
der  Bauchseite:  C 
Kiemen.    /,   2.  3 

a  After,  b  Hintergliedraaassen,  g  Kicmenöflnung,  Fig.  294).  —  Auch    die  Larven 
mit   Muskeln   des   Schwänze»,   n  Nasenloch, 
o  Mund,  op  Kiemendeckel,  *  Haftorgan.  — 


*J2ÄÄZ  »«?  b^-en  auch  die  Embryonen 
die  drei  äusseren  Kiemen,  einiger  Gymnophi onen J)  (vergl. 


C  Orig.,  A 
von  Ecker. 


und  B  mit  Benutzung  von  Figuren 


der  Froschlurche  sind  eine 
kurze  Zeit  nach  der  Geburt  mit 
drei  ähnlichen  äusseren  Kiemen  auf 
jeder  Seite  wie  die  Larven  der 

')  Bei  anderen  Embryonen  dieser  AbtheiluDg  hat  man  statt  derartiger  Kiemen 
eine  grosse  gefässreiche  Platte  an  jeder  Seite  gefunden. 


xl  by  Google 


Wirbelthiere.   8.  Classe:  Amphibien. 


415 


Schwanzlurche  versehen ;  bald  werden  aber  diese  Kiemen  von  den  Kiemen- 
deckeln überdeckt,  welche  sich  mächtig  entwickeln,  die  Kiemen  und 
Kiemenöffnungen  überwachsen  und  hinter  denselben  mit  der  Körper- 
oberfläche verwachsen,  so  dass  eine  grosse  Kiemenhöble  entsteht,  welche 
nur  durch  eine  einzige,  in  der  Regel  auf  der  linken  Seite  befindliche 
Oeffnung1)  mit  der  Aussenwelt  in  Verbindung  steht.  Die  in  diese 
Höhle  eingeschlossenen  Kiemen  bilden  sich  zurück,  an  ihrer  Stelle 
entwickelt  sich  aber  am  Aussenrande  aller  vier  Kiemenbögen  eine 
grosse  Anzahl  verästelter ,  sogenannter  innerer  Kiemen,  welche 
eigentümliche,  den  Froschlurch-Larven  allein  zukommende  Gebilde 
sind.  —  Bei  den  mit  äusseren  Kiemen  versehenen  Formen  findet  sich 
gewöhnlich  am  Innenrande  der  Kiemenbögen  ein  ähnlicher  unvoll- 
kommener Seih-Apparat  wie  bei  Selachiern  etc.,  an  jedem  Bogen 
durch  eine  oder  zwei  (am  1.  und  4.  Kiemenbögen  einer,  an  den  beiden 
anderen  je  zwei)  Reihen  kurzer  Fortsätze  repräsentirt,  welche  zwischen 
die  entsprechenden  der  angrenzenden  Kiemenbögen  eingreifen.  Bei  den 
mit  inneren  Kiemen  versehenen  Larven  der  Froschlurche  ist  dieser 
Seih-Apparat  zu  einem  hohen  Grade  von  Vollkommenheit  entwickelt, 
so  dass  er  im  Stande  ist,  alle,  selbst  sehr  feine,  feste  Theile  von  der 
Kiemenhöhle  und  den  zahlreichen  in  derselben  eingeschlossenen  zarten 
dünnhäutigen  Kiemenbüscheln  fernzuhalten.  —  Ueber  die  Gefässe 
der  Kiemen  vergl.  unten. 

Die  bei  allen  Amphibien  vorhandenen  Lungen  sind  zwei  sack- 
förmige Organe,  deren  innere  Oberfläche  bei  einigen  (z.  B.  den  Wasser- 
salamandern, dem  Olm)  glatt,  bei  anderen  (Landsalamander,  Frosch- 
lurchen) dagegen  mit  hervortretenden,  netzförmig  verbundenen  Falten 
versehen  ist.  Bei  den  Gymnophionen  ist  die  rechte  Lunge  weit  kürzer 
als  die  linke.  Die  fast  immer  sehr  kurze  Luftröhre  öffnet  sich  mit 
einer  Längsspalte  hinten  in  die  Mundhöhle;  sie  ist  von  mehreren 
Knorpelstücken  gestützt  und  enthält  bei  den  Froschlurchen  Stimm- 
bänder, welche  dagegen  bei  den  übrigen  fehlen.  —  Die  Luftaufnahme 
findet  in  der  Weise  statt,  dass  das  Thier  bei  geschlossener  Mund- 
öffnung die  weiche  Partie  zwischen  den  Unterkieferästen  senkt  und 
durch  die  geöffneten  Nasenlöcher  Luft  in  die  Mundhöhle  einsaugt; 
darauf  werden  die  Nasenlöcher  geschlossen  und  die  untere  Wand  der 
Mundhöhle  wieder  gehoben,  wodurch  die  Luft  in  die  Luftröhre  hinein- 
gepresst  wird.  Die  Luft  wird  aus  den  Lungen  ausgestossen ,  indem 
die  Leibeswand  sich  zusammenzieht  und  auf  die  elastischen  Lungen- 
wände drückt. 

DerLaut,  den  die  Froschlurche  durch  die  oben  genannten  Stimmbänder 
erzeugen,  indem  dieselben  durch  die  ausgepresste  Luft  in  Schwingungen 
versetzt  werden,  wird  bei  den  Männchen  mancher  Arten  durch  Ausstülpungen 
des  hinteren  Theiles  des  Mundhöhlenbodens  verstärkt,  welche,  wenn  das 
Thier  seine  Stimme  gebrauchen  will,  zu  dünnwandigen  Säcken  von  an- 
sehnlicher Grösse  aufgeblasen  werden.  Es  sind  zwei  solche  Schallblasen 
vorhanden,  welche  bei  einigen  (z.  B.  dem  Wasserfrosch)  auch  äusserlich 
ganz  getrennt  sind,  während  sie  bei  anderen  (z.  B.  beim  Laubfrosch)  dicht 
aneinander  gelagert  und  von  einer  gemeinsamen  äusseren  Haut  umgeben 
sind,  so  dass  es  äusserlich  den  Anschein  hat,  als  ob  eine  unpaare  Schall- 
blase vorhanden  wäre.  —  Obgleich  bei  den  Schwanzlurchen  keine  Stimm- 
bänder entwickelt  sind,  können  auch  sie  einen  Laut  erzeugen. 

*)  Bei  der  Pipa  und  einer  verwandten  Gattung  finden  sich  zwei  Oeffnungen, 
eine  auf  jeder  Seite. 


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416 


Specialer  Theil. 


Das  Herz  ist  gegenüber  dem  der  Fische  dadurch  ausgezeichnet, 
dass  der  Vorhof  durch  eine  dünne  Scheidewand  in  zwei,  einen 
rechten  und  einen  linken,  getheilt  ist,  von  welchen  der  letztere  kleiner 
ist  und  das  Blut  aus  den  Lungen  empfängt,  während  der  rechte  das 
Blut  der  übrigen  Venen  aufnimmt.  Oft  ist  die  Scheidewand  von 
kleineren  oder  grösseren  Oeffnungen  durchbrochen,  also  unvollständig. 
Die  Herzkammer  ist  stets  ungetheilt,  zeigt  nicht  einmal  eine 
Andeutung  einer  Theilung;  sie  besitzt  ebenso  wie  die  der  Fische 
dicke  spongiöse  Wände,  deren  kleine  Höhlungen  in  den  Centrai- 
hohlraum einmünden;  an  der  Grenze  des  Vorhofes  ist  ein  Paar 
Klappen  vorhanden.  Der  Herzkegel,  welcher  von  der  Herzkammer 
vorne  rechts  entspringt,  ist  eine  gewöhnlich  wohlentwickelte  Röhre, 
welche  etwas  spiralig  gewunden  ist;  er  enthält  an  jedem  Ende  eine 
Querreihe  von  Klappen  und  ist  ausserdem  mit  einer  Längsfalte 
versehen,  welche  mit  einer  der  Klappen  der  vorderen  Reihe  zusammen- 
hängt und  in  den  Hohlraum  des  Herzkegels  stark  hervortritt  (über 
ihre  Bedeutung  vergl.  unten). 

Vom  Herzkegel  entspringt  ein  ganz  kurzer  Arterienstamm,  welcher 
bei  den  Larven  der  Schwanzlurche,  die  wir  zunächst  be- 
trachten wolleu,  jederseits  vier  Gefässe  entsendet,  nämlich  die  1. — 3. 
zuf ühren de.  Kiemen arterie,  welche  ungefähr  gleich  stark  sind, 
und  den  sehr  dünnen  4.  Arterienbogen.  Die  drei  ersteren  gehen 
an  die  entsprechenden  Kiemen,  in  welchen  sie  sich  verzweigen.  Von 
jeder  Kieme  entspringt  eine  abführende  Kiemenarterie, 
welche  sich  mit  den  anderen  derselben  Seite  zu  einem  kräftigen  Gefass, 
der  Aortenwurzel  vereinigt,  in  welche  auch  der  4.  Arterienbogen 
einmündet;  beide  Aorten  wurzeln  vereinigen  sich  zur  Aorta,  welche 
unterhalb  der  Wirbelsäule  nach  hinten  verläuft.  Vor  ihrer  Ein- 
mündung in  die  Aortenwurzel  hat  jedoch  die  1.  abführende  Kiemen- 
arterie zwei  starke  Aeste  für  den  Kopf  abgegeben  (Carotiden),  und 
von  dem  4.  Arterienbogen  ist  die  Lungenarterie  abgegangen. 
Ferner  ist  hervorzuheben,  dass  die  zu-  und  abführenden  Kiemen- 
arterien desselben  Paares  durch  dünne  Querstämme,  Anastomosen, 
mit  einander  in  Verbindung  stehen.  Aehnliche  Verhältnisse  findet 
man  auch  bei  den  mit  inneren  Kiemen  ausgestatteten  Larven  der 
Froschlurche;  bei  ihnen  sind  aber  jederseits  vier  zu-  und  ab- 
führende Kiemenarterien  vorhanden,  indem  auch  der  vierte  Kiemen- 
bogen  Kiemen  trägt,  und  die  genannten  Anastomosen  fehlen.  —  Bei 
der  Metamorphose  finden  nun  folgende  Veränderungen  statt:  Die 
einander  entsprechenden  zu-  und  abführenden  Arterien  vereinigen  sich 
auf  jeder  Seite  zu  einfachen  Arterienbogen,  indem  —  bei  den  Schwanz- 
lurchen —  die  verbindenden  Anastomosen  sich  erweitern,  oder  —  bei 
den  Froschlurchen  —  indem  sich  eine  Verbindung  zwischen  ihnen 
bildet;  der  ausserhalb  der  Verbindungsstelle  liegende  Theil  derselben 
schrumpft  ein.  So  erhalten  wir  jederseits  vier  Arterienbogen, 
welche  sich  zur  Aortenwurzel  vereinigen.  Von  diesen  giebt  jedoch 
der  erste  gewöhnlich  die  Verbindung  mit  der  Aortenwurzel  auf 
und  versorgt  blos  den  Kopf  mit  Blut;  auch  der  vierte,  von  welchem 
die  Lu  ngenar  te  rie  entspringt,  giebt  häufig  die  Verbindung  mit  der 
Aortenwurzel  auf;  der  dritte  bleibt  bei  einigen  erhalten,  geht  da- 
gegen bei  anderen  völlig  zu  Grunde;  im  letzteren  Fall  wird  die 
Aortenwurzel  —  wenn  gleichzeitig  der  erste  und  vierte  Bogen  keine 
Verbindung  mit  derselben  besitzen  —  allein  von  dem  zweiten  Ar- 


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Wirbelthiere.  3.  Classe:  Amphibien. 


417 


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418 


Specieller  Theil. 


terienbogen  gebildet,  welcher  stets  stärker  als  die  übrigen  ist.  Die 
Aorta  wird  somit  bei  den  Amphibien  bald  nur  von  einem  Paar 
Arterienbögen,  bald  von  mehreren  gebildet  (Fig.  255,  B — C).  (Die 
Gymnophionen  scbliessen  sich  im  erwachsenen  Zustande  eng  an  die 
übrigen  an;  das  Gefässsystem  der  Larven  ist  bis  jetzt  unbekannt) 

Bei  den  Larven  der  Amphibien  entspricht  der  Kreislauf  wesentlich 
demjenigen  der  Fische.  Bei  den  Erwachsenen  wird  trotz  der  einfachen 
Herzkammer  dennoch  eine  gewisse  Sonderung  des  arteriellen  Blutes 
aus  der  Lunge  und  des  venösen  Blutes  erreicht ;  die  Verhältnisse  sind 
jedoch  zu  coraplicirt,  als  dass  wir  näher  auf  dieselben  eingehen  könnten. 
Es  muss  die  Bemerkung  genügen,  dass  namentlich  mittels  der  Spiralfalte 
des  Herzkegels  erreicht  wird,  dass  das  arterielle  Blut  des  linken  Vorhofa 
fast  allein  in  die  beiden  ersten  Arterienbogen-Paare  strömt,  während  das 
venöse  Blut  des  rechten  Vorhofs  theils  in  dieselben  Arterienbögen,  theüs 
in  das  3.  und  4.  Paar  gelangt ;  vom  4.  Paar  gehen ,  wie  vorhin  erwähnt ,  die 
Lungenarterien  aus,  welche  somit  venöses  Blut  erhalten,  während  das  Blut 
der  Körperarterien  ein  „gemischtes44  ist. 

Vom  4.  Arterienbögen  gehen  grössere  oder  kleinere  Aeste  an  die 
Haut  (zuweilen  auch  von  der  Lungenarterie  an  die  Speiseröhre),  nament- 
lich ist  bei  den  Froschlurchen  eine  solche  sehr  grosse  Hautarterie  vorhanden, 
welche  dem  Angeführten  zu  Folge  venöses  Blut  empfängt;  die  Haut  hat 
ja  auch,  wie  es  durch  Versuche  nachgewiesen  worden  ist,  bei  diesen  Thieren 
eine  grosse  Bedeutung  für  die  Respiration  (S.  30).  Das  in  der  Haut 
oxydirte  Blut  mischt  sich  übrigens  mit  dem  Blut  der  anderen  Venen  und 
geht  zum  rechten  Vorhof.  —  Im  Ganzen  erhellt  es ,  dass  die  Sonderung 
der  beiden  Blutarten  bei  den  Amphibien  eine  sehr  unvollständige  ist. 

Die  mehr  oder  weniger  langgestreckten  Nieren  zeichnen  sich 
dadurch  aus,  dass  sie,  ebenso  wie  bei  gewissen  Fischen,  an  ihrer 
Oberfläche  mit  Wimpertrichtern  versehen  sind  (vergl.  S.  363). 
Die  Harnleiter  münden  in  die  Kloake,  welche  mit  einer  oft  in  zwei 
Zipfel  ausgezogenen  Harnblase  versehen  ist;  letztere  steht  mit 
den  Harnleitern  nicht  in  unmittelbarer  Verbindung,  sondern  mündet 
getrennt  in  die  Kloake. 

Die  Eierstöcke  variiren  nach  der  Jahreszeit  sehr  an  Grösse; 
in  der  Portpflanzungszeit  haben  sie  einen  ansehnlichen  Umfang.  Die 
Müller'schen  Gänge  sind  lange  gewundene  Schläuche,  welche  in 
der  Fortpflanzungszeit  wegen  der  stärkeren  Entwicklung  der  in  ihrer 
"Wand  gelegenen  Eiweissdrüsen  am  dicksten  sind ;  sie  öffnen  sich  ganz 
vorne  in  die  Bauchhöhle,  weit  von  den  Eierstöcken  entfernt,  mit  einem 
Trichter;  die  abgelösten  Eier  werden  durch  die  Bewegung  von  Wimper- 
haaren, mit  denen  ein  Theil  des  die  Bauchhöhle  auskleidenden 
Epithels  ausgestattet  ist,  zu  den  Trichtern  geführt.  Mit  dem  anderen 
Ende  münden  die  Gänge,  gewöhnlich  getrennt,  in  die  Kloake.  Bei 
den  Froschlurchen  ist  der  hinterste  Theil  der  Eileiter  blasenförmig 
angeschwollen  und  in  der  Laichzeit  mit  Eiern  angefüllt.  —  Die 
H  od  e  n  (Fig.  258)  stehen  durch  feine  Kanäle  in  Zusammenhang  mit 
den  Harnkanälchen  des  vorderen  Theiles  der  Niere,  welcher  bei  den 
Schwanzlurchen  schmäler  als  der  hintere  ist,  und  der  Samen  nimmt 
somit  denselben  Weg  wie  der  Harn;  übrigens  ist  der  Ausfuhrungs- 
gang des  vorderen  Theiles  der  Niere  in  manchen  Fällen  fast  ganz 
von  den  Ausführungsgängen  der  übrigen  Niere  getrennt  und  vereinigt 
sich  mit  letzteren  erst  dicht  vor  der  gemeinsamen  Einmündung  in  die 
Kloake.    Bei  den  Männchen   ist  an  jeder  Seite  ein  rudimentärer 


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Wirbelthiere.   3.  Clause:  Amphibien. 


419 


Müller'scher  Gang  vorhanden.  Besondere  Begattungswerkzeuge 
fehlen;  bei  den  Gymnophionen  fungirt  die  umgestülpte  Kloake  als 
solches. 

Wie  schon  vorhin  erwähnt,  findet  sich  bei  den  Kröten  (Bufö)  am 
Vorderende  der  Hoden  ein  Körperchen ,  welches  ganz  wie  ein  unreifer 
Eierstock  gebaut  ist.  Bei  den  Weibchen  derselben  Gattung  ist  übrigens 
ein  entsprechender  Theil  des  Eierstockes  ähnlich  entwickelt;  dieser  Theil 
ist  besonders  bei  jungen  Weibchen  deutlich,  bildet  sich  später  zurück. 

An  den  Geschlechtsdrüsen,  oft  mit  diesen  eng  verbunden ,  findet  sich 
bei  den  Amphibien  ein  Paar  sehr  fetthaltige,  oft  sehr  augenfällige  (gelbe), 
bei  den  Froschlurchen  fingerförmig  gelappte  Körper,  die  sogenannten 
Fettkörper,  welche  durch  Umbildung  einer  vorderen  Partie  der  Eier- 
stöcke resp.  Hoden  entstanden  sind. 

Die  Eier  werden  in  der  Regel  in's  Wasser  (Süsswasser)  abgelegt 
und  sind  bei  der  Ablage  von  je  einer  dünnen  Eiweissschicht  umgeben, 
welche  im  Wasser  zu  einer  dicken  Gallertkapsel  anschwillt;  eine 
Schale  fehlt.  Sie  werden  entweder  einzeln  (seltener),  oder  in  Reiheu, 
Schnüren,  Klumpen  abgelegt.  Sie  variiren  in  Grösse  von  ein  paar 
bis  etwa  10  mm  im  Durchmesser.  Die  Furchung  ist  in  der  Regel 
total,  die  Furchungszellen  sind  aber  an  einem  Pol  grösser  (vergl. 
S.  46 — 47  und  Fig.  27) ;  die  grösseren  Amphibien-Eier  unterliegen  jedoch 
einer  partiellen  Furchung.  Selten  gelangt  das  Ei,  wie  beim  Land- 
salamander, im  Eileiter  zur  Entwicklung.  Eine  Ei-  oder  Brutpflege 
findet  man  bei  verschiedenen  Amphibien:  Pipa,  Geburtshelferkröte, 
Coecilia  etc.;  vergl.  unten. 

Für  die  Amphibien  ganz 
besonders  charakteristisch  ist  die 
Metamorphose,  welche  sie 
fast  alle  durchlaufen.  Die  Lar-  Ä 
ven  sind,  wie  schon  oben  er- 
wähnt, mit  wohlentwickelten 
Kiemen  versehen,  und  der 
Kreislauf  und  die  Anordnung 
des  Gefässsystems  entsprechen  & 
fast  ganz  den  Verhältnissen  der 
Fische;  sie  besitzen  schon  Lun- 
gen, welche  aber  noch  nicht  als 
Athmungsorgane  fungiren.  Bei 
der  Metamorphose  findet  nun  die 
bedeutungsvolle  Umänderung  im 
Baue  und  in  den  Lebensver- 
hältnissen des  Thieres  statt, 
dass   die   Kiemen    sich   rück-      Fifr  29 Larven  ,le9  grossen  Wae«er- 

V.;is1an  A      Ain      T  molchii.     A   neugeboren,  von  «1er  Seite  und 

m,??!   T\     ?  e     LuD8en    xm   von  unten.    Ii  VI  Ta*e  alt.    C  ca.  5  Wochen 

Thatigkeit  treten ,    was   unter  ait.  {A  ca  5.  ß  s— 4,  c  kaum  2  Mai  vorgr.) 

Anderem     grOSSe     Umbildungen   «  After,  /  Vor<lerglicdinaa8*c,  </  Kiemen,  a  Ilaft- 

deß  Gefässsystems  nach  sich  °n;«"-  —  x«eh  Kusconi. 
zieht  (vergl.  S.  416).  Die  Un- 
terschiede zwischen  der  Larve  und  dem  ausgebildeten  Thiere  be- 
schränken sich  aber  nicht  hierauf;  auch  in  mehreren  anderen  Be- 
ziehungen weicht  die  Larve  von  dem  Erwachsenen  ab  und  nähert  sich 
den  Fischen.  So  geht  z.  B.  der  Haut  eine  Horn  schiebt  ab,  und 
die  Haut  besitzt  ganz  ähnliche,  z.  Th.  reihenweise  geordnete  Sinnes- 

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420 


Specieller  Theil. 


hügel  wie  die  Fische  (vergl.  S.  384);  die  Sinneshügel,  welche  stets 
frei  liegen,  tragen  sogar  ähnliche  feine  Köhren  wie  bei  letzteren.1) 
Augenlider  fehlen  stets,  ein  Flossensaura  ist  selbst  bei  den- 
jenigen vorhanden,  denen  er  später  abgeht.  Das  Visceralskelet  (S.  411) 
ist  dem  der  Fische  weit  ähnlicher  als  später  etc.  —  Die  Larven  sind, 
wenn  sie  die  Eihaut  verlassen,  gewöhnlich  von  der  ausgebildeten 
Larvengestalt  etwas  abweichend ;  namentlich  sind  die  Gliedmaassen 
nicht  vorhanden  oder  nur  angedeutet,  oft  sind  noch  am  Kopfe 
Haftwerkzeuge  vorhanden,  welche  später  fehlen  (Fig.  288  A—B 
und  291,  A). 

Die  Metamorphose  selbst,  d.  h.  der  Uebergang  aus  der  Larven- 
form in  die  Gestalt  des  ausgebildeten  Thieres,  vollzieht  sich  ziemlich 
plötzlich,  die  Umänderungen  spielen  sich  im  Laufe  ziemlich  kurzer 
Zeit  ab.  Die  Grösse,  welche  die  Larve  vor  der  Metamorphose  er- 
reicht, ist  sehr  verschieden,  oft  unterscheiden  sich  sogar  nahe  ver- 
wandte Arten  in  dieser  Beziehung  auffallend  (innerhalb  der  Gattung 
Frosch  werden  die  Larven  des  Wasserfrosches  z.  B.  sehr  gross,  die 
der  Grasfrösche  dagegen  bleiben  ziemlich  klein) ;  das  Wachsthum  ist 
übrigens  in  der  Regel  mit  der  Metamorphose  weitaus  nicht  abge- 
schlossen (wie  bei  den  Insekten),  sondern  dauert  noch  lange  Zeit 
fort a).  —  Bei  einigen  Schwanzlurchen,  nämlich  bei  gewissen  Wasser- 
molchen, hat  man  beobachtet,  dass  die  Larve  zuweilen  über  ihre 
gewöhnliche  Grösse  hinaus  wächst  und  in  derLarvengestaltge- 
schlechtsreif  wird  (ob  solche  Exemplare  sich  später  verwandeln, 
ist  unbekannt).  Dasselbe  geschieht  gewöhnlich  mit  der  Larve 
eines  raexicanischen  Salamanders,  dem  A  x  o  1  o  1 1  (Siredon  mexicanus), 
wenigstens  bei  denjenigen  Exemplaren,  welche  in  Gefangenschaft  ge- 
halten werden:  sie  wird  in  der  Regel  in  der  Larvengestalt  ge- 
schlechtsreif und  verwandelt  sich  nachher  nicht;  nur  ausnahmsweise 
findet  eine  Metamorphose,  und  dann  vor  der  Geschlechtsreife,  statt. 
Endlich  giebt  es  eine  Anzahl  Schwanzlurche,  die  Kiemenmolche 
(Gatt.  Proteus  u.  a.),  welche  stets  auf  der  Larvenstufe  verharren, 
nie  eine  Metamorphose  durchlaufen.  Diese  Formen  verhalten  sich  in 
ihrem  Baue  in  allem  Wesentlichen  wie  Larven ,  mit  alleiniger  Aus- 
nahme der  Entwicklung  der  Geschlechtsorgane ;  in  einzelnen  Punkten 
treten  jedoch  bei  einigen  derselben  Rückbildungen  ein,  so  sind  z.  B. 
beim  Olm  die  Lungen  im  Yerhältniss  zur  Grösse  des  Thieres  sehr 
schwach  entwickelt  (sie  sind  ebenso  wenig  wie  die  Lungen  der  Larven 
von  respiratorischer  Bedeutung).  Diese  Rückbildungen  sind  theil- 
weise  von  derartiger  Beschaffenheit,  dass  wir  mit  Sicherheit  behaupten 
können,  dass  die  betreffenden  Formen  nicht  mehr  im  Stande 
sind  sich  zu  metamorphosiren  *). 

Bei  ein  paar  Gattungen  von  Schwanzlurchen,  Menopoma  und  Amjthi- 


')  Die  Sinneshügel  finden  sich  jedoch  auch  bei  den  im  Wasser  lebenden  er- 
wachsenen Schwanzlurchen,  entbehren  aber  hier  stets  der  feinen  Röhre. 

*)  Eine  kolossale  Grösse  erreichen  die  Larven  eines  südamerikanischen  Frosches 
( Pseudis  paradox a ) . 

*)  Es  fehlt  z.  B.  bei  Proteus  derjenige  Theil  des  4.  Arterienbogens ,  welcher 
zwischen  dem  Arterienstamm  und  der  (Trsprungsstelle  der  Lungenarterie  liegt ; 
dieser  Theil  ist  aber  der  Lungenarterie  eines  erwachsenen  Lurches  unentbehrlich. 
(Die  Lunge  empfängt  bei  Proteus  ihr  Blut  aus  der  Aortenwurzel  durch  den  in 
Fig.  289  mit  b  bezeichneten  Oefässabschnitt ;  auch  bei  anderen  Schwanzlurch- 
Larven  ist  dies  theilweise  der  Fall,  was  aus  der  Schwäche  des  übrigen  Theiles 
des  4.  Arterienbogens  in  Vergleich  mit  der  Lungenarterie  erhellt) 


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Wirbelthiore.   3.  Claase:  Amphibien. 


421 


utna,  schwinden  zwar  die  Kiemen,  die  Kiemenöffnungen  bleiben  aber  be- 
stehen, und  die  Thiere  verharren  überhaupt  in  mehreren  Beziehungen  auf 
dem  Larvenstudium  oder  richtiger  auf  einer  Uebergangsstufe. 

Die  jetzt  lebenden  Amphibien  leben  alle  im  Süsswasser  oder  auf 
dem  Lande;  es  Bind  fast  immer  kleine  oder  mittelgrosse  Formen, 
welche  sich  von  Insekten  und  anderen  Thierchen  ernähren.  In 
früheren  Perioden  waren  die  Amphibien  z.  Th.  durch  ansehnlichere  • 
Formen  vertreten  (vergl.  unten).  In  Bezug  auf  die  geographische 
Verbreitung  der  Amphibien  ist  die  Merkwürdigkeit  hervorzuheben, 
dass  die  Schwanzlurche  fast  ausschliesslich  den  gemässigten  Theilen 
der  nördlichen  Halbkugel  angehören. 

1.  Ordnung.   Schwanzlurche  (Urodela). 

Schwanz  wohl  entwickelt.  Vorder-  und  Hintergliedmaassen  un- 
gefähr gleich  entwickelt,  schwach.  Larven  mit  drei  äusseren  Kiemen 
auf  jeder  Seite. 

1.  Die  Wassersalamander  oder  Wassermolche  (7Wfew) 
haben  einen  zusammengedrückten  Schwanz ,  und  auf  der  Rückenseite  des 
Kumpfes  und  oben  und  unten  am  Schwänze  ist  ein  Flossensaum  vorhanden, 
welcher  in  der  Fortpflanzungszeit  am  stärksten  entwickelt  ist  (am  grÖssten 
beim  Männchen).  In  der  Laichzeit  leben  sie  im  Wasser,  ausserhalb  der- 
selben auf  dem  Lande  (das  Männchen  jedoch  häufig  im  Wasser).  Es  findet 
eine  wirkliche  Begattung  statt;  die  Eier  werden  (im  Frühling)  einzeln  oder 
in  kurzen  Reihen  an  Wasserpflanzen  abgelegt.  Die  soeben  aus  dem  Ei 
geschlüpfte  Larve  (Fig.  291,  A)  besitzt  hinten  am  Kopfe  ein  Paar  stiel- 
artige Fortsätze,  mittels  welcher  sie  sich  an  Pflanzen  anheftet;  von  den 
Gtliedmaassen  sind  nur  warzenförmige  Anlagen  der  Vorderbeine  vorhanden. 
Allmählich  entwickeln  sich  die  Gliedmaassen,  die  vorderen  zuerst;  die  Haft- 
werkzeuge verschwinden  bald.  Das  Larvenleben  dauert  gewöhnlich  einige 
Monate.  In  Deutschland  leben:  der  grosse  Wassermolch  (T.  crüifatus) 
mit  mehr  körniger  Haut,  der  kleine  W.  (T.  taeniatus) ,  die  gemeinste  . 
Art,  der  Feuer mo Ich  (T.  alpextris),  besonders  in  Gebirgsgegenden  häufig, 
der  Leistenmolch  (T.  Iielvetirits)  mit  fadenförmiger  Schwanzspitze,  selten; 
die  drei  letzten  sind  ungefähr  von  gleicher  Grösse,  ersterer  bedeutend 
grösser. 

2.  Der  Landsalamander  (Salamatidra  maculosa)  ist  ein  Thier  von 
ansehnlicher  Grösse  (bis  18  cm),  sammetschwarz  mit  grossen  unregelmässigen 
gelben  Flecken ,  ohne  jede  Spur  von  Flossensaum ,  8chwanz  abgerundet. 
In  Mittel-  und  Süd -Europa.  Gebärt  lobendige  Junge  (von  ganz 
anderer  Färbung),  welche  bei  der  Geburt  mit  Kiemen,  beiden  Beinpaaren 
and  Flossensaum  versehen  sind ;  sie  werden  im  Wasser  geboren,  worin  man 
den  L.  sonst  nie  antrifft.  Es  ist  von  Interesse,  dass  die  Larve,  während 
sie  noch  im  Eileiter  lebt,  mit  weit  längeren  Kiemenblättern  als  später  ver- 
sehen ist.  —  Der  schwarze  Alpen  Salamander  (S.  atra),  dem  soeben 
erwähnten  nahe  verwandt,  ganz  schwarz,  lebt  in  den  Alpen.  Gebärt  eben- 
falls lebendige  Junge,  auf  einmal  immer  nur  zwei  (S.  maculosa  gebärt  eine 
grössere  Anzahl),  eins  für  jeden  Eileiter.  Im  Eileiter  befinden  sich  mit 
demjenigen  Ei  zusammen,  aus  welchem  diese  Jungen  sich  entwickeln, 
mehrere  andere  Eier,  welche  aber  nicht  zur  Entwicklung  gelangen,  sondern 
zusammenfliessen  und  der  jungen  Larve  als  Nahrung  dienen;  letztere  ist 
mit  ausserordentlich  grossen  Kiemen  versehen,  welche  einen  grossen  Theil 


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422 


Specieller  Theil. 


des  Thieres  umgeben ,  vor  der  Geburt  aber  sich  rückbilden ,  so  dass  die 
Metamorphose  sich  im  Mutterleibe  vollzieht  ;  der  Alpensalamander  gebärt 
seine  Jungen  auf  trockenem  Lande,  und  letztere  führen  überhaupt  kein 
Wasserleben. 

3.  Der  Axolotl  (Siredon  mcxicanus)  zeichnet  sich,  wie  vorhin  er- 
wähnt, dadurch  aus,  dass  er  (jedenfalls  in  Gefangenschaft)  sich  gewöhnlich 
nicht  metamorphosirt ,  sondern  in  der  Larvengestalt  geschlechtsreif  wird. 
Die  metamorphosirte  Form  (Amblystoma  mervanum)  ist  einem  Landsala- 
mander ähnlich,  die  Larve  (welche  den  Namen  Siredon  erhalten  hat,  als 
man  noch  mit  der  Metamorphose  unbekannt  war)  sieht  aus  wie  eine  kolos- 
sale Salamander  -  Larve.  Der  Axolotl,  welcher  in  Mexico  einheimisch  ist, 
ist  eierlegend  ;  die  neugeborenen  Jungen  sind  Triton  -  Larven  derselben 
Stufe  ganz  ähnlich. 

4.  Unter  dem  Namen  Kiemen molc he  (Perennihranchiata)  fasst  man 
die  oben  (S.  420)  genannten  Schwanzlurche  zusammen ,  welche  stets  die 
Kiemen  und  andere  Larvencharaktere  das  ganze  Leben  hindurch  behalten. 
Hierzu  gehört  der  blinde  (mit  rudimentären  Augen  versehene),  blasse,  sehr 
langgestreckte  Olm  {Proteus  anguiueus)  mit  3  Zehen  an  den  Vorder-,  2 
an  den  Hintergliedmaassen ;  in  Höhlenseen  Oesterreichs.  Ferner  die  Gatt. 
Mniobra Hehns,  weniger  gestreckt,  mit  4  Zehen  an  allen  Gliedmaassen,  und 
Siren  lacertina  mit  Hornkiefern,  aalförmig,  ohne  Hintergliedmaassen  (letztere 
Art  bis  1  m  lang),  beide  in  Nordamerika.  —  Die  Gattungen  Menopoma 
und  Amphiuma  (letztere  aalförmig,  mit  4  sehr  kleinen  Gliedmaassen  mit  je 
2 — 3  Zehen)  verlieren,  wie  schon  vorhin  erwähnt,  dio  Kiemen,  behalten  aber 
die  Kiemenspalten  und  mehrere  andere  Larvencharaktere.  Mit  Menopoma 
nahe  verwandt  ist  der  1 — 2  m  lange  japanische  Riesensalamander 
(ßryptobranchus  japonicus),  dessen  Kiemenöffnungen  sich  schliessen. 

Mit  den  jetztlebenden  Schwanzlurchen  verwandt  sind  die  Stegocephalen 
(Urlurche),  eine  grosse  Abtheilung  paläozoischer  Lurche,  von  welchen  einige 
durch  sehr  bedeutende  GrÖBse  ausgezeichnet  waren  (man  kennt  Schädel 


Fig.  29V.  Schädel  eines  Stogocephalen  (TVe- 
matosaurus),  von  unten  (Ä)y  von  oben  (Ii)  und  von 
der  Seite  (C).  1  Augenhöhle,  2  äusseres,  3  inneres 
Nasenloch,  4  Hinterhauptsöftnung,  a  Hinterhaupts-, 
b  Scheitel-,  c  Stirnbein,  d  Parasphenoid,  ;/  Gaumen- 
und  FlUgelbein,  m  Ober-,  »  Zwischenkieferbein,  $  Qua- 
dratbein, t  Nasenbein,  n  Vomcr,  x  Hinterhaupts-Gelenk  - 
höcker.  Die  übrigen  Buchstaben  bezeichnen 
dene 


derselben  von  anderthalb  Meter  Länge).  Das  Kopfskelet  ist  mit  einer 
grösseren  Anzahl  von  Deckknochen  als  bei  den  jetztlebenden  Lurchen 
versehen;    es  finden    sich    z.  B.    ein    doppeltes  oberes  Hinterhauptsbein 


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Wirbelthiere.   3.  Gasse:  Amphibien. 


423 


und  mehrere  andere1).  Die  Kopfknochen  sind  oft  aussen  grubig,  was 
darauf  hindeutet ,  dass  sie  dicht  unterhalb  der  Oberfläche ,  nur  von  einer 
dünnen  Hautschicht  bedeckt,  lagen;  zuweilen  finden  sich  Furchen  am  Kopfe, 
welche  an  die  Furchen  am  Kopfe  mancher  Fische ,  in  denen  die  Aeste  der 
Seitenlienie  liegen,  erinnern*).  Wie  bei  den  jetztlebenden  Lurchen  waren 
zwei  Gelenkköpfe  am  Hinterhaupt  vorhanden.  Die  Chorda  war  in  be- 
deutender Ausdehnung  erhalten ;  die  Wirbel  oft  biconcav.  Kippen  zuweilen 
lang.  Einige  Stegocephalen  besassen  5  Zehen  an  den  Vordergliedmaassen. 
Die  Sehnenhaut  des  Auges  (im  Gegensatz  zu  den  jetztlebenden  Amphibien) 
häufig  mit  einem  Ring  von  Knochenplatten.  Häufig  waren  in  der  Haut 
knöcherne  Schuppen  oder  Platten  entwickelt.  Die  Oberfläche  der  Zähne 
besitzt  bei  einem  Thoil  der  Stegocephalen  tiefe ,  gewundene ,  zusammenge- 
drückte Falten ,  welche  namentlich  am  Grunde  des  Zahnes  sich  tief  in  die 
Zahnmasse  hinein  erstrecken  und  auf  einem  Querschnitt  als  gewundene 
Linien  erscheinen;  daher  der  Käme  Labyrinthodonten,  mit  dem 
man  häufig  diese  Abtheilung  bezeichnet,  der  aber  nur  auf  einen  Theil 
ihrer  Mitglieder  passt,  indem  die  übrigen  einfach  gebaute  Zähne  besitzen. 

2.  Ordnung.    FrOSChlurche  (Anura). 

Bei  den  Erwachsenen  fehlt  ein  vorstehender  Schwanz.  Die  Hinter- 
gliedmaassen,  welche  immer  stärker  sind  als  die  Vordergliedmaassen, 
sind  Sprung-  und  Schwimmbeine  mit  grösserer  oder  kleinerer  Schwimm- 
haut zwischen  den  Zehen.  Unterkiefer  zahnlos.  Larven  zuerst  mit 
äusseren,  später  mit  inneren  Kiemen. 

Beim  Laichen  wird  das  Weibchen  vom  Männchen  fest  umklammert, 
und  während  die  Eier  die  Kloakenöffnung  des  Weibchens  verlassen,  spritzt 
das  Männchen  den  Samen  über  sie  aus.  Die  Vorderbeine  des  letzteren 
sind  kräftiger  als  die  des  Weibchens  und  bei  manchen  Formen  in  der 
Laichzeit  mit  rauhen  verhornten  Schwielen  an  der  Hand  (Rana,  Bufo)  oder 
zugleich  am  Arm  (Bombinator)  versehen,  damit  sie  besser  festhalten 
können.  —  Die  jungen  Larven  (Fig.  288,  A — B)  sind  gestreckte  Thierchen, 
jederseits  mit  drei  äusseren  Kiemen  versehen  und  am  Kopfe  mit  ein  Paar 
saugnapfahnlichen ,  klebrigen  Gebilden  ausgestattet,  vermittels  welcher  sie 
sich  an  Pflanzen  u.  dergl.  festhalten ;  Gliedmaassen  fehlen.  Nach  wenigen 
Tagen  werden  aber  die  äusseren  Kiemen  von  den  grossen  Kiemendeckeln 
überdeckt  und  gehen  zu  Grunde,  und  es  bilden  sich  an  allen  Kieraenbogen 
innere  Kiemen  (vergl.  oben  S.  415).  Gleichzeitig  ändert  sich  die  Form 
des  Körpers,  Kopf  und  Rumpf  bilden  jetzt  einen  fast  kugeligen  Theil, 
welcher  von  dem  zusammengedrückten,  kräftigen,  mit  grossem  Flossensaum 
ausgestatteten  Schwanz  abgesetzt  ist  (Fig.  288  C) ;  die  Haftapparate  ver- 
schwinden. Die  Larve  (Kaulquappe),  welche  mit  Hornkiefern  und  einem  langen, 
spiralig  aufgerollten  Darm  versehen  ist,  ernährt  sich  besonders  von  verwesenden 
Pflanzentheilen,  todten  Thierchen,  8chlamm  etc. ;  sie  schwimmt  lebhaft  um- 
her. Von  den  sich  allmählich  entwickelnden  Gliedmaassen  liegen  die  vorderen 
während  des  ganzen  Larvenlebcns  in  der  Kiemenhöhle  versteckt;  die 
Stellen ,  an  welchen  sie  hervorwachsen ,  sind  nämlich  zusammen  mit  den 
Kiemenbögen  von  den  Kiemendeckeln  überdeckt  worden.    Das  Vorderbein 


x)  Zwischen  den  Scheitelbeinen  ein  oft  ziemlich  grosse«  Scheitelloch  (Foramen 
rietale)  vorhanden ,  welches  auf  das  Vorhandensein  eines  Scheitelauges  (vergl. 
352)  hinweist. 

*)  Der  Kopf  erinnert  überhaupt  oft  an  de»  der  Knouhenganoidcn. 


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424 


Specieller  Theil. 


wird  an  der  einen  Seite  ans  der  äusseren  Oeffnnng  der  Kiemenhöhle  hervor- 
gestreckt, auf  der  anderen  bricht  es  durch  die  äussere  Wand  der  Kiemen- 
höhle hindurch;  dies  geschieht  aber  erst,  wenn  die  Metamorphose  eintritt, 
bei  welcher  der  Schwanz  schrumpft,  die  Zähne  sich  entwickeln  (wenn  das 
erwachsene  Thier  solche  besitzt),  der  kleine  Mund  grösser  wird,  etc. 

1.  Die  Frösche  (Ilana)  haben  Zähne  im  Obermund,  glatte  Haut, 
rundliche  Pupille,  lange ,  kräftige  Hinterbeine  mit  vollständiger  Schwimm- 
haut zwischen  den  Zehen.  Die  Eier  werden  in  grossen  Klumpen  abgelegt. 
In  Deutschland  leben  folgende  Arten:  die  Grasfrösche  oder  braunen 
Frösche,  drei  verschiedene,  einander  sehr  ähnliche,  früher  zusammen- 
geworfene Arten,  Ii.  platyrrhina  (oder  fuaca),  oxyrrhina  (oder  armlüs)  und  agUisy 
wovon  die  erste  weitaus  die  häufigere  ist,  die  letzte  (südlichere  Art)  selten ; 
sie  leben  wesentlich  nur  in  der  Laichzeit  im  Wasser,  sonst  meistens  auf 
dem  Lande,  im  Gegensatz  zu  dem  grossen,  grünen  Wasserfrosch  (R. 
escuktUd)t  welcher  das  ganze  Jahr  hindurch  im  oder  am  Wasser  lebt,  und 
welcher  besser  als  die  anderen  schwimmt  und  springt;  der  Wasserfrosch 
laicht  später  als  die  Grasfrösche,  deren  Fortpflanzung  in  den  ersten  Früh- 
ling fallt,  und  seine  Larven  erreichen  eine  weit  bedeutendere  Grösse. 

2.  Die  Laubfrösche  (Hyla  u.  a.)  unterscheiden  sich  von  den 
Fröschen  dadurch,  dass  sie  an  der  Spitze  jeder  Zehe  eine  Haftscheibe  be- 
sitzen. Im  grössten  Theil  von  Europa  lebt  die  grüne  Flyla  arborea,  welche 
man  ausserhalb  der  Laichzeit  meistens  an  Bäumen  findet. 

3.  Die  Krötenfrösche  (Pelobatülae)  weichen  von  den  Fröschen 
durch  kürzere  Hinterbeine,  senkrechte  Pupille  und  warzige  Haut  ab.  In 
Deutschland  leben  folgende :  Die  TJ  n  k  e  n  {Bombinator  igneus  und  bornbinus  l)t 
Bauchseite  schwarz  und  gelb;  die  Knoblauchskröte  (Pelofxiics  fuscus), 
Hinterfüsse  mit  einem  messerscharfen  verhornten  Höcker  an  der  Innenseite, 
die  Larve  erreicht  eine  noch  bedeutendere  Grösse  als  diejenige  des  Wasser- 
frosches ;  die  Geburtshelferkröte  (Alytes  obsteiricans),  deren  Mannchen 
die  Eier  um  seine  Hinterbeine  wickelt  und  dieselben  mit  sich  umherträgt, 
bis  die  Larven  ausschlüpfen  sollen,  geht  dann  in's  Wasser,  und  die  Larven 
verlassen  die  Eihülle;  letztere  Art  nur  im  westlichen  Deutschland  (ausser- 
dem in  Frankreich  etc.) 

4.  Die  Kröten  (Buf'o)  sind  zahnlos ,  haben  kürzere  Hinterbeine  als 
die  Frösche  und  unvollständige  Schwimmhaut  zwischen  den  Hinterzehen, 
querliegende  Pupille,  warzige  Haut.  Die  Eier  werden  in  langen  Schnüren 
abgelegt.  In  Deutschland:  die  Erdkröte  (/>.  vulgaris),  die  Kreuz- 
kröte  (Ii.  calamita)  mit  einem  gelben  Längsstreifen  auf  der  Rückenmitte, 
die  Wechselkröte  (Ä  viridis)  mit  grossen  grünen  Flecken  auf  dem 
Rücken. 

5.  Die  Pipa  (Pipa  aniericana)  ist  ein  grosser  abgeplatteter  Frosch- 
lurch  mit  kleinen  Augen ,  zungenlos ,  zahnlos ,  mit  grosser  Schwimmhaut 
zwischen  den  Hinterzehen.  Mit  Hülfe  des  Männchens  werden  die  be- 
fruchteten Eier  auf  den  Rücken  des  Weibchens  gebracht,  wo  sich  für  jedes 


')  Es  ist  kürzlich  nachgewiesen  worden,  dass  nicht  eine  Art  —  wie  bisher 
angenommen  — ,  sondern  zwei  Arten  von  Bombinator  in  Deutschland  einheimisch 
sind;  sie  unterscheiden  sich  u.  A.  durch  folgende  Charaktere:  bornbinus  hat  eine 
gelbe  Unterseite  mit  grossen  schwarzen  Flecken  (die  gelbe  Farbe  überwiegt)  und 
die  Spitzen  der  Finger  und  Zehen  sind  gelb;  igneus  hat  eine  schwarze  Unterseite 
mit  weissen  Punkten  und  rothgelben  Flecken;  letztere  Art  soll  mehr  den  Ebenen, 
erstere  den  Gebirgsgegenden  angehören. 


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Wirbelthiere.   8.  Classe:  Amphibien.  425 

Ei  eine  kleine  Höhlung  bildet,  in  welcher  das  Ei  sich  entwickelt  and  die 
Metamorphose  durchlaufen  wird.  Südamerika. 


Fig.  293.    Pipa,  9. 


3.  Ordnung.    Schleichenlurche  (Gymnoph'wna). 

Körper  gestreckt,  wurmförmig,  gliedmaassenlos;  Schwanz  rudi- 
mentär ;  Augen  rückgebildet.  Haut  mit  Ringfurchen  an  der  Oberfläche, 
oft  Knochenschuppen  enthaltend. 

Die  Gymnophionen  (Gatt.  Coecilia  u.  a.) 
leben  in  der  Erde  in  den  wärmeren  Ländern; 
sie  ernähren  sich  von  Regenwürmern  u.  dergl. 
Die  Entwicklungsgeschichte  ist  nur  für  eine  ein- 
zige, in  Ostindien  lebende  Art,  Epicrium  glutino- 
sum,  näher  bekannt.  Diese  Form  legt  ihre 
grossen  Eier  in  ein  Erdloch  ab,  umschlingt  den 
Eierklumpen  mit  ihrem  Körper  und  verlässt  ihn 
nicht  eher,  als  bis  die  Jungen  ausgeschlüpft 
sind.  Der  fertig  ausgebildete  Embryo  .  besitzt 
drei  Paar  ähnliche  Kiemen  wie  die  Salamander- 
Larven,  rudimentäre  Hintergliedmaassen  und  einen 
kurzen  mit  Flossensaum  versehenen  Schwanz  l). 
"Wenn  er  das  Ei  verlässt,  verliert  er  die  Kiemen. 
Das  neugeborene  Junge  begiebt  sich  nach  einer 
"Wasseransammlung ,  in  welcher  es  längere  Zeit     F«g-  294.   Embryo  von  Epi- 

ZUbrmgt'  —   -  Nach  Saraain. 


')  Sehr  merkwürdig  ist  es,  dass  das  abgelegte  Ei  bedeutend  an  Grösse  zunimmt, 
so  dass  sein  Durchmesser  doppelt  so  gross  wird,  und  der  ausgebildete  Embryo  fast 


42ß 


Specieller  Theil. 


4.  Classe.  Kriechthiere  (ReptUia). 

Der  Körper  schliesst  sich,  was  die  äussere  Form  betrifft,  im 
Allgemeinen  eng  an  die  der  Schwanzlurche  an,  unterscheidet  sich  aber 
dadurch,  dass  ein  etwas  deutlicherer  Hals  vorhanden  ist;  der  kräftige 
Schwanz,  welcher  sich  ohne  scharfe  Grenze  in  den  Rumpf  fortsetzt, 
ist  oft  ganz  rund.  Die  Gliedmaassen  sind  ebenso  wie  bei  den  Schwanz- 
lurchen gewöhnlich  in  Vergleich  mit  denen  der  beiden  folgenden 
Classen  klein  und  schwach,  Ellenbogen  und  Kniee  nach  aussen  ge- 
richtet; der  Schwanz  spielt  in  der  Regel  noch  eine  nicht  geringe  Rolle 
als  Bewegungswerkzeug. 

Die  Haut  ist  mit  einer  festen  Hornschicht  versehen,  welche  in 
gewissen  Zwischenräumen  (mehrere  Male  jährlich)  als  ein  zusammen- 
hängendes Ganzes,  oder  in  grösseren  Fetzen,  abgestreift  und  durch  eine 
neugebildete  Schicht  ersetzt  wird.  Die  Körperoberfläche  ist  mit  soge- 
nannten Schuppen  bedeckt,  welche  aber  ganz  andere  Gebilde  sind 
als  die  Schuppen  der  Fische.  Die  Schuppen  der  Reptilien  lassen  sich 
als  Hautwarzen  charakterisiren,  welche  im  Allgemeinen  stark  ab- 
geplattet, dicht  neben  einander  gestellt  und  regelmässig  angeordnet 
sind.  In  den  Furchen  zwischen  den  Schuppen  ist  die  Hornschicht 
dünn,  an  der  Oberfläche  der  Schuppen  dicker.  In  einigen  Fällen, 
z.  B.  bei  den  Geckonen  u.  a. ,  sind  die  Schuppen  einfache  rundliche 
Warzen:  Körner  sc  huppen.  Am  Kopfe  mancher  Reptilien,  zu- 
weilen auch  an  anderen  Theilen  des  Körpers  finden  sich  sogenannte 
Schilder,  d.  h.  grosse,  plattenförmige  Schuppen,  welche  durch 
regelmässige  Funchen  von  den  benachbarten  getrennt  sind.  Die 


C  D 


Fig.  295.  Längsschnitte  durch  verschiedene  Schuppen  vou  Reptilien.  Schemata. 
Ä  Körnorscbuppen,  J?  Schilder,  C  Schindelachuppeti,  D  do.  mit  Verknöcherungen,  h  Horn- 
schicht, 0  Schleimschicht  der  Oberhaut,  l  Lederhaut,  o  Knochenplattchen.  —  Orig. 

meisten  Schuppen  sind  aber  hinten  in  eine  Kante  ausgezogen,  welche 
den  vorderen  Theil  der  folgenden  dachziegelartig  überdeckt:  eigent- 
liche Schuppen  oder  Schindelschuppen;  wenn  solche,  wie  an 


viermal  so  viel  ala  das  frisch  abgelegte  Ei  wiegt.  Dies  ist  wahrscheinlich  zum 
grossen  Theil  die  Folge  einer  Wasseraafnahme  aus  der  Umgebung,  vielleicht  Baugt 
aber  ausserdem  der  Embryo  ein  Secret  aus  den  Hautdrüsen  des  Mutterthieres  auf. 


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Wirbelthiere.  4.  Classe:  Kriechthiere. 


427 


der  Unterseite  des  Rumpfes  bei  den  Schlangen,  bedeutend  breiter 
als  lang  sind,  bezeichnet  man  sie  als  Schienen.  Nicht  selten  sind 
die  Schuppen  zu  kürzeren  oder  längeren  Stachelschuppen  ent- 
wickelt, so  bei  manchen  Erdleguanen,  auf  dem  Rücken  gewisser  Baum- 
leguane etc.  Die  Schuppen,  besonders  die  Schindelschuppen,  sind 
Läufig  längs  der  Mitte  mit  einem  feinen  Längskiel  versehen  (z.  B.  bei 
vielen  Schlangen).  Nicht  selten  finden  sich  Verknöcherungen 
in  der  Lederhaut;  so  ist  z.  B.  in  jeder  Schuppe  bei  der  Blindschleiche 
eine  kleine  knöcherne  Platte  vorhanden;  bei  den  Krokodilen  finden 
sich  ähnliche,  aber  grössere  Platten  in  der  Lederhaut,  und  bei  den 
Schildkröten  haben  sich  in  der  Haut  sehr  grosse  Knochenplatten 
entwickelt,  welche  oft  durch  Nähte  mit  einander  verbunden  sind  und  so 
eine  zusammenhängende  Knochenkapsel  um  einen  Theil  des  Thieres 
bilden;  ihre  Grenzen  entsprechen  übrigens  bei  den  Schildkröten  nicht 
den  Furchen  zwischen  den  Schildern.  Hautdrüsen  sind  bei  den 
Reptilien  nur  spärlich  entwickelt;  es  findet  sich  jedoch  z.  B.  bei 
manchen  Sauriern  eine  Reihe  grösserer  Drüsen  am  Schenkel  (ihre 
Oeffnungen  werden  als  Schenkelporen  bezeichnet)  oder  vor  dem  After 
(Analporen);  auch  bei  den  Krokodilen  und  manchen  Schildkröten 
sind  grössere  Hautdrüsen  vorhanden.  —  Die  Finger  und  Zehen  sind 
im  Gegensatz  zu  denen  der  Amphibien  mit  Krallen  ausgerüstet, 
eigenthümlichen  Horngebilden,  welche  dütenformig  das  äusserste 
Zehenglied  umgeben;  sie  nehmen  nicht  an  den  Häutungen  Theil, 
wachsen  allmählich  von  innen  und  werden  gleichzeitig  an  der  Spitze 
und  der  übrigen  Oberfläche  abgenutzt. 

Das  Skelet  enthält  bei  dem  ausgebildeten  Thier  nur  eine  ge- 
ringe Menge  Knorpel,  besteht  ganz  überwiegend  aus  Knochengewebe. 
Die  Chorda  ist  gewöhnlich  beim  erwachsenen  Thiere  ganz  verschwunden ; 
nur  bei  den  Geckonen  bleibt  sie  als  ein  zusammenhängender  Strang 
durch  die  ganze  Länge  der  Wirbelsäule  hindurch  bestehen1).  Die 
Wirbelkörper  sind  im  Allgemeinen  durch  Gelenke  mit  einander 
verbunden;  sie  sind  in  der  Regel  vorne  concav,  hinten  convex  (procöl); 
bei  den  Krokodilen  sind  knorpelige  Scheiben  zwischen  die  Wirbelkörper 
eingeschoben.  Es  sind  deutliche  Gelenkfortsätze  vorbanden ;  bei  den 
Schlangen  und  einigen  Sauriern  (Leguanen)  entspringt  ausserdem  vom 
vordersten  Theil  jedes  Bogens  ein  unpaariger,  mit  zwei  Gelenkflächen 
versehener  Fortsatz,  welcher  in  eine  Vertiefung  am  vorhergehenden 
Wirbel  hineinpasst,  wodurch  die  Verbindung  noch  mehr  befestigt 
wird  *).  Die  Wirbelsäule  sondert  sich  in  der  Regel  in  mehr  Ab- 
schnitte als  bei  den  Lurchen:  wir  haben  zuerst  eine  verschiedene 
Anzahl  Halswirbel,  rippenlos  oder  mit  kurzen  Rippen;  dann  eine 
Anzahl  mit  längeren  Rippen  versehener  Brustwirbel,  auf  welche 
oft  einige  rippenlose  Lendenwirbel  folgen,  dann  die  Becken- 
wirbel, meistens  zwei,  an  deren  Querfortsätzen  das  Becken  be- 
festigt ist  (seltener,  besonders  bei  gewissen  ausgestorbenen  Reptilien, 
ist  eine  grössere  Anzahl  Beckenwirbel  vorhanden);  endlich  eine  An- 


')  Bei  iangen  Eidechsen  u.  a.  findet  man  noch  in  die  Wirbelkörper  einge- 
schlossen bedeutende  Theile  der  Chorda,  welche  aber  später  verschwinden. 

■)  Quer  fortsätze  sind  besonders  bei  den  Krokodilen  stark  entwickelt,  welche 
an  den  meisten  Wirbeln  grosse  Querfortsätze  besitzen,  während  solche  sonst  am 
stärksten  am  Schwanz  entwickelt  sind.  Häufig  (z.  B.  bei  den  Schlangen)  findet  sich 
an  mehr  oder  weniger  zahlreichen  Wirbeln  ein  unpaariger,  von  der  Unterseite  des 
Wirbelkörpers  entspringender  Fortsatz  (unterer  Dornfortsatz). 


428 


Specieller  Tbeil. 


zahl  Schwanzwirbel*}  (ohne  Rippen).  Bei  den  Schlangen  hat 
jedoch  das  Fehlen  von  Gliedmaassen  zur  Folge,  dass  die  genannte 
Sonderung  wegfällt;  bei  ihnen  tragen  sämmtliche  Hals-  und  Rumpf- 
wirbel mit  Ausnahme  des  allerersten  ausgebildete  Rippen,  keine  Wirbel 
sind  als  Becken wirbel  entwickelt,  und  man  kann  somit  bei  dieser 
Gruppe  nur  Rumpf-  und  Schwanzwirbel  unterscheiden.  Von  den  Hals- 
wirbeln der  Reptilien  sind  die  beiden  ersten,  Atlas  und  Epistro- 
p  h  e  u  s ,  eigenartig  ausgebildet  (vergl.  Fig.  337).  Der  Körper  des  ersten 
Wirbels  ist  von  diesem  gesondert  und  mit  dem  des  zweiten  Wirbels 
verwachsen,  an  dessen  vorderem  Ende  er  als  ein  vorragender  Fortsatz 
sitzt ;  der  vordere  Wirbel  besteht  somit  blos  aus  dem  Bogen,  welcher 
unten  durch  eine  Knochenplatte  vervollständigt  ist,  so  dass  er  ring- 
förmig erscheint;  in  den  unteren  Theil  des  Ringes  ragt  der  Fortsatz 
des  Epistropheus  hinein,  während  das  Rückenmark  durch  den  oberen, 
vom  Fortsatz  durch  ein  quer  ausgespanntes  bindegewebiges  Band  ge- 
trennten Theil  geht.  Die  Rippen  der  Brustwirbel  zerfallen  in  je  einen 
oberen,  knöchernen,  und  einen  unteren,  oft  knorpeligen,  Abschnitt, 
welch  letzterer  zuweilen  (z.  B.  bei  den  Krokodilen)  wieder  in  zwei 
Stücke  getheilt  ist;  von  dem  oberen  Stück  entspringt  zuweilen, 
namentlich  bei  den  Krokodilen,  ein  plattenförmiger ,  nach  hinten  ge- 
richteter Fortsatz.  Von  den  Brustrippen  heften  die  vorderen  (echte 
Rippen)  sich  bei  den  Sauriern  und  Krokodilen  (und  manchen  ausge- 
storbenen Reptilien)  an  das  Brustbein,  die  hinteren  (unechte  R.)  enden 
frei;  da  ein  Brustbein  bei  den  Schildkröten  und  Schlangen  fehlt, 
kommt  hier  ein  solcher  Unterschied  nicht  zum  Vorschein.  Bei  den 
Schildkröten  sind  die  Rippen  mit  Theilen  des  Hautskelets  verwachsen. 
Bei  den  Krokodilen  finden  sich  an  allen  Halswirbeln  kleine  Rippen, 
welche  sich  grösstenteils  ebenso  wie  die  Brustrippen  mit  je  zwei 
Aesten  an  den  Wirbel  heften  ;  auch  bei  den  Sauriern  können  ähn- 
liche vorhanden  sein  (jedoch  nicht  am  Atlas).  Die  hinteren  Hals- 
rippen werden  allmählich  länger,  so  dass  ein  allmählicher  Uebergang 
von  Hals-  zu  Brustwirbeln  besteht  *).  An  der  Unterseite  der  Schwanz- 
wirbel, zwischen  je  zwei  Wirbeln,  sind  bei  Sauriern  und  Krokodilen 
unpaarige,  gabelige,  mit  den  Wirbeln  nicht  verwachsene  Knochen, 
die  V-förmigen  Knochen  (untere  Bögen),  vorhanden.  —  Das 
Brustbein  (Fig.  300),  welches  bei  Schildkröten  und  Schlangen 
fehlt,  ist  gewöhnlich  ein  kurzer,  rhombischer,  knorpeliger  oder  theil- 
weise  verknöcherter  Skelettheil,  welcher  sich  zuweilen  (z.  B.  bei  den 
Krokodilen)  hinten  in  einen  ziemlich  langen,  schmalen  Theil  fortsetzt; 
mit  dem  Brustbein  ist  vorne  ein  platter  länglicher  Deckknochen  ver- 
bunden, das  Vorderbrustbein  (Episternum),  welches  das  Brustbein 
theilweise  von  unten  her  bedeckt  und  an  seinem  vorderen  Ende  oft 
in  zwei  Fortsätze,  einen  nach  jeder  Seite,  ausgezogen  ist. 

Der  Schädel,  welcher  grösstenteils  aus  Knochen  besteht,  ist  bei 
manchen  Reptilien  zwischen  den  Augenhöhlen  zu  einer  senk- 


')  Die  meisten  Saurier  haben  die  Eigenthümlichkeit,  dass  der  Schwanz  sehr 
leicht  zerbricht,  was  darauf  beruht,  dass  sich  mitten  in  jedem  Schwanzwirbelkörper 
eine  unverkaufte  Querscheibe  findet.  Nach  dem  Bruch  regenerirt  sich  der  Schwan/. 

*)  In  der  Bauchwand  findet  sich  bei  den  Krokodilen  eine  Anzahl  schmaler 
Hautknochen,  die  sogen.  Bauchrippen,  welche  nicht  mit  wirklichen  Rippen  zu 
verwechseln  sind;  sie  stehen  in  keiner  Verbindung  mit  den  Wirbeln  und  bestehen 
nicht  wie  die  Bippen  anfänglich  aus  Knorpel,  sondern  entwickeln  sich  im  Binde- 
gewebe. 


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Wirbelthiere.  4.  Chuse:  Kriechthiere. 


429 


rechten,  knorpeligen  oder  sogar  theilweise  blos  aus  fibrösem  Bindegewebe 
gebildeten  Platte  (der  Interorbital-  oder  Augenhöhlenplatte)  zusammen- 
gedrückt; in  dem  hinter  dieser  Platte  liegenden  Abschnitt  des  Schädels 

1  2  H  4 


Fig.  296.    /  und  3  SchKdel  eines  Sauriers  (Varans)  von  oben  und  von  unten.  — 
2  und  4  Schädel  eines  Krokodils,  ebenso. 

Gemeimsame  Bezeichnung :  C  Gelenkhöcker ,  Ch  hinteres  Nasenloch ,  co  Säulenbein, 
JE  Oeflhung  der  Ohrtrompeten,  Fr  Stirnhein,  Ju  .Jochbein,  L  Thr&nenbein,  Mx  Oberkieferbein, 
Na  Nasenbein,  Ob  unteres,  Ol  seitliches,  Os  oberes  Hinterhauptsbein,  Pa  Scheitelbein,  Pal 
Gaumenbein,  Pf  Hinterstirnbein,  Prf  Vorderstirobein,  Pt  FlUgelbein,  Px  Zwischenkieferbein, 
Quadratbein,  Q'  und  Qj  Quadratjochbein,  Spb  hinteres  Keilbein,  Sq  Schuppenbein,  Tr  Quer- 
bein, Vo  Vomer.  —  Nach  Gegenbaur. 

hat  das  Gehirn  seinen  Platz,  in  dem  Abschnitt  vor  derselben  die 
Geruchsorgane.  Die  Zwischen-1)  und  Oberkieferbeine  sind 
gewöhnlich  fest  mit  dem  Schädel  verbunden;  ferner  schliessen  sich 
an  denselben  die  an  der  Stelle  des  Gaumenknorpels  (Palatoquadratum) 
gebildeten  Knochen  an,  nämlich  zuhinterst  das  wohl  entwickelte, 
die  Gelenkfläche  für  den  ganzen  Unterkiefer  tragende  Quadratbein, 
vor  diesem  das  Flügelbein  und  zuvorderst  das  Gaumen  bein ; 
die  beiden  letzteren  Knochen  erstrecken  sich  als  eine  Knochenbrücke 
vom  Quadratbein  nach  vorne,  innerhalb  der  grossen  Oberkieferbeine. 
Merkwürdig  ist  die  ausserordentliche  Beweglichkeit,  welche  die 
Gaumen -Flügel -Quadratbein -Partie  und  der  mit  dieser  verbundene 
Oberkiefer  bei  den  Schlangen  besitzt;  das  Quadratbein  ist  auch  bei 
den  Sauriern  etwas  beweglich,  ganz  unbeweglich  bei  Krokodilen  und 


•)  Bei  den  Schlangen  und  manchen  Sauriern  Bind  beide  Zwiachenkiefer  zu 
einem  verschmolzen. 


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430 


Specialer  The«. 


Schildkröten,  bei  welchen  Gruppen  auch  die  Gaumen-,  Flügel-  und 
Oberkieferbeine  vollkommen  unbeweglich  sind.    Es  findet  sich  nur 

ein  Gelenkhöcker  zur  Verbindung 
mit  der  Wirbelsäule  unterhalb  des 
Hinterhauptsloches.  Der  Unterkiefer 
besteht  jedcrseits  aus  mehreren  Kno- 
chen, von  welchen  der  vorderste  zu- 
weilen mit  dem  entsprechenden  der 
anderen  Seite  vorne  verwächst  (Schild- 
kröten). Das  Zungenbein,  d.  b.  das 
Visceralskelet  mit  Ausnahme  des  1.  Vis- 


ceralbogens  (des  Quadrat-.  Flügel-  und 
Gaumenbeines  und  des  Unterkiefers), 
besteht  bei  Schildkröten  und  Sauriern 
aus  einem  unpaaren  Theil,  dem  Körper, 
(den  Copulae  der  Fische  entsprechend), 
und  zwei  Paar  Zungenbeinnörner n, 

\i.     Aungenuem   eines        ,  ,      j      r*  i_  '   l.  j 

Saurier»,  c  Körper  (Copul.),  h  welche  den  Zungenbeinbogen,  resp.  dem 
ZungenbeinbogcnT  &/•'  erster  Kiemen-  l.Kiemenbogen  der  Fische  entsprechen  *); 
bogen.      Nach  Walter.  bei  den  Krokodilen  und  Schlangen  findet 

sich  nur  ein  Paar  Hörner,  bei  der  letzt- 
genannten Gruppe  ist  das  ganze  Zungenbein  sehr  schwach  ent- 
wickelt. 

Die  wichtigsten  Knochen  des  Reptilienschädels  ausser  den  schon  ge- 
nannten sind  folgende:  Die  Hinterhauptsbeine,  nämlich  je  ein  un- 
paariges oberes  und  unteres  und  zwei  seitliche;  sie  umgeben  das  Hinter- 
hauptsloch. Das  Felsenbein,  vor  dem  seitlichen  Hinterhauptsbein.  Das 
Schuppenbein  (Sfjuamosum),  in  der  Nähe  der  genannten,  ragt  bei  den 
Schlangen  stark  hervor;  es  verbindet  sich  mit  dem  Quadratbein.  Das 
Hinterkeilbein  (Basiitphenoid),  vor  dem  unteren  Hinterhauptsbein,  ebenso 
wie  dieses  eine  Yerknöcherung  in  der  unteren  Wand  des  Schädels.  Ein 
Farasphenoid  ist  nicht  deutlich  entwickelt  (vergl.  Fische  und  Am- 
phibien). Die  vordere  Wand  der  Schädelhöhle  ist  oft  unverknöchert,  häutig, 
zuweilen  mit  einzelnen  Verknöcherungen.  Oben  findet  sich  eine  Anzahl 
Knochen:  die  Scheitelbeine,  welche  bei  den  meisten  (Schlangen,  Sau- 
riern, Krokodilen)  zu  einem  unpaarigen  Knochen  verschmolzen  sind;  die 
Stirnbeine,  bei  Krokodilen  und  manchen  Sauriern  ein  anpaariger  Knochen  ; 
die  Hin  ter  Stirnbeine  am  Hinterrand  der  Augenhöhle;  die  Vor  de  r- 
stirnbeine  am  Vorderrand  derselben;  die  Thränenbeine  unterhalb 
der  letzteren  (nur  bei  Sauriern  und  Krokodilen  vorhanden);  die  Nasen- 
beine hinter  den  äusseren  Nasenlöchern.  Unterhalb  der  Augenhöhle, 
hinter  den  Oberkieferbeinen,  liegt  gewöhnlich  ein  Jochbein,  und  von 
diesem  zum  Quadratbein  erstreckt  sich  das  Quadrat-Jochbein(  Qiiadrato- 
jugale).  An  der  Unterseite  findet  sich  vor  den  Gaumenbeinen  ein  paariger 
oder  unpaariger  Vom  er.  Vom  Flügelbein  zum  Oberkieferbein  geht  bei 
Krokodilen,  Sauriern  und  Schlangen  ein  den  Reptilien  eigenthümlicher 
Knochen,  das  Querbein  (JVansvermtn).  Bei  manchen  Sauriern  findet  sich 
noch  ein  anderer  eigenthümlicher  Knochen,  das  Säulenbein  (Cb/wwe/Za), 
welches  ungefähr  senkrecht  vom  Scheitelbeine  zum  Flügelbein  geht. 

Der  Schultergürtel  der  Reptilien  schliesst  sich  eng  an  den 


')  Bei  einigen  Sauriern  lassen  sich  noch  Spuren  eines  dem  2.  Kiemenbogen 
entsprechenden  Hörnerpaares  nachweisen. 


uigr 


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Wirbelthiere.  4.  Clawe:  Kriechthiere.  431 

der  Amphibien  an.  Wir  finden  denselben  bei  den  Sauriern,  welche 
wir  zunächst  betrachten,  jederseits  durch  eine  etwas  gebogene,  grössten- 


Flg.  298.  Linke  Hälfte  de«  Schädels  von  Boa  conrtrictor,  von  «1er  Seite  (und  etwa« 
von  oben)  gesehen.  —  Orig. 

Fig.  299.  Do.  von  einer  grossen  Grubenotter  (Cra»pulocej,tuilu»  atrox),  ebenso. 
—  Orig 

Gemeinsame  Bezeichnung:  /V  Stirnbein,  h  llörknSchelchen.  MrA  »berkicferl.ein.  S  Nasen- 
bein, O«  oberes  Hinterhauptsbein.  /'«»  Scheitelbein,  /'"/  Gaumenbeiu,  I'e  Felsenbein,  l'f  Hinter- 
stirnbein, l'rj  Vorderstirnbein,  Pt  FlUgelbein,  I'r  Zwischenkieferbein,  Q  Ijuadratbcin,  8q 
Schuppenbein,  Tr  Querbein.    /,  2,  3  Unterkicfcrknochen. 

theils  verknöcherte  Platte  repräsentirt,  welche  unten  in  den  Vorder- 
rand des  Brustbeins  eingefalzt  ist.  Man  unterscheidet  ein  Schulter- 
blatt oberhalb  der  Gelenkpfanne  für  das  Oberarmbein,  und  ein 
Coracoid  unterhalb  derselben;  letzteres  ist  in  der  Regel  durch  ein 
oder  zwei  grosse  Löcher  in  2,  resp.  3  Abschnitte  getheilt.  Das  Schulter- 
blatt zerfällt  in  einen  oberen  und  einen  unteren  Abschnitt,  von  welchen 
jener  aus  verkalktem  Knorpel,  dieser  aus  Knochen  besteht;  das  Coracoid 
ist  fast  vollständig  verknöchert,  durch  eine  Naht  mit  dem  Schulter- 
blatt verbunden.  Ein  Schlüsselbein  geht  vom  Schulterblatt  zum 
Vorderbrustbein.  Bei  den  Krokodilen  ist  das  Schulterblatt  zum 
grössten  Theil  verknöchert  (nur  der  obere  Rand  knorpelig),  und  das 
Coracoid  ist  ein  einfacher  Knochen ;  das  Schlüsselbein  fehlt.  Bei 
den  Schildkröten  ist  das  Coracoid  wie  bei  den  Sauriern  in  ein 
vorderes  und  ein  hinteres  Stück  getheilt,  welche  hier  ganz  von  ein- 
ander getrennt  sind;  jenes,  das  vordere  Coracoid,  ist  mit  dem  Schulter- 
blatt, mit  welchem  es  unter  einem  rechten  Winkel  zusammentrifft, 


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432 


Specieller  Theil. 


verwachsen,  letzteres  (hinteres  Coracoid)  ist  ein  selbständiger  Knochen. 
Bei  den  Schlangen  fehlt  der  Schultergürtel  ganz.  —  Die  Vor  de  r- 

gliedmaa88en  betreffend 
ist  zu  bemerken,  dass  die  Elle 
der  kräftigere  der  beiden  Un- 
terarmknochen ist.  Bei  den 
Schildkröten  sind  in  der  Hand- 
wurzel die  neun  ursprünglichen 
Knochen  vorhanden  (zuweilen 
sind  allerdings  einige  ver- 
wachsen); auch  bei  den  Sau- 
riern ist  die  Handwurzel  nur 
wenig  verändert,  während  sie 
bei  den  Krokodilen  sich  da- 
durch auszeichnet,  dass  die 
beiden  Knochen  der  proxi- 
malen Reihe  sehr  gross,  an- 
dere dagegen  verschmolzen 
oder  rückgebildet  sind.  An 
die  Handwurzel  schliesst  sich 

Fig.  800.    Brustbein  und  linke  Hälfte  des  ,..   n  ,       .  .. 

Schultergürtels  einer  Eidechse,  cl  Schlüssel-  öaufig  an  der  AuSSCUSeite  ein 

bein,  eo  hinterer,  co'  vorderer  Theil  des  Coracoids,  Sesamknochen,  das  Erb8  6n- 

ep  Vorderbrustbein,  r  Rippe,  *c  und  kc  unterer  und  bein  (Pisifonne).   Die  Anzahl 

oberer  Theil  des  Schulterblattes,  ,/  Brustbein.  -  der   Fi  i{jt   in   dßr  Regel 

Nach  (,c^enb;uir.  _      ,         D    .  .  ° 

5,  kann  aber  eine  geringere 
sein;  die  Anzahl  der  Finger- 
glieder ist  eine  verschiedene;  bei  den  Sauriern  finden  wir  meistens 
folgende  Zahlen:  2  im  Daumen,  3  im  zweiten,  4  im  dritten,  5  im 
vierten,  3  im  fünften  Pinger. 


Fig.  801. 


Fig.  802. 


Fig.  308. 


Flg.  301.  Handwurzel  einer  Sceschildkröte.  U  unterer  Theil  der  Elle,  R  der 
Speiche,  w  Ulnare,  t  Intermediutn,  r  Kadiale,  r  Centrale,  /— 5  Carpale  Nr.  1 — 5;  *  Erbsen- 
bein ;  /— -  V  Mittelhandknochen.  —  Nach  Gegenbanr. 

Fig.  802.    Handwurzel  einer  Eidechse  {Lacerta  agilis).  —  Nach  Gegonbaur,  verändert. 

Fig.  303.  Linke  Hälfte  des  Beckens  eines  Sauriers  (Varans).  Jl  Darmbein,  a  dessen 
hinteres  Ende,  Ja  Sitzbein,  P  Schambein,  l  Gelenkpfanne.  —  Nach  Gcgenbaur. 

Das  Becken  ist  jederseits  aus  3  Knochen  zusammengesetzt,  in- 
dem der  untere  Theil  des  Beckengürtels  bei  den  Reptilien  stets  in 
ein  vorderes  und  ein  hinteres  Stück  gesondert  ist,  welche  jedes  für 
sich  verknöchern:  Schambein  und  Sitzbein;  sie  sind  durch  eine 


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Wirbelthiere. 


4.  Classe:  Kriechthiere. 


433 


grosse  Oeflfnung  von  einander  getrennt  und  verbinden  sich  unten  in 
der  Mittellinie  mit  denen  der  anderen  Seite.  Das  Darmbein  und  die 
beiden  genannten  Knochen  bilden  gewöhnlich  je  einen  Theil  der 
Gelenkpfanne  für  das  Schenkelbein;  bei  den  Krokodilen  ist  jedoch 
das  Schambein  aus  der  Gelenkpfanne  hinausgedrängt,  letztere  wird 
also  hier  nur  von  dem  Darmbein  und  dem  Sitzbein  gebildet1).  Bei 
den  Schlangen  fehlt  in  der  Regel  ein  Becken  ganz,  selten  sind  Rudi- 
mente desselben  vorhanden  (bei  den  mit  rudimentären  Hinterbeinen 
versehenen  Riesenschlangen).  —  In  der  Fusswurzel  der  Hinter- 
gliedmaassen  sind  immer  einige  Knochen  mit  einander  verschmolzen; 
wichtig  ist  es,  dass  die  obere  Reihe  der  Fusswurzelknochen  (mit  welcher 
auch  das  Centrale  verbunden  ist)  in  der  Regel  eng  mit  dem  unteren 
Ende  des  Unterschenkels  verbunden  ist  und  die  Bewegung  in  der 
Fusswurzel  wesentlich  zwischen  der  oberen  und  der  unteren  Reihe 
von  I^usswurzelknochen  stattfindet,  während  nur  eine  geringe  oder 
gar  keine  Beweglichkeit  zwischen  dem  Unterschenkel  und  der  oberen 
Reihe  besteht  (vergl.  die  Säugethiere).'-)  Für  die  Zehen  gilt  wesent- 
lich dasselbe  wie  für  die  Finger;  es  sind  gewöhnlich  deren  5  vorhan- 
den, die  Anzahl  der  Glieder  ist  verschieden,  bei  den  Sauriern,  wenn 
wir  vom  Daumen  ausgehen,  gewöhnlich  2,  3,  4,  5,  4. 

Das   Gehirn   ist  bei    den  A  D 

Reptilien  gewöhnlich  ziemlich  klein. 
Bei  einigen,  besonders  bei  den 
Krokodilen,  erreicht  das  Vorder- 
hirn (das  Grosshirn)  eine  ver- 
hältnissmässig  bedeutende  Ent- 
wicklung, ebenso  wie  auch  das 
Hinter  hirn  (Kleinhirn),  wel- 
ches bei  Sauriern  und  Schlangen 
einen  schmalen  Wulst  vor  dem 
Nachhirn  bildet,  bei  den  Kroko- 
dilen eine  ansehnliche  Grösse  er- 
reicht. 

Die  Geruchsorgane,  die 
Nasenhöhlen,  nehmen  das  vordere 
Ende  des  Kopfes  ein  und  sind 
durch  die  Nasenscheidewand  von 
einander  getrennt.  Jede  Nasen- 
höhle ist  ein  ziemlich  geräumiger 
Hohlraum,  welcher  gewöhnlich  mit 
einer  grossen ,  vorspringenden 
Falte ,  der  Nasenmuschel, 
versehen  ist;  die  äusseren  Nasen- 
löcher sind  klein,  die  inneren 
öffnen  sich  gewöhnlich  weit  vorne 
in  die  Mundhöhle  und  setzen  sich  oft  in  eine  Rinne  an  der  Decke 
der  Mundhöhle  fort;  bei  den  Krokodilen  ist  diese  Rinne  zu  einer 
Röhre   geworden,   indem  die  Ränder  zusammengebogen  und  ver- 

*)  Ueber  die  abweichenden  Beckenformen  der  fossilen  Dinosaurier  vergl.  unten 
8  449. 

*)  Von  spezielleren  Verhältnissen  können  wir  anführen,  dass  derjenige  Knochen 
der  proximalen  Reihe,  welcher  dem  Fersenbein  der  Säugethiere  entspricht,  bei 
den  Krokodilen  mit  einem  ähnlichen  Fortsatz  (der  Ferse)  wie  bei  diesen  versehen  i*t. 

Buai,  Zoologie.  28 


nu. 


Fig.  304.  Gehirn  einer  Eidechse  von 
oben  (A)  und  von  unten  (B).  I  Riechkolben, 
/  Vorder-,  tni  Mittel-,  b  Hinter-,  e  Nachhiro, 
r  Klickenmark,  n  Sehnerv,  t  Hirnanhang.  In 
A  sieht  man  vor  dem  Mittelhirn  die  untere 
Partie  der  Zirbel.  —  Nach  T.  Jenery  Parker. 


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4S4 


Specialer  Theil. 


wachsen  sind ;  diese  Röhre,  welche  sich  weit  hinten  in  die  Mundhöhle 
öffnet,  ist  von  unten  her  von  Theilen  der  Oberkiefer-,  Gaumen-  und 
Flügelbeine  bedeckt. 

Das  Auge.  In  der  gewöhnlich  theilweise  knorpeligen  Sehnen- 
haut findet  sich  bei  Sauriern  und  Schildkröten  (nicht  aber  bei  Schlan- 
gen und  Krokodilen)  vorne,  an  der  Grenze  der  Hornhaut,  ein  Kranz 
von  dünnen  Knochenplättchen.  An  der  Eintrittsstelle  des  Seh- 
nerven entspringt  bei  den  Sauriern  von  der  inneren  Wand  des  Aug- 
apfels ein  frei  in  den  Glaskörper  hineinragender  Fortsatz,  dem  Kam  m 
(reden)  der  Vögel  entsprechend;  er  fehlt  oder  ist  rudimentär  bei  den 
übrigen.  —  Es  ist  ein  oberes  oder  ein  unteres  Augen  lid  vorhanden, 
von  welchen  jenes  nur  wenig  beweglich  ist,  während  das  untere  (ähn- 


Fig.  805.    A  Senkrechter  Durchschnitt  lies  Auges  und  der  Augenlider  eines  ge- 
wöhnlichen Sauriers,  B  do.  eines  Geckos;  beide  schematisirt.   n  unteres,  o  oberes  Augenlid 
b  augenbrauenahn  liehe  Kante  oberhalb  des  Auges,  oc  Augapfel  (in  Umriss).    Die  Horn  hau; 
ist  durch  eine  stärkere  Linie  angedeutet.  —  Orig. 

lieh  wie  bei  den  Amphibien)  vor  das  Auge  hinaufgeschoben  werden  kann. 
Das  untere  Augenlid  ist  in  der  Mitte  oft  etwas  durchscheinend  ( z.  B.  bei 
den  gewöhnlichen  Eidechsen),  bei  gewissen  anderen  Sauriern  sogar  ganz 
durchsichtig.  Bei  den  Geckonen  und  einzelnen  anderen  Sauriem 
und  bei  den  Schlangen  ist  das  untere  Augenlid  ebenfalls  durch- 
sichtig, ausserdem  aber  stets  vor  das  Auge  hinaufgezogen  und  mit 
seinem  oberen  Rand  an  dem  oberen  Augenlid  festgewachsen,  so  dass 
bei  diesen  Thieren  ein  geschlossener  Raum  vor  dem  Auge  liegt; 
scheinbar  können  diese  Thiere  das  Auge  nicht  „schliessen",  indem  das 
durchsichtige  Augenlid  eine  Hornhaut  vortäuscht,  thatsächlich  ist  das 
Auge  stets  geschlossen.  Eine  Nickhaut  ist  gewöhnlich  vorhanden. 
Ebenso  finden  sich  sowohl  Thränendrüse  als  Harder'sche  Drüse  und 
ein  Thränenkanal.  —  Ueber  das  Scheitelauge  vergl.  S.  352. 

Gehörorgan.  Der  Schneckengang  steht  bei  den  meisten 
Reptilien  auf  einer  ähnlichen  niederen  Stufe  wie  bei  Fischen  und 
Amphibien,  indem  er  nur  eine  wenig  hervortretende  Ausstülpung  dar- 
stellt; bei  den  Krokodilen  erreicht  er  dagegen  eine  weit  bedeutendere 
Entwicklung  als  ein  recht  ansehnlicher,  am  Ende  geschlossener  Schlauch. 
An  demjenigen  Theil  der  äusseren  Wand  des  Schädels,  welcher  nach 
aussen  vom  Schneckengange  liegt,  ist  bei  den  Reptilien  eine  mit  Binde- 
gewebe ausgefüllte  Oeffnung  vorhanden,  das  runde  Fenster  (Fenestra 
rotunda);  ausserhalb  des  Vorhofs  findet  sich  ebenso  wie  bei  den  Ara- 


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Wirbelthiere.  4.  Classe:  Kriechthiere. 


435 


phibien  ein  ovales  Fenster,  von  der  Platte  des  Hörknöchelchens 
geschlossen.  —  Gewöhnlich  findet  sich  eine  Paukenhöhle,  welche 
gegen  die  Oberfläche  durch  ein  Trommelfell1)  geschlossen  ist; 
letzteres  liegt  etwas  vertieft,  nicht  wie  bei  den  Amphibien  in  dem- 
selben Niveau  wie  die  übrige  Haut.  Die  Paukenhöhle  steht  bei  den 
Sauriern  ähnlich  wie  bei  den  Amphibien  in  weit  offener  Verbindung 
mit  der  Mundhöhle ;  dagegen  ist  sie  bei  Schildkröten  und  Krokodilen 
durch  einen  engeren  Kanal,  die  Ohrtrompete  (Tuba  Eustachii),  mit 
dieser  verbunden.  Die  Krokodile  haben  die  Eigenthümlichkeit,  dass 
die  Paukenhöhle  mit  Lufthöhlen  in  der  Wand  des  Schädels  in  Ver- 
bindung steht,  und  dass  beide  Ohrtrompeten  mit  einer  gemeinsamen 
unpaaren  Oeffnung  in  die  Mundhöhle  (nicht  weit  hinter  den  inneren 
Nasenlöchern)  einmünden.  Bei  den  Schlangen  und  einzelnen  anderen 
fehlen  Paukenhöhle  und  Trommelfell  ganz.  Ein  demjenigen  der  Am- 
phibien ähnlicher  Gehörknochen  ist  stets  vorhanden;  er  schliesat 
mit  seiner  Platte  das  ovale  Fenster  und  heftet  sich,  wenn  ein  Trommel- 
fell vorhanden  ist,  mit  dem  anderen  Ende  an  letzteres  an.  —  Ein 
„äusseres  Ohr"  ist  bei  den  Krokodilen  in  Form  einer  Klappe,  einer 
Hautfalte,  vorhanden,  welche  das  Trommelfell  aussen  überdeckt. 


Fig.  SOG.  Stlkk  des  Oberkiefers  eines  Sauriers  (Iguana),  von  der  Innenseite  gesehen; 
Wcichtheile  entfernt,  k  der  Kieferknochen,  an  dessen  innerer  Seite  die  Zähne  durch  eine 
poröse  Kiiochenmasse,  l>,  festgekittet  sind.  7" — 7'1  drei  Zähne,  welche  im  Begriffe  stehen 
auszufallen,  und  deren  unteres  Ende  mehr  oder  weniger  resorbirt  ist  (7'1  am  wenigsten,  7M  am 
meisten);  r'    i*  die  entsprechenden,  noch  nicht  vollständig  entwickelten  Ersatzxahne.  —  Orig. 

Zähne  finden  sich  bei  den  meisten  Keptilien  an  den  Zwischen-  und 
Oberkieferbeinen  und  am  Unterkiefer,  bei  den  Schlangen  (deren  kleiner 
Zwischenkiefer  gewöhnlich  zahnlos  ist)  und  den  Sauriern  ausserdem 
oft  an  den  Gaumen-  und  Flügelbeinen,  während  den  Schildkröten  Zähne 
ganz  abgehen.  Die  Zähne  sind  in  der  Regel  durch  Knochenmasse  an 
die  Knochen  befestigt;  nur  bei  den  Krokodilen  sitzen  sie,  in  die 
Knochen  eingekeilt,  in  Zahnhöhlen.  Neue  Zähne  werden  das  ganze 
Leben  hindurch  zum  Ersatz  der  älteren  gebildet;  letztere  fallen  aus, 
indem  die  Knochenmasse,  welche  dieselben  mit  den  Knochen  verbindet, 
mit  den  unteren  Theilen  des  Zahnes  zusammen  aufgelöst  (resorbirt) 
wird.    Die  Zähne  haben  gewöhnlich  eine  einfache  Form ;  meistens  sind 


*)  Bei  den  Chamäleonen  ist  eine  Paukenhöhle  vorhanden,  welche  aber  nach 
aussen  von  einer  der  übrigen  Haut  ganz  ähnlichen  Hautpartie  geschlossen  ist  (ein 
besonders  ausgebildetes  Trommelfell  fehlt). 


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436 


Specieller  Theil. 


sie  kegelförmig,  zuweilen  ist  der  äusserste  Theil  zusammengedrückt 
und  gezackt,  zuweilen  sind  die  Zähne  höekerförmig  etc.  Alle  Zähne 
eines  Thieres  sind  gewöhnlich  wesentlich  gleichgebildet.  (Ueber  den  Gift- 
zahn der  Schlangen  vergl.  S.  442  und  Fig.  309.)  —  Die  hinten  angeheftete, 
vorne  freie  Zunge  ist  sehr  verschieden ;  bei  den  Krokodilen  und  Schild- 
kröten ist  sie  nur  wenig  beweglich,  mit  einer  kurzen  Spitze  versehen 
und  nicht  aus  dem  Munde  vorstreckbar,  während  sie  bei  den  Sauriern 
eine  längere,  oft  sehr  lange  und  gespaltene  freie  Spitze  besitzt;  auch 
bei  den  Schlangen  ist  die  Zunge  lang,  schmal  und  gespalten  und  kann 
weit  aus  dem  Munde  hervorgestreckt  werden.  Bei  den  Schlangen  und 
einem  Theil  der  Saurier  kann  die  Zunge  in  eine  Scheide  im  Boden 
der  Mundhöhle  zurückgezogen  werden.  (Ueber  die  eigentümliche 
Zunge  der  Chamäleonen  vergl.  diese.)  —  Die  Speiseröhre,  welche 
eine  ansehnliche  Länge  besitzt,  ist  stets  sehr  erweiterungsfähig.  Der 
Magen  der  Krokodile  ist  sehr  musculös,  jederseits  mit  einer  Sehnen- 
scheibe versehen,  an  welche  die  Muskelzellen  sich  anheften;  er  erinnert 
an  den  Muskelmagen  der  Vögel.  Der  Dünndarm  ist  von  verschiedener 
Länge,  der  Enddarm  kurz. 

Athmungsorgane.    Die  Luftröhre  der  Reptilien  ist  ver- 
längert und  ihre  Wand  von  Kuorpelringen  gestützt.    Der  vorderste 

Theil,  der  Kehlkopf,  ist  mit  besonderen 
Knorpelstücken  versehen,  und  bei  einigen  Sau- 
riern (Geckonen,  Chamäleonen)  sowie  bei  den 
Krokodilen,  nicht  aber  bei  den  übrigen,  besitzt 
er  ein  Paar  Stimmbänder.  Der  Eingang  aus 
der  Mundhöhle  in  den  Kehlkopf  ist  eine  Läugs- 
spalte  hinter  der  Zunge.  Am  hinteren  Ende 
theilt  sich  die  Luftröhre  in  zwei  Stammäste 
(Bronchi),  einen  für  jede  Lunge.  —  Die  Lungen 
selbst  sind  bei  verschiedenen  Reptilien  ziemlich 
verschieden.  Bei  manchen  Sauriern  (Fig.  307) 
ist  jede  Lunge  ein  Sack  mit  einem  geräumigen 
Hohlraum,  und  ihre  Wand  ist  inwendig  mit 
netzförmig  geordneten,  vorspringenden  Falten 
versehen,  welche  kleine,  in  den  Haupthohlraum 
sich  öffnende  Räume  begrenzen ;  in  jedem  solchen 
Raum  finden  sich  wieder  niedrigere  Falten  — 
also  ähnliche  Verhältnisse  wie  bei  den  Frosch- 
lurchen. Bei  den  Schildkröten  finden  wir  eine 
weitere  Entwicklung;  der  centrale  Hohlraum  ist 
hier  eng  und  erscheint  mehr  als  eine  Fortsetzung  des  Stammastes  der 
Luftröhre,  und  in  diesen  röhrenförmigen  Hohlraum  öffnen  sich  tiefe 
Säcke  mit  kleinen  Ausstülpungen;  die  tiefen  Säcke  entsprechen  den 
kleinen  Räumen  an  der  Wand  der  Saurierlunge,  ihre  Ausstülpungen 
den  Unterabtheilungen  der  letzteren.  Einen  ähnlichen  Bau  der  Lunge 
findet  man  auch  bei  den  Krokodilen.  Von  specielleren  Verhältnissen 
führen  wir  an,  dass  die  Lungen  der  langgestreckten  gliedmaassen- 
losen  Saurier  (z.  B.  der  Blindschleiche)  von  ungleicher  Länge  sind, 
die  rechte  ist  die  längste.  Auch  bei  den  Schlangen  ist  die  rechte 
Lunge  die  grösste,  in  der  Regel  ist  bei  ihnen  sogar  die  linke  Lunge 
rudimentär  oder  fehlt  ganz.  Die  Schlangen  zeigen  ferner  die  Eigen- 
tümlichkeit, dass  die  Lunge,  welche  in  ihrer  vorderen  Partie  der- 
jenigen der  Saurier  ähnlich  ist,  hinten  ein  glatter  Sack  ohne  Falten 


Jpg  y    TT1 '  V^f^Jn  •<  «ff 

Eos S\avv««P*'  > 


Fig.  307.  Lunge  eines 
Sauriers,  der  Lange 
nach  durchschnitten. 


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Wirbclthicre.  4.  Claese:  Krieohthiere. 


437 


ist,  welcher  sogar  sein  Blut,  nicht  wie  die  übrige  Lunge  von  der 
Lungenarterie,  sondern  von  einer  der  Körperarterien  empfängt;  dieser 
Theil  der  Lunge  ist  offenbar  für  die  Respiration  ohne  Bedeutung. 
Die  Chamäleonen  sind  dadurch  ausgezeichnet,  dass  von  der  Lunge 
fingerförmige,  dünnwandige  Säcke  ausgehen,  welche  sich  zwischen  die 
Eingeweide  hinein  erstrecken,  und  welche  das  Thier  mit  Luft  füllen 
kann,  wodurch  der  Umfang  des  Körpers  bedeutend  vergrössert  wird 
(es  bläht  sich  auf).  —  Die  Einatjimung,  die  Luftaufnahme,  findet 
bei  der  Mehrzahl  in  der  Weise  statt,  dass  die  Leibeshöhle  durch  ge- 
wisse Bewegungen  der  Rippen  erweitert  wird,  wodurch  die  Luft  in 
den  elastischen  Lungen  verdünnt  wird  und  Luft  von  aussen  durch  die 
Nasenlöcher  hineinströmt;  die  Ausathmung  geschieht  durch  entgegen- 
gesetzte Bewegungen  der  Rippen.  Bei  den  Schildkröten,  deren  Rippen 
unbeweglich  sind,  geschieht  die  Einathmung  durch  die  Zusammen- 
ziehung eines  besonderen  in  der  Leibeshöhle  angebrachten  zwerchfell- 
artigen Muskels  (vergl.  die  Säugethiere). 

Bei  den  Krokodilen  münden  die  inneren  Nasenlöcher,  wie  vorhin  er- 
wähnt, weit  hinten  in  die  Mundhöhle.  Am  hintersten  Theil  der  Zunge 
findet  eich  eine  hervorragende  steife  Querfalte,  welche,  wenn  der  Mund 
geöffnet  ist,  sich  gegen  deu  Gaumen  legt  und  den  hintersten  Theil  der 
Mundhöhle,  in  welchen  die  inneren  Nasenlöcher 
oben,  die  Luftröhre  unten  einmünden,  ganz  ab- 
sperrt. In  Folge  dieser  Einrichtung  kann  das 
Thier  mit  geöffnetem  Mund  (auf  Beute  lauernd) 
im  Wasser  liegen  und,  wenn  nur  die  Schnauzen- 
spitze mit  den  äusseren  Nasenlöchern  oberhalb 
des  Wassers  ist,  ruhig  athmen. 

Die  Entwicklung  eines  Halses  hat  zur 
Folge,  dass  das  Herz  bei  den  Reptilien 
weiter  vom  Kopf  entfernt  ist  als  bei  den 
Fischen  und  Amphibien.  Der  Vorhof 
ist  in  eine  grössere  rechte  und  eine  kleinere 
linke  Abtheilung  getheilt,  von  welchen  letz- 
tere das  Blut  aus  den  Lungen  aufnimmt, 
während  die  rechte  das  Blut  aus  dem 
übrigen  Körper  empfängt.  Die  Herz- 
kammer zeigt  gewöhnlich  nur  einen  An- 
fang zu  einer  Theilung  in  zwei,  indem  eine 
unvollkommene  Scheidewand  ausgebildet 
ist;  nur  bei  den  Krokodilen  ist  eine 
rechte  und  eine  linke  Herzkammer  vor- 
handen, welche  vollständig  von  einander 
getrennt  sind  und  mit  dem  rechten,  resp. 
dem  linken  Vorhof  in  Verbindung  stehen, 

SO  daSS  das  arterielle  Lungenblut  Und  das   und  derArtcrienbügen  bei  einem 

venöse  Blut  aus  den  Körpervenen  innerhalb  Krokodil.  «  rechter,«'  linker  Vor- 
des   Herzens  ganz  getrennt  sind.     Der  J?of'  v  «»de' rechte  undto*.H«x- 

Hi  i  •  i  i  ■!•  i        kannner.    /,  /    die  Carotinen  (Ar- 

e  r  z  k  e  g  e  1  ist  entweder  rudimentär  oder 

fehlt  ganz,  so  dass  der  Arterienstamm 

direkt  von  der  Kammer  entspringt. 

sind  dieselben  drei  Paar  Arterien- 

bogen,    Nr.   1,  2  und  4.  wie  bei  den 

Froschlurchen    (Fig.    255  C)    vorhanden  ;  Nr.  4)~r«o Aorta.  -  -öri* 


Fig.  308.   Schema  des  Herzens 


terienbögen  Nr.  1 ) :  2,  '/  rechter 
und  linker  Aortenbogen  (Artericn- 
Es  Mg«  Nr.  2);  c  der  dUnne  Theil  von 
2' ,  nachdem  dieser  die  beflisse  m 
zum  Darmkanal  abgegeben  hat;  V. 
4'    Lungenarterien  (Artorteabögen 


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438 


8pecieller  Theil. 


von  diesen  Betzt  sich  das  erste  Paar  in  die  Kopfarterien  (Caro- 
tiden)  fort,  die  des  zweiten  Paares,  die  Aortenbögen,  vereinigen 
sich  und  bilden  die  Aorta,  das  letzte  Paar  setzt  sich  in  die  Lungen- 
arterien fort.  Der  Arterienstamm,  von  welchem  die  Bögen  ab- 
gehen, ist  nicht  einheitlich  (wie  es  bei  den  Fischen  und  theilweise  bei 
den  Amphibien  der  Fall  ist),  sondern  in  drei  Röhren  getheilt,  von 
welchen  eine  sich  in  die  Kopfarterien  und  in  den  Aortenbogen  fort- 
setzt, eine  andere  in  den  linken  Aortenbogen,  die  dritte  in  die  Lungen- 
arterien ;  am  Ursprünge  einer  jeden  derselben  aus  der  Herzkammer 
findet  sich  eine  Querreihe  von  Klappen.  Die  erstgenannte  Röhre  ent- 
springt bei  den  Krokodilen  von  der  linken  Kammer,  führt  also 
arterielles  Blut,  während  die  beiden  anderen  von  der  rechten  Kammer 
entspringen,  also  venöses  Blut  führen.  Die  Folge  dieser  Anordnung 
ist,  dass  der  Kopf  bei  den  Krokodilen  mit  rein  arteriellem  Blut  ver- 
sorgt wird,  während  die  Aorta  gemischtes  Blut  führt,  indem  sie  durch 
eine  Vereinigung  der  beiden  Aortenbögen  gebildet  wird,  von  welchen 
der  eine  arterielles,  der  zweite  venöses  Blut  enthält. 

"  Der  grössere  Theil  des  venösen  Blutes  im  linken  Aortenbogen  bei  den 
Krokodilen  geht  übrigens  an  den  Darmkanal  durch  ein  Gefäss  (m),  welches 
der  Bogen  abgiebt,  ehe  er  sich  mit  dem  rechten  Aortenbogen  vereinigt, 
so  dass  das  Blut  in  der  Aorta  überwiegend  arteriell  ist —  Bei  den 
übrigen  Reptilien,  bei  denen  die  Scheidewand  der  Herzkammer  ganz 
unvollständig  ist,  findet  eine  Mischung  des  Blutes  schon  im  Herzen  selbst 
statt ;  bei  ihnen  ist  andererseits  durch  verschiedene  Verhältnisse  dafür  ge- 
sorgt, dass  die  Mischung  dennoch  nicht  so  bedeutend  wird,  wie  man  er- 
warten könnte.  Der  ganze  Mechanismus  ist  aber  zu  complicirt,  ata  dass 
wir  ihn  hier  einer  näheren  Betrachtung  unterwerfen  könnten. 

Die  Nieren  sind  etwas  gestreckte,  an  der  Oberfläche  gefaltete 
Organe,  welche  hinten  in  der  Leibeshöhle  liegen ;  die  Harnkanälchen 
besitzen  keine  offenen  Trichter  wie  bei  den  Amphibien.  Die  Harn- 
leiter öffnen  sich  getrennt  in  die  Kloake  (nicht  in  die  Harnblase). 
Eine  Harnblase  findet  sich  bei  Sauriern  und  Schildkröten,  fehlt 
bei  den  Schlangen  und  Krokodilen;  sie  ist  eine  Ausstülpung  der 
ventralen  Wand  der  Kloake2);  die  Oeffnungen  der  Harnleiter  sind 
nicht  weit  von  ihrer  Einmündungsstelle  entfernt. 

Die  beiden  Eierstöcke  sind  in  reifem  Zustande  traubenförmig, 
wegen  der  ansehnlichen  Grösse  der  Eier;  die  Eileiter  (Müller'sche 
Gänge)  sind  nach  dem  gewöhnlichen  Typus  gebildet  und  münden  ge- 
trennt in  die  Kloake.  Bei  den  Schlangen  liegen,  in  Anpassung  an 
die  gestreckte  Körperform,  die  Eierstöcke  nicht  neben  einander,  sondern 
einer  vor  dem  anderen.  —  Die  Hoden  verbinden  sich  mittels  eines 
aus  feinen  Kanälchen  zusammengesetzten  Nebenhodens  mit  je  einem 
Samenleiter,  welcher  in  die  Kloake  mündet.  —  Begattungs- 
werkzeuge treten  unter  zwei  gänzlich  verschiedenen  Formen  auf. 
Bei  den  Sauriern  und  Schlangen  findet  sich  ein  Paar  Be- 
gattungsorgane: jederseits,  in  unmittelbarer  Nähe  des  Afters,  ist  eine 
Oeffnung  vorhanden,  welche  in  einen  Sack  oder  Schlauch  hineinführt, 

*)  Eb  findet  sich  übrigens  bei  den  Krokodilen  eine  Oeffnung  in  der  Scheide, 
wand  zwischen  den  beiden  Gefässstämmen,  welche  sich  in  den  rechten  Aortenbogen 
(-(-  die  Kopfarterien),  resp.  in  den  linken  Aortenbogen  fortsetzen;  eine  Mischung 
des  Blutes  findet  jedoch  an  dieser  Stelle  nur  in  sehr  beschränktem  Umfange  statt. 

*)  Bei  den  Schildkröten  öffnet  sich  in  die  Kloake  ausser  der  unpaarigen  Harn- 
blase noch  ein  Paar  ähnliche  Säcke,  deren  Bedeutung  unbekannt  ist. 


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Wirbelthierc.  4.  (Jlaase:  Kriechthiere. 


439 


der  sich  unterhalb  der  Haut  des  Schwanzes  nach  hinten  erstreckt 
(ist  als  eine  Einstülpung  einer  Hautpartie  aufzufassen);  dieser  Sack 
kann  ausgestülpt  werden  und  zeigt  dann  au  der  Oberfläche  eine  spiralige 
Rinne,  in  welcher  der  Samen  läuft,  wenn  das  oft  mit  Stacheln  oder 
Falten  ausgestattete  Begattungsorgan  in  die  weibliche  Kloake  ein- 
geführt ist;  ein  Muskel,  welcher  sich  an  das  Ende  des  Schlauches 
heftet,  zieht  denselben  wieder  zurück.  Bei  den  Krokodilen  und 
Schildkröten  ist  der  Penis  dagegen  ein  unpaariger,  solider, 
zungenähnlicher  Körper,  welcher  an  der  ventralen  Wand  der  Kloake 
festgeheftet  ist  und  durch  den  After  hervorgeschoben  werden  kann; 
er  ist  an  seiner  oberen  Fläche  mit  einer  Längsrinne  für  den  Samen 
versehen. 

Die  Eier  der  Reptilien  sind  von  verhältnissmässig  bedeutender 
Grösse ;  während  ihrer  Wanderung  durch  die  Kloake  werden  sie  von 
einer  Eiweissmasse  und  einer  kalkhaltigen  Schale  umgeben, 
welche  bei  Sauriern  und  Schlangen  gewöhnlich  lederartig,  zäh  ist,  bei 
Schildkröten  und  Krokodilen  fest  und  spröde  wie  eine  Vogel-Eierschale. 
Die  Form  der  Schale  ist  gewöhnlich  oval,  seltener  kugelig  (letzteres 
bei  den  meisten  Schildkröten).  Nicht  wenige  Schlangen  und  einige 
Saurier  behalten  die  Eier  so  lange  in  den  Eileitern,  dass  sie  lebendige 
Junge  gebären;  den  Eiern  solcher  Formen  geht  eine  Schale  übrigens 
keineswegs  ab ,  dieselbe  wird  aber  bei  der  Geburt  gesprengt.  Die 
E  i  f  u  r  c  h  u  n  g  ist  partiell,  der  Nahrungsdotter  sehr  gross ;  der  Embryo 
ist  von  Embryonalhüllen  (vergl.  S.  368)  umgeben.  Die  neugeborenen 
Jungen  sind  in  der  Hauptsache  den  Erwachsenen  ähnlich. 

Bei  den  ausgebildeten  Embryonen  von  Schlangen  und  Sauriern  findet 
sicli  am  oberen  Kieferrand  in  der  Mittellinie  ein  unpaarer  vorstehender 
Zahn  (ein  echter  Zahn),  welcher  dazu  verwendet  wird,  die  Eischale  durch- 
zuschneiden („Eizahn"). 

Die  Reptilien  sind  grösstenteils  Landthiere;  nicht  ganz  wenige 
fuhren  eine  amphibische  Lebensweise,  indem  sie  sich  theils  im  Wasser 
(Süsswasser  oder  Meer),  theils  auf  dem  Lande  aufhalten;  die  meisten 
ernähren  sich  von  Raub  (Insekten ,  Wirbelthieren  etc.).  Sie  sind  in 
den  Tropen  zahlreich,  in  den  kälter  gemässigten  Ländern  sparsam  ver- 
treten ,  fehlen  in  der  kalten  Zone.  In  früheren  Perioden  der  Erd- 
geschichte, in  der  mesozoischen  Zeit,  war  die  Abtheilung  noch  weit 
reicher  entfaltet  und  zum  Theil  durch  riesigere  Formen  als  heutzutage 
vertreten. 


Uebersicht  der  jetztlebenden  Reptilien-Ordnungen. 

'  1.  Saurier.    In  der  Regel  mit  Gliedmaassen. 
Bewegliches     Quadrat-         Schuppen  am  Bauch.  TJnterkieferäste  unbeweg- 
bein.  After  eine  Quer-  I      lieh  verbunden. 

spalte.  Paarige  Be-  |  2.  Schlangen.  Ohne  Gliedmaassen.  Schienen 
gattungs Werkzeuge.  am  Bauch.  Unterkieferäste  durch  ein  elastisches 

Band  verbunden. 

Quadratbein    unbeweg-  (  3.  Schildkröten.     Zahnlos.  Zusammenhän- 
lich.  After  nicht  eine  j      des  Knochenscliild  um  den  Rumpf. 
Querspalte.  Penis  un-  j  4.  Krokodile.    Zähne    in  Zahnhöhlen.  Zwei 
paarig.  1  Herzkammern. 


440 


Specieller  Thcil. 


1.  Ordnung.    Saurier  (Sauria). 

Bezüglich  der  Charaktere  der  Saurier  ist  die  obenstehende  Ueber- 
sicht  und  die  allgemeine  Beschreibung  der  Reptilien  zu  vergleichen. 
Von  den  zahlreichen  Formen  fuhren  wir  hier  einige  Beispiele  an. 

1.  Die  Eidechsen  (ImcciUi)  haben  einen  langen  runden  Schwanz, 
wohl  entwickelte  Gliedmaassen,  kleine  Schuppen  auf  dem  Rücken,  grössere, 
in  wenigen  Längsreihen  geordnete  am  Bauche ;  Zunge  wohl  entwickelt, 
gespalten.  In  Deutschland  häufig  sind  die  einander  sehr  ähnlichen  /,.  agiiis 
und  /,.  riripara  (letztere  lebendiggebärend),  in  den  Rheingegenden  ausserdem 
auch  die  spitzschnauzige  Mauereidechse  (L.  Mitralis);  selten  ist  die 
mehr  südliche,  grosse  Grüne  Eidechse  (L.  viridis).  —  Verwandt  sind 
dieVarane  (Varanus),  grosse  tropische  (alt weltliche)  Saurier  mit  einer 
sehr  langen  gespaltenen  Zunge. 

2.  Die  Leguane  (Iguanidae)  sind  Saurier  mit  kleinen  Schuppen  und 
einer  dicken,  kaum  gespaltenen  Zunge;  manche  sind  mit  Stacheln,  Haut- 
falten u.  ähnl.  ausgestattet.  Sie  zerfallen  in  zwei  natürliche  Gruppen,  die 
altweltlichen  und  die  neuweltlichen  L.,  jene  acrodont  (d.  h.  mit  dem 
Kiefer  ran  de  angewachsenen  Zähnen),  letztere  pleurodont  (Zähne  der 
Innenseite  der  Kiefern  angewachsen,  Fig.  306).  Innerhalb  beider  Gruppen 
kommen  mehr  gestreckte,  langbeinige,  langschwänzige  Formen,  Baum- 
leguane,  und  plumpe,  abgeplattete,  kurzschwänzige  Formen,  Erdleguane  , 
vor ;  zwischen  Baum-  und  Erdleguane  lässt  sich  übrigens  keine  scharfe  Grenze 
ziehen,  es  giebt  zahlreiche  Zwischenfortnen.  Eine  eigenthümliche  Gattung 
kleiner  Baumleguane  sind  die  Flugeidechsen  oder  Drachen  (Draco 
volans),  deren  unechte  Rippen  nicht  den  Rumpfseiten  des  Thieres  an- 
liegen, sondern  nach  aussen  gerichtet  sind  und  als  Stützen  für  eine  grosse, 
als  Fallschirm  dienende  Hautfalte  jederseits  fungiren ;  Ostindien. 

3.  Die  Blindschleiche  (Anguia  fragilUs)  ist  ein  gliedmaassenloser 
Saurier  mit  langem  Schwanz  und  beweglichen  Augenlidern ;  lebendig  ge- 
bärend, in  Deutschland  häufig.  Sie  gehört  zur  Familie  der  Skinke 
{Scinco'ulei),  welche  durch  glatte,  glänzende,  angedrückte  Schuppen  und  eine 
kurze,  abgeplattete  Zunge  ausgezeichnet  sind ;  innerhalb  dieser  Familie  findet 
man  Formen  mit  wohlentwickelton  Gliedmaassen  und  einem  verhältnis- 
mässig kurzen  Körper,  Formen  mit  mehr  oder  weniger  rückgebildeten 
Gliedmaassen  und  einem  mehr  gestreckten  Körper,  und  endlich  ganz  glied- 
maassen lose  Arten  wie  die  Blindschleiche.  Die  übrigen  Arten  gehören  den 
wärmeren  Ländern  an;  einige  derselben  kommen  schon  in  den  Mittelmeer- 
ländern vor. 

4.  Die  Chamäleonen  (CliamaeUo)  bilden  eine  sehr  eigenthümliche 
Sauriergruppe.  Die  Spalte  zwischen  den  Augenlidern  ist  sehr  eng,  letztere 
bedecken  fast  ganz  die  Aussenseite  des  Augapfels,  mit  welchem  sie  ver- 
wachsen sind,  und  werden  zugleich  mit  demselben  bewegt.  Die  in  eine 
Scheide  zurückziehbare  Zunge  ist  keulenförmig,  von  bedeutender  Länge  und 
kann  weit  aus  dem  Munde  hervorgeschnellt  werden.  Die  Finger  und  Zehen 
eines  jeden  Fusses  sind  zu  zwei  Bündeln,  jeder  aus  zwei  oder  drei  Zehen 
(Fingern)  bestehend,  verwachsen;  die  Zehen  sind  in  jedem  Bündel  fast  bia 
an  die  Spitze  verwachsen,  dagegen  bis  an  die  Fusswurzel  von  dem  andern 
Bündel  getrennt,  und  beide  Bündel  sind  derartig  gedreht,  dass  sie  wie 
Aeste  einer  Zange  gegen  einander  wirken  können  (werden  zum  Umgreifen 
der  Aeste  benutzt).  Körper  zusammengedrückt,  der  Schwanz  ein  Wickel- 
schwanz, Schuppen  sehr  klein.  Bekannt  ist  das  Vermögen  der  Chamäleonen, 


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Wirbelthiere.  4.  Claaae:  Kriechthiere. 


441 


ihre  Farben  zu  wechseln.  In  wärmeren  Ländern  (besonder s  Afrika) ;  eine 
Art  kommt  schon  in  Andalusien  vor. 

5.  Die  G  e  ck  o  n  e  n  (Ascalabotae)  sind  dadurch  ausgezeichnet,  dass  die 
Zehen  an  der  Unterseite  mit  HaftBcheiben  versehen  sind,  und  dass  die 
Augenlider  sich  wie  bei  den  Schlangen  verhalten  (vergl.  S.  434);  es  sind 
in  der  Regel  abgeplattete  Thiere  mit  sehr  kleinen  Schuppen.  In  wärmeren 
Ländern  (schon  in  Südeuropa). 

6.  Die  Riagelechsen  (Gatt.  Amphitsbaena  u.  a.)  sind  kurzschwänzige, 
sehr  langgestreckte,  cylindrische  Saurier  mit  sehr  kleinen  Augen,  gewöhn- 
lich ganz  gliedmaassenlos  (oder  nur  mit  kleinen  Vorderbeinen) ;  Schuppen 
viereckig,  nicht  dachziegelartig,  in  Querringen  angeordnet.  Die  Ringel- 
echsen führen  eine  ähnliche  Lebensweise  wie  die  Coecilien.  In  wärmeren 
Ländern  (eine  Art  in  Südeuropa). 

2.  Ordnung.   Schlangen  (Ophidia). 

Die  Schlangen ,  welche  mit  den  Sauriern  nahe  verwandt  sind,  zeich- 
nen sich  aus:  durch  ihre  Gliedmaasenlosigkeit  (selten  sind  Rudimente 

A  B  C  D 


Fig.  309.  A  Giftzahn  einer  Klapperschlange,  von  vorne  und  etwas  von  aussen ; 
B  derselbe  Zahn  der  Länge  nach  durchschlift'en.  f/ Giftzahn  einer  Br  i  llenschlange,  vod 
vorne  und  etwas  von  aussen;  D  Querschnitt  desselben.  K  Querschnitt  des  Giftzahnes  einer 
Klapperschlange.  —  /  Furche,  g  Giftkanal,  o  obere,  o'  untere  Ocffhung  des  Giftkanals,  p  Pulpa- 
höhle.  —  Orig. 

der  Hintergliedmaassen  vorhanden),  durch  das  vorhin  (S.  434)  erwähnte 
Verhältni88  der  Augenlider,  durch  das  Fehlen  eines  Trommelfelles 
(und  einer  Paukenhöhle),  durch  den  sehr  langgestreckten  Rumpf,  den 


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442 


Specieller  Theil. 


verhältnissmässig  kurzen  Schwanz,  dadurch  dass  die  Bauchseite  mit 
breiten  Schienen  bedeckt  ist,  und  dass  die  Unterkieferäste  durch  ein 
elastisches  Band  verbunden  sind,  durch  die  grosse  Beweglichkeit  des 
Quadratbeines  und  der  ganzen  Kiefer-Gaumenpartie,  durch  die  lange 
gespaltene  Zunge.  Von  den  gliedmaassenlosen  Sauriern  unterscheiden 
die  Schlangen  sich  stets  durch  den  Besitz  des  elastischen  Bandes,  da- 
durch dass  ihnen  ein  Brustbein  und  eine  Schulterpartie  ganz  abgeht 
(von  diesen  Theilen  sind  bei  den  gliedmaassenlosen  Sauriern  wenigstens 
Rudimente  vorhanden),  und  durch  das  rudimentäre  Zungenbein. 

Vermöge  der  bedeutenden  Erweiterungsfähigkeit  der  Mundhöhle  — 
welche  auf  der  grossen  Beweglichkeit  der  Kiefer  und  der  Gaumen- 
partie  beruht  —  und  des  Fehlens  eines  Brustbeines  sind  die  Schlangen 
im  Stande,  sehr  grosse  Beute  zu  verschlingen ;  sie  nehmen  nur  in  sehr 
grossen  Zwischenräumen  (bis  zu  mehreren  Monaten)  Nahrung  zu  sich. 
Einige  sind  mit  grossen  Giftzähnen  versehen,  welche  sich  dadurch 
auszeichnen,  dass  sie  an  der  Vorderseite  mit  einer  tiefen  Rinne  ver- 
sehen sind,  deren  Ränder  an  einander  schliessen  oder  gar  ver- 
schmolzen sind;  nur  an  der  Basis  des  Zahnes  und  in  der  Nähe  der 
Spitze  ist  sie  offen.  Der  Giftzahn  —  es  ist  zur  Zeit  immer  jederseits 
nur  einer  vorhanden  —  hat  stets  seinen  Platz  vorne  im  Oberkiefer- 
bein, und  die  in  seinen  Kanal  führende  Oeffnung  an  der  Basis  steht 
mit  dem  Ausführungsgang  einer  hinter  dem  Kopf  liegenden  Giftdrüse 
in  Verbindung,  welche  als  eine  umgebildete  Mundhöhlendrüse  auf- 
zufassen ist.  In  der  Schleimhaut  der  Mundhöhle  dicht  beim  Giftzahn 
findet  man  mehrere  Ersatzzähne  für  denselben  auf  verschiedener  Ent- 
wicklungsstufe. Wenn  der  Zahn  nicht  benutzt  wird,  ist  er  von  einer 
Falte  der  Mundhaut  bedeckt,  aus  welcher  er  durch  eine  Bewegung 
des  mit  ihm  unbeweglich  verbundenen  Oberkieferbeines  hervortritt. 
Bei  einigen  Giftschlangen  (Vipern  und  Grubenottern)  ist  das  Ober- 
kieferbein sehr  kurz  und  trägt  keine  anderen  Zähne  als  den  Giftzahn, 
bei  anderen  (den  Giftnattern)  finden  sich  hinter  dem  Giftzahn  noch 
einige  kleine,  einfache  Zähne  im  Oberkiefer.  (Bei  einem  Theil  der 
ungiftigen  Schlangen  sind  einer  oder  mehrere  der  hintersten  Oberkiefer- 
zähne an  der  Vorderseite  mit  einer  oberflächlichen  Längsfurche  ver- 
sehen: Furchenzähne.) 

1.  Unterordnung.    Ungiftige  Schlangen  (Colubrina  innoctia). 

1.  Die  Riesenschlangen  {Pcioj>oda)  besitzen  Rudimente  von 
Hintergliedmaassen  in  Form  eines  kleinen  krallen  artigen  Fortsatzes  zu  jeder 
Seite  des  Afters.  Hierzu  gehören  die  grössten  Schlangenformen.  Als 
Beispiele  fuhren  wir  an:  Pyifion  (bis  ca.  10  m  lang),  mehrere  Arten 
in  Asien  und  Afrika,  das  Weibchen  brütet  seine  Eier  aus  (seine 
Körperwärme  steigt  in  der  Brutzeit  bedeutend  über  die  der  Umgebung]). 
Boa  constrictor  in  Südamerika,  bis  ca.  6  m. 

2.  Von  ungiftigen  Schlangen  findet  man  in  Deutschland  allgemein 
verbreitet  die  Ringelnatter  (Tropido7iotits  natrix),  an  den  zwei  grossen 
gelben  Flecken  am  Hinterkopfe  leicht  kenntlich,  und  die  glatte  Natter 
(Coronella  austriaca  oder  lactns) ,  kleiner,  röthlichgrau.  Selten  und  local 
sind  die  Würfelnatter  (Troj?.  tßsselatus)  und  die  Aesculapnatter 
(Coluber  Acsrulapii) ,  am  Rhein  etc.  —  Zahllose  ungiftige  Schlangen  be- 
wohnen die  Tropen. 


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Wirbelthiere.  4.  Classe:  Xriechthiere. 


443 


2.  Unterordnung.    Giftnattern  (Colubrina  venenosa). 

flinter  dem  Giftzahn  finden  sich  noch  einige  kleinere  Zähne.  Gift- 
zahn mit  einer  feinen  Furche  an  der  Vorderseite  (vergl.  Fig.  309  C—D). 

1.  Die  Brillenschlange  (Naja  tript/dians)  kann  die  Körperhaut 
hinter  dem  Kopfe  zu  einer  breiten  Scheibe  ausbreiten ,  indem  sie  die  vor- 
dersten Rippen  nach  der  Seite  richtet ;  an  der  Scheibe  zeigt  sich  dann  eine 
brillenähnliche  Figur.  2  m  lang.  Indien.  —  Die  Korallenottern 
(Elaps),  roth  und  schwarz  geringelt,  kleiner,  in  Südamerika.  Mehrere 
andere  Gattungen  von  Giftnattern  in  den  wärmeren  Ländern. 

2.  Die  Seeschlangen  (Gatt.  Hydrophil  u.  a.)  zeichnen  sich  be- 
sonders dadurch  aus ,  dass  der  Schwanz  stark  zusammengedrückt  und  die 
Bauchschienen  sehr  klein,  schuppenartig  sind.  Zahlreiche  Arten  im  In- 
dischen und  Grossen  Ocean,  gewöhnlich  kleinere  Thiere  (selten  länger  als 
die  Ringelnatter,  oft  kleiner);  ihr  Biss  gefährlich. 

3.  Unterordnung.  Viperinen  (Viperina). 

Der  Giftzahn  ist  der  einzige  Zahn  im  Oberkieferbein ;  er  besitzt 
keine  Furche  an  seiner  Vorderseite.  Kopf  in  der  Regel  hinten  breit, 
scharf  vom  Rumpfe  abgesetzt. 

1.  Die  Kreuzotter 
(Vipern  bcrus)  mit  Zickzack- 
binde längs  der  Rückenmitte. 
Lebendiggebärend.  Besonders 
in  Haidegegenden,  in  Deutsch- 
land häufig.  —  Die  etwas 
grössere  Sand  viper  ( Vipera 
ammodytes)  mit  nach  oben 
gerichtetem  Fortsatz  der 
Schnauzenspitze  lebt  in  den 
Mittelmeerländern ,  Oester- 
reich, Südbayern. 

2.  Die  Grubenottern 
(  Crotalidae)  zeichnen  sich  durch 
den  Besitz  einer  tiefen  Grube 


Fig.  :» 1 0.  A  Schwauzcndc  einer  Klapperschlange 
mit  11  DUtchen  (/  die  älteste,  //  die  jüngste).  Ii  das- 
selbe der  Länge  nach  durchschnitten,  r  Wirbelsäule, 
r'  letztes,  aus  mehreren  verwachsenen  Wirbeln  be- 
stehendes, (llied  der  Wirbelsäule  (die  umgehenden  Wcich- 
theile  punktirt);  die  durchschnittenen  Dütchcn  je  durch 
jederseits  zwischen  dem  Auge  oine  stark  aufgezogene  Linie  angegeben.  Wie  aus  einem 
und    der    Nasenöffnunif    aus.   VorKleich  beider  Figuren  erhellt,  tritt  von  jedem  Dutcheu 

•  j.      j        (»»t  Ausnahme  des  ältesten,  /)  nur  der  hintere  Thcil 
Dazu  gehören  die  meisten  dem  nIscin  gewölbter  Ring  Uervor.  (ler  übrig,  Theil  l9t  von 

Menschen  gefährlichen  Gift-  dem  nächst  älteren  ÜUtchcn  verborgen.  —  Nach  Garman. 
schlangen  der  wärmeren  Län- 
der. Die  Klapperschlangen  (Crotahis)  unterscheiden  sich  von  den 
anderen  Grubenottern  dadurch,  dass  sie  am  Schwanzende  mehrere  in 
einander  steckende,  lose,  rasselnde  Horndütchen  besitzen,  Ueberreste  von 
abgestossenen  Häuten  (vergl.  Fig.  310);  mehrere  Arten  (bis  über  2  m) 
in  Nord-  und  Südamerika.  Die  meistens  kleineren,  aber  ebenso  gefährlichen 
Trigonocephalus- Arten  leben  in  Ostindien  und  Amerika. 


3.  Ordnung.    Schildkröten  (Testudinata). 

Die  zahnlosen  Kiefer  sind  von  einer  Hornscheide  mit  scharfem 
Rande  bekleidet.  In  der  Rumpflederhaut  sind  grosse  Knochen- 
platten vorhanden,  welche  gewöhnlich  mit  ihren  Rändern  an  ein- 


444 


Specieller  Theil. 


ander  stossen  und  durch  Zacken  in  einander  greifen  und  so  eine  zu- 
sammenhängende Knochenkapsel  um  denjenigen  Theil  des  Körpers 
bilden,  welcher  hinter  den  Vorder-  und  vor  den  Hintergliedmaassen 
liegt;  vorne  besitzt  diese  Kapsel  eine  grosse  Oeffnung  für  Kopf  und 
Vorderbeine,  hinten  für  Schwanz  und  Hinterbeine.  An  der  Rücken- 
seite finden  sich  drei  Reihen  von  Knochenplatten,  von  welchen  die 
mittlere  Reihe  mit  den  Wirbeln  verbunden  ist  (Wirbelplatten),  wäh- 
rend die  beiden  anderen  mit  den  Rippen  (eine  Platte  mit  jeder  Rippe) 
verwachsen  sind ;  zu  äusserst,  ausserhalb  dieser  drei  Reihen,  findet  sich 
eine  Reihe  von  kleineren  Randplatten.  Auf  der  Bauchseite  sind  nur 
zwei  Plattenreihen  vorhanden ;  am  vorderen  Ende  finden  sich  eine  un- 
paare  Platte  und  vor  dieser  ein  Plattenpaar,  welche  wahrscheinlich 
dem  Vorderbrustbein,  resp.  den  Schlüsselbeinen  der  übrigen 
Reptilien  entsprechen.  Die  Knochenplatten  bilden  übrigens  nicht  bei 
allen  Schildkröten  eine  solche  zusammenhängende  Knochenkapsel ; 
bei  den  Meerschildkröten  z.  B.  schliessen  die  Platten  nicht  überall  an 
einander,  sondern  es  sind  an  manchen  Stellen  grössere  unverknöcherte 
Lederhautpartien  zwischen  ihren  Rändern  vorhanden.  Diejenige 
Partie  des  Körpers,  in  welcher  die  Knochenplatten  liegen,  ist  äusser- 
lich  gewöhnlich  von  grossen  Hornschildern  gedeckt,  welche  durch 
Furchen  getrennt  sind ;  ihre  Grenzen  entsprechen  denen  der  Knochen- 
platten nicht,  wenn  auch  ihre  Anordnung  eine  ähnliche  ist.  Der 
übrige  Theil  des  Körpers  ist  von  kleineren  Schuppen  und  Schildern 
bedeckt;  in  einigen  Schuppen  können  zuweilen  ähnlich  wie  bei  gewissen 
Sauriern  kleine  Knochenplatten  sich  entwickeln. 

Die  Schildkröten  ernähren  sich  theils  von  Pflanzen,  theils  von 
Thieren.  Sie  leben  auf  dem  Lande,  im  Süsswasser  oder  im  Meere. 
Es  sind  träge,  langsame  Thiere.  Manche  sind  im  Stande,  Kopf  und 
Gliedmaassen  innerhalb  der  Schildränder  einzuziehen. 

1.  Die  Sumpfschildkröten  (Emydae)  sind  meistens  abgeplattete 
Thiere ,  mit  Schwimmhaut  zwischen  den  Zehen.  Leben  im  Süsswasser, 
manche  gehen  aber  auch  aufs  Land.  '  In  Deutschland  lebt  die  Eniys 
europaea  (oder  lutaria).  —  Mehr  ausschliessliche  Wasserthiere  sind  die 
Flussschildkröten  (Gatt.  Trionyx  u.  a.)  mit  grossen  Schwimmfussen 
(mit  je  drei  Krallen),  Schild  ohne  Hornplatten;  bissige  Thiere.  Asien, 
Afrika,  Nordamerika. 

2.  Die  Landschildkröten  (TeMudinidac)  sind  mit  den  Sumpf- 
schildkröten nahe  verwandt;  sie  unterscheiden  sich  besonders  durch  das 
stark  gewölbte  Rückenschild  und  die  sehr  verkürzten  Füsse,  deren  Zehen 
verwachsen  und  mit  kurzen  Krallen  versehen  sind  (Klumpfüsse).  In  Sud- 
Europa  lebt  die  Griechische  L.  (Testudo  yraeca). 

3.  Die  Seeschildkröten  (CJicloniac)  haben  ein  abgeplattetes  Schild 
und  unbeweglich  verbundene  Zehen  ohne  Krallen  oder  nur  mit  Krallen- 
rudimenten;  die  Vordergliedmaassen  weit  grösser  als  die  Hinterglied- 
maassen ,  mächtige  flossenartige  Ruderwerkzeuge.  Sie  erreichen  eine  be- 
deutende Grösse.  Leben  im  Meere,  die  Eier  werden  jedoch  auf  dem  Lande 
abgelegt  (sie  werden  im  Ufersande  vergraben).    Eine  Art  im  Mittelmeer. 


Die  Ordnung  weicht  in  manchen  Beziehungen  von  den  übrigen 
jetzt  lebenden  Reptilien  ab  und  nähert  sich  den  Vögeln  und  Säuge- 
thieren  (in  dieser  Beziehung  sind  die  getheilte  Herzkammer,  die  Aus- 


4.  Ordnung.    Krokodile  (CrocodUia). 


Wirbelthiere.  4.  Classe:  Kriechthiere. 


445 


bildung  des  Gehirns  und  des  Schneckenganges,  sowie  die  in  Zahn- 
höhlen angebrachten  Zähne  hervorzuheben).  Die  Krokodile  sind  gross- 
köpfige  Thiere  mit  den  Nasenlöchern  an  der  Oberseite  der  Schnauzen- 
spitze, mit  Schwimmhaut  zwischen  den  Hinterzehen  und  mit  einem 
langen  zusammengedrückten  Schwimmschwanz ;  Krallen  sind  nur  an 
den  drei  inneren  Zehen  jedes  Fusses  vorhanden  (an  den  Vorderfüssen 
sind  5,  an  den  Hinterfüssen  4  Zehen  vorhanden).  In  der  Haut  finden 
sich  zahlreiche  Kuochenplatten  (besonders  an  der  Rückenseite).  Der 
After  eine  Längsspalte.  Ueber  die  Art,  in  welcher  sie  mit  geöff- 
netem Mund  im  Wasser  athmen,  und  über  andere  Verhältnisse  ver- 
gleiche oben. 

Die  Krokodile,  welche  eine  Länge  von  etwa  10  m  erreichen 
können,  leben  in  wärmeren  Ländern  im  Süsswasser  (selten  im  Meere 
an  der  Küste),  gehen  jedoch  auch  aufs  Land;  es  sind  gefrässige 
Raubthiere  und  Aasfresser.  Die  Eier  werden  auf  dem  Lande  abge- 
legt, entweder  in  die  Erde  eingegraben  oder  zwischen  verwesenden 
Pflanzentheilen  u.  ähnl.  angebracht;  die  Mutter  überwacht  die  Eier 
und  füttert  zuweilen  die  Jungen. 

Die  jetzt  lebenden  Krokodile  werden  in  drei  Gruppen  getheilt: 
1)  Kaimane  (Alligator)  mit  kurzer  Schnauze  und  unvollständiger  Schwimm- 
haut zwischen  den  Hinterzehen ;  der  4.  Unterkieferzahn  greift  in  ein  Loch 
des  Oberkiefers  hinein;  Amerika  (eine  Art  in  Ostasien).  2)  Echte 
Krokodile  (CrocodUm)  mit  langer  Schnauze  und  vollständiger  Schwimm- 
haut zwischen  den  Hinterzehen  ;  der  4.  Unterkieferzahn  greift  in  einen 
Ausschnitt  an  der  Seite  des  Oberkieferrandes  ein;  sowohl  in  der  alten  als 
in  der  neuen  Welt.  3)  Gaviale  {Ramphostoma)  mit  sehr  langer  und 
schmaler  Schnauze ,  vollständiger  Schwimmhaut ;  der  4.  Unterkieferzahn 
greift  in  einen  Ausschnitt  am  Oberkiefer  ein ;  Ostindien.  Diese  drei 
Gruppen  sind  übrigens  durch  Zwischenformen  mit  einander  verbunden:  es 
giebt  Crocodilus  -  Arten ,  welche  sich  den  Alligatoren  nähern,  und  einen 
Gavial,  welcher  den  Uebergang  zum  Crocodilus  vermittelt. 

Die  ältesten  bekannten  Krokodilformen,  aus  der  Triaszeit  (Belodon 
u.  a.)  sind  besonders  dadurch  ausgezeichnet,  dass  sie  in  Bezug  auf  die 
Lage  der  inneren  Nasenlöcher  den  Sauriern  und  Schildkröten  ähnlich 


Fij?.  311.    A  Schlldel  eines  Üavials,  Ii  eines  TeUosauru*.    n'  innere  Nasenlöcher 
p  Ganinen-,  r  FlUgelbcin. 

waren:  Gaumen-  und  Flügelbeine  bilden  keine  Röhre,  die  inneren  Nasen- 
löcher münden  viel  weiter  vorne  als  bei  den  jetzt  lebenden.  Die  aus  der 
Juraformation  und  ein  Theil  der  aus  der  Kreideformation  bekannten  Kroko- 


A 


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446 


Specieller  Theil. 


dile  (Teleosatmut  u.  a.)  nähern  sich  in  Bezug  auf  die  Stellung  der 
inneren  Nasenlöcher  den  jetzt  lebenden,  indem  die  Gaumenbeine  (nicht 
aber  die  Flügelbeine)  zusammentreten  und  eine  Röhre  bilden,  wodurch  die 
inneren  Nasenlöcher  weiter  nach  hinten  gerückt  werden.  Alle  diese  älteren 
Krokodilformen  weichen  auch  darin  von  den  jetzt  lebenden  ab,  dass  die 
"Wirbelkörper  sowohl  vorn  als  hinten  etwas  ausgehöhlt  sind.  Die  Krokodile 
der  Tertiärzeit  und  ein  Theil  derjenigen  der  Kreidezeit  schliessen  sich  da- 
gegen vollständig  an  die  jetzt  lebenden  an :  die  Flügelbeine  nehmen  an  der 
Bildung  des  Nasenkanals  Theil,  und  die  Wirbel  sind  wie  bei  diesen  vorne 
concav ,  hinten  convex.  Es  zeigt  sich  somit  innerhalb  der  Ordnung  der 
Krokodile  eine  sehr  interessante  Stufenfolge  durch  die  Zeiten. 


Während  manche  ausgestorbene  Reptilien,  z.  B.  die  soeben  ge- 
nannten Krokodilformen  und  viele  andere,  sich  in  die  auch  in  der  Jetztzeit 
vertretenen  Ordnungen  einfügen  lassen,  giebt  es  zahlreiche  andere,  welche 
Ordnungen  bilden ,  die  ohne  jetzt  lebende  Vertreter  sind.  Mehrere  dieser 
Gruppen  bieten  ein  bedeutendes  Interesse  dar ;  wir  wollen  kurz  die  wich- 
tigsten derselben  betrachten. 

Die  Walsaurier ')  (hhthyosatiria)  nehmen  unter  den  Reptilien  einen 
ähnlichen  Platz  ein  wie  unter  den  Säugethieren  die  Wale,  und  im  Habitus 
erinnern  sie  stark  an  letztere  Gruppe.  Der  Kopf  (besonders  die  Schnauzen- 
partie) ist  von  kolossaler  Grösse ,  der  Hals  ungemein  kurz ,  der  Schwanz 
Behr  lang  und  kräftig;  beide  Gliedmaassenpaare  sind  ähnlich  wie  die  Flossen 
der  Wale  gebildet:  sie  stellen  kurze  breite  Platten  dar,  alle  Gliedmaassen- 
knochen  waren  unbeweglich  verbunden  und  sehr  verkürzt,  die  Zehen  waren 
von  einer  gemeinsamen  Haut  umschlossen,  krallenlos,  ihre  Anzahl  oft  über 
5  hinaus  vermehrt,  die  Anzahl  der  Glieder  jeder  Zehe  sehr  gross  (jedes 
Glied  aber  sehr  kurz).  Von  anderen  Charakteren  führen  wir  an .  dass  die 
Sehnenhaut  der  grossen  Augen  mit  einem  Kranz  von  Knochenplatten  ver- 
sehen war;  die  Wirbelkörper  waren  sehr  gross  und  vorne  und  hinten  stark 
ausgehöhlt,  das  Becken  war  nicht  mit  der  Wirbelsäule  verbunden,  die  Hinter- 
gliedmaassen  schwächer  als  die  Vordergliedmaassen ,  die  Zähne  sassen  in 
Zahnhöhlen  (welche  in  jedem  Kieferrand  eine  zusammenhängende  Furche 
bildeten,  was  auch  bei  einzelnen  anderen  Thieren,  z.  B.  bei  gewissen  Walen, 
vorkommt).  Die  Walsaurier  waren  Meeresthiere ,  z.  Th.  von  sehr  ansehn- 
licher Grösse  (10  m  und  mehr);  sie  lebten  in  der  (Trias-),  Jura-  und 
Kreideformation . 

Die  Schwanensanrier  *)  {Pksiosauria)  bilden  einen  anderen  ausgestor- 
benen Typus  von  Meeresreptilien,  welche  in  einigen  Beziehungen  den  Ich- 
thyosauren  ähnlich,  in  anderen  Punkten  denselben  recht  unähnlich  sind. 
Der  Kopf  der  Plesiosauren  ist  klein,  zuweilen  sogar  sehr  klein,  der  Hals 
dagegen  lang,  am  längsten  bei  den  mit  dem  kleinsten  Kopfe  versehenen 
Formen.  Das  Gedrungene,  Fischartige  in  der  Leibesform  der  Walsaurier 
fehlt  somit  hier  völlig.  Vorder-  und  Hintergliedmaassen  sind  wie  bei  letzteren 
krallenlos  und  walflossenähnlich ;  meistens  sind  sie  jedoch  grösser  als  bei 
den  Ichthyosauren,  die  Knochen  sind  nicht  so  stark  verkürzt,  und  die  Anzahl 
der  Zehen  übersteigt  nicht  5.  Sie  erreichen  eine  ähnliche  Länge  wie  die 
Ichthyosauren.    Trias,  Jura,  Kreide. 


Auch  „Fischsaurier"  genannt. 

Gewöhnlich,  sehr  unglücklich,  „Schlangensaurier"  genannt. 


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Wirbeltbiere.  4.  Classe:  Kriechthiere.  447 

Die  Flugsaurier  (/^m>.<?o// r/V/ :  QtXt.PlercHlnrtyhis,  Rhamphorhytuhus  u.  a.) 
waren   besonders  dadurch  ausgezeichnet,  dass  die  Yordergliedmaassen  zu 


I 


wirklichen  Flugorganen  ausgebildet  waren.  Jedes  Vorderbein  besitzt 
4  Finger,  von  welchen  die  drei  inneren  (Nr.  1,  2,  3)  nicht  besonders  aus- 


448 


Specieller  Theil. 


gebildet  sind,  während  der  vierte  nebst  dem  zagehörigen  Mittelhandknochen 
stark  verlängert  ist  und  im  Rande  der  grossen  Flughaut  seinen  Platz 
hatte ;  die  Flughaut,  vou  welcher  man  in  einigen  Fällen  im  lithographischen 


Kalkstein  Abdrücke  gefunden  hat,  war  zwischen  jenem  Finger,  dem  Rumpf, 
den  Hintergliedmaassen  und  dem  Schwanz  ausgespannt.  Der  Kopf,  beson- 
ders die  vordere  Partie,  ist  von  ansehnlicher  Grösse,  in  der  Sehnenhant 
war  ein  Knochenring  vorbanden ;  Zähne  sind  gewöhnlich  vorhanden  und 


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Wirbelt hiere.  4.  Clasae:  Kriechthiere. 


449 


sitzen  in  Zahnböhlen;  das  Brustbein  besitzt  einen  Kamm,  welcher  den 
grossen,  die  Flügel  bewegenden  Brustmuskeln  zur  Anheftung  gedient  haben 
wird ;  die  Knochen  waren  pneumatisch  (ebenso  wie  bei  den  Vögeln).  Die 
Flugsaurier,  welche  unter  den  Reptilien  einen  ähnlichen  Platz  einnehmen 
wie  die  Fledermäuse  unter  den  Säugethieren,  waren  grösstenteils  kleinere 
Thiere,  welche  in  der  Jura-  und  Kreideformation  lebten. 

Die  Dinosaurier  (Dinomuria)  sind  eine  aus  zahlreichen  Formen  be- 
stehende Reptilien-Gruppe,  welche  dadurch  vom  grössten  Interesse  werden, 
dass  sie  den  Uebergang  von  den  Reptilien  zu  den  Vögeln  bilden, 
und  zwar  derart,  dass  wir  innerhalb  der  Abtheilung  einerseits  Formen  finden, 
welche  anderen  Reptilien  ziemlich  nahe  stehen,  andererseits  solche,  welche 
sich  den  Vögeln  immer  mehr  nähern.  Die  Dinosaurier  waren  Landthiere, 
zum  grössten  Theil  von  ansehnlicher,  theilweise  von  kolossaler  Grösse, 
grösser  als  die  allergrössten  jetzt  lebenden  Landsäugethiere  (bei  einer  Art  ist 
das  Oberschenkelbein  2—  3  m  lang  und  sehr  dick);  man  findet  jedoch  auch  kleine 
Formen  unter  ihnen.  Die  Gliedmaassen  sind  kräftig  ausgebildet;  bei  einigen 
sind  Vorder-  und  Hintergliedmaassen  ungefähr  von  gleicher  Länge,  häufiger 


Fig.  316.  A — B  Vorder-  und  Hintergliedmaasse  eines  der  Dinosaurier,  welche  den 
Vögeln  ferner  stehen  (itorotaunut  grandis).  C — D  Do.  eine»  vogelfthnlicheren  Dinosaurs 
(Camptonotus  ditpar).  a  Fusswurzel,  <•  Coracoid,  d  Zehon,  <T  Finger,  f  Oberschenkel,  g  Waden- 
bein, h  Oberarm,  »'  Darmbein,  k  Sitzbein,  m  Mittelfuss,  m  Mittelhand,  r  Speiche,  *  Schulter- 
blatt, *k  Schambein,  /  Schienbein,  u  Elle.  —  Nach  Marsh. 

aber  jene  kleiner,  zuweilen  sogar  viel  schwächer  als  die  Hintergliedmaassen, 
und  manche  Dinosaurier  bewegten  sich  offenbar  ausschliesslich  auf  letzteren, 
vielleicht  springend  fort;  unter  denen  mit  stärkeren  Hintergliedmaassen 
waren  einige  Zehengänger,  während  andere  Kriechthiere  mit  dem  ganzen 
Fuss  auftreten.  Der  Schwanz  ist  lang  und  kräftig.  Sehr  merkwürdig  ist 
daß  Becken:  das  Darmbein  ist  stark  nach  vorne,  vor  der  Gelenkpfanne, 
verlängert,  was  bei  anderen  Reptilien  nicht  der  Fall  ist,  während  dies  mit 
dem  übereinstimmt,  was  man  bei  den  Vögeln  findet;  und  bei  denjenigen 
Dinosauriern,  welche  mit  kleinen  Vordergüedmaassen  versehen  sind  (z.  B. 

fiou,  Zoologi«.  29 


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4äu 


Specialer  Theil. 


hjuunmUtn,  Fig.  Hl 4),  hat  das  Schambein  eine  sehr  merkwürdige  Form,  in- 
dem von  der  Basis  desselben  ein  langer,  dünner  Fortsatz  {p  )  entspringt, 
welcher  nach  hinten  (ungefähr  in  entgegengesetzter  Richtung  des  Haupt- 
astes), dem  oft  langen  und  dünnen  Sitzbein  parallel  und  dicht  angelagert, 
verläuft.  Die  Beckenwirbel  sind  in  grösserer  Zahl  als  sonst  bei  den  Rep- 
tilien vorhanden  (-1  oder  mehr)  und  mit  einander  verwachsen.  Von  anderen 
Charakteren  sind  hervorzuheben,  dass  die  obere  Reihe  der  Fusswurzel- 
knochen bei  manchen  mit  dem  Schienbein  unbeweglich  verbunden  (oder  gar 
verwachsen)  ist;  das  Schienbein  ist  an  der  Vorderseite  mit  einem  vor- 
springenden Längskamm  versehen.  Die  Form  des  Oberschenkelbeins  und 
des  Schienbeins  ist  stark  von  derjenigen  anderer  Reptilien  abweichend  und 
sehr  vogelähnlich,  etc.  (Vergl.  übrigens  die  unten  beim  Vogelskelet  ge- 
machten Bemerkungen.)  —  Die  Dinosaurier  lebten  in  der  Trias-,  Jura-  und 
Kreideformation. 

5.  Classe.    Vögel  (Avas). 

Die  hervorragendste  Eigenthümlichkeit  in  der  allgemeinen  äusseren 
Gestalt  des  Vogelkörpers  liegt  in  der  eigenthtimlichen  Ausbildung 
der  Gliedmaas  sen,  indem  die  hinteren  ausschliesslich  zum  Gang 
oder  Sprung  (zuweilen  auch  zum  Schwimmen)  entwickelt  sind,  während 
die  Vordergliedmaussen  niemals  Gehwerkzeuge,  sondern  —  mit  wenigen 
Ausnahmen  —  Fl  u  g Werkzeuge  sind.  Der  Körper  wird  gewöhnlich 
von  den  Hintergliedmaassen  in  einer  halb  aufrechten  Stellung  getragen ; 
er  ruht  nur  auf  den  Zehen,  nicht  auf  dem,  sehr  schlanken,  Mittelfuss. 
Der  Hals  ist  von  ansehnlicher  Länge,  sehr  beweglich,  der  Rumpf  kurz ; 
der  Schwanz  ist  bei  allen  jetzt  lebenden  Vögeln  kurz,  die  grossen 
demselben  angehefteten  Steuerfedern1)  gehen  ihm  aber  anscheinend 
eine  grössere  Länge.  Eine  eigenthümliche  Entwicklung  bietet  die 
Gesichtspartie  (der  Schnabel)  dar,  welche  gewöhnlich  verlängert  und 
mit  Hornscheiden  umgeben  ist. 

Die  Haut  ist  in  ihrer  grössten  Ausdehnung  mit  Federn  be- 
deckt, complicirten,  aus  verhornten  Oberhautzellen  bestehenden  An- 
hängen, welche  in  ihrer  ersten  Anlage  kleine  Hautwarzen  sind,  die 
sich  aber  bald  in  sackförmige  Vertiefungen  der  Haut,  die  späteren 
Federbälge,  einsenken ;  aus  der  die  Warze  überkleidenden  Oberhaut- 
schicht entwickelt  sich  die  Feder2).  Die  Federn  erscheinen  unter  ver- 
schiedenen Formen.  Die  Deck-  oder  Co  ntour  federn,  d.  h.  die 
festeren  Federn,  welche  wenigstens  mit  ihrem  distalen  Theil  an  die 
Oberfläche  treten  und  die  äusseren  Umrisse  des  Vogels  bilden  (im 
Gegensatz  zu  den  darunter  liegenden  Dunen),  bestehen  aus  folgenden 
Theilen:  Proximal  findet  sich  eine  kurze,  cylindrische,  hohle  Spule, 
welche  in  den  Federbalg,  eine  mehr  oder  weniger  tiefe  Haut- 
einstülpung, eingesenkt  ist.  Die  Spule  setzt  sich  in  den  Schaft 
fort,  welcher  auswendig  aus  einer  festeren  Hornschicht,  innerlich  aus 
einer  loseren  Hornmasse  besteht  und  nach  der  Spitze  zu  dünner  wird. 


')  Wenn  in  Beschreibungen  von  Vögeln  von  einem  langen  oder  kurzen 
Schwanz  die  Rede  ist,  so  bezieht  sich  das  immer  auf  die  Länge  der  Steuerfedern. 

*)  Es  sind  jedoch  nur  die  Anlagen  des  ersten  Federkleides  des  jungen  Vogels, 
welche  als  freie  Warzen  an  der  Oberfläche  auftreten;  die  Anlagen  der  spateren 
Federn  sind  zwar  ähnliche  Warzen,  welche  aber  am  Hoden  der  Bälge  der  vorher- 
gehenden Federn  erscheinen. 


Wirbelthiere.    5.  Claase:  Vögel. 


451 


(Spule  und  Schaft  bilden  zusammen  den  Kiel  der  Feder.)  Vom 
Schaft  entspringt  nach  jeder  Seite  eine  Reihe  von  Aesten,  welche 
wieder  mit  je  zwei  Reihen  von  Strahlen  versehen  sind;  die  Aeste 
und  den  Schaft  bezeichnen  wir  zusammen  als  die  Fahne.  Am  distalen 
Theil  der  Feder  —  dieser  kann  einen 
grösseren  oder  kleineren  Theil  der 
Feder  ausmachen  —  sind  die  Aeste 
steifer,  zusammengedrückt  (ihre  Flä- 
chen denjenigen  der  benachbarten 
Aeste  zugewendet)  und  mit  verhält- 
nissmässig  kurzen  Strahlen  versehen, 
von  welchen  die  der  vorderen  Reihe 
sich  schräg  über  die  Strahlen  der  hin- 
teren Reihe  des  davorsitzenden  Astes 
legen.  Ferner  sind  die  Strahlen  der 
vorderen  Reihe  mit  je  einer  Reihe  fei- 
ner, haarartiger,  mikroskopisch  kleiner 
Anhänge  versehen,  von  welchen  einige 
an  der  Spitze  umgebogen  sind  und 
den  Rand  der  Strahlen  in  der  hinteren 
Reihe  des  davorsitzenden  Astes  um- 
greifen; durch  diese  Häkchen  werden 
die  Aeste  zu  einer  zusammenhängen- 
den Platte  zusammengeheftet.  Im  pro- 
ximalen Theil  der  Fahne  sind  die 
Aeste  weicher  und  dünner,  die  Strah- 
len lang  und  weich,  aber  ohne  Häk- 
chen ;  dieser  Theil  der  Fahne,  welcher 
von  anderen  Federn  überdeckt  ist,  hat 

Somit  einen  weichen,   losen,    dunen-  Fig.  3 1 6.    Stückchen  einer  Feiler, 

artigen  Charakter.    An   der  Grenze  Schema.  *  Schaft,  «  Ast,  »t  Strahlen  einer 

von  Spule  und  Schaft  entspringt  von  der  \ot,lZ™  Kcih5  'nit  Hlk1hen»  strahl«. 

.  *.  Ii.       ci'xJT-ij       der  hinteren  Reihen;  ersterc  decken  Uber 

nach  innen  gekehrten  öeite  der  Ueder  letztere  hin  und  greif«,  mit  d«.  Häkchen 
häufig  ein  kleinerer,  dünnerer  Schaft  um  ihren  Rand.  —  orig. 
(der  Afterschaft),    welcher  eine 

doppelte  Reihe  loser  Aeste  trägt:  den  Afterschaft  mit  seinen  Aesten 
bezeichnen  wir  als  die  Nebenfahne.  Dieser  Theil  ist  zuweilen 
kräftig  ausgebildet  (z.  B.  bei  Hühnervögeln),  gewöhnlich  jedoch 
ziemlich  schwach ;  sein  Schaft  ist  zuweilen  rudimentär,  so  dass  die 
Nebenfahne  durch  ein  Bündel  dicht  neben  einander  entspringender 
Aeste  vertreten  ist.  Von  den  Deckfedern  sind  besonders  Schwung- 
und  Steuerfedern  hervorzuheben,  die  kräftigsten,  steifsten,  meistens 
auch  die  längsten  Federn  am  Körper;  ihnen  fehlt  in  der  Regel  eine 
Nebenfahne,  und  der  dunenartige  (proximale)  Theil  ist  sehr  klein  oder 
fehlt;  sie  sitzen  in  sehr  tiefen  Federbälgen,  die  Schwungfedern  in 
einer  Reihe  längs  des  Aussenrandes  des  Unterarms  und  der  Hand, 
die  Steuerfedern  in  einer  Querreihe  am  Ende  des  Schwanzes.  —  Die 
Dunen  (Flaumfedern),  weiche  im  Allgemeinen  von  den  Deckfedern 
ganz  überdeckt  werden,  unterscheiden  sich  von  diesen  dadurch,  dass 
die  ganze  Fahne  denselben  Charakter  hat  wie  dort  der  proximale 
Theil:  sie  besteht  aus  lauter  weichen,  oft  sehr  langen  Aesten,  welche 
mit  langen  hakenlosen  Strahlen  besetzt  sind;  dabei  ist  der  Schaft 
düun  und  schwach,  oft  sogar  völlig  rudimentär,  so  dass  die  Aeste 

29* 


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452 


Specieller  Theil. 


dicht  neben  einander  am  distalen  Ende  der  Spule  entspringen.  Eine 
Nebe  nf  ahne  ist  an  den  Dunen  häufig  vorhanden;  sie  ist  nicht 
selten  fast  ebenso  kräftig  wie  die  Hauptfahne.  Die  Dunen  sind 
meistens  weisslich  oder  grau,  während  die  Deckfedern  sehr  verschieden 
gefärbt  sind.  —  Beide  genannten  Hauptformen  von  Federn  gehen 
übrigens  ganz  allmählich  in  einander  über :  es  giebt  Dunen,  welche  durch 
einen  kräftigeren  Schaft  etc.  sich  den  Deckfedern  nähern,  und  umge- 
kehrt Deckfedern,  welche  so  lose  und  weich  sind  oder  einen  so  kleinen 
zusammengehakten  Theil  besitzen,  dass  sie  am  Uebergang  zu  den 
Dunen  stehen. 

Eine  besondere  Form  von  Dunen  sind  die  sogenannten  Faden  federn  , 
ganz  schwache  Federchen  mit  langem  dünnen  Schaft,  welcher  erst  gegen  die 
Spitze  hin  eine  geringe  Anzahl  von  Aesten  trägt;  sie  sind  fast  bei  allen 
Vögeln  vorhanden,  entspringen  immer  dicht  bei  den  Deckfedern. 

Von  eigentümlich  entwickelten  Federn  sind  beispielsweise  folgende 
hervorzuheben :  Die  borstenartigen  Federn,  welche  bei  manchen  Vögeln 
an  gewissen  Theilen  des  Kopfes  vorkommen;  ihnen  fehlen  die  Aeste,  oder 
solche  sind  nur  in  geringer  Anzahl  am  Grunde  des  Schaftes  vorhanden. 
Die  Deckfedern  bei  den  Straussenvögeln,  an  denen  Häkchen  gänzlich, 
auch  an  den  distalen,  steiferen  Aesten,  fehlen;  bei  den  Kasuaren  und  dem 
Emu  sind  die  Federn  ausserdem  dadurch  merkwürdig,  dass  Haupt-  und 
Nebenfahne  gleich  stark  entwickelt  sind.  Die  Schwungfedern  des  Kasuars, 
deren  lange,  steife  Schäfte  ganz  astlos  sind. 

Den  jungen  Vögeln  fehlen  Deckfedern,  an  deren  Stelle  tragen  sie  aber 
kleine  Dunen,  welche  nur  mit  wenigen  an  der  Spitze  der  Spule  oder  längs 
eines  dünnen  Schaftes  sitzenden  Aesten  versehen  sind. 

Die  Deckfedern  sind  in  der  Regel  nicht  gleichmässig  über  den 
ganzen  Körper  vertheilt,  sondern  entspringen  nur  von  gewissen  Ge- 
bieten desselben,  den  sogenannten  Feder fluren,  welche  regelmässig, 
bei  verschiedenen  Vogelformen  mehr  oder  weniger  verschieden,  an- 
geordnet sind;  es  findet  sich  z.  B.  ein  Federflur  längs  der  Rücken- 
mitte, ein  anderer  an  der  Aussenseite  des  Schenkels  etc.  Die  zwischen- 
liegenden Partien,  die  Raine,  tragen  Dunen,  welche  übrigens  auch 
in  den  Fluren  zwischen  den  Deckfedern  vorkommen  können,  oder 
sind  ganz  federlos;  die  Raine  sind  von  den  Deckfedern  der  benach- 
barten Fluren  überdeckt.  —  Eine  fast  gleichinässige  Vertheilung  der 
Deckfedern  über  den  ganzen  Körper  findet  man  bei  den  Straussen- 
vögeln —  welche  ganz  dunenlos  sind,  wenn  man  nicht  etwa  ihre 
sämmtlichen  Federn  als  Dunen  bezeichnen  will  — ,  den  Pinguinen  und 
einzelnen  anderen. 

Die  Vögel  werfen  in  regelmässigen  Zwischenräumen,  in  der  Regel 
einmal  im  Jahre,  ihr  ganzes  Gefieder  ab,  und  gleichzeitig  wird  das- 
selbe durch  neugebildete  Federn  ersetzt;  dieser  Vorgang  wird  als 
Mauser  bezeichnet  und  findet  im  Allgemeinen  bei  nordischen  Vögeln 
im  Laufe  einiger  Wochen  zu  Anfang  des  Herbstes  statt.  Ausser 
dieser  Herbstmauser  wird  öfter  auch  von  einer  Frühlingsmauser 
gesprochen.  In  der  That  wechseln  auch  manche  Vögel  im  Frühling 
einige  Federn,  es  kann  also  zu  dieser  Jahreszeit  eine  partielle 
Mauser  stattfinden ;  in  manchen  Fällen  beruhen  aber  die  Unterschiede, 
welche  zwischen  dem  Winter-  und  dem  Sommerkleid  der  Vögel  zu 
beobachten  sind,  auf  anderen  Umständen.  Bei  einigen  Vögeln  werden 
im  Frühling  die  besonders  gefärbten  Ränder  vieler  Federn  abgestossen, 
und  das  Aussehen  des  Federkleides  kann  schon  dadurch  wesentlich 


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Wirbelthiere.   5.  Classe:  Vögel. 


453 


verändert  werden;  in  anderen  Fällen  findet  aber  zu  dieser  Jahres- 
zeit eine  wirkliche  Aenderung  der  Farben  der  Federn,  eine  Ver- 
färbung derselben,  statt,  welche  zuweilen,  z.  B.  bei  Vögeln,  die  im 
Winter  weiss,  im  Sommer  bunt  gefärbt  sind,  von  sehr  eingreifender 
Art  sein  kann.  Diese  Verfärbung  ist  um  so  merkwürdiger,  als  die 
Federn  ausschliesslich  aus  Hornstoff  bestehen  und  somit  einen  todten 
Theil  des  Körpers  darstellen ;  wir  haben  es  demnach  hier  wahrschein- 
lich mit  chemischen  Veränderungen  zu  thun,  welche  sich  von  den 
Lebensthiitigkeiten  unabhängig  abspielen. 

Die  jungen  Federn  sind  noch  eine  Zeitlang,  nachdem  sie  ihre  Spitze 
aus  dem  Federbslg  hervorgestreckt  haben,  von  einer  dünnen  röhrenförmigen 
Hornhülle  umgeben,  welche  die  Aeste  zusammenhält;  diese  Hülle  schilfert 
allmählich  ab.  — Die  sogenannten  „Puderdunen",  welche  bei  einigen  Vögeln, 
z.  B.  den  Reihern,  vorkommen,  sind  Federn,  welche  (ähnlich  etwa  wie  die 
wurzellosen  Zähne  gewisser  Säugethiere)  fortwährend  aus  dem  Federbalg 
nachwachsen,  während  gleichzeitig  ihr  freies  Ende  abgestossen  wird;  der 
bei  ihnen  vorkommende  Puder  stammt  von  der  zerfallenden  Hornhülle  her, 
welche  am  proximalen  Federende  immer  wieder  erneuert  wird. 

An  die  Bälge  der  grösseren  Federn  heften  sich  kleine  Muskeln,  welche 
z.  B.  die  Steuerfedern  fächerförmig  ausbreiten,  die  gewöhnlichen  Deckfedorn 
aufrichten  können  etc. 

Die  Federn  sind  wahrscheinlich  als  modificirte  Reptilienschuppen 
aufzufassen,  worauf  die  Anlage  derselben  als  warzenförmige  Haut- 
erhöhungen hindeutet  Ausserdem  besitzen  aber  die  Vögel  echte 
Schuppen  von  ganz  ähnlicher  Beschaffenheit  wie  diejenigen  der 
Reptilien,  aber  Mos  an  den  Hinterfüssen;  diese  Schuppen  haben 
ziemlich  verschiedene  Formen:  Höcker,  Platten,  Schindelschuppen. 
Eine  eigenthümliche,  grosse,  kegelförmige  Schuppe  ist  der  Sporn  des 
Hahns  (und  anderer  männlicher  Hühnervögel),  welcher  innerlich  mit 
einer  am  Mittelfuss  festwachsenden  Verknöcherung  versehen  ist;  der 
Sporn  ist  auch  beim  Huhn  vorhanden,  hier  aber  gewöhnlich  als  eine 
einfache  warzenförmige  Schuppe1).  —  Krallen  sind  an  den  Zehen 
der  Hinterfüsse  vorhanden ;  sie  sind  bei  Vögeln,  welche  sich  meistens 
auf  Bäumen  aufhalten,  lang,  krumm  und  spitz,  bei  Erdvögeln  kürzer 
und  stumpfer.  An  den  Vorderglied maassen  fehlen  bei  manchen 
Vögeln  Krallen  ganz;  häufig  ist  aber  eine  kleine,  oft  rudimentäre, 
Eralle  am  Daumen  vorhanden,  nicht  ganz  selten  ausserdem  noch  eine, 
in  der  Regel  aber  völlig  rudimentäre,  Kralle  am  zweiten  Finger  (zu- 
weilen ist  letztere  nur  bei  den  Jungen  vorhanden,  fehlt  später) ;  beim 
afrikanischen  Strauss  sind  beide  Krallen  ziemlich  gross  und  wohl  ent- 
wickelt. Bei  allen  jetzt  lebenden  Vögeln  fehlt  eine  Kralle  am  dritten 
Finger;  dagegen  waren  bei  dem  ausgestorbenen  Archaeopteryx  wohl- 
entwickelte, gebogene  Krallen  an  allen  drei  Fingern  vorhanden,  was 
aus  der  Form  des  letzten  Fingergliedes  mit  Sicherheit  zu  erkennen 
ist.  —  Die  Kieferränder  und  die  diesen  zunächst  liegenden  Theile 
des  Kopfes,  der  Schnabel,  sind  gewöhnlich  von  einer  dicken  festen 
Hornmasse,  oft  mit  scharfen  Rändern,  bedeckt;  seltener  ist  diese  ganz 
oder  theilweise  durch  eine  dünnere,  weichere  Hornschicht  ersetzt.  — 
Eine  Häutung  wie  bei  den  Reptilien  findet  bei  den  Vögeln  nicht 
statt,  die  Hornschicht  schilfert  in  kleineren  Partien  ab. 

')  Auch  an  den  Vordergliedmaassen,  an  der  Hand,  können  bei  einigen  Vögeln 
ähnliche  Sporen  wie  am  Hnhnenfuss  vorhanden  «ein  (welche  nicht  mit  den  oben 
erwähnten  Krallen  zu  verwechseln  sind).  * 


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454 


Speciellcr  Thcil. 


Die  Vögel  besitzen  nur  ein  Paar  Hautdrüsen,  nämlich  die 
grossen  rundlichen  Bürzeldrüsen,  welche  ihren  Platz  an  der  Ober- 
seite des  kurzen  Schwanzes  haben;  sie  liegen  dicht  beisammen,  und 


Fig.  317.  Skelct  eines  Haben.  /,  2,  3  erster— dritter  Finger,  /'  und  erste  und 
vierte  Zehe,  ca  Handwurzel,  <■/  Schlüsselbein,  co  ('orneoid  (grösstentheils  von  h  verdenkt), 
j  Wadenbein,  h  Oberarm,  !l  Darmbein,  i7  dessen  vordere  Partie,  i«  Sitzbein,  mc,  und  mc%  erster 
und  dritter  Mittelhandknochen,  ml  grosser  Mittelfussknochen  (aus  den  verwachsenen  Mittel- 
fuHsknochcu  Nr.  2-4  bestehend),  »tf,  erster  Mittclfussknochcii,  n  Nasenloch,  p  Schambein, 
r  HaLsrippeu,  ra  Speiche,  sc  Schulterblatt,  st  Brustbein,  u  Elle.  —  Orig. 

ihre  Ocffnungen  finden  sich  dicht  neben  einander,  gewöhnlich  auf 
einem  kleinen  Fortsatz.  Jede  Drüse  besteht  aus  zahlreichen  Schläuchen, 
welche  in  einen  geräumigen  in  den  Ausführungsgang  sich  fortsetzenden 
Hohlraum  in  der  Mitte  der  Drüse  einmünden ;  bei  einigen  Vögeln  hat 


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Wirbelthiere.   5.  Classe:  Vögel. 


455 


jede  Bürzeldrüse  mehrere  Ausführungsgänge.  Die  Bürzeldrüsen 
sondern  eine  ölartige  Masse  ab,  mit  welcher  die  Vögel  mittels  des 
Schnabels  ihre  Federn  einschmieren ;  sie  sind  am  grössten  bei  Vögeln, 
welche  häufig  in's  Wasser  kommen,  fehlen  bei  den  Straussenvögeln, 
einigen  Papageien  und  einzelnen  anderen. 

Das  Skelet.  Die  Wirbelsäule  zerfällt  in  dieselben  Abschnitte 
wie  bei  den  Reptilien.  Die  Halswirbel  sind  zahlreich  (bis  einige 
zwanzig),  sehr  beweglich  mit  einander  verbunden.  Der  erste  und 
zweite  Wirbel  sind  ebenso  wie  bei  den  Reptilien  als  Atlas,  resp. 
Epistropheus  entwickelt  (Wirbelkörper  des  Atlas  mit  dem  des 
Epistropheus  verwachsen  etc.).  Uebrigens  sind  die  Halswirbelkörper 
durch  sattelförmige  Gelenkflächen  verbunden  (die  vordere  Gelenk- 
fläche  jedes  Wirbels  ist  von  recbts  nach  links  concav,  von  oben  nach 
unten  convex,  die  hintere  umgekehrt  von  rechts  nach  links  convex  etc.); 
bei  Archaeopteryx  und  einigen  der  Zahnvögel  (Ichthyornis)  waren  die 
Endflächen  der  Wirbelkörper  plan  oder  vorne  und  hinten  schwach 
concav.  lieber  die  Halsrippen  s.  unten.  Die  Br u  stwirbel  sind  im 
Gegensatz  zu  den  Halswirbeln  in  ziemlich  geringer  Zahl  vorhanden 
und  wenig  beweglich,  zuweilen  sogar  mit  einander  verwachsen;  die 
Gelenkflächen  der  Wirbelkörper  sind  denen  der  Halswirbel  ähnlich ; 
Gelenkfortsätze  finden  sich  sowohl  an  ihnen  wie  an  den  Halswirbeln. 
Der  hinterste,  oder  die  zwei  bis  drei  hintersten  Brustwirbel,  die  Lenden- 
wirbel, die  Becken  wirbel  und  einige  Schwanz wirbel  sind  sämmt- 
lich  mit  einander  verwachsen;  an  diese  aus  zahlreichen  Wirbeln  zu- 
sammengesetzte Partie  heftet  sich  das  Becken.  Es  geht  hieraus 
hervor,  dass  eine  als  selbständiger  Abschnitt  hervortretende  Lenden- 
wirbelpartie bei  den  Vögeln  fehlt;  das  Becken  folgt  unmittelbar  auf 
die  rippentragende  Partie  der  Wirbelsäule.  Bei  allen  jetzt  lebenden 
Vögeln  ist  die  Anzahl  der  freien  Schwanzwirbel  gering,  gewöhn- 
lich scheinbar  6—8,  von  welchen  der  hinterste  jedoch  in  Wirklichkeit 
kein  einfacher  Wirbel,  sondern  durch  Verschmelzung  einer  Reihe 
kurzer  Wirbel  entstanden  ist,  welche  bei  dem  jungen  Vogel  noch 
deutlich  gesondert  sind;  diesor  hinterste  Wirbel  ist  gewöhnlich  ein 
hoher,  zusammengedrückter  Knochen,  an  welchen  die  Steuerfeder- 
bälge sich  ansetzen.  Uebrigens  sind  die  Schwanz  wirbel  wie  der 
ganze  Abschnitt  kurz;  nur  bei  dem  ausgestorbenen  Archaeqiteryx 
(Fig.  331)  war  ein  langer,  dünner,  aus  zahlreichen,  z.  Th.  langge- 
streckten Wirbeln  zusammengesetzter  Schwanz  vorhanden  (ähnlich  wie 
bei  den  meisten  Sauriern).  —  An  den  Halswirbeln  finden  sich  kurze 
Rippen,  welche  ebenso  wie  die  der  Brust  oben,  wo  sie  sich  an  die 
Wirbel  ansetzen,  je  in  zwei  kurze  Aeste  gespalten  sind;  die  Hals- 
rippen sind  bei  den  erwachsenen  Vögeln  mit  den  Wirbeln  ver- 
schmolzen, bei  jungen  Individuen  dagegen  selbständige  Knochen.  An 
den  hinteren  Halswirbeln  werden  sie  allmählich  länger  und  bleiben 
hier  das  ganze  Leben  hindurch  gesondert;  diese  Rippen  bilden  den 
Uebergang  zu  den  Rippen  der  Brustwirbel1),  welche  bei  den 
Vögeln  aus  je  zwei  knöchernen,  unter  einem  Winkel  mit  einander 
verbundenen  Stücken  bestehen,  von  denen  das  untere  sich  an  den  Rand 
des  Brustbeins  heftet ;  vom  Hinterrande  des  oberen  Rippenstückes  ent- 


')  Gewöhnlich  nennt  man  den  ersten  Wirbel,  dessen  Rippe  sich  an  das  Brust- 
bein heftet,  den  ersten  Brustwirbel;  der  Uebergang  von  den  Hals-  zu  den  Brust- 
wirbeln ist  aber  thatsäclilich  ein  ganz  allmählicher  und  diese  Grenze  eine  künstliche. 


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456 


Spccieller  Theil. 


springt  ein  schräger  Fortsatz  {Processus  uncinatus),  eine  schmale 
Knochenplatte ,  welche  sich  über  die  folgende  Rippe  hinlegt;  beim 
jungen  Vogel  ist  er  ein  besonderer  Knochen  (fehlt  nur  bei  einzelnen 
der  jetzt  lebenden  Vögel;  auch  bei  Archaeopteryx  scheint  er  nicht 
vorhanden  gewesen  zu  sein).  —  Das  Brustbein  ist  ein  vollständig 
verknöcherter,  sehr  grosser,  breiter  Knochen,  welcher  den  grössten 
Theil  (oder  wenigstens  einen  grossen  Theil)  der  Unterseite  des 
Rumpfes  bedeckt ;  er  ist  fast  immer  mit  einem  grossen,  vorspringenden 
Mittelkamm  versehen,  welcher  einem  Theil  der  Flügelmuskeln  zum 
Ursprung  dient  und  nur  bei  gewissen  mit  rudimentären  Flügeln  ver- 
sehenen Vögeln  (namentlich  bei  den  Straussenvögeln)  fehlt,  bei  denen 
auch  das  Brustbein  selbst  von  geringerem  Umfang  als  gewöhnlich  ist ; 
oft  finden  sich  hinten  im  Brustbein  symmetrische  Löcher  oder  Ein- 
schnitte, welche  von  bindegewebigen  Häuten  ausgefüllt  sind.  Ein 
Vorderbrustbein  fehlt 

Der  Schädel  zeigt  eine  grosse  Uebereinstimmung  mit  dem  der 
Reptilien;  unter  den  jetzt  lebenden  Reptilien  sind  es  besonders  die 

Saurier,  mit  deren  Schädel  derjenige 
der  Vögel  Aehnlichkeit  darbietet:  er 
besitzt  nur  einen  Gelenkhöcker 
am  Hinterhaupte,  ein  ähnliches  Q  u  a  - 
d  r  a  t  b  e  i  n  und  ein  ähnliches  Verhält- 
niss  der  Gaumen-  und  Flügelbeine 
wie  der  Saurierschädel ;  derjenige  Theil 
des  Schädels,  welcher  zwischen  den 
grossen  Augen  liegt,  ist  zu  einer  senk- 
rechten Knochenplatte,  der  Interor- 
bital- oder  Augenhöhlenplatte, 
in  welcher  häutige  Stellen  vorhanden 
sein  können,  zusammengedrückt.  Für 
die  Vögel  charakteristisch  ist  die  starke 
Entwicklung  der  Zwischenkiefer- 
beine, welche  sehr  früh  zu  einem 
unpaaren  Knochen  verschmelzen;  sie 
bilden  den  ganzen  Rand  des  Ober- 
schnabels und  senden  ausserdem  einen 
langen  Ast  zwischen  die  äusseren  Na- 
senlöcher, fast  bis  an  die  Stirnbeine, 
hinauf;  die  Oberkieferbeine  sind  da- 
gegen verhältnissmässig  klein  und  liegen  innerhalb  des  hintersten 
Theils  der  Zwischenkieferbeine.  Von  dem  unteren  Ende  des  grossen, 
sehr  beweglichen  Quadratbeins  geht  eine,  hinten  von  dem  Flügel-, 
vorne  von  dem  Gaumenbein  gebildete,  Knochenbrücke  zum  Ober- 
schnabel (Ober-  und  Zwischenkieferbein)  hin;  an  der  Stelle,  wo 
Flügel-  und  Gaumenbein,  welche  beide  gestreckte  Knochen  sind,  an 
einander  stossen,  gleiten  sie  bei  den  meisten  Vögeln  an  dem  verdickten 
unteren  Rand  der  oben  genannten  Augenhöhlenplatte.  Von  dem 
unteren  Ende  des  Quadratbeins  geht  aber  noch  eine  zweite  Knochen- 
brücke, der  Jochbogen,  zum  Oberschnabel  hin,  ausserhalb  der  schon 
genannten ;  sie  erscheint  als  ein  dünner  Knochenstab  und  wird  hinten 
von  dem  Quadratjochbein  (Quadratojugah),  davor  von  dem  Joch- 
bein, zuvorderst  von  einem  Fortsatz  des  Oberkiefer beins  gebildet ; 
beim  erwachsenen  Vogel  sind  diese  Knochen  oft  verschmolzen.  Oben 


Fig.  318.  Schenintische  Figuren  zur 
Illustration  der  BewcgungdesOber- 
schnabels  bei  den  Vögeln,  n  Nascn- 
scheideirand,  h  hintere,  häutige  Partie 
derselben,  o  Augenhöhlenplatte,  l  Qua- 
dratbein, k  .lochbogen,  v  Flugelbein, 
g  Gaumenbein.  In  A  Ut  der  Schnabel 
emporgehoben,  in  B  gesenkt.  —  Orig. 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Vögel. 


457 


ist  der  Oberschnabel  durch  die  hinteren  oberen  Enden  der  Zwischen- 
kieferbeine und  durch  die  hinter  den  Nasenlöchern  liegenden  Nasen- 
beine mit  dem  übrigen  Theil  des  Schädels  verbunden;  der  hinterste 
Theil  der  genannten  Kno- 
chen (Zwischenkieler-  und 
Nasenbeine)  ist  aber  ab- 
geplattet, dünn  und  ela- 
stisch, —  zuweilen  (bei  den 
Papageien)  ist  sogar  die 
Knochenmasse  in  einem 
Streifen  quer  über  den- 
selben unterbrochen  und 
durch  einen  Querstreifen 
von  straffem  Bindegewebe 
ersetzt  — ,  und  da  der 
unterhalb  dieser  Stelle 
liegende  Theil  der  Nasen- 
scheidewand   häutig  ist, 

xr"_ _i    j      i    Ii    knorpelige  Wand  der  Nasenhöhle,  ol  seitliche»,  oa  oberes 
Sind^  die   Vogel    deSShalb   Hinterhauptsbein./,  Scheitel-,  pa  Gaumen-,  Vm  Zwischen- 


Fig.  319.  Schädel  eines  2  Tage  alten  Huhnchens. 
us  eines  der  Keilbeine,  d  Dentale,  <  Verknöcherung  im  vor- 
dersten Tbeil  der  Augenhöhlenplatte./Stirnbcin,  j  Jochbein, 
/  Thr&nenbein,  mx  Oberkieferbein,  n  Nasenbein,  na 


im  Stande  ihren  Ober 
Schnabel 
zu  bewegen; 
wegung  nach  oben  findet 
statt,  indem  das  untere  Ende  des  Quadratbeins  nach  vorne  bewegt 
wird,  wodurch  die  beiden  oben  erwähnten  Knochenbrücken  nach 
vorne  geschoben  werden  und 


kiefer-,  pt  Flügel-,  q  Quadratbein,  qj  Quadratjochbein, 
auf  Und  ab       Augenböhlenplatte,  »q  Schuppenbein,  1 1  Hörknochen, 
die    Be-  T  hÄuti8e  Partien  de8  Schädels  (schraffirt).     Die  noch 
knorpeligen  Theile  sind  punktirt.  —  Nach  K.  Parker. 


Fig.  820. 


Fig.  321. 


gegen  den  unteren  hinteren 
Theil  des  Oberschnabels  drü- 
cken, dessen  Spitze  dadurch 
nach  oben  bewegt  wird ;  die  Be- 
wegung nach  unten  findet  um- 
gekehrt statt,  indem  das  untere 
Ende  des  Quadratbeins  nach 
hinten  geführt  wird.  —  Von 
anderen  Charakteren  des  knö- 
chernen Vogelkopfes  ist  noch 
hervorzuheben,  dass  die  meisten 
Nähte  der  Knochen  früh,  schon 
beim  jungen  Thier,  verschwin- 
den, indem  die  Knochen  mit 
einander  verwachsen ;  ferner 
dass  die  Schädelhöhle  im  Ver- 
gleich mit  derjenigen  der  mei- 
sten Reptilien  eine  sehr  geräu- 
mige ist. 

Der  Schädel  ist  bei  den  Vö- 
geln ungefähr  aus  denselben  Kno- 
°,  °  .    .   .  ,  Fig.  320.  Schädel  eines  II  u  h  n  s  von  unten  ge- 

chen  zusammengesetzt  wie  bei  den  NheQ<  k  Geienkh5ckor,  y Jochbein,  ,m  Oberkiefer- 
Reptilien  (Vorder-  und  Hinter-  bein,  m  Nasenscheide  wand,  pa  Gaumenbein,  pm 
Stirnbein,  Querbein  und  Säulenbein  Zwischenkieferbein.;»/  FlUgclbein,  q  -  q  Quadratbein, 
fehlen  jedoch  immer).     Der  Vo-   W  O^adratjoehbem,  r  Vomer.  -  Nach  K  Parker. 

.*       .  -wy       i  Fig.  321.  Zungenbein  des  Huhns.  A  Zungen- 

mer   ist  ein  unpaarer  Knochen  Umbog**  (vordem Horn),  ftr,  erster  Ki 
von  verschiedener  Form,  bald  ZU-   (hinteres  Horn).  —  Nach  K.  l'arker. 


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4ÖR 


Specieller  Theil. 


sammengedrückt,  bald  ziemlich  breit  etc.,  welcher  auterhalb  der 
Partie  der  Nasenscheidewand  liegt  and  hinten  mit  den  Gaumenbeinen  zu- 
sammenhängt, ebenso  wie  er  auch  an  den  Bewegungen  der  letzteren  Theil 
nimmt.  Das  Thränenbein  liegt  am  Vorderrand  der  Augenhöhle  und 
bleibt  bei  manchen  Vögeln  das  ganze  Leben  hindurch  von  den  benachbarten 
Knochen  gesondert.  Der  Unterkiefer  besteht  aus  mehreren  Knochen 
auf  jeder  Seite,  von  welchen  der  vorderste  (Dentale)  bei  den  jetzt  lebenden 
Vögeln  sehr  früh  mit  dem  der  anderen  Seite  verwächst ;  bei  den  ausgestor- 
benen Zahnvögeln  (Othntornithes)  waren  sie  dagegen  getrennt. 

Das  Zungenbein  besteht  aus  einer  unpaarigen,  theilweise  ver- 
knöcherten Mittelpartie  (Copulae),  an  welche  sich  ein  Paar  sehr  kurze 
(zuweilen  fehlende),  den  Zungenbeinbogen  entsprechende  vordere 
Hörner  und  ein  Paar  lange  hintere  Hörner,  das  1.  Kiemen- 
bogenpaar,  ansetzen;  die  mittlere  Partie  zerfällt  meistens  in  zwei  bis 
drei  hinter  einander  liegende  Stücke.  Keines  der  ZungenbeinhÖrner 
tritt  mit  dem  Schädel  in  nähere  Verbindung;  die  hinteren  Hörner 
biegen  sich  um  den  hinteren  Theil  des  Schädels  herum,  bei  den  Spechten 
(deren  Zunge  besonders  ausstreckbar  ist)  sogar  weit  nach  vorne  bis 
an  die  Basis  des  Oberschnabels. 

Der  Schultergürtel  ist  aus  den  gewöhnlichen  Theilen  zu- 
sammengesetzt. Sowohl  Schulterblatt  als  Ooracoid  sind  voll- 
ständig verknöchert;  ersteres  ist  ein  platter,  schmaler,  säbelförmiger 

Knochen,  welcher  sich  gewöhnlich  unter  einem 
spitzen  oder  rechten  Winkel  mit  dem  Coracoid 
verbindet,  das  bei  den  Vögeln  in  der  Regel 
ziemlich  lang  und  schmal  ist  in  Vergleich 
mit  dem  der  Reptilien ,  dabei  aber  besonders 
kräftig;  sein  unteres,  breiteres  Ende  ist  am 
Vorderrand  des  Brustbeines  eingelenkt.  Bei 
den  Straussenvögeln  und  bei  einigen  Zahn- 
vögeln,  welche  ebenso  wie  jene  nicht  fliegen 
konnten,  liegen  beide  Knochen  mehr  einer 
in  der  Fortsetzung  des  andern  und  verschmel- 
zen mit  dem  Alter ;  das  Ooracoid  ist  bei  sol- 
chen kürzer  und  breiter.  Die  Schlüssel- 
v~'  H22  Br  tb  •  j  beine  sind  zwei  lange  dünne  Knochen, 
Sch,ntirKü'ru.i  de8rK»benn  vön  welcl,e  bei  d™  allermeisten  Vögeln  an  ihrem 
«ier  linken  Seite  Kcsehen  d  unteren  Ende,  wo  sie  durch  ein  Band  an 
Schlüsselbein,  co  Coracoid,  »c  das  Vorderende  des  Brustbeinkammes  gebef- 
SchuiterbUtt,  ,t  Brustbein  -  tet  sind?  mit  einander  verwachsen  (Gabel- 

ng'  k  n  o  c  h  e  n ,  Furctda) ;  mit  dem  anderen  Ende 

sind  sie  am  oberen  Ende  des  Coracoids  befestigt,  während  sie  übrigens 
durch  einen  grösseren  Zwischenraum  von  diesem  getrennt  sind.  Bei 
den  Straussenvögeln  und  einzelnen  anderen  sind  sie  rudimentär  oder 
fehlen.  —  Die  Vorderglied m  aassen  sind  gewöhnlich  sehr  lang. 
Die  Elle  ist  weit  kräftiger  als  die  Speiche;  die  Handwurzel  be- 
steht beim  erwachsenen  Vogel  nur  aus  zwei  Knochen1).  Die  Hand 
ist  sehr  schlank  und  besteht  nie  aus  mehr  als  drei  Fingern  mit  zuge- 
hörigen Mittelhandknochen :  von  den  fünf  Fingern  der  Reptilien  fehlen 

')  Der  eine  derselben  ist  das  Kadiale,  der  andere  entspricht  dem  Ulnare  -j- 
Intermedium.  Die  Handwurzelknochen  der  distalen  Reihe  sind  durch  ein  paar 
Knochen  reprasentirt,  welche  mit  den  Mittelhandknochen  verschmelzen. 


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Wirbelthiere.  5.  Classe:  Vögel. 


459 


hier  Nr.  4  und  5 Von  den  drei  Mittel handknochen  ist 
Nr.  1  kurz,  die  beiden  anderen  weit  länger;  alle  drei  sind  beim  aus- 
gebildeten Vogel  mit  einander  verwachsen,  Nr.  2  und  3  jedoch  nur 
an  den  beiden  Enden,  nicht  in  der  ganzen  Länge:  nur  bei  Archaeo- 
pteryx  waren  sie  getrennt.  Der  Daumen  ist  ein-  oder  zweigliedrig, 
Nr.  2  zwei-  oder  dreigliedrig.  Nr.  3  eingliedrig  (selten  zweigliedrig);  nur 
bei  Archaeopteryx  besass  Nr.  3  drei  oder  vielleicht  vier  Glieder.  Bei 
den  mit  Flugvermögen  ausgestatteten  Vögeln  liegt  der  Oberarm  in 
der  Ruhe  längs  des  Rumpfes  mit  dem  Ellbogenende  nach  hinten; 
der  Unterarm  ist  nach  vorne  gerichtet  und  liegt  längs  des  Oberarmes, 
die  Elle  nach  aussen;  und  die  Hand  ist  derart  im  Handgelenk  gebogen, 
dass  sie  längs  und  ausserhalb  des  Unterarmes  liegt,  mit  der  Spitze 
nach  hinten,  dem  inneren  Rand  (mit  dem  Daumen)  nach  aussen. 

Das  Becken  schliesst  sich  eng  an  das  der  Dinosaurier  an,  bietet 
eine  weitere  Entwicklung  des  letzteren  dar  (vergl.  S.  449).  Das 
Darmbein  ist  eine  langgestreckte 
Platte,  welche  mit  einer  langen  Reihe 
von  Wirbeln  (vergl.  S.  455)  verbunden 
ist ;  an  seinem  unteren  Rand  findet  sich 
die  Gelenkpfanne,  und  in  dieser  ver- 
bindet es  sich  mit  den  beiden  anderen 
Beckeuknochen,  welche  ebenfalls  je  einen 
Theil  der  Gelenkpfanne  bilden:  alle  drei 
sind  hier  beim  ausgebildeten  Thier  mit 
einander  verwachsen.  Das  Sitzbein 
ist  ein  kräftiger  Knochen,  welcher  nach 
hinten,  dem  hinteren  Theil  des  Darmbeins 
ungefähr  parallel,  gerichtet  ist;  bei  den  meisten  Vögeln  wächst  der 
hintere  Theil  des  Sitzbeins  mit  dem  Alter  am  Hüftbein  fest,  während 
es  bei  den  Zahnvögeln  und  bei  don  Straussenvögeln  sich  entweder 
ganz  frei  erhält  oder  nur  ganz  hinten  mit  dem  Darmbein  verwächst. 
Der  merkwürdigste  Abschnitt  des  Vogelbeckens  ist  jedoch  das  Scham- 
bein. Es  ist  ein  langer,  dünner  Knochen,  welcher  von  der  Gelenk- 
pfanne nach  hinten  gerichtet  ist  und  dem  Sitzbein  parallel  verläuft: 
häufig  ist  es  mit  letzterem  theil  weise  verwachsen.  Bei  einigen 
Vögeln  (Zahn-,  Straussen-,  Hühnervögeln)  entspringt  am  oberen  Ende 
des  Schambeins  dicht  vor  der  Gelenkpfanne  ein  kurzer  Fortsatz, 
welcher  jedoch  den  meisten  Vögeln  abgeht.  Dieser  Fortsatz  (X  Fig.  323) 
entspricht  dem  Haupttheil  des  Schambeins  der  Dinosaurier  und  dem 
Schambein  anderer  Reptilien,  während  das  übrige  Schambein  der 
Vögel  dem  hinteren  Fortsatze  des  Schambeins  der  Dino- 
saurier entspricht.  Uebrigens  ist  zu  bemerken,  dass  das  Becken 
der  Vögel  unten  ganz  offen  ist,  indem  weder  Sitz-  noch  Schambeim 
sich  unten  mit  denen  der  anderen  Seite  verbinden;  nur  beim 
afrikanischen  Strauss  ist  eine  untere  Verbindung  der  beiden  dünnen 
Schambeine  vorhanden.  —  Hinterglied maassen.  Das  Ober- 
schenkelbein ist  ein  verhältnissmässig  kurzer  Knochen;  das  Waden- 
bein ist  dünn,  unten  (mit  Ausnahme  von  Archaeopteryx)  unvollständig, 
zugespitzt;  das  Schienbein  ist  ein  langer,  kräftiger  Knochen,  welcher 


')  Bei  einigen  Vögeln,  welche  das  Flugyermögen  verloren  haben,  hat  eine 
weitere  Reduction  stattgefunden;  so  geht  den  Pinguinen  der  Daumen,  den  Kasuaren 
ausserdem  noch  Nr.  3  ab,  so  dass  letztere  nur  noch  einen  Finger  haben. 


Fig.  3'23.  Becken  eines  S  t  r  a  n  s  s  e  «. 
n  Gelenkpfanne,  i  Darmbein,  k  Sitz- 
bein, itk  Schambein,  u  die  Spalte 
zn 'lachen  beiden  letzteren,  X  vergl. 
den  Text.        Nach  I.ütken. 


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460 


Specieller  Theü. 


an  seiner  Vorderseite  oben  mit  einem  stark  entwickelten  Kamm  -ver- 
sehen ist  (ein  ähnlicher  ist  auch  bei  den  Dinosauriern  vorhanden, 
während  er  bei  anderen  Reptilien  sehr  schwach  ist).  Gewöhnlich  ist 
eine  knöcherne  Kniescheibe  vorhanden.  Von  Interesse  sind  die  Ver- 
hältnisse der  Fuss wurzel.  Ebenso  wie  bei  den  Reptilien  zerfallt 
sie  in  einen  oberen  und  einen  unteren  Abschnitt,  zwischen  denen  sich 
ein  sehr  bewegliches  Gelenk  befindet;  die  Fusswurzelknochen  des 
oberen  Abschnittes  sind  aber  nur  beim  jungen  Vogel  vom  Schienbein 
gesondert,  beim  erwachsenen  ohne  Grenzlinie  mit  letzterem  verwachsen, 
und  ebenso  verschmilzt  der  untere  Abschnitt  mit  dem  Mittelfuss,  so 
dass  beim  erwachsenen  Vogel  scheinbar  gar  keine  Fusswurzel  vor- 
handen ist.  Der  Fuss  besteht  niemals  aus  mehr  als  vier  Zehen, 
indem  Nr.  5  mit  zugehörigem  Mittelfussbein  immer  spurlos  fehlt.  Die 
Mittelfussknochen  Nr.  2,  3  und  4  sind  lang  und  nur  beim  Embryo 
getrennt,  später  fast  bis  an  die  Zehen  zu  einem  langgestreckten  schmalen 
Knochen  (dem  „Lauf")  verschmolzen  (mit  welchem,  wie  oben  erwähnt, 
auch  der  distale  Theü  der  Fusswurzel  verschmüzt);  dagegen  ist  der 
Mittelfussknochen  Nr.  1  getrennt,  aber  weit  kürzer  als  die  anderen 
und  am  distalen  Ende  dieser  festgeheftet.  Der  Daumen,  welcher  in 
der  Regel  nach  hinten  gerichtet  ist,  besteht  aus  zwei,  Nr.  2  aus  drei, 
Nr.  3  aus  vier,  Nr.  4  aus  fünf  Gliedern  (in  der  Regel)  —  alles  wie 
bei  den  Sauriern  und  Dinosauriern.  Nicht  selten  fehlt  der  Daumen,  sehr 
selten  (beim  afrikanischen  Strauss)  auch  Nr.  2;  Nr.  3  ist  in  der  Regel 
die  längste  Zehe. 

Das  Gehirn  ist  im  Vergleich  mit  dem  der  Reptilien  bei  den 
Vögeln  gross.  Namentlich  ist  das  Vorderhirn  stark  entwickelt; 
das  Hinterhirn  ist  ebenfalls  gross r  sein  mittlerer  Theü,  welcher 
in  die  Länge  gestreckt  und  mit  tiefen  Querfurchen  versehen  ist,  über- 


A  B 


Fig  324.  Gehirn  einer  Taube  von  oben  (A)  und  von  unten  (B).  b  Hinterhirn, 
/  Vorderhirn,  k  Zirbel,  l  Riechkolben,  im  Mittelhirn,  r  Rückenmark,  »  Sehnerv,  t'  Trichter. 
—  Nach  Jeffery  I'arker. 

deckt  sowohl  das  Nachhirn  als  den  mittleren  Theü  des  Mittelhirns, 
dessen  beide  Lappen  nach  der  Seite  geschoben  sind.  Diejenigen  unter 
den  jetzt  lebenden  Reptilien,  welche  den  Vögeln  in  Bezug  auf  die 
Entwicklung  des  Gehirns  am  nächsten  stehen,  sind  die  Krokodile. 


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Wirbelthiere.   6.  Clasae:  Vögel. 


461 


Das  Geruchsorgan  schliesst  sich  eng  an  das  der  Saurier  an; 
die  usseren  Nasenlöcher  sitzen  wegen  der  Länge  des  Zwischenkiefers 
in  der  Regel  etwas  von  der  Schnabelspitze  entfernt  oder  sogar  an 
der  Basis  des  Schnabels;  die  inneren  Nasenlöcher  münden  ziemlich 
weit  vorne  im  Munde  in  eine  Furche,  welche  theilweise  durch  seit- 
liche Längsfalten  überdeckt  wird  (vergl.  die  Reptilien).  An  der 
äusseren  Wand  der  Nasenhöhle  findet  sich  eine  stark  vorspringende, 
oft  spiralig  aufgerollte,  innerlich  von  einer  Knorpelplatte  gestützte 
Falte  (die  sogenannte  mittlere  Nasenmuschel),  welche  der  früher  er- 
wähnten Nasenmuschel  der  Reptilien  entspricht ;  ausserdem  finden 
sich  noch  zwei  andere  mehr  oder  weniger  entwickelte  Falten  (vordere 
und  obere  Nasenmuschel)1).  —  Das  Auge  und  seine  Nebenapparate 
sind  ebenfalls  denen  der  Reptilien  ähnlich.  Der  Augapfel  hat  eine 
sehr  bedeutende  Grösse.  Der  vordere  Theil  der  Sehnenhaut,  in 
welchem  ein  Kranz  von  Knochenplatten  sich  befindet,  hat  die  Form 
eines  kürzeren  oder  längeren  Kegels,  dessen  Spitze  abgeschnitten  ist  ; 

.4  B 


c 


Fig.  3*26.  /t  Auge  eines  Vogel«,  durchschnitten,  schematisirt.  e  Hornhaut,  eh  GtoflUa- 
haut,  ei  Strahlenkör]  er  (z.  Th.  von  der  Linse  verdeckt),  i  Iris,  /  Linse,  «  Sehnerv,  o  durch- 
schnittenes Knochenplättchen,  y  Kamm,  r  Netzhaut;  $  äusserer,  bindegewebiger,  s'  innerer 
knorpeliger  Theil  der  Sehnenhaut.  —  B  Schnitt  durch  das  Auge  einer  Eule,  um  die  etgen- 
thümliche  Fora  desselben  zu  zeigen.  —  Orig. 

die  fehlende  Spitze  des  Kegels  wird  durch  die  oft  stark  gewölbte 
Hornhaut  vertreten,  seine  Basis  wird  von  der  hinteren  gewölbten 
Partie  der  Sehnenhaut  geschlossen;  wenn  der  Kegel  hoch  ist  und 
seine  Wand,  wie  es  zuweilen  (z.  B.  bei  den  Eulen)  der  Fall  ist,  etwas 
nach  innen  gebogen  ist,  so  entfernt  die  Form  des  Augapfels  sich 
natürlich  sehr  von  der  gewöhnlichen  Kugelform,  während  sie  sich  in 
anderen  Fällen  von  dieser  wenig  unterscheidet.  Von  der  Hinterwand 
des  Augapfels  entspringt  ein  stark  entwickelter  häutiger,  gefalteter, 
pigmentirter  Fortsatz,  der  Kamm  (Pecten) ,  welcher  frei  in  den  Glas- 
körper hineinragt.    Von  den  beiden  Augenlidern  ist  das  untere 

')  In  die  Nasenhohle  mündet  der  Ausführungsgang  einer  grossen  Nasen  - 
drfise,  welche  gewöhnlich  ihren  Platz  an  der  Oberseite  des  Stirnbeins  hat  (bei 
Möwen  und  anderen  in  einer  länglichen  Vertiefung  längs  des  Augenhöhlenrandes) ; 
dieselbe  Drüse  findet  sich  bei  manchen  Reptilien,  hat  hier  aber  ihren  l'latz  an 
anderen  Stellen  des  Kopfes. 


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462 


Specialer  Theil. 


weit  grösser  und  beweglicher  als  das  obere  (wie  bei  den  Reptilien); 
es  ist  eine  wohlentwickelte  Nick  haut  vorhanden,  welche  durch  einen 
besonderen  Muskel  vor  das  Auge  hingezogen  wird.  Im  inneren  Augen- 
winkel findet  sich  eine  Harder'sche  Drüse  und  im  äusseren  eine  kleine 
Thränendrüse.  —  Gehörorgan.  Das  häutige  Labyrinth  schliesst 
sich,  namentlich  was  die  Ausbildung  des  Schneckenganges  be- 
trifft, eng  an  dasjenige  der  Krokodile  an.  Es  ist  ein  kurzer 
äusserer  Gehörgang  vorhanden,  an  dessen  Roden  das  Trommel- 
fell liegt  (vergl.  die  Reptilien);  die  Oeffnung  desselben  ist  von  regel- 
mässig geordneten  Federn  überdeckt  (ein  Ohrdeckel,  d.  h.  eine  bewegliche, 
die  Oeffnung  überdeckende  Hautfalte,  findet  sich  nur  bei  den  Eulen). 
Tu  der  Paukenhöhle  findet  sich  derselbe  Hör kn och en  wie  bei  den 
Reptilien ;  er  besteht  aus  einem  langen  Stiel  mit  einer  Platte  am  Ende, 
welche  das  ovale  Fenster  schliesst;  mit  dem  anderen  Ende,  welches 
mit  zwei  bis  drei  knorpeligen  Fortsätzen  versehen  ist,  heftet  er  sich 
an  das  Trommelfell.  Die  Ohrtrompeten,  welche  theilweise  in  die 
Schädelwand  (Keilbein)  eingeschlossen  sind,  vereinigen  sich  schliess- 
lich mit  einander  und  münden  mit  einer  unpaarigen  Oeffnung  in  die 
Mundhöhle. 

Darmkanal.  Zähne  fehlen  ')  spurlos  bei  allen  jetzt  lebenden 
Vögeln,  waren  aber  bei  Archaeopteryx  und  den  Zahnvögeln  in  den 
Kieferrändern  vorhanden;  die  Zähne  dieser  ausgestorbenen  Formen 
sind  einfach  kegelförmig  und  sitzen  ebenso  wie  bei  den  Krokodilen 
in  Zahnhöhlen  (bei  einigen  der  Zahnvögel  verschmelzen  letztere  in 
jedem  Kieferrand  zu  einer  zusammenhängenden  Rinne,  was  wir  auch 
z.  B.  bei  gewissen  Säugethieren  beobachten  können).  —  Die  Decke 
der  Mundhöhle  ist  gewöhnlich  mit  nach  hinten  gerichteten  stachel- 
artigen Warzen  versehen.  —  Die  Zunge  der  meisten  Vögel  ist  ab- 
geplattet, schmal ,  steif  und  hart  und  mit  einer  dicken ,  festen  Horn- 
schicht versehen ,  welche  besonders  am  vorderen ,  gewöhnlich  zuge- 
spitzten, Ende  stark  entwickelt  ist ;  seltener  ist  sie  dick  und  weich, 
so  bei  den  Papageien  und  beim  Flamingo ;  nicht  Belten  ist  sie  warzig 
oder  stachelig.  —  Die  Speiseröhre  ist  von  ansehnlicher  Länge  und 
ziemlich  weit.  Bei  manchen  (keineswegs  aber  bei  allen)  Vögeln  ist 
die  Speiseröhre  unten  am  Halse  zu  einem  Kropf  erweitert,  welcher 
bei  einigen  in  Form  einer  einfachen,  nicht  scharf  begrenzten  Er- 
weiterung der  Speiseröhre  auftritt,  während  es  bei  anderen  ein  mehr 
abgegrenzter,  in  die  Speiseröhre  mündender  Sack  ist.  In  der  Wand 
des  Kropfes  finden  sich  gewöhnlich  Drüsen,  welche  bei  den  Tauben 
in  der  Brutzeit  eine  stärkere  Entwicklung  erreichen  und  eine  milchige 
Flüssigkeit  ausscheiden ,  mit  welcher  die  Jungen  gefüttert  werden ; 
übrigens  ist  der  Kropf  wesentlich  ein  Reservoir  für  die  aufgenommene 
Nahrung.  —  Der  Magen  der  Vögel  zerfällt  in  zwei,  gewöhnlich  ziem- 
lich scharf  gesonderte  Abschnitte,  den  Drüsenmagen  und  den  Muskel- 
magen. Der  Drüsenmagen  ist  eine  kurze  Röhre,  welche  als  un- 
mittelbare, mehr  oder  weniger  verdickte  Fortsetzung  der  Speiseröhre 
erscheint;  in  seine  dicke  Wand  sind  zahlreiche  Drüsen  eingelagert, 
welche  zweierlei  Art  sind:  1)  grössere,  zusammengesetzte,  eine  ver- 
dauende Flüssigkeit  absondernde  Drüsen ,  welche  entweder  über  die 


*)  Die  längs  des  Schnabelrandes,  z.  B.  beim  Sägetaucher  (Mergu*),  vorhandenen 
„Zahne"  sind  lediglich  zahnähnliche  Vorspränge  dos  Randes  der  Schnabelscheide, 
also  Horngebilde. 


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Wirbelthiere.   6.  Claase:  Vögel. 


4<>:i 


ganze  Wand  vertheilt  oder  auf  begrenzte  Stellen  beschränkt  sind, 
und  2)  ganz  kleine  schlauchförmige  Drüschen,  welche  einen  die 
ganze  Innenfläche  des  Drüsen magens  deckenden  schleimigen  Ueberzug 
ausscheiden.  In  dem  untersten  Theil  des  Drüsenmagens,  an  der  Grenze 
des  Muskelmagens,  fehlen  die  grösseren  Drüsen,  der  Ueberzug  nimmt 
einen  festeren  Charakter  an  und  geht  allmählich  in  denjenigen  des 
Muskelmagens  über.  Der  Muskel  niagen  ist  ein  kurzer,  sackförmiger 
Theil  mit  musculösen  Wandungen;  er  besitzt  nur  eine  Form  von 
Drüsen,  nämlich  einfache,  dicht  gestellte  Drüsenschläuche,  denjenigen 
ähnlich,  welche  den  schleimigen  Ueberzug  des  Drüsenmagens  ab- 
scheiden. Das  Secret  dieser  Drüsen  ist  aber  ein  sehr  eigenthümliches: 
jedes  Drüschen  scheidet  eine  feste,  hornartige  Faser  aus,  welche  aus 
<ler  Drüsenöffnung  hervorragt  und  mit  den  benachbarten  Fasern  ver- 
klebt einen  hornähnlichen  Ueberzug1)  der  inneren  Seite  des 
Muskelmagens  bildet;  in  dem  Maasse  wie  der  freie  Theil  der  Faser 
abgenutzt  wird,  wird  diese  am  entgegengesetzten  Ende  durch  neue 
Absonderung  ergänzt.  An  der  äussern  Oberfläche  des  Muskelmagens 
findet  man  sowohl  an  der  Ober-  als  an  der  Unterseite  eine  Sehnen- 
scheibe, von  welcher  die  musculösen  Elemente  ihren  Ursprung  nehmen. 
Besonders  stark  ist  die  Muskulatur  der  Wand  bei  manchen  pflanzen-, 
besonders  samenfressenden  Vögeln  (z.  B.  Hühnern  und  Enten)  ent- 
wickelt, deren  Muskelmagen  jederseits  mit  einer  grossen,  aussen  stark 
gewölbten,  nach  innen  zu  platten  Muskelmasse  versehen  ist,  während 
sein  Hohlraum  sehr  klein  ist.  Bei  solchen  Vögeln  ist  der  Muskel- 
niagen  ein  echter  Kaumagen,  in  welchem  die  aufgenommenen 
Theile  zwischen  den  beiden  genannten  Muskelmassen  förmlich  zer- 
mahlen  werden ;  der  hornartige  innere  Ueberzug  ist  bei  ihnen  sehr  dick 
und  fest,  und  ausserdem,  verschlingen  sie  Sand  und  Steinchen,  wodurch 
die  Zerkleinerung  der  Nahrung  weiter  unterstützt  wird.  Bei  insekten- 
fressenden Vögeln  und  bei  Raubvögeln  ist  der  Muskelmagen  dagegen 
dünnwandig,  mit  schwacher  Muskulatur  und  geräumigem  Hohlraum. 
Die  Oeffnungen  des  Muskelmagens  in  den  Dünndarm  und  in  den 
Drüsenmagen  befinden  sich  stets  dicht  neben  einander.  —  Der  Dünn- 
darm ist  wohlentwickelt,  am  längsten  bei  den  Pflanzenfressern;  er 
setzt  sich  in  einen  fast  immer  kurzen  Enddarm  fort,  welcher  eine 
hinterste  erweiterte  Partie,  die  Kloake,  besitzt;  an  der  Grenze  des 
Dünn-  und  Enddarmes  münden  in  letzteren  gewöhnlich  zwei  Blind- 
därme, welche  bei  manchen  pflanzen-  und  allesfressenden  Vögeln 
von  bedeutender  Länge  sind,  während  sie  bei  Vögeln,  welche  von 
thierischer  Nahrung  leben,  meistens  ganz  kurz  oder  rudimentär  sind 
(dasselbe  kann  übrigens  auch  bei  anderen  der  Fall  sein,  die  Tauben 
besitzen  z.  B.  ganz  kurze  Blinddärme).  Bei  den  Vögeln  findet  sich 
eine  grosse,  braunrothe,  mit  Gallenblase  versehene  Leber  und  eine 
weissliche,  langgestreckte  Bauchspeicheldrüse,  welche  in  der 
ersten  Dünndarmschlinge  liegt2). 

')  Bei  den  Raubvögeln  und  anderen  fleischfressenden  Vögeln  hat  der  Ueberzug 
des  Muskelmagens  eine  weichere  Beschaffenheit. 

*)  An  der  dorsalen  Wand  der  Kloake  öffnet  sich  in  letztere  bei  jungen  Vögeln 
ein  kleiner  unpaarer  Sack,  die  Bursa  Fabricii,  in  deren  Wand  kleine  Epithelpartien 
eingebettet  sind,  welche  von  dem  den  Sack  auskleidenden  Epithel  her  in  die  Wand 
eingewachsen  und  später  von  dem  übrigen  Epithel  abgeschnürt  sind.  Der  Sack 
wird  meistens  später  rückgebildet  und  ist  beim  erwachsenen  Vogel  in  der  Regel 
verschwunden  oder  ganz  rudimentär;  seine  Bedeutung  ist  ganz  räthselhaft. 


464 


Specialer  Theil. 


Viele  Vögel  erbrechen  die  unverdaulichen  oder  schwer  verdaulichen 
Theile  des  Futters,  Knochen,  Haare,  Federn,  Insektenpanzer  etc.,  in  Klum- 
pen, den  sogenannten  Gewöllen;  die  bekanntesten  solcher  Gewölle  sind 
die  der  Eulen,  welche  meistens  hauptsächlich  aus  Mäusehaaren  und  -knochen 
bestehen,  aber  auch  verschiedene  andere  Vögel  liefern  ähnliche :  Mauersegler 
(Insektenüberreste),  Eisvogel  (Fischknochen),  Rabenvögel  etc. 

Die  Athmungsorgane.  Eine  Längsspalte  in  der  Mundhöhle 
dicht  hinter  der  Zunge  führt  in  den  kleinen  Kehlkopf  hinein,  welcher 
sich  in  die  Luftröhre  fortsetzt;  letztere  hat  bei  den  Vögeln  eine 
bedeutende  Länge  und  ist  mit  zahlreichen  knorpeligen  oder  knöchernen 
Ringen  ausgestattet;  sie  theilt  sich  unten  in  zwei  kurze  Aeste,  einen 
für  jede  Lunge.  Im  Kehlkopf  finden  sich  nicht  wie  bei  der  Mehrzahl 
der  anderen  luftathmenden  Wirbelthiere  Stimmbänder,  dagegen  be- 
sitzen die  meisten  Vögel  am  oberen  Ende  der  beiden  grossen  Luft- 
röhrenäste oder  Bronchi  —  an  der  Grenze  des  Luftröhrenstammes  — 
einen  eigentümlichen  Stimmapparat,  indem  an  der  Wand  der 
Bronchi  membranöse  Partien  (me  u.  mi  Fig.  328)  ausgebildet  sind, 
welche  nach  innen  gefaltet  werden  können  und  durch  die  aus  den 
Lungen  herausströmende  Luft  in  Schwingungen  versetzt  werden  (des 
Näheren  vergl.  unten).  —  Die  Lungen  sind  schwammige  Körper  von 


Fig.  32G.  Fig.  327. 

fr 


Fig.  826.    Die  Lungen  eines  11  Tage  alten  Hühnerembryoi.    t  Luftröhre,  /  An- 
lagen der  Luftsacke.  —  Nach  Selenka. 

Fig.  327.    Die  Lungen  einer  Tauhe.    tr  Luftröhre,  o  Oeflnungen  von  der  Lunge  in 
die  liier  weggelassenen  Luftsacke.  —  Nach  J.  Parker. 

etwas  complicirtem  Baue  (vergl.  unten),  welche  der  dorsalen  Wand 
der  Leibeshöhle  dicht  angeschmiegt  sind.  Es  sind  jedoch  eigentlich 
nur  gewisse  Theile  der  Lungen,  welche  diesen  spongiösen  Bau  be- 
sitzen; andere  Partien  sind  zu  grossen  dünnwandigen  Luft  sacken 
ausgebildet,  welche  durch  je  eine  grössere  OefFnung  mit  der  übrigen 
Lunge  in  Vorbindung  stehen  (vergl.  die  Chamäleonen).  Diese  Luft- 
säcke erstrecken  sich  zwischen  die  Eingeweide  hinein,  zwischen  ge- 
wisse Muskeln,  unterhalb  der  Haut  hin,  ja  sogar  mit  langen  Port- 
sätzen in  viele  der  Knochen,  z.  B.  der  Gliedmaassen-Knochen,  hinein, 
in  denen  sie  die  Stelle  der  Markräume  einnehmen :  die  Knochen  der 


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Wirbelthiere.   5.  Classe:  Vögel 


465 


Vögel  sind  daher  zum  grossen  Theil  pneumatisch1).  Diese  Aus- 
bildung von  Luftsäcken  hat  die  Bedeutung,  dass  der  Körper  dadurch 
ein  geringeres  specifisches  Gewicht  erhält;  die  Lungen  der  Vögel 
stellen  mit  anderen  Worten,  ebenso  wie  das  Tracheensystem  der  In- 
sekten, nicht  allein  einen  respiratorischen,  sondern  auch  einen 
aerosta tischen  Apparat  dar. 

Der  Stirn  map  parat  der  Vögel  hat  im  Allgemeinen  folgenden  Bau. 
Die  beiden  Bronchi  sind  am  oberen  Ende,  wo  sie  in  die  Luftröhre  Über- 
gehen, durch  einen  medianen  verknöcherten  Balken,  den  Steg,  getrennt  ; 
letzterer  hängt  mit  dem  letzten  Luftröhren  ring  zusammen.  Die  nach  der 
Mittellinie  gekehrte  Wand  der  Bronchi  ist  häutig  und  wird  als  innere 
Paukenhaut  bezeichnet.  Die  nach 
aussen  gekehrte  Seite  der  Bronchus- 
wand  ist  durch  knorpelige  oder  knö- 
cherne Halbringe  gestützt,  oft  ist  aber 
auch  hier  eine  häutige  Stelle,  die 
äussere  Paukenhaut,  vorhanden 
(welche  bei  anderen  durch  eine  in  das 
Lumen  des  Bronchus  vorspringende 
Verdickung  des  Bindegewebes  auf  einem 
der  Halbringe  ersetzt  sein  kann).  Auch 
das  andere  Ende  der  Luftröhre  selbst, 
welches  als  Trommel  bezeichnet 
wird,  ist  meistens  im  Dienste  der 
Stimmbildung  von  der  übrigen  Luft- 
röhre etwas  abweichend  ausgebildet, 
häufig  sind  z.  B.  die  letzten  Hinge  mit 
einander  verschmolzen,  oder  dieser  Ab- 
schnitt ist  zusammengedrückt,  oder 
aber  erweitert  etc.  Bei  den  Männchen 
der  Säger  (Mergus)  und  der  meisten 
Enten  besitzt  die  Trommel  eine  ein- 
seitige blasige  Ausstülpung  mit  ver- 
knöcherten Wänden,  die  Pauke  (oder 
das  Labyrinth). 

Zu  dem  oben  von  den  Athmungs- 
organen  Mitgetheilten  kann  übrigens 
noch  Folgendes  hinzugefügt  werden.  Bei  dem  Singschwan,  dem  Kranich  u.  a. 
ist  der  Kamm  des  Brustbeins  dick  und  ausgehöhlt  mit  einem  oberen  Ein- 
gang ;  in  die  Höhlung  legt  sich  eine  grosse  Schlinge  der  Luftröhre  hinein, 
ehe  diese  sich  in  die  LeibeBhöhle  hinein  begiebt ;  bei  anderen  Vögeln  findet 
man  ähnliche  Windungen  der  Luftröhre  unterhalb  der  Haut  (beim  Tetrao 
itrogattuss)  oder  in  der  Leibeshöhle.  —  Jeder  der  beiden  grossen  Luftröhren- 
äste setzt  sich  durch  die  zugehörige  Lunge  mit  einem  grossen  Luftgang 
fort,  welcher  schliesslich  in  einen  der  grossen  Luftsäcke  mündet,  unterwegs 
aber  Aeste  abgiebt;  diese  Aeste  (welche  thoilweise  ebenfalls  in  Luftsäcke 
ausgehen)  geben  zahlreiche  lange,  parallel  verlaufende,  dickwandige,  sechs- 
eckige Bohren  ab,  die  sogenannten  Lungenpfeifen,  jede  mit  einem  cen- 


Fig.  S28.  Schnitt  durch  das  untere  Endo 
der  Luftröhre  uud  die  obereu  Knden  der 
beiden  grossen  Luftröhren&ste  eines  Vogels; 
Schema,  b  Bronchi,  nw  Äussere,  mi  innere 
I'aukenhaut  *  Steg,  t  Trommel,  fr  Luftröhre. 
I  -IV  die  vier  unteren  Ringe  der  Luftröhre; 
1  oberster  Halbring  des  einen  Bronchus.  — 
Orig. 


')  Es  mag  hier  bemerkt  werden,  dass  die  Vögel  nicht  die  einzigen  Thiere  mit 
pneumatischen  Knochen  sind ;  auch  die  Flugsaurier  und  ein  Theil  der  Dinosaurier 
beBassen  solche,  und  man  muss  demnach  annehmen  dass  sie  ebenso  wie  die  Vögel 
mit  Luftsäcken  ausgestattet  waren. 

Boas,  Zoologie.  80 


466 


Specieller  Theil. 


tralen,  kreisrunden  Lumen,  von  welchem  zahlreiche,  etwas  verästelte,  radiäre 
feine  Kanälchen  in  die  dicke  Wand  ausstrahlen;  diese  Kanülchen  sind 
vom  Capillarnetz  umsponnen  und  stellen  die  eigentlichen  respiratorischen 
Theile  der  Lunge  dar.  —  Die  Lufthöhlen,  welche  im  Kopf  vorhanden  sind 
(in  den  Knochen  des  Schädels  etc.),  stehen  bei  der  Mehrzahl  der  Vogel 
nicht  mit  den  Lungen  in  Verbindung,  sondern  sind  Ausstülpungen  der 
Nasenhöhle  und  der  Paukenhöhle ;  bei  einigen  comrauniciren  sie  aber  mit 
Luftsäcken  am  Hals.  —  Die  Einathmung  geschieht  bei  den  Vögeln 
wesentlich  durch  Bewegungen  der  Rippen,  wodurch  das  Brustbein  nach 
aussen  bewegt  und  die  Leibeshöhle  erweitert  wird.  Die  Wirkung  wird 
durch  gewisse  Muskeln  (die  Lungenmuskeln)  unterstützt,  welche  von  der 
Innenseite  der  Leibeshöhlenwand  (von  den  Rippen  und  dem  Brustbein) 
entspringen  und  sich  an  eine  die  ventrale  Seite  der  Lungen  überziehende 
fibröse  Haut  heften;  durch  ihre  Zusammenziehung  werden  die  Lungen  er- 
weitert. 

Das  Herz  und  die  grossen  von  demselben  entspringenden 
Arterien8tärame    erweisen    sich    als   Modificationen    des   bei  den 


Fig.  329.  Schemata  des  Herzens  und  der  Arterieubogen  eines  Krokodils  (A)  und 
eines  Vogels  (B).  a  rechter,  a'  linker  Vorhof;  r  rechte,  v'  linke  Herzkammer;  uo  Aort*. 
/,  2,  4  erster,  zweiter  und  vierter  Arterienbogen  der  rechten  Seit«,  f,  2\  4'  dieselben  der 
linken  Seite  (c  und  w  siehe  Fig.  308.)  —  Orig. 

Krokodilen  vorgefundenen  Verhaltens.  Sowohl  Vorhof  als  Herz- 
kammer sind  vollständig  in  einen  rechten  und  einen  linken  Theil  ge- 
sondert, der  Herzkegel  fehlt.  Der  linke  Aortenbogen  (linker  Arterien- 
bogen Nr.  2),  welcher  bei  denKrokodilen  von  der  rechten  Herzkammer 
entspringt,  fehlt  hier  völlig;  die  Aorta  wird  somit  ausschliesslich 
von  dem  aus  der  linken  Herzkammer  entspringenden  rechten  Aorten- 
bogen gebildet;  im  Uebrigen  sind  die  Verhältnisse  wie  bei  den 


.4 


B 


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Wirbelthiere.   5.  Class*:  Vogel 


4fi7 


Krokodilen.  Es  findet  somit  keine  Mischung  von  arteriellem  und 
venösem  Blut  bei  den  Vögeln  statt:  das  venöse  Körperblut  geht  in 
den  rechten  Vorhof,  von  diesem  in  die  rechte  Kammer,  von  letzterer 
in  die  Lungen;  das  arterielle  Blut  aus  den  Lungen  geht  in  den 
linken  Vorhof,  von  diesem  in  die  linke  Kammer,  von  hier  in  den 
Körper. 

Die  Nieren  sind  längliche,  dunkelrothe  Körper,  welche  in  der 
Beckenregion  dicht  unterhalb  der  Wirbelsäule  liegen;  sie  füllen  die 
Zwischenräume  zwischen  den  Querfortsätzen  aus,  und  an  der  ventralen 
Fläche  sind  sie  durch  Quereinschnitte  in  mehrere  (meistens  drei) 
Lappen  getheilt.  Zuweilen  verschmelzen  beide  Nieren  an  ihrem 
Iiinenrand  in  grösserer  oder  geringerer  Ausdehnung  mit  einander. 
Die  Harnleiter  münden  getrennt  in  die  Kloake;  eine  Harnblase  fehlt. 
Der  Harn  ist  dickflüssig,  weisslich. 

Von  den  Eierstöcken  ist  bei  den  Vögeln  nur  der  linke  aus- 
gebildet, ausnahmsweise  ist  jedoch  ein  rudimentärer  rechter  Eierstock 
vorhanden ;  bei  manchen  Tagraubvögeln  (Falken,  Habichten,  Bussarden) 


A  B 


Fig.  330.    Geschlechts-  und  Harnapptrat,  A  einer  weiblichen,  B  einer  mann 
liehen  Taube.   <*  Eierstock,  <r'  grosser  Graafscher  1-ullikel,  iel  linker  Eileiter,  <W  rudimen- 
tärer rechter  Eileiter,  k  Kloake,  n  Niere,  sl  Samenleiter,  /  Hoden,  Ir  Trichter  am  Ende  des 
Eileiters,  «  Harnleiter.  —  Nach  Jeffery  Parker. 

kommt  ein  solches  Rudiment  (und  zwar  ein  recht  grosses)  ziemlich 
constant  vor.  Wegen  der  Grösse  der  Eier  treten  die  Graafschen 
Follikel  an  der  Oberfläche  des  Eierstockes  stark  hervor,  und  letzterer 
erhält  dadurch  ein  traubiges  Aussehen.  Von  den  Eileitern  (den 
Müller'scben  Gängen)  ist  ebenfalls  nur  der  linke  vollständig  entwickelt 
(ein  Rudiment  des  rechten  dagegen  häufig  vorhanden);  in  der  Fort- 
pflanzungszeit ist  der  Eileiter  ein  langer  und  dicker,  ausserhalb  dieser 
Zeit  ein  dünnerer  Schlauch,  welcher  sich  mit  einem  grossen  Trichter 
in  die  Leibeshöhle  öffnet;  nicht  weit  von  der  Einmündung  in  die 
Kloake  besitzt  er  einen  erweiterten  Abschnitt,  den  Ei  hält  er  (Uterus), 
in  welchem  die  Schale  gebildet  wird.  —  Die  Hoden,  welche  beide 

30* 


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468 


Specieller  Theil. 


wohl  entwickelt  sind  (zuweilen  ist  jedoch  der  linke  der  grössere), 
liegen  vor  den  Nieren;  die  Samenleiter,  welche  von  je  einem  kleinen 
Nebenhoden  entspringen,  haben  einen  gewundenen  Verlauf  und  münden 
getrennt  in  die  Kloake,  meistens  auf  einer  kleinen  Papille.  Die 
Hoden  sind  ausserhalb  der  Begattungszeit  sehr  klein,  während  sie  in 
der  Fortpflanzungszeit  eine  ansehnliche  Grösse  erreichen.  —  Ein  wohl 
entwickelter  Penis  ist  nur  bei  den  Männchen  einer  geringen  Anzahl 
von  Vögeln  vorhanden :  bei  Straussenvögeln,  Entenvögeln  und  einzelnen 
anderen  (bei  den  übrigen  rudimentär  oder  ganz  fehlend).  Er  ent- 
spricht dem  Begattungsorgan  der  Schildkröten  und  der  Krokodile: 
er  hat  seinen  Platz  an  der  ventralen  Wand  der  Kloake,  die  freie 
Spitze  ist  nach  hinten  gerichtet,  an  der  Oberfläche  ist  er  mit  einer 
Rinne  versehen,  an  deren  vorderem  Ende  die  Samenleiter  ausmünden : 
durch  die  Kinne  fliesst  während  der  Begattung  der  Samen.  Bei  den 
Entenvögeln  ist  der  Penis  korkzieherförmig,  bei  den  anderen  zungen- 
oder  wurstförmig ;  die  Spitzenpartie  ist  meistens  einstülpbar.  Bei  den 
Vögeln,  deren  Männchen  mit  einem  Penis  versehen  sind,  besitzen  auch 
die  Weibchen  ein  rudimentäres  Begattungsorgan  (Clitoris). 

Sehr  häufig  sind  grössere  oder  geringere  äussere  Geschlechtsunter- 
schiede zu  beobachten:  häufig  ist  das  Männchen  etwas  oder  viel  grösser 
(bei  Hühnervögeln  u.  a.),  seltener  kleiner  als  das  Weibchen  (bei  Raubvögeln), 
oft  ist  das  Männchen  durch  besondere  Entwicklung  gewisser  Federn  (Pfau, 
Paradiesvögel  etc.),  durch  eigentümliche  Hautfortsätze  (Sporn  des  Hahns  etc.) 
oder  durch  lebhaftere  Färbung  ausgezeichnet. 

Die  meisten  Vögel  pflanzen  sich  jährlich  nur  einmal  fort  (in  ge- 
mässigten Gegenden  im  Frühling),  andere  mehrmals  im  Jahre  (z.  B. 
der  Haussperling).  Gewöhnlich  leben  sie  während  der  Fortpflanzungs- 
zeit (selten  zeitlebens)  paarweise:  Monogamie;  seltener  hat  jedes 


Die  Eier  der  Vögel  sind  von  sehr  bedeutender  Grösse  und  ent- 
halten eine  grosse  Menge  von  Nahrungsdotter.  Indem  sie  den  Eileiter 
passiren,  werden  sie  zuerst  von  einer  Eiweissmasse ,  dann  von  der 
letztere  umgebenden  Schalenhaut  und  schliesslich  im  Eihälter  von 
einer  festen  Kalkschale  umhüllt;  sämmtliche  Umhüllungen  werden  von 
den  Drüsen  der  Eileiterwand  abgesondert.  Die  Eier  werden  entweder 
von  den  Weibchen  allein  .oder  von  Weibchen  und  Männchen  gemein- 
schaftlich, selten  von  den  Männchen  allein  ausgebrütet  (letzteres 
beim  afrikanischen  Strauss  und  bei  einzelnen  anderen  Vögeln) ;  häufig 
ist  der  brütende  Vogel  mit  sogenannten  Brut  flecken  versehen, 
Hautstellen,  wo  die  Federn  ausgefallen  sind,  so  dass  die  Eier  direkt 
mit  der  warmen  Haut  in  Berührung  kommen  können.  Vor  dem  Eier- 
legen bauen  sich  die  Vögel  meistens  ein  Nest,  auf  oder  in  welches 
die  Eier  gelegt  werden  (selten  werden  die  Eier  auf  die  blosse  Erde 
gelegt).  Im  einfachsten  Fall  schleppen  sie  nur  eine  spärliche  Menge 
von  Aestchen,  Strohhalmen.  Federn  etc.  zusammen  und  legen  die 
Eier  darauf;  in  anderen  Fällen  werden  ähnliche  Sachen  zu  einem 
korbförmigen  oder  gar  kugeligen  Nest  verwoben ;  seltener  bauen  sie 
sich  ein  Nest  aus  Lehm,  Mist  u.  dergl.  und  aus  eigenem  Speichel 
(Schwalben  u.  a.)  oder  aus  Speichel  allein  (Salangane).  Die  Nester 
werden  von  einigen  Vögeln  auf  der  Erde  angelegt,  andere  nisten  in 
gegrabenen  oder  natürlichen  Erdlöchern  (Uferschwalbe,  Papagei- 
taucher), in  Baumlöchern  (Spechte  etc.),  auf  Bäumen  etc.  Meistens 
bauen  Männchen  und  Weibchen  gemeinschaftlich  das  Nest.  Im  All- 


Männchen  mehrere 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Vögel. 


469 


gemeinen  verlassen  die  Jungen  nicht  sofort  nach  der  Geburt  das 
Nest,  sondern  bleiben  einige  Zeit  in  demselben  und  werden  von  den 
Eltern  gefüttert  („Nesthocker") ;  seltener  („Nestflüchter")  sind  sie 
gleich  im  Stande  sich  selbst  zu  ernähren  (meistens  allerdings  unter 
der  Obhut  der  Mutter).  —  Das  neugeborene  Junge  ist  in  der  Regel 
nicht  unerheblich  von  dem  Erwachsenen  verschieden ;  es  ist  mit  Dunen 
bekleidet  oder  fast  nackt  und  in  der  Färbung  abweichend;  die  Form 
des  Schnabels  ist  häufig  eine  andere  als  später  (z.  B.  bei  manchen 
Singvögeln);  auch  die  Nahrung  ist  häufig  von  derjenigen  des  Er- 
wachsenen verschieden  (so  füttern  z.  B.  viele  körnerfressende  Vögel 
ihre  Jungen  mit  Insekten)1).  Auch  ist  dasjenige  Gefieder,  welches 
an  die  Stelle  des  Dunenkleides  tritt,  sehr  häufig  von  dem  des  älteren 
Vogels  wesentlich  abweichend. 

Während  einige  Vögel  sich  das  ganze  Jahr  hindurch  an  derselben 
beschränkten  Localität  aufhalten  :Standvögel,  unternehmen  andere 
kleinere  oder  grössere  Ausflüge  oder  wirkliche  Wanderungen.  Den 
Standvögeln  am  nächsten  stehen  die  Strich vö gel ,  welche  innerhalb 
eines  grösseren  Gebietes  umherstreifen.  Auch  die  sogenannten 
Wechsel  vögel,  welche  sich  zu  einer  Zeit  des  Jahres  etwa  auf  den 
Bergen,  zu  einer  anderen  in  den  benachbarten  Thälern  aufhalten,  oder 
nach  Bedürfniss  den  Wald  mit  dem  freien  Lande  vertauschen  etc., 
stehen  noch  den  Standvögeln  nahe.  Weiter  entfernen  sich  die  Zug- 
v  ö  gel,  welche  sich  dadurch  auszeichnen,  dass  sie  alljährlich  in  einem 
kälteren  Klima  brüten  und  in  einem  mehr  oder  weniger  entfernten 
wärmeren  Lande  den  Winter  zubringen.  Die  Zugvögel  schlagen  bei 
ihren  Wanderungen  bestimmte  Wege,  Zugstrassen,  ein,  deren 
eigenthümliche  Richtungen  offenbar  in  dem  Bedürfniss  begründet 
sind ,  dass  die  Vögel  während  der  ganzen  Wanderung  so  weit  wie 
möglich  nur  Gegenden  berühren,  welche  ihren  natürlichen  Aufent- 
haltsorten einigermaassen  entsprechen:  Küstenvögel  bewegen  sich 
hauptsächlich  in  Linien,  welche  an  den  Meeresküsten  oder  nöthigenfalls 
an  den  Flüssen  entlang  laufen,  Sumpfvögel  ziehen  mit  Vorliebe  durch 
Sumpfgegenden  oder  längs  Flüssen  etc.  Hin-  und  Rückweg  sind 
meistens  dieselben.  Die  meisten  Vögel  ziehen  in  grossen  Schaaren, 
zuweilen  mehrere  Arten  mit  einander.  Indem  ältere  und  jüngere  Vögel 
zusammen  wandern,  wird  die  Kenntniss  des  Weges  immerfort  den 
neuen  Generationen  überliefert  und  bewahrt ;  „instinctiv"  können  die 
Vögel  natürlich  den  Weg  nicht  finden,  während  allerdings  bei  den 
Zugvögeln  häufig  ein  ererbter  unbestimmter  Wandertrieb  zu  erkenuen 
ist,  welcher  sich  auch  bei  jungen  gefangenen  Vögeln  als  eine  gewisse 
Unruhe  zu  der  Zeit  äussert,  wenn  das  Ziehen  stattfindet.  Die  Ab- 
reise aus  den  kälteren  Gegenden  findet  zu  verschiedener,  für  jede  Art 
aber  ziemlich  bestimmter,  Zeit  statt,  meistens  im  Herbst,  für  einige 
Arten  schon  im  August  oder  Juli ;  die  Ankunft  in  denselben  findet 
vom  Februar  bis  Mai  statt  (für  Deutschland),  und  zwar  kommen  die- 
jenigen Vögel  am  spätesten  an,  welche  am  frühesten  weggehen.  Die 
meisten  in  Deutschland  brütenden  Zugvögel  überwintern  in  Süd- 
europa und  Nordafrika. 

Es  ist  unschwer  zu  erkennen,  dass  die  Wanderungen  der  Vögel  über- 


')  Viele  jungen  Vb>el  besitzen  vorne  an  der  Oberseite  dea  Schnabels  einen 
kleinen  fest  verhornten  Höcker,  mit  welchem  sie  die  Eischale  beim  Verlassen  des 
Eies  zerbrechen. 


470 


Speoieller  Theil. 


haupt,  und  auch  der  Zug,  wenigstens  ursprünglich  durch  das  Nahrungs- 
bodürfhiss  veranlasst  sind :  beobachtet  man  doch,  dass  gewisse  Vögel,  welche 
für  gewöhnlich  nioht  ziehen,  in  strengen  Wintern  bei  Mangel  an  Nahrung 
nach  Süden  reisen,  während  andererseits  in  milden  Wintern  einige  Zugvögel 
in  dem  Lande,  wo  sie  brüten,  zurückbleiben.  Dem  gegenüber  ist  aber  auch 
hervorzuheben,  dass  das  Ziehen  bei  den  meisten  Vögeln  dermaassen  instinctiv 
geworden  ist,  dass  sie  auch  bei  reichlich  vorhandener  Nahrung  wegziehen, 
sich  überhaupt  bei  ihrer  Wanderung  nicht  mehr  direkt  von  der  Nahrung 
abhängig  zeigen. 

Die  Vögel,  welche  über  alle  Theile  der  Erdoberfläche,  wo  über- 
haupt organisches  Leben  vorhanden  ist,  verbreitet,  am  reichsten  aber 
in  den  Tropen  vertreten  sind,  bilden  eine  in  der  Jetztzeit  sehr  zahl- 
reiche, aber  ziemlich  einförmige  Ordnung.  Geologisch  betrachtet,  sind 
die  Vögel  die  jüngste  der  Wirbelthierclassen  (von  den  Lanzettfischen 
abgesehen,  welche  ausschliesslich  aus  der  Jetztzeit  bekannt  sind), 
indem  der  älteste  bekannte  Vogel  aus  der  Juraformation  stammt, 
aus  welcher  Formation  nur  dieser  Vogel  allein  bekannt  ist,  so  dass 
das  Vogelleben  zweifellos  damals  noch  sehr  spärlich  entwickelt  war: 
eine  grössere  Anzahl  kennt  man  aus  der  Kreideformation  (sämmtliche 
Zahnvögel),  zahlreiche  aus  der  Tertiärformation. 


Die  Jungen  sind, 

wenn  sie  das 
Ei  verlassen,  von 
einem  dichten 
Dunenkleid 
bedeckt. 


Die  Jungen  sind 

beim  Verlassen 
des  Eies  fast  nackt 
und  sehr  hülflos. 


üebersicht  der  Ordnungen  der  Vögel1). 

1.  Echsenvögel.  Schwanzwirbelsäule 
länger  als  der  Rumpf.  Zähne  vor- 
handen. 

2.  Zahnvögel.  Schwanzwirbelsäule 
kürzer  als  der  Rumpf.  Zähne  vor- 
handen. 

3.  S trau ss en  vögel.  Flügel  zum  Flug 
unbrauchbar.     Kräftige  Laufbeine. 

4«  Hühnervögel.  Kurzer,  schwach  ge- 
bogener Schnabel.  Gangfüsse.  Flügel 
kurz,  gewölbt. 

5.  Schwimmvögel.  Mit  Schwimm- 
füssen3). 

6.  Wat vögel.    Mit  Watbeinen. 

7.  Raubvögel.  Schnabel  kräftig, 
stark  gebogen.  Raubfüsse. 

8.  Singvögel.  3  Vorderzehen,  Hinter- 
zehe gross,  für  sich  beweglich. 

9.  Schreivögel.  3  Vorderzehen,  die 
Hinterzehe  kleiner ,  wird  zugleich 
mit  den  Vorderzehen  bewegt. 

10.  Klettervögel.  2  Vorder-,  2 
terzehen. 


Hinterzehe 
in  der  Regel 
klein. 


Hinterzehe 
in  der  Regel 
wohl  ent- 
wickelt. 


*)  Die  systematische  Anordnung  der  Vögel  bietet  bei  der  grossen  Einförmigkeit 
derselben  grosse  Schwierigkeiten  dar;  mehrere  der  hier  aufgeführten  Ordnungen 
sind  keine  natürlichen  Gruppen. 

*)  Wegen  der  Begriffe  Sohwimmfuss,  Watbein  etc.  vergl.  die  Beschreibungen  der 
betreffenden  Ordnungen. 


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Wirbelthwre.   5.  Claseo:  Vögel. 


471 


1.  Ordnung.   Echsenvögel  (Saururae). 

Von  dieser  Ordnung  kennt  man  nur  eine  einzige  Art,  Archaeo- 
pteryx lithographica,  aus  der  Juraformation  (dem  lithographischen 
Schiefer).  Von  allen  bekannten  Vögeln  steht  aer  Archaeopteryx  den 
Reptilien  am  nächsten.  Er  zeichnet  sich  in  erster  Linie  durch  den 
sehr  langen,  aus  20  grösstenteils  langgestreckten  Wirbeln  bestehenden 
Schwanz  aus,  an  welchem  die  Steuerfedern  —  deren  Abdrücke  man 
in  der  Gesteinsmasse  gefunden  hat  —  in  einer  Reihe  an  jeder  Seite 
angebracht  waren:  ferner  dadurch,  dass  die  Mittelhandknochen 


Fig.  331.  ArchatopUryr.  1—  3  erster— dritter  Finger,  /'  erst«,  4'  vierte  Zehc,^  Waden- 
lx»in,  t7  Darmbein,  mcj  erstes,  wcj  drittes  Mittelhandbein,  n  Nasenloch,  o  Augenhöhle,  r  Halt- 
rippen, ra  Speiche,  u  Elle,  r  ist  möglicher  Weise  ein  Gelenk,  vielleicht  aber  auch  eine  Bruch- 
stelle (unter  letzterer  Voraussetzung  ist  der  dritte  Finger  dreigliedrig,  unter  ersterer  viergliedrig). 
—  Orig.  (mit  Benutzung  der  Figuren  von  Dames). 


getrennt  und  alle  drei  Pinger  wohl  entwickelt  und  mit  grossen  Krallen 
versehen  waren  (was  aus  der  Form  des  äussersten  Fingergliedes  zu 
erkennen  ist);  durch  das  Vorhandensein  von  kegelförmigen  Zähnen 
an  den  Kieferrändern.  Von  anderen  Charakteren  sind  hervorzuheben, 
dass  den  ziemlich  dünnen  Brustrippen  der  schräge  Fortsatz,  wie  es 
scheint,  fehlt,  dass  die  Halsrippen  länger  als  bei  anderen  Vögeln  sind, 
dass  der  Hals  und  die  Beckenpartie  kürzer,  die  Brustpartie  dagegen 
länger  ist  als  bei  den  Vögeln  im  Allgemeinen  (die  Brustwirbel 
scheinen  auch  beweglicher  als  sonst  gewesen  zu  sein) ,  dass  die  End- 
flächen der  Wirbelkörper,  wie  es  scheint,  abgeplattet  (nicht  sattel- 
förmig) sind,  und  dass  das  untere  Ende  des  Wadenbeines  vollständig, 
nicht  zugespitzt  ist  (es  ist  sogar  unten  ein  wenig  erweitert).  Aus 
den  wohlerhaltenen  Abdrücken  der  grossen  Schwungfedern  ist  zu  er- 
sehen, dass  der  Archaeopteryx  ein  guter  Flieger  war;  die  Grösse  war 
etwa  diejenige  einer  Taube.   (Nur  in  zwei  Exemplaren  bekannt,  beide 


472 


Speeieller  Theil. 


unvollständig;  Brustbein,  Becken,  Coracoid  nicht  oder  mangelhaft 
bekannt.) 

2.  Ordnung.    ZahnVÖgel  (Odontomithes). 

Die  Zahnvögel,  welche  in  mehreren  Arten  aus  der  Kreide- 
formation (Nordamerika)  bekannt  sind,  sind  im  Ganzen  den  jetzt 
lebenden  Vögeln  sehr  ähnlich,  unterscheiden  sich  aber  durch  den  Be- 
sitz von  Zähnen  in  den  Kieferrändern.  Einige  derselben  (lchthyornis) 
besitzen  Wirbelkörper,  deren  vordere  und  hintere  Endflächen  beide 
schwach  ausgehöhlt  sind;  bei  anderen  (Hesperornis)  verhalten  die 
Wirbel  sich  wie  bei  den  jetzt  lebenden  Vögeln.  Die  Unterkiefer- 
hälften waren  vorne  nicht  verschmolzen.  Das  Becken  ist  dadurch 
ausgezeichnet,  dass  Darmbein  und  Sitzbein  hinten  nicht  verschmolzen 
sind.  Uebrigen8  sind  ziemlich  verschiedene  Formen  in  dieser  Gruppe 
vereinigt :  einige  waren  Flieger,  andere  besassen  wie  die  Straussenvögel 
rudimentäre  Flügel. 

3.  Ordnung.   Straussenvögel  (Raütae). 

Der  hervorragendste  Charakter  der  Ordnung  ist  der  r  ü  c  k  g  e  - 
bildete  Zustand  der  Flügel,  welche  niemals  zum  Flug  ge- 
braucht werden  können;  oft  sind  sie  sogar  völlig  rudimentär.  Das 
Brustbein  ohne  Kamm.  Die  Hintergliedmaassen,  denen  eine  Hinter- 
zehe in  der  Regel  abgeht,  sind  gewöhnlich  sehr  kräftig,  zum  Lauf 
eingerichtet,  die  Krallen  kurz  und  stumpf.  Die  Federn  sitzen  nicht 
in  Fluren,  sondern  sind  ziemlich  gleichmässig  über  den  ganzen  Körper 
vertheilt  (es  finden  sich  übrigens  nackte  Partien,  z.  B.  an  der  Innen- 
seite der  Vordergliedmaassen  beim  Strauss  und  Nandu) ;  zwischen  den 
Federn  finden  sich  keine  Dunen ;  Schwung-  und  Steuerfedern  ge- 
wöhnlich nur  wenig  von  den  übrigen  Federn  verschieden.  Keine 
Bürzeldrüse. 

Wenn  wir  die  Straussenvögel  an  diese  Stelle,  unmittelbar  nach  Archaeo- 
pteryx  und  den  Zahnvögeln,  stellen,  so  geschieht  das,  weil  sie  in  mehreren 
Punkten  ursprünglichere  Züge  aufweisen  als  andere  jetzt  lebende 
Vögel.  So  berühren  z.  B.  die  Gaumenbeine  nicht  den  unteren  Rand  des 
Schädels,  sondern  liegen  mehr  von  der  Mittellinie  entfernt  (wie  bei  den 
Sauriern),  ein  Charakter,  den  sie  nur  mit  einer  einzelnen  kleinen  Gruppe 
von  Hühnervögeln1)  theilen  (hei  Archaeopteryx  und  den  Zahnvögeln  ist 
diese  Partie  unbekannt);  die  Knochen  des  Schädels  bleiben  länger  als 
bei  anderen  Vögeln  getrennt  (ebenso  die  Halsrippen);  das  Sitzbein  ver- 
wächst nicht  oder  ganz  hinten  mit  dem  Darmbein  (wie  bei  den  Zahnvögeln) ; 
der  zweite  Finger  der  Vordergliedmaassen  besitzt  eine  ziemlich  wohl  ent- 
wickelte Kralle.  In  verschiedenen  anderen  Punkten  weichen  sie  dagegen 
weit  von  dem  ursprünglichen  Verhalten  ab :  der  Zustand  der  Flügel  ist 
offenbar  ein  abgeleiteter  (d.  h.  die  Strausse  stammen  von  fliegenden  Vögeln 
ab);  das  Fehlen  des  Brustbeinkammes  ist  von  dem  Verluste  des  Flugver- 
mögens und  der  Rückbildung  der  Flugmuskeln  abzuleiten;  Aehnliches  gilt 
von  dem  Zustande  der  Federn  etc. 

')  Nämlich  den  Steisshühnern  oder  Tinamu's  (Crypturidae),  einer  Ab- 
theilung von  Hühnervögeln,  welche  durch  einen  langen  Schnabel,  sehr  kurze  oder 
fehlende  Steuerfedern  (so  dass  sie  kurzschwänzig  oder  schwanzlos  erscheinen)  und 
eine  sehr  kleine  (oder  fehlende)  Hinterzehe  ausgezeichnet  ist.  Sie  leben  in  Süd- 
amerika. 


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Wirbelthiere.  5.  Cime:  Vögel. 


473 


Die  meisten  Straussenvögel  sind  Thiere  von  sehr  ansehnlicher 
Grösse:  sie  sind  wesentlich  Steppenthiere ,  welche  in  den  wärmeren 
Theilen  der  südlichen  Halbkugel  leben.  Sie  sind  vorzugsweise 
Pflanzenfresser  (nehmen  auch  kleines  Gethier).  Die  Männchen  be- 
sorgen entweder  allein  oder  hauptsächlich  das  Brutgeschäft. 

1.  Die  Straussenfamilie  (StruÜiionidae).  Schnabel  kurz  und  breit; 
.Federn  ohne  Nebenfahne ;  Flügel  verhältnissmässig  gut  entwickelt ,  mit 
Daumen  und  grossen  Federn ;  kleinere  oder  grössere  Federn  am  Schwanz. 
Hierher  gehören :  Die  Nandu'g  (RJiea)  mit  drei  Zehen ,  in  Südamerika. 
Ferner  der  afrikanische  Strauss  (Struthio  camdu*)  mit  nur  zwei 
Zehen  (No.  3  und  4),  von  denen  die  innere  eine  groBBe  Kralle  trägt, 
während  die  äussere  mit  einer  nur  kleinen  Kralle  versehen  ist,  welche  von 
einer  sie  umgebenden  grosse  Hautfalte  verdeckt  ist  (wenn  sie  nicht  ganz 
fehlt) ;  Flügel  mit  sehr  grossen,  Schwanz  ebenfalls  mit  ansehnlichen  Federn ; 
in  Afrika  und  Westasien. 

2.  Die  Kasuar familie  (Ihomaeidae).  Schnabel  kurz;  an  den 
Federn  sind  Haupt-  und  Nebenfahne  von  gleicher  Grösse;  Flügel  sehr 
schwach,  daumenlos;  Schwanz  kaum  angedeutet;  drei  Zehen.  Die  Kasuare 
( Casuarim)  haben  oben  am  Kopfe  einen  knöchernen,  mit  Horn  bedeckten 
Kamm,  einen  zusammengedrückten  Schnabel,  5  lange,  starke  astlose  Feder- 
schäfte an  jedem  Flügel;  in  Neuguinea,  den  Molucken  und  im  nördlichen 
Neuholland.  Die  Emu 's  (Dromaeus)  mit  plattem  Schnabel,  ohne  Kamm 
und  ohne  nackte  Federschäfte,  leben  in  Neuholland.  —  Zu  derselben 
Familie  gehören  die  theil weise  riesigen,  ausgestorbenen  Moa-Vögel 
(Dinornw  u.  a.) ,  von  welchen  einige  eine  Hinterzehe  besassen;  sie  lebten 
auf  Neuseeland,  einige  bis  vor  wenigen  Jahrhunderten. 

3.  Die  Kiwi 's  (Aptctyx)  sind  kleine,  kurzbeinige  und  kurzhalsige 
Straussenvögel  (etwa  von  HühnergrösseJ  mit  langem,  dünnem  Schnabel,  an 
welchem  die  Nasenlöcher  dicht  an  der  Spitze  angebracht  sind ;  Federn  ohne 
Nebenfahne;  Flügel  ganz  rudimentär;  Hintergliedmaassen  mit  einer  kleinen 
Hinterzehe.    Leben  von  Insekten  u.  dergl.  Neuseeland. 

4.  Ordnung.   Hühnervögel  (Rasores). 

Schnabel  kurz,  an  der  Spitze  schwach  gebogen.  Gangfüsse: 
kräftige  Füsse  mit  kleiner  Hinterzehe,  welche  höher  eingelenkt  ist 
als  die  übrigen  Zehen,  und  mit  schwach  gebogenen,  kurzen,  nieder- 
gedrückten Krallen  ;  selten  mit  grosser  Hinterzehe.  Die  Flügel  in 
der  Regel  kurz,  abgerundet,  gewölbt.  Die  Hühnervögel  sind  durch- 
gängig Vögel  von  etwa  mittlerer  Grösse ;  sie  sind  weniger  gute  Flieger, 
halten  sich  zumeist  auf  der  Erde  auf,  sind  in  der  Regel  Allesfresser, 
scharren  mit  ihren  Krallen  Samen,  Larven,  Würmer  etc.  hervor. 
Nicht  wenige  leben  in  Polygamie,  in  welchem  Falle  das  Männchen 
gewöhnlich  grösser  und  prächtiger  gefärbt  ist  etc.  als  das  Weibchen. 
Die  Eier  werden  meistens  auf  der  Erde  abgelegt  und  vom  Weibchen 
bebrütet;  die  neugeborenen  Jungen  sind  kräftiger  als  diejenigen  der 
meisten  anderen  Vögel  und  können  sofort  umherlaufen. 

1.  Die  Waldhühner- Gruppe  (Tciraonomorphae).  Die  Nasen- 
löcher und  der  Grund  des  Schnabels  mit  dichten  Federn  bedeckt.  Mittel- 
fusB  mehr  oder  weniger  befiedert,  ohne  Sporn.  Hierher  gehören:  Das 
Haselhuhn  (Tetrwte.s  bonam)  in  Gebirgswaldungen  Deutschlands  (auch 
in  Skandinavien  etc.),  Mittelfuss  nur  in  seiner  oberen  Hälfte  befiedert; 


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474 


Spocicller  Theil. 


lebt  in  Monogamie,  und  $  ungefähr  gleich.  Der  Auerhahn  (Tetrao 
uroyaüus)  und  der  Birkhahn  (T.  tetiix),  beide  in  Deutschland  in 
Waldungen ,  stattliche  Vögel ,  ersterer  der  grössere ;  der  Mittelfuss  beider 
ganz  befiedert,  die  Zehen  dagegen  nackt;  leben  in  Polygamie,  die  Männchen 
viel  grösser  als  die  Weibchen,  letztere  braun,  erstere  schwärzlich.  Die 
Schneehühner  (Lagopus)  haben  den  ganzen  Fuss  befiedert ;  sie  sind  im 
Sommer  braun,  im  Winter  gewöhnlich  weiss ;  beide  europäische  Arten  leben 
nur  in  kälteren  Gegenden;  die  eine,  L.  mutus,  gehört  ausschliesslich  dem 
hohen  Norden  und  den  Alpen  an,  die  andere,  L.  albus,  kommt  noch  inner- 
halb der  Grenzen  Deutschlands  (Ostpreussen)  vor.  Das  Steppenhuhn 
(Syrrhaptes  parad&xus)  zeichnet  sich  durch  seine  langen  Flügel  und  durch 
die  kurzen,  befiederten  Füsse  aus,  welche  keine  Hinterzehe  besitzen;  es  ist 
auf  den  Steppen  Westasiens  zu  Hause,  ist  aber  in  den  letzten  Jahrzehnten 
zu  wiederholten  Malen  in  grossen  Schaaren  (1863,  1888)  in  Europa  (auch 
iu  Deutschland)  eingewandert,  ohne  sich  jedoch  dauernd  anzusiedeln. 

2.  Die  Fasan-Gruppe  (Phasianomorjihac).  Die  Nasenlöcher  nackt, 
mit  einem  kleinen  gewölbten  Deckel.  Der  Mittelfuss  des  Männchens  in  der 
Kegel  mit  einem  Sporn  (selten  mit  zwei  solchen)  versehen ,  welcher  beim 
Weibchen  rudimentär  ist. 

a.  Die  Fasan-Familie  (P)iasianidae).  Schwanz  um  eine 
Mittelaxe  zusammengebogen,  dachförmig.  Häufig  nackte  Anhänge  am  Kopf. 
Sporn  vorhanden.  Männchen  und  Weibchen  sehr  verschieden.  Südasien. 
Hierzu  gehören:  Das  Haushuhn  (Gallus  domesticus)  mit  einem  nackten 
Hautkamm  auf  dem  Kopfe,  <J  mit  langen,  gebogenen  Schwanzdeckfedern; 
es  stammt  vom  Bankiva-Huhn  (G.  bankiva)  ab.  Ferner  die  Fasane 
(Phasianm),  von  denen  eine  Art  (Ph.  colchicus)  an  vielen  Stellen  in  halb- 
gezähmtem ZuBtand  gehalten  wird;  sie  zeichnen  sich  durch  ihren  langen, 
spitzen  Schwanz  aus  (die  Steuerfedern  selbst  sind  verlängert). 

b.  Die  Pfau-Familie  (Pamnidae).  Schwanz  abgeplattet, 
ziemlich  lang;  Sporn  vorhanden.  Der  Pfau  (Pavo  cristatus)  mit  einem 
Federbusch  am  Kopf;  $  mit  ausserordentlich  langen  Schwanzdeckfedern, 
welche  emporgerichtet  werden  können;  Ostindien.  Das  Truthuhn  (Me~ 
leagris  gaüojtaro),  Kopf  und  Hals  nackt,  ein  weicher  Hautfortsatz  hängt 
von  der  Oberseite  des  Kopfes  am  Grunde  des  Schnabels  herab;  Nord- 
amerika. 

c.  Die  Rebhuhn-Familie  (Perdicidae).  Schwanz  abge- 
plattet, kurz;  Sporn  fehlt  oft.  In  Deutschland  leben  das  gemeine  Reb- 
huhn (PerdLc  cinerea)  und  die  Wachtel  (Gotumix  communis),  von  welchen 
letztere  Zugvogel  ist  und  in  Polygamie  lebt;  beide  haben  eine  nackte 
Hautstelle  hinter  dem  Auge ,  es  fehlt  ihnen  der  Sporn ,  ß  und  $  ziemlich 
gleich.  Das  Perlhuhn  (Namida  meleayris),  mit  nacktem  Kopf,  welcher 
einen  grossen  knöchernen  Aufsatz  trägt,  grau  mit  weissen  Flecken,  ohne 
Sporn,  ist  in  Afrika  zu  Hause. 

3.  Die  Hokko's  (Oracidae:  Gatt.  Onuc  etc.)  Grosse  Vögel  mit 
ziemlich  langem  Mittelfuss,  gebogenen  und  spitzen  Krallen,  langem  Schwanz ; 
Schnabel  am  Grunde  mit  einer  „Wachshaut"  überzogen ,  oft  ein  grosser 
Höcker  auf  der  Schnabelwurzel,  häufig  eine  aus  aufgerichteten ,  nach  vorne 
gebogenen  Federn  gebildete  Haube  auf  dem  Scheitel.  Brüten  in  Bäumen. 
Mexico  und  Südamerika. 

4.  Die  Grossfusshühner  oder  Talegalla's  (Gatt.  Mcgapo- 
dius  etc.)  zeichnen  sich  durch  die  Länge  der  Krallen  und  die  kräftige  Aus- 
bildung der  Hinterzehe  auB,  welche  auf  gleicher  Höhe  mit  den  übrigen 
Zehen  eingelenkt  ist.    Sie  Bind  dadurch  besonders  merkwürdig,  daas  sie 


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Wirbelthiere.  5.  Classe:  Vögel. 


475 


ihre  sehr  grossen  Eier  nicht  ausbrüten,  sondern  dieselben  entweder  in  einen 
Haufen  von  zusammengetragenen  Pflanzentheilen,  in  einen  Sandhaufen  oder 
in  eine  im  Sande  gegrabene  Vertiefung  ablegen ;  die  Eier  werden  dann  ent- 
weder durch  die  Wärme  ausgebrütet,  welche  durch  die  Gährung  der  Pflanzen- 
stoffe  entsteht,  oder  einfach  durch  die  Sonnenhitze.  Die  Jungen  verlieren 
das  Dunenkleid  achon  im  Ei  und  schlüpfen  mit  ausgebildetem  Federkleide 
aus.    Australien,  Philippinen. 

5.  Ordnung.    Schwimmvögel  {Natahres). 

Die  Füsse  sind  im  Allgemeinen  Sch wimmf  üsse,  d.  h.  es  ist 
zwischen  den  Vorderzehen,  fast  bis  an  die  Spitze  derselben,  eine  Haut 
ausgespannt.  In  der  Regel  sind  die  Füsse  kurz,  die  Krallen  kurz, 
niedergedrückt,  die  Hinterzehe  meistens  sehr  klein,  das  untere  Ende 
des  Unterschenkels  nackt,  mit  Schuppen  bedeckt.  Der  Schwanz  in 
der  Regel  kurz.  Das  Gefieder  dicht,  elastisch.  Die  Schwimmvögel 
sind  im  Stande,  mittels  der  Hintergliedmaassen  zu  schwimmen, 
nicht  wenige  können  sogar  mehr  oder  weniger  tief  unter  die  Ober- 
fläche des  Wassers  hinunter  schwimmen:  tauchen  ')>  wobei  sie  öfters 
die  Flügel  mit  als  Schwiramwerkzeuge  benutzen;  andere  können  nur 
den  Kopf,  Hals  und  Vorderleib  unter  das  Wasser  bringen,  während 
der  übrige  Körper  oberhalb  des  Wassers  bleibt.  Der  Gang  ist  meistens 
weniger  gut;  das  Flugvermögen  ist  bei  einigen  gut,  bei  anderen  mehr 
oder  weniger  rückgebildet. 

1 .  Die  Möwengruppe  (Lonyipermes).  Lange,  spitze  Flügel,  kurze 
Hinterzehe,  spaltförmige,  seitlich  am  Schnabel  angebrachte  Nasenlöcher; 
Schwanz  wohl  entwickelt.  Die  meisten  sind  Küstenvögel  (einige  können 
aber  auch  an  süssen  Gewässern  leben)  und  ernähren  sieh  von  Fischen  und 
anderen  Meeresthieren ,  nach  welchen  sie  sich  in  der  Regel  auf  das  Meer 
niederstürzen;  vorzügliche  Flieger.  Die  Möwen  (Larus)  sind  grössere 
hellgefärbte  Vögel  mit  einem  an  der  Spitze  gebogenen  Schnabel  und  einem 
quer  abgeschnittenen  Schwanz ;  mehrere  Arten  an  den  Küsten  Deutschlands. 
Beiden  Raubmöven  (Lestris)  sind  die  beiden  mittleren  Steuerfedern 
länger  als  die  übrigen ;  Furchen  am  Schnabel .  dunkle  Farben ;  sie  ver- 
folgen andere  Meeresvögel,  wenn  diese  eine  Beute  gemacht  haben,  und  er- 
greifen letztere,  wenn  jene  sie  fallen  lassen;  ausserdem  fischen  sie  selbst 
und  treten  als  echte  Raubvögel  auf,  indem  sie  Vögel  und  kleinere  Säuge- 
thiere  rauben;  nordische  Yögel,  an  den  Küsten  Deutschlands  selten.  Die 
8eeschwalben  (Sterna)  weichen  von  den  Möwen  durch  ihren  langen, 
geraden,  spitzen  Schnabel  und  den  gegabelten  Schwanz  ab ;  mehrere  Arten 
in  Deutschland. 

2.  Die  Sturmvögel  ( Tubinarea)  unterscheiden  sich  besonders  da- 
durch von  der  vorhergehenden  Gruppe,  dass  die  Nasenlöcher  oben  auf 
dem  Schnabel  am  Ende  zweier  Röhren  sitzen,  welche  längs  des  oberen 
Schnabelrandes  liegen.  Werden  in  der  Regel  auf  offenem  Meere  angetroffen. 
Hierzu  gehören  der  möwenähnliche,  hochnordische  Eissturmvogel  (Ful- 
marus  glacialis),  die  kleine,  dunkle  gefärbte  Sturmschwalbe  oder 
St.  Peters  vogel  (Prof'eUaria  peiagica) ,  im  Atlantischen  Meer ,  und  der 
grosse  Albatross  {Dioniedea  exulatw)  auf  der  südlichen  Halbkugel,  beim 
Kap  etc.;  letzterem  fehlt  die  Hinterzehe. 

')  Im  Gegensatz  zu  solchen  Schwimmtauchern  werden  diejenigen  Vögel, 
welche  sich  während  des  Fluges  aus  der  Luft  unter  das  Wasser  hinabstürzen,  als 
Stosstaucher  bezeichnet. 


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476 


Specieller  Theil. 


3.  Die  Ruderfüssler  (Skganopodes)  haben  eine  grosse,  nach  innen 
gerichtete  Hinterzehe,  welche  durch  eine  Schwimmhaut  mit  den  übrigen 
drei  Zehen  verbunden  ist,  so  dass  hier  also  eine  Schwimmhaut  zwischen 
allen  vier  Zehen  vorhanden  ist  (Ruderfuss).  Schnabel  lang,  gerade,  in  der 
Regel  mit  nach  unten  gebogener  Spitze.  Die  schwarze  Scharbe  oder 
der  Kormoran  {Urmrulm  rarbo)  ist  ein  dunkel  gefärbter  Vogel  mit 
schmalem ,  an  der  Spitze  hakig  gebogenem  Schnabel ;  brütet  gesellig  in 
Bäumen  in  der  Nähe  des  Meeres  oder  süsser  Gewässer,  ernährt  sich  von 
Fischen ;  fast  durch  ganz  Europa,  Asien,  Nordamerika  (im  Winter  auch  in 
Afrika).  Die  Pelikane  {Pelemnm)  sind  weiss  mit  röthlichem  oder  gelb- 
lichem Anfluge;  der  Schnabel  lang,  gerade,  breit,  an  der  Spitze  hakig 
gebogen;  die  Haut  zwischen  den  Unterkieferästen  sehr  erweiterungsfähig, 
bildet  in  ausgedehntem  Zustande  einen  grossen  Sack  (zum  Aufbewahren 
der  Beute) ;  Zunge  rudimentär ;  zwei  Arten  in  Südeuropa,  welche  sich  bis- 
weilen nach  Deutschland  verfliegen.  Der  Fregattvogel  {Tachyjtttes 
aquila)  mit  langen  spitzen  Flügeln,  gabeligem  Schwanz  und  schwach  ent- 
wickelter Schwimmhaut,  lebt  auf  offenem  Meere  innerhalb  der  Wendekreise. 
Der  Tölpel  (Sula  Itassana),  mit  langen  Flügeln  und  einem  langen,  kraftigen, 
spitzen  Schnabel ,  stürzt  sich  nach  seiner  Beute  tief  in's  Wasser  hinein ; 
häufig  bei  Island  und  den  Färbern,  selten  an  der  deutschen  Nordseeküste. 

4.  Die  Steissfüssler  (Pygopodes).  Flügel  schwach  entwickelt,  aber 
mit  gewöhnlicher  Befiederung.  Schnabel  verschieden.  Schenkel  und  grösster 
Theil  des  Unterschenkels  in  die  Rumpfhaut  eingeschlossen,  aus  welcher  nur 
das  unterste  Ende  des  Unterschenkels  dicht  beim  After  hervorragt  Schwanz 
kurz.  Der  Körper  wird  beim  Gange  aufrecht  gehalten.  Sie  tauchen  nach 
Fischen,  Schalthieren  u.  Aehnl.    Gehören  der  nördlichen  kalten  Zone  an. 

a.  Die  Seetaucher  (Colymbus)  besitzen  gewöhnliche  Schwiram- 
füsse  mit  einer  kleinen  Hinterzehe,  Schnabel  lang,  spitz,  gerade.  Hoch- 
nordische Vögel,  welche  am  Süsswasser  nisten;  eine  Art  (C.  septentrwnalis) 
kommt  im  Winter  häufig  in  Deutschland  vor.  —  Die  Steissfüsse  oder 
Lappentaucher  (Podiceps)  sind  den  Seetauchern  ähnlich,  unterscheiden 
sich  aber  dadurch,  dass  eine  zusammenhängende  Schwimmhaut  nicht  vor- 
handen ist,  sondern  jede  Vorderzehe  jederseits  einen  breiten  Hautsaum 
( »SpaltschwimmfuBsJ  besitzt ;  sie  bauen  ein  schwimmendes  Nest  auf  stehenden 
Gewässern;  mehrere  Arten  brüten  in  Deutschland. 

b.  Die  Alkenfamilie  (Alcidae)  unterscheiden  sich  von  den 
vorigen  durch  den  Mangel  einer  Hinterzehe.  Sie  brüten  gesellig  am  Meere. 
Dazu  gehören:  Die  Lummen  (Uria)  mit  ziemlich  langem,  geradem,  zu- 
gespitztem, zusammengedrücktem  Schnabel ;  brüten  besonders  an  den  nörd- 
lichen Meeren,  zwei  Arten  kommen  im  Winter  häufig  an  die  Ost-  und  Nord- 
seeküsten.  Der  Alk  (Alra  tarda)  mit  stark  zusammengedrücktem,  ge- 
furchtem, etwas  gebogenem  Schnabel ;  brütet  im  hohen  Norden ,  kommt  im 
Winter  häufig  an  die  deutschen  Küsten.  Mit  letzterem  verwandt  ist  der 
in  unserem  Jahrhundert  ausgestorbene,  grosse  Geiervogel  oder  Riesen- 
alk (Alca  impcnnix),  dessen  rückgebildete  Flügel  zum  Flug  völlig  unbrauch- 
bar waren ;  er  lebte  bei  Island,  Neufundland  etc. ,  in  sehr  alter  Zeit  auch 
an  den  dänischen  Küsten.  Der  Lund  oder  Papageitaucher  (Momion 
fratercttla)  hat  einen  noch  stärker  zusammengedrückten,  hohen,  gefurchten 
Schnabel ;  er  gräbt  sich  lange  Röhren  in  die  Erde  und  nistet  in  denselben ; 
brütet  hauptsächlich  an  den  Küsten  des  hohen  Nordens  (Islands  etc.). 

5.  Die  Pinguine  (Jmpewits)  sind  eine  sehr  abweichende  Gruppe 
von  Vögeln,  welche  besonders  dadurch  ausgezeichnet  sind,  dass  die  ziemlich 
kleinen  Vordergliedmaassen  in  allen  Gelenken  mit  Ausnahme  des  Schulter- 


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Wirbelthiere.   5.  Claase:  Vögel.  477 

gelenkes  unbeweglich  und  mit  kleinen,  schuppenähnlichen  Federn  bedeckt 
sind  (keine  besonders  entwickelten  Schwungfedern) ;  sie  sind  natürlich  als 
Flugwerkzeuge  unbrauchbar,  werden  aber  beim  Schwimmen  benutzt.  Ebenso 


Fig.  332.    K  i ese na  1  k.  —  Nach  Brehm.  Fig.  333.    Pinguin.  —  Nach  Brehm. 

wie  die  Alken  haben  die  Pinguine  einen  aufrechten  Gang  und  treten  (wie 
einige  der  Alken)  mit  dem  ganzen  Fuss  auf,  dessen  Mittelfuss  kurz  und  breit 
ist ;  die  kleine  Hinterzehe  ist  nach  vorn  gewendet.  Der  Schwanz  ist  sehr 
kurz.  Die  Federn  sind  gleichmässig  vertheilt,  sitzen  nicht  in  Fluren. 
Leben  auf  der  südlichen  Halbkugel. 

6.  Die  Entenvögel  (Lamtllirostres).  Grosser,  in  der  Regel  breiter, 
am  Grunde  höherer,  gegen  die  Spitze  abgeplatteter  Schnabel,  welcher  grössten- 
theils  mit  einer  weichen  Haut  bedeckt  ist,  nur  an  der  Spitze  des  Ober- 
schnabels eine  nagelähnliche,  feste  Hornplatte ;  längs  der  Kieferränder  eine 
Reihe  kleiner,  in  der  Regel  plattenförmiger  Fortsätze.  Dicke  weiche  Zunge. 
Kleine  Hinterzehe. 

a.  Die  Enten  (Anaiinae)  sind  kleinere  Entenvögel  mit  kurzem 
Hals  und  breitem,  plattem  Schnabel  mit  einer  kleinen  Hornplatte ;  das 
Männchen  prächtiger  als  das  Weibchen  gefärbt;  Winter-  und  Sommerkleid 
verschieden.  Zugvögel.  Hierzu  gehören  die  Stockente  (Amis  boschas), 
Stammform  der  Hausente,  ferner  die  Krickente  (A.  crerca),  die 
Knäckente  (A.  querquedula),  die  Löffelente (^1.  clypmt/i),  deren  8chnabel 
sehr  gross  und  mit  langen  Randblättchen  versehen  ist,  etc.;  alle  diese  und 
mehrere  andere  kommen  in  Deutschland  vor,  mit  Ausnahme  der  Stockente 
und  Knäckente  brüten  sie  aber  ausschliesslich  oder  überwiegend  in  nörd- 
licheren Gegenden. —  Die  Tauchenten  (Fnligulinae)  weichen  von  den 
Enten  durch  den  Besitz  eines  kleinen  Hautlappens  an  der  Hinterzehe  ab, 
welcher  jenen  abgeht,  und  dadurch,  dass  sie  tauchen  können;  die  meisten 
sind  hochnordische  Vögel,  mehrere  erscheinen  im  Winter  an  den  deutschen 
Küsten.  Zu  dieser  Abtheilung  gehört  die  Eiderente  (Somateria  mollissima), 
welche  auf  den  Färöern,  bei  Island  und  Grönland  massenhaft,  in  geringerer 
Anzahl  auf  mehreren  dänischen  Inseln  und  auf  Sylt  brütet.  —  Die  Säger 
(Merginae:  Gatt.  Mergus  u.  a.)  weichen  dadurch  von  den  Tauchenten  ab. 


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478 


Specieller  Theil. 


dass  der  Schnabel  schmal,  an  der  Spitze  hakig  gebogen  und  am  Rande 
mit  zahnartigen  Fortsätzen  versehen  ist.    Mehrere  Arten  in  Deutschland. 

b.  Die  Gänse  (Anserinae).  Grössere,  ziemlich  langhalsige  und 
hochbeinige  Entenvögel  ohne  Hautlappen  an  der  Hinterzehe,  Schnabel  an 
der  Wurzel  hoch  und  mit  einer  grossen  Hornplatte  an  der  Spitze.  Im 
Gegensatz  zu  den  übrigen  Entenvögeln,  welche  sich  von  Gethier  ernähren 
oder  Allesfresser  sind,  ernähren  sich  die  Gänse  vorzugsweise  von  Pflanzen, 
welche  sie  mit  ihrem  Schnabel  abweiden;  auch  leben  sie  weit  mehr  auf 
dem  Lande  als  die  übrigen.  In  der  Regel  kein  bedeutender  Geschlechts- 
unterschied. In  Deutschland  brütet  die  Graugans  (Atiser  citirreus),  die 
Stammform  der  Hausgans;  mehrere  nordische  Gänse  kommen  auf  dem 
Zug  nach  Deutschland. 

c.  Die  Schwäne  (Oygnus).  Grosse,  sehr  langhalsige,  aber  kurz- 
beinige Entenvögel,  die  Hinterzehe  ohne  Hautlappen,  Schnabel  an  der 
Wurzel  hoch,  an  der  Spitze  abgeplattet.  In  der  gemässigten  und  der  kalten 
Zone ;  die  der  nördlichen  Halbkugel  weiss,  die  der  südlichen  ganz  oder 
theilweise  schwarz.  Der  Singschwan  ((7.  nmsicus)  ist  ein  nordischer 
Vogel,  welcher  Deutschland  auf  dem  Zug  durchzieht.  Der  Höcker* 
schwan  (C.  ohr)  brütet  in  Deutschland,  wird  häufig  gezähmt  gehalten. 
Der  schwarze  Schwan  (C.  atrahts)  lebt  in  Neuholland. 

d.  Die  Flamingos  (Phomicoptems)  sind  durch  die  sehr  ver- 
längerten Schien-  und  Mittelfussbeine  Watvögeln  ähnlich ;  der  Hals  ausser- 
ordentlich lang;  der  Schnabel  querüber  in  der  Mitte  wie  geknickt,  übrigens 
dem  der  Enten  ähnlich ;  Zunge  weich  und  gross ;  Schwimmhaut  vorhanden. 
Eine  Art  dieser  grossen  Vögel  lebt  in  den  Mittelmeerländern,  watet  im 
Wasser  am  Strande  umher. 

6.  Ordnung.    Watvögel  [GraUatores). 

Die  Beine  sind  Watbeine :  der  untere  Theil  des  Unterschenkels 
nackt,  mit  Schuppen  bekleidet,  der  Mittelfuss  lang,  keine  Schwimm- 
baut (ausnahmsweise  ist  eine  solche  vorhanden).  Der  Kopf  ist  klein, 
der  Schnabel  in  der  Regel  lang  und  schmal.  Der  Hals  lang,  stark 
S-förmig  gekrümmt,  oft  mit  langen  Federn,  welche  die  Biegungen 
verdecken,  so  dass  der  Hals  kurz  und  dick  erscheint  In  der  Regel 
gute  Flieger.   Die  Nahrung  ist  gewöhnlich  thierischer  Art. 

1.  Grossschnäblige  Watvögel  (AUinares).  Schnabel  gross, 
kräftig,  weit  länger  als  der  übrige  Theil  des  Kopfes,  mit  fester  Hornscheide, 
kleinen,  hoch  gestellten  Nasenlöchern.  Flügel  gross.  Vögel  von  ansehn- 
licher Grösse,  welche  ihr  Nest  hoch  über  der  Erde  (an  Bäumen  etc.)  bauen 
und  ihre  Jungen  füttern. 

a.  Die  Reiher  (Herodii).  Hinterzehe  lang,  mit  einer  grossen 
Kralle  verseben,  berührt  in  ihrer  ganzen  Länge  die  Erde.  In  Deutachland 
leben :  Der  Fischreiher  (Ardea  cinerea),  häufig,  nistet  gesellig  auf  Bäumen ; 
die  Rohrdommel  (Botaurus  steUaris),  mit  losem  Gefieder  und  bräunlichen 
Farben,  Nachtvogel;  der  Nachtreiher  (Nycticorax  grisms)  mit  dickem 
Schnabel,  selten;  u.  a. 

b.  Die  Störche  (Petorgi).  Hinterzehe  kürzer ,  mit  kleinerer 
Kralle  und  höher  als  die  anderen  Zehen  eingelenkt.  Hierzu:  Der  weisse 
8torch  (Ciconia  alba)  und  der  schwarze  Storch  (C  nigra),  beide  in 
Deutschland  brütend  (letzterer  seltener),  Zugvögel.  Die  Kropfstörche  oder 
Marabu 's  (Leptoptilm)  mit  sehr  kräftigem  Schnabel,  kahlem  Hals  und  Kopf, 


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Wirbelthiere.   5.  Classe:  Vögel. 


479 


A asfresser,  in  Afrika  und  Ostindien.  Der  Löffelstorch1)  (Platalta 
leiumrodia)  mit  stark  abgeplattetem,  an  der  Spitze  breitem  Schnabel,  in  Süd- 
Europa,  selten  in  Deutschland.  Der  weisse  heilige  Ibis  {Ibis  rdigiosa) 
der  alten  Aegypter  zeichnet  sich  durch  einen  ziemlich  dünnen,  sanft  ge- 
bogenen Schnabel  und  durch  nackten  Kopf  und  Hals  aus ;  jetzt  in  Aegypten 
selten,  häufig  im  Sudan  und  südlichen  Nubien. 

2.  Kurzschnäblige  Watvögel  {Ürcvirostrex).  Schnabel  kurz, 
gewöhnlich  ziemlich  dick,  mit  fester  Hornscheide  und  grossen,  niedrig  ge- 
stellten Nasenlöchern.  Die  Mehrzahl  sind  kleine  oder  mittelgrosse  Vögel, 
welche  auf  der  Erde  nisten;  die  Jungen  laufen  fast  gleich  umher. 

a.  Die  Regenpfeifer  ( Cfiaradriidae).  Kleinere  Vögel  mit 
kleiner  Hinterzehe  oder  ohne  solche.  Unter  den  in  Deutschland  vorkom- 
menden führen  wir  folgende  an:  Der  Kiebitz  (VaneUtts  cristatus)  mit 
Federhaube  auf  dem  Kopf,  Hinterzehe  vorhanden,  nistet  auf  Wiesen.  Der 
H  te in  w  ä  1  ze r  (Strepsilas  interpres)  mit  Hinterzehe,  der  kurze  Schnabel  etwas 
nach  oben  gebogen ;  fast  über  die  ganze  Erde  verbreitet,  am  Strande.  Der 
Austernfischer  (flaevtaiopus  ostralegus)  ohne  Hinterzehe,  mit  langem 
Schnabel,  am  8trande.  Der  Goldregenpfeifer  (Oharadrius  plutrialis) 
ohne  Hinterzehe,  mit  kurzem,  an  der  Spitze  kolbigem  Schnabel ;  auf  Haiden 
etc.,  nicht  am  Meere.  Alle  vier  sind  Zugvögel,  die  drei  ersteren  brüten 
in  Deutschland,  letzterer  wesentlich  im  hohen  Norden,  kommt  auf  dem  Zug 
durch  Deutschland. 

b.  Die  Trappen  (OUdidae).  Grössere,  hühnerartige  Vögel  mit 
kurzem,  kegelförmigem  Schnabel  und  kurzen  kräftigen  Zehen;  die  Hinter- 
zehe  fehlt.  Leben  in  baumlosen  trockenen  Ebenen.  Die  grosse  Trappe 
(Otis  tarda)  ist  an  einigen  Stellen  in  Deutschland,  z.B.  in  Sachsen,  häufig; 
die  kleine  Trappe  (0.  tetrax),  in  den  Mittelmeerländern  zu  Hause,  hat 
sich  seit  den  siebziger  Jahren  in  Thüringen  als  Brutvogel  niedergelassen, 
verfliegt  sich  auch  sonst  zuweilen  nach  Deutschland. 

c.  Die  Sumpfhühner  {Raüidae).  Zehen  lang,  die  Hinterzehe 
wohl  entwickelt,  der  Schnabel  kürzer  oder  länger.  Beispielsweise  führen 
wir  an:  Die  Wasser  ralle  (Ralius  aquaticits),  Schnabel  gerade,  länger  als 
der  übrige  Kopf;  der  Wachtel  könig  (Orex pratensis) ;  das  Teichhuhn 
(üallmula  chloropus);  das  Wasserhuhn  (Fulica  atra)  mit  einem  Haut- 
saum längs  jeder  8eite  der  Vorderzehen;  die  beiden  letzteren  mit  einer 
nackten  hornigen  Stirnschwiele  oberhalb  des  Schnabels.  Alle  vier  sind 
Zugvögel,  welche  in  Deutachland  brüten. 

d.  Die  Kraniche  (Uruidae).  Ziemlich  starker,  gerader,  spitzer 
Schnabel;  Beine  sehr  hoch,  Zehen  kurz,  Hinterzehe  klein,  Hals  lang. 
Grössere  Vögel.  Der  gemeine  Kranich  (Qrus  cinerea)  brütet  innerhalb 
Deutschlands  nur  im  Nordosten,  sonst  in  nördlicheren  Ländern,  kommt  auf 
dem  Zug  durch. 

3.  Dünnschnäblige  Watvögel  (fJebilirostres).  Schnabel  lang, 
dünn,  oft  biegsam,  häufig  mit  einer  weichen  Haut  versehen.  Uebrigens  wie 
die  kurzschnäbligen.  In  der  Lebensweise  sind  sie  echte  Watvögel.  Dazu  ge- 
hören: Die  Schnepfen  (Scolopax)  mit  langem,  geradem,  weichem  Schnabel 
(Waldschnepfe  [S.  rusticola/,  Mittelschnepfe  /S.  major  J,  Heerschnepfe  oder 
gemeine  Bekassine  [S.  gaüinago/,  Moorschnepfe  /S.  gaUinula/).  Die  kleinen 
8trandläufer  (Tringa),  hochnordische  Brutvögel.  Der  Kampfläufer 
(Macheten  pugnax).  Die  Wasserläufer  (Totamis).  Die  Uferschnepfen 
(Lfimosa).    Der  Braohvogel  (Xumenius  arcuata)  mit  sehr  langem,  bogen- 


M  Meistens  Lötfeireiher  genannt. 


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480 


Specieller  Theil. 


förmig  abwärts  gekrümmtem  Schnabel .  Der  Säbelschnabler  (Recurvi- 
rostra  avocetta)  mit  Behr  langem,  aufwärts  gebogenem  Schnabel  und  unvoll- 
ständiger  Schwimmhaut  zwischen  den  Zehen.  Alle  genannten  (und  andere 
mehr)  kommen  in  Deutschland  vor,  alle  sind  Zugvögel.  —  Die  kleinen 
Odinshennen  oder  Wassertreter  (Pltalaroj/us),  mit  Hautsaum  längs  der 
Zehen,  sind  hochnordische  Vögel  (auf  Island  etc.J,  welche  sich  selten  nach 
Deutschland  verirren.    Das  Männchen  scheint  allein  die  Eier  auszubrüten. 

7.  Ordnung.    Raubvögel  (Accipitres  oder  llapares). 

Schnabel  kurz,  kräftig,  an  der  Wurzel  dick,  Oberschnabel  stark 
gebogen,  mit  nach  unten  gerichteter  Spitze.  Kräftige  Füsse.  die 
starken  Krallen  haben  die  Form  eines  langen ,  spitzen ,  gebogenen 
Kegels;  die  Hinterzehe  in  der  Regel  sehr  kräftig.  Flügel  gross.  In 
der  Regel  stattliche  Vögel,  welche  sich  von  Raub  oder  Aas  ernähren. 
Das  Weibchen  grösser  als  das  Männchen.  Die  neugeborenen  Jungen 
sind  zwar  mit  Dunen  dicht  bekleidet,  bleiben  aber  längere  Zeit  im 
Nest  und  werden  von  den  Eltern  gefüttert. 

1.  Tagraubvögel  (lkmeroharjxiges;).  An  der  Wurzel  des  Schnabels 
eine  nackte,  halbfeste  Haut,  die  Wachshaut.  Kopf  und  Hals  befiedert. 
Hinterzehe  gross,  in  derselben  Höhe  mit  den  Vorderzehen  eingelenkt, 
trägt  eine  sehr  kräftige  Kralle.    Sie  fangen  lebendige  Thiere. 

a.  Die  Habichte  (Asturidae).  Die  Hinterseite  des  Mittel» 
fusses  mit  grösseren  Hornplatten  bedeckt ;  Flügel  mittellang.  In  Deutsch- 
land häufig  sind  der  Hühnerhabicht  (Astur  palumbarius)  und  der  kleinere 
Sperber  (A.  nisus),  beide  Stand-  oder  Strichvögel.  Der  Secretär 
((hfpogeranus  secretarius),  ausserordentlich  hochbeinig,  Mittelfuss  sehr  lang, 
Zehen  kurz,  erinnert  an  die  Watvögel;  Steppenvogel,  welcher  besonders 
von  Reptilien  lebt ;  Afrika.  —  Von  den  Habichten  weichen  die  Bussarde 
(Buteo)  besonders  durch  die  längeren  Flügel  ab.  Die  Weihen  (Circus), 
ebenfalls  mit  langen  Flügeln,  zeichnen  sich  besonders  durch  den  Besitz 
eines  ähnlichen  „Schleiers"  wie  die  Eulen  aus. 

b.  Die  Falken  (Falconidae).  Hinterseite  des  Mittelfusses  mit 
zahlreichen  kleinen  Schuppen.  Kurzer,  kräftiger,  von  der  Wurzel  aus  ge- 
bogener Schnabel  mit  grösserem  Zahn  nahe  der  Spitze.  Flügel  gewöhnlich 
lang.  Die  wichtigsten  in  Deutschland  vorkommenden  sind:  Der  Thurm - 
f  a  1  k  (Falco  Hnnuncuhis),  der  W  a  n  d  e  r  f  a  1  k  (F.  ]>eregrinus),  der  Lerchen- 
falk  (F.  mhbuteo)  und  der  Zwergfalk  (F.  aemhn)\  alle  genannten  sind 
Zugvögel,  die  drei  ersteren  nisten  in  Deutschland,  der  letzte  im  Norden 
(kommt  im  Winter  nach  Deutschland).  Der  Jagd falk  (F.gyrfalco)  iit  ein 
nochnordischer  Vogel. 

c.  Die  Adler  (Aquüidae).  Der  Mittelfuss  wie  bei  den  Falken 
(aber  häufig  befiedert) ;  Schnabel  meistens  länger,  nur  an  der  Spitze  gebogen, 
sehr  kräftig,  ohne  Zahn.  Grosse  Vögel  mit  langen  Flügeln.  Die  Edel- 
adler  (Ayuila)  zeichnen  sich  durch  den  ganz  befiederten  Mittelfuss  aus; 
die  in  Deutschland  häufigste  Art  dieser  Gattung  ist  der  Schreiadler 
(A.naevia),  selten  dagegen  sind  die  grösseren,  der  S  t  ei  n  ad  ler  (A.  cJirysaetus) 
und  der  Kaiseradler  (A.impenaHfi).  Der  grosse  Seeadler  (Haliaetus 
aünciüa),  dessen  Mittelfinger  nur  in  der  oberen  Hälfte  befiedert  ist,  lebt 
sowohl  von  Landthieren  als  von  Fischen ;  besonders  in  Norddeutschland. 
Der  Flussadler  (Parulion  haliaStus)  zeichnet  sich  durch  den  kurzen  Schnabel 
und  dadurch  aus,  dass  die  äussere  Zehe  eine  Wendezehe  ist  (kann  nach 


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Wirbelthiere.   ft.  Clas»e:  Vögel. 


481 


hinten  gerichtet  werden) :  nährt  sich  von  Fischen ;  kosmopolitisch,  ist  in 
allen  fünf  Welttheilen  gefanden.  —  Der  rothe  Milan  (Mürnus  regalis) 
unterscheidet  sich  von  den  Adlern  durch  seinen  kleineren  Schnabel,  8chwanz 
gegabelt;  häufig  in  Deutschland. 

2.  Die  Ost  geier  (Suproharpages).  Kopf  und  oberer  Theil  des  Halses 
in  der  Regel  kahl  oder  mit  Dunen  bekleidet.  Hinterzehe  gross,  mit  den 
übrigen  Zehen  auf  gleicher  Höhe  eingelenkt.  Die  Krallen  weniger  kräftig, 
etwas  niedergedrückt.  Flügel  gross.  Zahlreiche  kleine  Schuppen  auf  der 
Hinterseite  des  Mittelfusses.  Grosse  Vögel,  welche  sich  meistens  von  Aas 
ernähren;  leben  in  den  heisseren  Theilen  der  alten  Welt.  Der  grosse 
weiss  köpf  ige  Geier  (VuÜur  fuivus),  dessen  Kopf  und  Hals  mit  weiss« 
lichem  Flaum  bedeckt  ist,  und  der  kleinere  Aasgeier  (Neophron  percnopterus), 
mit  nacktem  Kopf  und  sehr  langem,  dünnem  Schnabel,  leben  in  den  Mittel  - 
meerländern  und  in  Afrika,  verfliegen  sich  zuweilen  nach  Deutschland. 
Bei  dem  grossen  Lämmergeier  (Otguiitus  hnrbatus),  in  den  Alpen, 
Pyrenäen  etc.,  ist  der  Hals  mit  Federn,  der  Kopf  mit  Dunen  bekleidet;  er 
bildet  den  Uebergang  zu  den  Tagraubvögeln. 

3.  Die  Westgeier  (Necrofoirpages).  Kopf  und  oberer  Theil  den 
Hai 868  in  der  Regel  nackt.  Hinterzehe  kleiner,  höher  als  die  übrigen  ein- 
gelenkt. Nasenscheidewand  durchbrochen.  Sehr  grosse  Flügel.  Aasfresser,  in 
Amerika,  besonders  Südamerika.  Die  grösste  Art  ist  der  Kondor  (Sareo- 
rhamphus  grt/phus),  eine  zweite  ansehnliche  Form  ist  der  Königsgeier 
(S.  papu)  mit  buntgefärbtem  Hals  und  Kopf;  kleiner  die  Rabengeier 
(Cathartes). 

4.  Die  Eulen  (Nyctharpages).  Der  hintere  Theil  des  Kopfes  so  breit, 
dass  die  Augen  nach  vorne  gerichtet  sind  (bei  anderen  Raubvögeln 
sind  sie  seitwärts  gerichtet).  Das  Gesicht  ist  von  einem  Kreis  von  kurzen 
eigenthümlichen  Federn,  dem  Schleier,  eingefasst;  ausserdem  ein  Feder- 
kranz um  jedes  Auge ;  zwischen  diesem  Kranz  und  dem  Schleier  die  grosse 
Ohröffnung.  Borstenartige  Federn  umgeben  die  Schnabel wurzel.  Das  Ge- 
fieder weich,  in  der  Regel  bräunlich,  gesprenkelt.  Die  Aussenzehe  (Nr.  4) 
ist  eine  Wendezehe,  welche  nach  hinten  gewendet  werden  kann.  Die 
Hinterzehe  etwas  höher  als  die  übrigen  eingelenkt  Der  Fuss  mit  den 
Zehen  gewöhnlich  befiedert. 

a.  Tag-Eulen  (Striges  diumae).  Die  Ohröffnung  einfach,  ohne 
Deckel.  Schleier  oben  unvollständig.  Sie  jagen  sowohl  am  Tage  wie 
Abends.  Hierher  gehören  von  deutseben  Eulen  der  grosse  Uhu  {Buhn 
maximtts)  und  die  kleine  Z  wergohreule  (Ephialtes  scops),  beide  mit  zwei 
Federbüscheln  am  Kopfe;  häufiger  als  diese  ist  der  Steinkauz  (Atliene 
)ioctuti).  Die  Schneeeule  (Nydea  mvea)  und  die  Sperbereule 
(Sumia  nixoriä)  sind  hochnordische  Vögel,  welche  sich  hin  und  wieder  nach 
Deutschland  verfliegen ;  auch  die  an  einzelnen  Stellen  in  Deutschland  ständig 
vorkommende  Sperlingseule  (QltiiicUlium  pusserinum)  ist  ein  mehr 
nördlicher  Vogel. 

b.  Nacht-Eulen  (Striges  noctumae).  Ohröffnung  sehr  gross, 
von  einer  Klappe  (Hautfalte)  überdeckt.  Schleier  vollständig.  In  Deutsch- 
land leben:  Der  Waldkauz  (Symium  alueo),  der  seltene  Ural  ka  uz 
(S.  uralense),  die  Waldohreule  (Otu.s  mignrüt),  die  Sumpfohreule 
(O.  braehyotu#)j  die  beiden  letzteren  mit  zwei  aufrichtbaren  Federbüscheln 
auf  dem  Kopf,  die  rauhfüssigeEule  (Nyclale  fmiereti)  und  die  fast  kos- 
mopolitische Schleiereule  ( Strix  flammen). 

Bon,  Zoologie.  81 


482 


Specieller  Theil. 


8.  Ordnung.   Singvögel  (Oschles). 

Füsse  dünn,  zart  gebaut.  Die  Hinterzehe,  welche  kräftig  und 
mit  einer  grösseren  Kralle  als  die  anderen  Zehen  ausgestattet 
ist,  kann  für  sich  bewegt  werden,  während  sie  hei  allen  anderen 
Vögeln  stets  nur  gleichzeitig  mit  den  Vorderzehen  bewegt  werden 
kann  (weil  eine  der  Beugesehnen  der  Hinterzehe  bei  den  Vögeln  im 
Allgemeinen  mit  einer  der  Beugesehnen  der  Vorderzehen  verbunden 
ist,  während  dieselbe  bei  den  Singvögeln  frei  ist).  Die  Flügeldeck» 
federn  klein  und  in  geringer  Zahl  vorhanden.  Bei  der  Mehrzahl  ist 
die  Hinterseite  des  Mittelfusses  grösstenteils  von  zwei  langen, 
schmalen  Platten  bedeckt  (anstatt  wie  gewöhnlich  von  zahlreichen 
Schuppen).  Am  unteren  Ende  der  Luftröhre  finden  sich  in  der  Regel 
mehrere  kleine ,  sonst  den  Vögeln  fehlende  Muskeln  (Singmuskeln ). 
Nestbau  oft  ziemlich  künstlich.  Gewöhnlich  Körner-,  Beeren-  oder 
Insektenfresser. 

1.  Drosselvögel  (Turdiforrucs).  Schnabel  gewöhnlich  gerade  oder 
an  der  Spitze  schwach  gebogen,  oft  mit  einem  Einschnitt  vorne  am  Bande 
des  Oberkiefers;  die  Nasenlöcher  sitzen  niedrig. 

a.  Die  Sänger  (Sylviüdtie).  Schnabel  ziemlich  schwach,  zu- 
sammengedrückt, mittellang,  mit  einem  seichten  Einschnitt.  Kleine  oder 
mittelgrosse  Vögel,  z.  Th.  ausgezeichnete  Sänger.  Ernähren  sich  von  In- 
sekten und  Beeren.  Hierzu  gehören  von  deutschen  Vögeln  unter  anderen 
folgende:  Die  Drosseln  {Turdus):  Schwarzdrossel  oder  Amsel  (T.  merulti), 
Ringdrossel  (T.  torquutus),  Singdrossel  (T.  musicus)  etc.  Die  Wasaer- 
amsel  (Citiclua  a<jwitictu>),  ungefähr  von  gleicher  Grösse  wie  die  Drosseln, 
an  fliessendem  Wasser,  taucht;  Standvogel.  Die  Nachtigall  (Lusciniit 
phüomeh),  das  Blaukehlchen  (L.  suecmi)  und  das  Rothkehlchen 
(L.  rubecula).  Die  Rothschwänze  (Jhiticiüa).  Die  Steinschmätzer 
{Saxicola).  Die  Gatt.  Syltia  (Grasmücken,  Rohr-  und  Laubsänger),  kleine 
zarte  Vögel,  meistens  von  unansehnlicher  Färbung.  Die  Goldhähnchen 
( Reyidus)  und  der  Zaunschlüpfer  ( Troglodytes  jxtrvulua),  die  kleinsten 
Vögel  Deutschlands.  Die  Bachstelzen  (Motacüla)  mit  langem,  wippendem 
Schwanz,  an  kleinen  Gewässern.  Die  Pieper  (Anilins)  mit  ähnlicher  langer 
Hinterkralle  wie  die  Lerchen. 

b.  Die  Würger  (Laniadae)  unterscheiden  sich  von  den  Sängern 
durch  ihren  stärkeren  Schnabel,  welcher  jederseits  am  Rande  dicht  inner- 
halb der  gebogenen  Spitze  mit  einem  starken  Zahn  versehen  ist.  Sie  fangen 
Insekten  und  kleine  Wirbelthiere  und  spiessen  dieselben  auf  Dornen.  In 
Deutschland  leben  mehrere  Arten,  von  denen  die  grösste,  Lantus  ercubüor, 
von  der  Grösse  einer  Drossel  ist. 

c.  Die  Meisen  (Partiria«)  sind  kleine  Vögel  mit  weichem  Ge- 
fieder ;  Schnabel  kurz,  ziemlich  dick,  nicht  gebogen,  ohne  Einschnitt ; 
Nasenlöcher  von  Borstenfedern  bedeckt.  Insektenfresser,  welche  zumeist  in 
hohlen  Bäumen  und  an  ähnlichen  Orten  brüten.  Hierhin  von  deutschen 
Vögeln  die  Kohlmeise  (Partus  major),  die  Blaumeise  (P.  cyantus), 
die  Schwanzmeise  (P.  caudatua)  u.  a. 

d.  Die  Fliegenschnäpper  (Mitscieapidae)  haben  einen  kurzen, 
geraden,  an  der  Wurzel  breiten  und  abgeplatteten  Schnabel  mit  steifen 
Borsteniedern  am  Grunde.    Vier  Arten  in  Deutschland. 

e.  Der  Seidenschwanz  (Anipelis  garrtdiai)  hat  einen  ziemlich 
kurzen,  an  der  Wurzel  etwas  breiteren  Schnabel ;  das  (iefieder  weich.  Die 
merkwürdigste  Eigentümlichkeit  des  Vogels  ist.  dass  das  Ende  der  Schäfte 


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Wirbelthiere.    5.  Clause:  Vögel. 


483 


der  Handschwungfedern  und  der  Steuerfedern  astlos  und  zu  einem  abge- 
platteten, spatelähnlichen  Theil  verbreitert  ist.  Brütet  im  hohen  Norden, 
kommt  im  Winter  häufig  nach  Deutschland.  —  Einer  verwandten  Gruppe 
gehört  der  Pirol  ( Oriolus  galbula)  an,  welcher  schön  gelb,  von  der  Grösse 
einer  Drossel  ist.    In  Deutschland. 

2.  Kegelschnäbler  ((Jonirostres).  Schnabel  kurz,  dick,  kegelförmig, 
mit  hochliegenden  Nasenlöchern.  Sie  ernähren  sich  besonders  von 
Samen ;  die  Jungen  werden  mit  Insekten  gefüttert. 

a.  Die  Finken  (Fringilla).  Schnabel  dick,  ohne  hakige  Spitze. 
Der  Kern beisser  (F.  iwvothranstts),  der  grösste  deutsche  Fink,  Schnabel 
ausserordentlich  dick  und  kräftig.  Der  Buchfink  (F.  coeUbs),  Strich-  oder 
Zugvogel;  der  Bergfink  (/•'.  monti/hngiUa),  brütet  im  Norden,  kommt 
auf  dem  Zug  nach  Deutschland.  Die  Hänflinge:  Grünfink  {F.  chloris), 
Girlitz  (F.  s&Hnus),  Bluthänfling  (F.  cannalrina),  Berghänfling  (F.  montium); 
der  letztere  brütet  im  Norden,  kommt  im  Winter  nach  Deutschland.  Der 
8 1 i e g  1  i  t z  (F. cardnelis),  der  kleine  gelblich  grüne  Erlenzeisig  (F. spinn*), 
der  Birkenzeisig  (F.  linaiia).  Der  Haussperling  (F.  domesHeä)  in 
Europa,  Asien,  Nordafrika,  auch  nach  Amerika  und  Australien  übergeführt, 
hat  sich  in  Nordamerika  ungeheuer  stark  vermehrt;  der  Feldsperling 
(F.  montatia).  Der  Dompfaff  oder  Gimpel  (F.  pyrrhula).  Alle  ge- 
nannten in  Deutschland,  die  meisten  Stand-  oder  Strichvögel.  Von  fremden 
Formen  nennen  wir  nur  den  Kanarienvogel  (F.  canaria),  von  den  ka- 
narischen Inseln. 

b.  Die  Ammern  (Embcri\a).  Schnabel  an  der  Spitze  zusam- 
mengedrückt, Oberschnabel  schmäler  und  niedriger  als  der  Unterschnabel, 
Schnabelränder  eingebogen ;  meistens  ein  harter  Höcker  am  Gaumen.  Die 
Schneeammer  (E.  nivalis),  nistet  im  Norden,  erscheint  im  Winter  häufig 
in  Deutschland;  ohne  Gaumenhöcker.  Die  Grauammer  (E.  müiaria), 
die  Goldammer  (E.  ritrineUa),  die  Gartenammer  (E.  Jiortulana),  die 
Rohrammer  (E.  schocniclus).    Alle  genannten  in  Deutschland. 

c.  Die  Kreuzschnäbel  (Loxin)  sind  besonders  dadurch  aus- 
gezeichnet, dass  die  Spitzen  des  Ober-  und  Uuterschnabels  einander  kreuzen. 
Nadelholzvögel.  In  Deutschland  L.  eurrirostra  und  pityopsittacus.  —  Ver- 
wandt ist  der  Hakengimpel  (Pinimla  ennckator),  drosselgrosser  Vogel 
mit  hakiger  Oberkieferspitze,  gehört  dem  Norden  an,  selten  in  Deutschland. 

3.  Rabenvögel  (ConHformes).  Kräftiger,  ziemlich  grosser,  ungefähr 
gerader  Schnabel;  ziemlich  kräftige  Füsse.  Meistens  grössere,  gesellschaft- 
lich lebende,  allesfressende  Vögel. 

a.  Der  8 1  a  a  r  ( Sturmis  vulgaris),  mittelgrosser  Vogel  mit  langem, 
geradem,  niedergedrücktem  Schnabel ;  die  Nasenlöcher  nicht  von  Federn  be- 
deckt. Höhlenbrüter,  Insektenfresser,  Zugvogel.  —  Verwandt  ist  der 
Hirtenvogel  (Pastor  roseus),  dessen  Schnabelfirst  sanft  gebogen  ist; 
ebenfalls  Höhlenbrüter,  in  den  Mittelmeerländern,  verirrt  sich  selten  nach 
Deutschland. 

b.  Die  Rabenfamilie  (Corvulae)  mit  sehr  kräftigem,  vorne 
zusammengedrücktem,  etwas  gebogenem  Schnabel ;  die  Nasenlöcher  sind  von 
borstenartigen  Federn  bedeckt.  Grössere  Vögel.  Der  Rabe  (Corrus  corax), 
der  grösste  deutsche  Singvogel,  ganz  schwarz;  nicht  sehr  zahlreich.  Die 
ganz  schwarze  Rabenkrähe  ( C.  ct/rom)  und  die  theilweise  graue  Nebel- 
krähe (C.  cornix)  sind  nicht  selbständige  Arten,  sondern  nur  geographische 
Varietäten:  es  giebt  allerlei  Uebergänge  zwischen  beiden,  und  sie  paaren 
sich  unbedingt  fruchtbar  mit  einander ;  in  Deutschland  ist  die  R.  die  west- 
liche, die  N.  die  östliche  Form,  in  Norddentschland  bildet  die  Elbe  ziem- 

31* 


484 


Specieller  Theil. 


lieh  scharf  die  Grenze.  Die  Saatkrähe  (C.  fmgüegus ),  ganz  schwarz, 
die  Borsienfedern  an  der  Schnabelwurzel  fehlen  den  Alten.  Die  Dohle 
(C.  monedula),  schieferschwarz,  Schnabel  kürzer  als  bei  den  genannten. 
Die  Elster  (Pica  caudata),  mit  langem,  stufigem  Schwanz,  schwarz  und 
weiss.  Der  Eichelheher  (darrulns  glandarius),  bunt  gefärbter  Vogel 
mit  kürzerem  Schnabel,  dessen  Spitze  hakig  gebogen  ist.  Der  Tan  nen- 
nen er  (Nucifraga  caryomtaetes)  mit  langem,  fast  geradem  Schnabel,  nicht 
häufig  in  Deutschland. 

c.  Die  Paradiesvögel  {Paradise'idae)  zeichnen  sich  besonders 
durch  die  prächtigen  Farben  und  eigenthümliche  Ausbildungen  des  Gefieders 
aus,  welche  den  Männchen  eigen  Bind,  während  die  Weibchen  ganz  beschei- 
den ausgestattet  sind.  Grössere  Vögel,  mit  kräftigem,  zusammengedrücktem 
Schnabel  und  von  Federn  überdeckten  Nasenlöchern.  Neu-Guinea  und  an- 
liegende Inseln. 

4.  Die  Schwalben  (Longipenties).  Flügel  sehr  lang,  Füsse  kurz, 
Schnabel  kurz,  an  der  Wurzel  breit,  die  Mundwinkel  erstrecken  sich  weit 
nach  hinten.  Kleine  Vögel,  ausgezeichnete  Flieger,  Insektenfresser;  Zug- 
vögel. In  Deutschland  leben  die  Rauchschwalbe  (Ilintndo  rustien)  mit 
braunrother  Kehle,  die  Hausschwalbe  (//. urbira),  welche  ihr  bekanntes 
Nest  aus  Erde  und  Speichel  bauen,  und  die  braungraue  Uferschwalbe 
(H.  riparia),  welche  ihre  horizontalen,  1 — l1/^  m  langen  Niströhren  in  senk- 
rechten Uferwänden  graben,  um  in  dem  inneren ,  etwas  erweiterten  Ende 
zu  brüten. 

5.  Der  Baumläufer  ( Certhia  famüiaris),  der  Mauerläufe  r(  Tüho- 
dronia  murarid)  und  der  Kleiber  (Sitta  caejtia)  gehören  einer  besonderen 
kleinen  Abtheilung  der  Singvögel  an,  welche  dadurch  ausgezeichnet  ist,  dass 
die  Hinterzehe  ungemein  gross  ist,  während  die  Vorderzehen  am  Grunde 
von  einer  gemeinsamen  Haut  umschlossen  sind.  Die  Krallen  stark  zusam- 
mengedrückt, sehr  spitz.  Laufen  an  Baumstämmen  oder  an  Felsen  (Mauer- 
läufer). Die  beiden  ersteren  haben  einen  langen,  dünnen,  gebogenen  Schnabel 
(am  längsten  beim  Mauerläufer),  der  letzte  einen  geraden,  spitzen,  kräftigen 
Schnabel.  Der  erste  und  der  letzte  sind  in  Deutschland  überall  verbreitet, 
der  Mauerläufer  gehört  den  Alpen  an  (innerhalb  der  deutschen  Grenzen  in 
Oberbayern). 

6.  Die  Lerchen  (Alandidae)  unterscheiden  sich  von  allen  vorher  ge- 
nannten Singvögeln  dadurch,  dass  die  Hinterseite  des  Mittelfusses  von 
mehreren  kleinen  Platten  bedeckt  ist.  Die  Hinterzehe  mit  einer  langen, 
geraden  Kralle.  Schnabel  mittellang,  ziemlich  kräftig,  fast  gerade,  First 
gebogen.  Sie  leben  besonders  von  Samen.  Brüten  auf  dem  Boden.  In 
Deutschland  brüten  die  Feldlerche  (Alauda '.  arvensts),  die  Haidelerche 
(A.  arborea)  und  die  Haubenlerche  (A.  aisteüa);  beide  erstere  sind 
Zugvögel,  die  letzte  Standvogel.  Die  bunte  Alpenlerche  (Otocoris  ab 
pestris)  brütet  im  hohen  Norden ,  kommt  aber '  im  Winter  zuweilen  nach 
Deutschland.  —  Mit  den  Lerchen  verwandt  ist  der  Wiedehopf  {Ujmpn 
epops)  mit  langem ,  dünnem ,  gebogenem  Schnabel ,  einer  ähnlichen  Hinter- 
kralle wie  die  Lerchen ;  am  Kopfe  ein  aufrichtbarer  Federbusch.  Insekten- 
fresser, Zugvogel.    In  Deutschland. 

9.  Ordnung.    Schreivögel  (Clamatores). 

Unterscheiden  sich  dadurch  von  den  Singvögeln,  dass  die  Hinter- 
zehe und  namentlich  die  Hinterkralle  weniger  kräftig  ist  und  dass  die 
Hinterzehe  nicht  für  sich  bewegt  werden  kann.  Keine  Singmuskeln. 


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Wirbelthiero.  5.  CW:  Vögel. 


485 


1.  Die  Blaurake  ( Coracias  garnda).  Schnabel  mittellang,  vorn  zu- 
sammengedrückt ,  an  der  Wurzel  breit,  an  der  Spitze  sanft  gebogen. 
Prächtiger,  blaugrün  gefärbter  Vogel  von  etwas  über  Drosselgrösse.  Stellen- 
weise in  Deutschland,  nistet  in  Baumhöhlen,  Insektenfresser,  Zugvogel. 

2.  Die  Segler  (Cypselidae).  Der  Mund  sehr  groBS,  die  Mundspalte 
setzt  sich  unterhalb  des  Auges  nach  hinten  fort;  Schnabel  kurz,  schwach, 
am  Grunde  breit  und  abgeplattet;  ungemein  lange  Flügel;  sehr  kleine 
Füsse.  8chwalbenähnliche  Vögel,  Insektenfresser.  In  Deutschland  lebt 
der  Mauersegler  (Cypselus  apus),  dessen  Hinterzehe  nach  vorn  gedreht 
ist;  «las  schüsselförmige  Nest  findet  sich  in  Mauerlöchern  etc.  und  wird 
aus  Strohhalmen,  Federn  etc.  gebaut,  welche  von  dem  leimartigen  Speichel 
zusammengehalten  werden.  Der  Mauersegler  wird  in  den  Alpen  und  in 
den  Mittelmeerländern  durch  den  sehr  ähnlichen ,  etwas  grösseren ,  weiss- 
bäucbigen  Alpensegler  (Ot/pselua  meUta)  vertreten.  Die  Salanganen 
(  Collocallia),  mit  normaler  Fussform,  sonst  aber  den  vorigen  Arten  ähnlich, 
in  Ostindien,  bauen  ihr  Nest  ausschliesslich  aus  Speichel  (essbare  Vogel- 
nester). —  Zu  einer  verwandten  Familie  gehört  ;die  Nachtschwalbe 
oder  der  Ziegenmelker  (Uapriimtlgus  mropaeus),  welcher  grösser  ist, 
mit  bräunlichen  eulenartigen  Farben ;  Federborsten  an  der  Schnabelwurzel ; 
Nachtthier,  legt  seine  Eier  an  den  Boden  ohne  Unterlage;  in  Deutschland. 

3.  Die  Kolibris  oder  Schwirr vögel  {Trochüidae).  Schnabel  lang, 
dünn,  röhrenförmig ;  Zunge  tief  gespalten ,  kann  weit  aus  dem  Munde  her- 
vorgestreckt werden.  Flügel  lang,  Füsse  kurz.  Prächtige  Farben,  besonders 
beim  Männchen,  ausserdem  oft  eigentümliche  Ausbildung  gewisser  Federn. 
Insektenfresser.  Zu  dieser  Familie,  welche  nur  in  den  wärmeren  Theilen 
Amerikas  vertreten  ist,  gehören  die  kleinsten  aller  Vögel. 

4.  Die  Eisvögel  ( AU-edinidae)  haben  einen  geraden,  kräftigen, 
kantigen  Schnabel ,  die  äussere  und  mittlere  Vorderzehe  bis  zum 
zweiten  Gelenk,  die  mittlere  und  innere  Vorderzehe  bis  zum  ersten  Gelenk 
mit  einander  verwachsen.  Bunt  gefärbt;  meistens  in  wärmeren  Ländern 
zu  Hause.  In  Deutschland  der  langschnäblige  Königsfischer  (Ahedo 
ispidä),  welcher  von  Fischen  lebt  und  den  Brutanstalten  oft  sehr  schädlich 
ist.  —  Dieselbe  Fussform  besitzt  auch  der  Bienen  fr  esser  (Merops  api- 
aster)  mit  langem,  sehr  spitzem,  schwach  gebogenem  Schnabel;  in  Südeuropa 
und  den  Donauländern,  verfliegt  sich  selten  nach  Deutschland.  —  Auch  bei 
den  Nashornvögeln  {Burerotidac)  sind  die  Vorderzehen  an  der  Wurzel 
verbunden ;  ausserdem  zeichnen  sie  sich  durch  ihren  sehr  langen ,  dicken, 
etwas  gebogenen  Schnabel  aus,  welcher  an  der  Wurzel  meistens  einen  grösseren 
Aufsatz  trägt.    Afrika  und  Ostindien. 

5.  Die  Tauben  (Columbidae)  zeichnen  sich  besonders  dadurch  aus, 
dass  der  ziemlich  kurze  Schnabel  nur  an  der  Spitze  eine  feste  Hornbe- 
kleidung besitzt,  an  der  Wurzel  dagegen  weich  ist.  Die  Ringeltaube 
(Cvlumba  palumbus),  die  Hohltaube  (C.  oena«),  welche  in  hohlen  Bäumen 
nistet,  und  die  Turteltaube  (Turtur  aurUitx)*)  leben  in  Deutschland. 
Die  Felsentaube  {('.  liria)  an  Küsten  des  Mittelmeeres,  bei  England  etc., 
ist  die  Stammform  der  in  zahlreiche  Rassen  gespaltenen  zahmen  Taube. 
Die  Wandertaube  (C.  migratoriu)  in  Nordamerika  durchwandert  der 
Nahrung  halber  in  ungeheuren  Schaaren  weite  Strecken.  Zahlreiche  andere 
Taubenformen  in  verschiedenen  Welttheilen.  —  Eine  abweichende  Form  ist 
die  Zahntaube  (Didinuulns    .strigirostrix)  auf   den  Samoa  -  Inseln ;  sie 


l)  Die  vielfach  zahm  gehaltene  Lachtaube  (T.  risoritut)  lebt  wild  in  Asien 
und  Afrika. 


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486 


Spccieller  Thcil. 


zeichnet  sich  durch  ihren  kurzen,  starken ,  an  der  Spitze  hakig  gebogenen 
Schnabel  aus ;  an  jedem  Rand  des  Unterschnabels  zwei  Zähne.  —  Die  aus- 
gerottete Dronte  (Didw  ineptus)  war  eine  schwanengrosse ,  sehr  plumpe, 
mit  kräftigen  Beinen  und  starkem  Schnabel  versehene  Taube,  welche  wegen 
der  sehr  geringen  Grösse  der  Flügel  nicht  fliegen  konnte  (Kamm  des 
Brustbeins  fehlt);  auch  der  Schwanz  war  sehr  rückgebildet.  Sie  lebte  auf 
Isle  de  France  (Mauritius),  wurde  am  Schluss  des  17.  Jahrhunderts  aus- 
gerottet. 

10.  Ordnung.    Klettervögel  (Scansores). 

Unterscheiden  sich  dadurch  von  den  Schreivögeln,  dass  die  äussere 
Vorderzehe  (Zehe  Nr.  4)  nach  hinten  gewendet  ist,  so  dass  sie  zwei 
Vorder-  und  zwei  Hinterz  eben  besitzen. 

1.  Die  Kukuke  (Ouculidae)  haben  einen  mittellangen,  etwas  ge- 
bogenen Schnabel;  die  äussere  Hinterzehe  (Zehe  Nr.  4)  kann  nach 
der  Seite  gewendet  werden.  Hierzu  gehört  der  gemeine  Kukuk  ( Cucu- 
lus  canorus),  welcher  besonders  dadurch  merkwürdig  ist,  dass  er  seine  Eier 
in  die  Nester  anderer  Vögel  (Singvögel)  legt,  um  sie  von  diesen  ausbrüten 
zu  lassen1);  Insektenfresser,  Zugvogel. 

2.  Die  Spechte  (Picitbie)  haben  einen  sehr  kräftigen,  geraden, 
kantigen,  an  der  Spitze  zusammengedrückten,  keilförmigen  Schnabel;  die 
Zunge,  welche  sehr  weit  aus  dem  Munde  hervorgestreckt  werden  kann,  ist 
an  den  8eitenrändern  mit  feinen,  nach  hinten  gerichteten  Widerhäkchen 
versehen ;  die  Schwanzfedern  sehr  steif  (Stützschwanz).  Waldvögel,  welche 
sich  von  holzbohrenden  Larven  und  anderen  Insekten,  dabei  aber  auch  von 
Samen  ernähren;  brüten  in  selhstgemeisselten  Baumhöhlen;  Stand-  oder 
Strichvögel.  In  Deutschland  leben:  Der  Schwarzspecht  (Picus  mortum), 
der  Grünspecht  (P.  (iridis),  der  Grauspecht  (P.  canus);  die  Bunt- 
spechte: der  grosse  (P.  major),  der  weissrückige  (P.  kitcoitotutt) ,  der 
mittlere  (P.  tnedius)  und  der  kleine  Buntspecht  (P.  minor).  Der  drei- 
zehige  Specht  (P.  trülactylus) ,  dem  die  innere  Hinterzehe  (Daumen) 
abgeht,  gehört  dem  Norden  und  den  Alpen  an ,  verirrt  sich  bisweilen  nach 
Deutschland.  —  Mit  den  8pechten  verwandt  ist  der  Wendehals  {Iytur 
torquilhi),  mit  kegelförmigem,  nicht  keilförmigem  Schnabel;  die  Schwanz- 
federn sind  zu  weich,  als  dass  der  Schwanz  als  Stütze  dienen  könnte;  Zug- 
vogel, in  Deutschland. 

3  Die  Papageien  (Pstitttmdue)  haben  einen  ungemein  kurzen,  dicken, 
stark  gebogenen  Oberschnabel  und  einen  kurzen,  abgestutzten  Unterschnabel; 
Oberschnabel  sehr  beweglich;  Zunge  dick  und  weich.  Tropische  Vögel  mit 
lebhaften  Farben  (grün,  roth  etc.),  Pflanzenfresser.  Sie  werden  in  mehrere 
Gruppen  getheilt:  1)  Kakadu' s  ( PUetohphinae)  in  Asien  und  Australien, 
mit  aufrichtbarem  Federschopf  (oft  hellfarbige  Vögel) ;  2)  Sittiche  (Sitto- 
cinac)  mit  langem  Schwanz ;  3)  typische  Papageien  (PsiUacinae)  mit  kurzem 
Schwanz  und  ohne  Federschopf ;  4)  L  o  r  i '  s  (Trichoglossinae),  in  Australien, 
mit  zahlreichen  langen,  fadenförmigen ,  hornigen  Papillen  an  der  Zungen- 
spitze (Pinselzunge);  5)  Eulenpapageien,  mit  nur  einer  Gattung,  dem 
neuseeländischen  Stringopa  (btbroptihis),  Nachtvögeln  mit  weichem,  dunkelm 
(grünlichem)  Gefieder,  welche  bei  Tage  sich  in  Erdhöhlen  aufhalten,  auch 
ebendaselbst  nisten;  sie  fliegen  nicht  oder  sehr  wenig  (Brustbeinkamm  ver- 
kümmert), bewegen  sich  meistens  auf  dem  Boden. 

l)  In  vereinzelten  Fällen  hat  man  beobachtet,  dass  der  Kukuk  selbst  seine 
Eier  ausbrütet. 


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Wirbelthiero.   5.  Chwse:  Vögel. 


487 


4.  Die  Tukane  oder  Pfefferfresser  (Rhntnphsistidac)  haben  einen 
sehr  grossen,  dicken,  etwas  gebogenen,  am  Bande  oft  gekerbten  Schnabel, 
welcher  fast  von  der  Länge  des  Rampfes  ist;  die  Zange  ein  schmales, 
horniges,  am  Rande  zerfasertes  Band.  Vögel  von  mittlerer  Grösse,  mit 
prachtvollen  Farben,  Südamerika. 


6.  Classe.    Säugethiere  (Mammalüt). 

In  Bezug  auf  die  ä  u  8  s  e  r  e  Form  des  Körpers  zeichnen  sich 
die  Säugethiere  gewöhnlich  dadurch  aus,  dass  sie  einen  wohlent- 
wickelten Hals  (übrigens  von  sehr  verschiedener  Länge)  besitzen, 
ferner  dadurch,  dass  der  Schwanz  zu  einem  dünnen,  längeren  oder 
kürzeren  Anhang  rückgebildet  ist,  welcher  für  das  Thier  nur  von 
untergeordneterer  Bedeutung  ist  und  namentlich  nicht  im  Dienste  der 
Bewegung  steht,  während  dagegen  die  als  Bewegungsorgane  fun- 
girenden  Gliedmaassen  stark  entwickelt  sind,  so  dass  der  Rumpf 
mehr  oder  minder  hoch  über  dem  Erdboden  getragen  wird;  der  Ell- 
bogen ist  nach  hinten,  das  Knie  nach  vorn,  die  Finger-  und  Zehen- 
spitzen nach  vom  gerichtet;  oft  ruht  das  Thier  nicht  auf  dem  ganzen 
Fuss,  sondern  nur  auf  den  Zehen  oder  sogar  nur  auf  den  Spitzen  der- 
selben, während  der  übrige  Theil  in  die  Höhe  gerichtet  ist.  Inner- 
halb der  Classe  finden  wir  übrigens,  neben  dem  Gangtypus  als 
der  gewöhnlichen  Form,  verschiedene  andere  Typen  entwickelt: 
fliegende,  springende,  schwimmende  Formen  etc.  (vergl.  die  Reptilien). 
Indem  so  der  Körper  einer  abweichenden  Lebensweise  angepasst 
ist,  kann  auch  die  äussere  Gestalt  zuweilen  von  der  gewöhnlichen  sehr 
abweichen,  was  namentlich  bei  gewissen  schwimmenden  Säugethieren 
(den  Walen)  sehr  augenfällig  wird;  bei  diesen  wird  der  Hals  auf  ein 
Minimum  rückgebildet,  die  Gliedmaassen  treten  sehr  zurück,  während 
der  Schwanz  eine  enorme  Entwicklung  erlangt,  so  dass  die  äussere 
Gestalt  des  Thieres  in  höchstem  Grade  fischähnlich  wird. 

Die  Haut  besteht  aus  den  gewöhnlichen  Schichten  (Lederhaut, 
Oberhaut  mit  Schleim-  und  Hornschicht);  an  der  Oberfläche  der 
Lederhaut  finden  sich  kürzere  oder  längere  Papillen,  welche  sich 
in  die  Schleimschicht  hinein  erstrecken.  Pigment  kann  theils  in  der 
Oberhaut  (sowohl  in  der  Schleim-  als  in  der  Hornschicht),  theils  in 
der  Lederhaut  vorhanden  sein.  —  Die  Hornschicht  wird  nicht  auf 
einmal  abgeworfen,  sondern  löst  sich  in  kleinsten  Stückchen  (als 
Staub)  ab. 

Der  grös8te  Theil  der  Haut  ist  bei  den  Säugethieren  im  Allge- 
meinen mit  Haaren  bekleidet,  welche  einen  der  charakteristischsten 
Bestandteile  ihres  Körpers  ausmachen  und  nur  bei  sehr  wenigen 
Formen  ganz  fehlen.  Die  Haare,  weiche  ausschliesslich  aus  verhornten 
Zellen  bestehen,  stecken  jedes  in  einer  tiefen  Einstülpung  der  Haut, 
dem  Haarbalg.  Im  Grunde  jedes  Haarbalges  findet  sich  ein  kleiner 
gefässreicher  Lederhautzapfen,  die  Haarpapille,  welche  mit  einer 
Fortsetzung  der  Schleimschicht  der  Oberhaut  bekleidet  ist;  oberhalb 
dieser  sitzt  dann  wieder  das  untere  Ende  des  Haares,  und  letzteres 
wächst  dadurch,  dass  die  oberflächlichen  Zellen  der  Schleimschicht 
der  Papille  verhornen  und  zu  Theilen  des  Haares  werden.  Die  übrige 
Wand  des  Haarbalges  wird  von  Fortsetzungen  der  Schleim-  und 


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488 


Siioeicller  Theil. 


Hornschicht  der  allgemeinen  Oberhaut  ausgekleidet:  äussere  und 
innere  Wurzelscheide;  letztere  geht  unten  in  das  Haar,  erstere 
in  die  Schleimschicht  der  Papille  über.  Die  Haare  sind  somit  eigent- 
lich nichts  Anderes  als  scharf  begrenzte, 
enorm  entwickelte  Partien  der  Horn- 
schicht der  Oberhaut.  In  vielen  dickeren 
Haaren  findet  man  ein  inneres,  aus 
loseren  Zellen  zusammengesetztes  (oft 
lufthaltiges)  Mark,  welches  von  der 
festeren  Rinde  umgeben  ist ;  zu  äusserst 
findet  sich  eine  Schicht  dünner,  phasen- 
förmiger Zellen,  das  Oberhäutchen 
des  Haares ;  manche,  besonders  dünnere, 
Haare  bestehen  aber  nur  aus  Rinde 
und  Oberhäutchen.  —  Häufig  sitzen  die 
Haare  in  kleinen  Gruppen,  3 — 5  näher 
beisammen,  in  anderen  Fällen  sind  sie 
mehr  gleichmäßig  vertheilt.  Bei  man- 
chen Säugethieren  kann  man  zwei  Arten 
von  Haaren  unterscheiden,  Grannen- 
haare und  Wollhaare,  letztere  fei- 
ner und  von  den  anderen  überdeckt. 
Eigentümliche  lange,  kräftige,  steife, 
regelmässig  angeordnete  Haare  sind 
die  sogenannten  Tast-  oder  Spür- 
haar e  ( Vibrissae),  welche  bei  manchen 
Fig. 334.  Längsschnitt  eines  ium res  Säugethieren  an  gewissen  Stellen  des 
iui4t  de«  zugehörigen  Haarbuigcs,  Kopfes ,  besonders  an  der  Oberlippe 
Schema,   a  äussere  Wurzebchetde ,  b  eingepflanzt  sind;  ihre  Bälge  sind  da- 

Bindegewebe  C  Ilurn-clücht  der  Uber-  durch  auggezeichnet  da88  gie  von  einem 
haut,  «  Haar,  i  innere  >\  urzeiBcheide.  *„■,■%?       «~»  ,  ,  .  . 

,  SchieimHchicht  der  Oberhaut,  P  Haar-  blutgefullten  Behälter  umgeben  sind, 
Papille.  —  Orig.  welcher  mit  den  Gefassen  in  Verbindung 

steht.  Längs  des  Randes  der  Augenlider 
finden  sich  oft  andere  eigentümliche  steife  Haare,  die  Augen- 
wimpern. Bei  einzelnen  Säugethieren  erreicht  ein  Theil  der  Haare 
eine  enorme  Entwicklung ;  die  Stacheln  des  Igels,  des  Stachelschweines 
und  anderer  sind  stark  entwickelte  Haare.  Die  Haare,  welche 
grösstenteils  der  Haut  schief  eingepflanzt  sind,  haben  an  verschiedenen 
Theilen  des  Körpers  verschiedene,  aber  regelmässige,  bestimmte 
Richtungen.  —  Am  Grunde  des  Haarbalges  heften  sich  an  denselben 
glatte  Muskelbündel,  welche  in  der  Lederhaut  entspringen; 
durch  ihre  Contractionen  richtet  sich  das  schräg  liegende  Haar  mehr 
auf.  Auch  Nerven  gehen  an  die  Haare  (richtiger:  an  das  untere 
Ende  der  Haarbälge) ,  namentlich  an  die  oben  genannten  Spürhaare, 
welche  wichtige  Tastwerkzeuge  sind. 

Ebenso  wie  die  Federu  der  Vögel  werden  auch  die  Haare  in 
gewissen  Zwischenräumen  abgeworfen  und  durch  neue  ersetzt:  es  löst 
sich  das  Haar  von  der  Papille,  und  vom  Grunde  des  Haarbalges 
bildet  sich  ein  neues  Haar.  Bei  einigen  Säugethieren  (dem  Menschen, 
Affen)  findet  der  Haarwechsel,  die  Haarung,  das  ganze  Jahr 
hindurch  allmählich  statt,  bald  wird  ein,  bald  ein  anderes  Haar  ab- 
gestossen  und  durch  ein  neues  ersetzt.  Bei  anderen  aber  ist  der 
Haarwechsel  für  jedes  Jahr  überwiegend  auf  einen  kürzeren  Zeitraum 


Wirbelthiere.  6.  Classe:  Säugcthiere. 


489 


concentrirt :  es  findet  alljährlich,  und  zwar  bei  den  nordischen  Säugu- 
thieren  im  Frühling,  eine  den  ganzen  Körper  umfassende  Haarung  l) 
statt,  wobei  sowohl  Grannen-  als  Wollhaare  abgeworfen  werden. 
Gleichzeitig  treten  neue  Grannenhaare  auf,  auch  die  Spitzen  der 
Wollhaare  sprossen  hervor,  während  die  vollständige  Entwicklung 
letzterer  erst  später  im  Jahre  erfolgt.  Im  Herbst  findet  meistens 
kein  allgemeiner  Haarwechsel  statt,  der  Unterschied  des  Sommer- 
und  des  Winterkleides  der  Säugethiere  beruht  in  der  Regel  theils 
auf  einem  Auswachsen  der  schon  vorhandenen  Haare,  namentlich 
der  Wollhaare,  theils  auf  einer  mehr  oder  weniger  eingreifenden 
Verfärbung3)  der  Haare  im  Herbst.  —  Bei  einigen  Säugethieren 
vollzieht  sich  aber  auch  im  Herbst  ein  Wechsel,  jedenfalls  der 
Grannenhaare  (bei  den  Hirschen  z.  B.  ist  dieses  der  Fall). 

Bei  einer  nicht  ganz  geringen  Anzahl  von  Säugethieren  finden  sich 
an  grösseren  oder  kleineren  Partien  des  Körpers  ähnliche  Schuppen  oder 
Platten  wie  bei  den  Reptilien  (Schuppenthier,  Gürtelthier,  Schwanz  der 
Mäuse).  Zuweilen,  z.  B.  beim  Gürtelthier,  enthält  die  Lederhaut- 
partie jeder  Schuppe  oder  Platte  eine  Verknöcherung;  übrigens  finden 
wir  aber  auch  unabhängig  hiervon  bei  einzelnen  Säugethieren  grössere  oder 
kleinere  Verknöcherungen  in  der  Lederhaut. 

Mit  der  Haut  sind  zahlreiche,  gewöhnlich  fast  über  die  ganze 
Oberfläche  verbreitete  kleine  Drüsen  verbunden,  von  denen  man 
zwei  Hauptformen  unterscheidet:  Talgdrüsen  und  Schweissdrüsen. 
Die  Talgdrüsen  sind  kleine  traubige  Drüsen,  welche  fast  immer 
in  die  Haarbälge,  selten  frei  an  der  Oberfläche  des  Körpers,  aus- 
münden, wesshalb  sie  in  der  Regel  an  den  haarlosen  Stellen  fehlen; 
sie  sondern  eine  fettartige  Masse  ab.  Die  Schweissdrüsen  sind 
einfache  schlauchförmige  Drüsen,  deren  unterer  Theil,  welcher  in  der 
Regel  in  dem  losen  Bindegewebe  unterhalb  der  Haut  liegt,  meistens 
zu  einem  Knäuel  aufgewickelt  ist.  Auch  die  Schweissdrüsen  münden 
sehr  häufig  in  die  Haarbälge,  aber  näher  an  deren  Oeffnung  als  die 
Talgdrüsen;  manche  münden  ganz  selbständig,  z.  B.  in  grosser  An- 
zahl an  gewissen  unbehaarten  Partien  der  Körperoberfläche.  Ebenso 
wie  die  Talgdrüsen  sind  sie  an  verschiedenen  Theilen  der  Haut  in 
verschiedener  Zahl  und  Grösse  vorhanden.  Die  meisten  Schweiss- 
drüsen sondern  die  unter  dem  Namen  Sc h weiss  bekannte  Flüssig- 
keit ab ;  an  einigen  Hautstellen  hat  aber  ihr  Secret  eine  anderweitige, 
mehr  fettartige  Beschaffenheit  (die  Ohrschmalzdrüsen  sind  solche 
eigenthümliche  Schweissdrüsen).  —  Die  Milchdrüsen  sind  eigen- 
tümlich ausgebildete  grosse  Hautdrüsen  oder  Gruppen  von  solchen, 
zunächst  von  dem  Typus  der  trauben  form  igen  Drüsen.  Jede  Milch- 
drüse mündet  mit  1  (Wiederkäuer),  2  (Schwein,  Pferd)  oder  mehreren 
(Mensch  u.  v.  a.)  Oeffnungen  an  der  Spitze  einer  mehr  oder  weniger 
hervortretenden  Warze,  der  Zitze;  in  der  Regel  finden  sich  zwei 
Längsreihen  von  Zitzen  an  der  Unterseite  des  Rumpfes,  jede  Reihe 
mit  einer  ziemlich  verschiedenen  Anzahl  von  Zitzen  (1 — 7).  Die 
Milchdrüsen,  welche  während  der  Schwangerschaft  an  Umfang  und 
Ausbildung  zunehmen,  sondern  eine  Zeitlang  nach  der  Geburt  der 


•)  Daneben  kann  bei  solchen  auch  ein  Wechsel  einzelner  Haare  zu  änderet! 
Zeiten  stattfinden. 

*)  Vergl.  das  über  die  Verfärbung  der  Federn  S.  463  Gesagte. 


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490 


Speoiellcr  Theil. 


Jungen  die  Milch  ab,  eine  wässerige  Flüssigkeit,  in  der  zahlreiche 
Fetttröpfchen  suspendirt  sind  (letztere  sind  es,  welche  der  Milch  die 
weisse  Farbe  verleihen).  Nach  Aufhören  des  Säugens  bildet  sich  die 
Drüse  zum  grossen  Theil  wieder  zurück.  Milchdrüsen  der  be- 
schriebenen Form  kommen  allen  Säugethieren  mit  Ausnahme  der 
Kloakenthiere  zu,  und  zwar  finden  sie  sich  nicht  allein  beim  Weibchen, 
sondern  in  rudimentärer  Form  meistens  auch  beim  Männchen.  Sie 
werden  in  der  Regel  als  eigenthümlich  umgebildete  Talgdrüsen 
augesehen,  eine  Auffassung,  welche  am  meisten  ihrem  traubigen  Bau, 
auch  wohl  der  Art  des  Secretes,  Rechnung  trägt.  Ist  sie  richtig,  so 
gehen  den  Kloakont liieren  echte  Milchdrüsen  gänzlich  ab;  die 
Organe,  welche  bei  diesen  Thieren  „Milch"  absondern ,  sind  nämlich 
ganz  deutlich  sehr  grosse  verzweigte  Schweissdr üsen;  es  findet 
sich  an  jeder  Seite  des  Bauches  eine  kleine  sackförmige,  behaarte  Ein- 
stülpung, in  weiche  je  eine  Gruppe  von  Drüsen  müudet;  zitzenartige 
Theile  fehlen. 

Bei  vielen  Säugethieren  sind  die  Hautdrüsen  an  einigen  begrenzten 
Stellen  der  Haut  besonders  stark  oder  eigenthümlich  ausgebildet;  häufig 
sind  die  betreffenden  Hautstellen,  welche  übrigens  meistens  normal  ausge- 
bildet, mit  Haaren  etc.  versehen  sind,  sackförmig  eingestülpt.  Dazu  ge- 
hören z.  B.  die  Klauensäcke  des  Schafes  und  anderer  Wiederkäuer ,  die 
beiden  Aftersäcke,  welche  sich  beim  Hutule  und  anderen  Raubthieren  an  der 
Seite  des  Afters  öffnen,  der  Moschusbeutel  beim  Moschusthier  etc.  — 
Seltener  ist  eine  einzelne  Drüse  oder  eine  kleine  Gruppe  dicht  beisammen 
mündender  Drüsen ,  etwa  in  ähnlicher  Weise  wie  die  Milchdrüse .  zu  einer 
riesigen  Grösse  angewachsen ;  eine  solche  Drüse  findet  sich  z.  B.  am  Rücken 
des  Nabel  sch  wein  es. 

An  der  Unterseite  der  Füsse  findet  sich  bei  den  Säugethieren 
gewöhnlich  eine  unbehaarte  elastische  Hautpartie,  welche  von  einer 


A  B  C  D 


Fig.  835.  l.ttng«»chnitt  des  Finger»:  .1  de»  Menschen,  Ii  eines  At'ten,  C  eine» 
K ralleuthierea,  D  eine»  Pferdes;  .nheniatimh.  b  Sohlenballcn,  n  Krallenplatte,  p* — j>* 
vorletzte»  und  letzte»  Fingcrglicd,  *  Suhlenhorn,  D  Krallenwall.  —  Orig. 

dicken,  aber  weichen  Hornschicht  bedeckt  und  mit  zahlreichen 
Schweissdrüsen  versehen  ist:  der  Sohlenballen.  In  einigen 
Fällen  erstreckt  sich  dieser  über  die  ganze  Unterseite  des  Fusses,  in 
anderen  ist  er  auf  einige  Stellen  derselben  (namentlich  auf  die  Zehen) 
beschränkt.  —  Am  Ende  der  Zehen  finden  sich  Krallen,  welche  bei 
den  Säugethieren  in  ziemlich  verschiedenen  Formen  auftreten:  echte 
Krallen,  Nägel,  Hufe, Klauen.  DieechteKralle  (Fig.  335 C)  besteht 
aus  einer  festen  Hornplatte,  der  Krallenplatte,  welche  stark  von 
rechts  nach  links  gewölbt,  zu  einer  am  Ende  schräg  abgeschnittenen, 
nach  unten  zu  offenen  Röhre  zusammengebogen  ist,  welche  die  Zehen- 
spitze umgiebt ;  in  der  Regel  ist  die  Röhre  dabei  der  Länge  nach  ge- 
bogen. Die  Wurzelpartie  der  Röhre  ist  in  eine  tiefe  Furche  (den  Krallen- 
falz) eingesenkt,  äus8erlich  von  einer  grossen  Hautfalte,  dem  Krall en- 


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Wirbelthiere.    6.  Classe:  Säugethiere.  491 

wall,  überdeckt ;  die  Krallenplatte  wächst  in  die  Länge  dadurch, 
dass  sich  im  Grunde  der  Furche  neue  Horntheilchen  bilden,  welche 
ihrem  Hinterrand  angefügt  werden,  und  wird  so  nach  vorn  geschoben ; 


ABC  D  E  F 

Fig.  336.  Spitze  des  Fingers  von  unten  gesehen:  A  eines  Menschen,  Ii  eines 
Affen,  C  eines  K  r  a  1 1  e  n  t  h  i  e  r  e  s ,  Ii  des  X  a  s  h  o  r  n  s ,  E  des  P  f  e  r  d  e  I ,  F  des  E I  e  u  - 
t  hier  es;  schematisirt.    b  Sohlenballen,  »  Rand  der  Krallenplattc,  *  Sohlenhorn.  —  Orig. 

ausserdem  werden  noch  am  hinteren  Theil  der  von  der  Krallenplatte 
überdeckten  Hautpartie  (des  Krallenbettes)  Horntheilchen  gebildet, 
welche  der  Unterseite  der  Platte  angefügt  werden,  wodurch  sie  an 
Dicke  zunimmt.  Der  freie  Rand  der  Kralle ,  welcher  immerfort  ab- 
genutzt wird,  umgiebt  eine  Hautpartie,  welche  von  einer  loseren  oder 
festeren  Hornmasse,  dem  Sohlenhorn,  überzogen  ist.  Der  Nagel, 
wie  wir  ihn  beim  Menschen  und  bei  den  Affen  finden,  weicht  dadurch 
von  der  Kralle  ab,  dass  er  von  rechts  nach  links  weniger  gewölbt 
und  auch  der  Länge  nach  schwach  gebogen  ist;  er  bedeckt  somit 
als  eine  gewölbte  Platte  die  Oberseite  der  Zehenspitze;  das  Sohlen- 
horn  ist  besonders  beim  Menschen  sehr  schwach  ausgebildet,  überzieht 
nur  einen  schmalen  Hautstreifen  unterhalb  des  freien  Randes  des  Nagels ; 
die  Hautfalte  an  der  Wurzel  des  Nagels  (Nagel wall)  ist  dem  ent- 
sprechenden Theil  der  Kralle  ähnlich.  Die  Hufe  oder  Klauen 
gleichen  den  Krallen  darin,  dass  die  Krallenplatte  (hier  als  die  Horn - 
wand  bezeichnet)  zu  einer  am  Ende  schräg  abgeschnittenen  Röhre 
zusammengebogen  ist,  unterscheiden  sich  aber  dadurch,  dass  dieselbe 
gewöhnlich  fast  gar  nicht  der  Länge  nach  gebogen  ist  und  eine  an- 
sehnlichere Dicke  besitzt;  der  Krallenwall  ist  sehr  schwach  entwickelt, 
das  Sohlenhorn  (hier  als  die  Hornsohle  bezeichnet)  dick  und  fest. 
Beim  Elephant,  Tapir  und  Nashorn  sind  die  Verhältnisse  übrigens 
denen  der  Krallenträger  ähnlich ;  bei  den  übrigen  Hufthieren  dagegen 
findet  eine  innigere  Verbindung  der  Klaue  (d.  h.  der  Hornwand  -f-der 
Hornsohle)  mit  der  Hprnschicht  des  Sohlenballens  statt,  welch  letzterer 
bei  diesen  Thieren  meistens  sehr  klein,  auf  den  distalen  Theil  der 
Zehen  beschränkt  ist.  Beim  Pferd  (Fig.  336  E)  ist  der  Huf  so  zu 
sagen  um  den  sehr  kleinen  Sohlenballen  (den  „Strahl")  zusammen- 
gebogen, so  dass  letzterer  in  einem  hinteren  Ausschnitt  des  Hufes 
seinen  Platz  hat:  ein  etwas  ähnliches  Verhältniss  findet  man  beim 
Schwein,  dessen  Sohlenballen  sich  jedoch  weiter  nach  hinten  als 
der  des  Pferdes  erstreckt.  Bei  den  Wiederkäuern  (Fig.  336  F) 
hat  sich  das  beim  Schweine  gefundene  Verhältniss  weiter  entwickelt, 
indem  der  Sohlenballen  sich  weit  nach  vorn  erstreckt  und  den  grössten 
Theil  der  Hornsohle  verdrängt  hat ;  letzteres  ist  nur  als  ein  schmaler 
Saum  längs  des  unteren  Randes  der  flornwand  vorhanden.  Dazu 


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I 


492  Speeieller  Theil. 

kommt  noch,  dass  der  vorderste  Theil  des  Sohlenballens  bei  manchen 
Wiederkäuern  (Edelhirsch,  Ochsen  u.  a.)  eine  grössere  Festigkeit  als 
sonst  erreicht,  einer  Hornsohle  ähnlich  wird,  während  er  bei  anderen 
(z.  B.  beim  Reh  und  Elenthier)  seine  gewöhnliche  Weichheit  bewahrt 
Die  eigentümliche  Ausbildung  der  Kralle  bei  den  Hufthieren  ist  auf 
die  Anpassung  an  eine  neue  Function  zurückzuführen,  nämlich  die- 
jenige, das  Thier  während  des  Cranges  zu  tragen,  eine  Function, 
welche  bei  den  Krall enträgern  in  der  Regel  dem  Sohlenballen  zu- 
gewiesen ist,  während  die  Krallen  bei  diesen  Kletter-,  Greifwerk- 
zeuge etc.  sind. 

Das  Horn  des  RhinoceroB  ist  eine  enorme  locale  Verdickung  der 
Hornschicht  der  Oberhaut ;  in  die  Horn m aase  erstrecken  sich  von  der  unter- 
liegenden Lederhaut  lange  (natürlich  mit  der  Schleimschicht  bekleidete) 
Papillen.  —  Die  Horner  der  Wiederkäuer  haben  einen  ganz  anderen 
Bau;  ein  Wiederkäuerhorn  kann  als  eine  kolossale,  unbehaarte  Hauter- 
höhung betrachtet  werden ,  welche  innerlich  in  ihrer  grössten  Ausdehnung 
verknöchert  und  an  ihrer  Oberfläche  mit  einer  festen  verdickten  Horn- 
schicht bekleidet  ist.  Das  Horn  besteht  somit  innerlich  aus  einer  Knochen- 
masse,  dem  Hornzapfen,  welcher  mit  dem  Stirnbein  verwachsen  ist: 
ausserhalb  desselben  findet  sich  eine  Bindeyewebsschicht  und  die  Schleim- 
Schicht  der  Oberhaut,  und  zu  äusserst  die  Hornschicht ,  welche  durch  Ab- 
lagerung neuer  Theile  von  innen  her  an  Dicke  zunimmt.  Indem  das  Horn 
mit  dem  Alter  in  die  Länge  wächst,  bedecken  die  älteren  Hornschichten 
nicht  seine  ganze  Oberfläche,  sondern  nur  den  oberen  Theil,  und  die 
jüngeren  erscheinen  an  der  Oberfläche  als  Ringe.  Die  Geweihe  der 
Hirsche  sind  ebenso  wie  die  letztgenannten  Hörner  grosse  innerlich  ver- 
knöcherte Hauterhöhungen.  Sie  unterscheiden  sich  jedoch  dadurch,  dass 
sie  behaart  sind  und  nicht  von  einer  aussorge  wohn  lieh  verdickten  Horn- 
schicht bekleidet  sind.  Bei  der  Giraffe,  deren  Geweih  nur  eine  geringe 
Grösse  erreicht,  bleiben  die  Weichtheile  um  den  Knochenzapfen  sitzen ;  bei 
den  übrigen  schrumpfen  sie  dagegen ,  wenn  das  Geweih  fertig  gebildet  ist. 
auf  dem  grössten  Theil  der  Oberfläche  desselben  ein  und  werden  abgerieben 
(„gefegt"),  so  dass  die  nackte  Knochenmasse  zum  Vorschein  kommt;  nur 
die  Basal partie,  der  Rosenstock,  bleibt  immer  mit  Haut  bedeckt.  Die  ent- 
blösste  Knochenmasse,  das  eigentliche  Geweih,  löst  sich  alljährlich  vom 
Rosenstock  ab  und  wird  abgeworfen ;  die  angrenzenden  Hauttheile  wachsen 
dann  über  das  entblösste  Ende  des  Rosenstocks  hin  und  es  entwickelt  sich 
an  derselben  Stelle  eine  neue  Geweihstange,  welche  zuerst  mit  Haut  be- 
deckt ist.    Bei  der  Giraffe  findet  ein  solches  Abwerfen  nicht  statt 

Die  Wirbelkörper  sind  gewöhnlich  an  beiden  Enden  abge- 
plattet, seltener  hinten  concav,  vorne  convex:  sie  sind  mit  einander 
durch  dicke,  aus  fibrösem  Bindegewebe  bestehende  Bandscheiben 
verbunden,  welche  in  der  Mitte  einen  sogenannten  Gallertkern,  einen 
Ueberrest  der  Chorda,  enthalten.  Die  Wirbelsäule  /.erfällt  in  dieselben 
Abschnitte  wie  bei  den  Reptilien.  Die  Halswirbel  sind  bei  den 
Säugethieren  fast  immer,  sowohl  bei  den  langhalsigen  wie  bei  den 
kurzhalsigen  Formen,  in  der  Siebenzahl  vorhanden1).  Die  beiden 
vordersten  Halswirbel  sind  wie  bei  den  Jteptilien  als  Atlas  resp. 
Epistropheus  entwickelt.  Die  Halswirbel  sind  mit  Querfortsätzen  ver- 

')  Ausnahmen :  Der  Hauatus  (aus  der  Ordnung  der  Seekühe)  hat  nur  6,  das- 
selbe ist  auch  bei  einem  Faulthier  (Choloepus  Hoffmanni)  der  Fall,  während  ein 
anderes  derselben  Gattung  (CA.  didaetylm)  7  hat,  und  wieder  andere  Faulthiere 
(Gatt.  Bradypu»)  9  Halswirbel  besitzen. 


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Wirbelthiere.    6.  Clawe:  Säugethiere. 


493 


sehen,  welche  —  gewöhnlich  jedoch  mit  Ausnahme  derjenigen  des 
siebten  Halswirbels  —  vom  Wirbel  mit  einer  doppelten  Wurzel 
entspringen ;  durch  das  entstandene  Loch  verläuft  eine  grössere  Arterie 
(Wirbelarterie).  Die  genannten  Querfortsätze  sind  wahrscheinlich  als 
H  i  Krippen  aufzufassen,  gewöhn-  A  R 

lieh  verknöchern  sie  jedoch  in  Zu- 
sammenhang mit  dem  Wirbel,  nicht 
gesondert,  wie  bei  den  Vögeln  und 
Reptilien.  Nur  bei  den  Kloaken- 
thieren  erreichen  die  Halsrippen 
eine  stärkere  Entwicklung  und  er- 
scheinen als  besondere  Gebilde  (an 
den  6  hinteren  Wirbeln),  fast  bis  das 
Thier  erwachsen  ist:  die  hintersten  r,K-  887-  ^v^^m  eine*  junKen 
sind  jedoch  nicht  (wie  den  Vögeln  \?XE^$fi£2X$L 

lind  Reptilien)  VOn  grösserer  Länge  als    /  Körper  <les  ersten  Halswirbels,  2  do.  «le» 

die  vorderen,  sondern  im  G-egentheil  «wetten,  h  Bogen,  r  Kippe,  t  unterer  Dom- 
kürzer.      Die    Brustwirbel    Sind  In  B  «ind  Bogen,   Körper  und 

gegen  die  Halswirbel  schärfer  als  5»-  ta  VW8obledener  WdM  *chraft,rt' 
bei  den  Reptilien  und  Vögeln  ab- 
gegrenzt, indem  die  erste  bewegliche  Rippe  wohlentwickelt  ist  und 
sich  an  das  Brustbein  heftet.  Die  Lendenwirbel  haben  ge- 
wöhnlich ziemlich  grosse  Querfortsätze.  Von  Brust-  und  Lenden- 
wirbeln sind  gewöhnlich  etwa  20  vorhanden  (die  Zahl  kann  jedoch 
bis  auf  14  sinken  und  bis  auf  30  steigen);  die  Anzahl  der  Brust- 
wirbel beträgt  gewöhnlich  etwa  12—13,  die  Zahl  kann  aber  bis  mehr 
als  20  steigen.  Von  echten  Becken  wirbeln ,  d.  h.  solchen,  an 
welchen  das  Darmbein  befestigt  ist,  finden  sich  wie  bei  den  Reptilien 
in  Allgemeinen  nur  zwei,  welche  beim  ausgebildeten  Thiere  mit  ein- 
ander verwachsen  sind.  Mit  diesen  beiden  vereinigen  sich  bei  den 
meisten  Säugethieren  einer  oder  mehrere  der  vordersten  Schwanzwirbel 
(unechte  Becken  wirbel)  zu  dem  unter  dem  Namen  Kreuzbein 
bekannten,  aus  einer  verschiedenen  Anzahl  verwachsener  Wirbel  be- 
stehenden Knochen.  Von  Schwanzwirbeln  ist  eine  sehr  ver- 
schiedene Anzahl  vorhanden;  die  vorderen  sind  gewöhnlich  mit 
wohlentwickelten  Querfortsätzen  versehen  und  tragen  oft  an  der 
Unterseite  ähnliche  V-förmige  Knochen  (untere  Bögen)  wie  die 
mancher  Reptilien  ;  die  hinteren  Schwanzwirbel  sind  immer  mehr  oder 
weniger  unvollkommen  entwickelt,  die  hintersten  am  meisten  (Bögen 
und  Fortsätze  rückgebildet).  —  Die  Rippen  bestehen  im  Allgemeinen 
aus  einem  oberen  und  einem  unteren  Stück,  von  welchen  das  letztere 
sich  gewöhnlich  lange  Zeit,  oft  zeitlebens,  knorpelig  erhält  und 
meistens  überhaupt  nur  unvollständig  verknöchert;  bei  den  Kloaken- 
thieren  ist  zwischen  diesen  beiden  Abschnitten  noch  ein  drittes  Stück 
eingeschoben  (vergl.  die  Krokodile).  Von  den  Rippen  heften  sich 
im  Allgemeinen  die  Mehrzahl,  die  vorderen,  die  sogenannten  wahren 
Rippen,  an  das  Brustbein,  während  die  hinteren,  die  falsc  hen  R,, 
mit  ihrem  unteren  Theil  sich  an  einander  und  an  die  hinterste 
wahre  Rippe  legen,  oder  ganz  frei  enden.  Am  oberen  Ende  der  Rippe 
findet  sich  an  der  äusseren  Seite  in  der  Regel  ein  Höcker  (fehlt 
häutig  an  den  hintersten,  weniger  vollkommen  ausgebildeten  Rippen), 
welcher  sich  mit  dem  Querfortsatz  des  entsprechenden  Brustwirbels 
verbindet,  während  das  eigentliche  obere  Ende  der  Rippe,  das 


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494 


Specieller  Theil. 


ms 


Köpfchen,  an  einer  Gelenkfläche  eingelenkt  ist,  welche  an  der 
Grenze  der  Wirbeikörper  desselben  und  des  vorangehenden  Wirbels 

liegt  (an  jedem  befindet  sich  meistens  ein  Stück 
der  Gelenkfläche,  zuweilen  liegt  jedoch  die  ganze 
Gelenkfläche  an  dem  hinteren  derselben).  Die 
wahren  Rippen  —  von  welchen  die  vorderste 
meistens  besonders  kräftig  ist  —  werden  in  der 
Regel  nach  hinten  zu  immer  länger,  während  die 
falschen  immer  kürzer  werden.  —  Das  Brust- 
bein, welches  fast  immer  ziemlich  lang  und 
schmal  ist,  besteht  zuerst  aus  einer  Knorpelmasse, 
in  welcher  später  eine  Reihe  Verknöcherungen 
erscheint;  letztere  bleiben  in  der  Regel  zeitlebens 
getrennt,  so  dass  das  ausgebildete  Brustbein  ein 
gegliedertes  Aussehen  erhält,  seltener  verschmelzen 
sie  grösstentheils  mit  einander  (wie  beim  Menschen). 
Das  vorderste  Stück,  der  Handgriff  (Manu- 
brium),  ist  gewöhnlich  breiter  als  die  folgenden: 
hinten  endet  das  Brustbein  fast  immer  mit  einem 
in  der  Regel  schmalen,  theilweise  knorpeligen 
Stück,  an  welches  sich  keine  Rippen  heften,  dem 
S  ch  wertfortsatz  (Processus  xipho'ides).  Nur 
bei  den  Kloakenthieren  findet  sich  am  vorderen 
Ende  des  Brustbeins  ein  Vorderbrustbein 
(Epistemum),  demjenigen  der  Reptilien  entspre- 
chend, wie  bei  manchen  Sauriern  ein  grosser  T- 
förmiger  Knochen ;  er  fehlt  bei  den  übrigen  Säuge- 
thieren. 

Das  Kop  fskelet  enthält  beim  erwachsenen  Thiere  nur  spärliche 
Knorpeltheile ,  besteht  überwiegend  aus  Knochen.  Mit  dem  Schädel 
sind  nicht  allein  das  kleine  Zwischen-  und  das  grosse  Ober- 
kieferbein, sondern  auch  die  dem  obersten  Abschnitt  de3  Kiefer- 
bogens angehörigen  Knochen  unbeweglich  verbunden.  Von  den 
letztgenannten  Knochen  sind  übrigens  nur  das  Gaumenbein,  welches 
sich  vorn  dem  Oberkieferbein  anschliesst,  und  das  ziemlich  kleine 
Plügelbein  entwickelt,  während  das  Quadratbein  fehl-t 
(wenigstens  in  seiner  gewöhnlichen  Form ;  vergl.  übrigens  unten  beim 
Ohr) ;  der  Unterkiefer,  welcher  jederseits  nur  aus  einem  Knochen 
besteht,  ist  dem  Schädel  direkt  eingelenkt.  Es  finden  sich  zwei 
Hinterhaupts-Gelenkhöck  er  statt  nur  eines  bei  Reptilien  und 
Vögeln.  Zwischen  den  Augenhöhlen  ist  keine  solche  plattenförraige. 
zusammengedrückte  Partie  wie  bei  manchen  Reptilien  etc.  vorhanden, 
die  Schädelhöhle  erstreckt  sich  vorne  bis  an  die  Nasenhöhlen. 
Letztere  sind  gewöhnlich  sehr  stark  entwickelt;  sie  sind  von  einander 
durch  eine  ursprünglich  ganz  knorpelige,  später  theilweise  durch 
Knochen  ersetzte  Platte  getrennt,  welche  von  der  Vorderwand  der 
Schädelhöhle  entspringt  und  sich  nach  vorne  erstreckt;  auch  seitlich 
und  oben  sind  die  Nasenhöhlen  zuerst  von  knorpeligen  Theilen  —  der 
vordersten  Partie  des  knorpeligen  Schädels  —  umgeben,  später  ver- 
knöchern diese  theils,  theils  werden  sie  von  Deckknochen  überlagert 
und  schwinden  unter  diesen,  mit  Ausnahme  jedoch  derjenigen  Knorpel- 
partien, welche  die  den  äusseren  Nasenlöchern  am  nächsten  liegenden 
Abschnitte  der  Nasenhöhlen  umgeben  (die  knorpelige  Nase). 


Fig.  838.  Brustbein 
und  Kippenknorpel  eine« 
Hundes.  /><  Handgriff, 
x«  Schwertfortsatz ,  um 
Übrige  Knocben«tucke.  — 
Nach  Flower. 


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Wirbelthiere.   6.  Clwse:  Säugethiere. 


495 


B  c 


Fig.  839.  Schädel  eines  Hunde».  A  der  Länge  nach  durchsägt,  B  von  oben, 
C  von  unten.  Die  knorpeligen  Theile  sind  entfernt.  A8  seitliche  Theilc  (Flügel)  des  hin- 
teren Keilbeines,  BO  unteres  Hinterhauptsbein,  /;.v  hinteres  Keilbein,  OK  Siebbein,  ET  eines 
der  vom  Siebbein  entspringenden  Knochenblättchen,  ExO  äusseres  Hinterhauptsbein,  Fr  Stirn- 
bein, //'  Zwischenschcitelbein,  L  Thräncnbcin,  Ma  Jochbein,  ME  knöcherner  Theil  der  Nasen- 
scheidenwand  (hängt  hinten  mit  dem  Siebbein  zusammen),  Mt  untere  Muschel,  Mr  Oberkiefer- 
bein, Ha  Nasenbein,  08  seitliche  Theile  (Flügel)  des  vorderen  Keilbeines,  Ba  Scheitelbein, 
Ber  Felsenbein,  Bl  Qaumenbein,  /'.'/••  Zwischenkieferbein,  BS  vorderes  Keilbein,  Bt  FlUgelbein, 
80  oberes  Hinterhauptsbein,  Sq  Schuppenbein,  Ty  Paukenbein,  l'o  Pflugscharbein,  ch,  gft,  s/i 


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496 


Specialer  Theil. 


Beim  ausgebildeten  Thier  sind  die  Nasenhöhlen  somit  von  ver- 
schiedenen Knochen  umgeben :  seitlich  besonders  vom  Oberkiefer- 
bein, oben  besonders  von  den  stark  entwickelten  plattenformigen.  in 
der  Mittellinie  zusammenstossenden  Nasenbeinen,  unten  vom 
Gaumendach  (hartem  Gaumen),  welches  von  wagerechten,  in  der 
Mittellinie  zusammenstossenden  Theilen  der  Zwischenkiefer-,  Ober- 
kiefer- und  Gaumenbeine  gebildet  wird  Hinten  ist  in  der  ursprüng- 
lich knorpeligen  Querscheidewand  zwischen  Schädelhöhle  und  Nasen- 
höhlen ein  von  vielen  feinen  Oeffnungen  (für  die  Geruchsnerven) 
durchbohrter  Knochen,  das  S  i  eb  b  e  in ,  vorhanden,  von  dessen  Vorder- 
seite dünne  gefaltete  Knochenblättchen  entspringen,  welche  (von  einer 
dünnen  Haut  überkleidet)  weit  in  die  Nasenhöhlen  hineinragen.  Weiter 
vorn  in  der  Nasenhöhle  ist  an  der  äusseren  Wand  ein  besonderer, 
aus  einer  grösseren  oder  kleineren  Anzahl  feiner  Knochenblättchen 
zusammengesetzter  Knochen,  die  untere  Muschel,  angebracht, 
welche  mit  den  genannten  Blattchen  des  Siebbeins  zusammen  den 
grössten  Theil  der  Nasenhöhle  ausfüllt.  Mit  der  Nasenhöhle  stehen 
bei  den  Säugethieren  grössere  oder  kleinere  Lufthöhlen  (Fig.  340) 


in  gewissen  Knochen  des  Kopfes  in  Verbindung,  namentlich  im  Ober- 
kieferbein (Kieferhöhle)  und  im  Stirnbein  (Stirnhöhle);  zu- 
weilen (beim  Ochsen,  Elepnant  etc.)  haben  diese  Höhlen  einen  be- 
deutenden Umfang,  erstrecken  sich  dann  auch  in  andere  Knochen  als 
die  genannten  hinein,  werden  durch  unvollständige  Scheidewände  in 
mehrere  oder  viele  kleine  Räume  getheilt.  Von  anderen  für  das 
Kopfskelet  charakteristischen  Verhältnissen  mag  hervorgehoben  werden, 
dass  an  jeder  Seite  von  der  Stelle,  wo  der  Unterkiefer  eingelenkt  ist. 


*)  Vorne  an  der  Grenze  der  Zwischen-  und  der  Oberkieferbeine  ist  das  Gaumen- 
dach von  zwei  Oeffnungen  (Canales  incisivi)  durchbrochen,  durch  welche  die  S.  350- 
erwähnten  Stensen'schen  Gänge  hindurch  treten. 


Glieder  des  vorderen  Zuugenbeinhoros,  hh  Körper  de«  Zungenbeins,  th  hinteres  Horn,  au  Äusseres 
Nasenloch,  cd  Gelenkflttchc  des  Unterkiefers,  ram  O  h  re  n  o  ftn  u  n  g ,  fm  Hiuterhauptsloch,  Gelenk - 
tUche  am  Schttdel  fllr  den  Unterkiefer,  oc  Hinterhaupta-Gelenkhöcker,  *  die  Stelle,  wo  die 
Unterkieferhälfte  sich  mit  derjenigen  der  anderen  Seite  verbindet.  —  Die  Übrigen  Bezeich- 
nungen haben  fttr  unsere  Zwecke  kein  Interesse.  —  Nach  Flower. 


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Wirbelthiere.    6.  Claase:  Säugethiere.  497 

eine  knöcherne  Brücke,  der  Joch  bogen1),  zum  Oberkieferbein  hin 
verläuft;  derselbe  ist  von  einem  Fortsatz  des  Schuppenbein«  (vergl. 
unten),  vom  Jochbein  und  zuweilen  von  einem  Fortsatz  des  Ober- 
kieferbeins gebildet  (vergl.  die  ähnliche  Knochenbrücke  der  Reptilien 
und  Vögel,  welche  von  Quadratjochbein  und  Jochbein  gebildet  ist).  — 
Das  Zungenbein  besteht  aus  einem  unpaarigen  Körper  und 
zwei  Hörnern  an  jeder  Seite.  Das  vordere  Horn,  welches  dem 
Zungenbeinbogen  der  Fische  entspricht,  ist  gewöhnlich  das  längere 
und  aus  drei  beweglichen  Gliedern  zusammengesetzt;  es  ist  mit 
seinem  oberen  Ende  am  Schädel  (Felsenbein)  festgeheftet.  Das 
hintere  Horn,  welches  dem  1.  Kiemenbogen  entspricht,  ist  kurz  und 
ungegliedert. 

Das  Hinterhauptsloch  ist  von  vier  Knochen  umgeben:  dem  oberen, 
dem  unteren  und  den  beiden  seitlichen  Hinterhauptsbeinen,  von 
denen  die  seitlichen  die  Gelenkhöcker  tragen ,  welche  sich  jedoch  auch  auf 
das  untere  Hinterhauptsbein  hinab  erstrecken  können.  Vor  letzterem  liegt 
das  hintere  Keilbein  (ftisistphmöidrmn) ,  vor  diesem  wieder  das 
vordere  Keilbein  (Praesphetmideum),  beide  in  der  nach  unten  gekehrten 
Partie  des  knorpeligen  Schädels  entwickelt  und  beide  mit  flügelförmigen 
Seitentheilen  versehen,  welche  an  der  Begrenzung  der  8chädelhöhle  theil- 
nehmen;  vor  dem  vorderen  Keilbein  liegt  das  vorhin  erwähnte  Siebbein. 
Vor  dem  seitlichen  Hinterhauptsbein  liegt  derjenige  Knochen,  in  welchem 
das  innere  Ohr  seinen  Platz  hat,  das  Felsenbein;  an  dieses  schliesst 
sich  aussen  da«  Schuppen  bei n,  von  welchem  der  Jochbogen  entspringt ; 
ferner  liegt  demselben  ein  ringförmiger  Knochen  an,  in  welchem  das 
Trommelfell  ausgespannt  ist,  das  Pauk en bei n  (l\jmpanic*im)',  bei  manchen 
Sängcthieren  verschmelzen  diese  drei  Knochen  frühzeitig  mit  einander  und 
werden  mit  dem  gemeinsamen  Namen  Schläfenbein  (Temporale)  be- 
zeichnet. Oberhalb  des  oberen  Hinterhauptsbeins  findet  sich  ein  einfacher 
oder  paariger  Knochen ,  das  Zwischenscheitelbein  (Interjwietale), 
welches  bei  manchen  Säugethieren  (z.  B.  beim  Menschen)  schon  im  embryo- 
nalen Leben  mit  dem  oberen  Hinterhauptsbein  verschmilzt.  Vor  dem 
ZwischenBcheitelbein  liegen  die  beiden,  meistens  grossen,  Scheitelbeine, 
vor  diesen  die  Stirnbeine;  letzteren  ist,  am  Vorderrand  der  Augenhöhle, 
jederseits  das  Thränenbein  (Ijurymaie)  angelagert,  durch  welches  der 
Thränenkanal  verläuft.  Der  hinterste  Theil  der  Nasenscheidewand  ver- 
knöchert und  wird  zu  einer  senkrechten,  hinten  mit  dem  Siebbein  zusammen- 
hängenden Knochenplatte,  der  Jjamina  jterjirntlicularis  des  8iebbeins,  während 
der  vordere  Theil  knorpelig  bleibt;  der  untere  Theil  der  Nasenscheidewand 
wird  von  einem  unpaarigen,  rinnenförmigen,  zusammengedrückten  Knochen, 
dem  Pflugscharbein  (Vom  er:  entspricht  schwerlich  den  gleichnamigen 
Knochen  der  niederen  Wirbelthiere),  gebildet.  —  Von  den  im  Kopfskelet  der 
Reptilien  vorhandenen  Knochen  fehlen  ausser  dem  Quadratbein  noch  das 
Vorder-  und  das  Hinterstirnbein,  das  Quadratjochbein,  das  Querbein  und 
das  Säulenbein.  —  Im  Allgemeinen  sind  die  Knochen  des  Säugethier- 
Schädels  nur  bei  den  Jungen  gesondert,  verschmelzen  später  alle  oder  zum 
grossen  Theil  mit  einander. 

Die  ungemein  verschiedene  äussere  Form,  welche  der  Schädel  der 
Säugethiere   darbietet,   ist  wesentlich  durch    die  verschiedenartige  Ent- 


*)  Bei  nicht  wenigen  Bäugethieren  findet  sich  ungefähr  an  der  Mitte  des  Joch- 
bogen» ein  Fortsatz,  welcher  mit  einem  ähnlichen  vom  Stirnbein  zusammentrifft 
und  mit  diesem  eine  Knnchenhrücke  hinter  dem  Auge  bildet. 

Bon«,  Znolofrie.  32 


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498 


Spedeller  Theil. 


wicklung  der  an  und  in  demselben  angebrachten  Organe  bedingt.  Von 
grosser  Bedeutung  ist  in  dieser  Beziehung  das  Gehirn;  durch  eine  starke 
Entwicklung  des  Gehirns  im  Verhältniss  zu  den  übrigen  dem  Kopf  an  ge- 
hörigen Organen  wird  der  hintere  Theil  des  Kopfskeletes  im  Vergleich  mit 
dem  vorderen  Abschnitt  (der  Gesichtspartie)  überwiegend  ausgebildet,  wie 
solches  z.  B.  beim  Menschen  der  Fall  ist.  Auch  die  verschiedenartige 
Entwicklung  der  Zähne  hat  einen  hervorragenden  Einfluss  auf  die  Form 
des  Schädels ;  eine  mächtige  Ausbildung  der  Zähne  führt  eine  entsprechende 
Ausbildung  derjenigen  Knochen  mit  sich,  in  welche  dieselben  eingepflanzt 
sind,  ebenso  wie  auch  derjenigen  Theile,  von  denen  die  Kaumuskeln  ent- 
springen. Die  Entwicklung  der  in  den  Nasenhöhlen  angebrachten  Theile 
spielt  ebenfalls  eine  wichtige  Rolle,  ferner  auch  die  sehr  variirende  Aus- 
bildung der  Augen ;  auch  hat  das  Vorhandensein  von  Hörnern  oder  Ge- 
weihen auf  dem  Kopf  stärkeres  oder  schwächeres  Wachsthum  derjenigen 
Theile  des  Schädels  zur  Folge,  mit  denen  sie  verbunden  sind.  —  In  un- 
fangreichen  Schädeln,  bei  Thieren  mit  grossen  Zähnen,  Hörnern  etc., 
nehmen  die  Lufthöhlen  oft  einen  sehr  grossen  Raum  ein:  die  grossen 
Knochenmassen ,  welche  nothwendig  sind,  um  diese  Theile  zu  tragen,  um 
Muskeln  Ansatzflächen  darzubieten  etc.,  sind  —  was  natürlich  in  mehrfacher 
Beziehung  für  das  Thier  von  Bedeutung  ist  —  überall  ausgehöhlt, 
indem  die  Lufthöhlen  überall  in  dieselben  vordringen  (dies  ist  z.  B.  beim 
Pferd,  Elephant,  Rind  etc.  der  Fall).  —  Es  mag  an  dieser  Stelle  auch  noch 
hervorgehoben  werden,  dass  der  Schädel  des  jungen  Thieres  in  seiner 
äusseren  Form  oft  von  dem  des  Erwachsenen  sehr  abweichend  ist:  das 
Gehirn  ist  verhältnissmässig  grösser,  die  Zähne  und  Kaumuskeln  schwächer, 
die  Geeichtspartie  desshalb  klein,  die  Lufthöhlen  wenig  entwickelt,  die  vor- 
springenden Kämme,  von  denen  die  Kaumuskeln  ihren  Ursprung  nehmen, 
klein  oder  gar  nicht  vorhanden,  etc. *) 

Der  Schultergürtel  verhält  sich  bei  den  Kloakenthieren 
in  der  Hauptsache  wie  bei  den  Reptilien:  sowohl  das  Sc  hu  Her - 

Fig.  341.  Fig.  342. 


Fig.  341.  Rechte  Hälfte  des  Sc  Ii  u  1 1  e  r  gU  r  t  e  1s  eines  jungen  S  c h  n  a  be  1 1  b  i e  r«  * 
el  Schlüsselbein,  fo'  vorderer,  co  hinterer  Theil  des  Coracoid»,  /  Gelenkpfanne,  »c  Schulter- 
blatt. —  Orig. 

Fig.  842.  Rechte  Hälfte  desSchultergUrtels  einet  jungen  Affen;  Schulterblatt  in 
starker  VerkUrxuog  gesehen,  k  Kamin  des  Schulterblattes.  Uebrige  Buchstaben  wie  in  d*r 
vorigen  Figur.  —  Orig. 

blatt  als  das  Coracoid  sind  wohlentwickelt,  letzteres  ist  breit  und 
abgeplattet,  in  ein  vorderes  und  ein  hinteres  Stück  getheilt  und  ver- 

')  8ehr  oft  verhalten  die  Schädel  kleiner  (erwachsener)  Säugethiere  sich  zu 
den  Schädeln  grösserer  nachstverwandter  Formen  in  mehreren  Punkten  wie  jugend- 
liche Thiere  zu  erwachsenen  derselben  Art:  die  Gehirnpartie  ist  grösser,  die 
Muakelkämme  sind  schwächer  etc. 


Wirbelthiere.   6.  Clause:  Säugethiere. 


499 


bindet  sich  mit  dem  vorderen  Ende  des  Brustbeins;  auch  ein 
Schlüsselbein  ist  bei  den  Kloakenthieren  vorhanden,  es  geht  vom 
Rande  des  Schulterblattes  an  das  Vorderbrustbein,  ganz  wie  bei  den 
Reptilien.  Bei  den  übrigen  Säuget  liieren  ist  dagegen  eine  be- 
deutende Veränderung  eingetreten:  dasCoracoid  ist  rudimentär  ge- 
worden, nur  das  äussere  (obere)  Ende  ist  in  Form  eines  Fortsatzes 
am  unteren  Ende  des  Schulterblattes,  des  Rabenschnabelfort- 
satzes  (Processus  coracoideus)1) ,  vorhanden,  welcher  das  Brustbein 
nicht  erreicht.  Das  Schulterblatt  ist  gewöhnlich  eine  breite 
Platte,  deren  obere  Randpartie  in  der  Regel  knorpelig  bleibt ;  es  ist 
an  seiner  äusseren  Fläche  mit  einem  aufrechten  Längskamm  versehen, 
an  dessen  untere  vortretende  Spitze  (Acromion}  das  äussere  Ende 
des  Schlüsselbeins  geheftet  ist,  während  das  innere  Ende  des 
letzteren  sich  am  Brustbein  befestigt.  Bei  manchen  Säugethieren  fehlt 
übrigens  das  Schlüsselbein  (z.  ß.  bei  allen  Hufthieren)  oder  ist  in 
rudimentärer  Form  vorhanden  (Hund),  in  welchen  Fällen  der  Schulter- 
gürtel keine  direkte  Verbindung  mit  dem  Skelet  des  Rumpfes  besitzt ; 
bei  anderen,  z.  B.  bei  grabenden,  kletternden  und  fliegenden  Säuge- 
thieren, ist  das  Schlüsselbein  dagegen  ein  kräftiger,  in  der  Regel 
stabförmiger  Knochen. 

Das  Skelet  der  Vordergliedmaassen  besteht  aus  den  ge- 
wöhnlichen Theilen.  Die  Knochen  des  Unterarmes  sind  meistens 
entweder  von  ungefähr  gleicher  Stärke,  oder  die  Speiche  ist,  wenigstens 
am  unteren  Ende,  stärker;  oft  ist  sognr  der  untere  Theil  der  Elle 
rudimentär,  während  das  obere  Ende,  welches  den  bei  den  Säuge- 
thieren meistens  grossen  und  vortretenden  Eilbogen  trägt,  selbst 
dann  gewöhnlich  wohlentwickelt  ist.  Oft  kreuzen  beide  Knochen 
einander,  indem  oben  die  Speiche  am  äusseren,  die  Elle  am 
inneren  Theil  des  unteren  Endes  des  Oberarmbeins  eingelenkt  ist. 
während  unten  die  Speiche  sich  mit  dem  i  nneren,  die  Elle  mit  dem 
äusseren  Theil  der  Handwurzel  verbindet;  in  anderen  Fällen  wird 
aber  die  Elle  oben  ganz  hinter  die  Speiche  gedrängt,  so  dass  keine 
eigentliche  Kreuzung  stattfindet.  Beide  Knochen  sind  entweder  be- 
weglich *)  oder  häufiger  unbeweglich  mit  einander  verbunden ;  in 
letzterem  Fall  verwachsen  sie  oft  mit  zunehmendem  Alter.  Die 
Handwurzel  besteht  aus  zwei  Querreihen  von  Knochen;  in  der 
proximalen  Reihe  finden  sich  die  gewöhnlichen  drei  Knochen,  in  der 
distalen  vier  Knochen,  indem  die  beiden  äusseren  der  typischen  fünf 
Knochen  (Carpalia  Nr.  4  und  5)  zu  einem  verschmolzen  sind 3).  Am 
äusseren  Rand  der  Handwurzel  findet  sich  ein  ziemlich  grossser  Se- 
samknochen, das  Erbsenbein  {Pisiforme).  Von  den  fünf  Fingern 
besitzt  der  Daumen  (Nr.  1)  zwei  Glieder,  die  übrigen  nur  je  drei; 

')  Beim  jungen  Thier  ist  dieser*  Fortsatz  durch  zwei  besondere  Verknöche- 
rungen vertreten,  welche  später  mit  dem  Schulterblatt  verschmelzen  (vergl.  Fig.  342). 

*)  Das  untere  Ende  der  Speiche  kann  dann  im  Zusammenhang  mit  der  Hand 
(welche  nur  an  einer  begrenzten  Stelle  mit  der  Elle,  sonst  mit  der  Speiche  verbunden 
ist)  mehr  oder  weniger  nach  aussen  schwingen,  sehr  stark  z.  B.  beim  Menschen. 

*)  Die  Handwurzelknochen  werden  bei  den  Säugethieren  gewöhnlich  mit 
folgenden  Namen  bezeichnet:  in  der  proximalen  Reihe  von  innen  nach  aussen 
Naviculare,  Lunatum,  Triquetrum;  in  der  distalen  Reihe  Multanguhm  majus, 
Mult.  mintts,  Capitatum,  Hamatum.  In  einigen  Fällen  (bei  Reduction  der  Anzahl 
der  Mittelhandknochen)  können  einzelne  dieser  Knochen  fehlen ;  auch  können  Ver- 
schmelzungen zwischen  einigen  derselben  stattfinden.  Selten  ist  ein  Centrale  zwischen 
den  Reihen  entwickelt. 

32* 


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500 


Specieller  Theil. 


nur  in  gewissen  sehr  umgebildeten  Vordergliedmaassen  (bei  den  Walen) 
kann  die  Gliederzabi  vermehrt  werden.  Bei  gewissen  Säugethieren 
ist  der  Daumen  freier  beweglich  als  die  übrigen  Finger,  so  dass  die 
Hand  ein  Greifwerkzeug  wird.  Bei  Säugethieren,  bei  denen  er  diese 
Function  nicht  besitzt,  findet  man  häufig  eine  Reduction  des  Daumens 
oder  er  fehlt  ganz.  Auch  andere  Finger  können  verkümmern  oder 
ganz  verschwinden,  namentlich  bei  Formen,  deren  Gliedmaassen  in 
ausgeprägtem  Grade  als  Geh-  oder  Laufbeine  entwickelt  sind  (Huf- 
thiere);  bei  einer  Beschränkung  der  Anzahl  werden  die  übrig  ge- 
bliebenen oder  einige  derselben  um  so  kräftiger  ausgebildet.  Eine 
Verschmelzung  von  mehreren  Mittelfussknochen  kann  in  solchen  Fällen 
ebenfalls  stattfinden.  Ueberhaupt  bietet  die  Ausbildung  der  Vorder- 
gliedmaassen,  bei  Anpassung  an  verschiedene  Function  (Graben,  Klet- 
tern, Flug  etc.),  eine  grosse  Mannigfaltigkeit  dar  (vergl.  auch  die  spe- 
cielle  Darstellung). 

Das  Becken  zeichnet  sich  bei  den  Säugethieren  dadurch  aus, 
dass  das  Darmbein  nach  hinten  gerichtet  ist.  die  Anheftungsstelle 
desselben  an  die  ßeckenwirbel  liegt  gegen  sein  vorderes  Ende,  die 
Gelenkpfanne  am  hinteren  Ende  (während  das  Darmbein  z.  B.  bei 
den  Reptilien  nach  unten  oder  nach   unten  und  vorne  gerichtet  ist). 


Fig.  348.  Linke  Hälft«  des  Beckens  von  einem  jungen  Ornilhorhynchua.  I  Gelenk- 
pfanne, «7  Darmbein,  i'a  Sitzbein,  p  Schambein ;  x  die  Stelle,  wo  Sitz-  und  Schambein  unten 
an  einander  grenzen;  m  Beutclknochou.  —  Orig. 

Flg.  344.  Linke  Hälfte  des  Beckens  eines  neugeborenen  Kalbe»,  verkleinert,  c  die 
Stelle,  wo  Sitz-  und  Schambein  unten  mit  einnnder  verwachsen  sind ;  übrige  Bezeichnung 
wie  in  der  vorigen  Figur.  —  <>rig. 

Scham-  und  Sitzbein  jeder  Seite  vereinigen  sich  unten  mit  einander, 
das  Schambein  ausserdem  in  der  Mittellinie  mit  dem  der  anderen 
Seite,  was  auch  beim  Sitzbein  der  Fall  sein  kann;  selten  fehlt  eine 
Verbindung  zwischen  beiden  Beckenhälften  ganz  (z.  B.  bei  gewissen 
Insektenfressern).  Beim  erwachsenen  Thier  sind  alle  drei  Knochen 
jeder  Beckenhälfte  völlig  verschmolzen '). 


*)  Auch  die  Verbinduno;  der  beiden  Beckenhälften  unten  in  der  Mittellinie 
kann  in  eine  Verwachsung  derselben  übergehen,  ebenso  wie  auch  die  Verbindung 
zwischen  Darmbein  und  Becken  wirbeln.  Bei  einigen  Säugethieren  (z.  B.  gewissen 
Edentaten)  kann  das  Sitzbein  sich  mit  den  hinteren  unechten  Beckenwirbeln  ver- 
binden und  verwachsen. 


Fig.  343. 


Fig.  344. 


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Wirbelthierc.   6.  Claste:  Säugvthiere. 


501 


Bei  den  Kloakenthieren  und  den  Beutelthieren  ist  dem  vorderen  Hand 
der  Schambeine  ein  Paar  nach  vorn  gerichteter  Knochen,  die  sogen. 
Beutelknochen,  angeheftet ;  sie  dürften  als  den  Bauchmuskeln  angehörige 
Sehnenverknöcherungen  aufzufassen  sein. 

Hintergliedmaassen.  Von  den  beiden  Knochen  des  Unter- 
schenkels ist  das  Schienbein  immer  stärker  als  das  Wadenbein, 
welches  oft  sehr  dünn  oder  sogar  in  seinem  unteren  Theil  unvoll- 
ständig ist ;  häufig  ist  letzteres  unten  mit  dem  Schienbein  verwachsen. 
Vor  dem  Gelenk  zwischen  Schenkel  und  Unterschenkel  (Kniegelenk)  ist 
eine  grosse  Kniescheibe  vorhanden.  Die  Fusswurzel  enthält  in 
ihrer  proximalen  Reihe  nur  zwei  Knochen,  das  Sprungbein 
(Astragalus)  innen,  und  das  Fersenbein  (Calcaneus),  mit  der  stark 
vorspringenden  Ferse,  aussen  und  hinten.  Die  Bewegung  im  Fuss- 
gelenk findet  ganz  überwiegend  zwischen  dem  unteren  Ende  des 
Unterschenkels  und  dem  Sprungbein  (oder  zugleich  dem  Fersenbein) 
statt,  während  die  Bewegung  zwischen  den  Fusswurzelknochen  unter 
sich  im  Allgemeinen  nur  gering  ist  (vergl.  die  ganz  abweichenden 
Verhältnisse  bei  Reptilien  und  Vögeln).  In  der  distalen  Reihe  finden 
sich  vier  Knochen1)  ebenso  wie  in  der  Hand;  eine  Centrale 
(Naviculare)  findet  sich  zwischen  beiden  Reihen  an  der  inneren  Seite. 
Mittelfuss  und  Zehen  bieten,  was  Gliederanzahl 
etc.  betrifft,  dieselben  Verhältnisse  dar  wie  die 
Mittelhand  und  Finger;  auch  in  Bezug  auf  die 
speciellere  Ausbildung,  die  Reduction  der 
Zehenzahl  etc.  finden  sich  in  Allgemeinen  ent- 
sprechende Verhältnisse.  Zuweilen  ist  jedoch 
die  Hand  in  einer  Weise,  der  Fuss  in  einer 
anderen  entwickelt  (z.  B.  bei  springenden 
Thieren,  bei  ausgeprägten  Gräbern  etc.). 

Ausser  den  schon  oben  erwähnten  Sesam- 
b einen  (Erbsenbein,  Kniescheibe)  sind  bei  den 
Säugethieren  noch  andere  vorhanden ;  namentlich 
finden  sich  häufig  unterhalb  des  Gelenkes  zwischen 
jedem  Mittelhaudknochen  und  dem  ersten  Finger- 
glied (und  ebenso  zwischen  jedem  Mittel  fuss- 
knochen  und  dem  ersten  Zehenglied)  zwei  kleine 
Knochen,  und  unterhalb  des  Gelenkes  zwischen 
vorletztem  und  letztem  Finger(Zehen)glied  ein  Se- 
samknochen; ausserdem  andere  weniger  allgemein 
vorkommende. 

Ein  allgemeiner  Charakter  des  Säugethier- 
skeletes  besteht  darin,  dass  die  Endpartien  zahl- 
reicher, besonders  der  langen  Knochen,  ferner  auch 
viele  Fortsätze,  besonders  verknöchern,  so  dass 
man  bei  jüngeren  Thieren  manche  Knochen  aus 
mehreren  Stücken  zusammengesetzt  findet,  welche 
später  verschmelzen.  Die  besonders  verknöcherten 
Endstücke  oder  Fortsätze  nennt  man  Epiphysen. 

Das  Gehirn  ist  in  mehreren  Beziehungen 
charakteristisch  ausgebildet.  Das  Vorder- 
hirn (Grosshirn)  ist  von  bedeutender  Grösse, 


Fig.  345.  Schienbein  einet 
einjährigen  Pferdes,  um  die 
Epiphysen  e  und  t  zu 
«eigen.  —  Orig. 


')  Cuneiforme  7,  IT,  III  und  Cuboideum,  letzteres  den  Tarsalia  4  -f  5  ent- 
sprechend. 


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502 


Spccieller  Theil. 


an  seiner  Oberfläche  mit  labyrinthisch  gewundenen  tiefen  Forchen 
versehen,  welche  wulstförmige  Erhebungen,  die  Windungen  (Gyri), 
von  einander  abgrenzen,  seltener  glatt  oder  fast  glatt,  wie  z.  B.  bei 
den  Nagern ;  es  überdeckt  nicht  allein  das  Zwischenhirn,  sondern  ge- 
wöhnlich auch  das  Mittelhirn,  bisweilen  sogar  theilweise  das  Hinter- 
hirn. Für  die  Säugethiere  eigenthümlich  ist  der  sogenannte  Hirn- 
balken  (Corpus  callosum),  ein  grosses  System  querverlaufender 
Nervenfasern,  welches  von  einer  Halbkugel  des  Grosshirns  zur  anderen 
geht,  wo  diese  dicht  an  einander  gelagert  sind;  der  Hirnbalken  ist 
am  schwächsten  bei  den  Kloaken-  und  ßeutelthieren  entwickelt.  Das 
Mittelhirn  ist  dadurch  ausgezeichnet,  dass  seine  Oberfläche  nicht 
allein  mit  einer  Längsfurche,  sondern  auch  mit  einer  Querfurche  ver- 
sehen ist,  so  dass  es  oben  vier  Erhebungen  besitzt  (Vierhügel,  Corpora 
quadrigemina).  Das  Hinterhirn  ist  stark  entwickelt;  seine  sehr 
verdickte  obere  Wand  (Kleinhirn)  zerfallt  in  eine  mittlere  Partie  und 
zwei  Seitentheile  und  ist  mit  tiefen  Querfalten  versehen. 

In  Bezug  auf  die  Grösse  des  Gehirns  im  Verhältnis«  zum  übrigen 
Körper  spielt  der  höhere  oder  niedrigere  intellectuelle  Standpunkt  der  be- 
treffenden Art  eine  bedeutsame  Bolle  (vergl.  z.  B.  die  enorme  Entwicklung 
des  Gehirns  beim  Menschen).  Es  giebt  aber  auch  andere  Verhältnisse, 
welche  von  grosser  Bedeutung  sind.  Namentlich  ist  es  eine  Regel,  dass 
kleine  Säugethiere  ein  verhältnissmässig  grösseres  Gehirn  haben  als 
ihre  nächsten  Verwandten  von  bedeutenderer  Grösse ;  im  Ganzen  kann  man 
sagen,  dass  sehr  kleine  Säugethiere  ein  verhältnissmässig  grosses,  sehr 
grosse  ein  verhältnissmässig  kleines  Gehirn  besitzen  (so  hat  z.  B.  der  Ele- 
phant  trotz  seiner  hervorragenden  intellectuellen  Eigenschaften  ein  verhält- 
nissmässig sehr  kleines  Gehirn).  —  Es  kann  hier  auch  hervorgehoben 
werden,  dass  das  Gehirn  bei  jungen  Thieren  verhältnissmässig  grösser  ist 
als  bei  den  erwachsenen. 

Geruchsorgane.  Die  inneren  Nasenlöcher  öffnen  sich  beim 
Embryo  eine  Zeitlang  weit  vorne  in  die  Mundhöhle  ebenso  wie  bei 
den  meisten  Reptilien;  aber  schon  frühzeitig  entwickelt  sich  oben  in 
der  Mundhöhle  an  jeder  Seite  eine  Leiste,  welche  bald  mit  derjenigen 
der  anderen  Seite  verwächst  und  so  eine  wagerechte  Scheidewand 
bildet,  so  dass  die  inneren  Oeffnungen  der  Nasenhöhlen  viel  weiter 
nach  hinten  rücken.  In  den  Nasenhöhlen,  welche  gewöhnlich  einen 
bedeutenden  Umfang  besitzen,  bilden  sich  an  der  äusseren  und  hinteren 
Wand  vorspringende  Falten,  die  Nasenmuscheln,  welche  sich 
in  der  Regel  zu  sehr  grossen  Blättern  entwickeln,  die  wieder  mit 
Falten  versehen  werden,  sich  zusammenrollen  etc.,  so  dass  sie  Gebilde 
von  ziemlich  complicirter  Beschaffenheit  werden;  sie  sind  zuerst  von 
Knorpel  gestützt,  welcher  aber  später  ganz  oder  theilweise  verknöchert 
(die  unteren  Muscheln  und  die  Blättchen  des  Siebbeins  sind  Ver- 
knöcherungen dieser  Knorpelpartien).  Die  Riechzellen  haben 
ihren  Platz  in  derjenigen  Partie  der  Schleimhaut,  welche  den  aller- 
hintersten  Theil  der  Nasenhöhle,  der  Querplatte  des  Siebbeins  zu- 
nächst, bekleidet;  die  Schleimhaut  ist  hier  gelbbraun.  Der  übrige 
Theil  der  Nasenhöhlen  hat  keine  Bedeutung  als  Geruchsorgan;  in 
seiner  Schleimhaut  findet  sich,  ausser  schleimabsondernden  Drüsen, 
ein  reiches  Gefässnetz,  welches  nach  der  Auffassung  einiger  Verfasser 
die  Aufgabe  hat,  die  Luft  zu  erwärmen,  welche  durch  die  Nasenhöhlen 
hindurch  in  die  Lungen  tritt.  —  Die  oben  (S.  496)  erwähnten  Luft- 
höhlen in  einigen  der  Knochen  des  Kopfes  sind  Ausstülpungen  der 


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Wirbelthiere.   6.  Claase:  Säugcthiere. 


503 


Nasenhöhlen  und  mit  einem  Häutchen  ausgekleidet,  welches  eine  Fort- 
setzung der  Schleimhaut  jener  darstellt. 

Augen.  Von  den  Augenlidern  ist  —  im  Gegensatz  zu  den- 
jenigen anderer  Wirbelthiere  —  das  obere  grösser  und  beweglicher 
als  das  untere.  Eine  Nick  haut  ist  im  Allgemeinen  vorhanden,  aber 
weniger  als  bei  Vögeln  und  Reptilien  entwickelt  und  nicht  mit  be- 
sonderen Muskeln  ausgestattet;  sie  gleitet  vor  einen  Theil  der  Aussen- 
fläche  des  Augapfels  hin,  wenn  letzterer  in  die  Augenhöhle  zurück- 
gezogen wird. 

Die  Sehnenhaut  besteht  aus  Bindegewebe,  ohne  Knorpel  oder 
Knochengewebe;  sie  ist  bei  einigen  Säugethieren,  besonders  bei  den  Walen, 
von  sehr  bedeutender  Dicke.  In  der  Gefässhaut  findet  man  häufig  eine 
eigentümlich  ausgebildete,  grünlich,  bläulich  oder  weisslich  schillernde 
Partie  von  etwas  verschiedenem  Baue,  das  Tapet  um  (z.  B.  beim  Pferd, 
den  Wiederkäuern,  den  Baubthieren).  Die  Form  der  Pupille  ist  ver- 
schieden, entweder  kreisrund  (z.  B.  beim  Menschen  u.  a.)  oder  eine  senk- 
rechte (Katze,  Fuchs)  oder  wagerechte  Spalte  (Pferd,  Wiederkäuer). 

Gehörorgan.  Der  Sehn  ecken  gang  ist  noch  bei  den 
Kloakenthieren  dem  entsprechenden  Theil  der  Reptilien  und 
Vögel  ähnlich,  dagegen  ist  er 
bei  den  übrigen  Säugethieren 
weit  länger  und  spiralig  auf- 
gerollt. Ebenso  wie  bei  den 
Reptilien  findet  sich  ein  ova- 
les und  ein  rundes  Fenster 
gegen  die  Paukenhöhle  zu. 
Anstatt  eines  Hörknochens 
finden  wir  bei  den  Säuge- 
thieren eine  Reihe  von  drei: 
den  Hammer  (Malleus),  wel- 
cher sich  mit  dem  Trommel- 
fell verbindet,  den  Amboss 
(Incus)  und  den  Steigbügel 
(Stapes),  dessen  plattenförmige 
Endpartie  das  ovale  Fenster 
schliesst.  Der  Steigbügel  ent- 
spricht zweifellos  dem  ver- 
knöcherten Theil  des  Hör- 
knochens der  Reptilien  und 
Vögel  (oder  dem  inuereu  Theil 
desselben);  bei  den  Kloaken- 
thieren besteht  er  ebenso  wie 
dieser  aus  einem  einfachen 
Schaft  und  einer  Platte,  bei 
den  übrigen  ist  der  Schaft 
in  der  Regel  breiter  und  durchbohrt,  wodurch  das  Knöchelchen 
einem  Steigbügel  ähnlich  wird.  Die  Deutung  der  beiden  anderen 
Gehörknöchelchen  ist  zweifelhaft Für  die  Säugethiere  charakte- 

')  Der  Hammer  wird  von  Einigen  als  dem  Quadratbein  der  Reptilien  homolog 
aufgefasst,  während  dann  der  Amboss  als  dem  äusseren  Theil  des  Gehörknöchelchens 
derselben  entsprechend  betrachtet  wird;  Andere  meinen,  dass  der  Amboss  dem 

guadratbein,  der  Hammer  dem  oberen  hinteren  Knochen  des  Unterkiefers  der 
eptilien  (Articulare)  entspricht.  Vielleicht  enteprechen  alle  drei  Gehörknöchelchen 


Fig.  846.  Querschnitt  des  Kopfes  eine»  Säuge- 
t liiere»,  um  die  Verhältnisse  des  Gehörorgans  zu 
zeigen;  Schema  (das  Labyrinth  ist  verhältnissmäasig 
viel  zu  gross  gezeichnet,  etc.).  a  Ampulle,  b  Bogen- 
gang (nur  ein  Bogengang  ist  dargestellt),  c  Schnecken- 
gang ;  ta  Sacculua,  u  Utriculus  (zusammen  der  Vor- 
hof) ;  um  das  Labyrinth  herum  Lymphräume,  in  der 
Figur  schwarz,  k  Schädelknochen ,  Allammer,  am  Am- 
boss, s  Steigbügel,  (  Paukenhöhle,  r  rundes  Fenster, 
e  Ohrtrompete,  tr  Trommelfell,  y  äusserer  Gehörgang, 
«»'  äusseres  Ohr.  —  Orig.  (mit  theilweiser 
älterer  Figg.). 


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504 


Spezieller  Theil. 


ristisch  ist  die  Ausbildung  eines  äusseren  Gehörganges:  die 
Grube,  in  deren  Boden  das  Trommelfell  bei  den  Reptilien  seinen 
Platz  hat,  ist  bei  den  Säugethieren  zu  einer  längeren  Röhre  geworden, 
deren  innerer  Theil  oft  verknöchert  ist  (eine  röhrenförmige  Ver- 
längerung des  Paukenbeins),  während  der  äussere  Theil  von  knorpeligen 
Theilen  gestützt  ist.  Die  äussere  Oeffnung  ist  in  der  Regel  von  dem 
äusseren  Ohr  umgeben,  einer  grossen  Hautfalte  von  verschiedener 
Form,  welche  ansehnliche  elastische  Knorpeltheile  enthält. 

Die  Paukenhöhle,  welche  in  das  Schläfenbein  eingeschlossen  liegt, 
ist  oft  von  recht  beträchtlichem  Umfange,  so  dass  die  umgebenden  Knochen- 
partien (besonders  das  Paukenbein)  zu  einem  blasenförmigen  Theil  (BuUaJ 
anschwellen ;  zuweilen  steht  die  Paukenhöhle  mit  luftgefüllten  Hohlräumen 
der  benachbarten  Knochen  in  Verbindung  (vergl.  Krokodile  und  Vögel). 
Die  Ohrtrompeten  haben  in  der  Regel  theilweise  knorpelige  Wände ; 
sie  münden  getrennt  in  den  Schlund.  Beim  Pferd  hat  jede  Ohrtrompete 
eine  sehr  grosse  dünnwandige  sackförmige  Erweiterung. 

Die  Mundhöhle  ist  bei  jungen  Embryonen  ein  einheitlicher 
Hohlraum  ebenso  wie  bei  den  meisten  Reptilien  etc.  Aber  die  Aus- 
bildung des  bei  den  Geruchsorganen  erwähnten  Gaumendaches  hat 
zur  Folge,  dass  die  Mundhöhle  in  mehrere  Abschnitte  gesondert  wird, 
nämlich :  1)  eine  hintere  ungetheilte  Partie,  hinter  dem  hinteren  Rande 
des  Gaumendaches,  den  Schlundkopf  (Pharynx);  2)  eine  untere 
vordere  Partie  unterhalb  des  Gaumendaches,  die  eigentliche 
Mundhöhle;  endlich  3)  oberhalb  des  Gaumens  eine  obere  vordere 
Partie,  welche  sich  mit  den  Nasenhöhlen  vereinigt.  Wir  betrachten 
zuerst  die  Organe  der  eigentlichen  Mundhöhle  und  unter  diesen  zu- 
nächst die  Zähne. 

Die  Zähne  der  Säugethiere  sind  dadurch  ausgezeichnet ,  dass 
ihre  Anzahl  bei  einer  und  derselben  Art  im  Allgemeinen  ziemlich 
bestimmt  und  nicht  sehr  gross  ist,  dass  ihre  Form  in  der  Regel  ver- 
hältnissmässig  complicirt  ist,  dass  sie  in  Zahnhöhlen  sitzen ,  und  be- 
sonders durch  die  eigenthümliche  Art  des  Zahnwechsels,  indem 
die  Zähne  nicht  wie  bei  den  niederen  Wirbelthieren  das  ganze 
Leben  hindurch  durch  neue  ersetzt  werden,  sondern  nur  zwei  Serien 
von  Zähnen,  das  Milchgebiss  und  das  bleibende  Gebiss,  in  gesetz- 
mässiger  Reihenfolge  nach  einander  auftreten;  weiter  ist  hervorzuheben, 
dass  die  Zähne  bei  den  Säugethieren  in  ausgedehntem  Maasse  zur 
Zerkleinerung  der  Nahrung,  nicht  blos  zum  Festhalten  derselben  be- 
nutzt werden.  —  Am  Säugethierzahn  kann  man  Krone  und  Wurzel 
unterscheiden.  Die  Wurzel  ist  der  untere1),  gewöhnlich  schmälere, 
oft  in  mehrere  Aeste  gespaltene,  schmelzlose,  aber  mit  Cement 
bedeckte  Theil  des  Zahnes,  welcher  im  Kiefer  versteckt  bleibt;  die 
Krone  der  obere,  schmelzbedeckte  Theil ,  welcher  gewöhnlich 
ganz  frei  sitzt  und  in  der  Regel  durch  eine  deutliche  Grenze  (eine 
Einschnürung  oder  dgl.)  von  der  Wurzel  gesondert  ist :  in  der  Regel 
ist  die  Krone  cementlos,  seltener  findet  sich  an  der  Oberfläche  des 
Schmelzes  eine  dünnere  oder  dickere  Cementschicht.  Die  Form  der 
Krone  ist  sehr  verschieden :  sie  kann  einfach  kegelförmig  oder  meissel- 

der  Säugethiere  zusammen  dem  einzigen  Gehörknochen  der  Reptilien  und  Vögel 
(incl.  dessen  äusserer  knorpeliger  Bndpartie). 

')  Das  freie  Ende  des  Zahnes  nennen  wir  stets  das  obere,  das  entgegengesetzt*' 
das  untere  Ende,  obgleich  diese  Bezeichnungen  eigentlich  nur  für  die  Unterkiefer- 
zähne  richtig  sind. 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugethiere. 


505 


förmig  sein,  sie  kann  niedrig  und  breit  mit  abgerundeten  Höckern 
oder  mit  spitzigen  Zacken  versehen  sein,  oder  aber  stark  zusammen- 
gedrückt mit  mehrfachen  Spitzen  am  Rande ;  oder  sie  ist  mit  starken 
Quer-  oder  Längskämmen  ausgestattet,  welche  durch  Thäler  ge- 
trennt sind.  Letztere  können  sehr  tief  werden  und  sich  bis  an 
den  Grund  der  Krone  erstrecken  (z.  B.  an  den  Backenzähnen  des 
Elephanten);  auch  an  den  Seitenflächen  des  Zahnes  können  senk- 
rechte Furchen  vorhanden  sein;  meistens  sind  tiefere  Falten  ganz 
oder  theilweise  mit  Cement  ausgefüllt  (so  beim  Pferd  und  Elephant). 
Während  des  Gebrauches  wird  sehr  häufig,  namentlich  an  gefalteten 
Zähnen,  die  Schmelzschicht  an  allen  vorspringenden  Punkten  des 
Zahnes  durch  die  Abnutzung  abgeschliffen  und  dadurch  das  unter- 
liegende Zahnbein  entblösst ;  an  der  Kaufläche  sieht  man  dann  Zahn- 
beininseln von  etwas  erhabenen  Schmelzstreifen  und  letztere  oft  noch 
von  Cement  umgeben  (besonders  an  Zähnen  von  Pflanzenfressern). 
Krone  und  Wurzel  sind  an  manchen  Zähnen  ungefähr  von  derselben 
Länge,  nicht  selten  ist  die  Wurzel  etwas  länger  als  die  Krone,  in 
anderen  Fällen  erreicht  dagegen  die  Krone  eine  überwiegende 
Ausbildung.  Letzteres  ist  besonders  bei  stark  gefalteten  Zähnen, 
welche  einer  bedeutenden  Abnutzung  unterworfen  sind,  der  Fall;  bei 
solchen  ist  die  Wurzel  (resp.  die  Wurzeln  )  oft  sehr  kurz,  die  Krone 
dagegen  sehr  lang,  und  es  tritt  letztere  nicht  sofort  aus  dem  Kiefer 
in  ihrer  ganzen  Länge  hervor,  sondern  zunächst  kommt  nur  der  obere 
Theil  zum  Vorschein,  und  allmählich,  während  das  freie  Ende  abgenutzt 
wird,  schiebt  sich  der  Zahn  heraus  (solches  ist  z.  B.  mit  den  Backen- 
zähnen des  Pferdes  der  Fall).  Oft  ist  die  Wurzel  nicht  einmal  ge- 
bildet, wenn  die  Abnutzung  des  oberen  Theiles  der  Krone  schon  an- 
gefangen hat;  in  anderen  Fällen  kommt  es  überhaupt  nicht 
zu  einer  Wurzelbildung:  in  dem  Maasse  wie  die  Krone  oben 
abgenutzt  wird,  wächst  sie  unten,  und  das  Wachsthum  des  Zahnes 
wird  nie  abgeschlossen:  wurzellose  Zähne  (die  Vorderzähne  der 
Nager,  die  Backenzähne  mancher  Formen  derselben  Gruppe,  die  Eck- 
zähne des  Ebers  etc.). 

Die  Zähne  sitzen  in  einer  einzigen  Reihe  längs  des  Randes  des 
Zwischen-  und  Oberkieferbeines  und  des  Unterkiefers ;  die  Zähne  des 
Zwischenkiefers  werden  als  Schneidezähne,  der  vorderste  Zahn 
des  Oberkieferbeines  dicht  an  der  Grenze  des  Zwischenkiefers  als 
Eckzahn,  die  übrigen  des  Oberkiefers  als  Backenzähne  be- 
zeichnet; im  Unterkiefer  wird  derjenige  Zahn,  welcher  beim  ge-, 
schlossenem  Munde  vor  den  Oberkiefer-Eckzahn  greift,  als  Eckzahn, 
die  davor  sitzenden  als  Schneide-,  die  da  hinter  sitzenden  als  Backen- 
zähne bezeichnet.  Bei  den  meisten  placentalen1)  Säugethieren 
bewegt  sich  die  Zahl  der  Zähne  jeder  Kieferhälfte 2)  in  dem  zweiten, 
bleibenden  Gebiss  innerhalb  11:  3  Schneidezähne  (t1,  t2,  »*), 
1  Eckzahn  (c),  7  Backenzähne,  von  denen  die  vier  vorderen  als 
Prä  molaren  (pl— /?*),  die  drei  hinteren  als  Molaren  (tnl— ro8)  be- 
zeichnet werden8).    Im  ersten  Gebiss,  dem  Milchgebiss,  welches 

')  Vergl.  S.  617.  Die  placentalen  S.  umfassen  sämmtliche  Säugethiere  mit 
Ausnahme  der  Kloaken-  und  Beutelthiere. 

*)  Oben  werden  ein  Zwischenkieferbein  und  ein  Oberkieferbein  als  eine  Kiefer- 
hälfte zusammengerechnet. 

*)  il  ist  der  vorderste  (innerste)  der  Schneidezähne,  px  der  vorderste  Prämolar, 
m1  der  vorderste  Molar  etc. 


506 


Specieller  Theil. 


eine  Zeitlang  beim  jungen  Thiere  vorhanden  ist,  später  aber  ausfällt, 
finden  sich,  wo  es  am  vollständigsten  ist,  8  Zähne  in  jeder  Kiefer- 
hälfte: 3  Schneidezähne  (di*—di*),  1  Eckzahn  (de)  und  4  Backen- 
zähne (dp1 — dp*),  welche  diejenigen 
Plätze  im  Kiefer  einnehmen,  die 
später  von  den  entprechenden  blei- 
benden Schneidezähnen ,  Eckzahn 
und  Prämolaren  besetzt  sind;  an 
den  Plätzen  der  Molaren  haben 
keine  Milchzähne  gesessen.  Diese 
Zahl  von  Zähnen  wird  jedoch  bei 
manchen  Säugethieren  reducirt,  und 
zwar  betrifft  die  Reduction  sowohl 
Schneide-  als  Eck-  und  Backenzähne. 


Flg.  347.   GebiM  ein«»  Maulwurfs  Gewöhnlich  ist  es  durch  einen  Ver- 


( vollständige  Zahnformel);  die  Milchzähne 
sind  in  Umras  ober-  und  unterhalb  der 
entsprechenden  bleibenden  gezeichnet,  i* 
dritter  Schneidezahn,  c  Eckzahn,  p  Prämo- 
«i  Molaren.  —  Nach  Ch.  Tomes. 


gleich  nicht  schwierig  nachzuweisen, 
welcher  oder  welche  Zähne  es  6ind, 
die  fehlen.  Für  die  Backenzahnreibe 
ist  es  Regel,  dass  die  Reduction  am 
vorderen  oder  hinteren  Ende  statt- 
findet, so  dass,  wenn  nur  6  Backenzähne  vorhanden  sind,  der  fehlende  Zahn 
in  der  Regel  entweder  der  vorderste  Prämolar  oder  der  hinterste  Molar 
ist ;  wenn  nur  5  vorhanden  sind,  fehlen  in  der  Regel  entweder  px  und 
p\  oder  m3  und  m8,  oder  pl  und  m3,  etc.    Bei  einigen  Gruppen  ver- 


di  ..»  .5 


f'  dp?  ^ 


Fig.  348.  Die  Zähne  einer  Sau  in  Zahnwechsel;  die  Kiefer  aufgcmeisselt.  »l—  i* 
erster — dritter  Schneidezahn,  c  Eckzahn,  ^p1— j>*Präniolaren,  ml—m*  Molaren,  di*  zweiter  Milch- 
Schneidezahn,  dp* — dp*  Milchbackenzähne.  (Milchzähne  schraffirt.)  Von  den  Milchzähnen 
sind  di*f  di*,  de  schon  ausgefallen;  dp1  fehlt  beim  Schwein.  —  Orig. 

schwinden  vorzugsweise  die  Molaren  (bei  den  Seehunden),  bei  anderen 
die  Prämolaren  (z.  B.  bei  den  Nagern),  bei  anderen  (z.  B.  der  Katze) 
fehlen  Zähne  an  beiden  Enden  der  Backenzahnreihe.  Die  Anzahl 
der  Milchzähne  wird  ebenfalls  reducirt;  fehlt  ein  Zahn  im  bleibenden 
Gebiss,  so  ist  gewöhnlich  auch  der  entsprechende  Milchzahn  in  Weg- 
fall gekommen  (es  giebt  jedoch  von  dieser  Regel  mehrere  Ausnahmen). 
Von  den  angeführten  Milchbackenzähnen  fehlt  übrigens  gewöhnlich 
der  vorderste  (dp1)  auch  in  den  Fällen,  wenn  der  entsprechende  Zahn 
des  bleibenden  Gebisses  (pl)  vorhanden  ist;  selten  fehlen  andere 
Milchzähne,  wenn  die  entsprechenden  bleibenden  vorhanden  sind;  zu- 


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Wirbelthiere.   6.  Claas«:  Säugethiere. 


fi07 


weilen  (z.  B.  bei  den  Seebunden)  fallen  die  Milchzähne  schon  wäh- 
rend des  embryonalen  Lehens  oder  beim  neugeborenen  Jungen  aus 
und  sind  dann  sehr  schwach  entwickelt  oder  sogar  rudimentär.  — 
Von  den  Zähnen  haben  die  Backenzähne  in  der  Hegel  die  compli- 
cirteste  Form,  während  die  Schneide-  und  Eckzähne  einfacher  sind; 
die  Eckzähne  sind  meistens  kegelförmig,  die  Schneidezähne  häufig 
meisselförmig.  Die  Zähne  des  Milchgebisses  sind  gewöhnlich  denen 
des  bleibenden  Gebisses  ähnlich;  es  ist  jedoch  nicht  immer  so,  dass 
ein  bestimmter  Milchzahn  in  seiner  Form  eben  demjenigen  Zahn 
gleicht,  welcher  an  seine  Stelle  tritt ;  bei  den  Raubthieren  findet  man 
z.  B.  dass  jeder  Milchbackenzahn  ziemlich  genau  demjenigen  bleibenden 
Zahn  ähnlich  ist,  welcher  einen  Platz  weiter  zurück  in  der  Zahn- 
reihe sitzt.  —  Bei  einem  Theil  der  placentalen  Säugethiere  finden 
wir  jedoch  Abweichungen  von  den  beschriebenen  regelmässigen  Ver- 
hältnissen, indem  eine  grössere  Anzahl  von  Zähnen  auftreten 
kann.  Besonders  findet  man  solches  bei  Formen,  welche,  in  Anpas- 
sung an  eigenthümliche  Lebensverhältnisse,  in  gewissen  Beziehungen 
so  zu  sagen  auf  eine  niedere  Stufe  hinabgedrückt  sind;  so  besitzen 
z.  B.  die  Zahnwale,  deren  Lebensweise  so  sehr  an  die  der  Fische  er- 
innert, gleichartige,  in  der  Regel  kegelförmige  Zähne,  deren  Anzahl 
mehrere  Mal  so  gross  wie  die  typische  sein  kann;  auch  bei  Thieren, 
für  welche  die  Zähne  nur  eine  untergeordnete  Bedeutung  haben, 
findet  man,  dass  neben  einem  Rückgang  in  der  Form  und  Ausbildung 
des  einzelnen  Zahnes  eine  Vermehrung  der  Anzahl  einhergeht  (z.  B. 
bei  den  Gürtelthieren).  Bei  Formen  mit  solchen  abweichenden  Ver- 
hältnissen des  bleibenden  Gebisses  findet  man  häufig  ein  vollständiges 
Fehlen  des  Milchgebisses.  —  Die  Beutelthiere  weichen  von  den 
placentalen  Säugethieren  in  Bezug  auf  das  Gebiss  besonders  dadurch 
ab,  dass  das  bleibende  Gebiss  sich  innerhalb  einer  etwas  grösseren 
Zahl  als  der  regulären  der  placentalen  Säugethiere  bewegt,  und  dass 
das  Milchgebiss  nur  durch  einen  einzigen  Zahn  (Backenzahn)  vertreten 
ist ;  vergl.  des  Näheren  unten  bei  den  Beutel  thieren. 

Dem  oben  über  die  Zähne  der  8äugethiere  Gesagten  kann  noch  Fol- 
gendes hinzugefügt  werden.  Häufig  ist  die  Schmelzschicht  an  einigen 
Theil en  der  Krone  dünner  als  an  anderen ;  oder  sie  kann  an  gewissen  Theilen 


Fig.  848.  A  Schneidezahn  eines 
Hundes,  kurz  nachdem  er  in  Gebrauch 
getreten  ist;  B  derselbe  Zahn  eines 
alten  Hundes;  Längsschnitt«.  An  dem 
jungen  Zahn  ist  die  Pulpahöhle  sehr  gross, 
das  Cemont  noch  gar  nicht  (oder  in  sehr 
unbedeutender  Menge)  vorhanden;  in  dem 
alten  Zahn  ist  der  obere  Theil  der  ursprüng- 
lichen Pulpahöhle  ganz  mit  Dentin  ausgefüllt 
und  der  übrige  Theil  derselben  sehr  eng,  das 
Cement  reichlich  entwickelt,  die  Spitze  des 
Zahnes  abgenutzt,  c  Cement,  d  Dentin, 
p  Pulpahöhle,  $  Schmolz.  —  Orig. 


derselben  fehlen  (z.  B.  an  der  Hinterseite  der  Vorderzähne  der  Nager),  ja 
sogar  an  dem  grössten  Theil  (an  den  Schneidezähnen  des  Elephanten  findet 
sich  Schmelz  nur  an  der  Spitze  des  noch  nicht  abgenutzten  Zahnes)  oder 


508 


Specieller  Theil. 


völlig  fehlen  (so  bei  manchen  Walen).  —  Wenn  der  Zahn  aus  den  Kiefern 
hervorbricht  und  in  Gebrauch  tritt,  ist  seine  Entwicklung  meistens  noch 
keineswegs  abgeschlossen:  die  Wurzel  ist  oft  nicht  fertig  gebildet;  die  Zahn- 
beinschicht hat  noch  nicht  ihre  volle  Mächtigkeit  erlangt,  die  Keimhöhle 
ist  gross,  verkleinert  sich  allmählich  langsam,  während  das  Zahnbein  gleich- 
zeitig  an  Dicke  zunimmt;  auch  das  Cement  an  der  Wurzel  des  Zahnes  ver- 
dickt sich  allmählich,  es  ist  bei  sehr  alten  Thieren  oft  von  sehr  ansehn- 
licher Mächtigkeit,  während  es  bei  jungen  kaum  angedeutet  ist;  nur  der 
Schmelz  pflegt  (von  wurzellosen  Zähnen  abgesehen)  vollständig  zu  sein, 
wenn  der  Zahn  in  Gebrauch  tritt.  —  Vor  dem  Ausfallen  der  Milchzähne 
werden  gewöhnlich  die  unteren  Theile  derselben  allmählich  in  grösserer 
oder  geringerer  Ausdehnung  von  eigenthümlichen,  im  umgebenden  Binde- 
gewebe liegenden  Zellen  aufgelöst,  weggeätzt  (resorbirt). 

In  der  speciellen  Darstellung  wird  die  Zahl  der  Zähne  folgendem  Bei- 
spiele gemäss  angegeben :  ^  t  (=  3  Schneidezähne  oben,  2  unten  auf  jeder 
Seite),  l  c  (=  1  Eckzahn  oben,  0  unten),  |  fc  (=  6  Backenzähne  oben, 
5  unten),  oder  $  P  (=  3  Prämolaren  oben,  3  unten),  $  m  (=  3  Molaren 
oben,  2  unten).  Wünscht  man  ausdrücklich  anzugeben,  welche  bestimmten 
Zähne  vorhanden  sind,  so  geschieht  dies  nach  folgendem  Schema,  in  welchem 
die  Zeichen  oberhalb  der  Linie  die  Zähne  der  Oberkieferhälfte,  die  anderen 

diejenigen  der  Unterkieferhälfte  bezeichnen:    i,.lt..'*  —  p*  ,p*  ?*-  m> 

Bei  einer  kleinen  Anzahl  von  Säugethieren  fehlen  Zähne  völlig; 
zuweilen  besitzen  jedoch  Säugethiere,  welche  als  erwachsene  zahnlos 
sind  (z.  B.  die  Bartenwale),  im  Embryonalleben  oder  noch  im  Jugend- 
zustande kleine  Zähne,  welche  jedoch  nicht  hervorbrechen,  sondern 
durch  Resorption  wieder  verschwinden. 

Für  die  Säugethiere  charakteristisch  ist  das  Vorhandensein  einer 
Ober-  und  einer  Unterlippe,  zweier  grosser  musculöser  Haut- 
falten, welche  die  Kieferränder  bedecken,  seitlich  in  einander  über- 
gehen und  die  Wangen  bilden;  sie  fehlen  nur  selten.  —  Die  Zunge 
ist  sehr  musculös,  kräftig  und  beweglich,  was  von  grosser  Bedeutung 
bei  der  Bearbeitung  der  Nahrung  in  der  Mundhöhle  wird;  sie  ist 
an  ihrer  Oberseite  mit  kleinen  spitzen  Warzen  (PapiUae  filiformes) 
bedeckt,  welche  zuweilen  an  ihrer  Oberfläche  stark  verhornen  (bei 
den  Katzen);  ausserdem  finden  sich  in  geringerer  Anzahl  verschiedene 
andere  Fortsätze  (P.  fungif armes,  circumvaUatae  und  foliatue),  welche 
Ge8cbmacksknospen  tragen1).  —  An  der  oberen  Wand  der  Mundhöhle, 
dem  harten  Gaumen,  findet  sich  bei  den  meisten  Säugethieren 
eine  doppelte  Reihe  ziemlich  fester  Qu  er  falten,  die  Gaumenfalten , 
welche  bei  manchen  Säugethieren,  z.  B.  beim  Rind,  sehr  hervor- 
tretend, bei  anderen  ganz  oder  fast  ganz  verwischt  sind  (Mensch); 
über  die  eigenthümliche  Entwicklung  der  Gaumenfalten  bei  den  Barten- 
walen vergl.  die  Wale.  —  Bei  einer  geringen  Anzahl  von  Säuge- 
thieren  (z.  B.  manchen  Affen  und  Nagern)  sind  sackförmige  Aus- 

■ 


')  An  der  Unterseite  der  Zunge  findet  »ich  jederseits  eine  Falte,  welche  sich 
oft  vorne  mit  derjenigen  der  andern  Seite  vereinigt;  diese  Falten,  welche  man  als 
Unterzunge  bezeichnet,  erreichen  ihre  grösste  Entwicklung  bei  den  Halbaffen, 
bei  denen  sie  einen  zungenähnlichen  Anhang  an  der  eigentlichen  Zange  bilden.  — 
Im  vordersten  Theil  der  Zunge  findet  sich  dicht  an  der  unteren  Seite  oei  manchen 
Säugethieren  ein  länglicher  Körper,  der  sogen.  Toll  wurm  (Lyssa);  er  ist  von 
lockerem  Bindegewebe  umschlossen  und  besteht  selbst  aus  Muskel-  und  Bindegewebe ; 
zuweilen  enthält  er  einen  knorpeligen  Theil,  welcher,  wie  es  scheint,  dem  vorderen 
dünnen  Ende  des  Zungenbeinkörpers  der  Saurier  (Fig.  297)  entspricht. 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugethiere. 


f)09 


stülpungen  der  Mundhöhle  vorhanden,  Reservoire  für  die  aufgenom- 
mene Nahrung.  Back  entaschen.  —  Ausser  kleineren  in  die  Wand 


Fig.  350.  Medianer  Längsschnitt  durch  den  Kopf  eines  mittelgrossen  Hundes,  verklein. 
Naaetucheidewand  entfernt.  Die  durchgeschnittenen  Knochen  punktirt.  h  Kleinhirn,  txi  Hirn- 
balken, c  Schadelwand,  r  Kehldeckel,  en  Oeffnung  der  Ohrtrompete,  /  Grosshirn,  g  Gaumen- 
ilach  (harter  Gaumen),  <jf  Gaumentalten,  h  Haut,  j  Schneidezahn,  in  knoq>eliKe  Nase,  /  Toll- 
wurm,  w»  Muakeln,  mu  Nasenmuscheln,  m  äusseres  Nasenloch,  o  Riechkolben,  oe  Speiseröhre, 
ol  Oberlippe,  p  Schlundkopf,  r  Ringknorpel,  rro  Rückenmark,  *  Schildknorpel  (r  und  *  dem 
Kehlkopf  zugehörig),  tt  Gaumensegel,  »t  Stimmband,  I  Luftröhre,  to  Tonsille,  ui  Unterkiefer, 
ul  Unterlippe,  Z  Zunge,  zh  Znngenbeinkörper.  /  Atlas,  2  Epistropheus,  4  vierter  Halswirbel. 
—  Orig. 

eingebetteten  Drüsen  öffnen  sich  in  die  Mundhöhle  mehrere  grössere 
sogenannte  Speicheldrüsen:  Ohrspeicheldrüse  (Parotis),  Unter- 
kieferdrüse (Glandula  suhmaxUlarit),  Unterzungendrüse  (Gl.  subungualis)1). 

Die  Mundhöhle  im  engeren  Sinne  wird  hinten  von  dem  Gaumen- 
segel (Velum  jKÜatinum)  abgeschlossen,  einer  grossen  musculösen, 
sehr  beweglichen  Hautfalte,   welche  eine  mehr  oder  weniger  schräg 

')  Letztere  ist  übrigens  nicht  eine  einzelne  Drüse,  sondern  eine  Gruppe  von 
kleineren  Drüsen,  jede  mit  einem  Ausführungsgang. 


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510 


Specieller  Theil. 


liegende  Fortsetzung  des  harten  Gaumens  bildet.  Hinter  demselben 
liegt  der  Schlund  köpf  (Pharynx),  in  welchen  unten,  am  hinteren, 
unteren  Rand  des  Graumensegels,  die  Mundhöhle,  oben  die  Nasen- 
höhlen einmünden;  in  den  Schlundkopf  öffnen  sich  auch  die  Ohr- 
trompeten und  die  Luftröhre1). 
Der  Schlundkopf  setzt  sich  in 
die  Speiseröhre  fort,  welche 
gewöhnlich  lang  und  eng  ist. 
Der  Magen  ist  in  seiner  gewöhn- 
lichen Form  ein  kurzer,  weiter, 
etwas  gebogener  Schlauch,  wel- 
cher dicht  an  der  Einmündungs- 
stelle  der  Speiseröhre  mit  einem 
kurzen  Blindsack  versehen  istT 
der  übrigens  ganz  allmählich  in 
den  übrigen  Theil  des  Magens 
übergeht.  Bei  verschiedenen 
Säugethieren  ist  der  Magen 
durch  Einschnürungen  in  meh- 
rere Abschnitte  getheilt:  zu- 
sammengesetzter Magen  (bei  ge- 
wissen Nagern,  den  Walen,  den 
Wiederkäuern  etc.);  oder  er  ist 
dadurch  ausgezeichnet,  dass  er 
mit  mehreren  kurzen  Blindsäcken 
besetzt  ist  (beim  Schwein) ;  oder 
er  weicht  auf  andere  Weise,  z.  B. 
durch  langgestreckte  darmähn- 
liche Form  (Känguruh),  von  der 
gewöhnlichen  Gestalt  ab.  Mei- 
stens ist  die  ganze  Innenseite  des 
Magens  mit  einem  Cylinderepithel 
bekleidet  und  seine  Wandung  mit 
zahlreichen  Drüschen  (Magensaft- 
drüsen  und  Schleimdrüsen)  aus- 
gestattet; zuweilen  setzt  sich  je- 
doch das  Epithel  der  Speiseröhre 
—  welches  ebenso  wie  dasjenige 
der  Mundhöhle  der  Oberhaut  ähn- 
lich, also  ein  mehrschichtiges 
Plattenepithel  ist  —  eine  Strecke 

Fig.  851  feh.ua  des  Dar. ka,.|.  de*  weH  jn  den  Magen  Innern  fort; 
Menschen.    .1  After,  Ca,  Cd,  Ci  Dickdarm,  l>d  \rnn„  ~°    „„„  .o  Ä„    •  ' 

Dan«*»™,  auh  Schilddrüse,  QUhy  Thymus,  zuweilen  kann  es  sogar  über  eine 

aU  Speicheldrüsen,  Lb  Leber,  Lg  Lunge,  Jf>Magen,  8ehr  betrachtliche  Partie  de8  M  .1- 

OfSpeineröhre./'nBauchspeicheidrüBe, /•/•Schlund,  gens  ausgedehnt  sein:  der  be- 
/'rProce-.usvenniformis,  ß  Enddarm  Vit  Grenze  treffende  Theil  macht  beim  Pferde 

von  iHlnn-  und  Dickdarm,  ;?  Zwerchfell.  —  Nach   ^f-.i  _   i-     rr-if^  j  XT„„  „ 

wiederum.  ungeiahr  die  Hälfte ^  des  Magens 

aus;  bei  den  meisten  Wieder- 
käuern sind  sämmtliche  Magenabtheilungen  mit  Ausnahme  des  Lab- 

')  An  der  Grenze  von  Mundhoble  and  Schiandkopf  liegt  unten  an  jeder  Seite 
eine  Mandel  (Tonsüla),  eine  grubige  Partie  der  Schleimhaut,  in  welcher  zahlreiche 
LymphfoUikel  vorhanden  sind.  Auch  an  andern  Stellen  der  Mundachleimhaut  sind 
Lymphfollikel  eingebettet. 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugethiere. 


511 


magens  mit  dem  mehrschichtigen  Epithel  bekleidet.  —  Der  Dünndarm 
ist  von  ansehnlicher  Länge,  am  längsten  bei  Pflanzenfressern.  —  Der- 
jenige Abschnitt  des  Darmkanals,  den  wir  bei  anderen  Wirbelthieren 
als  Enddarm  bezeichnen,  ist  bei  den  Säugethieren  von  bedeutender 
Länge,  gewöhnlich  auch  ziemlich  weit  und  erhält  den  Namen  Dick- 
darm; nur  sein  Endabschnitt  wird  als  Enddarm  bezeichnet.  An 
der  Grenze  von  Dünn-  und  Dickdarm  entspringt  von  letzterem  fast 
immer  ein  Blinddarm,  welcher  bei  einigen  Säugethieren  (z.B.  dem 
Pferd)  eine  kolossale  Entwicklung  erlangt,  während  er  bei  anderen 
kleiner  oder  sogar  rudimentär  (z.  B.  beim  Menschen)  ist1).  —  Die 
Leber,  welche  ihren  Platz  dicht  hinter  dem  Zwerchfell  hat,  ist  in 
der  Kegel,  aber  nicht  immer,  mit  einer  Galle  n blase  versehen  (die 
Gallenblase  fehlt  z.  B.  beim  Pferd).  Die  Bauchspeicheldrüse 
hat  gewöhnlich  einen  Ausführungsgang2),  welcher  in  den  vordersten 
Theil  des  Dünndarms  entweder  für  sich  oder  erst  nach  Vereinigung 
mit  dem  Gallengang  ausmündet3). 

Athmungsorgane.  Der  Eingang  zum  Kehlkopf  ist  eine  Längs- 
spalte hinter  der  Zunge,  vor  dem  Eingang  zur  Speiseröhre.  Vor  der 
Oeffnung  befindet  sich  eine  den  Säugethieren  eigenthümliche  Klappe, 
der  Kehldeckel^  Epiglottis),  welcher  einen  grossen  elastischen  Knorpel 
enthält;  er  ist  unter  gewöhnlichen  Umständen  emporgerichtet,  legt 
sich  aber,  wenn  Nahrung  aus  der  Mundhöhle  durch  den  Schlundkopf 
in  die  Speiseröhre  tritt,  über  die  Oeffnung  deR  Schlundkopfes  hinab. 
Der  Kehlkopf  enthält  in  seiner  Wand  grosse  Knorpel,  nämlich: 
hinten  den  Ringknorpel  (Cartilago  cricöidta),  unten  den  grossen  Schild- 
knorpel (C.  thyreoädea),  vorne  und  oben  die  beiden  Giesskannenknorpel 
(Cartilagines  arytaeniotdwe).  Die  übrige  Luftröhre  ist  gewöhnlich 
ziemlich  lang,  von  Knorpelringen  gestützt; 
hinten  spaltet  sie  sich  in  die  beiden  grossen 
Luftröhrenäste,  welche  sich  weiter  verästeln; 
jede  Lunge  ist,  wie  schon  früher  hervorge- 
hoben wurde,  ein  bäum  förmig  verästeltes  Or- 
gan, dessen  gröbere  und  feinere  Aeste  sämmt- 
lich  hohl  sind.  Nur  in  den  äussersten  Ver- 
ästelungen, welche  dünne  Wände  besitzen  und 
mit  kleinen  Ausstülpungen  (Alveolen)  besetzt 
sind,  findet  die  Respiration  statt;  im  übrigen  r  g5>2  Kieiner  Theil 
Theil  des  Astsystems  besitzen  die  Röhren  einer  Säugethicriunge  mit 
dickere  Wände,  welche  bei  den  gröberen  Aesten  (Quecksilber  gefüllt,  a  feinster 
sogar  ebenso  wie  die  Luftröhre  mit  Knorpel-  Luftröhrenast,  &  respmremie 

ringen    Oder    -plättchen   versehen   sind.     Alle  Theile  der  Lunge.  -  Nach  Frey. 

Aeste  werden  von  Bindegewebe  zusammengehalten.  —  Die  Lungen 
haben  mit  dem  Herzen  zusammen  ihren  Platz  im  vordersten  Abschnitt 
der  Leibeshöhle,  der  Brusthöhle,  längs  deren  oberer  Wand  auch 
die  Speiseröhre  verläuft,  während  der  übrige  Theil  des  Darmkanals 


')  Beim  Menschen  und  einzelnen  anderen  Säugethieren  setzt  der  Blinddarm 
sieh  in  einen  dünnen  engen  Anhang,  den  Processus  vermiformis,  fort. 

*)  Seltener  besitzt  die  Bauchspeicheldrüse  zwei  Ausführungsgänge,  welche  ent- 
weder beide  getrennt  in  den  Darm  ausmünden,  oder  von  welchen  der  eine  sich  mit 
dem  Gallengang  vereinigt.. 

*)  Das  Netz  (Omentum  majus)  ist  ein  besonders  entwickelter  Theil  des  Ge- 
kröses, welcher  bei  manchen  Säugethieren  vorhangartig  die  Unterseite  des  Magens 
und  der  Gedärme  bedeckt. 


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512 


Specieller  Theil. 


mit8ammt  der  Niere  und  den  Geschlechtsorganen  in  dem  hinteren, 
als  Bauchhöhle  bezeichneten  Abschnitt  der  Leibeshöhle  liegt. 
Zwischen  Brust-  und  Bauchhöhle  ist  eine  grosse  in  der  Mitte  sehnige, 
sonst  musculöse  Scheidewand,  das  Zwerchfell,  ausgespannt,  welches, 
wenn  seine  musculösen  Theile  erschlafft  sind,  in  die  Brusthöhle  hinein 
gewölbt  ist;  wenn  das  Zwerchfell  sich  contrahirt,  plattet  es  sich  ab, 
dadurch  wird  die  Brusthöhle  vergrössert  und  die  sehr  elastischen 
Lungen  erweitert,  was  zur  Folge  hat,  dass  die  Luft  von  aussen  hinein- 
strömt; beim  Erschlaffen  des  Zwerchfells  werden  die  Lungen  zu- 
sammengedrückt und  die  Luft  theilweise  ausgetrieben.  Das  Zwerch- 
fell ist  somit  ein  wirksames  Werkzeug  für  den  Luftwechsel.  Auch 
die  Muskeln,  welche  die  Rippen  bewegen,  sind  in  dieser  Beziehung  von 
Bedeutung ;  wenn  die  unteren  Enden  der  Rippen  nach  vorne  geführt 
werden,  erweitert  sich  die  Brusthöhle. 

Gefässsystem.  Wie  bei  den  Krokodilen  und  Vögeln  ist  sowohl 
Vorhof  als  Herzkammer  in  je  zwei  vollständig  getrennte  Hälften 
getheilt;  der  linke  Vorhof  empfangt  das  Blut  von  den  Lungen,  der 
rechte  Vorhof  das  Blut  vom  übrigen  Körper.  Von  der  rechten  Herz- 
kammer entspringen  ausschliesslich  mit  einem  gemeinsamen  Stamm 
die  Lungenarterien  (die  Arterienbögen  des  vierten  Paares).  Die 
Arterienbögen  des  ersten  und  zweiten  Paares  entspringen  sämmt- 
lieh  mit  einem  gemeinsamen  Stamm,  der  Körp erarterie,  von  der 
linken  Herzkammer  (vergl.  Fig.  255  F)  und  führen  somit  alle  arte- 
rielles Blut;  der  rechte  Arterienbögen  des  2.  Paares  giebt  nur  die 
Arterie  für  die  rechte  Vordergliedmaasse  ab,  die  Aorta  wird  aus- 
schliesslich von  dem  linken  Bogen  desselben  Paares  gebildet  (im 
Gegensatz  zu  den  Vögeln);  das  1.  Arterienbogenpaar  bildet  wie  ge- 
wöhnlich die  Kopfarterien.  Bei  den  Säugethieren  besteht  demnach 
dieselbe  vollständige  Trennung  des  arteriellen  und  des  venösen  Blutes 
wie  bei  den  Vögeln.  —  Ein  Herzkegel  fehlt. 

Beim  neugeborenem  Säugethier  findet  sich  noch  in  der  Scheidewand 
zwischen  den  beiden  Vorhöfen  eine  grössere  Oeffnung  (hhramm  ovale), 
welche  sich  jedoch  bald  schliesst.  Ebenso  ist  ein  Verbindungsgang  (der 
Botallische  Gang,  vergl.  Fig.  255  F,  b')  zwischen  dem  2.  linken  Ar- 
terienbögen und  der  Lungenarterie  (4.  Arterienbögen)  noch  offen ;  er  bildet 
sich  nach  der  Geburt  zu  einem  soliden  Strang  um. 

Die  Nieren  sind  kurze,  abgerundete  Organe,  in  deren  innerer 
Seite  ein  grösserer  Hohlraum  von  verschiedener  Form,  das  Nieren- 
becken, vorhanden  ist,  in  welches  die  Harnkanälchen  einmünden; 
von  der  das  Nierenbecken  umgebenden .  aus  den  Harnkanälchen  zu- 
sammengesetzten Nierensubstanz  ragen  oft  mehrere  grössere  Papillen 
in  das  Nierenbecken  hinein.  Letzteres  setzt  sich  in  den  Harnleiter 
fort.  Eine  Harnblase  ist  stets  vorhanden.  Ueber  die  Ausmündung 
dieser  so  wie  der  Harnleiter  vergl.  die  Geschlechtsorgane. 

Bei  den  Säugethier-Embryonen  sind  die  Nieren  eine  Zeitlang  gelappte 
Organe.  In  der  Regel  verschmelzen  später  die  Lappen,  so  dass  die  Ober- 
fläche der  Niere  glatt  wird;  innerlich  erhalten  sich  jedoch  oft  Spuren  des 
zusammengesetzten  Baues  in  Form  der  genannten  in  das  Nierenbecken  hinein- 
ragenden  Papillen.  Bei  anderen  bleibt  aber  auch  äusserlich  der  gelappte 
Bau  bestehen,  z.  B.  beim  Rind,  bei  den  Seehunden  etc. 

Die  Eierstöcke  der  Säugethiere  sind  ziemlich  kleine  Organe, 
meistens  mit  einer  glatten  oder  etwas  höckerigen  Oberfläche;  nur 
bei  wenigen  Säugethieren  ( Kloaken thieren ,  Schwein  etc.)  erhält  der 


nigitiTPd  hy^pngfr; 


Wirbelthiere.   fi.  Classe:  Säugethiere. 


Eierstock  durch  stärkere  Hervorwölbung  der  Graafschen  Follikel  ein 
brombeerartiges  oder  traubenfbrmiges  Aussehen.  Die  Graafschen 
Follikel  weichen,  wie  schon  S.  364  geschildert  wurde,  von  denen 
anderer  Wirbelthiere  darin  ab,  dass  sie  eine  grössere  Anzahl  Follikel- 
zellen  besitzen  und  einen  grossen  Spaltraum  enthalten;  bei  den 
Kloakenthieren  ist  jedoch  ebenso  wie 
bei  niederen  Wirbelthieren  nur  eine 
Zellenschicht  um  das  Ei  vorhanden  und 
es  fehlt  der  Spaltraum,  wie  auch  das 
Ei  bei  diesen  eine  weit  bedeutendere 
Grösse  als  bei  den  übrigen  Säugethieren 
erlangt.  —  Die  beiden  Eileiter  zer- 
fallen bei  den  Kloakenthieren  in 
je  einen  engen  vorderen  Abschnitt,  mit 
dem  sich  in  die  Bauchhöhle  öffnenden 
Trichter,  und  einen  weiteren  hinteren 
Abschnitt  (die  Gebärmutter);  sie  mün- 
den getrennt  in  eine  sackförmige  Aus- 
stülpung der  ventralen  Wand  der  Kloake, 
den  Urogenitalkanal,  in  welchen 
auch  die  Harnblase  und  beide  Harn- 
leiter einmünden;  alle  5  Oeffnungen  be- 
finden sich  dicht  beisammen  am  Boden 
des  Urogenitalkanals.  Bei  den  Beutel- 
thieren  ist  die  Kloake  derartig  ver- 
kürzt, dass  sie  nur  eine  kleine  Grube 


B 


Seite  gesehen.  Schernau.  ^Kloaken« 
thier,£Beutelthier,  C  Übrige 
Saugethier e.  b  Blase,  cl  Kioake, 
t  Enddarm,  m  Uterus,  ug  Urogenital- 
kanal, u/Harnleiter,  i; Scheide.  —  Orig. 


Fig.  868.    Die  Endabachnitte  de« 
Darmes ,    des    Harn-    und  Ge- 
schlechtsapparates verschiede- 
dar8tellt,   in  welche  der  Enddarm  oben,  ner  weiblicher  Slugethiere,  von  der 

der  Urogenitalkanal  unten  einmündet.  Die 
Eileiter  zerfallen  bei  den  Beutelthieren 
in  drei  Abschnitte:  einen  engeren  vor- 
deren Abschnitt,  die  Tube  mit  dem 
Trichter,  einen  mittleren  weiteren  Ab- 
schnitt, die  Gebärmutter  (Uterus) ,  und  einen  etwas  verengten 
Endabschnitt,  die  Scheide  (Vaaina);  beide  Scheiden  münden  ge* 
trennt  am  Boden  des  Urogenitalkanals,  in  welchen  ausserdem  nur 
noch  die  Harnblase  sich  öffnet,  indem  nämlich  die  Harnleiter 
in  den  hinteren  Theil  der  Blase  einmünden1).  Bei  den  placen- 
talen  Säugethieren  fehlt  eine  Kloake  beim  ausgebildeten  Thiere 
ganz ;  der  Urogenitalkanal  (sogenannter  Scheiden- V  o  r  h  o  f ,  Veslibulum) 
und  der  Enddarm  münden  getrennt  auf  der  Oberfläche,  entweder  ganz 
dicht  beisammen  oder  durch  einen  etwas  grösseren  Zwischenraum  ge- 
trennt. Die  Eileiter  zerfallen  in  dieselben  Abschnitte  wie  bei  den 
Beutelthieren ;  sie  zeichnen  sich  aber  dadurch  aus,  dass  sie  fast  immer 
in  grösserer  oder  geringerer  Ausdehnung  vom  hinteren  Ende  aus  ver- 
schmolzen sind:  entweder  blos  die  Scheiden,  welche  fast  immer  zu 
einer  vereinigt  sind  *) ,  oder  auch  die  hinteren  Theile  der  Uteri,  oder 
die  Uteri  sind  in  ihrer  ganzen  Länge  verschmolzen;  in  ersterem  Fall 
haben  wir  also  noch  zwei  vollständig  getrennte  Uteri,  eine  sogen. 


')  Bei  einigen  Beutelthieren  sind  die  beiden  Eileiter  in  ihrer  ganzen  Lange 
getrennt,  bei  anderen  sind  die  Seheiden  zwar  eine  Strecke  weit  verschmolzen,  münden 
aber  getrennt  in  den  Urogenitalkanal. 

*)  Der  Elephant  besitzt  zwei  getrennte  Scheiden,  welche  sich  am  Boden  des 
sehr  verlängerten,  am  Bauche  ausmündenden  Urogenitalkanals  öffnen. 

Boa«,  Zoologie.  33 


514 


Spezieller  Theil. 


doppelte  Gebärmutter  (Uterus  duplex),  wie  beim  Kanineben,  im 
zweiten  Fall  eine  zweihörnige  Gebärmutter  (U.  bicornis),  wie 

A  B  C  D 


Fig.  864.  Die  Müller 'sehen  Gänge  und  der  Urogenitalkanal  verschiedener  Säuge- 
thiere,  A  von  einein  Heutelthier,  ^doppelter,  C  zweihör niger,  D  einfacher 
Uterus  b  Mündungsstelle  der  Blase  am  vorderen  Ende  den  Urogenitalkanal*,  o  äussere  Mün- 
dung de»  UrogenitaJkanala,  t  Tube,  tr  Trichter,  u  "Uterus,  r  Scheide.  —  Orlg. 

beim  Pferd,  in  letzterem  Fall  eine  einfache  Gebärmutter  (U. 
simplex),  wie  beim  Menschen.  Die  Harnleiter  und  die  Blase  ver- 
halten sich  wie  bei  den  Beutelthieren. 

An  der  Grenze  der  Scheide  und  des  Vorhofs  findet  sich  bei  manchen 
Säugethieren  eine  von  einer  kleinen  Oeffnung  durchbohrte,  dünne,  häutige 
Querscheidewand,  Ifywcn,  welche  bei  der  ersten  Begattung  gesprengt  wird. 
—  Der  Vorhof  ist  von  sehr  verschiedener  Länge,  bei  einigen  sehr  lang 
(z.  B.  beim  Hasen),  bei  anderen  sehr  kurz,  fast  verschwindend  (z.  B.  beim 
Menschen). 

Die  männlichen  Geschlechtsorgane  bieten  bei  den 
Kloaken  t liieren  Verhältnisse  dar,  welche  sich  eng  an  diejenigen 
der  Reptilien  und  Vögel  anschliessen :  Die  Hoden  liegen  vor  den 
Nieren  an  der  dorsalen  Wand  der  Bauchhöhle;  die  Samenleiter 
münden  ebenso  wie  die  Harnleiter  und  die  Harnblase  in  eine  Aus- 
stülpung der  ventralen  Wand  der  Kloake,  den  Urogenitalkanal, 
welcher  dem  gleichnamigen  des  weiblichen  Thieres  entspricht;  mit 
der  ventralen  Wand  der  Kloake  ist  ein  Begattungsorgan  ver- 
bunden, welches  sich  von  dem  entsprechenden  (homologen)  der  Schild- 
kröten, Krokodile  und  Vögel  dadurch  unterscheidet,  dass  die  Rinne 
an  der  Oberseite  des  Organs  zu  einer  an  beiden  Enden  offenen  Röhre 
umgebildet  ist.  —  Die  übrigen  Säugethiere  weichen  in  mehreren 
Beziehungen  ab.  Die  Hoden  bewahren  selten  ihren  ursprünglichen 
Platz,  sondern  senken  sich  in  der  Regel  am  Ende  des  Embryonal- 
lebens oder  beim  jungen  Thier  jeder  in  eine  Ausstülpung  der  ventralen 
Bauchwand  hinab;  beide  Ausstülpungen  sind  äusserlich  zu  einem 
beuteiförmigen  Körper,  dem  Hodensack  (Scrotum),  vereinigt,  welcher 
durch  eine  Scheidewand  in  zwei  Fächer  getheilt  ist;  jedes  Fach  ent- 
hält einen  Hoden,  und  sein  Hohlraum  steht  durch  einen  weiteren 
oder  engeren,  oft  mit  der  Zeit  verwachsenden  Kanal  mit  der  übrigen 
Bauchhöhle  in  Verbindung.  Ein  Kloake  fehlt  (bei  den  Beutelthieren 
ist  jedoch  noch  eine  grubenförmige  Kloake  vorhanden),  und  das  Be- 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugethiere. 


r,i5 


gattungsorgan  (Penis)  hat  sich  mit  dem  Urogenitalkanal  zu  einem 
zusammenhängenden  dickwandigen  Schlauch  vereinigt,  an  dessen  einem 
Ende  die  Samenleiter  und  die  Harnblase  einmünden  (die  Harnblase 
nimmt  wie  beim  Weibchen  die  Harnleiter  auf);  das  Begattungsorgan  ent- 
springt unterhalb  des  Afters  und  schlägt  sich  meistens  mehr  oder  weniger 
weit  auf  die  Bauchseite  herum,  so  dass  seine  Spitze  nach  vorn  gerichtet 
ist,  und  ist  oft  mit  der  Bauchwand  auf  einer  längeren  Strecke  verbunden; 
sein  freies  Ende  ist  von  einer  Hautfalte,  der  Vor  haut  (Praeputium),  um- 
geben. In  den  Urogenital kanal  und  dessen  Fortsetzung  durch  das  Be- 
gattungsorgan, welche  zusammen  mit  dem  Namen  Harn  r  Öhr  e  (Urethra) 
bezeichnet  werden,  münden  verschiedene  Drüsen,  deren  Secretdem  Samen 
beigemischt  wird;  unter  diesen  sind  die  Vorsteherdrüse  (Prostata)  und 
die  Cowper'schen  Drüsen  die  constantesten.  In  jeden  Samenleiter 
öffnet  sich  bei  manchen  Säugethieren  dicht  an  dessen  Einmündung 
in  den  Urogenitalkanal  (oder  getrennt  in  diesen)  eine  Samen  blase 
( Vesicula  seminalis) ,  ein  sackförmiges  oder  verästeltes  Hohlorgan, 
welches  sowohl  als  Samenreservoir  wie  als  Absonderungsorgan  fungirt. 

Die  Harnröhre  ist  von  dem  sogenannten  schwammigen  Körper 
fCorjms  sponghwum  Urethra?)  umgeben,  welcher  ein  dichtes  Venennetz  ent- 
hält. Ein  ähnliches  befindet  sich  auch  in  den  grossen  paarigen  Schwell- 
körpern  (Curjtora  eavcrnom  f*nis),  welche  längs  der  oberen')  Seite  des 
Regattungsorgaues  liegen  und  vom  Hinterrand  des  Schambeins  entspringen. 
Wenn  diese  Gefössnetze  sich  mit  Blut  füllen,  wird  der  Penis  erigirt.  — 
Ein  dem  Penis  entsprechendes  rudimentäres  Organ  findet  sich  oft  beim 
weiblichen  Thiere  unten  an  der  äusseren  Oeffnung  des  Urogenitalkanals  in 
Form  eines  meistens  warzenförmigen,  seltener  längeren,  Theiles  (CliUtris). 
—  Beim  männlichen  Thier  finden  sich  oft  grössere  oder  kleinere  Rudimente 
der  Eileiter  (der  sog.  t  'terus  ma.scitlinwi).  Bei  den  Weibchen  können  Ru- 
dimente der  Uroiere  (  Nebeneierstock,  z.  B.  beim  Menschen)  und  der  Ur- 
nierengänge  (Gartner'ache  Gänge,  z.  B.  bei  den  Wiederkäuern)  vorkommen. 

Von  den  Säugethieren  sind  nur  die  Kloaken  thiere  eier- 
legend;  das  Ei  hat  bei  diesen  eine  verhältnissmässig  bedeutende 
Grösse*),  und  die  Furchung  ist  partiell ;  es  ist  wie  bei  manchen  Rep- 
tilien von  einer  pergamentartigen  Schale  umgeben;  das  Junge  wird 
mit  einer  milchartigen  Absonderung  der  oben  erwähnten  Hautdrüsen 
gefüttert.  Alle  anderen  Säugethiere  sind  lebendiggebärend; 
eine  Eischale  fehlt  immer,  das  Ei  ist  mikroskopisch  klein,  die 
Furchung  total.  Bei  den  Beutelthieren  liegt  der  Embryo  von 
den  Embrvonalhüllen  umgeben  im  Uterus,  wird  ernährt  und  wächst 
durch  Aufsaugen  einer  von  den  Drüsen  des  Uterus  abgesonderten 
Flüssigkeit;  eine  engere  Verbindung  zwischen  dem  Embryo  und  der 
Wand  des  Uterus  besteht  bei  diesen  nicht,  und  das  neugeborene 
Junge  befindet  sich  in  einem  Zustand,  welcher  in  Vergleich  mit  dem- 
jenigen der  neugeborenen  placentalen  Säugethiere  als  ungemein  un- 
entwickelt bezeichnet  werden  muss;  es  wird  nach  der  Geburt  lange  Zeit 
mit  der  Milch  der  Mutter  ernährt.  Bei  den  placentalen  Säuge- 
thieren tritt  die  äusserste  4er  Embryonalhüllen  mit  der  Wand  des 
Uterus  in  engere  Verbindung;  an  ihrer  Oberfläche  entwickeln  sich 
feine,  gefässreiche,  verästelte,  zottenähnliche  Fortsätze,  welche  sich 

')  Wenn  das  Organ  mit  der  Spitze  nach  vorn  berichtet  ist. 

«)  Beim  Ameisenigel  (Echidna)  hat  das  Ei  mit  Schale  einen  Längsdurchmesser 
von  15  mm,  einen  t^uerdurchmesser  von  13  mm;  beim  Schnabelthier  hat  es  eine 
ähnliche  Grösse. 

33* 


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516 


Specieller  Theil. 


in  entsprechende  Vertiefungen  der  gefässreichen  Wand  des  Uterus 
einsenken  und  als  Aufsaugungsorgane  für  die  Blutflüssigkeit  der 
Mutter  dienen.  Die  Zotten  sind  entweder  einigermaassen  gleich- 
mässig  über  die  ganze  betreffende  Hülle  verbreitet  (Pferd,  Schwein, 
Kamele,  Wale)  oder  besonders,  resp.  ausschliesslich,  und  zwar  sehr 
stark,  an  einer  Stelle  entwickelt,  welche  dann  als  der  Frucht- 
kuchen,  Pidcenta  foetiüis1),  bezeichnet  wird;  oder  es  finden  sich 
mehrere  solche  kleinere  Stellen,  an  welchen  Zotten  entwickelt  sind. 
Letzteres  ist  bei  den  meisten  Wiederkäuern  der  Fall,  welche  eine 
grössere  Anzahl  stark  hervortretender  kleiner  Fruchtkuchen  („Cotyl e- 
donen")  besitzen;  sonst  findet  man  einen  grossen  zusammenhängenden 
Fruchtkuchen,  entweder  einen  gürtelförmigen  (Raubthiere,  Seehunde, 
Elephanten)  oder  einen  scheibenförmigen  (beimMenschen  und  anderen2). 
Derjenige  Theil  der  Uteruswand,  welcher  mit  dem  Fruchtkuchen  in 
Verbindung  tritt,  wird  als  Mutterkuchen,  Pldcentd  uteritiä,  be- 
zeichnet. Bei  der  Geburt  werden  in  einigen  Fällen  die  Zotten  ein- 
fach aus  den  Vertiefungen  der  Uterus  wand  herausgezogen  (Pferd, 
Wiederkäuer  etc.);  in  anderen  Fällen  (bei  allen  mit  ringförmigem 
oder  scheibenförmigem  Fruchtkuchen)  bleibt  ein  Theil  der  Schleim- 
haut des  Uterus  an  den  Embryonalhüllen  haften  und  wird  mit  diesen 
abgelöst,  so  dass  die  Schleimhaut  des  Uterus  nach  der  Geburt  sich 
in  grosser  Ausdehnung  regenerirt. 

Bei  den  placentalen  Säugethieren  tritt  die  seröse  Hülle  (vergl.  S.  369) 
in  enge  Verbindung  mit  der  Allantois,  welche  theilweise  mit  ihr  ver- 
wächst; die  durch  die  Verwachsung  beider 
entstandene  gefassreiche  Hülle  wird  als 
Chorion  bezeichnet;  von  letzterem  gehen 
die  oben  erwähnten  gefässreichen  Zotten 
aus.  —  Bei  älteren  Säugethierembryonen 
wird  das  Amnion  stark  ausgedehnt  und 
legt  sich  oft  dicht  der  Allantois  an.  Es 
umschliesst  dann  zugleich  scheidenform  ig 
die  kanalartigen  Verbindungsstücke  der 
Allantois  und  des  Dottersackes  mit  dem 
eigentlichen  Embryo.  Diese  Theile  (vergl. 
Fig.  355)  werden  mit  der  genannten  Scheide 
zusammen  als  Nabelstrang  bezeichnet. 
Der  Kreislauf  bei  einem  älteren 
Fig.  855.    Die  Fruchthullen  Embryo  eines  placentalen  Säugethieres  ist 

eines  Säuirethieres,  Schema,  um  Amnion,    •  «  t»     •  «  j 

a*Au»ntois.A  Dottersack;  die  äusserst«  in  mehreren  Beziehungen  von  demjenigen 

Linie  ist  die  seröse  Hülle.  Das  äussere  des  ausgebildeten  Thieres  sehr  abweichend: 

Blatt  des  Allantois  ist  mit  der  serösen  die  Lungen  fungiren  selbstverständlich  noch 

Httllc  tu  dem  mit  verästelten  Fortsätzen  njcj,t   ^    Athmungsorgane  ;    den  8auer- 

hesetzten  Chorion  verwachsen.  -  Orig.  ^    deg8en   ^  ^ 

er  mit  der  aufgesogenen  Blutflüssigkeit  aus  dem  Mutterthiere.  Die  Haupt- 
züge des  Kreislaufes  sind  folgende:  Das  arterielle  Blut  ans  dem  Frucht- 
kuchen mischt  sich  mit  dem  venösen  Blut  aus  dem  hinteren  Theil  des 
Körpers,  und  dieses  gemischte  Blut  gelangt  in  den  rechten  Vorhof, 
in  welchen   auch  das  venöse  Blut  aus  dem  vorderen  Theil  des  Körpers 

')  Wenn  die  Zotten  über  die  ganze  Hülle  gleich  massig  vertheilt  sind,  sagt 
man,  die  betreffenden  Thiere  (z.  B.  das  Pferd)  besitzen  eine  diffuse  Piacents: 
streng  genommen  besitzen  sie  keine  Placenta. 

^)  Affen,  Fledermäusen,  Insektenfressern  und  Nagern. 


— — 


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Wirbclthicre.   6.  Clause:  Säugethiere. 


517 


hineinströmt.  Ein  Theil  des  Blutes  aus  dem  rechten  Vorhof  gelangt  in 
die  rechte  Herzkammer,  von  hier  in  die  Lungenarterie  und  aus  dieser  theils 
in  die  Lungen,  theils  durch  den  Botalli'schen  Gang  in  die  Aorta.  Ein 
anderer  Theil  des  Blutes  des  rechten  Vorhofs  geht  durch  die  Oeffming 
der  Vorhofscheidewand  in  den  linken  Vorhof  und  aus  diesem  durch 
die  linke  Herzkammer  in  den  Körperarterienstamm.  Es  findet  demnach 
beim  Embryo  eine  sehr  ausgedehnte  Mischung  arteriellen  und  venösen 
Blutes  statt. 

In  Bezug  auf  die  Länge  der  Zeit,  welche  der  Embryo  der  placen- 
talen  Säugethiere  im  Uterus  verweilt  (die  Tragzeit),  bestehen  bei 
verschiedenen  Formen  grosse  Unterschiede,  während  die  Zeit  für  jede 
Art  ziemlich  bestimmt  ist.  Als  allgemeine  Regel  gilt,  dass  grosse 
Säugethiere  eine  lange  Tragzeit  (bis  ein  Jahr  oder  mehr)  haben  und 
auf  einmal  nur  eins  oder  ganz  wenige  Junge  gebären,  während  kleine 
Säugethiere  eine  kurze  Tragzeit  haben  und  auf  einmal  mehrere  oder 
viele  Junge  zur  Welt  bringen.  Wenn  ein  Säugethier  auf  einmal 
mehrere  Junge  in  seinem  Uterus  hat,  so  sind  die  Eier,  von  denen 
aie  herstammen,  sämmtlich  auf  einmal  befruchtet  worden ;  sie  sind  des- 
halb sämmtlich  gleichweit  in  ihrer  Entwicklung  fortgeschritten  und 
werden  unmittelbar  nach  einander  geboren.  Bei  einigen  placentalen 
Säugethieren  sind  die  Jungen  bei  der  Geburt  sehr  hülflos,  nackt, 
mit  verschlossenen  Augen  (verklebten  Augenlidrändern),  während 
andere  sich  sofort  selbständig  umherbewegen  können.  Sie  werden 
alle  während  der  ersten  Zeit  mit  der  Milch  der  Mutter  ernährt. 

Die  Säugethiere  werden  in  die  folgenden  Hauptgruppen  getheilt: 

A.  Ovipare  Säugethiere.  Legen  grosse  Eier  ab,  welche  von  einer 
Schale  umgeben  sind.  Kloake  lang.  —  Hierher  gehört  nur  die  Ord- 
nung der  Kloakenthiere. 

B.  Aplacentale  Säugethiere.  Ei  klein,  entwickelt  sich  im  Ei- 
leiter, der  Embryo  wird  von  einer  in  der  Eileiterwand  abgesonderten 
Flüssigkeit  ernährt,  ist  bei  der  Geburt  sehr  klein  und  unvollkommen 
entwickelt.  Kloake  rudimentär.  —  Hierher  nur  die  Ordnung  der 
Beutelthiere. 

C.  Piacentale  Säugethiere.  Der  Embryo,  welcher  sich  aus  einem 
kleinen  Ei  entwickelt,  tritt  durch  Zotten  der  äusseren  Embryonal- 
hülle in  engere  Verbindung  mit  der  Eileiterwand.  Kloake  fehlt.  — 
Hierher  alle  übrigen  Säugethier-Ordnungen. 

1.  Ordnung.    Kloakenthiere  (Monotnmata). 

Diese  kleine  Abtheilung  weicht  in  einer  Reibe  von  Charakteren 
von  den  übrigen  Säugethieren  ab  und  nähert  sich  in  denselben  den 
Reptilien.  Besonders  auffallend  ist  es,  dass  sie  eierlegend  sind,  dass 
die  Eier  verhältnissmässig  g  r  o  s  s  und  mit  einer  lederartigen  Schale  um- 
geben sind;  ferner  besitzen  sie  eine  wohlentwickelte  Kloake  wie  die 
Reptilien.  Von  anderen  Charakteren,  welche  auf  diese  hinweisen,  heben 
wir  hervor:  das  Vorhandensein  wohlentwickelter  Hals rippen  ,  eines 
grossen  Coracoids,  eines  ganz  reptilienähnlichen  Vorderbrust- 
beines; das  Fehlen  einesKammes  am  Schulterblatt;  die  Form  des 
Steigbügels  (reptilienähnlich);  den  nicht  spiralig  gewundenen 
Schneckengang;  die  schwache  Entwicklung  des  Hirn b  alk  ens  ; 
das  ganze  (oben  erwähnte)  Verhältniss  des  Harn-  und  Geschlechts- 


51R 


Spezieller  Thcil. 


apparates.  Von  Interesse  ist  auch,  dass  die  Körpertempera- 
tur1) niedriger  ist  als  bei  anderen  Säugethieren. 

Dass  sie  trotzdem  nicht  mit  Unrecht  den  Säugethieren  zugerechnet 
werden,  ersieht  man  daraus,  dass  sie  in  den  folgenden  Charakteren  mit 
den  übrigen  Säugethieren  übereinstimmen  und  von  den  Reptilien  abweichen : 
sie  sind  behaart,  mit  Talg-  und  Schweissdr  üsen  ausgestattet,  sie 
besitzen  ein  langes,  gegliedertes  Brustbein,  es  fehlt  ihnen  ein  Quadrat- 
bein, sie  besitzen  zwei  Gelenkhöcker  am  Hinterhauptsbein,  drei 
Gehörknöchelchen,  das  Mittelhirn  ist  in  vier  Lappen  getheilt,  der 
Penis  ist  röhrenförmig,  etc. 

Ausser  den  schon  hervorgehobenen  Punkten  ist  noch  zu  erwäh- 
nen, dass  die  Kloakenthiere  dieselben  mit  dem  Becken  verbundenen 
Beutelknochen  wie  die  Beutelthiere  besitzen;  ferner  ist  daran  zu 
erinnern,  dass  Zitzen  fehlen,  und  dass  es  zweifelhaft  ist,  ob  die 
beiden  Drüsengruppen,  deren  Secret  zur  Nahrung  der  Jungen  ver- 
wendet wird,  den  Milchdrüsen  anderer  Säugethiere  entsprechen.  Die 
wenigen  bekannten  Formen  sind  in  erwachsenem  Zustand  vollständig 
zahnlos;  dagegen  können  Hornzähne  vorhanden  sein.  In  den  letzten 
Jahren  hat  man  aber  nachgewiesen,  dass  Ornithorhynchus  in  der 
Jugend  echte  Zähne  besitzt,  welche  aber  im  Kiefer  liegen  bleiben, 
nicht  hervorbrechen  und  später  resorbirt  werden.  Es  ist  kein  deut- 
liches äusseres  Ohr  vorhanden.  Das  Männchen  besitzt  an  der 
Ferse  einen  hornigen  Sporn. 

Von  Kloakenthiere ii  sind  bis  jetzt  nur  drei  lebende  Arten  be- 
kannt, welche  im  Folgenden  erwähnt  werden.  Es  sind  mittelgrosse 
Thiere,  welche  auf  Neu-Holland,  Neu-Guineaund  Tasmanien  beschränkt 
sind.  Von  fossilen  Ueberresten  dieser  Gruppe  ist  sehr  wenig  Sicheres 
bekannt. 

1 .  Das  Schnabelthier  ( OrniÜu>rhynchm paradoxus).  Die  Schnauzen- 
partie ist  abgeplattet,  breit,  mit  einer  nackten  hornigen  Haut  bekleidet; 
hinten  im  Munde  jederseits,  oben  und  unten,  ein  grosser  Hornzahn 
(vorne  ein  kleinerer).  Schwanz  kräftig,  abgeplattet;  Füsbo  mit  Schwimm- 
haut, kräftige  Krallen.  Behaarung  weich.  Ernährt  sich  von  kleineren 
Wasserthieren.  Die  Eier  werden  (zwei  zur  Zeit)  in  einer  in  die  Erde 
gegrabenen  Höhle  abgelegt;  das  aus  dem  Ei  geschlüpfte  Junge  wird  mit 
der  Milch  der  Mutter  ernährt.    Oe3tliches  Neu-Holland  und  Tasmanien. 

2.  Der  Ameisenigel  (Echidna  aruleala).  Die  Schnauzenpartie  ist, 
besonders  gegen  die  Spitze  hin ,  verschmälert  und  mit  einer  nackten  Haut 
bekleidet;  der  Mund  klein,  die  Zunge  lang  und  klebrig;  der  Körper  mit 
Haaren  und  Stacheln  bedeckt;  Schwanz  sehr  kurz;  Krallen  stark.  Er- 
nährt sich  von  Ameisen,  Termiten  u.  dergl.  Das  Ei  (es  wird  zur  Zeit 
nur  ein  Ei  geboren)  wird  in  eine  unpaarige  sackförmige  Vertiefung  der 
Bauchseite  aufgenommen  und  hier  ausgebrütet;  die  Temperatur  des 
Sackes  steigt  um  mehrere  Grad  über  diejenige  des  übrigen  Körpers.  Der 
Sack,  welcher  später  als  Aufenthaltsort  für  das  Junge  dient,  bildet  sich 
schliesslich  zurück ;  vor  dem  Austritt  eines  Eies  aus  der  Kloake  bildet  er 
sich  jedesmal  aufs  Neue  (dieser  Brutsack  fehlt  bei  Ornithorhynchus).  Lebt 
in  verschiedenen  Varietäten  auf  Neuguinea,  Neu-Holland  und  Tasmanien.  — 
Nahe  verwandt  ist  K.  (Proechidtui)  lintijnii,   welche   einen  längeren ,  ge- 


')  Bei  Echidna  unter  gewöhnlichen  Verhältnissen  28°  0.,  bei  Ornithorhynchw 
ca.  25°  C.  Bei  anderen  Säugethieren  findet  man  durchschnittlich  eine  Körperwärme 
von  38-89°  C. 


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Wirbelthicrc.   6.  Classe:  Säugetbiere. 


519 


bogenen  Schnabel  und  an  jedem  Fuss  (Vorder«  wie  Hinterfuss)  nur  3  Krallen 
besitzt  (während  K.  aculcala  mit  5  Krallen  an  allen  Füssen  versehen  ist). 
Neu-G-uinea. 

2.  Ordnung.    Beutelthiere  (MarsiqriaUa). 

Die  charakteristischste  Eigentümlichkeit  dieser  Gruppe  besteht 
darin,  dass  die  äussere  Embryonalhülle  keine  in  die  Uteruswand 
sich  einsenkenden  Zotten  bildet,  sondern  der  Embryo  ernährt  sich 
durch  Aufsaugen  eines  Secretes  der  Uterus-Drüsen  und  wird  in  einem 
sehr  unreifen  und  unvollkommenen  Zustand  geboren.  Auch  andere 
Charaktere  weisen  auf  den  niederen  Zustand  der  Beutelthiere  in 
Vergleich  mit  den  folgenden  Ordnungen  der  Säugethiere  hin ;  so  ist 
z.  B.  der  Hirnbalken  nur  schwach  entwickelt,  es  ist  eine,  wenn  auch 
nur  grubenförmige,  Kloake  vorhanden,  die  beiden  Eileiter  münden 
getrennt  in  den  Urogenitalkanal.  Die  Beutelthiere  besitzen  —  ebenso 
wie  die  Kloakenthiere,  im  Gegensatz  aber  zu  den  übrigen  Säugethieren 
—  Beutelknochen,  ein  Paar  eigenthümlicher  Knochen,  welche  mit 
den  Schambeinen  in  Verbindung  stehen  und  sich  von  jenen  in  der 
Bauchwand  nach  vorne  erstrecken.  Sie  haben  mit  dem  sogen.  Beutel ,  * 
welcher  bei  den  meisten  weiblichen  Beutelthieren  vorhanden  ist,  nichts 
zu  thun;  letzterer  ist  eine  sackförmige,  von  einer  grossen  Hautfalte 
begrenzte,  vorne  offene  Höhlung  an  der  Bauchseite  des  Thieres,  an 
deren  oberer  Wand  die  Zitzen  ihren  Platz  haben,  und  in  welche  die 
Jungen  sofort  nach  der  Geburt  hineingebracht  werden;  sie  sitzen  lange 
Zeit  unbeweglich  in  derselben  an  je  einer  Zitze  festgesogen. 

Die  Zähne  der  Beutelthiere  erinnern  zwar  im  Ganzen  an  die- 
jenigen anderer  Säugethiere,  verhalten  sich  jedoch  in  einigen  Punkten 
abweichend.  Die  Backenzähne  bewegen  sich  innerhalb  der  Zahl  7  in 
jeder  Kieferhälfte  (nur  eine  einzelne  Form  mit  rückgebildeten  Zähnen 
hat  eine  grössere  Anzahl);  von  Eckzähnen  ist  (höchstens)  einer  in  jeder 
Kieferhälfte  vorhanden,  die  Anzahl  der  Vorderzähne  steigt  aber  bis  auf  5 
oben,  4  unten  auf  jeder  Seite.  Von  den  7  Backeuzähnen  hat  nur  Nr.  3 
einen  Vorgänger,  welcher  überhaupt  der  einzige  Milchzahn  ist, 
der,  so  weit  man  weiss,  bei  diesen  Thieren  auftritt.  Die  Form  der 
Zähne,  besonders  der  Backenzähne,  variirt,  der  sehr  verschiedenartigen 
Lebensweise  entsprechend,  in  hohem  Grade. 

In  den  meisten  Punkten  des  Baues  stehen  die  Beutelthiere  übrigens 
den  placentalen  Säugethieren  näher  als  den  Kloaken  thieren :  echte  Milch- 
drüsen mit  Zitzen  sind  vorhanden,  das  Coracoid  ist  rudimentär,  Vorder- 
bruatbein  fehlt,  der  tSchneckengang  ist  spiralig  gewunden,  das  Verbältniss 
de»  Penis  ist  wesentlich  das  gleiche  wie  bei  den  placentalen  Säugethieren, 
die  Hoden  treten  in  einen  Hodensack  hinab,  die  Furchung  des  sehr  kleinen 
Eies  ist  total,  etc. 

Die  meisten  Beutelthiere  der  Jetztzeit  leben  inNeu-Holland1) 
und  auf  einem  Theil  der  anliegenden  Inseln,  nur  die  Beutelratten  leben 
in  Amerika.  Dagegen  waren  Beutelthiere  in  früheren  Perioden  auch 
in  den  anderen  Welttheilen  vorhanden. 


')  Die  unten  aufgeführten  Formen,  bei  welchen  keine  besondere  Bemerkung 
jremacht  ist,  leben  in  Neu-Holland  (einige  derselben  ausserdem  auf  Neu-Guinea, 
Tasmanien  etc.). 


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520 


Spccieller  Thcil. 


Wenigstens  .']  kleine, 
gleichgebildeteSchneide- 
zähne  jederseita  im  Un- 
terkiefer. Der  Eckzahn 
grösser  als  die  Schneide- 
zähne. 


Beutel  ratten- (rruppe 
Beutcldachs-Gruppe 


Hinterbeine  mit 


Käng  uru-Gruppe 


Die  Zehen  Nr.  2 
und  3  dünner  als 
Nr.  4  und  5 
mit  einander 
wachsen. 


Nur  1  grosser  Schnei- 
dezahn in  jeder  Unter- 
kiefer -  Hälfte.  —  Der 
Eckzahn  klein  oder  fehlt. 

L.  Die  Beutelratten- Gruppe  (Polyprotodontia).  Jederseita 
4 — 5  Vorderzähne  im  Zwischenkiefer,  3 — 4  im  Unterkiefer.  Wohlent- 
wickelte kegelförmige  Eckzähne.  Backenzähne  mit  Spitzen  oder  Höckern. 
Nr.  2  und  3  der  Zehen  der  Hinterfüsse  sind  Nr.  4  und  5  ähnlich  und 
nicht  verwachsen. 

a.  Die  Beutelratten  (Didelphyitlae)  haben  an  den  Hinter- 
füssen einen  wohlentwickelten,  aber  krallenlosen  Daumen  (Nr.  I),  welcher 
den  übrigen  Zehen  entgegengestellt  werden  kann,  i  c  \,  b  l.  Langer, 
fast  nackter,  beschuppter  Greifschwanz.  Der  Beutel  ist  bei  einigen  wohl- 
entwickelt, bei  anderen  ist  er  rudimentär  oder  fehlt.  Ernähren  sich  be- 
sonders von  Insekten.  Kleinere  Thiere,  welche  ausschliesslich  in  Amerika, 
besonders  in  Südamerika,  leben. 

b.  Die  Beutelmarder  (Dasyuridaf).  Daumen  des  Hinter- 
fuBses  rudimentär  oder  fehlt,  t  J.  Schwanz  nicht  als  Greifwerkzeug  ent- 
wickelt. Baubthiere  oder  Insektenfresser.  Hierher  die  eigentlichen  Beutel- 
marder  (Dtuyttrw)  und  der  hochbeinige,  wolfähnliche  Beutelwolf  (7%- 
lucinus)  ;  letzterer  ausschliesslich  in  Tasmanien.  Ferner  der  kleine  eich- 
hörnchenartige Ameisenbeutler  (Myitnrcobiw),  mit  }  kleinen  schwachen 
Backenzähnen  und  mit  langer,  glatter,  vorstreckbarer  Zunge  (Ameisenfresser). 


Fip.  35ß.  Rechter  H i n t e r f  u « s :  .4  von  Phttlantji*ta  .  B  vom  Rlngura,  V  von 
Chocropus.  a  Sprungbein,  c  Fersenbein,  n  < Zentrale  (Naviculare).  e'— c*  Cuneiforme  (Tarsale) 
Kr.  1—3,  cb  Cuboideutn        Tarsale  1  +  5);  / —  V  erste— fünfte  Zehe.  —  Nach  Flower. 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugcthicrc. 


521 


2.  Die  Beuteldaohse  (Pcrawdina)  sind  der  vorigen  Gruppe  in  den 
Verhältnissen  der  Zähne  ähnlich ,  während  sie  mit  der  folgenden  in  den 
Charakteren  der  Hinterfüsse  übereinstimmen ,  indem  die  2.  und  3.  Zehe 
dünner  und  in  eine  gemeinsame  Haut  eingeschlossen  sind;  Hinterdaumen 
fehlt  oder  ist  rudimentär.  /  Während  bei  den  übrigen  Beutelthieren 
die  Vordergliedmaassen  je  5  wohlentwickelte  Finger  besitzen,  Bind  bei  der 
einen  der  beiden  Beuteldachs-Gattungen  (Perunwles)  der  1.  und  5.  Finger 
stark  rückgebildet  und  krallenlos,  bei  der  anderen  (Choerojms/  fehlen  sie 
sogar,  und  Nr.  4  ist  ausserdem  noch  rudimentär  geworden.  Bei  Pcramelat 
ist  am  Hinterfuss  ein  Daumen-Rudiment  vorhanden,  Nr.  4  ist  die  am  stärksten 
entwickelte  Zehe ;  bei  CJuteropus  (Fig.  356  C)  fehlt  das  Daumen-Rudiment, 
and  Nr.  2,  3  und  5  sind  ungemein  dünn,  fast  rudimentär. 

3.  Die  Känguru- Gruppe  (IHprotodoutia).  In  der  Regel  3  Vorder- 
zähne im  Oberkiefer,  l  im  Unterkiefer.  Keine  oder  kleine  Eckzähne.  Backen- 
sahne  mit  gröberen  Zacken  oder  Querhügeln.  Von  den  Zehen  des  Hinter- 
fusses  sind  Nr.  2  und  0  schwächer  als  Nr.  4  und  5  und  von  einer 
gemeinsamen  Haut  umschlossen  (Syndactylie).  Pflanzenfresser. 

a.  Die  Kletterbeutler  (Phalanffi&tidae).  Die  Hinterglied- 
maassen wenig  länger  als  die  Vordergliedmaassen,  Hinterdaumen  wohlent- 
wickelt, krallenlos,  kann  den  übrigen  Zehen  entgegengestellt  werden. 
(Fig.  356  A).  t  ^.  Kletternde  Thiere.  Hierzu  gehören:  Die  Kusu's 
(Phalangista)  mit  langem  Greifschwanz;  die  Flugbeutler  (Pelaurus)  mit 
einer  zwischen  Vorder-  und  Hintergliedmaassen  ausgespannten  grossen 
Hautfalte;  der  Koala  oder  australische  Bär  ( Phascolardos) ,  ein 
plumpes  schwanzloses  Geschöpf,  bei  welchem  die  Finger  ähnlich  wie  bei 
den  Chamäleonen  in  zwei  Bündel  getheilt  sind  (Nr.  ! — 2  können  Nr.  3  —  5 
entgegengestellt  werden) ;  der  kleine,  abweichende  insektenfressende  Tarsipc-s 
mit  langer  vorstreckbarer  Zunge,  wenigen,  rudimentären  Backenzähnen  (^) 
und  rudimentären  Krallen  an  allen  Fingern  und  Zehen  mit  Ausnahme  der 
2.  und  3.  Zehe  des  Hinterfusses. 

b.  Die  Känguru'B  (Manopodidae).  Hintergliedmaassen  sehr 
lange  Springbeine,  Hinterdaumen  fehlt,  Zehen  2 — 3  sehr  dünn,  4—5  stark 
(Fig.  356  B):  Vordergliedmaassen  klein.  Schwanz  sehr  kräftig,  als  Stütze 
beim  Sitzen  benutzt,  t  i.  Grössere  und  kleinere  Formen  (Halmaturtt.s, 
Hyiisijrrymmiis  u.  a.)  auf  Neu-Holland  und  mehreren  Inseln. 

c.  Die  Wombats  {Phascolvmys)  zeichnen  sich  dadurch  aus.  dass 
sie  jederseits  oben  und  unten  nur  einen  Vorderzahn  haben  (ähnlich  wie 
die  Nager).  Alle  Zähne  wurzellos';  Nr.  2  und  3  an  den  Hinterfüssen  nur 
wenig  schwächer  als  die  übrigen  Zehen.  Schwanz  sehr  kurz.  Plumpe 
Nachtthiere. 

3.  Ordnung.   Insektenfresser  (InsecUwra). 

Die  Insektenfresser  sind  kleine,  kurzbeinige  placentale  Säugethiere. 
deren  Schnauze  mehr  oder  weniger  rüsselartig  verlängert  ist,  und 
welche  mit  mehrspitzigen  hinteren  Backenzähnen  versehen  sind  (die 
vorderen  Backenzähne  sind  meistens  klein  und  einspitzig).  Die  Insekten- 
fresser treten  in  der  Regel  mit  dem  ganzen  Fuss  auf  (Sohlengänger); 
der  Fuss  (Vorder-  wie  Hinterfuss)  ist  gewöhnlich  mit  5  gleichgebildeten 
Zehen  ausgestattet. 

Die  Eckzähne  sind  oft  von  geringer  Grösse,  einige  der  Schneidezähne 
häufig  gross.  Schlüsselbeine  sind  stets  vorhanden.  Augen  und  äussere 
Ohren  häufig  wenig  entwickelt  Die  Hoden  treten  nicht  in  einen  Hoden- 
sack hinab.    Zitzen  auf  dem  Bauch. 


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f>22 


Speoieller  Theil. 


Die  Insektenfresser  ernähren  sich  hauptsächlich  von  Insekten, 
Würmern  u.  dergl.,  seltener  auch  von  Pflanzenstoffen.  Sie  fehlen  gänz- 
lich in  Australien  und  Südamerika. 

t.  Die  Igel  (Krtnareus).  Rückenseite  mit  Stacheln  (sehr  dicken, 
steifen  Haaren),  Unterseite  mit  gewöhnlichen,  feineren  oder  gröberen  Haaren: 
Füsse  einfach  ;  Schwanz  kurz.  Kann  Bich  zu  einer  Kugel  zusammenrollen, 
indem  Kopf,  Gliedmaassen  und  Schwanz  gegen  die  Bauchseite  gebogen 
werden  und  die  stachelige  Rückenhaut  mittels  der  grossen  Hautmuskeln 
über  dieselben  hinab  gezogen  wird.  Eckzähne  fehlen ;  i 1  oben  und  unten 
grösser  als  die  übrigen  Schneidezähne ;  die  Spitzen  der  Backenzähne  weniger 
spitz  als  bei  anderen  Insektenfressern ;  im  Ganzen  10  Zähne  oben,  8  unten 
auf  jeder  Seite.  Fast  durch  ganz  Europa  verbreitet  ist  der  gern  eine 
Igel  (E.  eurojKieius) ,  welcher  sowohl  von  thierischer  als  von  pflanzlicher 
Nahrung  lebt;  hält  Winterschlaf. 

2.  Die  Maulwürfe  (Taljta).  Die  Vordergliedmaassen  sind  zu  sehr 
kräftigen  Grabwerkzeugen  entwickelt;  die  Hand  ist  breit,  mit  5  langen, 
starken,  fast  geraden  Krallen  versehen  und  derartig  gedreht,  dass  der  (durch 
einen  eigenthünilichen  sichelförmigen  Knochen  gestützte)  innere  Rand  nach 
unten,  die  Handfläche  nach  aussen  gekehrt  ist.  Das  Schlüsselbein  ausser- 
ordentlich kurz  und  kräftig,  der  vordere  Theil  des  Brustbeins  mit  einem 
Kamm.  Augen  rudimentär,  äussere  Ohren  fehlen,  Schwanz  kurz,  Behaarung 
weich.  Zahnformel  vollständig :  ;  Eckzahn  des  Unterkiefers  den  Schneide- 
zähnen,  welche  klein  und  einfach  sind,  ähnlich  (Fig.  347).  Leben  aus- 
schliesslich von  thierischer  Nahrung.  In  Deutschland  lebt  der  gemeine 
Maulwurf  (T.  eurojMiea).  —  Eine  andere  Gruppe  grabender  Insekten- 
fresser bilden  die  Goldmaulwürfe  (Ohrysachloris).  Es  sind  dies  blinde, 
grabende  Thiere  mit  sammetweichem  Pelz,  bei  denen  die  Kralle  und  das 
Krallenglied  des  zweiten  und  besonders  des  dritten  Fingers  ungemein  kräftig 
entwickelt,  der  1.  und  der  4.  Finger  klein  sind  (der  5.  Finger  fehlt):  die 
Hand  ist  nicht  gedreht.  Südafrika. 

3.  Die  Spitzmäuse  (Soriculac)  sind  kleine  Insektenfresser  mit 
langem  Schwanz ,  spitzem  Rüssel ,  einfach  gebauten  Füssen  und  weicher 
Behaarung.  Von  Schneidezähnen  findet  sich  in  jeder  Unterkieferhälfte  nur 
einer,  welcher  sehr  gross  und  nach  vorn  gerichtet  ist ;  dieselbe  Ausbildung 
zeigt  auch  der  vorderste  obere  Schneidezahn ;  Eckzähne  klein.  Die  Zahn- 
spitzen sind  bei  manchen  rothbraun.  Seitlich  am  Körper  eine  Drüse,  welche 
eine  moschusartig  riechende  Flüssigkeit  absondert.  Die  Spitzmäuse,  welche  sich 
von  Insekten  und  Würmern  ernähren  ,  sind  in  Deutschland  durch  folgende 
Arten  vertreten:  die  Waldspitzmaus  (Sorex  vulgaris),  die  Zwergspitzmaus 
(,s'«  pygtnaeu*),  die  Wasserspitzmaus  (Orossopus  fodicns),  die  Hausspitzmaus 
{Crocidura  aratica)  und  die  Feldspitzmaus  \(\  Imcodon);  von  diesen  haben 
die  beiden  letzten  weisse,  die  übrigen  braunspitzige  Zähne. 

4.  Von  ausländischen  Insektenfressern  führen  wir  ausser 
den  Goldmaulwürfen  noch  folgende  an:  Die  Bisamrüssler  (Myogak), 
mit  den  Maulwürfen  verwandt,  mit  langem,  beschupptem,  rundem  oder  zu- 
sammengedrücktem Schwanz;  eine  grössere  Art,  der  Des  man  (3/.  mo- 
schalet) ,  mit  zusammengedrücktem  Schwanz  und  zahlreichen  Moschusdrüsen 
an  der  Unterseite  des  Schwanzes,  in  Südrussland ;  eine  andere,  kleinere 
Art  (M.  jfi/renaica),  ohne  solche  Drüsen  und  mit  rundem  Schwanz ,  in  den 
Pyrenäen.  —  Die  Rohrrüssler  (Maarjscelideif )  sind  springende  Thiere 
mit  verlängertem  Mittelfuss,  langem  Rüssel,  grossen  Ohren;  Afrika.  —  Die 
Spitzhörnchen  ( Clatlofoiteji)  mit  kräftigem  Schwanz,  welcher  mit  langen, 
nach  beiden  Seiten  gerichteten  Haaren  versehen   ist;  eichhörnchenartige 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  ßäugethiere. 


523 


Thiere,  welche  auf  Bäumen  leben ;  Afrika.  —  Eine  in  manchen  Beziehungen 
abweichende  Form  ist  der  Kaguang  {GnleopiÜiecus  voUina),  welcher  eine 
grosse,  behaarte,  zwischen  Vordergliedmaassen,  Rumpf  und  Hinterglied- 
maassen ausgespannte  Hautfalte  besitzt  (Fallschirm);  die  Vorderzähne  des 
Unterkiefers  mit  kammartig  zerschlitzter  Krone.  Bas  Thier,  welches  etwa 
die  Grösse  einer  Katze  hat ,  ernährt  sich  von  Pflanzen  und  lebt  auf  den 
Sundainseln,  den  Molucken  und  Philippinen. 

Anmerkung.  An  dieser  8telle  erwähnen  wir  die  (Gattung  Hyrax 
(Klippschliefer,  Daman),  welche  in  früherer  Zeit  meistens  den  Hufthieren 
zugerechnet  wurde,  uns  aber  eher  mit  den  Insektivoren  verwandt  erscheint; 
ihre  systematische  Stellung  ist  übrigens  noch  eine  sehr  zweifelhafte.  Die 
wenigen  Arten  der  Gattung  sind  kleinere ,  nagerähnliche ,  weichbehaarte 
Thiere  mit  spitzer  Schnauze,  ganz  kurzem  Schwanz ,  mittelhohen  Beinen ; 
am  Vorderfusse  sind  4  wohlentwickelte  Finger  vorhanden  (der  Daumen  ist 
rudimentär),  der  Hinterfuss  ist  nur  dreizehig;  Finger  und  Zehen  sind  (mit 
Ausnahme  der  inneren  Zehe  des  Hinterfusses ,  welche  eine  Kralle  trägt) 
mit  platten  Nägeln  versehen  (keine  Hufe) ;  ein  grosser  weicher  Sohlenballen. 
$  *  >  o  '■'  i  7'»  ü  '  die  Kaufläche  der  Backenzähne  ist  derjenigen  der  Nas- 
hörner sehr  ähnlich;  der  innere  Schneidezahn  gross,  so  dass  die  Bezahnung 
etwas  nagerähnlich  wird.    Pflanzenfresser;  Afrika,  Westasien. 

4.  Ordnung.    Fledermäuse  (Chiroptera). 

Die  hervorragendste  Eigentümlichkeit  der  Fledermäuse  liegt  in 
der  eigenartigen  Ausbildung  der  Vordergliedmaassen.  Der  2.  —  5.  Mittel- 
handknochen und  die  entsprechenden  Finger  sind  sehr  verlängert,  und 
zwischen  denselben  ist  eine  Flughaut  ausgespannt,  eine  dünne,  nackte 
Hautfalte,  welche  sich  auch  vom  5.  Finger  längs  des  Ober-  und  Unter- 
armes an  den  Rumpf  und  die  Hintergliedmaassen  erstreckt;  vorne  im 
Winkel  zwischen  Ober-  und  Unterarm  ist  ebenfalls  eine  Hautfaltc  aus- 
gespannt, und  eine  solche  ist  ferner  häufig  zwischen  Hintergliedmaassen 
und  Schwanz  vorhanden.  Die  Hinterfüsse  und  der  kurze  Daumen 
der  Vordergliedmaassen  siud  frei.  Von  den  Fingern  sind  Nr.  3 — 5 
immer  krallenlos ;  bei  den  Klein-FledermÜusen  fehlt  auch  die  Kralle 
des  2.  Fingers;  dagegen  besitzen  der  Daumen  und  die  5  Zehen  der 
Hinterfüsse  gebogene  Krallen.  An  den  krallenlosen  Fingern  fehlt  das 
äusserste  Fingerglied.  Ausser  der  Mittelhand  und  den  Fingern  sind 
auch  Ober-  und  Unterarm,  wenn  auch  in  verhältnissmässig  geringerem 
Grade,  verlängert.  Die  Hinterbeine  sind  in  einer  eigenthümlichen 
Weise  nach  aussen  gedreht;  sie  sind  dünn  und  schwach;  von  der 
Ferse  entspringt  oft  ein  langer  dünner  Knochen  oder  Knorpel ,  der 
Sporn,  welcher  im  Rande  der  zwischen  den  Hintergliedmaassen 
ausgespannten  Haut  liegt.  Die  Flughaut  kann  regenschirmartig  zu- 
sammengefaltet und  dem  Rumpf  angelegt  werden.  Das  Schlüsselbein 
ist  lang  und  kräftig,  der  vordere  Theil  des  Brustbeins  unten  mit  einem 
Längskamm  versehen.  —  Die  Zitzen,  1—2  Paare,  sind  brustständig. 

Die  Fledermäuse  sind  Abend-  oder  Nachtthiere.  Sie  bewegen 
sich  nur  gut  im  Fluge,  kriechen  dagegen  schwerfällig  mittels  der 
Hintergliedmaassen  und  des  Vorderdaumens.  Wenn  sie  ruhen,  sind 
sie  an  den  Hinterfussen  aufgehängt. 

1 .  Die  Gross-Fledermäuse  (Megaehiroptcra :  Gatt.  lHerojms, 
fliegender  Hund,  u.  a.)  besitzen  sowohl  am  1.  wie  am  2.  Finger  eine 


524 


Spcciellcr  Theil. 


Kralle.  Kopf  länglich,  Backenzähne  mit  zwei  Längskämmen.  Aeusseres 
Ohr  einfach.  Ernähren  sich  besonders  von  Früchten.  Grössere  Formen, 
welche  die  wärmeren  Gegenden  der  alten  Welt  und  Australien  bewohnen. 

2.  Die  Klein-Fledermäuse  (Mier(jchiroj)tera).  Keine  Kralle  am 
2.  Finger.  Kopf  kurz .  Backenzähne  mit  mehreren  Spitzen  (ähnlich  denen 
der  Insektenfresser).  Aeusseres  Ohr  mit  einem  Lappen  (Ohrdeckel),  welcher 
den  Eingang  in  den  äusseren  Gehörgang  mehr  oder  weniger  überdeckt. 
Sie  ernähren  sich  besonders  von  Insekten,  welche  sie  im  Fluge  fangen :  sie 
entdecken  dieselben  besonders  durch  das  Hautgefühl,  namentlich  der  Flug- 
haut, der  zuweilen  sehr  grossen  äusseren  Ohren  und  der  häufig  auf  dem 
Kopfe  vorhandenen  eigenthümlichen  Auswüchse  (Nasenaufsätze).  Einzelne 
in  Südamerika  lebende  Formen  (Vampire,  Destnodus)  saugen  das  Blut 
lebendiger  Säugethiere.  Sehr  zahlreiche,  über  die  ganze  Erde  verbreitete, 
besonders  in  den  Tropen  reich  vertretene  Abtheilung ;  meistens  kleine 
Formen.  In  Deutschland  lebt  eine  ziemlich  grosse  Anzahl  verschiedener 
Formen:  VesjtertUio,  mit  g  b  und  grossem  Ohrdeckel,  Vesjmmgo,  mit  4 b 
und  kurzem  Ohrdeckel,  beide  in  mehreren  Arten  vertreten  ;  Plecotus  auritw 
(langohrige  Fledermaus)  mit  kolossal  verlängerten  Ohren,  welche  durch 
eine  quer  über  den  Kopf  verlaufende  Hautfalte  verbunden  sind,  und 
mit  grossem  Ohrdeckel  ( ;  b) ;  lihitioloj/hux  (Hufeisennasen)  mit  coin- 
plicirtem  Nasenaufsatz  (während  die  übrigen  deutschen  Fledermäuse 
eines  solchen  entbehren).  Die  deutschen  Arten  verfallen ,  ebenso  wie  die 
Fledermäuse  anderer  Länder  mit  ähnlichem  Klima,  in  einen  Winterschlaf, 
den  sie  in  hohlen  Bäumen  etc.  hängend  durchmachen. 

5.  Ordnung.    Hufthiere  (Unguhttti). 

Die  Gliedmaassen  sind  verlängert,  speciell  zum  Gang  oder  Lauf 
entwickelt,  der  Rumpf  hoch  über  die  Erde  erhoben.  Der  Mittelfuss 
(die  Mittelhand)  ist  gewöhnlich  von  beträchtlicher  Länge;  die  Zehen 
(Finger)  sind  mehr  oder  weniger  vollständig  in  eine  gemeinsame  Haut 
eingeschlossen  ;  in  der  Regel  tritt  das  Thier  nur  mit  dem  äussersten 
Zehenglied,  besonders  mit  dem  dasselbe  umgebenden  Huf  oder  der 
Klaue  (S.  491),  auf,  der  übrige  Fuss  berührt  den  Boden  nicht, 
sondern  trägt  zur  Verlängerung  der  Gliedmaasse  bei.  Der  Daumen 
und  der  entsprechende  Mittelhand(fuss)knochen  fehlt  immer  an  allen 
vier  Gliedmaassen.  Schlüsselbeine  fehlen  ebenfalls  stets.  Pflanzen- 
fressende Thiere,  gewöhnlich  von  ansehnlicher  Grösse,  mit  gefalteten 
oder  höckerigen  Backzähnen  und  in  der  Regel  mit  einem  Blinddarm 
von  beträchtlicher  Grösse. 

1.  Unterordnung.    Unpaarzeher  (Perismlactyla). 

Die  Zehe  (der  Finger)  Nr.  3  ist  (an  allen  vier  Gliedmaassen)  fast 
symmetrisch,  kräftiger  als  die  übrigen,  die  Mittelebene  des  Fusses 
geht  durch  die  Mitte  derselben.  Nr.  5  fehlt  gewöhnlich.  Der  Ober- 
schenkelknochen mit  einem  Fortsatz  am  Aussenrande,  welcher  bei  den 
Paarzehern  fehlt  ( Trochanter  tertim).  Das  Sprungbehi  (Äshwalwh  am 
unteren  Ende  mit  einer  grossen,  platten  Gelenkfläche  für  das  Navi- 
culare  (Centrale)  und  einer  kleinen  für  dasCuboideum  (=  Tarsale 4 -|- 5). 
Die  Backenzähne  sind  gefaltet,  mit  Ausnahme  von  pl  von  ungefähr 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugethiere. 


596 


gleicher  Grösse.  Magen  einfach.  Blinddarm  kolossal  entwickelt. 
Placenta  diffus  *). 

ABC 


.1 


m  i 

Fig.  357.  Hand  (Vonlcrfuwt)  von :  A  Tapir,  D  Nashorn,  C  Pferd.  R  Speiche, 
V  Elle;  «,  /,  c  die  erste  Reihe  der  Handwurzelknochen  (Naviculare,  Lunatum,  Triquetrum),: 
p  Erhsenbein ;  tm,  Id,  m,  u  die  zweite  Reihe  der  Handwurzelknochen  (Multangulum  maju», 
M.  minus,  Capitatum.  Hamatum) ;  //—  V  zweiter— fünfter  Finger  (in  B  ist  V  der  rudimentäre 
fUnfte  Mittelhandknochen,  in  0  bezeichnet  //  und  IV  den  zweiten  und  vierten  Mittelhand- 
knochen).  —  Nach  Flower. 

1 .  Die  Tapire  ( Taj/htts).  Vorderfuss  mit  vier  Zehen  (Nr.  2,  3, 
4,  5),  Hinterfuss  mic  drei  (Nr.  2,  3,  4);  Nr.  3  ist  nicht  viel  stärker  als 
2  und  4.  Zehengänger.  $  **t  f  <m  4  J7'  i  !  die  Backenzähne  je  mit 
zwei  Querkämmen.  Die  8chnauze  ist  in  einen  kurzen  Rüssel  verlängert  ; 
die  Haut  ist  wohlbehaart.  Eine  Art  in  Ostindien ,  andere  in  Südamerika. 
—  Mit  den  Tapiren  ziemlich  nahe  verwandt  ist  die  ausgestorbene  (eoeäne) 
Gattung  Palaeotheriuiif,  bei  welcher  jedoch  nur  drei  Vorderzehen  vorhanden, 
und  deren  Backenzähne  denen  der  Nashörner  ähnlicher  sind. 

2.  Die  Nashörner  (Rhinoceros).  Vorder-  wie  Hinterfuss  symme- 
trisch, dreizehig,  Mittelzehe  (Nr.  3)  etwas  stärker  als  die  beiden  anderen 
(Nr.  2  und  4  .  Zehengänger.  J  J  i,  §  c,  |  p,  %  m  \  Schneidezähne  mehr 
oder  weniger  rückgebildet,  keine  Eckzähne,  starke,  gefaltete  Backenzähne. 
Vorne  an  der  Oberseite  des  Kopfes  in  der  Mittellinie  ein  oder  zwei  aus 
Hornmasse  bestehende  Hörner.  Die  Haut  sehr  dick ,  unbiegsam ,  sehr 
spärlich  behaart;  die  Oberlippe  sehr  beweglich.  Ausschliesslich  in  den 
wärmeren  Theilen  von  Afrika  und  Asien.  In  Afrika  leben  zwei  Arten  mit 
glatter  Haut  und  mit  zwei  Hörnern  (Rfi.  l/ictjrnis  und  simus) ;  in  Asien 
sowohl  eine  zweihörnige  Art  als  auch  einhörnige  Arten  mit  grossen  tiefen 
Hautfalten  (Rh,  i/nicornui  etc.).  —  Das  wollhaarige  Nashorn  (Ith. 
tiehorinwi),  mit  verknöcherter  Nasenscheidewand,  zwei  Hörnern,  reichlicher 
Behaarung,  lebte  während  der  quaternären  Formation  in  Mitteleuropa  und 
Sibirien  mit  dem  Mammuth  zusammen. 

»)  Gallenblase  fehlt.  Zwei  Zitzen,  welche  zwischen  den  Hinterheinen  liegen. 
Wenigstens  22  Brust-Lendenwirbel. 


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526 


Speeieller  Theil. 


3.  Die  Pferdefamilie  {Rpiidae)  ist  ausgezeichnet  durch  die  über- 
wiegende Entwicklung  der  Mittelzehe  (Nr.  3)  im  Vergleich  mit  den  Seiten- 
zehen und  durch  die  bedeutende  Länge  des  Mittelfusses.  Vorder-  und 
Hinterfuss  gleichartig  gebildet.  Hufgänger.  Vollständige  Zahnformel : 
|  (,  }  c,  \  p,  l  m.  Ein  vollständiger  Knochenring  um  das  Auge  herum 
(d.  h. :  ein  Fortsatz  des  Stirnbeins  vereinigt  sich  mit  einem  Fortsatz  des 
Jochbogens  hinter  dem  Auge). 

a.  Die  jetzt  lebenden  Pferde  gehören  alle  der  Gattung 
Equtm  an.  Bei  ihnen  fehlen  die  2.  und  4.  Zehe  ganz,  so  dass  alle  vier 
Füsse  nur  einzehig  sind ;  die  Zehe  (Nr.  3)  ist  ebenso  wie  der  entsprechende 
Mittelfussknochen  ausserordentlich  kräftig  entwickelt.  2.  und  4.  Mittelfuss- 
knochen sind  als  dünne  längliche  Knochen  (Griffelbeine)  an  den  Seiten  des 
grossen  Mittelfussknochens  vorhanden.  Die  Thiere  treten  nur  mit  dem  das 
äusserste  Zehenglied  umgebenden  Huf  auf,  welcher  hinten  den  sehr  kleinen 
Sohlenballen  umschliesst  (vergl.  S.  491,  Fig  336  E).  Die  Schneidezähne 
zeichnen  sich  durch  den  Besitz  einer  grossen,  mit  Gement  theilweise 
erfüllten  Vertiefung  aus  (der  Bohne) ;  die  Eckzähne  beim  <$  wohlentwickelt, 
beim  5  rudimentär)  p  1  ist  sowohl  im  Ober-  als  im  Unterkiefer  angelegt, 
kommt  aber  in  der  Regel  nur  im  Oberkiefer  zur  Ausbildung,  ist  auch 
dort  rudimentär  und  fällt  meistens  früh  aus  (Wolfszahn);  die  übrigen 
Backenzähne  sind  in  beiden  Kiefern  ungefähr  von  gleicher  Grösse  (im 
Oberkiefer  breiter  als  im  Unterkiefer),  besitzen  eine  sehr  lange  Krone 
und  kurze  Wurzeln;  die  Kronen  sind  mit  Falten  und  Vertiefungen  aus- 
gestattet, welche  sich  bis  an  die  Wurzeln  erstrecken  und  mit  Cement  er- 
füllt sind,  welches  an  den  Backenzähnen  der  Pferde  ausserordentlich  stark 
ausgebildet  ist  und  als  eine  dicke  Schicht  die  Krone  umgiebt;  am  Zahn 
entsteht  sehr  bald,  nachdem  er  in  Gebrauch  getreten  ist,  eine  Kaufläche 
mit  Schmelzstreifen ,  und  allmählich  wird  die  Krone  durch  die  Abnutzung 
weggeschliffen,  so  dass  sie  bei  alten  Pferden  ganz  kurz  wird.  Im  Gegen- 
satz zum  Verhalten  der  Tapire  und  Nashörner  ist  der  untere  Theil  der 
Elle  und  des  Wadenbeins  sehr  schwach ,  theilweise  sogar  durch  ein  Band 
vertreten.  Hierzu  gehören :  die  Zebra' s  (E.  xebra,  iptagga,  BurcheUi),  mit 
dunklen  Querstreifen,  kleinem  Huf,  Kuhschwanz,  in  Südafrika.  Der  Esel 
(E.  amnufi)  mit  einem  schwarzen  Streifen  längs  der  Kückenmitte  und  einem 
ähnlichen  quer  über  den  Schultern ,  kleinem  Huf,  KuhBchwanz ,  wild  in 
Nordafrika ;  ein  paar  verwandte  Formen  ( K.  hcmif/nus,  Dschiggetai,  und  E. 
(mager,  Kulan,  in  Asien).  Das  Pferd  (E.  caballus)  ist  in  der  Regel  grösser 
als  die  vorigen,  mit  grösseren  Hufen  ,  Schwanz  vom  Grunde  an  mit  langen 
Haaren ;  „Kastanien"  (nackte  hornige  Hautstellen)  an  den  Vorder-  wie  an 
den  Hinterbeinen  (bei  den  übrigen  nur  an  den  Vorderbeinen) ;  Heimath 
nicht  sicher  festgestellt. 

b.  Von  den  ausgestorbenen  Pferden  gehören  einige  aus 
der  quaternären  und  pliocänen  Formation  ebenfalls  zu  Equus,  welcher  da- 
mals nicht  allein  in  der  alten  Welt,  sondern  auch  in  Nord-  und  Süd- 
amerika vertreten  war.  —  Andere  pliocäne  Pferde  gehören  zur  Gattung 
Hij/parion,  einer  kleineren  Pferdeform,  welche  in  den  meisten  Charakteren 
mit  Equus  übereinstimmt,  aber  dadurch  abweicht,  dass  die  Zehen  Nr.  2 
und  4  an  allen  vier  Gliedraaassen  vorhanden  sind,  wenn  auch  nur  als 
schwach  entwickelte  „Nebenzehen",  welche  während  des  Ganges  die  Erde 
nicht  berührten  ') ;  ausser  in  der  pliocänen  lebten  Hipparionarten  in  der 

')  Ein  ganz,  rudimentärer  Mittel h an dknochen  Nr.  5  ist  vorhanden  (Fig.  368  B); 
derselbe  kann  auch  beim  Pferd  entwickelt  sein. 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  8äa<rethiere. 


527 


jüngeren  miocänen  Formation.  —  Bedeutend  mehr  von  Equus  abweichend 
ist  die  Gatt.  Anchitherium  mit  denselben  Zehen  wie  Hipparion,  von  welcher 
aber  Nr.  2  und  4  beträchtlich  stärker  als  bei  diesem  sind,  wenn  auch  be- 
deutend schwächer  als  Nr.  3 ;  die  Kronen  der  Backenzähne  weit  kürzer  als 
bei  Equus ,  die  Faltenbildung  an  denselben  mehr  derjenigen  bei  den  Nas- 
hörnern (oder  Palaeotherium)  ähnlich,  das  Cement  nur  wenig  entwickelt; 


Aß  C  A'  B'  C 

td 


Fig.  358.  Linker  Yorderfuns  von  Anehilherium  (A,  A'),  Hipparion  {B,  F),  Pferd  (C,  (?), 
von  vorne  und  von  der  inneren  Seite.  Alle  in  gleicher  Verkleinerung  (ungef.  ^).  rmMul- 
taugulum  inaju.t,  td  M.  minus,  m  Capitatum,  w  Haniatum.  //.  ///,  IV  zweiter— vierter  Mittel- 
handknochen.     V  rodimentirer  fUnfler  Mittelbandknochen.  —  Nach  Gaudry. 

die  Wolfszähne  (/>  x)  stärker  und  auch  im  Unterkiefer  vorhanden;  die 
Vorderzähne  ohne  Bohne ;  die  Elle  und  das  Wadenbein  besser  als  bei 
Equus  entwickelt.  Die  Gattung  Anchitherium,  welche  in  der  älteren  Miocän- 
aeit  lebte,  nähert  sich  schon  sehr  den  oben  genannten  eoeänen  Palaeo- 
therien. 

2.  Unterordnung.    Paarzeher  (Artiodacttjla). 

Die  Zehen  Nr.  3  und  4  (sowohl  am  Vorder-  als  am  Hinterfuss) 
sind  jede  für  sich  asymmetrisch,  aber  einander  spiegelbildlich 
gleich;  die  Mittelebene  des  Fusses  geht  zwischen  diesen 
beiden  Zehen  durch.  Nr.  3  und  5  sind  kleiner,  berühren  in  der 
Regel  die  Erde  während  des  Ganges  nicht  und  sitzen  etwas  hinter 
den  anderen;  oft  sind  sie  sogar  rudimentär  oder  fehlen.  Dem  Ober- 
schenkelbein fehlt  der  Fortsatz  am  äusseren  Rand  (Trochanter  teiiius). 
Beide  Geleukflächen  am  unteren  Ende  des  Sprungbeins  (Astragalus), 
für  Naviculare  resp.  Cuboideum,  sind  ungefähr  von  gleicher  Grösse 
und  beide  in  der  Richtung  von  vorn  nach  hinten  stark  gewölbt.  Der 
Hagen  ist  mehr  oder  weniger  complicirt,  Blinddarm  kleiner  als  bei 
den  Unpaarzehern.  Backenzähne  gefaltet  oder  höckerig,  die  Prämo- 
laren schmäler  als  die  Molaren  *). 


')  Gallenblase  in  der  Regel  vorhanden.  Die  Anzahl  der  Hacken-Lendenwirbel 
kleiner  als  92  (selten  grösser  als  19). 


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Specialer  Theil. 


1.  Gruppe.  Schweine-Gruppe  (Non-liuminatUia). 

Vorderzähne  des  Zwischenkiefers  wohl  entwickelt.  Mittelfuss(hand)* 
knochen  Nr.  3  und  4  fast  immer  getrennt,  Zehen  Nr.  2  und  5  und 
die  entsprechenden  Mittelfussknochen  in  der  Regel  verhältnissmässig 

wohl  entwickelt.    Elle  und  Wadenhein  kräftig  ausgebildet.  Mager) 

»  ,     .    .  .[ 

ABC 


Fig.  359.  Hand  ( Vorderfu»f<)  von:  A  Schwein.  B  Edelhirsch.  C  KaineeL 
Ä  Speiche,  TKlle;  «  Naviculare.  /  Lunatum,  r  Triquctruin ;  td  Multangulum  miniu,  m  Capi» 
tatuni,  m  Haniatum ;  in*  und  w»s  zweiter  und  fünfter  (rudimentärer)  Mittelhandknochen  ;  // —  I" 
zweiter  -  fünfter  Finger.  —  Nach  Flower. 

r 

weniger  complicirt  als  bei  den  Wiederkäuern,  bei  einigen  Formen  der 
Gruppe  (z.  B.  dem  gewöhnlichen  Schwein)  ziemlich  einfach,  bei  anderen 
mit  bestimmterer  Andeutung  einer  Sonderung  in  mehrere  Abschnitte*; 
es  findet  kein  Wiederkauen  statt.  Zitzen  oft  über  die  ganze  Bauch- 
seite zerstreut.    Placenta  diffus. 

1.  Die  Schw  eine  familie  (Sttidae).  Die  Gliedmaassen  schlank,  die 
Zehen  2  und  5  bedeutend  kürzer  als  3  nnd  4,  sitzen  etwas  hinter  diesen 
und  berühren  gewöhnlich  die  Erde  während  des  Ganges  nicht.  Sohlenballen 
klein,  weich.  Backenzähne  höckerig.  Ein  kurzer  Rüssel  vorhanden.  Haut 
mit  Haaren  bekleidet. 

a.  Die  Schweinegattung  (Sus)  ist  in  verschiedenen  Arten 
über  die  alte  Welt  verbreitet.  $  i,  |  c,  }  p,  }f  vi ;  die  Schneidezähne  des 
Unterkiefers  nach  vorne,  die  des  Zwischenkiefers  nach  unten  gerichtet; 
der  Eckzahn  des  Oberkiefers  nach  aussen  und  oben  gedreht ,  der  ent- 
sprechende des  Unterkiefers  stark  gebogen  (die  des  Männchens  sind  wurzel- 
los, stärker  als  die  des  Weibchens);  die  Prämolaren  sind  zusammengedrückt, 
die  Molaren  mit  breiter  höckeriger  Kaufläche.  Hierzu  gehört  das  euro- 
päische Wildschwein  (Su-a  srrofa),  von  welchem  die  alte  Rasse 
des  nordeuropäischen  Hausschweines  abstammt;  die  meisten 
jetzigen  deutschen  Hausschweine  sind  Bastarde  des  letzteren  und  des  indo- 
chinesischen Hausschweines,    welches    von  einer   oder  mehreren 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säu^ethiere. 


529 


Arten  asiatischer  Wildschweine  abstammt  und  in  mehrfacher  Be- 
ziehung (auch  im  Skelet)  von  der  alten  Rasse  (und  vom  europäischen 
"Wildschwein)  abweicht. 

1).  Von  anderen  Schweineformen  führen  wir  folgende  an :  Die 
Nabelschweine,  Pekari's  (DicoUflc*),  sind  kleinere  Schweine  mit  einer 
grossen  Hautdrüse  am  Kücken  (daher  der  Name  „Nabelschwein");  die  Zehe 
Nr.  5  an  den  Hintergliedmaassen  fehlt;  der  Eckzahn  im  Oberkiefer  nach 
unten  gerichtet,  keiner  der  Eckzähne  von  hervorragender  Grösse;  Süd- 
amerika. Beim  Hirscheber  (Porcus  babtpm&a)  sind  die  Eckzähne  des 
Oberkiefers  nach  oben  gerichtet  und  stark  gebogen;  beim  ^  sind  sie  enorm 
verlängert;  Celebes.  Das  Warzenschwein  (Phaeoclwerus)  zeichnet  sich 
besonders  durch  die  ausserordentliche  Entwicklung  des  letzten  Molars  aus 
(dieser  Zahn  ist  auch  bei  Bus  der  grösste  unter  den  Backenzähnen);  bei 
sehr  alten  Thieren  ist  er  der  einzige  übrig  bleibende  Backenzahn ;  Eckzähne 
ungefähr  wie  bei  Bus;  Südafrika. 

2.  Die  F 1  us s p f  e  rd f am i  Ii e  (Hippopotaniidae)  sind  Thiere  von  statt- 
licher Grösse  mit  plumpen  Gliedmaassen ;  die  Zehen  2  und  5  sehr  kräftig ; 
die  Thiere  treten  mit  allen  vier  Zehen  auf  (grosse  Sohlenballen).  Backen- 
zähne höckerig-gefaltet.  Vorder-  und  Eckzähne  sehr  kräftig.  Kopf  sehr 
gross,  ohne  Rüssel,  mit  sehr  breiter  Schnauzenpartie.  Behaarung  sehr 
spärlich.  Nur  ein  paar  jetztlebende  Arten  ;  die  bekannteste  ist  das  F 1  u  s  s  - 
oder  Nilpferd  (Hippopotamus  umphibiws),  welches  über  einen  grossen 
Theil  von  Afrika  verbreitet  ist;  eine  andere,  kleinere  Art  (Choeropsin 
lilxrimsi«),  welche  sich  etwas  der  Schweinefamilie  nähert,  lebt  in  Westafrika. 

3.  Zur  Schweinegruppe  gehören  zahlreiche  ausgestorbeneFormen, 
welche  theils  den  jetzt  lebenden  Schweinen  und  Flusspferden  ähnlich  sind, 
theils  mehr  oder  weniger  von  denselben  abweichen.  Es  finden  sich  z.  B. 
verschiedene  Formen,  welche  ähnliche  Backenzähne  wie  die  Wiederkäuer 
besitzen  ,  während  sie  sonst  im  Ganzen  der  Schweinefamilie  ziemlich  nahe 
stehen ;  andere,  wie  dieAnoplotheriender  Eocän-  und  Miocänzeit,  bieten 
durch  ihren  langen  Hals  und  ihre  langen  Beine  eine  oberflächliche  Aehnlich- 
keit  mit  den  Wiederkäuern  dar,  unterscheiden  sich  von  diesen  jedoch  dadurch 
wesentlich,  dass  sie  die  vollständige  Zahnformel  ([[)  mit  wohlentwickelten 
oberen  Vorderzähnen  besitzen,  wie  auch  die  Mittelfussknochen  getrennt  sind. 

2.  Gruppe.    Wiederkäuer  {Ruminantia). 

Schneidezähne  fehlen  im  Zwiscbenkiefer  (oder  es  ist  nur  »s  ent- 
wickelt); Eckzahn  des  Unterkiefers  gewöhnlich  (nicht  bei  den  Ka- 
meelen)  in  der  Form  einem  Schneidezahn  ähnlich,  so  dass  anscheinend 
4  Schneidezähne  in  jeder  Unterkieferhälfte  vorhanden  sind.  Die  Molaren, 
z.  Th.  auch  die  Prämolaren,  mit  je  vier  gebogenen  Längskämmen,  zwei 
äusseren  und  zwei  inneren.  An  allen  vier  Gliedmaassen  sind  die 
Mittelfussknochen  Nr.  3  und  4  fast  immer  zu  einem  einzigen  langen 
Knochen  verschmolzen,  während  Nr.  2  und  5  unvollständig  sind  oder 
fehlen  (nur  bei  den  Traguliden  sind  sie  vollständig).  Die  Zehen 
Nr.  2  und  5  sind  klein  oder  fehlen.  Ueber  die  Bildung  der  Klauen 
vergl.  S.  491  und  Fig.  336  F.  Der  Magen  ist  in  mehrere  Abtheilungen 
gesondert,  und  das  Futter  wird,  nachdem  es  eine  Zeitlang  im  Magen 
gewesen  ist,  wieder  aufgebrochen  und  aufs  Neue  gekaut.  Elle  und 
Wadenbein  schwach  entwickelt ;  das  untere  Ende  des  letzteren  ist  vom 
Übrigen  abgetrennt  und  einem  Fusswurzelknochen  ähnlich.  In  der 
Regel  sind  viele  kleine  Fruchtkuchen  (Cotyledonen)  vorhanden;  die 

Bon,  Zoologl«,  84 


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530 


Specieller  Theil. 


Kameele  besitzen  jedoch  eine  diffuse  Placenta  wie  die  Schweine  und 
die  Unpaarzeher.    Zitzen  zwischen  den  Hinterbeinen. 

Bei  der  Mehrzahl  der  Wiederkäuer  (Hohlhörnern,  Hinsehen,  Giraffen) 
zerfällt  der  Magen  in  drei  scharf  gesonderte  Abtheilungen.  In  die 
erste  Abtheilung,  welche  wir  als  Vordermagen  bezeichnen,  mündet  die 
Speiseröhre,  von  deren  Oeffnung  eine  Rinne,  die  Schlundrinne,  an  der 
vorderen  Seite  des  Vordermagens  nach  der  Einmündung  desselben  in  die 
zweite  Hauptabtheilung  des  Magens  (den  Blättermagen)  verläuft.  Der  Vor- 
dermagen, welcher  eine  bedeutende  Grösse  erreicht,  ist  mit  mehreren  Ein- 
buchtungen versehen,  von  welchen  eine  besonders  stark  ist  und  den  Vorder- 
magen in  zwei  unvollstän- 
dig gesonderte  TJnterabthei- 
lungen  theilt,  den  grossen 
Pansen  (Humen)  und  die 
kleinere  Haube  (Reiku- 
lum);  letztere  ist  innerlich 
mit  hervortretenden,  netz- 
förmig verbundenen  Falten 
versehen,  erstere  dagegen 
mit  Papillen.  Die  zweite 
Hauptabtheilung  des  Ma- 
gens, der  Mittelmagen 
oder  Blättermagen 
(Psolterium  oder  Omasus), 

Fig.  860.   A  Ma  gen  eines  gewöhnlichen  Wiederkäuers,  ist     innerlich     mit  zahl- 
Ii  eines  Kameeis ;  Schema,   oe  Speiseröhre,  r  Schluudrinne, 
/Vordermagen  (/'Pansen,/*  Hanbe),  m  Mittelmagen,  b  Hin- 
termagen, (  Dünndarm.  —  Orig. 


reichen     grossen  blatt- 
förmigen Längsfalten  ver- 
sehen ,    welche  einander 
Höhlung  ausfüllen.  Der 


dicht  anliegen  und  den  grössten  Theil  seiner 
letzte  Abschnitt ,  der  Hintermagen  oder  Labmagen  (Abomasus)  ist 
ungefähr  röhrenförmig.  Vorder-  und  Mittelmagen  sind  mit  einem  mehr- 
schichtigen Plattenepithel  von  derselben  Beschaffenheit  wie  dasjenige  der 
•Speiseröhre  und  der  Mundhöhle  (=  der  Oberhaut)  bekleidet  und  drüsenlos; 
dagegen  ist  der  Hintermagen  mit  einem  Cylinderepithel  bekleidet  und  mit 
Drüsen  versehen.  Das  abgebissene  Futter  wird,  ohne  viel  gekaut  zu  sein, 
in  der  Mundhöhle  zu  grösseren  Ballen  geformt,  passirt  die  Speiseröhre, 
welche  während  des  Durchganges  ausgedehnt  wird,  und  wird  in  den  Vorder- 
magen gepresst ;  hier  unterliegt  es  einer  Art  Gährung  oder  Maceration  und 
wird  dann  portionsweise  wieder  in  die  Mundhöhle  aufgebrochen,  wo  es  fein 
zerkaut  wird,  und  mit  Speichel  gemischt  geht  es  dann  zum  zweiten  Mal,  in 
dickflüssigem  Zustande,  durch  die  Speiseröhre,  läuft  aber  jetzt  durch  die 
Schlundrinne,  deren  Ränder  sich  beim  lebenden  Thiere  wahrscheinlich  an 
einander  legen,  in  den  Mittelnmgen  hinein,  von  dessen  Blättern  ein  Theil 
der  Flüssigkeit  aufgesogen  wird,  und  zuletzt  in  den  Hintermagen.  Flüssige 
Nahrung  scheint  stets  direkt  von  der  Speiseröhre  durch  die  Schlundrinne  in 
den  Mittelmagen  zu  gelangen.  —  In  der  Kameelfamilie  besteht  der 
Magen  aus  denselben  drei  Hauptabtheilungen  wie  bei  der  Mehrzahl  der 
Wiederkäuer,  unterscheidet  sich  aber  besonders  dadurch  von  den  übrigen, 
dass  der  Mittelmagen  länger  und  röhrenförmig  ist,  fast  keine  Blätter 
besitzt  und  mit  sehr  kurzen  Drüsenschläuchen  in  seinen  Wandungen  ver- 
sehen ist  (wahrscheinlich  ist  er  auch  mit  einem  Cylinderepithel  bekleidet) ; 
wohlentwickelte  Drüsen  finden  sich  erst  im  Hintermagen1).  —  Bei  den 

l)  Der  Vordermagen  der  Kumeele  ist  durch  Einbuchtungen  in  mehrere  Ab- 


Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugcthiere. 


531 


Traguliden  ist  der  Magen  demjenigen  der  Mehrzahl  der  Wiederkäuer 
im  Ganzen  sehr  ähnlich,  der  Vordermagen  ist  in  dieselben  Unterabtheilungen 
gesondert  etc.:  sie  unterscheiden  sich  aber  dadurch,  dass  der  deutlich  ab- 
gegrenzte Blättermagen  rudimentär  ist.  Einen  Uebergsng  zu 
diesem  Verhalten  vermitteln  einige  andere  kleine  Wiederkäuer,  deren  Blätter- 
magen sehr  kurz  und  wenig  ausgebildet  ist. 

1.  Die  Kameelfaroilie  (Camelidac).  Im  Gegensatz  zu  anderen 
Wiederkäuern  besitzen  die  Kameele  den  hintersten  Schneidezahn,  i  *  des 
des  Zwischenkiefers !) ;  er  ist  eckzahnähnlich.  Der  Eckzahn  des  Unter- 
kiefers hat  (ebenso  wie  der  des  Oberkiefers)  gewöhnliche  Eckzahnform 
(kegelförmig).  Der  Hagen  ist  abweichend  (vergl.  oben).  Placenta  diffus2). 
Hörner  fehlen.  An  jedem  Fuss  nur  zwei  Zehen;  Klauen  klein,  gebogen, 
grosser,  weicher  Sohlenballen  hinter  denselben  (im  Gegensatz  zu  allen  an- 
deren Wiederkäuern);  die  Kameele  treten  mit  der  ganzen  Zehe  auf.  Die 
Kameelgattung  {Camelus)  besteht  aus  hochbeinigen  Thieren  mit  einem 

Fettbuckel  auf  dem  Rücken ;  Zahnformel :  -     ,„   /,  %^%\  p*  in 

beiden  Kiefern  eckzahnähnlich,  von  den  anderen  Backenzähnen  durch  einen 
Zwischenraum  getrennt.  Beim  baktrischen  Kameel  (CJ/acfrianus),  in 
Asien,  ist  der  Buckel  in  zwei,  einen  vorderen  und  einen  hinteren,  getheilt ; 
beim  Dromedar  (C.  dromedarius),  in  Afrika  und  Arabien,  ist  er  einfach; 
diese  beiden  ausgeprägten  Wüstenthiere  sind  nur  in  gezähmtem  (und  ver- 
wildertem) Zustand  bekannt.  Die  Lama 's  (Aucfienia)  sind  kleiner,  ohne 
Buckel  und  ohne  den  eckzahnartigen  Backenzahn  (p*) ;  sie  leben  in  mehreren 
Arten,  gezähmt  und  wild,  im  westlichen  Südamerika. 

2.  Die  Giraffe  {^Camtfopardalis  giraffa)  besitzt  zwei  behaarte,  inner- 
lich verknöcherte  Auswüchse  am  Kopfe ;  sehr  hochbeinig,  Vorderbeine  länger 
als  die  Hinterbeine,  Hals  lang.  Afrika. 

3.  Die  Hirsche  (Cenvdw)  bilden  eine  grosse  Abtheilung  von  in  der 
Regel  schlanken ,  dünnbeinigen ,  kurzschwänzigen  Wiederkäuern ,  deren 
Männchen  (selten  auch  die  Weibchen)  meist  am  Kopfe  ein  Geweih  besitzen, 
welches  in  fertigem  Zustande  (über  Bau  und  Entwicklung  vergl.  S.  492) 
ein  Paar  nackte  Knochenfortsätze  darstellt;  am  Grunde  jeder  Geweihstange 
eine  ein  wenig  verbreiterte  Partie,  die  Rose  (oberhalb  des  untersten,  stets 
mit  Haut  bekleideten  Theiles,  des  Rosenstockes).  Das  erste  Geweih,  welches 
der  junge  Hirsch  trägt,  ist  einfach,  unverästelt  und  von  geringer  Grösse; 
die  späteren  werden  grösser  und  gewöhnlich  verästelt.  i,  c,  ^  p 
4  »iJ).  In  Deutschland  leben  folgende:  das  Reh  (Certwt  caprcolua),  kleiner 
als  die  übrigen  europäischen  Hirsche,  die  Gehörnstangen  des  ausgebildeten 
Thieres  selten  mit  mehr  als  drei  Spitzen;  der  Edelhirsch  (C.  elaphus); 
der  Damhirsch  (C.  dama) ,  welcher  aus  den  Mittelmeerländern  stammt, 
aber  schon  vor  mehreren  Jahrhunderten  in  Deutschland  eingeführt  wurde; 
das  Elenthier  (C.  alces),  ein  plumper,  hochbeiniger  Hirsch  mit  sehr 
breitem  Geweih,  innerhalb  Deutschlands  nur  noch  in  Ostpreussen,  im  Alter- 

theilungen  unvollkommen  Resondert,  die  dadurch  entstehenden  Unterabtheilungen 
sind  aber  denen  anderer  Wiederkäuer  nicht  sicher  vergleichbar.  —  Einige  Theile 
des  Vordermanns  sind  bei  den  Kameelen  mit  hohen,  netzförmig  verbundenen  Falten 
versehen,  welche  kleine,  prismatische,  bienenzellen-ähnliche  Räume,  die  sog.  K  Wasser- 
zellen", begrenzen. 

')  In  rudimentärem  Zustand  kann  auch  bisweilen  t*  vorhanden  sein,  und  im 
Milchgebiss  ist  stets  sowohl  dt*  als  dt*  entwickelt. 

*>  Blutkörperchen  im  Gegensatz  zu  denen  aller  anderen  Säugethiere  oval. 

s)  Im  Oberkiefer  kann  ein  Eckzahn  (z.  B.  beim  Edelhirsch)  vorhanden  sein, 
aber  auch  fehlen.  Von  den  Zähnen  der  typischen  Zahnformel  fehlt,  ausser  den 
oberen  Vorderzähnen,  j>1  oben  und  unten. 

84* 


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532 


Speciellcr  Theil. 


thum  durch  ganz  Norddeutschland  verbreitet  (jetzt  iu  Bussland ,  Skandi- 
navien, Nordamerika).  Das  Renthier  (C.  tarandus),  dessen  Weibchen 
durch  den  Besitz  eines  kleinen  Geweihes  ausgezeichnet  ist,  lebt  jetzt  in  den 
circumpolaren  Ländern  der  nördlichen  Halbkugel ;  KnoohenreBte  aus  quater- 
närer  Zeit  in  Deutschland.  Auch  von  dem  gänzlich  ausgestorbenen  Riesen- 
hirsch (G\  curyceros),  welcher  durch  sein  kolossales  Geweih  ausgezeichnet 
war,  findet  man  Ueberreste  in  Deutschland;  in  Irland  soll  dieses  Thier  bis 
in's  Mittelalter  gelebt  haben.  —  Von  den  zahlreichen  außereuropäischen 
Hirschen  ist  der  in  Nordamerika  lebende  grosse  Wapiti  (C.  canadetisis) 
zu  nennen,  welcher  daselbst  den  nahe  verwandten  Edelhirsch  vertritt.  Ferner 
das  geweihlose  Moschusthier  (Mosctiua  moschiferus) ,  dessen  Männchen 
im  Oberkiefer  sehr  lange,  aus  dem  Mund  herausragende  Eckzähne  besitzt 
und  hinten  an  der  Bauchseite  mit  einem  Hautbeutel  versehen  ist,  in  welchem 
der  Moschus  abgesondert  wird ;  in  Asien. 

4.  Die  Traguliden  (Tfayulidar)  sind  eine  kleine  Gruppe  geweih- 
und  hörnerloser  Wiederkäuer  von  geringer  Grösse,  welche  in  der  äusseren 
Form  manchen  kleineren  Hirschformen  ähnlich  sind  und  wirklich  auch  in 
den  meisten  Beziehungen  der  Hirschfamilie  nahe  stehen.  Sie  zeichnen  sich 
besonders  dadurch  aus ,  dass  die  Mittelfussknochen  3  und  4  (sowohl  am 
Vorder-  als  am  Hinterfuss)  spät  oder  gar  nicht  verwachsen ,  und  dass  die 
Mittelfussknochen  Nr.  2  und  5  vollständig  sind.  Der  Blättermagen  ist 
rudimentär  (vergl.  oben) ;  auch  die  Flacenta  ist  von  derjenigen  der  ge- 
wöhnlichen Wiederkäuer  abweichend  (wenn  auch  nicht,  oder  nicht  immer, 
diffus  zu  nennen;  es  ist  vielmehr,  wenigstens  bei  einigen,  eine  einzige, 
scheibenförmige  Placenta  entwickelt).    Ostindische  Inseln,  Afrika. 

5.  Die  Hohlhörner  (Cav&oraifi)  sind  mit  zwei  Hörne  rn  versehen, 
welche  haarlos,  äusserlich  mit  einer  festen  Hornschicht  bedeckt,  innerlich 
verknöchert  sind  (vergl.  S.  492);  meistens  sind  die  Hörner  in  beiden  Ge- 
schlechtern entwickelt,  zuweilen  sind  sie  bei  den  Weibchen  rudimentär  oder 
fehlen.    $  »',  \  c,  $  p,  %  m ;  der  fehlende  Prämolar  ist  p  K 

a.  Antilopen  (AntHopinoe)  ist  die  gemeinsame  Bezeichnung 
einer  grossen  Anzahl,  meistens  hirsch ähnlicher,  häufig  jedoch  mehr 
rindähnlicher  Wiederkäuer  mit  sehr  verschiedener  Hörnerform.  Bei  einigen 
fehlen  die  Hörner  beim  Weibchen.  Steppenthiere ,  welche  besonders  in 
Afrika  reich  vertreten  sind. 

b.  Schafe  (Ovis).  Schnauze  behaart,  Hörner  quergerunzelt, 
dick ,  kantig ,  oft  stark  gebogen ,  nach  hinten  und  aussen  gerichtet ;  eine 
Hauteinstülpung  (Klauensack)  zwischen  den  beiden  grossen  Zehen.  Zwei 
Zitzen.  Hierzu  gehört  das  Hausschaf  (Ovis  aries),  dessen  Weibchen 
gewöhnlich  rudimentäre  oder  keine  Hörner  besitzt;  seine  Abstammung  ist 
unbekannt.  Von  wilden  Schafarten  mögen  der  Muflon  (0.  mu&itnon), 
auf  Corsica  und  Sardinien,  und  der  Argali  (O.  ammon),  in  Mittelasien, 
angeführt  werden;  ausserdem  mehrere  andere  asiatische  Arten.  Alle  wilden 
Schafe  sind  Gebirgsthiere.  —  Mit  den  Schafen  nahe  verwandt  sind  die  Z  i  e  g  e  n 
(Capra)  mit  zusammengedrückten,  weniger  stark  gebogenen  Hörnern  und 
ohne  Klauensäcke;  Gebirgsthiere.  Die  Abstammung  der  Hausziege 
(C.  hirctts)  ist  unbekannt;  von  wilden  Formen  erwähnen  wir  den  Stein- 
bock (C.  tbex),  in  den  Alpen  und  anderen  südeuropäischen  Gebirgen,  und 
die  Bezoarziege  (<?.  aeyagrua)  in  Kleinasien,  auf  Kreta  etc.  —  An  die 
Ziegen  schliesst  sich  die  Gemse  (CajwUa  rupicajjrd)  an,  mit  kleinen,  auf- 
rechten, nur  an  der  Spitze  gebogenen  Hörnern ;  in  den  Alpen,  Pyrenäen  etc. 
—  Mit  den  Schafen  verwandt  ist  ferner  der  sogen.  Bisam-  oder  Moschus  - 
ochse  (Ovibox   tnoachatus) ,    ein  grosser   langhaariger  Wiederkäuer  mit 


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Wirbelthiere.   fl.  Classe:  Säugethiere. 


533 


Hörnern,  welche  an  diejenigen  des  Büffels  erinnern,  mit  behaarter  8chnanze, 
kurzem  Schwanz  und  nur  zwei  Zitzen;  lebt  im  arktischem  Nordamerika 
(in  der  quaternären  Periode  auch  in  Europa). 

c.  Rinder  (Bocinac).  Grosse  plumpe  Thiere  mit  breiter  un- 
behaarter Schnauze,  langem  Schwanz  mit  endständiger  Quaste ;  keine  Klauen- 
säcke; oft  eine  Wamme  (herabhängende  Hautfalte)  an  Hals  und  Brust. 
Vier  Zitzen.  Die  Hörner  in  der  Regel  rund  und  glatt ;  sie  sind  am  Grunde 
nach  aussen,  mit  der  Spitze  nach  oben  gebogen.  Das  Hausrind  (Bos 
taunts),  mit  platter  Stirn,  stammt  wahrscheinlich  von  mehreren  wilden  Arten 
ab ;  einer  seiner  Stammväter  ist  der  jetzt  ausgestorbene  riesige  TJ  r  (B. 
primigettius) ,  welcher  im  Alterthum  und  Mittelalter  in  Deutschland  lebte. 
Hit  dem  Hausrind  nahe  verwandt  ist  das  ebenfalls  gezähmte  Zebu  (B.  in- 
dictts),  mit  Fettbuckel,  in  Asien  und  Afrika;  etwas  entferpter  das  lang- 
haarige Yak  (B.  gnmniens),  welches  (wild  und  gezähmt)  in  Gebirgsländern 
Mittelasiens  lebt.  Die  Wisente  (Bison)  haben  eine  gewölbte  Stirn  und 
ziemlich  kleine  Hörner,  welche  ebenso  wie  die  der  Gatt.  Bos  am  Grunde 
weit  von  einander  entfernt  sind,  der  vordere  Theil  des  Rumpfes  fast  buckel- 
artig erhoben;  der  europäische  Wisent1)  (Bison  europaeus)  ist  jetzt 
beinahe  ausgerottet  (nur  noch  in  Lithauen  und  im  Kaukasus) ,  früher  in 
Deutschland  etc.  weit  verbreitet ;  die  nahe  verwandte  amerikanische  Art 
(B.  atnericanus,  „Buffalo"  der  Amerikaner)  kam  bis  vor  wenigen  Decennien 
in  grossen  Heerden  in  Nordamerika  vor,  ist  jetzt  sehr  an  Zahl  reducirt. 
Die  Büffel  (Bubalus,  zeichnen  sich  durch  ihre  am  Grunde  sehr  abge- 
platteten und  verdickten,  in  der  Mittellinie  oft  fast  zusammenstossenden 
Hörner  und  durch  die  schwache  Behaarung  aus;  Sumpfthiere,  von  welchen 
eine  gezähmte,  aus  Indien  stammende  Art  (Bub.  vulgaris)  unter  Anderem  in 
Südeuropa  gehalten  wird. 

6.  Ordnung.    Elephanten  ( Probost idenj. 

Die  Elephanten  der  Jetztzeit  (Elephas)  sind  grosse,  plumpe, 
sehr  schwach  behaarte,  hochbeinige  Thiere ;  Vorder-  und  Hinterfüsse 
(der  Mittelfuss  mitgerechnet)  sind  kurz,  mit  je  5  Zehen  ausgestattet, 
welche  kurze  Hufe-)  tragen;  unterhalb  der  in  eine  gemeinsame  Haut 
eingeschlossenen  Zehen  findet  sich  ein  grosser  Sohlenballen.  Die 
Schnauze  ist  zu  einem  langen  Rüssel  verlängert,  an  dessen  Spitze 
die  Nasenlöcher  und  ein  kleiner,  beim  asiatischen  Elephant  finger- 
artiger Fortsatz  sich  befinden;  der  Rüssel  ist  ein  Greifwerkzeug, 
welches  die  Nahrung  (Pflanzen)  zum  Munde  führt;  Wasser  wird  in 
den  Rüssel  aufgesogen  und  in  den  Mund  hinein  gespritzt,  indem  die 
Spitze  des  gebogenen  Rüssels  nach  der  Mundöffnung  hin  geführt  wird. 
Aeussere  Ohren  gross,  plattenformig,  herabhängend.  Zitzen  dicht  bei 
den  Vorderbeinen.  Der  von  einem  kurzen ,  dicken  Hals  getragene 
Kopf  ist  von  kolossalem  Umfang;  die  Schädelhöhle  klein,  ausgedehnte 
Lufträume  in  den  Kopf knochen.  Schneidezähne  fehlen  im  Unter- 
kiefer; oben  jederseits  ein  Schneidezahn,  welcher,  besonders  beim 
Männchen,  in  Form  eines  langen,  nach  vorn  gebogenen,  fast  scbmelz- 
losen,  wurzellosen  Stosszahnes  entwickelt  ist,  der  aus  dem  Mund  her- 
vorragt.   Eckzähne  fehlen.    Die  Backenzähne  sind  gross,  mit  hoher 


')  Der  Name  „Auerochs"  wird  sowohl  von  diesem  als  auch  von  dem  Bos 
primigenius  gebraucht. 

')  Hufe  können  zuweilen  an  einer  oder  zwei  Zehen  fehlen. 


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534 


Specieller  Theil. 


Krone  und  kurzen  Wurzeln ;  die  Krone  ist  in  eine  grössere  oder 
kleinere  Anzahl  zusammengedrückter,  schmelzbekleideter  Querplatten 
gespalten,  welche  durch  reichliches  Cement  zusammengehalten  werden ; 
in  jeder  Kieferhälfte  zur  Zeit  immer  nur  ein,  höchstens  zwei  Zähne 


Fig.  861.    Skolet  eines  Mastodon.  —  Nach  Gaudry. 

in  Gebrauch;  in  dem  Maasse,  wie  ein  Zahn  abgenutzt  wird,  tritt  ein 
anderer  hinter  ihm  hervor  und  nimmt  allmählich  den  Platz  des  ersteren 
ein  (das  vordere  Ende  eines  Zahnes  tritt  schon  in  Function,  während  das 
hintere  Ende  noch  im  Kiefer  versteckt  ist,  und  ebenso  wird  das  vordere 


AB  C 


Fig.  862.  Längsschnitt  von  Backenzähnen  ,  A  —  li  verschiedener  H  astodo  n  -  Arteu, 
C  von  einen»  Elephanten,  schematich.  Das  Cement  weggelassen,  d  Dentin,  e  Schnieli, 
k  Pulpahöhle,  r  Wurzeln.  —  Orig. 

Ende  zuerst  abgenutzt,  so  dass  zuletzt  nur  das  hintere  Ende  allein 
übrig  bleibt);  im  Ganzen  kommen  in  dieser  Weise  in  jeder  Kiefer- 
hälfte 6  Backenzähne  zum  Vorschein,  von  welchen  die  zuerst  auf- 
tretenden die  kleinsten  sind').    Nur  zwei  jetzt  lebende  Arten:  der 


l)  Die  6  Backenzähne  der  Elephanten  sind:  dp*,  dp*,  dp*,  m1,  m*,  m*;  Prä- 
molaren fehlen  bei  den  jetzt  lebenden,  sind  aber  in  rudimentärer  Geatalt  bei  einer 


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Wirbelthiere.   6.  Clause:  Säugethiere. 


535 


indische  Elephant  (E.  indirtut)  mit  zahlreichen,  stark  zusammen- 
gedrückten Platten  in  den  Backenzähnen  und  verhältnissmässig  kleineren 
Ohren  (gezähmt  und  wild),  und  der  afrikanische  E.  (E.  africanus) 
mit  einer  geringeren  Anzahl  dickeren  Zahnplatten  und  sehr  grossen 
Ohren. 

Von  den  zahlreichen  ausgestorbeneu  Elephanten  führen  wir  folgende 
au:  Der  Mammut  Ii  (E.  jrrimigenius),  quaternär,  in  Sibirien  und  Europa, 
stand  in  seinem  Bau  dem  indischen  Elephant  nahe,  besass  aber  in  Anpassung 
an  das  rauhe  Klima  ein  dichtes  Haarkleid.  —  Abweichender  sind  die  Ma- 
stodonten (Mastodon),  deren  Backenzähne, 
von  welchen  mehrere  auf  einmal  in  Gebrauch 
waren,  sich  dadurch  auszeichnen,  dass  die  Quer- 
kämme niedriger,  in  geringerer  Anzahl  vor- 
handen und  nicht  durch  Cement  verkittet  sind ; 
einige  Mastodonten  besassen  in  jeder  Unter- 
kieferhälfte  einen  nach  vorne  und  unten  ge- 
richteten grossen  Schneidezahn  (ausserdem  besitzen 
die  Mastodonten  stets  denselben  oberen  Schneide- 
zahn wie  Elephas).  Uebrigens  ist  hervorzuheben, 
dass  beide  Gattungen,  Mastodon  und  Elephas, 
in  ihren  Grenzformen  in  einander  direkt  über- 
gehen.   Tertiär.   —   Verhältnissmässitr    kleine,  _. 

t,    .       ...       ,  j.       .     ..      Fig.  363.  Schädel  von  Dtnotherium. 

fast  tapirahnliche  Backenzahne  besass  die  miocane 

Gatt.  Dinotherium ,  bei  welcher  die  oberen  Schneidezähne  fehlen,  während 
dagegen  in  jeder  Unterkieferhälfte  ein  nach  unten  gerichteter  Schneidezahn 
vorhanden  ist. 

In  die  Nähe  der  Elephanten  stellt  man  die  Gatt.  Dinoceras,  welche  in 
Grösse  und  Leibesform  an  jene  erinnert,  jedoch  in  manchen  Beziehungen 
sehr  abweicht;  es  fehlen  Schneidezähne  im  Zwischenkiefer  (6  im  Unter- 
kiefer), dagegen  sind  ungemein  lange  obere  Eckzähne  vorhanden,  Backen- 
zähne klein.    Miocän,  Nordamerika. 


7.  Ordnung.    Seekühe  (Sirenia). 

Die  Seekühe  sind  eine  kleine  Gruppe  von  Meeres-Säugethieren, 
welche  früher  mit  den  Walen  zusammengestellt  wurden,  mit  denen 
sie  jedoch  in  Wirklichkeit  gar  nicht  näher  verwandt  sind ;  die  Aehn- 
lichkeiten,  welche  in  gewissen  Punkten  des  Baues  bestehen,  sind  als 
durch  die  ähnliche  Lebensweise  beider  Gruppen  bedingt  aufzufassen. 
Dagegen  erinnern  die  Seekühe  in  manchem  an  die  Hufthiere. 

Der  Körper  ist  nur  spärlich  mit  Haaren  versehen.  Der  Kopf 
wird  von  einem  sehr  kurzen  Hals  getragen,  ist  aber  dennoch  deutlich 
vom  Rumpf  abgesetzt ;  die  Nasenlöcher  sitzen  am  Ende  der  mit  grossen 
dicken  Lippen  versehenen  Schnauze ;  äussere  Ohren  fehlen.  Der  Rumpf 
geht  allmählich  in  den  kräftigen  Schwanz  über,  an  dessen  Ende  jeder- 
seits  eine  grosse  wagerechte  Hautfalte  vorhanden  ist  (beide  Hautfalten 
zusammen  werden  als  die  „Schwanzflosse"  bezeichnet).  Die  Vorder- 
gliedmaassen  sind  kurz,  nossenahnlich ;  die  Finger  sind  von  einer  ge- 
meinsamen Haut  umschlossen,  der  Daumen  rudimentär,  die  übrigen 
Finger  dreigliedrig  (im  Gegensatz  zu  den  Walen) ;  der  Arm  ist  nicht, 


ausgestorbenen  Elephas-Art  nachgewiesen,  ebenso  wie  sie  auch  bei  Mastodon  vor- 
kamen. 


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f>36 


Specieller  Theil. 


wie  bei  den  Walen,  nur  im  Schultergelenk,  sondern  auch  im  Ellbogen- 
gelenk etc.  beweglich;  beim  Manati  sind  Rudimente  hufähnlicher  Krallen- 
gebilde vorhanden.  Hintergliedmaassen  fehlen  bei  allen  jetzt  lebenden 
Seekühen  vollständig  (Becken  rudimentär) ;  dagegen  hat  man  bei  der 
miocänen  Gatt.  Halitheriinn  Spuren  der  Hintergliedmaassen  in  Form 
kleiner  Oberschenkelknochen  gefunden.  Zwei  Zitzen  zwischen  den 
Vorderbeinen.  Bei  den  Jungen  sind  oben  und  unten  Schneidezähne 
vorhanden,  sie  fallen  aber  in  der  Regel  aus,  so  dass  die  Erwachsenen 
vorne  zahnlos  sind;  nur  bei  dem  männlichen  Dugong  entwickelt  sich 
ein  Paar  der  oberen  Schneidezähne  zu  Stosszähnen,  während  dieselben 
Zähne  beim  Weibchen  im  Kiefer  versteckt  bleiben.  Statt  der  Schneide- 
zähne besitzen  sie  vorne  im  Munde  sowohl  oben  als  unten  eine  grosse 
Hornplatte.  Eckzähne  fehlen.  Die  Backenzähne  sind  klein,  mit 
Querkämmen ;  der  Manati  besitzt  deren  etwa  10  in  jeder  Kieferhälfte, 
der  Dugong  eine  geringere  Anzahl.  Der  Magen  hat  einen  zusammen- 
gesetzten Bau »). 

Die  Seekühe  sind  Pflanzenfresser  (Tangfresser)  von  beträcht- 
licher Grösse  (die  jetzt  lebenden  3—5  ni),  welche  sich  im  Meere  in 
der  Nähe  der  Küsten  und  in  Flüssen  aufhalten.  In  der  Jetztzeit  nur 
der  Manati  (Manatux),  welcher  im  Atlantischen  Meer  an  den  Küsten 
von  Afrika  und  Amerika  (und  in  Flüssen,  welche  in  jenes  Meer  aus- 
münden) lebt,  und  der  Dugong  (Halicore  dugong)  im  Indischen  Ocean. 
Ausgerottet  ist  die  riesige,  ganz  zahnlose  Steiler' sehe  Seekuh 
{Rhytina  Stellen),  welche  bis  in's  vorige  Jahrhundert  in  den  nörd- 
lichen Theilen  des  Grossen  Oceans  lebte. 

8.  Ordnung.    Raubthiere  (Carnivora). 

Die  Raubthiere  bilden  eine  grosse,  aus  zahlreichen  Gattungen 
und  Arten  bestehende  Abtheilung,  innerhalb  welcher  zahlreiche  Ver- 
schiedenheiten im  Bau  wie  in  Lebensweise  bestehen;  daneben  gehen 
aber  in  mehreren  Richtungen  bestimmte  charakteristische  Züge  durch 
alle  Formen,  ein  ausgeprägter  gemeinsamer  Typus  tritt  überall 
hervor. 

DaB  gilt  besonders  von  der  Bezahnung,  welche  wir  am 
besten  überblicken,  wenn  wir  von  einer  Betrachtung  des  Zahnsystems 
der  Hundegattung  ausgehen,  indem  sich  diejenigen  anderer  Raub- 
thiere als  Modifikationen  desselben  nach  verschiedenen  Richtungen  hin 
betrachten  lassen.  Im  Ober  munde  sind  die  Hunde  jederseits  mit 
3  Schneidezähnen  (von  welchen  der  äusserste,  *'8,  etwas  grösser  als 
die  übrigen  ist),  einem  kegelförmigen,  gebogenen  Eckzahn  und  6  Backen- 
zähnen (4  Prämolaren,  2  Molaren)  versehen.  Die  drei  vordersten 
Backenzähne  des  Oberkiefers  werden  als  Lückenzähne  bezeichnet; 
sie  besitzen  eine  zusammengedrückte,  dreikantige,  zugespitzte  Krone 
und  am  Hinterrand  des  Dreiecks  eine  oder  zwei  kleinere  Spitzen ;  der 
vorderste  ist  der  kleinste.  Der  vierte  Backenzahn  (j)*),  der  Reiss- 
zahn,  hat  eine  ähnliche  zusammengedrückte  Form;  hinter  der  Spitze 
findet  sich  ein  spaltförmiger  Einschnitt  im  Rande,  und  an  der  inneren 
Seite  des  Zahnes  sitzt  ein  kleiner  Höcker.    Auf  den  Reisszahn 

')  In  Bezug  auf  das  Skelet  mag  hervorgehoben  werden,  dass  der  Untorkiefer 
sehr  gross  und  schwer,  in  der  Form  von  demjenigen  der  Wale  ganz  verschieden 
ist,  was  auch  für  den  übrigen  Schädel  gilt. 


DigitizecLby-GoGg*r 


Wirbelthiere.   6.  Clwee:  Säugethicre. 


537 


folgen  zwei  breite,  höckerige  Zähne  (ml  und  m~)f  dieHöcker zahne, 
von  welchen  der  hinterste  der  kleinste  ist.  Im  Untermunde  finden 


Fig.  364. 


Fig.  865. 


Fig.  364.    Die  Zähne  des  bleibenden  Gebisse«  der  linkeu  Hälfte  des  Schädel* 
Hundes,  und  die  Zähne  de»  Milchgebisse»  desselben,  letztere  schraflSrt.  —  Orig. 
Fig.  865.    Desgl.  einer  Katze.  —  Orig. 

sich,  was  die  Vorder-  und  Eckzähne  betrifft,  ähnliche  Verhältnisse 
wie  im  Obermunde.  Es  sind  aber  im  Unterkiefer  7  Backenzähne 
(4  pt  3  m)  vorhanden,  von  welchen  die  v i e r  vordersten  als  Lücken- 
zähne bezeichnet  wer- 
den und  auch  dieselbe 
Form  besitzen  wie  die 
gleichnamigen  desOber- 
kiefers. Der  fünfte  Zahn 
(m1),  welcher  dergrösste 
der  Unterkieferzähne 
ist,  erinnert  in  seiner 
Form  etwas  an  den 
Reisszahn  des  Oberkie- 
fers und  wird  auch  als 
Reisszahn  bezeich- 
net ;  sein  vorderster 
Theil,  welcher  unter- 
halb des  Oberkiefer- 
Reisszahnes  sitzt ,  ist 
zusammengedrückt  und 
mit  zwei  Spitzen  ver- 
sehen, von  welchen  die 
hintere  etwas  höher  als 
die  vordere  ist;  der 
hintere,  kleinere,  Theil 
des  Zahnes  ist  niedri- 
ger und  höckerig.  Die 
beiden  hintersten  Ba- 
ckenzähne («i»,  w3)  sind 
Höckerzähne,  den 
gleichnamigen  desOber- 
kiefers ähnlich ,  aber 
kleiner  als  diese. 


Fig.  366.  Die  Zähne  des  linken  Oberkiefers  von :  .1 
Hund,  B  Bär,  C  Marder,  D  Dachs,  K  Vivcrridc 
(Uerpcatcs),  /-'Hyäne,  G  Löwe.  Besonders  hervorzuheben 
ist  die  starke  Kntwickluug  der  höckerigen  Partie  (m1—  im*) 
in  Ii  und  D  und  die  Rückbildung  derselben  in  E — 0.  —  Orig. 


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538 


Specieller  Theil. 


Die  Entwicklung  des  Zahnsystems  anderer  Raubthiere  bewegt 
sich  nun  wesentlich  theil s  in  die  Richtung  einer  Reduction  der 
Backenzahnreihe  von  beiden  Enden  derselben,  theils  in  die  Richtung 
einer  einseitigen  Ausbildung  entweder  des  höckerigen  oder  des  zu- 
sammengedrückten Theils  der  Zahnreihe,  während  Schneide-  und  Eck- 
zähne sich,  was  Zahl  und  Form  betrifft,  bei  allen  fast  gleich  ver- 
halten. Wir  führen  davon  ein  paar  Beispiele  an.  Bei  der  Katze 
finden  wir  eine  in  Vergleich  mit  derjenigen  des  Hundes  sehr  rückge- 
bildete Zahnreihe:  von  den  6  Oberkiefer-Backenzähnen  des  letzteren 
fehlt  der  erste  und  der  letzte,  und  von  den  4  übrig  gebliebenen  sind 
dazu  noch  der  erste  und  der  letzte  fast  rudimentär;  von  den  7  Unter- 
kiefer-Backenzähnen fehlen  bei  der  Katze  sogar  die  beiden  ersten  und 
die  beiden  letzten.  Der  höckerige  Theil  der  Zahnreihe  ist  bei  der 
Katze  fast  gänzlich  in  Wegfall  gekommen,  indem  nicht  allein  die 
Höckerzähne  (mit  Ausnahme  des  rudimentären  des  Oberkiefers)  fehlen, 
sondern  auch  der  höckerige  Theil  des  Reisszahns  des  Unterkiefers 
verschwunden  ist.  Bei  den  Bären  finden  wir  das  entgegengesetzte 
Extrem:  die  Höckerzähne  sind  alle  vorhanden  und  ebenso  wie  der 
hintere  (höckerige)  Theil  des  Unterkiefer-Reisszahns  ausserordentlich 
stark  entwickelt,  während  die  Lückenzähne  klein  und  beim  erwachsenen 
Thier  z.  Th.  ausgefallen  sind.  Vergl.  für  die  übrigen  Gruppen  die 
specielle  Darstellung  und  Fig.  366. 

Noch  grösser  als  im  bleibendem  Gebiss  ist  die  Uebereinstimmung  im 
Milchgebiss,  indem  mit  einer  einzigen  gleich  anzuführenden  Ausnahme 
%  dp  vorhanden  sind,  nämlich  dp-,  dp*,  dp*;  von  diesem  ist  oben  dp*  einem 
Lückenzahn,  dp*  ganz  dem  oberen  Reisszahn  des  bleibenden  Gebisses  ähnlich. 
dp*  im  Oberkiefer  ist  ein  Höckerzahn;  im  Unterkiefer  sind  dp9  und  dp  * 
Luckenzähne,  dp4  Reisszahn  ').  Merkwürdig  ist  es,  dass  der  Reisszahn  des 
bleibenden  Gebisses  nicht  denselben  Platz  wie  der  Milch-Reisszahn  ein- 
uimmt,  sondern  —  sowohl  im  Ober-  wie  im  Unterkiefer  —  einen  Platz 
weiter  nach  hinten  gerückt  ist.  —  Nur  in  dem  Fall,  dass  die  Anzahl  der 
Prämolaren  unter  drei  sinkt  (im  Unterkiefer  der  Katze),  sinkt  die  Anzahl 
der  Milchbackenzähne  unter  die  typische  herab  (indem  der  dem  fehlenden 
Prämolar  p~  entsprechende  Milchbackenzahn  dann  auch  fehlt). 

Von  anderen  Charakteren  sind  folgende  hervorzuheben.  Das 
äusserste  Glied  der  Zehen  trägt  eine  oft  sehr  stark  gebogene  Kralle 
und  wird  durch  ein  elastisches  Bändchen,  welches  von  demselben  bis 
an  das  vorletzte  Glied  geht,  mehr  oder  weniger  nach  oben  gebogen  gehalten, 
so  dass  die  Kralle  bei  einigen  (z.  B.  der  Katze)  während  des  Ganges 
die  Erde  gar  nicht  berührt  (zurückgezogene  Kralle).  Der  Daumen 
ist  (an  beiden  Gliedmaassenpaaren)  meistens  schwächer  als  die  übrigen 
Zehen,  fehlt  sogar  häufig  an  den  Hintergliedmaassen.  Die  Thiere 
treten  entweder  mit  dem  ganzen  Fuss  auf  (Sohlengänger)  oder  nur 
mit  den  Zehen  (Zehengänger).  Das  Schlüsselbein  ist  schwach  ent- 
wickelt oder  fehlt.  Fruchtkuchen  ringförmig.  (Bei  manchen  finden 
sich  besonders  um  den  After  herum  besondere  Hautdrüsen  oder  Haut- 
einstülpungen, deren  Secret  oft  widerlich  stinkt.) 

Die  Raubthiere  sind  grösstenteils  Thiere  von  mittlerer  Grösse, 
welche  sich  theils  von  anderen  Säugethieren ,  Vögeln,  Insekten  etc., 
theils  auch  von  Pflanzenkost  (saftigen  Wurzeln,  Beeren  etc.)  ernähren. 


')  Es  ist  somit  im  Milchgebiss  der  Raubthiere  stets  dieselbe  Anzahl  von  Höcker- 
zähnen wie  im  bleibenden  Gebiss  der  Katze,  nämlich  ^,  vorhanden. 


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Wirbelthiere.   fl.  Classe:  Säugethiere. 


539 


Sie  sind  über  die  ganze  Erde  (mit  Ausnahme  von  Australien)  ver- 
breitet, am  reichsten  in  den  Tropen  vertreten. 

Die  ßaubthiere  zerfallen  in  drei  grössere  natürliche  Gruppen,  von 
welchen  eine  {Cynoidea)  die  Hundefamilie,  eine  andere  (Ardoulea)  die  Bären-, 
Halbbären-  und  Marderfamilie,  eine  dritte  (Aeluroidm)  die  Katzen,  Viverren 
und  Hyänen  umfasst.  Dies  ist  besonders  in  zahlreichen  feineren  Charakteren 
des  Schädels  ausgeprägt,  deren  nähere  Darstellung  uns  jedoch  weit  in  den 
ganz  speciellen  Bau  des  Schädels  führen  würde,  wesshalb  wir  uns  mit  dieser 
blossen  Andeutung  begnügen  müssen. 

1.  Die  Hundefamilie  (Chnitlae).  %  L,  \  R,  %  W)  (=  { p,  %  m)\ 
der  höckerige  Theil  der  Backenzahnreihe  von  mittlerer  Stärke.  Kopf  länglich, 
Schwanz  lang,  Beine  hoch  mit  5  Zehen  vorn,  4  hinten;  Zehengänger. 
Hierzu  gehören  :  Der  F  u  c  h  s  s)  ( Canis  mipes),  der  Polarfuchs8)  (C.  lago- 
pus),  beide  mit  senkrechter  Pupille,  letzterer  ein  hochnordisch  es  Thier;  der 
Wolf  (C.  /m/w/«),  mit  runder  Pupille,  durch  Europa  und  Nordasien  etc. 
verbreitet,  in  Deutschland  ausgerottet;  der  Schakal  (C.  aureus),  mit  dem 
Wolf  nahe  verwandt ,  in  Asien,  Nordafrika  und  auf  der  Balkanhalbinsel ; 
von  ihm  oder  seinen  nächsten  Verwandten  stammt  wahrscheinlich  der  Haus- 
hund (C.  familiaris)  ab.  —  Eine  einzelne  Hundeform,  die  Gatt.  Icticyon 
(in  Brasilien),  zeichnet  sich  durch  den  Besitz  von  nur  \  i/aus;  sie  schliesst 
sich  sonst  nahe  an  die  übrigen  an.  Eine  andere,  der  mit  ungemein  grossen 
Ohren  versehene ,  fuchsähnliche ,  spitzschnauzige ,  südafrikanische  Otocyon 
(■affer,  hat  eine  grössere  Anzahl  Backenzähne  als  die  typische,  nämlich 

i  P>  i  m- 

2.  Die  Bärenfamilie  (I  rsidcte).  §  L.  {  K,  $  H  (=  {  p,  $ 
Höckertheil  der  Backenzahnreihe  überwiegend  entwickelt,  übriger  Theil  der- 
selben rückgebildet  (meistens  fehlen  beim  erwachsenen  Thier  einige  L).  Läng- 
licher Kopf,  sehr  kurzer  Schwanz,  an  allen  vier  Beinen  je  5  Zehen,  welche 
mit  sehr  starken  Krallen  bewaffnet  sind ;  Sohlengänger  von  ansehnlicher 
Grösse,  welche  sich  zum  grossen  Theil  von  Pflanzenkost  ernähren.  Hierzu 
gehören:  Der  gemeine  Bär  (Crsus  arcios),  innerhalb  Deutschlands  nur 
noch  im  bayrischen  Hochlande,  ausserdem  in  der  Schweiz,  in  Ungarn,  Buss- 
land.  Skandinavien  etc.  (Winterschläfer);  der  Baribal  (6r.  americanus), 
schwarz,  in  Nordamerika,  ebenso  wie  der  braungraue  Grislibär  (  f.  eine- 
mut) ;  der  Lippenbär  (C.  labiatus),  in  Indien,  mit  sehr  vorstreckbaren 
Lippen  und  ungemein  langen  Krallen,  verliert  gewöhnlich  frühzeitig  seine 
Schneidezähne;  der  Eisbär  (JT.  maritimus),  weiss,  mit  behaarten  Sohlen, 
gehört  den  arktischen  Gegenden  an.  Grösser  als  die  jetzt  lebenden  Bären 
war  der  quaternäre  Höhlenbär  {U,  spelaetts),  dessen  Ueberreste  man  häufig 
in  den  Knochenhöhlen  Deutschlands  findet. 

3.  Die  Halb bären  (Procyonidae).  $  L,  [  Ii,  \  Ii  (=  4  p,  $  m)\ 
Höckertheil  der  Backenzahnreihe  weniger  überwiegend  als  bei  den  Bären. 
Kopf  länglich ,  Schwanz  lang ,  5  Zehen  vorn  und  hinten ;  Sohlengänger. 
Kleinere  Formen.  Nahrung  gemischt.  Hierzu  die  Waschbären  (^Procyoti) 
und  die  mit  langer  Schnauze  versehenen  Nasenbären  (Nasua),  beide 
Gattungen  in  Amerika. 

4.  Die  Marderfamilie  {Mustelidae).  §£|  L,  \  Ii,  \  U  (=  }-£-} p, 
£  w);  bei  einigen  ist  der  sägeartige  Theil  der  Backenzahnreihe  (d.  h.  die 


')  L  =  Lückenzähne,  R  =  Reisszahn,  H  =  Höckerzähne. 
•)  An  der  Oberseite  des  Schwanzes  nicht  weit  vom  Rumpfe  findet  sich  beim 
Fuchs  eine  Grappe  von  kleinen  Drüsen,  welche  eine  riechende  Flüssigkeit  absondern. 
*)  Beim  Polarfuchs  sind  meistens  nur  |  H  vorhanden. 


540 


Specieller  Theil. 


Lückenzähne,  der  Reisszahn  im  Oberkiefer,  der  vordere  Theil  des  Reiss- 
zahnes des  Unterkiefers),  bei  auderen  der  Höckertheil  derselben  überwiegend 
entwickelt.  Schwanz  meistens  wohlentwickelt,  Beine  niedrig,  5  Zehen: 
Zehen-  oder  Sohlengänger. 

a.  Die  Mardergattung(J/«*tefo).  Kleine,  sehr  langgestreckte, 
schlanke  Raubthiere,  welche  sich  hauptsächlich  von  warmblütigen  Wirbel- 
thieren  ernähren.  Zehengänger.  Höckertheil  ziemlich  klein.  In  Deutsch- 
land leben  die  folgenden:  Der  Edelmarder  (3/.  mattes)  mit  dottergelber 
Kehle,  der  Steinmarder  (M.  foina)  mit  weisser  Kehle,  die  grossten 
deutschen  Arten;  der  Iltis  (M,  putorius) ,  braun,  oben  etwas  heller  als 
unten  (das  Frettchen  [AI.  furo]  ist  eine  durch  Domestication  erzeugte 
weissliche  Abart  des  Iltis) ;  der  Hermelin  ( M.  etmined) ,  welcher  im 
Winter  weiss  wird;  das  kurzschwänzige T  kleine  Wiesel  (M.  vulgaris). 
die  kleinste  Art;  der  Nörz  (M.  lutreoh),  von  Grösse  des  Iltis,  einfarbig 
braun,  mit  Bindehaut  zwischen  den  Zehen,  lebt  am  Wasser,  selten  in  Deutsch- 
land, häutiger  in  Russland  (erinnert  an  die  Otter^.  Der  Zobel  (3f.  xi- 
bdlina)  in  Sibirien  steht  dem  Edelmarder  sehr  nahe.  —  Mit  den  Mardern 
verwandt  ist  der  Vielfrass  (Guh  botestlis),  welcher  grösser  und  plumper 
ist,  einen  sehr  kurzen  buschigen  Schwanz  besitzt,  Sohlengänger;  in  Skan- 
dinavien, Russland,  Sibirien,  Nordamerika. 

b.  Die  Ottern  (Lu(ra)  sind  grössere  Marderformen  mit  langem 
kräftigen  Schwanz,  Schwimmhaut  zwischen  den  Zehen,  stumpfer  Schnauze  und 
sehr  kurzen  Ohren.  Schwimmen  vorzüglich,  ernähren  sich  besonders  von 
Fischen.  In  Europa  die  Fischotter  (L.  vulgaris),  hält  sich  sowohl  an 
Süsswasser  wie  am  Meere  auf.  —  Verwandt  ist  die  Seeotter  (Erüiytlra 
mathui)  mit  £  *  (während  andere  Raubthiere  \  haben) ;  die  Hinterglied- 
maassen  erinnern  an  diejenigen  der  Seehunde ;  an  den  Küsten  des  nördlichen 
Stillen  Ocean. 

c.  Der  Dachs  (Melex  taxus)  zeichnet  sich  durch  die  starke  Ent- 
wicklung der  Höckerzähne  und  des  hinteren  Theiles  des  Unterkiefer-Reisszahnes 
aus ;  Sohlengänger  mit  starken  Grabkrallen  an  den  Vorderbeinen;  Allesfresser. 
—  Verwandt  sind  die  Stinkthiere  (MephUis)  in  Nord-  und  Südamerika, 
Afrika  und  Kleinasien. 

5.  Die  Schleichkatzen  (  Vkcrridae).  $  L,  }  R,  {  11  (=  { p,  \  m)\ 
Sägetheil  der  Backenzahnreihe  überwiegend  entwickelt.  Kleinere,  marder- 
ähnliche Thiere  mit  langgestrecktem  Körper  und  niedrigen  Beinen.  In  den 
wärmeren  Theilen  der  alten  Welt.  Hierzu  gehören  die  Zibethkatzen 
(Viretta),  von  welchen  eine  Art  (T.  genetta)  in  Südeuropa  (und  Nord- 
afrika) lebt,  und  die  Pharaosratte  (Herjtestes  Ichneumon)  in  Afrika. 

6.  Die  Hyänenfamilie  (Ilyaetiidae).  %  L,  {  R,  J>-  //  (=  \  p,  \  m). 
Grössere,  hochbeinige,  wolfähnliche,  ziemlich  langschwänzige  Thiere ;  Zehen- 
gänger. In  der  alten  Welt.  Die  Arten  der  Gatt.  Hyaena  sind  Aasfresser: 
die  Gatt.  l*roteles,  in  Südafrika,  mit  sehr  schwachen,  kleinen,  spitzigen 
Backenzähnen,  soll  sich  besonders  von  Lämmern  ernähren. 

7.  Die  Katzenfamilie  (Feluhie).  $  L,  \  R,  ^  H  (=  £  p,  \  m) ; 
Höckertheil  der  Backenzahnreihe  rudimentär.  Schlanke,  gestreckte  Thiere 
mit  rundlichem  Kopf,  langem  Schwanz,  4  Zehen  an  den  Hintergliedraaassen, 
sehr  stark  gebogenen ,  zusammengedrückten  und  zugespitzten  Krallen. 
Zeheugänger.  Ernähren  sich  fast  ausschliesslich  von  Warmblütern.  Hierzu 
gehören:  Der  Löwe  (Felis  la>),  einfarbig,  £  mit  Mähne,  Afrika,  West- 
asien,  früher  auch  im  südöstlichen  Europa ;  nahe  verwandt  ist  der  ausge- 
storbene (quaternäre)  Höhlenlöwe  (F.  spclticu).  Der  Tiger  (F.  tigtis)  mit 
Querstreifen,  Asien.    Der  Jaguar  (F.  ouqu),    in  Südamerika,  und  der 


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Wirbelthiere.   «.  Classe:  Säugethiere. 


541 


Leopard  oder  Panther  (F.pardus),  in  mehreren  Varietäten  in  Afrika 
und  Südasien,  sind  grosse,  mit  Bingflecken  versehene  Katzen.'  Der  Puma 
oder  Kuguar  (K  concolor),  eine  mittelgrosse  einfarbige  Katze,  lebt  in 
Südamerika.  Kleinere  Formen  sind:  die  Tigerkatzen,  verschiedene 
kleine  gefleckte  Formen  (F.  tigrina  u.  a.) ;  die  Wildkatze  (F.  catus),  in 
Mittel-  "und  Südeuropa,  auch  noch  an  verschiedenen  Stellen  in  Deutschland, 
von  ähnlicher  Färbung  wie  graue  Hauskatzen,  aber  kurzschwänziger ;  die 
Hauskatze  (F.  domestica),  welche,  wie  es  scheint,  von  der  nubischen  Wild- 
katze (F.  maniculata)  abstammt.  Abweichendere  Formen  sind:  der  Gepard 
fOynailurm]  jubata),  eine  grosse  gefleckte  hochbeinige  Katze  mit  weniger 
zurückgezogenen  Krallen  als  die  übrigen  Katzen,  in  Afrika  und  Asien,  wird 
auch  zahm  gehalten;  der  Luchs  (F.  lyiuc  oder  Lynx  vulgaris),  durch  seine 
hohen  Beine,  kurzen  8chwanz  und  mit  Haarpinseln  versehene  Ohren  aus- 
gezeichnet (meistens  fehlt  beim  Luchs  der  vorderste  der  bei  anderen  Katzen 
vorhandenen  Oberkiefer-Lückenzähne,  so  dass  die  Zahnformel  £  p,  {  m  wird), 
in  Scandinavien,  Russlaud  etc.,  früher  auch  in  Deutschland.  —  Die  aus- 
gestorbenen Säbelkatzen  {Maflmerodus)  haben  7  L,  \  Ii,  ^  II 
(=  rJ.?  p,  1  vi)  also  eine  noch  mehr  rückgebildete  Backenzahnreihe  als 
die  jetzt  lebenden  Katzen,  denen  sie  übrigens  im  Ganzen  nahe  stehen ;  der 
Eckzahn  des  Oberkiefers  ist  nngemein  kräftig  und  stark  verlängert.  Bei 
einer  anderen  ausgestorbenen  Katze,  der  Gatt.  Dinictis,  findet  man  dagegen 
eine  grössere  Anzahl  von  Zähnen  als  bei  den  jetztlebenden,  nämlich  im 
Unterkiefer  einen  Lückenzahn  mehr  und  einen  kleinen  Höckerzahn  (die 
Oberkieferzähne  dieselben  wie  bei  Felis):  $  L,  \  R,  \  H  {—  %  p,  ±  in). 

9.  Ordnung.    Robben  oder  Flossenfüssler  (Pinnlpedia). 

Die  Robben  sind  mit  den  Raubtbieren  nahe  verwandt  und 
stimmen  in  zahlreichen  Charakteren  mit  denselben  überein;  sie  sind 
als  ein  in  Anpassung  an  das  Leben  im  Meere  umgestalteter  Raubthier- 
Typus  aufzufassen. 

Die  Gliedmaassen  sind  kurz,  breit,  nach  hinten  gerichtet:  der 
proximale  Theil  der  Vordergliedmaassen  ist  unter  der  Rumpfhaut 
versteckt,  der  freie  Theil  derselben  erinnert  an  die  Brustflossen  eines 
Fisches;  die  Hintergliedmaassen  liegen  mit  der  Fussspitze  nach 
hinten  dicht  am  Rumpf,  zum  grossen  Theil  in  die  Haut  des  letzteren 
eingeschlossen;  bei  den  echten  Seehunden  sind  sie  in  dieser  Stellung 
befestigt,  während  sie  beim  Walross  und  den  Ohrenrobben  so  weit  nach 
vorn  gewendet  werden  können ,  dass  das  Thier  auf  denselben  gehen 
kann.  An  jedem  Fuss  sind  fünf  Zehen  (Finger)  vorhanden ,  welche 
mit  geraden  Krallen  versehen  sind  ;  sowohl  an  den  Vorder-  als  an 
den  Hintergliedmaassen  ist  eine  Schwimmhaut  zwischen  den  Zehen 
ausgespannt,  und  ausserhalb  der  Spitzen  der  Zehen  erstreckt  sich  als 
Fortsetzung  der  Schwimmhaut  ein  mehr  oder  weniger  entwickelter 
Hautsaum.  An  den  Vordergliedmaassen  nehmen  die  Finger  an  Länge 
und  Stärke  von  Nr.  1  bis  Nr.  5  ab  (Nr.  I  und  2  sind  jedoch  unge- 
fähr gleich  stark);  an  den  Hintergliedmaassen  sind  Nr.  1  und  5 
kräftiger  und  meistens  auch  länger  als  die  drei  Übrigen.  Die  Ferse 
ist  kurz.  Das  äussere  Ohr  ist  klein  oder  fehlt;  die  Augen  gross; 
die  Nasenlöcher  spaltförmig,  schliessen  sich  von  selbst  durch  die 
Elasticität  der  Wand,  werden  durch  Muskelwirkung  geöffnet.  Die 
Behaarung  besteht  meistens  aus  dichtgestellten,  angedrückten,  glatten 
Haaren  (zuweilen  liegt  unter  diesen  ein  dichtes  Wollkleid);  die  neu- 


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542 


Specialer  Thei) 


geborenen  Jungen  gewöhnlich  mit  einer  wolligen  Behaarung,  welche 
jedoch  bei  einigen  schon  im  Mutterleibe  gewechselt  wird  ;  die  Schnurr- 
haare  sind  sehr  kräftig.  Unterhalb  der  Haut  findet  sich  eine  dicke 
Schicht  von  Fettgewebe  (Speck).  Von  Schneidezähnen  sind  gewöhn- 
lich $  (oder  eine  geringere  Anzahl;  selten  |)  vorhanden;  sie  sind 

Fig.  867. 


T  i 


mehr  kegelförmig  als  bei  den  Raubthieren  und  schliessen  sich  nicht 
wie  bei  diesen  zu  einem  schneidenden  Rand  zusammen ;  die  Eckzähne 
sind  meistens  schwächer  als  bei  den  Raubthieren,  sonst  aber  ähnlich. 
Von  Backenzähnen  sind  meistens  ^  p  \  m  vorhanden;  sie  sind  alle 
ungefähr  gleich,  gewöhnlich  von  ähnlicher  Form  wie  die  Lückenzähne 
der  Raubthiere  oder  einfach  kegelförmig;  sie  sind  verhältnissmässig 
schwach.  Die  Milchzähne  sind  rudimentär;  sie  werden  entweder  schon 
im  Mutterleibe  oder  bald  nach  der  Geburt  gewechselt. 

Von  anderen  Charakteren  fuhren  wir  an,  dass  der  hinterste  Theil  des 
Schädels  sehr  breit  ist,  während  derjenige  Theil,  welcher  zwischen  den 
Augenhöhlen  liegt,  in  der  Regel  stark  zusammengedrückt  ist.  Der  Unter- 
kiefer ist  in  der  Regel  schwach.  Thränenbein  und  Thränenkanal  fehlen, 
die  Thränendrüse  ist  klein,  die  Harder'sche  Drüse  wohlentwickelt.  Der 
Fruchtkuchen  ist  wie  bei  den  Raubthieren  ringförmig. 

Die  Robben  sind  Thiere  von  ansehnlicher,  nicht  selten  sogar 
riesiger  Grösse,  welche  im  Meere  leben  (einzelne  auch  in  grossen 
Seen,  so  im  Caspischen  Meer),  wo  sie  sich  mit  der  grössten  Ge- 
wandtheit mittels  des  sehr  biegsamen  Hinterkörpers  bewegen,  wobei 
die  grossen  nach  hinten  gerichteten  Hinterfüsse  ungefähr  wie  die 
Schwanzflosse  eines  Fisches  fungiren.  Häufig  gehen  sie  jedoch  aufs 
Land,  um  sich  auszuruhen,  um  zu  gebären  etc.;  sie  halten  sich  aber 
stets  in  unmittelbarer  Nähe  der  Küste  auf  und  bewegen  sich  nur  müh- 
sam auf  dem  Lande  fort;  Ohrenrobben  und  Walrosse  können  noch 
auf  allen  vier  Füssen  gehen,  die  echten  Seehunde  hüpfen  aber  unge- 
mein schwerfällig  fort,  indem  sie  den  Rücken  krümmen  und  sich  mit 
dem  Hinterkörper  abstossen  (sie  ruhen  dabei  mit  der  Bauchseite  auf 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säu^ethiere.  543 


der  Erde;  die  Vordergliedmaassen  werden  bei  der  Bewegung  meistens 
nicht  benutzt).  Ihre  Nahrung  besteht  hauptsächlich  in  Fischen.  Sie 
leben  gewöhnlich  in  Polygamie;  das  Männchen  ist  häufig,  wie  bei 
manchen  anderen  polygamen  Thieren.  bedeutend  grösser  als  das 
Weibchen.  Sie  gehören  besonders  den  kälteren  und  temperirten 
Theilen  der  Erde  an. 

1.  Die  Ohrenrobben  (Otariidas).  Mit  kleinen  äusseren  Ohren. 
Hals  lang.  Können  auf  den  Füssen  gehen,  deren  Unterseite  nackt  ist 
(Sohlenballen);  an  allen  vier  Füssen  ein  grosser  Randsaum,  welcher  an 
den  Hinterfüssen  gelappt  ist ;  Krallen  theilweise  rudimentär  oder  sehr  klein 
(dies  gilt  von  allen  Krallen  der  Vordergliedmaassen  und  von  Nr.  1  und  5 
der  Hintergliedmaassen,  während  die  Krallen  der  mittleren  Zehen  der  Hin- 
terfüsse  wohlentwickelt  sind).  Die  Männchen  Bind  stets  viel  grösser  als 
die  Weibchen.  —  Diese  Abtheilung  steht  den  Baubthieren  am  nächsten; 
manche  der  Eigentümlichkeiten,  welche  die  Ordnung  der  Flossenfüssler 
jenen  gegenüber  auszeichnen,  sind  bei  den  Ohrenrobben  weniger  ausge- 
prägt. —  Hierzu  die  unter  dem  Namen  „Seelöwen"  bekannten  Thier- 
formen, deren  Fell  zum  Theil  ein  ausgezeichnetes  Pelzwerk  liefert1).  Sie 
leben  in  den  südlicheren  Theilen  der  südlichen  Halbkugel  und  in  den  nörd- 
lichen Theilen  des  Stillen  Oceans. 

2.  Das  Walross  (Triclitchus  [  OdöbaenusJ  rosmanut\  ist  eine  ohrlose, 
übrigens  mit  den  Ohrenrobben  nächst  verwandte,  in  den  Zahnverhältnissen 
aber  sehr  eigentümliche  Robbe.  Ebenso  wie  die  Ohrenrobben  kann  sich 
das  Thier  auf  die  mit  grossem  Randsaum  versehenen  Ftisse  stützen,  die 
Unterseite  der  Füsse  ist  nackt,  die  Ausbildung  der  Krallen  entspricht  der- 
jenigen der  Ohrenrobben  (sämratliche  Krallen  der  Vorderfüsse  und  die  1. 
und  5.  der  Hinterflisse  sind  rudimentär).  Das  junge  Thier  besitzt  $  »,  \  c,  £  U, 
von  diesen  sind  aber  einige  klein  und  fallen  früh  aus  oder  brechen  gar  nicht 
hervor,  so  dass  das  erwachsene  Thier  gewöhnlich  von  functionirenden  Zähnen 
^  t,  }  c,  $  b  besitzt.  Von  diesen  Zähnen  ist  der  Oberkiefer-Eckzahn  ein 
langer  wurzelloser  Stosszahn,  während  die  übrigen  beim  jungen  Thier  kegel- 
förmig sind,  während  sie  später  flach  abgekaut  werden.  Das  Walross  er- 
nährt sich  von  Muscheln  etc.,  welche  es  mit  den  langen  Zähnen  losschaben 
soll.  Sehr  ansehnliche  Form .  welche  in  den  arktischen  Gegenden  zu 
Hause  ist. 

3.  Echte  Seehunde  (Pltocidae).  Aeussere  Ohren  fehlen.  Hals 
kurz.  Die  Füsse  sind  auf  der  Unterseite  behaart,  können  gar  nicht  zum 
Gang  benutzt  werden  ;  Randsaum  der  Füsse  schmal ;  Krallen  meistens  wohl- 
entwickelt. Die  Vordergliedmaassen  sind  klein  (kleiner  als  die  Hinterglied- 
maassen).   Besonders  in  den  arktischen  Gegenden. 

a.  Die  Gatt.  Phoca  besitzt  $  i  und  zusammengedrückte  mehr- 
spitzige Backenzähne.  Hierzu  der  gemeine  Seehund  {Ph.  vitulina)  und 
die  Ringelrobbe  (Ph.  foetida),  beide  an  den  deutschen  Küsten  etc.  —  Mit 
Phoca  verwandt  ist  der  graue  Seehund  (Halichoerus grypus),  mit  kegel- 
förmigen Backenzähnen,  häufig  z.  B.  in  der  Ostsee. 

b.  Die  Blasenrobbe  oder  Klappmütze  (Cysiopfiom  cristata), 
mit  \  i,  ist  besonders  dadurch  merkwürdig,  dass  das  Männchen  an  der 
Oberseite  des  Kopfes  mit  einem  Paar  Luftsäcken  ausgestattet  ist,  welche 
mit  dem  vordersten  Theil  der  Nasenhöhlen  in  Verbindung  stehen  und  vou 

')  Die  in  den  Handel  kommenden  Seelöwenfelle  sind  der  Deckhaare  beraubt, 
so  dass  die  Wollhaare  allein  übrig  geblieben,  und  sie  haben  desshalb  ein  von  den 
frischen  Fellen  Behr  abweichendes  Aussehen. 


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r>44 


Specieller  Theil. 


diesen  ans  mit  Luft  gefüllt,  aufgeblasen  werden.  Grönland  und  andere 
arktische  Gegenden.  —  Ein  naher  Verwandter  ist  der  See-Elephant 
(C.  jiroboscidm).  bei  dessen  Männchen  die  Schnauze  in  einen  kurzen  Rüssel 
verlängert  ist,  welcher  aufgeblasen  werden  kann ;  im  Indischen  und  Grossen 
Ocean,  besonders  in  den  südlicheren  Theilen  derselben. 


10.  Ordnung.    Wale  (Cetaceti). 

Die  Wale  sind  ein  zu  ausschliesslichem  Aufenthalt  im 
Meere  eingerichteter  und  demgemäss  umgebildeter  Säuge  thier-Typus. 

Sie  sind  dieser  Lebensweise  viel  einseitiger 
angepasst  als  die  übrigen  Typen  von  Meeres- 
Siiugethieren  (Robben  und  Seekühe) ;  die  An- 
passung ist  so  innig,  dass  die  Wale  für  die 
oberflächliche  unmittelbare  Betrachtung  weit 
mehr  an  Fische  als  an  Säugethiere  erinnern. 

Die  Leibesform  ist  fischartig;  Kopf. 
Rumpf  und  Schwanz  gehen  sanft  in  einander 
über,  der  Körper  ist  gegen  beide  Enden  hin 
zugespitzt;  von  einem  Hals  ist  keine  Spur 
Uu8serlich  zu  entdecken;  der  Schwanz  ist 
zusammengedrückt  für  ein  Säugethier  ausser- 
ordentlich kräftig  entwickelt,  sehr  musculös. 
Am  Ende  des  Schwanzes  befindet  sich  eine 
wagerechte  Schwanzflosse,  eine  breite 
nach  beiden  Seiten  ausgezogene  steife  Haut- 
falte. An  der  Rückenseite  befindet  sich  eine 
gewöhnlich  kurze,  aufrechte,  steife  Hautfalte, 
die  Rückenflosse.  Die  Haut  ist  glatt 
und  glänzend ;  Haare  (und  Hautdrüsen)  fehlen 
gewöhnlich  beim  ausgebildeten  Thiere  völlig, 
höchstens  sind  einzelne  Haare  an  gewissen 
Stellen  des  Kopfes,  besonders  in  der  Nähe 
der  Mundränder,  vorhanden1);  die  Lederhaut 
ist  sehr  dick  und  ausserordentlich  fetthaltig 
(Speck).  Lippen  fehlen.  Von  den  Glied* 
maas8en  sind  nur  die  vorderen  entwickelt 
(über  Rudimente  der  hinteren  vergl.  unten) ; 
sie  sind  zu  krallenlosen,  steifen,  nur  im 
Schultergelenk  beweglichen  Platten  ausge- 
bildet, die  Finger  von  einer  gemeinsamen 
Haut  umschlossen  und  ihre  Grenzen  äusser- 
lich  nicht  erkennbar.  Die  Nasenlöcher  sitzen 

Oberarm,  Ä  Speiche,  UUle;»  Na-  hoch  oben  auf  dem  Kopf  Und  sind  Öfters  ZU 
viculare,  /  Lunatum.  > Truiuetrum ;      •  •  &  •    •  j- 

td  Muitang.  min«8,  .  Hamatu.» ;  einer  gemeinsamen  Oeffnung  vereinigt  ;  die 
i—ir  erster— vierter  Finger,  v  Augen  klein,  äussere  Ohren  fehlen,  die 
ninfter  Mitteihandknocben.  —  äussere  Ohröffnung  ausserordentlich  klein. 

Nach  Flower. 


Fig.  369.  Rechte  Vorderex- 
tremität  eines  GrimlwaU.  H 


')  Nur  gewisse  Barten  wal e  (und  ein  südamerikanischer  Flussdelphin,  Inia) 
l>esitzen  in  ausgebildetem  Zustande  Haare.  Dagegen  findet  sich  fast  bei  allen  Walen, 
sowohl  bei  Barten-  wie  bei  Zahnwalen,  beim  Embryo  eine  geringe  Anzahl  von 
Haaren;  bei  den  Zahnwalen  sitzen  dieselben  stets  ausschliesslich  oberhalb  de«  oberen 
Mundrandes. 


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Wirhelthiere.   6.  Classe:  Säugrethiere.  545 

Die  Zitzen,  eine  auf  jeder  Seite,  sitzen  in  Gruben  neben  dem 
After. 

Die  Halswirbelpartie  ist  sehr  kurz,  besteht  aber  aus  den  gewöhn- 
lichen 7  Wirbeln,  von  welchen  meistens  eine  verschiedene  Anzahl 

Fig.  870. 


Fig.  370.    Schädel  eine«  Za  huwalcs  (Deijihi'nun)  von  der  Seite.  Verkleinert.  —  Orig. 
Fig.  371.    Schldel  eine«  Bartenwale!»  (Palaena  japonica),  Foetus.  Verkleinert.— 
Nach  Eschricht. 

Gemeinsame  Bezeichnung:  C  Hinterhaupts-Gelenkhöcker ,  Fr  Stirnbein .  Ju  Jochbein, 
L  Thränenbein,  Mr  Oberkieferbein,  n  Nasenloch,  Xa  Nasenbein,  oe  seitliches  Hinterhaupts- 
i>ein,  0$  oberes  Hinterhauptsbein,  Pa  Scheitelbein,  Pal  Gaumenbein,  Pt  FlUgelbein,  Px  Zwischen- 
kieferbein, Bq  Schuppenbein,  7>  Paukenbein. 

verwachsen  ist  (zuweilen,  so  beim  Polarwal ,  sind  sie  sogar  alle  ver- 
wachsen: bei  den  Furchenwalen  und  einigen  Zahnwalen  sind  sie  da- 
gegen alle  frei);  die  Halswirbelkörper  sind  abgeplattete  Scheiben. 
Nur  eine  sehr  geringe  Anzahl  von  Rippen  verbindet  sich  mit  dem 
kurzen  Brustbein.    Die  Lendenwirbelpartie  zeichnet  sich  durch  ihre 

Boas,  Zoologie.  35 


546 


Specieller  Theil. 


bedeutende  Länge  aus;  Beckenwirbel  sind  nicbt  unterschieden.  Die 
ganze  Wirbelsäule  (mit  Ausnahme  der  Halswirbel)  ist  sehr  biegsam, 
die  Bandscheiben  zwischen  den  Wirbeln  dick.  Die  Kiefer  sind  stark 
verlängert;  das  Jochbein  bei  den  Zahnwalen  sehr  dünn;  die  Nasen- 
beine sehr  kurz,  oft  rudimentär  (am  besten  bei  den  Bartenwalen  ent- 
wickelt). Das  Schulterblatt  ohne  Kamm ;  Schlüsselbeine  fehlen.  Wie 
oben  erwähnt,  sind  die  Knochen  der  Vordergliedmaassen  unbeweglich 
mit  einander  verbunden.  Es  sind  4  oder  5  Finger  vorhanden ;  von 
Interesse  ist  es,  dass  die  Anzahl  der  Glieder  in  einigen  derselben 
grösser  ist  als  drei.  Es  findet  sich  ein  Ueberrest  des  Beckens 
in  Form  von  zwei  Knochen,  einem  auf  jeder  Seite,  welche  weder  mit 
einander  noch  mit  der  Wirbelsäule  in  Verbindung  treten ;  bei  gewissen 
Bartenwalen  sind  ausserdem  Rudimente  des  Skeletes  der  Hinterglietl- 
maassen,  von  Schenkel-  und  Schienbein,  im  Fleische  versteckt,  vor- 
handen. —  Thränendrüse  und  Thräuenkanal  fehlen,  eine  Harder'sche 
Drüse  ist  dagegen  vorhanden  und  zwar  wohlentwickelt  (ihr  Secrei 
hat  eine  fettartig-schleimige  Beschaffenheit).  —  Die  Nasenhöhlen 
sind  bei  den  Bartenwalen  ein  Paar  schräge,  bei  den  Zahnwalen  ein 
Paar  fast  senkrechte  Röhren;  bei  den  Bartenwalen  sind  rudimen- 
täre Nasenmuscheln  und 
schwache  Riechnerven 
vorhanden,  bei  den  Zahn- 
walen fehlen  die  Nasen - 
muscheln  (während  Riech- 
nerven zuweilen  vorhanden 
sind,  zuweilen  fehlen).  - — 
Bei  den  Zahnwalen  finden 
sich  in  der  Regel  zahl- 
reiche Zähne,  welche 
meistens  alle  ungefähr 
gleichgebildet,  kegelför- 
mig sind ;  ein  Zahnwechsel 
fehlt.  Bei  den  Barten  - 
walen  sind  im  Embryonal- 
zustande Zähne  (von  ähn- 
licher Form  wie  bei  den 

Fig.  372.  Querschnitt  des  vorderen  Theilcs  des  Kopfes  ZahllWalen)  vorhanden, 

eines  Furchenwals,  schematisirt.    b  Knorpel,  welcher  welche  aber  klein  Sind  Und 

der  Nasenscheidewand  anderer  SHuget liiere  entspricht;  ba  niemals  hervorbrechen 
Barte,  /  Hautfurchen,  i  Zwischen-,  m  Oberkieferbein,  Im  ,  .    ,  r     1  ••  * 

Zunge,  «  Unterkiefer,  r  Pflugscharbein.  -  Nach  Yves  Üelage.  sondern   Wieder  autgelost 

werden.  Die  Harten, 
welche  diese  Thiere  im  Munde  besitzen,  sind  zwei  Längsreihen  von 
mächtigen ,  quergestellten,  senkrecht  von  dem  Gaumendach  herab- 
hängenden Hautfalten,  welche  mit  einer  stark  entwickelten,  die  Haupt- 
masse der  Barte  bildenden  Hornschicht  bekleidet  sind.  Jede  Barte 
stellt  demnach  eine  dreieckige,  feste  Hornplatte  dar,  welche  in  ihrer 
grössten  Ausdehnung  solid  ist,  an  der  Basis  aber  eine  spalt  form  ige 
Höhlung  besitzt,  in  welcher  der  weiche  Theil  der  Barte,  der  ans 
Bindegewebe  und  der  Schleimschicht  der  Haut  bestehende  „Barten- 
keim", seinen  Platz  hat.  Die  Barte  hat  drei  Ränder:  einen  kürzeren 
oberen,  welcher  sich  mit  dem  Gaumen  verbindet,  einen  äusseren 
glatten  geraden  Rand  und  einen  inneren  stark  aufgefaserten  schrägen 
Raud,  welcher  der  längste  ist ;  in  dem  inneren  Theil  der  Barte  finden 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugethiere. 


547 


sich  mehrere  bis  auf  die  Basis  der  Barte  reichende  senkrechte  Ein- 
schnitte. Die  Barten,  von  welchen  die  vordersten  und  die  hintersten 
jeder  Reihe  die  kleinsten  sind,  liegen  jederseits  ziemlich  dicht  an  ein- 
ander und  fällen  einen  grossen  Theil  der  Mundhöhle  aus,  in  deren 
Mitte  jedoch  ein  im  Querschnitt  dreieckiger  Baum  übrig  bleibt.  Bei 
geschlossenem  Munde  werden  die  Barten  vom  Unterkiefer  verdeckt. 
Sie  haben  die  Bedeutung  eines  Seihapparates:  die  Bartenwale 
schwimmen  mit  klaffend  geöffnetem  Munde  eine  Strecke  weit  durch's 
Wasser,  schliessen  darauf  den  Mund,  und  das  Wasser  sickert  dann 
zwischen  den  Barten  nach  aussen,  während  die  im  Wasser  enthaltenen 
Organismen  von  den  am  inneren  Rand  der  Barten  befindlichen  Fasern 
zurückgehalten  werden,  welche  zusammen  eine  filzige  Wand  an  jeder 
Seite  im  Munde  bilden.  Die  Barten  sind  als  ausserordentlich  stark 
entwickelte  Gaumen  falten  (vergl.  S.  508)  aufzufassen.  —  Die 
Speicheldrüsen  sind  rudimentär  oder  fehlen,  der  Magen  hat  einen 
zusammengesetzten  Bau.  Der  Kehlkopf  ist  zu  einem  aufrechten  hohen 
Zapfen  verlängert,  welcher  vorne  von  dem  stark  entwickelten  Gaumen- 
segel umfasst  wird ;  die  Nahrung  gleitet  zu  beiden  Seiten  des  Zapfens 
in  die  Speiseröhre  hinab.    Die  Hoden  bleiben  in  der  Bauchhöhle. 

Die  Wale  sind  fast  alle  Meeresthiere ;  einige  wenige  leben  in 
Flüssen.  Sie  bewegen  sich  in  ähnlicher  Weise  wie  die  Fische  durch 
Schläge  des  Schwanzes.  Sie  gehen  nie  freiwillig  aufs  Land.  Sie 
sind  im  Stande  sich  ziemlich  lange  Zeit  unterhalb  der  Wasserober- 
fläche aufzuhalten,  ohne  zu  ersticken  (nach  einigen  Angaben  bis 
4  Stunde).  Ihre  Nahrung  b  »steht  besonders  in  Fischen  und  niederen 
Seethieren.  Sie  leben  in  allen  Meeren,  die  grösseren  Formen  jedoch 
besonders  in  den  kälteren  Theilen  der  Erde.  Zu  dieser  Abtheilung 
gehören  die  grössten  aller  thierischen  Geschöpfe. 

m 

1.  Unterordnung.   Bartenwale  (Mystacocefl). 

Zahnlos,  mit  Barten  versehen.  Zwei  äussere  Nasenlöcher,  welche 
weiter  vorne  sitzen  als  bei  den  Zahnwalen.  Das  Brustbein  nur  mit 
einem  einzigen  Rippenpaare  verbunden.  Schädel  ausserordentlich 
gross,  symmetrisch;  Nasenbeine  verhältnissmässig  wohl  entwickelt. 
Sie  ernähren  sich  von  verschiedenen,  schaarenweise  lebenden  kleinen 
Meeresthieren  (Leuchtkrebsen,  Copepoden  etc.),  manche  Furchenwale 
ausserdem  noch  von  kleineren  Fischen.    Hierzu  die  grössten  Wale. 

1.  Die  Furchenwale  (htalaenopterid'tc^.  Mit  Rückenflosse.  Auf  der 
Unterseite  des  Kopfes  und  des  Rumpfes  zahlreiche  tiefe  Längsfurchen.  Lang- 
gestreckte Thiere  mit  verhältnissmässig  kleinerem  Kopf  und  kürzeren  Barten; 
schmale  Brustflossen.  Hierzu  der  Blauwal  {Balarnoptera  gigaa),  welcher 
eine  Länge  von  30  m  erreicht,  und  der  etwas  kleinere  Fi  nnwal  (2?.  mus- 
culus),  welche  beide  an  den  Küsten  des  nördlichen  Norwegens  den  Gegen- 
stand einer  regelmässigen  Fischerei  bilden.  AVeit  kleiner  (höchstens  bis 
10  m)  ist  der  Zwerg wal  (B.  rostrata),  ebenfalls  im  nördlichen  Atlantischen 
Meere.  Der  sehr  ansehnliche  Buckel  wal  (Megapteraboops),  mit  niedrigerer 
buckeiförmiger  Rückenflosse  und  mit  sehr  langen  Brustflossen,  ist  weniger 
gestreckt  als  die  meisten  übrigen  Furchenwale;  wird  unter  Anderem  an 
der  Küste  Norwegens  ziemlich  regelmässig  angetroffen. 

2.  Die  Glatt  wale  (Balaenidae).  Keine  Rückenflosse.  Keine  Furchen 
auf  der  Unterseite.  Körper  weniger  gestreckt,  Kopf  verhältnissmässig  sehr 
gross,  Barten  lang  und  schmal,  Brustflossen  breit.    Hierzu  der  bis  20  m 

85* 


548 


Specieller  Theil. 


lange,  kolossale  Grönlands-  oder  Polarwal  (Balaena  mysticetus),  bei 
Grönland  etc.;  jetzt  an  Zahl  stark  reducirt.  Der  Nordkaper  (B.  bis- 
cayenxis),  dem  Grönlandswal  sehr  ähnlich,  etwas  südlichere  Form  (im  nörd- 
lichen Atlantischen  Meer  bis  in  die  Bucht  von  Biscaya),  jetzt  äusserst  selten. 

2.  Unterordnung.    Zahnwale  (Odontoceti). 

Mit  Zähnen  versehen,  keine  Barten.  Aeussere  Nasenlöcher  zu 
einem  einzigen J)  vereinigt ,  welches  oben  auf  dem  Kopfe  weit  nach 
hinten  zu  sitzt.  Das  Brustbein  ist  mit  mehreren  Rippenpaaren  ver- 
bunden. Die  Gesichtspartie  des  Schädels  deutlich  asymmetrisch: 
Nasenbeine  rudimentär.    Ernähren  sich  meistens  von  Fischen. 

1.  Die  Del  ph  in  e  (Dclphinus)  haben  eine  zugespitzte  schnabelförmige 
Schnauze,  welche  dnrch  eine  Furche  von  der  Stirn  abgegrenzt  ist;  zahl- 
reiche (20  und  mehr)  kleine  kegelförmige  Zähne  in  jeder  Kieferhälfte ;  eine 


Fig.  373.  Schädel  des  Grind  wals  von  der  linken  Seite,  mit  der  großen  der  Schnauze 
aufliegenden  Fettmasse ;  letztere  in  der  Mittellinie  durchschnitten.  /  weiche  Fettmatse,  &  feste 
bindegewebige  Schicht  unterhalb  der  durch  eine  dicke  schwarze  Linie  angedeuteten  Oberhaut, 
n  Nasenloch,  /  Luftsäckchen  vom  Nasengang  ausgehend.  —  Nach  Murie. 

hohe  Rückenflosse.  Thiere  von  ca.  3  m  Länge.  Mehrere  Arten  kommen 
in  den  europäischen  Meeren  vor.  —  Verwandt  ist  das  Meerschwein 
oder  der  Braun  fisch  (Phocaena  communis),  höchstens  2  m  lang,  mit  kurzer 
stumpfer  Schnauze,  zusammengedrückten  Zähnen  (ca.  25  in  jeder  Kiefer- 
hälfte) ;  häufig  in  den  europäischen  Meeren ,  ist  z.  B  im  Kleinen  Belt  bei 
Gelegenheit  seiner  jährlichen  schaaren weisen  Wanderung  durch  den  Belt 
der  Gegenstand  einer  regelmässigen  Fischerei.  —  DerGrindwal  (Globi<h 
cephalus  melas)  ist  nur  im  vordersten  Theil  jedes  Kiefers  mit  Zähnen  aus- 
gestattet; der  Kopf  ist  vorne  dick  und  abgerundet,  mit  ganz  kurzer  vor- 
stehender spitzer  Schnauze  ;  bis  etwa  7  m  lang.  Wird  bei  den  Färöern  regel- 
mässig gefangen;  zufälliger  Gast  —  wie  manche  andere  Wale  —  in  der 
Nord-  und  Ostsee.  Ernährt  sich  besonders  von  Tintenfischen.  —  Der 
Butzkopf  oder  Schwertfisch  (Orca  gladiaior)  ist  ein  grösserer  Zahn- 
wal (bis  9  m)  mit  sehr  hoher  Rückenflosse  (daher  der  Name  Schwertfisch) 
und  ca.  12  kräftigen  kegelförmigen  Zähnen  in  jeder  Kieferhälfte;  ernährt 
sich  von  Meerschweinen,  Seehunden  und  Fischen;  im  nördlichen  Atlan- 
tischen Ocean. 

')  Bei  den  Zahnwalen,  nicht  aber  bei  den  Bartenwalen,  finden  sich  sackför- 
mige Ausstülpungen  sowohl  des  kurzen  unpaarigen  äusseren  Nasenganges  wie  des 
oberen  Theiles  der  paarigen  Nasengänge. 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugethiere. 


549 


2.  Von  mehr  abweichenden  Zahnwalen  seien  angeführt:  Der 
Pottwal  oder  Cachelot  (Physeter  nuicrocepiialns),  ein  grosser  Wal  mit 
kolossalem,  vorne  gerade  abgeschnittenem  Kopf:  an  der  platten  Schnauzen- 
partie des  Schädels  liegt  eine  ungeheure  Fettmasse')  (aus  welcher  Walrat 
gewonnen  wird),  welche  dem  Kopf  seine  eigenthüm liehe  Form  verleiht; 
starke,  kegelförmige  Zähne  im  Unterkiefer,  rudimentäre  im  Oberkiefer. 
Weit  verbreitet,  ist  auch  einige  Mal  in  der  Nordsee  gefangen  worden.  — 
Verwandt  ist  der  Dögling  (Ifi/i>eroo(lon  dünlott)  mit  schmaler,  spitzer 
Schnauze,  der  Kopf  hinter  derselben  stark  gewölbt;  fast  zahnlos  (nur  ein 
grösserer  und  ein  kleinerer  Zahn  vorne  in  jeder  Unterkieferhälfte,  ausser- 
dem einige  rudimentäre  Zähne  oben  und  unten) ;  im  nördlichen  Atlantischen 
Ocean,  z.  B.  ziemlich  häu6g  an  den  Färöern ,  zufälliger  Gast  in  der  Nord- 
und  Ostsee. —  Der  Narwal  (Mutuxlon  monoceros)  ist  dadurch  ausgezeichnet, 
daas  das  Männchen  vorne  im  linken  Oberkiefer  einen  sehr  laugen,  geraden, 
nach  vorne  gerichteten,  spiralig  gewundenen  Stosszahn  besitzt,  welcher  weit 
aus  dem  Munde  hervorragt;  im  rechten  Oberkiefer  ein  ähnlicher,  aber  weit 
kleinerer  Zahn,  welcher  im  Kieferknochen  versteckt  bleibt;  sonst  zahnlos2) 
(beim  Weibchen  sind  beide  Zähne  in  den  Kiefern  eingeschlossen).  —  Als 
Beispiel  der  im  Süsswasser  lebenden  Zahnwale  erwähnen  wir  den  merk- 
würdigen Gangesdelphin  (PlatnnisUt  gmvjdica),  welcher  lange,  dünne 
Kiefer  mit  zahlreichen  spitzen  Zähnen  besitzt ;  die  Augen  rudimentär,  ohne 
Linse ;  das  Skelet  in  mehrfacher  Beziehung  eigenthümlich.  Das  Thier, 
welches  nur  2 — 3  m  lang  wird,  lebt  im  Ganges,  Indus  etc.  Ein  paar  ver- 
wandte Flusswale  in  Südamerika. 

11.  Ordnung.   Zahnarme  (Edentata). 

Die  zu  den  Edentaten  gehörenden  Thierfor^nen  sind  dadurch 
ausgezeichnet,  dass  die  Zähne,  wenn  solche  überhaupt  vorhanden 
sind,  stets  ziemlich  unvollkommen  entwickelt  sind,  keine  geschlossene 
Zahnreihe  bilden  und  stets  schmelzlos  sind;  sie  sind  gewöhnlich  alle 
ungefähr  gleich  und  wurzellos.  Schneidezähne  fehlen  (nur  bei 
einem  einzelnen  Gürtelthier  ist  der  hinterste  Schneidezahn  im  Ober- 
munde vorhanden).  Ein  Zahnwechsel  findet  in  der  Regel  nicht  statt. 
Die  Krallen  sind  gewöhnlich  lang,  gebogen,  sehr  kräftig.  —  Zu  dieser 
Ordnung  gehört  eine  Anzahl  verschiedener  Formen,  welche  meist  in 
den  heissen  Ländern  zu  Hause  sind. 

1 .  Die  Faulthiere(  Bradypodulnt :  Gatt.  Bradifttw  etc).  Der  Körper  ist 
mit  langen  groben  Haaren  dicht  bekleidet.  Der  Kopf  ist  rund,  äussere 
Ohren  sehr  klein.  -J  cylindrische  Zähne.  Yordergliedmaassen  länger  als 
die  Hintergliedmaassen.  An  jenen  finden  sich  drei  Finger  (Nr.  2  —  4)  oder 
nur  zwei  (Nr.  2 — 3),  an  den  Hintergliedmaassen  stets  drei  Zehen  (Nr.  2 — 4). 
Sowohl  Finger  als  Zehen  sind  bis  an  das  Krallenglied,  welches  gegen  die 
Hand-  resp.  Fussfläche  eingeschlagen  werden  kann,  in  eine  gemeinsame 
Haut  eingeschlossen;  die  Krallen  sind  ungemein  lang  und  kräftig,  sichel- 
förmig. Schwanz  rudimentär.  Ausschliesslich  kletternde  Thiere,  welche 
sich  von  Blättern  ernähren.    Süd-  und  Centraiamerika. 


')  An  derselben  Stelle  finden  sich  auch  bei  anderen  Zahnwalen  eine  dünnere 
oder  dickere  Fettschicht,  welche  z.  B.  beim  Grind  stark  entwickelt  ist,  und  welcher 
der  Kopf  dieses  ThiereB  seine  gewölbte  Form  verdankt  (Fig.  378). 

*)  Einige  wenige  rudimentäre  Zähne  können  im  Oberkiefer  hinter  dem  Stoss- 
zahn vorhanden  sein. 


550 


Specieller  Theil. 


2.  Die  Megatherien  oder  Riesen faulthiere  (MißgaÜteriidae: 
Gatt.  Mcgntheriitm ,  Mglmlon  etc.)  nehmen  ungefähr  eine  Mittelstellung 
zwischen  der  vorhergehenden  und  der  folgenden  Gruppe  ein,  indem  sie  in 
den  Verhältnissen  des  Kopfes  und  der  Zähne  den  Faulthieren  ähnlich  sind, 
während  die  Wirbelsäule,  die  Glied  moassen  (von  welchen  die  hinteren  un- 
gefähr dieselbe  Länge  wie  die  vorderen  besitzen)  und  der  lange  kräftige 
Schwanz  den  entsprechenden  Theilen  der  Ameisenfresser  ähnlich  sind.  Es 
waren  pflanzenfressende  Thiere,  meistens  von  bedeutender  Grösse  (die 
grössten  übertreffen  das  Nashorn)  von  ausserordentlich  plumpem  Bau,  mit 
sehr  massiven  Knochen;  einige  besassen  kleine  knöcherne  Knoten  in  der 
Haut.  Ihre  Ueberreste  hat  man  an  verschiedenen  Stellen  Amerikas  in 
quaternären  Schichten  gefunden. 

3.  Die  Ameisenfresser  (Myrmcophagn)  sind  mit  feineren  oder 
gröberen  Haaren  bekleidet,  der  Kopf  ist  mehr  oder  weniger  gestreckt,  zu- 
weilen sehr  lang,  Zähne  fehlen,  die  Mundöffnung  ist  sehr  klein,  die  Zunge 


A  B 


Fig.  374.  A  Hand  des  gros»en  Ameisenbären,  B  des  Zwerg-Ainciscn- 
b  I  r  e  n.  «  Naviculare,  /  Lunatum,  c  Triquctruni ;  p  Erbsenbein ;  Im  Multaug.  majus,  td  M.  minu?, 
m  Capitatum,  u  Haraatuin.    1 — V  die  Zehen.  —  Nach  Flower. 

wurmförmig,  die  Unterkiefer  -  Speicheldrüsen  von  ungewöhnlicher  Grösse. 
Der  3.  Finger  ist  sehr  gross  mit  langer  sichelförmiger  Kralle,  die  anderen 
Finger  sind  kleiner  oder  sogar  rückgebildet;  beim  Gange  ruht  das  Thier 
auf  dem  äusseren  Rand  der  Hand.  Der  Hinterfuss  mit  4  —  5  ungefähr 
gleichen  Zehen  mit  kräftigen  Krallen.  Schwanz  lang.  Sie  ernähren  sich 
von  Insekten,  z.  B.  Termiten,  welche  an  der  langen,  vom  Speichel  klebrigen 
Zunge  hängen  bleiben.  Südamerika.  Dazu  der  grosse  Ameisenbär 
( M.  jubata)  mit  groben  Haaren  und  buschigem  Schwanz ;  er  lebt  auf  der 
Erde,  während  die  übrigen  Arten  überwiegend  oder  ausschliesslich  kletternde 
Thiere  sind,  wie  das  z.  B.  vom  Zwerg-Ameisenbären  (3/.  didndyla) 
gilt ;  letzterer  besitzt  eine  kurze  Schnauze,  feine,  weiche  Behaarung,  Greif- 
schwanz und  hat  an  jeder  der  Vordergliedmaassen  nur  zwei  krallentragende 
Finger. 


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Wirbelthicre.   6.  Gasse:  Säugcthiere. 


551 


4.  Die  Gürte  1  thi ere  (Dasyjxjdülae)  zeichnen  sich  dadurch  aus,  dass 
die  Oberseite  des  Rumpfes  mit  grossen  plattenf örmigen  Schuppen 
von  ähnlicher  Beschaffenheit  wie  die  der  Reptilien  versehen  ist ;  die  Schuppen 
oder  Platten  sind  von  einander  durch  weiche  Furchen  getrennt,  während 
ihre  äussere  Fläche  stark  verhornt  ist ;  in  jeder  Schuppe  findet  sich  eine 
grosse  Hautverknöcherung.    Diese  Schuppen  bilden  über  dem  mitt- 
leren Theil   des  Rückens  mehrere   durch    weiche   Hautpartien  getrennte 
Querreihen,  während  sie  vorne  und  hinten  auf  dem  Rücken  dichter  an  ein- 
ander liegen ;  die  entsprechenden  Hautverknöcherungen  sind  an  den  letzt- 
genannten Stellen,  und  ebenso  diejenigen  jeder  Querreihe,  eng  mit  einander 
verbunden,  so  dass  wir  einen  grossen  knöchernen  Schild  vorne  und  hinten 
auf  dem  Rücken  und  eine  verschiedene  Anzahl  (3 — 12)  knöcherne  Halbringe 
mitten  über  dem  Rücken  erhalten.    Auch  an  der  Oberseite  des  Kopfes,  an 
den  Gliedmaßen  und  auf  dem  Schwanz  finden  sich  ähnliche  Schuppen 
wie  auf  dem  Rücken ;  dagegen  fehlen  sie  auf  der  behaarten  Bauchseite. 
Die  Zähne  cylindrisch,  oft  ziemlich  zahlreich ;  der  Kopf  länglich  mit  wohl- 
entwickelten äusseren  Ohren,  die  Beine  niedrig  mit  kräftigen  Krallen  (das 
Thier  tritt  mit  der  Fusssohle  auf).   Es  sind  grabende,  wesentlich  insekten- 
fressende Thiere,  ziemlich  klein  oder  von  mittlerer  Grösse ;  einige  können 
eich  zusammenrollen.    Süd-  und  Centraiamerika.  —  Verwandt  sind  die 
ausgestorbenen  Glyptodonten,  bei  welchen  alle  Rückenplatten  mit  ein- 
ander unbeweglich  zu  einem  grossen,  dicken,  gewölbten  Panzer  verbunden 
waren ;  es  waren  ungemein  plumpe  Thiere  von  ansehnlicher  Grösse,  bei 
welchen  grosse  Partien  der  Wirbelsäule   verwachsen  waren.  Quaternär, 
Südamerika. 

5.  Die  Erdferkel  (Orydcropus)  sind  spärlich  behaarte  Thiere  von 
ziemlicher  Grösse,  mit  langer  Schnauze  und  Zunge,  kleiner  Mundöffnung, 
grossen  Ohren,  kräftigem  Schwanz,  starken  aber  nicht  sehr  langen  Krallen  ; 
sie  besitzen  Zähne.  Afrika. 

6.  Die  Schuppenthiere  {Mnnia)  sind  besonders  dadurch  ausge- 
zeichnet, dass  der  grösste  Theil  des  Körpers  (mit  Ausnahme,  der  Unterseite 
des  Kopfes  und  Rumpfes)  mit  grossen,  stark  verhornten,  dachziegelförmigen 
Schuppen  bedeckt  ist,  zwischen  welchen  einzelne  Haare  stehen.  Der  Kopf 
ist  länglich,  äussere  Ohren  fehlen,  die  Mundöffnung  ist  klein,  die  Zunge 
lang,  Zähne  fehlen  ;  der  Schwanz  ist  kräftig  ausgebildet,  Krallen  lang  und 
sichelförmig.  Insektenfresser,  welche  in  den  tropischen  Theilen  der  alten 
Welt  die  Ameisenfresser,  an  welche  sie  in  mehrfacher  Beziehung  erinnern, 
repräsentiren. 

12.  Ordnung.    Nagethiere  (BodetUia). 

Die  Ordnung  der  Nager  ist  in  erster  Linie  durch  das  eigenthüni- 
lich  ausgebildete  Gebiss  charakterisirt.  Eckzähne  fehlen  stets;  von 
Schneidezähnen  findet  sich  im  Unterkiefer  jederseits  nur  einer, 
welcher  seinen  Platz  am  vorderen  Ende  des  Kiefers,  dicht  an  dem 
entsprechenden  der  anderen  Kieferhälfte,  hat;  im  Zwischenkiefer 
findet  sich  ebenfalls  meist  nur  ein  Schneidezahn,  welcher  ähnlich  wie 
der  des  Unterkiefers  sitzt.  Die  Schneidezähne  sind  lang,  wurzellos, 
ungefähr  vierseitig,  prismatisch,  bogenförmig  gekrümmt;  nur  an  der 
Vorderseite  und  an  dem  angrenzenden  Theil  der  Seitenflächen  sind 
sie  mit  Schmelz  bekleidet  (welcher  an  der  Oberfläche  zuweilen  roth- 
braun ist),  und  die  Folge  hiervon  ist,  dass  sie  hinten  stärker  als  vorne 
abgenutzt  werden,  so  dass  das  freie  Ende  des  Zahnes  wie  schräg  ab- 


559 


Specieller  Theil. 


geschnitten,  meisselförmig  erscheint.  Die  Schneidezähne  des  Zwischen- 
kiefers sind  stärker  als  die  des  Unterkiefers  gebogen;  sowohl  oben 
wie  unten  erstreckt  sich  der  im  Kiefer  versteckte  Theil  derselben 
weit  nach  hinten,  im  Unterkiefer  sogar  meist  unterhalb  sämmtlicher 

Backenzähne  hin  bis  in  den 
allerhintersten  Theil  des 
Kiefers  hinein.  Bei  der 
Hasen familie  findet  sich 
im  Obermunde  hinter  dem 
grossen  Schneidezahn  noch 
ein  kleinerer  ;  weiter  ist  her- 
vorzuheben, dass  bei  ihnen 
der  Schneidezahn  des  Unter- 
kiefers sich  nur  bis  an 
das  vorderste  Ende  der 
Backenzahnreihe  erstreckt 
(Fig.  375  A).  Zwischen 
Schneide-  und  Backenzäh- 
nen ist  stets  ein  grosser 
zahnloser  Zwischenraum. 
Die  Form  der  Backen- 
zähne ist  bei  den  Nagern 
eine  sehr  verschiedene. 
Bei  einigen  findet  man 
Backenzähne  mit  kurzer, 
höckeriger  oder  mit  nie- 
drigen Querkämmen  ver- 
sehener Krone  und  wohl- 
entwickelten Wurzeln  (Maus,  Ratte) :  bei  anderen  sind  zwar  Wur- 
zeln wie  bei  jenen  vorhanden ,  die  Zahnkrone  ist  aber  länger 
und  sowohl  von  oben  nach  unten  wie  an  den  Seiten  gefaltet; 
bei   anderen   sind  wieder   die  Wurzeln   ganz  kurz  in  Vergleich 


Fig.  375.  Rechte  Unterkieferhttlfte,  A  de«  Kanin- 
chens, B  des  A  g  u  t  i ,  von  der  inneren  Seite.  Zahn- 
höhle des  Schneidezahns  in  ihrer  ganzen  Länge  aufge- 
meissclt,  um  die  sehr  verschiedene  Lange  des  Zahnes  zu 
zeigen.  G  vertritt  das  gewöhnliche  Verhalten  der  Nager. 
—  Orig. 


Fig.  376 
niiehe  gleich). 
Nach  Owen. 


Querschnitte  von  Backe nz Ulmen 
A  Hase,  B  Biber,  C  Wühlmaus. 


Nager  (ungefähr  der  Kan- 
al Dentin,  e 


mit  der  langen  gefalteten  Zahnkrone.  Endlich  sind  bei  zahlreichen 
Nagern  die  Backenzähne  wurzellos,  an  beiden  Seiten  mit  tiefen 
senkrecht  verlaufenden  Falten  versehen,  welche  sich  mehr  oder 
weniger  tief  in  den  Zahn  hinein  erstrecken  und  theilweise  oder  ganz 


Wirbelthiere.   6.  Clasae:  Säugethiere. 


553 


mit  Cement  gefüllt  sind;  an  der  Kaufläche  erscheinen  dann  Quer- 
oder Schrägstreifen  von  Schmelz  mit  Cement  und  Dentin  dazwischen. 
Seltener  sind  die  wurzellosen  Backenzähne  der  Nager  sogar  (vergl. 
die  Backenzähne  des  Elephanten)  in  eine  Reihe  senkrechter  Quer- 
platten mit  Cement  dazwischen  getheilt.  Diese 
verschiedene  Ausbildung  der  Zähne  steht  mit  Zahnformeln: 

der  verschiedenartigen  Lebensweise  in  naher  Hase  |  p,  $  m. 

Verbindung,  die  kurzkronigen  Backenzähne  Pfeifhase.      1  -  4  - 
halten  nur  eine  verhältnissmässig  geringe  Ab-  Bichhorn. 

nutzung  aus,  die  anderen  eine  grössere  oder  Biber  {  -  $  - 

sehr  grosse.    Die  Anzahl  der  Zähne  ist  Sminthus.  .  .  £  -  4  - 

höchstens,  bei  den  Hasen,  4  p,  $  m ;  bei  an-  Mus  #  -  $  - 

deren  ist  die  Zahl  mehr  oder  weniger  redu-  Hydromys      ß  -  $  - 
cirt,  und  zwar  stets  von  dem  vorderen  Ende 

der  Zahnreihe  aus,  wie  aus  der  nebenstehenden  Liste  hervorgehen 
wird,  bei  einigen  sogar  so  weit,  dass  alle  Prämolaren ')  fehlen ;  nur  bei 
einer  einzigen,  der  Mausefamilie  angehörigen,  Form  (der  australischen 
Gattung  Hydromys)  fehlt  auch  ein  Molar,  nämlich  der  hinterste,  in3. 

Während  die  Gelenkfläche  am  Schädel  für  den  Unterkiefer  bei 
den  meisten  Säugethieren  eine  quergestellte  Fläche  oder  Grube  ist, 
stellt  sie  bei  den  meisten  Nagethieren  eine  Längsfurche  dar,  so  dass 
der  Unterkiefer  eine  bedeutende  Beweglichkeit  von  vorn  nach  hinten 
besitzt  (beim  Kauen  wird  der  Unterkiefer  vorwärts  und  rückwärts 
gezogen;  die  Schmelzstreifen  der  Backenzähne  haben  die  entgegen- 
gesetzte Hauptrichtung,  der  Quere  nach).  —  Die  Füsse  sind  im  All- 
gemeinen klein,  krallentragend,  und  das  Thier  tritt  in  der  Regel  mit 
dem  ganzen  Fuss  auf;  der  Daumen  der  Vorderfüsse  ist  meistens  rudi- 
mentär oder  fehlt,  während  die  anderen  Finger  und  Zehen  bei  der 
Mehrzahl  sämmtlich  vorhanden  sind.  —  Bei  mehreren  Nagethieren 
finden  sich  innere  Backentaschen,  Ausstülpungen  der  Backen,  welche 
mit  der  Mundhöhle  in  Verbindung  stehen;  bei  einzelnen  sind  un- 
gefähr an  derselben  Stelle  äussere,  mit  Haaren  bekleidete  Hautein- 
stülpungen  (äussere  Backentaschen)  vorhanden.2) 

Die  Nager  bilden  eine  artenreiche,  sehr  verbreitete  Gruppe  von 
mei8tentheils  kleineren  Säugethieren,  welche  fast  ausschliesslich 
Pflanzenfresser  sind. 

1.  Die  Hasenfam  il  ie  (Isjxjrulae).  |  i,  •S^*J  6;  der  grosse  Schneide- 
zahn im  Zwischenkiefer  mit  einer  Furche;  die  Backenzähne  wurzellos,  ge- 
faltet. Die  Hasengattung  (Lepus)  mit  !j  b,  langen  Ohren,  sehr  kurzem 
8chwanz,  langen  Hintergliedmaassen 3) ;  hierzu  der  Feldhase  (L.  earo- 
jHiens)*),  durch  den  grössten  Theil  Europas  verbreitet,  und  der  Schnee- 

')  Wie  gewöhnlich  fehlen  auch  die  entsprechenden  Milchzähne ,  und  da  die 
Vorderzähne  der  Nager  (abgesehen  von  den  Hasen)  keine  Vorläufer  haben,  so  fällt 
bei  Nagern,  welche  keine  Prämolaren  besitzen,  der  Zahnwechsel  gänzlich  aus. 

*)  Bei  den  Säugethieren  findet  sich  im  Oberkieferknochen  ein  kürzerer  oder 
längerer  Kanal,  der  Oberkieferkanal  (Canalis  infraorbitalis) ,  durch  welohen  ein 
grösserer  Nerv  (der  Oberkieferast  des  Nervus  trigeminus)  verläuft;  die  vordere 
Oefmung  des  Kanals  befindet  sich  vor  der  Augenhöhle  und  wird  als  Unteraugen- 
höhlenloch (Foramen  infraorbitale)  bezeichnet.  Bei  den  Nagern  ist  der  Oberkiefer- 
kanal ganz  kurz  und  in  der  Regel  sehr  weit,  und  eine  Portion  dea  äusseren  Kau- 
muskels (Massetcr)  geht  dann  durch  denselben  hindurch. 


kleine  Sohlenballen  vorhanden,  welche  aber  von  den  Haaren  der  angrenzenden 
Hautpartien  uberdeckt  werden. 

*)  In  manchen  Büchern  irrthümlich  mit  dem  Namen  L.  Hmidus  bezeichnet. 


)  Die  Fusssohlen  sind  anscheinend 


behaart,  in  Wirklichkeit  sind  jedoch 


Diniti 


554 


Specieller  Theil. 


ha se  (L.  limidus  oder  mriahilis),  in  den  nördlichen  Theilen  Europas  und 
Asiens,  in  Grönland  und  auf  den  Alpen  und  Pyrenäen;  letzterer  wird  in 
kälteren  Gegenden  im  Winter  weiss;  ferner  das  kurzbeinigere,  grabende 
Kaninchen  (/,.  cuniculus),  in  Südeuropa  einheimisch,  an  manchen  Stellen 
in  Deutschland  verwildert.  Die  Pfeifhasen  (Ixtgomys)  mit  £  6,  kurzen 
Ohren,  kürzeren  Hintergliedmaassen  als  die  Hasen,  schwanzlos;  in  Sibirien 
und  Nordamerika. 

2.  Die  Eichhörnchen- Familie  (Sciuridae).  \  b,  höckerig  oder 
gefaltet,  der  vorderste  Oberkieferbackenzahn  sehr  klein ;  Daumen  rudimentär ; 
Schwanz  behaart.  Hierzu  das  Eichhörnchen  (Sciunis  tn/jom)  mit 
langem  buschigen  Schwanz,  Baumthier,  ebenso  wie  die  fliegenden 
Eichhörnchen  (Pteromys),  welche  durch  den  Besitz  einer  grossen  Haut- 
falte (Fallschirm)  an  den  Seiten  des  Rumpfes  zwischen  Vorder-  und  Hinter- 
gliedmaassen ausgezeichnet  sind  (eine  Art,  Pt.  volans,  in  Nordrussland).  Die 
Murmelthiere  (Arctfnnys)  sind  grabende  Thiere,  Winterschläfer,  von 
gedrungenerem  Bau,  mit  kurzen  Ohren  und  kurzem  Schwanz;  eine  Art 
(A.  niarmota)  in  den  Alpen.  Letzteren  steht  der  Ziesel  (Spermophüiut 
citUlus)  in  Osteuropa  (westlich  Mb  in  Schlesien)  sehr  nahe.  —  Mit  den 
Eichhörnchen  verwandt  ist  der  Biber  (Castor  fiber),  ein  Thier  von  ziemlich 
ansehnlicher  Grösse  mit  ^  gefalteten  Backenzahnen,  kurzen  Ohren,  grossem, 
abgeplattetem,  beschupptem  Schwanz  und  mit  einer  Schwimmhaut  zwischen 
den  Hinterzehen;  schwimmt  und  gräbt  vorzüglich;  Rindenfresser.  In 
Deutschland  nur  noch  an  wenigen  Stellen  vorhanden,  in  Anhalt  (an  der 
Elbe  und  Mulde)  noch  recht  häufig.  Eine  verwandte,  aber  selbständige 
Art  (C.  canadensis)  in  Nordamerika. 

3.  Die  Schlafmäuse  (Myoxidne).  |  b  mit  querverlaufenden  Schmelz- 
streifen; Daumen  rudimentär;  Schwanz  lang,  behaart.  Erinnern  äusserlich 
an  Eichhörnchen  oder  Mäuse.  In  Deutschland  leben  von  dieser  Gruppe 
folgende:  der  Siebenschläfer  (Myoxits  glia),  die  grösste  Art;  der 
Gartenschläfer  (M.  nitela) ;  der  seltene  (mehr  Östliche)  Baumschläfer 
(3f.  dryas);  die  kleine,  mäuseähnliche  Haselmaus  (3/.  avcUanarius).  —  Mit 
den  Schlafmäusen  verwandt  ist  die  Streifen  maus  (SmuUhus  betidinus  oder 
vagus)  in  Nord-  und  Osteuropa,  eine  äusserlich  ganz  mäuseähnliche  Form 
mit  \  b.  Der  Streifenmaus  sehr  nahe  stehen  die  Springmäuse  (I)ipu$)t 
welche  sich  besonders  dadurch  auszeichnen,  dass  die  Hinterfüsse  stark  ver- 
längert sind,  was  besonders  von  den  Mittelfussknochen  Nr.  2 — 4  gilt, 
welche  zu  einem  einzigen  Knochen  verschmolzen  sind  (die  Zehen  1  und  5 
sind  klein  oder  fehlen);  die  Thiere  treten  nur  mit  den  Zehen  2—4  des 
Hinterfasses  auf  und  springen  auf  diesen  allein  fort;  der  Schwanz  ist 
lang,  mit  einem  Haarbüschel  am  Ende;  Steppenthiere,  Südrussland,  Asien, 
Afrika. 

4.  Die  Mäusefamilie  (Muridae).  §  h  (selten  \  b,  vergl.  S.  553)  von 
sehr  verschiedenem  Bau.  Schwanz  länger  oder  kürzer,  beschuppt;  Daumen 
rudimentär.    In  der  Regel  Thiere  von  geringer  Grösse. 

a.  Die  Mäusegattung  (Mus).  Backenzähne  höckerig,  mit 
kurzer  Krone  und  mit  Wurzeln.  Schwanz  lang,  schwach  behaart.  Ohren 
ziemlich  entwickelt.  In  Deutschland:  die  Waldmaus  (AT.  sylvaticus) ,  die 
Brandmaus  (M.  ugrarius)  und  die  Zwerg  maus  (M.  itiinuttt*)]  einge- 
wandert, an  die  Wohnungen  des  Menschen  gebunden  sind:  die  Hausmaus 
(.1/.  musculus),  die  Hausratte  (M.  rattus),  jetzt  selten,  fast  gänzlich  von 
der  später  eingewanderten  Wanderratte  (3/.  decuinajws)  verdrängt.  — 
Mit  den  Mäusen  verwandt  ist  der  bunt  gefärbte  Hamster  (Q-icettui  fni- 


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Wirbelthiere.   6.  Classe:  Säugethiere. 


ittrntorius),  mit  Backentaschen  und  kurzem  Schwanz;  etwas  grösser  als  eine 
Ratte;  Hitteleuropa. 

b.  Die  Wühlmäuse  (Arriocfa).  Backenzähne  lang,  wurzellos, 
mit  tiefen  Furchen  an  beiden  Seiten  (Kaufläche  mit  Schraelzschlingen) ; 
selten  finden  sich  kurze  Wurzeln.  Schwanz  kürzer  und  mehr  behaart  als 
bei  den  Mäusen.  Ohren  kurz.  Mehr  ausschliesslich  Pflanzenfresser  (Wurzel-, 
Sindenfresser  etc.)  als  die  echten  Mäuse.  Graben.  Folgende  Arten  kommen 
in  Deutschland  vor:  die  Röthelmaus  (A.  ybtvcobi),  bildet  den  Uebergang 
zu  Mus  (die  Backenzähne  mit  kurzen  Wurzeln,  etwas  längere  Ohren  und 
längerer  Schwanz  als  die  übrigen);  die  Feldmäuse  (A.  >iyrcsti#  und  awili.s)-f 
die  Wasserratte  (A.  nmpkibius)]  letztere  ist  von  der  Grösse  einer  Wander- 
ratte, die  übrigen  etwa  wie  eine  Hausmaus.  Nahe  verwandt  ist  der  Lern- 
ming  (Myodex  lemmus)  mit  sehr  kurzem  Schwanz  und  starken  Vorder- 
krallen; in  Skandinavien,  berühmt  wegen  seiner  Wanderungen.  —  Eine 
andere  mit  den  Wühlmäusen  verwandte  Form  ist  die  Bisam-  oder  Zibeth- 
ratte  (Fiber  lihcthictts)  mit  langem,  zusammengedrücktem  Schwanz;  die 
Zehen  mit  steifen  Haaren  am  Bande.  Pelzthier  von  ziemlich  ansehnlicher 
Grösse,  im  nördlichen  Nordamerika,  erinnert  in  seiner  Lebensweise  au 
den  Biber. 

5.  Die  Stachel ratten- Gruppe  (Hystricomoiyha)  ist  eine  aus  zahl- 
reichen ,  äusserlich  sehr  verschiedenen  Nagern  bestehende  Gruppe ,  welche 
besonders  in  charakteristischen  Punkten  des  Schädelbaues  übereinstimmen1). 
Backenzähne  \,  gestreift,  mit  oder  ohne  Wurzeln. 

a.  Die  Stachelschweine  (Hystriridac)  sind  dadurch  ausge- 
zeichnet, dass  ein  Theil  der  Haare  zu  steifen  Stacheln,  oft  von  enormer 
Stärke  und  bedeutender  Länge,  entwickelt  sind.  Thiere  von  recht  be- 
trächtlicher Grösse.  Hierzu  das  gemeine  Stachelschwein  (Flyslrix 
cristata),  in  Südeuropa;  lebt  auf  der  Erde,  Schwanz  kurz.  In  Amerika 
verschiedene  kletternde  Formen,  einige  (Cercolabex)  mit  Greifschwanz. 

b.  Die  Halbhufer  (Subungtilata).  Krallen  kurz,  hufähnlich, 
Beine  in  der  Regel  hoch,  häufig  berühren  nur  die  Zehen  die  Erde.  Anzahl 
der  Zehen  an  den  Hinterfüssen  verschieden;  Vorderfüsse  mit  vier  wohlent- 
wickelten Fingern  und  mit  Daumenwarze  oder  ohne  solche.  Schwanz  klein 
oder  fehlt.  Alle  in  Süd-  (oder  Central-)Amerika.  Hierzu  der  Paka  (Coclo- 
ymys  paca)  mit  5  Zehen,  die  Goldhasen  oder  Aguti's  (Dajfyprocta),  das 
gezähmte  Meerschweinchen  ((Jana  cobaya),  das  Wasserschwein 
(Hydrochoerm  capybara),  alle  mit  3  Zehen;  letzteres  ist  der  grösste  aller 
jetzt  lebenden  Nager  (an  den  südamerikanischen  Flüssen). 

13.  Ordnung.    Halbaffen  (Prosimiae), 

Ebenso  wie  bei  den  Affen  —  mit  welchen  die  Halbaffen  früher 
vereinigt  wurden  —  ist  der  Daumen  sowohl  an  der  Hand  wie  am 
Fuss  von  den  anderen  Fingern  (Zehen)  getrennt  und  kann  diesen 
gegenübergestellt  werden.  Gewöhnlich  ist  nur  die  Zehe  Nr.  2  an 
den  Hinterfüssen  mit  einer  Kralle  versehen,  die  anderen  Zehen  uud 
Finger  dagegen  mit  platteren  N  ä  g  e  1  n.  Die  Vordergliedmaassen  sind 
kürzer  als  die  Hintergliedmaassen.  Von  Zähnen  finden  sich  höchstens: 
J  *»  \  cf  t  Pi  $  w'i  °ft  jedoch  die  Anzahl  eine  geringere.  Die 
Vorderzähne  im  Obermunde  sind  gewöhnlich  klein,  und  vorne  in 


')  So  ist  z.  B.  das  Unteraugenhöhlenloch  von  kolossaler  Grösse,  ebenso  wie 
auch  der  Unterkiefer  eine  ausgeprägt  eigentümliche  Form  besitzt. 


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f)f>6 


Speoiellcr  Theil. 


der  Mitte  ist  in  der  Regel  ein  zahnloser  Zwischenraum  zwischen  den- 
selben vorhanden;  im  Unterkiefer  sind  Schneide-  und  Eckzähne  ganz 
übereinstimmend,  sie  sind  schmal  und  schräg  nach  vorne  gerichtet;  der 
Eckzahn  des  Oberkiefers  hat  die  gewöhnliche  Eckzahnform ;  die  Prämo- 
laren (alle  oder  nur  die  vorderen)  sind  zusammengedrückt,  dreikantig 
(der  vorderste  im  Unterkiefer  eckzahnähnlich),  die  übrigen  Backenzähne 
spitzhöckerig  oder  mit  je  zwei  Querkämmen. 

Die  Halbaffen  sind  gewöhnlich  dicht  behaarte  Thiere,  oft  mit 
langem  Schwanz.  Das  Skelet  ist  in  manchen  Punkten  von  dem  der 
Affen  abweichend ;  es  ist  z.  B.  keine  hinten  geschlossene  knöcherne 
Augenhöhle  vorhanden,  die  Augenhöhle  steht  vielmehr  wie  bei  den 
übrigen  Säugethieren  mit  der  hinter  derselben  liegenden  Schläfengrube 
in  weit  offener  Verbindung  (es  ist  jedoch,  wie  bei  verschiedenen 
anderen  Säugethieren,  ein  geschlossener  Knochenring  um  die  Augen- 
höhle vorhanden);  die  Unterkieferäste  sind  gewöhnlich  vorne  getrennt; 
die  Gesichtspartie  des  Schädels  ist  im  Verhältniss  zur  hinteren ,  das 
Gehirn  umschliessenden,  Partie  grösser  als  bei  den  meisten  Affen.  — 
Der  Uterus  ist  mit  zwei  langen  Hörnern  versehen.  An  der  Brust 
findet  sich  ein  Paar  Zitzen;  zuweilen  ausserdem  ein  Paar  am  Bauch. 

Es  sind  kletternde  Thiere,  welche  sich  von  Früchten,  Insekten, 
kleinen  Wirbelthieren  ernähren;  sie  sind  gewöhnlich  nur  Nachts  in 
Bewegung.  Sie  leben  ausschliesslich  in  der  alten  Welt,  eine  ansehn- 
liche Zahl  auf  Madagascar. 

1.  Die  Maki's  oder  Fuchsaffen  (Lcmur).  Schnauze  spitz,  fuchs- 
ähnlich, Schwanz  lang,  \  i,  fr,  ß  Madagascar.  —  Verwandt  sind  die 
Lori's  oder  Faul  äffen  (Stctiops)  mit  kurzer  Schnauze,  grossen  Augen, 
keinem  oder  kurzem  Schwanz.  Indien. 

2.  Der  Koboldmaki  (Tarsius  spectrum)  ist  dadurch  ausgezeichnet, 
dass  gewisse  der  Fusswurzelknochen  (Fersenbein  und  Centrale)  ausserordent- 
lich verlängert  sind  so  dass  der  Fuss  wie  gestielt  erscheint;  breite  weiche 
Sohlenballen  unterhalb  der  Zehenspitzen;  2.  und  3.  Zehe  mit  Kralle; 
Schwanz  lang  mit  einem  Haarbüschel  am  Ende ;  Augen  von  kolossaler 
Grösse.  Nachtthiere,  springen  vorzüglich.  Auf  verschiedenen  indischen 
Inseln. 

3.  Der  Aye-Aye  \Chiromys  madagascariciisi«)  ist  ein  in  mehreren 
Beziehungen  eigentümlicher  Hai  baffe.  Vorne  im  Ober-  wie  im  Untermund 
findet  sich  auf  jeder  Seite  ein  grosser  wurzelloser  Zahn,  welcher  an  die 
Vorderzähne  der  Nager  erinnert;  der  im  Obermunde  befindliche  ist  ein 
Schneidezahn ,  der  des  Unterkiefers  scheint  dem  äussersten  der  drei  bei 
anderen  Halbaffen  nach  vorne  gerichteten  Zähne,  also  dem  Eckzahn,  zu  ent- 
sprechen (demnach  wird  die  Zahnformel  lauten :  ^  ' >  °  r»  i  Hinter- 
daumen mit  Nagel,  alle  anderen  Zehen  und  Finger  mit  Krallen ;  3.  Finger 
ausnehmend  dünn  (wird  zum  Hervorholen  von  Insekten  aus  Löchern  und 
Spalten  verwendet).  Madagascar. 

14.  Ordnung.    Primaten  (Primates). 

Bei  den  Mitgliedern  dieser  Ordnung  —  den  Affen  und  dem 
Menschen  —  ist  der  Daumen  sowohl  an  Vorder-  wie  an  Hinter- 


')  Eine  solche  Verlängerung  der  Fusswurzel  steht  innerhalb  der  Säu^ethiere 
fast  isolirt  da;  bei  einigen  verwandten  Halbaffen  findet  sich  jedoch  eine  Annäherung 
an  dasselbe  Verhältniss.   (Vergl.  auch  die  Fusswurzel  der  Froschlurche.) 


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Wirbelthiere.  6.  Classe:  Säugethiere. 


r>57 


gliedmaassen  von  den  übrigen  Fingern  oder  Zehen  getrennt  und  freier 
beweglich  als  diese,  denen  er  gewöhnlich  mehr  oder  weniger  vollkommen 
gegenübergestellt  werden  kann,  so  dass  die  Gliedniaassen  als  Greif- 
werkzeuge fungiren  können ;  besonders  ist  der  Hinterdaumen  gewöhn- 
lich sehr  frei  und  beweglich  (mit  Ausnahme  des  Menschen).  In  der 
Regel  sind  alle  Finger  und  Zehen  mit  ziemlich  schwach  gewölbten 
Nägeln  ausgestattet.  Die  Gesichtspartie  ist  gewöhnlich  kurz  und 
klein  in  Vergleich  mit  derjenigen  anderer  Säugethiere  und  mit  der 
Schädelkapsel.  Das  Gesicht  mehr  oder  weniger  schwach  behaart.  -Die 
Augen  sind  nach  vorn  gerichtet  und  sitzen  dicht  beisammen.  Die 
Augenhöhle  ist  im  Gegensatz  zu  derjenigen  aller  anderer  Säuge- 
thiere durch  eine  knöcherne  Querscheidewand  (welche  aus  Theilen 
des  Jochbeines,  des  Stirnbeines  und  der  Flügel  des  hinteren  Keil- 
beines zusammengesetzt  ist)  von  der  hinter  ihr  liegenden  Schläfen- 
grube getrennt  Die  Zähne  verhalten  sich  an  Zahl  und  der  Haupt- 
sache nach  auch  in  der  Form  im  Ober-  und  im  Untermunde  gleich; 
in  jeder  Kieferhälfte  finden  sich  2  meissel  förmige  Schneidezähne, 
l  Eckzahn  von  gewöhnlicher  Form,  2  oder  3  Prämolaren,  und  in  der 
Regel  3  (selten  2)  Molaren;  alle  Backenzähne  höckerig,  mit  kurzen 
Kronen.  Es  finden  sich  stets  nur  zwei,  an  der  Brust  angebrachte 
Zitzen.  —  Von  anderen  Charakteren  ist  hervorzuheben,  dass  die 
vorderen  Zungenbeinhörner  kürzer  sind  als  die  hinteren,  und  dass 
das  Zungenbein  ohne  direkte  Verbindung  mit  dem  Schädel  ist.  Der 
Uterus  ist  einfach  (ohne  Hörner). 

Die  Primaten  sind  gewöhnlich  Thiere,  welche  überwiegend  zum 
Leben  auf  den  Bäumen  eingerichtet  sind  ;  manche  bewegen  sich  jedoch 
auch  mit  Leichtigkeit  auf  der  Erde  auf  allen  vier  Gliedmaassen ,  in- 
dem sie  mit  der  ganzen  Hand-  und  Fussfläche  die  Erde  berühren. 
Nur  der  Mensch  ist  durch  eine  sehr  starke  Ausbildung  der  Hinter- 
gliedmaassen  etc.  zur  ausschliesslichen  Bewegung  auf  der  Erde  auf 
den  Hintergliedmaassen  allein  eingerichtet.  —  Es  sind  fast  aus- 
schliesslich tropische  Thiere,  deren  Hauptnahrung  Früchte  sind. 

Abstand  zwischen  den  äusseren 
Nasenlöchern  ziemlich  gross.  Kein 
knöcherner  äusserer  Gehörgang. 
In  der  Scheidewand  zwischen  Augen- 
höhle und  Schläfengrube  ein  kleines 
Loch.  i{  p. 

Abstand  zwischen  den  Nasen- 
löchern gering.  Aeusserer  Gehör- 
gang theilweise  verknöchert.  Kein 
Loch  in  der  Scheidewand  zwischen 
Augenhöhle    und  Schläfengrube. 


Hinterdaumen  sehr 
beweglich.  Hinterglied- 
maassen nicht,  oder  nicht 
viel,  stärker  als  die  Vor- 


Hinterdaumen  wenig 
beweglich.  Hinterglied- 
maassen ausserordent- 
lich stark  entwickelt. 


Westaffen 


Ostaffen 


Menschen 


1.  Unterordnung.   Westaffen  (Pfotynhhtae). 

Aeussere  Nasenlöcher  durch  eine  breite  Hautbrücke  getrennt. 
Drei  Prämolaren  oben  und  unten  (Zahnformel  in  der  Regel: 
J  »,  \  c,  %  p,  %  m).  Kein  Theil  des  äusseren  Gehörgangs  verknöchert. 
In  aer  oben  erwähnten  Platte  zwischen  Augenhöhle  und  Schläfen- 
grube findet  sich  (im  Hinterrande  des  Jochbeins)  ein  kleines  Loch 
(d.  h.  die  Platte  ist  nicht  ganz  vollständig).    Blinddarm  verhältniss- 


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o58 


Speoieller  Theit. 


massig  gross.  —  Backentaschen  und  Gesässschwielen  fehlen :  Vorder- 
gliedmaassen  in  der  Regel  etwas  kürzer  als  die  Hintergliedmaassen; 
der  Schwanz  ist  wohlentwickelt,  zuweilen  Greifschwanz.  Ausschliess- 
lich in  Süd-  und  Centralamerika. 

1.  Die  Rollaffe n  (Gehns)  haben  einen  langen,  ringsum  behaarten 
Schwanz,  welcher  wie  eine  Uhrfeder  zusammengerollt  und  um  Aeste  ge- 
wickelt werden  kann.  —  Bei  den  Brüllaffen  (AfyeeU>s)  ist  der  sehr 
kräftige  Schwanz,  dessen  Spitze  an  der  Unterseite  nackt  und  empfindlich 
ist,  ein  ausgezeichnetes  Werkzeug  zum  Festhalten  (das  Thier  kann  z.  B.  am 
Schwanz  allein  hängen),  ein  echter  Greifschwanz;  der  Zungenbein- 
körper ist  gross  und  ausgehöhlt  und  nimmt  eine  Ausstülpung  des  Kehlkopfes 
auf  (brüllende  Stimme).  —  Die  Klammeraffen  (Ateles),  mit  ähnlichem 
Schwanz,  sind  dadurch  ausgezeichnet,  dass  der  Vorderdaumen  rudimentär 
ist  oder  fehlt. 

2.  Die  Krallenaffen  (HajHtlr)  haben  nur  auf  dem  Hinterdaumen 
einen  platten  Nagel,  an  allen  übrigen  Zehen  und  Fingern  sind  die  Nägel 
dagegen  so  stark  zusammengebogen,  dass  sie  ganz  krallenartig  werden. 
Diese  kleine  Gruppe  ist  ferner  dadurch  von  den  übrigen  Westaffen  zu  unter- 
scheiden,  dass  nur  £  ///  vorhanden  sind.  Der  Schwanz  ist  behaart, 
kann  nicht  zusammengerollt  werden.  Der  Vorderdaumen  nur  wenig  selb- 
ständig. Die  Krallenaffen  stehen  übrigens  im  Ganzen  den  übrigen  West- 
affen  nahe. 

2.  Unterordnung.    Ostaffen  (Catarrhinae). 

Aeussere  Nasenlöcher  dicht  neben  einander.  Zwei  Prämo- 
laren  (Zahnformel  stets:  £  i,  }  c,  \  p,  %  m).  Innerer  Theil  des 
äusserenGehör ganges  in  beträchtlicher  Ausdehnung  verknöchert. 
Die  Platte  zwischen  Augenhöhle  und  Schläfengrube  ohne  Durchboh- 
rung. Blinddarm  klein.  —  Backentaschen  oft,  Gesässschwielen  ge- 
wöhnlich vorhanden;  Schwanz  niemals  als  Greifschwanz  entwickelt, 
fehlt  zuweilen.   Ausschliesslich  in  der  alten  Welt. 

1.  Die  Hundsaffen  (Cynoworphuc).  Unterhalb  jedes  der  dicken, 
verbreiteten  Sitzbeinenden  befindet  sich  eine  unbehaarte,  gefärbte  Hautpartie, 
eine  Gesässschwiele.  Nägel  verhältnissmässig  stark  gewölbt.  Schwanz 
in  der  Regel  vorhanden.  Hintergliedmaassen  etwas  länger  als  die  Vorder- 
gliedmaassen.  Backen  taschen  (eine  Ausstülpung  an  jeder  Seite)  in  der 
Regel  vorhanden.  Aousserer  Schneidezahn  des  Unterkiefers  schmäler  als 
(oder  ebenso  breit  wie)  der  innere;  1.  Molar  des  Unterkiefers  mit  vier 
Höckern.  Der  Brust  kastei»  zusammengedrückt  (wie  gewöhnlich  bei  den 
Säugethieren) ;  der  Handgriff  des  Brustbeins  breit,  der  übrige  Theil  sehr 
schmal.  Becken  lang  und  schmal,  die  Symphyse  (die  Linie,  in  welcher 
beide  Beckenhälften  unten  zusammentreten)  lang;  die  Darmbeine  lang  und 
schmal.    Das  Kreuzbein  besteht  aus  drei  Wirbeln. 

a.  Die  Meerkatzen  (Crrcopähectis).  Schwanz  lang,  Schnauze 
kurz,  Backentaschen  vorhanden ;  mehrere  Arten  in  Afrika.  Nahe  verwandt 
ist  der  Innm  miudatus  mit  rudimentärem,  warzenförmigem  Schwanz,  in 
Nordafrika  und  bei  Gibraltar  (der  einzige  europäische  Affe).  —  Die  P  av  i  an  e 
(CyiMtcrphalus)  unterscheiden  sich  von  den  Meerkatzen  durch  ihre  verhält- 
nissmässig sehr  gestreckte,  hundeartige  Schnauze ;  Schwanz  lang  oder  kurz, 
Backentaschen  vorhanden;  Asien,  Afrika. 

b.  Die  Schlankaffen  (Sem nojn Olfens)  zeichnen  sich  besonders 
dadurch  aus,  dass  die  Backentaschen  fehlen  und  dass  der  Magen  in  mehrere 


Wirbelthiere.   6.  Clane:  Säugethiere. 


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Abschnitte  getbeilt  ist  (bei  anderen  Affen  einfach).  Hierzu  gehört  u.  a. 
der  mit  einer  stark  verlängerten  Nase  versehene  Nasenaffe  (S.  /uxsicm) 
auf  Borneo.  —  Nahe  verwandt  sind  die  Stummelaffen  (Colobus),  bei 
denen  der  Vorderdaumen  fehlt  ;  Afrika. 

2.  Die  Menschenaf  f  e  n  oder  anthropomor  phen  Affen  (Anthro- 
jHtniorjifuw).  Keine  oder  kleine  Gesässschwielen.  Nägel  bei  den 
Gibbonen  gewölbt,  bei  anderen  mehr  abgeplattet.  Behaarung  bei  den 
Gibbonen  reichlich,  bei  den  übrigen  an  gewissen  Körperteilen  spärlich. 
Schwanz  fehlt  (rudimentäre  Schwanzwirbelpartie  aus  4 — 5  kleinen  Wirbeln 
bestehend).  Vordergliedmaassen  länger  als  die  Hintergliedmaassen.  Keine 
Backentaschen.  Aeuaserer  Schneidezahn  des  Unterkiefers  breiter  als 
der  innere;  1.  Molar  des  Unterkiefers  mit  5  Höckern.  Der  Brustkasten 
breiter  as  bei  den  Hundsaffen,  das  Brustbein  breit  und  platt.  Das  Becken 
hat  bei  den  Gibbonen  dieselbe  Form  wie  bei  den  Hundsaffen,  bei  den  an- 
dern sind  die  Darmbeine  breiter,  die  Symphyse  verkürzt.  Das  Kreuzbein 
besteht  aus  fünf  Wirbeln.1)  —  Die  Menschenaffen  sind  ausschliesslichere 
Baumbewohner  als  die  übrigen  Ostaffen ;  sie  bewegen  sich  nicht  auf  der 
Erde  wie  gewöhnliche  Säugethiere  (und  wie  die  Ostaffen  es  ebenfalls  thun), 
sondern  sie  gehen  auf  den  Hinterfüssen,  indem  sie  sich  auf  die  Knöchel 
der  Vordergliedmaassen  stützen,  oder  sie  bewegen  sich  in  anderer  abweichender 
Weise.    Hierzu  gehören  die  grössten  Affen. 

a.  Die  Gibbone  (JIyhl>a(es)  stehen  den  Hundsaffen  am  nächsten: 
sie  besitzen  kleine  Gesässschwielen,  die  Nägel  sind  stark  gewölbt,  und  das 
Becken  ist  lang  und  schmal,  dem  der  Hundsaffen  ähnlich.  Es  sind  Thiere 
mit  dichter  Behaarung  und  mit  ausserordentlich  verlängerten  Vorderglied- 
maassen ;  sie  können  auf  den  Hintergliedmaassen  allein  gehen,  indem  sie  die 
Vordergliedmaassen  schwingend  bewegen.  Kleiner  als  die  folgenden.  Mehrere 
Arten  in  Asien. 

b.  Der  Orang-Utan  (Pithecus  satyrtta}.  Kopf  oben  fast  kegel- 
förmig zugespitzt,  Gesichtspartie  stark  vortretend,  Nase  wie  in  das  Gesicht 
eingedrückt.  Vordergliedmaassen  sehr  lang ;  wenn  das  Thier  sich  aufrichtet, 
reichen  sie  bis  an  die  Knöchel.  Hand  und  Fuss  lang  und  schmal ;  Hinter- 
daumen ziemlich  klein.  Rothbraun.  Höhe  bis  1  ljs  m  (das  Thier  in  auf- 
rechter Stellung  gemessen).    Sumatra  und  Borneo. 

c.  Der  Schimpanse  -)  (Simia  troglodytts  oder  Troyl&lytes  uiyer) 
und  der  Gorilla'*)  { S.  od.  T.  yoriila)  sind  in  den  meisten  Punkten  überein- 
stimmend. Die  Stirn  neigt  sich  nach  hinten,  die  Nase  ist  zwar  breit  und 
abgeplattet,  aber  doch  vorstehender  als  beim  Orang.  Die  Vordergliedmaassen 
sind  kürzer  als  bei  diesem,  die  Hand  und  der  Fuss  breiter,  der  Hinterdaumen 
gross  und  wohl  entwickelt.  Beide  sind  schwarz.  Der  Gorilla  erreicht  eine 
Höhe  von  1,7  m,  der  Schimpanse  ist  etwas  kleiner.  Beide  in  den  tropischen 
Theilen  Westafrikas. 

3.  Unterordnung.    Menschen  (Anthropidae). 

In  Vergleich  mit  den  übrigen  Primaten  ist  es  für  den  Menschen 
besonders  charakteristisch,  dass  die  Hintergliedmaassen  zu  aus- 
schliesslichen Geh  w  er k zeugen  umgebildet  sind,  zu  Organen,  welche 
geeignet  sind,  den  übrigen  Körper  in  aufrechter  Stellung  ohne  Bei- 

')  Beim  Orang,  Schimpanse  und  Gorilla  finden  sich  unterhalb  der  Haut  grosse 
Luft  sacke,  welche  vom  Kehlkopf  ausgehen  und  sich  nach  unten  auf  Hals  und 
Brust  erstrecken;  sie  können  aufgeblasen  und  stark  ausgedehnt  werden. 

*)  Unter  jedem  dieser  Namen  verbergen  sieh  vielleicht  mehrere  nnheverwiindte 
Arten. 


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5C>0 


Specieller  Theil. 


hülfe  der  Vordergliedmaassen  zu  tragen.  Die  Hinterglied maassen 
sind  dementsprechend  ungemein  kräftig,  weit  länger  als  die  Vorder- 
gliedmaassen und  ausserordentlich  musculös.  Der  Hi  nterdaumen 
ist  nur  wenig  mehr  von  den  übrigen  Zehen  entfernt ')  als  diese  Ton 
einander,  besitzt  nur  eine  geringe  selbständige  Beweglichkeit  und* kann 
den  übrigen  nicht  entgegengestellt  werden ;  er  ist  ein  wenig  länger 
oder  von  derselben  Länge  wie  die  Zehe  Nr.  2,  oder  sehr  wenig 
kürzer  (bei  anderen  Primaten  weit  kürzer);  die  anderen  vier  Zehen 
sind  kurz,  der  Mittelfuss  lang.  Das  Becken  ist  sehr  kurz  und  breit, 
besonders  sind  die  Darmbeine  sehr  kurz,  breit  und  ausgehöhlt;  die 
Symphyse  ist  kurz.  Die  Vordergliedmaassen,  welche  sich  in  ihrem 
Bau  eng  an  die  der  Menschenaffen  anschliessen,  sind  verhältnissmässig 
schwächer  als  bei  diesen;  es  sind  vorzüglich  ausgebildete  Greifwerk- 
zeuge etc.,  welche  aber  bei  den  gewöhnlichen  Bewegungsarten  ohne 
Bedeutung  sind.  Charakteristisch  ist  auch  die  ausserordentliche  Ent- 
wicklung des  Gehirns2),  was  für  den  Schädel  ein  im  Vergleich 
mit  anderen  Säugethieren  abnormes  Uebergewicht  der  Schädelkapsel 
über  die  beim  Menschen  sehr  schwach  entwickelte  Gesichtspartie  zur 
Folge  hat;  in  seinem  Bau  steht  das  Gehirn  übrigens,  sogar  in  ganz 
speciellen  Verhältnissen ,  dem  der  Menschenaffen  sehr  nahe.  Als 
Eigenthümlichkeiten  sind  ferner  die  sehr  schwache  Behaarung  des 
grössten  Theiles  des  Körpers  hervorzuheben,  sodann  die  Kleinheit  des 
Eckzahns  und,  was  hiermit  eng  zusammenhängt,  der  Mangel  eines 
grösseren  Abstandes  zwischen  dem  äusseren  Schneidezahn  und  dem 
Eckzahn  des  Obermundes  als  zwischen  den  übrigen  Zahnen  unter 
einander  (bei  anderen  Primaten  greift  der  Eckzahn  des  Unterkiefers 
in  diese  Spalte ,  das  Diastema,  hinein) ;  endlich  ist  anzuführen ,  dass 
der  Brustkasten  noch  breiter  und  stärker  abgeplattet  ist  als  bei  den 
Menschenaffen. 

Uebrigens  stimmt  der  Mensch  in  allen  Hauptpunkten  seines  Baues 
mit  den  Ostaffen,  besonders  mit  den  Menschenaffen  überein.  Den 
Ostaffen  im  Allgemeinen  schliesst  er  sich  in  allen  denjenigen 
Charakteren  an,  durch  welche  letztere  sich  von  den  Westaffen  unter- 
scheiden: in  der  Stellung  der  Nasenlöcher,  der  Anzahl  der  Prämo- 
laren (die  Zahnformel  des  Menschen  ist  mit  derjenigen  der  Ostaffen  iden- 
tisch), dem  knöchernen  äusseren  Gehörgang,  dem  Fehlen  einer  Oeffnung 
in  der  Platte  zwischen  Augenhöhle  und  Schläfengrube,  dem  kleinen 
Blinddarm  etc.  Specicll  mit  den  Menschenaffen,  besonders  den 
grösseren  (Orang,  Schimpanse,  Gorilla)  stimmt  er  in  Folgendem  über- 
ein :  Geaässschwielen,  Backentaschen  und  Schwanz  fehlen ;  es  ist  die- 
selbe rudimentäre  (aus  4—5  Wirbeln  zusammengesetzte)  Schwanz- 
wirbelpartie vorhanden;  die  Nägel  sind  abgeplattet;  aer  äussere 
Schneidezahn  des  Unterkiefers  ist  breiter  als  der  innere:  der  1.  Molar 
im  Unterkiefer  mit  5  Höckern:  der  Brustkasten  breit,  das  Brustbein 

')  Der  Abstand  ist  jedoch  deutlich  grösser  und  die  Spalte  zwischen  dem 
Daumen  und  der  zweiten  Zehe  tiefer  als  zwischen  den  übrigen  Zehen,  übrigens 
grösser  und  deutlicher  bei  Embryonen  und  kleinen  Kindern  als  bei  Erwachsenen. 

*)  Der  Mensch  hat  übrigens  keineswegs  das  grösste  Gehirn  im  Verhaltniss 
zum  ganzen  Gewicht  des  Körpers;  sogar  innerhalb  der  Primaten  finden  wir  bei 
kleinen  Formen  ein  verhältnissmässig  grösseres  Gehirn  (bei  einem  Krallenaffen 
betrug  z.  ß.  das  Gehirngewicht  im  Verhaltniss  zum  ganzen  Körper  1:20,  beim 
Menschen  beträgt  es  durchschnittlich  ungefähr  1 :  40).  Dagegen  ist  das  Gehirn  des 
Menschen  weit  grösser  als  bei  irgend  einem  anderen  Thier  von  ähnlicher  Grösse 
(das  Gehirn  des  Gorillas  beträgt  im  Verhaltniss  zum  Körpergewicht  1  :  200). 


Wirbelthiere.   6.  Clawe:  SHugethiere.  561 


breit  und  abgeplattet;  dem  breiten  Becken  des  Menseben  nähert 
sich  in  der  Form  dasjenige  der  grossen  Menschenaffen;  das  Kreuz- 
bein besteht  sowohl  beim  Menschen  wie  bei  den  Menschenaffen  aus 
5  Wirbeln.  Die  genannten  Aehnlichkeiten  Hessen  sich  noch  durch 
zahlreiche  andere  vermehren.  Ueberhaupt  steht  der  Mensch  den 
anthropomorphen  Affen  ausserordentlich  nahe;  die  Unterschiede  sind 
fast  alle  solche ,  welche  aus  der  Anpassung  des  Menschen  an  den 
aufrechten  Gang,  aus  der  starken  Entwicklung  des  Gehirns  und  aus 
der  grösseren  Schwäche  gewisser  Theile  der  Muskulatur,  z.  B.  der 
Kiefermuskeln,  abgeleitet  werden  können.  Die  innige  Ueberein- 
stimmung  kann  für  eine  oberflächliche  Betrachtung  an  einzelnen 
Punkten  durch  untergeordnete  Momente  verschleiert  werden ;  so  scheint 
z.  B.  der  Schädel  des  Gorillas  welcher  von  allen  anthropomorphen 
Affen  derjenige  sein  dürfte,  der  mit  dem  Menschen  die  grösste  Ueber- 
einstimmung  darbietet  —  beim  ersten  Anblick  von  demjenigen  des 
Menschen  sehr  verschieden ,  z.  B.  durch  das  Vorhandensein  von 
vorspringenden  Knochenkämmen,  welche  am  menschlichen  Schädel 
fehlen;  die  Ausbildung  dieser  Kämme  steht  aber  in  geradem  Ver- 
hältniss  zu  der  starken  Entwicklung  der  Kiefer-  und  Nackenmusku- 
latur l),  und  eine  sorgfältige ,  tiefer  gehende  Betrachtung  ergiebt 
in  Wirklichkeit  die  innigste  Uebereinstimmung  in  den  meisten 
Punkten. 

Alle  Menschen  werden  gewohnheitsmässig  unter  einer  Art,  Hcnno 
sapiens,  zusammengefasst ,  welche  in  eine  Anzahl  Rassen  getheilt  wird. 
Letztere  sind  übrigens  unter  einander  z.  Th.  ebenso  verschieden  wie  nahe- 
stehende Arten  innerhalb  mancher  anderen  Thiergruppen;  wenn  sie  zu 
einer  Art  zusammengefasst  werden,  so  geschieht  das  besonders  wegen  der 
Leichtigkeit,  mit  der  sie  in  der  Kegel  Bastarde  bilden  (vergl.  S.  58). 
Die  Eintheilung  der  Menschen  in  Kassen  ist  übrigens  in  manchen  Pnnkten 
ans  derselben  Ursache  schwierig,  indem  in  grossem  Umfange  Bastardirungen 
stattgefunden  haben.  Die  nähere  Darstellung  der  Menschenrassen  ist  aber 
die  Aufgabe  einer  speciellen  Wissenschaft,  der  Völkerkunde  oder  Ethnologie, 
auf  deren  Gebiet  wir  uns  hier  nicht  begeben  können.  Hier  ist  nur  noch 
hervorzuheben,  dass  gewisse  Menschenrassen  den  anthropomorphen  Affen  näher 
stehen  als  andere,  wenn  auch  die  Annäherung  im  Ganzen  nicht  besonders 
gross  ist.  Die  Negerrasse  ist  z.  B.  ausgezeichnet  durch  breite,  platte 
Nase,  vorspringendere  (stärker  entwickelte)  Gesichtspartie,  grosse  Zähne, 
schräg  gestellte  Schneidezähne,  zurückgezogenes  Kinn,  schmäleren  und  längeren 
Brustkasten,  schmäleres  und  tieferes  Becken,  längere  Zehen  —  Charaktere, 
welche  sämmtlich  auf  die  anthropomorphen  Affen  zurückweisen. 


Anhang  zu  den  Wirbelthieren. 

Mantelthiere  {Tmmata). 

Die  Mantelthiere  sind  eine  kleinere  Abtheilung  von  Meeres- 
thieren,  welche  früher  allgemein  den  Weichthieren  zugerechnet  oder 
mit  anderen  Gruppen  von  wirbellosen  Thieren  zusammengestellt  wurde ; 


')  Aach  anter  anderen  einander  nahestehenden  Säugethieren  können  solche 
Kämme  bei  einer  Form  vorhanden  sein,  bei  einer  anderen  fehlen  (Dachs  —  Marder). 

Bon,  Zoologie.  86 


f>62 


Speoieller  Theil. 


erst  in  neuerer  Zeit  ist  man  sich  darüber  klar  geworden,  dass  sie  am 
nächsten  mit  den  Wirbelthieren  verwandt  sind,  wie  dies  besonders 
aus  der  Entwicklungsgeschichte  mit  aller  Klarheit  hervorgeht.  Be- 
sonders hat  es  sich  ergeben,  dass  sie  —  wenigstens  in  der  Jugend  — 
mit  den  Wirbelthieren  in  dem  Besitz  einer  Chorda  und  in  der 
Lagerung  des  centralen  Nervensystems  übereinstimmen,  also  in 
Charakteren  fundamentalster  Natur.  Wenn  wir  sie  aber  trotzdem 
nicht  einfach  dem  Wirbelthier-Typus  einverleiben,  sondern  als  An- 
hang zu  den  Wirbelthieren  behandeln,  so  geschieht  das,  weil  die 
Hauptmasse  der  Mantelthiere  sich  derartig  eigentümlich  entwickelt 
hat,  dass  die  Wirbelthier-Charaktere  bei  den  Erwachsenen  gänz- 
lich verwischt  sind  und  ein  ganz  fremdes  Gepräge  denselben  auf- 
gedrückt ist,  weshalb  es  bequemer  erscheint,  sie  gesondert  zu  be- 
handeln. 

Ea  kann  hier  noch  hervorgehoben  werden,  dass  die  Kanteith iere  ebenso 
wenig  wie  die  echten  Wirbeith  iere  nähere  Beziehungen  zu  irgend  einer  Ab- 
theilung wirbelloser  Thiere  darbieten. 

Eine  Einsicht  in  den  Bau  dieser  Gruppe  werden  wir  am  besten 
erreichen,  wenn  wir  verschiedene  der  zu  derselben  gehörigen  kleineren 
Abtheilungen  jede  für  sich  betrachten.  Von  allgemeinen  Charakteren 
können  jedoch  folgende  hervorgehoben  werden:  Das  Skelet  ist 
höchstens  durch  die  Chorda  repräsentirt,  das  Nervensystem  ist 
schwach  entwickelt,  ebenso  die  Sinnesorgane.  Die  Mantelthiere 
sind  Zwitter;  Eierstöcke  und  Hoden  setzen  sich  direkt  in  die  Aus- 
führungsgänge fort.  Bei  manchen  findet  eine  Fortpflanzung  durch 
Sprossung  statt. 

Den  einfachsten  und  am  leichtesten  verständlichen  Bau  besitzen 
die  Appendicularien ,  wasserhelle ,  im  Meere  umherschwimmende 
Thierehen,  welche  mit  kleinen  Froschlarven  eine  gewisse  Aehnlichkeit 


Fig.  877.  A  Schein*  einer  Appendicularie,  von  der  Seite  gesehen,  gerade  gestreckt. 
B  Do.  einer  A  sei  dien -Larve.  «  Alter,  cA  Churda,  g  Kiemenhölilc,  m  Mund,  n  Gehirn, 
»'  Nervenstrang,  t  Darm.  —  Orig. 

darbieten.  Der  Körper  zerfällt  in  einen  rundlichen  Rumpf  und 
einen  abgeplatteten  Schwanz,  welcher  gegen  die  Unterseite  des 
Rumpfes  zurückgeschlagen  ist.  Die  Wand  der  geräumigen  Mundhöhle 
ist  an  jeder  Seite  von  einer  bewimperten  Oeffnung,  der  Kiemen- 
Öffnung,   durchbrochen,   welche  an  der  Oberfläche  mündet;  der 


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Wirbelthiere.   Anhang:  Mantelthiere. 


563 


übrige  Darmkanal  ist  kurz,  der  After  befindet  sich  auf  der  Unterseite 
des  Körpers.  Die  Chorda  ist  nur  im  Schwanz  vorhanden,  hier  aber 
ansehnlich  entwickelt.  Das  Centralnerven  System  ist  durch  einen 
Strang  repräsentirt ,  welcher  oberhalb  der  Mundhöhle  zu  einem 
grösseren  Knoten  (dem  Gehirn)  angeschwollen  und  auch  in  seinem 
weiteren  Verlaufe  mit  kleineren  Anschwellungen  versehen  ist;  er  setzt 
sich  durch  den  Schwanz  an  der  linken  Seite  der  Chorda  fort,  in- 
dem der  plattgedrückte  Schwanz  eigentlich  als  ein  seitlich  zusammen- 
gedrückter Schwanz  aufzufassen  ist,  welcher  an  der  Basis  90°  um 
seine  Axe  gedreht  ist.  Das  einfache  Herz  liegt  unterhalb  des 
Darmkanals.  Eine  Hörblase  ist  vorhanden,  dagegen  fehlen 
Augen. 

Einen  scheinbar  ganz  anderen  Bau  be- 
sitzen die  einfachen  (d.  h.  nicht-colonie- 
bildenden)  Ascldlen  (Gatt.  Aacidia  u.  a.).  Es 
sind  tonnenförmige,  rundliche  oder  anders  ge- 
staltete, häufig  gallertige  Thiere,  welche  stets 
mit  dem  einen  Ende  oder  der  einen  Seite  des 
Körpers  festsitzen.  An  dem  freien  Ende  be- 
merkt man  zwei  Oeffnungen;  davon  führt  die 
eine,  die  Mundöffnung,  in  eine  ausserordent- 
lich geräumige,  auch  als  Kiemensack  be- 
zeichnete Mundhöhle,  deren  Wand  von  zahl- 
reichen bewimperten  Oeffnungen  durchbrochen 
ist ;  diese  führen  nicht  direct  nach  der  Körper- 
oberfläche, sondern  in  einen  grossen,  den  Kiemen- 
sack umgebebenden Hohlraum,  den Peribran- 
chialraum,  welcher  durch  die  zweite  der 
Oeffnungen  am  Ende  des  Thieres,  die  K 1  o  a  k  e  n  - 
Öffnung,  mit  der  Aussenwelt  in  Verbindung 
steht.  Längs  der  Bauchseite  ist  der  Kiemen- 
sack in  einem  Längsstreifen  mit  der  Aussen- 
wand  des  Peribranchialraumes  verwachsen,  und 
hier  findet  sich  im  Kiemensack  eine  Längsfurche, 
die  Bauchfurche  oder  derEndostyl,  mit 
grossen,  schleimabsondernden  Zellen  und  Wim- 
perzellen ;  längs  der  entgegengesetzten  Seite  ver- 
läuft eine  oft  mit  mehreren  Zipfeln  versehene 
Rücken  leiste,  welche  vorne  mit  dem  Endostyl 
durch  einen  Wimperbogen  auf  jeder  Seite  des 
Kiemensackes  verbunden  ist.  Die  Mundhöhle 
geht  hinten  in  den  ziemlich  kurzen  Darmka- 
nal über,  welcher  schlingenförmig  gebogen  ist 
und  in  den  Peribranchialraum  ausmündet.  Das 
Herz  liegt  unterhalb  des  Darmkanals;  merk- 
würdigerweise strömt  das  Blut  abwechselnd  in 
einer  und  in  der  umgekehrten  Richtung  durch 
dasselbe.  Die  Blutkörperchen  sind  alle  amöboid,  farblos.  Das  Central- 
n  e  r  v  e  n  s  y  s  t  e  m  ist  auf  einen  Nervenknoten  reducirt,  welcher  seinen 
Platz  zwischen  der  Mund-  und  der  Kloakenöffnung  hat.  Die  Ge- 
schlechtsorgane (ein  Eierstock  und  ein  Hoden)  münden  in  der 
Nähe  des  Afters  in  den  Peribranchialraum.    Der  Körper  ist  äusserlich 

3ö* 


Fig.  877.  Schematischer 
Längsschnitt  eiuer  A  ■  c  l  d  i  e ; 
der  Schnitt  ist  nicht  ganz 
median,  sondern  etwa«  seit- 
lich, a  After,  cl  Kloaken- 
Öffnung,  g  Kiemensack,  g' 
Oeffnungen  in  der  Wand  des- 
selben, m  Mund,  n  Nerven- 
knoten, p  Peribranchialhöhle, 
t  Darin.  B Bauch-,  ÄRUckeu- 
seite.  —  Orig. 


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564 


Specieller  Theil. 


mit  einer  dicken  gallertigen  oder  lederartigen  Schicht  (dem  „Mantel"), 
einem  Product  der  Oberhaut,  bekleidet. 

Der  Unterschied  zwischen  den  Appendicularien  und  den  erwach- 
senen Ascidien  ist  somit  sehr  gross.  Betrachtet  man  aber  die  LarTen 
der  Ascidien  und  vergleicht  dieselben  mit  den  Appendicularien, 
dann  wird  das  Verhältniss  ein  anderes;  man  findet  dann  eine  nahe 
«  Uebereinstimmung  in  fast  allen  Punkten.  Die  Ascidien-Larven  sind 
in  noch  höherem  Grade  als  die  Appendicularien  froschlarvenähnlich; 
sie  haben  einen  rundlichen  Rumpf  und  einen  langen  zusammenge- 
drückten Schwanz  mit  einer  Chorda,  welche  sich  auch  ein  wenig  in 
den  Rumpf  hinein  erstreckt;  oberhalb  der  Chorda  liegt  das  Central- 
nervensystem,  welches  sich  nach  hinten  durch  den  ganzen  Schwanz 
erstreckt  und  vorne  eine  Anschwellung  (das  Gehirn)  besitzt ;  mit  der 
Anschwellung  ist  ein  Auge  und  ein  als  Gehörwerkzeug  angesehenes 
Organ  verbunden ,  beide  liegen  merkwürdigerweise  in  der  Höhlung 
des  Gehirns  und  sind  besonders  entwickelte  Theile  der  Wandung  des- 
selben ;  ein  Peribranchialraum  ist  noch  nicht  vorhanden,  dagegen  finden 
sich  zwei  einfache  Kiemen  Öffnungen,  welche  von  der  Mund- 
höhle nach  der  Oberfläche  gehen.  Wie  man  hieraus  ersieht,  besteht 
eine  sehr  grosse  Uebereinstimmung  zwischen  dieser  Larvenform  und 
den  Appendicularien ;  bald  setzt  sich  aber  die  Larve  fest,  der  Schwanz 
schwindet  und  mit  ihr  die  Chorda,  die  Sinnesorgane  bilden  sich 
zurück,  etc.,  und  die  Larve  nimmt  allmählich  die  sehr  abweichende 
Gestalt  der  erwachsenen  Ascidie  an. 

Es  ist  leicht  zu  erkennen,  wie  genau  der  Bauplan  dieser  Larvenform 
an  den  der  Wirbelthiere  sich  anechliesst  (gegenseitige  Lage  des  Nerven- 
systems, der  Chorda  und  des  Darmkanals) ;  der  Anschluss  ist  noch  leichter 
als  für  die  erwachsenen  Appendicularien  zu  erkennen,  deren  Schwanzdrehung 
etc.  die  Uebereinstimmung  etwas  verschleiert.  Es  ist  noch  hervorzuheben, 
dass  die  Chorda  sich  ganz  in  derselben  Weise  wie  bei  den  echten  Wirbel- 
thieren  bildet. 

Einige  Ascidien  bilden  Colonien,  indem  sie  fadenförmige  Aus- 
läufer treiben,  aus  welchen  neue  Individuen  emporwachsen:  sociale 
Ascidien;  die  Individuen  sind  im  Uebrigen  von  einander  fast  un- 
abhängig. Bei  anderen  coloniebildenden  Formen,  den  zusammen- 
gesetzten Ascidien  (Ascidiae  compositae),  ist  die  Verbindung  der 
Individuen  inniger ;  die  Colonien  bilden  hier  weiche  schwammähnliche, 
festsitzende  Massen,  in  denen  die  Individuen  gewöhnlich  in  (oft  stern- 
förmigen) Gruppen  geordnet  sind ;  die  Individuen  jeder  Gruppe  haben 
eine  gemeinsame  Kloakenöffnung,  jedes  Individuum  hat  aber  seine 
eigene  Mundöffnung.  —  Hieran  schliessen  sich  auch  die  pelagischen, 
freischwimmenden,  leuchtenden  Feuerwalzen  {Pyrosoma).  Die 
Pyrosoma-  Colonien  haben  die  Form  eines  an  einem  Ende  offenen, 
an  dem  andern  Ende  geschlossenen,  dickwandigen  Rohres,  dessen 
Wand  von  den  kleinen,  dicht  neben  einander  sitzenden  Thieren  ge- 
bildet wird;  letztere  haben  die  Mundöffnung  an  der  Oberfläche  des 
Rohres,  die  Kloakenöffnung  an  ihrem  entgegengesetzten  Ende,  an 
der  inneren  Seite  des  Rohres ;  das  Wasser,  welches  durch  den  Mund 
aufgenommen  wird,  gelangt  somit  in  den  Hohlraum  des  Rohres  hinein 
und  für  alle  Individuen  gesammelt  durch  das  offene  Ende  desselben 
hinaus ;  durch  das  ausströmende  Wasser  wird  die  Colonie  mit  dem  ge- 
schlossenen Ende  voran  fortgetrieben. 

Eine  merkwürdige  Modifikation  des  Ascidien-Typus  stellen  die 


Wirbelthiere.   Anhang:  Mantelthicre. 


565 


ebenfalls  frei  schwimmenden  Salpen  (Salpa)  dar.  Auch  hei  ihnen 
sitzen  Mund-  und  Kloakenöffnung  fast  an  entgegengesetzten  Enden  des 
Körpers.  Der  Kiemensack  ist  aber  hier  stark  rückgehildet,  indem 
seine  seitlichen  Theile  fehlen,  so  dass  —  ausser  dem  festgewachsenen 
Bauchstreifen  mit  dem  Endostyl  —  nur  seine  Rückenpartie  als  ein 
in  der  vereinigten  Kiemen-  und  Peribranchialhöhle  ausgespannter 
Balken  übrig  bleibt.  Die  Eingeweidemasse  ist  im  Verhältniss  zum 
ganzen  Thier  von  unbedeutendem  Umfang,  die  genannte  Höhle  füllt 
weitaus  den  grössten  Theil  des  Thieres  aus  (auch  bei  den  meisten 
anderen  Mantelthieren  nimmt  übrigens  die  Kiemenhöhle  den  grösseren 
Theil  des  Körpers  ein).  In  der  durchsichtigen  Wand  des  Thieres 
sieht  man  schöne  ringförmige  Muskelbänder,  durch  deren  Contractionen 
das  Wasser  durch  den  Körper  getrieben  wird ;  sie  entsprechen  einer 


Leibeswand  vorhanden  ist.  —  Die  Salpen  sind  aber  nicht  allein  durch 
ihren  Bau  merkwürdig,  sondern  auch  dadurch,  dass  sie  ein  Beispiel 
eines  regelmässigen  Generationswechsels  darbieten.  Man  findet 
von  Salpen  theils  solitäre,  ungeschlechtliche  Individuen, 
theils  kettenförmige  Colonien,  welche  aus  einer  grösseren  oder 
kleineren  Anzahl  von  ziemlich  locker  verbundenen  geschlecht- 
lichen Individuen  zusammengesetzt  sind.  Die  erstgenannten  erzeugen 
die  Ketten  durch  Sprossung;  die  Kette  bleibt,  bis  sie  eine  gewisse 
Entwicklung  erreicht  hat,  in  einer  Höhlung  in  der  Körperwand  der 
solitären  Salpe  liegen,  reisst  dann  los  und  schwimmt  selbständig  um- 
her. Die  solitären  und  die  Ketten-Inviduen  sind  mehr  oder  weniger 
von  einander  verschieden.  Die  Individuen  der  Salpenketten  sind 
ferner  dadurch  merkwürdig,  dass  sie  zuerst  Eier  erzeugen,  welche 
durch  Samen  von  einer  anderen  Salpenkette  befruchtet  werden,  während 
sie  später  selbst  Samen  produciron;  jedes  Individuum  erzeugt  ge- 
wöhnlich nur  ein  einziges  Ei,  welches  seine  Entwicklung  im  mütter- 
lichen Körper  durchläuft. 

Von  den  oben  genannten  Formen  sind  verschiedene  Arten  von  ein- 
fachen Ascidien  in  der  Nordsee  (und  anderen  europäischen  Meeren) 
allgemein  verbreitet ;  sie  sitzen  auf  Tang ,  an  Steinen ,  Pfählen  etc.  fest. 
Auch  von  zusammengesetzten  Ascidien  und  von  Appendicu- 
1  a r i e n  kommen  in  den  nördlichen  Meeren  Arten  vor.  Pyrosomen  und 
Salpen  sind  dagegen  mehr  pelagische  Thiere,  welche  in  den  grossen 
Weltmeeren  so  wie  auch  schon  im  Mittelmeer  leben.  —  Alle  Man  toi  thiere 
ernähren  sich  von  mikroskopischen  Organismen,  welche  mit  dem  Wasser 
in  die  Kiemenhöhle  hineingelangen. 


zusammenhängenden 


welche  bei  den  Ascidien  in  der 


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Register. 


(Sachregister  des  Allgemeinen,  Namenregister  des  Speciellen  Theils.) 


Seile 

Aal,  -familie ....  404 

Aalmutter   4ÜZ 

Aasgeier   4SI 

Aaskäfer   27.fi 

Abramis   404 

Abstammungslehre    .  fil 

Acalephae   121 

Acanthia   222 

Acanthias  ».       .   .   .  329. 

Acanthocephali  .    .   .  Hl 

Acarina   300 

Accipenser    ....  401 

Accipitres   480 

Acephala   323 

Acerina   405 

Achtarmige  Korallen- 

thiere   102 

Acridium  .....  2M 

Actinien   114 

Adler   4M 

Aega   221 

Aefuroidea    ....  539 

Aeolidien   32ü 

Aeolis   320 

Aesculapnatter  .   .    .  442 

Aethiopische  Region  .  71 

After    .....  23. 

Afterscorpione  .    .    .  299 

Afterspinnen  ....  299 

Agonus   4M 

Agrion   2fi2 

Agrotis   29J. 

Aguti's   656 

Alauda,  -idae    .    .    .  484 

Albatross   475 

Alca,  -idae    ....  42fi 

Alcedo,  -inidae  .   .    .  485 

Alcippe   215 

Alcyonella    .   ...  IM 

Alcyonium    ....  110 

Alk,  -enfamilie  .    .    .  42fi 

Alligator   445 

Alpenlerche  ....  484 


Alpensalamandcr 
Alpensegler 
Altinares  . 
Alytes  .  . 
Amblystoma 
Ameisen 
Ameisenbär 
Ameieenbeutler 
Ameisenfresser 
Ameisenigel  . 
Ameisenlöwen 
Atnia    .  . 
Ammern  . 
Ammocoetes 
Ammodytes 
Ammoniten 
Amoeba 
Amöbe  . 
Ampelis 
Ampbibia 
Amphilina 
Auiphioxus 
Amphipnous 
Amphipoda,  -en 
Amphisbaena 
Ampbiutna 
Amsel  .  . 
Anabas  .  . 
Analogie  . 
Anarrhicbas 
Anas    .  . 
Anatinae 
Anchitherium 
Anchovis  . 
Anelasma  , 
Anguilla 
Anguillula 
Anguillulinen 
Anguis  .  . 
Annclida 
Anobium 
Anodonta 
Anoplotherieu 


Seite 

121  Anser,  -inae  .  . 
485 ,  Antedou  .  .  . 
478  '  Anthozoa  .  .  . 
121 '  Anthropidae  .  . 
422 1  Anthropomorphac 
265  Anthus  .... 
55ü  Antilopen  .  .  . 
520  Antilopinae  .  . 
550  Antimeren  .  . 
618  Anora  .... 


224. 
401 
483 
398 
405 

aaö 

24 
3,  24 
482 
408 
151 
369 
391 
226 
441 

122 
482 
405 
Ü2 
41)7 
477 
477 
522 
403 
215 
404 

121 
170 
440 
L23 

2ß2 

m 

52Ö 


Anus     .  . 
.  Aphaniptera 
\  Aphidae 
\  Aphis   .  . 
j  Aphodius  . 

Aphrodite  . 

Aphrophora 
I  Aphysostomi, 

Apiariae  . 

Apis  .    .  . 

Aplacentale 

thiere    .  . 
I  Aplytia     .    .  , 
!  Aporrhais .    .  , 

A  ppendicularien 

Apseudes  .    .  , 

Apteryx    .   .  . 

Aptychus  .    .  , 

Apus     .    .    .  . 

Aquila,  -idae 

Arachntda     .  , 

Aruueina  .   .  . 

Archaeopteryx  . 

Architeuthus  .  . 

Arctoidea  .   .  . 

Arctomys  .   .  . 

Ardea  .   .    .  . 

Arenicola  .    .  . 

Argali  .    .    .  . 

Argonauta .    .  . 

Argyroneta    .  , 

Armadillidiuiu 

Armflosser    .  , 


en 


Sauge- 


Register. 


567 


Seite  ] 

Arni  fussler    ....  IM 

Art   55 1 

Artemia   202 ; 

Arterielles  Blut .   .   .  29 

Arterien   2S  j 

Arthrogastra  ....  298 : 

Arthropoda   .   ...  122 ' 

Artiodactyla  ....  522 

Arvicola    .....  555 

Ascalabotae  ....  44J  \ 

Ascaris    1ÖZ 

Ascidia,  -en  ....  5S3 1 

Ascidiae  compositae  .  564  j 

Aaellus    224 ! 

Aspidiotua     ....  222 

Astacus   234 ; 

Asterida   138 

Asteroi  dea,  -den   .    .  138 

Astenosoma   ....  145 

Astrophyton  ....  Iii 

Astur,  -idae  ....  480.' 

Astavismus    ....  40 

Ateles  ......  558 

Athene   481 

Athmungsorgane  27 1 

Aachenia   531  j 

Auerhahn   424. 

Auerochs   533 

Augenblase    ....  21 

Aulastomum  ....  IM 

Aurelia   123 

Auster   33Q 

Austernäscher   .    .    .  479 

Australische  Region  .  22 

Australischer  Bär  .    .  521 

Aves   IM 

Axencylinder .   ...  12 

Axolotl   422 

Aye-Aye   55Ü 

Bachmücken     .   .   .  282 

Bachstelzen   .   ...  480. 

Bacillus   2fi5 

Badeschwamm  .   .   .  12fi 

Bär   539. 

Barenfatnilie  ....  539 

Bärenkrebse  ....  235. 

Bärthierchen  ....  303 

Balimus,  -idae  .   .   .  21fi 

Balaeoa   Ö1M 

Balaenidae    ....  517 

Balaenoptera,  -idae    .  547 

Balantidtum  ....  9Ü 

Balkenschröter  .   .   .  mi 

Bandwürmer     .    .   .  155 ; 

Bankiva-Huhn  .    .  414 

Barbe   404.' 

Barbus  ......  401 

Baribal   539 

Barramunda  ....  102 

Barschfamilie    .   .    .  4M 

Bartenwale   ....  541 

Basomtnatophora   .    .  322 

Bastard   53 

Bauchseite    ....  43 

Baumläufer  ....  434 


Baumleguano 
Bdellostoma 
Becherzellen 
Befruchtung 
Bekkassine 
Beiern  nites    .    .  .334, 
Belinurus  . 
Belodon 
Belone  .  . 
Bergfink  . 
Berghanfling 
Bernhardinerkrebs 
Beroe   .  . 
Bettwanze 
Beuteldachse 
Beutehnarder 
Beutelratten,  -Gruppe 
Beutelthiere 
Beutelwolf 
Bezoarziege 
Biber    .  . 
Bienen  .  . 
Bienenfresser 
Bienenlaus 
Bi  cssfliegen 
Bilateral  . 
Bindegewebe 
Biologie 
Birkeuze  isig 
Bisamochse 
Bisamratte 
Bisamrüssler 
Bischir  .  . 
Bison    .  . 
Bithynia  . 
Bitterling  . 
Blasenquallen 
Blasenrobbe 
Bhisenschneckc 
Blastopbaga 
Blastula 
Blatta  .  . 
Blattfüssler 
Blatthornkäfer 
Blattkäfer  . 
Blattkrebse 
Blattlauslöwen 
Blattläuse  • 
Blattwespen 
Blauhai .  . 
Blaukehlchen 
Blaumeise 
Blaurake  . 
Blauwal 
Blindschleiche 
Blut  ... 
Blutgefäss,  -kürperchen 
Blutbänfling 
Boa  .   .  . 
Bockkäfer . 
Bodo    .  . 
Bohrassel  . 
Bohrmuschel 
Bohrschwamm 
Bombinator  . 


Helte  1 
440 
398 

a 

3Z 
420 
330 
202 
445 
404 
433 
483 
230 
124 
272 
521 
520 
520 
510 
520 
532 
554 
282 
485 
294 
203 

42  | 
9 

62, 
483 
532 
'in  5 
522 
401 1 
533 
310 
404 
119 
543 
320 
250 

45 
204 
202 
229 
281 
235 
275 
269 
284 
309 
482 
482 
4M5 
547 
440 

25 

25 
483 
442 
281 

im 

221 


331 
128 
424 


Bombus .    .  . 
Bombyx,  -cidac 
Bonellia    .  . 
Bopyrus,  -en 
Boreus  .    .  . 
Borkenkäfer  . 
Borste  .   .  . 
Borstenwürmer 
Bos  .   .   .  . 
Botaurus   .  . 
Bothriocephalus 
Bovinae 
Brachiella 
Brachiopoda,  -en 
Brachvogel 
Brachyura 
Bradypus,  -odidae 
Branchiobdella 
Branchipus  . 
Brandmaus 
Brassen 
Braula  . 
Braunfisch 
Bremen 
Bremsen 
Brevirostres  . 
Brillenschlange 
Brissopsis  .  . 
Brüllaffen  .  . 
Brutpflege .  . 
Bryozoa,  -en . 
Bubalus    .  . 
Bubo    .   .  . 
Buccinum  .  . 
Bucerotidae  . 
Buchdrucker 
Buchfink  .  . 
Buckelwal 
Bücberläuse  . 
Bücherscorpione 
Büffel   .  . 
Buflälo  .  . 
Bufo .   .  . 
Bulla    .  . 
Buntspechte 
Buprestes,  -idae 
Bussarde  .  . 
Buteo   .   .  . 
Butirinus  .  . 
Butzkopf  -  . 
Cachelot  .  . 
Caligus  .   .  . 
Camelopardalis 
Camolus,  -idae 
Campodea .  . 
Camptonotus 
Cancer  .    .  . 
Canis,  -idae  . 
Capella     .  . 
Capillaren 
Capra    .  . 
Caprella   .  . 
Caprimulgus  . 
Carabus,  -idae 
Carassius  .  . 


Seite 

287 
290 
183 
225 
275 
282 

13 
175 
533 
478 
159 
533 
211 
190 
479 
236 
549 
186 
202 
554 
404 
294 
548 
293 
293 
479 
443 
145 
558 

55 
187 
533 
481 
319 
485 
282 
483 
547 
288 
299 
533 
533 
424 
320 
486 
280 
480 
480 
391 
548 
549 
210 
531 
531 
288 
449 
237 
539 
532 

28 
632 
227 
485 
277 
403 


568 


Register. 


Carcharias 
Carcinus   .  . 
Carinaria  .  . 
Carnivora  .  . 
Caryopbyllaeus 
Castor  .   .  . 
Casuarius  .  . 
Cataphracti  . 
Catarrhinae  . 
CatbarteB  .  . 
Catoph  rag  mns 
Cavia    .   .  . 
Cavicornia 
Cebus   .   .  . 
Cecidomyia  . 
Centrales  Nervensystem 
Cephalopoda  . 
Cepon  .   .  . 
Cerambyx,  -cidae 
Ceratodus  .  . 
Cercolabes 
Cerconionas  . 
Cercopithecus 
Certhia .   .  . 


-idae 


Cervus, 

Cestoda    .  . 

Cestus  .   .  . 

Cetacea     .  . 

Cetonia  .  . 
Cbrysomelidae 

Chaetopoda  . 
Chamaeleo 
Cbamäleonen 
Charadrius,  -idae 

Chelifer    .  . 

Cbeloniae  .  . 

Chermes   .  . 

Chiloguatha  . 

Chilopoda  .  . 

Cbimaera  .  . 

Chimären  .  . 

Chiromys  .  . 
Cbiroptera 

Chiton  .   .  . 

Chitonen  .  . 
Choeropsis 

Choeropus .  . 
Chondracanthus 

Chondros  tei  . 

Chrysis  .   .  . 

Chrysopa  .  . 
Chrysochloris 

Cicada  .   .  . 

Cicadellidae  . 

Cicaden    .  . 

Cicindela  .  . 

Cicouia  .    .  . 

Cidaris  .   .  . 

Ciliata  .   .  . 

Cimex  .    .  . 

Ci  Ileitis  .     .  . 

Circus  .   .  . 

Cirripedia  .  . 
Cladobates 

Cladocera  .  . 


Seite  | 

3M  j  Clamatores 

aaa  cusse  .  . 

319  Cleodora  . 
536  Clepsine 
157  j  Clione  .  . 
554  \  Clupea,  -idae 
473  Clypeaster 
4Qfi  Clypeastrideu 
558  Cobitis  .  . 
481 '  Coccidae  . 
213 1  Coccidium 
556  Coccinellidoe 
532  Coccua  .  . 
55Ü  Cochenillelaus 
222  Coecilia  . 

lü  Coelenterata 
332  Cölenteraten 
225  Coelogenys 
281   Coenurus  . 


100 
558 
484 
531 


279 
281 
175 
440 
440 
479 
299 
444 


400 

400 
556 
523. 
309 
308 

Bffl 


402  Coleoptera 
555  Collocallia 
Colobus .  . 
Colonie 
Coluber 

Colabrina  innocua 
155  Colubrina  venenosa 
124  Columba,  -idae 
544  j  Columbaczer-Mücke 
Colymbus  . 
Comatula  . 
Conger  .  . 
Comrostres 
Conoteuthis 
Copepoda,  -en 
CopriB  .  . 
Coprophaga 
221 1  Coracias 
24Q  |  Corallium  . 
239. 1  Coregonus 
Coriutn  .  . 
Coronella  . 
Coronula  . 
Corviformes 
Corvus,  -idae 
Co  88  us   .  . 
Cottus  .  . 
521 1  Cutlirnix 
211 ;  Crabronidae 
loo  Crangon  . 
285  1  Crax,  -cidae 
225  Crevette  . 
522  Crex     .  . 
269  Cricetus 
269  Crinoidea  . 
Cristastella 
Crocidura  . 
Crocodilia  . 
Crocodilus 
Crossopus  . 
Crotalus,  -idae 
Cruatacea  . 
481)  |  Cryptobranchus 
212 :  Crypturidae 
522  Ctenophora 
203  Cuculus,  -idae 


MM 

277 
478 
115 

272 

482 


Seite 

484  Cucumaria 

6Q  Culex  .  .  . 
321  Cumacea,  -een 
1SS  Curculio,  -nidae 
321  Cuticula  .  . 
403  Cyamus  .  . 
145  Cyanea  .  .  . 
115  Cyclops .  .  . 
4M ,  Cyclopterus  . 

271  Cyclostoma  . 
101  I  Cyclostomi  . 
282  Cydippe    .  . 

272  Cygnua  .  .  . 
272  Cymothoa  .  . 
425  Cynailurus .  . 
103  Cynipidae  .  . 
üiü :  Cynocephalus 
555  Cynoidea  .  . 
158  Cynomorphae 
27Ü  Cypraea    .  . 

485  Cyprinus,  -iuidae 
669  Cypris  .    .  . 

33  Cypselus,  »idae 
442  Cysticercus 

442  Cystopbora  . 

443  Dachs  .  .  . 
485  Dactylopterus 
293  .  Daman  .  .  . 
47b  ;  Damhirsch 
138  Daphniden  . 
IUI  Darm  .  .  . 
483  Darmkanal 


334 
208 
280 
280 


Darmrespiration 
Darwinismus 
Dasypodidae  . 
Dasyprocta 


486  Dasyurus,  -idae 

Hl  Dattelmuschel 

403  Decapoda  (Krebse) 

13  Decapoda  (Tinten- 

442  fische)  .  . 
216  Del a niiuation 
483  Delphine  .  . 
483.  Delphinus  .  . 
290  Demodex  .  . 
406  Dendrophyllia 
474  Dentalium 
285  Dermanyssus 
2iül  Dermestes,  -idae 
474  Desman     .  . 
233  Desmodua  .  . 
479  Dexiobranchaea 
554  Diastylis   .  . 
135  Dibranchiata  . 
189  Dicotyles  .  . 
522  ;  Didelphyidae 
444  DidunculuB 
446  Didus   .   .  . 
522  Difflugia   .  . 

443  Dimorphismus 
122  Dinictis     .  . 
422  Dinoceras  .  . 
422 
123 


Dinornis   .  . 
Dinosauria,  -er 
485 .  Dinotherium  . 


Kette 

147 

292 
222 
281 
8 
228 
123 
210 
407 
319 
398 
124 
478 
224 
641 
284 
558 
539 
568 
312 
403 
208 
485 
158 
543 
540 
406 
523 
531 
203 
23 
22 
27 
61 
561 
555 
520 
331 

«B 

339 
49 
548 
548 
302 
113 
309 
301 
279 
522 
524 
321 
222 
339 
529 
620 
485 
486 
93 
57 
541 
535 
473 
449 
535 


Kl  by  Googk 


Register. 


569 


Seit« 

Diodon   407 

Diomedea   475 

Diplopoda   940 

Diplozoon   132 

Dipnoi   102 

Diprotodontia    .   .   .  521 

Diptera   2i»2 

Dipus    ......  514 

Diacophoru    ....  184 

Distal   43 

Distomeae  ....  153 
Distomum  .    .    .    153,  155 

Dochmius  .       ...  167 

Dogling   548 

Dohle   484 

Dompfafl'  .   ....  483 

Donacia   281 

Donnerkeile  ....  339 

Dörens   28G 

Doriden   32Q 

Doris   320 

Dornhai   329. 

Dorsch  ......  405 

Dotterhaut,  -kornchen  38 

Dottersack    ....  51 

Drachen   440 

Draco   440 

Dracanculus  ....  170. 

Drahtwürmer     .    .    .  280 

Dreiasena   331 

Dromaeus,  -idae    .   .  473 

Dromedar  .....  531 

Dronte   486 

Drossel   482 

Drosselvogel  ....  482 

Drüsen  ......  8 

Dschiggetai  ....  528 

Dünnschnäblige  Wat- 
vögel   4ZH 

Dugong   538 

Dunkeliauna  ....  86. 

Dytiscus   277 

Echeneis   407 

Echidna   518 

Echinococcus     .    .    .  158 

Echinodermata  .    .    .  128 

Ecbinoidea    ....  141 

Echinometra  ....  115 

Ecbinorbyochas .   .    .  172 

Echinus   146 

Echscnvögel  ....  4Z1 

Edeladler   48Q 

Edelhirsch     ....  531 

Edelkoralle    .    .    .    .  Iii 

Edelmarder    ....  54Q 

Edentata   549 

Egel   184 

Ei  34j  35 

Eichelheher  ....  484 

Eichhörnchen     .    .    .  554 

Eidechsen     ....  440 

Eiderente   477 

Eierlegend     ....  61 

Eierstock   »4 

Eihaut   38 


45 


Eileiter .   .  . 

Einsiedlerkrebse 

Eintagsfliegen 

Eisbär  .    .  . 

Eishai    .    .  . 

Eissturmvögel 

Eisvögel    .  . 

Ektoderm  .  . 

Ektoparasiten 

Elaps    .    .  . 

Elastisches  Gewebe 

Elater,  -idae  . 

Elenthier  .  . 

Elephanten  . 

Elephas    .  . 

Elpidia .    .  . 

Elster    .    .  . 

Elysia  .    .  . 

Einberixa  .  . 

Embryo    .  . 

Embryologie  . 
j  Emu's  .  .  . 
I  Emys,  -ydae  . 

Enchelyophis . 
!  Enddarm  .  . 
!  Endoparasiten 
I  Engraults  .  . 

Enhydra   .  . 

Enten,  -vögel 

Entenmuscheln 

Entoderm  .  . 

Entomostraca' 

Entomostrakeu 

Entoniscus 

Entonisken 

Entwicklungsgeschichte 
Epeira  .  . 
Ephemera  . 
Ephialtes  . 
Epibolische  Gastrula 
Epicrium  .    .  . 
Epidermis .   .  . 
Epithelien     .  . 
Eauus,  -idae  .  . 
Erblichkeit     .  . 
Erdferkel  .    .  . 
Erdkröte  .    .  . 
Erdleguane    .  . 
Erlenzeisig     .  . 
Erinaceus  .    .  . 
Erwachsen    .  . 

Esel  

Estheria    .   .  . 
Esox,  -cidae  .  . 
Eulen  (Vögel)  . 
Eulen  (Insekten) 
Euglypha  .  . 
Eulenpapagcieu 
Euphausia  . 
Euphausiacea 
Euplectella 
Eupteropoda 
Eurypterus 
Euspongia 
Eustrongylus 


Seite 
35 
235 
287 
589 
399 
475 
485 
,  60 

m 

113 
9 
280 
531 
533 
533 
112 
484 
320 
483 
52 
H 
113 
444 
405 
23 
HS 
403 
540 
477 
215 
45.  50 
202 
202 
225 
225 
44 
300 
2fi7 
181 
48 
425 
12 
8 
528 
,  8Q 
551 

421 
440 
183 
522 
73 
526 
203 
403 
4SI 
291 
93 
488 
221 

mi 

128 
321 
207 
128 
167 


40 


Excretionsorgane 

Exocoetus  .    .  . 

Fadenwürmer 

Falco,  «nidae 

Falken  .... 

Faltenwespen 

Familie     .   .  . 

Fa  n  g  beuschrecken 

Fasan,  -familie  . 

Fasangruppe  .  . 

Faulaflen  .    .  . 

Faulthiere     .  . 

Federkoralle  .  . 

Feldhase    .    .  . 

Feld  beuschrecken 

Feldlerche    .  . 

Feldmäuse  .  . 
j  Feldsperling  .  . 

Felds  pitzmaus  . 

Felis,  -idae   .  . 

Felsentaube  .  . 

Festsitzende  Thiere 

Fettzellen,  -gewebe 

Feuermolch 

Feuerwalzen 

Fiber  . 

Fierasfer  . 

Filaria  .  . 

Filzlaus 

Finken  .  . 

Finnwal  . 

Fische   .  . 

Fischegol  . 

Fischotter  . 

Fischreiher 

Fischsaurier 

Flagellaten 

Flamingo's 

Fledermäuse 

Fleischlliege 

Fliegende  Eichhörn 
eben  

Fliegende  Fische  . 

Fliegender  Hund  . 

Fliegenschnäpper  . 

Flohe  

Flohkrebse    .    .  . 

Flossenfüssler  (Sehne 
cken)  .... 

Flossenfüssler  (Bob- 
ben) .... 

Flugbeutler    .  . 

Flugeidechsen  . 

Flughabn  .    .  . 

Flugsaurier   .  . 

Flunder     .    .  . 

Flussadler  .    .  . 

Flussbarsch    .  . 

Flusskrebs     .  . 

Flussmuscbeln  . 

Fl  ussperlmuschel 

Flusspferd .    .  . 

Flussschildkröten 

Fötus  .... 

Forelle  .... 


570 


Register. 


Mta 

Forficula   263 

Formica   28Ü 

Formicariae  ....  285 

Fortpflanzung   ...  821 

Fossilien   fiö  | 

Fregattvogel  ....  476 

Frettchen   6411 

Fringilla   483 

Frösche   424 

Froschlurche ....  423 

Frucht   52 

Fuchs   53a 

Fuchsafleu    ....  556. 

Fulica   422 

Fuligulinac   ....  422 

Fulmarus   475 

Furchung,  -shühle  .    .  44 

Furchenwale  ....  547  | 

4J  ad  idae   404  \ 

Gadus   405 

Ganse   478 

Galeopithecus    .    .    .  523 

Gallertgewebe    ...  Ü 

Gallinula   4IÜ 

Gallmilben    ....  MB 

Gallmücken  ....  292 

Gallwespen   ....  284 

Gallus   424 

Guma8us   301 

Gammarus    ....  227 

Gangesdelphin  .    .    .  540 

Ganglien   15 

Ganglienzellen  ...  U 

Ganoidei   IM 

Ganoiden   40ü , 

Garneelen   282 

Garrulus   184 

Gartenammer    .   .   .  488 ; 

Gartenschläfer  .   .   .  554 

Gartenschnecken    .    .  822 

Gasterosteus,  idae  .    .  4jQü  j 

Gustropoda   ....  809 | 

Gastrula   45 

Gastrus   2M 

Gattung   59 

Gaviale   445  j 

Gebärmutter  ....  85 . 

Geburt   52 

Geburtshelferkröte .   .  424  | 

Geckonen   441 

Gefüsssystem ....  25 

Gehörorgane ,  -blasen  17 

Geier   481 

Geiervogel     ....  426 

Geisselzellen  ....  2 

Gemse   532 

Generationswechsel    .  88 

Geocores   272 

Geographische  Ver- 
breitung       ...  27 
Geologische  Entwick- 
lung   22 

Geometridae  ....  ülil 

Geoplana   151 

Geotrupes   280 


Seit« 

Gepard   541 

Gephyrea,  -een  .   .   .  188 

Geradflügler  ....  268 

Geruchsorgane  ...  12 

Geschlechtsdrüsen  .    .  85 

Geschlechtsorgane  .  .  85 
Geschmacksorgane. 

•knospen    ....  17 

Gespenstheuschrecken  265 

Gewebe   6 

Gibbone   559 

Giftnattern    ....  448 

Gimpel   488 

Giraffe   581 

Girlitz   483 

Glasflügler  .  .  .  .  S8Q 
Glaskörper         19,  20,  22 

Glasschwämme  .   .   .  126 

Glattbutt   405 

Glattwale   547 

Glaucidium   ....  481 

Gletschergast    ...  215 

Glieder   42 1 

Gliederfüssler    .   .  192 

Gliederkoralle   .   .    .  111 

Gliederspinnen  .    .    .  298 

Gliederwürmer  .   .   .  128 

GHedmaassen    ...  43 

Globigerina  ....  94 

Globiocepbalus  .    .    .  548 

Glockenthierchon  .    .  92 

Glomeris    .....  241 

Glyptodonten    .    .    .  551 

Gnathobdellidae    .   .  185 

Gobio   4U4 

Gobius   407 

Goldammer   ....  483 

Goldfisch   408 

Goldhähnchen    .   .   .  482 

Goldhasen     ....  555 

Goldmaulwürfe  .   .   .  522 

Goldregenpfeifer   .   .  479 

Goldwespen  ....  285 

Gorgonia  .....  110 

Grabwespen  ....  285 

Graculus   476 

Grallatorcs    ....  428 

Granat   233 

Grasmücken  ....  482 

Grasfrösche  ....  424 

Grauammer  ....  483 

Graugans  .   .   .   .   .  478 

Gregarineu,  -inida.    .  10Q 

Grindwal   548 

Grislibär   589 

Grönlandswal    .    .   .  548 

Groppe   406 

Grossfledermäuse  .   .  522 
Grossfusshühner    .   •  474 
Grossschmetterlinse  .  290 
Grossschnäblige  Wat- 
vögel   478 

Grubenottern     .   .   .  443 

Gründling   404 

Grünfink   488 


Grünspecht 
Grus,  -idae 
Gryllidac  . 
Gryllotalpa 
Gryllus  .  . 
Gürteltbiere 
Guinea- Wurm 
Gulo.   .   .  . 
Gymnophiona 
Gymnothorax 
Gymnotus  . 
Gypogeranus 
Gyrinus 
Gypaetus  . 
Haar    .  . 
Haarbalginilbe 
HaarquaTle 
Haarsterne 
Habichte  . 
Haematopus 
Hämoglobin 
Haemopis  . 
Hänflinge  . 
Häutung  . 
Haftkiefer . 
Haidelcrche 
Haie     .  . 
1  lakcngimpel 
Halbaffen  . 
Halbbaren . 
Halbhufer  . 
Hsliactus  . 
Halichoerus 
Halicore 
Haliterium 
Halmaturus 
Halobates  . 
Hammerhaie 
Hamster 
Hapale  .  . 
Harn    .  . 
Harnorgane 
Haselhuhn 
Haselmaus 
Hasengattung,  -familie 
Haubenlerche 
Hausbiene  . 
Hausen  .  . 
Hausente  . 
Hausgans  . 
Haushuhn  . 
Haushund  . 
Hauskatze 
Hausmaus 
Hausratte  . 
Hausrind  . 
Hausschaf 
Hausschwalbe 
Hausschwein 
Haussperling 
Hausspinne 
Hausspitzmaus 
Hausziege  . 
Haut     .  . 
Hautbreme 


AM 
47'.* 
2*4 


264 

551 
170 
540 
425 
4  H4 
JIM 
48«  > 
278 
4*1 
18 
BM 
123 
138 
480 

479 
30 
183 
483 
13 
407 
484 
390 
4K.4 
335 

333 


543 
536 


272 

aaa 

554 
HM 
32 
31 
473 
554 
533 
484 
2H7 
4«)  1 
477 
47K 
47A 

539 
541 

554 
554 


532 
48J 
52H 
483 
MB 

522 
532 

12 
294 


by  Google 


Register. 


571 


Seit« 

Hautflügler   ....  282 

llautmuskelschlauch  .  14 

Hautrespiration ...  2Z 

Hautakelet    ....  14 

Hecht,  -familie  ...  403 

Hectocotylus ....  387 

Heerschnepfe    .   .   .  479 

Heilbutt   m. 

Heliozoa   9g 

Helix   322 

Hemeroharpages    .    .  480 

Hemiptera    .  .   .   .  26Ü 

Hering,  -sfamilie   .   .  403 

Hermaphroditen    .   .  M 

Hermelin   540 

Herodii   478 

Herpes  tes   540 

Herpyllobius  ....  211 

Herz,  -kammer  ...  2fi 

Herzigel   115 

Hesperornia  ....  472 

Heterodera    ....  171 

Heterogonie  ....  39 

Heteropoda   ....  319 

Heteroptera  ....  272 

Heuachrecken    .   .   .  264 

Heuschreckenkrebse  .  237. 

Hexamita   100 

Hexactinellidae  .    .    .  L2H 

Hinterkiemer     .   .   .  320 

Hipparion   526 

Hippobosca,  -idae  .    .  294 

Hippocampus    .    .    .  408 

Hippoglosus  ....  405 

ilippopotamus,  -idae  .  529. 

Hirsche   531 

Hirschkäfer  ....  280 

Hirtenvogel  ....  483 

Hirudo   186 

Hirundo   484 

Hirscheber    ....  52£ 

Hoden   35 

Höckerschwan   .   .   .  478 

Höhlenbär   538 

Hörsteinchen ....  18 

Hohlhörner  ....  522 

Hohltaube   486 

Hokkos    "   114 

Holocephala  ....  4O0  j 

Holostei   401  | 

Holut  hur  in     ....  141 

Holuthurioidea  .   .    .  145 

Holzbohrer    ....  290 

Holzwespen  ....  284 

Homarus   224 

Homo   661 

Homologie    ....  £2 

Homoptera    ....  2til> 

Honigbiene    ....  287 

Hornbach   404 

Hornkoralle  ....  110 ! 

Hühnerhabicht  .   .   .  48<  \ 

Hühnervögel ....  473 

Hufeisennasen    .    .    .  624 

Huftbierc   624 


en 


Hummeln  . 
Hummer  . 
Hundefamilie 
HundsaiTen 
Hundshai  . 
Hvaena,  -idae 
Hyänen  . 
Hybrid  .  . 
Hydra  .  . 
Hydracbna 
Hydrochoerua 
Hydrocores 
Hydromedusae, 
Hydrometra 
ilydrophis . 
Hydrozoa  . 
Hyla.    .  . 
Hylesinus  . 
Hylobntes  . 
Hymenoptera 
Hyperia,  -inen 
Hyperoodon  . 
Hypodernia  . 
Hypsiprymnus 
Hyrax  .    .  . 
Hystricomorpha 
Hystrix,  -cidae 
Jagdfalk  .  . 
Jaguar  .    .  . 
Ibis  .... 
Ichneumonidae 
Ichthyornis  . 
Ichthyosauria 
Icticyon    .  . 
Idothea.   .  . 
Igel  .... 
Ige  Iiis  che  .  . 
Iguanidae  .  . 
Iguanodon 
Iltis  .... 
Impennea  .  . 
Indisch»!  Region 
Infusionsthierchen 
Infusoria  .   .  . 
Inger  .... 
Insecta  .... 
Insectivora    .  . 
Insekten    .    .  . 
Insektenfresser  . 
Intercellularsubstanz 
Inuus  .... 
Johanniswürmchen 

Isis  

Isopoda,  -en  .  . 
Jugendstadium  . 
Julus  .... 
Junges  .... 
Ixodes  .... 

Iynx  

Kabeljau  .  .  . 
Käfer  .... 
Käfermilbe  .  . 
Känguru's,  -Grupp< 
Käser!  iege .  .  . 
Käsemilbe . 


HeiU 
287 

251 
539 
558 
399 
5  10 
54H 
58 
119 
3iH 
oM 
273 
115 
212 

443 
Iii 
121 
282 
559 
283 
227 
549 
294 
521 
523 
555 
555 
4H0 
540 
479 
285 
172 
446 
539 
221 
522 
407 
440 
450 
540 

m 

TL 
97 

an« 

242 

521 
212 
521 
9 

558 

280 

LLL 
223 
Z3 
241 

52 
301 

189 

405 
276 
301 
521 
293 

m 


Kaguang  .   .  . 

Kaimane    .    .  . 

Kaiseradler   .  . 

Kakadu's  .   .  . 

Kakerlaken  .  . 

Kalkröhren  würmer 

Kalmar .... 

Kameel .... 

Kammmuscheln  . 

Kampfläufer  .  . 

Kanarienvogel 

Kaninchen .   .  . 

Karausche .   .  . 

Karpfen,  -familie 

Kasuare,  -familie 

Katzenfamilie 

Kaulbarsch 

Kaumagen.  . 

Kcgelschnäbler 

Keimblatt  .  . 

Keimbläschen 

Keimfleck  .  . 

Kermes-Schildlaus 

Kern     .    .  . 

Kernbeiaser  . 

Kernkörperchen 

Kiebitz  .   .  . 

Kieferegel .  . 

Kiefernspinner 

Kielfussler.  . 

Kiemen .  . 

Kiemenmolche 

Kiwi's  .   .  . 

Klaflmuschel . 

Klamraerafleu 

Klappenasseln 

Klapperschlangen 

Klappmütze  . 

Kleiber  .   .  . 

Kleiderlaus 

Kleidermotte  . 

Kleinflederm  äuse 

Klei  nsch  metterl  i  n  ge 

Kletterbeutler 

Kletterfische  . 

Klettervögel  . 

Kliesche    .  . 

Klippschliefer 

Kloakenthiere 
I  Klumpfische  . 
!  Knäckente 
j  Knoblauchskröte 
I  Knochenfische 

Knochenganoiden 
I  Knochengewebe 
'  Knochen becht 
1  Knorpelegel  . 
{  Knorpelganoiden 

Knorpelgewebe 

Knospung  .  . 

Knurrhahn 
I  Koala   .    .  . 
'  Koboldmaki  . 
|  Köcherfliegen 
1  Königsfischer . 


Seit« 

623 
445 
480 
486 
264 
182 
339 
531 
330 
479 

483 
551 
403 
403 
473 
540 
405 
22 
483 

46,  BD 
35 
M 
KB 
3.  5 

483 
3,  5 
479 
185 
290 
319 
28 
422 
473 
331 
558 
221 
143 
543 
484 
273 
290 
524 
289 
521 
405 
486 
405 
523 
517 
407 
477 
424 
403 
401 
10 
401 
186 
400 
9 
32 
406 
521 
556 
275 
485 


Digitized  by  Google 


572 


Register. 


Königsgeier  . 
Koffer  Ii  sehe 
Kohlmeise  .  . 
Kohlraupen  . 
Kohlweißlinge 
Kolibris    .  . 
Kondor .    .  . 
Kopf.    .    .  . 
Kopflaus  .  . 
Korallenottcrn 
Korallenriffe  . 
Korallenthiere 
Kormoran  .  . 
Krabben    .  . 
Krätzmilben  . 
Krallenaffen  . 
Kraniche  .  . 
Kratzer .   .  . 
Krebsspinnen. 
Krebstniere 
Kreis    .   .  • 
Kreislauf  .  . 
K  re  is  m  u  ndsch  necke 
Kreuzchnabel 
Kreuzkröte 
Kreuzotter 
Kreuzspinne  . 
Krickente  .  . 
Kriebelmücken 
Kriechthiere  . 
Kröten  .   .  . 
Krötenfrösche 
Krokodile  .  . 
Kropfstörchc  . 
Kuguar .   .  . 
Kukuke .   .  . 
Kukuksbienen 
Ku  an    .    .  . 
Kusu'*  .   .  . 
Kurzflügler 
Kurzschnäblige 
vögel  .    .  . 
Labrus  .    .  . 
Labyrinthodonten 
Lacerta .    .  . 
Ibachs,  -Familie 
Lachtaube .  . 
Lack-Schildlaus 
Lagopus    .  . 
1  Lämmergeier . 
Läuse    .   .  . 
Lagomys  .  . 
Lamas .   .  . 
Lamellicornia 
Lamellirostrea 
Lampreten 
Lampyris  .  . 
Landasseln  . 
Landsalamander 
Landschildkröten 
Landthiere    .  . 
Landwanzen  .  . 
Langöhrige  Fledermaus 
Langusten .  , 
Lantus,  -adae 


Wat- 


8elte 

m 

407 

482 
231 

ttl 


Lanzett&sohe. 
Lappentaucher 
Lappenquallen 
LaruB    .  . 
,  Larve   .  . 
485  |  Larvenorgane 
4fll  Laubfrösche 

LA  Laubheuschrecken 
273  Laubsänger 
in  Laufkäfer  . 
113  |  Laufmilben 
107  |  Laus  fliegen 
47b'  Lautorgane 
236  Lebendiggebärend 
301  Lebensdauer 
558 1  Leber  .  . 
479  I  Leberegel  . 
171 1  Lecanium  . 
303  Lederhaut . 
197  Lederkoralle 
ÖÖ  Leguane 
25  Leibeshohle 
319  Leisten  molch 
488  Lemming  . 
424  Lemur  .  . 

443  Leopard  . 
30Q  Lepadidae . 

477  j  Lepas    .  . 
238  Lepidoptera 
42H  Lepidosiren 
424 I  Lepidosteus 
424  Lepisma 
444 !  Leporidae  . 

478  Leptocardii 
541  j  Leptoptilus 
4M  Lepus  .  . 
288  Lerchen  . 
526 ;  Lerohenfalk 
521  Lernaea 

278  Leetris  .  . 
I  Leuchtkäfer 

479  Leuchtorgane 
405  Leuchtkrebse 
423  Leuciscus  .  . 
440  Leucochloridium 
103 ;  Libellen  . 
485  Libellula  . 
272 !  Libellulidae 
414  Ligula  .  . 
4SI  Limacina  . 
27_ä  Limapontia 
554  Limnadia  . 
521  Limnaeus  . 

279  Limnoria  . 
477  I  Limosa  .  . 
398  ;  Limulus 
28Q  Linens  .  . 
224  Lingula .  . 
421  Linse    .  . 

444  Lippenbär . 
62  Lippfische  . 

272  Lithodomus 
524  j  Litholhrya 
235  j  Littorina  . 
482  Locusta  . 


Helte 
369 
476 
121 
475 
52 
53 
421 

264 
482 
277 
301 
291 


31 
ÖL  55 

24 
153 
222 
13 
UQ 

440 
411 
421 
555 
553 
541 
215 
215 
288 
•IM 
401 
268 
553 
369 
478 
553 
4ÖJ 
480 
212 
425 
280 
81 
220 
UM 

154 
266 
237 
266 
158 
321 
320 
203 
322 
221 
479 
205 
132 
131 
19,  2ü 
539 
405 
331 
215 

m 

264 


Löffelente 
Löflelreiher 
Löffelstöre 
Löilelstorch 
Löwe    .  . 
Loligo  .  . 
Ijongipennes  (Möwen 
Longipennes  (Schwal 

ben)  .... 
Lophius     .    .  . 
Lophogastriden  . 
Loricaria  ,   .  . 
Lori's  (Papageien) 
Lori's  (Halbaffen) 
LüLa  .  . 
Loxia 


Lucanus 
Luchs  . 
Lucioperca 
Lumbricua 
Lummen 
Lump  . 
Luna  . 
Lungen . 
Lungenfische 
Lungenschnecken 
Lurche  . 
Luscinia 
Lutra  . 

Lympbgefasssystem 
Lynx    .  . 
Lytta    .  . 
HI  achaerodus 
Machetes  . 
Macrolepidoptera 
Macroscelides 
Macropodidae 
Madreporaria 
Männchen  .  . 
Mäusegattung,  -familie 
Magen  .   .  . 
Magenbremen 
Maifisch    .  . 
Maikäfer  .  . 
Maltis  .   .  . 
Makrel,  -enfamilie 
Makrelenhechte 
Malacodertnata 
Malacostraca . 
Malakostraken 
Malapterurns 
Mallophaga 
Maminalia . 
Mammut  Ii  . 
Manati  .  . 
Manatus 
Manis    .  . 
Mantelthiere 
Mantis  .  . 
Marabus  . 
Maränen 
Marder  .  . 
Marderfamilie 
Margaritana  . 
Manenkäferchen 


Seit« 
477 
HI» 
401 
113 
54Q 
.\i39 
115 

4M 
407 
BM 
4ül 


55H 
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28Q 
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478 

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322 
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482 
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541 
281 
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522 
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536 
551 
551 
265 
418 
403 
540 
533 
331 


Reiter.  573 


Markscheide  . 
Marsupialia  . 
Mastodon  .  . 
Mauereidechse 
Mauerläufer  . 
Mauersegler  . 
Maulwürfe 
Medina-Wurm 
Medusenkdpfe 
Meeraal    .  . 
Meerengel 
Meeresthiere  . 
Meergrundeln 
Meerkatzen  . 
Meerschwein  . 
Meerschweinchen 

Meerwanzen  . 

Meerzähne 

Megachiroptern 

Megapodius  . 

Megaptera 

Megatherium,  -idae 

Mehlkäfer  .  . 

Mehlmilbe 

Meisen  .   .  . 

Meleagrina 

Meleagris  .  . 

Meies    .   .  . 

Meloe   .   .  . 

Melolontha 

Melophagus  . 

Membranipora 

Menobramhus 

Menopoma 

Menschen  .  . 

Menschenaffen 

Mephitis   .  . 

Mergus,  -inae 

Mertnis .    .  . 

Merops  .    .  . 

Mesoderm  .  . 

Metamer  .  . 

Metamorphose 

Metazoen  .  . 

Microchiroptera 

Microlepidoptera 


Miescber'scher  Schlauch  1Ü2 


Miesmuschel  . 
Mikropyle .  . 
Milan  .  .  . 
Milben  .  .  . 
Millepora,  -en 

Milvu.s    .    .  . 

Missbildungen 
Mistkäfer  .  . 
Mitteldarm 
Mittelschnepfe 
Moa  -Vögel  . 
Möwen,  -gruppe 
Mola     .   .  . 
Mollusca  .  . 
Monadinen 
Mondfische 
Monodon  .  . 
Monotremata  . 


Seite  I 

ist 

519 
535 
410 
484 

ma 

170 
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404 

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63 
407 
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548 
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212 

MM 

523 
474 
547 

550 
281 

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559 
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173 
475 
407 
3'  >5 
100 
407 
549 
511 


Monstrositäten 
Moorschnepfe 
Moosthierchen 
Mormon  . 
Morosaurus 
Morphologie 
Moschus 
Moschusochse 
Moschusthier 
Mosqtiitos 
Motacilla 
Motten  . 
Mücken . 
Muflon  . 
Mund 

Munddarm,  - 
Muräne .  . 
Muraenidae 
Muridae  .  . 
Murmelthiere 
Mus  .... 
Musca  .   .  . 
Müschede  rebse 
Muscheln  .  . 
Muscicapidae 
Muscidae  .  . 
Muskelgewebe 
Muskelsystem 
Maskelzellen,  -fasern 
Mustela     .  . 
Mustelidae 
Mya  .   .   .  . 
Mycetes    .  . 
Mygale .    .  . 
Mylodon   .  . 
Myodes .   .  . 
Myogale    .  . 
Myopsidae 
Myoxua,  -idae 
Myriopoda 
Myrmecobius . 
Mvrmekophilen 
Myrraeleon  . 
Myrmica   .  . 
Mysidacen .  . 
Mysiden    .  . 
Mysis    .   .  . 
Mystacoceti  . 
Mytilus .   .  . 
Myxine  .   .  . 
Xabelschweine 
Nacht-Eulen  . 
Nachtigall .  . 
Nachtreiher  . 
Nachtschwalbe 
Nagekäfer 
Naget  hier  e 
Nahrungsdotter 
Naja .... 
Nais,  -iden 
Nandu's    .  . 
Napfschnecken 
Narwal .    .  . 
Nasenaffe  .  . 
Nasenbären  . 


312, 


Seit« 

479 
181 
416 
449 
62 
532 
512 
532 
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554 
554 
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554 
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286 
274 
286 
221 
221 
222 
547 
330 
398 
529 
181 
482 
478 
485 
282 
551 
48 
413 
183. 
473 
319 
549 
559 
532 


ahl 


zellen 


19 


Nasenbreme 
Nashörner .  . 
Nashornkäfer 
Nashornvögel 
Nasua  .  .  . 
Natantia  .  . 
Natatores  .  . 
Natter,  glatte 
Natürliche  Ausw 
Nautilus 

Nearktische  Region 
Nebalia .   .  . 
Nebelkrähe 
Necroharpages 
Necrophorus  . 
Nemathelminthes 
Nematoden 
Nemertinen 
Nemocera  . 
Neophron  . 
Neotropische  Kegion 
Nepa    .   .  . 
Nereis,  -iden . 
Nerophis   .  . 
Nerven  .   .  . 
Nervenfasern . 
Nervengewebe, 
Nervensystem 
Nesselfalter  . 
Netzflügler 
Netzhaut  .  . 
Netzknorpel  . 
Neunaugen  . 
Neurilemm:!  . 
Neuroptera  . 
Nieren  . 
Nilpferd 
Niphargus 
Noctuidae 
Nörz .  . 
Nogagus 
Nonne  . 
Non-Ruminantia 
Nordkaper 
Notonecta  .  . 
Nucifraga  .  . 
Nudibranchiata 
Numenius  .  . 
Numida    .  . 
Nyctale .  .  . 
Nyctea  .   .  . 
Nyctharpages 
Nycticorax 
Nymphon  .  . 
Oberhaut  .  . 
Octactinia  .  . 
Octopoda  .  . 
Octopus    .  . 
Odinshennen  . 
Odobaenus 
Odontoceti 
Odontornithes 
Oegopsidae  . 
Oelkäfer    .  . 
Üestridae  .  . 


333,  338 
77 
219 
483 
481 
279 
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213 

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221 
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211 
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181 
320 
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474 
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481 
478 
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12 
109 
339 
339 
480 
543 
548 
479 
335 
2til 
293 


574 


Register. 


s«it«  I 

Oestrus   224 ! 

Ohrenqualle  ....  123 

ohrrobben   543 

Ohrwürmer    ....  26~> 

Oligochaeta   .   .   .   .  182 

Olm   422  | 

Ommatostrepbes    .    .  334 

Oniscus   224 , 

Ontogenie   Ii 

Ophidia   441 

Ophidiidae    ....  405 

Opbiura   141 

Opbiurida   140 

OpUthobranehiata  .    .  320 

Orang-Utan  ....  559 

Orca   548  ; 

Ordnung   60 

Orgelkoralle  .   .    .   .  110 

Onolas   483 

Ornitborhynchus    .    .  618 

Orthagoriscus    .    .    .  407  > 

Orthoceras    ....  333 1 

Ortboptera    ....  233 

Orycteropus  ....  661  i 

Oryetes   222 

Oscines   482 ! 

Ostaffen   553 

Oatgeier   431 ; 

Ostracion   407 

Ostracoda   207 

Östren   33Q I 

Otarüdae   543 

Otis,  -ididae  .   ...  479 

Otocoria   484 

Otocyon   539 

Otolithen   IS 

Ottern   540 

Otus   431 

Ovarium   34 

Ovibos   532 

Ovipar  ......  51 

Ovipare  Säugetbiere  .  517 

Ovis   532 

Oxyuria   137 

Paarzeher    ....  627 

PachytyluB    ....  234 

Pagurus   236 

Paka   555 

Paläarktische   Hegion  27 

Palaemon   233 

Paläontologie    ...  31 

Palaeothenuiu   .   .   .  525 

Palinurus   235 

Paludina   312! 

Pandion   430 

Panorpa   225J 

Panther  Ol 

Panzerwanzen   .    .    .  408 

Panzerwelse  ....  404 

Papageien    ....  4M  \ 

Papagei  fische    .   .   .  405 ! 

Papageitaueber  .    .    .  473 

Papihonidae  ....  221 

Paradiesvögel    .   .    .  434 

Paradiseidae  ....  484 ! 


312, 


Paramaecium 
Parasiten  .  . 
Parmacella  . 
P  artbenogenesis 
Partielle  Furcbung 
Parus,  -idae 
Pastor  .  . 
Patella  .  . 
Paviane 
Pavo.  -nidae 
Pecten  .  . 
Pediculati  . 
Pediculus,  -idae 
Peitacbenwurm  . 
Pekari's    .    .  . 
Pelugische  Fauna 
Pelargi  .... 
Pelecanus  .    .  . 
Pelikane   .    .  . 
Pelikansfuss  .  . 
Pelobates,  -idae 
Peltogaster    .  . 
Pelzfresser    .  . 
Pelzmotte  .    .  . 
Pemphigus    .  . 
Penaeus    .    .  . 
Penella  .... 
Penis  .... 
Pennatula  .   .  . 
Pentacrinus   .  . 
Pentastomen  .  . 
Pentastomum 
Perameles  .   .  . 
Perca,  .idae  .  . 
Perdiz,  -cidae  . 
Perennibranchiata 
Peripatus  .    .  . 
Peripherisches  Nerven 

system   .   .  . 
Periplaneta  .  . 
Periasodactyla 
Perlenaugen  .  . 
Perlhuhn  .    .  . 
Perlmuschel  .  . 
Peropoda  .    .  . 
Petaurus   .    .  . 
Petermänneben  . 
Petromyzon  .  . 
Pfahlwurm    .  . 
Pfau,  -familie 
Pfeflerfreaser 
Pfeifhasen     .  . 
Pferde,  -familie 
Pferdeegel     .  . 
Pflasterkäfer 
Pfriemenschwanz 
Phacochoerus 
Pbalangiidae .  . 
Pbalangista,  -idae 
Phalaropus    .  . 
Pharaosratte  .  . 
Pbascolarctos 
Pbascolomys  .  . 
Phasianomornhae 
Phaaianus,  -idae 


48 


Seite 

22 
38 

38 
42 
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483 

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234 
211 
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302 
302 
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405 
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265 
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474 
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299 

521 
480 
540 
521 
52J 
474 
474 


Pbasmidae 
Phoca,  -idae  . 
Phocaena  .  . 
Pboenicopterus 
Pholas  .   .  . 
Phryganea 
Phthiriua  .  . 
Pbyllium  .  . 
PhjUopoda 
Phylloaoma  . 

Phylloxera 

Pbysalia   .  . 
Physiologie 

Pbysophora  . 
Physostomi, 
Pbytoptua 
Pica  .... 
Picus,  -idae 

Pieper  .   .  . 

Pieris    .    .  . 

Pigment  .  . 
Pigmentzellen 

Pifidium    .  , 

Pinguine   .  . 

Pinicola    .  . 


en 


Pinnipedia 
Piophila 
Pipa.    .  . 
Pirol     .  . 
Pisces    .  . 
Piscicola 
Pithecus 
Placentale  Säugethi 
Placophora 
Planaria    .  . 
Planorbis  .  . 
Platalea    .  . 
Platanista 
Plathelminthes 
Plattfische  . 
Plattwürmer  . 
Platyrrhinae  . 
Plecotus    .  . 
Plectognathi  . 
Plesiosauria  . 
Pleuronectes, 
Plictolophinae 
Podiceps    .  , 
Podura  .   .  . 
Polarfuchs 
Polarwal   .  . 
Polyactinia 
Polychaeta  . 
Polydesmus  . 
Polymorphismus 
Polynoe,  -idae 
Polyprotodontia 
Polypterus 
Polystomeae  . 
Polystomum  . 
Pompilidae 
Pontobdella  . 
Porcus  .   .  . 
Porifera    .  . 
Porospora  .  . 


idae 


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Seit« 
265 
543 
648 
478 
331 
276 
273 

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236 
270 
121 
62 
121 
403 
302 
484 
486 
482 
291 
32 
10 
161 
476 
483 
541 
293 
424 
483 
371 
186 
569 
512 
308 
151 
323 
479 
549 
148 
405 
148 
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524 
407 
446 
406 
488 
476 

539 
548 
111 
180 
240 
67 
181 
620 
401 
162 
152 
286 
186 
529 
134 
101 


Dir 


oogle 


Register. 


575 


4, 


Porpita  .  . 
Port umon  .  . 
Porzellanschnecken 
Pottwal  .  . 
Prachtkäfer  . 
Primaten,  -es 

Frist  ifl    .    .  . 

Proboscidea  . 
Procellaria 
Procyon,  -idae 
Proechidna 
Prosimiae  .  . 
Prosobranchier 
Proteles  . 
Proteus     .  . 
Protoplasma  . 
Protopterus 
Protozoen  .  . 

Proximal  .  . 

Pseudis  .    .  . 

Pseudopodien 

Pseudoscorpionidae 

Psittacidae,  -inae 

Psocus  .... 

Psolus  .... 

Psyche  .... 

Pterodactylua 

Pteromys  .   .  . 

Pteropoda     .  . 

Pteropus   .   .  . 

Pterosauria    .  . 

Pterota     .   .  . 

Polex  .... 

Pulmonata    .  . 

Puma  .... 

Pycnogonuni,  -idae 

Pygopodes     .  . 

Pyrosoma  .    .  . 

Python  ... 

Quallenpolypen 

Quappe     .    .  , 

Qu  er  der     .  . 

Rabe,  -nfamüie 

Kabengeier 

Rabenkrahe  . 

Rabenvögel  . 

Radiär  .    .  . 

Radiolaria,  -en 

Räderthiere  .  . 

Raja.  ... 

Rajida  .... 

Rainey 'scher  Schlauch 

Rallus,  -idae  .  , 

Rana  .... 

Rankenfüssler  . 

Rapaces    .   .  . 

Rasores     .   .  . 

Kasse  .... 

Ratitae     .   .  . 

Raubmöven   .  . 

Raubthiere    .  . 

Raubvögel    .  . 

Rauchschwalbe  . 

Raupenfliegen  . 

Rebhuhn,  -familie 


Seite 

121 

225 

549 

UQ 

556 
4QQ 
533 
475 

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399 
102 
479 
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212 
480 
473 
57 
412 
475 
536 
4hü 
484 
293 
474 


Reblaus     .  . 
Receptaculum  aeminis 
Recurvirostra 
Regeneration 
Regenpfeifer 
Regenwürmer 
Regulas     .  . 
Reh  .... 
Reiher  .    .  . 
Renken     .  . 
Renthier   .  . 
Reptantia  .  . 
Reptilia    .  . 
Respiration*  . 
Retina  .   .  . 
Rhamphastidae 
Rhamphorhynchus 
Rbamphostoma 
Rhea     .    .  . 
Rhinoceros 
Rhinolophus  . 
Rhipidigorgia 
Rhizocephala 
Rhizocrinus  . 
Rhizopoda,  -en 
Rhodeus    .  . 
Rhombus  .  . 
Rbynchobdellidae 
Rbynchocoela 
Rhynchota 
Rhytina    .  . 
Riesenalk  .  . 
r  iesenf a  u  1  tb  iere 
Riesenhai  .  . 
Riesenhirach  . 
Riesensalamander 
Riesenschlangen 
Riesentintennsche 
Rinder  .   .  . 
Ringdrossel  . 
Ringelechsen  . 
Ringelnatter  . 
Ringelrobbe  . 
Ringeltaube  . 
Rippenquallen 
Robben     .  . 
Rochen     .  . 
Rochenegel  . 
Rodentia   .  . 
Röthelmaus 
Rohrammer  . 
Rohrdommel 
Rohrkäfer .  . 
Rohrrüssler  . 
Rohrsänger  . 
Rollaflen  .  . 
Rosenkäfer  . 
Rosskäfer  .  . 
Rotalia     .  . 
Rotatoria  .  . 
Rothkehlchen 
Rothschwänze 
Ruderfüssler  . 
Ruderschnecken 
Rudimentare  Organe 


Seite  | 
27Q 
35 
180 

33. 

479 
182 
482 
531 
478 
4i)3 
532 

233 
426 
27 
19 
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411 
445 
473 
525 
324 

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216 
138 

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105 
186 
160 
262 
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478 
550 
399 
532 
422 
442 
332 
633 
482 
441 
442 
543 
485 
123 
541 
399 
186 
551 
555 
483 
478 
281 
622 
482 
558 
279 
280 

915 
R62 
482 
482 
47t; 
32Ü 

41 


Seite 

Rückenseite  ....  43 

Rückenach  wimmer     .  273 

Rüsselegel     ....  186 

Rüsselkäfer    ....  281 

Rundmäuler  .   ...  398 

Rundwürmer     .    .    .  IM 

Ruminantia   ....  529 

Ruticilla   482 

Saateule   291 

Saatkrähe      ....  484 

Saccobranchus  .   .   .  391 

Sacculina   216 

Sackträger    ....  290 

Säbelkatzen  ....  641 

Säbelschnabler   .    .    .  480 

Sägefische     ....  4Q0 

Sager   477 

Sänger   482 

Saugethiere   ....  487 

Saibling    .....  1D3 

Saisondimorphismus  .  39 

Salamandra  ....  421 

Salangane     ....  485 

Sa  Im  n,  -nidac   .    .    .  40_3_ 

Salpa,  -en     ....  565 

Samen,  -leiter,  -tasche  36 
Samenkörperchen  .   34,  36 

St.  Petersvogel  .   .   .  475 

Sandaale   405. 

Snndfloh   295 

Sa  ml  gar  nee  le      .    .    .  233 

Sandkäfer   277 

Sandviper   443 

Sandwurm     ....  181 

Saproharpages  .    .   .  481 

Sarcocystis    ....  102 

Sarcodina   92 

Sarcophaga   ....  223 

Sarcopsyfla   ....  295 

Sarcoptes,  -idae    .   .  3QI 

Sarcorhamphus  .   .   .  481 

Sardelle   403 

Sardine   403 

Sarkolemma  ....  11 

Saugnapf   13. 

Saugwürmer  ....  L51 

Saumquallen     .   .   .  115 

Sauria,  -er    ....  440 

Saururae   421 

Saxicola   482 

Scalpellum    ....  216 

Scansores  486 

Scaphopoda  ....  309 

Scarabaeidae     .    .   .  279 

Scarus   405 

Schaben   264 

Schafe   532 

Scbaflaus   294 

Schakal   539 

Scharbe   470 

Schaumzirpe  ....  269 

Scheerenasseln  .   .   .  225 

Schellfisch     ....  405 

Schellfischfamilie   .   .  404 

Schillahalter  .   ...  407 


576 


Reinster. 


Schildigel  . 
Schildkröten 
Schildläufe 
Schimpanse 
Schlaf  .  . 
Schlaf  mause 
Schlammschnecken 
Schlangen  .... 
Schlangensaurier 
Schlangensterne 
Schlankaffen  .    .  . 
Schlankjungfern 
Schleichenlurche  . 
Schleichkatzen  .  . 
Schleiereule  .    .  . 
Schleihe  .... 
Schleimfische  (Blenni 

idae)  

Schleimfische  (Myxine 
Scbleimgewebe  . 
Schleimthi  erche  n 
Schlupfwespen  . 
Schmarotzer  .  . 
Schmarotzerbienen 
Schmeissfliege 
Schmerlen  .  . 
Schmetterlinge  . 
Schnabelkerfe 
Schnabelthier 
Schnaken  . 
Schnecken 
Schneeammer 
Schneeeule 
Schneehase 
Schneehühner 
Schnellkäfer 
Schnepfen . 
Scholle  .  . 
Schreiadler 
Schreivögel 
Scb  uppen  flösse  r . 
Schuppenthiere  . 
Schwämme  .  . 
Schwäne  .  .  . 
Schwärmer  .  . 
Schwalben  .  , 
Schwanensaurier 
Schwann'sche  Scheide 
Schwanz  .  . 
Schwanzlurche 
Schwanzmeise 
Schwarzdrossel 
Schwarzspecht 
Schweine ,    -  Familie 

-Gruppe.   .   .  . 
Schwertfisch  (Fisch) 
Schwertfisch  (Wal) 
Schwertschwänze 
Schwimmkäfer  . 
Schwimmpolypen 
Schwimmvögel 
Schwirrvögel  . 
Scincoideü  .  . 
Sciurus,  -idae 
Scolopax  .  . 


Seite  | 

145  Scolopender  .  . 
443  Scomber,  -idae  . 
271  Scomberesocidae 
559  :  Scorpione  .    .  . 
74  Scorpionidae  .  . 
554  Scorpionsfliegen 
322  Scorpionwanzen 
441  Scyllarus 
446  Scyllium 
140  Scymnus 
558  I  Secretär 

2S2  '  Secundäre  Geschlechts 
425     Charaktere  . 
540  Seeiuller    .  . 
481 ;  See-Anemonen 
404  See-Elephant 

|  Seehase 
407  |  Seehase 
398  Seehunde 
9 1  Seeigel . 
92  Seekühe 
285  Seelilien 
68  Seelöwen 
288  Seemaus 
293  |  Seenadeln,  -lämilie 
404  Seeotter    .  . 
288  Seepalmen 
2H9  Seepferdchen 
518  Seepocken  .  . 
292  Seeraupen .  . 
309  See-Rosen 
483  i  Seeschildkröten 
481 1  Seeschlangen 
553  |  Seeschwaloen 
474  Seescorpion 


um 

479 


Seesterne 
Seesticbling 


405  Seetaucher 


480 
484 
406 
551 
124 
478 
291 
484 
446 

12 
43 
121 

m 

482 
486 

528 
407 
548 
205 
277 
119 
475 
485 
440 
554 


Seeteufel 
Seewalzen 
Seewolf 
Seezunge 
Segler  . 
Segment 
Sehnen  . 
Sehorgane 
Seidenschwanz 
Seidenspinner 
Selache .   .  . 
Selachier  .  . 
Selachii    .  . 
8electionstheorie 
Semnopithecus 
Senile  Periode 
Sepia 
Serpula 
Sesia 

Siebenschläfer 
Silpha  .  . 
Silphidae  . 
Silurus,  -idae 
Simia     .  . 
Simulia 
Singdrossel 


479  I  Singschwan 


Seit« 
239 
407 
404 


298 
275 
273 
235 
399 
399 
480 

3Z 

480 
LL4 
544 
407 
320 
543 
144 
535 
135 
543 
181 
408 
540 
138 
408 
248 
181 
114 
444 
443 
475 
408 
138 
406 
476  ! 
402 
145 
407 
405 
485 
42 

1*1 
18 

482 
290 
399 
398 
398 

61 
558 

73 
339 
182 
290 
554 
279 
228 
404 
559 

293: 

482 

478 


Singvögel  .  . 
Singzirpen 
Sinnesorgane 
Hiphonophora 
Siredon     .  . 
Siren    .   .  . 
Sirenia  .   .  . 
Sirex    .   .  . 
Situ     .   .  . 
Sittacinae  .  . 
Sittiche .    .  . 
Skelet  .    .  . 
Skinke  .   .  . 
Sminthus  .  . 
Sociale  Ascidien 
Solea    .  i  .  . 
Somateria  .  . 
Sonnenthierchen 
Sorex,  icidae 
Spanische  Fliege 
Spanner    .  . 
Spatangus,  -iden 
Spatularia .  . 
Spechte     .  . 
Species     .  . 
Speckkäfer  . 
Speicheldrüsen 
Speiseröhre  . 
Sperber    .  . 
Sperbereule  . 
Sperlingseule 
Spermatozoon 
Spermophilus 
Sphingidae 
Sphyrna    .  . 
Spinachia  .  . 
Spinnen    .  . 
Spinnenthiere 
Spinner    .  . 
Spirula     .  . 
Spirulirostra  . 
Spitzhörnchen 
Spitzmäuse  . 
Spongiae  .  . 
Spongilla  .  . 
Springmäuse 
Springschwänze 
Sprossung 
Sprott  .   .  . 
Spulwürmer  . 
Squalida   .  . 
Squamipenne* 
Squatina    ,  . 
Squilla  .    .  . 
Staar    .   .  . 
Stachelhäuter 
Stachelratten  -  Gruppe 
Stachelschweine 
Staphylinus,  -idae 
Stechmücken  . 
Steganopodes 
Stegocenhalen 
Steinadler 
Steinbock  .  . 
Steinbutt  .  . 


Google 


Register. 


577 


Steinkauz  .  . 
Steinkorallen 
Steinmarder  . 
Steinpicker  . 
Steinschmätzer 
Steinwälzer  . 
Steinsfusse 
SteisBfüsgler  . 
Steisshühner  . 
Steiler 'sehe  Seekuh 
Stenops  .  . 
Steppenhuhn 
Sterlet  .  .  . 
Sterna  .  .  . 
Sternwürmer 
Stichlinge,  -fat  ilie 
Stieglitz  .  .  , 
Stimmbänder 
Sünkthiere  .  . 
Stock  .... 
Stockente  .  .  . 
Störche  .  .  . 
Störe  .... 
Stomatopoda  .  . 
Strahlen  .  .  . 
Strandkrabbe  . 
Strandläufer  .  . 
Strandschnecken 
Strauss,  -familie 
Straussenvögel 
Streifenmaus  . 
Strepsilas  .  . 
Strepsiptera  . 
Striges  diurnae 
Striges  nocturnae 
Stringops  .  . 
Strix.    .    .  . 


Binde 


Strongyliilen  . 
Strongvlus 
Strudelwürmer 
Struthio,  -nidae 
Stubenfliege  . 
Stützgewebe  . 
Stummelaften 
Sturmschwulbe 
Sturmvögel  . 
Sturnus .    .  . 
Stylommatophora 
Stylonychia  . 
Stylops .   .  . 
Subcutanes 

gewebe  .  . 
Subungulata  . 
Süsswasserpolyp 
Süsswasserschwamm 
Susswasserthier  . 
Suidae  .... 

Sula  

Sumpfhühner 
Sumpfrohreule  . 
Sumpfschildkröten 
Sumpfschnecke  . 
Surnia  .... 

Sus  

Sylvia,  -adae .  . 

Boa»,  Zoologie. 


Iü7 


Seite 

4SI  Sympathisches  Nerven 
114      System  . 
540  Synapta 
4Dü  Syncoryne . 

482  Syngoathus,  -idae 
479  Syrnium  . 
4Zti  Syrrbaptes 
425  «Vstem  .  . 

472  Tabanidae 
536  Tachtna    .  , 
55ü  Tachypetes 
414  Taema  .  . 
401  Tag-Eulen. 
475  Tagfalter  .  . 
183  Tagraubvögel 
4üti  Talegalla's 
4M  Talpa    .    .  . 

31  [  Tanais,  -iden 
540  Tannenheher , 

33  Tapes  .  . 
422  [Tapire  .  . 
42S  Tapirus.  . 
401  Tardigrada 
232  l  Tarsipes  . 

42  Tarsius  .  . 
237  Taschenkrebs 
422  Tastorgane,  -zellen 
312  1  Tauben  .   .  . 

473  Tauchenten  . 
422  Taumelkäfer  . 

554  Tausendfüssler 

422  Tegenaria .  . 
225  Teichhuhn.  . 
4fil .  Teicbmuscheln 
4SI  Teleosaurus  . 
4M  Teleostei  .  . 
431  i  Telephorus  . 
152  I  Tellerschnecken 
lfifi  Tenebrio  .  . 
142  Tenthredinidae 

423  Terebratula  . 
293  Teredo  .   .  . 

2  j  Termes  .  .  . 
552  Termiten  .  . 
425  Testudinata  . 
425  Testudo,  -inidae 

483  Tetrabranchiata 
322  Tetrao  .   .  . 

iül  Tetraonomorphae 
225  Tetrastes  . 
Theilung  . 
13  Thunfisch  . 

555  .  Thurmfalk 
112  Thylacinus 
122  Thynnus  . 

03  Thysanopus 
528  Thysanura 
47ft  Ticbodroma 
479  Tiefseefauna 
4fil  Tiger  .  . 
444  Tigerkatzen 
312  Tinamus  . 

481  Tinea    .  . 
523  Tinea,  -idae 

482  i  Tintenfische 


Seite  [ 

Tintinnus  . 
15  Tipula  .  . 
142  Tod  .  .  . 
llfi  Todtengräber 
408  Tölpel  .  . 
481  Tomicus,  -icidae 

424  Torpedo    .  . 
fiö  Tortrix,  -cidae 

223  Tounus    .  . 
293  Toxopneustes 

425  Tracheen  .  . 
158  Trachinus  .  . 
481  Tragulidae,  -en 
221  Trappen  .  . 
480  Trematoden  . 
474  Trichechus 
522  Trichina,  -e  . 
225  Trichocephalus 

484  Trichodectea  . 
324.  Trichoglossinae 
525  Trigla  .   .  . 
525  Trigonocephalus 
303  Trilobita,  -en 
ä21!Tringa  .  . 
555  Trionyx  . 
232 !  Tristomum 

lfi  Triton  .  . 

485  Trochilidae 
422  Troctes.  . 
228  Troglodytes  (Affe) 
238  Troglodytes  (Vogel) 
3ÖÜ  Trombidium 

422  TropidonotuB 
331  Truthuhn 
44«  Tubifex. 
403  i  Tubinares 
281  i  Tubipora 
322  Tukane. 
281  i  Tunicata 
234  Turbellaria 
121  Turdiformes 
331  j  Turdus  .  . 
255  Turteltaube 
265  ;  Turtur  .  . 

443  Tylenchus  . 

444  Tyroglyphus 
338  l/ferschnepfen 
424.  Uferschwalbe 

423  >  Uhu  .... 
423  Ungeschlechtlich 

32  Ungulata  . 
402  Unio.    .  . 
480  Unken  .  . 
520  Unpaarzeher 
4112  Unterart  . 
221  Unterhautbindegeweb 
2Ü8  Upupa  .   .  . 
4M  Ur  .... 
55  Uralkauz  .  . 
540  Urdarm,  -mund 


541 
472 
404 

220 
332 


Uria 
Urlurche  . 
Uroceridae 
Urodela 
Ursus,  -idae 


.Seite 
22 

222 
24 
222 
42Ü 

400 
220 
422 
145 
28 
406 
532 
422 
151 
543 

m 
m 

48ü 

4M 

443 

2ü7 

422 

444 

152 

421 

485 

258 

552 

482 

301 

442 

474 

183 

425 

Iii} 

481 

5Ü1 

142 

482 

482 

48a 

485 

120 

301 

422 

181 

481 

34 
524 
331 
424 
524 

52 

13 
484 
533 
481 

45 

47t; 

422 
284 
421 

539 


32 


578 


Register. 


Uterus  . 
Vampire 
Vanellus 
Vanessa 
Varanus, 
Variation 
Varietät 
VeleUa  . 
Venen  . 
Venöses  Blut 
Vergleichende 
Verraetus 
Versteinerung 
Verwandlung 
Verwandtschaft 
Vesicantia . 
Vespariae  . 
Vespertilio 
Vesperugo . 
Vielfrass  . 
Vielarmige 
thiere  . 
Vierkiemer 
Vioa .  .  . 
Vipera  .  . 
Viperina, 
Viverra, 
Vivipar .  . 
Vogel  .  . 
Vogelmilbe 
Vogelspinnen 
Vorderende 
Vorderkiemer 
Vorhof  . 
Vorticelle 
Vultur  . 
Wachtel 
Wachtelkönig 
Waldhühner 
Waldkauz  . 
Waldmaus 
Waldohreule 
Waldschnepfe 
Waldspitzmaus 
Wale  .  .  . 
Walfischlause 
Walross  .  . 
Walsaurier 
Wanderfalk  . 
Wandermuschel 


Seite 

3a 
h2A 
479 
2äl 
440 
5Ö. 
51 

121 

26 
23 

Anatomie  62 

am 

m 

52 
m 

281 
286 
524 
52A 
540 


Korallen 


-en 
-idac 


Iii 

338 

m 

443 
443 
540 
51 
450 

m 

300 
4Ü 
318 
26 
ii£» 
4SI 
474 
479 
473 
481 
554 
J81 
479 
522 
544 
228 
543 
446 
480 
33J 


Wanderratte  . 
Wandertaube 
Wanderzelle  . 
Wanzen    .  . 
Wapiti  .    .  . 
Warmblüter  . 
Warzenschwein 
Waschbären  . 
Wasseramsel  . 
Wasserassel  . 
Wasserfrosch 
Wasserhuhn  . 
Wasserjungfern .   .  . 
Wasserläufer  (Vögel) 
Wasserläufer  (Insekten) 
Wassermilben 
Wassermolche  . 
Wasserralle  .  . 
W  asserratte  .  . 
Wassersalamander 
Wasserschwein  . 
Wasserspinne 
Wasserspitzmaus 
Wassertreter 
Wasserwarzen 
Watvögel  .    .  . 
Weberknechte 
Wechselkröte 
Weibchen  .    .  . 
Weichflugler  .  . 
Weichthiere  .  . 
Weidenbobrer  . 
Weihen    .    .  . 
Weinbergschnecke 
WeiBsfische    .  . 
Wellhorn  .   .  . 
Wels,  •familie 
Wendehals    .  . 
Wespen    .    .  . 
Westafl'en .   .  . 
Westgeier     .  . 
Wickler    .    .  . 
Wiedehopf    .  . 
Wiederkäuer  .  . 
Wiesel  .... 
Wildkatze .   .  . 
Wildschwein .  . 
Wimperhaare,  -ze 
Winterschlaf. 
Wisent  .   .  . 


llen 


554 
485 
5 
272 
582 

30 
529 
539 
482 
224 
424 
479 
266 
479 
272 
801 
421 
479 
555 
421 
555 
300 
522 
480 
273 
478 
299 
424 

34 
280 
305 
290 
480 
322 
404 
319 
404 
4B6 
286 
567 
481 
290 
484 
529 
540 
541 
528 
7 

74 

533 


Wolf     .  . 
Woinbat's  . 
Wühlmäuse 
Würfelnatter 
Würger 

Wurmsebnecken 
Wurzelkrebse 
Xenos  .  . 
Xiphias 
Xiphura 
Xylophagu 
Yak  .    .  . 
Zahnarme . 
Zahntaube . 
Zahnvögel . 
Zahnwale  . 
Zander  .  . 
Zaunschlüpfer 
Zehra's  .  . 
Zebu .   .  . 
Zecken  .  . 
Zehnfüssler 
Zelle     .  . 
Zibethkatzen 
Zibethratte 
Ziegen  .  . 
Ziegenmelker 
Ziesel    .  . 
Zirpen  .  . 
Zitteraal  . 
Zitterrochen 
Zitterwels  . 
Zoarces .  . 
Zobel    .  . 
Zoea     .  . 
Zuckergast 
Zungen  würmer 
Zusammengesetzte 

cidien 
Zweiflügler 
Zweikiemer 
Zwerg- Ameisenbär 
Zwergfalk  .  . 
Zwergtnaus  . 
Zwergohreule 
Zwergspitzmaus 
Zwergwal  .  . 
Zwitter     .  . 
Zwitterdrüse  . 


As- 


Corrigendum. 

Seite  fiol.  Durch  ein  Versehen  ist  Fig.  IM  auf  den  Kopf  gestellt  worden. 


G.  Pit/.'«cho  Buchdr.  (Llppcrt  &  Co.).  Naumburg  a,'S. 


uigmzeo  Dy  v^i 


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