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Full text of "Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande"

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Jahrbücher  des  Vereins  von 
Alterthumsfreunden  im  Rheinlande 

Verein  von  Altertumsfreunden  im  Rheinlande 


CLASSICAL  SEMINARY 
PRINCETON  UNIVERSITY 


■ 

I 

1 


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JAHRBÜCHER 


DKS 


VEREINS  VON  ALTERTHUMSFREUNDEN 


IM 


RHEINLANDE. 


HEFT  LXXXXII. 


'»IT  U  TAFELN  l-KB  22 


BONN. 

GEDRUCKT  AUF  KORTEN  DES  VEREINS. 

80RX,  BEI  k.  »UKIv 

1892. 


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Inhalts  -Verzeichniss. 


I.   Geschichte  und  Denkmäler. 

Seite 


1.  Merowtngische  und  karolingische  Plastik.    Von  Paul  C leinen. 

Mit  22  Texttlguren   1 

2.  Aufdeckung  einer  vorgeschichtlichen  Niederlassung  und  eines 
fränkischen  Gräberfeldes  in  Meckenheim.  Von  Constantin 
Koenen.    Hierzu  Tafel  I  bin  X  147 

3.  Zur  mittelrheinischcn  AlU-rthumskunde.  Von  C.  M  e  h  1  i  ».  Hierzu 
Tafel  XI  219 

II.  Litteratur. 

1.  Paul  Clemen,  Die  Kunstdeukmäler  der  Rheinprovinz.  Erster 
Band:  I.  Die  Kuuatdenkmaler  des  Kreises  Kempen.  11.  Die 
Kunstdenkmaler  des  Kreises  Geldern.  Besprochen  von  A.  Wiede- 
inann 233 

2.  Heinrich  Strack,  Baudenkmäler  des  alten  Korn.  Besprochen 
von  Kreuser  238 

3.  Georg  Wolff,  Das  römische  Lager  zu  Kesselstadt  bei  Hanau. 
Mit  drei  lithogr.  Tafeln.  Nebst  einem  Anhang  von  Reinhard 
Suchier:  Fundstücke  von  KesselMadt.  Mit  einer  lithogr.  Tafel. 
Besprochen  von  Coiistantin  Koenen  240 

4.  Karl  Tückin g,  Geschichte,  der  Stadt  Neuss.  Besprochen  von 
Consta ntin  Koenen  243 

5.  C.  Gesterding  und  Th.  Pyl,  Beitrage  zur  Geschichte  der 
Stadt  Grcifswald.  Dritte  Fortsetzung.  Besprochen  von  Sonnen- 
burg  248 

6.  Fritz  Sarre,  der  Fürstenhof  zu  Wismar  und  die  norddeutsche 
Terrakotta- Architektur  im  Zeitalter  der  Renaissance.  Mit  17  Tafeln. 
Besprochen  von  Paul  Clemen  249 

DX  Miscellen. 

1.  Die  Viergbttcreteine.   Von  M.  Ihm   252 

2.  Matres  Ollototae.   Von  M.  I  h  m   256 

3.  Zu  den  römischen  Spiellafelu.   Von  M.  Ihm   259 

4.  Römische  luschrifteu  aus  Köln.    Von  M.  Ihm   260 

5.  Münzfund  nu  Köln.    Von  Stedtfeld   262 


»*,-,?,«  158303 

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MAR  2 i  <%2 


IV  Inhalte-Verzeichnis«. 


6.   Das  fra-rliche  Mcdiolaiuim  bei  Nenmatfen  an  der  Mosel.  Von 

K.  Christ   264 

L  Römisches  Castell  auf  dem  hohen  Venn.  Von  Th.  Müllenme  ister  2G6 

8.  Karollngischer  Fund  in  Wonnersdorf.   Von  Oskar  Ra uteri  .  269 

9.  Die  Zeitbestimmung  der  Thongef&sse.  Von  H.  Schaafhausen  270 

10.  Zu  Jahrbuch  LIII,  S.  172  ff.   Von  A.  W   272 

11.  Fund  einer  ägyptischen  Statue  in  England.  Von  A.  Wiedcmann  273 

Herichtiffiuitf   273 

Mi-visscn-Stiftung   274 


IV.  Berichte. 

1.  Generalversammlung  des  Vereins  am  2ti.  Juni  1891    275 

2.  Die  ;>u  j, -Iii n e  Jubelfeier  des  VerelnH  von  Alterthumsl'reundeu 

im  Rheinlande  285 

:t     Di«  Wliirkolimmn-Friftr  um  9.  Dpnember  1891  311 


I.  Geschichte  und  Denkmäler. 


I.  Merowingische  und  karolingische  Plastik. 

Von 
I'aul  deinen. 


Dass  die  Geschichte  der  deutschen  Kunst  mit  dem  Zeitalter 
der  Karolinger  zu  heginnen  habe,  ist  fUr  die  historische  Behandlung 
der  künstlerischen  Thätigkeit  innerhalb  der  Grenzen  der  deutschen 
Zunge  zum  Dogma  geworden.  Damit  aber  werden  diese  Grenzen 
gleich  zum  Beginn  der  Darstellung  überschritten.  Das  gliinzeude 
Bild  einer  Renaissance  wird  aufgerollt,  die  nur  zum  geringstin 
Theil  Deutschland  angehört  und  sich  auf  deutschem  Boden  abspielt, 
die  nur  zum  Theil  in  Deutschland  ihre  Fortsetzung  und  Weiter- 
bildung findet.  Der  Schwerpunkt  der  karolingisehen  Kunst  liegt 
durchaus  auf  romanischem  Gebiet;  von  den  Ccntrcn  der  karolingi- 
sehen KuDJBttlbung  gehören  ausser  Aachen,  das  hart  auf  der  Grenz- 
scheide liegt  und  wie  alle  Residenzen  einen  internationalen  Charakter 
trug,  nur  zwei  Deutschland  an :  Kuhla  und  St.  Gallen  —  und  beide 
nehmen  eine  gewisse  Sonderstellung  gegenüber  den  französischen 
Schulen  und  Sehultraditionen  ein.  Das  Bild  der  karolingisehen 
Kunst  ist  ein  so  reiches,  aus  den  verschiedensten  Elemeuteu  zu- 
sammengeschweisstes,  mannigfaltiges,  complieirtes  wie  das  Bild  des 
karolingisehen  Weltreiches  selbst.  Es  ist  der  Schluss  einer  Ent- 
wicklung, mit  der  die  Geschichte,  der  deutschen  Kunst  einsetzt, 
nicht  der  Anfang.  Die  ältere  Schwcstcrdisciplin,  der  die  Kunst- 
geschichte Methode  der  Forschung  und  Theorie  der  Darstellung 
entlehnt  hat,  die  Geschichte  des  politischen  und  rechtlichen  Lebens, 
geht  um  Jahrhunderte  über  diese  Periode  zurück.  Erst  in  den 
letzten  Jahrzehnten  ist  die  Kunstgeschichte  in  nähere  Beziehungen 

Jalirb  d.  Vvr.  v.  Alurthsfr.  im  lUuiul.  XCI1.  1 


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Paul  Clemon: 


zu  eiucr  Disciplin  getreten,  die  ihre  eigenen  Wege  ging  und  von 
der  entgegengesetzten  Seite,  von  im  ton  herauf,  sich  der  gleichen 
Zeitgrenze  näherte,  der  prähistorischen  Forschung.  Kür  einzelne 
abgegrenzte  Entwicklungsprovinzen  waren  schon  längst  die  Resul- 
tate aus  ihr  gezogen  und  sie  seihst  bis  zur  historischen  Zeit  hinauf- 
geführt worden,  für  Dänemark  von  Thonisen,  für  die  slavischen 
Länder  von  Wo  cd.  Kür  Krankreich  hat  schon  Augnstin  Thicrrv 
zögernd,  vorsichtig  den  Ansehluss  nach  rückwärts  gesucht,  für  die 
germanischen  .Stämme  Kelix  Dahn.  Die  Verwerthung  der  Gesammt- 
ergebnisse  der  vorgeschichtlichen  Untersuchungen  unter  den  grossen 
historischen  Entwicklungsgesiehtspuiikten  ist  zuletzt  durch  Karl 
Lamprecht  im  ersten  Hände  seiner  Deutschen  Geschichte  ge- 
schehen. 

In  der  Kunstgeschichte  ist  die  Kluft  zwischen  der  kunst- 
historisch-aicbäologisehen  und  der  prähistorischen  Korsehung  noch 
nicht  überbrückt.  Zwischen  dem  zeitlichen  Anfang  der  einen,  dem 
Ende  der  anderen  liegen  Jahrhunderte.  Und  doch  erscheint  es 
möglich,  anch  diese  beiden  divergirenden  Disciplinen  in  eine  Reihe 
zu  bringen,  die  Embryologie  der  karolingisehen  Kunst  fordert  dies 
sogar  gebietend.  Ansätze  zur  Behandlung  des  neutralen  Grenzgebietes, 
das  etwa  die  Zeit  vom  4.  bis  8.  Jahrhundert  uiutnsst,  tinden  sich 
in  der  That  in  einer  Reihe  von  Kachlitferaturen  vor.  Es  gilt  nur 
die  allenthalben  zerstreuten  Publieationen  zu  sammeln,  die  Unter- 
suchungen nebeneinander  zu  stellen,  ihre  Resultate  zu  eomhiniren 
und  für  die  historische  Behandlung  der  ganzen  Periode  zu  Grunde 
zu  legen.  Man  hat  sich  in  der  archäologischen  Welt  Deutschlands 
gewöhnt,  die  französische  und  italienische  Kachlitteratnr  reichlich, 
die  englische  wenig,  die  spanische  weniger,  die  skandinavische  und 
ungarische  so  viel  wie  gar  nicht  heranzuziehen.  In  diesem  Falle 
liegen  die  Ausätze  zur  Lösung  des  Problems  gerade  in  der  relativ 
unbeachteten  skandinavischen  und  ungarischen  Litteratnr.  Die 
dänisch-norwegische  und  die  schwedische  archäologische  Litteratnr 
mit  den  ausgezeichnet  redigirten  Kachzeitschriften  können  für  die 
Kunstgeschichte  des  Mittelalters  nicht  mehr  entbehrt  werden.  Skan- 
dinavien ist  auch  in  seiner  Kachlitteratnr  in  seine  klassische  Periode 
eingetreten.  Geringere  Zerfahrenheit  in  den  Zielen  und  Aufgaben, 
grössere  Einheitlichkeit  in  der  Methode,  grössere  Straffheit  in 
der  kritischen  Disciplin.  Montelius,  Undset,  Hazelius, 
II  ildebran  d  —  das  sind  Namen,  die  in  dem  europäischen  Goncert 


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Merowingische  und  karolinfrischc  Plastik. 


gehört  werden  wollen.  Neben  ihnen  sind  es  zwei  Ungarn,  Hampel 
and  Henszlman,  die  die  grundlegenden  Linien  gezogen  haben, 
anf  denen  ein  Weitcrban  möglich  ist.  Eine  blosse  Vereinigung  der 
Resultate;  die  auf  deu  acht  Sprachgebieten  selbständig,  zum  grossen 
Theil  ohne  die  Parallelforechungeu  im  Nachbarlaude  zu  kennen, 
erzielt  worden,  giebt  schon  das  Gerippe  der  ganzen  Entwicklung 
an  uud  steckt  die  Grenzen  ab. 

Das  künstlerische  Material,  das  für  diese  Periode  in  Betracht 
kommt,  kann  weder  Architektur  noch  Malerei  sein,  sondern  nur 
Plastik,  aber  Plastik  im  weitesten  Sinne,  d.  h.  alle  ornamentalen 
lind  figürlichen  Darstellungen,  die  sieh  nicht  in  einer  Ebene  be- 
wegen, aber  diese  in  allen  Techniken  und  allen  Materialien.  Die 
einzelnen  Gruppen  der  Steinplastik,  der  Metallurgie,  der  Elfenbcin- 
plastik  ergänzen  sich  allenthalben  und  gestatten  Rückschlüsse  und 
Parallelen.  Und  gerade  das  Uebcrwiegen  der  einen  Technik  ül>er 
die  andere  giebt  die  wichtigsten  Aufschlüsse  über  die  spccielle 
Begabung  eines  Stammes  für  eine  specielle  Technik  und  das  Alter 
derselben. 

Die  Untersuchung  wird  nach  rückwärts  im  Krebsgang  zu  er- 
folgen haben.  Ans  der  genauen  Kenntniss  und  der  vollständigen 
Beherrschung  des  Materials  der  karolingischen  Knust  heraus  ist 
vorsichtig  zurück  zu  tasten;  die  im  9.  Jahrhundert  beobachteten,  tixir- 
ten,  genau  umrissenen  Elemente,  ans  denen  sich  das  Bild  zusammen- 
setzt, sind  aufzulösen,  auszuscheiden,  einzeln  iu  ihrer  Entwicklung 
zu  untersuchen  und  in  ihren  Keimblättern  bloszulegen.  Die  karo- 
lingigche  Kunst  ist  ein  grosses  Conglomerat,  das  eine  ganze  Reihe 
der  verschiedensten  Elemente  in  sich  aufgenommen  hat.  Diese  Zu- 
sammensetzung geschieht  aber  nicht  erst  im  9.  Jahrhundert;  der 
Boden  war  nicht  nur  gedüngt,  der  Stamm  war  schon  aufgeschossen, 
der  ausschlagen  sollte.  Es  leuchtet  sofort  ein:  geliugt  es,  vom  9.  Jahr- 
hundert rUckwürtsscbrcitcnd,  das  allmähliche  Zuströmen  der  Elemente, 
ihren  zeitlichen  Ursprung,  ihre  Abkunft  festzustellen,  so  ergiebt  sich 
sofort  auch  ein  neuer  Gesichtspunkt  für  die  karolingische  Kunst. 
Der  Fortsehritt,  den  diese  bedeutet,  ist  ein  relativer,  die  Grösse  des 
Fortschrittes  ergiebt  sich  eist,  wenn  genau  constatirt  werden  kann, 
was  vor  ihr  auf  dem  Platze  stand.  Es  ist  eine  Aufnahme  des  künst- 
lerischen Kassenbestandes  der  Merovinger/.eit  nothwendig,  um  die 
unter  den  Karolingern  zugeströmten  Summen  —  nicht  nur  neue, 
sondern  auch  fremde  Münzsorten,  reeentes  et  novae  -  -  abmessen  zu 


4 


Paul  Giemen: 


können.  Eine  solche  Inventarisation  (Ick  künstlerischen  National- 
vermögens versucht  die  nachfolgende  .Studie  zu  gehen.  Sie  hietet 
keine  Geschichte  der  mitteleuropäischen  Plastik  durch  die  vier  Jahr- 
hunderte hindurch,  auch  keine  Fundchronik,  sie  will  nur  das  Material 
für  weitere  Untersuchungen  zusammentragen  uud  zugänglich  machen 
und  in  grossen  Zügen  den  Versuch  unternehmen,  die  Verhiudung 
der  Kunst  des  9.  Jahrhunderts  mit  der  Kunstthätigkeit  im  Zeitalter 
der  Völkerwanderung  herzustellen  und  diese  Periode  mit  der  gleichen 
Methode  der  Stilkritik  zu  behandeln  wie  die  folgende. 

Die  Stilkritik  hat  es  hier  in  erster  Linie  mit  Ornnmentkritik 
zu  thun.  Für  die  Geschichte  der  Ornamentik  ergeben  sich  durch 
die  Verbindung  der  beiden  künstlich  getrennten  Disciplincn  ganz 
neue  Grundsätze  und  Gesichtspunkte  und  durch  die  gleichmütige  Her- 
anziehung der  fremden  Fachliteraturen  ein  unausgenutztes,  fast  jung- 
fräuliches Material.  Die  glänzenden  Analysen,  die  die  karolingi- 
sche  Ornamentik  durch  Hubert  Janitschek,  die  angelsächsische 
durch  Romilly  Allen  gefunden,  finden  nur  um  Jahrhundertc  zu- 
rück ihre  Parallelen  in  den  Untersuchungen  von  Sophns  Müller 
uud  Oscar  Montelius  —  zwischen  beiden  Gruppen  liegt  Brach- 
land. Im  vorliegenden  Falle  ist  die  Geschichte  der  Ornamentik  nur 
Mittel  zum  Zweck,  nicht  Zweck  selbst  und  kann  damit  nur  acces- 
sorisch  behandelt  werden. 

Die  Methode  der  rückwärts  gewandten  Untersuchung  war  die 
Neuerung,  die  Lindensch  mit  in  die  prähistorische  Untersuchung 
einführte  —  von  seineu  ersten  Specinluntcrsuchuugen  bis  zu  der 
letzten  Zusammenfassung  hat  er  sie  mit  gleichem  Erfolg  ftlr  die 
merowingischc  Zeit  gchandhnbt.  Nur  wird  die  Darstellung  wieder 
den  umgekehrten  Weg  einschlagen,  um  von  dem  Primitiven  zu  dem 
Vollkommeneren  vorzuschreiten.  Die  nordische  Schule  unter  Wor- 
saae  schied  nach  den  Materialien,  die  deutsche  unter  L inde li- 
sch in  it  nach  den  Gegenständen,  die  aus  diesem  Material  gefertigt. 
Für  die  kunsthistorischc  Untersuchung  müssen  wir  einen  Schritt 
weitergehen  und  nach  den  Ornamenten  und  Darstellungen  auf  den 
Gegenständen  scheiden.  Der  künstlerische  Gesichtspunkt,  der  Ge- 
danke, ästhetische,  auf  Stilvergleichung  beruhende  Wertkurtheile  ein- 
zuführen ,  ist  in  der  archäologisch  -  prähistorischen  Forschung  noch 
kaum  geltend  gemacht  worden,  im  Grunde  genommen  nur  von  dem 
Iren  George  Petrie. 

Die  zwischen  der  Zeit  des  römisch  -  germanischen  Stiles  niid 


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Merowingisrhe  und  karolingisihe  I'lnstik. 


den  creteu  nationalen  germanischen  Knnstepocb.cn  vermittelnde  Kunst- 
thätigkeit  zeigt  so  vcrhältnissmässig  gleiehmässige  Züge,  dass  sie 
den  gemeinsamen  Namen  des  Völkerwandernngsstils  erhalten 
hat.  Sein  Ursprung  führt  nach  Ungarn,  in  das  Land  der  archäolo- 
gischen Wunder,  wie  es  Ingvald  Uudset  ')  genannt  hat.  In  den 
Bezeichnungen  der  nationalen  Stile  vom  <*>.— 8.  Jahrhundert  herrscht 
geringere  Einigkeit,  llildebraud  s)  verwirft  den  Ausdruck  einer 
merowingisehen  Kunst,  der  von  de  Lastcyric  und  von  Linden- 
sehmit  gemeinsam  aufgestellt  worden,  weil  eine  Cultur  naeji  dem 
Volke,  nicht  nach  der  Kegentendynastie  zu  heneunen  sei.  Aber 
auch  die  karolingischc  Kunst,  au  deren  Bezeichnung  nicht  zu  rütteln 
ist,  verdankt  ihren  Namen  der  Dynastie.  Die  Bezeichnung  mero- 
wingische  Kunst  hat  ihre  Berechtigung,  wenn  sie  lediglich  für  die 
Thätigkeit  der  Franken  während  der  Herrschaft  der  Merowingcr 
angewendet  w  ird,  und  neben  ihr  eine  burgundische,  eine  westgothisclie, 
eine  allemannisclie,  eine  langobardische,  eine  avarische  Kunst  an- 
genommen werden.  Die  Namen  latino -barbarisch,  den  Raffaele 
Cattaneo3)  für  langobardisch  ,  latino  -  byzantinisch  ,  den  Jose 
Amador  de  los  Rios4)  fllr  westgothisch  vorgeschlagen,  er- 
scheinen weniger  treffend,  eindeutig,  genau  abgegrenzt.  Für  die 
britischen  Inseln  wird  seit  Westwood  und  Allen  eine  celtische 
Kunst  constatirt.  Die  Bezeichnungen  irisch  und  angelsächsisch  sind 
auch  hier  eindeutiger.  Der  Name  eeltisch  steht  in  Deutschland  in 
schlimmem  Geruch:  es  erseheint  angebracht,  jeden  Anklang  an  die 
kaum  begrabene  Celtomauie,  die  ein  grausamer  Dilettantismus  in 
Deutschland  eingeführt,  zu  vermeiden. 


1)  Ingvald  Undset,  Stüdes  sur  l'Age  de  hronze  de  la  lfonprie. 
Christ  iania  1880,  p.  5. 

2)  Hildebrand,  Das  heidnische  Zeitalter  in  Schweden  S.23.  Gegi-n 
den  gleichen  Misnbrauch  des  Namens  wendet  sich  Heus?.  Im  an,  Kinde 
sur  l'art  jrotlii<|iic  i.  d.  Compte-rendu  de  la  VITT,  session  du  coiijjrre«  in- 
ternational d'nntliropologie  et  d'archeologio  prehistoriques.  Budapest 
1876.  I,  p.  501. 

3)  Raffaele  Cattaneo,  L'architettura  in  Italia  dal  «ecolo  VI  al 
millc  circa.   Veuezia  1889. 

4)  Don  Jose  Amador  de  los  Rio«,  Kl  arte  latinobi/antinn  cn 
E»pafta  y  las  Coronas  visigodas  de  Guarrazar.   Madrid  1SKI. 


<>  Paul  Cleinen: 


Die  Kunst  der  Gothen  und  der  Völkerwanderungen. 

Das  Problem  einer  Vülkerwandcrungskunst  nud  eines  Völker- 
wanderungsstiles ist  zuerst  von  DcLasteyric  aufgeworfen  worden, 
der  zum  erstem  Male  die  zerstreuten  Denkmale  des  4.-8.  Jahr- 
hundert* unter  einheitlichen  Gesichtspunkten  zu  betrachten  versuchte5). 
Er  «stellte  sofort  die  Kunst  als  eine  eiuhcimisehc  und  als  geistiges 
Eigcuthum  der  Barbaren  hin,  die  sie  auf  ihren  Zügen  von  Osten 
nach  Westen  allmählich  auf  ganz  Europa  ausgedehnt  hätten.  Ihm 
steht  Labarte  gegenüber,  der  den  Ursprung  der  bedeutsamsten 
Werke  dieser  Gattung  auf  Byzanz  zurückführt.  Nach  ihm  sind 
alle  die  grossen  goldenen  Schmuckstücke  aus  deu  Gräbern  der 
Völkenvanderuugszeit  Werke  byzantinischer  Goldschmiede,  die  als 
die  üblichen  Ncujahrsgescbenke,  strenae,  die  auch  Jorda'nes  er- 
wähnt, zu  den  germanischen  Fürsten  der  Barbarenländcr  kamen  «). 
Der  Hypothese  fehlen  vor  allem  die  monumentalen  Belege:  wir 
haben  keine  Vorstellung  von  den  byzantinischen  Goldschmiedearbeiten 
des  3. — ö.  Jahrhunderts  —  fast  das  einzige  erhaltene  oder  bis  jetzt 
bekannte  Matcriel  besteht  aus  Münzen  und  Bullen.  Zuletzt  ist  die 
ganze  Gruppe  dieser  Denkmäler  von  de  Baye  behandelt  worden7). 

Die  frühesten  Funde  weisen  auf  einen  anderen  Auagangspunkt 
dieser  Kunst  als  Byzanz.  Die  ältesten  Denkmäler  in  der  skythischen 
Sammlung  der  Eremitage  in  Petersburg,  der  grosse  Fund  vou  Petreosa, 
der  Goldfund  von  Xagy-Szent-Miklös  stehen  da  in  der  ersten  Reihe. 
Schon  die  älteste  Arbeit,  das  grosse  kostbare  Diadem  der  Eremitage, 
das  in  Novo-Tscherkask  am  Don  gefunden  wurde,  zeigt  die  Dar- 
stellungen des  Elenthiercs  und  des  kaukasischen  Steinbockes,  beides 
Thierc,  die  in  Griechenland  unbekannt  waren,  während  sie  zu.  den 


5) .Ford,  de  Lasteyrie,  Iiisloire  de  l  orfevrerie.  Paris  1877,  p.  56. 
L'orfevreriu  barbare  und  in  »einem  spater  erwähnten  Werke  über  die 
Kronen  von  Guarrazar. 

0)  J.  Labarte,  Histoire  des  arts  industriell*  nu  moyen  Äge.  Paris 
1864.  I,  p.  15;  Ders.,  Kecherclie.  sur  la  peinture  en  email  dans  l'antiquite 
et  au  moyen  age. 

7)  J.  de  Baye,  Etüde»  archöologique«.  1.  Epoque  des  invasions 
barbares.  Industrie  anglo-saxnnne.  Paris  1889.  II.  Industrie  Longobarde. 
Paris  1888;  Ders.,  L'archeologie  prehistorique  (Bibl.  scientifique  eontempo- 
l-aiiie).  Paris  1888.  Dazu  E.  Ferrari  o  im  Anbivio  storico  Italiano 
5.  herie  I,  p.  361;  Le  moyen-Agc  I,  p.  152. 


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Merowingische  und  karolingi&chc  I'lAstik. 


7 


typischen  Bewohnern  des  alten  Scythiens  gehörten 8).  Der  Schatz 
von  Petreosa  steht  in  unmittelbarer  N'ühc  der  llauptstüeke  der 
Eremitage").  Die  («efässe  zeigen  an  den  Henkeln  aufsteigende 
Löwen,  dauel>en  erscheint  der  Adler.  Dann  aher  tritt  zum  ersten 
Male  hier  jene  Gattung  des  Zcllenglasemails  voll  ausgebildet  auf,  —  auf 
kaltem  Wege  in  die  Zellen  zwischen  anfgelöthete,  auf  der  scharfen 
Kante  stehenden  (Joldbändehen  eingesetzte  (»lasstttckchen  -  die 
verroteric  eloisonnee,  die  das  Charakteristikum  aller  dieser  Uold- 
schmiedearbeiten  bis  zum  8.  Jahrhundert  bildet  Iüi.    Diese  Almau- 


8)  Die  Krone,  ward  1864  in  dem  Tumulus  von  Khokhlach  bei  Novo- 
Tcherkask  im  Gebiete  der  Donkosaken  gefunden.  Vgl.  Odobeseu,  Cunun'u 
mare  d'in  thesaurulu  de  In  Novo-Cercask.  Bukarest  1877.  Abb.  bei  Ch.  de 
Linas.  Les  origincs  de  l'orfevreric  eloisonnee.  II,  pl.  I);  Gazette  des 
Beaux-arts  2.  per.  XXV,  p.  37.  Die  Schatze  der  Eremitage  sind  zum 
grossen  Thcil  publicirt  in  den  Anti<(uites  du  Bospliorc  Cimmerien  eon- 
servees  au  musee  Inipcr.  de  ('Eremitage.  St.  Petersburg  1854  u.  d.  Peters- 
burger Compte-Kendus  von  1858—1880.  Ueber  die  ganze  Gruppe  dieser 
Denkmäler  vgl.  Mac  Phcrson,  AiitU|iiities  ol'  Kerteli.  London  1857; 
A.  Odobeseu,  Antieliitati  Scythiee.  Bukarest  1879.  Ueber  die  Funde 
von  Kertch,  aus  d.  4.  Jh.,  jetzt  i.  d.  Sammlung  John  Evans  vgl.  J.  de 
Baye,  Les  bijoux  gothi<|Ucs  de  Kerteh  i.  d.  Revue  arehcol.  3.  si't.  XT, 
p.  347;  G.  Bnpst  i.  Bull,  de  la  hoc.  nat.  des  antiquaire*  de  France,  scance 
du  2.  fevrivier  1887;  F.  Bayern,  Contribution  A  l'areheologie  du  Caucase. 
Lyon  1882. 

9)  Histoire  du  travail  a  l'exposition  universelle  de  l'au  1867,  p.  1G3; 
Neu  meist  er  in  der  Archäologischen  Zeitung  1872  p.  135;  Bock,  Der 
Schatz  des  Westgothenkbniga  Athanarich  i.  d.  Mittheil,  der  K.  K.  Cen- 
tralconuuissiou  1868,  S.  105;  R.  Virehow,  Der  Goldfund  von  Petreosa  i. 
Correspbl.  f.  Anthropologie  XVI,  S.  138. 

10)  Ueber  d.  Technik  vgl.  am  ausführlichsten  De  Linas  und  De  La- 
steyrie,  ausserdem  die.  ergänzenden  Bemerkungen  von  Lindenschmit. 
Die  Substanz  bestand  in  den  meisten  Fallen  aua  dünnen  Glnsblättcheu. 
Solche  sind  nachgewiesen  an  den  —  unten  zu  nennenden  —  Waffen- 
stücken von  Tournay  und  Pouau,  an  dem  GefÄsse  von  Saint-Mauricc- 
en-Valais,  den  Kronen  von  Guarrazar.  Charakteristisch  für  die  merowin- 
gische Goldsehuiiedekunst  sind  dann  die  ausserordentlich  dünnen  Gold- 
blattchen  iTexi er,  Essai  hist.  et  descriptif  sur  les  argentiers  et  emailleurs 
de  Limoges  i.  d.  Mein,  de  In  soc.  des  ant.  de,  l'Quest  1*12,  p.  92).  Nur 
ausnahmsweise  finden  für  die  Glasstückchen  Granaten  Verwendung,  so 
an  einigen  Fundstücken  von  Pouan  (Peigue-Dclacourt,  Recberches 
sur  le  Ifeu  de  la  bataille  d'Attila  p.  3)  und  an  den  Beschlagen  einer  Art 
Börse,  die  1855  zu  Enverineu  gefunden  ward  (Codi et,  Sepultures  gau- 
loises,  romaines  p.  185,  268).    Vgl.  Ch.  de  Linas  i.  d.  Revue  de  l'art 


Paul  Clc.men: 


dinveraerung  mit  Granaten  oder  Glaastüekcheu  kehrt  dann  wieder 
bei  dem  grossen  Goldrund  von  Nagy-Szcnt-Mikl6s  »)  und  bei  einer 

chretien  VIII,  p.  131.  Auch  in  den  mittelalterlichen  Quellen  erscheint 
diese  Art  des  Glasemails  so  sehr  als  das  Charakteristikum  der  ganzen 
Goldschmiedekunst,  in  der  sie  verwendet  ward,  dass  sie  geradezu  der 
Kunst  den  Namen  leihen  musste.  Die  Kunstfertigkeit  des  Bischofs  Eli- 
gius wird  von  dem  Mönch  von  S.  Denis  bezeichnet  als  gemmarii  et 
inclusoris  subtilitas,  Sugcr  nennt  sie  opus  inclusorium.  Der  Ausdruck 
wird  in  den  Glossaren  von  Jean  de  Genes  und  Guillaume  le  Breton,  in 
dem  nrabo-latcinischcn  Glossar  von  Uguecione  erläutert  mit:  gemmas 
auro  concludcre,  d.  h.  in  Goldlamellen  Glasstückc  und  Granaten  einzu- 
setzen. Im  J.  1063  wird  das  Glascinail  bezeichnet  als  olovitreus  (Yepes, 
Cronica  de  la  Orden  de  san  Benito  IX.  Append.  fol.  461b),  nach  De  Los 
Bios,  El  arte  bizantino  en  Espatla  p.  149  identisch  mit  vidrio  taraceado. 
Vgl.  De  Linas  a.  a.  O.  p.  250.  Es  scheint,  dass  die  ersten  Künstler,  die 
an  den  Oestaden  der  Donau  sich  in  dieser  Technik  versuchten  —  die 
ersten  Anlange  finden  sich  auf  der  Adlerfibula  des  Alhanarichschatzcs 
von  Pctreosa  -  auf  byzantinischen  und  orientalischen  Einflüssen  fussten, 
möglicherweise  auf  persischen.  Die  bekannte  Ohosroesschale  in  Paris 
mit  ihrem  ausgebildeten  ömail  clnisnnne1  translucide  legt  diese  Vermuthung 
sehr  nahe.  Vgl.  Longpcrier,  Kxplication  d'uue  eonpe  sas*anide  inedite 
i.  d.  Annales  de  l'institut  archeol.  de  Rome  XV,  1843,  p.  100;  Dcrs.,  Notice 
sur  quelques  monuments  cmaillcs  du  moyen  Age  Paris  1842  p.  13.  Nach 
Millet,  le  tresor  saerr  de  Saint-Denys.  Paris  1640.  p.  129  ward  die  Schale 
von  Karl  dem  Kahlen  geschenkt.  Ein  entsprechendes  GefHss  aus  der 
Walachei  befindet  sieh  im  Autikenkabinct  zu  Wien,  l'eber  den  Proc«« 
genau  Er.  Bock,  Kleinodien  des  heil.  röm.  Reichs  S.  78;  Cellini,  Trat- 
tato  dell'  Oreliceria.  Mailand  1811.  III,  p.  41 ;  Arnold  Ipolyi  in  dem  im 
Aultrage  der  Akademie  herausgegebenen  grossen  Prachtwerke  über  die 
ungarische  Königskrone:  A  magyur  szent  korona  es  koronäzäsi  jelvenyek 
törtenete  es  müleirrtsa.    Dazu  Szazadok  1877,  p.  548. 

Eür  den  östlichen  Ursprung  des  Emails  --  aus  Asien  —  hat  sich 
auch  Tischler  ausgesprochen  und  darauf  fussend  überhaupt  all  diese 
Kunstwerke  der  Völkerwanderung  dem  weiteren  Osten  zugewiesen  (O. 
Tischler,  Beitr.  zur  Geschichte  des  Sporns,  sowie  des  vor-  und  nach- 
römischen Emails:  Mitteilungen  d.  Centralcoininission  XIX,  S.  162;  Ders., 
Korrespondenzblatt  d.  deutschen  Ges.  f.  Anthropologie  XX,  S.  194). 

11)  Josef  Hampel,  Der  Goldfund  von  Nagy-Szent-Miklös  i.  d. 
Ungarischen  Revue  V,  S.  161,  598;  VI.  S.  433,  637;  dazu  Repertor.  XI, 
S.  173.  Er  ward  1799  am  Ufer  d.  Aranykn  gefunden.  Vgl.  Schönwisscr, 
Notieia  Hungaricac  rei  numinnriae.  Budapest  1801,  p.  XLII:  Hajdan  es 
Jelen  1847  IV/V,  4;  Römer  i.  d.  Archaeologiai  Közlemenyek  V,  1865,  p.  131; 
A  magyar  tözteneti  ötvösinü-khillitas  laystroma  1884.  Die  Inschrift  bei 
Dietrich,  Runeninschriften  eines  gothischen  Stammes  a\if  den  Gold- 
gelassen des  Banater  Fundes  i.  d.  Germania  XI,  S.  177. 


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Mcrowingische  und  karolingische  Plastik. 


ganzen  Fülle  von  grösseren  on<l  kleineren  ungarischen  Fanden,  vor 
allem  aus  den  Grabfeldern  von  Ordäs1*),  Szeged-Octhalom ,J),  Nagy- 
falu  u)  und  den  von  Wilhelm  Lipp  aufgedeckten  Grabfeldcrn  am 
Plattensee,  zu  Keszthely,  Dobogö,  Pahök  nnd  Fenek  x%  zu  Szilägy 
Somlyo  16).  Die  bedeutendsten  Stücke  vereinigt  jetzt  das  ungarische 
National  museum  zu  Budapest.  Ausser  der  verroteric  cloisonnce  mit 
(ilasschmuck  und  Damascirung  finden  sich  eine  Reihe  von  Thieren 
als  Ornamentniotive,  eine  Art  Hund,  Hirsche,  Widder  —  und  dann 
als  Entlehnung  der  hockende  und  kauernde  Greif.    Die  ältesten 


12)  Tergina  im  Archaeologiai  Ertesitö  XIV,  p.  336. 

13)  Varazseji  im  Archaeologiai  Ertesitö  XIV,  p.  32.*). 

14)  J.  Hampel  ebenda  N.  F.  I,  p.  156. 

15)  Die  ausgedehnten  Orabfelder  wurden  nacheinander  von  dem 
würdigen  Pramonstratcnserniönch  Willlelm  Lipp  geöffnet  und  in  ausführ- 
licher Beschreibung,  leider  mit  ungenügendem  Vergleichsinaterial,  publi- 
cirt.  Vgl.  W.  Lipp,  Die  Gräberfelder  von  Keszthely  i.  d.  Ungarischen 
Revue  I,  429;  VI,  S.  1;  VII,  S.  251,  314;  Der»,  i.  Correspondenzbl.  des 
Gcsammtver.  d.  deutsch.  Gesehlchtevereine  XXXIII,  S.  «1;  über  das  Grab- 
fcld  von  Dobogö  ebenda  II,  S.  523;  Ders.,  Die  Metallarbeit  in  Pannonien 
im  Zeitalter  der  Völkerwanderung  i.  d.  Ungarischen  Revue  IV,  S.  259. 
Vgl.  auch  den  Bericht  i.  d.  Archaeologiai  Közlemenyek  III,  p.  37.  Di« 
kleineren  Funde  sind  leider  ziemlich  zerstreut,  im  Besitz  des  Herrn 
Ar  päd  Chak  zu  Keszthely,  im  Museum  zu  Steinamanger,  im  Eisen- 
burger  Comitatsmuscum  und  in  der  gräflichen  Bibliothek  zu  Keszthely. 
Ks  befinden  sich  in  der  Umgegend  noch  weitere  Grabfelder,  die  noch 
nicht  geöffnet  worden,  alle  in  der  Nähe  des  Badeorte«  Heviz.  Vgl.  auch 
W.  Lipp,  A  Keszthely  i  Sirmezök.  Kiadja  a  Magyar  tud.  Akademia 
archaeologiai  bizottsäga.  Budapest  18.H4.  Nach  den  gefundenen  Bronze- 
münzen  gehören  die  Schmuckstücke  vom  Plattensee  der  2.  Hälfte  des 
4.  Jh.  an  und  können  weder  viel  jünger  noch  aller  sein  als  die  Regie- 
rung Gratians  und  Valentinians  III.  Auf  Grund  der  Ausgrabungen  von 
Keszthely  verbindet  Fligier  (Ueber  die  Herkunft  der  Sarmaten  i.  Archiv 
f.  Anthropologie  XVIII,  S.  302)  Mülleuhoffs  Darstellung  der  Skythen  als 
Germanen  mit  der  Neuina  uns  als  Mongolen  und  sucht  sie  als  germani- 
sches Volk  mit  zahlreichen  uraltaisehen  Kiemeuten  darzustellen.  Gegen 
die.  ganz  unwissenschaftliche  Arbeit  von  .loh.  Fressl,  Die  Skythcn- 
Saken,  die  Urvater  der  Germanen.  München  18«5  (Dazu  Philolog.  Wochen- 
schrift VI,  S.  1310;  Ausland  XLIX,  S.  979)  vgl.  Fr.  Soltau,  Zur  Erklä- 
rung der  Sprache  des  Volkes  der  Skythen.  Berlin  1N86. 

16)  F.  v.  Pulzky,  Studien  über  Denkmäler  der  Völkerwanderungs- 
zeit: Ungarische  Revue  IX,  S.  465,  721.  Ders.  i.  d.  histor.  Abhandlung 
der  ungar.  Akademie  XIV',  1.  Ueber  den  Fund  von  O-Szöny  vgl.  Br. 
Bücher,  Bromscschinuck  aus  der  Völkerwanderongsperiode:  Zcitschr.  f. 
christliche  Kunst  1891,  S.  227. 


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in 


Paul  Clcmen: 


dnreh  Münzen  ilatirbaren  Funde  von  Osztröpataka  ,7)  gehören  BCDOO 
«lein  Jahrhundert  an,  der  Schatz  von  Nagy-Szent-Miklös  befand 
«ich  bereits  im  5.  Jahrhundert  im  Besitz  der  Gepidenfüreten  Bouela 


Fig.  1.    Schale  von  Nagy-Szent-Miklös. 


und  Boutuoul  (Fig.  I  und  2  nach  Ilnmpcli.  Er  hat  den  Namen 
.Sehatz  des  Attila  erhalten  *■),  wie  der  Fund  von  Petreosa  mit  dem 
Namen  des  381  gestorbenen  (Jothenki'migs  Athanarieh  verbunden 


17)  Archaeolögiai  Kbzlemenyek  V,  |».  11. 

18)  Schon  Franz  Pnlszky,  Vorhistor.  und  andere  Funde,  Vortrag 
•roh.  am  16.  Juni  1878  in  d.  öffentl.  Gesaniiiitsit/ung  d.  Ungar.  Akademie, 
wies  ihn  zuerst  den  Hannen  zu.  Sa la man  hat  in  einer  Studie,  über 
die  Residenz  Attilas  in  Szäzadok  (Jahrhunderte)  1881.  p.  1— 3'J  es  wahr- 
scheinlich gemacht,  das«  diese  in  der  Nähe  des  heutigen  Szeged  gelegen 
hat.  Ungar.  Revue  VI,  S.  480.  In  einem  Aulsatze  von  Kol.  Thaly  über 
alte  ungar.  Kunstgegeiistände  im  Besitz  der  Magnatenfamilien  in  Szäza- 
dok XX,  1886,  ji.  1  wird  der  Schild  Attilas  von  Stahl  erwähnt,  zuletzt  in 
der  Schatzkammer  der  liäköczy  zu  Säros-Petak,  seitdem  verschollen. 


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Mcrowingisehc  und  karolingische  Plastik. 


II 


worden  ist.  Dem  Ungarn  Josef  Hampel  gebührt  das  Verdienst, 
die  These  De  L  a  s  t  e  y  r  i  e's  aufgegriffen  und  zu  einem  gewissen 
Abschluss  gebracht  zu  haben  ,a).  Der  Urspungspuukt  dieses  eigeo- 
thümlichen  Stile«  ist  der  Osten ,  aber  nicht  Byzanz ,  sondern  . 
die  Landschaften  nördlich  dos  Schwarzen  Meereg.  Von  hier 
gehen  die  beiden  grossen  Strömungen  der  Völkerwanderungs- 
kunst aus,  die  nördliche,  welche  von  den  Gothenstämmen  getragen 
wird,  die  ans  ihren  Sitzen  im  nördlichen  Skythien  direkt  nach  Westen 
wanderten,  ausserdem  von  den  Langobarden  und  Franken,  und  die 
südliehe,  die*  eine  zweimalige  Einwirkung  der  antiken  Traditionen 
erfährt,  erst  an  den  Gestaden  der  Ostsee  durch  römische  Haudels- 
waaren,  das  zweite  Mal  an  den  Sitzen  am  Schwarzen  Meer,  wohin 
die  Gothen  nach  ihrer  Wanderung  nach  Norden  zurückgekehrt  waren. 
Die  Entstehung  des  gemeinschaftlichen  skythischen  Stiles  als  eines 
ornamentalen  Stiles,  in  der  Zone  zwischen  Dnjcpr  und  Prath  würde 
nach  De  Lasteyrie  und  Hampel  übereinstimmend  vor  dem  Eintritt 
der  Völkerwanderung  anzusetzen  sein.  Als  die  eigentlichen  Träger  des 
Stiles  sind  durch  Heuszlmau  die  Gothen  hingestellt  worden 
und  seit  die  Figuren  von  Yeela  in  Spanien  als  gothisehe  Arbeiten 
anerkannt  worden*1),  ist  die  Ausdehnung  ihrer  Kunstthätigkcit  bis 


19)  Zuerst  in  '  Mütörtcnetünk  es  az  ötvösmütarlat'  in  Budapesti 
Szemle  1885,  Aug.,  worin  er  noch  Ungarn  als  das  Land  der  Stilvcrmcn- 
gung  hinstellte,  dann  in  .Die  hauptsächlichsten  Kunstströmungen  der 
Völkerwauderuugszeit*  i.  d.  Ungarischen  Revue  VI,  S.  G37. 

20)  Henszlman  handelte  zuerst  Uber  die  Gothenkunst  im  Album 
der  Wiener  Aniatcurnusstcllung  1873,  dann  in  TamulniAnyok  a  göthok 
tnüveszeteröl.  Budapest  187  t;  Zur  Kunst  der  Gothen  i.  d.  Mittheil.  d. 
K.  K.  Centralcommission  XIX,  S.  128.  —  Endlich  Henszlman,  l'Age  du 
t'er,  etudo  sur  l'art  gothique  i.  d.  Congres  international  d'antbropologie 
et  darchäologie  prehistoriques.  Compte-rendu  de  In  VIII.  session.  Buda- 
pest 1876.  I,  p.  Wl. 

21)  Die  15  Statuen  —  alle  eil  face,  in  reicher  Tracht,  mit  hohen 
Mützen  und  geflochtenen  Zopten  -  die  Arme,  anliegend,  in  den  Händen 
aui  Gürtel  ein  Getltss  haltend  —  erschienen  1873  auf  der  Weltausstellung 
von  Paris.  Vgl.  Memoria  sobre  les  notables  esenvaciones  heihas  en  el 
Terro  delos  Santos  pobblicada  par  los  P.  P.  Escolapios  de  Yecla.  Madrid 
1871.  Drei  Ähnliche  Figuren  wurden  bei  Bamberg  gefunden  (Linden- 
schmit,  Die  Altcrthümer  unserer  heidnischen  Vorzelt  II,  II.  II,  Tat",  5). 
Ein  solches  Gefass  halt  die  sitzende  Frauengestalt  auf  der  grossen  Schate 
aus  dem  Schatze  von  Petreosa  in  Händen  (Mittheil.  d.  Centralcomntission 
XIII,  S.  108,  Fig.  2),  endlich  findet  sich  eine  ganz  gleiche  Gestalt  als  Griff 


12 


Paul  Giemen: 


in  die  spanische  Halbinsel  nachgewiesen  Die  ganze  Kunst  ist 
von  Anfang  an  tlnrolisct/.t  mit  klassischen  Keminiscenzen,  die  an- 
tike Mythologie  findet  überall,  nur  völlig  unverstanden,  ihre  Stelle 
—  am  reichsten  in  den  Werken  der  südlichen  Gruppe.  Die  grossen 
Praehtgefässe  von  Nagy-Szent-Miklos  «)  (Fig.  2)  und  die  Goldplatten 
von  Fenek'1)  mit  den  Darstellungen  der  Jahreszeiten:  das  sind  Werke, 
die  sieh  direkt  an  die  griechischen  Arbeiten  des  4.  Jahrhunderts 
vom  Pont us  anschlicsscu.  Ebenso  stammen  eine  Reihe  vod  Thier- 
figuren, vor  allem  Lowe  und  Greif,  ans  der  Zeit  des  Aufenthalts 
der  Gothen  am  Dniester  und  Dnjcpr  —  sie  sind  dort  ' noch  an  Ort 
und  Stelle  in  derselben  barbarischen  Ueberarbeitung  im  Dolgaia 
Moguila,  im  Tolstaia  Moguila  und  im  Kurgan  von  Krasnokutsk  be- 
kannt geworden  *ft).  Eine  Reihe  anderer  Objekte  zeigt  sodann  bar- 
barische Darstellungen,  die  den  griechischen  Vorbildern  schon  ferner 
stehen,  so  vor  allem  die  Helicfsilbersehale  ans  Kertseh  in  der  Samm- 
lung des  Graten  Stroganoff **)  mit  der  Abbildung  eines  zechen- 
den gothischen  Hochzeitspaares,  zweier  Mälnner,  die  ein  Schwein 
abstechen  —  daneben  aber  als  antike  Tradition  Zeus  —  und  eine 
Silberhydria  und  ein  Silbereimer  mit  Hcliefdarstellungen  in  der 
skythischen  Sammlung  der  Eremitage  -'').  Die  Kostüme  der  Krieger 


.-in  einem  Mcrm  t  im  Mn-cum  zu  Kopenhagen  (Worsiiac,  Nordiske  oldsa- 
gcr  pl.  XXXV,  Fig.  1G6;  Lubbnck.  Prehistorik  tiiues.  London  1869.  p.  34. 

Dieser  Brauch  des  Get'asses  am  Gürtel  ist  aber  ein  nachweisbar 
gothischer  und  stammt  aus  dein  südlichen  Skythicn.  So  schon  Herodot 
IV,  c.  8.  Aber  auch  spater  berichtet  Kubriquis,  der  1253  von  Köllig 
Ludwig  v.  Frank  reich  an  den  Hof  des  tartarischen  Grosskhans  geschickt 
wird:  Couiani  faciunt  magnum  tuniulum  et  erigunt  ei  statuarn  versa 
t'aeie  ad  oricntein,  tenentem  eiphum  ad  nmbilicum  (Recucil  de  voyages 
et  de  memoire*.  Pari«  1839.  IV",  p.  237).  Achnlichc  Figuren  noch  jetzt 
dort  vorhanden  (I)ubois,  Voyagc  au  Caucase.  Neuehätel  1839.  Serie 
d'areheologie  pl.  31). 

22)  Die  Vermuthung  war  schon  l'rüher,  nur  unbegründet  ausge- 
sprochen worden  von  Fr.  Bork,  Die  Kleinodien  d.  Ii.  röm.  Reichs  S.  ITH; 
De  Lnsteyric,  Description  du  tresor  de  Guarrazar  p  3."1. 

•23)  Ungarische  lievue  VI,  S.  473. 

•24)  Ungarische  lievue  IX,  S.  172.  173. 

•25)  Kectieil  d'antiquitcs  de  la  Scythie.  pl.  III,  IV,  XXIV,  XXV. 

2li)  Gerhard  i.  d.  Archäologischen  Zeitung  1843,  Nr.  10. 

27)  Koehnc  i.  d.  Memoire*  de  In  socicte  d'archeo).  de  St.  Petcrs- 
hourg  I,  p.  1  -C»i;  Antiquitrts  du  Bosphore  Cimmericn.  Atlas  pl.  XXXIX, 
XL-XLI1,  Text  I,  p.  251,  2K6. 


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Merowingische  und  karolingische  Plastik.  13 


auf  den  grossen  Vasen  und  Gcfässen  von  Nagy-Szent-Miklos  sind 
zum  Tbeil  ausgesprochen  gothiscfi.  Alle  diese  grossen  Prachtstücke 
enthalten  neben  einander  orientalische  Reminiscenzen  in  einer  Reihe 
von  Thierdarstcllnngen,  klassisch-griechische  Einflüsse  in  deu  tigür- 


Vig.  2.    PrachtgefUss  von  Nagy-Szent-Miklös. 


liehen  Darstellungen  und  einheimisch  gothischc»  Erbtheil  in  den 
Ornamentmotiven ,  die  aber  wiederum  mit  klassischen  vermischt 
werden  *•). 

2X>  In  einem  JiJinliclirn  Vei-hHitniss  zur  griechischen  Kunst  stehen 


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u 


Paul  Giemen: 


Als  sicheres  Resultat  —  zumeist  die  wissenschaftliche  That 
Josef  Ha  in  p  eis  —  kann  angenommen  werden  eine  Periode  des 
skythischen  Stiles,  der  Urform  und  des  Ausgangspunktes  der  ver- 
schiedenen nationalen  Völkcrwandcrnngsstile  vom  Ende  des  2.  bis 
Anfang  des  4.  Jahrhunderts  und  eine  Periode  des  gothischeu  Stiles 
im  4.  und  5.  Jahrhundert.  An  diese  Bllltbezcit  der  Goldschmiede- 
kunst im  Osten  Europas  schlicsst  sich  auf  dem  gleichen  ßoden  eine 
Zeit  vom  6.  bis  9.  Jahrhundert,  die  nach  dem  Vorgange  Franz 
Pulszkys  als  avarische  Periode   bezeichnet  wird»"),   und  diese 


die  durchweg  weit  älteren  Broueegegenstünde  der  liallstattperiode,  die.  hier 
eine  interessante  Parallele  bieten.  Diese  grossgedachten  Illustrationen 
des  Lebens  der  prähistorischen  Zeit  sind  erst  neuerdings  als  kultur- 
historische Quelle  ersten  Ranges  gewürdigt  worden  (Julius  Naue,  Die 
figürlichen  Darstellungen  auf  Gürtelblechen  und  Situlen  aus  der  Hall- 
stattperiode i.  d.  Jahrb.  d.  Ver.  v.  Alterthumsfr.  i.  Rheinlande  LXXXII,  1). 
Ueber  die  Situlae  von  Bologna  und  Watsch  vgl.  Zannoni,  Gli  seavi  della 
Certosa.  Bologna  187ü;  Graf  Gun daker ■  Wurmbrand  i.  d.  Mittheil.  d. 
Anthrop.  Gesellseh.  in  Wien  XIV,  1884,  2.  u.8.  Heft.  Ueber  ähnliche  Funde: 
A.  B.  Meyer,  Gurina  im  Obergailthal  (Karnthen).  Dresden  1885.  Ich 
halte  die  griechische  Entlehnung  noch  für  bedeutender  als  dies  Naue 
thut.  Auf  dein  Bronzeeimer  von  Bologna  ist  die  1.  und  4.  Reihe  reine 
Kopie,  die  Krieger  sind  fast  überall  den  Vasenbildern  entlehnt;  eigene 
ursprüngliche  Schöpfungen  sind  dagegen  die  Darstellungen  aus  dem 
bürgerlichen  Leben,  besonders  die  Manner  mit  den  breitkrilnipigen  Jesuiten- 
hüten.  Der  Fund  im  .llunnengrabe"  zu  Merseburg  (B.  Dorow,  Altes 
Grab  eines  Heerführers  unter  Attila,  entdeckt  am  18.  April  1750  bei  Merse- 
burg. Halle  1832)  kann  nicht  zu  den  gothischeu  oder  avarischeu  Denk- 
malern gerechnet  werden;  die  Zeichnungen  auf  den  Seitenwänden  der 
Steinkiste  sind  wahrscheinlich  slaviscben  Ursprungs  (v.  Ledebur, 
Allgeni.  Archiv  für  d.  Geschichtskunde  des  preussischen  Staates  XI,  S.  88). 

Auch  die  Figuren  auf  den  Broncewagen  von  Peccatel  (Jahrb.  d. 
Ver.  f.  mecklenburg.  Gesch.  XXV,  S.  372),  Frankfurt  a.  d.  Oder  (Mecklen- 
burg. Aich.  XVI,  S.  261),  Judenbnrg  (John  Mitchell  Kemble,  On  some 
remarkable  sepulchral  objects  i.  d.  Archaeologia  XXXVI,  p.  349)  in  Mr. 
Payne  Knights  Collection  in  London  (ebenda  pl.  27,  1)  dürfen  nicht  in 
den  Kreis  dieser  prähistorischen  Illustrationen  gezogen  werden,  da  die 
Arbeiten  durchweg  etruskischen  Urspruugs  sind.  Vgl.  Lindenschmit, 
Altcrthümer  unserer  heldn.  Vorzeit  II,  Heft  3;  Raffaele  Garrucci,  Re- 
marks  on  a  brouze  object  found  at  Lucerna  i.  d.  Archaeologia  XLI,  p.  275; 
Onofrio  Bonghi  i.  Bull,  de  linst,  de  correspondauce  archeologique 
1830,  p.  15. 

29)  Franz  Pulszky,  Von  den  ungarländisehen  Funden  der  Avarcn- 
zeit  i.  d.  Abhandlungen  der  2.  Classe  d.  Ungar.  Akademie  1874.  Bd.  III, 


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Merowingische  und  knrolingische  Plastik. 


15 


findet  endlich  ihre  Fortsetzung  nnd  ihren  Abschlug*  in  der  4.  Periode, 
dem  Zeitalter  der  ungarischen  Heidenzeit30),  vom  9.  bis  11.  Jahr- 
huudert,  mit  den  Fanden  aus  Vereb,  der  Puszta  Bene.  Pilin.  Cson- 
gräd,  Szolyva. 

Der  Begriff  der  gothischen  Kunst  ist  selbstverständlich  mit 
Reserve  aufzunehmen  er  ist  zu  einem  geringen  Theile  auch 
Sammelname  für  die  Kunstthärigkeit  einer  Reihe  anderer  Stämme: 
nur  ist  der  gothische  der  weitaus  dominirende. 

Gleichzeitig  lebten  und  arbeiteten  aber  in  den  Flussniederungen 
des  gothischen  Gebietes  die  Jazygcn  und  Daken  und  im  Norden 
Gennauen,  die,  unberührt  von  Wimischer  Kunst,  noch  zum  Theil  in 
der  la  Teuc-Cultur  lebten. 

Neben  den  grossen  goldenen  und  sillternen  Praehtgcfässen,  für 
die  griechische  Bilder  in  Fülle  vorlagen,  enthalten  die  Grabfelder 
des  Zeitalters  der  gothischen  Kunst  aber  auch  eine  Reihe  von  Gegen- 
ständen für  das  häusliche  und  kriegerische  Leben  ihrer  Besitzer, 
Gebrauchs-  und  Schmuckgegenstände,  für  die  keine  griechischen 
Vorbilder  vorlagen  und  deren  Form  schon  in  der  germanischen 
Uebcrlieferung  gegeben  war.  Es  sind  dies  vor  allem  Fibeln,  Schwcrt- 
griffc,  Schildbuckel.  Hier  konnte  die  Stammesornamentik  zuerst 
Platz  greifen,  hier  gerieth  sie  in  Kampf  mit  der  griechischen  Or- 
namentik. Der  Schildbuckel  von  Herpäly  im  Nationalmuseum  zu 
Budapest 31 )  —  von  einer  Form,  die  für  das  erste  Eisenalter  typisch 
ist,  zeigt  an  dem  unteren  cylindrischen  Theile  Verzierungen  durch 
eine  Reihe  von  Seepferdchen,  die  ganz  der  griechischen  Kunst  vom 


Nr.  VII;  Der*.,  A  magyarorHzagy  avar  leletekriil  1874.  Eine  Uebersicht 
der  Denkmäler  von  Hcnszlman  in  MagyarorszAgi  Regeszeti  Emlekek 
II,  2.  1875  und  in  F.  Römer'«  Illustr.  Führer  i.  d.  Münz-  und  Alterthums- 
abtheilung  d.  Ungar.  Nationalmuseums.  Budapest  1873.  Vgl.  auch  Erdy 
Janos,  Regisegtani  Közlemenyek.  Budapest  1858. 

30)  Eh  .sind  zumal  Funde  von  Kleider-  und  Riemenverzierungen. 
Die  Münzbcilagcn  boten  hier  eine  Handhabe  zur  genaueren  Datirung. 
Zusammenstellungen  der  für  diese  Periode  in  Betracht  kommenden  Funde 
von  VarAzseji  im  Archacologiai  Ertesitö  XIV,  p.  331,  ebenda  N.  F.  III,  p.  lfiO. 
Die  im  NationalmuRcum  aufbewahrten  Funde  in  Römer's  Führer.  Der 
Fund  von  Pilin  i.  d.  Archaeotogiai  Közlemenyek  IX,  1873.  Zusammen- 
fassende Darstellung:  Franz  Pulszky,  Nehany  magyarorszagi  ösmagyar 
leletrol  i.  d.  Akademischen  Jahrbüchern  XVI,  1878.  Vgl.  auch  Catalogue 
de  l'exposirton  prebiHtoriquc.  Budapest  1876.  p.  148. 

31)  Ungarische  Revue  VI.  S.  tißö. 


IG 


Paul  Clemftn: 


Pontus  angehören,  daneben  aber  ani  unteren  flachen  Rande  ein 
Zangenmotiv  mit  Perlenverzierung,  das  ganz  speciell  Eigenthnm 
der  gothischen  Zeit  ist  und  beispielsweise  an  dem  Grabmal  des 
Theodnrich  zu  Ravenna  wiederkehrt.  Dann  kommen  vor  allem  zwei 
Funde  des  5.  Jahrhunderts  in  Betracht,  der  Fund  von  Apahida  »*) 
und  der  Fund  von  Vettcrsfeldo  S9).  Der  letztere ,  der  von  F  n  r  t- 
wängler  noch  als  eine  griechische  Arbeit  vom  Norden  des  Schwarzen 
Meeres  angesehen  worden,  muss  jetzt,  zumal  nach  den  Ausgrabungen 
an  den  Cfcrn  des  Plattensees,  gleichfalls  der  gothischen  Kunst  zu- 
gewiesen werden.  Es  finden  sich  nun  hier  eine  Reihe  von  Oraa- 
mentmotiven,  die  auf  den  gemeinsamen  Ornamentenschatz  der  ger- 
manischen Völker  zurückgehen,  und  die  sich  gleichzeitig  in  anderen 
mitteleuropäischen  Schöpfungen  aus  dem  Gebiete  der  Metallurgie 
vorfinden. 

Es  ist  hier  ein  Ausblick  auf  die  Geschichte  der  Ornamentik 
und  ein  kurzer  Ueberblick  Ober  die  letzten  wissenschaftlichen  Unter- 
suchungen noth wendig.  Die  Theorie  Itnmpcls  läuft  darauf  hinaus, 
dass  die  eine  Hälfte  der  am  Sehwarzen  Meer  Hesshaften  und  dort  tech- 
nisch gebildeten  Völkerschaften  nach  Norden  gezogen  und  dort  am 
Gestade  der  Ostsee  die  römische  Kunst,  d.  Ii.  die  römische  Im- 
portkunst kennen  lernte,  um  mit  diesem  doppelten  fremden  Erb- 
thcil  dann  den  Weg  nach  Südwesten  anzutreten. 

Die  ältere  Theorie  der  Skandinavier,  das  durch  Thomsen 
eingeführte,  durch  Worsaae  begründete  Dreiperiodensystem  — 
Stein-,  Bronze-,  Eisenzeit  —  das  durch  die  Einführung  dreier  ver- 
schiedener Völker  als  Trager  dieser  Cnlturen  gestützt  wurde,  ist 
durch  die  deutschen  Untersuchungen,  zumal  die  Lindeusch mits, 
bedeuklich  erschüttert  worden.  Für  Mitteleuropa  seihst  liUwt  sieh 
mit  Genauigkeit  nur  von  einer  Steinzeit  und  einer  Metallzcit  reden 
—  für  den  skandinavischen  Norden  und  die  Ostseeländer  hat  die 
Einführung  zweier  oder  dreier  verschiedener  Eisenzeitaltcr  eine  ge- 
wisse Richtigkeit.     Für  die  kunstgcschichtlichc  Behandlung  des 

32)  Final y  Henrik,  Az  Apahidai  lelct  im  Archacologini  F.rtcsitö 
IX,  1889,  p.  306;  Dcrs.,  i.  d.  Ungarischen  Revue  X,  1890,  I,  S.  7ßl.  Finaly 
erklärt  den  Fund  als  Hort  der  Gepiden,  die  /.wischen  450—550  in  Dacien 
sassen,  um  das  ,1.  480  u.  d.  Werk  eines  halb  römischen  Künstlers. 

33)  A.  Furtwitnglcr,  Der  Goldfund  von  Vettersfelde.  Winckcl- 
mannsprogramm  der  archäologischen  Gesellschaft  zu  Berlin  1883.  Gegen 
die  zu  frtlhe  Datimng  Vo«s  i.  d.  Zs.  für  Ethnologie  XV.  S.  487. 


Merowingische  und  karolingische  Plastik. 


17 


1.  Jahrtansend  ist  die  ganze,  scharf  zugespitzte  Streitfrage  von  ge- 
ringer Bedeutung:  das  Massgebende  ist  für  sie  der  Wandel  der 
Formen,  das  Material  kommt  nur  in  sofern  in  Betracht,  als  es  durch 
seine  Zusammensetzung  und  sein  Verhalten  gegenüber  den  Werk- 
zeugen die  Technik  beeiuflusste  und  damit  eine  Veränderung  oder 
Bereicherung  der  Formenwclt  hervorrief.  Es  ist  die  jüngere  Eisen- 
zeit, die  hier  noch  in  die  Ornamentik  der  Völkenvandernngszcit 
hineinspiclt. 

Nach  den  letzten  Untersuchungen  von  Undset*4)  nimmt  die 
1.  Hälfte  des  jüngeren  Eiseualters  etwa  die  Zeit  vom  4.  bis  8.  Jahr- 
hundert ein. 


34)  Iugvald  Undsct,  Das  erste  Auftreten  des  Eisens  in  Nord- 
europa; Der».,  Mindre  bidrng  om  de»  yngre  Jernaldor  i  Norgo  i.  d.  Aar- 
boger  for  nordisk  Oldkyndighed  oeli  historie  1889.  2.  raekke.  IV,  p.  291. 
lieber  die  frühere  Umgrenzung  der  Perioden  vgl.  J.  J.  A.  Worsaae, 
Nordens  Forhistorie.  Kopenhagen  1881.  p.  112;  Montelius  i.  d.  Kongl. 
Vitterhet*  historie  och  antiquitets  akadeuiiens  Mftnadsblad  1880,  N.  103, 
104.  Vgl.  George  Stephen*  i.  d.  Aarboger  for  nordisk  oldkyndighed 
och  historie  1883,  p.  320;  1884,  p.  1.  Ders.  i.  d.  (Kopenhagener)  Memoire« 
de  la  societe,  royale  des  antiquaircs  du  Nord.  nonv.  »er  1882/3,  p.  289  in 
seiner  ausserordentlich  werthvollen  Besprechung  von  Sophus  Bugge, 
Studier  over  de  nordiske  Gndeog  Tleltesagns  Oprindelse.  Christiania  1881. 
Eine  vollständige  Uebersicht  über  die  verschiedenen  Streitfragen  in  Betreff 
der  Datirung,  interessant  durch  die  Ansiltze  zu  einer  vergleichenden 
Ornanientkunde,  bei  J.  J.  A.  Worsaae,  Fra  Stecn-og  Bronzealderen  i 
den  gamle  og  den  nye  Verden  in  denselben  Aarboger  1879,  p.  249;  Ders. 
i.  d.  Meiuoires  de  la  soc.  roy.  des  antiquairew  du  Nord  1880,  p.  1,  31. 
Am  einfachsten  und  einleuchtendsten  erscheint  die  Periodentheilung  bei 

0.  Montelius,  Die  Kultur  Schwedens  in  vorchristlicher  Zeit.  Berlin  1885. 
S.  75.   Darnach:  Aeltcrc  Eisenzeit,  1.  Hälfte  5.  Jh.  n.  Chr.  —  1.  2.  H. 

1.  — 5.  Jh.  n.  Chr.,  Jüngere  Eisenzeit  1.  H.  5.-8.  Jh.,  2.  H.  8.-11.  Jh. 
Ueber  die  Schwierigkeiten  und  Probleme  der  zeitlichen  Abgrenzung  der 
vorhergehenden  Bronzeperiode  vgl.  0.  Montelius,  Om  tidsbcstUmning 
inom  bronsftldern  med  sftrskildt  anwende  pft  Skandinavien  i.  d.  Vitterh. 
Hist.  och  Antiqu.  Akad.  Handlingar  X,  Stockholm  1885.  Die  sechs  Einzel- 
perioden hier  von  1500  —  400  v.  Chr.  gerechnet.  Eine  klare  Uebersicht 
über  die  Entwickhing  der  Ansichten  über  die  Periodisirong  geben  zwei 
methodologische  Arbeiten,  S.  Müller,  Nordens  forhistoriske  archaenlogi 
1888/4  i.  d.  Nordisk  tidsskrift  VIII,  p.  1Ö3,  besonders  über  den  Gegen- 
satz von  historischer  und  typologischer,  speciell  in  Schweden  betriebener 
Methode,  und  eine  auch  stilistisch  glänzende  Rede  E.  Vedels,  Tale  ved 
Oldskriltsselskabets  Jubilaeunisfest  188. 

Jnhrl».  «1.  Ver.  v.  Alt*rtli*fr.  im  Klmlnl.  XCII.  2 


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18 


Paul  Clemen: 


Der  Hanptschatz  an  omanicntalem  Wissen  war  in  der  llaupt- 
periode  der  Bronzeprodnktion  im  nördlichen  Kuropa  und  zumal  in 
Brow.cwerken  niedergelegt  worden.  Das  ist  der  {•■rosse  Fond,  mit 
dem  in  der  Folgezeit  bis  zur  Völkerwanderung  weiter  gewirthschaftet 
wird.  Nun  ist  von  Montclius  s5)  vor  allem  ein  Motiv  als  cliarak 
teristisch  für  diese  Kunstthsitigkcit  nachgewiesen  worden:  die  Spirale, 


Fig.  3.    Typische  Können  der  Spirale  in  der  Bronzezeit. 


in  der  Form  der  echten  »Spirale,  der  falschen  Spirale  und  der 
offenen,  zur  Hälfte  abgebrochenen  Spirale  (Fig.  '.)).  Diese  Spirale 
findet  ihre  eigentliche  Heimath  im  Norden  Europas,  in  Skandinavien315) 


35)  Oscar  Montclius,  Oin  den  nnrdiskn  bronsAldcm»  Ornamentik 
och  des»  bctvdelse  tor  frAgan  oin  periodens  indelning  i.  Kongl.  Vittor- 
hets  Historie  och  Antiquitets  Akademien*  MAnadshlad  1881,  p.  17.  In 
104  Figuren  wird  die  Kntwiekelnng  der  einzelnen  Motive  gegeben.  Dazu 
(».  Tischler,  lieber  die  Dekoration  der  alten  Bronzegeritthc  i.  d.  Mittheil, 
d.  anthropol.  Gesellschaft  in  Wien.  N.  F.  D,  188.5. 

3«)  Ich  führe  nur  einige  Beispiele  an,  die  für  die  Verwendung  des 


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Merowingische  und  karolingischo  Plastik. 


I!» 


und  England  vor  allem  auf  einer  Reihe  von  Prachtstücken  des 
ktfnigl.  Musennis  in  Kopenhagen  und  auf  den  älteren  englischen 

Motivs  in  ganzen  Gruppen  charakteristisch  sind.  Die  Spiralen  in  gerader 
Fiucht  aneinandergereiht:  J.  .1.  A.  Worsaae,  Afbildninger  da  det  Kon- 
gelige  Museum  for  nordisko  oldsager.  Kopenhagen  1854.  pl.  43,  (ig.  172; 
O.  Montelius,  Die  Kultur  .Schwedens  in  vorchristlicher  Zeit  S.  44;  Atlas 
for  norsk  oldkvndighed  t'remstillenrle  priiver  l'ra  Bronzealderen  og  frn 
Jernalderen.  Kopenliagen  1857.  pl.  I,  5.  Dann  die  Spiralen  im  Kreise  in 
sich  selbst  zurücklaufend  (A.  1'.  Madsen,  Afbildninger  af  danske  old- 
sager og  mindosmaorker  Kopenhagen  1876.  I,  pl.  III,  Fig.  3>>;  Svenska 
Fornininnesföreningeus  tidskrift  IV,  p.  283;  AntiquitoLs  Akademien*  Ma- 
nadsblad  1878,  p.  fi91).  Mehrere  Kreise  von  Spiralen  eoncentrisoh  inoin- 
andergestellt  Atlas  for  norsk  oldkvndighed  pl.  VI,  Fig.  5,  <>;  (Kopenha- 
gener) Antiquarisk  Tidskrift  18G1/63,  p.  27.  Ich  möchte  noch  auf  eine 
Vorfonn  der  Spiralen  aufmerksam  machen,  die  an  britischen  Bronzocelton 
sich  findet,  erst  4  concontrische  Kreise  auf  einem  Stab  als  Krönung, 
dann  diese  mit  jenem  zu  einer  Spirale  verbunden.  Proben:  Archaeol. 
journal  XV,  p.  158;  XVIII,  p.  157;  Journ.  of  the  Brit.  arch.  assoc.  XV, 
pl.  24,  p.  23C;  Chantre,  l'Agc  du  bron/.e  II,  p.  284,  llg.  81;  Memoire*  des 
anti«|uaires  du  Nord  1872—77,  p.  115;  Archaeologia  XXX,  p.  191;  Proceo- 
dings of  the  soc.  of  antiqu.  of  Scotland  I,  p.  HM»;  II,  p.  101;  Kern  hie, 
Hörne  feraies,  ]».  4,  5,  (ig.  20,  24. 

37)  lieber  das  Verhilltniss  der  Motive  in  den  beiden  Ländern  zu 
einander  vgl.  J.  J.  A.  Worsaae,  The  primaeval  architecture  of  Donmark. 
London  1849.  p.  40  und  J.  B.  Waring,  Stoue  inonuments,  tuinuli  and 
ornament  of  remote  ages.  London  1870,  pl.  !M5.  Die  britischen  Schilde 
vor  allem  bei  O.  Bush  Meyrick,  Description  of  two  ancient  British 
shields,  prese.rved  in  the  Armoury  at  Goodrich  Court,  Hertfordshire  i.  d. 
Archaeologia  XXTII,  p.  92.  Nur  scheint  die  Datirung  unrichtig  —  ich 
möchte  sie  in  das  4.  Jh.  n.  Chr.  setzen.  Vgl.  über  den  Schild  aus  dem 
Flusse  Witham  auch  John  M.  Kemble,  Horao  feralos  or  studies  in  the 
archaeology  of  the  northern  nations.  London  1863.  pl.  XIV,  p.  190.  F.in 
ähnlicher  in  der  Themse  gefundener  i.  Archaeological  journal  VI,  p.  407. 
Sehr  interessant  ist  dann  das  gleichzeitige  Vorkommen  des  Motive*  auf 
Steinarbeiten.  So  auf  einem  merkwürdigen  Steinball  ans  Towie,  Abcr- 
decnshirc  bei  John  Evans.  The  ancient  stone  implements,  wcapous  and 
Ornaments  of  Great  Britain.  London  1872.  p.  376,  flg.  .'152  und  Procee- 
dings  of  the  society  of  autiquaries  of  Scotland  III,  p.  439.  J.Y.  Simpson, 
On  ancient  sculpturiugs  of  cups  and  conccntric  rings  on  stoues  and 
rooks  in  various  parts  of  Scotland  i.  dens.  Proceedings.  VI,  ]>.  1,  pl.  29 
weist  den  Gebrauch  der  Spirale  schon  auf  den  tumulis  von  New  Grange 
und  Dowth,  Irland  nach.  In  Deutschland  findet  sich  das  Motiv  nur  aus- 
nahmsweise, so  in  einigen  Brouzediadeinen  (Schröteler,  Fridorico- 
Franciscaneum  Tal.  10,  5;  32,  2;  von  Estorf,  Heidnische  Alterthümer 
Taf.  11,  Fig.  5). 


L>0 


Paul  Clemen: 


Sckildbnckeln  —  sie  bildet  da«  Charakteristikum  fltr  den  schmalen 
Streifen  im  Osten  des  cultivirtcn  Europa?  von  der  Ostsee  bis  nach 
Ungarn  SR)  —  während  sie  in  Frankreich  und  Deutschland  nur  ver- 
hültuissnifissig  selten  gefunden  wird.  Ihre  natürliche  Weiterbildung 
fand  sie  aber  vor  allem  in  Irland  und  Wales  Ä9).  Hier  hielt  sie  sieh 
zunächst  länger,  weil  sie  nicht  wie  in  Skandinavien  dnreh  den 
römisch  -  germanischen  Stil  abgelöst  und  verdrängt  wurde  —  und 
dann  lebte  sie  im  7.  und  8.  Jahrhundert  in  der  Gnldschmicdeknnst 
und  der  Buchmalerei  wieder  auf.  Die  Spirale  ist  das  eine  natio- 
nale Hauptmotiv  der  verwickelten  irischen  Ornamentik. 

Der  Schatz  der  germanisch  -  römischen  Ornamentik  an  Thier- 
motiven ist  durch  die  Untersuchungen  von  Sophns  M Aller  klar- 
gestellt worden  *°).  Der  Uebergang  von  der  Linienornamentik  zur 
Thicroruainentik  fällt  in  diese  germauisch-römisehe  Zeit.  Die  Thier- 
figuren sondern  sich  in  zwei  Gruppen,  eine,  die  die  Bekanntschaft 
mit  der  römischen  Kunst  voraussetzt  —  so  die  missverstandenen 
Hippokampen,  Seeböckc,  Schlangen  und  sogar  Centauren  u)  —  und 


38)  Als  Beispiel  mag  der  den  nordischen  Schildbuckeln  ganz  ent- 
sprechende Schwertknopf  im  Nationalmnscum  zu  Budapest  dienen  (Compte 
rendu  du  congres  d'archeolngie  et  d'anthropologie  prehistor.  de  Stock- 
holm p.  901  f.  Eine  ganze  Fülle  von  Beispielen  bei  Josef  H  a  m  p  e  1 , 
Altert  Immer  der  Bronzezeit  in  Ungarn.  Budapest  1890.  TU.  82,  84,  85; 
Archaeologiai  Közlemenyek  XTTI,  p.  40. 

39)  Es  ist  dies  vor  allem  in  der  grundlegenden  Studie  von  J.  O. 
Westwood,  On  the  distinetivo  character  of  the  various  styles  of  orna- 
mentation  employcd  by  the  early  British,  Angln-Saxon  and  Trish  artists 
im  Archaeological  journal  X,  p.  275  nachgewiesen  worden. 

40)  Sophus  Müller,  Dyreornamentiken  t  Norden,  deus  oprindelse. 
udvikling  og  forhold  til  samtidige  stilartei*.  Kopenhagen  1880.  Deutsche 
Ausg.  v.  J.  Mestorf. 

41)  J.  C.  Engelhardt,  Thorsbjerg  Mosefund.  pl.  7,  7;  lt,  47.  Die. 
Kieler  Platte  mit  den  Hippokampen  publ.  i.  d.  Mecklenburgischen  Jahr- 
büchern 1870,  pl.  I,  5.  Sehr  interessant  sind  in  dieser  Beziehung  die  Figuren 
auf  den  Bechern  von  Vallöby  und  Himlingüic,  und  den  Goldhömcrn  ans 
Gallchus  (Südjütland),  Abb.  i.  Atlas  for  norsk  oldkyndighed  fremstillende 
pröver  fra  Bronzenideren  og  fra  Jernaltleren.  Kopenhagen  1857.  pl.  18, 
14,  15.  Sie  enthalten,  das  eine  in  7,  das  audere  in  5  Streifen  in  hohem 
Relief  eine  ganze  Reihe  von  Darstellungen  von  Männern  auf  der  Jagd 
und  allerlei  Fabelwesen,  Menschen  mit  Thierköpfen,  mit  3  Häuptern, 
endlich  auch  Centauren.  Die  Runeninschrift  Echlev  og  OBtir  huntingor 
hunio  tuo  \igilm.  die  Iluiitinguer  I'.ohlcv  und  Astyr  weihten  diese  Horner 


Merowingischc  und  karolingtsche  Plastik. 


eiue,  die  durchaus  aus  Nensehöpfungen  besteht,  nur  Thierköpfe  von 
zoologisch  nicht  bestimmbarem  Charakter  mit  Augen  und  Schnabel  **) 
in  drei  verschiedenen  Typen.  Die  Ornamentik  der  Völkerwande- 
rungszeit bringt  eine  dritte  Aufnahme  von  Thiermotiven  —  in  der 
Kunst  der  an  das  Schwarze  Meer  zurückgekehrten  Gotheu  —  das 
sind  die  bereits  erwähnten  Motive  des  Löwen  und  des  Greifen. 
Alle  drei  Gruppen  sind  aber  fast  streng  geschieden.  Die  älteste, 
die  der  römischen  Arbeiten,  wird  verhältnissmassig  rasch  ausge- 
stossen,  sie  wird  zum  Theil  ersetzt  durch  die  dritte.  Diese  aber 
bleibt  in  der  Verwendung  wie  der  Behmidlungsweise  durchaus  ge- 
schieden vou  der  zweiten  —  die  den  fremden  Vorbildern  entlehnten 
Thicrc  werden  fast  immer  selbständig,  als  ganze  Gestalten  dar- 
gestellt, fast  nie  aufgelöst,  wahrend  aus  den  Ausätzen  der  drei  ger- 
manischen Typen  die  ganze  Üppige  Thieroruameutik  sich  entwickelt, 
deren  Hauptcharakteristicuro  Trennung  der  einzelnen  Partien,  Kopf, 
Rumpf,  Gliedmassen  und  zuletzt  eine  vollständige  Auflösung  der- 
selben ist 4S).  Die  linearen  Elemente  sind  zurückgedrängt,  nur  die 
häutige  Anwendung  vorspringender  Nagelknöpfe  als  Nachbildung 
des  Filigran  oder  Drahtwerkes  ist  geblieben  11 ).    Das  ornamentale 

(Annaler  for  nordisk  oldkyndighed  og  historie  1853,  p.  141;  1855,  p.  317), 
gestattet  eine  genauere  Festsetzung:  das  Idioiu  ist  Münsk  tunga*,  das 
älteste  Dänisch,  nur  der  1.  Name  ist  im  angelsächsischen  Dialekt. 

42)  Soph.  M Ulier,  Dyreornnuientiken  p.  31  und  die  Litt,  in  Anm.  1. 

43)  Die  glänzendste  Charakteristik  des  Stiles  giebt  Sophus  Müller. 
Dyreornanientiken  p.  44,  cap.  III.  Folkevandringhtidens  Ornamentik.  Da- 
neben Josef  Hampel  i.  d.  Ungarischen  Bevue  VI,  S.  677.  Franz 
Puls/.ky,  Studien  über  Denkmäler  der  Völkerwanderungszeit  i.  d.  Unga- 
rischen Revue  IX,  S.  H>5.  Hierzu  kommen  die  Untersuchungen  über  die 
einzeluen  Motive  bei  Furtwttnglo  r,  Goldfund  von  Vettersfelde.  Der 
Zurückfuhrung  auf  griechischen  Ursprung  kann  ich  nicht  beistimmen. 

44)  Da«  Motiv  stammt  aus  der  römisch-germanischen  Periode  und 
ist  durchaus  unrömisch  nach  S.  Müller,  Dyreornamentiken  p.  24;  Ders. 
i.  d.  Aarboger  for  nordisk  oldkyndighed  IH*0,  p.  3*7.  Ks  scheint  mir 
indessen  zweifelhaft,  ob  die  Nagelverzierung  als  Umrahmung  von  ganzen 
Gestalten  oder  Streifeu  nicht  schon  früher  vorkommt. 

Im  Torfmoor  von  LavindsgArd  ward  18G2  ein  bauschiges  Bronze- 
gcfäsB  gefunden  (Madsen,  Afbildninger  af  danske  oldsager  og  mindes- 
waerker,  Broncealderen  III,  pl.  25— 27t,  ein  zweites  zu  Hajdu-Bözönneuy 
in  Ungarn  (Hampel,  Antiquite«  prehistoriques  de  la  Hongrie  pl.  XII, 
Fig.  1,  3;  Ders.  im  Catalogue  de  l'exposition  prehistorique  de  Budapest 
1876,  p.  103),  ein  drittes  zu  Bjersjöholin  (Oscar  Montelius,  Ett  bronskHrl 


Faul  deinen: 


Blattwerk  endlich  fehlt  der  germanisch- römisehcn  Stilperiode  wie 
der  Kunst  der  Völkerwanderung  vollständig  ,5i. 

Gerade  hier  aber  findet  eine  .Scheidung  statt.  Von  all  den 
einzelnen  nationalen  K unstet ilen,  die  wir  gemeinsam  unter  dem 
Namen  des  Völkerwanderungsstiles  zusammenfassen,  zeigt  einer  das 


funnet  vid  Bjcrsjöholm  i  SkAne  i.  Antiquitvt.s  Akademien»  MAuadshlad 
1889,  p.  125),  die  sammtlich  diese  Verzierung  aufweisen.  Nun  sind  diene. 
Bronzefunde  aber  nicht  nordisch,  sondern  altitalicuisch,  wie  der  Vergleich 
mit  einer  Reihe  in  Italien  gefundenen  lehrt.  Vgl.  Stefano  de'  Stefani, 
Sopra  la  scoperta  di  oggetti  di  alta  antichitä  seavati  a  Kivoli  Voroncs« 
i.  Atti  del  H.  Istituto  Veneto  di  scienze,  lettere  ed  arti,  «er.  VI,  3.  1885; 
P.  Orsi,  Sui  centuroni  italici  della  1.  etä  del  ferro  i.  Atti  e  inemorie 
della  R.  deputazionc  di  storia  patria  per  le  provineie  di  Romagna  3.  scr. 
IV,  p.  30;  Caimi,  La  situla  di  Trezzo  i.  Bollcttino  della  consulta  archaeo- 
logiea  IV,  p.  30;  Rioudclli,  Di  una  toinbu  gallo-italica  scoperta  a  Scsto 
Calende  sul  Tieino  i.  Memorie  del  R.  Istit.  Lomhardo  di  Scienze,  lettere 
ed  arti  ser.  III,  1;  Castelfranco  i.  Rull,  di  Pnlctnol.  italian.  II.  p.  92.  Sie 
gehören  wahrscheinlich  dem  Ucbergang  vom  Bronzealter  /.um  FJsenalter 
im  nördlichen  und  mittleren  Italien  nn.  MonteliuH  (im  MAnadsblad 
1889,  p.  1-10)  weist  darum  aueli  die  Funde  von  Rjersjöholm  und  Lavinds- 
gftrd  dieser  Periode  zu.  Nun  (ludet  sieh  das  Nugelmotiv  aber  weiter 
auf  unzweifelhaft  nordischen  BronzegcfHssen,  so  auf  einem  im  Torfmoor 
von  Naekhälle,  Halland  gefundenen  Bronzeschild  (Mailands  Fornmiime.s- 
iörenings  Ärsskrift  1888,  p.  0)  und  in  einer  Reihe  weiterer  Fund.stücke 
(Boye,  Oplysende  fortegnelse  over  de  gjenslande  i  det  kong.  Mu.seuin 
for  nord.  oldsager  i.  Kjöbenhavn  p.  3<};  Kngelhardt  i.  Compte-rendu 
du  congres  de  C'openhague  18<;9,  p.  403;  S.  Müller  i.  d.  Aarhoger  for 
nord.  oldkyndighed  188«,  p.  235;  J.  Mcstorf,  Vorgeschichtl.  Altcrfhümer 
aus  Sehleswig-IIoLstein  Fig.  352).  Das  Motiv  muss  daher  bereits  als  ein 
künstlerisches  F.igenthum  der  Ornamentik  der  Bronzezeit  angesehen  und 
auf  Italien  zurückgeführt  werden.  Vgl.  O.  Montelius  i.  MAnadsblad 
1889,  p.  145;  1881,  p.  20.  Für  di«  Charakteristik  der  spateren  nordischen 
Bronzegelils.se  —  italienische  Beute-  oder  Handelsstücke  —zu  vgl.  O.  Tisch- 
ler, Funde  römischer  Metallgefiisse  in  Nordeurop«:  i.  d.  Sitzuugsber.  der 
phys.-i>kon.  Oes.  zu  Königberg  XXX,  S.  11. 

45)  Die  Fntwickelung  des  ßlattoniamentes  durch  die  klassische  Zeit 
hindurch  und  auf  seinem  Wege  bis  zur  Aufnahme  in  die  romanische  Plastik 
entwickelt  am  klarsten  die  letzte  grössere  Arbeit  auf  diesem  Gebiet: 
Bernhard  Salin,  Studier  i  Ornamentik  i.  d.  Anti<|Uarisk  Tidskrift  för 
Sverige  XI.  1890,  p.  1.  Im  übrigen  zu  vergl.  Janitscheks  Analyse  der 
karoliugisehen  Ornamentik  in  der  Ausgabe  der  Trierer  Adahandachrift 
S.  (i7;  Karl  Lampreeht,  Initialornamentik ;  Porthcim,  Der  dekorative 
Stil  in  der  altchristlichen  Kunst. 


Merowingische  und  karoliugiät-he  Pla.stik. 


23 


Pflanzenornamcnt  und  zwar  nicht  gelegentlich,  nebensächlich,  als 
zufällige  Entlehnung,  sondern  als  bevorzugtes  Motiv:  und  das  ist 
der  gothisehe  Stil,  der  gothische  Stil  zunächst  in  Ungarn.  Die 
Gräberfelder  am  Platteusee  sind  dadurch  von  grünster  Wichtigkeit, 
weil  sie  diesen  nationalen  Stil  auf  seiner  Höhe  und  in  seiner  Reinheit 
zeigen.  Die  grossen  goldenen  Prachtgefässe  in  den  ostungarischen 
Funden  stehen  noch  zu  sehr  unter  dem  Banne  der  griechischen  Vor- 


Fijr.  i.  5.  (i.    Spanien  aus  den  GrHbern  von  Kc.szthely. 

bilder,  als  dass  hier  das  Omameut.  das  eben  ein  neues  Motiv  auf- 
genommen, dies  hätte  verarbeiten,  mit  dem  eigenen  Motivensehatz 
verschmelzen  können  (Fig.  1.  2).  In  den  Funden  von  Keszthely 
ist  dieser  Process  vollzogen,  die  offene  Spirale  ist  der  Ranke,  die 
Ranke  der  offenen  Spirale  genähert:  daneben  aber  dominirt  die 
Ranke,  die  im  Halbrund  oder  Oval  aus-  und  einwärts  gebogene 
Rauke  mit  grossen  herzförmigen  oder  halbmondförmigen  Blättern 
(Fig.  4.  5.  6).  Die  vorkommenden  Thiere  sind  zum  grossen  Theil 
noch  die  den  griechischen  Vorbildern  entlehnten.  Daneben  aber 
finden  sieh  sämmtliehe  Motive  der  heimathliehen  älteren  Kunst: 
Spirale,  Stabwerk,  Schachbrettmuster,  Flechtwcrk  mit  Thierver- 
kröpfuug. 


24 


Paul  Giemen: 


Die  fränkische,  westgothische  und  longobardtache  Metallurgie 
yom  5.-8.  Jahrhundert. 

Eh  inuss  festgestellt  werden,  dass  die  grossen  ungarischen 
Funde  zum  Theil  um  ein  ganzes,  zum  Thcil  um  ein  halbes  Jahr- 
huodert  früher  angesetzt  werden  mllssen  als  die  Denkmale  der 
nächsten  grossen  Gruppe,  der  der  inerowingischen  Kunst.  Die  haupt- 
sächlichsten charakteristischen  Merkmale  dcrselhen  sind  zwei:  einmal 
die  reichliche  Verwendung  der  verroterie  cloisounee.  dann  das  Vor- 
kommen einer  bestimmten  Form  von  Fibel,  die  zuerst  Linden- 
ßchmit  als  die  merowingisehe  Fibel  bezeichnet  hat*8).  Die  ganze 
Gruppe  der  auf  Westdeutsehland  und  Frankreich  beschränkten 
Funde  hat  zuletzt  durch  L  i  n  d  e  u  s  c  h  m  i  t  eine  umfassende  zn- 
flammenhängeude  Darstellung  und  Bearbeitung  gefunden47). 


46)  Lindens  eh  mit,  Uebcr  eine  bes.  Gattung  von  Gcwaiiduadcln 
aus  den  Grilbcrn  des  5.  und  «.  Jh.  i.  d.  Abbild,  von  Mainzer  Alterthümern, 
ed.  v.  Vor.  zur  Erforschung'  d.  rhein.  Gesch.  u.  Alk'rlhüuier.  III.  Mainz 
1851.  Vgl.  dazu  Rigollot,  Recherches  historif|ues  sur  les  peuples  de  la 
race  teutonique  et  nur  le  caractere  des  armes,  des  boucles  et  des  orne- 
meuts  i.  d.  Mem.  de  la  soc.  des  antiquaires  de  la  Pieardie  X,  p.  121,  der 
einige  abweichende  Formen  beibringt.  Solche  in  Abb.  in  d.  grossen 
Publication  von  Fröd.  Moreau,  Nöcropoles  aux  euvirons  de  Fere, 
en  Tardenois'.  Vgl.  F..  Hucher,  De  Part  celtique  a  l'epoque  merovin- 
gienne  A  Tot-casion  des  agrafes  merovingieuncs  du  Muse«  archeol.  du 
Maus  i.  d.  Revue  Iiistor.  et  archeol.  du  Maine  VIII,  1881;  Sencklor, 
Merowingisehe  Fibeln  i.  d.  Jahrbüchern  des  Vereins  von  Alterthums- 
freunden  i.  Rhcinlde.  XII,  S.  191;  John  Yonge  Akerman,  An  archaeo- 
logical  index  to  remains  of  antiquity  of  the  celtic,  romano-britisb  and 
anglo-saxon  periods.  London  1887;  A.  11  u ine,  Aneicnt  Meols.  London 
1863.  p.  78.  Die  Aufzählung  der  wichtigsten  Abb.  von  inerowingischen 
Fibeln  bei  J.  de  Dave,  Etudes  archeol.  Industrie  Longobardc.  Paris 
1888.  p.  ;U.  Zu  den  Hchönsten  Exemplaren  gehören  die  normannischen 
(C  och  et,  La  Normandie  souterrairc  p.  317). 

47)  L.  Lindenschmit,  Handbuch  der  deutschen  Altorthumsknndc  I. 
Die  Alterthüiner  der  inerowingischen  Zeit.  Braunschweig  1880—1889.  Die 
Hauptresultate  schon  1860  niedergelegt  iu  „Die  vaterUtud.  Alterthüiner 
der  Wirst I.  llohenzollern'schen  Sammlungen  zu  Signiaringen".  Eine  knappe, 
aber  vortreffliche  Charakteristik  d.  inerowingischen  Kunst  v.  Salonion 
Hein  ach,  Catalogue  du  musce  des  antiquites  uatiou.  de  S.  Germain-cn- 
Laye.  Paris  1887,  p.  182. 


Merowingische  und  karolingische  Plastik. 


Die  beiden  genannten  Charakteristika  finden  ihr  Vorbild  und 
ihre  Parallele  in  der  gothischen  Kunst.  Dass  das  Zellen  glasemail 
den  Weg  von  Osten  nach  Westen  genommen,  bedarf  keines  Beweises. 
Mit  den  wandernden  Germancnschaaren  zog  die  Technik  von  den 
Ufern  der  Donau  nach  dem  Honten  des  Occidents.  Aber  auch  die  mero- 
wingische  Fibel  findet  ihre  Vorbilder  schon  in  dein  Kund  von  Osztropa- 
taka  **),  dem  Knud  aus  der  Pussta  Hak  od  **) ;  in  einer  anderen 
Fassung  auch  im  Sehatz  von  Apahida  M),  die  berühmte  Fibel  von 
Nordendorf  im  Museum  zu  Augsburg  findet  ihr  direktes  Vorbild  in 
der  grossen  merowingischeu  Spange  von  Keszthely  (Abb.  s.  u.).  Bald 
treten  noch  als  Charakteristika  auf  die  kleine  runde  fränkische 
Fibel  und  die  runden  Gurtelblcchverzieruiigcn,  die  vom  5. — 7.  Jahr- 
hundert zwischen  Slldfrankreich  und  den  Rheinlauden  erscheinen, 
symmetrisch  mit  Steinen  en  cabochon  oder  mit  Glasemail  verziert51). 


48)  Archacologiai  Közlemenyek  V,  1865.  p.  11. 

49)  Comptc-rendu  du  congr6s  internat.  d'antliropol.  et  d'archcol. 
pich.  Budapest  1876.  I,  p.  526. 

60)  Archaeologiai  Krtesilö  IX,  18*5»,  p.  305,  313.  Die  eingehendste 
Untersuchung  über  die  verschiedenen  Formen  der  Spangen  hat  Oscar 
Moutelius  in  einer  seiner  typologischen  Studien  geliefert:  SpHnneu  frftn 
bronsaldern  och  ur  dem  niinnast  utveeklade  former  i.  d.  Anticjuarisk 
Tidskrift  für  Sverige  VI,  p.  1—15)4.  Daneben  Hans  Hildebrand,  Stu- 
dier i  jftinforande  fornforskuing  i.  d.  Antiijuarisk  Tidskrift  IV,  p.  15—250. 
Mit  242  Abb.  Der  Verfasser  behandelt  p.  H>1  auch  die  gerniaulschc 
Spange.  Für  den  Völkerwanderungsstil  kommt  noch  in  Betracht  die 
Armbrust-  oder  Sprossenfibel,  die  bis  zum  4.  und  5.  Jh.  vor  allein  in  den 
Inländischen  Gegenden  heimisch  ist,  vgl.  Sit/.ungsber.  d.  gelehrt,  estnischen 
Gesellschaft  zu  Dorpat  1875),  S.  123.  Ueber  den  grossen  Elbinger  Fund 
Altpreussische  Monatsschrift  XVI,  S.  163. 

Am  deutlichsten  zeigt  die  Gleichheit  der  Formen  die  Zusammen- 
stellung der  verschiedensten  Fibeln  bei  J.  de  Baye,  Ind.  Long.  pl.  IV 
u.  V,  wo  gothische,  mcrowingisclie  und  longobardische  Kxcmplare  ver- 
einigt sind.  Auffällig  arm  au  diesen  Fibeln  erscheint  merkwürdigerweise 
die  Schweiz  (Gosse,  Notice  sur  d'ancieus  eimeticres  trouves  en  Savoie 
et  dans  le  canton  de  Gencve,  Genf  1857;  F.  Troyon,  Deseription  des 
tombeaux  de  Bel-Air,  pres  Cheseaux-sur-Lausaune,  Lausanne  1841). 

51)  Die  fränkischen  Gürtelverzierungen,  besonders  die  aus  Bronze 
mit  durchbrochenen  Ornamenten  sind  verhaltnissmitssig  sehr  häufig. 
Vgl.  die  Zusammenstellung  von  Zierscheiheu  mit  den  Darstellungen  von 
sich  durcheinander  windenden  Schlangen  ans  fränkischen  Gräbern  bei 
Schaafhausen,  lieber  germanische  Grabstätten  am  Kheiu  i.  d.  Jahr- 
büchern d.  Ver.  v.  Alterthuinsfreunden  i.  Rheinide.  XL1V,  S.  152;  Richard 


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•26 


Paul  Clenien: 


Die  Hanptstlleke  der  mcrowingischen  Kunst  des  ö.  Jahr- 
hunderts stammen  aus  zwei  Gräbern,  von  denen  das  eine  sieher, 
das  andere  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  wie  die  ungarischen 
Funde  mit  einem  Herrsehernamen  in  Verbindung  gebracht  werden: 
in  erster  Reihe  das  schon  1653  aufgedeckte  Grab  des  481  ver- 
storbenen Köngis  (.'hilderieh  zu   Tonrnay M),    in  zweiter  Linie 


Arnoldi,  Die  Funde  von  Cobern-Gondorl  ;i.  d.  Mosel,  ebenda  LXXXV1I, 
S.  17.  Dass  diese  Zierscheiben  wirklich  einen  Gürtelschmuek  bildeten,  ist 
durch  den  Vergleich  mit  skandinavischen  Arbeiten,  deren  Gebrauchte* 
besliminung  feststellt,  siehergestellt  (AI.  Em.  Holmberg,  Norbon  under 
Hcdnatidcn.  .Stockholm  1852.  p.  2*1;  X.  G.  ßruzelius,  Svenka  Fornem- 
ligar.  Lund  1*60'.  II,  pl.  «»>.  Vgl.  Grivaud  de  la  Vincelle,  Arte  et 
nieticrs  des  anciens.  Paris  1819.  pl.  XXXVI,  4,  f»,  0;  Ed.  Lambert,  Nu- 
miMtiatique  gauloise  du  nnrd-ouest  de  la  France  1844,  p.  16;  Coutte  Hip- 
polyte de  Widranges,  Des  anueaux  et  des  rouelles,  antii|Ue  monnaie 
de«  Gaulois.  Bar-Ic  Duc  1861 ;  Revue  uumismati(|ue,  uouv.  Serie  VII, 
p.  157;  Henri  de  Longpe'rier,  Des  ronelles  et  des  anneaux  antiques 
i.  d.  R£vue  arehcol.  XVI,  p.  343;  Sehaycs,  Xotice  Kur  plusieurs  decou- 
vertes  d'antiquites  a  Le.de.  n  Montroeul-sur-Haine  i.  Bull,  d'aead.  royale 
de  Belgique  1847,  II,  p.  260.  Ueber  die  tnerowingisehen  Gürtelschnallen 
vgl.  De  Surigny,  Agrafes  nicrovingiennes,  i.  d.  Mein,  de  la  soc.  d'hist. 
et  d'sircheol.  de  Chalon-sur-Saöne  III.  p.  385.  Eine  umfassende  Zusammen- 
stellung der  wichtigsten  Stücke  und  Versuch  einer  Klassifieimng  bei 
J.  de  llayc,  Etudes  archeol.  Industrie  Liingobardc  p.  56.  Zu  den  be- 
deutendsten Stücken  gehören  die  Schnalle  von  Servigny  im  Musee  zu 
ßesanvon,  die  von  Vatson  in  St.  Germain-en-Layc  (Jnv.  1:5437),  die  aus 
Engers  in  Wiesbaden,  die  aus  Bessingen  in  Dannstadt,  die  aus  Pfullingen 
in  der  Sammlung  des  Prinzen  Wilhelm  von  Württemberg.  Vgl.  Janssen, 
Der  meroving.  Goldschinuek  v.  Wieuwerd  i.  d.  Jahrb.  d.  Ver.  v.  Alter- 
thumsfr.  XLIII,  S.  57,  Tat".  (!;  Li  ndenschmit,  Allcrthümer  unserer  heidn. 
Vorzeit  IV,  Tal'.  8;  Wanner,  Das  alamanu.  Todtenfcld  bei  Schieitheim. 
Schaffhausen  18t!7.  Tal'.  H.  18.  Auch  bei  diesen  Schmuckstücken  ist  der 
Staminbanm  zurück  zu  vertilgen  zu  den  gothiselien  Scheiben  und  weiter 
zu  den  Spangen  der  Hallstatt periode  'vgl.  dit-  Funde  aus  den  Tuniulis 
von  Glasinac,  Bezirk  Rogatica,  Bosnien  im  Xaturhistor-  Hofmuseum  zu 
Wien  S.  XIII,  Nr.  :«). 

Von  besonderem  Interesse  sind  hier  die  Gürtelschnallen  mit  Künstler- 
namen, so  die  von  Dietesheim  mit  'Ingeldus  ficit  (sicV,  eine  aus  Würt- 
temberg mit  'Aldechis'  (Correspoudenzbl.  d.  Gesamnit  Vereins  XXVII.  S.  1). 
TJeber  zwei  belgische  Goldfibcln  mit  Inschriften  II.  Seh  nenn  ans. 
Trouvailles  faites  en  Belgiern»  i.  d.  Westdeutsche  Zeitschrift  f.  Geschichte 
und  Knust  1887,  S.  31  (i. 

'>■*)  Zuerst,  kurz  nach  der  Entdeckung  puhlicirt  von  .1  o.  .1  ac.  C  Iii  fle  t, 
Anastasis  Childerici.  Antwerpen  1655.   Genau  Tabbe  Cochet,  Le  tom- 


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Merowingisehe  und  karolingischc  Plastik. 


27 


da»  1842  in  Ponan  bei  Arcis-sur-Aube  eröffnete  Grab,  das  auf  den 

4f>l  in  der  Schlacht  auf  den  ca- 
talaunischcn  Feldern  gefallenen  Go- 
thenkönig Theodorich  zurückgeführt 
wird  M).  Die  Besehläge  der  Scheide 
und  die  Griffe  der  beiden  IlauptstUcke 
der  Grüber,  der  Schwerter,  zeigen  die 
verroterie  in  einer  Zusammenstellung 
von  Gold  und  Roth64),  die  sich  ganz 
genau  wiederfindet  in  dem  Schwert 
im  Mnsee  de  la  villc  zu  Bcan- 
vais r'5),  in  den  beiden  halbrunden 
Panzcrschniuckstücken  im  Museum 
zu  Kavenna,  die  als  die  Panzerplatten 
des  Odoaker  bezeichnet  werden  *•). 
Die  Horscnbeschläge  von  Ernennen, 
der  symbolische  Fisch  von  Oharnay, 
die  Schmuckgegenstände  von  Pouan, 
von  Jouy-le-Comte  ■''),  von  Courbil- 
lac58),  die  Fibeln  von  Bourg-sur- 
Alane  bei  Soiseons,  um  nur  die 
hervorragendsten  und  bekanntesten 
Werke  dieser  Klasse  von  Kunst- 
schöpfungen zu  nennen,  zeigen  in 
Adlerschmuek  des  Musi  e  Cluny.  SA  wie  Technik  dieselben  ange- 
führten Merkmale. 

beau  de,  Childeric  I.  Pari*  1859;  L  in  den  sc  Ii  in  i  t ,  Alteitlmmskundc.  I, 
S.  08;  F.  Dahn,  Deutsch«  Geschichte  I,  S.  150;  Oers.,  Urgeschichte  der 
german.  und  roinaii.  Völker  III,  S.  18.  Vgl.  auch  J.  Labarte,  Histoire 
des  arts  industriell,  Albuin  |>l.  XXX;  Text  I,  |>.  453. 

53)  Peigne-Dclacourt,  Recherches  sur  le  champ  de  hataille  d'At- 
tila,  armes,  bijoux  et  ornements  du  Theodoric  roi  des  Visigoths.  Paris  1800. 

51)  Linden  sc  h  mit  a.  a.  ü.  I,  S.  80,  229,  230. 

55)  Danjou,  Notes  sur  quelques  anthiuitcs  merovingiennes  COH- 
Berves  au  musee  de  Reauvais  p.  9,  ]>I.  II,  III. 

50)  Ferd.  de  Lasteyrie,  On  two  gold  Ornaments  ol"  the  time  of 
Theodoric,  preserved  in  the  Museum  at  Kavenna  i.  d.  Archaeologia  XLVI. 
p.  237,  pl.  VII;  Rann,  Ein  Besuch  in  Ravenna  i.  d.  Jahrbüchern  für 
Kunstwissenschaft  1K68,  S.  295. 

57)  Vgl.  hierüber  die  ausgezeichnete  Studie  von  A.  IScrtrand, 
Les  bijoux  de  .louv-le-Comte  (Seine-et-Oise)  et  les  ciinetiere«.  merovin- 
giens  de  la  Gaule.  Paris  1K79. 

58)  A.  Bcrtraud,   Les  bijoux  uieroviugieus  de  Courbillac  pr*s 


Fig.  7. 


28 


Paul  CIcmcn: 


In  dem  Grab  zu  Pouan  ist  ein  Hing  gefunden  worden  mit 
dem  gothischen  Xamcn  Heva.  Aber  selbst  wenn  der  Schatz  von 
einem  westgothischen  Könige  stammt,  ko  enthält  er  doch  keine 
Arbeiten  aus  der  Goldschtniedeschnle  von  der  Donau:  es  ist  die- 
selbe Gattung  der  fränkischen  Arbeit  wie  bei  den  übrigen  auf 
französischem  Boden  gemachten  Funden60),  vor  allem  auch  dem 
grossen  Adlersehmuck  des  Musee  Cluny  (Fig.  7). 

Den  engen  Zusammenhang  der  oberitalischen  Kunst  mit  der 
merowingischen  zeigt  noch  einmal  der  Schatz  zu  Monza.  Diesmal 
sind  es  die  Langobarden,  die  als  die  ausübenden  Werkmeister  er- 
scheinen. Die  Krone  der  Theodelinde  ist  noch  erhalten,  die  Krone 
des  Agilulf,  aus  getriebenem  Goldblech  mit  Steinen  en  cabochou  — 
leider  1799  in  Paris  gestohlen  —  zeigte  die  grösste  Verwandt- 

Jarnac  (Charentc):  Compte-rendu  de  l'acad.  des  inscr.  et  belles-lettres 
4.  s^ric  XV,  p.  62.  Die  hierher  gehörenden  Sckmuckstücke  der  Gräber- 
funde sind  meist  in  den  zahlreichen  Finzelpubllkationen  über  diese  Grab- 
funde aufgezählt;  hier  seien  nur  erwähnt  die  Untersuchungen  Baudot« 
über  die  Gräber  von  Charnny  (Cote-d'Or),  von  de  Baye  über  die  von 
Joches  (Marne),  Oyes,  von  d'Estaintot  über  die  von  R<>uen,  von  Pilloy 
über  die  von  Jardin-Dieu  de  Ougny  (Aisnc),  von  besonderem  Werthe 
sind  die  nn  grösseren  Gesichtspunkten  reichen  Zusammenfassungen  bei 
Hucher,  De  l'art  reltique  A  l'cpoqtie  merovingienne  i.  d.  Revue  historique 
et  archcologique  du  Maine  1880;  H.  Baudot,  Memoire  sur  les  sepulturcs 
barbares  de  l'cpoquc  merovingienne  et  principalcmrnt  celles  de  Charnny 
und  in  den  grundlegenden  Arbeiten  des  Abbe  C  och  et  über  die  nor- 
mannischen Funde. 

00)  Der  King  mit  dem  Bilde  Childerichs,  der  im  Grabe  von  Tour- 
nay  gefunden  ward,  gab  bekanntlich  die  Handhabe  zur  genauen  Datirung 
des  Fundes  (Codi  et,  le  tombeau  de  Childeric  p.  351).  Kinen  Ring  bez. 
mit  S  und  K,  möglicherweise  aus  dem  Besitze  König  Sigeberts,  besitzt 
die  Bibl.  nat.  zu  Paris  (Lindenschmit  a.a.O.  1,  S.  Ausserdem 
finden  sich  noch  auf  einem  Silberringe  des  Brüsseler  Museums  der  Name 
Wabuetusus,  auf  einem  Ringe  aus  Allones  der  Name  Launobergn,  auf 
einem  von  Blois  der  Name  Hn^iK  traiiuuis.  Abb.  mcrowiug.  Ringe  bei 
Lindenschmit  1,  Tat.  14.  Vgl.  ausserdem  tlie  umfangreiche  Abhandlung 
von  P.  L.  De  loche,  Ktudcs  sur  quelques  enchets  et  annoaux  de  l'epoque 
merovingienne  i.  d.  Revue  archcol.  ;j.  ser.  VII,  p.  '20,  21t>,  5H1;  VIII,  p.  10, 
i;i7,  Ml.'t  etc.;  Comtc  de  Mnrsy,  Note  sur  uu  anncau  nierovingien  cn  or 
trouve  pres  de  C'ompiegne  i.  Bull,  de  In  soc.  hist.  de  Compiegne  V,  1H8J. 
Kiner  mit  d.  Inschr.  Leubacius  1887  auf  der  Aussteilung  in  Tours  (Bull, 
de  la  soc.  archcol.  de  Toxiraine  1H85,  Nr.  4*-l;  Leon  Palustre,  Mclanges 
d'art  et  d'aichcologie.  Ohjct-s  exposes  ü  Tours  en  1XH7.  VIII);  Edmond 
le  Blant,  Observation»  sur  la  bague  attribuce  A  saiute  Radcgonde  i.  d. 


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Merowingische  und  karolingische  Plastik. 


29 


schaft  mit  den  gleichzeitigen  fränkischen  Arbeiten,  vor  allem  den 
gleich  aufzuführenden  Reliqnienküstchen,  wahrend  die  Decke  des 
Evangeliars  des  Theodorich  zn  Monza  die  auf  allen  mermvingischen 
Arbeiten  wiederkehrenden  Motive  der  Rauten,  Dreiecke  und  Kreise 
aufweist 6l).  Die  Kronen  von  Monza  leiten  eine  ganze  grosse  Gruppe 
von  Goldsehmiedcarbciten  des  6.-9.  Jahrhunderts  ein,  die  Votiy- 
kronen").  Die  glänzendsten  Repräsentanten  sind  die  bekannten  Kro- 


Revue  de  Part  chretien  VIII,  p.  252.  lieber  die  Ringe  von  Clotahar  II 
und  Bertilde,  der  Gemahlin  Dagobert«  vgl.  auch  Jules  Quicherat,  Sur 
nn  anneau  sigillaire  de  lYpoquc  merovingienne  i.  d.  Melange«  d'archeo- 
logie  et  d'histoire,  ed.  Robert  de  Lastoyrie,  Paris  18*5.  II. 

61)  Die  Krone  ist  zum  Glück  in  Abbildung  erhalten  beiMuratori, 
SS.  rer.  Halicar.  I,  p.  460  und  Anton.  Franc.  Frisi,  Memorie  storiche 
di  Monza  e  sua  corta.  Mailand  1794.  III,  p.  93:  darnach  bei  D'Agincourt, 
Sculpture.  pl.  XXVI,  Nr.  7.  Sie  ist  durch  die  Inschrift,  die  sie  trug,  satt- 
sam bezeugt:  f  Agilulf  gTat.  di.  vir  glor.  rex  totius  Ital.  offeret  sco. 
Johanni  Baptistc  in  ecla.  Modicia  (Garrucci,  VI,  p.  42).  Eine  genaue 
Beschreibung  giebt  schon  das  Inventar  von  1363:  Corona  una  magna 
auri,  larga  et  ampla,  omata  zafiliis  et  aliis  lapidibus  pretiosls,  cum 
cadenellis  auri  pendentibus  et  cum  lapidibus  tredeeim  intus,  qui  vi- 
dentur  esse  zafllil,  et  uno  loco  cArentc  zafilio  et  alio  lapide,  et  ornato 
perlis  qninquaginta  quinque  grossis  ad  modum  ciceris  et  uno  cri- 
stallo  grosso  et  multis  aliis  perlis  et  lapidibus  pretiosis.  Das  mittlere 
Band  enthielt  in  getriebener  Arbeit  eine  Reihe  von  Arkaden,  darunter 
Christus,  2  Engel  und  die  12  Apostel.  Die  Krone  ward  nachtrHglich  zur 
Votivkrone  bestimmt.  Barbier  de  Montault,  Inventaires  de  la  bas. 
royale  de  Monza  im  Bull.  mon.  XLVI,  p.  18,  60.  Die  Krone  der  Theode- 
linde  abgeb.  Fr.  Bock,  Die  Kleinodien  des  h.  Rom.  Reich  deutscher 
Nation  S.  166,  Taf.  34,  Fig.  61. 

62)  Frisi,  Memorie  storiche  di  Monza  III,  pl.  14.  Geber  die  Be- 
stimmung der  Votivkronen  Rohault  de  Fleury,  La  messe  V,  p.  101, 
pl.  387;  Barbier  de  Montault,  Les  couronnes  pendantes  im  Bull, 
monum.  XLVI,  p.  76;  Fr.  Bock,  Geschichte  der  liturgischen  GcwUndcr 
II.  153;  Gonzales  Villa r,  Tratado  de  la  Sagrada  Luminaria.  Madrid 
1798;  Fanceulli,  De  Lucernis  pensilibus.  Maecratae  1802.  Kine  ganze 
Fülle  von  Notizen  über  die  Bestimmung  dieser  Kronen  im  Liber  pontihealis. 
Die  älteste  Hftngekronc  ist  die  von  Novo-Tcherkask  (s.  o.)  in  St.  Peters- 
burg (Odobescu,  Cunun'a  mare  d'in  thesauruln  de  la  Novo-Cercask. 
Bukarest  1879).  Kaiser  Constantin  hing  seine  Krone  in  der  Sophien- 
kirche zu  Constantinopel  auf,  wo  sie  noch  Anton  von  Novgorod  sah 
(Riant, "Kxuviae  Constantin.  II,  p.  219).  Ursprünglich  waren  regmim  nnd 
crux  pensilis  verbunden  (Bianchini,  Comtnent.  Anastas.  II,  p.  318).  — 
Der  liber  pontiflcalis  erwHhnt  714  eine  corona  aurea  cum  cruce  pendens 


30 


Paul  Clemen: 


nen  aus  dem  Schatz  von  Guarrazar  im  Clnnymuscnm  zu  Paria  und 
in  der  Armeria  Real  in  Madrid,  die  durch  die  in  hängenden  (Jold- 


gemmis  ornata  super  altare  (Rnhault  de  Flcury,  a.  a.  O.  V,  p.  109). 
Die  Sitte  findet  sich  ebenso  in  den  koptischen  Kirchen  (Butler,  Aiici«*nt 
eoptic  churoh  II,  p.  t>9).  Diese  Ilangckronen  bilden  datin  wichtige  und 
bedeutsame  Srhinuekstücke  der  Kirchen  in  der  spJlteren  inerowing.  und 
karolhig.  Zeit.  Im  Oratorium  von  St.  Hilaire  zu  Poitiers  572  erwähnt 
eine  Krone  mit  einem  Kreit'/,  aus  vergoldetem  Silber,  mit  Edelsteinen  be- 
setzt, daran  hängend  8  Goldblatter  {Arbeliot,  Testam.  de  S.  Yrieix  i. 
Bull,  de  la  .societc  archcol.  du  Limousin  XXIII,  p.  187).  Dan  Inventar  der 
Kirche  zu  Staft'elsce  berichtet,  nnno  812:  l'ciidct  super  nltare  Corona  argen- 
tea,  per  loea  deaurata  una,  et  in  incdio  illius  pendet  crux  parva  cuprina 
deaurata  una,  et  pomum  crystallinum,  et  in  cadein  Corona  per  girum 
pendent  online*  margaritarum  diversis  eoloribus  (Montinienta  Boica  VII, 
p.  83).  Das  älteste  Prümer  Inventar  (Auguste  Digot  im  Bull,  monum. 
XV,  p.  283,  292)  berichtet  von  7  .silbernen  Kronen,  die  in  der  Kapelle 
aufgehängt  waren,  eben  solche  befanden  sich  Iii  Centnla  (Chron.  Centul. 
in  Migne  Patrologia  CLXXVII,  p,  1218).  Vgl.  auch  Knuodü  Epig.  77. 
Op.  ed.  Sinnond  p.  622;  Vita  S.  Sainsonis  ab  auetore  anonymo  bei  Mb- 
billon,  Acta  SS.  ord.  S.  Bened.  I,  p.  IGT».  Die  Araber  landen  in  Toledo 
nicht  weniger  als  25  solcher  goldener  Votivkronen  vor:  Gayangos,  Mo- 
hammedan  dynasties  in  Spain.  I.  Appendix,  p.  XLVIII;  De  los  Rios,  El 
arte  latino-hizantina  en  Espafla  18<>1,  p.  KT)  -91.  Weitere  Beispiele  in  Le 
tresnr  de  l'eglise  collcgiale  de  Saint-Auhin  A  Namur  in  Le  Beffroi  III, 
p.  131,  125;  Analectes  pour  servir  a  l'hist.  e,cclcsiasti«|ue  de  la  Belgit|tie. 
Löwen  18ß4.  I,  p.  H4.  Noch  König  Kunds  VI.  Gemahlin  Gertrud  schenkt 
der  Kirche  St.  Laurentius  in  Lund  eine  solche  Votivkrone  (SS.  rer. 
Dan.  HI,  p.  530:  C.  Nyrop,  Meddclelser  om  dansk  Guldschraedekunst. 
Kopenhagen  1885.  p.  5),  erhalten  ist  noch  die  des  h.  Erich  in  der  Dom- 
kirche zu  Upsala  (Johan  Peringskiöld,  Ullerilker»  Iliiradz  Minnings- 
Merketi  med  Nya  Upsala.  Stockholm  1719,  p.  52).  Abbildungen  solcher  Votiv- 
kronen bei  John  David  Chambers,  Divine  worship  in  England  in  the 
thirteenth  and  fotirteenth  centuries.  London  1877,  p.  4;  Cahier  et  Martin, 
Me.langes  d'archeologie  III,  p.  27.  Als  die  ältesten  Kronen,  die  die  zuerst 
im  germanischen  Europa  herrschende  Forin  zeigen,  dürften  die  bronzenen 
Zackenkronen  im  Museum  zu  Schwerin  (Mecklenburgische  Jahrbücher 
XIV.  S.  315),  im  Kgl.  Museum  zu  Kopenhagen,  in  der  Altcrthümcrsamm- 
lung  zu  Aarhuus  und  im  Museum  zu  Hannover  (Mecklenb.  Jahrb.  XXVI, 
S.  169>,  zu  denen  der  Ring  von  Söhren  kommt  (Handel mann,  Bericht 
d.  Kgl.  Ges.  f.  Sammlung  vatcrlttnd.  Alterthümer  zu  Kiel  18&J,  Juli  S.  65), 
angesehen  werden.  Vgl.  Lisch  im  Correspondenzblatt  d.  Gesammtver.  d. 
deutsch.  Gesch.  u.  Alterthumsver.  VI,  S.  4G;  XII,  S.  <J0.  Abbildungen  der 
Votivkronen  auf  gleichzeitigen  Denkmälern  schon  auf  der  Mosaik  der 
Galla  Placidia  (Rohault  de  Fleury,  La  messe  I,  pl.  31)  und  auf  einer 
Elfenbeinpyxis  d.  7.  Jh.  (Fr.  Hahn,  5  Elfenbeingef.  d.  früh.  Mittelalters. 


Mcrowingische  und  karolingische  Plastik.  31 


bnchstaben  angebrachten  Xanten  der  gothisehen  Könige  Reece*- 
vinthus  f  072  und  Svintbila  f  031  genau  datirt  sind ,iS),  ihnen 
reihen  sich  die  Funde  von  Uuadamur  an.  Ihre  Parallele  linden 
diese  Kunstwerke  auf  laugobardigclietu  Boden  in  der  goldenen  Krone 
im  Schatze  des  Cavaliere  Rossi01).  Auch  hier  die  gleiche  Stein- 
l'assung  und  die  gleiche  Technik  des  Treibens:  das  dünne  Gold- 


Hannover  1862.  S.  2).  Die  besten  Illustrationen  bieten  aber,  auch  für 
die  Form  der  Befestigung,  die  gleichzeitigen  Handschriften,  ich  nenne  im 
Brit.  Mus.  Cod.  Hart.  2908  auf  fol.  8a,  Cod.  Harl.  603  fol.  18»,  25»,  Cod. 
Addit.  1181!)  in  den  Canonet-bögcn,  Cod.  9428  der  Bibl.  roy.  zu  Brüssel 
fol.  7b,  17».  Cod.  lat.  324  der  Bibl.  nat.  zu  Paris  fol.  5'»,  l'trechtpsalter 
fol.  51»,  75>>,  Cod.  1598  zu  St.  Omer  fol.  25'",  Cod.  606  zu  Vulenciennes 
fol.  30h.  —  Die.  Kronen  wechseln  hier  zumeist  mit  Lampen  in  Anrpelform, 
gleichfalls  aus  Edelmetall,  die  mit  den  Kronen  in  Iteih  und  Glied  aufge- 
hängt waren.  Grössere  Abb.  von  ihnen  Cod.  698  zu  St.  Omer  fol.  15a, 
Cod.  184  zu  Tours  fol.  2»  Cod.  15  zu  Lille  fol.  13»,  Cod.  257  zu  Douai 
fol.  Ib. 

63)  Vgl.  Ferd.  de  Lasteyrie,  Description  du  tresor  de  Guarrazar. 
Paris  1860;  Don  Jose  Amador  de  los  Itios,  Kl  arte  latino-bizantino 
en  Espana  y  bis  Coronas  visigodas  de  Guarrazar.  Madrid  1861;  Kada, 
Coronas  de  Guarrazar  quo  se  eonserva  en  la  Armeria  Real  de  Madrid  im 
Museo  espafiol  de  antiguedades  III,  VI,  p.  137;  A.  Darcel,  Description  du 
tresor  de  Guarrazar  i.  d.  Gazelte  des  Bcaux-arts  I,  p.  312,  VI,  p.  119.  Die. 
Fundbericht«  im  Bull,  de  la  societc  des  antifjuaires  de  Franca  2.  Febr. 
1859;  genau  Hübner  i.  d.  Besprechung  der  beiden  zuerst  genannten 
Werke,  in  Fleckeisens  Jahrbüchern  für  klassische  Philologie  1862.  VIII 
(Bd.  85  d.  Serie),  S.  54i7.  Vgl.  auch  Lisch  im  Correspondcnzhlatt  des 
Gcsamuitveroins  XII,  S.  60.  Farbig«  Tafeln  i.  d.  Monumentes  arquitec- 
tonicos  de  Rspaaa,  provincia  di  Toledo.  Madrid  1859.  I.  Grosse  Abb.  i. 
d.  Monde  illustre,  19.  Febr.  1859,  Illustration  vom  selben  Datum.  Rohault 
do  Fleury,  La  mes.se  V,  pl.  387,  p.  101;  Juan  F.  Iliario,  The  industrial 
arts  in  Spain.  London  IH79.  p.  7.  Technische,  Beschreibung  im  Catalog 
des  Clunymuseums  Nr.  4979.  Die  Kronen  haben  zu  einer  heftigen  De- 
batte zwischen  De  Lasteyrie.  und  De  los  Kios  Anlass  gegeben.  Der  letz- 
tere (a.  a,  O.  p.  25)  versucht  mit  einer  lebhaften  Phantasie,  die  durch  sein 
spanisches  Nationalgefühl  geweckt,  aus  den  Kronen  eine  latino-byzanrinische 
Kunst  zu  construiren,  wilhrend  De  Lasteyrie  (a.  a,  ().  p.  27,  33)  die 
Ornamente  als  nordisch  und  germanisch  anspricht.  Ihm  stimmt  bei 
E.  Martin  in  Le  siecle.  2.  Juli  1860.  Ich  halte,  sowohl  die  Technik  wie 
die  Ornamentik  für  germanisch  und  zwar  aus  der  allerniichsten  Ver- 
wandtschaft mit  der  frilnkiseh-merowingischen  Goldschmiedekunst  heraus- 
geboren. 

64)  De  Waal  i.  d.  Hörn.  Quartalschrift  f.  christl.  Alterthumskunde 
III,  S.  66. 


Paul  Clemen: 


blech  ist  Uber  einer  hölzernen  Matrice  geschlagen.  Noch  durch 
drei  Jahrhunderte  hindurch  erhielt  sich  die  Knnst  des  Glasetnails 
in  Asturicn  fli). 

Eine  grossse  höfische  Goldschraiedckunst  lässt  »ich  somit  vom 
5.— 7.  Jahrhundert  constatiren,  die  bei  den  Franken,  Langobarden 
und  Westgothen  im  Wesentlichen  in  Technik  und  Ornament  die 
gleichen  Züge  zeigt,  sie  lässt  sieh  weiter  verfolgen  bei  dem  Volke, 
das  zum  ersten  Träger  der  mitteleuropäischen  Cultur  wurde,  bei 
den  Frauken. 

Die  gleiche  Art  der  verroterie  cloisonnce  wie  in  den  vergra- 
benen Schätzen  der  Könige  Theodorich  und  Childebert  findet  sich 
um  ein  Jahrhundert  später  in  den  Werken  des  bedeutendsten  aller 
merowingisehen  Edelmetallktlnstler,  dem  Patron  der  französischen 
Goldschmiede,  in  S.  Eligius,  dem  Bischof  von  Noyon  (588 — 659). 
Die  Legcndo  schreibt  ihm  die  Erfindung  dieser  Technik  und  des 
Emails  zu :  wahrscheinlich  aber  hat  er  nur  die  verroterie  im  Limousin 
heimisch  gemacht 86).    Seiu  berühmtestes  Werk  in  dieser  Technik 


65)  In  der  eamera  santa  der  Kathedrale  zu  Oviedo  wird  noch  jetzt 
da»  cruz  de  la  victoria  bewahrt,  das  908  durch  Alfons  III.  den  Grossen 
von  Asturicn  geschenkt  ward.  Bin  Theil  seines  Schmuckes  besteht  ans 
rothem  und  grünem  Glasemail.  Die  Inschrift  schlicsst  mit  den  Worten: 
Operatum  est  in  castello  Ganson  anno  nostri  regni  XL1I  discurrente  era 
DCCCCLVI  (908).  Vgl.  DonJoscAmadordelosRios,  El  arte  bizan- 
tino  cn  Espalia  p.  3ö.  Aehnlich  wohl  dns  Kreuz,  das  Fruela  III.  und 
Nnnilo  Jimena  910  der  Kirche  von  San  Salvador  zum  Geschenke  machen. 
Unter  den  Gaben,  mit  denen  1063  Ferdiuand  I.  der  Grosse  von  Castilien 
die  Kirche  Johannis  baptistae  schmückt,  sind  eine  ganze  Reihe  von 
Schmuckstücken  cum  olovitreo  mit  Glasemail  (Yepes,  Cronica  de  la 
Orden  de  san  Benito  VI,  append.  fol.  4611'). 

65)  Saint-Eloi  a-t-il  pratique  l  emaillerie?  i.  d.  Mem.  de  la  soeiete  des 
antiquaire^  de  France  3.  Her.  VII,  p.  207.  Die  sorgfältigen  Untersuchungen 
der  französischen  Archäologen  haben  im  Limousin  keine  Spur  von  Einail- 
nrbeiten  vor  der  Periode  des  Eligius  nachweisen  können.  Vgl.  TabW 
Texier  im  Bull,  monum.  XXV,  p.  575;  von  demselben  Essai  snr  les  email- 
leurs  et  argentiers  de  Limoges.  Poitiers  1843,  p.  42;  Memoires  de  la  soc. 
des  antiquaires  de  l'ouest  IX,  p.  115.  Louis  Dussieux,  Recherche« 
archeologiqnes  sur  l'histoire  de  l'orfevrerie  au  moyen  Age  i.  d.  Annal. 
archeol.  III,  p.  211  sucht  den  Nachweis  zu  führen,  dass  Limoges  schon 
vor  Eligius  der  Mittelpunkt  einer  Metallarbeiterschule  gewesen,  —  aber 
ohne  Beweisgründe.  Der  Goldschmied  Mabuinus,  der  erste  französische 
Künstler,  dessen  Namen  wir  erfahren,  der  zwischen  464  und  494  für 


Merowingische  und  karolingische  Plastik. 


4.1 


war  der  Kelch  von  Chelles  ,iTi,  den  die  Königin  Bathilde  im  J.  622 
dem  Kloster  Chelles  hei  Paris  schenkte: 
er  ist  1702  eingeschmolzen  worden,  aber 
in  einer  Abbildung  von  du  SauSBaj 
vom  .1.  lf»(>l  erhalten.  Hier  liegt  nur 
ein  ganz  leises  Nachklingen  antiker  Blatt- 
fonuen  vor,  danebcu  aber  stehen  die 
fränkischen  Motive  des  Kreises,  des 
Dreiecks,  der  Rauten  und  des  netzarti- 
gen Filigrans,  das  in  Schachbrettmnsternng  mit  Z^llcnglas  gefüllt 
ist.    Die  Becher  von  Oourdon «")  und   Nancy  und  »las  Bronze- 


Fig.  9.  Schmuckstück  ans 
dein  Museum  zu  Sl.  Omer. 


Bisehof  Perpetuus  arbeitete,  kann  nicht  ohne  Weiteres  in  eine  Reihe  mit 
den  Limotisiner  Goldarbeitcrn  gestellt  werden.  Aus  jener  Periode  einer 
Schule  von  Poitiers,  die  möglicherweise  ein  Gegenstück  zu  der  spateren 
von  Limoges  bildete,  stammt  nur  der  Hing'  der  Radegunde  von  Poitiers 
(um  550),  dont  le  cercle,  affectant  la  forme  de  deux  chrysalides,  aboutit 
i\  un  ehaton  orne  du  monogrammc  de  l'auguste  epouse  de  Clotaire  (vgl. 
l'abbe  Auber  i.  d.  Revue  de  Part  chretien  VIII,  p.  252,  120). 

67 1  Charles  de  Linas,  Les  oeuvres  de  St.  Kloi  et  la  verroterie 
cloisonnce.  Paris  1864;  Maurice  Ardant,  Saint-Eloi  orfevre-einaillenr 
i.  Bull,  de  la  soc.  archeol.  et  hist.  de  Limousin  XIII,  p.  229;  Eugene 
Grcsy,  Le  caliee  de  Chelles,  oeuvre  de  Saint-Eloi.  Paris  1863  und  i.  d.  Mem. 
de  la  socicte  des  antiquaires  de  France  XXVII,  p.  12;  Die  merowingisehe 
Goldschmiedekunst  im  Organ  für  christliche  Kunst  XV,  S.  »51.  Vgl.  l'abbe 
Texicr,  Dictionnaire  d'orfevrerie.  p.  300.  lieber  die  Quellen  der  mero- 
wingischen  (loldschiniedekunst  giebt  eine  IVhersicht  l'abbe  Auber, 
Histoire  et  theorie  du  symbolisme  religieux.  Paris  1884.  IV,  p.  283.  Am 
eingehendsten  die  glanzende  Abhandlung  von  Ch.  de  Linas,  Le  calice 
de  Saint-Eloi  ä  l'abbaye  de  Chelles  i.  d.  Revue  de  l'art  chretien  VIII, 
p.  IUI.  Andre  du  Saussay  besuchte  im  J.  1651  Chelles  und  beschrieb 
den  Kelch  (Panoplia  sacerdotalis  I,  I.  5;  De  stola  sacra  c.  VIII,  p.  87,  199), 
Darnach  P.  Lecointe,  Annales  eccles.  Franc.  III,  p.  491;  Oerard  du 
Bois,  Hist.  eccles.  Paris  I,  1.4,  e.  6,  198;  Martene  et  Durand,  Voyage 
litteraire  II,  p.  4;  Lcbeuf,  Hist.  du  dioec.  de  Paris  VI,  p.  42. 

68)  Die  Gelasse  von  Gourdon  wurden  1845  zu  Gourdon  bei  CInny 
zusammen  mit  103  Goldmünzen  der  burgundisehen  Könige  Gondebaud 
tmd  Sigismund  gefunden:  es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  sie  523  beim 
Einfall  der  Söhne  Chlodwigs  vergraben  wurden.  Vgl.  Bull,  de  la  soe. 
des  ant.  de  France  1HT>;»,  p.  59;  Ch.  de  Irinas  i.  d.  Revue  de  l'art  chre- 
tien VTII,  p.  325.  Abb.  bei  Lacroix,  Les  arts  au  moyen  age.  Paris  1869. 
p.  33;  J.  Labarte,  Hist.  d.  arts  industriels,  Album  I,  pl.  30;  ausführ- 
lich im  Text  I,  p.  492.  Dazu  A.  Jlg  bei  Br.  Brut- her,  Gesch.  d.  tech- 
nischen Künste  II,  S.  186. 

Jalirü.  d.  Vur.  v.  Altertlufr.  im  Kheiul.  XOU  3 


31 


Paul  Clemen: 


gefäss  von  Bartlow .  Essex  r,s)  sind  entfernte  Verwandte  des 
Kelches  von  Chelles.  Auch  die  kleinen  merowingisehen  Schmuck- 
stücke des  Museums  zu  St.  Omer  gehören  hierher  (Fig.  U).  Noch 
im  8.  Jahrhundert  erseheinen  die  gleichen  Formen  auf  den  fränki- 
schen Fibeln  und  Gürtelschnallen  mit  eingesetzten  rothen  Granaten 
ans  den  Gräbern  der  Pieardie,  vor  allem  von  Marchclcpot 7U). 

In  den  vier  Jahrhunderten,  die  diese  Periode  der  merowingi- 
sehen Metallurgie  darstellen,  eutstandeu  nun  aber  auch  eine  Fülle 
grosserer  Arbeiten:  die  Kirehe  war  es,  die  als  die  erste  Staatsmacht 
hier  wahrhaft  monumentale  Aufgaben  stellte.  Demgcmäss  wurden 
auch  zur  Ausführung  dieser  ofticicllen  Staatsnnfträgc  Künstler  heran- 
gezogen, die  an  den  merowingisehen  Königshofen  eine  halbamtliche 
Stellung  besassen.  Die  Hauptschöpfungen  gruppiren  sich  um  die 
Gestalt  des  llofgoldschmicdes  Eligius,  der  am  schärfsten  heraus- 
gearbeiteten Kunstlerpersönlichkeit  im  ersten  Jahrtausend  des  germa- 
nischen Kunst lebens,  dessen  verschiedene  Seiten  in  den  folgenden 
Jahrhunderten  etwa  in  Bernward  von  Hildesheim  und  Benvenuto 
Cellini  ihre  Parallelen  finden.  Schon  im  Aensserlichcu  zeigt  sich 
hier  —  zum  ersten  Mal  —  das  Kflnstlcrthum:  eine  distinguirte 
Persönlichkeit  von  reich  differenzirtcr  Fcinnervigkeit,  mit  der  Vor- 
liebe für  reiche  (Jewänder  und  peinliche  Körperpflege:  sorgfältig 
gekämmten  Bart,  weisse,  zarte  Hände  rühmt  sein  Biograph  au  ihm71). 

ß9)  Abb.  Archaeologia  XXVJ,  p.  307;  Jules  Labarte,  Recherche« 
sur  la  peinture  en  email.  Pari»  185G.  p,  f>0.  pl.  B,  6.  Das  Gefass  des 
h.  Martin  in  Saint-Maurice-en-Vallais  dagegen  (Blavignac,  Hist.  de 
l'architccturc  saerce  daus  les  ancicus  eveehes  de  Geneve,  Lausanne  et 
Sion,  Atlas  pl.  XXVI,  15)  ist  eine  sichere  byzantinische  Arbeit  (Ilg  bei 
Bücher  a.  a.  O.  II,  S.  204). 

70)  Alfred  Dnnicourt,  Ktudo  sur  quelques  antiquites  trouvecs 
en  Pieardie:  Revue  archrol.  3.  seric.  VII,  p.  97.  Die  Fundstücke  von  Mar- 
chelepot sind  von  besonderein  Interesse,  weil  Hie  muthmaasslich  genau 
zu  datiren  sind  —  auf  die  Zeit  Chlodwigs  III.  oder  seines  Nachfolgers 
Childebert  III.  (695^711).  Die  picardischen  Grabfelder  —  Nauroy,  Miannay, 
Doiuars,  Clery,  Kay,  Barlenx,  Argoeuves.  Fluy,  Marquaix,  Templeux-la- 
Fosse,  Buire-Courcelles  —  sind  besonders  reich  an  späteren  fränkischen 
Schmuckstücken.  Vgl.  Duhamel-Decezun,  Description  nrcheol.  du  can- 
ton  de  Nesle,  Paris  1884. 

71)  Vita  S.  Eligii  von  Audoen  von  Rouen:  d'Achery,  Spicilegium. 
Paris  1723.  II,  p.  79.  Vgl.  Sarvaans,  Disquisitio  de  vita  et  scriptis 
Eligii  episc.  Novioinensis,  Amsterdam  1859;  Reich,  Heber  Audoens  Le- 
bensbeschreibung ilcs  h.  Eligius,  Hnlle  1872:  Vallone,  Couno  della  vita 


Mcrowingische  und  karolingische  Plastik.  36 


Das  älteste  umfangreiche  Kunstwerk  dieser  Art  war  die  Tumba 
des  h.  Martin  in  Tours,  die  Bischof  Perpctmis  (461  —  491)  her- 
stellen Hess:  der  Leib  des  Heiligen  ward  in  einen  Sarg  von  im 
Feuer  vergoldeten  Silber  gelegt,  dieser  wieder  in  einen  Mctallsarg. 
Tours  besass  in  seiner  Basilika  eine  Reihe  weiterer  kostbarer,  reich 
verzierter  Schöpfungen  des  Perpetuns ").  Wir  kennen  einen  der 
Künstler,  die  für  ihn  arbeiteten,  mit  Namen:  den  Meister  Mabuinus, 
der  ein  goldenes  Kreuz,  zwei  Becher  und  ein  Rcliquiar  für  den 
Bischof  anfertigte  7S).  Um  da«  Jahr  500  wurde  da*  Grab  des  h.  Dio- 
nys in  St.  Denis  mit  Goldschmiedearbciten  verziert,  Gregor  von 
Tours  nennt  es  tnrritus  —  wahrscheinlich  entstand  hier  ein  baldachin- 
artiger Aufbau  Uber  dem  Grabe7*-.     Dem  Bischof  Marius  von 


di  sant'  Klipio,  vescovo  «Ii  Noyon  e.  di  Tonrnay.  Leeee  187G.  Die  Einzel- 
litteratur  i.  d.  Verzeichnis  merowingischcr  Heiligenleben  von  Br.  Kr  Usch 
bei  Watte nbach,  (Jeschichtsqucllon  I,  S.  421.  lieber  des  h.  Eligius 
KünstlerthÄtigkeit  etc.  Ch.  Barthelemy,  Etüde«  bist.,  litteraires  et 
arttstiques  snr  le  VII.  siede,  Paris  1847;  da*  schon  wiederholt  aufgeführte 
Werk  von  Charles  de  Linas,  Orfevrerie  merovingienne,  les  oeuvres 
de  S.  Eloi  et  la  verrnterie  cloisonnee.  Paris  18G4;  A.  de  la  Porte,  Un 
artiste  du  VII.  siAcle.  Paris  1865;  A.  Ilg,  Die  Bedeutung  der  St.  Eligius- 
legende für  die  Kunstgeschichte  i.  d.  Mittheilungen  d.  K.  K.  Central- 
commission  1874,  S.  179;  Labarte,  Hist.  de*  arts  indnstriels  I,  p.  429; 
GcrmainBapst,  Vie  de  S.  Eloi:  Revue  archeol.  3.  ser.  VII,  p.  208  und  die 
in  den  folgenden  Anmerkungen  zu  nennenden  AufsHtze  über  die  einzelnen 
Werke  des  Bischofs.  Zuletzt  J.  v.  Schlosser,  Beitr.  zur  Kunstgeschichte 
a.  d.  Schriftquellen  des  frühen  MA.:  Sitzungsber.  d.  Wiener  Akademie 
CXXIII,  II,  S.  176. 

72)  Miracula  b.  Martini  auet.  Haebemo:  Ball  uze,  Miscell.  TT,  p.  300: 
Absida  .  .  .  fnsilis  erat  ex  auro  et  argento,  quod  dicitnr  electrnm,  spis- 
situdine  duoram  digitorum ,  auctoreinqite  operis  beatutn  Perpetuum 
inscnlptor  designarat  suffragio  litteramm  et  versuum  .  .  .  Fecit  etiam 
altare  quadratum  et  coneavum  ex  lapidibus  tabulatis  qnod  magna  tabula 
cooperuit  et  cum  aliis  coementavit.  Fecit  etiam  intus  aliam  absidam  ex 
aurichalco  cupro  et  stanno,  fusilem,  habentem  palmain  in  spissitudinem 
ostio  fusili  quod  gumphiis  et  virtevellis  et  quatnor  clavibus.  firmabitur, 
ubi  et  han«:  absidam  eleetrinam  posuit  secnndainque  desuper;  fecit  deni- 
que  fredam  desuper  auro  optimo  et  lapidibus  pretiosis  tanto  sacerdote 
condignam.  Dies.  ErzHhlung  i.  d.  Chroniques  des  comtes  d'Anjou.  Paris 
1856,  p.  62  (Ausg.  d.  Societe  d  hist.  de  France)  und  in  dem  Bericht  über 
die  Uebertragung  d.  Reliquien  v.  1323  (Grandmaison,  Notice  snr  le* 
anciennes  chasses  de  S  Marlin.  Paris  186!».  p. 

73)  Testam.  s.  Perpetui  Turon.  ep.:  Acta  SS.  April.  I,  p.  7f>0. 

74)  Die  h.  Gcnevieve  war  die  Erbauerin  der  Basilika  und  damit 


Paul  deinen: 


Avranelie*  (f>74— 59H)  wird  nachgerühmt ,  (lau*  er  eigenhändig  die 
(?otte«lie»8tliclien  GefäRsc  für  seine  Kirche  angefertigt  lialx*  '•  '■'). 

Unter  den  Werken  des  Kligius  stehen  drei  in  erster  Linie; 
das  Grabmal  des  Ii.  Martin  in  Tours  7B),  das  der  Saintc-Genevievc 

wahrscheinlich  zugleich  die  Erbauerin  des  ältesten  Grabmales  (Dom  Fc- 
libien,  Hist.  de  l'ahbayc  royale  de  Saiut-Denis.  Paris  170(j.  p.  1;  Dom 
Doublet,  Hist.  de  labbaye  de  Kaint-Dcnis.  Paris  1625.  p.  Utf;  Dom 
Millet,  T.e  tresor  sacre  ou  iuventaire  des  saintes  relhpies  de  Saint-Denis. 
Parin  1638.  p.  W).  St.  Gouevicve  starb  aber  einige  Zeit  vor  Chlodwig1  (511). 
Heber  den  Ausdruck  turritus  bei  Gregor  v.  Tours,  de  gloria  martyruiii 
e.  72  vgl.  G.  Bapst  i.  d.  Revue  archeol.  3.  ser.  VIII,  p.  306. 

75)  W.  Arndt,  Bischof  Marius  von  Avenches,  sein  Leben  und  seine 
Chronik.  Leipzig  1K75.    Vgl.  Jul.  v.  Schlosser  :i.  a.  O.  S.  3-1. 

Im  5.  und  6.  Jh.  findet  sieh  eine,  grössere  Ileihe  von  Notizen  über 
Herstellung  grösserer  Croldschmiedearbeiten,  zumal  an  den  fränkischen 
Königshofen  und  an  den  Bischofssitzen.  Der  h.  Remigius  if  525)  nennt 
in  seinem  Testament  (Aub.  Miraeus,  Opera  diplom.  et  hist.  Brüssel  1723. 
I,  p.  1)  ein  zehn  Pfund  schweres  GoldgcfMss,  ein  Geschenk  des  Königs 
Chlodwig  und  einen  mit  Figuren  verzierten  Kelch  (iniaginatum).  Der- 
selbe Chlodwig  schenkte  der  Basilika  von  St.  Peter  in  Rom  eine  goldene 
mit  Edelsteinen  besetzte  Votivkrone  (Flodoard,  Hist.  I.  I,  c.  15).  Bei  der 
Einnahme  von  Narbonne  durch  Childebert  i.  J.  531  wurden  GO  Kelche, 
15  Patenen  und  20  Küsten  für  Evangelicnhandsehrifteu  erbeutet,  alles 
von  Gold  und  mit  Edelsteinen  verziert  (Gregor.  Tur.  Hist.  Franc.  1.  III, 
c.  10).  Chilperieh  (f  584)  Hess  als  Geschenke  für  den  byzantinischen  Kaiser 
grosse  massive  Goldschmiedewerke  herstellen  (Gregor.  Tur.  Hist.  Franc. 
I.  VI,  c.  2),  ähnlich  der  Sohn  Chlothars  I.,  Guntram  (f  593)  für  das  Kloster 
Saint-Bcnigne  bei  Dijon  (Chronica  ahb.  Bonigni  Divionensis  mon.:  d'Ach  er  y, 
Spicileginm  I,  p.  370).  Die  interessantesten  Nachrichten  mit  ausserordent- 
lich wichtigen  ausführlichen  Beschreibungen  über  GoldRchiniedcwerkc  des 
7.  Jh.  mit  Bezeichnung  der  Formen,  des  Materinles  und  genauer  Angabe 
der  Verzierung  mit  menschlichen  und  thierischen  Figuren,  enthält  die 
allerdings  erst  um  860  von  Heinrich  von  uAxerre  begonnene  Historia 
episcop.  Autissiodorensium  (Neue  Ausgabe  bei  Duru,  Bibl.  hist.  de 
TVonne  I.  Auxerre  1*50.  Auszüge  Mon.  Germ.  SS.  XIII,  p.  393).  Vgl. 
über  die  ganze  Periode  Labarte  a.  a.  O.  1,  p.  415  429. 

76)  Der  Bericht  i.  d.  Vita  S.  Eligii  1.  II,  c.  »57,  bei  d'Achery  II,  p.  120. 
Ausführlich  G.  Bapst,  Le  tombeau  de  S.  Martin:  Revue  archeol.  3.  ser. 
VII,  321.  Vorher  J.  (^uiehcrat,  Restitution  de  la  basilique  de  S.  Martin 

•  a  Tours:  Revue  archeol.  2.  ser.  XIX,  p.  13;  E.  Mabille,  Invasions  Nor- 
mande8  dans  la  Loire  et  les  peregrinations  du  tombeau  de  S.  Martin. 
Paris  1869;  De  Grandmarson,  Notice  sur  les  anciennes  ehassca  de 
S.  Martin.  Paris  1869;  Chevalier,  Lc  Tombeau  de  S.  Martin  de  Tours: 
Bulletin  de  la  societe  archeol.  Tourangelle  V,  1881.  G.  Bapst  hat  aus- 
führlich nachgewiesen,  dass  es  sich  hier  um  einen  Baldachin  oder  ein 


Merowingische  und  kamlingische  Plastik. 


in  Paris7')  und  das  des  Ii.  Dionys  in  Saint-Dcnis  ™).  In  allen  drei 
Fallen  aber  handelte  es  sich  nui  die  Erbauung  eines  Ciboriums, 
nirgends  um  die  eines  Reli(|uiensehreincs  -  durchweg  Werke,  die 
durch  die  Masse  der  kostbaren  Steine  und  das  Edelmetall,  da» 
überall  den  Holz-  oder  Steinkern  verkleidete,  einen  hohen  Werth 
darstellten:  die  Ueberschwemmung  des  nördlichen  Frankreichs  dnreh 
die  Normannen  weihte  sie  sämmtlich  dem  Untergange.  Eine  ganze 
Reihe  weiterer  Grabniäler  von  Heiligen,  .St.  Germain,  St.  Colombe, 
St.  Severin,  St.  Quentin,  St.  Piatnn,  St.  Chryseuil,  St.  Lueien,  St. 
Maxien,  St.  Julien,  St.  Crepin  und  Crepinien  werden  gleichfalls  auf 
Eligius  zurückgeführt Kleinere  Arbeiten,  die  bei  Einfällen  und 
Raubzügen  geflüchtet  werden  konnten,  erhielten  sich  über  die  nor- 
mannische Zeit  hinaus,  so  das  grosse  mit  edlen  Steinen  besetzte 

Cihorium  handelt«,  nicht  um  «inen  Schrein.  Dieses  ging  wohl  schon  H53 
hei  dein  Normauncneinfall  zu  Grunde  und  wurde  im  Anfang  des  11.  Jh, 
durch  Herve  wiederhergestellt.  I'eber  die  Bedeutung  des  Wortes  eibo- 
riuin  (propitiatorinm,  uinbraculuin,  tegirnen  altaris)  vgl.  A.  Lenoir,  Arehi- 
tecture  monastiqu«  I,  p.  ti*8.  Vgl.  auch  I,e  Blant,  Inscriptions  chretieu- 
nes  de  la  Gaule,  anterienres  an  VIII*  siede.  Paris  185«.  I,  p.  225. 

77)  G.  Bapst,  La  rhAsse  de  S.  Genevieve:  Kevue  archeol.  3.  ser. 
VIII,  p.  174.  Eligius  hat  mit  der  tumha  nichts  zu  thun  (so  wohl  zuerst 
Baillet,  Kecucil  des  vics  des  saints.  Paris  173!».  II,  p.  48)  —  er  schuf 
auch  hier  nur  ein  Ciborium  über  dem  Grab.  Die  gross«  Prachttumba 
ward  erst  nach  1230  durch  den  Goldschmied  Bonnard  hergestellt  (D  u  Breul, 
Antiquitcs  d«  Paris.  Paris  1712.  p.  2Ö2.  Der  Text  des  Chartnlars  von 
S.  Genevieve  publ.  von  T.  Bonn  in  i.  d.  Archives  de  l'nrt  francais  IX, 
p.  55).  Vgl.  Heuquevilie  et  Solly,  Antiquites  et  remarques  de.  la 
chasse  de  madame  Saint«  Genevieve.  Paris  U>2f>;  Oarpentier,  Histoiro 
de  ce  qui  est  arrive  au  tomhc.au  de  s.  Genevieve.  Paris  1»'»!I7. 

78)  Vit«  s.  Kligti  1.  I,  c.  32  bei  il  Achery  Tl,  p.  8H:  Kligius  fabri- 
cavit  et  mausoleum  s.  niartyris  Dyonisii  Parisius  civitat«,  et  tugurium 
super  ipsnm  marniorcum  miro  opere  de  aurn  etgemmis:  cristain  quoqu« 
et  species  de  fronte  magnifice  composuit,  neciion  et  axes  in  cirenitu 
throni  altaris  auro  operuit,  et  posuit  in  eis  poma  aurea  rotnndilia  atque 
gemmata:  operuit  quoque  et  lectorium  et  nstia  diligouter  de  mctallo 
nrgenti;  sed  et  tectuin  throni  altaris  axibus  operuit  argentois:  feeit  quo- 
que  et  repam  in  loco  anterioris  tumuli,  et  altare  extrinsecus  ad  pedes  s. 
martyris  tabrienvil;  tantumque  illic,  suppetlitante  rege,  *ua  exereuit  in- 
dustria,  atque  ita  suum  diffudit  speeimen,  ut  pen«  singulare  sit  in  Galliis 
ornamentuin,  et  in  magna  oinnium  admiratione  usque  in  hodiernum  diem. 
VgL  G.  Bapst,  Le  tombeau  de  Saint-Denys:  Hevue  archeol.  3.  ser.  VIII, 
p.  306. 

79)  G.  Bapst  i.  d.  Revue  archeol.  3.  ser.  IX,  p.  144,  155,  157. 


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Paul  Cl eine n: 


Krön/,  in  8t.  Denis  feu)  —  erst  die  französische  Revolution  hat  sie 
im  Jahre  171»3  sämmtlicli  dem  Schmelzofen  überantwortet'").  Das 
einzige  erhaltene  Werk ,  das  auf  Eligius  zurückgeführt  wird, 
der  Thronscssel  Dagoberts  im  Cabiuet  des»  antique*  der  Pariser 
Xationalhibliotliek  ist  schlecht  bezeugt:  die  untere  Hälfte  ist  mög- 
licherweise merowingisehe  Arbeit,  während  die  Kflcklchuc  erst  durch 
Abt  8uger  von  8t.  Denis  eingesetzt  wurde  8J). 

80)  Vgl.  Gesta  Dagobert!  e.  19:  Bouquet,  Recueil  II,  p.  385.  Die 
Chroniques  de  Saint-Denis  I.  V,  e.  9:  Bouquet,  Recueil  III,  p.  2H*>,  deren 
Autor  dus  Werk  offenbar  noch  vor  Augen  hatte,  berichten  darüber:  Li 
rois  Dagouberz  forjast  une  graut  croix  d'or  pour  nietre  derriore  le  mestre 
iiutel  il'Kglisc,  la  plus  riclie  et  la  plu*  soutille  <|ue  il  pooist  pourpenser 
....  de  pur  or  et  de  pierrcs  precieuses.  Car  Ii  meillours  et  Ii  plus 
engingneux  orte  vre»  qui  ore  soient,  tesmoignent  que  a  paines  porroit- 
l'en  trouver  uul,  taut  tust  bons  maistres,  qui  autel  oeuvre  l'eust  faire; 
pour  cc  mci&inciuent  que  Ii  us  et  la  manicre  «le  celc  oeuvre  est  mise  en 
oubli.  Dies  Zeugin--  ist  ausserordentlich  interessant:  ein  Gutachteu  von 
Fachleuten  des  13.  Jh.,  die  ausdrücklich  die  SuperioritJlt  der  Technik 
der  iiierowingischen  Goldschmiedearbeiter  anerkennen.  Vgl.  über  das 
Kreuz  l'abbc  C'orhlet  i.  d.  Revue  de  l'art  chretien  IV,  p.  587;  Doublet, 
Hist.  de  l'abbaye  de  Saint-Denis  p.  333;  Germain  Millet,  Le  tresor 
saere  de  l'abbaye  royale  de  Saiut-Denys.  Paris  1G40.  p.  il ;  Ch.  de 
Linas  i.  d.  Revue  de  l'art  chretien  VIII,  p.  225;  Labarte,  Recherches 
sur  la  pe  inline  en  email  p.  138.  Ausser  diesem  Kreuz  wurden  auf 
St.  Eloi  zurückgeführt  ein  Kreuz  in  St.  Viktor  zu  Paris  (Du  Breul, 
Antiquiles  de  Paris  p.  433),  in  Notre-Dame  zu  Paris  ein  grosses  Kreuz 
aus  Gold  mit  Filigran  (Gilbert,  Description  de  Notre-Dame  de  Paris 
p.  323),  ein  Krcuzreliquiar  in  der  Abtei  von  Saint  -  Martin  -  lex  -  Limoges 
(Zeichnung  im  Sammelband  des  Abbe  Legros,  bez.  Recueil  d'nntiquitcs 
Bd.  II  der  Bibl.  de.*.  Seminars  zu  Linioges.  Schon  im  13.  Jh.  vom  Abt 
C'oral  erwähnt:  Chronique  de  Coral  bei  Nadaud,  Hist.  d'abbayc  de  Saint- 
Martin-le/.-Linioges  p.  WA).  Ueber  eine  merowiiigische  Arbeit  in  Albi 
vgl.  Barbier  de  Montaul,  La  croix  lnerovingienne  de  la  cathedralc 
cl  Albi.   Toulouse  1888. 

81)  Ueber  die  bis  1793  erhaltenen  Werke  Ch.de  Linas,  L'orfevrerie 
lnerovingienne  p.  45. 

82)  Ch.  Lenormant,  Sur  le  fautcuil  de  Dagobert  bei  Cahier  et 
Martin,  Melange*  d'archeologie  I,  p.  157;  Aubcr,  a.  a.  O.  IV,  p.  294; 
Viollet-le-Duc.  Dict.  rai».  du  mobilier  francais  I,  p.  108.  Die  Vita  S. 
Eligii  I.  I,  c.  5  berichtet  nur:  volebat  rex  sellam  Urbane  auro  geminisque 
fabricare.  Die  Chroniques  de  Saint-Denis  I.  V,  c.  8  f.:  Bouquet,  Kecueil 
III,  p.  285  haben:  uue  sele  d'or.  Aymoin  de  Fleury,  De  gestis  Frau- 
coruin  I.  IV,  c.  30:  Bouquet  III,  p.  132  berichtet  über  Dagobert 
zum  J.  fi35:  solio  rex  resideiis  aureo.  Vgl.  Abbe  Leben  f,  Dissertation 
sur  l'histoire  eedesiastique  et  civile  de  Paris.   Paris  1739.  III,  p.  67. 


Merowingisclie  und  karolingische  Plastik. 


Eiuen  ungefähren  Hcj^iiff  von  den  untergegangenen  Schätzen 
vermögen  nnn  aber  die  merowingischen  Reliqnicnkästcu  zu  geben,  von 
denen  eine  ganze  Reihe  erhalten  ist,  mit  Goldblech  oder  vergoldetem 
Rothknpferblech ,  znm  Theil  mit  getriebener  Arbeit  überzogen  und 
neben  dem  Glaseinail  eine  ganz  eigeuthflmliche  Fassung  der  Steine 
zeigend.  Auf  den  Grund  wird  ein  dünnes  runde«  oder  ovales  Silber- 
plättehon  aufgclttthet  oder  aufgestiftet,  das  dann  um  den  darauf- 
gelegten Stein  an  den  Seiten  aufgeklappt  und  nmgekniffen  wird. 
Zuweilen  wird  noch  ein  dünner  Golddraht  als  eine  Art  Schnur  um 
den  obereu  Rand  gelegt.  Diese  Fassung,  dann  der  ungeschliffene 
Zustand  der  Steine  sind  die  beiden  deutlichsten  charakteristischen 
Merkmale,  die  die  merowingische  und  karoliugische  Goldschmiede- 
kunst bis  zur  Mitte  des  9.  Jahrhunderts  unterscheiden  von  den  im- 
portirten  byzantinischen  Arbeiten,  die  fast  immer  geschliffene  Steine 
in  kunstvolle  Casettenfassung  einbetten.  Eines  der  ill testen  dieser 
Kästehen  befiudet  sieh  in  der  Kirche  von  St.  Maurice-en-Valais :  es 
trägt  die  deutschen  Namen  Undiho  und  Ello.  Das  Zellenglas, 
welches  den  Raum  zwischen  den  grossen  Steinen  ausfällt ,  ist  iu 
ganz  unregebnässige  Felder  eingelegt ,  die  durch  ziemlich  starkes 
und  rohes  Drahtemail  gebildet  werden83}.  Eine  gleich  alte  Arbeit 
ist  das  Reliquienkästchen  im  Schatz  von  Sainte-Croix  zu  Poitiere, 
das  nur  mit  mächtigen  ungeschliffenen  Steinen  besetzt  ist  und  der 
Ornamente  völlig  entbehrt  M).  Ein  winziges  fr  II  lies  Reliqnienkäst- 
ehen,  mit  rothen  Granaten  in  Goldlamellen  besetzt  —  gefunden  im 
Rhein  bei  Nymwegen  —  besitzt  seit  einigen  Jahren  das  erzbischöf- 
liehe  Museum  in  Utrecht.  Im  Schatz  von  St.  Etienne  zu  Sens 
(Inv.  226)  befindet  sieh  der  Sehrein  des  Ii.  Colnmba,  der  aber,  seit 
die  Silbcrplattcn  gestohlen,  nur  noch  aus  dem  Holzkasten  besteht. 
Eine  durch  die  figürlichen  Darstellungen  hochinteressante  Arbeit,  die 
etwa  dem  7.  Jahrhundert  zugehört,  befindet  sich  dann  im  Schatz 
der  Kirche  St.  Bcnott-sur-Loirc  *J).  Der  Sehrein  besteht  ans  einem 


8!l)  Abb.  bei  Edouard  Aubcrt,  Tm>or  de  l'abbaye  d<*  .Saint- 
Maui-ice-d'Agaune.  Paris  187<>  und  Louis  Courajod  im  Bull,  monum. 
XL1I,  p.  97. 

84)  Barbier  de  Montault,  Le  tresor  de  l'abbaye  de  Sainte-Croix 
de  Poitiers  i.  d.  Memoire*  de  la  socieU;  des  nnthjuaireH  de  l'Ouest.  2.  ser. 
IV,  p.  315.  pl.  III. 

86)  Saiut-Benolt-stur-Loire  im  Bull,  monum.  XLVI,  p.  864  giebt  Hello- 


•10 


Paul  0 leinen: 


Holzkasten,  der  mit  getriebenen  und  vergoldeten  Kupferplattcn  be- 
kleidet ist.  Die  Vorderseite  enthält  eine  Reihe  von  sternartig  in 
einander  geflochtenen  Ringen,  das  Dach  auf  der  Vorder-  wie  Rück- 
seite je  fünf  getriebene  Halbfignrcn  von  Engeln  mit  gesenkten 
Flügeln  in  Vorderansicht.  An  der  Gicbelscite  zeigt  sich  unter  Flecht- 
wcrknrnamcntcu  die  Gestalt  eines  Geistlichen  in  einer  Tunika,  die 
Hände  betend  erhoben,  wahrscheinlich  die  Darstellung  des  Stifters, 
der  in  einer  Capitalinschrift  im  Rahmen  der  Rückwand  genannt  ist: 
Mumma  Mumuiolus  abba-s  ?)  ticri  itissit  in  aniore  sce  Mariac  et  sei 
Petri.  Für  die  Flcehtwerkvcrkleidung  in  Verbindung  mit  geringem 
Olasemail  ist  bezeichnend  das  Reliquienküstehen  aus  der  Kirche  von 
St.  Kennet  Avalousc  (Correze),  das  1H89  auf  der  Pariser  Weltaus- 
stellung erschien  *'•).  Endlich  gehören  hierher  die  beiden  Reliqnien- 
tafcln  aus  dem  Sehatze  zu  Conques  (Aveyron),  beide  mit  Filigran 
und  Glascmail  verziert  ST).  Der  Schatz  zu  Com|nes  bewahrt  aus  der 
Mitte  des  8.  Jahrhunderts  ein  Reliquienkästehcii ,  das  durch  die 
fortgeschrittene  Hehandlung  der  getriebenen  Figuren  den  Höhe- 
punkt, den  die  merowingische  Goldschmiedekunst  an  ihrem  Ende 
erreicht  hatte,  bezeichnet.  Es  ist  das  Reliquiar  Pippins  von  Aqui- 
tanien. Die  Vorderseite  zeigt  Christus  am  Kreuz  zwischen  Maina 
und  Johannes,  an  der  einen  Schmalseite  erseheint  ein  unbestimmter 
Heiliger,  an  der  anderen  Johannes  mit  dem  Lamm  im  Sehoss.  Zier- 
liches Golddrahttiligran  in  Fäehermustern  verziert  die  Flächen88). 


gravuren  der  h«-idcn  Langweilen.  Vgl.  l'abhc  Kocher,  llist.  de  l'abbayu 
loyale  dt*  St.  Bcnoit-sur-Loire.  OrU'Hins  HMi5.  p.  511;  Eduiond  Michel, 
Mon.  rel.  eiv.      milit.  du  Gütimti.s.   Paris  1880. 

Wi)  Publicirt  i.  d.  Gazette  den  Beaux-Arts  2.  per.  XXXVI,  p.  15<> 
u.  i.  Bull.  nrcheologiqne  de  la  Correze  IX,  p.  4^2.  Besc-lirirbcn  im  Cata- 
logue  d«;  lexpOMtion  retrospcclive  de  l'art  lraneuis  «u  Trocadero.  Lille 
1MJ.  p.  G.  Nr.  f»s. 

87)  Genaue  LJochreibung  im  «dien  genannten  Catnlogm:  p.  7.  Nr.  59 
und  GG.  Abbildung  bei  Alfred  Darcel,  Le  iresor  de  <_'<>u<|Ues.  Ganz 
anderer  Art  sind  die  Kittchen  mit  Metall|ilatten,  die  in  Deutschland  in 
den  Gräbern  von  YVallhladt  uiul  Alzey  gefunden  worden  sind.  Sie  zeigen 
vor  allem  die  KoHCtU'iiveraerung  von  der  gleieben  Form  wie  tlie  spater 
zu  nennenden  («ypssarkophage  von  St.  Germain-detv-Pres,  aber  in  einer 
solchen  Gleichartigkeit,  wie  sie  nur  der  Gebrauch  von  Stempeln  erklären 
kann.    Vgl.  Liudenschmit,  Altertliumskunde  I,  S.  471. 

SM)  Ch.  de  Linas,  Le  rt-luruinirc  de  Pcpin  d  Aquitaine  au  tresor 
de  l'abbaye  de  Conques  i.  d.  Gazette  nrcheologique  VIII,  p.  37,  pl.  6,  37,  3« 
mit  instruktiven  Detailabbildungen. 


Merowingische  und  karolingisohe  Plastik. 


41 


Der  letzten  Kpnehe  der  mcrnwingischcn  Goldsehtniedekinist  gehört 
dann  die  Willibrordiarche  im  Schatz  der  Münsterkirehe  zu  Emme- 
rich, auf  der  Vorderseite  mit  den  getriebenen  Darstellungen  der 
Kvangelistensymbole,  im  12.  und  10.  Jahrhundert  verändert .81'),  und 
der  Reliqnienschrein  in  Taschenform  aus  Herford  im  Berliner  Kunst- 
gewerbemuseum au .  der  auf  der  Vorderseite  mit  Glasemail ,  das 
von  sternförmig  aufeinanderstossenden  Ei  ligranstä  beben  eingerahmt 
wird,  und  mit  grossen  Edelsteinen  verziert  ist.  während  die  Rückseite 
in  getriebener  Arbeit  in  der  oberen  Hälfte  Christus  zwischen  zwei 
Engeln,  in  der  unteren  Maria  zwischen  Petrus  und  Paulus  zeigt. 
Der  Dachfirst  ist  mit  einem  durchbrochenen  Ornament  verziert,  am 
Rande  zwei  liegende  Löwen  zeigend,  das  seine  directen  Vorbilder 
in  Form  wie  Ausführung  in  den  fränkischen  Fibeln  mit  Thierdar- 
stellungen, vor  allem  im  Museum  zu  Besancon,  zu  Rouen  und  in  den 
Sammlungen  Opperinann  und  der  Madame  Febore  de  Macon  finden  9°). 
Diese  Verwendung  von  figürlichen  Darstellungen  findet  sich  bereits 
im  f>.  und  fi.  Jahrhundert  auf  Gürtelschnallen  und  Gtlrtelbesehlag- 
plattcn:  die  Gräber  von  Lavigny  haben  eine  Platte  mit  der  Dar- 
stellung Daniels  in  der  Löwengrube  ans  Tageslicht  gefördert <J1),  der 
Sehatz  der  Kirche  Notre-Dame  le  Major  in  Arles  bewahrt  eine 
Gürtelschnalle,  die  (fem  h.  Osanns,  f  512,  zugewiesen  wird:  die 
Darstellung,  zwei  Krieger  mit  aufgestütztem  Arm  vor  dem  tempel- 


89)  Au hiii  YVeerth,  Kunstdeukiiiälcr  der  christl.  MA.  i.  <1.  Khcin- 
laiulen  Tat'.  III,  1.  2.  Text  I,  S.  7.  Technische  Analyse  mi«l  Ahl»,  werde 
ich  in  den  '  KuiistdeukniMlern  der  Hheinprovinz,  Kreit*  Rees'  Wringen. 

90)  Kino  Keihe  von  Nachbildungen  in  den  Museen  von  St.  (lerinnin- 
en-Laye  (19372,  19364,  852«,  8524,  10928,  14335).  Interessant  eine  Fibel 
aus  Compiegne,  die  eine  ganze  Hasenjagd  zeigt  mit  deutlicher  Charakte- 
ristik der  einzelnen  Thiere  (AM»,  in  St.  fierinaiu-en-Lnye,  Bibl.  Bildeis. 
Nr.  3625).  Kine  Collektion  von  zumeist  deutschen  Arbeiten  im  Central- 
uiuseum  zu  Mainz.  Vgl.  auch  The  archacological  journal  XII,  j>.  279  und 
die  Funde  zu  Frögg- Vehlen  i.  d.  Mittheilimgen  der  Ceutruleoiiiniission.  N. 
F.  X,  S.  LXIII;  XI,  S.  XXXV.  Nordische  bei  Montelius,  Spannen  t'rÄn 
BronsAldern  i.  d.  Anti<|uarisk  Tidskrift  t'ör  Sverige  VI,  p.  129. 

91)  Die  Seen©  gleicht  ikoiingraphisch  der  gleichen  Darstellung  im 
Museum  zu  Bourges  und  auf  der  einen  l'lnttc  der  Sammlung  von  Mu,° 
Febore  de  MAeon  (s.  u.).  Die  Umschrift:  .Nasualdus.  nan.-a.  vivat.  deo. 
utere.  felix.  Daninil.'  Abb.  Fred.  Troy  on ,  Bracelels  et  agraffes  anti<|Ues 
III,  p.  29;  Liiidenscliiuit,  Alterthuiiiskuiide  I,  Fig.  .129.  S.  361. 


Paul  Clemcn: 


artigen  heiligen  Grabe  schlafend,  gehört  ikonographiseh  Byzanz  zu: 
hier  wanl  ntfeubar  eine  byzantinische  Elfcnheinplatte  copirt a*). 

Erst  im  letzten  Jahrzehnt  sind  die  langobardischen  Fnndc  der 
Untersuchung  zugänglich  geworden.  Hier  waren  es  vor  allem  die 
Gräberfelder  von  Testona 93)  und  Civezzano*4),  die  eine  Fülle  von 
werthvollen  Waffen  und  Schmuckstücken  zu  Tage  förderten.  Die 
ganze  Gruppe  ist  zuletzt  zusammenfassend  von  De  Bayc  behandelt 
worden B5).  Die  Fibeln,  Gürtelschnallen,  Agraffen  stimmen  in  den 
Hauptformeu  mit  den  gleichzeitig  frankisch -merowingischeii  fiberein 
und  finden  wie  diese  ihre  Vorbilder  in  den  gothisehen  Schmuck- 
stücken Ungarns;  charakteristisch  für  diese  Grabfunde  und  zugleich 
für  den  in  Norditalicn  lokalisirten  ornamentalen  Stil  sind  die  häufig 
gefundenen  Kreuze  von  dünnem  Goldblech,  mit  einem  Mittelmedaillon 
und  einem  ziemlich  regelmässig  wiederkehrenden,  mit  Stempeln  ein- 
geschlagenen,  durcheinandergefloehtenen  Bandwerk  auf  den  Kreuz- 
armeu.  Sie  bildeten  offenbar  einen  langobardischen  Brustschnmck 
für  Fürsten  und  Edle  —  dnreh  Oesen  an  den  Ecken  wurden  sie 
auf  das  Gewand  befestigt.  InTrient,  Testona"8),  Bolsena,  Piaeenza, 


02)  Vgl.  de  Lau  ri  vre,  de  Saint  Ctaaire,  cVeque  d' Arien  im  BuJt. 
iiiooum.  XL1II,  |>.  240;  Der»,  hu  Congrc*  archeol.  de  Frame  XLHI,  Ses- 
sion A  Arles  187«,  p.  867.  Abb.  Kdinond  le  Blnnt,  Etüde  sur  les  sarco- 
phajres  clmtlens  autii{iies  de  In  ville  d'Arles.  Paris  1878.  p.  40;  Viollet- 
le-Duc,  Dictionnahe  rais.  du  mobilicr  francais  III,  p.  62.  Die  dazu  ge- 
hörige kupferne  Sehnalle  uud  die  Inschrift  i.  d.  Revue  des  societes  sa- 
vantes  1857,  p.  195.  Eine  ahnliche  merowingische  Schnalle  gefunden  in 
Sahit-Etienne-de-Coldres,  publicirt  bei  Desire  Monnier,  Annuaire  du 
dcpartcinent  du  Jura  1841,  pl.  III. 

93)  Claudio  ed  Edoardo  Calandra,  Di  una  necropoli  barbnrlca 
öcoperta  a  Testona  i.  d.  Atti  della  Soeicta  d'archeologia  e  Belli  arti 
per  la  provimia  di  Torino  IV.  Vgl  auch  Conite  Cipolla,  Notizie  degli 
seavi,  1880. 

04)  L.  Campi,  Le  tombe  barbaricho  di  Civezzano  a  aleuni  rin- 
venimenti  mediaevali  nel  Trentino  im  Archivio  Trentino  V,  1888;  Franz 
Wieser,  Das  langobnrdische  Fürstengrab  und  KeihengrMbcrfcld  von 
Civezzano.  Innsbruck  1887;  Ders.  i.  d.  Zeitschrift  d.  Ferdinandeums  f. 
Tirol,  3.  Folge  XXX,  S.  270.  Dazu  Sal.  Reiiiach  i.  d.  Revue  eritiquo 
1H87,  2. 

05)  J.  de  Baye,  Ktudes  arch^ologiques.  Epoque  des  invasions 
barbares.  Industrio  Longnbarde.  Pari«  1888.  Dazu  E.  Ferrero  i.  Archivio 
storico  Italiauo  5.  scr.  I,  p.  361;  Le  Moyen  Age  I,  p.  152. 

96)  Calandra  a.  a.  O.  p.  23. 


Mcrowingische  und  karolingische  Plastik. 


Cellore  dlllasi,  Chinri«),  Monza^t.  Lavis!,!»i,  Oivezzano  ««'  .  C'ivi- 
dale  lul),  sind  solche  Kreuze  Li  grösserer  Anzahl  gefunden  worden, 
das  Museum  zu  Mailand  besitzt  nicht  weniger  als  vierzehn  Stück  l0i). 
Die  bemerkenswerthesten  Exemplare  sind  das  in  den  unterirdischen 
Grahkammcrn  der  Kirche  St.  Maria  in  Valle  zu  Cividale  gefundene, 
mit  Edelsteinen  besetzte  Brustkreuz  des  Gisulfus 103),  das  unter  den 
mit  Stempelu  eingeschlagenen  Ornamenten  achtmal  einen  Kopf  mit 
langen  Locken  aufweist  —  im  Museum  zu  Cividale  — ,  da»  diesem 
nahestehende  Kreuz  von  Lavis  I(M),  mit  dem  eingeschlagenen  Namen 
Iffo  —  im  Museum  von  Trient  —  und  das  grosse  Kreuz  von  Civez- 
zanoloi)  —  im  Museum  zu  Innsbruck.     Da«  kreisrunde  Mittel- 


97)  P.  Orsi,  Monumenti  cristiani  nel  Trentino  anterlori  all  Mille 
i.  Anhivio  storico  per  Triestc,  I  Istria  e  il  Trentino  II,  p.  1 18.  Drei  Exem- 
plare ans  Chinsi  i.  d.  Sammlung  Ancona  in  Mailand,  vgl.  Amilcare  An- 
co Ii  m,  Le  arnii,  Ic  tihulc  e  <|iialchc  nitro  eimelio  della  sua  collezione 
archeologlca.  Mailand  188«.  p.  20.  Vgl.  T.  Baxter,  On  soinc  Lomhardie 
gold  oruauicnts  found  ut  Chiusi  i.  The  nrchaeological  jonmal  1876,  p.  183. 

98)  Mittheilungen  a.  d.  German.  Museum  1886,  XIV,  S.  110. 

99)  Vgl.  C.  Mehlis,  Lango  bardische  GrHber  in  Südtirol  i.  d.  Ber- 
liner philolog.  Wochenschritt  1887,  p.  34. 

100)  Fr.  Wie s er  a.  a.  O.  S.  300. 

101)  Mittheilungen  d.  K.  K.  Centralcomniission  IV,  S.  326. 

102)  Vgl.  P.  Orsi,  Sopra  due  auree  croeetto  nel  musco  di  Bologna 
ed  altre  siraili  dell'  ItaUa  superiore  e  centrale.  Bologna  1887  i.  d.  Atti  e 
Mcmorie  della  R.  Dcputazione  di  storia  putria  per  le  provincic  di  Ro- 
map«,  3.  scr.  V;  J.  d.  Baye,  Cioix  Lombards  trouves  en  Italie.  Paris 
1889;  Ders.,  Etüde«  archeol.  Ind.  Longob.  p.  80  ausführlich  mit  roichen 
Abbildungen  auf  Taf.  XHI-OiV.  Zum  Vergleich  auch  heranzuziehen 
Barbier  de  Montault,  Les  croix  de  plomb  placees  dnns  les  tombeaux 
en  matiere  de  pitacium.  Lhnoges  1888;  E.  Delorme,  Emde  sur  deux 
croix  de  plomb  i.  d.  Bull,  de  la  soc.  archeol.  du  midi  de  la  France  1887. 

103)  Angclo  Arboit,  La  tomba  di  Gisolfo.  Undine  1874.  p.  13; 
De  Bizzarro,  I  Longobardi  e  la  tomba  di  Gisolfo.  Undine  1874.  p.  20. 
Der  Fundbericht  in  der  Illustrazione  nniversale  v.  1.  Nov.  1874.  Abb. 
de  Baye  pl.  XV,  Fig.  8. 

104)  L.  Campi  n.  a.  O.  p.  2G;  Abb.  de  Baye  pl.  XTV,  Fig.  5. 

106)  Abb.  de  Baye  pl.  XIV,  Fig.  3:  Wieser  Tal.  III,  1.  Ein  ganz 
ähnliches  Kreuz  im  Musee  Cluny  zu  Paris  (Barbier  de  Montault  i.  d. 
Mein,  de  la  societe  des  antiquaire«  de  l  Ouest  2.  scr.  IV,  p.  315;  Abb.  bei 
Du  Sommer  ard,  Les  arts  au  moyen  Age,  Album  10.  serie  pl.  15).  Eines  aus 
Wittislingen  im  Nationalmuscum  zu  München  (Ohlenschlager,  Die  In- 
schrift des  Wittislinger  Funde»,  1884;  Abb.  de  Baye  p.  93). 


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Paul  deinen: 


mcdaillon  enthalt  hier,  von  einem  Perlkranz  umgehen,  einen  nach 
recht»  schauenden  Adler  mit  ausgebreiteten  Flügeln,  die  Balken 
schmückt  ein  vierfach  verschlungenes,  mit  Perlen  besetztes  Band- 
ornament,  zu  beiden  Seiteu  von  einer  quergerippten  Randleiste  be- 
grenzt. Alle  diene  Werke  sind  aber  nur  vereinzelte,  fast  rudimen- 
täre Koste  und  Ue1>erbleibsel;  eine  glänzende  Vorstellung  von  dem 
Umfang  und  der  Leistungsfähigkeit  der  langobardischen  (lold- 
sehmiedekunst  erhalten  wir  durch  den  schon  oben  genannten  Sehatz 
von  Monza  und  den  grossen  im  Jahre  1880  aufgefundenen  Gold- 
schatz ,  der  jetzt  im  Besitz  des  Cavaliere  Carlo  Kossi  ist  l0°). 


tOTi)  Carlo  Rossi,  Alcuni  eenni  sopra  ignnte  scppellettili  sacre  di 
argento  cd  orn  appurtcneiiti  ai  primissimi  seeoli  dclla  chiesa.  Rom  1887. 
Mit  21  Tttn  ,  nur  in  50  V.x.  gedruckt  <  Festschr.  z.  Priesterjubilftum  Leo»  XIII.  1. 
Du  Wnal,  Der  Silber-  und  Goldschatz  des  Cav.  Ro^i  i.  d.  Römischen 
yimrtalsehrift  f.  christl.  Altcrthumskunde  I,  S.  272;  II,  S.86, 148,  Taf.  II-  IV, 
VII,  VIII;  Der».,  Die  goldene  Krone  im  .Schatz  des  Cav.  Rossi  ebenda 
III,  S.  «i«.  Mit  Doppelt«.  Abb.  de*  einen  Buchdeckels  auch  Rohault  de 
Flcury,  La  messe  VIII,  p.  114,  pl.  G58  bis. 

Der  Schatz  von  Monza  und  der  Schatz  von  Rom  schliefen  die 
Reihe  der  kirchlichen  Gohlschmiedewerke  der  langobardischen  Kunst,  die 
im  Ornament  und  in  der  Technik  der  einheimischen  Kunst  angehören 
«der  unter  germanischem  Einflüsse  stehen.  Die  Übrigen  Werke  der  Me- 
tallurgie, die  neben  jenen  hergehen,  scheinen  .starker  unter  byzantinischem 
Einflüsse  gestanden  zu  haben,  insbesondere  ist  dies  für  Ravenna  anzu- 
nehmen, seit  hier  ein  byzantinisches  Kxarcbat  durch  Kurses  errichtet 
wurde.  Noch  zur  Zeit  des  Narses  hören  wir  von  grösseren  Goldschmiede- 
arbeiten  in  Ravenna  (La harte,  Hist.  d.  arts  ind.  I,  p.  405).  Kr/bisehof 
Viktor  (">42— 54U)  errichtet  über  dem  Altar  in  der  Kirche  des  h.  Trsinus 
ein  silbernes  Ciborium  (Spicilegium  Rnvcmiatis  hlstoriae:  Muralori,  SS.  I, 
p.  57G),  sein  Vorgänger  Kcclesius,  seine  Nachfolger  Maximiautis  und  Ag- 
nellus  stiften  werthvolle  Werke,  darunter  goldene  mit  Edelsteinen  be- 
setzte GefllHse  (Fabri,  Le  sagre  memorie  di  Ravenna  antica.  Venedig 
16B4.  p.  20).  Vom  Beginn  des  7.  Jh.  an  folgt  für  Italien  eine,  Periode 
grenzenloser  Dccadcnce:  der  Uber  pontificalis,  die  Hauptquelle  für  die 
künstlerischen  Leistungen  dieser  Zeit,  noch  durchaus  nicht  genügend  aus- 
genutzt, berichtet  nur  von  wenigen  Arbeiten.  Krst  im  S.  Jh.  nimmt  hier 
die  Kunst  der  Metallurgie  einen  neuen  Aufschwung.  Die  byzantinischen 
Künstler,  die  die  bildei feindliche  Stimmung  der  oströmischen  Kaiser  au* 
der  Heimath  vertrieben,  fanden  in  Italien  gute  Aufnahme  (Liber  pontif. 
II,  p.  12!».  31 7,1.  l'nter  Gregor  III.  (7:11  —  741)  beginnt  der  Aufschwung. 
Die  silbernen  getriebenen  Platten,  die  dieser  Papst  in  den  Basiliken  des 
h.  Peter,  der  Kirche  St.  Maria  ad  Fraesepe  anbringen  lies«  (Liber  ponti- 
licalis  II,  p.  4.">),  waren  Ikonostascu,  deren  Gebrauch  direkt  auf  Byzaiu 


Mcrowingischc  und  karolingisrhe  Plastik. 


i- 


Es  sind  durchweg  kirchliche  Oebrnnehsgegonstände,  mehrere  Btieher- 
deekcl  aus  getriebenem  Oold-  und  Silbcrhleeh,  eine  bischöfliche 
Mitra,  ein  Bischofsstab  ans  Silber,  mehrere  silberne  Kreuze  mit 
(Soldverziernng,  silberne  Oefässc,  darunter  ein  eueharistisches  Oc- 
fäss  in  Form  eines  Lammes,  alles  in  reichster  und  mauuigfachster 
Ciselirang  von  symbolischen  Seenen  und  Ornamenten.  Die  höchst 
merkwürdige  goldene  Krone,  nach  ihren  saeralen  Ornamenten  eine 
Bischofskrone,  giebt  einen  Anhalt  zur  näheren  Datirung  des  Fundes: 
de  Waal  hat  es  als  wahrscheinlich  hingestellt,  dass  sie  für  den 
Bischof  Sergius  von  Bavenna  (752 — 770)  gearbeitet  wurde  und  sich 
auf  die  Taufe  von  Kindern  des  Langobardenkönigs  Desiderius  be- 
zieht. Die  ganze  wcrthvolle  Serie  steht  im  engsten  Zusammenhang 
mit  den  oben  aufgeführten  profanen  Schmuckstücken:  das  Haupt- 
ornameutmotiv  ist  das  weitmaschige  Flechtwerk,  bestehend  aus  zwei 
wellenartigen,  durcheinander  geschlungenen  Bändern,  der  Körper 
quer  geriefelt  zwischen  schmalen  Säumen:  wir  werden  dasselbe 
Bandwerk  als  charakteristisches  Hauptmotiv  der  Ornamentation  in  der 
Iangobardisehen  Steinplastik  wiederfinden. 

Die  fränkische  Metallplastik  im  Zeitalter  der  Karolinger. 

Beim  Eintritt  in  das  Zeitalter  der  Karolinger  sind  die  Franken 
noch  und  auf  der  anderen  Seite  schon  im  Besitz  einer  ausgebildeten 
Metallurgie,  die  sowohl  das  (Jiessen,  wie  vor  allem  die  Kunst  des 
Treibens  technisch  getlbt  nnd  ausgebildet  hat.  Das  ist  eine  That- 
saehe,  die  festgehalten  zu  werden  verdient:  die  karolingischc  Re- 
naissance hätte  auf  dem  Oebietc  des  Kunstgewerbes  und  der  Klein- 
kunst gar  nicht  mit  dieser  Schnelligkeit  ihren  Einzug  halten  können, 
wenn  hier  nicht  der  Boden  durch  Jahrhunderte  vorbereitet  gewesen 
wäre.    Im  8.  Jahrhundert  findet  sich  eine  ganze  Fülle  von  Naeh- 


znrückrührt  (Holtzingcr,  die  altehristliehe  Architektur ,  S.  154; 
v.  Schlosser,  Beitrag1  zur  Kunstgeschichte,  S.  Gf>).  Unter  Adrian  I.  {772— 
795)  und  Leo  III.  (795-816)  erreicht  diese  Kunst  ihren  Höhepunkt  (L  a- 
barte  II,  p.  10).  Das  grosse,  auf  vierSJiulcn  ruhende,  mit  Basreliefs  be- 
deckte silberne.  Ciboriuni  in  St.  Peter,  das  Leo  III.  errichten  Hess,  mit 
vier  massiven  Chcnibimgestalteu  und  goldenen  Leuchtern  und  Votiv- 
kronen  (Liber  pontif.  IT,  p.  270)  war  das  Hauptwerk  dieser  Zeit.  Ueber 
die  weitereu  Arbeiten  der  Pitpste  des  9.  Jh.  vgl.  Lnbarte  11,  p.  128  IT. 


4<; 


Phalli  dornen: 


richten  über  Werke  der  Goldschmiedeknnst.  Es  sind  nicht  mehr 
Schmuckstücke,  sondern  in  erster  Linie  kirchliche  Geräthc,  ähnlich 
wie  in  den  angelsächsischen  Reichen,  die  die  Reihe  der  sich  um 
Tours  und  die  Person  des  Eligius  gruppirenden  Schöpfungen  fort- 
setzen. Schon  im  7.  Jahrhundert  besass  die  Kirche  von  St.  Hilairc 
in  Poitiers  ein  ausgedehntes  Gusswerk,  das  als  eine  ganz  hervor- 
ragende Arbeit  betrachtet  werden  muss :  einen  Adler  aus  vergoldeter 
ltronze,  auf  einem  Piedestal,  an  dessen  Fuss  die  vier  Evangelisten 
und  andere  Figuren  angebracht  waren 10T),  offenbar  ein  Lesepult 
in  Gestalt  eines  Adlers,  wie  diese  vom  10.  Jahrhundert  an  wieder 
erscheinen  ,0Ri.  Das  H.  Jahrhundert  scheint  zum  ersteu  Male  kunst- 
voll gegossene  Aquamanilien  hervorgebracht  zu  haben:  schon  um 
die  Mitte  dieses  Jahrhunderts  werden  solche  Gcfässe  mirabili  opere 
iu  St.  Wandrille  erwähnt.  Erhalten  ist  eine  derartige  liturgische 
Kanne  mit  einem  Löwenmaul  als  Ausflussrohr,  die  dem  8.  oder  9. 
Jahrhundert  zuzuweisen  ist.  in  S.  Lorenzo  vor  den  Mauern  zn 
Rom luy).    Einen  ungefähren  Begriff  von  der  grossen  Menge  von 

107)  Doublet,  Autiquitcz  de  l'abbaye  de  Sainct  Denys  en  France. 
Paris  162i>.  I,  p.  286.  Auch  massiv  silberne  Bischofsstäbe,  werden  im 
G.  Jh.  schon  erwilht.  Ein«;  argentea  cambuta  im  Testament  d.  h.  Kemi 
(l'abbe  Pascal,  Origines  et  raison  de  la  liturgie  catholique  p.  144). 
Cambuttii  baculus  (L.  J.  Gucnebault,  Recherche*  historiques  sur  les 
erosses  i.  d.  Revue  archcol.  XIII,  p.  704). 

108)  -  Den  nächsten  bekannten  lässt  um  980  Folcuinus  von  Lobbes 
herstellen  (Folcuinus,  De  gestis  abbatum  Lobicnsium  bei  D'Achery, 
Spicilegium  II,  p.  740),  einen  gleichen  Gauzlinus  von  Fleury  um  1010 
(Du  Chesne,  SS.  historiae  Francorum  IV,  p.  96),  Richard  Abt  von  Saint 
Vannc.s  in  Verdun  1020  (Hugoiiis  Flaviniaceusis  abbatis  chronicon:  Labbe, 
Nova  bibliotheca  I,  p.  165).  Vgl.  Mobilier  ecele^mastique  in  Lc  Beffroi. 
Brügge  1866.  ITI,  p.  65.  Der  Adler  aus  Poitiers  war  635  nach  St.  Denis 
geschenkt  worden.  Vielleicht  bezieht  sich  auf  ihn  die  Notiz  bei  Sugerus, 
De  rebus  in  administratione  sua  gestis  c.  32  (Du  Chesne,  SS.  IV,  p.  348): 
Aquilam  vero  in  medio  chori  aminirantium  tactu  frequenti  dedcauratam, 
reauravi  feeimus.  Kin  grösseres  Werk  erwähnt  wieder  das  Inventar  von 
Prüm  (Aug.  Digol  im  Bull,  monum.  XV,  p.  292):  Ainboquod  nos  dieimus 
analogium  argenteus  cum  nreubus  praepaiatus  et  desuper  aquila  deau- 
rata  stans  super  tabrica  in  moduni  pomi  argen tei. 

10!>)  Abb.  Victor  Gay,  Glossaire  archeologiqne.  I,  p.  14.  Dies  Löwen- 
maul ist  der  erste  Ansatz,  aus  dem  heraus  später  die  ganze  Kanne  in 
einen  Löwen  oder  Vogel  verwandelt  ward.  Die  karolingische  Zeit  scheint 
die  Thieraquamiuilien  noch  nicht  gekannt  zu  haben.  Eine  genaue  Be- 
schreibung, die  lexikographisch  interessant  ist,  linden  sie  in  dem  Inventar 


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Merowingische  und  karolingisehe  Plastik. 


47 


metallenen  Gcfässcn  im  Schatze  der  Fflreten  und  Edlen  giebt  das 
Testament  des  Markgrafen  Kverhanl  von  Friaul  vom  Jahre  837  no). 
Üic  Technik  de«  Treiben»  scheint  im  Anfang  des  9.  Jahrhunderte 
unter  Karl  ihren  Höhepunkt  zu  erreichen.  Abt  Sturmi  hatte  in 
Fulda  einen  Bogen  Uber  dein  Grabe  des  lionifacitiK  mit  Gold-  und 
Silberplatten  belegen  lassen111).    Eines  der  merkwürdigsten  Werke 


von  St  Martin  in  Mainz  von  1252:  Krant  urcci  diversarum  formarnm 
<|U08  inanilia  vocant,  eo  quod  aqua  sacerdotum  manibns  funderetur  ex 
eis,  nrgentei,  quaedam  habentes  forinani  Iconum,  quaedam  draconum, 
avium  et  griphonum  vel  aliorum  aniuialiutn  qtioruiiK'umquc*.  Die  Nach- 
richten über  St.  Wandrille  i.  d.  Gestn  abbat.  Fontanell.  SS.  II,  p.  290, 
292,  295.  Unter  Abt  Oervold  wird  schon  ein  ganzer  Sehatz  goldener  und 
silberner  Gelasse,  Becher,  ReliquicnbehHlter  erwähnt.  Einen  Begriff  von 
der  Ausführung  dieser  Oefässe  giebt  die  sog.  Taufschale  des  VVittekind 
im  Kunstgewerbemuseum  zu  Berlin,  eine  Jaspisschalc  in  niellirter  Gold- 
bronzefassung (1880  auf  der  Ausstellung  kunstgewerhl.  Alterthütner  in 
Düsseldorf,  8.  Catalog  S.  239,  ans'm  Wecrth  i.  d.  Jahrbüchern  d.  Alter- 
thumsfreunde i.  Rheinide  LXVII,  S.  157».  Auffällig  ist  der  Gegensatz  zn 
nordischen  Arbeiten  in  Form  und  Ornamentik,  so  dem  Kelch  aus  der 
Grabkammer  der  Königin  Thyra  (J.  Korncrup,  Kongehöiene  i  Jellinge. 
Pnblikation  der  Kongelige  Nordiske  Oldskriftselskab.  Kopenhagen  1K75. 
pl.  XIIT,  Fig.  1»  lb). 

110)  Miraens,  Cod.  don.  piar.  I,  p.  19;  Binterim  und  Mooren, 
Rheinisch-Westfälisch  diplomatischer  Codex,  Mainz  1830,  I,  S.  9:  Ciboreum 
cum  cruce  aurea  et  capsa  aurea  et  calicem  aureum  cum  patene,  coro- 
nain auream  cum   ligno  doniini,  crucem  auream  cum  cristallo  super 

ciboreum,  planctas  duas,  unam  auro  paratam,  alterain  de  cendalo  

urceum  cum  aqua,  manile  argenteum  unum,  thuribulum  argenteum  titiinn, 
pipam  auream  unam,  tabula«  eburnea«  auro  paratas,  pecten  auro  para- 
tum  unum,  flavellum  argenteum  unum,  cupsellam  ebumeam  unam,  ean- 
delabra  argentea  duo.  Weiterhin  erwähnt  er  in  der  Kapelle  altare  argen to 
paratuin  utuun,  calicem  eburneum  cum  patena  auro  paratum  unum,  cap- 
nuii  eburneam  auro  paratam  unam,  phylacteriuin  de  cristallo  cum  auro 
paratum  unum,  evangelium  eburneum  unum  ....  thuribulum  argenteum 
unum,  .  .  .  tabula«  ad  canendum  auro  et  argento  paratas  .  .  .  Altare  de 
cristallo  et  argento  paratum  unum,  capsam  cristallo  et  auro  paratam 
unam,  calicem  vitroum  auro  paratum  unum,  calicem  argenteum  cum 
patena,  evangelium  argento  paratum  unum,  .  .  .  phylacterium  unum. 
Busteam  cristallinam  cum  rcliquiis,  phylacterium  de  almandinis  ot  cristallo 
paratum  unum,  phylacterium  argenteum  unum,  calicem  de  nuce  et  ar- 
gento et  auro  parafUin  unum,  calicem  argenteum  cum  patena.  Ausserdem 
eine  grosse  Anzahl  von  weltlichen  Schmuck-  und  Waffengegenstandon. 

111)  Vita  S.  Sturmi  c.  20,  SS.  II,  p.  375.  Heber  frühere  Arbeiten  in 
Fulda  vgl.  epist.  Bonifac.  1(5,  68. 


Paul  Cleinen: 


dieser  Gattung  war  das  Grabdenkmal  des  Ii.  C'orhinian  im  Dome 
zu  Freisinn,  das  naeh  Keinem  Tode  um  UV)  mit  getriebenen  Silber- 
pliitteii  verziert  wurde:  zwei  lcgendarisrhe  Seenen  waren  dargestellt: 
sehoii  in  der  Auswahl  verrieth  sieh  eine  naive  Rohheit  der  An- 
sehauuug  lls). 

Zwei  grosse  Gruppen  von  kirehliehen  Gegenständen  waren  es. 
in  denen  die  Technik  der  getriebenen  Arbeit  angewandt  ward,  An 
tependien  und  Relupiieiischreinc.  Einen  Marienaltar  mit  getriebenen 
Bilden»  ans  Silberplatten  über  einem  hölzernen  Kern  schuf  sehoii 
Abt  Ansegis  von  8t.  Wandrille113  ',  Rado  zu  Tours  114 1,  zwei  weitere 
für  Köln  und  St.  Medard  zu  Soissoii»  Hess  auf  Karl  s  Geheiss  Rischof 
Hildebald  von  Köln  anfertigen  "''j.  Karl  der  Kable  stiftete  ein  An- 
tependium  fllr  den  Hauptaltar  von  St.  Denis  Diese  findeu  dann 
ihre  Weiterbildung  in  den  Werken  des  Tuotilo  von  St.  Gallo»  ll7k 
In  St.  Hallen  befand  sieh  in  der  Mitte  des  9.  Jahrhunderts  ein 
Altar  mit  getriebenen  Darstellungen  in  der  Othmarskirehe,  fflr  den 


112j  Vita  S.  Corbiniani  c.  13.  Nnglcr,  Deutsche  Kunstwerk«*  ans 
dein  10.  Jahrli.:  Anz.  f.  Kunde  «t.  deutschen  Vorzeit  XXIII.  1*76,  S.  232; 
v.  Schlosser,  Beitr.  zur  Kunstgesell.  S.  1)1. 

113)  Gcsta  abbat.  Fontanell.  SS.  II,  |>.  295:  Altare  in  honore  perpe- 
tuae  virgiiiis  Murine  decoravit  tabula  lignea,  (|Uam  imaginibus  «rgenteis 
diversis  cooperuit. 

114)  Pni'tae  latini  aevi  Cainlini  I,  p.  30«,  LXXXV11I. 

115)  l'oi-t.  lat.  T,  p.  333.  Vgl.  v.  Kumolir,  Italien.  Forsch.  I,  S.  '222. 
\M'i)  Sugerus,   De  rebus  in  adniinistratione  sua  ge*t.  e.  32:  Du- 

eliesne,  SS.  IV.  p  315.  In  Abbildung  erhalten  in  einem  flandrischen 
Gemälde  v.  15.  Jb.  < V ioll e  t  lc •  Du  c,  Dictinunaire  rnis.  de  I  nchitei  tiire 
Iraneaise  II,  p.  2T.,.  Das  Inventar  des  Schatzes  von  St.  Denis  giebt  eine 
leclmiM  li  hochinteressante  ausführliebe  Beschreibung  der  Tafel  (abgedruckt 
Labarte.  II,  p.  UY2).  Dorn.  Kccherches  sur  la  peinture  eil  email  p.  143, 
171.  Beinelinus  und  Bernuinil-s  zwei  Kanoniker  von  Scns,  fertigten  ein 
goldenes  Antepeiidiuin  mit  Basreliefs,  das  erst  im  J.  17(i0  eingeschmolzen 
wnrd.  Die  Zeichnung,  die  der  Maler  Bambinet  damals  anfertigte,  ist 
puhlicirt  bei  Du  Sommerard,  Les  arts  au  moyen  äge.  Album,  9.  serie, 
pl.  XIII.  Fmcric  David,  Jlist.  de  la  m-ulpture  fram.aise.  Paris  1853. 
p.  29,  sieht  darin  das  Filde  v.  9.  Jh.  vom  Frzbischof  Scvinus  gestiftete 
Antependiuni.  Dieses  aber  wurde  nach  Chronik  voy  Saint-I'ierrede-Vif 
schon  Jahrhunderte  früher  eingeschmolzen  (Clnrius,  Chron.  S.  Pctri 
Vivi  Senoucnsis  bei  D'Achery,  Spicilegiuiu  II.  p.  73t».'. 

1 1 7>  Katpcrti  Casus  S.  Galli,  SS.  11.  p.  SM.  Vgl.  v.  Schlosser,  Beitr. 
/..  Kunstgescli.  S.  ISO.    Die  Künstlerlegeude  d.  Tuotilo  von  S.  Gallen. 


Merowingische  und  karolingische.  Plastik. 


19 


Walafrid  Strabo  wahrscheinlich  die  Tituli  dichtete »").  Rcliquien- 
schreine  mit  getriebenen  oder  ganz  herausgearbeiteten  Verzierungen 
fertigte  schon  Rhabanus  zu  Fulda  u!\i,  ein  gleicher  entstand  in  St. 
Gallen1*0)  und  Tours1*1).  Lothar  II.  schenkte  an  St.  Gennaiii 
d'Anxerrc  einen  prächtigen  Schrein  von  Gold  und  Edelsteinen1«), 
und  in  Fulda  und  in  St.  Gallen  li3)  werden  gegossene  Stand- 
und  Kronleuchter  genannt.  Unter  Karl  dem  Grossen,  der  zu  Aachen 
eine  Gieswbttttc  errichtete,  lebte  der  Bronze-  und  Erzguss  wieder  auf: 
an  der  Spitze  der  Werke ,  die  aus  jener  hervorgegangen ,  stehen 
die  bekannten  Gitter  im  Aachener  Münster.  Eine  letzte  Gruppe 
vertreten  dann  die  Tragaltäre,  die  gleichzeitig  auch  als  Reliquieu- 
schrcine  dienen.  Unter  Abt  Austrnlf  von  St.  Wandrille  (747  —  753) 
wird  der  erste  Rcliquienbcbftlter  ad  instar  parvi  fari  erwähnt 
Ludwig  der  Fromme  besass  einen  solchen  1SÄ),  Karl  der  Kahle  schenkte 
einen  nach  St.  Denis1'6). 

118)  Wahrscheinlich  gemacht  von  v.  Seh losser,  Rehr.  S.  97. 

119)  Catalogus  abbatutn  Fuldcnsium,  SS.  XIII,  p.  27.'$:  Rhabanus 
fecit  arcam  areae  Mosaicae  instar  cum  circulis  et  voctibus  ex  omni  parte 
auratani,  propitiatorium,  Cherubim  glnriae.  t'cbcr  die  Bedeutung  vgl. 
Du  Cange.  Glossarium  V,  p.  479;  Paul  C lernen,  Portraitdarstcllungen 
Karls  des  Grossen  S.  59  Aiim.  4. 

1-20)  Ratperti  casus  S.  Galli,  SS.  II,  p.  71. 

121)  Poeta  lal.  I.  p.  308,  v.  f>. 

122)  Lebeuf,  Mein,  concernaiit  l'histoire  civ.  et  eccles.  d'Anxerre 
et  de  son  ancien  dioeese.  Paris  1848.  I.  p.  72. 

123)  Catalogus  abbat.  Fuldens.  SS.  XIII,  p.  273:  Caudelnhrum  duc- 
tile  ex  toto  auratuin.  Casus  S.  Galli.  SS.  II,  p.  70:  Praetorea  eorona  ar- 
{•enteis  aliisque  diversis  luminaribus  pariter  tum  niultiinodis  variorum 
ornainentnrum  splendoribus  ipsam  niagnopcre  studuit  insignire  basilicam. 

124)  Gesta  abbat.  Foutanell.  c.  14. 

125)  Acta  SS.  ord.  S.,  Benedicti  IV,  p.  2l>0;  vgl.  A.  Darcel  u.  A. 
Varin,  Autels  portatifs  i.  d.  Anna),  areheol.  XVI,  p.  78.  Solche  thurm- 
artige  GoldHchmiedewerko  (Tabernakel?)  werden  schon  von  Gregor  von 
Tours  erwähnt.  Gregor.  Turon.  de  gloria  martyrum  c.  LXXII;  Vita 
S.  Aridii  abbat™ :  Op.  Gregor.  ed.Mignc  I,  p.  1143;  Miraoula  1. 1,  c.  LXXXV1. 
Vgl.  Auber,  Histoire  et  theorie  du  svinbolisme  IV,  p.  290. 

126)  Acta  SS.  ord.  S.  Benedicti  III,  1,  p.  78;  Doublet,  Ilist.  de 
l'abbaye  de  St.-Dcnis  p.  335.  lieber  die  erste  Schenkung  Arnulfs  vgl. 
Fkkehardi  IV  casus  S.  Galli  SS.  II,  p.  82:  Erat  innnus  illud  capsa  solide 
aurea,  gemmis  regaliter  inclita,  reliquiis  summis  rel'erta,  in  rormain  capel- 
lae  creala,  cui  simiie  <|iiidcin  nihil  uiu|iuun  vidimus.  l'eber  die  Kunst- 
th.'Uigkeit  des  Allgilbert  in  St.  RiMuic.r  vgl.  Labarte  II,  p.  149.  Im  J.  81)4 
verfertigte  Odulfus.  der  Münch  von  St.  Ri«|iiicr,  einen  goldenen  Schrein 
für  das  Haupt  des  h.  Richarius  (Hariulli  Chron.  Ontul.  1.  III,  c). 

Jahrb.  (1.  Vor.  v.  Altcrthsfr.  iui  Klifiul.  XfH.  ± 


Pmil  Climen: 


König  Arnulf,  der  tun  8^7  dem  Abt  Salomen  von  Consta»/ 
einen  thurmartigeu  Traualtar  schenkte,  stiftete  einen  zweiten  nach 
8t.  Enunerani  in  Regensburg,  der  noch  in  der  reichen  Kapelle  zu 
München  erhalten  ist —  das  hervorragendste  Werk  der  karo- 
lingischen  Goldschmiedekunst,  dass  auf  unsere  Zeit  gekommen  ist, 
ebenso  eigenartig  in  dein  eonstruetiven  Aufbau  wie  vollendet  in  der 
technischen  Ausführung  der  getriebenen  Arbeit.  Es  vermag  einen 
Begriff  zu  geben  von  der  Leistungsfähigkeit  de*  9.  Jahrhunderts 
im  Treiben  figürlicher  Darstellungen:  es  ist  uur  ein  kleiner  Sehritt 
uoch  zu  den  grossen  an  der  Wende  des  Jahrtausends  stehenden 
Antepeudicn  von  Aachen  und  Hasel  und  den  untergegangenen  An- 
tependieu  von  Xanten  und  Essen Der  grosse  Silberaltar  von 
S.  Ambrogio  in  Mailand,  den  Er/.bischof  Angilbert  II.  vor  H.*l:">  durch 
Wolvinius  magister  phaber  anfertigen  Hess,  auf  dessen  Vorderseite 
das  Leben  Christi  von  der  Verkündigung  bis  zur  Himmelfahrt  in 
zwölf  Scenen  dargestellt  war,  und  dessen  Rückseite  zwölf  Bilder  ans 
dem  Leben  des  h.  Ambrosius  trägt,  kann  noch  jetzt  in  Anordnung 
und  Ausführung  die  Pracht  der  zu  Grunde  gegangenen  Antepen- 
dien  vergegenwärtigen  ,*9).  Die  baldaehinartigen  Ciborien  Uber  den 

127)  lieber  der  Platte  erhebt  sich  noch  ein  Ciboriuniuufbau  mit 
goldenen  Säulen,  über  den  sieh  noch  ein  zweites  niedrigeres  Geschoss, 
ein  nur  vier  kurzen  Säulen  ruhendes  Giebeldach  erhebt.  Farbige  Abb. 
bei  Zettler,  Kitzler  und  Stockhaucr,  Ausgew.  Kunstwerke  aus  dein 
Schatze  der  reichen  Kapelle  zu  München.  München  lS7fi.  Taf.  107;  Rohault 

H  .  de  Eleury,  La  messe  V,  p.  12.  pl.  3/1.  Vgl.  Laib  und  Schwarz,  Stu- 
dien über  die  Geschichte  des  christlichen  Altar*.  1H57.  S.  «0;  Fiorillo, 
Geschichte  d.  zeichn.  Künste  i.  Deutschland  1,  S.  182;  Labarte  II,  p.  173. 
Schon  in  einem  Bericht  von  1181  wird  er  als  turrita  aedicula  bezeichnet. 
Hcnrie.  Canisius,  Lectiones  antk|uac.  Antwerpen  1726.  III,  p.  109:  Ci- 
borium  quadratuin,  enius  nuro  tectum  tabulatum  fastigio  serto  gennnarunt 
redituitum.  Corpus  vero  sustentatur  octo  aureis-columncllis.  Acta  SS.  ord.  S. 
Bened.  VII,  p.  27G:  Erat  hoc  altarium  circuniductum  argento,  quod  opere 
ductili  apostolorum  capita  repre.sentabat.  Vgl.  die  Berichte  der  alteren 
Reisenden:  Mabillon,  her  Genn.  Anal.  p.  10;  Geerken,  Beinen  II,  S.  91. 

128)  Alte  Zeichnungen  publicirt  bei  Giemen,  Kunstdenkmaler  der 
Bheinprovinz.    Kreis  Rees  und  Kreis  Essen. 

12i»j  D'Agüicourt,  Sculpture,  pl.  2t>:  Ferrario,  Mon.  sacri  e  pro- 
fani  di  S.  Ambrogio.  Mailand  1825;  v.  Schlosser,  Beitr.  S.  95.  Eine 
grosse  farbige  Ansicht  bei  Du  Sommerard,  Les  arts  au  moyen  Age, 
Album,  9.  serie  pl.  XVIII.  Vgl.  Labarte,  Hist.  d.  arts  ind.  II,  p.  137. 
Ueber  die  Gruppe  der  in  Italien  unter  byzantinischem  Einlluss  ausge- 
führten Goldschmiedewerke,  in  die  die  Tafel  von  S.  Ambrogio  gehört, 
vgl.  oben  Ann».  10t>. 


Mcrowingische  und  karolingische  Plastik. 


Gräbern  der  Heiligen,  die  unter  den  merowingischen  Königeu  zu- 
erst erschienen  und  mit  Vorliebe  von  Eligius  als  Vorwürfe  gewählt 
werden,  Huden  jetzt  ihre  weitere  Ausbildung.  Sie  werden  aber  jetzt 
mit  Reliquicnschrcinen  in  Verbindung  genetzt.  Nach  wie  vor  ruhen 
sie  auf  vier  Säulen  und  sind  ttber  einem  hölzernen  oder  steinernen 
Kern  mit  kostbaren  getriebenen  Gold-  und  Silberplatten  belegt. 
Eiuen  solchen  Aufbau  errichtete  Rabnnus  in  Fulda  Uber  dem  Grabe 
des  h.  Bonifatius130),  das  grosse  Goldschmiedewerk,  das  Lothar  I. 
der  Abtei  Prüm  schenkte,  scheint  auf  der  Grenze  zwischen  eiborium- 
förmigem  Tragaltar  und  Grabeiborium  gestanden  zu  haben  ,31).  Die 
glänzende  Durchbildung  finden  diese  Werke  wieder  unter  Karl  dem 
Kahlen,  dessen  Regicruugszeit  den  Höhepunkt  der  karolingischen 
Goldschmiedekunst  überhaupt  darstellt,  wie  unter  ihm  die  voll- 
kommensten Schöpfungen  der  karolingischen  ßuchmalcrei  entstan- 
den. In  der  Kirche  St.  Benigne  zu  Dijon  wurde  über  dem 
Grabe  des  b.  Benignus  ein  Ciborinm  errichtet,  von  vier  Marmor- 
säuleu getragen,  die  Bogen  mit  Holz  verkleidet  und  mit  getriebenem 
Gold-  und  Silberblech  überzogen,  die  Geschichte  Christi  darstellend13*). 
Ein  noch  kostbareres  Werk  stiftete  unter  Karl  der  Bischof  Hinemar 

130)  Vitn  b.  Hrabani  arehiep.:  Mabillon,  Acta  SS.  nid.  S.  Bene- 
dict! VI,  p.  17:  Turrcm  lapidenin  .  .  .  super  quam  culmcn  ligneum  eolnm- 
nis  quattuor  sustentatum  erigens,  auro  ornavit  et  argento:  intra  quod 
nrcain  oblongam  quadrangulo  schemate  t'aeere  posuit,  quam  etiam  auro 
et  argento  «tque  lapidibus  ornnns,  singulorum  sanetorum  imaginibUN 
decenter  expressis  docoravit,  versusquu  quasi  ex  persona  eiusdeiu  arcae 
prolatos  in  cireuitu. 

131)  Inventar  bei  Digot  i.  Bull,  moiiuui.  XV,  p.  283:  Capsula  aurea 
cum  altari  superposito,  hiniteutein  quatuor  columnis  argenteis  et  alia 
capsuln  inodica  altari  superposita  et  corouula  aurea.  Ausführlich  über  die 
Hlteren  Tragalt»re  A.  Darcel  i.  d.  Annal.  arclie.nl.  XVI,  p.  77;  Barbier 
de.  Montault  im  Bull,  monum.  XL  VI,  p.  328;  Kock,  The  church  of  our 
t'athers  I,  p.  254;  W.  A.  Neu  mann,  Der  Ueliquienschatz  des  Hauses 
Braunschweig-Lüneburg  S.  110. 

132)  Chron.  S.  Benigni  Divion.:  D'Achcry,  Spicilegium  II,  p.  384: 
Sepulcrum  vero  saneti  et  gloriosi  martyris  ita  est  construetum.  Est 
tumba  ex  quadris  aedificata  lapidibus,  .  .  cuius  cacumen  lapideum  qua- 
tuor suatinetnr  suffragio  columnarum:  desuper  autem  quatuor  coluinnae 
inarmoreae  locatac  crant  antiquitus.  Olim  super  lapideos  arcus,  qui  con- 
tinebant  absidnm,  lerebant  ligneum  *ex  lubitorum  longitudinis  et  tres 
latitudiuis,  septemque  et  semis  altitudinis,  qune  uiidiqiic  auro  et  ar- 
gento vestita,  historiam  dominicae  nativitatis  et  passionis  prueinonstru- 


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Paul  ('leinen: 


(844—863,  in  dem  thurmarligen  Altaratitbau  fllr  <!*-»»  Schrein  des 
Saiut-Rcmi:  die  Vorderseite,  mit  einem  mit  Edelsteinen  und  (Jenimen 
besetzten  Rahmen,  enthielt  in  getriebener  Arbeit  Sccnen  au«  dem 
Leben  de»  Saint-Nieaise,  der  .Madonna  und  des  Saint-Kemi 1:,S).  .Schon 
dem  10.  Jahrhundert  gehören  dann  zwei  kleinere  Arbeiten  im  Sehatze 
zu  Cou<|UC8  an,  die  in  der  Technik  noch  ganz  unter  dem  Banne 
der  karolingischen  Tradition  stehen  und  auch  in  der  Wahl  des  Ob- 
jekts keinen  Fortschritt  zeigen  —  die  Statuette  der  Sainte-Foy  l'M) 
und  das  sogenannte  A  Karls  des  Grossen  "•'»). 

bunt  anaglypho  }>roiiiineiit«-  opere  pictura  satis  o|itima.  l'ehcr  dein  Haupt 
altar  «1er  Stepliansi-atlifdraN-  in  Auxcrre  errichtete  Bischof  Aaron  nach 
800  ein  Cihorium  von  Gold  und  Silber,  nach  «lein  VorbiUio  des  von  ihm 
in  Kom  gesehenen  (Hist.  episenp.  Autissiodorensium  ed.  Dum,  Hibl.  hist. 
de  l'Yonne  1,  e.  34). 

133)  Prosper  'Farbe,  Tresor  des  eglises  de  Keims.  Heinis  1843. 
p.  44,  189.  Vgl.  Flodoardi  hist.  Keinen»,  lib.  III,  c\  G,  !»;  Labarte  II, 
p.  16h.  Die  Thür  zu  dem  Schreine  war  mit  (ioldplattcn  bedeckt,  in 
ihrer  Milte  öffnete  sich  ein  Fensterchen,  das  einen  Blick  in  das  Innere, 
das  mit  kostbaren  Steinen  und  Medaillen  incrustirt  war,  gestattete.  Auf 
einer  Bordüre  von  blauein  Fmail  stand  die  Inschrift: 

Hoc  tibi,  Kemigi,  fabrieavi,  magne,  sepulchrnin, 

Hincmarus  praesul  duetus  amorc  tui, 

Ut  requiem  Dominus  tribuat  mihi,  sanetc,  preentu, 

Kt  diguis  meritis,  mi  venerande,  tnis. 
Die  vonlere  Tafel  mit  den  drei  Scencn  beschreibt  das  Inventar  des 
Schatzes  von  KU?!):  Ati  devant  du  grandautel  il  y  n  trois  hystories, 
dont  la  premiere  est  de  saint  Nicaise,  In  seconde  de  Notrc-Dame,  et  la 
troisi^me  de  saint  Heniy,  gnrnicsde  cornalines,  d'csmeraudes,  de  topazes, 
de  saphyrs  et  de  deux  onix;  au  mllieu  de  la  diete  table  est  un  cristal 
de  röche  en  ovalle,  sur  Icqucl  est  grave  un  crucilix.  Hincinar,  archeveque 
de  Keims,  a  faict  faire  cette  table,  qui  est  d'or,  sur  laquelle  sc  lisent  ces 
vers:      Hunc  proprio  proprium  fecit  de  inartuore  vultum 

Praesul  Hincmarus,  cuius  inisereris  Jesus, 

Hic  regis  Caroli  retinens  oblata  benigni. 

134)  A.  Darrel,  Tresor  de  Conques  i.  d.  Aunal.  archeol.  XXI,  p.  39 
(XVI,  p.  77,  277;  XX,  p.  21n,  204,  327).  Die  Höhe  betrügt  85  cm.  Abb. 
Kohault  de  Fleury,  La  messe,  II,  pl.  IUI,  V,  pl.  344.  Die  erste  Erwah- 
nuug  der  Statuette  füllt  in  das  Jahr  1010:  Bernard  von  Angers  bemerkt, 
er  habe  bei  einer  Procession  eine  Figur  der  Heiligen  von  Oold  gesehen 
(Mabillon,  Annal.  ord.  S.  Bened.  IV,  p.  40):  sanetae  Fidis  aurea  nia- 
iestas  id  est  statua,  spilter  wird  crwHhnt  imago  sanetae  Fidis  et  capsa 
aurea  quam  fertur  donavisse  Carolas  Magnus.  Nun  kann  die  Figur  nicht 
gut  über  888  zurückgehen:  erst  in  diesem  Jahre  kommt  der  Name  auf, 
bis  dahin  hie.ss  die  Abtei  K.  Salvator  (Mi'-i  inicc  im  Bull.  mon.  IV.  p.  23G). 


Meiowiugische  »mrl  karolingischc  Plastik. 


Der  Monge  der  aufgeführten  karolingisehcn  Motallarbcitcn  de« 
9.  Jahrhunderts  ist  auch  die  kleine  Reiterstatuette  des  Museum« 
Carnavalet  in  Paris*  anzureihen,  die  von  aus'm  Weerth13")  und 
mir  als  eine  Arbeit  ans  der  ersten  Hälfte  des  !>.  Jahrhunderts 
bestimmt  worden  war.  Xenerdings  hat  Georg  Wolfram  gegen 
diese  Datirnng  Einspruch  erhoben  199  >.    Aber  schon  der  Hauptcin- 

Pic  Autoren  d.  Gallia  christiana  I,  p.  244?  bemerken  von  Abt  Bcgon  III 
( 1 0M7 — 1106) :  Chiustrum  ronstruxit  et  reliqnias  in  auro  posuit.  Das  scheint 
mir  aber  sieher  auf  dns  noch  erhaltene  Begonrcliquiur  zu  gelten.  F.  do 
I.asteyric,  Observation*  critique.s  sur  le  tresor  de  Conqucs  i.  d.  Memoire* 
de  la  hoc.  den  antiquaircs  de  France  3.  ser.  VIII,  p.  55  will  die  Figur 
später  ansetzen,  aber  ohne  gewichtige  Gründe.  Ich  bin  der  Ansicht,  dass 
sie  zwischen  888  und  1010  entstanden  und  noch  unter  dem  Einflüsse  der 
karol.  Technik  steht  (die  beiden  Medaillons  an  den  Stuhlwnngen  sind 
natürlich  spater  eingesetzt).  Farbige  Abb.  von  Form  ige  i.  d.  Samm- 
lung d.  Commissiou  des  mon.  histor.  zu  Paris  i.Inv.  7842). 

135)  P.  C leinen,  Portraitdarstellungen  Karls  des  Grossen  S.  199, 
Abb.  A.  Darcel,  Le  tresor  de  Conques  p.  14;  F.  Dumas,  Revue  de 
l'exposition  universelle  de  1889,  p.  309.  Schon  erwilhnt  im  Liber  mira- 
hilis  von  f'onqnes  (Paris,  Bibl.  nat.,  Cod.  recueil  de  Doat  143).  Edmond, 
Bnnnaffce  i.  d.  Gazette  des  Beaux-Arts  188!),  II,  p.  J-f.  Uebrigens  wohl" 
erst  unter  Begon  II.  angefertigt.  Vgl.  Müntz,  F.tude*  iconographiques 
et  archeologiques  p.  99;  Victor  Gay,  Glossaire  arehcol.  du  inoyen  Age 
et  de  la  rcnaisnanco  I,  p.  2.  Ein  für  die.  Geschichte,  des  privaten  Lebens 
interessantes  Stück  ist  das  von  Deloche  publicirte  karoliugische  Gewicht, 
eil»  Kupferdiscu»  mit  der  Inschrift:  Kodulfus  negotiens  (M.  Deloche, 
Description  d  un  poids  de  l'epoqne  carolingieune.  Scs  rapports  avec 
l'ancienne  livre  romaine.  Brüssel  1885.  Dazu  Bibl.  de  lceole  des  chartes 
XLVI,  p.  354). 

VMn)  F.  aus'm  Weerth.  Die  lieiterstatnette  Karls  des  Grossen  aus 
dem  Dom  zu  Metz  i.  d.  Jahrbüchern  des  Ver.  v.  Alterthumsficundcn  i. 
Kheinlde.  LXXVIII,  S.  139. 

137)  P.  Giemen,  Die  PortrHtdarstcllungen  Karls  des  Grossen  S.  45; 
Zeitschrift  des  Aachener  Oescltiehtsvereins  XI,  S.  IHT>. 

138)  Georg  Wolfram,  Die  Keiterstatuette  Kails  des  Grossen  aus 
der  Cathedrale  zu  Metz.  Strassburg  185)0.  Ich  habe  die  Wolfram'sche 
Hypothese  bereits  an  anderen  Orten  (l'ortraitdarstellungcn  Karls  des 
Grossen  S.  230,  Nachtrage;  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  XII, 
S.  144;  Repcrtorinm  f.  Kunstwissenschaft  XIII,  S.  4X1)  zurückgewiesen 
—  eine  eingehende  Begründung  musste  ich  für  eine  zusammenhangende 
Betrachtung  der  karolingisehcn  Plastik  aufschieben  ,  da  gerade  aus  ihr 
die  Zugehörigkeit  der  Statuette  zu  den  übrigen  angeführten  Werken 
am  klarsten  hervorgeht.  Gegen  die  Wolfram'sche  Hypothese  wendet 
sich  auch  A.  Springer  und  H.  Janitschek  i.  Literarischen  Centralblatt 
1891,  S.  549. 


1 


Paul  deinen: 


wand  gegen  die  karolingische  Provenienz  —  die  Behauptung,  die 
Frauken  in  der  1.  Hälfte  des  Jahrhunderts  hätten  den  Reichs- 
apfel uicht  geführt,  eine  Figur,  die  mit  ihm  dargestellt  sei,  könne 
alno  nicht  das  gleichzeitige  Porträt  einer  Persönlichkeit  ans  dieser 
Periode  sein  —  beruht  auf  unrichtiger  Voraussetzung  Die  ein- 
zige Periode,  die  stilistisch  und  technisch  noch  in  Betracht  kommen 


130)  Wohra  in  führt  drei  BeweiMiiomcnte  an,  die  au  sin  Wecrth 
und  ich  für  die  Nichtigkeit  unserer  Ansicht  vorgebracht:  1)  Uebcrein- 
stiuunung  der  Statuetie  mit  den  zeitgenössischen  Sehilderungen  von 
Kails  Person,  2)  Tracht  und  Beigaben  sind  karolingisch,  3)  die  Kunst- 
fertigkeit der  kurolingisehen  Zeit  war  bedeutend  genug,  um  eiu  solche« 
Werk  hervorzubringen.  Dass  die  Ueiterstatuette  einzig  dastehe,  wie 
Wolfram  S.  5  anführt,  habe  ich  allerdings  behauptet,  aber  ausdrücklich 
im  Vergleich  mit  erhaltenen  Werken  der  karol.  Kunst.  Nach  meinen 
letzten  eingehenderen  Untersuchungen  würde  die  Höhe  der  Kunstfertig- 
keit den  Guss  der  Statuette  auch  in  der  2.  Hälfte  des  0.  Jh.  gestatten, 
wenn  dagegen  nicht  das  Kostüm  spräche.  Von  dem  vierten  Beweis- 
moinent  aus'm  Weerth's,  der  Heranziehung  einer  romanischen  Altar- 
uicusa,  habe  ich  bei  seiner  stilistischen  Haltlosigkeit  absichtlich  keinen  Ge- 
brauch gemacht.  Wolfram  macht  zwei  Zusätze  zur  Geschichte  der  Tracht, 
S.  7:  .Das  Diadem  ist  in  der  vorliegenden  Forin  nicht  wie  Ci erneu 
meint,  auf  die  frühkarolingische  beschränkt".  Ich  rede  aber  an  der  an- 
geführten Stelle  (S.  ü6.i  n  u  r  von  dem  Gegensatz  zwischen  frühkarol.  und 
spätkarol.  Zeil:  und  da  ist  das  Diadem  allerdings  auf  die  ersten;  be- 
schränkt, denn  die  „altkarolingischen  Diademe'  der  Vi\ ianusbibel,  die 
W.  anführt,  sind  eben,  wie  oben  gezeigt,  nur  Voli\ krönen.  Gauz  irrig 
ist  dann  der  Satz  S.  7:  .Der  lange  Mantel  hält  sich  gleichfalls  bis  in  späte 
Jahrhunderte  als  Uestandtheil  der  Krünuiigstincht*.  Ganz  richtig  —  aber 
ich  habe  ja  eben  (S.  51—53)  nachgewiesen,  dass  der  Mantel  der  Statuette 
nicht  der  längere,  sondern  der  kürzere,  nur  bis  Karl  d.  Kahlen  getragene 
ist.  Auf  das  Missveiständniss  von  aus'm  Werth,  der  das  Fredegarsclu; 
.reges  criniti '  auch  auf  die  Karolinger  bezogen,  die  gerade  im  Gegen- 
satz zu  den  Merowingern  die  Haare  nicht  mehr  bis  auf  die  Schultern 
fallend  trugen,  bin  ich  mit  Absicht  nicht  eingegangen. 

Wolframs  wichtigster  Einwand,  .sein  eigentliches  Leitmotiv:  Die 
erste  Hälfte  des  0.  Jahrb.  kannte  den  Reichsapfel  nicht.  Grund:  Die 
Schrift  quellen  reden  nicht  davon.  Gleich  die  erste  Schriftquelle,  die  er 
anführt,  ist  der  schlechte  Witz  des  Grafen  von  Lomello  im  Chrouicou 
Novalicicnse,  der  durch  die  historische  Kritik  längst  iu  das  Gebiet  des 
Märchenhaften  verwiesen  worden  (Th.  Linduer  i.  d.  Prcussischen  Jahr- 
büchern XXXI,  S.  431  und  i.  d.  Forschungen  zur  deutschen  Geschichte 
XIX,  S.  1H1).  Die  gleichzeitigen  Historiographen  wie  die  gleichzeitigen 
Krönungsformeln  berichten  nichts  von  einem  Jicichsapfcl.  Aber  die  letzten 


Mcrowingischc  und  knrolingiMhe  Plastik. 


konnte,  wäre  die  Zeit  der  saeuaiselien  llot'kunst  um  die  Wende  de« 


Karolinger  von  Karl  dem  Kahlen  an  und  die  Sachsenkaiser  von  Otto  I.  an 
führten  ganz  6icher  das  pomum :  aber  auch  da  wird  es  nicht  erwtthut.  Der 
Grund  ist  der,  dass  das  pomum  erst  vom  Beginn  des  12.  Jh.  ab  zu  den  insignia 
regalia  oder  iinperialia  gehört,  wahrend  es  früher  nur  Beigabe,  Attribut 
war.   Die  vou  W.  citirten  Stellen,  «Uc  sammtlich  von  den  Reichsinsignien 
redeti,  konnten  darum  den  Apfel  auch  nicht  unter  ihnen  erwähnen.  Vgl. 
G.  Waitz,  Die  Formeln  der  deutschen  Königs-  und  der  röm.  Kaiscr- 
krönuug  vom  10.-12.  Jh.  i.  d.  Abhandl.  d.  Kgl.  Ges.  d.  Wissenschaften 
zu  Güttingen  XVIII,  1873;  Schreiber,   De  ceremoniis  condicionibusque 
i|uibuH  in  imperatoribns  coronandis  pontifex  maximus  populusque  Roma- 
nns inde  a  Carolo  Magno  usqne  ad  Friderirum  III.  usi  sunt.   Diss.  Halle 
1H70;  Paul  Mein  hold,  Forschungen  stur  lonibard.  Krönung  der  deutschen 
Kaiuer  im  12.  und  13.  Jh.  Diss.  Halle.    Das  Formular  des  Ratold  t  986 
nennt  nur  Schwert,  Spangen,  Mantel,  King,  Scepter,  Stab,  Krone,  die 
älteste  Formel  des  8.  Jh.  nur  Scepter,  Stab  und  Helm  »Martcnc,  De  anti- 
i|Uis  ecclesiae  ritibus  II,  p.  596).    Der  gewöhnliche  ordo  ad  regem  bene- 
dicendum  (Waitz  a.  a.  O.  S.  41)  nennt  cusem,  armillas,  pallium,  anuluin, 
seeptrum,  baculum,  coronam.    Di«  römische  Formel  der  Königskrönuug 
erwähnt  dieselhen  Insignicn,  die  Formel  im  Cod.  141  der  Dombibl.  zu 
Köln  gleichfalls  nur  ensein,  coronam,  seeptrum,  virgam.    So  nennt  noch 
das  Pontificalc  von  Chart  res  sec.  XIII.  in.  im  Cod.  144  d.  ßibl.  zu  Char- 
tas fol.  1*51  b  die  einzeluen  Abschnitte  der  Krönung:  Hic  unguatur  olco. 
Hie  detur  anulu.s.    Hic  cingatur  ei  gladius.    Ilic  cornetnr.   Hie  detur 
seeptrum.    Hic  detur  ei  virga.    Und  ein  Gedicht  Hildeberts  über  die  In- 
signien  im  Cod.  115  der  BibJ.  zu  St.  Omer  auf  fol.  101'»  nennt: 
Annulus  et  baculua  sunt  spiritualia  dona ; 
His  diversa  mauent  gladius  regisque  Corona, 
Convcniuutque  tarnen  propria  si  sede  locentur, 
Scilicet  ut  pape  regi  quoque  propria  dentur. 
Vgl.  Anz.  f.  Kunde  d.  deutschen  Vorzeit.  N.  F.  XXIII,  S.  33«;  XXIV,  S.  14. 
Das  gleiche  Resultat  geben  die  Geschichtsschreiber.  Aimal.  Bertiniani  ad 
an».  879,  SS.  I,  p.  511  uennen:  corouam  et  spatam  et  reliquum  regium 
apparatum.    Der  sterbende  Konrad  I.  sendet   an  Heinrich  die  Reichs- 
insignien:  Widukind,  Rex  gestae  Saxonicae  I.  I,  c.  25,  SS.  III,  p.  429: 
Sumptis  his  insigniis,  lancea  sacra,  annillis  aureis  cum  clamide  et  veterum 
gladio  regio  ac  diademate;  Otto  I.  erhalt  bei  seiner  Krönung  die  rcgalia 
insignia,  gladius  cum  balteo,  clamis  cum  annillis,  baculus  cum  seeptro, 
diadema  (Widukind  1.  II,  c.  1.  SS.  III,  p.  137).     Erst  die  Chronik  des 
Ekkehard  von  Aura  nennt  1 10t»  den  Reichsapfel  unter  den  Insignien  bei 
der  Thronbesteigung  Heinrichs  V.:  rcgalia  vel  iinperialia  insignia,  crucein 
scilicet  et  lanceam,  seeptrum,  globum  atque  coronam.  Vgl.  W  u  i  t  z,  Deutsche 
Vcrfassungsgeschichtc  III,  S.  252;  Rieh.  Schröder,  lyehrbuch  der  deut- 
schen Rechtsgeschichte.  S.  109.  Dann  nennt  Cod.  lat.  1895  A  fol.  H2h  Paris, 
Bibl.  nat.  in  einem  Eiutrag  aum  Pantheon  des  Gottfried  von  Viterbo,  be- 


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56  Paul  Cletncn: 

1 .  .Isihrtanscnds.  Dagegen  sprechen  das  ( 'osttini  nnd  die  individuellen 


titelt  'de  regalibus  insigniis',  die  saneta  crux,  gladius,  lancea  snueta, 
corona,  eristu  und  endlich  pninuin  aureum.  In  die  Krönungsfonncln 
findet  das  immun»  endlich  erst  ganz  am  Ausgange  den  Mittelalters  Auf- 
nahme, zuerst  findet  es  sich  in  dem  Pontificnle  im  Tod.  lat.  10073  zu 
München,  das  im  Jahr  1409  geschrieben  worden  ist.  So  erscheinen  denn 
auch  die  Königsbildnisse  der  ersten  Jahrhunderte  in  durchaus  wechseln- 
der Gestalt,  bah!  mit  diesem,  bald  mit  jenem  der  Insignion.  ho  etwa  in  Cod. 
Claudius  C.  7  rlcs  Brit.  Mus.  abwechselnd  mit  Apfel,  Scepter,  Speer,  Stab. 
Die  spatern  Berichte  des  15.  Jh.  erst  erwithnen  einen  Pkeyser  Karells 
Aepfel"  der  mit  der  Karolingcrzeit  natürlich  nichts  zu  tliun  hat  (»o  1480 
i.  d.  Annalen  d.  hist.  Ver.  f.  d.  Niederrheiu  XV,  S.  8).  Der  Ursprung  des 
Reichsapfels  ist  im  17.  Jh.  mehrfach  untersucht  worden.  Job.  Christoph 
H . . .  .  enbcrgi i  l'rogr.  de  Globi  crucigeri  Imperialis  origine  et  fatis 
piaecipuis  1721;  A.  1".  de  Zanthicr,  Delinealio  historica  de  Globi  cruci- 
geri imperialis  origine  et  latis.  Wittenberg  172-1 ;  (1  ottlieb  Sam.  Treveri 
Historia  Globi  crucigeri,  syniboli  maiestatis  et  disquisirio  Globi  duplicati. 
Brunsvigae  17:>H.  Vera  delineatio  atque  descriptio  Globi  imperialis,  *jui 
inter  cetera  sacri  Roinani  Iinperii  insignia  asservatur.  Frankfurt  1730. 
Vgl.  Joannes  ab  Judagine,  Beschreibung  der  Stadt  Nürnberg.  Erfurt 
1750.  S.  57«;  J.  G.  v.  Murr.  Journal  zur  Kunstgeschichte  1787,  XV,  S.  13«. 

Damit  ist  der  Beweis,  woraus  W.  die  Niclilexistenz  des  Reichs- 
apfels in  der  1.  H.  des  !>.  Jh.  folgert,  zurückgewiesen.  Aber  die  Behauptung 
der  Niehtcxistenz  niuss  auch  an  sich  abgewiesen  werden.  Hier  treten, 
da  die  Schriftquellen  nicht  ausreichen,  die  monumentalen  Quellen  ein. 
Schon  im  7.  Jh.  zeigt  sich  der  Reichsapfel  auf  einer  wahrscheinlich  niero- 
wingischen  FJfcnheinpy xis  (Fr.  Hahn,  Fünf  Elfenbeingcfasse  des  frühen 
Ma^.  Hannover  S.  14.  Tafel  1.)    Dann  im  H.  Jh.  im  L'trechtpsaller 

fol.  11»  und  im  Cod.  Harl.  (»03  auf  fol.  10'*.  Noch  viel  genauer  aber  Ist 
das  poinum  auf  Karls  Regierungszeit  und  Reich  zu  lixiren.  Cod.  3(14  der 
Bihl.  comm.  zu  Cambrai  ist  in  den  letzten  Jahren  des  S.  oder  den  ersten 
des  !>.  Jh.  in  Tours,  mitten  im  Herzen  des  Karolingerreiches  geschrieben. 
Die  Ausprägung  der  runden  Halbunciale  stellt  die  Hs.  in  eine  Linie  mit 
Cod.  lat.  f>38ß  zu  l'aris  und  Cod.  31  zu  Trier  (die  pnlHographbuhc  Be- 
gründung wird  die  3.  meiner  karnl.  Studien  über  ilie  Schule  von  Tours 
bringen).  J.  v.  Sc  blosser  bemerkt  Miltlieil.  d.  Inst.  f.  Österreich.  Geschichts- 
forschung XII.,  S.  344,  dass  die  Hs.  v.  J  a  n  i  t  schek  in  die  ±  H.  des!».  Jh., 
von  Durieux  i.  d.  10.  Jh.  versetzt  sei.  Nun  aber  hat  Janitschck  die 
Hs.  überhaupt  nie  goehen.  und  Durieux'  Bestimmung  —  die  lange  vor 
Delisles  grundlegenden  Studien  erfolgte  —  beruht  auf  einer  Verwechs- 
lung der  Uncialfonrn  n.  Auf  fol.  23»  und  43»  finden  sich  Königsgestalten 
abgebildet  mit  Reichsäpfeln  iu  den  Händen,  die  sie  mit  der  unter  dem 
Mantel  verborgenen  Hand  halten,  ein  Motiv,  wie  es  sich  ganz  entsprechend 
auf  der  Mosaik  der  Kanzel  von  San  Vitale  in  Ravcnua,  auf  der  karotin- 
gischen  Mosaik  der  Kapelle  des  h.  Zeno  iu  San  Frassedc  zu  Rom  und  auf 


Merowingische  und  karolingische  Plastik. 


r.7 


Pnrtrfttznge  der  Statue  uwi.  Der  Versuch,  eine  Notiz  im  Met/er 
Capitel«archiv  auf  die  vorliegende  Ueitersiatuette  beziehen  zu  wollen, 
ist  gänzlich  hinfällig m).  Eine  retrospektive  Kecoimtruktion  und 
eine  archaistische  Arbeit  —  beides  würde  durch  die  Wolf  ramsche 

der  alten  Kuppelmosaik  im  Aachener  Münster  lindet.  Auf  toi.  4H«  zeigt 
der  Reichsapfel  eine  ornamentale  Verzierung  in  der  Gestalt  von  zwei  zu- 
sammengestellten Halbbogen.  Dieses  durchaus  eigenartige  Motiv  findet 
sieh  ganz  entsprechend  auf  dein  Bild  Karls  den  Kahlen  in  Keinem  Psalter, 
Cod.  Int.  1152  der  Bibl.  uat.  zu  Paris  nuf  toi.  3»>.  Das  erbringt  den  Be- 
weis, dass  das  pomum  und  zwar  in  der  gleichen  Form  wie  unter  Karl 
dem  Kahlen,  schon  unter  Karl  dem  Grossen  existirt  hat.  Der  Kinwand, 
den  W.  noch  gegen  die  Haltung  de«  Apfels  hervorbringt,  beruht  auf  einem 
Verkeimen,  des  Unterschiedes  zwischen  freier  plastischer  und  Flachen- 
darstcllung  im  frühen  Mittelalter  (ich  habe  das  schon  PortrHtdarstellung 
S.  231  ausgeführt).  Als  Illustration  dienen  die  beiden  karol.  Elfcnbcin- 
tafeln  Westwood  267  um!  24«  und  Cod.  theol.  lat.  fol.  358  see  X.  toi.  1»» 
der  Kgl.  Bibl.  zu  Berlin. 

140)  Wolfram  selbst  giebt  zu  S.  11,  dass  Tunieella  und  Beinbinden 
gebieterisch  auf  die  frühknroliugische  Periode  weisen.  Die  individuellen 
Porträtzüge  —  vor  allem  die  kolossale  Länge  des  Reiters  im  Verhältnis« 
zu  seinem  Rons:  Ponys  sind  im  ersten  Jahrtausend  nicht  bekannt  —  ver- 
bieten eine  Zuweisung  an  einen  der  Ottonen.  Ks  könnten  von  diesen  nur 
Otto  I.  -  Heinrieh  II.  in  Betracht  kommen.  Von  diesen  trugen  Otto  I. 
und  Heinrich  II.  Vollbart«*,  nur  Otto  III.  trug  einen  Schnurrbart  —  er 
war  aber  von  schmächtiger  jugendlicher  Gestalt  :  der  stämmige  Reiters- 
inann mit  starken)  Unterkinn  ist  aber  mindestens  ein  Vierziger. 

141)  Wolfram  schliesat  »eine  negative  Kritik  folgendcrmasssn 
S. 21:  „Aus  der  Zeit  Karls  des  Grossen  stammt  die  Statuette  sicher  nicht 
(wegen  des  Reichsapfels  —  das  ist  oben  widerlegt);  dass  sie  dem  !).  Jahr- 
hundert angehört,  ist  höchst  unwahrscheinlich  (weil  die  „Verfallsperiode" 
nicht  gut  das  höchste  Werk  hätte  erzeugen  können  —  die  Vcrfallsperiode 
ist  durch  die,  geschichtliche  Betrachtung  der  karol.  Goldschiniedekunst 
widerlegt).  Ebensowenig  dürfte  sie  im  Ottouischen  Zeitalter  entstanden 
sein.  (Das  ist  gerade  die  einzige  Zeit,  die  stilistisch  und  technisch  allen- 
falls noch  in  Betracht  kommen  könnte.)  Die  Kunst  des  14.  Jahrhunderts 
Hvhliesst  die  Ausnahme  aus,  dass  damals  die  Statuette  gefertigt  Wirde. 
Höchstens  im  Zeitalter  der  Renaissance  kann  sie  entstanden  sein."  Mit  dem 
ersten  Satz  giebt  W.  die  Berechtigung  der  stilkritischen  Analyse  zu:  im 
zweiten  weist  er  auf  Grund  seiner  Kenntniss  der  Plastik  des  14.  bis 
16.  Jh.  nur  der  Renaissance  die  Fähigkeit  zu,  die  Statutte  zu  produciren. 
Diese  Behauptung  ist  nothwendig,  um  die  folgende  zu  stützen.  Eine 
Notiz  im  Metzer  Kapitelsarehiv  vom  Jahre  1507  IHsst  W.  die  Frage  zu 
einer  „ungeahnt  sicheren"1  Lösung  bringen.  Diese  Notiz  lautet  :  Item  Iou 
a  ordonne  a  ceux  qui  par  eydevaut  out  eu  commission  de  faire  faire 


Pnul  C leine  11: 


Hypothese  bedingt  win  —  kenul  die  deutsche  Kunst  des  lä.  und 
16.  Jahrhunderts  nicht.  Die  Arbeit  steht,  wie  oben  gezeigt 
worden,  durchaus  nicht  isolirt  da  —  sie  ist  weder  nach  Material 
und  Technik  noch  nach  Vorwurf  das  hoehstc  Werk  der  karolingi- 
schen  Metallurgie  —  nur  unter  den  erhaltenen  Werken  nimmt  sie  ihren 
hohen  Kang  ein.   Hronzelegirnng  und  technische  Behandlung  weisen 


Charlcuiagnc  »piilz  eoncordent  avee  Francoy  lorfevre  pour  1h  l'aeon  et 
soy  paye.  Zunächst  ist  schon  da»  Datum  (für  die  zweite  Notiz)  falsch: 
die  Marti«  scptiina  deeima  ipsius  incusis  Novembris  int  für  das  Jahr  lß07 
unmöglich  (Zs.  d.  Aachener  OcsehichtHv.  XII,  S.  Die  „Kommission*, 

von  der  Wolfrain  spricht,  verdankt  einer  ziemlich  freien  Uebersetzung 
da«  Leben.  Kine  sehr  oberflächliche  Kritik  der  Wo  Ifram'scheu  Broschüre 
i.  d.  Köln.  Zeitung  10.  April  WM  u.  i.  d.  Jahrbüchern  d.  Ver.  f.  Alter- 
thumsfreunden  i.  Rheinlde.  LXXXIX,  S.  243  erzählt,  Wolfram  habe  eine 
Notiz  gefunden,  wonach  das  Kapitel  ein  Reiterbild  de«  Kaisers  habe 
fertigen  lassen.  Ks  ist  aber  nackt  und  nüchtern  nur  von  einem  Charlemagne 
die  Rede,  weder  von  Material  (Bronze,  Gold,  Sibcr,  Elfenbein),  noch  der 
Ausführung  (Relief,  getriebene  Figur,  Guss),  noch  endlich  der  Darstellung 
(Sitzhild,  Standbild.  Reiterbild  und  Attribute).  K-s  liegt  hier  einer  der  be- 
liebten Trugschlüsse  vor,  mit  denen  unsere  archäologische  Schwestcr- 
diMciplin  genugsam  zu  kämpfen  gehabt  hat.  AI«  Wolfram  die  Broschüre 
schrieb,  lagen  ihm  die  Resultate  de«  2.  Theiles  meiner  Arbeit  noch  nicht 
vor,  er  würde  sonst  vielleicht  seine  Folgerung  nicht  gezogen  haben.  Ich 
habe  an  anderem  Orte  nachgewiesen,  dass  das  Bild,  welches  sich  das  15. 
und  H>.  Jh.  von  Karl  dem  Grossen  machte,  ein  total  anderes  war,  als  das 
historisch  überlieferte.  Bei  dem  Auftrage  des  Kapitels  handelt  es  sich 
aber  um  ein  Bild  des  heiligen  Karl,  ein  Heiligenbild  des  Kaisers,  wie  es 
unzählige  gab.  Ich  habe  gleichfalls  gezeigt,  welche  Verbreitung  die  Vor- 
stellung von  dem  heiligen  Karl  erhalten  halte:  ein  Goldschinied  hatte 
sicher  nicht  uöthig,  erst  nach  den  Vorbildern  für  die  künstlerische  Ge- 
staltung zu  Stichen.  Und  ein  Heiliger  zu  Pferd !  —  es  sind  nur  ganz  be- 
stimmte Heilige,  denen  ein  Rohs  zukommt.  Die  vorliegende  Statuette  ist 
aber  entschieden  keine  Darstellung  des  heiligen  Karl.  Die  Unter- 
suchung W.  über  die  Tradition  von  dem  Kult  Karls  in  Metz  und  die  älte- 
sten Inventare  ist  darum  zwecklos:  sicher  ist  nur,  dass  die  Statuette  1H34 
sich  im  Dom  befand  —  wo  früher,  das  ist  nicht  festzustellen:  da  sie  nicht 
als  Cultusbild  gefertigt  ward,  ist  die  Annahme  durchaus  nicht  uöthig,  dass 
sie  für  die  Metzer  Kirche  oder  überhaupt  für  Metz  gegossen  ward.  Auch 
J.V.Schlosser  i.  d.  Mitthcil.  d.  Instituts  f.  Österreich.  Gechichtsforschung 
XII,  S.  macht  denselben  Trugschluss.  W.  macht  S.  23  auf  die  Nach- 
richten über  die  2.  Statuette  aufmerksam.  Durch  diese  Nachricht  wird 
die  Wahrscheinlichkeit  einer  Richtigkeit  der  W.  Hypothese  nach  der  Wahr- 
scheinlichkeitsrechnung an  sich  schon  halbirt.    Liegt  einem  Archivar 


Merowingische  und  karolingisehe  Plastik.  50 

der  Figur  lls)  gleichfalls  ihren  Platz  neben  den  übrigeu  .Schöpfungen 
der  karolingiseben  Kunst  an. 


eine  Notiz  vor,  dass  im  16.  Jli.  eine  ganz  beliebige  Vita  Karoli  geschrieben 
sei  tmd  er  (ludet  min  eine  Handschrift  dieses  Inhaltes,  so  ist  es  doch  da« 
Nächstliegende,  den  Codex  Uber  wein  Alter  seihst  zu  befragen.  Die  will- 
kürliche Anwendung  einer  völlig  unbestimmten  Notiz,  die  nur  eine  Gat- 
tung: angiebt,  auf  ein  zufällig  erhaltenes  Kunstwerk  derselben  Gattung 
ist  methodisch  durchaus  unhaltbar.  Die  Keiterstatuette  des  Museum  Car- 
navalet  ist  nach  wie  vor  als  ein  Werk  des  9.  Jh.  anzusehen.  Gegenüber 
den  urkundl.  Notizen,  die  nichts  besagen,  haben  wir  uns  an  die  stilkriti- 
schc  Analyse  zu  halten.  Und  die  kann  mir  aus  der  Beherrschung  des  künst- 
lerischen Materinles  erfolgen.  Der  ausgezeichnete  kaiserliche  Archivdirektor 
zu  Metz  würde  sich  wahrscheinlich  höchlichst  verwundern,  wollte  einer  seiner 
Hülfsarheiter  behaupten,  dass  man  eine  karolingische  lluciale  nicht  von 
einer  lothringischen  Cursivschrift  d.  16.  Jh.  unterscheiden  könne.  Die 
Kunstgeschichte  darf  in  aller  Bescheidenheit  auch  eine  gewisse  Kenut- 
niss  der  künstlerischen  Handschrift  in  Anspruch  nehmen  —  und  ist  die 
erste  Vorbedingung  zur  Datirung  einer  Urkunde  Paliiographie  und  Diplo- 
matik,  so  für  die  Datirung  eines  Kunstwerkes  die  Stilkritik. 

142)  Ein  völlig  genaues  Urtheil  Hesse  sich  aus  der  Untersuchung 
der  technischen  Behandlung  füllen,  wenn  die  Oberfläche,  deren  Bearbei- 
tung massgebend  sein  würde,  nicht  eben  hei  dein  Brand  des  Pariser 
Stadthauses  zerstört  worden  witve.  Indessen  zeigt  der  Guss  seihst  noch 
auffällige  technische  Merkmale  genug.  Zunächst  besteht  die  Statuette 
aus  zwei  Thcilcn,  die  aufeinandergelöthet  sind.  Gerade  dies  ist  aber  be- 
zeichnend für  das  frühe  Ma.  im  Gegensatz  zur  Renaissance,  die  alle 
kleineren  Arbeiten  in  einer  Form  gegossen  hat  (G.  G.  Adams,  On  bronzes, 
their  casting  and  colouring:  Journal  of  the  British  archaeological  asso- 
ciation  XXV,  p.  14ö).  Dann  zeigten  sich  am  Pferdebauch  und  deu  Beinen 
noch  Nahte  —  also  gleichfalls  Zeichen  der  alten  Formung.  Bekanntlich 
siud  auch  bei  deu  karolingischen  Gittern  im  Aachener  MUuster  die  Nähte 
uieht  verputzt. 

Eine  genaue  chemische  Aualyse  der  Bronzelegirungen  würde  für 
eine  ganze  Keihe  unserer  mittelalterlichen  Kunstwerke  interessante  Re- 
sultate ergeben.  Es  ist  noch  nicht  einmal  der  Anfang  zu  solchen  Unter- 
suchungen gemacht  worden.  Ich  möchte  trotzdem  eine  Reihe  von  Finger- 
zeigen und  Notizen  hier  zusammenstellen  —  vielleicht ,  dass  einer  der 
Fachgenosseti  das  Problem  einmal  aufgreift.  Ueber  die  alteren  Bronze- 
funde und  die  griechischen,  etrurischen  und  römischen  Bronzen  liegen 
die  verliftltnissinässig  genauesten  Notizen  vor.  Vgl.  Fr.  Göhcl,  Ueber 
den  EinHuss  der  Chemie  auf  die  Ermittelung  der  Völker  der  Vorzeit,  Er- 
langen 1842;  S.  de  Cessac,  Le  bronze  dans  l'ouest  de  l'Europe  aux 
temps  pr^historiques  im  Bull,  inonum.  XXXIX,  p.  464;  Berthelot  i.  d. 
Revue  archeol.  3,  seric  XII,  p.  2U4;  Daniel  Wilson,  Prehistoric  unnals 


Paul  Giemen: 


Die  irische  und  angelsächsische  Metallurgie. 

Neben  der  geschilderten  Entwicklung  der  Metallurgie  auf  dem 
Festbinde  läuft  nun  eine  /.weite  j)arallele  Reilie  her,  die  den  gleichen 
Ausgangspunkt  wie  die  Kunst  des  inerowingisehcn  Reiches  besitzt, 

ot"  Seotland.  London  184vJ.  I,  j».  365;  John  Kvans,  The  ancient  bronze 
implcmeus,  weapons  and  Ornaments  ot"  Grcat  Britain  and  Ireland.  London 
1881.  p.  415;  J.  A.  Philips  i.  d.  Mcmnirs  ot'  the  Chemical  sneiety  IV, 
p.  288.  Ueber  die  Bron/.cn  Mittel-  und  Xordcuropas  bis  zum  3.  u.  4.  Jh. 
vei-ffl.  Pen  rs  nn  i.  d.  Philologien!  Transaitions  1706.  LXXXVI,  p.  395; 
Ohantre,  L'ajfe  du  bronze  I,  p.  62.  Das  gewöhnliche  ist  90  pCt.  Kupfer, 
10  Zinn,  im  Norden  etwas  Blei,  nur  selten,  in  irischen  Kunden,  Silber. 
Verjcl.  John  Lubbock,  Prehistoric  times,  p.  59;  De  Rokgemont,  L'age 
du  bronze  1866;  Mariot,  Lcs  metaux  daus  l'ägc  du  bronze  i.  d.  Mein,  de  In 
soc.  des  anti<|tiaires  du  Nord  1866—71,  p.  23;  v.  C'ohausen  i.  Archiv  für 
Anthropologie  I,  S.320;  III,  S.37;  Mortillet,  Lorij-ine  du  bronze  i.  d.  Re- 
vue d'anlhropol.  IV,  p.  650.  Bei  den  Hörnern  stieg  das  Zinn  bis  zu  20  pCt. 
Vgl.  J.  A.  Phillips,  Quart.  Journ.  Chem.  Soc.  IV,  p.  28(5;  Woeel,  Chem. 
Analysen  u.  Bronzclegirungcn  in  d.  SB.  d.  Wiener  Akad.  phil.  bist, 
('lasse  XVI,  S.  169;  K.  v.  Bibra,  die  Bronze-  und  Kupferlegirungcn. 
Krlangen  1869.  Ueber  das  Gussvermhrcn  in  der  primitiveren  Penode. 
vgl.  Sicginund  Feldman».  Die  histor.  Bronzenusstellung  im  Österreich. 
Museum  i.  Westdeutschen  (iewcrbchlatt  I,  S.  96.  Ueber  die  Bronzen  des 
mernwingischen  Zeitalters  W.  K.  Süll i van  i.  d.  Kinleit nnjr  zu  O'Curry, 
Manners  and  custoin*  of  the  uncient  Irish  p.  CCCCV1I;  Annales  de 
chimic  XXIII.  p.  150;  II.  H.  Howorth,  Archaeology  of  Bronze  i.  d. Trans. 
Kthnol.  soc.  VI.  p.  72;  Keltemess.  Uermanerners  og  Slavenies  Bronzer 
i.  d.  Anti<|unrt&k  Tidskrift  1852,  p.  206;  A.  Bertrand,  Aicheologie  celti- 
«liic  et  gauloise  1M76;  Annales  tbr  Oldkyndighed  1852,  p.  249;  Perrin, 
Kt.  prehist.  sur  la  Savoie  1870  p.  19;  J.  W.  Mallet  i.  d.  Transact.  Royal 
Irish  Acad.  XXII.  p.  324;  T.  H.  Henry  i.  d.  Pub.  Camb.  Ant.  Soc.  XIV, 
p.  13.  J.  (tirardin.  Analyse  de  plusicurs  produits  d'art  d'une  haute 
anti<|uite  im  Bull,  monum.  XII.  p.  173.  constatirt  einen  reicheren  Zusatz 
von  Zinn  (bis  J5  pf't.)  als  bei  der  spateren  Statuenbronze:  Zink  und  Blei 
sind  nur  zufällig;  durch  die  Unreinheit  der  Bronze  vorhanden.  Ueber 
die  Renaissance-  und  neueren  Bronzen  0.  Drnry  K.  Fortnum,  Bronzes. 
London  18NK;  Alex.  Pinchart,  Histoire  de  la  Dinanterie  et  de  la  sculp- 
ture  de  metal  en  Bclgi<|ue  i.  Bull,  des  commissions  royales  d'arl  et  d'ar- 
cheol.  XIII,  p.  308;  XIV.  p.  79;  A.  Benoit,  Recherches  sur  les  inonu- 
ments  en  bronze  ä  partir  du  XIV.  siede.  Nancy  1888;  Didron,  Manuel 
des  oeilvres  de  bronze  et  d'oi  fevrerie  du  moyen  age.  Paris  1859;  C.  De- 
lon,  Le  cuivre  et  le  bronze.  Paris  1881;  Ch.  Laureut  Daragon,  Lo 


Mcrowingischc  und  karolingische  Plastik.  CA 

zum  Theil  von  dieser  selbst  ausging  und  zu  eng  beeinflussend  und 
bccinflnsst  mit  der  continentalcn  Knust  verwachsen  und  verkettet 
ist.  als  dass  sie  ausgeschieden  werden  könnte.  Es  ist  die  Kunst 
des  britischen  Inselreiches.  Die  irische  Kunst,  die  Dank  der  glück- 
lichen Abgeschiedenheit  des  Landes,  für  die  frühen  Jahrhunderte 
des  Mittelalters,  einen  Keichthuni  von  Monumenten  bewahrt  hat  wie 
keine  andere  Kunstprovinz,  muss  hier  zur  Ergänzung  und  Ver- 
vollständigung des  Gcsammtbildcs  herangezogen  werden.  Die  mero- 
wingischc  Kunst  gab  im  6.  Jahrhuudert  die  Lehrmeister  an  Irland, 
im  9.  und  10.  empfing  sie  sie  zurück.  Es  besteht  kein  Zweifel, 
dass  die  irische  Metallurgie  des  1.  christlichen  Jahrhunderts  im 
Norden,  d.  h.  des  sechsten,  unter  fränkischem  Einflüsse  steht.  Die 
merowiugischc  Gnldschmiedckunst  schloss  sich  direet  an  die  Tradi- 
tionen der  Volkerwandcrnngskunst  oder  deren  Parallelerscheinnug 
in  Irland  an,  diese  in  Technik  und  Ornamentik  weiterbildend.  Die 
Künstler,  welche  mit  St.  Patrick  nach  Irland  gingen,  fanden  aber 
dort  gleichfalls  eine  auf  den  Traditionen  der  Völkerwandernngskunst 
beruhende  Technik  vor,  die  der  eingeführten  zum  Theil  sogar  über- 
legen war.  Es  war  schon  oben  bemerkt  worden,  dass  sich  das 
Motiv  der  Spirale  in  Irland  länger  als  auf  dein  Festlande  gehalten. 
Es  bildet  das  Hanptcharakteristicum  der  irischen  Kunst  in  jener 
Epoche,  die  mit  der  Zeit  der  Völkerwanderung  zusammenfällt.  Es 
kam  noch  ei»  weiteres  Element  hinzu:  das  Flcchtwcrk,  das  erst  in 


hronzc  d*ait,  ctude  liist.  et  pratique.  Paris  1881.  Ueber  die  modernen 
Recepte  Martinenu  u.  Smit  li's  Hardware  Trade  jotirna)  ln7!>,  'M.  April ; 
Tresen  i.  d.  Comptes  Itendus  de  l'acad.  des  scieiiccs  LXXYI,  1873.  |>.  1232. 
Das  Zint»  bceintlusst  die  Farbe  des  Kupfers  nur  ganz  wenig,  so  dass 
nach  der  Farbe  die  Legirung  nicht  zu  bestinnnen  ist  (Percy,  Metnllurgy 
IT,  p.  474). 

Die  Metzer  Statuette  zeigt  nun  zwei  Merkmale  des  alteren  Bronze- 
gusses  im  Gegensätze  zu  der  vervollkommneten  Technik  der  Renaissance. 
Einmal  einen  ziemlich  hohen  Zinnzusatz,  aber  kein  Zink  oder  Blei.  Das 
ist  ein  Kennzeichen  der  Bronzen  bis  1100.  F.rst  Theo phi Ins,  Schedula 
diversamm  artium  1.  III.  c.  65  ed.  Ilg  p.  271  berichtet  von  einer  neuen 
Legirung  mit  Hülfe  des  Galineis.  Was  aber  noch  genauer  für  «las  Alter 
spricht:  die  Unreinheit  des  Gusses  und  die  Unregelmässigkeit  der  Mi>chuiig, 
die  bei  den  primitiven  Tiegelgüssen  nicht  zu  vermeiden  waren.  (Chierici 
i.  Bull,  di  Paletnologia  Italiana  187!>.  p.  I.W).  Das  Zinn  ist  so  uuregel- 
!iias«ig  vertheilt,  dass  es  einmal  12,  einmal  20  pCt.  betragt.  Der  ähnliche 
Kall  liegt  bei  den  Aachener  Gittern  vur. 


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Ii- 


Paul  Cletnen: 


dem  Völkerwauderungsstil  seine  Verbreitung  findet,  ward  von  den 
Iren  als  Lieblingsinotiv  aufgegriffen.  Ks  sind  noch  eine  Reihe  von 
Metallarbeiten  vorhanden  ans  der  Zeit  vor  der  christlichen  Invasion. 
Im  Petrieiunseuni  zwei  Fragmente  einer  Art  Krone  14S),  der  Bronze- 
disens  von  Monastereven  und  einige  kleinere  Stücke  '").  Sic  zeigen 
alle  eine  erstaunliche  Herrschaft  in  der  Technik  der  getriebenen 
Arbeit,  der  Punzirung.  der  Ciravirung  und  eine  auserlesene  Sorg- 
falt in  der  Ausführung.  Die  Kunst  des  Treibens  fand  denn  auch 
in  der  Folgezeit  hier  und  in  dem  nachbarlichen  angelsächsischen 
Reich  die  eigentliche  Heimstätte. 

Im  Gegensatz  zu  dem  angelsächsischen  Reich  hat  Irland  eine 
Fülle  von  Werken  der  Metallurgie  bewahrt,  unter  ihnen  eine 
ganze  Reihe  genau  datirbarer  Stücke ,  die  die  Eingliederung  der 
verwandten  Erscheinungen  gestatten.  Die  Werke  der  Goldschiniede- 
kunst,  Kelche,  Schreine  nud  Schreinhüllen  waren  hier  ebenso  wie 
die  Handschriften,  nationale  Schätze,  ihre  Schöpfung  ein  historisches 
Ereignis»,  das  die  Chronisten  mit  dem  gleichen  Ernst  uud  der  gleichen 
Gewissenhaftigkeit  wie  die  Kricgsthaten  der  Könige  und  Häupt- 
linge berichten.  Die  irische  Kunstthätigkcit  tritt  hier  in  Gegen- 
satz zu  dem  künstlerischen  Leben  an  den  Karolingerhöfen:  dort  nur 
ein  mehr  äusserliches  Aufpfropfen  einer  gereiften  und  abgeklärten 
Kuustanscbauung  auf  eine  unbeholfen  emporstrebende  heimische 
Thätigkcit,  der  nur  eine  ausgebildete  technische  Schulung  zur  Ver- 
fügung stand,  der  Dccadencc  auf  die  Jugend  —  in  Irland  eine  durch 
den  Volksboden  durchgesickerte,  festgewurzelte,  alle  Handwerke 
und  Handfertigkeiten  gleiclunäSBig  ergreifende  und  durchsetzende 
Kunst. 

Die  ersten  christlichen  Pioniere,  die  nach  Irland  übersetzten, 
fanden  bereits  eine  ausgebildete  Technik  und  ein  ganz  bestimmtes 
Ornament  vor  —  die  oben  definirte  speeiell  irische  Form  des  Völkcr- 
wandcrungsstiles.  St.  Patrick  kam  nicht  allein,  er  brachte  ans  dem 
Merowingcrrciche  seine  Künstler  mit:  unter  seinen  Begleitern  waren 
drei  Metallarbeiter,  Mac  Cecht,  Lacbhan  und  Fortchern;  und  noch 
drei  weitere  Künstler,  Aesbucte,  Tairill  und  Tassach  werden  in 
seiner  Umgebung  genannt.  Die  ältesten  erhaltenen  Metallwerkc  der 


14:1)  Margaret  Stokos,  Karlv  climtimi  art  in  Irdaml.    I,  p.  M. 
144)  Albert  Way  h»  Arcliaeologicnl  jmmml  XXVI,  p.  f»2;  Areliaeol. 
Ouiibri'iisis  4.  sor.    I,  p.  !!>!>. 


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Merowingische  und  karolingischc  Plastik. 


r,:l 


christliehen  Zeit  siud  Glocken,  eiserne  Glocken  von  roher  röhreu- 
oder  kastenartigcr  Form,  unförmig  wie  die  fintier  Kuhglocken.  .St. 
I'atricks-Glocke  im  Museum  der  Royal  Irish  Academy  ist  die 
älteste ,45),  die  nächsten  die  Armagh-,  ßirsay-,  Fortingallglocke. 
Nicht  weniger  als  f>3  solcher  alter  Handglocken  hewahrt  Irland 
noeh,  denen  sich  sechs  in  Wales,  vier  in  Schottland,  eine  in  Stival 
in  der  Bretagne,  eine  iu  Xoyon  ansehliessen  M,:>.  Erst  im  10.  Jahr- 

145)  Die  vier  gcnannte.ii  Glocken  ahgeh.  Journal  of  tlie  Brit.  ar- 
chaeol.  assoc.  XXXVII,  p.  106.  Der  kostbare  Schrein,  in  dem  sieh  St. 
Patrickn  Glocke  befindet,  ward  inschriftlieh  für  König  Donnell  O'Loch- 
liihm  1091  — 1104  gefertigt  (Henry  O'Ncill,  The  fine  art»  and  civilization 
of  nneient  Irelnnd,  London  1863.  p.  46).  Vgl.  W.  Keeves,  St.  Patricks 
bell.  Reifast  1850  (mit  fünf  Chromolithographien).  Die  sehr  zerstreute 
Litteratur  über  die  Ältesten  irischen  und  englischen  Olocken  bietet  eine 
Fülle  des  interessantesten  Materiales.  Vgl.  T.  L.  Cooke,  Aucient  Irish 
Beils  i.  d.  Kilkenny  archaeological  society  II,  1855;  A.  W.  Franks,  Irish 
bells  belonging  to  the.  Archbishop  of  Armagh  i.  d.  Proceedings  of  the 
society  of  antiquaries  of  Scotland  2.  »er.  III,  1864;  K.  Laugshire,  Irish 
church  bells  i.  d.  Kilkenny  archaeol.  society  4.  »er.  V,  1881;  A.  Way. 
Ancient  portable  band  bells  of  the  British  and  Irish  churches  i.  Archaeo- 
logia  Cambrensis  1.  »er.  III,  1848;  IV,  1849;  K.  L.  Barn  well,  Ancient 
welsh  bells  i.  Archaeologia  Cambren»iR  4.  »er.  II,  1871 ;  Primitive  band- 
bells  i.  d.  Proceedings  of  the  society  of  antiquaries  of  Scotland  I,  p.  54; 
A.  W.  Brown,  History  and  antiejuities  of  bells  i.  Associated  arebitectural 
sncieties  IV,  1857;  A.  P.  Forbcs,  St.  Fillans  bell  i.  d.  Proceedings  of 
the  society  of  auti(|uaries  VIII,  1871;  W.  C.  Lukis,  An  aeconnt  of  church 
bells,  witli  HOine  notices  of  Wiltsbire  bell»  and  Bellfoundcrs.  London  1857; 
R.  Perrott,  Notes  on  portable  band  bell»  in  Britanny  i.  Arcbaeologia 
Canibrensis  3.  ser.  II,  1856;  W.  Reeves,  F.cclesia»tieal  bell»  i.  d.  Procee- 
dings of  the  Royal  Irish  Academy  VIII,  1861;  J.  Mac  Clelland,  St.Muras 
bell  i.  Ulster  archaeological  journal  I,  1853.  L'eber  die  Glocke  der  Sainte- 
Godeberthe  in  Noyon  vgl.  I'abbe  Barraud,  Lcs  cloehes  i.  d.  Annal.  ar- 
cheol.  XIX,  p.  307;  I'abbe  Cochet,  la  Normandie  »outerraine.  Paris  1855. 
p.  80,  86.  In  Deulschlaud  werden  die  Glocken  erst  weit  spater  erwähnt, 
saierst  im  9.  Jh.  und  zwar  in  Klöstern,  die  zu  Irland  Beziehungen  unter- 
hielten. Rhaban  von  Fulda  schenkt  dem  schwedischen  Bischof  Gauzbert 
unam  gloggam  et  unum  tintinabulutn  (Centuriae  Magdeburg,  cent.  TX,  c  6, 
p.  232);  im  J.  909  findet  sich  in  St.  Gallen  eine  campana  mirae  magni- 
tudini»  (Ne.ugart,  Cod.  dipl.  Alleinau.  I,  p.  549).  Vgl.  G  fröre  r,  Gregor 
der  Siebente,  VII,  S.  149;  Dümmler,  Geschichte  de»  ostfrKnkischen  Reiche» 
II,  S.  661. 

146)  Wie  die  kostbaren  Handschriften  und  Schreine,  so  erhielten 
auch  die  Glocken  ihre  besondere  Hülle,  zum  grossen  Theil  überreich  mit 
Ornamenten  überzogen,  so  die  Culanu*  •  Glocke,  St.  Muras  -  Glocke,  St. 
Mogues-Glocke,  St.  Scnan's-Gloekc,  Conall  Caol's-Glocke. 


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1'nul  Clemon: 


hundert  werden  sie  dnrcli  Bronzegloeken  abgelöst,  die  Glocke  St. 
Columbans  von  Ros  Glandan  in  Roscommon  im  Petric-Museun),  die 
Glocke  von  Gartan  in  Donegal  und  die  von  Kilshanny  im  Museum 
der  Royal  Irish  Academy,  die  (»locke  von  Cashel  in  der  Sammlung 
des  Earl  of  Dmiraveu.  An  ihrer  Spitze  steht  die  Glocke  von 
Cumascach  Mac  Ailcllo,  die  die  genauere  Fixirnng  dieser  Gruppe 


Fip.  10.   Dais  Tarajuwel. 


gestattet:  Cumascacb  wird  in  den  Anuals  of  Ulster  im  Jahre  908 
erwähnt u").  Zugleich  weist  diese  Notiz  auf  einen  der  Hauptsitze 
irischer  Knnstthatigkeit,  das  Kloster  von  Armagh  —  dort  war  Cu- 
mascach  Vogt. 

147)  Mnrgrart't  Stokcs,  Karly  Christian  art  in  Irelaml  II,  p.  tlß. 


Merowingische  und  kamlingischc  Plastik. 


Die  Annals  of  fonr  mastcrs  berichte»  im  8.  und  <J.  Jahr- 
hundert von  bedeutenden  (ioldschiiiiodenrbeito.n.  die  aber  sammtHch 
zu  Grande  gegangen  sind;  im  Jahrhundert  wurden  der  K renk- 
st ab  St.  Patricks,  und  die  Schreine  von  Kechra,  Doclmnna  und  St. 
Ronan  erwähnt,  im  0.  .Jahrhundert  die  Kreuze  von  Fedhliuiidh  und 
Ciaran  und  die  Schreine  von  St.  Patrick,  Comgall,  Oolumba,  Adam- 
nan.  Aus  dem  Jahrhundert  sind  aber  zwei  Hauptwerke  erhalten, 
das  erste  ein  Meisterstück  der  Hof  kirnst,  da«  zweite  eine  Provinzial- 
arbeit,  da*  berühmte  Tarajuwel  und  der  Thassilokeleh.  Das  Tara- 
juwel ,4*j,  aus  gediegenem  (iolde,  ist  auf  dein  kreisrunden  Kähmen 
und  dem  halbmondförmigen  Felde  mit  dem  feinsten  Flechtwerk  von 
einer  Zartheit  der  Linienführung  und  einer  Delikatesse  der  Aus- 
führung tlbersponnen,  die  die  irische  Goldschmiedekunst  nie  wieder 
erreicht  hat.    (Fig.  KU 

Der  Thassilokelch  im  Stift  Kreinsmünster "''),  der  zwischen 
777  und  7HS  gefertigt  ward,  gehört  mehr  der  irischen  Kaust  au  als 
der  alemannischen.    Technik  und  Ornament  sind  die  der  Iren.  Kr 


148)  M.  Stokes,  a.  a.  O.  II,  p.  7«,  Fig.  25  und  2*5.  Vgl.  lllustrated 
record  of  Dublin  -  Inhibition  18G5.    London  ]».  2*3.     Fine  Naeh- 

bilduug  in  Gold  im  Soutli  Kensingtou  Museum.  Uehcr  die  ähnlichen 
Schmuckstücke  von  Ardagh  vgl.  Trausaetions  ol*  tlie.  Royal  Irish  aeaUeiny 
XXIV,  p.  453.  Eine  umfangreiche  Zusammenstellung  der  alteren  irischen 
und  schottischen  Schmuckstücke,  zum  grössten  Tlioil  mit  prachtvoller 
Flecht  werk  Verzierung  bei  J.  B.  Waring,  Stonc  monumuntt,  tuiuuli  and 
ornemciit  ot'  remote  ages.  London  1870.  pl.  02  ff.  Abb.  auch  in  W.Wilde 
Catalogue  of  the,  Royal  Irish  academy  museum.  Vgl.  ferner  Über  die 
altirischen  Schmuckstücke  Job  u  Tu  i  n  h  am,  <)n  ancient  British  barrows  i. 
d.  Arehaeologia  XLIII,  p.  285.  lieber  die  Kilkenny  -  brooch  vgl.  R.  IL 
Brash  i.  Kilkenny  arcliael.  society  new  ser.  II. 

145))  Vgl.  M.  Stokes,  Irish  art  in  Bavaria  im  Journal  of  tlie  histo- 
rical  and  archaeological  association  of  Ircland.  3.  ser.  II,  p.  352;  W. 
Huven,  The  Irish  monasteries  ofGermany  im  l  "Ister  Journal  of  archaeo- 
logy  VII,  p.  243.  Vgl.  Fr.  Bock  i.  d.  Mitthcilungcn  d.  K.  K.  Central- 
eotnmission  1857,  p.247;  Beda  Piringer  ebenda  185!»,  ]..  «,  16'.»;  AI.  Pri- 
mi s  s  e  r ,  das  Benediktinerstift  Kreinsmünster  in  Jlormayrs  Archiv  XIII, 
(1822)  p.  222;  J.  H.  v.  Hefner- A  Iteneck.  Trachten,  Kunstwerke  und 
Oerathschaften  I.  Tafel  H;  Zeitschrift  d.  Münchener  Alterthumsvereins  N. 
F.  II,  p.  39;  Barbier  de  Montault  im  Bull.  mon.  XIIVI,  p.  327;  Dar- 
rel i.  d.  Memoiren  Iiis  a  la  Sorbonne  IHol .  Archcolngie,  p,  222.  J.  von 
Falke,  Geschichte  des  deutschen  Kunstgewerbes  S.  22;  A.  1 1  g  bei  B  r. 
Bucher,  Gesch.  d.  techn.  Künste  II,  S  203. 

J»l»rt>.  d.  Vcr.  v.  Alterllisrr.  Im  ftliöinl.  XCU.  5 


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Paul  Cl einen: 


ist  von  Iren,  die  die  alemannischen  Arbeiten  kannten,  in  Deutsch- 
land und  auf  Hofeld  eines  Deutschen  gefertigt  worden,  aber  steht 
doch  noch  ebensosehr  unter  dein  Banne  der  heimischen  Formen- 
Sprache  wie  die  unter  gleichen  Verhältnissen  entstandenen  irischen 
Manuscripte  in  St.  (»allen  und  Trier. 

Dem  folgenden  Jahrhundert  endlich  gehört  der  Kelch  von 
Ardagh  an,  neben  dem  Tarajuwel  die  vornehmste  .Schöpfung  der 
irischen  Goldschmiede,  der  die  ganze  technische  Virtuosität  der  ein- 
heimischen Meister  in  einer  Art  von  Conecntration  zeigt,  der  aus 
fn*t  sämmtüchen  Metallen  zusammengesetzt  ist,  die  in  der  irischen 
Metallurgie  Verwendung  fanden:  Gold,  Silber,  Bronze,  Messing, 
Kupfer.  Blei,  und  fast  alle  Techniken  aufweist,  die  von  ihr  geübt 
wurden:  den  Gnss,  die  getriebene  Arbeit,  die  Graviriiug,  Filigran- 
arbeit und  drei  verschiedene  Arten  von  Email,  (ilasemail,  email  eu 
taillc  d'epergne  und  email  translueide  mit  unterlegter  Gravi- 
riiug UM). 

Erst  aus  dein  Anfang  des  1 1 .  Jahrhunderts  sind  einige  der 
vielgenannten  Sehreiuc  erhalten.  Der  älteste  ist  der  Schrein  des 
Buchs  von  Durrow,  der  fltr  den  König  Flami  Siuna  von  Irland 
— 914»  gefertigt  ward,  denselben,  dem  das  Hochkreuz  zu  Clon- 
maenois  errichtet  ward  VA).  Der  Schrein  des  Codex  von  Molaise 
besteht  aus  Bronze  mit  Silberplatten,  auf  denen  die  Ornamente  ver- 
goldet sind.  In  vier  symmetrisch  um  ein  rundes  Mittclmedaillon 
gruppirten  Feldern  befinden  sich  die  Symbole  der  vier  Evangelisten, 
die  (Ihrigen  Felder  enthalten  dünnes  aber  weitmaschiges  Flechtwcrk. 
Der  Ktlustlcr  nennt  sich  in  der  Inschrift:  Gillabaithin,  die  Zeit  der 
Ausführung  tällt  zwischen  KJ01  und  102ö '"). 

Dieser  Prachtkasten  charakteriairt  neben  dem  Schrein  für  das 


150)  Genaue  Illustrationen  bei  Edwin  Earl  of  Duuraven  i.  d.Trans- 
actions  of  the  Hoya!  Irish  acadeiny  XXIV,  p.  433.  Technische  Analyse 
von  S  Ulli  van  bei  M.  Stokes,  a.  a.  O.  II,  p.  82. 

151)  Der  Schrein  ist  jetzt,  wie  die  früheren,  verloren.  Er  war  aber 
noch  1(577  erhalten.  Koderic  OTIaherty  sehrieb  in  diesem  Jahre  auf 
das  Schmutzblatt  des  Codex  in  der  Bibl.  de*  Trinity  College  zu  Dublin 
eine  Beschreibung  des  Schreins  und  copirte.  auch  die  Inschrift:  Droit 
actis  Bcndncht  choluimb  chille  do  Hamid  niacc  Maclsechnaill  do  rig  lle- 
ri'im  lasandcniad  acumdachso  \Colunib  CiUe's  Bitte  und  Segen  für  Fland, 
den  Sohn  des  Malachy,  von  dem  dieser  Schrein  gefertigt  ward). 

l.Vij  M.  Stokes,  The  Soiscc.l  Molaise  i.  d.  Archaeologia  XLIII,  p.  151. 
Iii.-cbriftlich  für  Cemifailadh  gemacht,  den  Sohn  des  Flaithbheartach. 


Mcrowingische  und  karolingische  Plastik. 


Stowe  Missal  den  Höhepunkt  der  zweiten  HUltlic  der  irischen  Metall- 
arbeit, die  »ich  bis  in  das  12.  Jahrhundert  erhielt  ,r,si. 

Die  beiden  grossen  Inseln  des  britischen  Reiches  müssen  in 
der  historischen  Betrachtung  der  Goldscbiuicdekunst  und  Metall- 
arbeit schärfer  getrennt  werden,  als  in  der  Behandlung  der  Stein- 


153)  Die  hervorragendsten  Werke  dieser  Zeit  wind  der  Sehrein  St. 
Moe.does,  der  sieh  lange  Zeit  in  St.  Moedoc's  Kirelie  in  Druiniane  befand 
ivgl.  Archaeologia  XLIII,  131).  Ihn  uinliüllt  eine  lederne  Tauche,  mit 
Kiemen-  und  Knotenwerkornaincntik,  wie  sie  ähnlich  noch  das  Buch  von 
Armagh  im  Trinity  College  zu  Dublin  und  das  Irisehe  Missale  im  Corpus 
Christi  College  zu  Cambridge  umhüllt  (Abb.  Gilbert,  Facsimiles  of  the 
National  Ms.  of  In  land  II,  app.  II,  Fig.  i'..  Vgl.  Petrie.  Ecclesiastical  ar- 
chitecture  of  Ireland.  p.  329. 

Wie.  der  Schrein  St.  Moedocs,  so  zeigt  auch  der  Schrein  St.  M:\n- 
chans  aufgeheftete  Vollliguren  in  ähnlicher  Ausführung  wie  die  rheini- 
schen Goldschmicdearbeiten  des  12.  Jh.  M.  Stokes,  Christian  Inscriplion* 
in  the  Irish  language  I,  p.  8.  versetzt  ihn  mit  Unrecht  ins  7.  Jh.  Es  g;ib 
allerdings  im  7.  Jh.  zwei  Heilige  dieses  Namens,  die  6t>4  und  <"»94  starben 
von  denen  der  eine  in  I.enianaghan.  dem  Ort  Tuniiu-ii-Krc  verehrt  ward. 
Aber  die  Annais  of  four  niasters  berichten,  dass  der  Schrein  im  Jahre 
lltiü  von  Ituaidhri  Ua  Couchobhair  errichtet  ward:  lias  ist  der  irische 
Kiinig  Uorv  ü'Connor.  Vgl.  James  Graves,  The  church  and  shrine  of 
St.  Mauchan  i.  Journal  of  the  Royal  hist.  and  arch.  nssoc.  of  Ireland 
4.  .scr.  III,  p.  134;  Llewellyn  Jewitt,  The  shrine  of  St.  Manchan  i. 
The  Art  jouranl  1870,  p.  133,  177.  l'eber  die  älteren  Schreine  vgl.  John 
Loveday  of  Caversham,  Observation*  upon  shrines  i.  d.  Archaeologia 
1,  p.  23.  Der  Schrein  bei  Thon.  Bus  sc  II,  A  short  description  of  a  por- 
table shrine  commemoratiug  the  assassination  of  Ethelbcrt.  London 
1830,  Abb.  bei.  Duticnmb,  History  of  Herefordshire  T,  p.  548,  ist  eben- 
sowenig eine  Arbeit  des  8.  Jh.,  sondern  des  12.  und  scheint  mir  weit  eher 
als  die  Ermordung  König  Ethelberts  7(»0  (nach  Wilm.  Malmesbur.,  De 
gestis  regum  Anglorum  I,  c.  4)  den  Tod  Thomas  Beckets  darzustellen. 
Die  signacula  mit  den  Bildern  der  angelsächsischen  Heiligen  F.dwin  tmd 
Eggwin  (Henry  Ecroyd  Smith  i.  d.  Transactions  of  the  historic  society 
of  Laneashire  and  Cheshire  25.  Febr.  18b9  p.  1G5)  sind  endlich  gleichfalls 
mittelalterliche  Arbeiten:  das  Bild  des  Königs  Edwyn  von  Northumber- 
land,  der  von  617  an  regierte,  kommt  in  der  gleichen  Form  auf  den 
Siegeln  der  Abtei  Evcaham  vor  (Tundale,  History  and  antiquities  oi 
the  abbey  and  borough  of  Eve.sham  1794;  Dugdale,  Monasticon  II,  p.  13), 
deren  Gründer  eben  Egwyn,  einer  der  Bischöfe  von  Worcester  war 
(Thomas  Wright  in  Biogr.  Brit.  Literaria  I,  p.  223).  Auch  gehören  alle 
ähnlichen  signacula  in  der  Gestalt  von  Pilgerzeichen  erst  dem  13.— 15.  Jh. 
au  (vgl.  Thomas  Hugo,  Notes  on  a  coilection  of  pilgrim  signs.  fotiud 
in  the  Thames  i.  d.  Archaeologia  XXX  VI  II,  p.  128). 


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Paul  Climen: 


plastik.  Irland  «robUhrt  auf  beiden  Gebieten  die  Führung.  Die 
Iren  waren  ein  Volk  mit  einer  eminenten  ornamentalen  und  tech- 
nischen Begabung:  die  Kace  besass  dazu  eine  grosse  Expansions- 
kraft,  die  der  Ueberführung  ibrer  Kunst  auf  das  Festland  entgegen- 
kam und  zunächst  das  nahe  angelsächsische  Reich  ganz  über- 
schwemmen ntusste.  Die  Angelsachsen  auf  der  anderen  Seite  be- 
sassen  eine  gleich  starke  malerische  Begabung  auf  Kosten  aller 
anderen  Kunstzweige.  Unzweifelhaft  stellen  sie  die  weitaus  grösste 
.Masse  an  malerischen  Talenten  dar:  aber  weil  ihr  Stil  der  des 
leichten  Entwcrfens,  der  spielend  und  flüchtig  hingestürmteu  Skizzen 
war,  konnte  er  nicht  in  die  Plastik  übergehen.  In  der  ornamen- 
talen Plastik  stehen  die  Angelsachsen  völlig  unter  dem  irischen  Ein- 
flüsse, in  der  Malerei  bewahren  sie  die  Selbständigkeit.  Nur  die 
grössere  Vorliebe  für  figürliche  Darstellungen  übertragen  sie  auf  die 
Plastik.  Die  Wogen  der  normannischen  Einwanderimg  haben  die 
Reste  der  künstlerischen  Thätigkeit  hinweggeschwenimt.  In  weit 
höherem  M nasse  als  bei  der  Hetraclitung  der  irischen  Kunst  müssen 
daher  die  Schriftquellen  für  die  Iiistorische  Reeonstrnktion  herange- 
zogen werden. 

Um  die  Mitte  des  7.  Jahrhunderts  setzen  die  Nachrichten  ein. 
König  Oswald  von  Xoi  tliumberland  ist  der  erste,  der  eine  ausge- 
dehnte Fabrikation  goldener  und  silberner  liturgischer  (4efässe  in 's 
Leben  gerufen  zu  haben  scheint  154 );  er  ward  in  einem  silbernen 
Schrein  zu  Bamborough  beigesetzt,  den  König  Offa  später  noch 


154)  Beda,  Histnria  eerlesin>tiea  III,  e.  •>.  Von  Köni-r  OswhM  lieisst 
es  «34: 

Kxstruit  ecclesias  donisque  exornat  opimis, 
Vasa  ininisteriis  praestans  pretiosa  sacratis 
Argvuto,  geiniuis  aras  vestivit  et  auro. 
(Aliuin,  De  pont iri»  iImis  et.  sanetis  ciu-lesiae  Kboracensis  ap.  O  a  1  e,  RS. 
Iiisl.  Hritann.  I.  |>.  703.  v.  275).    Wenig  spater  werden  viele  .Juwelen  im 
He.vit*/  des  Krzliiseliofs  Will'red   von  York  genannt:  Ouilelnius  Maline.s- 
huriensis,   De  -restis  potitilieuui  Anglorum  ap.  (iale,  SS.  rer.  Hritann.  I, 
p.  2\'>-2  quod  anreiset  arfrenteis  vasis  sibi  ministrari  faceret.  lieber  Wilt'rid  vgl. 
KddiusStephanus,  Vita  S.  Wilt'ridi  episcopi  Kboracensis  ap.  Ga  le,  SS.  I,  p.  (JO: 
Natu  <|Hainnr  cvanjrelia  de  auro  purissimo  in  meiithranis  depurpuratis 
colnratis.   pro  aniinae  suae  remedio  werthere  iussit;  nernon  et  bibliotlie- 
inin  lilnoriun  eoruni  ninnem  de  auro  ]>urissimo,  et  gemniis  preliosissiinis 
i'alin •lat-taiii.  eniiipa^inare  incliisoivs  ireiniiianiin  praeeepit. 


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Merowingiselic  und  karoliiijriselir  Pla»lik. 


weit  reicher  ausschmückte  ,5S).  Im  Jahre  676  bringt  Bischof  Benedikt 
Werkleute  mi<l  Glasarbeiter  na»  Frankreich  herüber  1 '■"'•}.  Im  8.  Jalu- 
hmiilert  ist  es  vor  allem  die  Kirche  von  York,  die  mit  den  präch- 
tigsten Kunstwerken  verziert  wird,  zuerst  durch  Wilfried  II.  von 
York  7 IM,  durch  Kgbert  731,  endlich  767  durch  Albert  von  York, 
den  Lehrer  Alcnins  '-'m.  Gleichzeitig  last  Bischof  Wastold  von  Here- 
ford  ein  grosses  Kreuz  ans  plnttirtcm  Gold  und  .Silber  anfertigen 
ähnliche  entstanden  in  Glastonbury  lä").  König  Ina  von  Wesse x, 
t  727.  errichtete  ein  Oratorium  in  der  Kirche,  zu  dessen  Ausklei- 
dung er  2640  Pfund  Silber  und  264  Pfund  Gold  verwandte:  er 
Hess  aber  auch  silberne  Bilder  —  die  ersten  Nachrichten  von  grossen 
Volltiguren  in  Edelmetall  —  von  Christus,  Maria  und  den  zwölf 
Aposteln  fertigen  tm>.  Auch  Bischof  Aeea  von  llexham  stiftete  um 
VA2  almliehe  Goldarbeiten  ™)  und  König  Offa  von  Mercia,  f  7M. 

155)  AIcuin  n.  a.  <).  v.  30t»,  389: 

Posten  lex  felix  ornavernt  Offa  sepulchrum 
Arjjento,  gcnimis,  auro  multoque  decore, 
l't  decus  et  speeimen  tuinbne  per  .sccln  maueret. 
1S4»)  Heda.  Mint.  Abbntum  Wireiiiutbcnsiuin  p.  205. 
157)  AIcuin  a.  «.  0.  v.  122*2,  13G6,  1490: 

Nani«|ue  in  bellipntens  nunixit  baptismntiN  undam 
Kdwin  rex,  praesul  grandem  construxerat  aram, 
Texit  et  nrgento,  gemmis  siinul  undii|Ue  et  auro  .... 
Hoc  altarc  f'aniin  (Leuchter)  Mipra  suspendernt  altuni, 
Qui  tenet  ordinibus  tria  grnndia  vasa  novenis: 
Kt  sublime  enteis  vexilluin  erexit  ad  aram, 
Kt  totum  texit  pretiosis  valde  metallis. 
Ormnia  majfna  Matis,  pulchro  molimine  struetn, 
Ai}renti<jne  ineri  couipensant  poudera  multa. 
Ast  altnre  aliud  fecit,  vostivit  et  illud 
Arjrcnto  puro.  pretiosis  ntque  lapillis, 
Martyribusque  crucique  siinul  dedienverat  ipsuin. 
lussit  ut  ohri/.o  uon  parvi  ponderis  auro 
Ampulla  maior  fleret,  (|ua  vina  sacerdos 
Funderet  in  caliecm,  Holcmnia  sacra  celebrans. 
l5Ht  tiul.  Maline.sbur..  De  pestis  pontifleiim  Anjrlorum  p.  285. 
159»  Gill.  Mahncsbnr.,  De  anti<|uitatibus  Olastouieusis  ceelesiae  ap. 
Gale,  SS.  Iiint.  Britann.  ]>.  304,  310:  erux  auro  et  arjfento  conpnrta  .  .  . 
crux  ab  anti«|iio  auro  nrgentoque  vestita. 

160)  candelabra  ex  XII  libris  et  IX  inancis  auri  •  .  .  imago  Domiiii 
<-t  beatae  Marine  et  duodexiin  apostolorum  ex  eetitum  et  I.XXV  libris 
argenti  et  XXXV11I  libris  auri. 

IM)  Kddius  Stcphnmts  a.  a.  O.  p.  <\>. 


7n 


Paul  Giemen: 


Hess  das  Grab  St.  Albans  mit  getriebenen  (»old-  und  Silberplatten 
reieb  verzieren  Uii>.  Im  5».  Jahrhundert  hält  «ich  diese  Kunstthätig- 
keit  in  den  Hauptstädten  und  den  ersten  Hofhaltungen  de»  Neichen. 
König  Wiglaf  von  Mereia  schenkt  der  Abtei  von  Oroyland  neben 
anderen  Kostbarkeiten  ein  mittioldplntten  überzogenes  Antepcndimn,,ia). 
König  Ethclwnlt'  ff  8Ö7).  der  Nachfolger  Egberts,  erriehtet  in  Mal- 
niesbnry  einen  Schrein  fltr  St.  Aldhelm,  an  dem  sich  in  gegossenem 
und  getriebenem  Silber  Darstellungen  aus  dem  Leben  des  h.  Ald- 
helm  befanden  ,C4),  endlich  eoneentrirt  König  Alfred  (871 — 900) 
noch  einmal  die  ganze  Summe  von  technischer  und  ornamentaler 
Erfahrung  an  seinem  Hofe  und  sucht  die  MetallkUnstler  selbst  zu 
belehren  und  weiter  zu  bilden  Es  scheint  hier  eine  Anstrengung 
vorzuliegen,  das  eben  schon  im  Niedergang  begriffene  ftoldschmiede- 
gewerbe  zu  halten  und  zu  heben.  —  Die  Geschichte  des  folgenden 
.Jahrhunderts  lehrt,  dass  dies  dem  königliehen  Mäeen  nicht  gelungen. 
Aus  dieser  Zeit  stammen  die  ältesten  datirbaren  (Joldschmicde- 
arbeiten.  Die  erste  ist  der  Hing  des  Kischofs  Alhstan  von  Sher- 
bnrne  (*71— 867)  ,8,i>.  der  zu  Llys  faen  in  Caniarvonshire  gefunden 


162)  MaUh.'icus  Paris.  Vitae  duoruin  <  Warum  Mircioinm  regutn  e<l. 
Wats.  London  H!.'t!>.  p.  2-H;  laminis  aiireis  argenteis  gcinmist|nc  pretiosis 
de  the&iuro  suo  magnifice  sumpti.s  det  enter  adornari  iussit. 

Ingulphus,  Historia  .seil  descriptio  ahhatiac  Croylandcnsis  ap. 
Fell,  SS.  rer.  Anglie.  p.  H  (vgl.  Fr.  Palgrave  i.  d.  Quarte.rly  Review 
XXXIV,  p.  281*):  Tabulani  capcllae  propriae.  laminis  aureis  deauratan». 

164)  Hill.  Mahnesbur.,  De  pontif.,  ji.  3öi>:  In  anteriori  parte  ex 
solido  argento  iactis  imaginibns;  in  posteriore  vern  levato  mctallo  mira- 
eula  figuravit  <|iiae  iain  Menno  depromsit,  unde  putatum  est  nunc  Husse 
lihrum  vitae  in  quo  istn  legerit,  sed  postea  tempore  Danoruin  Omission: 
fastigiuni  eryHtallimuii  rex  Kthclwnlfus  apposuit  scrinio,  in  quo  nomen 
eiiLs  literis  aurei«  est  leger.-. 

165)  Asscrius  Menevcnsis,  Annale*  rertim  gestarum  Aelfrcdi  ed.  Fr. 
Wise.  Oxford.  1722.  p.  I*:  Rex  inter  hella  et  praesentis  vitae  frequentia 
impedimenta  auritiees  et  iirtilices  suon  omnes  .  .  .  deeoro  et  solur  nssidue 
pro  viribus  studiositsime  nnii  dcsinelmt.  Dieselbe.  Sorge  wandte  er  freilich 
auch  seinen  faleonarii,  aeeipitrarii,  eanieulnrii  zu.  Vgl.  Spei  in  an,  Life 
of  Aulfred  p.  154!. 

Ittfi)  Pegge,  Illustration  of  a  gold  ename.lled  ring  i.  d.  Archaeologia 
JV,  p.  47.  Die  Inschrift  auf  dem  mit  rhombischen  Gliedern  wechselnden 
runden  Pasten  lautet:  Alhstan.  Den  gleichen  Namen  führten  auch  drei 
Londoner  Bischöfe  —  Pegge  macht  die  Zuweisung  an  den  siebenten  Bischof 
von  Shcrburne  glaubhaft. 


Merowingische  und  karolingische  Plastik. 


71 


worden,  die  zweite  der  King  König  Ethelwnlfs  von  Wcssex  ""), 
die  dritte  das  bekannte  Juwel  König  Alfreds  im  Ashmolean  Museum 
zu  Oxford  mit  (Jen  Bildern  Christi.  St.  Xeots  und  St.  Cuthberls  in 
Filigranarbeit 188). 

Diese  letzteu,  zeitlicli  genau  zu  fixirenden  Arbeiten  bilden 
aber  nur  den  Abschlnss  einer  langen  Reibe  von  metallenen  Schmuck- 
stücken, die  vom  5.  bis  znm  8.  Jahrhundert  hinläuft.  Sie  hat  dieselben 
Objekte  aufzuweisen  wie  die  fränkisch-merowingisehe  und  lango- 
bardischc  Kunst  im  gleicheu  Zeitraum.  Die  Hanptstftcke  sind  schon 
durch  die  Väter  der  englischen  Archäologie.  Bryan  Faussett. 
Kemble,  Rnach  Smith,  Thomas  Wright,  Yonge  Akerman. 
bekannt  gemacht  worden.  Seitdem  sind  die  einzelnen  Fnndpnbli- 
kationen  masslos  angewachsen:  erst  vor  einem  Jahre  ist  durch  den 
Baron  de  Bayc  eine  zusammenfassende  Darstellung  versucht  wor- 
den Für  die  Entwickelungsgeschiehte  der  künstlerischen  Fonncn 
und  der  Ornamente  kommeu  hier  die  Fibeln  in  erster  Linie  in  Be- 
tracht, unter  denen  das  angelsächsische  Reich  eine  ausserordentlich 
grosse  Mannigfaltigkeit  aufzuweisen  hat.  Die  strahlenförmige,  die 
S-förmigen  und  die  mit  Vogeldarstellungen  verzierten  Fibeln  sind 
Festlandtypen  —  daueben  aber  lassen  sich  fünf  einheimische  Insel- 
typen aufstellen:  die  kreuzförmigen  Fibeln,  die  Fibeln  mit  vier- 
eckigem Kopfstück  oder  doppelte  Fibelu170),  die  schalenförmigen  Filieln, 
die  Ringfibeln,  die  Rimdfibcln.  Die  Gruppirnng  ist  von  um  so 


167)  Albert  Way  i.  Archacological  Journal  II,  p.  163;  vgl.  La- 
barte, Recherches  sur  la  peinture  en  email  p.  50. 

168)  Die  Inschrift  lautet  t  Aclfrcd  mec  hcht  gevvr  can  (Alfred  Hess 
mich  arbeiten).  Vgl.  Hickes,  TlieHaur.  ling.  vet.  soptentr.  p.  142;  Wise, 
Nnmin.  Hodl.  Catalog.  p.  232;  Henri  Shaw,  Dresses  and  docorations  of 
the  iniddle  ages.  London  1843.  I,  pl.  2.  Hierher  gehört  auch  ein  in  London 
entdecktes  Juwel  (Archaeologia  XXIX,  p).  10).  Vgl.  Catalogue  of  the  Museum 
of  London  antiquitios  p.  104,  Nr.  553  mit  Abb.  Vgl.  J.  Hungerford 
Pollen,  Gold  and  Silber  Smiths  work  p.  74.  Eine  Hhnliehe  kleinere 
Arbeit  findet  sich  in  der  Bodleiana  zu  Oxford.  Vgl.  Plot,  Natural  history 
of  Oxfordshire.  p.  352;  Dissertation  on  an  ancient  Jewel  of  the  Anglo-Saxon 
i.  d.  Archaeologia  I,  p.  161.  Da-s  Alfredschmuckstück  und  das  Schmuck- 
stück des  Museum  of  London  antiquities  sind  die  ersten,  auf  denen  wirk- 
liches Zellenemail  nachgewiesen  ist.  Vgl.  J.  Labarte,  Recherches  sur  la 
peinture  en  email  p.  38. 

169)  J.  de  Bnye,  Emdes  arehcologiques.  Epo.jue  des  invasions 
barbares.    Industrie  anglo-saxonne.    Paris  1889. 

170)  Wylie,  Fairford  Graves.    Oxford  1HÖ2.  p.  23. 


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Paul  deinen: 


grösserer  Wichtigkeit,  weil  hier  die  Möglichkeit  gegeben  ist,  inner- 
halb vcrhältnissmässig  enger  Grenzen  die  einzelnen  Gruppen  geo- 
graphisch zu  trennen  und  zn  lokalisiren.  Die  kreuzförmigen  Fibeln 
zeigen  eine  auffallende  Aehnlich'keit  mit  den  skandinavischen  Typen, 
nur  haben  wahrscheinlich  die  englischen  jene,  nicht  unigekehrt  jene 
die  cngliscbcn  beinflnsst  m).  Am  deutlichsten  offenbaren  die  Fibeln 
mit  viereckigem  Kopfstück  und  die  schalenförmigen  die  eigentüm- 
liche angelsächsische  Ornamentik,  wie  im  Kerhschnitt  ausgestochen, 
die  pflanzlichen  wie  die  thicrisehen  Motive  eng  aneinander  ge- 
drängt, der  Grund  fast  ganz  verschwindend  —  derselbe  Stil  wie 
hei  den  gleichzeitigen  frühen  Steinarbeiten.  Die  Hauptstückc  der 
ci>teren  Gattung  sind  die  in  vergoldeter  Bronze  aufgeführten  Fibeln 
von  Kaglcy-Park.  Warwickshirc ,7,i;  Norton,  Xorthamptonshirc 
Saint-Xieoias  in  Warwiek  ,74  i  und  die  Funde  von  Little-Wibraham  •'■'•). 
Die  schalenförmigen  Typen  sind  auf  Glouccstershire ,  Oxfordshire 
und  Hnekinghamsbire  beschränkt ,  die  ringförmigen  endlich  fast 
ausschliesslich  auf  Kenti;Bj.  Sie  führen  wieder  zu  den  merowingisch- 
fränkisehen  Arbeiten  zurück:  es  sind  einheimische  Schöpfungen, 
aber  entstanden  unter  fränkischem  Einflnssc.    Die  verroterie  eloi- 


171)  Mnnteltus,  Anti.|<iitcs  Sucdoi>cs,  \>.  K.T:  II.  Hildebrand,  The 
industrial  arts  ot'  Skaudinavia  in  the  I'agan  time.  London  1S8.-J.  p. 
Abb.  hei  .1.  de  Bayc,  pl,  VI;  Neville,  Saxon  ohsequies.  London  18f>?. 
pl.  I,  II,  IV— X;  Von?«  Akerntan,  Kcmains  of Pagan  Saxondom.  London 
IH.'iö.  pl.  XXXIX;  K.  Font  er,  Account  of  tlie  excavation  of  an  anglo- 
saxon  eemetcry  at  Rarrington  .  Cainbridgcshire  1HM0;  (L  W.  Thomas, 
(In  excavations  in  an  anglo-saxon  cemetery  at  Slcaford  i.  d.  Archaeolngia  I, 
pl.  XXIII,  XXIV.  Xach  Montelius,  la  Suede  prehistorique  p.  K'J,  kommen 
die  kreuzförmigen  Fibeln  und  die  mit  viereckigem  Kopfstück  in  Skandi- 
navien nicht  gleichzeitig  vor,  sondern  hintereinander:  die  ersten  sind 
charakteristisch  für  das  erste  jüngere  Kisenzeitalter  (1-150  n.  Chr.),  die 
letzteren  für  die  /.weite  Kiscnzuit  (450—700  n.  Chr.).  Für  Kngland  ist  ein 
gleiches  Verhältnis«  nicht  nachgewiesen. 

172)  Oii  an  anglo-saxon  brooch  found  in  Uaglcy-Park  i.  d.  Archaeo- 
logia  XLIV,  p.  4X2. 

17.'!)  Archaeolngia  XLI.  pl.  22. 

174)  Archaeolngioil  Journal  IX,  p.  171*. 

175)  Xeville,  Saxon  Ohsequies  pl.  II.  V,  VI,  X. 

176)  .1.  de  Bayc,  a.  a.  O.  p.  G5.  pl.  X;  Hers.,  Les  bijoux  francs  et 
la  libule.  anglo  •  saxonne  de  Marilles  iBrabant)  i.  Bull,  nionuin.  LV,  p.  «9. 
Die  wichtigsten  Kxemplnre  sind  die  von  Kingston  Down  bei  Faussett, 
liiveiitorium  Sepulchrale,   ed.  llnach  Smith.    London   lKf>r>,  pl.  II,  von 


Merowingische  und  karolinpische  Plastik. 


73 


sonnce  findet  hier  eine  geschickte  Ausbildung:  die  meisten  Exemplare, 
von  den  fränkischen  durch  geringeren  Rcichthnm,  aber  grössere  »Sym- 
metrie und  eine  last  mathematische  Regeltnassigkeit  unterschieden, 
zeigen  auf  Goldblättchen  in  Silberfiligran  rothe  Granaten. 

Die  Technik  der  getriebenen  Arbeit  findet  sieh  bei  den  ersten 
Anfängen  der  kirchlichen  Kunst  im  Mcrowingerreiche ,  zunächst 
freilich  uur  in  der  rohesten  Form  mit  Znhflifenahmc  von  Stempeln 
und  Holzmatrieen.  Während  dies  die  führende  Technik  bei  den 
Ostgothen  und  Langobarden  blieb  —  noch  die  Kronen  von  Guarrazar 
und  die  Krone  von  Ravcnna  sind  auf  diese  Weise  hergestellt  — 
wird  diese  Kunst  im  Herzen  Frankreichs  durch  Eligius  und  seine 
Schule  vervollkonunt.  Daun  verstummen  die  Nachrichten  für  lange 
Zeit.  Im  8.  Jahrhundert  hat  das  angelsächsische  Reich  die  von 
Irland  überkommene  Technik  zur  höchsten  Rinthe  entfaltet,  vor 
allem  ist  es  die  Biscbofsstadt  York,  die  sich  durch  eine  Fülle  der 
glänzendsten  Leistungen  und  eine  offenbar  lokale  Tradition  aus- 
zeichnet. Die  grossen  getriebenen  Goldsehmiedearbeiten  im  Franken- 
reiche gehören  dem  8.  oder  9.  Jahrhundert  an:  im  Jahre  8<X)  nimmt 
die  Kunst  hier  einen  neuen  Aufschwung.  Diese  Werke  treten  so 
überraschend  und  in  so  grosser  Anzahl  auf,  dass  man  versucht  ist, 
nebeu  der  beimischen  technischen  Tradition  noch  einen  weiteren 
fremden  Einfluss  anzunehmen.  Es  scheint  mir  sehr  wahrscheinlich, 
dass  hier  die  angelsächsische  Kunst  das  Vorbild  und  die  äussere 
Anregung  abgegeben  bat,  wie  sie  dies  ebenso  für  Scandiuavien  ge- 
thau  und  wie  sie  mit  dem  ihr  eigentümlich  zeichnerischen  Stil 
die  nördlichen  karolingischen  Schreibschulen,  vor  allem  Reims,  Arras 


Abingdon  bei  Akcrmun,  Kemnins  of  pagan  Saxondom  pl.  III;  Arch. 
journal  IV,  p.  253,  diu  von  Sittingbourne  bei  Aken» an  pl.  XXV,  5, 
die  von  Chartatn  Down  bei  Douglas,  Nenin  liritannica  pl.  XXI,  9, 
die  von  Wingliaui  bei  Akermnii  pl.  XI.  1.  Die  einfachste  Form  ist  am 
meisten  vertreten  in  den  Funden  von  Gilton,  vom  Kingstieid  bei  Faver- 
sham,  der  Sammlung  Oibbs  im  South  Kensington  Museum  (J.  X,  J.  XII, 
J.  XV,  Nr.  1028—70,  1030—  70,  1043—70,  1033-  70,  1035-  70,  1042-70, 
1046  -70,  1041—70,  1056—  70).  Vgl.  die  entsprechenden  merowingisch-fran- 
kischen  Stücke  bei  H.  Baudot,  Memoire  nur  les  sepultures  des  barbares 
de  l'epoque  mcrovinjrienne  decouvertes  en  Bourprogne.  Dijon  1860.  pl.  VI, 
1 ;  VIT,  3-5. 

177)  Aus  der  ältesten  Periode  von  600— «00  ist  ausserordentlich 
wenig  erhalten.  Die  «ranze  Periode  vom  8.  Jh.  An  bis  in  dns  12.  Jh.  steht 
unter  angelsächsischem  Eintiuss.  C.  Nvrop,  Mcddclelser  om  Dansk  Guld- 


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-ii 


Paul  Clemeu: 


und  Fulda  beeinflusste.  Des  grossen  Karl  erster  künstlerischer  Rath- 
geber kam  au»  der  Hauptstadt  der  angelsächsischen  Goldschmiede, 
ans  York.  Und  die  Stätte,  wo  im  karolingischen  Zeitalter  zuerst 
grössere  Goldschmiedearbeiten  erwähnt  werden,  ist  das  den  briti- 
schen Inseln  geographisch  am  nächsten  liegende  Kloster  »St.  Wandrille. 

Die  irische  und  angelsächsische  Steinplastik. 

Hie  Ornamentik  des  Völkerwanderungsstiles  hatte  dem  über- 
kommenen Ornamentcnseliat/.  des  I'nnktes,  der  geraden  und  ge- 
brochenen Linie,  des  geometrischen  Ornamentes,  der  Spirale,  eiu 
neues  Element  hinzugefügt ,  das  in  der  vorhergehenden  Zeit  nur 
ganz  ausnahmsweise  und  zwar  in  erster  Linie  in  der  Keramik  Ver- 
wendung gefunden  hatte,  das  Band-  und  Klcchtwerk.  Gerade  der 
Umstand,  das»  es  zuerst  in  der  Keramik  auftritt,  lässt  die  Annahme, 


sinedekunst.  Kopenhagen  1885.  p.  4;  Brunius,  SkAncns  Konsthistorie 
p.  550.  Die  Schriftqnellen  berichten  von  bedeutenden  Schlitzen  an  Gold- 
schmiedearbeiten. Harald  Haarderaade  hinterlasst  eine  solche  Mcngo 
Kostbarkeiten,  dass  20  junge  Kerle  sie  nicht  zu  tragen  vermögen  (Saxo 
Gramm,  ed.  P.  E.  Müller  I,  p.  598,  612).  Knud  der  Heilige,  wird  in 
einem  kostbaren  Schrein  mit  vergoldetem  Metnllbeseblag  beigesetzt  (SS. 
rcr.  Dan.  III,  p.  214,  325;  Nordisk  Tidskrift  für  oldkyndighcd  II,  p.  1%), 
Der  englische  EinflusH  setzt  dann  ein  2.  Mal  im  12.  Jh.  ein:  vor  allem 
durch  den  Mönch  Anketil  von  St.  Albans,  f  UM  unter  König  Niels,  der 
die  königlichen  Goldschmiede  lehrte  (Matthaei  Paris,  bist,  maior  ed.  W. 
Wats.  London  1686.  p.  110).  Erst  in  der  2.  Haltte  des  12.  Jh.  setzt  in 
Koeskilde  der  deutsche  Einflnss  ein  mit  Meister  Gerhard  (J.  Steenstrup, 
Studier  over  Kong  Valdeinars  Jordebog  p.  228;  A.  D.  Jörgensen,  Den 
nord.  Kirke  I,  p.  247,  407;  Aarhngcr  for  nord.  oldk.vndighed  1875,  p.  117). 
Ueber  den  weiteren  Ausfluss  und  Einfluss  der  deutschen  Kunst  von  Roes- 
kilde  aus  vgl.  Annaler  for  nord.  oldkyndighod  1842,  Aarsbcretn.  p.  18; 
Antiquarisk  Tidskrift  1849  51,  p.  40.  Ueber  die  Malerei  und  Holzschnitzerei 
der  Periode  v.  8—11.  Jh.  vgl.  V.  Boye  i.  d.  Tidskrilt  for  KunBtindustri 
1887,  Nr.  4  u.  5.  Der  irische  Einfluss  ist -in  der  genauesten  Abgrenzung 
auf  Boruholm  nachgewiesen.  Hier  stellen  sich  die  Perioden  folgender- 
inassen  neben  einander:  Vorrömische  Zeit  1—100,  Römische  Zeit  100— 350, 
Germanisch-RötniHche  Zeit  350 — 450,  Germanische  Zeit  450—  700,  Irische 
Zeit  700—850,  Karolingische  Zeit  850— 900.  Vgl.  E.  Vedel,  Bornholmske 
Undersegelser  med  saerligt  hensyn  til  den  seuere  Jernalder  i.  d.  Aarbeger 
for  nordisk  oldk.vndighed  og  histoire  1890,  2.  raekke  V,  p.  41;  Ders., 
Bornholms  oldtidsminder  og  oldsnger. 


Merowingische  und  karolingische  Plastik. 


75 


dass  es  durch  geflochtene  Korhformcn.  in  die  der  Thon  eingepresst 
wurde,  entstanden  »ei,  glaubhaft  erscheinen  m). 

Das  Bandwcrk  findet  indessen  in  den  osteuropäischen  Denk- 
malen der  Völkccwandcrungszeit  nnr  eine  spärliche  Verwendung. 
Auf  der  grossen  Spange  von  Kcszthcly  '™)  (Fig.  16)  zeigt  es  sieh 
in  einer  Auflösung  in  Einzelmotive,  die  für  die  frühen  Jahrhunderte 
charakteristisch  ist.  Die  Form  ist  die  der  doppelten  offenen  Schleife, 
die  zu  je  zwei  durcheinandcrgcHochtcn  sind.  Dieses  Bandwerk  ist 
durchaus  weitmaschig,  locker  geflochten,  mit  grossen  viereckigen 
Fenstern.  Erst  in  der  merowingischen  und  irischen  Kunst  wird 
das  Fleehtwerk  engmaschig,  wie  hei  einem  dichten  Bastteppich  zu 
sanunengezogen.  Auf  einem  der  Krüge  von  Xagy-Szcnt-Miklos  finden 
sich  die  offenen  Schleifen  kettenartig  ineinander  gepasst,  in  Kesz- 
thcly  180)  erscheint  es  als  Zickzackmuster,  aber  an  den  Ecken  nicht 
ungebogen,  sondern  mit  einer  Schleife  wie  eine  biegsame  Weiden- 
gerte. Diese  weitmaschigen  Schleifen  finden  sich  dann  auch  zu- 
nächst auf  den  Fibeln  und  Gürtelschmuckringen  der  merowingischen 
Zeit  m)  und  später  wieder  vereinzelt  auf  den  ältesten  Denkmälern 
der  irischen  und  angelsächsischen  Steinplastik  IM).  Auf  den  mero- 
wingischen Arbeiten  der  Zeit  vom  5.-8.  Jahrhundert  wird  dann 
das  Flechtwerk  häufiger,  aber  immer  noch  in  der  Form  des  weit- 
maschigen Bandes  und  zwar  fast  regelmässig  rechtwinklig  durch- 
flochten I83).     Das  engmaschige   Flechtwerk  mit   drei  oder  vier 


178)  So  zuletzt  wieder  La  in p  recht,  Deutsche  Geschichte  I,  S.  179. 

179)  Ungarische  Rcvnc  V,  S.  173. 

180)  Ungarische  Revue  VII,  S.  316. 

181)  Im  Museum  zu  St.  Gcrmain-en-Laye  Nr.  18707,  Fibel  aus  Lizy 
(Aistie)  mit  einem  im  Quadrat  gezogenen  Band  mit  vier  F.cksehleifen. 
Aehnlich  Nr.  15-138,  18705,  2319.  Vgl.  die  Abb.  der  gleichzeitigen  alten 
brit.  Spangen  in  William  Camden,  Britnnnia  cd.  Gnugh.  I,  p.  231,  244; 
Charles  Roach  Smith,  Account  of  som«  antiquides  found  in  tho.  neigh- 
bourhood  of  Sandwich  i.  d.  Archaeologia  XXX,  p.  132. 

182)  J.  O.  Westwood,  Lapidarium  Walline.  The  early  inscrihed 
and  sculptured  stones  of  Wales.  Oxford  1878.  pl.  I,  III,  p.  9,  15.  Be- 
sonders auffällig  an  den  Steinen  im  Kirchhof  von  Llaniltud,  Glamorgan- 
shire  und  Im  Dorfe  Cynwyd,  Merionetshire.  Vgl.  Camden,  Britannia  II, 
p.  500,  pl.  17,  1,  p.  546,  pl.  19,  10;  John  Strange,  Remarks  on  the 
Roman  Antiquities  in  Monmoutbshire  and  Glainorganshire  i.  d.  Archaeo- 
logia VI,  p.  23. 

18»)  Museum  zu  Beauvais  st'r.  A,  Nr.  51,  55,  hier  die  Bander  schon 


■ 


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7»; 


Paul  Clemen: 


Mnderrichtnngcn  bildet  erst  die  irische  Kunst  aus  -  von  Iiier 
findet  es  auf  dein  Wege  Uber  das  angelsächsische  Keich  den  Weg 
nach  dein  Continent  iKig.  11  nach  Allen  .    Der  Ausbildung  dieses 


Fig.  11.    Typische  Formen  des  Flecht-  und  Knotenwerks 
bei  den  Iren  und  Angelsachsen. 


Motive*  kam  die  heimische  Technik  des  Korb-  und  Hllrdengeflechts 


mit  Nagelköpfen  besetzt.  Im  Museum  /.u  St.  Germaiu-en-Laye  Nr.  23G08, 
2f*611,  2175K,  237f»,  überhaupt  zum  grössten  Theil  Funde  aus  den  den  briti- 
schen Inseln  zunächst  gelegenen  Landstrichen,  zumal  der  l'icardie. 


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Merowingische  und  karolingische  Plastik. 


77 


entgegen  iM).  Die  reichste  und  glänzendste  Entfaltung  findet  dieses 
Motiv  in  der  irischen  nud  angelsächsischen  Steinplastik  und  um  so 
reicher,  freier  und  ungebundener,  je  weniger 
römische  Vorhilder  vorlagen.  In  Gallien .  wo 
diese  in  übergrosser  Zahl  vorhanden  waren  und 
wo  die  altchristliche  Tradition  nie  ahriss,  ist 
genau  das  (iegeutlieil  der  Fall,  nur  ganz  schüch- 
tern und  sporadisch  zeigt  sieh  hier  das  Flecht- 
werk in  der  Verbindung  mit  der.  Architektur 


und  zwar,  was  für  die  merowingische  und  karo- 
lingisehe  Plastik  charakteristisch  ist.  immer  weit- 
maschig  und    mit    Kiefelungen    versehen ,  so 


184)  Die  Theorien  über  den  Ursprung  und  die  Ausbildung  des 
Motives  schwanken  vollständig.  Der  Versuch,  das  Ornament  aus  einem 
Provinzialstilc,  von  einem  bestimmten  Punkte  abzuleiten,  zerfallt  in  Nichts. 
Alle  diese  primitiven  Ornamente  konnten  überall  da  entstehen  und  völlig 
nutoehthou  entstehen,  wo  die  Teelinik,  die  «las  Vorbild  lieferte,  in  an- 
nähernd ähnlicher  Fassung  vorlag.  Ganz  spcciell  in  Irland  und  der  Isle 
of  Man  Iftsst  sieh  der  Ursprung  aus  dem  Korbgetleeht  nachweisen.  Das 
ist  zum  ersten  Male  geschehen  durch  Gilbert  J.  Kreuch,  An  attempt 
to  explain  the  origin  and  meauing  of  the  interlaced  ornamentation. 
Manchester  1H5H;  Oers.,  On  the  aucient  seulptnred  stones  of  Scotland, 
Ircland  aml  the  isle  of  Man  im  Journal  of  the  Brit.  archaeol.  nssoc.  W, 
p.  63,  pl.  3  - 10.  lieber  diese  Korbindustrie  handelt  ausführlich  J,  G. 
Cumming,  The  runic  and  oiher  monumental  remains  of  the  isle  of  Man, 
auch  Archaeological  and  prehistoric  annals  of  Scotland  p.  76.  Thomas 
Dinley,  Journal  of  a  tour  in  Ireland  i.  d.  Proceeding  of  the  Kilkenny 
urehaoological  society,  new  «er.  I,  p.  1*0.  Auf  einem  Fragment  einer  Platte 
von  Fortevirt,  Schottland  (abgeb.  in  The  sculplured  »tone*  of  Scotland, 
nicht  im  Handel,  Privatpublikation  des  Spalding  Club)  sind  selbst  die 
Figuren  so  ausgeführt,  dass  man  eine  lteproduction  von  Korl)llechterei 
vermuthet.  Noch  im  6.  Jh.  entstehen  in  Irland  Gebäude  ganz  aus  Hürden- 
geflecht:  Annals  ofClonmaenoise  1,  p.181.  Sie  linden  ihre  Analogie  in  den 
Weissdornhürden  Deutschlands  (Lindenschmit,  Handbuch  der  deutschen 
Alterthumskunde  I,  S.  96).  Seit  dem  Vorgange  der  Anthropologie  er- 
scheint es  methodisch  zulilssig,  Parallelen  aus  der  Geschichte,  von  Natur- 
völkern zu  suchen,  die  sich  wirtschaftlich  und  geistig  auf  der  gleichen 
Höhe  mit  der  in  Frage  stehenden  Nation  befinden,  l'nd  hier  ergiebt  sich, 
dass  noch  heute  aus  den  gleichen  Techniken  der  Hürde,  der  Matte,  des 
Hastkorbes,  des  Weidenkorbes  die  gleiche  Ornamentik  des  Flechtwerkes 
entstehen  kann,  mit  Schleife,  Umbiegung  und  allen  übrigen  Anzeichen. 
So  bei  den  Arbeiten  der  Brit.  Honduras,  der  Zufii-Indiuner  in  Neu-Mexiko 
leine  ganze  Fülle  von  Proben  im   United  State*  National  Museum,  gute 


78 


Paul  Clemen: 


in  den  Resten  von  St.  Julien  in  Tours  M')  (Fig.  12),  an  den  Trüm- 
mern atiR  St.  Samson  -sur-  Kille  ""  i  im  Departements- Museum  zu 
Evreux,  an  der  Catliedrale  von  Vay,  im  Mitsee  lapidaire  zu  Lyon187). 

In  der  IMastik  findet  das  Baudwerk  zur  gleichen  Zeit  wie  in 
Irland  seine  Heimstätte  aueh  in  der  langohardisehen  Kunst.  Dass 
es  hier  nie  aus  dem  Ornamentensc.hatz  versehwunden  war ,  zeigen 
die  goldenen  Grabkreuze,  die  oben  bei  («elegeuheit  der  langobar- 
disehon  (loldsehiuiedekunst  erwähnt  worden  sind,  zeigt  die  Um- 


Fig.  13.   Plutco  dos  RAtchis  in  Civldaie. 

rahmnng  «1er  getriebenen  Gold-  und  Silherplatten  im  Sebatze  des 
Cavaliere  Rossi  in  Rom.    Im  8.  Jahrhundert  lebt  hier  das  Motiv 


Charakter.  Stück  in  den  Museen  für  Völkerkunde  zu  Berlin  und  Leipzig' 
Vgl.  Otis  T.  Mason,  Barket-work  of  the  North  American  AborigineH  i.  d. 
(Washingtoner)  Annual  report  of  the  Board  of  Hegcnts  of  the  Sraitbnuian 
institution  1884,  II,  p.  291.  PI.  1-44;  Ders.,  The  human  beast  of  Bnrdeu 
ebenda  1M90,  II,  p.  237. 

186)  Grandinaison,  Tours  sous  le.s  Mcrovingiens  et  les  Carlo* in- 
gien«  i.  Bull,  monnm.  XXXIX,  p.  361,  3<!3. 

186)  De  Caumont,  Abeeedalre.  p.  27;  Bull,  monum.  XXIII,  p.  201. 
Heber  die  ganz  entgegengesetzte  Verwendung  in  der  Architektur  Irland» 
vgl.  George  Petrie,  The  ecclesia.slieal  architecturc  of  Ireland  anterior 
to  the  anglo-norinan  in  vasion.   Dublin  lM.'i.    p.  816. 

187)  Bull.  luouum.  XXV,  p.  20«>. 


Merowingische  und  karolingische.  Plastik. 


79 


rasch  wieder  anf.  Die  Kreuze  mit  dem  durehflochtenen  Band- 
werk ,  meint  au»  einem  einzigen  unendlichen  Hand  bestehend, 
werden  direkt  in  die  Steinplastik  übernetzt  ,wt).  Im  9.  Jahr- 
hundert werden  mit  dem  Bandwerk  ganze  Flächen  übersponnen. 
aber  mit  den  gleichen  sondernden  Abzeichen,  die  den  franzö- 
sischen Arbeiten  eignen:  Kietelung  und  weitmaschiges  Durehflechteu. 
An  Stelle  der  Webertechnik  tritt  die  Klintentechnik  ein.  Diese 
Arbeiten  bleiben  dann  bis  in  das  12.  Jahrhundert  hinein.  Kür 
die  (irnppirung    bilden   eine    Reihe  genau  datirter   Arbeiten  des 


Fi}--.  14.    Vom  Ciborium  i»  Sun  Giorgio  «Ii  Vnlpolicella. 

8.  Jahrhundert«  den  Ausgangspunkt,  die  Plutei  des  Signaldo 
(  702-776)  und  Katchis  (744-749)  in  Oividale  »•»)  (Fig.  13).  Eine 

188)  Kaffaelc  Cattaneo,  L'architettura  in  Italia  dal  secolo  VI  al 
mibe  circa.  Venedig  1889.  p.  161  ein  Kreuz  aus  Koni  sec.  IX,  I'lutco 
von  Santa  Maria  degli  Angeli  in  Assisi  sec.  IX,  p.  108,  von  San  PletfO  dl 
Villanuova  sec.  VIII.  p.  177,  Altar  von  Sant'  Ahondio  in  Como  p.  189. 

189)  Cattaneo  a.  a.  O.  p.  87—91.  Vgl.  Schnaase,  Geschichte  der 
bild.  Künste  III,  S.  57H;  Eite.lberger  im  Jahrbuch  der  K.  K.  Central- 
comtnission  IV,  S.  245,  Mittheilungen  IV,  S.  1522.  Vgl.  auch  die.  beiden 
Berliner  Sarkophage  (Bode  u. Tschudi,  Beschreibung  der  Bildwerke  der 
christlichen  Epoche.  Berlin  Ihkh.  S.  :}i  und  die  venetiauüchen  Monumente 
im  South  Kensingtoii  Museum. 


so 


Paul  deinen: 


Reihe  von  vertieften  FlächeufUllnngen,  meint  in  Eierstabrahmeu, 
weisen  das  Motiv  des  Baudtleehtwerkcs  ohne  alle  Abwechselung 
auf,  wobei  die  Richtung  der  Künder  regelmässig  eine  Diagonale  ist, 
so  zuerst  schon  an  dem  IMuteo  von  San  demente  in  Korn  um  .r>20. 
Das  Ciborium  in  Sau  Giorgio  di  Valpolieella,  dessen  Reste  sich  im 
Musen  lapidario  zu  Verona  Minden  und  das  laut  Inschrift  im  Jahre 
712  vom  Magister  L'rsus  errichtet  wurde,  zeigt  in  den  Arkaden 
das  Handwerk  in  der  Form  des  zweimal  geriefelten,  unendlichen 
schlaff  ineinandergetlochtencn  Bandes  als  Verzierung  der  Bogeuein- 


Fig.  15.    Typische  irische  Spiralfonnen. 


fassungen,  Pilaster  und  Lisenen  (Fig.  14  nach  Oattaneo):  die  Form 
wird  typisch  für  die  italienische  Ornamentik  des  ganzen  achten  und 
neunten  Jahrhunderts 


190)  Cattaneo  p.  HO.  Die  Sftulen  trafen  die  Inschriften:  DN1 
JK8V  CHRISTI  DF.  DOMS  SANCTI  JVHANNEfi  BAPTESTE  ED1FIOA- 
TUS  EST  HANC  C1VOK1VS  SVB  TEMPORE  DOMNO  NOSTRO  U<>- 
PRANDt»  REUE  ET  YB  <venernbile>  PATER  N«)  (Rater  itostrni  ÜOMNKX) 
EPESCOPO  ET  COSTODES  EIVS  VV  «venerabile«)   VTDALIANO  ET 


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Mcrowingischc  und  karolingische  Plastik. 


Es  gilt  flir  die  Forschung  ein  lokal  begrenztes  Gebiet  zu 
finden,  auf  dem  die  vorhandenen  Keime  sieh  ohne  äussere  Einflüsse 

gewissermassen  in  einer  Rcin- 
cultur  entwickeln  oder  wo  diese 
äusseren  Einflüsse  sieh  leicht 
aussondern  lassen.  Dieses  De- 
iiionstrationsobjekt  bildet  für 
den  Abschnitt  in  der  Geschichte 
der  Ornamentik,  der  vom  <S.— 
0.  Jahrhundert  reicht ,  wiede- 
rum Irland.  Die  dort  gefun- 
denen Resultate  lassen  sich 
unter  Berücksichtigung  der  ver- 
änderten lokaleu  Ausgangs- 
punkte auf  das  Merowingerrcich 
anwenden.  Hier  im  Norden 
findet  ein  fast  direkter  Ueber- 
gang  von  der  Bronze  zur  jün- 
geren Eisenzeit,  von  der  Eisen- 
zeit zur  christlichen  Periode 
des  spccicll  irischeu  Stiles  statt. 
Die  ältesten  Monumente  zeigen 
kein  Ornament,  nur  Inschriften 
in  römischen  Kapitalen  oder 
Ogham  -  Charakteren  '").  Ihr 
hohes  Alter  wird  beglaubigt 
durch  die  linguistische  und  paläographische  Form  der  Inschriften 
und  die  bnlbheidnischen  Uebcrreste ,  mit  denen  sie  zusammenge- 
funden werden.  Gleich  nach  ihnen,  im  f>.  und  6.  Jahrhundert,  tritt 
aber  schon  das  eigentliche  irische  Ornament  auf.  Das  älteste  über- 

TANCOL  PRESWTER1S  KT  REFOL  GASTALDIO  GONDELME  TNDIG- 
NVS  DIACONV8  SCRIPSI.  Die  andere:  VRSVS  MAGESTER  CVM  DIS- 
CEPOLIS  RVIS  FVVINTINO  ET  JVVIANü  EDIFICA  VET  HA  NC  CIVORIVM 
VKRGONDVS  TEODAL  FOSCARI.  Der  gleicht'  Ursus  magestcr  nennt 
sich  auch  auf  einem  Altar  in  der  Abteikirche  von  Fcrcntillo  bei  Rpolefo. 

191)  Die  christlichen  Römer  hinterließen  kein  christlichen  Zeichen 
oder  Emblem  auf  den  irischen  Grabsteinen.  Das  christliehe  Constantini- 
xehe  Monogramm  kommt  nur  vor  auf  einem  riMiimcheii  Mosaikboden  zu 
Fratnpton  bei  Dorehester,  einigen  MetnllgefrcnsUindon  und  Terracotta- 
lainpehen:  Hübner,  Christian  inscriptions,  p,  18.  HO. 

Jahrb.  «I.  Ver.  v.  Alturthsfr.  tm  Khrliil.  XUII.  ü 


Fig.  1H.    Fibel  von  Kexzthely. 


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Faul  Climen! 


kommene  Motiv ,  die  geschlossene  und  offene  Spirale ,  die  in  eil» 
tronipctenartiges  Ende  auslief m),  findet  Iiier  ihre  Weiterbildung. 
Daneben  zeigen  sieh  zwei  andere  Motive ,  ein  geometrischen ,  die 
key-patterns,  und  endlich  das  schon  genannte  Band-  and  Flceht- 
werk  ,  intcrlaeed  work  (Fig.  11).  Das  Flechtwerk  scheidet  sich 
jetzt  durch  die  wiederholte  Verknüpfung  und  Durchschlingung  von  der 
frühen  Form  der  einfachen  oder  doppelten  Schleife,  wie  sie  die  go- 
thisch-fränkiseheu  Funde  des  f>.  und  fi.  Jahrhunderts,  zuerst  die 
schon  wiederholt  geuanuten  grossen  Spangen  von  Keszthely  auf- 
weisen (Fig.  16).  Aus  diesen  drei  Elementen  setzt  sieh  die  iri- 
sche Oramcntik  zusammen :  erst  verhältnissmüssig  spät  treten 
hier  die  Thierbestandtheile,  Köpfe,  Schwänze,  Extremitäten  ein  — 
erst  in  dem  Zeitalter,  in  dem  der  Export  irischer  Kunstwerke 
nach  Deutschland ,  Frankreich  und  Skandinavien  seinen  Höhe- 
punkt erreicht  hatte.  Die  einzelnen  Elemente  dieses  Stiles  sind 
durch  die  Arbeiten  des  ausgezeichneten  englischen  Archäologen 
John  Romiii y  Allen  auf  das  Eingehendste  analysirt  und  in  ihrer 
allmählichen  Entwicklung,  Durchbildung,  Vorbildung  klar  gelegt m). 
Die  irischen  Steinsculpturen  zeigen  bei  der  peinlichen  Gewissen- 
haftigkeit und  Sorgfalt  der  Durchführung  doch  noch  ein  grosseres 


192)  So  auf  der  Emailplatte  aus  Middleton  Moor,  Derbyshire  (Bate- 
ni  a  n,  Vestiges  of  Derbyshire  p.  2»)  und  der  aus  Chesterton,  Warwickshire 
(Journ.  ot'  the  Brit.  archaeol.  a.ssoc.  II,  p.  162)  und  auf  den  Bronzeapiegeln 
von  Bedford  und  Staniford  Hill  (Anderson,  Stotland  in  early  pagan 
times  I,  p.  100). 

193)  Von  den  vorhergehenden  Arbeiten  kommen  nur  wenige  in  Be- 
tracht. Die  Spirale  und  einige  der  geonietr.  Kleinente  untersuchte  J.  0. 
Westwood,  On  the  distinetive  Charakter  of  the  various  styles  of  orna- 
nientation  employed  l»y  the  early  British,  Anglo  -  Saxon  and  Irish  artists 
im  Archaeological  journal  X.  p.  275.  Dcrs.  in  Owen  Joiich  Grammatik 
der  Ornamente.  Dann  H.  Syer  Cuning,  Ancient  Ornaments  i.  Journ. 
of  the  Brit.  »rchaeol.  assoc.  XVI,  p.  269.  Die  erste  Entwicklungsgeschichte 
gab  J.  K.  Allen  im  Anhang  zu  The  erosses  at  Ilkley  im  Journal  of  the 
Brit.  archaeol.  assoc  XLI,  p.  351.  Seine  beiden  grundlegenden  Arbeiten 
sind  dann  die  Untersuchungen  über  die  einzelnen  Klcmente:  The  analysis 
and  elassiticatioii  ot"  cellic  interlaced  ornametit  i.  d.  I'roceedings  of  the 
soeiety  ot  antiiiuaries  of  Stotland,  tu-w  ser.  VI,  p.  225;  Notes  on  Celtic 
Ornament.  The  key  and  spiral  patterns  ebenda,  new  ser.  VII,  p.  253.  Die 
F.ntwioklung  des  interlaced  Ornament  stimmt  in  grossen  Zügen  überein 
mit  der  von  Anderson,  Scntland  in  early  Christian  times  II,  p.  152,  ge- 
gebenen Analyse.    Kine  instruktive  Nehcticmaiidcrstelliing  der  einzelneu 


Merowingische  und  karolingische  Plastik.  83 


Feingefühl  in  der  Anwendung  des  Ornamentes;  die  einzelnen  Felder 
werden  getrennt,  vertieft,  die  Rahmen  stark  hetont,  während  in 


geometrischen  Motiv«  bei  J.  B.  War i  n g,  Stone  monuments,  tumuli  und 
ornament  of  remote  ages.  London  1870.  pl.  76.  A.  O.  Langd on,  Ccltic 
ornanient  on  tlie  crosses  of  Cornwnll  im  Journ.  of  the  Brit.  arch.  nss. 
XLV,  |>.  318,  337  unterscheidet  1.  regulär  plaits  mit  4,  6  oder  8  Bändern, 
2.  angular  plaits,  3.  broken  plaitwork,  4.  knotwork,  r>.  ring  -  patterns, 
6.  knots.  Eine  interessante  Notiz  über  da»  Vorkommen  des  Handwerke« 
mit  Thiorköpfcn  und  eingefügten  menschlichen  Gestalten  —  ein  Motiv, 
da*  in  Skandinavien  seine  Ausbildung  fand  —  in  der  Beschreibung  eine« 
Bechers,  den  833  Konig  Wiglaf  von  Merina  der  Abtei  Croyland  schenkt: 
Tngulphus,  historia  seu  descriptio  abbntiac  Croylandensis  ap.  Fell,  SS. 
rcr.  Anglic.  p.  8:  Öftere  etiam  refectorio  dirti  monasterii,  ad  usum  prae- 
sidentis  quotidic  in  refectorio,  scyphum  meum  dcauratum  et  per  totani 
partem  exteriorem  barbaris  vinitorihns  ad  draconc«  pugnantibus  caelatum, 
quem  crueibolum  meum  solitus  sum  vocare,  quia  signum  crueis  per  trans- 
versum  scyphi  inipriinitur  interius,  cum  quatnor  angulis  simili  impressiouc 
protuberantibus.  Das  Thiermotiv  in  der  nordisch-irischen  Ornamentik 
ist  von  S.  Müller,  Dyreornamentiken  i  Norden  p.  81  —  140  so  ausführlich 
behandelt,  dass  hier  einfach  darauf  verwiesen  werden  kann. 

Eine  bisher  nicht  In  die  Betrachtung  hineingezogene  Parallele 
bildet  die.  südrussische  und  slavische  Ornamentik,  die  das  Flechtwerk 
gleichfalls  im  6.  und  7.  Jh.  übernimmt,  es  selbständig  wie  die  irische 
Kunst  weiterbildet  und  zu  den  annähernd  gleichen  Resultaten  wie  jene 
—  nur  vier  Jh.  spater  —  kommt.  Es  ist  das  ein  ganz  analoger  Fall  wie 
bei  der  gothlschen  und  karolingisohen  Pflanzenornamentik  (s.  u.).  Typisch 
erscheinen  für  die.se  russische  Flechtwerk-  und  Tliierornamentik  Cod.  1003 
der  Synodalbibl.  zu  Moskau,  Cod.  1164  des  öffcntl.  Mus.  zu  Moskau; 
ebenda  Cod.  230,  10*.  103.  und  Cod.  6  im  Auferstehungsconvent  zu  Vos- 
kresensk  (Oe  Boutovrski,  Histoirc  de  l'ornement  Russe  du  X.  au  XVI. 
siede.  Paris  1877.  pl.  20,  26,40).  Vgl.  auch  A.Racinet,  Ornenieut  polychrome 
Russe.  II.  Orneni.  des  manuscrits  slavo-russcs.  Diese  Ornamentinotivc  haben 
sich  zumTheil  bis  in  unser  Jahrhundert  erhalten:  F.  Lay,  Ornamente  süd- 
slavischer  und  nationaler  Hausindustrie.  Wien  1877;  F.Lay  undF.Fisch- 
hach,  Stid-slavische  Ornamente.  Hanau  187!).  Eine  übersichtliche  Darstellung 
der  Vertheilung,  nicht  aber  der  Entwicklung  des  Flechtwerk«  und  der  Linien- 
verschlingung  bei  J.  Reimers,  Peter  Flötner  nach  seinen  Handzeich- 
nungen  utid  Holzschnitten.  München  1890.  S.  78.  Ich  kann  an  diesem 
Orte  hierauf  ebenso  wenig  eingehen,  wie  auf  die  Theorien  von  Portheini 
(Der  decorative  Stil  in  der  altchristlichen  Kunst.  Stuttgart  1886)  und 
Müntz  (Etndes  iconographiques  et  archeologiques.  La  miniature  Irlau- 
daise  et  Auglo-Snxonne.  Paris  1K8~>.  die  für  die  klassische  Herkunft  der 
Hauptmotive  dieser  Ornamentik  eintreten.  Für  die  Ableitung  aus  dem 
Ornamentenschntz  der  indogermanisch-keltischen  Kunst  vgl.  Unger,  La 


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Paul  Clemeu: 


den  schottischen  und  angelsächsischen  das  Ornament  die  ganze 
Fläche  zu  tiberspinnen  beginnt.  Kür  die  historische  Behandlung 
steht  Irland  gleichfalls  weitaus  voran:  es  enthält  244  Grabmonu- 
niente  aus  dem  1.  Jahrtausend  mit  Inschriften,  während  .Schottland 
nur  sieben,  darunter  fünf  von  irischem  Typus  besitzt.  Ebenso 
finden  sich  in  Irland  154  Oghaminschriften,  Schottland  enthält  auf 
dem  Festland  nur  vier,  auf  den  Orkney-  und  Shotlandinscln  sieben. 

Die  erste  und  älteste  Klasse  der  Steinmonumente  besteht  aus 
den  (Trabsteinen,  flachen  entweder  aufrecht  gestellten  oder  liegenden 
Platten  mit  Verzierungen  im  flachsten  Relief.  Sie  lassen  sich  zeit- 
lich in  drei  grosse  Klassen  zerlegen.  Die  erste  Gruppe  wird  durch 
die  nur  ganz  flüchtig  und  roh  ornamentirten  megalithischen  Denk- 
mäler des  3.  und  4.  Jahrhunderts  bezeichnet         die  zweite  um- 


miniature  Irlandaise,  son  online  et  son  developpemont  i.  »1.  Hevue  CeUique 
187Ü  und  Coiui1,  Zur  Geschichte  der  Anfüllte  griechischer  Kunst  in  den 
Sitznngsber.  der  Wiener  Akademie  LX1V,  1870,  S.  505;  LXXIII,  187.%  S.221. 

DiiK  Floehtwcrk  lindi-t  in  Südcnglaud  seine  Zerstörung  durclt  die. 
X onnnniien,  die  eine  eigene  Ornamentik  mitbrachten.  Die  Gegensatze 
prallen  hier  so  .scharf  aufeinander,  die  Wandlung  vollzieht  sieh  so  rasch, 
in  wenigen  Jahrzehnten,  wie  nirgends  in  der  Geschichte,  der  Ornamentik. 
Die  neue  intolerante  Ornamentik  war  geometrischer  Natur,  die  Zickzack- 
nrnninentik,  die  vor  allem  in  Verbindung  mit  der  Architektur,  besonders 
au  Portal-  und  FensU*rcinrahmungcn  Verwendung  fand.  Ihr  Charktvristi- 
kiun  ist  da»  häutige  Brechen  und  die  Vermeidung  des  Bogens.  Die  ver- 
schiedenen ornamentalen  Elemente  sind  zusammengestellt  bei  L.  Bat  i ssier, 
Histoire  de  l*art  monumental  dans  l'antiquite  et  an  moyen  age.  Paris 
1860.  p.  486,  492;  Försters  Allgem.  Bauzeituug  XXV,  1860,  Tat'.  359, 
360,  368;  Francis  Grose,  The  antiquitics  of  England  and  Wales.  London 
1773.  Tal'.  76;  John  Carter,  Speciiiions  ot'  ancient  scnlpture  and  pain- 
ting.  London  1780.  pl.  zu  p.  39;  J.  Boinilly  Allen,  Notes  on  early 
christinn  symbolisin  i.  d.  Proceediogs  of  the  soeiety  of  nnti<|UAriCH  ot" 
Scotland,  new  ser.  VI,  p.  35)8,  403,  40ö,  412.  In  der  officielleu  Instruction 
du  coinite  bist,  des  arts  et  mon.  von  Merimee,  Lonoir,  Leprcvost, 
Leiionnaut  1857.  p.  155,  werden  die  einzelnen  Motive  geschieden  als 
cannclc  verticalement  ou  en  Spirale,  losange.  strie,  gaufre,  chevrounc, 
contrechevronne,  tordu,  rubannc,  imbrique,  contreimbrique,  nattc,  go- 
dronne,  freite.  Eine  Entwicklung  der  Motive  bei  Th.  Dudley  Fosbroke, 
Encyclopacdia  of  antiquitics.  London  1840.  p.  117;  Kichard  Brown, 
Raered  architecture.  London  1845.  p.  227,  pl.  24.  Französische  Beispiele 
bei  De  Caumont,  Statisiique  monumentale  de  Calvados  I,  144,  154,  197, 
247,  282;  Memoire*  de  la  soc.  des  antiquaires  de  l'Ouest  XIII,  p.  5,  pl.  3. 

194)  H  a  v in n  ii  ii  Nooke,  An  accouut  of  some  druidical  remaius  on 
Stanton  and  Hnrtlc  Moor  in  the  Peak,  Derbyshire  i.  d.  Archaeologia  VI, 


Merowingische  und  karolingischc  Plastik.  S5 
fa*st  <lie  Grabplatten,  «leren  llauptverzicrung  in  einem  Krik-kcn- 


p.  110:  Frederick  Montngu,  Druidical  remains  in  Derbyshire  i.  d. 
Archacologia  Xlf,  p.  41;  Jules  Marion,  Les  monuments  ccltiques  et 
senndinaves  des  environs  d'Invcrness  i.  d.  Memoire««  de  In  societc  de«  an- 
tiquaires  de  France,  XXXIII,  p.  J.  Vor  allem  kommen  hier  noch  in  Be- 
tracht die  Monumente  am  Göll"  von  Moray  und  die  Steinzirkel  auf  der 
Kheiie  von  Dnunmossie.  1'cber  die  Hügel  von  Crnig-Phadrick  und  Örd- 
hill-tit'-Kessock  siehe .Revue  des  soeieles  savantes  1.  scric  IV,  p.  318;  Hal- 
lier,  Niemoire  sur  les  fori*  de  verre  de  IKeosse  i.  d.  Memoire«  de  l'aca- 
demie  Celtique  III,  p.  39!».  ("eher  die  -ranze  Gruppe,  die  Parallelen  in 
den  Departements  de  la  Mavenne,  de  l'Orne.  Cötes  du  Nord  findet,  vgl. 
Gesliti  de  Bourgogne,  Rapport  snr  le  camp  de  Peru  in  i.  d.  Memoire* 
Ins  A  la  Sorbonne  dans  les  sennecs  du  comitc  des  travnux  historique* 
1 8«i*>.  p.  IG!»;  Le  comte  de,  Cessac  in  denselben  Memoire*  1*«>7.  p.  101»; 
M.  Gra ndg agnage,  Note  .sur  quelques  vestige*  de  monuments  druidi- 
ques  dan*  la  province  de  Liege,  i.  d.  Bull,  de  l'aead.  loyale  de  Bolgiquc 
1852,  p.  öOT>;  Geubel,  Note  sur  l'existence  de  monuments  de*  anciens  cul- 
tc*  dans  la  fnret  des  Ardennes  i.  d.  Annale*  de  la  societc  ponr  la  conser- 
vation  de*  monuments  hi.storiques  et  des  oeuvres  d'art  dans  la  province  de 
Luxemhourg  18f»l,  p.  8ö.  Hier  sind  auch  die  t  »ghamsteine  anzureihen. 
Die  Oghnmzeichcn,  die  «ich  nur  auf  megalithischen  Monumenten  vor- 
finden und  zwar  fast  ausschliesslich  in  den  Grafschaften  Kerry,  Cork, 
Wnterford  und  zu  Kilkenny  und  Limmcriek,  geben  die  Buchstaben  durch 
Zahlstriche  wieder,  und  zwar  meist  a— e  durch  1—5  Striche  unter  der 
Linie,  die  folgenden  fünf  durch  Striche  unter  der  Linie,  dann  durch 
Querstriche  etc.  Vgl.  zuerst  Charles  O'Conor,  Pissertnt.  Hist.  Ireland 
ed.  17*»6,  p.  3(5;  K.  Rolt  Brash,  On  the  ogham  monuments  of  the  Gaed- 
hal  i.  d.  Transactions  of  the  international  congress  of  prehistoric  arehaeo- 
logy,  3.  *e*sion.  London  18ti9.  1,  p.  291;  G.  Mouncey  Atkinson,  Soine 
aecount  of  ancient  Irish  treatises  on  Ogham  writing  im  Joumal  of  the 
royal  hist.  and  archaeol.  asHociatiou  of  Ireland  1.  ser.  III,  p.  202.  Die 
alteren  Oghamsteine,  die  lediglich  reine  Oghaminschriften  tragen,  weisen 
grammatische  Formen  auf,  die  mit  denen  der  ältesten  linguistischen  Denk- 
mäler in  Gallien  übereinstimmen  —  ein  weiterer  Beweis  für  die  Verbin- 
dung beider  Länder  vor  dem  5.  Jahrhundert  (John  Rhys,  Leiture  on 
Welsh  Philologe  p.  272).  Nach  dein  ».  Jh.  erst  erscheinen  die  hilin- 
guen  und  biliteralen  Inschriften,  d.  h.  Oghamzeichen  neben  Kölnischer 
Minuskel,  so  auf  dem  Steine  von  Finten,  Juvene  Druide*,  Colman.  Die 
meisten  Steine  des  Kirchhofes  von  Clonmacnois  gehören  hierher.  Keich 
verzierte  Oghamsteine,  die  der  3.  Gmppe  vom  K  10.  Jh.  anzureihen  sind, 
linden  sich  nur  ausnahmsweise ,  so  der  w,,s  Breswiy .  Shetland  stam- 
mende Stein  im  Museum  of  the  autiquaries  zu  Kdinhurg.  Der  Stein 
zeigt  Darstellungen  von  löwenartigeu  Thieren,  Reiter,  Bischöfe,  auf  der 
Rückseite  aber  auch  ein  Medaillon  mit  Bandtlechtwerk.  Die  Inschriften 
in  Oghamcharakteren  lauten:  Benres  meceudroi  nun  (Benrhe,  der  Sohn 


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86 


Paul  C leine n: 


kn  iiz  besteht  '"•')  —  sie  beschränken  sich  auf  das  7.  und  H.  Jahr- 
hundert in  England  und  reichen  nur  in  Irland  bis  an  den  Schluss 


des  Druiden,  liegt  liier)  und  Crosc  uahdfdad*  datr  ann  (das  Kreuz  von 
Nbrdreds  Toeliter  steht  liier).  Vgl.  Sculptnred  »tone  iound  at  Bressay 
i.  d.  Proeeedings  ot*  tlie  amiqtiarics  of  Seotland  V,  p.  "239.  Ahl),  aueh 
Stuart,  Seulptured  stoiies  ol'  Seotland  pl.  XC1V,  XCV. 

lf)5)  Diese  ältesten  der  christlichen  Steintnonuinente  auf  irisch-eng- 
lischem Boden  Aufstanden,  ehe  sieh  noch  der  spcciell  irische  Stil  bilden 
konnte.  In  direkter  Tradition  halten  sie  sieh  nur  nn  einzelnen  Punkten 
Irlands  bis  zur  Blüthczeit  des  eigentlich  irischen  Stiles.  Die  ältesten 
steinernen  Sareophage  entbehren  völlig  der  Verzierung  (Beisp.  aus  York- 
s'nire  i.  Archaeol.  Journal  VI,  p.  43).  Die  bekannten  Grabsteine  zeigen 
ineist  ein  Krückenkreuz  mit  vertieften  Feldern  und  auf  die  Kreuzung 
aufgelegtem  Quadrat.  In  Hexham  und  Hartlepool  sind  diese  Kreuze  nur 
eingeritzt  (Archaeologia  XXVI,  p.  479).  Die  Kreuze  stammen  aus  dem 
7.  Jh.,  wie  aus  den  Runeninschriften  hervorgeht  (Daniel  H.  Haigli  im 
Journ.  of  the  Brit.  arch.  assoc.  I,  p.  185),  Hilda,  Hildithryth,  Kdilviui  sind 
alle  i.  d.  2.  H.  d.  7.  Jh.  nachzuweisen.  Spater  noch  sind  die  Steine  zu  Clon- 
maeuois.  Hier  und  hier  fast  allein  halt  sich  der  Brauch,  den  Achten 
einen  Grabstein  zu  setzen,  der  in  der  alten  Weise  mit  dem  Kreuz  ver- 
ziert ward.  Ks  ist  nicht  unmöglich,  dass  dieser  ganz  uniribche  Brauch 
durch  eine  engere  Verbindung  von  Cloinnacnois  mit  Tours  sich  erhielt 
(Colcu  l'a  Duincachda ,  der  Verfasser  des  Buches  Scuaip  Chrabhaidh 
steht  in  engster  Beziehung  zu  Alcuiu.  vgl.  Ussher,  Kpistolae  Hibemicae. 
e.p.  XVIII.  IV,  ji.  466).  So  ist  der  Grabstein  des  Abtes  Tuathgal  t  806 
(O'Conor,  Anuals  of  Ulster  p.  107)  verziert.  Diese  Platten  nähern  sieh 
in  der  Anordnung  durchaus  denen  im  Museum  zu  Narbonue  und  Arles: 
sie  gehen  beide  auf  die  gleichen  altchristlichen  Vorbilder  zurück.  Am 
nächsten  stehen  jenen  die  Steine  von  Ualton  (J.  Romilly  Allen,  Pre- 
normaa  crosses  at  Haiton  and  Hayshain  in  Lancashire  i.  Journ.  of  the 
Brit.  arch.  assoe.  XLII,  p.  328).  Dieses  Motiv  findet  sich  aus  demselben 
Ursprung  auch  in  den  schwedischen  christlichen  Runensteinen.  Vgl. 
ilnhau  Peringskiöl  d,  Ulleräkers  Haradz  Minnings  ■  Merken  med  Nya 
Upsala.  Stockholm  1715».  p.  326,  336,  337.  Auch  die  merowingischen 
Sculpturen  von  Garin  finden  eine  Analogie  auf  britischem  Boden  in  den 
Steinen  von  Dearham,  Derbyshire,  wo  gleichfalls  alle  Motive  nur  unver 
bunden  neben  die  figürlichen  Darstellungen  gesetzt  sind  (J.  B.  Waritig, 
Stone  mouuments,  tuinuli  and  oniament  of  remote  ages  pl.  56,  fig.  15). 
Der  irische  Stil  zeigt  sich  aber  auf  den  Stcinsculpturen  schon  ehe  die 
oben  genannte  Kreuzverzierung  ihre  Entwicklung  vollendet,  so  zuerst 
auf  den  Steinen  von  Killeen  Cormae.  Vgl.  John  Francis  Sheannan, 
Essays  on  the  inscrihed  stoncs  of  Killeen  Cormac  i.  Irish  Eccles.  Record 
1868,  June;  Journ.  of  the  Royal  Hist.  and  Archaeol.  assoc.  of  Ireland  ser. 
4,  II;  S.  F  ergusson,  Essay  on  aucient  cemeteries  in  Ireland  i.  d.  Pro- 
eeedings  of  thu  Royal  Irish  Academy  2.  ser.  I,  p.  124, 


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Merowingische  unrl  karolingische  Plastik. 


H7 


de»  9.  Jahrhunderts.  Am  Ende  dieser  Entwiekelungsreihe  stehen 
die  Platten  von  Clonmacnois,  unter  ihnen  die  Denksteine  zweier 
litterariseher  Grössen:  hier  liegen  St.  Findan  begraben  und  Snihine, 
doctor  Scotorum  peritissimus ,M)  (Fig.  17).  Eine  auf  die  Insel- 
reiche  beschränkte  Ausgestaltung  erhielten  diese  Grabplatten  erst 
von  dem  Zeitpunkte  an,  wo  der  künstlerische  Strom  von  dem 
Frankenreich  aus  abgeschnitten  ward,  d.  h.  vom  Beginn  des  9,  Jahr- 
hunderts ab.    Die  Grabplatten  dieser  3.  Gruppe  zeigen  in  ver- 


tieften Feldern  Ftlllnngen  von  regelmässigem  Flechtwerk,  bei  den 
späteren  Werken  abwechselnd  mit  historischen  oder  biblischen 
Scenen  in  Basrelief.  Das  Ueberwicgen  des  Einen  oder  des  Anderen, 
das  allmähliche  Durchdringen  der  figürlichen  Darstellungen  -  das 
ist  ein  Vorgang,  der  sich  ganz  in  den  gleichen  Formen  wie  bei 
den  gleich  zu  erwähnenden  Hochkreuzen  abspielt.  Den  Schlnss 
bildet  auch  hier  der  Sieg  der  Wiedergabe  von  menschlichen  oder 
thicrischen  Gestalten,  die  aber  dem  verdrängten  Ornament  insofern 
einen  Tribut  errichten  müssen,  als  sie  dieses  in  ihre  eigenen  Körper 


196)  St.  Findan  erscheint  im  Necrologium  von  Reichenau  und  im  Mar- 
tyrologium  von  Donegal.  Ueber  Suibinc  (Swifneh)  vgl.  FJorentii  Wigor- 
niensis  Chronicon  ed.  Thorpe  I,  p.  109.  Die  Inschrift  auf  dein  Steine 
(Fig.  17)  lautet:  (Droit  dn]  Suibine  Mac  Mailae  huriiai.  Suibine  starb  890. 
Vgl.  George  Pe tri e,  Christian  inscriptions  in  the  Irish  language.  Dublin 
1872.   1,  pl,  16,  81, 


Fig.  17.    Grabstein  Snibiues  in  Clonmacnois. 


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98 


Paul  demen: 


aufnehmen 11,7 1.  Eine*  der  eisten  Stücke  ist  der  Grabstein  König; 
Eadulfs,  der  7<)ö  nach  tiein  Tode  Aldfrieds  den  Thron  einnahm,  zu 
Alnmouth,  Xorthninbcrland  1!,8i.  Das  ganze  9.  Jahrhundert  weist 
eine  unausgesetzte  Productimi  dieser  Platten  auf,  alle  mit  Füllungen 
von  regelmässigem  Fleehtwerk  in  mehr  oder  minder  hreitem  Rahmen. 
Zu  den  schönsten  Platten,  die  zugleieh  fast  sämmtliche  vorkommenden 
Motive  enthalten,  gehören  die  in  Roeklantl  (Norfolk),  Oolsterworth 
<  Lincolnshire)  und  Uexhill  (Snwex) mit  denen  die  Platten  im 
Fitzwilliannnuseuin  zu  Cambridge  wiederum  verwandt  sind 

Die  figürlichen  Darstellungen  kommen  im  Anfang  ganz  ver- 
einzelt vor  und  in  der  rohesten  Ausprägung,  die  vor  allem  Kopf 
und  Extremitäten  im  Verhältnis«  zum  Körper  viel  zu  sehr  betont, 
so  in  den  Platten  im  Kirchhof  von  Arasaig,  Invernessshire  20,)f 

15>7)  Kinc  werthvolle  Zusainmeu>tellung  —  werthvoll  vor  «Hein,  weil 
sie  die  geographische  Verbreitung  zifferiniissig  nachzuweisen  gestattet  — 
Ihm  J.  R.  Allen  and  G.  F.  Brow  ne,  List  of  stonc*  with  interlaced  Orna- 
ment in  England  im  Journnl  of  the  Brit.  arcliaeol.  assoc.    XLI,  p.  351. 

1!IH)  George  Stephens,  The  old-nothorn  runic  inonuineiits  of  Scan- 
riinuvia  and  Kugland.  London  I.HI16.  I,  p.  461.  Die  Krgilnzung  der  In- 
schrift durch  Haigh  i.  d.  Archacologin  Aelinna  1S5(5,  p.  18*>. 

19?t)  J.  R,  Allen,  On  recent  riiseoveries  of  prenormau  sculptured 
stones  im  Journal  of  the  Brit.  arcliaeol.  assoc.  XLI,  p.  2(57.  Vgl.  auch 
Blomfield,  History  of  Norfolk  1,  p.  47.'!. 

'200)  In  Cambridge  Castle  entdeckt.  Fünf  dnvon  abgebildet  Archaeo- 
logia  XXVII,  p.  228,  die  sechste  im  Journal  of  the  Brit.  avchaeol.  assoc. 
XII,  p.  201.  Achnliche  Platten  in  Alvaston,  Derbyshire  (Cox,  Churches 
of  Derby shiic  IX,  p.  140).  Nur  ganz  vereinzelt  linden  sieh  neben  diesen 
Arbeiten  Platten,  die  mit  einer  Art  von  verschiedenformigen  Rosetten 
besetzt,  also  die  Ornaincntmotivc  unverbunden  nur  gleichsam  nebenein- 
andergestellt enthalten,  so  die  Platte  zu  Slrathmartinc  bei  Dunrica  (A.  H. 
Miliar,  Notice  of  a  sculptured  stone  at  Stratlnuartinc  i.  d.  Proceedings 
of  the  soeiety  of  antiquaries  of  Scotland,  new  ser.  VI,  p.  201) ;  abgebildet 
bei  Sluart,  Sculptured  stones  of  Scotland.  1ST»K,  pl.  LXXVII)  und  eine 
ganz  ähnliche  in  St.  Vigeans  (abgeb.  Proceedings.  new  »er.  IV,  p.  41). 
Kurze,  derbe,  dickköpfige  Menschengestalten,  fast  ohne  l\Ntremitatcn,  auf 
den  Skulpturen  zu  Ilkley :  vgl.  J.  Roinilly  Allen,  The  crosses  at  Ilkley 
i.  Journal  of  the  Brit.  arcliaeol.  assoc.  XL,  p.  158;  XLI.  p.  .'$33;  Camrien, 
Britannia  III,  p.  231*;  J.  Phillips,  Rivers,  mouiitains  and  sea  -  coast  of 
Yorkshire  1855,  pl.  17.  Die  ganz  entsprechenden  Steina  zu  Leek,  Draycot, 
Chebsey  bei  P  I  o  t,  Natural  history  of  Staflbrdshire  168(5.  p.  432. 

201)  II.  W.  Lumsrien,  Notice  on  sotne  fragnients  of  sculptured 
monumental  slabs  in  the  churchvard  of  Arasaig  i.  d.  Proceedings  of  the 
society  of  antiquarics  of  Scotland  new  ser.  VI,  p.  211.  Auf  einer  Platte, 
in  der  zerstörten  Kirche  des  St.  Maelrubha  eine  rohe  Darstellung  der 
Kreuzigung  neben  einer  Jagdsceue. 


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Merowingische  und  karolingische  Plastik. 


später  im  10.  Jahrhundert  zumal  in  den  schottischen  Skulpturen 
mit  einer  überreichen  und  phantastischen  Gestaltungskraft,  die  neben 
biblischen  Darstellungen  natürliche,  übernatürliche  und  unnatürliche 
Wesen  eng  aneinander  drangt,  so  vor  allein  in  den  Monumenten  von 
Forfarshire soi),  den  merkwürdigsten  von  ganz  Sehottland. 

Die  Hochkreuze  auf  englischem  Hoden  beginnen  schon  mit 
«lern  f>.  Jahrhundert;  die  Form  ist  die  gewöhnliche  keltische  mit 
ausgerundeten  Armen  und  einem  mittleren  Kranze.  Allmählich 
fallen  die  Fenster  zwischen  Kreuzung  und  Kranz  aus  und  der 
Fuss  wächst,  das  ganze  Kreuz  ist  erst  im  9.  und  10.  Jahrhundert 
zu  seiner  schlanken  Gestalt  ausgewachsen.  Das  älteste  hier  in 
Betracht  kommende  datirbare  Werk  mit  Flechtwerkornament  ist 
das  um  6»1  errichtete  Kreuz  zu  Collingham  (Yorkshire),  das  bereits 
rohe  Evangelistendarstellnngen  zeigt*03).  Der  gleichen  Zeit  gehören 
an  in  England  dio  Kreuze  zu  Beckerniet,  Bewkastle,  Yarm,  Hawsk- 
well  ,  in  Schottland  das  Huthwellkreuz,  dem  8.  Jahrhundert  die 
Kreuze  zu  Alumouth,  Ilackness,  Thomhill  in  England  *01 ).  Die  ein- 
fachste Form  mit  „Fenstern"  und  Kranz,  ohne  figürliche  Darstel- 


202)  Andrew  Jervise,  Xotices  ol*  the  localities  ot'  certain  sculp- 
tured  stone  monuments  in  Forfarshire  i.  d.  Procccdiugs  II,  242;  vgl. 
Stuart,  Sculpturcd  stones  of  Scolland.  pl.  LXXIII.  Ausserordentlich 
interessant  sind  sodann  wieder  historische  Darstellungen,  so  der  Stein  des 
Swcno  bei  der  Stadt  Forres  mit  grosser  Darstellung  einer  Schlacht  auf  der 
Vorderseite,  mit  Heitern,  Fusskftmpfcrn,  zu  unterst  ein  Bcgrilbniss,  während 
die  Rüekseitc  mit  feinem  Flechtwerk  bedeckt  ist  (Jules  Marion  in  den 
Memoire»  de  la  soe.  de»  unti<|Uaires  de  France  XXXII 1,  pl.  1.  2).  Kiit 
ähnlicher  Stein  mit  einer  ganz  entsprechenden  Darstellung  in  Dunkeid 
am  Ufer  des  Tay  —  leider  zertrümmert.  -Auch  die  spateren  irischen 
Steine  zeigen  die  Verbindung  von  historischen  Darstellungen  mit  inter- 
laced  Ornament:  ein  charakteristisches  Beispiel  bietet  die  Platte  in  der 
katholischen  Kirche  von  Killyhegs  (county  Donegal),  vgl.  Journal  of  the 
Kilkcnny  Archacological  »oeiety  4.  >cr.  II,  p.  I2M. 

Angereiht  mögen  hier  noch  werden  die  angelsiichsischen  Sonnen- 
uhren mit  Inschriften  und  Flechtwerkornamentik  zu  Bishopstone,  Sussex 
(Sussex  Archaeol.  Coli.  VIII,  p.  322)  und  Ohl  Byland,  Yorkshire  (Yorkshire 
Archaeol.  Journ.  V)  —  hHufiger  sind  dieselben  Monumente  nur  mit  In- 
schriften vorsehen:  vgl.  J.  K.  Allen  i.  d.  Journal  ot"  the  Brit.  arch.  assoc. 
XLI,  p.  35g. 

203)  Stephens,  Runic  monuments  I,  p.  391. 

204)  J.  Uomilly  Allen.  The  crosses  of  Ilkley  im  Journal  of  the 
Brit.  archaeol.  assoc.  XLI,  351. 


# 


N 


Paul  Clemen: 


hingen,  nur  durchweg  mit  dorn  Flocht«»  rkornament  ilhersponnen, 
zeigt  da*  Winwickkreuz        während  die  Kreuze  aus  Halton  und 


Fig.  IN.   Stein  von  Si.  Madoes  am  Tay. 


Hcysham  (Laneashire)  im  Kritischen  Museum  rohe  menschliche  Ge- 
stalten mit  Kuncninschriften  enthalten*06).    Das  9.  und  die  erste 


205)  J.  R.  Allen,  Description  of  Winwick  Gross  im  Journal  of  the 
Brit.  archaeol.  assoc.  XXXVII,  p.  91.  m 

206)  J.  R.  Allen,  Prenorman  eroeses  at  Halton  and  Heysharn  im 
Journal  of  the  Brit.  archaeol.  assoc.  XL11,  p.  326.  Auf  dem  einen  wird 
in  Runen  Cunibalth,  der  Sohn  des  Cuthbert  genannt.   Vgl.  Stephens, 


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Merowingische  und  karolingisihc  Flastik. 


IM 


Hälfte  de»  10.  Jahrhunderts  weisen  ein««  ganze  Fülle  von  künstle- 
risch durchgeführten  Hochkreuzen  auf,  auf  denen  neben  dem  immer 
noch  »ehr  regelmässigen  Flechtwerkornameiit  ganze  Scenen  mit 
biblischen  Darstellungen  —  freilich  den  Reichthum  der  irischen 
Kreuze  nicht  erreichend  —  vorkommen.  Ganz  roh  durchgeführte 
Basreliefs  mit  dickköpfigen  plumpe)»  Embryonen  finden  sieh  auf 
einem  Kreuz  in  der  alten  Kapelle  zu  Auldbar  *"7)  —  die  Kreuze 
zu  Checkley  und  llam  (StafTordshirc)  und  zu  llklcy  (Yorkshire) ,os) 
zeigen  die  menschlichen  Gestalten,  deren  Umrisse  scharf  ausge- 
stochen sind,  gleichfalls  überzogen  mit  Flechtwerk,  analog  den  iri- 
schen Handschriften.  Eine  cigcnthümliche  Zwiseheustellung  zwischen 
Grabplatten  und  Hochkreuzen  nimmt  der  Stein  von  St.  Madoes  am 
Nordufer  des  Tay  ein,  dessen  Vorderseite  ein  vollständiges  Kreuz 
enthält  mit  Flechtwcrk,  geometrischen  und  Spiralmotiven  mit  Mittel- 
ring und  Fenstern,  bei  dem  aber  der  Grund  der  Steinplatte  nicht 
abgestochen,  sondern  mit  Thierdarstellnngen  bedeckt  ist  —  die 
Rückseite  zeigt  drei  Reiter  in  Kriegsmänteln  mit  Spitzhauben m) 
(Fig.  18  naeh  Allen).    Diese  zwei  Gruppen  bezeichnen  den  Aus- 


Handbook  ol*  Kuuic  monutnents  p.  124.  Kinige  aus  dieser  Gruppe  zeigen 
bereit«  eine  Arkadenstellung,  gehören  demnach  schon  dein  10.  Jh.  an 
(vgl.  über  diese  Form  Anderson,  Scotl.md  in  early  Christian  times  II, 
p.  73).  Drei  den  in  Lancashire  entsprechende  Kreuze  uoch  aufrecht  in 
Whaliey  (Whitaker,  History  of  Whalley.  1876.    II,  p.  15). 

207)  Patrick  Chalmers,  The  ancient  seulptured  stones  of  the 
county  of  Augus  pl.  2. 

208)  O.  F.  Browne,  On  basket  -  work  figures  of  inen  represented 
on  seulptured  stones  i.  d.  Archneologia  L,  p.  287,  pl.  22.  lieber  die,  im 
Kirchhof  zu  Checkley  bei  Uttoxetcr  befindlichen  vgl.  Camdon,  Britannin 
ed.  Goughll,  p.  49;  Archaeologia  II,  p.  48.  Eine  Reihe,  von  Abbildungen 
bei  C.  Lyuam,  The  ancient  chxirchyard-crosses  of  Staffordshire  im  Journal 
of  theBrit.  archaeol.  assoc.  XXXIII,  p.  432.  Vgl.  auch  schon  PI ot,  Natural 
History  of  Staffordshire  p.  Ii3,  432,  wo  sie  aber  unrichtig  als  Danish 
pyramidal  stones  bezeichnet  sind,  lieber  die  Kreuze  von  llklcy  vgl. 
ausführlich  J.  K.  Allen,  The  crosses  at  Ilkley  im  Journal  of  the 
Brit  archaeol.  a#soc.  XL,  p.  158.  Die  Umrisse  sind  hier  mit  äusserst  er 
Schärfe  gezogen,  die  Figuren  not  aufgehobenem  Ornament  bedeckt.  Vgl. 
noch  Ca m den,  Britannia  ed.  Gough  III,  p.  239;  Lelands  Itinurnry,  ed. 
Thomas  Hcarnc  I,  p.  144;  F.  J.  Pettigrew,  The  monumental  crosses 
at  Ilkley  and  Colüngham  im  Journal  of  the  Brit.  archaeol.  assoc.  XX, 
p.  310.  Abbildungen  bei  J.  Phillips,  Rivers,  Mountains  and  Sea-Coast 
of  Yorkshire.    1856.  pl.  17. 

209)  J.  Roinilly  Alleu,  On  the  discovery  of  a  aculptured  stouo  at 


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f.? 


Paul  Cl einen: 


gang  und  den  Endpunkt  der  rapiden  Entwicklung,  die  die  Kreiir.- 
sculptur  im  0.  und  10.  Jahrhundert  durchmacht  —  denn  auch  die 
Arbeiten  von  Staffordshire  fallen  noch  vor  die  normannische  Er- 
oberung. Eines  der  vollendetsten  Kreuze  ist  das  Cnrewkrenz  (Pem- 
brokeshire  i  s,üi,  «her  14  Fuss  hoch,  mit  hoher  Basis  und  ausser- 
ordentlich sorgfaltig  durchgeführter  Ornamentik,  in  dessen  nüchste 
Nähe  die  sehr  verwandten  Kreuze  zu  Nevern  il'embrokeshire)  und 
da»  Llantwit kreuz  (Glamorganslnrei  gehören811).  Die  Kreuze  von 
Cornwall S1S)  und  Wales*13)  bilden  die  Vcrbindnngsbrflckc  nach  Ir- 

St.  Mndnes  i.  «I.  Proccedingx  of  the  society  of  antiquarics  ol'  Scolland,  new 
serie«  V,  p.  211.  Line  ähnliche  Verzierung  der  Rückseite  mit  Heiter- 
gestalten  auf  den  Steinen  von  Mortlach  und  Eilanmore  (Stuart  I.  e.  I, 
jil.  ll\  ausserdem  zu  Klgin,  Cadholl.  Shandwick,  Kirrienuir,  Dunfallandy 
u.  s.  w. 

210>  Die  Datirung  dieses  merkwürdigen  Kreuzes,  dessen  Schaft 
nicht  aus  einem  Monolith  besteht,  Knuden»  aus  zwei  Stücken  zusammen 
gesetzt  ist,  unterliegt  einigen  Schwierigkeiten.  Die  Inschrift  ist  nicht 
ohne  weiteres  zu  entziffern.  Westwood,  Lapidarium  Wulliae  Nr.  LVII, 
p.  120  las:  Maygit  eittre  cette;  J.  Graves.  Archaeologia  Cambrensis  4.  sei-.,  _ 
XXXIX,  p.  226:  Magy  gitentrecette  (d.  h.  der  Sohn  von  (iitentrecette); 
Hühner,  Inseribed  stoncs  of  Wales  p.  7  mit  Westwood  in  Gentlemeu'« 
Magazine  1861  p.  44:  Margcteud  fi(lius)  Fcettey.  Ich  lese  mit  Walter 
de  Gray  Kirch,  Notes  on  the  iuscription  of  the  Carew  crom»  im  Journal 
of  the  Brit.  archacol.  assoc.  XLI,  p.  405  die  mit  einem  stumpfen  Messel 
ausgepickte  Inschrift : 

Mn<|y  glt 
ent    i     y  e 
cettey 

Matjy  erscheint  auf  dem  Stein  St.  Dogmaeis  als  die,  irische  Oghatnform 
für  tilii;  g(i)lteut  ist  die  alte  Forin  für  Iltud  oder  Htm.  Darnach  heisst 
die  Inschrift:  (Das  Kreuz  von)  dein  Sohn  von  lltut,  (dem  Sohn)  von  Kcett. 
Diese  Torrn  Feettey  lindet  sich  ähnlich  auf  dem  Grabstein  des  Mechell 
in  Penrhos  Llugwy  (Hic  iacet  Maceuq  ecceti  —  Hees,  Kssay  on  the  Welsh 
Saints  p.  308).  Mechell  war  aber  der  Sohn  von  Kchwydd  ab  Gevyn 
Gohoyw,  somit  lasst  sich  auch  auf  dem  Carewkrcuz  die  letzte  Form  er- 
setzen durch  Kchwydd  iG  r  a  y  Bin-  h  a.  a.  O).  Vgl.  die  Abb.  im  Ar- 
chaeological  jnurnal  III,  y.  71;  X,  p.  285. 

211)  Archaeological  journal  X,  p.  285. 

212)  A.  G.  Langdon  and  J.  K.  Allen,  The  early  Christian  moiiu- 
ments  of  (Umwall  iin  Journal  of  the  Brit.  archaeol.  assoc.  XLIV,  p.  301, 
geben  eine  sorgfältige  geographische  Aufztthlung  mit  vielen  Abbildungen. 
Andere  Abb.  in  The  Builder  1889,  30.  MJtrz.  Ucber  das  Ornament  A.  G. 
Laugdon  im  Journal  XLV,  p.  318. 

213)  J.  O.  West  wood,  Lapidarium  Walliae.  London  187«.  pl.  15.  p.  28 


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Merowingische  nnd  karolingischc  Plastik.  93 


Und  hinüber  und  geben  zugleich  wieder  Anhaltspunkte  für  eine 
feste  Datirung:  das  Llantwitkreuz  ward  von  Samson  im  Anfang 
des  9.  Jahrhunderts  genetzt  ,  das  letzte  zu  Margam  von  Einion 
um  (KW. 

Von  den  45  in  Irland  erhaltenen  IToehkreuzeii  tragen  nicht 
weniger  als  acht  Inschriften,  die  eine  genaue  zeitliche  Fixirung  zu- 
lassen. In  erster  Linie  stehen  die  beiden  Kirchhofe  von  Monastcr- 
boice  und  Clonmacnois.  Auch  hier  bildet  das  10.  Jahrhundert  deu 
Höhepunkt  der  künstlerischen  Bewegung  in  der  Lösung  der  grössten 
Aufgaben.  Die  beiden  ftlr  die  Geschichte  der  Plastik  werthvollsten 
Stocke  sind  diis  Kreuz  des  Königs  Fland  zn  Clonmacnois SM)  und 


bildet  das  grosse  Radkreuz  von  Margam  ab,  das  auf  einem  Mensaartigen 
Unterbau  steht,  und  auf  dein  kurzen  Fuss  in  grobem  Basrelief  je  zwei 
dickköpfige  Gestalten  zeigt.  Vgl.  Strange  i.  d.  Archaeologin  VI,  pl.  III, 
Fig.  7;  Douovftii,  Tours  in  Wales  II,  p.  24.  Die  Inschrift  auf  dein  dritten 
Kreuze  zu  Llautwit  Major  (Glnuiorgaushire)  besagt,  dass  es  von  Samson 
für  seine  Seele  und  die  von  Juthahel  und  Arthmael  errichtet  ward.  Arth- 
utael  war  der  Grossvater  von  Howell  ap  Rhys,  der  884  erwRhnt  wird 
(Asser,  Life  of  King  Alfred.  Oxford  1772.  p.  4!».  Der  erste  Stein  zu 
Margam  (West  w  oo d  p.  29)  ward  laut  Inschrift  von  Euniaun  für  die  Seele 
von  Guorgoret  gefertigt:  Einion,  Sohn  von  Owain  wird  aber  im  Gwvntiau 
chrouiele  (The  Gwentian  chronicle,  publishcd  by  the  Cambrian  arcliaeo- 
logical  nssociation  18153,  p.  31)  unter  dem  Jahre  f>fiß  erwähnt.  Die  Reihe 
dieser  skulptirleu  Kreuze  lässt  sich  in  England  wie  in  Wales  noch  weit 
über  das  10.  Jahrhundert  hinaus  fortsetzen.  Das  Kreuz  behielt  im  eigent- 
lichen England  eine  hervorragend«!  Stellung:  die  normannische  Plastik 
nahm  es  im  Anfang  des  11.  Jh.  in  die  Tympana  ihrer  Kirchen  auf,  in 
einer  Form,  die  durchaus  den  Kreuzen  de«  !).  Jh.  gleicht,  so  zu  Findern 
(Derbyshire),  Wold  Newton  (Yorkshire).  Vgl.  C.  E.  Key  »er,  Archaeologin 
XLV1I,  p.  16»;  Hhnlich  an  deu  Taufbecken  in  Lianfair  y  Cymwd,  Llan 
Jestyn,  Kea  (Archaeological  jourual  I,  p.  126).  Auch  die  Kreuze  zu  Kirby 
Stephen,  Westmoreland  (Stephens,  Studieson  Northern  Mythology  p.  379), 
das  Farnellkreuz  im  Montrosemuscum  (Anderson,  Scotland  in  early 
Christian  times  II,  p.  161 1,  die  rohen  Sculpturen  zu  Stoke  sub-Hamdon, 
Somerset,  zu  Beckford  chureh,  Gloucestcrshire;  Parwich,  Derbyshire, 
tragen  noch  den  Stempel  der  angelsächsischen  Plastik  des  9.  und  10.  Jh., 
sind  aber  sicher  Arbeiten  des  11.  Jh.  Ausführlich  hierüber  die  vortreff- 
liche Arbeit  von  J.  R.  Allen,  Notes  on  early  Christian  »ymbolism  i.  d. 
Proceedings  of  the  society  of  antin,uarles  of  Scotland,  new.  sor.  VI,  p.  380. 

214)  Das  Kreuz  tragt  die  Inschrift:  Or  do  Flaiud  Mac  Maelsechlnind 
Colman  Dorroini  in  Croissa  ar  in  ri  Flaud  (Bete  für  Fland,  Sohn  des 
Maelsechlaind;  Colman  machte  dies  Kreuz  für  König  Fland).  Dieser  Fland  ist 
der  Sohn  des  «63 1  Königs  Malachy  und  folgte  Aed  Finnliath  in  der  höchsten 


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Paul  Clemcn: 


und  das  dos  Muiredach  zu  Monasterboice  das  erstere  914,  daB 
zweite  '.»24  geschaffen.  Der  Meister  des  ersten,  t'ohnan,  ist  die 
künstlerische  Persönlichkeit ,  nnter  deren  Einflnss  die  späteren  iri- 
schen Plastiker  des  Jahrhunderts  stehen.  Sein  Kreuz  zeigt  nicht 
nur  in  dem  oberen  Medaillon  die  Kreuzigung  in  starkem  Basrelief, 
sondern  auf  dem  Fussc  zum  ersten  Mal  auch  drei  historische  Scenen, 
in  denen  zweimal  König  Eland,  immer  mit  einem  breiten  und  langen 
Barte,  und  einmal  Abt  Colman  Conaillech  vorkommt ,lG),  die  älteste 

Gewalt  in  Irland,  er  starb  914  (O'Donnavan,  Annais  of  the  four  masters  II, 
p.  564),  Colman  selbst  924:  Damit  ist  das  Kreuz  auf  10  Jahre  genau  datirt.  Vgl. 
George  Petrie,  Christian  inscriptions  in  the  Irish  language.  Dublin 
1872.  I,  pl.  XXXIII,  Fig.  86,  p.  42;  Petrie,  Kcclcsiasticnl  architecture  of 
Ircland  p.  269;  Ledewich,  Ant.  Ireland  p.  5.  Ausführliche  Abbildungen 
bei  Du  Noycr,  Sketches  for  Ordnance  Snrvey  in  der  Bibl.  der  Royal 
Irish  Academy  zu  Dublin  (VII,  Nr.  16-25). 

215)  Die  Inschrift:  Or  do  Muiredach  lasandeniad  in  Chrossa  (Bete 
für  Muiredach,  der  dieses  Kreuz  machte)  ist  zweideutig.  Ks  gab  zwei 
Achte  diese«  Namens,  der  1.  f  844,  der  2.  t  924.  Der  Vergleich  mit  dem 
Kreuz  von  Cloninacnois  giebt  den  Beweis,  dass  das  Kreuz  von  Monastcr- 
boiee  dem  2.  Murdoch  zuzuschreil)en  ist,  nach  den  Annais  of  Ulster  dem 
Sohne  Domhalls,  dem  Nachfolger  Buites,  Sohn  Bronachs:  es  schliesst  sich 
in  der  Anordnung  des  Basreliefs  völlig  jenem  an:  der  Künstler  stand  hier 
offenbar  unter  dem  Einflüsse  einer  stärkeren  Persönlichkeit.  Vgl.  George 
Petrie,  Christian  inscriptions  in  the  Irish  language.  I,  p.  66,  pl.  XXVI; 
Petrie,  Ecclesiastical  architecture  of  Ireland  p.  406;  Henry  ONeill, 
Illustration«  of  the  most  interestiiig  of  the  sculptured  crosses  of  ancient 
Ireland.  London  1857.  Die  den  Dimensionen  nach  bedeutendsten  Kreuze 
sind  noch  späteren  Ursprungs.  Das  höchste,  dns  Tuainkrciiz,  14  Fuss  hoch, 
das  nächste,  das  18  Fuss  hohe  Kreuz  zu  Kilkieran  (county  Kilkenny). 
Das  Kreuz  zu  Tuam  (county  Galway)  erscheint  nach  den»  tief  einge- 
schnittenen Flechtwerkomament  als  ein  Werk  des  10.  Jahrhunderts  An 
der  Basis  finden  sich  indessen  unter  den  Inschriften  zwei,  die  eine  feste 
Datirnng  gestatten.  Die  eine  lautet:  Or  dn  Thoirdelbuch  U'Choncubuir, 
don  Dabbaid  Jarlath  las  in  dernad  insae  Chrossa  (Bete,  für  Turloch  O'Conor, 
Abt  von  Jarlath,  von  dem  dies  Kreuz  gemacht  ward);  die  andere:  Or  do 
U'Ossin,  don  Dabbaid  las  in  dernad  (Bitte  für  O  Ossin,  den  Abt,  von  dem 
dies  Kreuz  gemacht  ward).  O'Conor  war  König  von  Irland  von  1121  —  1156 
und  als  solcher  Abt  von  St.  Jarlath,  der  Abt  Aed  O'Ossin  lebte  I12H— 1158: 
demnach  stammt  das  Kreuz  bereits  aus  der  1.  Ualfle  des  12.  Jh. 

216)  An  dem  Kreuze  de«  Murdoch  ist  der  Schaft  ganz  von  Darstel- 
lungen zur  Geschichte  Christi  erfüllt  in  streifenartigen  Basreliefs,  wahrend 
ilie  Rückseiten  bei  beiden  durch  ein  jüngstes  Gericht  eingenommen  sind. 
Abweichend  ist  das  Drumclifl*  cross,  das  etwa  800  Fuss  von  der  Pfarr- 
kirche zu  Drumclifl*  ausserhalb  des  Kirchhofes  steht.    Ks  zeigt  in  der 


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Merowingisehe  and  karolingische  Plastik. 


96 


erhaltene  Portraitdarstellung  in  der  Qrosssculptur MT),  Auf  den 
letzten  dieser  Schöpfungen  geht  das  Fleehtwerk  tarcits  dnreh  die 
Verbindung  mit  der  Thicrornamentik  seiner  Vcrbildnng  entgegen; 
im  11.  Jahrhundert  gelangt  diese  neue  Verknüpfung  von  Thier- 
Icibern  mit  durehflochtenen  engmaschigen  Bändern,  die  schon  100 
Jahre  früher  in  der  Buchmalerei  aufgetreten  war,  auch  in  der 
.Steinplastik  zur  Herrschaft;  ein  typisches  Beispiel  für  diese  Aus- 


läufer der  irischen  Bandornameutik  bietet  das  Grab  von  Cormac 


Milte  eine  Kreuzigung,  und  die.  begleitenden  Seenen  auf  der  Westseite, 
auf  der  Ostseite  zu  Unterst  Adam  und  Eva,  dann  David  und  Goliath,  zu 
oberst  Christus  als  Weltrichter.  Die  gleiche  Darstellung  an  den  Kreuzen 
ztt  Tenninfeekin  (Louth)  und  Arboe  (Tyrone).  Vgl.  Henry  O'Neill,  The 
fine  arts  and  civilization  of  ancient  Ireland.  London  1H68.  p.  29.  Das 
Kreuz  zu  Killamery  zeigt  die  Kreuzigung  und  den  Wagen  des  Elias  (das 
Symbol  der  Himmelfahrt),  das  zu  Uliard  die  Kreuzigung  mit  einer  typo- 
'logischen  Darstellung,  dem  Opfer  Isaaks,  das  Kreuz  zu  Moone  Abbey 
nicht  weniger  als  20  Seenen  aus  dem  alten  und  neuen  Testament,  höchst 
interessant  durch  das  frühe  Vorkommen  der.  typologischen  Gegenüber- 
stellung (O'Neill,  Illustration«  of  the  sculptured  stones  of  ancient  Ireland 
pl.  17).  Eine  Zusammenstellung  des  ikonographischen  Inhaltes  der  Kreuze 
bei  Margaret  Stokcs,  Early  Christian  art  in  Ireland  II,  p.  18. 

217)  Die  irischen  und  waelischen  Kreuze  sind  sitmmtlich  kirchliche 
und  zwar  zunächst  Sacralalterthümer ;  anders  scheint  mir  die  Sache  bei 
einigen  schottischen  und  den  vereinzelt  im  9.  und  10.  Jh.  in  der  Nor- 
mandie  errichteten  Kreuzen  zu  liegen.  Sie  sind  weit  eher  als  Wegkreuze 
und  als  Grenzmarken  zu  fassen,  vielleicht  überhaupt  als  Symbol  einer 
weltlich-geistlichen  Macht  an  Stelle  der  römischen  Säulen.  So  scheint  mir 
auch  das  Kreuz  zu  Trier  zu  erklären  zu  sein,  so  auch  vor  allem  dns  zu 
Grisy  (Calvados).  Als  Zeichen  des  Marktbannes  kommt  das  Kreuz  in 
Aquitanien  schon  um  die  Mitte  des  «>.  Jh.  vor  in  der  Translatio  S.  Filiberti 


Fig.  19.    Grab  von  Cormac  Mac  Carthy. 


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Paul  Clemcn; 


Mac  Cartbv  (Fig.  19)  in  der  Cormacskapelle  auf  dem  Felsen  von 
Cashel  *'»). 

Die  inerowingisehe  und  karolingische  Steinplastik. 

Zu  der  merowingischen  Plastik  bilden  die  Vorstufe  und  das 
Ucbergangsglied  die  gallo-römischen  Seulpturen,  unter  der  Aufsicht 
oder  naeb  der  Anleitung  und  den  Vorbildern  der  Römer  von  nn- 
gesehulteii  gallischen  Steinmetzen  geschaffene  Arbeiten.  Die  Sym- 
ptome sind  dieselben  wie  in  Italien:  je  spater,  desto  unverständlicher, 
gröber,  geistloser  die  Wiedergabe  und  Ausführung.  Die  Plastik 
der  ersten  vier  Jahrhunderte,  zumal  in  der  Gallia  Narbonncnsis  ist 
systematisch  durchforscht:  das  ist  noch  Domaine  der  klassischen 
und  christlichen  Archäologie.  Vom  5.  Jahrhundert  bis  in  das  9. 
aber  ein  grosses  Pausü  en ,  hier  und  da  gelegentlich  erwähnte 
Hroeken ,  in  den  Provinzialmuscen  verstreute  Bruchstücke.  Aber 
die  künstlerische  Thätigkeit  setzt  nie  aus.  Au  den  Hauptpunkten 
des  römischen  Kulturlebens  erlosch  die  Erinnerung  an  Rom  und  die 
römische  Kunst  niemals:  wenn  auch  die  Technik  verloren  ging,  die 
Haudwcrkstradition  entschwand,  die  Vorbilder  der  grossen  unzer- 
störbaren Arbeiten,  der  Tempelreliefs,  der  Triumphbogenreliefs  blieben 
doch  bestehen.  Nur  mit  den  Randfiguren  ward  eifriger  aufgeräumt: 
es  ist  bezeichnend,  dass  die  ganze  inerowingisehc  Kunst  sehr  viel 
römische  Reliefs,  aber  nie  ein  römisches  Rundbild  nachgeahmt.  Der 
Gruud  hierfür  liegt  nicht  allein  in  dem  Mangel  der  Technik,  sondern 
auch  in  dem  Mangel  der  Vorbilder. 

Aus  der  letzten  Zeit  der  Römcrherrsehaft  stammen  noch  einige 
rohe  Riindfigaren.  Da  ist  einmal  im  Mnsee  Calvct  in  Avignou s,;') 
die  bei  Montdragou  (Vauclusei  gefundene  Statue  eines  gallischen 

1.  I,  c.  72:  Mabillon,  Act« SS.  ord.  S.  Bened.  IV,  1,  p.  551,  als  Frohnung*- 
symbol  erscheint  es  spater  howoIiI  in  Frankreich  als  auch  in  Deutschland 
(Rieh.  Schräder,  Das  Weichbild  S.  320)  und  int  auch  dem  altnorwegi- 
Hchcn  Recht  bekannt  gewesen  (Krit.  Vierteljahrsschrift  XVIII,  S.  41,  59). 
Vgl.  lt.  Schröder,  Deutsche.  Rechtageschichte.    Leipzig  1HK9.  S.  110. 

218)  Breuer,  BeautieK  of  Ireland  I,  p.  113. 

219)  Le  guerrier  gaulois  i.  d.  Revue  archeolngi«|ite  XVI,  p.  69.  Die 
Figur  ist  ohne  Kopf  noch  1,90  m  hoch.  Der  ITiubo  (Schildlmckel)  ent- 
spricht  vollständig  denen  von  dem  gallischen  (Irableld  zu  Saint  Etiemio- 
uu -Tempi«  und  einem  im  Museum  zu  St.  Oerinain  -  en  -  Laye  (Sani  7, 
vitrine  10). 


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Merowingische  und  karolingische  Plastik.  97 


Krieger»,  im  Kostüm  des  4.  »der  f>.  Jahrhunderts,  mit  langem  Schild 
mit  Metallbuckel  und  Ringen  um  die  nackten  Arme.  Dann  eine  rohe 
Dcmeterstele  in  Nolay  (Cöte  d'Or)  **%  die  Statue  einer  Caritas  mit 
zwei  Kindern  im  Arm  in  Compiegne  >,  jetzt  ohne  Kopf,  von  barbari- 
scher Rohheit  und  ohne  jede»  Verständnis«  des  Faltenwurfes,  eher 
den  Statuen  vom  heiligen  Wege  des  Didvmäischen  Apollon  bei 
Milet  gleichend  als  den  Arbeiten  der  spätrömischen  Kunst.  Ihnen 
reiht  sieh  im  Stadtinnseuiu  zu  Diuau  <Cötea-dn-nord)  ein  grosses 
Relief  (luv.  liV.fi  an  mit  der  rohen  Darstellung  eines  Tritons,  der 
einen  Hippokampen  am  Zügel  führt '-i:  es  zeigt  bereits  das  .Model- 
liren in  zwei  Flüchen,  ein  blosses  Ausstechen  der  Umrisse  und  Aus- 
heben des  firmnies. 

Neben  der  langsam  untergehendem  römischen  Tradition  machen 
sich  nun  aber  zwei  Elemente  in  der  grossen  Plastik  -  im  Gegen- 
satz zu  der  Kleinplastik  der  Elfenbeinarbeiten,  die  besonderen  Ge- 
setzen folgt  und  am  .Seliluss  abgesondert  behandelt  werden  soll  — 
geltend,  einmal  gewisse  Ornamente  des  Völkerwanderungsstilcs.  aber 
in  sehr  einseitiger  Auslese,  und  dann  neue  Dekorationsmotive,  die 
durch  eine  Vermischung  und  Zusaiiimenziehnng  von  spät  römischen 
und  altehristlichen  Erinnerungen  mit  einheimischen  fränkischen 
Kuuxttraditioncu  entstehen.  Der  Süden  Frankreichs,  auf  dem  die 
romische  Cultur  gleichsam  incrustirt  war.  entwickelte  auch  eine 
Plastik,  die  noch  am  stärksten  den  römischen  Anschauungen  folgt. 
•Sic  zeigt  sich  am  deutlichsten  und  reinsten  an  den  neuen  plasti- 
schen Aufgaben,  die  die  christliche  Kirche  gebracht  hatte.  Da  sind 
zunächst  die  Altine  in  der  Form  der  steinernen  mensae  mit  vier  Eck- 
säulen.  Der  iiiteste  dieser  (i nippe  aus  C'liarnics  •'Ardechci  im 
Museum  zu  St.  (»ermain  -  en  -  Laye  (luv.  gehört  noch  dem 

;*).  Jahrhundert  an.  Die  H»8X1MI  (  i»  grosse  Mannorplattc  zeigt  an 
der   vorderen  Seite  in  der  Mitte  das  Kreuz  mit  A  und  (0.  zur 

•220)  Ed.  Flouest,  Deux  steles  de  Laraire.  Paris  1885.  V;  Bull, 
monum.  «.  ser.  I,  p.  559. 

221)  Abgiiss  im  Museum  zu  St.  Gerinain-en-Layc  Nr.  3(525. 

222)  Anatole  de  Barthclciny,  L'nrt  jran'ois  d.  Revue  archeol. 
nonv.  ser.  X,  p.  1.  pl.  15.  Kutdeekt  in  Brondineuf.  Ab-russ  in  St.  Germain- 
en-Layc  Nr.  20338.  Eine  Reihe  ähnlicher  Arbeiten  hei  Eugene  II  u  eh  er, 
L'Art  Gaulois.  Paris  1870  und  im  Bulletin  mmiuincntnl  XXI,  p.  73;  Der»., 
Do  l'art  eeltique  A  l'epoque  merovin<jieiinc  du  musee  archcologiqnc  du 
Maus  i.  d.  Revue  historique  et  archeologique  du  Maine  Vllt,  1881. 

Juhrli  d.  Vor  v.  Altortlnfr.  im  Rheiiil.  XCII.  7 


9« 


Paul  Cleinon: 


Seite  je  sechs  Lämmer,  auf  der  Rückseite  je  sechs  Vögel,  an  den 
Seitenflächen  in  der  Mitte  einen  Lorbeerkranz  und  zur  Seite  je  drei 
Vögel.  Das  ist  ein  durchaus  altchristlichcs  Motiv,  das  sich  direkt 
au  die  Dekoration  der  bekannten  sudfranzösischen  Sarkophage  an- 
schlicsst  mh  Der  Altar  in  der  Cathedrale  zu  Kodez,  der  inschrift- 
)k-h  ans  dem  6.  Jahrhundert  stammt,  zeigt  als  Einrahmung  der  vier- 
eckigen Platte  einen  ltnndbogenfries ,  dessen  Nasen  mit  leicht  be- 
handelten Rauken,  eigentlich  nur  je  zwei  Stielen  mit  einem  Blatt, 
verziert  sindmi.  Die  gleiche  Ausschmückung  zeigt  die  Altarplatte 
von  Sauvian  'Hcranltj,  die  dadurch  in  die  Nähe  gerückt  wird, 
ebenso  der  Altar  aus  der  Cathedrale  von  Roussillou  in  Eine  und 
der  Marmoraltar  aus  dem  Kloster  von  Peilhau  i  Herault),  jetzt  in  der 
Domaiuc  de  Saint-Louis  bei  Beziers.  Alle  diese  Altäre  gehören  last 
ausschliesslich  der  Provence  an  —  die  Reihe  Hesse  sich  noch  ver- 
vollständigen —  und  zeigen  einen  ganz  ausgesprochenen  Schul- 
charakter. Wir  linden  so  bereits  im  6.  und  7.  Jahrhundert  eine 
christliche  Steinmetzschnle  in  der  Provence,  deren  Hauptwerke  durch 
Altäre  repräsentirt  werden.  Ein  Gegenstück  dazu  wird  die  nord- 
tranzösische  Schule  der  Sarkophagarbeiten  bieten.  Dem  7.  Jahr- 
hundert gehört  alsdann  an  der  Altar  aus  der  Kapelle  von  Saint- 
Viktor-de-Cnutel  im  Stadtmuseum  zu  Bagnols  ***)  ffJardi,  bei  dem 
die  Säulen  nur  als  Dreiviertelssäulen  den  massiven  monolithen 
Unterbau  tlankireu  —  die  eine  Schmalseite  zeigt  unter  einem  Rund- 
bogen das  Christuskreuz  mit  der  Taube.  Eiu  ganz  ähnlicher  in 
Tarascon  "•*•>.  Neben  ihm  steht  der  Altar  aus  St.  Pierre  in  Hain 
in  der  Bibliothek  zn  Valognes  *"),  der  genauer  zu  tixiren  ist  :  die 

223)  Vgl.  zuletzt  Aug.  Prost,  Loh  nnoiens  sarcophnges  chieticns 
de  la  Gaule  i.  d.  Revue  archeol.  3.  scr.  IX,  p.  329;  X,  p.  öl,  195,  mit  voll- 
ständiger Angabe  der  reichen  Litteratur. 

224)  L.  Noguier,  Auteln  Roman»  dans  le  midi  de  la  France  im 
Bull,  monum.  XXXVII,  p.  185:  C.  B  o  u  e  t  im  Bull,  monnm.  XXXVII, 
p.  390,  401. 

225)  Lpon  Alögrc,  Antel  roman  depose  au  musöe  de  ßngnols 
im  Bull,  monum.  XXXVII.  p.  896;  Rcvoil,  L'architecture  du  midi  de  la 
France  III,  p.  19.    Abb.  bei  Rohault  de  Fleury,  La  messe  1,  pl.  4>. 

226)  De.  Caumont,  Abecpdaire  p.  37. 

227)  Bull,  monum.  IV,  p.  97;  VI,  p.  101;  XXVI,  p.  725;  XXV1J, 
p.  130;  De  Onumont,  Abecedaire  p.  36.  Ausführlicher  Lecliandc 
il'Anisy.  Dtscription  de  l'ancien  autcl  du  Harn  i.  d.  Memoire*  de  la  societe 
den  iintio^nnires  de  Normnndio  2.  ser.  VII,   p.  213.    Frodomnndus,  der 


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Merowingische,  und  karolingischc  Plastik. 


Inschrift  in  barbarischem  Latein,  die  er  trägt,  berichtet  von  der 
Stiftung  des  Altares  im  Jahre  076  durch  Frodomundus.  Die  Lias- 
platte,  aus  der  die  mensa  besteht,  enthält  in  der  Mitte  ein  ge- 
riefeltes Ankerkreuz  mit  aufgelegtem  quadratischen  Kähmen. 

Die  provencalische  üeberlieferung  setzt  sieh  noch  durch  das 
8.  und  9.  Jahrhundert  hindurch  fort.  Ich  möchte  ihr  eine  Reihe 
von  Altären  zuweisen,  deren  Datirung  bei  der  grossen  Einfachheit 
im  Ornament  schwierig  ist,  die  aber  einmal  unter  sieh  und  dann 
mit  den  beglaubigten  Stücken  der  provenealisehen  Schule  eine 
solche  üebcreinstimmnng  aufweisen,  das»  ihre  Zutheilnng  zu  dieser 
Gruppe  gerechtfertigt  erscheint.  Nur  einer  der  spätesten  ist  datirt, 
der  Altar  aus  Capestang  im  Musee  lapidaire  zu  Beziers,  der  zwischen 
898  und  923  ausgeführt  ward  ***).  Ein  früherer  befindet  sich  noch 
in  der  Nähe  von  Bczicre**9),  ihnen  sehliesst  sich  der  Altar  in  der 
Kirche  zu  Vancluse*30)  und  zu  Vienne  (Isere)  an"1).  Die  Altäre 
in  der  Cathedrale  zu  Magnelone  (drei)  und  Notre-Dame-de-Quarante 
(zwei)  halte  ich  dagegen  für  spätere  Arbeiten  des  10.  und  11.  Jahr- 
hunderts, schon  ihrer  bedeutenden  Dimensionen  wegen:  die  Platte 
des  einen  Altars  in  Notre-Dame-de-Quarante  misst  1,24  X  2,12  m. 

Den  Altären  gegenüber  steht  eine  andere  Klasse  von  kirch- 
lichen Gegenständen,  sämmtlich  Grabalterthfimer,  Grabplatten,  auf- 
rechte Denksteine  und  endlich  Sarkophage.  Hier  steht  am  Anfang 
eine  ganze,  deutlich  abzugrenzende  Gruppe,  die  direct  von  den  spät- 

Bischof  von  Coutanccs  weihte  im  gleichen  Jahre  die  Kirche  zu  Ehren 
der  h.  Jungfrau.  Vgl.  Pere  Longneval,  Historia  Gallicana  IV,  p.  80 
not.  1;  Charles  Trignan,  Histoire  ecelesia.stique  de  la  Normandie.  Caen 
17ÜJ).  Die  Inschrift  bei  Mahillon,  Annales  Benedict.  I,  538,  667.  Sie  lautet 
genau  in  Majuskeln  ohne  jede  Trennung  der  Worte :  +  Coiistantininsis  urhis 
reetur  domnua  Frodomundus  pontifex  in  honore  ahne  Maria  genetricis 
doniini  hoc  templnin  hoequae  altare  construxsit  mliliter  adque  digne  de- 
dieavit  mense  augiigto  me.dio  et  hic  festus  celebratus  die«  sit  per  annus 
singolus.    Abb.  Kohault  de  Flexi ry,  La  messe  I,  pl.  45. 

228)  Bulletin  de  la  societe  archeologique  de  Beziexs  1875,  p.  175; 
1K76,  p.39I.  Abb.  Rohault  de  Fleury.  La  messe  I,  p.  73.  Die  Inschrift 
lautet:  t  Ccsarius  presbit(erl  e(t)  rector  presh(itci)  qui  in  (h)onore  saneti 
IVnctnosi  marti(ri)s  ChriMti  inssit  facere  nrnm  princ(ipalcm)  regnnnte  Carulo 
post  hobitum  Oddoni  regis. 

229)  Bull,  de  la  aoc.  nreh.  de  Ber.ier*  1W<\,  p.  162. 

230)  J.  F.  Andre,  Antel-table  de  l  eglise  de  Vaueluse  i.  d.  Revue 
de  l  art  chretien  II,  p.  110. 

1>3I    Holet  tili  de  Fleury,  La  messe  I,  pl.  52. 


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100 


Pnul  Clemen: 


römischen  Grabfigaren  ausgeht,  die  aber  auf  der  einen  Seite  alt- 
christlichc  Symbolik,  mit'  der  anderen  Motive  <lcr  Ornamentik  des 
Völkerwanderungsstilcs,  freilich  unverarbeitet  und  uiivcrhunden,  eben 
nur  die  Motive  nebeneiiiandergesetzt  enthält.  Zu  den  interessante- 
sten gehören  vier  Basreliefs  in  Garin  (Haute  -  Garonne),  die  in  der 
oberen  Hälfte  je  zwei  menschliche  Halbfiguren  zeigen  in  Vorder- 
ansicht nach  Art  der  römischen  Grabsteine,  während  die  untere 
Hälfte  mit  Flechtornamenten  bedeckt  ist.  Die  Figuren  halten 
allerlei  Gegenstände  in  den  Händen,  auf  dem  2.  und  .'5.  der  Platten 
erscheinen  sie  speisend,  auf  der  2.  hält  die  erste  Figur  einen 
Krug,  die  zweite  eine  Art  Glas1"),  auf  der  4.  hält  die  eine  eine 
Art  Rolle,  die  zweite  Speer  und  Axt.  Die  Flachornamente  zeigen 
durchaus  frUhnicrowingische  Motive,  auf  der  ersten  Platte  zwei- 
mal die  vierfache  Schleife,  die  Ansätze  des  Flcchtwerkea,  auf  den 
drei  Übrigen  eine  wechselnde  Zusammenstellung  von  Ring  and  Halb- 
ring"3). Nah  verwandt  mit  diesen  Basreliefs  sind  zwei  Platten 
im  Museum  zu  Arles  und  zwei  im  Museum  zu  Narbonne.  Die  weit- 
aus bedeutenderen  sind  die  zu  Narbonne.  Die  grössere  Platte, 
deren  Verzierungen  einen  liturgischen  Charakter  tragen,  103  X  ö6  cm 
gross,  zeigt  in  der  Mitte  ein  Kreuz,  an  dessen  Kren/armen  das 
Alpha  und  Omega  aufgehängt  sind,  unten  eine  sitzende ,  eine 
stehende  männliche  Fignr,  oIkmi  zwei  symmetrisch  gezeichnete  Tauben, 
die  aus  einem  Napfe  trinken.  Die  zweite  Platte  stellt  eine  Jagd 
dar  und  zu  unterst  zwei  Tauben,  die  an  einer  Traube  pieken*54). 
Das  kleine  Departementsmuseiim  zu  Kpinal  liewahrt  sodann  ein 
ausserordentlich  interessantes  Stack,  eine  merowingische  Grabplatte 
mit  der  Darstellung  eines  Kriegers  in  Hasrelief.  Es  ist  kein  Sarkophag- 
deckel, nur  ein  Denkstein,  wie  er  Uber  dem  Grabe  errichtet  wurde 


232)  Möglich  auch,  dass  dies  GcIüsk  den  c.vathus  vorteilt  —  das 
entspräche  alsdann  nocli  ganz  der  sptttrömischen  Sitte:  so  auf  den  Grab- 
platten i.  d.  Thermen  zu  Luxueil  (Kramt  Desjardins  im  Rull.  nion. 
XL  VI,  p.  1). 

233)  Die.  Masse  der  Platten  sind:  die  erste  37x50  cm,  die  zweite 
44  X  55  cm,  die.  dritte  50  x  55  cm,  die  vierte  61  X  36  cm. 

234)  Aua  den  Trümmern  der  Kirche  des  Peleriu»  de  In  Major  in 
Narbonne.  Vgl.  den  Catalog  des  Museums  von  Tournal  p.  100,  Nr.  539. 
Abb.  De  Caumont,  Documenta  sur  l'etat  de  l'art  aux  epoques  merovin 
gienne  et  cnrlovingienne  i.  Bull,  monnm.  XXXIV,  p.  117,  123;  Rohault 
de  Fleury,  Ln  messe  V,  p.  126,  pl.  402. 


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Merowingische  und  karolingisehe  Plastik. 


101 


—  seine  Masse  betragen  nur  16X^1  cm.  Der  Rahmen  ist  etwas 
erhöht,  die  breitschultrige  Gestalt  mit  dem  grossen  Kopf  fflllt  den 
Kaum  völlig  ans.  Der  Krieger  trägt  ein  bis  auf  die  Knöchel  fallen- 
des Gewand  und  einen  auf  der  rechten  Schulter  zusammengehaltenen 
dicken  Mantel,  der  den  linken  Arm  ganz  verkleidet.  Die  Hechte 
halt  die  fränkische  Natioualwaffc,  die  Breitaxf.  hache  ouverte,  wie  sie 
sieh  in  sämmtlicheu  fränkischen  Gräbern  der  Normandie  gefunden  hat. 
Das  Haar  fällt  zur  Seite  des  bartlosen  schwammigen  Kund  köpfe« 
mit  roher  dicker  Nase  in  langen  Locken  bis  fast  auf  die  Schulter, 
ist  am  Ende  aufgerollt,  in  die  Stirn  ist  es  in  vier  Lockenbüscheln 
gestrichen.  Die  Haartracht  deutet  auf  ein  Mitglied  des  königlichen 
Hauses. 

Von  den  Arbeiten,  die  muthmasslich  dem  7.  Jahrhundert  noch 
angehören,  sei  endlich  eine  Gruppe  von  Darstellungen  Daniels  in 
der  Löwengrube  genannt  —  eine  beliebte  Scene  der  altehristliehcn 
Kunst.  Zwei  Platten  ans  Jurakalk  in  der  Saiummlting  der  Madame 
Faborc  de  Mäcon  fähren  die  Scene  vor.  in  zwei  durchaus  ver- 
schiedenen Techniken,  auf  der  ersten  die  Umrisse  nur  eingeritzt,  ein- 
gegraben, auf  der  zweiten  eine  Basreliefdarstellung  mit  ausgehobenem 
Grunde Die  gleiche  Scene  findet  sich  wieder  auf  einem  Sarko- 
phag ans  Charcnton  (Oben  im  Museum  zu  Bourges:  nur  ist  hier 
fftr  die  218X60  cm  messende  Platte  die  symmetrische  Darstellung  ge- 
wählt: Daniel  steht  mit  erhobenen  Händen  en  face  in  der  Mitte, 
zur  Seite  je  ein  anspringender  und  sich  duckender  Löwe  mit  er- 
hobenem Hintertheil  —  die  schwierige  Bewegung  des  Thieres  er- 
scheint nicht  Übel  gelungen. 

Dann  zeigt  eine  kleinere  Gruppe,  zumal  um  Paris,  die  Ver- 
bindung von  Stabwerk  mit  Rosetten  und  ganz  rohen,  mir  eben  an- 
gedeuteten, dürftigen  Figuren,  Menschen  oder  Vögeln  -  so  die 
Sarkophage  auf  dem  alten  Kirchhofe  von  St.  Marcel  und  einzelne 
aus  dem  Kirchhof  von  St.  Vincent,  jetzt  im  Museum  Garnavalet  zu 
Paris.  Daneben  findet  sieh  nun  aller  die  ausgedehnte  dritte  Gruppe, 
die  nicht  den  ganzen  Sarkophag,  sondern  nur  die  Schmalseiten  oder 
nur  ein  einzelnes  Fehl  der  Längssciteu  verziert  und  hierzu  Motive 
benutzt ,  die  lediglich  und  ausschliesslich  dem  heimischen  Formen- 
schatz augehöreu  und  Erbtheil  de«  Völkerwanderungsstiles  sind.  Es  sind 


23T0  Al>ga>*c  im  Museum  zu  St.  Genuaiii  «nJ.aye  Nr.  1477«  und 

1770-.'. 


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loa 


Paul  0 lernen: 


vor  allem  Rosetten  oder  Medaillons  mit  Sterne»,  die  äussere  Peripherie 
mit  Halbkreisen  besetzt .  als  Füllung  die  vierfache  Schleife  wie  in 
Garin  oder  das  Kreuz  mit  dem  Mittelmedaillon.  Das  christliche 
Symbol  des  Kreuzes  ward  aufgenommen  und  sofort  ornamental  ver- 
wertet. Diese  Verzierungen  tindeu  sieh  vor  allem  auf  den  nur 
Nord-  und  Mittelfraukreieli  cigeuthfimliehen  Sarkophagen  von  Gyps"6), 
so  vor  allem  in  den  Gräbern  von  St.  Germain-des-Pres,  St.  Vincent 
and  vom  Montmartre  zu  Paris,  deren  beste  Stücke  jetzt  im  Museum 
Caruavalct  sieh  befinden.  Sie  kommen  aber  auch  auf  den  steinernen 
Sarkophagen  in  Mittelfrankreich  vor,  so  auf  dem  aus  Charcnton 
stammenden  im  Museum  zu  Hmirges.  auf  dem  Kopfende  eines  Sar- 
kophagos  in  der  Kirche  St.  Jean  zu  Poitiers  *a7),  endlieh  nur  ein- 
geritzt auf  einer  merowingischen  Stele,  die  sich  gleichfalls  im  Museum 
zu  Bourge*  befindet  "*). 

230)  Lindenschmit,  Deutsche  Alterthumskunde  1,  S.  113.  Diese 
S&rcophage  wurden  an  Ort  und  Stelle  aus  zwei  längeren  und  zwei 
kürzeren  Gypstafeln  zusammengesetzt.  Vgl.  über  die  Pariser  Sarcophage 
Robert  de  Lasteyric,  Note  sur  un  eimetiere  merovingien,  dtVouvert  ä 
Paris,  Place  Gozlin  i.  d.  Revue  archcnlogique  XXXf,  187(». 

237)  De  Caumont,  Sur  nne  excursion  archeol.  en  Poitou  im  Bull. 
Tiiitnutn.  XXIV,  p.  I. 

238)  Bull,  monum.  XXV,  p.  «1.  Vgl.  noch  über  die  übrigen  raerovin- 
gischen  GrabHtUtten  Hippolyte  Mar  Int,  Dicouverte  d'un  eimetiere  mero- 
vingien ä  Courcelles-sous-Chatenois  im  Journal  de  la  societc  d'archeolngie 
Lorraine  janv.  1882;  Auguste  Montic,  Notice  sur  im  eimetiere  presume 
merovingien,  decouvert ä  Auffargais  (.Seinc-et-Oiset.  Paris  1847;  Moreaut 
Le  Fizelier,  Essai  sur  les  sepultures  merovingiennes  et  les  objets  de  la 
meine  epoque.  dans  le  depart.  de  la  Mayenne.  Laval  1885.  Proces-verbaux 
et  docutnents  de  la  coiutn.  archeol.  de  la  Mayenne  III,  1882.  Comtc 
d'F.staintot,  Fouillcs  et  sepultures  merovingiennes  de  l'cglisc  Saint- 
Ouen  de  Rouen.  Paris  18*6;  Alex.  Bertrand,  Le  tumulus  gaulois  de 
la  commune  de  Magny  -  Lambert  i.  d.  Mem.  de  la  societe  des  antiquaires 
de  Krame  4.  ser.  IV,  p.  287:  Abbe  C  och  et,  Ktude  de  sepultures  ehre- 
tiennes  dans  Ic«  eimetiercs  de  Roux-Messol  et  d'Etran  pr('8  Dieppe  i.  d. 
Mem.  de  la  soc.  des  antiquaires  de  Normandie  XXV,  p.  199;  AI.  Bertrand. 
Archcologie  celtique  et  gauloise  1.  Paris  1889,  endlich  die  beiden  grund- 
legenden Werke  des  AhbeCocIiet,  La  Normandie  souterrainc.  Paris 
18Jift  und  Sepultures  ganloiscs,  romnines,  franques  et  normandes.  Paris 
1867.  Kine  ganz  eigenthümliche  Zusammensetzung  zeigen  die  Sarcophage 
von  Allones,  die  aus  Trümmern  römischer  Hypokausten  zusammengesetzt 
sind.  Vgl.  Drouet  i.  Bull,  de  la  societv  des  sciences  et  des  arts  de  la 
Sarthe  1844,  p.  24:  L.  et  R.  Charles,  Sepultures  merovingiennes  de  Con- 
nerre  (Sarthe)  im  Bull,  monum.  XL!,  p.  40.  Aehnliche  Verwendung  der 
Ziegel  in  Fnglnnd,  vgl,  1  witteu,  Oravc-mounds aud  their  coutents.  London 
1870.  p.  148. 


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Merowingische  und  karolinjrieche  Plastik. 


10.1 


Unter  den  Sarkophagen  erscheint  eine  (trappe  im  nördlichen 
Frankreich  und  in  deu  Kbeinlanden  ganz  besonders  atisgezeichnet, 
die  sich  bis  in  das  10.  Jahrhundert  erhält.  Sic  zeigt  eine  Deko- 
ration der  Sarkophage  lediglich  durch  gconictriKchc  Muster,  durch 
einfache  Längs-  nnd  Qncrliscnen,  zwischen  denen  der  Grund  um 
etwa  ein  bis  zwei  Centimeter  ausgehoben  ist.  Die  ältesten  mir 
bekannten  Exemplare  enthält  das  Museum  zu  Xiort,Ä9i.  Der  eine 
Sarkophagdeckel  enthält  lediglich  ein  Längs-  und  Qncrhand .  die 
zusammen  ein  Kreuz  darstellen,  der  zweite  noch  einen  ovalen  und 
zwei  halbrunde  aufgesetzte  Kähmen.  Am  nächsten  stehen  ihnen 
zwei  Sarkophagdeckel  im  Museum  zu  Poitiers.  deren  obere  Hälfte 
mit  sternförmig  aufeinander  tretenden  Liaenen  verziert  ist5"0;.  Ihnen 
schliessen  sieh  einige  Platten  in  St.  Denys  an  mit  einfachen  Kreuzen  >. 
reichere  aus  dem  Gebiete  des  alten  Burgundiens.  aus  Molesmes, 
St.  Sabiue,  Collonges"*)  und  aus  den  fränkischen  Urabfeldcm  zu 
Andernach.  Der  ihnen  nahverwandte  Sarkophag  des  Saint-Lubin 
zu  Chartres,  der  auf  dem  Dekel  die  einfache  Kreuzver/iernng  mit 
Längsstab  zeigt,  gestattet  eine  genauere  Fixirung  der  Gruppe,  der 
Bischof  starb  556  MS  i.  Endlich  findet  diese  Gruppe  ihre  Fort- 
setzung und  Weiterfahrung  in  den  dem  !>.  und  10.  Jahrhundert  an- 
gehörenden Platten  am  Niederrhein*");  in  Wiesbaden,  im  Kölner 
Museum,  in  St.  Maria  im  Kapitol  zu  Köln  gute  frUhkarolingische 

239)  Bulletin  monumental  XXII,  p.  602.  Beide  Platten  enthalten 
Inschriften  in  Uucialen;  die  erste:  Lopecena  et  Dedimia  hic  requiescunt 
in  pace,  die  zweite:  .  .  Du»  Gummare. 

240)  Abb.  Bull,  monum.  XXIII,  p.  267.  Vgl.  Camillc  de  La  Croix. 
Cimetieree  et  sarcopaghes  eimetieres  merovingiens  du  Poitou  im  Bull, 
archcol.  du  comitc  des  travauz  historiques  et  scientiAques  1887. 

241)  Vlollet-le  Duc,  Dict.  rais.  de  l'architectnre  francaise  IX, 
p.  23.   Vgl.  auch  P I  a  n  c  h  e  t,  Hist.  de  Bouryogne  II,  p.  620. 

242)  Henri  Baudot,  Memoire  sur  les  sepulturcs  des  barbares  de 
l'epoque  merovingienne  deconvertes  en  Bourgogne.  Pari«  1860.  p.  122, 
150,  161;  Koenen,  die  Gräber  in  Andernach  i.  d.  Jahrb.  d.  Ver.  v.  Alter- 
thumsfreunden i.  Rheinide.  LXXXVI,  8.  205,  Taf.  XII. 

243)  Doublet  de  Boisthib anlt .  Le  tombeau  de  Saint-Lubin 
i.  d.  Revue  archeologique  XV,  p.  36. 

244)  v.  Quast,  Mittelrheinische  Sarcophagc  und  deren  Ausbreitung 
am  Niederrhein  i.  d.  Jahrbüchern  d.  Ver.  v.  Alterthumsfrcundcn  i.  Rhein- 
lande L,  S.  108;  E.  Wörncr,  Alte  Steinsarge  im  Odenwald  i.  Corrcupon- 
denzbl.  d.  Gesammtvereins  XXIII,  8.  65.  Die  Stabvcreierung  wurde 
auch  spater  noch  als  einfaches  und  wirkungsvolles  Motiv  angewandt,  die 


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104 


Paul  Giemen: 


Arbeiten,,  wiederum  lediglich  mit  Stab  Verzierung  —  nach  Schleswig 
hinauf  spatere  Schöpfungen.  Da«  Fabrikationscentrum  der  rheini- 
schen 0 nippe  von  Steinsärgen  war  wahrscheinlich  die  Umgegend 
von  Miltenberg  m). 

Für  die  allmähliche  Verbildung  und  Degeneration  der  römi- 
schen Oniameutformen  ist  die  Entwicklung  des  spätrömischen  Com- 
positkapitüls  das  geeignetste  Studieuobjckt.  Hier  liegen  eine  ge- 
nügende Reihe  von  erhaltenen  Beispielen  vor ,  alle  Jahrhunderte 
und  die  drei  grossen  geographischen  Oentren,  Südfiankreich,  Nord- 
fraukreich ,  der  Xiederrhein  siml  gleichmäßig  vertreten.  Erst  die 
karolingische  Kunst  brachte  hier  die  gänzlich  missverstandenen  Mo- 
tive der  Volute  und  des  uingcklappteu  Akanthusblattes  wieder  zu 
Ehren »««). 

Datirung  einzelner  Stücke  ist  daher  ausserordentlich  schwierig.  So  haben 
sich  auf  den  Cimetieres  von  Pranzac,  Vilhonneur,  Claix,  Mouthicrs  in  der 
Charente  (trabsteine  gefunden,  die  ganz  den  uierowingisehen  gleichen, 
aber  Arbeiten  des  12.  und  13.  Jh.  sind.  Vgl.  P.  Kaserne  de.  Forge  im 
Bull.  mon.  lH4.r>,  p.  59;  T  reine  au  de  Kochebriine,  Sur  quelques  pierres 
tombales  existant  dam  difl'erents  cimetieres  de  la  Charente  i.  d.  Bull,  de 
In  soc.  areheol.  et  bist,  de  la  Charente  4.  werie  VI,  p.  713.  Kine  ganz 
ithnlieh  verzierte  Platte  auf  dem  Kirchhof  von  Great-Bookham  (Archneo- 
logia  XXV,  p.  f>90)  stammt  sogar  erst  aus  dem  Jahre  134'i. 

•245}  Conradi  i.  Katalog  d.  Ausstellung  prHhistor.  u.  anthropolog. 
Funde  Deutschlands.  Berlin  1SH0.  S.  4:$.  —  Pick,  Materialien  zur  rheini- 
schen ProvinzialgeHchichte  I,  1,  S.  2il. 

240.»  Den  Ausgangspunkt  mögen  einige  »pat  •  römische  Kapitale 
bilden,  von  denen  sich  Abgüsse  im  Museum  zu  St.  Germain-en-Layc  be- 
finden iXr.  2184b\2lH47,  1117«.  J  1055.  20372) aus  St.  Hemy,  Jublain»  iMayeime) 
und  Vaisou  (Vauclusc).  denen  eine*  im  Iiistor.  Mus.  zu  Wien  (Sl.  280> 
angereiht  werden  kann,  regelmässig  mit  zwei  oder  drei  Beiden  tlaeher 
einrippigt  r  Blatter,  über  denen  zweithcilige  Stengel  emporwuchsen.  Die 
merowingi>cheu  Kapitale  in  Saint  Laurent  zu  Grenoble  (De  Caumont 
im  Bull,  monum.  XXIV,  p.  305V  lassen  diese  Stengel  völlig  freischweben. 
Vgl.  auch  Congre.s  areheol.  de  France,  seances  generale*  tenues  en  1H57. 
p.  .'179.  Dann  wird  das  Akanthushlatt  in  eine  Papierrolle  verwandelt,  so 
an  den  Kapitalen  von  Saint  Gervais  zu  Koueu  (Abgeb.  Thierry,  Hist. 
de  l'egli.se  et  de  la  parois.se  de  Saint  Gervais  de  Rouen.  1859;  Voyages 
pittoresipii  s  et  rnmnntiuucs  de.  lancienne  France  II,  p.  148),  bei  denen 
im  Mus.  zu  Nantes  wird  es  in  eine  Art  von  Fächer  oder  Farrenwedel 
verwandelt  (Bull,  monum.  XXII,  p.  4^1;  Guerard  et  Parcnteau,  Cata- 
logue  du  musee  areheol.  de  Nantes  p.  18).  Nach  Lenoir,  Architecture 
nimmst njuc  1.  p.  2^H;  Abb.  Statistiipie  monumentnle  de  Paris  pl.  S  und  9 


Mcrowingische  and  k&rolingische  Plastik.  105 

Karolingische  Werke  mit  Rcliefdarstellungcn,  die  sieh  an  die 
noerowingiRchen  Scnlpturen  von  Narbonnc,  Ginan  anreihen,  finden 
sich  fast  ausschliesslich  in  den  Khcinlanden  und  den  Niederlanden 
—  von  französischen  Arbeiten  wilsste  ich  nur  das  Hochkreuz  zu 
Grisy  (Calvados)  anzuführen,  das  aber  in  der  Anlage  mit'  deni 
Medaillonrahmen  wie  im  Ornament  nach  England  gravitirt.  Noch 
dem  8.  Jahrhundert  mochte  ich  das  Relief  im  Dom  zu  Mainz  zu- 
weisen, das  im  Garten  des  dortigen  Oapuzinerklosters  gefunden  ward 
nnd  das  unter  dem  einen  Bogen  der  Breitseite  die  Gestalt  eine« 
Geistlichen  in  Alba  und  Tuniea,  in  der  Linken  ein  Buch,  in  der 
Rechten  ein  Kreuz  zeigt,  während  der  andere  Bogen  eine  ernx 


stammen  die  im  Musee  Cluny  befindlichen  merowingisehen  Kapitale  von 
der  alteren  unter  Childcbert  errichteten  Cathedrale.  Aehnliehe  dann  in 
der  Krypta  von  Saint-Bricc  in  Chartres.  im  Museum  zu  Arles,  in  der 
Krypta  zu  Jouarre  (Seine  -  et  -  Marne'.  Vgl.  Annunire  de  l'institut  des 
provinecs  et  des  oongres  sci<  ntin^n-s  X,  p.  170:  De  Cauinont  im  Bull, 
monuin.  XXIII,  p.  2*51.  Das  Musee  de  la  soHcte.  de  antiquaires  de  Nor- 
tnaudie  besitzt  ciniji-«*  Fragmente  an«  der  alten  Kirche  von  Saint-Sanison- 
sur-Uisle  (Eure),  andere  befinden  sich  im  Dcparteiiienlsmuscum  zu  Kvrcux 
<A.  Lcprcvost  et  F.d.  Lambert.  Mein.  de.  la  societe  des  aiili(|Uaircs  de 
Voruiaudie.  1H2H,  p.  472;  Dawson.  Turner  and  Cotinan,  Arehitectural 
anti<|ilities  ol'  Noriuundy  II,  p.  99>.  Einige  Beste  finden  sich  eingemauert 
in  der  Mauer  der  Cathedrale  zu  I'nv.  Vgl.  auch  Ed.  Fleury,  Les  chapi- 
teaux  merovingiens  de  leglise  de  f'hivy.  Laon  1b<>9.  Karolingische 
Kapitale  finden  sieh  dann  —  aber  noch  in  der  degenerirten  Form  —  in  der 
Krypta  von  Saint  Aignau  zu  Orleans  (A  lt'red  Raine,  Dissertation  sur 
■  iuelf|ues  edifices  d'Orleans  presmnes  earlnvingiens  im  Bull,  monuin. 
XXVI.  p.  37,  HO),  in  St.  Germigny-dcs-Frcs  (Bull,  monuin.  XXXIV,  p.  578\ 
in  St.  Etienne  d'Auxerre  (V i ollet- le  Duc,  Dictionnaire  <le  l'arch.  franc.  II, 
p.  484).  im  Musec  d'antiquites  zu  Snissons  (Bull,  nionum.  XXXIV,  p.  480, 
441»),  in  St.  Menoux  Viollet  -  le- Duc,  a.  a.  O.  II,  p.  480;.  In  Deutschland 
vor  allem  die  Kapitale  der  karolingischen  Bauten  zu  Aachen,  Lorsch, 
Ingelheim.  Vgl.  Faul  Plenien,  der  knrnlingisehe,  Kaiserpalast  zu  Ingel- 
heim i.  d.  Westdeutsehen  Zeitschrift  für  t.csch.  u.  Kunst  1890,  S.  54,  H->; 
Adamy.  Der  Karolingerbau  zu  Lorsch.  Darmstadt  1891;  Fr.  Schneider, 
Karolingische  Beste  in  Mainz  im  Corrcspondenzblatt  des  Gesamintvereins 
der  Deutschen  Geschieht*-  und  Alterthnmsvcreine  XXIII,  S.  «.  Die. 
übrigen  auf  deutschem  Boden  gefundenen  karolingischen  ('apitalc 
habe  ich  ebenda  zusammengestellt.  Zum  Vergleich  heranzuziehen  ein 
gleichzeitiges  Oapitiil  aus  San  l'ietro  di  Toscanella  im  Archivio  storlco 
de.ll'  arte  II,  p.  'Ml  und  eines  am  Ccnobio  Armilatense  in  Cordova  i. 
Holetin  ile  la  Beal  Academia  de  Hellas  Artes  de  San  Fernando  1888.  p.  136. 


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106  Paul  Clemen: 

triumphalis  enthält V,T).  Die  zungcufttrmigen  Pflanzeumotive  in  den 
Zwickeln  und  die  bereits  mit  Eckknospen  versehene  Ranke  ver- 
bietet eine  frühere  Datirung.  Dann  finden  sich  an  den  Stirnseiten 
der  beiden  steinerneu  Pilastcr,  die  die  grosse  Arkade  am  Eingang 
in  den  Chor  der  Kapelle  zu  Hubinnc  bei  Cincy  tragen,  sechs  grosse. 
Basreliefs  aus  weichem  Stein,  156X415  cm  gross.  Das  eine  ent- 
hält gleichfalls  eine  crux  stationalis,  ähnlich  wie  die  grossere  Nar- 
bonuer  Scnlptur,  darüber  in  Kapitalen :  ALELVIA,  darunter  das  Alpha 
nnd  Omega,  unten  zwei  schlanke  einförmige  Blumenstengel.  Eine 
•zweite  Platte  enthält  einen  Raum,  offenbar  den  Paradicscsbaum,  mit 
grossen  palmeuartigcn  Lanzettenblüttern  und  hängenden  Trauben  — 
eine  Schlange  ringelt  'sieh  um  den  Stamm.  Die  'übrigen  Platten 
enthalten  das  bekannte  Rankenmuster  mit  Herzblatt  tmd  Traube 
nud  die  beiden  durcheinander  geflochtenen  Ranken  Dem  An- 
fang des  9.  Jahrhunderts  gehören  dann  an  das  grosse  Relief  zu 
Ingelheim  ,  das  durch  seine  sehr  wahrscheinliche  Zugehörigkeit  zu 
dem  Bau  Ludwigs  des  Frommen  genau  datirt  ist,  mit  der  Darstel- 
lung eines  wilden  Thieres.  gefolgt  vmi  einem  springenden  Fltlgel- 
pferd  Ihm  reihen  sich  noch  an  ein  jetzt  als  Sturz  des  Portal 
an  der  katholischen  Kirche  bei  Sauer-Schwabenheim  in  Rheinhessen 
eingemauert«'«  Relief  —  mit  der  Darstellung  zweier  symmetrisch  zu 
einander  gestellter  Wasservögel,  die  Fische  in  ihren  langen  Schnäbeln 
halten  und  das  Portal  der  Kirche  zu  Hierstatt  bei  Wiesbaden**'. 


247)  Friedrich  Schneider,  Zur  Kreuzeskundc  im  (.'oircspondenz- 
Matt  d.  GesammtvereiiiK  1875,  S.  45  mit  Abb. 

248)  Abgüsse  in  der  Sammlung  der  Societö  arcluologique  zu  Namur 
und  im  Muse«  des  autiquites  zu  Brüssel. 

249)  Paul  C leinen  i.  d.  Westdeutschen  Zeitschrift  1890,  S.  88.  Abb. 
Tal".  IV,  Fig.  5;  Fr.  Schneider,  Fränkische  Sculptnrcn  in  der  Mainzer 
Gegend  im  Conrespondcnzbl.  d.  Gcsammtvereins  1876,  S.  97 1  Ders.,  Rhein- 
hessens  kirchliche  Baudcnkmalc  i.  d.  Jahrbüchem  d.  Yer.  v.  Alterthums- 
freunden  im  Ithcinide,  LXI,  S.  80,  Tat*.  6;  Anzeiger  f.  Kunde  d.  deutschen 
Vorzeit  1876,  N.  F.  XXIII,  S.  349. 

250)  Lötz  und  Schneider,  Baudenkmäler  des  Regierungsbezirks 
Wiesbaden  S.  32.  Herr  SaniUttiratli  Lötz  in  Frankfurt  macht  mich  auf 
einige  in  dem  alten  Karolingerhof  Rohrlach  /.wischen  Lorch  und  Wtjrt- 
heiin  am  Main  eingemauerte  Sculpturcn  mit  Basreliefs  aufmerksam,  die 
gleichfalls  Vögel  uud  ein«?  Art  Schlangen  enthalten  —  eine  persönliche 
Berichtigung  .steht  noch  aus». 


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Mernwingische  und  karnlingischc  Plastik. 


107 


Das  ( 'haraktcristisehe  dieser  Arbeiten  ist  «lic  durchaus  flache  Be- 
handlung, die  jeder  Modellinmg  entbehrt  und  nur  zwei  Ebenen 
kennt  und  die  kantige  Ucrausarbcitung  des  Grundes*51).  Die 
Figuren  selbst  erscheinen  wie  mit  dem  scharfen  Holzniesser  umrissen, 
selbst  iu  der  ornamentalen  Wiedergabc  der  Ranken,  der  Blatter,  der 
Flügel  zeigt  sieh  der  scharte  Schnitt  »*). 


251)  P.  C lernen  i.  u.  Westdeutschen  Zeilschrift  1890,  S.  91. 

252)  Eine  Keihe  anderer  plastischer  Arbeiten,  die  wiederholt  »1b 
karolingisch  angesprochen  worden  sind,  muss  dafür  abgewiesen  werden. 
Da  ist  einmal  die  Metzer  Madonna,  jetzt  im  Hofe  des  Hauses  Nr.  28  der 
Rue  St.  Gengoulf  (von  Kraus  i.  d.  Zeitschrift  f.  christliche  Kunst  I,  S.  77 
und  Kunst  u.  Alterthuin  in  Lothringen  S.  683)  der  karolingisch  -  ottoui- 
nischeu  Zeit  zugewiesen.  Ich  habe  schon  in  der  Westdeutschen  Zeitschrift 
1890,  S.  90,  Anm.  166  mich  gegen  diese  Annahme  erklärt  und  inuss  diese 
Behauptung  nach  nochmaliger  Prüfung  und  Vergleich  mit  den  übrigen 
erhaltenen  karolingischen  Sculpturen  aufrecht  erhalten.  Die  Figuren  aus 
dem  Krcuzlingcr  Münster  im  Kosgartenmuseum  zu  Conslanz  halte  ich 
wie  den  Sarcophag  des  Adaloch  in  St.  Thomas  zu  Strassburg  für  eine 
spatere  Arbeit  (Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1861,  S.  353; 
Caliier  et  Martin,  Melange*  darcheologie  III,  p.  269;  Oh.  Schmidt, 
Hist.  du  chapitre  de  Saint  -  Thomas  de  Strassbourg  peudant  le  moyen 
ige.  1860.  p.  202,  pl.  2).  Das  Crucifix  zu  Obernkirchen,  das  G.  Schöner- 
mark  (Ein  Crucifix  aus  knrolingischer  Zeit  i.  d.  Zeitschrift  f.  christl. 
Kunst  I,  S.  31.*J)  dem  9.  Jh.  zuweist,  gehört  ganz  sicher  dem  11.  oder  12. 
an.  Aber  ebensowenig  ist  das  jetzt  in  Gerolomini  befindliche  Crucitix  aus 
der  zerstörteil  Kirche  S.  Cosimo  und  Damiano  eine  karolingische  Arbeit 
wie  Demetrio  Salazaro,  Studi  i»ui  mnnumenti  della  Italia  meridionale 
dal  IV  al  XIII.  secolo  I,  pl.  6,  meint.  Der  wunderliche  Einfall  von  Aug. 
Schierenberg  (Der  Ariadnefaden  tür  das  Labyrinth  der  Edda  od.  d. 
Edda  eine  Tochter  des  Teutoburger  Waldes.  Frankfurt  1889.  S.  XVHj, 
das  Relief  an  den  Externsteinen  als  eine  Schöpfung  Karls  des  Grossen 
hinzustellen,  bedarf  keiner  Widerlegung.  Die  grosse  Kompilation  von 
Irrthüinern,  die  Franz  von  Löher  vor  kurzem  (Deutsche  Grundformen 
der  bildenden  Künste  zur  Karolingerzeit  i.  d.  Kunst  für  Alle  1891.  VII, 
Heft  5.  S.  67)  veröffentlicht  und  in  der  er  nicht  nur  die  Externstem«, 
sondern  auch  die  Säule  in  der  Krypta  des  Freisinger  Domes  und  die 
Portalfiguren  von  S.  Jakob  in  Regensburg  als  karolingisch  hinstellt,  ent- 
spricht etwa  den  Anschauungen  vom  Jahre  1780.  lieber  das  Relief  aus 
der  Kirche  St.  Rcstitut,  das  Henry  Revoil  im  Rull,  inonum.  XXXVIII, 
S.  106  dem  9.  oder  10.  Jh.  zuweist,  vermag  ich,  da  mir  dio  Autopsie 
mangelt,  nach  der  dürftigen  Abbildung  nicht  zur  urtheilen.  Ganz  sicher 
aber  ist  das  Taufbecken  zu  Or^ibcrt  fAriegel  erst  eine  Arbeit  des  12. 
oder  13.  Jh, 


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Paul  deinen: 


Die  Elfenbcinplastik. 

Die  merowingisehe  Ornamentik  hatte  sich  in  der  Hauptsache 
aus  drei  .Motiven  zusammengesetzt,  den  kleiuen  uuregelmässig  über- 
eiimndergelegten  Händchen  mit  Thierköpfen,  den  .Scheiben  und  Ro- 
settenverzieriingen,  dem  weitmaschigen  Fleehtwerk SS3).  Das  zweite 
Motiv  ist  charakteristisch  lllr  die  geographische  Abgrenzung  gegen- 
über den  britischen  Inseln:  es  findet  sich  ausschliesslich  auf  dem 
Fcstlao.de;  wo  es  jenseits  des  Kanals  auftritt,  ist  es  Importwaare. 
Die  Tbierornameiitik  tritt  nur  nebensächlich,  die  Köpfe  accessorisch 
angeflickt,  ähnlich  wie  in  der  römisch-germanischen  Periode  auf. 
Das  bildet  das  /.weite  trennende  Element  gegenüber  der  irisch-angel- 
sächsischen Ornamentik.  Endlich  kommt  ein  drittes  hinzu:  im  6. 
und  7.  Jahrhundert  ganz  vereinzelt,  im  8.  häufiger,  bewusst  wieder 
aufgenommen,  ausgebildet,  neugestaltet:  das  Pflanzenmotiv.  Durch- 
weg in  dem  ersten  Jahrtausend,  wo  irgend  es  vorkommt,  ist  es 
unter  klassischer  Heeiuflussung  entstanden.  Der  Völkcrwandcruugs- 
stil  enthielt  kein  pflanzliches  Element  —  nur  die  gothische  Gruppe 
in  lugam  zeigt  es.  Der  nationalen  .Stilperiode  der  langobardischen, 
fränkischen,  westgothisehen.  irischen  Kunst  fehlt  das  pflanzliche 
Element  gleichfalls  -■-  nur  im  merowingischen  Zeitalter  findet  es 
sich.  Aber  hier  wie  in  der  got bischen  Kunst  ist  es  ein  fremdes 
Element:  man  sucht  es  in  der  gleichen  Weise  zu  vereinfachen, 
dem  heimischen  Oniameiitensehalz  anzupassen:  und  so  ergiebt  sich 

•  Ins  auf  den  eisten  Klick  auffallende  Resultat ,  das*  die  Pflanzen 

•  iri-roiM utik  des  Jahrhunderts  am  Rhein  dieselben  Zfige  aufweist 
wie  die  dt-s  ">.  an  der  Donau:  in  beiden  Fällen  war  die  Wanke 
etwa  glcichlang  geistiges  Eigciilhum  eines  Stiles  gewesen  2  ,1  . 

253 j  Eine  Analyse  diener  I'lenicMe  bei  L i  nden  seb  in  i  t  i.  d.  Abbil- 
dungen v.  Mainzer  Alterlhülm  i  n .  cd.  tl.  Vor.  zur  Erforschung  <1.  rhein. 
r.csch.  u.  Altertlniiner. 

254}  Lamprechr.  InitinSrirn.imrnrik  S.  17.  kissi  die  Pflanzetionia- 
meutik  erst  unter  den  Karolingern  entstehen:  dagegen  schon  Janitschck, 
Gesch.  il.  Malerei  S.  H,  Aimi.  I'ine  freiere  Ausbildung  des  conservativ 
durch  3  Jh.  Iiindurcb  bewahrten  Ivankcnornnmcntes  bis  zu  der  künst- 
lerisch vollendeten  Form  nuf  den  Gittern  im  Aachener  Münster  rindet  in 
der  Tbat  erst  im  0.  Jh.  statt.  Dir  lir>:r  Analyse  der  in  Betracht  kommen- 
den pflanzücheu  Elemente  bei  Lau» p recht  a.  a.  O. 


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Merowingische  und  karolingisehc  Plartik. 


100 


Im  merowingischen  Zeitalter  findet  «ich  das  Pflanzenmotiv 
ausschliesslich  in  zwei  Formen.  Die  eine  ist  der  Kähmen  aus  neben- 
einandergestellten Akaiithusblttttcru  als  Abschlags  eines  vertieften 
Feldes,  die  andere  die  einfache  im  Halbkreis  nach  beiden  Seiten 
ausgebogene  Ranke,  im  Anfang  mit  gefaltetem  Blatt,  spater  auch 
mit  Herzblatt  oder  Traube  ,ss).  (Fig.  20.)  Die  letztere  Form  findet 
ihre  Ausgestaltung  im  H.  und  9.  Jahrhundert  und  erhält  sieh  bis  in 
das  11.  Da«  ganze  hohe  Mittelalter  zehrt  in  der  Pflanzeuornamentik 
von  dem  klassischen  Erbtheil;  es  ist  immer  das  unverstandene  Akan- 


thusblatt.  das  mit  Virtuosität  verballhornt  wird:  erst  in  der  Frtlh- 
gothik  finden  sich  die  Ausätze  eines  neuen  Motivs,  zunächst  in  der 
naturalistischen  Nachbildung  und  Ahforaiung  des  Vorbildes. 

Die  einzelnen  Entwicklungsstufen  des  einrahmenden  Akanthus- 
krunzes  bilden  ein  erwünschtes  Hlllfsmittcl  für  die  Dntirung  der 


265)  Die  einfachste  Forin  der  Ranke  nul*  der  Altarplattc  aus  Beaux- 
Charmes  (Ardcchci  im  Mus.  zu  St.  Gcrmain-on-Eayo  (Nr.  '2O5H0)  halt  «ich 
bis  in  das  10.  Jh.  (Grabplatte  d.  Markgrafen  Gero  in  Gernrode  i.  Anzeiger 
f.  Kunde  d.  deutsch.  Vorzeit  N.  F.  IV,  S.  13).  Eine  fränkische  Fibel,  die 
in  Camhridgeshirc  entdeckt  ward,  zeigt  dasselbe  Motiv  (C.  Neville,  Saxnn 
obsequies,  illustrated  by  Ornaments  and  wcapons  dlscovered  in  a  eeme- 
tery  near  Little  Wilbralnun.  Eondon  1K;"»2.  ]>l.  II,  Fig.  3;Y.  Im  9.  Jh.  zeigt 
das  Gebiet  der  langobardisclicn  Arcliitcktur  ein«'  neue  Ausgestaltung. 
Die  Kankc  wird  fast  im  vollen  Kreis  herumgeführt,  an  den  Ansalzen  der 
Blatter  werden  Knötchen  in  der  Form  von  tjuerriegeln  angesetzt.  So 
auf  der  grossen  Marmortalel  im  Mus.  zu  Orvielo  bei  Kohault  de  Fleury, 
La  messe,  pl.  EXIL  p.  1*2  {die  Inschrift  erst  1051  darauf  gesetzt:  De 
Rossi  im  Bull,  d'arch.  ehret.  IHN»,  p.  12*.  Dann  auf  dem  Thürstnrz 
aus  St.  Eorenzok  in  Zara  im  Museum  S.  Donato  in  Zara  (Mittheil.  d.  K.  K. 
Ccntraleommission  N.  F.  XII,  p.  CEXXVI,  Fig.  22,  23)  und  auf  dem  Thür- 
stürz  der  Kirche  zu  Nona  (Eitelbcrge  r  im  Jahrbuch  der  K.  K.  Central- 
commission  V,  p.  73).  Für  die  Ausgestaltung  der  Rauke  vom  9.  bis  ins 
10.  .Ib.  verweise  ich  auf  die  Abbildungen  aus  St.  Samson-sin-Rillc  JJe 
Caumont,  Abecedaire  p.  2.">),  aus  der  Kirche  in  Jouarre  iFörsters  All- 
gemeine Bauzeitung  XXV,  18n"ü,  Atlas  Taf.  353,  Fig.  11.  und  aus  dem 
Sehatze  von  foinjues  (Gazette  des  Beaux-Arts  1H8!),  II,  p.  11  . 


Fig.  20.    Ornanientstreifen  von  einem  Roliquiar 
in  Conques. 


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110 


Paul  dornen: 


plastischen  Gegenstände ,  an  denen  sie  atn  häufigsten ,  fast  regel- 
mässig vorkommen,  der  Elfenbeintafeln.  Die  figürlichen  Darstel- 
lungen in  der  grossen  Plastik  der  Mcrowingcr  und  Karolinger  sind 
zum  grossen  Theil  zu  Grunde  gegangen;  die  parallelen  Erschei- 
nungen auf  den  irischen  und  angelsächsischen  Steinmonumenten 
konnten  nur  in  beschränktein  Masse  zur  Erklärung  herangezogen 
werden.  80  bilden  die  Elfenbeinschnitzereien  das  wichtigste  und 
bei  der  Fälle  der  hier  erhaltenen  Denkmäler  «las  glänzendste  Objekt 
fllr  die  historische  Behandlung  der  figürlichen  Darstellungen.  Es 
soll  hier  weder  eine  Geschichte  der  frühmittelalterlichen  Elfenbein- 
schnitzerei, noch  ein  raisonn irender  Catalng  gegeben,  sondern  nur 
«ler  Versuch  gemacht  werden,  das  erhaltene  Material  in  seinen  künst- 
lerisch bedeutendsten  Erscheinungen  örtlich  zu  gruppiren  und  zu 
fixiren  und  aus  dem  Vergleich  mit  den  übrigen  Werken  der  gleich- 
zeitigen Plastik  gewisse  Handhaben  für  die  Datirnng  zu  gewinnen, 
zumal  um  eine  Verwendung  und  Vcrwertlmng  der  Elfenbeinsehätzc 
fllr  ikonographischc  und  typnlogische  Arbeiten  zu  ermöglichen  — 
die  Untersuchungen  über  den  Bilderkreis  einer  bestimmten  Epoche 
müssen  ohne  die  Heranziehung  der  plastischen  Arbeiten  nothwendig 
unvollständig  sein  *M\ 


256*  Das  einzige  Handbuch  für  die  Benutzung  ilor  Elfenbein- 
arbeiten bildet  J.  O.  West  wood,  A  doseriptive  catalogue  of  the  äetile, 
ivories  in  tbe  South  Konsington  Museum.  London  1870,  das  sieb  aber 
zu  eng  an  die  Auswahl  von  Abgüssen  in  der  genannten  Sammlung  an- 
schliesst.  Dazu  al«  einzige  Zusammenfassung  J.  Lab  arte.  Hist.  d.  arts 
industriels  I,  p.  183;  W.Bode,  Geschichte  der  deutschen  Plastik.  S.  1-21; 
William  Mas  kell,  Ivorios  aucient  and  niediaeval.  London  1875. 
O.  Schaefer,  Die  Denkmäler  der  Klfenbeinplastik  des  (u-ossherzog- 
liehen  Museums  zu  Darmstadt,  Dannstadt  1872  scbliesst  sich  zunächst 
au  die  Darmstildtor  Elfenbeine  au  und  behandelt  nur  daneben  auch 
die  Übrigen  wichtigsten  Stücke.  Ich  verzichte  in  den  folgenden 
Bemerkungen  auf  die  genaue  Beschreibung,  wo  diese  von  Wostwood 
und  anderen  gegeben  um!  begnüge  mich  mit  Verweisung  auf  die  Literatur. 
Die  Originalskulpturon  des  South  Konsington  Museums  beschrieben  bei 
William  Maskell,  Description  of  the  ivorios  ancienl  and  niediaeval  in 
tho  South  Kensignton  museuin,  London  1872.  Ein  die  wichtigsten  Publi- 
kationen umfassendes  Literaturverzeichnis«  bei  Job.  v.  Antoniewicz, 
Ikonographisches  zu  Chrestien  de  Troyes  i.  d.  Itoniauiscben  Forschungen, 
herausgegeben  von  K.  V  o  1 1  m  ö  1 1  e  r  .  Bd.  V.  Der  alte  Thesaurus 
veterum  diptyehorum  von  Gori  ist  nur  für  altchristliche  Arbeiten 
noch   brauchbar.    Ks  erscheint  dringend  nnthwmdig ,    dass  <i;i  neuer 


Merowingische  und  karolingische  Plastik. 


111 


Die  Elfenbeinschnitzerei  erreicht  schon  gegen  Ende  des  9.  und 
am  Anfang  des  10.  Jahrhunderts  ihren  ersten  Höhepunkt  —  gleich- 
zeitig mit  der  karolingischen  Goldschmiedeknnst.  Die  Feinheit  und 
Delikatesse  der  Durchbildung,  die  Grazie  und  das  rhythmische  Maas* 
in  «ler  Linienführung,  da»  wohlbedachte  Einhalten  der  Gesetze  von 
der  Raumfüllung  nähern  die  Meisterwerke  dieser  letzten  Epoche  den 
.Schöpfungen  der  italienischen  Krührenaissance.  Die  ausserordent- 
liche Geschmeidigkeit  des  Materials  erleichterte  die  Freiheit  der  Be- 
handlung: die  Arbeit  des  Treibens  in  Goldblech  war  ebenso  lang 
oder  länger  geübt,  doch  die  Technik  war  hier  noch  die  alterthüm- 
lieh  -  schwerfällige:  noch  Theophilns  berichtet  Uber  die  Mühe  der 
doppelten  gegenseitigen  Bearbeitung.  Alier  die  karolingische  Elfen- 
bcinplastik  tritt  ebensowenig  unvermittelt  auf  wie  die  gleichzeitige 
.Metallurgie.  Die  Fäden  führen  einmal  auf  das  merowingischc  Reich 
zurück,  in  zweiter  Linie  auf  Italien.  Ich  schlage  den  italienischen 
Eiufluss  höher  an  als  dies  bisher  geschehen.  Die  Nachrichten  über 
die  wirtschaftliche  Zerrüttung  und  ü)>er  das  grosse  culturcllc 
Sterben ,  das  wie  der  schwarze  Tod  Italien  durchzog ,  dürfen  uns 
uicht  blind  dagegen  machen,  das»  in  einer  ganzen  Reihe  von  städti- 
schen und  klösterlichen  Anlagen  sich  bei  der  fllwnnfichtigen  Fülle 
guter  Vorbilder  eine  Kunstthätigkeit  erhielt,  an  die  die.  Tradition 
im  11.  Jahrhundert  wieder  neu  anknüpfte.  Dieser  italiilnischc  Ein- 
fluss  reicht  indessen  nur  bis  au  den  Beginn  des  9.  Jahrhunderts, 
und  die  Leistungsfähigkeit  scheint  sich  auf  das  nördliche  Italien, 

Thesaurus  zusammengestellt  werde. ,  der  zum  mindesten  die  Arbeiten 
Imb  zum  Schluss  des  12.  Jh.  vollzählig  aufzunehmen  hat.  Die  von 
Krnst  aus' in  Weerth  seiner  Zeit  angekündigte  Publikation,  für  die 
die  Tafeln  seit  Jahren  schon  fertig  gestellt  sind,  ist  uicht  zum  Absehlus.i 
gekommen.  Für  einen  neuen  Thesaurus  würden  sich  die  Heliogravüren 
oder  Lichtdrucke  nach  photographischen  Aufnahmen  mit  zerstreutem 
Licht,  bei  scharf  beleuchteten  Objekten,  die  keine  Unterarbeitung  zeigen, 
auch  Autotypien,  nur  für  kleinere,  lediglieh  ikonographisch  interessante 
Stücke  phototypisch  zu  vervielfältigende  Zeichnungen  empfehlen.  Viel- 
leicht könnte  ein  Cousortium  von  jüngeren  Kunsthistorikern  die  Arbeit 
gemeinsam  übernehmen.  Nur  steht  die  selbstlose  ForscherthHtigkeit  im 
Dienste  umfangreicher  Quelienpublikationen,  bei  denen  der  Name  des 
Kinzelnen  im  ganzen  Werke  untergeht,  Arbeiten,  bei  denen  zwei  Oene- 
rationen  von  Historikern  und  klassischen  Archäologen  in  mehr  als  einem 
Sinne  gross  geworden  sind,  bei  dem  heranwachsenden  (ieschleeht  der 
Kunsigelehrteu  «heu  in  schlechtem  Ansehen. 


112  Paul  Clciiien: 

die  Lombardei  zu  beschränken ,  während  erst  Rnvenna  uud  dann 
Rom  vorübergehend  Enklaven  der  byzantinischen  Kunstübung  dar- 
stellten. 

Unzweifelhaft  bestand  bereits  im  7.  Jahrhundert  in  Frankreich 
eiue  Elfenbeinschnitzcrschulc ,  die  nach  altchristlichcn  italiänischcn 
Vorbildern  arbeitete  und  diese  verhältnissmiUsig  treu,  mit  einem 
ziemlich  hohen  Verständnis»  für  Körperformen,  einem  geringeren  für 
Gewandung  und  Faltenwurf  eopirte.  Es  int  eine  Reihe  von  cylin- 
driachen  Pyxides,  die  ich  dieser  Schule  zuweisen  mochte.  Einmal 
die  älteste  mit  einer  Löwenjagd  im  Schatz  der  Cathedrale  zu 
Sens  ss")  (luv.  52).  und  dann  fünf  Gefässe  mit  biblischen  Sceneu  in 
Rouen  Paris  Hannover  ifiW),  Lavoute-rhillae  s,il ),'*\Vien  s,:*  >. 
die  untereinander  die  grögstc  Aehnlichkeit  zeigen.  Die  Pyxis  im 
Musee  de*  antiquites  zu  Rouen  zeigt  die  Geburt  Christi  und  die 
Anbetung  der  Hirten,  die  im  Clunyinusenm  zu  Paris  die  .Samariterin. 
die  Ehebrecherin ,  die  Hlindgeborenc ,  den  Paralytiker ,  die  Anf- 
erweckung  des  Ijnzarus.  Die  Pyxis  der  Kirche  Lavonte  -  Chillae 
(Hautc-Loire i  zeigt  die  Heilung  des  Lahmen,  die  Samariteriii,  die 
Anferweekung  des  Lazarus,  die  Verkeilung  der  Brode.  Eine  andere 
in  Frankreich  bewahrte  Pyxis  im  Museum  zu  Nevers  -6r\  dagegen 
wie  die  zweite  aus  der  Sammlung  Hahn  in  Berlin  gehört  zn  der 
grossen.  Uber  das  ganze  mittlere  und  südliche  Europa  verstreuten 
Gruppe  der  altehristliehen  Pyxiden  Das  Charakteristische  der 


257)  Abb.  ltnhault  de  Fleury,  La  messe  V,  p.  68. 

258)  Abb.  Memoire«  de  la  soeiöte  dos  autiquaires  de  Normandie  XI 
p.  131,  139. 

259)  Abb.  Roliault  de  Fleury,  La  messe  V,  p.  67,  pl.  373;  (Jar- 
rueoi,  Storia  dell'  arte  cristiana  VI,  pl.  438,  no.  4. 

260)  Abb.  Fr.  Hahn,  Fünf  Elfeiibeiiigef'Hsfw  den  frühen  Mittelalter«. 
Hannover  1862.   Tafel  III. 

261)  Malegue  et  Avnard,  Albuin  d'ureliöologio  rcligiouse.  I'uy 
1857.    pl.  16,  p.  53. 

262)  Mittheilungen  der  K.  K.  Contraleo  in  missinn  N.  F.  II  '1876.. 
8.  44;  Max  S  c  h  m  i  d,  die.  Darstellung  der  <Jeburt  Christi  i.  d.  bildenden 
Knust  S.  39. 

263)  188*»  auf  der  Weltausstellung  in  Paris  'iTrnendero  Nr.  20).  Bo- 
schreibung im  Catalog. 

264)  Vgl.  Gairucci  a.  a.  O.  VI.  pl.  437  ff.  Ein  Verzeichnis»  der 
vomiglichsloii  Pyxides  bei  West  wo  od  p.  272.  Feher  die  Gefltsse  vgl. 
l'abbö  Cnrhlot,  Kssai  histori«|ne  et  liturgi<|iio  sur  les  eil>oires  et  In  reservo 


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Merowingische  und  karnlingische  Plastik. 


11" 


merowingischcn  Arbeiten  liept  in  der  flachen  Behandlung  der  Ex- 
tremitäten, den  scharfen,  eckigen,  kantigen  Einschnitten,  welche  die 
Kalten  darstellen.  <lanehcn  den  ilbergrossen  kurzgeschorenen  Rund- 
köpfen. 

Die  Klfenbeinkäturae  bilden  eine  liesondere  Gruppe  fllr  sich, 
die  nicht  gut  zerrissen  werden  kann:  mehr  als  bei  den  anderen 
Gruppen  sind  hier  die  eigenthllniliche  Form  der  Ornamente,  die 
Umrisse  und  die  Motive  der  Füllungen  bedingt  durch  den  Charakter 
des  Objektes  selbst  •  -  die  überlieferten  Formen  bewahren  hier  eine 
grössere  Zähigkeit :  schon  dadurch  stehen  diese  Kamme  unter  einer 
Art  von  Ausnahmegesetz.  Eine  kleine  Anzahl  ist  annähernd  sicher 
zu  datiren  und  bildet  so  die  Ausgangspunkte,  an  die  die  Unter- 
suchung die  weiteren  verwandten  Stücke  anzureihen  hat. 

An  der  Spitze  stehen  eine  Anzahl  einfacher  Kämme  aus 
Knochen,  die  säinmtlich  dem  5.-7.  Jahrhundert  angehören,  vor 
allem  im  Museum  zu  St.  Gennain  -  en  -  Laye  (Nr.  26300,  14760, 
13669,  15283),  denen  sich  die  einfachen  Arbeiten  aus  den  deutschen 
Gräbern  zu  Xonlendorf,  Pfullingen,  Oberolm  in  den  Museen  zn  Mainz 
und  München  anschlichen  *8S).  Das  Museum  zu  Perigneux  lfl'5)  be- 
sitzt einen  elfenbeinernen ,  das  zn  Besancon iß7)  einen  bronzenen 
Kamm  ans  dieser  ersten  Periode,  Unter  den  zweizeiligen  Elfcnbcin- 
käramen  halte  ich  für  den  ältesten  den  in  der  Sammlung  der 

de  l'cucharistie.  Pari«  1858;  Alexander  Nesbitt,  On  a  box  of  carved 
ivory  of  the  sixth  Century  i.  d.  Archaeologia  XLIV,  p.  321.  Drei  altchristl. 
auch  bei  Fr.  Halm  a.  a.  O.,  eines  davon  jetzt  in  Berlin  (Bode  und 
Tsehudi,  Beschreibung  der  Bildwerke  der  christlichen  Epoche,  Tafel  63). 

2<>.'i>  Lindensch  mit.  Alterthumskunde  I,  S.  313;  L.  Linden- 
schniit  Sohn,  Das  römisch-germanische  Centralmnscum  Taf.  VII,  17 — 24. 
Aus  skandinavischen  Funden  bei  Henry  Petersen,  Gravpladsen  fra  den 
aeldrc  Jcroaldcr  paa  Nordrup  Mark  ved  Ringsted  i.  Nordiske  Fortids- 
minder  udgivne  af  det  Kgl.  Nordiske  Oldflkriftselskab  I,  pl.  III,  Fig.  8,  10. 

266)  Gefunden  in  TocaneSaint-Apres.  Vgl.  Galy,  Catalogue  du 
musce  archi'ol.  du  depart.  de  la  Dordogne.  Perigneux  1862.  Nr.  359,  360. 
Ein  anderer  zu  Tourly  (Oise)  gefunden  (Memoiren  de  la  soci/'ttV  de*  anti- 
quaires  du  Centre  VIII,  p.  74).  üeber  weitere  Kxeinplarc  vgl.  De  Baye 
in  seinen  beiden  Ktudes  archeologiques  (s.  o.). 

267)  Bulletin  monumental  1H61,  p.  T>90.  Diese  Brouzckainme  kommen 
verhältnissiiiHssig  selten  vor,  die  schönsten  Kxemplare  (einzeilig  mit  durch- 
brochener Halbrund!  ullung)  im  Museum  in  Kopenhagen  (J.  J.  A.  Worsaae, 
Afbildniuger  fra  det  Kongcligc  Museum  for  nordiske  oldsugcr  i  Kjöben- 
hnvn.    Kopenhagen  1Hf>4.  pl.  45,  Fig.  1«0.  181 t. 

J.hrh.  <1.  Vor  v.  Alter»h«fr.  im  Rheli.l  Xf'lt  S 


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114 


P.iul  Clcmcn: 


Sociitö  archeologique  zu  Tours  befindlichen  (aus  der  Sammlung 
Albert  Reynaud) ,  der  ai|f  dem  rechtwinkligen  Mittelstück  eine 
einfache  geometrische  Wurfclomaracntik  mit  ansgehobenem  Grunde 
und  aufgesetzten  Koset  ton  zeigt.  Die  gleiche  Form  der  Kamme 
findet  sich  auch  auf  englischem  Boden,  eine  ganze  Keihe  zu  Dun- 
robin,  Kirricmuir,  Dariot,  Garioch  in  Schottland  2fi8),  zu  Dovc  Point 
iCheshirei iii9),  ein  Knoohcnkainm  mit  einer  verwandten  Rosetten- 
verzierung wie  das  Stück  in  Tonre  zu  Little  Wilbrabam  (Cambridge- 
shire) 310 ').  Unter  den  reicher  verzierten  liturgischen  Prachtkammen  "M 
steht  in  erster  Linie  der  Kamm  des  h.  Cripus  im  Sehatz  der  Cathe- 
drale  zu  Scns  (luv.  24-t)  Da*  Mittelfeld  zeigt  zwei  Löwen, 
die  gegen  einen  Haumstamm  anspringen,  auf  dem  ein  Widdcrhanpt 
erhöht  ist.  Auf  dem  oberen  Kähmen  ist  ein  Goldstreifen  aufge- 
nietet mit  der  Inschrift  Pccten  S.  Lupi,  in  Majuskeln  im  Charakter 
des  13.  Jahrhunderts,  den  unteren  verkleidet  noch  ein  alter  Streifen 
mit  sechs  rechteckigen  ungeschliffenen  Steiuen,  jeder  von  einem 


26«)  Stuart,  Soulptured  stnnes  of  Scotland.  Aberdeen  1856.  pl.  33, 
43.  112. 

269)  A.  Haine,  Ancient  Meols,  some  necount  of  the  antiquities  found 
uear  Dove  l'oiut.    London  1*63.    p.  323. 

270)  C.  Neville,  Saxon  obsequios,  illustrated  by  Ornaments  and 
wcapons.  London  1852.  pl.  23.  Tenor  eine  besondere  form  der  auf  eng- 
lischem Boden  gefundenen  Kümme  —  tasehenmesserartig  zuzuklappende 
Schalen,  die  über  die  Zahne  hinweggriffen  —  siehe  Roach  Smith,  Inven- 
torium  sepulerale.  17"»7.  pl.  XXXI.  Diese  Schalen,  nllerdings  nur  ein- 
seitig, finden  sich  auch  auf  dem  Continent  in  den  Hheinlanden.  ao  bei 
den  vorzüglich  erhaltenen  Kummen  im  Museum  zu  Natnur  (Annales  de 
la  soeiöte  archeol.  de  Namur  XIV,  livr.  4).  Ein  etwa  dein  8.  Jahrhundert 
(so  Fleury,  la  messe  VIII,  p.  673)  angehöriger  aus  Barhain  Downs  bei 
Akerman,  Romains  of  Saxon  pagandoin  pl.  XXXI,  Fig.  1;  Archaeolo- 
gical  journat  XIV,  p.  14. 

271)  Ueber  den  Gebrauch  vgl.  Bretagne,  Recherche* sur les peignes 
liturgiques  im  Bulletin  monumental,  3.  sorie  XXVII,  Nr.  4;  Du  Gange, 
Glossarium  V,  p.  165,  art.  Pecten. 

272)  Vgl.  Anatole  de  Montaiglon,  Antiquitös  et  ctirinsites  de  la 
ville  de  Sens  i.  d.  Gazette  des  Boaux-Arts  2.  per.  XXI,  p.  10;  A.  Gaussen, 
Portefeuille  archeol.  de  la  Champagne.  Bar-sur-Anbe  1861.  pl.  2;  Miliin, 
Voyage  dans  les  departeinents  du  midi  de  la  France  I,  p.  97,  Atlas  pl.  I, 
Fig.  3;  Bulletin  monumental  1861,  p.  276;  1872,  p.  404;  Viollet  -  le -Duc, 
Dictionnaire  raisonn6  du  mobilier  francais  IV.  p.  172.  Der  zum  Vergleich 
heranzuziehende  King  des  Saint-Loup  bei  V  io  I  le  t-  le  -Duc,  a.  a.  O.  in, 


p.  21. 


Mcrnwingfache  und  karolingi.whe  Plastik. 


iir» 


auf  den  Seiten  aufgeklappten  MetallblUttehen  gehalten ,  dazwischen 
anfgelöthetes  einfachstes  Filigran  mit  einem  Fragezeichenornament 
—  alle«  Anzeichen,  die  Charakteristika  der  merowingisehen  Technik 
sind.  Wenn  daher  auch  nicht  mit  Sicherheit  anzunehmen,  dam 
der  Kamm  seihst  von  dem  Bischof  Lupus,  der  <»2.*5  starb,  gebraucht 
worden,  so  ist  es  doch  sicher  eine  Arheit  des  7.  oder  8.  Jahr- 
hnnderts  und  in  der  weichen  Behandlung  eine  der  vollendetsten  Arbeiten 
dieser  Zeit  ('Fig.  21 1.  Als  der  ihm  am  nächsten  stehende  erscheint 
der  Kamm  des  Bisehof  Hubertus  von  Tougrc*  und  Liege  (708  -727), 
der  noch  im  Schatz  der  Abtei  zu  Saint-Hubert  aufbewahrt  wird 
Kine  etwa  gleichzeitige  Arbeit  ist  der  Kamm  des  h.  Rcmaelus,  <les 
Bisehofs  von  Maastricht  - i>48- -K7"»  .  der  sieh  früher  im  Sehatz  der 
Abteikirche  zu  Stnvelot  befand*74'  und  1871  für  das  Alterthflntcr- 
nmsenm  in  Brüssel  erworben  ward  *T:,i.  Er  hat  eine  ziemliehe  Grosse, 
inisst  2<J,.r>  XI«»  ein  und  enthält  in  dem  mittleren  vertieften  halb- 
kreisförmigen Felde  zwei  von  den  Ecken  ausgehende  geschw  ungene, 
geriefelte  Ranken  von  etwas  primitiverer  Form  als  auf  den  Platten 
desTuotilo.  Etwas  später,  dem  0.  Jahrhundert  angehörig,  erscheinen 
ein  zweiter  Kamm  ansStavelot  in  Brüssel  ?7,!i  (Fig.  22j  und  der  Kamm  des 
Ii.  Berthnin  ans  der  alten  Abtei  Malonne  im  Museum  zu  Lüttich  ,77i. 
An  diesen  reiht  sich  der  jetzt  im  germanischen  Museum  zu  Nürn- 
berg befindliehe  Kamm,  ein  gute  und  sichere  Arbeit  des  9.  Jahr- 
hunderts, die  in  dem  Mittelstflek  auf  «1er  einen  Seite  zwei  stark 
stilisirte  Pfauen .  welche  aus  einer  Vase  trinken ,  auf  der  anderen 
zwei  sich  zugewendete,  schreitende  Greife  enthalt,  welche  mit  je  einein 

273)  Der  Kamm  des  Ii.  Lambert,  ehemals  im  Schatz  der  Cathedrale 
zu  Lütticli,  ist  jetzt  mit  den  Itcli.|iiien  in  dem  Schrein  verschtosBen  und 
seitdem  unsichtbar. 

274)  Hier  sahen  ihn  noch  die  Benediktiner:  Marlene  et  Durand, 
Voyage  litterairc  de  deux  religieux  beiiedictin*.  Paris  1721.  p.  153;  vgl. 
De  Nouc,  Ktudes  historif|Ues  sur  landen  pay*  de  Stnvelot  et  de  Maimedy. 
Lüttich  1*4*. 

275)  K  Chalon,  Note  sur  deux  peignes  lititrginues  provenant  de, 
Stavelot  im  Bull,  monuiii.  XXXVIII,  p.  404;  Ders.,  Deux  peignes  liturgi- 
ques  im  Bulletin  deH  commissions  Itoyales  d'nrt  et  d'areheologie.  1869, 
VIII,  p.  36.    Abbildung  bei  Kohault  de  Kleury,  ia  messe  VIII.  pl.  675. 

276)  Dieses  zweite  Stück  ist  nur  einzeilig,  enthalt  ein  halbrundes 
Feld  mit  grosser  Kose  und  die  Inschriti:  l^uisquis  ex  ine  suuiu  plana- 
verit  quoque  caput,  ipso  vivat  feliciter  Semper  annis.  Fiat. 

277)  Revue  ,le  lart  ehretien  lfW7.  p.  102. 


11« 


Hanl  Clemen: 


erhobenen  Yorderfusse  sieh  in  der  Mitte  berühren  !7R).    Den  Hübe-  1/ 
punkt  erreicht  die  Kunst  erst  nach  dem  Ausgang;  der  karolingisehen 
Periode  in  dem  Kamm  des  'h.  Gauzelin  (922 — 0<)2)  in  der  Cathe- 
drale  zu  Nancy,  der  aber  noch  unter  dem  vollen  Einflüsse  der  karo- 
lingischen  Ornamentik  steht.    Das  Mittelfeld  enthält  drei  Arkaden; 


Fig.  21.  22.    ElfenbeinkHmme  zu  Sens  un<t  zu  Brüssel. 

Weinranken,  die  aus  einem  Kelch  aufsteigen  und  auf  denen  Tauben 
sitzen,  beleben  die  Fällungen  "9). 

278)  Vgl.  Anzeiger  für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit  1K82,  S.  381; 
MiUhcihmgen  aus  d.  german.  Nationalmuseum  II,  S.  1f>.'{;  H.  Hü  so  Ii. 
Catalog  der  im  german.  Museum  befindlichen  Originalskulpturen.  Nürn- 
berg 1890.  S.  10.  Abb.  S.  11,  Nr.  2. 

279)  Abbildung. bei  Itohault  de  Fleury,  La  messe  VIII,  pl.  673. 
Er  befand  sich  früher  in  der  Abtei  von  Bouxiere  (Dom  Calmet,  Histoire 
de  Lorraine  I,  p.  8941.  Diese  Reihe  IMsst  sich  auch  über  die  karolingische 
Zeit  hinaus  fortsetzen.  Dem  11.  Jahrhundert  gehören  an  der  Kamm 
Bischof  Bennos  von  Osnabrück  in  der  Abteikirche  von  Iburg,  der  Kamm 
Erzbischof  Annos  von  Köln  in  Siegburg,  die  Kämme  in  Osnabrück. 
Quedlinburg,  Bamberg,  Köln.  Nur  der  Kamm  der  h.  Hildegard  kommt 
hier  noch  in  Betracht.  Er  ist  weit  Hlter  als  die  Heilige  vom  Rupperts- 
berg, deren  Namen  er  trügt,  diente  entschieden  auch  liturgischen  Zwecken, 
zeigt  aber  in  den  beiden  Feldern  durchweg  Kopien  römischer  Vorbilder, 
auf  der  einen  Seite  drei  Krieger?  auf  der  anderen  zwei  Quadrigen.  (Abb. 
v.  Hefner- Alton  eck,  Trachten  und  GeriUhsehaften  I,  Taf.  38.  Vgl. 
Lindei.schmit,  Aiterthumskundfl  1,  S.  315). 


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Merowingische  und  karolingische  Plastik. 


117 


Als  die  hervorragendsten  Stücke  der  italischen  Elfenbein- 
schnitzerei im  7.  und  8.  Jahrhundert  nenne  ich  die  folgenden:  Im  ^ 
South  Kensington  Museum  die  grosse  Platte  mit  fünf  Feldern  mit 
der  Darstellung  der  Maria  zwischen  Je$aias  und  Melehisedek  *80), 
die  ihr  Gegenstück  in  der  gleichgroßen  Platte  auf  dem  Cod.  Palat. 
50  der  Vaticana  findet  *■').  Die  letztere  schlicsst  die  Evangelien 
Lneae  und  Johannis  ein,  die  erstere  barg  wahrscheinlich  die  Matthaei 
und  Marci.  Die  Falteu  sind  bei  dem  flachen  Relief  tief  eingearbeitet, 
auf  Schatten  Wirkung  bei  starker  greller  Beleuchtung  berechnet;  die 
Gewänder  mit  den  vielen,  kleinlichen  Faltcnmotivcn  um  die  Schenkel 
stark  angeschnürt ,  bei  Maria  ist  sogar  der  aus  anderem  Stoff  als 
die  Tunica  bestehende  Mantel  durch  eine  abweichende  Behandlung 
wiedergegeben.  Die  Haare  sind  sorgfaltig  gestrichelt,  zum  Theil  in 
Knoten  aufgerollt.  Die  hohe  technische  Vollkommenheit  weist  diesen 
beiden  Werken  den  Platz  im  6.  oder  7.  Jahrhundert  vor  der  Periode 
des  Verfalls  an.  Eine  genaue  Kopie  des  einen  Engels  von  der 
Platte  der  Vaticana  fiudet  sich  im  Museum  zu  Darmstadt  *").  Auf 
das  engste  verwandt  mit  den  beiden  genannten  Buchdeckeln  ist 
eine  Einhandplatte  im  öffentlichen  Museum  zu  Ravcnua,  die  aus 
acht  Fehlem  besteht,  in  der  Mitte  Christus  zwischen  vier  Aposteln383). 
Dem  7.  Jahrhundert  gehört  eine  zweite  Gruppe  an,  die  wieder  so 
viel  gleiche  und  ähnliche  Züge  aufweist,  dass  man  au  eine  Aus- 
führung durch  ein  und  dieselbe  Hand  zu  glauben  geneigt  ist.  Es 
sind  dies  eine  Reihe  kleiner  Platten,  die  ehemals  mehrere  Reliquien 
kästelten  verzierten.  Vier  befinden  sieh  im  Britischen  Museum,  vier 
in  «W  Sammlung  Michcli»»').  Das  Relief  ist  hier  weit  höher,  die 
Figuren  sind  zu  Dreivierteln  herausgearbeitet,  die  Glieder  gerundet, 

280)  Abh.  bei  William  Maskoll,  Dcst-ription  r.i  the  Kurie*  awieiit 
and  mediaeval  in  the  South  KeuMiigion  Museum.  London  1872.  p.  R3. 
Westwood  Nr.  11!». 

281)  Gori,  Thesaurus  veteruin  dipt vclioruin  III.  \>.  2f»;  Förste  r, 
Denkmale  deutscher  Kunst,  Taf.  9;  La»)  arte  I,  p.  -209;  Westwood 
Nr.  117;  G.  S  ebnerer,  Die  Denkmäler  der  Kirenboinplastik  zu  Dann- 
stadt. S.  30. 

282)  We  h  t  w  o  «.  d  ,  Nr.  11*;  H  o  d  e  .  Geschichte  der  deutschen 
Plastik  S.  9. 

283)  Abb.  Gori,  Thesaurus  veterum  diptychormn  III,  p.  41.  West- 
woiid  Nr.  HU. 

284)  West  wood  Nr.  100-103,  UM- 107.  Phot.  Simelli.  Abb.  bei 
Westwood  pj.  zu  p.  44. 


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UM 


I'aul  Cleiueu: 


die  Gewänder  in  grossen  Zügen  angedeutet :  unvergessene  klassische 
und  altchristliche  Traditionen  sind  hier  noch  lebendig.  In  dcrAus- 
fühning  steht  zwischen  den  beiden,  zeitlich  wohl  um  ein  Jahrhundert 
später,  eine  dritte  Gruppe,  die  eine  im  Cabinet  de»  mcdailles  der 
Pariser  Nationalbibliothek  i Schrank  XIX)  befindliche  Platte  erüffuet. 
Unter  vier  säuleugetragcnen  Rundbogen  sitzen  die  vier  Evangelisten 
en  face  mit  einem  Buche,  der  erste  eintauchend,  der  zweite  die 
Reehte  auf  sein  Buch  legend,  der  dritte  die  Rechte  erhoben,  der 
vierte  sie  auf  die  Brust  legend:  auf  ihren  Nimben  sitzen  direkt  die 
Symbole  auf.  Es  schliessen  sich  an  die  beiden  grossen  Einband- 
decken im  Schatz  der  Cathedralc  von  Mailand  itb)  und  endlich"  die 
eine  Hälfte  eines  Diptychons  in  der  Cathcdrale  zu  Tongrcs  *86),  die 
eine  freie  Kopie  eines  der  Apostel  von  der  Cathedra  des  h.  Maximin 
zu  Ravcnna  giebt.  Zwei  Buchdeckel  in  der  Xationalbibliothek  zu 
Paris  187  j,  zwei  im  Berliner  Museum  m)  und  eine  Platte  in  der  Uui- 
versitäts-Bibliothek  zu  Bologna  mit  der  Geburt  in  der  oberen,  den 
Hirten  in  der  unteren  Hälfte  *89),  gehören  gleichfall«  hierher.  Für 
die  Technik  ist  das  letztgenannte  Pariser  Stück  die  charakteristischste 
Arbeit.  Wie  bei  der  zuerst  genannten  Gruppe  ist  das  Relief  sehr 
flach  gehalten,  die  Falten  sind  in  scharfen,  harten  Zügen  einge- 
schnitten, die  (»estalt  rundet  sich  nicht,  senkt  sich  nicht  nach  dem 
Grunde  zu,  die  Umrisse  sind  dadurch  kautig,  oft  ganz  senkrecht, 
als  ob  der  Grund  ausgestochen  wäre.  Es  ist  genau  die  Technik, 
die  im  7.  und  8.  Jahrhundert  auch  in  der  lombardischeu  und  mero- 
wingischeu  Steinsculptur  vorherrscht. 

Dem  Anfang  des  *.».  Jahrhundert*  schreibe  ich  zu  die  beiden 

2Kö)  Abb.  B  Ufr  Uli,  Mcinorie  Moriche  üitortio  le,  reli<|Ue  di  S.  Oelso 
append.  sopra  un  «Ii  tlittk-o  «l.  ChiesH  Metropolitana  «Ii  Milano  1782;  Ohl 
ficld,  NoticcH  of  Seulpture  in  Ivorv,  Titelbild;   Lab  arte,  ilist.  <U> 
Artn  induntrii-ls,  Albuin,  »culpture.  pl.  *>;  Westwood  Nr.*  95  u.  W>. 

2X6)  Camille  de  Roddaz.  L'Art  ancieti  A  IVxposition  national«- 
Btdgt*.    lirus.se!  1882.    p.  34,  ¥ig.  50. 

287)  Abb.  Leu  nrmant,  Tresor  de  yryptitiue  II,  pl.       12;  \V«  k( 
wood  Nr.  108,  10». 

28K)  Abb.  Didrot),  Annale  art-heoloffiqufs .  XVIII,  p.  301  pl. ; 
Westwood  Nro.  110,  111. 

280)  Abb.  Kohault  de  Kleurv,  l-a  sainte  vierge  I,  pl.  19;  «  o  r  i, 
Thesaurus  III,  pl.  .'tä,  p.  272;  Sernux  d'Agincourt,  Monuments,  Sculp- 
ture II.  pl.  12:  \V>«twnod  p.  :!H1:  M:»x  Sehnlid,  Darstellung-  der  Geburt 
rhrifti  in  d<  r  bildende  Kunst  S.  :ss. 


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Merowingische  und  knrolingische  Plastik. 


119 


im  Schatz,  des  Aachener  Münsters  befindlichen  Tafeln  die  ganz 
anzweifelhaft  italiänische  Arbeiten  sind  und  ihre  Gegenstücke  in 
den  beiden  Tafeln  itn  Schatze  von  S.  Ambrogio *:")  zu  Mailaud 
and  einer  Tafel  Mcdiacval  Room  de»  Britischen  Museums  finden. 
Dieselbe  ist  gleichfalls  dreigetheilt :  das  oberste  Feld  zeigt  die  Ver- 
kündigung, das  zweite  die  Geburt,  das  dritte  die  Anbetung  der 
Könige  —  bemerkenswerth  sind  au  ihnen  die  Reste  der  altcu  Be- 
malung  mit  Blau  uud  Purpur  für  die  Gewänder.  In  der  Bodlciana 
in  Oxford  ,M)  und  im  Stadtnmseuui  zn  Orleans  *-'*)  finden  sich  dann 
zwei  Blatten,  deren  Lokalisirung  schwierig  erscheint,  die  ich  jedoch 
gleichfalls  für  norditaliänische  Arbeiten  halten  möchte.  Die  Oxforder 
Platte  zeigt  in  dem  von  12  kleineu  Scenen  umgebenen  Mittelfelde 
die  Gestalt  des  bartlosen,  kreuzt  ragen  den  Christus,  der  mit  einem 
Fusse  auf  eine  Schlange,  mit  dem  anderen  auf  einen  Löwen  tritt. 
Die  Sccncn  sind  alle  in  Hachem  Relief  ausgeführt,  die  Figuren 
sind  mit  virtuoser  Beherrschung  des  Falteuwurfes  gezeichnet.  Der 
Rahmen  zeigt  ein  Pcrlstabornament  mit  Rosetten,  daneben  aber  auch 
ein  seltenes  Ornament,  bestehend  aus  Querklötzchen  mit  dazwischen- 
liegenden Rhomben,  das  für  Italien  charakteristisch  ist  —  es  findet 
sich  genau  wieder  an  der  oben  genannten  Pitriser  Tafel  W.  108. 
Der  Buchdeckel  von  Orleans  ist  in  ganz  anderer  Technik  ausgeführt 
und  'zeigt  nnr  in  Faltcuwurf  und  Ornamentik  soviel  relative  Aehn- 
lichkeit  mit  deu  norditaliilnischen  Arbeiten,  dabei  so  viel  Unähn- 
lichkeit  mit  allen  anderen  gleichzeitigen  Arbeiten,  das»  er  hier  an- 
zureihen ist.  Um  die  in  der  Mitte  thronende  Gestalt  dos  bartlosen 
Christus  ist  der  Grund  tief  ausgehoben:  »-ine  reiche  Architektur 
bildet  die  Krönung  des  Bogens.  Zur  Seite  Petrus  und  Jcsaias. 
l|Erst  «lein  letzten  Jahrzehnt  des  !>.  Jahrhunderts  gebort  das  durch 
die  Inschrift  genau  datirte  Diptychon  von  Rambona  im  christlichen 

•290)  Abb.  Aus'ni  Weerth,  Denkmale  der  KuuM  iL  Ma.  i.  d.  Khein- 
Unden.  Bildnerci  Taf.  36,  Fig.  «,  Text  II.  S.  10H.  Westwood  Nr.  '272. 
273.   Vgl.  Bode,  Deutsche  Plastik  S.  1<>. 

2iH)  Abb.Gori,  TheMiunin  III,  |>.  2o7,  pl.  33,  3»;  Seroux  d'Agin- 
court,  Seulptnre  pl.  12,  Fig.  1H;  Didron,  Annale*  nrclicol.  XXII,  p.  18, 
193;  Labart  c,  I,  p.  220;  Album,  wulpture  pl.  13. 

292}  Abb.  Didron,  Annnl.  archcol.  XX,  p.  118;  Westwood,  Catt- 
lojrue  pl.  zu  p.  65.  Nr.  126. 

293)  Abb.  Didron,  Aunal.  nrcheol.  XX,  p.  J*8.  West  wo  od  Nr. 
247.    Vgl.  Digby  Wyatt.  NoticeB  of  «eulpture  in  ivory.  London  18r>0. 


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120 


Paul  ClfUfu: 


Museum  des  Vatikan  au,  das  in  seiner  barbarischeu  Roheit  für  deu 
niederen  Stand  der  Kunst  in  Mittelitalien  am  Ende  dieser  Periode, 
aber  nicht,  wie  die«  gewöhnlich  {reschiebt,  als  charakteristisch  für 
die  ganze  italiänisehe  Kunst  des  ganzen  Jahrhunderts  angesehen 
werden  darf  *y '). 

Unter  den  iui  Bereieh  des  heutigen  Frankreichs  entstandenen 
Elfcubciiiskulpturen  lassen  Hieb  drei  grosse  Gruppen  trennen  und 
mit  einiger  Sicherheit  lokal  tixiren,  von  deneu  die  erste  den  Uebcr- 
gaug  von  der  uierowingisehen  zur  karolmgisckcn  Plastik  vermittelt, 
während  die  l>eiden  letzten  erst  im  9.  Jahrhundert  einsetzen.  Die 
erste  Schule  seheint  auf  das  Centre  beschränkt  zu  sein,  aus  dem 
fast  alle  zu  nenuenden  Stucke  stammen:  die  Kunstthätigkeit  von 
Tours,  Poitiers,  Sens  auf  anderen  Gebieten  lässt  aueh  auf  dem  der 
Elfenbeinschnitzerei  eine  gewisse  Hebung  voraussetzen.  Ueber  den 
Ursprung,  den  Mittelpunkt,  die  Ausdehnung  lassen  sich  nur  Ver- 
muthungen aussprechen:  siehcr  ist,  dass  diese  Schule  sich  an  die 
oben  genannte  Gruppe  vou  Hundgefässen  anschloss.  Sie  ist  aber 
von  den  altchristlichen  Vorbildern  durch  eine  weitere  Strecke  Weg* 
getrennt:  der  Gestaltenkanon  ist  noch  derselbe,  für  die  Gewandung 
hat  sieh  ein  fast  manirirter  Stil  herausgebildet.  Das  älteste  Werk 
ist  der  Einband  eines  Evangeliars  in  der  Kirche  von  Seaulieu 
(C«te  d  Gr)  aas  dem  7.  Jahrhundert.  Auf  der  vorderen  Platte  er- 
scheint Christus  schon  langbärtig  auf  einem  Kissenthron,  in  der 
Linken  ein  Buch  haltend,  die  Rcehte  mit  zwei  Fingern  segnend 
erhoben,  zur  Rechten  und  Linken  die  Halhhguren  von  Petrus  und 
Paulus.  Auf  der  Rückseite  Maria,  die  Rechte  flach  vor  der  Brust, 
im  linken  Arm  das  ganz  bekleidete  Kind,  das  in  der  Linken  eine 
Rolle  hält,  während  es  die  Rechte  segnend  erhebt.  Znr  Seite 
zwei  Engel,  die  Köpfe  sind  alle  viel  zu  gross  und  in  Flächen  be- 
arbeitet, uieht  rund  modellirt,  die  Falten  scharf  eingeschnitten.  Dem 
7.  Jahrhundert  gehört  wohl  aueh  noch  die  früher  in  der  Sammlung 
Soltykofl*.  darauf  in  der  Sammlung  Webb  in  London  befindliche 
Tafel  an ,  mit  den  barbarischen  Darstellungen  der  Predigt  des 


294)  Abb.  Uori,  Thu&aurus  III,  pl.  22;  D'Agincourt,  Seulpture, 
pl.  12,  Fig.  lt>;  Wesiwood,  pl.  zu  p.  57,  Nr.  128.  Weutwood,  Early 
chriMian  art,  illustrated  by  ivory  earvings  pl.  zu  p.  7.  Vgl.  der*,  i.  «1. 
Proeoodings  of  Ihr  arehneol.  soc.  of  Oxford  3.  Dec.  1862.  Barbier  de 
Montnult  im  liull.  uiouuin.  XLV1,  p.  33JI;  Maraugnni,  Delle  eose.  gen- 
tllesvlie  e  profane  trasportate  ad  im»  ed  ornnmenlo  deJIu  chiesa.  Roui  174-1. 


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Merowiugisch«  uiul  karoliiigisdic  Plastik.  121 

Johannes  uud  der  Taufe  Christi,  die  Figuren  mit  groben,  plumpen 
Köpfen  und  kurzen  Extremitäten ,  die  Falten  wie  eingekerbt ,  der 
Grund  wie  ausgebt« »eben  m>.  Werthvoll  für  die  Zeitbestimmung  ist 
hier  das  Motiv  der  beiden  durchhochtencn  Händer  in  der  Einfassung. 
In  der  Cathedrale  zu  Nancy  befindet  sich  eine  längliche  Tafel,  die 
Hälfte  eines  Diptychons,  mit  der  Darstellung  der  Kreuzigung  — 
Christus,  Maria,  Johannes,  Longinus,  Stepitaton,  Sonne,  Mond  —  in 
der  oberen  Hälfte,  in  der  unteren  die  beiden  Marien  am  Grabe,  vor 
dem  ein  Engel  sitzt,  darunter  drei  schlummernde  Kriegsknechtc.  Die 
Falten  sind  hier  gleichfalls  mit  spitzem  Messer  tief  und  kantig  ein- 
geschnitten, wobei  die  Oberfläche  meist  in  einer  Ebene  bleibt,  die 
Gewänder  sind  nur  um  Obersehenkel  und  Oberarm  stark  angezogen. 
Dem  9.  Jahrhundert  gehören  dann  an  eine  Tafel  aus  der  Sammlung 
E.  Foule  in  Paris  mit  dem  thronenden  Christus  in  der  Mandorla, 
das  buch  in  der  Linken,  die  Rechte  segnend  erhoben,  in  den  Ecken 
die  vier  Evaugelistensymbole.  zur  Seite  Christi  je  ein  Seraphim, 
darunter  Sonne  und  Mond.  Der  längliche  Kopf  Christi  ist  bartlos 
und  von  langen  Locken  umgeben:  die  Falten  sind  gleichmässig  tief 
eingeschnitten,  ohne  grosse  Motive.  Dann  das  grosse  Elfenbein- 
kästchen im  Lonvre  (Xr.  m\  eine  der  ausgedehntesten  unter  den 
erhaltenen  Arbeiten,  mit  acht  Darstellungen :  Herode*  die  Magier 
empfangend,  Geburt  und  Darstellung  im  Tempel,  Anbetnug  der 
Könige,  Flucht  nach  Aegypten,  der  Engel  den  Königen  erscheinend, 
der  Engel  dem  Joseph  erscheinend,  Vcrküudigung,  Besnch  Marias 
bei  Elisabeth.  Charakteristisch  ist  hier  wieder  die  zeichnende  Be- 
handlung der  Falten  und  das  feste  Anschnüren  der  Gewänder  um 
Schulter  und  Oberschenkel  Weiter  vier  Tafeln  im  Lonvre,  die 

je  zwei  und  zwei  von  derselben  Hand  herrühren,  die  ersteu  beiden 
den  Höhepunkt  der  Technik  in  «lieser  Gruppe  bezeichnend  un«l  da- 
bei doch  noch  eine  gewisse  Würde  uud  Grandezza  wahrend,  ganz 
im  Gegensatz  zu  der  zweiten  Schule  i!">.    Die  beiden  ersten  Tafeln 

21*5)  Labart ■'.  Album,  Mt-ulptiiri>  pl.  XII;  Text  I,  p.  127. 

2%)  Abb.  von  drei  Tafeln  b«;i  Lahartc.  Albuin,  sculptnre  p).  10. 
Dazu  H.  Otte  i.  .1.  Jahrbüchern  I.  Kunstwissenschaft  III,  S.  291.  West- 
wooil,  Catalogue.  pl.  zu  p.  2.12.  Nr.  «25-632,  Vgl.  De  Labordc, 
Notice  des  ivoir«>s  l&i:l.  Nr.  M2;  Sa  u  z  ay,  Notice  des  ivoircs  1863,  Nr. 69. 

297)  Mnsterpültijr  publicirt  von  Km.  Mol  inier,  Quatrc  ivoircs  de. 
r^poque  carolinpienw  an  imisee  du  Lonvre  i.  d.  Gawttc  archeolng-ique 
VIII,  p.  105». 


122 


I'aul  deinen: 


stelle d  dar  das  Gericht  Salomons  und  David  aeiu«  Psalmen  dictirend,  * 
die  beiden  letzten  die  Kranen  am  Grabe  Christi  nnd  eine  Scenc  ans» 
2.  Könige  c.  2.  Die  Tafel  der  Sammlung  Webb  in  I>ondon  mit  der  Dar- 
stellung des  EinzugsChristi  in  Jerusalem  und  Christ  i  in  Bethanien  im  Hause 
de»  Lazarus,  ist  stilistisch  nahe  verwandt  *'■'*).  Ks  gehören  dann  hierher 
eine  Reihe  von  Krcnziguugsdarstellungeii .  «lie  iknnographiseh  eine 
einzige  Gruppe  bilden.    Zunächst  eine  Tafel  im  Mediaeval  lioom 
des  Britischen  Museums  i  Schrank  2ih.    Zur  Seite  des  Kreuzes, 
dessen  Balken  durchgebt.  Maria  und  Johannes  in  der  oberen  Keihe, 
Longinus  nnd  Stephaton  in  der  unteren      die  beiden  ersten  Figuren 
auffallend  heftig  bewegt  und  den  Mantelzipfel  gegen  die  Augen 
drtlckend.    Eine  einfachere  Gruppe  in  der  Sammlung  Spitzer  in 
J  Paris»99).  Dann  zwei  Tafeln  im  South  Keiisington  Museum  (2»i )— 67, 
251 — 67) 3W),  beide  auf  das  engste  verwandt  und  wahrscheinlich 
von  einer  und  derselben  Hand.  Die  erste  Platte  zeigt  in  der  Mitte 
den  bärtigen  Christus  am  Kreuz,  über  dein  Kreuzbalkcn  die  Halb- 
tiguren  zweier  Engel,  die  sieh  herabhengen.    Zur  Seite  des  Cruci- 
fixes  die  Ecclesia  nimbirt,  mit  Kelch,  die  Synagoge  mit  S|>eerfahne, 
sich  abwendend,  am  Rande  Johannes  und  Maria.  Tiefer  Stephaton 
und  Longinus ,  unter  diesen  rechts  und  links  Auferstehende.  Am 
unteren  Rande  Oceanus  und  Terra.    Die  /.weite  Platte  zeigt  die 
gleiche  Anordnung,  die  die  Elfcnbcindcckcl  des  10.  Jahrhunderts 
auf  die  mannigfaltigste  Weis*-  variireii,  nur  dass  über  dem  Kreuzes- 
stamm noch  Sonne  nnd  Mond  erscheinen  und  dass  die  Auferstandenen 
nicht  durch  ganze  Figuren,  sondern  nur  durch  zwei  Reihen  Köpfe 
bezeichnet  werden.    Diese  letztere  Platte  ist  die  fortgeschrittenere : 
die  Figuren  sind  ein  wenig  natürlicher,  vor  allem  in  den  Gestalten 
des  Oceanus  und  der  Terra.  Das  Blattwerk  ist  hier  am  Rande  be- 
reits ziemlich  durchgebildet  nnd  unterarbeitet.    Endlieh  gehören 
hierher  die  beiden  Kreuzigungsplatteu  aus  der  Nationalbibliothek 


298)  Die  Darstellung  befindet  sieh  auf  der  Rückseite  der  oben  Anin. 
21)5  erwähnten  luerowiiijfischen  Tafel,  von  der  für  dienen  Zweck  oben 
15  ein  abgetrennt  sind.    Abb.  Labnrte,  Album,  pl.  XII. 

299)  Gazette  des  Beaux-Arts  1*90,  I,  p.  211. 

300)  Westwood  p.  112.  Ausführlich  über  diese  ikonographiücli*' 
Gruppe,  die  meisterhaft«  Ausführung  von  W.  Voege  in  seiner  Unter- 
suchung über  den  Deckel  von  Ciniel.  Monat- .  57.  (Kine  deutsche  Maler- 
schule um  die  Wende  d.  1.  Jahrtausends:  Erganzuuguheft  z.  Westdeutschen 
Zeitschrift  VII.  S.  H8.  A.  l.i 


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Merowingische  und  karoliugische  Plastik.  12.1 


in  Paris*"';  und  iui  South  Kensington  Museum  (67  -  Iii)  ws>,  beide 
ikonograpbisch  von  höchstem  Interesse  durch  die  doppelte  Dar- 
stellung der  Ecelesia  oder  der  Ecelesia  und  der  Stadt  Jerusalem, 
uud  die  beiden  Einbanddeckel  der  Yivianusbibel  au3i. 

Eiue  zweite  Gruppe  der  auf  französischem  Hoden  entstandenen 
Elfenbeinschnitzereien  steht  in  der  Zeichnung  unter  angelsächsischem 
Einflüsse,  der  vor  allem  in  der  unruhigen  Gewandung,  iu  den  frei- 
schwebenden,  gleichsam  aufgerefl'ten  Mantel/ipfcl,  in  den  vorgebeugten 
halbgesenkteu  Köpfen  uud  den  breiten  flachen  Häuden  mit  abge- 
spreiztem Daumen  sich  zn  erkennen  giebt.  Die  Gruppe  ist  mit  der 
grössten  Wahrscheinlichkeit  auf  Xordfrankreich,  die  Nonnaudie  und 
Picardie  zu  lokalisircn,  wo  sie  in  der  völlig  unter  angelsächsischem 
Einflüsse  steheudeu  Sehreibaehule  von  Arras  304 )  ihre  Parallele  h'udet. 
Die  Sehriftquelleu  berichten  von  einer  grossen  Reihe  von  Elfenbein- 
arbeiten  im  nördlichen  Frankreich,  zumal  in  den  Klöstern  von  Saint- 
Ricqnier  und  Saint-Wandrillc  unter  der  Leitung  von  Angilbert  uud 
Ansegis  S0Ä).  An  der  Spitze  steht  die  bekannte  Elfenbeinplatte  im 
Museum  zu  Amiens  (luv.  <51j,  mit  der  Darstellung  des  Saint  Renn 
in  drei  Streifen,  zu  unterst  der  Heilige,  den  König  Chlodwig  taufend. 
.  Die  Tafel  ist  nicht  früher  als  am  Ende  des  s.  Jahrhunderts  oder 
iu  den  ersten  Jahrzehnten  des  9.  entstanden  "0<; \    Die  gleichen 


301)  Al»b.  1).  Wyatt,  Notices  of  sculptures  in  Iv«ry,  pl.  zu  p.  ». 
WcMwnofl  Nr.  241».  Vgl.  über  die  ikouograph.  Deutung,  p.  110  Anm. 
und  Bastard  int  Bulletin  du  toinite  de  la  langue  etc.  de  la  France  IV, 
p.  «60,  «51. 

302)  Maskell,  (atalogue  \>.  107.    Westwood  Xr.  25ö. 

308)  Abb.  Lenorin.int,  Tresor  de  Glypti»|Un  I,  pl.  20;  Bastard  i.  d. 
Bull,  du  coiuite  de  la  Inngnc  Kto.  de  In  France  IV,  p.  660,  ti!)f».  Westwood 
Nr.  237,  23». 

304)  .1  nnitst  l.t  s,  Die  Trierer  Adahaudschrifl.  Vgl.  ausführlich 
die  dritte  meiner  kuroiingiseheu  Studien  im  Kepertoriuin  für  Kunstwissen- 
schaft 1892. 

;Wf>)  l  eber  Kllenbeinarbeiten  iu  Saint- ltic<|uicr  Ilariulti  Chronieoti 
Ccntul.  I.  II,  c.  10;  lib.  III.  c.  3;  in  Saint-Wandrille  Chronicon  Fnntanel- 
lensc  c.  16;  in  Arras  fiesta  poutif.  Camcrac.  I.  1.  c.  311. 

306)  Vgl.  Abb.  u.  Beschreibung  bei  Rigollot,  Notice  snr  unc  feuillo 
de,  diptyc(u<!  d'ivoire  repregentant  In  baptc.me  de  Clovis.  Amiens  1832; 
Ders.,  Ivoire  seulpte  represeutnnt  les  miracles  de  Saint  -  Romi  i.  d.  Mein, 
de  la  hoc.  des  nntiquaires  de  Picardie  III,  p.  2iK>,  Atlas  pl.  2;  )'abb£  Cb. 
('er f.  Feuillc  de  dipfy«|ue  an  musee  d'Aiuieiis,  <.ü  soiit  reprcsentc-8  troU 


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134 


Paul  Cleinen: 


stilistischen  Merkmale  zeigen  deutlich  zwei  weitere  Platten,  die  eine 
iui  Mediacval  Rooni  des  Kritischen  Museums,  die  andere  bislang  tu 
der  Sammlung  Spitzer.  Die  erstere  stellt  die  Hochzeit  zu  Cana 
dar.  In  der  oberen  Reihe  die  Gäste  an  der  Tafel,  unter  ihnen 
Christus  mit  seiner  Mutter  redend ,  in  der  zweiten  Reihe  Christus 
dem  Kellermeister  befehlend,  zwei  Diener  Wasser  in  die  Krllge 
füllend .  die  in  sechs  Exemplaren  nebeneinander  den  Vordergrund 
füllen.  Das  Pariser  Stück  30T;  stellt  die  Verkündigung  dar:  Maria 
sitzt  vor  einem  tempelartigcn  Gebäude  und  empfängt  die  Botschaft 
des  Engels,  der  den  linken  Arm  gegen  sie  erliebt.  Die  Gestalten 
sind  von  grosser  Schlankheit  und  Feinheit ,  die  Köpfe  leicht  nach 
vorn  geneigt,  der  Mantel  des  Engels  zeigt  einen  völlig  freiflattern- 
den Zipfel.  Das  bedeutendste  Werk  dieser  Schule  sind  die  beiden 
Elfenbeindcckel  vom  Gebetbuch  Karls  des  Kahlen,  Cod.  lat.  1152 
in  der  Nationalbibliothek  zu  Paris,  das  ziemlich  genau  datirt  ist. 
Der  vordere  stellt  dar  die  Geschichte  vom  König  David  und  dem 
Propheten  Nathan  (2.  Könige  7,  4:  12,  1/,  die  hintere  enthält  eine 
Febersetzung  des  Psalm  5*5  in  die  Plastik,  die  tomographisch  von 
hohem  Interesse  ist  und  in  derselben  Fassung  im  Utrechtpsalter 
fol.  (55"  und  im  Cod.  Hart.  603  fol.  IM 11  des  Kritischen  Museums  » 
wiederkehrt Alle  diese  Werke  aber  entstanden  auf  französischein 
Hoden.  Es  erscheint  charakteristisch  ftlr  die  angelsächsische  Kunst 
im  eigenen  Laude,  das*  nie  die  Elfenbeinplastik  nicht  aufnahm 
ebensowenig  wie  die  irische  Kunst.  Zu  all  den  kostbaren  Ein 
banddeckeln  der  irischen  Mannscripte  ist  das  Elfenbein  nie  hinzu- 

liiiraclcr*  opere*  pur  Saint  Hemi  de  Kehn*  i.  il.  Travaux  de  l'acad*  mie  de 
KeiniH  LXX1II,  tW;  Laernix,  Les  arts  au  moyeu  age  p.  344;  Rohault 
de  Fleury,  La  messe  VII,  pl.  56*.  Westwood  Nr.  325  mit  uurirhtiger 
Dntirung.    William  Maskell,  Ivorien  ancient  und  mediaeval  p.  A'J. 

307)  H  n  Ii  a  u  1 1  d  e  F  I  e  u  r  y,  La  *amtc  vierte  I,  pl.  10,  p.  81.  F. 

308^  AM»,  bei  Hastard,  Ornements  des  manuscrits  francais  VII, 
pl.  217;  Cahier  et  Martin,  Melange  d'archeologie  I,  pl.  27,  45;  Lnbnrte, 
Album  pl.  38,  39.  Westwood  Nr.  236.  lieber  die  Erklärung  der  zweiten 
Platte  »iehe  Paul  Durand.  Nouvclle  interpretation  d'un  bas-relief  en  ivoire 
decorant  I«  Ii  vre  de  prieres  de  Charles  le  Chauve  i.  d.  Hevue  archcoln- 
giqn«  V,  p.  733;  Charles  Cahier,  De  la  signifuntion  d'un  bas-relief  en 
ivoire  qui  orne  In  couverture  du  Ihre  de  priere.s  de  Charles  le  Chauve 
ebenda  VI,  p.  48  (die  hier  ausgesprochene  Meinung  später  in  deu  Melange* 
zurückgenommen).  Vgl.  Springer,  die  Psnlterillustrationeu  im  frühen 
Mittelalter  Taf.  VI;  Krau.s,  Kun«t  und  Alterthum  in  Lothringen  S.  571. 


Merowingischc  und  karolingischo  Plastik. 


I2f» 


gezogen  worden.  Eine  einzige  Arbeit,  eine  grosse  Platte  im  Muaee 
des  antiquite*  zu  Krüssel  mit  der  Darstellung  des  Über  die 
Schlange  triumphireuden  Christus,  Verkündigung  und  Besuch  Marias 
bei  Elisabeth  —  erscheint  als  englische  Arbeit,  zeigt  dabei  aber 
auch  die  tastende  Unbeholfenheit  der  gänzlich  ungeübten  Hand  MSV 
Die  (»estalten  zeigen  hier  durchweg  den  angelsächsischen  Formen- 
kanon, die  vorgebeugten  Kopfe,  die  auflallend  langen  Unterschenkel. 

Die  dritte  Schule  endlich,  die  da*  !».  und  10.  Jahrhundert 
hindurch  wirksam  bleibt,  hat  ihren  Sita  in  Metz  und  nähert  «ich 
sowohl  stilistisch  wie  ikonographisch  mehr  der  ersten  Schule  de* 
Centre.  Die  ihr  angehörenden  Arbeiten  weisen  alle  eine  grosse 
Gleichmütigkeit  anf,  sie  befinden  sich  fast  alle  noch  auf  den  Hand- 
schriften der  Metzer  Schnlc,  für  die  sie  bestimmt  waren.  Für  das 
älteste  Stflek  halte  ich  den  Deckel  von  Cod.  lat.  0384  der  National- 

H09)  Brüssel,  Mus.  d.  A.  Nr.  48c.  Die  Inschriften  lauten:  Ubi  dominus 
atnhulabit  super  n.spidcm  et  bnsiliscum  et  conculenbit  leonem  et  draconem, 
und:  Ubi  Gahrihel  venit  ad  Mariam.  Ubi  Mnriam  snlutavit  Elizabeth. 
Vgl.  James  Weale  et  J.  Macs,  Albuin  de1*  objets  d'art  rcligieux  du 
moyen  Ägc  et  de  la  rcnalssancc  exposes  A  Malines  en  1864.  Brüssel  1864. 
pl.  1;  Westjwood,  Fncsimiles  of  the  miniatures  of  anglosaxon  and  irish 
manuscripts  p.  150,  pl.  52;  Uohnult  de  Fleury,  La  messe  pl.  4«5;  West- 
wood, Cntnlogue  p.  180.  Möglicherweise  gehört  hierher  noeh  eine  zweite 
Platte  aus  der  Sammlung  Stein  mir  der  Inschrift:  Ob  amorein  crucis 
Radegid  tieri  IrogavinLouis  Gonsc,  L'art  nncien  h  l'exposition  de  1878. 
Paris  1879.  p.  102).  Es  sei  hier  kurz  erwähnt.  dw*s  auch  aus  Spanien 
aus  der  Zeit  vom  8.  -10.  Jh.  einige  Elfeiibcinskulpturen  erhalten  sind,  die 
alteren  reine  mauriseh-arabische  Arbeiten,  die  spateren  jene  Verbindung 
von  arabischer  und  westgothiseher  Ornamentik  aufweisend,  wie  sie  am 
deutlichsten  die  illumiiiirten  llsn.  d.  10.  Jh.,  besonders  die  der  Schreib- 
schule  von  Silos  nngehörigen  zeigen  iL.  Delisle,  Manuserits  de  l'abbaye 
de  Silos  i.  d.  Melangen  de  paleographie  et  de  bibliographie.  Paris  1880. 
p.  öM;  1).  Jesus  MnBos  y  Hivero,  Paleogratia  visignda.  Madrid  1881). 
Die  altere  Gruppe  vertritt  das  Klfeuheinkttstcheu  im  Schatz  der  Cathcdrale 
zu  Bayeux  (Mem.  pour  l'histoire  des  scienees  et  des  beaux  -  arts,  1714, 
p.  1771;  Andre,  N'otiee  snr  une  cassette  d'ivoire  de  la  cnthedrale  de 
Bayeux  i.  Bull,  inonum.  XXXVII,  p.  1):  die  jüngere  die  Büchse  im  South 
Kensington  Museum  (217-tif>t,  inschriftlich  für  AI  linkem  al  Monstnnser 
Billah  gefertigt,  der  JHil  — 9TG  Kalif  von  Cordovn  war  (Abb.  bei  Juan  F. 
Kiano,  The  industrial  arts  in  Spnin.  London  1H79l  Im  Schatz  iler  Cathe- 
•Irnle  von  Braga  in  Portugal  findet  sich  eiue  Büchse  der  gleichen  Zeit, 
gefertigt  für  Hadjeh  Abd  el  Melik,  einen  Minister  \  nn  Mischern  II  <Arte* 
e  Lettras  3.  si't.  N'r.  «,  p.  iV».  LKsabou  1S7I 


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126  Paul  (Meinen: 

^  *  r^*~  bibliothek  zu  Paris,  noch  hart  in  den  Umrissen,  kantig,  am  Kopf 
in  Flüchen  gearbeitet,  mit  dicken  plnmpen  Gliedmaßen  1,0j.  Am 
nächsten  steht  der  Deckel  von  Cod.  lat.  SI390  mit  vier  Darstellnugen 
nntercinander 5n):  oben  das  heilige  Grab  zwischen  zwei  schlafenden 
Wächtern,  dann  die  Kranen  am  Grabe .  Christus  mit  den  beiden 
Jtlngern  anf  dem  Wege  nach  Kmmaus,  Christus  seinen  Jüngern  er- 
scheinend. Die  Formen  sind  hier  schon  bedeutend  freier  und  reicher 
behandelt ,  da*  Relief  tritt  aus  dem  glatten  Grunde  ziemlich  hoch 
heraus.  Die  Gc*ten  der  erstaunten  Frauen  sind  gut  beobachtet  und 
ohne  Uebcrtrcibung  wiedergegeben.  Cod.  lat.  «ClH.i  s,*i  enthält 
dann  die  grosse  Krcnzigungsgruppe  mit  Christus,  Maria,  Johannes, 
oben  die  vier  Evangelisten,  nuten  eine  Darstellung,  die  wir  ähnlich 
schon  in  der  ersten  fränkischen  Schule  gefunden,  die  Synagoge, 
die  sich  zur  Stadt  Jerusalem  wendet,  ausgezeichnet  durch  Fahne 
nnd  Messer  der  Bcschneidnng,  und  die  Ecclcsia  mit  Fahne  und 
Weltscheibe  zwischen  Terra  und  Oceanus  thronend.  Die  technisch 
vorzügliche  Arbeit  gehört  etwa  dem  Schills»  des  0.  Jahrhunderts  an. 
Zwei  nahverwandte  Werke  sind  dann  bereits  dorn  folgenden  Jahr- 
hundert zuznschreilMMi,  der  Deekel  von  Cod.  lat.  94."nl  *is)  und  die 
Elfenbeinplatte  im  städtischen  Museum  zu  Metz  ""i,  beides  gleich- 
falls Krenzigungadarstcllungen ,  die  letztere  durch  das  Bildniss  des 
Adalbero,  das  in  einer  Nische  am  Sockel  der  Mittelsäulc  angebracht 
ist,  genauer  datirt:  der  Dargestellte  ist  Adalbero  I.  (*J42).  In  der 
Durchführung  Ist  diese  Arbeit  die  feinste  —  sie  zeigt  bereite  ein 
gewisses  Raffinement  in  der  Gewandbchandlung. 


.110)  Hohault  de  Fleury,  L'evangile  I,  pl.  9,  50,  52,  II,  pl.  71. 
811)  Abb.  Kraus,  Kunst  u.  Alterthnm  in  Lothringen,  S.  575,  Fig.  118; 
Kohault  de  Fleury,  L'evangile  II,  pl.  t>2,  »5. 

312)  Vgl.  Charles  Abel.  Recherche»  sur  d'nncicns  ivoires  scnlplös 
de  la  cathedrale  de  Metz  i-  d.  Memoire*  de  In  soeiete  d'nreheol.  et  d'hist. 
de  la  MoHulle  X,  p.  230;  Abb.  Kran*  a.  n.  O.  S.  571  und  Rohault  de 
Fleury,  La  ines.se  VI,  pl.  4K3.  L'eber  die  Schwierigkeit  der  ikonographi- 
schen  Bestimmung  Piper,  Mythologie  und  Symbolik  der  christlichen  Kunst 
I,  S.  628.  Labane,  Hist.  des  Art«  industriels  I.  p.  122.  Die  Verse  bei 
Delisie,  Cabinet  des  manuscrits  III,  p.  IM. 

313)  Westwood  Nr.  251. 

314)  Abb.  Kraus  a.  a.  O.  S.  581,  Fig.  119.  Vgl.  Abel  i.  d.  Memoire» 
VIII,  p.  22;  X,  p.  :U!>;  v.  Quast  im  Correspondeiizblatt  des  Gesammt- 
vereins  XVIII.  p.  S3;  Kastard  im  Bull,  du  eomite  de  l'hist.  d.  France  IV, 
p.  662,  862. 


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Merowingische  und  karolingisehe  Plastik. 


127 


Der  Metzer.  Sehnlc  gehfirt  noch  eine  zweite  Gruppe  von  Ar- 
l>eiten  an,  die  sich  untereinander  wieder  ausserordentlich  ähnlich 
sind.  Den  Anlas»,  die  Gruppe  gleichfalls  für  Metz  in  Anspruch  zn 
nehmen,  giebt  der  Umstand,  dass  das  Hauptwerk  auf  Metz  zurück- 
geht und  die  Deckel  hier  nicht  willkürlich  angeheftet  sind,  sondern 
ikonographisch  in  engem  Zusammenhang  mit  dem  Text  stehen,  so- 
dann der  Anklang  an  die  ausgesprochene  Manier  der  Arbeiten,  den 
Absatz  des  Haarkranzes,  der  sich  schon  in  einem  der  genannten 
Werke,  dem  Deckel  von  Cod.  lat.  9383  findet.  Das  Charakteristi- 
sche dieser  Arbeiten  liegt  in  der  Schärfe  der  Umrisse.  Diese  sind 
tief  mit  kantigen  Ansätzen  in  den  Grund  eingeschnitten,  zum  Theil 
nicht  einmal  abgeschrägt,  sondern  völlig  senkrecht.  Die  Haare,  der 
Rand  der  Tonsnr  sind  scharf  abgesetzt ,  der  harte  Abschluss  des 
Haarkrauzes  und  der  eckige  Abschluss  der  Nase  findet  sich  gleich- 
tnässig  Uberall  wieder.  Das  Hauptwerk  dieser  Sehnlc  sind  die  beiden 
Deckel  vom  Sacramcntar  des  Drogo,  Cod.  9428  der  National- 
bibliothek, mit  neun  Darstellungen  auf  jeder  der  Platten  8I5).  Ihnen 
schliesst  sich  an  ein  Diptychon,  ans  derselben  Zeit,  gleichfalls  mit 
liturgischen  Darstellungen,  das  jetzt  auseinandergerissen  ist:  die  eine 
Hälfte  befindet  sich  in  der  Stadtbibliothek  zu  Frankfurt  a.  M.  818), 
die  andere  in  der  Sammlung  Spitzer  zu  Paris817). 

Die  deutschen  Elfenbeinschnitzereien  des  9.  Jahrhunderts  bieten 
weit  weniger  Handhaben  zur  Grnppirung  und  genaueren  Datirnng. 
Ein  Schulcharakler  lässt  sich  wohl  in  den  allgemeinen  Z Ilgen  gegen- 
über Frankreich  statuiren,  doch  scheint  es  his  jetzt  nicht  möglich, 

315)  Krau's.  it.  a.  0.  S.  577,  pl.  14,  15  {Lichtdrnckc).  Abb.  Lenor- 
mant,  ."Tresor  de  glyptique.  Basreliefs  pl.  18,  19,  p.  13;  Hohault  d  e 
F I  e  u  r  3%  La  mpjwc  I,  pl.  4,  5;  Labart  e,  Los  art.s  industriell  I,  p.  221 ;  Vgl 
Curmer,  Imitation  de  Jesus-Christ  p.  17*;  Ca  Iii  er,  Notivenux  mclangcs, 
Ivoires  p.  115,  125.  Abel  i.  d.  Memoire«  de  la  soc.  d'arch.  et  d'hist,  de 
la  Moselle  X,  p.  22«;  Annal.  archeol.  XIX.  p.  136.  Die  ikonographische 
Würdigung  bei  Rnhanlt  de  Fleury  a.  a.  O.  p.  60;  Westwood,  Cata- 
logue  p.  133.    Nr.  295,  29«. 

31»»)  Passavunt  i.  Archiv  tiir  Frankfurts  Geschichte  und  Kunst  1839. 
I.  1858";  Ca  hier,  Nouveaux  Melange».  Ivoires  p.  IV;  West  wo  od  im 
Archacological  journal  XIX  p.  228;  Rolmult  de  Fleury,  La  messe  I, 
pl.  9.  Knackfuss.  Deutsche  Kunstgeschichte  T,  S.  56.  W  c  s  t  w  o  o  d, 
Patalogne  p.  448. 

317)  Montfancon,  Monument*  de  In  ninnnrehie  frniii.nise  III,  p.  45; 
(iazette  des  Bcnnx-Arts  2.  per.  XXV.  p.  105;  Rohault  de  Flenry,  La 
ipe^se  VI,  pl.  478,  p.  106. 


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128 


Paul  deinen: 


innerhalb  des  grossen  in  Betracht  kommenden  Gebietes  Trennungen 
vorzunehmen  und  einzelne  Orte  als  Mittelpunkte  der  Schultraditionen 
hinzustellen.  In  Frankreich  erscheinen  die  beiden  ersten  Schulen 
als  von  langer  Hand  vorbereitet,  sie  stützen  sieh  auf  die  merowin- 
gische  Tradition:  in  Deutsehland  setzt  offenbar  erst  im  9.  .Jahr- 
hundert die  Kunstübung  ein.  dann  aber  sofort  mit  einer  gewissen 
Gleichmäßigkeit  an  einer  ganzen  Keihe  von  Orten.  Die  Schule 
von  Metz,  die  stilistisch  auf  dem  Grenzgebiete  steht,  entsteht  wie 
die  deutschen  Schulen  erst  im  f>.  Jahrhundert.  Zwei  gros.««»  Gruppen 
lassen  sich  indessen  auseinanderhalten  —  eine  Reihe  von  Werken 
gehört  ihnen  unzweifelhaft  au,  die  übrigen  sind  lediglieh  ihrer 
stilistischen  Verwandtschaft  wegen  anzugliedern.  Die  erste  Gruppe 
möchte  ich  als  die  niederrheinische,  die  zweite  als  die  süddeutsche 
bezeichnen.  Auf  eine  rege  Produktion  in  den  niederrheinischen 
Städten,  von  Köln,  Aachen.  Xanten.  Werden  nach  den  Klöstern  der 
Ardennen  und  der  Maas  zu  weisen  eine  ganze  Reihe  von  Merkmalen. 

Zunächst  ist  da  eine  Gruppe  zu  nennen,  die  den  Uehergang 
nach  Frankreich  zu  vermittelt,  Schnitzarbeiten,  die  sich  in  der  Haupt- 
sache noch  heute  auf  belgischem  Boden  befinden.  Das  Hauptstück 
unter  denselben  ist  das  grosse  Diptychon  im  Sehatze  der  Oathedrale 
von  Tonmay  8'8).  Die  eine  Hälfte  enthält  in  dem  runden  Mittelfelde 
von  zwei  Engeln  gehalten  das  Lamm,  darüber  die  Gestalt  des 
thronenden  Christus  zwischen  den  vier  Evangelistensymbolen,  dar- 
unter die  Kreuzigung  mit  Sonne  und  Mond,  Eeclesia  und  Synagoge. 
Die  Rückseite  enthält  in  dem  mittleren  Medaillon  die  Gestalt  des 
St.  Xicasius  zwischen  zwei  Diakonen.  Dem  Diptychon  von  Tournay 
sind  nahe,  verwandt  zwei  andere,  das  eine  im  Britischen  Museum 51  *), 
in  der  Anordnung,  der  Behandlung  des  ziemlich  flachen  Reliefs, 
dem  Ornamente  ganz  mit  jenem  übereinstimmend,  das  andere  im 

818)  Abb.  .1.  Maos  et  Wenlo,  Album  des  objecto  «l"art  relijrieux 
exposes  ik  Malilies.  18B-1.  pl.  :t,  4.  Die  bohlen  Hälften  Mammen  übrigens 
nicht  aus  verschiedener  Zeit,  wie  Wenk  wejron  der  jrri'.ssercn  Kfnfachhcit 
der  hinteren  IMattc  annimmt.  Camille  de  Kodein/,  L'Art  nneien  ä 
1'expoRition  nationale  Beige.  BrüsKcl  1X82.  p.  :t7.  Fig.  f>4.  Heusens, 
FJcments  d'areliöologic  I,  p.  4G8;  Revue  de  l'nrt  ohretien  1«75,  p.  341»; 
Rohault  de  Flcury,  La  messe  VI,  pl.  487,  p.  121;  Viosin,  Notiee  sur 
un  oA-angeliaire  du  Tournai.  Tournai  18W5;  Westwood  Nr.  324;  De- 
haisnes,  Histoire  de  l'art  dans  la  Flandre,  l'Artois  et  le  Hainaut,  Lille 
18»'.,  I,  p.  4:>,  pl.  I. 

31f>'  Abb.  Wtusta  MnuiiniLMitii  V.  pl.  MI.    Wettwnod  Nr.  270. 


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Merowingische  und  knrolingiache  Plastik. 


120 


Schatz  der  Cathcdralc  von  Bourgcs"0).  Das  /.weite  mul  das  dritte 
Hanptstück  befinden  sich  in  der  Not re- Dame  zu  Tongres"*1)  und  in 
Saint-Panl  zn  Lflttich  SM).  Das  entere  enthält  eine  der  interessan- 
testen Kreuzigungsdantellnngen  mit  Ecclesia ,  Synagoge,  Oceanus 
und  Terra,  da»  letztere  die  drei  Todtenanfcrweeknngcn  Christi. 

Der  engere  Kreis  dieser  uiederrheinischen  Schule  wird  ver- 
treten durch  eine  Reihe  von  Schnitzereien,  die  sieh  jetzt  zum  grossen 
Theil  in  England  befinden.  Besonders  reich  ist  die  unprünglichc 
Fejervary -Sammlung  im  Museum  Mayer  in  Liverpool,  die  in  das 
dortige  Mnseuin  übergegangen  ist.  Die  Arbeiten  gehören  sämmtlich 
dem  <J.  Jahrhundert  und  zum  grossen  Theil  wohl  der  2.  Hälfte 
desselben  an.  Wohl  das  früheste  Werk  dürfte  ein  Diptychon  sein 
mit  der  Himmelfahrt  Christi  auf  der  einen  Tafel,  den  drei  Frauen 
am  Grabe  auf  der  anderen  —  die  entere  in  Liverpool s*3),  die 
zweite  im  South  Kensington  Museum »").  Es  ist  hier  eine  grosse 
Lebhaftigkeit  und  Mannigfaltigkeit  in  der  Charakteristik,  selbst  iu 
der  Wiedergabe  eines  und  desselben  Affektes,  iu  diesem  Falle  des 
Entaunens  7.u  bemerken.  Die  Darstellung  des  heiligen  Grabes  geht 
ikonographisch  auf  byzantinische  Vorbilder  zurück  —  nichtsdesto- 
weniger ist  die  Platte  eine  gutdeutsche  Arbeit.  Eine  ikonographisch 
interressantc  Dantellung  giebt  eine  Platte  der  Sammlung  Michcli 
in  Paris,  die  gleichfalls  ikonographisch  auf  Byzanz  zurückführt  — 
mit  der  Taufe  Christi.  Christus,  von  den  aufsteigenden  Wellen  bis 
zum  Nabel  umgeben,  wird  von  dem  zur  Rechten  stehenden  Johannes 
getauft,  zur  Liukcn  sitzt  der  Jordan  als  antiker  Flussgott  mit  dem 


320)  Bull,  de  In  societe  d'emulation  du  departement  d'Allier  1858, 
p.  313;  Memoire«  de  In  Sorbonne  1863,  p.  234.  Darstellend  die  vier  Evange- 
listen mit  ihren  Symbolen  unter  Bogenstellungen. 

321)  Mae«  et  Wealc  a.  a.  O.  pl.  2;  Camille  de  Rodduz  a.  a.  O. 
p.  36,  Fig.  52;  Cahier  et  Martin,  Melange*  d'archeologie.  II,  pl.  6; 
Revue  de  l'art  chretien  1862,  p.  449;  Reusens,  Klements  d'archeologie  I, 
p.  469;  Schaepkins,  Tresor  de  lart  nncien  cn  Belgique  pl.  8;  Jameson, 
History  of  Our  Lord  II,  p.  144;  Didron  i.  d.  Annal.  arclu-ol.  XXVI,  p.363. 
Westwood  p.  481. 

322)  Mae«  et  Wenle  a.  a.  O.  pl.  2,  3;  Westwood  p.  483. 

323)  Francis  l'ulszky,  Catalogue  of  the  Fejervary  Ivorics  in  the 
Museum  of  Joseph  Mayer,  preceded  by  au  cssny  on  antique  ivories. 
Liverpool  1856.  p.  46.  Nr.  37.  Abb.  in  dem  Catalog  von  Oldficld,  Class 
IV.   Westwood  Nr.  244. 

324)  Maskcll,  Catalogue  p.  139.   Westwood  Nr.  245. 
Juhrb.  U.  Ver.  v.  Alterth*Cr.  im  Kl.elnl.  XCil.  9 


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130 


Paul  Clfnicn: 


Qnellgcfäss.  Für  die  bedeutendsten  Werke ,  die  ilicse  Rich- 
tung hervorgebracht ,  halte  ich  eine  Tafel  der  Hodleiana  zu  Ox- 
ford "5)  und  eine  des  Mayermnseums  in  Liverpool "").  Auf  der 
ersten  erscheint  Christus  in  der  Mitte  in  der  Mandorla  thronend, 
umgehen  von  den  vier  Evangelistensymbolen.  Zur  Linken  die  Terra, 
eine  halbnackte  langhaarige  weibliche  Gestalt,  in  der  Rechten  einen 
Lanbzweig.  in  der  Linken  eine  Schlange,  zur  Rechten  Oceanus  einen 
Fisch  in  der  Linken.  Die  Liverpooler  Tafel  zeigt  in  der  oberen 
Hälfte  Christus  am  Kreuz,  in  der  unteren  die  drei  Frauen  vor  dem 
heiligen  Grabe.  Die  Weichheit  der  Behandlung,  die  feine  Charakte- 
ristik der  drei  Franengestalten,  die  Schönheit  der  Linienführung 
stempeln  dies  letztere  Stück,  vor  allem  in  der  unteren  Gruppe,  zu 
einer  der  vorzüglichsten  deutschkarolingischen  Arbeiten.  Ihnen 
schlieascn  sich  die  beidcu  vielgenannten  Diptychen  des  Darmstädter 
Museums  an,  aus  der  Sammlung  Hondiez -HOpsch  stammend,  die 
zum  grössten  Theil  aus  Kunstwerken  der  Maasgegend  besteht.  Das 
eine  Diptychon  zeigt  Christus  und  Petrus  in  monumentaler  Haltung 
in  feierlicher  Gewandung,  «las  andere  ist  das  verschieden  gedeutete 
Adventsdiptychon.  Eine  einzelne  Tafel  in  Darmstadt,  mit  dem 
thronenden  Christus  in  der  Mandorla,  umgeben  von  den  vier  Evange- 
listen gehört  gleichfalls  hierher3*7).  Eine  grössere  Platte  in  Liverpool, 
die  Vorderseite  eines  Diptychons,  zeigt  zum  ersten  Male  in  der 
karolingischcn  Kunst  typologischc  Darstellungen:  znr  Darstellung 
Christi  im  Tempel  treten  vier  vorbildliche  Sccncn  des  alten  Testa- 
mentes: Moses  die  Gesetzestafeln  empfangend ,  Isaaks  Opferung, 
der  Hohepriester  im  Tempel ,  Mclchiscdcch  und  Abraham.  Der 
gleichen  Richtung  gehören  dann  noch  an  die  Tafel  mit  dem 
jugendlichen  Christus  zwischen  den  vier  Evangelisten  im  Museum 


325)  Westwood  Nr.  246.  Die  Figur  des  Oceanus  zur  Hüllte  aus- 
gebrochen. 

32G)  Francis  Pulszky,  Catalogue  p.  44.  Nr.  36,  Abb.  Catnlog  von 
Oldfield,  Class  IV.  c.  Abb.  bei  Bode,  Gesell,  d.  deutschen  Plastik  S.  19. 

327)  (».  Schaefer,  Denkmaler  der  F.lfenbcinplastik  in  Darmsladl, 
S.  50.  Ueber  das  zweite  Diptychon  sehr  ausführlich  Fr.  Schneider, 
f.  d.  Revue  de  l'art  chrctäeii  IV,  p.  1888;  Ders.,  Das  Adventsdiptychon  aus 
der  Sammlung  Hondlez-HUpsch.  Mainz  1889;  Lübke,  Gesch.  d.  deutschen 
Kunst  S.  52.  Eine  abweichende  Deutnn-r  von  Gerh.  Kicker  in  seiner 
Leipziger  Dissertation  181>0.  Westwood  p.  12(!.  Di<-  Kinzelplatte  bei 
West  wo  od  N\  359  mit  falscher  Datirung. 


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Mcrowingischo  und  karolingische  Plastik. 


131 


zu  Dariastadt  ***)  und  das  Diptychon  mit  der  Geburt  und  der  Kreu- 
zigung —  bei  der  letzten  wiederum  Oceanus  und  Terra  —  im  Berliner 
Museum **»),  beide  iu  der  Ausführung  handwerksmassiger  und 
weniger  vollendet  als  die  Liverpooler  Tafeln.  Eine  schwer  mit 
anderen  Stücken  in  Verbindung  zu  setzende  Arbeit  ist  die  dem  Ende 
des  9.  Jahrhunderts  angehörende  Tafel  mit  dem  h.  Petrus  in  der 
Sammlung  Eugen  Boch  in  Mettlach,  interessant  durch  den  auf- 
fallend derben  und  harten  Schnitt iS0).  An  das  Ende  dieser  Reihe 
möchte  ich  das  etwa  dein  Anfang  des  10.  Jahrhunderts  angehörende 
Diptychon  der  Sammlung  Figdor  in  Wien  stellen,  mit  den  Gestalten 
von  Moses  und  Christus  mit  dem  ungläubigen  Thomas"1).  Es  zeigt 
in  der  Behandlung  der  weiten  an  den  Körper  angepressten  Gewan- 
dung eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  der  gleichzeitigen  Tafel 
mit  dem  bekleideten  jugendlichen  Kruci6xus  in  der  Sammlung  Sei- 
lieres  »"). 

Die  süddeutsche  Schule  bildet  die  letzte  Gruppe  —  sie  tritt 
am  spätesten  auf;  die  Werke,  die  auf  sie  zurückfuhren,  gehören 
sämmtlich  der  Wende  des  Jahrhunderts  an.  Ihren  Sitz  möchte  ich 
in  den  Klöstern  am  Nordabhangc  der  Alpen,  in  der  Schweiz  und 
in  Oesterreich  erblicken.  In  der  Schweiz  ist  Ort  und  Zeit  genauer 
bestimmt.  St.  Gallen  war  es  hier,  das  wie  für  die  Malerei  so  für 
die  Elfenbeinschnitzerei  ein  Centrum  darstellte.  Die  Platten  des 
Tuotilo5»3),  die  meistgenannten  Elfcnbeinarbeitcn  der  karolingischen 


328)  Francis  Pulszky,  Catxloguc  Nr.  42.  Paul  deinen  i.  d. 
Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst  1890,  S.  141,  Anm.  861. 
Westwood  Nr.  266. 

329)  Abb.  Bode  und  Tschudi,  Beschreibung  der  Bildwerke  der 
christl.  Epoche  Taf.  LV1II,  S.  124,  Nr.  456,  457.  Westwood  Nr.  329.  336. 

330)  Mustergültig  publicirt  mit  eingehender  feinsinniger  Analyse 
bei  Fr.  Schneider,  Deutsche  Elfcnbeinskulpturen  des  frühen  Mittelalters. 
Leipzig  1887.  Tafel. 

331)  Ausführlich  Fr.  Schneider,  Ein  Diptychon  des  10.  Jahrhundort« 
i.  d.  Zeitschrift  f.  christliche  Kunst  I,  S.  15,  mit  Tafeln;  A.  Springer, 
Die  deutsche  Kunst  im  10.  Jh.  i.  der  Westdeutschen  Zeitschrift  1884,  S.208; 
Ders.  i.  d.  Bildern  aus  der  neueren  Kunstgeschichte  I,  S.  126;  Katalog  d. 
kunsthist.  Ausstellung  zu  Köln,  187<i,  Nr.  1377.  S.  143. 

332)  Daneben  die.  Darstellungen  Christi  in  der  Mandorla,  Christi  am 
Oelberge,  die  drei  Frauen  am  Grabe.  Bis  1801  in  der  Sammlung  Solty- 
koff.    Abb.  Labarte,  Album  pl.  XIV;  Text  I,  p.  222. 

333)  E.  II.  Gaullieur,  Memoire  sur  tjueh|ne.s  livres  Carolins  1.  d. 


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Paul  deinen: 


Zeit  bilden  liier  die  Hanprstücke.  Es  gehören  aber  in  die  nächste 
Nähe  dieser  Stücke  noch  zwei  «andere  Arbeiten,  einmal  der  Einband- 
deckel vom  Cod.  60  der  Stiftsbibliothek  zu  St.  Gallen  3a4),  der  das 
ornamentale  Vorbild  für  die  eine  Txiotilotafel  abgab,  sodann  die 
Tafel  K.  I\  2153  des  germanischen  Museums  zu  Nürnberg"5)  nnd 
endlich  eine  Platte  des  Britischen  Museums »*«),  die  gleichfalls  durch 
das  ganz  eigentümliche  Rankenornament,  das  hier  als  das  Be- 
stimmende erscheint ,  dieser  Gruppe  zugewiesen  wird :  mit  ftlnf 
Scenen  übereinander  von  der  Geburt  Christi  bis  zur  Taufe  mit 
breitem  ornamentalen  Rahmen.  Die  figürlichen  Darstellungen  auf 
den  Tuotiloplattcn  stehen  indessen  gänzlich  fttr  sich  und  zeigen  in 
den  Gewandzipfeln  und  den  Händen,  besondere  in  der  ascensio 
Mariae  weit  eher  angelsächsischen  Einfluss  als  Verwandtschaft  mit 
der  rheinischen  Richtung  und  den  übrigen  Werken  der  süddeutschen 
Schule.  Der  St.  Gallener  Gruppe  tritt  nämlich  eine  zweite  zur 
Seite,  die  ihrcu  Sitz  in  den  österreichischen  Klöstern,  vielleicht  in 
Salzburg  oder  Kremsmünster  gehabt  zu  haben  seheint  und  deren 
Werke  noch  zum  grossen  Theil  sieh  in  der  Gegend  der  Entstehung 
befinden.  Für  die  Hauptwerke  dieser  Gruppe  halte  ich  zwei  grössere 
Platten,  die  eine  aus  KremsmUnster  im  Museum  Franzisco-Carolinum 
zu  Linz,  die  andere  im  Stift  Heiligenkrenz a").    Die  letztgenannte 

Memoire*  de  l'iusütut  ■Genevois  I,  1851,  p.  170;  Alterthümer  lind  geschicht- 
liche Merkwürdigkeiten  in  der  Schweiz.  Bern  I Hi»4.  II.  pl.  1,  2;  Das  Kloster 
St.  Gallen.  Herausgegeben  v.  Iiistor.  Verein  in  St.  Gallen.  1W3.  T.  Taf. 
1.2;  Förster,  Denkmale  deutscher  Kunst  1,  Abt.  II.  S.  8;  Alwin 
Schultz,  Tuotilo  von  S.  Gallen  bei  Dohtnc,  Kunst  und  Künstler  I.  S.29; 
G.  Schaefer,  Denkmale  der  Kll'cubciupluslik  i.  Dannstadt  S.  17;  .loh. 
Val.  Klein,  Die  Kirche  zu  Grossen  Linden.  Glessen  1*57.  Tai'.  III,  Fig.  7; 
Roliault  de  Fleury,  La  suhlte  vierge  I,  pl.  Xl.lll:  Westwood,  Nr.  2<>7, 
2G8,  pl.  zu  p.  120;  Bode,  Gesch.  d.  deutschen  Plastik  S.  8;  LUbke,  Gesch. 
d.  deutschen  Kunst  S.  53.  Vgl.  übrigens:  Die  Kunstlegende  des  Tuotilo 
von  St.  Gallen  bei  J.  v.  Schlosser,  Beiträge  zur  Kunstgeschichte  aus 
den  Schrift  quellen  des  frühen  Ma.  i.  d.  Sitzungber.  d.  Wiener  Akademie, 
phil.  hist.  Cl.  CXXIII,  S.  180. 

334)  Westwood  Nr.  269.  Abb.  Bucher  u.  Gnauth,  das  Kunstliand- 
werk  I,  Taf.  21.  Von  W.  Lübke,  Geschichte  der  Plastik  I,  S.  307  fälsch- 
lich für  das  antike  Vorbild  erklärt. 

335)  Fr.  Fr.  Leitschuh,  Eine  karoliugische  Kllenbeintafel  i.  d. 
Mittheil,  d.german. Museums  1890,  S.  43;  Katalog  der  Originalskulpturcn  S.9. 

33ß)  West  wo  od  Nr.  270.    Abb.  vetusta  Monuiiunta  V.  pl.  31. 

3'!7>  Karl  Lind,  Die  Österreich,  kunsthistor.  Abtheilung  der 
Wiener  Weltausstellung  i.  d.  Milthcil.  der  K.  K.  Centialcommission  XVIII. 
S.  10b.  Tai-, 


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Merowingische  und  karolingische  Plastik. 


133 


zeigt  deu  heiligen  Gregor,  den  eine  auf  seiner  Schulter  sitzende 
Taube  inspirirt,  bei  der  Arbeit,  unter  ihm  drei  schreibende  Mouche. 
Den  Abwli Im*  bildet  ein  von  Säulen  getragener  Bogen  mit  Vor- 
hängen und  sehr  reicher  Architektur.  Der  Kähmen  zeigt  da»  Akanthus- 
motiv  bereit«  entartet,  Uberreich  gegliederte,  üppige,  dichtstehende 
Blätter.  Die  Arbeit  gehört  schon  dem  tiefen  10.  Jahrhundert  an, 
steht  aber  noch  unter  dem  Einflüsse  der  karolingischen  Kunst,  wie 
die  Krcmsmünsterer  Tafel.  Diese  Tafel  enthält  drei  Sceueu  uuter 
einander,  die  durch  zwei  Querbänder  geschieden  werden,  das  erste 
mit  der  Inschrift  :  Asceusio  domini ,  Maiestas  domini,  das  zweite 
mit  der  Inschrift:  S.  Maria  cum  omnibus  apostolis  intcrccdcns  pro 
Salomone  episcopo.  Die  obere  Reihe  zeigt  die  Himmelfahrt  ,  die 
mittelste  Christus  in  der  Mandorla  thronend  zwischen  deu  Evangc- 
listensymbolcn  und  Sonne  uud  Mond,  die  untere  Marin,  die  Hand 
gewährend  gegen  den  vor  ihr  auf  den  Knien  liegenden  und  ihre 
Küsse  küssenden  Salomo  ausgestreckt.  Die  Figuren  sind  lang  und 
schlank,  die  Glieder  durch  die  Gewänder  ziemlich  gut  hindurch- 
modellirt,  die  Hälse  sind  auffällig  lang,  die  Hände  von  bemerkens- 
werther  Zierlichkeit.  Die  Gewandung  zeigt  in  den  tiefergeschnitteuen 
Kalten  grosse,  gut  erfaßte  Motive.  Beide  Stücke,  das  Heiligenkreuzer 
wie  «las  Krcmsmünsterer  offenbaren  schon  einen  bedeutenden  Fort- 
schritt gegenüber  den  rheinischen  Arbeiten  —  sie  finden  .ihre  Fort- 
setzung in  der  bis  ins  12.  Jahrhundert  hinein  andauernden  öster- 
reichischen Elfcnbciuschuitzcrschulc,  deren  Schöpfungeu  sich  noch 
heute  in  Agram,  Klosterueuburg,  Salzburg,  Seitenstetten,  Pest,  vor 
allem  aber  in  Melk  beHuden. 

*  * 

Die  Sehatzfunde  von  Troja  -  Hissarlik  uud  Mykcnä  haben, 
/.um  Theil  durch  ihren  Entdecker  seihst ,  längst  ihre  Verwerthung 
für  die  Geschichte  uud  Illustration  des  wirtschaftlichen  und  künst- 
lerischen Lebens  der  Ureinwohner  Griechenlands  und  der  Küsten- 
länder des  ägäischcu  Meeres  gefunden.  Und  doch  sind  diese  Schatz- 
fuude  relativ  dürftig,  sie  bieten  nur  für  wenige  Seiten  des  privaten 
Lebens  Handhaben  zur  Erklärung.  Die  grossen  germanischen  Staats- 
schätze sind  reicher  und  mannigfaltiger  und  enthalten  vor  allem 
für  die  Erläuterung  des  kriegerischen  Lebens  weit  schätzbareres 
Material.  Für  die  Geschichtsschreiber  der  germanischen  Völker 
sind  sie  noch  kaum  in  Betracht  gekommen;  nur  die  ersten  schlich- 


184 


Paul  Clemen : 


ternen  Ansätze  sind  durch  Felix  Dahn  gemacht  worden.  Die  der 
deutschen  Kulturgeschichtsforschung  eigentümliche  Ueherecbatzung 
der  schriftlichen  Zeugnisse  auf  Kosten  der  monumentalen  Quellen 
oder  die  mangelnde  Fähigkeit,  in  den  letzteren  zu  lesen,  hat  dem 
bis  jetzt  im  Wege  gestanden.  Die  Schätze  des  Äthanarich,  Attila, 
Theodorich,  Cbilderich,  in  ihrer  Zugehörigkeit  an  eine  bestimmte 
Persönlichkeit  besser  bezeugt,  als  die  der  troischen  und  mykenisehen 
Dynasten,  geben,  abgesehen  von  der  Ausbeute  für  dio  Geschichte 
des  privaten  Luxus,  vor  allem  ein  Bild  von  dem  staatlichen  Luxus 
der  Germanen.  Es  waren  in  der  That  Staatsschätze,  die  einen  Thcil 
der  königlichen  Gewalt ,  vielleicht  ihren  am  meisten  in  die  Augen 
stechenden  und  greifbarsten  Theil  darstellten.  Die  christlichen 
Quellen  geben  einen  nur  annähernden  Begriff  von  seiner  Bedeutung, 
wenn  sie  berichten,  wie  Thorismund  von  der  Hunnenschlacht  nach 
Toulouse  eilt,  um  ,Hort  und  Thron'  zu  sichern,  wenn  sie  erzählen, 
wie  Agila  bei  Cordoba  ,Heer,  Sohn  und  Hort"  verlor. 

Die  langgedehnte  Reihe  von  bedeutenden  Werken  germanischen 
Knnstfleisses  vom  4.  bis  {>.  Jahrhundert  liefert  die  sichtbaren  Nach- 
weise zu  den  kargen  Notizen  in  den  Volksrechten  und  bei  den 
Histociographen  über  Künstler  und  künstlerische  Thätigkcit.  Der 
Goldschmied  hat  in  fast  allen  Volksrechten  da«  höchste  Wergeid: 
das  spricht  für  die  hohe  Schätzung  seiner  Arbeitsleistung.  Die  vir- 
tuose Behandlung  einer  ganzen  Reihe  der  Stücke,  die  fast  rattinirte 
Ausbeutung  einer  bestimmten  Technik  deutet  auf  eine  starke,  durch 
Generationen  sich  fortpflanzende  ununterbrochene  Tradition,  die  zu- 
letzt zu  einer  durch  Vererbung  von  Geschlecht  zu  Geschlecht  über- 
tragenen zwar  einseitigen,  aber  eben  in  der  Einseitigkeit  intensiven 
Begabung  für  Handfertigkeitsgcschiekliehkeit  wird.  Aus  der  Be- 
stätigung dieser  Kunst  auf  ornamentalem  Gebiet,  auf  dem  sie  zu- 
nächst ausschliesslich  fruchtbar  ward,  schält  sich  allmählich,  unter 
fremdem  Einfluss  mehr  und  mehr  erstarkend,  der  Trieb  der  Nach- 
ahmung gegenüber  den  Lebewesen  heraus:  er  versucht  sich  zuerst 
an  den  heimischen  Thiertignreu  und  geht  dann  rasch  genug  zum 
Mensehen  Uber. 

Die  grossere  oder  geringere  Betonnng  der  menschlichen  Fi- 
guren in  den  Knnstsehöpfungen  steht  nicht  zum  geringsten  Theilc 
unter  dem  Einflüsse  der  Antike.  Mitteleuropa  wird  hier  durch  eine 
Linie,  die  von  der  Donau  über  den  Main  nach  der  Loire  läuft,  in 
zwei  Hälften  zerschnitten;  in  der  südlichen  ist  die  klassische  spät- 
römische Tradition  noch  wirksam,  in  der  nördlichen  verschwindet 


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lle.rowingischn  und  karolingiKche  Plastik.  135 


diese  fast  ganz,  dafür  tritt  an  den  Küsten  der  Ostsee  der  römische 
Exporthandel  in  Wirksamkeit,  der,  zumal  in  Erzengnissen  der  Klein- 
kunst, die  heimische,  eben  im  Entstehen  begriffene  Industrie  beein- 
flusse In  dem  Umfange  des  jetzigen  Frankreichs  schliesst  sich  die 
Fignrcnplastik  durchweg  an  die  klassische  Tradition  an;  auf  den 
britischen  Inseln  entwickelt  sich  gleichzeitig  eine  ganz  autochtbone 
Darstellung  menschlicher  Gestalten.  Die  ganze  mitteleuropäische 
Kunst  bis  zum  10.  Jahrhundert  lebt  von  dem  Erbtheil  der  Römer. 
Die  Kunst  der  festländischen  Völker  bestand  fast  ausschliesslich  in 
der  Kombination  antiker  Formen  und  Techniken  mit  den  einheimi- 
schen und  in  der  Anpassung  der  ersteren  an  die  eigenen  individu- 
ellen Verhältnisse;  die  Iren  und  Angelsachsen  sind* von  Anfang  an 
weit  schöpferischer:  sie  sind  zur  Originalität  gleichsam  gezwungen, 
weil  ihnen  ein  geringerer  Vorrath  von  Vorbildern  zu  Gebote  stand. 
Dass  es  aber  nicht  allein  der  Zwang  der  Verhältnisse,  die  ge- 
bietende Notwendigkeit  war,  die  eine  einheimische  Kunstfertigkeit 
ins  Lebeu  rief  und  den  Mangel  der  Technik  ülwrwand ,  beweist 
der  grosse  Unterschied  zwischen  Iren  und  Angelsachsen.  Heide 
stehen  unter  im  Wesentlichen  gleichen  äusseren  Bedingungen.  Trotz- 
dem ist  das  Ergebnis*  nach  drei  Jahrhunderten  künstlerischer 
'Hurtigkeit  hier  und  dort  ein  durchaus  verschiedenes:  in  Irland  eine 
BlUthe  der  Plastik  und  der  äusserste  Höhepunkt  der  omamentalen 
Virtuosität,  dabei  ein  auffälliger  Mangel  figürlicher  Darstellungen, 
in  England  ein  Ueberwnchcrn  der  figürlichen  Darstellungen  und  ein 
überströmender  Reichthum  an  Erfindung.  Es  ist  hier  der  Faktor 
der  künstlerischen  Begabung  eines  Volksstammes  in  die  Rechnung 
einzusetzen.  Die  Iren  waren  ein  eminent  plastisch,  die  Angelsachsen 
ein  eminent  zeichnerisch  begabtes  Volk.  Ich  sage  ausdrücklich 
nicht:  malerisch,  denn  der  Farbensinn  in  der  eigentlichen  Bedeutung 
des  Wortes  ging  den  Angelsachsen  ab,  während  den  Iren  das  Ver- 
ständnis» für  das  Zusammenpassen  von  Complementärfarbeu  in  hohem 
(irade  eigen  war.  Dieser  Faktor  der  künstlerischen  Begabung  wird 
leise  modificirt  durch  das  Mass  der  Aufnahmefähigkeit  Itir  fremde 
künstlerische  Einflüsse.  Dieses  Mass  war  bei  den  Iren  von  An- 
fang an  sehr  gering,  bei  den  Angelsachsen  sehr  stark  auf  den  Ge- 
bieten, in  denen  sie  sich  künstlerisch  schwach  fühlten  —  so  steht 
ihre  Ornamentik  nnd  ihre  Mouumentalplastik  unter  irischem  Ein- 
flüsse —  auf  dem  Gebiete  ihrer  eigentlichen  Begabung,  der  Malerei, 
war  es  auf  Null  reducirt. 

Beide  Faktoren  —  der  der  künstlerischen  Begabung  und  ä*cr  der 


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136  I'aul  Giemen:  * 

Aufnahmefähigkeit  für  fremde  Können  und  Herstellungsweisen  — 
sind  am  stärksten  ausgeprägt  bei  den  Gothen,  die  dadurch  zu  Trägern 
und  Vermittlern  sowohl  der  germaniseheu  Stammeskunst  wie  der 
von  den  Völkern  der  alten  Welt  überkommenen  Kunstzweige  im 
ersten  Drittel  der  behandelten  Periode  werden.  Der  mit  den  ge- 
nialsten AnIngen  ausgestattete  Stamm  musstc  auch  am  ersten  auf 
künstlerischem  Gebiete  hervortreten.  Mit  der  gleichen  .Selbstverleug- 
nung und  Liberalität,  mit  der  die  Gothen  später  die  rechtlichen  und 
staatliehen  Einrichtungen  der  Römer  aufnahmen,  griffen  sie  auch 
nach  ihren  künstlerischen  Ueberlieferungen.  Mit  «lern  vierten  Jahr- 
hundert beginnt  die  Periode  der  Reception  der  römischen  Kunst 
durch  die  Germanen,  die  Iiis  zum  achten  Jahrhundert  währt;  das 
achte,  neunte  und  zehnte  Jahrhundert  verarbeitet  diese  Errungen- 
schaften; erst  im  zehnten  Jahrhundert  treten  dann  die  Keime  einer 
auf  Grund  der  Verarbeitung  der  überlebten  Formen  neu  erstehenden 
Kunst  hervor. 

Für  das  südöstliche  Europa  ist  eine  ganz  bestimmte  Aufein- 
anderfolge von  Periodeu  festgestellt,  dem  skythisehen  Stil  folgt  der 
gothisehc,  diesem  der  avarischc,  diesem  der  Stil  der  ungarischen 
Heidenzeit.  Die  Gothen  tragen  den  aus  vierfacher  Mischung  — 
heimische  Tradition ,  oströmische ,  orientalische  Tradition ,  Be- 
einflussung durch  die  römische  Exportkunst  —  entstandenen  gothi- 
schen  Stil  nach  der  Rückkehr  an  ihre  Sitze  am  Schwarzen  Meer 
durch  ganz  Mitteleuropa  und  machen  ihn  so  zum  bevorzugten 
Stil  des  ganzen  Jahrhunderts,  zum  eigentlichen  Völkcrwande- 
rungsstil.  Sein  Einfluss  wird  auf  drei  Gebieten  vor  allem  wirk- 
sam, auf  dem  der  merowingisehen,  «1er  laugobardischen,  der  west- 
gothischeu  Kunst.  Die  beiden  ersten  verquicken  ihn  mit  der  west- 
römischen Tradition.  Die  merowingisehe  Kunst  wird  die  führende, 
so  wie  es  zwei  Jahrhunderte  früher  die  gothische  gewescu,  sie  l>c- 
einflusst.  die  ostfränkisch-rheinische  Kunst  und  die  irische  Knust, 
diese  wieder  die  angelsächsische  Kunst.  Die  beiden  letzteren  ver- 
einen sich  aufs  neue  mit  deu  heimischen  Ueberlieferungen,  schöpfen 
aus  ihnen  neue  Kraft,  und  die  angelsächsische  überträgt  nun  ihren 
Einfluss  wiederum  auf  die  Nachfolgerin  der  merowingisehen  Kunst, 
die  karolingische  Kunst.  Diese  übernimmt  nunmehr  die  Fuhrer- 
rolle und  zwingt  ihrerseits  wieder  die  angelsächsische  und  lango- 
hardische  in  ihren  Haimkreis.  So  lässt  sich  für  die  ersten  sechs 
Jahrhunderte  der  germaniseheu  Kunst  thätigkeit  ein  vollständiger 
philogenctischer  Stammbaum  aufstellen. 


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I3H 


Paul  Oleinpii: 


Der  antike  Einfluss  bleibt,  /.war  tiiaiinig-faiti^  tliftVrenz.il*!,  doch 
stetig  wirksam.  Das  Vorbild  verwandelt  sieb  in  einzelnen  Fällen 
unter  den  Händen  der  germanischen  Künstler  in  etwas  völlig 
andere«:  aus  dem  Email  wird  das  Zcllenglas,  das  zum  Charakteristi- 
kum einer  ganzen  Epoche  wird.  In  der  Forschung,  zumal  unter 
den  französischen  Archäologen,  stehen  sieh  noch  heute  Gegensätze 
gegenüber  in  der  Auffassung  von  der  grösseren  oder  geringeren 
Rasehheit  der  Aufsaugung  der  römischen  Tradition  durch  die  Ger- 
manenvölkcr,  ähnliche  Gegensätze,  wie  sie  sich  im  vorigen  Jahr- 
hundert auf  anderem  Gebiete  in  den  diametralen  Standpunkten  der 
beiden  klassischen  Werke  des  Abbe  Dubos  und  des  Comtc  de  Bou- 
lainvillers  verkörperten.  Aber  die  Kunstgeschichte  bedarf  keiner 
Ausnahmegesetzgebung.  Der  Uebergang  vollzog  sich  hier  ebenso 
langsam,  zögernd,  allmählich,  wie  auf  dem  Gebiete  der  schönen 
Literatur;  der  Untergang  der  römischen  Kunst  Uberlieferung  erfolgte 
weit  weniger  rasch  als  der  des  römischen  Rechtes  und  der  römi- 
schen Wirtschaft:  und  nur  die  Knnstzweige,  die  mit  dem  wirt- 
schaftlichen Leben  aufs  engste  zusammenhingen  und  mit  den  Inter- 
essen des  Handwerkers!  Hudes  am  innigsten  verquickt  waren,  folgten 
auch  im  Tempo  der  Weiterbildung  der  Wirthschaft;  die  reine  Luxus- 
k unst.  die  Künstlcrkunst  hielt  Schritt  mit  der  Literatur.  Je  enger 
sich  die  künstlerischen  Aufgaben  an  die  römischen  Aufgaben  an- 
schlössen, um  so  strenger  wurden  auch  die  antiken  Vorbilder  l>c- 
lölgt:  nur  die  neuen  Aufgaben  schufen  nene  Formen,  reizten  zu 
eigeueui,  selbständigen  Denken.  Es  war  naturnothwendig,  dass  das 
Volk,  das  in  seinen  äusseren  Lebensbedingungen  und  damit  aiieb 
in  den  Bedürfnissen  der  Ausschmückung  von  Wohnraum  und  Klei- 
dung die  grössten  Unterschiede  gegenüber  den  Körnern  aufwies, 
auch  in  der  künstlerischen  Entwicklung  am  freiesten  und  selbstän- 
digsten vorgehen  mnsstc,  eben  weil  es  für  seine  Bedürfnisse  keine 
Vorbilder  fand.  Je  mehr  sich  das  wirtschaftliche  Leben  von  der 
römischen  Tradition  emaneipirt,  um  so  mehr  befreit  sich  auch  die 
Kunst  von  der  antiken  Beeinflussung.  Das  ist  das  vornehmste  Ent- 
wicklungsgesetz für  das  erste  halbe  Jahrtausend  germanischen  Kunst- 
schaffens. 

Es  sind  vier  Faktoren,  die  bei  diesen  Untersuchungen  in  Be- 
rechnung zu  ziehen  sind:  die  augeborene  künstlerische  Begabung, 
die  Aufnahmetäbigkcit  für  fremde  Kunstrichtungen,  die  Menge  der 
innerhalb  der  Grenzen  des  Landes  erhaltenen  oder  zur  Verfügung 


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I 


MerowintfiM'lu'  iiikI  kitrolingi.si-he  Plastik.  IM 

stehenden  Vorbilder,  das  Bedürfnis  nach  neuen  Kuustformcn.  Die 
Begabung  konnte  nach  den  verschiedensten  Riehtungen  hin  wirk- 
sam sein,  sie  konnte  unter  dem  Einflüsse  einer  mit  tesouderer  Vor- 
liebe gepflegten  Technik  mehr  nach  der  malerischen  oder  mehr  nach 
der  plastischen  Seite  hin  neigen  und  dann  auch  in  der  Malerei 
plastisch,  in  der  Plastik  malerisch  auftreten. 

Die  langsam  erstarkende  Anschauung,  die  wachsende  Fähig- 
keit, die  Ansscmvelt,  insbesondere  die  belebte  Ansscnwclt,  Mensch 
und  Thier,  in  Linien  nnd  in  runden  Formen  zu  sehen,  schafft  sich 
nur  ganz  allmählich  ein  Alisdrucksmittel  für  das  Geschaute  in  einer 
verfeinerten  Technik.  Die  Anschauung  ist  überall  das  primäre,  die 
Technik  das  sekundäre.  Nur  wo  die  wciterschrcitendc  Ausbildung 
der  erstcren  ins  Stocken  geräth  oder  wo  das  Anschauinigsvermögen 
selbst  eine  Klickbildung  erführt,  ersetzt  Virtuosität  der  Technik  den 
Mangel  au  Anschauung. 

Die  Grundlinien  des  künstlerischen  Schaffens  und  Werdens 
innerhalb  ganzer  Klassen  nnd  ganzer  Richtungen  lassen  sich  am 
besten  aufzeigen  in  möglichst  einfachen  Verhältnissen,  gleichwie  die 
Botanik  ihre  Gesetze  an  möglichst  primitiven  Organismen  gefunden 
hat.  Die  Entwicklung  einer  Kunst.strömnng  oder  einer  geistigen 
Richtung  ist  am  einfachsten  klarzulegen,  wo  möglichst  viel  gleich- 
artige Erzeuger  versammelt  sind,  und  wo  das  aus  ihnen  gezogene 
geometrische  Mittel  möglichst  wenig  durch  grosse  über  die  Menge 
hervorragende  Individuen  irritirt  wird  oder  die  Gebundenheit  des 
wirtschaftlichen  und  geistigen  LebeiiB  das  Erheben  von  Persönlich- 
keiten überhaupt  erschwert.  Umgekehrt  lässt  sich  das  Werden 
einer  Persönlichkeit  am  klarsten  darstellen,  wo  die  Beeinflussung 
durch  das  äussere  und  innere  Milieu  eine  möglichst  geringe  ist  und 
die  Tradition  selbst  das  Aufkommen  und  Auswachsen  grosser  und 
machtvoller  Individualitäten  begünstigt.  Wie  für  die  Untersuchungen 
der  letzten  Art  das  itabänische  Cinquecento  das  ideale  Forschungs- 
gebiet ist,  so  für  Untersuchungen  der  ersten  Art  das  hohe  Mittel- 
alter. Und  das  beste  Beobachtungspräparat  bilden  hier  die  primi- 
tiven Kunstleistungen  junger  Völker,  die  sich  dicht  neben  die  Er- 
zeugnisse einer  Überreifen  oder  vereisten  Kultur  stellen. 


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Uebersichtstafel  über  die  Entwicklung 


vom  3. — 10. 


3.  Jh 


Kothlschc  Kunst. 


Funde,  von  Oströpataka. 


Fränkische  Kunst. 

Metallplastik.  Steinplastik. 


i.  Jh. 


Diadem  v.  Novo-  Tscherkask. 
Funde  in  der  Krün. 

Funde  vom  Plattensee. 
381  Schatz  von  Petreosa. 


Gallo -römische  Skriptu- 
ren in  Arignon,  Com- 
piegne. 


».  Jh 


Goldfund  von  Xagg-  Stent-  Fränkische  Fibeln  und  Gär- 

Miklös. 
Fund  von  Apahida. 
Fund  von  Vettersfelde. 


Lau  ^»bardische  und 

Mctallplatstik. 


telbe.schläge. 

|451  Grab  des  Theodorich  in 
I'ouan. 

181  Grab  des  Childerich  in 

Tönning. 
Tuinba  d.  h.  Martin  in  Tours. 


BasreFiefs  in  Di  tut  n,  Ga- 
rin, Arles,  Xarbonne. 


Altar  von  Charmes. 


Denkmäler  des  ararischen 
Stiles. 


r,  jj,. 


Grabmal  des  h.  Dionysius 
in  St.  1K-iiL<. 


Panzer  des  Odoukcr 
in  Itarenna. 


7.  Jh. 


Werke  des  h.  Klitfiu». 

K22  Derber  ron  (  hellen. 

Becher  ron  Gourdou  und 
Xancg. 

Thronsessel  Dagoberts. 

Hrliguiare  ron  Saint- Mau- 
rice, Sens  etc. 

Heliipiientafeln  ron  Contpo-s. 


Kbnigsbild  zu  Kpinal. 

Sarkophage  mit  geome- 
trischen Ornamenten. 

.r>5*>  Sarkophag  des  St.  Ln-  Ravennatisehe  (,n|i|- 
bin  zu  Charlies.  Schmiedearbeiten. 

Altäre    der  provencali- 
sehen  Schule  von  Ko-\ 
dez,  Sauvinn,  Koussil 
Ion.  Peilhan. 

♦!20  Schatz  zu  Monza. 


hrunen   von  Guurra- 
Sarkophage  im  Mus.  Car-     zur  u.  Guadamur. 
mtralet,    in    Bonrges,üM  Krone  Suinthitas. 
cmi  St.  Gerntain -des  G72  Krone  Jtecces- 
Pres,  St.  Vincf-nt.  irinths. 


ii7Ü  Altar  aus   IIa  in  in 
Yalognes. 


8.  Jh 


Ite.liauiare  in  Herlin,  in  Con- 

ques  etc. 
Metnllarheiten  in  Fulda,  St. 
Wandrille,  Tours. 


I 


Goldene  Grabkreuze 
zu  Ciridale  und  Ci- 


■  I  ■ 


Sarkophage   rinn  Moni- 

tuartre. 
Itelief  in  Mainz. 
Basreliefs  in  Uubinne. 


WO  Goldschatz  der 
Sammlung  Itussi. 


«i.  Jh 


Gnssarbeiteii  mit  Aachen. 
Denkmäler  der  ungarischen1  Heiterfigur  Karls  d.  Grossen. 
Heidenzeit.  Traualtäre     Ludwigs  des 

Frommen.  Karls  d.  Kahlen. 
Arnulfs  {in  München) 


Römische  Goldschinie- 
dcarbeifen  unter 
Leo  III. 


Skulpturen  in  Ingelheim, 
Sauer  -  Sch  traben  he  im, 
Antepcndion  und  Reliquien-  Bierstadt. 

sehreine  zu  St.  Gallen,  St.  K!I8  Altar  in  Beziers. 
Denis,  Fulda,  Keims, Tours.  Altäre  i.  Vaucluse,  Viennt; 


10.  Jh. 


Statuette  der  Sainte  Fug  in 
Comp 


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der  Plastik  in  Mitteleuropa 

Jahrhundert. 

westgothtsche  Kunst. 

Steinplastik. 

Irische  Kunst. 

Metallplastik.  Steinplastik. 

Meffalithischf!  Denk- 
mäler. 

Angelsächsische  Kunst. 

Metallplastik.  Steinplastik. 

Fragmente  im  Petrie- 

museum. 
Hronzediskus  n»t  \fo- 

nastereem. 

Denkmäler  vi.  Ogham- 
inschriften. 

40G  .S7.  I'atrick-Glocke. 

Aelteste  ( trabsteint!  mit 
Schleifen  fleehtiterk. 

Fibeln  der  Schule  n,n 
Keut. 

r 

.".2U  I'hth'n  in  San  Ue  Armagh-,  Ifirsay-,  Für- 
»tritte  in  Horn.  tinyallylockvn. 


Schmucksachen  der 
angelsllchs.  ■  fränki- 
schen Kunst. 


♦;öl  Kreuz  zu  Collin- 

yham. 
Kreuze  zu  llcckermit, 
lieickasfle. 


\Kreuzstab  St. Patricks. 
[Schreine  von  Roelirn, 
"12  Ciborium  von  Val-,  Doclioniia.  St.  Ronan. 

policelta.  \Tarajuire1. 
"i0  Plutrotte*  Itatchis.  lHQ  Thassilokehh. 
770  /'lutea  des  Sxgual- 
da  zu  C'ividale. 


727  Oratorium  Könijf 
Inas  von  Wenses. 

7.'52  (irnbarbeiten  Bi- 
schof Accas  von 

Henhain.  Kreuze  tu  Alnmouth, 

79(5  Grab  St.  Alban«.      Hackness,  ThornhilL 
<;ral)stein  Königs  Ka- 
il ulfs  zu  Alnmouth. 


Schieine  St.  Patricks,  NOfi  Cral,  Thuatyalls.  820  Ring  AI  «tan* 
Comgalls.C'olujiibas,  Sherburne. 
Adamnans.  KW  AiitepeiidiuniWig- 

lal's   von  Mcrcia 
Grabsteine  von  ('ton-       in  Ooyland.         Grabplatten  von  For- 
maenois.  Goldarbeiten  unterKö-    farshirt,  llockUmd, 

892  Grab  Suibines.         nig  Alfred.  Bejchill. 

Juicel  Alfreds  in  Ox- Kreuze   zu  Checkley 


ford. 


und  llkUy. 


908  Glocke conCumas- 

cach.  914  AVeuz  König 

Kelch  tan  Ardagh.  Flands  zu  L'lon- 

maenois. 
923  Kreuz  des  Muire- 
dach  zu  Mona***? 
boice. 


Llantwitkreuz. 

9G»j  Kreuz  zu  Mary  am. 


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142 


Paul  C  leinen: 


Nachträge. 

Zu  S.  7.  Dor  Schatz  von  Pctreosa  liegt  in  der  Publikation  der 
Amadol  -  Society :  The  treasurc  of  Petrossa,  Lotulon  18G9,  vor.  Vgl. 
ferner  Am  etil,  Monumente  d.  k.  k.  Münz-  und  Anlikenkabincta  zu  Wien 
S.  13,  85;  Ch.  de  Linas,  Histoire  du  travail  A  l'exposition  universelle 
1867,  p.  103;  Br.  Keil,  die  griechischen  Inschriften  im  sog.  Schatz  des 
Attila  i.  Hcpertorium  f.  Kunstwiss.  XI,  S.  25G.  Zur  Charakteristik  der 
ganzen  Periode,:  J.  N  a  u  e,  die  Ornamentik  der  Völkerwanderungszeit  i. 
Antiqua  188«,  Nr.  1-4. 

Zu  S.  11.  Die  Alterthümer  von  Yekla  sind  publicirt  von  Juan  de 
Di os  de  la  Rada  y  Delgado,  Antiguedades  del  Cerro  de  los  Santos 
en  termino  de  Montealegre,  conocidas  vulgarinente  bajo  la  denominacion 
de  .Antiguedades  de  Vecla'  i.  Musco  cspnBol  de  antiguedades  VI,  p.  249, 
pl.  12—17.  Zu  vergleichen  auch  Don  Florencio  Jan  er,  De  las  Alhajas 
visigodas  del  Museo  Arqueolögico  Nacional  y  de  otros  adornos  antiguos 
ebenda  VI,  p.  137,  pl.  8.  Verwandte  Figuren  wie  im  Kaukasus  auch  bei 
E.  de  Ujfalvy  de  Mczo-Kovcsd,  Atlas  archeologiqne  des  antiquitt's 
finno-ongriennes  et  altaYques  de  la  Russie,  de  la  Siberie  et  du  Turkestan 
(Expedition  scientifique  francaise  en  Russie,  en  Siberie  et  dans  le  Tur- 
kestan vol.  VI). 

Zu  S.  53.  Die  vorliegende  Arbeit  war  fast  fertig  gedruckt,  als  der 
3.  Band  des  Jahrbuches  für  Lothringische  Geschichte  und  Alterthums- 
knndo  erschien,  der  auf  S.  321—344  Neue  Untersuchungen  über  das  Alter 
der  Reiterstatuette  Karls  des  Grossen  von  G.  Wolfram  bringt.  Die  An- 
gelegenheit ist  in  allen  wesentlichen  Punkten  in  der  oben  S.  53—59  ge- 
gebenen ausführlichen  Widerlegung,  die  der  Verfasser  abzuwarten  gut 
gethan  hatte,  erledigt.  Einige  Ausführungen  Wolfram 's,  in  denen  er 
sich  gegen  meine  Beurtheilung  seiner  Untersuchung  wendet  und  ineine 
im  Repertorium  für  Kunstwissenschaft  und  in  der  Zeitschrift  des  Aachener 
Geschichtsvereins  gegebenen  Gründe  nicht  völlig  richtig  anführt,  ver- 
langen indessen  eine  erneute  Zurückweisung.  Der  Verfasser  kommt  zu- 
nächst auf  seinen  Hauptgrund,  den  Reichsapfel  zurück  und  führt  an 
(S.  324),  in  sechs  Fällen  glaube  ich  einen  Reichsapfel  vor  der  Zeit  Karls 
des  Kahlen  nachweisen  zu  können.  Das  ist  eine  Verdrehung  meiner 
Worte.  Ich  habe  für  die  Existenz  des  Pomums  drei  Werke  heraus- 
gegriffen und  drei  Fälle  für  das  Motiv  der  Haltung  auf  dem  letzten. 
Hätte  sich  Wolfram  die  Mühe  genommen,  auch  nur  ein  einziges  der 
letzterwähnten  Werke  anzusehen,  so  würde  er  gefunden  haben,  dass  es 
sich  hier  gar  nicht  um  Reichsäpfel  handelt,  sondern  um  Kronen  oder 
Rcgna,  die  aber  in  der  gleichen  Form  —  die  Hände  unter  einem  Tuche 
verborgen  —  getragen  werden.  Die  angegebenen  Fälle  sind  durchaus 
nicht  die  einzigen:  ich  nenne  beispielswei.se.  noch  in  lluvenna  S.  Apollinare 
miovo,  das  llattisterio  Ursiano,  in  Koni  S.  Temloro,  S.  Cosma  und  Da- 


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Merowingische  und  karolingische  Plastik.  143 

miano,  S.  Cecilia,  S.  Stefano  rotondo,  S.  Lorenzo  in  Campo  Vcrano,  die 
Kathedrale  von  Paren/.o  mit  ihren  Mosaiken.  Die  von  mir  hierfür  gleich- 
falls angeführte  Knppelmosaik  in  Aachen  beanstandet  Wolfram.  Die.se 
Kuppclmosaik  aber  mit  den  spateren  Einfügungen  durch  Otto  III.,  auf 
denen  Leo  und  Karl  dargestellt  waren,  in  Verbindung  zu  setzen, 
geht  nicht  au,  denn  eben  diese  Kuppel  enthielt  eine  ganz  andere  Dar- 
stellung, Gottvater  mit  den  24  Aeltesten.  Auch  die.se  Darstellung  findet 
nicht  Gnade  vor  Wolfram:  er  citirt  Doli  nie,  „dessen  Kritik  «ich  durch  keine 
Begeisterung  bestechen  lasst",  der  die  Abbildungen  für  Fälschungen  des 
Italieners  Ciampiui  erklärt  hat.  Leider  liegt  aber  hier  ein  Irrthnm  von 
üohme  zu  Grunde,  der  Hingst  von  Fr.  Fr.  Leitschuh  (Der  Bilderkreis 
der  karolingischen  Malerei  S.  fi5)  nachgewiesen  worden  ist.  Und  endlich 
bildet  der  nach  einer  Zeichnung  des  Propstes  Van  der  linden  angefer- 
tigte Stich  Ciampinis  schon  langst  nicht  mehr  die  einzige  Quelle  für  die 
Aachener  Mosaik,  seit  1871  bei  Entfernung  des  Kalkputzes  die  braunen 
Vorzeichnuugen  für  die  Mosaik  zum  Vorschein  gekommen  sind,  die  ge- 
rade im  Gegensatz /u  Ci  am  pini  die  sakrale  Haltung  der  Kronen  zeigten. 
Es  dürfte  doch  nicht  ganz  unbekannt  sein,  dass  über  die  Aachener  Mosaik 
einer  der  ersten  französischen  Archäologen,  Barbier  de  Montault,  ein 
eigenes  Buch  geschrieben  hat,  das  bereits  1872  ins  Deutsche  übersetzt 
worden  ist.  Und  will  man  ein  noch  naher  auf  Karls  Regierungszeit  zu 
fixirendes  Werk:  der  Codex  aureus  von  S.  Emmeram,  der  die  gleiche 
Darstellung  wie  die  Aachener  Mosaik  enthalt  (publicirt  von  Cahier  und 
Martin  und  neuerdings  bei  L.  v.  K  ob  eil)  ist  vor  Kurzem  durch  J.  v. 
Schlosser  als  die  genaue  Kopie  eines  verlorenen  Alkuincvangeliars 
erwiesen  worden  (Sitzungsber.  der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften 
CXXIII,  II,  S.  107). 

Was  dann  die  drei  von  mir  gewählten  Beispiele  für  die  Existenz 
des  Pomums  angeht,  so  ist  die  au  erster  Stelle  genannte  Elfenbelnpyxis 
oben  S.  112  von  mir  naher  als  eine  merowingische  Arbeit  des  7.  Jh.  ge- 
kennzeichnet worden.  Wolfram  würde  seine  Hypothese,  „dass  sie  recht 
wohl  ans  Byzanz  selbst  importirt  oder  von  byzantinischen  Händen  gefertigt 
sein  kann",  nach  einem  einzigen  Blick  auch  nur  auf  den  Abguss  oder 
die  Abbildung  wohl  selbst  nicht  aufgestellt  haben.  Auf  der  Abbildung 
des  Utrechtpsalters  sieht  Wolfram  indem  Pomum  „wahrscheinlich  einen 
perspektivisch  verzeichneten  Hoekanuel".  Das  ist  etwas,  was  sich  nicht 
beweisen  lilsst,  wenn  man  nicht  richtig  sehen  will.  Der  Schreiber  des 
Cod.  Harl.  603  sah  jedenfalls  besser:  er  zeichnete  in  der  Kopie  einen 
Reichsapfel.  Als  drittes  Beispiel  habe  ich  den  Cod.  38«  (864)  der  Bibl. 
comm.  zu  Cambrai  angeführt.  Wolfram  will  Ihn  nicht  gelten  lassen, 
weil  Janitschek,  rder  die  Handschrift  untersucht  hat*  ihn  in  die  2.  H. 
d.  3.  Jh.  weise.  Das  ist  wiederum  falsch.  Janitschek  hat  die  Hand- 
schrift nie  gesehen  und  urtheilt,  wie  er  ausdrücklich  sagt,  nur  nach 
Dnrieux.  Und  endlich  ist  die  Handschrift  von  Cambrai  das  genaue 
Gegenstück  der  Apokalypse  der  Trierer  Stadtbibliothek  (Cod.  C.  31),  die 
übereinstimmend  von  Lamprecht  (Initialornamentik  S.  26),  Frimmel 
(Die  Apokalypse  i.   d.   Bildcrhaiidsehriftcn   d.   Ma.  S.  16)  und  zuletzt 


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144 


Paul  deinen: 


Janitschek  (Geschichte  der  deutschen  Malerei  S.  45)  selbst  an  das  Ende 
de»  8.  Jahrhunderts  gesetzt  worden  i.st.  Genügt  aber  Wolfram  diese 
Handschrift  noch  immer  nicht,  ho  kann  ich  noch  auf  das  karolingische  Evan- 
geliur,  Cod.  327  (309)  zu  Canibrai  verweisen,  für  dessen  Datirung  ich 
mich  auf  die  AutoritHt  von  Delisle  (Levangeliaire  de  Saint -Vaast 
d'Arras  p.  13)  stützen  kann.  Das  grosse  Widniungsbild  auf  fol.  16»>  zeigt 
hier  in  der  Mitte  eine  Figur,  von  Mo  linier  im  Cat.  gen.  des  man. 
de«  bibl.  publ.  de  France  XVII,  p.  122  richtig  als  empereur  angesprochen, 
die  in  der  Hechten  ein  langes  Stabsccptcr,  in  der  Linken  aber  einen 
goldenen  Reichsapfel  halt. 

Der  Beweis  mit  dem  Reichsapfel  ist  Wolfram  missglückt.  Da 
geht  er  nun  in  seiner  neuesten  Arbeit  von  der  linken  Hand  zur  rechten 
über,  vom  Reichsapfel  zum  Schwert,  und  sucht  nachzuweisen,  dass  vor 
dein  14.  Jh.  keine  Darstellung  bekannt  sei,  die  den  König  mit  Schwert 
und  Apfel  zeichne  <S.  333)  -  eine  Rehauptung,  die  übrigens  unrichtig 
ist  —  dass  die  Darstellung  eines  Königs  mit  aufgerichtetem  Schwert  in 
der  Hand  für  die  karolingische  Zeit  ein  Anachronismus  sei  (S.  335).  Hier 
begegnet  nun  aber  Wolfram  das  Unglück,  das«  er  für  alt  hält,  was 
überhaupt  nicht  alt  ist  und  einen  Kampf  gegen  Windmühlenflügel  führt: 
denn  was  aus'm  Wccrth  und  ich  bereits  früher  geäussert  und  woran 
Wolfram  nicht  glauben  will,  dies  Schwert,  worauf  Wolfram  seinen 
Beweis  gründet,  ist  eine  moderne  Ergänzung  von  Alexander 
Lenoir.  Die  Oeffhnng  in  der  geballten  Hand  weist  vielmehr  auf  ein 
langes  Scepter.  Dass  die  silberne  Statuette  in  Metz,  die  Meu  risse  de 
meine  Hgnrc  nennt,  im  Jahre  1682  einen  Degen  in  der  Hand  geführt,  be- 
weist doch  gar  nichts,  denn  über  deren  Alter  wissen  wir  nichts,  und  Wolf- 
ram selbst  hat  es  wahrscheinlich  gemacht,  dass  sie  erst  nach  1567  ent- 
standen sei. 

Die  Metzer  Statuette  im  Musee  Carnavalet  trägt  aber  überhaupt 
seit  Jahren  schon  kein  Schwert  mehr  —  die  ungeschickte  Ergänzung 
ist  entfernt  worden.  Ich  kann  nicht  umhin,  einige  Bedenken  zu  hegen, 
ob  der  Verfasser  zweier  Arbeiten  über  dies  Bild  es  Uberhaupt  für  nötig 
gehalten,  das  Original  in  Paris  selbst  zu  diesem  Zwecke  anzusehen.  Auf 
S.  8  der  ersten  Brochüre  giebt  er  selbst  den  Mangel  an  Autopsie  zu, 
die  Wiederholung  des  dort  ausgesprochenen  Urtheils  auf  S.  330  der 
zweiten  Arbeit  schliesst  ein  Studium  des  Originals  aus.  Zur  urkundlichen 
Bestätigung  füge  ich  aus  einem  an  meine  Adresse  gerichteten  Briefe  vom 
25.  März  1892  vom  Conservator  des  Musee  Carnavalet,  Herrn  Jules 
Cousin,  der  —  im  Gegensatz  zu  Wolfram  —  das  Original  zwei  Jahr- 
zehnte lang  fast  täglich  vor  Augen  gehabt,  das  folgende  Gutachten  bei: 

L'epec  tres-grossicrement  martelee  et  trop  large  a  ete  ajoutee  du 
tempsd'Alexandrc.  Lenoir,  vers  1810— 1820.  Elle  est  d'un  bronze  beau- 
conp  plus  rouge  que  la  Statuette.  Elle  s'est  trouvee  detachee  dans 
l'inccndie  de  1871,  dont  la  Statuette  a  beaueoup  souffert,  et  nous  ne 
l'avons  pas  remise.  Je  crois  qu'on  a  eu  tort  de  la  reproduire  dans  le 
inoulage  eu  bronze.  Cette  main  devait  porter  im  seeptre  et  non  un 
glaive. 


Merowingische  und  karolinglsche  Plastik.  145 


Je  viens  de  repondre  pour  la  composition  du  bronze  de  lepee  tout 
different  de  celui  de  la  Statuette.  J'ajouterai  que  le  bronze  du  cavalier 
et  celui  du  cheval  sont  identiques.  Le  cavalier  est  fixe  sur  le  cheval 
par  une  broehettc  interieure  non  apparente,  tnais  dont  on  peut  constater 
la  presence,  la  Statuette  ayant  ete  presque  desarconnee  par  le  fcu. 

Die  weiteren  falschen  Anschauungen  von  der  karolingischen  Kunst, 
auf  denen  Wolfram  aufbaut,  glaube  ich  übergehen  zu  können.  Der 
Verfasser  operirt  mit  einer  völlig  unrichtigen  Vorstellung  von  der  Con- 
tinnität  der  künstlerischen  Ueberlieferung.  So  kommt  er  S.  336  sogar 
dazu,  deu  Umstand,  dasH  der  Biograph  Karls,  Einhard,  die  Statuette 
nicht  erwähnt,  als  Grund  gegen  eine  karolingische  Provenienz  anzu- 
führen. „Und  der  Mann  (Einhard)  sollte  kein  Wort  übrig  haben  für 
die  höchste  Leistuug  seiner  Zeit  auf  dem  Gebiete  der  Metallteclmik  !" 
Hatte  Einhard  Uberhaupt  Kunstwerke  nennen  wollen,  so  hätte  er  unter 
den  oben  S.  45  ff.  angeführten  Monumentalschöpfungen  der  frankischen 
Metallurgie  nur  zu  wählen  gehabt,  die  in  ihrer  überreichen  Ausschmückung 
mit  getriebenen  und  gegossenen  Figuren  ganz  andere  Leistungen  repra- 
sentirten  als  die  fusshohe  Statuette.  Sie  steht  unter  den  erhaltenen 
Werken  in  der  frühkarolingischen  Kunst  einzig  da,  wie  ich  schon  früher 
(Portraitdarstellungen  Karls  d.  Gr.  S.  61)  gesagt  —  das  berechtigt  aber 
nicht  zu  solch  übertrieben  aufgebauschten  Vorstellungen.  Die  oben 
gegebene  knappe  Zusammenstellung  von  Werken  der  Metallplastik  führt 
ja  nichts  weniger  als  ihre  Gesammtheit  auf  —  wie  gross  die  Masse  an 
kleineren  Gusswerken  von  der  Grösse  unserer  Statuette,  Aquamanilen, 
eueharistischen  Gefitssen  etc.  auf  einem  eng  begrenzten  Gebiet  in  der 
karoliugischen  Aera  war,  das  zeigt  ein  Blick  auf  die  Zusammenstellung 
von  Nachrichten,  die  der  Abbe  Dehaisnes  im  zweiten  Bande  seiner 
Ilistoire  de  l'art  dans  la  Flandre,  TArtois  et  le  Hainaut  avant  le  XVe 
sii'cle  gegeben  hat.  Wenn  Wolfram  dann  dies  Argumentum  ex  silentio 
dein  positiven  Beweis  als  gleichwerthig  zur  Seite  stellt,  so  kann  ich  dem 
uur  beistimmen  —  mit  seinem  „positiven  Beweise"  steht  dies  Argument 
allerdings  auf  der  gleichen  Stufe. 

Auf  S.  343  verwahrt  »ich  Wolfram  noch  gegen  mein  Urtheil  über 
seine  Interpretation  der  Stelle  in  den  Metzer  Protokollbeschlüssen.  Ich 
meine,  wenn  man  aus  deu  magistris  fabricae,  „ceux  qui  par  eydevant  out 
eu  coinmission  de  faire  faire1"  eine  moderne  „Kommission"  macht,  die, 
wie  der  Verfasser  drei  Zeilen  tiefer  sagt,  aus  „feiugebildeten  Domherren" 
bestehe,  so  ist  der  von  mir  gebrauchte  Ausdruck  „einer  ziemlich  freien 
Uebersetzung"  ein  sehr  milder. 

Wolfram  fiihrt  unter  seinen  Eideshelfern  auch  den  hochverdienten 
Metzer  Dombaumeister  Tornow  an.  Tornow  verwahrt  sich  nun  aber 
in  einem  offenen  Schreiben  an  Wolfram  in  geharnischten  Ausdrücken 
gegen  die.  Art  und  Weise,  wie  er  in  die  Polemik  hineingezogen  worden. 
Ich  glaube,  Wolfram  wird  mir  Dank  wissen,  wenn  ich  auf  die  Wieder- 
gahe dieses  mir  ausdrücklich  zur  Benutzung  übersandten  Dokumentes 
verzichte.  Es  schliesst  mit  den  Worten:  „Bin  ich  auch  gern  geneigt,  den 
Ausdruck  der  in  Ihrer  (Wolframs)  obigen  Behauptung  liegenden  Un- 
JahrO.  tl.  Vcr.  v.  AJtcrllnfr.  im  Rheliil.  XCll.  \Q 


14« 


Paul  Cletnen:  Mcrowingischc  und  knrolingischc  Plastik. 


riehtigkeit  für  einen  unbewußten  zu  halten,  so  kann  ich  doch  anderer 
Heils  nicht  umhin,  au«  dein  mehr  aln  geringen  Masse  der  Gründlichkeit, 
mit  welchem  Sie  hiernach  von  der  Befassung  meinerseits  mit  dieser  Frage 
Kenntnis*  genoniinen  haben,  einen  Schluss  zu  ziehen  auf  den  Werth 
der  von  Ihnen  Ihrerseits  hergeleiteten  Schlussfolgerungen  in  dieser  An- 
gelegenheit.* 

Es  ist  kaum  uöthig,  noch  weitere  Autoritäten  in«  Feld  zu  führen  — 
über  ich  möchte  Wolfram  noch  einige  Namen  nennen:  Marignau,  der 
Redakteur  des  Moyen  Age,  nennt  die  Figur  „de  IVpoque  sans  nul  doute 
carolingienne".  Jules  Cousin  schreibt  mir:  „Nous  tenons  ici  cette  imagc 
de  Cbarlemagne  hien  carolingienne.  L'hypothesc  dune  oeuvre  de  la 
rennissance  ne  me  parait  pas  soutenable  vu  la  raideur  et  la  naYvete  du 
groupe  chevnl  et  cavalicr.  La  recherche  malhabile  de  1'imitntion  de 
l'antiquc  est  evidente,  le  style  barbare  saute  aux  yeux;  et  tous  Ich  temoig- 
nages  matcricls  viennent  a  l'appui  de  rattribution".  Alfred  Darcel, 
der  Direktor  des  Clunymuseums  in  Paris ,  schreibt  mir  unter  dem 
7.  Marz  d.  J.  —  gleichfalls  nach  der  zweiten  Wolf ram'schen  Arbeit—: 
„Je  nc  crois  pas  soutenable  l'opinion,  qui  veut,  que  la  statue  equestre 
du  Cbarlemagne  de  Metz  soit  des  commencements  de  la  renaissance.'  Und 
Tornow  schreibt  unter  dem  10.  Februar  d.  J.:  „Es  gereicht  mir  zur  be- 
sonderen Befriedigung,  Ihnen  die  Mittheilung  machen  zu  können,  dasB 
ich  gegenwärtig  mehr  als  zuvor  davon  tiberzeugt  bin,  das«  wir  es  in 
unserer  Statuette»  mit  einem  Erzeugnisse  karolingischer  Kunstthiltigkeit 
zu  thun  haben".  Damit  glaube  ich  die  Akten  über  den  Fall  Wolfram 
schliefen  zu  können. 

Zu  S.  101.  Der  Sarkophag  von  Charentou  (Cher)  ist  publicirt  i.  d. 
Mi-langes  d'archcologie.  et  d'histoire  III,  pl.  7  und  bei  Le  Blant,  Lea 
sarcophages  chretiens  de  la  Gaule,  pl.  XV,  p.  &T>  mit  Litt.-Angabe. 

Zu  S.  125.  Dem  Ellenbein  in  BrÜHsel  lasst  sich  als  gleichfalls  angel- 
sächsische Arbeit  noch  anreihen  das  Kästchen  aus  Wallrosszahn  im  Briti- 
schen Museum,  das  aus  Au/.on,  Haute-Loire  stammt  (I).  H.  Haigh,  The 
conquest  of  Britein  by  the  Saxons ,  London  1861,  p.  42;  George 
S  t  e  p  Ii  e  n  s,  Üld-Northern  Kuuic  Monuments,  London  18Gö,  I,  p.  470  mit 
Abb.;  Palaeographical  society  II,  pl.  22H,  229).  Das  einzig  dastehende  reiche 
Werk  gehört  dem  8.-9.  Jh.  an  und  cnthftlt  in  niedrigem,  ausgestochenen 
Relief,  das  stilistisch  der  Brüsseler  Tafel  nahesteht,  die  Auffinduug  von 
Romulus  und  Rcuius,  die  Eroberung  Jerusalems  durch  Titus,  die  Ge- 
schichte Johannis  des  Taufers,  die  Anbetung  der  drei  Könige,  endlich 
die  Erstürmung  einer  von  einem  Helden  Namens  Aegili  erstürmten  Burg 
—  ein  Compendinm  der  Geschichte.  Die  Runeninschrifteu  lauten:  obla-un 
neg  romwalus  and  reumwalus  twa>gcn  gibrob«er  a  ftedda>  Ida*  wütif  in 
romajcrcstri.  —  Her  fegtab  titus  end  giupeasu  hie  fugiant  hienisnlim  afl- 
tatorcs.  —  Hronres  ban  fisc  flodu  ahof  on  ferg  en  berig  warb  gasric 
groni  h:er  he  on  greut  giswom.  Von  der  letzten  Seite  nur  die  Inschrift: 
drygyb  swi[c]  erhalten. 


II.  Aufdeckung  einer  vorgeschichtlichen  Niederlassung  und 
eines  fränkischen  Gräberfeldes  in  Meckenheim. 

Von 

Constantln  Koenen. 

(Mit  Tafel  T  bis  X.) 


Als  eich  unter  dem  Sceptcr  unseres  HeldenkaiRers  Wilhelm 
die  deutschen  Stämme  zu  einem  grossen  Reiche  vereinigt  hatteu, 
galt  e»  dessen  innere  Kraft  zu  stärken  und  zu  veredeln.  In  dein 
Gedauken,  durch  die  Heimatbskunde  die  Vaterlandsliebe  zu  fördern, 
wurden  durch  Mittel  der  Provinz  und  des  Staates  die  beiden  Rheinischen 
Provinzialmusecn  in  Bonn  und  Trier  gegründet.  Der  erste  Dircetor 
des  neuen  Proviuzial  -  Museums  zu  Bonn ,  Herr  Professor  Dr.  E. 
aus'm  Weerth,  glaubte  der  gestellten  Aufgabe  am  besten  nahe  zu 
treten  durch  eine  planmässigc  Aufdeckung  der  alten  Gräberfelder  und 
zwar  zuerst  derjenigen,  die  unserer  vaterländischen  Geschieht«  und 
nationalen  Entwicklung  zunächst  liegen,  nämlich  der  des  Merowinger- 
reiches.  Zur  Verwirklichung  dieses  Gedankens  konnte  die  ftlr  die 
rheinische  Gräbererforschung  grundlegende  Abhandlung  unseres  Ver- 
einspräsidenten ,  Herrn  Geheimer  Rath  Professor  Dr.  Schaaff- 
h au sen  „Ueber  germanische  Grabstätten  am  Rhein"  im  Hefte 
XLIV  und  XLV  dieser  Jahrbücher  (.1.  1868)  Anhaltspunkte  bieten. 
Unter  Hinweis  auf  die  in  der  genannten  Arbeit  S.  13ö  bis  153  be- 
sprocheneu fränkischen  Gräber  in  Meckenheim,  beauftragte  mich 
die  Dircction  des  Bonner  Provinzialinuscnins,  das  augenscheinlich 
noch  vorhandene  fränkische  Gräberfeld  in  Meckenheim  seiner  ganzen 
Ausdehnung  nach  aufzudecken  und  zu  untersuchen.  Nachdem  mir 
Schaafhausen  seine  reichen  Beobachtungen  auf  diesem  Gebiete 
und  auB'm  Weerth  seine  Information  als  Musenmsdirector  mit- 
getheilt  hatte,  begann  ich  die  Grabungen  im  October  1878  und 
beendete  dieselben  auf  Wunsch  der  Dircction  des  Provinzialmusemns 
nach  zeitwoiser  Unterbrechung  im  April  1870. 


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148 


Constantin  Kncncii: 


Dunk  einer  /.n vorkommenden  Fürsorge  iler  Ortsbehörde  und 
der  Bereit  Willigkeit  der  Grundbesitzer  Herren  Gott  seh  alk  und 
Mirgel,  sowie  der  Wittwe  Dahlhausen  konnten  die  Grabungen 
ungestört  vorgenommen  werden.  Der  Erfolg  hat  die  Erwartungen 
des  Pioviiiziahnuseunis  weit  ühertroflen.  Es  wurde  nämlich  zunächst 
das  bereits  von  S  e  h  a  a  i'fh a  u  s e n  festgestellte  fränkische  Gräberfeld 
nach  Möglichkeit  aufgedeekt,  dann,  wie  ich  glaube,  der  Nachweis 
erbracht,  das«  diese  Frankengräber  sieh  in  solche  der  früheren  und 
der  späteren  Merowiugcr-  und  solche  der  Karolinger/eit  eintlieilcn 
lassen,  das«  man  ausserdem  noch  eine  Anzahl  Gefässe  der  karolingi- 
schen  Zeit  in  mindestens  zwei  zeitlieh  zu  trennende  Hauptgruppen, 
nämlich  in  solche  der  früheren  und  in  solche  der  späteren  karolingi- 
sehen  Zeit  eintlieilcn  kann.  Ausser  dieser,  für  die  rheinische  Alter- 
tliumsforschnug  bedeutsamen  Feststellung  wurden  grössere  Theile 
einer  vorgeschichtlichen  Ansiedelung,  sogenannte  Mardellen  der 
älteren  neolithischen  Zeit  planmässig  aufgedeckt,  wie  ähnliehe  wohl 
am  Oberrhein  und  anderwärt«  gefunden,  aber  noch  nicht  am  Nieder- 
rhein festgestellt  und  systematisch  untersucht  worden  sind.  Nicht 
unwichtig  ist  auch  die  von  mir  vorgefundene  Ruine  einer  karolingi- 
schen  Töpferei  sowie  deren  Seherbcnbergc  oder  Aiisschnsswaarc. 
Mancherlei  Aufschluss  gab  besonder*  auch  noch  die  sorgfältige  ßlns- 
legung  der  Bestatteten  insofern ,  als  eine  grössere  Anzahl  von  Bei- 
gaben ihrer  Bedeutung  und  Zusammengehörigkeit  nach  benrtheilt 
werdcu  konnte.  Ein  derartiger  Erfolg  war  nur  möglich  durch  die 
zur  Verfügung  gestellten  hinreichenden  Mittel  des  Rheinischen 
Provinzialmnseums.  Schon  allein  der  Nachweis  von  vier  verschie- 
denen Arten  fränkischer  Cultnrreste,  von  denen  jede  einzelne  einer 
bestimmten  Periode,  also  einer  frühinerowingischen  und  einer  spät- 
merowingischen,  einer  frühkarolingischen  und  einer  spätkarolingischen, 
eigentümlich  ist,  bietet  der  historischen  Forschung  die  Hand  zur 
Lösung  einer  ganzen  Reihe  für  die  Laudesgesehichte  hoch  wich- 
tiger Fragen. 

Wir  wuseten  früher  wohl  Fränkisches  von  Römischem  und 
Germanischem,  allein  nicht  Karolingisches  von  Merowingischem.  noch 
weniger  in  diesen  beiden  zeitlich  unterschiedlichen  Gruppen  Unter- 
abtheilungen  von  einander  zu  trennen.  Ebenso  fremd  war  vor  den 
Audernac.ber  Ausgrabungen  des  Proviuzialmuseums  die  nun  ermög- 
lichte Eintheilimg  der  römischen  Culturreste  in  zwei  Abteilungen 
der  frühen  und  in  zwei  Abtheihmgeii  der  spfltcrcn  römischen  Kaiser- 


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Aufdeckung-  einer  vorgcseha-liU.  Xiedt;rln*»ung  clc.  in  Meckenheim.  149 

zeit.  Mit  Recht  hat  das  jetzt  uuter  der  Dircction  von  Professor 
Klein  stehende  Provinzialmuseum  sich  nun  zur  Aufgabe  gestellt, 
auch  das  Bild  einer  rheinisch  -  römischen  Grenzfestung  durch  Auf- 
deckung des  Xeusser  Römerlagers  vorzuführen.  Wählt  sich  diese 
Anstalt  zu  ihrein  Arbeitsfehl  anch  die  reichen  Hügelgräbergebiete 
auf  den  den  Rhein  begleitenden  Höhenzügen  und  hält  sie,  nachdem 
sich  die  Forschung  in  die  römische  und  fränkische  Epoche  vertieft 
hat,  auch  die  Aufdeckung  der  vorgeschichtlichen  Hinterlassenschaften 
der  rheinischen  Provinz  für  ihre  Aufgabe,  dann  werden  wir  Rhein- 
länder in  der  umfassenden  Kenntnis*  unserer  Alterthümer  anderen 
Landest  heilen  vorangehen  und  den  uns  gemachten  Vorwurf,  wir 
schwärmten  nur  für  kleinliche  philologische  Liebhabereien,  die  den 
Horizont  des  Römischen  nicht  verliesaen,  vernachlässigten  aber  das 
national- wie  völkergeschichtlich  Wichtigste,  von  uns  abweisen;  denn 
es  ist  kaum  ein  anderer  Hoden  Europas  so  reich  an  Denkmälern 
aller  Zeiten,  wie  eben  unser  Rheinland  und  nirgendwo  lässt  sich 
die  Aufeinanderfolge  verschiedener  Cnltnrreste  auf  einem  bestimmten, 
scharf  begrenzten  Gebiete  so  gut  und  so  sicher  nachweisen,  wie 
eben  hier.  Was  uns  nur  fehlt,  das  ist  ein  Gesetz,  welches  die 
Denkmale  der  Vergangenheit  unseres  Volkes  in  ihrem  Werthe  an- 
erkennt und  aus  diesem  Grunde  schützt  vor  eigennütziger  Gewinn- 
sucht des  Einzelnen,  dem  sie  preisgegeben  sind. 

Zur  Lage  und  Bodeubeschaffenheit  Meckenheims. 

Der  Boden,  welcher  den  Ort  Meckenheim  und  dessen  vor- 
geschichtliche und  fränkische  Culturreste  trägt,  erhebt  sich,  wie 
Herr  Dr.  Ran  ff  zu  Bonn  in  hingehendster  Bereitwilligkeit  mir 
mitthcilte,  bis  zu  166,64  m  gegen  58,23  m  der  Schienenoberkante 
des  Bahnhof  Bonn,  während  der  Nullpunkt  des  Bonner  Pegels 
43,616  m  über  N.  X.  aufweist.  Das  Hochwasser  1882  erreichte 
U,2  in;  das  Tiefwasser  des  Jahres  1884  zeigte  1,05  m  über  0  des 
Bonner  Pegels.  Die  Oertliehkcit  wird  berührt  von  dem  Fltlsschen 
Schwist.  In  dem  Thal  dieses  Wassers  finden  wir  ein  alluviales  Ge- 
bilde, in  dessen  höherer  Umgebung  hingegen  trifft  man  diluvialen 
Lehm  und  Gesehotter  an.  Unterhalb  dieser  Erdmassen  sehen  wir 
tertiäre  Thonc  (sog.  Braunkohlcnthonci,  die  dem  Ober-Oligoeän  zu- 
gerechnet werden.  Im  Ganzen  stellt  sich  uns  die  dortige  Land- 
schaft als  ein  Kessel  einer  Hochebene  dar,  in  welchem  die  Diluvial- 


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150 


CoiiMaiitin  Kocncn: 


wasser  des  Rheinthales  ihre  leichtesten  Sedimente,  den  Löss,  zurüek- 
liesseu. 

Auf  der  dieser  Arbeit  beigefügten  Tafel  I  ist  die  Flur  II 
der  Gemeinde  Meckenheim  im  Katasterauszug  wiedergegeben  und 
Taf.  II,  Fig.  9  zeigt  den  heutigen  Bodendurchscbnitt  derselben. 
Hei  a  sehen  wir  dunkclgefärbtc  Ackerkrume;  bei  b — c  gebt  dieselbe 
allmählich  zu  dem  bei  d  völlig  ungestörten  hellgelben ,  unter  dem 
Namen  ,.Mergela  bekannten  Urboden  über,  <ler  sehr  häutig  jene 
als  „Mergelmännchen"  bekannten  Steingebilde  vorführt.  Die  auf 
meine  Bitte  hin  durch  Rauf  f  veranlassten  Airalysen  dieses  Urboden» 
ergaben : 

Kalk  (CO„Ca)  ln.0 % 

Kieselsäure  (grösstenthcils  sehr  feiner 

.Sand)  6ö.5% 

Thonerdc  (AI/),)  ;">.:}% 

(Der  Gehalt  an  Eisen  war  nicht  unbeträchtliche 
Die  Analyse  der  „ Mergelmännchen u  führte  auf: 

Kalk  iCOaCa)  75.71  % 

Kieselsäure  10.1*1 % 

Thonerde  (AL03)    ....  1.64% 
(E)er  Eisengehalt  war  hier  nicht  so  bedeutend.    Beide  Mineralien 
enthielten  CÜaMg.)  Wir  haben  in  diesen  Ablagerungen  also  echten 
Löss  zu  sehen. 


Art  und  Weise  der  Ausgrabungen. 

Vielfach  wegen  der  Art  und  Weise  der  Aufdeckungen  von 
Gräbern  befragt,  glaube  ich  nicht  nutzlos  mitxuthcilen,  dass  ich 
nach  Aufnahme  der  Parzellengrenzen  den  Mutterboden  abdecken 
liess.  In  einer  Tiefe  von  etwa  %  m  zeichneten  sieh  dann  die  mit 
Mutterboden  vermischten  Gruben  gegenüber  ihrer  helleren  und 
reineren  Umgebung  des  Urbodens  ab.  Ks  folgte  nuu  eine  geome- 
trische Aufnahme  und  Xummcrimng  der  einzelnen  Todtcngruben 
und  anderen  Erdeinschnitte.  Darauf  liess  ich  ausserhalb,  in  der  Regel 
vor  den  zugefttllten  Gruben,  im  Urboden  eine  neue  (hübe  anlegen, 
von  der  dann  vorsichtig  das  Füllwcrk  des  Grabes  bis  zu  den  Skelet- 
oder  C'ulturresten  ausgeworfen  werden  konnte  und  ein  Zerdrücken 
der  Gegenstände  (durch  Betreten  des  Füllgrundes ,  welcher  diese 
deckte)  unmöglich  erschien.    Dann  sehritt    ich  vermittelst  kleiner 


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Aufdeckung  cinur  vorgfscliichtl.  Niederlassung  etc.  in  Meckenheim.  151 

Instrumente  zur  Freilegung  des  Skeletfes.  Ein  kleiner  Blasebalg 
diente  schliesslich  zur  völligen  Klarlegung  der  Einzelheiten.  Jetzt 
konnte  jetler  Gegenstand  seiner  Beschaffenheit  und  Lage  gemäss  unter- 
sucht und  unbewegt  in  seiner  Lage  von  mir  gezeichnet  und  gemessen 
werden.  Ich  versah  dann  die  einzelnen  Sachen  mit  einer  Nummer.  Nur 
so  war  es  möglich,  Uber  manche  Dinge,  wie  Uber  Gurtelbeschläge, 
Sehwertscheiden  und  Anderes  Anfschluss  zu  gewinnen,  welche*,  dem 
Grabe  enthoben,  unverständlich  erschien,  oder  weil  es  ans  Holz-, 
Leder-,  oder  unbestimmbaren  anderen  Moderresten  bestand,  sich  gar 
nicht  auders,  als  eben  nur  in  der  Grube  selbst,  in  ungestörter  Lage 
erkennen  Hess.  Bedeutungsvoll  wurde  eine  solche  systematische 
Untersuchung  auch  fUr  das  Erkennen  einer  Zeitfolge  der  einzelnen 
Cnlturrcste. 


1.  Die  vorgeschichtliche  Ansiedelung  in  Meckenheim. 

(Vgl.  Taf.  II.) 

In  dem  Bereich  der  Ausgrabungen  des  Provinzial  -  Museums 
Flur  II,  ^g9,  1  jß-,  15  und  zu  beiden  Seiten  des  Gemeinde- 

weges, sudwestlich  der  Gebäude  von  Mirgel  und  Dahlhausen  und 
der  „ Unteren  Strasse"  (vgl.  Taf.  I  den  Katasterauszng  Flur  II  der 
Gemeinde  Meckenheim)  fand  sich  der  hellgelbe  Löss  an  vieleu 
Punkten  unterbrochen  von  kcsselförraigen,  Vi,  bis  4  in  weiten  und 
bis  zn  2  m  Tiefe  reichenden  dunkelcn  Flecken.  Dieselben  hatten 
eine  bedeutendere  Festigkeit  und  Zähigkeit,  als  die  sie  umgeben- 
den, ungestörten  Sedimente  der  Dilnvialzcit.  Wir  hatten  es  hier 
mit  in  Kesselform  angelegten  Feuerungsgruben,  sogenannten  Mar- 
dellen,  zu  thnn,  die  in  den  hellgelben  Löss  eingeschnitten  wurden. 
Die  dunkle  Schicht  ist  das  sehr  fetthaltige,  zähe,  durch  Brand  ge- 
schwärzte FUllwerk  der  Gruben. 

Solche  Kesselgrubcn  sah  ich  auch  nordöstlich  der  Unteren 
Sirasse,  wo  damals  eine  senkrecht  abgeschnittene  Lösswand  frei 
lag.  Dann  kamen  solche  nordwestlich  von  Meckenheim,  bei  den 
Grundarbeiten  zum  nenen  Eiscnhahngcbäudc  zum  Vorschein.  Dass 
auch  die  nicht  anfgedeekten  Zwischenräume  solche  Xiederlassungs- 
regte  aufzuweisen  haben,  ist  sehr  wahrscheinlich. 

Ich  habe  auf  dem  Taf.  I  wiedergegebenen  Situationsplaii  die 
verschiedenen  im  engeren  Bereich  der  Ausgrabungen  des  Provinzinl- 


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Constantiii  Können: 


museums  vorgefundenen  Brandgruben  durch  dunkel  schraffirte  Stellen 
wiedergegeben.  Auf  Taf.  II,  9  sehen  wir  auch  eine  der  Gruben 
im  Durchschnitt  dargestellt,  bedeckt  von  den  bereits  beschriebenen 
Erdmassen,  die  den  Lös»  zum  Liegenden  haben. 

Bei  näherer  Untersuchung  nah  man  den  F Uligrund  hier  und 
da  vermischt  mit  kleinen,  zicgelroth  angebrannten  Lehnistückchen, 
unter  denen  sich  jedoch  keine  fanden,  die  mit  ciuiger  Sicherheit 
auf  Lchmbewurf  von ,  etwa  ehemals  die  Brandkcsael  umschliessen- 
den  oder  bei  denselben  emehteten  Hutten  bezogen  werden  können. 

Das  Füllwerk  der  Brandkessel  sowohl,  als  auch  die  Oberfläche 
de»  Lös»  barg  in  näherer  Umgebung  der  Gruben  ausserdem  hin 
und  wieder  Fenersteinspähue  wie  die  Taf.  II,  in  vorderer  und 
hinterer  Ansicht  und  Fig.  7  abgebildeten.  Lässt  sich  auch  von 
diesen  nicht  mit  Sicherheit  sagen,  ob  sie  als  wirkliches  Oerath  Ver- 
wendung fanden  oder  aber  nur  als  Abfällst Ucke  betrachtet  werden 
müssen,  so  zeigt  Taf.  II,  8  doch  den  abgerundeten  Kopf  einer  der 
bekannten  wcidcnblattförmigen  Schaber,  wie  solche  aus  paläolithi- 
scheu  und  neolithischeu  Funden  bekannt  sind.  Unvergleichlich 
mehr,  als  grössere  SteinstUcke,  fanden  sich  kleine  Fcuerstcinsplitter 
bis  zur  Nadclkopf-Grösse.  Auch  wurden  einige  Fcuersteinknollen, 
augenscheinlich  Kerne  des  ursprünglichen  Materials,  vorgefunden, 
von  denen  man  die  Werkzeuge  abgeschält  hatte;  einen  derselben 
habe  ich  Taf.  II,  1  abgebildet. 

In  einem  der  Brandkessel  lagen  auf  der  Sohle  grüssere  Stücke 
des  Taf.  II,  5  abgebildeten,  mit  Sehnurösen  versehenen  Topfes  und 
das  in  der  Mitte  durchgebrochene  kleine  Röbrtöpfchcu  Taf.  II,  f>. 

Unter  der  grösseren  Menge  der  gesammelten  Bruchstücke 
lassen  sich  drei  Arten  von  Gcfässen  erkennen,  die  jedoch,  weil 
deren  Reste  durcheinander  oft  in  ein  und  derselben  Grube  lagerten, 
ihrer  Zeitfolge  nach  nicht  von  einander  getrennt  werden  dürfen: 

1)  Gedrungene  cylindrische  Töpfe  wie  Taf.  II,  2.  Wenigstens 
fand  ich  grössere,  völlig  horizontale  Bodenstückc  mit  unvermittelt 
senkrecht  aufsteigenden  Wandtheilcn  und  oben  glatte  Wandstücke 
derselben  Technik.  Diese  Arbeiten  sehen  so  roh  aus,  wie  erste 
Versuche  der  Gcfässbildung.  Dafür  sprechen  ausser  der  Form  die 
mindestens  1  l/s  cm  dicken  Wände  der  verhältnismässig  nicht  hohen 
Cylindcrtöpfc,  dann  auch  die  überaus  unzusammenhängend  erschei- 
nende Gefässmasse.  Man  glaubt  ein  nur  vermittelst  der  Sonncngluth 
gehärtetes  Erzengniss  vor  sich  zu  haben.    Das  täuscht  allerdings; 


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AumVikunfr  «mimt  \  m  <ro&cliuli<l.  Nit'«liM-la.«suiig  ftt-.  in  Mi-ikrnlieim. 


denn  so  hergestellte  GefUssc  würden  offenbar  im  Laufe  der  Jahr- 
hunderte völlig  durchnässt  und  heute  von  dem  Hoden  der  Umgehung 
kaum  zu  trenne»  sein.  Die  Farhe  der  Bruchstücke  int  freilieh  die 
des  getrockneten  Lehme*.  Nach  der  Außenseite  hin  geht  dieselbe 
jedoch  etwas  in  das  Gelbrnthe  ttber  und  dieses  ist  ein  Zeichen  von 
leichtem  Brande.  Auch  spricht  für  ein  Verständnis«  der  tech- 
nischen Behandlung  des  Thones  die  Mischung  der  Erde  mit  härteren 
Zusätzen.  Die  Bruchfläehc  zeigt  nämlich  zahlreiche  .Stückchen  zer- 
stobenen Gesteines,  von  denen  einige  die  Stärke  von  >  mm  er- 
reichen; viele  sind  sogar  4  mm  dick.  Solehe  Zusätze  bewirken 
bekanntlieh  eine  bedeutendere  Widerstandsfähigkeit  der  Gefasswändc 
gegenüber  der  Hitze  des  Feuers.  Man  findet  diese  Beimischungen 
liei  allen  vonomischen  und  römischen  Kochgeschirren  uud  noch 
heute  unterscheidet  sich  die  zum  Kochen  dienende  irdene  Waare 
durch  solche  Zusätze  von  dem  Porzelhui-Gefäss,  das,  zum  Kochen 
gebraucht,  zerspringt. 

2)  Zur  VcranHchanliehnng  der  zweiten  Art  kaun  der  Topf 
Taf.  II,  5  dienen;  wenigstens  stimmt  eine  grosse  Anzahl  von  Seherben 
mit  der  Technik  uud  mit  der  einen  oder  anderen  Einzelheit  dieser 
Form  ttbercin.  Der  Boden  dieser  Gefässart  ist  schmal  ,  dann  er- 
weitert sieh  die  Seitenwand  und  engt  sich  oben  etwas  ein.  Der 
obere  Rand  ist  fast  senkrecht.  An  den  Seiten  sind  vier  durch 
broehene  rundliche  Ansätze  angebracht.  Diesellien  stehen  zn  je 
zweien  übereinander  und  zwar  senkrecht,  sodass  durch  jene  Gosen 
eine  Schnur  gezogen  uud  vermittelst  dieser  das  Gefass  getragen 
werden  konnte.  Eigentliche  Henkel  wurden  nicht  vorgefunden.  Da- 
gegen haben  sehr  viele  Gefässe  dieser  — -  und  auch  solche  der  ersten 
Art  —  warzenförmige  Ansätze  von  31/,  cm  Durchmesser  und  l\:s  ein 
Dicke.  Henkelformigc  oder  jene  nach  oben  sieh  biegenden  An- 
sätze —  die  Anfänge  der  eigentlichen  bei  den  Gelassen  der  soge- 
nannten Bronzezeit  auftretenden  Henkel  —  wurden  nicht  vorge- 
funden. Die  Bruchfläche  dieser  Gefasse  ist  durchschnittlieb  ß — 9  mm 
breit;  sie  hat  eine  grauschwarze  Farbe,  welche  jedoch  unterbrochen 
wird  durch  vereinzelte,  bis  zu  21/!l  mm  dicke  Stückchen  zerschlage- 
nen Quarzes  und  anderen  Gesteines,  sowie  auch  durch  Thcilehcn, 
welche  der  Holzkohle  gleichen.  Die  Farbe  des  Acusacrcn  ist  schwarz, 
jedoch  nicht  etwa  durch  künstlichen  Anstrich,  sondern  durch  ein- 
faches Dämpfen  erzielt,  ähnlich  wie  die  Farbe  unserer  Dachpfannen. 
Der  Brand  ist  nur  bis  zu  geringem  Grade  bewirkt  worden,  sodass 


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154 


Consta  in  in  K  neuen: 


ein  Anschlag  gegen  die  Wand  des  Oefüsses  dnmpf  tönt,  wie  der 
gegen  Holz  gerichtete-,  ungeachtet  dessen  hat  man  Mühe,  die  Ober- 
fläche mit  dem  Dantnennagel  zu  ritzen. 

3)  Die  dritte  Art  von  Gefässseherben  ist  dünner  und  läast 
mit  blossem  Auge  keinerlei  Zusätze  erkennen.  Die  6  bis  7  mm 
breit«  Bruchfläche  sieht  gleichmäßiger  aus.  In  der  Mitte  ist  sie 
röthlichgran,  an  den  Rändern,  in  einer  Breite  von  1  bis  2  mm  braun. 
Der  Brand  dieser  Arbeiten  scheint  ein  schwächerer  zu  sein;  denn 
so  wenig  haltbar  erwiesen  sich  die  Bruchstücke,  dass  sie  trotz 
grösster  Vorsicht  kaum  uuzerhrochen  an  das  Licht  geschafft  werden 
konnten.  Aus  diesem  Grunde  habe  ich  keine  sichere  Vorstellung 
von  der  Konn  gewinnen  können,  welche  diese  Oefässart  in  ihrer 
ursprünglichen  Beschaffenheit  aufzuweisen  hatte.  Aber  nach  Ver- 
gleichen, welche  ich  kürzlich  in  den  Museen  in  Mainz,  Wiesbaden 
und  Worms  anstellte,  können  wir  es  recht  wohl  mit  jenen  dünn- 
wandigen Kugeltopfen  zu  thun  haben,  wie  solche  auf  den  Gräber- 
feldern von  Monsheim,  Xierstein,  Oberolm,  Albstein  a.  d.  Eis,  Nieder- 
walluf, im  Fundament  des  Archivgebäudes  in  Wiesbaden  und  in 
den  Höhlen  von  Steeten  neln-n  Gefässcn  der  ersten  und  zweiten 
Art  vorgefunden  worden  sind.  Das  Taf.  H,  fi  abgebildete  Töpf- 
ehen von  X  cm  Höhe  bildet  mehr  eine  Ausnahme  von  Oefässen 
dieser  dritten  Art.  Es  fand  sich  mit  dem  Topfe  Taf.  II,  5  zu- 
sammen auf  der  Sohle  einer  Grube  vor  und  zwar  fest  von  der  Brand- 
erde umschlossen.  Jede  Möglichkeit,  hier  etwa  ein  späteres  Er- 
zeugnis* gefunden  zu  haben,  ist  ausgeschlossen.  Der  Thon  sieht 
wie  unvermischt  aus  und  hat  eine  durchgehend  reine,  graugelbe 
Brnchfläche.  Die  Wand  ist  am  Boden  des  Gefässehens  am  stärksten: 
sie  verdünnt  sich  nach  oben  hin  in  einer  gleichmäßigen  Weise,  so 
dass  ein  Meckenheimer  Töpfer,  der  täglich  eine  grosse  Zahl  von 
Gefässcn  dreht,  es  fllr  „schwerlich  möglich"  erklärte,  ein  solches 
Gefass  ohne  Hülfe  der  Drehscheibe  herzustellen.  An  dem  oberen 
Theilc  des  Gefässchens  ist  ein  durchbohrtes  eylindrisches  Röhrchen 
angebracht ;  es  erinnert  die  ganze  Arbeit  an  ein  Saugtöpfchen,  ähn- 
lich der  römischen  mamilla  (vgl.  über  solche  röm.  Gcfässe  v.  Co- 
hansen,  Annal.  f.  Nass.  Alterthuinsknnde  u.  Geschichte  B.  15). 

2.  Der  geschweifte  Becher  vorgeschichtlicher  Zeit. 

(Taf.  II,  10... 

In  keinem  Zusammenhange  mit  der  Meckenheimer  vorgeschicht- 
lichen Ansiedelung  steht  der  Taf.  II,  10  abgebildete  geschweifte 


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Aufdeckung-  einer  voifreM-hiclitl.  N'iederlabsung  etc.  in  Meckenheim.  153 

Becher.  Er  ist  als  Meckenheimer  Fundstttck  in  einer  Versteige- 
rung für  das  Bonner  Provinzialmusenm  erworben  worden.  Nach 
einer  »lein  Herrn  Professor  Klein  gemachten  Mittheilung  stammt 
er  aus  Andernach. 

Derselbe  ist  1(5  cm  hoch  und  hat  einen  oberen  Durchmesser 
von  13  cm.  Er  ist  in  der  Farbe  röthlichhrauu,  stellenweise  braun- 
roth  oder  in  das  Grauschwarze  übergehend.  Die  Wand  ist  nicht 
sehr  dick  und  ein  Anschlag  klingt  wie  der  gegen  Holz  gerichtete. 
Auf  der  Oberfläche  der  Bauchung  sieht  man  in  sinnvoller  Verkei- 
lung Band-  und  Zackenmuster,  welche  aus  kleinen  Quadratpunktcn 
zusammengesetzt  sind.  Es  sind  die  einzelnen  Punkte  scharf  einge- 
druckte rechtwinklichc  Grübchen,  deren  Abstände  und  Verlauf  deut- 
lich erkennen  lassen,  das»  man  sich  zur  Herstellung  eines  Zacken- 
rädchens, also  keiner  eigentlichen  Schnur  bedient  hat. 


3.  Die  fränkischen  Gräber  in  Meckenheim. 

Die  von  Schaafhausen  im  Hefte  XLIV  und  XLV  dieser 
Jahrbücher  besprochenen  und  auf  zwei  Kupfertafeln  dargestellten 
Meckenheimer  fränkischen  Gräberfunde  wurden  Klur  II,  12  bei  dem 
Abtragen  der  oberen  Bodenlagen  des  Dahlhausen 'sehen  Gartens,  bei 

den  Erdarbeiten  zu  den  Mirgel'schen  Bauten  Flur  II.  1  j^9 nnd1^' 

und  bei  dem  Abdecken  des  nordöstlichen  oberen  Theiles  der  beiden 
letztgenannten  Parzellen  gemacht.  Südwestlich  dieser  beiden  Fund- 
stellen begann  das  rrovinzialmnseum  seine  Aufdeckung,  dehnte  die 

selbe  südwestlieh  auf  Flur  II,  15,  und  südöstlich  auf  Flur  II. 

aus,  bis  zu  dem  Uiufassujigsgrabcn  in  .Meckenheim,  oder  vielmehr 
bis  zu  dem  schon  früher  nordwestlich  desselben  abgetragenen  Boden. 
Dieser  „Bereich  der  Ausgrabungen  des  P  r  o  v  i  n  z  i  a  1- 
Mu seums"  ist  Taf.  I  in  dem  Kataster-Auszug  punktirt;  die  von 
Nordwest  nach  Südost  gerichtete  Länge  beträgt  30  in,  die  Breite 
12  bis  16  m.  Da  nun  auch  bei  dem  Bau  einer  Scheune,  50  in 
südwestlich  der  Südwestgrenze  der  unteren  Strasse,  wo  die  Schmitzer- 

191  '> 

Strasse  einmündet,  auf  Flur  II,  l  "  •  f?'0"'"  »"»Hich  des  Umfassungs- 
grabens die  Taf.  1,  unter  „Grab  84u  bezeichnete  Todtenwohnung 


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Constatitin  Koencii: 


angetroffen  wurde,  so  hat  das  ganze  Gräberfeld  nach  Süden  hin 
eine  weitere  Ausdehnung  gehabt.  Nach  Norden  hin  kann  die  Aus- 
dehnung gleichfalls  eine  bedeutendere  gewesen  »ein.  Festgestellt 
wurde  der  Todtenacker  auf  eine  Länge  von  50  und  eine  Breite  von 
40  m.  Auf  dieser  Strecke  öffnete  das  Provinzial-Muscum  250  drüber; 
da  uaeh  der  Schaaff  hausen'schen  Angabe  frfliier  40  Gräber 
vorgefunden  wurden,  sind  bis  jetzt  ca.  300  Gräber  zu  Tage  ge- 
fordert worden. 

Die  Todtengrubcn  lagen  in  unregelmässigen  Reihen  von  Stiden 
nach  Norden;  die  Langseiteu  waren  von  Westen  nach  Osten  ge- 
richtet. Die  einzelnen  Gruben  sind  rechtwinklig,  haben  1  bis  2,75  ni 
Länge,  \l!t  bis  1,75  m  Breite  und  bis  zu  3  in  Tiefe.  Es  sind 
dieselben  vielfach  von  einer  zweiten,  später  angelegten  Grube  durch- 
schnitten und  diese  beiden  Gruben  werden  sehr  häufig  noch  von 
einer  dritten  Grube  durchfurcht,  so  dass  also  das  Todtenfeld  einer 
dreimaligen  Beisetzung  hat  dienen  niflssen.  Gehen  wir  zu  einer 
Besprechung  des  Inhaltes  der  einzelnen  Gräber  über: 

Grab  1. 

Grube:  2,80  1.,  1,70  br.,  2,10  t.  Inhalt:  lj  Speereisen- 
spitze wie  VIII,  18:  1.:  0,35.  Lage:  Fussende,  rechts. — -2,  Irdener 
Topf,  abgeb.  X,  10:  blauschwarz;  Randprotil:  X,  d;  Bodenplatte: 
X,  I;  Ornament:  ähnl.  X,  23;  h.:  0,17,  5.  Lage:  rechts  vom  rechten 
Oberschenkel.  —  3)  Eiserner  Sehnallenbügel  ähnl.  IX.  2.  jedoch 
nicht  tauschirt.  Lage:  Lenden.  —  4)  Fcuersohlagstciu.  Lage: 
Lenden. —  Bemerkung:  Skelet  verwittert  und  gestört.  Vgl.  Anin.  la. 

Grah  la. 

Grube:  2,80  1.,  1,00  br.,  2,10  t.  Inhalt:  Ii  Eisernes  Kurz- 
schwert ähnl.  VIII,  14,  jedoch  ohne  Scheidenrest :  I.:  Schneide 
0,40:  br.  0,05.  Lage:  linke  Seite.  —  2)  Reich  tanschirte.  mit  drei 
Messingbuckeln  besetzt  gewesene  Besch  lagplatte,  abgeb.  IX,  I 
in  nat.  Gr.  Lage:  Lenden.  —  3)  Tauschirtcr  eiserner  Beschlag, 
abgeb.  IX,  3  in  nat.  Gr.  Lage:  Lenden.  —  4)  Theile  einer  Eiscn- 
schnallc.  durch  Rost  zersetzt,  so  dass  weitere  Bestimmung  un- 
möglich. —  5)  Eisenspeerklinge  ähnl.  VIII,  18;  I.:  0,45;  Lage: 
Fussende,  rechts,  wie  im  (trabe  VII,  15.  —  ßi  Eisenmesser,  wie 
IX.  15,  offenbar  Sax;  Schncidcl.:  0,11.  Lage:  auf  Xr.  1.  — 
7j  Ei sen res t  mit  Tausch irarbeit;  abgeb.  IX,  4.  Lage:  Lenden. — 
8)  Gemme  mit  männlichem  Profilkopfc**  Karneol)  in  nat.  Gr.  abgeb. 


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Aufdockung  einer  vorgradüchtl.  XiedcrlHssuiig  etc.  in  Meckenheim.  157 


VIII,  H.  Lage:  Lenden.  —  0)  Beinernes  Gcwichtatcinchcn; 
Dm.:  0,01,  dick:  0,0015.  Lage:  Lenden.  —  10;  Bearbeiteter 
Stein,  Thonsehicfer ,  vielleicht  Wetzstein,  abgelt.  VIII,  25; 
I.:  0,005.  Lage:  Lenden.  —  Bemerkung:  Da  dieses  Grab  unter- 
lialb  de»  Grabes  1  lag,  so  gehört  dasselbe  zu  der  ersten  Todtenlagc, 
wahrend  Grab  1  der  zweiten  zuzufügen  ist. 

Grab  2. 

Grube:  2,40  I.,  1.70  br.,  2,10  t.  Inhalt:  gestorte  Skelct- 
reste  in  der  Grube  zerstreut.  Bemerkung:  Durch  Aulage  des 
Grabe«  2a  ist  Vorgefundenes  vielleicht  erklärlieh. 

Grab  2a. 

Inhalt:  1)  Eisenspeerklinge  wie  VIII,  18;  1.  0,17  Tülle, 

0.  035  Spitze.  Lage:  ähnl.  Tat'.  VII,  15,  rechts  neben  rechtem 
Fuss.  —  2)  Eisernes  einsehn.  Knrzsehwert,  iihnl.  VIII,  14,  je- 
doch ohne  Scheidereste;  I.  Schneide:  0,28,  br.  0,04;  Griffl.:  0,13. 
Lage:  linke  Seite.  —  3)  Eisernes  Messer,  ähnl.  Nr.  2  dieses 
Grabes,  nur  iu  der  hinteren  Hälfte,  wie  absichtlich  zerbrochen  vor- 
gefunden, vielleicht  als  dolehartige  Stosswaffe  und  für  den  Wurf 
benutzt  „kleinere  Art  des  Saxa  (Lindcnschmit);  I.  erhaltener 
Theil  der  Klinge  0,085,  br.  0,03;  Griffl.:  0,08;  Lage:  neben  Nr.  2 
des  Grabes.  —  4/  Scheibenförmiger  Eiscnhcschlag  mit  zwei  Mes- 
singbuckeln, ähnl.  VII,  c;  Dm.  0,00.  Lage:  Lenden.  —  5)Achnl. 
Nr.  4.  Lage:  ebendas.  —  0)  Eiserne  Breitaxt  mit  Axthelm,  welcher 
der  Schueidemitte  gegenüber  liegt;  ähnl.  VII.  13;  1.:  0,10;  Schneide- 
breite:  0,14.  Lage:  ähnl.  Grab  Taf.  VII,  15.  —  7)  Eisenschlussel, 
abgeb.  VIII,  22;  1.  c.  0,10.  Lage:  Lendeugegend.  —  8)  Eisen- 
stab, oben  umgebogen,  fast  mit  Nr.  7  übereinstimmend,  kann 
vielleicht  Schlüsselest  sein.  —  9)  Eiseniustrument  ähnl.  VIII,  23. 
An  dem  oberen  Ende  haften  Holzreste  von  dem  Griffe;  1.  e.  0,09. 
Lage:  Lendengegend.  —  10)  Feuerschlagstahl  wie  VIII,  11; 

1.  0,11.  Lage:  Lendengegend.  —  11)  Zwei  Feuerschlagsteine 
von  0,04  u.  0,015  L.  Lage:  Lendengegend.  —  12)  Irdener 
Topf  wie  X,  11;  blauschwarz;  ltanddurchschnitt:  X,  m;  Bodeu- 
durchschnitt :  X,  1;  Ornament  X,  25;  h.:  0,12;  Bauchdnrchiuesser: 
0,13.  Lage:  Fussende.  —  13)  Fünf  Kleinerz  -  Münzen,  von  denen 
eine  Constans,  eine  zweite  Gratian,  die  dritte  nach  v.  V  1  e  u  t  c  u 
(Bonn)  zweifelhaft,  vielleicht  Atalaricus  rex  ist,  entstanden  aus  der 
Münze  Constautinopolis;  Gepräge  der  lieiden  letzten  Münzen  ist  nn- 


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158  Constantin  Kocnen: 

bestimmbar.  Lage:  Lendengegend,  wo  Gflrtcltaschc  gesucht  werden 
durfte.  Anmerkung:  Das  Grab  fand  ich  in  der  Grube  2;  es  Hess  sich 
jedoch  nicht  feststellen,  ob  dieses  oder  jenes  Grab  das  altere  war. 

Grab  3. 

Grube:  2,70  1.,  1,80  br.,  2.20  t.  Inhalt:  1)  Eiscnbcschlag, 
wie  VI  II.  14b,  mit  vier  Mcssingbuckeln;  1.  0.09Ö.  Lage:  rechte 
Lendenseite,  mit  Schmalseite  gegen  den  Hüftcrand.  —  2)  Eise  n- 
bcschlag,  wie  VIII,  14d,  mit  vier  Messingbuckeln;  h.  0,06.  Lage: 
Mitte  der  Lende.  —  .*V>  Eisenspeer,  ähnl.  VIII.  20.  jedoch  kleiner 
und  mit  scharf  gezogener,  stark  hervortretender  Rippe;  1.:  0,10; 
br.:  0,020.  Lage:  an  der  rechten  Seite  des  Kopfes,  mit  der 
Spitze  nach  oben  gerichtet.  —  4)  Eiscniuslrument  ähnlich  Grab 
2a,  Nr.  8.  Lage:  Lendengegend.  — •  5)  Beinkamm  wie  VIII,  21. 
Lage  rechts  vom  rechten  Unterschenkel.  —  6)  Irdene  Schüssel, 
gelblieh,  hart  gebacken;  Soitcndurehschnitt  ähnl.  X  0,  jedoch  ist 
die  Seitenwand  wie  unterer  Theil  dos  Topfes  X,  7  ausgebaucht; 
b.  0,06,  Dm.  0,21.  Lage:  neben  Nr.  h  des  Grabes.  Bemerkung: 
Die  Lage  des  Skelets  und  der  Füllgrund  machen  es  wahrschein- 
lich, dass  in  der  Grube  eine  zweimalige  Beisetzung  erfolgt  ist. 

Grab  4. 

Grube:  2,70  1.,  2,10  br.,  2,20  t.  Inhalt:  1)  Eiserner  Schild- 
buel.el  ähnl.  VII,  6.  —  2)  Unbestimmbare  G Ort elbeschläge- 
Reste.  Bemerkung:  Nr.  1  lag  nebst  Menschenknochen  zerstreut  in 
dem  Ftlllgrund  der  Grube,  während  Nr.  2  sieh  in  der  Lendengegend 
eines  Skelets  vorfand,  bei  dessen  Beisetzung  augenscheinlich  ein 
älteres  Männergrab  durchschnitten  oder  aber  beseitigt  wurde. 

Grab  h. 

Grube:  2,70  1.,  2,10  br.,  2,20  t.  Inhalt:  1)  Eisernes  ein- 
schneidiges Knrzsehwert  wie  VIII,  12,  jedoch  ohne  Scheiden- 
beschlagreste;  Schneidclänge:  <  »..'18 ,  G riff länge  :  0,21,  Schneide- 
breite:  0.0;"».  Lage:  links  an  den  linken  Unterarm  anschliessend. 
Griff  nach  oben  gerichtet.  —  2)  Einschneidiges  Eisenmesser 
wie  VIII,  14a,  stark  verrostet,  daher  Verhältnisse  unsicher.  Lage: 
auf  Nr.  1  so  dass  Grifflage  wie  bei  dem  Messer  VIII,  12  vorge- 
funden wurde.  —  Ü)  Eisenbeschlag  wie  VIII,  14b;  I.  0,095. 
Lage:  rechte  Lendenseite.  —  4»  Eisen r est e  einer  Schnalle 
nebst  Heschlagplatte,  ähnl.  IX.  2.    Lage:  der  Hing  war  nach 


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Aufdeckung  einer  vorgeschiclül.  Niederlassung'  etc.  in  Meckenheim.  159 


dein  breiteren  Ende  von  Nr.  3  gerichtet,  während  der  schmalere 
Theil  des  Beschlags  den  oberen  Theil  der  Schneide~vou  Nr.  2  be- 
rührte, so  dass  das  Ganze  (Nr.  3  und  4)  sieh  als  Gurtclverschluss 
ähnl.  IX,  10,  vorstellte,  von  dem  jedoch  die  einzelnen  Theile  von  ein- 
ander geschoben  waren.  —  5)  Eiserne  Speerspitze  mit  durch- 
brochener Tül  1p Verlängerung  und  oberhalb  derselben  ange- 
brachten zwei  vorspringenden,  etwas  nach  oben  gerichteten  Quer- 
stacheln,  abgeb.  VIII,  13;  L.  der  Spitze  nebst  Tülle  0,38;  Tulle- 
verlängernng  0,23.  Lage:  wie  Lanze  VII,  15.  rechte  Seite  des 
Unterschenkels.-  6)  Eiserne  Schcere  wie  VIII,  21;  1.:  0,18. — 
Ii  Beinkamin  wie  VIII,  21.  Lage:  lag  mit  Nr.  0  zusammen- 
gerostet  rechts  neben  der  rechten  Hand  des  Skelets.  —  H)  Irdener, 
blauer,  schwarz  gedämpfter  Topf,  ähnl.  X,  8;  Wanddurchschnitt 
X,  n;  Bodeuplatte-Durchschnitt  X,  K;  Verzierung  ähnl.  X,  14.  -  - 
9)  Feuerschlagstein  I.:  0,3.  Lage:  rechts  neben  Gelenk  des 
rechten  Armes.  Bemerkung:  Kuochenreste  eine«  älteren  Skelettes 
fanden  sich  zerstreut  im  Füllgrund  der  Grube,  so  dass  der  vor- 
besprochene Grabinhalt  dem  Skclet  einer  zweiten  Lage  gehört. 

Grab  ß. 

Grube:  2,80  1.,  1,70  br.,  2,20  t.  Inhalt:  1)  Eisenspeer, 
wie  VIII,  18;  Tüllclänge:  0,22;  Spitze  0,18;  Breite  (»,035.  Lage: 
Fusseude,  rechts,  Spitze  nach  unten.  —  2i  Eiserne  blattförmige 
Tüllcnpfeilspitze  wie  VII,  10;  1.:  0,09.  Lage:  rechts  der  rechten 
Schulter.  —  3)  Desgl.  stark  verrostet.  Lage:  neben  Nr.  2.  — 
4)  Eisenbeschlag  mit  vier  Mcssingbuckclu  wie  VII,  e;  1.:  0,06. 
Lage:  Lendengegend.  —  5)  Irdener  Topf  ähnl.  X,  10;  blau, 
schwarz  gedämpft;  Wanddurchschnitt :  X,  d,  jedoch  es  wiederholt 
sich  0,02  m  unterhalb  der  oberen  Leiste  diese  letztere;  Bodenplatte: 
X,  1;  Ornament:  ähnl.  X,  18.  jedoch  zusammenhängender;  h.  0,10. 
Lage:  Fnssendc  rechts.  —  6)  Rest  eines  ßeinkammes  wie  VIII, 
21.  Lage:  in  der  Nähe  Nr.  5.  —  7)  Irdener  Topf  wie  X,  11; 
blauschwar/. ;  oberer  Wand-Durchschnitt:  X,  m;  Bodenplatte-Durch- 
schnitt: X,  i;  Ornament:  X,  25.  Bemerkung:  Es  zeigte  sich  deut- 
lich innerhalb  der  beschriebeneu  Grube  eine  zweite  Grubenanlage 
und  auf  der  Sohle  dieser  ruhte  der  mit  den  beschriebenen  Bei- 
gaben versehene  Todte,  dieser  gehört  somit  zu  der  zweiten  Todteulage. 

Grab  7. 

Grube:  2,60  I.,  1,50  br.,  2,10  t.  Inhalt:  1)  gelbliche,  ziem- 
lich hart  gebackene  Schale:  abgob.  X,  10;  Durchschnitt  des  oberen 


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1«0 


Oonstantin  Kooncn: 


Thciles  der  Wand:  X,  p;  Bodcndnrebschnitt:  X,  i;  h.  0,045; 
Dm.:  0,12.  Lage:  auf  der  Sohle  am  Küssende.  Bemerkung:  Das 
Grab  durchschnitt  eine  der  vorgeschichtlichen  kesseiförmigen  Brand- 
gruben von  l'/g  m  Dm. 

Grab  8. 

Grube:  2,40  I.,  1,70  br.,  2,20  t.  1)  Blauer,  schwarzgedämpfter 
irdener  Henkeltopf;  abgeb.  X,  0;  b.:  0,18;  Bauchdurchmesser: 
0,21;  Rauddurcbschnitt:  X,  d;  Bodenplatte:  X,  i :  Ornament:  X,  15. 
—  2)  Reste  einer  Venusmuschel  wie  IV,  5a.  —  3)  Eiuige  Perlen 
des  Typus  IV,  3.  —  4)  Beiuspnren  einer  Zierschcibcn-Einfassung. 
Bemerkung:  Die  Gegenstünde  lagen,  wie  die  Knochen  des  Todten, 
zerstreut  in  der  Grube;  die  Grube  an  und  für  sich  zeigte  ein  zwei- 
maliges Oeffnen. 

Grab  9. 

Grube:  Tiefe  1,80;  Grenzen  unbestimmbar.  Inhalt:  1)  Eisernes 
Kurzschwert  nebst  Lederresten  der  .Scheide  und  auf  denselben 
in  ursprünglicher  Lage  angetroffenen  Zicrscheibcheu  und  Zierstift- 
ehen  aus  Erz;  abgeb.  VIII,  5;  Sehneidelünge:  0,46;  Sehneide- 
breite: 0,00;  Grifflange:  0,14.  Lage:  der  Griff  des  Sehwertes  lag 
auf  der  Brustbeinmitte;  von  hier  aus  erstreckte  sich  die  Waffe  ab- 
wärts bis  Uber  den  Kopf  des  linken  Oberschenkels  hinaus;  die  Schneide 
nebst  Ziersttlcken  lagen  nach  der  linken  Seite  hin  gerichtet.  Wir 
sehen  VIII,  0  einen  der  Zierknöpfe  in  vorderer  und  Seitenansicht  in 
natürlicher  Grösse  abgebildet.  Die  obere  Fläche  des  Knopfes 
ist  dreimal  durchbrochen.  VIII,  .r>a  zeigt  in  naturlicher  Grösse 
eiues  der  Zierst  i  flehen.  Die  Scheidenreste  sind  keine  Recou- 
strnetion,  sondern  sie  sind  genau  nach  der  Natur  in  der  Grube 
von  mir  gezeichnet  worden.  —  2)  Eisenbesch  lagplatte,  wie 
VII,  c,  jedoch  wurden  Messingknöpfc  nicht  vorgefunden;  I.:  0,06. 
Lage:  an  der  linken  Seite  ausserhalb  des  oberen  Schwertklingcn- 
theiles  und  der  Stiftchen  von  dessen  Scheide.  —  3)  E  i  s  e  n  b  c  s  c  h  1  a  g- 
platte  ähnl.  VIII,  14,  b,  jedoch  nur  in  Resten  vorgefunden. 
Lage:  gegenüber  dem  Schwertgriffe  auf  dem  oberen  Thcile  des 
rechten  Oberarmes.  Nr.  2  und  4  scheinen  somit  wieder  auf  eine 
Gürtelschnalle  nebst  Beschlüge  ähnl.  IX,  10  zu  deuten.  Bemerkung: 
Unsichere  Spuren  machen  es  möglieh,  das»  an  derselben  Stelle  sich 
ein  älterer  Lage  angehörendes  Frankcngrab  befunden  hat,  so  dass 
in  diesem  Falle  vorliegende  Ausstattung  zur  zweiten  Lage  gerechnet 
werden  dürfte. 


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Aufdeckung  einer  vorgcschichtl.  Niederlasaung  etc.  in  Meckenheim.  161 


Grab  1U. 

Grube:  Tiefe  1  ,:t0,  Grenzen  unbestimmbar  in  «lieser  Höbe. 
Inhalt:  1)  Gefässbruchstücke  der  Meekcnheimer  KariH 
lingcrtöpferei,  unglasirtes  Steingut  mit  ersten  »Spuren  der  Wellen- 
platte,  ilhnl.  Westd.  Zeitschrift  VI,  Taf.  XI.  2  und  'S,  jedoch  ohne 
Verzierungen.  Lage:  zerstreut  im  Grabe.  —  2)  Nägel  von  Eisen. 
Lage :  entlang  den  Seiten  des  Skelette«  und  verbunden  mit  Holz- 
modcrreBtcn,  welche  von  einem  Holzsarge  herrührten.  Bemerkung: 
Das  1,72  m  lange  Skelet  hatte  die  Hände  wie  getalten  nebenein- 
ander liegen;  es  wich  auch  von  der  Gesammtlage  der  sümmtlichen 
Meekenbciiner  Todtenskelete  insofern  ab,  als  es  mit  den  Füssen  fast 
genau  nach  Norden  zeigte.  —  Nach  den  Scherben  konnte  diese 
Beisetzung  in  den  Normanenzügen  vom  J.  881  erfolgt  sein  und 
vielleicht  als  eine  zufallige  betrachtet  werden,  weil  in  den  drei 
Todtenlagen,  ungeachtet  der  überaus  grossen  Menge  von  Steiugut- 
seherben  der  Meckenheimer  Topferei,  welche  auf  der  ehemaligen 
Oberflache  des  Gräberfeldes  in  bestimmter  Höhenlage  vorhanden, 
nirgendwo  ein  Steingutcrzengiiiss  beschriebener  Art  vorgefunden 
wurde. 

Grab  11  (Taf.  V). 
Grube:  Grenze  nicht  bezeichnet.  Inhalt:  Sogenanntes  metalle- 
nes B  a  r  t  z  it  ii  g  e  1  c  h  e  n  ühnl.  VIII,  4 ;  1. :  8,05,  br. :  0,01 75.  Lage : 
linke  Seite  des  Skeletes.  Bemerkung:  Nr.  1  ist  der  einzige  Gegen- 
stand, welcher  bei  einem  Skelet  in  dem  oberen  Theile  der  Grube 
angetroffen  wurde.   Vergl.  folgendes  Grab. 

Grab  IIa. 

Inhalt:  Ii  Perlen  abgeb.  V,  4;  die  oberste  ist  gelb  und 
braun,  die  folgende  grüngelb,  rotb  und  weiss,  die  untere  roth,  weiss 
und  grün.  Lage:  unterhalb  der  Brust,  etwas  oberhalb  der  Lenden, 
wo  derartige  dickere  Perleu  in  der  Kegel  gefunden  wurden.  Die- 
selben sind  deshalb  nicht  als  Halsperlenkette  zu  betrachten,  sondern 
sie  dienten  einem  anderen  Zwecke.  Auf  frühmittelalterlichen  Grab- 
steinplatten sieht  mau  dort  iu  der  Hand  der  Verstorbenen  dicke 
Perlen  zum  Bet-  resp.  Rosenkranz  vereint.  —  2)  Perlen  kleinerer 
Art,  abgeb.  V,  3  in  nat.  Gr.,  grttnl.  Farbe.  Lage:  Halsgegend:  es 
sind  offenbar  Peilen  einer  Halskette.  —  3)  Metallring,  abgeb. 
V,  3a,  Dm.  U.025.  Lage:  Neben  dem  Olierscheukelkopf  des  linken 
Beines.  —  4>  Kisenreste  einer  Sc  beere,  abgeb.  V,  2a. 

Jfthrl».  il.  Vor.  v.  Altertli^lr.  Im  Hlivhil.  XCII.  ]  { 


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162 


Constantin  Knenmi: 


Lage:  links  neben  dein  linken  Unterschenkel  Uber  der  Kniescheibe. 
■ —  f>)  B  c  i  n  k  a  in  in,  ehemals  zweizeilig,  abgeb.  V,  2c.  Lage :  neben 
Nr.  4.  —  6)  Znugenförmigcr  B.  Metallstrcifeu,  an  einem  Kndc 
weidenhlattförmig  verlaufend,  an  dem  entgegengesetzten  gespalten 
und  vermittelst  Nietnägclchcn  den  Lederstreifeu  haltend,  abgeb.  V,  2. 
Lage:  auf  dem  Beinkamm  Nr.  5,  wie  abgebildet.  —  7)  Zwei,  durch 
einen  Bein  knöpf  von  l/*  cm  Durchmesser  zusammen  geheftete 
schmale  Lederstreifen,  abgeb.  V,  2b.  Lage:  wie  abgebildet 
neben  Kamm  und  Scheerc.  —  8)  Durchbrochene  Erzblech- 
scheibc  mit  einer  Beineinfassung,  welche  durch  Metallbänder  be- 
festigt ist;  das  obere  Band  hält  einen  Lederstreifen,  an  diesem 
hängt  die  Scheibe;  abgeb.  in  nat.  Gr.  V,  3.  Lage:  links  neben 
dem  untersten  Theile  des  linken  Unterschenkels,  so  dass  der  untere 
Theil  der  Scheibeneinfassung  mit  dem  Fnssgclcnk  in  gleicher  Lage 
sich  vorfand,  also  nur  ein  wenig  höher  als  die  Zierscheibe  bei  dem 
linken  Beine  V,  1.  —  9)  Metallener  zungen förmiger 
Streifen,  oben,  wo  er  gespalten  ist,  hält  er  vermittelst  eines  Niet- 
nagels einen  Lederstreifen.  Lage:  wie  abgebildet  auf  dem  Bein- 
rahmen der  Scheibe.  —  Desgl.  abgeb.  3  c.  Lage :  unterhalb  der 
Scheibe.  Bemerkung:  Das  Fehlen  einer  grösseren  Zahl  von  Hals- 
perlen, sowie  auch  das  augenscheinlich  Gestörte  des  FullgrundeB 
der  Grube,  schien  auf  einen  vorgenommenen  Grabraub  schliessen  zu 
lassen,  der  vielleicht  bei  der  Beisetzung  des  in  dem  oberen  Theile 
der  Grube  angetroffenen,  bei  Grab  11  besprochenen  Skelets  erfolgt 
sein  kann.  Die  Gegenstände  Nr.  3  bis  Nr.  10  scheinen  in  einem 
gewissen  Zusammenhang  zu  stehen  ähnl.  den  mit  der  Zierscheibc 
zusammen  getroffenen  Sachen  Taf.  V,  1. 

Grab  12. 

Grube:  Verhältnisse  unbestimmbar.  Inhalt:  Saudstein- 
plattensarg, abgeb.  IX,  5;  1.:  2,38  obere  Breite:  0,67;  untere  Breite: 
0,55;  Höhe:  0,67;  Dicke  der  Steinplatten :  c.  0,20.  Der  Sarg  ist  am 
Kopfende  breiter  als  am  Fussendc;  hier  wurde  er  durch  besondere 
Platten  verlängert.  Eine  kleine  Platte  diente  als  besonderer  Deck- 
stein dieses  unteren  Theiles.  Zum  Verschluss  sind  die  Fugen  durch 
Thon  verkittet  und  von  Aussen  gegen  die  Steinplatten  Bruchstein- 
Bttlckc  gelegt  worden.  Die  Hanptdeckplatte  fand  sich  zertrümmert 
im  Innern  des  Todtenhanses.  —  2)  Ausgusstopf  von  blauer 
Farbe  der  Grnndmassc  und  schwar/em.  durch  Dämpfen  erreichtem 


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Aufdeckung  einer  vorgeschichtl.  Niederlassung  etc.  in  Meckenheim,  168 

Ucberzuge,  abgeb.  X,  3;  oberer  Randdurchscbnitt  X,  d;  Bodenplatten- 
Durchschnitt  X,  i;  Ornament  X,  14;  h.:  ca.  0,17.  Lage:  in  Bruch- 
stücken zum  Tlieil  an  dem  Kopfende  ausserhalb  des  Sarges,  zum 
Theil  anf  dein  Deckel  vorgefunden.  —  3)  Oberes  RaudstUck 
eines  wcissgelbcn  Thonkruges,  augenscheinlich  von  römi- 
schem Henkelkruge  späterer  Zeit  herrührend,  wie  der  Jahrb.  LXXXVI, 
Taf.  X,  Fig.  öl  von  mir  dargestellte.  Auf  dem  ganzen  Gräber- 
felde wurde  ausser  dieser  Scherbe  nur  das  Bruchstück  eines  Tenasigil- 
lata-Gcfusscs  vorgefunden  und  zwar  in  einem  der  vornehmsten  Gräber. 
Ks  kann  das  irgend  eine  uns  bis  jetzt  noch  nicht  bekannte  Bedeu- 
tung haben.  —  4;  Eisenbeschlagplatte  ähnl.  VII,  e,  stark 
verrostet.  Lage:  im  Fallgrand  des  Sarges.  —  5)  Eiserner 
Messerrest  ähnl.  IX,  15.  Lage:  zerstreut  im  Grabe.  Bemer- 
kung: Der  Sarg  war  zweifellos  beraubt  worden;  die  Schädel-  und 
übrigen  Knucbeiircste  fanden  sich  zerstreut  in  der  Grube,  theilweise 
lagen  sie.  wie  Abbildung  zeigt,  am  Fnssendc  ausserhalb  des  Sarges. 
Ein  gelbliches,  hart  gebackenes  Gcfässstüek,  welches 
im  Sargftillgrund  angetroffen  wurde,  rührt  von  einem  Kruge  wie 
X,  1  her  und  ist  wahrscheinlich  frühkaroliugisch ;  es  kann  daher 
vielleicht  die  Zeit  des  Grabbraubes  andeuten. 

Grab  13  (Taf.  VII). 

Grube:  1.  2,10,  br.  1,70,  t.  2,70.  Inhalt:  1)  Eisernes  ein- 
schneidiges Kurzschwert  mit  Lederresten  und  Erzsehmuck 
der  Scheide,  abgeb.  VII,  1;  L.  der  Schneide:  0,39,  Schneidebreite: 
0,055,  Griffl.:  0,14.  Genau  wie  vorgefunden,  liegt,  die  Mitte  des 
Griffes  umschlicsficnd,  das  erzene  Mundstück  der  Seheide.  Dasselbe 
ist  nach  dem  Rücken  der  Klinge  hin  weiter  geöffnet,  als  nach  der 
Schncidescite  zu.  Taf.  VII,  7  zeigt  einen  der  Besch  lagplatten- 
Knöpfe  der  Schneide  in  nat.  Gr.  und  Fig.  8  führt  eines  der  in 
nat.  Gr.  abgebildeten  Erzstiftchen  vor.  Lage:  aus  VII,  15  ersicht- 
lich. —  2)  Eiserner  Gürtelschnallen-Bügel  nebst  mit  3 
Messingbuckeln  besetzter  Beachlagplattc,  abgeb.  VII,  2;  1. 0,09. 
Lage:  wie  abgebildet  neben  dem  Schwertgriff.  —  3)  Beschlag- 
platte aus  Eisen,  abgeb.  VII,  e,  mit  vier  Mcssingbuckelu  be- 
schlagen; I.  0,09.  Lage:  etwas  oberhalb  der  Schnalle,  wie  VII,  15 
zeigt.  —  4)  Vier  durchbrochene  Erzbeseliläge ,  abgeb.  VII,  a — d, 
in  der  vorgefundenen,  im  Grabe  VII,  15  de«  Weiteren  ereichtlichen 
Lage  angetroffen,  dürften  sie  vielleicht  als  Gürtelselmiuckstdokc  be- 


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1G4 


Cnnstantin  Körnen: 


trachtet  werden;  VII,  3  zeigt  eines  der  Stücke  in  Natnrgrösgc.  Das 
dünne  Metallblcch  ist  mit  vier  Nietstiften  besetzt,  durch  welche 
das  Halten  des  Lederstreifens  ermöglicht  wurde;  deutlicher  veran- 
schaulicht diese  Vorrichtung  VIII.  10.  —  5)  Eiserner  Schild- 
buckcl  mit  kegelförmiger  Platte;  Dm.  0.1 75.  Lage:  neben  dein 
rechten  Oberarm  wie  Grab  VII.  15  zeigt.  —  5  t  Eiserne  mit 
Widerhakcnvc  röche  n  ePfeilspitz«.  abgeb.  VII,  9;  1. 0,00. 
Lage:  rechts  neben  dem  Kopfe  des  Oberarmes,  wie  Grab  VII,  15 
zeigt.  —  7)  Eiserne,  sich  der  Holzenform  nähernde  Pfeilspitze,  abgeb. 
VII,  10;  1.  0,11.  Lage:  neben  Nr.  6.  —  8)  Eiserne,  rautenförmige 
Pfeilspitze,  abgeb.  VII,  11;  1.:  0,12.  Lage:  neben  Nr.  7,  wie  Grab- 
bild VII,  1")  zeigt.  Wo  diese  Pfeilspitzen  lagen,  dürfte  sieh  viel- 
leicht der  Köcher  befunden  haben.  —  0)  Eiserne  Breitaxt 
mit  Axtheliu,  welcher  der  Schneidemitte  gegenüber  liegt,  abgeb. 
VII,  13;  1.:  0,20;  Schneidel.  0,15«/,.  Lage:  auf  dem  oberen  Thcile 
des  rechten  Unterschenkels,  so,  das»  der  Stil  nach  oben  hin  gerichtet 
war,  wie  Grabbild  VII,  15  deutlich  zeigt.  —  10)  Speereigen, 
abgeb.  VII,  5;  1.:  0,32,  Eisenbeschlag:  0,14.  Lage:  neben  rechtem 
Unterschenkel  mit  der  Spitze  nach  unten,  wie  Grabbild  VII,  15 
zeigt.  —  11)  Irdener  schwarz  blau  er  Topf,  abgeb.  VII,  4; 
Kauddurchgclmitt  X,  c;  Bodenplatte  X,  k;  Verzierung  ahnt.  X,  18, 
jedoch  regelmässigere  Reihen.  Lage:  Rechts  vom  rechten  Ober- 
schenkel, in  der  Nühe  der  Stelle,  welche  die  rechte  Hand  des 
Liegenden  berühren  kann.  —  12)  Desgl.  Lage :  neben  Nr.  1 1 . 
Die  Höhe  des  vorderen  Topfes  ist  0,145,  die  des  hinteren  0,155, 
Durchm.  0,17.  —  13)  Einzeiliger  Bein  kämm,  abgeb.  VII, 
14;  1.:  0,20;  br. :  0,03.  Lage:  neben  den  Thongefassen,  wie  Grab- 
bild  VII,  15  zeigt.  —  14)  Bearbeiteter  Stein  abgeb.  VII,  12, 
vielleicht  als  Schleifstein  zu  betrachten,  da  ähnliche  zahlreich  im 
Lcgionslager  von  Novaesium  angetroffen  werden  und  hier  das  Ab- 
geschliffene erkennen  lassen.  Lage:  Lendengegcnd.  Bemerkung: 
Taf.  VII  gibt  unter  Fig.  15  den  ganzen  Grabinhalt  nebst  genauer 
Lage  des  Skelettes  wieder. 

Grab  14. 

Grube:  Grenzen  unbestimmbar.  Inhalt:  Eisernes  Messer- 
chen wie  IX,  15.  stark  verrostet.  Lage:  Hüftgegend.  Bemerkung: 
Es  lag  als  einzigster  Gegenstand  bei  einem  Skelet  von  1  .(in  ni 
L.Mnge.    Unterhalb  desselben  lag  das  folgende  Grab. 


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Aufdeckung  einer  vorgehi-hicLtl.  Niederlajj&uiifr  cic.  iu  Meckenheim,  lfiö 

Grab  14a. 

Grube:  I.  2,10,  br.  1,80,  t,  2,40.  luhalt:  1)  Kleine  Silber- 
münze,  abgeb.  VIII,  2.  —  2)  Boden  eines  rothgelblichen 
fast  fleischfarbigen,  glatten  Gefasses,  vielleicht  ähnl. 
X,  I;  Bodeudurchschnitt  X,  i.  Lage:  auf  "der  »Sohle  der  Grube. 
Bemerkung:  Das  Grab  scheint  bei  der  Anlage  des  Grabes  14  ge- 
stört und  beraubt  worden  zn  sein,  bei  welcher  Gelegenheit  auch 
wohl  die  Münze  in  den  Fttllgrnnd  gelangt  sein  kann.  Allerdings 
bleibt  dabei  zu  berücksichtigen,  dass  der  Gefässbodeu  den  Typus 
einer  Technik  zeigt,  welche  iu  der  Karoliugerzcit  zum  Ausdruck 
gelangte. 

Grab  15. 

Grube:  2,50  ]._.  1,80  br.,  2.80  t.  Inhalt:  Beinkamm  wie 
VIII,  21.  Lage:  Sohle  der  Grube  neben  folgender  Nummer.  — 
2)  Irdener  Topf  wie  X,  11,  blausehwarz;  Randdurchschnitt  X,  m; 
Bodcndnrehsehnitt  X,  i;  Ornament  X,  25;  Verhaltnisse  fthnl.  X,  11. 
Lage:  zerbrochen  anf  dein  Boden  der  Grube.  —  3)  Gelbliche,  hart 
gebrannte  Gcfiissscherbe  von  karolingiseheiu  Typus.  Bemerkung:  Die 
Grube  schien  in  der  Zeit  zum  Grabraube  geöffnet  worden  zu  sein, 
in  welche  die  gelbliche  Scherbe  gehört ;  die  Knoehenrestc  lagen 
durcheinander. 

Grab  16. 

Grube:  2,60  1.,  1,70  br...  3  in  t.  Iifhalt:  1)  E i sc np feil- 
spitze  wie  VII,  10;  I.  0,10.  Lage:  auf  der  Sohle  der  Grube.  — 
2»  Eisen pl eilspitze  wie  VII,  1 1 ;  I.  0,00.  Lage:  neben  Nr.  1. 

—  3j  Kleiner  Feuerse  h  lagst  ein.    Lage:  Sohle  der  Grube. 

—  4)  Irdener  Topf,  hell  oder  oraugerotb,  wie  schlechte  terra 
sigillata  der  Römer;  Gesammtform  und  Henkel  sowie  Ausguss  X,  9; 
Bauchung  jedoch  abgerundet  wie  X,  0;  Randdurchschnitt  X,  0; 
Bodenplatte  X,  i;  Ornament  X,  22:  ca.  0,185  h.,  0,145  ob.  Durch- 
messer. Lage:  Sohle  der  Grube;  Fundstelle:  in  der  Grube  zer- 
streut, zumeist  auf  der  Bodennache.  Bemerkung:  Das  Grab  war 
durch  Grabraub  zerstört  worden,  vielleicht  bei  der  Beisetzung  des 
oberhalb  der  Grube  angetroffenen,  ohne  alle  Beigaben  befindlichen 
Skelettes.  Dieses  lag  auf  der  rechten  Seite,  mit  etwas  gebogenen 
Knicen,  also  so.  wie  man  etwa  einen  ertrunkenen  oder  erstarrten 
Menschen  in  eine  Grube  legen  würde.  Irgend  einen  Anhaltspunkt 
zur  Feststellung  dieses  Grabes  habe  ich  nicht  gefunden. 


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■ 


16ß  C'oiiMnntin  Kocnon: 

Grab  17. 

Grube:  Grenzen,  da  mehrere  Male  gcfSffnet,  uubestimmt.  In- 
halt: 1)  Eisernes  zweischneidiges  Lan^Hchwert  der 
gewöhnlichen  Form  (vgl.  L  i  n  d  e  n  s  c  h  m  i  t ,  Handbach  der  Deut- 
schen Altcrtlmmskunde.  Braunschweig  1880.  1.  Tb.  S.  226,  Fig.  127, 
jedoch  ist  der  Griff  etwas  breiter  und  die  Griffahschlussplatte  wurde 
nicht  vorgefunden)  mit  eisernem,  in  der  Form  des  Viertelkreises  ge- 
bogenem Schwcrtkiiopf  (vgl.  a.  a.  0.  S.  227,  Fig.  137);  Schneide- 
läuge  0,81;  Griff!.  0,12;  Schneidchr.  0,05.  Lage:  an  der  rechten 
Seite  mit  Griff  nach  dem  Kopte  hin,  so  das»  Scheitelhöhe  Ende 
des  Griffes  bezeichnete.  —  2)  Ei seubesch lagplatte,  stark 
verrostet,  daher  Gestalt  nicht  festzustellen,  vielleicht  ähnl.  IX,  1. 
Lage:  auf  der  Spatha,  0,22  unterhalb  des  Griffes.  —  3)  Achnl., 
nur  in  geringen  Resten  erhalten.  Lage:  auf  der  Spatha  unterhalb 
Nr.  2.-4)  Eisernes  einschneidiges  K  u  r  /.  s  c  h  w  e  r  t  wie 
VIII.  12,  jedoch  ohne  Schcidcnbesehlagreste;  Scbneidenl.  0,45; 
Griff!.  0,29.  Lage:  an  der  linken  Seite  des  Todten,  so,  dass  die 
Spitze  des  Griffes  der  Beschlagplatte  Xr.  2  gegenüber  lag.  5) Eiserne 
Beschlagplatte,  nur  in  Resten  erhalten.  Lage:  gleich  unter- 
halb des  Griffes  von  Nr.  4.  auf  der  Schneide.  —  (!)  Eisen  messer 
ähnl.  VIII,  14a.  Lage:  in  stark  verrostetem  Zustande  auf  der 
Schneide  von  Xr.  4,  so  dass  Anfang  des  Griffes  dem  Anfange  des 
Griffes  von  Xr.  4  gegenüber  lag.  —  7  i  Eis  e  n  s  p  e  e  r  s  p  i  t  /.  e  wie 
VIII.  18,  jedoch  mit  Verhältnissmässig  längerer  Sehaftröhre  oder 
kürzerer  Schneide:  Sclmeidcl.  0,13;  Schaftrührl.  0,19:  Schneidebr. 
0,04.  Lage:  am  Fussende  rechts  neben  dem  rechten  Fuss,  mit 
Spitze  nach  unten.  —  8  Eiserner  Sc  Ii  i  Id  hu  e  k  e  I  wie  VII,  <>. 
nebst  Xägeln  der  Schildwand  aus  Eisen:  Dm.  0,18,  h.  0,07;  Lage: 
rechts  neben  dem  rechten  Obersehenkel.  -  9i  Feucrschlag- 
stahl  wie  VIII,  11:  1.  0,11.  Lage:  Lendengegend. —  10)  Feuer- 
seh  lagst  ein  wie  VIII.  10;  I.  0,03.  Lage:  neben  Xr.  9.  — 
11)  Eisen  sc  beere  wie  VIII,  21:  I.  0,1(5.  Lage:  rechte  Seite 
neben  rechter  Hand.  —  12)  Beinkamm  mit  doppelter  Zahnreihe  wie 
VIII,  21.  Lage:  mit  Scheere  zusammengerostet  wie  VIII,  21.  — 
13)  Irdener  Topf,  blausehwarz  gedampft,  ähnl.  X.  11;  Rand- 
durchschnitt X.  m:  Bodendnrchsebnitt  X,  i;  Verzierung  X.  2ö.  Lage:  in 
der  Nähe  von  Xr.  11  in  Bruchstücken.  — 14  •  G  elblicher  Scherben, 
abgeb.  X,  30,  stark  mit  Sand  vermischter  Thon,  ziemlieb  hart,  je- 
doch keineswegs  Steingut.    Oberfläche  durch  die  Sandhcimischuug 


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Aufdeckung  einer  vorges>o.hiclitl.  Nioderlan.suiig  ete.  in  Meckenheim.  167 


etwa«  gekörnt,  Dicke  8  mm,  Verzierungen  flach,  aber  scharf  ein- 
gedrückt nach  karolingischer  Art.  Lage:  im  oberen  Thcilc  der 
zweimal  geöffneten  Grube.  —  15)  Unterer  Theil  eines  unten 
abgerundeten  Glasbecher»  wie  Jahrb.  LXXXV1,  Taf.  XII, 
Fig.  18.  Lage:  in  der  Nähe  Nr.  13.  Bemerkung:  Die  Grube  war 
zweimal  geöffnet  worden;  der  Scherben  Nr.  14  rührt  von  dem 
letzten  Füllgrund  der  Grube  her,  dahingegen  schien  beschriebener 
Grabinhalt  der  älteren  Lage  anzugehören.  Ob  da»  zweimalige 
Oeffuen  der  Grube  von»  Grabraube  herrührt  oder  von  späterer  Bei- 
setzung, welche  letztere  in  der  oberen  Lage  des  Füllgrundcs  bald 
vermodern  konnte,  habe  ich  nicht  feststellen  können. 

Grab  18. 

Grube:  1.  2,00,  br.  1,70,  t.  3  m.  Inhalt:  Thon  perle  wie 
V,  3.  Lage:  vereinzelt  auf  der  »Sohle.  Bemerkung:  Die  Knochen 
lagen  zerstreut  in  der  Grube;  der  Grabraub  ist  dadurch  festgestellt. 

Grab  11). 

Grube:  t.  1,30,  übrige  Grenzen  in  dieser  Höhe  unbestimmbar. 
Inhalt:  1)  Eiserne  G  UrtclschnallenUberrcste.  Lage: 
Lendengegend.  --2)  F  euer  seh  lagstahl  wie  VIII,  11.  Lage: 
Lendengegend.  —  3j  Fe  u  er  sc  h  1  a  gs  t  c  i  n.  Lage:  bei  Nr.  2. — 
4)  Eiserne  Pfeilspitze  wie  V II,  11 ,  stark  verrostet.  Lage : 
am  Kopfende  der  Grube.  —  öi  Desgl.,  Lage:  ebendas.  —  6)  Reste 
eines  Bein  kämm  es  mit  doppelter  Zahnreihe  wie  VIII,  21.  — 
7i  Irden  er  Topf,  ähnlich  X,  10,  blauschwarz;  Randdurchsehnitt 
ähnlich  X,  d:  Bodenplatte  X,  i:  Verzierung  ähnlich  X,  14,  jedoch 
bedeutend  kleiner.  Fundstelle:  Fussende,  in  der  Nähe  von  Nr.  6. 
Bemerkung:  Diese»  Grab  lag  auf  dem  folgenden. 

Grab  19a. 

Grube:  1.  2,«iU,  br.  l,t>8,  t.  2,40.  Inhalt:  1)  E  i  sc  ns  c  h  cere 
ähnlich  VIII,  21.  Lage:  im  FUllgrnndc  der  Grube.  —  2)  Unbe- 
stimmbare Eisen  res  te.  Lage:  wie  Nr.  1.  Bemerkung:  Es 
konnte  der  Grabraub  festgestellt  werden;  oberhalb  lag  Grab  19. 

Grab  20. 

Grube:  1.  2,40,  br.  1,80,  t.  2,70.  Inhalt:  1)  Eisernes 
einschneidiges  K  u  r  /.  r  c  h  w  c  r  t  nebst  Lederresten  der  Scheide 
und  auf  dieser  vcrthcilten  Zicrkuö'pfen  und  Zierstiftchen,  abgebildet 
VIII,  14.  Diese  Abbildung  wurde  von  mir  in  der  Grobe  angefertigt 


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IM  ConsUnCin  Koencn; 

und  entspricht  der  ungestörten  Lage  jedes  einzelnen  Gegenstandes. 
In  der  Mitte  des  Griffes  sehen  wir  das  Mundstück  der  Scheide,  ein 
Metallbleehbcschlag,  der  sich  nach  dem  Rtlcken  des  Schwerte«  hin 
erweitert.    Der  Rand  der  Seheide,  welcher  der  Sehneide  zunächst 
liegt,  ist  eingefasst  von  kleinen  Erzstiftcn  mit  gewölbten  Köpfen, 
wie  VIII,  5  a  einen  solchen  darstellt.    Zwischen  diesen  vcrtheilt 
sind  halbmondförmige  Zierknöpfe,  wie  einen  solchen  VIII,  19  in  nat. 
Gr.  in  vorderer  und  19a  in  der  Seitenansicht  7-eigt;  Schueidelängc 
0,31;  Schneidebreite  0,07 ;  Grifflänge  0,125;  Ueberragen  des  Leders 
der  Scheide  0,02;  Schwertscheidenbreite  0,09.  Lage:  an  der  linken 
Seite  des  Skelettes.  —  2)  Kleinere  Art  des  S  a  x,  abgeb.  VIII, 
14a,  Schueidelängc  0,16;  Grifflänge  0,05;  Schneidebreite  0,02. 
Lage:  wie  die  Abbildung  zeigt.  —  3:-  Eisen  bese  h  läge  des 
Gürtels,  abgeb.  14b— 14d,  von  denen  14b  offenbar  die  Beschlag- 
platte  des  fehlenden  Gürtclriiige*  zeigt;  dieses  Eisonstflck  ist  mit 
fünf  Messingbnckeln  beschlagen,  1.  0.09,  br.  00,4.    Lage:  wie  ab- 
gebildet; Fig.  14d  zeigt  ein  Stück  des  Gegenbcschlages,  auch  dieses 
scheint  ursprünglich  zwei  Messingknöpfehen  gehabt  zu  haben;  14c 
flihrt  das  Mittelstück  des  Gürtels  vor:  1.  0,05,  br.  0,55  cm.  Lage: 
wie  die  Abbildung  zeigt,  wobei  jedoch  bemerkt  wird,  dass  I4d  der 
Raumgewinnnng  wegen  mit  dem  Kurzsehwert  Xr.  12  zusammen- 
gebracht ist.    Neben  diesem  abgebildeteten  Eisenstück  fand  sich 
noch  ein  Eisenlwschlagrcst ,  welcher  mit  Mcwingbuckcln  verziert 
war,  derselbe  schien  mit  14d  zusammen  die  Form  14b  zu  ergeben. 
—  4)  Er  zb  esc  Ii  läge  des  Gürtels,  wie  einer  VIII,  16  in 
vorderer  und  Seitenansicht  in  nat.  Grosso  abgebildet  ist.  Wir  sehen 
auf  der  Mitte  des  Kurzschwertes  einen  mit  Oese  versehenen  Erzbeschlag 
und  in  gewissen  Abständen  von  diesem  finden  sich  unter  e— g,  in 
rechtwinkliger  Lage  zum  Kurzsehwerte,  drei  weitere;  ein  vierter 
wurde  in  0,065  Abstand  von  dem  zuletzt  beschriebenen  und  zwar 
in  derselben  Linie  angetroffen.    Diese  Er/.besehläge  erstrecken  sich 
in  der  beschriebenen  Lage  über  einen  Kaum  von  0,33  in.  ebenso 
die  Eisenbeschlagplatteu.    Unsere  Erzbeschläge  zeigen  drei  Heft- 
nägel, welche  beweisen,  dass  die  sclinppcntormigen  l'Iättchen  an 
dem  unteren  Theile  einer  lorica  befestigt  waren,  wie  wir  solche  bei 
dem  von  L  i  n  d  e  n  s  e  h  in  i  t  (Handbuch  der  Deutschen  Alterthums- 
kunde,  Rraunsehweig  18H0,  S.  263,  Fig.  199)  dargestellten  Hilde 
finden.    Andererseits  wird  man  auch  an  den  zweiten  Lederriemen 
erinnert,  welchen  der  römische  Legionär  neben  einem  breitereu,  der 


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Aufdeckung  (jiner  voij*«-silm-htl.  NicdciiHSMiug  etc.  in  Meckenheim.  H>t> 

zum  Halten  «Ick  Kur/schwertes  diente,  als  Dolehriemen  benutzte 
(a.  a.  0.  S.  373,  Fig.  384  ist  eine  Abbildung  dieser  Art).  Eine 
dritte  Möglichkeit,  diese  Metallplatten  als  Beschläge  von  Ledcr- 
riemen  zu  betrachten,  die  von  dem  Gürtel  ausgingen  oder  herali- 
hingen,  welchem  die  schweren  Eisenplatten  angehören,  erscheint 
weniger  bemerkenswert!!.  (Ausführlicheres  Ober  diesen  Gegenstand 
vgl.  a.  a.  0.  8.  349  f.)  Es  bleibt  allerdings  zu  berücksich- 
tigen, das»  der  fränkische  Gürtel  auch  dem  Bciukleide  diente, 
während  der  römische  für  die  Waffen  allein  bestimmt  war.  Die 
wiedergegebone  Lage  ist  jedenfalls  sehr  zu  beachten,  weil  die 
Eisenplatten  14b  — 14d  wohl  zweifellos  eine  Gürtelschnallen- Vor- 
kehrung wie  IX,  10  voraussetzen,  da  auf  14c  thatsächlich  Reste 
gefunden  wurden,  welche  auf  eiuen  schweren  Schnallenring  nebst 
Zunge  zu  sehliessen  gestatten  und  14d.  wie  schon  gesagt,  der  Form 
von  14b  ähnlich  oder  gleich  war.  Die  Metallbleche  lagen  also  da, 
wo  die  Gürtelschnalle  ihre  Stelle  hatte  und  14f  fand  sieh  unterhalb 
des  Schnallenringes  auf  der  Platte  14e,  durch  welche  Lage  sich 
14c  wiederum  als  Beschlag  ergibt,  der  ehemals  auf  dem  Rücken 
des  Todten  die  Mitte  des  Gürtels  zierte,  ähnlich  dem  Mittelstück 
des  von  Lindensehmit  a.  a.  O.  S.  355,  wiedergegebenen 
Tyroler  Gürtels.  —  5,  Eiserner  Schildbuckel  mit  kegel- 
förmiger Platte,  abgeb.  VIII.  15,  Durchmesser  0,1«,  h.  0,08.  Lage: 
an  der  linken  Seite  des  Todten.  —  «)  Eiserne  Breitaxt  wie 
VII,  13;  Axtbelm  liegt  der  Schneidenlitte  gegenüber;  1.  0,17; 
Schneiden!.  0,13;  Schaftrüekenbr.  0,04.  Lage:  rechts  neben  dem 
Skelette  nach  oben.  —  7)  F  c  u  er  sc  Ii  I  ags  t  a  h  I  ähnl.  VIII,  11. 
Lage:  Lenden.-—*)  Fe  ucrschlagstein.  Lage:  bei  Xr.  7.  9) 
Ei seninst  mm ent  ähnl.  VIII,  23  und  IX,  0.  -  lOi  Bein- 
kamm mit  doppelter  Zahnreihe  wie  VIII,  21.  Bemerkung:  Auf 
und  nnter  dem  Schwerte  fanden  sieh  Ilolzreste  und  Lederspuren, 
welche  zeigten,  dass  die  Scheide  aus  Holz  und  mit  Leder  be- 
sehlagen war. 

Gral,  21. 

Grube:  I.  2.50.  br.  1,«0,  t.  2,50.  Inhalt:  1;  Eisenspecr- 
klinge  ähnl.  VIII,  1 H,  stark  verrostet.  —  2)  G  ü  r  t  c  1  b  e  s  c  h  1  a  g- 
platte  aus  Eisen,  auch  nur  in  Resten  vorgefunden.  —  3)  Hals 
eines  gelblichen  Kruges  ähnl.  X,  5,  ziemlich  hart  gebrannt.  Lage: 
in  der  Grube  zerstreut.    Bemerkung:  Xr.  1  und  Xr.  2  lagen  regel- 


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170 


Con  s  t  ;i  Ii  I  i  ti  K neuen: 


massig  bei  einem  iu  ungestörter  Lage  befind  liehen  Gerippe,  dahin- 
gegen schien  Nr.  .'I  eher  zu  dem  unterhalb  dieses  regelmässig  ge- 
legenen Skelettes  angetroffenen  beraubten  und  gestörten  Gerippe  zu 
gehören.  Es  bleibt  zu  berücksichtigen ,  das»  dieses  untere  Grab 
ein  Frauengrab,  während  vorbesprochencs  ein  Mäuncrgrab  ist. 

Grab  21a. 

Grube  des  Grabes  21.  Inhalt:  1)  He  in  kämm  mit  viel- 
leicht doppelter  Zahn  reihe  und  zwei  Met  all  beschlag- 
streifen,  abgeb.  VI,  1  in  natürl.  Grösse.  Wir  scheinen  es  hier  . 
mit  einem  jener  nach  Lindensehmit  (a.  a.  0.  8.  317)  nur  in 
einem  Stücke  aus  den  Gräbern  von  Pfullingen  bekannten  Kämmen 
mit  seitlich  fest  angesetztem  Griff  zu  thun  zu  haben,  denn  an  dem 
einen  Ende  sehen  wir  oben  auf  und  in  gleicher  Kichtung  unter  dem 
Kamme  liegend,  den  dargestellten  Mctallstrcifen  in  zwei  Exemplaren, 
ursprünglich  vielleicht  mit  denselben  Nietstillten  befestigt  (sie  wurden 
lose  zusammen  angetroffen ,  zwischen  sich  den  Kamm ,  wie  abge- 
bildet, haltend),  während  der  freie  Raum  zwischen  Zahnreihen  und 
halbmondförmigem  Scitenstllek  des  Kammes  Spuren  zeigte,  welche 
ebenfalls  von  einer  Knoeheiiplatte  herrührten.  Es  würde  sieh  so  ein 
Griff  ähnl.  dem  von  Lindensehmit  ta.  a.  O.  S.  .'Jlö,  Fig.  254) 
dargestellten  Griffkaumi  ergeben,  der  allerdings  nur  einzeilig  ist 
und  dem  die  Metallstreifen  fehlen.  Es  kann  aber  auch  sein,  dass 
die  Mctallstreifen  auf  eine  Art  Seheide  deuten,  die  zum  Einsehlagen 
bestimmt  war.  An  dem,  das  andere  Ende  des  Kammes  begrenzen- 
den kürzeren  Beschläge  haften  Lederreste.  Ob  an  letzteren  der 
Kamm  befestigt  war.  lässt  sieh  so  nicht  entscheiden:  es  kann  so- 
gar wahrscheinlicher  der  Kamm  ein  einzeiliger  gewesen  sein,  so 
dass  die  etwas  zu  zahnartig  wiedergegebenen,  oberen  Stacheln  einen 
anderen  Zweck  hatten,  als  als  Zähne  zum  Kämmen  zu  dienen.  Wo 
sich  an  dem  den  Lederstreifen  zeigenden  Ende  jene  Kreisverzie- 
rung befindet,  hat  ein  Nietknopf  gesessen,  wie  an  dem  anderen 
Ende,  die  Befestigung  des  Kammes  an  einem  Kiemen  wird  dadurch 
noch  wahrscheinlicher.  Lage:  neben  dem  linken  Unterschenkel, 
etwas  oberhalb  des  Fiissgelenkes  nnd  zwar  lag  das  kürzere,  mit 
Leder  versehene  Metallstüek  nach  oben,  der  Hand  zu  gerichtet,  ge- 
nau in  dem  gezeichneten  Verhältnisse  zu  den  übrigen  Theilen  des 
Kammes.  —  2;  M  e  t  a  1 1  s  e  h  n  a  1 1  e  mit  dem  Beschläge  aus 
einem  Stück  gearbeitet,  abgeb.  VI,  4  in  natürl.  Grösse. 


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AuMcekunjr  einer  vor^CM-liMitl.  N'inlcrlnssunjf  etc.  in  Meckenheim.  171 


Lage:  anf  dem  linken  Fusse  des  Skelette«  mit  dem  Ring  nach 
aussen  gerichtet.  Sie  zeigt  in  dieser  Lage  deutlich,  dass  sie  nicht 
zum  Gürtel  gehören  kann,  wie  L  i  n  d  e  n  8  c  h  m  i  t  (a.  a.  0.  S.  362) 
bereits  mit  Recht  vermnthet  hat,  sondern  sie  ist  zu  dem  Scbuh- 
oder  Riemenwerk  des  Fusses  gehörig  anzusehen  und  kann  vielleicht 
in  Verbindung  mit  folgender  Figur  gestanden  haben.  —  3)  Metal- 
lener znngenf'öriniger  Hcschlagühnl.  dem  V,  3  auf  der  Zierscheibe 
liegenden,  jedoch  schlichter,  oben  gespalteu  und  Lederreste  haltend, 
1.  0,05,  br.  0,12.  Lage:  dicht  an  die  rechte  Seite  des  linken 
Fusses  anschliessend  und  muss  deshalb  wohl  in  Heziehung  zu  Nr.  2 
als  Sehnhriemenzunge  betrachtet  werden,  „da",  wie  schon  Linden- 
sch mit  (a.  a.  0.  S.  349)  wahrgenommen  hat,  „kleine  Zierbe- 
schläge der  Schuhbänder,  namentlich  in  Frauengräberu,  oftmals  bis 
zum  Knöchel  herab  liegend  gefunden  wurden",  obgleich  Nr.  2  und 
Xr.  3  in  der  vorgefundenen  Lage  auch  recht  gut  geradezu  als  Schnalle 
mit  Zunge  betrachtet  werden  könnten,  die  das  obere  Hand  eines 
Schuhe«,  wie  des  von  L  i  n  d  e  n  s  c  h  m  i  t  (a.  a.  0.  S.  348,  Fig.  291) 
abgebildeten,  geschlossen  hat.  —  4)  Mit  M  e  t a  1 1  k  n  ö  p  f e  n  be- 
setzter Lederstreifen,  in  nat.  Grösse  abgehildet  VI,  2,  einen  der  mit 
Dorn  versehenen  Knöpfe  oder  Metallbuckeln  zeigt  VI,  2  ebenfalls 
in  nat.  Grösse.  Wir  sehen  hier  zum  ersten  Male  die  Muster,  welche 
jene  vielfach  in  der  Nähe  des  Gürtels  angetroffenen  Knopfstifte 
(Lindcnsc  hmi  t  a.  a.  O.  S.  3ööi  gebildet  haben.  —  b>  Reich 
ornamentirter  M  c  t  a  1 1  h  1  e  c  Ii  s  t  r  c  i  f  e  n  VI,  16  in  nat  (Irl. 
Grösse  abgebildet.  Die  Verzierungen  sind  von  der  Rückseite  aus 
geprägt,  das  Metall  ist  papierdunn.  Vielleicht  haben  wir  es  hier 
mit  dem  ßalkeu  eines  Kreuzes  ähnlich  dem  von  L  i  n  d  e  n  s  c  h  m  i  t 
a.  a.  0.  Taf.  XXX  i  abgebildeten  zu  thun.  ■  -  6j  Irdener 
Spindclstein  mit  eingefurchten  Gnrtlinien,  abgeb.  VI,  12  in 
nat.  Grösse  in  Ober-  und  Seiteuansicht.  Lage:  linker  Unterarm 
des  Todten.  —  7]  Löffel  eben  aus  Erz,  abgebildet  in  natürl. 
Grösse  VI,  8;  an  dem  Stil  befindet  sich  eine  Oese  und  an  dieser 
ein  Ringelchen;  die  Schale  ist  mehrfach  regelmässig  durchbohrt 
(  vgl.  Uber  derartige^Vorkommnisse  L  i)n  d  e  n  s  c  h  m  i  t  a.  a.  0.  S.  460, 
Taf.  XXV).  —  8)  Stil  eines  M  e  t  a  1 1  i  n  8 1  r  u  m  e  n  t  e  s,  derselbe, 
ähnlieh  dem  Stil  des  Ivöffelchcns  Nr.  7,  zeigt  mehrere  Gruppen 
concentrischer  Gurtlinien,  I.  0,036.  In  Verbindung  mit  Nr.  7  an- 
getroffen ,  könnte  es  recht  wohl  ein  Ohrlöffelchenstiel  sein.  —  9) 
Römische,  abgeschliffene,  oben  durchbohrte  Mittel- 


172 


C'oti an tin  Kfu  iii  n: 


crzmUnze  der  früheren  Kaiserzeil.  Bemerkung:  Dieses  ursprüng- 
lich jedenfalls  rcieh  augestattete  Frauengrab  ist  bei  der  Anlage  des 
oberhalb  desselben  errichteten  Männergrabes  Xr.  21  zweifellos  be- 
raubt, die,  ihrer  Lage  nach  nicht  näher  bezeichneten  Sachen  sind 
gestört  worden. 

Grab  22. 

Grube:  1.  2,70,  br.  1,50,  t.  2,00.  Inhalt:  He  wegliche 
Schnalle,  die  mit  einem  Beschläge  verbunden  ist  und  am  Schnallcn- 
ringe  den  durch  eine  Oese  befestigten  Dorn  zeigt,  abgeb.  in  nat. 
Grosse  IV,  6.  Lage:  Lenden,  mit  dem  Ringe  nach  der  rechten  Seite 
hin  gerichtet.  —  2)  G  e  »">  f  f  n  e  t  e  r  Armring  aus  Erz,  vor  dem 
geöffneten ,  an  jeder  Seite  des  hier  sich  erweiternden  Riuges  drei 
Gruppen  concentrischer  (Jurtlinien  angebracht,  abgeb.  in  nat.  Gr. 
IV,  8.  Lage:  bei  dem  vermoderten  linken  I'nterarmknochen.  — 
3}  Metallener  Öhrring  mit  kegelförmigem  Ziergehänge  aus 
Bein,  abgeb.  in  natllrl.  Grösse  IV,  1  und  2.  Lage:  Kopfseite  des 
Skelettes.  —  4)  S  e  Ii  in  u  c  k  p  e  r  1  e  n  k  e  1 1  e.  abgeb.  IV,  3,  herge- 
stellt aus  Thon,  Porzellan,  farbiger  F ritte;  grüne  und  rothe  Farbe 
herrschen  vor.  Lage:  in  der  Brustgegend.  —  5,  Geöffneter 
Erzhlechring,  vielleicht  als  Fingerschmuck  benutzt,  abgebildet 
IV,  12.  Lage:  vereinzelt  im  Füllgrund.  —  6t  Flacher  Erz- 
ring,  abgeb.  in  uat  Gr.  IV,  0.  Lage:  wie  Xr.  5.  —  7>  Rest 
einer  Eisense  beere  wie  VIII,  21.  Lage:  unterhalb  Xr.  2  an 
der  linken  Seite.  K)  Doppel  leiste  eines  Beinkammes 
mit  Punkt  kreisen  und  Bändern  verziert,  abgeb.  in  uat.  Gr.  IV,  5. 
Lage:  neben  Xr.  7.  -  0i  V  c  n  u  s  m  u  s  e  Ii  e  1  r  e  s  t.  abgeb.  in  ver- 
kleinertem Maassstabe  IV,  5a.  Lage:  etwas  unterhalb  Xr.  7.  — 
10)  Zier  Scheibe  ans  Erz  mit  Einfassungsring  aus  Bein  und 
Lederrest,  abgeb.  in  natllrl.  Grösse  IV,  0.  Lage:  neben  dem  Pnss- 
gelenk  des  linken  Beines,  älml.  V,  1  und  III,  0.  Die  Gegenstände 
Xr.  7  bis  Xr.  10  scheinen  an  einem  gemeinsamen  Lederstreifen  oder 
Baude  befestigt  gewesen  zu  sein,  das  von  den  Lenden  bis  zum 
linken  Fussgelenk  reichte.  —  Mi  Irdener  Topf,  blauschwarz 
gedämpft  mit  dünnen  Wänden,  die  nicht  sehr  fest  sind,  ähnlich  dem 
Gelasse  IV,  10.  Randprotil  X,  o:  Bodenplatte  X,  i:  Ornament  X,  25; 
Dm.  <}'/'.,.  Ii.  12  cm.  Lage:  rechts  neben  dem  oberen  Theile  des 
rechten  Unterschenkels.  —  1 2 1  Irdene  S  e  h  a  1  e  von  hartem  Back- 
werk, gelblicher  Farbe,  dünnen  Wänden,  abgeb.  IV,  7;  b.  55  cui ; 


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Aufdeckung  «-hin-  vorgeschirlitl.  Niederlassung-  etc.  in  Meckenheim.  173 


Diu.  0,15.  Lage:  nebe»  dem  rechten  Unterschenkel,  etwas  ober- 
linll)  dein  Fnssgelenk;  Randprofil  älml.  X,  p:  Bodenplatte  X,  i. 

G  rab  23. 

(!rube :  1.  2,40,  br.  1 ,80,  t.  2,60.  Inhalt :  Irden  e  r  S  p  i  n  d  c  I- 
stein,  abgeb.  IX,  16  in  vorderer  und  Seitenansicht  resp.  Qucr- 
durehsehuitt ;  Dm.  0,045;  h.  0,0 IT).  Lage:  gestört.  —  2)  Kette 
aus  zwölf  Perlen  von  Thon  und  Glas  unter  Anwendung  farbiger 
Fritte  de«  Typus  IV,  3;  rothe  Farbe  herrscht  vor.  Lage:  Hals- 
gegend,  jedoch  gestört.  3'l  B  e  i  n  k  n  in  ni  mit  doppelter  Zahn- 
reihe wie  Vm,  21;  I.  0,00-,  br.  0,045;  Kuoehenleiste  0,015  breit. 
Lage :  gestört.  —  4)  E  n  d  b  c  s  c  h  1  a  g  s  t  (I  c  k  eines  Leder- 
riemens, ähnl.  V,  3  (auf  Zierseheibe),  jedoch  fehlen  die  Halt- 
stifte. Lage:  I.  0,38  mm;  gestört.  —  5;  Kleines  irdenes 
Top  f  eben,  in  der  Gestalt  X,  6  ähnlich,  jedoch  Randprotil  wie 
das  von  X,  e,  Rodenplatte  X,  i,  Farbe  schwarz,  gedämpft,  h.  0,06. 
obere  Ocffhung  0,03.  -  Lage:  gestört.  —  6)  Ohr  ring  re  st  ans 
Metall,  glatt,  an  einer  Seite  zu  einem  Haken  gewunden,  au  der 
anderen  durchbohrte  Oese  zeigend,  ähnl.  dem  von  Lindeuschmit 
*a.  a.  O.  X,  13),  Dm.  31  mm.  Bemerkung:  das  Grab  war  beraubt 
worden.  In  dem  Räume  der  älteren  Grube  zeigte  sieh  deutlich  die 
Grenze  des  bei  der  Beraubung  gestörten  Hodens.  Die  Ecken  der 
alten  Grube  waren  stehen  geblieben. 

Grab  24. 

Grube:  2,60  I.,  1,50  br.,  2,80  t.  Inhalt:  1)  Speer  eisen 
wie  VIII,  18;  1.  0,32.  Lage:  rechts  neben  rechtem  Fuss  mit  Spitze 
nach  unten.  —  2)  Einschneidiges  K  u  r  z  s  c  h  w  e  r  t ,  nur  in 
ganz  unbedeutenden  Eisentheilen  und  den  Resten  der  Lederscheidc 
sowie  deren  Zierscheibeu  und  Zierstiftchen  vorgefunden.  Diese 
Zierplatten  gleichen  den  VIII,  19  dargestellten:  sie  sind  glatt  und 
völlig  kreisförmig ,  lagen  auch  so  wie  jene  in  Verbindung  mit  den 
Stiftchen  vertheilt.  Lage:  neben  linker  Hüftseite.  —  3)  Rest 
einer  eisernen  Pfeilspitze  ähnl.  VII,  10.  Lage:  an  der 
rechten  Seite  des  rechten  Oberarmes.  —  4)  Reste  eines  Bein- 
kainmcs  mit  doppelter  Zahnreihc  wie  VIII,  21.  Lage:  unterer 
Theil  der  Grube.  —  f>)  Irdener  Topf,  ähnl.  X,  10;  Raudprofil 
X,  in;  Bodenplatte  X,  i;  Ornament  X,  24,  jedoch  quadratische 
Grübchen  der  Grösse  wie  X,  23  zeigend;  Ii.  o,l(».  Lage:  zwischen 
den  beiden  Unterschenkeln.  -  -  6 1  R  e  s  t  einer  k  1  e  i  n  e  n  R  i  e m  e  n- 


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174 


Coustunt  in  Koenen: 


/.  u  n  g  o.  Lage:  neben  Nr.  5.  —  7)  E  i  8  e  r  n  e  G  tl  r  t  c  1  s  e  b  n  allen- 
rcste.  Lage:  Lenden.  —  8)  Irdener  Spindclstcin  ähnlich 
III,  8.  Lage:  im  Füllgrimd  der  Grabe.  —  9)  Krachst  ticke 
eines  hart  gcbackciien  gelbliehen  Topfes,  dessen 
Kodenplatte  X,  1  gleicht,  Randprofil  ähnl.  X,  i,  jedoch  in  weiterem 
Kogen  sich  wendend  und  dann  scharfkantig  ausladend  und  oben 
ein  feiucs  Stäbchen  zeigend.  (Es  gehört  mit  zu  den  uaclunerowin- 
gisehen  Typen,  wie  X,  h  und  die  Ornamente  X,  30,  .'$1  und  27.) 
Kemerkang:  Die  Grube  Hess  ein  zweimaliges  Ocffncn  deutlich  er- 
kennen. Kei  diesem  sind  augenscheinlich  der  Spindelstciu  Xr.  8 
uud  die  Kruchstüeke  Nr.  9  in  da«  Grab  gelangt.  Der  Scherben 
Nr.  9  hat  den  ältesten  karolingisehen  Typus  wie  die  von  mir  in 
der  „Westdeutschen  Zeitschrift"  VI,  355,  2  genannten  Gefässc  von 
Duisburg,  welche  Konner  Jahrbücher  LH,  S.  33  bis  44  besprochen 
und  Taf.  VI  und  VII  zwischen  Gelassen  älteren  Typus  abgebildet 
sind.  Diese  mit  den  unsrigen  übereinstimmenden  Thouarbeiten 
konnte  ich  (a.  a.  0.  S.  301  und  3Ü2)  in  die  Zeit  von  «90  bis  785 
setzen,  sodass  also  damals,  in  der  früheren  Zeit  der  Karolingen,  die 
Keraubung  der  Grabstätten  erfolgt  wäre. 

Grab  25. 

Grube:  2,3t)  1.,  2  br.,  2,50  t.  Inhalt:  1)  Eiscureste  einer 
Gürtelschnalle  kleinerer  Art.  —  2)  Irdener  Topf,  abgeb.  X,  6,  Rand- 
profil ähul.  X,  m;  Kodenplatte  X,  1;  Ornament  X,  21;  h.  0,13.  Der 
Thon  zeigt  gebrannt  eine  zicgclrothe,  der  orangerothen  Siegelerde 
durchaus  ähnliche  Farbe,  mittelmässige  Härte.  Bemerkung:  Die 
Gegenstände  waren  gestört,  der  Kopf  des  Skelettes  fehlte.  Wir 
haben  es  hier  mit  einem  durch  Grabraub  gestörten  Todteuhause 
zu  thun. 

Grab  26. 

Grube:  2,50  1.,  1,50  br.,  2,30  t.  Die  ersten  Sparen  der  Grube 
kamen  in  einer  Tiefe  von  1,40  m  zum  Vorschein.  Inhalt:  1)  Me- 
tallener Sehnallenring  von  der  Form  des  grossen  eisernen 
VII,  2,  jedoch  ohne  Keschlagplatte;  an  der  Stelle,  wo  die  nicht 
vorhandene  Zunge  angesetzt  hat,  befinden  sich  Eisenreste,  vielleicht 
von  dem  Dorn  herrührend;  Dm.  0,04,  br.  0,02.  Lage:  Lenden.  — 
2)  Kette  ans  acht  Perlen,  zumeist  eylindrischcr  Form  des 
Typus  IV,  3.  Lage:  neben  Nr.  1.  —  3i  Perlenkette  ans  29 
Eiuzelperlen  bestellend,  hergestellt  ans  gelbgefärbtem  Thon,  farbiger 


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Aufdeckung  einer  vorgeschiclill.  Niederlassung  etc.  in  Meckenheim.  175 


Fritte,  Glas,  Porzcllanmassc ;  gelbe  uucl  rothe  herrschen  vor.  Lage: 
Halsgegend.  —  4,i  Rein  kämm  mit  doppelter  Zahnreihe  wie 
VIII,  21.  —  5)  Irdener  Topf  von  schwarzblau  gedämpfter 
Farbe,  abgeb.  X,  11;  Raudprotil  X,  b;  Bodenplatte  X,  i;  Ornament 
X,,25.  Lage:  neben  rechtem  Fuss  des  Todten,  zusammen  mit  dem 
Kamm  Nr.  4.  —  ß)  Zwei  völlig  in  Rost  Übergegangene 
Ei sent heile.  Lage:  rechts  vom  linken  Kniegelenk  und  unter- 
halb des  rechten  Fusses.  Bemerkung:  Nach  den  Knochenresten 
halMMi  wir  es  hier  allem  Anscheine  nach  mit  einem  Kindergrabe  zu 
thun.  Am  Kopfende  durchschnitt  das  Grab  eine  der  vorgeschicht- 
lichen Brandgruben. 

Grab  27. 

Grube:  Grenzen  ähnl.  wie  Grab  2ß.  Inhalt:  1)  Fast  völlig  in  Rost 
übergegangene  eiserne  Gtlrtelh  esc  h  läge.  Lage:  Lenden.  — 
2)  VierMetallknöpfe  nebst  Resten  einer  Schwert- 
scheide. Lage:  uebeu  linkem  Unterarm.  —  3)  Reste  einer 
Ei  seil  speerklinge  ähnl  VIII,  18.  Lage:  neben  rechtem  Fuss- 
gelenk mit  Spitze  nach  unten.  Bemerkung:  Der  Inhalt  hatte  sehr 
durch  Rost  gelitten,  vom  Schwert  nur  noch  geringe  Reste  erkennbar. 

Grab  28. 

Grube:  1.  2,20,  br.  1,50,  t.  2,50.  Inhalt:  1)  Irdener, 
ziemlich  hart  gebräunter  Krug,  abgeb.  X,  5;  oberes  Aus- 
gussprofil X,  a;  Bodenplatte  X,  i;  gelbliche  graue  Farbe,  etwas  in 
das  Röthliche  übergehend.  Lage:  Fussgegend  des  Todten.  — 
2)  Irdener  kleiner  Topf,  abgeb.  X,  17,  dünne  harte  Wände 
von  Aussen  mehr  gelbliche,  im  Innern  mehr  röthliche  Farbe 
zeigend.  Lage:  neben  Nr.  1,  h.  ß3  mm.  —  3)  Bruchstücke 
von  zwei  weiteren  Ge fassen.  Lage:  zerstreut  in  der  Grube. 

—  4)  Beinkammrest  mit  doppelter  Zahureihe,  ähnl.  VIII,  21. 

—  5)  Durchlöcherte  unkenntliche  römische  Bronze- 
münze.  Bemerkung:  Die  beschriebenen  Sachen  schienen  Resto 
eines  Grabes  zu  sein  und  zwar  schienen  die  leiden  zuerst  beschrie- 
benen Gefaasc  von  einem  später  in  die  Grube  gesetzten  Leichname 
herzurühren,  während  die  übrigen  Sachen  älteren  Todten  ange- 
hörten. 

Grab  29  (Taf.  IV). 

Grube:  2,70  1.,  1,50  br.,  2,40  t.  Inhalt:  1)  Zwei  Ohrring- 
reif enr  est  e  aus  Metall  mit  kugeligem,  durch  Filigranring 


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17t; 


CoiistJintiit  Koencn: 


verzierten  Anhängsel,  abgeb.  iu  natürl.  Grösse  IV,  15.  Lage: 
Ohrgegend,  wie  Grab  1 7  -zeigt.  —  2)  S  e  h  m  u  c  k  k  c  1 1  c  aus 
Perlen  von  buntfarbigem  Schmclzglas  mit  Mosaikeinlagc ,  aus 
Thon  uud  aus  Bernstein,  abgeb.  in  natltrl.  Grösse  IVr,  13.  Lage: 
Halsgegeud.  —  3)  Scbeibcnfibcl  aus  Erz  mit  sehr  dünner, 
aus  Silberblech  geprägter  reich  omamentirter  Vonlerplatte.  Der 
Zwischenraum  der  beiden  Platten  ist  durch  Kittmasse  ausgefüllt. 
Eine  ähnliche  ist  abgebildet  Jahrb.  XXXVI,  Taf.  XIII,  17.  Grösse 
der  Fibel  3  cm.  Dieselbe  ist  nur  in  geringen  Resten  erhalten. 
Lage:  Mitte  der  Brust.  —  4)  G 1  a  1 1  e  r  g  c  ö  f  f  n  e  f  c  r  A  r  m  r  i  n  g  aus 
Erz,  in  nat.  Grösse  abgeb.  IV,  10.  Lage:  linker  Unterann,  Hand- 
gelenk, wie  IV,  17  zeigt.  — -  5)  Metallener  Fingerring  mit 
eingravirtem  Schmuck  abgeb.  IV,  14  in  nat.  Grösse.  Lage:  Mittel- 
finger der  linken  Hand.  —  f>)  Vier  dicke  P e r I e u ,  die  erste 
ist  rother  Thon  mit  weiss  eingegossener  Porzellan-Masse,  die  zweite 
Perle  ist  rother  Thon  mit  weissen  Tupfen,  in  deren  Mitte  Glas- 
flüsse eingelassen  sind.  Achnlich  sind  die  beiden  übrigen  Perlen. 
Lage:  einzelne  Perlen  fanden  sich  von  der  Halsperlenkette  abwärts 
bis  unter  das  Becken  vor,  hier  erschienen  die  vier  dicken  Perlen 
in  Verbindung  mit  Nr.  7.  —  7)  Zwei  platte  Metallringc, 
Durchmesser  ca.  1'/,  cm.  Lage:  im  Anschluss  an  die  vier  dickeren 
Perleu  unterhalb  des  Beckens.  —  8)  Stark  verrosteter  E  i  s  c  n  t  h  e  i  I, 
vielleicht  Schlüsselrest  ähnlich  VIII,  18.  Lage:  links  von  Nr.  7 
neben  dem  oberen  Theilc  des  linken  Oberschenkels.  —  9)  Bein- 
kamm mit  doppelter  Zahnreihe  wie  VIII,  21.  Lage:  neben  dem 
oberen  Theile  de«  rechten  Oberschenkels.  —  10)  Eisen beschlag- 
reste  des  Todtenschutz-Holzwerkes  abgeb.  IV,  17. 
Wir  sehen  zunächst  am  Kopf  und  am  Fussende  je  vier  eiserne  Eck- 
beschläge, dann,  auf  der  Mitte  des  Unterschenkels  und  auf  den 
Köpfen  de*  Oberarmes  liegend,  dicke  eiserne  Bänder,  welche 
zu  einem  Knie  gebogeu  sind  und  dann  in  zwei  horizontal  gerichtete 
Arme  auslaufen.  Das  obere  Eisenhand  hat  0,01  ni  Länge,  das 
untere  O,of>  m;  beide  sind  durchschnittlich  2  cm  breit;  die  Ent- 
fernung von  dem  oberen  Rande  bis  'zu  den  Querannen  beträgt 
0,11  ein.  Die  oberen  Eckbeschläge  liegen  von  dem  oberen 
Quereisen  0,28,  die  unteren  Eekbeschläge  von  dem  unteren 
Quereisen  0.39  m  entfernt.  Der  ganze  von  den  Eckbeschlägen  ein- 
genommene Raum  beträgt  somit  1,61  in.  Es  kann  sein,  dass  wir 
hur  nulit   Reste   eines   eigentlichen  Holzsarges  vor   uns  haben, 


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Aufdeckung  einer  vorgeschichtl.  Niederlassung  etc.  in  Meckenheim.  177 

sonderu  mehr  die  Beschläge  und  Trageisen  de»  lignum  iusuper 
p  o  h  i  t  n  tu,  welches  nach  bayerischem  Volksgesetz  den  todten  Körper 
vor  dem  Füllgmud  der  Grube  schützen  sollte  (  vgl.  L  i  n  d  e  nxch  mit 
a.  a.  0.  S.  98),  indem  dasselbe  den  Todten  kastenförmig  bedeckte. 
An  den  Eiscntheilen  hafteten  noch  grössere  Stücke  von  Holzdiclcn, 
dahingegen  fand  ich  nirgendwo  eine  Spur  von  Nägeln.  Jedenfalls 
war  auch  dieser  Holzkasten,  wie  die  Maasse  angeben,  am  Kopfende 
breiter  als  an  den  Füssen. 

Grab  30. 

Grabe:  1.  2,40,  br.  1,72,  t.  2,70.  Inhalt:  Eisernes  Kurz- 
schwert ähnl.  VIII,  5,  Klinge  stark  verrostet,  bei  der  Schneide 
vier  glatte  Knöpfe  der  Scheide;  Schneidet. :  0,26.  Lage:  neben  linker 
IIüft8eite.  — ■  2)  Metallene  Schnalle  nebst  G  c  gen  be- 
seht ag,  eigentlicher  Schnallenring  fehlt.  Beschläge  in  der  Form 
eines  nn regelmässigen  gleichschenkeligen  Dreiecks  sind  mit  halb- 
kugeligen Hcftnägcln  verseilen ,  zwei  sind  an  der  vorderen  Seite 
der  Beschläge  gegenüber  dem  Schnallenring  angebracht,  der  dritte 
an  der  Spitze.  Die  Beschläge  sind  ähnl.  den  Jahrb.  LXXXVI, 
Taf.  XIII,  Fig.  11  und  12  abgebildeten;  verwandte  Typen,  vgl. 
Lindensch  mit,  Handbuch,  Taf.  V,  Fig.  348,  nebst  Gegen- 
beschlägen, jedoch  nur  in  der  Gesammtform  ähnl.  Taf.  V,  346. 
Lage:  Lenden.  —  3)  Irdener  Topf  von  blausehwarz  gedämpfter 
Farbe  ähnl.  X,  11;  Randprofil  X,  in;  Bodenplatte  X,  i;  Ornament 
X,  25.  Lage:  in  Bruchstücken  neben  Nr.  3.  —  5)  Unbestimm- 
bare Eisenreste,  vielleicht  von  einer  Lanze  herrührend.  Be- 
merkung: Auf  der  Grube  lag  ein  Skclet  ohne  Beigaben. 

Grab  31. 

Grabe:  2,56  1.,  1,75  br.,  2  t.  Inhalt:  Eiserne  Speerklinge 
nebst  durchbrochenem  cylindrischem  Beschlag,  ähnlich  VII,  5.  Lage: 
vereinzelt  auf  der  Sohle  mit  Spitze  nach  unten  gerichtet.  Bemer- 
kung: Es  fanden  sieh  die  Knochenreste  zwar  durcheinander,  jedoch 
so,  das»  es  aussah,  als  habe  man  Iiier  einen  Todten  in  ein  älteres 
Grab  gelegt,  als  sei  bei  dieser  Gelegenheit  jenes  beraubt  und  ge- 
stört worden  und  habe  später  ein  Grabraub  auch  den  zweiten 
Todten  gestört.  Ein  Thierknoehen  sowie  eine  dicke  gelbliche 
Scherbe,  welche  sich  fanden,  gehören  wohl  nicht  mit  Sicherheit  zu 
dem  Grabinhnlte,  sondem  sie  können  bei  einer  der  Beisetzungen 
zufällig  in  die  Grube  gelangt  sein. 

Jahrb.  d.  Vor.  v.  AlU-rtlisfr.  im  Klitiul.  XC1I.  J«J 


178 


Constautiu  Koenen: 


Grab  32. 

Grabe:  2,55  1.,   1,75  br.,  1,90  t.    Inhalt:  1)  Bein  kämm 
mit  einer  Zabnreihe,  abgeb.  V,  la.  Lage:  Mitte  des  Oberschenkel*. 

—  2)  Irdener  Becher,  abgeb.  V,  lh,  blauschwarz  gedämpft, 
Verzierung  äbnl.  X,  19.  Lage:  wie  Abbildung  zeigt,  neben  dem  Gelenk 
des  linken  Beines.  Die  Höhe  des  Gefässes  beträgt  0,17  m.  — 
3)  K 1  e  i  u  e  r  M  c  t  a  1 1  r  i  n  g,  aus  Draht  gewunden,  daran  befestigt  ist 
ein  stärkeres  Mctallgewinde,  abgeb.  V,  1.  Lage  :  neben  linkem 
Kniegelenk.  —  1)  Eisenschhlssel,  abgeb.  V,  1;  1.:  0,11.  Lage: 
au  dem  unteren  Ende  von  Nr.  3,  anscheinend  au  diesem  0,08  m 
langen  Gewinde  befestigt.  —  5)  Metallener  B  c  s  c  h  1  a  g  s  t  r  e  i  f e  11 
ähnlich  der  Riemenzunge,  oben  mit  zwei  Heftknöpfchcn  versehen, 
1.  55  em,  abgeb.  V,  1.  Lage:  unterhalb  Nr.  4.  —  6)  Metallenes 
B  c  s  c  h  1  a  g  p  1  ä  1 1  e  h  e  n  mit  vier  Hcftknöpfchcn  versehen,  25  mm  1. 

—  7)  Zwei  Metall  blech  streifen  wie  Xr.  5.  Lage:  wie 
abgebildet  auf  den  Schmalseiten  ruhend ,  so  dass  die  Breitseiten 
mit  den  .Seitenwänden  des  Grabes  gleich  gerichtet  waren.  — 
8)  Durchbrochene  Zierscheibe  aus  Metallblech  von  einem 
Beinrahmen  ciugefasst,  0,10  m  Dm.  Auf  der  Scheibe  und  uuter 
derselben  liegt  wieder  ein  Metallblcchstreifen  wie  Xr.  5,  abgebildet 
V,  1.  Bemerkung:  Die  unter  X  bis  8  angeführten  Sachen  lagen 
in  einer  Weise  neben  dem  linken  Beine  des  Skelettes,  dass  es  so 
aussah,  als  gehörten  sie  zu  einem  gemeinsamen  Gehänge,  welches 
unten  in  die  Scheibe  mündete,  aHein  es  lassen  sieh  die  Metallblcch- 
streifen vielleicht  auch  als  Endstücke  einer  Art  von  Zierbändern 
erklären,  welche  dort  herabhingen,  während  die  Scheibe  ebenfalls 
au  einem  solchen  Bande  besonders  befestigt  war.  wie  auch  der 
Schlüssel.  Die  übrigen  Thcile  des  Skelettes  waren  gestört ,  viel- 
leicht durch  das  in  höherer  Lage  angetroffene  Grab  ohne  Beigaben. 

Grab  33. 

Grube:  2,63  1.,  1,74  br.,  2  t.  Inhalt:  Eiserne  Speerklingc 
ähnl.  VIII,  18,  jedoch  stark  verrostet.  Lage:  rechte  Seite  am 
Fussende  mit  Spitze  nach  unten  gerichtet.  Bemerkung:  Ol»  auch 
hier  der  Grabraub  erfolgte,  konnte  nicht  ermittelt  werden. 

Grab  34. 

Grube:  2,54  1.,  1,76  br.,  2,10  t.  Inhalt:  Gestörte  Skeletrcste, 
einige  Scherben  der  Karolingerzeit  lagen  in  1,50  m  Tiefe,  während 
2,10  tief  Seherben  eines  Merowingertopfes  ruhten.  In  höherer  Lage 
fand  sieh  ein  Skelet  ohne  Beigaben. 


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Aufdeckung  einer  vorgcschichtl.  NicdcrlÄSsunjr  cto.  in  Meckenheim.  179 

Grab  35. 

Grube :  Verbaltnisse  wie  Grab  34.  Inhalt :  1 )  E  i  s  e  n  nie  s  s  e  r- 
chen  ahnt.  IX,  15.  Lage:  Brost  eines  Skelett  in  1.40  n»  Tiefe, 
welches  auf  Grab  35a  lag. 

Grab  35a. 

Grabe :  vgl.  Gral)  35.  Inhalt :  1 )  S  c  h  m  u  e  k  p  e  r  1  e  n  k  e  1 1  e, 
26  Perlen  wie  IV,  13,  darunter  rinden  sieh  drei  Bcrnstcinperlcii;  bei 
dein  Bunten  der  im  Allgemeinen  kleinen  Perlen  herrscht  rothe  Farbe 
vor.  Lage:  Hals  einen  unter  dem  Skelette  des  Grabes  35  angetroffenen 
Todten.  —  2)  Metallring,  daran  befestigt  seehs  kleinere  bunte 
Perlen.  Lage:  Lenden.  —  3)  Eisernes  Messer  eben  wie  IX, 
15,  1.  0,<K).  Lage:  linke  Seite  des  Beckens.  —  4i  Glatter 
metallener  Fingern  n  g.  Lage :  Fingerglied  der  linken  Hand. 
—  5)  En  d  bese  h  la  gs  t  reifen  ans  Metall  oder  Riemenzunge, 
wie  auf  Zierseheibe  V,  3  liegt,  jedoch  glatt  und  etwas  gesehweift; 
1.  75  mm.  Lage:  auf  dem  Fussgelenk  des  rechten  Beines  mit 
Schmalseite  nach  unten.  —  6/  Stark  verrosteter  Gegen- 
stand aus  Eisen.  Lage:  neben  Nr.  5.  —  7)  Desgl.  Lage: 
neben  dem  Fussgelenk  des  linken  Beines.  —  8)  Gelblicher 
irdener  Krug  von  hartem  Materiale;  h.  0,20,  Umfang  0,43, 
ähnlich  X,  5,  oberes  Ilandprofil  X,  a,  Boden  X,  i.  Lage:  neben 
rechtem  Unterschenkel. 

Grab  36. 

Grube:  1.  2,70,  br.  1.60.  Inhalt:  1)  E i s c n s p e e rs p i t z e 
ähnl.  VIII,  18,  stark  verrostet.  Lage:  gestört  in  der  linken  Ecke 
der  Grube  mit  Spitze  nach  unten.  —  2)  Irdener  Krug,  gelblich, 
ziemlich  fest,  ähnl.  X,  5.  Bemerkung:  Die  Knoehenreste  fanden 
sich  zerstreut  in  der  Grube,  Grabranb  ist  dadnreh  festgestellt. 

Grab  36a. 

Oberhalb  36  gelegen.  Inhalt :  1)  Beine  eines  Skelettes. 
Bemerkung:  Die  Beine  lagen  auf  einer  der  vorgeschichtlichen 
Kcsselgruben  und  hatten  die  Krümmung  des  Bodens  durch  den 
Druck  der  oberen  Massen  auf  die  hart  unterlegten  Knochen  ange- 
nommen.   Der  obere  Theil  des  Skelettes  war  verwittert. 

Grab  37. 

Grube:  2,38  1.,  1,20  br.,  2  m  t.  Inhalt:  1)  Beine  eines 
Skelettes  auf  der  Grenze  der  Gruben  37  und  36  gelegen,  bei 


180  Constantin  Knencn: 

diesen  d  o  p  p  e  1 z  e  i  1  i  g  e  r  B  e  i  11  k  a  in  in  in  geringen  Resten.  — 
2)  Einige  M e rn  w  i nge r  sc b e r  b e n.  Bemerkung:  Dieses  Grab 
ist  also  jünger  als  Gral»  37  und  30. 

f.rab  37  a. 

Grube  de»  Grabes  37.  Inhalt:  1)  Eisenreste  einer 
Sc  beere.  —  2)  B  c  i  u  k  n  m  m  r  e  s  t  e.  Lage:  Nr.  1  und  2  ge- 
stört in  der  Grube.  Bemerkung:  Das  Grab  wurde  bei  Anlage  von 
Grab  37  gestört. 

Grab  38. 

Grube:  2,84  1.,  2,10  br.,  1,90  t.  Inhalt:  Gestörte  Skeletreste 
und  zerstreute  Beigaben  eines  Kranengrabes,  wie  eine  Glasperle, 
eine  kleine  Eisens cbnalle,  Gcfässsc herben.  Bemerkung: 
Vgl.  Grab  38  a. 

Grab  38a. 

Grube  38:  1,50  tief.  Das  Grab  hatte  keinerlei  Beigaben  uud 
das  Skelet  lag  auf  Grab  38. 

Grab  39. 

Grube:  2,83  1.,  2,17  br.  Inhalt:  1)  Stein plattenkiste 
aus  rothem  Sandstein,  abgeb.  IX,  6  in  oberer  und  IX,  7  in  der 
Seitenansicht.  Die  Kiste  ist  aus  sieben  Steinplatten  zusammen- 
gesetzt, nämlich  aus  den  sechs  Wandplatten  und  einer  Platte,  welche 
dachförmig  am  Küssende  angebracht  ist.  Die  Länge  der  beiden 
Seiteuplatten  beträgt  0,98  l>ei  0,51  Höhe  und  0.14  m  Dicke.  Die 
Platte  am  Kopfende  ist  0,71  m  breit  und  0.50  m  hoch.  Die  Platte 
am  Fussende  0,57  hoch  und  0,45  m  breit.  Die  Deckplatte  bat 
1  m  Länge  und  0,14  m  Dicke.  Der  Sarg  ist  also  am  Kopfende 
breiter  als  am  Küssende  und  muss  seiner  geringen  Lauge  wegen 
der  Sarg  eines  etwa  3  bis  5  Jahre  alten  Kindes  gewesen  sein. 
Die  vorstehende  Platte  von  0,48  m  Länge  und  0,41  Breite  lan  der 
schmäleren  Seite)  ist  schwer  mit  Sicherheit  zu  erklären.  Im  Innern 
fanden  sich  gestörte  Knoehenreste  eines  Kindes  und  im  KUllgruud 
liegend:  2)  Ein  Stück  eben  Mörtel  und  3)  der  Rest  eines 
Gold  plättchens,  vielleicht  von  dem  Balken  eines  Kreuzchens, 
wie  VI,  14  herrührend.  Bemerkung:  Die  Deckplatte  des  Sarges 
lag  0.67  in  unter  der  Oberfläche.  Neben  dem  Sarge  fand  sieh  auch 
4  )  der  Scherben  eines  R  e  1  i  c  f  b  a  n  d  s  c  Ii  m  u  c  k  g  e  f  ä  s  s  c  s, 
den  ich  X,  31  allgebildet  habe.  Derselbe  ist,  wie  ich  in  der  Westd. 


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Aufdeckung  einer  vorg«!»chiclill.  NR'awln*KUU£  ele.  in  Mei-kunhciui.  181 


Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kniist,  VI,  Taf.  XI  gezeigt  habe, 
von  einem  eiförmigen  aber  grossen  Hcnkeltopfe  herrührend  und  nach 
meinen  Ausführungen  S.  3(52,  iu  die  erste  Hälfte  des  9.  Jahrh.  zu 
setzen.  —  5)  E  i  s  e  u  r  e  s  t  e  einer  S  c  h  c  c  r  c ,  ähnlich  VIII,  21 . 
Lage:  neben  dem  Sargdeckel  von  Nr.  1  bei  Nr.  4. 

Grab  39a. 

Grube :  wie  Grab  39.  Inhalt :  1)  Goldene  Na delschcihc, 
abgebildet  VI,  5  in  natürlicher  Grösse.  Dieselbe  zeigt  eine  Ver- 
bindung von  Grad-  und  Schrägkreuz  mit  starkem  Hervortreten  des 
Gradkreuzes  mit  sieh  nach  Aussen  erweiternden  Balken.  In  der 
Mitte  des  Gradkreuzes  ist  ein  halbkugeliger  Stein  von  grüner 
Farbe  angebracht.  Jeder  der  Balken  zeigt  einen  keilförmigen  rothen 
Stein  in  der  Form  eines  dünnen  Plättchens.  Vor  dem  breiteren 
Ende  des  Balkens  sehen  wir  wieder  vier  flache  Kugeln  von  grüner 
Farbe  angebracht.  Zwischen  den  einzelnen  Balken  sind  vier  flache 
viereckige  Steine  von  grüner  Farbe  zu  sehen.  Goldfiligranfädeu, 
bald  herzförmig  gelegt  und  schneckenförmig  endend,  bald  zu  kleinen 
Kränzchen  gewunden,  füllen  die  Zwischenräume  dieses  hochkost- 
baren  Zierstückes  aus,  dessen  dünnes  Goldblech  der  vorderen  Seite 
durch  mit  abgerundeten  Köpfen  versehene  Heftstiftchen  mit  dem 
Erzhlech  der  Rückseite  in  Zusammenhang  gebracht  und  durch  eine 
Masse  verbunden  ist.  Lage:  zwischen  den  beiden  Oberschenkel- 
köpfen eines  nur  in  den  letzten  Knochenresten  erhaltenen,  augen- 
scheinlich durch  Grabraub  gestörten  Skelettes  neben  Nr.  2.  — 
2)  Dreizehn  Perlen  kleinerer  Art  des  Typus  IV,  13.  Lage:  neben 
Nr.  1  und  zwar  unterhalb. — 3)  Einundzwanzig  Perlen  des  Typus 
wie  Nr.  2.  Lage:  Bauchgegend.  —  4)  Vierzig  Perlen,  darunter 
zwei  aus  Bernstein.  Lage:  auf  Kniegelenk  des  linken  Beines.  — 
5)  Venusmnschel.  Lage:  gleich  oberhalb  Nr.  4.  —  6)  Drei 
Gruppen  unbestimmbarer  vom  Rost  conglomcrat- 
artig  verbundener  E  i  s  e  n  s  t  ü  c  k  c .  fast  wie  Pferdetrensc 
aussehend.  Lage:  rechts  von  Nr.  4,  dann  gleich  oberhalb  Nr.  5 
und  in  dem  oberen  Theile  der  unteren  Hälfte  (auf  dem  Hoden)  der 
rechten  Grubenseite.  —  7)  R  o  s  t  s  t  ü  c  k  e  einer  grösseren  mit 
M cssingbuekcln  besetzten  eisern cnGilrtclschnalle. 
Lage :  linke  Hüftseite.  —  tf)  Kleiner  m  e  r  o  w  i  n  g  i  s  c  h  e  r  G  o  1  d- 
T  r  i  e  n  s  aus  dem  H.  J  a  h  r  h  u  n  d  e  r  t,  „wie  ähnliche  in  den  Jahr- 
büchern des  Vereins  XV,  1850  vonSencklcr  auf  Taf.  V,  Fig.  10 


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182  CoiihtMiitin  KoontMi: 

und  14  aus  Combrousc,  Monetaires  des  rois  Merow.  Paris  1873, 
mit  der  Aufschrift  der  M Unzsorte  Autonnaeo  uud  Stradiburg  ab- 
gebildet sind.  Auf  unserer  Münze  ist  die  Inschrift  nicht  zu  ent- 
ziffern uud  die  Zeichnung  des  Kopfes  barbarisch,  auf  dem  Revers 
befindet  sich  ein  kleines  Kreuz"  (so  wird  die  jetzt  im  Original 
nicht  mehr  vorhandene  Goldmünze  von  S  c  h  a  a  f  f  h  a  u  s  c  n  be- 
schrieben. Vgl.  Oorrcspond.-Blatt  für  Anthropologie,  Jahrg.  1879, 
S.  128).  —  8)  Metallstift,  augenscheinlich  .Schrei bgriffcl,  falls 
wir  es  nicht,  was  nach  L  i  n  d  e  n  s  c  Ii  in  i  t '  s  Ueberzeuguug  zutreffen- 
der ist,  mit  einem  einfachen  Nadelstift  zu  thun  haben;  1.  0,10;  oben 
sind  vier  Gruppen  einfacher  Gurtfurchen  angebracht.  Lage:  bei  der 
dritten  der  bei  Nro.  (5  beschriebenen  Gruppen  von  Eisenstucken, 
wo  auch  Nr.  9  lag.  —  9)  B e i u k a m m  mit  doppelter  Zahn- 
reihe wie  VIII,  21.  —  10)  Zusammengedrücktes,  stark  von  dem 
Grünspan  angegriffenes  Eizbecken.  Lage:  rechte  untere  Ecke 
der  Grube.  —  11)  Vier  eiserne  Eckbegeh  läge  wie  die  Grab 
29  besprochenen  und  Taf.  IV,  17  abgebildeten.  Lage:  in  den 
Ecken  der  Grube,  theilweise  augenscheinlich  in  gestörter  Lage.  — 
1 2)  Eine  Anzahl  b  u  n  t  f a  r  b  i  g  e  r  P  e  r  I  e  n  des  Typus  IV,  3. 
Lage:  rechts  vou  Nr.  3.  Bemerkung:  Die  Grube  durchschnitt  eine 
der  vorgeschichtlichen  Brandgruben,  sie  war  bedeckt  bis  zu  0,42  m 
von  Humus,  in  0,76  m  erschien  die  Brandschicht  der  vorgesehichtl. 
Niederlassung.  Alles,  wa-s  ich  beobachtete:  die  eigentümliche  Lage 
von  gestörten  und  wieder  beigesetzten  Todten ,  die  Lage  mancher 
der  Beigaben,  das  Verhältnis*,  in  dem  der  .Steinsarg  zu  den  auf 
der  Sohle  befindlichen  Sachen  lag,  die  bei  demselben  vorgefundene 
karolingischc  Gcfässscherbe,  alles  dies  erinnert  an  ein  Familiengrab, 
das  wiederholt  geöffnet  und  zu  neuer  Beisetzung  benutzt  wurde. 
Als  letzte  Beisetzung  stellt  sich  augenscheinlich  der  Kindersarg  des 
Grabes  39  vor.  Die  Karolingerseherbe  39,  4  kann  damals,  vielleicht 
aber  auch  bei  einer  Beraubung  in  die  Grube  gelaugt  sein. 

Grab  40. 

Inhalt:  1)  Kurzseh  wert  wie  VIII,  5,  jedoch  ohne  Seheide- 
reste. Lage:  linke  Seite  eines  Skelettes,  das  auf  der  Grenze  einer 
älteren  Grube  ruhte. 

Grab  41. 

Inhalt :  I  i  Eis  e  n  m  esse  r  e  h  e  n  ähnlich  IX,  15.  Lage : 
Lenden.  Bemerkung:  Die  Verhältnisse  der  Grube  sind  nicht  be- 
stimmt wordeu. 


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Aufdeckung  einer  voigeschichtl.  Niederlassung  etc.  in  Meckenheim.  183 


Grab  -12. 

Grube:  2,82  1.,  1,71  br.,  2,40  t.  Inhalt:  1)  Eck  besch  lüge 
aus  Eiseu  und  eiserne  Quereisen,  angeordnet  im  Grabe,  wie  IV, 
17  zeigt.  —  2)  Halskette  ans  44  Perlen  des  Typus  wie 
IV,  3.  Lage:  Hals.  —  3)  Zwei  metallene  Ohrringe  mit 
kleinem  würfelförmigen  Anhängsel  aus  Metall,  ähnl.  L  i  n  d  e  n  s  e  h  m  i  t 
(Handbuch  Taf.  X,  10).  Lage:  bei  Nr.  2.-4)  Goldene  Nadel- 
scheibe,  abgeb.  VI,  6  in  mit  (Irl.  Grösse.  Die  aus  dünnem  Gold- 
blech hergestellte  kreisförmige  Sehmnekplatte  ist  vermittelst  glänzen- 
der, mit  abgerundeten  Knöpfen  versehenen  Silberstiftchen  mit  der 
Rückseite  einer  dünnen  Erzscheibe,  die  dem  Nadeldorn  als  Haft- 
stclle  dient,  verbunden.  Der  Zwischenraum  ist  mit  einer  Masse 
ausgefüllt.  Auf  der  Sehmnckplatte  ist  ein  achtarmiger  Stern  oder 
«aber  —  was  wohl  richtiger  sein  kami  —  ein  Grad-  und  ein  Schräg-  . 
kreuz  angebracht,  als  halte  mau  heidnischer  und  christlicher  Vor- 
stellung dienen  wollen.  Die  einzelnen  Kreuzbalken  sind  keulen- 
förmig erhöht  nnd  es  tragen  die  Balken  des  einen  Kreuzes 
keilförmige  grüne  Glasstüekc ,  während  sich  auf  den  anderen 
S-förmige  und  brillcnförmige,  dnreh  einen  Horizontalfaden  getrennte 
Filigran-Ornamcnte  vorfinden.  Zwischen  den  Kreuzanuen  sind  wieder 
eingefasste  Steine  von  blauer  Farbe  vertheilt  und  zwar  wechselt  je 
ein  halbkugeliger  mit  }r,  einem  quadratisch  eingefassten  und  oben 
glatt  geschliffenen  Steine.  Unterhalb  der  kugeligen  Steine  findet 
man  wieder  S-förmige,  unterhalb  der  quadratischen  Steine  hin- 
gegen mehr  angnr-  oder  hirtenstabförmig  gestaltete  Doppelfiligran- 
Fadenornamente.  Die  Mitte  des  Ganzen  zeigt  einen  halbkugeli- 
gen grünen  Stein,  umgeben  von  einem  ringförmigen  Bande,  das  aus 
zwei  Filigranfäden  besteht,  zwischen  welchen  kleine,  kranzförmig 
gewundene  Filigranfäden  vertheilt  sind.  Derartige  Filigrankränz- 
chen füllen  auch  die  Zwischenräume  der  beschriebenen  Erhöhungen. 
Das  Ganze  ist  wieder  von  einem  Filigranfäden  umgeben,  dann  folgt 
die  Umrandung  des  Erzblcchcs.  Es  scheint  die  Ycrthcilung  der 
Steine  und  der  Kreuze  eine  symbolische  zu  sein,  auf  welche  ich 
später  einmal  näher  einzugehen  hoffe.  Lage:  in  der  Brustgegend, 
fast  am  Halse.  —  5)  Runde  Nadel  Scheibe  aus  Metallblech, 
welche  einen  schwarzbraunen  Glasfluss  in  der  Form  einer  abge- 
platteten Kugel  auf  der  Vorderseite  zeigt.  Dieselbe  hat  25  mm 
Durchmesser.  Lage:  drei  Centimctcr  von  der  goldenen  Xadelscheibe 
entfernt  auf  der  ßrust  des  Todten.  Üb  wir  es  hier  mit  der  eigent- 


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1H1 


ConMa  ii tili  KociM'ii: 


liehen ,  /.u tu  Verbinden  des  Gewandes  benutzten  Nadel  zu  thun 
haben,  während  die  grosse  Goldscheibe  mehr  ein  ZierstUck  ist,  wie 
die  rosetteuförmige  Umsehe  auf  dem  Denksteine  einer  reichen 
Schifferfaniilic  im  Main/er  Museum  erkennen  lässt  (vgl.  Linden- 
se h  m  i  t  a.  a.  0.  8.  4o9,  Fig.  428),  ist  schwer  zu  entscheiden, 
aber  möglich  oder  nicht  unwahrscheinlich.  —  6)  Gewandnadel- 
b  (l  g  e  1  a  u  s  K  r  z  mit  eisernem  Nadeldorne  ,  unterhalb  der  Nadel 
kugelige  Keliquienkaiwel,  von  deren  unterem  Ende  ausgehend  das 
Gehänge  VI,  11  zu  sehen  ist.  Dasselbe  besteht  aus  drei  Reihen 
von  Stangcnkettchen,  letztere  werden  durch  Hache  Kr/scheibcn  in 
ihren  einzelnen  Gliedern  unterbrochen;  sie  enden  unten  in  umge- 
kehrt gerichtete  Kreuze,  an  diesen  hängen  wieder  drei  der  Stangen. 
Sowohl  auf  der  Nadel  als  auf  der  Reliquicnkapscl  und  auf  den 
Metallscheren  und  Kreuzen  sind  eingravirte  Punktkreise  vertheilt. 
Die  Nadel  ist  51,'.,  ein  gross,  die  Kapsel  misst  2  cm,  so  das«  das 
ganze  Gehänge  '2.1  ein  Länge  hat.  Lage:  die  Nadel  lag  56  cm 
unterhalb  der  goldenen  Nadelscheibe  Nr.  4 ,  also  unterhalb  des 
Heekens  —  das  selbst  völlig  verwittert  war,  von  da  ab  reichte  das 
Gehänge  abwärts.  Es  muss  dieser  Schmuck  —  falls  die  vorge- 
fundene Lage  auch  die  ursprüngliche  war  —  an  dem  (Jtlrtel  be- 
festigt gewesen  sein  und  von  da  abwärts  gereicht  haben,  ähnlich 
dem  Zierseheibe-Gehänge  vou  «lern  bei  dem  Staudbilde  der  Königin 
Clotildc  (vgl.  Lindensehntit  a.  a.  O.  S.  408,  Fig.  427)  vorne 
angebrachten  bandförmigen  Sehmuckgehänge.  —  1,  Schnur  aus 
14  der  dicken  Ferien  des  Typus  V,  4,  unten  eine  durch- 
bohrte Kupfermünze  der  römischen  Kaiserzeit  zeigend.  Lage:  rechts 
neben  Nr.  ü.  -  i<)  H  e  i  u  w  ii  r  f  e  1 ,  der,  von  dünnen  Kr/streifen 
eingefasst,  oben  einen  rechtwinkeligen  Stil  aus  Bein  zeigt,  durch 
dessen  oberen  Ansatz  ein  Erzring  gezogen  ist.  An  diesem  befindet 
sieh  ein  umgebogener  Messingstreifen,  vermittelst  dessen  der  Würfel 
vielleicht  au  der  Perlenschnur  Nr.  7  befestigt  war;  abgeb.  in  mit. 
(irösse  VI,  1».  Lage:  an  dem  unteren  Ende  von  Xr.  7.  —  Ü)  Sehr 
durch  ( Irünspan  zerstörter  M e  t  a  1 1  r i  n g,  vielleicht  Fiugcrring.  Lage : 
links  neben  dem  Skelet.  -  10 1  Wirtelstein,  in  der  Form  des 
Kegclsegmentes,  aus  opakem  Glasflüsse  mit  eingeschmolzenem  Orna- 
mente. Lage:  auf  der  Oberfläche  der  Auswurfsmassen,  augenschein- 
lich aus  diesem  Grabe  stammend.  —  1 1  j  E  i  s  e  r  n  e  S  p  e  e  r  k  1  i  n  g  e, 
»ehr  dünn  und  kurz,  vielleicht  wohl  Jagdspeer.  Lage:  in  der 
linken  unteren  Ecke  der  Grube,  wo  auch  in  Mäunergräbern  solche, 


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Aufdeckung  einer  vorgcHtliklill.  Niederlassung  etc.  iu  Meckenheim.  1S5 

weuu  auch  in  der  Regel  grössere  Eisenspeerklingen  vorkommen. 
Schwerlich  kann  diese  Eisenspitze  zufällig  hei  dem  Grabbauc  dort- 
hin gelangt  sein  oder  etwa  von  einem  alteren  Grabe  dort  zurück- 
geblieben sein.  —  12)  Bruchstücke  eines  r Tun i sehen 
Sigillata-GcfässcH  ohne  Verzierungen.  Bemerkung:  Leider 
griff  der  Grundbesitzer  Mirgel  die  von  mir  mit  grosser  Mflhc  zum 
Zeichnen  blosgelegte  Goldseheibe  weg,  um  vom  Proviiizialmuseum 
eine  Entschädigung  dafür  zu  erhalten.  Durch  dieses  schimpf- 
würdige  Benehmen  einer  wissenschaftlichen  Untersuchung  gegen- 
über, wurde  ich  leitler  verhindert,  den  so  hoch  interessanten  Grab- 
fund in  seinen  Einzelheiten  ähnlieh  den  Gräbern  III,  1)  und  V,  5 
zu  zeichnen.  Hervorheben  muss  ich  noch,  das»  die  Goldscheibc 
Xr.  4  mit  den  Steinen  nach  unten  lag,  während  die  Erzschcibe, 
also  der  Rücken  des  Gegenstandes,  sich  oben  befand. 

Grab  43. 

Grube:  die  gewöhnlichen  Verhältnisse  zeigend.  Inhalt: 
1  j  F  c  u  c  r  s  c  h  1  a  g  s  t  e  i  n.  Lagt? :  vereinzelt  auf  der  Grubensohle. 
—  2)  Scherben  eines  merowingisehen  Gefiisses.  Bemerkung: 
Die  Gegenstände  lagen  bei  einem  Skelet,  das  nur  in  Spuren  zu  er- 
kennen war. 

Grab  44. 

Grube:  2,70  I.,  2,62  br.,  2  t.  Inhalt:  I)  Zwei  goldene 
Ziergehänge  von  Ohrringen,  in  nat.  Grösse,  abgeb.  VI.  10 
in  vorderer  und  Seitenansicht.  In  der  Mitte  sehen  wir  dunkelblauen 
Stein  eingefasst  von  einem  ovalen  Stabe  aus  kleinen  Goldperlen : 
diese  letzteren  sind  durch  einen  Filigranfaden  begrenzt.  Ein  Filigran- 
faden bildet  auch  den  äusseren  Band  des  ganzen  Ovals.  Lage:  in 
der  Ohrgegend  des  Tod  Jen.  Es  fanden  sieh  neben  denselben  silberne 
Ringelehen   in   kleineren   Bruchstücken.  2)  Buntfarbige 

Perlen  des  Typus  IV,  J».  Bemerkung:  Das  Grab  lag  am  öst- 
lichen Ende  der  im  Plane  mit  Xr.  44  versehenen  Grube  und  schien 
in  dieses  Grab  hineingereicht  zu  haben.  An  der  linken  Seite  fand 
sich  wieder  eine  jener  vorgeschichtlichen  Brandgrubeu. 

Grab  44a. 

Grube:  2,72  1.,  2,6.'$  br.,  L07  m  t.  Inhalt:  1)  Reste  einer 
rot  hen  Sandsteinplatten-K  ist  e.  Es  fanden  sich  zwei 
Scitcnwände  von  1,60  m  Länge,  0,07  m  Höhe,  oben  0,07  in  aus- 


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186 


Cotibtuntiii  Körnen: 


einander,  unten  0,57  ui.  Am  Kopfende  leimte  «ich  gegen  diese 
eine  dritte  Steinplatte,  welche  etwa«  Uber  die  Seitenwäude  hinaus- 
ragte. Am  Fusseude  war  der  Sarg  durch  zwei  0,78  in  lange  Stein- 
platten, welche  an  ihrem  äussersten  Punkte  0,55  m  an  einander 
lageu,  verlängert.  Diese  Steine  bildeten  die  Unterlage  der  eigent- 
lichen verlängerten  Seitenwände  wie  wir  sie  auch  bei  dem  Stein- 
sarge IX,  5  sehen,  diese  letzteren  selbst  fehlten.  Der  Boden  war 
wieder  aus*  Steinplatten  zusammengelegt.  Thcile  des  Deckels  lagen 
zerschlagen  im  Grabe.  Der  beraubte  Sarg  hatte  so  etwa  2,38  m 
Länge,  oben  0,67  m  und  unten  0,55  m  im  Lichten.  Die  Fugen 
waren  durch  blauen  Thon  verkittet.  Im  Innern  lagen  nur  gestörte 
Mcnschenknochenrcste. 

Grab  45. 

Grube:  gestört.    Inhalt:  Gestörte  Skelctrestc. 

Grab  46. 

Grube:  2,60  1.,  1,50  ln\,  2,60t.  Inhalt:  1)  Merowingiseh  es 
Thongcfäss.  Lage:  rechte  Seite  des  Skelettes.  —  2)  Pfeilspitze 
ans  Eisen,  ähnl.  VII,  11.  Lage:  rechte  Seite  am  Fussende.  Bemer- 
kung :  Da  sieh  in  dein  vorderen  Thcile  der  Grube  nn regelmässig 
liegende  Knochen  fanden ,  in  zwei  Meter  Tiefe  die  Reste  eines 
ganzen  Skelettes  zum  Vorscheine  kamen,  so  musste  dieses  an  die 
Stelle  gelegt  worden  sein,  wo  vorher  ein  Todter  bereits  beigesetzt 
worden  war.  Eigentümlicher  Weise  lag  der  Kopf  neben  dem  Todten, 
ob  bereits  ursprünglich  so  gelegt  oder  aber  bei  einer  späteren 
Beraubung  des  Grabes  war  nicht  zu  bestimmen.  Auf  der  West- 
grenze der  Grube  lag  das  Skelet  Gral)  46  a. 

Grab  46a. 

Grube:  Grenzen  nicht  wahrnehmbar,  da  das  Grab  auf  der 
West  grenze  von  der  Grube  des  Grabes  46  lag.  Inhalt:  Skelet  ohne  alle 
Beigaben.  Dasselbe  war  von  auffallender  Länge  und  Stärke.  Es  maass 
vom  Scheitel  bis  zur  Fusssohle  1,*5,  Obersehenkel  0,51.  Der  Schädel 
schien  bei  Lebzeiten  des  Todten  an  der  Stirn  durchlöchert  worden  zu 
sein,  durch  wuchtigen  Schlag.  Von  der  linken  Hand  fand  ich  keine 
Spur  und  die  rechte  Hand  lag  auf  dem  oberen  Thcile  des  Ober- 
sehenkels, als  halte  man  sie  hier  hin  gelegt,  getrennt  von  dem  rechten 
Unterarm«1.  Ebenso  fand  sieh  das  linke  Schlüsselbein,  neben  der 
Mitte  des  linken  Oberarmes.    Ob  diese  Erseheiuuugcu  etwa  als 


Aufdeckung  einer  vorgeschichtl.  Nicdcrlnssui)}*  etc.  in  Meckenheim.  1*7 

Wirkungen  der  Bauuiwnrzeln  zu  betrachten  sind,  oder  ob  derTodtc 
in  Folge  der  fränkischen  Gesetzübertretung  so  verstümmelt  wurde, 
kann  nicht  entschieden  werden. 

Grab  47. 

Grube:  Grenze  unbestimmbar.  Inhalt:  K eiste  eines  Skelette« 
ohne  Beigaben. 

Grab  48. 

Grube:  2,ti0 1.,  1,48  br.,  1,80  t.  1)  Flache  braune  G lasperle 
von  0,31  Dm.  —  2)  Sogenanntes  Bartzängelehen  aus  Metall  wie 
VIII,  4;  1.  60  umi.  —  3)  Metallener  glatter  Schnallenbügel  von 
ovaler  Form,  ähnl.  «lern  von  IX,  11,  br.  32  mm.  —  4)  Ovaler 
Schnallenbügel,  br.  60min,  1.  32  mm.  Bemerkung:  Die  genannten 
Gegenstände  lagen  zerstreut  in  einem  Grabe  mit  gestörtem  Skelct. 

Grab  40. 

Grube:  1.  2,90,  br.  2,10,  t.  2.  Inhalt:  Feuerstei  nspa  hn, 
I.  70  mm.  Bruchstücke  einer  gelblichen  Schale  ähnl.  X,  lß,  Profil 
X,  p,  Bodenplatte  X,  i.  —  2)  Bruchstücke  eines  Bein  kämm  es. 
Lage:  neben  dem  Schädel,  als  habe  er  im  Haar  des  Todten  ge- 
steckt.   Bemerkung:  Das  Grab  war  gestört.  Vgl.  49a  und  49b. 

Grab  49a. 

Grube:  in  Grube  49  gelegen.  Inhalt:  1)  Eisenmesser 
ähnl.  VIII.  14  a;  Klingenl.  0,12:  Grifl'l.  W  nun.  Lage:  Lenden.— 
2)  Eiserne  Sc  beere  ähnl.  der  frühröm. ,  Jahrb.  LXXXVI, 
Taf.  VIII,  17;  1.  0.15,  stark  verrostet.    Lage:  in  der  Xähc  Xr.  1. 

—  3)  Feuerschlagstahl,  ähnl.  VIII,  11;  1.:  0,13,  br.  30  mm. 

—  4)  Zwei  F  e  u  er  sc  h  1  a  gs  t  e  i  u  e  von  35  mm  und  30  mm 
Länge.  Lage:  mit  Nr.  3  bei  Xr.  2.  —  5)  Metallstift,  oben  zu 
einer  Oese  umgebogen  wie  VIII,  22:  1.  HO  mm.  Lage:  bei  Xr.  3. — 
6)  Kleine  Eisenspeerklinge:  1.0,24.  —  7 )  Knopfförmiges  Metall- 
scheibehen, wie  die  der  Schwertscheide  VII,  7;  Dm.  IN  mm.  — 
8)  Mehrere  Metall  knöpfe,  wie  die  der  eisernen  Beschläge  VIII,  14bk 

—  9)  Eiserner  Knopf  ähnlich  Xr.  H.  —  10,  Besch lagplättchen 
ans  Metall,  ähnlich  V  II,  3,  jedoch  in  der  Mitte  die  Durchbrechung 
zeigend.  —  Ii  i  Gewundener  Eiscnstift,  Rest  eines  Geräthcs,  mög- 
licherweise ähnlieh  VIII,  23.  —  12;  Bruchstücke  eines  im  Innern 
brannrothen,  von  Aussen  graubraunen  Tb ongefässes  mit  Verzierun- 
gen ähnlich  X,  22.  —  Bemerkung:  Die  meisten  dieser  Beigaben 
waren  augenscheinlich  gestört  worden,  vielleicht  als  man  das  Grab 
49  b  anlegte. 


Consta»!  in  Kocnt'ii: 


Grab  41) b. 

Grube:  auf  Orab  41)  und  41)  a  ^legcn.  Inlialt:  l)  Reste  eines 
eisernen  Kurzschwertes  nebst  vier  Metallknöpfen  und  kleinen  Zier- 
stiftchen  der  Lederseheide  älinl.  VII,  1.  Lage:  Lenden,  linke  Seite. 

—  2)  Bruchstücke  eines  Oefässcs  der  Art  wie  Grab  49a,  12  be- 
schrieben wurde.  —  Da  dieses  Grab  auf  der  Südgrenze  der  beiden 
Gruben  41)  lag,  so  haben  wir  hier  wieder  ein  sicheres  Heispiel  drei- 
maliger Beisetzung,  von  denen  jede  zeitlich  unterschieden  werden  muss. 

Grab  öl. 

Grube:  keine  solche  wahrnehmbar;  in  1,50  Tiefe  fanden  sich: 
1)  Rand  stück  eines  röthlich  gelben,  aus  stark  mit  Qnarzsand 
vermischtem  Thon  hergestellten  Gefasses,  vielleicht  hohe  Schale, 
ähnlich  der  Andernacher,  Jahrb.  LXXXVI,  Taf.  XII,  16,  Rand- 
profil unserer  Schale  ist  abgeb.  X,  i.  —  2)  Gelbliches,  hart 
g  e  b  a  c  k  e  n  c  s  irdenes  T  ö  p  f  c  h  e  n  ähnl .  X .  17,  Randprofil 
ähnl.  X,  e,  jedoch  hat  man  sieb  die  untere  Ausladung  weg  zu 
denken,  Bodenplatte  X.  i.  Der  obere  Rand  hat  etwas  scharf- 
kantiges; h.  85  mm;  Dm.  0.345.  —  3}  Blaubrauner  irdener  Topf, 
ähnlich  X,  4,  Randprofil  mehr  X,  in  ähnlich;  Bodenplatte  X,  i; 
Verzierung  ähnlich  X,  22.  Der  Thon  ist  hart  gebacken,  h.  0,12, 
Dm.  0,465.  Bemerkung:  Ks  ist  möglich,  dass  beide  Gefässe  zu 
einein  später  verwitterten  Skelette  oline  Inhalt  gehört  haben. 

Grab  51  a. 

Grube:  2,3u  1.,  1.25  br.,  1.1)5  t.  Inhalt:  1/  Beinkamm 
m  i  t  doppelter  Z  a  h  n  r  e  i  h  e  wie  VIII,  21 ,  neben  Nr.  3  gelegen. 

—  2)  Reste  einer  eisernen  Gürtelschnalle,  65  mm  1., 
ähnl.  IX,  11.  Lage:  neben  Nr.  1.  —  3j  Zwei  zusammen- 
hängende blaue  Glasperl  eu  kleiner  Art  und  mehrere  gelbe 
Thonperlcn  der  Grösse  und  des  Typus  wie  IV,  13,  sechste  und 
siebente  Perle  links.  Lage:  Ilalsgcgcnd.  —  4)  Gelblicher 
irdener  Krug  mit  vier  W  e  1 1  c  n  g  u  r  1 1  i  n  i  e  n.  abgeb.  X,  1 , 
Halsprofil  X,  a,  Bodenplatte  X.  i,  Ornament  X,  20.  Das  Wellen- 
ornament  hat  eine  Breite  von  1 1  mm  und  ist  aus  drei  je  3  mm 
breiten  Furchen  zusammengesetzt.  Jede  der  Furchen  zeigt  vier 
feine  Zahneinschnitte.  Der  Thon  ist  ziemlich  hart  gebacken.  Lage : 
neben  dem  Kamme  Xr.  1.  Bemerkung:  Der  Krug  ist  in  die  letzte 
Zeit  der  Merowingcr  oder  schon  in  die  erste  Zeit  der  Karolinger 
zu  setzen:  ob  die  Perlen  Reste  eines  älteren  Grabes  sind,  dessen 


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Aufdeckung  einer  vorgeschichtl.  Niederlassung  etc.  in  Meckenheim.  189 


Inhalt  hei  Anlage  des  Grabes  51  beseitigt  wurde,  Labe  ich  nicht 
festgestellt.  Das  Skelet  unseres  Grabes  war  nur  noch  in  stark  ycr- 
tnoderten  Resten  erhalten. 

Grab  52. 

Grabe:  2,75  1.,  2  m  br.,  2  m  t.  Inhalt:  1)  Ei  Bernes 
Messer  wie  IX,  15.  Lage:  gegen  die  linke  Seite  des  Reckens 
gelehnt.  —  2)  Kleiner  eiserner  Schnallen  ring  nebst  Zunge, 
ähnlich  IX,  11,  jedoch  nicht  völlig  oval,  sondern  an  dem  Ansatz- 
theile  der  Zunge  horizontal.  Reinerkung:  Der  Hinterkopf  des 
Skelettes  zeigte  ein  weites  Loch,  wie  bei  Lebzeiten  des  Verstorbenen 
mit  wuchtigem  Axtracken  geschlagen.  Zwei  Wirbel  lageu  um- 
gekehrt neben  der  Wirbelsaule ,  Schien-  und  Wadenbein  schienen 
ebenfalls  bereits  bei  Lebzeiten  des  Verstorbenen  von  dem  Ober- 
schenkel des  rechten  Reines  getrennt  gewesen  zu  sein.  Der  Todte 
gehört  zu  der  dritten,  oder  letzten  Todtenlagc  (vgl.  Grab  52  a 
und  52  b). 

Grab  52a. 

Grube:  in  Grab  52  gelegeu,  1.  1,95,  br.  1,50.  Inhalt:  1)  Unterer 
T  h  c  i  1  eines  r  ö  t  h  1  i  e  h  gelben  irdenen  Topfes  der  Form 
X,  1.  Lage:  in  der  Xordostecke  der  Grube.  —  2)  Reinkamm 
mit  doppelter  Zahureihe  0,135  I.,  50  mm  br.  Lage:  rechts  vom 
rechten  Fusse.  —  3)  Eiserne  R  r  e  i  t  a  x  t  mit  Axthehn,  welcher 
der  Mitte  der  Schneide  gegenüberliegt,  1.  0,18;  Schneidet.  0,17; 
Rücken  40  mm  br.  Lage :  Schärfe  nach  unten ,  an  der  rechten 
vScitc.  —  4)  Zwei  eiserne  Pfeilspitzen  wie  VII,  10,  etwas 
gedrungener,  I.  80  mm.  Lage:  rechts  neben  dem  Skelet.  —  5)  Feil  er- 
schlagstahl wie  VIII,  11.  Lage:  Lendengegend.  —  6)  Feuer- 
schlagstein. Lage :  bei  Nr.  5.  —  6)  E  i  n s c  h  n  c  i  d  i g e s  eisernes 
K  u  r  z  s  c  h  w  c  r  t  mit  den  vier  Mctallknöpfcheu  und  kleinen,  mit 
gewölbten  Köpfen  versehenen  Metallstiftchcn ,  genau  so  vcrtheilt 
wie  VIII,  14,  jedoch  lag  der  oberste  Thcil  der  Scheide  etwas  ober- 
halb des  oberen  Endes  der  Schwertschneide  und  ebenso  lag  der 
untere  Ahschluss  der  Schwertscheide  etwas  oberhalb  der  Spitze, 
als  habe  man  bei  der  Reisetzung  das  Sehwert  in  die  Scheide 
gesteckt.  Die  Scheide  selbst  zeigte  vier  übereinander  liegende  Ledcr- 
stücke.  Sehwcrtschneide  1.  0,39,  br.  35  mm,  Griff  1.  ursprünglich 
0,24  m.  Lage:  linke  Seite  der  Hüfte.  —  7)  G  ü  r  t  e  1  sc h na  1  Ic 
aus  Eisen,  abgeb.  IX,   12;   llesehlagl.  70  min,  Schnallenringl. 


190 


Co n slan tili  K neuen: 


30  mm,  l>r.  40  mm.  Bemerkung:  Diese  Grube  ist  vor  Anlage  des 
Grabes  52  errichtet  worden,  gehört  also  zur  zweiten  Todtenlage 
(vgl.  f>2  und  52  b). 

Grab  52  b. 

Grube:  reiehte  bis  zu  2,30  m  Tiefe.  Inhalt:  1)  Eisen- 
seheere wie  VIII,  21;  Btlgellänge  0,11,  Schneidenl.  00  nun.  — 
2)  Bein  kam  tu  mit  doppelter  Zahnreihe  wie  VIII,  21;  I.  HO  mm. 
Derselbe  ist  also  ölis  ein  kleiner  als  der  Kamm  de«  Männergrabes 
52  a  (vgl.  Nr.  2).  Derselbe  lag  wie  VIII,  21  ebenfalls  veranschau- 
licht mit  Scheere  Xr.  1,  zusammengerostet  bei  einem  in  sitzender 
Stellung  beigesetzten  Kinde. —  3)  Zwei  Endbeschlagstilcke  eines 
Lcderriemciis ;  dieselben  sind  aus  Metall  und  mit  zwei  hrillcn- 
förmigen  Ornamenten  versehen,  sie  sind  oben  gespalten  und  zeigen 
hier  einen  mit  abgerundetem  Kopfe  versehenen  Heftstift;  1.  42  mm. 
Bemerkung:  Wir  haben  es  hier  mit  einem  Kinde  von  etwa  drei 
bis  vier  Jahren  zu  thim.  Bereits  in  1  und  1,50  m  Tiefe  wurden 
Schädelreste  oberhalb  der  drei  Gruben  f>2  angetroffen.  In  einer 
Tiefe  von  1,70  kamen  die  Grenzen  der  drei  Graben  zum  Vorsehein. 
Die  älteste  dieser  drei  Gruben  lag  2,38  ni  tief.  In  dieser  Tiefe 
fanden  sieh  noch  (als  Xr.  4)  zwei  Pfeilspitzen  nebeneinander 
liegend,  in  der  Mitte  der  rechten  Grubenseite.  Ausserdem  fand 
sieh  bereits  8  ein  hoher  ein  Feuerstcinstuek.  Da  nun  das  erst- 
beschriebene Grab  (Grab  52)  vollständig  war  und  2  in  tief  das 
Skelet  zeigte,  und  sieh  unterhalb  dieses  Grabes  ein  zweites,  eben- 
falls gnt  erhaltenes  Grab  zeigte,  so  sind  die  in  verschiedener  Höhe 
vereinzelt  vorgefundenen  Knochen  von  einem  Todten  herrührend, 
welcher  ursprünglich  auf  der  Sohle  gelegen  hat  und  dem  wohl  die 
Pfeilspitzen  und  der  Feuerstein  angeboren.  Es  kanu  daher  die 
Kinderleichc  gleichzeitig  mit  dem  Krieger  des  Grabes  52  a  oder 
etwas  früher  beigesetzt  worden  sein.  Grab  52  a  gebort  also  zur 
zweiten  Todtcnlage,  Grab  52  zur  letzten,  jüngsten  Beisetzung. 

Grab  53. 

Grube:  nicht  zu  erkennen.  Es  lagen  hier  unbestimmbare  ver- 
moderte Kuoehenrcstc. 

Grab  54. 

Grube:  2,90  1.,  1,70  br..  2  m  t.  Inhalt:  1)  Eisernes 
Messer  wie  IX,  15;  Schneidenl.  0.14.  br.  3o  mm.  Lage:  an  der 
buken  Hüftseite  Helten  Gelenk  von  Ober-  und  L'nteiarm.  —  2»  Fcner- 


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Aufdeckung:  einer  vorpeschiehtl.  Niederlassung;  etc.  in  Meckenheim.  191 


schlag  st  ein.  Lage:  in  derselben  Tiefe  wie  Nr.  1.  Bemerkung: 
Das  Wühler haltene  Skelct,  bei  dem  diese  Gegenstande  lagen,  fand 
sich  2  m  tief,  während  die  eigentliche  Sohle  2,22  m  tief  lag.  Das 
Skelet  gehört  zu  der  letzten,  jüngsten  Todtculage.  In  1,20  m 
Tiefe  erschienen  die  Grenzen  der  (trübe,  10  cm  tiefer  fand  sich 
das  Bruchstück  eines  hart  gebrannten  gelblichen  Gcfasses  vou  frühkaro- 
lingisehem  Typus  und  20  cm  tiefer  die  eines  zweiten  Karoliugcr- 
topfes.  Ks  ist  möglieh ,  dass  beide  Scherben  noch  in  die  letzte 
Zeit  der  Merowinger  reichen  (vgl.  (trab  f>4a  und  h). 

Grab  54a. 

Grube:  im  Grabe  54  resp.  unterhalb  desselben  gelegen.  In- 
halt: 1)  Eise  Ii  s  peerklinge  sehr  schlanker  Art,  ähnl.  VIII,  18. 
Tllllenlängc  0,21,  Schneide  0,15,  Schneidenbr.  40  iura.  Breite  der 
Tülle  an  der  schmälsten  Stelle,  da  wo  sich  Schneide  ansetzt  10  mm. 
Lage:  neben  rechtem  Fuss  mit  Spitze  nach  unten.  —  2)  Eiserne 
Gürtelschnalle  nebst  Beschläge  und  Gegenbeschläge,  sowie 
der  viereckigen  Platte  des  Rückcnbcschlages  vom  Lendengürtel. 
Die  einzelnen  Stücke  lagen  wie  IX,  10  zeigt.  Die  viereckige  PI.  mit 
einem  Messingbuckel  (ursprünglich  vier  solcher  zeigend)  versehen, 
lag  unter  dem  Schnallenring.  Lage:  in  der  Mitte  der  Lenden.  — 
3.1  Metallene  Gürtelschnalle,  abgeb.  IX,  11;  1.  60  mm, 
br.  20  mm.  Lage:  an  der  linken  Seite  etwas  unterhalb  der  Schnalle 
Xr.  2.  —  4)  M  c  t  a  1 1  b  1  c  c  Ii  s  t  r  c  i  f  c  n,  Endbeschlag  eines  Leder- 
riemens, oben  zwei  Hcftnägel  mit  abgerundeten  Köpfen  zeigend, 
sowie  als  Verzierung  Kreispunkte  und  Zickzacklinien,  1.  60  mm, 
br.  15  mm.  Lage:  rechts  neben  dem  linken  Kniegelenk.  Bemer- 
kung: Auf  der  in  2,25  m  Tiefe  vorgefundeneu  Grubensohlc  lag 
eine  '/s  ein  dicke  Brandlage  durch  das  ganze  Grab.  Das  Grab 
gehört  zur  zweiten  Todtenlage.    Das  Skelet  war  1,71  m  gross. 

Grab  54b. 

Grube:  in  Grube  54  gelegen,  unter  dein  Skelette  54a.  Inhalt: 
1)  Beinkamm  mit  doppelter  Zahnreihe.  Lage:  rechts  neben 
dem  Unterschenkel.  —  2)  Thon  perle,  wie  viertletzte  der  Kette 
IV,  3  (links).  Lage:  vereinzelt  auf  der  Sohle.  —  3)  Eisen,  an 
beiden  Euden  zu  einem  Knie  rechtwinkelig  umgebogen,  1.  0,29, 
vielleicht  Gehänge.  Bemerkung:  Die  Sohle  lag  2745  tief.  Wir 
haben  es  mit  einem  gestörten  Franengrabe  der  älteren  Todtenlage 
zu  tbun. 


192 


Constantin  Koeiien: 


G  r  a  b  55. 

Grube:  I.  2,50,  br.  1,25,  t.  2,10.  Inhalt:  Ein  Skclet  von 
1,59  m  Länge  ohne  Beigaben  in  älterem  beraubten  Grabe.  Nach 
der  Schädelforni  war  es  ein  Frauengrab. 

Grab  56  (Taf.  V). 
Grube:  2,20  1.,  1,30  br.,  2,40  t.  Inhalt:  1)  Zwei  Quercisen 
und  acht  E  c  k  b  e  s  c  h  1  a  g  w  i  n  k  e  1  e  i  s  e  n  eines  Holzbehälters, 
wie  bei  Grab  29  besprochen  winde,  ahgeb.  V,  5.  Die  oberen 
Eckbeschläge  liegen  0,50  m  auseinander,  die  unteren  0,52  in.  Der 
Abstand  von  den  oberen  bis  zu  den  unteren  beträgt  1,25  in, 
so  gross  war  also  der  Kasten.  Die  beiden  Qnereisen  sind  0,44  m 
lang.  —  2)  Halft  perle  Ii  kette,  30  Stück  des  Typus  IV,  3. 
Lage:  Hals.  —  3)  Verzierter  Schnallen  ring  nebst  Be- 
schlägen aus  Metall,  ähnl.  bei  Lind  cur  eh  mit,  Tafel  V,  346. 
Lage:  Lenden.  —  4)  Kleines  Metall  sc  hnäl  leben,  ähnl. 

IV,  6,  jedoch  BUgcl  und  .Schnallenring  aus  einem  Stück  gearbeitet, 
1.  0,04,  br.  0,2.  Lage:  oberhalb  rechtem  Fussgeleuk.  —  5)  Zwei 
Endbcschlagstreifcn  aus  Metall  ähnl.  den  auf  Zierscheibe 

V,  3  liegenden,  jedoch  lang  0,04  m.  Lage:  auf  rechtem  und  bei 
linkem  Fussgeleuk.  -  6)  ß  c  i  n  k  a  m  m  mit  doppelter  Zahnreihe 
ähnl.  VIII,  21.  Lage:  rechts  neben  Kopfende  des  Behälters.  — 
7)  Irdener  rötb liehgelber  Krug  wie  X,  1,  Hals  ist  ab- 
gebrochen, jetzige  Höhe  0,22,  Umfang  0,505,  Bodenplatte  X,  i. 
Lage:  rechts  neben  dem  Behälter.  Bemerkung:  Wir  haben  es  hier 
mit  einem  Kindergrabc  zu  thun.  Der  Schädel  war,  wie  Abbildung 
zeigt,  zusammen  gedruckt  und  die  Knochen  stark  verwittert.  Das 
Qnercisenknie  ist  0,11  m  und  das  von  diesem  ausgehende  Quer- 
eisen 0,10  m. 

Grab  57. 

Grube:  2,50  1.,  2,20  br.,  2,30  t.  Inhalt:  1}  Kette  ans 
sie benund vierzig  Perlen  aus  Thon,  Porzellan,  Amethyst, 
gelbe  und  grüne  Farbe  vorherrschend.  Lage:  Halsgegend.  Die 
Perlen  haben  den  Typus  wie  IV,  3.  —  2)  Spangenfibel  aus 
Metall.  Es  sind  zwei  runde  Plättchen,  welche  durch  einen  viertel- 
kreisförmig  gebogenen  Bügel  verbunden  werden.  Auf  der  Rück- 
seite ist  die  "eiserne,  in  eine  metallene  Halte  eingreifende  Nadel 
angebracht.  An  dem  Hügel  lietindet  sieh  ein  Haken  aus  Metall, 
welcher  ein  Kettehen  hält,  das  eine  Berlocke  aus  Metall  trägt,  in 


Aufdeckung  einer  vorgeschichtl.  NicflerlÄRsuiifr  etc.  in  Meckenheim.  193 


nat.  Grösse  abgeb.  VI,  13  (in  der  Seiten-  und  der  oberen  Ansicht). 
Lage:  Brnstgegend,  falls  an  ursprünglicher  Stelle  befindlich,  was 
ich  nicht  mit  Sicherheit  entscheiden  konnte.  Bemerkung:  Unter 
diesem  Grabe  lag  da»  folgende. 

Grab  57a. 

Grube:  in  vorbesehriebener  Grube  gelegen.  Inhalt:  1)  Zacke 
eine«  Geweihe*»,  zwei  Mal  geästet,  0,085  m  1.  Lage:  Küss- 
ende. —  2>  E  i  seng cg eitstand,  stark  verrostet,  vielleicht 
Messerchen.  -  3.i  Eiserne  S  c  Inn  a  I  a  x  t ,  1.  0.225,  br.  80  nun, 
ähnlich  VIII,  17.  —  4)  Drei  Pfeilspitzen  aus  Eisen,  von 
denen  eine  die  Form  VII,  0  hat,  1.  85  mm  ;  die  beiden  übrigen 
sind  wie  VII,  10  und  11  geformt  und  haben  etwa  0,11  in  Länge. 
Lage:  rechts  neben  dem  Gelenk  des  rechten  Ober-  und  Unter- 
armes. —  5)  Feuerschlagstahl  wie  VIII,  11;  12'/»  cm  I.  — 
6)  Feuers  eh  lagst  ein.  Lage:  neben  Nr.  5.  7)  Versil- 
berter M  c  t  a  1 1  s  c  h  n  a  1 1  e  n  r  i  n  g,  vorne  halbmondförmig,  hinten 
gradlinig,  auf  der  oberen  Fläche  Kingornamente  zeigend,  (»rund- 
form wie  die  spätrömische  von  Andernach,  Jahrb.  LXXXVI,  Tal". 
XI,  Fig.  15,  jedoch  ohne  Besehlag.  8)  Bruchstücke  eines 
Tbougcfässes  von  schwarzblauer,  durch  Dämpfen  gewonnener 
Farbe,  der  Form  wie  X,  4,  Bodenplatte  X.  I,  Ornament  X,  14. 
Bemerkung:  Das  Grab  war  —  vielleicht  bei  Anlage  des  darüber 
vorgefundenen  Grabes  57  —  gestört  worden. 

Grab  58. 

Grube:  ohne  bestimmbaren  Inhalt,  so  dass  Grahrauh  vorzu- 
liegen schien. 

Grab  59. 

Grabe:  2,49  1.,  1,76  br.,  1,80  t.  Inhalt  ein  Skelct  ohne  Bei- 
gaben. 

Grab  59a. 

Grube:  wie  Grab  59.  Inhalt:  1)  Einschneidiges  Kurz- 
sch  wert  wie  VIII,  14,  jedoch  ohne  Sehcidenbcsehlagreste;  Schcidc- 
länge  33l/s  cm.  Lage:  linke  Seite  mit  Griff  nach  der  Bauchuiittc 
hin  gerichtet.  —  2)  Eiserne  Gürtelschnalle  nebst  mit 
Messingbuekcln  besetztem  viereckigem  Beschläge,  abgeb.  IX,  13, 
Breite  50  nun,  Beschläge  80  mm  1.  Lage:  Lendengegend.  — 
3)  Eise  n  rest  vom  G  e  g  e  n  b  e  s  c  Ii  1  a  g  e,  ebenfalls  mit  .Messing- 

Jfthrb.  «1.  Vor.  v.  Altm  tlisfr.  im  Itlieiiil.  XCII.  13 


194 


Constftntin  Koenen: 


buckeln  verziert.  —  4)  Eisenrcst  vom  Rückenbeschinge, 
gleichfalls  mit  Messinghnckcln  verziert.  —  5)  Eisernes  Messer 
abgeb.  IX.  1;V,  Schneidel.  ö(>  min,  Grifft.  65  nun.  Lage:  bei  Nr.  1. 
—  G)  Eiserne  Speerklinge,  abgeb.  IX,  8  ;  I.  22  cm,  davon 
lallen  10  cm  auf  die  Ttlllc  und  12  cm  auf  die  Scheide;  die  Breite 
beträgt  40  mm.  Lage:  rechte  Filmseite  mit  Spitze  nach  unten.  — 
7)  Eiserne  B  r  e  i  t  a  x  t,  abgeb.  VII.  1 3.  Lage :  rechte  Seite  des 
Oberscbeukelkopfes  am  rechten  Beine,  I.  17'/s  cm.  Sehneidcnbreite 
1 4' \t  cm.  —  8)  E  i  s  c  n  i  n  s  t  r  n  m  c  n  t ,  abgeb.  IX,  9 ;  der  Stachel 
ist  70  mm  l.  und  mit  Holz  bekleidet,  das  sich  erweiternde  obere 
Eude  aus  Eisen  ist  P,'ä  ein  1.  —  9)  Bartzäugelchen  ans 
Metall,  abgeb.  VIII,  4:  1.  H\s  cm,  untere  Breite  cm,  Ringel- 
chendm.  2  cm.  Lage:  neben  linker  Hüfte  in  der  Nähe  des  Griffes 
von  Nr.  1.  —  10)  Bein  kam  iure  st  mit  doppelter  Zahnreihe. 
Lage:  an  der  rechten  Seite  des  rechten  Kniegelenke«.  —  U)  Gelb- 
liches irdenes  Thongcfäss  ähnl.  X,  17,  jedoch  geht  Hals- 
rand direet  zu  dein  oberen  Theil  des  Bauches,  Bodenplatte  X,  1; 
Verzierung  Uhnl.  X,  22;  h.  90  mm,  oberer  Dm.  90  mm.  —  12) 
Boden  theil  eines  (Jcfässes  wie  Nr.  11;  Dm.  14  cm.  Lage: 
rechte  Seite  des  Skelettes  wie  auch  Nr.  11.  —  13)  Eisen  theil  e 
eines  hölzerneu  Eimers,  abgebildet  VIII,  7,  oberer  Dnrchm. 
41 '/j  cm,  unterer  Dm.  14  cm.  Bemerkung:  Dieses  Grab  ist  jünger 
als  Grab  59. 

Grab  60. 

Grube:  2,50  I.,  Breite  1,74,  t.  1,80.  Inhalt:  1)  Einschnei- 
diges Kurzschwert  wie  VIII,  14,  jedoch  schmäler,  Sehneide- 
länge 0,36,  Schneidebreite  50  min,  Griffhinge  14'/s  cm.  Lage: 
neben  linker  Htlftseite.  —  2)  Kleine  eiserne  Schnalle,  wie 
VIII,  3  geformt,  ohne  Bcschlagplattc,  1.  30  mm,  br.  40  mm.  Lage: 
Lenden.  Bemerkung:  Das  Grab  lag  auf  dem  Grabe  60a,  ist  jünger 
als  dieses. 

Grab  60a. 

Auf  Sohle  Grube  60  gelegen.    Inhalt:  gestörte  Skeletreste. 

Grab  61. 

Grube :  äünlich  Grab  60.  Inhalt :  1)  Bruchstücke  eines 
blausch warzen  Gefässcs  mit  Verzierungen  X,  25.  —  2) 
Gelblicher  irdener  Gefässbodeu  wie  X,  1.  —  Bemerkung: 
Neben  dem  Grabe  lagen  die  Anfänge  von  zwei  der  vorgeschicht- 
lichen kesseiförmigen  Brandgrubcu. 


Aufdeckung  einer  vorgeschiehtl.  NiednrlfiBsttn«-  etc.  in  Meckenheim.  195 

Grab  62. 

Grube:  1.  2,60,  br.  1.85.  Inhalt:  1)  Kette  aus  39  Perlen 
von  Thon,  Glas,  Bernstein,  Amethyst  des  Typus  IV,  3.  Lage: 
Halsgegend.  Bemerkung:  Das  Grab  durchschnitt  zwei  der  vor- 
geschichtlichen Brandgruben,  es  war  gestört,  vielleicht  bei  der  dieses 
Grab  durchschneidenden  Skeletgrube  63. 

Grab  63. 

Grube:   unbestimmbare   Grenzen.     Inhalt:    in   1,90  Tiefe: 

1)  Einschneidiges  Kurzschwert,  Schneidet.  0,29,  Griff  1. 
9*/s  cm,  Schncidcbr.  50  mm.    Lage:  linke  Seite  des  Todten.  — 

2)  Eisernes  Messer  wie  auf  Kurzschwert  VIII,  1  liegt,  Griff  1. 
4'/,  cm.  Schneidet.  0.12  m.  Lage:  bei  Nr.  1.  —  3)  Fe u er- 
schlagstahl wie  VIII,  11;  1.0,12,  br.  3\'t  cm.  Lage:  bei  Nr. 2. 
—  4)  Feuerschlagstein,  I.  50  mm.  Lage:  bei  Nr.  3.  — 
5)  Eisenreste  vom  G  ü  r  t  e  1  b  c  8  e  b  1  a  g,  eines  zeigt  Messingbuckeln. 
Lage:  Lenden.  —  6)  Eiserne  Schmalaxt  wie  VIII,  17; 
1.  19'/2  cm,  Breite  der  Schneide  71/»  cm,  RUckcnstärke  30  mm. 
Lage:  am  Fassende,  Griffseite  nach  oben  gerichtet.  —  7)  Eisen- 
ring von  30  mm  Durchmesser.  Lage :  in  der  Verlängerung  des 
Axtstielloches  Nr.  0.  Bemerkung:  diese  Grube  ist  jünger  als  Grube  62, 
denn  diese  ward  von  Grab  62  durchschnitten. 

Grab  64. 

Grube:  1.  2,  Breite  1,40,  t.  1,90.  Inhalt:  1)  Kette  ans 
35  Perlen  wie  Grab  62,  1.  Lage:  Halsgcgcud.  Bemerkung: 
Es  durchschneidet  diese  Grabe  Grab  64  a,  daher  Grab  64  spätere 
Anlage  ist. 

Grab  64a. 

Grube:  wie  64.  Auf  der  Sohle  uud  im  Füllgrund  der  Grube 
zerstreut  fanden  sich  vereinzelte  Knochenreste  eines  durch  Anlage 
der  Grube  64  gestörten  Grabes  (vgl.  Anm.  64  b). 

Grab  64b. 

Auf  der  Grnbengrenzc  ein  Skelet  ohne  alle  Beigaben.  Es  ge- 
hört dieses  Grab  der  letzten  jüngsten  Todtenlagc  an.  Grab  64  der 
Zweitältesten,  64  a  der  jüngsten,  falls  kein  Familiengrab  vorliegt. 

Grab  65. 

Grnbc:  deren  Grenze  war  nicht  zu  erkennen,  in  1,50  Tiefe 
bei  einem  1,M0  m  langen  Skelet  das  Nachfolgende:  1)  Eisernes 


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19« 


Consl  hu  tili  Kocncn: 


M  esse r  wie  VIII,  14a,  Schneidet.  18  ein,  Grifl'l.  80  mm,  Sehneide- 
breite 30  mm.  Lage:  linke  Hüftseite.  —  2)  Gürtelschnallen- 
ring  au»  Eisen,  wie  IX,  13,  jedoch  ohne  Beschläge,  1.  25  mm, 
Breite  40  mm.  Lage:  Lenden.  —  3)  Feucrsch lagstahl  in 
Muschclform  wie  der  Andernacher,  Jahrb.  LXXXV1,  Tat'.  XIII,  32, 
I.  70  mm.  Lage  :  rechts  neben  Kr.  2.  —  4)  Zwei  F  e  u  e  rs  c  Ii  l  a  g- 
steine.  Lage :  auf  Xr.  3.  —  5)  Gelblicher  G  c  f ä  s s s c herben, 
karolingischem  Typus  verwandt.  Da  diese«  Grab  auf  dem  Grabe 
75  lag,  ist  es  jünger  als  jenes. 

Grab  66. 

Grube:  I.  2,50,  br.  1,70,  t.  2,20.  lulialt:  1)  Kette  aus 
26  Perlen  des  Typus  IV,  3,  darunter  drei  dickere  Bernsteinstücke; 
roth  herrscht  in  der  Farbe  vor.  Lage:  Hals.  —  2)  Kette  aus 
sechs  Perlen  nebst  Mctallring,  Typus  wie  Xr.  1.  Lage:  Lenden. 
—  3)  Eisernes  Messer  wie  IX,  1;"),  Schneidel.  60  mm.  Lage: 
Hüfte.  —  4/  Zwei  unbestimmbare  kleine  E  i  s  e  n  s  t  U  c  k  e, 
stark  verrostet.  —  f>)  Endbesch  lagst  tick  aus  Metall,  oben 
zwei  lleftnägel  für  Riemenbefcstignng  zeigend,  ähnl.  dem  auf  Zier- 
seheibe III,  6  liegenden,  1.  7'/s  cm.  —  6)  Glatter  Fingerring. 
Lage :  die  diesbezügliche  Notiz  zu  machen  ist  vergessen  worden.  — 
7)  Krug,  gelblich,  Form  wie  X,  1,  jedoch  ohne  Verzierung,  Hals- 
profil X,  a,  Bodenplatte  X,  i,  h.  0,20,  Umfang  0,43.  Lage:  rechte 
Seite  des  Skelettes  (vgl.  Anm.  66a). 

Grab  66a. 

Grube:  nicht  zu  erkennen.  Es  fand  sich  in  1,50  Tiefe  auf 
der  Südgrenze  der  Grube  66  ein  1,75  in  langes  Skelet  mit  dolicho- 
cephalem  Schädel  und  folgenden  Beigaben:  1)  Verrostetes  eisernes 
Schnäl  Ich en.  Lage:  rechte  Lcndcnscite.  —  2)  Eisernes 
Messer ch en  des  Typus  IX,  15.  Lage:  linke  Seite.  —  3)  Gelb- 
graue Gefässschcrbc,  zeigt  auf  der  Oberfläche  die  Finger- 
porenliuien  abgedrückt ,  ist  ziemlich  hart  gebrannt  und  hat  den 
Typus  frühkarolingischcr  Gefässe;  die  Scherbe  lag  an  der  rechten 
Seite  des  Skelettes,  wohin  sie  schwerlieh  zufällig  gelangt  sein  kann. 
Bemerkung:  Alles  scheint  anzudeuten,  dass  die  obere  Todtenlage 
bis  in  die  frflhkaroliugische  Zeit  hineinreicht. 

Grab  67. 

Grube:  Verhältnisse  nicht  zu  bestimmen.  Inhalt:  1)  Blatt- 
form i  g  e  E  i  s  e  n  s  p  c  e  r  k  I  i  n  g  e  ähnlich  IX ,  8 ,  jedoch  ohne 


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Aufdeckung  einor  vor<resi-hie»itl.  XioderlaftMing  etc.  in  Mi-ikcnlu'iui.  197 

MiHelrippc  und  etwas  gedrungener;  1.  0,24  m,  br.  50  mm.  Lage: 
Fn&sendc. 

Grab  68. 

Grube:  1.  2,65,  br.  1,70,  t.  2  m.  Inhalt:  1)  Perlen  von 
einer  Hals  kette  des  Typus  IV,  3.  Lage:  Hals.  —  2)  Ecki- 
ges gelbliches  Thongefftss  mit  gerade  aufsteigendem  Ilals- 
profilc  wie  X,  p.  Die  Banelmng  hat  im  oberen  Theile  eine  Art 
von  Hachen  Gnrtfurchcn.  Lage:  rechte  Seite  der  Ornbe.  —  3)  Dop- 
pclzeiligcr  Bcinkammrcst.  Lage:  neben  Nr.  2.  Hemerknng: 
Diese  Sachen  scheinen  zn  einem  älteren  Skelet  zu  geboren,  'las 
bei  der  Beisetzung  eines  Kindes,  dessen  Knochenreste  ebenfalls  in 
stark  vermodertem  Zustande  angetroffen  wurden,  gestört  worden 
ist.  Jedenfalls  zeigten  schon  die  Grubengrenzen  an,  dass  hier  zwei- 
mal beigesetzt  wurde. 

Grab  69. 

Grube:  da  hier  drei  ineinander  reichende  Gruben  lagen,  waren 
Grabenverhältnisse  nicht  sieher  zn  bestimmen.  Inhalt:  in  1,90 Tiefe 
bei  1,55  m  langem  Skelet:  1)  Eisenmesscr  wie  IX,  15.  Lage: 
neben  Kniescheibe  de«  linken  Beines.  —  2)  Kleiner  Eisen- 
schnallenring, wie  der  VIII,  3.  Lage:  Lenden.  —  3)  Recht- 
winkeliger Messingstreifen,  verziert  durch  in  Zickzackform 
nebeneinander  gestellte  Qnerlinien  in  je  zwei  Einfurehungen.  Lage: 
schwertförmiger  Brustbeinfortsatz.  —  4)  Gefässsch erben  eines 
gelblichen  Krughalses,  wie  X,  13,  Halsprofil  X,  e.  Derselbe  zeigt 
wieder  den  karolingisehen  Typus,  wenn  auch  nicht  mit  Sicherheit 
als  karolingisch  zu  bezeichnen.  Bemerkung:  Das  Grab  lag  anf 
zwei  anderen  Gruben  (69  a  und  69  b),  gehört  also  wieder  zu  der 
jüngsten  Todtenlage. 

Grab  69a. 

Ornbe:  zunächst  nnter  69  gelegen.  Inhalt:  in  1,80  in  Tiefe: 
ein  Kinderskelet  ohne  Beigatten.  Hemerknng:  Das  (trab  ist  älter 
als  das  Grab  69,  gehört  nach  Anm.  69  b  zur  mittleren  Lage. 

Grab  69b. 

Grube:  zunächst  unter  69a  gelegen.  Inhalt:  in  2  m  Tiefe: 
1)  Eiserne  Speerklinge  ähnl.  VIII,  1H.  Lage:  rechte  Seite  des 
Skelettes.  —  2)  Eiserne  Breitaxt  ähnl.  VII,  13.  Lage:  rechte 
Seite  mit  AxthelmrUcken  nach  «dien  gerichtet.  —  3i  Einschneidiges 
Kurzschwert.    Lage:  die  Mitte  des  Schwertes  reichte  bis  zur 


m 


Coastantin  Koenen: 


Mittr  des  linken  Ohcrsr-ln-nkck  neben  welchem  dasselbe  lag.  — 

4)  Eiserne  G  II  r  t  e  1  s c  Ii  n a  1 1  e  n  r  es  t  c ,  nebst  Uebcrbleibsel  der 
mit  Messingbuckcln  besetzten  Beschläge.    Lage:  Lendengegend.  — 

5)  Eiserne»  Messer,  wie  IX,  15.    Lage:  Mitte  der  Lenden.  — 

6)  Sechs  römische  K  I  e  i  n  e  r  z  m  ü  n  z  e  n  späterer  Kaiser/eit  deren 
Umschriften  nicht  zu  bestimmen  sind.  Lage:  Lenden,  bei  Xr.  4.  — 

7)  Feuerschlagstahlreste.  Lage:  bei  Nr.  6.  —  8)  Feuer- 
seh lagst  ein.  Luge:  bei  Nr.  7.  —  9)  Zwei  Eisenwerk- 
zeuge, oben  zu  einer  Oese  gebogen,  vielleicht  .Schlösselreste,  wie 
VIII,  22.  9)  Merowingisehes  Thonget'äss  in  Bruchstücken. 
Lage:  Mitte  der  rechten  Seite.  Bemerkung:  Da  dieses  Grab  vou 
den  Gruben  60  und  69b  bedeckt  war,  gehört  es  zu  der  ältesten 
Lage. 

Grab  70. 

Grube:  Verhältnisse  unbestimmt.  Inhalt:  Ein  Skelet  vou 
1,84  m  L.Inge,  ohne  Beigaben.  Bemerkung:  Dasselbe  gehört  zu 
der  jüngeren  Lage,  denn  unterhalb  desselben  kam  die  Grube  70  a 
zum  Vorschein. 

Grab  70a. 

Grube:  lag  mit  der  Sohle  1,60  tief.  Auf  der  Sohle  lagen 
Brandreste;  die  Grube  war  also  ausgebrannt  worden,  bevor  man 
die  Leiche  hineinlegte.  Inhalt:  1)  Flacher  Teller  wie  X,  16, 
falls  man  sich  den  oberen  Theil  wegdenkt. 

Grab  71. 

Grube :  unbestimmt.  Inhalt :  1 )  Eisernes  Kurz  schwer  t, 
Schneide!.  0,21,  Schneidebr.  3','j  cm,  Griffl.  90  mm.  Bemerkung: 
Vielleicht  gestörtes  Grab. 

Grab  72. 

Grube:  unbestimmt.    Inhalt:  ein  Skelet  ohne  Beigaben. 

Grab  72a. 

Grabe:  unbestimmt.  Inhalt:  Skelet  ohne  Beigaben,  links  vom 
vorigen  gelegen. 

Grab  72b. 

Grube:  unbestimmt.  Inhalt:  Skelet  ohne  Beigaben,  links  von 
72  a  gelegen. 

Grab  73. 

Grube:  2,50  1.,  1,76  br.,  2,30  t.  Inhalt:  1)  Einschneidiges 
Kurzseh  wert  wie  VIII,  12,  jedoch  ohne  Scheidebesehlagrestc, 


Aufdeckung  einer  vorgeschk-htl.  Niederlassung  etc.  in  Meckenheim.  199 

Sehneidel.  0,44,  Griff  DO  nun  erhalten.  Lage:  liuke  Weite  der 
Hüfte.  —  2)  Ei sen messe r,  wie  das  auf  Knrzschwert  VII,  1 
liegende,  Sehneidel.  0,12,  Schneidebr.  25  mm,  Griffl.  40  mm. 
Lage:  neben  Nr.  1.  —  3)  Eisenspeerklinge  ähnl.  VII,  18, 
Tttllenl.  0,14,  Spitze  Ü,16ö.  Lnge:  rechte  Seite,  etwas  schräg 
von  Osten  nach  Westen,  rechts  von  dem  rechten  Kniegelenk  mit 
Spitze  nach  unten  gelegen.  —  4)  S  c  h  i  1  d  b  u  c  k  e  1  aus  Eisen  wie 
IX,  14,  unterer  Durchmesser  15*/»  ein,  Kandbreite  des  Buckels  25  mm, 
ganze  Höhe  73  mm.  Lage:  neben  dem  rechten  Oberarm.  —  5) 
Fenerschlagstahl  ähnl.  VIII,  11;  I.  55  mm,  br.  30  mm.  — 

6)  Feu  erschlag  st  ein,  1.  35  mm.  —  7)  Schwarzer  eiförmiger 
Thon  schieferstein  mit  sehr  glatter  Oberfläche,  sogenannter 
Probierstein  der  Goldarbeiter,  1.  40  mm,  br.  31  mm,  dick  3  mm. 
Lage:  auf  rechtem  Unterarm.  —  8)  Nicht  naher  bestimmbare 
Eisen t heile  einer  Gürtelschnalle.  Lage:  Lenden.  —  9)  Theile 
einer  gelblichen  S  c  h  0  s  s  e  1  wie  X,  16;  h.  35  mm,  Randprofil  X,  p. 
Lage:  neben  Nr.  3.  —  10)  Reste  eines  Tellers  der  schlichten 
Form  wie  unsere  Blnmcnteller  aus  Ziegelerde.  Bemerkung:  auf  der 
Grube  lag  das  Skelet  73  a. 

Grab  73a. 

Grube:  auf  73  gelegen.  Inhalt:  1)  Zwei  Ohrringe  ans 
gewundenem  Metalldraht,  an  dem  Ende  Oese  und  Haken  zeigend, 
Dm.  35  mm.  Lage:  an  dem  Schädel  eines  1,75  m  langen  weib- 
lichen Skelettes,  1,60  m  tief. 

Grab  74. 

Grube:  t.  2,30,  auf  Übrigen  Verhältnisse  ahnl.  Grab  73.  Inhalt: 
1)  Einschneidiges  Kurzschwert,  Sehneidel.  0,42,  Grifft.  0,16. 
Lage:  linke  Seite.  —  2j  Eisen  messe  r,  Sehneidel.  13'/,,  Schneide- 
breite  51/,  cm,  Griff  1.  40  mm.  Lage:  unterer  Thcil  von  Nr.  2.  — 

4)  Gürtclschnal  lenreste  (?)  ans  Eisen.    Lage:  Lenden.  — 

5)  Kleines  Sehn  all  eben,  ähnl.  IX,  12,  I.  30  mm.  Lage:  ver- 
einzelt auf  der  Grubensohle.  —  6)  F  euer  sc  h  lagstahl  ähnl. 
VIII,  H;  I.  0,80,  5,  br.  30  mm.  Lage:  neben  Griff  von  Nr.  2.  — 

7)  Feuerschlagstein,  1.  30  mm.    Lage:  auf  Nr.  6. 

Grab  75. 

Grube:  Verhältnisse  ähnlich  dem  Grab  73.  Inhalt  gestört,  viel- 
leicht von  Grab  65.  Die  Nordostecke  durchschnitt  eine  kesselfürmige 
vorgeschichtliche  Brandgrube. 


•200 


C o u st a Ii t i n  Koeucn: 


Grab  Tti. 

Unterer  Tlicil  eines  Skelettes.  Ucbcr  demselben  ruht  in  gc- 
wfdbter  Form  eine  Brandlage,  vielleicht  von  einem  durch  Brand  aus- 
gehöhlten Baumstämme  herrührend ,  der  das  Skelet  bedeckte.  An 
der  linken  Hüftweite  fand  sich  ein  kleines  Eisenmesscr  des  Typus 

IX,  lö.  Der  übrige  Theil  des  .Skelettes  war  von  dein  nachfränki- 
seheu  Wassergraben  dnrehsehnitten. 

Oral.  77. 

Grube:  1.  2,f»o,  lir.  1.77.  t.  2,3«».  Inhalt:  1)  Eisens p e e r- 
spitze,  VIII,  20,  Spitze  mit  scharfem  Grad  versehen;  1.  0,18, 
br.  45  min.  Schaftl.  0,12.  —  2)  Desgl.,  Spitzenl.  (».2:5,  5,  Schaftl. 
0,1 1 .  —  '.Vi  Eiscnrcste  vom  G  ü  r  t  c  1  b  e  s  e  Ii  I  n  g  e,  mehrere  Mcssing- 
biukeln  zehrend.  -  -  4.i  Rest  eines  doppelzeiligen  Beinkammes. 
—  :"))  Irdener  blauschwarzer  Topf,  abgeb.  X,  4,  Kaudprofil  X,  o, 
Bodenplatte  X,  i,  Verzierung  X.  2») ;  Ii.  nicht  zu  bestimmen.  Es 
bleibt  zu  bemerken,  dass  die  Wände  eine  Härte  aufzuweisen  haben, 
welche  über  die  der  älteren  Meekcnheiiner  Frankcugcschirrc  hinaus- 
geht. Auch  sind  die  Grübehen  sehr  scharf  eingedruckt.  —  Hi  Irdener 
blauschwarzer  Topf.  ähnl.  X,  4,  Randprofil  ähnl.  X,  m,  Bodeupi. 

X,  i:  h.  12' /j,  cm,  Verzierung  ähnl.  X,  15.  —  7  t  Boden  eines  zer- 
brochenen gläsernen  Bechers.  Derselbe  ist  kugelig  abgerundet, 
hatte  die  Form  des  Awlernachcr,  Jahrb.  LXXXVI,  XII.  18.  —  8)  Zwei 
Fenerse  Ii  lagst  eine.  —  9)  Feuer  schlagstahl.  Bemer- 
kung: Sämmtlichc  Gegenstände  lagcu  in  der  südöstlichen  Ecke  der 
Grube,  ausgenommen  Nr.  3  und  8  sowie  0,  welche  in  der  Lenden- 
gegend augetroffen  wurden.  Auf  der  Grube  lagen  die  Beine  eines 
Skelette»  von  Grab  81. 

Grab  78. 

Grube:  Verhältnisse  ähnl.  den  vorigen.  Inhalt:  Ein  1,44  m 
grosses  Skelet,  das  neben  der  rechten  Hand  und  zu  den  Füssen 
je  ein  Hunde  skelet  liegen  hatte.  Das  Skelet  des  Mensehen 
lag  1,68  m  tief.    Unter  diesem  Grabe  das  folgende. 

Grab  78a. 

Skelet  ohne  Beigaben. 

Grab  70. 

Grube:  Verhältnisse  ähnl.  Grab  77,  t.  2,so.  Inhalt:  1/Eisen- 
spe  erklinge,  I.  0,24.  —  2;  Rest  eines  Beinkammes  mit 

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Aufdeckung  einer  vorgeschichtl.  Niederlassung  etc.  in  Meckenheim.  201 

doppelter  Znhnrcihc.  —  3.  Irdenes  Gcfässchcn,  gelblich,  stark 
mit  Quarz  vermischt,  abgeb.  VIII,  24,  h.  75  mm,  Dm.  43  mm. 
Bemerkung:  Da«  Grab  war  gestört.  Eiuzcluc  Knochen  könnten 
vielleicht  von  einem  Kinde  herrühren. 

Grab  80. 

Grube:  1.  2,50,  br.  1,50,  t.  2  m.  Inhalt:  1)  Einschneidiges 
Kurzschwert,  abgeb.  VIII,  12,  Schneide).  0,40,  Griff I.  0,21. 
An  dem  oberen  Räude  der  Sehwertsclmcidc  liegt  ein  Messingbleeh- 
bcschlag  der  Scheide,  welcher  an  der  Seite  mit  eingestanzten 
Punkten  versehen  ist.  An  der  Spitze  zeigt  sich  ein  Beschlag  der 
Spitze  der  Scheide,  ebenfalls  kreisförmige  Löcher  als  Verzierung 
und  drei  kleine  Mctallstiftchen  vorführend.  Lage:  an  der  linken 
Seite,  so  dass  die  Mitte  des  Schwertes  das  Gelenk  des  linken  Armes 
berührte.  —  2)  G  tl  r  t  e  1  s  c  h  n  ä  1 1  c  h  e  u,  wie  abgebildet  vorgefunden 
bei  Nr.  1.  —  3)  Eisenreste  eines  kleinen  51  e  8  s  c  r  s,  abgeb.  VIII,  12 
auf  dem  Kurzschwert  liegend. 

Grab  81. 

Grube:  1.  3  m,  br.  l,r>0,  t.  1,(50.  Inhalt:  1)  Ohrring  aus 
dickem  Metalldraht,  Dm.  55,  derselbe  zeigt  oben  eine  Oese  und  an 
der  entgegengesetzten  Seite  einen  Haken,  welche  beide  Theile  mit 
dem  Ring  selbst  zusammen  hiiugeu.  Bemerkung:  Das  Skclct  lag  auf 
dem  folgenden  Grabe. 

Grab  81a. 

Grube:  vgl.  Grab  81.  Inhalt:  durcheinander  liegende  Skelet- 
reste  ohne  Beigaben. 

Grab  82. 

Grube:  1.  2,70,  br.  1,50,  t.  2  n».  Inhalt:  Skelet  ohne  Bei- 
gaben.   Unterhalb  diesem  das  Grab  82a. 

Grab  82a. 

Inhalt:  1)  Eisenspeerkliuge  ähnl.  VIII,  1H,  Sehncidel. 
0,14,  Sehaftl.  0,16.  Lage:  Fronende.  —  2)  Reste  eines  Bein- 
kammes mit  doppelter  Zahnreihe.  —  3)  Eisenmesser  ähnl. 
VIII,  14a,  1.  0,15.  Lage:  Lenden.  —  4)  Eisense  beere  ähnl. 
VIII,  21,  1.0,22,  davon  fallen  90  mm  auf  die  Schneide.  —  5)  Reste 
dreier  Pfeilspitze  n,  von  diesen  lassen  sich  eine  blattförmige  und 
zwei  rautenförmige  erkennen,  von  denen  eine  40  nun  Spitzen-  und 
40  mm  Tüllenlängc  zeigt.  —  G)  Eiseninstrument,  sehr  wahr 


202 


CnnHtantin  Koenen: 


Mclioiiilich  oberer  Thcil  eine«  .ScIiIQiwcIm  wie  VIII,  22.  —  7>  Irdener 
Topf  wie  X,  4,  Ronriproftl  fthnl.  X,  o,  jedoch  ohne  Stäbeben, 
Bodenplatte  X,  i,  Verzierung  X,  26.  Die  Farbe  ist  blauschwarz, 
Thon  fest  gebacken.  Bemerkung:  Die  genannten  Sachen  schienen 
gestört  zu  sein,  wie  auch  das  ganze  Skelct,  welches  nach  seiner 
Lage  (unter  82)  älter  ist  als  voriges  Grab. 

Grab  83. 

Grube:  l.  2,69,  br.  1,60,  t.  2,10.    Inhalt  gänzlich  gestört. 

Grab  84  (Taf.  III). 

Grube:  unbestimmbar.  Als  das  Bonner  Provinzialmnscum  die 
Ausgrabungen  der  Frankengräber  vornahm,  wurde  ich  von  einem 
Manne  herangerufen,  welcher  südlich  der  Ausgrabestelle ,  auf  der 

Südseite  des  Umfassungagrabcns,  Parzelle  mit  dem  Fundament- 
auswerfen einer  Scheune  beschäftigt  war.  Daselbst  habe  ich  die 
Fundstelle  („Grab  84")  bezeichnet.  Es  fand  sich  hier  bei  einem 
von  Westen  nach  Osten  gerichteten  Skelct,  das  ich  persönlich  blos- 
legtc  und  Taf.  ITI,  9  nebst  Beigaben  abgebildet  habe,  folgendes: 
1)  Kette  aus  Sehmuckperlen  von  buntem  Glasschmelz,  von  mit 
Schmelzmasse  überzogenem  Thon  und  von  Bernstein,  abgeb.  III,  2. 
Lage :  Hals.  —  2)  Eiserne,  reich  in  Silber  tauschirte  S  c  h  e  i  b  e  n- 
fibel  mit  Mctalleinfassnng  und  fünf  Mctallknöpfen,  die  mit  kleinen 
Kreislinien  verziert  sind,  in  nat.  Grösse,  abgeb.  III,  3.  Lage:  Brust. 
—  3)  Mit  Oese  versehene  metallene  Heftspange,  in  natürl.  Grösse 
abgeb.  III,  7.  Lage:  neben  Nr.  2.  —  4)  K  c  1 1  e  aus  dickeren 
Schmnckperlen ,  darunter  die  III,  4  abgebildete  Bernstcinperle. 
Lage:  Lenden.  —  5)  Wirtel  aus  Bein,  abgebildet  III,  8  in  der 
Seitenansicht,  8a  Vorderansicht,  8b  Rückenansieht.  Lage:  auf  der 
Mitte  des  linken  Unterarmes.  —  0)  Metallene  Zierscheibe  nebst 
Bcineinfassung  und  anfliegendem  Beschlagstreifen  aus  Metall,  beide 
durch  kleine  Kreispnnkte  verziert;  eingefasst  ist  die  Scheibe  durch 
ciuen  Beinrand,  der  mit  Linien  verziert  ist.  Lage:  neben  linkem  Fuss- 
gelenk. —  6)  Irdenes  blaues  Thongefäss,  abgeb.  III,  1,  Profil 
des  oberen  Theiles  abgebildet  X,  c,  Bodenplatte  X,  k,  Verzierung 
III,  la;  h.  0,13,  5.  Lage:  neben  rechtem  Fuss.  —  7)  Scheibenför- 
miger Gegenstand  aus  Eisen,  stark  verrostet,  augenscheinlich  je- 
doch von  jeher  mehrfach  durchbrochen,  abgeb.  III,  5.    Lage:  un- 


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Aufdeckung  einer  vorgeaehiehtl.  Niederlassung  etc.  In  Meckenheim.  203 

hcHtimmbar,  da  vor  meiner  Anwesenheit  ans  Licht  geschafft.  He 
merknng:  das  Skelet  war  1,56  1. 

Grab  85  (slldöstl.  Grab  31  neben  Geuieindeweg  gefunden). 

Grube:  Grenzen  unbestimmbar.  Inhalt:  1)  Einschneidige« 
Knrzschwert  nebst  Lederresten  der  Seheide  und  Zicrkuöpfeu, 
sowie  kleinen  Zicrsriftchen,  ähnlieh  VIII,  14,  jedoch  ungewöhnlich 
langen  Griff  zeigend,  Schneide!.  0,33,  Schneidehr.  60  mm,  Griffl. 
(mit  Holzresten  desselben  im  Boden  gemessen)  0,51.  Lage:  mit 
dem  mittleren  Theile  auf  dem  Kopfe  des  linken  Oberschenkels 
und  von  dort  aus  mit  dem  Griff  nach  der  Mitte  oder  rechten  Seite  der 
Brust  hin  zielend,  wo  die  Griffspitze  dem  rechten  Armgelenk  gegen- 
über lag.  —  2)  Haarpincette,  ähnl.  VIII,  4,  auch  oben  kleine 
Ringelchon  zeigend,  Metall,  1. 12'/,  cm.  Lage:  die  Kneife  berührte  das 
änsserste  Ende  des  Griffes,  während  das  obere  Ende  nach  dem 
Brustbein  hin  gerichtet  war,  so  dass  das  Ringelchen  etwa  den 
schwertförmigen  Fortsatz  des  Brustbeins  berühren  mochte.  —  3) 
Breitaxt  aus  Eisen,  ähnl.  VII,  13,  Breite  vom  Axthelm  bis  zur 
Schneide  0,18,  Schneidet.  0,16.  Lage:  neben  dein  unteren  Theile 
des  rechten  Unterschenkels,  so,  dass  der  Griff  nach  oben  gerichtet  war. 
—  4)  Irdenes  gelbliches  Gefässchcn  in  Form  einer  kleinen 
Schale  mit  weit  ansgebogenem  Bande.  Lage:  oberhalb  des  unteren 
Endes  der  Breitaxt  Xr.  3.  —  5)  Conglomerat  von  zusammenge- 
rosteten  Eiscnsachcu  nebst  einigen  merowingischen  Gefässscherben. 
Lage:  neben  dem  Kopfe  des  rechten  Oberschenkels.  Es  könnte 
wohl  Pferdegeschirr,  Schildbuckelrest  und  Anderes  gewesen  sein; 
mit  annähernder  Wahrscheinlichkeit  konnte  jedoch  nichts  erkannt 
werden.  —  6)  Bein  kämm  mit  doppelter  Zahnreihe,  1.  0,12, 
br.  50  mm.  Lage:  auf  dem  unteren  Theile  des  Conglomcrates.  — 
7)  Zerbrochener  Merow ingertopf,  hlauschwarz,  fast  glänzend 
schwarz  gedämpft,  Form  wie  X,  4,  Bandproh'l  ähnl.  X,  m,  Boden- 
platte X,  i,  Verzierung  X,  14.  Lage:  auf  dem  Conglomerat.  Be- 
merkung: Das  Skelet  hatte  zwischen  der  Speiche  und  Elle  des 
rechten  Armes  ein  Stück  Eisen;  die  ganze  Länge  betrug  1,73  m. 

Grab  86  —  95. 

Ein  von  Grube  76  in  west  -  östlicher  Richtung  gezogener 
Graben,  der  den  Querdnrchschnitt  des  nachfränkischen  Wasser- 
grabens zeigte,  bot  folgende  Vorkommnisse:  Der  Graben  durch- 


204  Constanfin  Körnen: 

schnitt  mehrere  fränkische  Gräber,  die  al*  Beleihen  Eisenmesser- 
ehen aufwiesen,  also  wohl  der  jungten  Todtcnlagc  angehört  haben 
können.  Zwei  Skelette  lagen  1 ,70  m  tief.  Ein  drittes 
lag  1,80  tief.  Ein  vierte»  Skclet  lag  ebenfalls  1,80  tief,  je- 
doeh  hier  auf  einem  älteren  Grabe.  Ein  fünftes  Skelet  in 
1,80  m  Tiefe,  das  mit  Brandlage  hedeekt  war,  halte  Eisen- 
messcrehen  wie  IX,  15  bei  der  linken  Hllftseite  liegen.  Ein 
sechstes  Skelet,  ebenfalls  in  1,80  m  Tiefe  vorgefunden,  hatte 
ein  Kurzschwert  neben  sich  liegen  von  0,34  Schneide  und  0,15  Griff, 
dann  ein  Etscnmesscrcheii.  Ein  siebentes  Skelet  lag  2  m 
tief;  ebenso  tief  stiessen  wir  auf  ein  achte*  Grab.  In  2,40  m 
Tiefe  fanden  sieh  noch  Schädelreste.  Ein  neuntes  Skelet 
hatte  als  Beigaben  einen  doppclzeiligcn  Beinkamm,  wie  VIII,  21 
und  ein  Eisenmcsserchen  wie  IX,  15. 


Nachträge 

zb  den  Fuudberk  hten  Aber  die  Aufdeckung  der  vorgeschichtlichen 
Niederlassung  and  des  fränkischen  Gräberfeldes  in  Meckenheim. 


Meckenheim  wird,  wie  mir  Herr  E.  von  Ciaer,  clor  Sachkundige 
unserer  Laiidesgeschichte,  inittheilte,  zuerst  aufgeführt  in  einer  Schenkung 
des  Priesters  Heriger  an  das  Bonner  Kassiusslift  vom  Jahre  8T>4:  dono 
seu  et  trado  in  pngo  Tustenso,  in  villa  vel  uiarca  cjnae  dicitur  Meckeden- 
heim,  curtilcni  salaritiain  etc.  Die  Schenkung  erfolgte  unter  Erzbischof 
Gunthar  von  Köln  (850  bis  873),  und  an  demselben  Tage  (1.  Juli)  verlieh 
der  Erzbischof,  der  zugleich  Propst  des  Kassiusstiftos  war,  in  einer 
zweiten  Urkunde  das  Geschenk  als  Prlloarei  oder  zum  Niessbrauch  zu- 
rück.  Er  sagt  fast  mit  denselben  Worten:  „hoc  est  in  pngo  Tustonse  in 
villa  aut  marca  Melikedenlicitn.  Dieser  l'rkundc  gemäss  lagen  in  dem 
letztgenannten  Gau  auch  die  villa  Everesdorp  (Ersdorf)  und  die  villa 
Tutehoven  (Harle. ss,  Die  Grafen  von  Bonn  und  die  Vogtei  des  Cassius- 
stiftes.  Bonner  Festschrift  vom  Jahre  1868).  Der  Gau  war  also  in  der 
Frankenzeit  nach  dein  Flüsschcn  SchwLst  benannt,  an  welchem  Mecken- 
heim liegt.  Er  umfasste  den  östlichen  Theil  des  Kreises  Rheinbach;  nn 
der  Westgrenze  gegen  den  Eifclgau  grenzend,  gehörte  dazu  noch  die 
Waldinark  Hoenspalde,  an  welche  die  Hospelterliüfe  in  der  Bürgermeisterei 
Münstereifel  erinnern.    Er  war  ein  Uutergau  des  Bonn-  oder  Ahrgaue* 


Aufdeckung  einer  vorgeschichtl.  Niederlassung  etc.  in  Meckenheim.  205 

(1067  pagus  ßunnensis  et  Arensis).  Derselbe  bestand,  seinem  Doppel- 
namen gemäss,  aus  zwei  Tlieilen  unter  einem  Comitat ;  er  erstreckte  »ich 
von  Breisig  über  Franken,  Blasweiler,  Kesseling,  Lind,  Kuperatb,  Müd 
scheid,  an  Effelsberg  vorbei  auf  Kirchsaar,  Houverath  und  durch  die. 
Sürsch  auf  Rhcinbach,  Miel,  Heimcrzhcim,  Neukirchen  in  der  Swist, 
Metternich,  Weilerswist,  Roesberg,  Walberberg  und  Schwadorf  bis  Wesse- 
ling. Die  Sehwist  war  die  Grenze  zwischen  dem  Zülch-,  Bonner-  und 
Kölngan  (Annalen  IX,  S.  287,  XXI,  S.  1*5).  Der  Bonnergau  bildete  mit 
Eitel-,  Zülpich-,  Köln-  oder  Gilgau  und  dem  Nievenheimergau  das  Land 
der  Ripuarfrankcn  der  linken  Rheinseite  (Harles«  a.  a.  O.,  [Annalen  des 
histor.  Vereins  für  den  Niederrhein]  I,  S.  32).  Berücksichtigen  wir  die 
Schreibart  Meckenheims,  so  begegnen  wir  in  einem  Oiiterverzeichniss  der 
Abtei  Prüm  von  893  dem  Ort  unter  dem  Namen  „Mekcinhcim"  und 
„Mehcinheym".  Dieselbe  Abtei  besass  auch  Güter  zu  Meckenheim  bei 
Speyer  in  Rheinbayein  (in  pago  spirense  in  villa  scu  marca  quac  dicitur 
mekkimheim),  welche  sie  im  Jahre  831  vertauscht.  1128  wird  ein  Ort 
Meckenbach  (Mekkinbach)  bei  Achtvisbach  im  Birkenfeldischen  genannt 
(BHyer,  Mittelrhein.  Urkundenbuch  I,  S.  893,  831).  Das  Grundwort  „heim" 
liisst  mit  Sicherheit  auf  fränkische  Anwesenheit  schliessen;  es  ist  gleich 
mit  unserem  Wohnung,  Haus,  Dorf,  kurz:  Aufcnthaltsstelle,  Heimath,  Heim. 
In  der  Nähe  von  Münster,  so  sagte  mir  Gymnasialdirektor  Dr.  Tücking, 
befinden  sich  zwei  Bäche,  von  denen  der  kleinere  als  Lütgenbäck  von 
dem  grösseren,  der  Meckedenbttck  heisst,  unterschieden  wird.  Das  Be- 
stimmungswort könnte  somit  ebenfalls  wohl  fränkisch  sein  und  mit  dem 
deutscheu  „gross"*  ideutifleirt  werden,  so  dass  der  Name  Meckenheim 
„grosses  Heim"  bedeuten  würde,  von  Ciaer  sagt  in  seinem  Briefe 
(25.  Juni  1890)  mit  Recht,  Meckenheim  war,  als  es  1636  Stadtrechte,  Mauern 
und  Gräben  erhielt,  nach  dem  Weisthum  von  1421  damals  bereits  befestigt, 
denn  die  Lage  des  Dinghauses  des  Maricngrabenstiftes  werde  „supra 
fossatum  ville"  angegeben  (vgl.  Annalen  a.  a.  O.  XL1V,  S.  177,  185),  da- 
raus lasse  sich  eine  gewisse  Bedeutung  de*  Ortes  im  15.  Jahrhundert 
und  früher  nicht  verkennen.  Bestätigend  treten  hier  die  Ergebnisse  der 
Ausgrabungen  hinzu  und  die  Grabfunde  führten  uns  nicht  nur  den 
Hausrath  der  frllnkischen  Meckenheimer,  sondern  auch-deren  Tracht  vor 
Augen;  sie  machen  uns  auch  bekannt  mit  deren  religiösen  und  aber- 
gläubischen Vorstellungen,  geben  überhaupt  einem  Einblick  in  das  Denken 
und  Fühlen  derselben.  Wir  sehen,  dass  die  zuerst  angelegten  Gruben 
sich  von  den  späteren  durch  Grösse  und  Sorgfalt  ihrer  Anlage  auszeichnen; 
sie  reichen  im  Allgemeinen  bis  zu  bedeutenderer  Tiefe.  Sehr  häufig  hat 
man  bei  der  neuen  Beisetzung  die  alte  Grube  wieder  benutzt,  wenn  auch 
in  der  Regel  nicht  ganz  bis  zu  den  alten  Wänden  hin  ausgegraben. 
Vielfach  wurden  bei  solchem  Auswerfen  der  alten  Gruben  die  vorge- 
fundenen Kuochenreste  sorgfältig  bei  Seite  gelegt  und  neben  die  neuen 
Todten  auf  die  alte  Grubensohle  gelegt  Aber  es  wurden  vielfach  auch 
die  älteren  Gebeine  in  der  neuen  Grube  zerstreut  vorgefunden.  Häutig 
blieben,  je  nach  Anlage  der  neuen  Grube  einzelne  Theile  der  älteren 
Todten  in  ihrer  nrspünglichen  Lage  zurück.    Einige  der  Todtengruben, 


206 


Constantin  Können: 


die  anscheinend  zu  den  sich  der  karolingischeu  Zeit  nlthernden  gehörten, 
waren  ausgebrannt,  bevor  man  den  Todten  hineingelegt  hatte.  Die  vor- 
gefundenen Skelette  zeigten  eine  verhältnismässig  gute  Erhaltung;  sie 
lagen  —  soweit  sie  zu  dein  alteren  Bestandenes  Gräberfeldes  gehörten  — 
auf  dem  Kücken,  mit  den  Füssen  oder  vielmehr  dem  Antlitze  nach  Osten, 
lang  hingestreckt,  die  Küsse  neben  einander,  die  Anne  in  der  Kegel  an 
den  Seiten  ausgestreckt,  nicht  Uber  Kreuz,  manchmal  jedoch  augenschein- 
lich den  Griff  des  beigefügten  Schwertes  berührend.  Bei  den  Skeletten  auf 
der  Grubensohle,  nicht  in  den  höheren  Lagen  des  Füllgrundes  einer  Grube 
wurden  die  von  Menschenhand  angefertigten  Dinge,  oder  von  Menschen 
benutzten  Naturprodukte  angetroffen.  Alle  solche  Funde  entsprachen 
dem  Geschlecht  des  Verstorbenen;  Sachen,  welche  auf  irgend  einen  Be- 
ruf schliesscn  Hessen,  etwa  auf  einen  Zimmermann  oder  Schmied,  wurden 
indessen  nicht  vorgefunden.  Alles  Mitgegebene  lag  so,  wie  es  der  Ver- 
storbene bei  Lebzeiten  getragen  hatte  oder  wie  er  es.  falls  schlafend  in 
der  Grube,  liegend,  beim  Erwachen  am  schnellsten  und  bequemsteu  ge- 
brauchen konnte.  Das  erinnerte  an  die  nationale  Denkungsart,  wie  die 
Manner  da  lagen  in  vollem  Waffenschmucke,  die  Frauen  in  festlichem 
Gewände,  so,  als  ruhten  sie  in  der  Walhalla,  wo  sie.  bekanntlich  nach 
nordisch- germanischer  Vorstellung  jeden  Morgen,  wenn  sie  von  dem 
Hahne  mit  dem  goldenen  Kamme  geweckt  worden,  hinaus  auf  den  Plan 
zogen  und  kämpfend  einer  deu  Anderen  zu  Boden  streckten,  während 
als  Wnlkyren  sich  die  Frauen  erhoben  und  das  himmlische  Glück  ihrer 
kriegerischen  Helden  theilten.  Je  mehr  sich  die  Graber  der  karolingischeu 
Zeit  näherten,  desto  mehr  Hessen  die  Beigaben  nach,  so  dnss  fast  sämmt- 
liche  in  der  obersten  Lage  gefundenen,  in  dem  Situationsplanc  durch  die 
Skelette  angedeuteten  Todteu,  keine  Beigaben  oder  nur  ein  kleines  Eisen- 
messerchen  aufzuweisen  hatten. 

Männer,  Frauen  und  Kinder  lagen  nebeneinander,  Reiche  und 
Arme  in  denselben  Reihen.  Die  durchschnittliche  Länge  von  20  Ske- 
letten betrug  1,63,  ein  ausnahmsweise  grosses  Gerippe  hatte  1,85  in  Länge. 
Ueber  die  Schädel  urtheilt  Schaaf fhausen  (Correspondenz- Blatt  der 
Anthropol.  Gesellsch.  Jahrg.  1879,  S.  129)  wie  folgt:  „Ks  wurden  etwa 
30  ziemlich  vollständige  Schädel  gewonnen.  Es  sind  darunter  solche  von 
Greisen,  Weibern  und  Kindern.  Unter  30  von  mir  näher  untersuchten 
Schädeln  sind  fünf  weiblich,  fünf  sind  Stirnnahtschädel,  vier  ächte  Brachy- 
cephalen,  eiuer  ist  chamaecephal,  einer  ein  Makroeephalns,  die  übrigen  sind 
mesocephal  oder  dolichocephal,  sehr  rohe  Formen  sind  selten  darunter"  . . . 
»Recht  merkwürdig  ist  es  für  den  Ethnologen  und  Kraniologen,  dass 
unter  den  Germanen,  die  hier  bestattet  liegen,  ein  ächter  Makrocephalus 
sich  findet  von  jener  ausserordentlichen  Form,  die  durch  künstlichen 
Druck  hervorgebracht  ist,  mit  allen  Eigentümlichkeiten ,  die  wir  an 
diesen  Schädeln  kennen,  die  nach  dem  Berichte  des  Hippocrates  schon 
von  den  scythischen  Anwohnern  des  Schwarzen  Meeres  künstlich  hervor- 
gebracht wurden  und  die  in  Gräbern  der  Krim  auch  gefunden  worden 
sind.  Dieser  Schädel  zeigt  deutlich  den  Eindruck  zweier  Touren  der 
Binde,  er  ist  ungemein  leicht  und  dünn  und  da  sich  dies  häufig  findet, 


Aufdeckung  einer  vorgeschichtl.  Niederlassung  etc.  in  Meckenheim.  207 

ist  zu  vermuthcn,  dass  die  Zusamnienpressung  des  Schädels  auf  die  Ver- 
kleinerung der  ernährenden  Gefässc  einen  Einfluns  übt.  Hier  mochte  die  Ver- 
dünnung der  Knochen  auch  durch  das  Lebensalter  des  Schädels  zum  Theil 
hervorgebracht  sein,  denn  an  verschiedenen  Stellen  ist  die  Schädelwaud 
durchscheinend  oder  gar  durchbrochen."  Schaafhausen  Iwilt  diesen 
Schiide)  für  einen  Hunm-nschilde),  weil  derselbe  übereinstimme  mit  den 
Makrocephalen  der  Krim,  nicht  nur  in  der  ganz  übereinstimmenden  Ent- 
stellung des  Schädels,  sondern  auch  in  andern  anatomischen  Merkmalen; 
andererseits  hätten  gerade  in  der  Zeit  der  Anlage  unseres  Gruberfeldes 
die  Hunnen  ihre  Einfalle  in  Deutschland  und  die  Schweiz  bis  über  den 
Rhein  hin  gemacht 

Die  Todtenskelette  ruhten  zumeist  auf  der  Grabensohle  ohne  jed- 
wede Spur  einer  künstlichen  Umhüllung,  fanden  sich  jedoch  auch  zwischen 
aus  Felsen  gespaltenen  Tafeln,  in  sogennnnten  Plattcnkanuneru  aus  Sand- 
stein vor;  eine  dritte  Art  der  Beisetzung  zeigte  den  Verstorbenen  von 
einem  eisenbeschlagenen  Brette  schützend  bedeckt;  Eisenbesehbigstücke 
oder  Nägel,  welche  auf  eigentliche  Holzsärge  schliessen  lassen,  wurden 
nicht  beobachtet.  Dahingegen  waren  mehrere  Gruben  ausgebrannt,  jedoch 
fanden  sich  weder  in  diesen,  noch  in  einer  der  anderen  Gruben  Scherben, 
welche  an  absichtlich  zur  Sühne  zerschlagene  Gelasse  «rinnem.  Todten- 
opfer  wurden  überhaupt  nirgendwo,  ebensowenig  wie  sichere  Zeicheu 
einer  Mitgabe  von  Speise  und  Trank  beobachtet.  Jedoch  fanden  wir  in 
einem  Grabe  zwei  mitbegrabene  Hunde  und  in  einem  Männergrabe  sind 
zusammengerostete  Eisentheile  gefunden  worden,  die  möglicherweise  von 
Pferdegeschirr  hergerührt  haben  können.  Dann  fehlten  kaum  in  einem 
der  Gräber  der  Beinkamm  und  fast  alle  die  Älteren  Gräber  hatten  ein 
Thongefäss  aufzuweisen,  welche  letzteren  Gegenstände  jedoch,  nach  der 
heutigen  Ortsitte  zu  schliessen,  wohl  eher  auf  Geschirre,  deuten,  die,  bei 
der  l^eichenreinigung  benutzt,  aus  Pietät  mitgegeben  wurden.  Ver- 
schiedene der  Todten  zeigten  Münzen  und  andere  Sachen  in  der  Gegend 
de«  GUrteltäschchens:  einmal  begegneten  wir  in  der  Mundgegend  des 
Todten  einer  Goldmünze  des  6.  Jahrhunderts;  ob  dieselbe  auf  Fortbestand 
der  römischen  Sitte,  dem  Todten  eine  Münze  für  den  Fährmann  der 
Unterwelt  mitzugeben,  deutet,  oder  aber  ob  sie  zum  Schliessen  des 
Mundes  oder  der  Augen  Verwendung  gefunden,  litsst  sich  nicht  ent- 
scheiden, das  Eine  wie  das  Andere  ist  möglich. 

Wo  sich  viele  Sachen  in  einem  Grabe  fanden,  war  die  Ausführung 
der  einzelnen  Gegenstände  eine  bessere;  bei  Gräbern  mit  wenigen  Bei- 
gaben war  auch  die  Ausführung  der  letzteren  in  der  Regel  von  geringerem 
künstlerischen  Werthe.  Auch  in  einem  Falle,  wo  ein  Verstorbener,  der 
an  und  für  sich  den  späteren  Beisetzungen  zuzuschreiben  war,  eine 
reiche  Ausstattung  aufwies,  war  diese  schlicht  in  der  Ausführung  ihrer 
Einzelheiten. 

Leider  sind  durch  Grabräuber  viele  Todtengruben  geöffnet  und 
ihres  Inhaltes  beraubt  worden;  es  waren  jedoch  gerade  die  Gräber  mit 
Steinsärgen,  welche  augenscheinlich  den  vornehmsten  Todten  angehörten, 
beraubt  und  auch  einige  in  freier  Erde  errichtete,  zweifellos  ehemals 


208 


Constantin  Roenen: 


reich  ausgestattet«1  Grabe r.  Es  müssen  diese  durch  irgend  ein  Äusseres 
Zeiehen  bekannt  gewesen  «ein,  denn  die  Nachhargrilber  geringeren  In- 
haltes waren  unversehrt  geblieben.  Nur  in  der  Nahe  des  Stadtgrabens 
waren  auch  Gräber  gewöhnlichen  Inhaltes  gestört  worden;  allein  dies 
geschah  offenbar  im  lß.  Jahrhundert  bei  Anlage  des  Stadtgrabens.  Die 
Arbeiter  mussten  das  Gräberfeld  durchschneiden  und  mögen  Werthvolles 
gefunden  haben. 

2.  Karolingische  (Jcfässreste  aas  «Jen  Meckenhoioior  Gräberu 

and  Töpfereien. 

In  dem  Füllgrunde  des  auf  dem  Sitnationsplan  Taf.  I  gezeichneten 
Grabens  wurden  zahlreiche  Gefttssscherben  vorgefunden,  nnd  zwar  bis 
zu  der  in  3,00  m  angetroffenen  Sohle.  Unter  den  Scherben  befinden  sich 
solche  der  karolingischon  Relief  baiidschniuckainphoren  ,  wie  X,  31, 
welche  ich  (Westdeutsche  Zeitschrift  VI,  Taf.  XI)  in  ganzer  Gestalt 
wiedergegeben  und  (a.  a.  O.  S.  302)  als  in  der  ersten  Hälfte  «les  !).  Jahr- 
hunderts beigesetzt,  erklären  konnte.  Ausserdem  fanden  sich  mehrere 
kleine  blaugraue  kugelige  Gcfilssc  und  zahlreiche  Bruchstücke  von 
Topfen,  welche  die  ersten  Spuren  von  Gurtfurchen  und  die  Wellenplatte  d«-s 
Bodens,  kurz  jene  späteren  Eigenthümlichkeiten  von  Scherben  alter  Mecken- 
heimer Topfenden  zeigen,  die  ich  (u.  a.  O.)  als  in  den  Normannenzügen 
vom  Jahre  HK1  zerstört  und  aufgegeben  bezeichnet  habe.  Ks  wäre  nicht 
unwahrscheinlich,  dass  eine  Verfolgung  des  Grabens  auf  eine  Anlage  aus 
der  Zeit  der  Norinanncnzügc  führen  könnte.  Vielleicht  haben  wir  es  mit 
einem  damals  errichteten  Zulluasgrabeu  zur  alteren  Ortsbefestigung  zu 
tlmn.  Natürlich  musste  damals  das  Toiltenfeld  als  Begrabnissstiltte  auf- 
gegeben worden  sein.  Auch  in  einer  Tiefe  von  0,30  bis  0,80  m  unter  der 
Oberfläche  der  übrigen  Theile  des  Todtenfeldes  fanden  sich  zahlreiche 
Gefltssscherben,  die  mit  den  Grabern  selbst  nichts  zu  schaffen  hatten. 
Es  rührten  dieselben  zumeist  von  den  Meckenheimer  fränkischen  Töpfe- 
reien her,  die  nordöstlich  des  Graberfeldes  in  der  näheren  Umgebung 
des  Ortes  bestanden  haben.  Mehrere  Scherbenberge  sind  noch  jetzt  dort 
vorhanden.  Scherben  daher  lassen  sich  auch  in  weiter  Verbreitung  ent- 
lang der  Strassen  und  des  Schwistbaches  verfolgen».  Dieae  Gefasse  von  blau- 
grauer,  gelber,  blauschwarzer,  schwarzer  und  auch  wohl  mehr  oder  weniger 
brauner  Farbe  sind  so  hart  gebacken  wie  unser  Steingut  ;  sie  zeigen  zu- 
meist die  ersten  Spuren  von  scharfkantigen  Gurtfurchen  und  die  wellen- 
förmig ausgebogene  Bodenplatte  in  ihren  ursprünglichen,  ebenfalls  mehr 
scharfkantigen  Biegungen.  Die  Halm-ander  sind  entweder  wie  X,  in,  falls 
man  sich  das  Stabchen  wegdenkt,  oder  wie  X,  a,  oder  aber,  sie  führen 
mehr  oder  weniger  jene  scharfkantige  Modellirung  vor,  wie  X,  h.  Viele 
der  Töpfe  haben  eine  cylindrische  Form,  sind  von  oben  bis  unten  mit 
scharfkantigen  Gurtfurchen  bedeckt,  sehliessen  unten  mit  einer  rohen 
Wellenplatte  ab  und  oben  mit  einem  scharfkantigen  Randprofil.  Im  All- 
gemeinen hat  diese  Waare  mit  ihren  vielfachen  Unebenheiten  und  schlichten 
Formen,  besonders  die  mehr  oder  woniger  sich  der  C\  linder-  oder  Kugel- 


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Aufdeckung  einer  vorgeschichtl.  Niederlassung  etc.  in  Meckenheim.  209 


form  nähernde,  etwas  sehr  Rohes  und  erinnert  an  den  gänzlichen  Ver- 
fall der  alten  Keramik.  Von  Farbengebung  ist  keine  Rede,  da«  heisst, 
wenn  man  von  dem  durch  Dämpfen  bewirkten  Anschwärzen  vieler  dieser 
Erzeugnisse  absieht.  Glasur  fehlt  ebenfalls  hei  diesen  Arbeiten,  kurz, 
es  ist  eine  besondere  Gruppe  von  Gelassen,  welche  ich  bereits  in  der 
Westdeutschen  Zeitschrift  VI,  S.  362  und  363  in  das  Ende  des  neunten 
Jahrhunderts  setzen  konnte.  Diese  Gcfässformen  fehlen  unter  den  in 
dem  Füllgrunde  der  Mcekenheiiner  Fraukengrilber  angetroffenen  zahl- 
reichen Gefassscherbcn  gänzlich.  Es  wurden  solche  nur  in  dein  Füll- 
gruude  des  Grabe*  10  angetroffen.  Dieses  Grab  gehört  aber  schon  seiner 
Lage  nach  in  eine  Zeit  nach  Aufgabe  de«  Gräberfeldes.  Das  Gräber- 
feld wurde  also  zu  Ende  des  9.  Jahrhunderts  nicht  mehr  als 
solches  benutzt,  denn  wäre  es  benutzt  worden,  so  würden 
jene  zahlreich  auf  der  Oberfläche  vorhandenen  Scherben  in 
den  Füllgrund  der  Gruben  gelangt  sein. 

In  einer  Tiefe  von  0,90  bis  zu  1,30  fanden  sich  wieder  andere  und 
zwar  etwas  ältere  Gefässreste.  Dieselben  sind  ebenfalls  zumeist  steingut- 
artig hart  gebrannt,  allein  sie  haben  eine  mehr  glatte  Oberfläche;  ihre 
Farbe  ist  zumeist  gelblich,  auch  wohl  röthlich  grau,  graugelb,  es  kommt 
auch  das  Graublaue,  seltener  das  Schwarzfarbene  bei  diesen  Arbeiten 
vor.  Die  Kandprofilc  nähern  sich  mehr  den  Formen  Taf.  X,  f—  X,  i. 
Die  Henkel  haben  etwas  breit  Gedrungenes,  sind  etwas  gerippt,  wenigstens 
selten  *glatt  und  gehen  zumeist  von  dem  oberen  Raudprofil  aus,  um  steh 
dann  unterhalb  wieder  breit  gedrückt  anzusetzen.  Glatte  eiförmige  und 
kugelige  Töpfe  finden  sieh  auch,  aber  die  letzteren  zeigen  wohl  stets 
eine  horizontale  Abplattung,  als  habe  man  das  Gefäss  zuerst  kuglig  ab- 
gedreht und  dann  das  Kuglige  etwas  geglättet.  Die  meisten  der  Boden- 
platten sind  wie  X,  i,  jedoch  steigt  die  Wand  noch  mehr  liegend,  sich 
dem  Kugligen  nähernd,  aufwärts.  Als  charakteristisches  Ornament  finden 
sich  X,  30  mit  den  flachen  scharfkantigen  Grübchen  in  mehr  länglich 
viereckiger  Form,  dann  Reliefgnrtband Verzierungen  wie  X,  31,  ferner 
die  Wellenlinie  wie  X,  20.  Bei  der  vorletzten  Art  ist  es  sehr  bezeich- 
nend, dass  diese  Grübchen  sich  über  die  Hohlkehle  des  Halses,  ja  bis  auf 
den  oberen  Rand  hin  vertheilt  finden  und  oft  eine  mehr  pyramidale  Form 
annehmen.  Vielfach  fallen  die  dünnen  steinharten  Wände  dieser  Arbeiten 
auf  und  eigenartig  ist  oft  ein  leichter  üeberzug,  der  die  manchmal  ge- 
körnte Oberfläche  bedeckt  und  in  den  sich  die  Poren  der  Finger  leicht 
abgedrückt  haben.  Die  letzteren  Arbeiten ,  wie  auch  die  Reliefband- 
gefässe  sind  in  der  Regel  nicht  steinfest  gebrannt,  sondern  mehr  wie  die 
römischen  irdenen  Geschirre.  Es  sind  diese  Getässe  also  solche,  neben 
denen  auch  die  mit  netzförmig  oder  rautenartig  gelegten  leichten  Einglät- 
tungen  versehenen  vorkommen  und  zwar  unter  Umständen,  welche 
ich  in  der  Westdeutschen  Zeitschrift  a.  a.  O.  in  die  frühkaro- 
lingische  Zeit  setzen  konnte.  Da  nun,  wie  im  Verfolge  dieser 
Arbeit  zu  erkennen  ist,  einzelne  dieser  Art  von  Gefässscherben  in  der 
obersten  Todtenlage  und  in  dein  durch  Grabraub  gestörten  Füllgrund 
der  Gruben  angetroffen  wurden,  haben  wir  allen  Grund  zu  der  Annahme, 
Jiitirb.  d.  Vor,  v.  AU.  i  UHfr.  Im  K1u  i.il.  XCIt.  H 


Constantin  Koenen; 


dass  die  oberste  der  drei  Todteulagen  und  mit  ihr  der  Grab- 
raub  bis  in  die  frü  hkarolingischc  Zeit  hinein  reicht.  Dazu 
paust  auch  die  karnlingischc  Münze  V11T,  9,  welche  in  Verbindung  mit 
jenen  Scherben  in  dem  Füllgrund  einer  der  jüngsten  Gruben  angetroffen 
wurde. 

Es  scheint  mir  so,  als  habe  das  von  Carl  dem  (»rossen  im  J.  786 
auf  der  jilhrlichen  grossen  Kciehsversaminlung  in  Paderborn  den  Sachsen 
gegebene  Gesetz,  bei  Todesstrafe  das  Festhalten  heidnischer  Anschau- 
ungen und  Gebrauche  zu  unterlassen  und  die  Todten  nicht  mehr  auf  den 
heidnischen  BcgrkbiiissplHtzcn,  sondern  auf  den  christlichen  Kirchhöfen 
zu  begraben,  als  hätten  ferner  die  bereits  im  Jahre  771  auf  der  Synode 
in  Neueking  von  Carl  dem  Grossen  erlassenen  zahlreichen  Verordnungen 
gegen  den  Diebstahl,  dein  Begraben  auf  dem  Meckenheimer  Graberfelde 
und  der  Mitgabe  von  Waffen  und  Schmuck,  sowie  endlich  auch  dem 
Grabraub  ein  Ende  bereitet.  Es  bleibt  ferner  zu  berücksichtigen,  dass 
auch  gegenüber  der  Beisetzung  von  mehreren  Todten  in  ein  und  der- 
selben Grubo,  wie  dieses  in  vielen  Meckenheimer  Grabern  vorliegt,  die 
lex  salica:  „si  quis  hominem  mortuuin  super  alterinn  in  petra  aut  in 
naufo  miserit''  nicht  wirkungslos  gewesen  sein  kann;  denn  es  bezieht 
sich  diese  Straf bestimmung  offenbar  nicht  allein  auf  die  Beisetzung  eines 
zweiten  Todten  in  einen  bereits  belegten  Holz  oder  Steinsarg,  sondern 
sie  wird  auf  die  GrUber  überhaupt  bezogen  worden  sein. 

Bezüglich  der  Zeitteilung  der  älteren,  unteren  Todtonlage"  bleibt 
hervorzuheben,  dass  hier  siimmtliche  Eigenthümlichkeiten  fehlen,  welche 
die  ältesten  Frankengräber  des  Kirchberges  von  Andernach  gegenüber 
denjenigen  vom  Burgthor  zu  Andernach  als  frühmerowiugisch  kenn- 
zeichneten: Spatrümischc  Perlentypcn,  wie  die  von  mir,  Jahrbuch  Heft 
LXXXVI,  Taf.  XI,  Fig.  6  und  Fig.  7,  dargestellten,  fehlen  in  den  Mecken- 
heimer Frankengriibern ;  es  fehlen  ferner  Ketten  von  mit  hraunrother,  mit 
weisser  und  schwarzer  Welleneinlage  und  gelbem  Farbbande  versehenen 
Perlen,  wie,  solche,  anlehnend  an  die  spätröinischcn,  für  das  Kirchberger 
Gräberfeld  charakteristisch  sind  (vgl.  Jahrb.  a.  a.  O.,  Taf.  XII,  Fig.  50). 
Es  fehlen  ferner  die  auf  dorn  Martinsberg  vorgefundenen  Kurzschwerter 
mit  Parirstange  (a.  a.  O.  Fig.  6),  der  breite,  sich  dem  römischen  Dolche 
nähernde  Dolch  (a.  a.  O.  Fig.  7),  es  fehlt  die  eigenartige,  an  «las  Römische 
erinnernde  Lanzenform  (a.  a.  O.  Fig.  10),  dann  das  mit  orientalischen 
(.rannten  versehene  Schmuckstück  in  Vogelgestalt,  die  für  die  Frühzeit 
so  bezeichnende,  mit  Granatphittchen  besetzte  Scheibe  (a.  a.  O.  Fig.  26) 
und  Gürtelschnalle  (a.  a.  ü.  Fig.  24  und  25),  wohingegen  alle  Typen  der 
Waffen-  und  Schmuekgeriithe  sow  ie  die'  Thongefässe  vorgekommen  sind, 
welche  auf  dem  Gräberfeld  vom  Burgthor  in  Andernach  angetroffen 
wurden.  Die  in  unserem  Gräberf'clde  in  den  unteren  Todtenlagcn  ge- 
fundenen irdenen  Geschirre  haben  die  grösste  Aehulichke.it  mit  denjenigen 
des  Beckumer  Gräberleides.  Die  Gefässe  Taf.  X,  Fig.  4,  6,  10,  29  sind  mit 
den  in  der  Zeitschrift  f.  vaterl.  Gesch.  und  Alterthumsk.  3.  Folge.  B.  5, 
S.  381—  38«  besprochenen  und  Taf.  II,  5,  35,  25,  65  abgebildeten  nahezu 
identisch.  Da  nun  die  Beckumer  Gräber  aus  guten  Gründen  von  Bnrggrcv« 


Aufdeckung  einer  vorgeschicht).  Niederlassung1  etc.  in  Meckenheim.  211 


in  die  Zeit  um  6ä0  bis  <?J*0  genetzt  werden,  so  greifen  wir  schwer- 
lich fehl,  wenn  wir  weniger  die  altere,  als  vielmelir  die 
mittlere  und  spHtere  Merowingerzeit ,  als  die  der  Anlage 
nnserer  beiden  alteren  Todtenlagen  betrachten  und  die  An- 
fange- der  Beisetzung  nicht  über  das  6.  Jahrhundert,  also 
die  Zeit  hinaus  rücken,  in  welche  die,  in  einem  Grabe  der 
untersten  Lage  a nget-roflVnc  Goldmünze  gehört.  Der  Ort 
Meckenheim  hat  gleich  den  Gräbern  also  schon  vor  der  ersten  urkund- 
lichen Nachricht  des  Jahres  854,  nachweislich  bereits  in  der  Merowinger- 
zeit bestanden. 

«.  Die  ZeitHtallnng  der  Mcrkenheinier  vorgeschichtlichen  Ansiedelung. 

Sehen  wir  uns  nach  vorgeschichtlichen  Funden  um,  welche  mit  denen 
der  Meckenheimer  Ansiedelung  verglichen  werden  können,  so  werden 
wir  zunächst  zn  den  Höhlcnfnnden  von  Stecten  an  der  Lahn  geführt. 
Hier  fanden  sich  sowohl  Scherben  der  unverzierten,  mit  warzenförmigen 
Au8iitzen  versehenen  Gefilsse,  als  auch  solche  mit  Schnurnesen.  Neben 
den  unverzierten  wurden  jedoch  auch  verzierte  angetroffen.  Ein  Topf 
zeigt  bis  zu  2  mm  Tiefe  eingeritzte  Striche.  Auch  sind  einige  der 
Steetener  Topfornamente  mit  weissem  Thon  ausgefüllt  (vgl.  v.  Co  hausen 
und  Schaafhausen  Annal.  d.  Nas.s.  V.  f.  Gesch.  und  Alterthumsk.  XV, 
304.  XVII,  73).  Denselben  Gefrtsstvpus  fand  v.  Cohausen  in  den  Brand- 
gruben alter  Wohnpliitze  ain  Ithein  bei  Schierstinn,  am  Landgraben  bei 
Mosbach,  an  der  Stelle  des  neuen  Archivgebaudes  und  der  Villa  Bertuch 
bei  Wiesbaden;  auch  hier  zeigten  sie  sich  in  Verbindung  mit  kessei- 
förmigen Brandgruben  neben  Feuersteinspahucn  und  Stücken  Lehm, 
von  denen  einige  mit  Flechtwerk  -  Abdrücken  versehen  sind  (a.  a.  O. 
S.  337  und  S.  380).  Wir  finden  sie  in  ihren  verzierten  Arten  wieder  in 
einem  Grabe  bei  Nieder-Ingelheini  (vgl.  Schaafhausen,  Bonner  Jahrb. 
H.  XLIV  und  XLV  S.  113)  und  in  einem  solchen  von  Ober-Ingelheim, 
Archiv  f.  Anthrop.  III,  S.  131.  Im  Wormsor  Museum  sind  solche  aus  dem 
Grabfeld  bei  Albsheim  a.  d.  Eis.  Es  besitzt  das  Komisch-Germanische  Centrai- 
museum in  Mainz  solche  Gefasse  aus  Oberolm,  Nierstein  und  ein  reich  ver- 
ziertes au»  Rheinhessen.  Die  grösste  Ausbeute  brachte  diesem  Museum  das 
Grabfeld  vom  llinkelstein  bei  Monsheim  (vgl.  Linde  nschmit,  Archiv  f. 
Anthropologie  B.  3,  S.  112).  An  diesen  Fund  schliesst  sich  noch  «'in  Einzctgrab 
von  Kirchheim  (Mehlis,  Grabfund  aus  der  Steinzeit  von  Kirchheim,  Dürkheim 
1881)  an.  Das  Wiesbadener  Museum  besitzt  endlich  noch  solche  von  Nieder- 
walluf, die  dort  18H3  gegenüber  der  Station  gefunden  wurden,  zusammen  mit 
Feuersteinmessern  und  „Knochcnsteehcrn",  sowie  der  „Schale  einer  bei  uns 
ausgestorbenen  Flussmuschel,  Unlo  sinuatus".  Merkwürdig  ist  eine  in 
demselben  Museum  ausgestellte  Schnuroese  des  Meckenheimer  Typus,  in 
welcher  ein  kleines  Eiscnmesscr  festgerostet  haftet!  Dieselbe  wurde  in 
dem  xur  Steetener  Höhlengruppe  gehörenden  Wildkeller  gefunden.  Gegen- 
über diesen  Funden  bleibt  die  Thatsache  zu  beachten,  dass  keine  der 


212 


Constantin  Koenen: 


Mcckeuheimer  vorgeschichtlichen  Scherben  irgend  welche  Spur  von  Ver- 
zierungen aufzuweisen  hat  und  dass  auch  in  der  Form  und  Henkclver- 
theilung  unseres  Topfes  Tat*.  II.  f>  sieh  eine  Abweichung  kund  giebt.  Ks 
stimmt  nämlich  der  Topf  Taf.  II,  5  mit  dem  von  Dupont  als  ältestes 
l'ehcrbleibsol  der  Töpferkuust  aus  der  Rennt hierzcit  betrachteten  schwarzen 
Schnurvasentopfe  aus  dein  Trou  du  Frontal  überein,  nur  ist  dieser  unten 
abgerundet  und  hat  nur  zwei  Oesen,  Mein,  de  l'acad.  de  Belg.  1SG7,  Fl. 
IX.  f>,  m)  dass  es  den  Anschein  hat,  als  sei  der  mit  phantastischer  Orna- 
mentik ausgestatteten  Töpfcrwaare  von  Monsheim  u.  a.  »  I.  eine  schmuck- 
lose vorausgegangen,  welche  hier  am  Rhein  neben  den  einfachsten  neoli- 
thischcn  Steingerilthen  vorkomme.  In  diesem  Falle  wäre  jene  Ornamentik 
nur  ein  lokales  Vorkommen.  Da  weder  bei  den  Monsheimer  noch  bei 
den  gleichartigen  übrigen  rheinischen  Funden  irgend  eine  Spur  von 
Metallgeriithen,  sondern  nur  ungeschliffene  und  die  einfachere-  Art  der 
geschliffenen  Slcingeräthc  vorgekommen  sind,  so  muss  man  dem  Volke  die 
allgemeine  Benutzung  von  .Metallgeriithen  absprechen.  Ks  lässt  sich 
allerdings  trotzdem  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  zu  dieser  Zeit  andere 
Völker  die  Metalle  kannten  und  allgemein  benutzten,  ebenso  dass  selbst 
diesem  Volke  Melallsachen  nicht  gänzlich  fremd  waren.  Ist  doch,  wie 
mir  noch  kürzlich  Herr  Professor  Dr.  \Yi  ed  ema n  n  mittheilte,  das  Kisen, 
wie  überhaupt  der  Gebrauch  der  Metalle  in  Aegypten  so  alt,  wie  die 
«gyptische  Geschieht«*  selbst.  Unmöglich  ist  es  daher  nicht,  dass  auch 
das  Kisenmesser  der  Wiesbadener  Schnurvase.so  alt  ist,  wie  die  letztere 
selbst.    Die  Wissenschaft  hat  eben  mit  jeder  Möglichkeit  zu  rechnen. 

Es  findet  sich  dieselbe  Keramik  auch  in  Trichtergruben  und  alten 
Hcerdstätteu  bei  Schinditz,  Allstedt  (S.  Weimar),  Taubnch  (vgl.  K  1  o  p- 
fleisch  in  den  Vorgeschichtlichen  Alterthümern  der  Provinz  Sachsen, 
Heft  I,  Halle  18K6).  Wie  im  Trou  du  Frontal,  so  wurden  solche  auch  in 
einer  Höhle  von  Rochefort  (Ervethal)  vorgefunden  (im  Geolog.  Prähist. 
Museum  zu  Dresden).  Sie  finden  sich  überhaupt  in  ganz  Westeuropa. 
Bezeichnend  für  diese  Culhirgruppe  sind  in  demselben  Verbreitungskreise 
die  Trichter-  oder  Kesselgruben,  sowie  die  hockend  beigesetzten,  zumeist 
dolichocephalen  Todten  mit  den  roheren  polirten ,  den  eigenartigen 
„schuhleistcnförmigen  Steinkeilon",  den  „länglichen  viereckigen  Stein- 
gerathen aus  rothem  Sandstein  mit  einer  Langsrinne,  welche'  wahrschein- 
lich zum  Glatten  von  Pfeilschaften  gedient  haben*  (Voss,  vorgeschichtl. 
Altert  Ii.  d.  Mark  Brandenburg,  Berlin  1890,  S.  6),  und  den  schlanke- 
sten,  sorgfältigst  bearbeiteten  geschlagenen  Steingerathen,  den  Thon- 
gefässen  in  Cylindcr-  und  Kugelgestalt  mit  Schnurüsen  und  Warzen  ;  zu 
diesen  gesellen  sich  Halsketten  aus  Meermuschel  -  Gehäusen  und  aus 
Thierzahnen  (vgl.  Linden  s  c  Ii  mit,  Zeitschrift  zur  Erforschung  der 
Rheinischen  Geschichte  und  Alterthümer  zu  Mainz,  Band  H,  Heft  1,  Mainz 
186*,  S.  1  u.  flgd.,  Taf.  II)  und  rohe  Gctreide-Reibsteinc  (a.  a.  O.  Fig.  16). 
Bezüglich  der  Schädel,  welche  als  eigentliche  Trager  dieser  Cultur  in 
den  verschiedenen  sicher  bestimmten  rheinischen  Gräbern  vorgefunden 
wurden,  erfahren  wir  das  Folgende  :  „Die  schmale  hohe  Form  mit  stark 
vorspringenden   Scheitelhöckern  '.des  Kirehheimer  Schädels;   weicht  von 


Aufdeckung  einer  vorgeschichtl.  Niederlassung  etc.  in  Meckenheim.  21.1 

der  gewöhnliehen  Form  des  Gcrmancnschitdcls  ah,  die  wir  au*  den 
Reihengrabern  kennen  und  nlthert  »ich  mehr  dein  Typus  einiger  heutigen 
rohen  Rassen.-  (Schaa  ffhausen,  Corrcsp.-Bl.  d.  Anthrop.  G.  XII.  Jahrg., 
Nr.  8,  S.  57).  „Her  Nieder  -  Ingelhcimer  Schädeltypus  hat  damit  grosse 
Achnlichkeit*  (S  c  h  a  a  f  f  h  a  u  s  e  n  a.  a.  O.).  „Der  Monsheiiner  Schädel- 
typus zeigt  nach  Kcker  dieselbe  schmale  lange  Form  wie  der  Nicder- 
lngelheimer".  „Die  schmalen  Schitdel  von  Höchst-Stccten  dürfen  mit  den 
vorliegenden  verglichen  werden"  (S  c.  h  a  a  f  f  h  a  u  s  e  n)  .  .,  „mit  der  vor- 
germanischeu  mongoloiden  oder  finnisch  -  lappischen  Kasse  haben  die 
Ingelheimer  und  Kirchheimer  Schitdel  keine  Verwandtschaft"  (Schaaff- 
hausen).  Bezüglich  der  Steetener  Schitdel  hebt  Sc  Ii  a a f  fh  a u  sc  n  noch 
hervor,  dass  sie  eine  auffallende  Aehulichkeit  mit  den  von  Broca  be- 
schriebenen Schadein  aus  iler  Rennthierzeit  /.eigen.  Auch  manche  Eigen- 
thümlichkeitcu  der  Skelettheile  stellten  die  Leute  von  Steeten  an  die 
Seite  der  Bewohner  des  Thaies  du  Vczerc.  Das  grosse  Schädel voluinen 
sei  vereinigt  mit  Zügen  der  Hoheit  der  Sehfldclhildung  in  beiden  Fallen, 
eine  auffallende  Erscheinung.  Die  tief  eingesetzte  Nasenwurzel,  die 
starken  Brauenwülste,  die  vorspringende.  Nase,  die  niedrige  Form  der 
Augenhöhlen,  die  schief  von  aussen  nach  innen  oben  abgeschliffenen 
Zahne  eines  prognatheu  Oberkiefers,  das  vorstehende  Kinn,  seien  die 
übereinstimmenden  Züge  einer  von  dein  Lahngebiet  bis  nach  Frankreich 
vertretenen  Rasse  der  Vorzeit;  die  Schädel  seien  dolichocephal  oder 
mesocephal.  Die  Brachycephalie  eines  dieser  Schade!  billige  möglicher 
Weise-  damit  zusammen,  dass  er  hu  Grabe  verdrückt  sei,  Annalen  des 
V.  f.  nam  Alterthumsk.  XVII,  1882,  S.  25.  » 

4.  Die  Zeltstelinng  und  archaeologlsche  Bedeutung  eines  angeblich  in 
Meckenheim  gefundenen  geschweiften  Bechers. 

(Taf.  I,  Fig.  10.)  >) 

Wie  die  Meckenheimer  vorgeschichtliche  Ansiedelung  so  tritt  auch 
diese  Vase  in  ein  ganz  anderes  Licht  bei  einem  Vergleiche  derselben 
mit  Ähnlichen  Funden.  Rheinaufwiirts  stellt  sich  uns  zunächst  die  Gegend 
von  Andernach  als  Fundstelle  eines  geschweiften  Bechers  vor.  Derselbe 
wurde  etwa  200  Schritte,  vom  Bahnhof  Neuwied -Weissenthurm  unter  der 
grauen  vulkanischen  Sandscbicht  einer  Bhnssteingmbe  gefunden  (vgl. 
Schaafhausen,  Verh.  des  naturhist.  V.,  Bonn  1HK1,  S.  .19;  B.  d.  An- 
thropol.  Vor.  in  Trier,  188.1,  S.  121;  Jahrb.  d.  V.  v.  Alterthumsfr.  LXXXV1, 
Bonn  1H88,  S.  1).    Das  Gefiiss  von  Weissenthurm   hat  dieselbe  Form,  ist 


1)  A nni erkling  der  Redaclion:  Der  bechertörmige  Topf  Nr. 
1505  des  Provinzial  -  Museums  in  Bonn  ist  von  Herrn  Professor  aus'm 
Weerth  bei  Herrn  Antiuunr  Haustein  in  Bonn  gekauft  worden  und 
sollt«  angeblich  aus  Meckenheim  stammen.  Nach  einer  «lein  Herrn 
Muscums-Director  Klein  bei  Uebernahme  der  Saminlung  gemachten 
Mittheilung  ist  derselbe  in  Andernach  gefunden  worden.  F.inige  neuere 
mit  ihm  nahe  Übereinstimmend«;  Funde  in  Urmitz  machen  dies  sehr  wahr- 
scheinlich. 


* 


214 


Constantin  Koonen: 


it' K  f  nur  durch  drei  nicht  einmal  parftlle-1  laufende  Kehlungen  oder 
Striche  in  der  roheren  Weise  verziert.  In  der  Grösse  stimmt  es  nahe 
mit  dem  Meckenheimer  Becher  üborcin,  in  der  Höhe  ist  nur  ein  Unter- 
schied von  5  mm  und  im  oberen  Durchmesser  von  lVj  cm.  Das  von 
Weissenthurm  ist  lt>Ti>  hoch  und  inisst  im  oberen  Durchmesser  11,5.  Kin 
cyiindriseher  Becher  dieses  Typus  von  der  Grösse  und  Form  unserer 
irdenen  Blumentöpfe  wurde  mir  von  dem  Uhrmacher  Hein  aus  Andernach 
als  Fundstück  von  Eich  bei  Andernach  überleben.  Derselbe,  jetzt  im 
Historischen  Museum  der  Stadt  Düsseldorf,  ist  von  Aussen  völlig  bedeckt 
mit  den  bereits  beschriebenen  Quadratpunkt-Gurtlinien.  Das  RönÜBch-Ger- 
■nanische  Centraltnuscum  in  Mainz  besitzt  eine  grössere  Anzahl  von  Gofilsscn 
eines  gleichartigen  Typus,  von  denen  einige  zwar  dieselbe  Ornamentver- 
thcilung  zeigen,  jedoch  an  Stelle  der  Quadratpunkto  Schniitverzierungeu 
und  ein  fischgrateartiges  Ornament  aus  schräg  gestellten  kurzen  Parallel- 
strichen  tragen;  wieder  andere  haben  Strichverzierungen;  achte  Schnur- 
Verzierungen  fehlen.  Als  Fundstellen  sind  die  <  >rte  Dienheim,  Herrnsheim 
und  Obcrnlm  verzeichnet.  Ein  charakteristisches  Hügelgral),  welchesGefHs.se 
dieses  Typus  bnrg,  ist  das  von  Dorow,  Opferstätten  und  Grabhügel, 
1.  Abtb.,  Wiesbaden  182*>,  S.  1  —  5)  beschriebene  vom  Hebenkies  bei  Wies- 
baden. Dieser  Knud  zeigt,  dass  nicht  nur  der  Typus  der  Thongcfiisse, 
sondern  mich  die  Beisetzungsweise  der  Todtcu  eine  andere  ist,  als  die 
der  Monsheiiner  und  anderer  gleichartig  ausgestatteter  Grttber.  Das 
Wiesbadener  Grab  war  ein  Brandgrab;  an  Stelle  der  Erdgruben  erscheint 
ein  künstlich  aufgeworfener  Hügel  mit  Steinkern  und  der  Todte  selbst 
ist  reicher  mit  Beigaben  ausgestattet,  ja  man  hat  ihm  sogar  sein  Leib- 
ross  mitgegeben,  wenn  die  beiliegenden  Pferdeknochen  darauT  schliessen 
lassen.  Ausserdem  fand  sich  bei  ihm  eine  sehr  schöne  geschliffene  durch- 
bohrte Serpentinaxt,  die  geschmackvoll  facettirt  ist.  Wie  weit  schlichter 
sind  dagegen  die  Monsheimer  Steingenithe;  auch  hat  man  sich  zti  keinem 
derselben  jener  gewählteren  Steinart  bedient.  Dann  ist  zu  berücksich- 
tigen, dass  sich  in  dem  Wiesbadener  Grabhügel  schon  einige  grün  oxy- 
dirte  Kupfer-  oder  Bronzeringe  fanden.  Professor  Schaafhausen  thcilt 
mir  mit,  „dass  mehrere  Gcfiisse  dieser  Form  auf  der  Gewerbe-Ausstellung 
zu  Coblenz  im  Sommer  1K91  zu  sehen  waren.  Zwei  beiluden  sich  im  Be- 
sitze des  Herrn  Dr.  Pick  in  Coblenz.  Eines  ist  von  gleicher  Grösse,  und 
Form  wie  das  von  Weissenthurm.  Eines  ist  mit  fünf  Bethen  eingedrückter 
Punkte  verziert,  die  oberste  bildet  kleine  Bauten,  das  zweite  ist  viel 
niedriger  und  hat  um  den  Bauch  neun  durch  Punkte  hervorgebrachte 
Linien,  neben  dem  oberen  Bande  sechs".  Sc  h  a  a  ff  ha  use  n  bemerkt  ferner, 
.so  weitverbreitet  die  Form  auch  ist,  so  zeigen  Technik  und  Ornamentik 
doch  grosse  Verschiedenheiten,  die  auf  verschiedene  Zeiten  bezogen 
werden  dürfen.  Der  aus  der  Hand  geformte  Topf  von  Weissenthurm  ist 
die  rohest»'  Forin  dieser  Art,  die  sieh  aus  den  Bewegungen  der  Hand  de« 
Töpfers  erklären  liisst,  vgl.  Rh.  Jahrb.  LXXXVI,  S.  3<i.  Die  mit  einem 
Hölzchen  scharf  eingeritzten  Streifen  sind  durchaus  keine  Schnurver- 
zierung; sie  verlaufen  ganz  unregelmässig  in  ungleichen  Abständen, 
ihr  Anfang  und  Endo  gehen  aneinander  vorbei.    Es  sind  dreimal  vier 


Aufdeckung  einer  vorgeschichtl.  Niederlassung  etc.  in  Meckenheim.  215 


Streifen,  die  um  da»  GefHss  lauten.  Der  becherförmige  Topf  im  Bonner 
Provinzial-MuHeum  ist  viel  reicher  verziert.  Der  Hand  int  umgeben  von 
einer  Reihe  kleiner  durch  Punkte  dargestellter  Dreiecke.  Auch  um  die 
Mitte  de«  Gefasses  läuft  eine  Reihe  von  Dreiecken.  Am  Fusse  sind  sie 
in  einer  Doppelreihe  angebracht,  unten  kleiner,  oben  grösser.  Ausserdem 
laufen  oben,  in  der  Mitte  und  unten  vertiefte  Streifen  ebenso  unregel- 
mäßig um  das  Gcfäss,  wie  am  Topfe  von  Weissenthurm.  Die  beiden 
Gefiisso  vom  Hebekies,  die  D  o  r  o  w  a.  a.  0.,  Taf.  1,  1  und  2  abbildet, 
sind  von  Ähnlicher  Form,  aber  ganz  verschieden  verziert.  Der  Becher  1 
erinnert  au  die  Schönheit  klassischer  Ornamente,  der  mit  Punkten  und 
Strichen  dicht  bedeckte  Becher  2  erinnert  an  die  spateren  Verzierungen 
der  Gefässe  aus  fränkischen  Reihengräbern.  Um  dieselben  laufen  acht 
Reihen  schief  gerichteter  Striche,  in  jeder  Reihe  sind  diese  entgegen- 
gesetzt gerichtet  ;  dazwischen  laufen  fünf  Ringe,  die  aus  1,  2,  3  oder  4 
Reihen  eingedrückter  eckiger  Punkte  bestehen.  Ausser  diesen  Bechern 
standen  aber  in  demselben  Grabe  zwei  stark  ausgebauchte  Gefässe  mit 
wohlgehildeteu  Henkeln,  zum  Beweise,  dass  Gefässe  der  verschiedensten 
Kenn  in  derselben  Zeit  in  Gebrauch  waren.  Diese  bauchigen  Urnen  und 
der  durchbohrte  Serpentinhammer  stellen  das  Grab  in  die  jüngste  nooli- 
thischc  Zeit.  Nicht  ohne  Werth  ist  auch,  was  Dorow  Über  diese  Gefässe 
sagt:  „Besonders  auffallend  erschien  mir  bei  den  Urnen  1  und  2  die 
sehr  schone  Form  und  einlache  geschmackvolle  Verzierung  bei  so  grober 
Masse  und  Arbeit.  Könnte  dieses  nicht  vielleicht  auch  Beweis  sein,  dass 
asiatische  Colonisten  von  hoher  Ausbildung  in  diese  Gegenden  einge- 
wandert sind,  bei  denen  sich  die  schöne  Form  zwar  erhalten  hatte,  Ar- 
beit und  Masse  aber  roh  und  barbarisch  wurden?'"'  Noch  mehr  au  Be- 
deutung gewinnen  alle  diese  rheinischen  Funde,  wenn  man  das  interessan- 
teste Denkmal  dieser  Art  heranzieht,  nämlich  das  berühmte,  zuletzt  von 
Prof.  Klopfleisch  (a.  a.  O.  Heft  1  und  Heft  2)  abgebildete  und  be- 
schriebene „Merseburger  Grabdenkmal*.  Ks  ist  wieder  ein  Hügel,  der 
als  Kern  eine  aus  schweren  Steinplatten  zusammengesetzte  Kammer 
barg.  Auf  den  inneren  Wänden  des  Todteuhauses  sieht  man  zwischen 
teppiehartigen  Ornamentmustern  Rüstungstheile  eines  Kriegers:  Köcher, 
Pfeilbündel  (nach  Prof.  Wiedemanu  ist  der  Köcher  nicht  gestreift,  das 
vermeintlich  Gestreifte  ist  nach  Wiedemnnn's  massgebendem  Urtheil 
ein  Bündel  Pfeile),  Bogen,  Gürtel,  Harpune  <das  von  Klopfleisch  a.  a. 
<).  p.  51  aus  Leps.  II,  Ii»  n.  0  f.  besprochene  Instrument  ist,  wie  mir  H. 
Wiedemanu  ebenfalls  mittheiltc,  kein  Bogenspanner,  sondern  das  Bild 
stellt  eine  Harpune,  der  Haken  vorne  den  Widerhaken  dar),  Schild  und 
eine  haiomerförmig  ausladende  Streitaxt  abgebildet,  welche  völlig  mit 
der  des  Wiesbadener  Hügelgrabes  übereinstimmt.  Eine  solche  Steinaxt 
wurde  auch  in  dem  Grabe  selbst  vorgefunden.  —  Die  Verbreitung  jener 
Art  von  geschweiften  becherförmigen  Töpfen  erstreckt  sich  über  einen 
grossen  Theil  von  Kuropa.  Sie  sind  in  Baden  {Wagner,  Hügelgräber 
und  Urnenfriedhöfe  in  Baden,  Karlsruhe  1885,  Taf.  III,  31),  in  der  Schwei* 
(Keller,  Pfahlbauten,«  Ber.,  Zürich  IHM,  Taf.  III,  I),  in  Osiprcusscn, 
(Dr.  Tischler,  Steinzeit  in  üstpreussen,  Königsberg  1883)  uud  dem  ganzen 


21»; 


C  o  n  s  t  a  n  t  i  n  K  n  e  n  e  n : 


i  stlmltischc»  Gebiete  üii  Ta;'i'  gefördert  worden  (Virehow,  Vcrhaiidl.  d.' 
Huri.  Anthrnp.  Gesellschaft  1HKI,  S.  4.«»  und  IM84,  S.  :«H»  u.  \.<,  sie  trett-n 
dahingegen  nicht  in  den  nach  Tischler  (Westd.  Zeitschr.  J.  V.  H.  II) 
Jedenfalls  älteren*  westbaltisehen  skandinavischen  mcgalithisehcn  Gräbern, 
die  sich  bin  Holland  verbreiten,  auf.  In  letzterem  Lande  .sind  sie  einzeln  •ge- 
funden worden.  In  Kurland  kommen  hie  mich  Lüh  hock  mit  den  aller- 
frühesten  Bronzen  vor.  in  Frankreich  sind  Jllinliche  mit  imitirter  Schnur- 
verzierung, in  Dolmen  ebenfalls  mit  den  frühesten  Metallobjekten  zu 
Tage  gefördert  worden,  nach  Broeca  in  der  Niederbretagnc  in  den  Dolmen 
von  Morbihnn;  sie  gehen  ferner  durch  Portugal,  Sicilien,  im  Osten  üher 
Pole»,  Böhmen  und  Nord-Ungarn,  landen  sich  , sogar  im  Gouvernement 
Perm  in  KusslandJ  (Voss  und  Stimm  in  g,  Vorgeschichtliche  Alterthümcr 
aus  der  Mark  Brandenburg.  Berlin  18t>0,  S.  i>3\  Durch  Mitteldeutschland 
steigen  sie  hinab  und  sind  in  Steingrähcrn  Thüringens  häutig.  Hier 
kommen  sie  vor  in  Gritbern  zu  Bratinshain  bei  Hartha  und  bei  Heuke- 
walde, welche  einfache  Frdhügel  mit  Loichenbrandspuren  zeigen,  sowie 
in  Uhulich  coustruirten  Krdhiigeln  in  einem  Walde  bei  Kasekirchen  (S. 
Meiningen).  Ausserdem  treten  sie  dort,  wie  schon  gesagt  wurde,  in  aus 
mächtigen  Steinplatten  gebildeten  Kammern  auf.  deren  Boden  gepflastert 
ist  und  an  deren  Innenwänden  die  Tndten  hockend  beigesetzt  sind;  selten 
ist  das  schnurverzierte  Ornament  in  der  Mark  (Voss  und  Stiinming 
a.  a.  O.  S.  5;  vgl.  über  echtes  Schnurornameut  auch  O.  Tischler, 
Schriften  der  physik.-ükou.  Gescllsch.  zu  Königsberg  i.  Pr.  XXIX,  Jahrg. 
1.S8H).  Im  Museum  des  S.'ichs.  Alterthumsvereins  zu  Dresden  ist  unter 
Nr.  ein  geschweifter  Becher  mit  Schuiirornamcnt,  zusammen  mit 

zwei  Gefasscn  ithulicheu  Typus  ausgestellt,  Nr.  und  07J,  die  in  Bor- 
nitz  gefunden  worden  sind.  Andere  dieser  Gcfässc  zeigen  einen  tinver- 
kennbaren  l'ebergang  zu  den  mit  Leisten-  und  Tupfenschmuck  ver- 
sehenen Gefilssen  des  Lausitzer  Typus.  Ganz  derselben  Krscheinung  be- 
gegnete ich  bei  einer  grösseren  Anzahl  yon  Gefassschcrbeii,  die  mir 
Herr  O.Tischler  aus  ostprcusHischen  Grabhügeln  der  neolithischcn 
Zeit  zusandte.  Ich  habe  auf  der  Heidenschanze  bei  Alikoschütz  uuweit 
Dresden  zum  Zwecke  eines  Vergleiches  der  rheinischen  vorgeschicht- 
lichen Funde  mit  denen  der  Lausitz,  mehrere  Monat«-  die  dort  sehr  machtigen 
f'ulturschichten  durchgrahen  und  eine  grosse  Anzahl  von  Seherben  des 
sogenannten  Lausitzer  Typus  aus  ungestörten  Schichten  hervorgezogen. 
Deutlich  zeigt  solche  Uebeigange  auch  die  von  Kl  op  fleisch  (a.  a.  <>. 
1.  Th.  IT.,  S.  H*>,  Fig.  72)  abgebildete,  mit  Schnurverziernng  und  Leisten- 
schmuck  versehene  Amphorenform.  Wie  Tischler,  so  setzt  auch 
K I  o  p  f  I  e  i  s  c  h  diese  Art  von  Tupfenverzierungen  mit  vollem  Rechte  an 
das  Fnde  der  sogenannten  neolithischen  Periode  Mitteldeutschlands.  Die 
ältesten  Formen  des  Lausitzer  Typus,  jene  mit  Tupfen-  und  Fingernagel- 
Fitidruckeu,  sowie  die  mit  aufgelegten  Leisten  versehenen  Gefiisse,  wie 
sie  auch  W.  Osborne  bei  Bohuic  unterhalb  Prag  gefunden  und  im 
Jahre  1X7K  im  Sitzuugsber.  d.  uaturw.  Oes.  Isis  zu  Dresden,  Heft  1  u.  2, 
besprochen  und  Tal.  IV,  V  und  VI  abgebildet  hat,  wurden  zusammen  mit 
einem  rohen  metallenen  Plnchkclt  aus  der  älteste»  Periode  der  Bronze- 
zeit gefunden,  welche  letztere  von  Tischler  und  Moutcliu«  in  das 


Aufdeckung  einer  vorgeschichtl.  Niederlassung  etc.  in  Meckenheim.  217 

2.  Jahrtausend  vor  Chr.  gewetzt  und  als  jünger  betrachtet  wird,  «ls  die 
neolithisehen  Gelasse  nach  Art  des  angeblichen  Meckenhcimcr  Bechers. 
Es  fanden  sich  mit  jenen  Bohnieer  C.cfässen  des  alteren  Lausitzer  Typus 
zusammen  auch  jene  «von  H  e  1  h  i  g  und  anderen  Forschern  den  Kelten 
zugeschriebenen)  den  Terrainaren  Italiens  eigenen  Gefiisse  mit  Mond- 
henkeln  (Oshorne  a.  a.  O.  Tat".  VI.  6)  Ausser  den  Sabclnadehi  sind 
der  sogenannten  Bronzezeit  des  Nordens  Formen  von  Schwertern  eigen, 
die  mit  den  italischen  der  Bronzezeit  identisch  sind,  daher  man  den  Be- 
ginn der  Bronzezeit  des  Nordens  mit  der  Bronzezeit  Italiens  zusammen 
fallen  lasst.  Wilhrend  nach  den  Untersuchungen  Klopfleisch's  der 
durch  das  abgebildete  Gefliss  vorgeführte  Stil  .sich  in  seiner  Kntwieke- 
lung  nicht  auf  deutschem  Boden  nachweisen  lasst,  sondern  mit  allen  Kigeu- 
arten  eines  ausgeprägten  Stils  plötzlich  und  unvermittelt  auftritt-,  können 
wir  denselben  in  seiner  Weiterentwickelung  verfolgen  und  zwar  im  Herzen 
Deutschlands  zunächst,  wie  schon  gesagt,  durch  den  sogenannten  Lau- 
sitzer Typus  (vgl.  die  bezeichnenden  Typen  bei  Dr.  H.  B.  G  e  i  n  i  t  z, 
Die  l'rnenfeider  von  Strehlen  und  Grossenhain,  Cassel  187fi),  dann  in 
weiterer  Ausbildung  durch  die  überaus  lehrreichen  im  Dresdener  Geolo- 
gisch-I'rilhisl.  Museum  ausgestellten  Funde  von  Heidenau  bei  l'ira.  Wu- 
schen hier  die  Uebergangslormen  von  der  sogenannten  Bronze-  in  die 
Eisenzeit.  Als  jüngste  Gefüsstypen  wurden  hier  zusammen  mit  Gewandnadeln 
der  alteren  und  mittleren  La  Tene-Zeit  (100—100  vor  Chr.)  jene,  soge- 
nannten Kclehurnen  und  andere  Gcfassc  der  La  Tene-Zeit  angetroffen, 
kurz  Erscheinungen,  denen  wir  hier  am  Rhein  in  Verbindung  mit  kelti- 
schen Münzen  begegnen  und  die  sich  bis  in  jene  Zeit  hinein  verfolgen 
lassen,  in  der  in  den  betreffenden  Landschaften  die  Kelten  des  Caesar 
und  Taeitus  wohnten.  Was  Dr.  A.  Voss,  der  Director  des  Berliner 
Museums  für  Völkerkunde  bezüglich  der  Lausitz  sagt,  .dass  nUinlich  hier 
.und  in  dem  östlichen  Theil  der  Mark  der  Stil  der  Thongefits.sc  des  Lau- 
„sitcr  Typus,  wenn  auch  etwas  vcrHndcrt,  bis  in  die  römische  Kaiserzeit 
.hinein  sich  erhielt,  so  dass  wir  hier  eine  Coutinuitat  der  Bevölkerung 
„mit  grösster  Sicherheit  nachweisen  und  auf  dem  Weg  des  Rückschlusses 
„behaupten  können,  dass,  wenn  die  in  der  Lausitz  und  der  östlichen 
.Mark  zur  Römerzeit  ansässigen  Volksstitmme  Germanen  waren,  auch 
.ihre  bis  in  den  Nordwesten  der  Mark  vorgedrungenen  Vorfahren  germa- 
„nischen  Stammes  gewesen  sein  müssen  (Voss  und  St immiug,  Vor- 
geschichtliche Alterthümer  aus  der  Mark  Brandenburg,  Berlin,  1890, 
S.  23)",  das  kann  ich  aus  persönlichen  Studien  dortiger  Culturschichten 
und  Sammlungen  zwar  bestiitigen,  inuss  aber  bemerken,  dass  das  Gesagte 
auch  für  die  rheiuischen  Funde  der  jüngeren  Stein-,  der  Bronze-  und  der 
Eisenzeit  da  zutrifft  ,  wo  nachweisbar  Kelten  wohnten,  -wohingegen 
die  rein  germanischen  Gebiete  am  Niederrhein  die  bekannten  schlichten 
Graburuen  mit  Leichenbrand  und  spärlichen  Beigaben  beigen.  Ich 
erinnere  an  die  im  Düsseldorfer  Museum  ausgestellten  Gefassseherben  vom 
guten  Mann  bei  Urmitz  unterhalb  Coblenz.  nn  die  gleichartigen  Scherben, 
welche  Mehlis  aus  dem  Riugwall  von  Rheindürkheim  veröffentlicht  hat, 
an  die  gleichartigen  vom  IlcrrcnplaU  bei  Sleeten;  alle  sehen  den  von 
mir  bei  Dresden  gesammelten  und  den  mir  von  Tischler  aus  Ost- 


218 


Const antin  Koenen:  Aufdeckung  etc. 


preusseti  zugesandten  so  iihnlich,  dass  sie  durcheinander  geworfen,  schwer 
lieh  wieder  von  einander  geschieden  werden  können.  Ich  verweise  auf 
die  im  Bonner  Provinzial  -  Museuni  befindliche  Napfurne  von  Emmerich, 
die  ununterscheidhar  ist  von  gleichartigen,  welche  der  Dresdener  Forscher 
Dr.  Dcichmüllerals  Eigenart  des  Lausitzer  Typus  bezeichnete.  B  o  y  d 
Da  wk  i  na  schrieb  mir,  dass  wahrend  die  neolithischen  Schädel  in  Groß- 
britannien ohne  Ausnahme  dolichocephal  seien,  im  Bronzealter  die  Brachy- 
cephalen  erschienen  ;  sie  seien  identisch  mit  den  keltischen  Stämmen  des 
Festlande«  und  mit  denselben  fänden  sich  die  Vasen  mit  Schnur-  und 
Sparrcnverzicrnng  vor!  Lubbock  (Vorgesch.  Zeit,  Deutsche  Ausgabe 
B.  I,  S.  164)  schreibt  die  in  Hügelgräbern  Englands  vorkommenden  ge- 
schweiften Becher  der  neolithischen  Zeit  zu,  hinzufügend,  dass  allerdings 
in  dem  einen  oder  anderen  Grabe  ein  Bronzewerkzeug  angetroffen  worden 
sei  und  sagt  dann  auch,  dass  die  Schädel  dieser  jüngeren  Steinzeit  so 
auffallend  brachycephal  seien,  dass  unter  70  Exemplaren  aus  den  runden 
Grabhügeln  sich  nicht  ein  einziger  zeigte,  der  dolichocephal  ist!  Wenn 
Virchow  (Corresp.-ßl.  d.  Deutseh.  authrop.  Gesellseh.  XVI,  1885,  S.  124) 
sagt,  Ecker  habe  für  Süddentsehland  nachgewiesen,  dass  zwei  ver- 
schiedene prähistorische  Bevölkerungen  hier  aufeinander  gefolgt  seien, 
dass  die  Bevölkerung  der  Hügelgrither  absolut  verschieden  sei  von  dem 
germanischen  Typus,  dass  in  den  Hügelgräbern  brachycephale  Leute 
stecken,  dollchocephale  in  den  Reihengräbern,  so  wird  dies  von  S  eh  a  a  f  f- 
hausen  bestritten,  weil  der  Index  der  Hügelgrilberschädel  nach  Ecker 
78,  87,  der  der  Reihengräberschädcl  74,  97  sei,  die  Brachycephalie  erst  mit  80 
anfange.  In  Italien  finden  sich  bekanntlich  ebenfalls  die  eleganten 
Stcingeräthe  bei  den  braehycephalen  Todten.  wahrend  nach  Cuno  (Vor- 
gesch.  Roms,  1.  Theil  1878)  Italien  seine  Bevölkerung  thatsächlicli  aus 
dem  Keltenlande  erhalten  hat.  Die  Sage  berichtet,  dass  300  Jahre  vor 
der  Gründung  griechischer  Colonien  auf  Sicilien  (im  8.  Jahrh.),  im  11.  Jahr- 
hundert vor  unserer  Zeitrechnung  eine  arische  Völkcrwcllc  von  Osten 
nach  Westen  sich  über  Italien  ergossen  habe.  In  dieser  Zeit  können 
thatsächlich  die  mit  den  Lausitzer  Gefässcn  übereinstimmenden  Terramara- 
Fundo  Italiens  recht  wohl  entstanden  sein.  Etwas  älter  sind  die  ge- 
schweiften Becher  mit  .Schnurverzierung.  K  1  o  p  f  1  e  i  s  e  h  hat  nachzu- 
weisen gesucht,  dass  das  Mersehurger  Grabdenkmal,  wie  überhaupt  die 
geschweiften  Becher  mit  Sehnurverzierungen  merkwürdige  Anklänge 
zeigen  an  die  Ornamentik  und  Symholik  des  alten  Reiches  in  Aegypten. 
Auf  meine  Bitte  hin  hat  Herr  Professor  Dr.  Wiedeinann  auch  diese 
Angaben  K  I  o  p  f  I  e  i  s  c  h 's  geprüft  und  sich  dahin  ausgesprochen,  „dass 
für  die  12.  Dynastie,  welche  Klopfleisch  heranzieht,  sich  die  Zeit  von 
3450  bezüglich  2.'KK)  v.  Chr.  ergehe,  dass  mau  Anklänge  deshalb  nicht  im 
alten  Reiche  suchen  müsste,  sondern  im  neuen".  Die  Gcrmanenaus- 
hreitung  wird  aber  auch  nach  den  überzeugenden  Müllen hof'schen 
Forschungen  in  eine  weit  spätere  Zeit  gesetzt.  Es  bleibt  somit  nur  die 
Annahme  übrig,  dass  die  Germanen  die  vorgefundene  höhen'  keltische 
Kunstweise  nicht  zerstört,  sondern  übernommen  haben,  wie  die  Dorcr, 
als  sie  Griechenland  eroberten,  die  höhere  Cultnr  der  Besiegten  annahmen. 


Zur  mittelrheinischen  Alterthumskunde. 


Von 

Dr.  C.  Mehlis. 

(Mit  Taf.  XI.) 


1.  Der  Klosterfriedhof  von  Heitbrack  In  der  Rheinpfalz. 

Aus  der  Pfalz,  Ende  April.  Zu  Fussen  der  mittelalterlichen 
Burgen  Rietburg  und  Krobsburg,  sowie  kaum  eine  halbe  Stunde 
vom  Sitze  des  hochscligen  Bayernkönigs  Ludwig  I.,  der  Villa  Lud- 
wigshöhe, liegt  am  westlichen  Ende  der  Stadt  Edenkoben  die 
Ruine  des  alten  Cisterzienaer  Frauen  -  Klosters  Heilsbruck.  Das 
urspünglich  beim  Dorfe  Hardhausen  gelegene  Kloster  ward  um  1262 
nach  Vazzenhoven,  einem  Dörfehen  westlich  von  Edenkoben,  ver- 
legt und  bestand  hier,  bis  es  1560  von  Kurfürst  Friedrich  HI. 
von  der  Pfalz  aufgelöst  ward. 

Noch  sind  die  alten  Ringmauern  erhalten,  noch  sieht  man 
den  pentagonalen  Chor  der  alten  Konventskirehe ,  noch  öffnet  sich 
der  weite  Keller,  Aber  dessen  Kreuzgewölbe  sich  die  Klosterkirche 
erhob.  Die  Ruine  des  früheren  Glockenturmes  ward  von  dem 
späteren  Besitzer  Albert  Maier  zu  einem  modernen  Bclvcderc  um- 
gebaut. Der  ganze,  jetzt  Dr.  med.  Hartz  von  Landau  gehörige 
Landsitz  trägt  noch  den  Namen  Heilsbruck. 

Im  März  und  April  d.  Jahres  1891  Iiess  nun  letzterer  Besitzer  süd- 
lich vom  alten  Kirchenehore  das  Terrain  zu  landwirtschaftlichen 
Zwecken  —  die  Klostergründc  bilden  jetzt  ein  ergiebiges  Weingut 
—  um  ca.  2  m  abheben.  Dabei  stietw  man  zwischen  Chor  und 
einem  nach  Süden  ziehenden  Wirtschaftsgebäude,  das  wohl  einem 
früheren  Kreuzgange  entsprach,  auf  eine  Reihe  von  alten  Gräbern. 
Dicht  neben  dem  Chor  fand  sich  ein  steinerner  Sarkophag  ohne 
Deckplatte,  nämlich  von  West  nach  Ost,  wie  alle  übrigen  Gräber. 
In  demselben  lagen  zwei  Skelette.    Zu  vertuuthen  ist,  dass  diese 


220 


0.  Mehlis: 


Grahsetzung  mit  den  meisten  mittelalterlichen  Resten  uiehts 
zu  ihun  hat,  son«lcrn  anf  fränkischen  Ursprung  zurückgeht. 
Edimkoben  erscheint  ja  schon  im  8.  Jahrhundert  als  „Z«>tingowcnu, 
nZotingcnu  (vgl.  V  ö  r  s  t  c  in  a  nnj  „altdeutsche*  NTamcnbuchtf,  2.  Hand) 
und  /.war  wiederholt,  so  das«  anzunehmen  ist,  dass  schon  vorher, 
nach  christlichem  Ritus,  hier  und  in  «lein  urkundlich  erst  spater 
erseheincmlcn  Vazzcnhoven  fränkische  Bestattungen  vorgenommen 
wurden. 

Etwas  weiter  nach  Süden  wurde  nun  der  ganze  Klostcrfried- 
hof  allmählich  livigelegt.  Die  tneistcu  Gräber  lagen  in  1  bis  2  m 
Tiefe  nnd  entbehrten  einer  steinernen  Deckplatte.  Die  Särge  waren 
vermorscht,  ebenso  die  Knochen;  an  Beigaben  fanden  sieh  nur  et- 
liche Beinringlein  von  1  cm  Durchmesser,  «lie  wolrl  zu  Rosenkränzen 
geborten. 

An  Grabplatten  wurden  acht  Stück  dem  Boden  enthoben. 
Im  Durchschnitt  messen  dieselben  1,80 — 1,90  m  Länge,  0,70— 0,80  m 
Breite,  0,20-0,30  m  Dicke;  sie  bestehen  alle  aus  rothem  Bund- 
sandstein,  wie  solchen  die  Abhänge  der  nahen  Hartberge  liefern. 
Leider  wurden  von  den  sechs  (Trabsteinen,  welche  Inschriften  auf- 
weisen, zwei  beim  Herausschaffen  ans  «lein  Erdreich  zerstückt;  zwei 
Grabplatten  entbehren  jeder  Schrift,  eine  ist  nur  noch  zur  Hälfte 
erhalten:  drei  sind  völlig  unversehrt. 

Was  «lie  Form  der  Buchstaben  betrifft,  so  haben  wir  hier 
die  ausgebildete  Majuskelschrift  des  13.  Jahrhumlerts  mit  ihren 
ahgcrnmlcten  Ecken ,  ihren  gebogenen  Strichen  (nur  T  bleibt 
gerade),  ihren  vielfach  undeutlichen  Buchstaben.  Die  einzelnen 
Zeichen  sind  bei  den  älteren  Grabsteinen  tiefer  eingehauen, 
bei  «len  jüngeren  flüchtiger.  Die  Zahlzeichen  sind  der  römi- 
schen Bezeichnungsweise  entnommen;  die  im  12.  .Jahrhundert  im 
Rheinlande  und  Italien  auftretenden  arabischen  Ziffern  sind  hier 
bereits  verschwunden  ivgl.  Wattenbach:  , Anleitung  zur  lateini- 
schen Palaeographie-,  4.  Aufl.,  S.  99—100). 

Mit  Bezug  auf  «lie  Lagerung  der  Inschriften  ist  zu  bemerken, 
dass  sie  nach  Art  «ler  a  1 1  r  ö  in  i  s  c  h  e  n  S  e  p  n  1  c  r  a  1  i  n  s  c  h  r  i  f  t  e  n 
den  Stein  in  seinem  oberen  Theile  v«m  links  nach  rechts  bedecken. 
Die  Methode,  nur  den  Rand  der  Platte  zu  beschreiben,  gehört  im 
Mittelrheinlande  erst  dem  14.  Jahrhundert  an  (vgl.  Grabstein  zu 
Seebaeh  bei  Dürkheim ,  im  alten  südlichen  Kirchenschiff  gelegen  i. 


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Zur  mittelrheinischen  Alterthumsknnde. 


221 


Was  zuerst  die  fr  a  g  m  c  n  t  i  r  t  e  n  Steine  bctriflY,  so  ist  folgen- 
des noeli  zu  erkennen: 

1.  Fragment:  MILES,  bekannter  Titel  des  13.  Jahrhunderts 
für  das  spätere  „Ritter". 

2.  Fragment:  SG.  3.  Fragment:  C  'odcrSilMO.  Dieses  selieint 
den  Eigennamen  .Simon"  zu  enthalten.  Ein  Simon,  der  Jüngere, 
Graf  von  Eberstein  und  Zwejbrneken,  gehört  im  Jahre  1273  zu  den 
Donatoren  des  Klosters  tvgl.  Reinting:  r  Geschichte  des  Klosters 
Hcilsbruck"  Mannheim  1832,  S.  26).  Möglicher  Weise  ward  dieser 
Graf  nach  der  Sitte  jener  Zeit  hier  bestattet.  — 

Der  älteste  datirbare  Grabstein  enthält  folgende  Inschrift: 
SEPVLCRV  1. 
ELISABETH  2. 
P  A  R  V  L  E  3. 

Die  Interpretation  von  Z.  1  und  2  macht  keine  Schwierigkeit. 
Z.  3  dagegen  enthält  im  4.  Zeichen  eine  Ligatur,  die  nicht  leicht 
zu  deuten  ist.  Es  ist  ein  doppelt  gestrichenes  V,  dessen  zweitem 
Schenkel  jedoch  die  Hälfte  fehlt ;  dafür  ist  es  kombinirt  mit  einem 
dritten  halben,  nach  Rechts  gehenden  Schenkel.  Wattenbach 
erwähnt  eine  solche  Ligatur  nicht.  Man  ist  versucht,  dasselbe  als 
VV  =  VC  zu  drucken,  so  dass  die  Inschrift  lauten  würde: 
„Sepulcrum  Elisabeth  parvulae." 

Elisabeth  war  die  zweite  Aebtissiu.  die  von  1208—1274  ur- 
kundlich nachweisbar  ist  (vgl.  Rcmling  a.  0.  S.  24—25). 

Ein  zweiter  Grabstein  enthält  die  folgenden  vier  Zeilen,  da- 
runter innerhalb  eines  Kreises  einen  schiefen  Wappenschild,  der 
nach  uuten  stark  spitz  von  einem  horizontalen  lialkcn  gctheilt  wird. 

A  N  0  •  D  N  I  •  M  •  (II  •  IX  1. 
XIIII  •  R  V_-    I  V  N  I  I  i»  2. 
C  VN  RA  T  -  DE'  AL  3. 
DORF  4. 
Wappen. 

Schwierigkeiten  bietet  in  Zeile  1  das  Zahlzeichen,  welches 
dem  M  folgt.  Aus  epigraphischen  und  historischen  Gründen  muss 
es  als  eine  Abkürzung  für  CCC  gehalten  werden.  Ans  epigra- 
phischen: das  sonst  unbekannte  Zahlzeichen  enthält  wirk- 
lich drei,  mit  Querstrichen  versehene  C;  ans  historischen:  nach 
Reinting  <a.  0.  S.  27)  beschenkte  „Junker  Konrad  von  Alfdorf 


222 


C.  Mehlis: 


mit  seiner  Gattin  Adelhcit  anno  1279  des  Klosters  mit  dcm4.Tlie.il 
tles  Zehnten  von  Burrweiler".  Konrad  von  Altdorf  (  Altdorf  liegt 
ca.  eine  Stunde  unterhalb  von  Edenkoben)  gehört  demnach  Ende 
den  13.  Jahrhunderts  zu  den  Donatoren  des  Klosters  Heilsbruck  und 
suchte  hier  Keine  Ruhestätte.  Wir  lesen  denn  auch  die  Grab- 
schrift also: 

Anno  domini  MCCq  IX. 
XIV.  (RV  oder  RVL  VV)  Junii  obiit 
Cunrat  de  Aldorf. 
Des  edlen  Scheukcrs,  Conrad  von  Altdorf,  Grab  und  Wappen- 
steiu  wären  somit  aufgefunden  worden  und  damit  EpigTaphik  und 
Heraldik  bereichert. 

Ein  weiterer  Grabstein  trägt  nur  den  Namen  am  oberen  Ende 
des  Steines: 

MARGARETHA. 

Nach  der  Schriftforni  und  den  Angaben  Reintings  (a.  0. 
S.  30—31,  72)  haben  wir  hier  den  Grabstein  der  Aebtissin  Marga- 
retha, welche  in  den  Wirren  der  strittigen  Kaiserwahl  1326  und 
1326  die  Güter  des  Klosters  vermehrte. 

Der  letzte  Grabstein  ist  leider  nur  noch  zur  Hälfte  (Länge 
=  0,83  m,  Breite  =  0,42  m,  Dicke  -  0,15  m>  erhalten.  Er  zeigt 
in  zum  Thcil  undeutlichen  Strichen  folgeude  Zeichen  (wobei  wir 
zweifelhafte  einklammern) : 

M  C  C  C-  1. 
(S?)  R  (Q  F  r)  2. 
M  I  L  E  S  3. 
S  S  0  N  '  -  4. 

halbe  Lilie, 
als  Wappenzeichen.  1 

Zeile  1  enthält  ohne  Zweifel  das  Todesjahr  dieses  „Milc*u  = 
1300.  Zeile  2  wird  seinen  Vornamen  euthalten,  doch  sind  sämmt- 
liche  Zeichen  ausser  R  ziemlich  unsicher.  Zeile  3  Miles  ist  zweifel- 
los. Zeile  4  uiuss  den  Sitz  des  Miles  enthalten;  von  diesem  ist  je- 
doch nur  die  Endsilbe  und  ein  vorausgehendes  8.  im  Ganzen  SSON 
erhalten.  Einen  passenden  Ortsnamen  können  wir  bis  jetzt  dafür 
nicht  namhaft  macheu.  —  Das  Ende  des  Grabsteines  enthält  Mittel- 
theil und  linken  Lappen  einer  stilisirten  Lilie.  Sollte  diese,  sowie 
die  Ortsendung  —  son  auf  einen  französischen  p  Ritter"  deuten?  — 


Zur  mittelrheinfschen  Alterthumskunde. 


223 


Siinimtlichc  Grabsteine  machte  der  Besitzer,  Dr.  Hartz,  dem  Kreis- 
ui  u  s  e  u  in  zu  Speyer  zum  Geschenke.  Die  Grabplatten,  die  ehcuHo 
wohl  für  die  Lokalgesehichte  archaeologisehe  Belege,  wie  für  die 
Eutwickelung  der  niittelrheinischeu  Epigraphik  und  Heraldik  — 
weil  genau  datirbar!  —  nicht  zu  unterschätzendes  Material  dar- 
bieten, dürften  nach  unserer  Ansicht  in  einem  Kreis muse um 
allen  Fachmännern  mehr  nützen,  als  in  loco  als  unbequemes  An- 
hängsel einer  Kirche  oder  eines  Friedhofes.  —  R  c  m  1  i  n  g ,  dem 
Historiograph  von  Heilsbruck,  würde  die  Entdeckung  dieser  seiue 
Forschungen  ergänzenden  Inschriften  am  meisten  Freude  bereiten! 

2.  Altdeutsche  Geriehtsstätten  In  der  Pfalz. 

(Mit  einer  Zeichnung.) 

Jedermann  hat  Kenntnis*  von  alten  Gerichtsstätten,  wo  die 
freien  Bauern  vor  Jahrhunderten  zu  Gericht  sassen,  aber  in  Wirk- 
lichkeit sind  wenige  solcher  Malstätteu  bekannt. 

Eine  sichere  kann  der  Verfasser  nachweisen.  Dieselbe  be- 
findet sich  in  der  Rheinpfalz  am  Südufer  des  von  Kloster  Hüningen 
nach  Altleiningen  messenden  Leiningerbaches.  Eine  Wiese  ist  dort 
von  alten  Buchen  und  Eichen  malerisch  umgeben.  Das  Thälchen. 
an  dessen  Ausgang  die  Stelle  sich  beiludet,  hat  den  Namen  Langen- 
thal. Mitten  im  Haag  erhebt  sich  ein  kubnsformiger,  nach  oben 
etwas  spitz  zulaufender,  wohlbehauener,  70  cm  hoher,  40  cm  breiter, 
50  cm  dicker  Stein,  der  auf  der  Südseite  iu  lateinischen  Majuskeln 
folgeude  Inschrift  trägt: 


Das  erste  Wort  ist  nicht  ganz  zu  enträthscln,  wahrscheinlich 
soll  es  OHTS  oder  OHTE  heisseu  und  bildet  der  dritte  und  vierte 
Buchstabe  eiue  ungeschickte  Ligatur. 


0  HTV.  SCHVC  H  •  A  L // 
WO- DIE- DR  EX- ORTH- 
DER-  GAN  ERB// 


1. 

■2. 

:\. 

4. 

r>. 
•;. 

7. 

H. 


SCHAFT-  Wv  D,  B  . 


MIR-  ZV-SAMMEN// 


KVNFFT-VN  D- RECHT- 
Z  V  -  SPRECHE  N  •  HA// 
B  E  N-  ANNO-17  4  4. 


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224 


C.  Mehlis: 


.Schnell  ist  das  mittelhochdeutsche  Sehuoch,  Schuck,  in  der 
Pfalz  noch  Schuck,  d.  Ii.  soviel  wie  Schuh. 

Ohts  oder  Ohte  fassen  wir  auf  in  der  Bedeutung  von  eht  — 
echt  i;haft  -  gesetzlich  (z.  B.  ehaft  perihte  Judicium  Icgitiinnni, 
vgl.  Lex  er:  mittelhochdeutsches  Handwörterbuch  unter  ehaft). 

Ohts  oder  Ohte  —  Sehuck  ist  demnach  der  „gesetzliche  Schuh". 

Drcy      drei.    Orth  =  Orte. 

Ganerbsehaft  ist  der  pfälzische  Name  für  eine  gemein- 
same Waldgenossenschaft. 

Wv  D,  B  heide  Abkllrzuug  für  die  Ortschaften,  deren  Wälder 
hier  im  Winkel  „am  Zwingcrstein*  zusanunenstossen :  Weisscnheim 
a.  Berg,  Dackenheim,  Bobenheim. 

Die  ersten  zwei  dieser  Orte,  welche  alle  drei  am  Ostrande  des 
Gebirges  zwischen  Dürkheim  und  Grünstadt  liegen,  erscheinen  schon 
in  karolingisehen  Urkunden. 

Nach  Zeile  5 — 7  halten  die  Bürger  dieser  drei  Orte  hier  „am 
echten  Schnell-,  Zusammenkunft  und  Rechtsprechen.  Der  Stein 
wurde  gesetzt  nach  Zeile  7  im  Jahre  1744. 

Genannte  drei  Gemeinden  bildeten  bis  181H  die  „kleine1*  Gan- 
erbsehaft, während  die  «grosse"  aus  den  fünf  Gemeinden:  Freins- 
heim, Ungstein,  Kallstadt,  Weissenheim  am  Sand,  Herxheim  bis 
ebendahin  sich  zusammensetzte. 

Vcnnuthlieh  bildeten  die  beiden  je  eine  aUgermanische  Mark- 
genossenschaft. 

Und  hier  am  Zwingerstein  war  demnach  ursprünglich  das 
Markgericht  für  die  drei  im  engsten  Verbände  stehenden  Gemeinden : 
Weissenheim,  Dackenheim,  Bobenheim. 

Unklar  ist  hierbei  nur  das  Wort  „Schuch*.  Soll  es  die  Fuss- 
bekleidung  oder  das  Maass  oder  gar  auf  den  Bundschuh,  das  Sym- 
bol der  aufständischen  Bauern  im  Elsass  und  in  der  Pfalz,  seit  1502 
bedeuten ? 

Auf  letzteres  weisen  zwei  weitere  Ortsbenennungen  „Schlich" 
uud  „Schuh"  hin. 

Westlich  von  Wachenheim,  zwei  Stunden  südlich  von  Dürk- 
heim erhebt  sich  der  530  m  hohe  Eckkopf.  Unmittelbar  an  seinem 
Nordfussc  (100m  entfernt)  liegen  einige  Hache  Felsen.  Auf  zweien 
derselben  sind  rohe  Reliefs  dargestellt.  Das  eine  stellt  einen  kleinen 
und  einen  grösseren  Fuss  im  Grnndriss,  das  andere  zwei  Bauern- 
schuhe, d.  h.  Bundschuhe  im  Profil  dar.    Beide  Abbildungen  er- 


Zur  mittelrheiniHchcn  Alterthumskunde. 


22* 


gänzcn  weh  gegenseitig  (vgl.  Abbildung).  Diese  Oertliehkeit  trägt 
den  Xamen  „am  Schuck"  und  hier  sollen  nach  einer  Sage  die  auf- 
ständischen Baneni  im  Bauernkriege  ihre  Zusammenkünfte  gehabt 
haben  (vgl.  auch  August  Becker:  „Die  Pfalz  und  die  Pfälzer" 
S.  274).  Der  zweite  Ort  „am  Schuh"  liegt  in  den  Vogesen,  hart 
an  der  Pfalzgrenze.  Oberhalb  Lembach  an  der  Sauer  erhebt  sich 
eine  Fclsenmasse  am  linken,  nördlichen  Ufer  des  Baches  als  Aus- 
läufer der  von  West  nach  Ost  ziehenden  Bergkette.  Der  Hang  hat 
den  Xamen  „am  Gries11.  Den  südlichen  Ausläufer  umzieht  ein  alters- 
grauer, prähistorischer  Ringwall  von  etwa  500  m  Länge.  Den  Süd- 
fuss desselben  bildet  eine  steil  nach  Süd,  West  und  Ost  abstürzende 
Felsmasac,  genannt  „der  Schub". 

Auf  seiner  Fläche  sind  in  natürlicher  Grosse,  wie  am  Wachcn- 
heimer  „Schuck"  zahlreiche  grössere  und  kleinere  Grundrisse  von 
Füssen  oder  Schuhen  eingehauen.  Nach  meiner  und  Revierförster 
Meerina  uns  Ansicht  (mit  diesem  Herrn  besuchte  der  Verfasser 
im  August  1890  Ringwall  und  „Schuh")  entstammen  diese  Felsen- 
reliefs älterer  und  neuerer  Zeit.  Das  Volk  zu  Lembach  weiss  je- 
doch vom  Zwecke  der  Abformungcn  des  „Schuh"  nichts  zu  sagen. 

Xach  dem  Wachenheinier  „Schuck'1  dürfte  jedoch  die  Sache 
an  Klarheit  gewonnen  haben.  Im  16.  Jahrhundert  hielten  die  von 
Frcihcitsgcdaukcn  angewehten,  von  Frohndienst  und  Steuern  ge- 
drückten, früher  freien  Bauern  am  Hartgebirge  und  am  Rande 
der  Vogcsen  au  solchen  abgelegenen  Waldstättcn  wie  Zwingereteiii, 
„Schuck",  „Schuh",  welche  bis  dahin  ihre  öffentlichen  Mal-  und 
Gerichtsstätten  waren,  ihre  heimlichen  Zusammenkünfte  ab.  Um 
sie  zu  kennzeichnen,  nannten  sie  dieselben  „Schiich",  „Schuck", 
„Schuh"  und  ritzten  in  die  Felsen  das  Bild  ihres  Kunde«,  den  Bund- 
schuh ein  •). 

Sonst  führen  die  alten  Malstätten  in  der  Pfalz  den  Namen 
,.S  t  u  h  1".  Eine  solche  Malstätte ,  genannt  „auf  dein  Mole"  oder 
„auf  dem  Stampe"  lag  im  Stumpfwald  bei  Eisenberg.  Noch  stehen 
dort  im  Waldcsdunkel  der  Richterstein  und  rings  im  Kreise  mehrere 
Steinsitze  für  die  Schöffen.  Auch  der  Brunholdisstuhl  oberhalb 
Dürkheim  (urkundlich  l.%0  ßriuholdcsstuhl;  vgl.  Mehlis:  „Führer 
für  Dürkheim  und  Umgebungen"  S.  100),  der  ebenfalls  eine  Fels- 

J)  Bei  Kirkel  in  der  Westpfalz  kommt  vor  pHutscl)iu-kko])tu  utxl 
ii.stlich  davon  »SchuciillHTfr"  Schnclibur??.  Am  ersteren  Pliitze  bclniul 
sich  ein  römNolo's  Dnikmal. 


Juhrb.  d.  Ver.  v.  Alturttutr.  Im  Ktiuhil.  XC1I. 


15 


C.  Mehlis: 


massc  am  Rande  der  „Heidciiuiancr''  hihlct.  dürfte  die  alte  Malslätle 
von  Dürkheim  gebildet  haben.  Ein  gewaltiger  Fclsses*cl  ist  an 
dem  Südfuss  der  Felswände  herausgearbeitet.    Dartiber  stellt: 

<  I  Z  0  4  anno 

d.  b.  im  Jahre  1204.  Wie  hier  die  Maikälte  mit  der  Gott- 
heit Brunbold  oder  Brynhild  —  Froya  in  Verbindung  gebracht 
wurde,  so  zu  Landstuhl  im  Westrieh  mit  der  (»Ott in  Xanna.  Land- 
stuhl heisst  nrkundlieh  Xaimstuhl,  woraus  mundartlich  später  Xann- 
stall  oder  Xannenstall  ward  (vgl.  W.  Frey:  „Beschreibung  des 
Rhcinkreises"  IV.  Tb.,  S.  172).  — 

Xanna1;  „die  Blüthc"  und  Brunehild  die  „in  der  Brünne  Ver- 
borgene" sind  nichts  als  Variationen  der  Erdgöttin  Freya  =  Xerthus, 
und  in  ihrem  Schutze  versammelten  sieh  am  Mittelrhein  an  götter- 
geweihter Malstätte  die  freien  Franken.  Später  verschwanden  die 
Götter,  und  aus  dem  Götterstuhle  ward  der  Bundscbuhsteiu. 

3.  Der  Drachcnfels  im  Hartgebirge. 

(Mit  Kärtchen.) 

Der  Berg,  an  den  in  erster  Linie  die  Sage  vom  Sigfrid, 
dem  nicdcrrhcinischen  Dracheutödter  sieh  anknüpft,  im  Kampfe  mit 
diesem  UngethUiu  um  die  schöne  t'hrimhildc  aus  Worms,  liegt 
drei  Meilen  westlich  von  der  alten  Burgunderhauptstadt  Worms  im 
hinteren  Jsenachthale.  Der  enge  Thalweg  führt  an  Dürkheim  a.  d. 
Hart  längs  der  Iscnaeh  bis  znm  Forstbaus  „Jägerthal'';  dann  links 
im  Seitenthälchen  hin  zum  Saupferch;  von  hier  führt  ein  einsamer  Fuss- 
pfad in  einer  Stunde  zur  aussichtsreichen  Höbe.  Ein  anderer  Zu- 
gang geht  von  Dürkheim  längs  der  alten  Römerstrasse  (vgl.  west- 
deutsches Correspondenzblatt  1WU,  X.  Jahrgang  Xr.  0)  am  Ebers- 
berg vorüber,  dann  zum  Mnrrmirnichtviel,  ferner  zum  Lambertskrenz 
und  den  „sieben  Wegen''.  Von  hier,  dem  einzigen  Joche,  das  den 
Drachenfels  in  südlieber  Richtung  mit  den  umliegenden  Bergketten 
in  Verbindung  setzt,  führt  eine  Schneuse  und  ein  Pfad  in  einer 
halben  Stunde  zur  Höhe.   Auch  nach  Fraukeiislein  und  Weidenthal 


1)  (Jeher  Knunn.  Bnldurs  Gemahlin,  vjrl.  Grimm  und  Slmrock.  über 
Brnnhild's  Bedeutung:  Mohlis  „im  Niln'luiigtmhimU"-  Stuttgart  1877. 


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Zur  mittvlrliduiM-luMi  Alteitlunnskundu. 


führen  Zugänge  (Iber  die  „gebrannte  Buche",  der  Fortsetzung  des 
obigen  Kömerweges  in  der  Richtung  nach  Johamicskicuz.  Am 
Stoppelkopf  vorUber  gelangt  man  nach  Süden  nach  Lambrecht. 

Der  Dracheufcls  selbst  liegt  in  571  m  Scehöhe  und  bildet  die 
höchste  Erhebung  der  Hart  /.wischen  Dürkheim,  Krankenstein,  Neu- 
stadt. Umflossen  wird  er  von  zwei  Tlinlungen,  dem  Fricdrichsthal 
im  Süden  und  Westen ,  dem  Drei  -  Bnumenthal  im  Osten  und 
Norden.  Am  Joche  /wischen  beiden  Tlinlungen  beginnt  der  oben 
erwähnte  Zufuhrweg.  Der  Drnehenfels  besteht  aus  einer  gewaltigen 
Buudsandtftciuschnlle,  welche  sieh  im  (.tanzen  von  S.  nach  N.  er- 
streckt (vgl.  Kärtchen*.  Der  südliche  Tbeil  bildet  ein  unregel- 
mä&sigcs  Khotnhoid,  der  nördliche  einen  nach  NW.  laufenden  Fels- 
kamm  von  iJOO  in  Länge.  Die  drei  »ach  S.,  W.,  O.  liegeudeu 
Seiten  des  Khomboides  haben  1(>0 — 170  m  Länge,  die  vierte,  welche 
an  den  im  Wcsterfels  endenden  Felsgrat  stösst,  nur  40  in. 

An  der  stcilabstttrzenden  Ostseite  betinden  sich  mitten  in  den 
Sandsteinschichtcn  zwei  natürliche  Felskainmern.  Die  südliche  durch- 
setzt in  einem  ca.  ü  m  hohen  und  12  m  breiten  Bogen  den  ganzen 
Fels  von  0.  nach  W.  und  bietet  nach  W.  dem  überraschten  Blick  eine 
reizende  Einsicht  in  die  tiefen  Forste  des  inneren  Hartgebirges. 
Diese  Höhlung,  die  wohl  dem  Einflüsse  des  Wassers  zu  danken  ist, 
führt  den  Namen  „Drachcnhöhlc".  Etwas  nördlich  davon  erstreckt 
sich  von  S.  nach  N.  eine  zweite  Felskaminer,  die  etwa  20  m  Länge, 
3  m  Höhe  und  10  m  Tiefe  hat.  Sie  durchsetzt  jedoch  nicht,  wie 
die  erste,  den  ganzen  Fels,  sondern  bildet  nur  eine  Scitcnhöhlung. 
Sie  führt  den  Namen:  „Drachcnkaiumcr".  In  beide  Höhlungen  ver- 
legt die  Ortssage  den  Aufenthalt  des  sagenhaften  Drachen  und  den 
Kampf  Sigfrids  mit  ihm  um  die  Wormscr  Königstochter.  Jeden- 
falls könnte  diese  mittelrheinische  Sage  für  die  Lokalisiruug  dieses 
Mythus  keinen  passenderen  Platz  finden,  als  den  hochragenden,  zu 
solchen  Anschauungen  prädcstiiiirteu  Dracheufels ,  dessen  ganzes 
Plateau  auch  „Hohberg"  von  den  Umwohnern  genannt  wird.  Der 
ganze  Hang  des  „Hohbcrges"  ebenso  wie  das  Plateau  ist  von  hoch- 
stämmigen Buchen  bedeckt.  Im  Süden  eutspringt  ein  frischer  Quell, 
früher  vom  (trafen  Friedrich  Magnus  von  Leitungen- Hartcnhurg 
„Friedrichsbrunnen"  genannt,  seit  etwa  20  Jahren  umgetauft  in 
,,Sigfridshrunueu". 

Nördlich  von  diesem  frischen  Bronn  erstreckt  sich  dem  Fels 
zu  die  Teufelsdelle  bis  zur  Draebenhöhle.    Ueber  dem  nächsten, 


228 


C.  Sieh  litt: 


nach  W.  ausbeutenden  Grate  liegt  nach  \V.  ausgebogen  da» 
Drachenthal.  Zwischen  Westerfels  und  dein  Eingang  zum  Drachen- 
fei«  (vgl.  Kärtchen  *  liegt  ein  weiteres  Thälchen,  das  wie  die  vorigen 
/Jim  Friedrichsthal  fuhrt,  die  Trockendelle.  Aueli  hier  liegt  zu 
Beginn  der  Thailing,  wie  im  Dravhenthal,  eine  kleine  Quelle.  Wasser 
war  also  genug  vorhanden.  — 

Bisher  hatte  der  Dracheufels  in  erster  Linie  als  touristi- 
scher Aussichtspunkt,  sowie  als  Oertlichkeit  der  Sigfridssage  Be- 
deutung. Das  letztere  hat  auch  der  Dichter  und  Forscher  Prof. 
U  bland  anerkannt,  der  vor  einem  Menschenalter  den  Drachcnfcls 
mit  mehreren  Walzern  besucht  und  diesen  Berg  als  mitspielend  iu 
der  mittelrheinischen  Nibelungensage  bezeichnet  hat  (vgl.  auch 
Mehlis:  „Im  Ntbclungculandc",  Cotta  1877).  Die  Nähe  von  Worms, 
Draeheuhöhle.  Dracheukammer  sprechen  hierfür,  Punkte,  welche  im 
Volkslied  ja  auch  erwähnt  werden,  ferner  die  aulfallende  Höhe  und 
Länge  des  Bergplateaus,  was  ja  auch  das  Volkslied  gebührend 
hervorhebt,  wenn  es  berichtet,  das  der  Drachcnfels  auf  eine  viertel 
Meile  Weges  seinen  .Schatten  auf  das  Gebirge  werfe.  Auch  Eisen- 
schmieden und  Eiseuschiuelzen  befinden  sich  seit  Alters  in  dem 
Iscuachthale;  ferner  am  Ostfusse  des  Drachenfels  eine  „Linden- 
delle" —  mit  einer  Linde  hat  ja  Sigfrid  nach  der  Sage  den  Drachen 
erschlagen. 

Es  hat  das  deutsche  Volkslied  vom  „hörnen  Sigfrid''  (vgl. 
H.  von  der  Hagen  und  A.  Pri  misser,  Berlin  1825:  „der 
Heldenbuch"  „hörnen  Siegfried")  ohne  Zweifel  den  Drachenfels  im 
Hartgebirge  genau  gekannt,  wenn  es  von  „eyner  staynen  Wand", 
vom  „holen  stayn",  «lern  „Trachcnstain",  von  „einer  hölen  die  do 
was  unter  dem  Trachenstayne"  u.  s.  w.  spricht.  Auf  keinen 
anderen  Berg  in  Deutschland  passt  diese  Beschreibung 
so  genau,  wie  auf  den  Drachenfels  im  Hartgebirge.  Es 
lässt  dies  aber  voraussetzen,  dass  es  ohne  Zweifel  hier  „weg 
und  Bteyge"  seit  Alters  gab,  die  „gen  Wurms  an  den  Heyn"  führten. 
Und  so  ist  es  auch,  wie  wir  eben  schon  bei  Betrachtung  des 
alten  Römerweges,  der  über  Dürkheim  zum  Rhein  führt,  bewiesen 
haben. 

Aber  noch  andere  Gründe  hatte  die  Volkssage,  gerade  bei 
diesem  Felshaupt  des  Waskenwaldes  zu  verweilen.  Ein  Ringwall 
ans  grauer  Vorzeit  umzieht  das  südliche  Plateau,  und  auch  dieser 
mag  den  Augen  mittelalterlicher  Besucher  nicht  entgangen  sein. 


Zur  tniltdrlieinischcn  Alterthuriihkuiidr. 


Dass  aber  solche  den  Diachenfels  besucht  haben,  beweist  folgende 
in  der  Draehenhöhle  befindliche  Inschrift: 

I  R  R  S  A  A*  L      •  1Z4-5V 

Sie  ist  zu  lesen  „Irrsaal.  1240".  (Ueber  die  Form  der  „4"  vgl. 
die  einschlägige  Schrift  Watten  bat- Ii'»  2.  Aufl.,  S.  IUI-  -102.) 
Ob  daneben  eine  R  u  n  c  n  i  ns  c  h  r  i  f  t  im  Altarblock  eingegraben  steht, 
ist  noch  nicht  definitiv  entschieden,  jedoch  sehr  wahrscheinlich. 
Der  Wall  besteht  ans  zusammengestürzten  Sandsteinbrocken  und  ist 
grösstenteils  als  Doppel  w  a  1 1  vorhanden.  Wir  verfolgen  ihn 
kurz  von  nordöstlichem  Eingang  her: 

Hier  hat  er  eine  Höhe  von  3  m  bei  einem  Durchschnitte 
an  der  Sohle  von  10  m.  Er  ist  hier  nur  einfach.  Nach  S.  zn 
verschwindet  er  am  Eingang  znr  Drachenkammer,  um  westlich  der 
Drachenhöhlc  wieder  zn  erscheinen.  Die  Felswand  fallt  hier  senk- 
recht ab,  so  dass  hier  oben  ein  Wall  überflüssig  war.  Jedoch  unter- 
halb der  Drachenkammer  zieht  von  X.  nach  S.  eine  Fclsmasse,  die 
mit  altem  Mauerwerk  bis  zu  einer  Höhe  von  3/4  m  eingefnsst  ist. 
1»  diesem  Räume  fanden  sich  Mlln/.en  vom  Kaiser  Magncntius  (35U 
— 353  n.  Chr.),  die  zahlreich  auf  der  Heidenbnrg  bei  Kreimbach 
a.  d.  Lauter  vom  Ref.  ausgegraben  wurden  und  ebenso  auf  dem  Trifels 
und  anderen  Befestigungen  der  Pfalz  vorkommen. 

Auf  der  SOd-  und  Westseite  ist  der  D  o  p  p  c  1  w  a  1 1  noch  vor- 
trefflich erhalten.  Er  hat  hier  noch  eine  Höhe  von  2—3  m  nnd 
eine  Kammbreitc  von  6  —  7  m.  Auf  der  Westseite  machen  die 
Böschungen  zwischen  beiden  Wallen  den  Eindruck,  dass  zwischen 
ihnen  ein  Wallgang  vormals  herlief.  Auf  diesem  Zuge  befinden 
sieh  mehrere,  durch  eingesetzte  Querriegel  hergestellte  Schan- 
zen. Zwei  liegen  nebeneinander  am  Ende  der  Westfront.  Die 
grössere  hat  14  m  L.,  8  m  Br.,  l'/8  m  H.  Am  tiefsten  Punkte  der 
Westfront  oberhalb  des  Drachen! halcs  liegen  zwei  weitere  Schanzen 
nebeneinander,  von  denselben  Dimensionen.  Sie  hatten  offenbar  den 
Zweck,  den  hier  befindlichen  E  i  n  g  a  n  g  zu  decken,  der  zu  einer 
Quelle  des  Drachenthaies  hinab  führte.  Iiier  hat  der  Wall  eine 
Höhe  von  l1/*  m  und  eine  Sohlenbreite  von  8  in. 

Jenseits  dieses  llaupteinganges  steigt  das  Terrain  nach  N.  wieder- 
um und  wird  beherrscht  von  einer  dritten  Doppelschnitte,  welche  zu- 
gleich das  Rhomboid  vom  Felsgrat  des  Westerfels  absperrt.  Diese 
Schanze  hat  die  stärksten  Dimensionen,  4U  m  L.,  8  m.  Hr.,  und  3/4  m 


230 


r.  M<>l.lis: 


Hohe.  Voii  ihr  nach  NW.  zu  «iiul  die  Künder  eines  Grabens  von  ca. 
10  in  Breite  zu  erkennen,  der  mit  dein  Walle  das  Kaslcll  auf  dieser 
Seite  von  dein  Fclsvorspruug  hinlänglich  getrennt  hat.  Von  dieser 
wichtigen  Stelle  zieht  sich  der  Wall  im  Mögen  weiter,  um  bald  am 
höchsten  Tunkte  der  Felsmasse  anzugclangen  an  der  XO.-Eekc.  Ks 
ist  hier  ein  zum  Theil  mit  altem  Mauerwerk  umzogenes  Viereck  zu 
erkennen,  an  dessen  XW.-Rande  das  Fundament  eines  Turmes  mit 
f)  m  Durchmesser  festgestellt  ist.  Mit  dem  nahebei  befindlichen, 
trigonometrischen  Signalsicin  bat  aber  weder  Turmfundamcnt  noch 
Mauerviereek  etwas  zu  thun.  Das  höchste  hier  befindliche  l'latcau 
fällt  zum  Usk-inganp-  in  mehreren  Felsterrasscn  ab:  in  einer  der- 
selben scheiut  eine  Waclilhütte  zwischen  den  Felsen  angebracht  ge- 
wesen zu  sein. 

So  wäre  nur  der  Felsgrat  des  Westerleis  nnvertlicidigt  ge- 
wesen, wenn  diesen  nicht  ein  vom  Verfasser  und  Herrn  kgl.  Bczirks- 
geometer  Frank  gefundenes  und  vermessenes  Vorwerk  im 
weiten  Halbkreis  umziehen  würde. 

Es  ist  ein  Vorwall,  der  in  ca.  120  m  Entfernung  den  Wester- 
fcls  umzieht.  Derselbe  beginnt  ca.  100  in  w.  vom  Wcstcrfcls  und 
zieht  390  in  n.  und  ö.  desselben  im  Bogen  fm  summa  —  41)0  im. 
Nördlich  vom  Westends  ist  ein  Eingang.  Der  Wall  hat  eine  Höhe 
von  '/4 — 1  m. 

Auf  dem  Felsplatcau  nach  W.  zu  liegen  von  O.  nach  W. 
mehrere  kleine  Hügel  von  länglicher  Form.  Sie  sind  V,  m  hoch, 
2  m  lang.  Mehrere  derselben  Hess  Verf.  im  Jahre  1884  unter- 
suchen. Im  eisten  fand  sich  eine  Art  Lanzeneisen  (  70  cm  lang) 
mit  einer  |>anlstabähiiliehen  Spitze,  im  zweiten  eine  von  abgebroche- 
nem Fleiseh(?)-  Haken,  im  dritten  ein  Meissel  —  alles  aus  Eisen. 
Dabei  lagen  schnrfgehraunte,  grauschwarze  Scherben,  wie  sie  der 
Spätrömerzeit  eigen  sind.  Die  drei  obigen  Werkzeuge  resp.  Waffen 
sind  wohl  in  die  Spät-la-Tcne-Zeit  resp.  die  Spätrömerzeit  zu  setzen. 
Die  Hügel  dienten  vielleicht  als  Heerde  der  hier  oben  hausenden 
Besatzung.  Die  Funde  befinden  sich  im  Museum  zu  Dürkheim. 
Zwischen  dem  Joch  und  dein  Südfuss  des  Draehenfels  liegt  rechts 
vom  Wege  ein  zum  Theil  schon  angebrochener  Tumulus,  der  seiner 
Form  nach  der  Spätrömerzeit  angehören  wird.  — 

W7ir  kommen  zur  Frage  nach  Zweck  und  Zeit  dieser  Be- 
festigung auf  dem  Drnehcnfels.  Nach  manchen  An- 
deutungen, welche  der  Bau  derselben  gibt,  ist  dieselbe  nicht  das 


Znr  mittelrheinischcn  Alterthnniskunde. 


231 


Produkt  einer  Zeitperiode.  Es  scheinen  zwei  Kpnchen,  wie 
auf  der  llcidenburg  hei  Kreinihaeh,  der  Heidemnnuer  hei  Dürk- 
heiin  und  anderen ,  mittclrheinischcu  Rcfugicn ,  daran  gearbeitet 
zu  haben.  Die  Drachenhöhle  mit  ihrem  Durchblick,  der  altarähn- 
liehe  Hlock  in  derselben  (neben  welchem  obige  Inschrift  steht), 
der  ganze  mythisch  angelegte  Felsberg  mögen  wohl  dein  Kultus 
gallischer  Druiden,  dem  gegenüber  Verf.  sonst  sehr  vorsichtig 
ist,  gedient  haben.  Auch  der  älteste  .Sleinring  mag  damals  ent- 
standen sein.  Allein  die  regelmässige,  wohl  (darlegte  Ausbil- 
dung des  Plateaus  zu  einem  förmlichen  Kastell  mit  verschanzten 
Kiugängen,  dem  Vorwall  u.  s.  w.  kann  nur  einer  vorgeschrittenen 
Kulturperiode  angehören.  Die  vorbei,  bez.  hinaufführende  Röiner- 
strassc,  die  Münzen  des  Magncntius,  endlich  die  Kisenfnnde 
und  Scherben  weisen  als  spätere  Renulzungszeit  auf  das  4.  Jahr- 
hundert n.  Chr.  hin,  auf  die  Zeit  des  Kampfes  zwischen  Magnen- 
tius, «lein  Rheinländer  und  Constantius,  dem  Italiener  Ofoo 
Auch  die  Kastelle  von  Kreimbach,  Oberstanfeiibneh,  Dürkheim 
n,  a.  standen  damals  in  Rinthe.  Wie  Münzfunde  von  der  Dürk- 
heim -  Wcident  haler  Kömerstrasse  beweisen,  nfag  diese  im  Laufe 
des  3.  Jahrb.  n.  Chr.,  als  das  Decumatcnland.  die  Vormauer  des 
römischen,  oberen  Germaniens,  eine  Heute  der  Alamannen  geworden 
war,  als  Militärstrasse  angelegt  worden  sein,  nachdem  die 
Verbindung  als  solche  vom  Rhein  zur  Saar  schon  früher  bestanden 
hatte. 

Damals  zur  Zeit  der  Tetricits,  Calhorns,  Probus  entstand 
das  ausgiebige  Vertheidignugssystein  des  linksseitigen  Geländes  am 
M  i  1 1  c  I  r  Ii  e  i  n  •,  damals  schon  hat  man  befestigte  Militärslrnsscn 
von  der  Rheinlinie  nach  Divodurum  und  Augusta  Treverorum  an- 
gelegt. Damals  zog  man  die  alten  oppida  der  Gallier  in  das  Re- 
festigungsnetz  hineiu  und  baute  die  verlassenen  Stätten  des  Drachcn- 
fels,  der  Hcidenbnrgen  Oberstaufenbach,  Kreitubach  n.  a.  nach 
römischer  Weise  energisch  um.  So  ward  die  verwunschene 
Drnidcnstätte  zum  römischen  Kastell,  so  die  Draehenhöhle,  die  vor- 
mals wohl  Menschenopfer  gesehen  hatte,  zum  Reobachtungsposfen 
eines  gallischen  Auxiliars,  so  der  Wohnsitz,  des  Drnidcnpriestcrs  an 
höchster  Stelle  des  Plateaus  zum  l'rätoriuni  <les  römischen  Refehls- 
habers.  Mit  dem  Niedersinken  der  Kömerherrschaft  4«>r»/4G(»,  als 
Rurgunden,  Alanen,  Vandalen  die  Römerkolonien  am  Mittelrhein  ver- 
nichteten (vgl.  Hieronymus  iL  epist.  ad  Ageruchinm)  Helen  auch  diese 


23-2  C.  Mehlis:  Zur  mittclrhcinischen  Alterthumskundc. 


Strassenkastellc  in  die  Hände  der  Germanen.  Und  damals  schon 
wird  der  Grund  zur  Sage  von  Sigfrid,  dem  Draehentödtcr,  gelegt 
worden  sein,  der  am  Hole  (Jundachars  zu  Worms  geweilt  und  diese 
Köinerburg  gewonnen  haben  soll,  die  ja  von  Vertheidigern  geschützt 
war,  die  den  Drachen  im  Banner  führten.  Der  späteren  Zeit  Helden- 
gesäuge  woben  diese  »Sage  noch  fester  um  die  Trümmer  hier  oben 
um  Draehenfels  und  Drachenhöhle,  um  Draehenkammer  und  Ricsen- 
haus,  um  Sigfrid,  den  nordischen  Keeken  und  Chrimhilde,  die  ge- 
raubte Königstochter  von  Worms,  bis  dann  wohl  von  einem 
m ittelrheinischen  Sänger ,  der  zur  Hohenstaufenzeit  selbst  den 
„TrachensUin'*  besucht  hat.  das  Lied  in  Nibeltuigeiislrophen  ge- 
fügt wurde,  das  uns  in  zwei  Nürnberger  alten  Drucken  (um  1T>.*R) — 
15-10)  überliefert  ist,  als  die  (jcsaugsweise  vom  „hürnen  Seyfrid". 


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II.  Literatur 


1.  Diu  K  u  n  s  t  (i  c  n  k  in  Hier  drr  Rhcinprovin  55.  Erster  Band. 
I.  Die  Kunstdenkmäler  des  Kreise*  Kempen;  II.  Die  Kunstdenkmäler 
des  Kreises  Geldern.  Im  Auftrage  des  Provinzialverbandes  der 
Rheinprovinz  herausgegeben  von  Paul  C 1  e  in  e  n.  Düsseldorf. 
L.  Schwann,  1891.  gr.  8.  XIV  und  137;  II  und  118  S.  Preis  3  M. 
50  Pfg.  und  3  M. 

Unter  allen  deutschen  Gebieten  ragt  die  Rheinproviuz  durch  die 
Zahl  und  Grossartigkeit  der  in  ihr  erhalteneu  Kunstdenkmäler  hervor. 
Von  den  prähistorischen  Zeiten  an,  deren  Reste  sich  tinter  vulkanischen 
Auswürflingen  zu  Andernnch  gefunden  haben,  bis  211  der  letzten  streng 
umgrenzten  kunstgeschlehtlichcn  Periode,  dem  Empire,  hat  jede  Epoche 
hier  glänzende  Vertreter  zurückgelassen.  In  den  Bauten  von  Trier  er- 
kennt man  die  gewaltigsten  Ueberbleibsel  römischer  Thätigkeit  auf  ger- 
manischem Boden,  der  Dom  zu  Aachen  bezeichnet  die  Blüthe  karolingi- 
schcr  Baukunst,  zahlreich  sind  die  Werke  des  romanischen  und  des 
Uebergangsstyls  bis  im  Dom  zu  Köln  die  vollendetste  Schöpfung  der 
Gothlk  uns  entgegentritt.  Können  später  die  Bauten  jüngerer  Zeiten 
auch  nicht  an  Grösse  mit  denen  des  Barock,  Rokoko  und  Empire  in  anderen 
Ländern,  insbesondere  in  Frankreich  wetteifern,  so  geben  sie  doch  gute, 
und  charakteristische  Proben  dieser  Stylgattungen.  Und  gerade  in  diesen 
Zeiten  des  verliMltnissmässigcn  Niederganges  der  grossen  Kunst  an  den 
Ufern  des  Rheines,  entfaltet  an  ihnen  wieder  die  Kleinkunst  ein  reiches 
Leben,  entstehen  zu  Raeren,  zu  Frechen  und  vor  allem  zu  Siegburg  Knnst- 
töpfereien,  deren  Erzeugnisse  sich  hohen  Rufes  weit  Uber  die  Grenzen 
Deutschlands  hinaus  zu  erfreuen  hatten.  —  Hand  in  Hand  mit  der  Freude 
am  Schauen  neuer  Kunstwerke  ging  im  Rheinlande  das  Interesse  an 
den  Werken  älterer  Zeit.  Frühe  entstanden  hier  Sammlungen  von  Alter- 
thümern  aller  Art,  von  Bildern,  Inschriften,  Urkunden  und  gab  sich  in 
historischen  Werken  und  Materialsammlungen  die  Liebe  zur  Heimath  tind 
ihrer  Vorzeit  kund.  Als  am  Endo  des  vorigen  und  am  Anfange  diese« 
Jahrhunderts  die  Kunstgeschichte  im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes  ihren 
Aufschwung  nahm,  da  war  es  in  Deutschland  das  Gebiet  der  Rhein- 


2.14 


A.  Wie.lf  in  an  n: 


[irovinz,  welches  ihr  das  reichste  Material  zur  Verfügung  stellte,  welches 
zahlreiche  der  Kunstforscher  zu  ihren  Studien  und  Schriften  begeisterte. 
I'ni  nachzufühlen,  wie  gewaltig  der  Eindruck  war,  den  das  Rheinland 
nuf  das  neu  erwachende ,  historisch  forschend»  ästhetische  Gefühl 
inachte,  genügt  ein  Blick  in  das  klassische  Werk  Georg  Försters  und 
die   prachtigen  Schilderungen  Goethes. 

Zweifach  war  die  Aufgabe,  welche  sich  der  Forschung  darbot. 
Einmal  handelte  es  sich  darum .  das  vorhandene  Denkmalcrnmtcrial 
zu  regtet ri ren ,  dann  darum,  die  wichtigsten  Stücke  oder  Gruppen 
desselben  im  einzelnen  zu  bearbeiten.  Letztere  Seite  der  Arbeit  wurde 
zuerst  in  Angriff  genommen.  Eine  lange  Reihe  von  Schriften  über 
archäologische  Gegenstaude  ward  veröffentlicht ,  Zeitschriften  er- 
schienen, Vereine  bildeten  sich,  unter  welch'  letzteren  sich  besonders 
der  Verein  von  Alterthumsfreunden  wahrend  der  nun  mehr  als  fünf- 
zig Jahre  seines  Bestehens  um  die  Veröffentlichung  von  Denkmälern  und 
die  Erweckung  des  historischen  Interesses  in  weiten  Kreisen  der  Bevölke- 
rung Verdienste  erwarb.  Die  Itiventarisirung,  welche  bereits  1M1B  von 
Schinkel  angeregt  worden  war,  machte  nicht  so  schnelle  Fortschritte. 
Die  erdrückende.  Masse  des  Materiales  schreckte  anfangs  von  einer  zu- 
sammenfassenden Bearbeitung  ab  und  so  beschränkte  man  sich  darauf, 
zunächst  einzelne,  mehr  oder  minder  umfangreiche  Dcnkmalorklaasen 
zusammenzustellen  und  zu  ediren.  Vor  Allem  waren  es  B  o  i  s  s  e  r  e  e, 
Bock  und  aus'in  Woerth,  welche  mit  grossem  Erfolg  nach  dieser 
Richtung  hin  thatig  waren.  Erst  als  in  anderen  Landern  und  Provinzen 
Aufnahmen  des  gesaunnteu  Deukmhlcrhestaudes  stattfanden,  als  die  Bau- 
denkmäler des  Regierungsbezirke«  Kassel,  die  von  Elsass-Lotl»  ringen  und 
der  Anfang  derer  von  Baden  erschienen,  trat  auch  die  Rheinprovinz 
dieser  Aufgabe  wieder  naher.  Nach  langem  Vorbereitungen  veröffent- 
lichte Lehfeldt  die  Bau-  und  KunstdenkmKler  des  Regierungs- 
bezirkes Koblenz.  Dann  geriet!»  das  Unternehmen  in»  Stocken,  bis  es 
durch  den  Lundesdireklor  der  Provinz,  Geh.-Kath  Klein,  wieder  in  Fluss 
gebracht  ward.  Auf  seine  Anregung  hin  ernannte  die  Gesellschaft  für 
Rheinische  Oeschichtskuude  eiue  Commission,  um  die  Statistik  durchzu- 
führen. Diese  cooptirte  ihrerseits  eine  Reihe  von  Mitgliedern  und  er- 
wählte den  um  die  Geschichte  der  Rheinlande,  insbesondere  deren  Rechts- 
alterthümer  hochverdienten  Geh. -Rath  Prof.  Dr.  Lo  er  sc  Ii  zum  Vor- 
sitzenden >).  Nach  mehrjährigen,  den  notwendigen  technischen  Einrich- 
tungen nnd  der  Feststellung  de»  Planes  des  gesammten  Werkes  gewidmeten 

1)  Die  Commission  bestand  ursprünglich  aus  den  Bonner  Professoren 
A.  Do  vc  (jetzt  in  München),  K.  La  in  p  recht  (jetzt  in,  Leipzig), 
H.  Loersch  und  H.  Nissen.  Cooptirt  wurden  Professor  K.  Justi 
und  Dr.  H.  Thode  (jetzt  in  Florenz)  in  Bonn;  Appcllationsgerichta- 
rath  a.  D.  Dr.  A.  R  e  i  c  Ii  e  n  s  p  e  r  g  e  r,  Dnmkapituhir  A.  Schnütgen 
und  Baumeister  H.  Wiethase  in  Köln. 


Paul  Clemen,  Die  Kunsidcnkmltler  der  RbeinpYovinz.  285 


Votarbeiten  wurde  im  Frühjahr  1*90  mit  der  Sammlung  de»  Materials 
tmd  der  Abfassung  des  Inventars  Dr.  Paul  C  1  e  m  e  n  betrau»,  welcher 
«ieh  in  seinen  „Portratdarstcllungen  Karin  des  Grossen"  (erschienen  in 
Bd.  XI.  und  XII.  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvcrcins)  als  ein 
gründlicher  Kenner  der  Literatur  und  für  eine  derartige  Aufgabe  be- 
sonders befilhigt  erwiesen  hatte.  Dass  die  Wnhl  eine  höchst  glückliche 
war,  beweinen  die  beiden  vorliegenden  Hefte. 

Zu  Grunde  gelegt  ist  dein  ganzen  Werke  die  bestehende  Einthei- 
lung  der  Provinz  in  Kreise,  jedem  Kreise  wird  ein  Heft  gewidmet  sein. 
Jeweils  wird  das  Heft  eröffnet  mit  einer  topographisch-historischen  Ein- 
leitung über  den  ganzen  Kreit«  und  beschlossen  durch  eine  Karte  des- 
selben unter  Augabc  der  Verkehrsstrassen.  Die  einzelnen  Orte,  Burgen 
u.  s,  f.  in  jedem  Kreise  werden  alphabetisch  geordnet.  Bei  jedem  Orte 
steht  voran  die  Speciallitteratur,  dann  folgen  germanische  und  römische 
Funde  und  Anlagen,  kirchliche  Bauten  und  deren  Denkmäler,  weltliche 
Bauten  und  deren  Denkmaler.  Die  erste  Abtheilung  soll  mit  Recht  ver- 
hXltnissmässig  kurz  gefasst  werden,  da  über  die  ersten  Jnhrhundertc  der 
rheinischen  Geschichte  die  Litteratur,  besonders  auch  in  unseren  Jahr- 
büchern, eine  sehr  reiche  ist  uud  Verweisungen  auf  diese  genügend  er- 
scheinen konnten.  Für  die  Inschriften  der  Röiocrzeit  lag  bereits  in  dem 
mit  Unterstützung  des  Vereins  herausgegebenen  Werke  von  Brambach 
eine  Zusammenstellung  vor  und  ist  eine  neue  vollständige  Edition  der- 
selben binnen  Kurzem  von  Z  a  n  g  e  m  c  i  s  t  e  r  zu  erhoffen.  Schwieriger 
war  die  Arbeit  für  das  Mittelalter  und  die  Neuzeit  bis  zum  Empire  herab, 
mit  welch  An  die  Statistik  abschliesst.  Hier  lag  nur  für  die  altchristlichen 
Texte  eine  Sammlung  vor,  die  Kraus  verdankt  wird  (vgl.  Jahrb.  90, 
S.  184  ff.),  für  die  jüngeren  Texte  war  man  auf  zerstreute  Einzeln rbeiten 
oder  die  Originale  angewiesen.  Dieselben  erscheinen  in  dem  Werke,  so- 
weit sie  dem  Mittelalter  entstammen,  im  Allgemeinen  wörtlich,  wahrend 
jüngere  Inschriften,  besonders  Grabtexte,  nur  auszüglich  aufgenommen 
worden  sind.  Die  Anordnung,  um  dies  noch  zu  erwähnen,  ist  bei  der 
mittelalterlichen  und  neuzeitlichen  Abtheilung  die,  dass  der  älteste  kirch- 
liche Bau,  also  in  der  Regel  die  Pfarrkirche,  voransteht  und  sich  die 
übrigen  Denkmaler  an  diesen,  alphabetisch  geordnet,  anschliessen.  Special- 
litteratur Uber  einzelne  Bauten  oder  Denkmäler  ist,  mag  sie  gedruckt 
oder  handschriftlich  vorhanden  sein,  jeweils  mit  grösster  Sorgfalt  der  Be- 
arbeitung beigefügt  worden.  Zu  Heft  I  S.  91  können  wir  bei  dieser  Ge- 
legenheit nachtragen,  da«s  die  aus  dem  Kempener  Wochenblatt  citirtc 
Arbeit  von  Pohl  über  die  bronzene  Gedenktafel  dcB  Burgbaues  zu 
Kempen  seither  auch  in  den  Bonner  Jahrbüchern  LXXXX,  S.  208  ff. 
mit  einigen  Nachtritgen  des  Verfassers  abgedruckt  worden  ist. 

Ein  besonderer  Vorzug  des  Werkes  ist  seine  Ulustrirung,  die  grössten- 
teils vermittelst  Zinkclichcs,  daneben  aber  auch  durch  Phototypien  erfolgte. 


236 


A.  Wiedcmann: 


Dieselbe  vermittelt  die  Anschauung  der  aufgeführten  Werke  in  ganz 
andere  klarer  Weise  alt»  cb  durch  die  Beschreibung  allein  hätte  geschehen 
können.  Dabei  kam  es  der  Sache  »ehr  zu  statten,  dass  der  Verf.  selbst 
photographische  Aufnahmen  und  Originalzeichnungen  herzustellen  ver- 
mochte. Dass  Druck  und  Ausstattung  vortrefflich  sind,  braucht  bei  einem 
von  der  Provinz  in'«  Leben  gerufenen  Unternehmen  nicht  erst  besonders 
hervorgehoben  r.u  werden.  Die  Kosten  des  Werkes  hat  die  Provinz 
übernommen,  für  die  Drucklegung  der  beiden  bisher  erschienenen  Hefte 
hat  jeweils  die  in  Betracht  kommende  Kreisvertretung,  also  die  von 
Kempen  und  die  von  Goldern  Beiträge  bewilligt.  Es  ist  in  hohem 
Grade  zu  hoffen  und  zu  wünschen,  dass  die  Vertretungen  der  später 
zu  behandelnden  Kreise  dem  rühmlichen  Vorbilde  ihrer  Vorgänger 
folgen  werden.  Liegt  eine  solche  Unterstützung  des  Unternehmens 
doch  auch  im  Interesse  jedes  einzelnen  Kreises,  denn  dasselbe  hat 
nicht  nur  eine  wissenschaftliche  Bedeutung  und  ist  die  Schilderung 
jeden  Kreises  ein  Khrendenkmal  für  diesen  an  und  für  sich,  sondern  es 
hat  auch  für  alle  Kreiseingesessenen  einen  unmittelbaren  praktischen 
Werth.  Durch  die  Registrirung  und  Veröffentlichung  des  im  Bezirke  des 
Kreises  vorfindliehen  kunsthistorischen  Materiales  erhöht  sich  einmal  der 
ideale  und  thatsächliche  Werth  jedes  einzelnen  Baues  und  Gegenstandes, 
andererseits  wird  hierdurch  erst  die  allgemeine  Aufmerksamkeit  auf  zahl- 
reiche Werke  und  Anlagen  hingelenkt  und  in  Folge,  dessen  das  Interesse 
auch  für  die  entlegeneren  Theile  der  Kreise  stetig  wachsen.  Aehnliche 
Gründe  müssen  jedem  Sammler,  auch  demjenigen,  welcher  nicht  aus 
sachlichen  Interessen  seinen  Besitz  bekannt  werden  zu  lassen  wünscht, 
es  werthvoll  erscheinen  lassen,  seine  bessern  und  für  weitere  Kreise  be- 
achtenswerten Stücke  in  dem  Werke  verzeichnet  zu  sehen.  Schon  die 
vorliegenden  beiden  Hefte  haben  eine  Reihe  von  Privatsammlungen  ver- 
werten können.  Ausser  II  kleinern,  einzelne  werthvolle  Stücke  bergen- 
den, sind  es  zunächst  die  in  ihren  omamentalen  und  figürlichen  Holz- 
skulpturen den  ersten  Rang  unter  den  rheinischen  Sammlungen  ein- 
nehmende des  Hrn.  C.  Kramer  in  Kempen,  dann  die  durch  kunstgewerb 
liehe  Erzeugnisse  der  Römerzeit  und  des  Mittelalters  hervorragenden 
Sammlungen  der  Reichsfreiherrn  von  Geyr  auf  Haus  Caen  und  die  Gemälde- 
gallcrie  des  Grafen  Loü  auf  Schloss  Wissen.  Von  VercinsBainmluugeii 
kam  nur  die  des  Kunst-  und  Alterthumsvercins  in  Kempen  in  Betracht. 

Einzelne  Punkte  aus  dem  reichen  Materiale,  welches  die  beiden 
Heile  enthalten,  hervorzuheben,  kann  hier  nicht  unsere  Absicht  sein ;  wer 
sich  über  solche  unterrichten  will,  wird  doch  zu  dem  Werke  selbst  greifen 
müssen.  Wir  begnügen  uns  mit  dein  Hinweis,  dass  für  germanische 
Funde  besonders  in  Betracht  kommen  Brüggen,  Kempen,  Sankt  Hubert, 
Walbeck,  und  für  Wallanlagen  Nieukerk  und  Wankum.  Römerfunde 
sind  bemerkenswert!!  zu  Aldekerk,  Herongen,  Leuth,  Nieukerk,  Pont, 


Paul  Giemen,  Die  Kutitridenkmäler  der  Rheinprovinz. 


23? 


Sevelen,  Stralcn,  Veert,  Wachtendonk,  Walbeck,  Wankum,  Weeze.  In 
den  Kirchenbauten  findet  sich  faxt  ausschliesslich  der  gothische  Styl  ver- 
treten; durch  ihre.  Altare,  Bilder  oder  sonstigen  Schütze  zeichnen  «ich 
die  zu  Dülken,  Kempen,  Geldern,  Kevelaer,  Nieukerk,  Straten  uud  Weeze 
aus.  Für  Burganlagen  ist  zu  verweisen  auf  Bocholt,  Brüggen,  Kempen, 
Haus  Ingenhoven,  Oedt,  Schloss  Haag,  Schiost»  Krieckenbeck,  Haus 
Wissen;  Stadtbefestigungen  hatten  besonders  Kempen  (vor  allem  beachtens- 
werth  das  Kuhthor)  und  Geldern  (meist  zerstört),  Im  Kreise  Geldern  finden 
«ich  auch  mittelalterliche  Landwehren.  Von  sonstigen  Anlagen  sind  von 
besonderem  Interesse  die  Bauernhöfe  um  Keylaer  und  um  Nieukerk  und 
die  leider  1873  abgebrochene  Gerichtsstube  an  der  S.  Peterskirchc  bei 
Kempen. 

Was  die  Durchführung  der  Arbeit  als  solche  anbelangt,  so  ent- 
spricht dieselbe  durchweg  dem  vorgesetzten  Programm.  Wenn  dieselbe 
für  die  weitem  Kreise  —  zunächst  stehen  in  Aussicht  Kleve,  Mörs  und 
Hees  —  in  gleicher  Weise  erfolgt,  woran  bei  dem  Interesse  der  bethei- 
ligten Behörden,  insbesondere  des  Provinzialverbandes,  und  den  Persön- 
lichkeiten des  Bearbeiters  und  der  die  Commission  bildenden  Herren 
nicht  zu  zweifeln  ist,  so  wird  die  Hhcinprovinz  eine  Denkmäler-Statistik 
erhalten,  welche  sich  denen  anderer  Gebiete  nicht  nur  würdig  zur  Seite 
stellt,  sondern  dieselbe  an  Reichhaltigkeit  noch  erheblich  Übertrifft.  Das 
Werk  wird  eine  Grundlage  bilden  nicht  nur  für  lokalhistorische  Studien, 
sondern  für  jeden,  der  sich  mit  den  Theilen  der  politischen  und  Kulturge- 
schichte im  weitesten  Sinne  des  Wortes  beschäftigt,  für  welche  das  Rheinland 
und  seine  Denkmäler  nur  irgendwie  in  Betracht  kommen;  es  wird  zu- 
gleich den  historischen  Sinn  und  die  Liebe  zum  vaterländischen  Boden 
und  seine  Kunstwerke  in  hohem  Grude  zu  fördern  geeignet  sein. 

Wie  aber  jeder  erfüllte  Wunsch  einen  neuen  zeitigt,  so  ist  dies 
auch  bei  dein  vorliegenden  Unternehmen  der  Fall  und  wir  möchten  diese 
Besprechung  nicht  abbrechen,  ohne  einem  solchen  Ausdruck  zu  geben. 
In  den  „KunstdenkmaJem*  werden  die  augenblicklich  im  Rheinlnnde 
vorhandenen  Werke  vergangener  Jahrhunderte  aufgeführt  und  geschildert, 
möge  man  nun  auch  Mittel  und  Wege  finden,  sie  dem  Vatcrlando  zu  er- 
halten. Oftmals  ist  bereits  durch  Ministerialreseripte,  insbesondere  des 
Herrn  von  Gosslcr,  auf  die  Notwendigkeit  der  Conservirung  vaterländi- 
scher Alterthümer  hingewiesen  worden,  bereits  1843  wurde  ein  Konser- 
vator der  Kunstdenkmaler  für  die  preussische  Monarchie  ernannt,  1872 
wurden  Geh.-Rath  Schaafhausen  und  der  seither  verstorbene  Geh.- 
Rath  von  Dechen  berufen  für  die  Erhaltung  der  Denkmäler  thütig  zu 
sein  (vgl.  Jahrb.  77,  S.  248).  Allein  es  fehlt  noch  jetzt  eine  Organisation, 
welche  die  thatsHchliche  Durchführung  der  Conservirung  in  vollem  Um- 
fange und  ein  rechtzeitiges  Einschreiten  gegen  eine  unberechtigte  Zer- 
störung,  Veränderung  oder  Verschleppung  der  Kunstdenkmaler  erniög- 


238       A.  Wißdemanii:  Paul  deinen,  die  KunstdenkmHlcr  ete. 


lichte.  Kinc  solche  war  bisher  schwer  einzurichten,  da  man  von  den  iu 
Betracht  koimiieiideii  Kokiilbchörden  eine  Kennt  uiss  der  verschiedene« 
Kunstdeiikiniller  und  ihren  Werlhcs  nicht  ohne  Weiteres  verlangen  konnte; 
jetzt,  wo  in  den  „Kunstdcnkmalcrn'*  eine  luventnrisiriuig  derselben  ge- 
schaffen wird,  ist  clit*  Aufgabe  wesentlich  erleichtert.  Jetzt  wird  es  ein 
leichtes  sein,  an  jedem  Orte  eine  geeignete  Persönlichkeit,  den  Land 
rath,  Bürgermeister  oder  Geistlichen  zu  regelmässiger  Berichterstattung 
über  die  in  ihren  Amtsbezirken  vorhandenen  Denkmäler  anzuhalten  und 
zu  veranlassen,  vor  jeder  Veränderung  derselben  einem  eigens  zu  dem 
Zwecke  für  die  l'rozinz  eingesetzten  C'onservator  bez.  einer  Commission  Mit- 
theilung  zu  machen.  Diese  könnten  dann  über  die  Zulässigkcit  oder  Noth- 
wendigkeit  einer  Umgestaltung  der  in  öffentlichem  Besitz  befindlichen 
Denkmäler  unter  Hinzuziehung  der  jeweils  in  Betracht  kommenden  staat- 
lichen, communalen  oder  kirchlichen  Behörden  direkt  entscheiden,  auf 
die  Krhaltuug  der  in  Privatbesitz  befindlichen  Werke  wenigstens  indirekt 
einwirken,  insbesondere  den  Ankauf  von  in  den  Handel  kommenden 
Stücken  durch  den  Staat  oder  öffentliche  Sammlungen  befürworten  und 
veranlassen.  Wie  viel  hier  durch  thatkraftiges  Kingreifen  geschehen 
kann,  hat  schon  unter  den  jetzigen  ungünstigen  Verhältnissen  der  seit  einer 
Reihe  von  Jahren  thatige  Konservator  der  Kuiistdcnkmalcr  der  Monarchie 
Geh.  Oberregicrungsrath  Pcrsius  bewiesen;  eine  straffere  Organisation 
würde  nicht  nur  dessen  Aufgabe  erleichtern  ,  sondern  auch  immer 
mehr  und  mehr  die  Gewilhr  bieten,  das*  das,  was  wir  als  Denkmaler- 
schntz  von  unsern  Vorfahren  überkommen  haben,  auch  möglichst  voll- 
standig  unsern  Nachkommen  erhalten  bleibt. 

A.  W  i  e  d  c  m  a  n  n. 

2.  Bauden  km  Hier  des  alten  Rom.     Nach  pliotogrnphischcn 
Originalaufnahmen  herausgegeben  von  Heinrich  Strack,  Professor 
an  der  Kgl.  Technischen  Hochschule  und  der  Kgl.  Kunstschule  zu 
Berlin.   Berlin  1890,  Ernst  Wasmuth. 
Daa  Werk  umfasst  20  Lichtdruckbilder  in  Folioforinat,  auf  denen 
die  künstlerisch  und  historisch  bedeutendsten  Bauwerke  des  alten  Korn, 
soweit  sie  uns  noch  erhalten  sind,  zur  Anschauung  gebracht  werden. 

Den  Ansichten  ist  ein  erklärender  Text  und  ein  Plan  des  Forum 
Romannm  beigegeben.  Das  Werk  soll  insbesondere  Architekten  und 
Archäologen  Studienmaterial  liefern  und  ein  Hülfsmittel  für  den  Unter- 
richt sein.  Die  Ansichten  zeichnen  sich,  da  sie  auf  photographischem 
Wege  hergestellt  sind,  durch  besondere  Deutlichkeit  aus.  Die  Relief- 
dnrstellnngen  an  dem  Triumphbogen  des  Titus  und  Konstantin  treten 
klar  hervor.  Im  Innern  des  Titusbogens  sehen  wir  •/..  B..  wie  der  sieben- 
armige  Leuchter  aus  dem  Tempel  zu  Jerusalem  im  Triumplizitge  init- 
geführt  wird,  und  auf  der  entgegengesetzten  Seite  erblicken  wir  den  sieg- 


Kreuser:  Heinrich  Strack,  Baudenkmäler  de«  alten  Rom.  239 


reichen  Titus  als  Triumphator  auf  dem  Viergespann.  Die  Arten  der 
Säulen  an  den  einzelnen  Tcinpelrcstcn  sind  gut  zu  unterscheiden.  Selbst 
die  IiiKcliriltf ii  auf  di*n  Triumphbogen  sind  leserlich. 

Zur  grösseren  Anschaidichkeit  trägt  auch  bei,  dass  wir  die  wich- 
tigsten Denkmäler  von  verschiedenen  Standpunkten  au«  Kelten.  So  ent- 
liKlt  da»  Werk  unter  andern)  2  Ansichten  vom  Forum,  4  vom  Pantheon, 
2  vom  Titusbogen,  3  vom  Flavischcn  Amphitheater.  Gerade  das  letzt- 
genannte Bauwerk  wird  gewöhnlich  so  abgebildet,  das»  nur  der  am 
besten  erhaltene  Theil  hervortritt.  Von  dein  wirklichen  Aussehen  den 
Gebäude»  geben  uns  die  verschiedenen  Aufnahmen  eine,  klare  Vorstellung. 
Die  beigegebene  Erklärung  theilt  uns  alles  Wissenswerthe  über  die 
einzelnen  Denkmäler  mit,  sie  beschränkt  sieh  übrigen«  nicht  auf  die 
zur  Darstellung  gekommenen  Bauwerke,  sondern  enthalt  auch  eine  Ucber- 
sieht  über  'die  verschwundenen  und  nur  in  geringen  Resten  erhalteneu 
Monumente. 

Wenn  das  Werk  des  Beifalls  eines  jeden  Gebildeten  sicher  sein 
kann ,  so  ist  es  besonders  werthvoll  für  den  Philologen  und  Historiker. 
Denn,  da  es  nicht  jedem  vergönnt  ist,  die  denkwürdigen  l'eberrcste  des 
alten  Koni,  deren  Kenntniss  für  das  Verstanduiss  einer  Anzahl  römischer 
Schriftsteller  sehr  wichtig  ist,  persönlich  in  Augenschein  zu  nehmen,  so 
muss  ein  Werk,  welches  für  die  Autopsie  so  viel  als  möglich  Ersatz 
bietet,  mit  Freuden  begrüsst  werden. 

Auch  für  die  Schule  bilden  die  Ansichten  ein  nicht  zu  unter- 
schätzendes Hülfsmittel,  beim  Lesen  der  Klassiker  sowohl  als  im  Ge- 
schichtsunterricht. Die  Abbildungen  machen  dem  Schüler  bald  den 
Unterschied  klar,  der  zwischen  dem  Forum  Romanum  und  dem  Markt- 
platz einer  modernen  Weltstadt  herrscht.  Leicht  ist  es,  an  der  Hand 
einiger  Tcmpelreconstructionen  oder  noch  erhaltener  Bauwerke,  wie  des 
Pantheon,  das  Forum  mit  seinen  herrlichen  Bauten  vor  dem  geistigen 
Ange  des  Schüler«  wieder  erstehen  zu  lassen.  Die  Beden  eines  Cicero 
vor  dem  Volke  werden  ihm  in  ganz  anderem  Licht«  erscheinen ,  wenn 
er  sich  vorstellen  kann,  von  welchem  Platze  aus  und  in  welcher  Um- 
gebung der  Redner  gesprochen.  Der  Riesenbau  des  Flavischen  Amphi- 
theaters redet  deutlich  von  den  gewaltigen  Mitteln  seines  Erbauers,  sowie 
von  der  Grösse  der  Stadt,  für  welche  ein  solches  Gebäude  angemessen 
war.  Eine  ebenso  beredte  Sprache  führt  das  Pantheon,  das  bei  seiner 
Grossartigkeit  zunächst  doch  nur  das  Werk  eines  Privatmannes  war. 
Die  prächtigen  Bogen  des  Titus  und  Konstantinus,  die  Säulen  des  Trajan 
und  Mark  Aurel  verkünden  noch  heute  die  Sicgcsthatcn  der  Kaiser,  zu 
deren  Preis  sie  gesetzt  sind,  und  geben  uns  einen  Begriff  von  dein  gross- 
artigen Gepränge,  mit  welchem  ein  Triumphator  seinen  Einzug  in  die 
Hauptstadt  der  Welt  hielt.  Allerdings  bieten  sich  die  meisten  Denk- 
mäler dem  Auge  nur  in  trüinnierhafteiii  Zustande  dar.    Allein  gerade 


240 


Conatatttin  Koenen: 


die  (Irossnrtigkeit  der  Trümmer  zeugt  am  klaiston  für  den  Glanz,  der 
einst  die  ewige  Stadt  umfloss.  Schliesslich  kann  der  reifere  Schüler  auch 
noch  darauf  hingewiesen  werden,  dass  gerade  die  eingehendere  Be- 
schäftigung mit  den  alten  Band enkmtt lern,  wie  sie  sich  in  Horn  vor- 
linden, eine  neue  Periode  in  der  Kunstentwickclung  erschlossen  hat. 

Benutzt  man  die  Ansichten  bei  passender  Gelegenheit  in  der  Schule, 
so  tragen  sie  nicht  nur  zu  grösserer  Anschaulichkeit ,  sondern  auch  zur 
Belebung  des  Unterrichtes  bei.  Auch  sie  wirken  dazu  mit,  dem  Schüler 
an  der  Hand  seiner  Klassiker  ein  lebendiges  Bild  der  alten  Welt  zu  ver- 
schaffen. Je  klarer  er  diene,  die  als  ein  abgeschlossenes  Ganzes  vor  ihm 
liegt,  erfasst,  desto  eher  wird  ihm  das  Verständnis»  seiner  Zeit,  aus  der 
er  sich  nicht  erheben  kann,  ermöglicht. 

Prüm.  Kreuser. 


3.  D  a  s  r  ö  m  i  s  c  h  e  L  a  g  e  r  z  u  K  e  s  s  e  I  s  t  a  d  t  bei  Hanau  von 
Georg  Wolf  f.    Mit  drei  lithographirteu  Tafeln.  —  Nebst  einem 
Anhang  von   Reinhard   Suchier:    Fundstücko  von  Kcsselstadt. 
Mit  einer  lithographirteu  Tafel.  —  Mittheilungeii  des  Hanauer  Be- 
zirksvereins für  Hessische  Geschichte  und  Landeskunde.    Nr.  13. 
Hanau  1890.    Druck  der  J.  J.  Kittsteiner'schen  Buchdruckerei. 
In  dieser,  für  den  Limesforschcr  sowie  für  den  KrkIHror  römischer 
Lagerbefestigungen  unentbehrlichen  Arbeit  schildert  Wolf  f  in  eingehender 
Weise  die  Entdeckung  und  Aufdeckung  des  römischen  Lagers  zu  Kessel 
stadt,  dann  die  Strassen,  das  Kcssclstadtcr  Lager  seiner  architektonischen 
Beschaffenheit  nach,  sowie  das  Verhältnis*  dieser  echt  militärischen  An- 
Inge zu  dortigen  Villen,  zu  den  römischen  Alterthüinerfunden  der  Um- 
gebung, sowie  zur  römischen  Keiehsgreuze  überhaupt.    Wol  ff  kommt 
schliesslich  zu  dem  sich  auf  Möglichkeit  stützenden  Schlüsse :  hier  eine 
altere,  etwa  für  eine  halbe  Legion  bestimmte  Festung  gefunden  zu  haben, 
die  mit  der  unter  den  flavischeii  Kaisern  erfolgten  neuen  Offensive  in 
Zusammenhang  stehe  und  die  Bestimmung  gehabt  habe,  mit  dem  Brücken- 
kopf von  Castcll  und   den   rückliegenden  Castellen  zu  Heddernheim, 
Wiesbaden  und  Friedberg  der  Sicherung  einer  Älteren  Grenzlinie  zur 
Verbindung  des  oberen  Donaubeckens  mit  dein  Kheinthal  zu  dienen. 
Sehen  wir  zu. 

Das  Kesselstlidter  Lager  muss  als  castra  quadrata  bezeichnet  werden 
von  375  m  Seitenlange.  Es  kann  also  im  Vergleich  zu  dem  ungefähr 
doppelt  so  grossen  Bonner  Legionslager  recht  wohl  einer  halben  Legion 
zum  Standquartier  gedient  haben.  Der  deeimanus  ist  von  Westen  nach 
Osten  gerichtet  und  (heilt  das  Lager  in  zwei  gleiche  Theile.  Der  cardo 
liegt  mit  dem  deeimanus  in  rechtem  Winkel  und  theilt  das  Lager  so, 
dass  der  nach  dem  Ausmarschthore  (porta  praetoria)  zu  gerichtete  Lager- 
th.  il,  die  praetentura,  kleiner  ist  als  die  nach  dem  dccimanischcii  Thore 


Georg  Wolff,  Das  römische  Lager  zu  Kcsselstadt  bei  Hhiuiu.  241 


zu  {gelegenen  beiden  Lagcrtheile,  latcra  praetoril  und  rententnra.  Die 
von  Wölfl*  angenommene  Oricntirung  nach  Osten  ist  daher  ebenfalls 
zutreffend  und  sie  stimmt  so  auch  überein  mit  der  der  Lcgionslagcr 
von  Bonn,  Neuss,  Carnuntum  und  den  bekannton  Limescnstellen. 

Zum  Beweise,  dass  wir  in  dem  Kesselstadter  Lager  eine  ältere  An- 
lage zu  .suchen  haben,  liebt  Wo  I  t  f  namentlich  den  <|uadratischen, 
durchaus  regelmiissigen  Gruudriss  hervor,  dann  die  überaus  sorgfältige 
Technik  der  Maucrconstruetioii,  das  festgestellte  Fehlen  von  gestempelten 
Ziegeln  und  jener  grösseren  Masse  festgebrannter  römischer  Gefass- 
scherben,  ferner  die  bedeutenden,  vor  dem  Ausmarschthore,  also  nach 
dem  feindlichen  Gebiete  hin  gelegenen  römischen  Villen.  Ich  möchte 
noch  eine  Wolff 'sehe  Beobachtung  für  diese  zweifellos  gleichfalls  zu- 
treffende Begründung  hinzufügen,  nämlich  das  Vorkommen  jener  alteren 
römisch-germanischen  Scherben. 

Dass  wir  es  mit  einem  Klavier- Werke  zu  thun  haben,  wie  Wolff 
für  am  naheliegendsten  halt,  scheint  mir  etwas  bedenklich.  Das  charakte- 
ristischste militärische  Denkmal  dieser  Epoche  ist  zweifellos  das  nachweis- 
bar unter  dem  Flavier  Vespasian  im  Jahre  70  von  Cerealis  erbaute,  durch 
das  Bonner  Provinzialmuseum  in  der  Aufdeckung  weit  vorgeschrittene 
Neusser  Legionslager.  Orientirung  sowie  Lage  von  deeimanus  und  cardo 
stimmt  zwar  mit  dem  Kesselstadter  Lager  überein;  allein  nicht  der  Ge- 
sammtgrundriss;  denn  dieser  stellt  das  Neusser  Legionslager  zu  den 
castra  tertiata  des  Ilygin.  Auch  ist  das  Verhältnis*,  in  dem  die  Thor- 
und  die  Flankenthürme  zur  Lagerumfassung  stehen,  in  dem  Kessclstatter 
Lager  eine  wesentlich  andere  als  in  dem  Neusser  Werke,  in  solern  näm- 
lich, als  die  Kesselstildter  Thore  sich  als  von  zwei  quadratischen  Thürmen 
Üankirte  Doppeltbore  vorstellen,  deren  Mitte  auf  dem  Sehiieidepunktc 
von  cardo,  bezüglich  deeimanus  und  Umfassungsmauermitte  liegen,  so 
dass  ihre  vordere  Flucht  weit  über  die  der  Umfassungsmauer  hinaus- 
ragt, wahrend  sie  bei  dem  Neusser  Legionslager  in  der  Linie  der  Um- 
fassung  errichtet  ist.  Bei  den  Thürmen  der  Umfassungsmauer  ist  gerade 
das  Gegentheil  wahrnehmbar.  Diese  lehnen  sich  bei  dem  Kesselstildter 
Lager  sammtlich  gegen  die  Innenseite  der  Mauer;  sie.  liegen  also  im 
Lagcrwalle,  wahrend  sie  bei  dem  Neusser  Flavierlager,  gegen  die  Aussen- 
seite  der  Umfassung  anlehnend,  vor  dem  Wall  in  den  Umfassungsgraben 
hinein  reichen.  Nur  einer  der  zwei  an  der  retentura  des  Neusser  Lagers 
aufgedeckten  Eckthürmc  lehnt  sich  wie  die  Kesselstadter  Eckthürme.  in 
Trapezform  gegen  die  Innenseite  der  Umfassung.  Auch  hat  die  Neusser 
Lagerummauerung  keine  so  sorgfältige  Technik  aufzuweisen,  wie  das 
bei  dem  Kessetstadtcr  Lager  der  Fall  ist.  Dazu  kommt  noch,  dass  in 
dem  Neusser  Flavierlager  massenhaft  jene  schöne  festgebrannte  irdene 
Waare  der  Flavierzeit  angetroffen  wird,  wahrend  jene  leichtgebrannte 
Jahrb.  d.  V<r.  v.  Alt.  rtliHiV.  im  Itln-iiil.  XCII.  Hj 


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Ü-12 


Constantfn  Kocn'cii: 


Ältere  einheimische  Wanre  fehlt.  Ausserdem  ( ragen  die  Flavierzicgel 
zahlreich  den  Legioussteinpel. 

Diese  mehr  auf  eine  ältere  Epoche  militärischer  Anlagen  weisen- 
den Unterschiede  der  Kcsselstädter  castra  quadrata.  zu  einer  flavisehen 
casta  lertiata  mahnen,  eine  vorllavische  Offensive  nicht  ausser  Acht  zu 
lassen.  Ks  bleibt  zu  berücksichtigen,  dass  J.  Caesar  die  Bataver  am 
Unterrliein  für  Horn  gewonnen  hatte.  Im  Jahre  38  vor  Chr.  folgten  die 
Ubier  resp.  die  wohl  an  deren  Stelle  verpflanzten  Mattiakcn  de»  Taunus. 
Im  Jahre  lf>  vor  Christus  ist  Rhaeticn,  im  Jahre  35  resp.  14—13  vor  Chr. 
Pannonien  gefolgt  und  bis  zum  Jahre  i>  nach  Chr.  gewann  Horn  sogar 
das  ganze  Zwischenland  bis  zur  Weser.  Diesem  römischen  Reichslande 
trat  bis  zum  Jahre  6  nach  Chr.  die  nördlich  der  römischen  Provinzen 
Khaetien  und  Pannonien,  südöstlich  de»  römischen  Taunuagebietes  und 
östlich  des  römischen  Weserbereicbes  sich  erstreckende  gewaltige  Macht 
der  suebischen  Vülkergruppe  so  gefahrdrohend  gegenüber,  dass  Rom 
dem  suebischen  Heere  Marhods  die  doppelte  römische  Soldatenmasse 
gegenüber  stellte.  Es  nuiüs,  soweit  man  die  historischen  Nachrichten 
über  diese  Grenzfeinde  Roms  verfolgen  kann,  als  eine  militärische  Not- 
wendigkeit betrachtet  werden,  dass  bis  zum  Jahre  6n.  Chr.,  als  der 
pannonisehe  Aufstand  ausbrach  und  Rom  mit  Marbod  Frieden  schloss, 
von  Rom  aus  alle  Vorkehrungen  getroffen  waren,  in  der  römischen  Art 
der  Kriegsführung,  nämlich  von  festen  Positionen  aus  vermittelst  des 
concenlrischen  Angriffes  das  Reich  Marhods  zu  erobern. 

Ks  dürfte  deshalb  empfehlenswert!!  erscheinen,  etwa  in  einem  Nach- 
trage zu  der  Arbeit  Wolff's  die  Frage  zu  beantworten,  ob  das  Kessel- 
städter  Lager  nicht  damals  gegen  die  suebischen  Verbindungen  errichtet, 
bei  dem  unerwarteten  Friedensschluß  durch  die  Pannouischeu  Unruhen 
aufgegeben  und  wegen  anderweitiger  Verwendung  der  römischen  Trappen 
geschleift  worden  sein  kann?  Festgebrannte  römische  Gefässe  waren 
damals  noch  selten;  wir  finden  vielmehr  jene  leicht  gebrannte  La  Tenc- 
Waare  des  llorchheimer  Gräberfeldes  (vgl.  Zeitschrift  des  Lahnsteiner 
Alterthumsvereins,  K  o  e  n  e  n :  HorchheimerGräberfeld) ;  es  fehlten  damals 
auch  noch  die  gestempelten  Legionsziege.l.  Auch  die  Wölfi  sche  Be- 
obachtung, dass  das  Lagerinnere  unbebaut  ist,  scheint  für  diese  Zeit 
nicht  fremdartig,  wohl  aber  für  die  der  Flavier,  wenn  man  das  völlig 
mit  festen  .Steinbauten  ausgestattete  Neusser  Flavierlager  berücksichtigt, 
das  bereits  unter  Hadrian  um  120  verlassen  und  geschleift  wurde. 

Der  dem  Wolff'schen  Werke  beigegebene  Nachtrag  zeigt  eben- 
falls eine  durchaus  sorgfältige  Besprechung  aller  Kiuzelfundstücke  aus 
der  Umgebung  des  Castells  Kesselstadt;  aber  die  Bchandlungswcise  ist 
mehr  eine  philologische,  keine  archäologische.  Ich  würde  an  der  Stelle 
der  Tafel  mit  Töpfer-  und  Ziegelstcmpet  eine  solche  mit  Abbildungen 
der  (lefiissformen  vorgezogen  haben;  denn  durch  diese  letzteren,  nicht 


Georg  Wolff,  Das  römische  Lager  zw  Keaselstadt  hei  Hanau.  24.1 


durch  diu  Namen,  welche  »ich  zumeist  von  einer  Familie  zur  anderen 
erhalten  haben,  gewinnen  wir  Aulschluss  für  die  Zeitteilung  und  für 
den  Zweck  der  einzelnen  Gegenstände.  So  ist  beispielsweise  die  Form 
der  terra  slgillata-Tasscn  mit  etwas  schriig  gestellter  gradflächiger  Wand, 
welche  S  n  c  h  i  e  r  (S.  101  und  102)  bespricht,  in  ihrem  Auftreten  und 
ihrer  Verbreitung  später  wie  die  „weit  offene  zweimal  gewölbte  Tasse", 
welche  schon  in  der  augusteischen  Zeit  vorkommt  und  im  Zeitalter  der 
Antonine  ausser  Mode  trat ,  wahrend  dann  gerade  die  erst  genannte 
Sorte,  welcher  wir  in  der  Flavierzeit  zuerst  begegnen,  Mode  wurde  und 
sich  erhalten  hat  bis  in  die  letzte  Zeit  der  Römerherrschaft.  In  der 
Flavierzeit  finden  wir  auch  die  Teller  mit  Blattverziernng  und  die  Sigi- 
lata-Reibschale  mit  Löwcnkopf-Ausguss,  wie  solche  um  die  Zeit  Neros 
zuerst  auftreten  und  in  der  Zeit  der  Antonine  ausser  Mode  traten.  Aber  das 
von  S  u  c  h  i  e  r  beobachtete  schlechte  Fabrikat  der  terra  sigillata  deutet 
wohl  in  Verbindung  mit  den  übrigen  Erscheinungen  auf  die  Zeit  nach 
Domitian.  Noch  dürfte  zu  beachten  sein,  dass  die  von  Suchicr  (S.  101) 
beschriebenen,  in  einem  mit  Branderde  und  Schlacken  verseheneu  Räume 
gefundenen  kleinen,  einfach  gerundeten  Töpfe,  die  aussen  in  der  unteren 
Hälfte  dicht  mit  Steinchen  besetzt  waren,  wohl  Schinelztigelehen  gewesen 
«ein  können,  denen  man  wenigstens  diese  Form  gab  und  deren  Thon- 
masse  man  der  härteren  Widerstandsfähigkeit  oder  Würmevcrtheilung 
wegen  härtere  Körper  beimischte. 

Unter  allen  Umstünden  haben  beide  Forscher  und  zwar  in  erster 
Linie  Wolff  den  Dank  der  Fachgenossen  in  hohem  Maaue  verdient, 
dem  wir  auch  an  dieser  Stelle  Ausdruck  geben. 

Constantin  Koenen. 

4.  Geschichte  der  Stadt  Neuss  von  Gymnasialdiroctor  Dr. 
Karl  Tüeking.  Druck  und  Verlag  von  L.  Schwann.  Düssel- 
dorf und  Neuss  1891. 
In  dem  Vorwort  zu  dieser,  24  Druckbogen  umfassenden  Arbeit, 
nennt  Tücking  die  Chronik  eines  Strevensdorff  und  Brandt  dürf- 
tig, die  Beiträge  des  Reetors  Aldendorff  bruchstückartig,  die  Chrono- 
graphie des  Hofraths  Vogel  im  ganzen  recht  schwach,  das  Schriftchen 
Prisacks  über  das  Neusser  Leben  und  Treiben  kritiklos,  die  Fr.  L. 
Löhrer'sche  Geschichte  der  Stadt  Neuss  wird  schliesslich  als  Versuch 
bezeichnet,  eine  den  Forderungen,  welche  man  an  ein  solches  Werk  zu 
stellen  berechtigt  ist,  nach  Inhalt  und  Form  möglichst  entsprechend!' 
Geschichte  der  Stadt  Neuss  zu  schreiben,  dem  jedoch  auch  nicht  der 
Vorwurf  erspart  werden  könne,  bei  der  Sammlung  des  Stoffes  nicht  ein- 
mal die  zugänglichen  Quellen  gehörig  benutzt  zu  haben.  Aber  schon 
ein  flüchtiger  Vergleich  dieser  neuen  Tücking'schen  Geschichte  zeigt, 
dass  diese  zweifellos  auf  den  Schultern  der  Vorgiinger,   vor  Allem  der 


244 


Cnnstantin  Können: 


L  ö  h  r  e  r 'sehen  Geschichte  steht.  Kine  etwa«  pietätvollere  Bcitrtlieilung 
der  Vorgänger  würde  daher  wohl  einen  besseren  Kindruck  hervorgerufen 
haben.  Dazu  ko  t  nun  noch  der  Ucbclstand,  auch  in  dem  Tück  hin- 
sehen Werke  eine  allseitige  Benutzung  der  zugänglichen  Quellen  zu 
vermissen  und,  wo  solche  verwerthet  sind,  das  Fehlen  der  Ouellcn- 
angabe  zu  beobachten.  Das  berührt  um  so  betrübender,  weil  es  nach 
der  Tück in«? 'sehen  Schreibweise  so  aussieht,  als  seien  die  nicht  durch 
(Quellen  beglaubigten  Stellen  persönliche  Beobachtungen  T  ü  c  k  i  n  g 's. 
So  die  Umwandlung  des  Legions-  in  ein  Alenlager  (vgl.  dazu  meinen 
Aufsatz  in  diesen  Jahrb.  Heft  LXXX1X,  S.  218  ff.};  die  Aufgabe  und 
Verlegung  der  Castellhesatzung  nach  Neuss  (vgl.  a.  a.  <).);  das  Verhält- 
uiss  der  Zwülftafelgestze  zu  den  römischen  L'minauerungen  (vgl.  in  der 
riek'scheu  Monatsschrift  meinen  Bericht  über  die  Gräberfunde  bei 
Anlag«'  des  Neusser  Kriegerdenkmales);  die  Bestimmung  der  Neusser 
Besatzungen  und  deren  Zeitfolge  (vgl.  a.  a.  <>.).  —  Da,  wo  Tücking 
versucht,  selbständig  zu  folgern  oder  zu  erklären,  sind  seiner  Arbeit 
bedauernswerther  Weise  fast  regelmässig  Irrthünier  unterlaufen.  So  soll 
von  den  unter  Gor  ma  n  i  c  u  s  nach  Köln  verlegten  zwei  Legionen  — 
es  waren  bekanntlich  die  I.  und  die  XX.  Legion  —  die  IG.  (!)  in  Neuss 
ein  Stundlager  bezogen  haben!  Nach  Bergk  ist  es  ja  wahrscheinlich, 
dass  die  lß.  Legion,  als  sie  vom  Oberrhein  abberufen  wurde,  überhaupt 
nicht  Köln,  sondern  direkt  die  Neusser  Gemarkung  bei  Grimlinghausen 
zum  Lagern  angewiesen  erhielt.  —  Tücking  spricht  dann  etwas 
ironisch  über  die  in  neuerer  Zeit  .mit  grosser  Vorliebe**  aufgesuchten 
Römerstrassen,  unter  denen  sich  manche  befänden,  welche  gar  nicht  als 
Hcerstrassen  dienten.  Indem  er  nun  persönlich  zur  Beschreibung  des 
„eigentlichen  Heerweges"  übergeht,  nennt  er  die  in  den  Itiuerarien  der 
Reihe  nach  angeführten  Orte:  Dornomagus,  Bttruncum  (nach  Tück iug 
Bürgel!),  Novaesium,  Gelduba  und  Calone  als  an  jener  Staatsstrasse  ge- 
legene und  daher  deren  Lauf  bezeichnende  Punkte,  während  wir  ja 
thatsächlich  diese  Orte  an  verschied  e  n  e  n  Strassen  vertheilt  Huden, 
da  eben  jene  Itiuerarien  keine  Strassenlinien,  sondern  Reiserouten  an- 
geben, die  von  einer  Strasse  zur  anderen  laufen  (vgl.  Schneider, 
Die  alten  Heer-  und  Handelswege.  U.  8.  Düsseldorf  1890.  S.  8  ff.). 
Bei  Beachtung  dieser  Thatsache  hätte  Tücking  auch  eine  Erklärung 
dafür  gefunden,  warum  die  Peutinger'sche  Tafel  „nur  die  beiden  Zwischen- 
stationen Novaesium  und  Asciburgia"  auf  der  Strecke  Köln-Vetera  nennt; 
denn  auch  diese  Karte  bezeichnet  nur  Reiserouten  (a.  a.  O.).  Aber  auch 
in  der  Bestimmung  der  Neusser  Reste  dieser  T  ü  c  k  i  n  g 'sehen  Staats- 
strasse  irrt  Tück  ing;  denn  die  von  ihm  dafür  angesehene  „südlich 
von  Neuss,  unter  und  neben  der  Kunststras.se  (Cölnerstrasse  ist  die 
richtige  Bezeichnung)  gefundenen  Strassenreste"  der  Römerzeit,  welche 
ich  zuerst  in  dem  t'oi  iespoudenz  Blatt  zur  Westdeutschen  Zeitschrift  ver- 


Dr.  Karl  Tücking.  Geschichte  der  Stadt  Neuss. 


24fi 


offentlicht  habe,  rühren  aul'  die  Linie  de«  eardo-maximus  vom  Legions- 
laprcr  bei  Grimlinghausen  und  rühren  somit  von  einem  in  da«  Lager 
einniündeiiden  und  diesen  verlassenden  Strassenarme  und  nicht  von  der 
südlicher  gelegenen  Heerstrasse,  her. 

Nach  jahrelangen  Studien  konnte  ieh  im  Jahre  1H72  gegen  die 
herrschende  Ansieht,  naeh  welcher  das  Legionslagcr  an  der  Stelle  des 
heutigen  Ortes  Neuss  gedacht  wurde  i  vgl.  u.  a.  Q  u  o  s  s  e  e  k,  Gymn.-Progr., 
Neuss  1X70),  die  Stelle  zwischen  linkem  Krfrufer  und  Rhein  als  die  des 
Legion  singe rs  bezeichnen  (vgl.  u.  a.  diese  Jahrb.  und  1' iek's  Zeilschr. 
.F.  187^).  Als  dann  auf  meinen  Antrag  hin  im  Jahre  1887  das  Rheinische 
Provinzialinusciim  zu  Bonn  seine  systematische  Aufdeckung  des  Legions- 
lagcr« begann,  bezeichnete  man  von  wohlbekannter  Seite  das  Aufge- 
deckte zuerst  als  Privatgebaudc,  dann  als  Castcll  zum  Krft  übergange, 
und  als  endlich  das  ganze  Legionslager  zum  Vorschein  kam,  als  das 
zwischen  Novaesium  und  Dornumngus  gelegene  Buruncuin!  Wie  gedenkt 
nun  Tücking  dieser  Bostiminuiig  des  Legionslageis?  „ Bleiben  wir 
auf  der  StaatsstiassC,  sagt  Tüeking,  „und  suchen  wir  (also  Tücking!) 
die  Lage  des  Castell«  Novaesium  festzustellen."  .  .  .  .Das  Lager  war 
auf  einer  etwa  1  ->  Stunde  von  der  jetzigen  Stadt  Neuss  nach  Süden  hin 
entfernten  Bodenanschwellung  auf  der  linken  Seit*-  der  unteren  Krft  er- 
richtet." So  entschuldigt  man  sich  und  schreibt,  nachdem  ein  weiterer 
Widerspruch  der  Wahrheit  unterliegen  musste!  —  Einen  nicht  minder 
ungünstigen  Kindruck  macht  auch  der  Tücking'sche  Versuch,  die 
noch  nicht  abgeschlossenen  Resultate  der  Ausgrabungen  des  Bonner 
Provinziahnuseums  für  seine  Geschichte  der  Stadt  Neuss  zu  verwerthen; 
denn  abgesehen  davon,  dass  ein  solches  Vorgreifen  dem  Verfasser  wenig 
Khre  bereiten  kann,  beruht  das  Mitgetheilte  vielfach  auf  Irrthüinern  und 
groben  MissvcrstJtndnissen. 

Die  Aufgabe  de«  Neusser  Alenlagers  bei  Grimlinghausen,  welche  ich 
in  diesen  Jahrbüchern  (a.  a.  O.)  unter  Zugrundelage  bezeichnender  histo- 
rischer und  antiquarischer  Zeugnisse  mit  den  Neuerungen  Constantins 
in  Zusammenhang  brachte,  indem  dieser  die  Garnisnnstadte  (civitates 
muratae1!  durch  Aufhebung  der  Sonderlager  hervorrief,  schreibt  Tücking 
„dem  gegen  Grimlinghausen  vordringenden  Rhein  zu,  durch  den  der  alte 
Platz  bedroht  erschien!'*  Ganz  abgesehen  von  der  theoretischen  Unwahr- 
scheinlichkeit  dieser  Meinung,  hatte  Tücking  doch  die  Lage  des, 
durch  die  Ausgrabungen  des  Provinzialinuseuins  festgestellten  Alenquarticrs 
berücksichtigen  müssen,  nach  der  nämlich  der  WalTenplatz  zu  keiner 
Zeit  Gefahr  vor  der  Rhcinfluth  erkennen  lassen  konnte;  da  er,  ca.  IGOm 
vom  Rheinufer  entfernt,  auf  einer  Stelle  liegt,  die  nie  von  der  Hochfluth 
des  Rheines  bespült  wurde,  wenigstens  nachweislich  nicht  so  lange,  als 
das  Lager  bestand  und  ebensowenig  nach  dessen  Aufgabe.  Auch  spricht 
der  von  T  ü  c  k  i  n  g  und  von  seiuen  Vorgängern  herangezogene  einzigste 


216 


Constantin  Koenon: 


1:«  ;m  ündungsversuch,  nHmlich  die  Stelle  !>ci  Aiiiminn  XVIII,  2,  4,  mir 
vom  Wiederherstellung  und  Neu  he  t  est  igung  Novacsiums,  nicht 
von  einer  Verlegung  des  Alenouartiers. 

Kin  innerhalb  des  heutigen  Neuss  errichtetes  neues  „Lager"  kann 
nach  Tücking  nicht  über  das  Nordcnde  des  Büchels  gereicht  haben, 
weil  sich  von  dort  ab  viele  Gräber  gefunden  hittten.  welche  nach  den 
Zwölf  Tafel-Gesetzen  ausserhalb  der  Thore  sein  uiussten.  Sowohl  der 
Grund,  den  Tücking  hier  angiebt,  als  auch  die  Angabe  über  Lage 
jener  (trüber  ist  irrig.  Ich  habe  allerdings  bereits  seit  der  Herausgabe 
des  Q  u  os  e<  k  'scheu  Versuches,  im  heutigeu  Neuss  das  LegionslAger  zu 
bestimmen,  also  seit  dein  Jahre  1H70,  auf  jenes  Gesetz  und  auf  die  Römer- 
graber  innerhalb  des  gedachten  Lagers  verwiesen  (vgl.  obige  Citatc), 
also  bevor  noch  von  anderer  Seite  daran  gedacht  wurde,  jene  historische 
Quelle  für  die  rheinische  Topographie  zu  verwertheil.  Aber  ich  habe 
auch  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  nur  in  der  Zeit,  in  welcher  jene 
Graber  angelegt  wurden,  die  betreffende  BegrübnissstJUte  außerhalb  der 
Mauern  gelegen  habe,  allein  vorher  und  nachher  das  betreifende  Gebiet 
bewohnt  worden  sein  könne.  Tch  begründe  dieses  durch  die  frührömi- 
schen Graber  innerhalb  der  Colonia  Trajana  bei  Xanten,  dann  durch 
ein  augusteisches  Röniergrab,  das  vom  Bonner  Provinzialmuseum  im 
Bereiche  des  Neuswr  Legionslagers  bei  Grimlinghausen  gefunden  wurde. 
Da  nun  die  von  Tücking  angefühlten  Gräber  in  die  Zelt  der  Antoninc 
gehören,  worauf  ich  in  den  verschiedenen  Berichten  über  Neusser  Gräber- 
funde wiederholt  hingewiesen  habe,  so  konnte  Constantin  dort  recht 
wohl  ein  Castell  errichtet  haben.  Allein  das  Wichtigste,  was  diesbezüg- 
lich zu  beobachten  gewesen  wHre,  hat  Tücking  nicht  berücksichtigt; 
dass  uHinlich  südlich  des  Büchels,  auf  dem  Münsterplatze  und  sogar  noch 
weiter  südlich  dieses,  nämlich  rtm  Markte,  RömergrHber  gefunden  worden 
sind  und  dass  sich  unter  denselben  solche  mit  Münzen  von  Constantin  I. 
und  auch  charakteristische  Gefäisse  dieser  Zeit  fanden  (vgl.  Bonn.  Jahrb. 
LXIII,  S.  181  ff.).  Was  man  aus  diesen  Graberfunden  für  die  Topogra- 
phie von  Novaesium  folgern  kann,  ist  von  mir  in  diesen  Jahrbüchern 
ebenfalls  wiederholt  gesagt  worden  (vgl.  Jahrb.  LXXXIX,  S.  218  ff.).  — 
T  ü  c  k  i  n  g  versucht  auch  die  Ausdehnung  der  canabae  des  Neusser 
Legionslagers  zu  bestimmen,  verfallt  aber  auch  hier  wieder  in  Fehler 
und  es  ist  auffallend,  dass  seine  Muthmas&ungen  wie  von  ihm  festgestellte 
Thatsachen  aufgestellt  sind.  .Nordwestlich  des  Lagers",  so  lesen  wir, 
„zeigten  sich  Spuren  der  canabae,  deren  Nordseitc  durch  eine  Sumpf- 
niederung, das  sogenannte  Meerthal  gedeckt  worden  zu  sein  scheint." 
In  Wirklichkeit  sind  hier  nie  Spuren  der  Lagerstadt  festgestellt  worden; 
pie  wurden  vielmehr  durch  Untersuchungen  des  Provinzialmuseums  un- 
mittelbar südöstlich  des  Legionslageis  gefunden,  geschützt  durch  den 
Rhein,  die  Krft  und  nordwestlich  durch  einen  vor  der  porta  deeimana 
in  der  Linie  des  deeimanus  maxinius  gezogenen  tiefen  breiten  Graben. 


Dr.  Karl  Tücking,  Geschichte  der  Stadt  Neuss. 


247 


Wenn  Tücking  in  einer  Anmerkung  tadelt,  das«  in  den  Fund- 
berichten Klcin's  Grimlinghausen  und  nicht  Neuss  als  Fundstelle  an- 
gegeben wird,  so  ist  doch  zu  bemerken,  das»  die  Lagerstätte  in  unmittel- 
barer Xühe  des  Dorfe»  Grimlinghausen  ,  aber  '/2  Stunde,  von  Neuss 
entfernt  Hegt. 

Zu  welchen  Absonderlichkeiten  der  au  und  für  sich  gewiss  löbliche 
Kirchthurmcifer  T  ü  c  k  i  n  g's  führt,  beweist  er  selbst  am  besten.  So 
wechselt  Tückinp  in  seinen  Bezeichnungen  der  Legions-  und  der 
Gnrnisonstudt  stets  mit  den  Ausdrücken  Oasteil  und  Läget  und  sagt 
beispielsweise:  .in  den  GrHbcrn  neben  dem  alten  Römerlagcr  haben  sich 
auch  christliche  Alterthümer  gefunden,  so  namentlich  auf  einem  Ziegel- 
felde hinter  dem  Gütchen  oder  Josephkloster  vor  dem  Oberthore."  Jeder 
Forscher  wird  beim  Lesen  solcher  Zeilen  offenbar  an  christliche  Legions- 
soldaten des  Lagers  b«i  Grimlinghausen  erinnert;  allein  in  Wirklich- 
keit hat  die  davon  weit  entfernte  Fundstelle  höchstens  ciuen  Zusammen- 
hang mit  der  Garnisonstadt  Neues. 

Als  Fundstelle  eines  weiteren  Zeugen  des  Christenthums  nennt 
T  ü  c  k  i  n  g  die  „Nordseite  des  Friedhofes".  Dort  soll  ein  Glasbecher 
gefunden  worden  sein,  wie.  man  ihn  in  der  ersten  christlichen  Zeit  wohl 
beim  Spenden  der  Wegzehrung  gebraucht  und  der  Leiche  mit  in  das 
Grab  gelegt  habe.  T  ü  c  k  i  n  g  verweist  dabei  auf  Jahrb.  64,  S.  126,  wo 
jedoch  weder  der  Beweis  erbracht,  dass  wir  es  hier  wirklich  mit  einem 
christlichen  Grabe  zu  thun  haben,  noch  die  Fundstelle  n.ther  bezeichnet 
ist.  Ob  hier  eine  Verwechslung  mit  dem  von  Jäger  Jahrb.  VI,  S.  407  ff. 
besprochenen  und  von  mir  Jahrb.  LXIII,  S.  I8fi--188  als  merowingisch 
nachgewiesenen  GrÄborfunde  an  der  Nordseite  des  Friedhofes  vorliegt? 
Jedenfalls  finden  sich  kostbare.  Glaser  sowohl  in  den  heidnisch-römischen 
als  auch  tu  den  christlich-römischen  Gräbern  und  sie  kommen  auch  noch 
in  den  inerowingisch-fränkischcn  Todtenwohnungen  vor,  allein,  hier  wie 
dort  ohne  nachweisbaren  Bezug  auf  Kultusgebrauche ;  denn  man  gab 
den  ganzen  Hausrath  mit  in  das  Grab  oder  warf  ihn  in  die  Flamme  des 
Scheiterhaufens  (vgl.  Jahrb.  LXXXVI,  S.  148  IT.).  An  und  für  sich  würden 
allerdings  au  der  von  Tücking  bezeichneten  Stelle  spiltrömische  und 
frHnkische  GrHber  vorkommen  können. 

Es  thut  mir  leid,  den  einleitenden  römischen  Theil  der  T  üc  k  i  n  g'schen 
Geschichte  der  Stadt  Neuss  in  solcher  Weise  beurthiilen  zu  müssen,  um  so 
mehr,  als  der  unvergleichlich  umfangreichere,  nuf  archivalischcn  Forschun- 
gen beruhende,  das  Mittelalter  und  die  Neuzeit  beschreibende  Hauptinhalt 
des  Werkes,  welcher  die  Stadt  Neuss  unter  den  Krzbischöfeu  von  Köln  und 
die  Stadt  Neuss  im  19.  Jahrhundert  behandelt ,  schon  bei  flüchtiger 
Durchsicht  erkennen  IHsst,  dass  hier  wohl  mit  einem  wahren  Bieneneifer 
das  lokalgeschichtliche  Material  zusammen  getragen  und  zweifellos  auch 
trefflich  bearbeitet,  für  das  grosse  Publikum  freilich  etwas  zu  trocken 
vorgeführt  worden  ist.  Constantin  Koenen. 


JM8 


Sonnen  bürg: 


*>.   Beitrage   zur  Geschichte    d  c  r   S  t  h  il  t  Greil'swald, 
begonnen  von  Dr.  C.  (icstcrilin?,  fortges.  von  Dr.  Th.  l'yl. 
Dritte  Fortsetzung.    Die  niedcrrhcinische  und  westphälische  Kin- 
Wanderung  in  Rügisch-Ponimurn,  sowie  die  Anlage  und  Benennung 
der  Stadt  Greifswald.    Greifswald  lSf»2.   Vcrcinschrift  der  Rügisch- 
Pommerschcn  Abtheilung  der  Gesellschaft  für  Pomniersche  Geschichte 
und  AltcrthumBkunde. 
Der  auf  dein  Gebiete   der   pommerscheu  Specialgeschiehtc  vcr- 
dienle  Verfasser  behandelt  hier  ein  Thema,  das  nueh   das  besondere 
Interesse  des  rheinischen  Alterthumsforschcrs  erregen  dürfte,  so  das« 
eine  kurze  Anzeige  in  diesen  Jahrbüchern  sich  wohl  rechtfertigt.    Ks  ist 
der  Versuch,  Heu  Ursprung  der  Stadt  Greifswald  auf  Ansiedler  aus  be- 
stimmten Gegenden  des  Xiedcrrheins  zurückzuführen,  gestützt  vor  allem 
auf  die  Xanieii  von  Ortschaften,  Flüssen,  Familien,  Strassen. 

Nach  Abweisung  zweier  alteren  Deutungen  des  Namens  Greifswald 
wird  für  die  folgende  Beweisführung  die  Grundlage  geschaffen  durch 
eine  Darlegung  über  die  niederdeutschen  Ansiedelungen  im  Gebiete  der 
pommcrschen  und  mecklenburgischen  Kloster,  sowie  in  den  pomtner- 
schcn  Städten.  Allenthalben  weisen  clie  vorkommenden  Namen  der  Mehr- 
zahl nach  auf  niederländischen,  nicderrheinischen  und  niedcrsftc  hsischeu 
Ursprung  und  bestätigen  so  die  In  einem  folgenden  Abschnitt  besproche- 
nen Nachrichten  der  Geschichtschreiber,  besonders  die  bekannte  in 
Heimo  Ida  Slavenehronik  ,  wonach  die  Germauisirung  dieser  Land- 
schaften durch  Ansiedler  aus  den  genannten  Gegenden  erfolgt  ist.  Unter 
diesen  Umstanden  ist  es  kein  Zufall,  wenn  die  älteste  Strasse  Greifswalds, 
der  jetzt  sog.  Schuhhagen,  durch  seinen  ursprünglichen  Namen  Rore- 
mundshagen  auf  Roermond  hinweist,  um  so  mehr  als  auch  Namen  der 
im  13.  und  14.  Jahrhundert  dort  ansässigen  RUrger  von  niederrheini- 
schen Ortschaften  hergeleitet  sind,  so  Mulard  (Mulrad  bei  Düsseldorf), 
Horn  (hei  Roermond),  Ypendorf  (bei  Bonn),  v.  Hamme,  Bonne.  Der  hier- 
nach nothweudige  Schluss  auf  die  Herkunft  der  Ansiedler  wird  noch  be- 
stätigt durch  den  vom  Verfasser  ausführlich  gegebenen  Nachweis  der 
Uebertragung  uiederrheinischer  Ortsnamen  auf  die  Gewisser  und  Ort- 
schaften in  der  Umgebung  von  Greifswald.  Wenn  hier  eine  Ucberein- 
stiminung  in  Kinzelheiten  nicht  viel  besagen  will  und  manchmal  auf 
freier  Schöpfung  der  ja  auch  niederdeutsch  redenden  neuen  Bewohner 
der  Gegenden  beruhen  könnte,  so  ist  es  eben  wieder  die  grössere  Zahl 
solcher  Anklänge,  die  sie  als  willkommenes  Glied  in  die  Kette  der  Be- 
weisführung einfügt.  Somit  gewinnt  diu  Vermuthung  des  Verfassern 
dass  auch  der  Name  Greifswald  selbst  vom  Niederrhein  stamme,  grosse 
Wahrscheinlichkeit.  Ks  ist  der  den  rheinischen  Antiquaren  als  Fundort 
von  Matronensteineu  wohlbekannte  Hof  Gripswald  westlich  von  Kaisers- 
werth, welcher  sich  hier  bietet  uud  auf  den  der  Verfasser  hinweist,  Kr 


C.  Gesterding,  BeitrMge  zur  Geschichte  der  Stadt  Greifswald  etc.  249 


plebt  im  Anschlug  hieran  «ine  Uebersicht  der  Geschichte  dieses  als 
kurkölnisches  Lehen  im  Besitze  der  Familien  von  Buderieh,  von  Holtorp 
und  zuletzt  von  Goltstcin  gew  esenen  Gehöftes  auf  Grund  von  Urkunden 
den  Düsseldorfer  Archivs  und  einer  Urkunde  des  Archivs  der  Stadt 
Greifswald  und  bietet  damit  einen  schtttzenswerthen  Beitrag  zur  rheinischen 
Specialgeschichtc.  Ebenfalls  in  diesem  Sinne  werthvoll  ist  der  letzte 
Theil  des  Buches,  worin  alle  diejenigen  Familien  der  poinmerschon  Ritter- 
tichaft  und  der  Städte  Stralsund  und  Greilswald  mit  kurzen  Nachweisen 
aufgeführt  und  besprochen  werden,  bei  denen  eine  Herkunft  aus  dem 
Westen  Deutschlands  mehr  oder  weniger  sicher  oder  wahrscheinlich  ist. 
Des  Beispiels  halber  mögen  hier  vou  den  etwa  200  Namen  genannt  werden 
die  Familien  Datenberg  (bei  Linz  a.  Rh.),  v.  Apeldorn  (bei  Calcar)  aus 
der  Ritterschaft,  v.  Alen  (b.  Münster  in  W.),  von  Bremen,  v.  Coesfeld, 
v.  Deventer,  v.  Dülmen,  v.  Lingen,  v.  d.  Lippe,  v.  Meppen,  v.  Minden, 
v.  Neuss,  v.  Osnabrück,  v.  Ravensberg,  v.  Rekclinghusen,  v.  Soest, 
v.  Stralen,  v.  Unna,  v.  Wattenscheid,  v.  Wesel,  v.  Zutphen,  v.  Zwolle  in 
Stralsund,  v.  Aken  (Aachen),  v.  Bocholt,  v.  Kevelaer,  v.  Dortmund,  v.  Dune, 
v.  Essen,  v.  Iserlohn,  v.  Ludenscheid.  v.  Mehlen,  v.  Münster,  v.  Rhein, 
v.  Teklenburg,  v.  Warendorp,  v.  Werden,  v.  Westerholt  in  Greifswald.  — 
Mit  grossein  Eifer  ist  der  Verfasser  hier  auch  entlegeneren  Beziehungen 
zu  minder  bekannten  Ocrtlichkeiten  nachgegangen,  so  dass  seine  Arbeit 
auch  dem  rheinischen  Geschichtsforscher  mannigfache  Anregung  und 
Belehrung  bietet. 

Bonn.  Sonnenburg. 

t>.  Fritz  Sarre,  Der  Fürstenhof  zu  Wismar  und  die  nord- 
deutsche Terrakotta-Architektur  im  Zeitalter  der  Re- 
naissance. Mit  17  Tafeln.  Berlin,  Verlag  von  Trowitzsch  und 
Sohn,  1890. 

Die  Geschichte  des  norddeutschen  Backsteinbnues,  die  seit  den 
ersten  grundlegenden  Arbeiten  von  Adler  und  Essen  wein  vor  allem 
durch  Haupt  und  Lutsch  weiter  gefördert  worden  ist,  erführt  in  der 
vorliegenden  Arbeit  eine  werthvolle  Bereicherung  durch  eine  eingehende, 
auf  umfassender  Kenntnis»  der  historischen  Litterittur  wie  des  künstle- 
rischen Materialea  beruhende  Darstellung  des  vornehmsten  unter  den 
Renaissancebauten  Mecklenburgs,  des  Fürstcnhofcs  zu  Wismar.  Der  durch 
die  Grossartigkeit  der  Verhältnisse  wie  den  fein  abgewogenen  plastischen 
und  ornamentalen  Schmuck  gleich  ausgezeichnete  Bau  war  in  der  kunst- 
historischen Litteratur  nicht  unbekannt.  Lübke  hat  ihm  in  seiner  Ge- 
schichte der  Deutschen  Renaissance  einige  Seiten  gewidmet,  und Sch  ef fe r s 
hat  ihn  in  der  Renaissance  in  Mecklenburg  auf  einigen  Tafeln  publicirt. 
Sarre  setzt  hier  mit  neuen  Resultaten  ein.  Die  bisher  als  Urheber  ge- 
nannten Gabriel  van  Aken  und  Valentin  von  Lira  werden  als  einfache 


2*0 


Paul  Climen: 


Maurermeister  nachgewiesen  —  nur  die  dritte  an  dem  Bau  betei- 
ligte Persönlichkeit,  Statius  von  Düren  au»  Lüheck,  tritt  als  Künstler 
dem  Handwerksmeister  gegenüber  in  den  Vordergrund.  Die  Bauthtttig- 
keit  und  die  Baulust  des  Herzogs  Johann  Albrecht  I.  von  Mecklenburg, 
der  als  ein  echter  KeuaissaiiccfUrst  sich  steinerne  Monumente  in  gross- 
artigen  Palastanlagen  setzt,  des  Schöpfers  der  Schlösser  zu  Schwerin, 
Dömitz  und  Güstrow  wird  durch  einen  interessanten  Briefwechsel  zwischen 
dem  Herzog  und  den  Baumeistern,  den  Sarre  im  Anhang  au«  dem 
Schweriner  Archiv  publieirt,  in  eine  schärfere  Beleuchtung  gerückt.  Der 
Hauptwerth  der  Sarre'sche.n  Abhandlung  besteht  in  der  ausserordentlich 
sorgfaltigen  Untersuchung  des  decorativen  Schmuckes  des  Fürstenhofes, 
jener  Friese  und  Medaillons  aus  Terrakotta,  die  nach  den  Modellen  von 
Meister  Statius  von  Düren  geformt  wurden.  Ganz  sicher  ist  hier  der 
italienische  Einfluss  abzuweisen.  Die  Publikationen  von  L.  Gruner, 
The  Terra-Cotta  Architecture  of  North  Italy,  London  1867;  L.  Ruuge, 
Beiträge  zur  Kenntnis«  der  Backsteinarchitektur  Italiens,  Berlin  1847, 
H.  Strack,  Ziegclbauwerke  des  Mittelalters  und  der  Renaissance  in 
Italien,  Berlin  1889  ermöglichen  hier  eine  eingehende  Vcrgleichung.  Nur 
das  Dekorationssystem  in  Horizontalfriesen  und  Vertikallisenen  darf  als 
italiänisch  bezeichnet  werden,  aber  auch  das  kam  auf  dem  Umweg  über 
die  Niederlande  nach  Deutschland.  Die  niederländische  Beeinflussung, 
die  in  den  Einzelformen  unzweifelhaft  vorliegt,  hatte  vielleicht  noch  et- 
was deutlicher  durch  Vergleich  mit  den  friesischen  und  gelderländischen 
Bauten  zum  Ausdruck  gebracht  werden  können.  In  den  Provinzen  Lim- 
burg und  Gelderland  finden  sich  schon  im  15.  Jahrhundert,  zuerst  für 
die  Schoorstecne,  jene  aus  feinstem  Thon  gebrannten  Zicrplatten  mit 
Köpfen  und  ganzen  seenischen  Darstellungen.  Die  Sammlungen  im  Rath- 
haus zu  Nymwegen,  im  Alterthumsmuseum  zu  Arnheim,  im  Rijksmuseum 
zu  Amsterdam,  die  Sammlungen  Baron  von  Geyr-Schweppenburg  zu 
Haus  Caen  bei  Straelen,  Buyx  zu  Nieukerk  enthalten  eine  ganze  Reihe 
von  frühen  Exemplaren.  Der  Abschnitt  über  die  Verbreitung  der  Form- 
steine bringt  sehr  bcachtcuswerthe  Beitrage  zur  Geschichte  der  mecklen- 
burgischen Profanarchitektur,  vor  allem  werden  wir  mit  den  reizvollen 
Schlossbautcn  zu  Ulrichshausen  und  Freyenstein  zum  ersten  Male  genau 
und  mit  feinem  Verständnis»  für  die  Abwägung  der  Zierformen  bekannt 
gemacht.  Als  Anhang  ist  ein  Verzeichnis«  der  Künstler  und  Werkmeister 
in  Mecklenburg  in  der  zweiten  Hälfte  des  IG.  Jahrhunderte  angefügt, 
zum  grossen  Theil  ans  unpublicirten  archivalischen  Quellen  geschöpft. 
Unter  den  69  Künstlern,  über  die  Sarre  alle  vorhandenen  Notizen  bei- 
gebracht, befinden  sich  eine  Reihe  von  Ausländern,  deren  Anwesenheit 
nicht  nur  auf  die  Freizügigkeit  der  Architekten  der  Renaissance,  sondern 
auch  auf  die  hohe  und  dem  Ausland  mit  offenem  Blick  gegenüber- 
stehende Bildung  des  herzoglichen  Mäcens  schliessen  lässt.   Neben  Fran- 


Fritz  Sarre,  Der  Fürstenhof  zu  Wismar  etc. 


251 


cesco  a  Boruau,  Chiamarclla,  Meister  Paul  und  amlcirn  welschen  Künst- 
lern finden  sich  eine  Reihe  niederländischer  Werkmeister,  weiter  wird  die 
enge  Verbindung  zwischen  der  brandenburgischen  und  mecklenburgischen 
Architektur  illustrirt,  interessant  sind  auch  die  Ausführungen  über  Kr- 
hard  Altdorl'er,  den  Bruder  des  bekannten  Regensburger  Malers.  Die 
zum  Theil  nach  eigenen  Aufnahmen  angefertigten  vortrefflichen  grossen 
Lichtdrucktafeln  bieten  neben  Ansichten  und  instruktiven  Details  vom 
Fürstenhofe  auch  Abbildungen  von  sieben  weiteren  derselben  Gruppe 
Angehörigen  Denkmälern. 

Paul  Clemcn. 


III.  Misi-i'llrn 


1.  Die  Viergöttersteitie.  Einer  mühevollen  aber  dankens 
werthen  Aufgabe  hat  sich  Prof.  Hang  iii  Mannheim  unterzogen,  indem 
er  in  der  Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst  X  IHM 
|».  !)  ff.  125  ff.  205  ff.  die  unter  dein  Namen  „Viergöüersteine"  den  rhcin- 
landischcn  Altcithninsforschcrn  gcuugsam  bekannten  Denkmäler  zu- 
sannnengestellt  und  besprochen  hat.  Kine  Vorarbeit  dazu  war  die  Samm- 
lung und  Besprechung  der  „Wochengöttersteine"  in  derselben  Zeitschrift 
IX  p.  1  ff.  (mit  Taf.  1).  Wir  müssen  dem  Verfasser  darin  beipiliehten, 
dass,  während  die.  Epigraphik  den  provinzialen  Inschriften  hingst  ihre 
Aufmerksamkeit  mit  gleicher  »Sorgfalt  zugewendet  hat  wie  den  italischen, 
die  Archäologie  fast  achtlos  an  den  Produkten  der  provinzialen  römischen 
Kunstübung  vorübergegangen  ist.  Vor  Hang  hat  nur  Einer  den  Ver- 
such gemacht,  die  vorhandenen  Viergütterstciue  überhaupt  zusammen- 
zustellen:  Karl  Klein  in  der  Zeitschrift  des  Mainzer  Vereins  I  1851 
p.  1*1)  ff.  Wahrend  dieser  nur  .11  Stücke,  aufzahlen  konnte,  verzeichnet 
Haug  nicht  weniger  als  21N. 

Da  in  diesen  Jahrbüchern  nur  selten  von  dieser  Denkmalerklasse 
gesprochen  worden  ist,  was  damit  zusammenhangt,  dass  dieselbe  am 
Niederrhein  nur  spärlich  vertreten  ist,  so  halten  wir  es  für  angebracht, 
die  Leser  auf  die  HaugVhe  Arbeit  aufmerksam  und  mit  den  Resultaten 
derselben  bekannt  zu  machen. 

Nach  einigen  Vorbemerkungen  Über  die  Form  der  Steine,  die  Art 
der  Anbringung  der  Reliefs  u.  s.  w.  erhalten  wir  im  ersten  grünsten  Ab- 
schnitt d  i  e  A  u  IzHh  I  u  n  g  u  n  d  He.se  h  rei  bim  g  de  r  Vi  e  rgüt  t  erst  e  ine. 
Beigefügt  sind  I  Tafeln  mit  den  Abbildungen  einiger  der  beinerkens- 
werthesten  Stücke.  Die  Anordnung  ist  geographisch  und  es  fallen  da- 
nach auf  das  Königreich  Württemberg  (mit  Bayrisch-Sehwahen)  IS.  aul 
das  Grossherzogthum  Baden  £J  (tt.  11) — II),  auf  die  hessische  Provinz 
Starkenburg,  Unterf ranken,  Aschaffenburg,  Nassau  22  (n.  !2-M>,  auf 
Unterelsass  K!  (n.  ÖI-71»,  auf  die  Rheiupfalz  M  (n.  W-1K»),  auf  Rhein- 
hesscn  1!)  (n.  110-134),  auf  Rheinpreussen  mit  Birkenfeld  und  Deutsch- 


Miscellcn, 


253 


lothringcn  31  (135-1I58,  davon  135-141  aus  Kreuznach;  vom  unteren 
Khoiti  stammen  nur  wenige :  n.  163  Andernach,  n.  WA  Ahrgebiet,  n.  165 
Bonn,  n.  16G  Köln,  n.  UJ7  bei  Neuss),  auf  Luxemburg  mit  Belgien  25 
Ol.  1G9-193),  auf  Frankreich  21  (n.  191-217;  die  bedeutendsten  die  viel 
besprochenen  Pariser  AltHre  n.  197— 199  und  das  merkwürdige  mcgali- 
thtsche  Denkmal  von  Kernuz  n.  203).  Diu  Abschluss  bildet  ein  in  Rom 
gefundener  Vicrgntteraltar  u.  21H.  Abgesehen  von  vereinzelten  Kxem- 
plaren  also  kommen  diese  Denkmäler  zunächst  im  .sog.  Dcc  umatcnland 
in  grösserer  Anzahl  vor;  die  nörd  liebsten  gehören  '/tun  Gebiet  der  Mnt- 
tiaker  und  gegen  Süden  reichen  sie  nur  bis  Kotten  bürg.  Die  unterelstts- 
sischen  Steine  gehören  dein  Gebiet  der  Triboker  an,  die  rheiupfMI/.ischcn 
dem  der  Nemeter;  den  Vanginnen  werden  n.  106—141  zuzuthcilen  sein. 
.Wo  die  Grenze  zwischen  den  Vangionen  und  Nemetern  einer-  und  den 
Tieverein  andererseits  durchlief,  ist  unseres  Wissens  noch  nicht  festge- 
stellt; wahrscheinlich  gehörte  al»er  die  Gegend  von  Birkenfeld  und  «Ut- 
weiler schon  zu  dem  wcitausgcdchntcu  Gebiet  der  Treverer.  das  sich  im 
Westen  noch  Uber  Luxemburg  erstreckte.*  Sporadisch  treten  die  Denk- 
miller auf  in  den  Gebieten  der  Mediomatriker  <14fc  ff.)  und  Thier  (lfi3  ff.); 
ebenso  in  Frankreich.  Also  bei  den  Tribokem,  Nemetern,  Vangionen 
und  Treverern  Huden  wir  dieses  Gebiet  religiöser  Kunstübung  hauptsäch- 
lich vertreten. 

Im  2.  Kapitel  giebt  der  Verfasser  die  archäologisch  -  mytho- 
logische Besprechung  der  einzelnen  Götterfiguren,  d.  h.  er  will 
nicht  die  einzelnen  Typen  der  AltHre  in  umfassender  Weise  kunstge- 
schichtlich  erörtern,  sondern  nur  dns  Thatsflchliche  zusammenstellen. 

Juppiter  findet  sich  nur  etwa  20 mal  dargestellt,  am  hllullgsten 
im  Gebiet  der  Treverer,  einmal  sitzend  (n.  tf7),  sonst  immer  stehend.  Die 
gew  öhnlichen  Attribute  sind  Scepter  und  Blitzstrahl ;  einige  Male  hat  er 
einen  Kranz  auf  dein  Haupte.  Auch  der  ihm  heilige  Vogel,  der  Adler, 
fehlt  auf  einer  Anzahl  von  Denkmälern  nicht.  Dreimal  (n.  Iii.  95.  145) 
ist  ohne  Zweifel  der  keltische.  Juppiter  mit  dem  Rad  dargestellt,  für  den 
man  den  keltischen  Namen  noch  nicht  gefunden  hat  (vgl.  Hettner, 
Westdeutsche  Zeitschritt  III  27  ff.).  Dass  Juppiter  vcrhaltnissmässig 
selten  abgebildet  ist,  hat  darin  seinen  Grund,  dass  die  ViergottcraltMre 
meistens  oder  immer  Postamente  lür  sitzende,  reitende  oder  vielleicht 
auch  stehende  Juppiterstatuen  gewesen  sind  (siehe  weiter  unten). 

Juno  ist  neben  Hercules,  Mercur,  Minerva  die  am  häufigsten,  sehr 
mannigfach  dargestellte  Gottheit.  Mehrfach  erscheint  sie  als  opfernde  Frau 
mit  Opforkästchen  und  Schale;  gewöhnlich  ist  ihr  der  Pfau  beigegeben, 
der  sie  in  n.  209  sogar  allein  vertritt,  wie  der  Adler  den  Juppiter.  Be- 
uierkensworth  ist  n.  21  (Taf.  1),  wo  die  durch  den  Pfau  als  Juno  gekenn- 
zeichnete Göttin  einen  Drachen  füttert.  Haug  verweist  hierbei  auf 
die  Juno  Lanuvina  (Preller,  Köm.  Mythol.  P  p.  27«  f.).    Unsicher  ist 


Miscellen. 


diu  Juno  mit  dem  Blitzstrahl  <u.  94.  95.  100.  102).  Den  Gegenstand,  den 
die  Göttin  trägt,  halt  Hcttner  für  eine  Schlang«  und  nennt  die  Göttin 
Ceres.  Ebenso  erblickt  Hettner  in  den  Darstellungen,  die  uns  die  Göttin 
mit  der  Fackel  zeigen,  nicht  Juno,  sondern  Ceres. 

Minerva  ist  ausser  durch  Helm,  Schild  und  Lanze  meistern»  durch 
die  Eule  charakterisirt,  die  noch  häufiger  vorkommt  als  der  Pfau  der  Juno. 

Hercules  hat  den  hekannten  Typus:  die  Rechte  hält  die  auf 
dem  Boden  ruhende  Keule,  die  Linke  dio  Hcsperidenäpfel ;  von  der 
linken  Schulter  fallt  die  Löwenhaut  herab.  Eine  2.  Gattung  von  Her- 
culcsbildern  bilden  verschiedene  Kampfscenen  (Hercules  mit  der  Hydra, 
Hindin,  der  Amazone,  dem  Löwen). 

Mercurius  ist  stets  jugendlich  bartlos  dargestellt,  meist  mit  der 
Chlamys  bekleidet.  Sehr  häufig  sind  die  Flügel  am  Kopf  (ohne  weitere 
Kopfbedeckung),  selten  Flügel  an  den  Sandalen.  Die  üblichen  Attribute 
sind  Schlangenstab  und  Beutel,  ausserdem  eine  Reihe  Thierc:  Hahn, 
Bock,  Widder,  Schildkröte,  Hund  (?). 

Apollo  fludot  sich  etwa  35 mal;  er  ist  jugendlich  bartlos,  sein 
Haar  fallt  in  Locken  herab;  scwcimal  schmückt  ihn  ein  Lorbeerkranz. 
Die  Lyra  trügt  er  in  mannigfachen  Stellungen.  Als  Thiere  sind  ihm  bei- 
gegeben Greif  (n.  21.  85),  Rabe  (n.  «6.  199),  einmal  der  Wolf  (n.  11). 

Mars  erscheint  etwa  20  mal,  immer  jugendlich  und  unbHrtig,  oft  ohne 
Helm,  selten  mit  Schwert,  meist  nur  mit  Panzer,  Lanze  und  Schild.  Ebenso 
häufig  etwa  kommt  der  durch  Hammer,  Zange  und  Ambos  als  Schmiede- 
gott charakterisirte  Vulkan  vor.  Victoria  (etwa  20 mal)  erscheint  in 
3  verschiedenen  Typen,  die  auch  auf  römischen  Münzen  vertreten  sind ; 
Fortuna  nur  10 mal  (mit  Steuerruder  und  Füllhorn,  einige  Male  mit 
Kugel  und  Rad);  selten  die  Göttin  der  Fülle  (Felicitas,  Abundantia,  Copia). 
Für  die  Darstellungen  derVeuus  lasst  sich  ein  ausgeprägter  Typus  nicht 
erkennen;  allen  Darstellungen  gemeinsam  ist  der  Mangel  verhüllender 
Kleidung.  Diana  (etwa  14  mal)  wird  immer  als  Jägerin  charakterisirt, 
öfter  begleitet  sie  ein  Hund.  Neben  ihr  erscheint  Sil  van  auf  2  Steinen 
aus  dem  Schwarzwald  (n.  11  und  12),  ähnlich  im  Wasgau  (n.  215)  und  in 
Rom  (n.  218).  Ganz  vereinzelt  treten  auf  Sol,  Luna,  ein  Genius,  Castor 
und  Pollux,  Neptun,  Cybele,  Maia,  Ganymedes;  zweifelhaft  ein  Bacchus; 
ganz  singuiar,  aber  sicher  n.  29  Leda  mit  dem  Schwan. 

Aus  dem  dritten  Abschnitt  „über  die  Gruppirnng  der  Götter- 
figuren" (p.  319  IT.)  sei  folgendes  angeführt.  Gewöhnlich  finden  sich 
2  männliche  und  2  weibliche  Gottheiten  dargestellt,  öfter  auch  3  männ- 
liche und  1  weibliche,  selten  3  weibliche  und  1  männliche.  Weitaus  am 
häufigsten  wurden  zusammengestellt  Juno,  Mercnr,  Hercules, 
Minerva  und  zwar  meist  in  der  Reihenfolge,  dass  (von  links  nach 
rechts  gezählt)  die  2  weiblichen  und  die  2  männlichen  Figuren  je  neben- 
einander stehen.   Selten  treten  an  die  Stelle  der  Juno  andere  Gottheiten 


Mise  eilen. 


256 


(Apollo,  Venus,  Fortuna,  Juppiter,  Cybele),  noch  seltener  wird  Hercules 
durch  ein«  andere  Götterßgur  ersetzt  (Vulcaii,  Mars,  Apollo),  etwa»  häu- 
tiger Minerva  (Victorin,  Vnlcan,  Venus,  Apollo,  Mar»,  Fortuna).  Am  meisten 
ist  die  Figur  de»  Mercur  Schwankungen  unterworfen,  an  »eine  Stelle  treten 
Apollo,  Mars,  Vulcan,  Juppiter.  Eine  von  der  normalen  vollständig'  ab- 
weichende Auswahl  von  Göttcrflguren  bieten  die  Steine  11  I'.  29  f.  39.  48. 
85.  108.  197.  Eine  bestimmte  Gesetzmässigkeit  in  der  Gruppirung  lässt  »ich 
sonst  kaum  nachweisen.  Keine  Gottheit  schliesst  an  sich  die  andere  au«, 
und  man  wird  anzunehmen  haben,  dass  persönliche  Neigungen  und  Ver- 
hältnisse, iu  manchen  Fällen  vielleicht  auch  ortsübliche  Sitte  die  Auswahl 
der  Gottheiten  bestimmt  hat. 

Im  4.  Abschnitt  spricht  Haug  über  die  Viergötteraltäre  als 
Theile  grösserer  Denkmäler.  Er  vertritt  die  schon  vou  Früheren 
ausgesprochene  Ansicht,  die  aber  unbeachtet  geblieben  ist,  das»  die 
Viergötteraltäre  nicht  als  selbständige  Monumente ,  aoudern  zum  aller- 
grössten  Theile  als  Postamente  zu  gelten  hätten.  Wie  die  Denkmäler 
von  Merten  und  Heddernheim  gelehrt  haben,  bildeten  sie  sicher  zu 
einem  Theile  die  Sockel  der  sog.  Giganten-  oder  J  u  p  p  itersä  u  I  c  n. 
Andere  werden  als  Basen  für  sitzende  oder  auch  stehende  Juppitcrfigurcu 
gedient  haben.  Das  ist  zwar  nur  eiuo  Vermuthung,  aber  eine  wahr- 
scheinliche. Die  einzig  sicher  reeonstruirten  Denkmäler  siud  bis  jetzt 
diejenigen,  welche  eine  Säule  xmd  darauf  die  Gigantengruppc  tragen. 
Hang'»  Deutung  dieser  sog.  JuppitersHulen  ist  folgende  (p.  334):  „Unsere 
Ansicht  geht  dahin,  dass  wir  in  dem  Reiter  zunächst  Juppiter  zu  erkennen 
haben,  eben  den  Juppiter,  dem  diese  Denkmäler  wahrscheinlich  alle  ge- 
weiht waren,  dass  aber  dieser  gigantenbezwingende  Juppiter  eine  alle- 
gorische Darstellung  der  Uber  die  Barbaren  siegenden  römischen  Kaiser- 
macht ist,  und  dass,  um  diese  Allegorie  deutlicher*  zu  machen,  aber  mit 
Verkennung  der  Gesetze  des  Stils,  Juppiter  abgesehen  von  dem  Kopfe 
realistisch  in  der  Tracht  und  Haltung  eine«  römischen  Kaisers  dargestellt 
ist.  In  dem  Gigauten  aber  erblicken  wir  eine  Allegorie  der  von  der 
römischen  Weltherrschaft  besiegten  Barbaren  oder  genauer,  da  im  3. 
Jahrhundert  n.  Chr.  Gallien  längst  unterworfen  und  romanisirt  war,  der 
besiegten  Germanen."  Der  Verfasser  nimmt  also  einen  vermittelnden 
Standpunkt  ein,  er  verknüpft  allegorische  und  historische  Deutung.  Es 
ist  in  dieser  Frage  sicherlich  noch  nicht  das  letzte  Wort  gesprochen 
worden;  hoffen  wir,  dass  neue  Funde  weitere  Aufklärung  bringen 
werden. 

Was  endlich  die  Zeit  anlangt ,  aus  welcher  diese  Denkmäler 
stammen,  so  ergeben  nur  die  Inschriften  einige  Anhaltspunkte;  die  da- 
tirten  fallen  zwischen  die  Jahre  170—24«  n.  Chr.  In  Bezug  auf  Zweck 
und  Veranlassung  der  Monumente  ergibt  sich  aus  den  Inschriften  snzu- 


Miscellen. 


sagen  nichts.  Di»-  Widmung  lautet  meint  Ifovi)  o(ptimoj  m(ax-imo).  Sonst 
stehen  auf  den  Inschriften  dieselben  Formeln  und  Wendungen,  wie  sie 
auf  allen  Voth  steinen  vorzukommen  pflegen.  M.  I. 

2.  Matres  ollotoiae.  In  Biuchester,  dem  alten  Vinovin, 
wurde  kürzlich  ein  Altar  gefunden  mit  der  folgenden  Inschrift:  lori 
optima  maxi  wo  et  Matribus  Ollototts  sire  trawmarini*  l'omponiun 
Donatus  beneficiarius  conitularist  pro  suhlte  sua  et  xuorum  Votum  so/vit 
libenti  aitimo,  mitgctheilt  nach  'The  Illustratcd  London  News'  vol.  i»8 
(1891)  p.  775  und  besprochen  von  Th.  v.  Gricnberger  im  Korrespondenz- 
blatt  der  Westdeutschen  Zeitschrift  X  1891,  p.  204  ff.  Den  Beinanien 
Ollotoiae  <~  Ollotouiae)  bat  Gricnberger  durch  Annahm«  eines  kelti- 
schen Volksstammes,  der  Ollotouti  (OlMoti),  wie  ich  glaube,  befriedigend 
erklärt.  Ollotouti  (oll  +  tut)  würde  danach  'Gcsammtleute',  'AllniHnner' 
bedeuten,  gerade  wie  Mediotouii  (vgl.  die  Moires  Mediotautehae,  Jahrb. 
d.  Vereins  LXXX1IT,  p.  10,  14«  n.  280)  '.Mirtelvolk'.  Durch  die  obige  In- 
schrift fallt  einiges  Licht  auf  eine  ebenfalls  aus  Binchester  stammende, 
jetzt  verschollene  Inschrift,  welche  Hübner  im  CIL  VII  n.  424  in  folgen- 
der Fassung  abgedruckt  hat: 

D  E  AB 
M  "R  8  &  L  Z 

"fr  C  L  Q  VN 
Tf  N  S  ff  CoS 
V    S  L  M 

Die  Ueberlieferung,  die  im  Wesentlichen  auf  Camden  zurückgeht 
(Gruter  90,8  von  Camden,  1017,1  vouCotton  und  Camden,  hier  mit 
den  Ligaturen),  bietet«  aber  ziemlich  Uboreiiistiuuueud  in  tler  zweite» 
Zeile 

MATRIB  Q  LS  (beziehungsweise  AA"R8Q  L5). 
Nur  an  einer  Stelle  soll  statt  des  Q  ein  Epheublatt  als  Interpunktionszeichen 
stehen,  unddaftir  hat  sich  II  üb  ncr  entschieden.  AuchThomas  Gate  hat  im 
'Antonini  Her  Britanniantm'  p.  11  Q-L5-  loh  glaube  nunmehr,  dass  derselbe 
Beiname  der  Matres  herzustellen  ist,  den  uns  die  oben  mitgctheilte  Inschrift 
besser  bewahrt  hat,  also  0LL5  oder  vielmehr  unter  Annahme  einer  Li- 
gatur von  0  und  L,  die  zwar  etwas  ungewöhnlich  ist,  aber  doch  zu  dem 
Ligatureureichthmn  in  den  übrigen  Worten  der  Inschrift  passt:  CL.LÜ- 
Wie  leicht  die  Verwechselung  mit  y  war,  springt  in  die  Augen.  Also: 
Deab{u*)  Matrib(ws)  Ollol(otis)  Tib(erius)  Cl{auüiu*)  Quintiaaus  b(ene)- 
f(iciarius)  co(n)n(uUtriii)  v(olumj  *(olcit)  l(ibens)  m(erito). 

Ein  drittes  Beispiel  desselben  Namens  scheint  endlich  in  CIL  VII 
ii.  42f»  zu  stecken.    Der  Fundort  ist  gleichfalls  Binchester.    Ich  habe  der 


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Miscelieu. 


2fi? 


Zweifelhaften  Ucberlieferung  wegen  die  Inschrift  seiner  Zeit  zu  der 
grossen  Gruppe  der  'incertae'  gerechnet,  Matronenkultus  p.  173  n.  467. 
Sibbald,  der  älteste  Gewährsmann,  überliefert  sie  folgcnderuiassen: 

JRIBOI...T 

CA  RT'  *  OVAL 
MARTI VETTO 

GENIO  LOCI 
LIT  •  IXT- 

Cotton  bietet  rar  die  erste  Zeile  AIRIBOLIST;  Camdens  Lesart 
TRlB-COHOR-l  scheint  atxf  Interpolation  zu  beruhen.  Ich  meine,  die 
Vermuthung,  dass  auch  hier  Matres  Ollototae,  die  vielleicht  noch  einen 
zweiten  Beinamen  hatten,  im  Verein  mit  anderen  Göttern  angerufen 
werden,  ist  nicht  allzu  gewagt.  Dem  Boden  von  Binchester  würden  wir 
also  bis  jetzt  fünf  Matresinschriften  zu  verdanken  haben,  nttmlich  ausser 
den  drei  ebenbesprochenen,  CIL  VII  426  Mat{rüni#)  sac(rum)  Gemellus 
v.  9.  I.  Mi.,  und,  wofür  trotz  der  unsicheren  Lesung  die  Wahrscheinlich- 
keit spricht,  die  in  der  Ephemeris  epigraphica  VII  p.  312  n.  980  mit- 
getheilte,  mit  der  Widmung  an  die  Matres  tramarinae. 

Nachtrag.  Die  obige  Notiz  war  langst  geschrieben,  als  mir  Herr 
It.  Mowat  in  Paris  Nr.  16  des  Jahrganges  1891  (vol.  V)  der  'Proceedings 
of  the  society  of  antiqnarics  of  Newcastlc-upon-Tyne'  zukommen  Uess, 
worin  er  (S.  127  ff.)  seine  Beobachtungen  über  'three  altars  consecrated 
to  the  OUotot  goddesses  at  Binchester*  veröffentlicht,  die  sich  im  Wesent- 
lichen mit  den  meinigeu  decken.  Ich  gebe  die  Inschrift  nach  der  auf 
S.  128  befindlichen  Abbildung  hier  wieder.  Veröffentlicht  ist  sie  ausser- 
dem von  H  o  o  p  p  e  1 1  im  Journal  of  the  British  Archaeological  Associa- 
tion 1891  Sept.  p.  268  (vgl.  Wochenschrift  für  klass.  Philol.  1892  Nr.  4 
p.  108)  und  von  Haverfield  in  der  Archaeologia  Aeliana  vol.  XV  1891 
p.  225  ff. 

I       0  M 
ETMATRIB 

V  S  0  L  L  OTO 
TISSIVETRA 
NSMARI  N  I  S 
POMPONI  VS 
DONATVS 
BF  COSPRO 

S  ALVTE  SVA 
ET  SVORVM 

V  S    L  Nif 

J»hrb.  d.  Vor.  v.  Alterllwfr.  Im  Bhelnl.  XCil.  17 


Miscellen. 


Dir  letzt«  Buchstabe  war,  wie  Mowat  (S.  131)  bemerkt,  nicht  A, 
sondern  M.  Die  Inschriften  CIL  VII  4'24  und  42»  ergänzt  Mn«  «t,  wie 
ich  gethan  habe  •— dasselbe  haben  übrigens  auch  II ooppcll  und  Haver- 
fi'eld  vorgeschlagen  —  :  Matrib(ux)  Ollof{otix).  Die  von  Grienberger  ge- 
gebene Etymologie  des  Beinamens  der  Matres  halt  Mowat  llir  richtig  und 
verweist  dafür,  das«  Ollololae  soviel  bedeute  wie  Matrex  totius  gentix  oder 
Matrex  ad  universam  nationem  pertinentex,  auf  die  bekannte  Inschrift 
von  Caiubeckfort  CIL  VII  887  (Abbildung  bei  Mowat  S.  129)  Matribus 
omnium  gentium  u.  s.  w,  Dass  (Hlototae  Uebersetzuug  von  omni  um  gentium 
ist,  glaube  ich  allerdings  nicht,  sondern  ich  nehme  mit  Grieu  berger 
an,  dass  Ollototi  Name  eines  keltischen  Stammes  gewesen  ist  (vgl.  die 
Ambitoti  oder  Ambituti)  und  dass  danach  die  transmarinen  Mütter  Ollo- 
totae oder  Ollutotiae  benannt  worden  sind.  Die  Matrex  omnium  gentium 
sind  ihrerseits  zu  vergleichen  mit  den  Matrex  Italae  Germanae  Gallae 
Britannae  CIL  VII  5  (Winchester)  und  den  Matrex  Afrae  Italae  Gallae 
CIL  VII  23«  (York).  Beiläufig  bemerke,  ich  zu  letzterer  Inschrift,  dass 
ich  Hühner'»  Aullösung  AFW*  für  richtig  halte,  dass  es  dem  ganzen 
Tenor  der  Inschrift  widerstrebt,  mit  M  o  w  a  t  an  Matrex  KJFliae  Italae 
Gallae  zu  denken.  Demi  diu  Aftiae  sind  in  und  bei  Köhl  zu  Hause  (vgl. 
meinen  Matronenkultus  S.  25)  und  werden  Matronae  genannt,  nicht  Matrex. 
Dass  in  Afrika  bis  jetzt  keine  Matronensteine  gefunden  worden  sind,  ist 
ja  richtig,  aber  das  spricht  noch  nicht  gegen  die  Matrex  Afrae  (vgl. 
Matronenkultus  S.  71).  Und  wer  will  behaupten,  das«  in  Afrika  nicht 
noch  Matronensteine  zu  Tage  kommen  können?  Soldaten  können  doch 
überallhin  verschlagen  werden,  nicht  nur  nach  Britannien  und  Spanien, 
sondern  auch  nach  Afrika.  Zudem  sind  uns  zwei  Inschriften  der  Com- 
pextrex  aus  Afrika  bekannt. 

Dass  in  der  Inschrift  CIL  VII  424  (s.  o.)  die  Herausgeber  statt 
OLLOT  haben  lesen  können  Q  LOT,  sucht  Mowat  durch  Annahme 
einer  Ligatur  LL,  die  die  Gestalt  eines  umgedrehten  T  (J,)  gehabt  haben 
würde,  zu  erklären.  Undenkbar  wäre  das  nicht;  das  0  müsste  dann  sehr 
nahe  an  dieser  Ligatur  gestanden  haben.  Einstweilen  möchte  ich  aber 
noch  an  dem  von  mir  oben  gegebenen  Erklärungsversuch  festhalten. 

Schliesslich  noch  ein  Wort  gegen  die  Sprachvergleicher,  die  In- 
schriftentexte zu  einendiren  versuchen,  als  wäre  es  handschriftliche  Ueber- 
lieferung.  So  lese  ich  u.  a.  in  der  Revue  Celtique  XII  1891,  p.  410,  dass 
Whitlcy  Stokes  vorgeschlagen  hat,  ällototix  zu  lesen,  statt  oUototix, 
bewogen  durch  kymr.  alltüd  (-  was  einem  anderen  Lande  gehört,  vgl. 
Glück,  keltische  Namen  bei  Caesar  p,  27).  So  lange  ein  solcher  Emen- 
dationsversuch  nicht  unbedingt  nothwendig  ist  —  und  diese  Notwendig- 
keit liegt  in  unserm  Falle  nicht  vor,  auch  wenn  Haverfield  im 
Korrespondenzblatt  der  Westd.  Zeitschrift  X  1891,  S.  255  für  ollototae 


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Mizellen. 


„eine  sich  mit  Iranxmarinae  einigermassen  deckend«  Bedeutung-  ver- 
langt — ,  hat  der  Philologe  bei  der  überlieferten  Lesart  stehen  zu  bleiben. 

M.  I  h  in. 

3.  Zu  den  Römischen  S  |>  i  e  1 t  a  f  e  1  n.  Für  die  Gattung  Rö- 
mischer Spieltafeln,  welche  ich  in  den  .Bonner  Studien'  (p.  223— 239)  und 
danach  in  den  , Mittheilungen  des  Römischen  Instituts'  1891  p.  208—220 
zusammengestellt  habe,  ist  Rom  der  hauptsächlichste  Fundort,  nur  wenige 
stammen  aus  den  Provinzen  (Afrika,  Gallien).  In  Trier  sind  bis  jetzt 
drei  gefunden  worden,  von  deneu  die  bekannteste  lautet : 

VIRTVS  ~  IMPE  R  I 
HÖSTES  0  VI  NC  Tl 
LVD  A  N  T  "  ROMA  Nl 

(vgl.  Jahrb.  des  Vereins  v.  Alterthuinsfrcunden  LXXXX  p.  186).  Mit 
dieser  zeigt  eine  gewisse  Verwandtschaft  die  Aufschrift  einer  kürzlich 
in  Rom  bei  den  Katakomben  der  heiligen  Priscilla  vor  Porta  Snlara 
gefundenen  Tafel,  welche  de  R  o  s  s  i  in  den  Conferenze  di  archeologin 
cristiana  (26.  April  1891)  und  danach  in  der  Sitzung  der  Ecole  frani;ui.se 
de  Romc  vom  1.  Mai  1891  mitgcthcilt  und  besprochen  hat  Geffroy, 
der  Direktor  des  genannten  Instituts,  berichtet  darüber  an  die  Pariser 
Akademie  in  den  Coinptes  rendns  de  TAcademie  des  inscriptions,  4.  ser. 
t.  XIX  1891  p.  195.  Vgl.  Revue  archeol.  3.  serie  XVI  p.  39.'».  Die  Publi- 
kation von  deRossi  ist  erschienen  im  Bullctrino  di  arelieologia  cristiana, 
serie  uuinta,  anno  secondo  1891  p.  33  ff.  (vgl.  p.  27).  Auf  der  einen  Seite 
steht  eine  christliche  Grabschrift,  auf  der  andern 

HÖSTES  ~  VICTOS 
I  T  A  L  I  A  O  GAVDES 
ludi  T  E   ~  ROMAN I 

So  hat  de  Rossi  unter  Heranziehung  der  Trierer  Inschrift  richtig 
ergänzt.  Die  Buchstabenformen  sollen  auf  das  Ende  des  3.  nachchristlichen 
Jahrhunderts  hinweisen,  die.  Aufschrift  selbst  soll  eine  deutliche  Anspie- 
lung auf  ein  historisches  und  militärisches  Factum  enthalten  (etwa  den 
Sieg  Aurelians  im  Jahre  271 )  —  eine  Ansicht,  zu  der  man  sich  nur  schwer 
verstehen  wird.  Hinter  Spieltafelinschriften  soll  man  nicht  zu  viel  suchen. 
Man  vergleiche  ausser  der  oben  angeführten  Trierer  Inschrift,  die  eben  so 
wenig  eine  historische  Anspielung  birgt,  die  Römische  Tafel  mit  LAT1NA 
—  GAVDES  (Mittheil,  des  Röm.  Instituts  1891  p.  21G  n.  71).  Gerade  das 
Wort  GAVDES  oder  GAVDEO  kommt  noch  öfter  vor  (Bonner  Studien 
p.  235  n.  34.   Mittheil,  des  Röm.  Itistituts  1891  p.  215  n.  «8  und  70). 

Ein  weiteres  Spieltafelfragment  ist  in  Orbetello  ausgegraben  und 


MiBCCllcJl. 


von  Sordini  in  den  Notizie  degli  seavi  1891  p.  219  veröffentlicht 
worden.    Eh  enthalt  nur  die  vier  Buchstaben  LVDE. 

Schliesslich  möchte  ich  eine  merkwürdige  Nachricht,  die  von  Eng- 
land aus  ihren  Weg  in  verschiedene  deutsche  Tageszeitungen  gefunden 
hat,  hier  beiläufig  erwähnen.  Die.  Londoner  Zeitschrift  Athenneuin  vom 
13.  Februar  1892  Nr.  3355  p.  222  (daraus  die  Berliner  Wochenschrift  für 
klassische  Philologie  1892  Sp.  301)  brachte  die  Notiz,  dass  dem  British 
Museum  von  Lord  Savilc  eine  im  alten  Lanuvium  gefundene  Steinplatte 
geschenkt  worden  sei  mit  der  Inschrift:  „Der  Circus  ist  ausverkauft! 
Ungeheurer  Applaus!  Die  Thüren  sind  geschlossen!"  (Circus  füll!  Im- 
mense npplause!  Doors  shut!)  Die  I'latte  wird  als  eine  interessante 
Keliquie  aus  der  Zeit  der  Gladiatorenkiimpfe  und  öffentlichen  Spiele  be- 
zeichnet und  soll  nichts  anderes  sein  als  ein  Circusplakal.  Der  lateini- 
sche Text  der  Inschrift  wird  zwar  nicht  angegeben,  aber  es  ist  kein  Zweifel, 
dass  wir  e.s  mit  der  im  Bullettiuo  della  coinniis.sione  nrch.  1887  p.  190 
(Notizie  degli   seavi    1887   |>.   118)  veröffentlichten  Spieltafel  (CIUCVS 

PLENVS,  CLAMOR  INGENS,  1ANVAK  TK  )  zu  thun  haben  (vgl. 

Bonner  Studien  S.  237  n.  43).  Hoffentlich  stillet  die  Athen.'iumnoti/.  mit 
der  Circusaffiche  kein  weiteres  Unheil. 

Halle.  M.  Ihm. 

4.  Römische  Inschriften  a  u  s  K  ö  I  n.  Die  folgenden  drei 
Inschriftsteiue  wurden  in  Köln  gefunden  und  in  da«  Museum  Wallraf- 
Richartz  abgeliefert,  wo  ich  sie  im  Januar  dieses  Jahres  copirte. 

I.  Grosse  Platte  aus  Kalkstein,  2'/j  m  breit,  etwa  34m  hoch,  14  cm 
dick,  gefunden  im  Oktober  1891  in  der  Riehard- Wagnerstrasse  auf  dem 
Grundstück  des  Architekten  Vöhl,  von  diesem  dem  Museum  geschenkt. 

D'  BONE  •  MEMORIAE-  M 
PERPETVE  SECVRITA  T  I  / 
ANTON  I  E  G  ALENET  I-  ALBA 
/S  LEON  TIVS-ETEVBSYCHI 
Fl  L  I    •  PIENTISSIMI  / 

Die  Buchstaben  sind  von  guter  Gestalt  und  sorgfältig  eingcmcisBelt; 
ihre  Höhe  beträgt  etwa  7  cm,  die  der  Buchstaben  D  M  in  der  ersten 
Zeile  etwa  97g  cm.  Das  P  ist  offen,  die  Punkte  sind  dreieckig;  bemerkens- 
werth  die  beiden  grösseren  Interpunktionszeichen  am  Ende  der  zweiten 
und  der  letzten  Zeile.  Recht«  und  links  von  der  Inschrift  je  eine  weib- 
liche Figur  (Victorien  oder  Eroten),  die  spater  ausgemeisselt  worden  sind. 
Die  Platte  ist  nämlich  als  Deckel  eines  Grabes  benutzt  worden.  Die  In- 
schrift hat  inzwischen  veröffentlicht  und  ausführlich  besprochen  K  e  u  n  e 
im  Korrespondenzblatt  der  Westdeutschen  Zeitschrift  X  1891,  p.  262  ff;  vorher 


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Miscellen. 


261 


war  Uber  den  Fund  in  der  Kölnischen  Zeitung  vom  1.  Nov.  1891  berichtot 
worden.  Der  Berichterstatter  der  Kölnischen  Zeitung  bemerkte,  die  In 
schritt  gehöre  der  „besseren  Kaiserzeif  an,  und  nach  den  Buchstaben- 
formen zu  urtheilen,  hat  er  sicherlich  ein  Rocht  dazu;  Kenne  setzt  nie 
in  das  vierte  nachchristliche  Jahrhundert  ohne  zwingende  Gründe.  Die 
Namen  der  Söhne  der  Antonia  Galene  (Albaniua  Ltontiua  und  Eubaychiua) 
sind  von  Kenne  richtig  ergänzt;  datw  dagegen  noch  eine  sechste  Zeile  an- 
zunehmen sei  (titulum  poauertint),  hübe  ich  allen  Grund  zu  bezweifeln. 
Hinxichtliclt  der  Interpunktion  bemerke  ich  noch,  da«»  Nomina  und  Cog- 
nouiina  nicht  durch  Punkte  getrennt  sind. 

II.  Kleiner  Altar  au»  Jurakalk,  ca.  69  cm  hoch,  38  cm  breit,  ge- 
funden am  4.  August  1891  in  der  Moltkcstrasse. 

DMPELIO 
G3RMANIONI 
A  DIVTORI  NIA 
MARCELLA 
COll  VGI  OBiTO 
FECIT- 

Auf  der  rechten  und  linken  Seitenfläche  Zweige  (oder  Baume)  in  Relief. 
Di«  nicht  schlecht  gestalteten  Buchstaben  sind  3Vj  cm  hoch.  Da*  Cog- 
nomen  Gtrmanio  ist  inschriftlich  noch  öfter  nachweisbar,  z.  B.  auf  der 
christlichen  Inschrift  OILV  1064  (Aquileja).  Eine  Adiutorina  erscheint 
z.  B.  CIL  III  5063,  ein  Adiutorinu»  III  6515  (in  der  Inschrift  von  Nieder- 
emmel, Brambach  CIRh  862,  wohl  \A)diuto[riua  Ur]aulux).  Auch  diese 
Inschrift  ist  inzwischen  in  der  Museographie  der  Westdeutschen  Zeitschrift 
X  1891  p.  406  von  Aldenhoven  mitgctheilt  worden. 

III.  Platte  aus  schwarzem,  wcissgeHdertem  Marmor,  82  cm  breit, 
104  cm  hoch,  9  cm  dick.    Fundort  S.  Pantaleon. 

A  P  0  L  L  I  N  I 
C-AVR  EL  I  VS  C  L 
VE  R  VS  •  NEGOTI  ATOfl 
BRITANNICIA  N  VS 

MORITEXDD 

L  •  D  •  D-  D 

Die  Buchstaben  sind  nicht  tief  eingemeisselt ,  von  eleganter  Form 
und  können  etwa  dem  zweiten  Jahrhundert  angehören.  Zeile  2  zwischen 
CL  kein  Punkt,  also  die  Tribusangabe  Cl(audia);  der  Name  de«  Vaters 
fehlt,  ebenso  bei  Bramb.  ClUh  1492  (M.  Aurel.  II.  I'otnpeianus),  CIL  V 
5o86.  6822  und  öfter.  Für  das  Wort  vor  D\onum)  D(edit)  in  der  fünften 
Zeile  habe  ich  noch  keine  befriedigende  Erklärung.  Man  vergleiche  den 


2*2 


Miscellen. 


Stein  von  Doomburg  (Brambach  CIKh  4.1  =  Orelli  2029,  Wilmnuns  Kxcinpla 
2570),  den  ein  negotiator  cretariun  Britarinicianuit  der  dea  Xehalennia 
geweiht  hat  ob  merces  recte  conservatas.  Von  einer  besonderen  Art 
britannischer  creta  spricht  l'linius  Nat.  bist.  XVII  S  15.  Vielleicht  ist  in 
Mo  rite,  x  ein  keltisches  F.thnicum  zu  suchen.  Vgl.  Morini,  Are- 
m  o  r  i  c  a.  D'Arbois  de  Jubainville  (Comptes  reudus  de  Tacad.  des  inscr. 
4.  ser.  XIII  p.  l«2l  führt  als  Beispiele  der  Kudung  rex  an  die  Namen 
Dubnorex  und  Muri -rex  („rol  de  In  mci'"|.  Aber  die  Lesung  des 
letzteren  auf  der  verschollenen  Inschrift  CIL  VII  409  (MOKI  RKGIS)  er- 
scheint keineswegs  zweifellos.  Britanniciani  nennt  die  Notitia  dignita- 
tum  Oce.  V  57.  206  {invicti  iuniores  Britanniciani),  209  (exculcatores 
iuniores  Britanniciani),  VII  154  {Victoren  iuniores  Britanniciani). 

M.  I  h  in. 

5.  Köln.  Münzfund.  Im  April  1&89  wurden  in  der  Stephaiistrasse 
unweit  der  Hochpforte  beim  Kanalbau  2V3  Meter  tief  eine  grössere  An- 
zahl römischer  Bronze  -  Münzen  gefunden.  Dieselben  befanden  sieh  in 
einem  gewöhnlichen  Topfe  aus  Thon,  welcher  beim  Herausnehmen  Ver- 
brach, und  wurden  in  einem  versiegelten  Sacke,  der  mit  seinem  Inhalte 
11  k  wog,  ins  Museum  gebracht,  wo  ich  den  Fund  kürzlich  untersuchte. 
Ks  waren  im  Ganzen  2764  Stück.  Leider  befand  sich  keine  einzige 
Seltenheit  darunter.  Auffallend  ist  die  grosse  Zahl  von  Münzen  des 
Kaisers  Miignentins  mit  dem  christlichen  Monogramm  und  ist  meines 
Wissens  noch  nie  eine  solche  Menge  von  Münzen  dieses  Kaisers  zu-, 
sammengcfuiulen  worden.  Ich  gebe  im  Folgenden  ein  Verzeichniss 
der  Münzen,  wobei  bemerkt  wird,  dass  die  Ausgabe  des  Cohen'schen 
Werkes  von  1H62  dabei  benutzt  wurde.  Die  Grössen  sind  nach  dem 
Cohen  Mi  onnet'schen  Münzmesser  angegeben  und  zwar  hauptsäch- 
lich da,  wo  die  bedeutende  Verschiedenheit  des  Durchmessers  derselben 
Münzsorte  dies  nöthig  erscheinen  liess. 
Faustina  juu.,  Nr.  207  1  St. 
Gordianus  III.,  Nr.  106  1  St.,  318  1  St. 

Gallienus,  kl.  Br.,  ahnlich  wie  54.  Annona  Auy,  Göttin  mit  Füllhorn 
(letzteres  fehlt  bei  Cohen).  1  St.,  Nr.  495  1  St.,  Nr.  664  1  St. 
zus.  3  St. 

Victorinus,  Nr.  51  1  St. 

Claudius  Gothicus,  Nr.  168  1  St. 

Aurcllanus,  Nr.  100  und  Nr.  199,  je  1  St. 

Tetrirus  sei).,  Nr.  68,  Nr.  106,  je  1  St. 

Diocletianus,  Nr.  259  2  St.,  Nr.  306  1  St.,  Nr.  339  1  St.,  zus.  4  St. 
Maximianus  Herc,  Nr.  233,  Nr.  260  und  Nr.  378,  je  1  St, 
Constantius  Cldorus,  Nr.  187  1  St. 
Helena,  Nr.  7  1  St. 


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Miscellen. 


26:1 


Maxeutius,  Nr.  14  (?)  1  St. 

Licinius  seil.,  Nr.  66  17  St.,  dann  2  in.  B.  mit  derselben  Umschrift,  2  St., 

Nr.  82  2  St.,  Nr.  89  2  St.,  Nr.  133  4  St,  zus.  27  St. 
Licinius  jun.,  Nr.  25  6  St. 

Constautinus  1,  Nr.  241  1  St,  Nr.  246  1  St,  281  2  St.  M.  Br.  Gr.  7  und 
2  St.  Kl.  Br.  i),  Nr.  298  1  St,  Gr.  7'/*  Nr.  317  1.  St,  Nr.  337  1  St, 
338  3  St,  Nr.  362  2  St,  Gr.  6,  Nr.  372  2  St,  eines  davon  Gr.  6, 
also  M.  Br,  Nr.  433  4  St,  Nr.  451  1  St,  Nr.  460  75  St,  5  davon 
Gr.  5-6,  also  M.  Br,  Nr.  463  1  St..  Nr.  465  1  St,  Nr.  466  43  St, 
Nr.  174  23  St,  Nr.  488  1  St,  zus.  165  St. 

Constantinopolis,  Nr.  15  1  St. 

Urbs  Koma,  Nr.  13  1  St. 

Crispus,  Nr.  32  2  St,  Nr.  63  1  St,  Nr.  65  1  St,  Nr.  70  8  St,  Nr.  88  4  St, 
Nr.  96  1  St,  zus.  17  St. 

CoiiHtantinus  II,  eine,  Kl.  Br.  wie  Nr.  99,  aber  mit  VOT.  XX,  1  St,  Nr.  110 
1  St,  Nr.  116  6  St,  Nr.  136  6  St,  Nr.  146  8  St. 

Constans  I,  Nr.  112,  Gr.  6,  2  St,  Nr.  114,  Gr.  4'/,,,  2  St,  Nr.  120,  Gr.  5  - 
,  5  St,  Nr.  121,  Gr.  4</j,  57  St,  zuh.  66  St 

Constantius  II,  Nr.  213  20  St,  davon  10  St.  M.  Br.  Gr.  5«/9-7  und  10  St. 

Kl.  Br,  Gr.  4-5,  Nr.  223  7  St,  Gr.  6,  Nr.  224  66  St  ,  eines  hat 
im  Av.  D.  N.  CONSTANTIYS  NOB.  CAF.S.  (nicht  bei  C  o  h  e  n) 
Nr.  230  2  St,  Nr.  236  3  St.,  Nr.  253  1  St,  Nr.  260  27  St,  Gr.  6- 
6'/4.  —  Ferner: 

A.:  D.N.  Constantius  P.  F.  Aug.  —  R.:  Stehende  Figur  mit  der  Toga  be- 
kleidet, durch  welche  die  Tunika  und  die  Beine  durchscheinen, 
in  jeder  Hand  ein  labarum  haltend,  dessen  Schaft  mit  Ringen 

verziert  ist  9  Umschrift  unleserlich,  Kl.  Br.,  Gr.  4'/j  —  1  St. 

A.:  Kopf  Constantius' II.  nnrP.  F.  Aug  lesbar.  —  R. :  Felicitas  oder  Secu- 
ritas  republicae.  Der  stehende  Kaiser  halt  in  der  Linken  das 
labnrum,  in  der  Rechten  eine  Kugel,  links  von  ihm:  F,  unten: 
AR.   M.  Br.  -  Gr.  5"/a  -  1  St. 

A.:  Kopf  Constantius'  II,  Umschrift  unleserlich.  —  R.:  Figur  wie  bei  Nr.  8 
gekleidet,  in  der  Rechten  einen  Schlüssel,  in  der  Linken  das 


1)  Die.  beiden  Kl.  Br.  würden  mit  der  Nr.  Suppl.  Nr.  26  bezeichnet 
werden  müsscu,  im  Uebrigen  scheint  der  Verfasser  nicht  immer  mit 
Cohen  in  Bezug  auf  die  Grösse  der  Münze  übereinzustimmen,  nach 
unserem  Erachten  ist  es  bei  den  vielfachen  Verschiedenheiten  der  Grösse, 
welche  gerade  die  Bronze-Münzen  von  Constantin  I.  zeigen,  ein  schwie- 
rige« Unternehmen,  alle  unter  die  bekannten  Benennungen:  Gross-,  Mittel- 
und  Klein-Bronzen  unterzubringen,  liier  sind  Unterabteilungen  kaum 
zu  vermeiden,  dabei  müsste  aber  neben  der  Grösse  auch  das  Gewicht  in 
Betracht  gezogen  werden ,  denn  die.  Grösse  ist  im  Hinblick  auf  die. 
Münztechnik  jener  Zeit  immerhin  etwas  mehr  ZufÄÜiges.       D.  R, 


264  Miscellen. 

lahnrum   haltend,  rechts  von  ihm  A  Umschrift:  CTAY  .  .  . 
CTOATCO  unten:  LNP,  M.  Br.  -  Gr.  5«/i-  -  1  St.,  zus.  129. 
Magnentius.  A.:  D.N.  Magnentius  P.  F.  Aug.  —  R.:  Salus  D.D.N.N.  Aug. 

et  Caes.  im  Felde;  A^CO,  unten:  LSLC  oder  TRP  oder  TRS. 
Gr.  Br.  —  Gr.  7—«.  —  Cohen  Nr.  42.  -  400  St.  —  M.  Br. 

-  Gr.  6-7.  —  Cohen  Nr.  43.  -  1017  St.  -  Gr.  5-6.  -  Cohen 
Nr.  43.   -   191  St.  -  KL  Br.  -  Gr.  4-4',, ').  -  Cohen  Nr.  44. 

-  19  St. 

A.:  D.N.  Magnentius  P.F.  Aug.  —  K.:  Vict.  D.D.N.N.  Aug.  et  Caes.  zwei 
geflügelte  Viktorien  halten  einen  Schild  mit  der  Inschrift:  Vot. 
V  mult.  X  unter  TRP  oder  TRPLC  —  M.  Br.  —  Gr.  5—6.  —  Cohen 
Nr.  50.  -  366  St.  -  Kl.  Br.  -  Gr.  4-4'  -  Cohen  Nr.  58.  - 
165  St.  -  Gr.  31  a-4.  —  Cohen  Nr.  58.  —  50  St. 

A.:  D.N.  Magnentius  P.E.  Aug.  —  R.:  Felicitas  reipublicac.  Der  Kaiser 
nach  links  stehend  das  labarum  und  eine  Kugel  haltend,  unten: 
TRS.  M.  Br.  Gr.  6-6.  —  Cohen  Nr.  29.  -  32  St.  -  Kl.  Br.  Gr. 
4.  —  Cohen  Nr.  29.  -  2  St. 

A.:  Im.  Cae.  Magnentiu»  Aug.  —  R-:  Fei.  Umuj».  reparatio.  Der  Kaiser  zu 
Schiff  eine  Viktorie  und  da«  labarum  haltend ,  eine  «weite 
Viktorie  am  Steuerruder,  unten:  TRS.  M.  Br.  Gr.  5—6.  —  Coben 
Nr.  36.  —  2  St. 

A. :  D.N.  Magnentiu»  P.F.  Aug.  —  R. :  Gloria  Romanorum.  Der  Kaiser  zu 
Pferde  im  Galopp,  unten:  TRS.  TRP  oder  TRPLS.  M.  Br.  Gr. 
5-  6.  ~  Cohen  Nr.  37.  —  43  St.  —  Kl.  Br.  Gr.  4'/,.  -  Cohen 
Nr.  38.  —  1  St. 

Dcccntius.  D.N.  Deccntius  Caesar.  —  R.:  Salus  D.D.N.N.  Aug.  et  Cae«. 

im  Felde:  $    M.  Br.  Gr.  5.  —  Cohen  Nr.  21.  1  St. 
A.:  D.N.  Dcccntius  nob.  Cae«.  Victoriae  D.D.N.N.  Aug  et  Cae«.  2  Viktorien 

halten  einen  Kranz  mit  der  Inschrift:  Vot.  V.  mult.  X.   M.  Br. 

Gr.  5—6.  —  Cohen  Nr.  33.  —  18  St.  —  Kl.  Br.  Gr.  4.  —  Cohen 

Nr.  34.-2  St.  -  Im  Ganzen  2764  Stück. 

Stedtfeld. 

6.  Das  fragliche  Mediolanum  bei  Ncuiuagen  an  der  Mosel, 
von  K.  C  h  r  i  s  t.  In  einem  Gedicht  des  Venantius  Fortunatu»  vom  Jahre 
566  —  Carm.  lib.  III  no.  XII,  in  der  neuen  Ausgabe  von  Leo  p.  64  — 
hefsst  es,  das«  der  Bischof  Nicctius  von  Trier  (527—666)  in  der  Nahe 
seiner  Stadt  auf  einem  fast  uuersteiglichen  Felsenkamm  eine  von  30 
Thürmen  flankirte  Burg  am  Einfluas  eines  kleinen  Flusses  in  die  Mosel 
errichtet  habe.   Dieses  Schloss  lag  bei  Mediolanum,  am  Flui»  Rodanus, 

1)  Man  vergleiche,  was  Cohen  I.  Ausg.  VI,  S.  832  über  die  Grösse 
der  Krzmünzcu  dieser  Zeit  sagt.  D.  R. 


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Miscellen.  2Kf> 

zwei  Namen,  die  der  aus  Venetien  stammende  Dichter  vielleicht  nur 
zur  Verherrlichung  des  von  ihm  in  übertriebener  Weise  besungenen  Bau- 
werkes auf  diese*  aus  dem  allbekannten  Namen  der  Stadt  Mailand  und 
des  Rhoneflusses  übertragen  hat. 

Beim  Rodanus  hatte  er  nämlich  einen  Anhalt  im  ähnlich  klingen- 
den Namen  des  hier  in  der  That  mündenden  Drohanus,  d.  h.  der  Drohn 
oder  Trohn,  welche  bei  Trohneeken  im  Hundsrücken  entspringend,  bei 
Neumagen  in  die  Mosel  fliegst.  In  Urkunden  des  8.— 11.  Jahrhunderts 
heisst  dieselbe  Drogana,  Drona,  Trognnns,  und  Ftf  rsteman  n ,  Alt- 
deutsches Nauieubuch  11*477  stellt  sie  zum  alten  Flussiiamenstamm  Drav, 
also  mit  Älterem  a  in  der  Wurzel.  Solches  enthalt  denn  auch  noch  die 
von  Ausonius,  Moseila,  Vers  865  überlieferte  Namenst'orm,  welche  je  nach 
den  verschiedenen  Handschritten  Drahonus,  Draconus,  Trachonus,  Dra- 
bonus  lautet.  Denselben  Namen  hat  auch  der  oberhalb  Coblenz  gelegene 
alte  Trachgau,  der  aber  topographisch  natürlich  nicht  hierher  zu  ziehen  ist. 

Somit  ist  denn  das  Schloss  des  Nicetius  nur  eine  Wiederherstellung 
des  Castells  Constantins  zu  Noviomagus,  welches  in  der  Nahe  Ausonius, 
Mosella,  Vera  11  erwähnt. 

Ganz  abzuweisen  ist  aber  der  Bezug  von  Mediolanum  auf  den 
Maiengau  oder  das  Maienfeld  zwischen  Mosel  und  Ahr,  welches  seit  dein 
7.  Jahrhundert  als  Meginfeld  bekannt  ist  und  seinen  Namen  hat  von  dem 
alten  Ort  Megina,  jetzt  Maien.  Für  den  Zusammenhang  der  spätrömi- 
schen Bauweise  der  Castelle,  welche  höhere  Mauern  bekamen,  mit  den 
mittelalterlichen  hohen  Burganlagen  ist  die  Befestigung  bei  Neumagen, 
wie  sie  der  christliche  Dichter  des  6.  Jahrhunderts,  Fortunatus  schildert, 
von  hervorragender  Bedeutung  und  wäre  es  an  der  Zeit,  dessen  Be- 
schreibung der  Trohnburg  an  Ort  und  Stelle  durch  Ausgrabungen  näher 
zu  prüfen. 

Attch  von  Trier  erwähnt  derselbe  hohe  Mauern,  Vers  20—21  seiner 
Moselreise,  bei  Leo  p.  242: 

Ad  Saram  pronis  labimur  amnis  aquis; 
Perducor  Trevirum  qua  moenin  celsa  patescunt. 

Bei  dieser  Gelegenheit  verweise  ich  auf  meine  Ausführungen  über 
das  spätrömische  Castell  Alta  Ripa  in  der  zweiten,  sowie  S.  42  (f.  der 
dritten  Serie  der  Vorträge  des  Mannheimer  Alterthnmsvereius,  Mannheim 
1888  und  1891,  Verlag  von  Tobias  Löffler. 

Die  sicher  übertriebene  Veuantius'sche  Beschreibung  des  Felsen- 
vorsprunges, worauf  die  Nicetiusburg  lag,  an  deren  Fuss  das  von  der 
Mosel  und  dem  hier  eiuflicssenden  „Rodau-  umspülte  Mediolanum  sich 
ausbreitete,  passt  allerdings  weniger  auf  das  »/«  Stunde  oberhalb  der 
Mündung  der  Trohn  gelegene  Neumagen.  Allein  nach  Eltester  in 
seiner  geschichtlichen  Uebersicht  zu  Beyers  Mitteirheinischem  Urkunden- 
buch,  II,  p.  CXII,  hätte  dicht  beim  Ausfluss  der  Trohn  im  Mittelalter 


Miscellen. 


ein  Ort  Medelingen  gestanden,  wo  diu  an  der  Saar  gelegen«  AbU'i  Mett- 
lach begütert  gewesen  wäre  (vgl.  ebenda  S.  344  uud  die  Druckverbesse- 
rung, welch«  zum  Register  S.  527  gehört). 

Auch  G  ö  r  ss,  Mittelrheinische  Regenten  I,  S.  11,  no  81  verlogt  Medio- 
lanuni  in  die  Gegend  von  Neumagen,  ohne  aber  jene«  Medelingen  zu 
erwähnen.  Ks  wäre  daher  von  grosser  Wichtigkeit,  wenn  eich  etwa  im 
Nuuinagener  Gemeindearchiv  nähere  Angaben  darüber  landen.  Auch 
müssten  ja  Ausgrabungen,  die  sich  bisher  immer  nur  auf  Neumagen 
selbst  beschrankt  haben,  an  der  bezeichneten  Stelle,  sowie  an  den 
umliegenden  Bergabhangen  vorgenommen  werden. 

Wahncheiiilich  wurden  Trümmer  von  der  Feste  Constantins  von 
Nicetius  IXir  «eine  neue  Burg  verwandt,  deren  Form  auch  jene  zum 
Muster  genommen  haben  wird.  So  bestand  ja  überhaupt  die  christliche 
Kunttt  des  4—7.  Jahrhunderts  au.s  Nachahmungen  von  profanen,  wie  be- 
sonders Kirchenbauten  Constaiitimt  zu  Rom  und  Byzanz. 

Auffallend  bleibt,  dass  der  Kosinograph  von  Kavenna  IV,  2(5  im 
7.  Jahrhundert  an  der  Mosel  zwar  „Nobia"  (gekürzt  au«  Noviouiagus) 
und  Princastellum  (Bernkastel)  erwähnt,  nicht  aber  das  vermuthlich  schon 
antike  Mediolanum  mit  seiner  damals  seit  einem  Jahrhundert  bestehen- 
den neuen  Burg,  allein  die  Notizen,  woraus  jener  schöpfte,  zum  Theil 
aus  einem  alteren  gothisehen  Schriftsteller  Athanarid,  entstammen  viel- 
leicht schon  der  Zeit  vor  Gründung  der  Nicetiusburg. 

Dem  Zusammenhang  des  Venantius  gemäss  kann  diese  aber,  als 
eine  der  frühsten  weltlichen  Besitzungen  der  Trierer  Bischöfe  nur  au  der 
Obermosel  gesucht  werden,  was  denn  auch  schon  Valois  in  der  Notitia 
Galliarum  (Paris  1675)  bemerkt.  Hinsiclitlich  der  genaueren  Lage  niuss 
man  aher  auch  heute  noch  mit  B  ö  c  k  i  n  g  ausrufen:  Amplius  deli- 
berandum! 

Heidelberg.  K.  Christ, 

7.  Römisches  Ca» teil  auf  dem  hohen  Venu.  Etwa  ein  und 
dreiviertel  Stunde  südwestlich  von  Montjote,  dort  wo  die  Ruhr  (Roer)  aus 
den  (lachen  Mulden  des  Sourbroder  Venns  heraustritt,  befindet  «ich  in 
dem  Dreieck,  welche*  durch  den  in  die  Ruhr  mündenden  Wingenbach 
gebildet  wird,  eine  fortincatorische  Anlage  au.s  römischer  Zeit,  welche  in 
unserer  nähern  Umgehung  als  einzige,  bis  jetzt  bekaunte,  derartige  Be- 
festigung das  grösste  Interesse  verdient.  —  Das  Werk  besteht  aus  einem 
Erdwall  mit  vorliegendem  Graben,  welcher  von  der  Ruhr  bis  zum  Wingen- 
bach von  Ufer  zu  L'ler  420  Schritte  Lange  hat.  —  Die  Ecken  des  Walle« 
erscheinen  der  bessern  Verteidigung  wegen  abgerundet.  —  Wall  und 
(traben  sind  au  der  Westseite,  wenn  auch  dicht  mit  Haide  bewachsen, 
gut  erhalten  und  hat  der  Graben  trotz  der  Abschweiumungen  von  mehr 
wie  anderthalb  Jahrtausenden  noch  G— 7  Fuss  Tiefe  (vou  der  Sohle  des 


Misecllen. 


207 


Grabens  bis  zur  Krone  des  Walles  J>— 10  Fuss);  au  der  Südseite  tritt  der- 
selbe infolge  der  im  Laufe  der  Zeit  stattgefuudencn  Au-  resp.  Abschwem 
mung  nicht  mehr  so  stark  hervor,  doch  hat  der  Graben  stellenweise 
noch  eine  beträchtliche  Tiefe;  an  der  Ostaeite  hat  er  sich  durch  land- 
wirtschaftliche Arbeiten  fast  ganz  verloren. 

Das  Praetorium  des  Castell*  lag  der  Litngenachse  nach  fast  genau 
in  dor  Mitte  de«  durch  die  beiden  Bache  und  den  Wall  gebildeten 
Terrain-Abschnittes.  Ausserdem  befinden  sich  östlich,  westlich  und  an 
der  Ruhrseit«  von  den  Ruinen  de»  Praetorium«  die  untern  Theilc  von 
drei  runden  machtigen  Thürmcn,  welche  von  Aussenscite  zu  Aussenseite 
ca.  lO1/«  m  Durchmesser  gehabt  haben.  Der  Wall  ist  nur  in  soweit 
ganz  unberührt  geblieben,  als  das  höher  liegende  Terrain  Communal-Kigcn- 
thum  ist,  der  untere  Theil  des  Gehänges  dagegen,  wo  solche«  an  beiden 
Bächen  in  Wiesen  übergeht,  ist  Privat  -  Eigenthum  und  wurde,  dort 
im  Laute  der  Jahrhunderte  Wall  und  Graben  eingeebnet  oder  vielleicht 
durch  Eisgänge  und  Ueberschwemmungen  weggerissen.  Analogien  zu 
unserm  Castell  findet  man  im  mittleren  Württemberg,  wo  solche  in  be- 
stimmten Entfernungen  neben  dem  römischen  Grenzwall  (zwischen  Donau 
und  Rhein),  aber  meistens  in  kleineren  Dimensionen,  angelegt  sind.  Es 
bleibt  zu  bedauern,  dass  hier,  wie  es  so  gut  wie  überall  geschehen, 
die  römischen  Ruinen  Jahrhunderte  hindurch  von  den  umliegenden  Ort- 
schaften als  Steinbruch  benutzt  wurden  und  dadurch  leider  mancher 
weitere  Anhaltspunkt  für  immer  verloren  gegangen  ist. 

Die  Hccrstrassen  und  Posteinrichtungen  benutzten  die  Römer  be- 
kanntlich vorzugsweise  zu  militärischen  Zwecken,  insbesondere  ausser  zu 
TruppenniMrschcn  für  die  Reisen  der  Militär-  und  Verwaltungsbeamten 
und  zur  Beförderung  von  schriftlichen  Dienstsachen.  Zu  diesem  Zwecke 
waren  die  Stationen  in  Mutationen  „  Pferde  Wechsel-  und  Mansiones  „Nacht- 
quartiere" eingetheilt;  in  letztem  waren  für  den  Gebrauch  der  Statt- 
halter und  für  den  Kaiser  selbst  Absteigequartiere  eingerichtet,  welche, 
wir  im  Villoustyl  erbaut  nicht  im,  sondern  siel»  neben  dein  Castell 
finden.  Sollte  nicht  zu  einem  solchen  Absteigequartier  ein  neben  dem 
betreffenden  Castell  gelegenes ,  sehr  interessantes ,  wenn  jetzt  auch 
nur  noch  als  Rudera  vorhandenes  Ranwerk  (in  hiesiger  Gegend  im 
Volksmunde  unter  dem  Namen  „grünes  Kloster"  bekannt)  gedient 
haben?  Die  Ruine  befindet  sich  auf  dem  gegenüberliegenden  linken 
Ufer  der  Ruhr  ungefähr  45  Schritte  vom  Castell  entfernt,  aber  merk- 
würdiger Weise  genau  in  der  Richtung  des  vorstehend  besprochenen 
Erdwalles  und  zwar  dort,  wo  derselbe  von  der  Anhöhe  herunterkommt 
und  am  rechten  Ufer  der  Ruhr,  wo  wohl  jedenfalls  die  porta  praetoria 
gestanden  haben  dürfte,  endet.  Das  betreffende  Gebäude  hat  innerhalb  der 
Umfassungsmauern,  welche  eben  noch  über  der  Erde  hervorstehen  und 
zum  Theil  aus  verworren  liegenden  schwereu  Quadern  bestehen,  84 


2ns 


Misccllen. 


Schritt  Lange  und  17  Schritt  Breite;  gegen  Westen  kann  man  im  Boden 
noch  deutlich  sehen,  das«  sich  ein  grössere»»  Gebäude  von  50  Schritt 
Länge  und  40  Schritt  Breite  daran  angeschlossen.  Um  die  Fundamente 
und  den  Mörtel  zu  untersuchen,  nahm  ich  einen  in  der  Nähe  arbeitenden 
Bauersmann  in  Anspruch,  dem  leider  bei  den  ersten  Versuchen,  die 
schweren  Steine  zu  heben,  der  Stiel  von  seiner  Schaufel  abbrach. 

Das  Wasser  der  Kühr  hat  liier,  weil  direct  aus  den  Torfmooren 
kommend,  noch  eine  ganz  röthlichc  Farbe,  dagegen  bringt  der  Wingen- 
bach, welcher  unterhalb  Elsenborn  entspringt,  kristallhelles  Quellwasse-r. 
Ks  wird  dies  die  Körner,  welche  bekanntlich  sehr  viel  auf  gutes  Trink- 
wasser hielten,  auch  wohl  zur  Wnhl  dieses  Ortes  bestimmt  haben:  zudem 
kreuzten  hier  nach  der  Professor  S  c  h  n  e  i  d  e  r 'sehen  Karte  der  links- 
rheinischen RömeMrnsscn  mehrere  alte  Strassen ,  nämlich  die  von 
Wertbuisson,  Baronheid  und  Kapelle  Fischbach  über  das  Venn  nach 
Sourbrod,  Elsenborn,  Neuhof,  Schmidtheim  und  von  da  zum  Rheine 
führende  Strasse  mit  der  von  Köln  über  Düren,  Simmerath,  Montjoie 
sich  auf  dem  linken  Ufer  der  Ruhr  haltenden  Strasse,  welche  alsdann 
mit  der  von  Aachen  über  Reinartzhof,  Eschweid,  Vennhof,  Reichenstein, 
Plattcnhäuschen  kommenden  Route  auf  der  dem  Castell  gegenüber  liegen- 
den Kuhrseite  zusammentraf,  den  Fluss  vor  der  Westseite  des  Castells 
überschritt  und  dann  über  den  sogenannten  Rhenberg  nach  Elsenborn 
u.  s.  w.  führte.  Es  ist  begreiflich,  dass  zur  Sicherung  dieser  zum  Theil 
schon  seit  Caesars  Zeit  wichtigen  Routen  eine  grösser«!  feste  Position 
wegen  dem  Passiven  der  ausgedehnten  Moore  und  tiefen  Thalschlnchteu 
unbedingt  nothwendig  erschien, 

Oleich  nachdem  die  Ruhr  das  Castell  verlassen,  bildet  sie  einen  tiefen 
Gehirgseinschnitt  und  tritt  hier  wieder  die  charakteristische  Erscheinung 
zu  Tage,  dass  die  Römer  fast  nie  oder  doch  sehr  selten  günstige  Terrain- 
verhältnisse für  ihre  Befestigungen  benutzt  haben.  In  dem  jetzt  ganz 
eng  werdenden  Ruhrthalc  schiebt  sich  nämlich  auf  dem  rechten  Ufer 
ein  Felsgrat  vor,  welcher  als  Thalsperrc  sehr  gut  hätte  verwerthet  werden 
können,  doch  sieht  man  an  demselben  keine  Spur  von  darauf  hin- 
weisenden Arbeiten.  —  Einige  hundert  Schritte  weiter  Ruhrabwart»  sind 
dagegen  an  zwei  Stellen  Erdw&lle  mit  Gräben  quer  angelegt,  wodurch 
das  Thal  ganz  gesperrt  wurde  und  welche  wohl  zum  Schutze  des  Castells 
von  der  untern  Seite  gedient  haben. 

Nach  der  Berechnung  des  Oberstlieutenant  v  o  n  Coliatisen 
bezüglich  der  Besatzung  der  römischen  Castelle  in  Süddeutschland  hatte 
ein  Castell  von  H00  Schritt  Länge  und  200  Schritt  Breite  eine  Besatzung 
von  10Ü0  bis  1100  Mann.  —  Unser  Castell  würde  demnach  bei  430  Schritt 
Länge  und  ca.  200  Schritt  Breit«  eine  Besatzung  von  11  bis  loOO  Mann 
gehabt  haben.  Caesar  kam  im  Jahre  öü  vor  Chr.  vom  Rhein  aus  der 
Gegend  bei  Neuwied,  durch  einen  beispiellosen  Marsch,  quer  durch  den 
Ardennenwald,  welcher  damals  die  ganze  Eifel  mit  umfasste,  über  Mayen, 


Miscellen. 


Hillesheim,  Sourbrod  und  das  hohe  Venn  ttm  Adnaruea  wieder  zu 
nehmen  und  von  hier  aus  die  Eburouen  zu  vernichten. 

Sehr  interessant  ist  die  Uebcrcinstimniung  der  Schilderungen 
Caesar«  vor  beinahe  2000  Jahren  mit  der  noch  heute  fast  unveränderten 
Beschaffenheit  unserer  Genend.  Damals  wie  heute,  lagen  in  den  Dörfern 
die  Häuser  durch  Höfe  und  wenige  Gürten  getrennt,  rings  von  hohen 
Hecken  umgeben.  —  Diese  Hecken  umsehliessen  zahlreiche  Wiesenstttcke, 
auf  denen  das  Vieh  Iiis  zum  Winter  auf  die  Weide  geht.  —  Die  Landes- 
hewohner  sind  darauf  bedacht,  durch  Verflechtung  der  Zweige  die 
Hecken  möglichst  dicht  und  undurchdringlich  zu  machen,  wie  dies  auch 
Caesar  von  ihnen  erzählt.  —  Zwischen  diesen  Hecken  führten  wenige 
tiefe  Hohlwege  ins  Dorf  hinab,  deren  Rander  oben  mit  Hecken  besetzt  sind, 
welche  sich  zu  hohen  Lauben  über  den,  nur  für  die  Vichheerden  benutzten 
grundlosen  Hohlweg  wölbten.  Dass  solche  Terrain  -  Verhältnisse  die 
Flucht  des  Kburoncnfürstcn  erleichtern  und  den  Eingeborenen  eine  solche 
Zilhigkeit  gegen  die  VertilgungskJimpfe  der  Körner  geben  konnten,  ist  be- 
greiflich ,  wenn  man  diese  Eigentliümliclikeit  unserer  Gegend  heute 
noch  betrachtet  und  sich  slinuntlichc  Kunststrasscu  als  nicht  vorhanden 
denkt. 

Zum  Schiusa  möchte  hier  ein  Wunsch,  den  auch  Herr  v.  Co  hau  seil 
bei  ähnlichen  Gelegenheiten  ausgesprochen,  am  Platze  sein,  dass  nämlich 
mit  femern  Untersuchungen  und  Nachgrabungen  nicht  ein  Verheerttngs- 
krieg  gegen  jene  Ueberreste  begonnen  werde,  welcher,  durch  steingierige 
und  zerstörutigslustige  Menschen  fortgesetzt  diese,  interessanten  Ueber- 
bleibsel  einer  fernen  Vorzeit  für  alle  Zeit  vernichtet  würde. 

Aachen.  T  h.  M  ü  1 1  e  11  m  e  i  s  t  e  r. 

8.  Wormersdorf,  Karolingi. scher  Fund.  Tu  dem  ca.  drei- 
viertel Stunde  von  Meckenheim  gelegenen  Dorfe  Wormersdorf  stiess 
man  vor  einiger  Zeit,  wie  mir  Herr  Gastwirth  Gabrielz  mittheilte,  beim 
Ausschachten  behufs  Neubaues  auf  verschiedene  nltc  Mauern.  Auch  fand 
sich  ein  alter  Brunnen ,  welcher  zum  grossen  Theile  mit  GefWssen  und 
GefHssscherben,  sowie  mit  Eisengerathen  angefüllt  war.  Die  Gefasso 
sind  roh,  von  festem  Brande,  von  blau-schwarzer  und  blau-grauer  Farbe, 
zeigen  ein  scharfkantiges  Kandprofll  und  haben  die  Wellenplatto.  Sie 
gehören  den  Erzeugnissen  der  durch  die  Normanen  881  n.  Chr.  zer- 
störten Meckenheimer  Töpferei  und  somit  der  zweiten  Haltte  des  neunten 
Jahrhunderts  n.  Chr.  au. 

Unter  diesen  Geflisson  fand  man  ausser  Anderem  einen  eisernen 
Pferdestricgel.  Derselbe  hat  die  Gestalt  einer  der  Lttnge  nach  durch- 
schnittenen Röhre;  an  den  beiden  Kanten  der  offenen  Seite  befinden 
sich  ziemlich  grosse  dreieckige  Auszaekungen.  Mit  den  so  gebildeten 
Zacken  wurde  das  Striegeln  vorgenommen.  An  der  Rundseite  sind  in  der 


270 


MUcellen. 


Mitte  ein  gerader  Eisenstab  und  seitlich  von  diesem  je  zwei  im  Halb- 
kreis gekrümmte,  .nur  «Ins  Knde  des  mittleren  zulaufende  Kisenstitbc  ver- 
mittelst Nateln  angebracht,  welche,  wahrscheinlich  an  einen  Holzgrift" 
befestigt,  zur  Handhabe  des  Striekels  dienten.  Dort,  wo  der  mittlere 
Kisenstab  an  der  Rundseitc  haftet,  ist  ein  Haken  eingerostet,  der  wohl 
zun»  Aufhängen  des  Gerathes  diente.  Die  Lange  der  Röhre  betrügt 
0,18  in,  der  Durchmesser  derselben  0,0:J  in.  Aehuliche  Striekel,  jedoch  viel 
breiter,  sind  noch  heute  auf  dem  Lande  üblich. 

Wahrscheinlich  sind  die  Gcrath«'  und  Gefasse  zur  Zeit  des  ver- 
heerenden Norniannensturmes  [HM)  in  dem  Brunnen  geborgen  worden, 
zuuiaf  mir  Herr  Gerhard/  sagte,  die  meisten  Gefasse  seien  ganz  gewesen. 
Das  Alter  der  Mauern  ')  und  des  Brunnen«  konnte  nicht  bestimmt  werden, 
da  die  Fundstelle  schon  bebaut  war.  Auch  gelang'  es  mir,  ausser  dem 
Pferdestriegel  von  den  meist  durch  Arbeiter  zerschlagenen  und  überall 
hin  zerstreuten  Gelassen  weiter  nichts  als  einige  Scherben  zu  retten. 


9.  Die  Zeitbestimmung  der  ThongefHsse.  Das  Thon- 
gefilss  ist  das  zerbrechlichste  und  durum  vergilnglichste  Gerathe  von 
Menschenhand.  Aber  seine  Formen  erhalten  sich  durch  Jahrtausende.  Sein 
Ornament  ist  wandelbarer,  doch  haben  sich  einige  aus  dem  Alterthum 
bis  heute  erhalten.  Die  Technik  seiner  Herstellung  und  die  Art  und  Weis«' 
d««r  Verzierung  müssen  uns  leiten,  wenn  wir  den  Ursprung  eines  Gc- 
filsscs  bestimmen  wollen.  Aus  der  gleichen  Form  kann  man  nminals  mit" 
Sicherheit  auf  Gleichzeitigkeit  der  Herstellung  schliesscn.  Die  Deckel 
der  germanischen  Urnen  am  Niederrhein  gleichen  der  noch  am  Rheine 
verbreiteten  irdenen  Schüssel,  nur  dass  an  dieser  die  Oen'nung  ein  hori- 
zontal gerichtetes  Profil  hat.  Nach  Waukel  ist  das  heutige  Koch- 
geschirr der  kleinrussischen  Bauern  in  Kiew  vollkommen  ähnlich  einigen 
slavischen  Aschenurnen  der  Vorzeit.  Auch  Virchow  machte  bei  der 
letzten  Anthropologen-Versammlung  in  Danzig  daraur  aufmerksam,  dass 
die  Muster  von  Thongefassen  sich  Jahrhunderte  lang  erhalten  haben 
können.  Das  vor  Jahrtausenden  übliche  Wellenornament  wird  noch 
heute  im  Orieut  gemacht. 

Rinen  wesentlichen  Fortschritt  zeigt  die  Töpferkunst  iu  der  An- 
wendung der  Drehscheibe,  in  der  Ausbildung  des  Henkels,  in  «lern  featercu 
Brande  und  der  Glasur  der  mittelalterlichen  Gefasse  gegenüber  der  mehr 
mürben  Thonwand  griechischer,  römischer  und  merowingischer  Gefasse.  Als 
vor  vielen  Jahren  in  Bonn  in  15'  Tiefe  eine  alte.  Töpferei  gefunden  wurde, 
mit  glasirten  Gefässen  aus  hartem  Steingut  mit  wellenförmig  gebogenen» 


1)  Koenen  sah  vor  mehreren  Jahreu  in  einem  anderen  Garten, 
dem  des  Herrn  Töpfermeisters  Gerhardz,  römisch«-  Mauern. 


Oskar  Rautert. 


Miscellen. 


271 


Fussrande,  habe  ich  sie  nur  als  mittelalterliche  bezeichnet,  vgl.  Rhein. 
Jahrb.  LH,  S.  18ö.    Im  Jahre  wurde  unter  dein  Generalcommando 

in  Ooblonz  eine  ausgedehnte  Grabstatte  ohne  alle  Beigaben  entdeckt, 
die  mit  Rücksicht  auf  die  Erbauung  der  Castorkirche  dein  12.  Jahrhundert 
angehört  haben  konnte.  Nur  drei  Thonscherben  fanden  sich,  die  der 
erfahrene  D  e  tu  m  i  n  in  Wiesbaden  wohl  als  mittelalterliche  anerkannte, 
aber  einein  bestimmten  Jahrhundert  nubt  zuschreiben  konnte.  Sie 
waren  hartes  Steingut,  aussen  mit  vorspringenden  parallelen  Streifen 
versiert,  vgl.  Rh.  Jahrb.  LXXXI,  S.  198.  Ks  ist  dankbar  anzuerkennen, 
wenn  Koenen  in  Meckenheim  altere  luid  jüngere  Gräber  und  altere 
und  jüngere  Merowinger-Töpfe  hat  unterscheiden  können.  Der  Nach- 
weis von  Gelassen  der  Karolinger-Zeit  ist  aber  nicht  mit  Sicherheit  er- 
bracht. Ich  habe  gezeigt,  wie  viel  Heidnisches  bei  den  früheren  Gra- 
bungen in  Meckenheim  sich  fand  und  wie,  die  Spuren  des  Christenthnms 
fraglich  waren.  Einzelne  römische  Terra  Sigillntascherbcn  sprechen 
doch  für  frühe  Merowiuger  Zeit.  Auch  Koenen  fand  mehrere  solche, 
aber  nur  eine  Scherbe,  die  fast  wie  Steingut  aussah.  Eine  Münze  kann 
immer  nur  beweisen,  dass  das  entsprechende  Grab  nicht  lllter  war  als 
die  Münze.  Dieselben  Grabfelder  blieben  Jahrhunderte  lang  in  Gebrauch. 

Wenn  auch  der  Ban  der  St.  (juirinskirche  in  Neuss,  unter  deren 
Plattenbelag  die  Nensser  Amphoren  gefunden  wurden,  urkundlich  im 
Jahre  82f>  beglaubigt  ist,  so  können  jene  Gefasse  doch  viel  alter  sein. 
Sie  haben  mitMerowingergefHssen  gar  keine  Verwandtschaft.  Wohl  aber  hat 
Schliem  ann  solche  bauchige  Geflisse  mit  Henkeln,  die  von  derOeffnung 
ausgehen,  gefunden  (Mycenae  p.  64).  Die  mit  denselben  verglichenen 
GcfHssformen  des  Duisburger  Graberfeldes  haben  doch  mit  denselben 
auch  keine  Aehnlichkeit.  Nach  Wilma  gehören  jene  in  die  römisch- 
germanische  Perlode.  Auch  die  Grabfunde  von  Beckum  lassen  noch  römi- 
schen Einfluss  erkennen.  Borggreve  setzt  sie  zwar  iu  die  Mitte  des 
7.  Jahrhunderts.  Manche  derselben  können  einige  Jahrhunderte  alter  sein. 
Die  itlteste  Münze  ist  von  Nerva,  die  jüngste  von  Justinian  (572).  Die 
Funde  von  Meckenheim  sind,  was  Waffen.  Sehmuekgerathe  und  Thongcfasse 
betrifft,  so  gleichartig  und  mit  den  Funden  in  anderen  frankischen  und  ale- 
mannischen Grabern  der  Rheinlande  so  übereinstimmend,  dass  gar  kein 
Grund  vorliegt,  davon  einige  der  Karolingerzeit  zuzuweisen.  Auch  Linden- 
sch  mitfand  in  6einen  zahlreichen  Untersuchungen  fränkischer  ReihengrÄbcr 
keine  Gelasse,  welche  die  Merkmale  einer  neuen  karolingischen  Töpferkunat 
an  sich  tragen.  Wenn  die  Bestattungen  übereinander  in  Meckenheim 
auf  altere  und  jüngere  Graber  deuten,  so  ist  es  doch  schwer  zu  entscheiden, 
ob  die  untern  Graber  in  Folge  der  Anlage  neuer  geatört  worden  sind 
oder  ob  Grabraub  die  Ursache  war.  Koenen  sagt  gewöhnlich  auch 
nur,  das  untere  Grab  schiene  gestört  oder  beraubt  worden  zu  sein.  Wenn 
aber  bei  einer  solchen  Gelegenheit  Scherben  von  der  Obertlilchc  in  die 


272 


Miscellen. 


Tiefe  fielen,  warum  sollen  dies  nur  Karolingerscherben  gewesen  »ein,  es 
können  dieselben  auch  spateren  Jnhrhunderlen  angehört  haben.  In  der  Karo- 
lingerzeit hatten  die  Begräbnisse  auf  den  heidnischen  Grabfeldern  auf- 
gehört und  die  Tndten  wurden  bei  den  Kirchen  und  ohne  Beigaben  be- 
erdigt. Im  Rheinland*-  gab  es  schon  im  4.  Jahrhundert  christliche  Ge- 
meinden, vgl.  Rhein.  Jahrb  XLIV,  S.  112.  Im  6.  und  7.  Jahrhundert 
wird  hier  die  christliche  Beisetzung  allgemein  gewesen  sein.  Die  Karolingi- 
schen Capitularicn  beweisen  durchaus  nicht,  dass  die  heidnische  Bestattung 
unter  den  Franken  noch  allgemein  war.  Dass  die  frankischen  Töpfereien  in 
Meckenheim  im  Jahre  881  durch  die  Normannen  zerstört  worden  seien, 
ist  doch  auch  nur  eine  Vermuthung,  auf  die  sich  eine  chronologische 
Berechnung  der  Scherben  nicht  gründen  lässt1). 


10.  Zu  Jahrbuch  LIII,  S.  172  ff.  Die  an  der  angeführten  Stelle 
von  Frendenberg  publizirtc,  zu  Kohr  bei  Blankenheim  gefundene, 
jetzt  im  Besitz  des  Alterthumsvereins  befindliche  Inschrift  ist  kürzlich 
von  Rudolf  Much  (Zcitschr.  für  Deutsches  Alterthum  XXXV,  S.  207  f.; 
Anzeiger  S.  184,  1891)  behandelt  worden.  Freudenberg  lass  dieselbe 
MERCVRI|CHANNINE  ....  und  bezog  sie  auf  die  Cauninefaten;  Mercuri 
sei  eines  der  seltenen  Beispiele,  in  denen  der  Gottesname  in  der  Wid- 
mung im   Genitiv   erscheine.     Much  will  dagegen  lesen  MERCVKI 

OHANN1NI  ,  was  nach  Freudenberg's  Schilderung  der  Zeichen 

möglich  sei,  und  sieht  in  Hannini  einen  Beinamen  des  Merkur,  den  er 
zusammenbringt  mit  altn.  h  a  u  n  a  r  r  .geschickt,  kunstfertig",  griech. 
kovvmv  »kennen'',  ir.  c  o  im,  c  o  n  „sensus,  sententia,  ratio,  intcllectus",  con- 
uaidhe  „sollers,  calüdus".  Ein  Beiname  Wodans  mit  der  Bedeutung  rder 
verständige"  oder  „der  geschickte"  entspräche  ganz  den  Vorstellungen 
von  dieser  Gottheit  ebenso  wie  denen  von  Mercurius  und  Hermes;  auch 
vom  gallischen  Mercur  berichte  Caesar  Bell.  gall.  VI.  17:  hunc  oinnium 
inventorem  artium  ferunt.  So  ansprechend  diese  Deutung  auch  au  und 
für  sich  sein  mag,  der  Irmchriftatein  widerspricht  der  von  M  u  c  h  vor- 
geschlagenen Lesung.  Zwar  ist  das  letzte  Zeichen  der  zweiten  Zeile  wohl 
sicher  ein  I  gewesen,  von  dem  jedoch  nur  der  obere  Theil  erhalten  blieb; 
allein  das  erste  Zeichen  kann  kein  O  gewesen  sein.  Eine  genaue  Be- 
sichtigung ergab  dasselbe  als  ein  C,  dessen  beide  Enden  verdickt  und 
damit  als  abgeschlossen  angedeutet  sind.  Mitten  zwischen  ihnen  befindet 
sich  ein  kurzer  vertikaler  Strich,  der  wohl  von  dem  ursprünglichen 
Steinmetz  herrührt,  der  sich  hier  verhauen  hat;  vielleicht,  das«  er  für  das 
folgende  H  zu  nahe  bei  dem  C  ansetzte.  Jedenfalls  ergäbe  eine  Verbin- 
dung dieses  Striches  mit  den  Enden  des  C,  welche  aber  auf  dem  Originale 

1)  Vgl.  die  Entwicklung  des  Ornamentes  In  der  alten  Kunst.  Jahrb. 


H.  Schaafhausen. 


LXXXVIII  1889  S.  258. 


MiHcellen. 


273 


in  keinerlei  Weise  angedeutet  ist,  nicht  die  für  das  0  nöthige  liuudung, 
sondern  eine  vertikale  gerade  Linie,  so  das*  für  diese  Zeile  die  Lesung 
C1IANNINI  festgehalten  werden  muss.  A.  W. 

11.  Fund  einer  Ägyptischen  Statue  in  England. 
Durch  römische  Inschriften,  die  in  York  (Eburacum)  und  zn  Kirhv  Thon* 
bei  Brougham-Castle  (Brovonacae ?)  entdeckt  worden  sind  (C.  I.  L.  VII, 
240,  29«)  wird  der  Kult  des  Serapis  für  Britannien  bezeugt,  wohin  er 
durch  römische  Legionäre  gebracht  worden  sein  wird,  ebenso  wie  der 
Kult  des  Ty Tische»  Herakles  und  der  Astarte  (Inschriften  von  Corbridge 
in  Northumberland,  C.  I.  Gr.  «80«— 7).  Mit  diesen  inschriftlichen  Zeug-, 
»issen  gehen  Funde  von  Anticaglien  Hand  in  Hand..  Einiger  solcher 
mehr  oder  weniger  authentischer  ist  bereits  Jahrbuch  8!),  S.  227  gedacht 
worden,  ein  weiterer  kann  hier  erwähnt  werden.  In  der  Nahe  von  Nor- 
wood  in  der  Gratschaft  Surrey  wurde  der  Untertheil  der  Statue  einer 
auf  einem  Schemel  sitzenden  Ägyptischen  männlichen  Figur  entdeckt, 
welcher  sich  jetzt  im  Besitze  des  Herrn  C.  Davies  Sherboru  befindet. 
Das  Fragment  ist  mit  Inschriften  (publ.  Pro«,  of  the  Soc.  of  Bibl.  Arch. 
XIV,  p.  163  ff.)  bedeckt,  welchen  zufolge  die  Statue  einen  Würdenträger 
ans  der  Zeit  Itamses  II.,  Namens  UA-hotep  darstellte.  Dieser  wird  be- 
zeichnet als  Oberrichter,  Nomarch,  Festordner  und  königlicher  Gesandter 
nach  dem  Chetalande,  hatte  also  eine  hohe  Stellung  am  Hofe  inne.  Neben 
ihm  erscheinen  mehrere  seiner  Verwandten,  darunter  ein  Bruder,  der 
Oberpriester  des  Ptah  Pa-neter-hen,  woraus  hervorgeht,  dass  der  Mann 
einer  bereits  durch  eine  Stele  im  British  Museum  i.nr.  7%,  vgl.  Lieblein, 
Dict.  des  noiiis  nr.  997)  bekannten  Familie  angehörte.  Seine  Statue,  die 
ursprünglich  in  seinem,  allem  Anscheine  »ach  bei  Memphis  gelegenen, 
Grabe  Aufstellung  gefunden  hatte,  wie  dies  der  Zusatz  „der  gerecht- 
fertigte* hinter  seinem  Namen  andeutet,  wurde  offenbar  in  der  Römer- 
zeit  ans  demselben  geraubt,  und  zu  Zwecken  des  Isiskultim  nach  Britan- 
nien gebracht.  Hier  wird  sie  zerbrochen  worden  sein  und  erscheint  da- 
her die  Hoffnung  auf  eine  Entdeckung  auch  ihres  Obertheiles  auf  eng- 
lischem Boden  nicht  unbegründet.  A.  W  i  e  d  e  m  a  n  n. 


Berichtigung. 

In  der  Festschrift  zum  f>0 jahrigen  Jubilatun  des  Vereins  lese  man 
auf  Seite  79,  Zeile  23  des  Aufsatzes  über  die  Kelten  statt  Holtzmann : 
Bertrand. 


Jahrb.  d.  Vor.  v.  AllerlLafr.  im  Uhelul.  XC11. 


lt> 


274  Miscellen. 

* 

Merissen  -  Stiftung. 

Die  Gesellschaft  für  Rheinische  Geschichtskunde  setzt  ans  der 
ihrer  Verwaltung  unterstellten  Mevissen-Stiftung,  für  die  Lösung  folgen- 
der Aufgaben  die  unten  angegebenen  Preise  aus: 

1.  Nachweis  der  im  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  in  Köln  vorhandenen 
Strassen  und  Platze,  sowie  aller  Befestigungen,  öffentlichen  Ge- 
bäude, Kirchen,  Kapellen,  Klöster  und  Wohnhäuser,  nubst  Entwurf 
eines  möglichst  genauen  Stadtplanes,  auf  Grundlage  der  gleich- 
zeitigen Pläne  und  Ansichten,  der  Schreinsbücher  und  der  Urkunden 
Es  wird  der  Wunsch  ausgesprochen,  die  für  das  1»>.  Jahrhundert 
festgestellten  Strassen,  Gebäude  u.  s.  w.  nach  Möglichkeit  zeitlich 
zurück  zu  verfolgen. 

Die  Arbeit  ist  einzusenden  bis  zum  31.  Januar  1897  einschliess- 
lich.  Preis  4000  Mark. 

2.  Entwickelung  der  kommunalen  Verfassung  und  Verwaltung  Kölns 
von  den  Anfängen  bis  zum  Jahre  18%. 

Die  Arbeit  ist  einzusenden  bis  zum  31.  Januar  1894  einschliess- 
lich.  Preis  2000  Mark. 

3.  Ursprung  und  Entwickelung  der  Verwaltungsbezirke  (Aemter)  in 
einem  oder  mehreren  grösseren  Territorien  der  Kheinprovinz  bis 
zum  17.  Jahrhundert. 

Die  Arbeit  ist  einzusenden  bis  zum  81.  Januar  189&  einschliess- 
lich.  Preis  2000  Mark. 

Die  Bearbeitungen  können  unter  dem  Namen  der  Bewerber  oder 
anonym  mit  einem  Sinnspruch  eingereicht  werden.  In  letzterem  Fall 
ist  ein  mit  demselben  Sinnspruch  beschriebener  versiegelter  Zettel  bei- 
zulegen, welcher  Namen,  Stand  und  Wohnort  des  Verfassers  enthält.  Die 
Entscheidung  über  die  Verleihung  der  Preise  erfolgt  durch  den  Vorstand 
der  Gesellschaft  für  Rheinische  Geschichtskunde;  es  ist  hierbei  nach  der 
Vorschrift  der  Stiftungsurkunde  neben  der  Beherrschung  des  bearbeite- 
ten Stoffes  der  Styl  und  die  künstlerische  Form  der  Arbeiten  wesentlich 
mit  in  Betracht  zu  ziehen.  Erscheint  keine  der  über  eine  Frage  einge- 
reichten Arbeiten  preiswürdig,  so  kann  doch  ein  Ilonorar  bis  zur  halben 
Höhe  des  Preises  zugebilligt  werden.  Die  preisgekrönten  Arbeiten 
werden  Eigenthum  der  Gesellschaft,  die  nicht  preisgekrönten  können 
binnen  einem  Jahre  nach  Veröffentlichung  der  Entscheidung  zurückge- 
fordert werden;  geschieht  dies  nicht,  so  werden  sie  ebenfalls  Eigenthum 
der  Gesellschaft* 

Die  Arbeiten  sind  einzusenden  an  den  Vorsitzenden  der  Gesellschaft 
für  Rheinische  Geschichtskunde,  Herrn  Landgericht* - Director  Ratjeu 
in  Köln. 

Köln,  den  14.  November  1891. 

Der  Vorstand  der  Gesellschaft  für  Rheinische 
G  eschichtskunde. 


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IV.  Berichte. 


I.  Generalversammlung  des  Vereins  am  26.  Juni  1891. 


Der  Vorsitzende,  Prof.  Dr.  Schaafhausen  erstattet  den 
Jahresbericht  flu*  das  Jahr  1890: 

„Die  Zahl  der  Mitglieder  des  Vereins  betrug  mit  Einschluss 
der  Ehrenmitglieder,  der  Schulanstalten  und  des  Vorstandes  nach 
dem  letzten  Jahresbericht  am  11.  Juli  1890  :  658. 

Gestorben  sind  seit  der  letzten  Generalversammlung  am  11.  Juli 
vorigeu  Jahres  folgende  16  Mitglieder: 

Herr  Professor  Dr.  Heydcmann  in  Halle  a.  d.  S., 
„   Gutsbesitzer  Carl  Cetto  in  St.  Wendel, 
.,    Gymnasialdirektor  Dr.  B  o  s  s  1  e  r  in  Darmstadt, 
„    Rittergutsbesitzer  von  Rath  in  Lauersfort, 
„   Consul  Franz  Leiden  in  Köln, 
Se.  Exc.  der  Wirkl.  Geheimrath  Camphausen  in  Köln, 
Herr  Oberbaurath  und  Professor  Schmidt  in  Wien, 
„   J.  J.  Merlo  in  Köln, 
„   Fabrikbesitzer  Keller  in  Bonn, 
„    Landgerichtsdirektor  Mitscher  in  Köln, 
„    Baurath  Dieckhoffin  Bonn, 
„    Professor  Dr.  Springer  in  Leipzig, 
„    Geheimer  Commercicurath  AI.  von  Heimendahl, 
in  Crefeld, 

„    Professor  Lewis  am  Corpus  Christi  Colleg  in  Cam- 
bridge, 

„    Doinkapitular  Heuser  in  Köln, 

Geuerallieutenaut  z.  D.  Elte  n  in  Bonn. 


Generalversammlung  de«  Vereins  am  26.  Juni  1*91. 


Ausgetreten  sind  filr  1891:  10  Mitglieder,  so  das*  der  Verein 
mit  den  16  Gestorbenen  einen  GeKainmt Verlust  von  .'$2  Mitgliedern 
erfahren  hat.  Diesem  Verluste  steht  der  Gewinn  von  ,'J5  neuen 
Mitgliedern  gegenüber.  Die  Mitgliederzabi  hat  sieh  also  um  .1  Mit- 
glieder vermehrt  und  beträgt  heute  ü(il. 

Die  neu  eingetretenen  Mitglieder  sind  die  folgenden: 
Das  Muscnin  Wallraf-Richarz  in  Köln, 
Der  Kreisausschuss  von  Mayen, 
»  tt  »  Wittlich, 

„  „  „  Sehleideu, 

»  Mer/ig, 
„  Lennep, 
„  Wetzlar, 
„  „  Saarlouis, 

„  „  des  Landkreises  Orefeld, 

Coblenz, 

Die  Königl.  Realschule  in  Saarbrücken, 
Dji*  Sehnllehrcr-Seminar  in  Odenkirchen, 
Herr  Geb.  Ober-Regierungsratb  Curator  Gaudtner  in  Bonn, 
Reg.  und  Balirath  Cuno  in  Coblenz, 
„       Bolzer  in  Köln, 

„    Reg.-Baumeister  Isp  bor  ding  in  Bonn, 

..    Professor  Dr.  G  o  t  h  e  i  n  in  Bonn, 
Dr.  juris  Stader  in  Boun, 

.,    Dr.  Paul  C leinen  iu  Bonn, 
Das  Gyiuuasiuui  in  Düsseldorf, 
Das  Realgymnasium  in  Bannen, 
Die  Ober-Realschule  in  Kolu, 
Das  Lehrer-Seminar  von  Corneli-Mtlnster, 
Herr  Gcncral-Consul  G.  R  o  h  I  f  s  in  Godesberg, 

„    Professor  Dr.  Gräfe  in  Bonn, 

„    Geheinirath  Prof.  Sämiseh  iu  Bonn, 

..    Professor  E 1 1  e  r  in  Bonn, 

Theodor  Deiebmann  in  Köln, 

„    Consul  Hans  Leiden  iu  Köln, 
Dil-  Lese-  und  Erholungs-Gesellschaft  in  Bouu, 
Das  Königl.  Oberbergamt  in  Bonn, 
Horr  Dr.  Oi  dt  mann  iu  Linnich, 

Freiherr  Magnus  von  Mirbach,  Hauptmann  z.  D.  in  Bonn, 


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GeneralverHammlunp  de«  Verein*,  am  2«.  Juni  1«91. 


277 


Herr  Gutsbesitzer  Straeter  in  Niederdollendorf, 
,,    Historienmaler  M  a  r  t  i  n  in  Bonn. 

Hie  Zahl  der  Mitglieder  des  Vereines  ist  in  den  letzten  20 
Jahren,  kleine  Schwankungen  abgerechnet,  »ich  ziemlich  gleich  ge- 
blieben,  was  bei  der  jährlieh  zunehmenden  Mitbcwerhiing  anderer 
Vereine  immer  ein  erfreuliches  Zeichen  ist.  Ich  habe  durch  Herrn 
Friekc  die  Summen  der  Beitrage  der  zahlenden  ordentlichen  Mit 
glieder  aus  den  Rechnungen  der  letzten  20  Jahre,  von  1H70  bis 
1890,  ausziehen  lassen,  sie  betragen:  M.  4878,  4571,  5170.  5040, 
4873,  5040,  5773,  5814,  5800,  5827,  5710,  5638,  6108,  5054,  5730, 
5770,  5600,  5460,  5370,  5470,  5567.  Der  höchste  Beitrag  im  Jahre 
1882  von  M.  6108.50  trifft  mit  der  Erhöhung  des  Beitrogs  von  0 
auf  10  M.  zusammen,  die  Zahl  der  Beitragenden  war  1881  und  1882 
genau  dieselbe       628,  sie  fiel  im  Jahre  188i{  auf  608. 

Seit  der  letzten  Versammlung  ist  Heft  LXXXIX  mit  2  Tafeln 
und  10  Holzschnitten,  sowie  Heft  XC  mit  4  Tafeln  und  21  Abbil- 
dungen ausgegeben  worden.  Das  Register  II  ftlr  die  Hefte  LXI  bis 
XC  ist  von  Herrn  Dr.  Bone  fertig  gestellt,  der  Dmck  desselben 
hat  begonnen  nnd  wird  dasselbe  in  einem  der  nächsten  Monate  als 
Heft  XCI  erscheinen.  Wie  sehr  der  Inhalt  unserer  Jahrbücher  sich 
vermehrt  hat,  ergibt  sich  daraus,  das«  das  im  Jahre  1870  erschie- 
nene Register  I,  welches  die  Hefte  1  bis  60  umfasst,  13»/,  Druck- 
bogen stark  war,  während  Register  II  Aber  die  Hefte  61  bis  00, 
von  demselben  Verfasser  und  nach  denselben  Grundsätzen  zusammen- 
gestellt, nach  der  vorläufigen  Schätzung  über  17  Bogen  stark  sein 
wird.  Ausserdem  ist  die  Festschrift  zu  unserem  äojähr.  Jubiläum 
im  October  dieses  Jahres  vorbereitet. 

Ich  lege  mit  nnserm  Sitaungs-Protokoll  die  Jahresrechnung  für 
1800  mit  den  Belegen  zur  Einsicht  vor  und  theile  einige  Hnupt- 
posten  aus  derselben  mit  : 

Die  Gesammt-Einnahmc  betrug  1800:  Mark  6505.50  gegen 
6074.38  im  Vorjahre.  Die  Ausgaben  beliefen  sich  auf  Mark  5846.02 
gegen  5456.88  im  Jahre  1880,  so  dass  am  31.  Dezeinher  1800  ein 
Kassenbestand  von  Mark  658.58  gegen  617.50  verblieb.  Der  Be- 
stand unserer  Kasse  ist  heute  Mark  1616.58  gegen  Mark  2001.12 
am  8.  Juli  1880. 


2TH 


Generalvcrfwminluiifr  des  Verein»  am  2i».  Juni  1891. 


Es  betrogen  die  Ausgaben:        im  Jahre  1890    im  Jahre  1889 

für  Drucksachen  Mark  2460.78  gegen  1398.28 

für  Zeichnungen  und  Herstel- 
lung der  Tafeln  ....       „     424.30     „  1382.21 
für  Buchbinderarbeit.    ...       „      578.46     „  272.30 

für  die  Bibliothek  ,     455.75     „  754.75 

für  Honorare   „    1356.00     „  1108.25 

für  Kassenführung,  Porto  und 

verschiedene  Ausgaben .    .       „     553.59     „  528.14. 
Die  Revisoren  unserer  Rechnung,  Herr  Rechnungsrath  und 
Hauptmann  a.  1>.  Würst  sowie  Herr  Dr.  Hauptmann  haben  die- 
selbe richtig  befunden,  so  dass  ich  für  unsern  Herrn  Rendanten 
F  r  i  c  k  e  die  Entlastung  beantrage."    Dieselbe  wird  ertbeilt. 

..Indem  ich  den  genanuten  Herren  für  ihre  Mühe  den  Dank  des 
Vereine»  abstatte,  bitte  ich  die  beiden  Herren  Revisoren  für  das 
Jahr  1891  wieder  zu  wählen.  Ich  hoffe,  dass  sie  die  Wahl  anneh- 
men."   Dieses  geschieht  und  die  Wahl  wird  angenommen. 

Der  Vorsitzende  fordert  sodann  zur  Neuwahl  des  Vorstandes 
auf.  Derselbe  wird  auf  Antrag  des  Herrn  Rectors  Geh.  Rath  Httffer 
durch  Zuruf  wiedergewählt.    Der  Vorsitzende  fährt  fort: 

„Was  unsere  Vercins-Sammlung  betrifft,  so  wird  auch  in  die- 
sem Jahre  das  Provinzialmuscum,  ßaumsehuler  Allee  34,  wie  im 
vorigen,  Donnerstags  von  11  bis  1  vom  15.  Mai  an  bis  zum  15.  Oc- 
tober  dem  Publikum  gegen  eine  zu  losende  Eintrittekarte,  den  Mit- 
gliedern des  Vereins  gegen  Vorzeigung  der  ihnen  zugestellten  Karte 
geöffnet  sein. 

Den  Neubau  des  schon  weit  vorgeschrittenen  Provinzialmnseuma 
hofft  man  bis  zum  Herbst  1892  fertig  zu  stellen. 

Die  Bibliothek  ist  bis  auf  weiteres  zum  Ausleihen  von  Büchern 
an  Vereinsmitglieder  Donnerstags  von  II1/«  bis  1  Uhr  geöffnet. 
Aendcrungen  werden  durch  die  Zeitung  bekannt  gegeben.  Die  Bi- 
bliothek hat  Geschenke  erhalten  von  den  Herren  Dr.  Hauptmann, 
Prof.  Schneider,  Dr.  Wicdemann,  Prof.  Schaaffhauscn, 
dem  Magistrat  der  Stadt  Budapest,  der  Societe  des  Antiquaires  du 
Cestre.  Neuer  Schriftenaustausch  ist  angeknüpft  oder  der  unter- 
brochene wieder  hergestellt  worden  mit  folgenden  12  Vereinen  und 
Zeitschriften:  mit  dem  Altcrthunisverein  in  Kempten,  dem  histori- 
schen Verein  in  Neuburg,  der  Gesellschaft  für  lothringische  Ge- 
schichte und  Alterthumskunde  in  Metz,  der  deutschen  Gesellschaft 


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Generalversammlung  des  Vorein»  am  2fi.  Juni  1*91. 


279 


zur  Erforschung  vaterländischer  Sprache  und  Alterthümer  in  Leipzig, 
der  philosophisch-historischen  Gesellschaft  in  Hcidclhcrg,  dem  Nor- 
dischen Museum  in  Kopenhagen,  der  Zeitschrift  für  Numismatik  von 
A.  von  Sallet,  den  Commissions  royales  d'art  et  d'archdologie  in 
Brüssel,  der  Societa  di  areheologia  e  belle  arti  in  Turin,  den  Ecoles 
d'enseignemcnt  superieur  zu  Algier,  dem  Bergisclien  Geschichtsverein, 
der  Societd  d'archdologie  de  Bruxelles.  Die  Bibliothek  hat  sich  um 
etwa  175  Bände  vermehrt. 

Am  9.  Dezember  wurde  in  hergebrachter  Weise  der  Geburts- 
tagWinckclmanns  gefeiert,  worüber  das  Heft  LXXXX  der  Jahr- 
bücher berichtet  hat. 

Ich  muss  noch  eines,  fttr  uns  Alle  bedeutsamen  Ereignisses 
gedenken.  Am  1.  October  sind  es  50  Jahre,  dass  unser  Verein  ge- 
gründet worden  ist.  Der  Vorstand  war  der  Ansicht,  worin  ihm  ein 
grosser  Theil  der  Bonner  Mitglieder  zustimmte,  dass  der  1 .  October 
kein  geeigneter  Tag  zu  einer  Jubiläumsfeier  sein  würde,  weil  er  in 
die  Mitte  der  Üniyersitätsferien  lallt.  Er  hofft  Ihre  Zustimmung 
dafür  zu  finden,  dass  er  diese  Feier,  wie  ein  dem  letzten  Heft  bei- 
gelegtes Blatt  schon  bekannt  gibt,  auf  den  26.  October  verlegt  hat. 
Es  wird  eine  Festschrift  erscheinen,  zu  der  die  Herren  Dr.  Düntzer, 
Prof.  Löschcke,  Prof.  Furtwänglcr  in  Berlin,  General  von  Vcith, 
Prof.  Klein  und  ich  selbst  Abhandlungen  in  Aussicht  gestellt  haben. 
Ein  Theil  dieser  Beiträge  int  schon  in  unsern  Händen.  Diese  Fest- 
schrift wird  an  alle  Mitglieder  des  Vereins  vertheilt  werden.  Das 
Programm  der  Jubiläumsfeier  wird  erst  später  festgestellt. 

Mit  Dank  gegen  die  Provinzialverwaltung  theilt  der  Vorstand 
mit,  dass  dieselbe  zur  Herstellung  des  mit  grossen  Kosten  verknüpf- 
ten Registers  einen  Beitrag  von  400  Mark  auf  unser  Ersuchen  be- 
willigt hat,  wofür  wir  derselben  bereits  unsern  Dank  ausgesprochen 
haben.  Ein  an  das  K.  Cultus-Ministeriura  gerichtetes  Gesuch  um 
Bewilligung  eines  Beitrags  für  denselben  Zweck,  ist  unter  dem 
5.  Februar  1890  abschlägig  beschieden  worden. 

An  den  Vereins-Vorstand  sind  in  letzter  Zeit  von  verschie- 
denen Seiten  Anträge  gestellt  worden,  er  möge  seinen  Einfluss  gel- 
tend machen  zur  Erhaltung  bedrohter  Kunst-  und  Altcrthumsdenk- 
maler  des  Landes.  Dieser  Hülferuf  betraf  den  alten  romanischen 
Zehnthof  in  Cardcn  an  der  Mosel,  eine  Kapelle  aus  dem  10.  oder 
11.  Jahrhundert  bei  Burgbrohl,  zur  ehemaligen  Probstei  Buchholz 
gehörig,  femer  die  in  der  Severikirche  zu  Boppard  entdeckten 


2*0  Generalversammlung  des  Vereins  am  26.  Juni  1891. 

Wandmalereien  aus  «lern  13.  Ihr  16.  Jahrhundert  nnd  endlich  den 
durch  einen  Steinhruchhetrieb  an  einer  Stelle  bereits  zerstörten  ger- 
maniNchcn  Ringwall  auf  dem  Petersberge,  im  Siebengebirge. 

Der  Vorstand  des  Vereines,  der  auch  den  Schutz  alter  Denk- 
male des  Rheinlandc*  als  seine  Aufgabe  und  Pflicht  betrachtet,  hat 
in  allen  diesen  Fällen  durch  Schreiben  an  das  Königl.  Olierpräsi- 
dinm  wie  an  den  Conscrvator  der  Kunstdenkmäler,  Herrn  Geh.  Rath 
I*  e  r  8  i  u  s  die  Mitwirkung  der  Behörden  in  Anspruch  genommen. 

Zum  Schlüsse  bringe  ich  noch  einen  wichtigen  Gegenstand  zur 
Kenntnis»  und  Beschlussfassung  der  Generalversammlung.  Es  han- 
delt sich  um  die  Bedingungen,  unter  welchen  der  Verein  seine 
Sammlung  dem  Provinzialmnscum  ül>ergchcn  wird. 

Unter  dem  5.  Februar  1891  richtete  der  Landesdirektor  der 
Rheinprovinz,  Herr  Geh.  Obcr-Reg.-Rath  Klein,  folgendes  Schrei- 
ben an  den  Vorstand: 

Für  die  Wahl  der  Stadt  Bonn  zur  Errichtung  eines  Provinzial- 
Museums  ist  seiner  Zeit  mit  ausschlaggebend  gewesen,  dass  der 
Verein  sich  bereit  erklärt  hatte,  später  seine  Sammlung  von  Kunst- 
sachen und  Altcrthümcm  dem  Provinzial-Museum  zu  Bonn  zu  Über- 
weisen. Da  das  neue  Museuiusgchäude  an  der  Cohnantstrasse  dort- 
selbst  der  Vollendung  entgegengeht  und  demnächst  mit  der  inneren 
Einrichtung  desselben  begonnen  werden  wird,  so  beehre  ich  mich 
Euer  Hochwohlgeboren  um  eine  gefällige  Mittheilnng  darüber  er- 
gebenst  zu  bitten,  unter  welchen  Bedingungen  die  Ueberweisung 
der  Vereins-Sammlung  an  das  Provinzial-Museum  erfolgen  soll. 

Die  unter  dem  6.  Mär/.  1891  abgesandte  Antwort  des  Vorstan- 
des an  den  Herrn  Laudesdirektor  lautet: 

„Auf  die  geehrte  Zuschrift  vom  5.  Februar  d.  giebt  der  Vor- 
stand des  Vereins  von  Altcrthumsfrcunden  im  Rheinlandc  die  fol- 
gende Erklärung  ab: 

Die  Generalversammlung  des  Vereins  von  Alterthumsfrenndcn 
im  Rheinlandc  fasste  in  Erwiderung  auf  ein  Sehreiben  des  Kgl. 
Obcrpräsidiums  der  Rheinprovinz  vom  9.  Juni  1875  bezüglich  der 
Ueberweisung  der  Vereins-Sammlung  an  das  Bonner  Provinzial-Mu- 
seum am  27.  Juni  1875  mit  allen  gegen  zwei  Stimmen  folgenden 
Besch  luas: 

„Die  Generalversammlung  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden 
im  Rheinlande  vom  27.  Juni  1875  beßchliesst,  unter  Vorbehalt  des 
Eigenthumsrechtes  des  Vereins  und  unter  den  gleichen  Bedingungen, 


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Generalversammlung  des  Vereins  am  26.  Juni  1891. 


wie  sie  von  der  Universität  zu  Bonn  bezüglich  der  von  dieser  zum 
gleichen  Zwecke  abzugebenden  Alterthümcr  gestellt  werden,  die 
Sammlung  von  Knnstsachcn  und  AlterlhUmern,  welche  sich  im  Be- 
sitze de»  Vereins  befindet,  dem  Provinzial-Musenm  zu  Bonn  zu  über- 
geben. Dem  Verein  von  Altcrthiimsfrcnnden  im  Rlieinbiiidc  hat  das 
Provinzial-Musenm  bei  Ucherweisung  der  Sammlungen  künftig  aus- 
reichende Räume  zur  Unterbringung  und  Benutzung  der  Vercins- 
Bibliothek  zur  Verfügung  zu  stellen"  i vgl.  Jahrb.  LVII  1870  8.235). 

Unter  dem  12.  Ocloher  1H75  tlieilte  das  Kgl.  Obernräsidium 
dem  Vereinsvorstande  mit,  dass  der  Herr  Minister  der  geistlichen, 
Unterrichts-  und  Medizinalangelegenheiten  die  von  der  Universität 
gestellten  Bedingungen,  welche  der  Verein  sieh  zugestanden  zu  sehen 
wünscht,  soweit  solche  auf  denselben  in  Anwendung  kommen  kön- 
nen, angenommen  hat. 

Des  Näheren  bezeichnet  heute  der  Vorstand  als  Bedingungen 
und  Wünsche  bei  der  Uebergabe  seiner  AlterthUnicr-Sammlung  an 
das  Provinzial-Museum: 

1.  Die  Vereins-Sammlnng  bleibt  Eigenthum  des  Vereins  und 
die  ihr  zugehörigen  Gegenstände  sind,  wie  es  auch  schon  jetzt  der 
Fall  ist,  durch  besondere  Etiquetten  zu  bezeichnen. 

2.  Die  freie  Benutzung  des  gesammten  Provinzial-Mnseums 
zu  wissenschaftlichen  Zwecken  wird  dem  Vereine  gewährleistet, 
ebenso  der  ungehinderte  Gebrauch  der  von  dem  Vereinsvorstande 
verwalteten  Vereins-Bibliothek,  die  in  einem  besonderen  Räume  eine 
geeignete  Aufstellung  und  Einrichtung  finden  wird. 

3.  Der  Vereinsvorstand  erwartet  einen  passenden  Raum  für 
seine  Sitzungen  und  die  Generalversammlungen  des  Verein«. 

4.  Die  Sammlungen  des  Provinzlal-Museums  müssen  den  Ver- 
einsmitgliedern an  noch  zu  bestimmenden  Tagen  und  Stunden  un- 
entgeldlich  zugänglich  sein. 

5.  Der  Vereinsvorstand  wünscht  bei  der  Aufstellung  seiner 
Sammlung  in  den  Räumen  des  Provinzial-Musenms  zur  Mitwirkung 
in  geeigneter  Weise  hinzugezogen  zu  werden. 

6.  Der  Vereinsvorstand  setzt  voraus,  das«  das  Provinzial- 
Museum  wie  bisher  die  Kosten  der  Feuerversicherung  der  Vereins- 
Sammlung  und  der  Bibliothek  tragen  wird. 

Der  Vorstand  wird  bei  der  nächsten  Generalversammlung  im 
Juni  dieses  Jahres  die  Genehmigung  der  Vereinsmitglieder  für  diese 
seine  Erklärung  beantragen." 


282  Generalversammlung  des  Vereins  am  26.  Jnni  1891. 

Am  5.  Jnni  1891  erhielt  der  Museum-Direktor  Prof.  Klein 
ein  Schreiben  des  Herrn  Landcsdircktors,  worin  es  heisst: 

Bezüglich  der  von  der  Universität  gestellten  Bedingungen  be- 
merke ich  ergehenst,  das»  meines  Erachteiis  durch  das  staatlich 
genehmigte  Reglement  über  die  Verwaltung  der  Provinzial-Museen, 
durch  die  Zusammensetzung  der  Museums-Kommission,  in  welcher 
mehrere  Uiüversitäts-Professoren  als  Mitglieder  vertreten  sind,  durch 
die  demnächst  zu  erlassende  Hesuchs-Ordnung,  welche  in  der  Weise 
wie  diejenige  für  Trier  aufzustellen  sein  wird,  femer  durch  die 
Thatsache,  dass  in  dem  demnächst  zu  eröffnenden  Museum  dort- 
seihst, dessen  Ausführung  nach  Massgabe  des  Beiner  Zeit  von  dem 
Herrn  Minister  genehmigten  Projektes  zu  erfolgen  hat,  die  nöthigen 
Räume  zur  Aufnahme  der  in  Rede  stellenden  Sammlungs-Gegenstände 
vorgesehen  sind,  die  Interessen  der  Universität  nach  allen  Richtungen 
hin  genfigend  gewahrt  sein  dürften.  Die  Forderung  der  König]. 
Universität,  ihr  auch  noch  die  zu  erlassende  Besuchs-Ordnung  (Re- 
glement über  die  Benutzung  des  Museums)  vor  deren  Feststellung 
zur  Prüfung  vorzulegen  und  sonnt  diese  Besuchs-Ordnung  von  der 
Zustimmung  der  Universitäts-Verwaltung  abhängig  zu  machen,  er- 
scheint mir  jedoch  zu  weit  zu  gehen. 

Dasselbe  gilt  bezüglich  der  von  dem  Vorstande  des  Vereins 
von  Alterthumsfreunden  gestellten  Bedingungen,  die  sich  im  Wesent- 
lichen mit  deu  Bedingungen  der  Universität  decken. 

Indem  ich  noch  eine  Abschrift  der  zur  Zeit  für  Trier  gelten- 
den Besuchs-Ordnnng  hier  anschliessc,  ersuche  ich  Eure  Hochwohl- 
geboren  ergebenst,  dem  Vorsitzenden  des  Vereins  von  Alterthums- 
freunden, Herrn  Prof.  Dr.  Schaaff hausen  die  diesseitigen  An- 
sichten gefälligst  kundgeben  und  mit  demselben  die  Angelegenheit 
gefälligst  erörtern,  resp.  darüber  verhandeln  zu  wollen,  ob  der  Ver- 
ein geneigt  sei,  sich  den  diesseitigen  Ansichten  anzuschliessen.  Von 
dem  Ergebniss  der  Besprechung  wollen  Sie  mir  gefälligst  Mitthei- 
lung machen. 

Der  Landesdirektor  der  Rheinprovinz: 
Klein. 

Ich  theile  auch  das  Schreiben  mit,  welches  von  dem  K.  Cu- 
ratorium  der  Rhein.  Fried  rieh- Wilhelms-Uni  vereität  an  den  Herrn 
Landesdirektor  gerichtet  worden  ist: 


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General  Versammlung  de«  Vereins  am  26.  Juni  1891. 


Bonn,  10.  Mai  1891. 

An 

den  Landesdirektor  der  Rheinprovinz, 
Herrn  Geh.  Ober-Regierungsrath  Klein. 

Euer  Hochwohlgeboren  beehre  ich  mich  auf  das  gefällige 
Sehreihen  vom  5.  Februar  d.  ergebenst  Folgendes  zu  erwidern: 

Bereit»  unter  dem  5.  Octoher  1875  ist  zwischen  der  Provin- 
zial-Verwaltung  und  der  Universität  mit  Genehmigung  deB  Herrn 
Ministers  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinalangelegenheiten 
ein  Abkommen  dahin  getroffen,  das  akademische  Museum  rheinischer 
Alterthttiner  mit  dem  Provinzial-Museum  zu  vereinigen  und  zwar 
unter  folgenden  Bedingungen: 

1.  dass  die  Universität  sich  das  Eigentumsrecht  an  der  zu 
Überliefernden  Sammlung  wahrt; 

2.  dass  die  Universität  für  sieh  uud  insbesondere  für  den  aka- 
demischen Unterricht  die  freie  Benutzung  des  gesammten 
Provinzial-Museums,  d.  h.  nicht  blos  der  seitens  der  Universität 
zugebrachten  Sammlung,  sondern  auch  der  sonst  hinzutreten- 
den Sammlungen  ohne  andere  als  die  bei  öffentlichen  Insti- 
tuten durch  die  allgemeine  Ordnung  und  das  Interesse  des 
Dienstes  unumgänglich  gebotenen  Beschränkungen  beansprucht, 
so  dass  gewisse  Ucbungen  und  Unterrichtsstunden,  die  bisher 
in  dem  Local  der  gegenwärtigen  akademischen  Sammlung 
stattfanden,  künftig  ebenso  angesichts  der  Monumente  in 
den  betreffenden  Räumen  des  Provinzial-Museums  stattfinden 
können ; 

3.  dass  die  Reglements,  durch  welche  zukünftig  die  Verwaltung 
und  Benutzung  des  Provinzial-Museums  im  einzelnen  geordnet 
werden  soll,  vor  ihrer  Feststellung  dem  akademischen  Senat 
vorgelegt  werden,  damit  er  prüfen  könne,  ob  die  Interessen 
der  akademischen  Studien  in  genügender  Weise  gewahrt  sind. 

Nachdem  ich  aus  Anlass  von  Euer  Hochwohlgeboren  gefälligem 
Schreiben  dem  Herrn  Minister  über  den  gegenwärtigen  Stand  der 
Angelegenheit  Vortrag  gehalten,  hat  derselbe  mich  beauftragt,  Euerer 
Hochwohlgeboren  die  Bereitwilligkeit  zur  Ueberweisung  der  akade- 
mischen Sammlung  auszusprechen  und  Euere  Hochwohlgeboren  zu- 
gleich zu  ersuchen,  vor  Ausführung  der  Ueberweisung  zunächst  das 
Einverständnis  der  Provinzial- Verwaltung  mit  der  Uebernahme  der 
Sammlung  unter  den  obigen  Bedingungen  herbeizufuhren. 


Generalversammlung  des  Vereins  am  26.  Juni  1891. 


Hiernach  darf  ich  Euer  Hochwohlgchorcn  ergebenst  ersuchen, 
in  dieser  Beziehung  das  Erforderliche  gefälligst  veranlagen  und  mir 
von  dem  Ergebniss  der  Verhandlung  weitere  Mittheilung  machen  zu 
wollen.  gez.  G  a  n  d  t  n  e  r. 

Der  Vorsitzende  ersucht  die  Generalversammlung,  die  vom 
Voratandc  für  die  demnächstige  Ucherweisung  der  Vcreins-Samm- 
lnng  an  das  Provinzial-Mnsenm  zu  Bonn  unter  dem  6.  Mar/,  aufge- 
stellten Bedingungen  zu  genehmigen  und  den  Vorstand  zu  bevoll- 
mächtigen, die  endgültige  Feststellung  des  Wortlautes  dieser  Bedin- 
gungen, einschliesslich  unwesentlicher  Acnderungen  oder  Znsätze  zu 
denselben  im  Interesse  des  Vereines  mit  der  Provinzial-Vcrwaltung 
zu  vereinbaren. 

Die  vom  Vorstande  aufgestellten  Bedingungen  werden  einstim- 
mig genehmigt  und  die  von  demselben  erbetene  Vollmacht  einstimmig 
bewilligt. 

Der  Vorstand. 


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Die  fiOjrthrige  Jubelfeier  des  Vereins  von  Altcrthnmsfrennden  etc.  28ft 


Die  50jährige  Jubelfeier  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden 
im  Rheinlande  zu  Bonn. 

Dieselbe  fand  am  25.  October,  Vormittags  10' /,  Uhr,  in  der 
Anla  der  Universität  statt.  Am  Abend  vorher  war  eiue  Bewill- 
kowmuuug  der  von  auswärts  eingetroffenen  Festtheilnehmer  im  Saale 
der  Lcsegcscllscbaft  vorausgegangen.  Znr  Fcstversammlung  hatte 
sich  eine  grosse  Zahl  von  Theilnehineru,  daruuter  der  Cnrator,  der 
Rector  und  der  Prorector  der  Universität  und  viele  Mitglieder  des 
Lehrkörpers,  der  Bürgermeister  Spiritns,  seine  beiden  Amtsvor- 
gäuger,  viele  Mitglieder  des  Vereins,  auch  eine  stattliche  Anzahl 
von  Dameu  eingefunden.  Der  Vorabende  des  Vereins,  Geheinirath 
Sc haaff hausen,  eröffnete  die  Versammlung,  indem  er  die  An- 
wesenden willkommen  hiess  und  daran  erinnerte,  dass  schon  die 
jahrliche  Wiederkehr  des  Geburtstages  uns  anffordere,  zurückzu- 
blicken, wieviel  mehr  ein  Zeitraum  von  60  Jahren,  den  von  100 
Geborenen  nur  etwa  30  vollenden!  Wie  Vieles  drängt  sieb  zu- 
sammen in  dem  Leben  eines  Vereines,  in  dem  Viele  zusammen- 
wirken für  einen  etilen  Zweck.  Da  dürfen  wir  fragen,  ob  wir  der 
Gesinnung,  die  am  Tage  der  Gründung  Alle  begeisterte,  treu  geblieben 
sind  und  ob  wir  mit  Befriedigung  auf  die  Ergebnisse  mühevoller 
Arbeit  hinweisen  können.  Ich  sage,  wir  dürfen  fragen,  aber  wie 
Weuige  leben  noch  von  denen,  die  dem  Vereine  vor  50  Jahren  an- 
gehörten. Einer  der  Gründer,  Herr  Heinrich  D  ü  n  t  z  e  r  in  Köln, 
kann  sich  noch  seines  Lebens  freuen,  ist  aber  durch  sein  hohes 
Alter  verhindert,  in  unserer  Mitte  zu  sein.  Wie  der  Mensch  in 
seiner  Gattung  fortlebt,  so  stirbt  auch  ein  Verein  nicht,  wenn  er 
Lebensfähigkeit  besitzt  und  sich  stets  vergüngt,  trotz  der  Lücken, 
die  der  Tod  reisst.  Wenn  50  Jahre  für  jede  menschliche  Thätig- 
keit  eine  lange  Zeit  sind,  was  sind  sie  aber  gegen  die  Zeit,  womit 
unsere  Forschung,  die  Altertumswissenschaft  sich  beschäftigt?  Sie 
bat  die  Grenzsteine  unseres  Wissens  bis  an  den  Anfang  aller  mensch- 
lichen Cultur  hinausgerückt  und  giebt  uns  Rechenschaft  über  das 
Schaffen  nnd  Denken  vergangener  Völker,  deren  Erbschaft  das 


286  Die.  WjÄhrige  Jubelfeier  des  Verein»  von  Alterthumsfreunden  etc. 

lebende  Geschlecht  in  Religion,  Sitte,  Kunst  und  Wissenschaft  an- 
getreten hat.  Die  grossen  Fortschritte  dieser  Wissenschaft  sind  das 
Ergebniss  de»  Wetteifers  aller  gesitteten  Völker  auf  diesem  Gebiete 
der  Forschung.  Auch  unser  Verein  darf  einen  Theil  dieses  Ver- 
dienstes für  sich  in  Anspruch  nehmen.  Seine  Hanptthätigkeit  hat 
der  Verein  in  der  Erklärung  des  klassischen  Alterthums  gefunden 
und  ihr  erst  später  das  Mittelalter  und  zuletzt  auch  die  Urgeschichte 
hinzugesellt.  Es  wurde  kein  wichtiger  Fund  im  rheinischen  Boden 
gemacht,  der  in  den  Jahrbflcheru  nicht  besprochen  worden  wäre. 
Wohl  kann  sich  das  Rheinland  nicht  mit  Italien  oder  Griechenland 
vergleichen,  aber  die  Zahl  der  für  die  Cultur-  und  Kunstgeschichte 
wichtigen  Denkmale  ist  eine  sehr  grosse  und  Manches  darf  dem 
Besten  beigezählt  werden,  was  das  Alterthum  uns  überliefert  bat. 
Unsere  Berge  sind  gekrönt  mit  den  Steinringen  der  Vorzeit.  Noch 
älter  sind  die  Ansiedelungen  aus  der  Renuthierzeit,  noch  älter  die 
aus  der  Zeit  des  Mammutb  und  des  Moschusochsen.  Die  Spuren  der 
Kelten  finden  sich  im  ganzen  Rheiulaude.  Die  zahlreichen  römischen  In- 
schriften hat  Brambach  in  seinem  Werke  Corpus  Inscriptionum  Rhcna- 
uarum  1867  gesammelt.  Was  Funde  und  Denkmale  betrifft,  so  erinnere 
ich  an  die  Bronzestatue  des  Amor  von  Calcar,  die  das  Berliner  Museum 
ziert,  an  die  kunstvollen  Gläser  der  rheinischen  Sammlungen,  an 
die  Lauersforter  Phalcrae,  an  den  Goldfund  von  Waldalgesbeim,  an 
so  viele  kleine  Bronzen  unserer  Museen,  an  die  grossartigen  Ruinen 
der  Porta  nigra  und  der  römischen  Bäder  in  Trier,  an  die  Skulp- 
turen von  Neumagen  und  so  vieles  Andere.  Nicht  als  Ruinen, 
sondern  in  bester  Erhaltung  oder  Wiederherstellung  stehen  vor  uns  die 
Dome  und  Kirchen  und  wie  reich  sind  die  Schatzkammern  der- 
selben. Haben  wir  auch  diesem  Jnbeltage  mit  einer  gewissen  Be- 
wegung entgegen  gesehen,  so  wollen  wir  doch  auch  vertrauensvoll 
der  zweiten  Hälfte  des  Jahrhunderts  entgegen  gehen,  mit  rüstiger 
Arbeit  zur  Ehre  des  Rheinlandes  und  zum  Nutzen  der  Wissensehaft. 

Hierauf  beglückwünschte  der  Rcctor  der  Universität,  Geheim- 
rath Strasburg  er  den  Verein  namens  des  Universität  mit 
folgenden  Worten: 

Es  fällt  mir  als  zeitigem  Rector  die  Ehre  zu,  Sie  im  Auftrage 
unserer  Rheinischen  Friedrich-Wilhelms-Universät  zu  begrüssen.  Es 
geschieht  dies  in  demselben  Räume,  in  welchem  die  Universität 
ihre  eigenen  Feste  feiert.  So  zeigt  schon  die  Wahl  des  Ortes  die 
uabeu  Beziehungen  an,  welche  zwischen  unserer  Universität  und  dem 


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Die  60jährige  Jubelfeier  des  Verein»  von  Alterthumsfreunden  etc.  287 

Vereine  der  Rheinischen  Alterthumflfreunde  bestehen.  Davon  geben 
auch  Zeugniss  die  Namen  zahlreicher  hervorragender  Lehrer  unserer 
Hochschule,  welche  zugleich  Vorsitzende  des  Rheinischen  Alterthuins- 
vereins  waren.  Ich  darf,  um  nur  der  Todten  zu  gedenken,  an  Namen 
wie  Welcker  und  Ritsehl  erinnern,  mit  die  klangvollsten  Namen,  deren 
sich  unsere  Uuiversität  zu  rühmen  hat,  Namen,  die  auch  mit  golde- 
nen Lettern  in  die  Annalen  Ihres  Vereins  eingetragen  sind.  Docenteu 
unserer  Hochschule  waren  es,  die  vor  50  Jahren  den  Verein  gründe- 
ten und  in  hervorragender  Weise  haben  sich  auch  Docenten  unserer 
Hochschule  stets  an  den  Arbeiten  des  Vereins  durch  Veröffent- 
lichungen in  den  Jahrbüchern  desselben  und  durch  Vorträge  bei 
der  Winckelmannfeier  betheiligt.  Fast  alle  grundlegenden  Arbeiten 
für  die  älteste  Vergangenheit  der  Rheinlande  sind  den  Bemühungen 
des  Vereins  der  Rheinischen  Alterthumsfreunde  zu  danken,  so  dass 
derselbe  mit  Befriedigung  auf  das  vergangene  halbe  Jahrhundert 
seiner  Thätigkeit  zurückblicken  kann.  So  möge  ihm  ein  erspriess- 
licbes  Gedeihen  auch  für  alle  künftigen  Zeiten  beschieden  sein! 

Der  Vorsitzende  sagte  in  seinem  Danke,  dass  die  Verbindung 
des  Vereins  mit  der  Universität  eiue  uothwendige  und  für  beide 
vorteilhafte  sei,  er  hoffe,  dass  sie  stets  fester  geknüpft  werde.  Es 
sei  ein  wesentlicher  Vortheil  gewesen,  der  dem  Vereine  schon  an 
seiner  Wiege  zu  statten  kam,  dass  seine  drei  Gründer,  Düntzer, 
Lersch  und  Urlichs  junge  Docenten  dieser  Universität  waren.  Die 
Vorsitzenden  des  Vereins  seien  mit  einer  Ausnahme  alle  Lehrer  der 
Hochschule  gewesen,  an  der  die  klassische  Philologie  und  Arehaeo- 
logie  seit  ihrem  Ursprung,  wie  heute  noch,  in  ausgezeichneter  Weise 
vertreten  war.  Welcker  und  Jahn  schufen  in  dem  Kunstmuseum 
eine  Sammlung  der  besten  Kuustwerke  des  Alterthums  in  Abgüssen, 
wie  sie  keine  andere  deutsche  Universität  als  Lehrmittel  aufweisen  kann. 

Herr  Bürgermeister  Spiritus  überbrachte  die  Glückwünsche 
der  Stadt  Bonn.  Die  Ziele  und  Bestrehungen  der  modernen  Städte 
seien  sehr  verschieden  von  den  Zwecken,  die  der  Verein  verfolge. 
Das  heutige  Städteleben  stehe  uuter  dem  Zeichen  des  Dampfes  und 
der  Electricität.  Wir  graben  nnter  der  Erde  zur  Herstellung  von 
Kanälen,  zur  Leitung  von  Gas,  Wasser  und  Telegraph,  wir  sucheu 
Uber  der  Erde  Luft  und  Licht  zu  schaffen,  enge  und  ungesunde 
Verhältnisse  zn  beseitigen  im  Interesse  des  Verkehrs  und  der  Ge- 
sundheitspflege. Da  schwindet  manches  Alte  und  Ehrwürdige  als 
ein  Opfer  der  neuen  Richtung  der  Zeit.  Hier,  meine  Herren,  greifen 


2H8  Di«'  50jilhrige  Jubelfeier  des  Vereins  von  Atterthumsfreunden  etc. 

Sie  erhaltend  und  rettend  ein.  In  Wort,  Schrift  und  Sammlung  er- 
halten Sie  die  Verbindung  der  Vergangenheit  mit  der  rasch  leben- 
den Gegenwart  und  bewahren,  was  uns  Grosse*  von  den  Altvordern 
überkommen  ist  vor  Untergang  und  Vergessenheit.  Erhebt  sieh  doch 
in  der  Neustadt  Bonn'»  der  Prachtbau  des  Provinzinlmuscums,  dessen 
reiche  Sammlung  vorwiegend  den  Bemühungen  de«  Vereins  zu  danken 
ist.    Die  Bürgerschaft  Bonu  s  nimmt  innigen  Antheil  an  dem  heuti- 
gen Jubel  tage  und  hält  sich  für  berechtigt,  den  Ehrentag  des 
Vereins  mitzufeiern ,    der  öO  Jahre   lang  seinen  Sit/,  und  den 
Mittelpunkt  seiner  Wirksamkeit   in   Bonn  gehabt  hat   und  seine 
Mitglieder  alljährlich  hier  versammelt.    Ich  lade  die  auswärtigen 
Gäste  zur  häutigen  Wiederkehr  au  den  alten  Wohnsitz  der  Wissen- 
schaft ein,  wo  die  ewig  junge  Mutter  Natur  ihre  Gaben  so  ver- 
schwenderisch ausgebreitet  hat  und  mit  jedem  neuen  Lenze  die  alte 
Frühlingspracht  der  Rheinlandschaft  wiederkehrt.  —  Der  Vorsitzende 
dankt  dem  Vertreter  der  Stadt  für  seine  freundliche  Begrttssnng. 
Dass  der  Verein  in  Bonn  seinen  Sitz  genommen,  sei  nicht  allein 
durch  die  Universität  veranlasst,  sondern  auch  durch  die  Oertlich- 
keit.    Wenn  hier  am  Rheiu  sich  schon  früh  die  Liebe  zur  Alter- 
thumsforschung entwickelte  und  der  Sinn  für  Sammlung  von  Alter- 
thüinern  geweckt  wurde,  so  lag  das  unzweifelhaft  in  dem  Umstände, 
dass  das  Rheinland  eiueu  Reiehtbum  geschichtlicher  Deukinale  be- 
sitzt, wie  kein  anderer  deutscher  (iau.  Wo  der  Spaten  in  die  Erde 
gräbt,  stossen  wir  auf  altes  Gemäuer  und  der  Ackercr  auf  dem  Felde 
hebt  hinter  dem  Pfluge  die  römischen  Münzen  auf,  auf  denen,  wenn 
auch  die  Legende  nicht  mehr  lesbar  ist,  unser  Gymnasiast  schon 
an   dem  Gesichte  den  römischen  Kaiser  erkennt.     Ich  habe  es 
selbst  erlebt,  dass  man  hier  in  Bonn  vor  50  Jahren,  weun  man  dem 
Rheine  entlang  am  Castrum  vorbei  ging,  mit  dem  Spazierstocke 
aus  dem   ansteigenden  Ufer   Sigillatascherbeu ,  römische  Gläser, 
Münzen  und  Anderes  herausgrub.  Diese  ganze  Gegend  ist  ein  römi- 
scher Schutthaufeu  und   alle  Heerstrassen  Bonn  s  sind  römische 
Gräberstrassen.    Darum  gab  es  hier  auch  frühe  schon  berühmte 
Sammlungen,  wie  die  des  Canonicns  Pick,  die  von  Göthe  erwähnt 
wird  und  später  die  berühmtere  der  Frau  Sibylla  Mertens-SchaatT- 
hansen,  die  leider  iu  alle  Welt  zerstreut  wurde.    Wieseler  sagt 
allein  von  der  Gemmensanuulung,  dass  sie  die  Ijedeutendstc  war, 
die  iu  Deutschland  je  bestanden  hat.    Möge  Bonn  immer  ein  er- 
giebiger Boden  für  unsere  Forschung  sein,  möge  aber  auch  die 


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Die  50  jährige.  Jubelfeier  des  Vereins  von  Altcrthunisfreuiiden  etc.  289 

Stadt  uud  ihre  Behörde  uns  immer  gewogen  bleiben.  Ich  niuss 
dankend  erwähnen,  da«»  die  .Stadt  dem  Vereine  Jahre  lang  städti- 
sche Räume  zur  Aufstellung  seiner  Sammlungen  ül>erlasscu  hat. 
Der  Verein  ist  keine  staatliche  Schöpfung,  er  ist  keine  gelehrte 
Gesellschaft,  er  ist  dem  rheinischeu  Boden  entsprossen  und  hat 
sich,  um  seine  volkstümliche  Richtung  zu  bezeichnen,  einen  Verein 
von  Altcrthumsfreunden  genannt,  auf  deren  Hülfe  er  angewiesen  ist. 

Geheimrath  Hüffer  beglUck wünschte  den  Verein  als  Vor- 
sitzender des  historischeu  Vereins  für  den  Niederrhein.  Er  sagte: 
Als  Pro-Rector  der  Universität  bin  ich  vom  akademischen  Senat 
beauftragt,  in  Gemeinschaft  mit  Sr.  Magnificenz  dem  Vereine  von 
Alturthumsfreunden  im  Rheinlaude  den  Festgruss  und  die  Wünsche 
der  Universität  zu  Uberbringen.  Der  Herr  Rector  hat  alles,  was 
dabei  zu  sagen  wäre,  so  vollkommen  zum  Ausdruck  gebracht,  ilass 
ich  nichts  hinzuzufügen  habe.  Aber  als  Vorsitzender  des  histori- 
schen Vereins  für  den  Niederrhein  bitte  ich  mir  noch  einige  Worte 
zu  gestatten.  Wenn  man,  wie  es  in  unserer  Zeit  so  häulig  geschieht, 
den  70.  oder  sogar  den  (50.  Geburtstag  eines  Mannes  feiert,  so  haben 
daran  die  Zeit  und  das  Wohlwollen  der  Befreundeten  zuweilen 
grösseren  Antheil  als  das  Verdienst  des  Gefeierten.  Aber  wenn 
ein  Verein,  der  nur  durch  seinen  wissenschaftlichen  Zweck  zu 
sammengehalten  wird,  ein  halbes  Jahrhundert  überdauert,  so  wird 
dadurch  ein  Doppeltes  erwiesen :  zuerst,  dass  der  Zweck  des  Ver- 
eins in  der  That  ein  bedeutender  und  würdiger  ist ,  sodann  dass 
die  Leiter  des  Vereins  diesen  Zweck  wirksam  und  geschickt  zu 
fördern  verstehen.  In  doppelter  Weise  dürfen  wir  also  dem  Verein 
von  Alterthuinsfrenudeu  Glück  wünschen.  Wer  die  Fortschritte  der 
Alterthumswissenschaft  in  den  Rbeiulauden  während  der  letzten 
ÖO  Jahre  sich  vergegenwärtigt,  findet  den  Verein  in  eifriger  und 
besonnener  Thütigkcit  dabei  betheiligt.  Der  Verein  bat ,  wie  es 
recht  eigentlich  die  Aufgabe  solcher  Genossenschaften  ist,  Neigung 
uud  Interesse  für  das  Alterthum  und  dadurch  die  Kemitniss  des- 
selben iu  immer  weiteren  Kreisen  verbreitet;  dafür  zeugen  die  i>») 
stattlichen  Bände  seiner  Zeitschrift,  die  reich  ausgestatteten  Fest- 
schriften, dafür  zeugt  die  wachsende  Zahl  seiner  Mitglieder,  die 
Theilnahme,  welche  an  jedem  Wiuckclmannsfeste,  welche  am  heutigen 
Tage  sich  kundgiebt.  Er  hat  aber  auch  unmittelbar  um  die  Alter- 
tbüuier  sich  verdient  gemacht,  indem  er  werthvolle  Hauten  vor  Ver- 
nachlässigung und  Zerstörung  bewahrte  und  schou  iu  früher  Zeit 

Jahrb.  il.  Vcr.  v.  AlurOi-IV.  im  Kheinl.  XCII.  ]«J 


290  Dir  SOjlllirige  Jubelfeier  de.«  Vereins  von  Altcrthumsfrouuclon  efr. 

eine  Sammlung  anlegte,  die,  wie  sie  den  Gedanken  des  Provinzial- 
Musemiis  angeregt  hat,  jetzt  auch  den  wesentlichsten  Theil  seiner 
Schütze  hildet.  Er  arbeitete  dabei  freilich  durchaus  für  seine  eigensten 
Interessen.  Denn  seine  wissenschaftliche  Aufgabe  besteht  ja  dann, 
durch  die  Kenntniss  und  das  richtige  Verständnis*  der  Denkmäler 
zu  einer  sichern  Grundlage  des  Studiums  und  einer  deutlichen  An- 
schauung des  antiken  Lebens  zu  gelangen ,  hauptsächlich ,  aber 
nicht  ausschliesslich ,  des  antiken  Lebens.  Der  vielseitigen  Be- 
gabung  des  Präsidenten  und  hervorragender  Vorstandsmitglieder 
verdanken  wir,  dass  der  Vorein  seine  Untersuchungen  auch  auf  die 
Denkmäler  einer  vorgeschichtlichen  Zeit  und  des  Mittelalters,  also 
zugleich  nach  vorwärts  und  rückwärts  ausdehnt  mit  glücklichem 
Erfolg  und  gewiss  dem  lebhaften  Wunsch  vieler  Vereinsmitglieder 
entsprechend.  Ucherhlicken  wir  nun  diese  emsige ,  fruchtbare 
Thätigkcit,  so  werden  wir  mit  freudiger  Anerkennung  uns  bewusst, 
dass  der  Verein  rheinischer  Alterthumsfrounde,  der  im  Alter  allen 
wissenschaftlichen  Vereinen  dieses  rheinischen  Landes  voransteht, 
auch  durch  glückliche  Erfolge  und  zielbewußte  Leitung  allen  ein 
leuchtendes  Vorbild  geworden  ist.  So  gereicht  es  mir  zur  besondere^ 
Freude,  als  Vertreter  des  im  Alter  ihm  nächststeheuden  Vereins  hier 
zuerst  aussprechen  zu  dürfen,  was  gewiss  alle  ebenso  lebhaft  fühlen: 
den  Wunsch,  dass  der  Verein  von  Alterthumsfrcundeii  fort  und  fort, 
wie  er  an  Jahren  zunimmt,  auch  zunehmen  möge  an  Wissenschaft, 
Weisheit  und  Wirksamkeit  und  an  Gnade,  (Jnnst  und  Ehre  vor  den 
Bewohnen)  unserer  rheinischen  Heimath  und  unseres  deutschen 
Vaterlandes.  Möge  er,  dessen  Art  es  nicht  ist,  die  Dinge  halb  zu 
thuii,  das  halbe  Jahrhundert  seiner  Existenz  durch  andere  frt)  glück- 
liche Jahre  vervollständigen.  Mögen  dann  nach  Ablauf  eines  vollen 
Säkulums  die  Wünsche,  die  wir  heute  aussprechen,  um  so  freudiger 
in  diesem  Saale  erneuten  Ansdnick  finden! 

Für  den  Düsseldorfer  Geschichtsverein  sprach  hierauf  Herr 
Dr.  Bone:  Gestatten  Sie  auch  einem  der  jüngsten  Naehbarvereine, 
welcher  dem  ;">o jährigen  Bestehen  erst  ein  10jährige»  entgegen- 
stellen kann,  dem  erfahrenen  älteren  Genossen  an  seinem  Ehrentage 
mit  glückwünschender  Begrüssung  zu  nahen.  Mit  besonderer  Freude 
habe  ich  deu  ehrenden  Auftrag  übernommen,  diesen  Glückwünschen 
hier  Ausdruck  zu  geben,  indem  ich  so  zugleich  meine  persönliche 
Antheilnahme  an  «lern  heutigen  Feste  um  so  nachdrucks voller  zeigen 
kann.    Glaube  ich  doch  ganz  besonders  eingehend  und  umfassend 


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Dir  nOjährige  Jubelfeier  des  Voreins  von  Altcrthumsfreunden  etc.  201 

(Üb  Wirken  des  .Jubelvereins  in  seinem  Vereinsorgane  würdigen  ge- 
lernt zu  haben,  indem  ich  es  bereits  zum  /weiten  Male  unternahm, 
den  Vereinsinitgliedcrn  gleichsam  einen  Schlüssel  zu  den  Schützen 
der  Jahrbücher  zn  überreichen.  Da  wurde  mir  vielfach  Gelegen- 
heit, die  starke  nnd  lebensvolle  Fortentwiekclung  wahrzunehmen, 
sowohl  in  sachlicher  Beziehung,  als  namentlich  auch  hinsichtlich 
der  Bchandlungswcise.  In  erfreulichem  Maassc  schwinden  subjective 
Erwägungen  und  das  Hereinziehen  der  entlegensten  Dinge  in 
wuchernden  Anmerkuugeii ;  in  vertrauenerweckender  Klarheit  zeigt 
»ich  mehr  und  mehr,  dass  die  Feder  des  Schreibenden  aus  dem 
Spaten  des  Suchenden  und  Beobachtenden  geschmiedet  ist,  und  dass 
die  Genialität  der  Coinbination  durch  den  Zügel  gewissenhafter 
und  unbefangener  Beobachtung  nicht  geknechtet  wird.  Ks  hat  sich 
ferner  in  wachsendem  Maassc  gezeigt,  dass  der  Verein  bei  aller 
Energie,  die  er  dem  Xäehstgclegencn  zuwendet,  seine  Augen  auch 
für  das  Ferne  und  Fernste  offen  hält,  wohl  wissend,  welch'  leben- 
dige und  feste  Fäden  auch  für  ihn  Raum  und  Zeit  durchziehen. 
Mag  auch  verschiedentlich  die  Meinung  hervortreten,  es  dürften  die 
engen  Grenzen  der  Provinz  nicht  überschritten,  es  dürften  nur 
wenige  nnd  sehr  bestimmte  Arten  von  Gegenständen  zur  Darstellung 
gebracht  werden,  so  gereicht  es  dem  Vereine  und  seinem  Vorstande 
zur  doppelten  Ehre,  dass  er  den  erkannten  Weg*  nicht  vcrlässt  und 
in  den  Abhandlungen,  in  der  Bücherschau,  in  den  Sitzungsberichten 
—  ich  nenne  namentlich  die  unschätzbaren  Berichte  über  die  An- 
thropohigeu  -  Versammlungen  —  seine  Mitglieder  über  möglichst 
Vieles  belehrt ,  was  der  Erforschung  und  dein  Verständniss  des 
Nähcrgelegcnen  so  oder  so  dienlich  werden  kann.  Dieser  Blick 
ins  Weite  hat  den  Blick  für  die  Nähe  nicht  geschwächt,  hat 
namentlich  eine  Conccntratiou  auf  gewisse  Hauptpunkte  niclrt  ge- 
hindert. Schauen  Sie  in  dem  neuen  Registerhunde,  der  in  wenigen 
Wochen  in  Ihrer  Aller  Hände  sein  wird,  auf  das  Inschriftlichc  und 
auf  die  Römerstrassen.  so  werden  Sie  beim  Vergleiche  den  Unter- 
schied gegen  den  Inhalt  der  ersten  l>0  Hefte  mit  leiblichem  Auge 
sehen.  Eine  wiche  zusammenfassende  Aufmerksamkeit  ist  bei  der 
Unerachöpflichkcit  so  zahlloser  Eiuzclforschungcn  eine  wahre  Forde- 
rung unserer  Zeit  und  es  ist  etwas  Vortreffliches,  dass  die  Vercins- 
leitnng  dieser  Forderung  in  so  geschickter  Weise  gerecht  wird. 
Unbeirrt,  mit  offenem  Auge  für  das  Ferne  wie  für  das  Nahe,  ziel- 
bewusst       so  schreitet  der  gereifte  Manu  durch  seinen  Wirknngs- 


292  Die  50jährige  Jubelfeier  de»  Vereins  von  Altertliumsfrennden  etc. 

kreis,  gleicht  er  Homer'»  erfahrenen  Berathern,  die  vorwärts  und 
rückwärt*  schauen,  nein  Selbstgefühl  Iiiudert  ihn  nicht,  nuch  der 
Andern  Thun  zu  würdigen  und  verleitet  ihn  nicht  zu  glauben,  wer 
Vieles  vermöge,  müsse  Alles  allein  thini  und  der  Verdienstvolle 
müsse  Alles  Fremde  für  nichts  lichten. 

< Sieht  es  doch  auch  räumliche  Bezirke  —  und  der  Kreis  Düssel- 
dorf mit  seiner  östlichen  Nachbarschaft  gehört  wenigstens  vor  der 
Hand  in  hohem  Maasse  dazu  —  Bezirke,  welche  das  Auge  des 
Forschers  weniger  verlockend  auf  sich  ziehen,  wo  der  Historiker 
im  eugern  Sinne  des  Wortes  mehr  Stoff  und  Anregung  findet,  als 
der  Archäologe  mit  Spaten  und  Zollstab.  Auch  diese  Gebiete 
werden  mit  geringen  Ausnahmen  von  kleineren  und  grösseren  Lokal- 
vereinen  bearbeitet,  die  freilich  nur  zum  geringsten  Theile  in  der 
Lage  sind,  ein  besonderes  Vereinsorgan  zu  besitzen.  Der  Ausbau 
einer  lebendigen,  sich  nicht  auf  Austausch  der  Vereinsschriften  be- 
schränkenden,  noch  weniger  die  Selbstständigkeit  der  einzelneu 
gefährdenden  Verbindung  mit  diesen  und  unter  diesen  könnte  eine 
aussichtsvolle  Aufgalre  aller  Bcthoiligten  bilden  und  würde  ganz 
gewiss  fördernd  wirken.  Der  (.5 esainmt verein  der  deutschen  Alter- 
tbumsvercine,  dessen  Schwerpunkt  doch  immer  stark  nach  Osten 
fällt,  kauu  für  uns  hier  nicht  genügen.  Die  Grenzen  müssten  weit 
enger  gezogen  sein,  ohne  sich  jedoch  an  jetzt  bestehende  politische 
Grenzen  zu  binden.  Jedenfalls  müssten  diese  Grenzen  das  ganze 
Gebiet  umschlicssen,  in  welchem  die  Uebcrzahl  der  Mitglieder  des 
Vereins  von  Alterthumsfreunden  im  Kheiulaude  wohnt;  das  Gebiet, 
aus  welchem  heute  vorzugsweise  die  Festgeuossen  uud  Glück- 
wünsche zusammenströmen  und  zn  welchem  sich  gerne  rechnend 
auch  unser  Düsseldorfer  Verein  heute  hier  nicht  fehlt,  sondern  seine 
freundschaftlichen  und  aufrichtigen  Glückwünsche  bringt,  Glück- 
wünsche für  die  Vergangenheit,  auf  welche  der  Verein  als  eiue 
bedeutsame  zurückblicken  darf,  mag  er  der  überwundenen  Schwierig- 
keiten oder  der  errungenen  Erfolge  gedenken,  Glückwünsche  für 
die  Zukunft,  dass  sie  der  Vergangenheit  entsprechend  sich  gestalten 
und  neidlose  Anerkennung  nicht  nur  bei  den  Alterthumsfreunden 
im  K heinlande,  sondern  allerwärts  finden  möge.  Dieser  Zukunft 
möge  der  Jubel-Verein  in  freundschaftlichem  Gesammtwirken  mit 
den  grössten  wie  den  kleinsten  Brudervcreineu  um  so  vertrauens- 
voller entgegen  gehen,  je  unerschöpflicher  seine  Aufgaben  im 
Grossen  wie  im  Kleinen  sind,  wo  immer  der  Spaten  angesetzt  uud 


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Die  öOjÄhriRC  Jubelfpier  dos  Vereins  von  Alterthumsfreundon  etr.  2S»3 

da«  Licht  der  unbefangenen  wissenschaftlichen  Betrachtung  an- 
gezündet wird. 

Hierauf  redeten  noch  Herr  Dr.  Wecke  Hin  für  den  Verein  in 
Worms  nnd  Dr.  Knickcnberg  für  den  in  Hohenzollcrn.  Beide 
sprachen  mit  höchster  Anerkennung  von  den  Verdiensten  der  Jahr- 
bücher um  die  rheinische  Alterthuuisforschung. 

Der  Vorsitzende  theilt  hieranf  mit,  dasa  durch  verbindliehe 
Schreiben  verschiedene  Ehrengäste  nnd  Ehrenmitglieder  ihr  Be- 
dauern ausgesprochen  hätten,  der  Feier  nicht  beiwohnen  zu  können, 
so  der  Oultnsminister  Graf  Zedlitz-Trützschler,  der  Fürst  zu  Wied, 
der  Prinz  zu  Sehaumburg-Lippe,  der  Minister  von  Berlepsch,  der  Erz- 
hischof  Krementz,  Oberpräsident  Nasse,  der  commandirende  General 
von  Loe\  Freiherr  von  Solemacher-Antweiler,  Landesdireetor  Klein, 
die  Geh.  Räthe  Seitöne,  Greift",  Althoff,  die  Herren  Asbach,  Haug, 
Mehlis  n.  A.  Se.  Exe.  Herr  Oberpräsident  Nasse  schreibt,  da«»  er 
lebhaft  bedauere,  verhindert  zu  sein,  an  der  Feier  eineB  Vereins 
Theil  zu  nehmen,  der  sich  dnreh  Erweckung  des  Interesses  uud 
Verständnisses  für  die  Geschichte  des  Rheinlandes  und  die  Erhal- 
tung seiner  Kunst-  und  geschichtlichen  Denkmäler  in  weiten  Kreisen 
nm  Wissenschaft  und  Heimathslicbc  gleich  verdieut  gemacht  hat  nnd 
dessen  Mitglieder-Vcrzeichniss  seit  vielen  Jahren  so  viele  berühmte 
Namen  zieren.  Wegen  hohen  Alters  oder  Unwohlsein  haben  ihre  Theil- 
nahme  versagen  müssen:  der  noch  lebende  Gründer  des  Vereins, 
Heinrieh  Düntzer  in  Köln,  Lindensehmit  in  Mainz,  von  Cohausen  in 
Wiesbaden,  Leenjans  in  Leiden,  Wieseler  in  Göttingen,  der  dem 
Vereine  von  seinem  Anfang  au  angehört,  von  Veith  in  Bonn.  Die 
Herren  Düntzer,  Lindensehmit  und  Leemans  haben  in  ausführlichen 
Schreiben  dem  Vereine  ihre  Anerkennung  ausgesprochen.  Der  Fcst- 
gruss  des  Herrn  Düntzer  lautet  wie  folgt: 

Zum  goldenen  Ehrentage 
des  Vereins  von  Alterthumsfrenden  im  Rheinlande 
zn  Bonn. 
Hochverehrter  Herr  Präsident! 

Sie  wissen,  wie  schmerzlich  es  mich  rührt,  dass  ich  Ihren  nnd 
des  verehrten  Vorstandes  so  ehrenvollen  wie  dringend  herzlichen 
Einladungen  ans  Gesundheitsgründen  nicht  folgen  darf,  nur  im 
Geiste  am  Jubelfeste  des  mit  meinem  Leben  verwachsenen  Vereine« 
anwesend  zn  sein  vermag.  Lassen  Sie  mich  wenigstens  eigenhän- 
dig meinem  aufrichtigen  Herzenswünsche  für  seine,  unter  der  Gunst 


2fll   Di«-  ;V\jtthris»'  JuWllHor  fies  Vereins  von  Ahn thiiiiiHln  uii'im  etc. 


der  Verhältnisse  gedeihende  Fortentwicklung  Worte  geben  und 
iiiolit  als  ein  würdiges  Pfand  meiner  Verehrung,  sondern  als  ge- 
ringes Zeichen  treuer  Anhänglichkeit  mein  eben  ausgegebenes  Bueh : 
„Zur  Götheforsehnng"  bescheiden  darbringen.  Einen  guten  Theil 
meines  Lebens  hat  mich  neben  dem  altklassischen  Lelien  und  der 
römischen  Vor/eit  des  Rhcinlamlcs  die  Förderung  der  Erkenntnis«* 
des  unsterblichen  deutsehen  Dichters,  des  edlen  Mannes  und  grossen 
Geistes  beschäftigt,  den  das  Rheinland  als  den  Seiingen  in  Anspruch 
nehmen  darf.  Zwar  streift  unter  den  mannigfaltigen  Aufsätzen 
meines  Buches  nur  der  zweite  das  Gebiet  unseres  Vereines,  da  er 
den  reisenden  Mann  als  leidenschaftlichen  Verehrer  und  Sammler 
der  Antiken  zeigt;  aber  den  Zwecken  der  Alterthimisvereine  hat 
Frankfurts  grösster  Sohn  nicht  fern  gestanden.  Schon  in  den  ge- 
spanntesten Zeiten,  als  er  dem  unseligen  Fehlzuge  in  die  Cham- 
pagne folgen  musste,  hat  er  dem  Igeler  Denkmale  und  den  Alter- 
thnmeru  Triers  lebhafte  Thcilnahme  zugewandt.  Als  endlich  der 
Rhein  von  den  Deutschland  verheerenden  Armeen  des  Weiteroberere 
befreit  war.  galt  es  ihm  im  Verein  mit  dem  grossen  Stein  in  den 
so  lange  verwahrlosten  Rheinlandcn  Kunst-  und  Wissenschalt  vor- 
sorgend zu  heben  und  besonders  für  die  Wahrung  der  vorhandenen 
Schätze  in  Sammlungen  zu  sorgen.  leider  drang  seine  Stimme 
liei  den  hohem  Behörden,  die  sie  in  Anspruch  genommen,  nicht 
durch,  aber  seine  vor  zwei  Mcnsehcnaltcrn  erschienene  Beschreibung 
der  Rheinreise  war  der  begeisterte  Vorläufer  aller  Kunst-  und 
Alterthumsvereinc  in  Westdeutschland.  Er  sah  damals  die  Alter- 
thtimssammlungen  in  Köln,  Bonn,  Neuwied,  Coblenz  und  Mainz  und 
suchte  mit  Heist  und  Wärme  für  sie  zu  wirken,  besonders  für  die 
römischen  Alterthümer,  für  die  der  Fcstungsban  in  Köln,  die  Auf- 
grabungen in  Neuwied,  Mainz  und  sonst  eine  reiche  Ernte  ver- 
sprachen. Er  selbst  suchte  manches  von  römischen  Funden  durch 
Freunde,  Freundinnen  und  Händler  zu  gewinnen  und  das  Göthe- 
haus  in  Weimar  zeigt  manche  (beflisse.  Schalen,  Lampen  und  Ziegel, 
die  von  Köln.  Mainz,  Castell  und  Heddernheim  stammen.  Aber 
auch  germanischen  Altcrthtlmern  schenkte  er  seine  Aufmerksamkeit, 
er  seihst  schrieb  über  die  Köstritzer  Funde,  gab  eine  stattliche 
Ausgabe  der  Hcilsberger  Inschrift  und  suchte  «las  Rätheel  der 
Externsteine  zu  lösen.  Wie  er  .ein  wahres  Sammlertalent  war, 
brachte  er  eine  Sammlung  von  Münzen  aller  Zeiten  und  Länder 
zusammen  und  wirkte  mit  seinem  Freunde  Meyer  erfolgreich  für 


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Die  50  jährige  .lulielteier  <le,s  Vereins  von  AltcithutiislYeundeu  ete.  L»Of> 


die  Münzkunde.  Ein  Plan  einer  fie»cll>*ehjift  für  deutsche  Geschichte 
und  Sprache  wurde  reiflich  von  ihm  erwogen  und  wenn  er  auch 
der  daraus  hervorgegangenen  Gesellschaft  für  ältere  deutsehe  Ge- 
schichte, welche  Gründerin  der  Monunienta  Gcnnaniae  wurde,  nicht  als 
Mitarbeiter  angehören  konnte,  1*0  ernannte  ihn  diese  doch  auf 
Steins  Antrag  an  seinem  siebzigsten  Geburtstage  zu  ihrem  Ehren- 
mitgliede. 

Darf  mau  an  Weihetagen  gute  Geister  anrufen,  so  gehört  der 
ewig  junge  Alte  von  Weimar  zu  den  besten,  da  sein  Geist  und 
Herz  für  jedes  der  Menschheit  würdige,  nicht  auf  Eitelkeit  hinaus- 
laufende, sondern  ernsttbätige  Unternehmen  war,  und  so  kann  auch 
unser  Verein  seiner,  wie  eine»  Schutzheiligen  gedenken.  Xoch  an 
seinem  Jubeltage  hat  der  Greis  an  den  damals  begonnenen  Fresco- 
malereien  der  Aula,  in  welcher  der  Verein  seine  Festsitzung  hält, 
mit  Jünglingswänne  Antheil  genommen  und  so  darf  in  ihr  auch 
seiner  mit  verdienten  Ehren  gedacht  werden.  Er  ist  einer  unserer 
hohen  Ahnen,  die  Uber  jedem  mit  deutschem  Ernste  begonnenen 
und  durchgeführten  Werke  vereinter  Kraft  und  Liebe  segnend 
schweben.  Wie  er  besonders  rheinisches  Feuer  und  rheinische 
Treuherzigkeit  ehrte,  das  hat  er  vor  Allem  an  einem  der  begabte- 
sten Sühne  Kölns,  dessen  letzter  Jahre  sich  Bonn  erfreute,  an  Snl- 
piz  lioisseree  bewiesen.  Heute  möge  es  mir  vergönnt  sein,  als 
anspruchloses  Zeichen  meiner  Festfreude  eine  seiner  Erkenntnis» 
gewidmete  Schrift  darzubringen  mit  dem  Wunsche,  dass  der  Verein, 
seiner  Vergangenheit  würdig,  blühe  und  gedeihe  und  unsern  Nach- 
kommen es  beschieden  sein  möge,  dasselbe  Fest  noch  oft  in  gleich 
frohem  Bewusstsein  gedeihlichen  Zusammenwirkens  zu  einem  mensch- 
lich scliönen,  echt  vaterländischen  Zwecke  zu  feiern.  Aus  vollem 
Herzen  Ihr  und  des  Vorstandes  dankbar  verbundener 

Heinrich  Düntzer. 

Von  2f>  Vereinen  und  Gesellschaften  sind  Adressen  und  Tele- 
gramme eingelaufen ,  darunter  sind  Glückwünsche  aus  Holland, 
Belgien,  Schweden,  Russland,  Böhmen. 

Es  sind  die  folgenden : 

Die  Gesellschaft  für  Rheinische  Gcsehichtskundc  in  Köln. 
Der  Aachener  Gcschiehts-Vereiu. 
Die  Gesellschaft  für  nützliche  Forschungen  in  Trier. 
Der  Verein  für  nassanische  Alterthumskunde  und  Geschichts- 
forschung in  Wiesbaden. 


20fi  Die  AO  jährige  Jubelfeier  <te.s  Vereins  von  AUerthumsfreunden  etc. 


Der  Hanauer  Geschichtsverein. 

Die  Berliner  Gesellschaft  für  Anthropologie,  Ethnologie  und 
Urgeschichte. 

Der  Verein  für  die  Geschichte  Berlins. 
Der  Mannheimer  Alterthumsverein. 

Der  historische  Verein  von  Utiterfrankcn  und  AsrhafTcnhurg. 

Das  Germanische  National-Museum  in  Nürnberg. 

Der  Geschieht*-  und  Alterthumsverein  zu  Leipzig. 

Der  Verein  für  thüringische  Geschichte  und  Alterthumskunde. 

Der  königl.  sächsische  Altert humsverein  in  Dresden. 

Der  historische  Verein  für  Xicdersachsen. 

Der  Verein  für  Rttgisch-Pommersehc  Geschichte. 

Die  historische  Gesellschaft  für  die  Provinz  Posen. 

Die  Württenibergischc  anthropologische  Gesellschaft. 

Die  Oesellschaft  für  Salzhnrger  Landeskunde. 

Der  Wiener  Alterthumsverein. 

Der  Münchener  Alterthumsverein. 

Der  historische  Verein  von  Oberhaycrn. 

Der  Verein  für  Geschichte  der  Deutschen  in  Böhmen. 

Die  Societe  d'Areheologic  in  Brüssel. 

Das  nordische  Museum  in  Stockholm. 

Die  gelehrte  esthnische  Gesellschaft. 

Der  Verein  für  sichenbürgischc  Landeskunde. 

Frau  Geheimrfithin  von  Urlichs  sandte  als  Geschenk  die 
Photographie  ihres  veretorhenen  Mannes.  Dr.  Urlichs,  Dünt/.er, 
Wiesner,  Deppe  schenkten  neu  erschienene  Schriften,  Breitner  das 
wie  ein  römisches  Buch  in  Rollen  gebundene  Gedicht :  Vindobona's  Rose. 

Der  Vorsitzende  stattete  Allen  für  die  dem  Vereine  heute  in  so 
ehrender  und  mannigfaltiger  Weise  ausgesprochenen  Glückwünsche 
den  wärmsten  und  lebhaftesten  Dank  ab  und  sagte,  ho  viel  Lob 
und  Anerkennung  erscheine  dem  Vorstande  als  ein  ercpiiekender 
Lohn  für  manche  Mühe,  die  ihm  nicht  erspart  bleibe,  sie  würden 
ihm  und  rlem  ganzen  Vereine  ein  Sporn  sein ,  sich  der  ihm  dar- 
gebrachten Hochachtung  stets  würdiger  zu  zeigen.  Wenn  wir  bei 
der  heutigen  Feier  zuerst  der  Gründer  des  Vereins  ehrend  ge- 
dächten, so  nidssten  wir  uns  auch  an  alle  Die  dankbar  erinnern, 
die  sich  seit  seinem  Beginne  an  seiner  wissenschaftlichen  Arbeit 
betheiligt  haben.  Er  könne  die  lange  Reihe  der  Namen  nicht 
aufzählen,  die  Jahrbücher  und  die  Winckelmannshefte  gäben  Aus- 


Die.  50 j«hrige  Jubelfeier  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  etc.  297 


knnft  darüber;  viele  dieser  Mitarbeiter  waren  oder  seien  noch 
Zierden  der  deutschen  Alterthnmsforechung.  Der  Vorstand  habe 
in  der  Festschrift,  die  er  seinen  Mitgliedern  zu  dieser  Feier  Uber- 
reicht, die  verschiedenen  Richtungen  der  arehaeologischen  Forschung, 
mit  Ausschluss  des  Mittelalters,  zum  Ausdruck  bringen  wollen.  Er 
bittet,  diese  Gabe  freundlich  entgegenzunehmen.    Der  Vorsitzende 


macht  dann  folgende  Mittheilung:  Ich  habe  noch  eine  angenehme 
Pflicht  zu  erfüllen.  Es  ist  der  Dank  gegen  die  Königliche  Staats- 
regiernng  und  die  Provinzial-Venvaltung.  Heide  haben  unsem  Be- 
strebungen stets  wohlwollend  zur  Seite  gestanden  und  haben  den- 
selben mehrfach  ihre  Hülfe  zu  Theil  werden  lassen,  wenn  wir  sie  in 
Ansprach  nahmen.  Der  glänzendste  Beweis  dafür  ist  die  Grttndnng  der 
Provinzial-Muscen  in  Bonn  und  Trier.  Der  Vorschlag  dazu  ist  von 
unserem  Vereine  ausgegangen,  dem  ein  Raum  fehlte  zur  würdigen 
Aufstellung  seiner  Sammlungen.  Schon  im  Jahre  1870  fanden  Be- 
rathungen des  Vorstandes  mit  den  Behörden  statt.  In  der  Vor- 
stands-Sitzung vom  1.  Juni  1870  theilte  der  I.  Secretär  des  Ver- 
eins, Dr.  aus 'in  Weerth,  mit,  dass  er  auf  Veranlassung  des  Herrn 
Ministerg  von  Mtthler  eine  Denkschrift  abgefasst  habe  Über  die 
Oonservimng  der  Denkmale  im  Rheinland  und  die  Anlage  eines 
Provinzialmuseums;  Freiherr  von  Diergardt  habe  1000  Thaler  zu 
Ankäufen  von  Altcrthttmern  fttr  dasselbe  geschenkt.  Am  24.  October 
1872  wird  beschlossen,  den  Herrn  Stadtbanmcistcr  vonNocl  zur  Aus- 
arbeitung eines  Planes  für  den  Museumsbau  aufzufordern.  Die 
eifrigen  und  erfolgreichen  Bemühnngen  meines  Vorgängers  im  Prä- 
sidium des  Vereins,  des  Herrn  Professor  aus'm  Weerth,  um  das  Zu- 
standekommen der  Provinzial- Museen  verdienen  rühmliche  Erwäh- 
nung. Erst  nach  der  Gründung  der  Rheinischen  Museen  im  Jahre 
1874  erhielten  anch  andere  Provinzen  vom  Staate  unterstützte 
Provinzial-Museen.  In  letzter  Zeit  haben  die  Herren  Minister  von 
Gossler  und  von  Puttkamer  auch  dadurch  dem  Vereine  eine  wirk- 
same Hülfe  geleistet,  dass  sie  ihren  Einflnss  fttr  die  Verbreitung 
unserer  Jahrbücher  bei  den  höheren  Lehranstalten  und  den  land- 
räthlichen  Kreisen  geltend  gemacht  haben. 

Unser  Verein  hat  schon  frühe  Theil  genommen  an  den  Be- 
strebungen, dem  gewinnsüchtigen  Handel  mit  Alterthumern  des 
Landes  und  dem  unbefugten  Gräberraub  ein  Ende  zu  machen.  Auf 
fiskalischem  Boden  und  auf  Gemeinde-Eigenthnm  stehende  Denkmale 
sind  in  Folge  dessen  durch  neue  Verordnungen  der  Staatsregierung 


•208  Die  50  jftliri<re  Jubelfeier  «li-.s  Vcreiui»  von  Altert  tiumsf'reuiirien  etc. 


geschützt.  Es  fehlen  aber  noch  zwei  Gesetze,  die  das  Privatcigcn- 
thnm  im  Interesse  der  Altcrthumsforsehung  beschränken.  Nur  ein 
kühner  Griff  wird  nie  in's  Leben  einführen  können.  Es  muss  ein 
Verbot  erlassen  werden  freien  die  Ausfuhr  der  im  Hoden  des  Lande» 
gefundenen  Altcrthflmcr  und  es  muss  eine  Anzahl  solcher  Denkmale 
bezeichnet  werden,  die  als  National-Eigenthum  zu  betrachten  sind 
und  nicht  zerstört  werden  dürfen.  Mit  dem  wärmsten  Danke,  für 
Alles,  was  die  Königliche  Staatsregicrung  und  die  Provin/ial-Vcr- 
waltung  bisher  zur  Förderung  unserer  Arbeiten  gethau  haben,  ver- 
binden wir  den  lebhaften  Wunsch,  dass  sie  dem  Vereine  auch  ferner 
ihren  Schutz  und  ihre  Hülfe  mögeu  angedeihen  lassen. 

Hierauf  erstattete  der  I.  Soeretär  des  Vereins.  Herr  van 
Vleuten,  einen  Berieht  über  die  Thätigkeit  des  Vereins  von  dessen 
Gründung  an.  Bei  der  zahlreich  besuchten  Versammlung  von  Philologen 
nnd  Schulmännern,  die  im  Herbste  1841  in  Bonn  stattfand,  ent- 
schlossen sieh  die  drei  Docenteu  Heinrich  Düntzer,  Laurenz  Lerseh 
und  Carl  Ludwig  Urlichs  einen  Verein  zu  gründen,  der  es  sieh  zur 
Aufgabe  stellte,  für  die  Erhaltung,  Bekanntmachung  und  Erklärung 
antiker  Monumente  aller  Art  in  dem  Stromgebiete  des  Rheines  und 
seiner  Nebenflüsse  von  den  Alpen  bis  zum  Meere  Sorge  zu 
tragen,  ein  lebhaftes  Interesse  dafür  zu  verbreiten  und,  so  viel  als 
möglieh,  diese  Monumente  aus  ihrer  Vereinzelung  in  öffentliche 
Sammlungen  zu  versetzen.  Nachdem  Dr.  Urlichs  in  einer  der  Ver- 
sammlungen diese  Anregung  ausgesprochen,  vereinigten  sich  am 
1.  October  1841  24  Theilnehmer  des  Cougresses  im  kleinen  Saale 
der  Lese-  und  Erholungs-Gesellschaft,  um  einen  solchen  Verein  unter 
dem  Namen:  Verein  von  Alterthnmsfreundcu  im  Rheinlandc  zu 
gründen,  die  Statuten  zu  entwerfen  und  den  ersten  Vorstand  zu 
wählen.    Diese  Gründer  waren  die  folgenden: 

Professor  Dr.  Ritsehl  in  Bonn. 

Professor  Dr.  Böcking  in  Bonn. 

Professor  Dr.  Schopen  in  Bonn. 

Professor  Dr.  Roulez  in  Gent. 

Oherlehrer  Pütz  in  Düren. 

Dr.  Urlichs  in  Bonn. 

Oberlehrer  Remaely  in  Bonn. 

Oberlehrer  Klein  in  Mainz. 

Lehrer  Ditges  in  Neuss. 

Dr.  Krosch  in  Bonn. 


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Die  50  jährige  Jubelfeier  des  Vereins  von  Alterthunisfreunricn  etc.  299 


Director  Klein  in  Cohleuz. 

Professor  Dr.  Halm  in  Speier. 

Dr.  Dttntzcr  in  Bonn. 

Professor  Dr.  Fiedler  in  Wesel. 

Oberetudieurath  Dilkey  in  Dannstadt. 

Dr.  Hilgers  in  Bonn. 

Oberlehrer  Dillcnbnrgcr  in  Aachen. 

Oberlehrer  Pieler  in  Arnsberg. 

Dr.  Meyer  in  Zürich. 

Professor  Dr.  Vischer  in  Basel. 

Dr.  Israeli  in  Bonn. 

Baron  d' Estorf  in  Paris. 

Rector  Dr.  Rein  in  Crefeld. 

♦ 

Dr.  Menn  in  Düsseldorf. 
In  dieser  ersten  Versammlung  wnrde  /.um  Präsidenten  Prof. 
Dr.  Ritsehl,  zum  I.  redig.  Seeretär  Dr.  (Irlichs,  /.um  II.  Dr.  Lcrsch, 
zum  Archivar  Prof.  Dr.  Schonen,  zum  Rechnungsführer  Dr.  Düntzer 
gewählt.  Im  Jnni  1842  bei  Ausgabe  de*  ersten  Heftes  seiner 
Jahrbücher  hatte  der  Verein  bereit«  116  Mitglieder.  Schon  in  dieser 
ersten  Pnblication  sehen  wir  zwei  Gesichtspunkte  beobachtet,  welche 
für  die  Folge  die  leitenden  Motive  für  die  litterarische  Thätigkeit 
des  Vereins  abgeben  sollten.  Man  wollte  erstens  dem  Forscher 
durchaus  zuverlässiges  Material  zum  weiteren  Studium  bieten,  dann 
aber  wollte  man  durch  mehr  anregende  Beiträge  die  Liebe  zur 
Archäologie  und  zu  den  nns  erhaltenen  Zcugeu  einer  grossen  Ver- 
gangenheit in  weiteren  Kreisen  verbreiten.  Iu  der  ersten  Zeit  der 
Vereinsthätigkeit  luusstcn  manche  Ansichten  und  Kenntnisse,  welche 
heute  Gemeingut  aller  Gebildeten  geworden  sind,  mit  mühevoller 
Arbeit  erst  grossgezogen  nnd  festgestellt  werden.  Dieser  Wirksam- 
keit des  Vereins  ist  zum  Theil  das  rasche  Wachsen  mehrerer  grosser 
Privatsammlungen  in  unserer  nächsten  Umgebung  zuzuschreiben, 
von  denen  einzelne  einen  europäischen  Ruf  erlangten.  Wenn  auch 
der  ideale  Zustand  der  ist,  datw  jedes  wichtige  Fnndstück  in  eine 
Öffentliche  Sammlung  verpflanzt  werde,  wo  es  Allen  zugänglich  ist, 
so  hat  doch  die  Privatsammtung  vor  dem  Kunsthandel  den  grossen 
Vorzug,  dass  der  gewissenhafte  Sammler  dem  Fundbericht  weit 
grössere  Beachtung  schenkt  als  der  Händler,  der  denselben  zu  oft 
verdunkelt,  um  grösseren  Vortheil  aus  der  Erwerbung  zu  ziehen 
oder  um  die  Bezugsquellen  den  Concurrenten  zu  verheimlichen.  Der 


300  Dil«  50  jährige  Jubelfeier  dos  Verein«  von  Altertluunsfreunden  etc. 


Fnndhericht  muss  an  geeigneter  Stelle  niedergeschrieben  werden. 
Darauf  gründet  sich  die  Sicherheit  unserer  Altertumskunde. 

Bis  zum  Jahre  1878  war  die  Mitgliedorzahl  des  Vereins  bis  auf 
697  gestiegen,  in  den  letzten  10  Jahren  schwankte  sie  zwischen 
600  und  1)80.  Zu  Vorsitzenden  wurden  gewühlt:  1842  Böcking, 
1844  Welcker,  1849  Braun,  1863  Ritsehl  zun»  zweiten  Male,  18«5 
N'öggcrath,  1875  aus'm  Weerth,  1883  Schaafhausen.  Die  Jahr- 
bücher des  Vereins  sind  bisher  in  90  Heften  erschienen,  Heft  65 
rnthält  das  Register  der  Hefte  1  bis  60,  das  im  Druck  befindliche 
Heft  91  umfasst  das  Register  der  Hefte  61  bis  90.  Ausserdem 
sind  27  Winckclmanns- Programme,  worunter  Wilmowskys  Mosaik 
zu  Xcnnig  1865,  aus'm  Weerth's  Siegeskreuz  Constantius  des  VII.  und 
aus'm  Weerth's  Mosaikboden  von  S.  Gereon  wegen  der  prachtvollen 
Illustrationen  hervorzuheben  sind,  und  mehrere  Gelegcnheitsschriften 
herausgegeben  worden,  1859  zu  Welekere  Jubiläum,  1868  zum 
Universitäts-Jubiläum  und  zum  internationalen  Congress  für  Alter- 
thnmskunde  und  Geschichte  in  Bonn,  1888  zur  Versammlung  der 
deutschen  Anthropologischen  Gesellschaft  in  Bonn,  so  zum  heuti- 
gen Jubiläum  wieder  eine  Festschrift.  Seit  dem  Jahre  1846  wurde 
auch  das  Mittelalter  in  den  Kreis  unserer  Forschung  gezogen, 
in  neuerer  Zeit  auch  die  Urgeschichte.  Mit  dem  41.  Hefte 
wurde  mit  Rücksicht  auf  die  Illustrationen  das  grössere  Format 
für  die  Jahrbücher  gewählt.  Seit  1842  war  die  kleine  Vereins- 
sammlung in  gemietheten  Räumen  untergebracht ,  später  in  der 
Mttnsterschule,  dann  seit  1870  im  Amdthanse,  seit  1883  im  Nasse- 
hausc,  jetzt  steht  sie  bis  zur  Vollendung  des  Provinzial  -  Mnsenms 
im  nächsten  Jahre  in  dem  von  der  Provinzial- Verwaltung  uns  zur 
Verfügung  gestellten  Hanse.  Seit  Gründung  des  letzteren  im 
Jahre  1874  wurden  die  Mittel  des  Vereins  nicht  mehr  zu  Gra- 
bungen oder  Ankänfen,  sondern  nur  zur  Heransgabe  der  Jahr- 
bücher verwendet.  In  der  General  -  Versammlung  vom  27.  Jnni 
1875  wurde  beschlossen,  die  Vereinssammlung  mit  Wahrung  des 
Eigentumsrechtes  dem  Provinzial  -  Mnseum  zu  übergeben.  Dies 
veranlasste  den  Verein,  die  Rechte  einer  juristischen  Person  nach- 
zusuchen, die  ihm  durch  allerhöchste  Ordre  vom  2.  Dezember  1881 
crtheilt  wurden.  Der  Verein  steht  mit  128  anderen  Vereinen  im 
Tauschverkehr,  seine  Bibliothek  enthält  5500  Bände.  Mögen  Sie, 
verehrte  Anwesende,  dem  altbewährten  Vereine  auch  für  die  Folge 
Ihre  Mitwirkung  nicht  entziehen,  mögen  Sie  mit  uns  für  seine  Aus- 


Die  50jährige  Jubelfeier  de«  VereänH  von  Alterthuinsfreunden  etc.  301 

breit nug  Sorge  tragen,  damit  er  auch  in  den  nächsten  50  Jahren 
seinem  bei  der  Gründung  ausgesprochenen  Zwecke  voll  und  ganz 
genügen  kann. 

Zuletzt  hielt  der  Vorwitzende  den  liier  folgenden  Vortrag  Uber 
die  Aufgaben  der  Altertumsforschung  nud  ihr  Ergebnis. 

Die  neuere  Alterthumsforechung  gründet  Kieli  auf  die  von  den 
Griechen  und  Römern  uns  binterlassenen  Denkmale  und  ist  aus  den 
philologischen  Studien  hervorgegangen,  denn  nur  die  Schriften 
der  Alten  konnten  zum  Verständnis»  jener  führen.  Deshalb  waren 
auch  die  Gründer  unseres  Verein«  Philologen.  Je  alter  die  Denk- 
male waren,  um  so  hoher  wurde  ihr  Werth  geschätzt,  um  so  an- 
ziehender erschienen  sie.  Den  tturgen  und  Kirchen  des  Mittelalters 
wendete  sich  erst  später  die  kunstgeschichtliche  Forschung  zu; 
merkwürdiger  waren  die  Reste  der  Römer  aus  einer  Zeit,  in  der 
Caesar  zweimal  den  Rhein  Ubersehritt,  Drusns  hier  seine  Castelle 
baute  und  Trier  eine  der  vier  Hauptstädte  des  römischen  Reiches  war. 

Die  Alterthumskuude  ist  älter,  als  man  gewöhnlich  glaubt. 
War  auch  den  Griechen  und  Römern  das  Gegenwart,  was  wir 
Alterthmu  nennen,  so  sprechen  doch  die  klassischen  Schriftsteiler 
schon  mit  Verehrung  von  den  Altcrthümern  ihrer  Zeit,  wie  es 
Herodot,  Pausauias  und  Plinius  tliuti.  Schon  Homer  besehreibt 
den  Grabhügel,  der  dem  Helden  zum  Gedächtnis»  errichtet  wird,  er 
erzählt  uns  auch  von  dem  mensehenfressenden  Polyphcm,  der  iu 
einer  Höhle  wohnt.  Pausauias  stellt  die  cyklopischen  Mauern 
von  Tiryns  als  Wunderwerke  den  ägyptischen  Pyramiden  gleich 
und  schätzt  ihr  Alter  auf  il'UX)  Jahre.  Mauehe  Thatsache  der 
Urgeschichte,  die  von  den  Alten  wohl  geahnt  aber  nicht  ent- 
deckt wurde,  ist  iu  das  Gewand  der  Mythe  gekleidet.  Prometheus 
raubt  das  Feuer  vom  Himmel  in  einer  Dolde,  das  ist  eine  Erinne- 
rung au  da»  älteste  Reibfeuerzeug,  in  dein  das  trockene  Mark  einer 
PHauze  sich  entzündete.  Deukalion  Hess  aus  Steinen  Menschen 
entstehen,  weil  man  durch  Ancinanderschlagcn  der  Steine  ihnen 
den  Fenerf unken  entlocken  konnte. 

Unsere  Kenutniss  des  klassischen  Alterthuuis  der  Griechen 
und  Römer  erreichte  mit  W  i  n  e  k  e  1  m  a  u  u  eiueu  Höhepunkt ,  deu 
sie  im  Wesentlichen  nicht  überschritten  hat,  vor  ihm  und  nach 
ihm  ist  Keiner  so  tief  iu  das  Wesen  der  Kunst  eingedrungen 
und  hat  ihre  Gesetze  mit  solcher  Begeisterung  für  das  Schöne 
dargelegt.    GOthe  sagt  iu  seinen  Betrachtungen  über  Winekcl- 


302  Die  JSOjHhrijfe  Jubelfeier  des  Verein«  von  Alterthnmsfreunden  etc. 

mann:  Da«  letzte  Prnduet  der  »ich  immer  steigernden  Natur 
ist  der  schöne  Mensch.  Sie  kann  ihn  nnr  selten  hervorbringen, 
weil  ihrer  Idee  gar  viele  Bedingungen  widerstreben  und  ihrer 
Allmacht  ist  es  unmöglich,  dem  hervorgebrachten  Schönen  eine 
Dauer  zu  geben.  Da  tritt  die  Kunst  ein ,  ihr  Werk  bringt  eine 
dauernde  Wirkung  hervor,  es  nimmt  alles  Herrliche  in  sich  aul 
und  erhebt  den  Menschen  über  sich  selbst.  In  «lern  Olympisehen 
Jupiter  war  der  Gott  zum  Menschen  geworden,  um  den  Menschen 
zum  Gotte  zu  erheben.  Wir  dürfen  hinzusetzen ,  das« ,  wenn 
auch  die  Kunst  der  Schönheit  Dauer  verleiht,  doch  auch  das  Knust- 
werk der  Vergänglichkeit  anheimfallt,  bis  die  Alterthumsforschung 
das  Verlorene  wieder  an 's  Lieht  zieht. 

Nach  Winckelmanns  Tode  1  7(58  wurde  das  Gebiet  der  Alter- 
tumsforschung nach  allen  Seiten  erweitert.  Die  Ueberflthrung  der 
Elgin  -  Marbles  ans  Athen  nach  England  181<>,  wo  durch  Paria 
mcntsheschluss  die  ganze  Sammlung  herrlicher  griechischer  Bild- 
werke für  H;")(HM(  Pfd.  St.  für  das  britische  Museum  angekauft 
wurde,  war  ein  Ereigniss.  indem  die  Meisterwerke  ans  den  Zeiten 
des  Phidias  und  Praxiteles,  die  Trümmer  von  14  Statuen  und  mehr 
als  f>i>  Basreliefs  vom  Parthenon  der  europäischen  Forschung 
nahe  gerückt  waren.  Das  der  Sage  nach  um  2<HM>  vor  Chr.  ge- 
gründete Babylon,  dessen  Wunderbanten  Herodot  beschreibt,  wurde, 
wie  Strabo  sagt,  durch  die  Perser,  die  Zeit  und  die  Sorglosigkeit 
der  Maccdonier  zerstört.  Niebuhr  entdeckte  17l»l  die  Ruinen,  Rieh, 
Renneil,  Loftus.  Oppert  beschrielHn  sie.  Th.  Young,  Rawlinson, 
Grotefend  u.  A.  entzifferten  lKKi— 1840  die  persische  Keilschrift. 
Botta  und  Layard  haben  uns  1842—1841»  mit  den  Altcrthümerii 
Assyriens  bekannt  gemacht. 

In  Folge  des  Zuges  Napoleons  nach  Aegypten  wurde  dieses 
I*and  in  den  Kreis  der  Alterthumsforschung  gezogen.  J.  F.  Chain- 
pollion  gelang  es  durch  gleichlautende  ägyptische  und  griechische 
Texte  nach  den  Vorarbeiten  Anderer  durch  seine  Arbeiten  von 
1822  bis  1820  die  Hieroglyphen  zu  lesen. 

Und  blicken  wir  zurück  in  die  jüngsten  Jahrzehnte,  wie  hat 
unser  Verständniss  des  griechischen  Alterthums  gewonnen  durch 
die  Entdeckungen  Schliemann's  in  Troja,  Mykene  und  Tiryns. 
aus  denen  wir  den  Eiuflns*  der  Cultur  Kleinasicns,  Aegyptens  und 
Assyriens  auf  die  griechischen  Kunst  erfahren  halten,  sie  haben 
uns  die  homerische  Welt  näher  gerückt,  aus  der  die  ganze  griecüi- 


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Die  »Ojfthrige  Jubelfeier  des  Vereins  von  Altertliunisfreiiiulen  etc.  303 

sehe  Kunst  nnd  Diehtnng  ihren  Stoff  entlehnt  hatte.  Welche  Schätze 
haben  die  Grabungen  in  Olympia  und  Pergamon  an  s  Licht  ge- 
braelit !  Auch  die  Erklärung  der  Bildwerke  aus  der  Blüthezcit 
der  griechischen  Kunst  hat  sich  verfeinert ,  seit  wir  die  Eigen- 
thündichkeiten  der  einzelnen  Schulen  feststellen  und  den  Ehi- 
fluss,  welchen  die  grössten  Meister  wie  ein  Praxiteles  auf  eine 
ganze  Reihe  bildlicher  Darstellungen  ausübten,  nachweisen  können. 
Wenn  man  sieht,  wie  unerreicht  die  griechischen  Meisterwerke  der 
bildenden  Kunst  da  stehen,  so  könnte  mau  au  dem  menschlichen 
Fortsehritt  zweifeln.  Al>er  der  Schönheitssinn  ist  heute  bei  allen  ge- 
sitteten Völkern  verbreitet  und  wie  klein  war  damals  Griechenland! 
Die  ganze  Welt  freut  sich  jetzt  an  seinen  Schöpfungen,  die  überall  neue 
Kunst  wecken  und  fördern.  Oer  grosse  Fortschritt  liegt  darin,  dass 
jetzt  weit  mehr  Menschen  durch  die  Knust  veredelt  werden,  wie  jemals. 

In  Vorderasien  haben  wir  eine  Cultur  kennen  gelernt,  die  an 
20OO  Jahre  vor  Chr.  hinaufreicht.  Es  ist  die  der  Hethiter  in  Syrien, 
die  in  befestigten  Städten  wohnten  und  die  Metalle  kannten.  Die 
vielleicht  kuschitischen  Herrscher  in  Bahylouien  lassen  sich  bis 
weit  über  2000  Jahre  vor  Chr.  verfolgen.  Die  Entzifferung  der 
Inschriften  auf  assyrischen  Backsteinen  und  Steinplatten  hat  uns 
eine  mehr  als  1000  Jahn*  gleichlaufende  babylonische  und  assyri- 
sche Geschichte  aufgehellt.  Es  sind  bereits  K>0  Herrscher  dieser 
Reiche  durch  Inschriften  bekannt.  Auch  bewundern  wir  nicht  mehr  blos 
in  unseren  Museen  die  so  kunstvoll  geincisscltcn  Götterbilder  der 
Aegypter  und  die  Malereien  ihrer  Grabkammeni ,  sondern  die 
Mumien  der  ägyptischen  Könige  selbst  sind  im  Museum  von  Gizeh  auf- 
gestellt. In  den  farbigen  Bildnissen  der  Gräber  des  Fayuin  haben 
wir  die  treuen  Portraits  einer  Reihe  von  Personen  aus  der  Blüthe- 
zeit  römischer  Cultnr  in  Nieder- Aegypten.  In  den  Skythengräbem  der 
Krim  halieu  wir  die  Mnkrocephalen  des  Hippocrates  aufgefunden  und 
es  fehlt  nur  noch,  dass  wir  auch  die  von  Herodot  beschriebenen  Pfahl- 
bauten der  Paeonier  am  See  Prasias  im  heutigen  Rumelien  entdecken. 

Die  klassischen  Studien  führten  hinab  zum  Mittelalter,  das 
nach  den  Stürmen  der  Völkerwanderung  zuerst  bei  den  Franken 
in  kunstreichen  Waffen  und  Schmuckgerätlien  ein  Wiederaufleben 
der  Cultnr  uns  zeigt  und  dann  in  der  romanischen  Baukunst  mit 
ihren  Wandmalereien  uns  glänzende  Denkmale  hinterliess.  Aus  der 
römischen  Basilika,  aber  auch  ans  dein  Mithrastempel  entstand  die 
christliche  Kirche.    Dem  Hachen  Dache  der  Basilika  folgte  der 


304  Di«-  nOjAlirige  Jubelfeier  des  Vereins  von  Alterthuinsfreunden  etc. 

Rundbogen  und  diesem  der  gothische  Spitzbogen,  aus  dem  »ich  die 
Prachtbauten  der  deutschen  Baukunst  entwickelten.  Die  christliche 
Kunst  bat  in  ihren  Bauwerken  neue  Formen  geschaffen,  in  der 
•Skulptur  und  Malerei  bat  sie  das  Vollkommenste  nur  durch  Wieder- 
aufnahme und  Fortbildung  der  Antike  geleistet.  Da«  bezeugen 
Raphael  und  Michelangelo.  Man  darf  aber  behaupten,  das«  die 
neuere  Kunst  iu  dem  geistigen  Ausdruck  des  menschlichen  Antlitzes 
die  alte  übertreffen  hat. 

Alier  nicht  nur  durch  ihren  Uebergang  auf  die  jüngere  Zeit 
hat  die  Alterthumsforschung  ihr  Gebiet  erweitert,  sie  hat  mit  ihrem 
Liebte  auch  das  Dunkel  der  ältesten  Vorzeit  erhellt.  Nur  mit 
Rücksicht  auf  die  heutigen  Wilden  sagte  Schiller  schon  1789  iu 
»einer  Antrittsrede  zu  Jena:  ^Eine  weise  Hand  scheint  uns  die  rohen 
Völkerstämiue  Iiis  auf  den  Zeitpunkt  aufgespart  zu  haben,  wo  wir 
in  unserer  eigenen  Cultur  weit  genug  würden  fortgeschritten  sein, 
um  von  «lieser  Entdeckung  eine  nutzbare  Anwendung  auf  uns  selbst 
zu  machen  und  den  verlorenen  Anfang  unseres  Geschlechtes  aus 
dienern  Spiegel  wieder  herzustellen.  Wie  beschämend  und  traurig 
aber  ist  das  Bild,  das  uns  diese  Volker  von  unserer  Kindheit  geben? 
Und  doch  ist  es  nicht  einmal  die  erste  Stufe  mehr,  auf  der  wir  sie 
erblicken.  Der  Mensch  fing  noch  verächtlicher  an."  Die  Urgeschichte 
wurde  nur  desshalb  eine  Errungenschaft  der  Neuzeit,  weil  diese, 
von  dem  fruchtbaren  Gedanken  der  Entwicklung  erfasst,  in  den 
unscheinbaren  Stein-  und  Knochenwerkzeugen  der  Vorzeit  den  An- 
fang der  menschlichen  Cultur  erkannte.  Es  sind  nicht  schöne 
Statuen  und  Bauwerke,  es  ist  nicht  goldener  Schmuck  und  mit 
Edelsteinen  besetztes  Kunstgerüth,  das  sie  uns  vorführt,  es  siud  nih 
zugehauene  Steine,  aus  Knochen  gefertigte  Werkzeuge  und  grobe 
Thonscherben,  die  uns  zu  «len  bedeutsamsten  Schlüssen  geführt 
Italien.  Wie  bei  der  Betrachtung  einer  Landschaft  die  Aussicht  sich 
erweitert,  je  höher  man  steigt,  so  cnt«leckt  die  Wissenschaft  neue 
Wahrheit,  je  weiter  das  Fehl  ihrer  Forschung  reicht.  Nun  wissen  wir, 
dass  alle  tmhe  Knust  und  Bildung  einen  kleineu  Anfang  gehabt  hat  und 
dass  die  herrlichsten  Werke  «1er  Menschenhand  aus  rohen  Versuchen 
erst  nach  und  nach  entstanden  sind.  Durch  die  Auffindung  der  zier- 
lichen Statuetten  von  Tanagra  liegt  die  Entwicklung  der  kerami- 
schen Kunst  von  «len  rohen  Idolen  von  Troja  bis  zu  jenen  hoch- 
künstlerischen  Darstellungen  vollstämlig  vor  unsern  Augen.  Die 
bemalten  Sc  halen   und  Vasen ,  auf  denen  die  ganze  griechische 


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Die  50  jährige  Jubelfeier  de*  Vereins  von  AHcrtimmsfreunden  etc.  306 

Mythologie  dargestellt  ist,  hissen  sich  zurück  verfolgen  bis  zu  den 
ans  der  Hand  geformten  groben  Bechern  und  Töpfen,  die  mit  Ein- 
drücken der  Fingernägel  geziert  sind.  Das  thönerne  Gcfass  ist 
aber  aus  dem  Korbe  entstanden,  de»)  man,  um  ihn  zu  dichten,  mit 
Thon  bestrich,  der  über  dem  Feuer  erhärtete.  Aber  wer  lehrte 
den  Menschen  das  Flechten  des  Korbes?  Wie  so  Viele»,  was  der 
Mensch  erfunden  zu  habeu  glaubt,  ein  Vorbild  in  der  Natur  hat, 
so  wird  er  das  Flechten  der  Spinne  abgesehen  haben,  dereu  ans 
gespanntes  Netz  dem  Boden  eines  geflochtenen  Korbes  gleicht. 

Die  Archäologie  würde  den  hohen  Stand  nicht  erreicht  habeu, 
wenn  mit  der  Zahl  der  Alterthümer  nicht  auch  die  Untersuchungs- 
methnden  sich  vervollkommnet  haften.  Welche  Dienste  haben  uns 
das  Mikroskop  und  die  chemische  Analyse  geleistet?  Aus  den 
Pflauzenrcsten  in  den  nur  au  der  Sonne-  getrockneten  Back- 
steinen der  Mauern  von  Babylon  hat  Unger  die  Flora  wieder  her- 
stellen können,  die  damals  jene  (fegenden  geschmückt  hat.  Durch 
das  Mikroskop  erfuhren  wir,  dass  die  Mumienbinden  der  Aegvpter 
aus  Leinwand  bestehen,  wir  vermögen  genau  diese  von  der  Wolle, 
der  Baumwolle,  dem  Hanf,  der  Seide  zu  unterscheiden,  noch  nach 
Jahrtausenden,  so  unterscheiden  wir  auch  den  Knochen  von  dem 
Elfenbein.  Die  Untersuchung  den  mikroskopischen  Schliffs  der 
Nephrite  und  Jadeite  lassen  sichere  Schlüsse  zu  Uber  deren  Herkunft 
nnd  über  alte  Wanderungen  der  Völker.  Wir  habeu  gelernt,  durch 
die  Strahlenbrechung  den  Rubin  der  Schmnckgeräthc  vom  rothen 
Glase  zu  unterscheiden.  So  giebt  uns  die  chemische  Analyse  der 
Bronzen,  ihr  Gehalt  an  Zinn,  Blei,  Antimon,  Zink  und  anderen 
Metallen  Aufschluss  Uber  ihr  Alter  und  ihr  Herkommen.  Aus  dem 
Natron-  oder  Salzgehalte  der  Glaser  schliesseu  wir,  ob  sie  in  der 
Nähe  der  Meeresküste  oder  im  Binnenlande  gefertigt  sind.  Auch 
aus  dem  verminderten  Kuorpclgehalt  der  Knochen  kann  mau  in  ge- 
wissen Fällen  ihr  Alter  bestimmen.  Der  Anthropologe  weiss  von 
einem  mehrtausendjährigen  Meuschenschädel  sich  einen  Ansguss 
zu  verschaffen,  der  die  Gehirnform  wiedergiebt,  welche  auf  die 
Geistesentwicklnng  des  betreffenden  Menschen  Schlüsse  gestattet. 

Nur  die  Culturgeschichte  ist  die  wahre  Geschichte  der  Menschheit. 
In  der  politischen  Geschichte  entscheiden  die  Zerstörungswalfen,  in  der 
Culturgeschichte  ist  es  die  stille  friedliche  Arbeit  des  Denkers,  welche 
unserm  Geiste  neue  Welten  eröffnet  und  zu  Entdeckungen  führt, 
die  das  ganze  Leben  «ler  Menschen  umgestalten.  Die  grossen  Welt- 

Juhrb.  (1.  Ver.  v.  Altet-UnlY.  im  Klieii.l.  XCII.  20 


30»;  Die  50 jährige  Jubelfeier  des  Vereins  von  Alterthuinsfreunden  etc. 


reiche,  welche  die  Ruhmsucht  der  Eroberer  gegründet,  sind  zu- 
sa  in  inen  gestürzt,  die  Errungenschaften  der  G'ultur  aber  gingen  nie- 
mals verloren,  die  neuen  Völker  traten  die  Erbsehaft  der  alten  an 
und  wau  unter  dein  Schutte  der  Ruinen  begraben  liegt,  das  bringt 
unsere  Wissenschaft  wieder  an  den  Tag. 

Die  Freunde  der  MciiHchheit  haben  es  oft  ausgesprochen,  das* 
die  friedliche  Entwicklung  der  Völker  ihr  wahrer  Beruf  sei,  der 
allein  zu  Glück  und  Wohlfahrt  führe,  Andere  aber  halten  das  für 
eine  Schwärmerei  und  sehen  im  Kriege  jenen  wohlthatigen  Kampf 
um  s  Dasein,  der  als  ein  notwendiges  Xaturgeset/.  erkannt  sei, 
„Der  Krieg-,  sagt  Emil  Zola,  „ist  das  Leben  selbst.  Nichts  in  der 
Natur  besteht,  nichts  wird  geboren,  wächst  und  vermehrt  sich  anders 
als  durch  den  Kampf.   Essen  und  gegessen  werden,  heisst  die  Lo- 
sung, wenn  das  Leben  in  der  Welt  bestehen  soll,    her  Krieg  ist 
die  Schule  der  Manuszucht,  der  Aufopferung,  des  Muthcs,  er  stärkt 
Leib  und  Seele,  erzeugt  die  Kameradschaft  in  der  (Mahr,  giebt 
Gesundheit  und  Kraft."     So  kann  nur  der  reden,  welcher  die 
Entwicklung  der  Menschheit  nicht  kennt.     Diese  zeigt  uns  viel- 
mehr, wie  nur  allmählich  das  Thier  im  Menschen  gebändigt  wurde 
durch  die  Cultur.  So  gewiss  diese  den  Cannibalismus,  das  Menschen- 
opfer und  die  Vielweiberei  unter  den  gesitteten  Völkern  beseitigt  hat, 
so  sicher  wird  sie  auch  dem  Zweikampf  und  dem  Kriege  ein  Ende 
machen,  wenn  auch  erst  nach  Jahrhunderten.    Der  Zweikampf  ist 
in  seinem  Ursprünge  nichts  anderes  als  ein  Aberglaube,  der  in  seiner 
ältesten  Form  noch  mit  dem  Cannibalismus  verbunden  war,  denn 
der  Sieger   verzehrte   den   niedergeschlagenen   Feind ,    nm  seine 
Tapferkeit  sich  anzueignen.    Was  Schiller  von  der  Geschichte 
der  Menschheit  vor  100  Jahren  gesagt  hat,  sie  begleite  ihn  durch 
alle  Zustände,  die  er  erlebte,  durch  alle  abwechselnden  Gestalten 
der  Meinung,  durch  seine  Thorheit  und  seine  Weisheit,  seine  Ver- 
schlimmerung und  seine  Veredlung,  das  gilt  noch  mehr  von  der 
Altertumsforschung,  die  nicht  wie  jene  nur  aus  den  Überlieferten 
schriftlichen  Berichten  schöpft,  sondern,  diese  ergänzend,  uns  die 
Hinterlassenschaften  aller  Zeiten  und  Völker  in  Bauwerken,  Gerätben, 
Wallen,  Münzen  und  Kunstwerken  vorführt  und  damit  uns  das  voll- 
ständigste liild   von  der  Entwicklung  der  Menschheit  aufrollt,  wie 
sie  nach  dem  Plaue  des  Weltenschöpfera  sich  vollzieht.  Wir  sehen 
den  Bildungsgang  des  Menschengeschlechtes  von  seinem  Anfang  bis 
zu  der  Höhe,  die  es  heute  erreicht  hat.   Das  bewahrt  uns  vor  der 


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Die  30jHhriK<*  Jubelfeier  fies  Vereins  von  Altertlnnnslreunden  etc.  307 


übertriebt  neu  Bewunderung  des  Altcrthuuis  und  vor  der  kindischen 
Sehnsucht  nach  vergangenen  Zeiten!  Wir  danken  es  über  der 
Altertumsforschung,  dnss  sie  uns  das  Schönste  und  Hoste,  wns 
edle  Völker  fllr  die  Oultur  einmal  geleistet  haben,  immer  wieder 
vor  Augen  stellt,  damit  es  uns  nicht  verloren  gehe.  Das  goldno 
Zeitalter,  welches  die  Dichtung  an  den  Anfang  der  Geschichte  ge- 
setzt hat,  ist  fllr  die  Wissenschaft  da«  ferne  Ziel,  dem  die  Mensch- 
heit ailmfthlig  entgegen  reift! 


Hiermit  war  die  Feier  beendet.  Die  Fest  genossen  begaben 
sich  um  2  Uhr  mit  Extrazug  nach  Godesberg,  wo  im  Hotel  Winzler, 
unter  zahlreicher  Theilnahnie  von  Herren  und  Damen  das  Festessen 
stattfand.  Der  erste  vom  Vorsitzenden  ausgebrachte  Toast  galt 
dem  Kaiser.  Der  Redner  wies  darauf  hin ,  dass  die  Altert hnms- 
forsohung  sich  auch  mit  den  verschiedenen  Formen  der  menschlichen 
Gesellschaft  beschäftige,  die  sieh  aus  ihrem  Vorbilde  in  der  Natur, 
aus  der  Familie  entwickelt  haben.  Manche  Ereignis«?  in  der  so- 
cialen Welt,  die  ganz  neu  zu  sein  scheinen,  seien  uralt.  Wie  es 
einen  Kampf  um 's  Dnsein  in  der  Natur  gebe,  so  hätten  auch  die 
verschiedenen  Gesellschaftsklassen  immer  um  Besitz  und  Vorrecht 
gehadert.  Cultur  und  Rohheit ,  Gesetz  und  Willkür  haben  stets 
mit  einander  gestritten  und  ebenso  die  Völker  unter  einander  um 
den  Vorrang.  Das  seien  glückliche  Zeiten,  in  denen  die  Nationen 
im  edlen  Wettstreit  nur  nach  Wohlstand  und  Bildung  strebten. 
Der  Lauf  der  Welt  bringe  es  mit  sieh,  das«  auf  den  Lärm  der 
Schlachten  Ruhe  und  Frieden  folge.  Wir  lebten  im  Genüsse  einer 
solchen  Zeit,  die  auch  den  Wissenschaften  zu  Gute  komme.  Wir 
Deutsche  könnten  heute  mit  Stolz  auf  den  Besitz  von  Gütern 
blicken,  die  wir  nach  langem  Ringen  uns  erst  erobert  hätten.  Macht, 
Wohlstand,  Bildung  seien  solche  Güter.  Das  grösste  aber  sei  das 
geeinigte  Vaterland.  Das  Band  aber,  welches  uns  am  festesten 
verknüpfe  und  zusammenhalte,  das  sei  der  geliebte  Herrscher,  der 
wie  kein  Anderer  von  den  Pflichten  seines  Berufes  erfüllt  sei.  Er 
kenne  die  drohenden  Gefahren  der  Zeit.  Mit  Recht  nennten  wir 
ihn  den  Friedensfürsten,  aber  er  sei  auch  der  mächtige  und  wach- 
same Schirmherr  des  Reiches,  der  den  äussern  wie  den  innern  Feind 
de*  Vaterlandes  niederzuhalten  wisse.    Er  sei  allem  Guten  ein 


908  Die  50jähri^e  Jubelfeier  des  Vereins  von  AlterthumsfreundeD  etc. 


Förderer,  den  Annen  und  Bedrängten  ein  hülfreieher  Freund,  der 
Kunst  uud  Wissenschaft  ein  einsichtsvoller  Beschützer!  Mit  lautem 
Jubel  erseholl  der  Ruf :  Hoeli  dem  Kaiser ! 

Der  Reetor  Magnificus,  Herr  Geheimrath  Strasburger 
hielt  folgende  Ansprache: 

Wenn  ich  nunmehr  auch  bei  fröhlichem  Festmahle  «las  Wort 
ergreife,  so  geschieht  es,  um  als  zeitiger  Rcetor  unserer  Rheinischen 
Friedrich  Wilhelms-Univcrsität  den  Verein  von  Rheinischen  Alter- 
thumsfreunden zu  ehren.  Als  Botaniker  von  Fach  bin  ich  nicht  in  der 
Lage,  die  Verdienste,  die  sich  der  Verein  erwarb,  nach  der  wissen- 
schaftlichen Seite  hin  zu  wtlrdigen.  Wohl  aber  weiss  ich  als  Ge- 
lehrter seine  Aufgaben  und  Bestrebungen  in  vollem  Maassc  zu 
schätzen.  Sind  doch  die  Deutschen  die  wahren  Erben  der  helle- 
nisch-römischen Cultur ,  die  sie ,  ohne  ihre  Eigenart  aufzugeben, 
zur  wissenschaftlichen  und  künstlerischen  Grundlage  ihrer  ganzen 
Bildung  erhoben  haben.  So  greift  denn  ein  Verein,  der  die  Ver- 
bindung der  Vergangenheit  mit  der  Gegenwart  herzustellen  sucht, 
in  die  tiefsten  Interessen  unseres  Geisteslebens.  Ein  jeder  Ge- 
bildete, der  in  Rom  auf  der  via  sacra  wandert,  wird  von  heiligem 
Schauer  ergriffen  in  Erinnerung  all  des  menschlich  Grossen,  das  sich 
dort  zugetragen.  Und  wie  hoch  schlägt  nicht  das  Herz  des  Deutsehen, 
wenn  er  dem  Rheinstrom  folgt ,  dieser  via  sacra  des  Deutschen 
Reiches  und  von  beiden  Ufern  her  Denkmäler  zweitausendjähriger 
Vergangenheit  auf  ihn  hcrabschauen.  Wie  soll  er  nicht  diejenigen 
ehren,  derjenigen  dankbar  gedenken,  deren  Bestreben  es  ist,  ihm 
diese  Denkmäler  zu  deuten,  sie  vor  Untergang  zu  bewahren.  Und 
rechts  und  links,  so  weit  sein  Auge  reicht,  sieht  er  nur  deutsche 
Lande  und  wo  einst  die  Wachtposten  der  römischen  Lager  standen, 
da  erheben  sich  die  mächtigen  Bollwerke  des  Deutschen  Reiches. 

Doch  mit  diesen  ernsten  Worten  möchte  ich  nicht  sehlieasen. 
Gedenke  ich  all  des  frischen  Lehens,  welches  dem  Stadium  des 
Altcrthums  entsprosst,  so  fällt  mir  auch  immer  wieder  da»  alte 
Wortspiel  in  Webers  Democrit  ein :  „Die  Alten  sind  die  einzigen 
Alten,  die  nie  alt  werden."  Diesen  Ausspruch  hätte  ich  hier  aber 
die  Neigung,  auch  auf  den  Vorsitzenden  Ihres  Vereins  anzuwenden, 
wenn  ich  sehe,  mit  welcher  Jngendfrisehe  und  Begeisterung  er  noch 
immer  alle  menschlichen  Ideale  pflegt,  welche  Arbeitskraft  und 
Ausdauer  ihm  immer  noch  zur  Vertilgung  steht.  Er  wird  älter, 
ohne  zu  altem,  ja  man  sollte  meinen,  dasg  er  nur  älter  wird,  weil 


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Die  50  jährige  Jubelfeier  dt*  Vereins  von  Alterthiunsfreiinden  etc.  309 

die*  das  einzige  Mittel  ist,  nm  Iuhrc  zn  lohen.  So  fasse  ich  denn 
meine  Wünsche  für  das  fernere  Gedeihen  dos  Vereins  der  Rheini- 
schen Alterthmiisfrcumle  in  ein  Hoch  auf  den  Vorsitzenden  desselben 
zusammen.  Dadurch  ermögliche  ich  es  auch  den  Mitgliedern  des 
Vereins  in  dieses  Hoch  mit  mir  einzustimmen:  der  Herr  Geheim- 
rath  Professor  Dr.  Schaafhausen,  er  lebe  hoch! 

Als  dritter  Redner  erhob  sich  Herr  Laudtagsahgcordnetcr 
van  V  1  e  u  t  c  n  und  führte  aus,  dass  von  allem  Lobe,  welches  dem 
Vereine  heute  zu  Theil  geworden  sei,  keines  ihn  so  befriedigt  habe, 
wie  der  Hinweis  auf  das  wissenschaftliche  Streben  des  Vereins. 
Dies  lege  ihm  nahe,  zu  forschen,  wo  denn  der  Mittelpunkt  des 
wissenschaftlichen  Lebens  am  Rheine  zu  suchen  sei.  Da  falle  uns 
alsbald  die  Bonner  Hochschule  in  die  Augen ,  die  als  ein  Mittel- 
punkt des  wissenschaftlichen  Lebens  weit  Uber  die  Grenzen  unserer 
Provinz  ihr  Licht  verbreite.  Man  könne  violleicht  sagen,  der  Ver- 
ein habe  die  von  dein  leuchtenden  Centraipunkte  ausgehenden 
Strahlen  durch  Reflex  in  entferntere  Gebiete  hinübergeführt,  und 
es  sei  ihm  vielleicht  auch  gelungen,  durch  das  Sammeln  lokaler 
Forschungen  der  Centralstellc  neues  Material  zn  liefern.  Der  Herr 
Rcctor  habe  am  Morgen  schon  es  ausgesprochen,  dass  die  Be- 
ziehungen des  Vereins  znr  Hochschule  immer  vorzügliche  gewesen 
seien  und  habe  daran  den  Wunsch  geknüpft,  dass  dies  immer  so  bleiben 
möge.  Die  Fest  Versammlung  könne  überzeugt  sein,  dass  dieser  Wunsch 
vom  Vorstande  und  dem  Vereine  voll  und  ganz  getheilt  werde. 
Redner  schlagt  vor,  den  Dank  des  Vereins  für  so  manche  wissen- 
schaftliche Förderung  und  den  Wunsch  bezüglich  der  Fortdauer 
und  des  Wachsens  der  guten  Beziehungen  der  beiden  Corporationen 
ansklingeu  zu  lassen  in  den  Ruf:  Die  Universität  Bonn,  sie  lebe  hoch! 

Nach  einer  Pause  gedachte  der  Vorsitzende  des  82  Jahre 
alten  Dr.  Heinrich  Düntzcr  in  Köln,  dem  es  versagt  war,  dem  Feste 
beizuwohnen.  Er  schilderte  die  Thätigkeit  desselben  für  den  Ver- 
ein und  sagte  am  Schlüsse:  „Möge  es  dem  hochverdienten  Manne," 
der  mit  seinen  Freunden  vor  50  Jahren  einen  Bau  errichtet  hat, 
dem,  wie  wir  heute  hoffen  dürfen,  auch  für  die  Zukunft  eine  sichere 
Dauer  verliehen  ist,  beschieden  sein,  sich  am  Abend  seines  thaten- 
reichen  Lebens  noch  manches  Jahr  am  Genüsse  des  Schönen  in  der 
alten  wie  in  der  neuen  Kunst  erfreuen  zu  können,  dessen  Erforschung 
die  edle  Aufgabe  seines  ganzen  Lebens  war."  Er  schlug  der  Ver- 
sammlung vor,  ihn  durch  ein  Telegramm  zu  begrüssen,  was  mit 


310  Die  50j»hrige  Jubelfeier  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  etc. 

grossem  Heifall  aufgenommen  wurde.  Dasselbe  lautete:  „Herrn 
Heinrich  Düntzer,  dem  Grüntier  des  Vereins  von  Altertbumsfreunden, 
senden  die  in  Godesberg  versammelten  Festgenossen  als  Zeichen 
ihrer  Verehrung  herzlichsten  Grass!" 

•Später  brachte  der  Vorsitzende  noch  ein  Hoch  aus  auf  die 
noch  lebenden,  um  die  Altertumswissenschaft  hochverdienten  Vete- 
ranen des  Vereins,  die  Herren  von  Cohausen,  Leemans,  Linden- 
sehmit,  Schneider,  von  Veith  und  Wieseler,  worauf  der  allein  beim 
Feste  anwesende  Professor  Schneider  antwortete. 

Mit  einem  launigen  Trinkspmche  des  Herrn  Franz  MerkcnR 
aus  Köln  auf  die  Damen  schloss  die  Reihe  der  Toaste.  Ein  schöner 
Herbsttag  hatte  die  Feier  begünstigt.  Möge  die  Wiederkehr  des 
Tages  in  derselben  frohen  Feslstimmung  die  Mitglieder  de»  Vereins 
wieder  zusammen  führen,  mit  der  diesesnial  die  Jubelfeier  be- 
gangen wurde. 

H.  Sc haaff hausen. 


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Die  Winckelniann-Feier  am  II.  Deeeuiber  1891. 


311 


Die  Winckelmann-Feier  am  9.  December  1891 


Die  vom  Verein  von  Alterthumsfrcunden  im  Rheiulande  am  Ge- 
burtstage Wiuckclmanns  veranstaltete  und  im  .Saale  des  Kley 'sehen 
Gasthofes  abgehaltene  Gedäebtuissfeier  wurde  vom  Vorsitzenden 
des  Vereins,  Geheimrath  Schaafhausen,  um  7  Uhr  abends  er- 
öffnet. Er  begrüsstc  die  zahlreich  erschienenen  Tbeibiebmer  an  der 
Versammlung,  die  das  dankbare  Andenken  au  den  grossen  Meister 
der  Altertumsforschung  in  jedem  Jahre  erneuem  soll.  Drei  sehr 
schöne  uud  grosse  Steinbeile  der  germanischen  Vorzeit,  die  Bonn 
besitzt,  waren  ausgestellt,  ferner  ein  Schwurring  der  Bronzezeit 
ans  einem  Grabe  an  der  Ostsee,  die  Gipsabgüsse  der  gallischen 
Münzen  des  Centralmuseum*  in  Mainz,  der  Plan  des  aufgedeckten 
römischen  Castrums  bei  Grimmlinghaiiscn  nebst  einigen  dort  ge- 
fundenen Bronzen,  die  Zeichnung  eines  zu  Köln  im  October  ge- 
fundenen römischen  Mosaikbodens  aus  bester  Zeit,  sieben  Bronze- 
Statuetten  aus  der  Sammlung  des  Herrn  Stedtfeld  in  Köln,  eiue 
Sammluug  von  Bildern  merowingiseher  und  karolingiseher  Ornamente, 
eudlicb  das  eben  im  Druck  vollendete  Register  über  die  Jahrbücher 
LXI  bis  LXXXX  und  ein  Album  der  Zuschriften  und  Adressen,  mit 
denen  der  Verein  bei  seinem  am  2i).  October  gefeierten  öo  jährigen 
Jubiläum  geehrt  und  erfreut  worden  ist.  Der  Vorsitzende  gab  eine 
kurze  Erläuterung  aller  ausgestellten  Gegenstände.  Das  3f>  cm 
lauge  Jadeitbeil  von  Griiumliughauscn  ist  das  grösste  in  Deutsch- 
land. Herr  G  u  u  tr  u  m,  der  frühere  Besitzer,  hat  es  kurz  vor  seinem 
Tode  dem  hiesigen  Proviiizial-Mnscum  geschenkt.  Es  ist  13  cm 
breit  und  22  min  dick.  Es  wurde  1H(>2  in  der  Nähe  des  Castrum 
Novesium  9;  tief  im  Geröllc  des  alten  liheinbcttes  gefunden. 
Sein  spec.  Gewicht  ist  .3,347.  Mikroskopisch  ist  es  nicht  untersucht. 
Als  der  Vorsitzende  dasselbe  in  der  Anthropologen- Versammlung  zu 
Cnnstauz  1877  zeigte,  wollte  mau  au  den  rheinischen  Ursprung 
desselben  nicht  glauben.  Grössere  Beile  dieser  Art  sind  iu  Dolmen 
der  Bretagne  gefuudeu  worden.  Vgl.  Verb.  d.  V.  1S77  Stzb.  S.  1Ü9, 


312 


Die  Wiuckelm.nin-Feier  am  9.  December  1891. 


Authrop.-Vcrs.  in  Constanz  S.  140.  Bonn  besitzt  noch  zwei  sehr  schöne 
Beile  dieser  Art,  das  Chloromelanitbcil  von  Wesseling  und  das  Nephrit- 
beil von  Marthas  Hot'.  Das  Beil  von  Wesseling  ist  20  cm  lang 
und  hat  ein  spezifisches  Gewicht  von  3,373,  vgl.  Rh.  Jahrb.  L 
1871  S.  290.  Auch  bei  diesem  fehlt  die  mikroskopische  Unter- 
suchung. Das  Beil  von  Marthas  Hof  ist  26,8  lang,  sein  spee.  Ge- 
wicht ist  3,0;"):*),  es  ist  von  Prof.  v.  Las  sau  Ix  mikroskopisch 
untersucht  und  als  Nephrit  erkannt  worden,  vgl.  Rh.  Jahrb.  LXXVII 
1H84  S.  210.  Vielleicht  sind  diese  Beile  der  Lapis  silex  oder  Saxum 
silex,  bei  dein  die  Römer  schwuren  und  den  die  Fetiales  mit  sieh 
führten,  weun  sie  mit  andern  Völkern  Bündnisse  schlössen.  Galen 
sagt,  dass  man  diese  Steine  in  Aegypten  gegen  Magenleiden  ge- 
brauche. Plinius  nennt  sie  grünen  Jaspis.  Die  Namen  Jade, 
lapis  isehiaticus  und  Nephrit,  lapis  nephritictis,  die  ihre  Wirkung 
gegen  Ischias  und  Nierenleiden  bezeichnen  sollen,  sind  nach  Fischer, 
Nephrit  und  Jadeit,  Stuttgart  187ö,  erst  neueren  Ursprungs.  Härte 
und  Zähigkeit  sind  die  Eigenschaften,  in  denen  dieses  Mineral  von 
keinem  andern  dbertroffeu  wird.  Früher  unterschied  man  den 
Nephrit,  Jadeit  und  Chloromelanit  nur  nach  dem  speeifischen  Ge- 
wichte, das  zwischen  2.03  und  3,41  liegt.  Das  des  Nephrit  ist 
2,93  bis  3,18,  des  Jadeit  3,32  bis  3,3f>,  des  Chloromelanit  3,41 
und  mehr.  Jetzt  ist  eine  genaue  Bestimmung  nur  möglich  durch 
mikroskopische  Untersuchung  eines  Dünnschliffs,  die  auch  auf  die 
Herkunft  dieses  Gesteins  sehliesen  lässt.  Nach  Arzruni  sind  die 
Nephrite  ans  den  Schweizer  Pfahlbauten,  die  von  Turkistau  und 
Neu-Seeland  durchaus  verschieden.  Auch  der  in  Schlesien  entdeckte 
ist  von  dem  der  germanischen  Beile  verschieden.  In  den  Schweizer 
Alpen  ist  Jadeitgerölle  gefunden,  nicht  aber  das  Anstehende  des 
Gesteins.  Auch  heute  noch  nuiss  man  das  speeilisehe  Gewicht  be- 
rücksichtigen, für  Nephrit  ist  3  ein  Maximum,  für  Jadeit  und  Chloro- 
melanit, der  eine  eisenreiche  Varietät  des  Jadeit  ist,  ein  Minimum. 
Nephrit  ist  nach  Arzruni  ein  Amphibolmineral,  Jadeit  ein  Pyroxen- 
mineral,  ersteres  ist  magnesia-  und  kalkhaltig  und  von  Thouerde 
frei,  das  zweite  ist  eine  Thouerde- Verbindung,  das  erste  ist  schwer, 
das  letzte  leicht  schmelzbar.  Auch  die  alten  Mexicancr  fertigten 
Idole  und  Amulette  ans  Nephrit,  dessen  natürliches  Vorkommen  in 
Amerika  auch  nicht  bekannt  ist,  daraus  schloss  man  auf  ihre  Einwände 
rung  aus  Ostasien,  während  die  Indogermanen  die  Nephrite  aus 
Persien  nach  Europa  gebracht  haben  sollten.  Aber  die  mexicanischen 


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Die  Winckelinaim-Fcicr  am  9.  Decembcr  18JH. 


313 


Nephrite  sind  von  den  persischen  verschieden  und  in  den  prähistorischen 
verarbeiteten  Gegenständen  au«  Europa  findet  sich  nach  Arzruni  kein 
Splitter  turkistanischen  Materials.  Das  Anstehende  für  die  europäi- 
schen verarbeiteten  Nephrite  und  Jadeite  ist  noch  nicht  entdeckt. 
In  einem  der  „Natare"  entlehnten  Aufsätze  Uber  Nephrit  in  Burma 
werden  im  Scott.  Gcogr.  Magaz.  1889  Vol.  V,  Nr.  10  die  Fundorte 
des  anstehenden  Gesteins,  sowie  die  mühevolle  Gewinnung  desselben 
geschildert.    Es  scheint,  dass  dio  Romer  in  nnsern  Gegenden  die- 
selben als  Alterthtlmer  verehrten  und  einen  symbolischen  Gebrauch 
davon  maehten;  schou  in  drei  Fällen  sind  sie  in  der  Nähe  von 
römischen  Lagern  gefunden  worden.    Dass  das  Beil  von  Grimm- 
inghausen neun  Fuss  tief  im  alten  Rheingerölle  gelegen  hat,  spricht 
nicht  dagegen,  denn  das  Rheinbett  hat  sich  seit  der  Röraerzeit  an 
verschiedenen  Stellen  um  2—3  m  erhobt.    Man  pflegt  die  grossen 
Hohlringe,  die  am  häufigsten  in  Gräbern  des  östlichen  Deutschlands 
gefunden  werden,  Schwurringe  zu  nennen.    Lindenschmit  will 
diese  Bezeichnung  nur  für  einige  gelten  lassen,  Globus  XIV,  S.  176. 
Für  diese  Deutung  spricht  der  Umstand,  dass  nach  Grimm,  Reehts- 
Alterth.  892,  urkundlich  feststeht,  dass  man  im  germanischen  Norden 
bei  einem  Ringe  geschworen  hat.    Die  Sitte  stammt  aus  Asien. 
Auf  Bildwerken  von  Pcrsepolis  ist  dargestellt,  wie  zwei  Reiter 
einen  grossen  Ring  mit  der  Hand  anfassen,  der  eine  hält  ihu,  der 
andere  berührt  ihn  nur.    Auch  Könige  schwören  darauf.  Ueber 
diesen  ist  zuweilen  eine  menschliche  Gestalt  mit  Flügeln  dargestellt, 
die  in  der  Hand  einen  Ring  hält,  das  ist  nach  Brugsch  eine  alt- 
persische  Gottheit.    Das  Münzcahinet  der  Bibliothek  in  Münster  be- 
sitzt eine  solche  Münze.  In  der  Zeitschrift  Globus  XIII,  S.  329  ist  die- 
selbe als  eine  gallische  abgebildet.  Die  vielen  gallischen  Münzen,  die 
sich  neben  denen  der  ersten  römischen  Kaiser  und  aus  früherer  Zeit  in 
den  Rheinlanden  finden,  verdienen  einmal  zusammengestellt  zu  werden. 
Sie  haben  meist  ein  barbarisches  Gepräge,  einige  sind  Nachahmungen 
griechischer  Münzen.  Davon  sind  die  zierlichen  Regenbogenschüssel- 
chen zu  trennen,  die  älter  sind  und  von  Keltenstäminen  herrühren, 
die  sich  in  Süddeutschland  und  Oberitalien  niederliesscn  und  gar 
nicht  nach  Frankreich  kamen.  Das  römische  Lager  zu  Grimmling- 
hausen schilderte  der  Vorsitzende  nach  den  Mittheilungen  von  Prof. 
Klein  und  Constautin  Koenen.    Schon  1877  erklärte  Professor 
Schneider,  Rh.  Jahrb.  LX  S.  4,  dass  hier  ein  römisches  Lager 
gestanden  haben  müsse.   Tacitus  führt  das  Castrum  Novesium  als 


314 


Die  WimkelinaiinFder  am  0.  Dewiuber  1891. 


Standquartier  der  1H.  Leginn  an.  Auch  die  6.  stand  hier,  wie  die 
zahlreichen  Legionenstempel  beweisen;  die  16.  verliess  da»  Lager 
etwa  70  n.  Chr.,  die  6.  ging  120  nach  Britannien.  Früher 
glaubte  man,  dass  das  römische  Castrum  an  der  Stelle  de»  heutigen 
Neuss  gestanden  habe.  Kocncn  bewies  ans  den  zahlreichen 
Römergrühcrn  aus  der  Zeit  /.wischen  Vespasian  und  Constantin 
innerhalb  der  Stadt  Neuss,  das»  hier  in  dieser  Zeit  kein  Lager  ge- 
wesen sein  kann.  So  war  es  auch  in  Xanten  und  Bonn,  wo  die 
späteren  Städte  neben  dem  Lager  aus  der  Ansiedelung  der  Kanf- 
Iente  und  der  Handwerker,  den  sogenannten  Cannahae  ihren  Ur- 
sprung nahmen.  Wohl  war  aber  ein  solches  in  der  Zeit  nach 
Constantin  vorhanden  nnd  vielleicht  von  Jnlian  errichtet.  Es  ist 
mehr  als  die  Hälfte  des  Lagers  bei  Griminlinghanscn  aufgedeckt, 
sein  Iimennium  ist  24  Hectar  gross,  der  des  Bonner  Lagers  ist  zu 
25  Hectar  berechnet.  Taeitus  nennt  Bonna  und  Novcsinm  als 
Winterlager  für  je  eine  Legion.  Dttntzer  vermuthet,  das«  die 
Verlegung  der  beiden  Legionen  aus  dem  Oppidnm  Uhiornm  mit  der 
Erhebnng  dieses  zur  Colouia  Agrippinensis  zusammenhänge.  Im 
Herbst  1887  wurde  mit  den  Grabungen  begonnen.  Welchen  Werth 
man  auf  die  Bloslegung  des  ganzen  Lagers  legt,  geht  daraus  her- 
vor ,  dass  bereits  20,000  Mark  aus  dem  Fond  de«  Provinzial- 
Mnscnms  und  einige  1000  durch  besondere  Bewilligung  der  Proviuzial- 
Verwaltuug  verausgabt  worden  sind.  Besondere  Schwierigkeiten 
verlangsamen  die  Untersuchung,  weil  das  ganze  Gebiet  des  Castrums 
bebautes  Feld  ist,  welches  von  den  Eigentümern  erst  nach  der 
Ernte  zur  Verfügung  gestellt  wird.  Sobald  die  Mauern  aufgedeckt 
nnd  aufgenommen  sind ,  müssen  die  Gräben  wieder  zugeworfen 
werden.  Aus  dem  Mangel  aller  werth vollen  Funde  kann  man 
sehliessen,  dass  eine  ganzliehe  Zerstörung  nnd  Ausplünderung  des 
Lagers  wohl  schon  in  den  Stürmen  der  Völkerwanderung  statt- 
gefunden hat.  Im  Schutte  liegen  nur  Scherben  von  Gelassen, 
Ziegel,  Bronzen  aller  Art,  Münzen,  Architektnrstücke,  die  auf  gross- 
artige Bauten  sehlicssen  lassen.  Es  sind  Thcilc  der  Einfassungs- 
mauer aufgedeckt  worden,  auch  die  Porta  decumana  und  die  Via 
praetoria;  die  Via  principalis  liegt  unter  der  Kölner  Chaussee,  die 
das  Lager  durchschneidet.  Die  Länge  des  Lagers  verhält  sich  zur 
Breite  wie  3:2,  es  hat  also  eine  Forma  tertiata.  Colossale  Bauten 
im  Innern,  deren  Grundmauern  bis  zu  3  m  Breite  haben,  sind  für 


Die  Wiucketmann-Feier  am  9.  Dccember  1891. 


315 


das  Prätorinm  zu  halten.  Zu  den  Fundamenten  sind  zumeist  Tuff, 
aber  auch  Basalt  und  zu  Unterst  Rheingerülle  verwandt. 

Der  kürzlieh  in  der  Händcl-Strasse  zu  Köln  gefundene  Mosaik- 
hodeu  kam  in  so  zertrümmertem  Zustande  au»  der  Erde,  dass  er 
nicht  mehr  zusammengesetzt  werden  kann.  Von  den  erhaltenen 
Theilen  hat  Dr.  K  i  8  a  die  vorliegende  farbige  Skizze  gefertigt. 
Das  Jahrbuch  XCIII  wird  diesen  Fund  veröffentlichen.  Die  Zeich- 
nungen merowingiseher  und  karolingischcr  Ornamente  sind  einer 
Arbeit  des  Herrn  Dr.  P.  0  lernen  entnommen,  die  im  Jahrbuch 
XCI1  erscheint  und  den  Ursprung  dieser  neuen  Kunstwcise  nach 
dem  Niedergang  des  antiken  Lebens  in  den  verschiedeneu  euro- 
päischen Ländern  zum  Inhalte  hat. 

Hierauf  hielt  Herr  Professor  Dr.  J  u  s  t  i  einen  Vortrag  Uber 
eine  aus  Köln  stammende  Architekten  Familie,  die  im  15.  und  16. 
Jahrhundert  in  Burgos  auftritt  und  der  dortigen  Cathcdralc  erst  die 
abschliessende  Form  gegeben  hat;  der  Vortrag  wird  im  Jahrbuch 
XCIII  abgedruckt. 

Den  Abschluss  der  Winekelmannfeier  bildete  ein  Festinahl,  an 
dem  sich  auch  Damen  beteiligten. 

S  ch  aa  ff  hausen. 


UiiiveraUsts-Bachdruckerei  von  C»rl  Gcoi-rI  Iii  lionn. 


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» 


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Jahrb.  desVereins  von  Aherttromsfr.  imBheml.  HeftXCII 


QMrtSaa.  fee       Vorgescliichtliche  Funde  in  Meckenheim.         Hilp^iWMM  Airttaf 

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Jahrb.  des  Vereins  von  Alterthumsfr.  im  liberal .  Heft  XCII . 


Con*tK»*aaL  f" 


Fränkisches  Fraaengrab  in  Meckenheim . 

Taf.I,Grab84 


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Jahrb.  des  Voreins  von  Alterthumsfc  im  r\heinl .  HeftXCil.  7h£IF. 


conatKo«MP  fer         Zwei  fränkische  Fnwengräber  in  Meckenheim.  »ssa^uDnuuiw 

Taf.I.Grab24«.29. 


Jahrb  des  Vereins  von  Altcrthmnsfr.  im  Rheml .  Heft  XCI1  TkfY 


c<m«tKNo«i  t~  hiytzvveierfränldTaaengräberuTrä^ 

Taf.LGrab11u.56. 

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Jahrb.  des  Vereins  von  AlterÖromsfr  iraBbeinl.  HeftXCQ .  ThfW 


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Jahrb.  des  Vereins  von  Alterthnmsfr.  imRheml.  HeftXClJ 


ThfW 


Jahrb.  des  Vereins  von  Alterthumsfr.  im  r^hein!.  Heft 


coi«iK».n->-  fr.      Tauschierarbeiten.  Steinsärge.  Schnallen,  Waffen  .Wirtel.         rwlmiMlwH*  rtiridfal 

aus  fi*änk. Gräbern  in  Meckenheim. 

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Jahrb.  desVereins  von  Alterttiuinsfr.imRheinl.  HeftXCIl. 


ThfX 


'n  nncQ  c  a  ü  n  r  C 
Mo  au >#i*!«cinei 


lasnnaaBannnia 
|* »CF E rj r  r  n  w n  w «l 


constKo«ien  f«    Thongeföfse  aus  fränkischen  Gräbern  in  Meckenheim 

mit  lYofilenund  ürnamenlen. 


tri  Hui  gi.t«  *  äCitfUttk  u  UtuckJWnrf 


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Jahrb.  des  Vereins  von  Mterthumsfrim  Rheinl  Heft  fCf/,  TafelX/ 


4   -J^m»»-   ♦  «  —Jfiemr  ► 

Jn7ischriftin  derDrachenhöklc. 


iFels  ,  Schuh  "  ZFels 


xu  Wachenhe  im.  bei  Lern  bach  xu  Wächenheim. 


ConHK»™«  *      Tauschierarbeiten. Steinsärge. Schnallen,Waffen. Wirlei.  f> a«g Alllwflrfiailiirtbrf 

aus  fiänk.Gräbern  in  Meckenheim . 

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1 

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Jahrb.  desVereins  von  AHwrihnmsfr 


imRheinl.  EeftXCII. 


TuiX 


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Jahrä  des  Vereins  von^lterfkums/rtin  Rheinl  Heft  Wf/.  TafeUTf 


«    SO  cm,   -  *  «  Wem,--  ♦ 

Jnnschrtftin  derDm.che7ihohle. 


tFels  ,  Schuh  "  ZFels 

'Vaohenheim.  bei  Lembach  %u  Wochenheim 


JAHRBUCHER 


DES 


VEREINS  VON  ALTERTHUMSFREUNDEN 


IM 


RHEINLANDE. 


HEFT  LXXXXIII. 


HIT  I«  TAKEI.X  USft  26  TKXTFM.l  KE>. 


BONN. 

GEDRUCKT  AUF  KOSTEN  DES  VEREINS. 
BORK,  BEI  i.  «ABCCS. 
1892. 


Inhalts  -Verzeichniss. 


I.   Geschichte  und  Denkmäler. 

Seite 


1.  Die  Kölnischen  Meistor  an  der  Kathedrale  von  Burlos.  Vor- 
trag gehalten  am  Winckelmannstag  1891  von  Karl  Justi. 
(Hierzu  Tafel  I— IV.)   1 

2.  Funde  in  Köln.    Von  A.  Kisa.    (Hierzu  Tafel  V.)  31 

3.  Die  antiken  Thonlampen  im  Museum  Wallraf-Richartz  zu  Köln. 
Von  A.  Kisa  35 

4.  Zwei  Bronzen  im  Museum  zu  Speyer.   Von  A.  Furt wängler. 

1.  Kcntaurenkopf  (Tafel  VI)  54 

2.  Portrtttbüstc  (Tafol  VII)  fil 

5.  Flucht  des  Aeneas.    Von  Max  Ihm.   (Hierzu  Tafel  VIII  und 

IX  und  2  Textfigureu.)  «6 

6.  Westgothischor  Goldfund  aus  einem  Felseugrabe  bei  Mykentt. 
Von  Dr.  Julius  Naue.   (Mit  7  Abbildungen.)  76 

7.  Die  ältesten  Bautheile  des  Münsters  zu  Essen.  Von  G.  Hu  mann. 
(Mit  6  Abbildungen.)  89 

8.  Krypta  und  Stiftskirche  zu  Meschede.  Von  J.  B.  Nord  hoff. 
(Mit  5  Abbildungen.)  108 

9.  Die  Baugenealogie  der  Abdinghofschcn  Krypta  zu  Paderborn. 
Von  J.  B.  Nordhoff.   (Mit  1  Abbildung.)  116 

10.  Studien  zur  Geschichte  der  Kölner  Mieterinnen.   Von  Joseph 
Klinkenberg  130 

11.  Kleincro  Mittheilungen  aus  dem  Provinzial-Museum  zu  Bonn. 
Von  Josef  Kloin  180 

12.  Der  byzantinische  Purpurstoff  im  Gewerbe-Museum  zu  Düssel- 
dorf.  Von  Heinrich  Frauberger.   (Hierzu  Talel  X.)  *)    .   .  224 

II.  Litteratur. 

1.  Wilhelm  Voege,  Eine  deutsche  Malerschule  um  die  Wende 

des  ersten  Jahrtausends.   Besprochen  von  PaulClemen    .   .  233 

2.  Soest,  seine  Alterthümer  und  Sehenswürdigkeiten.  Besprochen 

von  N  240 

3.  G.  Pauli,  Die  Renaissancebauten  Bremens.  Besprochen  von  N.  240 

4.  Cornelius  Gurlitt,  Geschichte  dos  Barockstiles.  Besprochen 
von  N  247 


*)  Im  Text  steht  irrthüinlkh  Tafel  XI. 


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IV 


Inhalts- Verzeichnis«. 


Seite 


III.  Miscellen. 


1.  Köln.  Matronensteine.   Von  A.  KU»   250 

2.  Das  römische  Nordthor  zu  Köln   253 

3.  Römischer  Grabstein  aus  Bonn.    Von  ().  Rnutert.  (Mit  1  Ab- 
bildung1.)   256 

4.  Karolingisehe  Brandschicht  ht'i  Meckenheim.    Von  O.  Kaut  er  t  261 

5.  Merkenich.   Römische  Inschrift.    Von  F.  Knickenbcrg.  (Mit 

1  Abbildung.)   269 

6.  Aufdeckung-  eines  römischen  Castells  bei  Werthausen  am  Nieder- 
rhein.  Von  C.  Koenen.    (Mit  1  Abbildung.)   270 

7.  Ein  vorgeschichtliches  Menschenbild  aus  Mainmuthzahn.  Von 

H.  Sehaafthauseu.   (Mit  1  Abbildung.)   274 

8.  Erklärung  des  Vorsitzenden   276 

9.  Zu  Jahrbuch  XCII  S.  145  f.   283 

IV.  Berichte. 

1.  Generalversammlung  des  Vereins  am  29.  Juli  1892   286 

2.  Die  XXII.  allgemeine  Versammlung  der  deutschen  Anthropo- 
logischen Gesellschaft  zu  Danzig  vom  3.  bis  5.  August  1891     .  292 

V.  Verzeichnis»  der  Mitglieder   307 


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I.  GcHchiclit«  und  Deiikmailcr. 


I.  Die  Kölnischen  Meister  an  der  Kathedrale  von  Burgos. 

Vortrag  gehalten  am  Winckelmaniistag  1S91 
von 
Karl  Jnstl. 


(Hierzu  Tutel  I-IV.) 


An  wenigen  (i  reu/marken  Kuropas  dürfte  sich  —  wenigstens  war 
es  so  bis  vor  Kurzem  -  die  Verschiedenheit  zweier  verwandter  Nationen 
dein  Reisenden  so  selirolV  aufdrängen,  wie  da,  wo  am  Nordwest- 
ende der  Pyrenäen  der  geschichtlich  berühmte  Bidasoatfuss,  zwi- 
schen Frankreich  und  Spanien,  in  den  <»olf  von  Biseaya  mUndet. 
Der  hier  angeschlagene  Ton  wird  indess  nicht  immer  festgehalten. 
Beim  Vordringen  ins  Innere  bieten  sich  zunächst  uichts  weniger  als 
afrikanische  Eindrucke.  Der  Weg  führt,  fortwährend  im  Stei- 
gen begriffen,  buld  ans  den  baskischen  Provinzen  hinauf  in  das 
Tafelland  Alt-Castilieus,  und  auf  einer  Höhe  von  dreitausend  Fuss, 
in  einem  der  unbestrittenen  Herrschaft  der  Nordwinde  untergebenen 
liebtet,  zu  dem  kältesten  Punkt  Spaniens.  In  einer  weiten,  baum- 
losen Thalfläche,  zwischen  unabsehbaren  Weizen-  und  Flachsfeldern, 
die  den  Reisenden  ort  schneebedeckt  (denn  der  Winter  währt  acht 
Monate),  oder  geröstet  vom  Sonnenbrand,  nur  in  (ilücksfallen  grün 
bewillkommnen,  erscheint,  unvorbereitet,  hinter  dem  von  langen, 
melancholischen  Alleen  begleiteten  Flusschen  Alarzou,  am  Saum 
eines  kahlen  Hügels  mit  formlosen  Trümmern  der  einst  stolz  thro- 
nenden Königsburg,  das  ehrwürdige  Caput  Ciu>tr,lhte,  das  jedem 
Knaben  aus  den  Romanzen  vom  Ciil  bekannte  Burgos,  einst  Königs- 
hof, Sitz  eines  streitbaren  Adels  und  reicher  Kaufherren;  nun  schon 
dreihundert  Jahre  als  verarmte  Provinzialstadt  seine  matten  Lebeus- 
reste  hinschleppend.  Und  aus  seinen  hohen  Häuserreihen  taucht  auf 
die  graue  Kathedrale.  —  im  Schweigen  dieser  Oede  wie  eine  aus 
den  Lüften  tönende  Musik,  von  Menschen-  nnd  Kngelznngen ' ),  ein 

1)  Philipp  II.  sagt«-  von  der  Latein»',  sk-  *ei  ein  Gebilde  drr  Engel, 
kein  Meiischenwerk. 

Jahrb.  d.  Vir.  v.  Altirtlixfr.  im  liht-inl.  XCIII.  1 


Karl  Jnsti: 


Hymnus  von  Geschlechtern,  Thatcn  und  Gedanken,  die  längst  im 
Strom  der  Zeiten  versunken  sind. 

Eh  ist  die  Südseite  der  Kirche,  die  sieh  da  vor  uns  dehnt  — 
noch  länger  erscheinend  durch  die  Versenkung  des  unteren  Ge- 
schosse« hinter  dem  anstoßenden  erzbischöflichen  Palast  und  dem 
Kreuzgang;  denn  man  sieht  von  ihrem  Körper  nur  die  Fenster  und 
Schwibbogen  des  Lichtgadens.  Um  so  mächtiger  wirken  die  am 
West-  und  Ostcnde  und  in  der  Mitte,  ohne  Einschiebung  steiler 
Dachflächen,  frei  in  die  Lüfte  aufsteigenden  Hochtheile,  den 
Segeln  eines  Dreimasters  vergleichbar.  Hier  grüssen  den  Nord- 
länder vertraut  zwei  Thürme  mit  durchbrochenen  Helmen  —  ein 
Anblick,  der  ihm  dort  nicht  zum  zweiten  Male  werden  wird  — , 
fremdartiger  ein  ungewöhnlich  breiter  und  hoher  Vicruiigsthurni, 
endlich  im  Osten  eine  Kapelle  von  ähnlicher  Form.  Dnrch  diese 
Theile  wird  der  erste  Eindruck  des  Haue«  bestimmt,  und  die  von 
jeher  ausgesprochene  Meinung,  dass  in  malerischem  Reiz  kein  Kir- 
chenbau jenes  Landes,  wenige  überhaupt,  ihm  gleichkommen '). 

Und  die  freie  Grnppirung  und  Mannichfaltigkeit  der  Formen 
dieser  drei  Gebilde,  welche  die  Gliederimg  des  Unterbaues,  dem 
sie  entsteigen,  ahnen  lassen;  die  hohen  Kronen  jener  Spitxthttrmchcn, 
die  in  ihren  wechselnden  Verschiebungen,  Cyprcssengmppen  ver- 
gleichbar, die  starren  Formen  beleben  und  ihre  Massen  verklingen 
lassen;  die  Achtflüehigkeit,  eine  Form  von  der  Beweglichkeit  der 
Kreislinie,  aber  mit  den  klannarkirten  Wechseln  von  Licht  und 
Schatten,  die  gekrümmten  Flächen  fehlen ;  endlich  eine  Zierlust,  die 
keine  ungeformte  Stelle  Übrig  lässt:  das  ist  wie  ausgedacht  für 
malerische  Wirkung,  und  doch  ist  es  nicht  ausgedacht  worden. 

Keinen  Augenblick  wird  man  sich  besinnen,  dies  alles  der 
Spätzeit  der  Gothik,  dem  XV.  Jahrhundert  zuzuweisen,  derjenigen 
Abwandlung,  die  man  dort,  von  der  Erinnerung  an  Pflanzengebilde, 
den  blühenden  (fiorido)  Stil  nennt. 

Aber  man  würde  sich  täuschen,  wollte  man  hieraus  auf  Alter 
und  Charakter  der  Kirchenanlage  schliessen  *).  Tritt  man  vor  die 
Fassade,  blickt  man  hinauf  zu  den  Pfeilern  und  Gewölben  der  drei 

1)  lTiiie.ii  en  In  hermosnra  <lo  im  vista  exterior,  y  grandeza  del 
crueero.  Florez,  Kspafia  sagrada,  XXVI,  308.  Madrid  1771. 

2)  Wie  man  früher  tliat,  und  auch  jetzt  noch  zu  lesen  ist,  z.  B.  in 
dem  Bnrhe  von  Kdmmido  de  Amitis,  Spagnn.  1873,  p.  8«:  La  chiesa 
appartione  all'  online  gotico,  delf  epoca  del  ltinascimento. 


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Die.  Kölnischen  Meister  an  der  Kathedrale  von  Burlos.  3 

Schiffe,  verirrt  mau  sich  iu  den  Winkel  der  halb  iu  den  Berg  ver- 
grabenen Nordostseite,  so  entdeckt  man  eine  streng  einfache,  ernste 
Construction,  in  den  schlichten  Formen  der  ersten  Hälfte  des  drei- 
zehnten Jahrhunderts.  Was  uns  ans  der  Ferne  von  dem  Bau  eut- 
gegouragte,  das  ist  mehr  als  zweihundert  Jahre,  zum  Theil  viertc- 
halbhuudert  Jahre  jünger  als  der  Plan  des  ersten  Architekten. 
Es  rührt  zumeist  her  von  Künstlern  anderen  Stammes,  deren  erster 
ans  weiter  Ferne  kam,  von  einer  Familie  deutscher,  rheinischer 
Herkunft,  den  Meistern  de  Colonia,  die  in  mehreren  Geschlechtern, 
iu  ununterbrochener  Folge,  an  der  fabrica  der  Kathedrale  den 
obersten  Baupostcn  besessen  haben.  Doch  bevor  man  sich  in  ihr 
Werk  vertieft  (es  ist  fast  das  einzige  was  man  von  ihnen  weiss), 
möchte  man  von  der  Geschichte  dos  Baues  etwas  hören,  dem  sie 
ihre  Lebensarbeit  gewidmet  haben. 

Die  Gründung  der  neuen  Kathedrale. 

Burgos  besass  im  Anfang  des  XIII.  Jahrhunderts  eine  kleine 
romanische  Kathedrale;  Alfons  VI.  hatte  sie  (10%)  au  der  «Stelle 
seines  Palastes,  bald  nach  Verlegung  des  uralteu  Biscbofstnhles 
von  Oca  nach  dieser  Stadt  (1070;  errichtet.  Bei  Umbauten,  im 
Jahre  1862,  hat  mau  noch  Reste  von  ihr,  im  Stil  des  XI.  Jahr- 
hunderts gefunden,  an  der  Stelle  zwischen  der  Kapelle  dol  Santo 
Christo  und  «lein  er/bischöflichen  Palast:  ein  romanisches  Portal;  in 
eiuer  Urkunde  von  1285  wird  dieser  Platz  el  clauntro  viejo  genannt. 
Der  Bau  entsprach  längst  nicht  mehr  den  Begriffen  des  Kapitels 
und  des  Bischofs  vom  Rang  der  Kirche  von  Burlos,  „Mutter  und 
Haupt  der  Kirchen  Castiliens".  Nun  trug  damals  ein  junger  Fürst 
die  Krone,  dem  auch  in  diesen  Dingen  grosse  Entschließungen  abzu- 
gewinnen wareu.  Nach  Heinrich  I.  Tode  (1207)  hatte  dessen  Tochter 
und  Erbin  D*.  Bcrcngaria  (oder  Berengucla),  Gemahlin  des  Königs 
Alfons  von  Leon,  die  ihr  zugefallene  Krone  Castilieus  ihrem  acht- 
zehnjährigen Sohne  Ferdinand  übergeben.  Nach  vorläufiger  Nieder- 
werfung starker  Widersacher,  unter  ihnen  der  eigene  Vater  des 
jungeu  Monarchen,  war  die  staatskluge  und  sehr  thatkräftige  Dame 
darauf  bedacht,  ihrem  Sohn  eine  Königin  zu  sucheu.  Um  die  häu- 
figen Wirren  in  Folge  spaterer  Auflösungen  von  Verwandtenohen 
abzuschneiden,  nach  anderen  iu  Erinnerung  eigener  Jugendneigung 
zu  dem  früh  verstorbenen  Konrad  vou  Rotenburg,  beschloss  sie,  die 
künftige  Beherrscherin  beider  Reiche  im  Ausland  zu  holen.  Die 


4 


Karl  Justi: 


auserwähltc  Braut  war  eine  Prinzessin  deutschen  Stammes,  Beatrix, 
Tochter  des  ermordeten  Königs  Philipp  von  Schwaben  und  der  grie- 
chischen Irene,  also  die  Muhme  Kaiser  Friedrich  II.  Es  war  der 
Bischof  von  Bürgern  (seit  1213),  Mauricio,  von  einem  Nachfolger 
zwei  Jahrhunderte  später  famoxu*  genannt,  der  als  Brautwerber, 
mit  einem  Gefolge  von  drei  hohen  Geistlichen,  -an  den  Hof  des 
Kaisers  in  Speier  abgeordnet  ward  (1211)).  Die  Reise  dauerte  lange, 
von  Mai  bis  /um  November,  weil  Friedrich  vier  Monate  mit  der 
Autwort  zögerte').  Auf  dem  Rückweg,  in  Paris,  veranstaltete  König 
Philipp  August  seiner  Verwandten  glänzende  Feste,  und  gab  ihr  ein 
ansehnliches  Geleit  bis  zur  Grenze  mit.  Am  30.  November  1219 
fand  die  Trauung  in  der  alten  Kirche  vou  Bnrgos  statt.  Am  20. 
Juli  1221  legten  der  23jährige  Ferdinand  und  Bischof  Moriz  den 
Grundstein  zu  der  nueva  obra,  auf  dem  Platz  der  alten  Kathedrale. 
Wie  diese  wurde  sie  der  heiligen  Maria  geweiht,  unter  dem  Titel 
ihrer  Himmelfahrt.  Schon  nach  nenn  Jah  ren  (1230)  konnte  das  Ka- 
pitel den  Chordienst  in  den  neuen  Chor  verlegen.  Mit  dem  Chor,  als 
dem  notwendigsten  Theil,  pflegte  man  den  Anfang  zu  machen.  Der 
König  war  eifrig,  sagt  die  Chronik,  mit  Gold,  Silber,  Juwelen  und 
seidenen  Geweben  Christi  Kirche  zu  schmücken.  Noch  sieht  man 
im  Kreuzgang  zwei  köstliche,  einst  bemalte  Statuen  von  Stein, 
Ferdiuand  der  Beatrix  den  Riug  reichend.    Sie  stammen  wabr- 


1)  Mauricio  wurde  zur  Belohnung  für  die  Reisemühen  von  Ferdi- 
nand III.  zu  Vulladolid  am  22  Juni  1221  mit  drei  Ortschaften  beschenkt, 
für  sich  und  seine  Nachfolger.  Volens  remunerare  labores  multiplices 
venerabilis  patris  praedicti  Maurieii  nunc  Burgensis  Episcopi  quo»  susti- 
nnit  in  eundo  in  Alemaniam,  et  redeundo,  de  inaudato  meo,  et  dnlcissi- 
inne  niatris  meae,  pro  karissinia  uxore,  mea  Regina  Dofla  Beatrice  {Florez 
a.  a.  O.  305).  Hiernach  ist  kaum  denkbar,  dass  Mauricio  von  der  Ge- 
sandtschaft ausgeschlossen  werden  müsse,  wie  Schirrmeister  anf  Grund 
von  Schwierigkeiten  in  der  Datining  der  Heise  fordert  (Geschiebe  von 
Spanien  IV,  MiVi.  Die  Schwierigkeiten  bestehen  darin,  dass  die  Speiersehe 
Chronik  zum  Jahr«'  12U)  die  Anwesenheit  König  Friedrich  II.  in  Speier 
in  der  zweiten  Hallte  des  Februar  bezeugt,  und  zu  demselben  Jahre  der 
spanischen  Gesandtschaft  gedenkt.  Wogegen  Mauricio'*  Unterschrift  in 
königlichen  Urkunden  von»  20.  Februar  (Burgos)  und  15.  Mai  (Toledo) 
vorkommt.  Da  aber  auf  die  Ankunft  der  Beatrix  in  Spanien  ihre  Ver- 
mahlung unmittelbar  gefolgt  sein  miiss,  so  ergiebt  sich  für  die  Heise  des 
Mauricio  jrnnz  natürlich  die  Zeit  zwischen  Mai  und  November,  wo  für  Hiu- 
und  Rückweg  und  den  viermonatlichen  Aufenthalt  in  Deutschland  Platz  ist. 


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Die  Kölnischen  Meister  an  der  Kathedrale  von  Burgon. 


scheinlich  aus  der  Zeit  ihre»  Sohne»,  Alfons  de»  Weisen.  Grosse 
Dinge  waren  damals  im  Werden,  die  Anfänge  der  Kirche  von  Bur- 
gos  sind  mit  ihrer  Erinnerung  verweht.  Während  sonst  schon  der 
Niedergang  der  Kreuzzugbewegnng  begonnen  hatte  (die  mit  der  Ent- 
stehungsgeschichte der  Gothik  ziemlich  parallel  läuft)1),  lebte  hier 
der  Glaubenskampf  mächtig  auf.  Im  Jahre  1224  eröffnete  Ferdi- 
nand III.  den  andalusischen  Krieg,  der  seine  ganze  Regierung,  d.  h. 
alljährlich  die  gute  Jahreszeit  ausfüllte.  Und  während  seine  Mutter 
in  Castilicn  die  Regentschaft  führte,  fielen  die  blühenden  Mauren- 
städte mit  ihren  trotzigen  Alcazars  Schlag  auf  Schlag  in  die  Hände 
der  vordringenden  Race.  Die  Grenzmarken,  die  Ferdinand  der  Hei- 
lige (f  1252)  erstritten,  sollten  mehr  als  zwei  Jahrhunderte  ziemlich 
unverändert  bleiben. 

Die  Kirche  des  Hischufs  Mauricio  ist  die  erste  auf  spanischem 
Boden  in  dem  mittclfranzosischen  Kathcdralcnstil  des  XIII.  Jahr 
hundert»;  das  Signal  gleichsam,  das»  dieser  gothische  Laienstil  die 
Pyrenäen  Uberschritten  hat  und  im  Begriff  ist  sich  eine  neue  Pro- 
vinz zu  erobern.  Ihr  folgte  rasch  Toledo  (1227),  dessen  Grundstein 
ebenfalls  Ferdinand  legte,  und  Leon.  Die  neue  Form  tritt  hier  auf 
ohne  die  Ucbcrgangsbildnngen,  die  man  im  Mutterland  Schritt  für 
Schritt  verfolgen  kann;  auch  so  rein  von  Beimischungen  an  be- 
stehendes Spanisches  oder  Maurisches,  dass  man,  wie  George 
Street  bemerkt*),  sich  hier  nach  Frankreich  versetzt  glauben  kann. 
Nichts  liegt  also  näher  als  die  Vermuthnng,  dass  jene  Reise  des 
Bischofs  durch  Frankreich  im  Jahre  1219  die  Veranlassung  des 
Entschlusses  wo  nicht  zum  Umbau,  doch  zum  Neubau  der  Kirche 
in  dieser  Gestalt  gegeben  hat.  Jedermann  erinnert  sich  hier  der 
Reise  des  Conrad  von  Hochstaden  zum  Lyoner  Concil  (124ö).  Früher 
hat  man  den  neuen  Stil  mit  der  angeblichen  fremden  Herkunft  des 
Prälaten,  englischer  oder  französischer,  in  Verbindung  gebracht;  sie 
wird  schon  von  seinem  Nachfolger  Alonso  de  Oartagcna  im  XV.  Jahr- 
hundert als  Ueberlieferung  erwähnt  (qxiem  ferunt  Anglum  fuuse). 
Allein  nach  den  von  Florez  mitgetheiltcn  Daten  aus  seinem  Vor- 
leben rauss  man  diese  Annahme  aufgeben.    Wohl  aber  darf  man 


1)  Loniit  Oonxe,  L'ait  pothiqu«'.    Parit.,  1891.  p.  4ß. 

2)  G.  E.  Street,  Somc  acoount  of  Gothic  Architeclure  in  Spain. 
London  1869,  p.  16. 


Knr)  Jusli: 


sagen,  ihm  könne  auf  jener  Reise  unmöglich  die  ausserordentliche 
Bewegung  im  Kirchenbanwesen  entgangen  sein,  die  damalH  die  Städte 
den  französischen  Kronlands  ergriffen  hatte,  und  deren  Ergebnis*  jene 
erstaunliche  Zahl  von  Bauwerken  war,  die  selbst  noch  lies  modernen 
Frankreichs  Stolz  sind.  Diese  Bewegung  knüpfte  sich  ja  gerade  an  die 
Errichtung  bischöflicher  Kirchen.  Die  Entzündung  des  Feuers  ging 
von  den  Bischöfen  ans,  aber  es  fand  in  der  vorangegangenen  Pflege 
der  Baukunst  bei  den  grossen  Orden,  in  der  religiösen  Begeisterung 
des  Jahrhunderts,  in  dem  städtischen  Ehrgeiz  reichlichen  Nahrungs- 
stoff.  Kühnheit  und  Eleganz  der  Construction  und  dadurch  befreiter' 
Erfindungsgeist,  Neuheit  und  Frische  der  decorativen  Motive,  Auf- 
schwung des  ausschmückenden  Kunstgewerbes  verband  sich  mit  einem 
Unternehmungsgeist,  der  auf  die  Daner  gleichen  Eifers  bei  künfti- 
gen Geschlechtern  rechnete. 

Die  damals  im  Bau  begriffenen  Kathedralen  befanden  sich  in 
den  versch iedensten  Stadien  der  Ausführung,  einige  der  ersten  Ver- 
suche, mit  uoeb  tastendem  Stilgefühl  konnten  als  abgeschlossen 
gelten:  Noyon,  Laon,  Senlis,  Soissons.  Kühne  (ilockenthflrme  mit 
steinernen  Nadeln  besassen  St.  Denis,  Chartres,  Kouen.  Vor  vier 
Jahren  war  der  Chor  von  Rheims  (begonnen  1212)  eingeweiht  wor- 
den. Andere  hatten  sich  noch  kaum  über  die  Grundmauern  erhoben, 
wie  Bourgcs;  von  Amiens,  dem  Vorbild  des  Kölner  Domes,  ist  erst 
im  Jahr  darauf  (1220)  der  Grundstein  gelegt  worden. 

Wir  kennen  die  Reiseroute  der  Beatrix  von  Schwaben  nicht, 
aber  in  Paris  hat  der  Zug  verweilt.  Von  Notrc  Dame,  1163  von 
Maurice  de  Sully  begonnen,  waren  nach  dem  ersten  Plan  Chor  und 
Langhaus  fast  beendigt  (1220),  und  1218  die  Fassade  in  Angriff  ge- 
nommen worden.  Mauricio  konnte  bereits  die  drei  Portale  aufge- 
mauert sehen,  denn  1223  stand  die  Front  bis  zur  grossen  durch- 
brochenen Galleric,  welche  die  Thürme  verbindet.  Er  mag  hier  an 
die  Enge  und  Kleinheit  seiner  eigenen  Kathedrale  gedacht  haben 
und  die  Vorstellung  ihn  ergriffen,  dass  sein  Name  einst  im  Munde 
nachfolgender  Geschlechter  mit  einem  so  erhabenen  Gotteshaus  ver- 
bunden sein  sollo. 

Die  Kathedrale  von  Burgos  war  also  das  erste  Beispiel  dort 
des  französischen  Kathedralenstils,  —  nicht  des  Spitzbogenstils. 
Dessen  Einführung  war  bereits  erfolgt:  selbst  in  Burgos.  Vor  den 
Thoren  von  Burgos  hatte  Alfons  VIDI.  41  Jahre  vor  der  Grundstein- 


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Die  Kölnischen  Meister  an  der  Kathedrale  von  Burgos. 


7 


legung  der  Kathedrale  ein  Cistercicnserkloster1)  gegründet,  seiner 
Gemahlin  Leonnr,  Tochter  Heinrich  II.  von  England  zu  Liebe.  Das 
königliche  Nonnenkloster  Las  Iluclgas  wurde  schon  1181  bewohnt, 
die  Kirche  1199  eingeweiht;  ihr  Stil  ist  streng  und  schmucklos. 

Wenn  es  der  übermächtige  Einiluss  der  Abteien  gewesen  bt, 
dem  die  französischen  Bischöfe  eine  gleich  starke  Anziehungskraft 
in  ihren  Kirchen  entgegenstellen  wollten,  so  ist  es  ein  merkwürdiges 
Zusammentreffen,  hier  bei  dem  ersten  Schritt  in  Spanien  eine  Ana- 
logie dieses  Verhältnisses  zu  finden. 

Ob  der  Bischof  die  Bildung  einer  Kolonie  der  pariser  Bauhütte 
dort  angeregt,  ob  er  selbst  einen  Werkmeister  mitgenommen  hat,  wird 
wohl  nie  ausgemacht  werden.  Wäre  es  jener  Maestre  Enrique, 
dessen  Tod  im  Jahre  1277  verzeichnet  wird*),  so  müsste  der  Schöpfer 
des  Bauplans  ein  sehr  junger  Mann  gewesen  sein.  Antheil  an  der 
Ausführung  aber  hat  Enrique  gewiss  gehabt.  Er  ist  bekannt  als 
Architekt  der  viel  schlanker  und  luftiger  gebauten  Kathedrale 
von  Leon. 

Die  Formen  von  Burgos  sind  natürlich  altertümlicher  als  die 
der  ungefähr  gleichzeitig  gegründeten  Kirchen  von  Amiens,  Rheims, 
und  entwickelter  als  Notre  Dame,  dessen  Verglcichnng  am  nächsten 
liegt.  Notre  Dame  stand  damals  im  Vordergrund  französischer  Kir- 
chenbauten, alles  bisherige  in  Schatten  stellend.  Unser  Plan  ist  frei- 
lich viel  einfacher.  Das  noch  kriegerisch  harte  Wesen  des  Spa- 
niers verleugnet  sich  hier  nicht:  Fortiter  et  pulchre  construxit  Ec- 
äenüim  Burgemem,  rühmt  das  Chronicon  Tudense  von  Mauricio. 
Der  Chor,  fünfseitig  aus  dem  Zehneck,  hat  nur  einen  Umgang 
und  hatte  einen  Krauz  von  fünf  strahlenden  Kapellen;  das  Langhaus 
drei  Schiffe,  das  Transept  eines.  Aber  an  der  Westseite  erscheint 
doch  die  Signatur  des  Zeitpunktes  der  Notre  Dame- Fassade  nnver- 

1)  Das  Kloster  von  Viruela,  gegründet  1146,  ist  die  alte.ste  Cister- 
cicuserstirtung  in  Spanien.   Die  Kirche  hat  bereit«  den  Spitzbogen. 

2)  Historia  del  Templo  Catedral  de  Burgos,  escrita  con  arreglo  a 
documentos  de  hu  archivo  por  Kl  Dr.  D.  Manuel  Martina  y  Sam,  dig- 
nidad  de  chantre  de  la  misma  santa  iglcsia  mctropolitana.  Burgos  1866. 
Diesem  goldenen  Büchleiu  verdankt  man  die  Mehrzahl  der  auf  die  Bau- 
geschichte  und  das  Personal  bezüglichen  genauen  Angaben.  Vgl.  p.  16, 
182  f.  Eine  Beschreibung  des  Baue«  im  Einzelnen  liegt  nicht  im  Plan 
dieses  Aufsatzes.  Vgl.  E.  Guhl,  Architektonische  Studien  iu  Spanien  in 
O.  Erbkams  Zeit«chr.  f.  Bauwesen,  VIII.  C.  v.  Lützow,  Meisterwerke  der 
Kirchenbaukunst.   Leipzig  1862.   Street  a.  a.  U. 


H 


Karl  J  u  k  I  i: 


kcnnhar.  Die  beiden  Thimngcschossc  mit  den  mächtigen,  langen 
Fensterpaaren  und  dem  Kngclwcrk  der  Hohlkehlen,  scheinen  Notre 
Dame  nachgebildet.  Die  Fortsetzung  der  viereckigen  Form  bis  zu 
den  beabsichtigten  achtflächigen  Pyramiden,  also  ohne  das  schon 
im  romanischen  Stil  eingeführte  vermittelnde  Oetogon  ist  den  Kir- 
chen von  Isle  de  France  eigen.  Die  ThUrme  bekamen  hier  freilieh 
zwei  ganz  ähnliche  Geschosse;  eine  Wiederholung,  welche  der  Ge- 
schmack des  Erfinders  von  Notre  Dame  nicht  geduldet  hätte. 

Am  meisten  hat  der  plastische  Schmuck  des  pariser  Portals  den 
bild frohen  Spanier  angesprochen.  Die  steitucnaufnchmende  Gliede- 
rung der  Thorgewände  setzte  sich  fort  in  den  Fronten  der  vier 
grossen  Strebepfeiler  mit  ihren  beiden  Reihen  Statuen.  Leider  hatte 
das  Eis  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  diesen  Portalen  arg 
zugesetzt,  von  vielen  waren  nur  noch  Trümmer  vorhanden,  doch  Rah 
Ponz1)  noch  bedeutende  Köpfe  (caheza*  gramlioitax).  Um  1700 
(die  Jahreszahl  sagt  genug)  wurde  dann  von  Madrid  aus  eine  noch 
jetzt  die  Fassade  entstellende  Restauration  vorgenommen.  Nur  vier 
alte  Statuen  haben  den  Platz  behauptet:  Ferdinand  und  Mauricio, 
Alfons  II.  und  Asterins  von  Oen.  Dieses  Statuenheer  verbreitet  sich 
hinauf  über  die  Thünne.  Der  italienische  Tourist  vergleicht  sie 
einer  himmlischen  Legion,  die  über  dem  Monument  Wache  halte. 
Sogar  die  Fialen  über  der  Verbindung  der  Sehwihhogen  mit  dem 
Kranzgesims  sind  durch  Engel  ersetzt. 

Auch  Kleinigkeiten  erinnern  an  Notre  Dame,  z.  B.  die  Blcnd- 
rosetten  mit  Dreipass  in  den  Zwickeln  der  Rose  und  der  Fenster 
unter  den  Thürinen. 

Anderes  ist  vereinfacht,  oder  verrüth  eine  jüngere  Zeit.  Von 
den  durchgehenden  Galerien,  die  bei  Notre  Dame  die  Horizontale 
so  stark  betonen,  ist  nur  die  Statuengalcrie  des  Mittelbaus  geblieben. 
Sie  stimmt  mit  denen  iti  den  Qncrschiff-Fronten.  In  die  zu  Paris 
ganz  einfachen  Steinringe  der  Fenster  ist  ein  Vierpass  gesetzt.  Die 
Fenster  des  hohen  Chors  haben  eine  Form,  ähnlieh  der  an  der 
Galerie  der  Fassade  von  Amiens  (1230 — 40). 

Alonso  ron  Cartagena. 

Im  XV.  Jahrhundert  wurde  in  Burgos  angenommen,  die  Ka- 
thedrale, deren  Chor  das  Kapitel  1230  bezogen  hatte,  sei  noch  von 

1)  A.  Ponz,  Viage  de  EgpaAa  XII,  23.   Madrid  1783. 


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Die  Kölnischen  Meister  an  der  Kathedrale  von  Burgos.  9 

dem  Risckof  Manrieio  (f  1238)  bin  auf  die  Thttrmc  vollendet  wor- 
den, was  freilich  eine  Ran/eit  von  nur  siebzehn  Jahren  ergchen  würde. 
Diese  Mciuung  beweist  jedenfalls,  (hm  die  letzten  Arbeiten  damals 
weit  genug  zurücklagen,  um  dem  Gedäehtniss  entschwunden  zu  sein. 
Honorius  III.  ertheilte  1224  einen  Ahlass  für  den  „vornehmen  und 
kostspieligen  Rau4"}.  Möglich  aher  ist,  dass  Kölker  und  Fassade 
schon  im  Lauf  de«  XIII.  Jahrhunderts  bis  auf  die  Plattform  der 
Thllrme  gefördert  worden  sind.  Der  herrliche  Kren/gang  nämlich 
(zu  dem  man  doch  kaum  vor  Vollendung  des  Inneren  geschritten 
sein  wird),  mit  seinen  hochhedeutenden  Statuen,  gehört  dem  XIV. 
Jahrhundert  an,  man  sagt  dort  der  Zeit  Heinrich  II.  (1379—90); 
aher  Street  setzt  ihn  richtig  viel  früher.  1280— 13f>0;  das  ihm  an- 
geschlossene Kapitelhaus  wurde  schon  1316  gegründet.  Sein  reicherer 
Stil  beweist  aher,  dass  im  XIV.  Jahrhundert  auch  dort  jene  schlich- 
ten Formen  nicht  mehr  im  GebPanchc  waren. 

Kine  neue  Bewegung  kam  in  die  Baulust  der  Prälaten  nm  die 
Mitte  des  XV.  Jahrhunderts,  und  jetzt  wandte  man  sich  der  Aus- 
gestaltung des  Domes  in  verticaler  Richtung  zu.  Hier  war  für 
wirklich  organische  Zusätze  noch  Platz.  Verdricsslich  war,  dass 
eine  Kathedrale,  die  ihre  Stadt  überragend  beherrschen  sollte,  kaum 
aus  der  Umgebung  hervorsah.  Dem  konnte  zunächst  abgeholfen 
werden  durch  den  Ausbau  der  Thürme. 

Der  Mann,  auf  den  die  nun  beginnende,  durch  Berufung  frem- 
der Architekten  eröffnete  Bauperiode  zurückgeht,  war  der  Rischof 
Alonso  de  Cartagena  (1384  f  1458),  eine  der  merkwürdigsten  Er- 
scheinungen spanischer  Prälatur. 

Er  entstammte  einem  alten,  in  Rnrgos  ansässigen  jüdischen  Ge- 
schlecht. Sein  gelehrter  Vater,  der  sich  zum  Stamme  Levi  rechnete, 
hatte,  im  Forschen  über  Jcrcmiä  31,  die  Göttlichkeit  des  Neuen 
Rundes  mit  dem  ins  Herz  geschriebenen  Gesetz  erkannt  und  im 
vierzigsten  Lebensjahre  mit  den  Seinigen  die  Taufe  empfangen  (1390). 
Hierbei  nahm  er  den  Familiennamen  de  Santa  Maria  an,  und  als 
Wappen  die  (in  der  Folge  an  des  Baues  höchsten  Theilen  prangende) 
silberne  Lilie  im  grünen  Feld;  als  Taufname  aber  Paulus,  denn 
Paulus,  sagte  er,  hat  mich  zum  Glauben  bekehrt.  Ein  hinreissender 

1)  Cum  igitur  burgensis  ecclesia  struetura  nobili  et  adeo  suuiptuosa 
consurgat,  ut  ad  eius  consummationem  ipsius  non  suppetant  facultate»  etc., 
bei  Martine*  16. 


10 


Karl  J  n  n  t  i : 


Prediger  (vor  dem  Pabste  zn  Avignon),  durch  »ein  tscrtitinium  *cri- 
pturarum  ein  noch  in  «Jen  Tagen  des  Tridentiuer  Concils  hervor- 
gezogener, hochgeschätzter  Polemiker,  lenkte  er  die  Aufmerksam- 
keit Heinrich  III.  auf  »ich  und  erhielt  daR  Bisthuni  Cartagcnn  (1402); 
seitdem  nahm  die  Familie  den  Namen  de  Cartagena  an.  Sterbend 
bestimmte  ihn  der  Monarch  zum  Arcliicanecllarius  des  Reichs,  damit 
er  die  Erziehung  de»  unmündigen  Johann  IL  leite;  er  gewann  Ein- 
fluss  auf  die  Staatsgeaehäfte,  und  bahnte  »ich  so  den  Weg  zum  Stuhl 
von  Burgos  (1415). 

Sein  zweiter  Sohn  Alonso  war  bei  der  Taufe  zwei  Jahre  alt. 
Er  erhielt  eine  humanistische  Bildung  (er  veifasste  später  eine  glos- 
»irtc  Ucbersetzung  von  Schriften  SenccaV);  als  Jüngling  fertigte  er 
bereit»  Rechtsconsulten  aus.  Der  82jährige  Deehant  von  Scgovia 
und  Santiago  sa&s  im  Küthe  de»  König»  und  wurde  mit  staatsmän- 
nischen  Sendungen  betraut,  z.  B.  df?u  Frieden  mit  Portugal  zu  unter- 
handeln (1422 — 24).  Der  Hof  Juan  II.  war  eine  Akademie  von 
Scheingeistern,  dort  fanden  die  mächtigsten  Grossen  de»  Reichs  Müsse, 
eine  neue  Kunstdichtnng  zu  pflegen,  die  bei  aller  Ucberepanntbcit 
und  Spitzfindigkeit  doch  »panisch  war  in  Sprache  und  Veranlass. 
Wir  finden  da  neben  einem  Marques  von  Sautillana,  Juan  de  Mena, 
und  seinem  Verehrer  und  Freund  Fernan  Perez  de  Guzman  uusern 
Alonso  in  der  ersten  Reihe  der  Poeten  des  Caneioncro  general.  Er 
hat  auch  staatsrechtliehe  nud  historische  Arbeiten  verfertigt:  eine 
Vindication  der  Ansprüche  Castilien»  auf  die  Canarien  und  Marokko 
gegen  Portugal ;  dem  Kapitel  aber  widmete  er  kurz  vor  »einem  Tode 
einen  Abriss  der  Geschichte  Spaniens,  vom  ersten  Gothenkönige  an. 
Sie  sollte  die  Mitte  halten  zwischen  Genealogie  und  Geschichte,  mit 
synchronistischen  Angaben  der  Pabste,  Kaiser  und  Konige  von  Frank- 
reich; bei  jedem  spanischen  Monarchen  wurde  dessen  bildliche  Dar- 
stellung angegeben  und  die  Berühmtheiten  der  Zeit  als  Köpfe  bei- 
gesetzt l).  Kurz,  Don  Alonso  war  einer  jener  universellen  Menschen, 
welche  dem  XV.  Jahrhundert,  nicht  bloss  in  Italien,  eigen  sind. 


1)  Da«  eigentlich  „Genealogie«  Rcgum  Castellae  et  Leonis  arbor" 
betitelte,  gewöhnlich  Anacephalaeoms  genannte  Werk  »tobt  in  A.  Schott'« 
Hispania  illustrata.  Frankfurt  1B03.  I.  p.  247.  At  «|Uia  imagiuee  rerum 
tnrtius  memoriam  coadiuvant,  <|Uatn  nuda  Mcriptura,  Hege»  ipsos  congruo 
arboris  loco  depingi  feci  in  rei-ta  linea  Bcgibus  solis  depicti»:  in  mar- 
ginibuH  voro  aliquibu«  alii.s  quorum  .strenuitas  non  ab  re  iuxta  Reges 
collocari  petebat,  per  aola  capita  figuratis. 


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Die  Kölnischen  Meister  an  der  Kathedrale  von  Burgos. 


11 


Bald  erbielt  er  Gelegenheit,  sein  Licht  auf  der  grüßten  Bühne 
leuchten  zu  lassen.  1434  wurde  er,  nach  dem  Tode  de«  Cardinais 
Carrillo,  der  Gesandtschaft  /um  Coueil  von  Basel  beigesellt,  und  zu- 
■  gleich  mit  einem  Auftrag  an  Kaiser  Albrecht  III.  (in  Prag)  ab- 
geordnet. In  Basel  stritt  er  mit  Erfolg  für  den  Vortritt  des  spani- 
schen Gesandten  gegen  den  englischen.  Acucas  Sylvins  nennt  ihn 
„die  Wonne  Spaniens"  und  „die  Zierde  der  Prülatur",  vor  allen 
ragend  in  Klugheit  und  Wohlredcnheit.  Als  der  Orator  des  Königs 
von  Spanien,  erzählt  er,  das  Wort  nahm  für  die  Oberhoheit  des 
Concihj  über  den  Pabst  (wobei  auch  Aristoteles  ins  Feld  geführt 
ward),  da  hingen  alle  an  seinem  Munde  und  statt  nach  Schluss  der 
Rede  begehrten  sie  deren  lange  Fortsetzung.  Eugcu  IV.  gewann 
in  der  Folge  eine  hohe  Meinung  von  ihm,  ja  wenn  man  der  Chronik 
Johann  II.  glauben  dürfte,  sollteu  dem  Pabst,  als  er  vom  Kommen 
Don  Alonso's  hörte,  die  Worte  entfallen  sein:  „er  würde  sich  schämen, 
auf  dem  Stuhl  Petri  nieder/usitzen,  wenn  der  Bisehof  von  Burgos 
daneben  stünde"  ').  Florez  (S.  301)  glaubt,  der  Abschnitt,  wo  dieses 
steht,  rühre  von  Juan  de  Meua  her.  Sein  Biograph  Hernando  de 
Pulgar  sagt  von  ihm:  er  sprach  wenig  und  gewählt  und  war  sehr 
reinlich.  Seiue  Erscheinung  war  ehrfurchterweekend,  kein  unziem- 
liches Wort  wagte  sieh  in  seiner  Gegenwart  hervor*). 

Meister  Hans  von  Köln. 

Als  der  Doctor  und  Dechant  von  Santiago  schon  nach  dem 
Concil  unterwegs  war  (1435),  cntschloss  sich  sein  83 jähriger  Herr 
Vater,  auf  den  Krnmmstah  zu  verzichten ;  der  König  bestimmte  den 
Sohn  zum  Nachfolger.  Als  Bischof  also  sollte  er  die  Vaterstadt 
wiedersehen.  Und  da  man  ihn  später  als  eifrigen  Bauherrn  kennen 
lernt,  so  darf  man  glauben,  dass  er  auch  auf  seiner  Reise  in 
Deutsehland  den  Kirchengebäuden  besondere  Aufmerksamkeit  ge- 
schenkt hat,  und  bei  den  schönen  durchbrochenen  Helmen  von  Frei- 
burg und  Basel  (der  nördliche  war  schon  vorhanden)  an  seine  Kirche 
gedacht  hat,  deren  Antlitz  nun  mehr  als  zwei  Jahrhunderte  baarhaupt 
zum  Himmel  schrie.    Dass  er  kunstfertige  Meister,  und  darunter 


1)  Por  cicrlo  quo  «i  ol  obispo  de  Alonso  de  Burgos  eu  nuestra 
Corte  viene,  con  gran  vergüenza  nos  asentaretuos  en  la  silln  de  8.  Pedro. 

2)  Hernando  de  Ptdgar,  D«  los  claros  varoues  de  Espana.  In  deuten 
Epistolae,  Amsterdam  1670.    „Todos  se  honeatoban"  p.  271. 


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12 


Karl  Justi: 


den  Kölner,  von  der  Concilfahrt  mitgebracht,  ist  allerdings  nur 
üehcrlicfcrung.  Im  alten  Kapitclsanl  «teilt  es  indes«  nntcr  Keinem 
Bildnis» ').  Solche  Notizen  wurden  hei  der  Erneuerung  dieser  bischöf- 
lichen Portraitgalleric  ( 171 1 — 12)  von  Kanonicis  und  Archivigten  auf-' 
gestellt.  Ueber  den  Ausbau  der  Thürnie  enthält  das  Kapitelarehiv 
keine  Akten,  da  der  Bischof  selbst  die  Kosten  bestritten  hat.  In 
jenem  „Stammbaum"  giebt  er  als  Anfangsjahr  1442  an,  zwei  Jahre 
nach  seiner  Rückkehr*).  1447  gewährte  Nicolai»  V.  eine  Ablass- 
bnllc.  Juan  de  Colonia  wird  im  siebten  Jahre  des  Raucs  (1449) 
/um  ersten  male  (als  Zeuge)  genannt  und  im  zwölften  als  maetfro 
de  /<w  obra*  der  Kathedrale.  Dass  er  die  Thurmhelme  nicht  bloss 
beendigt,  sondern  auch  entworfen  und  begonnen  hat,  darauf  führt 
schon  der  Stil,  der  nach  Deutschland  weist.  Die  Verbreitung  der 
Angehörigen  der  Kölner  Domhanhütte  nach  Norden  und  Süden  ist 
bekannt;  Rnrgos  aber  ist  wohl  die  letzte  Mark  Köluischer  Macon- 
nerie,  der  äusserste  Punkt  im  Westen,  bis  zu  dem  der  Dom  des  hei- 
ligen Köln  seinen  Kiescnschattcn  erstreckt  hat. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  Helme  von  Anfang  an  be- 
absichtigt waren;  das  starke  Strebe  werk  der  Thnrmgcschossc  kündigt 
sie  deutlich  genug  au  8).  Man  wird  sieh  aber  diese  geplanten  Helme 
des  XIII.  Jahrhunderts  natürlich  anders  vorzustellen  haben  als  die 
jetzigen,  etwa  nach  dem  Muster  des  alten  Thunues  von  Chartres, 
oder  des  abgebrochenen  der  Stiftskirche  von  S.  Denis.  Durch- 
brochene Helme  sind  erst  gegen  Sehluss  des  XIII.  Jahrhunderts  auf- 
gekommen, im  gross ten  Maassstab  aber  und  mit  völliger  Beseitigung 
der  Flächen  in  Deutschland  ausgeführt  worden.  Sic  waren  das  Er- 
gebnis des  sich  nie  genügenden  Dranges  nach  Leichtigkeit  und 
des  Grundsatzes,  solche  gegen  das  Leere  absetzenden  Thcilc  mit 
Baugliedern  zu  bekrönen,  die  einen  Uebergang  aus  dem  Vollen  ins 


1)  Truxo  sigo  maestros,  qne  acabaron  In«  pirämides  de  esta  iglesia. 

2)  Turres  duae  principales  quae  sunt  in  porta  quam  vocant  regia, 
tion  fucrunt  tunc  ex  toto  Hnitae,  sed  post  anno  Domini  1442°,  220°.  post- 
quam  ineeptn  l'uerat  aedifienri  ecclesia.  In  cadetn  lere  die  coepit  conti- 
nuare  aedifieium  illarum  turrium  Alphonsiin  Kpiscopus  Imius  nominis  II., 
qui  hodie  per  divinam  misericordiam  sedet,  et  cum  divino  auxilio  opu« 
hoc  facit  continuari  (1466).   Schott  a.  a.  0.  cap.  83,  282. 

8)  Man  hat  dem  Johann  auch  die  Untergeschosse  zugeschrieben, 
aber  Einzelheiten  späteren  Gepräges  können  von  einer  damals  vorge- 
nommenen Restauration  herrühren. 


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Die  Kölnischen  Meister  an  der  Kathedrale  von  Burgos. 


13 


Leere  vorstellen.  Ueber  einem  offenen  Glockenhaus  wäre  die  ge- 
schlossene Pyramide  ein  Rückgang  gewesen.  In  diesen  höchsten 
Spitzen,  aus  weiter  Ferne  auf  dem  Grund  des  offenen  Himmels  lili- 
granartig  .sich  abzeichnend,  sollte,  wie  Florez  sagt,  der  Bau  sich 
in  die  Lnft  aufzulösen  scheinen.  Eine  Ballade  preist  die  ThOrmc 
von  Bnrgos,  durch  welche  die  Sterne  flimmern. 

Der  Kölner  hatte  gewiss  gern  ein  vermittelndes  Octogon  ge- 
gegeben, aber  dazu  war  es  zn  spät,  er  begnügte  sich  mit  einem 
von  unten  kaum  bemerklichcn,  achteckigen,  2,80  cm  hohen  Tambour. 
Indes»  hat  diese  kunstlose  Verbindung  der  aehtseitigen  Pyramide 
mit  dem  Dreieck  den  Gesaiumteindruck  nicht  beeinträchtigt.  Das 
Viereck  giebt  den  Eindruck  der  Festigkeit,  die  dem  Octogon  weniger 
eignet,  und  die  Kckthflrmchen  kommen  in  ihrer  tlaukireuden  Funk- 
tion besser  zur  Geltung. 

Der  Anfang  wurde  gemacht  mit  dem  südlichen  Helm,  am 
1«.  September  1442.  Don  Alonso  hat  die  Vollendung  des  nördlichen 
(4.  September  1458)  nicht  mehr  erlebt,  die  aber  nur  zwei  Jahre 
seines  Nachfolgers  in  Anspruch  nahm.  Ihre  Höhe  beträgt  dreihundert 
Fuss,  —  ungefähr  das  Längeumass  der  Kirche.  Man  kann  sie  als 
verkleinerte  Nachbildungen  der  Kölner  betrachten,  deren  Aufrisse 
dem  Meister  gewiss  bekannt  waren;  au  dem  kölner  Südthurm  hat 
er  ja  wohl  mitgeholfen.  Die  durchbrochenen  Füllungen  der  Fassetten 
(55  cm  dick)  ebenso  wie  die  Krabben  der  Kanten,  sind  derb  genug; 
letztere  z.  B.  zwei  Fuss  laug,  aber  zur  Entlastung  oben  ausgehöhlt 
und  mit  Cauälchen  für  das  Regenwasser  versehen.  Dadurch  ge- 
wann mau  eine  klare  Feimvirkuug  der  Silhouette  und  trug  den 
zerstörenden  Einwirkungen  von  Eis  und  Sturmwind  Rechnung.  Und 
so  haben  diese  luftigen  Steingebilde  fast  fünftehalb  Jahrhunderte 
Stand  gehalten,  während  tiefer  gelegene,  massivere  Theile  vom  Un- 
wetter herabgerissen  wurden.  Erst  H592  und  1749  (und  jetzt)  sind 
Ausbesserungen  nöthig  geworden;  aus  dieser  Zeit  stammen  die 
eisernen  Klammern. 

Der  rheinische  Meister  berücksichtigte  den  dortigen  Geschmack. 
Ein  eigentümlicher  Zug  der  gothischeu  Ornamentik  dieser  Zeit  ist 
die  den  Arabern  entlehnte  Verwcrthnng  von  Inschriften  als  Orna- 
mentmotiv. Die  schöne  eckige  Mönchsschrift  eignete  sich  hierzu  eben 
so  gut  wie  die  arabischen  oder  kutischen  Charaktere.  An  dem  Mittel- 
bau, wo  ein  Bild  der  Mutter  Gottes  steht,  ist  die  Brüstung  aus  den 
SchriftzUgcn  ftoUra  es  et  frecora  gebildet.    An  der  Westfläche  der 


KatI  Justi: 


beiden  Plattformen  dienen  als  Balustraden  die  ebenfalls  auf  Sta- 
tuen bezüglichen  Worte  GBtcc  Agnus  JDci  und  ]flar  uobiscum.  Iu 
den  letzten  Galerien  unter  den  Thurmspitzen  (arandelax,  Halskrauaeu) 
stehen  die  Monogramme  von  Santa  Maria  und  Jefus. 

Jedennann  fallen  die  stilwidrigen  Spitzen  auf.  Der  englische 
Architekt,  der  gegen  deutsche  Gothiker  immer  etwa*»  hart  ist,  ver- 
fehlt nicht,  sie  dem  Hans  von  Köln  anzukreiden.  Dreihundert  Jahre 
lang  ragten  hier  (wie  seit  Sixtus  V.  auf  den  Imperatoreusäuleii  Korns) 
Statuen  der  Apostel  Peter  und  Paul.  1749  wurde  die  entere  ent- 
fernt; ein  Narciso  Corte*  vollführte  den  halsbrechendcn  Auftrag.  Da- 
mals wurden  die  jetzigen  (7H  Pfund  schweren)  Bleihüte  aufgesetzt. 

Während  jener  sechszelm  Jahre  ist  der  Domwerkmeister  natür- 
lich noch  durch  andere  Unternehmungen  in  Anspruch  genommen 
worden.  Don  Alonso  bat  manche  Kirchen  und  Klöster  seiner  Diöeesc 
neu  gebaut.  Oben  an  steht  die  von  seinem  Vater  als  Grabstätte 
für  sich  und  die  Seinen  begonnene  prächtige  Kirche  des  S.  Paul- 
Klosten,  die  neuerdings  zerstört  worden  ist ').  Wer  eine  gründliche 
ecclesiologisehc  Tour  durch  die  Diöeesc  unternähme,  würde  wahr- 
scheinlich mehr  als  einmal  den  Spuren  des  Hans  von  Köln  begegnen. 

Die  Errichtung  seiner  eigenen  letzten  Ruhestätte  war  es,  worauf 
der  Bischof  vor  allem  Anderen  bedacht  gewesen  war.  Gleich  naeb 
seiner  Rückkehr  von  Basel,  im  Jahre  1440,  überredete  er  das  Ka- 
pitel, ihm  eine  Kapelle  der  hl.  Marina  am  Südtranscpt  als  Baustelle 
zu  überlassen.  Der  Capitelbeschluss  betont  die  Verschönerung  und 
Würde,  welche  die  Kirche  durch  Erweiterung  des,  wie  es  scheint, 
hier  verbauten  Quersehiffs,  durch  freien  Blick  und  Helle  gewinnen 
werde s).  Hier  erbaute  er  in  zwei  Jahren  die  Kapelle  der  Heim- 
suchung Maria.  Schon  1447  und  49  heisst  es,  „hier  sei  das  Grab 
des  Bischofs  gebant,  wenn  es  Gott  gefallen  werde,  seine  Seele  zu 
sich  zu  nehmen"').    In  ihr  wurden  noch  im  vorigen  Jahrhundert 

1)  Ausserdem  S.  Juan  de  Ortega,  ebenfalls  von  seinem  Vater  be- 
gonnen. Kr  gründete  auch  das  Kloster  S.  Ildefonso,  von  Augustineriimen- 
Canonissen.    Florez  p.  35)2. 

2)  Los  dichoH  «eBores  Dean  it  Cabildo  .  .  .  dijieron  «pie  en  «e  l'acer 
In  diclia  capilla  .  .  .  la  diclia  e/rlenia  seria  man  clara  <*  mos  honrrada,  ca 
pnr  ello  «e  ensanchaba  (Acta  capit.  17.  Febr.  1440).  La  cual  (capilla)  daba 
et  da  t/mn  vhta  et  grtmd  claridad  A  la  dicha  e^lesia  (a.  a.  ü.  t>.  Abril 
1442)  Martiiiejs  p.  94  ff. 

3)  24.  Nov.  1447.  l"bi  iam  ae.diticatns  est  loculns,  sen  scpnlcruiii. 
In  der  Fundation.sakte  der  Kapelle  vom  7.  Nov.  1441)  sa^t  er:  Ubi  iam 


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Die  Kölnwehen  Meister  an  der  Kathedrale  von  Bnrgos.  15 

seine  hinterlassenen  Schriften  aufbewahrt.  In  der  Mitte  steht  die 
hohe  Marmortnmba,  mit  Heiligenbildern  in  Nischen,  und  der  edlen 
Schlummerstatuc  des  Bischofs  de  buetui  memoria,  wie  ihn  das  Volk 
nannte,  in  reich  mit  Perlen,  Edelsteinen  und  Bildstickercicn  ge- 
Hchmttcktcm  Poutificale.  Das  edle,  etwas  längliche  und  volle  Oval, 
die  schmalen  feinen  Formen  der  Augen  und  des  Mundes  lassen  die 
Ast  der  damaligen  Bildhauerschule  von  Bnrgos  erkennen. 

Auch  ein  königlicher  Auftrag  wurde  Johann  von  Köln,  freilieh 
ist  ihm  die  Ausführung  nicht  beschieden  gewesen.  König  Heinrich  III. 
besaas  in  der  Nähe  der  Stadt  ein  Jagdschloss,  von  den  färben-  , 
glühenden  Beeten  de*  Gartens  und  Parkes,  der  es  umgab,  Blumen- 
schau  (Mirafloren)  genannt.  Jetzt  sieht  man  hier  nur  Stcingcrölle 
und  Felder.  Sein  Sohn  Johann  II.  schenkte  den  Palast  den  Kar- 
thäusem  und  gründete  die  Kirche  fflr  sein  und  seiner  Gattin  Isabel 
de  Barcelös  Grabmal.  Am  13.  September  1454  legte  Hans  vou  Köln 
den  Plan  der  Kirche  vor.  Er  erhielt  dafür  33;">U  Maravedis  (zehn 
Dukaten).  Jedoch  die  Arbeit  kam  während  der  Wirren  Heinrich  IV. 
ins  Stocken  und  wurde  erst  von  Johann  II.  Tochter  Isabella  der 
Katholischen  (1477)  wieder  aufgenommen.  Nachdem  der  Spanier 
Garcia  Fernande/,  de  Matienzo  ein  Jahr  dabei  beschäftigt  gewesen 
war,  hat  sie  Johanns  Sohn  übernommen  uud  vollendet  (1488).  Die 
einschiffige  Kirche  mit  siebenseitigem  Abschlnss  und  dreizehn  nasen- 
verzierten Gewölbrippen  des  Chors  wird  heute  hauptsächlich  besucht 
wegen  des  königliehen  Doppelgrabmals  von  der  Hand  des  Gil  de  Siloe 
und  des  Altarwerkes.  Diese  überreich  mit  Statuetten  und  Zieraten 
ausgestatteten  Denkmäler  von  sehr  eigenthümlieher  Erfindung  waren 
das  letzte  Wort  gothischer  Bildnerei  in  Bnrgos. 

Der  Yiernngftthnrm  (emeero). 

Zwei  Jahre  nach  Grundsteinlegung  der  Karthauae  starb  Don 
Alonso  auf  dem  Heimwege  vou  einer  Pilgerreise  nach  S.  lago  de 
Compostela.  Ihm  folgte  D.  Luis  Osorio  de  Acufia.  Den  Namen 
Acufia  hat  er  von  seinen  mütterlichen  Vorfahren  angenommen,  ohne 
Zweifel  wegen  des  besseren  Klangs,  denn  die  Acufia  führten  ihren 
.Stammbaum  zurück  auf  Juan  Manuel,  Sohn  Ferdinand  des  Heiligen. 
Ehe  er  in  den  geistlichen  Stand  trat,  war  er  verheiratbet  gewesen, 

monnmentum  lapideum  aiih  quo  corpus  nontram  recondatur  qiiandn  om- 
nipotensDeus  höh  roenre  digitahihir  sculptuin  et  l'abricatum  est.  Ebenda  98. 


Iß 


Karl  Justl: 


sein  Sohn  ist  jener  Bischof  von  Zamora,  Antonio  de  Acufta,  der  im 
Aufstaud  der  Geniciiien  eine  verhängnissvolle  Rolle  spielte  nnd  we- 
gen Mords  des  Castellaus  von  Simancas  am  23.  Mär/.  1Ö26  auf 
Befehl  des  Kaisers  erdrosselt  wurde.  —  Der  vornehme,  freigebige 
Herr  wollte  hinter  seiucm  Vorgänger  vom  Stamme  Levi  im  Aufwand 
für  seine  Kirche  nicht  zurückbleiben,  und  er  hatte  Zeit,  denn  er 
regierte  fast  vierzig  Jahre. 

Das  grossartige  Unternehmen,  welches  die  gauze  Regierungs- 
zeit  AcnQa's  ausgefüllt  hat,  ein  Werk,  das  an  Kühnheit  und  Reich- 
thum jene  Thnrmhelme  noch  hinter  sich  zurtlckliess,  war  die  Er- 
richtung des  grossen  Vierungsthurms  {('imborio  oder  Crucero).  Bis- 
her fehlte  es  über  die  Zeit  seiner  Errichtung  au  bestimmten 
Nachrichten.  Der  bestunterrichtete  Mann  in  der  Geschichte  der 
Kirche  hatte  mir  festgestellt,  dass  die  Kathedrale  bis  auf  diese  Zeit 
keinen  Ciuiborio  besessen  hatte  und  das»  dieser  am  Ende  des  Jahr- 
hunderts-von  D.  Luis  erbaut  worden  war.  Zu  derselben  Zeit  also 
wie  der  herrliche  normannisch -gothisehe  Thurm  von  S.  Oueu  in 
Ronen.  Es  ist  aber  eine  Notiz  vorhanden,  nach  «1er  der  Bcginu 
früher  anzusetzen  ist,  wahrscheinlich  in  sofortigem  Anschluss  an 
die  Vollendung  des  nördlichen  Fassadcnthurms.  Diese  Notiz  findet 
sich  in  dem  Reisebericht  des  böhmischen  Edlen  Leo  von  Rozuiital, 
der  im  Jahre  14(56  nach  Burgos  kam:  hier  heisst  es:  Diesem  Heilig- 
thum sind  zwei  zierlich  aus  Quadersteinen  aufgeführte  Thümie  an- 
gefügt, der  dritte  wurde,  damals,  ah  wir  dort  waren,  erbaut1). 

Hieraus  ergiebt  sich  aber  weiterbin,  dass  es  Haus  von  Köln 
uud  nicht  sein  Sohn  und  Nachfolger  gewesen  ist,  der  den  alten 
Crncero  entworfen  hat  uud  ziemlich  weit  gefördert  haben  muss,  denn 
er  stand  dem  Bauwesen  der  Kathedrale  zur  Zeit  Acunas  noch  vier- 
undzwanzig Jahre  vor. 

Der  Gedanke  des  Bisehofs  war  ohne  Zweifel  ein  glücklicher. 
In  den  Augen  der  Kenner  des  nationalen  Kirchenbaus  fehlte,  ohne  den 
Crucero,  dem  Stolz  von  Burgos  noch  ciu  wesentlicher  Theil.  Dem 
Erbauer  liel  also  der  Ruhm  zu,  der  nunmehr  dritthalhlumdcrtjälirigcn 
Baugeschichte  erst  ihren  bekrönenden  Abschluss  gegeben  zu  haben. 


\)  Jluie  (fano)  adinnetae  sunt  dna«  turres  eleganter  ex  lapide  o,ua- 
drato  extruetae,  teriia  mm,  cum  il»i  esseuitis,  aedilicaliatur.  Des  böhmi- 
schen Herrn  Leo  von  Konnatal  Hilter-,  Hof-  und  Pilgerreise  durch  die 
Abendlande,  14G5— 14<TT.    Stuttgart  1844,  S.  1<»4 


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Die  Kölnischen  Meister  an  der  Kathedrale  von  Burgos. 


17 


Die  Castilicr  hatten  von  jeher  auf  ihren  Cimborio  ganz  be- 
sondere Stocke  gehalten.  Sie  empfanden  in  diesem  Punkt  wie  die 
Normannen.  Nach  aussen  als  domiuirenden,  mehrstöckigen  Thurm- 
bau,  nach  innen  als  lichtspendende  Laterne.  Die  Kathedrale  von 
Zamora,  die  alte  von  Salamnnca,  die  Colegiata  von  Toro  besitzen 
Cimborien,  die  zu  den  originellsten  tuid  gelungensten  Erzeugnissen 
ihrer  romanischen  Zeit  gehören.  Aussen  herrseht  die  acht-  oder 
seehszelmeckigc  Form,  von  vier  Thürmclien  flankirt;  nur  in  Zamora 
dringt  auch  hier  die  Kuppel  durch.  Im  Innern  erhebt  sich  Uber 
Pendentifs,  auf  kreisförmiger  (Grundlinie  eine  hohe  Trommel  mit 
zwei  Feusterreihen  und  gerippter  Wölbung. 

Nun  ist  bekannt,  dass  sich  die  Gothik,  in  ihrem  Mutterlande 
wie  in  Deutschland,  zunehmend  kühl  zu  diesem  romanischen  Vcr- 
mächtuiss  verhalten  hat.  Die  Kathedralen  von  Isle  de  France  legten 
viel  mehr  Gewicht  auf  die  Fassadenthünne,  der  Mittclthurm  begann 
zu  einem  mageren  Dachreiter  zusammenzuschrumpfen.  Der  erste  Bau- 
meister von  Burgos  hatte,  im  Anschluss  an  Notre  Dame,  keinen 
Vicrungsthnrm  in  seinen  Plan  aufgenommen.  Auch  bei  den  Burgos 
auf  dein  Fuss  folgenden  Kirchen  von  Toledo  und  Leon  fehlt  die 
Laterne,  nicht  zum  Vortheil  ihres  nationalen  Gepräges.  Aber  so- 
bald die  neue  Weise  Wurzel  gefasst  hatte,  das  eigene  Gefühl 
wieder  zum  Wort  kam,  kehrten  auch  ihre  Gothiker  zu  dem  lieb- 
gewonnenen Zug  zurück.  In  den  Anfang  des  XV.  Jahrhunderts 
(1404)  fällt  das  „Lichtbad"  der  Kathedrale  von  Valencia,  wo  die 
gothische  Auflösung  der  Wandflächen  in  Fenster  kühu  auf  den  Cru- 
cero  Übertragen  ist.  Alabasterplattcn  schliesscn  die  Üeftuungeu  der 
zwei  Ringe  von  sechzehn  Fenstern. 

Es  war  nicht  blos  Anhänglichkeit  an  das  Hergebrachte.  In- 
dem der  romanische  Vierungsthurm  die  schlanken  Thannpaare  an 
den  Chören  oder  am  Querhaus  wie  Vasallen  um  sich  schaart,  giebt  er 
dein  reiebeu  Ganzen  einen  wirksamen  Mittel-  und  Gipfelpunkt.  Und  wo 
er  im  Innern  als  Laterne  den  unschätzbaren  Eintritt  eines  höchsten 
Oberlichts  vermittelt,  setzt  er  auch  hier  dem  Uebergewieht  der 
Längenachsc  einen  centralen  Zug  ausgleichend  entgegen,  oder  besser, 
betont  diesen  schon  durch  die  Kreuzform  in  die  Basilika  eingeführ- 
ten Zug. 

In  der  That,  was  wäre  die  Kathedrale  von  Burgos  ohne  ihren 
Crncero.  Grade  nach  der  Aufführung  des  mächtigen,  den  Körper 
der  Kirche  erdrückenden  Westthunupaares,  machte  sich  das  Fehlen 

Jahrb.  d.  Ver.  v.  Altorlhafr.  Im  Khcinl.  XCIll.  2 


18 


Karl  Just'i: 


eines  ausgleichenden  dritten  Thurnies  an  dieser  Stelle  empfindlich 
bemerkbar.  Wie  die  normannisch-englischen  Kathedralen  verdankt 
sie  ihm  die  imposante  Harmonie  ihres  Aufbaues. 

Und  so  erklärt  sich,  dass  mau  noch  in  späten  Zeiten  — 
gleichsam  vor  Thorschluss  —  zu  einem  so  eingreifenden  Neubau 
sich  entschloss.  Der  verantwortliche  Meister  fand  sich  freilich  in 
einer  schwierigen  Lage.  Sein  Vorgänger  hatte  die  vier  Pfeiler, 
welche  jetzt  die  Last  des  Crucero  tragen  sollten,  schwerlich  viel 
stärker  gemacht,  als  die  übrigen.  Sollte  er  sie  nun  von  Gruud  auf 
erneuern?  Welche  zeitrauhende,  umständliche  Arbeit  that  sieh  da 
auf.  Wahrscheinlich  rietb  er  dazu;  aber  der  Bischof  hatte  Eile.  Die 
Zeitgenossen  staunten  Uber  die  Kühnheit,  „auf  so  hohe  und  schlanke 
Säulen  eine  Bolche  Masse  zu  stellen"  l). 

Leider  zeigte  sich  schon  nach  einem  Meusehenalter,  dass  er 
den  Pfeilern  doch  zuviel  zngemnthet  hatte.  Schon  1535  erschienen 
bedrohliche  Anzeichen;  die  Meister  nahmen  eine  Verstärkung  (aforrv) 
vor,  aber  der  Archidiaconus  von  Brivicsca,  Juan  de  Leuna,  erklärte 
sie  für  unzureichend.  Damals  stellte  der  Bildhauer  Juan  Villareal 
noch  au  den  Pfeilern  Statuen  der  Evangelisten  und  Kirchenlehrer 
auf.  Ein  Unglücksfall  war  noch  im  Gedächtnis»  aller.  Der  Cim- 
borio  der  Kathedrale  von  Sevilla  war  sogleich  nach  der  Vollendung, 
im  Jahre  1511  zusammengebrochen.  Der  von  Saragossa,  eiue  Grün- 
dung des  Pedro  de  Luna  aus  dem  Anfang  «les  XV.  Jahrhunderts,  war 
schon  1500  so  baufällig,  dass  er  abgebrochen  werden  musste.  Der 
Prior  von  S.  Augustin  zu  ßurgos,  Thomas  von  Villanueva,  soll  die 
Katastrophe  prophezeit  haben.  In  der  Frühe  des  4.  März  1539 
stürtzte  die  Kuppel  ein. 

Wie  sie  ausgesehen  hat,  davon  geben  uoch  einige  alte  Schilde- 
rungen eineu  Begriff.  Sie  war  sehr  hoch  (in  aurus  evexif),  von 
sehr  eleganter  Oonstruction  (affabre  comtruetum),  mit  vielen  Bild- 
säulen verziert  und  mit  acht  Phialen  bekrönt.  Der  Bischof  Kray 
Pascual  de  Ftiensauta  (1497—1512)  nennt  sie  „eine  der  sehöusten 
Sachen  der  Welt".  Im  Protokoll  der  Kapitelsitzung  am  Tage  des 
Einsturzes  heisst  sie  ein  Bau  vou  höchster  Pracht  (el  mmptuoxirimu 
nli'fivio  del  crucero).  Karl  V.  meinte,  sie  sollte  eigentlich  wie  eiu 
Juwel  in  einem  Etui  aufbewahrt  werden  und  nur  selten,  auf  Ver- 

1)  Marlin  nrtifinnn  liilncia,  «jiii  ausi .  sunt  tnntani  molem  medio 
tompli  «|iiadrivio  imputiere,  praesertim  altissiiiu.s  et  gracilibus  fiilciendam 
coluuinis.    Martinez  p.  248. 


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Die  Kölnischen  Meister  an  der  Kathedrale  von  Burgos. 


1» 


langen,  gezeigt;  wie  er  ähnliche«  bei  dem  Glockenturm  Giotto's 
äusserte. 

Man  uiüsste  iu  der  That  die  Kirche  von  Burgos  am  Ende  des 
ersten  Drittels  des  XV.  Jahrhunderts  gesehen  haben,  tun  den  Ein- 
druck ihrer  vollen  Glorie  zu  empfangen.  Damals  stand  das  Innere 
noch  im  DämmerJieht  der  Glasmalereien1),  von  denen  wenig  mebr  übrig 
geblieben  ist,  als  die  Namen  der  damals  herilhmten  Meister,  wie 
Juan  Valdivielso,  Diego  von  Santillana,  beide  besser  aus  der  Ka- 
thedrale von  Avila  bekannt;  vor  allen  des  Niederländers  Arnao  de 
Flandes  (1512—2(3)  mit  seinem  Sohne  Nicolas  de  Vergara,  die  sich 
iu  den  prachtvollen  Fenstereompositionen  im  Transept  des  Doms  von 
Sevilla  ein  Denkmal  gesetzt  haben.  Im  Altarhaus,  dessen  gothische 
Pfeiler  noch  nicht  moderuisirt  waren,  stand  ein  alte«  Chorgestühl,  das 
im  XVI.  Jahrhundert  ins  Schiff  verlegt  und  im  Renaissancestil  er- 
neuert wurde,  wobei  der  freie  Durchblick  in  der  Längenachsc  verloren 
giug.  Wo  jetzt  der  kalte  italianisirende  Riesenretablo  des  Bild- 
haners  Rodrigo  de  la  Haya  (15452—80)  bis  zum  Gewölbe  ragt, 
stand,  deu  Capellenkranz  offen  lassend,  ein  gemaltes  und  geschnitztes 
Altarwerk,  das  den  böhmischen  Reisenden  alle  die  sie  je  gesehen 
weit  zu  übertreffen  schien*).  Alonso  de  Cartageua  hatte  es  1446 
an  der  Stelle  eines  älteren  errichtet. 

Vergleicht  man  aber  die  Schilderungen  des  alten  Crncero  mit 
dem  neuen,  jetzigen,  so  scheint  doch,  dass  jener  im  Wesentlichen 
als  Muster  festgehalten  wurde.  Das  Meisterwerk  des  XV.  Jahr- 
hunderts wiederhergestellt  zu  sehen,  war  vou  Anfang  an  der 
Wuusch  des  Kapitels.  Dennoch  scheint  man  zwischen  Beibehaltung 
des  alten  Plans  und  Aufstellung  eine»  ueueu  geschwaukt  zu  haben. 
Die  Präcedeuzfälle  gingen  auseinander.  In  Saragossa  hatte  man  den 
Crucero  als  zweistöckige  Laterne  wieder  aufgerichtet  (1520);  in 
Sevilla  dagegen  wurde  auf  Kuppel  und  hohen  Thurm  verzichtet. 
Beidemal  nach  Anhörung  der  angesehensten  Kirchenbaumeister  des 
Landes.  Die  decorativen  Einzelheiten  «1er  jetzigeu  Laterne  schliessen 
sich  freilich  dem  inzwischen  zur  Herrschaft  gekommenen  platereskeu 
Geschmack  an,  aber  Plan,  Verhältnisse  und  Construction  zeigen 


1)  Navagero  fand  sie  osctira  «  fredda. 

2)  In  quo  [templo]  tabula  aliari  praotensa,  pulcherrinie  depicta,  et 
artiflclosiswimo  opere  caelata  visitur,  ita  ut  onmes  a  nie  couspectas,  ea  in 
re,  longo  post  se  intervallo  relinquat.   a.  a.  O.  Vgl.  Martiuez,  247. 


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20 


Karl  Justi: 


doch  nichts  von  italienischem  Knppelstil,  hier  wurde  das  Vermächt- 
niss  der  scheidenden  Oothik  tren  festgehalten. 

Aus  der  Mischung  heider  Elemente  nun  entstand  dieser  märchen- 
haft prächtige  Bau  von  180  Fuss  Scheitelhöhe,  der  von  dem  Werk- 
meister Juan  de  Vallejo  während  der  Regierung  des  Cardinais  Juan 
Alvarez  de  Toledo  aus  dem  Hause  Alba  (1539—50)  in  Angriff  ge- 
nommen und  im  Jahre  1568  vollendet  wurde1).  Auch  die  vier 
anstossendeu  Oewölbjoche  mussten  erneuert  werden;  man  erkennt  es 
an  den  geschweiften  Formen  der  Rippendecoration.  Viele  Hanmeister 
uud  Bildhauer  wurden  aufgeboten;  den  Riss  soll  nach  einer  freilich 
nicht  verbürgten  üeberüeferung  der  alte  Philipp  Vigarni  aus  Burguud 
geliefert  haben.  Im  Jahre  1540  erhält  der  entallador  Juan  de 
Langues  (Langres  in  Burgund)  für  ein  Modell  12000  Maravedis. 
Der  Betrieb  zeugt  von  einer  Begeisterung,  die  der  goldenen  Zeit 
de«  XIII.  Jahrhunderts  nicht  nachsteht.  Zufällig  war  gerade  vor 
dem  Unglücksfall  Ebbe  in  der  Kasse,  also  da*»  die  Mittel  kaum  für 
die  laufenden  Arbeiten  ausreichten.  Aber  Domherren  und  Dcchant, 
der  Bischof  und  der  Condestabile,  vor  allen  die  Stadt  wetteiferten 
in  Opferfreudigkeit.  Die  Ucsammtkosten  beliefen  sich  auf  20  Mil- 
lionen 708,500  Maravedis,  was  55,531  Ducaten  von  elf  Silberrealen 
oder  152,710  Francs  gleichkommt. 

Den  Eindruck  des  rein  gothischen  Sterngewölbes  mit  doppeltem 
Strahlenkran/.,  dessen  Rippen  statt  der  Kappen  offene  Steinnuister 
ausfüllen,  vergleicht  Amicis  mit  dem  plötzlichen  Aufstrahlen  eines 
Feuerwerks2).  Die  Wirkung  des  Aeusscren  gewinnt  noch  durch  den 
Schluss  der  Anne  des  Transepts,  der  ans  drei  Spitzbogenöffunugcn 
gebildet  uud  horizontal  abschliessend,  mit  den»  zweistöckigen,  von 


1)  Die  bisherige  allgemeine  Annahme  des  Jahres  1567  ist  von  De- 
metrio  de  los  ttios  in  dem  Werke  E«paBa,  sns  monuuientos  etc.  Barce- 
lona IHK«,  p.  4K«  berichtigt  worden. 

2)  En  levant  la  tete,  on  apereoit  une  espece  de  dorne  forme  par 

1'iiiterieur  de  la  tonr  .   Ost  un  gouffre.  de  seulptures,  d'arabenques, 

de  statnes,  de  cnlonnettoa,  de  nervurcs,  de  lancettes,  d«  pendentif'H  a  vous 
doiinor  le  vertige.  On  regarderait  deux  ans  qu'on  n'aurait  pas  tont  vn. 
CVst  touffn  oomtne  un  chou,  teilest  re  comine  une  Iruelle  a  poisson;  r'est 
gigaute»<|iio  comine  une.  pyramide  et  delicat  comme  une  bowle  d'oreille 
de  femme,  et  l'on  ne  peut  eomprendie  qu'un  semblable  filigrane  pnisse 
se  soutenir  en  fair  dcpuit>  de«  sieeles.  Theophile  Gautier,  Voyage  eu 
Espagne. 


Die  Kölnischen  Meister  an  der  Kathedrale  von  Burlos. 


21 


vier  ThUrmchcn  flankirten  und  von  acht  Phialen  bekrönten  Thann 
für  das  Auge  zu  einem  Ganzen  verschmilzt. 

Der  Bischof  Acufta  hatte  Uber  dem  Bau  des  Crucero  nicht  «eines 
eigenen  Namens  Gedächtnis«  vergessen.  Da  wo  die  Kapelle  der  heil. 
Anna  und  des  heil.  Antolin  stand,  an  der  Nordseite  de»  Langhauses, 
erbaute  er  sich  die  Kapelle  der  Concepcion  fttr  seine  Gruft.  Sie 
übertraf  an  Umfang  und  Pracht  weit  die  gegenüberliegende  Kapelle 
seine«  Vorgängers.  Hier  wurde  geraume  Zeit  nach  seinem  Tode,  in 
Ausführung  der  let7.t willigen  Bestimmung,  das  Grabmal  im  Stil  der 
italienischen  Renaissance  von  Diego  de  Siloc  ausgeführt  (1519). 

Simon  von  Köln  und  die  Conde8tabilc-('apelle. 

Die  Grundlegung  der  Kapelle  des  Bischofs  Aeuna  (1477)  mag 
die  letzte  Arbeit  des  Meister  Hans  gewesen  sein.  1481  ist  er  nicht 
mehr  am  Leben.  Aus  der  Ehe  mit  einer  Spanierin,  Maria  Fernande*, 
hintcrliess  er  sechs  Kinder,  Simon,  Diego  (beide  Architekten),  Fer- 
nando, Leonor  und  zwei  Minderjährige.  Simon  wurde  sofort  vom  Ka- 
pitel zum  ohrero  mayor  der  Kathedrale  ernannt.  Er  hat  sein  Amt 
dreissig  Jahre  lang  bekleidet.  Ihm  fiel  die  Vollendung  des  Crucero, 
der  Capelle  der  Concepcion  und  der  Kirche  der  Karthauuc  zu.  Dann 
aber  wurde  ihm,  sofort  nach  der  Bestallung,  ein  Bau  Ubertragen, 
der,  als  sein  eigenstes  Werk,  seinen  Anspruch  auf  einen  Ehrenplatz 
in  der  Bangeschichtc  von  Bnrgos  uud  seinen  Ruhm  bei  der  Nach- 
welt begründete. 

Damals  lebte  dort  der  alte  D.  Pedro  Fernande/,  de  Velasco, 
Graf  von  Haro,  erblicher  Condeatabile  von  Castilien,  vermählt  mit 
Dona  Meneia  de  Mendoza,  Tochter  des  Marques  von  Santillana. 
Diese  hochgesinnte  Frau  war  die  Erbauerin  des  noch  vorhandenen 
Familieiipalastea,  der  Casa  del  Cordon,  wo  Philipp  der  Schöne  starh, 
und  der  Caaa  de  la  Vega;  ihr  Gedanke  war  es  auch,  im  Bezirk  der 
Kathedrale  eine  Familicnkapclle  zu  gründen,  die  dem  Glanz  der 
Namen  Velasco,  Mendoza  und  Figueroa  (ihrer  Mutter)  entsprechen 
sollte.  Wahrend  der  Abwesenheit  des  Gemahls  erlangte  sie,  am 
1.  Juli  1482,  vom  Kapitel  die  Licenz.  Keinen  geringereu  Platz 
hatte  sich  die  Schwester  des  „Grossen  Cardinais  von  Spanien", 
D.  Pedro  de  Mendoza,  auserschen,  als  den  Ostpunkt  des  Chorum- 
gangs. Hier  stand  die  ehrwürdige  Capelle  des  heil.  Petrus  (1382 
una  de  solempnioribu«  ipsius  eccleniae  capelli*  genannt),  in  die 


22 


Kh  rl  JuMi: 


man  noch  in  jenem  Jahrhundert  den  Chor  hatte  verlegen  wollen; 
hier  war  da»  Grahmal  des  Bischofs  Domingo.  Sie  wurde  nieder- 
gelegt, ebenso  zwei  Häuser,  und  im  Laufe  von  zwölf  Jahren  von 
Simon  die  ueue  Capelle  und  spater  auch  die  Sacristei  errichtet.  Ihr 
Titel,  der  Reinigung  Maria,  erinnert  daran,  dass  dies  auch  die  Stelle 
der  Lady-chapel  in  englischen  Kathedralen  ist.  Don  Pedro  hat 
ihre  Vollenduug  nicht  erlebt,  er  starb,  79jährig,  in  Granada,  kurz 
nach  dessen  Ucbergabe.  Seine  Söhne  D.  Bcrnardino  und  D.  Iftigo 
setzten  das  Werk  fort,  sein  Enkel  D.  Pedro  vollendete  es  und  Hess 
die  Marmorbilder  für  das  Grabmal  in  der  Mitte  aus  carrarischem 
Marmor  in  Genua  herstellen. 

Der  Bau  erhebt  sich,  in  einer  Abweichung  von  der  Längenaxc 
der  Kirche  nach  links,  weit  über  das  Kranzgesims  des  Chors  hinaus, 
mit  seiner  Krone  von  acht  statuenbesetzteu  Fialen,  die  das  Zeltdach 
umschliesscn  und  uberragen.  —  in  unverkennbarem  Anschluss  an 
den  Crucero.  Er  hat  sechzig  Fuss  Durchmesser  im  Liebten,  das 
reichste  Beispiel  jener  grossen  Centraibauten  des  Spitzbogcnstils,  die 
seit  dem  XIV.  Jahrhundert  in  Spanien  aufgekommen  waren,  immer 
als  Auhängsel  einer  vornehmeu  Kirche,  ihres  Kreuzgangs  oder  Altar- 
hauses. Sie  sind  eine  architectonisehc  Besonderheit  der  spanischen  • 
Gothik  ')•  Die  Centralform  liegt  nicht  im  Geist  dieses  Stils,  wo  sie 
bei  selbständigen  Bauten  auftritt,  sind  es  Anpassungen  an  Werke 
der  Vergangenheit,  deren  Grundform  man  pietätvoll  bewahren  wollte. 
Die  Kreisform  musste  dann  ins  Polygon  —  man  nannte  den  Stil  ja 
früher  den  polygonalen  —  Ubertragen  werden.  In  den  ältesten  Bei- 
spielen pflegte  man  durch  Ceberwölbung  der  Ecken  des  quadratischen 
Unterbaues  eine  regelmässige  aebtseitige  Trommel  oder  Sohle  für 
das  Gewölbe  herzustellen;  in  späterer  Zeit  bediente  man  sich  der 
Pendentifs  mit  fächerartigen  Kanälen. 

Das  erste  Beispiel  in  Burgos  und  Vorbild  der  späteren  war 
der  am  13.  September  1316  gegründete  Kapitclsaal  (cabildo  ntteto), 
später  die  Kapelle  der  heil.  Catharina  genannt,  im  Kreuzgang. 
Heinrich  II.  wurde  in  der  Folge  hier  beigesetzt.  Die  Form  war 
wie  vorausbestimmt  für  Grab-  und  Familienkapellen.    Dann  erhob 


1)  Sie  stehen  vielleicht  nicht  ausser  Zusammenhang  mit  deu  orien- 
talischen Kuppeln,  die  man  dort  von  dem  arabischen  Mihrab  der  Moschee 
von  Cordoba  bis  zu  dem  „Salon  der  Medtanaranja*  im  Alcazar  zu  Sevilla 
verfolgen  kann. 


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Die  KölniHchcn  Meister  an  der  Kathedrale  vod  Burgos. 


2A 


sieh  in  der  Mitte  die  Tuniba  der  Stifter,  geräumige  Nischen  ringsum 
waren  vorgesehen  für  die  Dcscendonz.  Auch  die  sclteucn  Rund- 
kirclicu  der  Templer  (in  Segovia;  die  grösste  bei  Thoniar  in  Portu- 
gal) gingen  ja  auf  das  Vorbild  der  heil.  Grabeskirehe  zurück.  Der 
enge  Kaum,  dessen  der  König  wie  der  Bettler  für  den  letzten  Ruhe- 
platz bedürfen,  sollte  diesen  Raum-Nimbus  ausstrahlen,  in  dem  das 
Selbstgefühl  mächtiger  Adelsgesehleehter  sich  spiegelte.  Dass  der 
Kirchenhau  plannlässig  abgeschlossen  war,  galt  als  kein  Hindernis«. 
Wir  sahen  wie  in  Burgos  alte  Kapellen  niedergelegt  wurden,  der 
Kapellenkranz  des  Chors  gesprengt;  die  Kirche  de«  XIII.  Jahrhun- 
derts wurde  der  Kern,  dein  ohne  Rücksieht  auf  die  Verhältnisse 
prachtvolle  Auswüchse  entquollen.  Man  rühmte  es  dort  den  Frem- 
den, dass  fünf  Messen  gleichzeitig  ohne  gegenseitige  Störung  gesun- 
gen werden  könnten '). 

Die  Cathedralc  von  Toledo  besitzt  zwei  solche  Octogonc,  S. 
Ildefonse  und  S.  Iago.  Das  eine  ist  die  Ruhestätte  des  streitbaren 
Cardinais  Gil  de  Allwrnoz,  dessen  Leiche  auf  Gcheiss  Urban  V., 
zum  Dank  für  die  Wiederherstellung  seines  Staates,  auf  Schultern 
von  Viterbo  bis  Toledo  getragen  wurde  (1364).  Das  andere  birgt 
die  schauerliche  Gruft  des  einst  allmächtigen  Ministers  Johann  II., 
D.  Alvar  de  Luna,  1453  auf  dein  grossen  Platz  zu  Valladolid  ent- 
hauptet. Welch  ein  Zufall,  der  hier  die  Erinnerungen  an  einen 
päbstlichen  und  einen  königlichen  Dank  zusammengerückt  hatte! 
Zu  den  letzten  Beispielen  mittelalterlichen  Stils  gehört  die  Capelle 
der  Velez,  errichtet  von  dem  Adelantado  Juan  de  Chaeon  in  der 
Kathedrale  von  Murcia,  und  die  Capeila  imperfeita  König  Emanucls 
von  Portugal  in  der  Kirche  von  Batalha. 

Bankflnstlerisch  betrachtet,  kann  man  diese  Octogonc  als  Weiter- 
bildung des  gothischen  Systems  in  Richtung  auf  Grossräumigkcit 
und  Ranmvereinfachung  betrachten.  Also  eine  Parallele  im  Sinne 
des  Centraibaues  zu  der  Veränderung  der  Basilikaform  in  den  eata- 
lonischen  Kirchen,  wo  ein  einziges  Schiff  die  Abseiten  aufsaugt. 
Wir  hörten  ja,  wie  grossen  Werth  die  Domherrn  anf  enpaewaidat, 
gran  vusta,  yran  rturidad  legten.  Auch  die  Spanien  und  Portugal 
eigenthümlichen  grossen  Hospitäler,  die  um  die  Wende  des  Jahr- 


1)  L'ou  y  chante  la  Messe  eu  cinq  Chapelle*  dinY-reme«,  »ans  ß'iuter- 
rompre  les  uns  le»  antrat.  Mad.  d'Ätänoy,  Relation  du  Voyage  d'Eapagne. 
A  la  Hoye  1692,  I,  121.   (Sie  war  dort  167U.) 


Karl  Junti: 


hundert*  gegründet  wurden  —  in  Granada.  Toledo,  Santiago,  haben 
einen  hohen  Kuppelbau  als  Mittelpunkt,  um  den  vier  Arme  oder 
Säle,  Säulcnhöfc  einschließend,  in  Form  eines  griechischen  Kreuze* 
angeordnet  siud. 

Ausserhalb  der  Halbinsel  haben  diese  Capellen  eine  Parallele 
in  den  Kapitelhäusern  englischer  Kathedralen,  deren  Gewölbe  je- 
doch auf  einem  Centralpteiler  ruhen.  Das  schönste  Beispiel,  am 
Mtlnster  von  York,  macht  hiervon  eine  Ausnahme.  Schon  im  vorigen 
Jahrhundert  sind  englische  Reisende  in  der  Condestabüc-Capcllc  an 
dies  Chapterhouse  erinnert  worden1).  Freilich  hat  es  hölzerne 
Kappen  und  nicht  viel  mehr  als  die  Hälfte  des  Umfangs. 

In  Feinheit  und  Fülle  decorativer  Bekleidung  dürfte  die  Ca- 
pelle Simons  von  Köln  von  allen  ihrer  Art  die  erste  Stelle  ein- 
nehmen. Sie  fiel  in  die  Zeit  der  ornamentlustigen  Abwandlung  des 
Stils.  Der  Italiener  Andrea  Navagcro,  Venedigs  Gesandter  beim 
Kaiser,  nennt  sie  molto  ornata.  Die  colossalen  Wappen  jener  an- 
geschenen Geschlechter  im  unteren  Theil  der  Wandflächen,  diesel- 
ben von  wilden  Männern  und  Pagen  gehalten  vor  den  Brüstungen 
der  grossen  Mauerblendeu  darüber,  sind  Prachtstücke  heraldischer  Sti- 
lisirung.  Hier  hat  Simon  den  Rundbogen  angewandt.  Alle  die 
zahlreichen  Hohlkehlen  der  Dienste,  Fenster,  Gesimse  sind  mit  nntcr- 
höhltem  Blattwerk  gefüllt;  die  Laihnngen  der  mittleren  Xischen- 
bogen  mit  breiten  durchbrochenen  Fransen  besetzt,  zusammengesetzt 
ans  Wappen  haltenden  Figürchen.  Auch  die  Gewölbrippen  sind 
mit  Nasenwerk  gesäumt.  Die  breiten  Doppelfenster  im  Flamboyantstil 
mit  den  diesmal  noch  erhaltenen,  späten  Glasmalereien  ergiessen  eine 
Fülle  von  Licht  über  den  Raum,  und  das  Sterngewölbe  kann  sich 
in  Eleganz  der  Steinstickerei  dem  des  Cracero  an  die  Seite  stellen. 
Street  wollte  in  der  „endlosen  Vcrschlingung  und  Zartheit"  des  De- 
tails einen  deutsehen  Zug  finden*). 

* 

So  hatte  also  der  in  der  goldenen  Zeit  des  gothischen  Baustils 
gegründete  Tempel  noch  spät  durch  Meister  deutscher  Herkunft  einen 

1)  An  octagon  building,  with  eight  pyramids,  which  correwpond 
cxactly  to  the  Chapter-house  at  York.  Suinbunie,  Travels  through  Spain. 
IT,  261.   London  1787. 

2)  His  work  is  essentially  gennan  in  its  endless  intricaey  and  de- 
licacy  of  detail,  a.  a.  0.  21.  Er  schreibt  die.  Capelle  dem  Johann  von 
Köln  zu. 


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Die  Kölnischen  Meister  an  der  Kathedrale  von  Burgos. 


vom  ersten  Erbauer  nicht  geahnten  Ahgchluss  erhalten;  nahe  ihrem 
Ende  hatte  die  Kunst  der  mazoneria  noch  ein  volles  Strnhlcnmccr 
Uber  ihn  ausgegossen.  Die  Steine  haben  jetzt  in  der  feuchten  Luft 
einen  grauen  Ton  angenommen;  in  der  ersten  Zeit  muss  der  Kalk- 
stein von  Ontorin,  der  fast  die  Weisse  des  Marmors  hat,  diesen 
graziösen  Gebilden  des  Meisseis  einen  blendenden  Clan/,  verliehen 
haben1).  In  beiden,  durch  lange  Zeiträume  geschiedenen  Epochen 
ging  die  Initiative  aus  von  gereisten  Prälaten,  —  von  der  Trieb- 
kraft autochthoner  Entwicklung  kann  hier  keine  Rede  sein.  Mau 
hat  gesagt,  die  Geschichte  dieses  populärsten  Bauwerks  des  spani- 
schen Mittelalters  sei  nicht  gerade  schmeichelhaft  für  die  Spanier. 
Wohl  kann  nur  das  ungelehrte  Auge  hier  eine  Xationalschöpfung 
von  Einheit  der  Erfindung  und  des  Gusses  anstaunen.  Aber  Plan 
und  Zufall,  fremde  Form  und  alteingewurzelte  einheimische  Neigun- 
gen sind  doch  zu  einem  gewissen  Einklang  gebracht,  denn  am  Ende 
ist  ja  alles  vom  Bauherrn  einer  Kirche  so  entschiedenen  Charakters 
wie  die  spanische  ausgegangen.  Auch  nach  scharfer  Auseinander- 
Icgnng  heterogener  Theilc  inuss  man  gestehen,  dass  dieses  Ganze 
weder  in  Frankreich,  noch  in  Deutschland  oder  England  möglieh 
gewesen  wäre.  Davon  ganz  abgesehen,  dass  die  Bethciligung  ver- 
schiedener Zeiten  und  Hände  den  malerischen  Reiz  des  Baues  nur 
erhöhen  konnte.  Einen  südlichen  (oder  englischen  V)  Zug  erhält  der 
Anfriss  auch  durch  das  Fehlen  der  hohen  Dächer  tiher  Kapelle, 
Kuppel  und  Lichtgaden.  Sind  diese  niedrigen  Dächer  ein  Ergebnis» 
späterer  Wiederherstellungen?  (Bei  dem  Sturm  des  16.  August  1642 
wurden  sämmtlichc  Fialen  des  Crocero  herabgerissen.)  Schwerlich. 
Eine  französische  Vorliebe  für  die  Horizontale  ist  schon  in  den 
wagerechten  Abschlüssen  der  Fronten  des  Querschiffs  und  des  Mittel- 
baus der  Fassade  bemerklich.  Dnd  nachdem  in  den  Thurmhauben 
die  steile  Form  zum  Wort  gekommen  war,  entsprachen  diese  ilachen 
Zeltdächer  der  beiden  Octogone  dem  Grundsatz  der  Mannichfaltig 
keit.  Die  Wirkung  ihrer  steinernen  Krone  würde  verloren  gehen, 
wenn  sie  dem  Riesen  eines  Hclmdachs  die  Schleppe  hielte. 

Francisco  de  Colonia. 

Die  Geschichte  unserer  Künstlerfamilie  ist  indess  noch  nicht 
zu  Ende. 

1)  Bosarte  meint,  das  Auge  vermöge  hei  Neubauten  nicht  ohne  Scha- 
den auf  diesem  Stein  zu  verweilen.  Viage  artistico.  Madrid  1804.  268. 


Karl  Jnsti: 


Schon  in  Meister  Simons  Tage  fiel  bereits  der  Niedergang  der 
Bauweise,  deren  Meislerschaft  »ein  Vater  die  Berufung  hierher  zu 
verdanken  hatte.  Mitten  in  die  Bewunderung  der  zuletzt  geschil- 
derten Steingediehtc  fiel  beunruhigend  und  erkältend  der  Ruf,  daas 
im  Osten,  in  Rom  andere  Ordnungen  auferstanden,  ja  längst  herr- 
schend seien,  dass  mau  in  Castilien  eigentlich  zurückgeblieben  sei. 
Man  wünschte  nun  auch  solche  moderne  Werke  zu  besitzen,  man 
achtete  es  zeitgemäß»  und  dem  Rang  der  Kirche  de*  Caput  Castellac 
geziemend,  dass  auch  hier  d  lo  romano  gebaut  werde1). 

Als  im  Jahre  1498  Simon  die  künstlerische  Ausschmückung  der 
Rückwand  des  Chors  zu  leiten  hatte,  wurden  die  grossen  Passions- 
reliefs einem  burgundischen  Bildhauer  übertragen,  Philipp  Vigarni 
aus  Langres,  —  dem  ersten  mutmasslich,  der  die  Gepflogenheiten 
der  italienischen  Renaissance  in  Burgos  einführte.  Auch  Simon 
selbst  konnte  sich  dem  Zug  der  Zeit  nicht  ganz  versehliesseu.  Die 
spätere  Ausstattung  der  Condestabile  -  Capelle,  Altarwerk,  Gitter, 
SacristeithUre  gehören  zu  den  ersten  Versuchen  in  der  neuen  Art. 
Burgos  wurde  bald  Hauptpflegestätte  und  Ausgangspunkt  des  pla- 
teresken  Stils. 

In  die  Jahrzehnte  der  Aufnahme  und  des  Siegs  der  Renais- 
sance fällt  nun  die  Amtstätigkeit  des  dritten  und  letzten  der  Co- 
lonia,  Francisco,  der  nach  de*  Vaters  Tode  zu  dessen  Nachfolger 
von  Bischof  und  Kapitel  ernannt  wurde  (am  28.  November  1511), 
zunächst  als  maentro  de  obrax  de  canteria  de  la  catedral.  Er  hat 
die  Stelle  dreissig  Jahre  lang  besessen.  Als  seine  Geschwister  wer- 
den genannt  der  Doctor  Geronimo  und  Isabel  de  Colonia. 

Wenn  er  nun  auch  neben  so  phantasievollen  und  fruchtbaren 
Männern,  wie  jenem  Vigarni,  einem  Diego  de  Siloe,  dem  Eisen- 
künster  Cristobal  de  Andino  zurücktritt,  so  darf  man  sich  doch  nicht 
vorstellen,  dass  in  Burgos  für  einen  Meister  der  Maconnerie,  was  er 
doch  wohl  in  erster  Linie  gewesen  ist,  nichts  mehr  zu  thun  gewesen 
sei.  In  der  Construction  von  Kirchen  und  Kapellen  behauptete  sich 
die  alte  Weise  noch  bis  in  die  Mitte  des  Jahrhunderts.  Wenn  auch 
bei  der  Ausführung  klassische  Glieder  und  Ziermotive  immer  un- 
vermeidlicher wurden,  anfangs  gemischt  und  frei,  dann  auBsehliess- 

1)  Toda  est»  obra  ha  d«>.  sor  del  romano  (Contract  für  das  Grabmal 
AcuBa,  vom  2.  Juli  1619).  Toda  osta  obra  ha  de  ner  lahrada  e  omada 
de  obra  de  romano  (Contract  für  den  S.  Annenaltar  vom  12.  Juli  1522). 
Hier  kann  der  Sinn  dos  Wortes  opua  —  Stil  uicht  angefochten  werden. 


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Die  Kölnischen  Meister  an  der  Kathedrale  von  Burgos.  27 


lieh  and  systematisch.  Ein  Zeugniss  dieses  Fortlebcns  der  Gothik 
neben  ihrer  siegreichen  Erbin  sind  noch  einige  grosse  Kapellen  mit 
Sterngewölben. 

Man  wird  bei  ihnen  die  Hand  des  Domwerkmeistcrs  voraus- 
setzen dürfen.  Mit  ihm  eng  verbunden,  überhaupt  der  Familie 
nahestehend,  war  sein  späterer  Nachfolger,  der  Erbauer  des  neuen 
Vierungsthurms,  Juan  de  Vallejo  (bis  1  f>69),  der  seit  1518  unter 
ihm  als  Steinhauer  (cantero)  erscheint1).  Im  Jahre  1520  stiftete 
der  Domherr  und  Protonotar  D.  Gonzalo  de  Lcriua  die  Kapelle  der 
Con8olacion,  am  südlichen  Seitenschiff;  sein  Denkmal  meisselte  Vi- 
garni.  Die  noch  grössere  Santiagokapelle,  au  der  Südseite  des 
Chorumgangs  halte  der  Regidor  von  Burgos,  D.  Antonio  Melgoso, 
wetteifernd  mit  dem  Condcstabilc,  als  Familienkapclle  geplant  (1520), 
dann  aber  erbaute  sie  das  Kapitel  als  Pfarrkirche  (1524 — 34). 
Francisco*  Name  war  auch  ausserhalb  der  Diöccsc  bekannt.  Im 
Jahre  1540  lief  ein  Brief  des  Bischofs  und  Kapitels  von  Astorga  in 
Leon  ein,  des  Inhalts:  Wenn  eiu  Meister  dieser  heiligen  Kirche  und 
ihres  Baus,  Namens  Colonia,  noch  am  Leben  sei,  so  bäten  sie,  ihn 
herzuschicken,  damit  er  ihre  Kirche  untersuche,  wie  er  sie  schon 
vordem  untersucht  (Martinez  p.  187  f.). 

Merkwürdig  aber  ist  —  obwohl  gar  nicht  ungewöhnlich  in 
dieser  bewegten  Zeit  —  dass  dem  Francisco  auch  ein  Platz  neben 
jenen  Protagonisten  des  platercskcn  »Stils  zugebilligt  werden  kann. 
Zeugniss  dafür  gibt  das  Thor  an  der  Ostseite  des  nördlichen  Quer- 
arms, La  puerta  del  corralejo  (Hof),  oder  de  In  peUejeria  (Kürsch- 
nerei). 

Im  Jahre  1516  hatte  der  prachtliebendc  Bischof  Juan  Rodri- 
guez  de  Fonseca  (seit  1514  in  Burgos)  eine  Aendcrung  im  nörd- 
lichen Eingang  der  Kathedrale  unternommen.  Die  alte  Treppe,  welche, 
den  Zugang  aus  der  oberen  Stadt  vermittelnd,  vom  hohen  Thor  der 
Nordwand  des  Querschiffs  an  der  Futtermauer  des  Innern  herunter- 
führte, hatte  er  zu  einem  decorativen  Prachtstück  umgebaut,  jedoch 
dem  gewöhnlichen  Kirchenverkehr  entzogen.  Für  diesen  bestimmte 
er  die  neu  gebrochene  Thür  an  der  Ostwand  desselben  Querarms 
im  Niveau  des  Bodens  der  Kirche.  Da  seine  Reste  nicht  in  Burgos, 


1)  Im  Jahre  1541  verausserte  er  einige  von  dein  Dr.  Gerönimo 
hinterlassenen  Hauser  in  der  Vorstadt  S.  Coötue,  als  dessen  Testaments- 
vollstrecker. 


- 


28  Karl  Justi: 

sondern  in  der  Kirche  seines  Familicnsitzes  Cocn  ruhen  sollten,  so 
erkor  er  den  weitläufigen  Portalbau  zu  seinem  Gcdächtnissmal 
allliier. 

Dies  Portal  hat  im  Jahre  1516  Francisco  entworfen.  Es  fuhrt 
uns  die  früheste  Phase  des  platoresken  Stils  vor,  die  Fonn  in  der 
sich  die  Spanier  den  Renaissancestil  zuerst  angepnsst  haben.  Es 
besteht  ans  zwei  Geschossen:  der  Thürc,  Hankirt  von  zwei  grossen 
Sänlcn  und  rundgegiebclten  Scitentheilen  mit  Statuen  in  Nischen,  und 
einem  Aufsatz  mit  Bildwerken.  Hier  stehen  zwischen  drei  kurzen 
Dockensäulen  die  Relicftafcln  des  Martyriums  der  beiden  Johannes, 
der  Namcnspatrone  Fonscca's,  darüber  im  Giebel  sieht  man  die 
wohlbeleibte  Gestalt  des  Prälaten  und  Hofdiploniatcn,  kniend  vor 
der  thronenden  Mutter  Gottes. 

Dieser  flachgchaltcne  Autban.  vergleichbar  einem  italienischen 
Altaraufsatz  jener  Zeit1),  ist  nun,  in  all  seinen  Flächen  und  Gliedern, 
Pilastera  und  Fries,  Säulcnschaft  und  Sockel,  übersponnen  mit 
manniehfaltigcm,  gleichmassig  dclicatcni  Ornament.  Die  italienischen, 
lombardischen  Vorbilder  sind  aber  in  sehr  freier  Weise,  mehr  als 
Anregung  der  eignen  Phantasie  benutzt  worden.  Die  Verwendung 
der  klassischen  Motive  ist  ganz  im  Geist  jener  letzten  gothischen 
Spitzenweberei  in  Stein. 

Man  sieht  wohl,  der  Urheber  dieses  sclumcn  Werks  hat  sieh 
bemüht,  die  gothische  Muttersprache  gründlich  zu  verlernen.  Das 
breite  Gebälk  der  beiden  Geschosse  mit  Fries  ist  bestimmt  aufs 
nachdrücklichste  die  Ilori/.ontallinie  geltend  zu  machen.  Gesimse  wer- 
den aus  Eierstab,  Ricfcnlcistc,  Welle  u.  dgl.  umständlich  zusammen- 
bnchstabirt;  die  Säulenkapitälc  sind  frei  korinthisch  und  die  Statuen 
stehen  vor  flachen  Muschelnischen.  Aber  class  seine  Wiege  unter 
dem  Spitzbogen  stand,  kann  er  nicht  verleugnen.  Es  ist  wie  eine 
Interlinearversion  gothischer  Gedanken  in  italischem  Idiom.  Man 
betrachte  nur  diese  tiefeingeschrägten  Thürgewände  mit  den  Figür- 
chen  unter  Baldachinen  in  den  Hohlkehlen.  Der  Palmcttenhalhkreis 
auf  dem  Bogenrtlcken  ist  eine  Metamorphose  der  Kriechblumen,  die 
Wellenvcrzierung  mit  den  Chcrubin  des  Intrados  ist  ein  Ersatz  für 
die  Nasensäume. 


1)  A  pritnera  viftta,  parrce  e«ts  fachada  un  retablo  suntuosisimo 
pegado  ültimamente  A  la  pared.  Madot,  Dictionario  geograf.  Art.  Bur- 
gos  546. 


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Die  Kölnischen  Meister  an  der  Kathedrale  von  Burgos. 


29 


Kurz  der  ncae  Stil  scheint  zuuächst  als  Wechsel  der  Zier- 
sprache Anklang  gefunden  zu  halten,  eine  Wandlung  mehr  des 
Costüms  als  der  Figur.  Aber  in  dieser  von  den  Pedanten  des  Ciu- 
quecento  gcringeachteten  Mischung  des  Alten  und  Neuen,  Ange- 
wöhnten und  Anstudirten  liegt  eher  ein  Reiz  dieser  ersten  „Renais- 
sance", auf  deu  das  folgende  correete,  aber  in  den  Einzclbildungcn 
gleichgültige,  oft  vulgäre  Verfahren  gründlich  verzichtet  hat. 

Das  Fortal  hatte  übrigens  ciue  lange  Geschichte.  Noch  lö.'J2 
werden  Zahlungen  an  den  hmujinano  Bartolome  de  la  Hayn  für 
Bildwerke  und  Wappen  registrirt.  Ks  ist  das  letzte  Lebenszeichen 
der  Colonia  in  deutlicher  Sprache.  Francisco's  Ende  wurde  ver- 
düstert durch  den  Einsturz  des  CVueero,  des  Werkes  seines  Gross- 
vaters und  Vaters.  Er  hat  diesen  Schreck  nur  drei  Jahre  überlebt. 
Bei  den  Berathuugen  Uber  die  Wiederherstellung  inuss  er  uoch  amt- 
lich bethciligt  gewesen  sein.  Der  Gnuidstein  der  vier  mächtigen 
neuen  Pfeiler,  die  RuudthUrnieu  gleichen,  ist  noch  zu  seinen  Leb- 
zeiten gelegt  worden  (C.  Mai  1;*>41).  Er  starb  im  Jahre  1Ö42,  ge- 
rade hundert  Jahre  nach  «lern  Beginn  der  beiden  Thurmhauben 
durch  den  Grossvatcr. 


Während  dieses  Jahrhunderts  eifriger  Bauthätigkeit  und  rasch 
folgender  Wandelungen  der  Knnstformen  haben  also  die  drei  Meister 
den  ersten  Posten  au  einer  der  vornehmsten  Kirchen  des  Reiches 
behauptet,  das  Bauwesen  der  Stadt,  der  Diöecsc  und  Provinz  bc- 
einrlusst.  —  Sie  sind  nicht  das  einzige  Beispiel  dort  von  solcher 
Stetigkeit  der  Vererbung  einer  Kunst  in  eingewanderten  Familien. 
Man  findet  in  derselben  Zeit  an  der  Kathedrale  von  Toledo  die 
Brüsseler  Architektcnfamilic  der  Egas,  und  im  XVI.  Jahrhundert  zu 
Lcou  die  Goldschmicdfamilie  der  drei  Arphc,  die  Deutschland  ent- 
stammten. —  Baulustige  Prälaten,  Fürsten  und  Granden  fanden  in 
ihnen  gewandte  Hände  für  ihre  hochHiegcndcri  Plane;  die  von  Hause 
mitgebrachte  Schulung  hinderte  sie  nicht,  auf  die  nationalen  Ideen 
und  auf  neu  emporkommende  Geschmacksrichtungen  einzugehen. 
Auch  die  Betheilignng  germanischer  Nordländer  an  der  Einführung 
der  italienischen  Renaissance  steht  nicht  vereinzelt:  solche  Einwan- 
derer, die  schon  in  der  dort  Niemanden  erlassenen  Anpassung  au 
fremde  Sprache  und  Sitte  eine  Probe  geistiger  Beweglichkeit  ab- 
legen inussten,  waren  zu  Vermittlerrollen  oft  geschickter  als  die 


30 


Karl  Jnsti:  Die  Kölnischen  Meister  u.  8.  w. 


Eingeborenen.  —  Der  erste,  geschult  in  dem  grössteu  Unternehmen 
des  deutschen  Mittelalters,  hat  die  vom  Rhein  mitgebrachten  Formen 
deutscher  Oothik  auf  deu  seit  langer  Zeit  abgebrochenen  Bau  des 
XIII.  Jahrhunderts  übertragen.  Sein  Sohn  war  ein  Virtuose  des 
reichen  und  blühenden  Stils,  der  uns  Uberall  verkündigt,  dass  wir 
uns  in  der  ritterlich-romantischen  Zeit  Isabella  der  Katholischen  be- 
finden. Wäbrcud  Jobann  und  Simon  diese  mittelalterliche  Kunst 
klangreich  ausläuten,  steht  Franz  unter  den  Ersten,  welche  Spanien 
mit  den  Formen  beglückten,  die  der  Nachahmung  des  Altcrtbnms 
entlehnt,  die  Sprache  der  folgenden  Jahrhunderte  werden  sollten. 

Unbekannt  in  ihrem  Vaterland,  in  Castilien  gewiss  sehr  bald 
völlig  hispaoisirt,  auch  dort  bald  vergessen,  sind  ihre  Namen  erst 
aus  den  Akten  eines  Kireheuarehivs  wieder  zum  Vorschein  gekom- 
men, ihre  Persönlichkeit  kann  für  uns  keine  Gestalt  mehr  gewinnen. 
Aber  ihre  Handschrift  ist  deutlich,  — 

Mein  Ruf  sind  Felsenhieroglyplien  — 

Möchten  diese  Urkunden  ihres  Daseins  noch  lange,  mit  dem 
erhabenen  Bauwerk  dein  sie  ihr  Leben  geweiht  dauern,  trotz  der 
unerbittlichen  Zeit,  der  Gleichgültigkeit  der  Menschen  und  deu  zer- 
störenden Springfluten  von  Aufruhr  und  Krieg. 


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2.  Funde  in  Köln. 


Von 
A.  MI  na. 


(Hierzu  Taf«>l  V.) 


Bei  Herstellung  der  Gasleitung  in  der  neu  angelegten  Häudel- 
strasse  (einer  südlichen  Sdtcnstrasse  der  Aacheucrstrassc)  sticsscu 
die  Arbeiter  zu  Ende  Oktober  v.  J.  auf  sehr  ansehnliche  Reste  eines 
römischen  Mosaik-Fussbodcns,  welcher  zu  den  bedeutenderen  Kunden 
dieser  Art  auf  kölnischem  Boden  gehört.  Leider  war  mau  beim 
Graben  des  Gaskanalcs  so  unvorsichtig  vorgegangen,  dass  wichtige 
Theile  des  Mosaiks  zerstört  wnrden  und  eine  Reconstrnction  des 
Gesammtmusters  nicht  mehr  möglich  ist.  Doch  blieb  das  Haupt 
stück,  eine  grosse  achteckige  Rosette  von  ungefähr  l1/»  m  Durch- 
messer, von  einzelnen  Sprüngen  und  Beschädigungen  an  den  Kanten 
abgesehen,  unversehrt.  Die  Mitte  derselben  bildet  ein  achteckiger 
schwarz  konturirter  Stern,  gelullt  mit  konzentrischen  Kreisen  aus 
rotheu,  gelben  und  weissen  Tbonwflrfeln,  sowie  blauen  und  grünen 
Glaspasten.  Ringsum  zieht  sich  ein  breites,  doppelt  verschlungenes 
Wellenband,  aus  schwarzen,  rothen  und  gelben  Würfeln  zusammen- 
gesetzt. Die  rothe  Aussenborde  zeigt  zierliche  blaue  Blumen,  welche 
durch  einen  braunen  Streifen  verbunden  sind.  Die  Füllung  zwischen 
den  einzelnen  Ornamentbändern  ist  gelblich  weiss.  An  vier  Kanten 
dieser  Mittelrosctte  setzten  grau  in  grau  gearbeitete  Brustbilder  au, 
von  welchen  das  eine,  in  dem  ich  einen  Hercules  zu  erkennen  glaube, 
vollkommen  erhalten  ist,  während  einem  anderen  der  Kopf  fehlt. 
Die  vortreffliche  Zeichnung  des  erstcreu  lässt  den  Verlust  der  übrigen 
doppelt  bedauerlich  erscheinen.  Wahrscheinlich  waren  die  vier 
Götter  Juno,  Mercur,  Minerva  und  Hercules  dargestellt.  Au  die 
übrigen  Kanten,  also  zwischen  die  Brustbilder  gelagert,  schlössen 
sich  vier  kleinere  kreisrunde  Rosetten  vou  ungefähr  80  cm  Durch- 


32 


A.  Kisa: 


messer  an,  mit  einem  schönen,  reich  eomponirtcn  Stern  mit  schwar- 
zen einrissen  und  buntfarbiger  Füllung.  Die  Einfassung  bestellt  ans 
breiten  schwarzen  und  rotlien  Kreisbändern.  Von  diesen  Seiten- 
rosetten ist  eine  nahezu  vollständig,  von  einer  anderen  «las  Segment 
der  rotlien  Einfassung  erhalten.  Ueber  die  Küsten  spannte  sich  eine 
nischenartige  Umrahmung,  die  jedoch  aus  den  vorhandenen  Resten 
nicht  mehr  zu  reconstruireu  ist;  wahrscheinlich  umgab  sie  auch 
die  vier  Seitenrosetten.  Sie  besteht  ans  rotheu,  weissen  und  schwar- 
zen Bändern  mit  Zahnfriesen  und  Blattornamcnt.  Alle  diese  Orna- 
mentstücke  sind  in  blauschwarzem  Mosaikgrunde  eingebettet,  wel- 
chen ein  vierfaches  Band  in  Weiss,  Roth,  Weiss  und  Schwarz  um- 
fasste.  Blauschwarz  ist  auch  der  Grund  des  nach  Westen  zu 
angeschlossenen  Teppiehmusters  mit  weisser,  schachbrettartiger  Wür- 
felung,  das  wahrscheinlich  den  Flur  des  Hauses  bedeckte.  Seine 
Verbindung  mit  der  llaiiptpartic  ist  durch  den  eingebrochenen 
Kanal  zerstört.  Mau  besitzt  davon  nur  noch  ein  von  breitem  rothem 
Band  cingefasstes  Eckstück,  bestehend  ans  einem  langgestreckten 
rechtwinkligen  Dreieck,  das  auf  braunem  Grunde  eine  reichst  ilisirte 
buntfarbige  Blume  mit  langer,  oben  leicht  gebogener  Spitze  zeigt, 
ein  Muster,  das  au  persische  Motive  erinnert.  An  dieses  Dreieck 
schliesst  sich  ein  weiss  und  schwarz  eingefasstes  Quadrat  mit  einem 
bunten  Vicrpass  auf  weissem  Grunde. 

Das  ganze  lag  auf  einer  dicken  Schichte  von  Ziegelbetou, 
unter  welcher  sich  ein  etwa  2  m  tiefes,  mit  Sand  gefülltes  Loch 
Öffnete.  Weitere  Nachgrabungen  förderten  Knochen  von  mensch- 
lichen Leichen,  Trümmer  von  Thongeschirr  und  Dachziegel  zu  Tage, 
so  dass  man  an  eine  gewaltsame  Zerstörung  der  Anlage  in  sehr 
früher  Zeit  denken  muss.  Von  Fundamenten  fand  sich  bisher  keine 
Spur,  wohl  aber  eine  Fortsetzung  der  Betonschichte  nach  Norden  hin. 

Unweit  von  dieser  Fundstätte,  in  der  gleichfalls  neu  angelegten 
Kichard-Wagnerstrassc  kam  bei  einem  Bau  des  Architekten  Vöhl 
unter  Anderem  ein  Tuffstciusarkophag  zu  Tage,  desscu  Inhalt  schon 
früheren  Schatzgräbern  in  die  Hände  gefallen  war.  Bei  dieser  Ge- 
legenheit mochte  auch  die  schwere  2,27  m  lange  und  U,70  m  breite 
iuschriftplatte  als  Verschluss  des  Sarges  ihre  Stelle  gefunden  haben. 
Sie  besteht  aus  hartem  feinkörnigem  Kalkstein  und  ist  an  der  uu- 
teren  linken  Ecke  und  am  unteren  Rande  abgebrochen.  Bei  der 
Abhebung  brach  sie  auch  noch  mitten  durch.  Die  sorgfältig  aus- 
geführte, noch  der  guten  Zeit  angehörige  Inschrift  lautet: 


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Funde  in  Köln. 


SA 


D-  BONE  MEMO  Rl  AE-M 
PERPETVESECVRITATI  ( 
ANTONIE  GALENETI- ALBA 
VS  •  LEONTI VS  ET  •  EVBSYCHI 
FILI  PIENTISSIMI  f 

Die  Lücken  in  den  Eigennamen  Kind  als  Albaums  nnd  Eupsy- 
chins  leicht  zu  ergänzen.  Die  Dedieationsfmmel  ist  abgebrochen. 
Merkwürdig  sind  die  langen  bogenförmigen  Füllungen  am  Schlüsse 
der  2.  und  5.  Zeile.  Zu  beiden  Seiten  der  Inschrift  befanden  sich 
vorn  auf  der  Platte  rechteckige  Basreliefs  mit  zwei  geflügelten  Ge- 
nien, welche  die  cartonchenartige  Umrahmung  der  Inschrift  hielten 
und  jetzt  bis  auf  geringe  Spuren  abgemeisselt  erscheinen. 

Das  Mosaik,  sowie  der  Iiischriftstein  sind  dem  Museum  Wallraf- 
Richartz  übergeben  worden.  Von  den  sonstigen  an  dieser  Stelle  ge- 
fundenen Alterthüniern  wurde  noch  ein  grosser,  wohl  erhaltener 
Trinkbecher  ans  Terra  eigillata  mit  Barbotine-Rankcn  und  der  weiss 
aufgemalten  Inschrift  BIBITE  abgeliefert. 

Von  Erfolg  gekrönt  waren  die  Nachgrabungen,  welche  das 
städtische  Tiefbauamt  für  das  Museum  auf  einem  üruudstüek  ver- 
anstaltet, das  schon  bei  früheren  Gelegenheiten  sich  als  eine  er- 
giebige Fuudgrube  römischer  Alterthümer  erwiesen  hat,  au  der  Fort- 
setzung der  Moltkestrasse  gegen  den  Brüsseler  Platz,  also  nördlich 
von  der  Aacheuerstrasse  gelegen.  In  einer  Tiefe  von  ungefähr  2  m 
kamen  f>  Gagatnadeln  von  etwa  7  cm  Länge  mit  rundeu  uud  fas- 
settirten  Köpfen  zu  Tage,  welche  eine  willkommene  Bereicherung 
der  hflbscheu  Gagntsammliing  des  Museums  bilden  werden.  Daneben 
fand  sich  eine  kleine,  einer  Kuchenform  ähnliche  Schüssel  aus  feinem 
Silber  mit  Kanellureu,  ein  kleiner  silberner  Spiegel  mit  flachem, 
henkelartigem  Bügel  auf  der  Rückseite,  ein  bronzener  SchlüsselgritT 
mit  schöner  Patina,  eine  kleine  Kugelflaschi*  aus  Glas  und  eine  An- 
zahl von  Bronzen,  welche  zur  Moutiruug  eines  Kästchens  dienten, 
u.  A.  ein  kleiner  Schlüssel,  der  noch  im  Schloss  steckt,  ein  ans  zwei 
Delphinen  geformter  Henkel  und  einige  l'latteu  mit  durchbrochenen 
Rändern.  Einige  Schritte  davon  stiess  mau  auf  ein  schönes  halbrundes, 
luuschelartiges  Becken  aus  Bronze  von  0,2  in  Dm.  mit  drei  Kanel- 
lureu und  auf  einen  Kugelbecher  von  seltener  Grösse  (Ü,14ö  m  Dm.), 
aus  grünlichem  Glane  mit  zwei  Reihen  spitzer,  divergirender  Kuifle. 
Alle  die  genannten  Gegenstände  lagen  mit  Kuocheu  vermischt  neben 
den  vermoderten  Resten  eiues  Holzsarges.  2  in  tiefer  kam  ein  Blei- 

Jahrb.  d.  Ver.  v.  Altertbnfr.  im  Hbtini.  XC1II.  8 


34 


A.  Kifla:  Funde  in  Köln. 


sarg  zum  Vorschein  und  neben  demselben  drei  grosse  Kngelflaschen 
mit  langen,  doppelhcnkligen  Hälsen  und  eiugesclitifTeuen  Bändern, 
zwei  davon  von  tadelloser  Erhaltung,  ein  grösserer  Spiegel  ans 
Wcissmetall,  eine  Kugelflasche  aus  rothcm,  schwarz,  geliruisstem 
Thon  mit  zierlichen  weissen  Ranken  und  der  Inschrift  AMO  TE  und 
zwei  Trinkbecher  aus  demselben  Material  mit  weissen  ßarliotine- 
Ornainenten  und  den  Devisen  I MPLE  ME  bez.  TENE  ME,  die  drei 
letztgenannten  durch  sorgfältige,  elegante  Arbeit  ausgezeichnet. 
Ebenso  glücklich  war  das  Tiefhauamt  bei  seinen  Nachgrabungen 
in  der  Weixerhofstrasse  bei  St.  Severin,  wo  eine  prächtig  irisireude 
Phiole  in  der  ungewöhnlichen  Länge  von  0,02  m  und  eine  hervor- 
ragend schöne  Schüssel  aus  farblosem  Glase,  mit  reichen  geschlifleuen 
Verzierungen  bedeckt,  zu  Tage  gefördert  wurden.  Beide  Stücke  sind 
vorzüglich  erhalten. 

Das  Museum  Wallraf-Richartz  verdankt  dem  städt.  Tiefbau- 
amte schon  manchen  wcrthvollen  Fund.  In  letzter  Zeit  ist  durch 
das  Zusammenwirken  beider  Theilc  das  Interesse  an  der  Sache 
kräftig  geweckt  worden  und  so  die  Erwartung  nicht  unberechtigt,  dass 
auch  andere  städtische  Aemter,  deren  Aufgabe  es  ist  die  Tiefeu  der 
alteu  Colonin  zu  Nutz  und  Frommen  der  gegenwärtigen  Geschlechter 
zu  durchwühlen,  sich  dem  guten  Beispiele  des  Ticfbanamtes  an- 
schliesseu  werden. 


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3.  Die  antiken  Thonlampen  im  Museum  Wallraf-Richartz  zu  Köln. 


Von 

Die  Abtbciluug  der  römischen  AI terth linier,  bisher  das  Stiefkind 
der  Mnseumsverwaltung ,  wird  gegenwärtig  einer  durchgreifenden 
Neuordnung  uud  Katalogisirung  unterzogen,  nach  dereu  Heeudignng 
die  bedeutenderen  Stücke  zur  öffentlichen  Ausstellung  gelangen  wer- 
den. Bisher  waren  nur  die  Inschriftsteine,  Architekturstucke  und  grös- 
seren plastischen  Arbeiten  dem  Publikum  zugänglich  und  von  Düntzer 
in  seinem  Katalog  der  römischen  AlterthUmer  vorwiegend  berücksich- 
tigt worden.  Diese  Abtheilung  hat  inzwischen  mancherlei  Bereicherung 
erfahren,  auch  hat  die  Forschung  manches  Neue  bezüglich  der  Lesart 
der  Inschriften  und  der  Deutung  einzelner  Bilderwerke  ergeben,  so 
dass  auch  diese  einer  neuen  Katalogisirung  bedürfen.  Gegenwärtig 
werden  die  kleineren  Arbeiten  in  Thon,  Metall,  Glas,  Bein  und  an- 
deren Materialien  für  die  Ausstellung  vorbereitet  und  katalogisirt. 
Ein  Theil  derselben  füllte  bisher  in  ungeordneter  Weise  aufgestellt 
einige  Schränke  und  Vitriuen  des  oberen  Kreuzgaugcs,  die  meisten 
mnssten  erst  aus  den  Depots,  aus  vergessenen  Schiebladen,  aus  dem 
Schutte  der  grossen  Grabnrnen,  ja  selbst  aus  dem  Keller  hervor- 
gezogen werden.  Da  ein  Zuwachs-Inventar  erst  seit  wenigen  Jahren 
geführt  wird,  war  es  nur  selten  möglich,  über  Fundort  und  Erwerb 
der  Gegenstände  sichere  Anhaltspunkte  zu  gewinnen.  Verlässliche 
Notizen  finden  sich  vom  Jahre  1888  ab  für  die  vom  st&dt.  Tief- 
banauite  ausgegrabenen  und  dem  Museum  überwiesenen  Fundsttleke; 
die  übrigen  tragen  kein  Inventarisationsvermcrk  und  sind  deshalb 
trotz  des  Verzeichnisses  nicht  mit  Sicherheit  bezüglich  der  Herkunft 
zu  bestimmen.  Erst  der  neue  Director.  llofrath  Aldenhoven  hat 
hierin  Wandel  geschaffen.  Es  ist  ihm  gelungen,  gerade  die  Ab- 
theilung des  antiken  Kunstgewerbes  mit  sehr  glücklichen  Erwer 
bungen  zu  bereichern  und  das  Museum  von  dem  Vorwurfe  zu  be- 
freien, der  demselben  früher  mit  Recht  gemacht  wurde,  dass  es  für 
einen  so  wichtigen  Abschnitt  der  Kölner  Kunstgeschichte,  wie  es 


3fi 


A.  Ki«a: 


die  römische  Periode  ist,  kein  Verständnis«  zeige.  Leider  ist  die 
Zeit,  in  welcher  «1er  Hoden  Kölns  Denkmäler  der  antiken  Cultur 
in  einer  diesseits  der  Alpen  unerreichten  Fülle  spendete,  unwider- 
ruflich dahin  —  -  das  Beste  ist  wohl  für  iiuuicr  in  s  Ausland  ge- 
wandert. Nun  gilt  es,  wenigstens  den  Rest  vor  einein  glcicheii 
Schicksal  zu  bewahren  und  es  nicht  privaten  Händen  allein  zu  über- 
lassen, der  Heimath  zu  erhalten  was  die  Hcimath  hervorgebracht  hat. 

Die  zahlreichste  Klasse  unter  den  Arbeiten  des  antiken  Kunst- 
gewerbes bildet  natürlich  die  Keramik.  Sie  zählt  mit  Inbegriff  der 
Ziegelplatten,  Wasscrleitungsröhren  und  anderer  Baubestandtheile  aus 
Thon  über  1600  Nummern.  Manche  Gruppe  mag  in  Kölner  I'iivat- 
sammlungcu  besser  und  vollständiger  vertreten  sein  als  im  Museum; 
es  ist  dies  leicht  erklärlich,  da  von  einem  planmässigen  Sammeln 
unter  den  früheren  Verhältnissen  nicht  die  Rede  sein  konnte.  Trotz- 
dem ist  das  zufällig  Erworbene  beachtenswert!!,  da  es  in  seiner 
Fülle  von  Typen  und  Dekorationsweisen  die  Form-Entwicklung  der 
einfacheren  antiken  Hanswaare  deutlich  zum  Ausdrucke  bringt,  ab- 
gesehen von  einzelnen  hervorragenden  Luxusstücken.  Es  sei  mir 
gestattet,  aus  dieser  Klasse  für  diesmal  eiue  in  sich  abgeschlossene 
Gruppe  herauszugreifen  und  in  ihren  bedeutenderen  Objekten  vor- 
zuführen, die  der  Thonlampen. 

Das  Museum  nennt  ca.  220  Thonlampen  sein  eigen,  von  welchen 
jedoch  nur  70  Stück  von  grösserem  archäologischem  oder  künstle- 
rischem Interesse  sind.  Bei  dieser  kleineu  Zahl  will  ich  von  einer 
Grnppirung  des  Stoffes  nach  dem  Gegenstände  der  Reliefdarstellungcu 
absehen  und  nur  die  einzeluen  Fonneutypeu  zusammenfassen. 

1.  Lampen  mit  kreisrunden»  Oelbchälter,  rundem  in  der  Längs- 
axe  rückwärts  befestigtem  Henkel  und  kurzer  Schnauze,  welche  vorn 
sich  verbreiternd  in  einem  stumpfen  Winkel  al>sehliesst  und  sich  iu 
zwei  Voluten  an  die  Rundung  anlegt. 

1.  Gelbbraun,  mit  der  Figur  des  Harpokrates.  Der  Gott  des 
Schweigens  erscheint  in  Gestalt  eines  nackten  Knaben,  der  den 
Zeigefinger  der  Rechten  an  die  Lippen  legt,  in  der  Linken  das 
Füllhorn,  auf  dem  Haupte  eine  kleine  ägyptische  Königskronc  trägt. 
Im  Gegensinne  ist  dieser  Typus  in  einem  kleinen  Broncefigürchen 
wiedergegeben,  das  vor  Kurzem  für  das  Museum  erworben  wurde. 
Bei  V  asser  i,  Lncernae  I.  tab.  1,  tindet  man  eine  Lampe  mit  der 
Halbfigur  des  Harpokrates. 

2.  Weiss  mit  gelbem  Firuiss.    Im  Rund  eine  Mercurbüste,  im 


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Die  antiken  Thonlampen  im  Museum  Wallraf-Richartz  zu  Köln.  37 


Profil  nach  rechte  gewandt,  mit  Caduccus  nnd  Petasns.  Da«  Relief 
ist  sehr  abgestumpft.    Aehnlich  Passe ri  III.  tab.  97. 

3.  Weiss  mit  rothgelbem  Firnis*.  Ein  anf  das  rechte  Knie 
gesunkener  Gladiator  (nach  rechts  gewandt)  stützt  den  Ellenbogen 
des  linken  Armes  anf  das  linke  erhobene  Knie  nnd  scheint  gesenkten 
Hauptes  den  Todesstreich  seines  siegreichen  Gogners  zu  erwarten, 

-  der  anf  dem  Relief  fortgefallen  ist.  Die  Tracht  ist  bei  der  Flau- 
heit des  Abdruckes  unkenntlich,  doch  ist  die  Darstellung  offenbar 
mit  jener  bei  Dütschke  (B.  Jahrb.  LX1,  Nr.  115,  Lampe  der 
Sammlung  Herstatt)  identisch.  Dieselbe  Figur  finden  wir  auf  Nr.  1 1 , 
wo  sie  durch  das  Ricmcnwcrk  der  Unterarme  deutlich  als  Faust- 
kämpfer gekennzeichnet  wird.  —  P.  J.  Meyer  erwähnt  in  der 
Westd.  Z.  f.  G.  u.  K.  I  (1882)  p.  173  gleiche  Exemplare  in  Trier. 

4.  Weiss,  mit  schönem  rothgelbem  Firnis».  Ein  nach  links 
galoppirender  Pegasus  mit  erhobenen  Flügeln.  Unterseite  nnd  .Schnauze 
beschädigt.  Gefunden  in  der  grossen  Sandkaul  zu  Köln  bei  den 
Kanalarbeiten  des  städt.  Tiefbauamtes  im  Sommer  1890.  Die  gnt 
bewegte  Darstellung  findet  sich  im  Gegensinne  bei  Reger,  Lncernae 

II,  16.  Dasselbe  Motiv  bei  Passe ri  I,  80.  Kenner,  d.  antiken 
Thonlampen  136,  0.  Jahn,  Alterthümer  ans  Vindonissa,  tab.  4, 
Ant.  di  Ercolano  VIII,  22,  4,  Dütschke,  B.  Jahrb.  61.  Nr.  49. 

5.  Weiss,  mit  glänzendem,  gelbbraunem  Firniss.  Zu  beiden 
Seiten  des  Eingnssloches  zwei  gegen  einander  gekehrte  Delphine 
mit  hochgeschwungenen  Schwänzen.  Vgl.  Kenner  174,  Dütschke, 
B.  Jahrb.  61,  Nr.  45,  Düntzer,  ibd.  35,  44  u.  A.  Bei  Passe  ri 

III,  tab.  86  dieselbe  Darstellung,  doch  mit  einem  Dreizack  in  der  Mitte. 

6.  Weiss  mit  gelbem  Firniss.  Ein  Kranich,  stehend  und  sich 
mit  dem  Schnabel  das  Gefieder  putzend.  Gut  erhaltenes  Exemplar 
mit  scharfer  Prägung.    Die  Darstellung  gehört  zu  den  selteneren. 

7.  Weiss  mit  gelbem  Firniss.  Ein  nach  links  gewandtes  Schiff 
—  anscheinend  zehnrudrig  —  mit  aufreehtstehendem  Mast,  au,  wel- 
chem das  Segel  wagcrecht  anfgerefft  ist.  Dieselbe  Darstcllnng  bei 
Dütschke,  B.  Jahrb.  61.  Nr.  84,  auf  einer  Lampe  der  Sammlung 
Herstatt  in  Köln  (früher  bei  Mcrlo)  nnd  Nr.  123  bei  Wolff. 
Auf  Nr.  151  derselben  Sammlung  trägt  das  Schill"  eine  männliche 
Gestalt  Aehnliches  bei  O.  Jahn,  Vindonissa,  tab.  3.  Das  Schiff 
gilt  anf  Sepulkrallampen  als  Symbol  des  Einlaufens  in  den  Hafen 
der  Ruhe. 

8.  Weiss  mit  rothem  Firniss.  Das  schlecht  ausgeprägte  Relief 


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A.  Kisa: 


zeigt  ciucn  einfachen  prismatischen  Altar,  der  oben  und  unten  ge- 
gliedert ist.  Aul*  demselben  befinden  sich  runde  Früchte,  seitwärt» 
vielleicht  ein  Festem.  Opferaltäre  und  Opferscenen  gehören  auf 
Lampen  zu  den  beliebtesten  Darstellungen.  Vgl.  Kenner  195 
bis  197,  0.  Jahn  a.  a.  0.  tab.  2  und  3,  Passe ri  III,  54,  58, 
60,  Begerl,  13,  14,  15.  Häutig  sind  zu  beiden  Seiten  des  Altarcs 
Cyprcsscn  angebracht,  wie  bei  Dütschke  a.  a.  0.  Nr.  86.  Bei 
Darstellungen  der  Inferiae  finden  sich  zumeist  Flammen  auf  dem 
Altare. 

9,  10.  Weiss,  mit  rothem  bezw.  rothgelbem  Firniss.  Zu  beiden 
Seiten  des  Eingussloches  zwei  Cypressen.  Dieselben  sind  bis  unten 
belaubt,  so  dass  vom  Stamme  nicht«  sichtbar  wird  und  nähern  sich 
so  der  Keulenform.  Dass  wir  jedoch  nicht  an  Keulen,  sondern  an 
die  mit  dem  Todtenkult  in  Verbindung  stehenden  Cypressen  zu 
denken  haben,  lehrt  der  Vergleich  mit  den  bei  Nr.  8.  citirten  Dar- 
stellungen. 

11.  Weiss  mit  rothem  Firnis«.  Im  Rund  Aber  dem  Einguss- 
loch  die  Halbfignr  des  Bacchus  in  Vorderansicht,  das  Haupt  mit 
dem  Blätterkranze  geschmückt,  in  der  Rechten  den  Thyrsus.  Links 
springt  hinter  der  Schulter  de«  Gottes  ein  kleiner  Panther  hervor. 
Gefunden  zu  Köln  1889. 

11.  Lampen  von  gleichem  Typus,  jedoch  ohne  Henkel.  Solehe 
wurden  nicht  in  der  Hand  getragen,  sondern  auf  Ständern  oder  in 
Laternen  aufgestellt. 

12.  Grosse  Lampe  aus  weissem  ungefirnisstem  Thon  mit  zwei 
Faustkämpfern  in  scharfem  Relief.  Beide  sind  nackt  bis  auf  den 
Lendenschurz  und  die  Riemen  um  Faust  und  Unterarm,  die  Hy- 
mantes.  Der  eine  zur  Rechten  ist  bereits  überwunden.  Er  kniet  in 
derselben  Stellung  wie  die  Figur  auf  Nr.  3  und  erwartet  den  trau- 
lichen Schlag  des  Siegers,  der  hinter  ihm  stehend  mit  der  Linken 
seinen  Nacken  fasst  und  mit  der  Rechten  nach  dem  Kopfe  des 
Ueberwundenen  ausholt.  Eine  ähnliche  Darstellung  findet  sich  auf 
dem  grossen  Relief  vom  sog.  Grabmal  des  Seaurus  in  Pompeii.  Vgl. 
Guhl  und  Koner,  Leben  d.  Gr.  u.  R.  696.  Die  Lampe  wurde  in 
Köln  gefunden  und  im  September  1890  für  das  Museum  erworben. 

13.  Weiss  mit  schwarzem  Firniss.  Ein  nach  links  ausfallender 
Gladiator  mit  Beinschienen  und  der  Siea,  dem  kurzen,  sichelförmig 
gekrümmten  Messer  in  der  Linken,  also  ein  Thrax.  Hinter  dem 
Messer  hält  er  den  kleinen  viereckigen  Schild,  die  Rechte  ist  vor- 


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Die  antiken  Thonlampen  im  Museum  Wallral-Richartst  zu  Köln.  39 


gestreckt.  Die  Bewegung  ist  lebendig,  die  Einzelheiten  jedoch  wenig 
ausgeprägt.  P.  J.  Meier  beschreibt  das  Exemplar  in  der  Westd. 
Zcitsehr.  I  (1882),  p.  70  zugleich  mit  identischen  Lampen  des  Ber- 
liner und  Trierer  Museums.  Die  Vertauschung  von  Rechts  und 
Links  ist  auf  Lampen  nicht  selten.  Da  römische  Schriftsteller  wieder- 
holt von  linksfechtenden  Gladiatoren  berichten  (vgl.  die  bez.  Stellen  bei 
J.  P.  Meier  a.  a.  0.  p.  168),  mag  jene  Vertauschuug  in  vielen  Fällen 
eine  beabsichtigte  sein.  Andererseits  können  wir  bei  Darstellungen 
wie  auf  dem  Triiuyxos  bei  Urlichs,  B.  Jahrb.  IV.  189  —  dessen 
Echtheit  freilich  von  Wiesel  er  und  Janssen  geleugnet  wird 
—  wo  der  Bildhauer  den  Hammer  mit  der  Linken  führt,  anf  der 
Heretatt'schcn  Lampe  (Dütschke  128)  mit  dem  Wagenlenker,  wel- 
cher die  Peitsche  in  der  Linken  schwingt,  anf  der  Lampe  bei 
Passe ri  tab.  37,  wo  die  Braut  dem  Bräutigam  die  Linke  reicht, 
doch  nur  ein  Versehen  des  Modelleurs  annehmen. 

14.  Weiss  mit  gelbbraunem  Firniss.  Hercules  in  ganzer  Figur, 
etwas  nach  rechts  gewandt,  über  dem  linken  Arm  die  Löwenhaut, 
in  der  Hand  den  Bogen  haltend,  die  Rechte  auf  die  Keule  gestützt. 
Aehnlich  Passeri  II,  2.  —  Die  Lampe  wurde  am  23.  Dez.  1826 
im  bischöflichen  Garten  zu  Köln  gefunden. 

15.  Weiss  mit  rothem  FirniRS.  Im  stark  vertieften  Discus 
Amor  als  Todesgott  in  Hochrelief,  ganze  Figur  in  Vorderansicht. 
Der  Kopf  leicht  nach  links  gesenkt,  der  linke  Arm  auf  einen  Baum- 
strunk gestützt,  in  der  Hand  einen  Bogen.  Mit  der  gesenkten  Rechten 
verlöscht  er  die  Fackel.  Das  Relief  ist  gut  ausgeprägt  bis  auf  den 
Kopf.    Gefunden  zu  Köln,  erworben  Mai  1892. 

III.  Lampen  mit  kreisrundem  Oelbehälter,  rundem,  ruckwärt* 
in  der  Längenaxe  aufsitzenden  Henkel  und  schmaler,  vorne  abge- 
rundeter Schnauze,  welche  in  leichtem  Bogen  in  den  Lampenkörper 
Ubergeht.    Am  Ansätze  derselben  zwei  kleine  Voluten. 

16.  Weiss  mit  hellrothem  Firniss.  Ein  nach  links  springender 
Löwe  mit  erhobenen  Vorderfüssen  und  S-förmig  emporgeringeltem 
Schweife.  Dieselbe  Darstellung  bei  Dütschke  a.  a.  0. 1 14 (Samm- 
lung Herstatt)  und  bei  J  a  h  n,  Vindonissa,  tab.  4,  8.  Im  Gegensinne 
bei  Dütschke  Nr.  93,  Kenner  Nr.  140,  141.  Auf  der  Unter- 
seite der  erhabene  Stempel  V  (oder  A.  Vgl.  Kenner,  p.  22,  not.  3). 
Die  zierliche  und  gut  erhaltene  Lampe  wurde  im  Sommer  1889  in 
der  Mohrenstrasse  zu  Köln  gefunden. 

17.  Weiss  mit  rothgelbem  Firniss.    Ein  nach  rechts  schreiten- 


■10 


A.  Kina: 


der  Widder,  wie  hei  Passe ri  III,  97,  Kenner  168.  Aebulich 
ibd.  167.  Dil  t  senke  76  fuhrt  eine  Lampe  mit  einem  naeh  recht« 
sehreitenden  .Schafe  ans  der  Sammlung  Herstatt  an,  welche  er  l'Ur 
christlich  halt,  ebenso  wie  das  auf  der  Rückseite  dieser  Lampe  be- 
findliche Fabrikzeichen  I.  Dasselbe  kommt  jedoch  anch  auf  ent- 
schieden heidnischen  Lampen,  wie  z.  B.  der  Athenalampe  derselben 
Sammlung  Nr.  68  vor.  Wahrscheinlich  ist  auch  auf  jener  von 
D  ü  t  sc  h  k  c  beschriebenen  Lampe  ein  Widder,  das  Merkur  geweihte 
Thier,  dargestellt.  Die  Rückseite  unserer  Lampe  trägt  das  erhabene 
Fabrikzeichen  M,  das  sich  auch  auf  einer  Lampe  mit  Rlüthenkranz 
im  Bonner  Provinzialmusenm  'Klein,  B.  Jahrb.  88,  Nr.  57)  und 
auf  einer  Lampe  mit  Gladiator  bei  Herstatt  (DUtschkc  Nr.  118) 
findet. 

18.  Gelb  mit  Orange-Firniss.  Darstellung  eines  Kinder-Coitus. 
Die  spätere  Kunst  liebte  es,  Eroten  in  den  verschiedensten  Hand- 
lungen und  Situationen  Erwachsener  auftreten  zu  lassen.  So  sehen 
wir  bei  Passeri  III,  10  Eroten  auf  der  Tigerjagd,  III,  32  auf 
einer  Biga,  III,  52  das  Opferfeuer  hütend.  Noch  häufiger  traten 
sie  als  Genien  der  Götter  mit  deren  Attributen  auf.  Auf  I,  46  der- 
selben Sammlung  finden  wir  einen  Eroten  als  Neptun.  87  als  Apollo, 
67  mit  den  Attributen  der  Minerva,  82  der  Entcrpe,  II,  10  und  11 
als  Hercules,  4  als  Bacchanten.  Andere  derartige  Beispiele  bei 
Kenner  37 — 57.  Ebenso  beliebt  sind  sie  als  Jäger,  Kämpfer, 
Bacchanten,  Gärtner  etc.  auf  poiiipejanischen  Wandbildern,  auf  Sar- 
kophagen und  SchUsseln  von  Terra  sigillata.  Am  nächsten  lag  es 
wohl,  sie  auf  den  Mythus  von  Amor  und  Psyche  anzuwenden.  Vgl. 
O.  Jahn,  Archäol.  Beiträge  93  ff.  Auch  in  unserem  Fnlle  sind 
die  beiden  Kindergest  alten  so  zu  deuten,  obwohl  sich  an  ihnen  hei 
der  Flauheit  des  Reliefs  keine  Flügel  erkennen  lassen,  die  übrigens 
in  der  späteren  Kunst  kein  unumgänglich  not h wendiges  Attribut  sind. 
Dieselbe  Darstellung  findet  sieh  auf  einer  Lampe  des  Bonner  Pro- 
vinzialmuseums  uud  bei  Herstatt  in  Kölu,  Dötschke  Nr.  158. 

19.  Weiss  mit  rothgclbem  Firniss.  Um  das  Eingussloch  legt 
sich  ein  Kranz  von  Früchten  (Aepfel,  Mohn  und  Aehren)  mit  flat- 
terndem Rändern,  den  Rand  schmückt  ein  vertieftes  Herzornament 
mit  nach  aussen  gekehrten  Spitzen.  Die  wohl  erhaltene  Lampe 
wurde  in  Köln  gefunden  und  im  April  1890  für  das  Museum  er- 
worben. 

IV.  Dem  vorigen  gleicher  Typus,  doch  ohne  Henkel. 


Die  antiken  Thonlampen  im  Museum  Wallraf-Richartz  zu  Köln.  41 


20.  Weif»  mit  gelbbrauner  Glasur.  Ein  Fuchs  im  Cucullus 
(dem  Kapuzenmantel)  streckt  die  Leimrnthc  nach  einem  leiben  au«, 
der  auf  einem  Baume  hinter  einem  Geheure  sitzt.  Unten  ist  da» 
Erdreich  angedeutet.  Dieselbe  Darstellung  veröffentlicht  0.  Jahn, 
Vindonissa,  tab.  4,  9.  —  Gefunden  in  Köln,  erworben  April  1890. 

V.  Kreisrunde  Lampen  mit  kurzer,  vom  abgerundeter  Schnauze 
ohne  Verzierung  und  rundem,  rückwärts  in  der  Längsaxc  aufsitzen- 
dem Henkel.    Ohne  figürlichen  Schmuck. 

21.  Weisslieh  gelb  mit  Resten  von  rothem  Firnis«.  Die  Ab- 
schrägung nach  der  Milte  zu  ist  mit  einem  Bande  von  feinen  ra- 
diären Strichen,  der  Rand  mit  einem  vertieften  Eierstabornamente 
v  erziert.  Auf  der  Unterseite  liest  man  den  erhabenen  Stempel  SAECVL. 
Fröhncr  1858,  Schucrmans  4886,  Kenner  301,  Steiner 
III,  162.  Derselbe  ist  hisher  nnr  auf  Lampen  gallischen  Fundortes 
nachgewiesen  (bei  der  Wiener  Lampe  ist  die  Herkunft  unbekannt). 
Die  Ansieht  von  Birch  (history  of  aneient  pottery  p.  522,  wo  der 
Stempel  auch  abgebildet  ist),  dass  SAECVL  gleich  SAECVLARES  sei, 
also  keinen  Fabrikstempel  darstelle,  sondern  auf  die  Saccularspicle 
Bezug  habe,  bedarf  noch  eines  Beweises.  Auf  Kaisermünzen,  welche 
zu  Ehren  von  Saecularfesten  geschlagen  wurden,  findet  sich  das 
Wort  ausgeschrieben,  meist  mit  Beifügung  des  Namens  des  Veran- 
stalters oder  die  Form  Saeculum  novum. 

22.  Röthlichweiss  mit  Resten  von  rothem  Firniss.  Am  Rande 
schönes  Weinrankehwerk  in  Relief;  die  Lampe  gleicht  vollständig 
der  hei  Passer i  III,  103  abgebildeten  mit  Hinweglassnng  der  von 
2  Panthern  nmgebenen  Vase  am  Ansätze  der  Schnauze.  Anf  der 
Unterseite  der  vertiefte  Stempel  CANAI  •  tf  durch  eiu  eingebrochene« 
Loch  verstümmelt.  Zu  lesen  ist  CANAI  •  M.  Schucrmans  1 032, 
1033,  Fröhner  530,  B.  Jahrb.  IX  28.  Der  Stempel  dürfte  nach 
dem  Fundorte  der  bisher  bekannten  Stücke  zu  urtheilen  einer  galli- 
schen Werkstätte  angehören. 

23.  Gelblichweiss  mit  Resten  von  rothem  Firniss.  Die  Ver- 
tiefung mit  radiärer  gewundener  Kanellirnng,  am  Rande  schlecht 
ausgeprägter  Eierstab.  Stempel  INGEFEC  (?),  vertieft.  Ein  Stempel 
OFINGE  ans  Tongern  stammend  bei  So  hu  er  mann  2648.  Wahr- 
scheinlich ist  I  n  g  c  m  i  n  u  s  zu  lesen. 

24.  Gelblich  mit  Resten  von  rothem  Firniss.  Die  Absehrägung 
nach  dem  Eingusslochc  zu  ist  radiär  gestrichelt.  Auf  der  Unterseite 
der  vertiefte  Stempel  IMAN,  am  Schlüsse  ein  undeutlicher  Buchstabe. 


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42 


A.  Kisa: 


Vgl.  Frühner  1187  „IMANIU  und  Schncrmans  2628—2631. 
Gallischen  Ursprunges. 

25.  Gelhlichwciss  mit  Kesten  von  rothem  Firniss.  Zu  beiden 
Seiten  der  Eingussöffuung  zwei  Palmzweige  in  Relief.  Am  Boden 
der  vertiefte,  bisher  nnedirtc  Stempel  CIVLINICEN,  darunter  ein  senk- 
rechter Strich,  wie  bei  Nr.  15.  DUtschkc  a.  a.  0.,  67  not.  ist 
geneigt,  den  Strich  der  bekannten  Werkstätte  des  Fortis  zuzuweisen, 
weil  er  sich  häutig  gerade  unter  diesem  Namen  gefunden  hat.  Seine 
Vernmthung  erweist  sich  nun  als  hinfällig.  Der  senkrechte  Strich 
ist  nicht  das  Zeichen  einer  einzelnen  Fabrik  —  dazu  ist  er  auch 
zu  wenig  charakteristisch  — ,  sondern  wohl  eine  Arbeitsmarke  oder 
ein  Qualitätszeichen  von  allgemeiner  Geltung.  S  c  h  u  e  r  m  a  n  s  2785 
führt  nach  Hirch  406  einen  Lampenstcmpel  C  IVLI  NICI  an,  wel- 
cher mit  unserem  wohl  identisch  ist. 

26.  Gelblichweiss  mit  Resten  von  rothem  Firniss.  Das  Ein- 
gnssloch  erscheint  von  den  leicht  gekrümmten  Armen  einer  Zange 
eingefasst.  Wahrscheinlich  ist  hier  eine  Zange  zum  Ausziehen  des 
Dochtes  wiedergegeben. 

VI.  Verwandt  dem  vorigen  Typus  sind: 

27.  Grosse  Lampe  aus  weissem,  gelblichbraun  gefirnisstem  Thon 
mit  ganz  kurzer  abgerundeter  Schnauze.  Von  dem  kreisförmigen 
Körper  ist  rückwärts  ein  Segment  nahezu  gradlinig  abgeschnitten. 
Ohne  Henkel. 

- 

28.  Rothgclb  mit  schwarzem  Firniss.  Der  kreisförmige  Oel- 
behälter  hat  einen  rund  nach  innen  gebogenen  Rand  und  ist  oben 
offen.  Vom  Boden  ragt  ein  kurzes,  oben  und  unten  offenes  Röhrchen 
empor,  welches  wahrscheinlich  zum  Aufstecken  der  Lampe  auf  den 
Stab  eines  Lampcngestclles  diente.  Die  Dochtöffnung  der  Schnauze 
ist  sehr  breit.  Ohne  Henkel.  Derartige  Lampen  finden  sich  auch 
mit  oben  geschlossenem  Röhrchen,  so  bei  S  t  e  t  f  e  1  d  in  Köln. 

VII.  Lampen  mit  rundem  Oelbehalter,  langer  vorn  abgerun- 
deter Schnauze  und  rundem  rückwärts  in  der  Längsaxe  aufsitzendem 
Henkel.  Der  Raum  um  die  Fttllöffnung  ist  mit  einem  kreisrunden 
Stege  umgeben,  an  welchem  sich  beiderseits  bis  an  den  Rand  kleine 
öhrartige  Zapfen  anlegen.  Ursprünglich  zum  Aufhängen  der  Lampen 
bestimmt,  sind  sie  hier  zu  einem  bedeutungslosen  Ornament  verflacht. 
Die  Schnauze  zeigt  eine  bis  gegen  die  Dochtöffnung  reichende  Rinne 
und  fällt  dachartig  ab.    Vgl.  Kenner,  Fig.  16. 

29.  30.  Weiss  mit  gelbem  bez.  rothem  Firniss.  In  der  Mitte  eine 


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Die  antiken  Thonlampen  im  Mtuenm  Wallraf-Richartz  zu  Köln.  43 

komische  Maske.  Solche  Masken  hatten  gleich  den  MednBen-,  Pans- 
und  Lmvcnmasken  eine  amuletartige  Bedeutung  und  schützten  durch 
da»  ötottov  vor  bösem  Zauber,  was  ihre  hantige  Verwendung  erklärt. 
Vgl.  0.  Jahn,  Vindonissa  p-  107.  —  Die  beiden  Lampen  tragen  den 
bekannten  erhobenen  Stempel  FORTIS  F röhner  1 1 16  ff.,  Schucr- 
mauB  2275,  Klein,  B.  Jahrb.  88  Nr.  39  ff.  Lampen  diese«  Ty- 
pus scheinen  in  der  genannten  —  gleichfalls  gallischen  —  Werkst ättc 
besonders  beliebt  gewesen  zu  sein.  Sie  sind  entweder  mit  Masken 
verschiedener  Art  dekorirt  oder  glatt.  Mit  den  unseren  identisch 
Kenner  219,  0.  Jahn  a.  a.  0.  tab.  III,  7. 

31.  Weiss  mit  rothem  Firniss.  Den  obigen  gleich.  Auch 
diese  Lampe  ist  mit  einem  am  Rhein  sehr  häufig  vorkommenden 
Stempel  gezeichnet:  EVCARPI.  Ein  Töpfer  Eucarpus  arbeitete  zu 
Xanten.  Vgl.  Kamp,  p.  8,  Fröhncr  1057,  Schuermans 
2119,  Klein,  B.  Jahrb.  88,  35.  Im  Wiener  Autikenkabinet  ist 
der  Name  nur  einmal  vertreten,  Kenner  350.  Identische  Exem- 
plare bei  Dütsehke  104,  149. 

32.  Weiss  mit  Oraugefirniss.  Oben  eine  komische  Maske,  unten 
der  unbekannte  Stempel  PP  S  F. 

33.  34.  Ebenso.  Die  eine  mit  unleserlichem,  die  andere  ohne 
Stempel. 

35.  Weiss  mit  rothem  Firniss.  Die  ganze  Fläche  innerhalb 
des  Kreises  nimmt  eine  tragische  Maske  von  stark  abgestumpften 
Formen  ein,  mit  grosser  vorstehender  Nase  und  offenem  rundem 
Munde,  welcher  als  Eingussloch  dient.  Auf  ähnliche  Weise  ist  eine 
Lampe  bei  Dfitschke  124  und  eine  andere  bei  Kenner  221 
—  mit  dem  Stempel  FORTIS  —  dekorirt. 

36,  37.  Weiss  mit  rothem,  bez.  schwarzem  Firniss.  Beide  ohne 
Dekoration  und  mit  dem  Stempel  FORTIS  versehen. 

38 — 40.  Roth,  die  eine  schwarz  gefirnisst,  ohne  Dekoration. 
Stempel  EVCARPI  bez.  EVCARP.  Auf  Nr.  38  befindet  sich  unter 
dem  Namen  des  Töpfers  ein  I,  wohl  gleichfalls  wie  der  unter  Nr. 
15  und  23  angeführte  senkrechte  Strich  eine  Qualitätsmarke. 

41,  42.  Kleine  Lampen  aus  rothgelbem  Thon,  ohne  Dekora- 
tion, mit  dem  erhabenen  Stempel  ATIMETI,  einmal  mit  einem  Punkte 
oberhalb  und  einem  S  unterhalb.  Derselbe  scheint  nach  seiner  wei- 
ten Verbreitung  zu  schliessen  einer  italischen  Werkstätte  anzuge- 
hören. Vgl.  Fröhner  190-194,  Schnermans  582.  In  den 
Annali  1850,  p.  132  findet  sich  die  Bemerkung,  dass  Lampen  dieser 


44  A.  Kisa: 

Fabrik  feiner  Sorte  und  mit  schonen  Bildern  verziert  seien.  Klein 
a.  a.  0.  Nr.  4  kennt  den  »Stempel  mit  einem  S  darunter.  Diener 
Buchstabe,  wie  der  Punkt  oberhalb  dürften  gleichfalls  Arbeitsmar- 
ken  sein. 

43.  Kleine  Lampe  aus  gelblichweissem  Thon  mit  gelbbraunem 

CAHTO 

Firnis»,  ohne  Dekoration,   mit  dem  erhabenen  Stempel  p 

Kamp  hat  denselben  in  seinen  epigr.  Antik,  p.  4,  Nr.  21  richtig 
gelesen  im  Gegensätze  zu  Klein  a.  a.  O.  Nr.  14,  welcher  CARTO 
annimmt.  Die  Schrift  ist  vollkommen  klar  aasgeprägt.  Vcrgl.  auch 
Merlo,  B.  Jahrb.  72,  Nr.  8.  Den  gleichen  Töpferimmen  geben 
Fröhncr  541  und  Sehnermans  964  aus  Neuwied. 

44.  Kleine  Lampe  aus  gelblichem  Thon  mit  gelbem  Firnis«. 
Unten  der  erhabene  Stempel  ATTILLVS.  Der  wagerechte  Strich  des 
zweiten  L  ist  viel  kürzer  als  der  des  ersten.  Vgl.  Schncrmans 
612,  Fröhner  205—6,  Klein  7. 

4ö.  Lampe  aus  weissem  Thon  mit  Resten  von  gelbem  Firnis*. 
Im  Boden  der  vertiefte  Stempel  NNAELVCI  für  ANNAELVCI.  Vgl. 
Kenner  Nr.  14,  Birch  p.  605. 

46.  Lampe  aus  rothem  Thon.  Dieselbe  unterscheidet  sieh  im 
Typus  von  den  vorhergehenden  dadurch,  dass  der  kreisrunde  Steg, 
welcher  die  FUllöffnung  umgibt,  sieh  gegen  die  Schnauze  zu  öffnet 
nnd  Aber  letztere  in  paralleler  Richtung  hinübergehend  das  Docht- 
loch einschliesst.    Vgl.  Rasse ri,  proleg.  Fig.  3.    Am  Boden  in  der 

svn  VS 

Längeuacbse  der  linksläufige  nnedirte  Stempel  _  .  Die  Buch- 
staben sind  erhaben,  während  der  sie  durchschneidende  Bogen  in 
den  noch  weichen  Thon  eingekratzt  wurde. 

VIII.  Lampen  von  gleichem  Typus,  doch  ohne  Handhabe. 

47.  Grosse  Lampe,  hellroth,  am  Boden  der  erhabene  Stempel 
STROBILI.  Derselbe  ist  einer  der  weitest  verbreiteten,  v.  Cohanscn 
sucht  den  Sitz  dieser  Fabrik  in  der  unteren  Maingegend,  wo  noch 
jetzt  eine  alle  Töpferfamilie  den  Namen  Strobel  trage.  Vgl.  Schaaff- 
hausen,  B.  Jahrb.  88,  p.  140,  Kenner  37»,  376,  Klein  75,  76, 
SchnermaiiB  5304,  Frohncr  2026.  Die  Lampe  wurde  August 
1883  in  Köln  am  Severinsthor  gefunden. 

48.  Brannroth,  mit  drei  öhrartigen  Ansätzen  an  dem  Stege. 
Am  Boden  der  Stempel  ALBINVS.  Vgl.  Schuermans  194,  Fröh- 
ner 60,  B.  Jahrb.  35,  46. 


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Di«  antiken  Thonlampen  im  Muneuiii  Wallrnf-Richartz  zu  Köln.  45 


IX.  Kreisrunde  Lampen  mit  zwei  .Schnauzen  und  einem  rück- 
wärts in  der  Längsachse  ansitzendem  Henkel,  dem  obeu  als  Handhabe 
ein  dreieckiges  Blatt  aufgelegt  ist.  Die  Schnauzen  schiiesaen  sieh  hei 
Nr.  49,  50  mittel»  zweier  Voluten  an  den  Lampenkörper  an,  hei 
Nr.  51  sind  dieselben  wie  bei  den  Lampen  vom  Typus  VII  behandelt. 

49.  Grosse  zweischnauzige  Lampe  aus  hellrothem  Thon,  mit 
zwei  Ringen  um  das  üochtloch. 

50.  Rother  Thon  mit  fleckigem  braunem  Firniss.  Das  auf- 
gelegte Blatt  am  Henkel  ist  mit  vertieften  Rippen  versehen. 

51.  Rother  Thon,  am  Boden  von  drei  Kreisen  eingeschlossen 
der  Stempel  S011VS  F,  lies  Sollns  feoit.   In  den  Rheingegenden  und 
im  östlichen  Frankreich  vorkommend.    Sc  hu  er  maus  5289,  Früh 
ner  2017. 

X.  Lampen,  deren  Oelbehaltcr  ohne  Trennung  allmählich  in 
die  Schnauze  Obergeht,  sog.  Schiflehenform  (navicellae),  meist  der 
christliehen  Spätzeit  angehörig  und  von  minder  guter  Ausführung. 
Den  unter  VII  angeführten  steht  am  nächsten 

52.  Grosse  Lampe  aus  röthlichgclhem  Thon  mit  Resten  von 
rothem  Firniss.  Die  obere  Seite  ist  flach  und  durch  eiuen  dem 
Rande  parallel  laufenden  Steg  mit  zwei  (den  Schnauzenansatz  mar 
kirenden)  Zapfen  verziert.  Vor  dem  Henkel  ragt  senkrecht  eine 
Handhabe  empor,  welche  deu  Stiel  eines  jetzt  abgebrochenen  Blattes 
darstellt.  Unten  ein  Fussring,  darin  der  vertiefte  Stempel  C.  Klein  8, 
Schuermans  91(5. 

53.  Grosse  Lampe  ans  gelbem  Thon  mit  rothein  Firniss.  Die 
Mitte  mit  zwei  Kingusslftchern  muldenförmig  vertieft  uud  von  Ringen 
umgeben.  Zwischen  den  Eingusslöcheru  befindet  sieh  in  der  Längs- 
axe  aufsitzend  der  Henkel.  An  dem  der  Schnauze  entgegengesetzten 
Ende  ein  modernes  bärtiges  Maskaron. 

54.  Christliche  Lampe  ans  grobem  rothem  Thon;  in  der  Mitte 
ein  Lamm,  nach  recht»  schreitend,  ringsum  ein  Band  mit  derber 
Stricheluug.  Anstatt  des  Henkels  ist  eine  zapfenartige  Handhabe 
rückwärts  in  der  Längsaxe  angebracht.  Unten  ein  Fussring,  der  mit 
der  Handhabe  durch  einen  Steg  verbunden  ist.   Darin  der  Stempel  r. 

55.  Aehnliehe  Lampe  ans  feinerem  rothem  Thon.  Das  Lamm 
sehreitet  hier  nach  links.  Die  Handhabe  gelocht.  Der  Stempel  A 
ist  wohl  identisch  mit  dem  vorigen;  auch  die  Arbeit  weist  auf  die- 
selbe Fabrik  hin.    Vgl.  Kenner,  p.  22  not.  3. 

56.  Grosse  Lampe  ans  gelbem  Thou,  mit  abgerundeten  Kanten. 


A.  Kisa: 


Da»  iu  einer  runden  Vertiefung  angebrachte  Eingussloch  igt  radiär 
kanellirt,  ringsum  ein  vertiefter  Kreis  und  eiu  in  zwei  Hälften  zer- 
legte», eingefasstes  Strichelband.  Zapfenartige  Handhabe.  Auf  der 
Unterseite  umgiebt  eine  vertiefte  kreisförmige  Linie  den  Fuss,  welche 
sieh  in  zwei  Parallelen  gegen  die  Handhabe  fortsetzt,  ohne  dieselbe 
jedoch  zu  berühren.  Zwischen  die  Parallelen  schiebt  »ich  eine  dritte, 
kfli-zere  eiu.  Vgl.  Krau»,  Realencyel.  d.  christl.  AlterthUmer  II, 
Fig.  115. 

57.  Oelb  mit  Resten  von  rothem  Firnis»,  oben  abgeflacht.  In 
der  Mitte  eine  gut  gebildete  komische  Maske,  am  Rande  ein  ver 
tiefte»  eierstabartige»  Ornament.  Der  beschädigte  Henkel  scheint 
zapfeufönnig  und  ungelocht  geweseu  zu  »ein.  Die  Unterseite  wie 
bei  Nr.  50.  —  Ueber  die  Maske  vgl.  Nr.  29,  30. 

58.  Grosse  Lampe  au»  weissem  Thon  mit  Resten  von  gelbem 
Firnis».  Da»  Eiugussloch  befindet  sich  in  einer  muldenförmigen, 
vou  Kreislinien  eingefassten  Vertiefung,  an  welche  rückwärts  quer 
die  halbrunde  gelochte  Handhabe  ansetzt.  Vgl.  d.  Abb.  bei  Pas- 
sen, prolcg.  Fig.  1.  —  Auf  der  Unterseite  in  blattförmiger  Um- 
rahmung der  bisher  unedirte  Stempel  AGAVSVS,  oben  und  unten  von 
eiuem  kleinen  Kreise  begleitet. 

59.  Grosse  christliche  Lampe  aus  rothem  Thon,  oben  flach, 
mit  zapfenartiger  Handhabe  und  breiter  (abgebrochener)  Schnauze. 
Im  vertieften  Mittelfelde  steht  Christus,  umgeben  vou  einer  kreis- 
förmigen Mandorla,  unbärtig,  in  langem  Gewände,  das  Haupt  mit 
dein  Nimbus  versehen,  in  der  Linken  das  Stabkrcnz,  die  Rechte 
zum  Segnen  erhoben.  Deu  unteren  Rand  der  Maudorla  halten  zwei 
fliegende  Engel;  rechts  und  links  befinden  »ich  zwei  Eingusslöchcr, 
darüber  im  Bogen  die  Symbole  der  vier  Evangelisten.  Zwischeu 
den  Symbolen  Johannis  und  Matthäi  ragt  iu  die  Mandorla  die 
segnende  Hand  Gott  Vaters  hinein,  die  erhobene  Rechte  Christi  be- 
rührend. Unterhalb  der  Engel  stehen  zwei  männliche  Gestalten  in 
kurzer  Tuuica ,  vou  denen  die  eine  mit  erhobener  Rechten  auf 
Christus  hinweist.  Den  äusseren  Rand  belebt  ein  Ornameut  aus 
aneinandergereihten  Kreisen  und  Quadraten,  welche  theils  mit  dem 
Monogramm  Christi,  theils  mit  Rosetten  gefüllt  sind.  Die  Uuterseite 
der  Lampe  ist  mit  einem  Fussringe  verschen,  welcher  mit  dem  Kamme 
der  Handhabe  durch  einen  Steg  verbunden  ist.  Innerhalb  des  Fuss- 
ringes ist  ein  vertierter  Doppelkreis  angebracht. 

Der  rohe  und  hässliche  Typus  der  Gestalten,  besonders  der 


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Die  antiken  Thonlampen  im  Museum  Wallraf-Richartz  zu  Köln. 


47 


des  unbärtigen  Christus,  sowie  die  Art  des  Reliefs  weisen  auf  die 
Zeit  des  tiefsten  Verfalles  der  antiken  Kunst  hin.  Die  Köpfe,  Anne 
uud  Kusse  erscheinen  flach  erhaben,  Augen,  Nase  und  Mund  durch 
rohe  vertiefte  Linien  angedeutet,  die  Gewänder  in  senkrechte  pa 
rallele  Stege  aufgelöst  —  eiu  Reliefstil,  wie  er  z.  B.  auf  den  Münzen 
Valeutiuians  III.  ausgeprägt  ist.  Bei  der  Deutung  der  Darstellung 
könnte  man  zwischen  der  Auferstehung  und  der  Himmelfahrt  schwan- 
ken. Das  Kreuz  in  der  Hand  Christi  verleitet  an  erstcre  zu  deu- 
keu,  doeh  fehlt  jede  Andeutung  des  Grabes,  abgesehen  davon,  dass 
die  beideu  Männer  unterhalb  des  triniuphirenden  Erlösers  durchaus 
uieht  als  Wächter,  als  Seddaten  gekennzeichnet  sind.  Wir  müssen 
uns  daher  für  die  Himmelfahrt  entscheiden,  welche  hier  —  wie  auch 
die  Auferstehung  uud  Verklärung  in  der  altchristlicbeu  Kunst  Uber 
haupt  —  durch  Idealisirung  des  biblischen  Vorganges  zu  einer 
Triuinphdarstelluug  Christi  und  seiner  Lehre  verallgemeinert  wird. 
Daher  die  Anwesenheit  der  vier  Evangelisten  in  ihreu  Symbolen 
und  das  Kreuz  in  der  Linken  des  Erlösers.  Auf  die  Himmelfahrt 
direkt  deutet  die  Hand  Gott  Vaters,  der  den  Sobu  wieder  in  den 
Himmel  aufnimmt  und  die  Gestalten  der  beiden  Jünger.  Dieser  Typus 
der  Himmelfahrt  erscheint  noch  in  der  Kunst  des  frühen  Mittel- 
alters, so  /..  B.  im  Wysschrader  Evaugelienbuche  des  11.  Jahrhs. 
Vgl.  Beissel,  Des  heil.  Beruward  Evangelienbuch  p.  20.  Aebnliche, 
wenn  auch  einfachere  Darstellungen  sind  auf  Lampeu  altchristlicher 
Zeit  mehrfach  aufgefunden  worden.  So  zeigt  eine  auf  dem  Paktiii 
entdeckte  Laui|>e  des  ö.  oder  6.  Jahrhunderts  Christus  mit  derAu- 
reola,  ein  Stabkreuz  in  der  Hand,  von  Engeln  angebetet;  zu  seinen 
Füssen  liegen  Löwe,  Schlange,  Basilisk  uud  Drache.  Vgl.  Kraus 
a.  a.  0.  II,  271.  Verwandt  ist  auch  die  daselbst  Fig.  118  abge- 
bildete Lampe  mit  Christus  in  kurzer  Tunika,  von  zwei  Engeln  be- 
gleitet, zu  seinen  Füssen  zwei  Löwen.  Das  aus  Kreisen  und  Qua- 
draten zusammengesetzte  Randornament  findet  sich  bei  letzterer  so- 
wohl, wie  bei  einigen  von  Kenner  447  ff.  xind  DUtschke  a.  a.  ü. 
78  erwähnten  Lampen.  Wenn  Dtttschke  diese  Verzierungsart 
jedoch  auf  fränkische  Metallotechnik  zurückführt,  so  möchte  ich 
dem  nur  bedingt  beipflichten  und  auf  die  kreisförmigen  und  qua- 
dratischen Verzierungen  hinweisen,  welche  sich  ganz  allgemein  auf 
den  Gewändern  spätrömischer  und  byzantinischer  Zeit,  vor  Allem 
aber  auf  deu  Textilfundeu  von  Achmiui,  den  koptischeu  Geweben 
vorfinden.    Allerdings  sehen  die  auf  Lampen  aufgelegten  kleineu 


48 


A.  Kina: 


Quadrate,  Dreiecke  und  Rnndscheiben  mit  ihren  geometrischen 
linearen  Füllungen  wie  eine  Nachbildung  von  Metallblättchen  mit 
Filigranschmuck  ans,  ursprünglich  gehört  diese  Verzierungsart  jedoch 
der  Textilkuust  an,  vrm  welcher  sie  dann  auf  das  Mosaik,  in  die 
Gnldschmiedekunst  und  selbst  in  die  Keramik  übernommen  wurde. 
Der  Fundort  der  Lampe  ist  unbekannt.  Jedenfalls  stammt  sie  aus  Italien 
und  gehört  dem  ä. — -ti.  Jahrb.  an.  Sie  wurde  im  Mai  lH'Jl  erworben. 

XI.  Lampen  mit  sog.  Warzenschmuck,  von  verschiedenen  Formen. 

00—04.  Lampen  aus  weissem  Thon,  rundlich,  allmählich  in 
die  kurze  Schnauze  übergehend,  die  eine  sehr  grosse  Dochtöffnnng 
hat.  Um  die  kreisrund  vertiefte  Eingussstelle  ist  ein  3 — 4factier 
Kranz  von  kleinen  Perlen  oder  Warzen  gelagert.  Die  Handhabe 
ist  znpfenförinig  und  an  beiden  Seiten  mit  runden  Vertiefungen  für 
die  Fiuger  versehen,  ohne  durchbrochen  zu  sein.  Zwei  dieser  Laiu- 
pen haben  am  Boden  den  Stempel  AS,  eine  eiuen  kleinen  eingeritzten 
Palmzweig.  Vgl.  K  e  u  n  e  r  4f>2,  D  ü  t  s  c  h  k  e  1 22.  Der  Zweig  ist 
hier  Fabrikmarke  und  nicht  Verzierung,  wie  dies  anderwärts  der 
Fall  sein  mag,  wo  er  die  ganze  Fläche  innerhalb  des  Fussringes 
ausfüllt  und  sorgfältig  ausgeführt  ist.  Hei  unserer  Lampe  ist  er 
klein  und  nichts  weniger  als  ornamental  durchgebildet.  So  findet 
er  sich  auch  auf  einer  Ziegelplatte  des  Museums  flüchtig  eingeritzt. 

6;').  Hellroth,  von  länglich  runder  Form.  Die  grossen,  auf  der 
Über-  und  Unterseite  dicht  aneiuaudergereihten  beereuartigen  Warzen 
geben  der  Lampe  die  Gestalt  einer  Weintraube.  Die  Schnauze  ist 
ziemlich  laug,  vorn  abgerundet  und  mit  zwei  Dochtlöeheru  versehen, 
welche  mit  einem  kantigen,  rechtwinklig  gebrochenen  Stege  wie  bei 
Nr.  40  eingefasst  werden.  Der  ringförmige  Henkel  sitzt  in  der 
Längsachse  mitten  auf  dem  übertheile  auf.  Die  Ausseukante  des- 
selben ist  mit  einem  eingeritzten  Lorbeerzweige  verziert.  Hinter 
ihm  das  Eiugussloch.  Rückwärts  geht  die  Lampe  in  einen  kleinen 
spitzen  Zapfen  aus.  Das  vorzüglich  erhaltene  Exemplar  wurde  im 
Frühjahr  1890  in  Köln  gefunden. 

00.  Grosse  Lampe  aus  gelbem  Thon  mit  glänzendem  roth- 
braunem Firnis«.  Der  runde  Oeibehälter  geht  in  eine  lange,  nach 
vorn  sich  verbreiternde  und  geradlinig  abschliessende  Schnauze  aus, 
der  Henke)  ist  vierfach  gerieft.  Um  das  muldenförmig  vertiefte  Ein- 
gussloeh  legen  sich  zwei  Hache  Ringe  uud  ein  aus  einer  dreifachen 
Warzenreihe  gebildeter  Kranz,  dessen  Schleife  über  die  Schnauze 
bis  zur  Dochtöffnuug  hiuabbäugt.   Die  Uuterseite  ist  ausserhalb  des 


Die  antiken  Thonlnmpen  im  Museum  Wallrnf-Kiclmrtz  zu  Köln.  49 


Fussringes  mit  dicht  aneinandergerei Ilten  Wanten  bedeckt.  An  der 
linken  Seite  befindet  sich  ein  flossenartiger  Ansatz.  Das  Ganze 
ähnelt  einer  Scholle,  wobei  das  Eingussloch  das  Auge,  die  scharf' 
abgeschnittene  Schnauze  die  Schwanzflosse  darstellt.  Die  Fisehfonn 
ist  altchristüchcn  Lampen  eigcnthlimlich,  mit  Beziehung  auf  die 
symbolische  Bedeutung  den  Namens  ixöu<;.  Noch  deutlicher  findet 
sieh  dieselbe  bei  Nr.  73  ausgeprägt. 

XII.  Lampen  in  Schiffchenform,  der  Obertheil  nach  dem  Ein- 
gussdoche  zu  schräg  ansteigend,  dieses,  Schnauze  und  Doehtöffnung 
mit  einem  Stege  umgeben,  mit  ringförmigem  Henkel. 

67—71.  Vier  dieser  Lampen  sind  aus  schwarzgrauem  Thon 
geformt  und  zeigen  Spuren  einer  modernen  Vergoldung  durch  Blatt- 
gold. Eine  besteht  aus  weissem,  rothgclb  gefimisstem  Thon  und 
trägt  auf  dem  Boden  den  vertieften  Stempel  M  in  doppclkreisför- 
miger  Umrahmung.  Vgl.  D  (l  t  s  e  h  k  e  Nr.  1 18,  Klein,  B.  Jahrb. 
88  Nr.  57,  Passeri  III,  tab.  100. 

XIII.  Lampen  von  ähnlichem  Typus.  Der  Obertheil  hoch  ge- 
wölbt, mit  radiär  gegen  den  Einguss  zulaufenden  Rippen.  Alt- 
christlich.    Hervorzuheben  ist 

72.  ein  zierliches  Lämpchen  von  0,045  m  Länge,  aus  weissem, 
hellroth  gefimisstem  Thon,  wahrscheinlich  ein  Kinderspielzcug. 

XIV.  Lampen  in  Phnntasieformeu. 

73.  Lampe  aus  gelblichweissem  Thon  in  Gestalt  eines  Fisches, 
ähnlich  Nr.  06.  Der  runde,  oben  leicht  eingebuchtete  Kopf  bildet 
den  Oelbehältcr  und  ist  rückwärts  spitz  aufgebogen  und  gelocht. 
Die  breite  Schwanzflosse  dient  als  Schnauze  und  ist  am  Ansätze 
mit  einem  Ornamente  verziert,  das  zwei  von  einander  abgekehrten 
Schwanenköpfen  gleicht.  Auf  dem  Boden  der  vertiefte  Stempel 
C-0PPI-RES.  Eine  Broneelampe,  bei  der  umgekehrt  die  erhobene 
Schwanzflosse  als  Einguss  dient,  während  das  Kopfende  die  Docht- 
öffnnng  enthält,  beschreibt  Dutschkc  unter  Nr.  108.  Der  Stempel 
kommt  häufig  vor  und  scheint  einer  italischen  Fabrik  anzugehören. 
Kenner  fuhrt  ihn  unter  den  Varianten  C-OPPIRES,  COPPIRES, 
COPPIRES  10  mal  an.  Daneben  erscheint  bei  Passeri,  Birch 
u.  A.  COPREST,  C  OPPIRE,  C-OPREST,  C  OPPI  REST-  und  un- 
sere Lesart.  Sc  h  nenn  ans  kennt  die  letztere  und  COPPIRES. 
Vgl.  auch  Steiner  IV,  695  und  Lersch,  B.  Jahrb.  VIII,  162. 
Auch  der  blosse  Name  OPPI  kommt  vor  (Schuermans  4021, 
Fröhncr  1740,  Birch  p.  605,  Kenner  136,  230,  Passeri 

Jahrb.  d.  V«r.  v.  Altertlmfr.  im  Klieiul.  XCIII.  4 


A.  Kisa: 


II,  9,  III,  4,  39,  83).  Wahrscheinlich  ist  dann  auch  der  Stempel 
COPRESI  bei  Klein  Xr.  28  (Sammlung  WolfT-Köln)  COPREST  /.n 
lesen.  Die  Beifügung;  RES  findet  sich  auch  hei  anderen  Tüpfernamen, 
wie  MVNIRES  (MVNTRES)  L  M-RES  u.  A.,  bei  denselben  Xamen 
jedoch  auch  die  Variante  REST,  auch  RESTI  (Kenner  84,  Samm- 
lung,' Xiesscn  tiO).  Alle  drei  Varianten  sind  Abkürzungen  des  Wortes 
Kostituta  (sc.  fabrica),  wie  schon  P  a  s  s  c  r  i  angenommen  hat.  Der 
Versuch  Chaudrue  de  Crnzaunes,  Revue  archeol.  VIII,  247, 
in  dem  Stempel  C-OPPIRES  das  letzte  Wort  als  ein  vollständiges 
und  res  für  gleichbedeutend  mit  opus  zu  erklären,  ist  schon  ans 
sprachlichen  Gründen  sehr  bedenklich  und  darf  seit  dem  bekannt- 
werden der  vollständigeren  Stempel  derselben  Fabrik  und  ähnlieh 
lautender  als  gegenstandslos  angesehen  werden. 
Den  gleichen  Stempel  trägt 

74.  eine  Lampe  aus  gelblichem  Thon  mit  Resten  von  rothem 
Firniss,  in  der  Form  quadratisch,  mit  einfach  gebildeter  Schnauze, 
wie  die  Lampe  hei  Passe  ri  1,  prolog.  Fig.  5  und  III,  tab.  NU, 
der  die  Form  auf  einen  ägyptischen  Typus  zurückführt. 

7ö.  Polymyxos  aus  weissem,  schwarz,  gefirnisstem  Thon  mit 
12  radiär  an  den  kreisrunden  Oelbehältcr  angesetzten  Schnauzen. 
Davon  sind  je  3  auf  jeder  Seite  mit  einander  vereinigt,  während 
die  anderen  vollständig  getrennt  behandelt  sind.    Ohne  Handhabe. 

76.  Siebendochtiger  Polymyxos  aus  weissem  Thon  in  Form 
eines  gedrückten  Halbkreises.  Die  Dochtöffnungen  sind  au  der 
Vorderkante  geradlinig  aneinandergereiht,  während  rückwärts  die 
Handhabe  ansetzt.  Die  äussere  Kante  umgibt  ein  Steg,  welcher 
sieh  auch  um  die  Dochtöffnungen  legt  und  zwischen  denselben 
ovale  Schlingen  bildet,  in  denen  runde  Knöpfchen  sitzen.  Pa- 
rallel mit  dem  äusseren  Stege  umgibt  ein  anderer  in  leichter 
Wellenlinie  die  Eingussöflnung.  Die  Lampe  ruhte  auf  drei  kurzen 
zapfenartigen  Füssen,  von  welchen  noch  zwei  theil weise  erhalten 
sind.  Sie  ist  offenbar  einem  Original  aus  Metall  nachgeahmt.  Ganz 
ähnlieh  ist  die  B.  Jahrb.  22,  p.  74,  Tafel  I  veröffentlichte  Lampe, 
ehemals  bei  Fran  Sybilla  Mertens-Schaaffhausen  in  Bonn,  welche  im 
Frühjahr  1848  am  Kölner  Thore  daselbst  gefunden  wurde.  Doch 
ist  dieselbe  von  rothem  Thone,  die  Rundung  schwungvoller,  der  sich 
zwischen  den  Dochtlöchern  durchdrängende  Steg  quadratisch  ge- 
brochen. Die  Siebenzahl  der  Dochtöffnungen  veranlasste  die  Be- 
sitzerin die  Lampe  dem  jüdischen  Kulte  zuzuweisen.  Sic  beruft  sich 


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Die  antiken  Thonlampen  im  Museum  Wallraf-Kichartz  zu  Köln.  51 


dabei  auf  die  Mitthcilung  eines  „gelehrten  Juden",  das»  die  Sabbath- 
lnmpe  siebenzackig  Bei.  Derselbe  hatte  wohl  jene  metallenen  Hänge- 
lampen im  Auge,  welche  in  Deutschland  und  Holland  sehr  häutig 
zu  finden  sind,  Lampen  mit  7  .Schnauzen  und  einem  runden  Ocl- 
behälter,  die  zumeist  aus  dem  15. — 17.  Jahrhundert  stammen  und 
mit  den  antiken  nichts  gemein  haben  als  die  Zahl  der  Lichtöffnungen. 
Auch  bei  antik-heidnischen  Kulten  kamen  siebentheilige  Lampen  zur 
Verwendung.  So  hat  die  das  „Schiff  der  Isis"  darstellende  Lampe 
(Passeri  III,  79)  7  Dochtöffnungen,  welche  um  den  rechteckigen 
Lampenkörper  angeordnet  sind.  Bei  Bireh,  Fig.  188  findet  sich 
eine  kreisrunde  siebensehnauzige  Lampe,  welche  am  Griff  eine  Se- 
rapisbüste  trägt,  bei  Linde  lisch  mit  Sohn,  Mainzer  Museum 
tab.  26  eine  gleichartige  Brouzclampe  mit  dem  Symbol  Limas,  dem 
Halbmond  als  Handhabe.  Auch  Dütschke  erwähnt  unter  Nr.  27 
eine  runde  7 dochtige  Lampe  der  Sammlung  Herstatt.  Auf  jüdischen 
Kult  weist  nur  die  bei  Reger  33  publi/.irte  Lumpe  der  früheren 
Sammlung  Bellori  durch  ihren  Kundort,  den  altjüdischen  Begräb- 
nissplatz an  der  Porta  Portuense  zu  Rom  hin.  Die  Siebcnzahl 
der  Docbtöffnungeu  beweist  demnach  gar  nichts.  Früher  (im  Mus. 
Kirchcr,  p.  15)  hat  man  deD  Versuch  gemacht,  dieselbe  mit  dem 
Kultus  der  7  Planeten  in  Verbindung  zu  bringeu  und  zwölfdochtige 
Lampen  als  ein  Symbol  des  Thierkreises  erklärt.  In  diesem  phan- 
tasiereichen Spiele  mit  mythischen  und  mystischen  Beziehungen  mag 
immerhin  ein  Körnchen  Wahrheit  ruhen.  Es  ist  veranlasst  durch 
die  inannichfachen  Beobachtungen  über  das  Eindringen  von  orienta- 
lischen und  christlichen  Elementen  in  die  römischen  Mysterienkulte 
und  die  damit  zusammenhängende  Nachahmung  fremder  Kultusgcräth- 
sehaften.  Es  entstand  dadurch  im  antiken  Kunstgewerbe  eine  Mi- 
sehung  fremder  und  heimischer  Formen,  bei  welcher  jedoch  die  an- 
gestammte symbolische  Bedeutung  —  falls  eine  solche  überhaupt 
vorhanden  war  —  sieh  allmählich  verwischt  und  die  Absicht,  etwas 
Originelles,  etwas  Modernes  zu  schaffen,  in  erster  Linie  maaBsgebend 
erscheint.  Die  Siebcnzahl  der  Liehtöffnungcn  hat  in  Aegypten  und 
bei  den  Juden  eine  symbolische  Bedeutung.  Das  berühmteste  Beispiel 
dieser  Art,  der  Leuchter  Salomonis,  findet  sich  oft  in  Relief  auf 
spätrömischen  Lampen  dargestellt.  Birch  Fig.  l'.U,  Kraus  Fig.  130, 
BegcrIII,  32.  Man  hat  diese  Lampen  gleichfalls  für  jüdische  an- 
gesehen, bis  man  in  den  Katakomben  den  7  armigen  Leuchter  auf 
unzweifelhaft  christlichen  (ieräthen  nachgebildet  fand.     Wenn  es 


f.2 


A.  Kisa: 


demnach  unmöglich  ist,  Lampen  mit  einein  so  speeifisch  jüdischen 
Symbole  ausschliesslich  dem  mosaischen  Kultus  zuzuweisen,  so  ist 
dies  noch  weniger  statthaft  l>ei  Lnmpcnfoimen  vom  Typus  der  ob- 
genannten,  deren  Dekoration  eine  völlig  neutrale  ist. 

Das  Exemplar  des  Kölner  Museunis  wurde  im  Sommer  1*89 
heim  Kanalhau  auf  dem  Hunucnrtickcn  iu  Köln  aufgefunden. 

77.  Grosse  Lampe  aus  weissem  Thon  mit  Resten  von  rotli- 
gelbein  Firniss.  Der  Obertheil  bildet  in  Hochrelief  den  Kopf  des 
Attis;  das  feiste  jugendliche  Antlitz  ist  von  üppigen  Locken  um- 
rahmt, welche  unter  dem  Rande  der  kleinen  phrygischen  Mütze  her- 
vorquellen. Auf  dem  Henkel  eine  Pilgermnsehel  als  Handgriff.  Die 
schöne,  wohl  erhaltene  Lampe,  welche  seit  Mai  1890  eine  Zierde  der 
Aiitikcnsammlung  des  Kölner  Museums  bildet,  wurde  zu  Roden- 
kirchen l>ei  Köln  gefunden  und  befand  sich  früher  im  Besitze  von 
E.  Herstatt,  welcher  sie  im  B.  Jahrb.  88,  p.  136,  tab. 1,  Fig.  2  ver- 
öffentlichte. Der  frühere  Besitzer  hielt  den  Kopf  für  den  eines 
Bacchus,  während  die  phrygischc  Mütze  und  die  aufgedunsenen 
Wangen,  hinter  welchen  die  kleinen  Augen  fast  versehwinden,  für 
den  Geliebten  der  Kybclc  sprechen.  Attis  ist  in  spatrömischer  Zeit 
seit  dem  Ueberhnndnehmen  der  Kybclemystericn  ein  sehr  beliebtes 
Motiv  auf  Lampcndarstcllnngen.   Kenner  77,  Passcri  1,18,  19. 

78.  Kleine  Lampe  aus  weissem  Thon  iu  Form  eines  (rechten) 
Fusses,  gelb  gefiruisst,  mit  einzelnen  zerstreuten  braunrothen  Flecken. 
Die  Sandale  ist  mit  einem  einfachen  Iiiemen  über  den  Zehen 
und  einem  über  den  Spann  befestigt.  Die  Eingussöffnung  befindet 
sich  an  dem  Abschnitte  oberhalb  der  Knöchel,  die  Dochtöffnung  in 
der  grosseu  Zehe.  Rückwärts  die  Reste  des  abgebrochenen  Henkels. 
Auf  der  Sohle  ist  durch  kleine  Knöpfehen,  eine  Nachbildung  von 
Nägeln,  in  doppelter  Umrahmung  der  Stempel  VITALIS  dargestellt. 
Vor  demselben  befindet  sich  eiu  Blatt,  hinter  demselben  ein  kleiner 
Kreis  mit  einem  Mittelpunkt.  Die  Lampe,  zuerst  von  Kamp,  epigr. 
Antic.  p.  7  Nr.  124  edirt,  erscheint  in  einem  Exemplar  des  Bonner 
Museums,  Klein,  B.  Jahrb.  88,  Xr.  81  wiederholt.  Die  Fussform 
wurde  bei  Lampen  häufig  angewandt.  S.  die  folgende  Nummer, 
ferner  D  U  t  a  c  h  k  e  77 ,  144,  L  i  u  d  e  u  s  c  h  m  i  t  tab.  2i\,  Fig.  1 4 
und  2h.  Nachbildungen  von  Füssen  wurden  den  Göttern  nach  glück- 
lich zurückgelegter  Reise  geweiht.  Vgl.  die  Abbildungen  von  solchen 
bei  Passe ri  II.  tab.  72  und  73.  Scpulkrallainpeu  in  Fussform 
erhielten  ähnliche  Bedeutung,  als  Zeicheu  der  vollbrachten  Erden- 


1  >ie  antiken  Ttioiilniiipcu  im  Museum  Wallraf-Ricliartz  zu  Köln.  ft.'J 


pilgcrschnft,  namentlich  beim  altchristlichen  Totcukult  (U.  Jahrb.  49 
p.  1  "Mi).  Der  Stempel  Vitalis  ist  einer  der  verbreiterten  und  ge- 
hört einer  italischen  Fabrik  an.  Fr ö h n er  2174  ff.,  S  c  Ii  n  Gr- 
inau k  58:">1.  Ausser  Lampen  seheinen  feine  Gelasse  in  Terra  sigil- 
lata  eine  Spezialitnt  der  Fabrik  gewesen  zu  sein. 

IM  Lampe  ans  weissem  Thon  mit  rothgelbem  Firnis«,  gleich- 
falls in  Form  eines  rechten  Fnsscs.  Die  Sandale  ist  mit  Nägeln 
dicht  beschlagen  und  durch  ein  reiches  Riemengeflecht  befestigt, 
das  sich  iu  einem  runden  Knopf  oberhalb  des  Spannes  vereint.  Die 
Ausführung  ist  eleganter  und  sorgfältiger  als  bei  dem  früheren 
Exemplare,  doch  fehlt  der  Fabriksteinpcl. 


54 


A.  F  u  r  t  w  &  u  g  1  e  r: 


4.  Zwei  Bronzen  im  Museum  zu  Speier. 

Von 

A.  i'urtwängler. 

1.  Keiitaurenkopf  (Tal.  VF). 

Als  ich  zu  Anfang:  dieses  Jahres  das  Museum  in  Speier  be- 
suchte, war  ich  überrascht,  dort  ein  Bronzewerk  allerersten  Kaufes 
zu  finden.  Ks  ist  der  lierrlielie  bärtige  Kopf,  den  Tal*.  VI  in  zwei 
Ansichten  wiedergiebt. 

Derselbe  ist  in  einer  Vorderausielit  zwar  schon  in  dem  „Katalog 
der  historischen  Abtheilnng  des  Museums  in  Speier  18W  von  l'rof. 
Dr.  Ha  ist  er  veröffentlicht  und  von  ihm  als  eine  der  „Perlen 
nicht  bloss  der  Speierer,  sondern  niler  Altcrthitmssammlungen"  be- 
zeichnet worden.  Um  dies  einzige  Werk  aber  zugleich  vollständi- 
ger und  in  weiteren  Kreisen  bekannt  zu  machen,  geben  wir  mit 
der  freundlichen  Erlaubnis*  und  Beihülfe  von  Prof.  IIa  ist  er1) 
diese  neuen  in  der  Grösse  des  Originales  hergestellten  Abbildungen. 

Als  Fundort  des  Kopfes  wird  Schwarzenacker  im  Bliesthale 
angegeben.  Kr  ist  hohl  gegossen,  «las  Innere  ist  mit  Blei  voll- 
gegossen, üben  ist  eine  derbe  Oese  eingelassen,  in  der  sieh  ein 
beweglicher  King  befindet.  Der  Kopf  hat  demnach  einmal  als  Ge- 
wicht einer  Waage  gedient. 

Allein  «lies  kann  unmöglich  seine  ursprüngliche  Bestimmung 
gewesen  sein.  Nicht  nur  durch  seine  G Wisse,  sondern  auch  durch 
seine  Form  weicht  er  vollständig  ab  von  dem  Typus  der  als  Ge- 
wichte dienenden  Köpfe;  denn  diese  sind  immer  als  Büsten  gestaltet. 
Unser  Kopf  aber  hat  nicht  einmal  einen  Hals  und  war,  seit  er  als 
Gewicht  diente,  offenbar  niemals  vollständiger.     Doch  kann  der 


t)  Der  die  Güte  hatte,  die  photogrsiphisehcu  Aufnahmen  zu  dieser 
sowohl  wie  zu  der  folgenden  Tutel  unter  seiner  Aulsieht  machen  zu  lassen. 


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Zwei  Bronzen  im  Museum  zu  Speier.  55 

jetzig  untere  Rand  unmöglich  der  ursprüngliche  Abschluss  des 
Werken  sein.  Dieser  Rand  zeigt.  d:iss  der  Kopf  zwar  besonders 
gegossen  ist,  aber  zum  Aufsetzen  auf  eine  Figur  bestimmt  war; 
das  (Iberfallende  Haar  und  der  Hart  deckten  die  Fuge.  Ferner 
bemerkt  man,  dass  das  Loch  für  die  Oese  oben  erst  eingebohrt 
ist,  nachdem  ein«  Locke  schon  etwas  beschädigt  war.  Damit  ist 
erwiesen,  dass  die  Verwendung  des  Kopfes  als  Gewicht  später  als 
die  Verfertigung  desselben  ist. 

Der  Ring  mit  der  Oese  oben  ist  nichts  als  eine  barbarische 
Verletzung  des  Kopfes,  der  auch  an  jener  Stelle  aufs  Vollendetste 
ausgeführt  und  cisellirt  war.  Der  Stil  desselben  lehrt  uns  nun.  dass 
er  wahrscheinlich  schon  Jahrhnuderte  bevor  er  zum  Gewicht  ver- 
wendet wnrde  und  weit  entfernt  von  dein  Barbarenlandc  in  einer 
griechischen  Kunstlerwerkstatt  entstanden  ist. 

Der  Kopf  ist  ein  griechisches  Original,  und  zwar  eines  von 
solcher  Vollendung  und  solcher  künstlerischen  Kraft,  dass  ich  ihm 
unter  allen  Bronzen,  die  ich  kenne,  auch  die  Schätze  des  Musco 
Borbonico  und  des  Itritish  Museum  nicht  ausgenommen,  nur  ein 
einziges  Werk  als  ebenbürtig  an  die  Seite  zu  stellen  weiss:  das  ist 
der  Pankratiastenkopf  von  Olympia,  in  dem  ich  ans  äusseren  wie 
inneren  Gründen  ein  Original  des  Lysipp  vermuthet  habe  ').  Unser 
Kopf  zeigt  zweifellos  etwas  jüngeren  Stil  wie  jener;  Haar  und  Bart 
sind  aufgelöster  und  auf  stärkere  Schatten wirkung  berechnet;  die 
Brauen  sind  naturalistisch  und  plastisch  gegeben,  die  dort  konven- 
tionell und  nur  gravirt  sind.  Allein  die  Virtuosität  in  der  Bildung 
der  Haare  und  die  feine  Modcllirung  aller  Details  ist  hier  wie  dort 
so  einzig  und  sich  so  ähnlich,  dass  der  Speierer  Kopf  als  unmittelbare 
Fortsetzung  derselben  künstlerischen  Tradition  erscheint,  die  in  dem 
olympischen  Faustkämpfer  vorliegt. 

Auch  das  Aeusserlichc  lässt  schon  das  griechische  Original 
erkennen.  Die  Patina  ist  jene  dunkle  tiefgrüne,  wie  sie  den  griechi- 
schen Bronzen  der  besten  Zeit  eigen  zu  sein  pflegt  und  wie  sie  ähnlich 
jenen  olympischen  Kopf  auszeichnet.  Auch  dass  der  Kopf  gelrennt 
gegossen  ist  und  aufgesetzt  war,  entspricht  griechischer,  nicht  römi- 
scher Weise.  Die  Augen  sowohl  wie  die  Zähne  sind  von  Silber 
eingesetzt.    Die  Lippen  sind  von  einem  Rändchen  umgeben  und 


1)  Olympia,  Bd.  IV,  die  Bronzen,  Taf.  II,  Text  S.  10  f. 


r,n 


A.  Furtw  Hngler: 


Bind  vielleicht,  obwohl  aus  Bronze  bestehend,  auch  eingesetzt  wie 
atu  olympischen  Kopfe 

Die  Deutung  de«  Kopfes  ergiebt  sich  durch  die  grosse  Ver- 
wandtschaft desselben  mit  einem  in  mehreren  Repliken  erhaltenen 
bärtigen  Kentaur,  dem  ein  kleiner  Eros  die  Hände  auf  den  Kucken 
gebunden  hat  l).  Ks  kann  nicht  zweifelhaft  sein,  das«  auch  unser 
Kopf  von  der  Figur  eines  Kentauren  stammt 8). 

Die  Aehnlichkeit  mit  jenem  ist  so  in  die  Augen  fallend,  das« 
sie  keiner  weiteren  Auseinandersetzung  bedarf.  Interessant  aber  ist 
es,  die  Unterschiede  der  beiden  Köpfe  zu  verfolgen.  Obwohl  die 
wirren  Haare,  die  thierischen  Ohren  und  das  wilde  aufgeregte 
Wesen  beiden  gemeinsam  sind,  ist  der  Ausdruck  doch  ein  sehr  ver- 
schiedener: dort  in  der  Marmorstatue  macht  der  wilde  Geselle  ein 
gar  klägliches  und  jämmerliches  Gesicht;  die  Mundwinkel  sind  stark 
herabgezogen  und  der  Kopf  dreht  sich  ganz  nach  seiner  Rechten 
herum  nach  dem  Rücken,  wo  der  kleine  Dämon  sitzt,  der  ihm  die 
Hände  gefesselt.  Auch  der  Bronzekentaur  wandte  den  Kopf  nach 
seiner  Rechten,  aber  nur  mässig:  seinem  Ausdrucke  fehlt  das  Kläg- 
liche völlig.  Er  ist  aufgeregt,  aber  seine  Leidenschaft  ist  von  un- 
gebrochener Kraft;  sie  dringt  stürmisch  vorwärts;  sie  ist  von  mäch- 
tiger packender  Gewalt. 

Das  ist  kein  von  einem  Eros  gebändigter  verliebter  Kentaur; 
jene  tändelnde  Vorstellung  ist  diesem  Werke  völlig  fremd*).  Was 
der  Künstler  hier  ausdrücken  wollte  und  mit  einziger  Meisterschaft 
ausgedrückt  hat,  das  ist  nur  jener  alte  mythische  Begriff  von 
dem  Wesen  der  Kentauren,  der  wilden  stürmischen  Dämonen,  die 
in  Wald  und  Bergen  hausen. 

Wir  dürfen  danach  annehmen,  dass  die  einstige  Bronzestatuc 
den  Kentaur  weniger  in  einer  bestimmten  Situation,  als  nur  seinem 
Wesen  nach  darstellte.    Den  nächsten  Vergleich  würden  Statuen 


1  >  Vgl.  (Iii-  Litteratur  bei  V  r  i  e  d  e  r  i  c  h  s  -  W  o  1 1  e  r  s,  Gipsabgüsse 
Nr.  1121.  Kine  vorzügliche  Koplik  des  Kopfes,  ungleich  besser  als  die. 
Kxemplare  im  Louvre  und  Capito),  besitzt  die  Berliner  Sculpnireusainm- 
lung  Nr.  205. 

2)  Prof.  Hardter  hatte  au  einen  Triton  gedacht;  die  richtige 
Henning  hatte,  wie  derselbe  mir  mittheilt,  vor  mir  auch  schon  v  o  n 
D  u  h  n  bei  einem  Besuche  der  Sammlung  ausgesprochen. 

3)  Sie  war  auch  dem  Motiv  des  gefesselten  Kentauren  ursprünglich 
fremd:  vgl.  Phigaliafries  West  3  und  die  Vase  Monum.  grecs  1876,  pl.  3. 


Zwei  Bronzen  im  Museum  zu  Speier. 


andcrer  Dämonen  wie  der  Satyrn  und  der  Tritone  bieten,  die  seit 
dem  vierten  Jahrhundert  auch  ohne  bestimmte  Situation  häufig  in 
starker  Erregung  gebildet  worden  sind;  jene,  die  Satyrn,  nm  die 
laehende  Frechheit,  die  schäumende  Lustigkeit  ihres  Wesen«  zu 
zeigen;  diese,  die  Tritone,  um  ihr  ungestilltes  ruhloses  Streiten  und 
Sehnen  zum  Ausdruck  zu  bringen.  Ein  ganz  verschiedenes,  aber 
nicht  minder  leidenschaftliches  Wesen  ist  das  des  Kentauren,  wie 
es  unser  Bronzekopf  schildert. 

Der  Blick  scheint  fest  auf  ein  Ziel  gerichtet,  nicht  in  unbe- 
grenzte Ferne  seb  weifend,  wie  dies  nach  Brunns  bekannter  Ana- 
lyse beim  Triton  der  Fall  zu  sein  pflegt.  Der  Mund  ist  geöffnet 
wie  in  wildem  Schrei;  die  beiden  Zahnrcihcn  werden  sichtbar.  Die 
halbtliicriscbcn  Ohren  sind  beide  nach  vorn  gespitzt,  wie  um  auf- 
merksam jeden  Schall  aufzufangen.  Auch  diese  Ohren  zeugen 
übrigens  von  der  Meisterschaft  unseres  Künstlers;  ich  erinnere  mich 
keines  anderen  Werkes,  wo  sie,  wenn  man  bei  einer  phantastischen 
Bildung  so  sagen  darf,  so  uaturwahr  dargestellt  wären.  Die  Haare 
erheben  sieh  wirr  und  struppig  und  bilden  einen  prachtvollen 
Rahmen  um  das  (Jesieht;  und  auch  der  Bart  umrahmt  mehr  als 
dass  er  bedeckte;  er  lässt  das  Kinn  ganz  und  die  Oberlippe  fast 
ganz  frei.  Im  Haare  lag,  wie  ein  in  der  Protilansiekt  deutlicher 
Einschnitt  wahrscheinlich  macht,  ein  besonders  gearbeiteter  Zweig, 
vennuthlich  mit  Ephcublättern,  die  für  den  Kentauren  passten '). 

Doch  wir  fahren  fort,  die  Unterschiede  von  jenem  Mannor- 
kentauren  hervorzuheben,  die  uns  den  Charakter  unserer  Bronze 
am  besten  zu  bestimmen  helfen.  Dort  wachsen  die  Haare  in  der 
Mitte  in  die  Stirnc  herab,  was  hier  gar  nicht  der  Fall  ist,  und  die 
Augenbrauen  sind  ungleich  buschiger  als  hier.  Beidos  macht  den 
Typus  niedriger,  thierischer.  Der  Hauptuntcrschied  aber  besteht 
in  der  völlig  verschiedenen  Behandlung  der  weichen  Theile  des 
Gesichtes.  Vor  allem  spielt  die  Haut  in  ihren  Zusammenschiebungcn 
und  Faltungen  dort  eine  ganz  andere  Rolle  als  an  der  Bronze.  An 
letzterer  hat  die  Haut  keine  selbständige  Geltung;  der  Künstler 
strebt  —  man  vergleiche  namentlich  die  Stirae  —  zunächst  die 
charakteristischen  Formen  von  Knochen  und  Muskeln  auszudrücken; 
dort  aber  werden  diese  gleichsam  Uberspouuen  und  fast  verdeckt 


1)  Auch  der  obeu  genannte  Berliner  Kopf  205  hat  einen  Epheu- 
zweig  im  Haar. 


A.  Furtwftnfflcr: 


von  den  tiefen  Falten  der  Haut,  in  deren  Wiedergabe  der  Künstler 
schwelgt.  So  ist  besonders  die  Stirne  völlig  vcrHchiedcn  von  der 
Rronzc,  so  aneh  die  Umgebung  der  Augen  nnd  die  Wangen  mit 
ihren  tiefen  Furchen. 

Gerade  dies  ist  aber  ein  wichtiges  kunstgeschiehtliches  Merk- 
mal nnd  es  kann  kein  Zweifel  sein,  das«  der  Bronzekopf  eine 
stilistisch  ältere  Stufe  vertritt  als  der  Marmorkentanr.  Wir  bemerken 
nun,  das«  er  auch  in  der  ßildung  der  Haare  noch  etwas  älterer 
Tradition  folgt  als  jener;  besonders  der  Hart  ist  noch  kompakter, 
dem  Stile  des  olympischen  Bronzekopfes  näher  als  dort. 

Jener  Marmorkentaur  gehört  aber  einer  geschlossenen  Reihe 
von  Denkmälern  an  nnd  kann  mit  Hülfe  dieser  annähernd  genau 
bestimmt  werden.  Die  nahe  Verwandtschaft  desselben  mit  dem 
Laokoon  ist  längst  bemerkt  worden.  Aber  der  Laokoon  ist  selbst 
ein  umstrittener  schwankender  Tunkt  und  wir  sehen  uns  nach  einem 
anderen  festeren  nm. 

Dies  sind  die  Figuren  des  attaliseben  Weihgesehcnkes  zu 
Athen,  von  denen  uns  Wiederholungen  erhalten  sind.  Es  ist,  wie 
mir  scheint,  eine  nicht  genug  hervorgehobene,  aber  offenbare  That- 
sache,  dass,  wenn  wir  die  uns  überhaupt  erhaltenen  Denkmäler 
stilistisch  gruppiren,  der  Laokoon  nicht  zn  trennen  ist  von  jenen 
attalischen  Figuren.  Namentlich  mit  dem  einen  bärtigen  Gallier  l) 
ist  er  nahe  verwandt.  Da«  attalisehe  Weihgeschenk  wird  gewöhn- 
lieh Attalos  1.  zugeschriehen,  obwohl  dies  nicht  ohne  weiteres  zu 
beweisen  ist.  Aber  die  stilistische  Uebereinstimmung  mit  den  er- 
haltenen grossen  Galliei-stattien,  die  gewiss  auf  Werke  aus  Attalos  I. 
Zeit  zurückgehen,  macht  jene  Annahme  sehr  wahrscheinlich.  Zn 
diesen  grossen  Statuen  gesellt  sich  ein  vortrefflicher  bärtiger  Kopf*), 
der  wahrscheinlich  einst  zu  demselben  Gruppenwerk  gehörte  und 
mit  jenem  bärtigen  Gallier,  mit  dem  Laokoon  und  jenem  Kentauren 
nahe  verwandt  ist;  nnd  von  anderen  Werken  ist  namentlich  noch 
der  Sehleifer  zu  Florenz  zu  nennen. 

Der  Laokoon  nimmt  innerhalb  dieser  Gruppe  von  Denkmälern 
nur  dadurch  eine  etwas  getrennte  Stellung  ein,  dass  er  die  Augen- 
brauen nicht  mit  plastischen  Haaren  versehen,  sondern  nach  der 
älteren  Art  glatt  bildet.    Allein  in  den  wesentlichen  Kennzeichen, 


1>  Overbeck,  Plastik  II8,  Taf.  y.u  S.  205,  IV,  7. 

2)  Anc.  niarbles  Brit.  Mus.  II,  23.    Vgl.  Arch.  Anz.  1891,  S.  141. 


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Zwei  Bronzen  im  Museum  zu  Speier. 


in  der  Behandlung  der  Haut  und  ihrer  Falten  im  Gerichte,  sowie 
auch  der  Haare  steht  er  durchaus  auf  einer  Stute  mit  jenen  I>enk- 
uiHlcrn,  denen  gegenüber  unser  Hron/.ekopf  ein  ältere«  Stadium  vertritt. 

Eine  dritte  Stufe  dieser  Entwickclnng  bieten  uns  die  sog. 
Pergamencr,  die  in  Eumenes  II.  Zeit  ausgeführten  Altarseulpturcn 
von  Pergamon.  Sic  sind  die  reife,  ja  überleite  Frucht  der  voran- 
gegangeneu Epoche.  Was  jene  sieh  mühsam  erarbeitet  hat.  wird 
hier  gleichsam  verschwendet.  Die  Formen,  die  dort  wirklieh  nach 
der  Natur  beobachtet  und  studirt  sind,  werden  hier  durch  ein  un- 
mässiges  Ucbertrcibcn  schon  zu  hohlen  Phrasen  gemacht.  So  vor  allem 
die  Formen  des  Gesichten  in  Erregung,  das  Zusammen-  und  Empor- 
zicheu  der  Brauen,  die  Falten  der  Stiruhaut  und  der  Umgebung 
der  Augen;  was  dort,  an  den  attalischen  Werken  sowie  dem  Lao- 
koon.  zwar  hoehgesteigert.  aber  durchaus  innerhalb  der  Grenzen 
des  Wirklichen  liegt,  wird  hier  durch  die  starke  Febertreibnng  zur 
Unnatur.  Eine  solche  Kunst,  nach  aussen  glänzend,  innen  angefault, 
kann,  wie  es  bei  den  Pcrgamenern  geschah,  anfangs  imponiren, 
blenden,  ja  berauschen;  aber  darauf  folgt  um  so  stärkere  Ernüchte- 
rung. Nur  wo  reine  gesunde  Naturanschauung  zu  Grunde  liegt, 
kann  die  Kunst  auf  die  Dauer  befriedigen  und  ohne  je  Uebcrdrnss 
zu  erregen,  immer  von  Neuem  Bewunderung  hervorrufen. 

Wir  haben  drei  Stufen  in  der  Entwickclnng  der  hellenistischen 
Kunst  unterschieden.  Die  erste ,  die  durch  unseren  Bronzekopf 
reprnsentirt  wird,  folgt  unmittelbar  auf  Lysipp  und  ist  in  die  erste 
Hälfte  des  dritten  Jahrhunderts  zu  datiren.  Die  andere,  durch 
jene  attalischen  Denkmäler  gebildet,  gehört  in  die  zweite  Hälfte 
dieses  und  den  Anfang  des  folgenden  Jahrhunderts,  wo  sich  un- 
mittelbar jene  Ausartung  in  Eumenes  II.  Zeit  anschliesst,  welche  in 
den  decorativeu  Skulpturen  des  Altars  vorliegt.  Es  ist  aber  natürlich 
nicht  anzunehmen,  dass  alle  Künstler  dieser  Zeit  jene  Ucbertrcibun- 
gen  mitgemacht  haben.  Da  diese  dritte  Periode  eigentlich  nichts 
Neues  hinzubringt,  sondern  nur  Vorhandenes  schlecht  anwendet,  so 
wird  sie  von  der  vorigen  nicht  immer  scharf  zu  scheiden  sein. 

Wir  haben  den  Laokoon  in  die  Periode  der  attalischen  Bild- 
werke gesetzt.  Dass  er  unabhängig  ist  von  der  pergamenischen 
Gigantomachie  und  einer  älteren  Kunsttradition  folgt  als  diese,  hat 
Brun  u  in,  wie  uns  scheint,  unwiderleglicher  Weise  bewiesen  '). 

1)  Brunn,  Die  kunstjresch.  Stellung  der  pergam.  Gignntomaehic, 
im  Jahrb.  d.  kgl.  pr.  Kunsrsaininl.  Bd.  V. 


CO 


A.  Furtwilnjflcr: 


Er  ist  noch  vollständig  frei  von  den  gewohnheitsmüssigen  Uebcr- 
treibnngen  der  Pergauicner  und  vidi  von  aufrichtigem  wahrem 
Studium  der  Natur;  er  sucht  nicht,  gleich  jenen,  durch  äusserliehe 
sog.  realistische  Details,  wie  gewisse  Hautfaltchen  am  Kör) »er,  zu 
bestechen,  sondern  geht  noeli  auf  das  Wesentliche.  Und  ihm  ist 
noch  eniKt  und  vollwichtig,  was  dort  schon  zur  Manier  geworden 
ist.  Dennoch,  und  obwohl  er  in  der  Bildung  von  Auge  und  Krauen 
sogar  älterer  Weise  folgt  als  die  attalischcn  Werke,  kann  er  zeit- 
lich mit  den  Pergaineucrn  ungefähr  zusammenfallen,  da,  wie  wir 
oben  bemerkten,  die  ältere  Richtung  sehr  wohl  noch  neben  den 
Uebertrcibungen  der  .lung-Perganicner  hergegangen  sein  kann.  Die 
Inschriften  mit  dem  Künstlernamen  des  Apollodoros,  die  den  neueren 
Untersuchungen  nach  bis  auf  eine  als  acht  und  original  anzuerkennen 
sind  l),  lassen  eine  Datirung  in  das  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  zu.  Das 
Werk,  das  der  Vater  dieses  Mannes  mit  seinen  beiden  Söhnen  ausführte, 
kann  demnach  unbedenklich  in  den  Anfang  dieses  Jahrhunderts  datirt 
werden.  Gewiss  zeigt  der  Laokoon  uns  im  Wesentlichen  den  Stil 
des  Vaters,  des  Agesander,  dein  seine  Söhne  bei  der  Ausführung 
halfen.  Der  Vater  aber  hatte  sieh  seinen  Stil  in  der  grossen  atta- 
lischen  Periode  gegen  Ende  des  dritten  Jahrhunderts  gebildet.  Der 
Sohn  Athanodoros  scheint  später,  den  erhaltenen  Inschriften  nach, 
Rhodos  verhissen  und  auswärts  kleinere  Kabinettstücke,  wahrschein- 
lich zum  Theil  von  farbigem  Marmor  gearbeitet  zuhaben.  Seine  Kunstart 
dürfte  uns  etwa  durch  eine  treffliche  kleine  Herme  des  l'an  veran- 
schaulicht werden,  die,  in  liosso  antico  gearbeitet  und  aus  Pergamon 
stammend,  sieh  im  berliner  Museum  befindet;  es  ist  ein  prächtiges 
feines  Werk  gewiss  des  2.  Jahrhunderts,  dessen  Stil  sich  noch 
durchaus  an  den  der  attalischen  Periode  anschlicsst  *). 

Unseren  Bronzekopf  dürfen  wir,  wie  bemerkt,  noch  an  den 
Anfang  des  dritten  Jahrhunderts  setzen.  Es  ist  wohl  unstreitig  das 
schönste  Bronze-Original  dieser  Epoche,  das  wir  besitzen;  wenigstens 
wfisste  ich  ihm  nichts  au  die  Seite  zu  stellen. 

Der  Vorwurf,  ein  aufgeregter  Kentaur,  ist  von  der  hellenisti- 
schen Plastik,  wie  es  scheint,  öfter  behandelt  worden.  Ausser  der 
schon  oben  verglichenen  Schöpfung   besitzen  wir  noch  in  zwei 

1)  Förster  in  den  Vcrh.  <1.  40.  Philol.-Versaminl,  S.  91  ff.  430. 
Jahrb.  d.  lnstit.  1891,  S.  191  «T. 

2)  Kine  genaue  Replik,  doch  in  weissem  Marmor  befindet  sich  im 
Louvrc  (Saal  der  kleinen  Marmore). 


Zwei  Bronzen  im  Museuni  zu  Speier. 


Iii 


Kopieen  ')  einen  Kopf  von  wildem  Ausdrucke  mit  spitzen  Ohren, 
der  auch  nur  einen  Kentanren  darstellen  kann.  Sein  Typus  ist 
kraftvoller,  aber  gröber  als  der  unsrige.  Das  seelische  Leben  des 
letzteren  fehlt  ihm  ganz.  Welch  inneres  Pathos,  welch  geistig  ver- 
tieftes Wesen  ans  diesem  spricht,  tritt  durch  den  Vergleich  mit 
jenem  erst  recht  deutlich  hervor.  Stilistisch  ist  jener  jünger  als  der 
unsrige. 

Noch  ein  Kopf  ist  hier  zu  erwähnen,  den  man  als  Kentanren 
erklärt  hat,  der  vom  Esquilin  im  Konservatoren-Palast die  Kopie 
nach  einem  Werke  vom  Ende  der  Eutwickelung  der  attalisehcn  Reihe. 
Die  Deutung  kann  ich  indes»  nicht  für  sicher  halten;  es  war  viel- 
leicht ein  Satyr,  und  wenn  es  ein  Kentaur  war,  so  war  dieser  eben 
satyrhaft  aufgefasst.  Es  ist  eine  sehr  niedere,  fast  thicrisehc  Wild- 
heit in  dem  Kopfe,  die  von  dem  vornehmen  Wesen  unserer  Bronze 
stark  absticht. 

Die  Aufgabe,  die  an  die  pergamenischen  Künstler  des  Altars 
herantrat,  eine  Fülle  verschiedener  Gigantcngestalten  zu  schaffen, 
führte  dazu,  dass  dieser  Altar  gleichsam  das  Sammelbecken  wurdo 
für  die  verschiedenen  von  der  vorangegangeneu  Kunst  geschaffenen 
Typen  dämonischer  Wesen  wie  der  Kentauren,  Satyrn  und  Tritonc, 
die  sich  hier  passend  verwenden  Hessen.  So  finden  sich  am  Altar 
noch  manche  Anklänge  an  die  von  uns  oben  besprochenen  Typen. 
Eine  der  reinsten  schönsten  Quellen,  aus  denen  der  spätere  per- 
gamenisehe  Stil  sieh  bildete,  haben  wir  durch  den  Bronzekopf  zu 
Speier  kenneu  gelernt. 

2.  Porträt bfiste  (Taf.  VII). 

Das  Musetun  zu  Speier  besitzt  noch  ein  zweites  vortreffliches 
Werk  von  Bronze,  die  Büste,  die  wir  auf  Taf.  VII  veröffentlichen. 
Sie  befand  sich  früher  zu  Ludwigshafen  a.  Rh.  in  Privatbesitz  und 
soll  daselbst  bei  Hafenbauten  gefunden  worden  »ein;  in  das  Museum 
zu  Speier  ist  sie  erst  seit  Kurzem  gelangt. 

Die  Büste  ist  0,1  Hf>  hoch  und  sehr  wohl  erhalten;  die  Patini- 
rung  ist  eine  gleichmässige  und  ist  durch  keine  Reinigung  beschä- 


1)  Eine  in  Berlin,  SeulpL  Nr.  206;  die  andere  im  Kapitolinischen 
Museum,  in  der  Gallerie  Nr.  14. 

2)  H  einig,  Führer  I,  f>67.    Mon.  d.  Inst.  XII.  1. 


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r,-2 


A.  F  u  r  t  w  14  n  »1  c  r: 


digt.  Von  der  zweifellosen  Aechtheit  des  Werkes  konnte  ich  mieli 
Hin  Originale  überzeugen. 

Dass  ein  Römer  aus  der  ersten  Kaiserzeit  dargestellt  ist,  sieht 
man  auf  den  ersten  Blick,  ebenso  dass  es  ein  Originalwerk  eben 
dieser  Zeit  und  niebt  etwa  eine  spätere  Wiederholung  ist.  Auch 
die  Forin  der  Büste  ist  die  dieser  Periode  ebaraktcristisehe.  Sie 
giebt  nur  einen  Aussebuitt  ans  dem  vorderen  Tboile  der  Brust,  der 
nach  unten  schräg  zuläuft,  wo  er  gerade  abgeschnitten  ist.  Die 
.Schlüsselbeine  sind  leicht  angedeutet,  doch  nach  deu  Enden  zu 
verlaufen  sie  sich;  die  Schultern  sind  von  der  Büste  ausgeschlossen. 
Die  Brust  unterhalb  der  Halsgrube  ist  nicht  der  Natur  entsprechend 
modellirt,  sondern  ganz  flach  gehalten;  selbst  die  Trennung  der 
Brust  hüllten  in  der  Mitte  fehlt.  Wie  taktvoll  und  richtig  dies  ist, 
versteht  man  sofort,  wenn  man  sich  die  Brust  voll  ausgeführt  deukt. 
Diese  einfache  Büstenfonn  ist  nun  die  der  republikanischen  und 
älteren  Kaiserzeit  eigentümliche während  man  späterhin  die 
Büste  bis  auf  die  Schultern  und  die  Arinansütze  ausdehnte,  wodurch 
ihre  ganze  Form  und  Behandlung  eine  andere  wurde.  Die  Zeit- 
grenze zwischeu  beiden  Büstenarten  wird  sich  schwer  genau  fixiren 
lassen;  sie  seheiuen  eine  Zeit  lang  auch  neben  einander  im  Gebrauch 
gewesen  zu  sein.  Das  früheste  sichere  Beispiel  der  jüngeren  Form 
das  ich  kenne  ist  eine  Büste  des  Trajan  2). 

Der  Kopf  ist  ein  sehr  individuell  gebildetes  Bortrüt  von  feiner 
lebendiger  Modellirung.  Er  überragt  dadurch  die  gewöhnlichen 
Marmorköpfc  der  Zeit  bedeutend.  Die  charakteristischen  Züge 
namentlich  die  breite  Stirn,  die  abstehenden  Ohren,  das  Haar  im 
Nacken,  der  fein  geschwungene  Mund  mit  den  dünneu  Lippen  — 
macheu  es  sehr  wahrscheinlich,  dass  der  Dargestellte  der  julisch- 
klaudiscben  Kaiserfamilie  angehörte.  Sowohl  mit  Augnstns  wie 
mit  Tiberina  ist   eine  gewisse  Familien  -  Aelmlichkcit  vorhanden. 


Ii  Vgl.  /..  B.  die  Bronzebüsten  des  Ailgustus  und   der  l.ivi.i  im 
1-nuvre,  F  r  i>  Ii  11  e  r,  musees  de  France  pl.  I,  II;  »Ire*  Bronzebüsten  eben 
ila  658,  (Wl  und  die  Mannorhüsteu  des  Lonne  2422  (A-rrippa),  24f»r>  (Diusus 
jun.l,  2424  (Antonia  Drusi);  Berlin  342  (Caesar)  u.  A. 

2)  Louvre  24.57.  —  Die  „Klytia",  die  «Her  ist,  hat  mit  di  r  Kntwicke- 
lung  der  Büste  nichts  zu  tluni;  sie  ist  hintenlieruin  rund  ausgearbeitet,  also 
überhaupt  keine  Büste.  ~  Die  spate  Kaiserzeit  dehnte  die  Büste  zuweilen 
auf  den  ganzen  Oberkörper  bis  in  die  Naheliegend  aus  (z.  B.  Louvre 
22<;n  Gordiaiius  Pius;  Berlin  J4;!i. 


Zwei  Bronzen  im  Museum  stu  Speier. 


«3 


Auch  spricht  der  Fundort,  fern  von  der  Grenze  des  Reiches,  wohl 
dafllr,  da«»  die  Büste  keinen  beliebigen  Römer  der  Zeit,  sondern 
ein  Glied  der  kaiserlichen  Familie  darstellt. 

Aber  wer  mag  es  sein?  —  Der  Kopf  gehört  in  eine  der 
dunkelsten  Parthicn  der  römischen  Ikonographie,  die  der  „unbe- 
kannten Claudier",  in  welcher  die  Namen  der  beiden  Drusus  sowie 
des  Gcrmanicus  und  seiner  drei  »Söhne  sieh  umhertreiben,  ohne  dass  es 
bis  jetzt  gelungen  wäre,  auch  nur  einen  derselben  bestimmt  zu  iden- 
titiciren  '). 

Unserem  Kopfe  ist  charakteristisch  die  schrägansteigendc  und 
hinten  runde  Schädelform.  Die  Haare  seheinen  am  Oberkopfe  etwas 
dünn  und  spärlich;  sie  sind  deshalb  nach  der  Mitte  in  einen  Wisch 
zusammengekämmt,  der  in  die  Stirne  fällt;  zu  beiden  Seiten  des- 
selben entstehen  dadurch  kahle  Stellen.  Die  Stirne  geht  nicht  all- 
mälig  in  den  Oberkopf  über,  sondern  setzt  in  scharfem  Winkel  von 
demselben  ab.  Die  Brauen  sind  nach  der  Nase  zu  etwas  zusammen- 
gezogen; nach  aussen  sind  sie  in  charakteristischer  Weise  bogen- 
förmig hoehgeschwnngen.  Die  Augen  sind  nicht  gross,  sondern 
schmal  und  liegen  tief.  Die  Nase  hat  einen  schmalen,  aber  nicht 
so  stark  wie  etwa  bei  Tibcrius  gebogenen  Rücken;  die  Nasen- 
wurzel liegt  ziemlieh  tief.  Die  kuorpeligen  Theilc  am  Ende  der 
Nase  und  ihre  Flügel  sind  besonders  entwickelt.  Die  dünnen  Lippen 
und  der  feine  Schwung  des  Mundes  wurden  schon  hervorgehoben. 
Die  Unterlippe  tritt  ein  wenig  zurück;  ziemlich  stark  weicht  das 
Kinn  zurück,  das  sieh  nach  unten  in  ein  sogenanntes  Doppelkinn  fort- 
setzt. Der  ganze  Kopf  wendet  sich  leicht  nach  seiner  Linken  und 
hat  einen  völlig  ruhigen  Ausdruck,  der  durch  die  tiefliegenden 
Augen  und  zusammengezogenen  Brauen  etwas  Düsteres  erhält. 

Gcrmanicus,  an  den  man  zuerst  denken  möchte,  wird  durch 
die  ganz  verschiedene  viereckige  Schädelform,  welche  ihm  die  Müuzen 
durchweg  geben,  ausgeschlossen;  auch  hatte  derselbe,  den  Münzen 
zufolge,  ein  auderes,  mehr  energisches  Untergesicht,  grosse  Augen 
und  sehr  dichten  Haarwuchs. 


1)  Den  netten  Versuch  Milani's,  den  alteren  Prunns  in  einem  zu 
Verona  gefundenen  Kopfe  nachzuweisen  (Rom.  Mitth.  1H!H,  S.  307  lt., 
Taf.  IX)  kann  ich  nicht  für  gelungen  halten.  Das  Prolil  weicht  so  wesent 
lieh  von  dem  der  Münzen  —  auch  der  von  M  i  I  a  n  i  publizirten  —  ab, 
dass  mir  jeder  Anhalt  zu  jener  Deutung  zu  fehlen  scheint. 


64 


A.  F  u  r  t  w  ft  u  g  1  c  r: 


Aber  auch  sein  Vater,  Nero  Drusns,  an  den  man  schon  wegen 
seiner  grossen  Feldzüge  am  Rhein  ebenfalls  zu  denken  genfigt  ist, 
kann  in  unserer  Büste  nicht  dargestellt  sein.  Nach  dem  Zeugnis» 
der  Mllnzen  waren  seine  Zllge  im  Wesentlichen  in  denselben  Punkten 
wie  die  des  Germanicus  von  denen  der  Büste  verschieden. 

Dagegen  hat  der  Kopf  des  Drnsns  Caesar,  des  Sohnes  des 
Tiberius,  mehr  Aehnliehkeit  mit  dem  imsrigen.  Ich  darf  hier  er- 
wähnen, das»  von  S  a  1 1  e  t,  als  ich  ihm  im  Münzkabinet  zu  Berlin 
die  Photographie  des  Kopfes  zeigte,  auf  den  ersten  Blick  glaubte, 
den  jüngeren  Drnsns  zn  erkennen.  Vor  Allem  ist  die  Schädelform  sehr 
ähnlich  nnd  auch  das  Unteigcsicht  mit  dem  angehenden  Doppelkinn 
gleicht  unserer  Büste  im  Wesentlichen.  Da  auch  der  Haarwuchs 
zn  ihr  passt  und  auf  einigen  der  Münzen  ')  selbst  die  am  äussern 
Ende  hoehgezogene  Braue  vorkommt,  so  hat  die  Identifikation  eine 
gewisse  Wahrscheinlichkeit.  Allein  es  bestehen  doch  Unterschiede 
zwischen  den  Münzen  und  der  Büste,  welche  uns  wieder  bedenklich 
machen.  Die  zurückliegende  Stirnc  und  der  Uebergang  von  dieser 
zum  Oberkopfe  sowie  nach  unten  zur  Xase  ist  so  verschieden  von 
unserer  Bronze,  dass  wir  jene  Identifikation  als  eine  sehr  unsichere 
bezeichnen  müssen. 

Endlich  könnte  noch  der  eine  Sohn  des  Germanien»,  dessen 
Kopf  wir  durch  die  Münzen  hinlänglich  kennen,  Caligula,  in  Be- 
tracht kommen.  Hier  passt  die  Linie  vom  Oberkopfe  zur  Xase  recht 
gut  zu  unserer  Bronze;  ebenso'  das  kleine  tiefliegende  Auge  und 
das  wenigstens  auf  einigen  Münzen  etwas  zurückweichende  Unter- 
gesicht. Allein  es  fehlt  das  Emporsteigen  des  Oberkopfes,  dessen 
Linie  ganz  anders  verläuft  als  an  der  Büste.  Dagegen  würde  die 
Andeutung  des  dünnen  Haarwuchses  am  Oberkopfe  der  Bronze, 
und  die  sehr  breite  Stirne,  die  hohlen  Angen  nnd  der  düstere 
Blick  recht  wohl  zu  Caligula  passen,  wie  er  von  Sueton  geschildert 
wird.  Die  Münzen  lassen  erkennen,  dass  die  ofticicllen  Porträts 
dieses  Herrschers  nichts  von  dem  Wilden  und  Schreckhaften  hatten, 
das  Sueton  an  ihm  hervorhebt;  denn  der  Ausdruck  ist  auf  den 
Münzen  ein  durchaus  ruhiger,  so  dass  von  dieser  Seite  wenigstens 
nichts  im  Wege  stände,  ihn  in  unserer  Büste  zu  erkennen. 


1)  Exemplare,  hei  B  c  r  n  o  n  1 1  i,  r«m.  Ikonogr.  FI,  I,  T.  33,  2.  3. 
I  m  Ii  oo  f  ■  B  I  u  in  c*  r,  Portr.  ftiif  n>m.  Münzen  T.  I,  12.  Die  Mehrzahl  der 
Münzen  scheint  diem«  Kigenthünilit  likeit  allerdings  nicht  /.«  halten. 


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Zwei  Bronzen  im  Museum  zu  Speier. 


Die  erhaltenen  Marmorkflpfc  helfen  uns  leider  nicht  weiter; 
denn  sie  sind  selbst  alle  zweifelhaft  nnd  die  Richtigkeit  ihrer  Be- 
nennungen kann  nur  an  ihrer  Ucbcreiustiiumung  mit  den  Münzen 
geprüft  werden.  Zu  untersuchen  wäre  aber,  ob  dasselbe  Porträt, 
das  unsere  Bronze  bietet,  mit  allen  seinen  charakteristischen  Zügen 
auch  in  Marmorköpfen  erhalten  ist.  Diese  Frage  lässt  sieh  aber 
erst  beantworten,  wenn  das  Material  einmal  vollständig  in  Photo- 
graphien vorliegt;  der  kleine  Theil  desselben,  den  ich  bis  jetzt  über- 
sehen kann,  enthält  keine  directe  Replik. 

Wenn  wir  nun  auch  den  Namen  des  Kopfes  im  Zweifel  lassen 
müssen,  so  freuen  wir  uns  doch  seiner  höchst  individuellen  und 
lebendigen  Auffassung  und  rechnen  ihn  zu  den  besten  Porträts  der 
ersten  Kaiscrzcit,  die  wir  ljesity.cn. 


Juhrb.  <1.  Ver.  v.  Altortliafr.  im  Khoinl.  XCII1. 


Max  T  h  m : 


5.  Flucht  des  Aeneas. 

Von 
Max  Ihn. 

(Hierzu  Taf.  VIII  und  IX.) 


Unter  den  im  untern  Kreuzhang  des  Wallraf-Richartz-Museums  in 
Köln  aufgestellten  römischen  Bildwerken  lenkt  eines  besonder»  die 
Augen  des  Beobachters  auf  sieh,  die  auf  Tafel  VIII  und  IX  in 
Lichtdruck  wiedergegebene  C! nippe,  welche  sich  durch  eine  für  die 
römischen  Rhcinlandc  ungewöhnliche  Vortrefflichkeit  der  Arbeit  aus- 
zeichnet. Wir  sehen  einen  im  eiligen  Gang  begriffenen  jugend- 
lichen Krieger,  auf  dessen  linker  Schulter  eine  in  Chiton  und  Mantel 
gekleidete  kleinere  Figur  sitzt,  kraftvoll  umfasst  von  des  Kriegers 
linkem  Arm.  Dass  der  letztere  keine  geringe  Kraft  aufwendet  und 
dass  es  trotzdem  den  Anschein  bat,  als  trtlgc  er  seine  Bttrde  mit 
leichter  Mühe,  bringt  die  Skulptur  auf  das  trefflichste  zur  Anschau- 
ung, ist  aber  aus  der  Abbildung  weniger  deutlich  zu  erkennen. 
Das  Ganze  macht,  obwohl  die  Verhältnisse  der  sitzenden  Person 
auf  den  ersten  Blick  etwas  zu  klein  gerat hen  scheinen,  einen  durch- 
aus harmonischen  Eindruck.  Der  Krieger  ist  mit  Tunika,  Panzer 
und  Mantel  bekleidet;  letzterer,  auf  der  rechten  Schulter  durch 
eine  Spange  zusammengehalten,  fliegt  in  Folge  der  raschen  Be- 
wegung des  Vorwärtscilendcn  in  weitem  Bausch  nach  hinten.  Der 
mit  dem  Helm  bedeckte  Kopf  war  abgebrochen,  ist  aber  richtig 
aufgesetzt.  Unter  dem  Helm  quillt  leicht  gewelltes  tippiges  Haar 
hervor.  Ein  in  der  Scheide  steckendes  kurzes  Schwert  hängt  an 
einem  von  der  rechten  Schulter  tlbcr  die  Brust  laufenden  Bande  an 
der  linken  Seite  herab.  Das  kraftvoll  vorgesetzte  rechte  Bein  ist 
am  Knie  abgebrochen;  ebenso  fehlt  der  untere  Theil  des  linken 
Beins  und  von  dem  herabhängenden  rechten  Arm  die  Hand  mit 
eiuem  Stück  des  Unteramts.    Die  sitzende  Figur  hält  mit  beiden 


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Flucht  des  Aeneas. 


Händen  im  Schoos»  einen  flachen  viereckigen  Gegenstand;  der 
Kopf  wurde  leider  nicht  mit  aufgefunden »).  Das  Material  ist  Jura- 
kalk, und  in  Anbetracht  dieses  spröden,  jetzt  schon  an  vielen 
Stellen  verwitterten  Steins  verdient  die  tüchtige  Arbeit  um  so 
mehr  Anerkennung.  Sie  weist  auf  ziemlich  frühe  Zeit  hin  uud  ge- 
hört, wenn  nicht  in  das  erste  nachchristliche  Jahrhundert,  so  doch 
wohl  spätestens  in  die  Trojanische  Zeit. 

Der  erste  Fundhericbt  stand  in  der  Kölnischen  Zeitung  und 
stammt,  wie  ich  vennuthe,  ans  der  Feder  Heinrich  Düntzcrs1). 
Bald  darauf  bat  Düntzer  das  Relief  in  seinem  „Verzeichnis«  der 
römischen  Alterthümcr  des  Museums  Wallraf-Richartz  in  Köln"  kurz 
beschrieben3).  Nach  diesem  Fundhericbt  wurde  Mitte  Juli  1884 
neben  dem  Chlodwigplatz  auf  der  nordwestlichen  Seite  des  Bau- 
platzes Nr.  41  eine  Anzahl  römischer  und  mittelalterlicher  Bau- 
reste aufgedeckt.  Ausser  unserer  Gruppe,  dem  bedeutendsten  Fuud- 
stück,  haben  sich  mehrere  Reste  von  grösseren  Grabmälern  gefunden, 
zu  denen  u.  a.  der  untere  Theil  eines  an  allen  vier  Seiten  mit 
Schuppen  verzierten  Pfeilers  und  Stücke  einer  offenbar  damit  in 
Verbindung  stehenden,  ebenso  verzierten  Wand  gehörten.  Wenn  die 
Notiz  über  das  Vorhandensein  ausgedehnterer  Grabanlagen  in  jener 
Gegend  ihre  Richtigkeit  hat,  können  wir  schliessen,  dass  unser 
Relief  als  Verzierung  einem  dieser  Grabdenkmäler  angehört  hat 4). 
Dass  es  nicht  frei  für  sich  allein  stand,  sondern  an  irgend  einem 
Denkmal  angebracht  war,  darauf  scheint  auch  die  massige  Ver- 
dickung unten  an  dein  in  weitem  Bogen  rückwärts  fliegenden  Mantel 
hinzuweisen.  Durch  diese  allein  erhielt  die  Gruppe  einen  festen 
Stützpunkt.  Jedoch  nöthigt  Nicbts  zu  der  im  Fundbericht  in  der 
Kölnischen  Zeitung  ausgesprochenen  Annahme,  dass  der  Krieger  an 


1)  Die  Hohe  der  Gestalt  des  Kriegers  betrügt  etwa  0,89  m  (vom 
Kopf  bis  zur  Bruchstelle,  des  rechten  Beines  etwa  0,60  m).  Die  Beine  der 
sitzenden  Figur  sind  0,17  m  hoch;  vom  Schooss  bis  zum  abgebrochenen 
Kopf  betrugt  die  Höhe  0,1«  m,  die  Breite  0,2->  m. 

2)  Daraus  abgedruckt  im  Korrcspondcnzblatt  der  Westdeutschen 
Zeitschrift  IV,  188;%  S.  78. 

3)  Dritte  Auflage,  Köln  1886,  S.  ft.S,  Nr.  112.  Dazu  der  Nachtrag 
S.  122. 

4)  Die  am  Chlodwigplatz  gemachten  römischen  Funde,  verzeichnet 
v.  Veith,  Das  römische  Köln  (Bonner  YVInckelnianiisnrogramm  188T»), 
S.  58  f. 


C.8 


Max  Ihm: 


der  rechten  Eeke  eines  grösseren  Grabmals  angebracht  gewesen  sei 
nnd  ihm  auf  der  linken  Seite  ein  gleicher  entsprochen  habe. 

So  wenig  die  Deutung  der  Skulptur  einem  Zweifel  unterliegt, 
ist  sie  gleichwohl  anfangs  falsch  aufgefasst  worden.  Zwar  erkannte 
Hettner  bald'),  das*  es  sich  nicht  um  die  Gestalt  eines  schweben- 
den Kriegers  handele,  wie  in  dem  ersten  Fundberieht  vermuthet 
worden  war;  aber  in  der  Deutung  der  auf  der  Schulter  sitzenden 
Figur  kam  er  zu  keinem  sichern  Resultat.  Er  glaubte,  da«  Figllr- 
chen  stelle  zweifellos  eine  Frau  in  vorgerücktem  Lebensalter  vor 
nnd  halte  eine  Tafel  auf  dem  Schoos«,  und  da  diese  Figur  im  Ver- 
hältnis* zum  Krieger  auffallend  klein  dargestellt  sei,  werde  sie  ein 
Bild  vorstellen  sollen;  der  Krieger  habe  frei  gestanden.  Und  so 
kam  es,  das»  man  sogar  an  eine  Matrona  dachte,  indem  man  weiter 
schloss,  der  Gegenstand  könne  ein  Körbchen  mit  Früchten  gewesen 
sein.  Die  richtige  Deutung  gab  Düntzer  im  Nachtrag  zu  seinem 
Verzeichnis«  S.  122.  Dargestellt  ist  der  Auszug  des  Aeneas  ans 
Troia.  Aeneas  trägt  auf  der  linken  Schulter  seinen  greisen  Vater 
Anchises,  welcher  das  Kästchen  mit  den  troischen  Hausgöttern  auf 
dem  Schoosse  hält;  und  weiter  ergiebt  sich  die  Unvollständigkeit 
unserer  Gruppe:  es  fehlt  der  vom  Vater  an  der  Rechten  geführte 
Ascanius. 

Wir  habcu  also  die  seit  der  Zeit  des  Angustus  sehr  beliebte 
römische  Darstellung  der  Sage  vor  uns,  die,  wie  Düntzer  mit  Recht 
hervorhebt,  so  allgemein  l>eknnnt  war,  das»  sie  sogar  in  Herculanuni 
parodirt  wurde.  Statt  der  Hehlen  sehen  wir  nämlich  auf  einem 
Herculanischen  Wandgemälde*)  Hunde  oder  Affen  die  Flucht  des 
Aeneas  darstellen,  Anchises  hat  die  Oista  mit  den  Penaten  auf  dem 
Schooss,  in  der  Hand  des  mühsam  folgenden  Ascanins  erblicken 
wir  das  Lagobolon.  Hiermit  deckt  sich  so  ziemlich  die  Darstellung 
auf  einem  in  Turin  befindlichen  Marmorrelief3).    Auch  hier  führt 

1)  Korrespondenzblatt  der  Westdeutschen  Zeilschrift  IV,  188f>,  R.  78, 
in  der  Fussnote  zu  dem  aus  der  Kölnischen  Zeitung  abgedruckten  Bericht. 

2)  Overbeck,  Die  Bildwerke  zum  Thebischcn  und  Troischen 
Heldenkreis  R.  fifil.  Abgebildet  in  den  Pitture  d'F.rcolnno  IV,  .%K  und 
danach  Gal.  myth.  173,  H07.  Vgl.  H  e  I  b  i  g,  Wandgemälde  Canipnniens 
Nr.  13H0  und  R.  310;  derselbe,  Untersuchungen  über  die  eampanische 
Wandmalerei  R.  28  und  316. 

3)  Itaonl  Rocliotlp,  Mmnnn.  ined.  1,  pl.  7<i,  8.  O  v  e  r  b  e  c  k 
a.  a.  O.  R.  G01,  Tafel  XXVII  IC  (vgl.  Ilevdemann.  Archliol.  Zeitung, 
XXIX,  R.  120). 


Flacht  des  Aeneas. 


00 


Aeneas  an  der  Rechten  den  das  Lagoholon  tragenden  Aseanius; 
auf  Heiner  linken  Schulter  sitzt  Anchises  mit  der  Cista  im  Schoo»«, 
auf  seinen»  Hinterkopf  liegt  das  Ohergewand  auf.  Die  zahlreichen 
Darstellungen  auf  Mltn/.cn  und  geschnittenen  Steinen  bieten  im 
Wesentlichen  die  gleiche  Compositum  ').  Desgleichen  eine  mehr- 
fach besprochene  Terrakottagruppe  ans  Pompeji ,  deren  Abbildung 
ich  hier  beifüge,  weil  sie  trotz  einiger  Abweichungen  die  Kölner 
Skulptur  anf  das  Beste  illustrirt  (Fig.  1)»).  Aeneas  ist  gerüstet, 
aber  ohne  Kopfbedeckung; 
mit  dem  linken  Arm  uni- 
fasst  er  den  am  Hinter- 
kopf verschleierten  Anchi- 
ses, welcher  die  Rechte  um 
den  Hals  auf  die  rechte 
Schulter  des  Aeneas  legt 
und  in  der  linken  Hand 
die  Pcnatencista  hält. 
Heide  sind  bärtig.  An 
der  rechten  Hand  führt 
Aeneas  seinen  Sohn,  der 
phrvgisch  gekleidet  ist  und 
in  der  Hand  einen  Stab 
(pedumj  hat. 

Mehr  mit  dieser 
Gruppe  als  mit  der  Köl- 
ner ist  verwandt  ein  jetzt 
in  Wien  befindliches  Mar- 
morrclicf.  Die  neben- 
stehende, nach  einer  Pho- 
tographie hergestellte  Ab- 
bildung (Fig.  2j  verdanke 
ich  «lein  freundlichen  Entgegenkommen  der  Herren  Professoren 
Henndorf  und  Bormann  in  Wien. 

1)  Vgl.  die  Zusammenstellung  bei  Overbeck  a.  a.  O.,  S.  K50  ff., 
die,  sich  durch  weitere  Beispiele  vermehren  liisst;  auch  H«  ydemann, 
Architol.  Zeitung  XXIX,  S.  120,  Anmerkung  :t5. 

2)  Abgebildet  bei  K  e  k  u  I  e,  Die  antiken  Terrakotten  I,  Tat'.  37, 
S.  18;  daraus  Würner  in  dem  Lexikon  der  grieeh.  und  röm.  Mythologie 
von  W.  IL  Koscher  I,  Sp.  IM.  Vgl.  Hey  de  mann,  ArchloL  Zeitung 
XXIX.  S.  120. 


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70 


M  &  x  Ihm: 


Der  von  Karl  l'atsoh  im  Archäologischen  Anzeiger  | Heiblatt 
zum  Jahrbuch  de»  Deutschen  Archäologischen  Institut«  VI,  1891, 
S.  181)  gegebenen  Beschreibung  der  archäologischen  Sammlung  der 


Fig.  2. 


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Flucht  des  Aencas. 


71 


Wiener  Universität ')  entnehme  ich,  dass  das  Fragiiicut  wahrschein- 
lich von  einein  Sarkophag  stammt,  in  Rom  von  Herrn  Karl 
Hollitz er  erworben  und  der  Wiener  Universitätssammlung  ge- 
schenkt worden  ist  *).  Der  Unterschied  dieser  und  der  Kölner 
Skulptur  besteht  im  Wesentlichen  darin,  dass  Anchises  sich  auf  jener 
mit  der  rechten  Hand  auf  die  rechte  Schulter  des  Acneas  stützt, 
mit  der  linken  ein  cylindrisches  (Jofass  im  Schoosse  hält,  wahrem! 
die  Kölner  den  Anchiscs  frei  sitzen  und  ihn  in  beiden  Händen  das 
viereckig  gestaltete  Kästchen  halten  lässt.  Leider  ist  die  Wiener 
Figur  noch  mehr  zerstört;  von  der  Figur  des  Acneas  fehlen  Kopf, 
rechter  Unterarm  und  die  beiden  Beine  bis  auf  den  llüftenansntz, 
von  der  des  Anchiscs  der  obere  Theil  des  Kopfes  und  die  Ftisse.  In 
der  Bekleidung  zeigt  sieh  grosse  Ucbcicinstimmnng;  hier  wie  dort 
trägt  Aencas  Tunika.  Panzer  und  Chlamys,  hat  «las  Schwert  an  der 
linken  Seite,  ist  Anchiscs  mit  langem  Chiton  und  einem  auf  dem 
Kopf  autiiegemlen  Ohcrgewaud  bekleidet.  Denn  das  letztere  werden 
wir  nach  Analogie  der  anderen  Darstellungen  wohl  auch  für  die 
Kölner  Skulptur  voraussetzen  können. 

Die  Übrigen  bisher  bekannt  gewordenen  Darstellungen  des 
Anszugs  des  Aencas  aus  Troia  hier  ausführlich  zu  beschreiben, 
würde  zu  weit  führen.  Ich  begnüge  mich  mit  einigen  kurzen  Be- 
merkungen und  verweise  im  Uebrigen  auf  die  Behandlung  des 
Gegenstandes  durch  Overbeck3),  II  e  y  d  c  m  a  n  n 4),  W  ü  r  n  e  r 5) 
und  Andere. 

■ 

Die  älteste  Darstellung  ist  unstreitig  die  auf  einer  Münze  des 
makedonischen  Aineia Aencas  trägt  seinen  kahlköpfigen  Vater 
auf  der  linken  Schulter  und  hat  den  linken  Arm  um  die  Knicc  des- 


1)  Die  Sammlung:  besteht  meist  aus  Gypsubgüsscn  und  steht  unter 
der  Leitung-  Prof.  Benndorfs.  Die  Originale  verzeichnet  P  a  t  s  e  h 
h.  a.  ().,  S.  178  fT. 

2)  Die  Höhe  hetrHgt  0,27  m,  die  Breite  0,205  in,  die  Dieke  0,12  m. 

3)  Die  Bildwerke  /.um  Theb.  und  Troischen  Heldenkreis,  S.  655  ff. 

4)  Arehaeologischc  Zeitung  XXIX  (1872)  .S.  118  ff.  (dazu  Taf.  54,  1), 

5)  In  W.U.  Rosche  r's  Lexikon  der  Mythol.  I  Sp.  184  f.;  hier  ist 
weitere  LitUratur  verzeichnet. 

6)  Abgebildet  und  besprochen  von  J.  F  r  i  «  d  1  a  n  d  e  r  in  den 
Monatsberichten  der  Berliner  Akademie  1878,  S.  759;  wiederholt  bei 
Wörncr  a.  a.  ().  I  Sp.  167.  Die  Münze  gehört  nach  Fried  lftn  der 
etwa  in»  Jahr  550  v.  Chr.  Vgl.  auch  die  'Beschreibung  der  antiken 
Münzen'  (Königl.  Museum  in  Berlin)  II,  1889,  S.  83,  Taf.  in,  21. 


■ 


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72 


Max  Ihm: 


selben  gelegt;  in  der  Rechten  trägt  er  ein  kurze«  Sehwert;  Anchises 
hat  seine  rechte  Hand  auf  den  Kessel  des  Helm  "des  Aeneas  ge- 
legt. Aseanius  ist  nicht  dargestellt,  falls  es  nieht  da«  Kind  »ein 
soll,  das  eine  vor  Aeneas  in  hantiger  Flucht  sehreitende  Frau  auf 
der  linken  Schulter  trägt.  Auf  die  Kontroverse,  die  sich  an  diese 
Münzgruppe  geknüpft  hat ,  will  ich  hier  nicht  weiter  eingehen. 
11  o  h  e  r  t  hat  es  wahrscheinlich  gemacht,  dass  wir  es  auf  dieser 
Münze  mit  der  künstlerischen  Darstellung  einer  vereinzelten  lokalen 
Sage  zu  thuu  haben  Für  die  Darstellung  auf  Vasen  ist  typisch, 
dass  Aeneas  seinen  Vater  nicht  auf  der  Schulter,  sondern  auf  dem 
Rücken  trägt  und  ihn,  der  die  Arme  um  den  Hals  des  Sohnes  ge- 
schlungen hat,  entweder  nnler  den  Knicen  oder  unter  den  Schenkeln 
fasst;  ferner  dass  Ascanius  meistens  fehlt*).  Eine  Ausnahme  ohne 
weitertragende  Bedeutung  bildet  die  Darstellung  anf  einer  Nolaui- 
schen  rothfigurigen  Amphora:  hier  sitzt  Anchises  auf  der  Schulter 
des  Aeneas  *).  Dasselbe  ist  der  Fall  auf  der  Iliupersis  eines  Poin- 
pejanischen  Gladiatnrcnhehns:  Aeneas  ist  bärtig  dargestellt,  Anchises 
hält  die  schmale  Cista  auf  dem  Schooss;  mit  der  Rechten  will 
Aeneas  den  auf  einen  Altar  geflüchteten,  von  Krensa  festgehaltenen 
Knaben  fortführen4!.  Und  ähnlich  auf  der  Tabula  Iliaca,  wo  wir 
eine  dreifache  Darstellung  unterscheiden  können:  erstlich  wie  Aeneas 
dein  Anchises  die  Cista  mit  den  icpd  zur  Rettung  überreicht,  während 
rings  um  sie  der  Kampf  wflthct;  zweitens  Aeneas  vor  dem  Thore, 
den  Sohn  an  der  Rechten  führend,  den  Vater  auf  der  Schulter 
tragend,  gefolgt  von  Krensa;  drittens  wie  die  Flüchtigen  im  He- 
griffe sind,  in  das  zur  Abfahrt  bereit  liegende  Schiff  zn  steigen 
(Aivnas  ffüv  toi?  ibiois  äiraipwv  ei<;  Tnv  "Eautpiav).  In  der  zweiten 


1)  Archäol.  Zeitung  XXXVII,  1*70,  S.  23  ff.  Hubert  halt  das 
Kind,  das  mit  dem  Chiton  bekleidet  sei,  für  ein  Mildehen,  da  in  der  alteren 
griechischen  Kunst  Knaben  nie  ander»  als  entweder  nackt  oder  mit  dein 
Mantel  bekleidet  dargestellt  seien.  An  seiner  früheren  Deutung  hält 
F  r  i  e  d  I  ä  n  d  e  r  fest,  Sali  e  t's  Zeitschrift  für  Numismatik  VII  1880  S.  221. 

2)  Overbeek  a.  a.  ().  S.  618,  G55  ff.  Taf.  XXV  24,  XXVII  8.  11. 
II  e  yric  in  a  n  n,  Iliupersis  31  f.  A  r  thur  Schnei  d  e  r,  Der  Troisehe 
Sagenkreis  in  der  ältesten  griechischen  Kunst  (Leipzig  188(1)  S.  174. 

3)  Gerhard,  Auserlesene  Vasenbilder  III,  217;  Overbeck  a.  a.  O. 
S.  <lf»!>,  Taf.  XXVII,  12. 

4)  Abgeh.  bei  X  i  e  e  o  I  i  n  i,  Oase  di  Pompci.  Casenna  de'  glad. 
118;  wiederholt  bei  H  e  y  d  e  m  a  u  n,  Iliupersis  III  1,  vgl.  S.  32  (auch 
Arehäol.  Zeitung  XXIX  S..120);  Overbeck  a.  a.  O.,  S.  «19  ff. 


Flucht  des  Aeneas. 


73 


Scenc  hält  Anchises  die  Cista  in  den  vorgestreckten  Händen,  in 
der  dritten,  wo  er  im  Begriff  ist  auf  deui  Brett  in  das  Schiff  zn 
steigen,  in  der  ausgestreckten  Rechten  CAyxIotis  Kai  tcl  \epct) ').  Die 
häufig  wiederkehrenden  Darstellungen  auf  Gemmen,  Lampen,  M (luxen 
decken  sieh,  wie  schon  bemerkt  wurde,  mit  dem  oben  beschriebenen, 
bei  den  Römern  beliebten  Typus,  der  vielleicht  nicht  älter  ist  als 
die  Augustisehe  Epoche,  jedenfalls  erst  dann  gestaltet  wurde,  als 
der  troischc  Ursprung  Roms  officiell  anerkannt  war*). 

Da  sich  so  viele  Repliken  derselben  Gruppe  finden,  entsteht  die 
Frage:  auf  welches  Original  gehen  sie  zurück?  Das»  dasselbe  eine 
gewisse  Berühmtheit  gehabt  haben  nmss,  ferner,  dass  es  nicht  in 
Griechenland,  sondern  in  Rom  zu  suchen  sein  dürfte,  seheint  kaum 
einem  gewichtigen  Zweifel  zu  unterliegen.  Aber  leider  legt  sieh 
unsere  litterärische  Ueberlicferung  zu  grosse  Schweigsamkeit  auf,  als 
dass  eines  der  wenigen  litterärisch  bezeugten  Aeneasbilder 8)  mit 
Sicherheit  als  das  Vorbild  bezeichnet  werden  könnte.  Xnr  Einer 
hat  sich  meine«  Wissens  diese  Frage  vorgelegt,  Heinrich  H ey de- 
in an  n,  und  in  einer  beiläufigen  Anmerkung4)  die  Vermuthung  aus- 
gesprochen, dass  dieses  berühmte  Original  auf  dem  Forum  des 
Augustus  in  Rom  gestanden  habe.  Der  Kaiser  Angnstus  hatte  be- 
kanntlich in  der  Schlacht  bei  Philippi  dem  Mars  Ultor  einen  Tempel 
gelobt;  die  Erfüllung  des  Gelübdes  verzögerte  sich  bis  zum  Jahre 
2  v.  Chr.  ■'),  die  Ausführung  geschah  dann  aber  in  der  grossartigsten 
Weise,  indem  der  Kaiser  nicht  mir  den  Tempel  dedieirte,  sondern 
denselben  zum  Mittelpunkte  einer  nenen  Forumanlage  machte,  des 
Forum  Angustum.  Vor  dem  mit  den  Bildern  des  Mars  und  der 
Venus  geschmückten  Tempel ")  dehnte  sich  die  ziemlich  engbegrenzte 
Fläche  des  Forums  ans  mit  zwei  Säulengängen,  in  denen  Angnstus 
die  Statuen  berühmter  Vorfahren  und  Feldherrn  der  Römer  auf- 
stellte, darunter  sämmtliche  Ahnherrn  des  Julischen  Geschlechts. 


1)  II«!  yd  ein  .in  n,  Arehflol.  Zeitung  XXIX,  S.  1U>.     0.  Jahn, 
Griechisch«  Bildeielironikcn,  R.  35,  3tf,  37,  Tal".  I. 

2)  Vgl.  Ho  I  h  i  g,  Untersuchungen  über  die.  eampanisihe  Wand 
raalerei  S.  28. 

3}  Vgl.  Würner  in  Roschers  Lexikon  I  Sp.  1X3  f. 

4)  ArchHol.  Zeitung  XXIX,  S.  120,  Anmerkung  32. 

5)  Mo  in  in  6  un,  Monum.  Ancyr.  p.  12*>. 

6)  Ovid.  Trist.  II,  2%  f. 


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71 


Max  Ihm; 


Dem  Tempel  zunächst  stand  in  dem  einen  Säulengang  die  Statue 
des  Kumulus,  in  dem  andern  die  des  Aeneas: 

Hinc  videt  Acncan  oneratuin  pondere  earo 
Et  tot  Iulcac  nobilitatis  avos; 

Hine  videt  Iliaden  umeris  ducis  arma  fereiitem 
Claraqne  dispositis  acta  Bubessc  viris  l). 
Diene  Statue  des  Aeneas,  der,  wie  aus  den  Worten  'oneratuin 
(Mindere  earo'  hervorgeht,  sicherlich  den  Anehises  mit  den  troischen 
Hausgöttern  trug,  kann  sehr  wohl  das  hertlhmte  Vorbild  jener  Gruppe 
von  Darstellungen  gewesen  sein.  Andere  Städte  siud,  wie  es  scheint, 
dem  von  Augustus  gegebenen  Beispiele  gefolgt;  so  die  Poinpejaner: 
denn  am  Kingaug  eine«  öffentlichen  Gebäude*  »m  Forum  in  J'oin|»eji *> 
wurden  die  Inschriften  zu  zwei  Statuen  gefunden,  deren  eine  den 
Koinulus»),  die  andere  den  Aeneas  darstellte.  Der  Wortlaut  der 
letzteren  lässt  sieh  auch  jetzt,  nachdem  in  den  letzten  Jahren  ein 
neues  Fragment  hinzugekommen  ist,  nur  theilwcise  feststellen4). 
Die  Schlnsszcilen  des  Elogium  —  in  den  beiden  ersten  Zeilen  sind 
die  Namen  des  Aeneas,  der  Venus  und  des  Anehises  erhalten  — 
lauten  nach  der  Ergänzung  Mommscns: 

...  in 

[bcl]hi  Lauren[ti  gcsjto  mm  con-  . 
[pajrtüt  appel[latus](|{ue)  est  iudigens 
(pa]ter  et  in  dco[rum  njnmero  relatus. 
Was  die  l'eiiateiicista  anlangt,  so  hat  bereits  Otto  Jahn  be- 
merkt •''),  dass  sie  in  der  litterärischeu  Tradition  nicht  erscheint, 
sondern  nur  auf  Bildwerken.    Ihre  Gestalt  ist  verschieden.  Auf 
der  Kölner  Skulptur  hat  sie  die  Form  eines  Hachen  viereckigen 
Kästchens;  sonst  (Iberwiegt  die  cylindrwehc  Gestalt,  so  auf  der 
Tabula  lliaca.  der  Hcrculaiiischen  Carricatur,  «lern  Turiner  und  dem 
Wiener  Relief,  Münzen  des  Pius0).    Auf  einem  Neapler  Mannor- 


1)  Ovid.  Fast.  V,  5G3-506;  vgl.  M  o  m  in  s  c  n,  Corp.  inxeript.  Latin. 
I,  p.  281  f. 

2)  Overbeck,  l'oinpeji.    4.  Aull.,  S.  117,  132. 

3)  Corp.  instr.  Lat.  vol.  I,  p.  283  n.  XXII  und  vol.  X  n.  809. 

4)  Corp.  inscr.  Latiu.  X,  n.  808,  Auctar.  n.  8318;  dazu  Ephcnieri«  epi- 
graphica  Bd.  VIII  p.  86  u.  311  und  p.  212  n.  864. 

5)  Hermes  III,  S.  333. 

6)  Vgl.  u.  a.  die  Abbildung  im  Dictionary  of  Roman  coius  von 
S.  W.  Stevenson  (London  1889)  S.  16. 


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Flucht  de*  Aeneas. 


75 


rclicf,  da«  Hey  de  mann  ndt  Recht  auf  die  Aeneassagc  bezogen  liat, 
trägt  Anehises  im  linken  Arm  ein  eylinderförmig  geflochtenes  Ge- 
fäss,  offenbar  die  Penntencista '),  und  eine  runde  geflochtene  Cista 
mit  flachem  Deckel  erblicken  wir  auch  auf  der  oben  erwähnten 
Iliupersisdarstellnng  des  Pompejanisehcn  Gladiatorenhelius.  Jeden- 
falls haben  wir  uns  die.  Hansgftttcr,  die  troischen  Penaten  (jd  \epd 
tö  TtaTpüja  Dion.  Habe.  I  46),  als  ganz  kleine  Figürchen  von  Holz 
oder  anderem  Material,  als  geheime  Symbole  vorzustellen;  aufbewahrt 
wurden  sie  in  kleinen  cylindrisehcn  Gelassen  (doliola),  wie  sie  sieh 
mehrfach  in  Rom  mit  kleineu  bronzenen  Idolen  gelullt  gefuudcn 
haben  *). 


1)  ArohHol.  Zeitutip  XXIX,  Taf.  54,  1. 

2)  H  o  1  b  i  k,  Bullettino  den"  Institute  187!»,  S.  77.  P  r  e  1 1  e  r- J  o  rd  a  n, 
Köm.  Mythologie  II,  S.  160,  lfi'J  f.,  322  f.  O.  J  a  h  n,  Griechische  Bildcr- 
chroniken  S.  35. 


■ 


Julius  Naue: 


6.  Westgothischer  Goldfund  aus  einem  Felsengrabe  bei 

Mykenä. 


Der  Goldfnnd,  von  welchem  wir  nachfolgend  berichten,  wurde 
im  Frühjahre  1S5MJ  von  einem  griechischen  Landmanne  in  einem 
Fclscngrabe  bei  .Mykenä  gemacht  und  fast  unmittelbar  darauf  von 
einem  meiner  Freunde  vom  Finder  erworben  und  mir  sofort  zuge- 
sandt. Ueber  die  näheren  Umstände,  die  ja,  wie  wir  wissen,  bei 
griechischen  und  italienischen  Funden  äusserst  schwer  oder  auch 
gar  nicht  zn  erniren  sind,  konnte  mein  Gewährsmann  nur  so  viel 
erfahren,  dass  der  betreffende  Landiminn  zufällig  auf  das  Felsengrab 
gestossen  war  und  in  demselben  neben  Skeletüberresten  die  Gold- 
sachen gefunden  hatte.  Von  weiteren  Gegenständen,  ausser  einem 
kleinen  Reste  eines  ßronzeplättchens  und  eines  kleinen  hellgrünen 
Glasfragmentes,  konnte  trotz  wiederholten  Fragens  und  Forschen« 
nichts  ermittelt  werden.  Wir  müssen  uns  also  mit  den  thatsächliehen 
Fundverhaltnissen  zufrieden  geben.  Vielleicht  fugt  es  ein  glück- 
licher Zufall  später  Näheres  zu  erfahren. 

Der  Fund  besteht  aus  einein  von  nenn  kleinen  dünnen  Gold- 
platten verschiedener  Grösse  gebildeten  Diadem  und  ans  zwei  aus 
Golddraht  breit  gehämmerten  Schlangenarnibändern.  Die  Farbe  des 
Goldes  ist  ziemlich  hell,  aber  als  Wcissgold  —  Elektron  —  kann 
es  doch  nicht  bezeichnet  werden. 

Wir  beginnen  mit  der  Heschrcibung  der  Armbänder  und  gehen 
dann  zu  dem  Diademe  Uber. 

Der  Durchmesser  eines  jeden  Armbandes  beträgt  6,3  cm,  die 
mittlere  Höhe  12  mm.  Was  sofort  auffällt  ist,  dass  der  Kopf  der 
Schlange  mit  den  oberen  Windungen,  ungeachtet  dieselben  nur  als 
Silhouetten  gegeben  sind,  sehr  lebenswahr  und  im  gewissen  Sinne 
naturalistisch  erscheinen  'Figur  1).  Nach  den  oheren  Windungen 
verbreitert  sich  der  Schlaugeukörper,  verjüngt  sich  an  dem  Ende, 


Von 


Dr.  Julius  Nanc. 


Westgothiseher  Goldfund  ans  einem  Felsengrab«  bei  MykenH.  77 


welches  über  die  oberen  Windungen  zu  liegen  kommt  und  biegt  so- 
dann  in  den  spitz  zulaufenden,  einmal  nach  oben  und  einmal  nach 
unten  gerollten  Schwanz  nnt.  Sftmnitlichc  freiliegende  Windungen, 
sowie  die  Schwanzenden  sind  an  die  unstossenden  Körpertheile  der 
Schlange  von  rückwärts  angeschmolzen,  nicht  angelothet.  Der 
für  die  Armbänder  verwendete  Golddraht  war  allein  Anscheine  nach 
viereckig. 

Während  der  brei- 
tere, mittlere  Theil  der 
Armbänder  flach  ist, 
sind  die  vorderen,  nach 
oben  gerichteten  Win- 
dungen mit  den  empor- 
stehenden  Köpfen,  so- 
wie die  Schwanzwin- 
dungen schwach  con- 
eav-convex  getrieben, 
auch  fehlen  au  diesen 
Theilcn  die  wellcnarti- 
Fü?.  i.  gen  Ränder,  welche  wir 

als  eine  Folge  des  Aus- 
hämmeras  an  den  eigentlichen  Schlangenkörpern  —  den  breiteren 
und  mittleren  Theileu  —  bemerken.  Die  Arbeit  der  Armbänder 
bekundet  eine,  wenn  auch  flüchtige,  doch  immerhin  tüchtige  Technik, 
und  die  Darstellung  der  Sehlangen  eine  scharfe  Naturhcohachtung. 

Ob  diese  Schmuckstücke  nur  für  den  Grabgehrauch  angefertigt 
worden  sind,  möchte  ich  deshalb  bezweifeln,  weil  mau  dann  wohl 
nicht  nöthig  gehabt  hätte,  die  einzelnen  Windungen  an  dem  Schlan- 
genkörper anzuschmelzen,  was  doch  eine  ziemlich  schwere  Arbeit  war. 

Das  Diadem,  welches,  wie  bereits  erwähnt,  aus  neun  dünnen 
Goldplattcn  von  verschiedener  Grösse  besteht,  die  theihveise  mit. 
cingesteinpelten  Figuren  und  Ornamenten,  theilweise  mit  grösseren 
in  Goldhülsen  gefassten  farbigen  Steinen  oder  Gläsern  verziert  sind, 
ist  folgendermasBcn  zusammengesetzt : 

1 .  eine  kleine,  3,4  cm  breite  und  2,8  cm  hohe  Platte  (Fig.  2), 
verziert  mit  einem  erhaben  cingcstempeltcn  runden  Schild,  der  in 
der  Mitte  einen  kleinen  Doppelkreis  mit  Mittelpunkt  hat,  von  wel- 
chem hakenartig  gebogene  Linien  ausgehen.  Der  zwischen  diesem 
Doppelkreise  und  dem  äusseren  Rande  liegende  Schildthcil  ist  mit 


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78 


Julius  Naue: 


sechs  durch  doppelte  Linien  gebildeten  Halbkreisen  verziert,  deren 
Mitte  durch  kleine  Punkte  ausgefüllt  wird,  den  schmalen  Kaum 
zwischen  je  zwei  Halbkreisen  füllen  drei  Punkte  von  oben  nach 
unten  aus.  Die  Ränder  der  Platte  sind  mit  kleinen  Punktreihen 
vereiert,  und  die  Ecken  mit  kleinen  niederen  runden  Goldhülseu  be- 
setzt, in  welchen  ehemals  kleine  grüne  Gläser,  von  denen  sich 
noch  eines  erhalten  hat,  eingelassen  waren.  Auf  der  Rückseite  be- 
finden sich  an  den  vier  Ecken  kleine  Goldttseu,  die  ebenso  wie  die 
Cioldbülsen  bei  diesen  und  den  anderen  Platten  nicht  angcliithct, 
sondern  angeschmolzen  sind.  Genau  wie  die  erste  Platte  ist  die 
neunte  vereiert. 


Der  auf  diesen  beiden  Platten  (Fig.  2)  dargestellte  Schild  ent- 
spricht jenem  auf  makedonischen  kleinen  Silber-  (Tetrobolen)  und 
Hronzemünzen ;  wir  werden  deshalb  nicht  fehlgehen,  wenn  wir  den 
Schild  als  „makedonischen"  bezeichnen1). 

Die  zweite  Platte  (Fig.  3),  welcher  die  achte  entspricht,  hat 
eine  Breite  von  3,3  cm  bei  einer  Höhe  von  3,1  cm.  Die  Mitte  der- 
selben wird  durch  eine  verhältnissmässig  hohe  und  grosse  aufge- 
schmolzene Goldhülsc  von  mandelähnlicher  Form  verziert,  in  welcher 
je  ein  grüner,  oben  runder  Glasfluss  eingelassen  ist.  Ränder  und 
Ecken  sind  wie  bei  den  vorerwähnten  Platten  mit  Punktreihen  und 
aufgeschmolzenen  kleinen  niederen  GoldhUlsen,  die  ehemals  rot  he 
Steine  oder  Gläser  enthielten  ■ —  einer  derselben  ist  noch  vorhanden  ■ — , 
versehen,  ebenso  tragen  auch  die  Rückseiten  die  vier  kleinen  Gold- 

1)  Vgl.  Head,  Barclay  V.  „Historia  Numorum".  S.  20!)  und 
Mionnet,  T.  E.,  Description  de  m^d.  antiques  grecques  et  roni., 
Suppl.  III,  S.  2.  Auch  auf  späteren  makedonischen  Tetradraehmen  treffen 
wir  den  Schild  wieder,  doch  befindet  sich  bei  diesen  in  dein  grossen 
Mittelfeld  entweder  der  Kopf  des  Perseus  oder  des  Paus  oder  der  Artemis. 


Flg.  ». 


Fi*.  S. 


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Westgothischcr  Goldfand  aus  einem  Felsengrabe  bei  MykenH.  79 


ösen,  welche  dura  dienten,  die  einzelnen  Platten  mit  einer  Schnur 
unter  sieh  und  wohl  auch  auf  einem  Bande  zu  befestigen. 

Die  dritte  und  siebente  Platte  (Fig.  4)  zeigen  die  Darstellung 
je  einer  eiiigeBtempcltcu  Sirenenfigur  von  gutem  Stil.  Goldhtllsen  und 
Puuktreihcn  schliessen  die  Platten  nach  aussen  ebenfalls  ab,  aber  die 
auf  der  Rückseite  befindlichen  Goldösen  sind  so  angeschmolzen,  dass 
das  Bild  der  Sirene  nicht  in  richtiger  Stellung  —  den  Kopf  nach 
oben  — ,  sondern  liegend  —  den  Kopf  nach  rechts  resp.  nach  links 
gekehrt  —  erscheint.  Die  Goldhülsen  dieser  Platten  hatten  grüne 
Glasflüsse.    Breite  3,4  cm,  Höhe  2,8  cm. 


Fig.  4.  Fi*.  5. 


Die  vierte  und  sechste  Platte  (Fig.  6),  von  3,5  cm  Breite  und 
2,8  cm  Höhe,  correspondiren  mit  der  zweiten  und  achten,  aber  die 
in  der  Mitte  aufgeschmolzenen  Goldhülsen  sind  nicht  mandelförmig, 
sondern  oval  uud  hatten  dunkel rothe,  oben  runde  Glasflüsse 
oder  Steine  als  Einlagen,  während  kleine  rothe  Gläser  die  Eck- 
hülseu  schmückten. 

Die  fünfte  —  Mittel  —  Platte  (Fig.  6), 
hat  eine  Höhe  von  4,1  cm  bei  einer  Breite 
von  3,1  cm.  Hier  sehen  wir,  abweichend 
von  den  acht  übrigen  kleineren  Platten,  die 
um  die  Ausseoründer  laufenden  Punkt-  oder 
Perlrcihen  nicht  von  rückwärts,  sondern 
von  vorn  eingeschlagen,  in  Folge  dessen 
sie  vertieft  erscheinen.  An  den  vier  Ecken 
befinden  sich  ebenfalls  vier  kleine  Gold- 
hülsen, die  ehemals  aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  mit  kleineu  grünen  Gläsern  ans- 
fi*.  «.  gefüllt  waren  (eine  der  Hülsen  fehlt,  da 


80 


J  u  1  i  u  h  N  a  u  e : 


das  betreffende  Eck  der  Platte  abgebrochen  ist).  In  der  Mitte  zwi- 
schen den  oberen  beiden  Hülsen  befindet  sieh  noch  eine  etwas  klei- 
nere und  niedere,  die  jedoch  etwas  Uber  dem  oberen  Fiatteurand 
hinwegragt.  Die  sehr  flüchtig  und  mit  einem  wenig  erhabenen 
.Stempel  eingeschlagene  Darstellung  zeigt  eine  unter  einem  Tempcl- 
ehen  auf  einem  niederen  Stuhle  nach  vorn  gekehrt  sitzende  beklei- 
dete weibliche  Figur.  Das  unter  der  Brust  gegürtete  Gewand  scheint 
beide  Anne  nicht  zu  bedecken.  Ueber  dem  Schoosse  liegt  ein 
Mantel,  welcher  nach  unten  theils  bis  über  die  Hälfte  des  einen 
Unterschenkels,  theils  bis  unter  das  Knie  herabgeht.  In  der  rechten 
Hand  hält  die  Gestalt  einen  dünnen  langen  Stab,  der  oben  drei 
knospen-  oder  blunienartige  Ansätze  hat,  während  die  nach  oben 
gekehrte  linke  Hand  einen  grossen  herzförmigen  Gegenstand,  die 
Spitze  nach  unten  gekehrt,  einporhält.  Auf  diesem  herzförmigen 
Sehilde  sind  von  rückwärts  mit  einem  spitzen  Instrumente  mehrere 
Zeichen  eingeritzt,  auf  die  wir  später  noch  ausführlich  zu  sprechen 
kommen.  Neben  dem  Stuhle  der  sitzenden  weiblichen  Figur  seheint 
eine  kleine  von  rechts  nach  links  schreitende  nackte  menschliche 
Gestalt  zu  sein;  bei  der  sehr  verschwommenen  Wiedergabc  derselben 
ist  es  jedoch  schwer  Bestimmte*  zu  sagen;  am  sichersten  könnten 
noch  die  Beine  erkannt  werden.  Ebenso  schwer  hält  es,  zu  unter- 
scheiden, ob  die  sitzende  weibliche  Figur  eine  Stadtgöttin  oder  eine 
Roma  darstellen  soll;  eher  vielleicht  die  letztere. 

Zur  besseren  Uehersieht  wiederholen  wir  kurz  die  Reihen- 
folge der  einzelnen  Platten  des  Diademes,  wie  sie  zusammengehören: 
1.  Makedonischer  Schild  mit  kleinen  g  r  U  n  e  n  Eckgläsern.  2.  Herz- 
förmige Mittelhülse  mit  grünem  Glasflusse  und  kleinen  rotben 
Eckgläsern.  3.  Sirene  mit  kleinen  g  r  ü  n  e  n  Eckgläsern.  4.  Ovale 
Mittelhülse  mit  r  o  t  Ii  e  m  Glasflüsse  und  kleinen  rotben  Eckgläsern. 
f).  Sitzende  weibliche  Figur  unter  einem  Tcmpelchen  mit  wahrschein- 
lich grünen  Eckgläsern.  <>.  Ovale  Mittelhülse  mit  rot  h  ein  Glas- 
flüsse nnd  kleinen  rotben  Eckgläsern.  7.  Sirene  mit  kleinen  grü- 
nen Eckgläsern.  f<.  Herzförmige  Mittelhülse  mit  grünem  Glas- 
flüsse und  kleinen  rotben  Eckgläsern  und  !>.  makedonischer  Schild 
mit  kleinen  grünen  Eckgläsern1). 

1)  Achnlichc  kleine  Platten,  von  länglich  viereckiger,  rautonartijjcr 
und  ovaler  Form,  aber  mit  •frös.seren  Funkt-  oder  Perlreiho.n  versiert,  die 
«ach  aussen  und  innen  von  erhaheu<>n  Linien  eingefaßt  sind,  also  wie 
eine  Art  Band  erscheinen,  wurden  von  reichen  palinyrcnischen  Krauen 


Westgothischcr  Goldfund  au«  einem  Felsengrabe  bei  Myken«.  81 

Wenn  wir  nnn  die  sämmtlicheu  Platten  in  dieser  Reihenfolge 
betrachten,  so  fallt  vor  Allem  das  merkwürdige  Stilgemisch  in  die 
Augen:  wir  haben  in  den  Darstellungen  nnd  Ornamenten  Motive 
aus  griechischer  und  römischer  Zeit,  und  in  der  Ausschmückung 
der  Platten  mit  Punktreihen  und  mit  aufgesetzten  Goldliülsen.  welche 
kleine  und  grosse  Glasflüsse  enthielten.  Motive  aus  barbarischer  Zeit 
vor  uns.  Griechischen  Einfluss  zeigen  die  Sirenen  und  die  makedo- 
nischen Schilde;  erstere  dürften  wegen  ihrer  immerhin  guten  stil- 
vollen Darstellung  in  das  IV.  Jahrh.  v.  Chr.  verlegt  werden  können, 
letztere  gehören  jedoch  bereits  einer  späteren  Zeit  an.  Sicher  römisch, 
und  zwar  dein  IV.  Jahrb.  n.  Chr.  angehörend,  ist  die  sitzende  weib- 
liche Figur  der  Mittelplatte,  uud  entschieden  barbarisch  die  Hinzn- 
ftlgung  der  Punktreihen  und  die  der  klassischen  Zeit  unbekannten 
aufgesetzten  Gold  Ii  (Ilsen  mit  ihren  farbigen  Glasflüssen.  Auch  die 
eigentümliche  Zusammenstellung  der  verschiedenen  Goldplatten  wirkt 
barbarisch;  denn  in  welchem  Zusammenhang  stehen  die  makedoni- 
schen Schilde  zu  den  Sirenen  und  diese  wieder  zu  der  —  sagen 
wir  einstweilen  —  Roma? 

Einen  weiteren  Beleg  für  das  eben  Ausgesprochene,  haben  wir 
dadurch,  dass  die  Platten  mit  den  Sirenen  nicht  richtig  gestellt 
sind,  was  durch  die  rückwärts  angeschmolzenen  Ooldösen  bewiesen 
wird.  Um  die  Figur  «1er  Sirenen  zur  richtigen  Anschauung  zu 
bringen,  hätten  die  Platten  so  angeordnet  werden  müssen,  dass  ihre 
Schmalseiten  nicht  seitwärts,  wie  jetzt,  sondern  nach  oben  gerichtet 
wären.  Höchst  wahrscheinlich  wusste  man  aber  die  dargestellten 
Figuren  mit  den  Flügeln  und  dem  ornamental  gehaltenen  Untertheile 
nicht  '/u  deuten,  nahm  sie  vielmehr  als  eine  rein  ornamentale  Ver- 
zierung und  verwendete  sie  als  solche. 


als  Kopf-  oder  Uaarschmuck  derart  getragen,  dass  sie  von  den  hoch- 
frisirten  Haaren,  über  welche  als  Bekrünung  ein  Zopf  gelegt  war,  nach 
vorn  bis  zur  Stirn  herahhingen.  An  den  !lusseren  Seiten  der  ovalen  und 
rautenförmigen  Platten  sind  zur  weiteren  Verzierung  Perlen  angebracht 
und  au  die  untere  Platte  drei  konische  Rmunicln  mit  kugelförmigen  En- 
den, die  auf  die  Stirn  herabfallen,  eingehängt.  Diesen  Kopf-  oder  Haar- 
schmuck  zeigt  u.  a.  eine  20  cm  hohe  Frauenmaske  aus  weissem  Marmor 
von  »pHtrömischer  Arbeit,  welche  in  Palmyra  gefunden  xmd  in  der  Auction 
H.  Hnffiuaun  in  Paris  (15.—  IG.  Juni  1891)  versteigert  worden  ist.  Vergl. 
den  betr.  Catalog:  „Auti<(uitcs  egyptiennes,  phenieicniies,  greiu|iie.s  et  ro- 
maines.  Verrerie,  marbres,  bronze.s  et  poteric.  Paris,  18!)1,  R.  20,  Nr.  110, 
und  PI.  V. 

J«ür»..  d.  Vcr.  v.  AU«rihum»n\  im  Rhcl»l.  XCIII.  6 


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82 


Julius  Naue: 


Aber  einen  noch  entschiedeneren  Beweis  flir  die  barbarische 
Geschmacksrichtung  haben  wir  durch  die  mit  farbigen  Gläsern  ver- 
sehenen Goldhülsen,  welche  auf  jeder  Platte  angebracht  sind,  wozu 
aber  auch  noch  die  Platten  mit  den  grossen  Mittelhülsen  gehören. 
Vergegenwärtigen  wir  uns  darnach  den  Eindruck,  welchen  das  Dia- 
dem in  dieser  Zusammenstellung  auf  den  Beschauer  machte,  so  ist 
es  klar,  dass  daa  farbige  Elcmeut  vorwaltete,  was  in  ganz  be- 
sonderer Weise  für  den  barbarischen  Geschmack  der  ehemaligen 
Trägerin  dieses  Schmuckstückes  spricht. 

Diese  Ansicht  wird  von  hervorragenden  Altertumsforschern,  wie 
Altmeister  Prof.  Dr.  L.  Lindcnschinit  in  Mainz,  Generalintendant 
Dr.  Frz.  von  Pulsky  in  Budapest  und  Dr.  Arthur  J.  Evans, 
Conservator  am  Asbmolean-Musenm  in  Oxford,  gcthcilt.  Herr  Prof. 
Dr.  L.  Lindenschmit  in  Mainz  schrieb  mir  darüber:  „Was 
meine  Ansicht  Uber  den  Fund  betrifft,  so  kann  ich  mich  bezüglich 
des  Stiruschmuckes  nnr  Ihrer  Meinung  anschließen.  Es  ist  eine 
verhältnissmässig  späte  und  in  verschiedener  Hinsicht  von  barbari- 
schem Geschmackc  zeugende  Arbeit.  Nicht  allein  die  in  Zellen 
eingesetzten  Glascinlagcn  sprechen  dafür,  sondern  auch  vor  Allem  die 
Darstellnngsweise  der  sitzenden  Figur  auf  der  Mittclplatte.  Sie  ähnelt 
in  Manchem,  wie  Sie  richtig  bemerkten,  den  Gebilden  auf,  Übrigens 
seltenen  Scheibenfibelu  der  merowingischen  Zeit,  welche  Copien  rö- 
mischer Kunstarbeit  sind.  Ob  diese  sitzende  Figur,  welche  uns  vor- 
liegt, ebenfalls  eine  Koma  darstellen  soll,  wage  ich  nicht  zu  ent- 
scheiden. Auf  den  barbarischen  Nachbildungen  auf  Scheibenßbeln 
hält  die  ausgestreckte  rechte'lland  der  Roma  eine  Victoria,  während 
die  linke  das  Scepter  hält.  Auf  der  fraglichen  Platte  scheint  die 
weibliche  Figur  in  der  Rechten  ein  blumenartiges  Gebilde  zu  halten. 
Die  feinen  Zeichen  oberhalb  der  linken  Hand  vermag  auch  ich  mir 
noch  nicht  zu  erklären.  Sind  es  ohne  Verständnis»  nachgeahmte 
Schriftzeichen  V  Von  ganz  abweichender  Art,  weil  ein  klassisches 
Motiv  und  verständnissvolle  Darstellung  desselben  zeigend,  sind 
namentlich  die  beiden  Platten  mit  den  Sirenen.  Es  ist  deshalb  in 
der  That  wahrscheinlich,  dass  der  halbbarbarisebc  Goldschmied  ältere 
gute  Stempel  besass  oder  Theile  eines  älteren  Geschmeides  ver- 
wendete, unter  welchen  seine  Zuthaten  sofort  erkennbnr  sind.  Cha- 
rakteristisch für  die  abweichende  mangelhafte  Arbeit  der  Mittclplatte 
ist  auch  der  Umstand,  dass  die  ringsmnlaufcndcu  kleinen  Perlen 
oder  Buckel  nach  der  verkehrten  Seite  hin  eingeschlagen  sind.  Das 


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WestgothiKcher  Goldfand  aus  einem  Felsengrab«  bei  MykenÄ.  83 


ungemein  geringe  Gewicht  der  Platten  wie  der  Armbänder  lässt 
vermuthen,  dass  die  Sachen  als  Grahschmuck  hergestellt  wurden. 
Interessant  ist  die  geschickte  Herstellung  der  Armbänder  aus  einem 
Draht  von  der  Dicke  des  Schwänzendes  der  Schlaugen;  aus  ihm 
ist  der  ganze  Körper  mit  dem  Hammer  getrieben.  Ebenso  interes- 
sant ist  die  Verbindung  der  Ubeieinaiidcrgreil'enden  Theile  des  Schlan- 
genkörpers, dieselben  sind  nicht  aufeinander  gehithet,  sondern  das 
Gold  ist  zum  Zweck  der  Verbindung  au  den  betreffenden  Stellen 
zum  Schmelzen  gebracht.  Auf  gleiche  Art  sind  die  Zellen  für  die 
Glaseinlagen  auf  den  Platten  befestigt.  Die  Sehlangen  siud  übrigeus 
selir  naturalistisch,  mit  feiner  Beobachtung  ausgeführt  und  gleichen 
sehr  spatgricchischcu  oder  römischen  Arbeiten  dieser  Art,  so  dass 
wir  annehmen  dürfen,  sie  seien  von  einem  griechischen  Sklaven 
gemacht." 

Herr  Generalintendant  Dr.  Franz  von  Pulszky  in  Buda- 
pest schrieb  mir  seiner  Zeit  Folgendes  Uber  den  Fund:  „Sic  sind 
auf  der  rechten  Fährte  mit  dem  Goldschumeke  aus  Mykenä.  Natttr- 
lich  sind  die  Kuppelgräber  und  die  Pelopidenzeit  ausgeschlossen. 
Es  wird  wohl  das  Grab  eines  Gothenhäuptlings  sein,  der  auf  einem 
seiner  Raubzüge  starb.  Die  an  den  Grund  gelötheten  Goldbülsen, 
als  Fassung  von  rothen  und  grünen  Steinen,  erinnern  ja  an  die 
Orfeverie  doisonnce,  von  der  wir  aus  Schriftstellern  erst  zur  rOmi 
scheu  Kaiserzeit  und  aus  Denkmälern  zur  Völkerwanderungsepoche 
eine  Idee  erhalten.  Die  Mittcltigur  sieht  einer  Minerva  ähnlich. 
Die  sehlangenförmigen  Armbänder,  aus  dickem  Golddraht  gehämmert, 
kommen  bei  uns  in  dieser  Zeit  (der  Völkerwanderungsepoche)  in 
einem  Exemplar  ebenfalls  vor." 

Alle  siud  darin  mit  mir  einig,  dass  der  Goldfund  barbarischen 
Ursprunges  ist  und  nicht  vor  das  IV.  nachchristliche  Jahrhundert 
verlegt  werden  kann. 

Die  Verwendung  spätgricchischcr  und  römischer  Stempel  lässt 
sieh  vielleicht  so  erklären,  dass  der  Goldarbeiter  (mag  er  nun  Freier 
oder  Sklave  gewesen  sein),  welcher  das  Diadem  anzufertigen  hatte, 
entweder  derartige  figürliche  oder  ornamentale  Goldplatten  vorräthig 
hatte  oder  die  betreffenden  Stempel  besass.  Wie  noch  heute  alte 
Münz-  und  Siegclstempel  vorhanden  sind,  so  kann  es  auch  in  jeuer 
Zeit  gewesen  sein. 

Auf  jeden  Fall  aber  muss  wiederholt  betont  werden,  dass  der 
ganze  Goldfund  weder  griechisch  noch  römisch,  sondern  barbarisch  ist. 


84 


J  u  I  i  n  s  N«uc: 


Da  wir  min  wissen,  dass  in  den  Jahren  390 — 397  die  West- 
gothen unter  Führung  ihres  König»  Alarich  deu  ganzen  Pelopnnncs 
durchzogen,  so  liegt  es  nahe  anzunehmen,  dass  der  Fund  den  West- 
gothen zngetheilt  werden  kann  und  darf.  Bei  dem  Inngen  Aufent- 
halte diese*  Volkes  in  (Irieehenland  ist  es  mehr  als  wahrscheinlich, 
dass  eine  Fürstin  oder  Anverwandte  eines  Fürsten  auf  einem  der 
westgothischen  Wanderzüge  starb  und  dass  man  die  Leiche,  nach- 
dem man  ein  altes  Felsengrah  entdeckt  hatte,  in  diesem  beisetzte; 
denn  nur  so  lässt  sich  die  Bestattung  in  «lein  Felsengrahe  hei  Mykenä 
erklären. 

Wie  hei  der  Beschreibung  der  Mittclplatte  des  Diadenis  be- 
reits erwähnt  wurde,  finden  sich  auf  dem  herzförmigen  .Schilde,  wel- 
chen die  sitzende  weihliche  Figur  mit  der  linken  Hand  nach  ohen 
hält,  kleine  erhaltene  Zeichen,  die  von  rückwärts  mit  einem  spitzen 
Instrumente  eingeritzt  sind  und  zwar  derart,  dass  man  deutlich  sieht, 
wo  das  Instrument  stärker  eingesetzt  oder  eingedrückt  wurde. 

Auf  die  Bedeutung  dieser  Zeichen,  welche  ich  wohl  gesehen 
hatte,  wurde  ich  erst  durch  den  hochverehrten  Direktor  des  römisch- 
germanischen  Centrai-Museums,  Herrn  Prof.  Dr.  Ludwig  Linden 
sc h mit  in  Mainz,  welchem  ich  den  ganzen  Fund,  wie  vorerwähnt, 
zur  Kenntnis*  und  Begutachtung  zugesandt  hatte,  im  Juli  1890  auf- 
merksam gemacht.  Kr  thcilte  mir  nämlich  mit,  dass  Dr.  Kempff 
ans  flcfle  in  Schweden,  der  sich  einige  Zeit  in  Mainz  aufgehalten 
hatte,  um  die  Inschriften  zweier  dort  hefindlichcr  Rnncnfiheln  zu 
studiren,  gelegentlich  der  Vorlage  von  (Jynsahgfissen  des  Cnlddia- 
demes  auf  der  Mittelplatte  die  sonderbaren  Zeichen  ehenfall»  ge- 
sehen und  sie  nach  Prüfung  für  Runen  glaubt  annehmen  zu  dürfen. 
Nach  dem  Abgüsse  las  damals  Dr.  Kempff  Xhl  ~  fu£t0 
aber  hinzu,  dass  eine  weitere  Bestätigung  erst  von  einem  eingehen- 
den .Studium  des  Originales  abzuwarten  sei. 

Durch  dicae  Mittheilung  des  hochverehrten  Altmeister»  ange- 
regt, sandle  ich  gegen  Ende  1890  meinem  verehrten  Freunde,  dem 
Privatdozenten  an  der  Universität  Lnnd,  Herrn  Dr.  Sven  Söder- 
berg, zwei  (lypsabgüsse  der  Mittelplatte  und  fügte  eine  sehr  ge- 
naue Zeichnung  der  eingeritzten  Zeichen  bei.  die  derselbe  alsbald 
Herrn  Professor  Dr.  Ocorg  Stephens  in  Kopenhagen  mit  der 
Bitte  übergab,  die  Zeichen  eingehend  studiren  und  prüfen  zu  wollen. 
Eine  längere  Krankheit  de«  hochverehrten  r.elehrten  trug  die  .Schuld, 
dass  ich  von  ihm  erst  im  August  vorigen  Jahres  Näheres  über  die 


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Westgotliiadier  GokUuml  aus  einem  Felsengrab  bei  MykenH.  «5 


Ergebnisse  seiner  Studien  erhielt;  er  schriet)  mir,  nachdem  er  die 
Zeichen  unzweifelhaft  ftlr  Runen  erklärt,  folgendes:  „This  also  secins 
not  to  be  a  difticult  inscriptmu.  lt  is  here  very  slightly  magni- 
tied,  for  distinetness,  as  it  is  the  chief  rnnic  inscriptiou.  I  begin 
with  the  tirst  stave  X  «hose  left  side  forms  the  right  si<lc 
of  h  (U),  followed  by  h  (X)  in  the  middle  of  the  seript.  Xcxt 
eomes  Z,  the  softened  sonnd  of  D,  whose  ncarest  type  in  the  al- 
phabets  is  the  mark  y,  which  is  here  sweeng  low  er  down,  as  it 
otherwisc  would  have  clasht  with  the  immediately  foregoiug  f>  (X). 
This  Z  as  softened  1)  creeps  i)i  early.  Forstcniann  has  OUXZO  etc. 
7«"  Century  and  8«»',  GUXZA  etc.  (tVm.)  7lh,  GUXZ1L1  11'",  GUX- 
ZILA  etc.  (fem.)  8"'  Century,  GUXCELIX  etc.  7l".  The  o  at  the 
top  is  a  short  way  of  writing  c<  (X>  D).  *'ast  comes  f,  a  bind 
with  |,  making  |f  (IL).    The  wholc  gives: 

OUXZOIL  (Fig.  7,  wo  die  Zei- 
chen nach  dein  Originale,  vergl. 
Fig.  0,  vergrtfssert  wiederge- 
geben sind),  a  slurred  and  fa- 
miliär pronunciatioii  of  the  wo- 
mnnsname  GUNHILD.  This  is 
not  found  before  in  the  old- 
nortlicrn  runes,  Init  occurs  se- 
veral  times  in  the  later  (or  scan- 
dinaviau)  staves  as  GUNHILD, 
GUX1IILTR,  GUXILR  (the  R 
only  the  nominative-mark),  GÜNILT  and  GUXXILA." 

Unterdessen  hatte  auch  Herr  Dr.  K.  Hj.  Kcmpff  aus  Gefle, 
der  sich  im  Sommer  vergangenen  Jahres  längere  Zeit  in  München 
aufhielt,  bei  mir  das  Original  der  Goldplatte  wiederholt  gesehen 
und  die  eingeritzten  Zeichen  sorgfältigst  und  eingehendst  geprüft 
und  studirt.  Dass  die  Zeichen  Runen  seien,  liestätigte  Herr  Dr. 
Kempff  wiederholt.  Auf  meine  Bitten  t heilte  er  mir  dann  kürzlich 
Folgendes  schriftlich  über  die  Ergebnisse  seiner  Studien  mit: 

„Ich  habe  schon  im  vorigen  Jahre,  Juli  1890,  als  ich  einen 
Abguss  der  Platte  in  .Mainz  sah,  dieselbe  Ansicht  ausgesprochen, 
die  ich  noch  jetzt  hege,  nachdem  ich  im  Juli  (181H)  bei  Ihnen  das 
Original  wiederholt  gesehen  habe,  nämlich  dass  die  Inschrift  mit 


Fi*.  7. 


Julius  Naue: 


der  älteren  germanischen  Schritt,  den  sog.  älteren  Runen,  nb- 
gefasst  sei. 

Die  Inschrift  besteht  nur  ans  5  Runenbuchstabcn,  ;\  stehend 
XhJ\  die  ich  mit  Guiu  umsehreibe,  2  oberhalb  liegend  <|,  die  ich 
mit  KI  wiedergebe;  alle  ganz  deutlich  und  unverkennbar.  Die  drei 
unteren  doch  weniger,  indem  alle  drei  sieh  entweder  berühren  oder 
schneiden.  Die  beiden  Stäbe  von  kreuzen  sich  oben,  der  rechte 
Stab  seheint  halb  wie  doppelt,  was  gewiss  durch  eine  Verbesserung 
entstanden  ist.  Der  Querstab  (der  rechte  Stab)  wurde,  erst  zu 
schwach  geritzt  und  dem  Hauptstabe  zu  niedrig  angefügt ;  ein  stärker 
geritzter  Querstab,  vom  Kusse  des  ungenügend  befundenen  und  an- 
fangs mit  ihm  zusammenlaufend,  wurde  dann  zum  Hauptstabe  höher 
hinaufgezogen,  dabei  aber  auch  ein  wenig  zu  weit  geführt,  so  dass 
er  den  Hauptstab  kreuzt.  Das  hat  seinen  unteren  Querstab  gleich- 
sam verloren  und  findet  ihn  erst  im  Inneren  der  vorhergehenden  |*| 
beim  Fusse  des  rechten  Stahes  wieder,  woher  es  kam.  dass  ich 
ihn  nicht  sogleich  erkannte  und  Anfangs  Gui  für  Oniu  las.  Dies 
um  nur  anzudeuten  wie  ich  die  Runenzeiclnuuigen  aufgefasst  habe. 
Ich  gehe  nun  zur  Deutung  der  beiden  Runen/eilen,  zuerst  zu  der 
dreimnigen  über  (vergl.  Fig.  6  u.  7). 

In  den  drei  Runen:  Xh4*>  GuiTi,  habe  ich  von  Anfang  her 
ein  altschwedisches  Nameuelement,  Gy,  erkannt;  es  ist  dasselbe, 
welches  uns  in  dem  altschwedisehcn  Frauennamen,  Gyri|>,  in 
Runenschrift  Gyrib,  KuriJ>r,  Knrib,  KiriJ),  Kufribr,  Kufrib, 
sowie  auch  in  den  schwedischen  Runennameii  Kilaug,  Kilauk, 
Kilifz  und  im  nennorwegischen  Owe  ig  begegnet.  Auch  ein  ein- 
faches Ky  findet  sich  auf  dem  Runenstein  zu  Skestad  in  Upland, 
Schweden  (Dybcek,  Sverikes  Kunurkunder,  II,  M4 1 .  Dieses  Gy  ent- 
spricht vollkommen  dem  Guiu  der  Goldplatte  von  Mykcna. 

Aber  auch  in  der  älteren  Runenschrift  haben  wir  eine  volle 
Korrespondenz  zu  unserem  inykenäisehen  Xhl  (Guiu).  Auf  einem 
der  Goldkrllgc  des  grossen  Goldfuudes  von  N agy - S z e n d - M i - 
k  1  ö  s  in  Ungarn  findet  sich  am  Hoden  desselben  eine  monogramm- 
ähnliche  Figur  eingeritzt  (v.  Sacken  und  Kenner.  Die  Samm- 
lungen des  K.  K.  Münz-  und  Antiken-Cabincts.  Wien,  1860,  Tafel, 
Fig.  14.  —  Hampel,  ,1.,  der  Goldfund  von  Nagy-Szent-Miklös. 
Budapest,  1886.  Tafel  p.  69,  Fig.  16.  In  beiden  Werken  die  klei- 
nere der  beiden  Mouogrammfiguren  t,  die  ich  schon  lange  nach  der 
Zeichnung  bei  v.  Sacken  und  Kenner  als  ein  XhT>  Guiu,  nach 


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Wcatgothischer  Goldfund  aus  einem  Felsengrabe  bei  Mykenft.  87 


der  H  a  m  p  c  I  schen  als  ein  XhlJN  Gmin,  deutete.  Die  letzte 
Schreibweise  XhKT>  stimmt  ganz  mit  jener  des  Runensteines 

von  Tu nc  in  Norwegen  flberein,  wo  arbija  fttr  arbja,  puijoz 
für  pujoz  steht.  Eine  Muthmassung,  dass  Guiu  der  Dativ  eines 
fein.  Guus  sei,  finde  ich  nach  dem  Gesagten  nicht  zutreffend.  Der 
Form  nach  entspricht  dieser  Name,  wie  einerseits  dem  schwedischen 
Gy,  Gy-  der  jüngeren  Runen,  so  andererseits  in  der  älteren  Runen- 
schrift dem  MI  h  N  "II  J4»  L  e  n  b  v  i  n  i  i  u ,  auf  der  grösseren  Spange 
von  X  o  r  d  e  u  d  o  r  f  in  Augsburg  (vgl.  H  c  n  n  i  n  g ,  Runendenkmäler. 
Tat".  III,  Fig.  7.  S.  105  liest  Henning,  der  dem  X  den  Laute 
ertheilt,  L  e  u  b  v  i  n  i  e ,  welches  dadurch  zum  Dativ  wird ;  beides 
ist  wahrscheinlich  unrichtig)  und  noch  näher  dem  S(eg)uhuiu, 
Nli/v/INfli»  Dänemark  (Stephens,  bract.  17,  Oldn.  Run. 
Mon.  II,  52N).  Uebrigens  haben  wir  in  Guiu  gewiss  nur  die  eine 
Hälfte  des  Namens,  der  vollständig  wahrscheinlich  Gulnfripn  lau- 
tete, ein  Gegenstück  zum  späteren  schwedischen  Gyfrip,  Gyrip, 
wozu  gleichfalls  als  Abkürzung  vielleicht  das  schon  genannte  Gy 
kommt. 

Was  die  Redeutung  des  Namens  betrifft,  so  möchte  ich  darin, 
indem  ich  ihn  zu  dersellien  Wurzel  wie  im  gr.  x  ^  u* »  f  u  n  d  o  , 
fons,  führe,  etwas  wie  Quellnyniphe,  Najade  erblicken,  was  auch 
den  -ny,  -elf  in  skandinavischen  Frauennamen,  wie  Siguy,  Ha- 
gnelf,  einigermassen  entspräche,  wenn  diese,  wie  ich  glaube,  mit 
Strom,  F I  u  s  s  wiederzugeben  sind. 

Ich  wende  mich  nun  zu  den  beiden  oben  liegenden  Runen, 
die  ich  als  <|,  K I,  gelesen  habe,  die  aber  auch  als  |>,  I K,  gelesen 
werden  möchten,  jedoch  dann  in  entgegengesetzter  Richtung  zu  der 
Lesung  XhJN  Guiu.  Sollen  nun  die  beiden  Zeilen  als  eine  zusam- 
men gelesen  werden  ?  Ein  <|Xh'T»  Ki-Guin  gibt  nichts,  wenigstens 
nichts  Bekanntes.  Ein  |<Xh<T>  Ik-Guin,  wäre  möglich,  aber  wenig 
glaublich.  Ein  XhJ"<l'  ^ni«Ki,  wenig  glanblich,  ein  XhJ1< 
Gnin-lk,  sogar  unmöglich.  Ein  |>XhT>  Ik-Guiu :  Ich-Guiu,  aber 
wäre  nicht  so  unwahrscheinlich.  Jedoch :  1 .  warum  wären  die 
beiden  Wörter  nicht  in  einer  Linie  geschrieben,  zumal  es  an 
Raum  dazu  nicht  fehlte;  2.  warum  schrieb  man  die  beiden  Wörter 
nicht  in  ein  und  derselben  Richtung,  sondern  Hess  dier  eine  nach 
links,  die  andere  nach  rechts  gehen?  Ich  glaube  deshalb  nicht, 
dnss  die  beiden  Rnnenzeichen  zusammen  zu  lesen  sind,  sondern  dass 
sie  mit  Absieht  so  geschrieben  wurden  wie  sie  sind,  um  zu  bezeich- 


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Julius  Nauc:  Westgothischer  Goldlund  etc. 


neu,  dass  jede  Zeile  für  sieh 'gelesen  werden  »olle  und  zwar  in  der- 
selben Richtung,  wie  Xh-T>  Cill>u>  s°  auch  <|,  K  I. 

Aber  was  bedeutet  dann  diesea  <|,  K  I?  Nach  meiner  Mei- 
nung Kind  es  zwei  Anfangsbuchstaben :  K  I,  von  denen  K  den  Na- 
men de«  Gebers  oder  der  Geberin  de«  Golddiademcs  bezeichnet, 
ganz  wie  Gniu  der  Name  der  Empfängerin  ist:  I  aber  ist  der  An- 
fangsbuchstabe eine»  Wortes  mit  der  Bedeutung:  gibt,  verehrt. 
K  kann  hier  irgend  einen  beliebigen  altgermanischen  Namen  auf  K 
bezeichnen,  z.  Ii.  Kindila,  K  u  n  i  m  n  n  d  u z.  In  I  aber  sehe 
ich  die  Abkürzung  eines  3>  praes.  iniz  oder  hiip:  isl.  innir,  per- 
ficit,  prnestat,  pendit  (Lex.  l'oet.j:  performs,  pay«,  diseharges  (Vigf.). 
Unverkürzt  l>egegnct  uns  dies  iniz  auf  dem  Stein  von  Möjebro 
(Schweden)  mit  der  bekanutcu  Inschrift :  Aua  h  a  h  a  i  s  1  a  X  iniz 
fravaradaz.  Nach  Huggc  deutet  hier  Norcen,  Altisl.  Gramm. 
S.  1Ü1  die  beiden  letzten  Wörter  als  zwei  Eigennamen :  isl.  „X  Dir, 
F  r  ä  r  ä  d  r".  Ich  sehe  eher  ein  iniz  F  r  a  v  a  r  a  d  a  z :  isl.  innir 
Fräradr  darin,  wo  iniz  entweder  als  Verb  oder  als  Nomen 
agentis  steht.  Um  diese  Anschauung  zu  bestätigen,  ist  es  mir  wohl 
erlaubt,  hier  eine  bisher  nicht  hinlänglich  beobachtete  Inschrift  an- 
zuführeu,  die  sich  auf  dem  Goldbrakteat  von  0  v  c  r  n  h  o  r  n  b  e  c  k, 
Dänemark,  befindet  i  vergl.  Stephens,  bract.  28,  Oldu.  Run.  Mon. 
II,  0401.  Meines  Wissens  ist  die«?  höchst  interessante  Inschrift  bis- 
her nur  von  Stepheus  (Mon.  II,  Ö41)  gelesen.  Ich  lese  sie  so: 
E  u  |>  a  V  i  t  s  i  h  u  i  n  a  n  d  I)  a  i  u  Niu  u  o  b  a  v  e.  Hier  begegnet  uns 
unzweifelhaft  in  3  P,ur-  praes.  das  Verbum  in  nnn,  isl.  inna, 
dessen  Bedeutung  kaum  eine  andere  als  persolvere  debitum, 
eine  von  Sitte  und  Pietät  geforderte  Schuldigkeit  zu  vollziehen,  sein 
kann.  Diese  Bedeutung  passt  nun  auch  auf  die  Inschrift  des  Steine» 
von  Möjebro:  Fravaradus  persolvit  debitum  sc.  mortuo.  Dieses 
„hinan"  war  gewiss  etwas  fortdauerndes:  daher  in  praes.  inand, 
iniz  (iniz  für  in  in,  wie  barutz  für  barintib). 

Auch  hier,  auf  der  Mykenäinschrift,  würde  dieses  Wort  mit 
der  von  mir  vermutheten  Bedeutung  passen,  sei  es  dass  K  der  Gniu 
gegenüber  eine  wirkliche  Schuldigkeit  erfüllte  oder  dass  das  Wort 
ohne  diese  strenge  Bedeutung  nur  für  „verehren"  angewendet  wurde. 

Die  ganze  Inschrift  der  My kenä-Goldplatte  des  Dia- 
demes wäre  also  zu  lesen: 

Guiü  KI:  Guiu  —  K  v(erehrte). 


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0.  Humatin:  Die  ältesten  Bnuthcilc  des  Münsters  zu  Kssen.  89 


7.  Die  ältesten  Baiitheile  des  Munsters  zu  Essen. 

Von 
6.  Human n. 

(Mit  f'i  Abbildungen.) 


Die  L'ebcrrcstc  der  Essener  Banilika,  welche  hfichst  wahr- 
scheinlich von  dem  in  der  2.  Hälfte  dem  9.  Jahrhunderts  errichteten 
Stiftungsbnu  herrühren,  sind  in  den  Jahrbüchern  Heft  LXXXII, 
S.  107  ff.,  sowie  in  der  Schrift  „Der  Westbau  des  Münsters  zu 
Essen"  1890  (in  Komm,  bei  J.  Ücitcr  in  Essen)1)  besprochen. 
Da  dieser  Hau,  eines  der  merkwürdigsten  alteren  Kunstdenkruäler 
Deutschlands,  hinsichtlich  seiner  reichen  Nischcnhildungcn  in  den 
Seitcnschiffswäiidcn  und  des  dreiseitigen  Abschlusses  seiner  Quer- 
schiffsfltlgel  vor  allen  diesseits  der  Alpen  aus  knrolingiseber  Zeit 
noch  erhaltenen  Hasiiiken  hervorragt,  so  mag  es  gestattet  sein,  hier 
nochmals  auf  dies  Werk  zurückzukommen,  und  zwar  einerseits,  um 
seine  Entstehungszeit  mit  eingehenderen  Gründen,  als  dies  bisher 
geschehen  ist,  festzustellen,  andererseits,  um  noch  gewisse,  nicht 
unwichtige  bauliche  Einzelheiten  an  der  Hand  einiger  Zeichnungen 
zu  erläutern. 

Figur  1  stellt  den  Grondriss  des  südlichen  Seitenschiffes  dar. 
Die  ältesten  Theile  sind  schwarz,  die  romanischen  in  doppelter,  die 
gothischen  ("einschliesslich  zweier  hei  der  letzten  Restauration  wieder 
zugemauerter  Nischen)  in  einfacher  Schraffirung  gezeichnet.  Von 
den  Langwänden  des  Seitenschiffes  sind  hier  ausser  den  drei  Nischen 
einer  ehemaligen  zweigeschossigen  westlichen  Vorhalle  (Fig.  1  bei  a) 
nur  noch  vier,  cWiifalls  halbkreisrunde  Nischen  (Fig.  1  bei  b)  er- 
halten (abgesehen  von  den  unter  den  folgenden  gothischen  Pfeilern 
wohl  noch  vorhandenen  geringen  Kesten).  Der  westliche  Theil  dieser 
Nischen  ist  in  Fig.  2  mit  Fortlassung  der  gothischen  Pfeiler  (in 


1)  Vgl.  Jabrbuch  LXXXX,  S.  182  f.  Die  Redaktion. 


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G.  H  u  ni  ann: 


i 

doppelt  so  grossem  Mnassstab  als  der  4  Jmmlriss)  abgebildet  ').  Das 
nördliche  Sehiff  einschliesslich  der  ehemaligen  westlichen  Vorhalle 
besitzt  noch  (wenn  auch  theilweise  vennanert)  \'J  derartige  Nischen 
in  iinniiterbrocheiier  Reihe,  so  dass  hier  mir 
vier  ergänzt  zu  werden  brauchen,  um  den  An- 
sehluss  an  das  östliche  Querschiff  zn  erreichen. 
Von  letzterem  ist  hier  (mit  Ausnahme  eines 
vermauerten  Restes  des  oberen  Geschosses; 
s.  w.  unten  i  nur  der  unterste  Theil  der  Nord- 
wand erhalten  derselbe  ist  bei  der  letzten 
Restauration  ergänzt).  Die  noch  vollstän- 
digere Südseite  des  SUdflttgels  ist  in  Fig. 
1  und  in  Fig.  3  (in  doppelt  so  grossem 
Maassstab i  dargestellt.  Die  beiden  in  den 
Schrägseiten  befindlichen  Nistdien  \o,  o  in 
Fig.  1  und  3)*)  hat  man  spater,  al>cr  noch 
in  romanischer  Zeit,  enger  und  niedriger 
gestaltet  und  durch  grosse  Bögen  verbunden, 
welche  einen  Laufgang  (ii  in  Fig.  1  und  3) 
zu  tragen  bestimmt  sind.  Des  letzteren  wegen 
sind  im  oberen  (iesehoss  die  beiden  schrägen  , 


1)  Als  vor  fast  10  Jahren  bei  der  letzten  Kc- 
stauratinn  diese  Nischen  vom  Putz  befreit  waren, 
vermochte  ich  leider  keine  Zeichnung  des  Mauer- 
verbandes anzufertigen.  Neben  gewöhnlichem 
Bruchstciiimatcrial  ist  bei  den  Pfeilerfüssen  und 
Kampfern  Kalkstein,  bei  den  Liseiien.  Blendbogen 
und  Nisclienkuppeln  Tuff  verwendet  Der  letztere 
begeht  wohl  aus  Abbruchmalerial  und  konnte 
vermuthlieh  von  ehemaligen  Kömerbauten,  d.  h. 
etwa  von  Köln  oder  dem  nahe  gelegenen  Neuss, 
leicht  bezogen  werden.  -  Die  Richtigkeit  der  in 
Fig.  2  angegebenen  Höhenverhaltnissc  des  kleinen 
Fensters  vermag  ich  nicht  zu  verbürgen,  da  ich 
sie  zur  Zeit  nicht  genau  ausgemessen  habe. 

2)  Die  Nischen,  bedeutend  weiter  als  die- 
jenigen der  Langschifle,  reichen  bis  zum  Fuss- 
boden. Dass  dieser  ursprünglich  tiefer  gelegen 
habe,  ist  wohl  anzunehmen.  Ob  die  Karniesge- 
Minse  in  der  Kampferhöhe  der  Thüre  ursprüng- 
lich sind,  konnte  z.  Z.  nicht  festgestellt  werden. 


> 


'X\ 


Flg.  L 


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Die  ältesten  Bauthcile  des  Münsters  zu  Kssen. 


91 


Wandseiten  nachträglich  gerade  gemacht,  während  sie  oberhalb  des 
später  eingefügten  Gewölbes  wieder  in  ursprünglicher  Form  hervor- 
treten (bei  dem  Mancrabsatz  nn  Fig.  3).  In  den  Schrägseiten  waren 
im  olieren  Geschoss  (der  mittlere  Theil,  wenigstens  oberhalb  der  in  die 
Schatzkammer  führenden  Thltrc  (mmm  in  Fig.  3),  ist  erneuert  und 
seine  ehemalige  Form  nicht  mehr  genau  festzustellen)  ebenfalls  zwei 
grosse  Nischen,  deren  Spuren  (unter  dem  Putz)  (hei  W5  in  Fig.  3) 
noch  erhalten  sind.  Dieselben  hat  man  bei  Anlage  des  Gewölbes 
niedriger  abgeschlossen  und  mit  je  einem  Fenster  (rr  in  Fig.  3) 
versehen  (wie  solche  auch  wohl  ursprünglich,  doch  entsprechend  höher 
vorhanden  waren).  Die  Qnersehiffstlügel  besassen  al>er  auch  an  ihren 
westlichen  Seiten  oberhalb  der  Dächer  der  Seitenschiffe  je  ein  Fen- 
ster. Ueberrestc  der  letzteren  sind  noch  über  den  zwischen  Quer-  und 
Seitenschiffen  befindlichen  gothischen  Gurtbögen  erhalten  (oberhalb 
c  in  Fig.  1.    Vgl.  die  Aufrisse  Fig.  4  und  3  bei  u).    (Man  hat 

hier  bei  der  gothischen  Um- 
gestaltung die  oberen  Maner- 
theile  des  älteren  Baues  be- 
stehen lassen,  d.  h.  vor  Ab- 
bruch der  unteren  Theile  ab- 
gestutzt und  mit  gothischen 
Bögen  unterfangen.)  Im 
Nordfltlgel  ist  ebenfalls  an 
entsprechender  Stelle  der 
obere  Theil  eines  derartigen  Fensters  erhalten1).  Hier  an  der  nord- 
westlichen Ecke  des  Querschiffes,  dort,  wo  die  westliche  Mauer  eines 
gothischen  Erweiterungsbaues  (ehemaliger  sog.  Grätinnenehor)  an- 
setzt, ist  noch  ein  Rundstabkämpfer  *)  mit  Rogenansatz  im  Mauerwerk 
erhalten,  ans  welchem  erhellt,  dass  das  Aeussere  des  oberen  Geschosses 
der  Giebelwände  des  Querschiffs  mit  Blendbögen  geziert  war.  Die 
Höhe  der  ursprünglichen  flachen  Decke  des  Querschiffs  ist  auf  der 


1)  Dass  diese  Fenster  höher  abschlössen  als  die  Nischen  bez.  deren 
ursprüngliche.  Fenster  in  den  Schrägseiten  (vgl.  vv  u.  m  in  Fig.  Ii)  ist 
auffallend.  Auch  dürfte  dieser  Umstand  unsere  Verniuthung  rechtfertigen, 
dass  spater  (wohl  um  das  Jahr  1000,  vgl.  „Westbau-  S.  27)  die  Seiten- 
schiffe mit  Kmporen  versehen,  und  infolge  dessen  jene  Fenster  in  der 
Westwand  der  ljuerschifle  entsprechend  höher  gelegt  worden  sind. 

2)  Derselbe  liegt  ungefähr  in  der  Scheitelhöhe  des  westlichen  Fen- 
sters des  GrXttnnenchoros. 


O.  Human  n: 


Südseite  noch  oberhalb  de«  Gewölbes  (bei  zz  in  Fig.  3)  deutlieh 
erkennbar. 

Die  seitlichen  Räume  der  ehemaligen  westliehen  Vorhalle 
hatten  zwei  Geschosse  bezw.  waren  von  gleicher  Höhe  als  ihr  mitt- 
lerer Theil.  Es  geht  dies  aus  der  Lage  zweier  Kapitale  hervor, 
welche  in  den  westlichen,  dem  Mittelraum  anschliessenden  Ecken 
jener  Scitenräume  sich  befinden  (Fig.  1  oberhalb  e).  Aus  dem  um- 
gebenden Mauerwerk  und  ver- 
schiedenen Umständen  darf 
mau  sehliesscn,  dass  sieh  jene 
seitlichen  Räume  wahrschein- 
lich ehemals  zum  mittleren 
Theil  in  je  zwei  Uber  einander 
befindlichen  Bögen  geöffnet 
haben,  während  die  höher 
liegenden  Kapitale  in  den 
Ecken  befindliche  Wandpfei- 
ler bekrönt  haben,  welche 
mit  jenen  Kapitalen  wohl  bis 
zur  flachen  Decke  reichten. 
Eh  ist  auch  dies  ein  ganz 
ansscrgewöhnlicher  Schmuck, 
welcher  die  künstlerische  Be- 
deutung der  alten  Essener  Ba- 
silika noch  mehr  hervortreten 
lässt.  Das  südliche,  bis  auf 
seinen  unteren  Bundstal»  et- 
was verwitterte,  dennoch  am 
besten  erhaltene  der  Itciden 
aus  Kalkstein  gebildeten  Kapitäle  ist  in  Fig.  5  skizzirt.  Das  ein- 
fache korinthische  Kapital  zeigt  eine  Volute  und  darunter  ein  kleines 
Blatt,  dessen  mittlerer  Theil  unter  dem  Blattüberfall  ausgehöhlt  ist. 
Wie  weit  das  Kapital  (mit  seinein  Rundstab)  ehemals  seitwärts  in 
die  Wund  eingriff,  ist  aus  Fig.  5  bezw.  dem  rauh  gearbeiteten 
Theil  desselben  zu  ersehen.  Ueber  dem  Kapitäl  liegen  zwei  Platten 
von  rechteckigem  Profil.  Ein  unter  demselben  ansetzender  Wand- 
pfeiler ist  der  Feberinauerung  des  hier  befindlichen  gothischen  Ge- 
wölbes wegen  nicht  erkennbar.  Am  nördlichen  Kapitäl  ist  noch 
ein  über  demselben  befindlicher  Bundstab  erhalten.  Einen  Architrav 


Fl«.  B. 


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Die  Ältesten  Bautheile  de«  Münsters  zu  Essen. 


seheinen  diese  Kapitale  nicht  getragen  zu  haben,  es  sei  denn,  dass 
derselbe  aus  Stuck  (einem  in  damaliger  Zeit  nicht  aussergewtthn- 
liehen  Material)  vorgcblendct  war. 

Tin  das  Alter  der  beschriebenen  Baut  heile  zu  beurlheilen,  ge- 
nügt ein  Blick  auf  den  rekonstrnirten  Grundriss  ( „ Westbau"  Fig.  1), 
um  nicht  allein  eine  gewisse  Uebereinstininiuiig  der  Raumanlagc 
mit  anderen  karolingischcn  Basiliken  (namentlich  der  Einhardskirehc 
z.u  Steinbach-Michelstadt)  als  auch  einen  sclbststündigcn,  in  sieh  ab- 
geschlossenen Bau  zu  erkennen.  Sein  westlicher  Theil  (vgl.  Fig.  1,  a) 
ist  umso  mehr  als  ursprünglicher  Absehlnss  d.  h.  als  Vorhalle,  nicht 
als  eiu  westliches  Quersehifl',  zu  dein  der  gegenwärtige  Westchor  mit 
seinen  seitlichen  Eingangshallen  als  gleichzeitig  errichteter  Bau  ge- 
kürt habe,  zu  betrachten,  als  diese  letztgenannten  Theile  in  Bezug 
auf  Formcharakter,  Reichthum  und  Komposition  sich  als  Ilinznfügung 
ergeben.  Anderenfalls  wttrdc  auch  der  hier  als  ursprüngliche  west- 
liche Vorhalle  angenommene  Theil  nicht  allein  in  der  Lüngeu-,  son- 
dern auch  in  der  Querachse  der  Kirche  ausgedehnter,  d.  h.  ebenso 
wie  das  östliche  QuersehifT  auch  nach  aussen  mit  einem 
Vorsprunge  vor  den  Seitenschiffen  angelegt  worden 
sein,  wflhrcnd  in  Wirklichkeit  der  jetzige  West  bau  vor- 
springt, und  zwar,  was  ebenso  beachtenswerth  ist,  nicht 
auf  jeder  Seite  in  ganz  gleichem  Maasse  („Wcstban" 
Fig.  •».  Tafel  II).  Auch  bei  einer  gleichzeitigen  Anlage  der 
genannten  Bantheile  dürfte  die  Lage  der  ganzen  Kirche 
wohl  etwas  anders  bestimmt  worden  sein,  so  dass  der  westliche 
Abschluss  nicht  so  tief,  d.  h.  mit  acht  Stufen  in  das  (nach  Westen 
ansteigende)  Erdreich  eingeschnitten  hältte.  Ferner  würde  man  den 
(•lockenthurm  wohl  über  dem  westlichen  Querschiff,  nicht  über  dem 
Chor  angelegt  haben  l).    Von  Wichtigkeit  zur  Beurtheiluug  dieser 


1)  Dil*,  erste.  Essener  Basilika  .scheint  noch  keinen  Thurm  (oder  nur 
«■inen  Dachreiter,  oder  einen  neben  der  Kirche  befindlichen  Thun»)  ge- 
habt zu  haben.  In  Gandersheim  wird  von  der  Weihe  eine«  Thumies  erat 
ca.  T>0  Jahre  nach  dem  Tode  Altfrids  berichtet.  Die  Steinkirche  v.n  Hcr/teld 
au  der  Lippe  aus  der  ersten  Hallte  des  !».  Jahrhs.  war  indes*  schon  mit 
einem  Thurm  versehen  (Nordhoff,  Holz-  und  Sleinban  Westfalens  2.  A., 
S.  341).  In  Frankreich  kamen  Thürme,  ja  Vierungsthüruie  schon  ver- 
einzelt mehrere  Jahrhunderte  früher  vor  (siehe  Qu  ich  erat,  Restitution 
de  la  basiliqne  de  S.  Martin  de  Tours  in  Revue  nrchcolofjique  18(59, 
S.  405,  40fi). 


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94 


G.  Ilumaiin: 


Frage  sind  endlich  jene  oben  beschriebenen  Kapitale  (Fig.  5),  weniger 
hinsichtlich  ihrer  Form,  welche  in  ähnlicher  Weise  nicht  am  West  hau 
vorkommt,  als  in  Rücksicht  auf  ihre  Lage.  Sie  befinden  sich  näm- 
lich ungefähr  1,40  in  unterhalb  der  Schwelle  der  vom  Westbau 
auf  den  Kirchenhoden  führenden  Thflre,  liegen 

also  zu  tief  für  eine  mit  dem  Westbau  gleich-   

zeitige  Balkenlage,  zu  hoch  für  (selbst  ziemlich      .  J  '§y~~% 
stark  gedrückte)  Rundbögen.  Auch  würden  solche        ]  i -t*$^J 
jedenfalls  um  etwa  3,6t)  m  tiefer,  il.  h.  in  glei-   ^  fjS^' 
eher  Kämpferhöhe  angelegt  worden  sein,  wie  -/ 
der  den  Westchor  vom  Mittelschiff  trennende 
Bogen.    Der  Westchor  mit  seinen  seitlichen  Ein- 
gangshallen ist  also  ohne  jeden  Zweifel  nicht  gleichzeitig  mit  den 
nischeugezierten  Langwieden  und  dem  östlichen  Querschiff  (s.  Ornnd- 
riss  Fig.  lj.    Da«  letztere  sehloss  ehemals  in  derselben  Höhe  ab 
wie  das  ursprüngliche  Mittelschiff  und  die  älteste  westliehe  Vorhalle 
mit  den  oben  besprochenen  Pfcilcrkapitälcn. 

Es  fragt  sich  nun,  ob  diese  Thcile,  wenn  man  die  Entstehung 
des  Westchores  um  das  Jahr  1000  annimmt  („Westbau"  S.  30  ff.), 
nach  dem  Brande  von  944  bez.  946  („Westbau"  S.  30)  entstanden 
seien,  oder  ob  sie  vom  Stiftungsbau  d.  h.  aus  der  zweiten  Hälfte 
des  9.  Jahrhunderts  herrühren.  Wenn  wir  uns  für  das  Letztere  ent- 
schieden haben,  so  geschah  dies  unter  Erwägungen,  welche  hier  ein- 
gehender auseinander  gesetzt  werden  sollen,  als  dies  bisher  geschehen 
ist,  um  dann  ihre  Berechtigung  dein  Urtheile  der  Leser  zu  überlassen. 

Das  Frauenkloster  und  die  erste  Kirche  zu  Essen  wurde  naeh 
der  Stiftungsurkunde1)  vom  Bisehof  Altfrid*)  von  Hildesheim  erbaut. 
Dieser  Bischof  wird  nicht  allein  seiner  Tugenden  wegen  als  Hei- 


1)  Veröffentlicht  von  Uacomhlct,  Urkundenbuch  I,  69  und  Funke, 
Gesch.  der  Stadt.  Kssen,  1K48,  S.  24.1.  Das  Original  wurde  (wie  Lacom- 
blct  a.a.O.  vermuthet)  wahrscheinlich,  ebenso  wie  andere  Urkunden  dcR 
Stifts  (doch  nicht  alle)  bei  dem  Brande  (von  944  oder  46)  vernichtet  oder 
beschädigt,  so  dass  eine  neue  Urkunde  angefertigt  worden  ist,  der  man 
das  echte  Bleisiegel  Altfrids  beigelegt  hat.  Nach  Dumm  ler  (Gesch.  des 
ostt'rHnkiHche.n  Reichs  1,807)  ist  diu  Stiftungsurkunde  eine  echte  aber  stark 
überarbeitete  Vorlage,  da  die  Stiftung  durch  Altfrid  nach  Urkunden  vom 
Jahre  917  (Lac om biet  1,  51)  feststeht. 

2)  Sein  Name  wird  in  den  ältesten  Urkunden  meistens  Altfridus  ge- 
schrieben. So  in  den  Urkunden  des  10.  Jahrhunderts  bei  Lac  n  in  biet 
a.  a.  O.  Nr.  69,  97,  99,  bei  Kcgino,  iiinemar,  Annalista  Saxo,  in  dun  Ann. 


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Die  Hltesten  Bautheile  des  Münsters  zu  Essen. 


95 


liger  verehrt,  sondern  ist  auch  als  ein  sehr  einflussrcieher,  unter- 
nehmender und  kunstliebender  Mann  zu  bezeichnen. 

Wie  es  scheint,  in  Essen  geboren1),  erhielt  der  h.  Altfrid  seine 
Bildung  wahrscheinlich  in  dem  seiner  Wissenschaft  und  Kirnst  pflege 
wegen  herühmten  Kloster  Corvey  und  vielleicht  auch  in  Fulda  unter 
Hrabanns  Maurus8).  Seine  hervorragenden  Geistesgaben  werden  von 
Hinkmar  von  Rheims,  einem  der  bedeutendsten  und  gelehrtesten 
Bisehöfe  seiner  Zeit  (Kraus,  Kirchengesch.  3  A.  §  80,  2)  und 
Regino  vou  Prüm  an  mehreren  Stellen  ausdrücklich  hervorgehoben 3). 

Fuld.  und  der  vita  S.  Bernwardi.  In  den  Ann.  Hild.  steht  Alfridus.  Kr 
seihst  hat  indess  eine  (noch  erhaltene,  die  Besitzung  der  Mönche  von  S.  Ger- 
inain  betr.)  Urkunde  Altfredus  unterzeichnet  (Facs.  bei  Mabillon,  de  ro 
dipl.  459),  wahrend  das  soeben  erwähnte  Bleisiegel  die  Schreibweise  Ald- 
fridus  (Abb.  bei  Lacomblet  a.  a.  f).  Taf.  4)  und  ein  anderes  Siegel 
(Abb.  bei  Harenberg  Hist.  Gandersh.  ecelesiae  Taf.  16,  Fig.  I)  Altfridus, 
also  die  gewöhnliche  Schreibweise  zeigt.  Das  letztere  könnte  den  Cha- 
rakteren der  Aufschrift  zufolge  wohl  aus  Alttrids  Zeit  stammen.  Doch 
beweist  die  Form  der  Mitra  des  den  h.  Altfrid  darstellenden  Brustbildes, 
dnss  das  Siegel  in  einem  späteren  Jahrhundert  angefertigt  worden  ist. 

1)  Denn  er  gründete  das  Kloster  auf  seinem  Gute  zu  Essen  und 
liegt  dort,  nicht  iu  seinem  Bischofssitz  Hildesheim  begraben.  Die  erste 
Aebtissin  Gerswida  soll  nach  den  Essener  Aebtissinnen-Catalogen  (Seemann, 
Die  Aebtissinuen  von  Essen  83,  S.  1  und  25)  seine  Schwester  gewesen  sein. 
Dies  ist  um  so  wahrscheinlicher,  als  in  einer  im  Anfang  dieses  Jahrhunderts 
in  der  Qnintinskapelle  zu  Essen  (s.  w.  unten)  noch  vorhandenen  Grab- 
schrift eine  „Gerswina"  als  Gründerin  des  Klosters  genannt  ist  („Prima 
luoiiasterium  fundaus  erexerat  istud."  Lüntzel,  Gesch.  der  Diöz.  Hildes- 
heim 1858).  Gerswinda  ist  also,  wenn  nicht  als  alleinige  Gründerin  (da 
die  Gründung  durch  Altfrid  urkundlich  hinlänglich  bezeugt  ist,  z.  B.  bei 
Lacomblet  a.  a.  O.  97,  99),  so  doch  als  Mitbegründeriii  zu  betrachten. 
Sie  würde  aber  wohl  nicht  diese  Rolle  gespielt  haben,  wenn  sie  nicht  in 
einem  näheren  venvandtachaftlichen  Verhältnisse  zu  Altfrid  gestanden  hiitte. 
(Nach  der  Hild.  Chronik,  u.  a.  bei  Leibuiz,  Scr.  rcrutn  brunsvieensium 
I,  p.  743  gründete  Altfrid  das  Kloster  auf  seinem  eigenen  Besitzthunie. 
S.  w.  unten.) 

2)  Der  Aufenthalt  Altfrids  in  der  Klosterschulc  zu  Corvey  wird  meines 
Wissens  direkt  nur  von  jüngeren  Chronisten  bezeugt,  das»  er  in  Fulda 
gewesen  sei,  nur  von  T  r  i  t  e  n  h  e  i  in  angenommen. 

3)  Der  Letztere  nennt  ihn  prudentissimum  viruni,  der  Erstere  be- 
richtet von  ihm:  „ut  saxo  genere  ac  per  hoc  naturalis  prudentinc  sunt  im 
ine  paratior  in  sennone-  und  an  einer  anderen  Stelle:  <|uadam  die  accer- 
sito  Altfrido  vcueraudo  episc.  apud  exiguitatem  meaiu  —  de  quibusdam 
sacrae  scripturae  —  difficilioribus  sententii*  subtiliter  investigare  coepistis  — 
(D  ü  in  m  1  e  r  a.  a.  0.  I,  207,  554,  865). 


O.  Hamann: 


Seine  bischöfliche  Wirksamkeit  in  Hildesheim  Iteginnt  iin  Jahre  847 
oder  wahrscheinlicher  erst  im  Jahre  851.  Aber  nicht  allein  auf 
seinen  Sprengel  beschränkte  sich  seine  Thätigkeit,  er  griff  auch 
vielfach  in  «las  damalige  politische  Leben  ein.  Ja  er  erseheint  so- 
gar als  der  ständige  und  vertraute  Ratligeber  Ludwig  des  Deut- 
schen, von  dem  er  sehr  häufig  zu  den  schwierigsten  politischen 
Missionen  verwendet  worden  ist.  Auf  solchen  Reisen  sehen  wir 
Altfrid  u.  a.  im  Gau  von  Toni,  zu  Pistres,  Mainz,  Maestrieht,  Kob- 
lenz und  Aachen1).  Seine  Künstliche  und  seinen  ausseigewöhnlichen 
Unternehmungsgeist  zeigte  er  au  einer  ganzen  Reihe  bedeutender 
Rauten,  welche  von  ihm  begonnen  und  grösstenteils  auch  vollendet 
worden  sind.  In  seiner  Bischofsstadt  legte  er  im  Jahre  852  in  der 
Nähe  eines  älteren,  wahrscheinlich  aus  Holz  erbauten  Domes  den 
Grund  zu  einer  Kirche,  indem  er  die  von  Ludwig  d.  Fr.  herrührende 
Kapelle  für  seinen  Hau  verwendete,  d.  h.  zur  sog.  Krypta  um- 
gestaltete *)  und,  wie  es  scheint,  noch  eine  zweite  westliche  Krypta 
hinzufugte.  Dieser  von  Altfrid  mit  aller  Zier5)  ausgestattete,  im 
Jahre  872  geweihte1)  Bau  war  nicht  aus  Holz,  sondern  aus  Stein 
hergestellt.  Denn  der  sächsische  Annalist  bemerkt  wörtlich :  ecelesiam 
tarn  honesti,  quam  firmi  sed  arti  edificii  constrnxit 5)  und  zum 
Jahre  1044,  dass  das  Hauptiuünstcr  Altfrids  und  eine  zweite  auf 
dessen  Südseite  gelegene  Kirche  mit  den  Klostergcbäuden  abgebrannt 
»ei,  bemerkt  aber  gleichzeitig,  dass,  um  eine  ueue  grössere  Kirche 
aufzuführen,  vorher  die  Mauern  des  Altfridischen  Domes  vom 
Rischof  Azelin  niedergerissen  seien  B).  Auch  diese  Bemerkung 
lässt  auf  eine  feste  Steinkirehc  schlicssen. 

Ks  wurde  jedoch  jener  Neubau,  weil  er,  allzu  gross  ungelegt, 
nicht  zur  Vollendung  gebracht  werden  konnte,  wieder  abgebrochen 
und  vom  Nachfolger  Azclins,  dem  Bischöfe  Hezilo,  auf  den  Funda- 
menten des  Altfridischen  Dotues  weiter  gebaut7).  Da  in  späterer 
Zeit,  wie  es  scheint,  keine  wesentliche  Umgestaltung  der  Kirche 

1)  I)  ii  in  in  1  c  r,  ficsch.  «I.  nstfriinkihclicn  Hcii-hs  1,  435,  4N.'l,  552, 
554,  730.  7:j-_>  770. 

2)  Clirnn.  Wild,  bei  L  c  i  b  n  i  z  a.  a.  O. 

3)  Vita  R.  Hernwurdi  M.  O.  SR.  IV  f.  12. 

4)  Annalos  Hild.  M.  G.  RS.  IH  ad  nnn.  872. 

5)  Annalista  Saxrt  M.  G.  SS.  VI,  )>.  57«. 
6>  Ann.  Saxo  a.  a.  O. 

7)  Mitliofr,  Kunstd.  nnd  Altcrtliümer  im  Hannoverschen  Bd.  III, 
8.  9«  f.   Ot  t «,  Gesch.  d.  d.  Hauk.  R.  101. 


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Die  ältesten  Bautheilc  de«  Münsters  zu  Essen.  97 


(von  den  seitlichen  Kapellen  abgesehen)  stattgefunden  hat,  so  dürfte 
der  Gnmdriss  des  jetzigen  Bauen ')  wohl  noeli  einen  (ohne  nähere 
Untersuchung  natürlich  keinen  zuverlässigen)  Anhalt  zur  Bcurtheilmig 
des  Altfridischen  Domes  bieten.  Demnach  wäre,  selbst  wenn  später 
das  Langsehiff  nach  Westen,  das  Querschiff  nach  Süden  und  Norden 
wesentlich  erweitert  sein  sollte,  der  Altfridische  Hau  durchaus  nicht 
so  „eng"  gewesen,  als  man  nach  der  oben  angeführten  Bemerkung 
des  Sächsischen  Annalisten  annehmen  möchte.  (Sollte  die  Hildes- 
heimer Basilika  eine  etwas  andere  Grundform  gehabt  haben  als 
die  Essener,  so  dürfte  daraus  noch  nicht  gerade  auf  verschiedene 
Bauherrn  bez.  Krlinuuugs/.citcii  geschlossen  werden.  Vgl.  „Westbau" 
S.  33,  Anm.  8.) 

Unter  Altfrid  ist  auch  das  Kloster  Lammspringe  erbaut  wor- 
den *).  Hervorragenden  Anthc.il  nahm  er  aber  an  der  Gründung 
des  berühmten  Frauenklosters  Gandersheim.  Nachdem  der  Sachsen- 
herzog Liudolf  und  seine  Gemahlin  Oda  auf  seinen  Rath  nach  Rom 
gereist  waren,  um  vom  Papste  Reliquien  für  das  zunächst  in  Bruns- 
hausen errichtete  Kloster  zu  erbitten3),  erbaute  Altfried  vier  Jahre 
darauf  an  dein  geeigneteren  Orte  Gandersheim  eine  neue  grössere 
Klosterkirche,  welche  von  Hrotsuitha  an  mehreren  Stellen  ausdrück- 
lich als  ein  hervorragender  Bau  aus  Stein  geschildert,  wird  *).  Die 
Kirche  wurde  vom  Nachfolger  Altfrids  bis  zum  Dachstuhle  gefördert 
und  vom  Bischof  Wigbert  im  Jahre  881  geweiht  '').  Die  ausgedehnte 
Westempore  der  in  Gandersheim  noch  erhaltenen  Kirche  nebst  den 
Thürmen  stammt  offenbar  nicht  ans  Altfrids  Zeit ,!).  Ob  aber  der 
Grundriss  der  drei  Langschiffe  und  des  östlichen  Querschiffs  (ohne. 
Chor)  auf  jene  Zeit  zurückgeführt  werden  dürfte,  ist  schwer  fest- 
zustellen. Das  Mittelschiff  ist  von  annähernd  gleichen  Verhältnissen, 
die  von  diesem  durch  wechselnde  Säulen  und  Pfeiler  getrennten 
Seitenschiffe  sind  indess  schmaler,  die  Querschiffsflügel  etwas  weiter 


1)  Ahl»,  hei  Mithoff  a.  a.  <).  Taf.  I.  Dehio  und  v.  Bezold, 
Die  kirchl.  Bank.  d.  Abendlandes,  Tnf.  17. 

2»  Chrnn.  Hild.  n.  n.  O.  Ks  sind  in  Lnnnnspringe  meines  Winsens 
keine  ans  frühester  Zeit  staiiitiiemle  Oebiinde  mehr  vorhanden. 

3)  Vita  Bemwardi  a.  a.  O.  c.  12.    Vita  S.  Godehard!  c.  19. 

4)  De  priniordiis  coen.  Oand.  SS.  IV,  30»>  ff. 

5)  Vita  Be.row.  a.  a.  ().  Vgl.  Harenberg,  Hist.  ecel.  «and.  1734  S.  39. 
Ii)  Abbildungen  in  Mittelalterlichen  Baudenkmälern  Niedersacliaens. 

Heft  16. 

Jahrb.  d.  Vor.  v.  AUcrtliutmfr.  im  Rheiiil.  XCIH.  7 


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0.  llumann: 


ausladend  als  jene  Ihtutheilc  in  Essen.  Auch  fehlt  dort  heim  Quer- 
schift'  der  dreiseitige  Schluss  an  den  Oiebclwänden  sowie  jede  Art 
Xischenhildung ').  Endlich  gründete  Altfrid  auf  seinen  Besitz- 
thflmcrn*)  die  Klöster  Seligenstadt  für  Mönche  und  Essen  für  Jung- 
frauen. Während  Uber  da*  Kloster  Seligenstadt  nichts  weiter  be- 
kannt ist  s),  gelangte  die  Essener  Stiftung  bald  zu  hohem  Ansehen. 
In  der  oben  erwähnten  Stiftimgsurkunde  heisst  es,  dass  Altfrid  auf 
seinem  (tute  */.u  Essen  ans  Dank  gegen  Gott,  dass  er  Um  unter  die 
Kiivhcnfflrsten  gesetzt,  ein  Kloster  und  eine  Kirche  erbaut  habe, 
und  das*  diese  Urkunde  vom  Stifter  auf  dem  bei  der  Weibe  des 
Kölner  Domes  im  Jahre  87:$  unter  dem  Vorsitze  des  Erzbischofs 
Willibert  stattgehabten  Concil  in  Gegenwart  der  Bischöfe  von  Mainz, 
Trier,  Minden,  Münster,  Paderborn,  Osnabrück,  Verden,  Halherstndt 
und  Utrecht  feierlichst  verlesen  sei.  Währemi  somit  die  Gebäude 
wohl  erst  kurze  Zeit  vor  873  vollendet  zu  sein  scheinen,  bestand 
die  Stiftung,  wie  aus  anderen  Urkunden  hervorgeht,  schon  längere 
Zeit,  mindestens  innerhalb  der  Jahre  8f>8 — 68 4).  Schon  vor  dem 
Jahre  863  waren  dein  Kloster,  und  zwar  vom  Erzhischof  Günther  von 
Köln,  die  Zehnten  der  sehr  ausgedehnten  Ländereien  von  der  Ruhr 
bis  zur  Emseher,  von  der  Leithe  bis  Lippern  und  Lierich  mit  Aus- 
nahme von  Kellinghausen  verliehen  worden  r'}.  Die  Karolinger  Lud- 
wig der  Deutsche  (f  87«),  Karl  der  Kahle  (f  877)  und  Lothar  II, 
(t  869)  sowie  der  Liudoltinger  Otto  der  Erlauchte.  <f  912)  hatten 
mehrere  Höfe  (im  ganzen  7)  geschenkt*).  Da  die  erstgenannte 
Schenkung  und  jedenfalls  auch  zum  Theil  die  der  Höfe  vor  Vollendung 
der  Essener  Kirche  gemacht  worden  sind,  so  scheint  es  an  reichen 


1)  Nach  Ku  >rler  soll  indess  der  Chorbau  alter  sein  nls  Quer-  und 
Langscliiff.    S.  O  1 1  e,  Gesch.  d.  d.  Bauk     S.  167. 

2)  „CurtcM  suae  proprietatis.*    Chron.  Ilild.  bei  l.eibniz  a.  a.  O. 

8)  Nicht  einmal  int  bis  jetzt  meines  Wissens  mit  Sicherheit  fest- 
gestellt worden,  wo  dies  Seligenstadt  gelegen  war.  |<  >b  es  mit  jenem 
Seligenstadt  identisch  ist,  wo  schon  von  Kar!  dein  Gr.  im  Jahre  7H1  ein 
Kloster  errichtet  worden  war?  Der  h.  llildegrim,  dort  zum  Bisehof  er- 
nannt, verlegte  schon  in  demselben  Jahre  den  Bischofssitz  nach  Halber- 
stadt.)   Ann.  Saxo  SS.  VI  ad  ann.  781. 

4)  Mülle  n  ho  ff  u.  Sc  her  er,  Denkni.  deutsch.  Poesien.  Prosa.  S.  M:J. 

f>)  Lacomblet  a.  a.  ().  Nr.  !»7.  Funke  a.  a.  0.  S.  '247.  Jenes  Ge- 
biet entspricht  ungefähr  dein  jetzigen  Kreise  Kssen,  mit  Ausschluss  der 
ehemaligen  Stifter  Kellinghausen  und  Werden. 

Gl  Lacomblet  a.  a.  <>.  Nr.  «J7  und  'M.    Funke  S.  217  und  249. 


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Die  ältesten  Rautheilc  dos  Münsters  zu  Essen. 


98 


Mitteln  zur  Errichtung  eines  bedeutenden  Baue«  nicht  gefehlt  zu 
haben.  Die  lange  Bauzeit  und  die  grosse  Bedeutung,  welche  Alt- 
frid, wie  au«  mehreren  der  angegebenen  Umstände  hervorgeht,  dieser 
seiner  Klosterstiftung  beigelegt  hat,  lässt  denn  wohl  ilarauf  schlicssen, 
da«*  die  Kirche  ebenso  . wie  der  Hildesheimer  Dom  und  die  Basilika 
von  Gandersheim  aus  Stein  hergestellt  worden  ist.  Auch  der  Um- 
stand, dass,  wie  es  scheint,  erst  eine  kleinere  provisorische  Kirche 
in  Essen  bestanden  hat,  lässt  auf  einen  nachfolgenden  bedeutenderen 
Bau  schlicssen.  Die  im  Jahre  1817  abgebrochene  kleine  Quintius- 
kirche,  in  welcher  die  oben  genannte  Inschrift  der  Aebtissin  fiers- 
wida  sieh  befand,  wird  nämlich  nach  der  l'eberlieferung  als  die 
erste,  von  Altfrid  erbaute  Kirche  bezeichnet.  Dass  diese  Kapelle 
nicht  (wie  Funke  a.  a.  O.  S.  2f>  und  HH  anzunehmen  scheint) 
derjenige  Bau  gewesen  sei,  auf  welchen  sich  die  erwähnte  Stif- 
tungsurkunde bezieht,  lehrt  ein  Blick  auf  den  Grnndriss  dieses 
nach  Grösse  und  Gestaltung  sehr  unbedeutenden 

Ü Baues,  welcher  in  nebenstehender  Fig.  0  nach  einer 
im  Essener  Stiftsarchiv  erhaltenen,  vom  verstorbe- 
nen Baumeister  Freise  im  Jahre  1H17  angefertigten 
Aufnahme  gezeichnet  ist.  Dieser  Bau  mit  seinem 
in  die  Breite  gestreckten  Schiff,  seinem  verbältniss- 
mässig  langen  und  sehr  schmalen  Chor  zeigt  (vor- 
Fig  6  ausgesetzt,  dass  die  Aufnahme  eine  zuverlässige  ge- 
wesen ist)  eine  ganz  anssergewöhnliche  Form!  Sollte, 
diese  Kapelle  ohne  spätere  Umgestaltung  in  der  That  von  Altfrid 
herrühren,  so  könnte  dieselbe  doch  wohl  nur  provisorisch  von  ein- 
heimischen, im  Steinbau  noch  ungeübten  Bauleuten  hergestellt  worden 
sein,  welche  die  damals,  wenigstens  für  Steinkirchen  üblichen  Formen 
noch  nicht  kannten  bezw.  beherrschten.  Den  Chor  würde  man,  auch 
hier  jene  Erbaunngszeit  vorausgesetzt,  wohl  nur  deshalb  von  aussen 
und  innen  dreiseitig  gestaltet  haben,  weil  ein  solcher  viel  einfacher 
und  bequemer  auszuführen  ist  als  eine  runde,  namentlich  mit  einem 
Gewölbe  versehene  Apsis.  Vielleicht  stammt  aber  nur  ein  Theil 
des  Schiffes  von  Altfrid,  obwohl  die  Form  der  Laibung  des  west- 
lichen Fensters  (die  Richtigkeit  der  Aufnahme  vorausgesetzt)  mit 
derjenigen  der  Laibungen  der  Chorfenster  übereinstimmt.  Die  im 
Grundriss  eingezeichnete  Treppe  deutet  auf  eine  Holzempore. 

Auf  seinen  häufigen  und  ausgedehnten  Reisen  wird  es  Altfrid 
in  künstlerischer  Hinsicht  an  Anregung  und  Vorbildern  nicht  gefehlt 


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100 


G.  II  um  min: 


haben  ')  und  hei  »einen  vielfachen  Beziehungen,  insbesondere  wahr- 
scheinlich auch  zu  Corvey,  wo  die  Kunst  eine  liesondcrc  Pflege 
fand*),  »«wie  seineu  Verbindungen  mit  den  karolingischen  Herr- 
schern wird  es  ihm  leicht  gewesen  nein,  sich  einen  hervorragenden 
Baumeister  zu  verschaffen. 

Tu  künstlerischer  Hinsieht  braucht  man  wohl  kaum  Bedenken  zu 
hegen,  jener  Zeit  ein  Werk  wie  die  Essener  Basilika  zuzuschreiben. 
Hatte  doch  die  karolingische  Kunst  in  der  2.  Hälfte  des  9.  Jahrhun- 
derts in  vieler  Hinsicht  ihren  Höhepunkt  erreicht.  Die  Handschriften, 
welche  fflr  Ludwig  den  Deutschen  und  besonders  für  Karl  den 
Kahlen  und  Karl  den  Dicken  angefertigt  worden  sind,  zeichnen 
sich  durch  ihre  figürlichen  Darstellungen  und  die  Pracht  ihrer  Or- 
namente aus.  Auf  welch  lumer  Stufe  die  Plastik  stand,  beweisen 
die  Klfenbeindeckel  des  Psalter»  Karls  d.  K.  in  der  Xational-Biblio- 
thek  zu  Pari»  und  die  herrlichen  Ornamente  auf  dem  von  Timtilo 
(vielleicht  erst  im  Anfange  des  10.  Jahrhunderts)  angefertigten 
Deckel  des  „langen''  Evaiigelieiibuchcs  zu  St.  Gallen.  Ks  ist  nun 
wohl  nicht  anzunehmen,  dass  damals  alle  Leistungen  auf  dem  Ge- 
biete der  Baukunst  viel  geringer  gewesen  seien,  wenn  auch  die 
damaligen  Zeitverhaltuis.se  grösseren  Banschöpfungen  nicht  geraile 
günstig  waren.  Was  die  alteren  in  Frankreich  erhaltenen  Bauwerke 
betrifft,  so  stammt  der  Centraibau  zu  Germigny  inschriftlich  aus 

1)  Als  man  im  Jahre  8(»0  in  dem  Stroit  zwischen  Ludwig  d.  D.,  Karl 
d.  I).,  Karl  d.  K.  und  Lothar  Tl.  eine  Einigung-  erzielte,  wurde,  der  betr. 
Vertrag  in  der  Castor-Kirche  zu  Koblenz  beschworen  (Dum  ml  er  a.a.O. 
I,  S.  4Xt).  Nach  Dehio  nud  v.  üczold  (a.  a.  (>.  S.  li>5|  stammen  die 
Langmauern  und  da*  (JuerschifT  der  Oasterkirohc  wahrscheinlich  von  dem 
83(5  geweihten  Stiftungsbau.  Kbcnsn  wie  in  Koblenz  sind  in  Essen  die 
Scitenwünde  mit  Nischen  versehen.  Sollte  Altfrid,  welcher  bei  jenem  Ver- 
tragsabschluss  zugegen  war  (nach  Eckhardt,  Commentarii  de  rebus  • 
Franciae  Orientalis  17*>,  II,  S.  47t5i,  vielleicht  dort  Anregung  gefunden 
haben,  die  I^angwllnde  seiner  Kasilika  ebenfalls  mit  dein  an  dieser  Stelle 
ausscrgewülmlichen  Schmuck  zu  versehen?  Die  Hache  Form  der  Kob- 
lenzer Nischen  führen  Dehio-Bezold  auf  den  Eintluss  von  Aachen  zu- 
rück. In  Essen  ist  die  gewöhnliche  halbkreisrunde  Form  gewühlt,  welche, 
aus  der  römischen  Baukunst  entlehnt,  bei  manchem  jüngeren  Bau  eben- 
falls in  ausgedehnterem  Maasse  verwendet  worden  ist  (Werden,  Helmstedt, 
Itegensburg).  Zwischen  diesen  Werken  und  der  römischen  Kunst  würde 
somit  die  Essener  Basilika  ein  Verbindungsglied  bilden. 


2)  S.  B.  Nord  ho  ff,  Die  westfälisch-sächsische  Früharcl.itektur  in 
Corvey.   Repertorium  f.  Ii.  W.  XI,  S.  14'J  ff. 


Die  ftltcsten  Bautheile  des  Münsters  zu  Essen. 


101 


dein  Anfange  des  9.  Jahrhundert* ')-  Andere  Rauten  au»  karolingi- 
scher  Zeit  sind  freilich  dort  bis  jetzt  nicht  mit  .Sicherheit  nach- 
gewiesen *).  Die  Kirche  Basse  -  Oeuvre  zu  Beauvais  soll  nach 
Giemen8)  in  die  fr  ü  h  karolingische  Zeit,  nach  Rame4)  in  die 
2.  Hälfte  de»  10.  Jahrhunderts*,  die  Kirche  S.  Martin  zn  Angers 
ebenfalls  nach  Raine5)  in  den  Anfang  des  11.  Jahrhunderts  ge- 
hören. In  Deutschland  wurde  indess  (von  den  oben  genannten 
Werken  zu  llildejdicini  und  Gandersheim  abgesehen)  in  fraglicher 
Zeit  d.  h.  in  der  2.  Hälfte  de«  9.  Jahrhundert»,  zn  Köln  der  groß- 
artige Hildeboldsche  Dom  vollendet  und  873  geweiht s).  In  Corvey 
legte  Abt  Adelgar  883—885  den  Grund  zu  den  neuen  Thürmen, 
welche  nach  12  Jahren  geweiht  wurden7).  Ludwig  der  Jüngere 
vollendete  zwischen  876  und  882  zu  Lorsch  eine  Kirche,  welche 
durch  ihre  Benennung  „eeelesia  varia"  als  ein  außergewöhnliches, 
auffallendes  Werk  bezeichnet  wird").  Im  Jahre  875  wird  die  in 
unmittelbarer  Nähe  Essens  gelegene  Abteikirehc  zu  Werden  vom 
Kölner  Erzbischof  in  Gegenwart  des  Bisehofs  von  Halberstadt  ge- 
weiht und  *S7T  dort  von  demselben  Erzbischof  zum  Bau  eines  Thnrmes 
aufgefordert8).  Bei  diesem  Stande  der  Kunst  dürfte  man  daher 
wohl  annehmen,  dnss  Altfrid  als  sehr  unternehmender  und  knnst- 

1)  Parker,  Remnrks  on  xome  early  churehes  in  France  and  Switzer- 
land  (Arehacologia  XXXVIII). 

2^  Kr  ine-,  Bulletin  du  eomite  des  travaux  bist,  et  seientif.  1882, 
No.  2,  S.  185  ff. 

3)  Der  karolingische  Kaiscrpalast  zu  Ingelheim  in  der  Westdeutschen 
Zcitschr.  für  Gesch.  und  Kunst  XI,  Hell  I,  S.  74. 
4  t  Ha  nie  a.  a.  ().  S.  IM. 
5)  Rainö  a.  a.  O.  R.  188. 

«)  Essen  wein,  Handbuch  der  Architektur,  heraus};,  von  Dürrn  etc. 
II.  AbV,  III.  Bd.  134. 

7)  Nord  hoff,  Holz-  und  Steinbau  S.  348. 

8)  Nach  Kssenwein  a.  a.  ().  und  den  eingehenden  Untersuchungen 
von  Adamy  (.Die  1'rHnkisclic  Thorhalle  zu  Lorsch"'.  Mit  Farbendr., 
5  Tafeln  und  (i4  Abb.  im  Text.  Dariastadt  1891)  soll  die  in  Lorsch  noch 
vorhandene,  bisher  ineist  in  die  oben  angegebene  Zeit  versetzte,  in  zwei- 
farbigen Steinen  erbaute  prachtvolle  Thorhalle  zu  den  dort  zwischen 
766—74  errichteten  Bauten  gehört  haben.  Alsdann  wHre  aber  wohl  der 
Ausdruck  „inannichfaltig*  (ecclesia  varia)  nicht  in  Bezug  auf  die  Farbe 
(„bunte  Kirche4-!,  als  auf  die  Form  des  von  Ludwig  errichteten  Gebäudes 
oder,  wie  Essen  wein  (a.a.O.)  wohl  richtiger  ineint,  nur  auf  eine  innere 
farbige  Ausschmückung  der  Kirche  zu  bezichen. 

9)  Nordhoff,  Holz-  und  Steinbau  S.  349. 


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102 


Ct.  II  u  in  a  n  n: 


liebender  Bisehof,  welcher  sowohl  mit  den  damaligen  karnlingischcn 
Herrschern  als  auch  wohl  mit  hervorragenden  klösterlichen  Kunst- 
stätten, wahrscheinlich  besonders  mit  Corvey,  einer  der  bedeutendsten 
Ptlegestätten  der  Kunst 1 1,  in  Verbindung  stand,  <He  auf  seiner  Be- 
sitzung aus  Dank  freien  (  Jott  errichtete  Kirche  als  einen  monumentalen 
Hau  und  mit  den  Mitteln  damaliger  Zeit  möglichst  schön  gestaltet  habe. 

Die  Essener  Basilika  scheint  Uber  ein  halbes  Jahrhundert  unver- 
sehrt bestanden  zu  haben.  Dass  die  Normannen,  welche  in  jener  Zeit 
so  häutig  die  Kulturstätten  der  fränkischen  Reiche  verwüsteten,  auch 
Essen  berührt  haben,  ist  nicht  bekannt.  Sollten  sie  aber  auch 
hierher  vorgedrungen  sein,  so  würde  eine  vollständige  Vernichtung 
der  Altfridisehen  Basilika,  vorausgesetzt,  das*  es  ein  Steinbau  ge- 
wesen sei,  noch  gerade  nicht  mit  Sicherheit  anzunehmen  sein.  Ist 
ja  auch  die  Pfalzkirche  zu  Aachen  (welche  von  den  Nonnannen  als 
Pferdestall  benutzt  worden  war)  bei  ihrem  Fortzuge  höchst  wahr- 
scheinlich nicht  vernichtet  worden,  während  die  übrigen  (iebände 
der  Pfalz,  wie  es  scheint,  gänzlich  zerstört  worden  sind").  Von  den 
906  u.  a.  nach  Her/fehl  an  der  Lippe  vorgedrungenen  Ungarn  wird 
ausdrücklich  berichtet,  dass  sie  die  dortige  Steinkirche  trotz  aller 
Bemühungen  nicht  zu  zerstören  vermocht  haben s).  In  Essen  wird 
von  einem  Brand  erst  um  das  Jahr  944  oder  4(i  berichtet  ')  und  im 
Jahre  947  bestätigt  Otto  d.  (ir.  und  Papst  Agapitus  die  früheren 
Schenkungen  mit  der  Angabe,  dass  die  betr.  älteren  Urkunden 
wahrscheinlich  einschliesslich  der  Stiftnngsurkunde:')  bei  dem  ge- 
nannten Brande  vom  Feuer  vernichtet  worden  seien").  Da  man 
damals  derartige  Dokumente  in  (oder  in  nächster  Nähe)  der  Kirchen 
aufzubewahren  pflegte,  so  scheint  auch  ans  dem  letztgenannten  Um- 
stände hervorzugehen,  dass  die  Basilika  bis  zn  dem  genannten  Jahre 
von  keinem  grösseren  Brande  betroffen  worden  ist. 

11  Vgl.  Nord  hoff,  Kcpert.  f.  KuiiKt-  und  Wissenst-h.  a.  a.  O. 

•2)  Annale*  Fuld.  a.  SSI.  Ks  iM  freilich  schon,  aber  wohl  mit  Unrecht, 
angenommen  worden,  dass  der  ^ranze  Aachener  Bau  nicht  bis  au!  Karl  d.  Gr. 
zurückzuführen  d.  Ii.  des  letzteren  I'falzkapt-Ile  von  den  Normannen  tfMnz- 
lich  zerstört  sei.  Vjrl.  über  diese  Annahme:  Käme  a.  a.  (>.  S.  197  und 
Plath,  Die  Könifrspfalzen  der  Merowinger  und  Karolinger"  S.  18.  Inaug.- 
Diss.  Berlin  1*92. 

3)  Nord  hoff,  Holz-  und  Sieinbau  S.  341. 

4)  „Astuidc  lastrude)  crematur.*  Ann.  Colon.  M.  Ct.  SS.  I,  98,  XVI,  73t. 
b)  Lac oinblet  a.  a.  (>.  S.  34,  Anmerkung. 

G)  Lacomblet  a.  a.  0.  S.  97,  99.    Funke  S.  247,  249. 


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Die  Ältesten  Bautheilc  de«  Münsters  zu  Ksscu. 


103 


Es  wäre  also  wohl  mir  zu  erwägen,  oh  der  Bau,  dessen  Ueher- 
reste  hier  besprochen  werden,  der  Stiftungszeit  oder  der  Zeit  nach 
jenem  Brande  angehöre  V  Obwohl  wir  das  letztere  für  möglich  halten, 
so  erscheint  es  uns  aus  den  verschiedenen  oben  angeführten  Grün- 
den berechtigter,  jene  Bautbeile  dem  Stiftungsbau  zuzuschreiben 
und  nach  dem  Brande  nur  eine  Wiederherstellung  der  beschädigten 
Thcilc  anzunehmen.  Namentlich  mnss  man  voraussetzen,  dass  von 
Altfiids  Bau,  wenn  er,  wie  höchst  wahrscheinlich,  ein  Steinban  ge- 
wesen ist,  doch  nur  das  Dach  mit  der  flachen  Decke  abgebrannt, 
das  Ucbrige  nur  melir  oder  weniger  beschädigt  worden  sei. 

Auch  aus  der  Essener  Geschichte  spricht  kein  Unistand  gegen 
unsere  Annahme.  Ausser  den  S.  98  genannten,  grösstenteils  vor  Vollen- 
dung der  Kirche  dem  Stift  gemachten  Schenkungen  wird  vom  Jahre  898 
berichtet,  dass  König  Zwentihold  von  Lothringen  mehrere  Höfe  ge- 
schenkt halie").  Im  Frühling  927  weilte  König  Heinrich  I.  in 
Westfalen  (wo  die  Liudolfinger  begütert  waren).  „In  Essen  crtheilte 
er  am  18.  Mär/,  auf  Verwenden  der  Königin  Mathilde,  die  ihn  be- 
gleitet zu  hatau  scheint,  und  des  Bischofs  Unwan  von  Paderborn 
dem  Kloster  Herford,  dessen  Privilegien  bei  dem  Einfall  der  Heiden, 
d.  b.  ohne  Zweifel  der  Ungarn,  zerstört  waren,  eine  Urkunde  zur 
Sicherung  seines  ganzen  Besitzes.  Auch  Essen  erhielt  wahrscheinlich 
damals  die  Bestätigung  einer  Schenkung  Herzog  Ottos"  *).  Zur  Zeit 
des  genannten  Brandes  regierte  in  Essen  eine  Aebtissin  Hathuwig*). 
Otto  I.  bestätigte  ihr  im  Jahre  947  auf  ihren  Wunsch  die  „von 
seinen  Vorgängern''  dem  Stift  verliehene  Immunität  sowie  alle 
früheren  Schenkungen1).  Ausserdem  verlieh  er  ihr  in  derselben  Ur- 
kunde die  dem  Stift  vorher  nicht  zustehende  freie  Wahl  des  Vogtes. 
In  «lern  gleichen  Jahre  bestätigte  auch  Papst  Agapitus  der  Aebtissin 
die  älteren  Hechte  sowie  die  ausschliessliche  Abhängigkeit  von  der 
päpstlichen  Jurisdiktion5).  Dass  Kaiser  und  Papst  die  Rechte  und 
Besitzungen  des  Klöstern,  von  denen  die  betr.  Urkunden  zu  Grunde 
gegangen  waren,  bestätigten,  war  wohl  selbstverständlich  und  wenn 


1)  Lacoinblet  a.  n.  ().  81.    Funke  a.  a.  O.  S.  37  und  246. 

2)  Waitz,  Jahrb.  d.  deutschen  Reichs  unter  Heinrieh  I.,  3.  Auti., 
8T>,  S.  116.  (Es  ist  hier  die  bereits  oben,  S.  98,  erwähnte  Schenkung 
Ottos  de«  Erlauchten  gemeint). 

3)  Vgl.  Seemann,  Die  Aebtiwsinnen  von  Essen  S.  28. 
4t  Lacomblet  a.  a.  O.  97.    Funke  a.  a.  O.  S.  247. 
5)  Lacomblet  a.  a.  O.  99.    Funke  a.  a.  0.  S.  249. 


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104 


G.  Hu  mann: 


Otto  dem  Stift  damals  die  Vogteiwahl  verleiht  und,  aber  erst  ca. 
20  Jahre  später  d.  h.  im  Jahre  966 ')  dem  Kloster  den  in  der  Nähe 
Essens  gelegenen  Hof  Ehreiizell  schenkt,  so  kann  diesen  Umständen 
im  Vergleich  mit  den  oben  angegebenen  reichen  »Schenkungen  nnd 
Verleihungen  aus  der  Zeit  der  Stiftung  nicht  allzugrosse  Bedeutung 
beigelegt  werden.  Sic  deuten  noch  nicht  auf  eine  ausscrgcwöhnliche 
Fürsorge  Ottos  und  einen  besonderen  Aufschwung  des  Stiftes,  wel- 
cher etwa  mit  grösseren  Neubauten  verbunden  gewesen  wäre.  Wur- 
den ja  bekanntlich  von  Seiten  der  sächsischen  Kaiser  und  den  da- 
maligen Grossen  des  Reiches  auch  viele  andere  geistliche  Stiftungen 
begünstigt,  ja  die  Freigebigkeit  gegen  die  Kirche  war  niemals  in 
ausgedehnterem  Masse  geübt  worden  als  von  Otto  I.  und  seinen 
Nachfolgern  bis  zu  Heinrieh  II.  (einschliesslich). 

Als  die  Basilika  später  nach  Westen  erweitert  wurde,  scheint 
man,  wie  ans  dem  Bestand  der  oben  besprochenen  Kapitale  nnd 
deren  Lage  erhellt,  die  ehemalige  Vorhalle  nicht  abgebrochen,  son- 
dern zum  westlichen  Quersehiff  umgestaltet  zu  haben.  Hätte  ja 
eine  Entfernung  dieses  Theils  keinen  Zweck  gehabt,  insliesonderc 
die  malerische  Gesaimnt wirkung  des  Aeusseren  beeinträchtigt. 

Wie  die  besprochene  Basilika  zu  den  merkwürdigsten  Bauten 
ihrer  Zeit  gehört,  so  kann  ein  Gleiches  auch  vom  Essener  West  bau 
behauptet  werden.  Die  Gründe,  welche  dies  Werk  als  durchaus 
eigenartig  und  unabhängig  von  der  Aachener  l'falzkirchc  erscheinen 
lassen,  mögen  hier  nochmals  kurz  zusanmiengefasst  werden. 

Kein  umfangreiches  Bauwerk  ist  bekanntlich  in  allen  Theilen 
eigenartig,  sondern  im  Wesentlichen  eine  Komposition  schon  vorher 
bekannter  Elemente,  sei  es  in  Bezug  auf  Kaunianlage,  Konstruktion 
oder  Einzelgliedcrnngen  nnd  Ornanientsehmuck.  Eine  nähere  Ver- 
wandtschaft ist  doch  wohl  nur  dann  vorhanden,  wenn  derartige 
Uchcreinstimmungen  entweder  in  außergewöhnlichem  Maasse,  oder 
dort  auftreten,  wo  andere  abweichende  Bildungen  viel  zweckmässiger 
gewesen  wären.  Keines  von  beiden  kann  aber  wohl  bei  näherem 
Vergleich  zwischen  dem  Essener  und  Aachener  Bauwerk  behauptet 
werden.  Es  ergeben  sich  (wie  „Westbau*4  S.  36  ff.  ausführlich  aus- 
einandergesetzt ist)  sehr  viele  durchschlagende  Unterschiede  nnd 
das,  was  beim  Essener  Bau  mit  dem  Aachener  übereinstimmt,  vor  Allem 
auch  die  vielseitige  Form  des  Chores  mit  seinen  doppelten  Säulen- 

1)  Lacomblet  a.  n.  0.  109.    Funke  a.  a.  0.  250. 


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Die  Hltesten  Bautheile  des  Münsters  zu  Käsen. 


100 


Stellungen  '),  ist  in  Essen  (wie  ebenfalls  „Wcstbau"  S.  38  flf.  naher 
dargelegt  ist)  wohl  ans  der  besonderen  Aufgabe,  welche  hier  dem 
Baumeister  gestellt  worden  war,  hervorgegangen  *).  In  direkter 
Weise,  und  so  das«  nicht  der  geringste  Zweifel  mehr  obwalten 
konnte,  lasst  sieh  diese  Annahme  freilieh  nicht  beweisen.  Doch 
dürfte  dieselbe  wohl  die  glücklichste  Lösung  für  alle  Rüthsei  liefern, 
welche  uns  im  Essener  Hauwerk  entgegentreten.  Will  man  */..  B. 
beim  ('hör  mit  seinen  Doppclsftnlcnpaarcn  eine  vom  Baumeister  ohne 
zwingenden  Grund  gewollte  Nachahmung  Aachener  Motive  voraus- 
setzen, so  würde  sieh  am  Essener  Werke  ein  grosser  schwer  zu  er- 
klärender Widersprach  ergeben.  So  dürfte  die  (durchaus  unorga- 
nische) Einfügung3)  des  polygonen  Chors  in  den  unteren  Theil  des 
Westthurmes  derart  gesucht  erscheinen,  dass  es  ohne  die  obige  An- 
nahme nicht  leicht  zu  begreifen  sein  würde,  weshalb  ein  Meister, 
welcher  im  Uebrigen  so  ülwraus  selbststündig  geschaffen  und  nament- 
lich in  den  Treppenanlagcn  eine  der  geistreichsten  und  eigenartigsten 


1)  Auch  die  äusseren  Wandpleiler  des  oberen  Geschosses  dos  Haupt- 
thurms  sind  („Wcstbau*  S.  37,  Anni.  2»  als  in  jener  Zeit  sehr  gewöhn- 
liche  Zierglicder  hinbestellt  und  mehrere  Beispiele  dieser  Art  aus  dama- 
liger Zeit  genannt.  Dieselben  sind  in  der  Schrift  .Heiligkreuz  und  Pfalzel, 
Beitrüge  zur  Baugeschichte  Triers"  von  W.  Kffmaun  (in  Iudex  lectionutn 
der  Universität  Kreiburg,  Schweiz  18!K),  S.  33)  um  ein  weiteres  sehr  in- 
teressantes Beispiel  vermehrt,  indem  der  Verlasser  die  bisher  kaum  beach- 
tete bez.  falsch  datirte  Centralkirche  zu  Heiligkreuz  ins  II.  Jahrh.  setzt. 

2)  Den  „Westbau"  S.  10,  Anni.  2  angegebenen  Beispielen  der  den 
h.  Kugeln  geweihten  Chöre  bezw.  Thunnemporeu  sei  noch  hinzugefügt,  dass 
im  Jahre  ifJ2  in  Halberstadt  das  oberste  Oratorium  („supremum  Orato- 
rium'') zu  Khren  des  h.  Michael,  Gabriel,  Raphael  und  allen  Himnielsbewoh- 
nern  geweiht  wurde  (Ann.  Saxn  M.  G.  S.  S.  VI,  p.  6;t7l.  Im  Dom  zu  Braun- 
schweig  wurden  im  II.  Jahrh.  zwei  unter  dem  damaligen  Thurmbau  ge- 
legene Oratorien,  das  ein«-  zu  Khren  des  h.  Michael  und  anderer  Heiligen, 
das  andere  vorzugsweise  zu  Khren  des  h.  Gabriel  geweiht  (Ncumann, 
Der  Reliquienschatz  des  Hauses  Braunschweig-Lünehurg  \»'M,  S.  24.-1).  Zu- 
gleich /.eigen  auch  diese  Beispiele,  dass,  wie  „Westban*  S.  32,  Anni.  2 
bemerkt  worden  ist,  man  kein  Bedenken  hegen  darf,  den  Ausdruck  „Ora- 
torium" in  der  urkundlichen  Notiz  „dodicatio  oratorii  in  porticu  S.  iohauuis 
baptistae"  auf  eine   mit  einem  Altäre  versehene  Knipore,  zu  beziehen. 

3)  Infolge  ungleicher  Belastung  zeigen  sich  am  Westhau  vielfache 
Verschiebungen.  So  liegt  z.  B.  in  der  nur  ca.  einen  Meter  weiten  säulen- 
getheilten  östlichen  OefTnung  der  kleineu  südlichen  Kmporkatnmcr  infolge 
jene*  Umstandes  das  nördliche  KampfergesiiuHe  ca.  14  cm  höher  als  das 
südliche. 


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106 


O.  II  u  in  a  Ii  ii : 


Lösungen  gefunden  hat,  in  jener  Hinsicht  ohne  besondere  zwingende 
Gründe  ein  älteres,  wenigstens  in  konstruktiver  Reziehung  hier  sehr 
nnzweckmässiges  Motiv  nachgeahmt  habe.  Dass  der  Essener  Meister  den 
Aachener  Hau  gekannt  und  dort  jenes  Motiv  der  Dnppclsäiilcnstclluug 
entlehnt  Italic,  mag  iuinierhin  möglich  sein,  doch  würde  dies  in  Hinsicht 
auf  obige  Gesichtspunkte  noch  keine  Verwandtschaft  beider  Werke  bc 
deuten.  Die  Einzelheiten  der  Aachener  Gliederungen  können  aber  viel- 
leicht nicht  einmal  zu  näherem  Vergleiche  herangezogen  werden,  da 
sie  nicht  ursprünglich  sind.  Als  man  ca.  f»0  Jahre  nach  Zerstörung 
der  Sänlenstelhingen  durch  die  Franzosen  die  von  Paris  zurück- 
gebrachten Säulen  wieder  einfügen  wollte,  wusstc  man  nicht,  wie 
die  verbindenden  Gliederungen  ursprünglich  beschaffen  waren,  d.  h. 
ob  die  Säulen  durch  drei  Rundbögen  oder,  einer  alten  Zeichnung 
entsprechend,  nur  unter  sich  mittels  eines  Rogens,  mit  den  Wand- 
theilen  aber  mittelst  Architravstllcken  verbunden  waren.  Nach  ein- 
gehenderen Untersuchungen  sollen  sich  indess  sichere  Anhaltspunkte 
für  die  erstgenannte  Konstruktion  (aber  wohl  nicht  für  a  1 1  e  Einzel- 
gliederungen  als  Kämpferaufsützc,  Gesimsprofile V)  ergeben  haben'). 
Auch  ist  es  nicht  unmöglich,  dass  die  im  vorigen  Jahrhundert  vor- 
handenen Sftulengliederungen  nur  auf  eine  Restauration  zurückzu- 
führen seien,  welche  nach  einer  durch  die  Normannen  "im  Jahre  HS1 
crtolgtcu  theil weisen  Zerstörung  des  Münsters  stattgefunden  haben 
könnte  (vgl.  oben  S.  U»2,  Anm.  2s.  Wenn  diese  Horden  die  starken 
Mauern  des  Hauptbancs  wohl  nur  mit  grosser  Mühe  hätten  zerstören 
können,  so  dürfte  doch  vielleicht  vermutbet  werden,  dass  sie  jene  sehr 
leicht  zerstörbaren  Süiilenstellungcn  nicht  unbesebädigt  gelassen  haben. 
Wie  nun  der  Aachener  Hau  wenigstens  in  konstruktiver  Hinsicht  nnf 
die  Lombardei  i.S.  Feilclc  zu  Como)  hinweist  8i,  so  dürfte  es  nicht 
unwahrscheinlich  sein,  dass  man  auch  bei  jenen  Ziersäulen  des 
Essener  Chores  direkt  auf  etwa  in  der  Lombardei  oder  in  anderen 
Gegenden  Italiens  damals  höchst  wahrscheinlich  noch  mehrfach  vor- 
handene  derartige  Gebilde   zurückgegriffen    habe3).     Denn  dass 

Ii  Kunstblatt,  herausg.  von  Förster  uml  Kuglcr  1844,  S.  29<>. 

2)  Vgl.  Dehio  und  v.  Bezold  a.  a.  O.  S.  154.  Ueber  den  F.influss 
lombardischcr  Kunst  vergl.  anch  J.  B.  \ordhnff,  „Die.  lombardisdien 
Bau-  und  Kauttcnte  in  Norddcutschlnnrt".  Beilage  Nr.  300  z.  All;?.  Ztg. 
München  1H<)I. 

••t)  Es  ist  dies  ein  iu  der  altchrist liehen  Baukunst  bekanntes  Motiv. 
Dasselbe  kommt  an  mehreren  der  noch  erhaltenen  Bauwerke  vor,  wenn 
auch  mit  zwischeugelegtem  Architrav  ohne  Rundbögen;  so  zwei  Saulcu- 


Die  Ältesten  Dautlioile  des  Münsters  zu  Ksscn. 


107 


derselbe  Baumeister,  wenn  er  wirklich  ein  Deutscher  gewesen  sein 
sollte,  seine  Kenntnisse  nielit  in  seinem  Ileiimitlilande,  sondern  jen- 
seits der  Alpen  erworben  habe,  dürfte  nicht  unwahrscheinlich  sein. 
Wenn  er  nur  Aachen  und  die  deutsehen  Basiliken  damaliger  Zeit 
gesehen  hätte,  so  würde  cr*schwerlieh  ein  in  vieler  Hinsicht  so  geist- 
reiches mannicbfnltigcs  Werk  geschaffen  haben  '). 

Da  die  Essener  Aebtisginnen  nui  die  Zeit  der  Entstehung  des 
Wcstbaucs  unzweifelhaft  mit  dem  damaligen  Kaiserhause  Westbau'' 
S.  3'J  f.),  die  sächsischen  Herrscher  aber  in  vielfachster  Beziehung 
zu  Italien  gestanden  haben,  so  dürfte  auch  dieser  Umstand  die  An- 
nahme eines  direkten  italischen  Einflusses  um  so  berechtigter  er- 
scheinen lassen. 


paare  übereinander  an  den  Fenstern  der  Sophienkirche  in  Konstantiiinpel, 
der  Cleiiiensk.  zu  Aneyrn  in  Klcinasicn:  ein  l'feilcrpaar  zur  unmittelbaren 
Tlicilnng  eines  rundbogigen  Fensters  in  der  Kirche  S.  Fosca  auf  der  Insel 
Torcello,  S.  Giiicomo  dt  Itialto  zu  Venedig  und  S.  Michaele  zu  l'avia. 

1)  Ks  sei  denn,  das«  in  Deutschland  damals  noch  Werke  .ähnlicher 
Art  (etwa  im  West  hau  zu  Fulda,  vgl.  .Westhau*  S.  3(>,  Anm.  1)  bestanden 
hAtteu.  —  Kinen  lediglich  in  seinem  Heimathlande  gebildeten  deutschen 
Meister  dürfte  man  indess  bei  dem  ungetithr  gleichzeitigen  Westbau  zu 
Mittelzell  auf  Reichenau  vennutlien.  Doch  wie  tief  stellt  jenes  fast  die- 
selben Uaunielemento  wie  der  Essener  Bau  enthaltende  Werk  in  künstle- 
rischer Hinsicht  unter  diesem! 


108 


J.  B.  Nordhoff: 


•  8.  Krypta  und  Stiftskirche  .zu  Meschede. 

Von 
J.  B.  Nordhoff. 

iMit  5  Abbildungen.) 


Zu  Meschede,  an  dorn  fruchtbaren  und  zentralen  Verkehrspunkte 
«los  westfälischen  Süderlandes.  wurde  nach  der  Saehsenbekehrung, 
sicher  noch  im  0.  Jahrhunderte,  ein  reiche*  Canoncssenklostcr  ge- 
stiftet und  die  Stiftung  begründet  oder  «loch  wesentlich  gefördert 
von  Emhildis,  einer  vornehmen  Frauensperson  ans  Westfalen  oder 
Franken.  Der  Beziehungen  zwischen  Südwcstfalen  nnd  den  frän- 
kischen Kirehcnstätten  bestanden  ursprünglich  viele,  und  jene  von 
Meschede  zu  den  Angehörigen  des  hl.  Bonifatius  ergehen  sich1)  aus 
dem  Kirehenpatronate  der  hl.  Walburga  und  zu  Fulda  insbesondere 
aus  der  baulichen  Beschaffenheit  der  Krypta. 

Diese  macht  sich  in  der  jetzigen  Pfarr-  und  früheren  Stifts- 
kirche noch  augenfällig  mit  dem  gehobenen  Bodcnniveau  der  ganzen 
Ostpartie  und  besteht  grösstenteils  als  Nachbild  der  nach  *) 
vollendeten  Krypta  des  Petersberges  bei  Fulda  aus  drei  hufeisen- 
förmig ancinandergeschlosscnen  Gängen  —  nur  tritt  an  Stelle  des 
mittleren  Ganges,  welcher  auf  dem  Petersberge  die  Lücke  zwischen 
beiden  Schenkeln  ausfüllt,  hier  der  Roden  des  Hanptchorcs  in  dessen 
voller  Breite.  Dieser  umscliliesst  in  der  Tiefe  eine  diagonal  gezo- 
gene Mauer,  deren  Zweck  nicht  aufgeklärt  ist,  kurzum  keine  Spnren 
oder  Mauerthcile,  welche  von  einein  Mitfelbauc  herrühren  möchten 
(Fig.  1).  War  ein  solcher  einstmals  vorgesehen,  so  erforderte  der 
weite  Abstand  der  Schenkel,  falls  das  Höhcnniveau  ihrer  Wölbung 
maassgebend  bleiben  sollte,  eine  ballenförmige  Anlage  oder  vielmehr 
zwei  Gänge  oder  mindestens  ein  kleines,  dem  östlichen  Verbindungs- 
flügel vorgelegtes  Gelass;  in  der  That  weisen  zwei  jetzt  allerdings 


1)  Vgl.  überhaupt  J.  S.  Scibcrt/.  in  der  West  DU.  Zeitschrift  Bd.  23, 
M.'IO  IT.,  Bd.  21,  J!»7  und  Tieler  in  Wigands  Archiv  7,  I,  1  ff. 
•2)  A.  Ilauck,  Kirchengeschichte  Deutschlands  II,  733. 


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KryptA  und  Stiftskirche  zu  Meschede. 


109 


halbverschlossene  Ocffhnngen  in  der  Westmancr  des  Vcrbindungs- 
flügels  auf  ein  solches  Gelass  oder  einen  Hohlraum  des  Chores  und 
dieser  hat  dann  wahrscheinlich  als  Grabstätte  der  Stiftcrm  gedient '), 
trotzdem  auch  der  Hufeisenbau,  welcher  ihn  nach  aussen  umgab, 
unstreitig  für  sich  einen  Kultraum  ausmachte;  ihm  liegt  doch  ein 
einheitlicher  und  seiner  Ostpartie  ein  beinahe  reicher  Plan  zu  Grande, 
indem  die  Osteudeu  der  Schenkel  wie  besondere  Flankenthcilc  <les 

Verbindungsflügels  und  dieser,  gerade 
gegenüber  «lern  vermutheten  Unterraumc 
des  Kirchenchores,  durch  eine  eoncha- 
artige  Ausladung  als  Stätte  eines  etwa 
der  hl.  Maria  *)  geweihten  Altars  kräftig 
hervorsticht.  Den  verschiedenen  Abthei- 


KiK.  I. 


hingen  des  Ostbaues  sind  eigene  Lichter 
(Fig.  2)  bescheert,  den  Schenkeln,  sofern 
Bich  erkennen  lässt,  nur  eins  und  zwar 
dem  südlichen. 

Passt  die  Ganganinge  zum  altnor- 
dischen Krypten -System  und  zugleich 
zu  dem  gleichartigen  Baudcukmale  des 
Petersberges,  so  ähnelt  die  Grandform  des 
Hufeisens  noch  einigermaassen  dein  altitalie- 
nischen  Typus  und  das  centrale  Grab  jenem 
der  Ludgerikrypta  zu  Werden s).  Für  das 
hohe  Alterthnin  unseres  Werkes  fallen  feracr 
ins  Gewicht :  die  kleinen  schmalen  Hausteine, 
die  dem  Petersberger  und  anderen  Altbauten 
eigentlillniliche  Schmucklosigkeit  des  Ganzen  und  in  struktiver  Hin- 
sieht die  wie  ans  Vorsieht  oder  Furcht  vor  dem  Einstürze  diktirte 
Stärke  der  Gurten,  der  schildgurtigen  Gewölbe-Unterlagen  au  den 
Oxtwänden  der  Parallelgänge,  der  Pilaster  sowie  der  halbrunden 
Wandsäulc  des  Ostflügels.  Hier  gehen  auch  Stiehkappcn  und  Tonnen- 


1)  Zn  Rrixcn  hütete  der  Krypta-Geistliche  anch  das  Grab  des  dor- 
tigen RiKchofs  Altwin  (1049—1091)."  0.  Tüikhauser,  Mittheil.  d.  k.  k.  C.  C. 
VI,  72,  vgl.  Otte'i  Kuimt-Archaeolojrie  A"  I,  54. 

2)  Sie  wird  neben  Walburga  als  Patronin  angeführt  von  A.  Hauck 
a.  a.  0.  IF,  738. 

3)  Vgl.  Dehio  und  v.  Rezold,  Kirchliche  Rankun.st  des  Abendlan- 
de» 1884,  S.  182  ff. 


110 


J.  B.  Nord  hoff: 


gewfilbe  ineinander,  während  die  letzteren  die  Olingen  Flügel  aus- 
schliesslich bedecken. 

Da  die  Ostkrypta  zu  Gernrode  (  vor  963)  nnd  die  Westkrypten 
zu  KöIih  8t.  Cacilia  e.  %0)  und  Corvei't  sich  schon  vor  dem  Jabre 
KHK»  wie  liebte  Hallenbanten  binstreeken,  so  reiebt  da»  Gcbäu  /.n 
Meschede  unzweifelhaft  in  eine  trübere  Zeit,  verinutblicb  in  die  Re- 
gierung der  letzten  Karolinger  zurück.  Dann  liedetitet  es  zugleich 
den  ältesten  erbaltencn  (Cultur- 1  Hau  Westfalens  —  ganz  angemessen 
den  Keiebtbümem  und  Pfarrgerechtsamcn  *),  worüber  da«  Stift  bei 
der  unablässigen  Dünnt  der  Drossen  verfügte.  Später  gestaltet  sieb 
in  complicirteren  Krypten  z.B.  zu  Constauz  (gegen  1000»,  zu  Hildes- 
heim  (  Moritzberg)  nnd  Werden  (  ?)  der  Hauptrauin  sebon  balleuförmig 
und  bilden  die  Flügel  nur  Treppenlager  oder  Corridore  mehr. 

Sonstige  Aeudcriiugcn  oder  Zuthatcn  sind  die  Quermaucr  fast 
am  Wertende  der  Paralleltlügel,  die  Tbürc  in  der  Ostmnuer  des 
Nordllügcls  und  der  Verschluss  der  alten  Eingänge  am  Westeude 
der  Seitenflügel;  am  Nordflügel  erhielt  sieb  unter  allen  Kauum- 
wälxuugcn,  die  der  Hocbbau  erlitten,  bis  auf  unsere  Zeit  nur  eine 
auf  eine  Treppe  führende  Luke  im  Boden  des  Ilochchores. 

Ausser  Gebrauch  kam  die  Krypta  schon  im  Mittelalter  und 
höchst  wahrscheinlich  im  Einklänge  mit  dem  damaligen  Umschlage 
des  Geschmackes  im  Anfange  des  13.  Jahrhunderts;  nun  wurde 
nämlich  an  der  Südseite  der  Kirche  ein  Kapell  eben3)  aufgeführt, 
das  ohne  Frage  eine  Hauptaufgabe  der  unterirdischen  Räume  über- 

1)  Vgl.  Repcrtorium  f.  Kunstwissenschaft  XI,  159,  1<?2,  XII, 

2)  Vgl.  H.  Kampschulte  in  den  Blattern  f.  kirchl.  Wissenschaft 
und  Praxis.    Paderborn  18t!7,  I,  37. 

3)  Auf  einem  benachbarten  Berg«  steht  noch  ein  Kapelleheu  des  12. 
Jahrhundert»,  neheu  welchem  1420  eine  Cluse  entstand,  ahnlich  jener, 
welche  der  Geistliche  der  Johanniskapcllc  vor  Warhurg  l.'WB  bewohnte 
(Hölscher  in  der  westfiil.  Zeitschrift  11.  II,  171).  Das  Schiff  ist  mit  Bal- 
ken gedeckt,  jederseits  von  zwei  Rundbogeiilenstern  beleuchtet,  der  durch 
einen  runden  Qucrgurt  getrennte  Clior  gerade  geschlossen,  mit  einem 
rundbogigen  Fensterclicii  und  einem  ungelenken  Kreuzgewölbe  versehen, 
dessen  Oralen  über  Kckkonsolen  entspringen.  Auf  die  schlichten  Kampfer 
der  letzteren  und  des  (.Juergurts  beschrankt  sich  die  Stcinmetzarhcit.  Die 
zierlose,  im  Westen  angeschlossene  Wohnung  stammt  vielleicht  noch  vom 
Jahre  1 14H.  Vgl.  Beitrüge  zur  Geschichte  Westfalens  von  F.  O.  I*  i  e  I  e  r 
u.  Oiel'ers  1874,  S.  1,  2.  f>,  der  indess  den  Chor  noch  dein  Knde  des  II. 
Jahrhunderts  zuschreibt. 


Krypta  und  Stiftskirche  zu  Meschede. 


111 


nehmen  musstc,  nämlich  die  Geheinc  der  Stifterin  mit  einem  fi rah- 
lichte zu  bergen,  und  zwar  unter  einer  (erhöhten}  Tumba,  welche 
1630  erneuert,  1811  oder  1812  zertrümmert  ißt,  so  dass  von  dem 
Dccksteinc  und  dessen  Inschrift  nur  Bruchstücke  auf  uns  gelang- 
ten. Das  Knpcllchen,  auf  dessen  Nordseite  eine  ThUrc  zu  einem 
Eingänge  der  Kirche  führte,  ktsitzt  vom  ursprünglichen  Bestände 
noch  eine  mit  Mauerecken  heginnende  Altarnischc,  zwei  Krcnzgräten- 
Gcwölbc,  deren  Quergurt  aus  den  Mauern  entspringt,  und  aussen 
in  der  Westmauer  zwei  kleine  Nischen.  Diese  verharren  noch  heim 
Rundbogen,  ebenso  die  vermauerten  Fenster  der  Altarnische  und 
die  westlichen  Schildgnrte,  dagegen  folgen  bereits  dem  Spitzbogen 
die  Mauerecken  der  Altarnischc  und  die  Wölbungen.  So  entspricht 
der  Stilcharakter  der  Zeit  von  1200  (1221),  als  das  Stift  bemüht 
war,  dem  (verlegten)  Emhildis-Grahc  durch  Vermächtnisse  für  die 
Zukunft  ein  Licht  zu  sichern,  welches  also  der  früheren  Grab- 
Btütte  gefehlt  haben  mag. 

Von  der  zur  Krypta  gehörigen  Oberkirche  »ei  hier  nur 
bemerkt,  dass  sie  allen  Umständen  nach  eine  kreuzlose  Basilika  und 
mit  den  Abseiten  (über  den  Kryptaflügeln)  neben  dem  Chore  ver- 
längert war;  doch  schied  sieh  dieser,  sicher  seit  dem  entwickelten 
Rouianismus.  von  ihnen  durch  hohe  Mauern,  die  erst  später  weg- 
geräumt sind.  An  den  Laugwänden  wurden  unten  bei  der  neuesten 
Restauration  noch  die  später  und  jetzt  wieder  ausgefüllten  Innen- 
nischen offengelegt,  wie  solche  auch  an  den  Altresten  der  Altfridschen 
Stiftsbasilika  zu  Essen  (vor  873) ')  nachgewiesen  sind.  Als  seltsames 
Rccognitionszeichen  ligurirt  noch  heute  in  einer  Meseheder  Urkunde 
vom  Jahre  9Ö8  eine  ttbereckgestclltc  (Fig.  3)  Basilika  ohne  Thurm 
und  bei  dem  Unvermögen  des  Zeichners  oder  vielmehr  des  Schrei- 
bers bloss  mit  einem  Seitenschiffe  —  dies  ist  noch  sehr  niedrig, 
hält  indess  auch  die  ganze  Länge  der  Kirche  ohne  Unterbrechung 
durch  einen  Kreuzbau.  Da  die  Zeichnung  auch  weiteren  Kreisen 
willkommen  und  lehrreich  sein  wird,  habe  ich  sie  nach  erneuter s) 


1)  Vjfl.  über  den  Essener  Bau  G.  Human»  in  den  Jahrbüchern 
des  Verein**  von  Altert humsfreunden  im  Khcinlande  H.  82,  76  u.  78  und  die 
Mauernischen  im  Grundrisse  Tat'.  V. 

2|  Näheres  und  die  erste  Abbildung  in  meinem  Holz-  und  Kleinhirn 
Westfalens  1873,  S.  352,  Taf.  VIIT,  2;  noch  einmal  erscheint  eine  solche  Bau- 
steichnunp  als  Recognitionszeichen :  ein  einschiffiges  Kirchengebaude  mit 
Dachgalleric,  ohne  Thurm  in  einer  um  1060  gefälschten  Urkunde, 


112 


J.  B.  Nordhoff: 


und  in  allen  Thcilen  verschärfter  Aufnahme  originalgross  hier  ein- 
geschaltet. —  Ueber  den  heutigen  Gewölben  am  Chor-  und  Wi»t- 
ende  bestehen  vom  einst  flach  gedeckten  Mittelschiffe  noch  lloeh- 
tuaucru  mit  altem  Verputze  und  einigen  halbrunden  Fensteröffnungen 
—  doch  vielleicht  schon  wie  ein  verworfene»  Wllrfclkapitäl  (Fig.  4). 
als  Reste  eine«  Umbaues  aus  der  .Spätzeit  des  11.  Jahrhunderts. 

In  spätgothiseher  Zeit  hat  man  die  Basilika  mittelst  Erhöhung 
der  Seitenschiffe  in  eine  Hallenkirche  mit  Fischhlascnfcnstcrii 
verwandelt,  1  titi.'t/Oi»  die 
drei  Paare  von  Polygon- 
pfeilern ,  welchen  sieh 
am  Chore  zwei  romani- 
sche Pfeiler  mit  rundem 
Triumphbogen  auschlies- 
sen,  die  »tumpf-spitzbo- 
gigen  Kreuzgewölbe  und 
Lilngflgurtc  (ohne  Qucr- 
gnrtc)  hergestellt ,  dem 
„wicdcrcrbautcnTcmpel" 
ein  zierliehe«  Baroekpor- 
tal  mit  historischer  In- 
schrift (vielleicht  auch 
die  Streben)  angesetzt 
und  1880  eine,  durch- 
greifende Restauration 

des  Innern  vorgenommen,  wobei  verschiedene  Eigen- 
thOmlichkeitcn  der  romanischen  Baureste  ans  Licht 
kamen,  die  bei  unserer  Beschreibung  verwerthet  sind 
oder  noch  verwerthet  werden. 

Der  Krypta  und  den  basilikalen  Ueberresten  folgt 
im  Alter  der  viereckige  We  s  1 1  h  u  r  m  —  tlüehtig  und 
dürftig  fundamentirt  und  oben  erhellt  mit  dreifach  getheilten  Schall- 
fenstern.  Diese  sind  von  einem  Mauerbogen  Ülierfangcu  und  ihren 
Theilungssaulehen  eigneten ,  sofern  sie  keine  Aenderuug  erfahren, 
schlanke  und  verjüngte  Schafte,  schlichte  WllrfelknpitiUc  (ohne 
Platte)  und  attische  Basen  ohne  Eckblatt 


Fiir.  3. 


Vllt.  i. 


Die  Erbauung  fallt 


datirt  mit  974  bei  St  um  |.l  -  Bren  t  nn  n,  Würzburger  ImmuoitatH-Urkuuden 
1874/76,  S.  :r2,  Tafel  I. 


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Krypta  und  Stiftskirche  zu  Meschede. 


113 


hiernach  etwa  bald  nach  1070,  ebenso  wie  jene  Bantheile  des  Land- 
hauses, wozu  einst  das  erwähnte  Wflrfelkapitäl  gehört  hat '). 

Vom  Stlden  her  zieht  sieh  an  den  Westbau  der  Kirche  ein 
alter  (der  westliche)  K  1  o  s  t  e  r  f  1  ii  g  e  1 ,  nach  innen  mit  grossen 
Rundbögen  zu  ebener  Knie  durchbrochen  und  oben  jedenfalls  auch, 
ähnlich  wie  zu  Corvey,  als  Gang  zur  X  o  n  n  e  n  e  m  p  o  r  e  benutzt.  Ihr 
Hans  steht  auf  der  Hreite  und  Höhe  des  Mittelschiffes,  diesem  einst 
oben  und  unten  durch  runde  Bögen  aufgethan,  jetzt  noch  westlich  vom 
Thurme,  auf  den  Flanken  von  den  Abseiten  begrenzt,  als  ein  vier- 
eckiger Einbau  da;  tief  im  Untergeschosse  befand  sich  bis  18X0 
roh  gearbeitet  und  ungelenk  gegen  die  rundbogigen  Seiteneingänge 
coustruirt  auf  Eckpilastern  ein  Kreuzgewölbe  und  darüber,  etwas 
erhöht,  ein  Holzboden  —  eine  Durclischecning,  welche  nachträglich 
und,  zumal  da  darin  ganze  Nester  von  Hafer  zum  Vorschein  kamen, 
wohl  weit  später  veranstaltet  sein  muss,"  als  die  Empore  der  Nonnen, 
welche  1.110  das  Stift  Canonikern  geräumt  haben,  ihre  alte  Be- 
stimmung verlor;  dass  einst  hier  die  Nonnenempore  und  zwar 
in  einer  ungefähren  Höhe,  wie  jetzt  die  Orgelbühne  lag,  beweisen 
die  bauliche  Umgebung,  die  Einrichtung  gleichartiger  Stiftskirchen, 
jedenfalls  auch  in  der  Höhe  alte  Farbenzieraten,  nach  deren  Spuren 
dieselbe  vormals  auch  bloss  mit  einer  Holzdeckc  absehloss,  sowie 
ganz  seltsame  Funde,  welche  1880  im  oberen  Gemäuer  gemacht 
worden  sind. 

Es  zeigten  sich  nämlich  in  den  alten  Mauern  massenhaft 
Höhlen,  ursprünglich  nach  dem  Innern  der  Bühne  verjüngt  oder 
verengt  bis  anf  einen  schmalen  Schlitz,  der  mit  Ziegelsteinen,  also 
später,  verschlossen  war  — ,  und  zwar  in  der  Nord-  und  Südwand 
in  zwei,  in  der  Westwand  in  mehreren  Reihen  und  anscheinend  in 
jeder  Höhle  die  Trümmer  eine.1»  einzigen  irdenen  Gefässes ;  die  Ge- 
schirre, etwa  50  an  der  Zahl,  waren  sämtntlich  auf  der  Drehscheibe 
gemacht  und  höchstens  am  Fasse  mit  der  Hand  nachgeformt,  nn 
der  oberen  Rundung,  am  Halse  und  Mundraude  horizontal  in  eine 
oder  zwei  Reihen  mit  vier-  oder  dreieckigen  Vertiefungen  verziert 


1)  Bei  Lühke  (lK53i  werden  oberflächlich  erwähnt  {rewis.se  Bau- 
details und  (unter  der  Apsisi  „noch  ein  mit  Tonnengewölben  und  Stich- 
kappen gewölbter  Kest  einer  Krypta",  so  dnss  <>Uc  a.  a.  O.  IT,  2:20  vom 
{ranzen  Mescheder  ßaunaclilnss  lediglich  „Kin/elthcilc  und  mehr  oder  min- 
der beträchtliche.  Reste"  anrühren  konnte. 

Jfthrl».  «1.  Vcr.  v.  Alturthuuisfr.  im  llhfinl.  XC1U.  8 


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111 


J.  B.  Nord  hoff: 


(Fig.  5),  und  diese  wie  auf  altfränkische  Art  mit  Holzstäbchen  ein- 
gedrückt. Allem  Muthmnnsseu  nach  liatteu  die  Gelasse  keinen  Fuss- 
rand,  eine  ovale  Gestalt,  umgebogene  Lippen,  eingezogenen  Hals  und 
bieran  eine  so  enge  Oese,  dass  sie  kaum  einen  Finger,  wohl  eine  dflunc 
Schnur  durchlassen  konnte,  ihr  gegenüber  eine  etwas  weitere,  kurze 
Ausgussrölire,  endlich  eine  weisse  in  s  Gelbliche  spielende  Farbe. 
Sonst  unterschieden  sie  sich  in  dickwandige  mit  röthliehein  <  Ziegel» 
Bruche  und  in  dünnwandige  mit  weisslichem,  steingutartigem  Mate- 
rialc  und  röthlichcn  Zierstrichen  am  Hauche,  welche  indess  ein- 
fach mit  den  Fingern  der  Hand  aufgetragen  sein  mochten.  Aus 
den  Seherben  war  nur  ein  Stück  halb,  ein  zweites,  und  zwar  von 
der  dünnwandigen  Sorte,  fast  vollständig  wieder  zusammenzusetzen 
und  letzteres  maass  vom  Fuss  bis  zum  Mundrnnde  22,  nach  einer 
anderen  Mittheilung  24  Cm.,  in  der  äussersten  Bauchweite  21  Cm. 

Wie  die  Funde  gemacht  wurden,  lagen  die 
Gefässe  ohne  irgend  welche  Beigabe  je  in  ihren 
Höhlen  mit  der  Gossröhre  am  Boden  und  zugleich 
der  engen  Maueröftuung  d.  h.  dein  Innern  der 
Bühne  zugekehrt. 

Was  hatten  Mauer  höhlen  und  (Je  lasse 
zu  bedeuten  ?  Jene  und  zumal  ihre  engen  Oeflnungs-  r\K.  y 
schlitze  waren  —  das  bedarf  wohl  keiner  Erörte- 
rung —  hier  ebenso  wenig  Wandzieraten  als  Rüstlöeher,  wie  die 
Töpfe  construetive  Hülfsmittcl;  auch  lassen  sich  diese  wohl  schwer- 
lich mehr  für  die  Erbauungszeit  des  Emporenhauses  als  eine.  Collce- 
tion  heidnischer  Todtcnumen  ansehen,  die  man  aus  Pietät  gehoben 
und  der  Kirche  überantwortet  habe,  welche  etwa  ihren  Bestattungs- 
platz eingenommen. 

Man  wird  auf  gleichartige  Vorkommnisse  der  Bauarchäologie 
Umschau  halten  müssen.  Solcher  gibt  es  nur  wenige,  so  in  Krain, 
in  der  Schweiz,  nördlicher  zu  Banniburg  und  Köln  (Severin) ').  Mögen 
sie  auch  unter  sich  oder  gegen  unsem  Fall  in  einem  oder  andern 
Punkte  abweichen,  durchschnittlich  kommen  die  eingemauerten  Ge- 
fässe auf  die  Wände  eines  Chores  und  zeigen  mit  ihren  Mündungen 

1)  Vgl.  die  Mtttheilunpcn,  Erörterungen  und  Abbildungen  der  Gc- 
biiude,  Gelasse,  und  durchlöcherten  Mauern  von  O.  Fischer  und  v.  Co- 

hausen  in  den  Jahrbüchern  des  Vereins  von  Altcrtluiinsfrcundcn  im  , 
Itheinlande  II.  37,  61,  Taf.  VIII  -  II.  43,  20H  -  II.  «0,  Uli ;  Schntttgen, 
Zeitschr.  f.  ehr.  Kunst  I,  248,  211». 


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Krypta  und  Stiftskirche  zu  Meschede. 


115 


dein  Kircheuinnem  zu;  daher  werden  die  Anlagen  für  Verstürkungs- 
niittel  des  Gesanges,  die  Gefässe  für  S  e  h  a  1 1  -  (»der  R  e  s  o  n  a  n  z  - 
gefässe  gehalten,  ja  stellenweise  geradezu  „stimanee",  d.  Ii.  Stiuiin- 
töpfe  genannt.  Das  passt  also  für  Meschede  um  so  mehr,  als  die 
zahlreichen  Schallgefässc  gleichsam  eoncentriscl»  den  Standort  der 
Nonnen  umsahen  und  die  älteren  .Stiftskirchen  den  eorrespondirenden 
Gesang  von  der  Westempore  ans  sorgfältig  pflegten In  ganz 
Westfalen,  vielleicht  im  ganzen  Norden,  sucht  nehen  der  Baumburger 
Einriehtung  die  hiesige  ihres  Gleichen.  Sie  ist  zudem  von  den  be- 
treffenden Vorkommnissen  des  Mittelalters  das  reichhaltigste  und 
das  frühste;  sie  theilt  unstreitig  bis  auf  den  Ziegelverschlnss  der 
Höhlungen  die  Entstehung  mit  dem  Emporenhause  und  dies  rührt 
vermöge  der  Flaehdeekung  und  dein  Bogeiischltisse  der  beiden  Ein- 
gänge, wovon  bereits  die  Rede  war,  wenn  nicht  aus  der  Hauzeit  des 
Thurmes,  spätestens  von  einem  um  1180  geweihten  Bantheile. 

Dann  besitzen  wir  in  den  beschriebenen  Gcfässen  auch  Muster 
und  Vergleichsmaterial  in  Betreff  der  hiesigen  Töpferei  des  Hoch- 
mittelalters  und  auch  dieser  Gewinn  lässt  sieh  nicht  unterschätzen, 
solange  die  Keramik  der  historischen  Zeit,  was  Können  uud  Be- 
handlung betrifft,  unklarer  vorliegt,  als  jene  der  Urgeschichte. 

1)  Vgl.  die  von  mir  beigebrachten  Belege  in  denselben  Jahrbüchern 
II.  88,  219.    H.  8«),  177  und  im  Kcpertoriiuii  f.  Kunstwissenschaft  XI,  401  ff. 


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116 


J.  B.  Nor  dl.  off: 


9.  Die  Baugenealogie  der  Abdinghofschen  Krypta  zu  Paderborn. 

Von 

J.  B.  NordholT. 

(Mit  1  Abbildung) 


Das  ncnbekehrte  Sachsen,  welches  der  heidnischen  Vorzeit 
höchstens  einige  Kleinkünste,  den  Mol/bau  und  die  Holzschnitzerei 
entlehnen  konnte '),  sah  sich  von  Anfang  an,  sobald  es  darauf  an- 
kam, grössere  oder  kunstvollere  Stcinkirehcn  zu  schaffen,  auf  das 
technische  Vermögen  und  die  errungenen  Formen  der  fränkischen 
und  südlichen  Länder  hingewiesen.  Die  Angaben  der  Sehriftqttellen, 
Jahrhunderte  lang  seien  Franken,  (Sallicr  (Lombarden)  oder  (kriechen 
(Amalfitaner)  als  Bauleute-  mid  Lehrer  nach  Deutschland  gerufen  und 
gewandert,  bestätigen  noch  heute  mehr  oder  weniger  zutreffend  die 
ältesten  Baudenkmäler  Westfalens,  trotzdem  davon  nurmehr  ein  äus- 
serst kleiner  Rest  besteht.  Bestimmter  noch  als  das  Steinhaus 
eines  Grafen  an  der  Weser  (822)  ging  die  Krypta  zu  Meschede,  die 
wir  heute  noch  im  Kerne  vorfinden,  auf  fränkische  Maurer  und  die 
letztere  auch  im  Plane  auf  ein  Fuldaer  Vorbild  i  Petersberg)  zurück. 
Die  Klosterkirche  zu  Corvey  zieren  im  alten  Westbaue  (gegen  1000) 
nicht  nur  allerlei  antikischc  Glieder,  sondern  als  Erbtheile  der 
ersten  grossen  Steinbasilika  (844),  wofür  Corbie  an  der  Somme  das 
allgemeine  Vorbild  gegeben  hatte,  korinthisirendc  Capitäle  und  an- 
tike Gebälkstücke  —  Alles  augenscheinlich  Erzeugnisse  südlicher  Bau- 
künstler gerade  wie  die  schwierigen  Construetioncn  und  feinen 
Glieder  au  den  Alttheilen  der  Stiftskirche  zu  Essen  (um  1000). 
Die  Nonnenkirche  zu  Schildesehe,  wofür  man  '.WJ  die  Werkleute 
aus  Gallicu  heranzog,  ist  gänzlich  zu  Grunde  gegangen  —  erhalten 
dagegen  die  Bartholomäikapcllc  zu  Paderborn  (1017),  das  schöne 


1)  Cnrrespondetizbliitt  der  deutschen  Gesellschaft  für  Anthropologie, 
Ethnologie  u.  Urgeschichte  1890,  S.  111. 


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Du-  Baugenealogie  der  Abdinghofschen  Krypta  au  Paderborn.  117 


Werk  griechischer  Meister1).  Aus  der  Lombardei  wanderten  mit 
den  KfiiiHenten  ganz  erklärt  allerhand  Pinnmotive  und  Schmuck- 
muster in  die  Mitte  des  Landes,  bis  der  gothischc  Haust il  Halt 
gebot  *j. 

Als  liischof  Meinwerk  von  Paderborn  (1009—1036)  in  seiner 
Residenz  ein  Hauleben  anfachte8),  wie  es  bis  dahin  kein  Bischofs- 
sitz des  Landes  gesehen,  nutzte  er  die  Errungenschaften  in  der  Nähe 
(Corvey)  und  Ferne  (Aachen)  aus,  nahm  von  allen  Seiten,  sogar  ans 
Unteritalien,  kundige  Maurer  und  Zimmerleute  in  Dienst,  begünstigte 
die  gewonnene  Künstlerschaft  durch  Wohnungen  und  Ehren,  und 
fand  wohl  bald  in  der  theoretischen  Kunstleitung  eifrige  Stütze  au 
den  wahrscheinlich  aus  Lothringen4),  1014,  hergeführten  Cluniacensern 
auf  dem  Abdinghofe  zu  Paderborn. 

Von  den  kirchlichen  Hauten  seiner  Residenz  überdauerten  die 
vielen  Jahrhunderte  die  bereits  genannte  Rnrtholomäikapellc,  der 


J)  Meine  Verinuthung,  das*  diese  zunächst  für  AmalÜtancr  zu  halten 
seien,  stützt  sich  auf  das  im  Kepcrtomim  f.  Kunstwissenschaft  XI,  119 
beigebrachte  Schriftzeugnis«,  wonach  1066  Bauleute  aus  der  Lombardei 
und  Ainalft  nach  Monte,  Casino  bestellt  wurden;  und  sicher  eher  aus 
Unteritalicn,  als  aus  Griechenland  sind  schon  zwischen  813  und  820  vom 
Kaiser  Leo  die  Baumeister  wegeu  eines  Klosterbaues  nach  Venetieu  ent- 
boten (A.  Fr.  (3  frörer,  Byzantinische  Geschichten  1872,  1,147).  Bis  zum 
11.  Jahrhunderte  nahmen  im  griechischen  Untoritalien  auch  Malerei  und 
Architektur  einen  merkwürdigen  Aufschwung  (J.  D.  Fiorillo,  Gesch. 
d.  zeichnenden  Künste  II,  739  fl'.) ;  gerade  Amnlfl  wetteiferte  seit  dem 
9.  Jahrhunderte  an  Betriebsamkeit,  Handel  und  Gemeinwesen  mit  Venedig 
(G frörer  n.  a.  O.  I,  567  f.)  und  theilte  mit  Neapel  und  Gaeta  griechische 
Sitte  und  byzantinische  Hoheit  (v.  Ftuinohr,  Italienische  Forschungen 
1827,  I,  3l«>.  Byzantische  F.intlüsse  überhaupt  lassen  sich  in  den  Klein- 
künsten Westfalens  und  des  Abendlandes  bis  ins  Hochmittelalter  ver- 
spüren.   K.  Dobbert.  Götting.  gelehrte  Anzeichen  1890,  S.  877  f.,  881. 

'2)  Vgl.  über  das  Gesagte,  sofern  es  nicht  örtlich  belegt  ist,  meine 
Abhandlungen  im  Hepertoriuin  f.  Kunstwissenschaft  1888,  XI,  147  ff.  „Die 
lombardischen  Bau  und  Kaufleute  in  Altdeutschland",  Allgemeine  Zeitung 
1891,  Beilage  Nr.  25.'},  meinen  Holz-Steinbau  1873,  S.  385  ff. 

3)  Vgl.  Holz-  und  Steinbau  S.  3(58  ff.,  Bonner  Jahrbücher  H.  89,  166  ff., 
II.  84,  191  f. 

4)  Nicht  nach  der  Vita  Meinwerci  ed.  Overhain  1681  aus  Cluny. 
Vgl.  W.  G  i  e  s  e  b  r  e  c  h  t  im  Westflll.  rrk.-Buche,  Supplement  Nr.  639  und 
üb<>r  die  CIuniacenser-Kegsamkeit  in  Belgien  zum  Jahre  1022  S.  Hirsch 
in  den  Jahrbüchern  de*  deutschen  Reiches  unter  Heinrich  II.  Bd.  III, 
234  ff.  W.  Wattenbac  h,  Deutschlands  Gcschichts-Qucllen  A»  II,  102  IT.,  109. 


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118 


J.  B.  Nord  hüll': 


Dum  mit  dein  Westthurme  und  beträchtlichem  Plantheile,  die  Bus- 
dorfkirehe1)  mit  einem  kUlinen  Hoehbauc,  und  die  Klosterkirelic 
Abdinghof  mit  wesentlichen  Maucrtheilen  und  namentlich  mit  der 
Krypta. 

Im  Einzelnen  zierlich,  im  Gesammten  stark  und  praktisch,  wie 
die  Paderborner  Arehitektur  wich  entwickelte,  wart'  sie  ihre  beleben- 
den .Strahlen  weithin  (Iber  Westfalen,  sogar  bis  in  die  niederen 
Laude.  Vorab  profitirten  die  Klöster  und  Stifte,  welchen  die  alt- 
fränkischen Patitypen  nicht  mehr  genügten,  von  den  neuen  Hauvor- 
bilderu  und  jedenfalls  auch  von  der  Leistungsfähigkeit  der  ge- 
schulten Meister  und  Werkleute  Paderborns. 

Ob  alle  Meinwerksbauten  bis  zum  Itisehofspalaste*)  und  bin 
zur  Hartholomäikapclle  den  Heifall  der  Baulustigeit  fanden,  lasst 
sieb  schwer  sagen,  da  von  iliuen  sowie  von  ihren  Nachbildungen 
nichts  «»der  nur  Tbeile  mehr  besteben  oder  bestehen  mögen;  zweifel- 
los vernehmen  wir  in  dem  gegenwärtigen  Ilaiibestandc  noch  häufig 
das  Echo  des  Domes  und  der  Klosterkirche'  Abdiughof;  wie  von 
jenem  der  felsenfeste  Westbau,  widerstand  von  dieser  die  alte  Krypta 
siegreich  den  Unbilden  der  Zeiten. 

Die  Cluniacenser,  unter  deren  Klostermauern  die  von  Meinwerk 


1)  Das  anschlich  (Vita  Meinwcrei  c.  120,  122»  nach  Maasgabe  der 
Grabeskirchc  zu  Jerusalem  ItKKJ  .'M>  aufgeführte  Gebäude  ist  durch  spätere 
Bauten  gänzlich  bis  auf  diu  Westpartie  des  (jetzigen)  Chores  verdrängt: 
von  zwei  rumlen  Ausicnthürmen  werden  (ahnlich  wie  dann  seit  1042  am 
Dom  zu  Merseburg,  Fig.  112  in  Bau-  und  Kunstdenkmälern  der  Prov. 
Sachsen  VIII,  94,  111)  eingefasst  eine  Halbkreis-Apsiw,  hoch  über  ihr  ein 
breiter  Tonnengurt  und  das  nach  Corveler  Art  (Kepertor.  f.  K.-W.  XII, 
'Mi)  darauf  gestützte  Thurtninitlcl,  nämlich  ein  (östliches)  Glockenhaus. 
Wie  sich  einst  dessen  Westiiiauer  durch  Fenster,  so  öfTnct  sicli  noch  jetzt 
die  Ostmauer  durch  eine  Arcadcn-Gallerie,  und  an  dieser  kommen  zum 
Vorscheine  einfache  Mauerkilmpfer,  über  den  drei  verjüngten  Schäften 
gedrückte  Würfcleapitäle ;  an  einer  noch  unveränderten  Säule,  ergeben 
ein  winziger  uud  ein  schwerer  I'fühl  der  Base,  sowie,  das  Fehlen  des  Kck- 
blatte.s  ibis  hohe,  Alter.  Die  Säule  besteht  wie  die  gleichartigen  Säulchen 
an  Meinwerks  Domthurme  aus  Grünsandstein.  Bonner  Jahrb.  II.  8i»,  17JJ. 

2»  Die  Aachener  Vorbilder  für  die  Laube  der  Hischofswohnung  und 
deren  (hohen)  Transitus  zum  Dome  wurde  bereits  Kepertor.  f.  K.-W.  XT, 
3!H5,  N.  1  betont;  einen  ähnlichen  Transitus  gab  es  lerner  am  karolingt- 
hchen  Paläste  zu  Gondreville  (Bock,  Niederihein.  Jahrbuch  IH44,  11,275) 
und  vielleicht  auch  zu  Ingelheim  (ef.  Ermold.  Nigellus,  Carinina  IV  v. 
184  ff.  v.  Humohr  I,  211). 


Die  Baugenealogie  der  Abdinghofscheu  Krypta  zu  Paderborn.  11!) 


angesiedelten  Künstler  wohnten,  leisteten,  verinuttilich  gefördert  von 
den  Fertigkeiten  und  Erfahrungen  ihrer  heimatlichen  Ordenskloster, 
liald  in  Kunstdingen  so  Bedeutendes  auf  westfälischem  Boden,  das» 
sie  auch  nach  den»  Tode  Meinwerks  noch  die  wundersame  Fclsen- 
sculptur  der  Externsteine  (um  1115)  schufen1).  Die  Paderborncr 
Bauformen  wehten  gleichsam  durch  sie  und  die  geschulten  Bauleute 
ringslier  nach  den  kunstarmen  und  banlnstigcn  Bauplätzen,  gleich- 
viel oh  dicscllnm  unter  Meinwerk  zuerst  gehandhaht  oder  auderswo- 
her  übernommen  und  ausgestaltet  waren. 

Zur  Klosterkirche  Abdinghof  ward  1016  der  Grundstein  ge- 
legt, die  feierliche  Weihe  auf  das  Ende  des  Jahres  1022  festgestellt, 
jedoch  durch  den  Stur/  des  Chorgewölbes  vereitelt  und  daher  am 
2.  Januar  1023  vorläufig  an  der  Krypta  und  zwar  auf  den  Namen 
des  Hauptmärtyrers  Stephanus  vollzogen.  Da  eine  geschichtliche 
Würdigung  des  Langhauses  hier  zu  weit  fähren  würde,  fassen  wir 
lediglich  die  Unterkirchc  ins  Auge;  sie  steht  noch  vom  Tage  der 
Weihe  (1023)  im  Ganzen  unverletzt  vor  unsern  Augen;  so  wollen 
es  die  allgemeine  Annahme,  die  Stileharakterc  und  besonders  der 
erfreuliche  Umstand,  dass  sie  sich  als  das  architektonische  Muster 
von  einigen  jüngeren  Krypten  erweist.  Ihre  Bauart  versprach  um 
so  mehr,  als  eine  Krypta  zu  Paderborn  wie  den»  neuen  Dome  Mein- 
werks, so  schon  der  alten  von  Karl  d.  Gr.  errichteten  Kirche  eigen 
war8);  mit  letzterer  wie  mit  der  Hauptkirche  zu  Corvey  theilte 
auch  Abdinghof  den  heiligen  Patron  (Stephanus). 

Jedenfalls  steht  die  Anlage3)  nächst  dem  Unterchore  zu  Corvey 
und  dem  Alttheile  der  Krypta  zu  Essen  in  der  Vorderreihe  der 
sächsischen  und  an  der  Spitze  der  westfälischen  Krypten  mit  klar 
ausgeprägter  Halleuform,  und  sie  imjwnirt  dem  ersten  Blicke  mit 
dem  einfachen  Grundplane,  mit  den  gebieterischen  Maassen  und  dem 
alterthümliehen  Ausdrucke. 

Sie  springt  etwas  ins  basilieale  Langhaus  vor  und  neben 


1)  Vgl.  W.  Gtefers,  Drei  merkwürdige  Capellen  1854,  S.  15  ff., 
Der».  Westrai.  Zeitschrift  27,  1  ff.  C.  D  e  w  i  t  z,  Die  Externsteine  1886  mit 
15  Tafeln.    Bonner  Jahrbücher  11.  84,  li»l  ff. 

2)  Vit«  Meinwcrci  c.  1,  17. 

<J)  Grundriss  und  Bündelsaulchen  bei  LUbke,  Mittelalterl.  Kunst 
in  Westfalen  1*53,  S.  HO  f.,  Taf.  II,  7,  a,  a,  nnd  bis  auf  den  Grundriss  co- 
pirt  bei  W.  Giefers,  Drei  merkw.  Kapellen,  Taf.  I,  2,  II,  4  (Fig.  5 
stimmt  nicht). 


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120 


J.  B.  Nord  hoff: 


dein  Vorsprangt*  liegt  jederseits,  also  am  Osteude  der  Seitenschiffe, 
ein  Podest  und  unter  dem  Südpodestc  (jetzt)  der  Zugang  zu  ihrer 
Thüröffming,  diese  also  am  Westcnde  der  stldlielien  Langmnuer. 
Die  Podeste  sind  vielleicht,  die  massigen  Mancrpfeiler  im  Inncni  der 
Krypta  sicher  Nachträge;  die  Mauerpfeiler  verstärken  den  ChorhauM 
ehenso  wie  die  gleichartigen  tler  Domkrypta  *),  die  erst  im  17.  Jahr- 
hundert angesetzt  sind.  Die  Podeste  hahen  keine  oder  der  Ent- 
stehung nach  nur  unsichere  Gegenstücke,  zumal  da  sie  am  Ostendc 
der  Ahseiten  (»der  der  Kreuzanne  den  beliebtesten  Standort  von 
Altären  beeinträchtigt  hätten,  und  wären  sie  zu  Fisehheck  an  der 
Weser,  wo  auch  Mos«  ein  Seiteitzugang  vorkommt,  ursprünglich, 
so  hätten  sie  schwerlich  harmonirt  mit  den  Kreuzapsiden .  wie 
denn  auch  ihre  Einwölbuiig  wenigstens  allgemein  für  eine  spätere3) 
Arbeit  gilt.  Abdinghof  hatte  einst  auch  offenbar  statt  des  einen 
zwei  Zugänge  sowohl  vom  Norden  wie  vom  Süden  -  gerade  wie 
die  Krypten  zu  Emmerich  und  zu  Hersfeld.  Zu  Emmerich  fehlt 
die  Handhabe,  den  Grad  des  Krypta- Vorsprangen  ius  Lanthans  zu  be- 
stimmen, indem  dies  Iiis  auf  einen  Kest  längst  verschwunden  ist4); 
zu  Uersfeld  ging  die  Krypta  (1040  geweiht)  im  Grundplatte  und 
im  Mauerwerk  einer  lebendigeren  Einteilung  entgegen;  dabei  rückte 
sie  gleichfalls  etwas  aber  den  Chorbereich  hiuatis,  so  dass  sieh  an 
der  freien  Westfronte  eine  Luke  gegen  «las  Langhaus  und  an  den 
Krcuzarmen  Seitenthüren  anbringen  Hessen  b).  Solche  ergeben  sich 
ja  dort,  wo  die  Krypta  die  ganze  Vierung  bespannte,  wie  von  selbst; 
ja  sie  zwängten  sieh  im  Dome  zu  Goslar,  wo  die  Krypta  mit  dem 
Chore  abschnitt,  sogar  durchs  Mauerwerk,  unmittelbar  neben  der 


1)  Jedenfalls  zu  Gunsten  der  Einwölbun;;;  kleinere  Belastungen 
kommen  nielit  in  Anschlag,  wovon  /..  B.  folgende  mir  durch  Herrn  Stolte. 
1H!>0  2*.  7.  mil^eiheilte  Notiz  der  Thcndoiian.  Inbliothck  Ms.  24.  J.  XVI,  &"> 
zum  Jahre  111h  vermeldet:  .  .  .  dominus  liinricus  abbus  f  Abdin^hofensis) 
.  .  .  mapiain  et  |)uk'1iram  tabulam  lammis  ai'frenleis  ae  vmayinibus  ele- 
vatis  altari  suminö  commensuratam  edidit  teciii|iie  paritei  armarium  lapi- 
deuin  iuxta  altarc  ad  securam  corporis  Christi  eustodiain  pulehre  et  sump- 
tuose  fabricari. 

2)  Bonner  Jahrbücher  H.  8!>,  180. 
;})  L  ii  b  k  e  a.  a.  8.  70. 

4)  Vjrl.  über  die  Schicksale  des  Langhauses  A.  Tibus,  Zur  Ge- 
schichte der  Stadt  Emmerich  1SS2,  S.  2»J,  25. 

f»)  W.  L  <>  t  /.  im  CoiTcspondenzblattc  des  Gesammt  verein*  1858, 
S.  115,  Fig.  1  u.  2. 


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Die  Daugencalogio  der  Abdinghofcchcn  Krypta  zu  Paderborn.  121 


Vierung l).  Enthielt  einst  gar  die  Westmnncr  der  Abdinghofer 
Krypta  den  Zugang  V  Mit  anderen  Worten,  ist  ihre  Westpartie  eine 
nachträgliche,  wenn  auch  noch  gut  romanische  Verlängerung,  wie 
solche  gleichfalls,  allerdings  in  entgegengesetzter  Richtung,  den 
Unterkirchen  zu  Essen,  Vreden  und  Freckenhorst  hescheert  wor- 
den ist? 

Die  beiden  letzteren  stehen  —  das  sei  schon  zum  leichteren 
Verstandnisse  des  Folgenden  beigefügt  —  gleich  jener  zu  Emmerich 
unter  dem  FormeneinHusse  von  Abdinghof*).  «Sie  sind  sämmtlich 
Hallcnbanten  mit  Wandpilasteru,  wechselnden  Freistutzen,  geradem 
Schlüsse  oder  halbrundem  fiesammtehore.  Keiner  von  ihnen  eignen 
solche  Pfcilcrstämme  —  platte  Prismen  mit  niedrigen  Kämpfern  — 
wie  die  beiden  am  Wertende  zu  Abdinghof  sind;  diese  stehen  zudem 
auf  der  Scheide  von  Chor  und  Mittelschiff,  also  gerade  auf  der  Linie, 
die  sonst  «las  Westende  der  Krypta  bezeichnet  hatte.  Nun,  war 
die  Krypta  einstens  kürzer,  so  lagen  ihre  OelVnungen  in  der  West- 
mauer, doch  wohl  kaum  schon  in  der  Mitte,  eher  an  den  Seiten3) 
gerade  wie  bei  den  nicht  in  die  Vierung  vorgeschobeneu  Nach- 
bildern und  den  altern  Hauten  überhaupt. 

Unsere  Krypta  ist  ein  längliches  Viereck,  gen  Osten  also  noch 
mit  einer  geraden  Mauer  abgeschlossen  und  hierin  ist  eine  apsidenartige 
Nische  vorgesehen,  das  Ganze  von  Tonnengewölben  mit  einschnei- 
denden Stichkappen  bedeckt.  Die  schon  erwähnten  Westpfeiler 
abgerechnet,  wechseln  die  drei  östlichen  Stdtzenpaaren  mit  gesuchter 
Unregelmässigkeit,  indem  in  dieser  Reihe  ein  viereckiger  Pfeiler 
die  Mitte  /wischen  zwei  Händel-Säulen,  in  jener  die  östliche  Front- 
stellung von  solchen  einnimmt.  Die  Hasen  der  Pfeiler  belebt  eine 
S  c  I)  im  i  e  g  e  ,  jene  der  Wandpilaster  eine  solche  in  Gestalt  einer 
matten  Kehle;  die  Kämpfer  und  Kapitale  stellen  eine  bunte 

1)  W.  Mith  oft',  Kunstdenkm.  u.  Altorth,  im  Hannoverschen.  Ill,4.'t. 

2)  Meinwerk  wurde  10: Mi  in  der  Krypta  und  verinuthlich  in  einem 
Steinsarge,  worüber  bald  ein  Licht  brannte,  nach  :t40  .Jahren  jedoch  aut 
dein  erhöhten  Chore  beigesetzt,  bis  1K03  in  Folge  der  Jvlcularisation  die 
Gebeine  nach  dein  Dusdorf  gebracht  wurden  (Dessen,  Gesch.  des 
Disthums  Paderborn  ls-20,  I,  Vi7,  1:JH).  Nach  einer  Darstellung  (etwa  von 
15001  auf  seinem  Sarkophage  hatte  die  Kirche  drei  Thürme,  Figur:  in  AA. 
SS.  Juni  V,  509. 

:tj  Dies  ist  angeblich  frühere,  jenes  jüngere  Weise  (D  e  h  i  o  und 
von  D  e  z  o  I  d,  Kirchliche  Daukun.st  des  Abendlandes  1,  1K4)  —  doch  nicht 
im  Kheiugebicte.    A  1  d  e  n  k  i  r  c  h  e  n,  Bonner  Jahrb.  71,  H»i. 


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122  J.  B.  Noril  hoff: 

Musterkarte  ungleicher  Formen  dar;  die  Kämpfer  der  Wandpilaster 
bestehen  hauptsächlich  aus  Kehle  oder  Schräge  und  Platte,  jene 
der  beiden  Pfeiler  aus  steilem  Karnies  und  Platte.  Die  Säulen 
offenbaren  in  der  Verjüngung  und  Basenbildting  Anklänge  au  den 
Altbau  des  Bilsdorfs,  in  dem  gehäuften  Gliederwerk  der  Profile  an 
den  Unterchor  zu  Corvey,  worin  auch  der  StUtzcnweehsel,  nur  regel- 
mässiger, waltet.  Die  Bündelsäulen  haben  eine  (kahle)  attische 
Hase,  ein  halbmerklich  geschwelltes  Trichterkapitäl,  darüber  eine 
entweder  mit  Palmetten  oder  Drachengebilden  behauene  Platte  und 
Kämpfers!  (Icke  von  reichster  Gliederung  und  kühnster  Ausladung1): 
eins  davon  steigt  geradezu  aus  mehreren  Gliedehen  stufenförmig 
9  cm  hoch  bis  zur  Oberplatte  an  und  das  mittelste  davon  ist  als 
Kundstab  stellenweise  mit  Ringen  umzogen.  —  Wie  dasselbe  an  dem 
antikischen  Perlstab,  der  auch  zu  Corvey  bis  ins  11.  Jahrhundert 
fortgeht,  und  wie  das  Capital  an  die  dorische  Form  *),  so  gemahnt 
die  Zierseulptur  mit  dem  Kleingliederwerk  zugleich  an  den  Schnitt 
der  Holztechnik.  Ein  dorischer  Keim  steckt  auch  in  dem  Bündel 
der  Säulen  oder  vielmehr  in  ihrem  Vierpassdurchschnitte  —  er  sollte 
sich  bald  klarer  entfalten,  nämlich  auf  auswärtigen  Bauplätzen. 

Gerade  im  Gegensätze  zur  gangbaren  Auffassung :t)  ist  die 
Krypta  zu  Emmerieh  nicht  das  Vorbild,  sondern  das  Nachbild 
der  Abdinghofcr  Unterkirche  und  zwar  ein  sehr  ausgeprägtes.  Vcr- 
räth  selum  das  Vitus-Patronat  zu  Elten  (96.'J)  eine  frtthzeitige  Ver- 
bindung des  Niederrheins  mit  Corvey  und  Herford  so  besass  dort 
der  Paderborner  Knusteiferer  Meinwerk  seine  Staiimigtttcr,  die  er 
theils  rheinischen  Kirchen,  theils  dem  Kloster  Abdinghof  vermachte. 


1)  Namentlich  mittelst  «lex  Knrniesse«,  also  ganz  anders  wie  in  der 
angegebenen  Zeichnung  bei  L  ii  b  k  e  und  Giefcrss,  das  Capital  sclbnt 
besser  bei  G.  H  u  in  h  ii  ii,  Bonner  Jahrbücher  SH,  IKl,  Fig.  '25,  wo  S.  I!H) 
auch  Mehrere«  über  den  Gebrauch  der  Schmiegen. 

2\  Nicht  an  die  südlicheren  Trapezkapitale  bei  \V.  Schleuning, 
Miehaels-B.isilika  zu  Heidelberg  1H87,  S.  .W,  4:2. 

31  K.  Aus*m  Weerth.  Kunstdcnknmle  des  ehr.  Mittelalters  in  den 
Kheinlnndeii  1,  p.  XV  angt:  .Der  von  Quast  hervorgehobene.  Dorismus 
der  westfälischen  drei  Saulcupaare  .  .  .  und  der  Vergleich  der  andern  mit 
den  schon  einfacher  ausgeführten  in  der  Krypta  zu  Abdinghof  .  . .  setzen 
die  Emmericher  Krypta  unzweifelhaft  ins  erste  Jahrtausend.'*  Darnach 
vermutlichen  D  e  h  i  o  und  v.  B  c  z  o  I  d  a.  a.  <>.  S.  181  noch  wohl  eine  Ent- 
stehung im  10.  Jahrhundert. 

4)  Kepertor.  f.  K.-W.  XII,  374,  376. 


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Die  Bftiigciiealogie  der  Abdinghnfschen  Krypta  zu  Paderborn.  123 


Die  Klostermänner  hatten  im  diesen  Bodenschenkungen  stets  feste 
Hultepunktc  des  rheinischen  Verkehrs  ')  und  daher  flössen  auch  in 
ihre  Roichsnnnaleu  manche  Nachrichten  von  Utrecht,  Lüttich  und 
Flandern*).  Meinwerks  Schenkungen  veranlassten  zu  Emmerich 
auch  die  Verlegung  und  Erneuerung  der  bevorzugten  Stiftskirche, 
und  zwar  nach  dem  Jahre  1031  *). 

Da  sich  Enuuerich  so  durch  Meinwerk  und  die  Abdiiighofsehen 
Mönche  nach  Paderborn  hingezogen  sah,  konnte  die  hiesige  Abtei- 
kirche und  Künstlerschaft  leicht  belehrend  und  gestaltend  auf  den 
Hau  der  rheinischen  Stiftskirche  einwirken.  Schon  wurden  die  drei 
I  lallenschiffe  der  Krypta ')  geu  Osten  mit  einem  Halbrund  geschlossen, 
die  Gesimse ,  in  welchen  Kehlleisten  oder  Kamics  an  den  Hasen 
beziehungsweise  an  den  Kämpfern  vorherrscht,  plastischer  behandelt, 
die  Stichkappcn  ans  der  Krcuzgrätenwölbnng  fortgelassen,  die  Frei- 
setzen zwar  einheitlicher  in  der  Säulenfonu,  jedoch  Paar  fltr  Paar 
wieder  wechselvoll  ausgeführt.  Das  westliche  Paar  umgeben  an  der 
Oberfliiehe  je  seehszelm,  das  mittlere  je  acht,  das  östliche  und 
letzte  je  vier  aufsteigende  Rundstäbe ;  das  letztere  kehrt  also  im 
Durchschnitte  den  Vierpass  5)  heraus,  wie  die  Säulchen  zu  Abding- 
hof. Aus  ihm,  als  dem  (Jrnndmotiv,  sind  also  zn  Emmerich  fort- 
schreitend vermehrt  und  geschwächt  die  Kundstäbeheu  der  übrigen 
Stützen  hervorgegangen,  bis  die  acht-  und  vollends  die  seehszehn- 


ll  Vgl.  Vita  Mcinwerci  e.  I,  22.  Gobclinu*  Persona,  Cosmodromium 
ap.  Meiltoni  SS.  rer.  German.  I,  260. 

2)  Vgl.  S  c  Ii  c  f  f  e  r  ■  1!  o  i  e  linr«  t,  Annale*  Palherbriliinenses  1870, 
S.  7H,  HO,  !).-),  101,  iat,  11.'»,  12«». 

3)  A.  T  i  h  u  s.  Alter  der  Kireheu  zum  h.  Mnitinus  und  zur  h.  Alde- 
gundis  lM7f),  S.  17,  f>8  ff.,  65,  Ders.,  Zur  Geschichte  der  Stadt  Kmincrieli 
1HH2,  S.  13,  17. 

Ii  Kin  schlichter  Grundriss  bei  A.  Springer,  Baukunst  de»  christl. 
Mittelalters  IH.Vt,  Tal'.  VII],  8.  leb  benutze  einteilende  Aufnahmen  des 
Herrn  C.  Uiflurth  aus  M.-(iladbaeb;  Beschreibung  bei  H.  Otte,  Gesell, 
der  rom.  Baukunst  in  Deutschland  1874,  S.  191)  und  darnaeh  bei  Tibus, 
Gau  Lcomcrike  1877,  S.  121.  Technisch-Formales  bei  Humatin  a.  a.  (). 
88,  181  ff. 

5)  In  der  Krypta  des  Münsters  zu  Neuss,  wo  auch  die  Schmiege  der 
Saulctibasc  eine  aimderbare  Form  gibt,  laden  die  vier  Siiulehen  (1074)  so  weit 
aus,  dass  sie  eben  durch  den  viereckigen  Pfeilerkern  noch  Zusammen- 
hang behalten.  Uumann  a.  a.  (>.  88,  S.  190,  Fig.  13,  S.  182,  Fig.  10. 
Aldeukirchen  da».  74,  87. 


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124 


.1.  B.  Nordhoff: 


passigen  sieb  wie  die  Matrizen  doriseher  Canälc  ausnaliiuen.  Die 
Sittlichen  im  Nechazehnpassc  krönt  bereits  da«  zu  Essen  und  in 
Mischform  zu  Paderborn' Fig.  i  vorgebildete  Würfeleapitäl '),  die  übrigen 
Sätilcnköpfe  sind  aus  einem  stumpfen 
Viertelstabe  gebildet  und  wie  die  Rasen 
von  den  Kinnen  des  Schaftes  durch- 
furcht. Da«  dorische  Gefühl51),  welches 
die  Capitäle  und  Sehaftsüulchen  athmen, 
durchdringt  sich  indes«  wieder  mit  den 
Ticfineissclungcn  der  .Schaftrinnen,  nur 
plastischer  und  stereotomischcr,  als  es 
zu  Paderborn  geschieht. 

Die  Harmonie  dorischer  und  holz- 
technischer  Laute  steigert  sich  in  der 
Nähe,  doch  wiederum  auf  westfälischer 
Erde,  nämlich  zu  Vreden,  wo  das 
erlauchte  i  pracclara  i  Francnkloster,  wenn 
nicht  von  Meinwerk,  so  doch  von  seinen 
Ahnen  vor  839  gestiftet  ist,  die  dort 
auch  von  alters  her  in  der  Krypta  ihre 
Grabesruhe  fanden  3).  Der  Kau  «)  zerfällt 
in  eine  spätere  Erweiterung  nach  Osten 

und  einen  westlichen  Alttheil;  dieser  erhielt  noch,  sofern  er  bei 
der  Erweiterung  nicht  wesentlich  verändert  ist.  einen  geraden  Ost- 


I)  Das  Sätulcheii  kam  bei  der  Restauration  (186*1  aus  dein  Kirchcn- 
Kenianer  zu  Tajje;  die  attische  Hase  dient  umgekehrt  als  Säulcnhals  und 
erinnert  mit  den  Horizontal  riefnn#en  an  die  Rienicheu  (Sehiiüret  der  dori- 
schen tjnnischcn)  SHlllc.  Der  freundlichen  Zeichnung  des  Bauraths  W. 
Schultz  wurde  schon  gedacht  Bonner  Jahrbücher  H.  «!>,  174.  N.  5. 

2i  K.  Adamy,  Architektonik  des  Muhamedanischcu  und  Romani- 

schen  1KH7,  II,  274,  ist  ,von  der  Anwendung  der  dorischen  Süule  ein 

Beispiel  aus  der  romanischen  Kunst  nic  ht  bekannt." 

.1)  So  Bertradis,  wahrscheinlich  die  erste  Aebtissin,  Schwester  des 
Stifters  Waltbert,  dieser  selbst  und  101«  der  Graf  Wichmnnn  (R.  Wil- 
ma n  »,  Kaiser-Urkunden  der  Pr.  Westfalen  1*<;7,  1,419,421).  Nach  einer 
freilich  spiltmittelalterlichen  Aufzeichnung  •  -  •  itur  ad  Kepulchruin  eius 
(sc.  Bertradis)  infra  chorum  (das.  S.  420»  —  hätte  hier  aber,  wie  zu 
Meschede,  mit  dem  9.  Jahrhunderte  eine  Krypta  (infra  choruin)  bestanden, 
so  witre  die  vorlindliche  ein  geräumiger,  hallenartiger  Umbau. 

4)  (Jrnndriss.  LHngcndurehschnitt,  Stützencapititle  bei  Lübke 
Tat.  II,  3,  4  b—e,  XVI,  17,  ls.  Vgl.  Corresp.  BI.  d.  Gesammtvereins  III,  25. 


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Die  Bangenealogie  der  Abdinghofischen  Krypta  zu  Paderborn.  125 

schluss,  zwei  westliche  Eingänge,  und  gleichfalls  inmitten  zweier 
Pfcilerpaare  zwei  Rundsäulehen.  Hier  laufen  in  den  stämmigen 
Säulen,  den  trichterartigen  Capitälen  mit  phantastischen  Ausmeissc- 
lungcn  von  Abdinghof  (und  Emmerich),  in  den  bereits  mit  Kreuz- 
und  Quergnrten  durchzogenen  Krenzgcwülhen  von  Essen  (Krypta) 
uud  in  den  seltsamen  Vertikalzierden  der  Pfeiler  und  Säulen  von 
Emmerieh  und  Essen  die  Fäden  offenkundig  zusammen.  Ein  Säul- 
chen besitzt  die  llorizontalstäbchen  von  Emmerich  gleichsam  ein- 
wärts gekehrt,  d.  h.  förmliche  Canäle,  die  Stege  von  Kerbrinnen 
durchfurcht,  eine  Pfeilerfläche  sogar  eine  erhabene  Flachsäulc  mit 
jonisirendem  Capitäl  »).  Sonst  bestehen  die  Umrisse  der  Pfeiler 
hier  so,  dort  so:  aus  geraden  oder  coneaven  Eiiimcisscluugen  und 
an  deu  Ecken  aus  einem,  oder  aus  zwei  Ruudgtähcn.  In  Stil  und 
Zier  nähert  sich  also  die  Krypta  mehr  dem  jüngeren  Bau  zu  Emme- 
rich, als  dem  Urbildc  zu  Abdinghof;  dass  sie  dem  ersteren  in  der 
Entstehung  nicht  voranging,  bezeugeu  ihre  gleichfalls  nahen  Ver- 
bindungen mit  der  Unterkirche  zu  Essen  und  zwar  weniger  mit 
deren  schon  durch  Gcwölbegnrten  ausgezeichneten  Alttheile  (um 
1000),  als  mit  dein  jungem  Ostbauc  von  1051  *);  in  ihm  schwindet 
mit  den  dorischen  Elementen  der  Wechsel  der  Frcisttttzen,  oder  viel- 
mehr die  alttraditionelle  Säule  a)  ist  zu  (i  misten  des  Pfeilers  ver- 
worfen, der  allerdings  die  kräftigsten  Rundglieder  und  Vertiefungen 
behält  —  und  dies  Alles  erlangt  (seit  1042)  die  äusserste  Ausgestaltung 
in  der  Domkrypta  zu  Merseburg  *).  Daher  erseheint  die  Vredener 
Krypta  eher  eine  Vorstufe,  als  eine  Altersgenossin  des  Essener  Ost- 
banes,  zumal  da  diesem  ausser  der  Basenschniiegc  nähere  Anklänge  an 
Abdinghof  fehlten.  Aus  der  .Mitte  des  1 1.  Jahrhunderts  ist  kein  Er- 
cigniss  bekannt5),  «las  den  Anstoss  zum  Baue  gab,  es  sei  denn  die 


1)  Kin  almliches,  architektonisch  entwickeltes  zu  Ksscn;  jonisirende 
Capitata  zu  Osnabrück  und  anderswo.  Bonner  Jahrbücher  H.  HS,  S.  1H.I, 
2Qf>.  lieber  die  zu  Oernrode  (10.  Jalirh.)  begonnene  Kinkcrbuiig  iler 
Pfeilcrkauten  und  die  vertieften  Füllungen  einer  Uildc.sheimer  Siiule  der 
St.  Michaelskirchc  vgl.  Hninann  a.  a.  0.  88,  S.  180,  183,  Fig.  11. 

2)  «.  H  u  m  a  n  n  a.  a.  O.  H.  82,  76  ff. 

3)  Vgl.  A.  Springer  in  d.  Westdeutschen  Zeitschrift  III,  204,  205. 
4»  Bau-  und  Kunstdenkiniiler  der  Pr.  Sachsen  VIII,  SM,  111.  Vgl. 

die  Abbildung  bei  Fr.  Kugler,  Gesch.  der  Baukunst  II,  374. 

n)  Etwas  zu  früh  1024  der  Besuch  Conrads  II.  Vgl.  II.  Breslau, 
Jahrb.  des  deutschen  Reiches  unter  Conrad  II.  1879,  I,  33. 


vx 


J.  B.  Nordhoff: 


segensreiche  Regierung  der  Kaiscrtoehter  Adelheid ;  entweder  sie,  • 
welche  1044  gestorben  und  aneh  zu  Quedlinburg  als  Haulierriu  bekannt 
ist  oder  ihre  ungenannte  Nachfolgerin,  möglicherweise  die  Theo- 
phauia  von  Esseii,  welche  hier  die  Weihe  des  Osttheiles  veran- 
staltete und  zugleich  Aufnahme  ins  Vredener  Nekrolog  gefunden 
bat s),  muss  für  die  Urheberin  des  Westthcilcs  der  Vredener  Krypta 
gelten. 

Das  Ostwerk  markirt  sieh  gegenüber  dem  Westtheile  durch 
seine  Höhe,  Hauart  und  Stileharaktere  ganz  bestimmt  als  ein  selb- 
ständiger uud  nachträglicher  Zusatz,  und  da  er  jeglicher  Verwandt- 
schaft mit  Abdinghof  entrüth ,  muss  seine  Datirung  und  seine 
nusaergewöhnlicbc  Stilweise  einer  besonderen  Abhandlung  vorbe- 
halten werden. 

Abdinghofer  Fonngedaukcn zündeten  auch  im  nördlichen  Franken, 
an  dem  grossen  Hasilikabaue  der  Klosters  Hersfeld  (1040).  Die 
oben  (S.  120)  hervorgeh(»bene  Uebereinstimmung  mit  der  Westpartic 
von  Abdinghof  kann  nicht  zufällig  sein,  denn  an  der  erhaltenen 
•Säule  repetirt  auch  das  schwach  ausgebogene  Trichterkapitäl,  an 

den  Wandpilastern  der  steile  Karnies,  sogar  die  matte  Bascnkchle 3)  t 

(vgl.  S.  121)  —  zwischen  den  beiderseitigen  Basiliken  selbst  stellen  sieh 

gleiche  oder  frapjMuitc  Züge  heraus,  die  auf  einem  nähern  Verkehr 

beider  Klöster  beruhen :  ganz  erklärlich,  weil  der  in  der  Hersfelder 

Bauzeit  zu  Paderlioni  regierende  Bischof  Rothard  (1030-1001) 

vorher  Abt  zu  Hcrsfeld  war  4). 

Der  Domchor  zu  Merseburg,  seit  1042  erbaut,  knüpft,  wie 
mit  dem  Rundpaare  der  Thürme  an  Busdorf  (S.  1 18),  so  mit  dem  Auf- 
geben der  Säule  an  Essen,  mit  der  Umkleidnng  des  Pfeilerkernes 
an  alle  bisher  betrachteten  Bauten,  etwa  mit  Ausschluss  des  Hcrs- 
fcldcr.  Den  Pfeilerkern  verhüllen  tiefe  und  erhabene  Hori/.outal- 
glieder,  die  ersten  von  solcher  Einsen  kling,  als  nns  bislaug  nicht 
begegnet  ist,  die  letzteren  wieder  abgewechselt,  nur  nicht  in  der 
Multiplikation  (Emmerich),  sondern  in  der  Coordiuation  (Vreden). 
Liegen  auf  den  Ecken  die  Rnndstäbc,  so  kommen  mit  die  Flächen 
die  Polygonstäbe  oder  umgekehrt  und  uehmen  gar  Rillen  an,  wie 

1)  A.  Hartmann,  MitloUltcrl.  Baudenkmäler  Nledersachscns  11,108. 

2)  Vgl.  F.  Ten  ha  gen  in  d.  WestfHl.  Zeitschrift  1«,  I,  147,  1;">0. 

G.  II  n  in  .1  n  n  im  Corrcspondenzblutte  des  (iesniiiintvereins  1884,  S.  H«J.  i 

3)  L  o  t  z  n.  a.  O.  Ih&h,  Fifr.  f»,  «,  12,  8. 

4)  K.  F.  Meyer  in  iL  WestfHl.  Zeitschrift  X,  litf. 


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Die  Baugencalogie  der  Abdinghofsehcn  Krypta  zu  Paderborn.  127 

soust  die  Stege  (Rnndstäbe);  die  vier  Rundsäulchcn  spiegeln  auf 
die  Flächen  gelegt  noch  verdeckt,  auf  den  Ecken  \)  aber  klar  den 
Bündelpfeiler  von  Abdinghof  wieder,  nur  dass  sie  nicht  mehr  inein- 
ander, sondern  mit  dem  Pfeilcrkcrne  verschmelzen.  Aehnlich  wie 
zu  Paderborn  erbauen  sich  gewisse  (Jcsimsc  der  Freistützen  aus 
gehäuften  Kleingliedern  und  nehmen  die  Wandpilaster  am  Sockel- 
simsc  die  einfache  Schräge,  die  Kämpfer  den  schon  von  zwei  Plätt- 
cheu  eingefassten  Kanucs  an.  An  den  Alttheilen  des  Domes  über- 
haupt spielt  mit  der  einfachen  Schräge  auch  die  matte  Kehle  -) 
eine  auffallende  Rolle,  gerade  wie  zu  Abdinghof. 

Allerlei  Verbindungen  tauchen  auch  zwischen  den  Basiliken 
zu  Abdinghof  und  zu  Fischbeek3)  an  der  Weser,  also  in  Ostnähe 
von  Paderborn  auf  und  zwar,  was  die  Fischbecker  Krypta  betrifft, 
noch  gegen  1100.  Sie  zeugt  in  allen  Theilen  von  einem  inzwischen 
fortgeschrittenen  Romanismus ,  hat  namentlich  als  Wandstützen 
Säulen  statt  der  Pilaster  und  über  dem  halbrunden  Ostschlusse 
Gewölbe  von  Quergurten  begrenzt  und  von  Längsgurten  durchzogen, 
doch  in  dem  Walde  von  Freisänlen  will  die  Unregelmässigkeit  noch 
nicht  ganz  weichen,  indem  die  beiden  östlichsten  Stützen  sich  buch- 
stäblich in  vier  gebündelte  Säulchen  auflösen 4),  nicht  anders  wie 
die  Apsiseinfassung  an  einem  Krenzarmc  des  Langhauses. 

Noch  ein  schönes  und  vielleicht  das  frühste  Beispiel  Pader- 
bomer  Bauexpansion  werde  hier  und  zwar  erst  am  Schlüsse  ge- 


lt Vgl.  die  Abbildungen  bei  L.  P  u  1 1  r  i  c  Ii,  Denkmale  der  Baukunst 
des  Mittelalter*«  in  Sachsen  I,  22,  HI.  9  x-  y,  n—  v  und  bei  Fr.  K  u  g  I  e  r, 
Gesch.  der  Baukunst  II,  374. 

2)  Vgl.  in  Bau  und  Kunstdenkmalern  der  Pr.  SacliHen  VIII,  Fig.  113, 
114,  91,  98. 

3)  Eine  bald  nach  1100  fallende  Bauzeit  des  Langhauses  bekunden 
u.  A.  die  fast  totale  Flachdeckung,  das  schlichte  Gcprilge  des  Innern  und 
da«  Würfeloruameiit  —  dagegen  dürfen  gewisse  Formen  und  Zierden, 
z.  B.  die  Vielpassfenster,  die  aufgeblendeten  Siiulcnstellungen  und  Arwiden, 
welche  sogar  Geschosse  bilden,  um  so  weniger  zu  Gunsten  eines  jungem 
Datums  sprechen,  als  solche  auch  dem  bis  1140  erbauten  Kirchleiu  zu 
Idensen  verliehen  sind  (vgl.  Bonner  Jahrbücher  B.  90  S.  88,  N.  2  und  3). 
Da  sie  hier  so  früh,  und  »pllter  bo  selten  vorkommen,  werden  sie  auf  süd- 
liche (lombardische)  Wandermeister  zxirückzuführen  sein.  Weitere  Be- 
gründung in  der  Allgemeinen  Zeitung  1891,  Bcilago  Nr.  253. 

4)  Lübke  a.  a.  O.  S.  70,  Taf.  III.  Fig.  1,  L>,  8  und  P.  Tornow, 
in  den  mittelalt.  Bandenkm.  Niederswichsens  III,  81  Taf.  137—139. 


128 


J.  B.  Nordhoff: 


würdigt,  weil  ihm  die  ursprünglichen  Eddalieder  leiden,  wodurch 
sieh  uns  jene  bisher  so  schlagend  ankündigte.  Es  ist  ein  Theil  der 
Krypta  zu  Freckenhorst  in  der  Mitte  des  Landes.  Vor  etwa 
fünfzig:  Jahren  wurde  sie  gleichsam  wieder  entdeckt,  ganz  verschüttet, 
das  Gewölbe  „anstatt  der  Saiden  mit  rohen  Mauern  unterfangen", 
die  vorfindlichcn  .Säulen,  sofern  ich  einen  gleichzeitigen  Bericht ') 
zutreffend  auffasse,  aus  Anröchter  Grünstein  (8.  118)  gefertigt,  aber 
zertrümmert,  die  Capitäle  in  abgerundeter  Würfelform,  die  Eck- 
zierden der  Basen  als  Nasen  gebildet.  Capitäle  und  Basen  ent- 
sprachen also  der  Bauzeit  von  11  <>u  und  diese  passt  auch  thatsäeh- 
lieh  zu  dem  Ost  baue,  zumal  dem  Gewölbe  desselben  Kreuzgräten 
und  nur  zwei  kurze  Längsgnrten  zukommen ;  der  Westbau  aber  ist, 
was  meine  Vorarbeiter  übersehen  haben ,  viel  älter.  Er  besitzt  -) 
noch  Wandpilaster,  zwei  Eingänge  von  der  Vierung  her,  und  über 
den  sechs  (spätem)  Rundsäulen  Tonnengewölbe  mit  Stichkappen. 
Diese  sind  so  alterthüinlich  •H),  dass  man  trotz  aller  construetiven  Be- 
rührung desselben  mit  Abtlinghof  diesem  den  Altersvorrang  streitig 
machen  könnte,  wenn  nicht  die  Thurmeinfassung  und  die  ausgebildete 
Hallenform  zu  Freckenhorst  vorläge  und  das  Frauenstift  noch  später 
(1110 — 1129)  für  den  Bau  einer  grossen  Basilika  ein  ganz  wesent- 
liches Motiv  von  Paderborn  entlehnt  hätte.  Es  stimmt  nämlich 
der  Westtburm  mit  seinen  beiden  Trabanten  und  der  innern  lloch- 


1)  Von  B.  Zehe  in  Sehultc'sMittheilungen  Uber  tlns  Stift  Frecken- 
horst 1852.  R.  3,  13. 

2)  Vgl.  meine  Kunstdcnkmüler  rles  Kreises  Warendorf  lSSti,  S.  105. 
Grundriss  und  Durchschnitt  Fig.  1)2,  ">3. 

3)  Vielleicht  nattm  das  O  1  d  e  n  b  u  r  g  i  s  c  h  e  Kloster  Hast  e  d  t  e, 
welches  sich  in  wichtigen  Angelegenheiten  in  Westfalen  Ruths  zu  er- 
holen pflegte,  gleich  für  die  AnInge  der  Krypta  nach  1053  Lehre  von 
hier  an:  mag  die  Krypta  auch  noch  kleiner  und  der  späteren  F.ntstehungs/.eit 
angemessen,  in  der  Wölbung  weiter  entwickelt  oder,  was  die  Bildung  der 
attischen  Busen  betrifft,  gar  schon  die  Kckzehe  darin  zu  finden  sein.  Vgl. 
Wi  I  m  nns  K.  U.  II,  402.  .  .  .  fundata  vero  hacc  ecclesia  edifieiis  pulcliris; 
coines  Huno  (sc.  fundator)  specialiter  sibi  et  uxori  suae  c  a  p  e  1 1  u  1  a  in 
sub  choro  preeepit  construi,  in  qua,  semotis  negotiis  secularibus, 
Deo  preces  funderent.  .  .  .  Qui  (abbas  Meinricus  um  1130),  postquain 
sanetuarium,  scilicet  superiorem  partem  ecelesiae,  de  lapidibus  lateruin 
et  (loruiitoi  ium  cdillcasset,  We  s  t  p  h  a  1  i  a  m  p  r  o  n  e  g  o  t  i  i  s  eedesiue 
visitaverat,  iiifirmitate  raptus  moritur,  et  in  clauslro,  «piod  Vrceken- 
horst  dicitur,  honorifice  est  sepultus.  Chronicon  Bastedense  in  Khren- 
tr  mit 's  Friesischem  Archive  II,  21S,  272. 


Die  Baugenealogie  der  AbdinghofKihen  Krypta  zu  Paderborn.  129 


empöre  bis  auf  die  Itfaassc  mit  dem  Thurmwerke  des  Dome»  zu 
Paderborn,  dem  später  die  Hochempore  entrissen  worden  ist  l). 

Aus  unsem  Erörterungen  geht  deutlich  hervor,  das«  im  11.  Jahr- 
hundert kunstreiche  Kirchenbauteu  noch  langebin  Helten  und  durch- 
schnittlich nur  den  reichen  Stiften  möglich  waren.  Und  erstand 
einmal  ein  zweckmässiges  und  gefalliges  Bauwerk,  so  gingen  dessen 
Planform,  Edelglieder,  zumal  Gesimse  zu  stets  weiterer  Aus-  und 
Umbildung  auf  andere  Hanplatze  Uber,  durchliefen  dort,  indem  die 
jflngstcu  Werke  lehrreiche  Beisteuer  lieferten,  die  versehiedensten 
Wandlungen,  doch  so,  das*  den  letzten  immer  noch  Zflge  von  dem 
Urbilde  anhafteten.  Als  ein  Schöpfungsbau  rühmt  sich  die  Krypta 
zu  Abdinghof  einer  Reihe  von  Abkömmlingen  in  der  Nähe  und 
Ferne,  und  besonders  in  ihren  Bündelsiiulcheu  der  umnuichfaltig- 
st eu  und  schöusten  Entwicklung. 


I)  Bonner  Jahrbücher  B.  M,  17t!. 


Jahrb.  d.  Ver.  v.  AlUrtl.uinsfr.  Im  lih.inl  XCHI. 


1.10 


Joseph  K  I  i  ii  k  e  ii  b  c  r  p: 


10.  Studien  zur  Geschichte  der  Kölner  Wärterinnen'). 

Von 

Joseph  Klinkfiiberg. 

ö.  Die  Zahl  der  Kölner  M  ärt  crinnen. 

Unter  den  vielen  Frühen,  welche  in  der  Ceschiehte  der  Kölner 
Müllerinnen  der  Beantwortung  harren,  hat  keine  so  oft  die  gelehrte 
Forschung  beschäftigt,  wie  die  Frage  nach  der  Zahl  derselben. 
Kaum  war  mit  dem  Ausgange  des  Mittelalters  der  kindliehe  Chili  he 
an  die  1  M.KH)  Jungfrauen,  die  in  Köln  den  Martertod  erlitten  haben 
sollten,  erschüttert,  als  eine  Theorie  nach  der  andern  auftauchte, 
um  die  genannte  Übermässig  hohe  Zahl  zu  redueiren  und  zugleich 
ihre  Entstehung  zu  erklären.  So  nahmen  S  i  r  m  o  n  d  n  s,  V  a  I  e  s  i  u  s 
u.  a.  au.  es  ha  he  in  alten  Handschriften  geheissen:  ,.S.  Ursula  et 
Undeciinilla  v.  in.",  und  daraus  sei  durch  den  Unveretaud  der  Ab 
schrei  her  „S.  Ursula  et  undeeim  milia  v.  in."  geworden.  Leibniz, 
bei  dein  zweifelsohne  der  Xame  Uudecimilla  Bedenken  erregte, 
glaubte  den  obigen  Ausdruck  aus  „S.  Ursula  et  Ximilla"  (=  Deei- 
milla,  Decumilla)  erklären  zu  müssen.  Andere  meinten,  man  habe 
aus  der  Wendung:  „Natalis  undeeim  illtrium  (  illustriumj  virgi- 
uum''  in  Folge  des  Missverständnisses  der  Abkürzung  und  falscher 
Huehstabcnverbiiidiiiig  herausgelesen:  „Natalis  undeeim  uiillium  vir- 
ginuin".  Wieder  andere  liesscn  da*  Wort  miliiun  des  obigen  Aus- 
drucks aus  M.  =  martyrum  entstehen.  Am  wunderbarsten  ist  tlic 
Ansicht  Sprcngs:  ursprünglich  sei  deutseh  geschneiten  geweseu 
„8.  Ursula  ximartor"  (er  meint:  chimartirot);  durch  Abkürzung  dieses 
Ausdruckes  sei  eutHtaiiden  S.  Ursula  xim..  eine  Form,  in  der  man 


I  i  Eine  zusammenhangende  Entgegnung  auf  die  Kritik  der  ein- 
zelnen Abschnitte  dieser  Abhandlung  behalte  ich  mir  bis  zum  Abschlüsse 
derselben  vor. 


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Studien  zur  Gesehh-hte  der  Kölner  Milrteriimen. 


131 


die  11CXK)  Märtcrinnen  bezeugt  gefunden  habe1).  Alle  diese  An- 
nahmen haben  neben  den  Unzitträgliclikt-itcu.  welche  jeder  ein/einen 
von  ihnen  anhatten,  den  Fehler  mit  einander  gemeinsam,  dass  sie  nicht 
auf  dem  Boden  geschichtlicher  Tliatsachcn  stehen ;  sie  sind  demnach 
allesammt  wcrthlos.  Den  ersten  Versuch  einer  historischen  Behand- 
lung hat  B  i  n  t  e  r  i  m  unserer  Frage  angedeihen  lassen,  indem  er 
die  Herausgabe  des  von  ihm  entdeckten  merkwürdigen  Essener 
Kalendariums  mit  einer  Abhandlung  Uber  die  Zahl  der  Kölner 
Märtcrinnen  begleitete*).  Wie  verdienstlich  aber  auch  diese  Arbeit 
B  i  n  t  e  r  i  m  s  ist,  so  hat  sie  doch  nach  meiner  Ansicht  die  Frage 
nicht  endgültig  gelöst,  da  sie  den  eingeschlagenen  richtigen  Weg 
gegen  Sehluss  leider  wieder  verlässt.  Es  soll  daher  im  vorliegen- 
den Abschnitte  das  schwierige  Problem  noch  einmal  behandelt 
werden  und  zwar  lediglich  auf  Grund  genauer  Zusammenstellung 
nnd  scharfer  Deutung  der  einschlägigen  historischen  Denkmäler. 
Gleichzeitig  sollen  zwei  andere  mit  der  obigen  aufs  engste  zusammen- 
hängende, bisheran  aber  kaum  berührte  Fragen  zur  Besprechung 
kommen,  die  Frage  nach  den  Namen  und  nach  der  Rangordnung  der 
Kölner  Märtcrinnen. 

.Schon  im  zweiten  Abschnitte  dieser  Studien  ergab  sich,  dass 
die  älteste  Urkunde  Uber  das  Kölner  .luugfraucnmartyrinm ,  die 
Clematianischc  Inschrift,  durch  die  Bezeichnung  der  Basilika  als 
Marler-  [und  Begräbniss-jstätte  auf  eine  beschränkte  Anzahl  von 
Märterinnen  hinweist,  dass  die  Epoche  des  Diokletian  und  Maximiau, 
in  welche  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  das  Martyrium  zu  versetzen 
ist,  nur  eine  beschränkte  Zahl  zulägst  und  dass  diese  Ansicht  durch 
eine  Stelle  der  vita  s.  Cuniberti  gestützt  wird.  Leider  fehlt  es  uns 
bis  zum  9.  Jahrhundert  überhaupt  au  weiteren  Nachrichten  über  die 
Kölner  Märtcrinnen,  und  zu  der  Zeit,  wo  dieselben  wieder  anheben, 
hat  bereits  im  Volke  eine  andere  Meinung  über  die  Zahl  derselben 
festen  Bodcu  gefasst  :  es  ist  daher  begreiflich,  dass  sich  in  dieser 
Spätzeit  nur  noch  wenige  Nachrichten  vorfinden,  welche  uns  über 
die  Ansicht  eines  frühem  Zeitalters  aufklären. 

1)  l'eWr  «Hf  zur  KrklUrunjf  der  11000-ZahI  aufgestellten  Theorieeu 
s.  Acta  Samt.  Ott.  IX  p.  111  sq.  Die  daselbst  aus  B  i  n  t  e  r  i  m  angeführte 
Conjektur  des  N  n  t  n  I  i  s  Alexander  wird  hier  nicht  erwühnt,  weil  sie 
für  unseni  Zweck  ohne  Bedeutung  ist. 

2)  B  i  n  t  e  r  i  in,  Kalendarium  ecelesiae  Gernianieae  Ooloniensis  sae- 
euli  noni.  Coloniae  1824. 


Joseph  K  I  i  n  k  e  n  h  e  r  g: 


Das  Martyrologium  des  Uns  war  d  (Usttardus),  eines  Mönchs 
von  8t.  Gcrinain,  welches  um  860  abgetanst  wurde,  hat  zum  20. 
Oktober:  Civitate  Colouia  passio  sanctarum  virginum  Martha«  et 
Sanlue  cum  aliis  pluribus.  Die  Bezeiehnung  der  Kölner  Märterimien 
als  .sanctae  virgincs'  ist  die  älteste,  der  Clcmatiauisehen  Inschrift 
entlehnte.  Für  unsern  Zweck  ist  besonders  der  Zusatz  ,cuin  aliis 
pluribus'  wichtig:  ina^  man  das  Wort  plures  in  dein  Sinne  einer 
grössern  Zahl  als  die  vorher  genannten  oder  als  allgemeinen  Zahl- 
begriff  fassen,  unter  beiden  Voraussetzungen  lüsst  sich  aus  dieser 
Angabe  mir  eine  beschrankte  Zahl  berauslesen,  und  ,cunt  aliis  pluri- 
bus' kann  nimmermehr,  wie  Stein1)  meint,  gleichbedeutend  mit 
.cum  multis  aliis''  oder  gar  .cum  aliis  milibus'  sciu. 

Noch  deutlicher  spricht  sich  das  Kalendarium  B internus  aus. 
Dasselbe  ist  einem  Missale  des  Stiftes  Ksscn  eingefügt,  und  seine 
Abfassung  füllt,  wie  der  Herausgeber  nachweist,  zwischen  873(Gr(lu- 
dungsjahr)  und  891*).  In  diesem  beisst  es  unterm  21.  Oktober 3;: 
Sancti  Hilariouis  et  sauetarum  XI  virginum  Ursulae,  Seneiae,  Gre- 
goriae,  J'innosac,  Marthac,  Saulae,  Hritulae,  Saturninne,  Kabaeiae, 
Saturiae,  Palladiac *).  Hier  werden  also  ausdrücklich  11  Jungfrauen 
genannt  und  aufgeführt,  unter  ihnen  die  von  Usnardus  erwähnten 
Martha  und  Saida.  Dieses  Zeugniss  eines  liturgischen  Buches  für 
die  Elfzahl  der  Kölner  Märterinnen  lässt  sich  nicht  durch  den  Hin- 
weis darauf  abschwächen,  dass  dasselbe  jünger  ist  als  der  Sermo 
in  natali,  der  bereits  von  Tausenden  von  Märterinnen  redet5):  viel- 
mehr beweist  dasselbe  ebenso  wie  das  vorher  angeführte  aus  dem 
Martyrologium  des  Usuardus,  dass  man  noch  in  der  zweiten  Hälfte 
des  9.  Jahrhunderts  hier  und  dort  in  den  liturgischen  Büchern  auf 
Grund  älterer  Vorlagen  an  der  in  Köln  bereits  verlassenen  Ansicht 
von  der  geringen  Zahl  der  Kölner  Märterinnen  festhielt.  Noch 

1)  Dir  h.  Ursula  S.  51. 

2)  Gegenwärtig  befindet  sich  dieses  Missale  auf  der  Kgl.  Landes- 
bibliothek zu  Düsseldorf  unter  nr.  D2. 

3)  In  Itczug  auf  den  OcdllchtnisHtag  der  Küluer  Märterinnen  zeigt 
sich  ein  Schwanken  zwischen  dem  20.  und  21.  Oft  ober.  Das  erstere 
Dutum  findet  sieh  in  wenigen  illtercn  oder  fern  von  Köln  abgetansten 
Kniendarien  und  Martyrologien;  später  ist  der  21.  Oetober  als  GcdHcht- 
nisHtag  allgemein. 

4)  Die  Orthographie  der  Handschrift  ist  hier  wie  bei  den  folgen- 
den Anführungen  beibehalten. 

5)  Atta  Sanet.  Ott.  IX  p.  147  nr.  2<>2. 


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Studien  zur  Geschichte  <ler  Kölner  Miirtcriumn. 


I.l.'l 


weniger  lässt  sich  gegen  die  Beweiskraft  dos  Essener  Kalcndarinms 
die  Thatsaehe  ins  Feld  führen,  dass  die  Kaiendarien  häufig  von 
mehrern  Heiligen,  deren  Fest  an  demselben  Tage  begangen  wird, 
nur  einzelne  namhaft  machen  und  selbst  «He  Zahl  der  Gefährten  ver- 
schweigen: denn  unser  Kaleudarium  spricht  ausdrücklich  von  den 
„heiligen  e  I  f  Jungfrauen"  und  fuhrt  sie  namentlich  auf  ). 

Auch  sonst  erscheinen  noch  die  obigen  Namen.  In  dem  Ka- 
leudarium. welches  einem  andern  Kssencr  Missale  aus  dem  Anfange 
des  10.  Jahrhundert  vorgesetzt  ist  *  i,  heisst  es  unterm  21.  Oktober 
einfach:  Sanlac  et  Martha«  —  dieselben  Namen  wie  bei  Usuardns. 
Die  Litaneien  in  den  liturgischen  Handschriften  der  Kölner  Dom- 
bibliothek enthalten  bald  einzelne  von  diesen  Namen,  bald  sHntmt- 
liche.  So  folgen  im  cod.  8H  des  11.  12.  Jahrhunderts  fol.  10  auf 
einander:  Martha.  Saida,  Paula,  Brittola,  Ursula;  im  cod.  10t»  des 
0.  Jahrhunderls  fol.  74:  Brittola,  Martha,  Saida,  Sambatia,  Saturnia, 
Grcgoria,  Pinnosa.  Palladia:  im  cod.  4ö  des  10.  Jahrhunderts  fol. 
1H:i:  Martha,  Saula,  Brictola,  Gregoria,  Saturnia,  Sabatia,  Pinnosa, 
ürsnla,  Sentia,  Palladia,  Satnria 

Diesen  Namen  liegt  ohne  Zweifel  eine  gute,  alte  Ueberliefe- 
rnng  zu  Grunde.  Itis  auf  einen  lassen  sich  dieselben  in  den  letzten 
Jahrhunderten  des  Rdmerreiehcs  als  vorhanden  nachweisen,  und 
dieser  eine  ist  so  gebildet,  das«  er  zu  Bedenken  keinen  Anlas»  giebt. 
Martha  und  Saida  sind  biblische  Namen,  wie  sie  bei  den  Christen 
der  ersten  Jahrhunderte  besonders»  im  Orient,  seltener  im  Occident 
gebräuchlich  waren  *).    Martha  ist  einer  der  häufigsten ;   er  findet 

1)  Von  der  Heranziehung  _  eines  Freilinger  Kalcudariums  des  10. 
Jahrhunderts,  in  welchem  ,SS.  M.  XI  virginum'  steht  (vgl.  Act.  Samt. 
Oct.  IX  j«.  117  nr.  261  >  nehme  ich  Abstand,  einerseits  wegen  der  Unsicher- 
heit dieses  Zeugnisses  an  und  für  sich,  andererseits  weil  ich  nicht  in  der 
Lage  bin,  dasselbe  zu  controliren. 

2>  Gegenwärtig  auf  der  Kgl.  Landesbibliothek  zu  Düsseldorf  unter 
nr.  1)3. 

.'!)  Vgl.  Ecclesiae  metropolitanae  Col.  Codices  manuscripti.  Descrip- 
scrunt  Phil.  Jaffü  et  Guil.  Wattenbach.  —  Für  die  bereitwilligst 
erlheilte  Erlaubnis«  zur  Benutzung  der  in  diesem  Abschnitt  erwähnten 
Handschriften  der  Kgl.  Lnndesbibliothek  zu  Düsseldorf  und  der  Dom- 
bibliothek zu  Köln  erlaubt  sich  der  Verfasser  auch  an  dieser  Stelle  dem 
Geheimen  Archivrath  Herrn  Dr.  Ha  Hess  und  dem  Dompropst  Herrn 
Dr.  Her  läge  den  verbindlichsten  Dank  auszusprechen. 

4t  Vgl.  Le  Ii  laut,  Inscriptions  chretieune*  de  la  Gaule  I  nr.  «ti. 


134 


Joseph  K  Hilkenborg: 


Bich  z.  B.  C.  I.  L.  XII  (iallia  Xarboncnste)  9f>l.  U52  V).  4785. 
n'.in'.i.  Inscr.  ehret.  de  la  Gaule  012.  8an)a  int  eine  ähnliche  Bil- 
dung wie  Iaeoha  'i:  ein  »Saul  kämpfte  unter  Stilicho  {fegen  die 
Goten  *\.  Brittnla  ist  Deminntivum  zu  Brittas  C.  I.  L.  III  3271 
und  Britta  C.  1.  L.  II  133f>.  Die  Namen  Sentia,  .Saturuina  und 
Ursula  sind  besonders  in  Gallien  so  häufig,  das«  Belege  als  über- 
flüssig erscheinen:  eine  christliche  Ursula  findet  sich  C  I.  L.  XII 
967.  Der  Xame  Samhatia  ist  zuweilen  in  Kabacia  eorrumpirt,  wie 
.Sentia  in  Hccia.  Ich  finde  diese  Form  bloss  in  der  christliehen 
griechischen  Inschrift  (!.  I.  G.  IV  K912  <Iaußcmo<;i  und  der  latei- 
nischen von  Trier  bei  Kraus.  Die  ehrtet  1.  Inschriften  der  Rhein- 
landc  208  =  [,c  Blaut,  Inseript.  ehret,  de  la  (iaule  27ä;  sonst 
lautet  der  Xame  Sabatius  ('.  I.  L.  XIV  .*»(>4D  |.  is,  Sabbat  ins  eben- 
da 3422  (christl.)  und  Sabbatis  ebenda  lf>61.  Saturia,  Gcntilnamc  aus 
Satnr  gebildet,  kommt  in  dallien,  «»viel  ich  sehe,  sonst  nicht  vor;  es  steht 
V.  I.  L.  II  17.:>9.  3;">*9  I.  III  f>2Xf>;  Saturius  ebenda  1870.  Von  den  grie- 
chischen Xameu  Gregoria  und  l'alladia  scheint  der  erste  fast  nur 
('bristen  cigeiithümlich  gewesen  zu  sein;  so  C.  I.  L.  V  1624, 
Inscr.  ehret,  de  la  Gaule  2.  186.  194.  I9">.  Eine  Inschrift  mit  dem 
Namen  Gregorius  ans  dem  Jahre  319  steht  C.  I.  L.  III  1968  b. 
Ein  Palladius  erseheint  C.  I.  L.  XII  2630.  ein  Christ  dieses  Namens 
ebenda  127;$.  Der  einzige  nicht  nachweisbare  Xame  ist  Pinnosa; 
allein  er  ist  regelrecht  gebildet  aus  dem  (.^ognomen  Pinna  >('.  I.  L. 
X  1944),  von  dem  es  auch  einen  (ientilnamen  Pinuius  gab  (eben- 
da 7301.  H<i47,:.)  ■'' i-  Diese  Xamcn,  unter  denen  sich  mehrere  ganz 
exquisite  befinden,  schliessen  den  Verdacht,  dass  sie  eine  Schöpfung 
des  Mittelalters,  etwa  des  8.  oder  9.  Jahrhunderts,  seien,  gänzlich 
aus,  zumal,  wenn  man  die  geringe  Leistungsfähigkeit  in  Vergleich 
zieht,  welche  das  12.  Jahrhundert  bei  den  Benennungen  der  11000 
Jungfrauen  bewiesen  hat 4). 

Ii  Vgl.  da*  Citat  S.  13-1  Aiun.  I.  —  Die  im  cod.  HS  der  Kölner 
Dotnbibliothek  genannte  Paula  ist  natürlich  nur  eine  Doppelgängerin  der 
Sauin. 

->»  Paul.  XII,  13. 

•  i)  Motu  in  sen  zeigt  Kph.  epigr.  IV  p.  üi'l  ff'.,  dass  die  Cognomina 
auf  omis  oder  -osa ,  und  zwar  sowohl  diejenigen ,  welche  ursprüng- 
lich Adjective  waren,  als  auch  die  Weiterbildungen  von  ('ngnomina, 
Praenomina  und  Nomina  gentilicia  insboHondere  dem  westlichen  Afrika 
vom  3. — 6.  Jahrhundert  n.  Chr.  angehören. 

4)  Vgl.  bes.  das  Register  Ada  Snnct.  (»ct.  IX  p.  20i>  sq. 


Studien  zur  Geschichte  der  Kölner  Miirlerhui«'ii. 


185 


Mit  «lein  11.  Jahrhundert  verschwindet  die  Kenntnis«  der 
Namen  der  heiligen  elf  Jniigirancn  mit  Ausnahme  von  Ursula  und 
Pinnosa  immer  mehr.  Nur  noch  zwei  Mal  finde  ich  dieselben  ge- 
nannt. Im  vermehrten  Mnrtvrologimn  des  A  d  o  heisst  es  zum 
21.  Oktober1):  In  Galliis  apud  Coloniam  Agrippinam  sanctarum 
virginmn  undeeim  millium.  Unn  dieitur  Ursula.  Seutia,  Gregorin, 
Pinnosa,  Mardia,  Sauin,  Brictnla,  Satnrnina,  Saturnia,  Kabatia,  Pal- 
ladia,  dementia,  (»rata:  et  aliaruni  uomiun  scripta  sunt  in  libro 
vitae.  Wir  haben  hier,  von  einer  kleinen  Abweichung  abgesehen, 
die  Reihenfolge  der  Namen  wie  im  Kalendarium  B  i  ti  t  e  r  i  in  s, 
nur  sind  dieselben  noch  etwas  mehr  comiiupirt  und  zwei  brichst 
farblose  hinzugefügt;  welchem  Umstände  diese  wahrscheinlich  ihre 
Entstellung  verdanken,  wird  in  einem  andern  Zusammenhange  dar- 
gelegt werden.  Dieselben  dreizehn  Xanten  fuhrt  C  r  o  m  b  a  c  h  aus 
einem  alten  Brevier  von  St.  Aposteln  in  Köln  an  2).  Dort  heisst 
es  von  den  Gefährtinnen  der  vorher  genannten  hl.  Ursula:  Quarum 
nomina  sunt  haee:  Pinnosa,  Maximi  dueis  tilia,  Sentia,  Georgia, 
Martha,  Saula,  Brittula,  Rabastia  (!),  Satnrnina,  Saturn,  Palladia, 
Clementia,  Grata.  Als  mu  die.  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  unter 
Leitung  der  Deutzer  Aebte  Gerlach  und  Hartberit  die  grosse  Auf- 
grabung  des  sog.  Ursulaackers  stattfand,  waren  die  Namen  so  sehr 
aus  dem  Bewusstsein  der  Kölner  geschwunden,  dass  man  auf  den 
gefälschten  Grabinschriften  andere  elf  Jungfrauen  als  die  Anführe- 
rinnen der  1 1 00(1  —  dazu  wurden  nämlich  später  die  Elfe  —  be- 
zeichnen konnte.  Einige  der  Namen  derselben  mögen  der  Curiositat 
halber  hier  angeführt  werden:  Ortmaria,  Albina,  Essentin,  Baragia, 
Panafreta,  Tisina  »). 

Doch  kehren  wir  zu  den  Ansichten  über  die  Zahl  der  Kölner 
Märterinneu  zurück.  Der  Verfasser  des  Sermo  in  natali  veranschlagt 
dieselben,  wie  wir  schon  im  dritten  Abschnitte  zeigten,  mit  grösster 
Bestimmtheit  auf  Tausende .  ohne  jedoch  eine  genau  fixirte  Zahl 
auzugeben;  da  er  aber  bei  seiner  sonstigen  Genauigkeit  letztere  ohne 
Zweifel  genannt  haben  würde,  wenn  sie  existirt  hätte,  so  müssen 
wir  aus  seinem  Schweigen  schliefen,  dass  im  Zeitalter  Karls  des 

1)  Giorgiuis,  Martyrolojrium  Adonis  p.  »144. 

2)  S.  Ursula  vindk-ata  p.  WS. 

8)  Vgl.  Revelationcs  titulorum  vel  noniiiiuiu  ms.  limrtyrum  et  «s. 
virginuui  auetore  Theoderico  aedituo  Tuitiumti,  abgedruckt  Acta 
Samt.  Ott.  IX  p.  243  so,. 


I.V. 


Joseph  K  I  i  11  k  e  n  h  e  r  g: 


Grossen,  in  welches  der  Sermo  fallt,  zwar  Taiisencle  von  Kölner 
Marterinnen  in  Köln  angenommen  wurden,  dass  man  sich  aber  auf 
eine  runde  Zahl  noch  nicht  geeinigt  hatte.  Noch  ein  anderes,  nnr 
wenig  späteren  Dokument  vertritt  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  die 
gleiche  Meinung.  Wa  n  d  a  I  b  e  r  t ,  Münch  und  Diakon  zn  l'rttm, 
gehören  81. '5,  verfasste  nach  K\9,  wo  er  sich  in  Köln  aufhielt,  auf 
Veranlassung  des  Klerikers  Otrich  ein  poetische*  Martyrologinni, 
welches  er  H4H  zu  Köln  oder  zu  Prüm  vollendete  '  >.  In  diesem 
heisst  es  v.  671  ft'.  iS.  :V.»7  der  Ausgabe  von  D  Ilm  ml  er): 
Time  nnmerosa  simnl  Rheni  per  litora  fulgent 
Christo  virgincis  ereeta  trophea  maniplis 
Agrippinac  nrbi,  quartim  furor  impius  olim 
Milia  mactavit  duetrieibus  inclita  sanetis. 
Wenn  wir  die  Worte  Wandal  b  e  r  ts  genau  nehmen  —  und 
er  befleissigt  sich  sonst  trotz  der  poetischen  Form  grosser  Sorgfalt 
in  seinen  Angaben  *'i  —  dann  haben  wir  in  denselben  ein  zweites 
Zeugnis.«  für  die  Ansicht  von  mehrern  Tausenden  Kölnischer  Malie- 
rinnen, und  dieses  Zeugniss  ist  um  so  wichtiger,  weil  es  gleich 
dem  Sermo  die  in  Köln  herrschende  Meinung  wiedersieht 8).  Aber 
noch  in  anderer  Ueziehung  siml  die  Verse  Wandalbert*  wichtig, 
wie  schon  Stein  n.  a.  O.  S.  47  erkannt  hat.  Die  Worte  ,1'uror 
i  m  p  i  n  s  milia  m  actavi  t'  passen  weit  besser  zu  einem  Gemetzel 
der  Art ,  wie  es  Gottfried  von  Monmouth  erzählt ,  als  zu  einer 
Hinrichtung  der  hl.  Jungfrauen  zur  Zeit  der  Christenverfolgung,  an 
der  noch  der  Sermo  iu  natali  festhält:  wir  bemerken  also  hier  einen 
Fortschritt  des  Einflusses,  den  die  wHliseh-bretnnisehe  Sage  auf  die 


Ii  Vgl.  I'oetac  Im i ii i  aevi  Carolin!  ed.  Dümmlcr  II  j>.  5»>7. 
2)  Als  ein   Beispiel  nnler  vielen   mögen  einige  Verse  dienen,  in 
denen  es  sich  uiii  sehr  cotnplicirte  Zahlenangaben  handelt.    V.  655  sq.: 
Septeno  denoi|ue,  Novcmbrein  <|ui  venientem 
l'racsignnt,  Gallus  eolitur  ennfessor  et  una 
Bis  cetitnin  et  deeies  Septem  iiieinorantur,  iui<|UUH 
(Juos  furor  ob  Christum  simili  mactavit  honore. 
")i  An  dem  Zeugnisse  Wa  n  d  n  I  h  e  r  t  s  ist  B  i  n  t  e  r  i  m  a.  a.  O.  ge- 
scheitert.    Kr  lasst  denselben  zunächst  von  1000  Müllerinnen  reden,  was 
milia  nie  heissen  kann,  und  sucht  dann  die  Angabe  seines  Kalendariunis 
mit  jener  in  der  Weise  zu  vereinigen,  dass  er  II  Anführerinnen  und 
1000  (rcfahrtinucn  annimmt.    Allein  eine  Combinatinn  der  beiden  Zeug- 
nisse ist  überhaupt  ausgeschlossen,  da  das  eine  mit  derselben  Bestimmt- 
heit von  elf,  wie  das  andere  von  Tausenden  Jungfrauen  spricht. 


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Studien  zur  Geschichte,  der  Kölner  Märtcriiuicii. 


137 


Geschichte  der  Kölner  Märterinnen  ausgeübt  hat1).  Auch  der  Um- 
stand ist  wichtig,-  dass  mehrere  Jungfrauen,  welche  den  Ehrentitel 
.sanetae"  tragen,  als  die  Anführerinnen  der  übrigen  hezeichnet  werden, 
während  der  .Sermo  noch  von  einer  einzigen  Auftlhrerin,  l'iunosa, 
spricht.  Es  ist  klar,  das»  jene  ,ganetac  virgines"  nur  die  in  Köln 
von  Altere  her  namentlich  bekannten  elf  sein  können,  dass  also  hier 
eine  Verschmelzung  der  alten  einheimischen  Uebcrlieferung  mit  der 
neuen  fremden  vorliegt.  So  bilden,  um  dies  bereits  vorwegzunehmen, 
die  wenigen  Verse  Wnndalberts  eine  treffliche  Brflcke  zwischen 
dem  Sermo  in  natali  und  der  später  zu  behandelnden  Kolner  Le- 
gende Regnante  domino. 

Aber  wann  und  wie  ist  jene  Aendemng  in  der  Ansicht  bezflg- 
lich  der  Zahl  der  Kölner  Marterinnen  zu  stände  gekommen  V  Da- 
rül>er  können  wir  bei  der  Dürftigkeit  unserer  Quellen  nur  Ver- 
ronthungen  aussprechen.  Zunächst  steht  es  fest,  dass  die  Anficht 
von  den  nach  Tausenden  zahlenden  Kölner  Märterinnen  älter  sein 
muss  als  die  Aufnahme  der  wälischen  Ursulasage:  denn  während 
die  aus  der  letzteren  in  den  Sermo  in  natali  aufgenommenen  Züge 
von  dessen  Verfasser  nur  als  wahrscheinlich  bezeichnet  werden, 
gilt  ihm  die  Tausendzahl  Ober  allen  Zweifel  erhaben.  Wir  müssen 
sogar  sagen,  dass  der  bereits  festgewurzelte  Glaube  an  Tansende 
von  Kölner  Märterinnen  die  notwendige  Voraussetzung  fttr  die 
Aufnahme  einer  Sage  war,  die  von  Tausenden  niedergemetzelter 
Jungfrauen  redete.  Demnach  fällt  die  Entstehung  der  genannten 
Ansicht  vor  das  7. — 8.  Jahrhundert,  in  jene  Zeit,  wo  man  lediglich 
auf  Grund  der  spärlichen  Angaben  der  Clcmarianischcn  Inschrift  die 
Kenntnis»  von  den  Verhältnissen  und  Schicksalen  jener  Märterinnen 
zu  erweitern  suchte  *).  Es  liegt  uahe,  auch  für  die  Lösimg  der  uns 
beschäftigenden  Frage  auf  dieselbe  zurückzugreifen.  Vielleicht  mag 
man  in  den  ,d  r  o  h  e  n  d  e  n  Jungfrauen',  wie  man  das  ,virgincs 
imminentes'  ausdeutete,  einen  Hinweis  auf  ihre  grosse  Zahl  gefunden 
haben;  wahrscheinlicher  ist  es,  dass  man  unsere  Märterinnen, 
wie  man  sie  (durch  falsche  Deutung  der  Inschrift)  ihrer  Herkunft 
nach  mit  den  Thcbäcrn  in  Zusammenhang  gebracht  hatte,  nun  auch 

1)  Dagegen  geht  Stein  wohl  zu  weit,  wenn  er  in  den  Worten 
»Rheni  per  littora'  eine  Anspielung  auf  die  Ankunft  der  Jungfrauen- 
Schaar  auf  dem  Rheine  findet. 

■2)  Vgl.  den  4.  Abschnitt  dieser  „Studien-  B.  J.  LXXXIX  S.  139  ff. 


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13* 


.J  o  f.    |>  h  Klinkt'  n  h  «•  r  g: 


ihrer  Zahl  nach  diesen  anzugleichen  suchte,  d.  h.,  das»  man  die- 
selben anf  etwa  eine  Lotion  veranschlagte.  Bedenkt  man  ferner, 
dass  die  .Stärke  der  Thebäisehen  Leginn  auf  6H(M)  Mann  berechnet 
wurde1  >,  die  Zahl  der  sie  begleitenden  Jungfrauen  aber  nur  an- 
näherungsweise jenen  gleichgesetzt  werden  konnte,  so  erklärt 
es  sich,  wie  man  von  Tausenden  Kölner  Malierinnen  sprach, 
ohne  ihre  Zahl  zu  Hxiren.  Aber  die  alte  Ueberlieferung  von  den 
Elfen?  I>er  Wunseh  der  einzelnen  Städte,  mögliehst  viele  Heilige 
zu  besitzen,  welcher  schon  im  frühen  Mittelalter  ausserordentlich 
stark  hervortritt,  nahm,  wie  andere  Heispiele  lehren,  auf  überlieferte 
Zahlen  wenig  Rücksicht  *),  und  in  nnserm  Kalle  war  dieselbe  um 
so  weniger  nothwendig,  als  das  maassgel>cudc  Dokument,  die  Cle- 
matianisehe  Inschrift,  der  Zahlbestiiumung  freien  Spielraum  Hess. 

Die  Richtigkeit  unserer  Hypothese  vorausgesetzt,  erklären  sich 
verschiedene  Erscheinungen,  deren  Deutung  sonst  schwer  fallen 
dürfte.  Keinem  aufmerksamen  Leser  dos  Sermo  entgeht  die  immer 
wiederkehrende  Bezeichnung  dieser  Jiiugfrnuenschaar  mit  Ausdrücken, 
welche  auf  ein  Heer  und  Heeresordnnng  hinweisen  ivirginum  ag- 
mina,  exercitus,  turmac;  spiritualis  cuneus  u.  s.  w.);  und  wenn  mau 
auch  vielleicht  diese  Ausdrucksweise  allgemein  auf  den  Kampf  der 
Märterinnen  für  Christus  beziehen  kann ,  so  bleibt  doch  die  Zu- 
sammenstellung mit  den  Amazonen  <c.  'J.u  ft'.t  merkwürdig  ge- 
nug. Den  angeführten  Versen  Wandalbcrts  liegt  abermals  die  obige 
Anschauung  zu  Grunde,  und  im  zweiten  T heile  «ler  Kölner  Legende 
'Regnante  domino  e.  17)  treten  sogar  die  hl.  Jungfrauen  als  eine 
Hcersehaar  im  Kampfe  gegen  die  Belagerer  Kölns  auf.  Dies  lässt 
sieh  nur  erklären  durch  die  althergebrachte  Auffassung  dieser  Märte- 
rinnen als  eines  Heeres,  und  diese  hat  wiederum  ihren  Grund  in  der 
Verbindung,  in  welche  man  dieselbe  mit  den  Thebäem  brachte. 

Auch  das  schon  früher  besprochene  Euthvmem  Sermo  e. 
gewinnt  jetzt  vollständige  Klarheit.    In  demselben  berechnet  der 

H  So  in  der  Mltereu  I'assio  Agauncnsium  inartyrum  des  Bisehofs 
Kueherius;  in  der  jUnge.ni  zahlt  sie  6tifi«>  Mann. 

'_'»  Dbs  Hin  nächsten  liegende  Beispiel  bieten  die  Thebäisehen 
Märtyrer  in  Köln,  deren  Zahl  Gregor  von  Tours  in  glor.  niartyrnin  «1 
auf  50  veranschlagt,  wahrend  die  spatere  Ueberliel'erung  von  318  Ge- 
fährten de«  hl.  Gereon  redet.  Hierher  gehören  auch  die  im  Mittelalter 
so  hautig  vorkommenden  Rei«piele  „zahlloser"  Märtyrer;  vgl.  Friedrich, 
Kirchengesehichte  Deutschlands,  1  S.  1(>2,  Anmerk.  f>07. 


Studiin  aur  Geschiente,  der  Kölner  MMrteiinnen.  189 

Verfasser  die  Iii.  Jungfrauenschaar  auf  weniger  als  12UOU.  Ohne 
Zweifel  denkt  er  an  eine  Legion;  denn  er  stellt  die  Jungfrauen 
mit  den  „mehr  als  12  Legionen  Engel"  der  heiligen  Schrift  zu- 
sammen; um  aber,  wie  es  das  Enthvmem  verlangt,  eine  scharfe 
Antithese  hervorzubringen,  sagt  er  im  Gegensätze  nicht  „ungefähr 
eine  Legion  Jungfrauen",  sondern  „weniger  als  zwölftausend  Jung- 
frauen". 

Wie  die  erste  Entwicklungsstufe  der  Zahl  der  Kölner  Märtc- 
rinnen  au  einzelnen  Orten  ausserhalb  Kölns  ihre  •Spuren  noch  zu 
einer  Zeit  zeigt ,  wo  in  Köln  längst  eine  neue  .Meinung  allgemein 
angenommen  war,  so  auch  die  zweite.  In  einem  Trierer  Kalcnda- 
rium  des  11.  Jahrhunderts  von  St.  Simeon  stand  nach  Hontheim1) 
unterm  21.  Oktober:  Sanctanun  virginuin  .  .  .  milia  mit  einer  Lücke, 
in  welche  die  Zahl  der  Tausende  eingefügt  werden  sollte.  H  o  u  t- 
h  e  i  m  schlichst  daraus  mit  Recht,  dass  damals  noch  nicht  allgemein 
die  Zahl  der  Kölner  Märterinnen  festgestanden  habe,  und  der  Um- 
stand, dass  ein  älteres  Trierer  Kaleudarium,  das  sog.  Oertrudianum, 
die  110UU  Jungfrauen  enthält,  vermag  gegen  seinen  Schluss  nichts 
zu  beweisen*). 

Die  Unbestimmtheit  der  Zahl  der  Kölnischen  Märterinnen 
konnte  naturgcniäss  nicht  lange  andauern.  Schon  bei  Wandalbert 
linden  wir  den  Weg  zu  einer  Fixirnng  derselben  angebahnt.  Während 
nämlich  der  Sermo  in  natali  nur  von  e  i  n  e  r  Führerin  der  Jimg- 
fraueuschaar  spricht  und  die  übrigen  zehn  namentlich  l>ekamiten 
Jungfrauen  nur  als  zufällig  bekannt  annimmt ,  setzen  die  Worte 
Wandalbcrts  mehrere,  ohne  Zweifel  elf,  Führerinnen  voraus:  man 
glaubte  eben  das  Bekanntem  gerade  dieser  elf  Namen  auf  die  her- 
vorragende Stellung  ihrer  Trägerinnen  zurückführen  zu  müssen. 
Zu  diesem  Moment  kam  als  neue«  die  auf  die  Kölnische  Tradition 
je  länger,  desto  mehr  einwirkende  wälisch-bretonische  Ureulaaagc 
hinzu,  in  welcher,  wie  wir  bereits  im  vorigen  Abschnitte  sahen,  die 
Elfzahl  ebenfalls  eine  bedeutende  Rolle  spielt:  bei  Gottfried  befinden 
sich  unter  der  Jungfraucnschaar  110Ü0,  in  seiner  muthniasslichcn 
Quelle,  dem  Brut  T  ysvlio,  1 1 00  Töchter  vornehmer  Briten.  Wenn 
nun  schon  früher  die  ganze  Schaar  in  Köln  auf  Tausende  berechnet 
wurde,  wie  nahe  lag  es  da  bei  der  nahen  Berührung  beider  Tradi- 


1)  Prodromus  liist.  Trevirensis  I  p.  371. 
•2)  S.  Acta  Samt.  Uct.  IX  p.  14«, 


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uo 


Joseph  K  1  i  n  k  e  n  be  r  g: 


tionen,  nie  auf  11000  Zn  iiormircii  und  jeder  der  Anführerinnen 
1000  zn/.nt  heilen!  NieM  ohne  Bedeutung  war  dabei  jedenfalls  der 
Umstand,  das.«*  die  Zahl  11000  aueh  den  Antraben  des  Senno  ent- 
sprach, der,  wie  sich  später  zeigen  wird,  ebenfalls  einen  nicht  un- 
bedeutenden Einfluss  auf  die  (icstaltung  der  Kölnischen  Lebende 
ausgeübt  hat. 

Die  Zeit  dieser  letzten  Wandlung  lässt  sieh,  soweit  dies  bei 
derartigen,  allmählich  sich  entwickelnden  Vorgängen  möglich  ist, 
bestimmen.  Das  erste  genau  datirbare  Dokument,  in  welchem  die 
1 1000  Jungfrauen  vorkommen,  ist  die  Urkunde  des  Erzbischofs 
Hermann  I.  von  Köln,  durch  welche  er  die  von  den  Ungarn  ver- 
triebenen Nonnen  von  Gerresheim  in  das  ,monasteriuin  sanetamm 
virginnm  extra  muros  Coloniae  ereetnm'  aufnimmt,  vom  11.  August 
1)22  1 1.  Von  dieser  Zeit  an  wechseln  in  den  Kölner  Urkunden  die 
Ausdrucke  ,sauetae  virgincs'  und  .sanetamm  virginnm  undeeim  niilia* 
unterHchiedsIoK  mit  einander  ab  *:.  Hemerkenswerth  ist.  dass  in  der 
Urkunde  Wichfrids  vom  23.  November  041  auch  schon  die  Kirche 
als  ,X1  milium  sauetanim  virginnm  ecclesia4  bezeichnet  wird.  Leider 
fehlt  es  im  Jahrhundert  vorher  an  einer  genügenden  Zahl  von  Ur- 
kunden, in  welchen  die  Kölner  Märtcrinnen  genannt  werden:  die 
einzige,  welche  existirt,  die  des  Kölligs  Lothar  II.  vom  15.  Januar 
867,  erwähnt  da*  ,moiiasterium  b  e  a  t  a  r  u  m  v  i  r  g  i  n  u  in',  ein  sonst 
wohl  nicht  mehr  nachweisbarer  Ausdruck.  Ausschlaggebend  aber 
ist  der  Umstand,  d  a  s  s  die  K  ö  1  n  e  r  1  i  t  u  r  g  i  s  c  h  e  n  H  tt  c  Ii  e  r 
aus  dem  0.  und  die  in  w e  i  t  e r e r  K n  t  f e r  n u  n g  v o n  K  ö I  n 
entstandenen  selbst  im  10.  Jahrhundert  von  der 
11000-Zahl  der*  Kölner  Mieterinnen  noch  nichts 
wissen3*.  Schon  oben  ('S.  1*52  ff.)  war  von  einer  Reihe  Kölner  und 
Essener  Litaneien  und  Kalendarien  die  Rede,  die  hier  wieder  an- 
zuführen wären 4 1.    Ein  Missalc  von  St.  Pantaleon,  das  spätestens 


U  Zuerst  vollständig  herausgegeben  in  den  Ann.  de»  bist.  Ver.  f. 
d.  Niederrhein,  Heft  2fr  27,  S.  33i  IT. 

2)  Vgl.  La  eo  in  biet,  Urkundeiibueh  1  nr.  K7,  H8,  94,  1*2, 
2.10  u.  s.  w. 

3)  Dabei  soll  nicht  unerwähnt  bleiben,  dass  der  cod.  83  II  der 
Kölner  Dombibliothek,  780  geschrieben,  im  Kalendnrhun  überhaupt  keine 
ErwHhnung  der  Kölner  Mürteriiiiieii  enthalt. 

■\)  Aui-li  die  T.itani'ieii  sind  in  diesem  Falle  beweisend;  denn  in 
einem  unlängst  von  dem  Doinpro|»ste  Herrn  Dr.  Beringe  in  der  Dom- 


Studien  zur  Geschichte  der  Kölner  Marterinnen. 


141 


aus  der  ersten  Hälfte  des  9.  Jahrhunderts  stammte,  hatte  im  Kaien- 
darinui  unterin  20.  Oktober 'j:  Sanctarum  virginum  in  Colouia  *). 
Besonder*  charakteristisch  ist  das  Kalendariuin  im  cod.  4f>  der 
Kölner  Domhildiothek.  Hier  «teilt  unterm  21.  Oktober  von  einer 
Hand  etwa  ans  der  Mitte  des  10.  Jahrhundert*:  Sanetaruui  virginum; 
eiue  s])ätere  Hand,  etwa  aus  dem  Ende  des  10.  Jahrhunderts,  hat 
hinzugefügt:  XI  mil.  in  Colonia. 

Von  auswärtigen  Handschriften  des  9.  und  10.  Jahrhunderte, 
die  von  den  sanetae  virgine«  ohne  HinzufUguug  der  Zahl  11000 
reden,  sei  hier  erwähnt  der  Würzburger  Codex  des  vermehrten 
Martyrojogium*  Heda*  au*  dem  9.  Jahrhundert 3),  der  Corveyer 
Codex  desselben  Martyrologiunis,  geschrieben  vor  980  S,  und  der 
cod.  lat.  Monacensis  G421,  geschrieben  vor  994  u). 

Mehrere  Zeugnisse,  auf  welche  man  sich  für  ein  höhere*  Alter 
der  11000-Zahl  als  da*  angegebene  berufen  hat,  erweisen  sich  hei 
näherer  Betrachtung  als  nicht  stichhaltig.  So  führt  Stein  a.a.O. 
S.  4H  ein  „Martyrologium  aus  dem  achten  oder  neunten  Jahrhundert" 
an,  dessen  Original  gegenwärtig  verloren  ist,  von  dem  sich  aber 
ein  Auszug  unter  Eccardi  Seligenstadensia  auf  der  Kgl.  Bibliothek 
zu  Hannover  befindet.  Hier  steht  zum  21.  Oktober:  In  Colonin 
uatalis  ss.  undeeim  millium  virginum  et  XX  militum.  Inter  qua* 
erant  noininatissimae  Pinnosa,  Ursa  et  Saida.  Allein  die  letzten 
Ausläufer  dieses  Martyrologiums  gehen,  wie  der  Herausgeber  Falk 
selbst  angibt K),  bis  in  das  12.  Jahrhundert  hinab;  wie  lUsst  sich 
nun  feststellen,  welcher  Zeit  unsere  Eintragung  angehört V  Jeden- 
falls kann  der  Theil  derselben,  welcher  von  zwanzig  Soldaten 
redet,  nicht  älter  als  das  12.  Jahrhundert  sein,  da  erst  um  diese 
Zeit  Krieger  als  Genossen  de*  Martyriums  der  Kölner  Jungfrauen 
erscheinen 7).  —  In  dem  .Martyrologium  ex  antiquissimo  codice 

bibliothek  entdeckten  liturgischen  Codex  von  St.  Gereon  aus  dem  11.  bis 
12.  Jahrhundert  folgen  in  einer  Litanei  die  Anrufungen  auf  einander: 
Sta  Ursula,  Sta  Pinnosa,  S  t  a  undeiu  in  i  I  i  a. 

1)  Schon  dieses  Datum  ist  ein  Beweis  für  sein  Alter. 

2\  C  r  o  in  b  a  c  h,  S.  Ursula  vindicatu  p.  99*. 

3>  E  k  h  a  r  t,  Francia  orient.  1  |>.  829. 

4)  Martine,  Thesaurus  aneedot.  III  col.  1547  und  1102. 

5)  F  r  i  e  d  r  i  c  h,  Kirchengesch.  Deutschlands  I  S.  100. 

6)  I'iek's  Monatsschrift  für  Rheinisch  -Westfälische  Geschichts- 
schreibung III  S.  -269. 

7)  Vgl.  Acta  Sanct.  Oct.  IX.  p.  244. 


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142 


.1  n  s  c  p  Ii  Klinken!»  e  r  g: 


Rhcnaugiensi,  suppletuni  ex  Sangnllensi  saec.  X  eirciter'.  heraus- 
gegeben von  (J  e  r  h e  r  t  1  >,  auf  welches  K  e  s  sc  1  - >  sich  beruft,  wird 
die  Eintragung  ,XII  Kai.  Nov.  Uudeciin  uiilliuiii  virginum'  vom 
Herausgeber  nelbst  als  Zusatz  von  j  fl  n  ge  r  e  r  Hand  des  Snngalleu- 
sis  bezeichnet  *).  —  Besonders  betont  wird  von  dem  Heransgeber 
der  Acta  Sanetorum  p.  14*1  und  von  Kessel  (a.  a.  (>.  S.  124, 
«las  Kaleudarium  eines  Missales  von  Hornbaeb.  Diözese  Metz,  welches 
sieh  gegenwärtig  im  Kirchenschatze  von  St.  Urgus  in  Solotbnrn 
befindet.  Nach  G  e  r  b  e  r  1 4y  ist  dasselbe  im  9.  Jahrhundert  ge- 
schrieben und  enthält  unterm  21.  Oktober  die  Angabe:  Nat.  searum 
Virginum  XI  mil.  in  Colonia  eivitate.  Der  Bedeutung  der  Sache 
wegen  habe  ich  an  Ort  und  Stelle  Aber  die  fragliche  Handsrhrift 
Erkundigungen  eingezogen  und  folgenden  Beseheid  erhalten:  Das 
sechs«  Pergamentbliltter  umfassende  Kalendarinm,  welches  dem  Solo- 
thnrncr  Missale  vorausgeht,  war  ursprünglich  selbständig  und  ist 
offenbar  von  späterer  Hand  geschrieben,  als  das  Missale,  welches 
aus  der  Regierungszeit  des  Abtes  Adalbert  von  Hombach  >970  - 
973  oder  973 — 978)  datirt.  Naeh  einer  Untersuchung,  welche  der 
verstorbene  Bischof  F  i  a  I  a  über  dasselbe  anstellte  und  welche  hand- 
schriftlich in  der  Stadtbibliothek  zu  Solothurn  niedergelegt  ist, 
stammt  dasselbe  ans  dem  1 1 .  Jahrhundert 5 i.  —  ■  So  bleibt  mir  noch 
das  Kaleudarium  eines  Essener  Missalcs  (D  I  i  übrig,  welches  zum 
21.  Oktober,  wie  ich  mich  selbst  überzeugt  habe,  von  erster  Hand 
folgeuden  Eintrag  enthält:  Sancti  Hilarionis  snnctarmnquc  virginum 
XI  milium.  Der  Codex  soll  dem  letzten  Viertel  des  9.  Jahrhunderts 
angehören,  kann  aber  auch,  nach  den  Schriftzügen  zn  urtheileu  — 
einen  andern  Anhaltspunkt  für  die  Benrtheilung  seines  Alters  giebt 
es,  so  viel  mir  bekannt,  nicht  —  recht  wohl  ein  halbes  Jahrhundert 
jünger  sein.  Jedenfalls  bietet  derselbe  neben  der  Urkunde  Her- 
manns I.  vom  Jahre  922  das  älteste  Zcugniss  für  die  11000-Zahl 
der  Kölner  M ä rtcrinnen       Wir  dürfen  daher  mit  gutem  <; runde 


1)  Monutneuta  veteris  liturgiac  Alemannit-ae  ji.  4M. 

2)  St.  Ursula  und  ihre  GesellHchaft  S.  124  Anmerk. 

3)  a.  a.  O.  S.  456  Anmerk.  4. 

4)  Moii.  vet.  lit.  Alein.  I  p.  479. 

5)  Für  die  über  das  Solothumer  Mirale  mir  bereitwilligst  ertlieilte 
Auskunft  statte  ich  auch  an  dieser  Steile  dem  Herrn  Stadthiblinthekar 
Wnlker  zu  Solothurn  meinen  herzlichsten  Dank  ah. 

C»)  Bemerkenswert!»  ist  die  Abweichung  der  divi  last  gleichzeitigen 


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Studien  zur  Geschichte  der  Kölner  Mieterinnen. 


behaupten :  d  i  e  N  o  r  in  i  r  u  n  g  d  e  r  Anzahl  der  Kölner  M  ä  r- 
terinnen  auf  11000  ist  nm  die  Wende  de»  9.  und  10. 
Jahrhunderts  vor  sich  gegangen. 

Mit  den  wechselnden  Ansichten  Uber  die  Zahl  der  Kölner 
Märterinnen  stehen  im  engsten  Zusammenhange  die  wechselnden 
Meinungen  über  die  Fflhrerin  derselben.  Dass  es  sich  in  der  Zeit, 
welche  nur  elf  Jungfrauen  annahm,  um  einen  ausgeprägten  Rang- 
unterschied zwischen  denselben  nicht  handeln  konnte,  liegt  auf  der 
Hand.  Da  aber  auch  die  Elfzahl  zu  gross  war,  um  eine  stetige 
Aufzählung  der  sttmmtlichen  Namen  zu  erlauben,  so  nahm  man 
Martha  und  Saula  als  Repräsentantinnen  der  gauzen  Schaar.  So 
finden  wir  dieselben  im  Martyrologium  des  Usuardus  und  in  dem 
Essener  '  jetzt  Düsseldorfer)  Kalendaritim  D3.  Zu  dieser  Ehre  er- 
hob sie  ohne  Zweifel  der  Umstand,  dass  sie  in  den  im  kirchlichen 
Gebrauche  befindlichen  Verzeichnissen  an  der  Spitze  zu  stehen 
pflegten,  so  im  cod.  45  und  SH  der  Kölner  Dombibliothek  Auch 
zu  der  Zeit,  als  man  bereits  an  Tausende  von  Jungfrauen  als  Be- 
gleiterinnen der  Thebäischen  Legion  glaubte,  seheint  man  ihnen 
noch  keine  Anführerin  gegeben  zu  haben.  Diese  erscheint  vielmehr 
erst  mit  der  Aufnahme  der  wälisch-bretonischen  Sage  und  zwar  in 
der  Person  der  Pinnosa.  Indessen  tritt  auch  jetzt  noch  die  ge- 
bietende Stellung  einer  einzelnen  Jungfrau  sehr  in  den  Hinter- 
grund, und  Pinnosa  wird  nicht  allgemein  als  die  erste  der  Schaar 
anerkannt.  Das  beweisen  die  Worte  des  Senno  c.  11:  Inter  qnas 
i  n c I i  t  h  et  i n s i g n i s  fuissc  asseveratur  regis  Britannorum 
filia,  ab  Ulis  Winnosa,  a  nostris  Pinnosa  nnnenpata;  haue  omues 
aliae  in  Christi  enritate  concatenatae  sorore«  pari 
v o t o  et  studio  se<)iiebantur.  Zugleich  enthalten  die  obigen 
Worte  auch  den  klarsten  Aufsehluss  über  den  Grund,  weshalb  man 
Pinnosa  die  Ehre  der  Führung  zuerkannte:  es  war  die  Aehnlichkeit 
zwischen  ihrem  Namen  und  dein  Namen  einer  hervorragenden  Person 
der  englischen  Sage,  den  man  von  den  Ueberbringern  der  letztem 


und  daher  neben  einander  gebrauchten  Essener  Kaiendarien  (D  1—3»  in 
ihren  Angaben  über  die  Kölner  Märterinnen,  jedenfalls  ein  Beweis  für 
die  geringe  Verbreitung  ihres  Cultus  im  Anfange  des  10.  Jahrhunderts 
selbst  in  der  Nähe  von  Köln. 

1)  Dans  die  Voranstellung  dieser  Namen  in  dem  Verzeichnisse  der 
Märterinnen  auf  ihren  biblischen  Charakter  zurückzuführen  sei,  wage 
ich  nicht  zu  behaupten,  undenkbar  aber  ist  es  nicht. 


144 


Joseph  K  I  i  n  k  e  n  b  e  r  g: 


gehört  hatte.  Wir  sagen  absichtlich  nicht:  tlcr  hervorragendsten 
unter  den  britischen  Jung  trauen.  Demi  diese  heisst  bei  (iottfried 
Ursula,  und  wir  müssen  auiietiiueu.  das»  sie  im  8.  Jahrhundert  eben- 
falls einen  an  Ursula,  wenn  auch  entfernt,  anklingenden  celtischen 
Xanten  führte  '  i. 

Wo  ist  aber  in  der  englischen  Sage  ein  Name,  den  die  Kölner 
als  „Winnosau  vernehmen  konnten  V  Ich  vermag  denselben  nur  in 
dem  Xameu  des  Königs  Dionotus  wiederzufinden.  Dieser  heisst  in 
der  wälisehen  Uearl»eitung  des  (iottfried,  der  sog.  Chronik  des 
Gruffud  ap  Arthur*),  ,I)miawt\  und  denselben  Xamen  tührt  ebendort 
der  Abt  des  Klosters  Hangor,  den  Gottfried  XI  12  nach  Beda  II  2 
,Diuoot'  oder  ,Dinooth'  nennt.  Wie  leicht  aber  der  letztere  Xame 
als  „Wimms*  vernonnnen  werden  konnte,  zeigen  mehrere  Beispiele 
derselben  Sprache.  Den  Dicalidones  bei  Amin.  Marc.  XVII  8  ent- 
spricht ein  lÜKeavo?  AounKaXn,bövioq  (sprich:  Dwi-)  bei  Ptol.  II  3; 
der  König  der  Deuren  Dutigim  bei  Xeim.  02  wird  von  Dietzen- 
bach, Celt.  I  S.  230  für  identisch  gehalten  mit  Withigem.  dessen 
um  dieselbe  Zeit  E  t  h  e  1  w  e  r  d  gedenkt.  Der  Uebergang  des  t 
oder  th  in  s  am  Ende  des  Wortes  hat  vollends  nicht  die  geringste 
.Schwierigkeit  5>.  Die  Richtigkeit  unserer  Darlegung  vorausgesetzt, 
würde  daher  der  Erhebung  Pinnosaa  zur  Anführerin  der  Kölner 
Mürterinnen  eine  Verwechselung  zwischen  dem  Namen  der  Tochter 
und  des  Vaters  zu  Grunde  liegeu.  Wie  wenig  übrigens  Pinnosa  in 
ihrer  Würde  Anerkennung  fand,  geht  daraus  hervor,  dass  es  ausser 
dem  Sermo  kein  einziges  Denkmal  mehr  giebt,  in  dem  sie  als 
Führerin  bezeichnet  wird;  nur  nennt  das  Seligenstädter  Martyro- 
logium  sie  als  eine  der  drei  .nominatissimae  virgincs'.  die  Kölner 
Legende  Regnantc  domino  sowie   das  Register  in  einem  alten 

1)  Ganz  ausgeschlossen  ist  der  Gedanke,  dass  die  etwa  seit  dem  Ende 
des  y.  Jahrhunderts  in  Köln  sich  festsetzende  Anerkennung  Ursulas  als  An- 
führerin anf  die  britische  Sage  Kinfluss  gehabt  haben  wollte;  dafür  war 
die  Keimt  niss  und  Verehrung  der  kölnischen  Mürterinnen  in  der  genannten 
Zeit  noch  eine  viel  zu  lokale,  ganz  abgesehen  davon,  dass  die  britische 
Sage  eine  in  sich  geschlossene  war,  die  keiner  fremden  Entlehnung  be- 
durfte. 

2)  Abgedruckt  in  Mvvyrian  Archaiology  of  Wales  II. 

8)  Als  weitere  Stütze  für  unsere  Veruiuthung  möge  noch  dienen, 
dass  der  König  Dionotus  bei  Wae  c,  Roman  de  Brut  v.  6124  Clionos,  in 
einem  niederrlieinischen  Lobgedicht  auf  St.  Ursula  aus  dem  13.  Jahr- 
hundert Vionetus  heisst  (vgl.  Altdeutsche  BlAttor  II  S.  411. 


Studien  zur  Geschichte  der  Kölner  Mitrteriimen. 


145 


Brevier  von  St.  Aposteln  l)  weisen  ihr,  eingedenk  ihrer  früheren 
Stellung  den  /.weiten  Rang  an,  und  vou  ihr  nilein  erscheint  in  den 
Essener  (jetzt  Düsseldorfer)  Knlendarieu  D  2  und  Ii  aus  dein  Ende 
de»  9.  und  dem  Anlange  des  10.  Jahrhunderts  das  Fest  der  Trans- 
latio  am  2M.  Februar.  Schon  hei  Waudalhert  inuxs  daher  Pinnosa 
ihre  Würde  als  Ftlhrerin  der  Jungfrauenschaar  mit  den  zehn  übrigen 
namentlich  bekannten  Jungfrauen  theilen.  Allein  einer  Spitze  konnte 
die  nach  Tausenden  zählende  Schaar  unmöglich  entbehren.  Da 
führte  jedenfalls  die  Kunde,  das»  in  der  englischen  Sage  eine  Jung- 
frau die  hervorragendste  Rolle  spiele,  die  mit  ihrem  latinisirten  Namen 
Ursula  hiess,  ein  Name,  der  mit  einem  Namen  der  Kölner  Tradition 
vollständig  übereinstimmte,  die  Entscheidung  herbei:  von  nun  an 
wurde  und  blieb  Ursula  die  Anführerin  der  ganzen  Schaar,  während 
die  übrigen  zehn  bekannten  Jungfrauen  eine  leitende  Stellung  unter 
ihrer  Oberhoheit  behielten.  Allem  Anscheine  nach  vollzog  sich  diese 
Umbildung  gleichzeitig  mit  der  Feststellung  der  Zahl  1100U,  welche 
ebenfalls  englischen  Einfluss  verrftth*!.  Zum  ersten  Male  finden  wir 
Ursula  an  der  Spitze  iu  dem  ans  dem  letzten  Viertel  des  9.  Jnhr- 
huuderts  stammenden  Kalendarium  B  i  n  t  e  r  i  m  s  •,},  dann  mit  einem 
Rathc  von  zehn  adeligen  Jungfrauen  umgeben  in  der  demnächst  zu 
behaudclndeu  kölnischen  Legende.  So  entsprechen  die  verschiede- 
nen Jungfrauen,  welche  man  au  die  Spitze  der  heiligen  Sehaar  ge- 
stellt hat,  im  wesentlichen  den  verschiedenen  Anschauungen,  welche 
uaeh  einander  bezüglich  der  Zahl  dieser  Schaar  Geltung  gehabt 
haben:  Martha  und  Saida  den  elf,  Pinnosa  den  Tausenden,  Ursula 
den  elftausend  Jungfrauen. 


<i.  Die  wälisch- bretonische  Ursulasage. 

Die  Vollständigkeit  unserer  Darlegungen  erfordert  ein  kurzes 
Eingehen  auf  die  Entwickeluug  der  wälisch -bretonischen  Ursulagage, 
welche,  wie  schon  die  vorhergehenden  Abschnitte  gezeigt  habeu 
und  der  folgende  iu  noch  höherem  Grade  zeigen  wird,  für  die 

1)  Vgl.  S.  135. 

2)  Vgl.  S.  13!>. 

3)  Freilich  hier  nur  an  der  Spitze  der  Klfe.  Der  Verfasser  des 
Kalendariuma  scheint  von  seiner  Vorlage  nur  in  der  Stellung1  des  Namens 
Ursula  abgewichen  zu  sein. 

Jahrb.  d.  Ver.  v.  AUerttasfr.  Im  Rhelul.  XCHl.  10 


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146 


J  o  so  p  Ii  K  I  i  n  k  c  n  b  er  g: 


kölnische  .Martergeschichte  von  so  entscheidendem  Kinflnsse  geworden 
ist.  Freilich  mache  ich  auf  diesem  weit  abliegenden  (lehiete  am 
wenigsten  Anspruch  auf  eine  erschöpfende  Behandlung  der  Frage: 
nichtsdestoweniger  glaube  ich,  die  verfügbaren  Hausteine  Hammeln 
und  zu  einem  wenn  auch  noch  so  lückenhaften  Manzen  vereinigen 
zu  inllsscu. 

Wie  schon  frfdier  gesagt  wurde      ist  der  Zeuge  der  hritisehen 
Uisulasagc   für   uns   (»ott  fried    von   Mon  itioiit  li !)  (wälisch 
Onifludd  ap  Arthur),  geb.  zu  Moninouth  -Monovaga,  .Mouuinethia, 
wiUisch  Mynvv  .  Adoptivsohn  seines  Oheims  Uehtrvd,  Bischofs  von 
Llandav,  später  Archidiaconus  in  Llandav,  gestorben  llöl  «»der  llf>2, 
als  er  eben  zum  Bischof  von  Asaph  in  Xordwales  erhöhen  worden 
war.    Seine  zwischen  11 '$2  und  ll.'tä  in  hlflhender  Sprache  ahge- 
fasste  Historia  regnm  Britanniae  bildet  den  Ausgangspunkt  für  eine 
neue  Periode  der  romantischen   l'oesie  des  Mittelalters.    Was  an 
geschichtlicher  Uehcrliefcrung,  Sage  und  Lehrende  vereinzelt  im  bri- 
tischen Volke  lebte,  das  hat  (Jottfried  in  diesem  von  der  Unkennt- 
nis* früherer  Zeiten  so  oft  als  Lügengewebe  verschrieenen,  jetzt 
aber  zur  vollen  Anerkennung  gelangten  Wrerke  in  einem  einzigen 
lebensvollen  Cesammtbilde  der  («csehiehte  der  Briten  von  Bruttig 
bis  Cadwalladr  vereinigt.    Bezüglich  seiner  Quelle  sagt  er  selbst 
in  der  Vorrede,  er  habe  Jibruni  Britannici  sermonis  vctustisshnuin, 
«pieni  Waltherus  Oxinefordensis  archidiaconus  cx  Britannia  advexif, 
ins  Lateinische  übersetzt.    Dass  der  Ausdruck  „übersetzen"  nicht 
wörtlich  zu  nehmen  ist,  geht  schon  aus  dem  Umstände  hervor,  dass 
in  Gottfrieds  Werk  Stellen  aus  (iildas,  Beda  und  Nennius  Aufnahme 
gefunden  haben.    Der  ^Britanniens  scruio"  ist  von  der  wälischen 
Sprache  zu  verstehen,  da  diese  offenbar  die  vornehmlichste  Quelle 
Gottfrieds  besitzt.    Im  rothen  Buche  von  Hergest  rindet  sieh  näm- 
lich eine  im   J.  Bande  der  Myvyrian  archaiologv  of  Wales  ab- 
gedruckfc  und  von  Roberts  ins  Englische  Ubersetzte  Chronik,  der 
sog.  Brut  Tysylif i.  au  deren  Schlnss  die  Bemerkung  steht:  „Ich, 
Walthcr.  Archidiaconus  von  Oxford,  übersetzte  dieses  Buch  aus  dem 
Wälischen  ins  Lateinische,  und  in  einem  hohem  Alter  übersetzte  ich 

Ii  H.  J.  LXXXIX  S.  131. 

2)  l'eber  ilm  vgl.  San  M  n  i  t  e,  (iottt'riols  von  Momiiouth  historia 
regnm  lirit.'tnniae  uml  Brut  Tysylin.  ~  Zur  Kritik  «l«-r  Jlisiorin  regum 
Hritniminc  Oes  (iottf'rieri  von  Moniiinulh :  Neue  Mittlicilnniroii  au«  dein 
<;<  liii-te  lu'storisi-h  aiilitjuarisi  hcr  Foisiliuiigen  IX  S.  49—75. 


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Studien  stur  Geschieht«  der  Kölner  Milrterinnen. 


147 


es  zum  zweiten  Male  au«  dein  Lateinischen  ins  Wälisehe."  Die 
nähere  Deutung  dieser  Worte  sowie  die  Lösung  anderer  Schwierig- 
keiten, welche  sich  an  den  Brut  Tysylio  anknüpfen,  liegt  ausserhalb 
unserer  Aufgabe;  hier  «ei  mir  noch  erwähnt,  dass  das  vorliegende 
Werk,  dessen  Inhalt  genau  dem  Inhalte  des  < lottfried'sehen  Werkes 
parallel  ist,  nicht  über  da«  Jahr  Ii  Kai  hinaufreicht.  Im  Brut  Tysylio 
lautet  nun  die  Ursulasage  in  deutscher  Uebcrsetzting  folgender- 
massen  '/: 

„Zu  der  Zeit  waren  häufige  Sehlachten  /wischen  den  armori- 
eanischen  Briten  und  den  Gauls;  und  als  dies  lange  stattgefunden 
hatte,  wünschten  diese  Briten,  auserlesene  Krauen  zu  haben,  und 
sandten  daher  zum  Fürsten  von  Cornwall,  der  Britannien  zu  ver- 
teidigen zurückgelassen  war,  mit  dem  Gesuch,  ihnen  1  KM)  Töchter 
vornehmer  Briten  und  (50  3 1  Töchter  von  Fremden  und  Sklaven 
zu  schicken.  Die  Zahl  der  Jungfrauen  wurde  zusammengebracht 
und  eingeschifft  und  ging  unter  Segel.  Aber  bei  widrigem  Winde 
scheiterten  ihre  Schiffe  und  einige  gingen  unter.  Zwei  der  Schiffe, 
an  die  gallische  Küste  verschlagen,  wurden  von  Gwnvns  und  Melwas 
ergriffen,  die  dort  an  der  Küste  mit  Rotten  aus  Germanien  zur 
Unterstützung  des  Gratian  waren.  Als  die  Männer  von  den  Jung- 
frauen erfuhren,  dass  Britannien  von  Truppen  enthlösst  sei,  wechsel- 
ten sie  ihren  Lauf  und  fuhreu  gegen  Britannien.  Dieser  Gwnvas 
war  ein  König  der  Hunnen  und  Melwas  ein  König  der  Piktavier; 
und  diese  zwei ,  nach  dem  Norden  Britanniens  segelnd ,  landeten 
und  vertilgten  die  Kinwobner,  wo  sie  sie  fanden." 

Man  bemerke  zunächst  in  diesem  kürzern  Bericht  des  Brut 
Tysylio  die  von  Gottfried  abweichenden  Zahlenangaben,  insbesondere, 
dass  bei  letzterm  aus  den  Hunderten  des  Brut  Tysylio  Tausende 
geworden  sind.  Viel  wichtiger  ist  der  Umstand,  dass  die  Xieder- 
nictzelung  der  verschlagenen  Jungfrauen  im  Brut  Tysylio  ganz  über- 
gangen ist.  Allein  die  Thatsache,  dass  dieselbe  nach  den  Andeu- 
tungen des  Sermo  iu  natali  bereits  in  karolingiseher  Zeit  in  Köln 
bekannt  war  und  offenbar  den  llauptanstoss  zur  Vermischung  der 
wülischen  Sage  mit  der  kölnischen  IleiligengeschicJite  geboten  hat, 
beweist,  dass  Gottfried  seine  Darstellung  aus  der  lebendigen  Febcr- 
licferung  geschöpft  hat. 

1)  Sun  Marte,  Gottfried  S.  r>2f>  ff. 

2)  Die  Sache  selbst  und  ein  Vergleich  mit  (rnttlricd  m-Immiumi  /.u 
fordern,  das«  G0  II  u  n  d  e  r  t  e  gemeint  sind. 


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14S 


.1  o  s  <•  |>  h  K  I  i  n  k  e  n  h  e  r  jr : 


Auwer  dem  Zeugnisse  des  Brut  Tysylio  und  Gottfrieds  ver- 
mag ich  kein  anderes  für  die  grosse  Wanderung  britischer  Krauen 
naeh  Armorica  und  für  ihren  Untergang  beizubringen.  Dagegen 
berühren  auch  ältere  Denkmäler  diejenigen  Punkte,  an  «eiche 
(•ottfrieds  und  Walthcrs  Erzählung  direkt  ansetzt,  dass  nämlich 
Mnximus  britische  Krieger,  die  er  mit  sich  geführt,  in  Armorica 
angesiedelt  halie  und  dass  die  durch  seine  Krobernngsgelüste  ver- 
anlasste Entblössung  Britanniens  von  Militär  die  Ursache  der  Ver- 
wüstung des  Landes  durch  die  Pikten  und  Skoten  geworden  sei. 
Die  Erzählung  von  der  Fraucnwanderung  verfolgt  offenbar  unter 
anderni  auch  den  Zweck,  die  Besiedelung  Armoricas  durch  Briten 
und  den  Einfall  der  Pikten  und  Skoten  in  einen  äussern  Zusammen- 
hang zu  bringen.  Hören  wir  zunächst  Gildas  de  exeitlio  Brit.  14: 
Exin  (nämlich  nach  dem  Abzüge  des  Maximus)  Britanuia  omni  nr- 
niato  milite  militnrihusque  eopiis  |eduetis?j  rectoiibus  lim|uitur  im- 
inanibus,  ingenti  iuventnte  spoliata,  q  u  a  e  c  o  m  i  t  a  t  a  v  e  s  t  i  g  i  i  s 
supradicti  tyruuiii  dorn  um  nnnquam  ultra  rediit,  et 
omnis  belli  usus  ignara  penitus  duabus  priimun  gentibus  trans- 
uiarinis  vehementer  saevis,  Scotnrmn  a  circione,  Pictorum  ab  aqui- 
lone,  calcahilis  multos  stupet  geinettpie  per  annos.  Zu  dieser  Stelle 
bietet  eine  willkommene  Ergänzung  der  dritte  Theil  der  14.  wäli- 
schen  Triade1,  welcher  in  deutscher  Ueberset/.ung  lautet:  „Das 
dritte  einfallende  Heer  wurde  aus  dieser  lm*cl  hinausgeführt  von 
Elen  Lüyddawg  und  Ghynan,  ihrem  Bruder.  Herrn  von  Meirion, 
nach  Llydaw  i  Letavia,  d.  h.  Seeküste,  gleichbedeutend  mit  Armo- 
rica i,  wo  sie  Land,  Herrschaft  und  Königreich  erhielten  von  dem 
Kaiser  Macscn  Wlcdig*>,  weil  sie  ihm  Hülfe  gegen  die  Römer  ge- 
bracht hatten,  und  keiner  von  ihnen  kehrte  zurück,  son- 
dern sie  I  i  e s s e n  sich  nieder  in  Llydaw  und  Y  s t  r e 
(J  vfaclwg  und  bildeten  dort  ein  Gemeinwesen."  Man  bemerke 
hier  insbesondere  den  Anführer  der  Ansiedler  Chynan,  ,arglwydd 
Meiriadawe',  welcher  dem  Cnnanus  Meriadocus  Gottfrieds  entspricht. 

Nach  einer  andern  Richtung  ergänzt  unsere  Kenntnis*  der  ge- 
schichtlichen und  sagenhaften  Ueberlicferungen  des  britischen  Volkes 

ll  Abgedruckt  in  Tin-  Myvyrian  Archaiolnjfy  nl"  Wales  II;  Da  vi  es, 
Cellie  licM  arehes  .»n  tlie  oriffin  . . .  of  the  ancient  Brilons;  Diefenbach. 
Oltira  II  2  S.  7!». 

2l  D.  h.  der  Ituhiiireiehe,  entsprerliend  «lein  Titel  Atlgnstnä  der 
römischen  Kaiser. 


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Studien  zur  Geschichte  der  Kfilner  Marteriii  neu. 


149 


über  die  Periode  des  Maximus  der  Bericht  des  unter  dem  Namen 
des  Xennius  bekannten  (Geschichtsbuches  $  27:  Soptimus  imperator 
reguavit  in  Britaunia  Maximianus  (er  meint  Maximus).  Ipse  perrexit 
enm  omnilms  militibus  Britonum  a  Britaunia  et  oeeidit  (tratiannm, 
regem  Romanorum.  et  imperium  tenuit  totins  Enropae,  et  n  o  I  u  i  t 
dimittere  milites,  qni  perrexerant  cum  eo,  ad  Bri- 
tann i  am  ad  uxorcK  «iiiik  et  ad  f  i  I  i  o  s  s  n  o  s  e  t  a  d  pos- 
sessio neu  suas;  sed  dedit  illis  multas  redimiert  a  stagno,  qnod 
est  super  vertieem  moutis  lovis  usqne  ad  civitatem,  quae  vocatur 
Cantgnie  (Qanentnvie  am  Flusse  Qucuta)  et  nsque  ad  cumnlum  occi- 
dentulem,  i.  e.  Cruc  Ochidicnt.  (Britones  namqiic  Annoriei,  qni 
ultra  niare  sunt,,  enm  Maximo  tyrnnuo  liine  in  expeditionem  exeuntes, 
qnoninm  redire  nequiverant,  oecidentales  partes  Ualliae  solo  tenus 
vastavernnt  nee  mingentes  ad  parietem  vivere  reliqnernnt,  aeeeplis- 
qne  enrnm  uxorihus  et  tiliahus  in  coningiuui  omnes  eartim  linguas 
ampntaverunt,  ne  eorum  successio  niaternam  linguam  disceret.  Unde 
nos  illos  voeanms  .Letewiceion'.  i.  e.  semitacentes,  quoniam  confusc 
loqunntur  '  t.]  Iii  sunt  Britones  Annoriei  et  nunquam  reversi  sunt 
hue  usqne  in  hodierunm  diem.  Prnptcr  lioe  Britanuia  oeeupata  est 
ab  extraneis  gentitfiis  et  cives  expulsi  sunt,  usque  dum  dens  anxili- 
um  dederit  illis. 

Auch  liier  erscheint  wie  bei  Oildas  und  in  der  14.  Triade  die 
Ansiedelung  britischer  Krieger  in  Gallien,  speeiell  in  Anuoriea,  und 
dieselbe  ist  in  ursächlichen  Zusammenhang  gebracht  mit  der  Be- 
setzung Britanniens  durch  fremde  Volksstämme.  Besondere  Beach- 
tung verdient  die  Interpolation.  Sie  erzählt  ähnlich  der  Ursulasagc 
Gottfrieds  die  Versorgung  der  hretagnischen  Ansiedler  mit  Frauen, 
nur  sind  es  hier  Gnllierinnen.  denen  man  die  Zunge  ausschneidet, 
um  einer  Vermischung  der  Sprache  vorzubeugen;  die  ganze  Er- 
zählung wird  dann  zu  volksetymologisehcr  Deutung  des  Namens 
,Ijetewieeion'f  offenbar  —  Letaviei,  Bewohner  von  Letavia,  verwerthet. 
Mit  (Gottfrieds  Ursulasage  stimmt  unsere  Darstellung  auch  im  Zwecke 
ttbercin:  licide  wollen  die  Brciziz  C.Bewohner  der  Bretagne/  als  echte 
Briten  erscheinen  lassen,  indem  hier  die  Vermischung  der  Sprache, 


1)  Die  eingeklammerte  Stelle  «steht  am  Rande  de»  cod.  139  den 
Corpus-Chriisti-Collcge*  zu  Cambridge,  im  Texte  zweier  anderer  Ncnnius- 
handschriltcn. 


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lfiO 


Josuph  K  I  i  n  k  e  n  1>  c  r  ;r: 


dort  die  Vermischung  des  Blutes  mit  den  Galliern  aiiKdrücklieh 
zurückgewiesen  wird  '}• 

Den  historischen  Kern  aus  diesem  Knäuel  von  Wahrheit  und 
Dichtung  herauszuschälen,  ist  sehr  schwierig.  Dass  Magnus  Clemens 
Maxiinus  dureh  seinen  Abzug  nach  Gallien  im  Jahre  ;»N.i  Hritannieu 
zu  einer  Zeit,  wo  es  fortwährend  von  den  Pikten  und  Skoten  be- 
droht war-,  wehrlos  machte,  steht  fest.  Aueh  an  der  Anlage  von 
britischen  Militärkolonicen  iu  Aniioriea  unter  jenem  Kaiser  kann  bei 
der  rcbcreinstiniinung  der  Zeugnisse  nicht  gezweifelt  werden  3t. 
Nimmt  man  mm  an.  was  sehr  nahe  liegt,  dass  iu  den  folgenden 
bedrängten  Zeiten,  zumal  seit  410,  wo  Britannien  von  Rom  auf- 
gegeben wurde,  zahlreiche  Auswanderer  aus  Wale»  und  Cornwales 
sieh  nach  der  Bretagne  zu  ihren  Landsleuteu  bejahen  und  dass 
ein  Trupp  derselben,  unter  dem  sieh  besonders  viele  Frauen  be- 
fanden, dureh  Sturm  und  Barbarenwuth  einen  traurigen  Untergang 
fand,  so  erklärt  sieh  die  l.'rsulasage  des  Unit  Tvsylio  und  Gott- 
frieds.  Vollständig  unglaubwürdig  al>cr  sind  die  .Schlachten  zwischen 
Galliern  und  Briten  und  die  Ausrottung  der  ursprünglichen  Bewohner 
des  Landes,  von  denen  der  Interpolator  des  Xennius,  der  Brut 
Tvsylio  und  Gottfried  erzählen:  hier  haben  wir  es  lediglich  mit 
einer  Krtindung  des  wälischen  Xationalstolzes  zu  thun.  der  auch  die 
lleldenthateu  des  Königs  Arthur  freien  die  Sachsen  weit  über  das 
gebührende  Maass  zu  erheben  und  zn  einem  der  gefeiertsten  Gegen- 
stände mittelalterlicher  Ilcldcnpocsic  zn  machen  wusste. 


7.  Die  liegende  ,Regnante  domino*. 

Die  niannichfaltigeu  Ansichten,  welche  sich  im  Laufe  der  Jahr- 
hunderte auf  Grund  verschiedener  Quellen  Uber  die  Schicksale  der 
Kölner  Malierinnen  gebildet  hatten,  sind  gleichsam  erystallisirt  iu 
der  .Passio  sauctarum  virginuiu  XI  ntiliunr  oder  der  Legeiule 
.Kegnantc  domino\  wie  sie  kurz  nach  ihren  Anfangsworten  genannt 
wird.  Ausserordentlich  ist  das  Ausehen,  dessen  sich  dieselbe  «las 
ganze  Mittelalter  hindurch  erfreut  hat:  das  beweisen  die  unzähligen 

lt  J>  i  e  l'l'e  n  »i  a  c  Ii,  Ccltira  II  2  S.  172  und  Ainnerk. 
2>  Niehl  er*t  s|>;lt«>r,  wir  l?rut  Tysvlio  und  Gottfried  behaupten. 
3)  Vtfl.  Lappenher^,  GeMdiiclite  von  Knglatid  I  S.  ftt>  ff.  Walter, 
Dhs  alte  Wales  S.  77.    San  Marl«,  Gottfried  S.  2'.V. 


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fltttdien  stur  ««schichte  der  Kölner  MHrterinnen.  IM 

Handschriften,  in  denen  sie  allenthalben  verbreitet  ist,  sowie  der 
Umstand,  dass  alle  spätem  Ursulale-enden.  den  Sermo  in  natali 
gänzlich  vergessend,  nur  ihr  tollen.  Selbst  als  die  Kritik  sieh 
dienet»  Gegenstandes  zn  bemächtigen  anfing,  hat  ihr  Kiulluss  noch 
fortgedauert,  Und  nicht  bin«  die  Darstellung  eines  Crom  bau  Ii. 
sondern  selbst  die  netteren  und  in  ganz  entgegengesetztem  Sinne 
abgefaßten  eines  Kettberg,  Sehnde,  De  Huck,  Kessel  und 
Stein  knüpfen  an  sie  als  mehr  oder  minder  reine  Geschichtsqiielle 
an1).  Und  doch  int  uiiRcre  Legende  nicht*  anderes,  al»  eine  mit 
poetischen  und  erbaulichen  Zuthnten  ausgeschmückte 
Bearbeitung  der  w  ä  1  i  s  c  h  -  h  r  e  t  o  n  i  s  e  Ii  e  n  U  r  s  u  I  a  s  a  g  e, 
zu  der  die  killnische  Tradition  und  der  Sermo  in 
natali  einzelne  Züge  geliefert  haben. 

Unter  den  Handschriften  haben  bisheran  die  meiste  Beachtung 
gefunden  der  Codex  7084  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Brüssel  aus  dem 
XL  Jahrhundert,  die  älteste  bekannte  Handschrift  der  Legende, 
auf  welche  sich  vornehmlich  der  Text  bei  den  Bollandisteu  gründet*), 
nnd  der  Codex  der  Utrechter  Carthausc.  der  durch  verscluedene 
Zusätze  beweist,  dass  auch  im  Mittelalter  der  enge  Zusammenhang 
zwischen  unserer  Legende  und  der  wälisch-bretonische»  Sage  „leht 
unbekannt  war.  Uür  die  Kntstehungsgesehichte  des  Werkes  ist 
von  grosstcr  Bedentung  der  Codex  lat.  1H807  der  Kgl.  Hot- 
tn.d  Staatsbibliothek  zu  München,  welcher  w,e  schon 
im  dritten  Abschnitte  dieser  Studien  erwähnt  wurde,  die  Legend« 
hinter  dem  Sermo  in  natali  auf  p.  enthält.    Sie  zc.  all 

hier  in  zwei  Tbeile.  Der  ernte,  p.  252-282  ist  von  «««  and 
des  XL-- XII.  Jahrhunderts  sehr  sorgfältig  geschrieben  und  schlusst 

folgendermassen : 

O  M-h-  »...■  AU*  in  «Ho  taetu,,,  es,  tripudiu.n.  M«»lj.  occur*n>  n 
civlmn  supernonun,  qua,  eli.m  exsultatio  apoMn.orun,,  .«an,  <  k»o      o  - 
gratulatio  pntriarcharum,  p,  ophetarun,  et  von.es^oru.n,  cm ,.   um  an.. ,u 
Quorum   partieipes  effici   meruere  gaudiorum   praestante  .lo.mno  noMro 
lesu  Christo,        vivit  et  - 

Offenbar  folgte  noch  wie  am  Schlüsse  des  «weiten  1  heile«: 
,regnat  in  Kaccnla  saeculorum.    Amen/     Von  dem  Worte  ,cmn  ab 

U  Man  denke  nur  daran,  dass  alle  ohne  Ausnahme  in  den.  Berieh« 
unserer  Legende,  die  Hunnen  seien  die  Mörder  der  hl.  Jungfrauen  ge- 
wesen,  einen  historisehen  Kern  suchen. 

2)  Act.  Sanet.  Oet.  IX  p.  157  *«!• 


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152 


Joseph  Klinkenberg: 


ist  der  Text  bis  zum  Schlüte  von  einer  spätem  Hand  durchstrichen. 
Ebendort  stehen  am  Knude  zunächst  zwei  unleserliche  Wörter;  dann 
folgt  von  einer  Hand  des  XV.  Jahrhunderts:  ,ihi  fnit  etiani  tinis  in  libro 
Buronensi'.  Auf  p.  beginnt  der  zweite  Theil  mit  den  Worten: 
,Ut  etiam  Colonia  illa  hcata(  in  kleinerer  Schrift  und  mit  zahlreichen 
Abkürzungen  (XII.— XIII.  Jahrhundert);  die  ersten  Zeilen  stehen 
auf  Rasur.  Alle  hishernti  bekannten  Handschriften,  auch  die  Brüsse- 
ler, {»eben  unsere  Legende  mit  Auslassung  des  im  Mttnchencr  Codex 
ausgestrichenen  Schlusses  des  ersten  Theiles  als  ein  Ganzes.  Dass 
sie  letzteres  aber  nicht  ist,  dafür  liefert  unser  Codex  noch  einen 
zweiten  Beweis.  Cap.  21  heisst  es  nämlich  in  allen  bekannten 
Handschriften  nach  dem  Worte  Jiahitare': 

Sed  quid  Iiis  assertionibus  opus  est,  cum  famula  dei,  cui  haec  reve- 
latio  ostensa  est,  tarn  eelcbria  vitae  tami|ue  saiictae  conveisationi«  tuerit, 
ul  ipsa  pro  eerlissirno  veritatis  testimonin  habenda  sit.  Est  cniiii  locus  in 
Saxonia  Hersc  ibique  uxqtie  hodie  jrloriosa  saiu-tinionialiuin  con^iopatio, 
ubi  saiietn  illa  nata  et  nulrita  peracto  sanetissiinae  vitae  eursu  mint'  ror- 
pmaliter  in  pacc  quieseil.  quamvis  Ultimi  tetnporis  sui  aliquantum  in 
montc,  quo  civitas  Ihur^  sita  est,  in  eadem  sanetitate  exefjerit.  Haitis 
vitae  et  sanetitatis  tot  sunt  teates,  quot  vel  hodie  Heise  sauclimoniales 
sunt  vel  ab  iude.  luerunt,  et  verissimae  utpoU>  deo  verbis  liominuin  ad- 
stipulante.  ITsque  hodie  eniui  ad  tuinulum  eius  t'requenter  redditur  Itiniru 
raecis,  gressus  elaudis,  infirmi  ad  usuni  vilae  reparantur  et  oh.sesxi  ab 
iininuudis  spiritibus  emundautur;  ideoque  eompetens  eius  testimonlum 
l'uil,  et  netas  est  dubitare.  quod  de  sancla  »anelae,  de  sponsa  sponsae,  de 
dileeta  dilectae.  auae  dominus  dignatus  est  revelare. 

Diese  ganze  Stelle  fehlt  im  Münchencr  Codex;  an  eine  frei- 
willige oder  unfreiwillige  Auslassung  ist  nicht  zu  denken;  sie 
mnss  daher  als  späterer  Zusatz  zu  der  Passio  sanetae  Cordula«  be- 
trachtet werden.  Letztere  scheidet  sich  aber  selbst  wieder  inhalt- 
lieh scharf  von  dem  vorhergehenden  Abschnitte,  der  die  Beziehungen 
der  heiligen  Mürtcrinncn  zu  Köln  zum  Gegenstaude  hat  und  mit 
einem  Preis  des  Glückes  der  Stadt  beginnt  und  sehlicsst;  und  da 
dieselbe  nach  dem  Zeugnisse  Crombaehs  in  einzelnen  Hand- 
schriften fehlt,  in  andern,  wie  im  Brüsseler  Codex,  durch  die  Rand- 
bemerkung ,Hie  ineipit  passio  s.  Cordnlac'  als  neuer  Abschnitt  be- 
zeichnet wird,  so  haben  wir  dieselbe  als  eine  besondere  Legende 
zu  betrachten.  Dafür  sprechen  auch  mehrere  innere  Gründe,  welche 
unten  aufgeführt  werden  sollen. 

Durch  die  Zerlegung  der  Passio  in  verschiedene,  nach  ein- 
ander abgefasste  Thcilc  wird  auch  die  von  De  Buck  versuchte 


Studien  zur  Geschichte  der  Kölner  MHrterinnen. 


153 


Zeitbestimmung  derselben  berührt').  Letzterer  nimmt  an,  die  ganze 
Passio  sei  1111  vollendet  gewesen,  da  in  diesem  Jahre  Sigebert 
von  Gemblours  einen  Auszug  derselben  in  seine  Chronik  aufgenommen 
habe  *).  In  Wirklichkeit  aber  gilt  dieses  Argument  mir  für  den 
ersten  (vielleicht  mich  für  den  /.weiten)  Theil  der  Legende,  da  von 
der  hl.  Cordula  bei  Sigebert  mit  keinem  Worte  geredet  wird. 
Nichtsdestoweniger  niuss  das  Ganze  schon  im  XI.  Jahrhundert 
vollendet  worden  sein,  da  es  mn  diese  Zeit  im  Brüsseler  Codex  er- 
scheint. Dann  dürfen  wir  wohl  mit  Fug  und  Kecht  den  ältesten, 
dreimal  erweiterten  Abschnitt  der  Passio  dem  X.  Jahrhundert  zu- 
weisen; weiter  hinaufzugehen  erlaubt  die  1 1000-Zahl  der  Ursulani- 
schen Märterinnen  nicht,  welche,  wie  früher  gezeigt  wurde,  erst 
gegen  das  Jahr  ÜOO  nachweisbar  ist.  Und  in  der  That  passt  unsere  v 
Legende  in  «las  an  lateinischer  Poesie  der  Geistlichen  so  reiche 
Zeitalter  der  Ottonen  recht  wohl  hinein.  Dass  auch  sie  einen 
Geistlichen  zum  Verfasser  hat,  beweisen  schlagend  die  zahlreichen 
in  den  Text  eingefügten  Bibelstellen.  Als  ihren  Entstehungsort 
müssen  wir  schon  um  des  Gegenstandes  willen  Köln  annehmen; 
jedenfalls  uöthigt  der  Preis  Kölns  (e.  18  und  22)  und  die  Anrede 
an  die  Stiftsdamen  von  8t.  Ursula  (c.  22}  dazu,  wenigstens  die 
spätem  Theile  hier  entstanden  zu  denken. 

Wir  geben  nunmehr  den  im  Laufe  der  Zeit  immer  mehr  ver- 
derbten Text  der  Legende3)  nach  dem  M unebener  Codex  (M)\ 
Fehler  des  letzteren  —  fast  sämmtlich  .Schreibfehler  —  sind  nach 
den  frühem  Ausgaben  verbessert.  Im  Uebrigen  weicht  unser  Text 
von  den  bisheran  bekannten  nur  in  so  untergeordneten  Dingen  ab, 
dass  eine  Aufzählung  der  bezüglichen  Stellen  als  überflüssig  er- 
scheint. Ausserdem  führen  wir  noch  in  den  kritischen  Fussnoten 
die  wenigen  Zusätze  des  Utrechter  Codex  (U)  auf. 


1)  Act.  Sanct.  Oct.  IX  p.  79  sq. 

2)  Vgl.  P  e  r  t  /.,  Moiiumcnta  VI  p.  310. 

8)  Dies  lehrt  ein  Vergleich  desselben  bei  Surius  und  De  B  u  c  k 
sowie  dessen  Nachfolgern;  fehlt  doch,  um  anderes  zu  übergehen,  bei  De 
Ruck,  Kessel  und  Stein  in  c.  3  und  17  je  ein  ganzer  Satz! 


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154 


Joseph  Klink  enber>r: 


luclplt  pMsio  »anetarum  rii^liinm  ■ndcciam  Billlan. 

1  Kehllaute  Dominn  nostrn  lesu  ClnUtn  rum  po?.t  passionem,  restir- p.  »ft» 
reotionrm  et  aseeiisionem  eius  cnn  verein  ad  deiiin  cUnells  tili  Ilms  terra»' 

tiec  Oreani  ati'ruluH  allquin  ni»  a  calore  fidei  ein«  abwanderet,  in  c-onve- 
uiendo  populns  in  unuiti  et  ■  retfes,  ut  servirent  domino'j,  fuit  in  Iirilanniai» 
ftpartibus  rex  quidain  Deouotus  tarn  vita  quam  nomine.  <|ui  relijriosus  in 
oimiihits  caeremonii*  enthobene  prol'eNMonis  *ii-  priueipare  novit  supra 
homines,  ut  non  oblivisreretur,  quntetn  croatnrl  suo  Mil>iei*tioiK-m  deheret. 
sie  a  |  Mihriitis  trihutum  ex1«rere,  ut  so  semper  meminerit  re-ri  sun  caelesti  p.  ws 
id,  quod  all  00  fnetus  est,  debere.  Is  erjro  rex  nun  suh  iu>ro  Christi,  sub 

10  quo  ij)M«  irreprehensibiliter  militaverat,  aliis  irrt'|>ri*lit*iisibilit«»r  et  iut»tiE*Kiiiit< 
iinperaret,  in  beiiediotione  seininis  Alirahae*)  tarn  jfenerositate  quam  vir- 
tutum  >perie  ruiiipi'tvnlriii  sil>i  aeeepit  uxorem.    Sed  sieut  in  vasis  irae 

.  duplici  eoutritione  feriendis  ira  iu.stitiae  dei  hie  inrhoat,  ut  en  in  iudicio 
irreparabiliter  disperdat,  ita  miserU-orriia  eins  rlili<rentibus  se  plerumque 

I5t<tiain  in  hör  saeenlo  divitias  bnnitatis  suae  coneedit  praiqjustare,   Ut  in- 
enarrnbilem  illam  jfloriam,  quam  |  nee  oettlua  vidit  nec  anris  audivit  nee  p.  m 
in  cor  hominis  aseendit  *).  cum  patientia  discant  exspectare. 

2  Itaquo  cum  Minium  spe  utriusqitc  pareiitis  sexus  virilis  exspectare- 
tur,  r|iii  lerreni  regni  sui  succcsHor  cxislerct,  provida  dei  misericordia, 
qua«-  etiam  vota  novit  exccdcrc,  di'dit  eis  prolcm  feminenm,  qitae  plus 
(|uam  virili  animo  ad  caclestis  rejrni  haereditatem  cos  praecederet  eisque 
succedentibus  bona  situ?  tine  niansura  praepararet.  Haec  itaque  quia 
excmplo  David  immanent  ursum,  seilket  diabolum,  quandoqui1  suflbratura 
erat,  deo  disponente,  qui  quo*  praedestiunt,  vocat  •),  a  parentibus  illi  in 
Imptismatc  pracsa<rum  nomen  Ursula  in  ditum  est.  Sancta  erjro  virjjo  p.  *.v> 
cum,  ut  rc«riam  prolcm  deeuit,  re^ali  amlritionc  educata  naturalihus  in- 

lOcremctiti.s  profiecret,  tenero.s  aetatis  annos  morum  ro«-pit  maturitato  prav- 
(•cdon\  et  cui  iam  tum  mundus  viluerat,  ovaiifridifis  imbuta  praeeeptiw  in 
lejre  domiui  die  ac  not-te  meditabatur  \  et  quia  ad  .spiritualcin  ^ponsi 
thalamuiii  eorde  et  animo  Mi>pira\il,  omiiis  i-ompositio  eius  et  gloria  non 
de  foris  sed  de  intu^  fuit*),  ut  iam  tum  liquido  cunetis  daretur  adverti-re, 

ISquod  ad  ma^num  ecele.siae  oriiatum  Miminiis  ille  artil'ex  mar^raritutn  hoi- 
vellet  expolire,  ae  si  ei  iam  tum  patenter  dixisset:  Audi  tili«,  et  [  vide  et  p.  ss« 
iuelina  aurem  tunin,  quia  eoneupivit  rex  speciem  tuam "). 

3  Praeter  has  aliasque  spiritualis  ^ratiae  dotes  erat  haee  i+aneta  virpo 
incomparabilis  formae  «>t  mirae  puleritudinis,  oinnium  oculis  jrratiosa; 
sed  sola  vir^'o,  quae  doinini  erant,  i-ofritan.s  ">  minus  hoe  amabat  in  se, 

1  .5  purtibna  tem/ioribtts  Gnifioni  et   \'<i(en(iani  in   Cornubia  U. 
nomine,  i/ui  frntri  Karadvco  in  ret/num  .-cnccr.sxertU  V.  lt  quam 

mrfnte,  xpe  poxt.eritaiix  eorrumpiert  und  interpoliert  M.       13  «am  M. 


1)  IN.  CI  23.     2)  Genes  XXII  18.     3>  1  Cor.  2,  9.     1)  Rom.  8,  30. 
f»)  P.s.  I  2.      f»)  Ps.  XLIV  11.      7)  Ps.  XLIV  11.  12.      H)  I  Cor.  7,  34. 


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Studien  zur  Geschichte  der  Kölner  MMrterinnen. 


1!V5 


quod  spnnsi  «ui   oculis  sciebat  non  inultum  plaeere.    Cumque  de  tanta 
uobilissimae  virginis  indole.  Iniige.  latequo  t'ama  porcrebuissct,  ad  aurcs  f> 
gcntilis  tyranni  cutusdam  pcrmanavit,  <|ui  pracpnlen.s  viribus  in  rnhnn», 
iiiilitari  gloriabatur  et  barbarica  t'eritatc  latius  rcgnabat.  Krat  ei  inagnae 

l>.  *;>7  indolis  tilius,  c|iicin  paternn  affcctu  arlius  ut  regni  |  successorcni  diligebat. 
Cni  cum  »ummnpcrc  ad  regalem  magniticcntiam  profectnin  vellet.  repu- 
tarc  secum  coepit  rcgnum  suum  propagari,  nomcn  suum  et  pnstcritatis  10 
glnriam  nobilitari,  si  tilium  suum  tarn  telebris  pucllac  niatrimonio  conti- 
gisset  copulari.  Itaquc  tilius  non  minus  pcrvicax,  utpote  qui  iam  puber- 
tatis  annos  intrabat,  patre  annuente  prosequentibusque,  qui  capita  crant 
populi,  legatos  ad  patrem  virginis  destinavit  multnque  pretiosa  trans- 
Wittens  et  |ilura  promittcns,  urbes  ogregias,  situs  terraram  et  tractus  15 
marin,  totum  dcniquc  patris  regnum  et   quidquid  mundus  deliciaruui 

p.  *5t»  habere  potcst  vel  potuit  in  |  dotis  compuialionem  dielavit.  Minas  etiam 
pro  niagnitudinc  Hominis  sui  quasi  summam  mamim  imposuit.  ut  saltein 
terroribus ,  quod  volebat ,  exigcrct,  si  blanditiis  imincrihusquc  minus 
proliceret.  20 

Lcgati  aeceptis  a  rege  maudatis   prol'ecti  sunt  emcnsoque  grandi  4 
itinere  ad  patrem  virginis  pervenerunt,   ilataque  tandi  c«pia,  cpiae  a 
domino  suo  iussi  sunt,  diligenttssimc  pcrcgerunt  et  po.st  blanditias,  quod 
elfieacissimum  arbitrati  sunt,  quasi  scorpiones  minas  et  terrores  bellicos 
subintulerunt.    At  senior  providus  et  totus  caritatis  viscerihus  diffusus  5 
fluetuare  coepit   intra  He,  indignissimum  rfputans  filiani  suam  caelesti 

ji.  .spouso  artiu.s  iiiliacren  tem  al>  acterni  regis  amplexibus  renitentem  avel- 
lere  et  barbarao  libidini  polluemlam  subiugare.  At  ex  altera  parte,  etsi 
proprii  sanguinis  prodigus  esset  pro  eatholica  icligionc  et  zelo  iustitiae, 
quippe  cni  vi  vor  e  Christus  «'rat  et  niori  hierum tarnen  quia  sub  illo  erat  10 
cura  regni  et  tarn  eu'erani  harhari  i Hin»  violentiam  suis  viribus  desperabat 
posse  sustinere,  iam  sibi  videre  visus  est  sub  oculis  suis  caedes  hominum 
promiscuae  actatis  fieri,  urbes  dirui,  matronas  et  virgines  constuprari, 
ecclesias  cremari  ,  saneta  prot'anari  et  quidquid  miseriarum  aliquando 
victis  accidit,  praesertim  Christianis,  vineentibus  paganis.  15 
In  hoc  ergo  remm  cardinc  deprehensus  rex  plus,  quod  unicum  5 

p.  gKOtunc  !  perfugium  patebat,  ad  divinam  miserienrdiam  quasi  ad  turrim  forti- 
tudinis  a  facie  inimici  cueurrit  totusque  in  lacrimas  effusus  auxiliuiu  de 
caelo  indefessis  preeibns  postulavit.  Inter  liaec  dum  virgo  doinini  vultum 
patris  quamquam  dissimulantis  turbulcnluin  deprehendisset,  latere  eain  5 
non  potuit,  quod  ipsa  linius  perttirbatiouis  causa  fuerit.  Itaquc  pro  se 
minus  sollicita  paternae  sollicitudini  condoluit;  mox  ad  sua  arma  ennvo- 
lans  sicut  saneta  ludith  et  Kslher  pro  libcrationc  patriae  ieiuniis  et  oia- 
tionibus  pentox  inciibuit 3),  in  auribus  sponsi  celerius  obtentura,  quod 
petiit,  cum  quo  ve.re.  unus  spiritus  t'uit.  Cum<|Ue  noctem  diei,  immo  noctes  10 

•1  //  filio  xtio  Conano  U.       5  2  profugium  M. 


1)  Philipp.  1,  21.      2)  ludith  IX  1.  Ksther  XIV  _'. 


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Joseph  Klinkenher  <r: 


diehus  in  vijriliis  et  ieiunÜH  |  tontimiaret,  ex  iiifirniitate  humani  corporis  p.  i«i 
tatiscentihus  memhris,  cum  deo  eor  vijfilaret,  ad  mndicum  ohdnrtnivit  et 
per  visionem  diviua  revelatinne  de  Into  vitae  suae  online,  de.  roajronista- 
rutn  suarnin  numero,  de  Gloriosa  maiiyrii  pahna  penloeeri  ineruit,  quod 
h'ipostea  reniin  exilus  coinprohavit. 

t(  I-^itur  sub  priuio  sur<rentis  aurorac  dilueulo  patris  maestitiam  reit*- 

vatura  eo  qiiippe  die  tyranni  letalis  erat  responsurus  hilaris  ad 
euin  venit  hlatideque  arridctiN,  Xoli.  iii<|iiit,  tni  pater,  super  hae  re  ali- 
qUo  ultcrius  maerore  contabesicre.  sed  iacta  eo^itatum  luuin  in  domitio, 

nqiii  noii  dahit  in  aetemum  fluetuatinnem  iusto  *).  Ne  tarnen  ex  pnellari- 
huH  |  amiis,  quae  dieo,  aestimes,  netto,  quin  praeterita  noetc  per  visum  p.  «ij 
divinae  cousolatiouis  vox  ad  nie  licet  iudi-rnam  fainiilaiii  stiam  facta  est 
inheiiH,  ut  iuvenein,  qui  ine  in  inatriiiioninni  aflcctnt,  a  spe  miptiarnni 
noii  repellerein,  ij>sa  taineu  eonservato  virpnilali.s  sifruaculo  ad  itinubas 
.  lOtransirem.  Condicio  autem  enniu^ü  et  conscriptio  uuptialis  haec  erit,  ut 
tu,  |>ater,  et  iuveuis,  qui  me  in  suum  ainorein  illieit,  deeein  priinaevae 
actatis  virjrines  et  forma  et  {»euere  lcctissiinas  perquiratis  et  tain  mihi 
quam  hinjrulis  liarimi  mille  vir«nucs  linnestissimas  suhscribatis  t-ompara- 
tisque  ad  nuinerum  nostrum  tricribus  uiidcnis  |  trleutiii  nohis  ad  dedica-  |t.  ms 

lätionem  vir<»inilatis  nostrae  dentur  indiitiae.  i|iiihuM  cxplctts,  quod  doniiuo 
plaeuerit,  fiet.    Attainen  im-ommutahilc  divinae  pictatis  consilium,  quod 
disposuit  super  me,  nemo  est,  qui  possil  infriiijrere. 
7  Iiis  tiliae  voeibus  cxhilnratus  pater  aecitis  eoram  lc{»atis  quod  pete- 

haut  aniiuit  propositainquc  <|iiasi  couiU{rii  coiidicimiem,  quam  virjfo  po- 
posecrat.  exposuit ,  id  cautissiinc  quasi  pro  summa  dotis  conscriptione 
statuens,  ut  iuveuis  salutari  renatus  lavaero  his  trihus  amiis  per  fidem 
:'j  cattiolicam  institueretur  in  doniiuo.  His  auditis  le^ati  iam  quasi  compotes 
voti  sui  per  viain,  qua  |  venerant.  perpeti  itinere  alacres  reversi  sunt  ad  ji.  tm 
dominum  «tum,  utpote  pro  hona  lejratioue  honorem  aeeepturi,  ploriain 
et  praemium;  expositisqiie  mandatis  per  ordiiiein  patri  iam  laetissimo 
iuveuis  prae  amoris  ma<ruitudine  nioduin  exeessit  laetitiae.  Audita  itaque, 

10  Ut  fit,  tanta  exsultatione  prineipum  factum  est  totius  rcjfni  generale  tripu- 
dium.  Condicione  ijrilur  iiuptiarum  liheuter  aeeepta  iuveuis  ro»'pit  |>atri 
ardeutius  insistere,  ut  ad  satisfadcmlum  puellae  desiderium  per  haptisimi 
eonsecrationem  hqribus  statim  initiaretur  christianis.  Indicto  etiam  ad 
uovani  mililiam  novo  delectu  uhique  per  duo  re^na  qiiaesitae  sunt  in- 

15  {»euuae  et  speciosae  virprines  adduetaeque  !  ad  palatium  pro  maffiiiticentia  ,,,  tm 
repali  muliehrein  aecepenint  ornatum.    Nee  minori  suuiptu  et  utriusque 
repi.s  pari  diligentia  uavium  stellt  fabricatura;  alii  eniin  li-rna  in  silvis 
caedunt,  alii  ad  litus  conveliunt,  alii  carinas.  alii  tränst ra  fabricant,  alii 
tahulata  «rraeili  iunetura,  alii  hune,  alii  illum  ornatum  auro  arpento 

20  acre  coaptant,  singulisque  pro  sua  arte  et  officio  satajrentibus  eertatim 
uhique  fervehat  opus*). 

8  12  Minima*  M. 

1)  Ps.  LIV  23.     2)  Ver{».  Aeu.  I  436. 


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Stmlien  zur  Geschichte  der  Kölner  Marterinnen. 


157 


Concordi  itaque  duoruui  r«'{ruin  studio  iuxta  renalem  inagnificen-  8 
tiam  mi ritte»-  perfecta  classc  coinpleioquc  lectissimarum  virginum  et  dis- 
y  s<w  posito  diviuitus  uumero  inter  iimuiiiera.s  nobilissimac  pro  sapiac  pue llas 
Pinnosa,  Maximi  euiusdam  duris  tilia,  tain  genere  quam  virtutuni  indole 
emieuit;  qitae  secunda  p<ist  saiu-tam  Ursulam  <|iiasi  magistra  militiac  vir-  fS 
ffinalis  fuit;  <|uain  pater  eins  ut   nobile  par  Hliae  speciali  dileclionis 
foedere  sociavit.    Unmihus  iffitur  magnitice  perlcctis  condicta  die  vhffi- 
ueae  enhortes  ad  saiictam  reginam  ('rsulaiii  ciuiveuerunt  et  quasi  a<l 
navalciii  pnlaeslram  succinetae  iuhemis  imperiuni  prai-.stnlatae  sunt.  Tunc 
beata  virjfo,  quem  diu  «lesiderabat,  vir^ineo  vallata  exercitu.  hilari  vultu  10 
et  animn  priiiium  debitas  deo  gratiarum  actione*  exsolvit,  deinde  quasi 
l»  siiT  lidissimis  comniititonibus  «uis  eonsilii  sut  arcauum  in  notuit  easqtie  in 
divini  timoriK,  inimo,  «|tiin  perfecta  caritas  foras  mittit  timorem,  in  divini 
amoris  observantiam  piiM  exliortationibus  erudivit  et  eorroboravit.  Puel 
lare.s   autem    cunei   saluberrima   retinae   suae  uinnita    arreetis  aitribus  15 
avidissiine  andiente*  eordaque  ad  eaelum  eum  manihus  lcvante*  quasi 
iam  militari  sacraiiicuto  coiiiuratac  in  Christum  ad  omnia  divinae  relijfin- 
nis  iiiiliiia  devotioneni  suam  spopondemnt  iiuitua«|ue  alacritate  se  ipsas 
in  hoc  Studium  cohortatae  sunt,   utpote  quibu*  iam  tum  cor  unum  et 
anima  unn  erat  supernaque  duleedine  praegustata  in  »nentibu*  na  nun  20 
jj  «68  mundus  et  gloria  eius  |  viluerat. 

Post  liaee  dato  sijrno,  quia  inan-^^li^mnii  erat,  raptim  ad  naves  0 
convolatit ,  armamenta  explicant  aligqq^fftH^rieiitcs  modo  concursibtis 
modo  diseursibu*  interdum  fugam  iujMäAaurbcJ!  simulant,  omnique  ludn- 
ruin  genere  cxereitaUie  nihil,  'l"nijWMiy  urrisset,  iutemptatiim  relin- 
quuut.  Sie  per  «lies  siii^ulow  [ m^iuiMpi^alaestrizaiitex  aliquando  eirea  f> 
meridiem,  aliquando  eirea  ti'iMWj. ||HRi!idn  die  toto  in  ludia  assumpto 
ad  vesperam  reversae  suiu.mA^,  hj£|£modi  igkur  hpeetaeulum  pius  rex 

i'gui  prhiintihus  fn-quenler  aderat ! 
mpe*S0(r  novarum  rerum  eupidum  est,  post- 
wpplaudcbat.   Sed  pnstquatn  eottidianis  10 
audaeiam,  longius  a  litlore  reinigantes, 
-uihtrahcrcnl,  qiiaedain  etiam  naves  tlabris 
Flein  minime  redirent,  diutina  exnpeetatio  et 
jus  fastidium  (reuuit,  shifrulisque  ad  sna  ope.ra 
n  detiuxit.  15 
l-uiii  multa  iueunditate  per  trienniuiii  hoc  martyrii  10 
nitis  sponsalibus  eondieta  die.  nuptiaruin  iuvenis  in 
biiiiuin  perur^eret,  beata  Ursula,  quam  vis  divinae  pro- 
non  incredula,  pro  liumana  tarnen  sollicita  inlirmitate 
i'om  iqpBR$£P<'<s  quas  iam  in  domino  tarn  verbis  quam  exemplis  erudie-  5 
rat,  tk&tliMjp  rerum  artieulo  divinae  miserieordiae  ianuam  instantius  pul- 
sareul^niWbaitiuit,  ne  eastitatis  prociuetum  perderent,  sub  quo  regi  suo 
eael^H^pjj^prelietisibiliter  inilitassent.    His  dictis  eum  iam  quasi  currenti- 


rsupiae  M.      4  mttx.ima  M.       0  W  xm-is  M.       12  fiafin  M. 


cum  {frandaevis  patribu 
vul^us  etiam  pro  liiiseuu 
positis  seriis  suis  virgii 
exercitationibus  assi 
cum  spectandi  jri' 
ventorum  disieel 
satietas  ludorui 


discedentibt 
Celeb 
praeludio 
l».  *7o  amorem  | 
missioni.s 


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IftH  Joseph  Klinken  hör  fy: 

bns  stiinnluin  addidissot,  devotae  den  virjrines  ex  totn  enrde  in  hurimas 

10  efTusae  tnni  pro  suii  äiogulae  i|Uam  pro  reginae  vlrginltate  eonsecranda 
snpern  um  caeporuul  aiixilinm  ardentittduui  tipiritux  |  cootritionc  Invocare.  p.  **i 

11  Pius  autein  dominus,  qiii  sein  per  prope  est  omnihus  invoranlilxis 
s»>  in  verftata,  tum  pia  rot»  dom  distulit,  seil  ventnni  de  thesauris  suis 
produxil ')  Impulftanique  Hussein  uniiis  diei  nnetisque  spatio  secundo  rursn 
in  portimi,  qui  Tiele  dieitur,  integro  tani  naviuni  quam  puellaruin  numero 

;"i  perttült  I  taq  ue  nrropto  litoro,  quod  coneiipierant.  tanti  diix  feinina  facti3), 
quasi  Maria  propheteH  Phantoms  oxoreituin  per  innre  ruhrnin  ova-isset, 
spouso  raelesti  dehitne  laudis  cpithalamium  prnecinuit  s).  (juod  »■um  puel- 
laris  exerdttm  non  clanioM  utrepltu,  wd  pari  cordta  eonemtu  rwonaret, 
canticum  |  hoc  laetitiae  nnque  ad  nur«1«  dnmhil  Sabaoth  cum  odore  sua-p.  s:* 
10  vitatis  pervenit.  Cum  illa  ergo  ßOCte  hoc  in  loco  pausassent,  sequenti 
die  cnmpnrnlis  iilensilihus  —  Oain  merentus  ihi  erat  —  ad  naves  reversae 
sunt  adduetisque  aneoris  adverso  (luniine  suhrcniigantcs  ad  insignein 
illaui  (iernianiae  mctropolim  Colouiaiii.  uhi  nunc  eorpora  earuui  in  paee 
requiescunl,  tandein  pervenerunt. 

12  KjrreKHis  itnqiic  ein  post  vespertinain  refoetinncin  soinnus  diuruo 
lahore  ohri'perel,  saiietissiina  virgn  Ursula,  qiiae  iam  <leo  in  angelicae 
castitntis  professione  cninplncuit,  vidit  in  Hominis  angclu-ae  claritatis  et 
nuetoritatis  virum,  <|iii  assistens  |  primo,  an  vigilarot.  impiisivit.    Quem  p>  »s 

5 cum  illa  ut  virgo  suhilo  visu  pRellaritcr  exhorresecret.  ille  timoreni  eins 
blande  coinpescens,  Seil",  .niquit.  tili  c,  i'ii  i.  quod  multuni  i-oncupierns, 
in  proteetione  dei  eaeli  im  dukthatfcji"  hoe  sororum  t  im  nin  i  t  ontuhernio 
Romain  pervenies  per.i-n-qufv  T»*bi4  im i-^i  i>  COinjtUni  tuarnin  numero 
itoruin  Inn-  roverteri*  i  pf#»vobis  a  ileo  reijiiies  in  saeeuluin 

10  saeculi  praedestinata  esi :  hie  i^H|m''s'  '''  quin  honnm  certamen 

t-ertastis,  oursuin  consiimmastK  litlpi'  lernten-,  de  eetero  superesl  vohis 
eorona  iustitiae 4),  quam  in      hiMflM|^Hflk'mim  aeeipiatis,     pro  bona  p.  tu 
nnmiuis  eins  cont'essionc  eerviees  \  <'-f^Mr*fMlMMUi<>ri  dahilis,  deposltiiqilfl 
hie  eorruptibilihus  enrpotnm  -areini«.  ;id<  tiMtMuaAtn  ilialammn  cum  ffloria 

1f>  inartyrit  pervenietis.    Hi.s  dietis  vir,  qui  ÜMfRebaM*»  dispnruit. 

i:i  San  et«   igitur  virgn  Ursula  nihil  de  «•»■jMHMaioritaiis  oraculo  »in- 

higens  mox,  ut  dies  terris  redditn  est,  •  mi\  ■  »«■»jft'l'irgitti  i  n  i  eonlione  quae 
audierat  et  \  iderat  in  oinniuin  auribnfl  '  \;>'"<iiHnlfl)VaMUliM  >"iniiiunis  ex- 

sultatio  facta  est,  quin  dignae  habitac  emenl  |>VbMMMiMiaai  lesu  eontunip- 
5  lias  pati  &»,  bniaolatisqne  landmn  hostiis  i  unan  •  >i'i«yriMNi<'  statuerunt  p  i;r» 
iter  hoe  iVstiliatltillS  pcrairere.  ellpientes  videlieet  iaii*aJ|ajM|t'i  n-i  .-sse  elllll 
Christo0).  Et  M  <|Uain  diTinac  praedestinationi  moram ,Ä*»JBiri.  sceundo 
vento  veliliiantes  Hasileam  applieuerunt,  ieligatis(|iie  ii)i*arirrn>u>  pedestri 
ilinere  Komam  pervenerunt.  l?bi  cum  per  dies  aliquot  \*ttiM»9Hti~  uhi- 
lOqitc  diversis  sanetorum  liminihns  pervigiles  in  oratione  <h-itUakillft4>  suas 
cmiimoudarpiit  et  lacrimis  intoriorem  hahitum  quasi  iam  .  i  n<it*rn)<  ■  •' 

.  1)  Pi,  CXXXIV  7.    2>  Vtsrg,  Ae».  I  WA.    3)  Kx.  X\  )l  Tim. 

4,  7.  s.     r.i  Act  Apost.  V  41.     «)  Philipp.  1,  23. 


.Studien  zur  Geschichte  der  Kölner  Marterinnen.  159 

triclininm  processnrae  studiosius  cnmponercnt ,   peractis  tandem  votis 

Ii.  «« itinere,  quo  vencrant,  B.-imIcuiii  reversae  sunt,  |  aseensisque  navihus  per 
decursuni  Rheni   prono  alvco  detiucntcs  et  nrinis  spiritalihu.s  tum  contra 
spiritales  ncquitia»  quam  contra  omnes  persecutionum  pressuras  sc  prac-  15 
munientcs  landein  Cnlnniam  applicuerunt. 

Aderat  tum  ibi  barbara  Hunnnnnn  gen»,  quae  peecatis  hnininum  14 
exi«*entibus  tnin  Galliarum  i|U«ni  Ormaniae  et  Italiae  terms  caedibus 
iain  vnstavernt  et  incendiis,  ita  ut  cver*is  urbibus  et  ecelesiis  creinatis 
religionis  divinae  vix  aliquac  tenues  rcinanerent  reliquiae.    Kadern  ita- 
(|Ue  barharies  cum  per  idem  tempus  ingenita  feritate  etiam  urhem  Cnlo-  5 

l>  m  ninm  ar  cta  nhsidinne  vallarct,  imndum  hoc  udveuieutihus  prodente  fama 
virgincs  iain  pridein  engnitn  hnmanitate  incnlaruin  sine  omni  huiusinodi 
suspicione  in  terram  c»re*sae  sunt.  Kt  ecec  barbari  innre  nun  per  velo- 
cissiinos  discursnres  exploratn  re  subito  cum  clamore  super  eas  irruerunt 
et  quasi  lupi  in  ovilia  agnorum  irruptionc  facta  infiuitam  illnm  multitu  10 
dinem  inhninana  crudelitate,  peremerunt. 

Cumque  beluitia  illa  rabies  ad  snnetam  Ursulam  iugulando  perve- 15 
nisset,  satellites  mortis  ndmirabili  pulcritudinc  eins  ennspecta  manuin  ani- 

p.  *;smumque  repressernnt,  ipseque  prineeps  sceleruin  lihj  dinis  t'ervnre  quasi 
lulminc  percussus  deposito  paululum  rigore  coepit  ad  blanditias  et  ama- 
toria  vrrba  descondere,  Wrc,  inquiens,  forma  tua  ma<;num  dat  speeimen,  5 
quod  de  ingenuis  magnisque  untalihus  puclla  orta  es,  iuravitque  ci  diecns, 
quin,  si  pridein  ad  intercodendum  ascendisses,  nullam  in  comilatu  luo 
iacturam  pertulisses.  Scd  eonsolare,  et  gaude,  dilecta,  sorte  tun  et  noli 
dolere  de  morte  tuarum  virginuni,  qiiia  habita  digna  es,  quae  me,  totius 
Europae  victorem ,  quem  etiam  Hoinanum  tremit  iiiqierium ,  merearis  10 
habere  maritum.    Virgo  autem  saneta  cogitans,  quae  domini  sunt cum 

p.  *7»  huius  niodi  sponsum  vocis  liberrima  et  iiabitus  indignatinne  quasi  princi- 
pem  tenebrarum  ex  hu  fti  aaset,  harhara  mens  et  effera  bile  tumens  belualiler 
iut'remuit  et  repulsam  suam  non  l'erens  in  heatissimam  vi  reinem,  quae 
iain  cupiebal  dissolvi  et  cum  Christo  esse  3>.  sentcntiain  mortis  dictavit.  ].*> 
Sic  ergo  candidissimi  exercitits  regina  saneta  l'rsula  ictu  sagittae  trans- 
verberata  super  nobilem  comituui  acervum  velut  caeleste  margarituin 
corruit  purpureoque  sanguinc  quasi  secundo  baptismate  dealbata  cum 
tot  victrieibns  turmis  ad  caeleste  palatium  laureata  migravit,  suppletis 

p.  »so  lideliter,  quae  deerant  in  corpore  |  suo,  passionibus  Christi       Perfectus  20 
est  igitur  admirabilis  ille.  domini  calatlius,  qui,  ne  liliis  tantum  virginita- 
tis  albesccret,  tntidem  martyrii  rosis  distinetus  est,  quibus  ante  superiii 
inspectoris  oculos  decentius  ruberet. 

Fallant  nunc  et  fallantur,  qui  saeculari  gloria  stnpidi  triumjihos  16 
regum  sunrnm  intinitis  laudibus  quasi  ad    caelum  extollunt,  scribentes 
iila  et  illa  bellorum  insignia,  utpote  vietos  rege«  currum  praecedere,  in- 

14  II  perrenerunt  M.      Iß  6  genuin  M.      22  martyrttm  M. 


1)  I  Cor.  7,  34.     2)  Philipp.  1.  2.t.     :5i  Coloss.  1,  24. 


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Joseph  K  I  i  n  k  e  n  b  e  r  j; : 


finitos  eaplix  oritiii  (freies  miuari  ,  victorcs  autem  milites  discoloribus 
.">arinis  ful#e,iites  siia  sinjrulos  militariii  sijcna  osteutare,  duces  autem  ipsos 
in  anreis  quadritfis  all«-  residentes  au  ratis  vcstihus  radiär«'.  Addant  i».  **i 
praetcrca,  si  placet,  diem  urbi  fcstum,  lactitiam  patrmii,  vulgi  clamorem 
et  commune  tripudium.  Sed  hacc  si  cum  hoc  triumpho  sapienter  fucrint 
collata,  miscria   potius  diccnda   sunt  <|iiani  «floria,  i-inu  Uli  purpurati  et 

lUauraii  descenderint  ad  tenebras  et  actcrua  supplicia,  illae  autein  sacrae 
virgiiies  stola  immortalitatis  indutac  visione  doiniiii  pi>rfruautur  et  socie- 
tate  aii»flica.  Kcce  iuxta  vocem  doniini  bona  terra  fructum  soxagesiinum 
pariter  et  ccntcsimum  in  paticulia  altuiit et  i|iine  ad  linrain  eunles 
ibaut  et  Helmut  mitteilte*  seinina  sna,  modo  |  vcnicutc*  et  lnanipnlos  suos  i».  *** 

15  portautes  in  exsultatione  \  enciunt  '2>,  iiimio  depositis  corporum  paleis 
mundum  et  bene  eribratum  trilieuin  in  liorrea  doiniiii  abundanter  intu- 
lerunt. 

17  O  quäle,  liae  die  in  eaelo   factum  est  Iripudiilin,  qualis  occursus 

civium  siiperiiorum,  quae  etiam  exsullatio  apoHtolorum,  quam  communis 
gloria  martyrum  et  sanctarum  vir^inum  de  aii^incnto  sui  ordiiiis  jflorian- 
tium,  quam  devnta  congralulalio  patriareliariim,  prophelarum  et  eonfeüso- 
5rum,  cum  tum  animae  suorum  participes  eltici  meruere  ^audiorum  prae- 
staute  doinino  nostro  Iesu  Christo,  qui  vivil  et  :  [regnat  in  saecula  saecu- 1».  na 
loruui.  Amen.J 


IU  etiain  Colonia  illa  beata  et  incomparabili  hoc  thesauro  beatior 
sciret,  quantum  sacratissimis  virgrtnuni  eincribus  honoris  et  reverentiae 

10  semper  deberet,  in  sua  liberatione  experta  est,  quam  prcliosa  in  conspectu 
doniini  mors  carinii s)  fuisset  et  quam  ma^nitice  in  concilio  snnctorum 
viverent,  quarum  nuda  l'orsitan  corpora  tantum  potuissent.  Nain  perncta 
illa  tarn  beluina  rabie,  quasi  tortoribus  illis  manifeste  dens  calicem  irae, 
verti^inis  et  insaniac  lniscuisset,  dati  sunt  in  reprobum  sensum*)  vide- 

15  runtque  armatoriim  acies,  quotas  virginum  trucidaverant,  persequentes 
sc,  ad  quarum  impetum  eftera  illa  barbaries  et  post  triuniphos  iam  fUgere 
nescia  non  änderet  subsistere.  Fugatis  ijritur  pacis  hostibus  conclusi« 
civibus  insperata  pax  mlditn  est,  lonjjoque  luctu  soluti  Colonienses  porti» 
enipernnt.  Ktecce,  passim  super  nudam  humum  inhumata  virginum  cadavera 

20  invenermit.  Nec  inultum  eos  res  rcfellit.  quippe  qui  iam  pridem  transenn- 
tium  ibidem  sanctarum  puellarum  vestes,  habitus  et  naves  noverunt. 
Sed  quia  facile  animadverterant  devotas  deo  virgiiies  pro  conservaudae 
pudicitiae  si^naciilo  in  ajrone  martyrii  oceubuisse  seque  earuni  patroci- 
nantibiis  meritis  non  modo  mortem ,  sed  etiain  crnciatus  barbarorum 

25  omni  morte  jrraviores  evasisse.  unanimi  consensu  non  quasi  homines  sed 
quasi  deum  in  humanis  corporibus  venerantes  non  privatis,  non  publkis 


1«  V  captirnrum  fehlt  in  M.       9  praepurpuritti  M. 


1)  Matth.  XI II  8.  Marc  IV  8.  Luc.  VIII  8. 
;l)  Ps.  CXV  15.     4)  Rom.  1,  28. 


Ii)  I»s.  CXXV  6. 


Studien  zur  (Jeschirhte  der  Kölner  Müllerinnen. 


ir.i 


siimptihus  pepercerunt,  dum  non  modo  httmanitati*  otTKeio,  verum  humilli- 
iniie  venerationis  studio  pro  se  <|iiisi|Ue  sntngeules  ulii  (iiliiniatn  disiecta- 
que  martyrum  metnbra  congerunt,  alii  voMibus  eooperiunl,  alii  terram 
1>.  J84  effodiunt,  alii  sarcophagis  |  iinpomiiit;  hreviqtte  tempore,  sieut  hodie  illic  ;W 
est  fernen»,  Minctis-simae  virginuni  reliquiac  ad  aetornain  Coloniensium 
gloriam  |iau.saverunt  in  paee. 

Kx  eo  nutem  tempore  iam  crescente  «liviua  religinnc  non  modo  1H 
eonsuetudo,  sed  pro  consuetudine  civibiis  sacranientum  inolevit,  nt  intra 
ambitum  virginalis  se  pul  turne  nemo  usque  liodie  euiusquam  mortui  sepe- 
liret  corpus.  Aliqiianto  autem  tempore  evoluto  divinitu*  freijuenter  ad- 
monitu»  et  quasi  legatione  sanetarum  virginum  aiiitu*  vir  quidam  reli-  5 
giosus  nomine  Clematius  ex  orientis  partihus  advenit,  qui  pro  vnto  suo 
ecclesiam  super  sam-tisaimos  eitleres  a  fundamentis  i-onstnictam  in  lionorem 
saiietarum  virginum  eomplevit.  Lauda  ergo,  ("olonia,  dominum,  qunniam 
eonfortavit  seras  portarum  tuarum  et  poMiit  fines  tuos  paeem  et  tanto 
proniiKso  pignore  benedixit  ti litis,  tuis  in  le  10 

Krat  autem  de  endem  sanetlssimo  virginum  e outiil>ernio  qunedam  19 
nomine  Cordula,  quae  celeris  virginibus  in  agoue  Christi  occumbentibus 
sola  in  unius  navis  nlveo  sub  eadem  noete  delituit  et  in  erastiuum  ultro 
se  morti.  quam  fugerat,  viril!    animo  öfteren*  eaterva.s  eum  pari  gloria 
martyrii  subsecuta  est.    Sed  nemo  in  lioe  seandalizetur.  quasi  beata  ilta  5 
virgo  eoronae  »uae  parva  hnc  tormidine  aliquid  derogaverit,  eum  nee 
Petrus  negans')  nee  Thomas  dubitans*)  ab  apostnlntus  honore  eiecti  Mint. 
Divino  enim  nutu  ad  magnum  ecelexiae  t'ruetum  Petrus  de  se  quasi  de 
nomine  praesumens  et  magixtro  eommoriturum  se  asserens  ancillae  ostiariae 
voeem  utiliter  pertimuit;  <)Ui  tarnen  postea  usque  ad  erueem  perveniens  10  • 
p.  Sur.  n«'  Ro  mac  urbis  prineipem  expavit.   Fondtnn  et  beata  illa  virgo  de 
auteaotae  vitae  puritate  et  tidei  coiistantia  praesumens  ad  tolerandam 
paftsionem  aliquid  in  se  tiducine  habuit  ideoque  humilianda  erat,  ut  non 
in  He,  sed  In  domino  gloriari  disceret  et  sie  humiliata  ad  caelestem  thalamum 
gloriosius  transiret.    Sic  et  fidelis  David,  cum  domino  dieeret :  luravi  et  II» 
statui  eustodireiudieia  iustitiae  tuae,  mox  quasi  in  se  revolutus  suhiei  it  dicens: 
Ilumlliatus  sum  usqueqitnquee  *).   Ne  autem  intirina  membra  de  salute 
de^perarent,  si  <|uando  in  passionis  articulo  pro  humatia  iiiKrtnitate  paulu- 
Inm  hebescerent,  ipse  uiediator  dei  et  dominum  perxonam  intirmiintium 
asHUinens  dixit:  Tristis  »-st  anima  inen  usque  ad  mortem.    Pater,  si  fleri  20 
potest,  transeat  a  me  calix  istes).    Kece,  qui  potestatem  poueudi  animam 
sunm  et  stimeudi  eam  habuit,  transire  a  se  cnlieem  jiassionis  expetivit, 
nec  filius  a  patre  uon  exaiuliri  aliquando  potuit;  sed  caput  pro  intirmau- 


17  29  in  restibu«  coojterierunt  M.       30  sartophayos  M. 


1)  Ps.  CXLVII  2.      2)  Matth.  XXVI  (19  sq. 
4l  Ps.  CXVI1!  107.       .V,  Matth.  XXVI  3K.  34. 


3)  Ioami.  XX  24  sq. 


Jahrb.  d.  Ver.  v.  Alterthuuun-.  Im  Rlieinl.  XL111. 


11 


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1*12 


Jose  |.  Ii  KM  11  k  c  n  b  e  r  g: 


lihus  mcmbris  loqnebntur,  quoruin  sihi  timt-  pcrsoiiam  ussumpsit.  Forsitiui 
■>"y  supernus  ille  airricola  fructilicnntcm  palmitcm,  ut  Irmlmn  plus  t'crret, 
pitrjrnre  voluit  l),  quemadinodum  cum  sigillum  nliqiiod  sculptoris  studio 
sublilissime  expressum  artifex  videt  et  limat,  ut  qiiod  oculis  aliorum  placuit, 
etiam  suis  in  ali<pio  displicero  non  possit.  Sed  quiscopnovit  sensiim  domini?-) 
:U)  Ideoqtie  supcrvacuuin  est  occulla  dei  iudicia  discutere,  saiva  hde  sine 
periciilo  licet  nescirc,  cum  liquido  eonstet  semperque  oonstitcrit,  quod 
athlcla  dei  ad  probationem,  non  ad  reprobntionem  dilala  sit. 

20  Longa  igitur  temporum  scrie  evoluta  saneta,  quam  pracdixiinns, 
Cordula  iuclusae  cuidam  inromparabilis  ttinc  |  vitao  et  specialis  meriti,  p.  r*u 
Klyiidrudae,  per  visum  apparuit  eamque  quasi  coutuhernalem  suam,  an 

se  agnoscoret,  requisivit.  lila  nut cm  <|iiamvis  saneta  et  mente  deo  iain 
f>  proxiina  tarnen  adlmc  i-orrupt ihilis  et  quasi  corruptio  incorruptelam  non 
sunVreus  divinae  venustatis  et  gravitalis  personam  exhorruit.  Krat  enim 
virgo  dei  ultra  omne  artificium  hominis  vestita  mirittec  coronamque  liliis 
rosisque  alternautibns  intertextam  gestans  in  capite.  Famula  dei  ex 
pavore  rospirans  indignnm  so  tantae  maiestntis  agnitione  respondit  esse, 

10 cum  ego,  inquiens,  carnalis  peccati  sini  legibus  obnoxia,  lu  autem  iain 
in  ordinem  caclioolarum  assumpta  sis  totius  corruptioni»  aliena.  Tum 
illa,  Noveris,  inquit,  ine  uiiam  ex  sacro  Colouiensiuin  virginum  numero 
Iltisse,  qune  Ulis  triumphantibus  una  nocte  supervixi  sequenlique.  die. 
mortis  cupida  nitro  me,  carnifieibus  obtuli  sieque  in  Christo  moriens  nec 

IT)  sorores  mens  deserui  nec  socialem  martyrii  eoronnm  amisi.  Jtaque  cum 
illarum  gloriosissimi  transitus  diem  debita  ium  devotione  tota  Colonia 
veneretur,  mei  Hominis  nec  brevis  nliqua  adhuc  recordatio  ngitur.  Proinde 
nunc  veniens  id  tibi  iniungo  oboedientiae,  quo  sanetimouinlibus  ad  Cor- 
pora nostra  devote  cxcubaiilibus  denuuti  es  ex  mo,  ut,  cum  sororum  p,  siq 

20mcarum  triumphalem  gloriam  celebrant,  proxima  sequenti  die  et  mihi 
aliquid  venerationis  impendant,  quin  minime  eis  expedit,  ut  inter  minien, 
quae  illic  pausaiit,  mei  tanlum  Hominis  reverentia  nulla  sit.  Cumquc  illa 
de  nouiine.  eins  reqtüreret,  inssa  est  a  virgine  frontem  eius  intueri,  ut  hoc 
sibi  nomen  indubitanter  sciret,  quod  illic  exaralum  inveniret.  Paruit 

25  illa,  vidit  et  legit  discretisque  syllabis  .Cordula"  desiincte  scriptum  invenit. 

21  Famula  igitur  dei  ad  sanetimoniales  divinum  oracnlum  rettulit, 
creditumquu  est  ac  deineeps  statutum,  et  cum  pridie  beataruni  virginum 
eelebritas  agitur,  soqueus  dies  sanetae  Cordula»  laudibus  impendatur. 
Sc.d  ne  cui  visio  haec  quasi  minus  auetoritatis  ludim-unl«  soinuo  dubia 

;')  habere  videatur,  revoeet  ad  memoriam,  quin  et  Petrus  donniens  in  disco 
vocationein  gentium  vidit 3)  et  Paulus  viruin  Macedom'in  in  IHyrieum  se 
vocantem  non  dubius  nudivit*)  et  patriarchao  nostri,  Abraham  scilicet  •'•), 


19  31  semper  M.      30  3  contubernialem  M. 


1)  loann.  XV  2.     2)  liom.  11,  34.     3)  Act.  apost.  X  9  sq.    4)  Act. 
apost.  XVI  9  sq.     5>  Genes.  XV  17  sq. 


Studien  zur  Geschichte  der  Kölner  Milrterinneu. 


Isauc '/  et  Iucobs\  losepli  quoque  s),  (rcdcnn  *\  atque  Daniel  6)  mulla  et 
magna  caelcstium  mysteriorum  sacramentn  viderunt.  tnagi  etiain  de  iihi- 
tnndo  reditu  dormientes  edocti  sunt  tpse  quoque  imtiicius  domini,  10 
loseph,  ab  angelo  est  adninnitus  in  soinnis  in  Aegyptum  fugerc  exstinelis- 
que  perseeutoribus  Christi  propter  metum  Arehelai  Nazarcth  secedere 
ibique  habitare "). 

Glorietur  igttur  su]ierna  Hicrusalem  et  caclcstis  illa  curia  tot  in-  22 
genuis  eivibus  atnpliata,  tibi  nnn  est  servus  aut  über,  niasculus  aut  t'eiuinn. 
Glorietur  Britannia  quamvis  in  Adam  gencrans  virgiueac  tarnen  indolis 
fecund».     Glorietur  Germania   tot  lectissimos  Occani    llores  excipiens. 
Glorietur   Itoma   uumeruiii   virginum,  quem  aeeeperat,   reddeus.    Glorie-  5 
tur  Colonia  taloiti  apud   se  thesanrum   retinens.     Glorietur  beata  illa 
p.  »fwsaiH-timonialium  congregatin  toi  sauetarum  virginum,  quibus  |  devote  fa- 
mulatur,  patrociniis  de  perpetua  salutc  praesumens.    Benedicta  igitur 
glnria  domini  de  loco  saneto  8).    Vos  auteiu  sanctimonialcs,  tot  caelestium 
Kt'iiiimiruiii  servatrices,  fideli  obsequio  specialiter  Hat  agile,  ut,  si  ad  cen- 10 
tesinnun  vel  sexagesimuin  fruetmu  nnn  peiiingitis,  saltem  post  vestigia 
earum  divinae  misericordiae  spicas  legatis.    Oumes  etiam  in  communi 
sanctissiina  earum  patrocinia  bumillime  tlagitemus,  ut  quin  ad  socialem 
cum  ipsis  gloriam  adspirare  nnn  audemus  nec  possumus,  tarnen,  quia  in 
domo  patris  matisiones  multae.  sunt  *),  e.arum  mcrilis  patrncinantibus  in  15 
caelesti  Hierusnlom  vel  novissimae  sortis  inunicipatum  capiamus  prac- 
stante  domino  nostro  Iesu  Christo,  qui  cum  patre  est  spiritu  sanetn  vivit 
et  regnat  in  saecula  saeculorum.  Amen. 

Osanna  interpretatur  salvittca,  id  est  snlvum  fac.    Kxplicit  pnssio 
.sanetarum  virginnm  XI  milium.  20 

22  7  famulatur  fehlt  in  M.     12  commune  M. 


Die  Legende  licht  au  mit  der  Geburt  der  Führcrin  der 
Jnngfraiiensebaar,  der  Iii.  Ursula,  welche  in  den  Mittelpunkt  der- 
selben gertlckt  ist.  Aus  ihrem  Vater,  dem  Könige  Dinoot  von 
Cornwales,  wird  volksetymologiseh  ein  ,rcx  üconotus  tarn  vita 
quam  noniiiK'' ,  und  um  die  Identität  heider  sicher  zu  stellen, 
fügt  tler  Utreehter  Codex  hei ,  tlass  er  der  Nachfolger  seines 
Bruders  Caradoetis  auf  dem  Throne  gewesen  sei  ,ü).  Nachdem  Ur- 
sula zu  einer  ebenso  schönen  wie  frommen  Jungfrau  herangewachsen 
ist,  begehrt  sie  ein  heidnischer  Prinz,  den  der  Utrechter  Codex 

I)  Genes.  XXVI  2  sq.      2)  Genes.  XXVIII  12  sq.      3)  Genes.  XL 
8  sq.  XLI  16  sq.      4)  ludic.  VI  11  sq.       5)  Dan.  II  28  sq.      C)  Matth. 
III  12.        7)  Matth.  II  13  sq.         8)  Ezech.  III  12.         !)>  Ioann.  XIV  2. 
10)  Vgl.  Gottfried  V  15,  io. 


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164 


Joseph  Klinke  nherg: 


ausdrücklich  Conanus  nennt  '\  zur  Gemahlin.  Di»-  Art  der  Braut- 
werbung erinnert  lebhaft  an  .Sigfrids  gewaltsame  Werbung  um  Kriemhilt 
im  Nibelungenliede.  Der  Verlegenheit  des  Vaters  kommt  die  Tochter  /.u 
Hülfe.  Obwohl  sie  ihre  Jungfratisehaft  zu  bewahren  gewillt  ist.  will  sie 
doch,  wie  ihr  sonderbar  genug  ein  Engel  in  göttlichem  Auftrage  ge- 
rathen  hat,  dem  Prinzen  die  Ehe  unter  der  Bedingung  zusagen,  dass  die 
Hochzeit  drei  Jahre  hinausgeschoben,  ihr  Bräutigam  inzwisehen  im 
ehristliehen  (Hauben  unterrichtet  und  getauft  und  ihr  eine  Schaar 
von  llufH»  Jungfrauen  beigesellt  werde;  unter  den  letzteren  sollen 
zehn  durch  Schönheit  und  Gchiirtsadcl  hervorragen,  und  jede  von 
diesen  sowie  sie  selbst  soll  1« NU »  Begleiterinnen  erhalten;  für  die 
ganze  Schaar  sollen  überdies  1 1  Dreiruderer  beschafft  werden.  Eine 
Motivirung  der  letzten,  höchst  auffälligen  Bedingungen  fehlt  in  unserer 
Legende  durchaus;  ganz  anders  in  der  (Quelle,  der  wälischcii  Ur- 
snlasage,  wo  die  Jungfrauen  den  Seddaten  des  Conanus  vermählt 
und  über  das  Meer  beiordert  werden  sollen.  Die  zehn  adeligen 
Gefährtinnen  Ursulas  entstammen  natürlich  der  Kölner  Tradition: 
sie  bilden  mit  Ursula  selbst  die  von  Alters  her  in  Köln  namentlich 
bekannten  11  hl.  Jungfrauen.  Unter  ihnen  ist  die  hervorragendste 
Uinnosa,  die-  Tochter  des  Herzogs  Maximus  —  wiederum  ein  An- 
klang theils  an  die  britische  Sage,  in  der  Kaiser  Maximus  eine 
Rolle  spielt,  theils  au  die  Stellung  Uinnosas  im  Seruto  in  natali. 

Nachdem  die  Jungfrauen  aufgeboten  und  die  Schiffe  hergestellt 
sind,  beginnen  dieselben  nach  einer  kurzen  Ermahnung  ihrer  Königin 
Ursula  nautische  Uchungcn.  die  sie  drei  Jahre  lang  fortsetzen. 
Diese  irgendwie  zu  mofiviren,  ist  dem  Legendenschreiber  ebenso 
wenig  gelungen,  wie  er  einen  genügenden  Grund  für  diu«  Jungfrauen- 
aufgebot anzuführen  vermochte:  aber  er  musste.  wenn  auch  noch 
so  gewaltsam,  die  Jungfrauen  zu  Schiffe  bringen  und  sie  mit  den 
nöthigen  Kenntnissen  in  der  Scbifffnhrt  ausstatten  .  um  sie  spater 
ohne  männliche  Begleitung  —  denn  eine  solche  gestattete  die  Kölner 
Tradition  nicht  —  die  Heise  bis  nach  BjiscI  zu  Wasser  zurücklegen 
lassen  zu  können.  Endlich  naht  der  festgesetzte  Zeitpunkt  der 
Hochzeit  heran.  Ursula  ermahnt  ihre  Gefährtinnen  zu  eifrigerem 
Hebet,  doch  merkwürdiger  Weise  nicht  blos  um  die  Erhaltung  ihrer 
eigenen  Jungfräulichkeit ,  sondern  um  die  der  ganzen  Schaar, 
welcher  in  keiner  Weise  Gefahr  droht:  natürlich  sehwebte  dem 
Verfasser  die  beabsichtigte  Vermählung  der  Jungfrauen  mit  den 

1)  Vgl-  Gottfriert  V  1T>,  ir.. 


Studien  zur  Geschichte,  der  Kölner  MHrterinnen. 


1C5 


Soldaten  des  Conanus  vor.  Durch  pittliehe  Fügung  wird  plötzlich 
die  ganze  Flotte  ohne  jeden  Verlust  in  den  Hafen  von  Tile  an  der 
Khcinmündung  geführt,  wohin  auch  Gottfried  die  Verschlagenen 
gelangen  lüsst.  Wie  im  Sernio  l),n  verhleihen  die  Jungfrauen  hier 
einige  Zeit,  versehen  sieh  mit  Lebensmitteln  und  fahren  nun  rliciu- 
aufwärts  nach  Köln,  wo  Käst  gemacht  wird.  !>a  fordert  ein  Engel 
Ursula  im  Schlaf»'  auf,  mit  ihren  Gefährtinnen  eine  Pilgerfahrt  nach 
Kom  zu  unternehmen  und  belehrt  sie  zugleich,  duss  sie  nach  ihrer 
Küekkehr  von  dort  in  Köln  den  Martertod  erleiden  würden.  Die 
Pilgerfahrt  wird  ausgeführt,  bis  Kasel  zu  Schifte,  von  dort  zu  Fuss, 
und  auf  demselben  Wege  geht  der  Zug  zurück.  Diese  Partie  der 
Legende,  welche  natürlich  mit  der  britischen  Sage  nichts  zu  thun 
hat,  geht  lediglich  auf  missverstandeiie  Andeutungen  des  Sermo  zu- 
rück. Die  ,i>eregrinatio  pro  testamenti  domini  veritate  assnmpta' 
(c.  3/)  nahm  man  als  Pilgerfahrt,  e.  7.«  ff.  schien  auf  die  Kiehtung 
derselben  nach  Koni  zu  deuten,  und  ans  den  Worten  c.  IL 
,haiie  Agrippiuae  Coloniac  terram  non  ut  hospitam  solum  modo 
praeterundo  salutaverunt,  sed  hie  nmrtyrii  vietoria  coronatae 
eam  ut  propriam  effusionc  saneti  sni  sanguinis  man  endo  deeora- 
verunt'  sehloss  man  auf  eine  doppelte  Anwesenheit  der  hl.  Jung- 
frauen in  Köln,  eine  vorübergehende  vor  der  Pilgerreise  und  eine 
dauernde  nach  derselben. 

Als  die  Jungfrauen  zum  zweiten  Male  in  Köln  anlegen,  treffen 
sie  daselbst  die  Hunnen,  welche  bereits  Gallien,  Germanien  und 
Italien'!)  verwüstet  haben  (e.  14,i  ff.).  Diese  Angabc  der  Legende  ge- 
nügt, um  die  auch  heutzutage  noch  hier  und  da  behauptete  Belagerung 
Kölns  durch  die  Hunnen  Attilas  an  welche  man  noch  über  die  An- 
gaben der  Legende  hinausgehend  die  Einnahme  und  Zerstörung 
der  Stadt  angeknüpft  hat,  als  durchaus  unhistorisch  erscheinen  zu 
lassen.  Die  Hunnen  fallen  über  die  Jungfrauen,  die  von  ihrer  An- 
wesenheit keine  Ahnung  haben,  her  und  machen  sie  allesammt  nieder. 
Natürlich  ist  es  wieder  die  britische  Sage,  welche  den  Hunnen 
die  Ermordung  der  Jnngfrauenschaar  aufgebürdet  hat;  im  Sermo 
fallen  sie  noch  Jictorum  immanitate',  und  selbst  die  Legende  scheint 
e.  12,  i;i  durch  die  Worte  ,cerviees  vestras  perseeutori  dabitis' 
auf  die  ältere  Ansieht  von  der  Enthauptung  der  Müllerinnen  zur  Zeit 
der  Christenvcrfolgnngen  hinzuweisen.    Eine  bedeutende  Schwierig- 

1)  Attilas  Namen  nennt  die  Lebende  nicht  ausdrücklich:  aher  unter 
dem  .vicinr  totius  Kuro|.ac  (c.  1">,  n.)  kann  nur  er  \ erstanden  «erden. 


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1*5 


J  o  h  «'  p  Ii  K  I  i  h  k  r  Ii  )>  c  r  <r: 


kcit  machte  dem  Legendensehrciber  die  Veranlassung  zu  jenem 
schrecklichen  Blufbadc.  Nach  der  kölnischen  Ueherlieferung  war 
es  das  standhalte  Hekenntniss  des  christlichen  (Hauben*,  welche« 
die  Jungfrauen  zur  Zeit  der  Christcnverfolgung  abgelegt  hatten; 
nach  der  britischen  -Sage  die  Weigerung  derselben,  sich  von  den 
Barbaren  mißbrauchen  zu  lassen.  Obgleich  das  letztere  Motiv  sehr 
wohl  zu  dein  Charakter  der  linnneu  gepasst  hätte,  hat  der  Ver- 
fasser der  Legende  sieh  doch  gescheut,  es  anzuwenden,  offenbar 
aus  Rücksieht  auf  die  damals  noch  in  Köln  geltende  Ansicht,  und 
hat  wie  an  andern  kritischen  Punkten  auf  die  Angabe  des  Motivs 
einfach  verzichtet.  Damit  aber  hat  er,  ohne  es  zu  wollen  und  zu 
merken,  das  Martyrium  der  Jungfrauensehaar  aufgehoben  und  an 
die  Stelle  desselben  ein  (ieinetzel  gesetzt.  Nur  Ursula  fällt  durch 
einen  l'feilschuss,  weil  sie  sich  weigert,  dem  Hunnenfllrsten  ihre 
Hand  zu  reichen. 

Die  erste  Fortsetzung  der  älteren  I'assio  schildert  die  wunder- 
bare Vertreibung  der  Hunnen  von  Köln,  offenbar  in  der  Absicht 
erfunden,  um  der  (ieschiclite.  gerecht  zu  werden,  die  von  einer  Hin- 
nahme der  Stadt  durch  dieselben  nichts  wusste,  sowie  das  Begräb- 
niss  der  Müllerinnen  durch  die  Kölner  Bürger.  Letzteres  enthält 
eine  weitere  Coueession  der  heimischen  Tradition  an  die  britische 
Sage,  insofern  gesagt  wird,  die  Jungfrauen  hätten  den  Tod  erlitten 
.pro  conservandae  pudicitiac  siguacnlo'  <c.  17,«). 

Die  nachfolgende  I'assio  s.  Cordulae  oder  besser  gesagt  die 
Selbsloffenbarung  der  hl.  Cordula  an  die  Nonne  Elyndrud  trägt, 
wie  schon  C  r  o  m  b  a  c  Ii  gesehen  hat ,  deutlich  den  Stempel  der 
Nachahmung  an  sieh.  Der  auf  einige  Zeilen  beschränkten  I,cidens- 
gesehichte  der  Heiligen  stehen  zwei  lange,  geschmacklose  Apolo- 
gieen  des  Martyriums  und  der  Offenbarung  desselben  gegenüber. 
Kine  direete  Nachahmung  ist  der  Kranz  von  abwechselnden  Kosen 
und  Lilien,  den  die  hl.  Cordula  auf  ihrem  Haupte  trägt  (e.  20,  ?). 
Kr  ist  entnommen  der  Stelle  der  älteren  I'assio  c.  15, ff.:  l'crfectus 
est  igitur  admirabiiis  ille  domini  ealalhus,  qui,  ne  liliis  tantum  vir- 
ginitatis  albeseerct,  totidein  martyrii  rosis  distinetus  est.  Während 
der  Verfasser  der  altern  I'assio  sieh  jeder  Motivirung  enthält,  wo 
er  eine  passende  nicht  zu  finden  weiss,  schreckt  der  Schreiber  der 
jungem  selbst  vor  einer  unzutreffenden  Begründung  nicht  zurück.  Er 
lässt  die  hl.  Cordula  erscheinen,  ,quia  minime  eis  (i.  e.  sanetimo- 
nialibus  ad  eorpora  nostra  devote  exeubantibus'i  expedit.  ut  niei 
tantum  Hominis  reverentia  nulla  sif.    Allein  da  Cordula,  wie  sie 


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Studien  zur  Gexehiclite  der  Kölner  MarUriimeii.  H>7 


selbst  sagt,  zum  saeer  Colnniensiuni  virginuni  numerus  gehört,  so  genoss 
sie  auch  schon  hishcrnn  mit  diesem  gemeinsame  Verehrung,  nur 
war  ihr  Name  und  Schicksal  unliekannt ,  ein  Loos ,  das  sie  mit 
Tausenden  ihrer  (iefährtinneu  (heilte.  Ks  lag  also  für  sie  keine 
Veranlassung  vor,  eine  besondere,  namentliche  Vcrehning  zu  forden). 

Als  Litteraturwerk  betrachtet,  ist,  wie  wir  gesehen  haben, 
die  Lebende  Jtcguaute  domino'  eine  ausserordentlich  schwache 
Leistung,  wenn  auch  die  Schwierigkeit  nicht  verkannt  werden  soll, 
so  widersprechende  Ansichten,  wie  sie  dem  Verfasser  über  die 
Kölner  Malierinnen  vorläget!,  mit  einander  zu  vereinigen.  Aber 
grade  die  SehwHchc  des  Werkes  ist  für  den  Forscher  günstig,  in- 
sofern sie  es  demselben  ermöglicht,  die  einzelnen  Kaden  aufzuzeigen, 
aus  denen  «ich  das  Gewebe  der  Legende  zusammensetzt. 

8.  Bearbeitungen  der  Ursulalcgendc. 

Von  der  Legende  ,Regnante  domino'  sind  mir  zwei  Bearbei- 
tungen bekannt  geworden,  welche  beide  den  Text  paraphrasiren,  ohne 
inhaltlich  irgend  etwas  Neues  zu  bieten.  Die  eine,  welche  ich  nur 
ans  den  Bollandisten  kenne,  ist  in  einer  Handschrift  des  Cisterzienser- 
klosters  Liehtenthal  in  Baden  erhalten  ',>.  Von  der  andern  geben 
die  Bollandisten  den  Anfang  aus  einem  (Hadbaeher  Codex*);  ich 
selbst  habe  sie  im  cod.  lat.  f>42  der  Mllnchener  Hof-  und  Staats- 
bibliothek wiedergefunden.  Sie  ist  jünger  als  der  jüngste  Theil 
von  Kegnante  domino  (Zeugniss  für  die  Heiligkeit  Klvndrnds),  da 
auch  dieser  in  derselben  verarbeitet  ist. 

Viel  wichtiger  ist  die  Bearbeitung  der  britischen  Ursulasage 
im  Roman  de  Brut  des  Robert  Waee.  Der  Dichter,  geboren 
im  Anfang  des  12.  Jahrhunderts  auf  der  damals  zur  Nonnandic  ge- 
hörigen Insel  Jersey,  gestorben  als  Canonicus  in  Bayeux  kurz  nach 
1174,  setzte  in  dem  genannten,  llöu  vollendeten  Werke  die  Historia 
regum  Britannine  (iottfrieds  in  nordfranzösis<,he  Poesie  nin,  ver- 
wertete aber  auch  andere  Quellen,  wie  schon  der  uns  hier  inter- 
cssirendc  Abschnitt  bekundet.    Derselbe  lautet  folgendermaassen 

iMaximiani  France  <-on<|uist  et  Loheraigne  <>llf> 

Kt  apres  con<|uist  Aleinaigne; 

Ne  Ii  pol  pas  encor  sostire, 

n  Acta  Kam  t.  "<  t.  IX  p.  !>.T  s<|. 
•2)  Vgl.  Amnerk.  1. 

3)  Benutzt  ist  die  Ausgabe  von  Leroux  de  Lilie y. 


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\m  Joseph  Klinkenberg: 

Se  ')  de  Korne  n  eust  l'i'inpire; 

6120  l>ont  al  prist  A  Home  son  icinin 
Sor  t'raticn  et  Valentin. 
Lotiihardie  et  Hnmc  coin|ui»t. 
l.'un  en  <-a«;a  ")  et  l'nltre  oeist; 
A  Olinnos,  un  sien  vassnl, 

*)12ä  Un  gentil  ronte4)  et  un  loial, 
Avoit  KnglcteiTc  livree 
Kt  la  justice  i-oininandee; 
Fri-re  Caradoc  l'u  puis  lies. 
Mais  Caradoc  ert  jA  Kues 

ül.'k)  Kt  ses-'i  fils        tu  cl  fl>  mcjssagc, 
1*1  Clionos  tint  l'iretagu  7». 
Um-  HU«;  avoit  eil*),  inult  hilf, 
* J ni  estoit  appelce  Urside, 
F.t  puis  lu  par  liier  cnvoVc 

«11  'i;">  Kt  inainte  autre  doseonseillie  wi, 
i}\ü  durt'nt  etre  mariees 
Kn  Hretaignc  outre  iner  nienees. 
Francois  <jui  t'urciit  resbaldi "M, 
H'ont  Conan!  de  guerre.  acuilli  iy), 

H 1 10  Mais  Conan  s'a  bien  dest'endu, 

Oinpies14)  par  als11»  n'i  lu  venqu. 
I'or  sa  terrr  mix  gaagnier, 
Por  popler  et  por  herbergier, 
Kt  por  m\  gent  asseurcr 

«JI4">  ValtM)  as  homes  feines  doncr. 

Ne  lor  valt  pas  doner  FrnticoiM.'t» 
Ne  por  foree  ne  por  rieoise* 
Ne  lor  linage  |fl)  entreineller  ,7) 
Ne  lor  teres  aioniinuuer. 

filuö  Ains  a  t'ait  Clionos  requerre  '*), 
i}ui  en  garde  avoit  Kngleterre, 
Qw  il  sa  lille  Ii  donast, 
Urside,  si  Ii  envoiast 
Kt  des  tilles  as  >")  vaasors 

Kir>5  (^ui  n'avoient  eneore  signors, 
Kt  des  tilles  as  paYsaus 
Kt  as  povres  et  as  inanaus  =") 
Li  envoiast,  quanqu'il-t  poroit, 


I)  si.       ■*;.  done.       H)  ehassa.       1;  eomte.       M  *on.       fit  en  le. 
7t  hi-ritage.  *'i  celui-ci.  f>>  übel  berathen.  IOi  ciieouragi-s. 

11)  accueilli.      12)  jainais.  aux  —  eux.      14)  voulut.      li>>  rieliesses. 

1«)  Itgnage.  17)  entremeler.  I*)  requerir.  l!)l  aux.  20»  invaso- 
ribus.       21i  iiianants.       22\  taut  qu'il. 


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Studien  zur  Geschichte  der  Kölner  Marterinuen. 


169 


Et  il  Meli  les  marieroit; 
(5160  Caseune  auroit  hoii  tnaria^e 

Solonv  l'ordre  de  son  parage  '). 

Cil  Ii  a  sa  tili«  envort 

Et  a  graut  rii|uece 2)  otroie  3i. 

Ecs  mesehines4)  tlst  demander 
6165  Qui  estoient  A  marier; 

Onze  mil  en  a  asamblees, 

Totes  de  gentix  *)  homes  nees. 

Des  paYsans  prist  anscinent  *) 

Quarnnte  mil  commuiiement, 
6170  (Jue.  petites,  tjue  parcreues7). 

Bien  eouraees  et  veatucs; 

Et  lies8)  a  Eondres  inises  furent, 

A  cels  <|ui  conduire  les  duront. 

Aval  9)  Tamise  sout  conies 
61  Tö  Et  de  si  a  la  iner^-enues; 

Par  cele  iiier  parfont  sigloient  ,0>, 

Eiece  ")  et  bien  trover  «|iiidoient  u). 

Es'*)  vous  tenipeste  mervillose 

Et  uuo  nue  vint  pluose, 
6180  Qui  fist  le  vent  desor  u)  torner, 

Eair  noircir,  le  eiel  oscurer. 

Omjues  n'oi  ,&)  taut  »»dement  "•) 

Venir  tempeste.  ne  tonnent  "): 

Li  oiel»  torbla,  Ii  airs  noirti 
6185  Et  la  mers  enlia  et  fermi  "*): 

Ondes  eotmiiencent  A  enhVr 

Et  sor  l'une  laltre  monter. 

En  niult  po  d  nre  ,9)  nes  traversent, 

Maintenant  alondrent*')  et  verseilt. 
6190  Entnimmt ")  ni  pueent*4)  aidier, 

Ne  nus  altr«5*)  consillicr. 

(.Jui  dont  oYst*M  frier  mesehines 

Et  essauchier  vois  femenines, 

l'aumcs  batre,  cavex  *)  tlrer, 
6195  Peres  et  nieres  reelatner 

Et  jeter  grands  cris  et  grands  plains 

1)  £palite  de  naissance.  2)  riehesse.  3)  concede.  4)  jeunes 
Alles.  5)  gcntils.  6)  aisement.  7)  ausgewachsen.  H)  navires. 
9)  a  val.  10»  deutsches  Wort:  segeln.  11)  Freude.  12)  gedenken. 
13)  en  les.  14)  =  des  or  von  der  Stunde  an.  15)  jninais  on  n'a  ouV. 
16)  Wohl  gleich  sodiement.  engl,  suddenly  „rapidement".  17)  Seesturm. 
18)  gahren  machen.  19)  en  fort  peu  de  temps.  20)  untersinken. 
21)  instruinents.  22)  pnuvaienl.  23)  nul  A  1'autre.  24)  lmparf.  du 
stibj.  von  ouir.       25)  clieveux. 


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170 


J  o  s  e  p  h  K  1  i  n  k  o  n  b  o  r  g: 


Kt  rcrlanier  I  >cn  ei  ses  sain.s, 

t^ui  veit      com  elcs  moroient 

Kt  com  eles  s'entretenoient, 
t>200  ,Jä  ii  ruM  taut  le  cuer2i  fclnn, 

II  n'en  eust  compassion. 

(tu. nies  n'oV  si  graut  pcril 

De  frinojJ,  ne  si  grant  cscil  Jj. 

Mult  par  i  ot*)  in'"«  pcrillies 
«-'05  Kt  ineseines  ä  dol  •'•)  noiös; 

Ahpiantcs  qui  en  escaperent 

Kt  nitre  paieus  arrivörent, 

<  >ois«-H  füren t  et  vendues 

Kt  en  servage  retenues. 
6210  tlnze  mil  en  furent  monoes 

Kt  en  Colognc  dccolöes. 

l'rscle  fu  o  ft>  celes  pri.se 

Kt  si  fu  o  cölcs  ooffr ; 

Martyre  furent,  saintcs  *ont, 
r,i>ir>  Cil  del  paYs1)  grant  fest«  fönt. 

Maintc  en  ont  la  iner  trovöo, 

Ivains  et  Melga  esjraröe. 

Ivains  cstoit  rots  de  Hongrie, 

Pnr  nier  aloit  ä  graut  navi«  "I; 
6220  Melga  estoit  d'Kseoce  sire. 

Des  iiic.schincs  tirent  nein; 

IMuisors  <)iiis>  vaurent por  jesir '"i, 

f'ar  nel  n)  voloient  consantir: 

Ncs »-')  oeioient  pas  por  el  >*), 
6*2*25  Paien  estoient  mult  eruel. 


In  der  Hauptsache  sehüesst  »ich  Waee,  wie  man  sieht ,  an 
Oottfried  an;  nur  setzt  er  statt  der  IRKMX)  Jungfrauen  niedern 
.Standes  40 000  ein  14 ).    Die  bedeutsamste  Abweichung  steht  gegen 

1)  Irapart'.  du  Mibj.  von  vedeir  —  videre.  2)  eoeur.  .'{)  Schaar. 
•Ii  il  y  eilt.  f»)  douleur.  ti)  avec.  7)  ceux  du  pays  =  los  hahitants. 
H)  avec  beauennp  de  navircs.         0)  voiilurent.  10)  gösir  coucher. 

II)  ne  le.       1*2)  ne  les.       Li)  aliud. 

14)  Unbegreiflich  ist  das  Urthcil  San  Marte's  über  die  Dar- 
stellung der  Ursulalegeiide  bei  Gottfried  und  Ware:  „Die  mit  der  Aus- 
wanderung nach  der  Bretagne  verknüpfte  Geschichte  der  hl.  Ursula  und 
ihrer  11000  Jungfrauen  gehört,  wie  es  scheint,  mehr  der  frankischen 
Legende  an  und  ist  wohl  erst  später  nach  Britannien  übergegangen,  wie 
denn  auch  Wacc  im  Koman  de  Brut  entschieden  den  Legenden  des  Con- 
Cinents  folgt"  (Nene  Mitth.  aus  dein  Gebiet  histor.-anti'inar.  Forschungen 


IX  S.  «4). 


Studien  zur  Geschichte  der  Külm-r  Märterinnen. 


171 


Schill«?:  von  den  «ms  dein  Schiffbruche  geretteten  Jungfrauen 
werden  11  (MM),  unter  ihnen  Ursula,  nach  Köln  gefuhrt  und  daselbst 
enthauptet-,  sie  fallen,  wenigstens  /.um  Thcil,  als  Märteriuiicn  ihrer 
jungfräulichen  Ehre,  sind  Heilige  und  erfreuen  sich  eine»  grosseu 
Festes.  Zum  ersten  Male  beobachten  wir  hier  eine  Rückwirkung 
der  kölnischen  Legende  auf  die  bretonisehe,  von  welcher  jene  bis 
dahin  mehrere  Jahrhunderte  hindurch  bccinflusst  worden  war.  Natür- 
lich war  es  eine  Folge  der  im  12.  Jahrhundert  immer  weiter  sich 
ausbreitenden  Verehrung  der  Mürterinncu,  dass  die  bretonisehe  Sage 
Köln  die  genannte  Coneessiou  bezüglich  der  Marterstätte  derselben 
angedeihen  Hess. 

Die  Unzugängliehkeit  der  Flore«  historiarmn  des  Matthacus 
v  o  n  W  e  s  t  m  i  n  s  t  e  r  ( um  1377),  in  welchen  ebenfalls  unsere 
Sage  berührt  wird,  erlaubt  mir  kein  Urtheil  ülier  die  Art  der  Dar- 
stellung derselben  bei  diesem  Schriftsteller;  hier  sei  nur  noch  kurz 
erwähnt,  dass  Johanues  Maior  (geb.  1409,  gest.  lf>47)  in  seinen 
Gcsta  Seotorum  1  14  noch  mehr  sich  der  Kölner  Uebcrlieferung 
anschliesst,  indem  er  mit  Weglassuug  des  Schiffbruches  und  Unter- 
ganges zahlreicher  Jungfrauen  die  ganze  Schaar,  1 1 000  au  der 
Zahl,  welche  nach  Armorika  bestimmt  war,  durch  einen  heftigen 
Wind  uuiuittelbar  nach  Köln  gelangen  und  daselbst  durch  Gouanus 
und  Elga  umkommen  lässt  »». 


0.  Die  Kcgräbnissstätte  der  Kölner  Märterinnen; 
der  ager  Ursnlanus. 

Unsere  Untersuchung  ist  an  der  Sehwelle  der  letzten  Epoche 
der  Umgestaltung  unserer  Legende  angelangt.  Dieselbe  ist  bedingt  durch 
die  umfassenden  Nachgrabungen,  welche  im  Laufe  des  12.  Jahrhunderts 
nach  den  Gebeinen  der  Kölner  Märterinnen  angestellt  wurden.  Es 
dürfte  daher  hier  der  geeignete  Ort  sein,  die  wechselnden  Ansichten 
über  die  Grabstätte  derselben  zusammenzustellen  und  zu  er- 
läutern. 

Wenn  auch  die  Clcmatianisehe  Inschrift  die  basilica  saneta- 
rum  virginnm  ganz  ausdrücklich  nur  als  Mart  erstatte  der  Jung- 

1)  Die  bezügliche  Stelle  ist  abgedruckt  bei  Va  h  e  r  i  u  s,  Britnnnica- 
ruin  ecclcHiarum  antii|iiilnte.>  |>.  Gl 7. 


172 


Joseph  Klinke  11  Ii  i»  r  g: 


franen  bezeichnet,  so  muss  <loc-h,  wie  wir  früher  gesehen  haben  1 1, 
aus  der  Wendung  ,cxeeptis  virginibus'  zusammengehalten  mit  der 
Sitte  der  Zeit,  in  welcher  die  Inschrift  entstanden  ist,  mit  Not- 
wendigkeit geschlossen  werden,  dass  sie  von  vornherein  —  und 
zwar  nur  sie  -  auch  die  (irabstättc  derselben  war.  In  dienern 
.Sinne  sprechen  sieh  die  Zeugnisse  der  folgenden  Jahrhundertc  ein- 
stimmig ans.  Schon  erwähnt  wurde  die  Stelle  der  vita  s.  Ctmi- 
berti,  welche  von  tutnuli  in  der  Kirche  redet  *).  Eine  Antiphon 
des  Officium«  der  hl.  Jungfrauen,  welche  durch  ihren  engen  An- 
schlug» an  die  Clcmatianische  Inschrift  den  Stempel  Indien  Alters 
an  sich  trägt,  preist  die  ,beata  virginnm  corporn,  cpuie  pro  Christi 
eonfessione  prost  rata  solo  iacent  hiefd.  h.  in  der  Kirche)  sepnlta'  Der 
Sermo  in  natali  bezeichnet  die  itasilika  als  ,sauctorum  cor|H»rnm  custo- 
dem  ecclesiam'  4).  Selbst  zu  der  Zeit,  als  schon  die  Zahl  der  Mülle- 
rinnen auf  11  (MJO  geschätzt  wurde,  hielt  mau  noch  an  der  Ansieht  fest, 
dass  die  Basilika  ihre  Oebeine  sämmtlich  umschliesse.  Durch  Ur- 
kunde vom  29.  Juli  027  schenkt  Erzbischof  Wichfrid  dem  Ursula- 
stifte die  nahegelegene  Marienkirche  ,propter  reverentiam  XI  milium 
sanetarum  virginum  i  n  i  b  i  (d.  h.  in  der  unmittelbar  vorher  ge- 
genannten ecclesia  sanetarum  virginum)  requiescentium'  5).  Wenn 
daher  in  dieser  frühen  Zeit  von  Erhebungen  und  Uebcrt ragungen 
von  Reliquien  der  hl.  Jungfrauen  die  Rede  ist,  so  müssen  wir  an- 
nehmen, dass  man  sieh  durch  Eröffnung  der  in  der  Kirche  befind- 
lichen flrülKT  in  den  Hesitz  derselben  gesetzt  hat.  So  enthält 
schon  das  Calcndarimu  H  i  n  t  e  r  i  in  s  und  das  des  Düsseldorfer 
Codex  D  }\  unterm  28.  Februar  die  translatio  sanetae  l'innosae, 
ein  Fest,  welches  mit  der  Verdrängung  l'innosas  ans  ihrer  führen- 
den Stellung  wieder  verschwindet  und  einer  translatio  s.  Ursulac 
am  28.  Januar  Platz  macht  *). 

Die  Legende  Regtiante  domino  deutet  zuerst  —  freilich  nicht 
in  ihrem  ältesten  Theile  —  auf  eine  Wandlung  der  Ansicht  be- 


1)  Bonner  Jahrbücher  l.XXXVIII  S.  91. 
2i  Bonner  Jahrbücher  LXXXIX  S.  108  ff 
3>  Kesncl  n.  a.  O.  S.  156. 

4)  c.  5,  17. 

5)  Lato  >n  b  I  c  t,  Crkuudcnbut-h  1  nr.  88. 

G)  Diese  rührte  man  ohne  allen  (»rund  auf  die  Bonner  Jahrbücher 
LXXXIX  S.  10H  (T.  erwähnte  Begebenheit  ans  dem  Leben  des  hl.  C'nnibcrt 
y.illüek.    Vgl.  den  Inhalt  der  Inschrift  Act«  Sanct.  Oct.  IX  p.  2.M;. 


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Studien  zur  (Jesehiclite  der  Kölner  Marterinnen. 

I 


17:; 


•/(Irlich  der  Begräbiiissstättc  der  Jungfrauen.  Die  Anordnung  des 
Clematius,  dass  man  innerhalb  der  Basilika  keinen  Leichnam  be- 
statten dürfe,  wird  e.  1H,  s  als  gültig  für  den  ganzen  ,anibitus  va- 
ginalis sepulturae'  bezeichnet.  Offenbar  war  man  sieli  bewusst  ge- 
worden, dass  1 1  000  Personen  unmöglich  in  der  kleinen  Basilika 
ihre  Grabstätte  haben  konnten,  und  dehnte  daher  dieselbe  über  die 
nächste  Umgebung  wahrscheinlich  den  Bezirk  des  .Stiftes  — 
aus  1  \  Eine  noch  tiefer  greifende  Aendcrnng  aber  trat  im  Jahre 
1105  ein.  Wir  kennen  dieselbe  durch  die  Schilderung  eines  Zeit- 
genossen, des  Mönches  R  i  e  h  e  r  u  s  aus  der  Abtei  Waulsort  in  der 
Diöcese  Xamur.  Obwohl  das  Aktenstück  bei  den  ßollaudisten  ab- 
gedruckt steht  *),  ist  es  doch  seiner  Bedeutung  entsj)recheud  bis- 
heran  nicht  gewürdigt  worden. 

Als  in  dem  genannten  Jahre  Kaiser  Heinrich  IV.  auf  der 
Flucht  vor  seinein  Sohne ,  dein  spätem  Kaiser  Heiurich  V.,  am 
Niederrhein  freundliche  Aufnahme  fand  und  unter  andern  auch  in 
Köln  verweilte,  nahmen  die  Kölner  ans  Furcht  vor  einer  Belagerung 
auf  die  Befestigung  ihrer  Stadt  Bedacht:  man  erhöhte  die  Mauern, 
besserte  die  Thore  aus  und  umgab  die  Stadt  mit  einer  zweiten  Um- 
wallung.  Zh  diesen  Arbeiten  hatte  man  Bauern  gedungen.  Als 
dieselben  nun  den  Boden  um  die  Stadt  herum  aufwühlten,  erschienen 
ihnen  plötzlich  zwei  Frauen  von  unglaublicher  Schönheit  um!  forder- 
ten sie  mit  sauften  Worten  auf.  die  Erdschollen  etwas  ehrfurchts- 
voller zu  entfernen.  Auf  die  Frage  der  Bauern,  wer  sie  seien,  er- 
widerten sie,  sie  gehörten  der  Gesellschaft  der  1100«)  Jungfrauen 
an,  die  hier  herum  begraben  lägen;  mitten  zwischen  ihnen  ruhe 
ihr  Bisehof.  den  man  bald  auffinden  werde.  Hierauf  verschwanden 
sie.  Schnell  verbreitete  sich  das  Gerücht  von  der  Erscheinung, 
und  die  Bürger  Kölns  vernahmen  mit  Staunen,  dass  die  1 1  000  Jung- 
frauen an  einer  Stelle  ruhten,  wo  man  es  nicht  vermuthete 
iiu  quihus  nou  sperabatur  loci«),  und  durch  eine  Erscheinung  selbst 
ihre  Grabstätte  geoffenbaret  hätten.    Alles  eilte  hinaus,  um  das 


1)  Letzteres  darf  mnn  aus  der  Thatsache  achlivssen,  da**  die  Ab- 
tissinnen  und  Nonnen  de«  UrKulaMtifte*  auf  dem  Kirchhof  der  Maria- 
Ablass-Pfarrkiivhe  begraben  wurden,  ,cum  penes  erclesiani  XI  inille  vir- 
ginutn  nulli  sepultura  comedatur'.  (Gelen  nix,  De  admir.  ningn.  Col. 
p.  411».)  Hierher  gehört  auch  die  Bezeichnung  der  Nonnen  des  Ursula 
Stiftes  uIh  ,tot  eaele.Htiuni  geiiiniarum  servatrices'  iRcgnante  doinino  i-.22,i»). 

2)  Acta  Sanct.  Oct.  IX  p.  239  so,.    ITeber  den  Verfasser  vgl.  p.  238. 


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174 


.1  o  s  o  |i  Ii  K  I  i  ii  k  <•  11 1>  v  r  g: 


Wunder  zu  schauen.  Kin  Priestor  der  Ounibcitskirehe.  welche 
i  Ii  d  e  r  N^i  Ii  o  d  er  Stelle  1  a  g.  w  o  d  i  e  E  r  d  a  r  h  e  i  t  e  n  a  n  s- 
go führt  wurden  <quae  operi  contigua  erat,  stalil  Abends  ein 
wenig  von  den  ausgegrabenen  Oeboineu.  hraehte  diosell>en  in  die 
Kirelio  und  sah  sie  leticliten.  Diese  und  andere  als  wunderbar  an- 
gesehene Erscheinungen,  welche  an  den  aufgefundenen  Oebcinen 
beobachtet  wurden,  hoben  jeden  Zweifel  an  der  Eehtheit  derselben. 

Der  weitere  Inhalt  des  Aktenstückes  ist  für  unsere  Unter- 
suchung nicht  von  Belang.  Zum  ersten  Male  bemerken  wir  in 
demselben  eine  Abweichung  Von  der  bis  dahin  streng  festgehaltenen 
Ansieht,  die  Märtyrersehaar  habe  lediglieh  ans  Jungfrauen  bestanden: 
ein  Bisehof  befindet  sieh  unter  ihr.  Die  beiden  Jungfrauen,  welche 
den  Arbeitern  erseheinen  und  dadurch  nach  den  von  Alters  her 
bekannten  elf  und  der  ebenfalls  durch  eine  Erscheinung  bekannt 
gewordenen  Cordula  zuerst  persönlich  auftreten,  finde  ich  in  jener 
dementia  und  (»rata  wieder,  welche  zweimal  den  Namen  der  Elf 
angereiht  sind  •),  und  dies  um  so  mehr,  weil  in  der  Erzählung 
Richers  gerade  die  Milde  und  Lieblichkeit  ihrer  Erscheinung  hervor- 
gehoben wird  *'».  Von  grösster  Wichtigkeit  aber  ist  die  Bemerkung,  dass 
der  Ort,  welchen  die  Erscheinung  als  Grabstätte  der  11  <KX>  Jung- 
frauen bezeichnete,  liümlich  die  Gegend  nordöstlich  von  der  Ursulain- 
sehen  Basilika  in  der  Nähe  der  Cunibertskirche,  bis  dahin  von  niemand 
als  solche  betrachtet  wurde.  Wir  besitzen  darin  ein  klares  Zeng- 
niss  für  die  Zeit  der  Entstehung  des  sog.  ager  Ursnhums,  welcher 
von  nnn  an  mehrere  Jahrhunderte  hindurch  der  Schauplatz  fieber- 
haft betriebener  fSrabnugen  nach  den  Reliquien  der  110(M)  Jung- 
frauen, zugleich  aber  auch  die  Veranlassung  zu  einem  heftigen 
Streite  wurde. 

Kaum  war  nämlich  in  Folge  der  angeführten  Erscheinung 
der  Anfang  zu  den  Ausgrabungen  gemacht  worden,  als  die  Mönche 
des  Deutzer  Heribertsklosters»  sich  derselben  mit  besonderem  Eifer 
annahmen.  Schon  1113  übertrugen  sie  den  Leib  einer  hl.  Palmatia 
in  das  Kloster  Weissenbnrg.  Ein  Fund  folgte  dem  andern,  und 
nie  vorher  vernommene  Namen  von  Kölner  Märterinncn  tauchten 
auf.    Auf  (irund  abermaliger  Erscheinungen  begann  dann  im  Jahre 


1)  Vgl.  S.  135. 

2)  .vetmsti  ornntus  increilibiliscpte  speciei  clniie  tnitlieres  .  .  dukiqite 
iiFatu  .  .  dixere'. 


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Studien  zur  Geschichte  der  Kölner  Milrterinnen. 


17f» 


11;V»  unter  Leitung  der  Deut/er  Achte  Merlach  und  Hartbcru  eine 
neunjährige,  allgemeine  Erhebung  der  Gebeine  den  Ursulaackers, 
von  denen  ein  grosser  Theil  als  Reliquien  in  alle  Welt  verhreitet 
wurde.  Im  1.1.  Jahrhundert  dauerten  die  Erscheinungen,  Funde 
und  Verschenkungen  fort,  bis  l'ajwt  Bonifaz  IX.  letztere  auf  den 
Wunsch  der  Kölner  Bürger  verbot.  Xoeh  1640,  als  man  im  Herzen 
den  Ursulaackers  ein  Massengrab,  und  1642,  als  mau  in  »1er  Nahe 
der  Ursulakirche  eine  im  Sande  begrabene  Leiehe  entdeckte,  glaubte 
man,  (lebeine  der  11000  Jungfrauen  aufgefunden  zu  haben1). 

Für  uns  ist  es  unbegreiflich,  wie  die  Erscheinung  des  Jahres 
1105  und  die  Aussage  derselben  nicht  dem  schärfsten  Zweifel  und 
lebhaftesten  Widerspruche  begegnete.  Allein  weder  jetzt  noch 
spater  boren  wir  etwas  davon.  Selbst  die  Klosterfrauen  des  Ursnla- 
stiftes,  bei  denen  dies  am  meisten  zu  verwundern  ist,  erkannten  so- 
gleich die  aufgefundenen  (lebeine  als  Kcliqnieu  der  hl.  Jungfrauen 
dadurch  an,  das»  sie  den  Besitz  derselben,  wie  Rieherus  erzählt, 
den  Canonici  von  St.  Cuuibert  gegenüber,  auf  deren  («rund  und 
Hoden  sie  gefunden  worden  waren,  für  ihre  Kirche  als  die  alt- 
bekannte Grabstätte  der  hl.  Jungfrauen  beanspruchten  und  sogar 
zu  einer  heimlichen  Entführung  von  (Sebeinen  übergingen.  Als 
aber  bald  der  sog.  Greesberg,  wo  die  Ausgrabungen  stattfanden, 
den  Xamen  ,Ursnlaacker'  erhielt  *)  und  die  auf  demselben  schon  zu 
Erzbischof  Annos  II.  Zeiten  (loött—  lÜ7f»)  erbaute  Kirche  der 
hl.  Machabüer3)  immer  mehr,  wie  es  scheint,  an  Ansehen  gewann, 
fühlte  sich  Gcpa,  die  Äbtissin  des  Ursnlastiftes,  schwer  verletzt, 
weil  sie  in  diesen  Vorgängen  eine  Schmälerung  des  Ansehens  der 
Ursulanischeu  Basilika  erblickte  Ohne  Zweifel  auf  ihre  Veran- 
lassung Hess  ihr  Bruder,  der  damalige  Erzbischof  Reinald  von 


1)  C  r  »  ui  1)  &  c  Ii,  S.  Ursula  vindicala  p.  171. 

2)  Vgl.  die  S.  176  Aninerk.  1  angezogene  Urkunde. 

.'{)  In  der  Urkunde  liei  La  com  biet,  Urkundonbueh  I  nr.  318 
vom  Jahre  11.14  erneuert  Graf  Adolf  von  Saffenberg  die  Schenkung  eines 
Gutes  in  Mondort*,  welches  sein  Grossvater  durch  Krzbischof  Anno  der 
Macliabuerkirche  als  ,dos'  überwiesen  hatte. 

4)  Die  Nachrichten  über  diese  Ereignisse  siehe  bei  C  r  o  m  b  a  e  h, 
S.  Ursula  vindieata  p.  790  sq.,  der  sie  einem  mit  Hülfe  des  Archivs 
des  Machabätorklosters  verfassten  Manuscript  entlehnte.  Ganz  unhistorisch 
wird  hier  der  Streit  bis  auf  da«  5.  Jahrhundert  zurückgeführt,  wo  Ole- 
inatius  die  Ursulanische  Basilika  und  gleichzeitig  der  Kr/.bischof  Solinus 
die  Kirche  auf  dein  Greesberg  erbaut  haben  soll. 


J  n  a  c  |i  Ii  K  I  i  Ii  k  c  n  he  r  n: 


Dassel,  die  Gebeine  der  Id.  Machabäer.  welche  er  mit  denen  der 
Id.  drei  Könige  nach  der  Eroberung  Mailands  von  Friedrieh  Bar- 
barossa /um  Geseheuke  erhalten  hatte.  1H>.*>  durch  die  Canonici 
des  Domstit'tcs  in  die  genannte  Kirche  Ubertragen;  dafür  aber  sollte 
von  nun  au  der  Name  ,.1'rsnlaaekcr4'  nur  dem  Bezirk  des  Ursula- 
stiftes  /.ukoininen.  Allein  Kcinnhls  Nachfolger,  Philipp  von  Heins- 
berg, weihte  trotz  mancher  entgegengesetzten  Bestrebungen  die 
Kirche  auf  dem  (»reesberge  feierlich  zu  Ehren  der  Gottesmutter, 
der  1 1  (HM)  Jungfrauen  und  aller  hl.  Märtyrer  und  übergab  sie  117H 
Nonnen  vom  Orden  des  hl.  Benediktas  1 1.  Den  bis  in  das  folgende 
Jahrhundert  sich  fortspinueudeu  Streit  suchte  der  hl.  Engelbert 
l  Erzhisehof  von  Köln  121t)— 122;*);  endgültig  zu  schlichten.  Er  Hess 
au  der  Kirche  der  Beuediktinerinuen  einen  neuen  Chor  erbauen  und 
trug  sich  mit  dem  Gedanken,  in  diesen  die  Ctcbeine  der  hl.  Macha- 
bäer zu  üliertragen  und  den  Altar  desselben  zu  ihrer  Ehre  zu  weihen, 
damit  so  das  Kloster  und  die  anliegende  «Strasse  von  diesen  den 
Namen  erhalte.  Indessen  fand  er  vor  der  Ausführung  des  Planes 
durch  die  Hand  eines  Meuchelmörders  einen  allzufrühen  Tod.  Den 
Gedanken  Engelberts  verwirklichte  sein  Nachfolger  Heinrich  von 
Molenark.  Er  beauftragte  122*  den  päpstlichen  Legaten  Johannes, 
Bischof  von  Mitylcne,  die  rebertragung  der  Reliquien  und  die  Weihe 
des  Altars  vorzunehmen.  Damit  endigte  freilich  der  Streit  der 
beiden  Klöster,  allein  der  Name  -Ursulaacker"  erhielt  sich  für  die 
bezeichnete  Gegend  vor  wie  nach,  und  noch  Gelen  ins  weiss  als 
die  äussersteu  Puukte  des  ager  CrsuhuiUB  Sl.  Ursida  im  Westen, 
St.  Johannes  und  Cordula  im  Osten.  St.  Maximin  im  Süden  und 
St.  Machabäer  im  Norden  zu  bezeichnen  *>. 


10.  Die  Auflösung  der  Legende. 

Die  Grabungen,  welche  seit  lläö  auf  dem  ITrsulaaeker  statt- 
fanden, förderten  neben  den  Gebeinen  auch  eine  Reihe  von  In- 
schriften zu  Tage.     Da  dieselben  dein  Abte  Gerlach  höchst  ver- 


1)  In  der  bezüglichen  Urkunde  {rebraucht  Philipp  nclbst  den  Aus- 
druck ,».  Ursulae  ager':  capellam  iu  iiiemoriam  sanetarnui  virginuin  in 
loco,  qui  dicitur  h.  l'rsulae  Jifrer,  in  Colonia  conslrucliuii . .  .  saucliuiouiali- 
bus  ordiuis  s.  Benedict i  .  .  .  concessimus  possidemlnui. 

2)  De  admir.  uiagti.  Col.  p.  92. 


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Studien  zur  Geschichte  der  Kölner  Milrterinncn. 


177 


dächtig  vorkamen.  **.»►  schickte  er  die  wichtigsten  an  eine  visionäre 
Nonne  mit  Namen  Elisabeth  im  Kloster  Schönau  in  der  Trierer 
Diöeese.  Die  Texte  der  Inschriften  sind  erhalten  in  einem  von 
dein  Deutzer  Mönche  Theuderich  abgefassten  Verzeichnisse  »),  zum 
Theil  auch  in  den  Revclationen  der  Elisabeth  von  Schönau.  Sie 
erweisen  sich  auf  den  ersten  Blick  insgcsamnit  als  plumpe  Fäl- 
schungen, mit  Ausnahme  der  Grabinschrift  des  Aetherius,  welche 
alle  Kennzeichen  einer  altchristliehen  Grabinschrift  an  sich  träfet 
und  noch  obendrein  durch  die  merkwürdige,  Beschreibung  des  von 
Elisabeth  und  ihren  Berathcm  nicht  erkannten  Christus-Monogramms 
als  echt  erwiesen  wird  -). 

Elisabeth  bestätigte  indessen  nicht  nur  die  Echtheit  der  sihnmt- 
lichen  ihr  vorgelegten  Inschriften,  sondern  behauptete  auch  durch 
visionäre  Mittheilungeu  einer  hl.  Verena,  deren  Leib  nach  Schönau 
gebracht  worden  war,  neue  Aufschlüsse  über  die  Schicksale  der 
IKK  Hl  Jungfrauen  zu  erhalten,  welche  von  ihrem  Bruder,  dem 
Abte  Egbert  von  Schönau,  aufgezeichnet  wurden  3 ).  Hier  erscheint 
zum  ersten  Male  die  Jungfrauenschaar  begleitet  von  einer  Menge 
von  erdichteten  Bisehöfen  und  andern  männlichen  Personen,  welche 
zu  den  Jungfrauen  in  einem  verwandtschaftlichen  Verhältnisse  stehen. 
Unter  den  erstem  ist  am  berühmtesten  der  Papst  Cyriacus,  der 
bei  der  Ankunft  der  Jungfrauen  in  Born  abgedankt  und  mit 
ihnen  nach  Köln  gezogen  sein  soll,  diesen  Schritt  aber  mit  der 
Streichung  seines  Namens  ans  dem  Papstkatalog  gebüsst  habe  4 ). 
Den  oben  genannten  Aetherius,  auf  dessen  Grabstein  die  Standes- 
bezeichnung  fehlte,  glaubte  Elisabeth  mit  Rücksicht  auf  das  von 
ihr  als  „rcxu  gedeutete  Christusmonogramm  für  den  Bräutigam  der 
hl.  Ursida  ausgeben  zu  müssen,  den  die  kölnische  Legende  namen- 

1)  Vgl.  Acta  Snnct.  Oct.  IX  |>.  243  ff. 

*2)  Vgl.  Klinke  n  berg,  Die  römisch-chriatliehcti  Grabinschriften 
Kölns  (Prngr.  des  Marzellengymnasiums  1891)  S.  In. 

:i)  Abgedruckt  in  den  Acta  San«.  Oct.  IX  p.  103  sq. 

4)  Vgl.  Döllinger,  I'apstfabeln  des  Mittelalters  S.  45  ff.  Mit 
Hecht  hebt  Döllinger  hervor,  dnss  die  Auffindung  von  Grabsteinen 
männlicher  Personen  auf  dem  Ursulaacker  zunächst  veranlasst  scheint, 
um  das  Vorkommen  so  vieler  männlicher  Gebeine  auf  dein  Felde  zu 
rechtfertigen,  wo  man  nur  die  Gebeine  von  Jungfrauen  zu  finden  ge- 
dachte. Elisabeth  von  Schönau  hat  also  nicht  alle  jene  Namen  erdichtet, 
auch  nicht  den  des  Cyriacus;  sie  ist  vielmehr  die  Urheberin  der  Geschichte 
derselben. 


Jalirl».  (I.  Vit.  v.  Altcrtliunn.fr.  im  Klu-inl.  XCIII, 


178 


Joseph  Klinken  borg1: 


los  gelassen  hatte.  Auch  vorlegte  sie  im  Gegensätze  zu  der  bis 
dahin  geltenden,  auf  der  Legende  beruhenden  Anschauung,  dass 
Attila  der  Anstifter  des  Jungfraiieumnrtyriums  sei,  letzteres  in  das 
Jahr  und  sehrieh  es  einem  Hunnenfürsten  .lulius  zu,  der  die 
Jungfrauen  auf  Befehl  von  zwei  angesehenen  Kömern,  Maxiinns 
und  Afrieanus,  habe  niedermetzeln  lassen.  Die  letztgenannte 
hat  innig  fand  -  -  wie  Uberhaupt  die  Visionen  Elisabeths  —  so  all- 
gemeinen (Mauben,  das*  man  sie  sogar  als  Zusatz  den  meisten  Hand- 
schriften von  Regnante  domino  anhängte  '). 

Noch  überboten  «erden  die  Visionen  Elisabeths  von  denen 
des  Steinfelder  l'rümonstrateuserinönches  Hermann  Joseph,  welche 
er  in  den  Jahren  und  11*7  niedergeschrieben  hnt-i.  Hatte 

schon  Elisabeth  die  Märtyrerschaar  bedeutend  vennehrt,  so  gesellt 
Hermann  ihr  noch  eine  weitere  Anzahl  von  Bischöfen,  Fürsten, 
Prinzen,  Matronen  und  Kindern  hei,  deren  Genealogie  und  Be 
Ziehungen  zu  den  Jungfrauen  er  in  weitschweifigster  Weise  aus- 
führt. Auch  umgibt  er  den  Zug  mit  einer  fortlaufenden  Reihe  von 
Wundern,  unter  denen  manche  ans  Triviale  und  Komische  streifen. 

Diese  wenigen  Züge  genügen  zur  Charakterisirung  der  ge- 
nannten Werke.  Die  auf  altehrwürdigcn  L'eberlieferungen  beruhende 
Legende  wird  in  ihnen  durch  das  denkbar  subjektivste  Moment, 
die  Vision,  zersetzt  und  ihrer  Auflösung  entgegengefahrt ;  damit  ist 
sie  in  ein  Stadium  gelangt,  in  welchem  das  wissenschaftliche  Inter- 
esse an  ihr  erlischt. 


Wir  sind  am  Schlüsse  unserer  Studien  zur  Geschichte  der 
Kölner  Märteriunen  angekommen.  An  der  Hand  der  Denkmäler 
hat  der  Verfasser  die  vielfach  verschlungeneu  Fäden  der  Ueber- 
licferung  zu  entwirren,  ihren  Ausgangspunkt  festzustellen  und  ihre 
Entwicklung  klarzulegen  versucht.  Dass  ihm  dies  allenthalben  ge- 
lungen sei,  ist  er  weit  entfernt  zu  behaupten;  für  manche  Frage 
musste  er  die  Lösung,  für  manche  Thatsache  die  Begründung 
schuldig  bleiben.  Indessen  scheint  ihm  der  hannonischc  Zusammen- 

1)  Mit  Unrecht  glauben  die  Bnlluudisteu,  dass  dieser  Zusatz  schon 
zu  Elisabeths  Zeiten  bestanden  habe  (a.  a.  O.  p.  99). 

2)  Abgedruckt  in  den  Acta  Sand.  Ott.  IX  p.  173  sq.  Ucber  Her- 
mann Joseph  al»  Autor  ebenda  p.  90  sq. 


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Studien  sciir  Geschichte  der  Kölner  MHrterinnon. 


170 


schluss  der  gefundenen  Einzclrcsnltatc  eine  gewisse  Kcstätignng  flir 
die  Kichtigkcit  des  von  ihm  eingeschlagenen  Weges  zu  enthalten. 
Schliesslich  möchte  er  einem  doppelten  Wunsche  Ausdruck  geben: 
dass  durch  die  vorliegenden  Untersuchungen  die  Aufmerksamkeit 
der  Forscher  dieser  interessantesten  Heiligcngeschiehte  des  Abend- 
landes von  neuem  zugewandt,  und  dass  im  Interesse  der  Aufhellung 
derselben  ein  bisheran  noch  unbenutzt  gebliebenes  Mittel  verwerthet 
werde:  die  Ausgrabung  der  Ursulakirche.  Eine  solche  würde  Form, 
(}  rosse,  Lage  und  Alter  der  ursprünglichen  Basilika  wie  auch  der  spätem 
Hauten  festzustellen  und  den  etwaigen  Spuren  von  Gräbern  in  der- 
selben nachzugehen  haben.  Dass  dabei  auch  noch  mancher  inter- 
essante Ueberrest  römischer  Kultur  aus  Tageslicht  kommen  würde, 
darf  nach  den  in  alter  und  neuer  Zeit  hier  gemachten  Erfahrun- 
gen als  sicher  vorausgesetzt  werden. 


180  Jos,«  f  Kl  «-in:  . 


II.  Kleinere  Mittheilungen  aus  dem  Provinzial-Museum  in  Bonn. 

Von 

J08*r  KIHll. 


34. 

(i  rä  her!  und  aus  Bonn. 

AI»  im  August  vergangenen  Jahres  «He  Fundnmcntirungs- 
arbeiten  für  den  Neuliau  eines  Hintergebäudes  des  Gasthofes  „Zum 
Sehwanenu  /u  Bonn  auf  <ler  Sternstrasse  ausgeführt  wurden.  »Hessen 
die  Arbeiter  in  einer  Tiefe  von  2  Meter,  in  unmittelbarer  Nähe  der 
Cren/.maner  des  Hauses  Xr.  5t)  auf  zwei  römisehc  Steinsärge  aus 
sehlecbtem  Tuffstein  des  Brohlthalcs.  Der  eine  derselben,  der 
in  stark  besebiidigtem  Zustande  aus  der  Erde  gehoben  wurde,  ist 
<>4  ein  lang,  30  ein  im  Lichten  breit  und  '2V>  em  hoch.  Die 
Wandstärke  beträgt  0  em.  Der  Sarg  ist  naeb  dem  Innern  hin 
schön  glatt  gearbeitet,  während  die  Aussenseite  eine  geringere  Sorg- 
falt in  der  Behandlung  zeigt.  Im  Innern  befindet  sieh  an  «lern  einen 
Kopfende  eine  bankartige  Erhöhung  von  10  cm  Höhe  und  8  cm 
Tiefe.  Der  Sarg  war  geschlossen  durch  einen  in  zwei  ungleiche 
Theile  gebrochenen  Deckel  ans  Tuffstein  von  11 — 13  ein  Höhe  und 
37—38  em  Breite.  In  dem  Sarge  lagen  verbrannte  Knochen  so- 
wie einige  Seherben  von  Krügen  und  Töpfen  aus  weissem  Thon. 

Besser  erhalfen  ist  der  zweite  an  derselben  Baustelle  gefundene 
Sarg  aus  Tuffstein,  welcher  eine  Länge  von  TG  cm  und  eine  Höhe 
von  33  cm  hat.  Seine  Breite  beträgt  oben  im  Lichten  31  cm, 
unten  2'>V«  ein.  Die  Stärke  der  Wände  an  den  Längsseiten  beträgt 
0  cm,  an  den  beiden  Schmalseiten  8  em.  Auch  dieser  Sarg  ent- 
hielt zunächst  eine  Menge  verbrannter  Knochen,  dann  ein  kleines 
völlig  auseinander  gefallenes  Kästeben  aus  dlluuem  Bronzeblech  von 
14  em  Länge.  8  em  Breite  und  3  cm  Höbe,  welches  in  »einem 
innern  Räume  durch  eingesetzte  Metallwände  in  Fächer  eingetheilt 


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Kleinere  Mirtlicilmigen  aus  dem  l'rovinztul-Museum  in  Bonn.  181 


gewesen  war.  Kleine  Klappdeckel,  welche  mit  zierlichen  in  Hingen 
liegenden  Griffen  zum  Aufheben  verschen  sind  und  deren  Ober- 
fläche eine  Bcranduug  eingravirtcr  Linien  verziert ,  versehliesscn 
die  einzelnen  Abtheilungeii,  während  ein  Deekel  in  der  Grösse  des 
Kästchens  als  Schieber  funetionirt.  In  demselben  lagen  zwei  kleine 
Würfel  aus  Hein.  Dabei  wurde  ein  chirurgisches  Oerath  aus  Bronze 
mit  flacher  viereckiger  Seliniit'el  gefunden,  dessen  Griff  zur  Hälfte 
abgebrochen  ist  und  das  seiner  Grösse  halber  nieht  in  dem  Käst- 
chen selbst  aufbewahrt  gewesen  sein  kann.  Um  den  Sarg  herum 
standen  mehrere  bauchige  Krüge  mit  kurzem  Halse  und  kleinen 
Henkeln.  Als  Deckel  für  den  Sarg  diente  eine  01  cm  lange,  34  cm 
breite  und  14  cm  dicke  Platte  aus  Kalkstein.  Dieselbe  ist  in 
späterer  Zeit,  wie  sich  bei  genauerer  Besichtigung  ergab,  oben  ab- 
gesägt und  glatt  behauen  worden,  um  als  Deckplatte  verwandt  zu 
werden,  w  ährend  sie  früher  offenbar  einem  anderen  Zwecke  gedient 
hatte.  Denn  als  dieselbe  herumgedreht  wurde,  zeigte  sie  auf  der 
dem  Sarginnern  zugekehrten  Seite  die  untere  Hälfte  einer  fünf- 
zciligcn  Inschrift,  welche  dem  Andenken  eines  Verstorbenen  ge- 
widmet war.  Die  Buchstaben  derselben,  welche  in  allen  Zeilen 
die  gleiche  Höhe  von  5  cm  haben,  weisen  noch  auf  eine  verhältniss- 
mässig  gute  Zeit,  etwa  das  3.  Jahrhundert  n.  Chr.  hin,  wodurch 
w  ir  zugleich  einen  Maassstab  für  die  Zeit  der  Gräber  gewinnen.  Die 
Inschrift  lautet: 

IVNIA*  MATERNAA  COlVX 
COllVGl  a  K  A  R  ISSI  M  0  a  ET 
S  I  B  I  VIVA 
HEREDE    Sa     F  v  Ca 

Von  den  Buchstaben  der  ersten  Zeile  sind  Mos  die  Basen  er- 
halten, welche  jedoch  eine  Ergänzung  dessen ,  was  einst  da  ge- 
standen hat.  noch  sehr  wohl  ermöglichen.  Ohne  Schwierigkeit  ergiebt 
sieb  als  erstes  Wort  arnutfura,  dessen  auch  sonst  auf  rheinischen 
Inschriften ')  vorkommenden  Gebrauch  und  Bedeutung  bereits  Bor- 
ghesi*    erwiesen  hat.  —  Das  nun  folgende  Zeichen  sieht  aus  wie 


1)  Vgl.  C.  I.  Klien.  UTK. 

•2\  Oeuvre*  t.  IV  |>.  17S.    Vgl.  mi^si-nU'in   K.  Iliic  liner,  Donner 
Jahrb.  LXVII  S.  m  f. 


182 


Josef  Klein: 


die  Fussenden  eines  mit  einem  rückläufigen  L  lehrten  E;  das  un- 
mittelbar daran  sieb  anschließende  Zeichen  kann  nur  G  gewesen 
sein,  dessen  Rundung  etwas  flüchtig  eingehalten  war.  Dann  folgt 
der  Fuss  einer  senkrechten  Hasta  entweder  I  oder  T.  Endlich  der 
vierte  Buchstabe  war  sicher  ein  M.  Ks  wird  also  LEG-T-M  zu 
lesen  sein.  -  -  Den  Sellins*  der  Zeih;  bilden  fünf  Zeichen,  von  denen 
ich  das  zweite  eher  für  B  denn  für  D  ansprechen  möchte.  Das 
letzte  Zeichen,  in  welchem  ich  den  Rest  eines  0  sehe,  ist  nur  sehr 
sehwach  erkennbar,  da  hier  der  Stein  eine  starke  Abschürfung  er- 
litten hat.  Es  liegt  nahe,  an  OBITO  zu  denken.  Wie  viel  der 
Stein  oben  eingebüsst  hat.  lässt  sieh  schwerlieh  mit  Gewissheit  ent- 
scheiden, zumal  kein  Anhaltspunkt  dafür  vorbanden  ist,  ob  ausser 
dem  Namen  des  Verstorbenen  noch  seine  Heimath  mit  der  Tribus 
angegeben  war.  Z.  2  am  Schlüsse  und  Z.  H  am  Anfauge  ist  heide 
Male  n  im  Worte  eoniux,  wie  häutig,  ausgelassen.  Auffallend  ist 
dabei  die  verschiedene  Sehreibung  eines  und  desselben  Wortes  in 
unmittelbarer  Aufeinanderfolge,  das  erste  Mal  mit  einem  einfachen, 
das  zweite  Mal  mit  verdoppeltem  I,  wobei  der  erste  Buchstabe,  wie 
nicht  selten,  länger  als  die  übrigen  gebildet  ist.  Seltener  ist  das 
zweite  I  des  Wortes  länger.  Vgl.  Düntzer,  Verzeichnis»  der 
röm.  Alterthümcr  des  Museums  Wallraf-Riehartz  in  Köln,  Köln  1885. 
S.  %  n.  108  a. 

Der  Wortlaut  der  Grabscbrift  ist  detugemüss  folgender  Maassen 
zu  deuten: 

 armatura  legdoni«)  primae  M(inertiae)  obito  Iunia 

Materna  co'n  iux  ca(ri)iugi  kari**imo  et  sibi  rim.  Ilerede«  ffacUn- 
dum)  c(umrerunt). 

In  einiger  Entfernung  von  dem  oben  erwähnten  Aschensarg 
wurde  beim  Fortschreiten  der  Erdarbeiten  das  Bruchstück  einer 
zweiten  Platte  aus  Kalkstein  zu  Tage  gelordert,  welches  an  der 
linken  Seite  vom  Beschauer  abgebrochen,  jetzt  2H  cm  hoch,  7  cm 
dick  und  oben  48  cm,  unten  44  cm  breit  ist.  Auch  die  Vorder- 
seite dieser  Platte  trägt  den  Rest  einer  Grabschrift ,  deren  Buch- 
stabenzüge hinsichtlich  ihres  Charakters  ebenfalls  noch  einer  ziem- 
lich guten  Zeit  angehören.  Die  Buchstaben  haben  in  allen  erhalte- 
nen Zeilen  die  gleiche  Höhe  von  3  cm.  Meine  Abschrift  hat  folgende 
Lesung  ergeben: 


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Kleinere  Mitteilungen  aus  dein  Provinzial-Museuni  in  Bonn.  1H3 


ODEFV    NT  0 
OSXXXVIII  k  ECI  T 
\R  I  A  KR  V  E  N  D  A 
'GIFT      Sl  B  I 
V    N    T    A  R  |  A 

Da  nach  Ausweis  der  letzten  Zeile  bloss  drei  bis  vier  Buch- 
staben im  Anfange  der  einzelnen  Zeilen  fehlen,  so  erhellt  daraus, 
das*  der  Anfang  der  Inschrift  mit  der  Platte  entweder  oben  ab- 
gesägt worden  ist  oder  auf  einer  anderen  Platte  gestanden  hat. 

Die  Lesung  ist  im  Einzelnen  völlig  sicher.  —  Z.  3  ist  noch 
zu  Anfang  der  hintere  Schenkel  eines  A  theilweise  erhalten,  eben- 
so Z.  4  im  Anfange  noch  der  llorizontalstrich  des  zweiten  Schenkels 
eines  V. 

In  paläographischer  Beziehung  bietet  die  Inschrift  einiges 
Bemerkenswerthe.  Während  Z.  1  im  Worte  DEFVNTO  der  Buch- 
stahe F  eine  ganz  regelmässige  Form  hat,  ist  er  Z.  2  im  Worte 
FECIT  und  Z.  3  im  Namen  FRVENDA  beide  Male  so  gebildet,  dass 
der  obere  llorizontalstrich  von  der  Mitte  der  Hasta  des  Buchstabens 
ausgehend,  in  schräger  Richtung  nach  oben  geht,  während  der 
zweite  nach  unten  sieh  zieht,  so  dass  der  Buchstabe  ganz  das  Aus- 
sehen eines  K  mit  verkürzten  Schenkeln  erhalten  hat,  ähnlich  wie 
auf  dem  im  Mannheimer  Museum  aufbewahrten  Sepuleralsteinc  f  C.  I. 
Üben.  1 71H)  aus  Neckargemünd.  Ferner  verlängern  säinmtliehe  A 
der  Inschrift  den  rechten  Schenkel  etwas  am  Kopfe.  Endlich  bei 
E  im  Worte  ET  Z.  4  fehlt  der  untere  Querstrich,  so  dass  es  wie 
F  aussieht. 

Grammatikalisch  ist  zu  beachten  die  Schreibung  drfnnta  statt 
def'uncto,  welche  auch  anderweitig  vorkommt  iz.  B.  ('.  I.  L.  VIII, 
2402.  XII,  141r>),  sowie  der  Akkusativ  \<mn}o*  fllr  den  Genitiv 
\nnu\nrum.  Denn  da  zu  Anfang  der  Zeile  nicht  mehr  als  höchstens 
vier  Buchstaben  verloren  gegangen  sein  können,  wie  wir  oben 
wahi-seheinlich  gemacht  haben,  so  lässt  sich  kein  qni  rijit,  von 
welchem  der  Akkusativ  anno*  abhängig  zu  denken  wäre,  als  aus- 
gefallen annehmen,  sondern  man  wird  sich  für  die  Struktur  defuncito 
anno*  XXXVIII  entscheiden  müssen. 

Demgemäss  wird  die  Tnschrift  mit  beispielsweiser  Ergänzung 
des  Gentilnamens  der  Denkmalserrichterin  folgender  Maasscn  z« 
lesen  sein: 


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J  n  s  c  f  K  I  c  i  ti : 


 o  ihftin  r  tu  ....  \aiin]n.«  dtiodequad  ragint  a  fecit 

\fauii'?\(iria  Fnunda  \coni\ugi  et  sihi  rnluntaria. 

Endlich  ist  mau  einige  Monate  später  an  derselben  Baustelle 
in  «1er  ganz  entgegengesetzten  Ecke,  wo  die  oben  beschriebenen 
Steinsärge  und  Inschriften  /um  Vorschein  gekommen  sind,  als  man 
die  Kanalisation  des  Gebäudes  anlegte,  abermals  auf  einen  rOmiseliett 
Steinsarg  aus  Tuffstein  gestossen,  welcher  ebenfalls  dem  hiesigen 
Proviuzial-Musciim  ein  verleibt  worden  ist.  Derselbe,  ziemlich  roh 
behauen,  hat  eine  Länge  von  f>:»1  s  cm.  eine  Breite  von  51  ein  und  eine 
Höhe  von  41  ein.  Auch  er  hat  in  seinem  Innern,  welches  2.5  cm 
tief  ausgehöhlt  ist,  an  der  einen  Seite  eine  Art  von  Hank,  gerade 
so  wie  bei  dem  an  erster  Stelle  erwähnten  Sarge.  Sein  Inhalt  be- 
stand in  verbrannten  Knocheniesten. 

3ii. 

Grabdenkmäler  römischer  Soldaten  aus  Bonn. 

Schon  im  Jahrbuch  LXXXVIII,  S.  \'2\\  ist  die  Vermuthnng 
ausgesprochen  worden,  dass  wir  in  der  heutigen  von  Bonn  nach 
Köln  führenden  Provinzialstrassc  die  eigentliche  Grüberstrasse  der 
Bonner  Lagcrhcsatziing  zu  sehen  haben.  Diese  hat  aufs  Neue  eine 
glänzende  Bestätigung  durch  die  Kunde  empfangen,  welche  in  den 
Monaten  Deeember  1 801  und  Februar  18le_>  andern  der  Stadt  Bonn  zu- 
nächst liegenden  Theile  der  Strasse,  am  sog.  Johanniskreuz,  ge- 
macht worden  sind.  Dort  sind  nämlich  bei  Aushebung  der  Funda- 
mente für  die  von  einem  hiesigen  Bauconsortium  errichteten  Häuser 
mehrere  Gräber  nebst  den  zugehörendeu  Gedenksteinen  gefunden 
worden,  welche  durch  die  Kichtung,  in  welcher  sie  dem  Zuge  der 
heutigeu,  die  alte  Kömerstrasse,  wie  es  sich  an  einigen  Stellen 
deutlieh  gezeigt  hat,  bedeckenden  Provinzialstrassc  folgen,  zeigen, 
dass  dieselben  in  eontinuirlieher  Folge  jene  Strasse  auf  der  nach  dem 
Lager  hin  gelegenen  Seite  begleiteten. 

Zunächst  wurde  an  der  Ecke,  wo  die  Kölner  Chaussee  und 
das  Koscnthal  zusammen  stosseu,  eine  Brnndgrube  mit  Kesten  ver- 
brannter Knochen  und  zertrümmerten  Gelassen,  einer  kleinen  Bronze- 
nadel  und  einer  fragmentirten  Sehnalle,  welche  beiden  letzteren 
Gegenstände  in  Privatbesitz  Übergegangen  sind,  nngetahr  >  Meter 
unter  dem  Strassenniveau  blosgelegt.  Wenige  Schritte  davon  ent- 
fernt fand  sieh,  offenbar  zu  jener  Brandgruhe  gehörig,  die  untere 


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Kleinen'  Mittheilungen  aus  dem  PrnvinzialMuseum  in  Bonn.  185 


Hälfte  eines  Grabnionumentes  au»  Kalkstein,  welches  Wegen  des 
ungleichen  Bruches  des  Steine!«  linkt*  voin  Beschauer  Hl)  ein,  rechts 
jedoch  Mos  70  em  hoch,  (K)  cm  hreit  und  ein  dick  ist.  Die 
Vorderseite  trügt  ein  von  einem  Leistenrande  eingeschlossenes  etwas 
vertieftes  4')  cm  breites  Kehl,  in  welchem  die  nachstehenden  Reste 
einer  auf  den  Verstorbenen  bezüglichen  Inschrift  eingegraben  sind: 

VOLa  LVo w 
LEG-vTVIXIT 
ANNOSaXXXX 
MI  LITA/ITa  ANN(-) 
X  V  a  H  I  C  a  S  a  E 

Leider  ist  durch  den  Bruch  des  Steines  der  Name  des  ver- 
storbenen Soldaten,  dein  der  Grabstein  errichtet  worden  ist,  verloren 
gegangen,  was  um  so  mehr  zu  beklagen  ist,  als  die  Denkmäler  von 
Soldaten  der  Legio  I  Germanica  — -  denn  um  diese  unter  Vcspa- 
sian  eingegangene  Legion  handelt  es  sich  auf  nnserni  Monumente 
—  nicht  eben  zahlreich  ■)  sind.  Gewöhnlich  entbehrt  sie  eines  Bei- 
namens und  nur  in  der  Inschrift  des  Sex.  Sannums  Severus  zu 
Grcnoble  <C.  I.  L.  XII,  heisst  sie  Oenntnika.    Der  Ver- 

storbene stammte  ans  dein  Orte  Lucas  oder,  wie  er  auch  vollstän- 
diger genannt  wird,  Luchs  Aufjustn*  *i,  einem  Nauptorte  der  Vo- 
eontii  in  Gallia  Xarbonensis  (vgl.  G.  I.  L.  XII  p.  161),  der  von  der 
gleichnamigen  Stadt  in  Gallaecia  wohl  zu  unterscheiden  ist.  Denn 
die  lleimath  unseres  Soldaten  war  in  der  Tribns  Voltinia  einge- 
schrieben, während  die  gallaecische  Stadt  zur  Tribun  Aniensis  ge- 
hörte. Vgl.  Knbitschek,  Korn,  imperium  tributim  deseriptnm 
p.  2M.    Ob  hier  die  volle  Bezeichnung  des  Ortes  gestanden  hat, 

1)  Vgl.  Bonn.  Jahrb.  XXV,  S.  7!»  IT.,  Rhein.  Museum,  N.  F.,  XXIX, 
S.  173  ff. 

2)  Freu  de  nb  «-rg  <Br.im.  Jahrb.  Uli  UV,  S.  ist  und  LV'LVI 
S.  1X0  Anni.  3>  hat  meines  Dafürhaltens  mit  Hceht  der  obigen  Form  tles 
Xantens  statt  der  herkömmlichen  f.ucus  Anf/nsti,  welche  auch  itoehKubit- 
M-hek  a.  a.  O.  S.  201»  beibehalten  hat,  den  Vorzug  gegeben,  weil  die 
letztere  keine  hischriflliche  Auktoritiit  tür  sieh  hat.  Ih-nii  die  Bonner  Grab- 
inschrift des  C.  Murin*  L.  f.,  welche  K  u  b  i  t  >  c  Ii  c  k  aus  Versehen  zu 
Bohr  bei  Bl-iukcnhcim  in  der  F.itVl  gefunden  sein  liisst.  i>t  die  einzige, 
auf  welelicr  der  Name  der  Stadt  vollständig  nnsgesehrieben  ist,  wiihrend 
auf  den  übrigen  Inschriften  entweder  blos  Luco  oder  Luco  Auf),  ab- 
gekürzt sich  findet. 


1HK 


Josef  Klein: 


darüber  kann  man  zweifelhaft  sein,  weil  der  am  Ende  der  erhaltenen 
ersten  Zeile  noch  schwach  sichtbare  Buchstaben  rest  ebenso  gut  für 
den  Fuss  des  .Schenkels  eines  A  als  auch  eines  M  in  Anspruch  ge- 
nommen werden  kann.  Welche  Annahme  den  Vorzug  verdient, 
will  ich  nicht  entscheiden.  Sollte  in  dem  Buchstabenrest  ein  M  zu 
erblicken  sein,  so  würde  es  alsdann  zu  dem  verstümmelten  Worte 
MIL  gehört  haben. 

Die  Zeit  des  Denkmals  ersieht  sieh  schon  aus  dem  Schick- 
sale der  1.  Legion,  welche  nach  Vespasian  nicht  weiter  genannt 
wird;  es  wird  also  in  s  1.  Jahrhundert  n.  Chr.  zu  setzen  sein.  Da- 
mit stimmt  auch  die  schöne  schlanke  Form  der  Buchstaben  über- 
ein, welche  in  der  ersten  Zeile  eine  Höhe  von  4  ein,  in  den  übrigen 
eine  solche  von  4,.2  cm  haben. 

Das  Erhaltene  wird  also  zu  lesen  sein: 

 Yol(tinia)  Luco  Aug'nsto)  oder  oiil(ex)  leyfionix) 

primae,  t  ixit  anno*  yuadrayhita,  mUitarit  anno«  quindeeim ;  hic 
xiitux)  e\*t  \. 

Etwa  zehn  Schritt  davon  entfernt  wurde  in  gleichem  Abstände 
wie  «1er  eben  besprochene  von  der  Kölner  Chaussee,  der  Grabstein 
des  Reiters  der  ala  Longiniana,  Vonatorix  Duconis  l'ilins)  aus- 
gegraben, den  Herr  Ü.  Rautcrt  in  diesem  Jahrbuch  eingehend 
beschrieben  hat,  weshalb  ich  mich  begnüge,  denselben  hier  blos 
zu  erwähnen. 

Als  dann  im  Februar  dieses  Jahres  die  Canalisation  für  das 
von  dem  Eingang«  erwähnten  Bauconsortium  gebaute  Haus  Nr.  VI 
angelegt  wurde,  sah  man  sich  genöthigt,  im  Keller  noch  tiefer  zu 
graben  und  entdeckte  abermals«,  ungefähr  2'  „  Meter  unter  der 
Terrainobcrfläehe  einen  2,54  Meter  hohen,  74  cm  breiten  und  34  cm 
dicken  gewaltigen  Block  aus  Kalkstein,  welcher  sich,  nachdem  er 
von  den  anhaftenden  Schmutz-  und  Erdmassen  gehörig  gereinigt 
worden  war,  als  das  Grabdenkmal  eines  römischen  Auxiliarsoldatcn 
auswies. 

Dasselbe  zeigt  zunächst  in  seinem  oberen  Theile  ein  mit  Leisten 
nmrändertes  und  mit  einer  Füllung  von  Blättcromnmenten  und  einer 
Koset te  geziertes  Giebelfeld,  welches  zu  beiden  Seiten  auf  einem 
Kankenwerk  je  drei  blattartige  Bekrönungen  trägt.  Darunter  be- 
findet sich  eine  viereckige  74  cm  im  Lichten  hohe  und  (>6  cm 
breite  Nische,  welche  unten  6*,'s  cm  tief  ist  und,  sieh  oberhalb  des 
Pferderückens  allmählich  verllachend,  an  ihrem  oberen  Abschluss 


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Kleinen«  Mittheilungen  au»  dem  Provinziftl-Museiun  in  Bonn.  187 


blos  noch  eine  Tiefe  von  5  ein  aufweist.  In  derselben  crbliekt  man 
das  Relief bild  eines  hoeh  zu  Koss  sitzenden  Kriegers,  welcher,  den 
Kopf  etwas  nach  rechts  dem  Beschauenden  zugewandt,  in  vollem 
Laufe  daher  sprengt. 

Auf  dein  Kopfe,  dessen  linke  Hälfte  zerstört  ist,  hat  er  einen 
Helm  mit  Stirnschild.  Hals,  Arme  und  Heine  sind  unbedeckt.  Am 
Halse  zeigt  sich  durch  seinen  Ausschnitt  das  Lederkoller,  welches 
an  seinem  unteren  Rande  geschlitzt  ist  und  dadurch  in  einem  Bogen 
über  die  Überbeine  füllt.  Au  seiner  rechten  Seite  hängt  an  einem 
einfachen  Gürtelbande  das  Schwert,  dessen  Griff  mit  seinein  ge- 
wölbten Bügel  und  kugelförmigen  Knauf,  sowie  die  einfache  Seheide 
mit  ihrem  unteren  Qucrbandc  und  dein  Schlussknopfc  deutlich  her- 
vortreten. 

Mit  der  durch  den  Pfcrdchals  den  Blicken  entzogenen  Linken 
hält  der  Reiter  den  länglichen,  wie  es  scheint  sechseckigen  Schild, 
von  dem  ein  Theil  hinter  dem  Hals  und  unter  dem  Kopfe  des 
Pferdes  sichtbar  wird.  In  der  Hand  des  im  Ellenbogen  gekrümmten 
rechten  Armes  trägt  er,  was  die  Bedeutung  des  Penkmales  nicht 
wenig  erhöht,  ein  Signum,  welches  mit  seinem  oberen  Theile  Uber 
die  Nische  hinaus  bis  auf  das  Giebelfeld  reicht.  Dasselbe  zeigt 
folgende  Bestandteile.  Die  Fahnenstange  bildet  eine  Lanze;  an 
deren  Schaft  ist  oben  das  Bild  eines  Stieres  mit  zum  Springen  er- 
hobenen Vorderbeinen  so  befestigt,  da«*  die  Lanzenspitze  über  dem 
Thierkopf  sichtbar  wird.  Das  Thierhild  wird  eingeschlossen  von 
einem  erhabenen  viereckigen  Randleisten,  in  welchem  nicht  sowohl 
eine  einfache,  von  Seiten  des  Bildhauers  beliebte  Einfassung,  als 
vielmehr  das  bei  den  Feldzeichen  vorkommende  Querholz  mit  den 
auf  den  beiden  Seiten  herabhängenden  Bändern ,  freilich  in  etwas 
mangelhafter  Ausführung  zu  sehen  sein  dürfte.  Wir  haben  wahr- 
scheinlich nach  den  Untersuchungen,  welche  A.  von  Domaszcwski1) 
Uber  diesen  Gegenstand  angestellt  hat,  in  dem  Feldzeichen,  welches 
der  verstorbene  Auxilinrsoldat  in  seiner  Rechten  hält,  das  Signum 
der  Tnrma  seiner  Ala,  welcher  er  angehört  hat,  zu  erkennen,  zumal 
wir  aus  den  Inschriften      wie  bereits  Cancr8)  nachgewiesen  hat, 

11  Die  Kulmen  im  röm.  Heere.    Wien  188T>,  S.  <»f>  ft". 

2)  C.  I.  Lut.  VIII,  209t:  ('.  Julius  D<xter  etJ(eranm\  milfitavit) 
in  ata  cfj(ues},  cur(ator)  furmac,  armorfum)  cttuto.*,  signifer  tunmae), 
milita(rit)  anni»  XXVI,  dimisfau*')  einen itux)  honesta  mixxione.  Vgl. 
C.  I.  Lat.  III  437«. 

3)  Ephem.  epigr.  t.  IV,  p.  363. 


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Josef  Klein; 


wissen,  dass  jede  Turma  einer  Ab  ihren  eigenen  Si^nifer  gehabt 
ha(.  Bcarhteuswertli  ist  dabei,  dass  in  der  dem  Relief  beigegebenen 
(Srnhschrift  der  Träger  des  Signum  blos  als  etjucs  und  nicht  als 
signifer  bezeichnet  wird. 

Unmittelbar  unter  dem  Kelielbilde  steht,  umrahmt  von  einem 
Leistenrande  auf  einer  leicht  vertieften  4H  cm  liohcn  und  6»)  cm 
breitet!  Fläche  die  nachstehende  zehn/eilige  Inschrift: 

VELLAVN  V  S  a  N  ONNl 
F  vßlTVRIX  a  E  Q  V  E  S  a 
ALA  v  LONGIN  IA  N  A  a 
TVRMAaLIVLIREGVLI 
ANa  XXXVIII  a  STIPENDIO 
R  V    V\  XVIII  v   H  a   $  a  E  a 
E X      /STAMENTOa  FACTV 
CVRAR  7NT  La  IVLIVSaREG 
VLVSDECVRIOETa  /WACERa  aspadi 
10    Fa  eIvsde  a  tvrma 

Also:  VeUaunu«,  Xoniii  fiUinx,,  Bit u rix,  equex  ala  Longi- 
niana, turma  Lineiii  Juii{i)  Keguli,  an<norum\  duodeguadraginta, 
xtipendiornm  duoderigiuti,  h  ic  >  x\itux\  t>  xt\.  Kr  \te\xtamento  fac- 
fu(tn)  curarunt  Liuciux)  Julius  liegulux  decurio  et  Macer  AxpadiJ) 
f\iUun)  eiusde(ni)  turma. 

Die  Lesung  der  Inschrift  ist  vollends  sicher  und  wird  durch 
die  Beschädigungen,  welche  der  Stein  an  einzelnen  Stellen  erlitten 
hat,  keineswegs  beeinträchtigt.  Z.  I  ist  hinsichtlich  der  Schreibung 
des  Wortes  NONNI  zu  bemerken,  dass  der  vordere  Schenkel  der 
beiden  in  einander  verschlungenen  N  unmittelbar  vor  die  hintere 
Rundung  des  0  gesetzt  ist.  Ferner  ist  I  wegen  der  Knappheit  des 
Raumes  so  nahe  an  den  die  Inschriftfläche  umgebenden  Leisten- 
rand gerückt,  dass  es  fast  mit  dessen  Vertiefung  zusammenfällt: 
ausserdem  überragt  es  unbedeutend  die  anderen  Buchstaben.  — 
Z.  2  ist  die  untere  Rundung  des  B  ausgebrochen,  ebenso  haben 
Z.  4  L  und  I  hinter  dem  Worte  TVRMA  die  obere  Hälfte  ihrer 
Vcrtikalstriche  und  Z.  b'  M  den  ersten  Schenkel  durch  unglückliche 
Schlägt»  der  Arbeiter  beim  Aufdecken  eingebüsst.  —  Z.  7  ist  von 
dem  dritten  und  vierten  Ruchstaben  nur  noch  der  oberste  Quer- 
strich mit  einiger  Bestimmtheit  erkennbar,  ferner  Z.  H  der  Yorder- 


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Kleinen-  Mittlieihingeu  aus  «lein  Provinzial  Museum  in  Bonn.  1H9 


.Schenkel  dos  sechsten  Buchstabens  V  fast  ganz  durch  Bruch  un- 
kenntlich gemacht.  —  Z.  10  hat  I  im  Worte  EIVSDE  Ueberlänge. 

Die  Buchstabenzflgc  sind  schön  und  ziemlich  gleichmäßig,  so 
das»,  nach  ihnen  zu  nrtheilen,  das  Denkmal  noch  der  hesten  Zeit 
zuzuschreiben  ist,  womit  im  Ganzen  auch  die  Arbeit  des  Reliefs 
stimmt. 

Die  Höhe  der  Buchstaben  ist  in  den  einzelnen  Zeilen  ver- 
schieden; sie  beträgt  in  Z.  1  «5  cm,  danu  alhnählig  abnehmend  in 
Z.  2  und  3  :')  cm,  Z.  4  4\s  cm,  Z.  f>— 8  4  cm,  Z.  9  21/,  cm, 
Z.  10  2  cm. 

Was  den  Namen  des  Soldaten  anlangt,  so  kommt  derselbe 
hier  nicht  zum  ersten  Male  vor.  Vgl.  Plin.  nat.  bist.  III.  20,  137. 
Ptolemnus  II,  7,  20.  Ebenso  ist  er  schon  längst  aus  den  zu- 
sammengesetzten celtischeu  Bildungen  C(ut«ivellaunus  (Caes.  b.  g.  V, 
Iii,  DumnnheUaumtH  (Res  gestae  divi  Aug.  c.  32),  Seyarellauni 
(l'lin.  nat.  bist.  III,  4,  34)  und  YtUaunodunum  (Caes.  I.  c.  VII,  11) 
bekannt. 

Mit  der  peregrinon  Abstammung  des  Verstorbenen  im  Einklang 
steht  die  Bezeichnung  seines  Namens  und  die  Beifügung  seiner 
Heimath.  Er  nennt  sich  Iliturir  und  ist  als  solcher  nicht  der  ein- 
zige seines  Stammes,  der  in  der  ala  Longiniana  als  Auxiliarsoldat 
gedient  hat.  Demi  ausser  ihm  keimen  wir  noch  einen  anderen  aus 
seiner  Heimatli.  welcher  dem  genannten  Truppentheil  angehört  hat, 
und  zwar  ebenfalls  durch  eine  Bonner  Inschrift  (C.  I.  Rhen.  4!>S>. 
Es  ist  um  so  mehr  zu  bedanern,  dass  diese  heutzutage  verschollen 
ist,  als  Gründe  zur  Vcrmntlmug  berechtigen,  dass  sie  nicht  ganz 
genau  abgeschrieben  worden  ist.  Denn  die  ala,  welche  dort  Lomji- 
uin  heisst.  führt  sonst ')  den  Beinamen  Longiniaua,  wie  auf  unserem 
und  dem  von  Herrn  Rantcrt  veröffentlichten  Bonner  Grabstein 
des  Vouatorix.  Ueber  die  Truppe  selbst  hat  Herr  Rauter t  die 
einschlägigen  Zeugnisse  bereits  vollständig  zusammengestellt,  so  dass 
ich  den  Leser  auf  seine  Bemerkungen  verweisen  kann. 

EigcnthÜmlich  ist  die  Wendung  Z.  7  t.c  textamenta  factuhn) 
curantnt  statt  fac'wndutti,  wofür  ich  augenblicklich  kein  analoges 
Beispiel  habe  ausfindig  machen  können. 

EIkmiso  seltenen  Vorkommens  ist  der  Name,  welchen  der  Vater 
des  zweiten  der  testamentarisch  mit  der  Errichtung  des  Denkmales 
betrauten  beiden  Männer  führt.    Er  begegnet  uns  in  der  epigraphi- 

1)  Vgl.  Mo  in  ms  en,  Kpheni.  epigr.  t.  V,  p.  "247. 


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190 


Josef  Klein: 


sehen  Litteratur,  soweit  ieh  dieselbe  übersehe,  nnr  noch  einmal  auf 
einem  Xantener.  jetzt  im  Museum  7.11  Lernen  aufbewahrten  Weihe- 
stein i.C  I.  Rhen.  220  j,  aus  dem  Jahre  210  n.  Chr..  wo  ein  M. 
Ulpyiutt)  Axpadiu»  genannt  wird. 

Endlich  wurde  bei  den  Erdarbeiten  für  einen  Neubau  an  der- 
selben Strasse  auf  dem  Werkplatz  der  Steinhauermeistcr  Weber  und 
Kooth  ebenfalls  in  einer  Tiefe  von  2'lS  Meter  ausser  mehreren  von 
den  Arbeitern  aus  Unachtsamkeit  zerschlagenen  Geschirren  aus  Thon 
ein  1,80  Meter  hoher,  64  ein  breiter  und  lf>  cm  dicker  Grabstein 
eines  Freigelassenen  aus  Kalkstein  ausgegraben.  Derselbe  war  ur- 
sprünglich in  einen  Sockel  eingelassen,  wie  «lies  aus  dein  Umstände 
erhellt,  das  er  unten  zu  einem  21  cm  hohen  Zapfen  verarbeitet  ist, 
welcher  sieh  von  einer  Breite  von  ;">8  cm  und  einer  Stärke  von 
lü'/jf  cm  allmählich  bis  zu  i>6  cm  Breite  und  14  cm  Dicke  ver- 
jüngt. Ausserdem  zeigen  die  oben  vorhandenen  Stücke  in  den 
Stein  eingelassener  eiserner  Zapfen,  dass  derselbe  ursprünglich  mit 
einer  Bekrönung  verziert  war,  welche  iudessen  trotz  eifrigen  Nach- 
suchen* nicht  mehr  aufgefunden  worden  ist. 

Auch  die  Vorderflächc  dieses  Denkmales  ist  in  mehrere  Felder 
eingethcilt.  Der  obere  24  cm  hohe  Thcil  trägt  in  der  Mitte  des 
Giebeldaches  ein  Pahucttenornament,  welches  von  zwei  ähnlichen 
flunkirt  wird.  Auf  beiden  Seiten  desselben  ist  in  Flachrelief  ein 
Beil  mit  doppelter  Schneide  au  einem  Stiel  ausgehauen,  wie  wir 
sie  vielfach  iu  den  Händen  der  Amazonen  auf  antiken  Kunstwerken 
dargestellt  finden.  Die  beiden  Ecken  des  Obcrtheils  füllt  die  eben- 
falls in  Flachrelief  ausgeführte  Darstellung  zweier  Attisfigureu  aus, 
von  denen  jedoch  die  rechts  vom  Beschauer  befindliche  durch  Ab- 
scheuerung und  Bruch  des  Steines  ziemlich  unkenntlich  geworden 
ist.  Beide  stehen  in  Vorderansicht  da,  in  jener  ruhig  nachdenklichen 
Haltung,  wie  sie  uns  auch  sonst  auf  Scpulcraldenkmälern ')  begegnen; 
beide  sind  bekleidet  mit  der  phrygischen  Mütze,  ferner  mit  einem 
die  Anne  eng  umschlicsscudcn,  faltigen,  bis  auf  die  Kniee  hcrab- 
reichendeu  Gewände,  einem  langen,  über  die  Schulter  zurückgeworfe- 
nen und  bis  auf  die  Waden  im  Halbkreis  herabhängenden  Mantel, 


1)  Vgl.  Hot  tu  er,  Katalog  dos  kgl.  rliein.  Museums  valerl.  Alter- 
Ummer  S.  33  n.  84.  L  i  11  <1  e  11  s  c  h  111  i  t,  Die  Alterthümcr  unserer  lieidn. 
Vorzeil  I,  10  Taf.  V,  2.  3  und  besonders  Bonner  Jahrb.  LXXVII,  S.  31. 
Taf.  I,  2.  3. 


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Klemers  Mittheilungen  aus  dem  Provinzial-Musouni  in  Bonn.  Iftl 


sowie  faltigen  mit  Bändern  umwickelten  Hosen  tun!  Sehuhen.  Das  ziem- 
lich ausdruckslose  Antlitz  mit  weit  geöffneten  Augen  ist  bei  beiden 
leicht  zur  Seite  geneigt.  Die  Stellung  ist  bei  beiden  Figuren  so- 
zusagen die  gleiche.  Die  vom  Beschauer  linksseitige  Figur  steht 
auf  dem  linken  Heine,  das  rechte  Bein  Übergeschlagen,  den  rechten 
Ann  horizontal  Uber  den  Leib  gelegt,  welcher  dem  linken  Ellen- 
bogen und  der  das  Gesieht  stutzenden  Hand  zur  Unterlage  dient. 
Die  rechts  vom  Beschauer  stehende  Figur,  welche  wegen  der  Be- 
schaffenheit des  Steines  sehr  verwischt  ist,  steht  auf  dem  rechten 
Bein  mit  Ubergeschlagenein  linken  Bein;  sie  scheint  sich  auf  den 
rechten  von  der  linken  Hand  gehaltenen  Arm  mit  dem  Kinn  zu 
stutzen,  was  jedoch  wegen  der  Beschädigung  der  Figur  gerade  an 
dieser  Stelle  nicht  mit  Sicherheit  zu  entscheiden  ist.  Im  Uebrigen 
ist  ihre  ganze  Bekleidung  und  Haltung  die  gleiche  wie  bei  der  gegen- 
über stehenden  Attistigur.  Es  liegt  also  hier  dieselbe  Darstellung  des 
Attis  vor,  welche  aus  den  Grabdenkmälern  des  Annaius  Pravai 
fiilius)  aus  Bingerbrück  ')  und  des  Firmus  Ecconis  (Tilius)  aus  Ander- 
nach *)  bereits  bekannt  ist. 

Ob  der  Wahl  der  Attisbildcr,  zu  denen  hier  die  Donpelbeile 
statt  der  sonst  Üblichen  Amazonensehilde  hinzugetreten  sind,  eine 
bestimmte  Beziehung  zum  Denkmale  selbst  zu  Grunde  liegt,  oder 
ob  sie  blos  einen  dekorativen  Charakter  haben,  ist  fraglich. 

Unter  diesen  den  oberen  Theil  zierenden  Bildwerken,  getrennt 
durch  zwei  breite  Bandleisten,  zwischen  denen  sich  Ranken  mit 
Früchten  und  einem  Palmettenornament  in  der  Mitte  hinziehen,  ist 
auf  einem  etwas  vertieften,  viereckigen,  von  Leisten  umrandeten 
Felde,  welches  5ti  cm  hoch  und  45'/»  ein  breit  ist,  die  auf  zwei 
Verstorbene  bezügliche  Grabsehrift  in  sechs  Zeilen  eingehauen,  von 
denen  die  letzte,  weil  für  sie  der  Platz  nicht  mehr  ausreichte,  zum 
Theil  auf  dem  darunter  lH-findlicheu  freien  Kaum  des  Steines  unter- 
gebracht ist.    Dieselbe  lautet: 


1)  Jetzt  in  Kreuznach.   Vgl.  Kohl,  Die  rüni.  Tnschr.  n.  Steinsculp- 
turen  der  Stadt  Kreuznach  S.  16. 

2)  Auf  bewahrt  im  Provin/.inl-MiiKenni  ssn  Bonn.  Vgl.  Klei  n,  Bonn. 
Jahrb.  LXXVI1,  S.  29  ff.,  Taf.  1,  Fig.  2  u.  3. 


Jose!'  Klein: 


D  E  N  S 
VOLWVN  I 
JvLlBERT 

H  v  S  v  Ev 

ETwcTvs 

LIB 

Also:  Puden*  Yolumniij)  c\enturhnix>1)  Jihertyux)  hie)  xijtitx) 
eist);  et  Auetux  lih(ertnx). 

Die  Höht;  der  Buchstaben ,  ihren  schöne  und  schlanke  Ge- 
stalt auf  die  beste  Zeit  liin weist,  wechseln  nach  den  verschiedenen 
Zeilen.  In  der  ersten  Zeile  beträft  sie  O1,^  cm,  in  der  zweiten 
7  cm,  in  der  dritten  7  '/*  cm,  in  der  vierten  und  fünften  8  ein  und 
endlich  in  der  letzten  Zeile  6'/,  cm. 

Auffallend  ist  die  ftlr  den  geringen  Unit'an^  der  Inschrift  ver- 
hältnissmüssig  grosse  Zahl  von  Buchstabenvcrschlingungcn.  Ferner 
ist  zu  bemerken,  dass  I  am  Schlüsse  der  zweiten  Zeile  sowie  die 
beiden  T  in  den  Worten  der  fünften  Zeile  Ucberlüngc  hnl>cii. 

Der  (Vntnrio  Volumnius.  dessen  Freigelassener  der  verstorbene 
Pudens  war,  ist  uns  aus  den  Inschriften  der  Besatzung  des  Bonner 
Lagers  noch  nicht  bekannt  gewesen.  Pudens  ist  übrigens  bereits 
der  zweite  Freigelassene,  dessen  Begräbnis*  au  der  Gräbcrstrassc 
des  Castrums  gefunden  worden  ist.  Vor  ihm  war  schon  das  von 
mir  in  diesen  Jahrbüchern  LXXX,  S.  157)  beschriebene  Grab- 
denkmal des  P.  Homanius  P(ublii)  1  ibertns)  Modestus  im  Jahre 
18«5  zum  Vorschein  gekommen. 

Neben  Pudens  nennen  die  beiden  letzten  Zeilen  der  Inschrift 
noch  einen  zweiten  Freigelassenen,  wahrscheinlich  desselben  Herrn, 
welcher  in  dem  nämlichen  Grabe  seine  letzte  Ruhestätte  gefunden 
hatte,  nämlich  einen  gewissen  Auctus.  Dass  dieser  Todte  jedoch 
nicht  zu  gleicher  Zeit  mit  dem  erstgenannten  bestattet  worden  ist, 
zeigt  die  Art,  wie  sein  Name  in  der  Inschrift  beigefügt  ist,  sowie 
die  Verschiedenheit  der  Schriftzuge  der  beiden  letzten  Zeilen.  Da 
dieselben  aber  nur  sehr  wenig  abweichen,  andererseits  jedoch  auch 

1)  Im  Cnrrcspnndcnzblatt  der  Wcstd.  Zoitselir.  f.  Gesell,  u.  Kunst, 
Julirjr.  XI,  185(2,  Sp.  1»>  findet  sirh  die  nachstehende  wunderliche  F.r- 
klMniitj;  unserer  Inschrift  von  einem  Herrn  K.  a.  \Y.  ge<;eben:  l'uilens 
Votumni  f(Uiuxj,  (mulierim  libert(us),  hi'ic)  mit  um  eist  >  rt  Auctus  fih'rfus). 
Snpienti  snt! 


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Kleiner*'  Mitthcilungcn  uns  dt'iu  Pi-nvinzinl-Muscutn  in  Bonn.  IM 


eiiu'  unverkennbare  Achnlichkcit  mit  denen  der  vorangehenden  vier 
Zeilen  zur  Seliati  trafen,  so  scheint  dieser  zweite  Freigelassene  nur 
kurze  Zeit  nach  dem  ersten  gestorben  und  die  Heine  Beisetzung  in 
demselben  Gralic  vermerkenden  Worte  et  Auctu*  lih(ertus)  von 
der  Hand  desselben  Steinmetzen  herzurühren  wie  jene.  Die  Un- 
gleichheit in  den  Sehriftzügen  mag  wohl  auf  Rechnung  der  Flüch- 
tigkeit, mit  der  sie  offenbar  eingcmeisselt  sind,  zu  setzen  sein. 

Kaum  waren  die  vorstehenden  Zeilen  geschrieben,  als  bei  der 
Aussei)  ach  tu  ng  der  Fundamentgruben  für  drei  weitere  Neubauten 
auf  demselben  Grundstücke  abermals  römische  Grabmoiiumente  zu 
Tage  gefordert  wurden. 

Zunächst  wurde  das  Grabdenkmal  eines  Reiters  aus  derselben 
ala  Longiniaua,  welcher  auch  die  beiden  vorhergefundenen  ange- 
hören, blosgelegt.  Ks  besteht  aus  Jurakalk  und  llat  au  der  best- 
erhaltenen linken  Seite  vom  Besehauer  gemessen  eine  Höhe  von 
1,27  in,  eine  Breite  von  78,i>  cm  und  eine  Tiefe  von  28  cm. 

Ueber  der  Inschriftfläche  sind  durch  einen  schrägen  von  der 
Linken  zur  Rechten  hinabgehenden  Brach  etwa  zwei  Drittheil  der 
nischciiartigen  Vertiefung  mit  der  Reliefdarstellung  des  Verstorbenen 
jetzt  abgeschlagen.  Derselbe  war  dargestellt,  wie  er  zu  Pferde 
daher  sprengte.  Erhalten  sind  jetzt  blos  die  beiden  Unterschenkel 
nebst  dem  Sehwert  an  der  Rechtcu ,  sowie  der  Unterleib  des 
Pferdes  mit  den  Hinterbeinen.  Xischentiefe  ;$  cm.  Breite  im  Liehteu 
Gti  cm. 

Unter  dem  Relief  steht  in  eingetiefter  quadratischer  Fläche 
von  70  cm  Breite  und  27  ein  Höhe  die  dreizeiligc  Inschrift,  deren 
Buchstaben  in  den  beiden  ersten  Zeilen  4  cm,  in  der  letzten  IV  lg  cm 
hoch  sind: 

RECTV  GNVSMAGILONIS-F- 
SEGONTI  L  I  ES  ES-  EQVES-  ALA 
L  0  N  G I  N  I  AN  A///IAN  •     L-  AER-XXH| 

liectuylenun,  Maytfonix  f(iliu*\  Segonti\ n}e(n /*[']*•  eques  ala 
Lonyuihtmt  ann(prum)  quinquayinta,  at-rittm)  duorvnt  et  viylnti. 

Die  Form  des  Namens  lieefugnu*,  wie  in  Wirklichkeit  auf 
dein  Steine  steht,  beruht  wahrscheinlich  auf  einem  lrrthum  des  Stein- 
metzen, welcher  Reetttgenux  hat  schreiben  wollen,  wie  der  Name 
auf  anderen  spanischen  Inschriften  ')  sich  findet. 

1)  Vgl.  C.  I.  L.  II,  2403.  2907.  621»4. 
J.brb.  U.  Ver.  v.  AU«rih*fr.  Im  Rheiul.  XC1H.  13 


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1*4 


Josef  Klein: 


Auch  der  Name  des  Vater»  unseres  Heitels  Mmjilo  erscheint 
liier  nicht  Wim  ersten  Male.  Kr  ist  schon  aus  mehreren  spanischen 
Inschriften  ')  hekannt  geworden. 

Einige  Schwierigkeit  bereitet  der  Name  de»  Ortes,  woher  der 
Verstorbene  stammt.  Auf  der  Inschrift  heisst  er  .Srgontilieses.  eine 
Nainensform,  welche  aus  melir  als  einem  Grunde  Bedenken  erregen 
muss.  Ist  schon  die  Endung  es  statt  is  offenbar  durch  ein  Ver- 
sehen des  Steinmetzen  entstanden,  so  zeigt  die  Auslassung  des  n 
vor  ses,  dass  derselbe  entweder  seine  Vorlage  sehr  nachlässig  wieder- 
gegeben oder  nicht  recht  verstanden  hat,  wie  er  denn  auch  schon 
e  im  Namen  des  Verstorbenen  ausgelassen  hat.  Angesichts  dieser 
Kehler  sind  wir  wohl  auch  berechtigt.  Zweifel  gegen  die  sonstige 
Richtigkeit  der  Namensform  y.u  erheben,  zumal  dieselbe  sich  nicht 
anderweitig  nachweisen  lässt.  Höchst  wahrscheinlich  war  Segontin 
seine  Heimath  und  demgemäss  zu  schreiben  Segontinemi*.  Welche 
von  den  Städten  dieses  Namens  jedoch  gemeint  ist  (Hin.  n.  h.  III, 
3,  27).  lässt  sieh  nicht  entscheiden.  Pltr  die  im  Gebiete  der  Are- 
vaker  gelegene  Stadt  Segontia  spricht  die  Thatsaehe.  dass  gerade 
dort  der  Name  J'ectugenus .  welchen  der  Verstorbene  geführt  hat, 
inschriftlich  bezeugt  ist. 

Mit  welcher  Ungesehicktlieit  der  Steinmetz  Uberhaupt  sein 
Handwerk  ausgeübt  hat.  beweist  der  Umstand,  dass  auch  die  An- 
gabe des  Alters  und  der  Dienstzeit  des  Verstorbenen  ursprünglich 
falsch  eingehalten  war.  Demi  dieselbe  ist  jetzt  auf  einer  vertieften 
Fläche  eingetragen,  welche  dadurch  entstanden  ist,  dass  die  ur- 
sprünglichen Sehrift/.Uge  gänzlich  getilgt  sind.  Hemerkenswerth  ist 
in  der  Angabe  der  seltene  Ausdruck  aerfH»))  für  utipendiorum, 
wofür  ich  auf  das  in  dienen  Jahrbüchern  Bd.  LXXXVIII.  S.  129 
Gesagte  verweise,  und  der  späte  erst  mit  2M  Jahren  erfolgte  Ein- 
tritt des  Provinzialen  ins  römische  Heer,  welcher  freilich  nicht  ge- 
rade vereinzelt  da  steht. 

Ausser  diesem  Grabstein  fand  sich  ein  3ß  cm  langes  und 
2H  cm  tiefes  Gurtstück  eines  Gesims,  sowie  das  Bruchstück  eines 
grösseren  Denkmals  aus  Kalkstein,  jetzt  U>  cm  hoch,  27  cm  breit 
und  32  cm  tief.  Au  der  rechten  Seite  und  unten  glatt  behauen, 
stellt  es  die  linke  Hälfte  des  Oberkörpers  einer  weiblichen  (?)  Figur 
dar.  Dieselbe  ist  bekleidet  mit  einem  faltigen  Gewände,  dessen  um 


Ii  Varl.  C.  1.  L.  II,  HÖH.  805.  mm.  8051. 


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Kleinere  Mitthcilungen  ans  dem  Provinzinl-Mnseuin  in  Bonn.  1!>5 


den  Uuterann  geschlungenen  Zipfel  sie  in  der  mit  einem  Ringe  am 
vierten  Finger  geschmückten  Hand  hält.  Der  Kopf  der  Figur 
fehlt.  Auf  der  Brust  erblickt  man  eine  rosettenförmige  Brosche, 
welche  mit  zwei  eoncentrisehen  Ringen  kleiner  Bnekelu  und  einem 
grossen  Buckel  in  der  Mitte  geschmückt  ist,  und  noch  eine  zweite 
kleinere  Fihula;  am  Halse  sind  noch  die  Spuren  einer  Halskette 
sichtbar.  Das  Bruchstück  ist ,  wie  der  Augenschein  lehrt .  eiu 
Theil  einer  grösseren  Gruppe. 

M. 

Ein  Jupiter- Tempel  ans  Köln. 

Im  verflossenen  Jahre  wurden  in  der  Nahe  des  Griechenmarktes 
zu  Köln  hei  Umhauten  in  einer  Tiefe  von  2V4 — 3  Meter  Fundamente 
eines  römischen  Gebäudes  blosgelegt.  Leider  wurde  denselben  keine 
besondere  Aufmerksamkeit  geschenkt,  und  als  ich  von  ihrer  Auf- 
findung erfuhr,  war  es  bereits  zu  spät,  um  ein  genügendes  Bild 
ihres  Grundrisses  zu  erlangen.  Nach  den  Aussageu  der  bei  dem 
Neubau  beschäftigten  Arbeiter,  auf  deren  Erinnerung  ich  somit  allein 
angewiesen  war,  bildeten  die  aufgedeckten  Mauerreste  ein  Quadrat 
von  ungefähr  10  Meter  Länge  und  etwas  grösserer  Breite,  in  dessen 
Inncrem  in  einem  Abstände  von  etwa  2  bis  21/.  Meter  von  den  um- 
fassenden Mauern  parallel  mit  denselben  eine  ebenfalls  ein  Viereck 
bildende  Mauer  lief,  deren  Länge  und  Breite  etwa  */3  der  äussern 
Mauer  betragen  hätte.  Weitere  Aufschlüsse  über  Beschaffenheit 
des  Mailerwerks,  sowie  sonstige  Einrichtung  der  bauliehen  Anlage 
im  Detail  waren  trotz  mannigfacher  Hin-  und  Herfragen  nicht  mehr 
zu  erlangen.  Legen  diese  Augaben  es  schon  ziemlich  nahe,  in  den 
aufgefundenen  Gcbäudctrümmern  einen  kleinen  römischen  Tempel, 
freilich  von  sehr  einfacher  architektonischer  Gestaltung,  zu  sehen, 
so  erhält  diese  Annahme  vollends  ihre  Bestätigung  durch  die  inner- 
halb der  Mauerreste  gemachten  Funde.  Als  nämlich  die  das  Innere 
füllenden  Eid-  und  Schnttmasscn  weggeräumt  wurden,  kamen  zu- 
nächst mehrere  grössere  und  kleinere  Stücke  bearbeiteten  Kalksteins 
zu  Tage,  darunter  eine»*  mit  Buchstaben,  deren  bald  darauf  aus- 
geführte Zusammensetzung  zeigte,  da«?  mau  ein  römisches  Denkmal 
vor  sich  hatte.  Es  ist  eine  vierseitige  Votivara  ans  Jurakalk  von 
Hti  cm  Höhe,  40  cm  Breite  und  23  ein  Dicke,  welche  aus  einem 
an  drei  Seiteu  —  die  Rückseite  ist  beschädigt  —  um  8  cm  hervor- 


1% 


.Josef  Klein: 


tretenden  in  melirtaelion  Stillen  a  lotset /.teil  Sockel  von  1 7  cm  Höhe 
emporsteigt.  Oben  ist  dieselbe  mit  einem  Gesims  verseilen,  welches 
sieb  in  ähnlicher  Weise  wie  der  Sockel  abgestuft  erweitert  bis  zu 
einer  Breite  von  5.'5  ein.  Ueber  dem  Gesims  zieht  »ich  eine  stark 
zerstörte  Bekrönung  mit  Sebneekenrollcn  an  beiden  Seiten  hin.  von 
denen  die  linksseitige  vom  Besehauer  allein  erhalten  ist. 

Auf  dein  oberen  Theil  der  Vorderfläche  der  Ära  steht  in 
7  cm  hohen  eleganten  Buchstaben  die  Inschrift: 

I    0  M 

eingehalten,  also  J i  o( pthuo)  iniu.rimu). 

Auf  dem  unterhalb  der  Inschrift  frei  gebliebenen  Raum  befindet 
sieh  ein  Kad  mit  acht  Speichen  von  14  cm  Durchmesser  in  Hoch- 
relief dargestellt,  was  unserem  Altar  ein  besonderes  Iutercsse  ver- 
leiht. Denn  Denkmäler,  auf  denen  ein  solches  Rad  mit  wechseln- 
der Zahl  der  Speichen  bald  allein  bald  neben  einem  Blitze  oder 
wie  hier  neben  einer  Juppiterinschrift  dargestellt  ist,  sind  meines 
Wissens  am  Rhein  bislang  sehr  selten,  häufiger  dagegen  in  Frank- 
reich und  England,  wo  ihrer  Hcron  de  Villefosse1)  eine 
ganze  Anzahl  nachgewiesen  hat.  Wir  haben  es  also  hier  mit  einem 
Denkmal  des  keltischen  „Gottes  mit  dem  Rade"  zu  thun,  welchen 
man  in  römischer  Zeit  mit  dem  Juppitcr  identiticirt  hat.  Mit  diesem 
Attribute  versehen  findet  sich  derselbe  nicht  blos  allein,  sondern 
auch  im  Vereine  mit  anderen  römischen  Gottheiten  -)  auf  Denk- 
mälern dargestellt.  Leider  ist  sein  eigentlicher  Name  bis  jetzt  noch 
nicht  bekannt  geworden. 

In  der  Nähe  dieses  Altares  lag  die  Figur  eines  sitzenden 
Juppiter.  Dieselbe  ist  aus  Kalkstein  gearbeitet  und  hat  jetzt,  wo 
der  Kopf  fehlt,  eine  Höhe  von  91 '/s  cm  einschliesslich  der  Basis, 
welche  9  cm  hoch  ist;  sie  war  daher  höchst  wahrscheinlich  für  eine 
erhöhte  Aufstellung  bestimmt.  Wie  bei  der  grossen  Mehrzahl  der 
rheinischen  Jiippiterstatucu  sitzt  der  (Sott,  dessen  Kopf,  wie  schon 
bemerkt,  und  beide  Anne  abgebrochen  sind,  auf  einein  hinten  49  cm 
breiten  Sessel,  welcher  bis  zur  Lehne  41»  cm  hoch  und  2"i  cm  tief 
ist.    Der  Sessel,  dessen  glatte  Rückwand  zeigt,  dass  die  Statue 


1)  Revue  arclu-ol.,  Nouv.  Serie,  t.  XL1  p.  1  IT. 

2)  Vgl.  Hettner,  \>Vsl«l.  Zeitschr.  f.  Gesch.  u.  Kunst  III  S.  27  ff. 


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Kleinen"  Mitteilungen  aus  dein  FroviiizinlMuseuui  in  Bonn.  197 


nicht  frei  stand,  sondern  blos  von  vorne  sich  dem  Beschauenden 
prüsentiren  sollte,  itst  sehr  einfach  gehalten  und  nur  au  den  beiden 
Seiten  weist  er  eine  Drapirung  mit  Tüchern  auf,  ähnlieh  wie  die 
Trierer  Statuette').  Der  ("Sott,  welcher  in  Vorderansicht  dargestellt 
ist,  ist  bekleidet  mit  einem  Himation,  welches  mit  einem  Zipfel  über 
die  linke  Schulter  vorne  geworfen,  den  Kücken  bedeckt  und  in 
künstlichem  Faltenwurf  den  Unterkörper  bis  auf  die  Küsse,  so  ein- 
hüllt, dass  die  Heine  aus  ihnen  sehr  deutlich  hervortreten.  Von 
diesen  ist  das  linke  etwas  vorgestreckt,  während  das  rechte  zurück- 
gezogen ist,  gerade  wie  bei  der  Kölner  Statuette*)  und  abweichend 
von  den  durch  Du  ticke  r  beschriebenen  Igstadter  und  Trierer3) 
Jnppiterfiguren,  bei  denen  die  Heine  des  Gottes  in  einer  Linie  stehen. 
Der  Körper  mit  seiner  breitgeformten  kräftigen  Brust  und  seiner 
starken  Muskulatur  verleiht  der  ganzen  Figur  «las  Aussehen  eines 
in  der  Blüthe  der  Jahre  stehenden  Mannes.  Damit  stimmt  es  sehr 
wohl  überein,  dass  seine  Breite  au  den  Hüften  24  cm  und  an  den 
Schultern  42  cm  beträgt.  Wenngleich  beide  Arme  jetzt  unmittel- 
bar unterhalb  der  Schultern  abgebrochen  sind,  so  lässt  sieh  dennoch 
aus  den  Ueberresten  cinigermasseu  ihre  Haltung  feststellen.  Der 
linke  Arm  war  erhoben  und  etwas  seitlich  ausgestreckt;  er  hatte 
wahrscheinlich  den  nebenstehenden  Scepter  erfasst,  für  den  sich 
jedoch  nicht,  wie  dies  l>ei  der  Trierer,  der  Kölner  und  einer  bis 
jetzt  noch  nicht  bekannt  gemachten  Bonner  Figur  der  Fall  ist,  in 
der  Basis  neben  dem  Fuss  ein  Einsatzloch  angebracht  findet.  Nach 
der  Richtung  des  vorhandenen  Armstumpfes  zu  schliessen,  scheint 
der  rechte  Oberann  geseukt  gewesen  zu  sein  und  ziemlich  nahe  am 
Körper  angelegen  zu  haben.  Dagegen  ist  es  schwer,  über  die  Hal- 
tung der  rechten  Hand  eine  Entscheidung  zu  treffen;  auf  dein  Schenkel 
wenigstens  hat  sie  nicht  geruht,  wie  dies  bei  den  vielen  rheinischen 
Juppiterbildcrn  der  Fall  ist,  weil  sonst  Spuren  von  ihr  an  jener 
Stelle  noch  vorhanden  sein  müssten.  Als  Attribut  mag  sie  den 
Blitz  getragen  haben,  der  ja  selten  fehlt,  wiewohl  andere  Beigaben 
nicht  ausgeschlossen  sind. 

Beim  Fortgänge  der  Arbeiten  kam  endlich  einige  Zeit  nach- 


1)  Annale!)  des  Vereins  1*.  Nassnutsche  Altert  humskundc  und  Gesch. 
XV  S.  2  ff.  Tat'.  I  Fij?.  2. 

2)  D  ü  n  t  z  er,  Verzeichniss  des  Museums  Wallrat-Kkliartz  n.  119. 
Ii)  Nasa.  Ann.  a.  a.  U.  Tal.  I  Fig.  1  u.  2. 


19* 


J  os«f  Klciu: 


her  anf  derselben  Baustelle  ein  zweiter  Altar  de«  Juppiter  zum  Vor- 
schein. Derselbe  besteht  ebenfalls  aus  Kalkstein  und  ist  54  eni 
hoch,  am  Fnsse  und  Sims  .'Wem  breit  und  17  cm  tief,  in  der  Mitte 
HO  cm  breit  und  14  ein  tief,  Gesims  und  Sockel  sind  sehr  einfach 
gehalten,  lieber  dem  Gesims  erhebt  sich  eine  Bedachung  mit  einer 
theilweise  abgestossenen  Gicbelspitze,  welche  auf  lieidcn  .Seiten  in 
Sehneckenrollen  auslauft.  In  der  Mitte  der  Bedachung  liegt  ein 
Kranz.  Auf  den  beiden  Seitenflächen  ist  ein  Lorbeerbaum  in  Flach- 
relief dargestellt.  Auf  der  40  eni  Indien  Vorderseite  ist  die  folgende 
Inschrift  mit  ziemlich  tiefen  Buchstabenztlgen  eingehalten: 

I   v  0  -\  M 
TIBaCLAV 
I  V  S  TVS 

./'ort'  n'ptiino,  tnULvimo)  Tib<eriun/  Clou* diu*)  Justus. 

Die  Schriftzüge,  welche  in  der  ersten  Zeile  Ii.  in  den  beiden 
anderen  5  cm  hoch  sind,  sind  keineswegs  schön  und  stechen  sehr 
von  der  Eleganz  der  Buchstaben  des  ersten  Jnppiteraltars  ab.  Ueber- 
banpt  seheint  diese  Inschrift  einer  spateren  Zeit  anzugehören,  wahr- 
scheinlich dem  3.  Jahrhundert  u.  Chr.,  während  der  Schriftcharakter 
des  ersten  Altars  auf  die  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  hinweist. 

Im  Einzelnen  ist  noch  zu  bemerken,  dass  L  in  der  zweiten 
Zeile  etwas  Ueberlänge  hat  und  dass  «ler  Vordcrschenkel  des  folgen- 
den A  mit  Rücksieht  auf  die  Knappheit  des  Raumes  in  L  hinein- 
gerüekt  ist.  Aus  demselben  Grunde  wird  auch  die  starke  Abkür- 
zung des  Geschlechtsnamens  zu  erklären  sein. 

M. 

Ein  Kölner  Grabstein  eines  Veteranen  der 
zwanzigsten  Legion. 

An  der  Aachener  Strasse  zu  Köln  ist  in  der  Nähe  des  Grund- 
stückes, anf  welchem  die  vier  von  M.  I  h  in  ')  kürzlich  veröffent- 
lichten Grabdenkmäler  des  Kölner  Museums  Wallraf-  Richartz  bei 
Erdarbeiten  ansgegrabeu  worden  sind,  neuerdings  ein  Sepulcralstein 
eines  Veteranen  zum  Vorschein  gekommen.  Der  Stein,  dessen 
Material  wie  bei  den  meisten  Monumenten  aus  römischer  Zeit  am 


1)  Com-spomleiizblatt  der  Wem«!.  Zeitschrift  Jahr;r.  X,  1891,  S.  109  ff. 


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Kleim-n-  Milthfilungon  au*  nVm  Provinzial-Museuin  in  Bonn.  1W> 


Rheine,  aus  Kalkstein  besteht,  ist  2,42  in  hoch,  00  cm  breit  und 
;J4  cm  dick.  Oben  befindet  »ich  ein  mit  Leistenräudern  umgebene» 
und  mit  eiuer  einfachen  Rosette  versierte*  (iicbclfeld,  dessen  beide 
Seiten  durch  je  drei  schncckeuförniig  gewundene  Stirnziogcl  bekrönt 
werden.  Darunter  ist  in  dem  leicht  vertierten  von  5  cm  breiten 
Leisten  umränderten  Insckriftfeldc,  welches  55  cm  Höhe  und  49  cm 
Breite  aufweist,  die  nachstehende  Inschrift  eingehalten: 

L  v  M   E  T  I  L  I  O 
PvFvFAB  VETER 
L  E  GvXXv   S  EX  v 
M  A  RCIANVS 
5   TvFv  L  E  Mv  H  ERES 
FACI  ENDVM 
rvpAViT 

Die  Hohe  der  Buchstaben,  welche  sehr  schön  und  schlank 
sind,  nimmt  allmählich  ab.  In  Z.  1  und  2  sind  sie  7  cm  hoch 
mit  Ansnahme  der  beiden  letzten  Buchstaben  ER  der  zweiten  Zeile, 
welche  kleiner  gebildet  und  blos  5  cm  hoch  sind;  in  Z.  !t-  5  sind 
sie  fi  ein  und  Z.  r»  5'  *  cm  hoch.  Für  die  letzte  Zeile  lässt  sieh 
keine  bestimmte  Höhenangabc  machen,  weil  die  Basen  siimmtlicher 
Buchstaben  in  ihr  zerstört  sind.  Am  breitesten  sind  die  Buchstaben 
der  beiden  ersten  Zeilen. 

Die  Lesung  bietet  keine  Schwierigkeiten,  da  der  Stein  mit 
Ausnahme  des  Anfanges  der  vierten  Zeile  gut  erhalten  ist.  Denn 
dort  ist  die  zweite  Hälfte  des  M  sowie  R  zum  Theil  jetzt  verstüm- 
melt, aber  doch  noch  so  deutlich  erkennbar,  dass  über  den  Namen, 
der  dort  gestanden  hat,  kein  Zweifel  entstehen  kann. 

Die  Inschrift  ist  also  zu  lesen  und  zu  erklären: 

Uucfo)  \htiUo,  J\ublii)  fWio),  Fabija  tribtn  reteriaaa)  legd- 
oni*)  TtceMmne,  Sex[tu*\  Marcianu«.  Vitt)  f(iliu*),  LemUmui  tribu), 
heres  fnciendum  curatit. 

L.  Metilins,  dem  der  (Jrabstein  von  seinem  Erben  Sex.  Marci- 
anus  gesetzt  worden  ist,  war  Veteran  der  zwanzigsten  Legion.  Diese 
Legion  ist  nach  der  Varianischen  Niederlage  ans  lllyrien  an  den 
Niederrhein  gekommen,  wo  sie  mehrfache  Spuren  ihrer  Anwesenheit 
auf  Inschriften  ')  hinterlassen  hat.  In  Köln  selbst,  dem  Fundorte  unseres 

1)  Vgl.  C.  1.  Rhen.  88.  128g.  268.  2028. 


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200 


J  o  s  e  t'  Klein: 


Grabsteines,  sin<l  ausser  diesem  noch  drei  Denkmäler  von  ihr, 
sämmtlich  sepulcralen  Charakters,  gefunden  worden,  von  denen  je- 
doeh  zwei1)  verloren  gegangen  sind,  da»»  dritte  im  hiesigen  Pro- 
vinzialmuseum  aufbewahrt  wird.  Im  Jahre  <i2  n.  Chr.  wird  nie 
uns  zuerst  gelegentlich  der  Expedition  de»  Snetonius  raulliuus  gegen 
Mona3]  als  ein  Bestandteil  de»  britannischen  Heere*  genannt, 
welchem  sie  ununterbrochen  bis  in  die  späteren  Zeiten  der  Kömer- 
herrschaft  angehört  hat.  Sie  wird  demgemäss  unter  der  Regierung 
de»  Claudius  nach  Britannien  versetzt  worden  sein.  Da  es  nicht 
wohl  glanblich  ist.  dass  Mctilins  mit  der  Legion  dorthin  gezogen 
und  von  da  erst  als  Veteran  nach  Köln  zurückgekehrt  sei,  so  wird 
seine  Entlassung  kurz  vor  die  Zeit  fallen,  wo  die  Legion  das  nieder- 
rheinische  Germanien  verlassen  hat.  Unsere  Inschrift  wird  daher 
in  die  zweite  Hälfte  des  ersten  Jahrhunderts  n.  Chr.  zu  setzen  sein; 
eine  genauere  Zeitbestimmung  derselben  lässt  sieh  freilich  nicht  ge- 
winnen. 

Die  Legion  entbehrt  hier,  wie  auf  den  übrigen  in  Köln  zu 
Tage  geförderten  insehrift liehen  Denkmälern  *)  von  ihr  der  beiden 
Beinamen  Valeria  Yktrix.  Es  ist  dies  coustantc  Fehlen  derselben 
auf  den  Kölner  Monumenten  um  so  beachtenswerter,  als  es  durch 
andere  Inschriften 5 1  feststeht,  dass  die  Legion  diese  Namen,  welche 
ihr  wegen  der  illyrischen  Siege  unter  Valerius  Messalinus ")  verliehen 
worden  zu  sein  scheinen,  bereits  bei  ihrem  Aufenthalt  in  Niedcr- 
Germanien  geführt  hat. 

38. 

Ein  römisches  Denkmal  aus  Andernach. 

Zu  Andernach  wurde  auf  dem  Martinsbcrg  vor  einigen  Jahren 
ein  fränkisches  Grab  aufgedeckt.  Dasselbe  bestand  aus  einem  Sarg 
aus  TufTstein,  in  welchem  ein  Skelett  sich  befand.  Ob  und  mit 
welchen  Beigaben  der  Todte  der  Erde  übergeben  war,  ist  nicht 

1)  0.  I.  Rhen.  377.  .17*. 

2)  Düntzer,  Bonn.  Jahrb.  LXII,  S.  ÖD  ff. 

3)  Vgl.  Tae.  min.  XIV,  34.  37.    Unebner,  Hermes  XVI,  S.  T>37. 

4)  Vgl.  S.  199  Anin.  I. 

oi  C.  I.  Wien.  128  g.  2028. 

»>>  Vgl.  G  ro  tele  ad  in  Pauly*  Kealenevtlopaedie  VI,  S.  807. 


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Kleinere  Mittheilun-ren  ans  dem  Provinzial  -Museum  in  Bonn.  201 


mehr  zu  ermitteln  gewesen.  Auf  der  .Steinkiste  lag  ein  Deckel, 
welcher  in  zwei  Hälften  gebrochen  und  in  da«  Innere  derselben 
gestürzt  war.  AI»  die  Stücke  au»  der  Grube  herausgehoben  waren, 
zeigte  es  »ich,  das»  sie  einem  römischen  Monumente  angehörten. 
Zusammengesetzt  hat  dasselbe  eine  Hohe  von  2  m,  eine  Breite  von 
i\'2  cm  und  eine  Tiefe  von  2«  cm.  Auf  dem  oberen  Theile  der 
Vorderfläche,  in  einer  breiten  und  flachen,  oben  rund  abgeschlossenen 
Nische,  die  sehr  roh  gearbeitete  cm  hohe  Hclieftignr  einer  in  Vorder- 
ansicht stehenden  Frau,  die  mit  einem  bis  (Iber  die  Knice  herabfallenden 
Gewände  bekleidet  i»t,  an  dessen  Halsausschnitt  ein  Wulst  noch 
schwach  zu  erkennen  ist,  und  dessen  Faltenwurf  durch  einfache  senk- 
rechte Linien  im  Steine  in  äusserst  primitiver  Weise  bezeichnet  ist. 
Das  Gesicht  sowie  überhaupt  der  ganze  Kopf  ist  stark  verwittert. 
In  den  Händen,  welche  sie  vor  sich  hinhält,  trägt  sie  einen  Vogel, 
der  »ich  jedoch  nicht  näher  bestimmen  lässt. 

Unter  dem  Bilde  steht  durch  eine  oben  9  cm,  auf  den  Seiten 
7  cm  breite  einfache  Leisteiinmrahmung  eingcschlosssen  in  einem 
39  cm  hoben  und  47  cm  breiten  leicht  vertieften  Felde  die  Inschrift, 
welche  wegen  der  starken  Verwitterung  des  Steines  ganz  zu  ent- 
ziffern mir  bis  jetzt  nicht  gelungen  ist.  Sie  lautet  nach  meiner 
Abschrift  »): 

DIR....  \A  f  C 
T»  VS  VALENTI 

N  V  S  

C  A  F    .  .  .  V/IA 
VALENTINA 

Vorab  ist  noch  zu  bemerken,  das»  die  Schriftzüge,  deren  Höhe 
in  allen  Zeilen  H  cm  beträgt,  nicht  tiberall  gleichmässig  tief  ein- 
gehauen sind.  Daran  mag  der  Umstand  schuld  sein,  dass  die  allent- 
halben den  Tuff  durchsetzenden  kleinen  Steinsttteke  dem  Stein- 
metzen grosse  Schwierigkeiten  bereitet  haben,  so  da»s  manche  Buch- 
staben von  vornherein  nur  schwach  und  undeutlich  zum  Vorschein 
gekommen  sind. 

Z.  1.  Von  dieser  Zeile  sind  nur  die  beiden  ersten  und  die 

I)  Meine  mehrmaligen  Versuche,  einen  Papierahdnuk  zu  machen, 
sind  bei  der  Beschaffenheit  der  In*chriftflache  sitinititlicli  resultatlos  ge- 
blieben. 


202 


Josef  Klein: 


drei  letzten  Zeichen  sicher  erkenubar,  da  in  der  Mitte  des  Steine« 
jede  Spur  von  Schrift  getilgt  ist.  Ob  der  dritte  Buchstabe  B  oder 
R  ist,  lässt  sieh  mit  Bestimmtheit  nicht  entscheiden,  so  gerne  man 
auch  gerade  Iiier  eine  Sicherheit  der  Lesung  wünschen  mflsste,  indem 
dadurch  näher  testgestellt  werden  könnte,  oh  dem  Monuuicute  ein 
religiöser  oder  sepnlcraler  Charakter  innewohnt.  Nach  mehrmaliger 
Betrachtung  der  Stelle  neige  ich  freilich  z«  der  Annahme  eines  R 
hin.  Trifft  sie  das  Richtige,  so  Hesse  sich  mit  Berücksichtigung 
des  freien  Kauines  von  etwa  vier  Buchstaben  an  die  Ergänzung 
DIRonae  denken.  Alsdann  erhält  das  Monument  eine  erhöhte  Be- 
deutung, weil  unter  der  nicht  sehr  grossen  Zahl  von  Votivdenk- 
mälern  dieser  Gottheit  das  einzige  mit  einer  vollständig  erhaltenen 
bildlichen  Darstellung  bei  der  Belagerung  von  Strassburg  im  Jahre 
1870  zerstört  worden  ist.  —  Bei  den  beiden  letzten  Buchstaben 
«lieser  Zeile  ist  der  Horizontalst  rieh  des  L  sowie  der  mittlere  Quer- 
strich des  E  nicht  mehr  zu  sehen. 

Z.  2  ist  von  dem  ersten  Zeichen  blos  ein  Vertikalstrich  nebst 
dem  Ansatz  eines  Horizontalstriches  am  Kopfe  vorhanden;  es  kann 
wohl  nur  R  sein.  Da»  zweite  Zeichen  war  I.  so  das»  das  ganze 
Wort  Volenti*  gelautet  hat.  Die  drei  auf  das  zweite  V  folgenden 
Buchstaben  ALE  schimmern  nur  noch  schwach  durch.  Ueber  die 
Lesung  des  ganzen  Wortes  Valentinas  kann  jedoch  kein  Zweifel 
obwalten. 

Z.  3  ist  der  Rest  der  Zeile  vollends  unleserlich  geworden. 

Z.  4  sind  die  Anfangsbuchstaben  sicher  CA,  dann  folgte  ein 
Zeichen,  welches  mit  einem  Vertikalstriche  beginnt  und  ebensowohl 
E  als  F  gewesen  sein  kann.  Ob  und  wie  die  Bnehstaben  zu- 
sammen gehören,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden.  Die  Mitte  der 
Zeile  ist  völlig  erloschen.  Von  den  den  Schluss  der  Zeile  bilden- 
den vier  Zeichen  sind  nur  die  beiden  letzten  mit  Gewissheit 
als  IA  zu  erkennen,  die  beiden  vorhergehenden  scheinen  VS  zu  sein. 

Z.  ä  bildet  ein  einziges  Wort  Valentina,  iu  welchem  jedoch 
das  zweite  N  fast  ganz  verwischt  ist. 

Demnach  dürfte  vielleicht  folgende  Deutung  der  Iiischritt  vor- 
zuschlagen sein: 

l)ir[onae]  Vale[ri\nx  Valentina*  ca  [ug?\ia 

Valentina. 


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Kleinere  Mittheilungeu  aus  dem  Provinzial-Museum  in  Bonn.  203 


30. 

Römisch  -  Christliche  Inschrift  ans  Keniaten. 

Hei  dem  Bau  eines  Kellers,  welchen  der  Weinhändler  Orth 
zu  Remagen  an  der  Fürstenbergstrasse  anlegen  lässt,  sticss  man  im 
Mai  d.  .1.  in  einer  Tiefe  von  circa  .'i  Meter  auf  einen  Begräbniss- 
platz  aus  christlicher  Zeit.  Es  wurde  eine  ganze  Reihe  von  Stein- 
särgen mit  Skeletten  gefunden,  welche  jedoch  säinmtlich  der  sonst 
üblichen  Beigaben  entbehrten.  Alle  Särge  sind  aus  Tuffstein  her- 
gestellt; die  meisten  waren  wegeu  der  schlechten  Beschaffenheit 
des  Materials  durch  den  Druck  der  auf  ihnen  ruhenden  Erdmassen 
in  mehrere  Stücke  gebrochen.  Deekel  fanden  sich  nur  selten  auf 
ihnen  und  die  vorhandenen  bestanden  ebenfalls  durchweg  ans  Tuff- 
stein. Einzelne  der  drüber  waren  aus  römischen  Ziegelsteinen  ge- 
mauert, aber  auch  diese  mit  grossen  Platten  aus  Tuffstein  bedeckt. 
Eine  Deckplatte  jedoch,  welche  1,6."5  m  lang,  (5H  cm  hoch  und 
21  cm  dick  war,  bestand  aus  Trachyt,  wie  ihn  der  Stenzelbcrg  des 
iMmachbarten  Siebengebirges  liefert.  Sic  war  durch  die  Gewalt  der 
von  dem  nahen  Bergabhange  herabgeschwämmten  Erdmassen  von 
dem  Sarge  herabgedrückt  und  auf  die  Seite  gelegt.  Durch  die 
Umsicht  und  das  lebhafte  Interesse  des  leitenden  Baumeisters  Herrn 
P.  Vosen  wurde  dieselbe  mit  Sorgfalt  aus  der  Baugrube  gehoben 
und  gelangte  durch  die  freundliche  Vermittclnng  des  Herrn  H. 
Renleaux  in  Remagen  in  das  hiesige  Proviny.ialmuscum.  Nachdem 
diescllMJ  einer  gründlichen  Reinigung  unterzogen  worden  war,  ergab 
sich  das  Vorhandensein  einer  ucunzeiligcn  Inschrift,  deren  Buch- 
staben ziemlich  flach  eingehauen  sind.  Sie  lautet  nach  meiner 
Abschrift : 

HIC  IACET  METE  RIOLAMI  HID  VL 
CISSIMA  CONIVX  QVI  MECVM 
LABORABIT  MVLTIS  ET  P L  R  IBVS  A 
NNlSQVEMlhl  f*VIT  ANNVS  XXIII 
5   CONIVX  ET  ANNVS  VW  ET  MESES 
SEPTE  ET  DIES  XVIII  SORORINDOMIN 
ODO  NOSRO  h-SV  XPO  QVI  Mihi  TAN  // 
TIA  BEAToSTENDERE  VIAS  S  V  A  S  QAS 
EGO  S  EQERE  POSSEM 


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304 


Josef  K  1  o  i  n : 


Da  die  Platte,  abgesehen  von  einigen  Abschürfungen,  wodurch 
einzelne  Buchstaben  etwa»  verwischt  sind,  im  Allgemeinen  ziemlich 
gut  erhalten  ist,  8«  können  über  die  Lesung  keine  Zweifel  sieh  erheben. 
Nur  der  Schluss  der  siebenten  Zeile  macht  einige  Schwierigkeiten, 
weil  der  Stein  an  dieser  Stelle  heschftdigt  ist  und  die  Buchstaben 
unkenntlich  geworden  sind.  Die  ersten  Zeichen  des  letzten  Wortes 
sind  TA,  dann  folgt  ein  Buchstabe,  welcher  nicht  mit  Sicherheit 
bestimmt  werden  kann.  Ks  seheint  jedoch  eher  N  als  R  zu  sein. 
Dann  hat  es  den  Ansehein,  als  ob  noch  ein  paar  Buchstaben  da 
gestanden  hätten.  In  Wirklichkeit  fehlt  jedoch  nichts  und  das 
Wort  in  Verbindung  mit  der  Silbe  Tl  der  folgenden  Zeile  lautet 
TANTI. 

Demnach  lesen  wir  die  ganze  Inschrift  folgendermassen: 

Hie  iacet  Meteriola  mihi  dulcisxima  coniux,  qui  mecum 
lahorakit  multix  et  pl\u]ribux  annix,  quUi)e  mihi  fuit  onnux  ii- 
ginti  trex  coniu.r,  et  anmtx  orto  et  mr>n)xex  xepte'm)  et  diex  de- 
cem  et  octo  xoror  in  domino  nox\t]rn  Jesu  Christo  qui  mihi  tonti 
th)abeat  nxtendere  rias  xuax,  qiuiux  ego  xeq(u)cre  poxxem. 

Die  Inschrift  verdient  ans  mehr  als  einem  Grunde  eine  Be- 
achtung. Obgleich  die  Härte  des  Materials  und  die  vielen  in  dem- 
selben befindlichen  Krystalle  dem  Meissel  des  Steinmetzen  nicht 
selten  grossen  Widerstand  entgegengesetzt  haben,  zeigen  die  Buch- 
staben doch  noch  im  Ganzen  den  antiken  Charakter  und  mir  Ein- 
zelnes mahnt  an  den  Verfall  wie  das  flache  C  und  G,  F  mit  empor- 
gerichtetem oberen  Querstrich  und  die  unciale  Form  des  H  mit  ab- 
gerundeter zweiter  Hasta  in  Z.  4  und  6,  neben  der  übrigens  auch 
noch  die  antike  in  Z.  1  sieh  findet. 

In  sprachlicher  Beziehung  ist  sie  namentlich  interessant,  weil 
sie  manche  der  späteren  Zeit  angehörende  vulgäre  Sprach-  und 
Schreibformen  aufweist.  Von  Vulgärfnrmen  erscheinen  in  ihr  neben 
annux  —  onnox  die  Formen  niexex  und  xepte  statt  menxex  und 
xeptem,  wofür  die  Belege  im  Vulgärlatein  nicht  fehlen.  Die  Ortho- 
graphie qax  statt  qua*  Z.  8  und  xeqere  Z.  0  ohne  u  ist  ja  schon  aus 
älteren  Zeiten  l)  bekannt.  Zu  beachten  ist  ferner  labontbit  Z.  :i  — 
labaravit  und  das  öfter  vorkommende  7«/  Z.  2  statt  quae.  Dagegen 
sind  plribus  7j.  3  statt  pluribux  und  nosro  Z.  7  statt  nostro  jeden- 

1)  VfTl.  Velins  L  o  n  g  11  h  bei  Keil,  Gramm,  lat.  t.  VII,  p.  53,  20. 


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Kleinere  Mittlicihuigcn  aus  dem  Provinzial  Mmwum  in  Bonn.  20f> 


fall«  als  Irrthumer  zu  betrachten,  welche  durch  Unachtsamkeit  «Ich 
Steinmetzen  entstanden  sind. 

Der  Name  MeterioUt  kommt,  so  viel  ich  das  einschlägige 
Material  überschaue,  hier  zum  ernten  Male  vor,  er  lehnt  sich  mit 
aeiner  Bildung  au  Meterhts  au .  wie  ein  Mann  bei  Ammianus 
(XXVIII,  6,  26)  genannt  wird. 

Der  Sinn  des  Ganzen  ist  klar  und  bedarf  keiner  näheren  Er- 
klärung. 

Für  die  Zeitbestimmung  uuserer  Grabschrift  bietet  ausser  dem 
oben  Uber  den  Charakter  der  Schrift  Bemerkten  nur  die  Eingangs- 
formcl  hic  iaeei*)  ciiiigennassen  einen  Anhalt.  Mit  Rücksicht  da- 
rauf und  auf  den  noch  echt  römischen  Namen  der  Verstorbenen 
scheint  unsere  Inschrift  etwa  der  zweiten  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts 
n.  Chr.  anzugehören,  wofllr  auch  die  iu  den  meisten  der  Gräber 
beobachtete  Bestattungsweise  spricht. 

40. 

Fränkische  Gräber  von  Gondort'  a.  d.  Mosel. 

In  den  Jahren  1882  und  188H  hat  der  Antiquitätenhändler 
Joseph  Graef  zu  Andernach  in  der  Nähe  des  Bahnhofes  von  Cobern 
auf  den  dort  an  der  von  Gondorf  nach  Cobern  führenden  Strasse 
gelegcuen  Feldern  Ausgrabungen  veranstaltet  und  dabei  eine  be- 
trächtliche Anzahl  von  Gräbern  geöffnet.  Von  zwei  der  werthvoll- 
sten Grabstätten  ist  es  dem  hiesigen  Provinzial-Museiuii  gelungen, 
deu  Inhalt  zu  erwerben.  Derselbe  setzte  sieh  nach  den  Altssagen 
des  Graef,  auf  dessen  Übrigens  glaubwürdigen  Bericht  wir  allein 
augewiesen  sind,  aus  folgenden  Beigaben  zusammen. 

Das  erste  Grab  war  ein  Plattengrab,  gebildet  aus  römischen 
Dachziegelplatten  mit  hohem  Rande  auf  den  beiden  Langseiten, 
welche  senkrecht  neben  einander  gestellt  waren.  Ihre  durchschnitt- 
liche Länge  beträgt  44  cm  uud  ihre  Breite  34  cm;  eine  jedoch  ist 
bh«  41  cm  lang;  eine"  andere  fragmentirte  jetzt  blos  29  cm  lang. 
Ob  sie  in  diesem  fragmentirten  Zustande  zur  Herstellung  der  Grab- 
stätte verwendet  oder  ob  sie  bei  der  Eröffnung  derselben  erst  zer- 
stört worden  ist,  war  nicht  mehr  zu  ermitteln.  Interessant  ist  da- 
bei die  Thatsache,  dass  fünf  der  Platten  mit  Stempeln  versehen 


1)  Vgl.  L«  Blant,  Inscrfptions  ehret,  de  la  (laufet.  I  pref.  p.  XII. 


- 


20«  Josef  Klein: 

sind,  welche  uns  sämmtlieh  meine«  Wissens  Iiis  dahin  unbekannte 
Namen  von  Ziegelfabrikanten  ')  liefern.  Zwei  trafen  den  verfielt 
eingedruckten  Namen  AMANTIOLVS.  die  dritte  den  Namen  CON- 
CORDIVS  in  rückwärts  laufender  .Schrift,  die  vierte,  die  blos  die 
Buchstaben  CON  aufweist,  scheint  unvollständig  ausgeprägt  zu  sein 
und  von  demselben  Fabrikanten  wie  die  dritte  herzustammen. 
Endlich  auf  der  fünften  Platte  liest  man  den  Namen  MAVRICI. 

In  dem  so  gebildeten  Grabe,  welches  von  Westen  nach  Osten 
gerichtet  war,  war  ein  Leichnam  bestattet.  Da  derselbe  nicht  mehr 
ganz  in  seiner  ursprünglichen  Lage  Rieh  befand,  so  scheint  das 
(!rab  in  älterer  Zeit  schon  einmal  durchwühlt  worden  zu  sein,  wo- 
bei e«  wohl  nur  dein  Zufall  verdankt  wird,  dass  nicht  alle  Beigaben 
des  Todten  dem  Berauber  in  die  Hände  gefallen  sind.  Von  dem 
»Skelette*)  selbst,  dessen  einzelne  Körperthcilc  sich  in  sehr  morschem 
Zustande  l>efauden  und  bei  dem  Versuche  sie  zu  heben,  ausein- 
ander fielen,  konnte  nur  der  Kopf  gehoben  werden.  Dieser  lag 
halb  auf  dem  Bruchstück  einer  römischen  jetzt  ll>  cm  langen  Ziegel 
platte,  in  deren  Mitte  ein  einfaches  Kreuz  eingeritzt  ist.  Schädel 
und  Stirn  waren  allenthalben  mit  Resten  feiner  Goldfäden  bedeckt, 
wahrscheinlich  den  Ceberresteu  jener  kostbaren  mit  Goldfäden  durch- 
wirkten Stirnbindens),  welche  das  Haar  der  Frauen  schmückten. 

Weist  «lies  unverkennbar  auf  ein  Frauengrab  hin,  so  wird  dies 
durch  den  übrigen  Inhalt  vollauf  bestätigt.  Denn  unterhalb  des 
Kopfes  etwas  seitwärts  fand  sich  eine  Kette  von  H>0  Perlen  aus 
Thon  und  Bernstein  in  verschiedener  Gestaltung ,  Färbung  und 
Grösse,  welche  jedenfalls  als  Halsschmuck  gedient  haben. 

In  der  Nähe  der  Perlen  wurde  dann,  ohne  dass  jedoch  die 
ursprüngliche  Lage  im  Grabe  festgestellt  werden  konnte,  ein  evlin 
drischer  Behälter  aus  dünnem  Bronzeblech  in  der  Gestalt,  wie  das 
bei  Linden  sc  Ii  mi  t  a.  a.  G.  I,  S.  472,  Fig.  4ö(ia  abgebildete 
Büchschcn4)  von  Erz  aus  einem  Grabe  bei  Dietersheim  in  Rheinhessen, 


1)  Die  Inschriften  sind  von  mir  bereits  in  anderem  Zusammenhange 
in  diesen  Jahrbüchern  Bd.  LXXXVIIJ,  S.  112  veröffentlicht  wmden. 

2)  Eine  Messung  der  Körpergrösse  ist  bei  diesem  ebenso  wie  bei 
dem  im  zweiten  Grabe  bestatteten  leider  unterlassen  worden. 

3)  Vgl.  LindciiRchmit,  Handb.  der  deutschen  Alterthumskuiide 
I,  S.  tm  ff. 

41  Kin  anderes  Exemplar  aus  Andernach  ist  abgebildet  von  Koeneu, 
Bonn.  Jahrb.  LXXXVI.  Tat.  XIII,  Fi*.  21. 


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Kleinen-  Mittheilungen  aus  dem  Provinzml-Musenm  in  Bonn.  207 


jedoch  mit  dem  Unterschiede ,  das»  der  uuserige  einer  Vorrichtung 
zum  Anhängreil  entbehrt.  Seine  Länge  lieträgt  2  ein.  Boden  und 
Deckel  fehlen,  aber  von  dem  letzteren  ist  noch  der  Rest  des  Randes 
an  der  Wandung  angerostet.  Ucber  die  Bestimmung  dieser  ßüchs- 
ehen  ist  es  schwer,  ein  Urtheil  zu  fallen,  weil  nur  bei  »ehr  wenigen 
bis  jetzt  der  Inhalt  einer  Beachtung  gewürdigt  worden  ist.  Das 
unserige  war  mit  Erde  gefüllt,  deren  Untersuchung  nichts  hinsicht- 
lich des  früheren  Inhaltes  ergab.  Jedenfalls  ist  ihr  Gebrauch  zur 
Aufbewahrung  von  Wohlgertlchen l)  wahrscheinlicher  als  zur  Bergung 
von  Nahutensilien,  wie  Roach  Smith  vermuthet  hat. 

Die  interessanteste  Beigabe  der  Leiche,  welche  das  Grab  ent- 
hielt, war  eine  scheibenförmige  Gewandnadel,  welche  auf  der  Mitte  der 
Brust  lag,  in  quadratischer  Form  mit  vier  angesetzten  Halbkreisen. 
Sie  besteht  aus  einer  Unterlagsplatte  aus  etwa  1  mm  starkem  Brouze- 
blech,  anf  das  ringsum  ein  jetzt  fehlender  8  inm  hoher  Rand  aus 
Bronzchlech  anfgestellt  war.  Der  so  entstehende  Behälter,  welcher 
von  der  Grundlage  aus  sieh  leicht  konisch  verjüugt.  ist  mit  einer 
wachsartigen  Masse  ausgefüllt  und  darauf  die  sehr  dünne  Schmuck- 
platte  aus  Gold  gelegt,  welche  mit  siel>en  Nagelchen  auf  die  Bronze- 
platte  befestigt  ist.  Die  Köpfchen  der  Nägel,  welche  noch  sämint- 
lich  erhalten  sind,  sind  halbkugelig.  Die  Goldplatte,  welche  einen 
Durchmesser  von  7,2  cm  gegenüber  der  Unterlagsplatte  von  7,f>  cm 
Durchmesser  hat,  ist  reich  omamentirt  und  von  einem  gewundenen 
starken  Golddraht  umzogen.  In  der  Mitte  befindet  sich  in  breiter 
Goldfassung  eine  erhöhte  kreisrunde  Goldscheibe  von  3l/s  cm  Durch- 
messer, deren  oberer  und  unterer  Rand  mit  gewundenen  Goldfaden 
umzogen  sind.  Die  Mitte  dieses  Mittelstückes  nimmt  ein  erhaben 
gefasster  Stein  ein  mit  der  vertieft  geschnittenen  Figur  eines  stehen- 
den nackten  nur  mit  dem  Helm  bekleideten  Kriegers,  von  dessen 
linkem  Arm  das  Gewand  herab  hängt,  während  die  rechte  Hand 
das  Seil  wert  trägt;  ihn  umsäumten  ehemals  sechs  rund  geschliffene 
Steine,  wie  die  jetzt  nur  noch  vorhandenen  runden  theilweise  zer- 
drückten Küpselchen  beweisen.  Um  das  Ganze  zieht  sich  dann  ein 
Kranz  von  ring-  und  bogenförmigen  Filigraufäden,  zwischen  denen 
abwechselnd  in  runden,  drei-  und  viereckigen  Goldfassuugen  blaue 

I)  Solche  sind  wenigstens  in  einem  goldenen  Biichschcn,  welches 
einem  Grabe  des  alemannischen  Friedhofe«  von  Horburg  im  Klsass  ent- 
stammt, nachgewiesen.  Vgl.  Herrenschneider,  Argentovaria  Hor- 
burg.   Heft  I  S.  25  ff. 


208 


Josef  Klein: 


und  weisse  Glasflüsse,  ersterc  rund  geschliffen,  letzter»«  flach  stehen. 
Die  vier  Ecken  des  Quadrats  sind  mit  i|uadratischcn  Smaragden 
besetzt,  während  in  den  Halbkreisen  runde  Kapseln  mit  blauen 
halbkugelig  geschliffenen  Glasflüssen  sich  befinden,  von  denen  je- 
doch hlos  zwei  erhalten  geblieben  sind.  Vor  jeder  derselben  eine 
dreieckige  Kapsel  mit  flachen  weissen  Glasflüssen.  Der  frei  ge- 
bliebene Zwischenraum  des  Goldgrundes  ist  mit  anfgelötbetem  reichen 
Filigrangesehlinge  in  überaus  wirksamer  Weise  ausgefüllt,  so  dass 
das  Ganze  noch  jetzt  trotz  einzelner  fehlender  Steine  und  der  Bc- 
Schädigungen,  welche  es  an  den  einzelnen  Stellen  hat.  einen  über- 
aus prächtigen  Kindruck  auf  den  Beschauer  macht. 

Es  erübrigt  noch  zu  bemerken,  dass  die  auf  der  Rückseite 
der  Bronzeunterlage  angebrachte  Nadel  sich  in  einem  einfachen 
Scharniere  bewegt  und  durch  einen  vorspringenden  Steg  fest- 
gehalten wird.  Sie  ist  von  Eigen,  Steg  uud  Scharnier  von  Bronze. 
Ausserdem  aber  war  die  Rückseite  noch  mit  einem  am  Scharnier 
befestigten  Bron/ckettchen  versehen,  welches  wohl  zur  grosseren 
Sicherheit  beim  Tragen  hat  dienen  sollen. 

Endlich  trug  die  Leiche  noch  einen  Fingerring  aus  Gold. 
Derselbe  besteht  ans  einem  glatten  runden  Stabe  von  1  nun  Dicke 
und  hat  einen  Durchmesser  von  22  mm.  Derselbe  trägt  oben  eine 
Platte,  auf  welcher  in  stark  heraustretender  Einfassung  ein  ovaler 
Amethyst  ruht  uud  an  deren  beiden  Seiten  je  drei  kleine  Kugeln 
oder  Ferien  aus  Gold  angebracht  sind.  Der  Umstand,  dass  der 
Amethyst  der  Länge  nach  durchbohrt  ist,  legt  die  Vennuthung  nahe, 
dass  der  Stein  ursprünglich  in  einer  Kette  seine  Verwendung  ge- 
funden hatte  und  erst  nachträglich  zu  dem  Schmuck  des  Ringes 
benutzt  worden  ist. 

Bei  dem  Reichthnm  des  G rabin ventarcs  au  Schmuckgegen- 
ständeu  muss  es  uns  geradezu  Wunder  nehmen,  dass  sich  in  dem- 
selben weder  Ohrringe  noch  Armbänder  noch  sonstige  in  besser 
ausgestatteten  fränkischen  Gräl>ern  vorkommende  Gegenstände  ge- 
funden haben.  Diese  Thataachc  in  Verbindung  mit  demjenigen, 
was  oben  über  die  Lage  des  Skelettes  bemerkt  worden  ist,  gibt 
unserer  dort  ausgesprochenen  Vennuthung,  dass  das  Grab  schon 
in  früherer  Zeit  einer  Durchsuchung  unterzogen  worden  ist.  eine 
neue  Stütze. 

Neben  dem  Grabe  unmittelbar,  so  dass  die  Zugehörigkeit  zu 
demselben  höchst  wahrscheinlich  ist.  lag  das  Bruchstück  einer  9  cm 


Kleinere  Mittheilungen  aus  dem  Provinzial-MuHcun»  in  Bonn.  209 


dicken  Platte  aus  Kalkstein,  welche  auf  beiden  Seiten  und  unten 
unvollständig  jetzt  23  cm  hoch  und  11  bis  II1/»  ein  breit  ist;  sie 
scheint  als  Deckplatte  für  das  Plattengrah  mit  einem  ebenfalls  in 
ihrer  Nahe  zu  Tage  geförderten  Bruchstück  einer  grünlichen 
Marmorplattc  von  .38  ein  Breite  und  20  cm  Höhe  und  l1/,  cm  Dicke 
verwendet  worden  zu  sein.  Auf  der  Vorderseite  der  ersteren  sind 
die  Beste  einer  Inschrift  erhalten,  welche  nach  dem  Charakter  der 
►Schriftzüge,  welche  durchweg  21/*  ein  hoch  sind,  keineswegs  auf 
die  in  diesem  Grabe  Beigesetzte  Bezug  gehabt  haben  kann,  sondern 
einer  älteren  Zeit  zugewiesen  werden  nmss.  Sic  lautet  nach  meiner 
Abschrift : 

"ISAB 
/ICIRA 
\  A  R  I 
0  R  I  N 

0  C  S 

Zu  bemerken  ist  noch,  dass  die  einzelnen  Zeilen  oben  und 
unten  von  Linien  eingefasst  sind.  Auf  eine  Deutung  des  Wortlautes 
müssen  wir  leider  bei  der  Geriugfügigkeit  des  Erhaltenen  Verzicht 
leisten.  leb  bemerke  nur  noch,  dass  der  erste  Buchstabe  Z.  1  eher 
F  als  S  ist.    Z.      ist  der  erste  Buchstabe  M  gewesen. 

Nicht  minder  reich  an  Beigaben  war  das  zweite  Grab.  Auch 
dieses  Grab  war  thcils  aus  grossen  Sandstcinplatten,  theils  aus  römi- 
schen Lcistenziegeln  von  verschiedener  Grösse  gebildet,  von  denen 
eine  den  Stempel  TVINCINTIVS  ')  trägt.  Am  Kopfende  des 
Grabes  stand  eine  221li  ein  lange  und  breite,  4  cm  dicke  Ziegel- 
platte, in  deren  Mitte  der  Stempel  IXPI  quer  eingedrückt  ist,  dessen 
Anfangsbuchstaben  stark  verwischt  sind. 

Die  Inhaberin  dieses  Grabes  war  ebenfalls  eine  Frau,  wie 
sich  die«  aus  ihren  Beigaben  ergibt.  Ohrringe  sind  zwar  nach  der 
Aussage  des  Graef,  an  der  zu  zweifeln  kein  Grund  vorliegt,  auch 
bei  diesem  Skelette  keine  gefunden  worden.  Dafür  hatte  es  eben- 
falls auf  der  Brust  eine  prachtvolle  goldene  scheibenförmige  Ge- 
wandnadel, welche  eine  ähnliche  Grundform  wie  die  beim  ersten 
Grab  beschriebene  aufweist.  Sie  ist  jedoch  etwas  kleiner;  denn 
ihr  Durchmesser  beträgt  bloss  6  cm.  Die  Fibula  hat  die  Form  eines 


1)  Vgl.  Bonn.  Jahrb.  LXXXVIII  S.  112  n.  10. 
Jahrb.  d.  Vor.  v.  Alt.rtlmfr.  im  Rliclnl.  XCIII. 


14 


•210 


.loset  Kli'in: 


Viereckes,  aus  dessen  Kähmen  acht  theils  runde,  theils  ovale  kapscl- 
artige  Fassungen  mit  Steinen  vorspringen,  welche  so  geordnet  sind, 
dass  die  ovalen  Fassungen  ein  Kreuz,  mal  die  runden  ein  über 
Diagonale  gestelltes  Kreuz  /.wischen  jenen  bilden.  In  den  länglichen 
Kapseln  sind  jedes  Mal  sieh  gegenüber  stehend  je  zwei  bräunliche  und 
je  zwei  opalfarhige  mandelförmige  t.laslllisse  angebracht,  in  den 
runden  eine  opake,  weisse,  zum  Theil  stark  beschädigte  Emailfüllung. 
Den  Kern  des  Ganzen  bildet  die  quadratische  Hohlfläche  mit  einem 
runden.  Ilaelirund  geschliffenen,  in  breiter  (loldfassung  ruhenden 
braunen  (llaslluss  in  der  Mitte,  welchen  acht  zu  je  zwei  gepaarte 
kleine  kreisrunde  Kapseln  umgeben,  in  denen  kleine  Steine  oder 
Hiuailttilluiiir  sich  befanden.  Die  vier  Keken  des  Quadrats  sind  mit 
viereckigen  grünen  Glasflüssen  besetzt.  Zwischen  ihnen  stehen  auf 
jeder  Seite  zwei  halbkugelig  geschliffene  blaue  Steine,  während 
dreieckig  gefasslc  kleine  Almandiucn  ,  ein  Kreuz  bildend  .  da- 
zwischen treten.  Die  ganze  Fläche  des  (i  rundes,  soweit  sie  nicht 
mit  Steinen  besetzt  ist.  ist  in  iinrcgehi  lässiger  Anordnung  mit  kleinen 
Kreisen  aus  eingekerbtem  Golddrahtc  (Ibersäet.  Im  Ganzen  und 
Grossen  zeigen  die  Verzierungen  dieser  und  der  im  ersten  Gralic 
gefundenen  Fibula  eine  typische  Aehnliehkeit  mit  anderen  Schmuck- 
stücken dieser  Art,  so  dass  man  sieht,  dass  sie  der  fränkischen 
Kunst  1 1  überhaupt  eigen  waren. 

Auch  bei  dieser  Fibula  bildet  eine  starke  Bronzeplatte  von 
1  mm  Stärke  die  Unterlage,  auf  der  sieh  der  8  mm  hohe  Korper 
des  Schmuckstücks  erhebt.  Die  Kaiidiimfassiing.  welche  oben  und 
unten  von  einem  kräftigen  eordirteii  Goldfaden  umzogen  wird,  ist 
nicht,  wie  bei  der  vorhin  beschriebenen  Gewandspange,  von  Bronze 
Mindern  von  Goldblech,  was  die  Wirkung  des  Stückes  besonders 
erhöht. 

An  der  Rückseite  «1er  Bronzeplatte  ist  die  in  einem  Scharnier 
sieh  bewegende  Hcftnadcl  aus  Fisen  noch  wohl  erhalten.  Znr  Seite 
derselben  hängt  iu  einer  auf  der  Platte  angebrachten  Oese  ein  King 
aus  dünnem  Bronzedraht  von  1 1  2  cm  Durchmesser.  Vielleicht  hatte 
er  die  Bestimmung,  das  Tragen  des  Zierstiickes  an  einem  Bande  zu 
ermöglichen. 

Ferner  ermangelte  unsere  Verstorbene  anch  nicht  des  Finger- 


Ii  Vgl.  K.  ,iu>im  Werth,  IV  Jahrb.  XXVI  S.  W  i     >  c  h  n  a  ff 
!.  a  n-r  i.  ...       u.  XI. IV  XI.V  S.  141  f. 


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Kleinere  Mitilieilmi;rcii  au>  dem  Proviny.ial-Mu.sewn  in  Bonn.  211 


ringe».    Derselbe  besteht  au**  einem  massiven  1  mm  dickem  Rund- 
stab aus  Gold,  welcher  an  beiden  Luden  platt  geschlagen  in  zwei 
Schnörkel  ausläuft.    Auf  denselben  ist   ais  Platte  ein  Sulidus  des 
byzantinischen  Kaisers  Focas  nngclothct,  an  dosen  beiden  .Seiten 
drei  kleine  Kugeln  angebracht  sind.    Auf  dem  Avers  '}  steht  die 
bärtige  Büste  des  Fuchs  mit  dem  l Hadem,   auf  dessen  Mitte  ein 
Kreuz  sieh  befindet,  in  der  Hechten  das  Kren/,  tragend,   mid  die 
Umschrift:  D.  N.  FOCAS  PERP.  AVG.  II  Victoria  stehend  in  Vorder- 
ansicht in  der  Hechten  einen  in  das  Monogramm  Christi  endigen- 
den Speer,  in  der  Linken  eine  Kugel  mit  einem   Kren/  darauf 
tragend.      Die   ehemals    vorhandene    Umschrift  VICTORIA  AVGG 
ist  l)is  auf  schwache  Spui  en  einzelner  Buchstaben  gänzlich  abgerieben. 
Im  Abschnitt:  CUNOB. 
liier  füge  ich  gleich  ein  zweites  Ftuidstiick.  eine  Goldmünze 
des  Justinianus  1..  bei,  welche  zur  Seite  des  Skelettes  aufgelesen 
wunlc.    Da  dieselbe  ehemals  mit  einem  Henkel  aus  F.rzblech  ver- 
sehen war.  so  scheint  sie  als  Hangevcrzierung  eines  Ilalsselmmckcs 
gedient  zu   haben,   von  welchem  jedoch  keine  Spur  mehr  zu  ent- 
decken  war.    Auf  dein  Avers-)  steht   die  Büste  des  Kaisers  mit 
Diadem,  in  der  Rechten  die  Kugel  mit  dem  Kreuz  darauf,  mit  der 
Umschrift:  D.N.IVSTINIANVS  P.P.  AVG.  —  Auf  dem  Revers  Vieturia 
in  Vorderansicht,  in  der  Linken   die  kreuztragende  Kugel,  in  der 
Rechten  ein  Kreuz  mit  dem  Monogramm  Christi,  darum  VICTORIA 
AVGGG.  F..  im  Felde  ein  Stern.  —  Im  Abschnitt  CONOB. 

Andererseits  fehlte  auch  in  diesem  Grabe  nicht  jener  in  fräu 
kischen  Fraucngräheru  so  häutig  begegnende  cvlindrische  Behälter 
von  2  cm  Länge  aus  Bronze.  Abweichend  von  dem  im  ersten 
Grabe  gefundenen,  besteht  dieser  aus  einem  doppelten  auf  einander 
gelegten  Bronzeblech  und  ist  mit  zwei  verbundenen  Ringen  versehen, 
in  denen  ein  kleiner  Haken  hängt. 

Dabei  lag  ein  20  ein  langes  Stück  eines  Kettehens,  dessen 
Glieder  aus  runden  Erzstäbchen  verschiedener  Grosse  gebildet  sind. 
Ks  stammt  wahrscheinlich  von  einem  Gürtelgehünge  '■'')  her.  Leber 
die  Lage  im  Grabe  vermochte  der  Finder  keine  genaueren  Angaben 
mehr  zu  machen. 

Ii  V(fl.  Sabatier,  Doscriptinii  des  iiionnnies  bvz.iiitines  pl. 
XXVI,  27. 

2)  Vgl.  Sabatier  it.  ».  O.  t.  I.  ,».  177. 

3)  Vgl.  Li  Ii  de  n  sc  Ii  in  i  t ,  AlK-rtli.  uns.  liebln.  Vorzeit  I,  I  Tat".  7, 
Fig.  1,  .".  u.  •;.    K  neuen,  15.  Jahrli.  LXXXXI!  Tat'.  VI,  11. 


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l>12 


Josi'l'  Klein: 


Zwischen  den  Beinen  des  .Skelettes  dagegen  fand  sich  eine 
kleine  Zierselieibc  ans  Bronze  von  :V2  nun  Durchmesser ,  durch- 
brochen und  Haeli,  bestehend  aus  einem  inneren  und  einem  äusseren 
Kreisbande,  welche  beide  dureh  sechs  Querstreifen  mit  einander  ver- 
bunden sind.  Aul'  beiden  Seiten  der  Platte  sind  in  regelmässiger 
Verkeilung  O  O  eingegraben. 

An  letzter  Stelle  sind  aus  dem  Grabhivcntar  noch  zu  erwähnen 
ein  4'A  em  langes  Lött'elehen  aus  Metall  mit  fünf  kleinen,  in  Form 
eines  Kreuzes  um  die  Mitte  seiner  Schale  gruppirteu  Oetfnungen 
und  eine  Bronzcnadel,  welche  in  ihrer  unteren  Hälfte  abgeplattet 
und  spitz  zulautend,  in  dein  oberen  Theile  gewunden  und  durch- 
bohrt ist. 

Neben  dem  Grabe  lag  umgestürzt,  so  das»  sie  allem  Anscheine 
nach  durch  den  Druck  der  Erdmasscn  vom  (trabe,  dem  sie  wahr- 
scheinlich als  Deckplatte  zugleich  gedient  hatte,  hernbgedrückt 
worden  ist.  eine  fragmentirte  4'  ;  cm  dicke  Platte  aus  weissem 
Marmor,  dereu  Höhe  jetzt  20'  -  em  und  deren  grösste  Breite  L'fi'/f 
em  beträgt,  mit  den  Resten  einer  Inschrift: 

EGOFÄ/STIC 
VIVO  TIT  V  I 

An  n  o  r  v  m  -: 
dimisi/v  .  .  . 

f»     Äl?FI/  ... 
R  V  F  

sA  

Der  Stein  ist  an  der  linken  Seite  vom  Beschauer  allein  intakt, 
indem  dort  vor  den  einzelnen  Zeilen  ein  freier  Kaum  von  f>  em 
Breite  gelassen  ist.  Die  Buchstaben  sind  durchgängig  .'1  ein  hoch, 
und  von  der  vierten  Zeile  ab  etwas  näher  zusammengerückt,  wess- 
halb  sie  dort  kleiner  erscheinen.  Sie  haben  noch  ganz  die  antike 
Form,  wie  auch  ihre  Ausführung  eine  sorgfältige  zu  nennen  ist. 
Z.  1  am  Schlüsse  kann  sowohl  der  Rest  eines  0  als  auch  eines  C 
sein.  Da  die  Grahschrift  wegen  des  folgenden  riro  von  einer  Frau 
ihrem  Manne  gesetzt  zu  sein  scheint,  so  möchte  Letzteres  vorzu- 
ziehen und  Faust i  c\oniux\  zu  ergänzen  sein.  Sic  kann  demnach 
nicht  der  im  Grabe  beerdigten  Leiehe  gegolten  haben,  weil  damit 
der  Inhalt   des  Grabes  nicht  übereinstimmt.  —  Z.  3  am  Sehluas 


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Kleinere  Mitteilungen  hu»  dem  Provinzial  Museum  in  Bonn.  213 


int  hinter  /VN  noch  der  Rest  eines  0  oder  S  «ichtliar.  Z.  h  »teilt 
in  der  That  Ale/in  auf  dein  Stein,  indem  vom  letzten  A  bloss  der 
erste  Schenkel  noch  vorhanden  ist.  Ich  bemerke  zugleich,  dass 
der  Horizontnlstrich  des  L  seitwärts  herabgezogen  und  dass  F  so- 
wohl hier  als  auch  Z.  1  im  Worte  Fausti  mit  emporgerichteter 
uberer  Qucrhasta  gebildet  ist.  Der  zweite  Schenkel  des  A  ist  tiber- 
all etwas  Uber  den  ersten  hinausgezogen.  Die  Xameusform  Ale/ia 
vermag  ich  sonst  nicht  nachzuweisen.  —  Z.  7  ist  S  vor  die  Zeile 
gerückt.  Das  nach  S  schwach  durchschimmernde  Zeichen  scheint 
A  zu  sein. 

Ausser  diesen  beiden  (iriibern  gelangte  das  Museum  auch  in 
den  Besitz  verschiedener  Gegenstände,  welche  mit  Rücksicht  auf 
die  Lage,  in  der  sie  von  Graef  aufgefunden  worden  sind,  als  Be- 
staudtheilc  eines  und  desselben  fJrabcs  höchst  wahrscheinlich  in  An- 
spruch genommen  werden  dürfen.  In  geringer  Kutfcrnung.nämlich  von 
den  eben  beschriebenen  beiden  Gräbern  sticss  (Jraef  in  der  gleichen 
Tiefe  und  Hichtung  mit  diesen  auf  eine  Anzahl  zusammengestürzter 
und  wild  durcheinander  geworfener  grosserer  und  kleinerer  Stein- 
platten. Da  dieselben  wegen  ihrer  Schwere  und  Grösse  schwerlich 
ohne  Absieht  so  an  einen  Ort  zusammengebracht  sein  werdeu,  so 
liegt  die  Vermuthnng  sehr  nahe,  dass  sie  zur  Herstellung  einer 
Grabkammer  gedient  haben,  wofür  auch  der  Umstand  spricht,  dass  drei 
der  Platten  eine  annähernd  gleiche  Grösse  haben.  Ihr  wüstes  Durchein- 
ander beweist  nur,  dass  die  Grabstätte  in  späterer  Zeit  eine  gewaltsame 
Zerstörung  erfahren  hat,  ein  Geschick,  welches  sie  mit  vielen  Begräb- 
nissen des  fränkischen  Kirchhofes  in  Cobern  und  Gondorf 1 1  theilt.  Ge- 
hören diese  Platten  aber  zu  einem  und  demselben  Grabe,  so  liefern  sie 
uns  eine  interessante  Illustration  zu  der  Art  und  Weise,  aus  welchem 
Material  die  Franken  die  Wände  ihrer  Grabbanten  hergestellt  haben. 

Zunächst  sind  hier  zu  nennen  zwei  Platten  aus  gelblichem 
Sandstein. 

Die  eine  derselben,  welche  eine  Höhe  von  !>.">  ein,  eine  Breite 
von  öä  cm  und  jetzt  eine  Dicke  von  II  cm  hat,  ist  der  Best  eines 
durchgeschnittenen  römischen  Votivaltars.  Auf  der  Vorderflachc 
desselben  befand  sich  ehemals  in  einer  äl  cm  hohen  und  39  cm 

1)  Vgl.  K.  aus' in  YVeertli,  Bonn.  Jahrb.  LXIX  S.  5!t.  KbciiMi  hat 
Kocn  en  die  Beobachtung  gemacht,  dass  in  den  lijiiikisclien  Gröbern 
des  grosMen  Gräberfeldes  am  Kirchhcrg  bei  Andernach  der  Grabraub 
in  grünstem  Umfange  geübt  worden  ist.  Vgl.  Bonn,  .la'n-li.  I. XXXVI,  S.  200  f. 


211 


.Insel  Klein: 


breiten  iiisrlu'ti;»rtjp'ii  Vi  Hiffnnir  in  llochreliel  «Ii«'  Figur  des  Hercules, 
welche  jetzt  s«»  abgeschlagen  ist.  dass  nur  ihre  Ftnrissc  noch  eben 
sichtbar  sind.  Der  <!ott.  welcher  unbekleidet  in  Vorderansicht 
stand,  stützte  sich  mit  der  rechten  llaml  auf'  die  gerade  am  Hoden 
neben  ilmi  stillende  Keule  und  hielt  um  den  linken  ("nterarm  (Ins 
Löwenfell  geschlungen,  dessen  Pranken  tief  herabhängen. 

Die  zweite,  '»j?1.,  cm  hohe,  f>n  cm  breite  lind  jetzt  '.»cm  dicke 
Platte  mit  zu  beiden  Seiten  vorspringendem  abgestuftem  Soekel  ge- 
hört ebenfalls  einem  verstümmelten  römischen  Altar  an.  Auf  den 
jetzigen  beiden  Schmalseiten  der  Platte  lassen  sieh  freilich  nur 
schwach  die  Fcberrcste  von  zwei  männlichen  Figuren  erkennen, 
welche  in  Nischen  stehen.  Von  der  einen  der  beiden  Figuren, 
welch«?  einen  starken  tleischigen  <  Miederhau  aufweist,  ist  etwas  mehr 
als  die  rechte  Hälfte,  von  der  anderen  bloss  der  linke  Ann  erhallen. 
Wahrscheinlich  stammen  sie  von  einem  Viergötteraltare  her,  den 
man  in  mehrere  Platten  zersägt  hat  um  Material  für  den  Hau  der 
Gräber  zu  gewinnen. 

Ausserdem  fanden  sieh  Fragmente  römischer  Ziegel  mit  ein- 
gerissenen Wellenlinien,  ein  Stück  einer  '5  cm  dicken  Platte  von 
rothem  Sandstein,  mit  geschmackvollen  Platlormunenten  und  eine 
40  cm  lange,  2«»  cm  breite  und  1 1  \.  cm  dicke  Tu  fei  von  Porphyr, 
deren  Vorderseite  innerhalb  einer  einfachen  Kinfassung  ebenfalls  ein 
Rlattornainent  ziert,  nebst  einigen  kleineren  Stücken. 

Kndlich  eine  75  cm  breite  und  .°>7  cm  hohe  Tafel  aus  gelb- 
lieh weissem  Marmor ,  auf  welcher  die  nachstehende  sechs/eilige 
Inschrift  eingemcisselt  ist: 

Ijv.xAQVIDEMFRANGITP  \RVOR  VM  MORTE  PARENTES 
CONDICI  0  R  A  PI  Dm  PnVAECIPlTATAGR  ADV 
SP  ES  AETE  RN  ATA  ME-WTREBVET  S  0  L  ACI  AL  VCTVS 
A  E  T ATESTEN E  R  A  S  Q  V  D  P  AR  AD  ISVSA  BE  T  NJIW! 
:>  SEXSVPERADIECTIS  AD     N  0  N  W\  \\  ENSEBVS  A' 
CONDITVSHoCTVAA    0  L  0  D  ESS  I  DE  RATE  IACES 


P  .Hille 

Ii.  r. 


Taill.e 
Ii.  I. 


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Kleinere  Mittlieilungcii  mit«  *1«-ni  Vru\ inziiil Must  um  in  Komi.  _>ir> 


Die  Tafel  hat  mehrfache  Beschädigungen  erlitten,  besonders 
die  obere  Scitenknntc  ist  stark  abg  stosscu.  in  Eulgc  dessen  dos 
erste  Wort  der  ersten  Zeile  zum  Theil  ausgebrochen  ist.  Der  rechte 
Hand  vtmi  Beschauer  ist  stellenweise  abgeblättert,  wodurch  einzelne 
Endbuchstaben  der  dritten  bis  fünften  Zeile  abgeschürft  sind.  Die« 
betrifft  namentlich  das  letzte  Wort  der  fünften  Zeile,  welche»  der 
.Steinmetz,  weil  er  es  wegen  der  grösseren  Länge  der  Zeile  nicht 
mehr  hat  ganz  unterbringen  können,  so  gethcill  hat.  dass  er  die  Silbe 
AN  noch  in  die  Zeile  setzte  und  die  zweite  Silbe  NVM,  von  der 
jedoch  der  letzte  Huchstabe,  wofern  er  überhaupt  dagewesen  ist, 
jetzt  verschwunden  ist.  darüber  einmeisselte.  —  Durch  die  Zerstörung 
des  linken  Randes  der  Tafel  hat  die  eine  Taube  einen  Theil  ihres 
Schwanzes  eingebüsst. 

Die  Buchstaben  der  Inschrift  haben  im  Canzeii  noch  die  antike 
Eorin,  wenngleich  Einzelnes  wie  das  gequetschte  0,  F  mit  empor- 
gerichtetem oberen  Querstrich,  die  Können  des  L  und  G  an  den 
Verfall  erinnern.  Bemerkenswerth  ist  ferner  die  verschiedene  Bil- 
dung einzelner  Buchstaben  in  einer  und  derselben  Inschrift,  wie  A 
mit  theils  gebrochenem  theils  von  der  Linken  zur  Rechten  herab- 
gehendem llorizontalstrich,  M  sowohl  mit  bald  senkrechten  bald 
convergirenden  Vertikalstrichen,  als  auch  theils  mit  bis  unten  auf 
die  Zeile  reichenden  theils  mit  kurzen  Mittelstrichen,  sowie  L  mit 
geradem  und  schräg  angesetztem  llorizontalstrich. 

An  Vulgarismen  fehlt  es  auch  nicht,  so  mensebus  für  menxi- 
bux  Z.  5,  t reimet  für  tribuet  Z.  '.\.  Wie  weit  dexxiderate  Z.  <>  und 
abet  Z.  4  hier/u  gehört,  will  ich  nicht  entscheiden.  Anderes  kommt 
jedoch  entschieden  auf  Rechnung  des  Steinmetzen,  wie  tamem'A.Ü, 
qud  für  <piod  Z.  4  und  pruaeeipitata  Z.  L>.  Das  kleiner  gebildete 
R,  welches  zwischen  P  und  V  wie  es  scheint  nachträglich  einge- 
schoben worden  ist,  zeigt,  dass  V  einem  Versehen  des  Steinmetzen 
seinen  Ursprung  verdankt,  welches  zu  tilgen  er  nach  Einfügung  des 
R  vergessen  hat. 

Der  Wortlaut  der  (Irabschrift  ist  also  folgender: 

Dura  quidem  frangit  jutreorum  morte  parentex 

Condicio  rapid»  praeäpitata  gradu. 

Spex  aeterua  tarnen  trebuet  xohteia  hictu*. 

Aetatex  tenerax  r/u\m\d  paradixux  <h  iahet  . 

Sex  super  adieefix  ad  nonum  meuxebnx  annu\m] 

CondituH  hoc  tumoLo  dexxiderate  iaeex. 


216  Josef  Kl  «-in: 

Uctii  Vcrständniss  bietet  die  Inschrift  keine  Schwierigkeiten. 
Sie  ist  einem  kleinen  K nahen,  welcher  im  Alter  von  9  Jahren  und 
<)  Monaten  gestorben  ist,  gesetzt  von  den  Eltern,  welche  Bich  in 
ihrem  Schmerze  »her  den  Verlust  mit  der  Hoffnung  trösten,  dass 
seine  Seele  in  Anbetracht  seiner  Jugend  im  Paradiese  weile.  Leider 
verschweigt  uns  die  Grabschrift  den  Namen  des  Kindes,  der,  viel- 
leicht weil  er  nicht  in  die  metrische  Form  sieh  hineinbringen  Hess, 
ausgelassen  ist.  Denn  dem  Leser  wird  nicht  entgangen  sein,  das» 
wir  es  mit  einer  in  Distichen  abgefaßten  Grabschrift  zu  thnn 
haben,  welche  zeigt,  dass  in  jener  Zeit  noch  eine  gewisse  formale 
Gewandtheit  bei  den  Gelegenbeitsdichtern  vorhanden  war. 

Was  die  Zeit  unserer  Inschrift  anlangt,  so  bestimmt  sich  diese 
annähernd  durch  die  Gestalt  des  Christus-Monogramms.  Denn  da  die 
hier  vorkommende  Form  desselben  auf  datirten  christliehen  In- 
schriften Galliens  ')  nicht  nach  dem  Jahr  499  n.  Ohr.  nachweisbar 
ist,  so  kann  die  Inschrift  nicht  über  die  zweite  Hälfte  des  f>.  Jahr- 
hunderts hinahgertickt  werden.  Wahrscheinlich  ist  sie  jedoch  mit 
Rücksicht  anf  den  Charakter  der  Schrift  und  die  Beobachtung  der 
antiken  Verstechnik  in  das  Ende  des  4.  bezw.  den  Anfang  des  5.  Jahr- 
hunderts zu  setzen. 

41. 

Neue  Funde  aus  Remagen. 

Bei  der  Fortsetzung  der  Fundanientirnugs-Arbeiteu  für  den 
Weinkeller  des  Herrn  Orth  in  Remagen,  welchen  wir  die  Auffindung 
der  auf  Seite  dieses  Jahrbuches  beschriebenen  römisch  christ- 
lichen Grabschrift  einer  Frau  verdanken,  sind  neuerdings  mehrere 
interessante  Funde  gemacht  worden,  deren  Erhaltung  den  eifrigen 
Beniiihungen  des  Herrn  Architekten  Voscn  von  hier  gelungen  ist. 

Zunächst  stiess  man  abermals  auf  mehrere  Särge  aus  Tuffstein, 
vor  deren  einem  ein  4M  cm  hoher  und  15  cm  dicker,  an  allen 
Seiten  glatt  behaltener  Inschriftstein  aus  Kalkstein  umgestürzt  lag. 
Da  derselbe  an  der  rechten  Kante  vom  Beschauer  beschädigt  ist, 
so  beträgt  seine  Breite  oben  2.5  cm,  unten  25  em.    Die  Inschrift. 


1)  Vgl  Li-  Blaut,   Inscr.  ehret,  de  la  Gaule  nrcM'.  n.  XXIII  und 
p.  XII. 


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Kleinere  Mittheilungen  aus  dem  Provinzial-Museuin  in  Bonn.  217 


deren  erste  Zeile  am  Ende  durch  Abschleifen  des  Gesteins  verloren 
gegangen  ist,  lautet: 

D  E 0  Sil// 
VAS  VP  ER  \t> 
FELIX 

Pp  B  F  C  0  S 

5  SACRM-PRL 
TEXTATOCO 
+  INHVNCTVM0L0 

Die  Buchstaben,  welche  ziemlich  flach  eingehalten  sind,  haben 
in  den  einzelnen  Zeilen  verschiedene  fi  Wisse;  Z.  1  sind  sie  2};,  cm, 
Z.  2  ;\  cm,  Z.  '$  cm.  Z.  4  und  f>  ein  und  Z.  f>  stark  2l!s  cm 
hoch. 

Z.  1  auf  S  folgen  zwei  vertikale  Hasten.  Der  vom  Kopf  der 
ersten  Hasta  schräg  hinabgehende  Strich  ist  nur  zufällig,  so  dass 
aus  diesem  nicht  auf  einen  Buchstaben  wie  N  geschlossen  werden 
darf.  Was  weiter  da  gestanden  hat,  ist  nicht  zu  ermitteln,  weil 
der  Stein  an  dieser  Stelle  vollständig  abgeschliffen  ist.  Es  liegt 
jedoch  auf  der  Hand,  dass  die  Inschrift  dorn  Mithras  gewidmet 
war,  dessen  C'ultus  am  Rhein  seit  dem  zweiten  Jahrhundert  seine 
Verbreitung  ')  gefunden  hat.  Denn  die  vorhandenen  Zeichen  sind 
zu  leseu:  Deo  Sinti)  i(nrivto).  Ob  noch  das  Wort  Miithrae)  bei- 
gefügt war  oder  inricto  statt  dessen  voll  ausgeschrieben  war,  inuss 
dahin  gestellt  bleiben. 

Z.  2  sind  die  beiden  Kauten  des  Steines  bestossen,  weshalb 
M  im-  Anfange  der  Zeile  seinen  Vordersehenkel  und  N  am  Schlüsse 
derselben  seinen  Hinterseheukel  cingebüsst  haben.  —  R  ist  miss- 
luugeu,  indem  der  Steinmetz  ursprünglich  N  statt  R,  wie  es  scheint, 
hat  einbauen  wollen. 

Z.  5  ist  das  letzte  Zeichen  E,  dessen  oberer  und  mittlerer 
llorizontalstrich  fehlen.  —  Z.  fi  hat  S,  welches  man  nach  0  am 
Schlüsse  der  Zeile  erwarten  sollte,  nie  da  gestanden.  Es  ist  aus- 
gelassen worden,  weil  es  an  dem  nöthigen  Kamne  auf  dem  Steine 
gebrach.    Die  Worte  enthalten  die  Datirttng  der  Inschrift.  Der 


I)  Vgl.  L.  Urlichs,  Bonn.  Jahrb.  I.XJV,  1H7H,  fi.  13.  Fahr  i.  De 
Mithrae  dei  hoüh  invicti  cultu  |>.  Hl,  wonach  die  Zahl  der  im  Kliehihndc 
gclundcncn  inschrifllR-hen  Mithrasdcnkuittlcr  etwa  .-In  beträgt. 


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21* 


.1  o  s  e  f  K  I  <•  i  n  : 


hier  genannte  l'ractextatus,  dessen  College  nicht  miterwähiit  ist. 
Iiicss  mit  vollem  Namen  C.  Asinius  l'raetextatns  und  bekleidete  im 
.fahr  242  n.  Chr.  'i  das  Consulat.  Mit  dieser  Zeit  stimmt  auch  der 
Charakter  der  Buchstaben  der  Inschrift  überein. 

Die  in  kleinerer  .Schrift  mit  vorgesetztem  Kivuzzeichcn  unter 
der  letzten  Zeile  eingemeissclten  Worte  In  hitnc  tumolo  gehören 
nicht  zu  der  vorhergehenden  Widmung  an  den  Mithras,  sondern 
sind  der  Anfang  einer  (Jrabschrift  ans  späterer  christlicher  Zeit, 
deren  Fortsetzung  wahrscheinlich  auf  einem  anderen,  heute  aller- 
dings verlorenen  Steine  eingetragen  war. 

Die  Inschrift  wird  demgemäss  folgcndennasseu  zu  lesen  sein: 

Deo  Sioli)  i  nrhto*  \M{ifhrae>\  Muircu».  Superin  itis)  Felti- 
bleue) fMcitt rhi x)  ro{n)*{u Iuris)  sacruin  Priivete.rtuto  co<  n ..rfxi  ule )|. 

Haben  wir  durch  diese  Inschrift  einen  neuen  Beleg  für  die 
Verehrung  des  Mithras  am  Rheine  um  die  Mitte  de»  dritten  Jahr- 
hunderts n.  Chr.  gewonnen,  so  geben  uns  zwei  andere  auf  derselben 
Maustelle  ausgegrabenen  insehrift liehen  Denkmäler  einen  intcr 
essanten  Beitrag  für  unsere  Kenntnis«  der  militärischen  Besatzung 
des  Itheiulandcs. 

Vor  den  Fnsscnden  einer  ans  Blatten  gebildeten  Steinkammer 
nämlich  lagen  zwei  viereckige  säulcnartige  Kragmente  aus  Kalk 
stein,  deren  Obertheil  anscheinend  unversehrt  erhalten,  der  untere 
aber  abgebrochen  ist.  Beide  haben  bei  einer  Breite  von  IH\!S  cm 
bezw.  li)1^  ein  und  einer  gleichen  Dicke  von  14  cm  eine  ungleiche 
Länge,  indem  das  eine  .%  cm.  das  andere  4;$  cm  lang  ist.  Beide 
sind  oben  mit  einem  l'inienzapfen  v\  dessen  Spitze  beim  ersten  je- 
doch abgebrochen  ist,  gekrönt  und  seheinen  wegen  ihrer  Gestalt 
als  Eckpfeiler  zur  äusseren  Ausschmückung  der  Grabkammer,  vor 
der  sie  lagen,  gedient  zu  haben,  wie  dies  mehrfach  bei  Grabstätten 
aus  der  christlichen  Zeit  in  der  Khcinprovinz  beobachtet  worden  ist. 
Die  ursprüngliche  Bestimmung  der  Säulenfragmcnte  war  dies  ;tber 
nicht,  denn  die  l'inienzapfen,  welche  sie  jetzt  tragen,  sind  offenbar 
erst  in  späterer  Zeit  am»  dem  oberen  Theile  derselben  heraus 


1)  V-rl.  im-iiif  Fasti  cnnsulares  /..  d.  .1.  212,  wo  die  Helene  zusammen 
^•stellt  sind. 

2)  [Jeher  »Iii-  Verwendung  der  l'inieiuapten  auf  (irnhdenkiiialern 
hat  Uran  ii  in  «Uesen  Jahrbüchern  Bd.  XVI,  S.  47  ff.  «Milchender 
hamlelt. 


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Kleinere  Mitthrilungen  ans  rlein  l'roviii/j.-it-Musciini  in  Bonn.  219 


gearbeitet  worden.  Dies  beweist  der  Umstand,  dass  durch  »Hose 
Umänderung  die  oberen  Zeilen  der  auf  ihnen  cingemcisseltcn  In- 
schriften zerstört  worden  sind,  wie  aus  den  in  der  Mitte  durch- 
schnittenen Buchstaben  der  augenblicklich  ersten  Zeile  beider  Steine 
klar  hervorgeht.  Bei  einer  genaueren  Betrachtung  der  auf  den  beiden 
Steinen  vorhandenen  Schriftrestc  hat  sich  ferner  ergeben,  dass  die- 
selben nicht  verschiedenen  Inschriften  angehören,  sondern  Theile 
einer  und  derselben  Inschrift  sind,  welche  aus  der  besten  Zeit  der 
Röiuerherrschaft  am  Rheine  stammt.  Und  zwar  müssen  sie  in 
solcher  Weise  zusammengefügt  werden,  dass  die  erste  Zeile  de» 
ersten  Steins  mit  der  zweiten  Zeile  des  zweiten  Steines  correspon 
dirt,  indem  der  erste  Stein  um  eine  Zeile  mehr  als  der  andere  ver- 
kürzt worden  ist. 


1. 

II. 

PI  7/  AvG 

uHl.  1 

H  1  S  PE 

)VIT  P-  h 

!  V  S  S  V 

3SI  vs 

P  0 

V  1  T 

TERTVLL 

0  E  T  C  L  E 

M  ENTE 

Co  S 

Wenngleich  die  Schriftzüge  namentlich  auf  dem  zweiten  Steine 
so  stark  abgeschliffen  sind,  dass  sie  stellenweise  nur  noch  schwach 
durchschimmern,  so  lassen  sieh  dieselben  dennoch  mit  wenigen  Aus- 
nahmen aus  den  auf  der  Oberfläche  des  Steines  zurückgebliebenen 
('ontouren  mit  ziemlicher  Sicherheit  von  einem  scharfen  Auge  unter 
richtiger  Beleuchtung  erkennen. 

Bei  der  Ilcrrichtung  für  die  spätere  Bestimmung  als  Pfeiler 
hat  der  erste  Stein  etwas  von  seiner  ursprünglichen  Breite  eingebüsst. 
In  Folge  dessen  sind  in  vier  Zeilen  die  Anfangsbuchstaben  weg- 
gemeisselt  worden. 

Z.  1  ist  das  dritte  Zeichen  vollends  verwischt.  Je  nach  der 
Beleuchtung,  welcher  die  abgeschliffene  Stelle  ausgesetzt  ist,  hat 
es  den  Ansehein,  als  wenn  die  Umrisse  eines  0  noch  eben  zu  er- 
kennen wären,  welches  kleiner  als  die  übrigen  Buchstaben  der  Zeile 
gebildet  war.  Ks  kann  dies  jedoch  ebensogut  auf  einer  Täuschung 
beruhen.    Ks  ist  freilieh  sehr  zu  beklagen,  dass  gerade  hier  keine 


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220 


Josef  Klein: 


Sicherheit  in  der  Lesung  zu  erlangen  int,  weil  davon  die  Ergänzung 
der  vorhergellenden  Zeilen  in  gewisser  Beziehung  abhängt.  Das  in 
liede  stehende  Wort  kann  nur  entweder  Pin  oder  Pii  lauten.  Hat  Pii 
auf  dem  Steine  gestanden,  dann  halten  wir  es  mit  einer  Widmung 
an  eine  (iottheit  zu  thun  und  zwar  für  das  Wohl  des  Antoiiinns 
Pius.  Denn  dieser  Kaiser  ist.  wie  sieh  im  Verlauf  der  Hctraehlung 
ergeben  wird,  an  unserer  Stelle  gemeint.  Alsdann  ist  der  Ausfall 
von  mindestens  einer  Zeile  im  Anfange  der  Inschrift  anzunehmen 
und  das  Fehlende  etwa  beispielsweise!  Ii  ort)  oyptimo\  iiitajiino) 
pro  xahtte  impierotori»)  Ctiexi arix)  Antonini  Pii  Aug\Hxti)  zu  er- 
gänzen, wobei  ich  noch  bemerke,  dass  der  Fundort  Remagen  es 
nahe  legt,  die  Widmung  mit  dem  Jupiter  Dolichenns  und  seiner 
Verehrung  '  >  daselbst  in  Verbindung  zu  bringen.  Trifft  jedoch  die 
Lesung  J'io  das  Richtige,  was  mir  jedoch  weniger  der  Fall  zu  sein 
scheint,  dann  haben  wir  das  Fehlende  einfach  durch  Intp.  (Y/ex. 
Antonino  Pia  zu  ergänzen,  wofern  nicht  die  ganze  Xomenelatur 
des  Kaisers  gesetzt  war.  —  Am  Schlüsse  der  Zeile  ist  von  dem 
Worte  AVG  der  Buchstabe  A  fast  vollständig,  von  V  die  untere 
Hälfte  und  von  G  nur  noch  eine  flüchtige  Spur  vorhanden. 

Z.  '2  sind  die  drei  ersten  erkennbaren  Zeichen  die  unteren 
Hälften  von  OHO,  von  denen  das  zweite  0  durch  einen  Bruch  im 
Steine  zum  Thcil  zerstört  ist.  Dann  folgt  eine  vertikale  Ilasta, 
welche,  wenn  die  vorhergehenden  Zeichen  richtig  cohor*  ergänzt 
werden,  nur  der  Rest  eines  R  sein  kann.  Der  Schlussbuchstabe 
des  Wortes  ist  mit  der  abgebrochenen  rechten  Keke  des  Steines 
verloren  gegangen.  Das  auf  HISP  folgende  Zeichen  ist  ein  deut- 
liches E.  Da  an  der  rechten  Kaute  des  Steines  keine  Buchstaben 
fehlen,  so  inuss  E  zur  folgenden  dritten  Zeile  gezogen  werden. 
Dies  ergiebt  die  Lesung  EQVIT:  denn  der  im  Anfange  der  Zeile 
vorhandene  Rest  eines  Buchstabens  ist  der  hintere  Tlieil  der  Run- 
dung eines  Q,  dessen  Schleife  jedoch,  da  auf  dem  Steine  von  ihr 
keine  Spur  mehr  zu  sehen  ist,  senkrecht  hinabgegangen  zu  sein 
scheint.  —  Am  Sehluss  derselben  Zeile  steht  deutlich  ein  Buchstabe 
mit  vertikaler  Ilasta  und  einein  Horizontalstrieh  in  der  Mitte,  also 
F.  Daraus  ergiebt  sich  für  diese  beiden  Zeilen  die  nachstehende 
Lesung:  [ejoftor*  llisp.  e{tj\uit.  p.  f.  Ob  der  hier  genannten  eohors 

1)  Vgl.  C.  I.  KIhmi.  «45.  Braun,  Jupiter  I>oli«hcnus.  liniin  IH52, 
S.  H  tt'.    H  «•  1 1  n  v r,  Du  ,Jovc  DnlW-lienn  p.  II. 


Kleinere  Mittheihimren  aus  dem  Prnvinzinl-Mnsctun  in  Bonn.  221 


Hispanornm  eine  Nummer  beigefügt  war,  ist  nnsiclicr.  Die  grössere 
Wahrscheinlichkeit  spricht  dafür,  das*  sie  keine  Nummer  auf  dem 
Steine  tlihrte.  Sollte  dies  aber  dennoch  der  Fall  gewesen  sein,  so 
kaun  diese  mich  Maassgabe  des  vorhandenen  Raumes  nur  die  Zahl 
1  gewesen  sein. 

Z.  3.  Vor  VSSV  ist  ein  Bruch  im  Steine,  aus  welchem  oben 
und  nuten  die  Enden  der  Hanta  eines  I  herausragen:  also 
Ob  davor  noch  die  Pracposition  EX  gestanden  hat,  wage  ich  nicht 
zu  entscheiden.  Der  Kaum  steht  wenigstens  «1er  Annahme  nicht 
im  Wege.  Die  auf  Widmungen  so  ungemein  häutige  Formel  e.r 
itiHitu  ipmiH.  welche  anzeigt,  dass  die  Gottheit  ihren  Willen  dem 
Widmenden  offenhart  hat,  scheint  mir  für  die  Annahme  zu  sprechen, 
dass  die  Inschrift  in  ihrer  Integrität  zu  Ehren  einer  Gottheit  für 
das  Wohl  des  Kaisers  Antoninus  Pius  gesetzt  war,  also  in  der 
ersten  Zeile  eher  Pii  als  Pio  zu  lesen  sei. 

Z.  7  sind  die  beulen  vor  S  ehedem  vorhandenen  Zeichen  C 
nebst  einein  darauf  folgenden  kleiner  gebildeten  0  so  abgerieben, 
dass  sie  kaum  noch  r.u  erkennen  sind.  Der  Schluss  der  Inschrift 
enthält  also  die  Datirung  derselben:  Tertulh  et  demente  cos.  Sie 
fällt  daher  in  das  Jahr  läH  n.  Chr.,  wo  Ser.  Sulpieius  Tertullus 
und  Q.  Tineius  Saeerdos  Clemens '  i  Consuln  waren.  Dadurch  er- 
hält zugleich  die  oben  vorgeschlagene  Ergänzung  des  Kuiscrnamcns 
ihre  Bestätigung. 

Die  ganze  Inschrift  wird  demgemäß  mit  beispielsweiser  Er- 
gänzung des  Felllenden  in  folgender  Weise  y.u  restituiren  sein: 

[Kovij  oiptimo)  in\tt.rhno  ,  pro  xolute  iinpt  entforix)  (\te\Mari.*> 
Antonini]  I'i\i]  Aut/insti)  \v\uhor\x\  lli*p<anorum)  equitutta)  p\ia\ 
fijdel'iM)  iuxsu  [i]pxius  po[s\nit  Tertullo  et  demente  co\n}«(iifihttx>. 

Endlieh  wurden  anf  derselben  Baustelle  hart  au  der  Grenze 
des  Naehbargrundstückes  die  Reste  eines  grossen  in  mehrere  Stücke 
zertrümmerten  Votiv-Altares  aus  Tuffstein  zu  Tage  gefördert.  Der- 
selbe war  oberhalb  an  den  Seiten  mit  Sehneekenrollen  versehen, 
deren  Vorderseiten  mit  Rosetten  verziert  waren.  Die  vom  Beschauer 
linke  Seite  des  Steines  fehlt  jetzt,  in  Folge  dessen  auf  der  linken 
Seite  der  Inschrift  ein  Drittheil  der  Zeilen  verloren  gegangen  ist. 
Die  Höhe  des  Steines  an  der  rechten  Seite  gemessen  beträgt  1,0  in. 


I)  Vgl  die  Bele»e  in  meinen  Fasti  ciras.  z.  d.  .1   S.  74. 


Josef  Klein: 


die  Ticff  .54  ein  und  die  jetzige  Breite  4f>  ein.  Die  vorhandenen 
Inschrift  reste  lauten: 

=       A  E 
/  X  A  L  I 
V  A  L  E  P 
SS VSOP  I  o 
T  M    I  F 
-  b  S  Vlb 
S     L  M 

Trutz  der  starken  Beschädigungen,  welche  der  .Stein  erfahren 
hat,  ist  die  Lesung  der  Inschrift  nicht  Mos«  sicher,  sondern  auch 
ohne  Schwierigkeiten.  Der  Charakter  der  Schrift  weist,  auf  das 
dritte  Jahrhundert  n.  Chr.  hin.  Die  Buchstaben  der  einzelnen 
Zeilen  haben  verschiedene  Crosse,  welche  Z.  1  und  (»  G  cm,  Z.  :\, 
4  und  7        cm,  Z.  2  und  f>  h  ein  betrügt. 

Z.  1  zu  Anfang  der  Rest  eiues  E,  was  auf  [I>\eae  fllhrt. 
Z.  '2  ist  das  erste  Zeichen  der  rechte  Schenkel  eines  V  und  das 
Wort  zu  ergänzen  [Snii\uxnli.  Der  Name  der  (lüttiu  ist  bereits 
aus  anderen  rheinischen,  von  mir  in  einem  frühem  Hefte  dieser 
Jahrbücher ')  zusammengestellten  Weihiiischriften  bekannt,  zu  denen 
uoclr  die  der  Errichtung  eines  ihr  im  Jahre  'JlVJ  n.  Chr.  geweihten 
Heiligt liumes  gedenkende  Inschrift -i  aus  der  Kirche  von  Hoven  bei 
Zülpich  jetzt  hinzugefügt  werden  mtiss.  Sunuxalis  wird  jetzt  all- 
gemein als  die  Stamniesgöttin  •s)  der  belgischen  Snnuci  angesehen, 
welche  zwischen  den  Ubiern  und  Tungrern  \i  wohnten. 

Z.  3.  Da  durchgängig  die  einzelnen  Zeilen  im  Anfange  einen 
Ausfall  von  drei  Buchstaben  erlitten  haben,  so  ist  vor  VALEP  - 
YaleriiuH)  wahrscheinlich  ein  Pracnoinen  wie  $er.y  Sei*,  oder  '/'/'/>. 
ausgefallen. 

Z.  4  steht  im  Anfang  das  Cogiiomen  des  Widmenden,  das 
sich  unschwer  als  [lUt\ssux  zu  erkennen  giebt.  Alsdann  folgt  deut- 
lich auf  dein  Steine  OPIO  mit  grösser  gebildetem  I.  nämlich  opfio. 

1)  Hd.  LXXXIV,  18S7,  S.  Ol»  f. 

2)  lleivmsjrt.^flM'ii  von  K  1  i  n  k  c  u  b  e  r  g,  Mona.  Jahrb.  LXXXVIf, 
IS«),  S.  194  f. 

."!|  Vgl.  K.  Klein.  Zeiiselir.  für  die  Altert  Itumswis*.  Ist«.  S.  101.".. 
4)  Koi  gk,  Kon...  .I.ilirl»   1-VII.  1n7<;,  S.  ±;  f.  * 


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Klehioi-p  Mittlicilnngcn  nns  dorn  Provinzial-Musenni  in  Bonn.  223 


es  sei  denn,  (läse,  da  I  auf  einer  Bruchstelle  des*  Steines  stellt,  ursprüng- 
lich i"  ~  ti  eingehalten  war.  was  nicht  mehr  zu  entscheiden  ist. 

Z.  f)  enthält  den  Namen  des  Truppentheiles,  in  welchem  der 
Dedikant  die  Stelle  eines  optio  bekleidet  hat,  nämlich  der  legio 
prima  Minervia  mit  ihren  Reiuaiucn  pia  fidelis,  von  deren  erstem 
auf  dem  Steine  noch  die  Hasta  des  Anfangsbuchstabens  P  deutlich 
erhalten  ist. 

Z.  (i  im  Anfang  der  untere  wagerechte  Strich  eines  L  oder  E, 
dann  E,  dessen  oberer  jetzt  ausgebrochener  Querstrich  wahrschein- 
lich nach  links  hinausgezogen  war.  um  die  Ligatur  von  ET  anzu- 
deuten, also  pro  xe  et  *ni*. 

Der  Wortlaut  der  Inschrift  ist  demnach  folgenderinaassen 
wieder  herzustellen: 

\I)\fiif  [$tt)i]u.cali  \  'Ith.  /\  Yuh'ry  'iHx)  \Jitt\ssux  optio  | /<'</( io nii)\ 
primae  J/i inerriae)  p\  'me>  /'[hle/isi  [pro  x]e  r\t\  xitix  \r<otniu}\ 
tf  olvit)  iMheiixi  miri'ifo). 


_>21 


Heinrich  FraubiTgcr: 


12.  Der  byzantinische  Purpurstoff  im  Gewerbe-Museum 

zu  Düsseldorf. 

Von 

Heinrich  Fruuberirer. 

iHicrzu  Tutel  XI.) 

<»egen  Kndc  des  letzten  Jahre*  gelang  es,  für  das  Gewerbe- 
Museum  in  Düsseldorf,  das  eine  der  grössten  Textilsammluiigen  be- 
sitzt, einen  mit  einer  griechischen  Inschrift  versehenen  bvzantiuischcn 
SeidenstoflF  zu  erwerben,  welcher  für  die  Datirung  mittelalterlicher 
Gewehe  von  grüsstcr  Wichtigkeit  ist.  Der  Stoff,  welcher  aus  einem 
Dome  am  Xicderrhein  herrührt,  besteht  aus  einzelnen,  mehr  oder 
minder  defecteu  Thcilen.  die  nach  und  nach  angekauft  wurden 
und  endlich  hinreichten,  dass  eine  Zeichnung  danach  angefertigt 
werden  konnte.  Die  Zeichnung,  welche  auf  Tafel  XI  abgebildet 
ist,  bat  der  Zeichner  des  tJewcrbe-Muscums,  Herr  Richard  Ilalenz, 
nach  den  fünf  Gewcbefragmenten  angefertigt;  die  Inschrift,  welche 
dein  Texte  beigegeben'  ist,  hat  Herr  Geheimrath  Prof.  Usener 
in  Bonn  gelesen.  Bevor  ich  mich  mit  diesem  Stoffe  eingehend 
beschäftige,  schicke  ich  voraus,  dass  mir  noch  zwei  andere  Purpur- 
gewebe  bekannt  sind,  die  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auch  im 
Gynaeccion  in  Byzanz  angefertigt  worden  sind  und  eine  zur  Be- 
stimmung der  Ilerstellungs/.eit  dienende  Inschrift  haben;  allein  der 
eine  von  beiden  befindet  sich  im  Schreine  Karl  des  Grossen  zu 
Aachen  verschlossen,  der  andere  im  Sarge  de«  heil.  Anno  in  Sieg- 
bürg  verborgen;  dieser  Stoff  dagegen,  dem  letzteren  in  der  Zeich- 
nung sehr  verwandt,  ist  im  Gewerbe-Museum  in  Düsseldorf  für  Ge- 
lehrte zum  Studium  jederzeit  zugänglich. 

Der  Düsseldorfer  Stoff  ist  durchweg  aus  Seide;  der  Kond 
ist  purpurviolctt.  das  Muster  zeigt  gegenüber  und  überciuander- 
gestellte,  grosse,  vorzüglich   stilisirte  Löwen,   die  sieh   mit  nach 


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Der  byzantinische  l'urpurstoff  im  Gewerbe-Museum  zu  Düsseldorf.  2£* 


vonic  gewandtem  Kopie  entgegensehreiten.  Jeder  dieser  Löwen 
hat  eine  Länge  von  72  ein,  eine  Hohe  von  40  ein;  sie  waren  aus 
ungefärbter,  gelblichweisser  Rohseide  gewebt.  Der  en  face  dar- 
gestellte Kopf  ist  von  stilisirtcm  Bart-  und  Kopfhaar  sannmrtig  ein- 
gerahmt. Alicen  und  (wahrscheinlich  auch)  die  Zunge  wurden 
durch  ein  tiefes  Blau  hervorgehoben.  Der  Mund  ist  nach  unten 
zu  leicht  {rewölbt  und  zeigl  im  Oberkiefer  sechs  Zähne.  Die  etwas 
kegelförmige ,  von  Querfurchen  durchzogene  Nase  steht  zu  den 
gradlinigen  Augenbrauen  nahezu  im  reeliten  Winkel.  Die  Thränen 
sacke,  welche  unter  den  Augen  halbkreisförmig  angedeutet  sind, 
sind  in  der  Rundung  durch  drei  als  Blutadern  gedachte  kurze 
Linien  mit  kugeligem  Abschlüsse  gefüllt.  Die  Mähne  wie  die 
knospcnforniige  Endigung  des  schwungvoll  dargestellten  Schweifes 
wird  in  gewissen  horizontalen  Abständen  durch  vertikale  und  schräge 
Linienführung  dargestellt,  welche  verschieden  gefärbt  sind  und  zwar 
erst  Naturfarbe,  dann  Purpur,  dann  blau,  dann  Purpur  und  darauf 
erscheint  wieder  Naturfarbe  u.  s.  w.  Sehr  originell  stilisirt  sind 
auch  der  Abschluss  der  Mähne  und  die  Banehhaare.  Auf  dem 
Rücken  des  Löwen,  gleichsam  aus  ihm  herauswachsend,  ist  der 
Lebensbaum  in  gelber  Seide  eingewebt  und  verkleinert  und  zer- 
theill  den  sonst  verhältnismässig  grossen  Raum  des  Pnrpurgcwandcs. 
Denselben  Zweck  hat  auch  der  dreiblättrige  gelbe  Lorbeerzweig 
an  jedem  der  Löwcnfüsse,  sowie  «Ii**  zwischen  den  zwei  einander 
gegenüberstehenden  Löwen  befindliche  Inschrift  in  gelber  Seide. 

Die  Verzierung  durch  Reihen  übereinander  befindlicher  Thierc 
findet  sieh  im  Alterthum  sehr  häufig  auf  Marmorgegenständen,  wie 
auf  griechischen  und  römischen  Thonwaarcn,  vertieft,  aufgemalt 
und  erhaben  ').  Die  Auwendung  einander  gegenüberstehender,  vor- 
nehm stilisirtcr  Thiergestal  teil  ist  von  den  Assyrcrn  auf  die  Meder, 
Perser,  Sassaniden  und  von   da  auf  Byzanz  übergegangen.  Die 


1)  Thiermustcr  waren  es  auch,  die  das  klassische  Altcrthuin  an 
(lern  Geweben  aus  Babylnnicn  schützte.  Phantastische  Gebilde  aus  l'fenl 
und  Hahn,  Bock  und  Hirsch  hebt  Arislophnncs  (Frösche  !W7i  an  den 
•Modischen  Vorhängen*  hervor  'Babylonische  Dicken'  (Bahylonica  pe- 
ristroma)  l'ührt  Kpignomu*  bei  Plauius  Stich.  "37H  suis  Asien  in  Athen 
ein.  Audi  die,  Alexandrinische  Kunstweberei  hielt  trotz  aller  Vervoll- 
kommnung der  Technik  (s.  I'linius  n.  h.  S.  VM\)  an  den  alten  Thierninstern 
fest,  s.  Plaut  Iis  INcnd.  117  'Al.  xandrina  beluatn  (mit  Thieiinustemi 
tnnsilia  (von  KubherstofO  taprtia'. 

Jahrb.  d.  V«r.  v.  Altcrthtntiitfr.  im  «heiul.  XC1II.  15 


H  c  i  11  r  i  c  Ii  Frnn  Ii  crtrer: 


Löwenjagden  n**) 'rischcr  Könige  erscheinen  fast  copirt  auf  den 
frühesten,  in  Acchmim  in  Oherägyptcn  gefundenen  Stoffen1),  von 
denen  niaii  nicht  weiss,  oh  sie  in  Aegypten  ( Alexandrin i  oder 
Vorderasien  angefertigt  worden  sind,  wo  im  dritten  .lahrhnndert  in 
Syrien  <lio*ra>*>  berühmte  Purpurfarbereien  bestanden  halten.  Bis 
in  das  zweite  Jahrtausend  hinein  finden  wir  an  Stoffen  in  Ovale. 
Kreise,  Polygone  eingerahmt  je  zwei  einander  gegenüberstehende 
Thiere  Löwen,  Klcphanteu,  Adler,  Pfauen  u.  dgl.  angewendet  und 
halten  diese  Stoffe  als  sassanidisch  iH'/.eichnet  wegen  der  Verwandt- 
schaft der  Darstellungen  mit  Haut  heilen  und  Ornamenten  auf  sassa- 
nidisehen  Denkmälern  a*t. 


Ii  Die  Ausgrabungen  von  Acchmim  haben  eine  grosse  Zahl  von 
(Jewand  Verzierungen  ergeben,  die  mittelst  Wolltildcn  in  (johcliumauier 
hergestellt  sind.  Das  Düsseldorfer  ( iew  erbemuseum  besitzt  »Hein  davon 
mehr  als  ."»00  Muster.  Dagegen  sind  Stickereien  (im  Stielstieh)  sehr  selten 
und  ebenso  selten  gewebte  Seidenstoffe  als  Verzierung  auf  die  («ewauder 
aus  Leinwand  aufgeniilit.  Die  Seidenst offc  zeigen  entweder  einfache 
Streuiimsfer,  wie  Steine,  Mlattcr  u.  dgl.  oder  orientalische  Schriftzeichen 
oder  innerhalb  von  Kreisen  aus  stilisirtem  PHanzenornnnient  Cireusdar- 
stellungeu  oiler  Jagdsccnen.  Biblische  Darstellungen,  wie,  die  (Jeschiehte 
Josephs  in  Aegypten,  Daniels  in  der  Löwengrube  u.  dgl.,  welche  auf 
(lobelinwirkereicii  nicht  seilen  vnrkoininen,  habe  ich  in  Seide  noch  nicht 
gesehen. 

:»)  Ich  habe   mich   im  Juni  vergeblich  bemüht,  in  Bosra  Kr- 

inueningcn  daran  /.u  Huden,  dass  diese  uralte  St-adt,  die  schon  zu  Moses 
Zeit  die  Hauptstadt  des  mächtigen  Königreiches  Hasan  und  Residenz 
des  Königs  Og  gewesen,  einstmals  eine  berühmte  Färberstadt  war.  Vor 
dem  Einbruch  der  Araber  im  7.  Jahrhundert,  durch  den  ganz  Syrien, 
namentlich  das  fruchtbare  und  hochentwickelte  Innere  des  Landes  so 
verwüstet  worden  war,  dass  es  sich  bis  heute  nicht  mehr  erholt  hat,  gab 
es  viele  gute  fahrbare  Strassen  und  war  es  möglich,  in  drei  Tagereisen 
nach  TyriLs  zu  gelangen.  Durch  Kanüle,  die  die  Römer  und  Ghassauidcn 
angelegt  hatten,  kam  in  Fülle  Wasser  von  dein  jetzt  ziemlich  kahlen 
Drusengebirge  herab,  lieber  Kalas  Kzra  hinaus  ging  eine  KömerHtrasse 
und  machte  Bosra  gleich  Damascus,  Palmyra  und  Alcppo  zum  Stapel- 
platz für  indische  und  chinesische  Seidenstoffe  Und  Seidengarn.  Die 
Schafzucht  war  berühmt  und  man  mag  es  auch  dort,  wie  in  Aegypten, 
is.  Semper,  Der  Stil  I  S.  :>0f>)  verstanden  haben,  die  lebendige  Wolle  mit 
Purpur  zu  färben. 

:i)  Die  in  den  weichen  Stein  aus  den  Steinbrüchen  von  Amman  ge- 
meisselteu  zierlichen  Ornamente,  welche  ich  in  dem  vom  Sassanideu- 
König  Chosroe's  II.  erbauten  Palaste  zu  el  Mschatta  (zu  deutsch  .Winter- 
quartier-) östlich  von  der  Mekkupilgerstrasse  fand,  euthalteu  nicht  mehr 


Der  byzantinische  Purpurstoff  im  Gewerbe-Museum  zu  Düsseldorf.  227 


So  spärlich  die  Mittheilimgcn  über  die  .Seidenweberei  in 
Alexandrien,  Bosra,  Bagdad,  Damaskus,  ebenso  spärlich  sind  sie 
auch  Uber  diese  Industrie  in  Byzanz.  Wir  wissen,  dass  ;V>2  Kaiser 
Justiniau  die  Seidenweberei  in  Europa  entwickelt  und  eine  eigene 
Fabrik  durch  strenge  Ausfuhrverbote  fördert.  Wir  wissen,  dass 
diese  kaiserliche  Fabrik  bis  in  das  1-t.  Jahrhundert  am  goldenen 
Horn  bestand;  es  wird  mitgctheilt,  dass  der  doppelt  gefärbte  Purpur, 
der  sog.  kaiserliche  Purpur,  nicht  ausgeführt  werden  durfte;  das  ist 
aber  fast  alles  im  Vergleich  mit  den  eingehenden  Nachrichten, 
welche  Hugo  Falcandus  über  das  Hotel  Tiraz  in  Palermo  giebt 
in  einer  Zeit,  in  welcher  die  Fabrik  zu  By/.anz  ganz  hervorragen- 
des geleistet  haben  muss.  Das  macht  diesen  Stoff  so  wichtig,  dass, 
wenn  Geschichtsforscher,  Arehäolog,  Chemiker,  Weber  und  Färber 
zusammenhelfen,  sich  aus  den  wenigen  Fragmenten  sehr  beachtens- 
werthe  Aufschlüsse  Uber  die  Hofweberei  zu  Byzanz  entwickeln 
lassen,  weil  die  Inschrift  die  Entstehungszeit  ziemlich  genau  fest- 
stellen lässt. 

Die  Inschrift  ist  auf  zwei  Fragmenten  des  Stoffes  enthalten; 
der  eine  Theil  war  gut  erhalten  und  die  Buchstaben  waren  deut- 
lich, einfach  und  fest.    Der  andere  Theil  war  sehr  stark  verletzt; 

CrTliSWNCTANÖKAlBACIAeiOy 
T6)N<NA  0XPJCT0)HAecn0T6)M 

dazwischen  fehlte  ein  Buchstabe,  beziehungsweise  zwei  oder  Theile 
derselben.  Die  genaue  Lesung  ergiebt,  dass  dieser  Stoff  unter  der 
Regierung  Konstantinus  VIII.  und  Basilius  II.  und,  weil  beide  Könige 
erwähnt  werden,  zwischen  9711—1  Ü2ö  angefertigt  worden  ist1).  Aus 


Thiergestalten  in  HpHrlicher  Verbindung  mit  pflanzlichem  Beiwerk,  wie  es 
im  byzantinischen  Stil  nicht  bloss  an  dem  besprochenen  Purpurgewebe, 
sondern  auch  sonst  (vergl.  die  Mosaiken  in  San  Apollinare  nuovo  zu 
Ravenua)  vorkommt,  sondern  die  Thier«  sind,  wie  es  auf  den  sarrazenischen 
Stoffmustern  von  Almeria  und  Palermo  zu  sehen  ist,  zwischen  Laubwerk 
verstreut.  Näheres  darüber  wird  mit  passenden  Abbildungen  die  Be- 
schreibung meiner  Reis«  durch  Syrien  enthalten. 

1)  Ks  ist  eine  äusserst  schwierige  Arbeit,  aus  defekten  und  an- 
geriebenen Stofftheiien  deu  ganzen  Rapport  zuverlässig  darzustellen.  Der 
sicherste  Weg,  die  Umrisslinien  solcher  textiler  Uoberreste  zu  flxiren,  be- 
steht darin,  dass  man  eine  guuimirtc  Glasplatte  darüber  legt  und  die 


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H  i'  i  n  ri  c  Ii  F  r  a  u  ■>  «■  r  g  «•  r: 


der  Feinheit  des  Stoffe.«*,  der  Grösse  der  Zeichnung  und  dein  Vor- 

sichtharen  Formen  der  ZcMchimiijf  mit  Tinte  nachzieht,  worauf  dies  Chaos 
auf  Papier  übertragen  und  unter  Beachtung  der  oft  unscheinbarsten 
Anhaltspunkte  mit  Zuhülfenahme  der  auf  dtir  Rückseite  dea  Gewebes 
erkenntlichen  Linienführung  aufgezeichnet  wird.  Von  diesem  dureli  den 
■geübten  Zeichner  Halen/  erlangten  Krgcbniss  Hess  ich  die  Schrift  Und 
die  beiden  Vorder l'iisse  des  Löwen  mehrmals  copiren  und  sandte  die 
Copie  an  inehrere  Gelehrte  mit  folgendem  Begleitschreiben:  „Der  »reib 
angelegte  Tlieil  der  Schrift  dürfte  mit  Ausnahme  von  Nebensächlichkeiten, 
die  sieh  auf  dem  Original  nicht  feststellen  lassen,  genau  gegeben  sein. 
Der  auf  einem  anderen  Stoffrest  befindliche  erste  Theil  der  Schrift  ist 
so  defect,  das»  sich  nur  Unit  Bleistift!  einige  fragmentare  Andeutungen 
machen  Hessen.  Bezüglich  des  dazwischen  liegenden  freien  Baumes  lllsst 
sich  ebenfalls  nicht  mit  Bestimmtheit  ansehe»,  ob  die  Grösse  desselben 
ganz  genau  ist,  wahrscheinlich  werden  ein  oder  zwei  Buchstaben  fehlen." 
Schon  wenige  Tage  nachher  erhielt  ich  durch  Vcrniittelung  des  Herrn 
Geheimrath  Prof.  S  c  h  a  a  I  f  h  a  u  s  e  n  nacltlolgciidcs  Schreiben  iles  Herrn 
Gchciinrath  Prof.  H.  Uscner  in  Bonn:  .Die  byzantinische  Gewebe 
inschrift  lüsst  sich  trotz  einiger  rngcnauigkciteti  der  Abschrift  ohne  F.in 
sieht  des  Originals  mit  vollster  Sicherheit  lesen  und  ergranzen.  Ich  Setze 
dieselbe  her.  wie  sie  gelautet  haben  muss,  indem  ich  auf  Nachbildung 
der  byzantinischen  Schnörkel  verzichte  und  die  bis  jetzt  nicht  gelesenen 
Buchstaben  durch  Punkte  .imleute  <s.  Textillustrationi.  Kine  genauere 
Nachprüfung  der  Schrift  spuren  am  Original  wird  die  buchstäbliche  Be- 
stätigung geben.  In  der  Nachbildung  ist  offenbar  in  der  zweiten  Zeile 
der  leere  Kaum  zu  gross  gelassen  und  die  Anfangsbuchstaben  etwas  zu 
weit  nach  links  geschoben.  Die  Textschrift  besagt:  'Eni  Ku>vöt<iv(t{v)ou 
Kai  BaatAtiou  tüiv  tpiAoxpioTiuv  oföwoTüiv  d.  h.  ,,1'nter  der  Kegierung  des 
Konstantinos  und  Basileios,  unserer  allerchristlichsten  Herren."  Ks  ist 
ein  wohl  ganz  einziger  Glücksfall,  dass  sich  ein  alterthüinlicher  Gewebe 
rest  mit  Datirung  vorgefunden  hat  und  deswegen  wird  dieser  Fund 
vermuihlich  für  die  Chronologie  der  mittelalterlichen  Gewebekunst 
grosse  Wichtigkeit  gewinnen.  Hofft  man,  weil  nach  einer  Doppelregierung 
datirt  wird,  die  Zeit  des  Gewehes  in  enge  Grenzen  geschlossen  zu  er 
halten,  so  erfüllt  sich  freilich  in  diesem  Falle  die  Hoffnung  nicht.  Die 
gemeinsame  Kegierung  von  Basileios  II.  und  Konstantinos  VIII.  hat  die 
unerlaubte  Dauer  von  etwa  einem  halben  Jahrhundert:  sie  erstreckt  sich 
vom  11.  Januar  Ü7i;  bis  15.  Deceiubcr  1025.  Zu  besonderen  Bemerkungen 
linde  ich  keinen  Anlass.  Die  Formel  ist  deutlich  und  gut.  Auffallend 
ist  nur  die  Voranstcllung  des  um  drei  Jahre  jüngeren  Konstantin;  «las 
kann  persönliche  Gründe  gehabt  haben.  Ks  ist  jetzt  an  den  Forschern 
der  Gewcbegeschiclite,  die  hier  festgestellte  Thatsnehe  zu  verwerthen". 
An  dieser  Stelle  sei  dem  Herrn  Geheimrath  Prof.  l'sener  und  den  an- 
deren Gelehrten,  die  spater  ihre  Lesungen  mittheilien.  der  Dank  für  ihre 
Mühe  ausgesprochen! 


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Der  byzantinische  Purpurstoff  im  Gewerbe  Museum  zu  Düsseldorf.  229 

handenscin  der  Inschrift  darf  wohl  als  bestimmt  angenommen 
werden,  dass  diese»  Seidengewehe  in  der  kaiserlielien  Fahrik  an- 
gefertigt worden  ist  und  es  darf  aueli  angenommen  werden,  dass 
der  dargestellte  Purpur  der  sog.  kaiserliehe  Purpur,  der  doppel- 
gefärbte  sei  ').  Ein  anderer  byzantinischer  Stoff  mit  Reihen  ein- 
andergegenUber  gestellter  Pferde,  den  ich  als  Hülle  von  Gebeinen 
des  heil.  Gregor  in  einer  holländischen  Kirche  fand,  hat  in  seinem 
Purpur  einen  viel  schwächeren  Glau/,  und  eine  viel  geringere  Tiefe. 
Der  Stoff  giebt  ein  Heispiel  für  die  Art.  wie  gegen  Ausgang  des 
zebuten  bezw.  Anfang  des  elften  Jahrhnnderts  Thiergestalten  fllr 
Webereizwecke  compouirt  worden  sind. 

Während  der  Düsseldorfer  Stoff  zwischen  11.  Januar  (J76  and 
15.  December  1U25  gewebt  wordi'ii  sein  muss,  ist  der  Stoff  im 
Schreine  der  heil.  Anno  zu  Siegburg  zwischen  April  und  August 
931  gewebt  worden*).  Auch  dieser  Stoff  hat  auf  purpurviolettem 
Grunde  (6)  grosse  Löwen  in  gelber  Farbe  paarweise  stehend  cin- 


1)  Trotz  der  vielen  Abhandlungen  über  den  Purpur  <ler  Alten 
(s.  Semper,  Der  Stil  I  S.  207)  sind  wir  bi»  jetzt  noch  nieht  genügend 
aufgeklärt,  weil  die  Verfasser  blos  die  lateinischen  und  griechischen 
Cilnte  als  Untergrund  für  ihre  Untersuchungen  hatten.  Dagegen  sind 
heute  in  der  Te.xtilsammlung  de«  Gewerbeinuseums  in  Düsseldorf  eine 
grosse  Anzahl  von  pnrpurgcfnrhtcn  Stoffen  in  den  verschiedensten  Farb- 
tönen im  Original  vorhanden,  altagyptisehc  Stoffe  bis  zur  19.  Dynastie 
hinaufreichend,  viele  spatrömischc  und  frühchristliche  (siehe  Katalog  früh- 
christlicher Textilfundo  des  Jahres  18W  von  Dr.  F.  B  n  c  k,  Verlag  Central- 
Ciewerbeverein  Düsseldorf,  Preis  l  Mark)  und  einige  byzantinische  Gewehe, 
welche  einem  in  den  Sprachen  der  Alten  bewanderten  Chemiker  eine 
vorzügliche  Unterlage  zu  einer  Abhandlung  „über  den  Purpur  der  Alten" 
abgeben  würden. 

2)  Nach  den  Mittheilungen  des  Herrn  Sau  vage,  jetzt  Pfarrer 
zu  Kelz  bei  Vettweiss,  wurde  auf  Veranlassung  des  Herrn  Prof.  aus'm 
Weerth  der  Schrein  des  hl.  Anno  am  2.  Juni  1W12  geöffnet.  Die  Reli- 
quien fanden  sich  in  einem  grossen  Stück  Seidenstoff  von  violetter  Farbe 
eingehüllt,  auf  welchem  sechs  grosse  Löwen  in  gelber  Farbe,  paarweise 
stehend,  in  kunstvoller  Zeichnung  eingewebt  sind.  Ebenfalls  gewebt  ist 
die  Inschrift:  'Eni  'PiupavoO  teal  Xp«rro<pifipot>,  tü»v  tpiXoxpioTujv  btöirorüjv. 
Nach  vorgenommener  Zeichnung  (s.  K.  aus'm  Weerth,  Kunstdenkmnler 
des  christl.  MA.  in  den  Kheinlanden  P>.  III  p.  23  N.  HD  wurde  der  kostbare 
Stoff  auf  eine  Rolle  gewickelt  und  wieder  in  den  Schrein  deponirt.  Herr 
Geheimrath  Prof.  Usener  um  «las  Alter  befragt,  schreibt:  „Ihre  Frage 
über  Kaiser  Romanos  und  Christophoros  kann  ich  dahin  beantworten, 
dass  bald  nachdem  Romanos  zum  Kaiser  gekrönt  war  il".  Dec.  920)  sein 


Heinrich  F  r  »  11  b  c  r  g  c  r : 


gewebt.  Wie  au*  kleineu  Fragmenten  von  Pausen  im  kgl.  Kunst- 
gewerbemuseum in  Herlin  hervorgeht ,  ist  die  Komposition  der 
Mähne  eine  wesentlich  andere  '  i.  Der  Unterschied  in  der  Kompo- 
sition würde  durch  einen  Vergleich  der  beiden  Originalien  manche* 
interessante  Ergebniss  zu  Tage  fördern;  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  durfte  der  Purpur  derselbe  sein  und  sieh  ein  zweites  Beispiel 
fUr  die  purpura  dibapha  (imperialis)  ergeben.  In  eine  gleiche 
Zeit  dürfte  der  Löwenstoff  zu  Autun  falleu,  sofern  derselbe  Uber- 


Sohn  Ohristophoros  zum  Kaiser  ernannt  (April  92h  uimI  gekrönt  wurde 
(20.  Mai  '.»21).  Ohristophoros  starb  im  August  031.  Der  Vater  Romanos 
überlebte  den  Sohn;  er  wurde  abgesetzt  und  verbannt  um  Mille  Dc- 
ceiaber  911." 

1)  An  zwei  Löwenköpfen  des  Düsseldorfer  Stoffes  ist  der  Beginn 
der  Umrisslinien  des  Kammes  auf  eine  allerdings  nur  kurze  Kntlcrnung 
vorhanden  und  zeigt  vom  Ohr  ausgehend  zwei  kurz»'  Rogen  und  im 
weitereu  Verlauf  die  durch  die  Form  des  Kammes  bedingte  schlanke 
Kriimniung.  Die  erwähnten  Thcilc  sind  allerdings  zu  kurz  und  defeet, 
um  sichere  Anhaltspunkte  zu  bieten.  In  unserer  Annahme  von  der  über- 
wiegenden Wahrscheinlichkeit  einer  glatten  Aussciikante  wurden  wir 
vielmehr  bestärkt  durch  die  Form  des  annähernd  der  gleichen  Zeit  an- 
gehörigen  Maust lichter  Löwen,  welcher  dem  in  Rede  stehenden  sehr  ähn- 
lich ist.  Die  bogenförmige  Ausscnkantc,  welche  die  uns  übermittelte 
Pause  de*  Siegburger  Löwen  zeigt,  ist  dort  mit  Notwendigkeit  durch 
das  Flechtwerk  der  Mahne  bedingt  und  dürfte  in  diesem  Falle,  kaum  am 
Platze  sein,  wenigstens  bietet  hierzu  die  Stilisirung  der  Mähne  keinen  Vor- 
wand.  Zugleich  mag  auch  bemerkt  sein,  dass  die  auf  dorn  Original  hiervon 
vorhandenen  Reste  leider  nicht  mit  Deutlichkeit  erkennen  lassen,  ob  die  durch 
den  vertical  und  schräg  aufsteigenden  Streifen  gebildeten  yuerkolonnen  in 
genau  horizontaler  Richtung  gedacht  waren  oder  ob  eine  Neigung  der- 
selben nach  einer  Seite  hin  beabsichtigt  war.  Wir  nehmen  an,  dass  hei 
der  gewohnheitsmässigeu  möglichst  streng  symmetrischen  Durchführung 
aller  Formen  in  dieser  Zeitperiode  die  quer  laufenden  Abstünde  ge- 
nau wagerecht  gedacht  waren,  wie  diese  auch  auf  der  Zeichnung  durch- 
geführt sind  und  die  auf  dem  Original  wahrnehmbaren  Senktingen  als 
die  Folge  der  UngleichmHssigkeit  der  Weberei  zu  betrachten  sind.  Die 
auf  gleiche  Weise  ausgefüllte  büschelartige  Kndigung  des  Schweifes  ist 
jedoch  auf  dem  Original  gut  erhalten  und  zeigt  nach  der  Mitte  zu  eine 
bogenförmige  Senkung,  welche,  hier  anscheinend  auch  beabsichtigt  war 
und  eine  Kiubus.se  im  ästhetischen  Sinne  hierdurch  nicht  erzeugt.  Be- 
dauerlicherweise ist  auch  die  untere  Gesichtspartie  auf  dem  Original 
total  unkenntlich  und  erfolgte  die  Reconstruction  derselben  tmter  Zu- 
hülfenahme  der  Photographie  des  Maastrichter  Löwen. 


Der  byzantinische  Purpurstoff  im  Ge»  erhe-Museum  zu  Düsseldorf.  2:11 


hanpt  noch  vorhanden  ist1»;  und  rhu.' verwandte  Komposition,  wenn 
aneh  technisch  verschieden  und  ohne  Inschrift,  zeigt  der  Löwen- 
stnff  aus  dem  Sehreine  de«  heil.  Servatius  in  Maastricht  *>.  Der 
Aachener  Stoff  hat  Elcphanten  dargestellt  und  eine  verschnörkelte 
Inschrift  unten  am  Rande,  etwa- aus  der  Zeit  von  12503). 

Nach  der  Bilderschritt  stellt  der  Löwe  den  Heiland,  den 
Löwen  am  Stamme  Judas  vor,  woraus  hervorgeht,  dass  Stoffe  mit 
Löwendarstellungen  auch  für  kirchliche  Zwecke  sehr  helieht  waren. 
Sie  Huden  sich  darum  oft  in  den  Reliquienbehültem  unserer  Dome 
und  Klosterkirchen  als  Reste  einer  längstvcrgnngenen  Zeit,  in  der 
auch  die  rheinischen  Bisehöfe,  wenn  sie  nach  Rom  reisten,  dort 
kostbare  Stoffe  erwarben  und  nach  Deutschland  brachten.  Dass 
man  ein  Verlangen  hatte,  den  kaiserliehen  Purpur  zu  besitzen,  ist 
ebenso  begreiflich,  als  es  wahrscheinlich  ist,  dass  man  ihn  von 
Byzanz  Aber«  Meer  nach  Amalfi  und  Rom  zn  schmuggeln  verstand, 
oder  aber  im  10.  Jahrhundert  bereits  wieder  ausfuhren  durfte. 


1)  In  der  Geschichte  der  Krzbisehöfe  von  Autu»  wird  im  Kapitel  4-1 
„de  Gualdrice  A.  C.  918—93.1"  gesagt :  „i|Uoniam  auteiii  in  eade.in  aula 
Dei  erat  pretiosissiinum  pallium  cum  leonum  iuiagitiihu»,  in  quo  erat 
scriptum  inter  leone*  graecis  literis  XP»J™<;  oealcoTns  n<>n  dostitit  priu.s 
quam  aliud  etusdem  similitudinis  |iallium  in  venit  etc.  (s.  Dr.  Bock,  Ge- 
schichte der  liturgischen  Gewänder  I  S.  H>).  Oh  die  Slcphatiskirchc  in 
Autun  den  Stoff  noch  besitzt,  ist  sehr  fraglieh.  Ks  wäre  aber,  falls  er 
noch  vorhanden  ist,  der  Untersuchung  werth,  nl>  die  griechische  Inschrift 
wirklich  so  gelautet  hat,  oder  nur  das  letzte  Fragment  einer  Inschrift 
wie  auf  dein  .Siegburger  Stoff  war  und  willkührlich  umgeändert  wurde. 

2)  An  diesem  sind  die  Thiere  wesentlich  kleiner,  aber  in  der  Form 
sehr  verwandt  den  Düsseldorfer  Löwen. 

3)  Die  Inschrift  ist  in  Melanges  d' Archäologie  par  N.  Cahier  e( 
A.  Martin  II,  pl.  11  abgebildet  und  besagt,  das»  der  Piu-pui-stoff,  welcher 
Elephanteu  darstellt,  auf  Befehl  des  Oberstet)  und  Bewacher  des  kaiserl. 
Schlafgemaches  Michael,  zur  Zeit  als  l'etrus  die  Fabrik  leitete,  angefertigt 
worden  sei.  Aus  der  Form  der  Inschrif't  glauben  Palangl aphen,  wie  Prof. 
Vi  et  or  G  a  rd  t  h  a  u  se  n  in  Leipzig  und  Prof.  Ilsen  er  in  Bonn  annehmen  zu 
»ollen,  dass  der  Stoff  im  dreizehnten  Jahrhundert  gewebt  worden  sein 
dürfte.  Ks  ist  kaum  zu  hoffen,  dass  sich  jemals  feststellen  liisst,  in 
welchen  Jahren  Michael  Oberstkäinnierer  und  Petrus  Dircclor  der  itrari- 
sehen  Gewandfabrik  in  ßyzanz,  um  die  es  sich  auch  bei  diesem  kost- 
baren Seidenstoff  handelt,  gewesen  ist.  Xahcrcs  hierüber  samint  Abbil- 
dung in  Farbendruck  dürfte  ein  Artikel  des  Herrn  Dr.  Franz  Bock 
im  lieft  12  de»  Jahrganges  1S!>.'1  der  Zeitschrift  des  Kunstgewerbe- Vereins 
in  München  bringen. 


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'2:l'2   Hein  rieh  l'raubi'rgcr:  Der  byzantinische  Purpunitoff  etc. 


Heaehtenswerth  ist  auch,  das«  bisher  solche  Inschriften,  welche 
auf  die  regierenden  Kaiser  hinweisen,  nur  ätinscrut  selten  und  immer 
nur  hei  Stoffen  mit  grossen  Mustern  vorkommen.  Diese  pross- 
^eniustertcn  Stoffe  scheinen  im  Auftrage  der  Kaiser  als  Geschenke 
zu  HcliUn^cn  lllr  Kirchen  geweht  •  wordeu  zu  sein.  Uuil  dass  sie 
sieh  zur  Herstellung  solcher  Wcthpwchcnke  der  ärarisehen  Gewand 
fahrik  bedienten,  ist  mehr  als  wahrscheinlich,  durch  die  Inschrift 
am  Elcphantenstoff  in  Aachen  sichergestellt. 


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II.   Litterat  ur. 


1 .  Wilhelm  V  o  <•  g  e ,  Kino  d  c  u  t  s  r  h  r  M  a  I  c  r  s  c  h  u  I  »•  um  d  i  e 
W  e  Ii  (1  e  (I  e  s  «ts  t  e  H  .1  a  h  r  t  a  iisciuls.  K  r  i  t  i  s  c  h  e  .Studien 
zur  Geschieht  e  <l  er  Malerei  i  n  F>  e  u  tsrlil«  n  d  i  in  10. 
und  11.  Jahrhundert.  <M>  S..  mit  4«  Ahl».  Trier,  Liutzsehe 
Buchhandlung  1801  I Hrgäuzungshett  VII  zur  Westdeutschen  Zeit 
schritt  für  Geschichte  und  Kunst  f. 

Von  den  grossen  Puhlikationen  von  Bildcrhaudschrit'ten,  die  im 
Laufe  der  letzten  beiden  Jahrzehnte  auf  deutschem  Hoden  entstanden 
sind,  bezeichnet  «'ine  jede  einen  merklichen  Fortschritt  sowohl  in  der  Aus- 
bildung der  Methode  wie  in  Bezug  auf  den  Umfang  des  bewältigten 
Materiales. 

Die  erste  dieser  Untersuchungen,  die  für  ihre  Zeit  klassische  Be- 
arbeitung des  Psaltereum  aurcum  von  8t.  Gullen  durch  .1.  Ii.  lt  a  h  u  setzte 
zu  einer  Zeit  ein,  als  die  Kngliinder  und  Franzosen  schon  seit  einer  Ge- 
neration mit  umfassenden  und  glänzenden  Puhlikationen  hervorgetreten 
waren,  die  meist  eine  «ranze  Gruppe  gleichartiger  Handschriften  durch 
ausgewählte,  mit  allen  Mitteln  der  vervollkommneten  Technik  wieder- 
gegebene Proben  illustrirten.  Den  technischen  Höhepunkt  dieser  Art 
der  Veröffentlichung  erreichten  hier  die  Bastard  schen,  dort  die  West- 
wood'schen  Blatter.  Wahrend  in  den  folgenden  Jahren  von  den  dem 
Ausgange  des  Mittelalters  Angehörigen  Handschriften  in  Deutschland  eiue 
ganze  Reihe  durch  würdige  Publikationen  bekannt  gemacht  wurden  — 
ich  nenne  nur  die  Sachsenspiegel,  die  Knmfahrt  Kaiser  Heinrichs  VII., 
die  Chronik  Ulrich  von  Bichentais,  das  Wappenhuch  Konrads  von  Grüncn- 
berg  —  dauerte,  es  geraume  Zeit,  bis  die  Periode  des  frühen  Mittelalters 
wieder  mit  weiteren  Veröffentlichungen  bedacht  wurde.  Die  einzelnen 
Etappen  auf  diesem  Wege  bezeichnen  vier  grössere  Arbeiten,  die  in 
Thema  und  Methode  die  Typen  für  vier  Gruppen  darstellen.  Zuerst  die 
Publikation  des  Kgbertcodex  durch  Fr.  X.  Kraus,  die  für  eine  einzelne 
Handschrift  in  mustergültiger  Form  die  Zusammenstellung  der  gesammten 
Litterarur  und  eine  eingehende  Analyse  und  Beschreibung  der  einzelnen 


234 


Paul  Clemen: 


Scenen  hol  Sodann  A.  von  ( >  c  c  Ii  c  I  Ii  ä  n  s  e  r  s  K'lilion  der  Heidel- 
berger Bildcrhaudschriftcn,  die  ••ine  Addition  sorgfältiger,  aber  nalur- 
gcmäss  unter  einander  nicht  zusammenhangender  Kinzcluutcrsuchungcu 
nach  der  von  Kraus  gewühlten  Methode  darstellte. 

An  dritter  Stelle  cli»*  in  wahrhaft  monumentalem  (icwandc  von  der 
Gesellschaft  für  rheinische  Gcschichtskuudc  unternommene  Publikation 
der  Trierer  Adahaudschrift,  durch  das  Zusammenarbeiten  einer  ganzen 
Heihe  von  Gelehrten  entstanden,  in  der  H.  J  a  u  i  t  s  e  Ii  e  k  mit  glänzen- 
dem Scharfsinn  aus  den  Trümmern  des  weithin  versprengten  Material* 
die  Rekonstruktion  der  grossen  Hof-  und  Klostcrschreibschulen  de«  karo- 
lingischen  Reiches  unteniahin  und  damit,  von  einem  einzigen  Codex  aus- 
gehend, ein  Gesainmtbild  der  ganzen  gleichzeitigen  Produktion  aufrollte. 
Heu  A hsch lu ss  uiifl  Gipfelpunkt  dieser  Kntwicklung  bezeichnet  vorläufig 
die  uns  vorliegende  umfangreiche  Arbeit  Wilhelm  Voege's,  der  nur 
eine  einzige  Malerschule  der  ottonischen  Kunstaera  hehamlelt,  diese 
aber  mit  ausserordentlicher  Matcrialkcnutniss  und  mit  völliger  Kr- 
Schöpfung  aller  Fragen,  die  innerhalb  des  begrenzten  Stoflkreiscs  über- 
haupt gestellt  werden  konnten. 

Zunächst  einige  Worte  über  das  herangezogene,  und  behandelte 
Materini.  Im  Vordergrunde  stehen  die  grossen  viclhewundcrten  Pracht- 
handschriften der  sächsischen  Kaiser,  die  zum  Theil  noch  in  Hamberg, 
zum  Theil  in  München  aufbewahrt  werden,  das  Kvangcliar  Ottos  III.. 
Cod.  Cimet.  5«  zu  München,  das  Kvangelistariuin  Heinrichs  II.,  Cod. 
Cimet.  57  zu  München,  das  Kvangcliar  Cod.  Cimel.  59  und  das  Kvangeli- 
star  Cod.  lat.  2:J.W  zu  München,  Cod.  A.  I.  47  (hohes  Lied  und  Daniel), 
A.  II.  42  (Apokalypse»  zu  Bamberg,  der  Hillinuscodex  (Cod.  XII)  und  der 
Limburger  Codex  (Cod.  CCXVIII.  der  Kolner  Dombibliothek,  Cod.  K4.  5. 
Aug.  zu  Wolfeiibüttel  i  Kvangelistari,  Cod.  mbr.  I*.  1.  1!»  der  Beverinschen 
Bild,  zu  Büdesheim  lOrationale),  Cod.  lat.  lWK)ö  der  Bihl.  nat.  zu  Paris 
(Sakramentar),  Cod.  Centur.  IV.  ».  der  Stadtbild,  zu  Nürnberg  (Kvangc- 
liar), Cod.  M.  p.  th.  1°  ft  der  Uni vei sitätsbibl.  zu  Würzburg  (Lektiona- 
rium),  Cod.  sect.  XXI»  :17  der  Kgl.  Sammlungi'ii  zu  Hannover  (Kvangcliar), 
Cod.  -I.  2.  zu  Maihingen  (Benediktionalc),  Cod.  XIV.  H4  der  Barbeiina 
( Kvangcliar J,  Cod.  8  des  Berliner  Kupferstichkabinets  ( Kvangcliar),  ausser- 
dem der  Ottonencodex  zu  Aachen  und  die  Iis.  der  Bibliotheca  Queriniana 
zu  Brescia ,  beide  bereits  ganz  puhlicirt ,  der  erste  durch  Step  Ii  a  n 
B  e  i  s  s  e  I,  die  zweite  durch  A  u  d  r  e  a  V  a  I  e  n  t  i  u  i.  • 

Zu  bedauern  ist  nur,  dass  das  Ansfriedevangeliar  des  erzbischöf- 
lichen  Museums  zu  Utrecht,  «las.  zumal  in  seinen  merkwürdigen  Kvange- 
listeubildei-n,  die  engste  Verwandtschalt  mit  Cod.  Cimel.  fiH  zu  München 
zeigt,  nicht  berücksichtigt  werden  konnte:  es  ist  neuerdings  -  ebenso 
wie  die  von  Vo  e  ge  S.  151  nur  kurz  erwähnte  Hs.  des  Kupfei  stichcabinets 
zu  Berlin  -  ausführlich  beschrieben  worden  in  St.  Betssels  letzter  Ver 


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Wilhelm  Voege,  Eine  deutsche  Malerschulc  etc. 


236 


öfTentlichung  über  «las  Evangelienbuch  des  hl.  Beinward  zu  Hildcshcim; 
Photographien  nach  der  11«.  hat  schon  vor  Jahren  der  hochverdiente 
Kenner  und  Sammler  Mynheer  van  Henkel  um  zu  Julfnas  hei  Utrecht 
anfertigen  lassen. 

Die  «ranze  Schulproduktion  au  einem  Orte,  womöglich  in  der  Schreib- 
stube eines  Klosters  zu  lnkalisircn,  war  bei  dem  Charakter  de«  vorliegen- 
den Material««  unmöglich.  Eine  Reihe  von  Anzeichen  weisen  auf  Köln, 
wo  die  eine  der  behandelten  Handschriften,  eben  der  llillinuscodex,  ent- 
stand. Doch  zeigt  der  Name  des  einen  Schreibers  (Purchardus)  eine 
entschieden  oberdeutsche  Form.  Eh  ist  nicht  ausgeschlossen,  das«  die 
meisten  dieser  für  die  Sachseukaiser  gefertigten  Handschriften  auch  auf 
altem  «achsischen  Kulturboden,  in  den  Klöstern  in  und  um  Hildesheitn 
und  Magdeburg,  für  die  eine  reiche  Produktion  bezeugt  ist,  entstanden. 
Auf  eine  nahe  Verbindung  des  ersten  Kunstcentrum«  mit  dem  Rhciulandc 
weist  beispielsweise-  der  Umstand,  das«  das  ottonische  Evangeliar  des 
Domschatzes  zu  Eissen  eine  enge  stilististische  Verwandtschaft  mit  Cod. 
33  de«  Domschatzes  zu  Hildesheim  aufzeigt;  eine  Magdeburger  Ottoncn- 
handschrift  enthalt  noch  jetzt  die  Bibliothek  des  dortigen  Domgvmnasiums 
(Cod.  275).  Auf  der  anderen  Seite  zeigen  die  Bilderhandschriften,  die 
neben  dem  llillinuscodex  als  in  Köln  entstanden  bezeugt  sind,  in  der 
Kölner  Stadtbibliothek,  in  Stuttgart,  vor  allem  auch  das  Sakramentar  von 
St.  Gereon  in  Paris  (Cod.  lat.  H17  der  Bibl.  nat.)  von  der  von  Voege 
behandelten  Gruppe  durchaus  abweichende  Züge. 

Was  der  vorliegenden  Arbeit  ihre  für  die  geschichtliche  Behand- 
lung der  Bilderhandschriften  und  der  frühmittelalterlichen  Malerei  Uber- 
haupt epochemachende  Stellung  einräumt,  liegt  in  der  Verfeinerung  und 
Zuspitzung  der  Methode,  in  der  Uebertragung  der  langst  für  die  aus- 
gebildete Zeit  und  die  Perioden  der  entwickelteren  Kunst  geltenden  Ge- 
sichtspunkte auf  die  primitiven  Kunstzweige  und  in  der  Ausbildung  einer 
eigenen  Kennerschaft  auch  für  diese  Frühkunst  als  des  wichtigsten  Rüst- 
zeuges für  die  Forschung.  Der  Verfasser  giebt  in  der  Tliat  in  seiner 
Arbeit  zugleich  ein  Hand-  und  Lehrbuch  zum  Erwerb  dieser  Kennerschaft. 
Eine  ganz  neue  Art  zu  sehen,  neu  eben  für  diese  frühe  Periode,  die  all- 
zulange lediglich  von  ikonographischen  Gesichtspunkten  aus  betrachtet 
wurde,  bildet  sich  hier  heraus,  zum  ersten  Male  werden  im  vollen  Um- 
fange an  diese  frühen  Schöpfungen  die  Fragen  einer  künstlerischen 
Kritik  gestellt,  die  Fragen  nach  der  künstlerischen  Konecptinn  und  Kom- 
position, nach  dem  Maasse  der  Ueberlegung  hei  der  Verwendung  alter, 
Umwerthung  anderswo  gebrauchter  und  Einführung  neuer  Motive,  dem 
Grade  der  Lebendigkeit  in  Charakteristik  und  Ausdruck.  Am  deut- 
lichsten treten  diese  Vorzüge  der  Arbeit  zu  Tage  in  der  ersten  Vor- 
studie, wo  der  Verfasser,  scharfäugig  und  feinsinnig  zugleich,  die  Hand- 
schriften Ottos  III.  zu  Aachen  und  München  mit  den  Kunstwerken  der 


236 


Paul  C  I  c  m  e  n  : 


Reichenau  vergleicht  und  in  einer  glänzenden  Analyse  (Inn  Verhältnis* 
der  Aachener  Handschrift  /.um  Fghertcodex  auseinandersetzt,  und  dann  i)i 
der  Gesairiintchnrakterislik,  «litt  nach  der  genauen  Durehverglcichung  der 
rinzrlncu  biblischen  Scenrn  dir  umfassendste  Darstellung  des  Gemein- 
schaftlichen in  der  Produktion  und  die  eingehendste  Antwort  auf  die 
Fragen  nach  der  Bedeutung  der  ludividm-ii  und  da«  Nrheuciuandcr 
disparater  Vorbilder  bietet,  dir  überhaupt  lür  diese  Gattung  von  Kunst 
werkt' n  gegeben  wrrdrn  kann. 

Dirsr  Charaktvriotik  bildet  das  eigentliche  Thcnia.  in  ibr  liegt  zu 
gleich  der  Schwerpunkt  der  ganzen  Arbeit.  Dir  Herrschaft  der  ikono- 
graphischcn  Typen,  ihre  Provenienz,  Ut'herlieferung  und  Abwandlung 
werden  genau  untersucht,  die  textlichen  Quellen  sichergestellt,  das  Ver- 
hältnis* zum  Texte  auseinandergesetzt.  Die  byzantinische  Frage,  die 
durch  Springer  —  viel  zu  früh  —  zu  den  Todten  geworfen  wurde, 
wird  hier  für  die  Malerei  aufs  Neue  formulirt.  Da«  Missale  Heinrichs  II.  zeigt 
in  der  That  unleugbar  byzantinischen  Einfluss  —  dir  Handschrift  zeigt 
dazu  eine  so  ausgebildete,  fast  raflinirte  Technik,  dass  sie  unmöglich  als 
Einzelerscheinung,  sondern  nur  als  Glied  einer  langgeübten  Tradition  be- 
griffen werden  kann,  lieber  den  Weg,  den  die  byzantinischen  Vorbilder 
eingeschlagen,  werden  wahrscheinlich  die  Untersuchungen  Strzygowskis 
weiteres  Licht  verbreiten.  Die  letzten  beiden  Publikationen  über  die 
byzantinische  Kunst,  S  t  r  z  y  g  o  w  s  k  i  s  verdienstvolle  Bearbeitung  des 
Etschmiadzinevangcliars,  dir  eine  ganze  Serie,  byzantinischer  Denkmaler- 
publikationen einleiten  «oll,  und  Heinrich  Brockhau s  ausgezeich- 
netes Buch  über  die  Kunst  in  den  Athosklüstern,  die  von  Voege  nicht 
mehr  benutzt  werden  konnten,  bieten  weiteres  Material,  irritiren  aber  in 
keinem  wesentlichen  Punkte  die  Vorgesehen  Resultate.  Wie  in  der 
Malerei,  so  muss  die  Krage  auch  für  dir  Goldschmiedekunst  und  dir  da- 
mit zusammenhängenden  Techniken,  namentlich  «las  Email,  aufs  Neue 
erhoben  werden.  Charles  de  Linas  hat  für  die  verroterie  cloisonnee 
in  seinem  dreibändigen  Hauptwerk  den  Orient  als  Ursprungsland  nach- 
zuweisen sich  bemüht,  die  Untersuchungen  von  S  c  h  u  I  z  über  den  by- 
zantinischen Ze.llenschme.lz,  die  Publikation  der  Sammlung  Swrnigorods- 
k  o  i  haben  neues  und  reiches  Material  für  die  Beantwortung  der  Frage 
nach  der  Entstehung  des  deutschen  Emails  geliefert.  Dir  durch  Georg 
Hiimmn  vorbereitete  grosse  Publikation  des  Essener  Münsterschatzes 
würde  die  beste  Gelegenheit  zur  Weiterführung  dieser  Fragen  bieten. 
Allem  Anschein  nach  werden  wir  auf  dir  seinerzeit  von  aus'm  Weerth 
im  .Siegeskreuz  des  Kaisers  Konstantin  VII.-  autgestellten  Thesen  zurück 
kommen.  Und  auch  für  die  Architektur  ist  dir  Frage  durchaus  nicht 
abgeschlossen.  Wenn  auch  der  syrische  Kinfluss,  den  Viollet-Ie- 
Duc  von  de  Vogui1  entlehnte  und  mit  Begeisterung  in  den  spittern 
Bünden  seines  Dictionnaire  vortrug,  endgültig  abgelehnt  ist,  so  ist  doch 


Wilhelm  Voege.  Eine  deutsche  Malerschule  etc. 


2.17 


der  byzantinische  Ursprung  der  a»|Uitnnischcn  Kuppelkirchen,  der  von 
du  Verneilh  behauptet  worden  und  durch  Jahrzehnte  als  Dogma 
galt,  trotz  der  Hinwendungen  Kame's,  Sa  int -Pauls  und  vor  allein  der 
klaren  und  durchsichtigen,  von  den  Franzosen  nnr  noch  nieht  genügend 
beachteten  Ausführungen  Dchios  durchaus  nieht  völlig  widerlegt:  Die 
These  wird  neuerdings  von  der  jüngeren  Archiinlogcuschule  Frankreichs 
mit  Vorsieht  wieder  aufgestellt. 

Der  Charakteristik  der  ikonographisehen  Richtung  schliesst  Voege 
eine  Charakteristik  des  Mntivensehatz.es  der  Sehule  an,  die  die  GchJinlcn 
und  Bewegungen,  die  Kopttypen,  die  Gewandung,  die  landschaftlichen 
Motive,  die  Architektur,  die  Ornamentik  und  Bild  und  Ornamentik  in 
ihrem  Zusammenhange  zum  Thema  haben.  In  der  Analyse  der  Geberden 
und  Geberdensprache  zeigt  sich  die  glitnzende  Beobachtungsgabe  des 
Verfassers  auf  ihrem  Höhepunkte.  Die  Untersuchung  wiiehst  hier  aus 
zur  Materialiensammluug  für  eine  Psychologie  des  10.  Jahrhunderts  auf 
physiologischer  Grundlage.  Gerade  hier  wird  das  geringe  persönliche 
Verhältnis*  der  Kunst  des  10.  Jahrhunderts  zur  Natur  in  die  schärfste 
Beleuchtung  gerückt,  in  der  Variirung  der  einfachen  Grundmotive.  ihrer 
Uebertragung  auf  eine  Ueihe  verwandter  seelischer  Vorgänge,  ihrer  Ver- 
bindung, zuletzt  ihrer  weitereu  Verbreitung,  nachdem  sie  ans  dem  alten 
Zusammenhang«'  ausgelöst,  des  alten  Sinnes  entkleidet  sind,  und  als  rein 
künstlerische  Motive  hier  und  dort  verwandt  werden. 

Ks  braucht  kaum  hervorgehoben  zu  werden .  welche  Fülle  an 
Material  und  Beobachtung  in  den  Abschnitten  über  Gewandung,  Land- 
schaft und  Architektur  für  die  Geschichte  der  frühmittelalterlichen  Privat- 
alterlhumur,  der  Kulturbotanik,  niedergelegt  ist.  Nur  auf  die  exenrsartig 
den  einzelnen  Handschriltenhcsehreibungcn  angehängten  Dctuilunicr- 
suchnngen  möchte  ich  aufmerksam  machen,  die  mit  erstaunlicher  Littcralur- 
keuutniss  und  dem  Aufwand  eines  fast  nervösen  kritischen  Scharfsinnes 
eine  ganze  Reihe  von  nicht  unwichtigen  Fragen  ganz  en  passant  beant- 
worten, vor  allem  die  nach  den  Dedikatinnshildorn  der  Ottonischen  Hand- 
schriften und  nach  den  Klfenbeintafeln  der  Einbände. 

In  der  Einleitung  und  im  Scblussrcsume  sind  von  Voege  selbst 
die  leitenden  Gesichtspunkte  und  die  Hauptresnltate  zusamincugcfassi 
worden.  Als  ihr  wichtigstes,  das  von  entscheidender  Bedeutung  für  die 
Behandlung  frühmittelalterlicher  Bilderhandschriftenfolgen,  wie  für  die 
Auffassung  des  klösterlichen  Kunstlebens  ist,  tritt  das  eine  hervor,  dass 
innerhalb  der  Schule  ein  unmittelbares  Verhältnis*  zwischen  Handschrift 
und  Handschrift  überhaupt  nicht  besteht,  dass  —  wozu  das  Vorbild  philo- 
logischer Handsc hriftentintersuchungcu  leicht  verleiten  könnte  —  eine 
Genealogie  der  Codices  mit  Nichten  aulgestellt  werden  kann,  dass  ein 
der  Fortpflanzung  der  ITcherlicferuug  dienendes  Vorbilder  und  Skizzen- 
material  zu  Grunde  lag,  mit  einem  Worte:  dass  es  Miilcrhttchcr  gab. 


238 


P  n  u  I  C  1  e  in  e  n : 


Dieser  Salz  darf  selbstverständlich  nicht  \  erallgemcinert  und  glcichuiassig 
auf  alle  frühmittelalterlichen  Hamlschrilteugruppcn  angewandt  wenlcn. 
Kur  die  grossen  profanen  lllustratioiiscyklcn,  mit  denen  eine  Reihe  der 
bekanntesten  frühen  rntcrhaltungs-  und  Belehrungsbücher  ausgestattet 
wurden,  liKst  sich  das  Gegentheil  nachweisen,  hier  sind  in  der  That, 
wenn  auch  nicht  ein  einziger,  so  «loch  mehrere  HandschriftenstammbJtuinc 
innerhalh  einer  Gruppe  zu  koiistatircn,  hier  können  Genealogien  auf- 
gestcllt  werden,  hier  wurde  eine  Handschrift  von  der  anderen  mit  ihren 
Bildern  kopirt.  Das  gilt  zumal  von  den  drei  Gruppen  der  Handschriften 
lies  Terentius,  des  Aralus,  des  l'rmlcutius.  Die  letztere  durch  die  An- 
zahl der  Handschriften  wie  durch  die  ikonographischeu  Resultate  für  die 
Kunstgeschichte  werthvollste  Gruppe  ist  durch  Richard  Stettiner  ein- 
gehend untersucht  worden:  die  versprochene  Publikation  haben  wir  seit 
drei  Jahren  vergeblich  erwartet.  Für  diese  profanen  Handschriften  lilsst 
sich  auch  für  die  Folgezeit  eine  ähnliche  Herstellungsart,  eine  direkte 
Ableitung  von  einander  behaupten:  für  den  walschcn  Gast  ist  dies  mit 
Krfolg  durch  v.  O  e  c  h  e  I  h  ii  u  s  e  r  geschehen.  Auch  für  einige  mit 
Federzeichnungen  illttstrirtc  biblische  Handschriften  des  frühen  Mittel- 
alters lassen  sich  thatsilrhlich  direkte  Ableitungen  nachweisen,  so  für  die 
ähnlich  wie  die  drei  genannten  Gruppen  hamlwcrksmassig  illustrirteu 
Handschriften  »1er  Apokalypse:  die  der  Frühzeit  der  karolingischen 
Kunstaera  Angehörigen  Cod.  C.  31  zu  Trier  und  Cod.  3HB  zu  Cainbrai 
decken  sich  in  einzelnen  Bildern  vollständig  —  hier  zeigt  schon  die  sichere 
und  kraftige  braune  Linienführung,  die  weit  verschieden  ist  von  den 
feinen  skiz/.irenden,  suchenden  und  tast«mden  rotheu  Entwürfen,  die  den 
ottouischeu  Praehthandschriften  zu  Grunde  liegen,  dass  dem  Kunstler 
sein  Vorbild  vollständig  vorlag.  Wenn  man  zum  Schlüsse  etwas  aus- 
setzen darf,  so  ist  es  das  Fehlen  genügender  Sach-  und  Orksrt'gister  (für 
die  Handschriften  etc.),  die  bei  der  Fülle  nebensächlicher  Bemerkungen 
und  Beobachtungen  unbedingt  nöthig  waren  —  nur  über  die  neu- 
testanientlichen  Sceneubilder  ist  ein  solches  gegeben  und  —  auf  die 
Gefahr  hin,  als  kleinlicher  Merker  zu  erscheinen  —  der  zuweilen  allzu 
barock  verrenkte,  von  Pointen  starrende  schwere  Stil:  denn  die  Lektüre 
ist  nicht  leicht,  meiner  Treu. 

Die  Drucklegung  und  Illustrirung  der  Voe  gesehen  Arbeit  durch 
eine  grössere  Zahl  nach  eigenen  photographischen  Aufnahmen  des  Ver- 
fassers gefertigt«'  Cliches  wurde  durch  die  bewlihrte  Muniticenz  des  ersteu 
unter  den  rheinischen  Maeenen,  des  Herrn  Geheiinraths  Dr.  von  Mevissen 
ermöglicht.  In  einem  Kxcnrs  findet  sich  das  Material  zur  Geschichte 
<lei*  Kchternacher  Malerschule  zusammengestellt,  deren  intensive  Bearbei- 
tung der  Verfasser  zunächst  ins  Auge  gefasst  hat.  Der  Schule  gehören 
ausser  «lein  Kchternaeher  Codex,  von  dem  grössere  Proben  zuerst  durch 
Lamprecht  in  dieser  Zeitschrift  mitgetheilt  wurden  (Heft  LXXt.  eine 


Wilhelm  Voegc,  Eine  deutsche  Malerschule  etc. 


239 


ganze  Reihe  dor  bedeutendsten  und,  merkwürdigsten  Bilderhandsehriften 
des  10.  und  II.  Jh.  au,  die  sämintlich  mit  Ausnahme  des  Codex  aureus 
im  Eseurial  leieht  erreichbar  sind.  Ks  ist  dringend  zu  wünschen,  dass 
dein  Bearbeiter  die  Mittel  zur  Verfügung  gestellt  werden  zur  Herstellung 
einer  würdigen  Publikation,  deren  vorueliine  Ausstattung  dem  Indien 
künstlerischen  und  wissenschaftlichen  Wert  he  der  behandelten  Ob  jekte 
entsprechen  würde.  Die  Bearbeitung  dieser  Gruppe  durch  Voege 
würde  den  grossen  Vorzug1  haben,  dass  hier  die  palaographischen  und 
textliehen  Untersuchungen,  die.  dein  Charakter  des  Materiales  angemessen, 
hier  von  weit  geringerer  Bedeutting  sind,  von  dem  gleichen  Gelehrten 
wie  die  eigentlich  kunsthistorischen  Forschungen  unternommen  werden 
könnten,  was  gegenüber  der  Bearbeitung  der  Adnhandsehrift  ein  ein- 
dringlicheres lncinanderai  boiten  und  Verweben  der  einzelnen  Forschuugs- 
residtate  ermöglichen  würde.  Die  ganze  Publikation  würde  sich  der 
Herausgabe  der  Adahandschrit't  in  der  würdigsten  Weise  anschliessen 
und  wie  jene  den  einstimmigen  und  lautesten  Dank  aller  Fachgenossen 
herausfordern. 

Aus  dem  ungeheuren  in  den  Bildcrhnndschriften  aufgespeicherten 
Materiale  treten,  nachdem  die  Untersuchungen  über  karolingische  Hand 
schrirten  im  Wesentlichen  abgeschlossen  sind,  zwei  Gattungen  von  Gruppen 
hervor,  deren  Bearbeitung  allmählich  für  unsere  Discipliu  zu  einem 
dringenden  Bedürfnis»  wenlen  wird.  Auf  der  einen  Seite  die  aus  ikono- 
graphischen  Gesichtspunkten  gebildeten,  unter  ihnen  vor  allem  vier:  zu- 
erst die  aus  dem  klassischen  Alterthum  stammenden  schon  oben  er- 
wähnten  profanen  lüustrationscyklen,  dann  die  Apokalpyscn,  die  Hechts- 
liaiidschriften  und  die  Illustrationen  der  deutschen  Epen  und  Lieder- 
sammlungen. Auf  der  anderen  Seite  die  ihrem  eigentlichen  geschicht- 
lichen Zusammenhange  nach  sich  ergehenden,  unter  denen  wieder  vier 
im  Vordergrunde  des  Interesses  stehen.  Zuerst  die  der  altchristlichen 
Tradition  am  nächsten  stehenden  frühesten  biblischen  Handschriften  zu 
Wien,  Florenz,  Berlin,  Paris,  Cambridge,  von  denen  nur  der  Ashburn- 
hampentateuch  eine  ausreichende  Publikation  erfahren  hat,  wahrend  die 
G  ar  rucc  i'schen  Wiedergaben  für  Stilvergleichung  durchaus  ungenügend 
sind.  Sodann  die  den  Echtcmacher  Codex  umschliesscndc  Gruppe,  die 
nach  Erledigung  der  Bainberg-Münchcner  Gruppe  weitaus  die  bedeutendste 
der  Zeit  ist.  An  dritter  Stelle  die  Federzeichnungen  des  12.  und  PI.  Jh., 
von  denen  nur  zwei  Hauptgruppen,  die  Zwiefaltener  und  die  Scheyerner, 
bisher  herangezogen  worden,  während  die  dritte.  Hirsauer  mit  ihren 
ikonographisch  höchst  merkwürdigen  Handschriften  zu  Troycs,  London, 
Köln,  München,  Arras,  bisher  überhaupt  keine  Beachtung  gefunden  hat. 
Endlich  die  grosse  und  für  die  Kultur-  wie  die  Kunstgeschichte  gleich 
wichtige  Gruppe  der  süddeutschen  Bilderchroniken,  mit  den  beiden  Haupt- 


240  Nord  Ii  oft:  Soest,  seine  AltcrthUmcr  und  Sehenswürdigkeiten. 

sitzen  Cnnstnnz  und  Zürich-Bern-Luzcrn.  Hoffen  wir,  dass  die  Publi- 
kation der  Kchternncher  Codices  Iiier  den  Anfang  mache. 

l'aul  C  I  c  in  e  n. 

2.  Soest,  Heine  Alterthümcr  und  Sehenswürdigkeiten.  Mit  Abbildungen 
und  Stadtplan.  Soest,  Druck  und  Verlag  der  Nasse'schen  Buch- 
druckerci  (1H!)0).  121  S. 

Dies  Buch  gilt,  wie  allbekannt,  einem  sehr  ergiebigen  und  noch 
heute  mit  Denkmälern  des  Alterthums  und  aller  Kunst  reich  gesegneten 
Boden.  Ks  bereitet  in  einer  verhältnissmilssig  (bis  S.  iii>:  weilen  l'cber- 
sicht  der  Stadtgescliichte  auf  den  im  Titel  angezeigten  Haupttheil  vor. 
Dort  kommen  schon  die  städtischen  und  profanen  Gegenstände,  hier  «He 
Kirchen  und  Kapellen  (auch  die  Synagoge,  und  das  Archiv)  sowie  ihre 
Bild  und  Kleinwerke  zur  Besprechung  und  mit  Auswahl  zur  Abbildung. 
Man  verweilt  bei  den  Illustrationen  um  so  lieber,  als  mehrere  von  Denk- 
uililem  beigebracht  sind,  von  denen  man  bildliche  Darstellungen  noch 
entbehrte  oder  von  denen  mau  heute  leider  Xichts  mehr  sieht.  Welche 
Bcwandniss  es  dagegen  mit  dem  Texte  hat,  l.'lsst  sich  daraus  entnehmen, 
dass  dafür  von  der  vcrhJlltiiissmassig  sehr  umfassenden  Litterntur,  w  orin 
sich  die  Forschung  langst  des  gross  artigen  Kunstlebeiis  von  Altsoest  an- 
nahm, ein  nur  zu  beschrankter  Gebrauch  gemacht  ist.  Soll  das  I  nter- 
nehmeii  „das  Interesse  für  mittelalterliche  Kunst  heben  und  die  vielen 
Soester  Kunstdenkmliler  und  Kunstschatzc  dem  allgemeinen  Verständ- 
nisse naher  bringen",  so  werden  vorab  die  Ergebnisse,  zu  verwerthen 
sein,  welche  bis  jetzt,  abgesehen  von  der  allgemeinen  Litteratur,  über 
Soester  Kunstwerke,  Kunstübung  und  Künstler  in  Zeitschriften  vorliegen. 
Schon  eine  Ausbeute  der  im  (Kcgislci-illett  SM  dieser  Jahrbücher  S.  2.JG  s.  v. 
Soest  gegebenen  Verweise  verspricht  manche  Beitrüge  und  führt  leicht 
auf  Weiteres,  was  benutzt  werdet«  kann  und  soll.  X. 

.'{.  (t.  I'  a  Uli,  Di  e  1t  e  n  a  i  s  s  a  n  c  e  b  a  u  t  e  u  B  r  e  m  e  n  s.  Im  Zu- 
samimnlinngc  mit  der  Kenaissauce  in  Xordwestdeutschland.  Leip- 
zig. Verlag  von  K.  A.  Seemann  ISttO  t.Bciträge  zur  Kunstgeschichte 
Xeue  Folge  XI). 

Xachdem  in  letzter  Zeit  die  romanischen  und  gnthischen  Baudenk- 
miller der  altbcrülimlen  Hansestadt  Bremen  mehrfach  das  Augenmerk 
der  örtlichen  oder  landschaftlichen  Forschung  erregt  hatten,  unterzog 
neusthin  (1.  Pauli  auch  ihre  vielen  und  schönen  lleiiaissancebauten  einer 
eingehenden  Untersuchung  und  brachte  mit  denselben  noch  in  Formen 
und  Stilwnudlnngen  gleichartige  Kuiisterscheinungeu  Xnrddcntsc  hlauds 
und  der  Niederlande  (Friesbindi  in  Vergleich.  Dabei  wurden  decorative 
und  kleinere  liclclmngsniiltel   < 'artouclien,  Bandwerk)  nicht  minder,  wie 


Nordhoff:  G.  Pauli,  Die  Renaissancebauton  Bremens.  241 


Structurglieder  und  nebenher  auch  etwaige.  Musterbücher  und  Vorlagen, 
welche  ja  zuerst  nachhaltig  in  die  Formcnwelt  der  Renaissance  eingriffen, 
berücksichtigt,  stellenweise  auch  kulturgeschichtliche  Umstünde  und  die 
Meister  angegeben.  Kurzum,  es  geht  vor  uns  ein  an  monumentalen 
und  decorativen  DenkmUlcrn  reiches  Kunstleben  innerhalb  und  ausser- 
halb Bremens  auf,  im  Einzelnen  verwandtschaftlich  oder  örtlich  gruppirt, 
dann  und  wann  durch  eine  Illustration  erlltutert,  dies  Werk  ausführlich 
behandelt,  jenes  blos  eingereiht.  Niemand  wird  der  Arbeit  Verdienste 
absprechen,  zumal  da  manche  Denktnttler  noch  der  Oeffentlichkeit  vor- 
enthalten, andere  der  historischen  Einreihung  noch  entgangen  waren. 

Der  Titel  konnte  die  Beziehungen  zur  auswJtrtigen  Kunstthiltigkeit 
„im  Zusammenhange  mit  der  Renaissance  Nordwestdeutschlands''  allerdings 
treffender  geben,  als  geschehen  ist.  Das  Rheinland  spielt  gar  nicht  hinein 
und  wenn  auch  dafür  der  Ausblick  nach  den  Niederlanden  und  nach 
Niedersachsen  einen  gewissen  Ersatz  bietet,  so  hat  Westfalen  fast  ledig- 
lich mit  der  NordhHlftc  und  auch  diese  nur  mit  ausgewählten  Monumenten 
an  der  Untersuchung  Antheil.  So  ist  der  Ausdruck  das  eine  Mal  zu  eng, 
das  andere  Mal  zu  breit  bemessen,  nichts  aber  führt  Laien  und  Forscher, 
welchen  eine  Schrift  nicht  vorliegt,  so  sicher  über  deren  Inhalt  irre,  als 
wenn  der  Titel  mehr,  oder,  was  seltener  zu  bemerken,  weniger  verspricht, 
als  die  Schritt  leistet. 

Jedenfalls  war  eine  Aeusserung  sowohl  über  die  Grundsätze,  wo- 
nach sich  die  Umschau  auf  auswärtige  Bau-  und  KuiistplUtzc  vollzog, 
wie  über  das  Maass,  worin  diese  beachtet  sind,  angebracht,  vielleicht  un- 
erlilsslich. 

Die  stufenweise  Entwickelung  des  Stiles,  sein  Fort-  und  (spiltes) 
Ableben,  die  Gruppirung  der  Schlossbauteu  nach  den  verschiedenen 
Grundrissen,  die  bezüglich  der  Zeitkultur  so  beredte  Baudichtigkeit 
und  Anderes  lllsst  sich  am  Ersten  übersehen  und  am  Besten  beurtheilen, 
je  vollständiger  die  einschlilgigen  —  auch  die  minderwerthigen  —  Denk- 
mäler vorgeführt  und  beschrieben  werden.  Leider  sind  von  Pauli  viele 
Werk«  übersehen,  hier  prachtvolle  (Schlüssel),  dort  solche,  welche  noch 
mit  einem  Fnsse  in  der  SpUtgothik  stehen,  anderwärts  mehrere,  welche  erst 
nach  dein  westfälischen  Frieden  erstanden :  z.  B.')  die  Rathhliuser  zu  Lingen, 
Burgsteinfurt,  Werne,  Schwerte  und  dos  stattliche  Bürgerhaus  zu  Bochold, 
das  Amtshaus  zu  Lüdinghausen,  die  „Häuser-  Eckroth  zu  Billerbeck, 
die  Häuser  und  Schlösser  Diepholz,  Schelenhurg  bei  Osnabrück,  Altena 
bei  Schüttorf,  Anholt,  Burgsteinfurt  (ein  Giebel  und  mächtiger  Winkel- 


1)  Unsere  kurzen  Angaben  beziehen  sich  stellenweise  bloss  auf 
Theile  eines  Baues  oder  auf  Nebenbauten,  die  Klammem  ( )  auf  entstellte 
oder  ihrer  Stilzierden  mehr  oder  weniger  entkleidet«  Uebiludc. 


Jahrb.  0.  Vor.  v.  Altcrtliirmifr.  Im  Rhelnl.  XCIII. 


242 


Nordhoff: 


thurm),  Gemen  (und  Velen),  Westerholt,  Herten  und  Bladenhorst  hei 
Kecklinghausen,  (Heeren),  Bodelschwing  und  Westhuscu  bei  Dortmund, 
Schnellcuberg  bei  Attendorn,  Berleburg  (ein  Flügel  mit  den  Jahreszahlen 
1555,  1550,  1577,  1585);  Alst,  Darfcld,  Vögeding,  Hülshof,  (Wilkinghege), 
Bisping,  Westerhaus  (bei  Rinekerode),  Borg,  Byinck,  Homberg,  Senden, 
Vischering,  Drensteinfurt  (Thorhaus  mit  musivischem  Bucksteinwechscl) 
in  der  Umgegend  von  Münster,  Vorhelm  bei  Beckum,  Geist  (und  Cruasen- 
stein)  bei  Oelde,  Assen  und  Overhagen  (1C19)  um  Soest,  Erwitte,  Kringerfeld 
und  Störmede  bei  Gcsecke,  Kggeringhausscn,  (Kietberg),  und  (in  dessen 
Nähe)  Holte ,  Hheda ,  Tatenhausen  und  Holtfeld  bei  Havensberg  und 
Nehlen  bei  Soest,  Aldenburg  bei  Löhne,  (Hünnefeld  und)  Haddenhausen 
bei  Lübbecke,  die  Jesuitengebäude  zu  Paderborn,  in  der  Nähe  die 
Wevolsburg  und  llinneuburg,  Schlotts  Dringenberg,  die  »Häuser4  Greven- 
burg und  Eichholz  bei  Nieheim,  Thienhausen,  Börlinghausen,  Schweck- 
hausen bei  Peckelsheim,  Niessen  (Altbau)  bei  Warburg '),  Kohden  bei 
Arolsen;  im  Lippischen  Schlösser  und  Gebäude  zu  Wendlinghausen, 
Varenholz  (nur  angemerkt  von  Pa  u  I  i  S.  115),  Horn,  Blomberg,  Schwalen- 
berg (Sternberg)  *). 

Sogar  aus  Münster ,  welchem  Pauli  mancherlei  Beiträge  ent- 
nommen hat,  lässt  sich  noch  Verschiedenes  nachtragen:  drei  Giebelhäuser 
von  1093,  1GG8,  KJGfi,  das  Portal  der  gothisirenden  Clarisscnkirchc,  das  Ar- 
uemanu'sche  Haus  (sechseitiger  Grundriss,  die  vier  zusammenhängenden 
Aussenseiten  als  Fronten  entwickelt,  die  Giebel  an  den  Bändern  und  in 
Kuiidnischen  mit  den  seltsamsten  Figuren  belebt),  ein  Haus  der  Bäcker- 
gasse  (1587)  mit  polygonem  Ticppenthurme,  das  Eckhaus  der  Rothenburg 
(Nr.  2.1)  und  dessen  bniitbeschnitztcn  KopfbHnder  unter  dem  einseitig  über- 
gekragt^! Hauptgeschosse,  der  jetzt  durch  einen  Neubau  verdrängte  Giebel 
(Ohm)  Hoggenmarkt  Nr.  12  vielfach  für  die  Perle  des  Stils  gehalten  "), 
weil  ausgestattet  mit  griechischer  Inschrift  und  allerhand  Ornamenten 


1)  Laut  solcher  culturgeschichtlichen  Bauzeugnissen  umgaben  also 
seit  Mitte,  des  H>.  Jahrhunderts  die  Fürstenhofe  besonders  die  Adelssitze, 
die  noch  in  gothischer  Zeit  meistens  einfach  waren,  äusserst  behag- 
liche, durch  die  spanisch-niederländischen  Einfälle,  oder  gm-  durch  den 
dreißigjährigen  Krieg  kaum  ernstlich  gestörte,  wohl  durch  auswärtigen 
Kriegsdienst  erworbene  Verhältnisse.  Indess  bei  dem  Bauleben  der  Bauer 
unter  Fronfuhren  litt  (vgl.  das  mitleidige  Eingreifen  des  Müustcr'schcu 
Bischofs  Willi,  v.  Ketteier  1557  in  Minister.  G.-Q.  III,  4),  prolitirten  wieder 
die  städtischen  und  ländlichen  Gewerbsleute. 

2)  Der  näheren  Zeit-  und  Stilbestimmung  harren  noch  die  Schlösser 
Raesfeld  b.  Borken,  Liittinghof  und  Lembeck  b.  Dorsten,  Westerwinkel, 
Sandforth  u.  Illingen  b.  Lüdinghausen,  Werries,  Heesen  (Vorhaus),  Küclien 
h.  Hamm,  Laer  (und  Melschede)  an  der  Ruhr,  Erperuburg  b.  Paderborn, 
Sut hausen  b.  Osnabrück,  die  Comthurei  Müblheim  a.  d.  Mölme  u.  a. 


:t)  Oder  sollte  Pauli  S.  4.1  denselben  Hau  unter  Haus-Nr.  10 
(Hoggenmarkt)  behandeln  ? 


G.  Pauli,  Die  Renaissancebauten  Bremens. 


243 


(auf  rauh  e  m  Grunde),  mit  Erker,  Karyatiden  und  Zwickclfigurcn,  die 
jenen  des  Kölner  KathhauseH  nachgebildet  sein  mochten,  die  Jesuiten- 
kirche, oder  doch  ihr  Hanptporta),  ein  Theil  des  Jcsuiten-Collegs  (bis 
1<J57)  das  vor  etwa  zwanzig  Jahren  niedergerissene  Thor  des  Gym- 
nasialhofcs  (jetzt  angeblich  Schmuck  des  äooI.  Gartens  zu  Düsseldorf) 
und  auf  seinen  beiden  Reiten  der  zum  Hofe  mit  Arcaden  geöffnete  Gang, 
dessen  vierseitigen  mit  allerhand  Goldschmiede-Mustern  behauenen  SäuI- 
chen  nun  in  private  Hausoinfassunge.n  zerstreut  sind,  der  einlache  Giebel 
des  Fürstcnbcrger  Hofes  (Steinweg),  auf  dem  First  und  den  beiden  Fuss- 
ecken  mit  der  Muschel  im  Kugelkranzc  besetzt  und  an  den  Fussecken 
noch  besäumt  mit  Zinnen  (ahnlich  das  Haus  Franenstrasse  Nr.  18)  sowie 
das  äusserst  merkwürdige  Gildenhaus  (schochncs,  thcatrnm  •). 

Da  Pauli  mit  Recht  auf  die  Münsterische  Frührenaissance  Ge- 
wicht legt,  hatten  ihn  noch  andere  oder  gar  Ältere  Proben  derselben  an- 
ziehen sollen,  als  das  Sehloss  Wolbeck  von  154ß.  Es  sind  am  Vicarien- 
Kirchhofo  (Dom)  das  Schmiesinger-Denkmal  von  1548:  eine  viereckige 
Bronzeplatte  umrahmt  von  feinem  GerHnk  mit  eingereihten  Büsten,  das 
Hörde-Denkmal  aus  Stein  von  1546:  als  Mittelstück  realistisch  die  Auf- 
erstehung, Soitenpilaster  unter  reichem  Rundbogen,  an  beiden  Stellen 
und  streckenweise  auf  blauem  Grunde  allerhand  Renaissance-Muster, 
als  Schriftpredella  eine  von  zwei  Burschen  gehaltene  Cartouche.  mit 
rundlichen,  doch  noch  schlichten  Umfassungen  und  vormals  am  hohen 
Chor  die  mit  den  schüchternsten  Stilkeimen  an  der  Predella  verzierte 
Stcinbnllnstrade  des  Engelganges  und  andere  decorative  Architektur- 
mnnnmente;  es  sind  ferner  in  dem  gothisc.hen  Trcppcngicbel  des  Löwen- 
Clubs  die  Steinkugeln,  Eisenanker,  die  umkrHnzten  Büsten  und  zwei 
Wappen-Tafeln  *)  mit  schmucken  SeitensHnlchen  und  breitem  Rundbogen» 
Schlüsse,  mit  Muscheln  im  Tympanum:  die  eine  Tafel  (oben)  mit  dem 
Datum  1510,  die  andere  (unten)  mit  römischer  Inschrift  ');  sodann  der 
wahrscheinlich  schon  von  den  Wiedertäufern  vorgefundene  Erker  an  einem 
Hanse  im  Norden  der  Lainbertikirche,  noch  gothisch  construirt  und  verziert, 
nur  figuriren  bereits  iu  den  Füllungen  die  (Zier-)Büsten  und  an  Consolen 
vorn  die  mit  jonlsirenden  Voluten  bedeckten  Maskenköpfe  und  an  den  Seiten 
flaches  Gerilnk  mit  Blattern,  endlich  die  frühste  Blüthc  des  Stiles,  das 
einem  Pfeiler  des  Domes  angeheftete  Epitaph  des  Domherrn  von  Schade,  als 
Retable  anfgefasst:  während  das  Figürliche,  der  Verblichene  selbst  in  knien- 


1)  Vgl.  über  dessen  gleichartiges  Vorkommen  auf  dem  Lande 
Nord  ho  ff,  Haus,  Hof,  Mark  und  Gemeinde  in  Nord  Westfalen  188!»  S.  27. 

2)  Darin   hHlt  oben  ein  Manns    unten  ein  Weibsbild  den  Schild, 
dessen  Zeichen  hier  abgebröckelt,  oben  ein  offener  Flug  ist. 

3)  HerGot  alle  dinge  |  Staen  in  diner  macht,  |  Vil  dit  huis  behoden  | 
Vor  allem  nngeluke.  |  Dach  nnde  nacht. 


244 


Nord  l.off: 


der  Stellung  zwischen  einem  Ritter  und  dem  hl.  Johannes  dem  Evange- 
listen, auf  dessen  Wink  er  zur  Taufe  des  Herrn  Aufblickt,  und  Gottvater 
oben  noch  die  realistische  Gesichts-  und  knitterige  Gewandbüdung  so- 
•rar  die  Unterlage  des  Rahmens  gothische  Prolilirung  zeigen,  folgt  das 
Rahmenwerk  mit  dem  (geraden)  Giebel  der  neuen  Stilweise.  Auf  den 
(Rahuien-)Pilastcru  windet  sich  ein  einfaches  Blattgewinde  empor,  die 
Unterschrift  hat  römische  Züge,  darin  das  Todesdatum  1  :»21  und  um  die 
Wappen  runde,  stellenweise  umbundene  Kranze ;  in  den  Wappenschilden 
zittert  eine  neue  Formenwelt,  ja  das  Hauptwappen  mitten  im  Hauptbilde 
rollt  seine  obern  Spitzen  einwärts  und  leitet  dadurch  die  Cartoucheform  ein. 
Das  Ganze ')  schimmert  noch  in  einer  freundlichen  Polychromie. 

Die,  decorativen  Architekturen  in  Anschlag  zu  bringen,  bewegt 
uns  sowohl  das  Vorgehen  Pauli 's,  der  dabei  von  den  Kleinkünsten 
und  der  Formenwelt  eines  E  i  s  e  n  h  u  t  h  leider  giinzlich  abgesehen  hat, 
als  das  einst  in  seineu  vielen  Zweigen  so  eng  verwachsene  Kuustleben, 
und  gerade  zu  Münster  umschlang  Steinmetzen,  Bildhauer  und  Maurer, 
die  sich  zudem  von  jeher  vielfach  über  die  Grenzen  arbeiteten,  das  Band 
ein-  und  derselben  Gilde. 

In  der  That  sind  die  decorativen  Herrlichkeiten  des  Capitelsaales 
und  des  Friedensrates s)  nur  die.  edelsten  Spitzen  einer  Reihe  von  fein 
ausgeführten  Grabmomimcntcn,  Chorstühlen,  Taufsteinen,  Camincu  und 
anderen  Gegenständen  aus  Holz  und  Stein.  Hervorgehoben  sei  bloss  die 
Orgelbrüstung  von  St.  Maria  zu  Dortmund,  die  Ausstattung  der  Kapellen 
auf  dem  Schnellen-  und  Davensberg,  der  Altarrahincu  zu  Quernheim 
lc.  1555)  und  der  Camin  zu  Goldschmieding  bei  Castrop  (1597). 

Nicht  gerade  wenige  von  den  gesammten  bisher  genannten  Denk- 
mälern der  westfälischen  Renaissance  waren  bereits  in  Druckschriften 
beschrieben,  erwähnt  oder  datirt  —  allein  die  Umschau  nach  Litteratur 
ist,  offen  gesagt,  die  schwächste  Seite  der  P  a  u  1  i 'sehen  Untersuchung; 
und  doch  soll,  so  wenig  wie  der  Richter  einen  Zeugen,  der  Forscher, 
wenn  er  seine  Aufgabe  löst,  irgend  einen  litterarischen  Beitrag  über- 
gehen. HHtte  Pauli  dies  Gesetz  der  Geschichtschreibung  befolgt,  hatte 
er,  statt  einige  Compendieu  und  Aufnahmen  vor  sich  auf  den  Schreib- 
tisch zu  legen,  die  auf  westfälische  Stilwerke  bezüglichen  Ergebnisse, 
Hinweise  oder  Daten  der  .historischen  Litteratur  bedachtig  benutzt,  so 
wäre  er  schon  auf  eine  Reihe  von  StildenkmilJcrn  gestossen,  die  wir  vor- 
hin nachgetragen  haben  und  einige  seiner  Ausführungen  hätten  im  Um 
stündlichen  unzweifelhaft  gewonnen. 


Ii  Wohl  z.  J.  15-23  angeführt  vom  Bischöfe  Dr.  Müller:  Corresp.- 
Rl.  d.  G.  V.  1«55.  S.  28. 

2)  Dieser  ist  mehrere  Male  datirt  mit  1577.  Vgl.  Correspondenz- 
blatt  für  Anthropologie,  Ethnologie  und  Urgeschichte  IhHO  S.  71. 


G.  Pauli,  Die  Renaissancebauten  Bremens. 


245 


Schlicsst  man  die  entlegenere  Littcralur  aus,  so  erfuhren  diese 
oder  jene  Beachtung:  oder  «rar  eine  Abbildung  Thienhauscn  und  Dringen- 
berg bei  I,.  Schücking  »"  malerischen  und  romantischen  Westfalen 
1872  S.  100,  9«,  08,  die  Grevenburg  und  Eichholz  bei  v.  Oeynhausen, 
Geschichte  der  v.  Oeynhausen  1889  III,  73,  75,  328,  338  (NYuhaus  und) 
Wevelshurg  in  Monumcnta  Pnderbornensia.  Kd.  Elzev.  )•.  255,  218,  230, 
das  Kathhaus  zu  Paderborn  (mit  allen  Bauleuten)  bei  G  r  e  v  e,  in  den 
Blattern  zur  nähern  Kunde  Westtalens  1871  S.  113,  die  Jesuitenbauten 
ebendort  bei  B  essen,  Geschichte  des  Bisthums  Paderborn  II,  95,  126. 
Schweckhausen  (1584)  und  der  Schnellenberg  mit  Schlosskapelle  bei 
P  i  e  1  e  r,  Tagebücher  Caspars  v.  Fürstenberg  1873  S.  378,  179  ff.  und  bei 
Brunabend,  Attendorn  1878  S.  182  ff.,  das  Backsteinschloss  Assen, 
seine  überreichen  Steinliauerzierden  und  seine  Verwandtschaft  mit  jenem 
zu  Hovestadt  bei  v.  D  r  o  s  t  e  -  II  ü  1  s  h  o  f  im  Correspondcnzblattc  der 

G.  V.  1855  S.  29,  Hovestadt  und  die  vielen  Werkleute  mit  den  Lohn- 
angaben  bei  Herold,  Gemeindewesen  Herzfeld  188C  S.  25  f.,  das  Wein- 
baus und  Sentenzbogen  zu  Münster  bei  T  o  p  p  b  o  f  in  der  Wiener  Bau- 
zeitung 1872,  ebendort  das  Krameramtshaus  mit  dem  richtigen  (weit  spateren 
als  bei  Pauli  S.  22)  Datum  1589,  Kggcringhausen,  Holte  (und  Kietberg 
mit  Ansicht)  in  der  Zeitschrift  für  Gesch.  und  Alterthumskunde  B.  35 
I  85  N.  3  u.  B.  14,  170),  die  Clarissenkirche  zu  Münster  bei  T  i  b  u  s, 
Stadt  Münster  1882  S.  306,  die  Jesuitenbauten  beiSökeland,  Geschichte 
des  Münster.  Gymnasiums  1826  S.  77,  70,  die  grosse  Turris  sowie  der 
Apostelgang  des  Domes  und  ferner  zu  Dortmund  die  Orgelbrüstuug 
der  Marienkirche  bei  L  ü  b  k  e,  Kunst  in  Westfalen  1853  S.  305,  308,  401, 
das  Rathhaus  zu  Bocholt  (um  1618)  bei  Carvachi  im  Correspondcnzbl. 
1855  S.  29  und  bei  L  ü  b  k  e,  Renaissance  in  Deutschland  1882  S.  448, 
Diepholz,  Lingen,  Altena  die  Sehelenburg  und  ein  Taufstein  der  Marien- 
kirche zu  Osnabrück  bei  Mit  hoff,  Kunstdenkm.  und  Alterthümer  im 
Hannoverschen  V,  152,  VI,  85,  153,  158,  125,  die  Anfange  der  westfäli- 
schen Renaissance  und  das  Sehade-Epitaph  (1521)  zu  Münster  in  Prüfers 
Archiv  f.  kirchl.  Kunst,  Berlin  1885  IX,  82  das  Ohm'sche  Haus,  ein 
Epitaph  Buck  daselbst  und  der  Paderborner  Künstler  II.  Omni  ng  er 
(löhlicher  als  bei  Pauli  S.  8G)  in  den  Bonner  Jahrbüchern  H.  53,  98, 

H.  87,  119,  N.  4,  H.  67,  144,  das  Schloss  Wolbeck,  das  Ainthaus  zu  Lüding- 
hausen, Haxthausen,  Bladenhorst,  Wevelsburg  bei  Nord  hoff,  Holz- 
und  Steinbau  Westfalens  S.  230-  336,  247,  Störmede  und  Niesscn  bei 
Fahne,  Grafen  v.  Bocholts  1  I,  131  die  Lippischeu  Werke  bei  Preuss,  Bau- 
liche Alterthümer  des  Lippischeu  Landes  A'  1878,  mehrere  Hammer  Epi- 


1)  Wo  S.  74  der  Sehnitzktinstlcr  des  Friedenssaales  richtig  mit 
Kuper  angegeben  war.  P  a  u  1  i  hat  S.  19  noch  Kumper  und  als  Datum 
1544-1 552  statt  1544 (Inschrift) -1558.  Vgl.  Krabbe,  Westf.  Zeitschr.  24, 368. 


246 


N  o  r  d  h  o  ff: 


taphim  und  «'in  stattlicher  Altar  (1593)  zu  Hemmerde  in  den  Kunst-  und 
Geschiehtsdenkinäler  d.  Prov.  Westfalen  1,  63,  70  f.,  120,  Hünnefcld  und 
Haddenhausen  bei  G.  v.  d.  Busse  he,  Geschichte  der  v.  d.  Busschc  (1887) 
I  zu  S.  164,  170. 

Die  Kunde  folgender  haugcschichtlichen  Thatisachen  war  vom  Ver- 
fasser nicht  zu  verlangen :  der  S.  27  bloss  erwähnte  „speciose"'  Erker 
uin  Schlosse  zu  Burgsteinfurt  zeigt  in  einem  Saale  des  Obergeschosses 
an  einer  Säule,  welche  zwei  schmucke  Kundbogen  autnimmt,  das  Stein- 
metzzeichen  und  Datum  1558  —  das  Rathhaus  zu  Meppen  von  Pauli 
S.  77  nach  einer  Inschrift  des  Thurmes,  der  an  niederländische  Bauweise 
erinnern  soll,  anscheinend  mit  1604  datirt,  ist  nach  dortigen  Acten  1600 
von  dem  Steinmetzen  Johan  K  e  1 1  i  g  e  r  aus  Münster  und  dem  Zimmer- 
meister Bernard  thon  Hülzc  erbaut '). 

Unterlassen  wir  nun  zu  fragen,  ob  und  wie  der  Verfasser  die 
Stilentwickelung  mit  dem  damaligen  Culturlcben  und  Baugewerbe  in  Ver- 
bindung setzt,  warum  er  die  Holzarchitektur  vollständig  preisgab  und 
sehliessen  wir  mit  ein  paar  Bemerkungen  allgemeiner  Natur. 

1)  Die  niederländischen  Baueinfliisse  lassen  sich  gewiss  weiter 
(gegen  Pauli  S.  37)  als  auf  einzelne  Werke  ausdehnen;  denn  thatsäch- 
lich  bestand  gerade  wlihrend  der  Renaissance  ein  ausserordentlicher 
Wechselverkehr  wie  in  Handel  und  Gewerbe,  so  auch  in  den  hohen  und 
kleinen  Künsten  zwischen  den  Niederlanden  und  Westdeutschland5). 

2)  Was  das  mehrfach  betonte  Rollwerk  und  die  Cartouche  anlangt, 
so  kann  es  keinem  Zweifel  unterliegen ,  dass  ersteres  sich  aus  den 
Spruchbändern  der  ältern  Bildwerke  entwickelt  hat;  folgende  Belege  der 
westfälischen  Kunstgeschichte  erscheinen  als  llcbcrgaiigsfornien:  das 
Notarialszeichen  einer  Urkunde  des  Klosters  Abdinghol"  von  1517  (im 
westfälischen  Staats-Archive)  ist  ein  horizontales,  S-förmig  geschweiftes 
Band,  welches  das  übliche  Motto  enthält,  und  wie  die  Enden  sich  hier 
rechts  schräg  auf  ,  links  schräg  abwärts,  rollen  sich  die  oben»  Spitzen 
bereits  beide  einwärts  an  dem  oben  S.  237  erwähnten  Wappenschildc 
von  1521,  so  dass  letzteres  fast  auf  eine  Cartoucheforin  hinauskommt  *), 
die  später  A.  E  i  s  e  n  h  u  t  h  im  Portriit  des  Paderborner  Bischofs  Theodor 
von  Fürstenberg  (Kupfer  von  1502)  geradezu  zwei  symbolischen  Wappen- 


1)  Bladenhorst  seit  1575  (Westfäl.  Zeitschrift  49  II,  77,  70),  das  Thor- 
haus vielleicht  schon  156!>  (nach  dem  Datum  seiner  Glocke).  —  Als  Bau- 
meister des  Schlosse*  Horst  (vgl.  Pauli  S.  43)  werden  mir  von  glaub- 
hafter Seite  nach  Rechnungen  zum  Jahre  genannt  1557  Arndt  von 
C  a  1  c  a  r  und  De  I  a  Cour  aus  Paris. 

2)  Vgl.  z.  B.  Bonner  Jahrbücher  H-  68,  122  ff.,  H.  77,  158. 

3)  Im  Bücherholzschnitte  wird  das  Band  allmählich  schwächer,  das 
Aufrollen  der  Enden  stärker,  so  in  HJeron.  Savonarola's  Meditatio  pia. 
Wittenbergae  1523,  4  °. 


G.  Pauli,  Die  Renaissancebauten  Bremens. 


247 


schildern  gab.  An  der  Holztäfelung  de«  Capitclsaalcs  zu  Münster  von 
1541—1558  erscheiut  neben  dem  Bandwerke  auch  herein  die  Cartouche, 
die  letztere  ebenso  an  einem  Grabmale  des  Vicaricnkirchhofes  von  1545 
(oben  S.  236);  ihre  schlichteste  Gestalt  besitzt  bereits  an  einem  Pfeiler 
der  Nicolaikirche  zu  Corbach  eine  kleine  viereckige  Tafel  lediglich  be- 
schrieben mit  dem  Baudamm  1454  und  an  den  beiden  Seiten  aufgerollt '). 

N. 

4.  Geschichte  des  Barockstiles  ...  in  Italien  . . .  Frankreich,  England  . . . 
Deutsehland.  Von  Cornelius  G  u  r  I  i  1 1.  .  .  .  Stuttgart.  Verlag 
von  Ebner  &  Seubert  (Paul  Neff).  1887-89.  3  Bde  in  gr.  8°. 
Gur  litt's  Geschichte  des  Barockstiles  in  Italien  1887  und  der 
Geschichte  des  Barockstiles,  des  Rococo  und  des  Klasicisums  in  Belgien, 
Holland,  Frankreich  und  England  1888  folgte  schnell  (1889)  die  Geschichte 
des  Barockstiles  und  des  Rococo  in  Deutschland.  Das  grosse  Gesummt- 
werk  betrifft  also  in  weitem,  geographischen  Umkreise  die  Architektur 
und  ihre  Wandlungen  vom  Ausgange  der  Hochrenaissance  bis  zur  „modern- 
empirischen  s)  Kunstrichtung",  also  einen  Abschnitt  der  abendländischen 
Baugeschichte,  der  lange  nur  in  sachlichen  oder  örtlichen  (landschaft- 
lichen) Einzel-Partien  und,  wenn  in  weiterem  Begriffe*),  nur  ungenügend 
dargestellt  war;  daher  machte  er  auch  bisher  im  Allgemeinen  auf  ein 
historisches,  geschweige  künstlerisches  Verständnis*,  zumal  bei  den  Laien 
keinen  oder  nur  geringen  Anspruch.  So  gewaltig  der  geographi- 
sche Umkreis  von  einschlägigen  Gebäuden,  so  schwierig  war  selbst- 
redend eine  treffende  kunsthistorische  Werthsehiitzung.  Schon  ein  ge- 
lungener Versuch  muss  für  eine  erspriessliche  und  verdienstvolle  Arbeit 
gelten.  Verfasser  bezeichnet  als  seine  Aufgabe  nicht  so  sehr  „die  For- 
schung in  Archiven  und  entlegenen  Litternturwcrken,  nicht  die  Schilde- 
rung von  Lebcnsgeschiehten  (d.  h.  der  Künstler),  sondern  die  Feststellung 
der  kunstgeschichtlichen  Entwicklung  in  ihren  im  17.  und  18.  Jahrhundert 
so  vielfach  verschlungenen  Wegen"4  —  oder  „einmal  das  im  Buche  be- 
handelte Gebiet  der  Kunstgeschichte  i  in  G  a  n  z  e  n  darzustellen,  um  den 
Einzeirorschungen  eine  breitere  Grundlage  zu  geben,  als  sie  bisher  zu 
ihrem  Schaden  hatte".  Wesentlich  war  ihm  für  die  Bcurtheilung  und 
Scheidung  der  vielen  und  vielgestaltigen  Bauerscheinungen  eine  örtliche 
Untersuchung  von  Land  zu  Land;  dabei  blieben  im  Norden  das  Gebiet  der 
Ostseeländer,  im  Süden  Spanien  und  Sizilien  ausgeschlossen.  Die  nicht 


1)  Vgl.  Kunstchron.  1892  S.  .172;  dagegen  Pauli  S.  19,  31,  NN.  44,  45. 

2)  Das  „empirisch"  bezieht  sich  wohl  mehr  auf  den  Baustoff,  als 
auf  den  Stil. 

3)  Ungefähr  für  den  uUmlichen  Läudcrbczirk  und  Zeitabschnitt 
erfolgte  eine.  Zusammenstellung  aller  Künste  schon  188<>  von  G.  E  b  e, 
Spatrenaissance.    2  Bde.  Berlin. 


248 


Nord  hoff: 


völlig  beendete  Ort.sforM-hung  entschuldigt  er  damit,  dass  die  Durch- 
führung der  Arbeit  nicht  langer  verzögert  werden  könnt«-,  wenn  die  zu- 
erst empfangenen  Hciscciudrückc  noch  frisch  zur  Schilderung  kommen 
sollten.    (Vgl.  das  Vorwort  des  Bandes  I.) 

Nach  dienen  Acussei  ungen  lassen  sieh  die  Vorzüge  und  Milngel 
des  Werkes  schon  von  vornherein  bemessen;  zu  deu  ersteren  gehören 
noeli  die  massenhaft  eingestreuten  Illustrationen,  Zierleisten  u.  s.  w.,  zu 
den  Mündeln  —  und  fortab  fassen  wir  lediglich  den  deutschen  Thcil  in's 
Auge  —  eine  ausgedehntere  Enthüllung  der  culturgeschichtlicheii  Trieb- 
federn, wodurch  besonders  die  Haukunst  der  alten,  volkstümlichen  Ue- 
bung  entrissen  und  den  „Künstlern''  und  „Architekten"  überantwortet 
wurde,  indes*  z.  B.  die  Seulptur  noch  stellenweise  bis  zur  Mitte  des 
18.  Jahrhunderts  an  der  mittelalterlichen  Polychromie  festhielt.  Wir 
lassen  dahingestellt,  wie  sich  die  zusammenfassende  Gruppciisehilderung 
zur  Kinzclbeschreibuug  verhalt,  ebenso,  nachdem  man  die  bezügliche  Er- 
klärung des  Verfassers  gehört  hat  ,  in  welchem  Mansse  die  örtliche» 
Quellen  und  die  vorhandene  Spceiallittcratur  herangezogen  sind.  Was 
die  sachliche  Vollständigkeit  betrifft,  so  genüge  eine  Angabe  jener  Punkte 
des  llhein-  und  Westfalenlande»,  wo  Schlösser,  Klöster,  Kirchen  u.  s.  w. 
berücksichtigt  sind:  Engers,  Trier  Keidelheim,  Kärlich,  Coblenz,  Ehren- 
breitstein, Bonn  (bloss  Jesuitenkirche],  Brühl,  Köln,  Benrath;  Münster  [ein- 
gehender], Ahaus,  Coesfeld  [Jesuiten-Colleg],  Nordkirchen,  Cappenberg, 
Marienfeld,  Iburg  und  Osnabrück  [Schloss).  Da  bleiben  allerdings  noch 
manche  Denkmäler  der  „Einzelforsehung*  überlassen  und  zwar  in  West- 
falen solche  mit  erklärten  Structur-  und  Sehmuckfornie»  des  Stiles  wie 
solche  (.namentlich  kirchliche)  worin  noch  —  gewiss  beachtenswerth  — 
gothi.Mrcnde  Constructiouen  nachwirken:  so  die  RalhhHuscr  zu  Soest  und 
Hamm,  die  Schlösser  (Bergheim),  Arolsen,  Pyrmont,  Schötmar,  (Schieder), 
Ovelgütme,  Hüffe,  Hünnefeld,  Niessen  (Neubau),  Rheder,  Vinsebeck,  Godel- 
heim, Merlsheim,  Wehrden,  Hinnenburg,  (Fürstenberg  im  Sentfelde),  Sud- 
heitn,  Körtlinghausen,  Dclwig,  Ilocholtz,  Dalhausen,  Matfeld,  Schwarzen- 
raben,  Herringhausen,  Rheda,  Vornholz,  Drensteinfurt,  Borg,  Lütgen- 
beck ,  (Wilkinghege) ,  Rüschhaus ,  Münster  (gr.  Schmiesingcr  Hof  ) 
C  1  e  m  e  n  s  w  e  r  t  h  (mit  der  Kirche),  Anholt,  die  Komthurei  zu  Lage 
a.  d.  Hase,  die  Klöster  Corvei,  Büren  (mit  prachvoller  Kirche),  Grafschaft, 
Liesborn,  Vinnenberg,  Iburg  u.  s.  w.  und  unter  den  vielen  Kirch-  und 
Kloster-Stiftungen2)  noch  die  Gotteshäuser  zu  (Münster  Observantenkirehe) 

1)  1737/38  verziert  von  Joseph  Stau  da  eh  er,  „Quadratur-Meister" 
aus  Tegernsee  in  Baiern. 

2)  Z.  B.  der  Fürstenberger  im  17.  Jahrhunderte  (vgl.  F.  J.  M  i  c  u  s, 
Denkmale  des  Landes  Paderborn  1844  S.  518  ff.)  —  dann  jene  des  Kölni- 
schen Churfürsten  Clemens  August  v.  Baiern  (f  17C1),  der  zugleich  bei- 
nahe 40  Jahre  allen  westfälischen  Bisthüniern  vorstand. 


Cornelius  Gurlitt,  Geschichte  des  Barockstiles. 


210 


Sas-senberg ,  Herbem ,  Süd-  und  Nordkirchen ,  Rinkerodc ,  Handorf, 
Belecke,  Altenrüthen,  Berge,  Rhynern  (evangelisches)  -  zumal  die  Wallfahrts- 
kapelle  zu  Telgte,  die  Ursulinerkirchc  zu  Dorsten  mit  Stuckdecke,  mehrere 
Douiknpellcn  zu  Paderborn  und  die  Galenschen  Kapellen  zu  Münster').  Von 
der  Auskleidung  der  Baume,  mit  Gobelins,  Möbeln,  Schnitzereien,  Farbcn- 
inarmor,  Spiegeln,  Stuckaturon 8>,  Malereien  und  Skulpturen  »)  <z.  B.  der 
Clemenskircho  zu  Münster  und  von  der  frühem  Muschelgrotte  (Grab- 
kapelle) des  südlichen  Domthunuea,  ist  gar  nicht,  von  den  die  Schloss- 
architektur begleitenden  Garten-  uud  Parkanlagen  kaum  die  Rede. 

N. 


1)  Angeführt  sind  hier  durchschnittlich  nur  die  ansehnlicheren  Werke 
oder  B  a  u  t  Ii  e  i  1  e  —  ausgeschlossen  dagegen  die  unbedeutenderen  Denk- 
mäler und  von  den  Schlössern  (Hflusern)  fast  alle  flügellosen,  schwer 
bedachten,  einförmig  in  Mauerfluehten  und  Feimterreihen  geplanten  — 
wenngleich  das  Eiuförmige  und  Schwere  ja  auch  den  Stil  charakterisirt. 
Die  hiesigen  Denkmäler  des  empire  (oder  der  NeuRenaissauce  z.  B.  der 
Romberger  Hof  zu  Münster)  kommen  bei  G  u  r  Ii  1 1  überhaupt  nicht  vor. 
Bezüglich  der  audereu  Stilbauten  erklärt  er  jodoeh  selbst  S.  864  N.  1: 
„Leider  kenne  ich  das  Land  uur  zu  kleinen  Theilen." 

2)  In  einem  Hause  zu  Dorsten  sehr  bildreich  von  He(nricus)  Hansche 
(feeit)  1706,  in  der  Jesuitenkirche  zu  Meppen  von  Drexler  (?)  aus  Tyrol, 
zu  Büren  (1770)  und  zu  Münster  (bis  1799)  von  Johan  Nepomuk  Metz. 
Krg.  Preuss,  Bauliche  Alterthümer  des  Lippischen  Lande«  1873  und 
Bonner  Jahrbücher  II.  88,  214  N.  7. 

'))  Als  „prächtiges  und  solides  Muster  decorativer  Steinarchitektur" 
war  ein  Werk  wie  das  Tönishauschen  zu  Füchtorf  vom  Jahre  1662  sicher 
der  Erwilhuung  werth. 


III.  Miscellen. 


1.  Köln.  Matronensteinc  In  den  ersten  Junitagen  des  I.  J. 
wurden  bei  Canalarbciton  vor  <\em  Mause  Nr.  8  clor  Strasse  Unter  Fetten- 
hcnncn,  gegenüber  dem  Ausgange  des  Margarcthciiklosters,  drei  merk- 
würdige Inschriftsteine  gefunden  und  vom  Stadt.  Tiefbauamte  dem  Museum 
Wallraf  •  Richnrtz  übergeben.  Sie  lagerten  V  't  m  unter  der  jetzigen 
Strasseuhöhe,  2  in  seitwärts  der  alten  Rümerstrasso  und  etwa  »0  m  von 
der  sog.  Porta  Papilla  entfernt,  deren  Grundmauern  eben  jetzt,  bei  Ab- 
bruch der  Dornenden  zu  Tage  treten.  Die  Lage  der  Inschriftsteine  — 
zwei  standen  senkrecht  empor,  wahrend  der  dritte  früher  tpicr  Über 
ihnen  gelagert  hatte,  bei  der  Ausgrabung  jedoch  hinabgeglitten  war  — 
deutet  darauf  hin,  dass  die  Steine  in  nachrömischer  Zeit  zur  Herstellung 
einer  Kanalmündung  hatten  dienen  müssen.  Ihr  Material  ist  Jurakalk. 
Der  erste  ist  mit  einem  (lachen,  von  Rlattornament  in  Relief  gefüllten 
Giebel  bekrönt,  unten  und  nn  der  linken  Seite  abgebrochen,  F>7  cm  hoch, 


1)  Die  von  mir  in  diesem  Jahrbuche  S.  .'13  veröffentlicht«  Inschrift 
ist,  wflhrend  meine  Arbeit  sich  bereits  im  Drucke  befand,  auch  von 
K  e  u  n  e  im  Corrcspondcnzhl.  der  Westd.  Zeitsehr.  X  S.  2<>2  ff.  und  von 
Ihm,  Jahrb.  XC1I  S.  258  edirt  worden.  Die  Reschreibung,  welche  der 
Letztere  von  dem  Steine  macht,  bedarf  der  Richtigstellung.  Seine  Re- 
merkung,  dass  die  Platte  als  Deckel  eines  Grabes  benutzt  worden  sei, 
könnte  dahin  inissverstanden  werden ,  dass  sie  bereits  ursprünglich 
diesen  Zweck  gehabt,  wahrend  sie  erst  in  fränkischer  Zeit  auf  einen 
zu  ihr  gar  nicht  passenden ,  in  kleineren  Verhältnissen  angelegten 
Tuffsteinsarg  gelegt  wurde.  Ursprünglich  bildete,  sie  die  Vorderseite, 
eines  Snrkophages,  von  welchem  sich  sonst  keine  Spuren  mehr  vorfanden. 
Die  Figuren  rechts  und  links  von  der  Inschrift  sind  keine  weiblichen, 
sondern  FlUgelknahen,  Amoretten,  wie  sie  sich  auf  zahlreichen  Sarko- 
phagen wiederfinden,  so  z.  H.  allein  im  Museum  Wallraf-Richartz  in  theil- 
weisc  recht  guter  Erhaltung  auf  vieren  (Düntzer,  Katalog.  II,  189, 
•204,  22H,  243  at  und  zwar  entweder  in  derselben  völligen  Profilstellung 
nach  der  Mitte  zu  i  Düntzer  Xr.  189.  201)  oder  mit  angewandtem  Kopfe 
(Nr.  243  a  i  oder  in  Vorderansicht  (228).  Auch  die  seitliche  { 'mrahiiiung 
der  von  den  beiden  Genien  gehaltenen  luschrilttalcl  (je  zwei  ein  wärt« 
gehende  Bogen)  kehrt  auf  Xr.  18'J  und  204  wieder. 


Miscellen. 


251 


32  breit  und  18  dick.  —  Die  vollkommen  klare,  scharf  eingemeissclto 
Inschrill  lautet: 

MATROr/// 
BOVDVNN"  /// 
M-NICRIN/;,7 
SERENV  /// 

V-S-L'7/ 

„Matronis  Boudunucis  M.  Nicrinius  Serenutf  votuin  solvit  libciis.* 
Das  Schluss  N  der  zweiten  Zeile  zeigt  deutlich  oben  den  K-Ansatz. 
Der  auf  Inschriften  nicht  seltene  Cteutilnainc  Nicrinius  findet  sich  auch 
auf  einem  bei  Vettwcis  gefundenen  Steine,  welchen  ein  C.  (?)  Nicrinius 
den  Matronis  Vcsuniahenis  weiht.  Vgl.  B  r  u  m  b  a  c  h,  C.  I.  Rh.  580,  B.  J. 
20,  p.  85.  Der  Beiname  der  Matronen,  der  „Boudunneischen",  tritt  meines 
Wissens  hier  zum  ersten  Male  auf.  Hingegen  lesen  wir  auf  den  beideu 
anderen  Steinen  einen  Beinamen,  welcher  in  etwa»  abweichender  Form 
schon  durch  den  bei  B  r  a  in  b  a  c  h,  C.  I.  Kh.  333,  1)  ü  n  t  z  e  r,  Verz.  der 
röm.  Alterth.  des  Museums  W.  K.,  3.  Aufl.  Xr.  44  und  bei  A.  beschriebe- 
nen Matroneustein  bekannt  geworden  ist.  Während  Brambach  die 
erste  Zeile  dieses  Steines,  welche  nur  in  ihren  unteren  Theilen  erhalten 
ist,  als  VALLAMNEI  rekonslruirt,  glaubt  D  ii  n  t  z  e  r  an  dem  M  eine 
Ligatur  von  A  und  K  zu  erblicken  und  schwankt  zwischen  den  Lesungen 
VALLAMAKNILI  und  VALLAMAKNKI.  (Auch  1  h  m  spricht  B.  J.  LXXXUI 
p.  25  und  34  von  Matronae  rVallamaeneiliiaeu.)  Nach  wiederholter  ge- 
nauer Untersuchung  fand  ich,  dass  die  angeblich  mit  M  ligirten  Buch- 
staben thatsilchlich  nicht  vorhanden  sind  und  Mos  zulttlligc  Rauheiten 
des  Steines  Düntzer  veranlassten,  die  richtige  Lesart  Brambachs  ab- 
zuändern. Durch  Ausfüllung  jener  Zufälligkeiten  mit  Bleistiftstricheu 
wurde  danu  freilich  eine  Ligatur  MC  hergestellt,  welche  die  obengenannten 
phantastischen  Namen  ergab  und  spätere  Beobachter  (Huschen  musste, 
wenn  sie  nicht  iu  der  Lage  waren,  den  Stein  einer  Reinigung  zu  unter- 
ziehen. 

Die-  Illach  ritt  auf  demselben  lautet  vollständig: 

VALLAMNEI 

HIABVS 
I VLI  AGENEfl 

FLELLIA 
EXIMPERIO 

„(Matronis)  Vallamneihiabus  Julia,  Geneti  lilia,  Leiha  ex  imperio." 
Als  Fundort  wird  die  Strasse  Unter  Fettenhennen  und  zwar  das  ehem. 
Krakampsche  Haus  angegeben,  also  dasselbe  Terrain,  auf  welchem  die 
drei  neuesten  Matronensteine  ausgegraben  wurden.   Nach  Mittheilung 


Mtscellen. 


de«  Herrn  W.  Sclmbc  u  ist  nämlich  das  gegenwärtige  Haus  Nr.  8 
Unter  Fetteuheiinen  auf  dein  (»runde  des  elieui.  Krakamp'schcn  Hause» 
erbaut.  Hier  befand  sieh  demnach  die  Kultusstätte  der  sonst  unbe- 
kannten Vallabniiischcn  Matronen. 

Der  zweite  Stein  ist  ein  hoch,  3!)  breit  und  15  diek,  oben  dureh 
ein  wagerechtes  Gesims  abgeschlossen  und  gut  erlialten  bis  auf  einige 
Bcscha digungen  an  der  rechten  Seite.    Wir  lesen  nuf  ihm: 

MA"R  0  fl  S 
A  L  A  B  NE  I 
ABVS  Q-PR 
MIRVSAPP 
VSV-SLM 

„Matronis  Valahneiabus  Q.  Priniinius  Appius  votuin  solvit  libens 
merito." 

Ks  erscheint  hier  also  derselbe  Beiname  der  Matronen,  nur  mit  der 
Vertauschung  des  M  durch  B  und  Fortfall  der  Spirata  und  eines  L.  — 
Fin  C.  Priminius  weiht  den  Matronis  Veteranehis  einen  Stein  des  Bonner 
Museums,  gefunden  zu  Embken.  —  Brambach,  C.  T.  Rh.  572,  B.  J.  12, 
p.  47.  Die  Schritt  ist  deutlich  und  regelmässig,  jedoch  ist  das  Sehluss-S 
der  ersten  Zeile  schwacher  eingehauen,  der  Anfangsbuchstabe  der  zweiten 
Zeile  (V)  fortgeschlagen,  der  untere  Theil  von  B  und  V  der  dritten  Zeile 
durch  ein  Locli  zerstört,  aber  mit  Sicherheit  zu  ergänzen.  In  der  vierten 
Zeile  ist  der  Bogen  dex  letzten  mit  I  legirten  I*  schwächer  eingehauen. 

Auch  der  dritte  Stein  besteht  aus  Jurakalk  und  misst  67  cm  Höhe, 
31  Breite,  und  18'/s  Dicke.  Das  wagerechte  Gesims  an  der  Oberkante 
ist  fast  ganz  abgestossen  und  an  der  unteren  linken  Keke  ein  Stück  der 
Oberfläche  mit  einigen  Buchstaben  abgemcissclt,  die  jedoch  leicht  zu  er- 
ganzen sind.  Die  scharf  eingehaueue  Inschrift  lautet  {mit  den  Ergän- 
zungen in  Klammern): 

AATRO  RS 
\A  LLABNE 

HIABVS 
L-ACCORVS 
CANDIDVS 
PROSE-ET 
SVlSEXIMP) 
•PP  SV-SU.) 

„Matronis  Vallabneihiabus  L.  Acconius  Candidus  pro  se  et  suis  ex 
imperio  posuit  peeunia  sua  votuin  solvens  libens." 


Misiellen. 


Bis  mit*  die  Vertauschung  von  M  durch  B  ist  der  Bciunmc  der 
Matronen  dem  auf  dorn  Votivstein  der  Julia  Leiha  gleich.  Dp»  Namen 
Accnnius  lesen  wir  als  Dcdicanten  auf  einem  Votivsteine  Mcrcurs  in 
Speyer.  Brambach  C.  I.  Uli.  1797.  Von  dein  M  der  ersten  Zeile  fehlt 
die  Hanta,  das  V  der  letzten  Zeile  ist  fast  ganz  abgerieben. 

An  den  Seitenflächen  der  Steine  hat  sich  zum  Thell  Keliefverzierung 
erhalten.  Der  Stein  des  Nicrinius  Serenus  hat  rechts  ein  aufsteigendes 
Ornament,  dessen  Kinzelheiten  zwar  abgestossen  sind,  aber  doch  voluten- 
und  doldenförmige  Abzweigungen  von  einem  senkrechten  Stengel  er- 
kennen lausen.  Die  beiden  anderen  sind  mit  Oclzweigcn  in  Flachrelief 
verziert.  K  i  s  a. 

2.  Das  römische  Nordthor  zu  Köln.  Durch  die  Auffindung 
\ind  (Erforschung  der  unter  den  eliemaligen  Domcnrien  noch  erhaltenen 
Beste  lies  römischen  Nordthors  hat  sowohl  unsere  Wissenschaft  von  den 
Baudenkmälern  Kölns  zur  ltömcrzeit  wie  unsere  Kenntnis*  der  antiken 
Verteidigungsanlagen  eine  dankenswerthe  Bereicherung  erfahren. 

Die.  gesummte  Bauanlage  dieses  Thores,  von  welchem  die  östliche 
Hlilfte  aufgedeckt  wnrde,  stellt  sich  in  vollständiger  Ergänzung  als  ein 
an  firossartigkeit  und  Bedeutung  der  Porta  nigra  in  Trier  zur  Seite  zu 
stellendes  Werk  dar,  der  es  an  Frontlange  mit  30,5  m  (gegenüber  dort 
35  m)  mir  wenig  nachsteht,  die  es  jedoch  dadurch  übertrifft,  dass  unser 
Thor  alles  das  vollendet  und  ausgearbeitet  zeigt,  was  in  Trier  nur  roh, 
unfertig  und  angedeutet  erscheint. 

Der  Orundriss,  ans  dem  eigentlichen  mit  drei  Durchgängen  ver- 
seheneu Thorbau  und  den  flankirendon  Thürmen  bestehend,  lllsst  eine 
Aehnlichkeit  mit  einem  uns  bekannten,  aus  Augusteischer  Zeit  stammen- 
den Stadtthor  zu  Aosta  nicht  verkennen.  Der  Thorbau,  der  mit  seiner 
Vorderfront  in  gleicher  Flucht  mit  der  römischen  Stadtmauer  steht,  hat 
eine  Frontlänge  von  15,3  m  bei  einer  Tiefe  von  11,5  in;  die  Seitendnreh- 
gänge  besitzen  2,4  m,  die  Mitteldurchfahrt  U.3  m  Breite,  wilhrend  die  in 
den  Frontmauern  befindlichen  Thore  nur  1,9  m  bezw.  5  m  Breite  haben. 
Die  Hauptdnrchfahrt  war  von  den  SeitengHngen  durch  etwa  1  m  starke 
Scheidewände  getheilt,  die  Hussern  Seitenwände  des  Thores  hinter  den 
Thürmen  waren  nur  0,92  tu  stark.  Ks  ist  aus  diesen  Mauerstärken  zu 
schlicssen,  dass  die  Mitteldurchfahrt  nicht  überwölbt  war,  sondern  einen 
offenen  Hof,  das  sog.  propugnaculum,  bildete,  welcher  von  Gallerien, 
din  über  den  Seitendnrchgängen  belegen  waren,  leicht  beherrscht  werden 
konnte.  Die  Thürme,  quadratisch  gestaltet  mit  7,6  m  Äusserer  Seiten- 
lange, springen  2,6  m  vor  die  Front  des  Thores  und  der  Stadtmauer 
vor  und  sind  bei  1,18  m  4  röm.  Fuss  Wandstärke  so  angeordnet,  dass 
die  LKngcnaxe  der  Stadtmauer  mit  der  Mittelaxe  des  Thurms  zusam- 
menfallt. 


254 


Miscellcn. 


Nach  der  Feldseite  wie  nach  der  Stadtseite  sind  die  Vorderansichten 
de«  Thon*  durchweg  mit  hellen,  gelblichen  Kalksteinen  hergestellt  und 
durch  je  vier  0,81  m  breite  canellirte  Pilaster  gegliedert,  welche  auf 
breit  vortretenden  Sockelgliedern  ruhen.  Aus  der  grossen  Zahl  der  vor- 
gefundenen, sorgfältig  bearbeiteten  Architcktnrstücke  sei  ein  korinthi- 
sche« Capitell  mit  zwei  übercinanderHtehondcn  Reihen  von  Akanthus- 
blättern  und  darüber  befindlicher  Schilfblattreihe  erwähnt.  Auch  der 
vorhandene  Thurm  zeigt  ein  profllirtes  Sockelgesims  aus  Kalkstein  und 
an  der  Seite,  mit  welcher  er  gegen  die  Thorfront  anstösst,  die  Reste  der 
einbindenden  Quaderbekleidung.  Im  übrigen  int  das  Mauerwerk  de« 
Thurms,  der  seitlichen  Aussen wlinde  und  der  Zwischenwände  des  Thores 
als  Ousstnauerwerk  mit  Grauwnckcverblendung  und  eingelegten  Ziegcl- 
»chichten,  jedoch  in  den  Thordurchgllngen  mit  einem  untern  Sockel  aus 
Kalksteinquaderu  hergestellt.  Stempel  haben  sich  auf  den  zum  Thorban 
verwendeten  Ziegeln  nicht  vorgefunden.  Von  Interesse  dürfte  noch  sein, 
dass  der  östliche  Thurmsockel  1  in  tief  in  die  nnstossende  Stadtmauer 
einbindet  und  dass  dem  Augenschein  nach  die  Stadtmauer  iinchtrHglich 
gegen  den  Thurm  angebaut  ist. 

Die  ursprüngliche  Verwendung  aller  gefundenen  Architekturreste 
in  den  beschriebenen  Bauten  dürfte  erst  auf  Grund  sorgfältiger  Rccon- 
struetionsversuche.  angegeben  werden  können. 

Die  Bauart  und  Austattung  unseres  Thores  lilsst  darüber  keinen 
Zweifel,  dass  es  nicht  einen  eiligen  Nothbau,  errichtet  in  der  augenblick- 
lichen Furcht  vor  andrängenden  Barbarenhorden,  darstellt.  Schon  die 
Verwendung  de«  weissen  Kalksteins,  welcher  fern  her  von  der  Maas,  ans 
Lothringen  bezogen  ist  und  einen  schwierigen  Transport  erforderte, 
während  andere  Bausteine,  wie  der  Trachyt  vom  Siebengebirge,  un- 
zweifelhaft näher  und  bequemer  zu  gewinnen  waren,  zeigt  an,  dass  ein 
gewisser  Aufwand  in  der  äussern  Erscheinung  beabsichtigt  war,  der  dem 
Charakter  des  glänzenden  Triumphthores  entspricht.  Auch  hierin  bildet 
somit  unser  Thor  ein  Gegenstück  zu  dem  düstern  Wehrbau  der  Porta 
nigra.  Man  kann  daher  kein  Bedenken  haben,  die  Entstehung  unseres 
Thorbaues  dem  3.  Jahrhundert  christlicher  Zeitrechnung  und  wenigstens 
seine  Vollendung  demjenigen  Herrscher  zuzuschreiben,  dessen  Namen 
der  durch  einen  nicht  genug  zu  preisenden  Glückszufall  erhaltene  mittlere 
Thorbogen,  wenn  auch  absichtlich  zerstört,  dennoch  wohl  erkennen  lässt, 
dem  Kaiser  Galiienus.  Ebenso  einleuchtend  ist  es  jedoch,  dass  gerade 
der  Charakter  des  Bauwerks  als  Triumphthor  ein  Orund  der  Zerstörung 
jener  Inschrift  für  den  abtrünnigen  Feldherrn  des  Galiienus,  seinen  Gegen- 
kaiser und  Nachfolger  Postumus,  gewesen  ist,  der,  indem  er  Köln  zur 
Hauptstadt  eines  selbständigen  gallisch -germanischen  Kaiserreichs  zu 
machen  versuchte,  das  Wahrzeichen  seiner  Residenz,  die  Buchstaben 


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Miscellen. 


255 


C.  C.  A.  A.  nicht  mir  auf  sein«'  Münzen  prügle,  sondern  auch  über  das 
Thor  »einer  Hauptstadt  setzte. 

Aus  den  bei  den  Aufgrahungen  de«  Thorea  und  der  Entfernung 
eines  Theiles  der  hinderlichen  Fundamente  der  Doincurieu  gemachten 
Beobachtungen  scheint  mit  Sicherheit  hervorzugehen,  dass  die  alte  Pfaflen- 
pforte  durch  das  ganze  Mittelalter  sich  in  wesentlich  unveränderter  Bau- 
substanz erhalten  hat.  Erst  der  Neubau  der  Doincurieu  im  17.  Jahr- 
hundert hat  ihren  Untergang  herbeigeführt,  denn  die  Quadersteine  dos 
Römerthores  bilden  vielfach  das  Material  der  Grundmauern  jenes  Baues. 
Dies  ist  für  die  weitere  Frage  der  Erhaltung  der  Thorreste  insofern 
wichtig,  als  es  möglich  erscheint,  erhebliche  Theile  dieses  Denkmals  aus 
den  noch  vorhandenen,  den  Fundamenten  der  Doincurieu  zu  entnehmen- 
den Bansteinen  wiederherzustellen. 

Obgleich  die  Lage  unseres  Thoros  an  seiner  jetzigen  Stelle  für  die 
Möglichkeit  einer  Erhaltung  dieser  ehrwürdigen  Trümmer  im  ersten 
Augenblick  nicht  günstig  erscheint,  so  sollte  doch,  sofern  eine  solche 
Möglichkeit  überhaupt  in  Frage  kommen  kann,  alles  aufgewandt  werden, 
das  Kömcrthor  für  die  Nachwelt  zu  erhalten,  indem  es  freigelegt  und 
mit  einer  den  Uebergang  in  das  tiefere  Niveau  vermittelnden  Garten- 
anlage derart  umgeben  wird,  dass  das  Ganze  einen  schönen  und  würdi- 
gen Anblick  gewährt.  Die  jetzt  noch  über  dem  alten  Fussboden  3,5— 
4  m  hohen  Reste  würden  sicherlich  unsere  Stadt  um  eine  von  vielen 
Besuchern  geschätzte  und  bewunderte  Sehenswürdigkeit  bereichem, 
wahrend  hei  einem  Verpflanzen  der  Anlage,  au  einen  andern  Ort,  die 
für  die  Gussmaucrn  wohl  ziemlich  ausgeschlossen,  höchstens  für  einen 
Theil  der  Quaderreste  in  Frage  kommen  könnte,  das  historische  Interesse, 
das  an  den  Ort  geknüpft  ist,  bedeutend  abgeschwächt  werden  würde. 

Kaum  irgend  einen  andern  Best  eines  aufrechtstehenden  Römerbau- 
werks besitzt  unsere  Stadt  noch  ausser  diesem  Thor;  die  rücksichtslose 
Gegenwart  hat  den  grossartigen  Schöpfungen  der  Vergangenheit  gegen- 
über jedesmal  ihr  Recht  der  Zerstörung  in  dem  Umfange  geltend  ge- 
macht, dass  heute  die  Ortskunde  der  Stadt  Köln  zur  Römerzeit  zu  einem 
der  umstrittensten  Gebiete  der  Wissenschaft  gehört.  Erst  in  neuerer 
Zeit  hat  die  sorgfältige  Beachtung  und  Aufzeichnung  aller  bei  den  städti- 
schen Canalbauten  und  an  andern  Orten  gefundenen  römischen  Hausmauern 
und  Strassenzüge  ein  Material  ergeben,  dessen  Ausbeute  in  manchen 
Beziehungen  endlich  vom  Boden  der  Verumthungeu  auf  den  der  Tbat- 
sachen  führen  wird. 

Möge  daher  die  Hochachtung  vor  den  geschichtlichen  Erinnerungen 
der  Stadt  Köln  aus  classischer  Zeit  in  unsern  Tagen  den  aufgefundenen 
Thorresten  ein  weiteres  Bestehen  und  eine  liebevolle,  fernere  Erhaltung 
sichern.  Kölnische  Zeitung  f..  Juli  II. 


256 


Misccllen. 


3.  Römischer  Grabstein  aus  Bonn.  Dir  von  Trier  nach 
Bonn  führende.  Römerstrasse  füllt  in  ihrer  letzten,  kurzen  Strecke  mit 
der  heutigen  Heerstrasse  und  zum  grössten  Theile  mit  dem  „Hosenthaie* 
zusammen  und  geht  an  der  Südseite  der  „castra  Bonnensia"  entlang  bis 
zum  Rheine  ')•  Zahlreiche  Gräber,  melirere  Grabinschriften,  ein  Estrich  s) 
ein  Augensalbenstempel1')  etc.  wurden  unter  Anderem  in  der  Heerstrasse 
zu  Tage  gefordert.  Der   


mittlere  Arm  der  Rhein- 
römerstrasse deckt  sich  in 
seinem  Laufe  von  Hersel 
bis  Bonn  etwa  mit  der 
Kölner  Chausse4).  Die  rö- 
mische Strassendecke  kam 
noch  kürzlich  bei  einer 
Ausschachtung  vor  dem 
Hanse  Kölner  Chaussee 
Nr.  1  zwei  in  unter  der  heuti- 
gen Strassenkrone  zum 
Vorscheine.    Oestlich  der 


1)  Vgl.  v.  Ve.ith,  Bonn.  Jahrb.  LXXII  S.  46. 

2)  v.  Veith,  Das  röm.  Lager  i.  Bonn,  Winckelm.-Progr.  1888  S.  6. 

3)  Bonn.  Jahrb.  LXXXX  S.  211. 

4)  J.  Schneider,  a.  n.  O.  LXIII  2. 
f»)  v.  Veith,  a.  a.  O.  LXXXII  S.  54. 
Ii)  a.  a.  O.  LXXXX  S.  1!H5. 

7)  J.  Klein,  a.  a.  O.  LXXXVIII  S.  125. 


Kölner  Chaussee  wurden 
ausser  zahlreichen  Grab- 
steinen, einem  Altare  für 
die  matres  domesticae, 
zwischen  Chaussee,  dem 
Rheindorfer  Bache  und  der 
Provinzial-Trrenanstalt  ein 
Gräberfeld,  sowie  Gräber 
gegenüber  dem  Josephs- 
hofe *),  ferner  westlich  der 
Chaussee  auf  der  Ziegelei 
des  Herrn  Oekonomen 
Schmitz  ein  Gräberfeld 
entdeckt"),  auf  welchem 
man  vor  ca.  21/«  Jahren  den 
interessante  Grabstein  des 
Nemeters  Niger  von  der 
ala  Pomponiani  fand  7). 


Dort  wo  beide  Strassen 


Miscellen. 


257 


Rieh  kreuzen,  nicht  weit  von  der  südwestlichen  Ecke  der  caatra  (heute 
Koke  der  Kölner  Chaussee  und  des  Rosenthaies)  stiess  man  bei  einer 
Fundamentausschachtung  wieder  auf  einen  römischen  Grabstein,  welcher, 
von  einigen  Kleinigkeiten  abgesehen,  gut  erhalten  und  in  beigefügter 
Abbildung  veranschaulicht  ist. 

Das  Materini  ist  Jurakalk.  Die  LHnge  de*  Steines  betrügt  2,15  ui, 
die  Breite  0,91  in  und  die  Dicke  0,265  m.  Das  Denkmal  stand  mit  seinem 
unteren  Theile,  wie  an  der  weniger  sorgfältigen  Bearbeitung  und  der 
helleren  Färbung  dieses  Theiles  deutlich  ersichtlich  ist,  0,54  m  in  der 
Krde.  Ungeführ  in  der  Mitte  des  Steines  befindet  sich  auf  einer  ca.  0,02  m 
vertieften,  mit  Profilstreifen  umrahmten  Platte  von  0,75  m  Breite  und 
0,42  m  Höhe  folgende,  sorgfältig  emgemeissclte  Inschrift: 

VONATORIXDV 
CONIS  F  EQVES  ALA 
LONGI  Nl  AN  A-AN 

NORVMXLVSTIPEN 

DIORVMXVIIHSE 

Die  Buchstaben  sind  in  den  einzelnen  Zeilen  von  verschiedener 
Grösse;  dieselbe  betrügt  in  der  ersten  Zeile:  0,08  m,  in  der  zweiten: 
0,06-i  in,  in  der  dritten:  0,059  m,  in  der  vierten:  0,054  m  und  in  der 
fünften:  0,053  m,  An  der  rechten  Seite  ganz  unten  nuf  dem  Theile,  der 
in  der  Erde  stand,  als  du*  Denkmal  aufgestellt  war,  stehen  die  Buch- 
staben AI  gross  eingehauen,  welche  wahrscheinlich  als  Steinmetzzeichen 
aufzufassen  sind.  Die  Buchstaben  der  Inschrift  sind  sauber  scharfkantig 
eingehalten  und  deuten  ihrem  Charakter  nach  auf  die  frühere  Kuiserzeit, 
womit  auch  die  Formel  H  S  E  (hic  situs  est)  übereinstimmt. 

Vouatorix  ist  poregriner  Abkunft,  denn  er  führt  weder  ein 
nomon  gentilicium,  noch  einen  Tribiumameu,  was  allein  dem  c  i  v  i  a 
Ii  o  m  a  n  u  s  zukommt  l>.  Nach  seinem  Namen  zu  schlicssen,  ist  er  G  a  1- 
lier5).  Kr  trat  mit  28  Jahren,  also  verhHltnissmUssig  sehr  spJlt,  in  das 
Auxiliar-Beiterregiment  ein.  —  Die  ala  Longiniana  ist  erwähnt  auf 
dein  Grabsteine  des  Bituriger's ")  Faedns,  der  bei  Bonn  gefunden,  je- 


1)  Sueton.,  Claudius  25. 

2)  Herr  Dr.  A.  Holder  in  Karlsruhe  bestätigte  auf  meine  Anfrage, 
dass  die  Namen  Vouatorix  und  Ducti  (gen.  Duconis)  celtisch  sind. 
Ueber  den  Namen  Vouatorix  habe,  ihm  Herr  Whitly  Stokes  in  London, 
der  hervorragendste  lebende  Kenner  des  Celtisehen  geschrieben:  „The 
vonato  in  Vonatorix,  I  should  be  inclined  to  connect  with  the  skr. 
Vvaii,  the.  as.  wantim  (from  »  vonomos)  the  Ir.  finc  (from  veniA)  and 
other  words  collceted  by  Eick  *  547  s.  v.  1.  ven."  —  Holder  deutet 
ferner  an,  dass  vielleicht  der  Stamm  dueon  mit  dem  gallischen  Pttnnzen- 
namen  ooukujvI  zusammenzustellen  sei. 

3)  Völkerschaft  im  aquitanischen  Gallien. 


Jahrb.  af  Vcr.  v.  Altcrtbafr.  im  Rhcinl.  XCIlt. 


17 


2.V* 


MiHCClICI). 


doch  nicht  mehr  erhalten  ist In  ChAlon  sur  SAonc  förderte  man  den 
Grabstein  de«  Reiner"»*)  Samorix,  Reiters  der  ala  Longiniana.  zu 
Tage  *).  Wir  begegnen  ihr  ferner  auf  einem  marmornen  Grabstein,  der  sich 
im  August  101-1  in  Toulon  fand4);  auf  dieser Tafel  wird  einen  Praefeeten 
(der  Name  ist  nicht  erhalten)  unserer  ala  gedacht,  der  in  das  Priester- 
colleg  des  Aiigustus(?)-Tempels  zu  Narbo  aufgenommen  wurde  [(sacerdoti) 
TKMPLIDIVl  (aug.  quod  est  Nar)BONE],  In  Niincs  entdeckte  man  den 
Grabstein  eines  anderen  Praefeeten  dieser  ala,  des  Fulvius  Lupus 
S  e.  r  v  i  I  i  a  n  u  s  aus  der  Voltinisehen  tribus,  der  vom  Kaiser  Vespnsian 
i  n  t  e  r  p  r  a  e  t  o  r  1  o  s,  d.  h.  in  den  Senatorenstand  aufgenommen  wurde 
und  der  die  Aemter  eines  Quatuorvir  ad  aerarium,  eines  Pontifex  und 
eines  Praefectns  vigilum  bekleidete  R).  Die  Voltinische  tribus  wird  vor 
Allem  in  Oallia  Narbonensis  angetroffen. 

Was  die  Rekrutlrung  der  Anxtliartruppen  anbelangt,  so  wurden 
die  Leute  aus  den  kaiserlichen  und  senatorischen  Provinzen  aus- 
gehoben und  in  andere  Provinzen  versetzt,  wo  sie  jedoch  häufig  nicht 
lange  blieben.  Daher  konnte  spater  die  Nationalität  der  Abtheilung  nicht 
unverinischt  erhalten  bleiben,  namentlich  findet  man  Leute  aus  dem 
Garnisonsorte  der  Truppen  vor  Ä).  Der  Umstand  aber,  dass  alle  bis  jetzt 
bekannten  equites  unserer  ala  Gallier  sind  *),  dass  zwei  ihrer  Praefeeten 
in  Oallia  Narbonensis  ansässig  waren,  dass  feiner  die  tribus  Voltinia, 
welcher  der  eine  Praefect  angehört,  zumeist  in  Gallia  Narbonensis  vor- 
kommt, könnte  es  als  wahrscheinlich  hinstellen,  dass  die  ala  Longiniana 
aus  Gallien  rckrutirt  hat.  Unsere  ala  war  wohl,  was  wahrscheinlich 
ist,  in  Bonn  stntionirt  (vgl.  auch  Anm.  7).  —  Die  Beinamen  der  alac  be- 
zeichnen die  Nation,  das  Land  in  welchem  sie  standen  oder  sich  besonders 
ausgezeichnet  hatten,  zuweilen  auch  den  Stifter  der  Trupp«-;  sie  führen 
auch  seit  Caracalla  den  Namen  des  regierenden  Kaisers8).  Der  Beiname 
.Longiniana'  rührt  bei  unserer  ala  von  dem  ersten  Organisator  bezw. 
Stifter  derselben,  einem  L  o  u  g  i  n  i  u  s  her,  von  welchem  jedoch  meines 
Wissens  nichts  NUheres  bekannt  ist. 

l'eber  der  Inschrift,  durch  eine  ca.  0,057  m  breite  Leiste  getrennt, 
befindet  sich  das  Reiterrelief  des  Verstorbenen,  welches  0,75m  hoch 
und  0,829  in  breit  ist.    Am  unteren  Rande  ist  es  0,13  m,  am  oberen  nur 


1)  C.  I.  R.  498;  .Bonnae  ad  Rhetmin  frag.'  Campius,  periit. 

2)  Belgische  Völkerschaften  zwischen  Marne  und  Aisne. 

3)  Ephem.  epigr.  V,  i?3«. 

4)  C.  I.  L.,  vol.  XII,  392. 

5)  C.  I.  L.,  vol.  XII,  31«ß. 

6)  J.  Marquardt,  Römische  Staatsverwaltung,  Leipzig  1H7<>,  S.  458. 

7)  Vor  wenigen  Tagen  wurde  in  Bonn  nicht  weit  von  der  Fund- 
stelle ein  dritter  Grabstein  eines  Reiters  unserer  ala,  des  Bituriger'a 
Voll  a  u  n  u  s  gefunden. 

8)  M  a  r  f|  u  a  i  d  t,  a.  a.  O.  S.  457. 


Miscellen. 


0,065  m  vertieft.  Vonatorix  sprengt  im  Gallnpp  mit  zum  Stossc  erhobener 
Lanze  von  link«  nach  rechts.  Das  rechte  Bein,  dessen  Stützpunkt  in  dein 
vom  Boden  sich  erhebenden  dreieckigen  Rockel  noch  vorhanden  ist, 
sowie  der  untere  Tlieil  des  Schwertes  sind  abgebrochen  und  das  Gesicht 
zum  Theile  zerstört;  sonst  aber  ist  das  Relief  sehr  gilt  erhalten,  sodass 
man  die  Einzelheiten  der  Rüstung  deutlich  erkennen  kann.  Der  Reiter 
ist  bartlos  und  ohne  Helm  dargestellt,  er  tragt  die  lorica  squamata, 
welche  von  Prot*.  Li  n  d  e  n  s  c  h  m  i  t  noch  nicht  auf  Grabdenkmalen  der 
Rheinprovinz  beobachtet  worden  ist ').  An  den  Achseldecken  kommen 
unter  der  lorica  die  befransten  Lederstreifen  der  tunica  zum  Vorscheine. 
Das  um  den  Hals  befestigte  Brustschild  tragt  eine  armilla.  Der  Fuss 
scheint  mit  dorn  glatt  anliegenden  calceus  bekleidet  zu  sein.  An  Waffen 
tragt  Vonatorix  in  der  Rechten  die  zum  Stosse  geschwungene  hasta  und 
am  einfachen  cingulum  den  gladius,  auf  dessen  vagina  zwei  Wellenlinien 
als  Ornament  angebracht  sind.  In  der  Linken  halt  er  den  ellipsenförmi- 
gen, an  den  Kurzseiten  gerade  abgeschnittenen  Langschild,  wie  er  auch 
auf  dem  Reiterrelief  des  C.  Romanius  -)  dargestellt  ist. 

Das  Pferd  tragt  den  Vonatorix  aut  einer  viereckigen,  am  unteren 
Theile  mit  Fransen  besetzten  Satteldecke  (ephippium)  *},  welche  vorne 
buchtig  ausgeschnitten  ist.  Sic  erhebt  sich  kaum  über  den  Rücken  des 
Pferdes,  kann  also  kein  Sattelgestell,  wie.  unsere  Sattel  als  Unterlage 
gehabt  haben.  Die  Satteldecke  ist  gepolstert  nach  Art  unserer  Sattel- 
kissen und  vorne  und  hinten  mit  Bauschen  versehen  *).  Dieses  weist 
unter  anderen  auch  deutlich  die  untere  Abbildung  auf  dem  Grabsteine 
des  Treverers  C.  Julius  Primus5)  auf.  Dass  hier  auf  der  Fransendecke 
kein  anderes  Sattolkissen  aufliegen  kann,  die  Bauschen  also  mit  der 
Decke  zusammenhangen  müssen,  zeigt  uns  deutlich  der  Umstand,  dass 
der  Bauc.hgurt,  der  mit  der  vordersten  Kante  der  über  ihm  liegenden 
Satteldecke  abschneidet,  an  dieser  befestigt  ist  und  in  seiner  Verlänge- 
rung nach  oben  den  Hnls  des  Pferdes  v  o  r  der  Vorderbausche  trifft,  also 
ein  aufliegendes  Sattelkissen  nicht  halten  kann.  Dasselbe  zeigt  uns  der 
Grabstein  des  Nemeters  Niger6),  doch  sieht  man  hier  unter  der  Satteldecke 
noch  mehrere  Enden  einer  Decke,  etwa  wie  des  bei  unserer  Artillerie, 
und  Cavallerie  gebräuchlichen,  mehrmals  zusammengelegten  Woilachs. 

1)  L  i  n  d  e.  n  s  c  h  m  i  t,  Die  Tracht  und  Bewaffnung  des  römischen 
Heeres,  S.  7  und  Taf.  XII,  10 

2)  L  i  n  d  e  n  s  c  h  m  i  t,  Die  Alterthümct-  unserer  Vorzeit,  Band  III 
II.  VIII,  T.  IV. 

3)  Caesar,  bell.  Gall.  IV,  2. 

4)  Der  schwarze  Halbkreis  auf  der  Abbildung  über  der  hinteren 
Bausche  hat  mit  der  Skulptur  nichts  zu  thun,  sondern  liegt  in  der  Struk- 
tur des  Steiiie*i. 

:'>)  Fiedler,  Römisches  Anti<|Unrium  des  Königlich  Pretissischen 
Notairs  Houbeu  in  Xanten,  Tab.  XLIV. 
ß)  Im  Provinzial-Muscuin  zu  Bonn. 


2G0 


Miscellcn. 


Sattel  mit  Gestellen,  wie  die  des  Reliefs  de«  Silius  l),  des  C.  Romanius*) 
und  dos  Ande«8)  zeigen,  treten  nach  Major  Sch  lieben*)  im  zweiten 
Jahrhundert  n.  Chr.  neben  den  ephippia  auf.  —  An  dem  BruMricmcn, 
welcher  an  der  Vorderbauschc  befestigt  ist,  befinden  sich  auf  der  Braut 
eine  und  an  den  Seiten  je  eine  grosxe  Zierscheibe  (phalerae),  von  welch' 
letzteren  je  ein  Sehinuckriemeu  herabhängt.  Ebenso  zeigt  der  Kiemen, 
welcher  nach  Art  des  Umganges  bei  Zugpferden  von  der  Hinterbausch« 
über  der  Kruppe  unter  dem  Schwänze  hergeht,  auch  auf  beiden  Seiten 
je  eine  grosse  Zierscheibe,  von  welcher  wieder  je  ein  Schmuckriemen 
herabhängt.  Der  Brustriemen  sowohl,  als  der  Umgang  dienten  hier,  wie 
bei  vielen  Reiterdarstellungen*),  eher  zum  Zierrath,  zur  Aufnahme  der 
phalerae,  als  zur  Kegulirung  des  Sitzes  der  Satteldecke,  zu  welchem 
Zwecke  die  Kiemen  straff  angezogen  sein  müssten.  Wir  finden  auch  Dar- 
stellungen «),  auf  welchen  ein  zweiter  straff  angezogener  Brustriemen 
über  dem  mit  phalerae  uud  lunulae  geschmückten  Kiemen  angebracht 
und  mit  dem  Vorderzwiesel  verbunden  ist,  also  zur  Kegulirung  der 
Sattellage  diente.  —  Der  hintere  Riemen  mussto  durch  einen  Schwanz- 
riemen, welcher  an  ihm  auf  beiden  Seiten  befestigt  ist  und  dicht  am 
Schwänze  Uber  die  Hüften  geht  (wie  auf  dem  Grabstein  des  Andes)  vor 
dem  Herabrutschen  bewahrt  werden.  Brust-  und  Hinterriemen  sind  straft* 
angezogen  bei  dem  Relief  des  C.  Marius7).  Bei  den  zwei  Reiterreliefen, 
die  L  i  n  d  e  n  s  c  h  m  1 1 ,  „Die  Alterthümer  unserer  heidnischen  Vorzeit" 
Band  I,  Heft  III,  Taf.  VII,  Nr.  1  und  2  abbildet,  sind  solche  Schwanz 
riemen  nicht  augebracht,  weshalb  hier  die  Umgange  tiefer  herabhängen. 
—  Das  Kopfgestell  des  Zaumzeuges  hat  in  der  Mitte  des  Stirnriemen« 
eine  und  an  beiden  Seiten,  wo  Stirn-  uud  Kehlriemen  zusammenstoßen, 
je  eine  kleinere  Zierscheibe.  Das  Backeustück  besteht  aus  einem  ge- 
spaltenen Riemen;  wo  dasselbe  mit  dem  Nasenriemen  zusammentrifft,  be- 
findet sich  wieder  eine  kleine  Zierscheibe.  Das  Pferd  ist  auf  Trense 
gezäumt. 

Auf  der  0,905  m  breiten  und  ca.  0,00  m  hohen  Leist«  über  dem 
Relief  gehen  von  einer  in  der  Mitte  aufrecht  stehenden  Blume  Ranken 
mit  Blüthen  aus,  die  von  oben  gesehen  dargestellt  sind.  —  Die  Bearbei- 
tung des  Steiues  ist  eine  saubere,  doch  ist  es  nach  den  fehlerhaften  Pro 


1)  Lindenschmit,  Tracht  und  Bewaffnung  etc.  Taf.  VIII,  2. 

2)  a.  a.  O.  T.  VII,  3. 

3)  Lindenschmit,  Die  Altert*,  uns.  Vorzeit,  Bd.  I,  H.  XI, 
Taf.  VI,  2. 

4)  Annahm  des  Vereins  für  Nassanisehe  Alterthumskunde,  B.  21,  S.  27. 
f>)  Vgl.  die  Reliefs  des  Niger  (Anm.  fi),  des  C  Romanius  (Anm.  2) 

und  in  Lindensch mit,  n.  a.  O.  Bd.  I,  Heft  III,  Taf.  VIT,  1  u.  2. 

6)  Vgl.  die  Grabsteine  den  C.  Julius  Primus  (Anm.  5)  und  des 
A  n  d  e.  s  (Anm.  3). 

7)  Vgl.  Lindensch  mit,  Tracht  und  Bewaffnung  etc.  Taf.  VII,  I. 


Miscellen. 


2G1 


portioncu  und  der  etwas  steifen  Bearbeitung  des  Hebels  nicht  zu  ver- 
kennen, dass  das  Denkmal,  wie  die  meisten  römischen  Grabsteine,  sich 
nicht  Uber  das  Niveau  der  Arbeiten  eines  Kunsthandwerkern  erhebt. 

Leider  war  es  trotz  der  Bemühungen  des  Herrn  Prof.  Klein  un- 
möglich, dieses  interessante  Stück  für  das  I'rnvinzial-Museum  zu  erwerben, 
da  Herr  Kaplan  Bodewig  zu  Bonn,  welcher  Antiquitäten  sammelt,  um 
dieselben  zum  Zwecke  der  Stiftung  eines  indischen  Missionshauses  mög- 
lichst theuer  zu  verkaufen,  den  Stein  für  eine  dem  Kenner  viel  zu  hoch 
erscheinende  Summe  angekauft  hat. 

Oskar  Kautcrt. 

4.  Karolingische  Brandschicht  bei  Meckenheim.  Im 
Sommer  18!K>  unternahm  ich  mit  Herrn  Constantin  Kooneu  einen 
archäologischen  Ausflug  nach  Meckenheim.  In  der  Sandgrube  des 
Herrn  J  o h  a  n n  Fey  nördlich  von  der  Stadt  und  westlich  von  der  Strasse 
nach  Lüftelberg  waren  vier  Skelette  in  einer  ungefähren  Tiefe,  von 
ca.  1  m  bis  1,20  m  gefunden  worden,  bei  welchen  karolingische  Gefäss- 
scherhen  lagen,  darunter  zwei  Gefiissbödcn  mit  Wellenplatte.  Etwa  drei 
Meter  westlich  von  dem  zunächst  nach  Westen  gelegenen  Skelette  und 
ca.  0,45  in  höher  liegend,  kam  eine  Brandschicht  zum  Vorscheine,  welcher 
wir  einige  karolingische  Gefässscherben  entnahmen.  Unser  Fundort  liegt 
östlich  vom  Schwistbache,  welcher  die  Grenze  zwischen  dem  Bonner 
Gau  und  dein  Schwistgau  bildete  (vgl.  Koenen,  „Aufdeckung  einer 
vorgeschichtlichen  Niederlassung  und  eines  fränkischen  Gräberfeldes  in 
Meckenheim",  Bonner  Jahrbücher  Heft  XCII,  Seite  201),  gehörte  also 
dem  Bonner  Gau  an.  Das  Gelände  steigt  von  Süden,  Westen  und  Norden 
zu  unserer  Fundstelle,  hin  an,  während  es  «ich  von  derselben  nach  Osten 
hin  allmählich  erhöht. 

Im  Marz  1891  Hess  ich  die  Brandschicht,  soweit  sie  auf  dem  Ge- 
biete, des  Herrn  Fey  lag1),  welcher  mit  grosser  Bereitwilligkeit  seine 
Sandgrube  und  Zeit  zur  Verfügung  stellte,  systematisch  abtragen  und 
untersuchte  sie  auf  ihren  Inhalt.  In  ihrer  Ausdehnung  von  Osten  nach 
Westen,  die  wohl  nicht  mehr  wie  ca.  Ö— 7  m  betragt  *),  lag  sie  ca.  0,30  m 
unter  der  Oberfläche  und  war  ca.  0,12  m  dick;  auf  der  von  Süden  nach 
Norden  gerichteten  Strecke,  die  ca.  10  m  lang  ist,  bleibt  die  Lage  unter 

1)  Unter  einem  Nachbaracker  ist  die  Fortsetzung  der  Brandschicht 
nach  Westen  hin  zu  suchen;  »loch  reicht  sie  nicht  weiter  in  denselhen 
hinein,  als  bis  auf  höchstens  1,70  m,  da  sie  in  einer  aufgeworfenen  Grube 
von  ca.  1,75  m  Entfernung  von  der  Grenze  des  Ackers  nicht  mehr  an- 
getroffen wurde.  Leider  konnte  ich  das  betreffende  Grundstück  aus 
verschiedenen  Gründen  nicht  abtragen  lassen. 

2)  Die  Ausdehnung  von  Osten  nach  Westen  war  nicht  mehr  genau 
festzustellen,  da  die  Brandschicht  an  der  Ostseite  schon  zum  Theile  ab- 
gebrochen war. 


Miscellen. 


der  Oberfläche  und  die  Dicke  der  Braudschiehl  nach  Norden  Iii it  auf  8  in 
dieselbe,  wie  oben  angegeben;  von  du  ah  wird  im  Verlaufe  der  letzten 
zwei  Meter  nach  Süden  hin  der  Abstand  des  oberen  Rande*  der  Brand- 
sehicht  von  der  Oberfläche  grosser  und  sie  selbst  dünner,  so  dass  sie 
am  südlichsten  Ende  ca.  0,60  m  unter  der  Krdc  liegt  und  ca.  0,16  in 
dick  ist. 

Als  Inhalt  der  Brandschicht  sind  aiinacr  Thierknochen,  darunter 
ein  Wildschweinzfilm.  einige  Pferde-  und  Ochsenzahne,  verschiedenen 
Klumpen  geschmolzenen  Kiseus,  wenigen  eisernen  Nilgelii,  Stücken  von 
Dachziegeln  und  einigen  Mürtelklumpen,  folgende  Fundstucko  hervorzu- 
heben : 

1.  Ein  Gewand-Schmuck  von  Bronze  In  Oestalt  eines  Kreuzes,  ahn- 
lich dem  sogenannten  eisernen  Kreuze  von  Leipzig,  von  einer  Lange 
und  Breite  von  0,033  m.  Die  Lange,  der  Kreuzbalken  betragt  0,011  in, 
deren  Breite  am  Äusscrstcn  F.nde  0,010  in.  In  der  Mitte  des  Kreuzes  ist 
ein  rundes  Stück  blauen  Glases  von  0,008  m  Durchmesser  in  einen» 
Bronzerand  gefasst,  wahrend  die  Kreuzbalken  grüne  Glnsstückcheu  in 
Dinglicher  Trapczfonn  auf  dieselbe  Weise  gefasst  zeigen,  von  denen  je- 
doch nur  zwei  erhalten  sind.  Die  Reste  der  eisernen  Nadel  sind  an  der 
Rückseite  angerostet,  wo  auch  der  noch  unversehrte  Nadelhaft  von  Bronze 
»itet. 

2.  Eine  bronzene  F  i  b  u  I  a  von  0,063  m  Lange  mit  schwach  ge- 
schweiftem Bügel,  der  oben  zwei  Bündel  Querrippen  zeigt,  wahrend  er 
unten  auf  dem  grösseren  Theile  der  Lange  nach  gerippt  ist.  Es  ist 
zweifelhaft,  ob  sie  i  n  der  Brandschicht  lag,  da  sie  vor  der  Aufdeckung 
derselben  vom  Besitzer  der  Sandgrube  gefunden  wurde. 

3.  Eine  Anzahl  Oefasssch  erben,  welche  mehr  oder  weniger  feat 
gebrannt  sind  und  sich  nach  Randprofilen  und  Ornamenten  in  folgende 
Arten  theilen  lassen: 

a)  Drei  Scherben  von  blau-schwarzer  Farbe,  von  denen  zwei  mit 
gitterartiger,  flach  eingeglattcter  Strichverzierung  versehen  sind;  »ic 
rühren  von  Gefilssen,  welche  wahrscheinlich  die  Form  des  in  Duisburg 
gefundenen,  in  diesen  Jahrbüchern  zum  Aufsatze:  „Alterthümer  der 
Umgegend  von  Duisburg  von  M.  Wilms',  Heft  LH,  Tafel  VI  und 
VII  unter  Nr.  2  abgebildeten  Topfes  hatten.  Identische ,  unverzierto 
Scherben  fand  Koenen  in  dem  karo  Ii  ngi.se  hen  St  ein  bau  (Wartet 
zu  Gohr1),  welcher  durch  den  Normannenzug  vom  Jahre  881  n.Chr. 
zerstört  wurde  (efr.  Bonner  Jahrb.  Heft  LXIII.  S.  170). 

b)  Drei  Scherben  von  grau  gelbem  Thone,  die  unter  zwei  breiten, 
scharf  eingegliUtcten  Linien  drei  Wellenlinien  zeigen,  wie  sie  zum  Auf- 
satze Koenen's  Bonn.  Jahrb.  Heft  XCII,  Tafel  X  Nr.  1  und  Nr.  20  ab- 


1)  In  der  Scherbensammlung  von  C.  Koenen  und  der  des  Verfasser». 


Miscelleu. 


gebildet  sind  uutl  genau,  wie  sie  diu  Duisburger  Gcfilsso  zeigen.  Gefass- 
form,  wie  Bonn.  Jahrb.  Heft  LH,  Tafel  VI  und  VII,  Nr.  4. 

c)  Zwei  dickwandige  Scherben  von  grauem  Thone,  der  im  Innern 
röthlich  ist,  und  von  etwas  gekörnter  Oberfläche.  Das  GefHas  hat  nach 
der  grössten  »Scherbe  eine  eckige  Bauchung,  ähnlich  wie  das  Protll  in 
den  Bonn.  Jahrb.  Heft  XC1I,  Tal'.  X,  p.,  jedoch  oben  und  unten  ge- 
wölbter; es  erinnert  in  der  Forin  au  Merowingertöpfe,  wie  dies  Koenen 
in  der  „Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst* 
in  seiner  Abhandlung:  „Zur  karoliugischen  Keramik*"  Jahrg.  VI, 
S.  355  unter  Nr.  2  von  den  Duisburger  Gcfasscn  sagt. 

d)  Fünf  ziemlich  dickw  andige  Scherben  von  rüthlich  gelbem,  rauhein 
Thone,  die  nach  dem  scharfen  Randprofile  und  den  zwei  Bodenstücken 
wohl  auf  die  Form  des  in  den  Bonn.  Jahrbüchern  Heft  LH,  Tal.  VI  und 
VII,  Nr.  7  abgebildeten  Duisburger  Gefasses  weisen.  Ferner  ein  Haches, 
breites  Henkel-  und  ein  Bodenstück  von  gelblicher  Farbe,  sowie  ein 
röthliches  Bodenstück  von  derselben  Gefassform.  —  In  der  Technik  sind 
sie  identisch  mit  den  in  beraubten  MerowingergrHbeni  in  Meckenheim 
gefundenen  Scherben  (cfr.  Koenen,  a.  a.  ().  Heft  XC1I,  S.  206). 

e)  Ein  Kandstück  mit  gedrungenem,  flachem,  breitein  Henkelausatze 
mit  flach  eingedrückten,  viereckigen  Grübchen  auf  dem  wulstigen  Hände 
und  verschiedene  dünnwandige,  hartgebrannte,  gelbliche  Scherben  mit 
ganz  flachen,  scharf  geraudeten  Verzierungen,  wie  sie  in  beraubten 
Todtengrubcu  des  Meckenheimer  Fraukcugraberfeldes  vorkommen  und 
a.  a.  O.  Heft  XCII,  Tafel  X,  Nr.  30  abgebildet  sind.  Gefassform,  wie 
a.  a.  (>.  Heft  LH,  Tafel  VI  und  VII,  Nr.  #. 

f)  Ein  Randstück  von  weisslich  gelbem  Thone  mit  fünf  Reihen 
Grübchen,  von  denen  die  zwei  obersten  sich  je  auf  und  an  dem  Rande 
befinden  und  wie  die  vierte  und  fünfte  Hache,  längliche  Vierecke  auf- 
weisen (vgl.  a.  a.  O.  Heft  XCII,  Taf.  X,  Nr.  30),  wahrend  die  dritte  Reihe 
Dreiecke  zeigt  (vgl.  a.  a.  O.,  Taf.  X,  Nr.  2H).  Die  Gefassform  ist  wohl 
ahnlich  dem  in  diesen  Jahrbüchern  Heft  LH,  Taf.  VI  und  VII,  Nr.  2  ab- 
gebildeten Diüsburger  Gelasse.  Der  Brand  ist  ein  fester.  Ferner  dünn- 
wandige, weisse  Scherben  mit  theils  sehr  Hach  eingedrückten  Grübchen, 
wie  a.  a.  O.  Heft  XCII,  Taf.  X,  Nr.  30,  theils  mit  tieferen,  die  so  gestellt 
sind,  wie  a.  a.  O.  Nr.  27  zeigt.  —  Dieselben  Gcfassrestc  fand  Koenen 
in  der  karoliugischen  Warte  zu  G  o  b  r. 

g)  Ein  Bodenstück,  sowie  mehrere  Scherben  von  gelbem,  glattem 
Thone,  welche  auf  eiue  Kugelform  der  Töpfe  schliessen  liisst ,  die 
Koenen  in  der  „Westdeutschen  Zeitschrift-  a.a.O.  S.  355  unter 
3  b  bespricht  und  wie  er  einen  solchen  a.  a.  O.  Taf.  XI,  Fig.  4  abgebildet 
hat.  Doch  fehlt  jede  Spur  von  Bemalung,  auch  ist  der  Boden  unten 
etwas  abgeplattet,  wahrend  die  a.  a.  O.  S.  355  unter  3  b  angegebenen 
Kugeltöpfe  unten  völlig  rund  sind.    Auch  ist  die  Wandung  dicker  und 


Misccllon. 


nicht  ganz  s«  hart  gebrannt,  sie  nähert  steh  mehr  der  Wandung  der 
"gelben,  lncrowingischcn  Gefässe. 

h)  Zwei  Scherben  von  gelblichem  und  eine  von  röthliehem  Thono 
mit  Relicfbandschmuck,  wie  K  o  e  n  e  n  eine  solche  in  den  Bonn.  Jahrb. 
Heft  XCII,  Tat".  X,  Nr.  31  und  ein  ganzes  Gefäss  in  der  „Westdeutschen 
Zeitschrift"  etc.  a.  a.  0.  Tat'.  XI,  Fig.  1  abgebildet  hat.  Es  sind  dies 
Scherben  von  drei  verschiedenen  Reliefbandschmuck  -  Amphoren.  Die 
röthlichc  Scherbe  zeigt  auf  dem  Baude  keine  (»rübchen,  die  möglicher 
Weise  dein  ganzen  Gefilsse  gefehlt  haben  können.  Identische  Gefäss- 
reste  wurden  auf  dem  Meckenheimer  Frnnkcngväberfclde  (wie  bei  d  ange- 
geben) und  in  dem  Steinbau  zu  G  o  h  r  (cfr.  hei  a)  angetroffen. 

i)  Ein  wulstig  abgerundetes  Handstück  aus  rüthlich  braunem  stein- 
gutartig  hart  gebranntem  Thone  mit  oberem  Profile  de«  Charakters,  wie 
in  den  Bonner  Jahrbüchern  Heft  XCII,  Taf.  X,  n;  feruer  ziemlich  grosse 
Scherben  von  demselben  Thone. 

k)  Ein  ziemlich  dünnwandiges  Handstück  mit  einem  Randprofilo 
ähnlich  wie  a.  n.  O.  Taf.  X,  e,  doch  muss  mau  sich  bei  letzterem  den 
unteren  Wulst  wegdenken.  Aehnliche  Profile  kommen  bei  späteren, 
fester  gebrannten  Erzeugnissen  der  Mcckeuhciiner  Töpferei  vor. 

1)  Ein  Randstück  von  grau-blauem  Thone  mit  scharfkantigem,  aus- 
ladendem, oberem  Profile  des  Charakters,  wie  a.  a.  ü.  Taf.  X,  h.  Da» 
Gefäss  scheint  sich  den  Erzeugnissen  der ,  wie  ich  mit  Kocncn  an- 
nehme, durch  den  Normannenzug  im  Jahre  881  zerstörten,  fränkischen 
Töpferei  zu  Meckenheim  (cfr.  Westdeutsche  Zeitschrift  a.  a.  0.  S.  363) 
zu  nähern,  die  Koenen  a.  a.  O.  S.  356  unter  4  bespricht;  auch  könnte 
es,  was  mit  Sicherheit  nicht  angegeben  werden  kann,  eine  Wellen- 
platte  gehabt  haben.  Nicht  klar  ersichtlich  war  es,  ob  das  Rand- 
stück in  der  Brandschicht  oder  oberhalb  derselben  gelegen  hat. 

m)  Verschiedene  oben  profilirte  Randstücke,  ähnlich  wie  in  den 
Bonner  Jahrbüchern  Heft  XCII,  Taf.  X,  a,  g,  h,  i  angegeben,  sowie  eine 
Anzahl  Gefässscherben  von  blau-grauem,  hellgelhein,  grauem,  röthlk-horn 
und  bräunlichem  Thone,  der  thells  glatt,  theils  rauhwandig  ist.  Von 
letzterer  Beschaffenheit  ist  der  Thon  einiger  grauen  Scherben,  die  den 
Eindruck  machen,  als  seien  sie  mit  einem  Sandbe.wurfe  versehen,  und 
die  steinhart  gebrannt  sind. 

Diese  Fragmente  haben  sämmtlich  den  Typus  der  von  a  bis  k  be- 
schriebenen. 

Alle  diese  Scherben,  vielleicht  mit  Ausnahme  von  i,  lagen  in 
der  vollständig  unberührten  Brandschicht  eingeschlossen, 
sind  also  zu  ein  und  derselben  Zeit  in  dieselbe  gerathen. 
Die  Gefässe,  von  welchen  diese  Scherben  stammen,  waren  daher  wohl 
zugleich  als  Hausrath  in  Gebrauch. 

Welcher  Zeit  nun  gehören  unsere  Gefässe  an? 


Miscellen. 


265 


AI«  die  Reliefbandschinuck- Amphoren  in  der  romanischen 
Stiftskirche  St.  Quirin  zu  Neuss  zu  Tage  gefördert  waren,  wandten  »ich 
die  Neusser  an  Herrn  Reetor  Aldenkirchcn  in  Viersen  mit  der  Bitte, 
doch  die  Zeit  auaugebcn,  in  welche  die  Fundstückc  zu  setzen  seien. 
Dieser  befragte  darum  verschiedene  Museumsdirektoreu.  Prof.  L.  Linden- 
sc h mit  kannte  weder  unter  den  römischen  Gefässen  des  Mittelrheincs 
noch  unter  denen  der  merowingischen  Zeit  analoge,  (cfr.  Westd.  Zeitschr. 
etc.  a.  a.  O.  S.  354),  Prof.  Dr.  Hettner  meinte,  man  würde  sich  wegen 
der  Technik  dieser  Gefässe  wohl  für  den  römischen  Ursprung  aussprechen, 
aber  der  Eindruck,  den  die  rundbogige.  Umspinnung  auf  den  Beschauer 
hinterlasse,  sei  der,  sie  gehörten  ins  zehnte  oder  elfte  Jahrhundert  (Bonn. 
Jahrbücher  Heft  LXXIV,  S.  15M  und  Westdeutsche  Zeitschrift  a.  a.  O. 
S.  354),  während  Prof.  Dr.  E.  aus'm  Weerth  diese  Gelasse  ent- 
schieden für  sptttrömisch  hielt  (Bonn.  Jahrb.  Heft  LXXVI,  S.  153  IT.).  — 
K  o  e  n  e  u  nimmt  jedoch  an,  dass  die  Kol  ierbandschmuck- Amphoren 
(cfr.  oben  h)  „zuerst  in  der  frühkarolingischen  Zeit  auftreten" 
und  dass  die  Neusser  Gefftsse  in  Folge  „eines  abergläubischen  Ge- 
brauches im  Jahre  825  der  Erde  übergeben  worden  sind* 
(cfr.  Westd.  Zeitschr.  a.  a.  0.  S.  354  und  362).  —  Mehrere  unserer  be- 
schriebenen Gefässreste  sind  identisch  mit  den  Duisburger  Gelassen 
(cfr.  a,  b,  d),  welche  Koenen  in  die  Zeit  von  690--785  n.  Chr.  setzt 
(cfr.  a.  a.  ü.  S.  361,  862),  andere  wieder  mit  den  Altesten  Gofnss- 
resten,  welche  bei  der  ka ro Ii ngi sehen  Warte  zu  Gohr,  die  881 
zerstört  wurde,  zusammen  mit  einem  Stachelsporn  aus  der 
Zeit  Karls  des  Grossen  zum  Vorscheine  kamen  (cfr.  a,  f,  h  und 
Bonn.  Jahrb.  H.  LXIII,  8.  170).  -  Ferner  wurden  bei  der  vom  Bonner 
Provinzini -Museum  vorgenommenen  archäologischen  Aufdeckung 
des  merowingisehen  Gräberfeldes  zu  Meckenheim  in  beraubten  Todten- 
gruben  Scherben  gefunden,  die  theils  in  der  Technik  (cfr.  d),  theils  in 
der  Verzierungsweise  (cfr.  e)  oder  auch  völlig  (cfr.  h)  mit  einigen  unserer 
Gefltssarten  übereinstimmen,  wahrend  die  Gefässreste,  welche  in  einer 
alten  Culturschicht  oberhalb  der  Graber  lagen,  gänzlich  in  dem  auf- 
gewühlten Boden  der  beraubten  Todtengruben  des  Gräberfeldes,  w  i « 
auch  in  unserer  Brandschicht  fehlten  (cfr.  Westd.  Zeitschr.  a.  a.  0. 
S.  358  unter  13).  Diese  letzteren  Scherben  aber  gehören  in  das  Ende 
des  neunten  Jahrhunderts  n.  Chr.  (cfr.  a.  a.  0.  S.  356  unter  4  und 
S.  362).  —  Die  bei  g  erwähnten  Kugel  top  fe.  sind  im  Charakter  älter, 
als  die  am  „Landsegnungswege-  zu  Andornach  gefundenen.  Ferner 
fehlen  bei  unserem  Funde  „die  kannenartigen  Becher,  welche  das 
erste  Auftreten  wellenförmig  ansgebogener  Standplatte  zeigen  (a.  a.  0. 
S.  856  unter  3b).  Daher  ist  unser  Fund  etwas  älter,  als  der  Ander- 
nacher, für  welchen  die  Zeit  um  800,  oder  sagen  wir  das  Ende 


266 


Miscellcn. 


de»  achten  oder  der  Anhing  de«  neunten  Jah rhunderts  n.  Clir. 
angesetzt  ist  <a.  a.  ü.  S.  362>. 

Danach  würden  unsere  Gefttssc  und  die  Entstehung 
unserer  Bra  ndsch  ic  h  t  dein  Ende  des  achten  .Jahrhunderts 
n.  Chr.,  also  der  Kogierungszeit  Karls  des  Grossen  auge- 
hören. 

Demnach  lilsst  sich  zum  Aufsätze  Koeneu's:  „Zur  karolingi- 
sehen  Keramik*  (a.  a.  O.)  ergänzend  hinzufügen,  dass  die  llolief- 
handschm  u  c k  •  Am  pho  r  cn,  welche  Koenen  in  der  Zeit  von  690—785 
u.  Chr.  .sich  entwickeln  und  in  der  lthciuproviuz  zuerst  in  frühkarolingi- 
schcr  Zeit  nurtreten  litsst  (vgl.  a.  a.  U.  S.  855  unter  2,  S.  354  und  S.  362) 
und  t in  Jahre  H25  erst  als  th atsiieh I i c h  vorkommend  nachweist 
(a.  a.  O.  S.  362),  wirklich  schon  zu  Ende  des  ac  h ten  Ja  hrhu n dcrtH 
n.  Chr.  in  Gebrauch  sind,  vielleicht  zuerst  auftreten. 

Was  aber  war  die  Veranlassung  zu  der  Brandseilicht? 

Auf  der  Braudschicht  war  höchst  wahrscheinlich  ein  Karolingerbau 
errichtet,  dessen  Fundamente  vielleicht  au*  Mauerwerk  und  dcs.seu  Ober- 
bau möglicher  Weise  aus  einer  Holzconstruction  bestand,  da  ausser  der 
günstigen,  topographischen  Lage  auch  noch  die  in  der  oberen  Lage  der 
Brand-schicht  gelegenen  Ziegel-  und  Mörtelreste,  sowie  die  fünf  seitwlirts 
beigesetzten  Tod  teil  darauf  hinweisen. 

An  eine  Zerstörung  dieses  Baue«  als  Ursache  zu  unserer  Brand- 
schicht  ist  wohl  schon  deshalb  nicht  zu  denken,  weil  1)  die  Brandschicht 
von  ziemlich  glcichmassiger  Starke  ist  und  2)  der  Boden,  auf  welchem 
sie  ruhte,  glatt  abgestochen  war.  Dies  und  die  meisten  Übrigen  Funde: 
die  grosse  Anzahl  Scherben,  kein  einziges,  halbwegs  ganzes  GetHss,  die 
Thierknochen,  lassen  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  den  Fuudumstanden, 
wie  sie  am  „Landscgnungsweg  in  Andernach"  beobachtet  wurden, 
keineswegs  verkennen.  Dort  traf  man  .zwischen  Bausteinen  auf  Stücke 
ausgeglühter  Holzkohlen,  vermischt  mit  einer  grossen  Anzahl  von  Ge- 
fassscherben,  oder  wenigstens,  mit  seltenen  Ausnahmen,  nicht  vollständig 
erhaltenen  Gel'ätssen   Ausserdem  fanden  sich  hier  und  da  Ei- 

schalen und  GeHügclknochen.  Der  Boden,  auf  welchem  das  Gemäuer 
ruhte,  war  völlig  geebnet  und  wiederum  mit  einer  dünnen,  schwarzen 
Uraudlagc,  die  mit  Scherben  vermischt  war,  bedeckt"  (a.a.O.  S.  363,  364). 
Koenen  hat  nun  (n.  a.  O.  S.  364  ff.)  auf  den  Gebrauch  jener  Zeiten, 
die  Erde  durch  allerlei  Opfer  zum  Tragen  des  Baues  willfährig  zu  machen, 
hingewiesen  und  die.  darauf  bezüglichen  Stellen  angegeben.  Da  opferte 
mau  vor  Errichtung  eines  Baues  allerlei  Thiere,  wie  Lilmmcr,  Hahnen, 
Pferde,  ja  sogar  Menschen,  warf  Scherben  in  die  auflohende  Gluth  und 
setzte  von  Brand  rauchende,  meist  zerbrochen««  Gefiisse  in  oder  unter 
das  Fundament  des  zukünftigen  Baues.    War  doch  »las  Feuer  eine  liiu- 


Miscelleu. 


JW7 


turude  Macht  schon  nach  ulthcidnischcr  Vorstellung  und  „Scherben  be- 
deuten Glück!",  wie  der  Volksglaube  lehrt. 

Demnach  verdankt  unsere  B  randsehicht  ihr  Entstehen 
vielleicht  dem  abergläubischen  Gebrauche  des  „Ua  usoge  ns" ! 

Oestlich  von  der  Brandschicht  waren  vor  Untersuchung  derselben 
in  einer  Entfernung1  von  ca.  3  in  bis  zu  ca.  12  m  vier  Skelette  in  einer 
Tiefe  von  ca.  1  in  bis  ca.  1,30  m  gefunden,  welche  alle  durch  den  Be- 
sitzer aufgedeckt  worden  sind.  Leider  war  von  keinem  der  Schädel  er- 
halten. Die  Uebcrretttc  des  von  den  vieren  zuletzt  entdeckten  Skelettes 
sah  ich  kurz  nach  ihrer  Herausnahme.  Herr  Key  hatte  die  Knochen  in 
dieselbe  Lage  wieder  gebracht,  wie  er  sie  in  der  Erde  gefunden  hatte. 
Danach  lug  der  Totlte  mit  dem  Gesichte  nach  Osten;  auch  die  übrigen 
Skelette,  so  versicherte  der  Finder,  bluten  in  derselben  Richtung  gelegen. 
Bei  zwei  Skeletten,  wobei  auclf  das  letztere,  fanden  »ich  karolingische 
Scherben,  darunter  als  spatestes  Stück  je  ein  üefttssboden  mit  Wellen- 
platte.  Letztere  Gefassrcste  gehören  den  Erzeugnissen  der  im  Jahre  Hfcl 
durch  die  Normannen  zerstörten  Meckenheimer  Töpferei  an.  Diese  Go- 
Otsse  sind  in  die  zweite  Hälfte  des  neunten  Jahrhunderts  zu 
setzen  (vgl.  Koenen,  Westdeutsche  Zeitschr.  a.  a.  O.  S.  Ht>2).  Dem- 
nach sind  die  beiden  Todten  in  dieser  Zeit  beigesetzt 
worden. 

Vor  ungefilhr  fünf  und  einem  halben  Monate  wurde  ca.  17  m  öst- 
lich von  der  Brandschicht  und  1,17  m  tief  ein  fünftes  Skelett  entdeckt, 
welches  ich  persönlich  bloslegen  Hess.  Das  Gesicht  war  genau  nach 
Osten  gerichtet;  das  ganze  Skelett  ist  ca.  1,7» in  lang.  Der  kleine  wuhl- 
gebildete  mesoccphale  Schädel,  der  an  den  Augen  abgebrochen,  dessen 
Decke  aber  noch  erhalten  ist,  gehörte  nach  Gch.-Rath  Schaaff hausen 
einer  Greisin  an.  Dicht  bei  dein  linken,  oberen  Baude  des  Beckens  hob 
ich  zwei  Scherben  auf,  von  denen  die  eine  ein  Handstück  von  gelb- 
rother  Farbe  und  festgebrauntem,  dickwandigem  Thone  ist.  Das  Profil 
desselben  ist  an  der  Innenseite  scharfkantig  und  nach  Aussen  hin  ladet 
es  etwas  wulstig  aus;  unter  dem  Rande  befinden  sich  scharf  eingedrückte 
Viereckchen,  wie  die  auf  den  Reliefbaudschniuck-Amphoren  (vgl.  Bonn. 
Jahrb.  Heft  XCII,  T.  X,  31);  das  Randstück  scheint  einem  grossen  Topfe 
mit  weiter  Oeffnung  angehört  zu  haben.  Das  andere  Stück  ist  dünn- 
wandig und  von  derselben  Farbe,  doch  von  fester  gebranntem  Thone. 
Ein  anderes  Randstück  von  gelblicher  Farbe  und  dünnwandigem,  fest- 
gebranntem Thone  mit  einfachem,  wenig  gebogenem  Profile  lag  am  lin- 
ken Unterschenkel.  Ferner  kamen  noch  sechs  weitere  Scherben  von 
blauem,  blau-schwarzem,  grauem  und  gelblich-grauem  Thone  zu  Tage, 
welche  theils  zwischen  den  Schenkeln,  theils  an  den  Füssen  lagen.  Alle 
diese  Seherben,  sowie  neun  in  der  Skelettgrube  ca.  0,90—0,80  in  über  dein 
Boden  derselben  gefundenen  Scherben  von  grauem  und  gelbem  Thoue, 


268 


MisccHen. 


darunter  eine  solche  von  einer  gelben,  dickwandigen  Kclicrhaudschmnck- 
Amphora,  stimmen  vollkommen  mit  den  in  der  Brnndschicht 
angetroffen«  n  Uhurein,  so  dass  es  klar  ist,  dass  dieser  Karolin- 
ger in  der  Zeit  um  die  Entstehung1  der  Brandschicht,  resp. 
kurz  nachher,  also  gegen  das  Ende  des  achten  Jahrhunderts, 
bestattet  worden  ist. 

Nördlich  von  dem  letzten  Skelett  wurden  in  einer  ca.  7  m  breiten, 
bis  zu  2,20 in  tiefen  Grube,  die  von  dein  Grabe  durch  eine  schmale  ca. 
0,77  in  Uber  dem  Boden  desselben  sich  erhebende,  unberührte  Saiidsliulc 
getrennt  ist,  ein  Knndstück  von  röthlichem  Thone,  dessen  Profil  dem  in 
den  Bonn.  Jahrb.  Heft  XCII  Tal.  X,  q  abgebildeten  ähnlich,  jedoch  we- 
niger wulstig  ist,  und  eine  Scherbe  von  dünnwandigem,  grauen  Thone 
mit  gekörnter  ObcrllHchc,  letzteres  Stück  in  einer  Tiefe  von  ea,  1,70  in, 
ferner  verschiedene  Scherben  in  einer  südlich  des  Grabe«,  von  diesem 
durch  eine  ca.  0,52  in  über  dessen  Boden  sich  erhebende,  schmale  Sand- 
bank getrennten  Grube  ca.  0,50— 0,(10  in  tief  angetroffen.  Alle  diese 
Scherben  gehören  ebenfalls  demKnde  des  achten  Jahrhunderts  an. 

Wir  werden  nicht  fehl  gehen  in  der  Annahme,  dass  die  hier 
Beigesetzten  Bewohner  des  HauseB  waren,  dessen  Grund- 
lage die  Brandscbicht  bildete. 

Da  in  den  Gräbern  und  deren  Umgebung  keine  spateren  GefJtss- 
reste  vorkommen,  als  die  Erzeugnisse  der  Meckenheimer  Töpferei  aus  der 
zweiten  Hillfte  des  neunten  Jahrhunderts,  so  ist  es  höchst  wahrscheinlich, 
dass  der  Knrolingerbau  um  diese  Zeit  aufgegeben  wurde,  vielleicht 
das  Schicksal  der  durch  die  Normannen  zerstörten  Meckenheimer  Tüpfe- 
rei theilte.  Demnach  hfttte  das  Karolingerhaus  von  dem  Ende 
des  achten  bis  in  die  zweite  Hftlftu  des  neunten  Jahr- 
hunderts bestanden. 

Auch  der  Umstand,  dass  sich  bei  einem  friedlich  Bestatteten 
frühkaroliiigisciie,  den  i  u  der  Brandschicht  vorkommenden  identische 
Scherben,  ferner  in  zwei  unberührten  Grälbern,  welche  ebenfalls  friedlich 
Bestattete  bargen,  Erzeugnisse  aus  der  zweiten  Hälfte  des  neunten  Jahr- 
hunderts (Gefilnsboden  mit  Wcllenplatte)  fanden,  wahrend  die  Brandschicht 
nur  solche  aus  dein  Ende  des  achten  Jahrhunderts  aufweist,  be- 
stätigt die  oben  ausgesprochene  Ansicht,  dass  die  Brandschicht 
nicht  dasProdukt  einer  Zerstörung,  sondern  als  „ Bausegen- 
aufzufassen  ist. 

Die  Erschliessung  unserer  Brandscbicht  ist  für  die  Chronologie 
der  karolingischcn  Keramik  von  grosser  Bedeutung,  indem  wir  spe- 
ciell  die  Gcfa.ssc  kennen  lernen,  welche  zu  Ende  de»  achten 
Jahrhunderts  n.  Chr.,  also  unter  Karl  dem  Grossen  den  Haus- 
rath des  rheinischen  Franken  bildeten.  Auch  bestätigt  unser 
Fund  die  von  Koencn  auf  Grund  historischer  Nachrichten  uud  durch 


Miscellen.  2«9 

Vergleiche  gefolgerten,  chronologischen  Schlüsse  in  seinein  Aufsätze: 
„Zur  karolingischen  Keramik"  (a.  a.  0.). 

Vor  nicht  langer  Zeit  waren  die  karolingischen  GefHsse  als  solche 
unhekaunt,  ja  vor  kurzer  Zeit  beliebte  man  dieselben  in  der  Hegel  sogar 
für  altgermauisch  zu  halten.  Auch  heute  noch  kennen  sie  Wenige. 
Ebenso  sind  die  Gefttsse  der  auf  die  Karoliugerzcit  folgenden,  mittelalter- 
lichen Perioden  in  den  wenigsten  Fallen  erkannt.  Um  aber  weitere 
Beseitigung  und  Klarheit  zu  gewinnen  auf  dem  Gebiete,  das 
man  eben  erst  zu  sondiren  begonnen  hat,  ist  es  uncrlHss- 
lieh,  dass  alle  Funde  aus  der  Zeit  des  Mittelalters,  ja  jedes 
Scherbchen,  nach  den  FundumstKnden  genau  untersucht 
und  so  immer  mehr  Bausteine  zum  festen  Aufbau  der  Chro- 
nologie der  so  sehr  vernachlässigten,  mittelalterlichen  Ke- 
ramik beigebracht  werden.  Oskar  Kaute  rt. 

5.  Merken  ich.  Römische  Inschrift.  Bei  Gelegenheit  der  vorig- 
jlthrigen  Manöver  fand  ich  im  Pfarrhanse  zu  Rohr  bei  Blankenheim  an 
der  Ahr  ein  römisches  Bildwerk,  «las  im  Besitze  des  dortigen  Pfarrers 
Herrn  L.  Beck  ist.  Nach  Angabe  dieses  Herrn  befand  sich  der  hierbei 
abgebildete  Stein  in  zwei  Theile  getheilt  in  die  Fundamente  der  alten 
Kirche  zu  Merkenich  am  Rhein  eingemauert  und  kam  beim  Neubau 
derselben  im  Jahre  1K85 
ans  Licht  und  in  die 
Hilnde  des  Herrn  Beck. 
An  der  oberen  HHltte 
ist  der  breite  Rand 
ringsum  abgehauen,  je- 
doch glücklicher  Weise 
so,  dass  wir  voraussicht- 
lich keinen  Verlust  an 
der  Schrift  zu  beklagen 
haben.  Die  Darstellung 
selbst  ist  durch  sich  klar: 
ein  bilrtigcr  römischer 
Kriegsmann,  nach  links 
ausschreitend,  ist  im  Be- 
griffe, einen  zu  Boden 
liegenden  mit  einer  Keule 
bewaffneten  Feind ,  in 
dem  wir  ohne  Zweifel 
einen  Germanen  zu  er- 
kennen haben ,  zu  er- 
schlagen.   Der  Centnrio 


270 


Miscellen. 


ist  mit  dem  Panzer  und  dem  darüberhlingenden  Kriegsmantel  bekleidet 
und  schwingt  in  der  hoehcrhobenen  Hechten  da«  kurze  Schwert  «um 
tödtliehen  Streich;  die  Linke  greift  in  die  Hnnro  Keines  Feinde«.  Den 
Kopf  bedeckt  kein  Hehn,  ho  dass  das  Prnfll  des  Hauptes  noch  deutlich 
zu  erkennen  ist.  Irren  wir  nicht,  so  schmückt  die  Brust  eine  phalera. 
Die  Ausführung  zeugt  von  wenig  künstlerischer  Fertigkeit,  auch  hat  sie 
im  Laufe  der  Zeit  sehr  gelitten.  Dns  Material  ist  der  am  Rhein  gewöhn- 
liche Haustein;  die  jetzige  Höhe  ist  40,  die  Breite  der  unteren  HHlfte  28  cm. 
—  Geweiht  ist  das  Werk  an  den  Jupiter  und  zwar,  wie  die  Darstellung 
ohne  Zweifel  erkennen  Msst,  nach  glücklicher  Rückkehr  des  Maternus 
aus  einem  germanischen  Feldzuge.  Die  Schrift  ist  schart  (schilrfer  als 
auf  umstehender  Abbildung)  und  schön  gezeichnet,  so  das«  wir  den 
Stein  zeitlich  werden  ziemlich  hoch  hinaufrücken  müssen.  —  Der  Fund- 
ort Merkenich  liegt  an  der  römischen  Strasse  Köln-Neuss,  die  am  Rhein 
entlang  führt1),  und  hat  uns  schon  einige  Funde  geliefert  (vgl.  Jahrb. 
»3  S.  203,  89  S.  56). 

Andernach.  Dr.  F.  Knickenberg. 

0i.  Aufdeckung  eines  r iim isc he  n  Cas tel  Is  be i  Wert  h ausen 
am  Niedcrrhei  n  s).  Im  Regierungsbezirk  Düsseldorf,  Kreis  Mörs,  Oc- 
meinde  Homberg,  befindet  sich  gleich  nördlich  von  Hochemmerich  und 
westlich  von  Werthausen,  in  der  Ecke  nördlich  des  Weges  nach  Aster- 
lagen  und  westlich  des  heute  vom  Rheindamme  begrenzten,  alten  linken 
Rheinufers,  und  zwar  etwa  '/s  Meile  südwestlich  des  klassischen  Bodens 
von  Asberg  eine  Ebene,  welche  durch  spftrlichen  Wuchs  der  Halmfrüchte 
eine  grössere  bauliche  Anlage  verrieth,  deren  Fundamente  nur  von 
einer  geringen  Humusdecke  eingeschlossen  sein  konnten.  Der  Volksmund 
sagt,  hier  habe  „Schlotts  Steinbrink-  gestanden.  Das  Grundstück,  welches 
zu  Werthausen  gehört,  ist  zum  grünsten  Theile  im  Besitze  des  Herrn 
Verwnltungssecretilrs  H.  Manssen  in  Rheinberg. 

Im  verflossenen  Winter  licss  Herr  Landrath  Haniel  von  Moers 
unter  der  Autsicht  des  Herrn  Obersteigers  Wiedelmann  aus  Homberg 
die  Fundamente  aufdecken,  untersuchen,  aufzeichnen  und  zuwerfen.  In 
dem  Fundberichte  ist  von  einer  altrömischen  Mauerung  die  Rede,  deren 
Breitseiteu  von  Westen  nach  Osten  liegend,  zwei  Thore  zeigen  sollen. 
Man  habe,  innerhalb  der  Mauerung  eine  Leichenstütte  offen  gelegt  mit 
drei  Lagen  übelriechender  Leichenasche,  gekrönt  von  einem  sieben 
Striche  zeigenden  dreieckigen  Leiche.nsteine. 


1)  Siehe  Jahrb.  Bd.  «0  S.  4;       S.  2. 

2)  Die  Mittheilung,  welche  Herr  Dr.  phil.  Siebnurg  Im  Korrespon- 
denzblatt der  Westdeutschen  Zeitschrift,  Jahrg.  XI,  Xr.  I,  S.  1H  -20  über  den- 
selben Gegenstand  gebracht  hat,  dürfte  hierdurch  eine  Berichtigung  und 
Ergitnzung  Huden.    Das*  der  Rhein  dort  den  von  mir  im  Helte  «W.  d. 


Miscellcn.  271 

Aus  einer  von  mir  an  Ort  und  Stelle  vorgenommenen  sachlichen 
Untersuchung'  und  genauen  Aufnahme  ersah  ich  bald,  dass  Wi  edel  ma  nn 
das  von  ihm  genommene  Lllngenmaas  der  Mauerung  mit  dem  der  Breite 
verwechselt  und  so  die  von  ihm  in  der  Himmelsrichtung  richtig  angegebe- 
nen Thore  an  die  Breitseiten  gelegt  hatte.  Die  LeichensUittc  ist  wohl  nur 
eine  mit  verschiedenen  Brandschuttlagen  gefüllte  Cisterne. 

Auf  dem  untenstehenden  Blaue  habe  ich  die  Aufnahme  wieder- 


gegeben, welche  ich  unter  freundlichem  Beisein  des  Herrn  Oscar  Rautort, 
anfertigte.   Wir  haben  es  danach  mit  einem  kleinen  römischen  Casrelle. 


Jahrb.  hesehriebenen  Lauf  in  vorgeschichtlicher  Zeit  gehabt  haben  inuss, 
beweise  ich  durch  die,  des  besagten  Khcinbettes  Alluvionen  durchschnei- 
dende, Aid>erger  UiimerstraKse  und  deren  frührömische  Gräberfunde. 


272 


Mi  sc  eilen. 


zu  thun,  das  allen  theoretischen  Voraussetzungen,  welch«  man  an  ein 
solches  stellt,  Rechnung  tragt. 

Die  Mauerung  bildet  ein  längliches  Viereck  mit  abgerundeten 
Kcken.  In  jeder  Ecke  ist  ein  trapezförmiger  Thurm  zu  sehen  und  die 
beiden  Schmalseiten  der  Befestigungen  zeigen  je  ein  Thor. 

Der  Inneuraum  des  Castells  hat  eine  Lange  von  44,4!»  bis  43,91 
und  eine  Breite  von  87,50  bis  37,88  m.  Die  Eckthünne  zeigen  an  der 
Castellninuer  eine  Uchte  Breite  von  2,90  in  und  eine  Tiefe  von  2,20  m; 
die  nach  dein  Castellinnern  befindliche  Oeffnung  ist  1,70  m  weit.  Die 
beiden  Thorwege  sind  2,00  m  breit;  sie  werden  von  zwei  Flügeltuauern 
begrenzt,  deren  Tiefe  derjenigen  der  Thürme  entspricht,  also  wieder 
2,20  in  betragt.  Die  Fundamente  sind  Im  bis  1,20  m,  an  den  Thoren 
und  Kckthünnen  1,50  m  bis  l,ß0  m  tief,  bei  durchschnittlicher  Starke  von 
1,30  m.  Sie  bestehen  aus  faustgrossen  Itheinkieseln,  aus  Bruchstein, 
Lehm  und  Thon.  In  dem  Fundamente  der  Thürme  und  TliorcinjfHnge 
fanden  sich  auch  einige  Saudstcinplnttcn,  welche  wie  auch  die  grösseren 
der  übrigen  Bausteine  auf  die  Schmalseite  gestellt  sind.  Von  dein  eigent- 
lichen Aufhatte  liegen  nur  hier  und  da  Stücke  von  Tuffstein  und  Mörtel- 
reste. 

Die  Schmalseiten  des  Castells  liegen  nach  Ost  und  West,  sodass 
nach  dem  feindlichen  Germanenlande  die  Front  hin  gerichtet  ist,  der 
deciinnnus  die  Linie  von  Westen  nach  Osten  verfolgt  und  durch  die 
Mitte  der  beiden  Thore  reichend,  das  Castcll  seiner  Lange  nach  in 
zwei  gleich  breite  Hüllten  theilt.  In  dem  vorderen,  der  Front  zu- 
nächst gelegenen  Theile,  der  im  Legionslager  praetentura  genannt 
wird,  sehen  wir,  12  m  von  dein  inneren  Bande  der  Vordermaner  und 
1<>  in  von  der  inneren  Seite  der  Südnmuer  entfernt,  die  genannte,  im 
Grund riss  achteckige  Cisteme.  Dieselbe  ist  bei  einer  Lange  von  3,70  m 
in  der  Mitte  2,50 in  und  an  der  vorderen  und  hinteren  Seite  2,10  in  breit; 
sie  zeigt  eine  Tiefe  von  5  m.  Die  Wunde  sind  aus  gestampftem  gelb- 
lichem Thon  hergestellt  und  haben  eine  Breite  von  0,50  in. 

Hat  die  Cistcrne  an  der  Querstrasse  des  Castells  gelegen,  was 
an  und  für  sich  nicht  unwahrscheinlich  ist,  dann  würde  der  cardo 
naher  der  vorderen  Lagerfront  gelegen  haben  als  der  hinteren,  eine  Er- 
scheinung, der  wir  in  der  That  nicht  nur  bei  dem  Hygin  "sehen  Etappen- 
lager,  sondern  auch  bei  sltmmtlichen  Legions-  und  Cohortenlagern  be- 
gegnen, welche  im  Grnndrlss  ein  Inngliche*  Viereck  zeigen. 

Innerhalb  des  Castells  lagen  zahlreiche  römische.  Dachziegelstücke 
und  Scherben  von  römischen  irdenen  Ess-  nnd  Trinkgeschirren,  dann 
die,  offenbar  von  deu  Speiseresten  herrührenden  Thierknochen,  ferner 
einige  Schmuckstücke,  Nadeln,  Waffenstücke  und  Münzen,  wahrem! 
ausserhalb  des  Castells,  vor  dem  Westthore  mehrere  römische  Leichen- 


Mtocellen. 


27:5 


brandgriiber  angetroffen  worden  sind.  Die  meisten  keramischen  Reste 
deuten  auf  die  Zeit  der  Flavier  und  Aiitnninc. 

Was  die  Besatzung  selbst  betrifft,  so  würde  diese  nach  der  von 
Cohausen'sehen  Berechnung  (Grenzwall  S.  336— 341)  der  der  Limes- 
castclln  Hunnciikirchhof  und  Eulenbach  (  -  160  und  162  m  Umfang)  gleich 
zn  stellen  sein;  für  diese  nimmt  v.  Co hausen  zwei  Mauipeln  an;  allein 
im  Legionslager  von  Novaesium  ergeben  die  thatsachlich  festgestellten 
Lagcrungsverhaltnisse  eine  andere  Auffassung.  Hier  braucht  ein  ein- 
ziger Manipel  inclusive  seinen  beiden  Centurionen  einen  Lagerraum  von 
2080  Quadratmeter.  Da  nun  zweifellos  auch  Kaum  für  Wege  und  Vcr- 
pflcgungsanstaltcn  im  Castell  erforderlich  war,  so  würde  da*  Werthauscr 
Castell,  nach  Abzug  des  vom  Lagerwalle  eingenommenen  Raumes,  bei 
1200  Quadratmeter  Flacheninhalt  als  Besatzung  eine  Centurie  oder  zwei 
Türmen  gehabt  haben,  falls  nicht  andere  Gesichtspunkte  entschieden. 

Ein  besonderes  Interesse  gewinnt  das  Castell  Werthausen  durch 
sein  Verhältnis*  zum  Aleulager  Asbergs.  Verlängert  man  nämlich  die 
Linie  des  deeimanus  vom  Werthauser  Castell,  dann  erreicht  man  in 
westlicher  Richtung  über  Asterlagen  hinaus,  in  einer  Entfernung  von 
3240  m  die  Römerstrasse,  welche  «las  durch  sein«  römischen  Funde  be- 
kannte Asberger  Burgfeld  theilt  und  zwar  an  der  Stelle,  an  der  dieselbe  ein 
Knie,  bildet.  Es  ist  auffallend,  dass  der  deeimanus  zu  dem  südlichen, 
über  Trompett  und  Kaldenhausen  führenden  Theile  der  Röineratrnsse 
im  rechten  Winkel  liegt  Die  Linie  des  cardo  unseres  Castells  führt 
südlich  über  Emmerich  nach  Friemersheim.  Nach  letztgenanntem  Orte 
zielt  auch  eine  südliche  Verlängerung  des  nördlichen  Theiles  der  be- 
schriebenen Asberger  Römerstrasse.  Sowohl  diese  Strassen-,  als  auch  die 
cardo-Llnie  wird  heute  noch  durch  sehr  alte  Wege  bezeichnet. 

Es  kann  schwerlich  Zufall  sein,  dass  der  Abstand  vom  Castell  Wert- 
hausen bis  zum  Burgfeld  Asbergs,  wo  das  Aleulager  gesucht  wird,  gleich  ist 
der  Entfernung  vom  Castell  Werthausen  bis  zu  der  Stelle  bei  Friemersheim, 
wo  sich  beide  alten  Wege  begegnen  und  die  Oertlichkeit  den  Namen 
„aufm  Caess*  führt.  Die  doppelte  Entfernung  führt  nach  Uerdingen, 
dessen  Ursprung  der  Sage  nach  auf  ein  Castell  zurückgeführt  wird. 
Von  Uerdingen  begleitet  uns  die  weitere  Uebertragung  nach  dem  Orte 
Gellep,  dem  römischen  Gelduba.  In  ferneren  Uebertragungcn  gelangen 
wir  zu  den  Orten  Nierst,  Langst,  Strümp,  Brühl,  Ober-Lörik,  dann  nach 
Nieder-  resp.  Obercassel,  wo  dem  Namen  und  den  Alterthüiner-Fundon 
nach  auch  ein  Castell  nicht  unwahrscheinlich  erscheint.  Weiter  werden 
wir  nach  einer  Stelle  bei  Heerdt  geführt,  wo  römische  Baufundamente 
in  Begleitung  einer  Strasse  zu  Tage  treten,  dann  nach  dem  „Kaiser" 
unterhalb  Neuss;  von  hier  nach  dem  Orte  Neuss  selbst,  wo  Spuren  eines 
Castells  von  mir  nie  recht  erklärt  werden  konnten,  und  von  dieser  Stelle 
nach  dem  Römerlager  bei  Grimlinghausen.  Man  braucht  nur  die  General 

Jahrb.  d.  Vcr.  v.  AltertliKfr.  Im  Rhelnl.  X01I1.  1* 


Miscellen. 


275 


einem  nicht  ganz  angewachsenen  Mammuth  der  Bonner  Sammlung  30  cm 
tief  ist  und  sich  nach  unten  wie  ein  Hohlkegel  zuspitzt;  der  übrige 
Tholl  des  Stosszahnos  ist  in  der  Mitte  dicht  und  hat  keine  Spur  einer 
Höhlung.  Die  Figur  ist  nackt,  wie  die  auf  dem  Hennthierknochen  von 
la  Madclaiuc,  an  ihr  sind  als  vorspringende  Knüpfe  die,  Brustwarzen, 
der  Nabel  und  das  Membnun  virile  mit  der  Glans  penis  zu  sehen.  Der 
Kopf  derselben  lasst  im  Profil  merkwürdiger  Weise  dieselbe  rohe  Stirn- 
bildung mit  der  Kinsenkung  über  der  Glabella  erkennen,  wie  sie  der 
Schtidel  besitzt,  welcher  Umstand  beweist,  dass  es  sich  um  eine  typische 
Bildung  des  Menschen  der  damaligen  Zeit  handelt.  Auch  die  breite 
Nasenwurzel  ist  dargestellt.  Der  untere  Theil  des  Gesichtes  ist  über- 
massig gross.  Der  allgemeinen  Kopfform  hat  der  Künstler  wohl  keine 
Beachtung  geschenkt.  Sie  ist  in  hohem  Maasse  brachycephal.  Auf  dorn 
Scheitel  sind  drei  Kreise  sichtbar,  es  sind  die  getrennten  Lamellen  des 
Zahnbeins.  Auch  ein  abgebrochener  und  wohl  modellirter  Arm  der 
Figur  ist  erhalten.  Mit  den  sehr  rohen, 
plastischen  Darstellungen  der  Menschen- 
gestalt, wie  sie  in  Frankreich  und  Belgien 
aus  quaternilrer  Zeit  gefunden  worden  sind, 
hat  das  Idol  von  Brünn  keine  Aehnlichkeit. 
K.  F  o  r  r  e  r  hat  in  grosser  Vollständigkeit 
die  primitiven  menschlichen  Statuetten  der 
Stein-  und  Bronzezeit  Kuropas  in  der  Anti- 
qua, 1887  S.  75,  1888  S.  2,  20  und  48,  188{» 
S.  51,  1890  S.  «!2  zusammengestellt  und  ab- 
gebildet. Die  ältesten  Bilder  des  Menschen 
sind  nackt  und  die  Schaamtheile  sind  meist 
besonders  hervorgehoben;  so  ist  es  auch  noch 
bei  den  phönizischen  Bronzestatuetten  von 
Fllora  in  Portugal.  Wir  dürfen  glauben, 
dass  sie  aus  einer  Zeit  stammen,  wo  er 
unbekleidet  war.  Bei  denen  der  nordischen 
Bronzezeit  sind  sie,  wie  F orrer  bemerkt, 
aber  schon  bedeckt.    Die  thönernen  Idole 

von  Troja  und  Tirvns,  aus  Siebenbürgen,    _     . ,  ,      .    ,      _  .  , 

J  -      '  "     '     Das  Mol  nach  einer  Zeichnung 

vom  Mondsee  und  aus  dem  Laibacher  Moor  "Ol  llakowakl  In  Gros»«, 
sind  viel  unvollkommener  gestaltet,  sie  verrathen  aber  ihr  jüngeres 
Alter  wie  die  von  Troja  und  Laibach  durch  die  Bekleidung  und  deren 
Omameute.  Nur  die  vou  Ii.  K  1  e  b  s,  der  Bernsteinschmuck  der  Stein- 
zeit u.  s.  w.  Königsh.  1882,  beschriebenen  Bernstein-Amulette  von  Schwarz- 
ort  auf  der  kurischen  Nehrung  können  damit  verglichen  werden,  wenn 
sie  auch  in  der  künstlerischen  Darstellung  gegen  die.  Figur  von  Brünn 
zurück  bleiben.    Die  Idole  von  Schwarzort  sind  mit  Steinwerkzeugen 


Miscelleu. 


277 


n'y  insisterons  pas*.  Von  dem  eigentlichen  Inhalte  meiner  Arbeit  spricht 
er  mit  keinem  Worte.  Wenn  alle  die  Fehler,  von  denen  er  iu  einer  Note 
U  anführt,  wirklieh  vorhanden  wären,  so  betrafen  sie  doch  nur  Neben- 
sächliches und  würden  an  dem  wesentlichen  Inhalt  meiner  Untersuchung 
gar  nichts  lindern.  Wir  wollen  aber  sehen,  wie  es  sich  mit  den  angeb- 
lichen Irrthümern  verhalt. 

Auf  Seite  67  meiner  Abhandlung  steht:  der  Name  Galator  kann 
von  gala,  Milch  kommen.  Diene  Meinung  hat  von  Becker  a.  a.  O. 
S.  12  geäussert.  Dieselbe  ist  nicht  so  werthlos,  wie  es  scheint.  Becker 
sagt:  Der  erste  Schriftsteller  über  die  Donaugallier  im  dritten  Jahr- 
hundert, Timaeus,  lässt  dieselben  von  einem  Cyelopcn  und  von  der 
Galatea  abstammen,  vielleicht  um  durch  den  Cyclopcn  die  Gottlosig- 
keit der  delphischen  Tempelräuber  lind  durch  die  Galatea  die  milch- 
weisse  Hautfarbe  des  Volkes  zu  bezeichnen,  denn  gala  heissc  Milch  und 
auch  die  Römer  redeten  von  milch  weissen  Halsen  der  Gallier,  Virgil 
Aeneis  VITI  6G1:  lactea  colla  auro  iunectuntur.  Man  kann  gegen  diese 
Ableitung  einwenden,  dnss  das  Wort  dann  Galactea  heissen  müsste,  wie 
ToXöktivo«;  und  viele  andere.  Aber  in  Pape 's  Wörterbuch  der  griech. 
Eigennamen  I  237  wird  faAaGeia  oder  Y<»Xa8€(r|  zuerst  mit  Weissling,  Milch- 
weiss  übersetzt,  er  sagt  S.  231.  die  Grammatiker  führten  auch  einen 
Genitiv  yäXatcx;  an.  Im  griechischen  Wörterbuch  von  P  a  p  o  kommt 
faXaKTÖxpUK  unn  "faXciTÖxpuK  >  y^oktoÖP^MVWv  nnd  YaXaTo6p£uuuiv  vor. 
Wenn  H  e  i  n  a  c  h  a.  a.  O  p.  76  die  lactea  colla  des  Virgil  aur  das  Elfen- 
bein griechischer  Sculpturen  beziehen  will,  so  ist  das  ganz  unstatthaft. 
Virgil  beschreibt  den  Schild,  welchen  Vulkan,  durch  die  Venus  bewogen, 
dem  Aeneas  gefertigt  hatte,  auf  dem  Schicksale  und  Thaten  des  künfti- 
gen Korns  dargestellt  waren.  Zu  einem  Schilde  wird  Vulkan  kein  Elfen- 
bein verwendet  haben.  Wie  Virgil  an  dieser  Stelle  von  gelben  Haaren 
und  gestreiften  Mänteln  spricht,  weil  die  Gallier  solche  trugen,  so  schildert 
er  auch  die  Halse  als  milchweiss,  weil  sie  solche,  hatten  und  nicht  weil  ihm 
griechische  Sculpturen  der  Gallier  in  Elfenbein  vorschwebten.  Diodor, 
Tacitus,  Ammianus  M.  u.  A.  schildern  die  weisse  Haut  der  Gallier.  —  Unter 
dem  biblischen  Sesostris  S.  <>H  ist  nur  der  in  den  Mosaischen  Büchern 
mehrfach  angeführt«  Acgyptcrkonig  zu  verstehen,  der  hier  immer  nur 
Pharao,  aber  seit  Herodot  im  ganzen  griechischen  Alterthum  Sesostris 
genannt  wird.  Man  leitet  diesen  Namen  von  einem  auf  ägyptischen 
Monumenten  vorkommenden  Beinamen  des  Ramses:  Sestesu  her.  Da  die 
Bibel  keine  Namen  der  Könige  nennt,  ist  mit  Sicherheit  nicht  zu  sagen, 
unter  welchem  Joseph  nach  Aegypten  kam,  unter  welchem  Moses  geboren 
wurde  und  die  Juden  Frohndicnste  leisten  musston.  Man  glaubt,  dass 
Joseph  unter  Apepi  I.  nach  Aegypten  kam,  Lepsi  us  setzt  ihn  später,  in 
die  Zeit  des  Seti  I.,  er  hält  Ramses  II.  für  den  Bedrücker  der  Juden  und  lässt 
unter  seinem  Sohne  Mercnptah  ihren  Auszug  geschehen.  Während  Bimsen 


278 


Miscellen. 


in  Sesostris  eine  Coinbiuation  zweier  Herrscher  des  alten  Meiches  sehen  wollt«1, 
wies  L c  |> s i u  s  muh,  dass  Sesostris  dem  Hamses  II.  gleichzusetzen  sei.  Wie 
die  heutige  ägyptische  Forschung  diese  Frage  beantwortet,  fasst  Wi  e  d  e- 
mann,  Geschichte  von  Altägyptcn  1  si>  1  S.  123  in  folgenden  Worten  zu- 
sammen: Kamscs  II.  ist  es  vor  allem,  an  den  die  Sage  von  Sesostris  an- 
knüpft. Sesostris  ist  freilich  nicht  einfach  Kamscs  II.,  er  ist  überhaupt  keine 
historische,  Persönlichkeit  im   strengen  Sinne,  des  Wortes.    Man   hat  die 
wirklich   vorhanden  gewesene  Person  eines  Herrschen»  benutzt,   um  ihr 
alle  Thatcn  und  Erfolge  zuzuschreiben,  welche  ägyptische  Füllten  über- 
haupt je  errangen.    Hösel  Ii  Iii   hatte  in   der  Erklärung  «eines  a.  a.  (). 
Vol.  I  T.  70  erwähnten  Bildes  Kamscs  III.  als  den  Sesostris  bezeichnet. 
Die  grichiseheu  Kxcgeton  nennen  Sesostris  nicht  und  haben  sich  mit  der 
geschichtlichen  Individualität  der  betreffenden  riiaraonen  gar  nicht  be- 
fasst.  —  Dass  die   blonden  Bewohner  des  Atlas  Nachkommen  der  Van- 
dalcn  seien,  hillt  Keinach  für  einen  Irrthum.    Schon  I'riehard  führt 
die  Meinung  an,  dass  die  blonden  Berbern  des  Gebirges  Aureus  die  Ifeber- 
reste  der  von  Belisar  besiegten  Vandalen  seien  a.  a.  0.  II  S.  30.  Au 
einer  anderen  Stelle,  III  120  sagt  er,  Vandalen  drangen  im  Anfang  des 
fünften  Jahrhunderts  mit  Sueven  und  Alanen  in  dallien  ein,  vcrliessen 
Spanien  und  zogen  nach  Afrika.    Auch   neuere  Weisende  haben  über 
diese  blonden  und  blnuäiugigen  Kabylen  berichtet.  Moritz  Wagner  fand 
einen  solchen,  welcher  sagte:  deine  und  meine  VJiter  waren  Brüder.  Die 
Bewohner  von  Algier  nannten  die  Deutschen    in   der  Fremdenlegion 
französische  Kabylen.    Köhlis  sah  in  Marokko  einen  blonden  Berber 
und  horte  eine  ähnliche  Bemerkung  wie  Wagner.    Fr  leitet  die  in  Alge- 
rien und  Tunesien  vorkommenden  Blonden  von  den  in  Nordafrika  sitzen 
gebliebenen  nordischen  Völkern,  den   Vandalen,  Gothen  u.  a.  ab.  Es 
giebt  auch  Zeugnisse  für  einen  viel  illteren  Frsprung  derselben.   F  a  i  ti- 
li e  r  b  e  berichtete  zuerst  auf  der  Anthropologen-Versammlung  in  Brüssel 
C.  r.  1*72  p.  40r.  über  die  zahlreichen  Dolmen  Nordatrika's.  die  sieh  von 
denen  des  westlichen  und  nördlichen  Europas  nicht  unterschieden,  er 
maass  die  Skelette  aus  11  Gräbern  und  fand  eine  grosse,  dolichoecphale, 
llns.se,  er  sieht  sie   abgebildet   in  der  blonden   blauäugigen  Kasse  der 
ägyptischen  Grabgemäldo,   die  in  das  15.  Jahrhundert  vor  Chr.  gesetzt 
werden.    Die  Tuaregs  schienen  ihm  der  reinste  Stamm  dieser  Kasse  und 
ihrer  Sprache  zu  sein,  diese  nennen   ihre  Sprache:  tamahoug.  Faid- 
herbe berichtet   1H74  in  der  Bull,  de  la  Soe.  d  Anthrop.  p.  141,  das» 
Maspero  ihm  mittheilte,  die  Tainahu  würden  i.  J.  3000  vor  Chr.  zuerst 
genannt,  aber  erst  in  einer  späteren  Schreibart  als  Männer  des  Nordens 
bezeichnet.    Vriain  schildert  ebendaseihst  p.  125  die  blonden  Kabylen 
in  Algerien,  zumal  in  der  Provinz  Oran  und  sagt,  dass  Mac  Carthy  diese 
Hasse,  die  sich  in  allen  Stämmen  der  Kabylen  linde,  geradezu  als  ger- 
manisch bezeichne.    Brintun  beobachtete  sie  unter  den  Kabylen  von 


Miscellcn. 


279 


Algier,  Walter  B.  Harris  unter  den  Gebirgsbewohnern  von  Marokko, 
Quedlintcldt,  Zcitschr.  f.  Ktbnol.  1888  S.  115  bemerkt,  das«  sie  voll- 
kommen dem  nordgermauisehen  Typus  gleiche.  In  den  Bull.  1889 
p.  458  werden  die  Tamahu,  deren  Re~stc  unter  den  Berbern  leben,  als 
die  nordeuropiiisehen  Eroberer  Libyens  bezeichnet.  Die  Ansichten  F  a  i  ri- 
ll e  r  b  e's  sind  in  Frankreich  nicht  widerlegt  worden,  wie  aus  dem  Necrolog 
des  verdienten  Forschers  vonLaborde  hervorgeht,  vgl.  Bull.  1889  p.  462. 
Daniel  G.  Brill  ton  fasst,  Raccs  and  peoples,  New  York  1890  p.  118, 
die  blonden  Berbern  des  Atlas,  die  Rifians  in  Marokko,  die  Kabylen 
in  Algerien  unter  dem  Namen  des  libysch-teutonischen  Typus  zusammen. 
—  Wenn  Keinach  es  in  Abrede  stellt,  dass  die  Regeubogenschüsscl- 
chen,  wie  ich  S.  09  sage,  den  asiatischen  Ursprung  der  Cultur  der  Kelten 
bezeugen,  so  muss  er  wiederlegen,  was  Streber,  Abb.  der  K.  Bayr. 
Akad.  d.  W.  B.  IX  und  ich  Rh.  Jahrb.  LXXXVI,  S.  1  darüber  gesagt 
haben  und  die  IJebcreinstiinmuiig  des  Triquetrutn  auf  jenen  Münzen  und 
auf  denen  Lycieus  auf  andere  Weise  erklären,  vgl.  Sir  Charles  Fei  low. s, 
Coins  of  ancient  Lycia  London  1855.  —  Rein  ac  h  bezweifelt,  dass  die 
Bronzeaxt,  S.  70,  Kolt  genannt  worden  sei,  weil  man  sie  deu  Kelten  zu- 
schrieb. Die  Mittheilung  des  Herrn  von  Becker  über  die  Geschichte  des 
Wortes  Celt  im  Archiv  f.  Anthrop.  X  ist  vom  December  1876.  Er  führt 
an,  dass  Schreiber  1H39  den  Celt  die  Nationalwaffe  der  Kelten  genannt, 
es  aber  unbestimmt  gelassen  habe,  ob  das  Volk  von  der  Waffe  oder  diese 
von  jenem  den  Namen  führe.  Kr  sagt  nicht,  woher  er  die  Angabe  hat, 
dass  das  lateinische  Wort  celtis  aus  einem  Schreibfehler  des  Wortes  celte 
statt  certe  in  der  lateinischen  Uebersetzung  der  Stelle  Hiob  c.  19  v.  23 
entstanden  sei.  Am  ausführlichsten  hat  J.  Evans,  The  ancient  Bronce- 
Implements  of  Greal  Britain  and  Ireland,  London  1H81  p.  27  Uber  den 
Ursprung  des  Wortes  celt  geschrieben.  Er  führt  an,  dass  Beyer  vor 
200  Jahren  schon  angegeben  habe,  dass  einige  Handschriften  der  Vulgata 
an  der  betreffenden  Stelle  certe  statt  celte  schrieben  und  dass  diese 
wahrscheinlich  die  iiitesten  und  besten  seien.  Beyer  bildet  in  seinem 
Thesaurus  Brandenburgensis  16%  einen  celt  nb  unter  der  Benennung 
Ccltes.  Er  glaubt,  dnss  derselbe  ein  Werkzeug  des  Bildhauers  sei.  SpUter 
hielt  man  die  Celte  für  römischen,  britischen  oder  gallischen  Ursprungs. 
Pogge  leitete  17*7  den  Namen  Celt  nicht  von  celtis,  sondern  vom  ccltischen 
Volke  her.  Evans  glaubt,  dass  man  diese  Instrumente  möglicher  Weise 
Celte  genannt  habe,  weil  es  nahe  lag.  sie  mit  den  Gelten  in  Verbindung 
zu  bringen.  Aus  dieser  Ursache  hatten  französische  Forscher  einen  neuen 
Plural  des  Wortes,  Celtac  gebildet.  Ebenso  habe  man  sie  in  England 
allgemein  den  alten  Celtae  zugeschrieben.  —  Auf  Seite.  73  sage  ich,  die 
Alten  kannten  in  vorrömischer  Zeit  das  Ziegelbrennen  nicht.  Dieser  Satz 
ist  freilich  nur  für  Europa  richtig.  Es  ist  bekannt,  dass  die  Mauern  von 
Babylon  im  Innern  aus  Luttziegeln  gebaut  waren,  nach  M  e  n  a  n  t,  Baby- 


280 


Miseellen. 


Ion«-  et  In  Chaldec  |>.  IM  waren  sie  aber  nach  aussen  mit  gebrannten 
Ziegeln  Iteileckt.  Schon  H  e  r  odot  berichtet  I  179,  das*  die  50  Wien 
breite,  und  200  Wien  liolie  Umfassungsmauer  Babylons  aus  in  Oefen  ge- 
brannten  Ziegeln  und  aus  heissem  Krdpeeli  gebaut  sei.  In  Theben  ist 
eine  kleine  Mauer  aus  der  21.  Dynastie  in  ihren  Trümmern  erhalten,  die 
aus  gebrannten  und  gestempelten  Ziegeln  errichtet  ist.  Die  Umfassungs- 
mauern der  Tempel  in  Aegypten  bestanden  aus  ungebrannten  Ziegeln 
oder  waren  nur  Krdwälle.  Auch  fertigten  die  Aegyptcr  aus  ge- 
branntem Thon  glasirtc  Platten  zum  Verstieren  der  Wände  an.  Kniest 
de  Sar7.ee,  Dccouv.  en  Chaldce  Paris  18*7  berichtet,  dass  sich  in  den 
Hauten  von  Goudea  rohe  und  gebrannte  Ziegel  finden,  die  letztern  tragen 
den  Namen  eines  Gottes.  Doch  giebt  es  auch  in  Asien  kein  grösseres 
Gehilude  aus  dem  Alterthum,  welches  ganz,  aus  gebrannten  Ziegeln  er- 
richtet wäre.  Man  ging  mit  denselben,  wie  K  a  u  1  e  n  glaubt,  sparsam 
um,  weil  es  im  Lande  an  Brennmaterial  fehlte.  In  der  Bibelstelle,  Moses 
11,  kann  das  hebräische  Wort  für  Brennen  nach  ihm  nur  auf  künstliche 
Glüht  bezogen  werden.  Schliem  nun  sagt,  Troja  p.  60  und  76,  dass 
Tempel-  und  Festungsmauern  daselbst  aus  Ziegeln  gebaut  sind,  die  erst 
nach  Krrichtung  der  Mauern  gebrannt  worden  seien.  Das  zu  beiden  Seiten 
der  Mauer  angezündete  Feuer  konnte  um  so  stitrker  wirken,  als  dieselbe 
der  Lange,  und  Quere,  nach  von  Kanülen  durchzogen  war,  die  mit  Holz 
gefüllt  waren,  das  im  gebrannten  Thon  Kindrücke  hinterlassen  hat.  Die 
Thonschichten  zwischen  den  Ziegeln  sind  ebenso  stark  gebrannt  wie  diese 
selbst.  Je  naher  die  Ziegel  bei  den  Kanälen  waren,  um  so  starker  sind 
sie  gebacken.  Bilder  veranschaulic  hen  den  Bau  der  Mauer.  Diese  Bau- 
weise war  sieher  das  Vorbild  unserer  Ziegelüfen.  Nach  Sayce  a.  a.  O. 
p,  ISO  war  der  von  Nebuchadnezzar  gebaute  Tempel  Birs-i-Niinrud 
ebenso  gebaut.  Im  Globus  B.  Xlll  S.  &>:i  ist  über  Le.jeans  Heise  nach 
Bahylonien  im  Jahre  IHM  berichtet.  Dieser  spricht  von  verglasten  Blöcken 
auf  dem  Gipfel  des  Hügels,  auf  dem  der  Birs  Nimrud  steht.  Auch  er 
glaubt,  dass  sie  die  Bekleidung  des  Denkmals  bildeten  und  verspottet 
die  Meinung,  dass  ein  Blitzstrahl  den  Thurm  getroffen  habe.  Die  ver- 
glasten Burgen  Schottlands  sind  ein  weiteres  Beispiel  dieser  Bauweise. 
Butler  hat  ihr  Vorkommen  in  Amerika,  Daubree  in  Frankreich  be- 
schrieben, sie  sind  im  Wsass  und  in  Böhmen  bekannt.  Virchow  hat 
verschlackte  Mauern  in  Sachsen  und  Schlesien,  ich  selbst  eine  solche 
bei  Kirn-Sulzbach  im  Rheinland  beschrieben,  Anthropologen-Versammlung 
in  Kegensburg  18H1  S.  113  u.  Verh.  d.  Xaturh.  V.  iW>  Stab.  S.  7.  Die 
Beweisstücke  der  von  mir  selbst  ausgegrabenen  Mauerrest«-  sind  in  meiner 
Sammlung.  Dörpfeld,  Der  antike  Ziegelbau  u.  s.  w.  Festschr.  f. 
Curtius  Berlin  1S8-1,  bestätigt,  dass  die  sitmmtlichen  Mauern  von  Ilion, 
auch  die  von  Mykene,  Tiryns,  Klcusis,  wie  die  der  Städte  in  Mesopotamien 
aus  Luftziegeln  gebaut  sind.    Kr  scheint  aber  abweichend  von  Sehlie- 


Miscellcn. 


281 


mann  zufälligen  Brand  als  Ursache  der  Verschickung  anzunehmen  und 
bemerkt,  «hiss  die  Zievel  und  die  Lchmschichtcn  dazwischen  zu  hartem 
Stein  gebrannt  «den.  Noch  heute  würden  in  Griechenland  die  Luft- 
ziegel gebraucht  und  heute  würden  stur  Verstärkung  der  Mauern  Längen- 
und  Querhölzer  horizontal  in  dieselben  eingelegt.  Es  int  wenig  wahr- 
scheinlich, dass  bei  oberirdischem  Brande  die  Fundamente  in  der  Tiefe 
der  Krde  sollten  vollständig  verschlacken  können.  —  Ich  hatte  auf  S.  7t> 
gesagt,  dass  der  Gallier  der  Gruppe  Ludovisi  einen  Halsring  trage,  weil 
de  Baye  a.  a.  0.  S.  12  so  berichtet  hat.  In  einer  neueren  Zuschrift 
hält  derselbe  es  für  möglich,  dass  man  Falten  des  Gewandes  für  «'inen 
Torques  gehalten  habe.  —  Wenn  Bei  nach  sagt,  es  giebt  keinen  Gallier- 
kopf in  Marmor  zu  Bologna,  so  wird  jeder  Leser  glauben,  dass  eine 
solche  Büste  dort  nicht  vorhanden  sei.  Ich  habe  aber  nur  das  Versehen 
begangen,  «inen  Mannorkopf  daselbst  anzuführen,  wahrend  die  Büste 
aus  Kalkstein,  calcaire,  gefertigt  ist.  Bei  nach  selbst  führt  sie  S.  <>  als 
Porträt  eines  keltischen  Häuptlings  an.  —  Gegen  meine  Behauptung  S.  77, 
dass  der  Torques  für  einen  Schmuck  der  Männer,  nicht  der  Weiher  zu 
halten  sei,  macht  er  den  Einwurf,  dass  die  Abwesenheit  des  Torqu«>s  in 
den  männlichen  Gräbern  der  Champagne  eine  ausgemachte  Sache  sei, 
als  wenn  dieser  Umstand,  gegen  die  Zeugnisse  der  Schriftsteller,  die 
bildlichen  Darstellungen  und  andern  Gräberfund«*  irgeml  Beachtung 
verdiente.  Baron  de  Bnye  stellt,  sur  l'usage  du  tori|ues  cliez  les  Gallois, 
in  den  Bull.  d.  trav.  bist.  1885  Xr.  2  zahlreiche  Grabfunde  zusammen, 
«lio  beweisen,  dass  «1er  Torques  ein  Schmuck  der  Männer  war.  —  Ich 
sage  in  meiner  Abhandlung,  man  glaubt,  dass  «ler  Sarkophag  von  Aminen- 
dola  «lie,  Schlacht  bei  Telamon  vorstelle,  was  Bei  nach  iu  der  bestimm- 
testen Weise  verneint.  Ich  bezog  mich  auf  die  Ansicht  Nibby's,  die  von 
Braun  getbeilt  war.  In  d«>in  Worte:  man  glaubt,  war  von  mir  «las  l'u- 
stchert!  der  Deutung  bezeichn«*t.  Beinach  hat  iu  dem  angeführten 
Aufsatze  Bevue  nrchcol.  188!)  diesem  Alterthum  eine  sehr  ausführliche 
Betrachtung  gewidmet,  welche  die  Unmöglichkeit  von  N  i  b  b  y  's  Ansicht 
begründen  soll.  Ich  stelle  iu  Abrede,  dass  Bein  ach  einen  vollgültigen 
Beweis  für  seine  Ansicht  beigebracht  hat.  Wie  er  selbst  erzählt,  haben 
schon  1830  Baoul-Bochette  un«l  Attiati  in  diun  genannten  Belief  andere 
Darstellungen  gesehen,  jener  die  Schlacht  bei  Delphi,  dieser  eine  Nieder- 
lage der  Galatcr  in  Kleln«si«>n.  Nibby  vcrinuthvto  1810,  tlass  ein  Nach- 
komme «les  Consuls  Atilius  Kegulus  in  dem  Sarge  bestattet  gewesen  sei, 
und  «lnss  sich  die  Darstellung  auf  den  Tod  «les  letzteren  in  «ler  Schlacht 
bei  Telamon  beziehe.  Auch  der  Gallierkönig  Aneroestus,  der  sich  selbst 
tödtete,  sei  «largestellt,  wie  «ler  zweite  Keltenkönig  Concolitanus,  der  ge- 
fangengenommen wurde.  Dh>s«  Beziehungen  kann  mau  für  sehr  fraglich 
halten  und  doch  annehmen,  das  iu  Born  gefundene  Belief  sei  eine  Dar- 
stellung der  in  Ktruricn  gelieferten,  von  Polyhiu«,  H  27—31  so  lebhaft  be- 


Miscellen. 


sehriebeiicn  Schlacht  bei  Tetamun.  Dass  Aucrocstus  mich  Polybius  sich  erst 
nach  der  Niederlage  der  Gallier  tödtete,  liier  wahrend  der  Schlacht,  ist 
nicht  cntM-hcidcnd  für  das  Gegcntheil.  Die  neuere  Forschung  hat  fest- 
gestellt, dass  der  Styl  des  Reliefs  dem  zweiten  Jahrhundert  n.  Chr.  an- 
gehört und  dass  die  einzelnen  Gruppen  in  Kunstwerken  der  Pergameui- 
schen  Schule  wiedergefunden  werden.  Dass  der  Künstler,  der  die  Schlacht 
hei  Tetamun  darstellen  wollte,  griechische  Vorbilder  benutzt  hat,  ist  sehr 
natürlich  und  zeigt  sich  schon  in  dein  einer  phrygischen  Mütze  gleichen- 
den Helme  eines  Kriegers;  auch  berichtet  Plinius,  dass  mehrere  Künstler 
die  Kampfe  desAttalus  und  Kutnenes  gegen  die  Gallier  dargestellt  hatten. 
Dieser  Umstand  beweist  für  den  Gegenstand  unserer  Darstellung  gar  nichts. 
Auch  Brun  n  hat.  was  Ii  e  i  n  a  c  h  nicht  anführt,  J  doui  di  Attalo,  Ann. 
del  Instit.  1S70  p.  301  auf  den  Kintluss  der  Kunstwerke  von  Pcrgamon 
auf  die  Darstellung  von  Galliern  aufmerksam  gemacht  und  Gruppen 
des  Sarcophags  von  Animeudola  mit  solchen  Bildern  verglichen.  Dass 
iiihii  Sarcophage  mit  Gallicrsehlachten,  wie  die  mit  mythologischen  Dar- 
stellungen, im  Voraus  für  den  Verkauf  gearbeitet  haben  soll,  ist  viel 
weniger  wahrscheinlich,  als  dass  ein  Künstler  zur  Zeit  der  Antouino  noch 
für  die  Schlacht  bei  Tetamun  sich  begeistern  konnte.  Auf  römischen 
Sarcophagen  sollen  niemals  Scenen  aus  der  römischen  Geschichte  dar- 
gestellt sein,  aber  solche  sind  auf  dem  Triumphbogen  des  Titus  und  dem 
von  Orange,  wie  auf  der  Trajansaule  in  Rom  dargestellt!  Dass  man 
auf  den  beiden  letzteren  Kunstwerken  auch  Beziehungen  zu  den  Skulp- 
turen von  Pergamon  findet,  zeigte  Leu  or  ma  n t.  Warum  sollen  Nero  und 
Sueton  sich  geirrt  haben,  wenn  sie  auf  einem  Grabmal  der  Via  Appia 
einen  römischen  Krieger  sahen,  der  einen  Gallier  an  den  Haaren  schleift? 
Ks  kommen  ähnliche  Darstellungen  auf  römischen  Münzen  vor.  Auf  einer 
Münze  der  Familie  Sergia  ist  ein  Heiter  mit  dem  abgeschnittenen  Kopfe 
eines  Galliers  zu  sehen.  Alle  Gründe,  mit  denen  Reinach  seine  Mei- 
nung vertheidigt,  können  bestritten  werden.  —  Ich  führe  S.  101  an,  dass 
die.  Chnhern,  wie  auch  Pr  i  c  Ii  a  r  d  annimmt,  Gallier  waren.  AuchLivius 
bezeichnet  sie  als  solche  und  Tacitus  nennt  sie  Germauen.  Warum 
laugncl  dies  R  e  i  n  a  c  h  ?  Wie  kann  R  e  i  n  a  c  h  sich  in  solchen  Fragen 
ein  Urtheil  beimessen,  die  so  weit  ah  vom  Gebiete,  seiner  Studien  liegen? 
Ks  ist  um  so  auffallender,  dass  R  e  i  n  a  c  h  die  Cimbern  nicht  für  Gelten 
halten  will,  weil  gerade  die  französischen  Forscher  nach  dem  Vorgange 
von  Thier ry  diese  Ansicht  verbreiteten.  -  Meine  von  Roinach  an- 
gegriffene Behauptung  auf  S.  104,  dass  im  Gebiete  derGaronne  im  fünften 
Jahrhundert  noch  keltisch  gesprochen  worden  sei,  habe  ich  von  Becker 
a.  a.  O.  S.  59  entlehnt.  Dieselbe,  ist  wohl  begründet.  Ammianus  Marcel- 
linus sagt  um  400,  von  Lugdunum  an  nördlich  werden  die  Strassen  nicht 
mehr  nach  römischen  Million,  sondern  nach  gallischen  Lengen  gemessen. 
Auch  Prien ard  sagt  III  S.  56,  wir  haben  allen  Grund  zu  glauben, 


Mitwelten. 


2X3 


dass  die  keltische  Sprache  iu  einigen  Theilen  Cullit-ns  faxt  bis  zum  Knde 
der  römischen  Herrschaft  fortgesproehen  wurde.  De  Ii  a  n  s  e  erwähnt 
Bull,  du  la  Soe.  d'Antbrop.  1H416  p.  4*7,  da««  nach  Sidonius  Apollinaris, 
der  im  fünften  Jahrhundert  lebte,  die  Gebildeten  in  den  Städten  damals  latei- 
nisch schrieben,  wahrend  das  Volk  noch  das  Keltische  beibehalten  hatte. 
—  Ich  bedauere,  dem  Herrn  K  e  i  n  a  c  Ii  nicht  einmal  das  Verdienst  zuer- 
kennen zu  können,  zwei  Druckfehler  meines  Textes  entdeckt  zu  haben. 
Auf  Seite  7<>  steht  Vincetorix  statt  Vercingetorix  und  Arminium  statt 
Ariminum.  Ks  ist  ihm  viel  angenehmer,  mir  diese  Druckfehler  als  Irr- 
thttmer  anrechnen  zu  können.  Er  sehreibt:  ich  kenne  keinen  Vincetorix 
und  Arminium  ist  nicht  das  alte  Kimini! 

Dan  Urtheil  des  Herrn  Hein  a  c  h  Uber  meine  Schreibweise  schlage 
ich  sehr  gering  an.  Hat  doch  der  verdiente  B.  P  o  in  e  r  o  I  in  würdigerer 
Weise  meine  Schriften  seinen  Landsleutcn  empfohlen.  Ich  scheue  mich 
nicht,  den  Verunglimpfungen  Keinach's  gegenüber  seine  Worte  aus 
den  Matcriatix  pour  Hilst,  prim.  et  natur.  de  l'homme  2.  Ser.  XI  1HH0 
p.  4*  hier  mitzutheilen :  „Les  travaux  du  Dr.  Schaaff hausen,  que  nous 
venons  d'analyser,  montrent  a  chaque  instant  le  vaste  savoir  de  rauteur, 
sa  methode  vraiment  scientitique,  la  rectitudo  <le  son  jugement  et  I  on  ne 
saurait  trop  eu  recommander  la  lecture  a  ceux,  qui  veulcnt  eviter  les 
ecueils,  dont  est  seine,  de  uns  jours  eueore,  le  chainp  de  rauthropologie." 
Iu  fast  allen  vorgeschichtlichen  Fragen  ist  Herr  Reinach  mein  Gegner. 
Wie  unzuverlässig  und  unvollständig  die  Angaben  des  Herrn  Kein  ach 
iu  solchen  Untersuchungen  sind,  möge  mau  daraus  entnehmen,  dass  er, 
Antiquites  nation.  I  p.  30*)  den  Neanderthaler  SchHdel  in  Würtemberg  ge- 
funden sein  laust.  Meine  Abhandlung  über  den  Neanderthaler  Fund 
vom  .fahre  lfM  verlegt  er  p.  133  iu  das  Jahr  1H7S.  Ich  soll  p.  17G  die 
L a rt  c t  'sehe  I'laitc  mit  dem  Mammuthbilde  mit  einer  andern  verwechselt 
haben.  Neben  dein  von  mir  restaurirten  Kopfe  des  Neanderthalers,  den 
er  p.  133  nur  der  Curiosititt  wegen  wieder  giebt,  bildet  er  einen  SchHdel 
ab,  der  damit  gar  keine  Gemeinschaft  hat.  Auf  p.  131  führt  er  den  An- 
griff Hölders  auf  meine  Forschungen  im  Ausland  1885  Nr.  lö  an,  ver- 
schweigt aber  meine  Antwort  iu  demselben  Jahrgang  dieser  Zeitschrift 
Nr.  30.  Das  sind  einige  der  Fehler  des  Herrn  Keinach,  die  ich  berich- 
tigen will.  Fr  hat  aber,  anstatt  die  von  ihm  gerügten  zahlreichen  Irr- 
thümer  in  meinem  Aufsatze  nachgewiesen  zu  haben,  nur  ein  wahres 
Probestück  einer  leichtfertigen  Berichterstattung  geliefert. 

Schaafhausen. 

9.  Zu  Jahrbuch  XCII  S.  145  f.  Auf  Wunsch  des  Herrn  Archiv- 
Directors  Dr.  Wolfram,  der  sich  eine  eingehende  lleplik  gegen  die 
Ausführungen  des  Herrn  Dr.  Cl  einen  vorbehält,  und  im  Hin  Verständ- 
nis» mit  Herrn  Dr.  C lernen  bringen  wir  hiermit  das  im  Jahrbuch  92 


S84 


Miscellen. 


S.  115  f.  erwähnte,  von  Metz,  den  10.  Februar  1HD2  dalirtc,  an  Horm 
Dr.  Wolfram  gerichtete  Schreiben  des  Herrn  Baurath  Tornow, 
un(or  Fortl.is.sung  einiger  unwesentlicher,  die  in  Frage  Htchende  An- 
gelegenheit nicht  weiter  berührender  Stellen,  im  Wortlaut«  zum  Abdruck : 

„Sehr  wider  meinen  Willen  sehe  ich  mich  durch  Hineinziehen  meiner 
Person  von  Ihrer  Seite  aus  in  die  Polemik  über  da»  Alter  der  Reiter- 
statuette Karl  s  d.  Gr.  (Jahrbuch  der  Gesellschaft  für  lothr.  Geschichte 
und  Alterthuniskuudc,  Jahrgang  III  Seite  336  ff.)  zu  nachstellender  Ent- 
gegnung gezwungen  .... 

Zunächst  will  ich  gern  annehmen,  dass  die  in  der  von  Hillen  ge- 
wählten Form  der  Begründung  des  Wertlies  meines  Gutachtens  gelegene 
Zweideutigkeit  eine  unbeabsichtigte  ist.  Mag  die  gewilhlte  Fassung,  be- 
sonders wegen  Benutzung  von  Gansclüssehen  bei  zwei  Worten,  wozu, 
im  Interesse  textlicher  Deutlichkeit  allein,  eine  begründete  oder  zwingende 
Veranlassung  jedenfalls  nicht  vorlag,  auf  den  unbefangenen  Leser  auch 
im  ersten  Augenblick  den  Kindruck  machen,  als  ob  in  derselben  implicit-o 
eine  Herabsetzung  des  Werthes  meiner  eigenen  Meinung  ausgedrückt  sei, 
so  liegt  andererseits  eine  zwingende  Notwendigkeit  zu  einer  solchen 
Schlussfolgerung  deswegen  nicht  vor,  weil  eine  andere  Deutung  immer- 
hin möglich  ist  ...  . 

Zur  Sache  selbst  bemerke  ich,  dass  aus  der  Fassung  meines,  übri- 
gens keineswegs  für  die  Öffentlichkeit  bestimmt  gewesenen  Berichtes 
deutlich  hervorgeht,  dass  es  sich  um  eine  nur  v  o  r  III  u  f  i  ge  Mittheilung 
handelt,  auch  beweist  das  Datum  desselben,  dass  dieser  Bericht  erstattet 
wurde  vor  Abgabe  des  Gutachtens  des  Professors  aus'in  Weerth, 
zu  welch'  letzterem  derselbe  auf  meinen  Antrag  hin  im  Auftrage  Sr. 
Excellenz  des  Herrn  Staatssecretars  durch  mich  eingeladen  war,  und  dass 
in  dieser  Mittheilung  meinerseits  nichts  weiter  enthalten  ist  als  eine,  vor- 
lautige, vor  Absclduss  seiner  Arbeit  enthaltene  Vormuthung  aus'm 
Weerths,  die  sich  ferner  nicht  auf  seine  oder  meine  Wahrnehmungen, 
sondern  auf  diejenigen  dein  letzten  bekannter  französischer  Aichilologen 
stützt.  Diese,  in  dieser  Gestalt  ausgedrückte  Vermuthung  hatte  natur- 
geinHss  nicht  den  geringsten  bindenden  Zwang  auf  den  thatsKchlichen 
Ausgang  de*  endgültigen  Ergebnisses  der  von  aus'm  Weerth  ange- 
stellten Untersuchungen,  und  wie  Ihrerseits  geschehen,  Schlüsse  so  sehr 
weit  tragender  Bedeutung  gerade  hieraus  zu  ziehen,  scheint  wahrlich 
mehr  als  gesucht  und  gewagt.  Vollends  unverständlich  aber  ist  es,  wie 
Sie  hieraus  und  bei  dieser  offenkundigen  Lage  der  Sache  einen  Wider- 
spruch herzuleiten  vermögen  zwischen  einer  vermeintlich  nachträglich 
geänderten  Meinung  meinerseits  gegenüber  einem  von  mir  abgegebe- 
nen ersten  Gutachten. 

Am  meisten  jedoch  bedauere  ich,  dass  Ihre  Behauptung,  ich  zuerst 
in  Deutschland  hatte  auf  die  karolingische  Herkunft  der  Figur  aufmerk- 


Miscellen. 


285 


sam  gemacht,  eine  Unrichtigkeit  enthält.  Schriftstellerischem  Gebrauche 
gemäss  lässt  die  von  Ihnen  gewühlte  Ausdnuksform  die  Deutung  zu, 
als  oh  ich  jene  Mittheilung  öffentlich  gemacht  hatte,  was  thatsHch- 
lieh  nicht  der  Fall  ist,  da  ich  gleich  von  vornherein  das  Beschreiten 
diese»  Weges  in  dieser  Frage  als  einer  solchen,  die  keineswegs  auf 
meinem  Spedalgebiete  liegt,  als  nicht  für  angemessen  erachtet  habe.  Da 
aber  der  herrschende  Gebrauch  allein  nicht  die  Notwendigkeit  des 
Schlusses  einer  dementsprecheuden  Deutung  des  Wortlautes  Ihrer  Be- 
hauptung bedingt,  so  nehme  ich  Abstand,  die  Begründung  für  meine 
am  Eingange  dieses  Absatzes  ausgesprochene  Bemerkung  hieraus  herzu- 
leiten, vielmehr  geschieht  dies  in  zwingender  Weise  an  derlland  dei  That- 
sache,  dass  auch  nicht  einmal  als  der  Verfasser  meines  ersten,  wie  bemerkt 
nicht  für  die  Oeffentlichkeit  bestimmten  Berichtes  an  die  mir  vorgesetzte 
Behörde,  in  welchem  also  meine  erste  schriftliche  Aeusserung  in  dieser 
Sache  vorliegt,  ich  desswegen  nicht  als,  wie  Sie  behaupten,  der  erste  in 
Deutschland  gelten  kann,  der  auf  die  Statuette  aufmerksam  gemacht  hat, 
weil  gerade  in  diesem  Berichte  ich  meine  erste  Kenntniss  vom  Vorhanden- 
sein derselben  auf  eine  Notiz  in  Stacke's  deutscher  Geschichte  zurück- 
führe. Bin  ich  auch  gern  geneigt,  den  Ausdruck  der  somit  in  Ihrer 
obigen  Behauptung  liegenden  Unrichtigkeit  für  einen  uubewussten  zu 
halten,  so  kann  ich  doch  andererseits  nicht  umhin,  aus  dem  mehr  als 
geringen  Maas»  der  Gründlichkeit,  mit  welchem  Sie  hiernach  von  der 
Befassung  meinerseits  mit  dieser  Frage  Kenntniss  genommen  haben, 
einen  Schhiss  zu  ziehen  auf  den  Werth  der  von  Ihnen  Ihrerseits  her- 
geleiteten Schlußfolgerungen  in  dieser  Angelegenheit.- 


IV.  Berichte. 


1.  Generalversammlung  des  Vereins  am  29.  Juli  1892. 

Der  Vorsitzende,  Geh. -Rath  Schaafhausen  begrtisst  die 
anwesenden  Mitglieder  und  verliest  folgenden  Jahresbericht: 

„Die  Zahl  der  Mitglieder  des  Vereins  betrug  mit  Einsehluss 
der  Ehrenmitglieder,  der  Schulanstalten  und  des  Vorstandes  nach 
dem  Jahresbericht  vom  26.  Juni  1891:  ßtil. 

Oestorben  sind  seit  der  Generalversainndung  des  vorigen  Jahres 
folgende  11  Mitglieder: 

Herr  Professor  Dr.  Mösl  er  in  Trier, 
„    Oberpfarrer  N  a  g  c  1  s  c  h  m  i  d  t  in  Zülpich, 
n    General  von  Veith  in  Bonn, 
„    General  FrciheiT  von  Rosen  in  Wiesbaden, 
„    Freiherr  von  L  i  e  b  i  e  g  zu  Reichenberg  in  Böhmen, 
„     ßanquicr  Trinkaus  in  Düsseldorf, 
„    Canonicum  Straub  in  Strassburg, 
„    Gymnasialdirector  Dr.  Binsfeld  in  Coblenz, 
„    Professor  J.  de  Wal  in  Leyden, 
n    Gutsbesitzer  Willi.  Mendel  söhn  in  Bonn, 
„    Banqnicr  Joseph  Goldsehmidt  in  Bonn. u 
Die  Mitglieder  erheben  sich  zum  ehrenden  Andenken  an  die 
Verstorbenen  von  ihren  Sitzen.    Der  Vorsitzende  bemerkt : 

„Unter  den  Hingeschiedenen  betrauern  wir  ein  um  den  Verein 
hochverdientes  Mitglied,  das  eine  lange  Reihe  von  Jahren  uns  ein 
treuer  Mitarbeiter,  vielen  von  uns  ein  lieber  Freund  gewesen  ist 
und  in  unsern  Jahrbüchern  zahlreiche  Arbeiten  niedergelegt  hat,  die 
von  seinem  sorgfältigen  Fleisse  und  seiner  Begeisterung  für  die 
archäologische  Forschung  ein  rühmliches  Zeugnis»  ablegen.  Er  war 


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Generalversammlung:  des  Voreins  am  29.  Juli  1892. 


2*7 


durch  seine  militärische  Laufbahn  insbesondere  dazu  befähigt,  Uber 
Wege,  Befestigungen  und  Kriegszüge  der  Römer  uns  neue  Auf- 
schlüsse zu  geben  und  seine  Arbeiten  durch  von  ihm  selbst  gezeich- 
nete vortreffliche  Karten  zu  illustrircn.  Ihm  verdanken  wir  die 
Beschreibung  des  Bonner  Castrums.  Es  ist  General  vnnVcith. 
Wir  werden  ihm  ein  treues  Andenken  bewahren. 

Ausgetreten  sind  für  das  Jahr  1892  9  Mitglieder,  so  dass  der 
Verein  mit  den  1 1  Gestorbenen  einen  Gesammtverlust  von  20  Mit- 
gliedern erfahren  hat.  Diesem  Verlust  steht  ein  Gewinn  von  20 
neuen  Mitgliedern  gegenüber.  Die  Mitglicderzahl  ist  sich  also  gleich 
geblieben. 

Die  neu  eingetretenen  Mitglieder  sind  die  Folgenden: 
Herr  Rechtsanwalt  Dr.  Land  w  e  h  r  in  Königswinter, 

„    Dr.  Götz  Marti  Iis  in  Bonn, 

„    Sebastian  Mcrtz,  Rentner  in  Köln, 

„    Schunk,  Kaufmann  in  Bonn, 
Das  Bischöfliche  Priesterseminar  in  Trier, 
Herr  Professor  Dr.  Z  i  t  c  1  m  a  n  n  in  Bonn, 

„    Professor  Dr.  Bender  in  Bonn, 
Frau  Wittwe  Wilde  in  Bonn, 

Herr  Landgerichtsrath  Hubert  Schaafhausen  in  Köln, 
Die  Bibliothek  des  akademischen  Kunstmuseums  in  Bonn, 
Frau  Wittwe  Firmen  ich -Rieh  arz  in  Bonn, 
Herr  M  0 1 1  e  n  m  e  i  s  t  e  r,  Kaufmann  in  Aachen, 
„    Professor  Reinhold  Koscr  in  Bonn, 
„    Director  Beger  in  Ehrcnfeld  liei  Köln, 
„    Pfarrer  Dr.  Norrenberg  in  Süchteln, 
Freifrau  Angel ica  Licbicg  zu  Rcichcnbcrg  in  Böhmen, 
Herr  H.  Seyffardt  in  Crefeld, 
Sc.  Excellenz,  Geheimrath  Dr.  Huyssen  in  Bonn, 
Herr  Bürgermeister  Friedrich  Kreitz  in  Königswinter. 
Seit  der  letzten  Versammlung  ist  das  von  Herrn  Dr.  Rone 
verfasste  Register  II  für  die  Hefte  LX1  bis  XO  als  Heft  XCI  er- 
schienen, ferner  die  Festschrift  zum  50  jährigen  Jubiläum,  die  einen 
Aufwand  von  Mk.  1678.94  verursacht  hat,  ferner  wnrde  Heft  XOII 
mit  11  Tafeln  und  22  Testbildern  ausgegeben.  Das  Heft  XCIII  wird 
in  einigen  Wochen  fertig  gestellt  sein. 

Ich  lege  mit  unseren  Sitznngs-Protokollen  die  Jahresrcehnung 


288 


Generalversammlung:  dos  Vereins  am  29.  Juli  1892. 


ltlr  1891  mit  den  zugehörigen  Belegen  vor  und  tlicilc  wie  gewöhn- 
lich einige  Hauptpost en  aus  denselben  mit: 

Die  Gesammtciunahmc  betrug  1S91:  Mark  0501.58  gegen 
(1505.50  im  Jahre  1*90,  die  Ausgabe  betrug  Mark  0245.22  gegen 
5846.92,  sodass  am  31.  Dezember  1891  ein  Kasscnhcstnnd  vou 
Mark  316.30  verblieb  gegen  Mark  058.58  im  Vorjahre. 

Der  Bestand  unserer  Kasse  ist  beute  Mark  1703.02  gegen 
Ml ($.58  am  20.  Juni  1891. 

Es  betrugen  die  Ausgaben:  im  J.  1890: 

für  Drueksaehen,  einschliess- 
lich der  Festsebrift    .    .    Mark  3005.52  gegen  2410.78 
lllr  Zeichnungen  und  die  Her- 
stellung von  Tafeln   .    .      „      3X2.83     „  421.30 

für  Honorare   599.25     „  1350.— 

für  die  Bibliothek  ....  „  088.35  „  455.75 
fllr  Buchbinderarbcit  ...  „  395.20  ..  578.40 
für  KasscnfUhrung,  Porto  und 

verschiedene  Ausgaben  .  „  554.92  „  553.59 
Von  den  im  vorigen  Jahre  gewühlten  Herren  Revisoren  Dr. 
Hauptmann  und  Hauptmann  Würst  ist  der  erstcre  auf  Reisen 
abwesend,  der  andere  von  Bonn  weggezogen  und  hat  der  Vorstand, 
um  sie  zu  ersetzen,  Herrn  Major  von  Clacr  und  Herrn  Wilhelm 
G  c  o  r  g  i  gebeten,  für  sie  die  Prüfung  der  Rechnung  zu  Übernehmen. 
Der  Vorstand  bittet,  die  Wahl  der  beiden  Herren  nachträglich  zu 
genehmigen."  Dies  geschieht.  „Die  Revisoren  haben  die  Rech- 
nung richtig  befunden  und  der  Vorstand  bittet  dein  Herrn  Rendantcn, 
Reclinungsrath  Fr  icke  die  Entlastung  zu  erthcilen."  Sie  wird 
crtheilt. 

Der  Vorsitzende  dankt  den  genannten  Herren  für  ihre  Mühe- 
waltung und  schlägt  vor,  die  Herrn  Dr.  Hauptmann  und  Herrn 
Obcrstlieutcnant  Heyn  als  Revisoren  für  das  nächste  Jahr  zu 
wählen.    Beide  Herren  werden  gewählt  und  nehmen  die  Wahl  an. 

»Sodann  wird  zur  Neuwahl  des  Vorstandes  geschritten.  Der 
bisherige  Vorstand  wird  durch  allgemeinen  Zuruf  wieder  gewühlt. 
Der  Vorsitzende  dankt  für  das  dem  Vonstand  bewiesene  Vertrauen 
und  fährt  fort  : 

„Ich  erlaube  mir  noch  folgende  Mittheilungen  zu  machen:  Der 
Bau  des  neuen  Provinzial-Museums  ist  in  erfreulicher  Weise  vollendet 
worden,  die  innere  Ausstattung  wird  in  diesem  Herbste  fertig,  so 


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(ienernlvcrsMiuiiluiijr  dos  Verein*  am  2t>.  Juli  1HD2. 


dass  dann  mit  der  l'eherflihrnng  der  Alterthüiner  begonnen  werden 
kann.  Zur  Einweihung  des  Museums  ist  der  uüeliste  Mai  in  Aus- 
sieht genommen.  Die  letzte  (Jeneralversainmlung  hat  den  Vorstand 
ermächtigt,  die  Bedingungen  endgültig  mit  der  l'rovinzialvcnvaltung 
festzustellen,  unter  denen  der  Verein  seine  Sammlungen  dem  Museum 
übergiebt.  Mit  diesen  Bedingungen  hat  sieh  der  l'rovinzial-Aus- 
sehuss  laut  Schreiben  vom  2.  Mai  1802  einverstanden  erkürt.  Das 
Sehreiben  lautet : 

Düsseldorf,  den  2.  Mai  1K!>2. 

Euerer  Hoehwohlgelxnen  beehre  ieh  mich  mit  Bezug  auf  das 
gefällige  Schreiben  vom  2.  Juli  ISiH  ergebenst  mitzutheilcii,  das.« 
ieh  dem  lYovinzialaussehuss  in  seiner  Sitzung  vom  20.,  21.  Ajiril  er. 
von  den  seitherigen  Verhandlungen,  betrettend  die  Ueberweisinig 
der  dem  AltcrthmuR-Vercin  angehörigen  Sammlung  von  Kunstsachen 
und  Alterthllmeru  an  das  I'rovinzial-Muscuiii  in  Bonn,  Mittheilung 
gemacht  habe,  und  dass  derselbe  sieh  mit  den  gestellten  Bedin- 
gungen, unter  welchen  die  Ucberweisung  der  Sniiimlung  erfolgen 
soll,  einverstanden  erklärt  hat. 

Diese  Bedingungen  lassen  sieh  ans  den  geführten  Verhand- 
lungen  zusainmenfassen,  wie  folgt: 

1.  Die  Vcreinssammlung  bleibt  Eigenthnm  des  Vereins  und  die 
ihr  zugehörigen  (legenständc  sind  thunlichst  durch  besondere 
Eti<inettcn  zu  bezeichnen; 

2.  die  freie  Benutzung  de*  gesammten  Brovinzial-Museums  zu 
wissenschaftlichen  Zwecken  wird  dein  Vereine  gewährleistet, 
ebenso  der  ungehinderte  (iebraueb  der  von  dem  Vcrcinsvoi- 
stande  verwalteten  Vereins-Bibliothek,  die  in  einem  besonderen 
Räume  eine  geeignete  Aufstellung  und  Einrichtung  finden  wird; 

',).  dein  Vereinsvorstaud  wird  ein  passender  Raum  für  seine 
Sitzungen  und  die  Generalversammlungen  des  Vereins  zur 
Verfügung  gestellt; 

4.  die  Sammlungen  des  Provinzial-Museums  sind  den  Vereins- 
mitgliedern  an  noch  zu  bestimmenden  Tagen  uud  Stunden  un- 
entgeltlich zugänglich. 

Anlangend  den  in  dem  gefälligen  Schreiben  vom  ß.  März  ISiM 
ausgesprochenen  Wunsch,  bei  der  Aufstellung  der  Vereinssainmlung 
in  den  Räumen  des  Museums  mitzuwirken,  resp.  hinzugezogen  zu 
werden,  so  stelle  ich  Euer  Hoehwohlgeborcn  ergebenst  anheini,  sich 
in  dieser  Beziehung  mit  dem  Museumsdircetor  Herrn  Professor  Dr. 

Jahrb.  it.  Vor.  v.  AUorthtfr.  im  Hhclnl.  XC1II.  \>J 


2flO  rtencrnlvprsaminlntifr  des  Vereins  am  20.  Juli 

Klein  in  Verbindung  zu  setzen,  welelier  diesseits  ersuelil  ist,  jenein 
Wunsche  thunlichst  zu  entspreehen. 

Der  Landesdirector  der  Rlieinprovinz. 
In  Vertretung: 
Ad«  in  s. 

Die  Sammlung  de»  Vereins  war  wie  im  vorigen  Jahre  in  den 
Sommermonaten  in  ihrer  provisorischen  Aufstellung  Donnerstags 
von  11  bis  1  Uhr  dem  Publikum  geöffnet. 

Unsere  Hibliothek  ist  für  die  Mitglieder  bis  auf  Weiteres 
jeden  Montag  von  2  bis  4  Uhr  geöffnet.  Dieselbe  hat  sieh  im 
vorigen  Jahre  um  etwa  250  Bände  vermehrt.  Geschenke  hat  sie 
erhalten  von  den  Herren  B  r  c  i  t  n  e  r,  1)  tt  n  t  z  e  r,  H  e  ger,  von  Mir- 
bach, Schaafhausen,  Urlichs,  Wiedcmann  und  Wicseler. 
Neuer  Tauschverkehr  ist  mit  dem  Kaiserl.  deutschen  archacologi- 
schen  Institut  in  Athen  angeknüpft  worden. 

Am  25.  Octobcr  1891  wurde  das  50jährige  Jubiläum  in  einer 
alle  Theilnehmcr  befriedigenden  Weise  gefeiert.  Das  Heft  02  unserer 
Jahrbücher  hat  darüber  berichtet  wie  auch  über  die  am  0.  Deeem- 
ber  abgehaltene  Winckelmannsfcicr. 

Für  die  Herstellung  der  Festschrift  zu  unserem  Jubiläum  hat 
uns  der  Provinziallandtag  auf  unsere  Bitte  einen  Zuschnss  von 
500  Mark  bewilligt,  wofür  ich  unserii  verbindlichsten  Dank  hiermit 
öffentlich  wiederhole. 

Auch  im  verflossenen  Jahre  wurden  die  Verhandhuigen  wegen 
eines  staatlichen  Schutzes  der  geschichtlichen  Denkmäler  des  Landes 
fortgesetzt.  Am  18.  März  d.  J.  fand  in  Coblenz  eine  Versammlung 
von  Sachverständigen  statt,  die  Herr  Oberpräsident  Nasse  auf  Ver- 
anlagung des  Kgl.  Ministeriums  berufen  hatte,  um  ein  Gutachten 
darüber  abzugeben,  auf  welche  Weise  für  die  Erhaltung  der  Denk- 
mäler des  Landes  die  geeigneten  Maassregeln  zu  treffen  wären. 
Die  Ansicht  ging  dahin,  der  Provinzial-Verwaltung  diese  Aufgabe 
unter  Zuziehung  von  Sachkundigen  zu  übertragen,  schon  aus  dem 
Grunde,  weil  ihr  die  Bewilligung  der  Geldmittel  obliegen  würde. 
Unter  dem  10.  Juli  1802  versandte  der  Verwaltnngsausschuss  des 
Gcsammt verein«  der  deutschen  Geschieht»-  und  Alterthumsvcrcinc 
einen  Fragebogen,  in  welchem  er,  bezugnehmend  auf  die  Beschlüsse 
dieses  Vereins  zu  Schwerin  im  Jahre  1800  die  einzelnen  Vereine 
auffordert,  der  Absicht  der  König].  Regierung  entsprechend,  mitzu- 
wirken, ein  Verzeichnis«  der  erhaltimgswcrthen  Denkmale  zu  Stande 


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Generalversammlung;  de*  Vereins  am  29.  Juli  1802.  291 

zu  bringen  und  gewisse  Fragen  zu  beantworten,  um  eine  Uebendcht 
über  den  Stand  der  Frage  in  ganz  Deutschland  zu  erhalten.  Der 
Vorsitzende  hat  dieser  Aufforderung  entsprochen.  Seine  Execllenz 
der  Herr  Fiuanzministcr  hat  in  der  Sitzung  des  Abgeordnetenhauses 
vom  1").  März  1802  seine  Hcreitwilligkcit  erklärt,  der  Frage  wegen 
Erhaltung  der  alten  Denkmale  in  der  ganzen  Monarchie  näher  zu 
treten  und  rechnet  zu  diesem  Zweeke  auf  eine  festorganisirte  Mit- 
wirkung der  Verbände  der  historischen  Vereine.  Wenn  diese  her- 
gestellt sei,  werde  der  Staat  die  ihm  dabei  zufallende  Mitwirkung 
nicht  versagen." 

Der  Vorstand. 


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292 


H.  Schaafhausen: 


2.  Di«  XXII.  allgemeine  Versammlung  der  deutschen  Anthropologischen 
Gesellschaft  zu  Danzig  vom  3.  bis  5.  August  1891. 


Dieselbe  wurde  Montag,  den  3.  August,  im  Sitzungssaale  des  Lnndcs- 
hauscs  um  lüir  vom  Vorsitzenden,  Gchcimrath  Vi  n-liow  eröffnet. 
Kr  bcgrüssle  zuerst  den  anwesenden  <>bei|>rasidcnten  Staatsminister 
v.  Gossler,  als  den  Manu,  dein  die  anthropologische  Wissenschaft  seil  der 
Begründung  de«  Deutschen  Reiches  nm  mcislen  zu  verdanken  habe,  der 
als  Zeugnis»  seiner  Theilnahme  das  Museum  für  Völkerkunde  in  Berlin  hinter- 
lassen  habe.  Kr  hnhe  alle  Kreise  mit  in  die  Arbeiten  für  unsere  Wissen- 
sehalt gezogen,  wozu  die  feste  Gliederung  unserer  Provinzialverwaltungen 
ein  forderndes  Mittel  war.  In  alter  Zeit  knüpft  die  Geschichte  unserer 
Wissensehaft  überall  an  die  kleinen  Höfe  unserer  Fürsten  an.  Das  Museum 
von  Danzig-  ist  ein  wahrer  Stolz  der  Provinz,  wozu  Herr  v.  Winter  die 
Grundlage  geschaffen  hat.  Rcklagenswcrth  ist  bei  alteren  Funden  der 
leidende  Nachweis  von  der  Herkunft  der  Alterthümer.  So  anerkenuens- 
werth  die  filtere  historische  Methode  für  die  Altert huinsforschung  war, 
so  hat  diese  doch  eine  andere  Form  angenommen,  seit  die  naturwissen- 
schaftliche Art  der  Untersuchung;  Platz  gegriffen  hat.  Hier  im  Lande 
haben  der  Landes  -  Geolog  Bercndt  und  die  Herren  Lissauer  und 
Tischler,  zwei  Männer  der  naturwissenschaftlichen  Richtung,  die  Arbeit 
in  die  Hand  genommen.  Kr  schildert  den  grossen  Verlust^  den  die 
Wissenschaft  durch  den  Tod  Tischlers  erlitten.  Die  Technik  und  die 
methodische  Herstellung  des  Gerikthes  und  Schmuckes,  der  Metalle  und 
Thonsachen  war  seine  Meisterschaft.  Kr  stellte  die  Chronologie  der 
l«roussisehen  Gruberfelder  seit  dem  4.  bis  5.  Jahrhundert  vor  Christus  bis 
zur  Völkerwanderung  fest.  Virc  how  gedenkt  der  jüngst  verstorbenen 
Provinzialdircctoren  Pinder  in  Kassel  und  Handelmann  in  Kiel,  dessen 
Nachfolgerin  in  der  Direction  des  Kieler  Museums  Fräulein  Mestorf,  die 
beste  Keunerin  Skandinaviens,  geworden  ist.  Als  er  das  Hinscheiden 
des  einzigen  Khrenmitgliedes  Heinrich  Sc  hlicmann  erwähnte,  erzählt  er, 
wie  er  Dank  der  Gesichtsurnen  mit  ihm  in  Berührung  gekommen  sei, 
die  in  keiner  deutschen  Gegend  so  hantig  vorkommen,  wie  im  Weichsel- 
gebiet, sie  sind  freilich  ein  Jahrtausend  oder  mehr  jünger,  wie  die  von 
Troja.  Auf  denselben  beiludet  sich  der  Bronzeschmuck  der  Hallstattzeit. 


Die  XXII.  allgcm.  Vcrsamml.  tl.  deutschen  Anthrop.  Gesellschaft  etc.  293 


Kr  spricht  «laiin  Uber  die  richtige  Wiedergabe  organischer  Formen  von 
Menschen  und  Thicrcn  in  der  Vorzrit  im  Gegensatz  zu  der  Ungeschick- 
lichkeit unwior  Hftnde,  die  durch  ein  plantiirtsslgcs  systematisches  Zeich- 
nen ausgebildet  worden.  Die  Keuiithicro  zeichneten  die  alten  Künstler 
so  gut,  weil  .nie  nicht  in  Zeicheiischulen  gegangen  waren.  An  den  Gc- 
sichtsurneu  geben  ein  paar  Striche  eine  klare  Darstellung.  Schliemann 
verdanken  wir  die  Thatsache,  dnss  die  griechische  Cultur  auf  orientali- 
scher Grundlage  rtitit.  Wir  halten  den  inneren  Zusammenhang  aller 
menschlichen  Cultur  erkannt;  dans  «-in  Volk  die  Arbeiten  des  anderen 
aufnimmt,  das  wird  die  Grundlage  für  alle  Richtungen  der  Forschung 
sein.  Die  trojanischen  Gesichtsumen  bezogen  sich  auf  Athene  und 
die  Eule. 

VI  r  eli  n  w  liisst  eine  Betrachtung  über  die  prähistorische  Periode 
folgen.  Von  Alters  her  betrachtete  man  Ti-ojn  als  die  Stelle,  von  der 
alle  europäische  Culrur  hergekommen  sei.  Die  Auswanderung  der  Tro- 
janer brachte  sie  zuerst  nach  Italien  und  von  dort  in  ferne  Länder. 
Diese  Vorstellung  hat  sieh  bis  in's  Mittelalter  erhalten.  Noch  sitzen  in 
Mitteleuropa  die  Nachkommen  von  drei  grossen  Völkern  lieben  einander: 
Kelten,  Germanen  und  Slaveu.  Die  Funde  im  gallischen  Alesia  und  in 
La  Tene  am  Neuenburgor  See  sind  identisch.  La  Tene  war  eine  galli- 
sche Niederlassung.  Jetzt  sind  auch  La  Tene-Funde  in  Noricum  bekannt, 
wo  v.  Hochstetter  sie  leugnete.  Sie  sind  auch  im  Weichselgebiet  bei 
Graudenz  und  Kuhn  gefunden.  Wunderbar  ist,  wie  mit  der  Tene-Zeit 
auf  einmal  die  volle  Eisenzeit  da  ist.  Wo  sind  die  Gothen  hergekommen, 
deren  erstes  Erscheinen  noch  mit  der  Töne-Zeit  zusammenhangt  ?  Hall- 
statt gehört  noch  mehr  der  Bronzezeit  an,  als  La  Tene.  Waren  die 
Ilallstiltter  und  die  Leute  der  Bronzezeit  Germanen?  Virehow  warnt 
vor  voreiligen  Schlüssen.  Ein  Hinderniss  der  l'ntersnchiing  der  Bronze- 
zeit ist  der  Leichonbrand.  Thier-  und  FHanzennamen  sollen  beweisen, 
dass  die  Arier  nicht  ans  Asien  gekommen,  sondern  in  Mitteleuropa  ent- 
standen seien.  Aber  welche  Thatsaehen  besitzen  wir  aus  dieser  Urzeit?  Sind 
die  Wohiiplätze  der  Steinzeit  zu  Tolkemit  gleichzeitig  mit  den  dänischen 
Kjökkenmöddinger?  Virehow  bezweifelt  es.  Nach  Fraas  und  v.  Holder 
soll  der  Schildel  von  Cannstadt  kein  hohes  Alter  in  Anspruch  nehmen 
können.  Der  Neauderthaler  soll  unter  Umstunden  gefunden  sein,  welche 
die  genaue  geologische  Bestimmung  seiner  Lage  ausschlicsson.  Kr  meint' 
weil  das  Gesicht  fehle,  sei  der  Phantasie  ein  ungeinessener  Spielraum 
gelassen.  Im  Museum  von  Danzig  soll  ein  Schädeldach  aus  Gros«-Morin 
aus  einem  Grabe  der  Steinzeit  vorhanden  sein,  welches  sich  dein  Neander- 
thaler  an  die  Seite  stellt,  wegen  seiner  grossen  Stirnhöhlen,  seines  lang- 
gestreckten Hinterhauptes,  und  welches  gleichfalls  den  Vorzug  hat,  dass 
kein  Gesicht  da  ist  und  keine  Basis  cranii.  Franzosen  und  Engliinder 
hatten  den  Neauderthaler  mit  den  Australiern  zusammengestellt  und  ge- 


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II.  St  ha  anhauen: 


schlössen,  dass  zu  der  Zeit  dieses  Schädels  Europa  von  Australiern  be- 
wohnt gewesen  sei.  Der  Berichterstatter  bemerkt  hierzu,  dass  die  Herren 
Fraas  und  v.  Heilder  Beweise  für  ein  jüngeres  Alter  des  Cannstadter 
Schildels  durchaus  nicht  erbracht  haben  und  dass  der  Neanderthaler  in 
seiner  geologischen  Lagerung  auf  das  Genaueste  bestimmt  i>t.  Huxley 
hat  diesen  Sehildel  zwar  den  Australiern  verglichen,  hat  aber  nicht  be- 
hauptet, dass  Europa  von  Australiern  bewohnt  gewesen  sei.  Der  Bericht- 
erstatter verweist  auf  seine  Schrift  :  Der  Neanderthaler  Fund,  Bonn  188«. 
Aus  der  neolithischen  Zeit  sind  wenig  menschliche  Ueberrcste  vorhanden. 
Die  Schädel  von  Lengvel  in  Südungarn  sind  arisch,  nicht  mongolisch. 
Ob  es  Germanen  oder  Kelten  waren,  will  er  nicht  entscheiden.  Er  meint, 
dass  das  Wissen  nVs  Menschen  von  seiner  Herkunft  für  die  ganze  Auf- 
fassung der  menschlichen  Entwiekelung  von  grünster  Bedeutung  sei, 
auch  für  das  Staatsleben  und  das  gesellschaftliche  Leben  der  Gegenwart. 

OberprHsident  v  G  o  s  s  I  e  r  vergleicht  das  Jahr  1880,  in  dem  der 
Congress  in  Berlin  tagte,  mit  1891  und  bezeugt  die  mächtigen  Fort- 
schritte der  Gesellschaft.  Neue  Museen  sind  entstanden  und  neue  Me- 
thoden, die  Funde  zu  eonserviren,  auch  sind  prähistorische  Karten  ent- 
standen. Durch  die  Ausdehnung  anthropologischer  Studien  sehen  sich 
andere  Disciplinen  in  ihrem  Besitzstande  bedroht.  In  der  letzten  Zeit 
ist  es  ausgesprochen  worden,  dass  die  Wissenschaft  in  ihren  Schlüssen 
die  grösste  Vorsicht  üben  soll,  die  menschlich»«  Forschungskraft  reicht 
nur  bis  zu  einem  gewissen  Funkt,  die  letzte  Wahrheit  kann  auf  dem 
Wege  der  sogenannten  exaeten  Forschung  nicht  erreicht  werden ;  es  ist 
die  Einbildungskraft,  welche  die  Kluft  überspringt.  Die  grösste  aller 
Fragen,  welche  die  Anthropologie  beschäftigt,  ist  die,  wo  und  wie  der 
Mensch  in  die  äussere  Erscheinung  getreten  ist.  Wir  können  nicht 
leugnen,  dass  auf  diesem  Gebiete,  nicht  ohne  Verschulden  der  Wissen- 
schaft selbst,  MissverstHndnisse  eingetreten  sind,  ITeberspannungen  und 
Uebertreibungen.  Zwei  Thatsachen  aber  sind  gewonnen:  Die  Wissen- 
schaft besitzt  in  sich  selbst  die  Kraft,  ihre  Wege  zu  erkennen,  und  keine 
religiöse  l'ebcrzeugung  braucht  sich  vor  dem  Streben  nach  Wahrheit 
zu  fürchten.  Diese  zwei  Satze  sind  unbestritten,  sie  berechtigen  aber 
nicht  zu  den  voranfgehenden  Worten,  in  denen  der  Mann,  dem  die  An- 
gelegenheiten der  Wissenschaft  so  lange  in  Freussen  anvertraut  waren, 
sein  Missfallen  den  Ergebnissen  wissenschaftlicher  Forschung  gegenüber 
zu  erkennen  giebt,  die  er  masslose  ITeberspannungen  nennt,  weil  sie  zu 
seinciT  vorgefassten  Meinungen  nicht  passen.  Wie  konnte  Gossler  der 
Vertheldiger  Darwins  im  preussischen  Abgeordnetenhause  sein?  Auf 
den  Ort  der  Versammlung  eingehend,  sagte  er:  Sie  betreten  die  fabel- 
reiche Bemsteinküste  und  es  ist  ein  wunderbares  Schauspiel,  das»  dieses 
unscheinbare  Baumharz  ein  Mittel  geworden  ist,  um  die  Fackel  der 
Cultur  durch  die  ganze  damals  bekannte  Welt  zu  tragen.  Auch  kommen 


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Die  XXII.  allgcm.  Versaniml.  d.  deutschen  Authrop.  Gesellschaft  etc.  2f>5 

Sie  in  Berührung  mit  dem  deutschen  Orden,  der  die  Aufgabe  hatte,  die 
Ungläubigen  für  das  Christenthum  zu  gewinnen.  Er  hat  die  PrAhistorie 
hier  im  Lande  vernichtet,  die  tausend  Jahre  weiter  in  die  Gegenwart 
herabreichte,  als  in  den  Gebieten  Deutschlands,  die  unter  römische  Herr- 
schaft gekommen  waren.  Hier  sassen  die  alten  Preussen,  Litthauer, 
Letten  und  Kuren,  und  spater  die  Slavcn.  Manche  Probleme  sind  hier 
noch  durch  die  Archilologie  und  Sprachforschung  zu  lösen. 

Der  Landcsdirector  der  Provinz  Westpreussen,  Herr  J  A  c  k  c  1,  ver- 
sichert, dass  der  Provinzialausschuss  die  Bestrebungen  der  Gesellschaft 
zu  fördern  bemüht  sei,  und  weist  auf  die  durch  Herrn  Dr.  Lissauer  ver- 
fasste  Festschrift  hin,  welche  von  Seiten  der  Provinz  der  Versammlung 
zur  Begrüssung  dargeboten  werde. 

Herr  Oberbürgermeister  Bau m  buch  sagt,  dass  in  der  Handels- 
stadt Dauzig  auch  für  Kunst  und  Wissenschaft  Verstftndniss  vorhanden 
sei  und  erinnert  an  die  berühmten  Worte  des  Sophokles,  die  er  dem 
Chor  in  der  Antigene  V.  832  in  den  Mund  legt.  Er  hofft,  dass  die  An- 
thropologen nicht  nur  an  den  prAhistorischcu  Gc.MclitHunmD,  sondern 
auch  an  den  jetzigen  Menschenkindern  Gefallen  finden  mögen. 

Der  Director  der  seit  148  Jahren  bestehenden  naturforschendeu 
Gesellschaft  Prof.  Bail  hebt  hervor,  dass  in  Danzig  auch  ohne  Univer- 
sität oder  ein  Ähnliches  Institut  alle  Zweige  der  Naturforschung  gefördert 
worden  seien.  Die  genannte  Gesellschaft  hat  ihre  umfangreichen  Samm- 
lungen dem  Provinzial-Museum  übergeben,  dessen  Interesse  von  dem  frühe- 
reu Oberbürgermeister  v.  Winter  krHftigst  gefördert  wurde. 

Für  den  westpreussischen  Geschieht»- Verein  sprach  Geheimrath 
Dr.  Kruse;  er  bezeichnet  als  Aufgabe  der  Anthropologie,  die  Entwicke- 
lung  des  Menschengeschlechtes  durch  alle  Zonen  und  Zeiten  zu  erforschen. 
Jenes  alte  Lied  des  Sophokles:  „Viele«  Gewaltige  giebt  es,  «loch  nichts 
ist  gewaltiger  als  der  Mensch-  sei  ein  rechtes  Bundeslied  der  Anthro- 
pologen, e«  sei  ein  Umriss  von  dem  weiten  Forschungsgebiet  dieser 
Wissenschaft.  Die  Geschichte  dieses  Landes,  das  der  deutsche  Orden 
cultivirt  hat,  spiegele  die  Entwicklung  der  Menschheit  in  einem  ganz 
eigenartigen  Bilde.  Wenn  man  aber  den  Blick  aus  der  Vergangenheit 
zurücklenkc  zur  Gegenwart,  so  habe  das  Kaiserthum  der  Hohenzolleru 
den  Vergleich  mit  jenen  Zeiten  nreht  zu  scheuen. 

Der  Geschäftsführer  Dr.  Lissauer  beklagt  den  Tod  des  unver- 
gesslichen  Freundes  Tischler,  für  den  er  eingetreten  sei,  nachdem  Danzig 
für  Königsberg  gewählt  worden  sei.  Der  Keichthum  des  Bodens  an 
UeberrcMteti  vorgeschichtlicher  Cuitur  habe  frühe  schon  das  Interesse 
geweckt.  Die  Ältesten  Funde  sind  kufische  Münzen,  die  schon  1592  von 
K.  Schütz  beschrieben  worden  sind.  Sie  waren  bei  Danzig  gefunden. 
1722  wurde  ein  grösserer  Fund  bei  Steegen  gemacht.  Bayer  sehrieb  in 
demselben  Jahre  über  römische  Mümsfunde  in  Preussen  und  deutete 


H.  S  c  h  a  a  f  f  h  a  u  s  e  n  : 


«lie  Münzfundc  schon  als  Zi'itjrnis^t»  des  allen  Bcrnsteinhandels.  Tu 
Königsberg  sammelte  Lilicnthal.  Keusch  schrieb  17:24  über  preussische 
Grabhügel  und  Urnen.  Die  naturforschcndc  Gesellschaft  gründete  auch 
eine  ethnologische  Sammlung,  indem  <Iie  Begleiter  Cooks,  Bank  und 
Solander,  ilir  Waffen  und  GciHthe  von  den  Südseeinseln  zum  Geschenke 
inaeliti'ii.  Erst  1X50  beginnt  ein  neuer  Aufschwung  in  der  Erforschung 
des  Landes  dureli  Förstcmanii.  der  das  erste  Museum  für  vaterländische 
Alterthi'nner  hierselbst  begründete.  Die  Bestrebungen  gewannen  erst 
einen  gemeinsamen  Mittelpunkt,  als  IS72  sieh  im  Sehoosse  der  natur- 
forschcndcn  Gesellschaft  ein  anthropologischer  Localvcrcin  gebildet  hatte. 
Ks  fehlte  an  den  Hölingen  Mitteln,  bis  die  neue  Provinzialverw  allung, 
zumal  ihr  Vorsitzender,  Herr  v.  Winter,  dieselben  bereitstellte.  Die  Samm- 
lungen kamen  nun  unter  die  Leitung  des  Mnseumsdirectors  Professor 
Conwcntz.  Die  iiltesten  Zeichen  des  Mensehen  reichen  hier  Iiis  in  die 
jüngere  Steinzeit,  das  ist  bis  tief  in  das  zweite  Jahrtausend  vor  Christus. 
Hierher  gehören  die  Küehenabfillle  bei  Tolkcinit  am  frischen  Haff;  sie 
enthalten  Steingei  iltlie  und  Gefassscherhen  mit  S<  hniirornainent.  Hltulig 
sind  die  Funde  von  Beriistciiischinucksachcn,  welche  mit  Feuerstein  be- 
arbeitet sind.  Gegen  Ende  der  Steinzeit  tritt  schon  der  Leichenbrand 
auf.  Gegen  Ende  des  zweiten  Jahrhunderts  vor  Christus  dehnte  sich 
der  Bernsteinhandel,  der  sieh  von  der  Nordsee  aus  schon  früher  ent- 
wickelt hatte,  immer  mehr  nach  Osten  aus  und  zog  auch  unseren  Strand 
in  sein  Gebiet.  Da  linden  wir  auch  die  Werkzeuge  der  Bronzezeit, 
welche,  in  der  Festschrift  beschrieben  sind.  Ks  zeigen  sich  Anfällige  einer 
selbständigen  Metallindustrie.  Ks  gab  drei  alte  Handelswege,  einen 
durch  Pommern  und  Mecklenburg  bis  zur  Elbe  und  weiter,  einen 
durch  Posen,  die  Lausitz  und  Sachsen  zum  Ithein,  endlich  einen  die 
Weichsel  entlang  nach  dein  Donaugebiet  und  Ungarn.  Der  letztere 
wurde  spiiter  der  wichtigste.  Tin  jüngsten  Abschnitt  der  Bronzezeit 
werden  Steinkistcngrabcr  ohne  Aufschüttung  allgemeine  Sitte.  Ihre 
grosse  Zahl  erweckt  die  Vorstellung,  das*,  das  Land  dicht  bevölkert  war. 
Die  Keramik  dieser  Zeit  hat  sieh  in  den  Gesichtsurnen  ein  Denkmal  ge- 
setzt, die  nirgends  in  solcher  Fülle  gefunden  werden,  zumal  in  den 
Kreisen  Putzig,  Neustedt  und  Danzig,  deren  Strand  am  ergiebigsten  fin- 
den Bernstein  fluid  sein  mochte.  Erst*  in  der  nun  folgenden  La  Tene- 
Periode  wird  das  Eisen  in  grosser  Menge  eingeführt,  wie  die  Graber- 
felder von  Oliva  um)  Rondscn  zeigen.  Das  Provinzial  Museum  enthalt 
auch  glänzende  Ucherrcst^aus  der  Zeit  des  Handels  mit  den  römischen 
Provinzen,  das  ist  vom  I.  bis  4.  Jahrhundert  nach  Christus.  Mit  dem 
Kude  des  I.  Jahrhunderts  versiegen  die  Funde.  Zur  Zeil  der  Völker- 
wanderung scheint  die  ganze  alle  Bevölkerung  ausgewandert  zu  sein. 
Verein/eile  oströmische  Münzen  reichen  bis  zum  Jahre  (»II.  Im  f>.  Jahr- 
hundert entwickelt  sieh  ein  Verkehr  mit  den  Arabern,  welche  ihren  Handel 
vom  Kaspischen  Meere  die  Wolga  hinauf  bis  in  die  Gegend  des  heutigen 


Die  XXII.  allgem.  Versainml.  d.  deutschen  Anthrop.  Gesellschaft  ete  297 

Kasan  ausdehnten,  um  dort  mit  den  Warägern  oder  den  Nonnanncii  ihre 
Waaren  gegen  die  Produkte  des  Nordens  auszutauschen.  Diese  Zeit  ist 
durch  schöne  Funde  in  unserer  Provinz  vertreten.  Der  Handel  mit  dem 
Orient  wird  dann  am  Ende  de«  10.  Jahrhunderts  ulhn.'ihlit-ti  von  dem  iuit 
den  deutsehen  Reichsstädten,  mit  England  und  Diineinark  abgelöst,  wie 
man  ans  Münzfundon  schliessen  kann.  Dieser  Zeit  gehören  die  sla  vi- 
schen ReihcngrHber  mit  den  Schlafenringen  und  die  vielen  Burgwallc 
an.  Mit  dein  Anfange  unsere«  Jahrtausends  beginnt  die  historische  For- 
schung mit  ihren  geschriebenen  Quellen. 

Herr  Professor  Ranke  beginnt  seinen  wissenschaftlichen  Jahres- 
bericht mit  dem  Ausdruck  des  tiefen  Schmerzes  über  das  Hinscheiden 
von  Schliemann  und  Tischler.  Er  {riebt  sodann  eine  Uebcrsicht  über  die 
wissenschaftlichen  Arbeiten  des  letzten  Jahres,  die  er  eintheilt  in  Bei- 
trüge zur  prllhistorischen  Arehllologie,  zur  Keuntniss  der  alteren  Metall- 
perioden,  der  römischen  Periode  Deutschlands,  der  Periode  der  Völker- 
wanderung, zur  Volks-  und  Landeskunde,  zur  Ethnologie,  Krnniologie, 
Entwicklungsgeschichte ,  Zoologie  und  prähistorischen  Botanik.  Auf 
allen  Gebieten  herrscht  eine  kaum  übersehbare  Thiltigkeit. 

Herr  Weissmann  erstattet  den  Rechenschaftsbericht.  Die  Zahl 
der  Mitglieder  betrug  1739,  die  Einnahmen  In  294.4t*.  Mk.,  die  Ausgaben 
14  529.8«,  Bestand  der  Kasse  ist  7154.58  Mk. 

In  der  zweiten  Sitzung  am  4.  August  macht  Dr.  Eissauer  Mit- 
theilung eines  Briefes  des  Herrn  Förstemann,  worin  dieser  zu  Grabun- 
gen auf  der  vor  der  Weichselmündung  liegenden  Halbinsel  Heia  auf- 
fordert, deren  Name  ihm  mit  der  heidnisch  -  germanischen  Bestattung 
der  Todten  auf  Inseln  zusammenzuhängen  scheint.  V i  r  c .Ii  o  w  ladet  zu 
dem  am  1.— 6.  Oetoher  1892  in  Spanien  tagenden  internationalen  Amerika- 
nisten-Congresse  ein,  welches  Land  wegen  der  400  j übrigen  Jubelfeier 
der  Entdeckung  Amerikas  gewühlt  worden  sei,  auch  legt  er  Einladungen 
zur  Naturforscher- Versammlung  in  Halle,  sowie  zu  dem  vom  13.  -20. 
August  1892  in  Moskau  stattfindenden  internationalen  pi  Hhistorisehcn 
Congressc  vor.  Nachdem  Professor  J  e  n  t  z  s  c  h  einen  Ueberhlick  über 
die  Geologie  Westpreussens  gegeben,  spricht  M  o  n  t  e  1  i  u  s  über  die 
Chronologie  der  jüngeren  Steinzeit  in  Skandinavien.  Schon  1874  erklärte 
er  die  freistehenden  Dolmen  ohne  Gang  für  die  rtltesten  Grabdenkmale 
der  Steinzeit ,  jünger  seien  die  Ganggraber ,  noch  jünger  die  Stein- 
kisten, die  noch  in  den  Hügeln  der  ältesten  Bronzezeit  vorkommen.  Da 
die  Dolmen  schon  Alterthümer  von  speciell  skandinavischem  Typus  ent- 
halten, können  sie  nicht  in  den  Anfang  der  Steinzeit  gesetzt  werden. 
Ihnen  entsprechen  die  Fcuersteinaxtc  mit  spitz  ovalem  Querschnitt;  die 
Acxte  mit  Schmalseiten  sind  jünger.  Auch  liegen  in  den  iiitesten  Dolmen 
Bcrnstcinperlen  von  jüngeren  Formen.  Erst  spiiter  werden  die  Kisten 
mit  Erde  bedeckt.    Gleichzeitig  sind  unterirdische  Grilber  ohne  Kisten. 


II.  S  c  Ii  h  a  f  f  Ii  ii  n  8  c  li : 


Die  skandinavischen  Graberformeii  kommen  auch  im  westlichen  Kuropa 
vor.  Skandinavische  Thongc-fAH.se  mit  Zickzacklinien  vorziert  und  Rhomben, 
die  «ich  mit  den  Spitzen  berühren  und  abwechselnd  glatt  und  mit  Strichen 
geziert  sind,  kommen  auch  in  Südeuropa,  ja  auf  Cypcm  vor.  Es  muss 
ein  Verkehr  stattgefunden  haben.  Auch  die  becherförmigen  mit  horizon- 
talen Ornamentstreifcn  versehenen  Thongefiisse  sind  in  allen  europäi- 
schen Llludern  von  Sicilien  bis  England  und  Ungarn  zu  finden.  In 
Skandinavien  und  Norddeutschland  kommen  sie  in  Gräbern  der  letzten 
Periode  der  Steinzeit  vor.  Schwedische  und  dänische  Kupferllxtc  von 
91» 0 o  Kupfer  stimmen  mit  den  ungarischen  ganz  überoin.  Montelius 
glaubt,  das«  die  hohe  Cultur  der  Steinzeit  in  Skandinavien  wie  der  Bronze- 
zeit nur  durch  den  Einfluss  der  Culturlttndcr  des  Mittelmeers  zu  erklären 
sei.  Montelius  glaubt,  dass  der  Beinsteinschmuck  sich  in  späteren 
Gräbern  deshalb  vermindert,  weil  man  früher  den  Werth  desselben  nicht 
erkannt  habe.  K  1  e  i  n  s  c  h  m  i  d  t  meint,  dass  man  den  Todten  früher 
deshalb  mehr  Beigaben  ins  Grab  gelegt  habe,  weil  das  Erbrecht  noch 
nicht  entwickelt  war  und  der  Begriff1  des  FamilieneigenthuniH  sich  erst 
sprtter  ausgebildet  habe.  Virchow  macht  auf  andere  Beobachtungen 
aufmerksam,  die  auf  einen  Verkehr  in  der  Steinzeit  deuteten.  In  einem 
megalithischcu  Grabe  auf  dem  linken  Weichselufer  wurde  ein  ornamen- 
tirtes  Falzbein  aus  Knochen  gefunden,  das  mit  denen  zweier  Schweizer 
Höhlen  genau  übereinstimmt.  Virchow  macht  in  Bezug  auf  die  Thon- 
gefaxsc  die  Bemerkung,  dass  es  Ort«  gebe,  wo  sich  gewisse  Muster  der 
Verzierung  durch  Jahrhunderte  bis  in  unsere  Zeit  erhalten  haben;  die 
ueolithischen  Gefnsse  mit  erhabenen  Leisten,  die  mit  Eingereindrücken 
besetzt  sind,  komnieu  schon  in  einer  älteren  Periode  vor.  Im  Orient  hat 
sich  das  Wellenornament  in  allen  Perioden  bis  jetzt  erhalten.  Im  Kauka- 
sus und  in  Aegypten  sind  noch  gegenwärtig  Dinge  im  Gebrauch,  die  an 
Fundstücke  unserer  alten  Graber  erinnern.  Aus  der  gleichen  Form  kann 
man  nicht  mit  Sicherheit  die  Gleichzeitigkeit  der  Herstellung  folgern.  Flui- 
der« Petrie  hat  gezeigt,  dass  die  gemuschelteu  Feuersteingeräthc  unserer 
ueolithischen  Zeit  der  ganzen  ägyptischen  Cultur  angehören  und  noch  in 
Grilbern  der  20.  Dynastie  gefunden  werden.  Vielleicht  sind  sie  in  spÄt- 
historischer  Zeit  hier  noch  gefertigt  worden.  Herr  Helm  berichtet 
über  die  Analyse  westpreussischer  Bronzen  und  ihren  Antimongehalt. 
Diesen  sieht  er  nicht  als  eine  zufällige  Beimischung  an.  Er  fand  darin 
0.82  bis  3,87%  Antimon.  Einige  der  von  ihm  untersuchten  Bronzen 
waren  ein  Gemisch  von  ti— 8  Metallen.  Er  glaubt,  dass  man  bei  Beginn 
der  Bronzezeit  mit  allen  möglichen  Zusätzen  zu  Kupfererzen  experimen- 
tirte,  um  die  leichter  schmelzbare  und  goldig  glänzende  Bronze  zu  er- 
halten. Virchow  bemerkt  dazu,  dass  Antimon  und  Kupfer  in  der 
Xatur  nicht  in  der  Mischung  vorkommen,  die  in  einigen  Bronzen  der 
alten  Zeit  nachgewiesen  sei.    Der  Berichterstatter  erinnert  daran,  dass 


Die  XXII.  allgcm.  Versatninl.  d.  deutschen  Authrop.  Gesellschaft  etc.  299 

die  nach  der  Zusammensetzung  alter  Bronzen  gefertigte  Stahlbronze  den 
Freiherrn  v.  Uchatius  aus  89,5%  K.,  5,9  Z.,  2,6  Antimon  und  2,1  Nickel 
besteht  (Anthrop.  V.  in  Constanz  1877,  S.  lft.')j. 

Hierauf  .spricht  Virchow  über  transkaukasische  Bronzegürtel. 
Die  Thiere  darauf  sind  phantastisch  dargestellt,  z.  B.  Pferde  mit  Vogol- 
kralicn,  Einhufer  mit  Hornern,  Thiere  mit  Doppelköpfen.  Der  assyrische 
Löwe  und  die  Sphinx  fehlen.  Andere  Gürtel  sind  mit  Linien  und  Punkten 
verziert,  in  der  sorgfältigsten  Zeichnung.  Der  Ursprung  dieser  Kuust 
möchte  in  Persien  oder  Turke^tan  zu  suchen  sein.  Ks  ist  altarnicnische 
Cultur,  die  mit  der  assyrischen  und  kaukasischen  violleicht  eine  gemein- 
same Quelle  hat.  In  den  Gräbern  dieser  Gegend  sind  viele  Schmuck- 
sachen aus  Antimon,  zumal  die  Ueberzüge  von  Spiegeln,  die  nicht  rosteten. 
W.  Waldeyer  giebt  eine  Darstellung  der  Insel  des  Gehirns  der  An- 
thropoiden, die  vom  Hylobates  angefangen  durch  den  Orang  zum  Chitn- 
pansen  und  Gorilla  sieh  weiter  entwickelt  und  beim  Menschen  ihre 
höchste  Ausbildung  findet.  In  Bezug  auf  diesen  Hirntheil  ist  die  Kluft 
zwischen  Mensch  und  Gorilla  grösser  als  die,  welche  die  einzelnen  An- 
thropoiden von  einander  scheidet.  L  i  s  s  a  u  c  r  stellt  danach  eine  Zwergen- 
familie vor.  Der  Mann  ist  124  cm  gross  und  42  Jahre  alt,  das  älteste 
Kind  Ida,  9  Jahre  alt  und  73,6  cm  gross,  hat  allein  die  Zwerggestalt  des 
Vaters  geerbt,  während  die  späteren  vier  Kinder  von  acht  Jahren  bis  vier 
Wochen  sich  bisher  normal  entwickeln.  S  z  o  m  b  a  t  h  y  will  zwei  Arten 
des  Zwergwuchses  von  einander  unterschieden  wissen,  der,  wobei  der 
Körper  in  den  Proportionen  des  Kindes  bleibt,  und  der,  wo  innerhalb 
der  geringen  Körperhöhe  doch  die  Proportionen  des  Erwachsenen  er- 
reicht werden. 

In  der  dritten  Sitzung  am  5.  August  demonstrirt  Professor  Rabl 
den  Schädel  eines  Ricuen  und  einen  Thurmkopf.  Dann  spricht  Ranke 
über  Beziehungen  des  Gehirns  zum  Schädelbau.  Virchow  hat  vor  34 
Jahren  in  seiner  Arbeit  Uber  den  SchHdelgrund  gezeigt,  dass  eine  ge- 
wisse Bewegung  des  Keilbeins  und  der  gesammten  Schädelbasis  die 
Form  des  Schildeis  und  des  Gesichts  beherrscht.  Die  Basis,  auf  der 
Virchow  die  Winkel  maass,  war  der  Gaumen,  der  mit  der  Frankfurter 
Horizontale  nahe  übereinstimmt.  Seit  1&82  berechnen  wir  alle  Winkel  des 
Schädels  als  Neigungswinkel  zur  Horizontale.  Ranke  bezieht  sich  auf 
seine  1883  und  1887  demonstrirten  Apparate  zur  Winkelmessnng.  Durch 
eine  Vergrösscrung  des  Hirnschädels  können  wir  uns  den  Affenschädel 
in  den  menschlichen  umgewandelt  denken.  Je  jünger  der  Affe  ist,  um 
so  menschlicher  ist  die  Schädelforni,  weil  das  Gehirn  auch  relativ  mensch- 
licher ist.  Bei  gewissen  Hunderassen,  z.  B.  dem  Spitz,  bleibt  der  Schädel 
auf  der  kindlichen  Stufe ,  die  Nähte  bleiben  länger  offen  und  das 
Hirn  kann  sich  deshalb  mehr  entwickeln.  Warum  zieht  Rank  e  aus 
seiueti  Untersuchungen  uicht  deu  naheliegenden  Schluss,  dass  der  mensch- 


300 


H.  S  c  h  a  a  ll'hattsen: 


liehe  Schädel  durch  das  Wachsthum  des  Gehirns  aus  dem  thierisehcn  «ich 
entwickelt  hat,  was  er  bisher  stets  best  reitet?  Es  ist  erfreulich,  dass  seine 
Messungen  langst  bekannte  Verliiiltnis.se  bestätigen,  seine  Erklärung  der 
menschlichen  Schadclforiii  ist  aber  ungenügend,  weil  er  eine  wichtige  Ur- 
sache derselben,  den  aufrechten  Gang,  gar  nicht  beachtet.  Schon  Daubenton 
erkannte  ihn  (Mein,  de  l'Acad.  des  Sc.  Paris  17(i4i  als  die  Ursache  den 
mehr  nach  vorn  geschobenen  Hinterhauptloches  beim  Menschen.  Auch 
sagt  er  schon,  dass  die  Kbene  ilesselben  bei  ihm  mehr  horizontal,  lud 
den  Thieren  mehr  vertikal  stehe.  Sümineriug  sagte  178-1.  dass  das 
Hinterhauptloch  bei  den  Thieren  und  beim  Neger  mehr  nach  hinten  liege. 
Virey  war  derselben  Ansicht.  K.  Owen  und  Prichard  bestritten  letztere, 
wie  sie  gegen  jede  im  Bau  des  Menschen  behauptete  Aft'cnahnlichkeit 
auftraten,  (»wen  sagte,  der  vordere  Knud  des  Hinterhauptloches  liegt 
beim  Weissen  und  beim  Neger  in  der  Mitte  der  Basis  erauii,  der  vor 
und  hinter  dieser  Stelle  liegende  Abschnitt  der  Schädelbasis  sind  gleich, 
Prichard,  Naturg.  d.  M.  Leipzig.  I.  1840.  S.  311.  Broca  zeigte  aber 
(Bullet,  de  la  Soc.  d'Aiithrop.  lSt>2.  p.  5251,  dass  die  von  Prichard  ge- 
gebenen Bilder  gerade  das  Gegentheil  erwiesen  und  bestätigte  die  That- 
sache  durch  genaue  Messung  an  fiO  Europäern  und  eben  so  viel  Neger- 
schadeln,  dass  bei  diesen  der  hintere  Abschnitt  kleiner  ist.  Von  der 
steileren,  nach  vorn  aufgerichteten  Kbene  des  Hinterhauptloches  beim 
Europäer  gab  dann  Ecker  eine  genaue  Darstellung  in  seiner  Schrift : 
Ueber  die  Krümmung  des  Schadelrohrs,  Braunschweig  1H71.  Auch  Lucne 
schilderte  den  Unterschied  der  Ebene  des  Hinterhauptloches  bei  Mensch 
und  Alle  ( Anthrnp.-Vers.  in  Stuttgart  1872).  Beim  erstcren  findet  eiue 
stärkere  Knickung  der  Schädelbasis  statt,  die  er  auf  den  Druck  des 
grösseren  menschlichen  Gehirns  bezieht.  Auch  Huxlcy  führt  an,  die  Ebene, 
des  Hinterhauptloches  mache  mit  der  Achse  der  Schädelbasis  bei  pro- 
giiathen  Schädeln  einen  kleineren  Winkel.  Dass  der  kindliche  Schädel 
der  Anthropoiden  menschenähnlicher  sei,  haben  Owen,  Osteel,  of  the  Chimp. 
and  <  irang,  London  1835,  und  Prichard  a.  a.  O.  S.  3.'W,  hervorgehoben. 
Lucae  zeigte,  dass  Mensch-  und  Afl'enschadcl  nach  entgegengesetzter 
Richtung  sich  entwickeln.  Nach  dem  Vortrage  Ranke's  erinnert  L  i  s- 
sailer  daran,  dnss  er  in  seiner  Schrift:  Ueber  die  sagittale  Krümmung 
de*  Schädels,  dessen  Kntwickelung*ge.->ctz  nach  strenger  geometrischer 
Methode  mittelst  des  Sei  tors  für  das  Grosshirn  dargestellt  habe.  Er  be- 
klagt die  geringen  Ergebnisse  unserer  Messungen  nach  der  deutschen 
Horizontale.  Auch  der  Berichterstatter  hat  sich  in  diesem  Sinne  aus- 
gesprochen und  seine  Bedenken  gegen  das  vereinbarte  Messverfahren 
schon  IxT.'i  bei  der  Anthropologen-Versammlung  in  München,  B.  S.  58,  in 
die  Worte  gel'asst:  „Warten  wir  es  ab,  welche  neue  Erkenntniss  uns  die 
neuen  Messmethoden  des  Schädels  bringen  werden."  Die  Gleichartig- 
keit der  Messungen  wurde  freilich  für  eine  Reihe  von  Arbeiten  erreicht, 


Die  XXII.  allgem.  Vorsamml.  d.  deutschen  Antlirop.  Gesellschaft  etc.  301 


was  hoch  anzuschlagen  ist,  aber  die  Kilo  und  Hast,  womit  die  Verein- 
barung zu  Stande  kam,  zeigte  sich  daran,  dass  an  dem  ursprünglichen 
Piano  hald  Veränderungen  nöthig  wurden.  Die  Reform  der  Craniometrie 
begann  mit  Iherings  Vorschlag  (Ges.  f.  Ethnol.  V.  1873,  S.  IM),  als  Hori- 
zontale die  Linie  von  der  Mitte  der  äusseren  Ohröffnung  zum  unteren 
Rande  der  Orbitn  anzunehmen.  Damit  wurde  die  viel  richtigere,  in 
Güttingen  empfohlene  Horizontale,  die  dem  oberen  Knude  des  Jochbogens 
entsprach,  aufgegeben.  Kine  kleine  Verbesserung  erhielt  die  IherlngVhe 
Linie  dadurch,  dass  mati  den  Anfang  der  Linie  in  den  oberen  Rand  des 
Ohrloches  verlegte,  wodurch  das  nach  unten  gerichtete  Profil  des  SchHdels 
etwas  gehoben  wurde.  Diese  Horizontale  wurde  von  der  Conferenz  in 
München  1877  angenommen  (vergl.  Corrcspondenzhl.  d.  Anthrop.  Ges. 
1S78,  S.  59),  wo  mein  Name  irrthiimlich  unter  den  Beitretenden  steht. 
Auch  in  Berlin  wurde  sie  (Anthrop.-Vers.  1880,  S.  104)  festgehalten,  eben- 
so in  Frankfurt  0882,  S,  102  und  Correspondenzbl.  d.  Anthrop.  Ges.  1883, 
Nr.  1).  Ich  habe  mich  wiederholt  gegen  diese  Horizontale,  auf  der  die 
meisten  europäischen  SehUdel  nach  vorn  geneigt  sind,  ausgesprochen, 
aber  auch  gegen  die  Annahm«'  einer  Horizontale  für  alle  SchHdcl  (A.-V. 
in  München  187r>,  S.  50,  in  Kiel  1878,  S.  III;  Archiv  für  Anthrop.  XI. 
1879.  S.  178.  und  XII.  S.  108;  Anthrop.-Vers.  in  Frankfurt  1882.  S.  124, 
in  Wien  1889,  S.  IBA).  Die  niederen  Schädel  haben  eine  andere  Hori- 
zontale, wie  die  der  Culturrassen.  Für  jeden  Schädel  ist  die  Horizontale 
ein  seine  F.ntwickelung  bezeichnendes  Merkmal,  auf  das  die  Craniometrie 
nicht  verzichten  soll.  Garson  hat  (Journal  of  the  Anthr.  Inst.  1884,  p.  04) 
von  den  Maassen  der  Frankfurter  Vereinbarung  fünfzehn  verworfen, 
auch,  wie  der  Berichterstatter,  die  Beziehung  der  SchädelWlnge  auf  die 
Horizontale.  Topinard  und  Flower  haben  mit  allgemeinem  Beifall  die 
Grenzen  der  Doliehocephalio  und  Brachycepllalie  auf  »'ine  oinfacbere 
Welse  festgestellt,  die  Mesocephalie  beginnt  mit  75,  die  Brachycephalie 
mit  80.  Die  Frankfurter  Verständigung  ist  mancher  Verbesserung  fähig. 
Von  der  Ebene  des  Hinterhauptloches  spricht  sie  nicht,  Auch  Szom- 
bathy  spricht  über  Milngol  des  Frankfurter  Mos-sverfahrons.  Virchow 
will  die  Untersuchung  eines  individuellen  SchHdels  getrennt  wissen  von 
einer  mehr  generellen  Betrachtung  der  Schädel  und  Köpfe.  Pathologi- 
sche Schädel  müssten  genauer  gemessen  werden,  als  in  der  Ethnologie 
nüthig  sei.  Es  empfehle  sich  z.  B.  für  unsere  Keichscolonien  für  die 
Schildelmessung  ein  Schema  anzuwenden,  das  auch  auf  Lebende  jwisst. 
Wenn  aber  Virchow  sagt,  die  Stellung  in  der  der  Mensch  den  Kopf 
halte,  sei  nur  eine  Sache  der  Gewohnheit,  eine  NHherin  habe  eine  andere 
Haltung  des  Kopfes,  als  eine  Frau,  welche  ihre  Last  auf  dem  Kopfe 
trilgt,  so  ist  er  im  Irthum.  Der  Mensch  kann  allerdings  dem  Kopfe  die 
verschiedenste  Stellung  geben,  aber  alle  Menschen  können  dem  Kopfe 
ein  und  dieselbe  Stellung  geben,  wenn  sie  bei  aufrechter  Körperhaltung 


H.  Scliaafrhansp.il: 


geradeaus  scheu.  I  bering  glaubte,  dass  seine  Horizontale,  von  der  die 
Frankfurter  »ich  wenig  unterscheidet,  dicscui  Blick  entspreclic,  was  aber 
nicht  der  Fall  ist.  Die  Iheringschc  Horizontale  ist  die  der  Idioten.  Herr 
Mies  zeigt  einen  Apparat  von  Schellnng  zur  Messung  des  Profilwinkel» 
und  spricht  dann  über  Bcrtillon's  Verfahren  zur  gehauen  Bestimmung 
und  sicheren  Wicdererkeunung  von  Personen.  Er  hat  in  der  Straf- 
anstalt von  Moabit  an  einer  grösseren  Zahl  von  Personen  entsprechende 
Messungen  gemacht.  Die  wichtigsten  Maasse,  die  von  Seiten  der  zu 
Untersuchenden  keine  Täuschung  zulassen,  sind  fünf:  die  Lange 
und  Breite  des  Kopfes,  die  Länge  des  linken  Fusses,  des  Mittel-  und 
kleinen  Fingers  der  linken  Hand.  Spater  hat  Bertillon  statt  der  Lange 
des  kleinen  Fingers,  die  Lauge  des  Vorderarms  mit  der  Hand  gewählt. 
Veränderlicher  sind  die  übrigen  sechs  Maa.sse:  Höhe  des  ganzen  Körpers 
und  des  Oberkörpers,  Armspannweitc,  Höhe  und  Breite  des  linken  Ohres 
und  Lange  des  linken  Vorderarms  nebst  Hand.  Die  elf  Maasse  in  je 
drei  Gruppen  nach  ihrer  Grösse  getheilt,  lassen  177.147  Zusammenstel- 
lungen zu,  und  nimmt  man  noch  7  verschiedene  Farben  der  Iris  hinzu, 
so  steigt  diese  Zahl  auf  1 '240.029.  Bertillon  glaubt,  dass  besondere 
Kennzeichen,  wie  Muttcrmaler,  Narben  und  dergleichen  noch  sicherer 
als  das  anthropometrische  Signalement  seien.  Mies  macht  darauf  auf- 
merksam, dass  der  Verbrecher  solche  Kennzeichen  künstlich  verändern 
könne.  Da  die  Körpergrösse  wahrend  des  Tages  wechseln  kann,  empfiehlt 
er,  die  Leute  Morgens,  Mittag«  und  Abends  zu  messen  und  das  Mittel 
zu  berechnen. 

Es  wird  nun  als  nächster  Versammlungsort  Ulm  und  als  Gesehäftst- 
rührer  Herr  Dr.  Leube  daselbst  gewählt.  Die  Zeit  des  Congresses  wird  mit 
Rücksicht  auf  den  im  August  stattfindenden  internationalen  Congress  in  Mos- 
kau und  den  Amerikanisten-Oongress  in  Huelva  im  October  vom  Vorstande 
noch  naher  bestimmt  werden.  Als  erster  Vorsitzender  wird  Ober-Medieinal- 
rath  Dr.  v.  Holder  gewählt,  als  seine  Stellvertreter  Waldeyer  und 
Vi  r  c  h  o  w. 

Es  folgt  ein  Vortrag  von  Herrn  Szombathy  über  die  Gott- 
weiger  Situla  und  figural  verzierte  Urnen  von  Oedenburg.  Derselbe 
ist  im  Corrospondenzblatt  1802,  Nr.  2  und  3,  gedruckt.  Der  folgende 
Vortrag  von  M  o  n  t  e  I  i  u  s  über  die  Bronzezeit  im  Orient  und  Südeuropa 
Ist  im  Archiv  für  Anthrop.  XXI.  1892.  Heft  1  und  2,  erschienen. 

.  Vi  r  c  Ii  n  w  spricht  über  Schädel,  die  Ohnci'alsch-Kichter  aus  Gräbern 
der  ältesten  Periode  in  Cypern  gesammelt  hat.  Wie  im  Kaukasus  und 
dem  armenischen  Hochlande  es  keine  Brandgräber  giebt,  so  findet  sich 
in  Deutschland  und  Polen  während  der  ncolithisclicn  Zeit  nur  Be- 
stattung; für  die  Einführung  des  Leichcnbrnndes  iHsst  sich  keine  sichere 
Zeit  bestimmen.  Er  erwähnt  eine  kupferne  Doppelaxt  aus  der  Mark 
Brandenburg,  wie  deren  in  der  Schweiz  und  Ungarn  gefunden  sind. 


Die  XXII.  allgem.  Versamml.  tl.  deutschen  Anthrop.  Gesellschaft  etc.  303 


Bei  den  ungarischen  stehen  die  Schneiden  Uber  Kreuz  zu  einander,  bei 
der  brandenburgischen  stehen  nie  nher  symmetrisch,  und  zwar  horizon- 
tal. Auf  mykenischeu  Bildern  kommt  diene  Axt  vor.  Eiserne  mit  über 
Kreuz  stehenden  Schneiden  kommen  im  Kaukasus  vor.  Wahrend  die 
Bogcnfibel  im  Werten  in  Verbindung  mit  dem  Bronzekelt  auftritt,  ist  in 
den  Gräbern  von  Koban  nicht  ein  einziger  Kelt  gefunden.  Die  Fibel 
kann  also  nicht  von  Westen  her  eingeführt  sein.  Spiralornamente  sind 
im  Kaukasus  zu  einer  Zeit  entwickelt,  wo  es  weder  in  Griechenland  noch 
inHissarlik  Parallelen  giebt.  Die  alte  kaukasische  Cultnr  ist  von  der  europäi- 
schen scharf  getrennt,  die  menschliche  Gestalt  kommt  in  der  Kunst  des  Kau- 
kasus kaum  vor.  Hier  kann  die  Bronze  nicht  ihren  Ursprung  haben,  weil 
das  Zinn  fehlt.  Montelius  bemerkt,  dass  der  Leichenbrand  im  Norden 
viel  alter  sei,  als  die  Uallstattzeit.  G  r  e  m  p  1  e  r  macht  znr  Geschichte 
der  Fibeln  und  über  die  Beziehungen  der  Krim  zum  Merowingerstyl 
folgende  Mittheilung.  Er  fand  in  Wien  und  Pest  Fibeln  mit  zwei  und  mit 
drei  Hollen,  die  durch  Münzen  der  Kaiserin  Herennia,  das  Claudius  Gothi- 
cns  und  des  Prohns  (259—282)  bestimmt  waren.  In  der  Eremitage  zu 
St.  Petersburg  fand  er  zwei  Zweirollenflbeln  und  in  Odessa  eine  Menge 
derselben,  genau  im  Typus  von  Sakrau.  In  Kertsch  fand  er  nicht  nur 
diese,  sondern  auch  soehe  mit  fünf  Knöpfen,  die  als  Merowingerfibel  be- 
schrieben sind,  und  Schmuckstücke  mit  Glaseinsatz,  die  wir  fränkische 
nennen.  Die  fünf  Knöpfe  sind  ein  Schmuck  der  Rollenden.  Spater  bleibt 
mir  eine  Kolle,  aber  fünf  Knöpfe  als  Ornament.  In  Speier  ist  eine  Fibel 
mit  sieben  Knöpfen.  In  Kertsch,  dem  alten  Panticapaeum,  kamen  die 
Gothen  mit  der  antiken  Kunstiudustrie  in  Berührung.  Eine  Weiterent- 
wickelung hat  dieser  Styl  in  der  Krim  und  in  Südrussland  nicht  genom- 
men, wohl  aber  im  Westen,  wahrend  sich  in  Russland  im  9.  Jahrhundert 
byzantinischer  Einliuss  erkennen  iHsst.  Germanische  Völker  brachten 
diese  Stylform  in  das  Donaugebiet,  nach  Norditalien,  an  den  Rhein,  nach 
Frankreich,  Spanien,  Nordafrika,  England  und  Skandinavien.  Der  Styl, 
den  die  Gothen  (493—555)  vor  den  Longobardcn  (568—774)  nach  Italien 
brachton,  stammt  also  aus  der  Krim  und  Südrussland.  Schon  Hampel 
hat  bei  Beschreibung  der  ungarischen  Goldfundc  den  südrussischen  Kin- 
fluss  nachgewiesen.  Die  Cycadenfibel  im  Grabe  Childerichs  kommt  be- 
reits in  griechischen  Grabern  SUdrusslands  vor.  Den  Ursprung  dieses 
Styis  sah  Undsct  in  Italien,  die  Franzosen  nannten  ihn  skytho-byzanti- 
nlsch.  Die  Ein-,  Zwei-  und  Drei-Kollenttbel  entstand  aus  der  römischen. 
Im  2.  bis  4  Jahrhundert  wohnen  in  Südrussland  Gothen;  die  byzantini- 
sche Kunst  entwickelt  sich  erst  unter  Justinian  (527  —565).  Wir  haben  es 
mit  germanischer,  von  der  antiken  beeinflussten  Cultur  zu  thun,  wie 
auch  H.  Hildehrand  und  Pulsky  annehmen.  Montelius  stimmt  dieser 
Ansicht  bei  und  sagt,  dass  sie  schon  vor  zwanzig  Jahren  in  Schweden 
ausgesprochen  sei.  Buchau  demonstrirt  seine  Sammlung  prähistorischer 


304 


H.  Srhaalfhausen: 


CuiturpHanzen.  Hierauf  schildert  Professor  Dorr  die  Steinkistcngräbcr 
bci  Klbing.  Kr  entdeckte  hier  .Mellen  Stciiikistcngritberfelder  in  den 
Jahren  1.SH0  bis  P***.  Die  Steinkisten  ent Iiielten  Aschcuurncn  vom  ost- 
preussibchen  Typus,  sie  «gehören  ilem  Knile  der  Hallstattzcit  an.  In  Klbing 
wurde  nuel»  eine  Münze  von  Hiero  II.  von  Syracu.s  gefunden.  Auch  in 
der  Umgebung  von  Klbing  landen  sieh  solche  Graber,  hier  war  wohl 
eine  Uaststolle  an  der  alten  HiUidekstniK.se  nach  dem  Bcrnstcinlandc 
Die  Stelle  des  Pliniils,  wo  er  den  Pytheas  erzählen  lässt,  die  C.olhen 
seien  Anwohner  de.s  Acstnarium  occani,  von  wo  man  die  Hcrnsteiiiinscl 
Abalus  zu  Schiffe,  in  einem  Tage  erreiche,  könne  sich  nur  auf  Samland 
beziehen.  Lissaner  schildert  den  Forinenkreis  der  slavischcn  Schläfcn- 
ringc.  Sie  sind  bezeichnend  für  die  Gebiete,  in  welchen  Slaven  wohnten. 
Ocstlich  der  Weichsel  und  nördlich  dcrOssa,  im  Laude  der  alten  Proussen 
werden  keine  gefunden.  Hei  der  gcw öhnlich*>u  Forin  ist  das  ein«'  Ende 
des  runden  Drahtes  gerade  abgeschnitten,  das  andere  in  eine  S-förmige 
Schlinge  zurückgebogen.  Ks  giebt  auch  solche  aus  kantigem  und  aus 
gedrehtem  Drahte.  Zuweilen  ist  ein  Ende  zugespitzt,  selten  ist  ein  Knde 
ö.senfürinig  umgebogen.  Die  Hinge  der  Merier  zeigen  keine  S-förmige 
Krümmung.  Andere  sind  an  beiden  Knden  S-förmig  umgebogen.  Zu- 
weilen windet  sich  ein  Knde  S-förmig  und  dann  noch  einmal  spiralig  um. 
Sie  gehören  dem  F>.  bis  G.  Jahrhundert  an.  Oesterreich-Engarn  erscheint 
als  die  Wiege  dieser  Hingform,  deren  ergiebigste  Fund<|uelle  die  Reihen- 
giiiber  sind.  Die  meisten  sind  von  Bronze,  man  hat  sie  auch  von  Hlei, 
Zinn  und  Kupier,  auch  von  Silber  und  Gold  gefunden.  In  vielen  Keihen- 
gr.Ubern  hat  man  auch  dolichocephale  Skelette  gefunden.  B  a  i  e  r  he- 
merkt.  dass  auf  Hügen  mehr  hohle  als  massive  StlilJtfenringe  gefunden 
würden;  in  einem  fand  sich  ein  Jlolzstiibchen  als  Kern.  Dr.  Jakob 
schildert  die  Waaren  beim  nordisch-baltischen  Handelsverkehr  der  Araber. 
Die  zahlreichen  Funde  kuhschcr  Münzen  aus  dem  K.  bis  10.  Jahrhundert 
in  Russland  und  an  den  Tlern  der  Ostsee  veranlassten  ihn,  die  gleich- 
zeitigen arabischen  und  polnischen  Quellen  zu  untersuchen,  um  Näheres 
Über  den  alten  Handelsverkehr  in  diesen  Gegenden  zu  erfahren.  In 
Schweden  sind  200  Fundstellen  bekannt,  in  Gntland  wurden  13,000  Münzen 
gefunden,  ein  russischer  Fund  zählte  11.077  Stück.  Am  häutigsten  sind 
die  der  Samaniden,  welche  in  Bukhara  residirten  Arabische  Schriftsteller 
bezeugen  zunächst  eine  grosse  Sklavenausfuhr  aus  den  Ländern  der 
Slaven,  die  theil«  die  Wolga  herunter  und  daun  nach  Khiwa,  theils  durch 
das  Land  der  Franken  nach  Spanien  gebracht  wurden.  Mehrfach  werden 
ihr  rüthlich  blondes  Haar  und  ihre  blauen  Augen  erwähnt.  Ibrahim  ihn 
Jaqub,  Gesandter  am  Hofe  Ottos  des  Grossen,  sagt  von  Prag:  Waräger 
und  Slaven  kommen  dahin  von  Krakau  und  aus  türkischem  Gebiet,  Mus- 
lims, Juden  und  Türken  mit  Waaren  und  Münzgew  ichten  und  nehmen  ila- 
für Sklaven.  Zinn  und  Bleiarteu.  In  der  Vita  des  heiligen  Adalbert,  der  097 


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Die  XXII.  allgem.  Versamml.  d.  deutschen  Anthrop.  Gesellschaft  etc.  305 


erschlagen  wurde,  wird  erzählt,  dass  er  christliche  Sklaven  den  Jndcn 
anzukaufen  pflegte.  Der  hebräische  Geograph  Benjamin  von  Tudela 
erzählt,  das«  die  Bewohner  Böhmens  ihre  Söhne  und  Töchter  allen  Völkern 
verkauften.  Dasselbe  thaten  die  Bewohner  von  Uussland.  Ibn  Rosteh, 
ein  Gengraph  des  10.  Jahrhundert«,  sagt  von  den  Waräger  Russen:  Sie 
unternehmen  Razjas  gegen  die  Slaven,  indem  sie  auf  Schiffen  fahren  und 
dann  landen,  Gefangene  machen  und  diese  nach  Khaznran  und  zu  den 
Bulgaren  zum  Verkauf  bringen.  Istakhri  berichtet  von  den  Bewohnern 
Khiwas:  ihr  gauzer  Keichthum  stamme  von  dem  Handel  mit  den  Türk 
und  dem  Viehbesitz.  Man  importirt  zu  ihnen  den  grössten  Theil  der 
slavischen  und  türkischen  Sklaven  und  Pelze  von  Korsak,  Zobel,  Füchsen, 
Biber  und  andere  Pelzarten.  Ausdrücklich  werden  noch  kastrirte  slavi- 
sehe  Sklaven  erwähnt.  Das  Kastriren  besorgten  die  Juden.  Auch  Skla- 
vinnen bezogen  die  Araber  aus  den  nördlichen  Gegenden.  Sie  wurden 
in  Bulgar  zu  Markte  gebracht.  Der  persische  Dichter  Nasir-i-Khusro 
preist  ihre  Schönheit;  für  eine  Sklavin  zahlte  man  1000  Goldstücke  und 
mehr.  Nach  Abu  Hamid  bezog  man  im  12.  Jahrhundert  auch  MammuthzHhnc 
die  in  Khiwa  theuer  bezahlt  wurden.  Die  wichtigste  Ausfuhr  aus  dem 
Norden  waren  Pelze,  mit  denen  die  reichen  Araber  damals  ihre  Kleider 
verbrämten.  Sie  kamen  bis  ins  Land  der  Frauken  und  nach  Spanien. 
Am  werthvollsten  war  der  Schwarzfuchs.  Es  soll  sogar  das  Fell  des  Eis- 
fuchses nach  Süden  gelangt  sein.  Ibn  Batuta  sagt,  das«  Vene  und  Her- 
melin durch  stummen  Handel  aus  dem  Lande  der  Finsternis*  gekommen 
seien.  Die  westliche  Strasse  dieses  Verkehrs  ist  nicht  durch  Münzfunde 
belegt,  weil  der  Westen  bereits  eigenes  geprägtes  Geld  besass.  Bei  den 
Burlas  dienten  Marderfelle  als  Geld.  Im  Wogulischcn  he.isst  der  Rubel 
schet-lin  =  100  Eichhörnchen.  Auch  das  Bibergeil  der  Araber  stammte 
aus  den  slavischen  Ländern.  Auch  Fischleim  und  Wallrosszahn,  Honig, 
Wachs  und  hartes  Khalengholz  kamen  aus  dem  Norden.  Der  Bernstein 
kam  aus  den  Ländern  der  Ruh  und  Bulgar.  Auch  Blei,  Zinn  und  eiserne 
Waffen  lieferte  der  Markt  von  Bulgar.  Nach  dem  Norden  brachten 
die  Araber  Baumwolle  und  Seide,  Glasperlen  und  Kaurimuscheln,  die 
man  mit  kufischen  Münzen  zusammen  findet,  aber  nicht  mehr  westlich 
der  Oder,  lieber  die  Harpnnen  zum  Walfischfang  berichtet  Abu  Hamid: 
Die  Kaufleute  gehen  von  Bulgar  nach  dem  Land  der  Ungläubigen  Isn 
und  bringen  Schwerter  dahin  und  kaufen  dafür  Biber.  Die  von  Isu 
verkaufen  diese  Schwerter  am  Schwarzen  Meer  für  Zobelfelle.  Hier 
werfen  die  Bewohner  die  Klingen  ins  Meer,  dann  litsst  Allah  für  sie  einen 
Fisch  herauskommen.  Kleinschmidt  spricht  über  den  Krummstab, 
Krivule,  der  in  Litauen  noch  von  Haus  zu  Haus  geschickt  wird,  um  die 
Gemeindeversammlung  zu  berufen.  Jeder  macht  einen  Kerb  hinein. 
Club  hiess  ursprünglich  der  Vitenstock,  der  im  Stab  der  Constabler 
noch  fortbesteht.  Der  Herrscherstab  der  Pharaonen,  der  griechische 
JfthrU.  d.  Vor.  v.  Alterthsfr.  Im  Hhoinl.  XC1II.  20 


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30ß      H.  SehaafihiiUKcn:  Die  XXII.  allgem.  Versammlung  etc. 


Hirtenstab,  da«  lateinische  Pcdum,  der  Vitcnstab  im  Altnordischen  sind 
mit  dem  Stab  dos  Ki-ive  identisch. 

Waldeycr  schliesst  hierauf  die  letzte  Sitzung  mit  dem  Dank  nn 
Alle,  die  dazu  beigetragen  haben,  die  Versammlung  so  erfolgreich  zu 
gestalten,  an  die  F.xcellenz  v.  (Joswler,  den  Lnndosdireetor  JJickel,  den 
Rürgermeistcr  Baumbach,  die  LoealgeschJlftsfnhrung.  Jentzsch  spricht 
den  Dank  für  die  Herren  Vorsitzenden  ans. 


II.  Schaaff  hausen. 


V.  Verzeichniss  der  Mitglieder ') 

im  Jahre  1892, 

aufgestellt  nm  29.  Juli  1892. 


Vorstand  des  Vereins  von  Pfingsten  1891  bis  1892 

Geh.  Rath  Prof.  H.  Sc hnnlf hausen,  Präsident, 

Prof.  .1.  Klein,  Viccpnisident, 

F.  van  VI eu ton,       1  c,  tM 

I'rof.  A.  Wi  e  d  i»  in  n  im , ) 

Ür.  1».  F..  Sonnouburg,  Bibliothekar. 


Rendant:  Rochuuiigsrath  Fr  icke  in  Bonn. 


Düntzer,  Dr.,  Professor  und  Bibliothekar  in  Cöln. 

Falk,  Dr.,  Kxcellcnz,  Slaatsministcr  n.  I).  und  Obcrlandosgerichts-Prasident 
in  llauun. 

Gr  ei  ff,  Dr.,  Excellenz,  Wirkl.  Geh.  Ob.-Rcg.-Rath  und  Ministorial-Director 

in  Berlin. 
Helbig,  Dr.,  Professor  in  Koni. 
Philipp  Kreinentz,  Dr.,  Erzbischof  von  Cöln. 

LindeiiHchnüt,  L.(  Professor  und  Direetor  des  Rom. -Germ.  Centrnl- 

museums  in  Mainz. 
Schöne,  Dr.,  Och.  Ober-Rog.-Rath  und  Gen  -Di rector  der  Königl.  Museen 

in  Herlin. 

Ordentliche  Mitglieder. 

Die  Namen  der  auswärtigen  SeeretJire  sind  mit  fester  Schrift  •redruckt. 

A bei, Chr., Dr. iur.,  Präsident  d.  Ges.  Andreae,  Dr.  Hau«,  in  Burgbrohl. 

f.  Archaol.u.  Gesch.  d.  Mosel  iuMetz.  Andreae,  Otto,  Fabrikbesitzer  in 

Achenbacli,  Dr.  von,  Exe,  Staats-  Mülheim  n.  Rhein. 

min. a.D. u.  OberprHsid.inPotsdam.  Andreae,  Professor  und  Historien- 
Achenbach,    Berghauptinanu    in  maier  in  Sinzig. 

Clausthal.  Antiquarisch-historischer  Vor- 
Adler, Geh.  Ober-Baurath,  Prof.  ein  in  Kreuznach. 

in  Berlin.  Archiv  der  Stadt  Aachen. 

Aegidi,  Dr.,  Geh.  Rath  u.  Professor  Archiv,  Kgl.  Staats-,  in  Düsseldorf. 

in  Berlin.  Arndts,  Max  in  Cöln. 

Aldenkirchen,  Domcapitular  in  Trier.  Arnoldi,  Dr.,  pract.  Arzt  in  Win- 

Altorthuuis-Vereiu  in  Mannheim.  ningen  a.  d.  Mosel. 

Altert  hu  ms-Ver  ein  in  Worms.  Asbach,  Dr.,  Direetor  in  Prüm. 

Altcrthuuis-Verein  in  Xanten.  Bade  vor  waltung  in  Bertrich. 

Altinann,  Bankdirector  in  Cöln.  Baedeker,  Carl,  Buehh.  in  Leipzig. 

1)  Der  Vorstand  ersucht,  Unrichtigkeiten  in  den  nachstehenden  Ver- 
zeichnissen, Veränderungen  in  den  Standesbeaeichniingen  und  den  Wohn- 
orten gefälligst  dem  Rcndantcn,  Herrn  Rcchuungsrath  Fricke,  schriftlich 
mitzutheilen.  Die  seit  der  letzten  General-Versammlung  verstorbenen  Mit- 
glieder sind  mit  einem  *  bezeichnet. 


Verzeichnis«  der  Mitglieder. 


Balzer,  Regier.-  u.  Baurath  in  Colli. 
Ha ron,  Dr.,  Professor  in  Bonn. 
Heek,  Dr.,  Seminardireet.  in  Hriilil. 
Reck  er,  Dr.,  Archivratli  u.  Staat»- 

arehivar  in  Coblenz. 
Reger,  Otto,  Direetor  in  Khrenfeld. 
Bcissel  von  Gymnich,  (Jrnt"  aui 

Sellins»  Kchinidthcim,  Kifel. 
Remberg,  von,  Rittergutsbesitzer 

in  Flamersheim. 
Rendel-,  Dr.,  Prof.  in  Bonn. 
Herl  e  p  s  c  I»,  Frhr.  v.,  Staatsiiiiuister 

in  Berlin. 
Bettingen,  Just ixi ath  in  Trier. 
Bibliothek  der  Stadt  Bannen. 
Bibliothek  der  Universität  Basel. 
Bibliothek   des  akadein.  Kunst» 

uiuscuins  in  Bonn. 
Bibliothek  des  Lyceuins  llosiana 

in  Braunsberg. 
Bibliothek,  St  Und.  Landes  i.Cassel. 
Bibliothek  der  Stadt  Cleve. 
Bibliothek  der  Stadt  Cöln. 
Bibliothek  der  Stadt  Creteld. 
Bibliothek,    Fürstl.    in  Donan- 

esehingeii. 
Bibliothek  der  Stadt  Düren. 
Bibliothek  der  Stadt  Düsseldorf. 
Bibliothek  der  Stadt  Duisburg. 
Bibliothek  der  Stadt  F.iiinierieh. 
Bibliothek     der  Stadtgemcindc 

Kssen. 

Bibliothek  derStadtFrankfnrt  a.M. 

Bibliothek  der  Universität  Frei- 
burg i.  B. 

Bibliothek  der  Stadt  M. -Gladbach. 

Bibliothek  der  Uni  Vers. Güttingen. 

Bibliothek  der  L'iiiversitiit  Halle 
h.  d.  S. 

Bibliothek  der  Stadt  Hainburg. 
Bibliothek  der  Universität  Heidel- 
berg. 

Bibliothek  der  Uni  versitat  Königs- 
berg i.  IV. 

Bibliothek  der  Uni versitat  Löwen. 

Bibliothek  der  Universität  Lattich. 

Bibliothek  der  Stndt  M«  in/.. 

Bibliothek,  Grilfi.  v.  Mirbach'sche 
zu  Harff. 

Bibliothek  der  Akademie  in 
Münster. 

Bibliothek,  Stifts-  in  Oehringen. 

Bibliothek  der  Universität  I'anna. 

Bibliothek  der  Universität  Prag. 

Bibliothek  der  Stirnim-n  aus  Maria 
Laach,  Kxaeten  bei  Rae \ ein,  Hol- 
land. Limburg. 

Bibliothek  der  Stadt  Stralsund. 

Bibliothek  der  Stadt  Trier. 


Bibliothek  der  Univ.  Tübingen. 
Bibliothek,  Königl.  in  Wiesbaden. 
*Ri  ns  fehl,  Dr.G x  um. -Dir. i.  Coblenz. 
Binz,  Dr.,  Geh.  Rath  und  Professor 
in  Bonn. 

Blauchard  Surlel,  Baron  de, 
Schloss  Lexhy  b.  Texhe. 

Blank,  Finil.  Kaufmann  in  Bannen. 

B I  a  n  k,  Gust.,  Fabrikant  in  Klberfeld. 

Blank,  Willy,  Rentner  in  Fiberfeld. 

Blüinner,  Dr..  Professor  in  Zürich. 

Boch,  von,  ruhw.  Seeret.,  Geb.  Com- 
merzieiirath  u.  Fabrikbesitzer  in 
Mettlach. 

Bock,  Adain,  Dr.  jur.  in  Aachen. 

Bo  e  ckin  g,  G.  A.,  Hüttenbesitzer  zu 
Abeiiteuerbütte  b.  Birkcnfcld. 

Boec  k  ing.  K.Fd.,  Hüttenbesitzer  zu 
Gräfenbacherhütte  b.  Kreuznach. 

B  oedd  i  n  ghnu  s,  Win.  sr.,  Fabrik- 
besitzer in  Klberfeld. 

Boetzkes,  Dr.  in  Düsseldorf. 

B  o  n  e,  Dr.,Gynui.-<  »berl.i. Düsseldorf 

Borret.  Dr.  in  Vogelensang. 

Bracht,  Fugen,  l'rof.  der  Kunst- 
akademie in  Berlin. 

Brambach,  Dr.,  Prof.  und  Ober- 
bibliothekar  in  Karlsruhe. 

B  r  Ü  Ii  I,  (traf  v.,  Landrath  in  Coblenz. 

Brunn,  von,  Dr.,  Prof.  in  München. 

Bücheler,  Dr.,  Geh.  Rcg.-Rath, 
Professor  in  Bonn. 

Bürgers,  V.,  Knullti. in  Plittersdorf. 

Bürgerschule,  Höhere  in  Düssel- 
dorf. 

Bürgerschule,  Höh.  in  Hecbingen. 
Burkhardt,  Dr.,  Pastor  in  Blösjen. 
Caesar,  Aug.,  Dr.,  Landger-Pra- 

sident  a.  D.  in  Bonn. 
Ca  h  n,  Carl.  Bankier  in  Bonn. 
C  a  p  p  e  1 1,  Landger.-Dir.  i.  Wiesbaden. 
Ca  map.  von,  Beniner  in  Klberfeld. 
C  a  r  o  n.  Alb.  Heinrich,  Gut  sbesit  z.  auf 

Haus  Heisterberg  beiKönigswinter. 
C  a r  s  t  a  n  j  e  n,  Adolf  v.,  in  Godesberg. 
C  Ii  r  z  e  s  c  in  s  k  i ,  Pastor  in  Cleve. 
Civil -Casum  in  Coblenz. 
Ci  v i  I -Cnsi no  in  Cöln. 
Ciaer,  Alex,  von,  Lieutenant  n.  D. 

und  Reiitmeister  in  Bonn. 
Ciaer.  Kberhard,  von,  Gutsbesitzer. 

Haushof  in  Vilich  bei  Bonn. 
Clner,  Frnst  von,  Major  a.  D.  inBonn. 
deinen,  Dr.  Paul  in  Bonn. 
Conrady,    Kreisrichter  a.   D.  in 

Miltenberg. 
C  o  n  s  e  r  v  a  t  o  r  i  u  ni  d.  Alterthüiuer, 

Grossherzogl.Bndisch.iiiCarlsrnhp. 
Con/.e.  Gottfried,  Provinzial-Land- 


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Verzeichnis* 


tags-Abgconlnctcr  in  Langenberg 
(RhcinlA 

Cornt'lius,  Dr.,  Prof.  in  M iiiulii-ii. 
Cou  r  t  Ii,  Assessor n.  D.  in  Düsseldorf. 
C  üppers,  Conr.,  Dr.,  Kcal-Gymna- 

siallelirer  in  Cöln. 
Ctiii",  Regicrungs-  und  Baurath  in 

Cohlenz. 

Cuny  ,  Dr.  v.,  Geh.Justizr.  in  Herlin. 
('  u  n  i  u s,  Dr.,  (ieh.-It.,  I'rof.  in  Berlin. 
D  a  Ii  m,  Dr.GeorgCarl.Rentn.  i.  Bonn. 
De  ich  manu.    Theodor.  Couiiner- 

zienralh  in  Cöln. 
Deiters,  Dr.,  Geh.  Regierungsrath 

in  Cohlenz. 
Deppe,  August,  Dr.  in  Heidelberg. 
Diergardt.  Frlir.  von,  Morsluoich. 
Dillhey,  Dr.,  I'rof.  in  Güttingen. 
Dubliert,  Dr.,  Prof.  in  Derlin. 
Doe  t  se h,  Oberhürgcrineisi.in  Bonn. 
Do nshaeh,  cand.  pliil.  in  Hoppard. 
Du  11  gern,  Frhr.  von,  Präsid.  d.  herz. 

nass.  Finauzkaiinner  in  Wiesbaden. 
Pulrcux,  T.,  Uentii.  in  Luxemburg. 
Kichhot'!',  Otto,  in  Savn. 
Kiek,  Garl  Alfred,  Rechnungsführer 

in  Mechernich. 
KU  er,  A.,  Professor  in  Bonn. 
Kitester,  von,  in  Cohlenz. 
Kitz,  Graf,  Excellenz  in  Eltville. 
Kit  z b n c  Ii e  r,  Moritz, Reutn.  in  Bonn. 
Kiidert,  Dr.  van,  Pastorin  Zülpich. 
Kngclskirchcn,  Architect  in  Bonn. 
Erlenineycr,  Dr.  AH»r.,  in  Bendorf 

am  Rhein. 
Kskens,  Frl.  Jos.,  Rentnerin  in  Bonn. 
Ksser,  Dr.,  Krcisschulinspector  in 

Malmedy. 
Evans,  John  zu  Nash-Mills  in  Engl. 
Eyne.ru,  Emst  von,  Kaufmann  in 

Bannen. 

Finkelnburg,   Prof.,   Dr.,  Geh. 

Rath  in  Godesberg. 
Finne ii ich- Rio  hartz,    Frau,  in 

Bonn. 

Flandern,  Kgl.  Hoheit  Grit  flu  von, 

in  Brüssel. 
F I  e  c  k  e  i  s  e  n  .  Dr.,  Prof.  in  Dresden. 
Fl  in  seh,  Major  a.  D.  in  Imincii- 

burg  b.  Bonn. 
Folien  ins,  Geh.  Bergrath  in  Bonn. 
Fonk,  Landrath  in  Büdesheim. 
Forst,  W..  Baumeister  in  Cöln. 
Franks,    Aug.,    Conservator  am 

British-Muscnm  in  London. 
Fr  icke,  Rechnungsrath  und  Ober- 

bergaintsrcndant  in  Bonn. 
Friederiehs,   Carl,  Commcrzien- 

rath  in  Remscheid, 


•r  Mitglieder.  '10f> 

F  r  i  e  d  I  ü  n  il  e  r,  Dr.,  Professor,  Geh. 
Reg.-Rath  in  Königsberg  i.  Pr. 

F  r  i  n  gs,  Frau,  ( 'ommerzienr.  Eduard, 
auf  Marienfels  h.  Remagen. 

Frowin  ii,  Aug.,  Kaulm.in  Elberfeld. 

Frowein,  Landrath  in  Wesel. 

Fröhlich,  Stephan,  Notar  in  Cöln. 

Fuchs,  Pet.,  Professor  und  Dom- 
bildhauer in  Pöln. 

Fürst  enberg,  Graf  von,  Krbtruch- 
scss  auf  Schloss  Herdringen. 

F  ü  r  s  t  e  n  b  e  r  g  -  S  t  a  in  in  h  e  i  in,  Graf 
von,  Suiinniheiin  b.  Mülheim  a.  Rh. 

Fuss,  Dr.,  Gymn.-Dir.  zu  Strasburg 
im  Klsass. 

Gaedechens,  Hofrath,  Dr.,  Pro- 
fessor in  Jena. 

G  a  n  d  t  n  e  r,  1  >r.,  Curator,  Geh.  Obcr- 
Rcg.-Rath  in  Bonn. 

Georgi  W.,  Univ.-Buchdruckerci- 
besitzer  in  Bonn. 

Gewerbeschule  (Realschule)  in 
Saarbrücken. 

G  o  e  b  b  e  1  s ,  Stiftsherr  am  Collegiat- 
stift  in  Aachen. 

Goebel,  Dr.,  Gymn.-Dir.  in  Fulda. 

Gothel n,  Dr.,  Professor  in  Bonn. 

*G  o  1  d  s  c  Ii  m  i  d  t, Jos., Bankier i. Bonn. 

G  o  I  d  s  e  Ii  m  i  d  f ,  Hob., Bankier  i.Bonn. 

Goldschmid»,  Walter,  Bankier  in 
Bonn. 

Gräfe,  Dr.,  Professor  in  Bonn. 
Grand-  R  y ,  von,  Rittergutsbesitzer 
in  Bonn. 

G  r  e  e  f,F.W.,Coinmercienr.m Viersen. 
Grüneherg,  Dr..  Commerzienrath 
in  Cöln. 

Guilleaume,  Frz.,  Fabrikbesitzer 

in  Bonn. 
Gurlt,  Dr.  Adolf,  in  Bonn. 
G  y  in  nasin  in  Kaiser  Karl  in  Aachen. 
Gymnasium  zu  Birkenfeld. 
Gymnasium  in  Bochum. 
G  y  m  n  a  s  i  u  m  in  Bonn. 
G  y  in  n  a  s  i  u  m  in  Bruchsal. 
G  y  m  n  a  s  i  n  in  in  Cnrlsruhe  in  Baden. 
Gymnasium  in  Cassel. 
Gymnasium  in  Cleve. 
Gymnasium  in  Cohlenz. 
G  y  m  n  a  s  i  u  in  an  St.  Aposteln  inCöln. 
Gv  tu  na  Hin  in,  Kaiser  Wilhelm-  in 

Cöln. 

G  y  in  n  a  s  i  u  in  an  Mur/.ellcn  in  Cöln. 
Gymnasium  in  Düren. 
Gymnasium  zu  Düsseldorf. 
Gymnasium  in  Duisburg. 
Gymnasium  in  Klberfeld. 
Gymnasium  in  Emmerich. 
Gymnasium  iu  Essen, 


,'ilO  Verzeichnis* 

G  y  in  Ii  a  ni  11  in  in  Freihurg  in  Kaden. 
Oy  in  nnsinm  in  M.  Glatlbach. 
Oy  in  im si  uin  in  Höxter. 
Gymnasium  in  Kempen  iKIicin). 
(!  y  in  n  a  s  i  u  m  in  Mannheim. 
G  y  in  nn  si  uin  in  Montabaur. 
Gymnasium  tu  Münstereifel. 
G y  uin nsi um  in  Neuss. 
Gymnasium  in  Neuwird. 
G  y  in  n  M  s  i  u  in  in  Rheine. 
Gy  in  na  sin  in  in  Hinteln. 
G  y  in  n  a s i u in  in  Saarbrücken, 
(iy  innnsium  in  Siegburg. 
Gymnasium    in  Taubcrbisehofs- 
lieim. 

Gymnasium  in  Trier. 

G  y  in  n  a  s  i  u  in  in  Wesel. 

Oy  muasiuui  in  Wetzlar. 

II  na  ss,  Kberh.,  Apotheker  iu  Viersen. 

II  abe  t  s,  Jos.,  Keiehsarehivar,  Mitgl. 

d.  Königl.  Akntl.  d.  Wissensch.  in 

Mastricht. 
Haustein,  Peter,  BnchhUiullcr  in 

Bonn. 

Hardt,  A.  W.,  Kaufmann  u.  Fabrik- 
besitzer in  Lennep. 

Haug,  Ferd.,  Professor  u.  Oyiniiasial- 
Dircctor,  ausw.  Secr.,  in  Mannheim. 

Hauptmann,  Kendler  iu  Bonn. 

Hauptmann,  Carl,  Malerin  Bonn. 

Hauptmann,  Felix,  Dr.  in  Bonn. 

Heckinaiiu,  Fabrikant  in  Viersen. 

Heere  man,  Frhr.  von,  Kegierungs- 
rath  a.  I).  in  Münster,  We.stf. 

H  e  i  n  s  b  e  rg,  von,  Geh.  Rcgierungs- 
ratli  iu  Wevelinghoven. 

Hei  inen tag,  Hnuptmanu  u.  Comp.- 
Chcf  in  Düsseldorf. 

Henry,  Blieb-  und  Kunsthändler  in. 
Bonn. 

H  «rder,  August,  Kaufmann  in  Kus- 
kirehen. 

Herder,  F.rnst,  in  F.uskirchen. 

II  er  Feld,  Frau  Josephine,  geb. 
Bourette  in  Anderuaeli. 

Herst  alt,  Kduard,  Kentner  in  Oöln. 

Hettner,  Professor,  Dr.,  Direetor 
des  Proviii/..-Muscunis  iu  Trier. 

Heuser,  Koben,  Stadtrath  in  Cöln. 

Hey  dinier,  Planer  in  Schleid- 
weiler bei  Auw,  Kcg.-Bez.  Trier. 

Heydt,  von  der,  Freiherr  August, 
Bankier  in  Elberfeld. 

Hevdt,  von  der,  Carl,  Hentner  in 
Berlin. 

Heyl,  C.  W.,   Freiherr  von,  Geh. 

Coinmerzieiiratb  in  Herrnsheim  b. 

Worms. 
Heyn,  Oberstl.  in  Bonn. 


ur  Mitglieder. 

Hilders,  Freih.  von,  General  der 
Infanterie  /.  D.  in  Darmstadt. 

Hillcgom,  Six  van,  in  Amsterdam. 

H  i  st  o riseh er  Verein  für  Dortmund 
und  die  Grafschaft  Mark  in  Dort- 
mund. 

Historischer  Verein  für  die  Saar- 
jrcjrend  in  Saarbrüeken. 

Höste  nun  im,  Dr.,  Arzt  in  Ander- 
nach. 

Hoc  tili«-,  Bernhard,  Dr.,  Bischof 
von  Osnabrück. 

Höpfner,  Dr.  Geh.  Kegicrungsrath 
im  Cultusininisterium  iu  Berlin. 

Hompesch,  Graf  AI  fr.  von,  zu 
Schloss  Uui  ich. 

Hühner,  Dr.,  Professor  in  Berlin. 

Hueck,  Gustav,  Bankier  in  Elber- 
feld. 

H  Üffer,  Dr.,  Professor  u.  Geh.  Rath 

iu  Bonn. 
II  üffer,  Alexander  in  Bonn. 
II  ü  t  w  o  Ii  I,  J.,  in  Steeg  b.  Bacharach. 
Hultscb,   Dr.,    Oberschulruth  in 

Dresden. 

Hu mbroich,  Justizrath  u.  Rechts- 
auwalt  in  Bonn. 

Hupertz,  Gcner.-Direct.  in  Mecher- 
nich. 

Huyssen,  Dr.,  Wirkl.  Geh.  Rath, 
Kxcellenz  in  Bonn. 

Huyssen,  Ingenieur  in  Nieder- 
breisig'. 

Ihm,  Max,   Dr.  phil.  Privatdoreut 

iu  Halle  a.  Saale, 
lsphordiiig,    Reg.-Baumeistcr  in 

Bonn. 

J  a  e  h  n  s ,  Max,  Major  im  Gr.  General- 
stab  in  Berlin. 

Jenny,  Dr.  Sani.,  in  Hard  b.  Bre- 
gen/.. 

J  o  e  r  r  e  s ,  Dr.,  Kcctor,  in  Ahrweiler. 
J «'»rissen,  Pastor  in  Alfter. 
Joest,  Frau  August,  in  Cöln. 
Joest,  Kduard,  Kaufmann  in  Cöln. 
Isenbeck  ,  Julius.  Kentner  in  Wies- 
baden. 

Kahl,  W.,  Dr.,  Professor  in  Bonn. 

Karsch,  Paul,  Königl.  Eisenbahn- 
Bau-  u.  Bctricbs-Iii.Npect.,  in  Essen 
(Kühr). 

Kaufmann,  ( )bcrbürgerm.  a.  D. 
in  Bonn. 

Kau  hui,  Dr.,  Professor  in  Bonn. 
Klein,  Dr.  Jos.,  Professor  in  Bonn. 
Kle  rings,  Gastwirth  in  Bertrich. 
Kliuglu>lz,  Kentner  in  Bonn. 
K  n  a  b  v.  ii  -  p  e  n  s  i  o  n  a  t,  kath.,  Kem- 
perhof bei  Coblenz. 


Verseiehniss 

R  nc bei,  Laiiilrnth  a.  D.,  Geb.  Re- 
gierungsrath  in  Colli. 

Koch,  Hcinr.  Hub.,  Militar-Ober- 
pfarrcr.  Divisionspfarrer  in  Frank- 
furt a.  M. 

Kocnen,  Constant.,  Archäologe  in 
Neuss. 

Körnig,  Fritz,  Rentner  in  Dresden. 
Koerte,  Dr.,  Professor  in  Rostock. 
Kohl,  Dr.,  I'rofessor  u.  Gymnasial- 

Obcrlehrer  zu  Kreuznach. 
Koht z,  Hauptmann,  Bezirks-Oftizior 

in  Lennep. 
Kosbab,  Jos.,  Rgs.-Bnuinspcctor  in 

Cöln. 

Koser,  Rcinhold,  Professor  in  Bonn. 
K  rafft,  Dr.,  Geh.  Cotisistorialrath 

und  Prof.  in  Bonn. 
Krämer,  Franz,  Rentner  in  Cöln. 
Kraus,  Dr.,  Professor  in  Freiburg: 

i.  B. 

Kreis-Ausschuss,  Landkreis  in 
Bonn. 

Kreis- Ausscbu. ss,  Landkreis  in 
Coblenz. 

Kreis-Ausschuss,  Landkreis  in 
Cülu. 

K reis- Aussei» uss.  Landkreis  in 
Crefeld. 

K  reis-  Aus  sc  Ii  uss  in  Daun. 

Kreis-Ausschuss,  Landkreis  in 
Düsseldorf. 

Kreis-Ausschuss,  Landkreis  in 
Essen  a.  d.  Ruhr. 

Kreis-Ausschuss  in  Euskirchen. 

Kreis-Ausschuss  in  Gummers- 
bach. 

Kreis-Ausschuss  in  Lennep. 
Kreis-Ausschuss  in  Malmedy. 
Kreis-Ausschuss  in  Meisenhelin. 
Kreis-Ausschuss  in  Merzig;. 
Kreis-Ausschuss    in  Mülheim 
a.  Rhein. 

Kreis-Ausschuss    in  Mülheim 

a.  d.  Ruhr. 
Kreis-Ausschuss  in  Neuss. 
Kreis- Ausschuss  in  Ruhrort. 
Kreis-Ausschuss  in  Saarburg;, 

R.-B.  Trier. 
Kreis-Ausschuss  in  Saarlouis. 
Kreis-Ausschuss  in  Schleiden. 
Kreis-Ausschuss  in  Siegburg. 
Kreis-Ausschnss   Mettinann  in 

Vohwinkel. 
Kreis-Ausschuss  in  Wetzlar. 
Kreis-Ausschuss  in  Wittlich. 
Kreitz,  Friedrich,  Bürgermeister 

in  Königswintcr. 


lt  Mitglieder.  311 

Krupp,  Geh.  Commerzicnratli  in 
Essen. 

Kühlen,  B.,  Inhaber  einerartistisch. 

Anstalt  in  M.-Gladbach. 
Kur-Coniniission  in  Bad-Ems. 
Landau,  H.,  Cominerzicnrath  in 

Coblenz. 

L  a  u  d  r  a  t  Iis  a  m  t ,  Königl.  in  Aachen. 
L a  n  d  r  a  t  h  s  a  m  t,  Königl.  in  Adenau. 
Land  rat  Ii  samt,  Königl.  Ahrweiler. 
Laudrathsamt,  Königl.  in  Alten- 
kirchen. 

Laudrathsamt,  Königl.  in  Er- 
kelenz. 

L  a  n  d  r  a  t  Ii  s  a  in  t ,  Königl.  in  Geilen- 
kirchen. 

Laudrathsamt,  König],  in  M.- 
Gladbach. 

Landrathsamt,  Kön.  in  Greven- 
broich. 

L  a  n  d  r  a  t  h  s  a  in  t ,  Königl.  in  Heins- 
berg. 

Landrathsamt,  Kön.  in  Kempeu. 
Landrathsamt,  Königl.  in  Rhein- 
bach. 

Laudrathsamt,  Kön.  in  Simuiern. 
Land  rat  h  samt,  Königl.   in  So- 
lingen. 

Landrathsamt,  König),  iu  Wesel. 
Landsberg,  Dr.  Ernst,  Professor 
iu  Bonn. 

Landsberg  -  Steinfurt,  Freih. 
von,  Engelbert,  Gutsbes.  in  Dren- 
steinfurt. 

Landwehr,  Dr.,  Rechtsanwalt  in 

Königswinter. 
Langen,  Eugen,  Coininerzieur.  iu 

Cöln. 

Langenberg,  Franz,  Baumeister 
in  Bonn. 

Lasaulx,  von,  Bürgermeister  in 
Remagen. 

Lau  t  z,  Geheimer  Justizrath  in  Bonn. 

Laufst,  Justizrath  und  Notar  in  El- 
berfeld. 

Leber,  Gymnasiallehrer  in  Bonn. 
Le em ans',  Dr.,  Dir.  d.  Reiehsmu- 

seums  d.  Alterthüiner  in  Leiden. 
Leiden,  Haus,  Consul  in  Cöln. 
Le  in  m  e,  Dr.,  Professorin  Heidelberg. 
L  e  in  p  e  r  t  z ,  H.  Söhne,  Buchhdlg.  iu 

Cöln. 

Lennep,  van,  in  Zeist. 

Levern us  - Leverkusen,  Rent- 
ner zu  Bonn. 

Lese-  und  Erholungs-Gesell- 
sebaft  in  Bonn. 

Lcydel,  J.,  Rentner  in  Bonn, 


312  Verzeichnis« 

Leven    von  der,  Kinil  in  Bonn 
L  i  c  Im- n  o  w,  Professor,  Geh.  Rccliu. 

Math  in  Berlin. 
Lieber,  Rcgier.-Baurath  in  Düssel- 
dorf. 

Liebieg,  Angehen,  Kran  Baronin 
von,  zu  Reichenherg  in  Böhmen. 

Lind  cn.  Anton,  in  Dürrn. 

Linden.se  luni  dt,  Carl,  Reiht  san- 
walt  in  Klberfcld. 

L  i  n  t  •/. ,  .Inc.,  Verlagsbuchh.  in  Trier. 

Loi',  Frh.  von,  Generali.  Kxcellenz 
in  Coblenz. 

L  o  e  s  c  Ii  k  c ,  Dr.,  Professor  in  Bonn. 

Locrsch,  Dr.,  Geh.  Justizrath  und 
Professor  in  Bonn. 

Lohaus,  Ober  -  Ycrwaltungsge- 
richts-Rath  in  Berlin. 

Lübke,  von,  I>r..  ausw.  Secr.,  Pro- 
fessor in  Carlsruhe. 

Martin,  Historienmaler  in  Bonn. 

M  ;i  r  Ichs,  Baurai  Ii  in  Bonn. 

Marius,  Vcrlagsbuehhandlcr  in 
Bonn. 

Martins,  Goetz,  Dr.,  Privatdocent 
in  Bonn. 

M  a r  x  ,  Aug., Civil-Ingeniour  inBoiin. 
Mehlis,   Dr.  C,  l'rot'.,  ausw.  Secr., 

Studienlehrer  in  Dürkheim. 
*Men  del  s. soll  n  ,  Willi.,  Beutner  in 

Bonn. 

Menzel,  Professor  Dr.  in  Bonn. 
Merke  iiä,    Franz,    Kaufmann  in 
Ciiln. 

Mertz,  Sebastian,  Rentner  in  Cöln. 
M  e  v  i  s  s  c  n ,  von.  Dr.,  Geh.  Coninier- 

zieurath  in  Cöln. 
Meyer.  Dr..  Rejrirrungsrath  in  Cöln. 
Michaelis,  Dr.,  Professor  in  Strass- 

burg. 

Michels,  F.,  in  Andernach. 
Michels,  G.,  Kauhnr.uu  in  Cöln. 
Mirbach,  Freiherr   Magnus  von, 

Hau|>tmauu  z.  D.  in  Bonn. 
Monier   v.  Moria  u de,  Graf,  in 

Koisdorf. 

Mo  nun  sen,  Dr.,  Professor  in  Char- 
lottenburg. 

Mooren,  Dr.  Albert,  Geheimer  Me- 
dicinalrntli  in  Düsseldorf. 

Mosler,  Dr.,  Professor  a.  Seminar 
in  Trier. 

Müllen  ine  ister,  Tli.,  Kaufmann 

in  Aachen. 
Müller,  Dr.  med.,  Sanitittsrath  in 

Niedermendig1. 
Müller,  Dr.  Albert,  Gvinnasial-Di- 

rector  zu  Flensburg  in  Schleswig. 


lt  Mitglieder. 

Münz-   und   A  n  l  i  k  en  -  C  a  b  i  n  e  t , 

Kais.  Königl.  in  Wien. 
M u see  royal  d'Antii|uites,  d'Amiu- 

res  et  d'Artillerie  in  Brüssel. 
Museen,  die  Königl.  in  Berlin. 
Museuni  Wallraf-Richartz  in  Cöln. 
Museum,  Fürstlich  Hoheuzollerii 

sches  in  Sigmaringen. 
Museum  in  Nyinwcgen. 
Musiel,  Laurent  von,  Gutsbesitzer 

zu  Schloss  Thorn  bei  Saarburg. 
Neil,  von,  .loh.  Pet.,  Gutsbesitzer 

in  Trier. 

Neil  e  *  sen,  Theodor,  in  Aachen. 
N  e  u  f  v  i  1 1  e ,  W.  von,  Bentn.  in  Bonn. 
N eu h äuser ,  Dr.,  Geh.  Reg.-Rath 

und  Professor  in  Bonn. 
Neu  ho  ff,  Dr.  Hobert,  Chemikerin 

Klberfeld. 
Ni essen,  C.  A.,  Bankier  in  Cöln. 
Nissen,  Dr.  H.,  Prof.  u.  Geh.  Math 

in  Bonn. 

Nitzseh,  Dr.,  Gyinn.-Dir.  in  Biele- 
feld. 

Nordhoff,  Dr.,  ausw.  Secr.,  Professor 

inMünster  i.  W. 
Norrenberg,    Dr.,    Pfarrer  in 

Süchteln, 
oberbergam t,  Königl.  in  Bonn. 
( )  b  e  r  s  c  Ii  u  I  r  a  t  h .  Grossherzoglich 

Badischer,  in  Carlsruhe. 
O  e  c  Ii  e  I  Ii  it  u  se  r,  von,   Dr.,  Prof. 

in  Heidelberg. 
Oidtmann,  Heinrich,  Dr.,  Inhaber 

einer  Glasmalerei  in  Linnich. 
< )  p  p  e  n  h  e  i  m  ,  Albert,  Freiherr  von, 

k.  Silchs.  Gencral-Consul  in  Cöln. 
O  ppen  heim,  Kduard,  Freiherr  von, 

k.  k.  General-Consul  in  Cöln. 
Ort,  J.  A.,  Rittmeister  in  Leiden. 
Overbeck,  Dr.,  ausw.  Secr.,  Prof.  in 

Leipzig. 

Pap  en,  von,  Prem.-Lieilt.  im  ~x 
Ulanen  Regiment  in  Werl. 

Pauls,  F..,  Apotheker  in  Bedburg. 

Paulus,  Prof.  Dr.,  Conservator  d.  k. 
Württ.  Kunst-  u.  Altcrthumsdcnk- 
male,  ausw.  Secr.  in  Stuttgart. 

P  a  n  I  y ,  Dr.,  Oberpfarrer  in  Montjoie 

Pflaume.  Baurath  in  Cöln. 

Pi  c  k ,  Rieh.,  Stadtarchivar  in  Aachen. 

Plassmaun,  Land(>srath  a.  D.  zu 
Münster  i.  W. 

Plejrte,  Dr.  W.,  auswart.  Reer.,  Direc- 
tor  des  Reichs  Museum  der  Al- 
terth.  in  Leiden. 

Po  I y  1 4- e  Ii  n  i  e u  in  in  Aachen. 

Pricger,  Dr.,  Rentner  in  Bonn. 


Verzeichnis« 

P  r  i  e  s  t  er  •  S  c  m  i  n  a  r ,  Bischöflichen 
in  Trier. 

Proff-Irnich,  Freiherr  Dr.  von, 

Landgerichts- Rath  a.  1).  in  Bonn. 
Progy  mnnHiuin  in  Andernach. 
I'rnjrymnnsiura  in  Dorsten. 
Pro«? ym n imiuin  in  Kschweiler. 
Pro  Gymnasium  in  Euskirchen. 
Progy  mnasium  in  Mahnecly. 
I'ro/y mnasium  in  Rheinbach. 
Progy mnasium  in  Sobernheim. 
Progy  mnasium  in  Trarbach. 
Progy  mnasium  in  St.  Wendel. 
Progymnasium  in  Wipperfürth. 
Prnvinzial  -  Verwaltung  in 

Düsseldorf. 
Prüfer,  Theod.,  Arcbitect  in  Berlin. 
Quark,  Rechtsanwalt  U.  Bankdirec- 

tor  in  M. -Gladbach. 
Randow,  von,  Kaufiii.  in  Orefeld. 
Rath,   Emil  vom,  Comin.-Rath  in 

Cöln. 

Rath,  vom,  Frau  Eu^en,  in  Cöln. 

R  a  u  t  e  n  « t  r  a  u  c  h ,  Kugcn,  in  Cöln. 

Rauter,  Oskar,  Director  der  rhei- 
nischen (ilashütte  in  Ehrenfeld. 

R  a  xi  t  e  r  t ,  Oskar,  in  Düsseldorf. 

Real-Gymnasium  in  Barmen. 

R  e  a  I  -  G  y  m  n  a  s  i  u  m  in  Düsseldorf. 

Real -Oy  mnasium  in  Elberfeld. 

Real -Oy  mnasium  in  Mülheim 
a.  d.  R. 

Real -Oy  mnasium  in  Ruhrort. 
Real-Gymnnsium  in  Trier. 
Real-Prngy  mnasium  in  Bonn. 
R  e  a  I  -  P  r  o  g  y  in  n  a  s  i  u  m  in  Küpen. 
Real  Progy mnasium   in  Saar- 
louis. 

R  e  a  1-P  r  o  g  y  m  n  a  s  i  u  in  inSolingen. 
Ren  1-Prog'y  mnasium  in  Viersen. 
Realschule  in  Aachen. 
Realschule,  Obere,  in  Cöln. 
Realschule  in  Essen. 
Reck  Unshausen,  von,  Willi.,  in 
Cöln. 

Remy,  Jnl.,  in  Neuwied. 

Ren  esse,  OrafTlieod.  von,  Schloss 

Schoonbeeck  b.  Bilsen,  Relg.-Lhn- 

burg. 

Rennen,  Geh.  Rath,  Eisenbahn-Di- 
rections-Prftsident  in  Cöln. 

R  e  u  I  e  n  u  x  ,  Heinrich,  Techniker  in 
Remagen. 

Reulea ux,  F.,  Gch.-R.  u.  Prof.,  in 
Berlin. 

Reusch,  Gutsbesitzer,  Out  ldvlle 

bei  Kruft. 
Rieth,  Dr.,  Rechts-Anwalt  in  Cöln. 


;r  Mitglieder.  313 

Rieu,   Dr.  du,  Seeret Hr  d.  Soc.  f. 

Niederl.  Littcrntur  in  Leiden. 
Rigal-G  runin  nd,  Frhr.  von,  in 

Bonn. 

Ritt  er- Akademie  in  Bedburg. 
Roeber,  Friedrich,  Bankier  in  El- 
berfeld. 

Roettgcn,  Carl,  Rentner  in  Bonn. 

Rolffs.  Commerzienrath  in  Bonn. 

Röhl  f  s,  Geiieralcnn.sul.inGodesberg. 

Rosbacb,  Gyiim. -Lehrer  in  Trier. 

Saemisch,  Dr.,  Geh.  Rath  und  Pro- 
fessor in  Bonn. 

S  a  I  m  -  S  a  I  m ,  Durchlaucht  Fürst  zu, 
in  Anholt. 

Sandt,  von,  Dr.  juris,  Landrath  iu 
Bonn. 

Sauppe,  Dr.,  Geh.  Reg.-Rath  u. 
Prof.  in  Göttinnen. 

Schaaffhauseu,  Dr.  H.,  Geh.  Me- 
dicinal-Rath  u.  Professor  in  Bonn. 

Schaafhausen,  Hubert,  Land- 
gerichtsrath in  Cöln. 

Seh  ad  y,  Dr.,  Bibliothekar  in  Ba- 
den-Baden. 

Schallenherg,  Pet.  Jos.,  Bier- 
brauereibesitzer in  Cöln. 

Schenk,  Justizrath  in  Cöln. 

Seh  eppe,  Oberst  a.  D.  in  Boppard. 

S  c  h  i  c  k  I  e  r ,  Ferd.,  in  Berlin. 

S  c  h  i  e  r  c  n  h  c  r  g ,  G.  A.  B.,  Rentner 
in  Luxem. 

Schlunibergcr,  Jean,  Fabrikbes. 
u.  Prasid.  d.  Lnndesausschusses 
f.  Elsass-Lothringen  in  Gcbweiler. 

Schmithals,  Rentner  in  Bonn. 

Schneider,  Dr.,  ausw.  Secr.,  Professor 
in  Cleve. 

Schneider,  Dr.  R.,  (iymnas. -Di- 
rector in  Duisburg. 

Schneider,  Friedr.  Dr.,  Domcapi- 
tular  iu  Mainz. 

Schneider,  Landper.-Director  in 
Bonn. 

Schnock,  Heinrich,  Pfarrer  in 
Aachen. 

Schnütgen,  Dr.,  Domherr  in  Cöln. 
Schorn.  Kammerpras.  a.  D.  in  Bonn. 
Schneller,  Guido,  Kaufmann  in 
Düren. 

Schneller,  Edgar  in  Düren. 
Schneller,  Julius,  Frau,  in  Düren. 
Schönaich  -  Carolath,  Prinz, 

Bcrghauptmnnn  a.  D.  in  Potsdam. 
S  c  h  o  e  n  i  n  g  Ii ,  Verlagsbnehhandlrr 

in  Münster  i.  West  f. 
Schmers  J.  H.,  Dr.,  Prof.  in  Bonn. 
Schultz,  Franz,  Director  in  Deutz. 


314 


Verzeichnis»  der  Mitglieder. 


Schunck,  Josef,  Bergwerk*-  und 
Weinguts-Besitzer  in  Ilonu. 

Seil  »  an,  städt.  Bibliothekar  in 
Aachen. 

Schwann,  Dr.,  Sanitiitsrnih  inGo- 
desberg. 

S  c  1  i  g  in  a  ti  n.  Moritz,  Bankier  i.  Ciiln. 
Sels,  Dr.,  Fabrikbesitzer  in  Neuss. 
Seminar  in  Boppard. 
Seminar  in  Corneliniüiister. 
Seminar  in  Elten. 
S  e  m  i  11  a  r  in  Neuwied. 
Seminar  in  Odenkirchen. 
S  e  in  i  im  r  in  Siegburg. 
Seminar  in  Soest. 
S  e  y  f  f  a  r  d  t,  Heinr.,  Kaufin.  i.  Crefeld. 
Sev  Harth,  Geh.  Regier.  -  Rath  in 

Si  in  rock,  Dr.,  Francis  in  Bonn. 
S I  o e  t  van  de  B  e  e  1  c ,  Baron.  Dr., 

L.  A.  J.  W.,  Mitglied  der  k.Akad. 

der  Wissensch,  zu  Amsterdam  in 

Arnheim. 

S  o  I  in  s ,  Durchlaucht,  Prinz  Albrecht 
zu,  in  Braunfels. 

Sonnenburg,  Dr.,  Gymnasialleh- 
rer in  Bonn. 

S  p  i  e  s  -  B  ü  J I  e  s  Ii  e  i  in ,  Freih.  Ed.von, 
k.  Kanunerherr  und  Bürgermeister 
auf  Haus  Hall. 

Spitz,  von.  Generallieuteuant,  Di- 
rector  im  Kriegs  Ministerium  in 
Berlin. 

Sp  rin  gor  um,  Willi.,  Director  der 
Vatcrl.  Feuer- Vers.-Aktienges.  in 
Elberfeld. 

Stadtkreis  Elberfeld. 

S  t  a  d  t  {<  »berbürgermeistcramt)  Cob- 
lenz. 

Stadt  (Bürgermeisteramt)  Ober- 
hausen. 

Stadt  fObeihüigcrmeisteraint)  Rem- 
scheid. 

Stader,  Dr.  juris,  in  Bonn. 
S  t  a  r  t  z ,  Aug.,  Kaufmann  in  Aachen. 
St  atz,  ßaurath  u.  Diöc.Aichii.  in 
Cöln. 

Stedtfeld,  Carl,  Kaufmann  in  Cöln. 

Stier,  Hauptmann  a.  D.  in  Fürsten- 
walde  a.  d.  Spree. 

Stiushnff,  Pfarrer  in  Sargenroth 
bei  Gcmünden,  Reg.-Bcz.  Coblcnz. 

St  oll.  General  z.  D.  in  Bonn. 

St  r  a  rt  er,  Gnttfr.,senr.,  Gutsbesitzer, 
Haus  Pcterstlial  bei  Niederdollen- 
dorf. 

Strauss,  Verlags- Buchhändler  in 
Bonn. 


St  rem  ine,  Heinrich,  Kaufmann  in 
Crefeld. 

Strubberg,  von,  General  der  In- 
fanterie, Gcn.  Inspect.  des  Militar- 
Erzichungs-  u.  Bildungswesens  in 
Berlin. 

Studien- Anst alt  in  Speier. 

S  f  u  in  in ,  Carl,  Baron  von,  Geh.  Com- 
merzienrath,  zu  Schloss  H'illlterg 
b.  Saarbrücken. 

Tiirök,  Dr.  Aurel  von,  Prof.  in 
Budapest. 

Tornow,  Kaiserl.  Baurath  in  Metz. 

*T r  i  ii  k  a  us,  Chr.,  Bankier  in  Düssel- 
dorf. 

lieber  fei  dt,  Dr.,  Rendant  in 
Essen. 

Urlichs,  Dr.,  H.  L.,  iu  Müncheu. 

Ilsener,  Dr.,  Geh.  Reg.Rath,  Pro- 
fessor in  Bonn. 

Vahle n,  Dr.,  Geheimerath  und  Pro- 
fessor in  Berlin. 

Va I e  1 1 e ,  de  1  a ,  S t.  G  e o r g e ,  Frei- 
herr Dr.,  Professor  in  Bonn. 

Veit,  Dr.,  Geh.  Ober-Medicinal-Rath 
u.  Professor  in  Bonn. 

Ve re i n  für  Alterthuinskunde  iinFür- 
stenthum  Birkenfeld  zu  Birkenfeld. 

Verein  für  Erdkunde  in  Metz. 

Verein  für  Urgeschichte  in  Siegen. 

VI  eitten,  van,  Rentner  in  Bonn. 

Vo  i  g  t  e  1 ,  Geheimer  Regierungsrath 
und  Donihnumcistcr  in  Ciiln. 

Vo  s  s ,  Theod.,  Geheimer  Bergrath  in 
Düren. 

•Wal,  Dr.,  de,  Professor  in  Leiden. 

Waldeyer,  Carl,  Realprogymna- 
siallehrer  zu  Bonn. 

Waiideslcbeii,  Friedr.,  Hütten- 
besitzer zu  Bad  Kreuznach. 

Weber,  Pastor  in  Wernigerode. 

Weckbekker,  Friiul.,  in  Düssel- 
dorf. 

Wegehaupt,  Gytnn.-Dir.  in  Kiel. 

Weiss,  Professor,  Geh.  Regierungs- 
rath, Director  d.  kgl.  ZeughauseH 
in  Berlin. 

W  e  ii  «I  einlädt,  Frau,  Comnicrzien- 
räthin  in  Godesberg. 

Werner,  II.,  Hauptmann  u.  Komp.- 
Chef  im  1.  Grossh.  Hess.  Int.-  (Leib- 
garde) Rgt.  115  in  Darmstadt. 

Wied,  zu,  Durchlaucht,  Fürst,  in 
Neuwied. 

Wiedeinann,  Dr.,  Prof.  in  Bonn. 

Wieseler,  Dr.,  ausw.  Secr.,  Geh.  Rath 
und  Professor  in  Göttingen. 

Wiethase,  k.  Baumeister  in  Cöln« 


Verzeichniss 

Wilde,  Frau  Wittwo,  in  Bonn. 
Wi  n  c  k  1  o  r ,  von,  erster Staatsanwalt 
in  Köln. 

Wings,  Dr.,  Renfner  in  Aachen. 
Wirt/.,  Hauptmann  a.  D.  in  HartT. 
Wi.sk ott,  Friodr.,  Bankier  in  Dort- 
mund. 

Witt e n h a u s,  Dr., Direct. in Rheydt. 
Wittgenstein,  F.  von,  in  Cöln. 
Wol  f,  General-Major  /..  D.  in  Deutz. 
Wolfen»,  .Jos.,  Rentner  in  Bonn. 
Wol  ff,  F.  H.,  Kaufinann  in  Cöln. 


•r  Mitglieder.  315 

Wülfing.  Krau,  Gutsbesitzerin  auf 

Burg  Kriogshovon. 
WiU'i'tit,  II.,  Hauptmann  a.D.  und 

Rechnuiigsrath  in  Bonn. 
Wulff,  Oboist  a.  D.,  Oborkassel  b. 

Bonn. 

Zangenioister,  Hofrath,  Prof.  Dr.,ausw. 
Seor.,  Oberbibliothekar  in  Heidel- 
berg. 

Zart  mann,  Dr.,  Sanitatsrath  in 
Bonn. 

Zitelinanii,  Dr.,  Prof.  in  Bonn. 


Ausserordentliche  Mitglieder. 


Arendt,  Dr.  in  Dittlingen. 
Fiorelli,  Ct.,  Senator  del  Regno. 

Direttore  generale  dei Mitsei  e  degli 

Seavi  in  Rom. 
Gamurriiii,  Francesco,  iu  Florenz. 
H  e  i  d  e  r ,  k.  k.  Sectionsrnth  in  Wien. 
Hermes,  Dr.  med.  in  Rciuich. 
Lancia  Iii,  lt.,  Professor  in  Rom. 
Lucas,  Charles,  Architcct,  Sous-Insp. 

des  travaux  de  la  villo  in  Paris. 


M  i  c  h  e  1  a  n  t ,  Bihliothccaire  au  dopt, 
des  Manuscrits  de  la  Bibl.  Iinper. 
in  Paris. 

Noüe,  Dr.  de,  Arsene,  Rentner  in 

Malmedy. 
Rossi,  J.  B.  de,  Archiiolog  in  Rom. 
Schlad,  Willi.,  Buehbindermeister 

in  Boppard. 
L.  Tosti,  D.f  Abt  in  Monte  Casino. 


Vcrzeidiniss 

sämmtlichcr  Ehren-,  ordentlichen  und  ausserordentlichen  Mitglieder 

nach  den  Wohnorten. 


Aachen:  Bock.  Goebbels.  Gymna- 
sium. Laiidrnthsamt.Miillciimeister. 
Nellessen.  Piek.  Polvtcchuicum. 
Realschule.  Schnock.  Stadtarchiv. 
Staitz.  Win^s. 

A  b  e  n  t  e  u  e  r  Ii  ii  1 1  e :  Boccking. 

A  d  e  n  a  u :  Lnndrathsaiiit. 

A  h  r  w  e  i  I  e  r:  Landrathsamt.  Joerres. 

Alfter:  Jörissen. 

A 1 1 e n  k  i  r c Ii  e  n :  Laiidrathsamt. 

Amsterdam:  van  Hillcgoni. 

Andernach:  Frau  Herfeld.  Höster- 
mann.  Michels.  Progymnasium. 

An  holt:  Fürst  zu  Salm. 

Ar n heim:  Baron  Sloet. 

R  a  d  e  n  -  B  a  d  e  n :  Schady. 

Barmen:  Blank.  K.  von  Kynern. 
Heal-Gyinnasiiim.  Stadt  bibl iothek. 

Basel:  Uni  vorsitHts-Bibliothck. 

Bedburg1:  Pauls.  Ritter-Akademie. 

Bendorf  am  Rhein:  Krlcnnieyer. 


Berlin:  Adler.  Aegidi.  v.  Berlepsch. 

Bracht,  v.  Cuny.  Curtius.  Dobbeit. 

Gen.  -Verwalt.  der  k.  Museen.  GreifT. 

von  der  Heydt.  Höpfner.  llübner. 

.laehns.  Liebenow.  Lohaus.  Prüfer. 

Reuleaux.  Schiekler.  Schoene.  v. 

Spitz,  von  Strubberg.  Vahlen.  Weiss. 
Bertrich:  Badevorwaltung.    K  Ir- 
rings. 
Bielefeld:  Nitzseh. 
Birken  f e  1  d :  Gymnasium.  Verein 

für  Alterthumskunde. 
Blösjon  b.  Merseburg:  Burkhardt. 
B  o  c  Ii  u  in :  <  ty mnasium. 
Bonn:  Baron.  Bender.  Bibliothek 

des  Kunstmuseums.  Binz.  Bücheler. 

Caesar.     Cahn.     Alexander  von 

('hier.    Krnst  von  Ciaer.  Cloinen. 

Dahin.  Doetseh.  Kiter.  Kltzhachrr. 

Kngelskirchcn.    Fräulein  Kükens. 

Frau  Firnionich -Richartz.  Fricke, 


31G 


Verzeichnis*  der  Mitglieder. 


Follenius.  (iandtucr.  Georyi.  *.). 
(bddschniidt.  I{.  Cnldschmidt.  W. 
Goldschmidt.  C.othein.  von  C.rand- 
Ry.  Crafc  Guillcaunic.  (Jurll. 
( lymnaMum.  Hanstein.  P.  Haupt- 
mann. Carl  Hauptmann.  F.  Haupt- 
mann. Heyn.  Henry.  Alexander 
Hüfter.  Herrn.  Hüffer.  Humbroicli. 
Huvsscn.  Isphordiny.  Kalil.  Knuf- 
maun.  Kanlen.  Klein.  Klinyholz. 
Koser.  Knifft.  Kreis- Ausschuss. 
Landsbery.  Lanycnbery.  Lautz. 
Leiter.  Lese-  und  F.rholunys-Gc- 
.sellselinlt.  Lcverkus-Lcvork  Usen. 
von  d.  Leven.  Leydel.  Loerseli. 
Locschkc.  Märiens.  Marcus.  Mar- 
tius.  Marx.  Martin.  Menzel.  *Mcn- 
dclsohn.  von  Mirbach,  von  Ncuf- 
ville.  Neuhiiuser.  Nissen.  Ober- 
bcryaint.  Priedel- .  v.  Profi' Irnich. 
Reaiproyymnasiuui.  von  Riyal. 
Hoettycn.  Rolffs.  Saeniisch.  Dr. 
von  Sandt.  H.  SchautThuusen. 
Sehinithals.  Schneider.  Schorn. 
Schmers.  Schunck.  Shniock.  Sou- 
neubury.  Stader.  Stoll.  Strauss. 
l'sener.  de  la  Valette  St.  George. 
Veit.  van  Vleuten.  Waldcycr. 
Wiedemann.  Wilde.  Zartiuänn. 
Zilelmnun. 

Boppard:    Donsbach.  Seminar. 
Seheppe.  Schlad. 

Braun  fei  s:  Prinz  Solms. 

Brauusbcry  (Ostpr.i:  Bibliothek 
des  Lycciniis  Honiana. 

B  r  u  e  Ii  s a  1 :  Gvinnasium. 

Brühl:  Beck.' 

Brüssel:    Gräfin    von  Flandern. 

Muse«  Royal. 
Budapest:  von  Tümk. 
Burgbrohl:  Andren«. 
Carlsruhe:  Brambach.  Conscrva- 

torium    d.   Alterth.  Gymnasium. 

von  Lübke.  Ohcrschulrath. 
Cassel:  Stand.  Lnndoshibliothek, 
C  h  a  r  1  o  1 1  e  n  b  u  r  y :  Moiiiiusen. 
Cl  n  u  s  t  h  a  I :  Achenbach. 
Cleve:   Chrzescinski.  C  vtimasium. 

Schneider.  Stadtbibliothek. 
Co  b  I  e  n  z :  Becker.  ^Binsfeld.  Grat"  v. 

Brühl.  Civil-Casino.  Cum...  Deiters. 

v.  Kitester.  Gymnasium.  Kreis-Aus- 

schuss  vom  Landkreis.  Landau. 

von  Loe.  Stadt  Cohlenz. 
Cöln:  Altniann.  Apnsteln-Gymnas. 

Arndts.  Balzcr.  Civil-Casino.  Cüp- 

pers.  Deicliinann.  Düntzer.  Forst. 

Fröhlich.      Fuchs.  Grüuehery. 

Kd.     Herstatt.     Robert  Heuser. 


Frau  August  Jocst.  IM.  .loest. 
Kaiser  -Williclni-Cyiniias.  Knebel. 
Kosbab.  Kramer.  Kreis -Aus- 
sehuss.  Krementz.  Landen.  Leiden. 
Lemj.ertz.  Marzcllcii-Gymnnsiuiu. 
Merkens.  Mertz.  von  Mcvissen. 
Meyer.  Michels.  Muscinii  Wallrnt- 
Bicbnrt/..  Niessen.  Albert,  Frhr.  v. 
( ippcnhciiu.  Kduard,  Frhr.von  <>p- 
penheini.  Pflaume.  Kiuil  voinRnth. 
Frau  F.uyen  vom  Rath. F.uyen  Rau- 
teiistrauch.  f >ber-Realschule.  von 
Recklinyhauscn.  Hennen.  Rieth. 
Schaafhausen.  Schallcnbery. 
Schenk.  Schnütycn.  Seliyniann. 
Stadtbibliothek.  Statz.  Stedtfeld. 
Voigtei.  Wiethase.  von  Winckler. 
von  Wittyenstein.  Wölfl". 

C  orne I i  in  ii  n s t  er:  Seminar. 

Crefeld:  Cymnasiuiii.  Kreis- Aus- 
schuss vom  Landkreis,  von  Ran- 
dow. Seyffarth.  Stadtbibliothek. 
Strenune. 

■>  a  r  in  Stadt:  von  Hilders.  Werner. 

D  a  u  u :  Kreis-Ausschuss. 

Deutz:  Schultz.  Wolf. 

Diel  in  {reu:  Arendt. 

Donaueschiniren:  Fürstl.  Biblio- 
thek. 

D  o  r  s  l  e  n :  Proyyiiinnsiiim. 
Dortmund:  Bist.  Verein.  Wiskott. 
D  re  n  st  ein furt :  Frhr.v. Landsbery. 
Dresden:     Fleckiiscn.  Hübsch. 
Kncnijr. 

Düren:  Städt.  Bibliothek.  Gymna- 
sium. Linden.  G.  Schüller.  F. 
Schneller.  Frau  J.  Schneller.  Voss. 

Dürkheim:  Mehlis. 

Düsseldorf:  Staats-Archiv.  Roctz- 
kes.  Bone.  Bürycrscliulc.  Courlh 
Gymnasium.  KrcisAu.sscbuss  für 
den  Landkreis.  Lieber.  Mooren. 
Provinzial  -  Verwaltung.  Rautert. 
Heal-Crymnasiuin.  Stadtbibliothek. 
♦Trinkims.  Frl.  Weckbekker. 

Duisburg:  Gy  mnasium.  Sehneider. 
Stndtbibliothek. 

Ehren  fehl  b.Colu:  Beyer.  Rauter. 

Elberfeld:  Blatik  Gustav.  Blank 
Willy.  Rocddinyhnns.  von  Carnap. 
Frowein.  Gymnasium,  von  der 
Heydt.  Freiherr  Auyust.  Hueek. 
Lautz.  Lindeiisehuiidt.  NeuhofT. 
Realyv  mnasiuin.  Roeber.  Sprinyo- 
nun.  Stadtkreis. 

Kl  ten  Reyb.  Düsseldorf:  Seminar. 

KU  ville:  Graf  Kitz. 

Kui  Illerich:  Gvinnasinin.  Stadt- 
bibliothek. 


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Verzeichnis« 

Ems  (Und):  Kur-Commission. 
K r  k  e  I  f. n  z :  Landrathsumt. 
Esc  Ii  w  eil  e  r :  I'rogymnasium. 
Esse  n  :  Bibliothek  d.  Stadlgemeinde. 

Gyinnas.  Karsch.  Kreis-Ausschus* 

vom  Landkreis.  Krupp.  Realschule. 

Ucbcrfcld. 
E  u  p  c  n :  Keal-Progy  mnasium. 
Kusk  i  rc  Ii  cn :  A.  Herder.  E.  Herder. 

Kreis-Ausschuss.  Prog\  mnasium. 
Kxaeton  bei  Bnexem :  Bibliothek 

der  Stimmen  aus  Marin  Laach. 
Flamersheim  im  Rheinland:  von 

Hemberg. 
Flensburg  in  Schleswig:  Müller. 
Florenz:  Gamurrini. 
Frankfurt  a.  M. :    Koch.  Stadt- 

bibliothek. 
Frei  bürg  in  Baden:  ruiverMtHts- 

Bihlinthek.  Gymnasium.  Kraus. 
F  ü  r  s  t  e  n  w  a  I  d  e  a.  d.  Spree :  St  ier. 
Fulda:  Gocbel. 
tt  e  b  w  e  i  1  e  r :  Sclilumberger. 
G  e  i  I  o  n  k  i  r  c  Ii  e  n :  Landralhsaint, 
M.-G  ladb  ach :  Gymnasium.  Kühleu. 

Landrathsamt.  Quack.  Stadtbib- 
liothek. 

Godesberg:  von  Carstanjeu.  Fin- 
kelnburg, ltohlfs.  Schwann.  Wen- 
delsiadt. 

Güttingen:  Dilthey.  Sauppe.  Uni- 
versität s-Bibliollick.  Wieseler. 

GrHfen bacher  Hütte:  Boecking. 

Grevenbroich:  Landrathsanit. 

G  u  in  m  c  r  s  b  a  c  Ii :  Kreis- Aussehuss. 

Hall  (Haus)  b.  Erkelenz:  von  Spios. 

II  a  1 1  b  e  r  g  (Schloss)  b.  Saarbrücken : 
von  Stumm. 

Halle:  Ihm.  Uni versitäts  Bibliothek. 

H  a  m  b  u  rg :  Stadtbibliothek. 

Hamm:  Falk. 

Hard  b.  Bregeuz:  Jenny. 

Harff,  Schloss,  Kr.  Bergheim:  Bi- 
bliothek von  Mirbach.  Wirtz. 

II  e.  c  h  i  n  g e  n :  Höhere  Bürgerschule. 

Heid el borg:  Deppe.  Lcinmc.  von 
Occhelhauscr.  Uiiiversitäts-Biblio- 
thek.  Zangeiiieist  er. 

Heinsberg:  Landrathsanit. 

Haus  Heisterberg  bei  Königs- 
winter: Caron. 

Herdringen  (Kreis  Arnsberg): 
Graf  Fürstenberg. 

H  e  r  r  n  s  Ii  e  i  in  bei  Worms :  Freiherr 
von  Heyl. 

Höxter:  Gymnasiuni. 

Idylle,  Gut  bei  Kruft:  Keusch. 

1 111  Ulenburg:  Flinseh. 

J  e  n  a :  Gacdeclicns. 


i-r  Mitglieder.  «17 

Kempen  (Kheinl.):  Gymnasium. 
Laudrathsamt. 

Kemperhof  b.  Coblenz:  Knaben- 
Pensionat. 

Kiel:  Wegehaupt. 

Königsberg  i.  Fr.:  Friedender. 
Universitäts-Bibliothek. 

Königs  w  i  n  t  e  r :  Kreitz,  Landwehr. 

K  r  e  u  7.  Ii  a  c  Ii :  Antiquarisch-histori- 
scherVerein.Dr.Kohl.  Wandesieben. 

Kriegshoven  bei  Weilerswist: 
Wülfing. 

Langenberg  (Rheinland) :  Conze. 
Leiden:  Leemaus.  Ort.  Plcyte.  de 

Kieu.  *de  Wal. 
Leipzig:  Baedeker.  Overbeck. 
Lennep:  Hardt.  Kohtz.  Kreis-Aus- 

schuss. 

Lex h  y  (Schloss):  deBlaiichard  Surlet. 

Linnich  K.-B.  Aachen:  Oidtinaiiii. 

L  ö  w  e  u :  Universitäts- Bibliothek. 

London:  Franks. 

L  ü  1 1  i  c  h :  Universitäts-Bibliothek. 

L  u  x  e  in  bürg:  I  >ulreux. 

I.  u  z  e  r  u :  Schierenberg. 

IIa i uz:  Stttdt.  Bibliothek.  Linden- 
schmit.  Schneider. 

Malmedy:  Esser.  Kreis-Ausschuss. 
de  Noüe.  Progymnasium. 

M  a  n  n  Ii  c  i  m :  Alterthums  -  Verein. 
Gymnasium.  Hang. 

Marien  l'e I s  b.  Ketnag. :  Frau  Frings. 

Mast  rieh  t:  Habets. 

Mechernich:  Eick.  Hupertz. 

M  a y  e  n :  Kreis-Ausschuss. 

M  e  i  s  e  n  h  e  i  in :  Kreis-Ausschuss. 

Merz  ig:  Kreis-Ausschuss. 

Mettlach:  von  Hoch. 

Metz:  Abel.  Tornow.  Verein  für 
Erdkunde. 

Miltenberg:  Conrady. 

Montabaur:  Gymnasium. 

Monto-Casino:  Tosti. 

Montjoie:  l'auly. 

M  o  r  s  b  r  o  i  c  h ,  Poststation  Schle- 
busch: Frhr.  von  Üiergardt. 

M  ü  1  h  ei  in  a.  Khein :  Andreae.  Kreis- 
Ausschuss. 

Mülheim  a.  d.  It.:  Kreis-Ausschuss. 
Realgymnasium. 

München:  von  Brunn.  Coruelius. 
Urlichs. 

Münster:  Bibliothek  der  Akademie, 
von  Ueereman.  Nordhoft'.  Plass- 
manii.  Schoeiiingh. 

M  ü  u  s  t  e  r  e  i  f  e  I :  Gymnasium. 

Nash -Müs:  Evans. 

Neuss:  Gymnasium.  Koenen.  Kreis- 
Ausschuss.  Sels. 


318  Verzeichnis* 

Neuwied:  Fürst  zu  Wied.  Gym- 
nasiuni. Reiny.  Seminar. 

Niederbreisig:  Huvsson. 

Nieder  inend  ig:  Müller. 

Ny  in  wegen:  .Museum. 

Ober  hausen:  Stadt  (Bürgermei- 
steramt). 

Oberkassel  bei  Bonn:  Wulf!'. 

O  d  en  k  i  r  c  Ii  e.  n  :  Seminar. 

()  e  h  ring  e  n  :  Stiftsbiblinthek. 

Osnabrück:  Hocting. 

I'aris:  Lucas.  Micbelant. 

Parma:  Universitatx-Bibliothck. 

Haus  Peter  st  ha!  bei  Niederdol- 
lendorf: Straeten 

Plittersdorf:  Bürgers. 

Potsdam:  von  Achenbach.  Prinz 
Schoenaich. 

Prag:  UnivcrsitatR-Bibliot hek. 

Prüm:  Asbach. 

Reichenberg  in  Böhmen:  Frau 
von  Liebieg,  Baronin. 

Remagen:  von Lasaulx.  Beuleanx. 

R  e  m  i  c  h :  Hermes. 

Remscheid;  Friederichs.  Stadt. 

Rhein  buch:  Landrathsamt.  Pro- 
gymnasium. 

Rheine:  Gymnasium. 

Reydt,  Reg.-Bezirk  Düsseldorf: 
Wittenhaus. 

Rinteln:  Gymnasium. 

R  o  i  s  d  o  r  f:  Graf  Moerncr. 

Rom:  Fiorelli.  Heibig.  Lanciani. 
de  Rossi. 

Rostock  in  Mecklenburg:  Koerte. 

Rüdesheim:  Fonk. 

Ruhr  ort:  Kreis-Auxschuss.  Real- 
gymnasium. 

Rurich  (Schloss)  bei  Erkelenz:  von 
Hompesch. 

Haarburg  R.-B.  Trier:  Kreis-Aus- 

HChUNH. 

Saarbrücken:  Gewerbeschule. 

Gymnasium.  Historischer  Verein. 
Saarlouis:  Kreis-Ausschuss.  Real- 

Progyinnasium. 
Sargenroth  b.  Gemüuden:  Stins- 

hoff. 
Sayn:  Eichhoff. 
Schleiden:  Kreis- Ausschuss. 
Schleidweiler:  Hevdinger. 
Schmidt  heim     (Schloss):  Graf 

Beissel. 

Schoonbeeck  (Schloss):  Graf 
Rcnessc. 


er  Mitglieder. 

S  i  e  g  b  u  r g :  Gymnasium.  Kreis-Aus- 

schuss.  Seminar. 
Siegen:  Verein  für  Urgeschichte. 
S  i  g  m  a  ring  e  n :  Museum. 
S  i  m  m  e  r  n :  Landrathsamt. 
Sinzig:  Andreae. 
S  o  b  e  r  u  h  e  i  m :  Progy nmasiuni. 
Soest:  Seminar. 

Solingen:  Laudrathsamt.  Real- 
Progy  mnasium. 

S  |>  e  i  e  r :  Studien- Anstalt. 

S  t  a  m  m  Ii  e  i  m  b.  Mülheim  a.  Rhein : 
Graf  von  Fürstenberg. 

Steeg  bei  Bacharach:  HUtwohl. 

S  t  r  a  1  s  u  n  d :  Stadtbibliothek . 

Strassburg:     Fuss.  Michaeli». 

Stuttgart:  Paulus. 

S  ü  c  h  t  e  l  n :  Norrenberg. 

T  a  u  b  e  r  b  i  s  c  h  o  f k  h  e  i  m :  Gymna- 
sium. 

Thorn  (Schloss):  von  Musiel. 

Trar b a c Ii :  Progymnasium. 

Trier:  Aldenkirchen.  Bettingen 
Gymnasium.  Hettner.  Liutz.  von 
Neil.  Priester-Seminar.  Real-Gym- 
nasium.  Rosbach.  Seyfarth.  Städt- 
bibliothek. 

Tübingen:  Uni  versit.-Bibliothek. 

Viersen:  Real  -  Progymnasium. 
Oreef.  Haas.  Heckmann. 

Vilich  bei  Bonn:  von  Ciaer. 

Vogelensang:  Borret. 

Vohwinkel:  Kreis-Aussrhuss  Mett- 
mann. 

St.  Wendel:  Progymnasium. 
Werl:  von  Papen. 
Wernigerode:  Weber. 
Wesel:   Frowein.  Gymnas.  Land- 

rathsamt. 
Wetzlar:  Gymnasium.  Kreis-Aus- 

schuss. 

Wevelinghoven:  von  Heinsberg. 

Wien:  Heider.  K.  k.  Münz-  und 
Antik.-Cabinct. 

Wiesbaden:  Bibliothek.  Cappell. 
Frhr.  v.  Düngern.  Isenbeck. 

Winningen  a.  d.  Mosel:  Arnoldi. 

W  i  p  p  c  r  für  t  h :   Progy  nmasiuni. 

W  i  1 1 1  i  c  h :  Kreis- Ausschuss. 

Worms:  Altcrthumsverein. 

Xanten:  Niederrhein.  Altcrthums- 
verein. 

Zeist:  van  Lennep. 

Zülpich:  van  Endert. 

Zürich:  Blümuer. 


LnlvorsItStvBuchdruckcroI  von  Carl  Goortf  in  Uonn. 


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Jahrh  d.  Pemn*  v  Mterihm&tr  im  Rheinland.  ließ  XCH1. 


Tutel  II 


rJahh  d  Petrin*  0.  lltcrthumsir  im  Rheinland  Heil  XCIII 


Tafel  IU 


fljololupi«  B.  KUhlcn    O).  «fl:odbnirIi. 


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Jahrb.  (L  Vereins  v.  Alterth.-  fr.  im  Rheinland«.    lieft  XCIII.  Tat".  VI. 


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Jahrb.  d.  Vereins  v.  Alterth.-Fr.  im  Rheinlande.    Heft  XCI1I. 


Taf.  VII. 


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Jahrb.  des  Vereins  von  Alterthumsfr. 
im  Rheinland.      Heft  XCIII. 


Taf.  VI  11. 


Gruppe  des  Aeneas  im  Wallrafschen  Museum  zu  Köln. 

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Jahrb.  des  Vereins  von  Alterthumsfr. 
im  Rheinland.     Heft  XCIII. 


Taf.  IX. 


Lichtdruck  von  Anaelm  Schmitz,  Köln. 

Gruppe  des  Aeneas  im  Wallrafschen  Museum  zu  Köln. 

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I 


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JAHRBÜCHER 


DES 


VEREINS  VON  ALTERTH  UNISFREUND  EN 


IM 


RHEINLANDE. 


HEFT  LXXXX1V. 


■  IT  «  TAFELN  UND  IS  TKXTKH.I  KEN. 


BONN. 

GEDRUCKT  AUF  KOSTEN  DES  VEREINS. 
BON5,  BEI  A.  MARCVS. 
1893. 


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l'nlverafUM-BuclidruckuroI  von  Carl  Uauffri  in  Bonn. 


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Inhalts-Verzeichniss. 

Seite 


Professor  Dr.  Hermann  Schaaffhan  sen,  Geheimer  Medicinalrath 

in  Bonn.    Von  J.  Ranke,   1 

Verzeichnis*»  kleiner  Mitteilungen  und  grösserer  Aufsätze  und  Ab- 
handlungen zur  Physiologie,  Anthropologie.  Urgeschichte  und 
Archätologie  von  Professor  Dr.  11.  Schaafhausen  28 

I.   Geschichte  und  Denkmiller. 

1.  Beitrüge  zur  mittelrheinischen  Alterthumskuude.  Von  Dr.  C.  Mehlis. 
(Hierzu  Tafel  I  und  II). 

1.  Eine  Felsenzeichnung  au*  der  la-Teiie-Zeit  43 

2.  Archäologisches  vom  Donnersberg. 

A.  Der  Schlackenwall   52 

B.  Der  Südwall  und  der  Königsstuhl   54 

C.  Kölnische  Funde   f»5 

D.  Gallische  Münzen.    5« 

3.  Eine  römische  Militarstrnsse  in  der  Westpfalz   61 

4.  Burgruine  Schlosseck  in  der  Pfalz   63 

2.  Neue  Funde  aus  Asberg  (Asciburgium).    Von  Dr.  Siebourg. 
(Hierzu  Tafel  III.)   67 

3.  Die  Externsteine.   Von  Anton  Kisa.   (Hierzu  Tafel  rV— VI  und 

17  Abbildungen.)   73 

4.  Ein  „lavacrum"  des  XII.  Jahrhundert«.   Von  J.  A.  Feith.  (Mit 
einem  Holzschnitt.)   143 

5.  Die  Funde  von  Gleuel.   Von  J.  Klinken  be  rg   151 

II.  Litteratur. 

1.  Paul  Clemcn,  Die  KunBtdenkmäler  der  Rheinprovinz.  Bespro- 
chen von  A.  Wicdcmann  156 

2.  Alexander  Riese,  Das  rheinische  Germanien.    Besprochen  von 

M.  Ihm  160 

3.  F.  Haverfield,  The  uiother  goddesses.  Besprochen  von  M.  Ihm.  164 

4.  P.  Waltzing,  Dicouverte  archeologique  faite  a  Foy.  Besprochen 
von  M.  Ihm  165 

5.  Prof.  Dr.  Otto  Kohl:  Ueber  die  Verwendung  römischer  Münzen 
beim  Unterricht.   Besprochen  von  vanVleuten  165 

6.  Florenz  Tourtual,  Bischof  Hermann  von  Verden.  Besprochen 
von  A.  W  166 

7.  Moderne  Geschichtsforscher:  I.  J.  Lulves,  Die  gegenwärtigen 
Geschieh tsbestrcbungeu  in  Aachen  167 


TV 


Inhalts- Verzeichnis». 


Seit« 


H.  P.  Florian  Wimm  er,  O.S.B.:  Anleitung  zur  Erforschung  und 
Beschreibung;  der  kirchliehen  Kunsidenkiuliler.    Besprochen  von 

F.  van  Vleuten  167 

9.  Dr.  Carl  F.uling,  Hildesheimer  Land  und  Leute  de«  16.  Jahr- 
hundert«.   Besprochen  von  S  16« 

10.  Prof.  Dr.  (i.  Heitmann,  Meteorologische  Jahrbücher.  Bespro- 
chen von  S  168 

III.  Miscellen. 

I.  Weihinschrift  an  die  Göttinnen  der  Kreuzwege  in  Köln.  Von 

M.  Ihm   169 

2.  Zur  Numismatik  von  Köln.   Von  F.  van  V  leute  n   170 

3.  Rheinische  Terracotta-Büsten.   Von  A.  Wied e manu   170 

4.  In  eigener  Sache.   Von  C  lernen   173 

f>.  Morsbach.    Komische  Funde.    Von  Tornow   173 


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Professor  Dr.  Hermann  Schaafhausen 

Geheimer  Medu-inalratli  in  Bonn 


ist  den  2:").  Januar  1893  ganz  unerwartet  in  Folge  einer  Hcrzläh- 
tnung  im  77.  Lebensjahre  sanft  verschieden. 

Am  30.  Januar  hat  man  den  Edlen  zu  Grabe  getragen  mit 
einem  Leiehenbegängniss,  wie  Bonn  nur  wenige  gesehen  hat.  An 
der  Spitze  des  fast  endlos  erscheinenden  Trauerzuges  sehritten  die 
studentischen  (Jorporatinnen  mit  ihren  Chargirten  und  Fahnen  mit 
einem  Musikcorps.  Hinter  dem  offenen  Leichenwagen  trug  ein  Mitglied 
des  Corps  Borussia  den  vom  Kaiser,  welcher  im  Hause  des  Verewigten 
während  seiner  Bonner  Studienzeit  viel  persönlich  verkehrt  hat,  ge- 
sendeten, aus  Lorbeer,  Orchideen  und  mächtigen  Palmzweigen  zu- 
sammengesetzten prachtvollen  Trauerkran/..  Oberstlientenant  von 
Winterfeld,  Coinmaudcnr  des  Bonner  Königs-Husaren  Regiments,  war 
vom  Kaiser  beauftragt  worden,  den  Kranz  persönlich  am  Sarge  nieder- 
zulegen. Diesem  folgten  im  Leichenzuge  die  Spitzen  der  Stadt,  Curator, 
Rektor  und  Senat  und  fast  sämmtlichc  Professoren  der  Universität, 
viele  Offiziere,  darunter  auch  solche  vom  Deutzer  Kürassier-Regiment, 
ein  Abgeordneter  des  Cardinal-Krzbischofs  von  Köln  u.  v.  a.  Die  Bür- 
gerschaft bildete  auf  dem  Wege  vom  Traiierhaiise  bis  zum  Fried- 
hofe Spalier.  Am  Grabe  Hielt  der  Professor  der  katholischen  Theo- 
logie Dr.  Schrocrs  die  Leichenrede.  Die  .Studentenschaft  vereinigte 
sich  nach  Sehluss  der  Leichenfeier  zu  einer  Traucrversainndnng  in 
der  Becthovenhalle,  wo  Herr  stud.  med.  Di  eck  erhoff  eine  Ge- 
dächtnissredc  auf  den  geliebten  Lehrer  sprach.  Aus  allen  Kreisen 
kamen  die  Beweise  der  trauernden  Theilnahuie.  Die  Kaiserin,  die 
Kaiserin  Friedrieh  und  die  Königin  von  Schweden  sendeten  herzliche 
Beileidsbriefe  und  Depeschen,  ebenso  Herzog  Johann  Albrecht  vonMeck- 
leuburg-Schweriu  und  die  Fürstin-Mutter  zu  Wied,  der  Kultusminister 
Dr.  Bosse ,  der  Oberpräsidcut  und  der  Landesdirektor  der  Rhein- 
provinz. Unter  den  überaus  zahlreichen  kostbaren  Blumenspenden  be- 

Jfthrb.  <1.  Vor.  v.  AltorUisfr.  im  Klicinl.  XCIV.  1 


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J.  llankc: 


fanden  sich  Kränze  vom  Prinzen  Friedrich  Leopold  von  Preussen, 
vom  Verein  von  Altertbumsfremiden  im  Rheinland.,  vom  rheiniseh- 
westphälischen  Naturhistorischen  Verein,  vom  Verschönerungsverein 
fllr  das  Siebengebirge,  von  dem  Altert hnmsverein  in  Nassau,  von 
der  Deutsehen  und  der  Herliner  anthropologischen  Gesellschaft,  vom 
Alterthuinsverein  in  Osnabrück,  vom  Kirchen  vorstand  der  Rcmigins- 
Oemeinde  in  Bonn,  von  den  Corps  und  den  Burschenschaften  der  Uni- 
versität, «lern  Oftizierkorps  des  Peutzer  Kürassier-Regiments  u.  v.  a. 

Mit  soviel  Ehren  ist  noch  selten  die  Leiche  eines  deutschen 
Gelehrten  zu  Grabe  geleitet  worden.  Was  ihren  Werth  noch  erhöht, 
diese  grossartige  Leichenfeier  galt  nicht  einer  besonders  hervorra- 
genden äusseren  Lebensstellung,  sie  war  ein  rein  spontaner,  freier 
Ansfluss  hoher  allgemeiner  Verehrung  und  Liebe  zu  der  Person  des 
Verstorbenen.  Und  der  Mann,  dem  diese  erwiesen  wurden,  hat  sie 
wahrhaftig,  wenn  irgend  ein  Anderer,  verdient.  Vornehme  und  Ge- 
ringe, Arme  und  Reiche.  Gelehrte  und  Ungelehrtc  sahen  in  dem 
Geschiedenen  einen  treuen  Freund  und  Berather.  Herr  Professor 
Schroers  hat  das  in  warmen  Worten  her/lieh  und  zu  Herzen  ge- 
hend an  dem  Grabe  ausgesprochen:  „Hermann  Sc  Ii  na  ff  ha  Il- 
se n  war  einer  von  jenen  Menschen,  deren  stillen  Zauber  sich  Nie- 
mand entziehen  kann,  der  das  Glück  hat,  sich  ihnen  nähern  zu 
dürfen.  Andere  mögen  fesseln  durch  die  geniale  Grösse  ihres  Gei- 
stes oder  durch  den  blendenden  Glanz  ihrer  Phantasie  oder  durch 
die  gewaltig  schaffende  Thatkraft.  Dieser  war  eine  einheitlich  ge- 
schlossene und  harmonisch  durchgebildete  Persönlichkeit,  beherrscht 
von  einem  tiefen  Gemüthe  und  nmwoben  von  einer  Atmosphäre  des 
Friedens  und  des  Wohlwollens." 

Sein  offenes  Her/,  war  es,  was  Ihm  alle  Herzen  öffnete,  und 
was  jetzt  so  viele  an  seinem  Grabe  mit  denen  trauern  läset,  die  in 
ihm  den  Vater  verloren  haben. 

In  Coblcnz  am  Ii).  Juli  1816  geboren,  hat  Hermann  Schaaff- 
hausen,  mit  Ausnahme  zweier  in  Berlin  verlebter  Studienjahre 
ununterbrochen  »einer  rheinischen  Heimat  angehört,  für  welche  sein 
Herz  so  tief  und  warm  schlug.    Wie  leuchteten  aeine  Augen,  wenn 


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Professor  Dr.  Hennann  Scliaaff liattsen,  Geh.  Modicinalrath  in  Bonn.  3 


er  von  ihrer  rnhmvnllen  Vergangenheit.,  von  ihrer  mchrtauscmljah- 
rigen  Kultur  sprach.  Mit  freudigem  Stolze  pflegte  er  es  auszuspre- 
chen, dass  sein  ganzes  Lehen  dem  Rheinlande  und  seiner  Hochschule 
gewidmet  blieb,  dessen  Bestes  zu  fördern  sein  beständiges  Best  re- 
ifen war. 

Die  ersten  Unterweisungen  erhielt  er  im  elterlichen  Hause 
durch  Privat  Unterricht;  dann  besuchte  er,  neun  Jahre  lang,  das 
Gymnasium  seiner  Vaterstadt.  Seine  Tagebücher  gestatten  uns  Belum 
in  diese  frühe  Zeit  seiner  geistigen  Entwickeluug  manche  Einblicke. 
Von  dem  7jährigen  Knaben  ist  ein  Gedicht  erhalten  auf  „Gelehr- 
samkeit und  Reichthmu,"  das  zu  dem  Schlttss  kommt:  ..ich  wünscht 
ich  war  gelehrt."  Zehn  Jahre  später  beginnen  die  regelmässigen 
Aufzeichnungen  mit  den  ersten  Erinnerungen,  an  die  glücklichen 
Jahr*'  der  Kindheit,  an  die  ersten  Jugendfreundschaften,  kleinen  Rei- 
sen u.  a.  mit  eingestreuten,  mit  grosser  Fertigkeit  ausgeführten  Fe- 
derzeichnungen, und  zwar  letztere  auch  schon  von  Altertlilltncrn  und 
alteu  Inschriften.  Auch  zahlreiche  geist-  und  getnftthvolle  Gedichte 
finden  sich  darunter,  die  zum  Theil  noch  auf  das  11.  und  14.  Le- 
bens) ah  r  zu  r üc kgeh eu . 

Er  war  18  Jahre  alt,  als  er  seinen  Geburtsort  und  seine  Fa- 
milie verlies»,  um  als  Studiosus  medicinae  die  Bonner  Hochschule 
zu  beziehen.  Es  war  ein  trlllier,  regnerischer  Oktobertag  1834  an 
welchen»  wir  ihn  zu  diesem  Zweck  auf  dein  Dampfer  den  Rhein 
hinabfahreud  finden.  Wchmitthige  Erinnerungen  au  das  ungetrübte 
Glück  der  Kindheit  im  stillen  Frieden  des  Vaterhauses  durchklangen 
die  Seele  des  Jünglings,  aber  er  fühlt  daneben  schon  die  in  ihm 
sich  regende  Kraft,  welche  einen  Wirkungskreis  sucht:  Das  Unbe- 
kannte, das  Fremde,  das  Entfernte  zieht  ihn  an,  schaukelnde  Wellen 
tragen  ihn,  sind  das  Anzeichen  eines  Sturmes.  „Aber  ein  fester 
Charakter  gebietet  auch  dem  Sturm  und  steuert  vorbei  an  den  Stellen 
der  Gefahr." 

Er  stndirte  drei  Jahre  in  Bonn  und  hörte  bei  v.  Oalker  Logik, 
Dialeetik  und  Psychologie,  bei  Münchow  Physik,  bei  N  f>g ge- 
rn th  Mineralogie,  bei  Bischof  Chemie,  bei  Treviranus  und 


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4 


J.  Ii  an  ki*: 


N  e  e  s  von  Einbeck  Botanik,  bei  G  o  1  d  f  n s  8  Zoologie,  bei 
Mayer  und  Weber  Anatomie,  bei  X au  mann  Encyelopaedie 
der  Mcdicin,  bei  H  n  r  1  e  8  s  Materia  lnediea,  bei  W  n  t  z  e  r  Chirurgie 
und  chirurgische  Anatomie,  bei  Kilian  Geburtshülfc  und  bei  Nasse 
Geisteskrankheiten  und  Anthropologie,  welch  letztere  Wissenschaft 
ihm  in  der  Folge  so  viel  verdanken  sollte. 

Es  waren  anregende,  »lauernd  fruchtbringende.  Jahre,  welche 
Schaaf  Ihausen  in  Bonn  verlebte,  das  damals  wie  heute  eines  der 
wichtigsten  Centren  geistiger  Bewegung  Deutschlands  war.  Seine 
Jugend  liel  in  die  Jugendzeit  der  neuerwachten  Nation,  die  alle 
jene  Blüthcn  trieb,  welche  unsere  Tage  reiten  sehen;  in  jene  Zeit 
frischer  poetischer  Begeisterung  für  klassisches  und  vaterländisches  Al- 
terthmu,  durchweht  von  dem  Geiste  der  Romantik,  welcher  doch  jene 
Blüthcn  hervorgezaubert  hat.  Eine  Vereinigung  von  Philosophie  und 
empirischer  Forschung,  von  Kunst  und  Wissenschaft  strebt  der  feu- 
rige Geist  des  Jünglings  an,  der  sich  aber  auch  der  hohen  Pflich- 
ten bewusst  ist,  welche  das  gewählte  Studium,  der  Beruf  des  Arz- 
tes, seinen  Jüngern  auferlegt.  „So  sind,  schreibt  er  am  28.  Au- 
gust 1837  in  sein  Tagebuch,  drei  Jahre  verlebt  in  Bonn  am  Rhein 
und  sie  sind  hinabgesehwonimen  mit  dem  alten  Strome,  der  die 
Tage  alle  sah  und  ihre  Morgensonne  in  seinen  Flutheu  spiegelte 
und  ihr  Abendroth.  Wie  verwebt  sich  mit  uns  die  Umgebung,  in 
der  wir  leben,  wie  wird  uns  Alles  werth  und  theuer,  ob  Wahl  (»der 
Zufall  es  uns  nahe  gestellt  hat.  Wie  die  Eiche  den  Boden,  in  dem 
sie  wurzelt,  mit  Recht  fftr  den  ihrigen  hält,  weil  sie  ohne  ihn  nicht 
leben  kann,  so  sind  auch  wir  innig  verwachsen  mit  der  kleinen 
Welt,  die  sich  um  uns  dreht  und  alle  Lagen  und  Verhältnisse,  in 
denen  unser  Leben  erscheint,  sind  uns  unentbehrlich  geworden,  ohne 
unser  Wissen.  Wenn  aber  nicht  nur  Zeit  und  Gewohnheit  das  Alles 
geheiligt  hat,  was  das  Unsere  war  für  eine  Zeitlang,  wenn  auch 
Neigung  und  Liebe  uns  an  die  Stelle  schloss,  die  wir  erfüllten,  dann 
wird  die  Trennung  schwer  und  wir  scheiden  arm  und  verlassen  vou 
dort,  wo  wir  so  reich  uns  fühlten."  —  — 

„Es  ist  eiue  zuversichtliche  Gewährleistung  unserer  geistigen 


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Profcxsor  Dr.  Hermann  Srli.iaffhau.seii,  Geh.  Medicinalrath  in  Bonn.  5 


Würde,  dass  wir  in  der  Fülle  der  Begeisterung  für  Wissenschaft 
und  Kunst  es  geloben  können,  ihrem  hohen  Dienste  uns  ganz  zu 
widmen,  und  in  ihrer  Nähe  die  Welt  zu  vergessen  und  zu  entbehren. 
Die  stille  Grosse  der  Wissenschaft  und  der  versehwisterten  Kunst 
erfüllt  mit  hoher  Verehrung  die  ahnende  Seele  und  der  Genius  prüft 
die  goldenen  Schwingen  und  sie  tragen  ihn  höher,  näher  den  ewi- 
gen Sonnen,  die  am  Himmel  kreisen  und  ihr  reineres  Licht  nieder- 
strahlen durch  die  Nacbt  der  Erde."  

„Ich  habe  mich  dem  Studium  der  Mediein  gewidmet.  Es  ist 
diejenige  Wissensehaft,  welche  in  den  vielseitigsten  Beziehungen 
und  im  innigsten  Zusammenhange  mit  der  Philosophie  steht  und 
als  Xaturforschung  mit  dem  Leben  stets  befreundet  bleibt,  dessen 
wunderbare  Gestaltungen  sie  zu  cnträthseln  hat  nach  ewigen  Ge- 
setzen, zugleich  ist  ihr  Hcraf  eine  Tugend,"  —  nud  so  hat  er  ihn 
bis  an  seinen  Tod  geübt. 

Mit  freudiger  Begeisterung  sehen  wir  ihn  im  November  1837 
die  Universität  Berlin  bezieben  und  dort  in  die  neuen  grösseren 
Verhältnisse  mit  ihren  neuen  und  starken  wissenschaftlichen  Anre- 
gungen eintreten.  -Kühn  und  freudig  will  ich  der  Zukunft  entge- 
gengehen, wenn  es  sich  bewährt,  dass  Wünsche  und  Hoffnungen 
die  Vorgefühle  dessen  sind,  was  wir  einst  zu  leisten  im  Stande, 
sein  werden:  Der  Wille  reicht  weit,  —  ob  er  gedeiht,  —  beweise 
die  Zeit." 

In  den  ersteu  Studienjahren  in  Bonn  hatten,  neben  den  medi- 
cinischen  Fachstudien,  welche  mit  grossem  Eifer  gepflegt  wurden, 
namentlich  Philosophie  und  Anthropologie  tiefere  Anregungen  gege- 
l>en,  welch  letztere  der  damalige  Haupt-Vertreter  dieses  Faches  in 
Bonn,  der  berühmte  Naturphilosoph  Nasse,  auch  zum  Theil  im 
Sinne  einer  philosophischen  Diseiplin  vortrug.  In  Berlin  trat 
S  c  h  a  a  f  f  h  a  u  s  e  n  in  die  geistige  Atmosphäre  seines  Coblcnzer 
Landsmannes  Johannes  Müller  ein,  des  berühmtesten  deutsehen 
Physiologen,  der,  obwohl  selbst  fast  noch  ein  Jüngling,  doch  wie  Wenige 
neben  und  mit  ihm  der  Berliner  iuedieinischen  Schule  den  Geist  exak- 
tester Forschung  aufzuprägen  verstanden  hatte.  Bei  J o  b  a  n  ue s  M  U 1 1er 


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J.  Ranke: 


hörte  S  c  Ii  na  tili  au  sni  nicht  nur  Physiologie,  sondern  auch  ver- 
gleichende Anatomie  und  Pathologie.  Dieser  Genius  war  es,  wel- 
cher zunächst  auch  die  Richtung  Schaafhausens  bestimmte:  er 
entsehloss  sich,  selbst  Physiologe  zu  werden.  Er  studirte  in  Berlin 
zwei  Jahre  und  hörte  ausser  Johannes  Müller,  hei  Froriep 
Akiurgie,  hei  Wagner  Forensische  Mcdieiu  und  Mediciuisehc  Poli- 
zei, hei  Schultz  l'athologie  und  fmpicntirtc  die  Kliniken  von 
Wolff,  Rust,  Busch,  Wagner,  Jiingken,  Barez  und  Tr  He- 
stedt. 

Am  31.  August  18.'}'.)  doctorirte  er  in  Berlin  mit  einer  Disser- 
tation, welche  den  für  seine  wissenschaftliche  Richtung  charakteri- 
stischen Titel  trägt:  De  vitae  virilms,  Ucher  Lebenskraft,  —  ein 
Grenzgebiet  zwischen  Philosophie  und  Physiologie.  Im  .Fahre  1840 
bestand  er,  auch  in  Berlin,  die  medicinisehe  Staatsprüfung  mit  der 
Note  „sehr  gut^  und  dem  Titel  „Operateur." 

Nun  war  auch  die  Zeit  in  Berlin  abgeschlossen  und  er  doch, 
trotz  all  der  neuen  Eindrucke  und  geistigen  Errungenschaften,  im 
Wesentlichen  derselbe  geblieben. 

„Wir  leben  in  einem  neuen  Boden,  suchen  aber  stets  dieselbe 
Nahrung.  Unter  anderen  Einflüssen  glauben  wir  uns  zu  verändern 
und  bleiben,  wie  wir  waren.  Wir  sind  ja  nicht  Steine,  die  in  je- 
dem Feuer  glühen,  in  jedem  Frost  erkalten,  wir  sind  Blumen,  die 
ihre  Sonne  suchen  und  sich  nach  ihr  wenden  und  in  dem  Schatten 
und  in  der  Nacht  ihre  Kelche  sehliessen.  Nur  wachsen,  blühen 
können  wir  —  oder  welken  und  verdorren,  und  ob  die  Farben 
wechseln  und  die  Blätter  —  die  Rose  blüht  als  Rose  unter  jedem 
Himmel  —  und  wo  das  Korn  den  Boden  findet,  treibt  es  Aehrcn." 

Uebcrblickcn  wir  zunächst  seinen  äusseren  Lebensgang. 

Im  Spätherbst  1840  machte  er  eine  Reise  nach  Dresden,  Prag, 
Wien  und  München,  absolvirte  dann  in  seiner  Vaterstadt  Coblenz 
den  Militärdienst  als  Compagnie-Arzt  im  2").  Inf.-Regiment.   Im  März 

1842  ging  er  f>  Monate  zu  Studienzwecken  nach  Paris,  im  Frühling 

1843  auf  drei  Monate  nach  London. 

Am  28.  September  1843  verheirathete  er  sieh  in  Coblenz  mit 


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Professor  Dr.  Hermann  Schaaff Kausen,  Geh.  Medietnalratli  in  Bonn.  7 


Anna,  Tochter  des  Kriegsraths  Loren/,  und  verlebte  den  darauf  fol- 
genden Winter  und  Frühling  in  Italien  —  eine  sonnige  glückliche 
Zeit,  voll  reichen  gemeinsamen  Genüsse«  der  herrlichen  Natur  und 
der  Kunstsehätze. 

Am  2'<>.  Oktober  1844  habilitirte  er  sich  an  der  Bonner  Uni- 
versität für  Physiologie.  Im  Hcginne  seiner  akademischen  Lauf- 
hahn las  er  über  spccielle  Physiologie,  allgemeine  Pathologie  und 
Therapie  und  mikroscopischc  Anatomie.  Eine  lange  Reihe  von  Jah- 
ren las  er  dann  über  Encyelopaedie  der  Medicin,  gerichtliche  Medicin, 
allgemeine  und  vergleichende  Physiologie.  Dazu  kommen  schon 
seit  dem  Jahre  1845  Collcgien  über  das  Gesammtgebiet  der  Anthro- 
pologie und  Urgeschichte  des  Menschen.  Im  Jahre  1855  wurde  er 
Professor  extraordinarius,  1868  Geheimer  Medicinalrath  und  1889 
ordentlicher  Honorarprofessor  in  der  mcdicinischcn  Fakultät.  Iu 
dem  gleichen  Jahre  feierte  er  unter  lebhafter  Bethcilignng  der  wei- 
testen Kreise  sein  50 jähriges  Doetor-Jubilämu.  In  dem  erneuerten 
Diplom  der  Berliner  Universität  heisst  es: 

„Viro  quam  de  anatomia  et  de  physiologia  tum  de  antiquissima 
notitia  gentium  tantopere  incrito  ut  optimo  jure  inter  primos  nomi- 
natur,  qui  indefesso  et  sagacissimo  studio  atque  laborc  anthropolo- 
giac  excoleiulae  et  promovendae  viam  aperucrunt.u 

In  diesen  Worten  reicher  Anerkennung  ist  auch  die  Vielseitig- 
keit .Schaaffhausen's  als  Forscher  und  der  weiteren  Fundirimg  Aus- 
druck gegeben,  auf  welcher  seine  akademische  und  schriftstellerische 
Thätigkeit  sich  gründete. 

Die  letztere  umfasst  356  Einzelpublikationen ').  Der  Hanptzahl 
nach  gehören  letztere  der  Anthropologie  und  Urgeschichte  an,  ein- 
schliesslich Ethnologie  und  Zoologie  des  Diluviums  und  der  Anthro- 
poiden sowie  Entwickelungslehre,  nämlich  273;  32  sind  physiologi- 
schen und  vergleichend  biologischen  Inhalts,  7  behandeln  Fragen 
der  Philosophie  und  Psychologie,  27  beschäftigen  sich  mit  römischer 
und  griechischer  Archäologie,  erstere  namentlich  bezüglich  rheini- 


1)  s.  unten  die  vollständige  Liste. 


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8  J.  Ranke: 

« 

scher  FuikIo.  Ks  bleiben  noch  17  Abhandlungen  übrig,  über  Ge- 
genstiiiuhf  allgemein-archäologischer  Fragen,  darunter  f>,  welche 
speziell  sieh  mit  ki rehliehen  Alterthümern  beschäftigen. 

Diese  Aulsätze  und  Mittheilungen  sind  ursprünglich  in  ver- 
schiedenen Zeitschriften  erschienen:  im  Archiv  für  Anthropologie, 
den  Verhandlungen  des  naturhistorischen  Vereins  in  llonn,  den 
Sitzungsberichten  der  niederrheinischen  (iesellschaft,  in  der  Cotta  - 
sehen  deutsehen  Viertel jahrsschril't  HH4S,  :'><).  :>;)),  in  den  Berichten 
der  Xaturforschervcrsammhiugcn  und  <ler  Congresse  der  deutschen 
anthropologischen  (iesellschaft.  sowie  in  deren  Correspondenzblatt, 
in  den  Comptes  rendns  der  internationalen  Kongresse  in  Paris,  Ko- 
penhagen, Brüssel,  Stockholm.  Pest,  Lissahon.  in  den  Jahrbüchern 
des  Vereins  von  Alterthnnisfrcundeu  im  Khcinlande,  in  den  Akten 
der  Leopoldina  11.  s.  w.  Im  Jahre  18K.Ö  erschien  in  Bonn  bei  Mar- 
ens ein  stattlicher  Oktavband,  in  welchem  unter  dem  Titel:  „An- 
thropologische Studien"  eine  Sammlung  von  besonders  wichtigen 
jener  Ein/elpublikationcn  zusammengefasst  ist. 

Neben  diesen  grossartigen  schriftstellerischen  Teistungen,  wel- 
che den  Xanten  Hermann  Schaafhausen  in  alle  Welt  hinaus- 
trugen, geht  jene  oben  erwähnte  intensive  Lehrthätigkeit  einher. 
Sehaaffhausen  war  ein  geborener  Lehrer,  sein  ausgezeichnetes 
Redncrtalent,  durch  unablässige  Uebung  geschult,  seine  eigene  warme 
Begeisterung  für  den  Gegenstand,  welche  die  Hörer  zu  ähnlicher 
Begeisterung  hinreissen  mnsste,  der  hohe  sittliche  Emst  fester 
Ueherzeugung,  der  aus  allen  seinen  Worten  sprach,  der  reiche  Hinter- 
grund philosophischen,  historischen  und  ästhetischen  Wissens  und 
Könnens,  der  auch  seinen  naturkundlichen  Darstellungen  eine  speei- 
tisehe  Färbung  lieh,  die  philosophische  Einheitlichkeit  seiner  Natur- 
aurtassung.  der  liebenswert  he  Charakter,  welcher  seine  ganze  Er- 
scheinung und  jedes  seiner  Worte  adelte  —  Alles  das  mnsste  die 
Schüler  anziehen  und  fesseln.  Eine  grosse  Menge  Zuhörer  aller 
Fakultäten  sammelte  sich  tun  seinen  Katheder  und  seine  Vorlesun- 
gen über  Anthropologie  und  namentlich  jene  über  Urgeschichte  ge- 
hörten zu  den  besuchtesten  der  Bonner  Universität. 


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Professor  Dr.  Hermann  Si-haalThausen,  Och.  Mcrlicinalratli  in  Bonn.  9 


Obwohl  Physiologe,  so  ging  doch  sein  vorwiegendes  Interesse 
auf  die  specielle  Anwendung  dieser  seiner  Grunddisciplin  auf  das 
gesammte  Leben  des  Mensehen,  darauf  gründete  sieh  im  Wesent- 
lichen sein  wissenschaftlicher  Erfolg  in  der  Anthropologie. 

Der  letzte  Brief,  welchen  ich  von  seiner  Hand  besitze,  vom 
4.  Januar  d.  also  wenige  Tage  vor  seinem  Tode,  mit  der  glei- 
chen festen  und  flüssigen  Handschrift  wie  sonst  gesehrieben,  handelt, 
als  Antwort  auf  von  mir  gestellte  Frageu,  von  seiner  Lebrthätig- 
keit  in  der  Anthropologie  an  der  Bonner  Universität: 

-Ich  lese  in  Bonn  (Iber  Anthropologie  unausgesetzt  seit  dem 
Jahre  lX4.r>.  Vor  mir  hat  in  Bonn  Ennemoser  Uber  Anthropologie 
gelesen,  der  Hauptvertreter  des  Faches  war  aber  der  klinische 
Lehrer  für  innere  Mcdicin  hierselbst,  Nasse,  einer  der  letzten  An- 
hänger der  naturphilosophisehen  Schule,  der  bald  nach  meinem  Auf- 
treten in  Bonn  (1X43)  starb." 

„Ich  illnstrire  meine  Vorträge  fast  in  jeder  Stunde  durch  Ge- 
genstände meiner  Privatsammlung,  selten  durch  solche  der  üniver- 
sitätssammlungen  und  durch  Bildwerke  der  Universitätsbibliothek. 
Die  von  mir  schon  vor  vielen  Jahren  beantragte  Gründung  eines 
anthropologischen  Museums  wurde  abgelebut.  Den  Neanderthaler 
Fund  mnsste  ich  ankaufen  für  das  Provinzialmuseum,  weil  er  sonst 
für  Deutschland  verloren  war,  da  Huxlcy  ein  hohes  Gebot  für 
das  Kensington-Museum  gemacht  hatte." 

„Neben  den  Vorlesungen  werden  keine  Kurse  gehalten,  eine 
Einrichtung  dafür  ist  nicht  vorhanden.  Wohl  las  ich  oft  über 
mikroscopischc  Uebungen  znr  allgemeinen  Physiologie,  wobei  auch 
anthropologisch  Wichtiges  zur  Beobachtung  kam.  Privatissime  wur- 
den auch  einzelne  Studircnde  von  mir  in  der  Sehädclmcssung  gra- 
tis nnterrichtet." 

„Die  Vorlesungen  werden  in  den  Hörsälen  der  Universität  ab- 
gehalten. Demonstrationen  habe  ich  in  früheren  Jahren  auch  zu- 
weilen im  Amphitheater  der  Anatomie  hierselbst  und  in  meiner 
Privatwohnnng  abgehalten." 

„Die  durchschnittliche  Zahl  meiner  Zuhörer  in  der  Anthropo- 


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10 


J.  Hanke: 


logie  in  den  letzten  10  Jahren  ist  70— «i  im  Semester.  Ich  lose 
seit  1870.  nach  Semestern  abwechselnd  mit  der  Anthropologie  auch 
Urgeschichte  des  Menschen,  die  Zahl  meiner  Zuhörer  in  den  letz- 
ten Jahren  ist  HO  bis  120  per  Semester." 

Aus  jedem  Worte  klingt  die  berechtigte  Freude  an  diesem 
großartigen  Lehrerfolg  heraus.  S  e  h  a  a  f  f  Ii  a  n  s  e  n  hatte  es  ver- 
standen, das  Interesse  an  der  Anthropologie,  welche  so  mächtig  in 
ganz  Deutschland  unter  Blumcnhach's  Anregung  und  Leitung 
erwacht  war,  auch  durch  jene  für  die  Anthropologie  wüste  Zeit 
an  der  Limmer  Hochschule  aufrecht  zu  erhalten,  welche,  von  dem 
Todestage  Blumcnhach's  (1H4Ü)  beginnend  und  fast  bis  gegen 
das  Ende  der  60  er  Jahre  herein  andauernd,  an  allen  deutschen 
Universitäten  (mit  Ausnahme  von  Bonn  und  München)  die  wissen- 
schaftliche Anthropologie  als  eigentliches  Lehrfach  verschwinden 
machte. 

Nässe's  anthropologische  Vorlesungen  hatten  in  hohem  Masse 
anregend  gewirkt,  sie  gehörten  zu  den  gesuchtesten  philosophischen 
Kollegien  allgemein  bildenden  Charakters  und  es  war  Sitte  der 
Honner  Studirenden  alier  Fakultäten,  sie  zu  besuchen.  Daran  hat 
Schaafhausen  angeknüpft,  das  hat  er  erhalten  und  damit  den 
unanfechtbaren  Beweis  geliefert,  dass  auch  heute  noch  die  wissen- 
schaftliche Anthropologie,  welche  unter  Li  1  n  m  e  n  h  a  e  h  unbestritten 
als  die  erste  aller  naturgcsehichtlichen  Dbu-iplinen  erschienen  war, 
ein  wichtiges  Glied  in  der  Kette  der  akademischen  Studien  und 
Üildungsmittel  sein  kann.  Das  ist  das  hohe  Verdienst,  welches  sich 
Sehaaffh  ausen  um  die  Anthropologie  als  akademisches  Lehr- 
fach erworben  hat. 

\"on  vorn  herein  mit  einer  Neigung  zu  philosophisch-ästheti- 
scher Betrachtung  des  St  olles,  —  war  er  ja  selbst  noch  Zeuge  der 
Wirksamkeit  der  älteren  Naturphilosophie  durch  Nasse  u.  A.  ge- 
wesen,—  hat  Schaafhausen  den  Beginn  der  neuen  naturphiloso- 
phischen  Epoche  unter  dem  überwältigenden  Eindruck  der  ersten 
Da  r  w  i  u'schen  Publikationen  mit  voller  Begeisterung  begrilsst.  Er 
stellte  sich  auch  für  die  Anthropologie  voll  und  gauz  auf  den  Bo- 


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Professor  Dr.  Hermann  Scha.-iffhnusi-n,  Och.  Merlicinalrnth  in  Bonn.  11 


den  der  neuerstaudeneu  Eutwickelungslehre  und  ist  diesem  .Stand- 
punkt ohne  Wanken  treu  geblieben.  Die  grosse  Zahl  seiner  anthro- 
pologischen Schriften  und  Keden  athmeten  alle  diesen  Geist,  und 
wir  sehen  ihn  auch  dann  noch  an  der  allgemeinen  Giltigkcit  dieser 
Lehren  für  den  Menschen  festhalten,  als  so  manche  in  der  ersten 
freudigen  Begeisterung  für  »las  neue  Forschungsgebiet  zum  Theil 
ohne  genügende  Kritik  gesammelte  Ein/elangaben  sich  nach  und 
nach  in  manchen  Richtungen  als  hinfallig  erwiesen  hatten.  Ihm 
war  und  blieb  seine  wissenschaftliche  Anschauung:  von  der  Entwick- 
lung der  Menschengeschlechter  zu  immer  höheren  Stufen  der  Ge- 
sittung eine  Herzensangelegenheit,  für  welche  er  mit  seiner  ganzen 
Person,  mit  der  ganzen  Fülle  seiner  Ueberzetignug  eintrat.  Wie 
oft  haben  wir  diesen  seinen  begeisterten  und  hinreissenden  Ausfüh- 
rungen «lie  Beifallsrufe  grosser  Versammlungen  folgen  hören. 

Die  Alterthumswissensehaft",  so  sagte  er  in  seiner  Abschieds- 
rede am  2ö.  Oktober  des  vorletzten  Jahres,  in  welcher  er  noch  einmal 
sein  wissenschaftliches  Programm  vor  den  Mitgliedern  der  Festvcr- 
sammlung  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  im  Rheinlandc  so 
jugendfrendig  entwickelte,  „hat  mit  ihrem  Lichte  auch  das  Dunkel 
der  ältesten  Vorzeit  erhellt.  Nur  mit  Rücksicht  auf  die  heutigen 
Wilden  sagte  S  c  h  i  1 1  e  r  schon  1781)  in  seiner  Antrittsrede  zu  Jena: 
Eine  weise  Hand  scheint  uns  die  rohen  Völkerstämme  bis  auf  den 
Zeitpunkt  aufgespart  zu  haben,  wo  wir  in  unserer  eigenen  Kultur 
weit  genug  würden  fortgeschritten  sein,  um  von  dieser  Entdeckung 
eine  nutzbare  Anwendung  auf  uns  selbst  zu  machen  und  den  ver- 
lorenen Anfang  unseres  Geschlechts  ans  diesem  Spiegel  wieder  her- 
zustellen. Wie  beschämend  und  traurig  ist  aber  das  Bild,  das  uns 
diese  Völker  von  unserer  Kindheit  geben?  und  doch  ist  es  nicht 
einmal  die  erste  Stufe  mehr,  auf  der  wir  sie  erblicken.  Der  Mensch 
ring  noch  verächtlicher  an.  Die  L'rgeschichtc  wurde  nur  deshalb 
eine  Errungenschaft  der  Neuzeit,  weil  diese  von  dem  fruchtbaren 
Gedanken  der  Entwickeluug  erfasst,  in  den  unscheinbaren  Steiu- 
und  Knochcnwerk/.eugcn  der  Vorzeit  den  Anfang  der  menschlichen 
Kultur  erkannte.    Es  sind  nicht  schöne  Statuen  und  Bauwerke,  es 


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12  J.  Ranke: 

ist  nicht  goldener  Schmuck  und  mit  Edelsteinen  besetztes  Kunst- 
geräth,  das  sie  uns  verfuhrt,  es  sind  roh  zngehanene  Steine,  aus 
Knochen  gefertigte  Werkzeuge  und  grobe  Thonschcrhen,  die  uns  zu 
den  bedeutsamsten  Schlüssen  geführt  haben.  Wie  bei  der  Betrach- 
tung einer  Landschaft  die  Aussicht  sich  erweitert,  je  hoher  man 
steigt,  so  entdeckt  die  Wissenschaft  neue  Wahrheit,  je  weiter  das 
Feld  ihrer  Forschung  reicht.  Nun  wissen  wir,  dass  alle  Kunst  und 
Bildung  einen  kleinen  Anfang  gehabt  hat  und  dass  die  herrlichsten 
Werke  der  Menschenhand  aus  rohen  Versuchen  erst  nach  und  nach 
entstanden  sind.  Durch  die  Anfliudung  der  zierlichen  Statuetten 
von  Tanagra  liegt  die  Entwicklung  der  keramischen  Kunst  von 
den  rohen  Idolen  von  Troja  bis  zn  jenen  hochkünstlcrisehcn  Dar- 
stellungen vollständig  vor  unseren  Augen.  Die  bemalten  Schalen 
und  Vasen,  auf  denen  die  ganze  griechische  Mythologie  dargestellt 
ist,  lassen  sich  zurückverfolgen  bis  zu  den  aus  der  Hand  geformten 
Bechern  und  Töpfen,  die  mit  Eindrücken  der  Fingernägel  geziert 
sind.  Da*  thönerne  Gefäss  ist  aber  ans  dem  Korbe  entstanden, 
den  man,  um  ihn  zu  dichten,  mit  Thon  bestrich,  der  über  dem 
Feuer  erhärtete.  Aber  wer  lehrte  dem  Mensehen  das  Flechten  des 
Korbes?  Wie  so  Vieles,  was  der  Mensch  erfunden  zuhaben  glaubt, 
ein  Vorbild  in  der  Natur  hat,  so  wird  er  auch  das  Flechten  von 
der  Spinne  abgesehen  haben,  deren  ausgespanntes  Netz  dem  Boden 
eines  geflochtenen  Korbes  gleicht/ 

„Nur  die  Kulturgeschichte  ist  die  wahre  Geschichte  der  Mensch- 
heit. In  der  politischen  Geschichte  entscheiden  die  Zerstönuigs- 
waffen,  in  der  Culturgesehichte  ist  es  die  stille  friedliche  Arbeit  des 
Denkers,  welche  unserem  Geiste  neue  Welten  öffnet  und  zu  Ent- 
deckungen führt,  die  das  ganze  Leben  des  Menschen  umgestalten. 
Die  grossen  Weltreiche,  welche  die  Ruhmsucht  der  Eroberer  ge- 
gründet, sind  zusammengestürzt,  die  Errungenschaften  der  Kultur 
aber  gingen  niemals  verloren,  die  neuen  Völker  treten  die  Erbschaft 
der  alten  an  und  was  unter  dem  Schutt  der  Ruinen  begraben  liegt, 
das  bringt  unsere  Wissenschaft  wieder  an  den  Tag."* 

„Die  Freunde  der  Menschheit  haben  es  oft  ausgesprochen, 


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Professor  Dr.  Hermnnn  Selwafflmuscn,  Geh.  Medicinalrnth  in  Bonn.  13 


dass  die  friedlic  he  Entwickclung  der  Völker  ihr  wahrer  Beruf  sei, 
der  allein  zu  Glück  und  Wohlfahrt  führe,  Andere  halten  das  für 
eine  Schwärmerei  und  sehen  im  Kriege  jenen  wohltätigen  Kampf 
ums  Dasein,  der  als  ein  notwendiges  Naturgesetz,  erkannt  sei. 
,Der  Krieg,  sagt  Emil  Zola,  ist  das  Lehen  seihst.  Nichts  in  der 
Natur  besteht,  nichts  wird  gehören,  wächst  und  vermehrt  sich  an- 
ders als  durch  den  Kampf.  Essen  und  gegessen  werden,  heisst  die 
Losung,  wenn  das  Lehen  in  der  Welt  bestehen  soll.  Der  Krieg  ist 
die  Schule  der  Mannszucht,  der  Aufopferung,  des  Mutheg,  er  stärkt 
Leih  und  Seele,  er/engt  die  Kameradschaft  in  der  Gefahr,  giebt 
Gesundheit  und  Kraft.'  So  kann  nur  der  reden,  welcher  die  Ent- 
wiekelung  der  Menschheit  nicht  kennt.  Diese  zeigt  uns  vielmehr, 
wie  nur  allmählig  das  Thier  im  Menschen  gehändigt  wurde  durch  die 
Kultur.  So  gewiss  diese  den  Cauihalisinus,  das  Menschenopfer  und 
die  Vielweiberei  unter  den  gesitteten  Völkern  beseitigt  hat,  so  sicher 
wird  sie  auch  dem  Zweikampf  und  dem  Kriege  ein  Ende  macheu, 
wenn  auch  erst  nach  Jahrhunderten.  Der  Zweikampf  ist  in  seinem 
Ursprung  nichts  anderes  als  ein  Aberglaube,  der  in  seiner  ältesten 
Form  noch  mit  «lern  Canibalismns  verbunden  war,  denn  der  Sieger 
verzehrte  den  niedergeschlagenen  Feind,  um  seine  Tapferkeit  sich  anzu- 
eignen. Was  Schiller  von  der  Geschichte  der  Menschheit  vor  100 
Jahren  gesagt  hat,  sie  hegleite  ihu  durch  alle  Zustände,  die  er  er- 
lebte, durch  alle  abwechselnden  Gestalten  der  Meinung,  durch  seine 
Thorhcit  und  seine  Weisheit,  seine  Verschlimmerung  und  seine  Ver- 
edelung, das  gilt  noch  mehr  von  der  Altcrthumsforschnng,  die  nicht 
wie  jene  nur  aus  den  Uberlieferten  schriftlichen  Berichten  schöpft, 
sondern,  diese  ergänzend,  uns  die  Hinterlassenschaften  aller  Zeiten 
und  Völker  in  Bauwerken,  Geräthen,  Waffen,  Münzen,  Kunstwerken 
vorführt  und  damit  uns  das  vollständige  Bild  von  tler  Entwicklung 
der  Menschheit  aufrollt,  wie  sie  nach  dem  Plaue  des  Weltschöpfers 
sich  vollzieht.  Wir  sehen  den  Bildungsgang  des  Menschenge- 
schlechts von  seinem  Anfang  bis  zu  der  Höhe,  die  er  heute  erreicht 
hat.  Das  bewahrt  uns  vor  der  übertriebenen  Bewunderung  des 
Alterthums  und  vor  der  kindischen  Sehnsucht  nach  vergangenen 


J.  Ranke: 


Zeiten!  Wir  danken  es  aber  der  Alterthumsforsehung,  «lau»  sie  uns 
das  Schönste  und  Hoste,  was  alle  Völker  für  die  Kultur  einmal 
geleistet  haben,  immer  wieder  vor  Augen  stellt,  damit  es  uns  nicht 
verloren  gehe.  Das  goldene  Zeitalter,  welches  die  Dichtung  an  den 
Anfang  der  Geschichte  gesetzt  hat,  ist  für  die  Wissenschaft  das 
ferne  Ziel,  dem  die  Menschheit  allmühlig  entgegen  reift." 

So  vereinigten  sieh  ihm  Wissensehaft,  Philosophie  und  Itcligion 
in  einheitlicher  Weltanschauung. 

In  Schaafhausens  Reden  hei  Congressen  und  in  Gescll- 
sehaftssitzungen  ist  ein  wesentlicher  Theil  seiner  wissenschaftlichen 
Leistungen  enthalten,  hier  hat  er  nicht  weniger  anregend  gewirkt, 
wie  als  akademischer  Lehrer,  wesentlich  unterstützt  durch  seine  Re- 
herrschung  der  europäischen  Kultursprachen,  welche  er  schon  durch 
den  Studien-Aufenthalt  in  Italien,  in  Paris  und  London  weiter  aus- 
gebildet hatte. 

Wenn  wir  im  Einzelnen  einen  Rück  anf  die  wissenschaftlichen 
litterarischen  Leistungen  Schaafhausen  s  werfen,  so  steht  seine  lle- 
theiliguug  an  den  Jahrbüchern  des  Vereins  von  Altcrthutnsfrcunden  im 
Rheinlandc  und  an  dem  Archiv  für  Anthropologie  oben  an.  Er  ge- 
hörte mit  zu  den  Gründern  des  Archivs.  Im  Frühjahr  lXon  crlicsscn 
Alexander  Ecker  und  Heinrich  Wclcker  eine  Einladung  an 
hervorragende  deutsehe  Anthropologen  zum  Zweck  der  Gründimg 
eines  eigenen  Orgaus  für  die  damals  so  rasch  sich  wieder  auf- 
schwingende Wissenschaft  der  Anthropologie.  Schon  bei  der  An- 
thropologen-Zusammenkunft in  Güttingen,  wohin  an  das  Grab  Rlu- 
menbach's  C.  E.  von  Raer  im  August  18(U  eine  Anzahl  von 
Vertretern  der  anthropologischen  Forschung  eingeladen  hatte,  war 
im  Princip  die  Gründung  einer  solchen  Zeitschrift  beschlossen  wor- 
den, aber  erst  vier  Jahre  später  kam  die  Idee  zur  Kealisirnng. 
Auf  die  Einladung  der  beiden  Obengenannnten  waren  im  Juni  lHGf> 
in  Frankfurt  a.  M.  Dcsor,  Iiis,  Lindcnschmit,  Lucae,  Schaaff- 
hausen  und  Carl  Vogt  sowie  der  verdiente  Vcrlagsbuchhändler 
Ed.  Vieweg  erschienen,  das  Archiv  für  Anthropologie  wurde  ge- 
gründet und  die  Redaktion  den  Herren  Ecker  und  Lindcnschmit 


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Professor  Dr.  Hermann  Schaafhausen,  Geh.  Medicinalrath  in  Bonn.  Iß 

übergeben,  die  Namen  der  übrigen  Mitgrttnder  erschienen,  mit  einer 
Anzahl  anderer,  auf  dem  Titel  als  Mitarbeiter.  Sc haaff hangen 
hat  auch  <lk«!*o  übernommene  Pflicht  mit  ununterbrochenem  lutercssc 
und  gleichbleibender  Treue  bis  an  sein  Lebensende  gepflegt.  Vom 
II.  Bande  an  finden  wir  Seh aaff hausen  regelmässig  mit  Bei- 
trügen betheiligt,  zuerst  :  „Ueber  die  anthropologischen  Fragen,  der 
Gegenwart"  eine  Programmrede  (bei  der  41.  Naturforschervcrsamm- 
lung  1867  in  Frankfurt  a.  M.  gehalten),  welche  in  dem  Wesent- 
lichen der  Anschauungen  vollkommen  jener  letzten  Programmrede 
vom  25.  Oktober  1891  entspricht,  aus  der  wir  oben  einige  beson- 
ders charakteristische  Stellen  ausgehoben  haben.  Dann  folgt  im  Bd. 
III:  „Ueber  das  Zweckmässige  in  der  Natur",  in  Bd.  IV:  rDic  Men- 
schenfresserei und  das  Menschenopfer."  Vom  Jahre  1878  an  er- 
schienen dann  im  Archiv  f.  A.  unter  Schaafhausens  spezieller 
Redaktion  die  von  der  dentscheu  anthropologischen  Gesellsehft  ver- 
anlassten Kataloge  der  „anthropologischen  Sammlnngcu  Deutsch- 
lands, ein  Verzeichnis»  des  in  Deutschland  vorhandenen  anthropolo- 
gischen Materials."  Schaafhausen  hat  sich  ein  bleibendes  Ver- 
dienst mit  diesen  Veröffentlichungen  des  Studienmaterials  um  die 
wissenschaftliche  Anthropologie  erworben  und  alle,  welche  dieseu 
Reichthum  von  Mcssimgsergebnisscn  iu  den  geschickt  und  über- 
sichtlich angelegten  Tabellen  noch  nach  langen  Jahreu  vergleichen 
und  durcharbeiten  werden,  müssen  dem  unermüdlichen  Manne  dan- 
ken, diese  Schätze  anthropologisch  wichtiger  Daten  zusammenge- 
bracht und  zugänglich  gemacht  zu  haben.  Bereits  ist  die  zehnte 
Sammlung  iuveutarisirt :  Bonn,  Fraukfurt  a.  M.  (Senekcnbergischc 
Gesellschaft),  Darmstadt  (Naturalienkabinctt  und  Museum)  alle  drei 
von  Schaafhausen  selbst  bearbeitet;  Göttingen  von  .1.  W.  Spcn- 
gcl,  Freiburg  i.  B.  von  A.  Ecker,  Königsberg  i.  Pr.  von  Kupffcr 
und  BesscI-Hagcn  mit  Anhang  von  Otto  Tischler  und  Dr.  Bu- 
jack,  Berlin  I.  Thcil  von  Brösike,  II.  von  Rabl-KUckhardt,  Bres- 
lau von  Wilger,  Leipzig  von  E.  Schmidt,  München  von  R Udin- 
gen Die  letzte  Arbeit  Schaafhausen 's  au  seinem  Todestag  galt 
diesen  Katalogen.    Auf  seine  Veranlassung  hat  sieh  Herr  Dr.  med. 


Iß 


J.  Ranke: 


Mi  es,  einer  seiner  eifrigsten  Schüler  an  die  Arbeit  gemacht,  die 
anthropologischen  Sammlungen  in  Ueidelberg  für  diesen  Zweck 
durchzumessen  und  aufzunehmen.  Eben  waren  die  ersten  Mitthei- 
lungen von  dort  an  ihn  gelangt  und  wie  ein  Blatt  auf  seinem  Ar- 
beitstisch bewies,  hatte  er  noch  am  Abend  des  Tages,  in  dessen 
Nacht  er  ganz  unerwartet  verschied,  an  Heidelberger  Schädeln 
katalogisirt ! 

Die  Zusammenstellung  der  Einzclpuhlikationcn  Schaaffhau- 
Ben's  in  verschiedene  Gruppen  je  nach  ihrem  Thema  hat  uns  einen 
Anhalt  dafür  gegeben,  wie  vielseitig  seine  wissenschaftlichen  Stre- 
bnngen  waren.  Besonders  bedeutsam  sind  für  die  Anthropologie 
die  zahlreichen  Untersuchungen  über  Funde  diluvialer  Thier-  und 
Mensehenrcste  in  den  Rheinländern  Sehr  wichtig  für  die  Entwick- 
lung der  Lehre  vom  Diluvial-Mcnschcn  und  immer  von  neuem  be- 
sprochen ist  der  Ncandert haier  Fund,  der  ganz  besonders  dazu  bei- 
trug, Schaafhausen 's  Namen  in  der  ganzen  Welt  populär  zu 
machen,  und  nicht  zum  wenigsten  gerade  im  Kampfe  der  Meinungen 
über  diesen  Fund  haben  sich  die  anfänglichen  Urtheilc  über  die 
Verwert hung  angeblich  diluvialer  Mcnschcnknochcii  für  die  Ent- 
wicklungslehre im  Hinblick  auf  die  hypothetische  Abstammung  des 
Mensehen  geklärt.  Auch  hier  gebührt  sonach  Schaafhausen  ein 
Dank  der  Wissenschaft. 

Schaafhausen  selbst  hat  zweifellos  den  grüssten  Werth  ge- 
legt nicht  auf  seine  Emzeluntorsuchungen,  sondern  auf  seine  Abhand- 
lungen über  allgemeine  Fragen,  in  welchen  er  den  Gcdaukcnrcich- 
thum  und  die  erstaunliche  Vielseitigkeit  des  Wissens,  die  ihn  aus- 
zeichnete, voll  zur  Geltung  bringen  konnte.  In  jeuer  oben  erwähn- 
ten Sammlung  von  28  Vorträgen  und  Abhandlungen  unter  dem  Titel: 
Anthropologische  Studien  von  Hermann  Sehn  Uffhausen,  Bonn, 
bei  Adolph  Marcus  1885  gross  8°  GTT  S.  —  ein  Werk,  welches 
nach  der  Lektüre  kein  Anthropologe  und  kein  Liebhaber  der  von 
dieser  Wissenschaft  gestellten  Fragen  ohne  reiche  Anregung  und 
Belehrung  und  ohne  inniges  Interesse  an  der  Person  des  Autors 
aus  der  Hand  legen  wird       sind  nur  solche  umfassende  Publikn- 


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Professor  Dr.  Hermann  Schaaffhausen,  (ich.  Modicinnlrath  in  Ron«.  17 

tionen  von  ihm  ausgewählt  uud  wieder  publizirt  worden.  Die  Titel 
sind:  1.  üeber  die  Lebenskraft,  Ucbersetznng  der  Doctor-Disser- 
tiition  aus  dem  Jahre  1839.  2.  Ucber  die  Fortschritte  der  Natur- 
wissenschaften insbesondere  der  Physiologie.  Habilitutionsrede  1844. 
3.  Die  Fortschritte  der  menschlichen  Bildung,  1848.  4.  Die  Natur 
und  Gesittung  der  Völker,  1X50.  5.  Die  Verbreitung  des  organi- 
schen Lebens  auf  der  Erde,  1853.  6.  Ucber  Beständigkeit  und  Um- 
wandlung der  Arten,  1853.  7.  Die  Hautfarbe  des  Negers  und  die 
Annäherung  der  menschlichen  Gestalt  an  die  Thierform,  1860. 
8.  Ueber  Schlaf  und  Traum,  1855.  9.  Die  Beziehung  der  Natur 
zur  bildenden  Kunst,  1855.  10.  Die  Entwicklung  des  Menschen- 
geschlechts und  die  Bildnngstahigkeit  seiner  Rassen,  1858.  11.  Ueber 
den  Zusammenhang  der  Natur-  und  Lebenserscheinungen,  1865. 
12.  Ueber  den  Tod,  1859.  13.  Ueber  die  Kunst  gesund  zu  leben, 
1 86t).  14.  Die  Gesetze  der  organischen  Bildung,  1860.  15.  Der 
Kampf  der  Menschen  mit  der  Natur,  1865.  16.  Ucber  den  Zustand 
wilder  Völker,  1866.  17.  Ucber  die.  Krafterzeugnng  im  thicrischen 
Körper,  1867.  18.  Ueber  die  anthropologischen  Fragen  der  Gegen- 
wart, 1867.  19.  Ucber  das  Zweckmässige  in  der  Natur,  1868. 
20.  Die  Lehre  Dar win's  uud  die  Anthropologie,  1867.  21.  Ueber 
das  geistige  Wesen  des  Menschen,  1869.  22.  Der  Aberglauben  uud 
die  Naturwissenschaft,  1870.  23.  Ueber  die.  Menschenfresserei  und 
das  Menschenopfer,  1870.  24.  Ueber  Mcnschenbildung,  1872. 
25.  Die  menschliche  Sprache,  1872.  26.  Die  Einheit  des  Menschen- 
geschlechts, 1873.  27.  Ueber  den  Zusammenhang  der  Anthropologie 
mit  der  Ethnologie  und  Urgeschichte,  1873.  28.  Die  beiden  mensch- 
lichen Geschlechter,  1881. 

In  der  Vorrede  hebt  Schaaf Ihausen  hervor;  „Alle  wich- 
tigeren Fragen  der  Anthro|>ologie,  auch  solche,  die  heute  noch  die 
Forscher  beschäftigen,  haben  nach  dem  gegenwärtigen  Stande  un- 
seres Wissens  ihre  Besprechung  und  Beantwortung  gefunden." 

„Zwei  in  neuerer  Zeit  erst  gewonnene  Anschauungen  sind  in 
allen  diesen  Arbeiten  niedergelegt  und,  so  verschieden  ihr  Inhalt 
sein  mag,  sie  haben  sich  alle  die  Aufgabe  gestellt,  die  Wahrheit 

Jahrb.  d.  Ver.  v.  AUertlnfr.  Im  Rhein).  XCiV.  2 


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1* 


.1.  Hanke: 


derselben  zu  erweisen.  Die  eine  fasst  die  ganz«  Natur  als  ein  zu- 
sammenhängendes Ganze  auf.  nicht  nur  in  dem  Sinne,  das*  in  der 
bestellenden  Weh  Pflanze  und  Thier  auf  einander  angewiesen  sind 
und  beide  das  Unorganische  zur  Voraussetzung  haben,  sondern  mit 
der  Annahme,  dass  in  der  Geschichte  der  Schöpfung  alle  organi- 
schen Bildungen  wirklich  aus  einander  hervorgegangen  sind.  Die 
andere  sieht  im  Thier  wie  im  Mensehen  die  Seelenthätigkeiten  in 
der  innigsten  Verknüpfung  mit  materiellen  Vorgängen,  so  dass  die 
Entwicklung  »las  Seelen  vermögen  bis  zum  menschlichen  Geiste  immer 
mit  der  Stufe  der  Organisation  in  nothwendiger  Uebereinstimmung 
steht.  Im  Menschen  hat-  die  Schöpfung  nach  beiden  Richtungen 
hin  ihre  höchsten  Ziele  erreicht;  die  fortschreitende  Entwicklung 
ist  aber  ein  so  allgemein  herrschemies  Naturgesetz,  dass  auch  er 
noch  nach  höherer  Vervollkommnung  strebt. *    18.  Juli  1885. 

Wer  die  grosse  Zeit  des  Nenanfsehwungs  der  Anthropologie 
in  der  Mitte  unseres  Jahrhunderts  kennen  und  würdigen  lernen 
will,  wird  immer  auch  auf  S  c  h  a  a  f  f  h  a  u  s  e  n  zurückgehen  müs- 
sen und  noch  nach  Generationen  wird  sein  Name  unter  den  Be- 
gründern der  anthropologischen  Disciplin  mit  Ehren  genannt  werden. 

Wir  vermissen  ungern  in  den  gesammelten  Abhandlungen  jene, 
welche  sieh  speciell  mit  philosophischen  Gegenständen  oder  mit 
solchen  der  Alterthnmsktindc  späterer  Epochen  befassen.  Sie  wären 
wohl  werth  in  ähnlicher  Weise  von  einer  pietätvollen  Hand  gesammelt 
zu  werden  wie  die  mehr  oder  weuiger  speciell  anthropologischen, 
deren  Sammhing  wir  seiner  eigenen  Hand  verdanken.  Ich  erinnere 
hier  speziell  an:  Ueher  Baustoffe,  ihre  Herkunft  und  Dauer,  1859. 
Ueber  Steinmetzzeichen,  1886.  Ueher  Wissen  und  Glauben,  1862. 
Ueber  die  Blutampnllen  der  römischen  Katakomben,  1871.  Ueher 
die  Todtenmaske  Shakespeare 's,  1875.  Die  Thiere  des  römi- 
schen Oircns  in  Trier,  188(1.  Ueber  anthropologische  AlterthÜmer 
in  Kirchen,  1870.  Die  Kölner  Thorburgen,  1882.  Der  Sarg  des 
heiligen  Paulinus  in  Trier,  1884.  Sollen  wir  unsere  Statuen  bema- 
len? 1884.  Ueber  den  Onyx  von  St.  Castor  in  Coblenz,  1885.  Das 
Ideal  der  griechichen  Kunst,   1**5.    Ueber  die  Entwicklung  des 


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Professor  Dr.  Hermann  Schaaffhauscn,  Geh.  Medicinalrath  in  Bonn.  19 


Ornaments  in  der  alten  Kunst,  1880.  Hülfsmittcl  der  neueren  Altcr- 
thumsforschung  u.  a. 

Die  ununterbrochene  Einheitliehkeit  der  Weltanschauungen  tritt 
in  all  diesen  Publikationen  hervor:  er  hatte  Iiis  zum  Tode  recht: 
„Unter  anderen  Einflüssen  glauben  wir  uns  zu  verändern  und  blei- 
ben, wie  wir  waren." 

Aber  in  dieser  gelehrten  Thatigkcit,  so  gross  ihre  Ausdehnung 
erscheinen  mag,  beschliesst  Bich  nicht  die  Wirksamkeit  des  Ver- 
ewigten. Es  drängte  ihn,  seine  Kraft  auch,  so  viel  an  ihm  lag, 
in  den  Dienst  gemeinnütziger  Bestrebungen  zu  stellen.  Und  so 
sehen  wir  ihn  als  Mitglied  und  vielfach  an  der  Spitze  nicht  nur  zahl- 
reicher wissenschaftlicher,  sondern  auch  gemeinnützlicher  Gesell- 
schaften  und  Vereine  sowie,  gemeindlicher  ('nrporationen,  tiberall  be- 
strebt, an  den  Zielen  auf  das  theilnehmcndste  mitzuwirken,  vielfach 
die  Seele  jener  Vereinigungen:  S  c  h  a  a  f  f  h  a  ti  s  c  n  war  seit  1883 
Präsident  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  im  Rheinlande,  des 
natnrhistorischeu  Vereins  der  Preussischen  Rheinlande  und  Wcst- 
phulens,  mehrere  Male  erster  Vorsitzender  der  deutsehen  anthropo- 
logischen Gesellschaft,  1884  Interimistischer  Vorsitzender  der  Com- 
mission  für  die  Provinziahnnsecn;  er  war  Präsident  des  Vereins  der 
Rettung  zur  See,  des  akademischen  Dombauvercius  und  30  Jahre 
lang  des  Kirehenvorstaudes  seiner  Pfarrgemeinde  St.  Remigius  in 
Bonn. 

Er  war  ausserdem  Ehrenmitglied  von  folgenden  Gesellschaf- 
ten: Der  anthropologischen  Gesellschaft  von  Berlin,  München,  Wien, 
London,  Paris,  Florenz,  Brüssel  und  Washington,  des  nassanischen 
Vereins  für  Altcrthumskunde  und  Geschichtsforschung,  des  histori- 
schen Vereins  für  den  Niederrhein;  ausserdem  wirkliches  oder  korre- 
spondirendes  Mitglied:  Der  Xicdcrrhcinisch.cn  Gesellschaft  für  Na- 
tur- und  Heilkunde,  der  Wctterau'schen  Gesellschaft  für  Xatnrkunde, 
der  Senckenbcrg'schcn  Naturforscheiideu  Gesellschaft,  der  Gesell- 
schaft  nordischer  Alterthumsforsclicr  in  Kopenhagen,  der  Kaiserl. 
Leopold.  Carol.  deutschen  Akademie  der  Naturforscher,  der  kaiserl. 
Gesellschaft  der  Naturforscher  in  Moskau,  des  naturhistnrischen  Ver- 


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20  J.  Hanke: 

eins  ftir  Anhalt,  der  k.  Gesellschaft  der  Architekten  und  Archäo- 
logen Portugals,  der  Gesellschaft  für  Krdkunde  in  Met/,  der  Gesell- 
schaft der  Journalisten  und  Schriftsteller  Portugals,  des  Vereins 
für  Mecklenburgische  tieschichte  und  Alterlbuiusktimle,  des  Alter- 
thums-Vcieiiis  in  Worms,  der  Soeicte  d'Arehcologie  \mi  Brüssel, 
und  endlich  Vorstandsmitglied  des  Römisch-Germanischen  Museums 
in  Mainz. 

Und  wie  gesagt,  das  sind  nicht  nur  Titel,  soweit  es  ihm  mög- 
lich war,  hat  er  überall  nicht  nur  mitgearbeitet,  sondern  die  Arbei- 
ten der  bet rettenden  Vereinigungen  angeregt  und  geleitet.  Wie  rege 
war  sein  Interesse,  wie  lebhaft  und  energisch  sein  Wunsch  und 
Bemühen,  die  Gcscllschaftszwecke  zu  fördern.  Dawar  es,  als  hätte 
der  so  viel  beschäftigte  Mann  sonst  gar  nichts  weiter  zu  thun.  Die 
Gesellschaften,  welche  an  ihm  den  Führer  und  das  Haupt  verlieren, 
das  die  Hauptarbeit  freudig  übernahm  und  exakt  und  pünktlich  lei- 
stete, werden  ihn  schwer  vermissen.  Wie  viel  verdanken  sie  ihm, 
voran  der  Verein  von  Altcrthumsfreiindcn  im  Rheinlande.  Hei  der 
Jubelfeier  des  öojährigen  Bestehens  dieses  Vereins  im  letzt  vergan- 
genen Jahre  war  S  e  h  a  a  ff  h  a  u  sc  n  schon  seit  H>  Jahren  resi- 
dent desselben  und  aus  den  Worten  der  Festredner  klingt  eine 
Fülle  wohlverdienter  ächter  Verehrimg  und  Anerkennung  für  den 
Führer,  in  dessen  Person  sieh  so  lange  Jahre  das  Streben  der  Ver- 
einigung verkörperte.  Wer  hätte  am  25.  Oktober  lH'.M  —  als  der 
Verewigte  mit  alter,  scheinbar  nicht  zu  bewältigender  Frische  das 
Präsidium  jener  Feier  führte  und  in  begeisternder  Weise  in  seiner 
Festrede,  die  oben  seine  Abschiedsrede  genannt  wurde,  ein  Pro- 
gramm der  Vergangenheit  und  der  Zukunft  des  Vereins  ent- 
wickelte -  denken  können,  dass  dieser  beredte  Mund  so  bald 
für  immer  verstummen  sollte.  Der  Rektor  der  Universität  Geheim- 
rath  S  t  ra  s  b n  r g c  r .  welcher  das  Wort  ergriff,  um  im  Namen 
der  Universität  „den  Verein  von  Rheinischen  Alterthumsfreuudcu  zu 
ehren*4,  gestaltete  seine  Rede  ganz  naturgemäss  zu  einer  Ehrung  des 
Präsidenten.  Auf  das  frische  Leben,  welches  dem  Studium  der 
Alterthuuisknnde  cutsprosst,  hatte  Herr  Strasburger  das  alte 


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Professor  Dr.  Hermann  Sdiaaffhaihscn,  Gell.  Mcdidnnlrath  in  Bonn.  21 


Wortspiel  in  Webers  Demoerit  angewendet:  „Die  Alten  sind  die 
einzigen  Alten,  die  nie  alt  werden."  „Diesen  Ausspruch,  so  fuhr 
der  Redner  fort,  hätte  ieh  hier  aber  die  Neigung,  auch  auf  den 
Vorsitzenden  des  Vereins,  Herrn  Seh  an  ff  hau  seil  anzuwenden, 
wenn  ieh  sehe,  mit  welcher  Jugendfrischc  und  Begeisterung  er  noch 
immer  alle  menschlichen  Ideale  pflegt,  welche  Arbeitskraft  und  Aus- 
dauer ihm  immer  noch  zur  Verfügung  steht.  Er  wird  älter,  ohne 
zu  altern,  ja  man  sollte  meinen,  dass  er  nur  älter  wird,  weil  die» 
das  einzige  Mittel  ist,  um  lange  zu  leben. u 

Der  Verein  der  Altcrthntnsfrcunde  hatte  in  Folge  innerer 
Gegensätze  eine  schwere  Krise  durchzumachen,  als  im  Juli  1877 
Schaaff hausen  die  Wahl  zum  Mitglied  der  Vorstandschaft  an- 
nahm; sein  Eintritt  in  die  Vorstandsehaft  gerade  in  diesem  Augen- 
blicke war  von  hohem  Werthe  und  half,  den  Verein  Uber  die  be- 
stehenden Schwierigkeiten  hinwegznfuhrcn.  Noch  wichtiger  für  das 
Vereiiisintercsse  war  es,  dass  er  Anfang  1883  das  Vereinspräsidium 
übernahm,  als  sich  der  frühere  Vorsitzende  veranlasst  sab,  unter 
dem  20.  März  1883  aus  diesem  Amte  zu  scheiden.  Schaafhausen 
hat  in  diesen  beiden  Krisen  den  Verein  gerettet  und  es  verstanden, 
die  Mitgliederzahl  auf  ihrer  Höhe  zu  erhalten.  Während  seiner 
ganzen  Vorstandszeit  ist  er  unermüdlich  im  Vereiiwintercuae  thätig 
gewesen,  Arbeiten,  Referate,  kurze  Notizen  zu  liefern,  neue  Mit- 
glieder anzuwerben,  die  alten  zu  erhalten,  Heiträge  zu  beschaffen, 
die  Proviuzialverwaltnng  für  den  Verein  zu  intcressiren,  durch  Ein- 
gaben an  die  Staatsregierung  und  sonstige  Behörden  auf  die  Not- 
wendigkeit der  Erhaltung  bestimmter  antiker  und  mittelalterlicher 
Bauwerke  hinzuweisen,  deren  Erhaltung  im  Allgemeinen  zu  befür- 
worten. War  er  doch  schon  1*72  vom  Ministerium  berufen  worden, 
lllr  die  Erhaltung  der  Kunstdenkmälcr  thätig  zu  sein.  Wo  er  nur 
immer  nach  dieser  Richtung  hin  etwas  thun  konnte,  war  er  immer 
zur  Hand  und  hat  auch  nie  sich  davor  gescheut,  sich  dadurch  event. 
persönlichen  Unannehmlichkeiten  zu  unterziehen.  Wo  er  etwas  für 
wichtig  erkannte,  hat  er  es  immer  eifrig  verfochten  ohne  Ansehen 
der  Person.    Der  Alterthumsverein  hat  an  Sehnaffhausen  viel 


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2J 


J.  Ranke: 


verlöre»,  gerade  seine  Vielseitigkeit  war  für  die  Vereinst hätigkeit 
von  besonderem  Wertlie  wie  seine  grosse  persönliche  LielHmswürdig- 
keit,  die  er  auch  im  Vereinslebeu  niemals  verleugnet  hat  und  auek 
hei  allen  ärgerliehen  Anlässen,  die  auelt  ihm  uieht  erspart  gehliehcn 
sind,  zu  hewahren  wusstc. 

Aueh  die  deutsehe  anthropologische  Gesellsehalt  hat  in  ihrer 
XIX.  allgemeinen  Versammlung  im  August  lSHtf  in  Bonn  unter 
seinem  hewälirten  Präsidium  einen  Congress  gefeiert,  welcher  an 
wissenschaftlichem  Erfolge  keinem  früheren  oder  späteren  nachsteht 
und  der  in  seinem  äusseren  liebenswürdigen  Verlauf,  eingefügt  in 
die  herrlichen  Landschaften  des  Rheinlands,  jedem  Theilnelnuer  un- 
vcrgesslieh  lieh  bleibt.  Auch  der  anthropologischen  Gesellschaft 
kam  es  da  zu  Gute,  womit  S  c  h  a  a  f  f  h  a  u  s  c  n  für  die  von  ihm 
geleiteten  Vereine  Nonns  und  «1er  Rheinlande  so  erfolgreich  gewirkt 
hat:  sein  eigenes  lebhaftes  Interesse  für  die  Sache,  seine  grosse 
Geschicklichkeit  hei  der  Verwaltung,  seine  ausgedehnten  Verbin- 
dungen mit  den  ersten  Kreisen  der  Rheinlande.  Der  Congress  fand 
sieh  überall  getragen  durch  das  persönliche  Wohlwollen  der  Hevölkerung 
gegen  den  Präsidenten,  dem  zu  Liebe  so  manches  freiwillig  und  freu- 
dig gethan  wurde,  was  Niemand  hätte  befehlen  können.  Als,  nur  auf 
die  leichte  Anregung  Schaaffhauseirs  hin,  die  leiden  Ufer  des 
Rheins  bei  der  Dampferfahrt  zwischen  Rolandseck  und  Bouu  in 
bengalischen  Klammen  weithin  leuchteten,  war  das  im  Wesent- 
lichen eine  freie  Opfergabe  herzlicher  Verehrung  und  Liebe  gegen 
den  Manu,  in  welchem  sich  so  viele  ideale  Bestrebungen  der  Rhein- 
lande verkörperten. 

Aber  diese  idealen  Ziele  verdunkelten  ihm  niemals  den  prak- 
tisch tüchtigen  Üliek.  Sein  Verwaltungstalcnt,  welches  in  seinen  Ver- 
einsleitungen  Überall  zur  Geltung  kam,  hat  wohl  nirgends  wohlthütigcr 
und  erfolgreicher  eingegriffen  als  in  seiner  Stellnng  als  Präsident 
des  Kirchenvorstandes  St.  Remigius  in  ltonn,  seiner  Pfarrgemeindc. 
Dreissig  Jahre  hindurch  hat  er  unter  Opfern  und  Mühen  die  äusse- 
ren Angelegenheiten  der  Gemeinde  geleitet.  Als  vor  einigen  Jah- 
ren die  furchtbare  Katastrophe  über  die  Kirche  hereinbrach,  in  der 


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Professor  Dr.  Hermann  Si-li.-uifTliaiü-en,  Geh.  Mcdicinalratli  in  ßonu.  23 


die  8ännutlk'lien  Pl'arrgcbäude  durch  Brand  zerstört  und  die  Kirche 
seihst  ihres  Daches  beraubt  und  im  Innern  verwüstet  wurde, 
da  war  es  seiner  Umsieht  und  seiner  Thatkraft  zu  danken,  dass  in 
verhältnismässig  kurzer  Zeit  sieh  aus  den  Trümmern  ein  neuer 
Bau  erhob,  schöner  und  würdiger  noch  als  die  alten  Kloster- 
gebäude. Noch  in  der  letzten  Woche  seines  Lebens  ist  er  thätig 
gewesen,  seit  dem  Autaug  des  Jahrhunderts  streitige  und  verworrene 
rechtliche  Verhältnisse  der  Gemeinde  in  friedlicher  Weise  zu 
ordnen. 

Aber  wo  soll  mau  anfangen,  wo  aufhören  über  seine  umfas- 
sende Thätigkeit  zu  berichten.  Und  doch  haben  wir  auch  in  diesen 
reichen  Combinationen  noch  nicht  den  Maua  ganz  kennen  gelernt. 
Mit  einer  seltenen  jugendlichen  Geistesfrische  hat  er  nicht  nur  für 
die  Wissenschaft,  sondern  für  Alles  Gute  und  Edle  geschafft  und 
gearbeitet,  immer  nur  an  das  allgemeine  Wohl,  an  das  Beste  An- 
derer denkend,  nie  Anerkennung  und  Dank  für  die  eigene  Person 
begehrend.  Er  fand  reichen  Lcbcnsgenuss  in  der  trenesten  Pflicht- 
erfüllung und  unermüdlichen  Arbeit.  Ein  Ausruhen  kannte  er  ja 
selbst  au  dem  letzten  Tage  seines  Lebens  nicht.  Fast  jede  seiner 
zahlreichen  Reisen  hatte  einen  wissenschaftlichen  Zweck  und  wie 
er  die  vorgeschichtlichen  Fundstätten  seiner  geliebten  rheinischen 
Heimat  aufdeckte,  so  finden  wir  ihn  in  fast  allen  Ländern-  Europas 
mit  dem  Grabspaten  oder  dein  Schädelniesscr  in  der  Hand. 

In  dem  letzten  Sommer  noch  kletterte  der  76jührigc  über 
den  Steinring  auf  der  Spitze  des  Rheinischen  Petersberges,  um  ihn 
genauer  auszuinessen  und  freute  sich  der  herrlichen  Aussicht  von 
der  Steinpyramide  auf  der  Kuppe  der  Löwenburg,  die  er  im  Inte- 
resse der  Besucher  des  Siebengebirges  hatte  errichten  lassen.  Ge- 
wiss war  diese  einzige  Frische  des  Geistes  umj  diese  Jugendlich- 
keit des  Empfindens  in  der  Vielseitigkeit  seines  Charakters  und  sei- 
ner Interessen  uiitbegründet. 

In  Bonn,  während  des  Semesters,  gab  es  bei  so  vielerlei  Ar- 
beit und  Verantwortung  ja  kaum  eine  Mussestundc.  Aber  mit  dem 
Semester  schloss  seine  Arbeit  keineswegs.    In  die  Ferien  fallen 


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J.  Ranke: 


Heine  Studienreisen  und  auch  der  Aufenthalt  auf  seinem  schönen 
Landgut  bei  Honnef  am  Khciu,  wo  so  Viele,  theilnehmcnd  an  der 
edlen  Gastfreiheit  des  Hause*,  frohe  und  glückliche  Stnudeu  ver- 
leben durften,  war  nicht  nur  der  Ruhe  gewidmet.  Fand  mau  ihn 
aber  auch  auf  seinem  Landgute  nicht  an  seinem  Arbeitstische,  so  hatte 
die  rastlos  fleissige  Hand  die  Feder  mit  dem  Pinsel  vertauscht  und  eine 
grosse  Anzahl  ansprechender  Aquarellmalereien  beweist,  wie  geschickt 
er  auch  diesen  zu  führen  vermochte,  wie  weit  er  die  frühe  Jugendlicb- 
haberei  und  Geschicklichkeit  auszubilden  verstanden  hatte.  Und  zahl- 
reiche Gedichte,  vollendet  in  der  Form,  voll  tiefen  Empfindens  und  hohen 
Gehaltes,  erzählen,  wie  er  die  Dümmerstunde  des  Herbstabends 
benutzt  hat.  Und  wenn  dann  die  Seinen  ihu  ans  trauliche  Knmin- 
feuer  riefen,  dann  war  es  seine  grösstc  Freude  mit  einer  der  Töch- 
ter zu  inusieiren  und  sein  Violon  Cello  war  ihm  immer  ein  lieber 
treuer  Freund  geblieben.  Musik  war  ihm  überhaupt  eine  der  rein- 
sten und  schönsten  Genüsse  und  manches  Bonner  Musikfest,  zuletzt 
noch  das  Sehumannfcst  1880,  verdankte  seiner  vorzüglichen  Leitung 
das  glanzende  Gelingen. 

So  glücklieh  dieses  Lehen  war,  so  ist  ihm  doch  der  tiefste 
Schmer/,  nicht  erspart  geblieben.  In)  Sommer  1871  verlor  er  ganz 
plötzlich  am  Herzschlag  die  heissgeliebte  Gattin,  und  zwei  Söhne 
sind  ihm  im  Tode  vorangegangen.  Nach  dem  frühen  Tode  der 
Gattin,  der  er  bis  zuletzt  mit  stillem  Weh  nachtrauerte,  wusste  er 
den  Kindern  neben  der  ernsten  Fürsorge  des  Vaters  auch  die  milde 
Liebe  der  Mutter  zu  ersetzen;  dieser  Vater  und  die  voll  zärtlicher 
Liebe  an  ihm  hängenden  Kinder —  es  war  ein  Bild  echt  deutschen 
innigen  Familienlebens,  dessen  Zauber  kein  Herz  sieh  entziehen 
konnte,  dem  es  vergönnt  war,  in  diesen  genillthvollen  Kreis  hinein- 
zublicken. 

Wie  vielen  hat  er  Freundschaft  erwiesen;  wenn  Uneigeimützig- 
keit  und  Selbstlosigkeit  die  Freundschaft  ausmachen,  dann  besass 
Schaafhausen  sie  im  vollendeten  Sinne  des  Wortes.  Bei  ihm 
fand  der  Freund  nicht  nur  liebenswürdige  Theilnahme,  sondern 
auch   opfervolle  Unterstützung.     Und  Allen,  jeden  Standes,  war 


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Professor  Dr.  Hermann  Schaafhausen,  Gel).  Mcdicinnlrath  in  Bonn.  25 


dieses  Herz  offen.  Wenn  er  zur  Erholung  die  ländliche  Ruhe  auf- 
gesucht hatte,  dann  lenkte  er  seine  Schritte  in  die  Hutten  de» 
Elends,  nm  als  Arzt  und  als  Woliltliäter  den  Schmerz  zu  lindern 
und  der  Noth  zu  steuern,  mit  den  Almosen  brachte  er  Trost  und 
schon  durch  sein  eigenes!  freudiges,  liebevolles  Wesen  Vertrauen  und 
Hoffnung.  Im  Jahre  1870  vertraute  ihm  ciu  in  Bonn  gebildeter 
Verein  die  Gründung  und  ärztliche  Leitung  eines  Vcrcinslazarethes 
mit  (»8  Kranken  an,  dem  er  bis  zu  dessen  Aufhebung  im  November 
mit  selfeu  glücklichem  Erfolge  vorstand.  Es  war  rührend  zu  sehen, 
mit  welcher  Liebe  und  Verehrung  die  verwundeten  Soldaten  an  ihm 
hingen  und  mit  welcher  Hingebung  und  Aufopferung  er  für  sie 
»Sorge  trag. 

Dieses  reiche,  ideale,  poetische  Emptindungslchcn  basirtc  auf 
tiefer,  herzlicher  Religiosität.  Nur  wenn  man  auch  diese  Seite  sei- 
nes Wesens  berücksichtigt,  kann  mau  den  Mann  ganz  verstehen. 
So  ernst  es  ihm  um  seine  Wissenschaft  war,  in  der  er  seine  An- 
schauungen und  Resultate  unverhohlen  nnd  scharf  zum  Ausdruck 
brachte,  —  er  hat  sich  doch  weder  äusserlich  noch  innerlich  jemals 
von  seiner  Kirche  getrennt.  Er  war  bis  an  sein  Lebensende  ein 
frommer  römisch-katholischer  Christ  —  und  hat  nie  Hedenken  ge- 
tragen, mit  dem  vollen  Muthc  der  Ucberzeugnng  sich  offen  und 
unumwunden  als  solchen  zu  bekennen.  Schon  im  Jahre  1830  sagt 
er  am  Schlüsse  seiner  Doetordissertation:  „Dass  wir  nach  dem 
Dasein  Gottes  suchen  und  forschen,  dass  dieser  Hegriff,  wo  wir 
immer  das  Wesen  der  Dinge  ergründen,  beständig  unserer  Vernunft 
begegnet  und  unvermeidlich  ist  und  um  so  fester  gehalten  wird, 
je  edler  von  Gcmüth  wir  selber  sind,  das  ist  ein  Beweis,  der  für 
uns  hinreicht.  Was  unserer  innersten  Natur  angemessen  ist,  was 
sie  verlangt,  das  muss  wahr  sein.  Wie  soll  der  Geist,  welcher  den 
Tod  verachtet,  ihm  unterliegen  können!  Wohin  er  entflieht,  von 
welcher  Gestalt  er  sein  mag,  wenn  der  Leib  von  ihm  gefahren  ist, 
wie  er  fortan  leben  wird,  dass  wissen  wir  nicht  und  es  wird  uns 
stets  versagt  sein,  dies  zu  wissen.  Alles  was  uns  Xoth  thut,  hat 
uns  die  Natur  gegeben,  wir  sollen  es  erkennen,  gemessen  und  weise 


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26 


J.  Ranke: 


nützen.  Das  aber  ist  die  Tugend,  die  Alles  Ströhens  Ziel  sein  soll, 
das«  der  (»eist  des  Leibes  Kräfte  stets  vollkommener  gebrauchen 
lerne  und  ihnen  gebiete,  das»  er  in  allem  Thun  und  Denken  der 
Natur  heilige  Spur  verfolge  und  auf  dieser  Dahn  die  Weisheit 
suche." 

Und  als  Siebziger,  bei  der  Feier  des  äOjährigen  Pricsterjubi- 
läums  des  Pfarrer»  seiner  Kirchengemeindc  hat  er  in  begeisterter 
Rede  die  erhabene  Aufgabe  des  Priesterthums  entwickelt  und  es 
laut  und  offen  ausgesprochen,  das»  „die  Religion  das  höchste  Gut 
der  Menschheit"  sei. 

Aber  Schaa f fhansen  war  trotzdem,  das»  ihm  der  Gedanke 
der  Einheit  des  Menschengeschlechts  als  Ausdruck  fortschreitender 
Gesittung  so  warm  am  Herzen  lag,  wodurch  er  keine  Grenzen  zwi- 
schen den  Völkern  anerkannte,  und  trotz,  oder  besser  in  seiner  lie- 
benden Anhänglichkeit  an  seine  rheinische  Heimat h  ein  begeisterter 
deutscher  Patriot,  er  war  es  in  guten  und  schlimmen  Tagen,  stet» 
hielt  er  den  grossen  Gedanken  des  Vaterlandes  hoch.  „Oeffentlieh 
ist  er.  so  hie»»  c»  in  seiner  Grabrede,  wenig  hervorgetreten,  aber 
Sinn  und  Herz  folgten  mit  reger  Theiluabine  den  Geschicken  de» 
Vaterlandes,  und  seine  feurige  Liebe  galt  dem  erhabenen  Herrecher- 
hause,  unter  dessen  Seeptcr  er  mit  inniger  Freude  Deutschland 
gros»  werden  »ah  und  dessen  Häuptern  er  persönlich  so  nahe  treten 
durfte.  Stets  aber  wnsstc  er  seine  Vaterlandsliebe  mit  der  Unab- 
hängigkeit der  Gesinnung  und  der  Würde  des  freien  Mannes  zu 
paaren.  Nie  hat  er  »ich  vor  den  wandelbaren  Götzen  der  Zeit 
gebeugt." 

Wir  kehren  schliesslich  zum  Ausgang  unserer  Betrachtungen 
zurück. 

Wer  kann  sieh  auch  nach  dieser,  der  Natur  der  Verhältnisse 
nach  nur  sehr  ungenügenden  Schilderung  dieses  Charakter»  nun 
darüber  noch  verwundern,  dass  die  Theilnahme  an  dem  Hinscheiden 
Schaafhausen'»  eine  so  allgemeine,  so  wahre  gewesen  ist. 
Nicht  nur  die  deutsche  Anthropologie  und  Altert humswissenschaft 
haben  einen  ihrer  berühmtesten  Vorkämpfer,  Deutschland  einen  »ei- 


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Professor  Dr.  Hermann  Sdiaaffhau.sen,  Geh.  Medirinnlrnth  in  Bonn.  27 


ncr  allwRrU»  genannten  Gelehrten  verloren,  der  Verlust  trifft  in 
gleich  hohem  Masse  das  bürgerliche,  wie  das  gelehrte  Lehen  nicht 
nur  Bonn  s,  sondern  des  gesummten  Kheinlandes,  vor  allem  jene 
zahlreichen  gelehrten  und  gemeinnützigen  Gesellschaften,  deren  ver- 
ständnissvoller und  allseitig  verehrter  Leiter  er  so  viele  Jahre  lang 
gewesen.  Dass  die  geistig  so  rege  Rhcinproviuz  auch  in  der  Pflege 
der  Anthropologie  und  der  Altcrthumskundc  nach  wie  vor  eiueu  so 
vornehmen  Rang  behaupten  konnte,  ist,  wie  bei  seinem  Hinscheiden 
allseitig  und  einstimmig  zum  Ausdruck  kam,  zum  grossen  Theilc 
seiner  anregenden,  fordernden  und  nicht  am  wenigsten  auch  seiner 
vermittelnden  Thätigkeit  zu  verdanken.  An  seinem  Grabe  wurde 
freudig  hervorgehoben,  dass  er  bei  allem  Scharfsinn  auch  als  Gelehrter 
niemals  das  warme  rheinische  Gcmüth  verleugnet  habe,  dass  er 
nicht  nur  Naturforscher,  sondern  vor  allem  auch  Naturfreund  war. 
Wie  er  sein  Streben  Uberall  den»  Wohl  der  ihn  umgebenden  Kreise 
widmete,  so  hat  er  es  auch  verstanden,  seiner  Xaturfrcndc  eine 
praktische  hilfreiche  Bcthatigung  zu  geben,  in  reger  Theilnahme  nn 
jener  stillen  Arbeit,  welche,  der  Erhaltung  und  Verschönerung  der 
rheinischen  Landschaft,  seiner  geliebten  lleimath,  gewidmet  ist. 

Hermann  Schaaff hau sen  war  im  wahren  Sinne  des  Wortes 
ein  Lebcnsküustler. 

nJa,  sie  haben  einen  guten  Mann  begraben  —  und  uns  war 
er  mehr." 

J.  Ranke. 


2* 


J.  Ranke: 


Verzeichniss 

kleiner  Müllieilungen  und  grosserer  Aulsiit/.c  uml  Abhandlungen  zur 
Physiologie,  Anthropologie,  Urgeseliiehte  und  Archäologie 

von 

Professor  Dr.  H.  Schaaffhanaen. 

Vtrh.  «I.  n.  V.     Wrlmmll.  rtV»  nntiirliM,  V,  r«li«i  für  Hhi  inl.  uml  WeMf.  -  S.H  ^-  Sitznncnb. 
«I.  nMerrti.  «CM-llschaft  fllr  Nnnir-  und  IMIknmlv.     Jntirk  tl.  V.  v.  A.  -  J.ihrl>l>chor  «Iis 
Vit«' In»  von  Altcriliuiiü'fr.  Im  Klioinlniiü. 

1)  De  vitae  viribus.   Disscrtalio  inaugunilis.   Berolini  MDCCCXXXIX. 

2)  lieber  Xcrvcnthoilung  in  den  Muskeln  und  über  das  Verhältnis*  der 
KlektrizitUt  /.nr  Nervenkraft.  A.  Bericht  über  d.  Naturf.-Vcrs.  zu  Aaelien 
1847.  S.  1«3. 

3)  Der  Fortschritt  der  menschlichen  HiUlunj;-.  Deutsche  Viertcljahrsschr. 
Stuttg.  u.  Tüh.  1818.  I.  S.  1. 

4)  Die  Natur  und  die  Gesittung  der  Völker.    Kbendas.  1850.  1.  S.  170. 

5)  1'eber  die  Phrenologie.    S.  R.  21».  Juli  1*52,  Köln.  Zeit.  2.  Aug.  1852. 
»»)  Ueber  das  Tisehriieken.    Köln.  Zeit.  17.  April  1*53. 

7)  reber  Beständigkeit  und  Umwandlung  der  Arten.  Verh.  d.  n.  V.  1853. 
S.  420. 

8)  Die  Verbreitung  des  organischen  Lebens  auf  der  Krde.  Deutsehe 
VierteljulirsHchrilt  1851.  I.  S.  188. 

!>>  lieber  Hirn  und  Seele.    Verh.  d.  n.  V.  1854,  S.  B.  II. 

10)  Die  Hautfarbe  des  Negers  und  die  Annäherungen  der  menschlichen 
Gestalt  an  die  Thierform.  Naturforscher-Versammlung  zu  Güttingen 
1851.    A.  Bericht  1800.  S.  10.1. 

11)  Ueber  die  Grenzen  des  Thier-  und  Pflanzenreichs.  Verb.  d.  n.  V.  1856, 
S.  B.  XXIV. 

12)  l'eber  das»  Vorkommen  fossiler Mensehenknochen.  Verlud. u.V.  18S5. S.:t0.'J. 

13)  l'eber  Schlaf  und  Traum.    Morgenblatt  1N55.  Nr.  35  n.  30. 

I  I)  Die  Beziehungen  der  Natur  zur  bildenden  Kunst.    Kbendas.,  Nr.  52 

und  Kölner  Domblatt  1*55.  Nr.  120 
15)  l'eber  künstliche  Kntwieklung  der  Froschlarven  und  über  einen  rotheu 

Pilz  auf  Kleister.    Verh.  d.  n.  V.  IST»«,  S.  B.  S.  XLLX. 
Ifi)  Aultindung  des  Monas  Okenii  bei  Bonn.    Kbendas.,  S.B.  S.  LXVII. 

17)  l'eber  Algenpapier.    A.  Ber.  üb.  d.  Naturf. -Vers,  in  Wien  185G.  S.  13. 

18)  Lieber  die  in  einer  Kalkhöhle  des  Neanderthals  gefundenen  mensch- 
lichen Gebeine.    Verb.  d.  n.  V.  1857,  Correspdzbl.  S.  50. 

üb  Ueber  den  Schädel  dieses  Skelels  und  über  primitive  und  künstlich 
entstellte  Schildel.    Kbendas.,  S.  B.  S.  XXX  VI  II. 

20)  l'eber  den  Bau  des  Rückenmarkes.    Kbendas.,  S.  B.  S.  X. 

21)  Die  Kntwieklung  des  Menschengeschlechts  und  die  Bildungstahigkeit 
seiner  Rassen.    A.  Bericht  über  die  Naturf.-Vers.  in  Bonn  1857.  S.  73. 

22j  Die  Nervenendigungen  auf  den  Muskeln.    Kbendas.  S.  li«3. 


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Professor  Dr.  Hermann  fichaaffhausen,  Och.  Medicinalrath  in  Bonn.  29 


23)  Udicr  den  Bau  der  Muskelfaser.   Vcrli.  d.  n.  V.  1858,  S.  B.  S.  CXUIl. 

24)  Uebcr  don  Zusammenhang  der  Natur-  und  Lebenserscheinungen.  A.  Be- 
richt über  die  Naturforscher-Versammlung  zu  Carlsruhe  1858.  S.  31. 

25)  Johannes  Müller,  ein  Nekrolog.   Köln.  Zeit.  2.  Juni  1858. 

215)  Ueber  alte  Schiidel  Norddeutschlands  und  über  geschwänzte  Menschen. 
Verb.  d.  n.  V.  1858,  S.  B.  S.  XLl. 

27)  Zur  Kenntnis*  der  Iiitesten  Kassensehäidel.  Müller  s  Archiv  1858,  ab- 
gedruckt in  den  Jahrb.  d.  V.  für  mecklenh.  Gesch.  u.  Altcrthumsk. 
1850,  übers,  in  der  Nat.  Bist.  Hev.  London  18U1. 

28)  Ueber  einen  fossilen  MeuM-henschädel  von  Bamberg  und  eine  eigen- 
tümliche Metamorphose  von  Menschenkuoe.hen.  Verb.  d.  n.  V.  1855), 
S.  B.  S.  68  u.  69. 

29)  Ueber  Monas  Okenii.  A.  Bericht  d.  Naturf.-Versamml.  in  Karlsruhe 
1869.  S.  210. 

30)  Uebcr  Baustoffe,  ihre  Herkunft  und  Dauer.  Kölner  Domblntt  l.Sept.  1H69. 

31)  Kuocheu  aus  dem  Lös«  von  Maastricht  und  über  die  Urzeugung.  Verb, 
d.  n.  V.  1859,  Corrcspdzbl.  S.  50. 

32)  Ueber  einen  Schiidel  au»  einem  Hünengrabe  bei  Uelde.  Ebenda».  S.  103. 

33)  Ueber  einen  Rönicrschadel  au«  Köln,  über  Menschenreste  aus  dem  Löss 
von  Mastricht  und  alte  Funde  bei  Bamberg.  Verb.  d.  n.  V.  1860, 
S.  B.  S.  32. 

34)  Die  mikroskopische  Struktur  fossiler  Knochen  und  die  Kiesclgerllthe 
von  Abbeville.    Ebendas.  S.  34. 

35)  Ueber  die  Knochen  von  Mastricht  und  über  v.  Baer's  Schriften  über 
die  Papuas  und  die  Maerocephalen  der  Krim  und  über  Hirnwindungen. 
Ebendas.  S.  122. 

36)  Ueber  Arndt's  Todtenmaskc.    Verb.  d.  n.  V.  1860,  S.  B.  S.  69. 

37)  Ueber  Darwin'*  Schrift:  über  den  Ursprung  der  Arten  und  über  Ver- 
wandlung einer  Alge  in  ein  Moos.    Verb.  d.  n.  V.  1801,  S.  Ii.  S.  3. 

38)  Ein  fossiler  Affcukuochcn  aus  dem  Hheinthal  in  Dannstadt.  Ebendas. 
S.  6. 

39)  Ueber  Urzeugung.   Ebendas.  S.  106. 

40)  Ueber  Wissen  und  Glauben.    Kölner  Dotnblatt  4.  Mai  1862. 

41)  Ueber  die.  Pulsfrequenz  und  einen  kranken  Rönicrschadel.  Verb.  d. 
n.  V.  1862,  S.  B.  S.  24. 

42)  Ueber  Crctinismp.s  und  die  Anstalt  des  Dr.  Guggenbülil.  Ebendas.  S.  75. 

43)  Die  Anthropologen-Versammlung  in  Güttingen.  S.  B.  Köln.  Zeitung 
28.  Marz  1862,  II. 

44)  Sur  l'origine  et  sur  les  metamorphoses  des  monades.  Comptes  rendus 
de  facad.  d.  sc.  Paris  \*2.  Mai  1862. 

45)  Ueber  den  Gorillaschadei.    Verb.  d.  n.  V.  1862,  S.  B.  S.  160. 

46)  Uebcr  alte  Steinbilder  von  Boggendorf  bei  Comniern.  Ebendas.  S.  B. 
S.  201. 

47)  Ueber  den  Affen  des  Rheinthals,  einen  Zahn  von  Bbinoceros  tieborrh. 
und  Knochen  des  röm.  Castrum  bei  Enger«.  Verb.  d.  n.  V.  1803,  S.  B.  S.  29. 

48)  Resumc  des  recherches  sur  la  gencratinn  spontaner.  Cosmos,  revue 
encyclop.  Paris  1H«3  XII  22.  p.  629. 


J.  R  linke: 


49»  Zur  Generatio  ae<p;tivoca.    Verh.  d.  n.  V.  1X63,  S.  B.  R.  113. 

50)  Heber  den  Nennderthnler  SchÄdcl,  Lyell'«  und  Huxlcy's  Ansieht  darüber. 
Ebendas.  S.  130;  uiilgcth.  in  d.  Bull,  de  1h  Soe.  d'Anihrop.  1863.  p.  314-17. 

51)  Fossile  Knoehen  von  Wülferath.    Ebendas.  S.  147. 

52)  Funde  römischer  Schädel  in  Köln  und  Erhaltung  der  Blntscheiben  in 
fossilen  Knoehen.    S.  B.    Köln.  Zeit.  2.  Sept.  1863.  II. 

53)  Ueber  fossile  Knochen  von  Grevenbrück.  Verh.  d.  n.  V.  1804,  R.  B.  S.  liO. 

54)  Die  Eingeborenen  von  van  Diemenslnnd.    Ebenda«.  S.  56. 

55)  Mannnuthknochcii  aus  der  Lippe.    Ebenda».  S.  91. 

50»)  Ueber  Urzeugung:  und  über  die.  Nenndcrthaler  Knochen.  A.  Bericht 
Uber  die  Naturf.-Vcrsnmml.  in  Glessen  1864.  S.  1X3  u.  194. 

57)  Teber  den  Gorilla.    Verh.  d.  n.  V.  1864,  Correspdzbl.  R.  95. 

58)  Ueber  einen  Germaucnsehadcl  von  Ingelheim.    Ebenda«.,  R.B.  S.  113. 

59)  Ueber  verwitterte  Feuersteine,  ein  seltene«  Fischgehiss  und  einen  bei 
Olinütz  gefundenen  RchHdel  aus  der  Bronzezeit.  Ebenda«.  18155,  S.B.  R.62. 

«50)  Fossile  Schädel  aus  heldischen  Höhlen  und  Fuhlrott'«  Rehrift:  Der 
fossile  Mensch  an«  dein  Neanderthale.    Ebenda«.,  R.  B.  S.  75. 

61)  Der  Kampf  des  Menschen  mit  der  Natur.  Bonn  1865,  übersetzt  im 
Anthropological  Review  V.  1H67.  p.  276. 

62)  Das  Wachsthumsgesetz  de«  menschlichen  RchHdel«.  A.  Bericht  d. 
Naturr.-Versamml.  in  Hannover  1865.  R.  242. 

63)  Ueber  den  Zustand  der  wilden  Völker.  Arch.  f.  Anthropol.  1. 1K6*i.  R.  161. 

64)  Fossile  Knochen  au«  der  Tcufelsknniiiier  und  ein  Fall  von  Trichinen- 
Erkrankung.    Verh.  d.  n.  V.  IKttß,  R.  B.  fi.  11. 

65)  Ueber  R.lugethierreste  aus  den  westfälischen  Höhlen.  Ebenda«.,  Cor- 
respd/.bl.  S.  46. 

66)  Ueber  da«  Alter  des  Menschengeschlechtes,  über  makrocepbale  RchHdel 
und  die  SchHdel  vom  Uelde.    Ebenda«.,  S.  B.  S.  76. 

67)  Sur  la  forme  primitive  du  crAne  humain.  Congres  de  Pari«  1S67. 
p.  409;  übers,  im  Anthropol.  Review  VI.  1868.  p.  412. 

68)  Die  neuesten  Arbeiten  auf  dein  Gebiet«  der  Anthropologie.  Verh.  d. 
n.  V.  1867,  S.  B.  R.  58. 

69)  Ueber  die  Darstellung  von  Thierbildern.    Ebendas.  R.  84. 

70)  lieber  die  Krafterzeugnng  im  thierischen  Körper.  Ebenda«.,  Cor- 
re«pdzbl.  S.  74. 

71)  Ueber  die  Organisation  der  Infusorien.  Ebenda«.  18IW,  Correspdzbl.  R.  52. 

72)  Ueber  die  Bildung  des  Eiters.  Tageblatt  der  Naturforscher  Versamml. 
in  Frankfurt  a.  M.  1867.  R.  56. 

73)  Ueber  germanische  Grabstätten  am  Rheni.  Jahrb.  d.  V.  v.  A.  1S68. 
XLIV  u.  XLV.  R.  85. 

74)  Ueber  einen  Zwerg  von  61  Jahren.    Verh.  d.  n.  V.  1868,  S.  B.  R.  26. 

75)  Ueber  die  Urform  des  menschlichen  fichlldels.  Festschrift  tler  niederrh. 
Ges.  zur  50  j  Mir.  Jubelfeier  der  Universität  Bonn  1X68.  S.  59,  im  Aus- 
züge Archiv  f.  A.  III.  1X68.  S.  321. 

76)  Ueber  die  anthropologischen  Fragen  der  Gegenwart.  Naturforseher- 
Versamml.  in  Frankfurt  n.  M.  1X67.  Archiv  für  Anthropologie  II.  1868. 
S.  327  und  Revue  d.  cours  scientif.  lx«X.  Nr.  18. 


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Professor  Dr.  Hermann  Schaaffhausen,  Geh.  Mcdicinalrath  in  Bon».  31 


77)  Uelior  das  Zweckmässige  in  der  Natur.    Kbendas.  III.  1868.  S.  87. 

78)  Die  Lehre  Darwin's  und  die  Anthropologie.  Journal  ol*  the  Anthrop. 
Roc  VI.  London  1868.  p.  CVIII  und  Archiv  für  Anthrop.  III.  1868.  S.  259. 

79)  Bericht  über  die  Schritten  von  Bleck:  Ursprung  der  Sprache,  Weeh- 
niakoff:  Die  geistige  Produktion,  und  von  Maack:  Urgeschichte 
Schlcswig-Holsteins.    Archiv  f.  Anthrop.  III.  18»».  S.  308  -314. 

80)  Die  Verhandlungen  der  anthrop.  Sektion  auf  der  Naturf.-Versaminl. 
in  Dresden.    Kbendas.  S.  327. 

81)  Bericht  über  den  internationalen  Congrcss  in  Bonn.  Kbendas.  S.  332. 

82)  Bericht  über  den  Pariser  Congress  für  vorg.  Anthropologie  voji  1K67. 
Kbendas.  S.  339. 

83)  Das  Archiv  für  Anthropologie.    Allg.  Zeit.  17.  Mai  1868,  Beil. 

84)  lieber  die  Krforschung  der  Höhlen  und  über  Funde  bei  Grevenbrück. 
Verb.  d.  n.  V.  1869,  Correspdzbl.  S.  133. 

85)  Ueber  Aschenumen  von  Saarow,  über  GerHthe  aus  einem  Pfahlbau 
im  Warnitzsee,  eine  vorgeschichtliche  Ansiedlung  im  Laacher  See 
und  römische  Funde  hei  Kretz.    Verl),  d.  u.V.  1869,  S.B.  S.  114—118. 

86)  lieber  anthropouiorphe  Missbildungen.   Verb.  d.  n.  V.  1870.  S.  Ii.  S.  18. 

87)  Ueber  Htfhlenfunde  im  Hönnetlinl.    Kbendas.  S.  111. 

88)  lieber  die  Menschenfresserei  und  da«  Menschenopfer.  Archiv  für 
Anthropologie  IV.  1870.  S.  215. 

89)  Bericht  über  den  internationalen  Congress  in  Kopenhagen  von  1869. 
Archiv  f.  Anthropol.  IV.  1871.  S.  341. 

90)  lieber  Fr.  X.  Kraus:  Die  Blntampullen  der  riim.  Katakomben,  Grab- 
funde in  Andernach,  Ober-Ingelheim  und  Honnef.  Jahrb.  d.  V.  v.  A.  L. 
1871.  S.  275  n.  287. 

91)  Ueber  die  Methode  der  vorgeschichtlichen  Forschung.  Archiv  für 
Anthropol.  V.  1871.  S.  113. 

92)  Ueber  Steindenkmalcr  in  Hannover  und  Westfalen.  Ber.  über  die 
Anthrop.-Vers.  in  Schwerin  1871.  Correspdzbl.  d.  Deutsch,  anthropol. 
Gesellschaft  Nr.  6-10.  S.  55. 

93)  Vergleich  des  Menschen  mit  den  Anthropoiden.    Kbendas.  S.  66. 

94)  lieber  den  Werth  der  Crnniologie  und  über  den  Schädel  des  Witte- 
kind.    Verb.  d.  n.  V.  1871,  Correspdzbl.  S.  76. 

95)  Ueber  das  Chloromelanitbeil  von  Wesseling.  Jahrb.  d.  V.  v.  A.  L. 
1871.  S.  290. 

96)  Die  Anthropologen- Versammlung  in  Schwerin.  Köln.  Zeit.  4.  Oet.  1871. 

97)  Ueber  Menschenbildung.  A.  Bericht  über  die  Naturforscher- Versaminl. 
in  Leipzig.  1872.  S.  96  u.  Revue  scientif.  Paris  1873.  Nr.  30. 

98)  Ueber  Messung  von  Blntscheibcheu.  A.  Bericht  der  Naturforsch er- 
Versamml.  in  Leipzig  1872.  S.  153. 

99)  Zwei  ältere  Funde  aus  der  Balver  Höhle,  der  Schädel  einer  Austra- 
lierin und  der  von  Camburg.    Verb.  d.  n.  V.  1872,  S.  B.  S.  1H. 

100)  Ueber  die  Urzeugung  des  Kozoon  ennadensc  und  den  Weinhefepilz. 
Verb.  d.  n.  V.  1872,  Correspdzbl.  S.  89. 

101)  Ueber  die  Baiverhöhle  und  über  den  Ursprung  der  Fermente.  Kben- 
das., S.  B,  S.  96. 


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32 


J.  Ranke: 


102)  Ueber  das  Skclct  von  Mcmone  und  über  Funde  bei  Themar  und 
Vlotho.    Ebenda*.  S.  11">. 

103)  Ueber  prähistorische  Anthropologie.  Congres  intemat.  d'Anthrop. 
etc.  de  Bruxelles  1872.  p.  ">3ö. 

101)  lieber  den  Fund  in  Mentono,  über  rnh  gebildete  Schädel,  Bronzccelte 
und  Steinbeile,  sowie  über  Microeephalie.  Herielit  über  die  Anthrop.- 
Vers,  in  Stuttgart  1872.  S.  42. 

10f>)  l'eber  Hügelgräber  am  Niederrhein.    Ebendas.  S.  62. 

106)  Keihengräber  bei  Obcrholtdorf,  Hügelgräber  bei  Siegburg,  Altcnrnth 
und  Dünnwald,  der  Hollstein  bei  Troisdorf.  Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LH. 
1S72.  S.  176. 

107)  Ueber  Quetelet's  Anthropotnetrie  und  über  Weisbach's  Messungen. 
Archiv  f.  Anthropol.  V.  1872.  S.  4f>7  u.  4*58. 

108)  lTel»er  Grewingk's  Schritt:  Heidnische  Gräber  in  Lithauen.  Ebetidas. 
S.  227. 

109)  l'eber  den  Zusammenhang  der  Anthropologie  mit  der  Ethnologie 
und  Urgeschichte.  A.  Bericht  über  die  Anthropologen  Vcrsamml.  in 
Wiesbaden  1873.  S.  1  und  Kevuc  scientif.  1873.  Nr.  l.">. 

110)  Bericht  über  die  Anthropologen-Versammlung  in  Wiesbaden.  Köln. 
Zeit.  8.  October  1873. 

111)  l'eber  Bilder  des  Mammuth,  rohe  Schädel,  den  Fund  von  Coblcnz. 
A.  Ber.  d.  Vers.  d.  Nnturf.  u.  Aerzte  in  Wiesbaden  1874.  S.  192. 

112)  Ein  römischer  Fund  in  Bandorf.    Jahrb.  d.  V.  v.  A.  Llll.  1873.  S.  100. 

1 13)  Die  BrunncngrHhcr  der  Nordseewatten.  Arch.  f.  Anthrop.  VI.  1873.  S.  308. 

114)  Ueber  vorgesch.  Funde  in  Westfalen,  frühere  Verbreitung  der  Lappen 
und  die  Schädclmessung.  Ber.  über  die  Anthrop.- Vers,  in  Dresden 
1874.  S.  44,  58  u.  64. 

Iii»)  l'eber  Ausgrabungen  in  Wörby.ig.  Verhandl.  d.  naturhist.  Vereins 
für  Anhalt  in  Dessau  1874.  S.  33. 

116)  Verwandlung  der  Hiriisubstatiz  in  Adipocire.  Verl»,  d.  n.  V.  1874, 
S.  B.  S.  80. 

117)  Ein  Kinbauni  aus  dem  Laacher  See,  ein  Lappcnschäde)  aus  dem  alten 
Bett  der  Lippe,  ein  Eisen  in  einem  Krotzenstcin  von  Plaidt  und  die 
Zeit  der  letzten  vulkanischen  Ausbrüche  am  Ithein.  Verl»,  d.  n.  V. 
1874,  Corrcspdzbl.  S.  72. 

118)  Zusätze  zu  SpengelV  Katalog  der  ßluinenbnch  sehen  Schädelsamm- 
lung  in  Göttingen.    Braunschweig  1874. 

119)  Bericht  über  den  internationalen  Congress  in  Stockholm.  Archiv  f. 
Anthropol.  VII.  1874.  S.  274. 

120)  Fossile  Knochen  aus  dem  Ncaudcrthal,  die  Triukschale  von  München- 
Gladbach  und  über  peruanische  Alterthümer.  Verb.  d.  n.  V.  1S7">, 
S.  B.  S.  136. 

121)  Die  Untersuchung  westfälischer  Höhlen.    Ebendas.  S.  273. 

122)  Fränkische  Gräber  in  Obercassel  und  über  Kepholona.  Ebendas.  S.  169. 

123)  l'eber  die  Martinshöhle.    Ebendas.,  Corrcspdzbl.  S.  109. 

124)  Ueber  die  Todtetnnaske  Shakespeare  s.  Jahrb.  der  deutschen  Shake- 
speare-Gesellschaft X.  1875. 


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Professor  Dr.  Hennann  Schaaifhausen,  Och.  Medicinalrath  iu  Bonn.  33 


125)  Die  Literatur  der  Urgeschichte  vom  Oct.  1874-75.  Arcliiv  für  An- 
throp.  VIII.  1875. 

12«)  üeber  Schädeltnessung,  westfälische  Höhlenfunde  und  den  germani- 
schen Typus,  Ursprung  der  Franken.  Bit.  über  die  Antbrop.-Vers. 
in  München,  1875.  S.  56,  <>3  und  80. 

127)  Ueber  das  llothwerden  alter  Haare.    Ebenda*.  S.  198. 

128)  Uebcr  Lubboc.k's  Werk:  Die  vorgeschichtliche  Zeit.  Arcliiv  für  An- 
thropol.  VITI.  1875.  S.  249  und  von  Sybel,  Inst.  Ztscbr.  1«7Ü.  1.  L. 

129)  Ein  frttnkischer  Goldring  mit  Ituiien,  die  Mongolen  im  Alterthum, 
rohe  Schiidelfonnen  und  der  Thorhammcr.  C.  r.  du  Congres  de 
Stockholm.  1876.  p.  646,  81Ü,  84 1  u.  8-15. 

130)  Ueber  Häckel's  Anthrnpogcnie  und  über  Schriften  von  de  Meester  de 
Kavestcin  und  Ouvaroff.    Arcliiv  f.  Anthropol.  IX.  IHTfi.  S.  KM). 

131)  F.  Zuckerkaiidl*s  Bericht  über  die  Novara-Schädcl.    Ebenda*.  S.  11»?. 

132)  Der  internationale  Congrcss  für  vorg.  Anthropologie  iu  Pesth.  Ur- 
sprung des  Menschen,  F.nt wickhing  der  Cultur,  Bild  des  Neander- 
talers.  Ebendas.  S.  277. 

133)  Bronzeccltc  von  der  Weser,  Gewicht  der  Bronzen  und  ein  Götzen- 
bild von  Nymwegen.   Verh.  d.  n.  V.  1876,  S.  B.  S.  28. 

134)  Ein  röm.  Pinienzupfen,  bei  Dormagen  gefunden  und  der  pliocene 
Mensch  in  Toscana.    Ebeudas.  S.  46. 

135)  Ueber  II.  Fischers  Werk:  Nephrit  und  Jadeit.    Ebendas.  S.  246. 

136)  Ueber  den  Stillstand  des  Lebens  und  über  einen  Battaschadel.  Eben- 
das., Correspdzbl.  S.  62. 

137)  Uebcr  die  dunkln  Farbe  der  Augen,  den  Rchildel  von  Camburg, 
Schädelmessung  und  Nephritbeile.  Bericht,  d.  Anthrop.-Vers.  iu  Jena 
1876,  S.  114. 

138)  Die  anthropologische  Sammlung  des  anatomischen  Instituts  zu  Bonn. 
Braunschweig  1877. 

139)  Funde  am  Oberwerth  bei  Coblenz.    Verh.  d.  n.  V.  1877,  S.  B.  S.  32. 

140)  Uebcr  prKhistorischc  Schädel  in  Wcstphalcn  und  das  Fehlen  der 
Crista  naso-faeialis.  Ebendas.,  Correspdzbl.  S.  60  und  Archiv  f.  An- 
throp.  XII.  18,80.  S.  109. 

141)  Uebcr  Funde  in  der  Höhle  von  Warstein,  ein  Steinbeil  von  Dorsheim 
und  Gräber  in  Hersel.    Verh.  d.  n.  V.  1X77,  S.  B.  S.  115. 

142)  Die  Schäftnng  der  Steinbeile  und  die  Grabhügel  von  Langel.  Eben- 
das. S.  149  u.  150. 

143)  Ueber  die  Gräber,  Schädel  und  die  Herkunft  der  Peruaner  und  über 
hockende  Bestattung.    Ebenda».  S.  151. 

144)  Uober  ein  Jaduitbeil  von  Griminlinghauscn,  über  Microcephalie,  die 
niikrocephale  Helene  Becker  und  den  Microcephalen  von  München- 
Gladbach,  sowie  über  die  Azteken.    Ebendas.  S.  169. 

145)  Bericht  über  die  Anthropol.-Versamml.  in  Constauz,  Gesehlechtsuntcr- 
schiede  des  Schädels,  Funde  von  Steeten,  die  Martinshöhle,  von  Ober- 
wörth, Beil  von  Grimmlinghausen.  Jahrb.  d.  V.  v.  A.'LXI.  1877.  S.  159. 

146)  Die  Ausstellung  friesischer  Alterthümer  in  Leeuwarden.  Köln.  Zeit, 
v.  10.  Sept  1877,  II.  Archiv  f.  Anthropol.  X.  1878.  S.  420. 

J»hrl>.  d.  Vor.  v.  Alurtlimmfr.  im  Kbclnl.  XCIV.  3 


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.?.  Hauke: 


147)  Die  Anatomie  niederer  Rassen  und  rohe  Schädel  von  F.rhenlieini. 

A.  Her.  <'.  Versannnl.  d.  Aerzte  n.  Xaturf.  in  Cassel  1K7«.  S.  IM  n.  L2HL 
14*)  Carl  Kulilrott,  ein  Nekrolog.    Corrcspdzhl.  «1.  deutsch,  anthrop.  Ges. 

April  1878. 

149)  Ueber  den  Aulschw  un«r  der  anthropologischen  Forschung,  die  Hori 
/.ontale  des  Schädels,    Ausstellung  lebender  Hassen,  den  Ncander- 
thaler  Fund,  den  Steinring  von  Ot>enlumsen  n.  A.    Bericht  üb«  r  die 
Anthropol.-Vcrs  in  Kiel  1S78.  S.  K4,  M],  Uli  u.  Iii 

150)  Beriekt  über  die  Anthropol. Versammlung  in  Kiel.  Köln.  Zeit.  1878. 
Nr.  211  und  Archiv  f.  Anthrop.  XI.  1*79.  S.  SHfi. 

151)  Erhaltung  von  Meusehenhaar  in  Gräbern.  Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LV1I. 
187«.  S.  liÜL 

152)  lieber  Schalcnsteino.  Jahrb.  d.  V.  v.  A.  EXIL  1878.  S.  L7J  und  Archiv 
I.  Anthrop.  XII.  1880.  S.  105. 

15.'})  Die  Thier«'  des  rt'*.mischen  Cirens  in  Trier.  Verb.  d.  n.  V.  1878,  S.  B. 
S.  i>Q  und  Arehiv  1.  Anthrop.  XII.  1880.  S.  107. 

154)  Ueb«»r  die  Farbe  der  Menschenrassen.  Verb,  d.  n  V  1878,  Correspdzhl. 
S.  ML 

155)  Ein  Steinbeil  aus  Diabas  von  Oberlahnstein  und  der  Steinring  auf 
dem  Hohenseelbaehkopfc.    Ebcndas..  S.  B.  S.  .'17. 

150)  Ueber  die   Hori/outale  des  Sehiidels.    Kbendas.  S.  109.  u.  Arehiv  f. 

Anthrop.  XII.  1*80.  S.  UHL 
HV7J  t'eber  prilhistorisehe  Kunst.    Jalirb.  d.  V.  v.  A.  EXIL  1878.  S.  L4£L 

158)  lieber  alte  Kirchhöfe  in  Bonn.   Jahrb.  d.  V.  v.  A.  EXIII.  1878.  S. 

159)  lieber  die  Ausgrabung  der  Martiushöhle  und  über  Hügelgräber  im 
Sj)onheimer  Wahle.    F.bendas.  S.  20'2. 

100)  Die  anthropol.  Sammlungen  in  Darmstadt.    Hraunschwcig  187!*. 

101)  Unser  Wissen  von  der  Pflanze,  sonst  und  jetzt  Monatssehr.  d.  Garten- 
bau-Ver.  in  Bonn  187!>.  3.  IL 

Hi.'i  Ueber  den  Sehltdel  einer  Xubierin,  die  Beckenneigung  und  die  Ent- 
wicklung der  menschlichen  Sprache.  Tageblatt  der  Vers.  d.  Aerzte 
u.  Naturf.  in  Baden-Baden  187!).  S.  201  u.  2üL 

103)  Ueber  die  Mensehenrassen.    Verh.  d.  il  V.  1870,  Correspdzhl.  S.  87. 

104)  Kine  alte  Erdwohnung  bei  Hcddcsdorf.    F.bendas.  S.  üü. 

105)  Ueber  die  Lappländer  in  Düsseldorf.  Kbendas.,  S.  B.  S.  133  u.  Archiv 
"  f.  Anthrop.  XII.  187!».  S.  7JL 

100)  Ueber  den  Ovibos  nioscIiatUH  von  Moselwciss.  Verh.  d.  n.  V.  1879, 
S.  B.  S.  IIA 

167)  Ueber  ägyptische  Mumien.    Kbendas.  S.  900. 

108)  Zur  Messung  und  Horizontalstellung-  des  Schädels.  Archiv  f.  Anthrop. 
XI.  1879.  S.  12iL 

109)  Die  prähistorische  Forschung.    F.bendas.  S.  154. 
170)  Scheinbare  Spuren  de«  Menschen.    Kbendas.  S.  '->85. 

17P  Ueber  Desor's  Schrift:  Essay  sur  le  nez,  Locle  1878.   Arehiv  für 

Anthropol.  XII.  1879.  S.  äL 
172)  Die  Höhl«;nfunde  bei  Steeten  an  der  Lahn.    Annalen  des  Ver.  für 

nassauische  Altcrlhuinsk.  n.  Gesch.  XV.  1879.  S.  'Ml 


Professor  Dr.  Hermann  Schaaffhausen,  Geh.  Medicinalrath  in  Bonn.  3,r> 

173)  l'eber  die  Schildclhorizontalc  Broca's,  Entwurf  zu  Erhebungen  über 
diu  körperlich»  Beschaffenheit  der  deutschen  Bevölkerung',  der  Mo- 
Bchusoch«  von  Moselweins,  das  mcgalith.  Denkmal  von  Trarbach,  die 
Grüber  von  Meckenheim.  Bericht  über  die  Anthrop.-Ycrs.  in  Strass- 
burg  1879.  S.  !>8,  101,  LLL 

174)  Bericht  über  die  Anthropologen-Versammlung  in  Strassburg  1H79. 
"  Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LXVIII.  1*80.  S.  HL 

17.r>)  Der  internationale  nnthrop.  Congrcss  in  Paris  187«.    Archiv  für  An- 

"  throp.  XII.  1880.  R.  LLL 
1 7*i)  Die  anthropologische  Sektion  der  Assoeiat.  frauc.  pour  ravanc.  d.  sc. 

~  Ebenda«.  S.  im 

177)  Die  Anthropologie  auf  der  Pariser  Weltausstellung  im  Jahre  1878. 
"  Kbendas.  S.  12L 

17*)  Cebcr  die  Bevölkerung  des  alten  Aegyptens,  die  Höhleiifunde  von 
Gerolstein  und  über  die  Erhaltung  organischer  Structur.  Ycrh.  d. 
iL.  V.  1880,  Correspdzbl.  107. 

1 T  -  * .:  Der  Sehiidel  von  Seligenstadt  und  ein  Kund  grosser  Saurier  bei 
Berni.sati.    Ebenda«.,  S.  B.  S.  25. 

180)  Der  Schiidcl  aus  dem  Neckargeröll  bei  Mannheim.    Kbendas.  S.  iÜ 

181)  Mammuthreste  bei  Wittlich,  gebrannter  Thon  in  der  Lava  bei  Mayen 
und  ein  altgermanisches  Grab  bei  Schmerleke.    Kbendas.  S.  111 

182)  Die  Räuberhöhle  von  Letmathe  und  die  Cacushöhle  bei  Eiserfey  . 
Ebenda«.  S.  15L 

183)  Funde  in  der  Shipkahöhle  in  Mahren.    Kbendas.  S.  2Si£L 

1*4)  Die  Anthropologen-Versammlung  in  Berlin.    Köln.  Zeit.  I>.  Sept.  1KS0. 

1H5)  lieber  den  anthropologischen  Katalog,  die  Horizontale  des  Schildeis, 
die  Geschlechtsunterschiede  desselben,  die  Oberkieferlange,  den  Nnsen- 
index,  die  Crista  nasofacialis,  die  Beckeiuieignng  und  Messung  des 
Schildclvolums;  über  den  Steinwall  der  Loreley,  über  Steinringe  auf 
dein  Hümmelsberg  bei  Linz,  dem  Asberg,  dem  Petersberg,  der  Löwen- 
burg und  über  Höhlen  am  Rhein,  das  Grab  von  Schmerleke,  die 
Schädel  von  Seligenstadt  und  Mannheim,  den  Stcinmeissel  von  Ander- 
nach.   Bericht  über  d.  Authrop.-Vers.  in  Berlin  1880.  S.  38^  LH  n.  12£L 

18(i)  Die  Anthropologie  auf  der  British  Association  in  Swansea  1880. 
Archiv  f.  Antliropol.  XIII.  1881.  iL  .r)12. 

187)  L  liomme  prehistorique  et  Ich  indices  d'Anthropophagie  dans  quelques 
grottes  du  Portugal.  Congrcs  internat.  de  Lisbotme  1880.  C.  r.  1884. 
p.  liü  et  213, 

188)  lieber  die  Ebene  des  Hinterhauptloches,  den  Schlackenwall  von  Kirn- 
Sulzbach  und  über  einen  Schiidel  von  Spandau.  Ber.  d.  Anthropol.- 
Vcrsamml.  in  Kegensburg  1881.  S  lül  u.  11 3. 

189)  Die  Anthropologen- Versammlungen  in  Hegensbnrg  und  Salzburg  liüL 
Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LXXII.  1882.  S.  122. 

190)  Ein  pithekoider  Unterkiefer  aus  der  Shipka-Höhle.  Correspdzbl.  d. 
Anthrop.  Gesellschaft  1881.  Nr.  L 

191)  Ueber  den  Schlackenwall  von  Kiru-Sulzbach  und  ein  verziertes  alt- 
christliches  Bronzeblech  aus  Graubündten.  Correspdzbl.  d.  Gesiimmt- 
Vereins  deutscher  Geschieht.«-  u.  Altcrthums-Vcrcinc,  1881. 


,T.  Ranke: 


192)  Das  naturhist.  Museum  in  New-Vork,  Httmergriibcr  in  Metz.  Verl», 
d.  u,  V.  1881,  S.  B.  S. 

193)  Die  Funde  in  der  Shipkahöhle  «nd  Schriften  von  fhapiiiaii  über  den 
Orangutan  und  die  Geburt  eines  Elcphanten  in  New-Vork.  Khcnrias. 
S.  IOTi. 

194)  Der  Schädel  von  Kirehhciin.  Ebenda*.  S.  IM  und  CorrcspdzW.  d. 
anthrop.  Ct.  IHM.  Nr.  & 

195)  Kf|iius  fossilis  von  Höbr,  t|iiaternJ;re  Funde  von  Bedburg,  die  Ver- 
breitung des  Rennthiers  und  der  tertiäre  Mensch  in  Calilnrnien. 
Verb,  d  il  V.  1881,  S.  B.  S.  ir,7 -70 

19<>)  Ueber  Zawisza's  neue  Funde  in  der  Mammuthhühlc  bei  Krakau  und 
über  den  Canuibalism.  der  Höhlenbewohner  von  Portugal.  Ebcndas. 


197)  Diluviale  Thierreste  im  Khciiithal,  zu  Königswinter  und  Honnef,  die 
Funde  bei  Sayn  und  Mosclweiss.    Ebcndas.  S.  230. 

198)  Drei  Schädel  von  Metz.   III.  Jahresbcr.  d.  Ver.  f.  Kid  künde  zu  Metz  1881. 


199)  Der  Shipkakiefer  und  die  Mammuthzcit.  Mit) Ii.  d.  anthropol.  des.  in 
Wien.  XII.  1*82.  Her.  S.      u.  liL 

200)  Ueber  Hingwillle  auf  dem  Ilochthünuen,  dem  Asberg  und  Petersberg, 
die  Hügelgräber  von  Ludwigsburg  und  die  Trojane rsage  am  Nieder- 
rbein.    Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LXXII.  1882.  S.  2ÜÜ  u.  2HL 

20 1  >  Ueber  anthropol.  Allerthümer  in  den  Kirchen,  ein  Vortrag  v.  28.  Ort. 

1879.    Annal.  d.  bist.  V.  f.  d.  Niederrhein  XXXVIII.  1X82.  S.  LÜl 
202)  Der  Sehlackcnwall  von  Kirn-Sulzbaeh.    Verb.  d.  il  V.  18x2,  S.  B.  S.  L 
20.">)  Das  Skelet  des  Zwerges  Leimen.    Ebenda*.  S.  HL 

204)  Funde  in  der  Balver  Höhle  und  neuer '  Höhlcufnnd  von  Steden. 
Ebenda».  S.  ÜQ. 

205)  Ausführliche  Mittheilung  über  den  Fund  von  Sterten.  Annalen  f. 
nass.  Alterthumsk.  XVII.  1882.  S.  äü. 

200)  Der  internationale  Congress  in  Lissabon  von  1880.  Archiv  f.  An- 
throp. XIII.  Suppl.  1882.  S.  10JL 

20T i  Die  Bildung  der  Nasenöffnung,  eine  Berichtigung.  Correspdzbl.  der 
anthropol.  Gesellschaft  1882.  Nr.  3. 

208)  Die  Cölner  Thorburgen.    Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LXXII.  1882.  S.  132. 

209)  Bericht  über  die  Salzburger  Anthropologen  Versamml.  Correspdzbl. 
d.  anthrop.  Gesellsch.  1882.  Nr.  IL 

210)  Ueber  die  Charruas-Indianer,  Funde  im  Lüss  bei  Meltemich  und 
einen  Durchschnitt  der  Rheiuanschwcmmung  zu  Cölu.  Verb.  d.  il 
V.  1882,  S.  B.  S.  140, 

211)  Charles  Darwin,  ein  Nachruf.    Archiv  f.  Anthrop.  XIV.  1882.  S.  2ÜL 

212)  Die  Anthropologen- Versammlung  in  Frankfurt  a.  M.  Köln.  Z.  2iL  u. 
2iL  Sept.  1882  und  Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LXXIII.  1882.  S.  L7JL 

2 LS)  Ueber  die  prähistorische  Forschung  in  Italien.  Verb.  d.  a.  V.  1882, 
Correspdzbl.  S.  LH)  u.  Correspdzbl.  d.  d.  anthrop.  Gesellsch.  1888.  Nr.  2, 

214)  Die  anthropol.  Sammlung  des  Sonckenbergischen  Instituts  in  Frank- 
furt a.  Main.    Braunschweig  1883. 


S.  lüü. 


Professor  Dr.  Hermann  Schaaffhauscn,  Geh.  Medicinalrath  in  Bonn.  37 

215)  lieber  den  Schädelkatalog,  das  Schädelvoluni,  den  Schädel  Raphaels 
und  über  anthropologische  Zeichnungren  von  Leonardo  da  Vinci ; 
über  germanische  Steinwalle  am  Rhein,  die  Plntyknemie  und  den  Fund 
im  Löss  zu  Metternich.  Bericht  über  die  Anthropol.- Versammlung  in 
Frankfurt  n.  M.  1882.  S.  127  u.  1«7. 

21«)  lieber  einen  Schädel  von  Metternich,  über  prähistorische  Anhängsel, 
über  Virchow's  Abhandlung  über  den  Shipknkiefer.  Verh.  d.  n.  V. 
1883.  S.  B.  S.  10. 

217)  l"eber  einen  angeblich  versteinerten  Affenkopf,  über  Funde  in  Urmitz, 
Weissenthurm  und  Andernach.    F.bendas.  S.  37,  39,  «3. 

2181  Kleine  Mnmmuthzähne  aus  der  Shipknhöhle  und  Bericht  über  weitere 
Ausgrabungen  in  Andernach.    Ebendas.  S.  60. 

2 HM  Heber  den  römischen  Isisdienst  am  Rhein.  Jahrb.  d,  V.  v.  A.  LXXVI. 
1883.  S.  31. 

220)  Ueber  einen  geschnitzten  Rennthicrknochen  von  Andernach,  eine 
römische  Statuette  von  Eisen,  kyprische  Alterthümer  U.A.  Ebendas. 
S.  248. 

221)  Der  Schädel  Raphaels.    Festschrift.    Bonn  1883. 

222)  Der  Kiefer  aus  der  Shipknhöhle.    Verh.  d.  n.  V.  1883.  S.  279. 

223)  Heber  die  Schrift  von  Gross:  Protohelvetes.  Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LXXVI. 
1883.  S.  201. 

224)  Die  prähistorische  Ansiedelung  in  Andernach.  Eine  Berichtigung. 
Kölnische  Zeitung  17.  Juni  1883. 

225)  Bericht  über  diu  Anthropologen- Versammlung  in  Trier.  Köln.  Zeit. 
15.  Sept.  1883  und  Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LXXVII.  1884.  S.  173. 

220)  Ueber  das  menschliche  Gebiss,  die  Grösse  der  Schneidezähne  und 
über  eine  vorgeschichtliche  Ansiedelung  in  Andernach  unter  dem 
Bimsstein.    A.  Ber.  über  die  Anthrop.-Vers.  in  Trier  1883.  S.  112  u.  121. 

227)  Ueber  de  Mortillet's  Schrift:  Lc  prehistorique.  Archiv  f.  Anthropol. 
XV.  1*84.  S.  184. 

228)  Ueber  H.  Welcker's  Schrift:  Schillers  Schädel  und  Todtentnaske. 
Verh.  d.  n.  V.  1884.  S.  34, 

229)  Ein  fossiler  Schädel  des  Moschusochsen  von  Vallendar  und  über 
durchbohrte  Feuersteingesehiebe.    Ebendas.,  S.  B.  S.  79. 

230)  Ueber  Furtwiüiglerw:  Goldfund  von  Vettersfulde.  Jahrb.  d.  V.  v.  A. 
LXXVII.  1884.  S.  l«ti. 

231)  Ueber  Bcrgbau-Alterthümer.   Ebendas.  S.  210. 

232)  Römische  Funde  in  Bonn  und  römisches  Maass.   Ebendas.  S.  214. 

233)  Das  Flachbeil  aus  Jadeit  von  Marthas  Hof  in  Bonn.  Ebendas.  S.  216 
und  Verh.  d.  n.  V.  1884.  S.  87. 

231)  Römische  Funde  in  Remagen.    Ebendas.  LXXVII.  S.  232. 

235)  Der  Sarg  des  h.  Paulinus  in  Trier.    Ebendns.  S.  238. 

23«)  lieber  den  Schädel  von  Podbaba  in  Böhmen  und  die  Singhaleseu  in 
Düsseldorf.    Verh.  d.  n.  V.  1884,  S.  B.  S.  88  und  Correspdzbl.  S.  77. 

237)  Ueber  Nord- Australier  in  Cöln  und  ein  Steinbeil  von  Röttgen.  Eben- 
da«., S.  B.  S.  135. 


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J.  Ranke: 


238)  lieber  die  Kntwicklung  des  menschlichen  Schädels,  über  diu  Merk- 
male niederer  Kassen,  die  Stellung  des  Ohrs,  die  Spannweite  der 
Anne,  die  breiteren  Schiieidc/.iihne  itn  weiblichen  Überkiefer;  über 
die  Kiszeit,  das  terliiire  Aller  des  Menschen,  über  Schlaguiarkcii  auf 
Hippaiionknochcn,  un<l  über  den  Schitdel  von  Podbaba.  Bericht  d. 
Antlirnp. -Vers,  in  Breslau  1884.  S.  !>3  «.  S.  11.}. 

230)  Die  Anthropologen-Versammlung  in  Breslau.  Leopoldiua  XX.  Halle 
1NK4.  S.  1<12  u.  Jabrb.  d.  V.  v.  A.  LXXVIII.  18H4.  S.  215. 

2101  l'eber  den  Seliüdel  von  Winarie.  Verb.  d.  n.  V.  1H84,  Correspdzbl.  S.  !»2. 

241)  Der  Höhlenfund  am  Boekslein  bei  Ulm.    Kbendas.,  S.  B.  S.  221. 

2121  l'eber  v.  Tröltsch's  Kund  Statistik  der  vorrömischen  Mctall/.eit.  Jahrb. 
d.  V.  v.  A.  I.XXVIII.  1**4.  S.  201. 

24:4)  l'eber  Treu's  Aufsatz:  Sollen  wir  unsere  Statuen  bemalen?  Kbendas. 
S.  212. 

244)  lieber  Kumt-  und  Wctzmarken.    Kbendas.  S.  243. 

21:*»)  Die  Seliüdel  von  l'odbaba  und  Winarie  in  Bobinen.    Verh.  d.  n.  V. 

1884.  S.  .KM. 

21t!)  Der  Seliüdel  Seliiller's,  eine  Besprechung  der  Schrift  Weleker's.  Archiv 

f.  Anthropol.  XV.  Suppl.  IWä.  S.  170. 
247)  l'eber  den  Onyx  von  St.  Castor  in  Coblenz.  Jabrb.  d.  V.  v.  A.  LXXIX. 

1*85.  S.  lf»7. 

2IH)  l'eber  l'enek's  Abhandlung:  Mensch  und  Kiszeit.    Kbendas.  S.  273. 
24!>)  Das  Jadeitbeil  von  Martha  s  Hof  in  Bonn.    Kbendas.  S.  2*0. 
250)  l'eber  das  Hufeisen  in  einem  Kavabruch  von  Ochtendung.  Köln. 
Zeit.  1**5.  Nr.  172. 

2Ö1)  Ueber  römischen  Bergbau  bei  Kruft  und  ein  Hufeisen  in  der  Lava 
von  Ochtendung.    Kbendas.  S.  281. 

252)  Das  Ideal  der  griechischen  Kunst.    Kbendas.  S.  28!). 

253)  l'eber  Steingcrathu  und  ein  Sleiubeil  von  Keuvcr.    Verh.  d.  n.  V. 

1885,  Correspdzbl.  S.  »51. 

2;.  1)  Die  Zulu-Knftcrn  in  Köln.    Köln.  Zeit.  31.  Juli  18*5,  I. 
255)  Zur  Abwehr.    Das  Ausland  18X5.  Nr  35». 

250)  Anthropologische  Studien,  eine  Sammlung  von  Vortrügen  und  Ab- 
handlungen.   Bonn  1*85. 

257)  Die  Anthropologen -Versammlung  in  Karlsruhe.  Leopoldina  XXI. 
Nr.  15) -22.  Halle  1885.  S.  175. 

25s  i  Die  Aufgaben  und  die  Krfolge  der  Anthropologie,  ein  Vorschlag  zur 
Beckenmessung,  über  die  mikroeephale  M.  Becker,  den  Schädel 
Beethoven  s,  das  (iehirn  und  Gehörorgan  K.  Schumann'*.  Bericht  d. 
Anthropol.- Vers,  in  Karlsruhe  1885,  Correspdzbl.  d.  deutseh.  anthrop. 
Gesellsch.  S.  «4,  127,  137  u.  147. 

251»)  Die  Knt Wicklung  des  menschlichen  Werkzeugs  und  der  KinHuss  des 
Stoffes  auf  die  Kunstform.  Ktudes  archeol.  dcd.  a  C.  Leeinans. 
Leyden  1**5.  |i.  30t). 

200)  Lieber  die  Messung  der  menschlichen  Becken.  Verb.  d.  n.  V.  Bonn 
1885.    Correspdzbl.  S.  74. 

201)  Köm.  Funde  in  Bassenheim.   Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LXXX,  1885,  S.  232. 


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Professor  Dr.  Hermann  SchiiafThausen,  (ich.  Mcdicinalrath  iu  Bonn.  39 


2(12)  Eiue  römische  Statuette  von  Eisen.  Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LXXXI,  188«, 
S.  128. 

263)  Römische  Funde  iu  Bonn.    Ebenda*.  S.  196. 

261)  Eine  alte  Grabstatte  iu  Coblenz.    Ebenda*.  S.  198. 

265)  Zur  Geschichte  von  Plittersdorf.    Ebenda*.  S.  228. 

266)  Ueber  A.  B.  Movers  Gnrina.    Ebenda*.  S.  1(59. 

267)  Ueber  J.  Nnue's  Prähistorische  Schwerter.    Ebenda*.  S.  172. 

268)  lieber  0.  Richter  s  Antike  Stcinmct/.zciehen.    Ebenda«.  S.  176 

2C9)  lieber  E.  Sommcrbrodt,  Afrika  auf  der  Ebstorfer  Weltkarte.  Eben- 
da«. S.  182. 

270)  Der  Vogetarinnismus.    Verb.  d.  n.  V.    Bonn  1886    S.  67. 

271)  Ueber  das  menschliche  Gebiss.    Ebeudas.  S.  75. 

272)  Heber  den  Schädel  aus  der  Eiidiornhöhle  und  den  von  Tilbury,  über 
Topfschurben  au»  der  Höhle  von  Nabrigas,  den  Elcphant  Mound  iu 
Wisconsin  und  das  neolithische  Grabfcld  von  Merseburg.  Ebeudas. 
S.  B.  S.  11. 

273)  Ueber  die  in  Köln  abgestellten  Bclla-Coola-lndianer  aus  Britisch- 
L'olumbien.    Ebeudas.  S.  211. 

271)  Ueber  eine  in  Bonn  {rezeigte  Busehmannfnmilic  und  eine  Hnttcntottiu. 
Ebeudas.  S.  271. 

275)  Ueber  ein  Steinbeil  vom  Korretsbcrg  bei  Kruft  und  ein  Serpentin- 
stück  von  einer  Moräne  im  Canton  Wallis.    Ebendns.  S.  B.  S.  289. 

276)  Ueber  Rhinocerosrestc  hei  Ramersdorf  und  menschliche  Unterkiefer 
von  Hespeke  und  von  Predmost  in  Mahren.    Ebeudas.  S.  291. 

277*  Ueber  die  Eintheilung  der  Schadel-lndiccs,  über  Aufnahme  der  Be- 
völkerung Bengalen*,  über  die  grosse  Zehe  des  Menschen.  Atntl. 
Bericht  der  Anthropologen-Vers,  in  Stettin.  1886.  S.  116. 

278)  Ueber  die  AuiHndung  agypt.  Königsmumieu,  fossile  Meuscheiireste 
von  Petition  bei  Mexico,  den  Schädel  von  Brünn  und  den  Unter- 
kiefer von  Predmost.    Ebeudas.  S.  IM. 

279)  lieber  Lindenschmit'a  Handbuch  der  Deutschen  Alterthumskundc  1,  2. 
Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LXXXII.  1886.  S.  157. 

280)  Ueber  röm.  Gräber  in  Bonn,  Biwer  und  Coblcnz,  eine  römische  Villa 
bei  Brold,  den  Fund  bei  Hamm,  eine  eiserne  Aniorstatuellc  in  Karls- 
ruhe, römische  Funde  bei  Plittersdorf,  die  Entdeckungen  in  Susa, 
einen  Isisteinpel  in  der  Schweiz,  die  Mosaik  perlen  frilnkischer  Graber. 
Ebeudas.  S.  185  u.  ff. 

281)  Ueber  die  Herstellung  römischer  Terra  sigillata  und  den  Fund  römi- 
scher Hufeisen  in  Bonn.    Ebeudas.  S.  227. 

282)  Bericht  über  die  Anthropologen-Versammlung  in  Stettin.  Leopoldina 
XXIII.  1887.  No.  4,  5  ii.  6. 

283)  Lieber  A.  B.  Meyer's  Alte  Strusscnzüge  im  Ohergailthale  und  von 
CohftUHcn:  Wchrbauten  in  Rüdesheini.  Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LXXX1II. 
1887.  S.  217  u.  219. 

284)  Ueber  den  Beethovenschttdel.  Mittheil,  der  Anthropol.  Gesellschaft 
in  Wien.  1887.  S.  B.  S.  35. 


•Kl 


J.  Ranke: 


285)  lieber  Baumsitrge,  e  in  fossile»  Rhinozeroshorn,  die  Erhaltung  von 
Haaren  an  Leichen,  den  Fund  vnn  Spy  und  über  Stcingerüthe  von 
Hann.    Verh.  d.  n.  V.  1HH7,  Correspdzbl.  S.  70  u.  ff. 

286)  l"eber  Steinhammer  von  Euskirchen  und  Lützeriniel,  den  Heilbrunn 
und  die  TttnniHsteiner  Quelle  im  Brohlthal,  über  zwei  Wallllschwlrbel 
aus  dein  Rhein  hei  Rees.    Verb,  d.  n.  V.  1887.  S.  269. 

287»  Hatten  die  Römer  Hufeisen  für  ihre  Pferde  und  Maulthiere?  Jahrb. 
d.  V.  v.  A.  LXXXIV.  1887.  S.  28. 

288)  Römische  und  fränkische  Funde  in  Oondorf.    Khendas.  S.  238. 

28!»  Waren  die  Brou/.ekeltc  Geld?  l'cber  den  Cntersehicd  des  niHnnlichen 
und  weiblichen  Reekens,  über  Anthropometric  der  Alten,  daK  Rhino- 
ceroshorn  von  Glogau,  die  Schädel  von  Spy.  den  Schilde!  Becthoven's 
und  die  Shakespeare-Maske.  Amtl.  Bericht  der  Anthropologen-Ver- 
sammlung in  Nürnberg  1887,  S.  113,  117  und  160. 

290)  Heber  ein  Steinbeil  vom  Suistbach,  Reste  des  Cervus  Megaceros  bei 
Bonn  und  ein  hockendes  Skelet  im  Trass  von  Burgbrohl.  Verb.  d. 
n.  V.  1888,  Correspdzbl.  S.  86  und  S.  B.  S.  4. 

29!)  Die  Anthropologen- Versammlung  in  Nürnberg.  Köln.  Zeit.  30.  Aug. 
18X7  und  Leop.ddina  XXIV.  1888.  Nr.  3  u.  4. 

202)  Die  Physiognomik.    Archiv  f.  Anthrop.  XVII.  1888.  S.  309. 

293)  Kine  in  Cöln  gefundene  Tenacotta-Büste.  Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LXXXV. 
1888.  S.  55. 

20-1)  lieber  die  Schrill  von  W.  Joest:  Tttttowiren.    Kbendas.  S.  116. 

295)  lieber  J.  Naue's  Hügelgräber  zwischen  Ammer-  und  Staffelsee.  Kben- 
das. S.  130. 

296)  Der  Neanderthaler  Fund.    Festschrift.   Bonn  1888. 

297)  Die.  vorgeschichtliche  Ansiedelung  in  Andernach.  Jahrb.  d.  V.  v.  A. 
LXXXVI.  Bonn  1888.  S.  1. 

298)  lieber  Rcgcnhogenschüsselcbcn  am  Rhein.    Kbendas.  S.  64. 

299)  Die  hockende  Bestattung  und  das  Grab  im  Tuff  zu  Burgbrohl. 
Kbendas.  S.  278. 

300)  Die  F.rhaltung  organischer  Gewebe.    Ebenda«.  S.  281. 

301)  Die  eiserne  Statuette  von  Plittersdorf.   Kbendas.  S.  285. 

302)  Die  Entwicklung  der  menschlichen  Kultur,  die  Urgeschichte  des 
Rheinlandes  und  über  die  Zahl  der  organischen  Elemente..  Bericht 
der  Anthropologen  Versamml.  in  Bonn.  Correspdzbl.  d.  d.  anthrop. 
Ges.  1888.  S.  71  u.  114. 

303)  Die  Anthropologen-Versammlung  in  Bonn  vom  6.  bis  9.  August  1888. 
Leopoldina  XXV.  1889.  Xr.  3-  10  und  Jahrb.  d.  V.  v.  A.  1889.  LXXXVII. 
S.  160. 

304)  Das  römische  Lager  in  Bonn.  Vorwort  der  Festschrift  zu  Winckel- 
mann's  Geburtstage.    Bonn  1888. 

305 1  Mcnsihenreste  aus  der  Höhle  am  Wildpütz  und  vom  Hasenbackofen 
bei  Steden.  Anualen  d.  Vcr.  für  nassauische  Alterthumskunde  und 
Geschichtsforschung.  20.  B.  Wiesbaden  1888.  S.  :«>9. 

306)  Heber  einen  angesägten  Braunkohlcnstnmm  aus  der  Grube  bei  Ziesels- 
nmar.    Verb.  d.  n.  V.  S.  B.  v.  10.  Dez.  1888.  S.  70. 


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Professor  Dr.  Hermann  Schaafhausen,  Geh.  MedicinalrntK  in  Bonn.  41 


907)  Ueber  den  Fund  griechischer  Bronzeeimer  bei  Mehrum,  über  die 
Bildnisse  der  Grabtafeln  von  Fayum.  Winckelmannsfest  1888.  Jahrb. 
d.  V.  v.  A.  LXXXVII.  1889.  S.  216. 

308)  Die  alten  Völker  Europa 's.   Zeitschritt  Oaea.  1885».  1.  Heft.  S.  ß5. 

309)  Die  älteste  Kasse  am  Niederrhein.  Generalvers.  d.  bist.  Vereins  für 
den  Niederrhein  in  Düsseldorf  1888,  Annalen  d.  Ver.  1889.  S.  219. 

310)  Ucber  da«  Merkbuch,  Alterthümer  aufzugraben  und  aufzubewahren. 
Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LXXXVII.  1889.  S.  144. 

311)  Ueber  Lindenschinit'a  Handbuch  der  deutschen  Alterthuinskunde  1.3. 
Ebenda».  S.  150. 

312)  lieber  alte  Schmuckstücke  aus  Gagatkohle.    Ebendas.  S.  202. 

313)  Aus  der  Vorzeit  Westfalens.    Verb.  d.  n.  V.  1889.  S.  36. 

314)  Ueber  einen  Schädel  der  bairischen  Reihcngrllher.  Ebendas.  S.  B.  S.  21. 

315)  Funde  verkohlter  Baumstämme  im  Tuff  bei  Kruft.  Hirschgeweih  im 
Weinberg  Himstein.  Alte  Wasserleitung'  unter  dem  Boden  bei  Nlckc- 
nich. 

316)  Ueber  Messung  rheinischer  Hecrutcn.  Wiener  Anthrop.  Bericht  1889. 
S.  229. 

317)  Ueber  die  heutige  Craniologie.    Ebendas.  S.  165. 

318)  Ueber  alte  und  neue  Mammuthfunde.    Verh.  d.  n.  V.  1889.  S.  61. 

319)  Ueber  den  Schädel  des  Paracelsus  in  C.  Aberlo  Grabdenkmal,  SchK- 
del  und  Abbildungen  des  Th.  Paracelsus.  Mitth.  d.  G.  für  Salzb. 
Landeskunde.  XXXI.  1890-91.  S.  515. 

320)  Die  Entwicklung  des  Ornamente!?  in  der  alten  Kunst.  Jahrb.  d.  V. 
v.  A.  LXXXVIII.  1889  W.  S.  258. 

321)  lieber  westfälische  Todtenbilumc  von  Landois  und  Vormann.  Eben- 
dns. S.  231. 

822)  Ueber  zwei  römische  Lampen  ausCöln.  Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LXXXVIII. 

1889.  S.  136. 

323)  Anthropologen-Versamml.  in  Wien  1889.    Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LXXXIX. 

1890.  S.  270. 

324)  Ueber  Harroy's  Schrift:  Die  Eburonen.  Kh.  Jahrb.  LXXXIX.  18!K). 
S.  205. 

325)  Ucber  den  Khein  in  vorgeschichtlicher  und  römischer  Zeit.  Verh.  d. 
n.  V.  1890.  Correspdzbl.  S.  37. 

326)  Ueber  Luppen  und  Samoaner.    Ebendas.  S.  62. 

327)  Ueber  zwei  römische  Bronzen.    Jahrb.  d.  V.  v.  A.  LXXXIX.  1890.  S.  60. 

328)  Eine  römische  Aedicula  aus  Garden  a.  Mosel.    Ebenda«  S.  135. 

329)  Gallische  Streitwagen  am  Khein.    Ebendas.  S.  241. 

330)  Ueber  die  Dahotney -Neger  in  Cöln.    Verh.  d.  n.  V.  S.B.  1890.  S.  100. 

331)  Ueber  das  Alter  der  Menschenrassen.  Anthropol.  Vers.  Münster  I8!X) 
und  Naturwissenschaft!.  Wochenschrift  1891.  Nr.  7. 

332)  Bericht  über  die  Anthropologen-Versammlung  in  Münster  1890.  Leo- 
poldina 181*1.  XXVII.  Nr.  3-8.  Jahrb.  d.  V.  v.  A.  XC.  1891.  S.  233-217. 

333)  Anthropometrischc  Untersuchungen  in  Cambridge. 

834)  Hülfsmittel  der  neueren  Alterthumsforschuiig  und  neue  Funde  im 
Rheinland.   Jahrb.  d.  V.  v.  A.  XC.  1891.  S.  222. 


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42   J.  Kanke:  Prof.  Dr.  Ueriiiaun  Schaan" hausen,  Geh.  Med.  Rath  in  Bonn. 


33»)  Heinrich  Schliemaiiu,  ein  Nachruf.    Ebenda*.  S.  228. 

33*j)  Uebor  die  Schrill  (i.  de  Mortillet:  Chassc,  Peche,  Domcstication. 
Paris  1*00.    Archiv  für  Anthrop.  XX.  1801.  S.  204. 

3.37)  Uebcr  römische  Schucekenzucht,  steinerne  Kanonenkugeln  in  Sieg- 
burg, bemalte  Skelette,  römische  Funde  an  der  Coblenzcr  Strasse  in 
Bonn.    Jahrb.  d.  V.  v.  A.  XC.  18!» .  S.  1!»,  208. 

338)  Ueber  die  Azteken.    Verh.  d.  n.  V.  1801,  S.  B.  S.  IM  u.  07. 

330)  l'eber  von  Pulsky's  Denkmäler  der  Völkerwanderung.  Jahrb.  d.  V. 
v.  A.  XC.  1801.  S.  1Ö8. 

340»  l'eber  Heeger'«  Trojaner-Sagen.    Ebenda«.  S.  UV). 

341)  L'eber  Steiuhänimer,  Feucrsteingcbilde,  fossile  Anthropoiden.  Pader- 
born.   Verh.  d.  n.  V.  |H!H,  Corrcspdzbl.  S.  35,  30\  Ii'.). 

342)  l'eber  die  Erhaltung  der  alten  Denkmäler  de*  Landes.  Annaleu  des 
bist.  Ver.  für  den  Niederrhein.  Köln  1801.  S.  241. 

343)  Die  Kelten,  Festschrift  des  Vereins  vou  Altei  thumsfreiinden  im  Khein- 
lande,  zur  50jähr.  Jubelfeier  des  Vereins.    Bonn  185».    S.  (52. 

344)  Die  »0jährige  Jubelfeier  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  im 
Itheiulaiidc.   Jahrbuch  des  Vereins.  XCII.  1802.  S.  28«. 

31»)  l'eber  die  Aufgaben  der  Alterthumsforschung  und  ihr  Ergebniss. 
F.hendas.  S.  301. 

34(1)  lieber  Nephritbeile,  Sdnvurringc  und  das  römische  Castrum  bei  Grimin- 
linghauseii.    Winckelmannsfcicr  in  Bonn.    F.bcudas.  S.  311. 

347)  l'eber  die  Zeitbestimmung  von  Thongefässcn.  Jahrb.  d.  V.  v.  A.  XCII. 
1892.  S.  270. 

318)  Anthropologen-Versammlung  in  Danzig.    Ueopoldiua  1802.  Nr.  7— 10, 

Jahrb.  d.  V.  v.  A.  XC111.  1802.  S.  202. 
34!))  l'eber  einen  durch  eine  Silcx-Waffc   verwundeten  Harenschädel  in 

Mühren.    Verh.  d.  n.  V.  18M2.  S.  2C. 
350)  Prähistorische  und  römische  Funde  bei  Dorsten  und  Calcar.  Jahrb. 

d.  n.  V.  1802.  Corrcspdzbl.  S.  »0. 
:JT»I  >  l'eber  Urzeugung.    Jahrb.  d.  n.  V.  is:i2,  Correspdzbl.  S.  32. 
352>  l'eber  den  Schädel  vou  Brünn  mit  Mol  aus  Mammut  Insulin,  gefunden 

von  Makowsky.    Jahrb.  d.  V.  v.  A.  XClII.  1802.  S.  271  u.  Verh.  d.  n.  V. 

18112.  S.  20. 

353)  Erklärung  gegen  Heinach.    K.lieiidas.  S.  27l>. 

354)  Ciutachlen  Über  den  h.  Kock  in  Trier  und  den  Schädel  der  h.  Helena. 
35»)  Uebcr  Felscnlulder  in  Dürkheim,   Porlraitköpfe    vou   Wasser  billig. 

Bericht  der  Winckclmann  Feier  zu  Bonn  1802.  Köln.  Zeit.  23.  Dez.  1802. 
Nr.  1023. 

350}  Anthropologen- Versammlung  in  Ulm  1802.    Leopoldiua  1803. 


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I.  Geschichte  und  Denkmäler 


I.  Neue  Beiträge  zur  mittelrheinischen  Alterthumskunde. 

Von 
Dr.  C.  Mohlis. 


Hierzu  Tutel  I  und  II. 

1.  Eine  Felsenzeichnung  aus  der  la-Tene-Zeit. 

I. 

Nördlich  und  oberhalb  von  Dürkheim  a.  d.  Hart  liegt  der  von 
einem  Slcinualle.  der  Ileideinnaucr,  timzogenc  Kastanienberg.  Auf 
seiner  Ostscitc  fallen  die  konlisscnartig  {restalteten,  regelmässig  be- 
haueuen  Wände  des  Hnmholdisstiihlcs  steil  ab  zur  .Stadt.  Schon 
]'M'tU  erseheinen  diese  Felswände  nrkundlieh  als  „Kriuholdcsstnhl" 

Auf  den  drei  l'ürtieen  desselben  nach  rechts,  links  und  in  der 
Mitte  befinden  sieh  sonderbare  Zeichen  in  den  Fels  gehauen.  Ks 
sind  meist  seehsspeichige  Räder  mit  Zacken  nach  oben,  mit  einem 
Stabe  nach  unten,  der  zweigartige  Ausläufer  entsendet-').  Anfallen 
drei  Seiten  sind  Kusse  dargestellt.  Zur  Rechten  ein  nach  rechts 
ansprengendes;  zur  Linken  ein  nach  links  gewendeter  Fferdekopf. 
Das  meiste  Interesse  nehmen  die  Darstellungen  in  der  Mitte  dicht 
an  dem  Stiegeiiaufgang  in  Anspruch. 

Die  hier  befindliche  Wand  hat  2.70  m  Breite,  4.20  in  Höhe, 
.'5.40  in  Dicke.  Im  unteren  Drittel  der  Höhe  sind  folgende  Bilder 
in  einer  von  links  nach  rechts  gehenden  Reihe  dargestellt: 

1)  Ein  kühn  von  links  nach  rechts  ansprengeudes  Kos«,  ohne 
jedes  Emblem,  ohne  Reiter.  Die  Vorderbeine  sind  gestreckt.  Die 
Maasse  betragen:  50  cm  Länge,  40  cm  Höhe. 

2)  Ein  Adler  mit  nach  links  gewendetem  Kopfe,  hängenden 
Flügeln.  Maasse:  Länge  ?50  cm,  Höhe  —  25  cm.  Links  vom 
Schnabel  ist  ein  Kreuz  tief  eingehalten.  Der  Adler  erinnert  in  (te- 
stalt und  Haltung  an  den  anf  gallischen  Münzen  erscheinenden  Kaub- 
vogel.   Vgl.  Fr.  Streber:   „Ueber  die  RegenbogeiischüsseIchenu? 

1)  Dürklu-imcr  und  Ainorbacher  Archiv. 

2)  Virchow  bezeichnet  sie  nls  Kadnadeln. 


-14 


C.  Mehlis: 


Manchen  im.  2.  Ahth.  Taf.  2,  Fig.  10,  17,  18.  Sic  stammen  vom 
pagus  Vindiolensis  in  der  Diözese  Beauvais. 

3)  Kine  Biga  mit  dein  Auriga  (vgl.  Zeichnung).  Auch  dies 
Pferd  —  vielmehr  dies  tiespann,  wie  die  doppelten  Pfcrdcfüsse  an- 
deuten —  sprengt  von  links  nach  rechts.  Maasse:  Länge  =  40  cm, 
Höhe  —  .'57  cm.  Am  Hals  trägt  dasselbe  einen  (iegenstnnd  mit  kreis- 
förmigem Durchschnitt.  Durch  ihn  laufen  die  zwei  Züge!  zur  deut- 
lich gezeichneten  Trense. 

Hinter  dem  lang  herahhsingenden  Schweife  wird  das  vier- 
speichigo  Rad  der  Biga  und  das  abwärts  geneigte  («estell  der- 
selben deutlieh  sichtbar.  Auf  demselben  steht  der  Auriga.  Auf 
dem  Haupte  trägt  derselbe  eine  nach  vom  spitz  zulaufende  Kappe 
oder  einen  Ledcrhelm.  Das  eng  anschliessende  Ocwand  schlägt 
über  der  Brust  Falten.  Mit  den  beiden  Händen  liält  er,  stark  nach 
vorwärts  geneigt,  die  Ztlgel.  Hinter  seinem  Rücken  wird  eine  breite 
Kornähre  sichtbar.  Ueber  dem  Pferdehaupt  ist  ein  Halbmond 
siebtbar;  links  davon  bemerkt  man  mehrere  Kugeln,  eine  grosse, 
zwei  kleine;  sie  stellen  wohl  Sonne  und  Sterne  vor. 

Sämmtliehe  Figuren  sind  mit  einem  eisernen  Werkzeuge  (Pickel) 
nicht  kunstlos,  sondern  mit  Verständnis»  für  Thier-  und  Menschen- 
formen eingespitzt.  Im  Manzen  sind  diese  3  Figuren  wohl  erhalten, 
da  der  Verfasser  erst  vor  mehreren  Jahren  die  Waud  von  Schutt 
und  Erde  frei  räumen  Hess. 

Und  nach  welchen  Mustern  arbeiteten  diese  Künstler?  Wohl 
kaum  nach  der  Natur,  da  Pferde  in  den  FelsenkUlftcn  auch  vor 
zwei  Jahrtausenden  nicht  frei  herumlaufen  konnten  und  auch  vor 
und  hinter  einer  wirklichen  Biga:  Aebre,  Sonne,  Mond  und  Steine 
nicht  sichtbar  waren. 

Kine  überraschende  Analogie  dagegen  bieten  die  in  der 
Nähe  gefundenen  gallischen  Münzen  dar. 

Von  Ungstein  Stunde  Entfernung  nach  Osten1'  stammt  eine 
mit  dem  Pferde  geschmückte  gallische  Silbermünzc  (vgl.  Mehlis: 
„Studien«  III.  Abtheilung,  2.  Tafel,  Nr.  12). 

Von  Weissenheim  a.  S.  1 1 ' \,  Stunden  Entfernung  nach  Osteu) 
rührt  gleichfalls  eine  gallische  Silbermünzc  her  mit  dem  Doppel- 
pfeile. Unterhalb  desselben  ist  ein  Rad,  vor  demselben  ein  Halb- 
mond angebracht. 

Am  Fussc  der  Rietburg  endlieh  bei  Edenkoben  (ca.  4  Stunden 
Entfernung  nach  Süden )  wurde  vor  einem  Menschcnalter  ein  Kollektiv- 


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Neue  Beitritte  zur  mittelrheinischen  Auerthumskunde. 


fund  gallischer  Goldmünzen  gemacht.  Eine  derselben  liegt  dem  Ver- 
fasser im  Original  vor  (Eigenthümerin:  Frau  Rath  Keller  in  Landau). 

Auf  dem  Avers:  Apollokopf  mit  Lockenhaupt. 

Auf  dem  Revers:  Biga  mit  Auriga.  Das  Gespaun  sprengt 
genau  wie  auf  dem  Brunholdi&stuhl  von  links  nach  rechts.  Der  Au- 
riga hat  dieselbe  Kappe,  die  nämliche  Haltung,  die  Biga  dieselbe 
Zeichnung.  Vor  dem  Haupte  des  Pferdes  steht  eine  konische 
Aehre;  es  kann  auch  ein  Spinnrocken  sein.  Unterhalb  des  Pferdes 
ist  ein  Donnerkeil  angebracht ;  darunter  eine  Verstümmelung  griechi- 
scher Buchstaben:  TTTTTT  (Verstümmelung  von  OIAITTTTOZ).  Diese 
Goldmünze  ist  eine  Nachahmung  der  im  4.-3.  Jahrh.  weit  ver- 
breiteten Goldstatcren  des  Königs  Philipp  von  Macedonien,  der  330 
ermordet  wurde.  Den  Donnerkeil  auf  dieser  Münze  erklärt  der  Nu- 
mismatiker. Chr.  Lenormont  als  Monogramm  der  Münzen  der 
Arverncr l). 

Die  Aehre  dagegen  (gallisch  edh)  ist  nach  de  Ganley*)  das 
Symbol  der  Eduer,  Acdncr,  Hacducr3). 

Eine  analog  gestaltete  gallische  Goldmüuzc  mit  der  Aehre 
bildet  Dr.  H.  Meyer:  „Beschreibung  der  in  der  Schweiz  aufge- 
fundenen gallischen  Münzen",  Zürich  1863,  II.  Tafel,  Xr.  99  ab. 
Dort  sind  noch  mehr  Pendants  dieser  Art  dargestellt;  vgl.  Nr.  94 
bis  100,  103  bis  107. 

Auch  zu  Sanscnhcim  (2  Stunden  Eutfernung  nach  Norden) 
wurde  ein  gallischer  Goldstater  mit  Auriga  und  Biga  aufgefunden; 
vgl.  Mehlis:  „Studien«,  III.  Abth.  Tafel  2,  Fig.  18. 

Nach  diesen  Nachweisungen,  wonach  gallische  Münzen  im  N.,  0. 
und  S.  des  Brunhold isstuhles  vorkommen,  kann  es  keinem  Zweifel  unter- 
liegen: der  Küustler  arbeitete  am  Brunholdisstuhl  seine  Darstellung 
des  Wagenlenkers,  des  Wagens  und  des  Gespannes,  der  Aehre  und 
des  Mondes  nach  einem  auf  gallischem  Boden  gut  imitirten  Gold- 
stater  Königs  Philipp.  Dieser  Goldstater  gehörte  wahrscheinlich 
einer  Münzstätte  der  Acducr  an,  die  spater  nach  Caesar  de  hello 


1)  Vgl.  Revue  numismntiquo  1868.  p.  115. 

2)  Vgl.  Revne  mmusinatique  18G1.  p.  80.  .Sollten  beide  Symbole 
vereint  vor  ihre  Gegnerschaft  zeitlich  fallen? 

3)  K.  Korrer  „Antigua"  1891.  S.  12  bestreitet  dies.  Nach  seinen 
Quellen  erseheinen  „Donnerkeil*  und  .Aehre"  nnf  I'hilipper-Stiiteren.  — 
Dr.  Riggauer  sehreibt  diese  Münzen  den  Acdnern  oder  den  Aivernern 
zu.    Schriftliehe  Mitteilung  an  den  Verfasser. 


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C.  Mohlis: 


gallieo  I,  31  mit  den  Arvernern  um  die  Hegemonie  stritten.  Ihre 
HandelsniNnzen  und  ihre  politischen  Verbindungen  reichten  lange 
Zeit  vor  Caesar  schon  bis  an  den  Mittclrheiii,  his  zu  den  Medio- 
matricern  und  Trevcrern.  Das  gallische  Original  des  (Joldstaters, 
nach  welchem  der  Künstler  den  Fels  bearbeitete,  war  zudem  ein 
altes  und  gutes.  Korrer  schliefst  daraus  (vgl.  „Aiitiquuu  1891, 
S.  13),  dass  diese  guten  Kopien  kurze  Zeit  nach  dem  Original  ent- 
standen und  in  ihren  besten  Exemplaren  bis  ins  4.  Jahrb.  zurückreichen. 

Demnach  muss  wohl  auch  die  Felszeichnung  entstanden  sein, 
als  noch  gute,  alte  Kopieen  der  philippischen  Ooldstateren  am  Mittcl- 
rheiii kursirteu,  d.  Ii.  spätestens  im  3.  Jahrb.  vor  Christus  in 
der  mittleren  la-Tenc-Zcit. 

Dass  durch  diesen  numismatischen  Nachweis  auch  Licht  Uber 
die  Bcnütznngszeit  der  mit  dem  Rmnholdisstuhl  in  direkter  Verbin- 
dung stehenden  „Hcidemnauer"  lallt,  ist  selbstverständlich. 

Ans  technischen  Orüiiden  bewies  der  Verfasser  („Studien". 
X.Abth.  S.  23-27).  dass  ihre  Haiiptbenlttznng  in  die  la-Tene- 
Zeit  fallen  musste. 

Heide  Beweise  ergänzen  sich.  Unsere  neueste  Darlegung  aber 
bringt  noch  Judicien  dafür,  dass  gallische  (iauvölkcr,  Vasallen 
der  Aeduer,  diese  Kingwälle  am  Mittelrhein  errichtet  und  vertheidigt 
haben.  Caesar  nennt  sie  oppida;  ihre  Mauertechnik  beschreibt 
dieser  Feldherr  in  seinen  Kommentaren  de  hello  gallico  VII,  23. 

II. 

Sorgfältige  Ausgrabungen  am  Brunholdissttihl  oberhalb 
Dnrkheim  veranstaltete  der  dortige  Alterthnmsverein  Ende  Novem- 
ber, um  die  früher  gefundenen  Felsenbilder  weiter  zu  verfolgen. 
Rechts  vom  rZweige8pannu  stiess  mau  hierbei  auf  ein  weiteres, 
etwas  tiefer  eingegrabenes  Pferd,  welches  jedoch  die  gleichen  Di- 
mensionen wie  die  Rosse  am  Wagen  (30  cm  Länge  auf  23  cm 
Höhe)  aufweist ;  diesem  Ross  folgt  nach  rechts  die  Zeichnung  einer 
75  cm  langen,  17  cm  hohen  Schildkröte.  Der  kleine  Kopf  mit  dem 
halb  oflfenenen  Maule  ist  lebensvoll  nach  einem,  in  südlichen  Regio- 
nen gediehenem  Originale  oder  einer  guten  Vorlage  aus  den  Rippen 
des  harten  Runtsandsteinfclscns  herausgearbeitet.  Eine  etwas  grössere 
Kopie  dieser  Chersiue  sitzt  1  m  tiefer  unten;  doch  ist  die  Erhal- 
tung letzterer  eine  weniger  gute.    Dicht  neben  der  ersten  Schildkröte 


i 


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Nene  Beitrüge  /.nr  tnittelrhemi.sthen  Alterthumskumlc. 


17 


wird  in  dieser,  von  parallelen  Furchen  durchzogenen  Zone  eine  vier- 
eckige Vertiefung  sichtbar,  welche  —  2"  cm  hing,  1  c-m  breit,  4  und 
S  cm  tief  —  für  einen  Sperrbalkcn  bestimmt  war,  dessen  Ein-  und 
Ausführung  oberhalb  und  unterhalb  des  Balkenloehes  deutlieh  sicht- 
bar ist.  Diese  Vertiefung,  sowie  ein  70  ein  unterhalb  derselben 
vorstehender  Rand  nebst  einem,  weitere  f>n  ein  unterhalb  des  letz- 
teren, vorstehender  Absatz  von  2;">  em  Breite  deuten  daraufhin,  dass 
die  ganze,  auf  eine  Länge  von  3,4(»  in  mit  Thierbildern  verzierte 
Wand  die  Rückseite  eines  Wohnraumes  oder  einer  Halle  vor 
Zeiten  gebildet  hat.  welche  in  der  Höhe  des  Balkenloehes  mit  einer 
Barriere  geschlossen  war.  Gleich  modernen  Tapetenbildern  wirk- 
ten in  diesem  Falle  die  alten  Felsbilder  auf  den  Bewohner. 

Vou  dem  oben  erwähnten  Absätze  an  wurde  noch  auf  weitere 
2  in  in  die  Tiefe  gearbeitet,  so  dass  die  Gcsainmthöhe  der  Felswand 
jetzt  (),:">()  m  Höhe  besitzt.  Auf  dieser  letzteren  Zone  ward  nun  ein 
mit  Scitcnzacken  versehenes  Kreuz  entdeckt,  ein  Steininetzzeieheu 
des  späteren  Mittelalters,  das  in  derselben  (iestalt  auf  der  Limburg 
vorkommt.  Bohrversuehe  beweisen,  dass  diese  Wand  noch  mindestens 
l1;.  m  weiter  in  die  Tiefe  geht. 

In  späterer  Zeit  beutete  man  darnach,  nachdem  Jahrhunderte 
lang  die  Felsenbilder  vom  naehrntsehenden  Schutt  bedeckt  waren, 
die  Wand  zu  baulichen  Zwecken  weiter  aus.  Einen  rechten 
Winkel  zu  dieser  Wand  bildet  eine  zweite,  nach  Norden  sieh  er- 
streckende Wand.  Sie  hat  .'5,28  m  Länge.  Eine  dritte,  wiederum  wie 
die  erste  3,40  in  lange  Wand  bildet  mit  der  zweiten  einen  rechten 
Winkel,  so  dass  ein  vorspringendes  und  ein  einspringendes  Eck 
entsteht.  Auch  diese  zwei  Wände  sind  sauber  mit  Furchen  von 
Seiteu  geschickter  Steinmetzen  bearbeitet.  An  der  '/weiten  Wand 
Bind  in  gleicher  Höhe,  wie  Ross  und  Biga  an  der  ersten,  die  Kon- 
turen eines  Cerviden  (20:  läeni)  eingehauen.  Nach  den  Schaufeln 
beabsichtigte  der  Künstler  den  Kopf  eines  Elennthieres  wieder- 
zugeben. An  der  dritten  Wand  ist  unter  einem  grossen  R  von  alt- 
römischer  Form  die  Gestalt  eines  Delphin*  eingehalten  i.M  em 
Länge).  Capride  und  Delphin  blicken  nach  rechts,  wie  alle  Thier- 
gestalten  ausser  zweien,  dem  Adler  und  der  Eule. 

Inschrift  am  Brunhold  isstnhl. 
An  der  dritten  Wand,  auf  welcher  Delphin  und  ein  Mohnstengel 
eingehauen  sind,  steht  zwischen  beiden  die  auf  Tat".  I  dargestellte  In- 


4« 


C  Mehlis: 


schrift.  Sie  ist  2  m  unterhalb  der  Oberkante  der  Wand  deutlich  einge- 
hauen und  zwar  von  links  nach  rechts,  wie  die  Doppelpunkte  am  Ende 
u.  A.  beweisen.  Dieselbe  besteht  bis  jetzt  ans  drei  Zeilen,  die  je- 
doeh  nach  des  Referenten  Ansicht  verschiedenen  Schritttypus  auf- 
weisen. Die  erste  Zeile  hat  den  Charakter  einer  Cursivschrift  mit 
stark  ausgeprägten  Apices,  die  zweite  und  dritte  den  der  gewöhn- 
lichen römischen  Capitalsehrift.  Die  Technik  ist  bei  den  drei  Zeilen 
die  nämliche:  Die  Züge  wurden  durch  Pickelhiebe  eingespitzt,  nur 
das  M  der  zweiten  Zeile  ist  mit  dem  Mcissel  eingehauen.  Die  erste 
Zeile  hat  ferner  am  Ende  der  Buchstaben,  so  bei  den  beiden  N, 
bei  U  gewisse,  als  Ornamente  aufzufassende  Fortsätze  und  Ver- 
schlingungcn,  die  an  den  Typus  der  irischen  Schrift  erinnern. 
Die  Länge  der  ersten  Zeile  =  1,34  m;  die  Höhe  der  Buchstaben 
in  erster  Zeile  beträgt  10— 17  cm,  in  zweiter  Zeile  10  cm,  in  dritter 
Zeile  8—10  cm. 

Zur  Lesung  ist  folgendes  zu  bemerken: 

I.  Zeile: 

Buchstahe  1  ein  nach  rechts  in  eine  Art  Blume  endendes  N. 

Buchstabe  2  ein  A  mit  starken  Grundstrichen,  der  Querstrich 
ist  nur  angedeutet. 

Nach  diesem  A  folgeu  drei  Zeichen,  die  wie  ZOV  aussehen, 
doch  halte  ich  sie  nach  öfterer  Untersuchung  Tür  omainentativc 
Zuthaten. 

Buchstabe  3  und  4  ein  im  Querstrich  etwas  undeutliches  N 
(=  1.  Buchstabe);  zwischen  die  beiden  Hasten  ist  ein  kleines  T 
eingeschrieben;  also  =  NT. 

Buchstabe  5  ein  U.  Am  rechten  Apex  eine  nach  oben  lau- 
fende Vcrschlingung. 

Buchstabe  G  ein  kleines  A  mit  schwach  angedeutetem  Quer- 
strich. 

Buchstabe  7  ein  S  oder  G;  der  obere  Theil  ist  stark  ausge- 
führt; die  untere  Halbschleife  schwächer  angedeutet. 

Nach  Buchstabe  7  folgt  ein  unklare*  Zeichen:  ein  umgekehr- 
tes V,  daneben  zwei  Punkte,  darunter  zwei  kleine  Halbbögen.  Die- 
sem Trennungszeichen  (?)  folgt  der  1  m  lange  Mohnstcngel  mit 
Samenkapsel  und  angedeuteten  Blättern  «ler  Blüthe. 

Buchstabe  8  ein  nach  oben  sich  verstärkendes  J. 

Bachstabe  9  ein  ü  =  Buchstalw  f>.  Au  Stelle  der  Verschlin- 
gung hier  ein  Halbbogen. 


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Neue  Beitrüge  zur  mitt vlrheiiiisclicn  Altertumskunde.  49 


Das  letzte  Zeichen,  vor  dein  Doppelpunkte  stehend,  gleicht 
der  Samenkapsel  de»  Mohnstengels. 

Je  nachdem  man  die  heiden,  rechts  vom  Mohnstengel  ste- 
henden Buchstaben  zum  Worte  links  desselben  hinzuzieht  oder  nicht, 
durfte  diese  Zeile  zu  lesen  sein: 

1.  Nantuas. 

2.  NantuasIgMoi  u  =  o). 

II.  Zeile: 

Diese  cuthält  die  bekannte  Widmuugsl'ormel 

I  O-M- 

Buchstabe  1.   I  stark  liegend  eingehauen. 
Buchstabe  2.   0  kreisrund  und  kleiner  als  I  und  M. 
Nach  0  steht  ein  Punkt,  ebenso  nach  M,  vor  I  eiu  gezogener 
Halbbogen. 

Buchstabe  3.  M  mit  stark  divergirenden  Hasten. 

Der  2  Querstrich  ist  doppelt  gesetzt;  der  .Steinmetz  hat  sich 
das  erste  Mal  verhauen.  Nach  dem  Schrifttvpus  gehört  Zeile  2  dem 
3.  oder  4.  Jahrhundert  n.  Chr.,  der  Constantinischeu  Zeit  an, 
wohin  auch  die  Inschriften  auf  der  Nordostwand  am  Bruuholdisstuhl 
gehören  (vgl.  «Berliner  philolog.  Wochensehr."  18811,  Nr.  13,  14,  Iii, 
1892,  Nr.  i»), 

III.  Zeile. 

Dieselbe  fand  Referent  erst  einige  Wochen,  nachdem  Zeile  I 
und  II  von  ihm  festgestellt  waren.  Der  Duktus  zeigte  sich  noch 
llüchtiger  als  bei  Zeile  II;  auch  zehrte  die  Zeit  au  diesen  Zeichen. 

Der  1.  Buchstabe  ist  ein  F,  dem,  wie  häutig,  der  mittlere  Quer- 
strich fehlt. 

Im  2.  Buchstaben  ist  ein  L  mit  kleinem  Querstrich  zn  erkennen. 
Nach  ihm  folgt  zur  Rechten  ein  Punkt.  AVI  als  3.,  4.,  :">.  Buch- 
stabe sind  ohne  grosse  Mühe  festzustellen.  1  ist  schief  nach  rechts 
gestellt;  A  und  V  sperrig  gestaltet.  Vom  (>.  Buchstaben  ist  oberer 
Apex,  sowie  einzelne  Theile  des  2.  Striches  ausgeführt,  der  Rest 
nur  angedeutet. 

Im  7.  Buchstaben  ist  ein  deutliches  S  erhalten.  Der  untere 
Halbkreis  erscheint  am  Ende  gespalten. 

Dem  S  folgen  zwei  flüchtige  Punkte;  diesen  schlicsst  sieh  der 
von  oben  her  ziehende  Mohnsteugel  an. 

Länge  dieser  Zeile  —  85  cm. 

Hohe  der  Buchstaben  =  8— 10  ein. 

JiOirb.  d.  Yer.  v.  Altcrlh*fr.  Im  Kh.liil.  XCIV.  4 


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f,0 


C.  M.-hlis: 


Jenseits  des  Mobnstengels  folget  ein  noch  einsames  0.  Oh 
dies  der  Anfangsbuchstabe  des  noch  fehlenden  Cognomens  ist,  kann 
Referent  bis  jetzt  niebt  entscheiden. 

Was  die  Lesung  der  Zeile  III  betrifft,  so  sind  zwei  Mög- 
lichkeiten vorbanden.  Entweder  ist  KL.  als  Pränoineu  und  Avins 
als  nouien  gentile  zu  erklaren,  wobei  zu  beachten  ist,  «lass  nach 
Prof.  Klcin's  Mittheilung  die  gens  Avia  insehriftlicb  selten  vor- 
kommt (vgl.  Wilma  uns,  Ex.  inseript.  Latin.  N.  2021,  ein  Avius 
von  Capua  aus  dem  Jahre  11.'}  vor  Christus).  Oder  man  liest  die, 
7  Buchstaben  zusammen  als 

Flavia  s.  — 

Nach  genauer  Prtlfung  der  l\  Zeilen  (leider  ist  es  unmöglich, 
ein  Photogramm  aufzunehmen i  gehören  Zeile  II  und  III  als  Name 
des  Gottes  und  des  Dedicators  zusammen.  Zeile  1  hingegen  ist  von 
diesen  folgenden  Zeilen  durch  den Schrifttypu*  völlig  geschieden. 
Auch  die  Technik  ist  bei  Zeile  1  different;  die  einzelnen  Ztige 
sind  sorgsam  und  genau,  Punkt  fllr  Punkt  cingehauen,  während 
Zeile  II  und  III  die  Flüchtigkeit  der  Decadcnce  auf  der  Stiruc 
tragen. 

Referent  ist  geneigt,  Zeile  I  mit  Delphin  und  3fohnstcngel 
chronologisch  zusammenzustellen. 

Vielleicht  hat,  wie  Prof.  Klein  vermuthet,  ein  gallischer  Be- 
sucher, heisst  er  nun  Nantuas  oder  Xantuawglio,  hierin  seinen  Na- 
men verewigt. 

Rechts  von  dieser  Inschrift  wird  der  schon  erwähnte  Mohu- 
stengcl  in  Originalgrösse  sichtbar.  Er  besteht  aus  der  Wurzel,  dem 
Stengel  und  dein  Blüthenknopf.  —  Delphin,  Elcnnthier,  Mohnstengel 
sind  so  gut  getroffen,  daw  selbst  gewöhnliche  Leute  diese  Bilder 
als  das,  was  sie  vorstellen  sollen,  erkannt  haben.-  Was  die  Technik 
betrifft,  so  ist  sie  bei  allen  diesen  Felsbildern  die  gleiche:  die  Um- 
risse wurden  auf  Grund  einer  Vorlage  (Kreideskizze!)  mit  einem 
Pickel  eingespitzt,  nicht,  wie  später,  mit  dem  Mcissel  cingehauen.  — 
Jeder  Hieb  ist  noch  deutlich  sichtbar!  — 

Zwischen  den  Felsbildcrn  und  der  Inschrift  (Zeile  II  und  III) 
waltet  in  der  Technik  und  der  Gestalttingskunst  ein  grosser  Unter- 
schied ob.  Nach  unserer  Ansicht  sind  ihre  Entstehungszeiten  durch 
einen  Zeitraum  von  mehreren  Jahrhunderten  getrennt.  Dass  die 
römische  Vntivinschrit't  nach  Delphin  und  Mohnblumen  entstand, 
das  beweist  die  Rücksicht,  welche  der  Meissler  dieser  Votivzeilen 


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Neue  Bciträtfre  zur  mittelrhcinisi-hen  Altcrthimiskundp.  51 


auf  den  Raum  /wischen  beiden  Bildern  nahm.  Kr  traf  sie  sicher- 
lich schon  an. 

Wahrscheinlich  ist  es,  das«  zweite  und  dritte  Wand  die 
Seitenflächen  eines  weiteren  Wohnraumes  gebildet  haben,  dessen 
Eingang  am  Ende  der  ersten  Wand  lag.  —  Auf  die  chronolo- 
gische Stellung  dieser  Felsbilder  weist  vor  Allem  die  schon 
besprochene  Biga  hin,  die  ohne  Zweifel  nach  einem  gallischen 
Ooldstater  getreu  gearbeitet  ist.  —  Schildkröte  und  Delphin 
kommen  als  Münzbilder  auf  griechischen  Münzen  vor;  jene  auf 
den  Drachmen  von  Acgina.  dieser  auf  dem  Prägegeld  von  Argos  und 
Tarent.  Ob  jedoch  analog  obigem  Schluss  auch  für  diese  beiden 
Thiergestaltcn  als  Original  ein  scharfes  MOnzbild  anzunehmen  ist, 
oder  ob  dem  Künstler  nicht  vielmehr  ein  Naturbild  vorlag  —  diese 
für  unsere  Felsbilder  wichtige  Frage  mnss  noch  in  Schwebe  blei- 
ben.—  Auch  auf  der  Süd  Westseite  des  Brunholdisstuhles')  wurde  eine 
ca.  12  cm  lange,  mit  Blumenstengel,  Rad,  Pferdekopf  gezierte  und 
mit  Streifen  durchfurchte,  aus  weissem  Sandstein  bestehende  Felswand 
ans  etwa  1V$  m  Tiefe  freigelegt.  Im  Eck  fand  sich  in  V*  n»  Tiefe  ein 
Dutzend  Leistenziegeln  mit  Oefässtrümmcrn  aus  dem  14.  Jahrb.  An 
der  Felswand  selbst  wurden  die  Konturen  von  mehreren  Blumen 
mit  langen  Stengeln  sowie  die  Inschrift:  MA  sichtbar.  Der  Schutt 
bestand  aus  Hausteinen  von  rother  Farbe,  die  sicherlich  zu  bau- 
lichen Zwecken  hierher  in  alter  Zeit  geschafft  worden  sind  uud 
erst  in  einer  Viertelstunde  Entfernung  lagerhaft  vorkommen.  Das 
oben  befindliche  Rad  und  die  darunter  stehenden  Buchstaben  MA 
erinnern  auffallend  an  die  massiliotischen  Münzen  (Obolen)  und  deren 
gallische  Nachahmungen.  Heide  tragen  als  Revers  Rad  und  MA 
Massalia).  Vgl.  Näheres  bei  Forrer:  „Antiqua"  1891  S.  27 
bis  28.  —  Die  Ausgrabungen  sollen  im  nächsten  Frühjahre  fort- 
gesetzt werden.  —  Eine  Photographie  der  Felsbilder  hat  der 
Verein  von  Alterthumsfreundcn  im  Rheinhuide  für  die  „Bonner  Jahr- 
bücher1' herstellen  lassen.    Dieselbe  lag  für  Tafel  I  vor. 


1)  Urkundlich  1860  Biinl.oMeRtuhl. 


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C.  Mehlis: 


2.  Archäologisches  vom  Donnersberg. 

Gelegentlich  eines  liinprerrn  Aufenthaltes  auf  dem  Donnersberg 
im  September  1892  machte  der  Verfasser  eine  Reihe  von  archäolo- 
gischen Beobachtungen,  die  wohl  weitere  Kreis«'  interessiren  dürften. 

A.    Der  Sehlacken  wall. 

Seit  den  Untersuchungen  von  Virehow,  Co  hausen,  Schaaff- 
hauscn.  Schneider,  Bchla  u.a.,  welche  diese  Forscher  den  sog. 
verschlackten  Wällen  gewidmet  haben,  ist  die  Aufmerksamkeit  der 
Fachmänner  darauf  hingelenkt.  Während  solche  Verschanzungeii 
der  Vorzeit  mit  künstlich  verschlackter  Oberfläche  in  der  Lausitz 
und  in  Rohmen  zahlreich  vorkamen,  sind  sie  im  Rhcinlande  sehr 
selten.  Bisher  war  meines  Wissens  nur  der  Wall  auf  dem  Montreal 
oberhalb  Meisenheim  am  Glan'i  und  bei  Kirnsulzbach  a.  d.  Nahe 
bekannt.  Am  Donnersberg  wurde  ein  solcher  bisher  vermuthet, 
jedoch  nicht  erwiesen. 

Die  Nordseite  des  gewaltig:  aus  der  Rheinebene  emporragen- 
den „nions  Jovis"  umzieht  ein  Oooü  m  langer,  aus  Stein  und  Erde 
errichteter  Ringwall,  dessen  Lauf  C.  E.  Gross  und  A.  Schilling 
von  Cannstadt  (1 878)  besehrieben  haben.  Doch  kannten  sie  den 
Sehlaekenwall  noch  nicht  in  ihrer  Beschreibung.  Das  NO.  gelegene 
Vorwerk  umzieht  die  Ostseite  der  nach  N.  eingerissenen  Eschdell 
und  bietet  auf  ihrem  höchsten  Punkte  eine  hübsche  Aussicht  nach 
Ruppertsecken,  Bastenhaus,  Kriegsfeld  u.  s.  w.  Fast  am  nördlich- 
sten Punkte  desselben  beginnt  in  sanfter  Neigung  der  Schlacken- 
wall und  umzieht  in  einer  Ellipse  auf  ca.  300  m  das  Plateau  nach 
Osten  und  Süden,  während  nach  Norden  an  steilen  Felshängen  der 
Sehlaekenwall  nur  an  einzelnen  Stellen  sichtbar  wird.  Die  Gcsammt- 
länge  (a — b— e — d — e)  betrug  demnach  ursprünglich  ca.  400  m.  Der 
Sehlaekenwall  steigt  nach  Süden  allmählich  bis  zu  1,50  m  Höhe 
und  verflacht  sich  nach  Nordwesten  bis  zu  V»  »»•  Seine  Sohlen- 
breite  beträgt  8  in,  seine  Kronenbreitc  1  in.  Im  Südosten  ist  er 
von  einem  3  m  breiten  Graben  umzogen.  Die  Verschlaeknng  findet 
sich  auf  dem  ganzen  Wallrückeu-i  und  reicht  nach  von  dem  Ver- 

1)  Diesen  „ftihliukenwall"  besuchte  der  Verfasser  vor  mehreren 
Jahren  und  besichtigte  ihn  genau. 

2)  Am  hü  eil  ich  en  Wegtlurchgaiig  sind  die  Schlacken  in  den  Gra- 
ben geworfen  worden,  als  mau  den  Weg  anlegte. 


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Neue  Beitrage  zur  iiiiuelrlMüniKchcn  Altcrtliuuiskundc. 


53 


fasser  gemachten  zahlreichen  Stichprohen  his  in  '/3  ni  Tiefe.  Als 
Material  diente  der  hier  Jägerhafte  Feldsteinporphyr.  Derselbe  rindet 
sieh  anf  dem  Walle  in  allen  Graden  der  Versehlaekung,  vom  Ueber- 
znge  mit  glänzender  Fritte  bis  zum  leichten  Bimsstein.  An  vielen 
Exemplaren  ist  die  Einlagerung,  ja  die  Struktur  der  Holzkohle, 
welche  den  Brandprocess  verursacht  hat,  deutlich  und  mehrfach  er- 
kennbar. Es  sind  Stücke  von  2 — 3  cm  Lauge  und  1 — l'  'g  cm  Breite. 
Die  Ränder  der  Abdrücke  sind  scharf,  ebenso  die  einzelnen  Hippen. 
Mit  S  c  Ii  a  a  f  f  h  a  u  s  e  n  vemuithct  der  Verfasser  Eichenholzkoh- 
len als  Brennmaterial.  Es  muss  ein  hoher  Hitzegrad  gewesen  sein, 
welchem  die  Oberfläche  des  Walles  ausgesetzt  war.  Holzfeuer  ge- 
wöhnlicher Art  schwarzen  zwar  den  Porphyr,  bringen  aber  keine 
Spur  von  Schmelze  hervor.  Auch  ausserhalb  dieses  Schlackcnwalles 
von  ca.  200  m  Längen-  und  HO  m  Breitendnrchmcs.«cr  finden  sich 
einzelne,  wohl  hierher  später  verschleppte  Schlacken. 

Einem  metallurgischen  Zwecke,  wie  man  beim  Donners- 
berg,  der  Kobalt,  Kupfer,  Silber  lieferte,  vermuthen  könnte,  diente 
der  Schlackenwall  nicht;  dazu  hätte  man  diesen  regelmässig  an- 
gelegten Wall  nicht  nöthig  gehabt.  Von  F  e  u  e  rsi  gn  a  I  e n  rühren 
diese  Schlacken  auch  nicht  her;  dazu  hätte  eine  Stelle  genügt. 
Es  ist  nach  der  Sachlage  an  ein  umwalltes  Tcmplum  oder  an  ein 
fortifikatorisches  Aiinäherungshindcrnis  zu  denken,  welches  durch 
diesen  glatten  Wall  verstärkt  werden  sollte.  Man  könnte  sich  wohl 
an  die  „Glasburg"  des  deutschen  Märchens  erinnern.  Einen  zufälli- 
gen Brand  von  Gebälk  anzunehmen,  das  nach  Art  der  gallischen, 
von  Caesar  beschriebenen  Stadtmauern  im  ursprünglichen  Steinwall 
vorhanden  gewesen  wäre,  verbietet  wohl  die  gleichmässige  Dicke 
der  Schlackenschicht  und  das  Fehlen  derselben  im  Inneren  des 
Walles. 

Ob  rohe  Steinwerkzeuge  aus  Porphyr,  welche  sich  innerhalb 
des  HauptwallcH  vorfinden  —  eines  derselben,  im  Besitze  des  Ver- 
fassers, hat  die  Gestalt  eines  Beiles  von  12  cm  Länge,  0.5  cm  Schnei- 
denbreite,  1,7  cm  Dicke  —  der  Periode  des  S  c  h  I  a  c  k  e  n  w  a  1 1  e  s 
angehören,  bleibt  im  Zweifel.  Jedenfalls  aber  entstammt  der 
S  c  h  1  a  c  k  e  n  w  a  1 1  der  ältesten  Epoche,  in  welcher  man  den  „mons 
Jovis"  zu  umwallen  bemüht  war. 


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C.  Mehliu: 


B.  Der  Süilwall  und  der  Köuigsstuhl. 

Lehne,  .Die  röin.  Alterthümer  der  (innen  der  Donnersberger", 
l.Tli.  S.  02  gibt  die  Länge  der  prähistorischen  Frnwallung  anf 
4108m  an,  Gross  und  Sehilling  v.  Cannstadt,  „  Donnersberg- 
Kiibrer-,  S.  .'»'?,  auf  (iooo  m.  In  Wahrheit  stellt  sieh  die  Lange  der 
prähistorischen  Uinwalhuigen  auf  ca.  7000  m. 

Ausser  dem  Schlackcnwall  fand  der  Verfasser  im  Süden  des 
Hochplateaus  einen  zweiten,  bisher  unbekannten  Wall  auf. 

Derselbe  beginnt  an  der  Felsgruppc  „  Langfels  -  oberhalb  dem 
„Gehauen  Stein1*  und  zieht  in  der  Richtung  nach  Nordwest  in  einer 
Länge  von  4.r>0  in,  bis  er  au  einem  Fiehtenwäldchcn  verschwindet. 
Nach  SD.  ist  er  deutlich  erhalten,  erreicht  eine  Höhe  von  2  m  bei 
7  10m  Breite  an  der  Sohle.  Kr  besteht  aus  Porph)  rbrocken. 
Nach  NW.  zu  wird  er  Hacher  und  breiter,  da  ihn  die  Foret Ver- 
waltung vor  etwa  40  Jahren  auseinanderwerfen  lies«  und  ihn  „riefen" 
wollte  (!!). 

Im  letzten,  nach  dem  „Langfels"  zu  gelegenen  Drittel  wird  er 
von  einem  alten  Fahrweg  durchschnitten,  dem  ».Kutschwcg1*.  Hier 
hat  er  12  ni  Breite.  Dieser  Kutschweg  fuhrt  steil  hinab  zum  „Ge- 
hauen Stein"  nach  SWS.,  biegt  vor  demselben  oben  im  Buchen- 
schlage nach  SO.  ab,  bleibt  ca.  20  m  unterhalb  des  jetzigen,  am 
„Gehauen  Stein*  vorbeifahrenden  Fuhrweges  und  führt  als  3  m 
breite,  nach  SO.  tiefer  werdende  Höhle  durch  die  Lind  ende  He  in 
der  Richtung  auf  Jakobsweiler  w  eiter.  Dieser  alte  Strasse nzug  steht 
in  Verbindung  mit  dem  bei  Jakobsweiler  angenommenen  Römerkastell 
(vgl.  (iross  a.  O.  S.  4M  Anm.).  Jakobsweiler  ist  auch  Fnndplntz 
römischer  Sarkophage  etc.  Dieser  Strassenzug  zog  dann  weiter 
nach  Osten  über  Weitersweiler  einerseits  nach  Alzey,  andrerseits 
längst  der  P  tri  mm  nach  Worms.  Diesen  von  Südosten  kommenden 
Strassenzug  deekte  der  vom  Ref.  aufgefundene  Wall,  der  in  seinem 
Aussehen  dem  Hauptwallc  völlig  gleicht.  Am  „Langsfels"  übersieht 
man  denselben  bis  zu  den  hohen  ThUnnen  des  Wormser  Domes. 

Der  Königsstnhl  bildet  den  höehstgelcgencn  Punkt  des 
„mous  Jovis".  Seine  (5  in  hohe  Porphyrkuppe  dient  im  Südwesten 
der  L'mwallung  den  hier  von  NO.  und  OSO.  zusammentreffenden 
W absträngen  zum  Vereinigungspunkle.  Unmittelbar  südöstlich  von 
dieser  alten  Speenla,  links  des  vom  Ludwigsthurme  hierher  ziehen- 
den Ftisspfades  liegt,  an  den  Südzug  des  Hauptwalles  angegliedert, 


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Neue  Beitrüge  zur  iniltelrheinisclK'U  Altcrtliumskundc. 


eine  bisher  unbekannte,  vierseitige  Schanze.  Ihre  dem  Königsstuhle 
zuziehenden  zwei  Längsseiten  siml  je  24  in,  ihre  zwei  Schmalseiten 
10  m  lang.  Die  Höhe  betrügt  noeli  ';',«!,  Der  Wall  besteht  au« 
Stein  und  Knie  und  trug  wahrscheinlich  früher  Pallisaden.  Wenige 
Meter  von  der  Südosteeke  dieser  Schanze  entfernt  (15  m)  liegt  der 
zweite,  alte  Eingang  in  den  Hauptwall.  Er  ist  Ihn  breit.  Die 
einwärts  gelegenen  Wallenden  sind  auf  10  in  Länge  nach  Innen 
zurückgezogen,  so  das»  der  stürmende  Feind  von  drei  Seiten  be- 
schossen werden  konnte,  von  links,  rechts  und  von  vorn.  Nach  unserer 
Verinnthnng  war  dieser  (Sang  früher  gedeckt  und  zwar  mit  Balken, 
ferner  befanden  sieb  wohl  vorn  und  hinten  starke  Boblcntborc, 
so  das*  es  dem  Feinde  möglichst  schwer  ward,  den  doppelt  und 
drei fmdi  vertbeidigten  Eingang  zu  nehmen.  In  der  Schanze  lag 
eine  Abtheilung  von  Bewaffneten  —  die  Thorwachc,  etwa  30— 40  Mann 
stark.  Die  gleiehcu  Vertheidigtingsinaassregeln  waren  am  Xord- 
cin gange,  wie  au  diesem  Südeingange  getroffen.  In  der 
Schatzgrube,  wo  ein  3  m  breiter,  von  Nordosten  —  Kirchhcinibolandcu- 
Alzey  —  her  zur  Höhe  führender  alter  Weg  in  die  Versehnnzuiig  eintritt, 
sind  gleichfalls  die  Wallenden  zurückgezogen  und  zwar  auf  je  ÜO  m 
Länge.  So  entstanden  hier  zur  Linken,  nach  Westen  zu  und  zur  Rech- 
ten, nach  Osten  zu,  zwei  bastionartigo,  auf  drei  Seiten  im  Westen 
und  auf  zwei  im  Osten  geschlossene  Keduits,  welche  den  Angreifer 
aufhielten.  Am  Ende  der  östlichen  Einziehung  sind  zudem  noch 
Fundamente  eines  Thurmes  sichtbar.  Dieselben  bilden  .einen  er- 
höhten Kreis  von  18  m  Umfang;  in  der  Mitte  befindet  sich  eine 
Höhlung.  —  Dass  Schanze  und  diese  zwei  l'oternen  römische  An- 
lagen sind,  steht  für  den  Verfasser  fest,  ebenso  wohl  für  Herrn  Oberst 
nnd  Konservator  von  ('ohausen,  der  vor  mehreren  Jahren  mit 
Sr.  Exeellenz  Oeneral  von  Seid  Ii  tz  den  Wall  auf  dem  Donners- 
berge besucht,  jedoch  den  Eingang  am  Köuigsstuhl  unseres  Wissens 
nicht  bemerkt  hat. 

Ueber  Römertunde  auf  dem  Donnersberg  wird  ein  dritter 
Artikel  kurzen  Berieht  erstatten. 

C.   Römische  Funde. 
Sicher  beglaubigte  Funde  aus  der  Röiucrzeit  vom  Innern  des 
Ringwalles  sind  es  wenige;  ausgiebigere  (Irabungen  fehlen  bisher; 
Versuche  hat  der  Verfasser  mehrfach  gemacht. 


fVfi 


C.  Mehlis: 


Lehne:  _Die  röm.  Allorth,  der  Gauen  des Donnershergesu  I.  Th. 
S.  '.»2  ttcrichtot  von  Münzen,  Urnen  und  einem  römischen  Mahl- 
stein, den  er  selbst  sah.  Auf  einem  Felsen  des  Donnersherges  fand 
er  die  Inschrift: 

I  O-M- 

Der  Rest  derselben  war  /erstört. 

Zu  Imsbach  bei  Falkenstein  südwestlich  vom  Donnersberg 
fand  man  1820  ca.  30  Bronzemünzen  der  konstantinischen  Zeit 
(„Intelligcnzhlättcr  des  Khcinkreiscs"  1820,  S.  412).  Anno  184(>  fand 
sich  ebendaselbst  eine  Urne  mit  über  looo  Stück  römischer  Kupfer- 
münzen. Nach  .1.  (1.  L  c  h  m  a  n  n  (Bararia,  Rheinpfalz,  S.  ;V.M>) 
reichen  sie  von  Dioeletittnus  bis  Constantinns  II. 

In  demselben  Jahre  fand  ein  Taglöhner  auf  dem  Donnersberge 
folgende  Bömeraltsaehon :  1.  einen  nnmns  reeusus.  Der  herzförmige 
Stempel  tragt  folgende  Buchstaben  |r>PN  CN.  Ich  lese  Imperator 
Coii8tanti(n)ns.  Die  ursprüngliche  Münze  scheint  dem  (iegenkaiser 
von  Constantius  II.  dem  Magnentins  angehört  zu  haben  und  zwar  nach 
den  Hltcrcn  Buchstaben  MEFAVG,  von  denen  Nr.  2  und  3  offenbar 
falsch  gelesen  sind. 

Die  übrigen  Funde  bestanden  in  mehreren  Fibeln  und  einer 
Bulla.  Auch  diese  letztere  weist  auf  r  ö  m  i  s  c  h  e  S  p  ft  t  z  e  i  t  hin. 
(vgl.  2.  Jahresbericht  des  bist.  Vereins  der  Pfalz.  S.  20  u.  S.  23, 
sowie  Tafel  VII,  X.  3). 

Dieser  Fund  ist  der  w  i  c  h  t  i  g  s  t  e,  weil  genau  bestimmbar.  — 

Als  im  Jahre  1852/Ö3  das  Innere  des  Walles  aufgeforstet 
wurde,  grab  man  in  der  -Tränke"  nördlich  des  Paulinerklosters 
zahlreiche  römische  Mahlsteine,  Ciefässc,  Münzen  n.  s.  w.  ans.  Nach 
dem  Bericht  eines  alten  Waldarbeiters,  Brannfels,  den  der  Verfasser 
darüber  sprach,  machten  diese  Befnnde  nicht  den  Eindruck  eines 
Grabfeldes,  sondern  den  einer  römischen  Niederlassung.  Mehrere 
«lieser  römischen  Mahlsteine  befinden  sieh  im  Museum  zu  Speyer, 
einen  derselben  erwarb  der  Verfasser  im  September  1802.  Derselbe 
bildet  ein  Oval  von  37  und  31  cm  Durchmesser  und  8  cm  Flöhe, 
ist  in  der  Mitte  gelocht  und  auf  der  unteren  Flache  rauh  gearbeitet. 
Er  besteht  aus  verschlacktem  Xiedennendiger  Basalt.  Er  gehört 
wohl  nach  seiner  nachlässigen  Bearbeitung  der  Spätrömerzeit  an. 
In  dieselbe  Zeit  fallt  nach  dem  früher  vom  Verfasser  geführten  Be- 
weis (vgl.  .Berl.  philolog.  Woehenschr.tf  1800  „ Funde  von  der  Lim- 
burg") eine  von  ihm  in  der  Schlangendelle  vorgefundene  halbe  Rcib- 


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Neue  BeifrH^c  zur  miltclrhcmisrhen  Altcrthuinskunde.  &7 


Steinplatte.  Dieselbe  hat  17  em  Länge  (Rest  abgebrochen},  20  ein 
Breite,  ;">  cm  Höhe  und  besteht  aus  Porphyr. 

Die  auf  iler  Limburg  n.  d.  Hart  gefundene  Rcihplatte  ist 
vollständig  und  hat  dieselbe  Breite  und  Höhe. 

Auch  diese  letzteren  Kunde  gehören  demnach  der  Spatrömcr- 
zeit  an. 

Der  Verfasser  stimmt  nach  diesen  Iiidicieu  vollständig  der  An- 
sieht von  K.  <\  Ilrnbs:  „Wegweiser  auf  den  Dnnncrsbcrgu  S.  4H 
zu,  wonach  der  dauernde  Aufenthalt  der  Kömer  innerhalb  des  Walles 
in  das  sturmbewegte  4.  Jahrhundert  n.  Chr.  fiel.  Die  Ansiedlung  halten 
wir  fflr  eine  aus  den  Bewohnern  der  Umgegend  bestehende;  die 
Bewachung  der  Umwallnng  bildete  die  Lokalmiliz  der  romanisir- 
ten  Van  ginnen  (vgl.  darüber  Julius  Jung  in  Sybel's  bist. 
Zeitschrift  n.  F.  31.  Bd.,  S.  2i»  Anmerk.  7).  — 

Die  von  Lehne  oben  angegebene  römische  Inschrift 

IOM 

offenbar  von  einer  Ära  herrührend,  hat  der  Verfasser  lange  Zeit 
vergebens  gesucht.  AnchOross  a.  0.  S.  K  führt  sie  an.  Der 
Verfasser  zweifelte  zuletzt  an  ihrer  Existenz,  bis  er  ihre  Reste  im 
September  1W>2  unter  Domen  und  Disteln  entdeckte.  Am  Ostfnsse  des 
Königsstuhlcs  erstrecken  sich  drei  Felsengrate  nach  Osten.  Zwischen 
dem  2.  u.  3.  steht  im  Ostrüpp  zur  Linken  eine  künstlich  ans  dem 
Fels  herausgearbeitete  Ära  mit  ovalem  Abseblnss.  Höhe  —  1,30  m, 
Breite  —  1  m,  Dicke  ~  0,40  m;  Ocstcin  Porphyr. 

Mitten  auf  ihrer  Vorderseite  sind  4,20—20  cm  hohe  Hohl- 
räume sichtbar.  Man  bemerkt  an  ihren  Randern  deutlieh  die  Spu- 
ren von  Hieben,  mit  denen  hier  früher  gestandene  Buchstaben  ent 
fcriit  wurden.  Die  1.  Höhlung  bildete  früher  ein  I;  die  2.  und  3. 
ein  breites  0,  die  vierte  ein  weitspuriges  M.  Die  verschollene 
Widmung 

IOM 

ist  endlich,  wenigstens  in  Trümmern  gefunden.  Ob  eine  rechts  unten 
in  der  Ära  befindliche  Lücke  den  Namen  des  Dcdicators  enthielt, 
ist  möglich.  Doch  veimulhen  wir,  dass  die  Ära  gleich  der  vom 
Seidammberge  nahe  an  Dürkheim  herrührenden,  nur  die  Weihein- 
schrift an 

„Jupiter  optimus  maximusu 
enthielt.    Die  Inschrift  zerstörten  wahrscheinlich  die  Paulinermönchc 
als  heidnisches  Teufclswerk. 


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;,.s 


C.  Mehlis: 


Nach  ihrer  Form,  dem  ovale»  Ahschluss,  mag  dieser  Altar, 
iler  nach  Nordosten  blickte,  am  Ende  des  .*{.  oder  Beginn  de»  4. 
Jahrb.  entstanden  Kein.  Er  erhob  sich  dicht  zwischen  der  Spccn In 
auf  dem  G  in  hohen  Kiinigsstuhl  und  der  Schanze,  wo  die  Bc- 
deckuug  des  Hauptcinganges  lag.  Letzterer  offeubar  verdankt  die 
Ära  ihre  Entstehung  und  ihre  Verehrung:. 

Ob  von  dieser  Arainschrift  der  Name  des  Beiges  „mons 
J  o  v  i  sli  herstammt,  der  Übrigens  erst  i.  ,1.  828  in  einem  Schreiben 
Frothars'  von  Totil  erscheint  „a  iiionte  Jovis  nsque  ralatium  Aqnis" 
(vgl.  Lehne  a.  O.  1.  Tb.  8.  1)1  Anmerk.),  oder,  wie  .1.  Grimm 
vcrniuthet,  von  der  Fcbersetzung  seines  altgennanisehcn  Namens: 
„Thonersbergu  (so  anno  H(W\  =  «Berg  des  Thonar",  bleibt  vor- 
läufig dahingestellt.  Sicher  jedoch  ist,  das»  in  einem  klassischen 
Schriftsteller  der  Name  „mons  Jovisu  für  unseren  Donnersberg,  wie 
vielfach  noch  geglaubt  und  geschrieben  wird,  nicht  erscheint, 
wenn  es  auch  nach  unserem  Befunde  nicht  unmöglich  ist,  dass 
schon  zur  Spätromerzeit  obige  Gleichung  mous  Jovis  —  „Berg 
des  Thonar*  im  Munde  des  romanisirten  Vangionen  vorhanden  war. 

D.   Gallische  Münzen. 

Bezeichnend  für  die  Zeit  der  Entstehung  und  der  ersten  Benützung 
des  Ringwalles  auf  dem  Donnersberg  ist  der  Fund  gallischer  Münzen, 
sowohl  innerhall)  der  Vcrschanzung  als  auch  in  «lein  an  seinem 
Südostfuss  gelegenen  Oertehen  .1  nkobs  weil  er. 

Innerhalb  der  Fmwallung  wurden  fünf  Stück  gallischer  Münzen 
aufgefunden  vgl.  Mehlis:  „Studien  zur  ältesten  Geschichte  der 
Rheinlnnde-  III.  Abth.  S.  21  und  Tat'.  II.  Fig.  16).  Drei  derselben 
sind  bekannt.  Die  1.  ist  eine  sogenannte  scutcllu  Iridis  oder  Regen- 
hogcnschüssclchcn  aus  Gold.  Sie  hat  nur  einseitige  Prägung.  In 
der  Mitte  eines  Kranzes  von  kleinen  Kreisen  ist  nach  rechts  blickend 
eine  in  den  Konturen  vogelähnliche  Figur  mit  langen  Stelzbeinen, 
ein  Reiher  oder  Kranich  dargestellt.  R.  Forrer  in  seiner  Arbeit 
über  „Die  keltischen  Münzen"  (  Antiqua  Jahrgang  IX,  1891)  rechnet 
diese  Münzen  zu  denen  des  ^nationalen  Typusw  und  glaubt,  dass 
sie  neben  den  Nachbildungen  der  macedouisehen  Goldstatere  zeitlieh 
und  räumlich  herliefen  (4— 3.  Jahrhundert  vor  Christus).  Regenbogen- 
schüsselclieii  mit  ähnlichen  Münzzeichen  werden  oberhalb  Jakobs- 
weiler, welches  an  der  Südseite  der  oben  erwähnten,  zum  Plateau 


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Neue  Beitrüge  zur  mittelrheiiii^chen  AlU'rtliuiuskunrie.  59 


hinaufziehenden  Römerstrassc  liegt,  nach  Regengüssen  von  Zeit  zu 
Zeit  gefunden. 

Einem  anderen  Typus  gehören  die  Übrigen  zwei  gallischen 
Münzen  an.  Beide  sind  von  Silber  und  in  der  Grösse  eines  sil- 
bernen Zwniizig-Pfennigstückes.  Heide  sind  doppelseitig  geprägt 
und  tragen  auf  dein  Avers  das  Bild  der  Pallas-Minerva  oder  der 
Koma,  auf  dem  Revers  das  bekannte  gallische  Pferd.  Sämmtlichc 
Figuren  blicken  nach  links.  Die  eine  dieser  Münzen  jedoch  ist  sehr 
stark  erhaben,  die  andere  sehr  flach  geprägt.  Anf  letzterer  sind 
über  dem  Rücken  des  Pferdes  4  Buchstaben  eingeprägt.  Ich  lese 
dieselben  VYLr  d.  h.  Vau,  Ypsilon,  Lambda,  Gamma  oder  C'e,  also 
—  Vulc.  Ob  diese  Signatur  auf  die  etnirische  Stadt  Vttlei  zu  be- 
ziehen ist,  welche  im  Handel  mit  Gallien  eine  grosse  Kollc  spielte  — 
bekanntlich  stammt  das  vornehmste  Fundstück  Etruricns  auf  deut- 
schem Boden,  der  Üürkheimer  Dreifuss,  aus  den  Fabriken  dieser 
Stadt;  vgl.  Gent  he:  „über  den  ctruskischen  Tausehhandel  nach 
dein  Norden*  S.  155» — IttO  u.  S.  Iß  — ,  oder  ob  diese  Inschrift  in 
sehlechter  Wiedergahe  auf  den  gallischen  Stamm  der  Voleae  sieh 
beziehen  soll,  dessen  Münzen  sich  zahlreich  am  Mittelrhcin  vorfinden 
(vgl.  K.  Forrer  a.  0.  S.  28).  ist  schwer  zu  entscheiden.  So  ver- 
lockend die  obige  Münzschrift  sein  mag,  so  wollen  wir  uns  doch 
nicht  bei  der  Unzuverlässigkeit  der  gallischen  Münzmeister  auf  ihre 
Deutung  stützen. -  Eine  eigentümliche  Illustration  erhält  durch  diese 
Mischung  griechischer  und  italischer  Buchstaben  die  Nachricht  Cae- 
sar** (de  bell.  gall.  I,  20;  V,  48;  VI,  14).  das«  sich  die  Gallier  „graeeis 
litteris"  bedienen.  Prof.  Harstcr  in  Speyer,  dessen  Güte  der  Verf. 
genaue  Abdrücke  dieser  zwei  Münzen  verdankt,  hält  sie  für  Imi- 
tationen römischer  Silhcrdenare  aus  der  republikanischen  Zeit.  Eine 
sehr  ähnliche  Silbermttnze  bildet  Forrer  a.  O.  unter  Fig.  112  n. 
113  ab.  —  Halt  man  an  der  Ansicht  dieses  bewährten  Münzkenners 
fest,  so  wären  diese  zwei  gallischen  Silbermünzen  als  sehlechte 
Nachahmungen  römischer  Denare  aus  der  letzten  Zeit  der  Republik 
anzusehen.  Nach  Gcntlie's  Nach  Weisungen  ist  vor  Caesars  Zeit 
von  römischem  Courant  in  der  Schweiz  nicht  die  Rede,  noch  weniger 
also  am  Mittelrhein  (vgl.  Genthe  a.  0.  S.  87). 

Dagegen  blühte  der  römische  Handel  nach  den  Kämpfen  mit 
den  Cimbern  und  Teutonen  im  Nnrbonensisehen  Gallien  (vgl.  Cicero 
pro  Fontcio  c.  1  §  11,.  In  diese  Zeit,  also  zwischen  100— 00  v.Chr., 
d.  h.  in  die  jüngste  Periode  der  la-Tene-Zeit,  ist  wohl  die  Eutstehung 


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C.  Mehlis: 


des  obigen  Münztypus  zu  setzen.  Damit  stimmen  auch  die  Resultate 
von  R.  Forrer  «beiein  (vgl.  a.  0.  S.  2W— 31). 

Ein  Lieht  fallt  damit  aueh  anf  die  Bcnützungs/.cit  der  Ring- 
mauer auf  dem  Donnersberg.  Vor  den  in  derselben  Zeit  über  den 
Mittelrhein  drängenden  Germanen,  den  Yangionen,  Nemetcrn,  Tri- 
boeebern  zogen  sieh  die  gallischen  Ansiedler  in  deu  Schutz  ihrer 
Oppidn,  wie  sie  Caesar  nennt,  zurück.  Hin  solches  Oppidum  war 
die  Centralfeste  auf  dem  Donnersberg,  die  wohl  ein  (iaastamm  der 
Mediomatriccr  zu  Schutz  und  Trutz  für  sich  und  seine  Angehörigen 
errichtet  hatte.  Während  der  Besctzungszeit  gingen  obige  Münzen 
verloren. 

Ks  stimmt  dieser  archäologische  Reweis  in  Betreff  der  Be- 
nützungszeit dieser  mittclrheinischcn  Oppidn  mit  den  vom  Verfasser 
in  seinen  „Studien"  (I.  Abth.  S.  39  ff.,  VI.  Abtb.  S.  71  ff.,  X.  Abth. 
a.  m.  St.)  gelieferten  historischen  ül>ercin,  woraaeh  sie  im  Kampfe 
zwischen  (ialliern  (Medinmatriccra)  und  »viehischen  Ganvölkern  in 
der  Zeit  von  10— 4h  v.  Chr.  eine  Rolle  gespielt  haben.  So  geben  uns 
diese  Münzen  einen  terminus  ad  quem  an,  während  die  sculellac 
Iridis,  deren  Rrägezeit  ins  4.  bis  3.  Saeculnm  vor  Christus  fällt,  die 
Benützungszeit  durch  einen  bestimmten  terminus  a  quo  limitirt. 
Bestimmter  und  gesicherter  ist  dieser  Anfangspunkt  durch 
diese  altgallische  Münze,  als  durch  die  oben  erwähnten  Steiu- 
werk zeuge.  Letztere  gehen  in  die  Zeit  der  eisten  arischen  Ein- 
wanderung in  die  Rheinlandc  zurück,  als  Stämme  sieh  hier  nieder- 
liessen,  deren  Name  —  Vasconcti  V  wir  kaum  v  c  r  w  e  r  t  h  e  n  können. 
Die  (iallicr  dagegen  gehören  den  geschichtlichen  Völkern  an, 
deren  erste  Anfänge  am  Mittelrhein  durch  Müllen  hoff '»  und  anderer 
Germanisten  Forschungen  erbellt,  deren  letzte  Entwieklungsatadien 
durch  Caesars  Tagebücher  und  Strabo's  statistische  Nachrichten 
festgestellt  sind. 

Einen  Fingerzeig  aber  für  manche  noch  halbdunkle  Par- 
tien der  Geschichte  der  mittelrheinischen  Gallier  im  3.-4.  Jahr- 
hundert und  im  1.  Jahrb.  vor  Christus,  oder  archäologisch  ausgedrückt, 
zu  Anfang  und  zu  Ende  der  la-Tene  Zeil,  gewähren  uns  die  oben 
kurz  besprochenen  drei  gallischen  Münzen  vom 

„mons  Jovis". 


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Nene  Beitrüge  zur  inittelrhciiiisehcn  AHcrthrnnskuiule. 


3.  Eine  römische  Militärstrasse  in  der  Westpfalz. 

Die  Verbindung  zwischen  Augusta  Treveronun  und  Argento- 
ratum  zur  Römerzeit,  d.  Ii.  zwischen  dein  Sitze  der  Oentralgewalt 
und  der  Hauptfestung  am  Oberrhein  zur  Zeit  der  sinkenden  Herr- 
schaft der  Körner  ist  ein  Postulat  der  Vernunft. 

In  Wirklichkeit  haben  die  Forschungen  von  Oberatlieutnant 
Schmidt  (Bonner  Jahrbücher  Heft  31,  S.  210—215)  und  Director 
Dr.  Sch  röder  („Uebcr  die  röinischen  Niederlassungen  und  die  Römcr- 
strassen  in  den  Saargegenden"  III.  Abth  S.  10 — 14)  einen  Tbeil  dieser 
Militärstrasse,  soweit  sie  durch  prenssisches  (iebiet  zieht,  festgestellt. 
Allein  die  Fortsetzung  dieser  Strasse  durch  die  Pfalz  ist  bisher 
nicht  einmal  vermuthungsweise  festgestellt  worden.  Der  Verfasser 
ist  nun  in  der  glücklichen  Lage,  die  obige  Linie  für  die  Pfalz  so 
zu  erweitern,  dass  der  Wcitcrffthrnng  derselben  durch  das  Elsas» 
bis  Strasshnrg  keine  besonderen  Schwierigkeiten  mehr  im  Wege 
stehen.  Von  Trier  geht  es  nach  Schmidt  s  Forschungen  «her  Nie- 
derzerf, Weisskirchen,  Wadern  nach  dem  Sehanernberg  bei  Tholey. 
Von  hier  durch  den  Varnswald  als  Rennstrasse  nach  Stennweiler  bis 
Nennkirchen.  Nach  den  weiteren  Untersuchungen  von  Schröder 
und  dem  Verfasser  zieht  sie  von  Nennkirchen  nach  Neuhäuscl  oder 
der  uralten  Veste  Kirkel,  wo  nach  gemachten  Römerfuuden  ohne 
Zweifel  ein  Strassencastcll  sich  befand.  Von  Kirkel  zieht  sie  gen 
Süden  am  Hutsehuck  vorüber  (hier  römisches  Steinrelief)  nach  Lauts- 
kirehen und  Blieskastel!.  Letztere*  war  nach  den  hier  gefundenen 
römischen  Inschriften  zu  sehliessen  (vgl.  Brambach  corpus  inserip- 
tornin  Rhenanaruin  Nr.  17X2  und  1783)  gleichfalls  eine  römische 
Niederlassung.  Schon  im  Jahre  900  wird  es  als  Castrum  Blesiacum 
erwfthnt.  Von  hier  gingen  zwei  Strasscnzüge  ans;  der  eine  süd- 
westlich über  Biesingen  an  die  Saar,  der  andere  zog  —  bisher  un- 
bekannt —  in  südöstlicher  Richtung  an  den  Rhein  nach  Strasshnrg. 
Jenseits  der  Blies  liegt  Webenheim,  wo  ein  römisches  Denkmal  sieh 
fand  (vgl.  Mehlis  „Studien"  H.  Abth.  Seite  f>7).  Zwischen  beiden 
Orten  stellte  wohl  eine  Furth  die  Verbindung  her.  Von  Wehenheim 
aus  steigt  die  Strasse  direct  nach  Südosten  und  gelangt  über  den 
„ Rothen  Bühl"  bis  zu  einer  Meercshöhe  von  circa  380  m.  Sie  zieht  hier 
über  eine  Hochfläche  von  4  km  Breite,  um  schnurgerade  in  Mittel- 
bach an  die  Biekenalbe  zu  gelangen.    Auf  dieser  Höhe  ist  die  Strasse 


C.  Mehlis: 


auf  filier  Länge  von  .'}  Kilometer  Wohle rlialten;  nie  hat  eine  Breite 
von  (liirclise linittlicli  7  Meter  '«las  von  Ohcrstlicutnant  Schmidt  auf- 
gestellte Xormulmanss  =  2<»  rheinische  Fnss't  und  ist  mit  auf  der 
Kante  gestellten  testen,  meist  viereckigen  Knlkstciuhrocken  gestückt. 
In  der  Mitte  zeigt  sie  eine  sanfte  Anschwellung. 

Gegen  Webenheini  zu  wird  sie  als  Feldweg  gebraucht  und  ist 
hier  deshalb  ausgefahren  und  holperig.  In  der  Mitte  jedoch  und 
nach  .Südosten  zu  ist  sie  ausgezeichnet  erhalten;  hier  bildet  sie  die 
Grenze  zwischen  den  Gemeinden  Hengsbach  und  Mittclhach,  fuhrt 
durch  Wald  und  wird  wenig  oder  gar  nicht  befahren.  Der  ganze 
Strassenzug  von  Webenheiin  bis  Mittelbach  heissl  jetzt  noch  „die 
Römerstrasse".  In  der  Mitte  wird  sie  von  einem  zweiten  alten 
Strassenzug  geschnitten,  der  von  Altheim  her  über  den  Welsehberg 
gegen  Norden  direkt  nach  Zwcibrilcken  zieht.  Voraussichtlich  ist 
dieselbe  mit  der  frühmittelalterlichen  Köuigsstrasse  ideutisch.  Dort, 
wo  sich  beide  Strassenzüge  schneiden,  liegt  nördlich  vom  erstge- 
nannten, in  der  Wolfsacht  eine  Grabhügelgruppe  von  7  Tumulis. 
Ein  Tumulus  erhebt  sieh  unmittelbar  im  Osten  des  Schnittpunktes  der 
beiden  Strassen.  Von  diesen  Tumulis,  die  im  Hochwald  liegen,  sind 
Ii  durchschnitten.    Fs  fanden  sieh  in  ihnen  Armringe  aus  Bronze. 

Von  Mittelbaeh  zog  die  Strasse  über  den  Scheiderücken 
zwischen  Bickenalbe  und  Hornbach  nach  dem  alten  Orte  Hornbach 
und  zog  sich  oberhalb  dieser  alten  Burgstelle,  über  den  Tcufelsbcrg 
und  den  Scheidwald  auf  die  Höhe  zwischen  der  Schwalbach  und 
den  Zuflüssen  der  Trualb.  Stets  auf  der  wasserseheidendeu  Höhe 
bleibend,  gelangte  die  Strasse  von  hier  aus  nach  Süden  direkt  über 
Schornbach  nach  Bitsch.  Dies  war  im  Mittelalter  der  gewöhnliehe 
Weg  von  Zweibrtleken  nach  Bitsch.  Von  Bitsch  aus  konnte  diese 
wichtige  Militärstiasse  verschiedene  Linien  in  der  Richtung  nach 
Strasburg  einschlagen.  Dem  Verfasser  scheint  die  richtige  Trace 
durch  die  Orte  Kgelshard,  Niederbronn,  Pfaffenhofen,  Braiiiath  be- 
zeichnet werden  zu  müsseu.  Die  letzteren  3  Stätten  sind  bekannt 
als  Fundorte  römischer  Alterthttmer  (vgl.  Brambach:  eorp.  inseript. 
Rhenaii.  N.  1840—1844,  N.  187«,  N.  1897—1901  und  Fr.  Xaver 
Kraus:  „Kunst  und  Alterthum  in  Elsass-Lothriugcn'4  I.  Bd.  1.  u. 
2.  Abth.).  Von  Brocomagns  nach  Argentoratum  führte  die  grosse 
Rheinstrasse :  Mainz- Windisch. 


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Nette  RoitrJlpre  zur  mittetrheinischcn  Altertlnitnskundo.  63 


4.   Burgruine  Schlosseck  in  der  Pfalz. 

Die  Burgruine  Schlösset*  k  liegt  am  linken  Ufer  der  Iseuach, 
wo  in  dasselbe  von  Norden  her  das  Pf'aflenthal  eimnlindet.  ea.  :">  km 
westlich  von  Dürkheim. 

Vom  Ranfels,  Peterskopf,  Harteiibnrg  und  Limburg  aus  sind 
die  Zinnen  des  Portales,  sowie  die  drei  alten  Lindcnhuume.  welche 
südöstlich  desselben  stehen,  sichtbar.  Die  Ruine  liegt  107  R  — 
ea.  320  m  hoch  über  dem  Meeresspiegel. 

Dass  an  dieser  Stelle  ein  „Schloss"  gestanden  habe,  vermeldete 
bis  1879  nur  die  Sage.  Jedoch  selbst  den  Namen  dieses  Schlosses 
wnsste  Niemand  mehr.  Nach  der  Mittheilung  eines  alten,  hingst 
verstorbenen  Försters  soll  die  Rurg  „Ewaldsburg"  geheisseu  haben1). 

Da  glückte  es  dem  Verfasser  vom  Jahre  1879—1885  Bering, 
Sehildmaucr,  die  Trümmer  des  Portales  n.  s.  w.  blosszulegen  und 
zwar  mit  Unterstützung  des  historischen  Vereines  der  Pfalz,  des 
Alterthumsvcrcins  und  de«  Verschöncmugsvercins  zu  Dürkheim. 

Vom  Portal  wurde  bei  den  Ausgrabungeu  der  Sockel  bis  etwa 
in  Meterhöhe  noch  vorgefunden;  die  dazu  gehörigen  Hausteine  fanden 
sich  wenige  Meter  davon  entfernt  auf  ei  nein  Platze,  im  Graben. 

Ans  ihnen  wurde  auf  Grund  eines  von  Sachverständigen  auf- 
genommenen Aufrisses  im  Jahre  1883  das  jetzt  stehende  Portal  in 
einer  Höhe  von  6  m  reeonstruirt. 

Ks  wird  dies  hier  ausdrücklich  vermerkt,  da  Essen  wein  be- 
zweifelt, dass  das  jetzt  stehende  Portal  hier  überhaupt  gestanden 
hat  (vgl.  Essenwein:  ..Die  Kriegsbaukuust",  Dannstadt  1889,  S. 68). 

Von  grösseren  nicht  im  Bau  untergebrachten  FnudstUckcii  ist 
die  eine  zum  Portal  gehörige  Kämpferplatte  zu  erwähnen,  deren  Mittel- 
theil von  einer  gnomeiiartigen  Figur  getragen  wird,  sowie  ein  mit 
Palmcttenverzicrung  geschmücktes  Rnndbogenstück.  Rcidc  fanden 
sich  nach  dem  Aufbau  des  Portales  unter  ciuer  Buche.  Erwähnens- 
werth  ist  ferner  eine  grosse  Anzahl  von  Stcinkugcln  von  30 — 40  cm 
Durchmesser.  Eine  Anzahl  kleinerer  Funde,  wie  Mahlstein  von 
Quarzit,  Sporen,  Speerspitze.  Schüssel  u.  s.  w.  aus  Eisen,  sowie 
mehrere  geriefte  Thonbecher,  welche  dem  12.-  13.  Jahrhundert  an- 
gehören, befinden  sich  im  Museum  zu  Dürkheim. 

Der  von  einem  fortlaufenden  aus  ßnckelquadern  bestehende 
Bering  umschliesst  eine  bügeleisenfönuige  Felsuase,  deren  Fläche 

1)  Vgl.  Ottmar  Scliönlmtli:  „Bargen,  Kloster  u.  s.  w.  Badens  und 
der  Pfalz"  2.  \M.  S.  358. 


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C.  Mehlis: 


sich  HiOm  über  der  Soole  des  Iscnachthales  erhebt.  Hie  Hänge 
dachen  sich  nach  drei  Seiten,  nach  Süden,  Osten  und  Westen  »teil 
ab.  Die  vierte,  nördliche  Seite,  die  Angriffseite  ist  dreifach  geschützt: 

1.  Durch  einen  äusseren,  12'  s.ni  breiten.  1  «•  tiefen  Graben, 
der  auf  der  Ostscite  durch  einen  1>  in  breiten  Landstrcifcn  die  Brücke 
zwischen  Aussen-  und  Innenseite  herstellt.  Vor  diesem  Aussengrahen 
liegt  eine  Cisterne,  deren  vier  Seiten  je  4  in  Länge  haben. 

2.  Durch  den  inneren  Graben,  der  wie  der  erste  aus  dein  Felsen 
geschrotet  ist  und  bei  10  m  Breite  2  in  Tiefe  hat. 

3.  Durch  die  Schildmauer  von  3f>  in  Länge  und  wohl  ursprüng- 
lich Gm  Höhe. 

Die  an  den  Ecken  abgerundete  Schildmauer  besteht  wie  der 
ganze  Bering  aus  zwei  Lagen  Quadern,  von  denen  die  äussere  Reihe 
gehosst,  die  innere  glatt  behauen  ist. 

Dicht  ueben  dem  Portal  erhebt  sich  der  noch  4  m  hohe,  mit 
der  Spitze  in  die  Schildmauer  hineinragende  fünfscitige  Berg 
tri  ed.    Auch  dieser  besteht  aus  Bossenquadern. 

Wie  die  verschiedenen  Maasse  der  drei  rechtwinkligen  Seiten 
sowie  die  des  viereckigen  Innenraiimes  beweisen,  hatte  der  Bau- 
meister in  der  genauen  Konstruction  solcher  Bergfriede  noch  keine 
rechte  Ucbung.  Die  schützende  Stellung  des  Bergfriedes  neben  dein 
Portal  gleicht,  wie  Näher  ganz  richtig  bemerkt,  der  Situation  auf 
Landeck  und  Wachtenburg.  Dem  Verfasser  scheint  dieser  Umstand 
darauf  hinzudeuten,  dass  die  Erbauung  dieser  drei  Bergfriede  in 
dieselbe  Zeit,  Mitte  bis  Ende  des  zwölften  Jahrhundert«  fällt. 

Der  hochgelegene  Eingang  zur  Burg  befand  sich,  wie  ein  dort 
vorhandener  Podest  aufweist,  auf  der  Ostscite  des  Berges.  Südwest- 
lich des  Thurmea  liegen  hart  an  der  Beringmaucr  die  1 — I1,  ,  m 
hohen  Fundamente  eines  viereckigen  Gebäudes.  Dieselben  sind  aus 
Hausteinen  kleineren  Formates  erbaut.  Der  Inucurauui  misst  Kim 
Länge  auf  7,f)  m  Breite. 

Südöstlich  vom  Thurm  liefindcii  sich  die  Reste  eines  Zieh- 
brunnens oder  einer  Cisterne  und  noch  weiter  nach  Süden  vor  den 
drei  Linden,  die  den  Burghof  beschatten,  fanden  sich  Spuren  von 
einem  weiteren,  aus  Fachwerk  bestehenden  kleinen  Gebäude.  Auf 
dieser  Ostscite  des  Bcringcs,  3 — 4  in  von  der  Innenseite  desselben 
entfernt,  wurde  ein  aus  gewaltigen  Steinblöcken  bestehender  Maucr- 
zng  aufgedeckt.  Er  gehört  einer  älteren  Periode,  wahrscheinlich 
dem  Ende  der  Röincrzcit  an,  ans  der  auch  «las  Bruchstück  ciues 
Terra  sigillata  Gelasses  von  gelbrot  her  Farbe  herrührt. 


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Neue  Beitrügt*  zur  mittelrhe.inischen  Alterthuniskunde.  65 


Dass  die  Ringmauer  ursprünglich  ho  ziemlich  die  gleiche  Höhe 
wie  das  Portal  hatte,  ist  nicht  zu  bezweifeln,  wenn  man  der  Tradi- 
tion Beachtung  schenkt,  wonach  die  unten  stcheude  Papierfabrik 
aus  den  Quadern  der  Ruine  Schlosseck  erbaut  wurde.  An  inschrift- 
lichen Funden  sind  folgende  vier  zu  verzeichnen: 

1)  Auf  einem  Quader  der  Nordostecke  des  Thurmes  steht  der 
Name  Hirgari  eingehalten. 

2)  Auf  der  Innenseite  des  westlichen  Kampfers  am  Portal  steht 
die  Jahreszahl  1203. 

3)  Auf  der  Aussenseite  desselben  Kampfers  stehen  drei  Kreuze 
in  gleicher  Linie  und  der  Name  Padhuo  mit  nachfolgendem  Kreuze. 

4)  Auf  einem  Eckquader  der  Ostseitc  des  Thurmes  ist  ein  S  cm 
hohes  und  breites,  mit  Sehlusslinien  versehenes  Kren  z  angebracht. 

Den  Namen  Hirgari  stellte  Prof.  Harry-Breslau  fest,  die 
Jahreszahl  1202  entdeckte  Karl  Kmich  Graf  zu  Lciningcn- 
Westcrbnrg,  das  Uebrige  der  Verfasser. 

Besondere  Beachtung  verdienen  die  zwei  fast  freigearbeiteten 
Adler  am  Kämpferportal,  der  aus  Palmetten  und  Lotosblumen  be- 
stehende Rnndhogcnfrics,  der  Schlussstcin  des  Thorbogens,  anf  dem 
ein  bebarteter  Kopf  dargestellt  ist,  der  von  Bandverschlingungen 
umgeben  wird,  sowie  der  unter  der  Zinne  laufende,  von  acht  kleinen 
Halbbögen  getragene  Palmettenfries.  Alle  diese  Verzierungsmotive 
deuten  auf  die  Berührung  kirchlicher  und  weltlicher  Bauthätigkeit 
zu  Eude  des  12.  Jahrhunderts.  Auch  das  Südportal  des  Domes  zu 
Worms  wird  von  Adlern  getragen. 

Ueber  die  Geschichte  dieser  Borg  vermelden  weder  Urkunden 
noch  sonstige  Schriftstücke  eine  Nachricht.  Auch  die  Lciningcn  sehen 
Theilungen,  weder  die  vom  Jahre  1237,  noch  die  vom  Jahre  1K48, 
bringen  den  Namen  einer  Burg,  der  sich  auf  Ruine  Schlosseck 
deuten  Hesse.  Dass  die  Burg  durch  Brand  zu  Grunde  ging,  geht 
aus  den  zahlreichen  verbrannten  Holztheilcn  hervor,  die  sich  sowohl 
im  Portal,  als  im  Thurme  vorfanden.  Da  sich  jedoch  kein  Fund- 
stuck vorfand,  das  über  das  In.  Jahrhundert  hinausging,  so  ist  es 
nicht  unmöglich,  dass  Ruine  Schlosseck  im  Leiningen'schen  Erbfolgc- 
krieg  1471  zu  Grunde  ging.  Bezüglich  der  Erbaungsgeschichtc  der 
Burg  sind  wir  demnach  nur  auf  archäologische  Schlüsse  angewiesen. 

Die  Namen  Hirgari  und  Padhuo  oder  besser  Hergari  und 
Paticho  sind  als  die  Eigennamen  der  Steinmetzen  oder  Baumeister 
anzusehen,  welche  Thurm  und  Portal  errichteten.  Beide  Namens- 
formen gehören  dem  Altfränkischen  an,  und  waren  darnach  diese 

Jahrb.  d.  Ver.  v.  Altorttufr.  im  Rheiul.  XCIV.  {> 


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66    C.  Mehlis:  Neue  Beiträge  zur  mittelrheinischeu  Alterthumskunde. 


Architekten  Eingeborene.  Seiion  der  Umstand,  diu»  wir  zwei  Bau- 
meister haben,  weiter  aber  auch  der,  dass  Beringmaucr  und  Thurm 
einerseits,  das  Portal  andererseits  nicht  verkennbarc  Unterschiede 
in  der  Technik  aufweisen,  fuhren  zum  Schlüsse,  Beringinaucr  und 
Thurm  um  circa  ein  halbes  Jahrhundert  höher  anzusetzen,  als  das 
Portal,  dessen  Herstellung  dem  Jahre  1202  mit  Sicherheit  angehört. 
Eine  weitere  Thatsaebe  der  Geschichte  ist  die.  dass  der  Grund  und 
Hoden,  auf  welchem  Sehlosseck  steht,  schon  im  12.  Jahrh.  dein 
Hanse  Leiningen  angehört  hat.  Von  Schlosseek  führt  ferner  ein 
alter  Fahrweg  nach  Norden  ins  Wallenthal,  der  in  einem  tiefen 
Hohlwege  den  (lebirgskainin  zwischen  Heidenfel»  und  Hanfels  er- 
reicht, von  dem  ans  durch  die  „rot he  HohP  die  directe  Verbindung 
nach  Höningen  und  Ableitungen  besteht.  Auch  dieser  Umstand 
deutet  auf  alte  Verbindung  von  der  Rnine  Schlosseck  mit  dem 
Lehmiger  Thalc,  wo  der  Stammsitz  der  Grafen  von  Leiuingen,  Alt- 
leiui ngen,  gelegen  ist.  Es  ist  ferner  zu  beachten,  dass  Ruine 
Schlosseek  seiner  ganzen  Lage  nach  nur  den  Zweck  haben  konnte, 
die  Abtei  Limburg  und  die  nach  Fraukenstein  führende  Strasse  zu 
beobachten  und  zu  sichern.  Mit  Erbauung  der  Feste  Harteuburg 
verlor  Schlosseek  seine  militärische  Bedeutung. 

Aus  diesem  Grunde  geht  die  fast  nothwendige  Folgeruug  her- 
vor, dass  Schlosseck  als  Schutzcastell  für  die  Abtei  Limburg  Mitte 
des  12.  Jahrh.  von  dem  damaligen  Sehinnvogt  des  Klosters  Lim- 
burg, Emich  III.  Graf  von  Leitungen  erbaut  wurde 'i. 

Sein  kunstsinniger  Sohn,  der  Landvogt  im  Speyergau,  Graf 
Friedrich  l.  Hess  das  Portal  1202  erbauen.  Mit  der  Erbauung  von 
Harteuburg,  die  ein  Jahrzehnt  später  stattfand,  sank  Sehlosseck  zu 
einer  Nebenburg  herab  und  ward  spätestens  im  lä.  Jahrh.  durch 
Brand  zerstört. 


Lltteratnr. 

Mehlis,  in  »Irr  Monat.sclirilt  für  «lic  Geschichte  Westdeutschlands,  V.,  VT. 

und  VII.  Band  und  in  dein  dazu  <rehörijren  Corrcspondcnzlilatt  1882.  Nr.  G, 
Mohlis,  Studien  zur  ältesten  Cieschiihte  der  Uheinlande,  10.  Alitheilung, 

Seite  81-90. 

Harry  Breslau,  Jahrbücher  des  deutschen  Reiches  unter  Konrad  II. 

2.  Band,  Seite  385. 
Näher,  Die  Burgen  der  rheinischen  Pfalz,  Seite  23-24  und  Blatt  7. 
Essenwein,  Die  Kricgsbaukunst,  Seite  6M. 

1)  Verjrl.  Mfinchot,  Kloster  Limburg,  Seite  17-18. 


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2.  Neue  Funde  aus  Asberg  (Asciburgium). 

Von 
Dr.  Kiebourg. 

Hierzu  Tafel  III. 

Im  Folgenden  soll  über  mehrere  Asberger  Funde  berichtet 
werden,  die  im  Lauft;  den  vorigen  Jahres  7.11  meiner  Kenntnis*  be- 
kommen sind;  ich  gedenke  dabei  gerne  der  fordernden  Antheilnahine 
meiner  Freunde  Dr.  Oxe  in  Crefeld  und  Dr.  Nordmeyer  in 
Mors. 

I.  Am  29.  Juli  rief  mich  die  Meldung  des  Grundnrbeiters 
Jansen  ans  Crcfeld  nach  Asciburgium.  Er  war  beim  Auswerfen 
eines  Kellers  für  das  zu  erbauende  (jetzt  fertige)  Haus  des  Zimmer 
mann  aus  Asberg,  westlich  von  der  Römerstrasse,  anf  römische 
Reste  gestossen.  Leider  war  bei  meiner  Ankunft  die  Fundstätte 
wieder  zugeworfen.  Seine  Beschreibung  war  unklar.  Er  sprach 
von  einer  runden,  ll/8  Fuss  grossen  Kuppel,  rings  im  Viereck  mit 
Ziegeln  umsetzt,  von  einem  Graben  parallel  der  Strasse,  in  dem 
solche  Ziegel  an  einander  standen.  Später  sei  er  hart  an  der  Strasse 
auf  Brandcrdc  und  ein  stehendes  Skelett  gestossen.  (V)  Ausser  einem 
beschädigten  Lämpchcn,  2  verschmolzenen  Eisenstücken,  die  au 
der  Kuppel  gesessen  hätten,  dem  abgebrochenen  spitzen  Fuss  eines 
grossen,  grauweissen  Thonkruge»,  einer  SilbcrniünzC,  die  mir  leider 
abhanden  gekommeu  ist,  und  einem  Daeh/.iegclstück  erhielt  ich  vor 
allem  3  Stücke  eines  reich  verzierten  Gelasses  aus  terra  sigillata. 
Diese  Gegenstände  sind  ausser  dem  Lämpchcn  Eigeuthum  des  Crc- 
fclder  Museums  geworden.  Die  31)  zuletzt  erwähnten  Stücke 
sind,  wie  eine  schöne  Rekonstruktion  von  «1er  kunstgeflbten  Hand 
des  Herrn  Oberlehrers  Ferdinand  Müller  in  Crefeld  zeigt  (Taf.  III) 
Fragmente  einer  Vase  (Trinkbecher  ?  kleiner  MischkrugV),  die  eine 
Höhe  von  18  cm.  besass,  deren  oberer  Rand  einen  Durchmesser  von 
15,0  cm.  aufwies.    Erhalten  sind: 

1)  Eigentlich  sind  es  vier,  zwei  passen  aber  genau  an  einander. 


fiR  Dr.  Siebnurg: 

a)  Der  Fuss  mit  Kesten  der  Gefässwand,  Durchmesser  unten  5,3  cm. 
Auf  dem  Hoden  des  Gelasses  stellt  in  einem  Kreis  der  Töpferstem- 
pel OF  M  CES  =  of(ficina)  Mode$(ti).  Die  Finna  ist  oft  im  Khein- 
land  vertreten,  so  in  Gellep  (Stellwerk,  die  ccltiibisehrömischc  Nie- 
derlassung Gelduba  p.  i)n,  23).  Bonn  uml  Neuss.  (B.  J.  HO,  2H  n. 
224,  225). 

I»)  und  c)  Stucke  der  reich  in  Relief  verzierten  Gefässwand, 
oberer  Rand  unverletzt,  an  den  Seiten  und  unten  abgebrochen. 
Doch  ist  das  Muster  des  Ornaments  völlig  erhalten.  Die  Verzierung 
lauft  in  zwei  Streifen  um  das  Getass  herum,  die  von  leicht  gewell- 
ten Linien  eingerahmt  uud  von  einander  geschieden  werden.  Der 
obere  Streifen  ist  4,:*),  der  untere  2,5  ein  breit.  Den  oberen  Saum 
des  erstem  bildet  ein  Eierstab,  an  dem  herabhängende  Sterne  die 
Stelle  der  sonst  üblichen  Pfeilspitzen  vertreten.  Den  Streifen  durch- 
läuft eine  Wellenlinie;  die  Wellenberge  sind  ganz  mit  Sehuppen- 
pyramiden ausgefüllt.  Jeden  Wellenberg  umzieht  eine  zweite  Wel- 
lenlinie, die  in  geringem  Abstand  parallel  zu  der  ersten  läuft.  Auf 
der  Spitze  des  Berges  zeigt  sie  jedesmal  drei  Punkte  und  endigt 
im  Thal  in  einen  Palm-(Farren-)\vedel,  der  parallel  dem  zweiten 
Berg  ansteigt.  So  kreuzen  sieh  in  jedem  Wellenthal  zwei  Wedel; 
zwischen  ihnen  steht  mit  zum  Fressen  vorgestrecktem  Hals  ein  Vo- 
gel (Gans),  je  zwei  sind  einander  zugewandt.  Auf  der  Scherbe  c 
zeigt  das  Muster  eine  abweichende  Form.  Da  der  Raum  zu  einem 
vollen  Wellenberge  nicht  ausreichte,  so  erhebt  derselbe  sich  nur 
zu  halber  Höhe  und  endet  spitz;  den  Abschluss  bildet  darauf  ste- 
hend ein  Blumenkelchornament.  Die  den  Berg  umziehende  Wellen- 
linie mit  den  3  Punkten  an  der  Spitze  senkt  sich  bis  zur  halben 
Höhe,  steigt  dann  zu  beiden  Seiten  gerade  auf  und  endet,  das 
Kelehornament  flankirend,  in  2  schmale  lanzettförmige  Blätter.  So 
mnssten  die  Wellenlinien  der  2  benachbarten  Berge  im  Thüle  um- 
kehren und  die  Wedel  dem  zugehörigen,  nicht  dem  benachbarten 
Berge  parallel  laufen;  die  Vögel  stehen  au  der  üblichen  Stelle.  — 
Der  untere  schmalere  Streifen  ist  durch  Guirlandcn  in  halbkreisför- 
mige Felder  get  heilt,  deren  Durchmesser  etwas  grösser  als  die  halbe 
Basis  eines  Wellenberges  ist.  Getrennt  sind  sie  durch  eine  herab- 
hängende Ranke,  die  in  ein  Blätterbtischel  endet.  3  Felder  bilden 
das  Muster.  In  dem  ersten  steht  ein  Wappenadler  mit  halb  aus- 
gebreiteten Flügeln,  den  Kopf  nach  rechts  gewandt.  Das  zweite 
Feld  füllt  eine  Gans  aus,  die  Hals  und  Kopf  mit  geöffnetem  Schna- 


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Neue  Funde,  aus  Asberg  (Asciburgium). 


bei  bis  zur  Guirlande  vorstreckt;  der  rcebte  FlUgel  ist  nach  oben 
ausgebreitet.  Die  Haltung  ist  nicht  die  eine«  fressenden,  sondern 
eines  gereizten,  den  Feind  ansehnatternden  Thieres.  In  dem  freien 
Raum  Aber  »einem  Hals  stebt  eine  kleine  fressende  Gans,  genau 
entsprechend  denen  des  oberen  Strcifeus.  Das  dritte  Feld  zeigt 
einen  stehenden  möven-  oder  entenartigen  Vogel,  mit  rückwärts  ge- 
wandtem Kopf  nach  dem  Adler  hinschauend.  Ueher  dem  Schwanz 
steht  ein  Stern,  ähnlich  den  Rosetten,  welche  auf  Erzeugnissen  Ko- 
rinthischer Fabrikeu  aus  dem  7.  und  6.  Jahrb.  v.  Ohr.  die  Zwischen- 
räume zwischen  den  Thicrgcstalten  ausfüllen.  —  Es  ist  sehr  zu  be- 
dauern, dass  die  Vase,  die  der  Fabrik  des  provinzialen  Meisters 
Modestus  alle  Ehre  macht,  nicht  ganz  erhalten  ist.  Die  Zeichnung 
z.  B.  der  Vögel  ist  von  realistischer  Kraft,  die  abwechslungsreiche 
Coni|K>sition  des  Mustere  verräth  schönen  Forniensinn  und  ein  an  vielen 
Vorlagen  geübtes  Auge.  Ob  in  Rheinischen  Sammlungen  ähnliehe 
Stücke  vorhanden  sind,  vermag  ich  nicht  anzugeben;  jedenfalls 
ist  die  Art  der  Verzierung  durchaus  nicht  ungewöhnlich.  Wellen- 
linien mit  Weiuranken,  auf  denen  Vögel  sitzen,  zeigt  der  («lasbecher 
B.  J.  90  S.  Iß,  3.  Fressende  Vögel  sah  ich  jüngst  auf  einem  frag- 
mentirten  terra-sigillata  Becher  der  Sammlung  Buyx  in  Nieukerk1). 


1)  Bei  dieser  Gelegenheit  möchte  ich  eine  kleine  „Rettung"  vor- 
nehmen. In  der  Vorbemerkung  zu  dem  II.  Theil  des  ersten  Bandes  der 
Kunstdcnkmiilcr  der  Kheinprovinz,  welcher  den  Kreis  Geldern  behandelt, 
bemerkt  der  hochverdiente  Bearbeiter  Paul  Giemen,  eine  Beschrei- 
bung der  Sammlung  den  verstorbenen  Herrn  Geometers  Buyx  in  Nieu- 
kerk habe  leider  auf  den  Wunsch  seiner  Witwe  unterbleiben  müssen. 
Hier  waltet  ein  Mißverständnis*  ob,  dessen  Folge  jene  bedauerliche  Lücke 
in  dem  betreffendem  Bande  ist.  Als  ich  jüngst  unter  der  liebenswürdigen 
Führung  des  Herrn  Planer  Strücken  in  Nieukerk  einen  flüchtigen  Be- 
such der  Sammlung  Buyx  abstatten  konnte,  erklärten  sowohl  die  jetzige 
Besitzerin  Frau  Wwe.  Buyx,  wie  auch  der  Schwiegersohn  sich  gern  bereit, 
eine  Veröffentlichung  der  Sammlung  zu  gestatten  und  zu  fördern.  Die- 
selbe ist  sehr  erleichtert  durch  den  zu  bewundernder  Hochachtung  zwin 
genden  Fleins  des  verstorbenen  Sammlers  Buyx.  Kr  hat  in  seinen  Musse- 
stundeu  in  mehreren  Foliobttndeu  einen  mit  farbigen  Abbildungen  aller 
Fundstücke  versehenen  Katalog  seiner  Sammlung  angefertigt,  der  allen 
Forderungen  wissenschaftlicher  Genauigkeit  zu  entsprechen  scheint.  - 
Hoffentlich  ist  das  Interesse  für  die  Cleincn'sclicn  Bücher  am  Niederrhein 
ihrem  Wcrthe  entsprechend  so  gross,  dass  bald  eine  zweite  Auflage  nöthig 
wird  und  darin  dann  auch  die  Sammlung  Buyx  ihre  verdiente  Stelle 
findet. 


70 


Dr.  Slehourg: 


Im  März  diesen  Jahre«  lernte  ieh  eine  Menge  Scherben  von  ähnlich 
verzierten  sigillata-Gefässcn  aus  Asberg  kennen,  Uber  die  noeh  ge- 
nauer zu  berichten  sein  wird.  Im  Berliner  Autiquarium  endlieh  »ah 
ieh  jüngst  im  Schrank  IX  des  .Saales  B  roththonige  Gelasse  aus  den 
romischen  Rheinlanden,  deren  Ornamentik,  in  Wellenlinien,  Blättern 
u.  a.  bestehend,  der  Asberger  verwandt  ist. 

II.  Am  25.  Sept.  1892  erwarb  ieh  für  das  CVefelder  Museum 
folgende  5  Gegenstände,  die  alle  im  Garten  des  Hauses  00h  in  As- 
berg, westl.  von  der  Romcrstrnssc,  von  dem  Bewohner,  Schneider 
Bongers,  gefunden  worden  sind;  sie  befanden  sieh  3  Spatenstiehe 
tief  unter  dem  Boden  in  schwarzer  Erde. 

1»  Rother  Teller,  Durchmesser  1(1,8  cm. 

2)  Einhenkliges  Thonkrflgelchen,  gelbweiss,  kugelbaitehig, 
—  :1S  cm.  hoch.  Hals  5,1  cm  hoch  in  stumpfem  Winkel  ansetzend. 

3)  Weisses  Lämpeheu,  7  cm.  lang,  3,;")  breit,  Schiffchenform. 
Auf  «lern  Fuss,  von  einer  dem  ümriss  des  Lämpehens  folgenden 
Linie  umgeben,  der  Stempel  RVI'VS  =  Rufus.  Bemerke  die  Form 
des  F.  Derselbe  Topfername  in  Xanten  (Giemen,  Kunstdcnkm.  III 
Kreis  Mors  p.  102)  Grimlinghausen  (B.  J.  8!>,  »,  <H),  ,7)  Bonn  (B.  J. 
t>0,  «). 

4)  Rothes  Näpfchen,  3,0  cm  hoch.  Eine  Wulste  j*ctzt  einen 
1,5  cm  breiten  gerielteu  Rand  ab.  Stempel  im  Innern  von  einem 
Kreis  umgehen:  COCI.  Den  Töpfer  „Koch"  nenneii  auch  Gefässe 
ans  Xanten  (C  lernen  1.  c.  p.  102)  Bonn,  Heddesdorf  bei  Neuwied 
'  B.  J.  HS),  10,  r>-,  '.)0,  in;  auf  einem  Amphorenhenkel  ans  Gellep  (Stoll- 
werek.  Gelduba  p.  102)  steht  Q.  Coc.  Der  hierzu  von  Stollwerck 
zitirtc  Stempel  B.  J.  IX,  »i  OCCO  wird  SOCCO  zu  ergänzen  sein. 

öi  Tasse  aus  weis  gell>cm  Thon,  sehr  dünn  und  leicht,  Durch- 
messer 8,3,  Hohe  etwa  4,5  cm. 

III.  An  demselben  Tage  sahen  wir  bei  dem  Herrn  Ürtsvor- 
steher  Eicks  mehrere  Gegenstände,  die  nicht  lange  vorher  in  dessen 
Grundstiiek  auf  dem  Burgfeld  westlich  der  Rtimerstrasse  gefunden 
waren.  Ich  nenne  zuerst  einen  rothen  Teller  mit  dem  Stempel 
CINTVGNATV  =_  Cintngnatu(s),  bekannt  z.  B.  aus  Gellep  nnd  Bonn, 
B.  J.  8!»,  io,  !W,  ii,  sodann  einen  rothen  Teller  ohne  Stempel,  2  schwarze, 
1  rothes  Näpfchen,  2  weisse  Krügelchen,  1  weisses  Lämpcbcn, 
1  Urne,  4  Münzen,  1  Ring  mit  Buckeln. 

IV.  Bei  der  Fundamentirung  des  Hauses  von  Gerhanl  Dri- 
sen  in  Asberg,  östlich  von  der  Römerstrasse,  gegenüber  der  Nummer 


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Neue  Funde  aus  Asberg  < Ascihurgium). 


71 


76  waren  mehrere  Fnndc  gemacht  worden,  die  wir  am  selben  Tage 
im  Hause  de*  Bruders  Joh.  Drisen.  Oestrum,  Seet.  II  38  besichtig- 
ten. Ausser  einer  roththonigen  Scherbe  mit  Thicrfignr  nnd  einem  un- 
besl immbaren  Mitteler/,  sind  zunächst  2  Fussseherben  von  terra  si- 
gillatn-Gcfftssen  mit  Steinpein  hervorzuheben.  Die  eine  ist  GAIVSF 
—  (Tains  f(eeit)  gezeichnet.  Derselbe  Töpfcmame  in  Xanten  (de- 
inen III  p.  162)  Asberg  (Stollwerck  p.  108,  ä)  Gellep  ^Stollwerck 
p.  Ol,  ii  Bonn  (B.  J.  89,  e,  7)  11.  s.  w.  Die  zweite  hat  die  Aufschrift 
BASS'  —  Bassi  sc.  offieina  oder  manu.  Die  Firma  ist  im  Rheinland 
sehr  häufig  vertreten;  so  in  Xanten  (C leinen  p.  162)  Grimlinghau- 
sen (B.  J.  89,  .vs)  Bonn  (B.  .1.  90,  «). 

Ausserdem  wurden  auf  demselben  Grundstück  bei  derselben 
Gelegenheit  7  oblonge  Steinplatten  und  die  Fragmente  einer  achten 
zu  Tage  gefordert,  von  denen  6  anf  dem  schon  erwähnten  Hof 
des  Bruders  Job.  Driseu  lagen,  während  die  7.  und  8.  noch  am 
Fundort  sich  befanden.  Die  Maasse  der  sätiuutlieh  31  cm.  dicken 
Steine  sind  I)  110,60.  2)  105,7/62,8.  3)  94/65.  4)  80/50,5. 
5)  81.3/51.  6)  74,66.  7)  78/55  cm.  Von  diesen  sind  1,  2,  6  an 
zwei  anstossenden  Seiten,  3,  4,  5,  7  nur  an  einer  langern  Seite  ab- 
gerundet, der  Beginn  der  Rundung  ist  durch  eine  Rinne  abgesetzt. 
Sie  gleichen  etwa  den  Steinsockeln  mancher  modernen  Häuser. 
Alle  Steine  sind  mit  2  trapezförmigen  Fiigenvertiefungcn  (zi)  ver- 
sehen, die  bei  1,  2,  6  naturgemäss  in  zwei  anstossenden,  bei  den 
übrigen  in  den  kürzeren  Seiten  liegen.  Bei  2  und  7  ist  die  Rück- 
seite, bei  4  und  5  die  der  abgerundeten  Seite  gegenüberliegende 
Seitenfläche  geglättet;  diese  geglätteten  Seiten  tragen  ein  relicfartig 
erhabenes  Zeichen  in  Gestalt  eines  Sehwertes,  besser  Schwertlilien- 
blattcs.  1,  4,  5,  6  weisen  auf  der  Oberfläche  vierkantige  Löcher 
auf.  Die  Steine  lagen  nach  Aussage  der  Finder  in  derselben  Ebene 
in  3  Reihen  neben  und  au  einander.  Es  hat  keinen  Werth  sich 
in  Veriiiutliungen  über  den  Zweck  dieses  merkwürdigen  Steiiifundes 
zu  ergehen,  so  lange  nicht  eine  Grabung  an  Ort  nnd  Sti  lle  weitere 
Aufklärung  ergeben  bat.  Dann  kann  sieh  erst  zeigen,  ob  wir  e8  mit 
der  Einfassung  eines  puteaP),  mit  den  Besten  eines  Tcmperchcne, 
oder  mit  etwas  anderm  zu  tbuu  haben. 

\)  Ks  soll  nicht  verschwiegen  werden,  da.«s  unter  Ilinzunahmc  des 
in  Fragmenten  vorhandenen  8.  und  eines  nicht  gefundenen  9.  Steines  die 
Blöcke  sich  so  aneinander  legen  lassen,  daas  sie  die  Umrahmung  einer 
rechteckigen  Ocffnung  von  110  162  cm  bilden. 


Dr.  Kiebonrg:  Neue  Fumle  nu>  Ashcrfr  (Ascihurffium). 


V.  Emlc  des  Jahres  1892  schenkte  Herr  Camphausen  in  Crefcld 
dem  Museum  seiner  Heimat hstadt  folgende  ö  mit  vorzüglich  klaren 
Tüpferstcnipeln  versehene  Fussseherben  von  terra  sigillata  Gelassen, 
von  denen  Xr.  1—4  aus  Asberg,  5  aus  Gellep  stammt. 

1)  Fussseherbe  eines  grossen  Tellers.  Stempel  CELSINVSI  = 
Celsinus  f\eeit),  umgeben  von  3  eoneentrischen  Kreislinien.  Der- 
selbe Xame  B.  J.  89,  »  aus  Bonn  u.  Asberg,  90,  u  aus  Grimling- 
hausen. 

2)  Fusssehcrbe  eines  Gelasses.  Stempel  SM3INVS  =  Sabinus. 
Derselbe  Xame  bei  C leinen,  Kreis  Miirs  p.  1<>2  aus  Xanten, 
B.  J.  89,  3-  aus  Bonn  und  Grimlinghausen. 

3)  Fusssehcrbe  eines  Tellers,  Stempel  genau  wie  bei  2. 

4)  Fusssehcrbe  eines  Gcfässes.  Stempel  r'EBBICFF  —  Meddie(ns) 
fe(cit).  Derselbe  Xame  aus  Xanten  bei  Giemen  p.  102,  Gellep  bei 
Stolhverck  p.  9f>,  »i,  Bonn,  Grimlinghausen,  B.  J.  89,  :b  u.  a. 

;»)  Fusssehcrbe  eines  Xapfchens  aus  Gellep.  Stempel  /ITALIS 
=  Vitalis  von  vertiertem  Kreis  umgeben.  Die  Firma  ist  sehr  häufig 
im  Rheinland  vertreten,  so  in  Xanten  bei  Giemen  p.  102,  Asberg 
bei  Stolhverck  p.  109,  n,  (iellep  bei  Stolhverck  p.  99,  s7.  Grim- 
linghausen, Bonn,  Billig,  Remagen  in  B.  J.  89,  i<s. 


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7.T 


3.  Die  Externsteine. 

Von 
Anton  Kistu 


(Hierzu  Tafel  IV-VI  und  17  Abbildungen). 


Die  mächtigen  Sandsteinfelscn,  welche  unweit  de»  Städtchens 
Horn  aus  dein  Dunkel  des  lippischen  Waldes  emporragen,  sind  mit 
ihren  merkwürdigen  Gebilden  von  Menschenhand  von  den  Tagen 
Goethes  an  bis  heute  nach  den  verschiedensten  Seiten  hin  der  Ge- 
genstand eifriger  Studien  gewesen,  ohne  das»  es  noch  gehingen 
wäre,  alle  Räthscl  derselben  zu  lösen ').  Schon  die  Deutung  des 
Namens  bereitet  Schwierigkeiten.  Die  einen  erklären  ihn  als  Egge- 
sternstein, anschliessend  an  den  Gebirgsnamen  Egge,  die  anderen 
leiten  ihn  unter  Berufung  auf  die  früheste,  1093  auftauchende  Form 
Agistcrstein,  sprachlich  richtiger  von  dem  niederdeutschen  äkstcr  — 
Elster  ab.  Dieser  Erklärung  schlieret  sich  neuerdings  auch  Fr. 
Holthausen  an,  indem  er  auf  die  altsäehsischc  Form  agastria  fflr 
Elster  hinweist.  Der  Name  Exter  findet  sich  in  der  Nachbarschaft 
noch  einmal,  als  Bezeichnung  eines  Baches,  der  oberhalb  Alverdissen 
entspringt  und  neben  Silixen  ins  Schaninbnrgisehc  flicsst*). 

Von  den  13,  durch  ungleiche  Zwischenräume  von  einander  ge- 
trennten Felsen  zeigt  der  änsserste  gegen  NW.  und  zugleich  breiteste 

1)  Aus  der  reichhaltigen  knnstgeschichtlichcn  Litteratur  sind  bes. 
die  Monographien  von  Massmaiiii  (Weimar  18-Ifi),  Giefers  (Paderborn 
u.  Münster  18f>7,  2.  Aufl.),  J.  W.  J.  Braun  (Bonn  1XÖ8)  und  Dewitz  (Bres- 
lau 1886)  hervorzuheben.  In  kleineren  Aufsätzen  haben  u.  A.  Goethe, 
Schnaase,  Piper,  Lühke,  Fr.  von  Heber,  0.  Preuss  und  G.  B.  A. 
Schierenberg  dieselben  behandelt.  Eine  Zusammenstellung  der  ge- 
flammten Litteratur  bis  1882  bei  Thorbecke,  Die  Extcrnsteine  im  Tür- 
stenthum  Lippe,  Detmold,  1882. 

2)  v.  Donop,  hist.-gcogr.  Bcschr.  d.  fürstl.  Lippe 'sehen  Lande. 
2.  Aufl.  Lemgo  17'JO.  p.  G7. 


7» 


Anton  Kisa: 


von  allen  ausser  (Ion  (trotten  «las  berühmte  Relief  der  Kreuz- 
abnahme3.» i  Taf.  IV).  Von  einer  eingehenden  Beschreibung  desselben 
Umgang  nehmend,  will  ich  nur  bei  einigen  Lücken  verweilen,  welehe 
die  ikonngraphische  Erklärung  bisher  orten  gelassen  hat. 

Das  Relief  zerfällt  in  zwei  durch  einen  breiten  wagerechteu  Steg 
getrennte  Gruppen.  In  der  oberen  bereitet  nanientlieh  die  Halb- 
figur  mit  der  Kreuzesfahne  den  Krklämn  grosse  Schwierigkeiten. 
Frühere  Betrachter  glaubten  einen  Unterschied  im  Typus  dieser 
Gestalt  und  jener  des  Gekreuzigton  zu  rinden.  Lübkc  sieht  in 
ihr  -Gott  Vater  als  ehrwürdigen  Greis"4),  ebenso  Förster'').  Auch 
Schnaase")  hat  zuerst,  ehe  er  das  Relief  selbst  gesehen,  auf  Grund 
der  Band el'8ehen  Zeichnung  eine  Verschiedenheit  beider  Typen  fest- 
stellen zu  müssen  geglaubt.  Dieselbe  ist  jedoch  nicht  vorhanden, 
beide  Kopfe  sind  vollkommen  gleich;  sie  haben  beide  langes,  welli- 
ges, in  der  Mitte  gescheiteltes  Haar,  niedere  Stirn  und  kurzen  Bart, 
den  sog.  Mosaikentypus  Christi,  der  im  Gegensatz  zum  unbärtigen 
Katakombentypus  —  einzelne  bis  ins  V\.  Jahrb.  reichende  Ausnah- 
men abgerechnet  —  im  ganzen  Mittelalter  festgehalten  wird.  Braun 
und  Miehclis,  welchen  diese  Gleichheit  nicht  entgangen  war,  er- 
klärten deshalb  die  Halbfigur  mit  «lern  Kinde  auf  dem  Arme,  dem 
Krctizuimbus  und  der  Siegesfahne  für  den  auferstandenen  Christus 
und  das  Kind  für  die  erlöste  Menschheit.  Diese  Ansieht  hat  Giefers 
eingehend  widerlegt,  dabei  jedoch  an  dem  Irrthum  festgehalten,  das» 
oben  ein  von  dem  Gekreuzigten  verschiedener  Typus  festgehalten  sei. 

In  Wirklichkeit  haben  wir  Gott  Vater  und  Gott  Sohn  in 
gleicher  Gestalt  auf  einem  Bilde  vor  uns,  wie  so  häufig  im  frü- 
hen Mittelalter.  Das  christliche  Alterthum  hatte  Gott  Vater  mit- 
unter in  Gestalt  eines  bärtigen  Mannes  oder  Kopfes,  im  Gegensatze 
zu  dein  unbärtigen  Erlöser  dargestellt;  so  findet  er  sich  noch  aut 
dem  Mosaik  von  Capua  (Ciampini  II.  tab.  ö4)  aus  dem  tf.  Jahrb. 
als  Brustbild  in  der  Höhe  schwebend,  darunter  der  h.  Geist  in  Ge- 


il) Abbildung1  bei  Dewitz,  Die  Kxternsteinc  im  Teutoburger  Walde, 
Atlas,  Tafel  VII.  Die  Tatein  IV,  V,  VF  dieses  Aufsatzes  sind  mit  einigen 
Veränderungen  nach  Aufnahmen  von  Dewitz  hergestollt.  Die  Zeichnung 
E.  v.  Bande IV  bei  Massinann  u.  Giefers,  auch  in  Hodc's  Gesch.  d. 
deutschen  Plastik  übergegangen,  ist  ungenau. 

4)  Lübkc,  Die  niittelaltorl.  Kunst  in  Westfalen. 

f>)  Förster,  (.losch,  d.  deutschen  Kunst. 

Gi  Schuaase,  (Jeseh.  d.  bild.  Künste.  I.  Autl, 


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Die  Externsteine. 


75 


stalt  einer  Taube  üIkt  Christus  im  Schoossc  Maria*1).  Die  Leliren 
der  Gnostikcr  jedoch  und  das  Eifern  der  Kirchenväter  ver- 
drängten diese  Darstellungen  allmählich  und  /u  Beginn  des  Mittel- 
alters sind  sie  fast  völlig  erloschen,  man  begnügt  sich  zumeist 
damit,  die  Gottheit  durch  die  ans  Wolken  heranreichende  Hand 
zu  8ymbolisiren *}.  Wenn  die  Handlung  jedoeh  eine  Personitiea- 
tion  in  voller  Menschengestalt  erheischte,  trat  Christus  an  die  Stelle 
des  Vaters,  s<>  besonders  in  den  Sccncn  der  Schöpfungsge- 
schichte. Man  stützte  sich  dabei  auf  die  Worte  der  Schrift:  „Der 
Sohn  ist  mit  dem  Vater  eins"  (Joli.  X.  30).  „Wer  mich  sieht,  sieht 
den,  der  mich  gesandt  hatu  (Joh.  XII.  4h).  „Der  Vater  ist  in  mir 
und  ich  in  ihm"  (Joh.  X.  38).  Dass  man  mit  vollem  Bewusstsein 
Christus  und  nicht  etwa  den  Vater  in  der  Gestalt  Christi  in  alt- 
testamentarischen  Scenen  auftreten  lies«,  beweist  in  vielen  Fällen 
der  beigeschriehene  Name.  Didron  giebt  in  der  Icnnographie 
ehret.  i».  178  die  Abbildung  eines  Frescos  des  9.  Jahrh.  mit  der 
Erschaffung  Adams,  bei  welcher  der  Schöpfer  in  Halhtigur  und 
Kreisaureolc  erscheint");  er  hat  den  Mosaikenty|ius  Christi  mit 
Kreuznimbus,  in  welchen  die  Buchstaben  IC  XS  eingeschrieben  sind. 
Auf  einem  Elfenbein- Diptychon  der  ehem.  Sammlung  Baraffaldi  in 
Florenz  (von  d'Agincourt  als  griechische  Arbeit  des  4.  Jahrh.  be- 
zeichnet), das  neben  einander  die  Erschaffung  Adams,  den  Tod  Abels 
und  die  Erschaffung  der  Eva  darstellt,  erscheint  in  der  ersten  Sccne 
der  Schöpfer  gleichfalls  in  Kreisaureole  und  mit  derselben  Bezeich- 
nung wie  oben10).    In  den  Mosaiken  von  S.  Marco  (1 1.— 12.  Jahrh.) 

7)  Vgl.  Kraus,  Kealencyclopadie  d.  christl.  Alterthumes  I.  p.  fi28, 
mit  mehreren  anderen  Beispielen. 

8)  Maskenartige  bitrtige  Köpfe  in  der  Weise  der  altchrlstliehen  Kunst 
finden  sich  vielleicht  auch  vereinzelt  im  Mittelalter;  wenigstens  versucht 
man  jene  aal'  dem  Taufbecken  des  Lambert  Patras,  am  Grabmal  Suidgers 
von  Bamberg  und  am  Tympanon  des  Strassburger  Münsters  so  zu  deuten. 
Vielleicht  ist  es  aber  richtiger,  sie  als  Personlflcationen  des  Himmels  oder 
einer  Oertlichkeit  aufzufassen.  Vgl.  Vöge,  Eine  deutsche  Malerschule 
um  die  Wende  des  1.  Jahrtausends.  Trier  1N1U.  p.  130,  not.  2. 

9)  Die  Bemerkung  Pidrons,  iconogr.  ehret,  p.  7  „c'est  Dieu  le  pere, 
mais  le  per«  cache,  pour  ainsi  dir«,  sous  les  traits  de  son  fils,  car  le 
pere  n'a  pas  encore  de  tigurca  passt  demnach  nicht  auf  alle  Falle  in  der 
Kunst  des  frühen  Mittelalters,  in  denen  Christus  in  den  Funktionen  Gott 
Vaters  auftritt. 

10)  Abb.  b.  d'Agincourt -Quast,  scult.  tav.  XII.  1  und  bei  Gori, 
the«s.  vet.  dipt.  II  161. 


7<; 


Anton  Kisa: 


ist  Gott  in  den  Scencn  «1er  Schöpfungsgeschichte,  ein  bartloser  Jüng- 
liug  mit  Kreuznhnbus  und  Stnbkreuz  «nd  gleichfalls  wie  oben  be- 
zeichnet. Dieselbe  Charakteristik  kehrt  in  den  Miniaturen  der  Cotto- 
uiana  im  Britischen  Museum  wieder,  welche  Tikkanen  mit  den 
genannten  Mosaiken  in  Verbindung  bringt").  Zumeist  fehlt  die  aus- 
drückliche Rczcichnung  als  Christus,  jedoch  ist  dessen  Typus,  sei 
es  der  bartlose  der  Katakombcnkunst  oder  der  bärtige  Mosaikcnty- 
pus  unverkennbar  festgehalten18). 

Dies  gilt  für  die  Fälle,  in  welchen  man  nur  eine  göttliche 
Person  darzustellen  hatte.  Traten  zwei  oder  alle  auf,  so  verlieb  man 
ihnen  die  Gestalt  Christi.  Man  ging  von  dem  Gedanken  aus,  das« 
weder  der  Vater,  noch  der  Geist  jemals  einen  Korper  gehabt  hatten 
und  es  war  ganz  folgerichtig  gehandelt,  wenn  die  Künstler  des  Mittel- 
alters —  einzelne  Heispiele  reichen  bis  ins  17.  Jahrb.  —  sich  bei 
der  Vcnnenschlichung  der  göttlichen  Personen  an  den  Typus  Christi, 
jener  göttlichen  Person  hielten,  die  als  Mensch  auf  Knien  gewandelt 
hatte.    Selbst  der  Geist,  fUr  dessen  Darstellung  man  ja  sonst  die 


11)  Vgl.  Archivio  storico  clell"  arte  I.  und  d'Agineourt,  scult.  r. 
XVIII.  4. 

12»  Vgl.  die  altehristiiche  Elfenbeintafel  im  Berliner  .Museum,  abgeb. 
bi-i  Tikkanen  im  Archivio  storico  dell' arte  I.  p.  21 7-  Christus  erscheint 
hier  als  Schöpfer  in  Gestalt  eines  bartlosen  Jünglings  mit  Kreuznimbus. 
Mit  krcu/.losem  Ximbus  in  der  Bibel  Karls  des  Kahlen.  Didrou  a.  a.  O. 
j>.  182.  Jugendlich,  bartlos  mit  Kreuznimbus  bei  der  Erschaffung  Eva's 
auf  der  Augsburger  üomthüre  (11.  Jahrb.)  und  noch  um  1300  in  den  Feder- 
zeichnungen der  Armenbibel  in  der  Lyceumsbibliothek  zu  Konstanz, 
herau.sgeg.  von  Laib  u.  Sc  hwa  rz,  Würz  bürg  1892;  hier  ist  er  nicht  nur 
Schöpfer  Adam's  und  Eva's,  sondern  erscheint  auch  Moses  im  brennenden 
Dornbusche.  —  Auf  einem  altkölnischen  GcmUldc  v.  A.  d.  In.  Jh.  im  Mu- 
seum Wallraf-Richartz  mit  Maria  Verkündigung  bat  Gott,  von  welchem 
der  Strahl  auf  Maria  ausgeht,  den  bürtigen  Typus  Christi  mit  Kreuznimbus, 
den  gleichen  hat  er  in  der  Schöpfungsgeschichte  auf  den  Domthürcn  zu 
Hildesheim  dl.  Jahrb.),  ferner  nicht  weniger  als  drcizehnmal  auf  den  den 
gleichen  Stoff  behandelnden  Keliefs  au  der  Kathedrale  von  Chartres 
(13.  Jahrh.),  deucn  der  Kathedrale  von  Orvieto,  auf  einem  Kapitell  im  Dom 
zu  Basel,  abgeb.  bei  Ca  hier,  nouveux  mclanges  d'archeol.  p.  I6ö,  auf 
einem  der  Kirche  von  Ureel  bei  Laon,  ibid.  p.  207,  in  der  Schöpfungs- 
geschichte im  Cainpo  Santo  zu  Pisa  1 14.  Jahrh.).  Benozzo  Gozzoli  je- 
doch Mellt  ebendaselbst  den  Schöpfer,  wie  Gbiberti  au  den  Thüren  des 
Baptistciiums  als  Greis  mit  langem  Barte  dar;  anstatt  der  einfachen 
antiken  Tracht  bekommt  er  eine  reichere  mit  Kaisermantel,  wozu  später 
noch  Kaiserkrone  und  Tiara  kommen. 


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Die  Extcrnstcinc. 


77 


hibliseli  beglaubigte  Gestalt  der  Taube  uiebt  mir  als  Symbol,  sondern 
als  Erscheinungsform  zur  Verfügung  balte,  nimmt  menseblicbe  Gestalt, 
speziell  die  Christi  au,  so  dass  es  beim  Mangel  unterscheidenden 
Beiwerkes  ort  unmöglich  ist,  die  einzelnen  Personen  zu  bestimmen 13). 
Durch  diese  Gleichheit  der  Gestalt,  die  dem  Dogina  entspricht,  dass 
die  drei  göttlichen  Personen  nicht  nur  ähnlich,  sondern  unter  einander 
gleich  seien,  erhielt  die  Einheit  in  der  Dreihcit  offenkundigen  Aus- 
druck und  die  Worte  im  Symholum  des  Athanasius:  „Fides  catho- 
lica  haee  est:  ut  uuum  Demii  in  trinitate  et  trinitatem  in  unitate 
veneremur"  die  beste  Versinnlichung.  Fälle,  in  denen  alle  gött- 
lichen Personen  in  völlig  gleicher  Menschengestalt  dargestellt  wer- 
den, linden  sich  vom  7.— 14.  Jahrb.  Manchmal  begnügt  man  sieh 
damit,  die  Wesensgleichheit  von  Vater  und  Sohn  durch  identische 
Personification  auszudrücken  und  stellt  den  Geist,  falls  man 
ihm  Menschengestalt  gibt,  als  den  vom  Vater  und  vom  Sohne 
ausgegangenen,  „qui  ex  patre  (ilioque  procedit",  jünger  dar,  als 
Jüngling  von  20 — 2f>  Jahren,  vom  14.  Jahrb.  ab  auch  als 
Kind1*).    Unter  den  Darstellungen,  auf  welchen  Vater  und  Sohn 


13)  Vgl.  Barbier  de  Montaull,  traite  d'iconographie  II.  25  und 
Didron  a.  a.  0.  p.  563. 

14)  Vollkommen  gleich  sind  die  3  göttlichen  Personen  nebeneinander- 
sitzend  im  Hortus  deliciarnm  (12.  Jahrh.)  dargestellt.  (Abb.  b.  Didron 
p.  565.)  Vielleicht  auch  schon  auf  einem  Sarkophage  aus  S.  Paolo  (jetzt 
im  Lateran,  2.  Hälfte  d.  4.  Jahrh.)  bei  der  Erschaffung  von  Adam  und  Eva. 
Nach  de  Rossi's  Ansicht  ist  die  auf  dem  Throne  sitzende  Gestalt  der 
Vater,  die  neben  ihm  stehende  und  die  Hand  auf  Adams  Haupt  legende 
der  Sohn,  die  hinter  dem  Throne  der  h.  Geist.  Garucci  hingegen  halt 
die  thronende  Gestalt  für  Christus,  die  zweite  für  den  h.  Geist  und  tlie 
dritte  für  Gott  Vater.  Alle  drei  sind  gleich  und  ohne  Attribute  gebildet, 
so  dass  eine  bestimmte  Unterscheidung  derselben  kaum  möglich  ist.  Vgl. 
d.  Abb.  bei  de  Kossi,  Pull.  I8G5,  69.  Auf  einer  bei  Barbier  a.a.O.  II. 
tab.  21,  Fig.  225  wiedergegebenen  französischen  Miniatur  des  14.  Jahrh. 
sind  sie  gleich,  aber  durch  die  Attribute  unterschieden.  Der  Vater  hat 
die  Weltkugel,  der  Sohn  das  Kreuz,  der  Geist  die  Gesetzestafeln.  Hin 
Beispiel  vollkommener  Gleichheit  bei  Didron  p.  156,  Abb.  eines  Holz- 
reliefs auf  den  Chorstühlen  der  Kathedrale  von  Amiens,  wohl  schon  dem 
16.  Jahrh.  angehörig:  Krönung  Marias  durch  die  3  göttlichen  Personen, 
die.  alle  den  Typus  Christi  tragen.  In  der  Miniatur  einer  Bibel  des 
13.  Jahrh.  der  Pariser  Nationalbibliothek,  abgeb.  bei  Didron  p.  35,  treten 
alle  drei  Personen  als  Schöpfer  Adams  auf,  wie  auf  dem  Sarkophage  des 
Laterans;  Vater  und  Sohn  sind  vollkommen  gleich  gebildet,  mit  kurzem 
Barte,  langem  Haar  und  Kreuznimbus,  zwischen  ihnen  erscheint  der  Geist 
als  Taube,  gleichfalls  mit  dem  Kreuznimbus  geschmückt,  auf  dein  Boden 


Anton  Kisa: 


typisch  gleich  sind,  scheint  mir  eine  Miniatur  eines  italienischen 
Speeulum  humanne  salvationis  des  14.  Jahrh.  in  der  P:iriscr  Na- 
tionalbibliothek besonders  interessant,  Christus  ist  von  seiner  Er- 
denpilgerschaft zum  Vater  in  den  Himmel  zurückgekehrt;  er  steht 
vor  ihm,  als  hätte  er  eben  das  Kreuz  verlassen,  mit  dem  Lendeu- 
sehur/.e  bekleidet  und  hebt  die  Hände  empor,  um  die  Wundmale 
zu  zeigen,  von  welchen  das  Blut  herabfliesst.  Der  Vater  empfängt 
ihn  segnend;  er  sitzt  in  langem  Gewände  da,  von  einer  Mandorla 
umgeben,  sein  Kopf  ist  von  gleichem  Typus  wie  der  des  Sohnes 
und  wie  dieser  mit  dem  Kreuzuimbus  geschmückt;  in  der  Linken 
hält  er  ein  Buch,  wie  sonst  Christus  als  Lehrer1'').  Wir  haben 
hier  denselben  Gedanken  ausgedrückt,  wie  auf  dem  Kelief  der  Ex- 
ternsteine.  Auch  dort  segnet  der  Vater  den  Sohn  nach  Vollbringtuig 
des  Erlösungswerkes  und  auch  dort  trägt  er  ein  Attribut,  die  Sie- 
gesfahne, die  sonst  dem  Sohne  zukommt,  nur  ist  der  Vorgang  auf 
der  Miniatur  in  ein  späteres  Stadium  und  in  den  Himmel  gerückt 


liegt  Adam,  den  Vater  und  Sohn  Aufrichten.  Aehnlich  eine  Dreifaltigkeit 
nach  einer  französischen  Miniatur  des  13.  Jahrh.  hei  Barbier  II,  tab.  21-, 
Fig.  227.  In  einer  Miniatur  v.  E.  d.  1».  oder  A.  d.  14.  Jahrh.  in  einem 
livre  d'heures  des  Herzogs  von  Anjou,  ahgeb.  b.  Di  droit  p.  42,  halten 
Vater  und  Sohn  in  gleicher  Gestalt  die  Weltkugel,  auf  welcher  der 
Geist  in  Gestalt  einer  Taube  mit  Kreiizniiubns  sitzt.  Zwar  menschlich, 
jedoch  jünger  als  die  beiden  anderen  göttlichen  Personen,  ist  der  Geist 
nach  Didron  in  der  Handschrift  des  h.  Duustan,  Krzbischofes  von  Canter- 
bury  (f  5)08}  dargestellt;  Vater  und  Sohn  sind  einander  gleich,  als  Könige 
von  etwa  35  Jahren  aufgefasst,  der  Geist  als  Jüngling  von  18-25  Jahren. 
Bis  zum  Kinde  verjüngt  sieht  man  den  Geist  am  Arme  Gottes  in  einem 
französischen  Gebetbnche  des  16.  Jahrh.  (ahgeb.  bei  Didron,  |>.  48:$), 
daneben  Christus,  von  gleichem  Typus  wie  der  Vater,  jedoch  kleiner, 
beide  in  Halbliguren  auf  der  Mondsichel  und  von  einem  gemeinsamen 
Mantel  bedeckt.  In  einem  französischen  Manuskripte  des  14.  Jahrb.,  die 
Erschaffung  von  Himmel  und  Erde  darstellend,  ist  das  Wort  der  Genesis: 
„Spiritus  Dei  ferebatur  super  aquas"  wörtlich  illustrirt,  indem  der  Geist 
in  Gestalt  eines  neugeborenen  Kindes  mit  Kreuznimbus  auf  den  Wassern 
schwebt.  „Spiritus"  wird  hier  gleich  genommen  mit  „auinia"  und  dem 
Geiste  die  Gestalt  gegeben,  welche  zur  Pcrsoitincation  der  Seele  üblich 
war.  (Abb.  bei  Didron  p.  4H2.  Vgl.  auch  Barbier  11.  p.  34).  Bei  Be- 
sprechung der  Kindesgestalt,  die  auf  dem  Kelief  der  Kxternsteine  darge- 
stellt ist,  wird  auf  diesen  Punkt  noch  zurückzukommen  sein. 
15)  Abb.  bei  Didron  p.  310. 

KV)  Der  Beginn  der  Pilgerschaft  Christi  wird  in  dem,  Romant  des  trois 
pelerinages"  des  Guillaume  de  Guilleville  v.  J.  1358  folgende rmasscit 


Die  Extornsteine. 


79 


Früher  dagegen,  im  Augenblicke  de»»  Kreuzestodes  erscheint  der 
segnende  Vater  auf  der  Kreuzigungsgruppe  von  Wechselburg, 
am  oberen  Ende  des  Lüngsbalkcus,  gleichfalls  in  Halhfigur  und 
dem  Sohne  vollkonmicn  gleich  gebildet,  anstatt  <lcr  Kindesgestalt 
sitzt  jedoch  auf  seiner  linken  Hand  eine  Taube. 

Die  Kindcsgestalt  wird  seit  Gicfers  allgemein  als  die  Seele 
des  dahingeschiedenen  Erlösers  gedeutet,  die  Gott  Vater  empfängt, 
um  sie  dem  Himmel  zuzuführen,  nach  den  Worten  des  Evangeliums 
„Vater,  in  Deine  Hände  empfehle  ich  meinen  Geist."  So  allgemein 
die  l'ersonineation  der  Seelen  Verstorbener  durch  eine  Kindesgcstalt 
in  der  ganzen  christlichen  Kunst  bis  in  die  Renaissance  hinein  auch 
ist.  so  vereinzelt  steht  der  Fall,  dass  ein  Künstler  sie  auf  die  Seele 
Christi  bei  der  Darstellung  des  Kreuzestodes  anwandte 17).  S eh n a ase 


«Ai-gestellt:  Gott  Vater,  mit  Krone  um)  Kreuznimbus  geschminkt,  über- 
reicht dem  „Verbum",  welches  abgesandt  wird,  um  als  Mensch  für  die 
Menschheit  zu  leben  und  zu  sterben,  die  Symbole  der  Pilgerschaft,  Wander- 
stab  und  Tasche.  Christus  erscheint  als  nacktes,  mit  dein  Kreuznimbus 
verziertes  Knablein.  (Abb.  bei  Didron  p.  302.)  In  der  byzantinischen 
Kunst  hat  das  Verbum  bei  dieser  Gelegenheit  als  Bote  Gottes  Eugels- 
gestall. 

17)  Die  Personifikation  der  Seele  eines  Verstorbenen  durch  eine 
Kindesgestalt  ist  aus  der  Antike  in  die  christliche  Kunst  übergegangen. 
Kiu  Vasengemälde  mit  der  Schleifung  Hectors  (Baumeister,  Denkm.  s. 
«Psyche"  p.  736)  zeigt  das  Viergespann  in  vollem  Laufe;  Automedon 
lenkt  den  Wagen,  hinter  dem  Hectors  Leichnam  nachschleift,  neben  dem 
Wagen  läuft  Achill;  hinten  schwebt  der  Schatten  des  Patroclos,  das  etdoiior, 
eine  kleine  Figur,  jedoch  in  voller  ltUstung,  mit  eingelegter  Lanze,  ge- 
flügelt, wie.  im  Sturmschritte  in  der  Luit  über  den  Grabhügel  laufend. 
Darunter  die  den  Ort  bewohnende  Schlange  als  Grabe«-  und  Erdsymbol. 
Die  Darstellung  des  Todtenschattens  als  beflügelte  Psyche  findet  sich  ent- 
sprechend den  Worten  Homers  (X  222)  ebenso  bei  den  wasserschbpfenden 
Danaiden  auf  einem  archaischen  Vasenbildc  und  auf  attischen  Grabvaseu 
(ibid.  s.  „Unterwelt").  Seelen  in  Kindesgestalt  finden  sich  bei  der  Psycho- 
stasi s  (Scelcnwägung),  welche  Aeschylos  in  einer  Tragödie  behandelt 
Memnon  kämpft  mit  Achilles.  Die  Mütter  der  Beiden,  Thetis  und  Eos, 
flehen  Zeus  uin  Sieg  an,  welcher  die  Loose  auf  der  Wage  wagt.  Mehrere 
Vasenbüder  zeigen  diese  Wagung,  welche  jedoch  von  Henne*  vorgenom- 
men wird.  Vgl.  die  Abb.  eines  unteritalischen  Vasenbildes  ibd.  s.  ^Memnon". 
Die  Wage  hangt  au  einem  Baume,  in  den  Schalen  derselben  stehen  die 
Seelen  der  beiden  Helden  als  kleine  geflügelte  nackte  Kinder.  Die  Schale 
Memnons  sinkt,  während  die  des  Peliden  steigt.  Die  Seelenwägung  ent- 
spricht der  homerischen  Vorstellung  X  222  v*7»)  •  •  <Lvma/irr>)  .rcroi'qrai. 
Auch  in  elruskischeu  Bildwerken  finden  sich  ähnliche  Persouiflcationen, 


HO 


Anton  Kisa: 


wollte  anfangs  an  die  Existenz  derselben  auf  dein  llelief  dir  Kxtent- 
steinc  gar  nicht  glauben,   sie  ist  jedoch  ganz   deutlich  erhalten, 


so  z.  B.  auf  einem  Scarabiius  in  St.  Petersburg,  wo  Ajax  mit  dem  Leich- 
nam des  Achilles  dargestellt  ist;  der  Geist  des  Abgeschiedenen  ist  durch 
eine  kleine  dancbcnstehcndc  lnHnnliclie  Figur  angedeutet  (Rollet,  Glyptik, 
p.  304).  Die  Symbolisirung  der  Seele  geht  also  nicht  durchwegs  auf  die 
Psyche  zurück,  sie  ist  nicht  ausschliesslich  weiblich,  sondern  nimmt  schon 
in  der  Antike  oft  das  Geschlecht  des  Verstorbenen  an,  übereinstimmend 
mit  den  Lehren  der  Platonikcr,  dass  die  Seele  die  Form  des  menschlichen 
Korners  beibehalte.  In  altchristlicher  Zeit  wird  das  antike  Motiv  der  ge- 
flügelten Psyche  selten  zur  Symbolisirung  der  Seele  verwendet.  Garueci 
storia  dell'  arte  Christ:  I.  p.  304  ff.  erwähnt  nur  eine  Darstellung  einer 
geflügelten,  gekrönten  Seele  in  betender  Stellung  auf  einem  Grabstein 
aus  Alexandrien.  Dafür  wird  diu  Symbolisirung  durch  eine  Orans,  eine 
Figur  in  betender  Stellung,  Hegel.  Auf  der  Grabplatte  des  römischen 
Mädchens  Adeodata  ist  die  Seele  der  Verstorbenen  in  die  Lüfte  erhoben, 
hinter  dem  Kopfe  ein  gespanntes  Segel;  letzteres  verrichtet  hier  die 
Functionen  der  Flügel.  Meist  wird  die  Seele  von  Kugeln  gen  Himmel 
getragen  nach  Luc.  XVI.  22,  wo  der  Tod  des  Lazarus  geschildert  wird. 
Bei  der  Darstellung  des  Martertodes  der  Ii.  Menna  auf  einer  Pyxis  steigt 
ein  Kngel  vom  Himmel  herab,  um  die  Seele  derselben  in  einem  Tuche 
aufzunehmen.  Oranten  linden  sich  auf  dem  Grabsteine  des  Priscus  im 
Museum  Kircherianum,  auf  2  Grabsteinen  in  Aquileja  und  nach  Perret 
V.  78,  2,  10  auf  denen  des  ChrysogomiH  und  Titus.  Garueci  (Storia  dell' 
arte  ital.  sub  „Aninie")  erklärt  manche  kleine  Gestalten  auf  altchristlichen 
Sarkophagen,  Wandgemälden  etc.  nicht  sowohl  für  Personiticationen  der 
Seelen,  sondern  für  die  Personen  der  Todten  selbst,  da  sie  nicht  verjüngt 
wÄren.  Das  Geschlecht  derselben  erscheint  ihm  in  vielen  Fallen  zweifel- 
haft, er  glaubt  weibliche  Seelen  auf  Grabsteinen  von  Männern  gefunden 
zu  haben,  was  auf  eine  Killwirkung  des  klassischen  Psychemotivcs  zurück- 
zuführen wäre.  So  halt  er  auch  die  Orans  auf  der  Medaille  mit  dein 
Martertode  des  h.  Lorenz  (abgeb.  b.  Kraus,  Kealencycl.  II.  286)  für  weib- 
lich. Dieselbe  ist  in  Wirklichkeit  geschlechtslos,  wie  die  Kngel;  die  schlanke 
Körperbildung  und  das  lange  Gewand  haben  allerdings  etwas  weibisches.  — 
In  den  ersten  Jahrhunderten  des  Mittelalters  sind  die  Seelen  als  kleine 
Menschen  oder  Kinder  dargestellt  und  zwar  stets  geschlechtslos,  wie  die 
Seligen  im  Himmel.  Nur  in  Haar  und  Bart,  mitunter  auch  in  den  Ver- 
hältnissen der  Körperformen  werden  Geschlcchtsunterschiede  angedeutet; 
die  Seele  des  Mönchen  erhalt  eine  Tonsur,  die  des  Bischofes  eine  Mitra, 
die  des  Königs  eine  Krone,  auch  wenn  sie  sonst  nackt  dargestellt  ist. 
Vgl.  Auber,  histoire  et  theorie  du  symbolisine  rcligicux,  Paris  1884,  p.  194. 
Kino  Erinnerung  an  die  antike  Psyche  findet  sich  noch  in  den  Mosaiken 
von  S.  Marco  zu  Venedig  aus  dem  11./13.  Jahrh.  Die  Worte:  „..et  in- 
spiravit  in  faciem  eius  spiraeulum  vitac*  sind  bei  der  Krsehaffung  Adams 
damit  illustrirt,  dass  gegen  dessen  Mund  eine  kleine  nackte  Gestalt  mit 


Die  Extemsteinc. 


mir  der  Kopf  und  der  linke  Arm  fehlen;  sie  ist  vom  linken  Arme 
CSotte»  umschlungen,  mit  einem  langen  Gewände  bekleidet  und  faltete 


Libclleuüügcln  an  dun  Schultern  zufliegt.  Das  Geschlecht  derselben  ist 
nicht  gekennzeichnet.  Die  gleiche  Darstellung  in  der  Cottonbibel.  Vgl. 
Tikknncn  a.  a.  0.  I.  p.  261.  Die  gewöhnliche  Darstellung  der  Seelen 
ist  im  Mittelalter  die  als  nackter  geschlechtsloser  Kinder,  die  beim  Tode 
des  Menschen  von  Kugeln  oder  Teufeln  empfangen  werden.  An  Bei- 
spielen, die  sich  leicht  ergänzen  lassen,  führe  ich  an : 

Elfcnhcindcckel  zum  Psalter  Karls  des  Kahlen  in  Paris,  abgeb.  b. 
Cahier  &  Martin,  nielanges  darchcol.  I  tab.  X  u.  XI,  Labarte,  bist, 
des  arts  ind.:  I.  tab.  30  u.  31.  Auf  der  oberen  Platte  Illustration  zu  Psalm  5G: 
„Et  cripuit  animam  meain  de  medio  catulorum  leonum,  dortuivi  contur- 
batus."  Ein  Engel  sitzt  mit  der  Seele  in  Gestalt  eines  kleinen  Menschen 
auf  einem  Bette,  wahrend  von  jeder  Seite  ein  Löwe  herankommt. 

Altarbekleidung  von  S.  Ambrogio  zu  Mailand,  9.  Jahrh.  Tod  des 
h.  Ambrosius.  Ein  Engel  nimmt  seine  Seele  in  Empfang  und  trägt  sie  in 
einem  Tuche,  aus  welchem  nur  der  Kopf  hervorsieht,  gen  Himmel.  Abb.  b. 
d'Agincourt  I.  tab.  26.  c. 

Ehem.  Fresken  im  Portictis  der  Kirche  alle  tre  Fontane  bei  Rom, 
13.  Jahrb.,  nach  Zeichnungen  in  der  Bibl.  Barberiui  bei  d'Agincourt 

I.  tab.  98.  Tod  des  h.  Anastasius.  Der  Heilige  liegt  auf  der  Bahre.  Hinter 
ihm  in  Wolken  die  Halbtigur  eines  Engels,  der  die  Seele  in  Gestalt  eines 
nackten  Kindes  mit  Nimbus  empfangt. 

Grabmal  des  Presbyters  Bruno  zu  Hildesheim,  12.  Jahrh.  ltelief  in 
3  Abteilungen  über  einander.  Unten  die  Bestattung,  oben  Christus  in 
Halbfigur  segnend,  in  der  Mitte  die  Seele  des  Verstorbenen  als  Kind  von 
Engeln  in  einem  Tuche  emporgetragen. 

Tod  Ludwigs  d.  Heiligen  von  Frankreich,  GlasgeinJilde  in  der  Abtei 
St.  Denis,  Mitte  des  14.  Jahrb.  lieber  dem  Leichnam  die  nackte  Halbfigur 
eines  betenden  Kindes,  von  2  Engeln  in  einem  Tuche  emporgetragen. 

HHufig  ist  die  Darstellung  von  Seelen  beim  Tode  der  Schacher; 
die  des  Bnssl'ertigen  wird  von  einem  Engel,  die  des  Unbussfertigen  von 
einem  Teufel  aus  dem  Munde  gezogen.  Vgl.  d'Agincourt  I.  tab.  133 
(Kreuzigung  des  Barnabas  von  Mutina  v.  J.  1374)  und  Barbier  a.  a.  O. 

II.  tab.  27.  Derselbe,  Gegensatz  ist  bei  Darstellung  des  Todes  des  reichen 
Prassers  und  des  armen  Lazarus  ausgedrückt.  Vgl.  d'Agincourt  t.  108. 
Engel  und  Teufel  kämpfen  um  die  Seeje  des  Verstorbenen  z.  B.  auf  einem 
Kapitell  zu  S  Miehele  in  Pavia,  11.  Jahrh.,  den  Tod  des  Gerechten  dar- 
stellend. Derselbe  liegt  auf  den»  Sterbebette,  zu  seinen  Haupten  steht 
der  Engel,  in  der  Hechten  die  Seele  als  nacktes  Kind  haltend,  zu  Füssen 
der  Teufel,  der  das  Kind  zu  erhaschen  sucht,  während  ihm  der  Engel  die 
Lanze  in  den  Bachen  stÖsst.  Vgl.  Dartein,  archit.  Lombarde.  —  Als 
nacktes  Kind,  jedoch  mit  Bischofsmütze,  Nimbus  und  elliptischer  Aureole 
erscheint  die  Seele  des  h.  Martin  in  einem  Glasgemiilde  des  13.  Jahrh.  in 
der  Kathedrale  von  Chart  res.  Vgl.  Didron,  p.  128.    Uekleidet,  doch  gleich- 

J«lirl>.  «1.  Vor.  v.  AlU  i  tWr.  (m  Hin        XCIV.  (j 


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Anton  Kis«: 


offenbar  botoud  die  1  laude.  So  erscheint  häutig  die  Seele  Marias  am 
Arme  Christi  bei  Darstellungen  i Ines  Todes.    Eine  Personification  der 

falls  in  Kindesgestalt,  ist  die  Seele  des  Ii.  Kenntnis  in  e  inem  Glasgcmäldo 
derselben  Kirehe  dargestellt.  Im  Leben  der  Ii.  Frnneisea  Itomana  liest 
man,  dass  die  Seele  des  b.  Ambrosius  von  Siena  in  prirsterliclicn  Gc- 
wandern  zum  Himmel  sticy.  Auf  einem  hy/.:Miliniseheii  Tafelgemälde 
des  10./11.  Jabrh.  im  Mus.  christ.  des  Vaticans  wird  die  Seele  des  Ii.  Ephraim 
als  Wickelkind  von  einem  Engel  in  den  geöffneten  Himmel  getragen.  Vgl. 
d'Agineourt  M.  t.  K2.  Bekleidet  ist  sie  auch  beim  Tode  des  Superiors 
Piildus  in  der  Biklerchronik  des  Klosters  S.  Viiiccnzn  .-im  Volturno,  12.  Jaltrh. 
ibd.  M.  tab.  (>!>.  Giotto  stellte  die  Seele  des  Ii.  Francisens  in  Sta.  Croee 
zu  Florenz  in  den  Gcw andern  des  Heiligen,  unlieben  von  einer  Aureole  dar. 

Nicht  nur  bei  der  Todessrene,  auch  bei  der  Belebung  des  Körpers, 
erscheint  die  Seele  personiticirt.  Abgesehen  von  der  erwähnten  Darstellung 
der  Erschaffung  Adams  in  den  Mosaiken  von  S.  Marco  zu  Venedig  findet 
si«;  sich  z.  B.  bei  der  Aufcrwockung  des  Lazarus  in  einem  byzantinischen 
Psalter  des  britischen  Museums  und  einem  der  Barboriniana;  hier  ent- 
steigt die  Seele  dem  Bachen  des  Hades.  —  Ein  Betender  bietet  Gott  bei 
Lebzeiten  seine  Seele  an,  die  als  kleines  Kind  auf  seinen  Händen  schwebt. 
Vgl.  Menzel,  ehristl.  Symbolik  I.  p.  475  f.  —  Seelen  im  Fegefeuer  in  Ge- 
stalt nackter  Kinder  finden  sich  n.  A.  am  Portal  von  St.  Trophiine  in  Arles. 
Im  Himmel  vereint  sie  Abrahams  Schoos*.  Sogar  die  antike  Psychostasis 
lindet  ihr  Seitenstürk  in  der  christlichen  Kunst.  Ein  Glasgemälde  in 
Bourges,  13.  .Jahrh.,  abgeb.  b.  Barbier  tab.  20,  214  zeigt  den  Erzengel 
Michael  als  Scclenwäger.  Er  und  der  Teufel  halten  die  Wage,  in  deren 
Schalen  2  Kinderköpfe  sichtbar  werden.  Satan  sucht  die  emporsteigende 
Schale,  herabzuziehen,  wobei  ihm  ein  kleines,  am  Boden  liegendes  Teufel- 
chen hilft.  Zu  beiden  Seiten  stehen  noch  zwei  Seelen  in  Gestalt  kleiner 
nackter  Kinder  mit  gefalteten  lliindei).  St.  Michael  ist  der  Einfuhrer  ins 
Paradies  und  hat  als  solcher  die  Seelen,  bez.  ihre  Werke  zu  wagen.  Vgl. 
die  folgende  Schilderung  vom  Tode  Marine  nach  der  Legenda  aurea. 

Ausser  Engeln  (bez.  Teuteln)  geleiten  in  seltenen  Füllen  Heilige  die 
Seele  zum  Himmel;  so  heben  z.  B.  auf  dem  Grabmale  des  Königs  Dago- 
bert in  St.  Denis,  13.  Jahrb.,  Bischöfe  in  einem  Tuche  die  Seele  empor. 
d'Agineourt,  t.  2f).  Nr.  31.  Gott  selbst  als  Empfänger  der  Seele  kommt 
meines  Wissens  nur  einmal  vor.  und  zwar  in  der  Bihlorhnndschrift  zur 
Vita  Liutgeri  aus  dem  Kloster  Werden,  jetzt  in  der  kgl.  Bibliothek  zu 
Berlin,  entstanden  um  1100,  beschrieben  von  Diekamp,  Wesffill.  Zeitscbr., 
Bd.  3H.  p.  lti->  u.  173.  Die  Seele  fliegt  in  Gestalt  eines  kleinen  Menschen, 
aber  mit  grossem,  tonsurirtem  Kopfe,  zum  Himmel  auf  und  wird  von  Gott 
in  goldener  Mandorla  empfangen.  Hingegen  ist  Gott  regelm/issig  vom 
11.  Jahrh.  ab  Empfänger  der  Seele  Märiens.  Das  Malerbuch  vom  Berge 
Athos  schreibt  für  die  Darstellung  des  „Todes  der  Goltcsgebiircrin"  vor: 

 und  ober  ihr  ist  Christus  und   hält   in   seinen  Annen   ihre  heilige 

Seele,   welche   weiss  p-kleidet  ist  und   um   ihn   ist  viel  Liebt  und  eine 


Di«'  Exlernstcinc. 


Seele  Christi  ist  ausser  dein  Kolief  der  Kxternsteinc  bisher  noch  nirgend.? 
festgestellt  worden;  wenn  Menzel  auf  Uildern  von  Marias  Verkün- 


Schaar  Engel."  Schafer,  «las  Malcrhuch  vom  Berge  Athos,  p.  278.  — 
Für  die  Darstellung  des  Gem-hten  ist  hingegen  vorgeschrieben :  „Ober 
ihm  sieht  ein  Eng«'l  freiulig  auf  ilui  und  empfangt  seine  Seele  mit  Ehr- 
furcht und  Aufmerksamkeit."  ibd.  ]i.  .'$81.  Christus  wird  ausdrücklich  als 
Empfänger  der  Seele  Märiens  bezeichnet.  Naher  begründet  ist  dies  dureh 
foljrend«'.  Erzählung  aus  der  Lugend a  anrca:  Nachdem  die  Jungfrau  todt 
war,  trugen  sie  ihren  Leichnam  in  ein  Grab  und  harrten  dabei,  wie  es 
ihnen  vom  Herrn  befohlen  war.  Am  dritten  Tage  kam  Jesus  mit  einer  Menge 
von  Kugeln  und  grüsste  die  Apostel  mit  «lein  wohlbekannten  Gritssc :  Der 
Friede  sei  mit  Euch !  Die  Apostel  aber  antworteten:  Dir  sei  der  Preis, 
o  Herr,  «1er  Du  so  grosse  Wunder  thusl.  Welche  Gunst  und  welehc  Ehre 
soll  ich  in  diesem  Augenblicke,  meiner  Mutter  erw«>isen?  trug  Christus. 
Sie  crwiedcrten :  Deinen  Dienern  erseheint  es  billig,  dass  Du,  der  Du  «len 
Tod  besiegt  hast  und  herrschest  in  Ewigkeit,  auch  wiedererweckest  den 
Leib  Deiner  Mutter  und  sie  für  immer  au  Deine  Hechte  setzest.  Christus 
stimmte  bei  und  sogleich  erschien  der  Erzengel  Micha«1!  und  brachte 
ihm  die  Seele  Marias.  Darauf  sprach  der  Herr:  Erbebe  Dich,  meine  Mutler, 
meine  Taube,  Tabernakel  d«\s  Kuhmes,  Gcläss  des  Lebens,  Tempel  des 
Himmels,  damit  Dein  Leib,  den  nie  ein  Mann  berührt  bat,  nicht  im  Grabe 
zerstört  werde.  Sogleich  kehrt«-  die  S«-cle  Marias  in  den  Leib  zurück, 
der  siegreich  das  Grab  verliess.  So  wurde  die  Jungfrau,  b.  gleiiet  von 
einer  Engelsscbaar,  gen  Himmel  entführt.'  Am  besten  veranschaulicht 
diese  Scene,  wo  Christus  die  Seele  seiiu-r  Mutter  empfangt,  nicht  sowohl 
um  sie  gegen  Himmel  zu  bringen,  sondern  um  sie  dem  Körper  zurück- 
zugehen, eine  Elfcnbeintafcl  im  Darnist;idter  Museum  (rheinisch,  II.  12.  Jh., 
aus  der  Samiidung  des  Frciherrn  von  Hübsch.  —  In  Darmstadt  selbst  und 
im  Kölner  Kunstgewerbemuseum  je  eine  Hcplik  davon).  Maria  liegt  auf 
dem  Todtenbette,  zu  Enden  desselben  stehen  je  7  Manner,  hinter  «lern 
Bette  Christus,  der  in  seinen  erhobenen  Annen  di«'  Seele  Marias,  ein 
in  Leichentücher  wie  eine  Puppe  eingewickeltes  Kind  mit  Kopftuch  und 
Nimbus  halt.  In  der  rechten  oberen  Ecke  (liegt  ein  Engel  mit  derselben 
Seele  gen  Himmel,  in  der  linken  Ecke  ist  er  mit  dein  leeren  Tuche  dar- 
gestellt, auf  welchem  <-r  die  Seele  wieder  aus  dein  Himmel  zurückgebracht 
hat.  Aehnlich  ist  «lie  Scene  auf  einem  Elfenbeini vlief  des  Kl  Jahrb.  in 
Klosterneuburg  aufgehst.  Vgl.  Mittb.  d.  C.  C.  VII.  IL».  Oft  fehlen  <\U> 
Engel,  wie  auf  dem  Elfcnbeindiptychoii  des  14.  Jahrb.  bei  Mcrkcns  in  Köln 
(ehem.  Sammlung  Essingh),  wo  die  Seele  Marias  in  Kindesgcstalt,  mit 
langem  Gewände  bekleidet,  auf  dem  I.  Arme  Christi  sitzt.  Als  nacktes 
Kind  sieht  man  sie  auf  einem  rutheuischen  TaiVIgemälde,  abgeb.  b.  d'Agin- 
court  M.  tab.  H'J.  Maria  liegt  hier,  von  Aposteln  und  Frauen  umgeben, 
auf  d«'iii  TodU-nbette,  hinter  ihr  erscheint  Christus  in  d«-r  Mandnria,  auf 
dem  I.  Arme  das  Kind  haltend,  dessen  Heine  halb  von  seinem  Acrmei 
\erdcckt  werden.  Variationen  «!erselb<  n  Seen«-  timleu  sich  u.  A.  auf  einem 


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Anton  Kisa: 


digung  «las  Kind,  welches  in  oiiiom  Stinhlenbündel  von  dein  Munde 
Gottes  aus  nach  Marias  Ohr  zufliegt,  für  «Ii«*  Seele  Christi  hält,  so 
steht  er  mit  dieser  Erklärung  wohl  allein  Ks  ist  sicher  nicht  die 
Seele,  sondern  die  Leibesfrucht  gemeint,  wie  auch  aus  der  rothen 
Fiirbunj?  des  Kindes  auf  verschiedenen  Darstellungen  hervorgeht'0). 
Der  Vergleich  unseres  Reliefs  mit  der  Krciizi^unp^ruppc  in  Wechsel 
Unrg  könnte  die  Vermuthtnifr  nahe  lege»,  dass  hier  ilie  Kindcsgestalt 
und  dort  die  Taube  in  der  Hand  Gottes  SymMe  für  ein  und  die- 
sclbe  Vorstellung  seien.  In  der  That  tinilet  sich  der  h.  Heist  auch 
in  Gestalt  eines  Kindes  dargestellt,  und  zwar  zur  Illustration  der 
Worte  der  Genesis  X.  2:  „Spiritus  Dei  ferebatur  super  a<|ttasu,  in 
einer  Miniatur  des  14.  Jahrb.,  wo  man  „Spiritus"1  für  gleichbedeu- 
tend mit  raniina"  nahm  und  den  (»eist  Gottes  in  Gestalt  eines  nack- 
ten Kindes  mit  Kreuznimbus  auf  den  Wassern  schwimmen  liess*0). 


rheinischen  F.lt'ciibeinrclicf  des  11.  Jahrb.  im  Kunstgewerbemuseum  zu  Köln, 
in  Oer  Bildcrhandsehrift  des  11.  Jahrb.  im  Dome  zu  Hildcsheim  (vg\. 
F.  C.  Heimann  in  d.  Zeitsehr.  f.  christl.  K.  III.  sp.  137\  auf  «1er  musivi- 
selien  Tafel  der  opera  del  duoino  zu  Florenz  (v^l.  Kraus  in  der  Zeitsehr. 
f.  christl.  K.  IV.  201  IT.),  in  den  Bronzethüren  des  Domes  zu  Pisa,  am 
Willibrord-Traualtar  zu  Trier,  einer  Arbeit  des  12.  Jahrb.  (vjrl.  aus'in 
Wert  Ii,  Kunstdenkm.  d.  Rlieinlande  tab.  CO,  .'ta),  im  Fmail  des  Oihoriunis 
von  Klostcrueubur;r,  13.  Jahrb.  (v;rl.  Mitth.  d.  C.  0.  TX.  1.  1),  auf  einem 
fHasgcmalde  der  Patrocluskirehc  zu  Soest.  Anfjr.  d.  13.  Jahrb.  (vgl.  Al- 
d  en  k  i  rch  en,  Mittelalterl.  K.  in  Soest,  Bonner  Winckelmanusprogramm  1X75*, 
in  einer  Federzeichnung  der  Biblia  pauperum  zu  St.  Florian,  um  1300, 
in  einem  Relief  des  Museums  Wallraf-ltichartz,  13.  Jahrb.,  auf  Orcngnas 
Tabernakel  in  Or  San  Miebele  in  Florenz  u.  s.  w.  Beispiele  bis  ins  1<>.  Jh. 
hinein  bei  A.  Schultz,  die  Lebenden  vom  Leben  der  Jungfrau  Maria, 
Leipzig  1S7H.  —  In  der  altchristlichon  Kunst  ist  die  Darstellung  des  Todes 
Mariae  vermieden,  vor  dem  J.  1000  ist  sie  selten. 

18)  Menzel,  christl.  Symbolik  I.  p    175  0". 

19)  Beispiele  der  „roueeptio  per  au  rem"  u.  A.  bei  Heider,  Beitrüge 
zur  christl.  Typologie,  j>.  31,  tab.  5,  Otte,  Handb.  d.  christl.  Kuiistarchiio). 
p.  001;  anfeinem  Aitartncbe  der  Wiescnkirclic  zu  Soest,  An  fg.  d.  11.  Jh. 
(vgl.  Aldenkirchen  a.a.O.),  dem  Hochaltar  der  Marienkirche  zu  Lübeck 
0415—1425;  vgl.  Goldsehmidf,  Lübecker  Malerei  und  Plastik,  IXflCn, 
einem  Olasgemalde  von  142-1  in  St.  Jakob  in  Rothenburg  a,  d.  T.,  einem 
niederrhein.  Gemälde,  tun  1500,  in  der  Dannstädter  tlallerie,  einem  Flügel- 
altar  in  der  Martinskirchc  zu  Oberwesel,  ders.  Z.  u.  s.  w.  In  der  ^seijuenlia 
Slae.  Mariae",  12.  Jahrb.,  heisst  es:  .Dir  cham  ein  chinf,  frowe,  dnr  diu 
öre.  (Lac  hin  an  n,  rheiu.  Mus.  f.  Philologie  1X31.  p.  42X.) 

20;  Vgl.  Note  14,  am  Schlüsse. 


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Diu  KxternMeine. 


sr, 


In  einem  Ii  vre  d'hcures  des  lö.  Jalirli.  in  »kr  Pariser  Xational-Bil>- 
liothek  tritt  in  derselben  Seene  an  Stelle  des  Rinden  die  Taube41). 
Seele  und  Geist  werden  also  mit  einander  verwechselt.  Es  würde 
dem  Dogma  nicht  widersprechen,  wenn  man  die  Seele,  welche  aus 
Christi  Leib  hervorgeht,  mit  dem  Geiste  Gottes  idcutilieirt,  also  in 
der  Seele  Christi  zugleich  den  h.  Geist  dargestellt  hätte,  so  dass 
damit  alle  drei  göttlichen  Personen  auf  dem  Relief  vertreten  gewesen 
waren;  wir  hätten  dann  Vater  und  Sohn  in  identischen  Typen 
und  den  tieist,  welcher  von  beiden  ausgeht,  als  Seele  Christi,  wo- 
mit die  Einheit  in  der  Drciheit  ausgeprägt  wäre.  Andererseits  wird 
die  Taube  in  altchristlicher  Zeit,  namentlich  in  Ratakombcngemäl- 
den  und  auf  Grabmälern  häutig  als  Symbol  der  Seele  angewandt"). 
Nach  der  Legende  schwebte  die  Seele  des  h.  Polycarp,  der  h.  Scho- 
lastika, Adrian,  Potitus,  Wilhelm,  Medard«»  u.  s.  w.  als  Taube  gen 
Himmel.  In  deutschen  Sagen  nnd  Märchen,  wie  in  den  Dramen 
des  Mittelalters  finden  sich  die  Seelen  Verstorbener  durch  Vögel 
svmbolisirt Darnach  könnte  mau  auch  auf  der  Kreuzigungsgmppc 
zu  Wechselburg  eine  Idcntifieirung  von  Geist  und  Seele  annehmen, 
indem  mau  die  Taube  nicht  bloss  als  Symbol  des  göttlichen  Gei- 
stes, sondern  zugleich  auch  als  das  der  Seele  Christi  autTasst ;  wir 
halten  dann  auch  in  ihr,  wie  im  Relief  der  Externsteine  die  Ein- 
heit in  der  Drciheit  ausgedrückt.  Aber  diese  Erklärungen  scheitern 
au  der  Thatsaehe,  dass  eine  lVrsonification  des  h.  Geistes  in  Rin- 
desgestalt vor  dem  1-1.  Jahrh.  nicht  nachzuweisen  ist;  erst  von  da 
ab  beginnt  man  das  Dogma,  dass  der  h.  Geist  vom  Vater  und  vom 
Sohne  ausgeht  dadurch  zu  illiistriren.  dass  mau  den  Geist  als  den 
jüngsten  von  beiden,  selbst  als  Kind  bildet.  Hingegen  ist  die  Dar- 
stellung der  Seele  in  Kindesgestalt  im  frühen  Mittelalter,  namentlich 
bei  Todesscenen  feststehend.  Die  Figur  am  Arme  Gott  Vaters  auf 
unserem  Relief  ist  offenbar  den  Personitieationcn  der  Seele  Ma- 
riae  am  Arme  Christi  nachgebildet,  der  Künstler  verwandte,  indem 
er  sieh  dabei  über  die  Tradition  hinwegsetzte,  die  allgemein  Übliche 
Gestalt  zur  Personitiealion  der  Seele  des  sterbenden  Erlösers. 

Demnach  erkennen  wir  in  der  oberen  Halbtigur  Gott  Vater, 
in  der  Gestalt  Christi,  der  mit  ihm  eines  ist  —  die  Wesenseinheit 

20  Di -hon,  ji.  ii.  <>.  p.  452. 

22i  Menzel  a.  a.  <  >.  II.  p.  44.1.    Krüns,  a.  n.  O. 
231  Au ber,  a.  a.  O.  IV.  p.  1!H. 


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Aul  (.11  Risa: 


durch  die  Gleichheit  des  Typus  ausgedrückt  —  in  seinen  Annen 
die  Seele  des  sterbenden  Erlösers  empfangend;  als  wesensgleich  mit 
dem  Sohne  gebührt  ihm  ebenso  wie  diesem  der  Krcuznimbus  und 
die  Kreuzcsfabnc.  Kreilich,  wenn  man  in  dem  oberen  segnen- 
den Gotte  und  in  dem  gekreuzigten  Gotte  zwei  ungleiche  I'er- 
sonen  erblickt,  bereitet  die  Erklärung  der  Kreuzesfahne  Schwie- 
rigkeiten. Eine  solche  Trennung  lag  aber  nicht  im  Geiste  der  Zeit, 
die  unbedenklich  Gott  bei  «1er  Erschaffung  Evas  mit  dem  Kreuze 
in  der  Hand  auftreten  und  das  Tuennia  bei  Marine  Verkündigung 
von  Christus  ausgehen  liess,  der  ja  erst  geboren  werden  sollte. 
Christus  als  sterbender  Erlöser  am  Kreuze,  Christus  als  Gott  Vater 
segnend  darüber  und  Christus  als  St  ele  in  seinen  Armen  —  in  drei 
Gestalten  doch  ein  Gott. 

Der  Kitas  des  Segnens  nähert  sich  der  sog.  byzantinischen 
Weise,  indem  der  Damnen  den  vierten  Finger  berührt,  doch  verlangt 
das  strenge  Schema  auch,  dass  der  dritte  Finger  leicht  gebogen  wer- 
den soll,  während  er  hier  nach  lateinischem  Kitas,  ebenso  wie  der 
zweiten  gerade  gestreckt  ist.  Die  byzantinischen  Künstler  selbst  hal- 
ten das  strenge  Schema  nicht  immer  ein,  das  Malerbuch  vom  Merge 
Athos,  —  welches  freilieh  nicht  eine  Art  Gesetzbuch  für  den  byzan- 
tinischen Künstler  war,  wie  man  bisher  annahm,  sondern  die  l'rivat- 
arbeit  eines  Mönches  im  lti.  Jahrb.,  der  darin  alte  Kezcpte  zu- 
saiiimenfasste  —  gibt  für  die  Fingerhaltung  keine  genaue  Vor- 
schrift i4' :  dieselbe  Geberde  des  Segnens.  wie  sie  auf  unserem 
l'clicf  vorkommt,  lindet  sich  auch  auf  byzantinischen  Arbeiten.  Aus 
»liesein  Umstände  allein  kann  man  jedoch  noch  nicht  auf  eine  Ab- 
hängigkeit von  byzantinischen  Vorbildern  sehliesscn,  denn  der  mor- 
genläiidische  Ritus  des  Segnens  bürgerte  sieh  auch  im  Abendlande 
ein,  er  findet  sieh  in  der  altehristlichen  Kunst,  /..  \\.  in  den  Mosa- 
iken von  Korn  und  Kaveuna  neben  der  lateinischen  angewandt  und 

211  Vgl.  Kraus,  a.a.O.  suh.  „Segnen-.  Auf  »lein  Kllcnheiukruzilix 
«I.  ehem.  Saimnlg.  Kssingh  /.u  Köln  erseheint  »heu  die  göttliche  Ha  ml  mit 
Her  Inschrift  aus  l'salin  117  i. US)  |f,:  Dcxtä  Dni.  feeit  virtutem.  Vollstän- 
dig lautet  die  Stelle:  Dextera  Doinini  feeit  virtutem,  dextera  Doinini  ex- 
alt» vi!  nie.  dextera  Dni.  feeit  virtutem:  nnn  moriar,  sed  vivain  et  nariaho 
<i|>ent  Dni.  Die  segnende  Hand  deutet  also  zugleich  die  l'nstei  hliehkeit 
des  Krlösers  an.  Vgl.  15.  J,  1 1  *>.  (Ute  u.  aus'm  Werth,  Zur  Ikonogr.  d. 
Kru/ilixe>.  Hey.,  des  Malerhuches:  Vgl.  H.  Hroekhaus,  Die  Kunst  in  den 
Atho-klöstern.  Leipzig  lsm. 


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Dil-  KxleniMcine. 


kehrt  in  der  Kunst  des  Mittelalters  auch  nach  der  Trennung  der 
beiden  Kirchen  tiiitiH^  wieder,  wenn  auch  dieses  Ereignis*,  wie 
Kraus  vermnthet,  zu  einer  bewussten  strengen  Scheidung  der  bei- 
den Arten  des  Selliens  geführt  hat.  Dagegen  ist  der  Eiutluss  by- 
zantinischer Kunst  in  den  Gestalten  von  Maria  und  Johannes  unver- 
kennbar —  langgestreckte  Typen  mit  dünnem,  parallelem  Faltenwurf, 
im  Gegensätze  zu  den  gedrungenen  Formen  von  Josef  von  Arima- 
thia  and  Nicodemus  —  dann  in  der  Auffassung  des  Johannes  als  bär- 
tigen, gereiften  Mannes  im  Gegensatze,  zur  abendländischen,  welche 
den  Eichlingsapostcl  Jesu  als  bartlosen  Jüngling  sieht").  Die  Ge- 
berde des  Aufhebens  der  rechten  Hand  ist  bei  ihm  ein  Zeichen  der 
Trauer,  sie  nähert  sieh  dem  ans  der  Antike  in  die  altchristliche 
Kunst  übergegangenen  Gestus  des  Stutzens  des  Kopfes  auf  die  Hand 
»»der  des  Anlegens  der  Hand  an  die  Wange  Die  Tracht  des  Jo- 
hannes ist  die  antike,  während  bei  Maria  das  Uebcrgewand,  der 
im  Kücken  hcrabwallenile  Schleier,  das  den  Hals  in  dünnen  Falten 
umschnürende  Tuch  der  deutschen  Frauentracht  des  1 1.— 12.  Jahrb. 
angehören.  Aehulich  sind  die  Frauengestalten  auf  den  llronzereliefs 
Bemwards  von  Hildesheini  gekleidet;  sie  haben  lange  Tuniken  mit 
langen,  engansehliessenden  Acrmeln,  darüber  ein  weitärmliges  ( Iber- 
gewand, Kopf  und  Hals  dicht  vom  Schleier  umhüllt,  welcher  rück- 
wärts mantelartig  herabfällt.  Lttbkc-7»  erkennt  den  germanischen 
Charakter  in  der  Tracht  Marias  an,  erklärt  jedoch  die  der  Krie- 
ger soll  heissen  des  Josef  v.  A.  und  des  Nicodemus)  für  römisch, 
ebenso  Piper*8;.  Ein  Wiek  auf  die  Kopfbedeckungen  der  Heiden 
lässt  den  Irrt  hm»  Lübkes  erkennen.  Sie  sind,  um  einen  schon 
bei  Jornandes  ittber  d.  Gothen)  vorkommenden  Ausdrnek  zu  ge- 
brauchen rpileati"  d.  h.  sie  tragen  die  für  die  germanischen  Stämme 
im  Gegensätze  zu  den  Kölnern  charakteristischen  spitzen  Kopfbe- 
deckungen. Die  des  Josef  v.  A.  geht  in  einen  Knopf  aus,  ist  also 
eine  hclmartigc  Kappe  von  Stahl  oder  Leder  mit  Metallhcschlag; 


25)  Vgl.  St  <>  v  k  ha  ue  r,  KuiistgcNcliii-hte  des  Kreii/.es.  SchnlThau- 
seii  1870. 

2*0  Vgl.  Kraus  a.  n.  O.  s.  „Hand".  Das  Malet  'buch  vom  Berge  Atlios 
schreibt  für  die  Darstellung  lies  Johannes  hei  der  Kreuzigung  vor:  „N'ehen 
Chrisius  steht  der  Theolog  Johannes  mit  Traurigkeit  und  hält  seine  Hand 
an  seine  Wange-. 

•J7>  Lübke,  n.  a.  <>. 

■2S)  Evang.  Kalender,  1*5»;,  ,,.  03  f. 


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MS 


Anton  Ki  sii: 


die  des  Nicodcinus  liat  wnlstartige  Längssticifcn  und  einen  gefloch- 
tenen Hand,  sie  ist  ein  kegelförmiger  Strohhut  ohne.  Krempe,  ein 
pileus  ex  culmis  eontextus,  ein  pileus  phncninus,  wie  er  zuerst  im 
10.  Jahrh.  erwähnt  wird,  da  aber  bereits  als  weit  verbreitete  Volks- 
tracht, namentlich  unter  den  Sachsen  erscheint.  Widukiud  be- 
richtet, das»  die  ganze  Heersehaar  von  32.000  Mann,  welche  König 
Otto  gegen  den  Oralen  Hugo  nach  Krankreich  führte,  mit  einziger 
Ausnahme  des  Abtes  von  Corvey  und  seiner  drei  Begleiter  mit  solchen 
Strohhüten  ausgestattet  war-1').  Dazu  kommt  noch  da«  enganlie- 
gende Lederwamms  der  Beiden  mit  den  langen  knapj)cn  Aermeln, 
das  bei  Josef  gegürtet  ist  und  die  bis  unter  <lie  Kniee  reichende 
Tunica,  unter  welcher  der  faltige  Saum  eines  dünnen  Untergcwan- 
des  zum  Vorschein  kommt.  Die  Art  der  Bcinbcklcidung  ist  bei 
dem  jetzigen  Zustande  des  Reliefs  nicht  mehr  erkennbar;  wir  haben 
wohl  an  eng  anschliessende  Beinkleider  und  strumpfartige  Schuhe 
zu  denken,  ähnlich  wie  sie  Longinus  auf  der  Miniatur  der  Kreuzi- 
gung in  der  Aachener  Bilderhandschrift  Kaiser  Ottos  I.  trägt30). 

Die  Krage,  welcher  von  den  beiden  Männern,  die  den  Leich- 
nam Christi  vom  Kreuzt"  abnehmen,  Josef  von  A.  und  welcher  Nico- 
demus  sei,  lüsst  sieh  nicht,  wie  Braun  versucht,  aus  dem  Berichte 
im  Kv.  Job.  19,  38,  39  entscheiden,  denn  dort  heisst  es  nur, 
das*  Josef  den  Leichnam  mit  Erlaubniss  des  Pilatus  abnahm  und 
Nicodcuuis  dazu  kam  und  Myrrhen  und  Aloen  zur  Rinbalsamirung 
mitbrachte.  Auf  unserem  Belief  sind  beide  mit  der  Abnahme  be- 
schäftigt und  zwar  beide  in  gleich  hervorragender  Weise,  während 
sonst  dem  Nicodcinus  mehr  die  Rolle  einer  Nebenperson,  eines  Hel- 
fers zugedacht  ist,  indem  man  ihn  die  Nägel  aus  den  Händen  oder 
Küssen  Christi  herausziehen  lässt,  oft  in  kuieender  oder  hockender 
Stellung.    Durch  den  Vergleich  mit  einem  romanischen  Wandge- 

29)  Abbildungen  dieser  Kopfbedeckung  sind  selten.  Kine  ähnliche 
wie  die  des  N.  (ludet  sieli  noeli  in  d.  Heidelberger  llnndschr.  d.  Sachsen- 
spiegels.   Vgl.  Li  iidensehmit,  Handl».  d.  d.  Allerthutnsk.  1.  |>.  32ö. 

'M)  l>i«  Tunicn  desselben  ist  an  den  Hüften  etwas  gebauscht  und 
reicht  bis  an  die  Kniee.  Die  beiden  anderen  Soldaten  haben  gleiche 
Tuniea,  der  eine  mit  kurzen,  der  andere  mit  langen,  bis  an  die  Knöchel 
reichenden  Aermeln.  Dazu  trägt  L.  Hosen,  kurze,  strumpfartige  Schuhe 
und  einen  Mantel.  Vgl.  He is.se I,  a.  a.  O.,  tat».  ,\\;  für  Hüte  und  Helm- 
formen: Hefner.  Trachten  etc.  1.  tab.  24;  im  Uebrigen  f.d.  Tracht:  Die 
Stickereien  auf  der  Kaiserdalmaticn  in  St.  l'eter  in  Horn,  nbgeb.  bei  Rock, 
Kleinodien  d.  Ii.  Köm.  Reiches  tab.  IS  u.  19. 


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Die  Externsteine. 


89 


mälde  der  Kreuzabnahme  in  der  Kirche  zu  Neuenbeken  bei  Pader- 
born, welchem  die  Namen  der  handelnden  Personen  beigeschrieben 
sind,  gelang  es  Dewitz  festzustellen,  dass  die  untere,  den  Leich- 
nam Christi  in  ihren  Armen  aufnehmende  («estalt  Josef  sei.  Er 
steht  dort  gleichfalls  links,  neben  Maria  und  schlingt  die  Arme  um 
den  Gekreuzigten,  dessen  Körper  jedoch  noch  nicht  herabgesunken 
ist11).  Noch  besser  und  dem  Relief  der  Externsteine  ähnlicher  ist 
das  Motiv  des  Aufl'angens  an  dem  Relief  der  Kanzel  in  S.  Lionardo  in 
Arcetri  bei  Florenz  (Mitte  des  12.  Jahrb.)  ausgedrückt,  wo  die  Na- 
men der  handelnden  Personen  unten  auf  dem  Sockel  angebracht 
sind"),  nur  steht  Iiier  Josef  auf  einer  Leiter,  die  an  den  Quer- 
balken des  Kreuzes  angelehnt  ist,  während  Nicodemus  auf  der  rech- 
ten Seite  neben  Johannes,  das  Myrrhcngefüss  vor  sich,  in  hocken- 
der Stellung  «dt  einer  Zange  die  Füsse  Christi  von  den  Nägeln 
befreit.  Die  Funktion  Josefs  ist  auf  allen  byzantinischen  und  roma- 
nischen Darstellungen  der  Kreuzabnahme,  —  welche  übrigens,  nament- 
lich vor  dem  11.  Jahrb.  nicht  häufig  sind  —  die  gleiche.  Er  längt 
den  Leichnam  Christi  in  seinen  Armen  auf,  ist  also  nicht  sowohl 
der  Abnehmer,  als  der  Empfänger  des  Leichnames.  Seine  Stellung 
jedoch  wechselt,  er  ist  bald  links,  bald  rechts,  manchmal  mit  Nico- 
demus auf  derselben  Seite  angebracht  und  nur  durch  seine  Funktion 
als  Empfänger  der  Leiche  vor  seinem  Genossen  gekennzeichnet ™). 

Vgl.  Dewitz  a.  a.  O.  Atlas  tab.  14.  Fig.  2. 

32)  Abgcb.  bei  K.  Fürst  er,  Beitrage  •/..neueren  Kunstgesch.  tab.  I. 
Fig.  2  u.  Lübke,  Gesch.  d.  Plastik,  I.  p.  43«. 

:Mt  Die  Stellung  von  Josef  und  Nicodemus  schwankt  bei  den  in 
friihromanischcr  Zeit  nicht  allzuhUutigcn  Darstellungen  rler  Kreuzabnahme. 
Bald  steht  Jo.vf  rechts,  bald  links,  mitunter  beide  neben  einander  auf 
derselben  Seite.  —  Auf  der  Miniatur  der  Kreuzabnahme  im  Missale  V.  f<2 
der  Bibl.  zu  Bamberg  (10.  Jh.)  steht  J.  rechts,  bartlos,  mit  Nimbus,  in 
langem  blauen  (ie wände  und  fleischfarbigem  Mantel.  Fr  umspannt  mit 
der  Linken  die  Hüften  Christi.  Im  Codex  Fgberti  (Abb.  bei  Kamhoux, 
Beitrügt-  zur  Kunstg.  tab.  18,  Vöge  a.  a.  O.  p.  1*20  u.  nnderwttrts)  steht 
J.  I.,  N.  r.,  durch  Beischriften  gekennzeichnet.  J.  fasst  den  Oberkörper 
unter  dm  Armen,  N.  die  rnlcrsehcnkcl.  Im  Keliternaeher  Codex  (abgeb. 
B.  J.  17,  tab.  I"0  ist  J.  I.,  N.  r. ;  ähnlich  wie  im  Vorigen  fangt  der  erstere 
Christum  auf,  wahrend  N.  seine  Knie«'  fasst  und  hebt.  Dasselbe  Motiv  im 
Codex  Heinrichs  II.  in  d.  Münchener  Staatsbibl.  Ciin.  HS,  Bl.  24*t>,  vgl. 
Vöge,  a.a.O.  p.  Gl,  bez.  71)  und  in  dem  Codex  desselben  Kaisers,  ibd. 
Cim.  57  (abgcb.  I».  Vöge  p.  221).  In  den  4  zuletzt  genannten  Hand- 
schriften, deren  Bilder  von  den  Kcielicnnucr  Wandgemälden  abhängig 
sind,  erscheinen  J.  und  N.  bartlos,  in  reicher  antiker  Tracht.   F.ine  mehr 


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90 


Anton  Kisa: 


Entweder  stellt  er  auf  dem  Hoden,  oder  nach  der  byzantinischen 
Vorschrift  auf  einer  Leiter,  manchmal  auch  auf  einem  niederen 
iSchemel,  wie  auf  dem  Kclief  vom  ehem.  Vineenzkloster  zu  Breslau 
a.  d.  12.  Jahrh.  (abgeb.  hei  Dewitz.  Atlas  tab.  14,  1)  und  auf  der 
Miniatur  der  Kreuzabnahme  im  Bamberger  Missalc  Ed.  III.  H.  Auf 
dem  Elfenbeindcckcl  eines  Evangeliars  der  harhet  mischen  Bibliothek 
in  Korn  (abgeb.  b.  d' Agincottrt,  Plastik  XII  24)  steht  er  sogar 

realistisch«'  Auffassung,  bei  welcher  die  antike  Tradition  der  Knrolinger- 
zeit  schon  ganz  zurücktritt,  liildet  sich  im  II.  Jahrh.  aus  und  erscheint, 
soweit  ich  die  Denkmäler  Übersehen  kann,  gleichzeitig  in  der  byzantini- 
seilen,  Mie  in  der  ahcndltlndischcn  Kunst.  Jedenfalls  war  schon  damals 
für  erstcre  die  Vorschrift  mnnssgebend,  welche  das  Malerbuch  vom  Berge 
Athos  für  die  Darstellung  der  Kreuzabnahme  gibt:  „Ein  Berg,  und  das 
Kreuz  ist  in  die  Erde  befestigt  und  eine  Leiter  an's  Kreux  angelegt  und 
J.  steht  oben  auf  der  Leiter  und  hiilt  Christum  in  der  Mitte  des  Leibes 
umfangeu  und  reicht  ihn  hinunter.  Und  die  Heiligste  (Maria)  steht  unten, 
umfangt  ihn  in  ihren  Armen  und  küsst  ihn  ins  Angesicht,  l'nd  hinter 
der  Mutter  Gottes  sind  die  Salbölt rfigcriniicn,  und  Maria  Magdalena  hiilt 
seine  L.  und  küsst  sie  und  hinter  Josef  steht  Johannes  der  Theolog  und 
küsst  seine  II.  Und  N.  nimmt,  ein  wenig  kniccml,  mit  einer  Zange  die 
Nagel  aus  seinen  Küssen  und  neben  ihm  ist  ein  Korb.  Und  unter  dem 
Kreuze  ist  der  Sehadel  des  Adam,  wie  bei  der  Kreuzigung-.  So  erscheint 
auf  dem  byzantinischen  Belbjuiar  des  II. — 12.  Jahrh,  im  Pomschatze  zu 
Gran  J.  bei  der  <uoxudi)l«>at;  dicht  hinter  Christus  auf  einer  Leiter,  als 
barhäuptiger  Alter  mit  Nimbus  und  kurzer,  durch  kreisförmige  Stickereien 
verzierter  Tunica  und  umfang  den  herabsinkenden  Oberkörper  des 
Heilandes;  unten  rechts  zieht  N.  mit  einer  Zange  die  NHgel  aus  dessen 
Füssen.  (Abgeb.  in  der  Gazette  archeol.  1887  tab.  3i>  mit  Beschreibung 
von  Molinierl.  Ganz  ähnlich  ist  die  Szene  auf  dem  cmaillirten  Buch- 
deckel eines  byzantinischen  Kvangeliars  in  der  Marcusbibliothek  zu  Ve- 
nedig. Auf  einem  byzantinischen  Klfenbeinrelief  mit  der  Kreuzigung, 
Abnahme  und  Grablegung  in  der  Bibliothek  zu  München  (Gypsabguss  im 
Germanischen  Museum)  finden  wir  J.  zur  L.  auf  der  Leiter;  sein  Antlitz 
ruht  auf  der  Brust  Christi,  dessen  Körper  er  mit  den  Armen  umschliesst  ; 
auf  derselben  Seite  kniet  unten  N.,  die  Nitgel  ausziehend,  r.  steht  ein 
dritter  Mann  auf  einer  Leiter  und  befreit  die  Hand  Christi  vom  Nagel. 
Auch  Maria  und  Johannes  stehen  I.,  da  die  nebenan  befindliche  Dar- 
stellung der  Grablegung  den  Baum  zur  B.  einengt.  Auf  dem  Boden  zur 
B.  steht  J.  auf  einem  byzantinischen  Elfenbeinrelief  zu  Hannover  (Gyps- 
abguss  im  Genn.  Museum)  und  fangt  mit  Maria  den  herabsinkenden  Leich- 
nam auf,  während  sich  N.  links  niederbeugt,  um  die  Nitgel  auszuziehen. 
In  der  abendbtndischen  Kunst  zeigt  sich  die  realistische  Auffassung  bei 
der  Kreuzabnahme  an  der  Erzthüre  von  S.  Zeno  in  Verona.  Christus 
steht  in  leichter  Schräge  nach  1.  auf  dem  Fussbrette,  das  biirtige,  etwas 


Die  F.xteinsteine. 


!H 


auf  dem  Kopfe  eines  kleinen  nackten  Menschen,  der  am  Kreuz- 
ende mit  betend  gefalteten  Händen  sitzt,  Adams,  iil*  Kepräsentan 
ten  der  durch  Christi  Opfertod  erlösten  Menschheit.  Aber  auch 
Xicodemus  bedarf  mitunter  einer  erhöhten  Stellung,  wenn  er  die 
Nägel  aus  den  Händen  Christi  zieht,  wie  auf  dem  Marmorrelief  der 
Kreuzabnahme  von  Hcnedetto  Antelnmi  im  Dome  zu  Parma  v.  J. 
1178,  wo  er  anfeiner  Leiter  und  auf  dem  Elfenbeindyptiehon  v. 

nach  I.  gesenkte  Haupt  mit  einer  Krone  geschmückt,  bis  zu  den  Kniecn 
mit  dein  I.endentuche  Umkleidet.  Die  Art,  wie  J.  zur  L.  seinen  Leih  um- 
fasst,  entspricht  der  Bewegung  auf  den  Kxtemsteineu.  Die  Verwandt- 
schaft beider  Gestalten  erstreckt  sieh  aueli  auf  die  Stellung  der  Beine 
und  die  Tracht:  cngarmeligcs  Ledcrwanims,  vom  Gürtel  abwärts  eine  bis 
unter  die  Kniee  reichende  Tunica,  auf  dem  Kopfe  eine  spitze  Kappe. 
Auch  N.,  welcher  r.  .steht,  bereit  mit  der  Zange  die  Nittel  aus  den  Händen 
Christi  zu  ziehen,  welche  noch  an  dem  Querbalken  haften,  tragt  die  Tunica 
und  eine  gleiche  Kappe.  Sie  unterscheidet  sich  von  den  Judenhttten  auf 
dem  nebenan  befindlichen  Itclief  der  Geisseluug  wesentlich  und  nähert 
sich  vielmehr  dem  Pilcus  der  Externsteine,  wenn  auch  die  Andeutung: 
von  Flechtwerk  fehlt.  Diese  Merkmale  sprechen,  wie,  der  Stilcharakter 
und  die  Nachricht  von  der  Stiftung  der  Thüreu  durch  einen  Grafen  von 
Cleve  für  deutschen,  speziell  siiehsiseben  Ursprung-.  (Vgl.  Bcissol  in  der 
Zeitschr.  f.  christl.  K.  V.  »12  ff.)  Kine  wohl  derselben  Zeit,  dem  11.  Jahrh. 
angehörige  Gruppe  der  Kreuzabnahme  in  runden  Figuren  schmückt  den 
Deekel  eines  Bronze-Heliquiars  aus  Mastricht  im  Germanischen  Museum. 
Hier  umfangt  .1.  in  gebückter  Haltung  zur  L.  den  noch  beinahe  aufrecht 
stehenden  Leichnam,  dessen  L.  noch  am  (Querbalken  haftet  und  von  N. 
zur  H.  mit  einer  grossen  Zange  losgelöst  wird.  Auf  einem  Klfenbeinrclief 
des  12.  Jahrh.  im  Dome  zu  Hildesheim  steht  J.  I.  auf  einer  Treppenleiter, 
r.  unten  ist  X.  gebückt,  in  der  üblichen  Function.  In  dein  Missalc  F.d.  111.8 
der  Bamberger  Bibl.  (wohl  12.  Jahrh.)  steht  J.  1.  auf  einem  niedrigen 
Schemel  und  fangt  Christus  auf;  auch  er  tragt  den  spitzen  Hut,  blaue, 
roth  gegürtete  und  verbrämte  Tunica,  rothe,  über  die  Kniee  reichende 
Strümpfe  und  gleichfarbige  Schuhe:  N.  fehlt  ganz.  Merkwürdigerweise 
trögt  J.  auch  auf  dein  Marmorrelief  der  Kreuzabnahme  von  Bcncdetto 
Antelami  v.  .1.  1178  im  Dome  zu  Parma  (abgeb.  b.  Lübke,  Gesch.  d. 
Plastik,  3.  Aufl.  I.  4.'W)  eine  Mütze  mit  verziertem  Handwulst,  welche  aber 
nicht  spitz,  sondern  etwa«  gerundet  ist  und  wagerechte  Streifung  hat,  die 
wohl  gleichfalls  auf  Flechtwerk  hindeutet.  Auch  seine  übrige  Tracht  — 
faltige,  über  die  Kniee  reichende  Tunica  mit  engen  Aenneln,  sockenartige, 
Iiis  an  die  Knöchel  reichende  Schuhe  —  entspricht  den  deutschen  Dar- 
stellungen. N.  erklimmt  1.  eine  Leiter,  um  den  Nagel  aus  Christi  Hand 
zu  ziehen.  --  Auf  der  Kreuzabnahme,  die  das  Dach  des  Schreines  der 
vier  grossen  Kcliquien  im  Münster  zu  Aachen  schmückt  (l.-J.  Jahrh.)  steht 
J.,  der  Christum  auffängt  1.;  unten  auf  derselben  Seite  zieht  ein  Maun 


Anton  Kisa: 


E.  (1.  l.'k  Jalirli.  aus  dem  Besitze  <les  Reiehsgrafcn  von  Würzbnrg 
(abgeb.  h.  Hefner,  Trachten,  III.  tah.  147),  wo  er  auf  einem  Fel- 
sen steht. 

Auch  auf  unserem  Relief  hat  Xieodemus  einen  erhöhten  Stand, 
die  Stütze,  auf  der  er  sieh  emporgeschwungen  hat.  gilt  allgemein 
für  einen  Sessel,  Goethe,  der  sie  nach  einer  ihm  von  Christian 
Rauch  eingesandten  Zeichnung  für  einen  umgebogenen  Baumstamm 
erklärt  hatte,  wird  von  Gicfers  dafür  mit  den  Worten  ahgethan: 
.Was  Goethe  betrifft,  so  gilt  dessen  Urtheil  hier  gar  nichts,  so 
dass  er  den  Sessel  mit  der  schön  verzierten  Lehne  für  einen  Baum 
ansah,  der  sich  durch  die  Schwere  des  Manne*  umbog"54).  Ein 
Stuhl  oder  ein  Schemel  als  Stütze  für  X.  wäire  nichts  ungewöhn- 
liche*. Die  Verwendung  solcher  Möbel  bei  Darstellungen  der  Kreu- 
zigung geht  auf  die  byzantinische  Sitte  zurück,  Personen  von  Rang 
und  Würde  auf  Fussbänken  oder  Tritten  stehen  zu  lassen.  Christus 
selbst.  Maria  und  Johannes  erhalten  Schemel  unter  die  Füssc,  um 
dadurch  ihre  Erhabenheit  auszudrücken  '•  ).   Aus  einem  solchen  Möbel 

knicoiid  die  Nägel  aus  den  Füssen  Christi,  wahrend  r.  ein  anderer,  bärtiger 
die  Hände  loslöst.  Ks  sind  liier  also,  wie  in  dein  erwähnten  byzantinischen 
Klfenbeinrelief  zu  München,  die  Functionen  des  N.  zwei  verschiedenen 
Personen  zugewiesen.  Nahe  verwandt  der  Graner  und  venezianischen 
Darstellung  ist  ein  Klfenbeinrelief  des  I  t.  Jahrh.  im  Valican  (ahgeh.  b. 
Harbi er  a.  a.  O.  IJ.  tab.  21,  299),  wo  J.  Christum  von  I.  auffängt  und  N. 
r.  kniet. 

.11)  Giefers  a.  a.  O.  p.  K*>. 

35)  Km  nach  Sclnincnnark  um  COO  entstandenes,  in  Wirk- 
lichkeit frühromanisches  Kruzifix  zeigt  Christum  auf  einer  Fussbank 
stehend  iVergl.  Zeitschrift  für  christliche  Kunst  ts.t)0.  Sp.  Iii*).  Auf  einem 
italienischen  Klfenbeinrelief  des  12.  Jahrb..  das  bei  der  Mailänder  Aus- 
stellung 187-1  zu  sehen  war,  steht  Maria  auf  einem  würfelartigen  Schemel. 
Das  schon  erwähnte  Klfenbeinrelief  derselben  Zeit  im  Domschatze  zu 
Büdesheim  zeigt  Maria  auf  einem  Schemel,  der  aus  1  gedrehten,  schräge 
gestellten  Füssen  und  darauf  liegendem  Kissen  besteht,  während  Johannes 
auf  einem  Felsstücke  steht.  Kin  kleines  Holzrelief,  wahrscheinlich  rhei- 
nische Arheit  derselben  Zeit  labgeh.  Gazette  areheol.  IHK;*,  tab.  17t,  gibt 
die  Kreuzigungs.szene  mit  Maria,  Johannes,  Konginus  und  Stephaton  (dem 
Krieger  mit  dem  Kssigschwammc>;  die  vier  genannten  Personen  stehen 
sämmtlich  auf  niederen,  wiirfclartigen.  auf  der  Vorderseite  mit  zwei 
rechteckigen  Ausschnitten  versehenen  Schemeln.  Im  13.  Jahrhundert  ver- 
wandeln sich  diese  Untersatze  bei  Maria  und  Johannes  in  die  knieenden 
Gestalten  des  überwundenen  Heidcnthuines  und  Judenthumes.  Andere 
hervorragende  Personen  erhalten  namentlich  in  der  monumentalen  Plastik 


Die  Hxternstcine. 


'XI 


entwickelte  sich  in  frühromanischcr  Zeit  das  Snppcdanenm,  das 
Fussbrctt.  welches  mit  dem  Kreuze  fest  verbunden  wurde  und  vom 
12.  Jahrh.  ah  mitunter  die  (iestnlt  einer  Konsole  annimmt.  Rci  <len 
wirklichen  HinrichtimgskreHzcn  der  Römer  war  dasselbe  gar  nicht 
vorhanden,  es  fehlt  auch  hei  vielen  Darstellungen  der  Kreuzigung, 
die  bis  ins  11.  Jahrh.  reichen3").  Selbst  auf  dem  Relief  der  Ex- 
ternsteine  finden  wir  kein  eigentliches  Fussbrett,  sondern  eine  leichte 
Abschrägung  und  Verbreiterung  des  unteren  Krenzbalkcns,  welche 
bis  dicht  an  den  Roden  reicht  und  den  beiden  Endigungcn  des 
Querbalkens  entspricht.  Das  Kreuz  erhält  dadurch  eine  ungewöhn- 
liche Form  und  nähert  sich  dein  sogenannten  byzantinischen  Kreuze 
mit  verbreiterten  Enden;  aber  das  obere  Ende  des  Läiigslmlkens 
hat  als  Absehluss  eine  Tafel  oder  besser  gesagt,  einen  zweiten, 
kleineren  Querarm,  wie  er  bei  den  Krückenkreuzen  Üblich  ist.  Auf 
demselben  findet  sich  nur  selten  der  Titulus  aufgeschrieben,  auch 
auf  den  Externsteinen  findet  sich  von  demselben  keine  Spur,  wohl 
aber  sind  darin  zwei  wagcrechto  Linien  vertieft,  welche  vermutheu 
lassen,  dass  man  dies  in  späterer  Zeit  als  einen  Mangel  empfand 
und  einen  Titulus  anbringen  wollte  ST). 

Der  naheliegenden  Annahme,  dass  die  Stutze,  auf  der  Nieode- 
ntus  steht,  ein  Stuhl  sei,  widerspricht  die  Form  derselben  ganz  und 
gar.  Rei  Kreiizigungsscenen  der  frlihromanisehen  Zeit  finden  wir 
durchweg  nur  Schemel  oder  kleine,  truhenartige  Tritte  angewandt, 
nirgends  wirkliche  Sitzstühle  oder  gar  Sessel  mit  Rückenlehnen, 
denn  als  solche  erscheinen  im  frühen  Mittelalter  nur  die  Thronsessel 
und  Excdren,  deren  Forin  uns  in  zahlreichen  Miniaturen  erhalten 
ist.  Ihr  Aufbau  ist  meist  streng  architektonisch:  Vier  senkrechte 
Stützen,  von  denen  die  beiden  rückwärtigen  die  Lehne  bilden  und 
in  Knäufe  oder  Thierköpfe  auslaufen,  die  Seitenlehnen  schräge  ab- 
laufend.   Ein  anderer  Typus  ist  in  den  Faltstühlen  repräsent irt,  zu 

Drachen  und  andere  Thiere  unter  die  Füssc.  besonders  häutig  tritt  dies 
bei  Grubniälern  auf.  wo  bis  in  die  Renaissance  hinein  Löwen  und  Hunde 
als  Untersätze  beliebt  sind,  während  sie  bei  I'fe-ilerfijruren  in  die  (Jestalt 
einer  architektonischen  Konsole  übergehen. 

!W)  Vgl.  Otte  und  aus 'in  Werth,  Zur  Ikonographie  de«  Kruzifixes, 
B.  J.  44. ••15. 

:}7)  Das  Krückcnkreux.  erscheint  durchweg-  ohne  Titulus  in  der 
Aachener  Handschrift  Ötto's  T.,  ferner  in  der  Münchencr  Mnndschrift 
Cim.  5H,  im  Codex  F.gberti,  auf  dein  Deckel  in  S.  Marco,  auf  dem  «tra- 
ner lleliijiiinr  u.  a. 


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94 


Au  ton  Kisa: 


denen  auch  «1er  Sc**ol  Dagobert*  zu  zählen  ist.  Kin  dritter  Typus,  flir 
reiche  Rronzescssel,  wie  z.  I?.  der  Kaiserstuhl  von  fioslar,  ange- 
wendet, lehnt  sieh  in  der  Rundung  von  Rück-  und  Seitenlehne  an 
antike  Formen  an31*).  Und  nun  vergleiche  man  mit  diesen  Typen 
den  angeblichen  Stuhl  auf  unserem  Relief.  Kr  zeigt  im  Profil  ein 
nach  unten  stark  verbreitertes  Vorderbein,  dessen  Rasis  gleichsam 
aus  einer  stärkeren  Schichtung  besteht,  die  ollenbar  im  Hoden  wur- 
zelt, während  das  angebliche  voluteuförmige  Hinterbein  nur  eben 
den  Roden  berührt;  eine  zweite  Volute  schwingt  sieh  nach  aufwärt*, 
als  Rückenlehne  so  unbequem  wie  möglich  gestaltet.  Die  sockel- 
artige Schichtung  an  dem  angeblichen  Vorderbein  entspricht  den 
Verdickungen  am  unteren  Theile  von  Pfiauzcndarstellungcn  in  der 
Kunst  des  10.  und  11.  Jahrb.,  so  z.  R.  im  Codex  Vigilauu*  des 
Kscorial  (vollendet  976,  Kig.  1  und  2,j,  in  den  Reliefs  der  Itemwards- 


thür  zu  Ilildesheim  (Fig.  3),  an  einem  aus  Narval  geschnittenen 
Spielsteine  des  12.  Jahrb.  bei  Hefner  a.a.O.  II.  lab.  TT  i Fig.  4) 
u.  a.  Knischieden  plhuizenartig  ist  die  obere,  an  einen  Schachtel- 
halm erinnernde  tUicdcrung,  welche  auf  der  Zeichnung  bei  Dewitz 
unrichtig  wiedergegeben  ist  und  die  Form  hat,  wie  sie  Fig.  :">  zeigt. 

Vgl.  die  ßcRHcl formen  in  der  Miniaturhaudschrifl  aus  Kloster 
Altcnzell  in  der  Universitats-Kibl.  zu  Leipzig  (lüoO-1 101),  abgeb.  b.Hcfner 
a.a.O.  I.  tal>.  5.M),  im  Stuttgarter  Maityrologiuni  von  1188  libd.  II.  tab.  75) 
u.  a.  —  Kino  der  modernen  ähnliche  Form,  bei  welcher  die  Rückenlehne 
eine  leichte  Schweifung  nach  aussen  und  dns  Sitzbrett  am  Ausätze  des 
vorderen  Stuhlbeines  eine  Volute  zeigt,  findet  sich  bei  der  Darstellung 
des  Johannes  auf  dem  Tassilokclche.  Ks  ist  jedoch  schwor  zu  sagen,  was 
hier  phantastisches  Zierwerk  und  was  konstruktive  Form  ist,  da  das  Niello 
in  bandartige  Streifen  aufgelöst  erscheint,  (ibil.  I.  tab.  K. j 


Qrbor 


Nf.  i. 


Kig.  *. 


Ffe  s. 


Die  ExternBteine. 


96 


Vor  der  Biegung  und  vor  der  Verästelung  befinden  sieh  Wulste, 
wie  man  sie  namentlich  in  der  Initialornamentik  der  Zeit,  welche 
Pflanzenmotive  verwerthet,  an  solchen  Punkten  beobachtet,  wo 
Ranken  abzweigen,  auch  bei  Fig.  1,  2,  8  (Ranke  vom  Eltenbein 
decke]  eines  Evangeliencodex  des  10.  Jahrhunderts  in  der  Univer- 
sitätsbibliothek zu  VVürzbnrg,  abgebildet  bei  Hefner,  a.  a.  0.  I. 
tah.33)  und  Fig.  7  (Ranke  von  der  RernwardsthUr).  Die  Form  der 
beiden  Verästelungen  entspricht  den  Plattformen  frühromanischer 
Zeit.  Dicht  an  der  Einschnürung  setzen  zwei  kleine  Voluten  ab, 
Uber  welche  sich  der  Hauptast  hinausschwingt,  um  sich  am  Ende 
gleichfalls  zusammenzurollen.  Die  Innenseite  zeigt  dicht  aneinan- 
der gereihte  Einkerbungen,  wie  sie  schon  an  den  Plattformen  der 
karolingischen  Zeit  vorkommen,  nur  sind  sie  hier  bereits  schärfer 
und  zackiger  geworden,  mit  konkaven  Abschlüssen  nach  aussen  und 


mg.  5.  Kl*.  4.  Kl*.  7. 


*  Kl  fr.  «. 

gegen  den  Stamm  gekehrten  Rippen.  Die  Abzweigung  der  kleinen 
Voluten  an  der  Einschnürung  gleicht  denen  auf  Fig.  4,  7  und  S. 
Da  die  Verwendung  naturalistischer  Motive,  speziell  von  Pflanzen- 
formen, zur  (Jcstaltung  eines  Sessels  für  die  frühromanische  Zeit 
eine  Anomalie  wäre,  kann  man  nicht  anders,  als  auf  Goethes 
Ansicht  zurückkommen,  dass  die  Stütze  für  Nicodemus  kein  Sessel 
in  Form  eines  Raumes,  sondern  ein  Raum  selbst  ist;  freilich  hat 
er  etwas  ungewöhnlich  schweres  und  klotziges,  dies  erklärt  sich 
aber  ans  der  Ungewohnhcit  uud  dem  Unvennögeu  des  Künstlers,  in 


5)0 


Anton  Kisa: 


grossen  Verhältnissen  zu  arbeiten.  VVa-s  uns  in  einer  Miniatur,  in 
einem  Elfeubeinrelief  nicht  weiter  aufgefallen  wäre,  tritt  hier  bei 
der  Ausführung  in  grossem  .Maassstabe  unangenehm  hervor.  Das» 
der  Raum  nur  zwei  Verästelungen  hat.  ist  nicht  ungewöhnlich  und 
auch  durch  die  Kaumverhältnisse  bedingt,  denn  weitere  paarweise  Ver- 
ästelungen hätten  in  die  Gestalten  Johannis  und  des  Xicodemus 
einschneiden  müssen,  auch  hätte  der  Baum  dadurch  etwas  zu  Spie- 
lendornamentales angenommen,  was  nicht  im  Charakter  des  Reliefs 
liegt.  Wohl  aber  ist  der  Mangel  an  Schwung,  die  schroffe  recht- 
winklige Biegung  des  Stammes  auffallend,  welche  wohl  in  erster 
Linie  die  Beobachter  dazu  verleitet  hat,  einen  Sessel  anzunehmen. 
Den  Bildhauer  mag  dazu  nebenbei  wohl  das  Bestreben  veranlasst 
haben,  Nieodemus  einen  für  das  Auge  möglichst  sicheren  Stand  zu 
verleihen,  in  erster  Linie  aber  ist  dieselbe  auf  die  Vorliebe  für 
gewaltsame,  schroffe  Verschiebungen  und  Verdrehungen  zurück- 
zuführen, wie  sie  auch  in  den  Bewegungen  der  Personen  des  Reliefs 
hervortritt,  so  in  der  Kopthaltung  Marias,  in  der  Art  wie  Johannes 
die  Rechte  erhebt  und  namentlich  in  der  völlig  rechtwinkligen  Biegung 
des  herabsinkenden  Leichnames.  l>cr  Künstler  hat  hier  ein  aus 
Miniaturen  der  Ottoiienzeit  überkommenes  Motiv  des  Zusammen- 
knicken* in  seiner  derben,  ungefügen  Weise  bis  an  die  äusserstc 
Grenze  getrieben39).    Die  byzantinische  Kunst  lässt  den  Überkörper 


35))  Auf  dem  erwähnten  I{elic|iiiar  im  Domschat/.e  zu  Gran  sind  die 
Hände  Christi  vom  Kreuzbalken  losgelöst,  der  Oberkörper  sinkt  nach  I., 
er  und  der  Kopf  sind  jedoch  in  Vorderansicht  gegeben;  der  r.  Ann 
hiingt  kraftlos  herunter  und  wird  von  Marin  umfangen,  der  I.  ist  an 
den  Leib  gedrückt;  die.  Kniet-  sind  nach  r.  gewandt,  die  Heine  stehen 
noch  auf  dem  Fussbrette  fest.  Achnlich  ist  die  Stellung  auf  dem  Kllen- 
bcinrelief  zu  München  und  dem  Buchdeckel  der  Marcusbibliothek:  der 
Leib  ist  auf  diesem  jedoch  in  den  Hüften  etwas  nach  r.  ausgebogen,  der 
r.'Obcrnrin  platt  an  die  Bru.st  gelegt,  der  Unterarm  wagerecht  von  Maria 
gestützt.  Im  Bamberger  Missale  A.  II.  T>2,  a.  d.  10.  Jahrh.  sinkt  Christus 
nach  r.;  der  bartlose  Kopf  ist  mit  dem  N'inibus  verschen,  der  Körper  von 
den  Hüften  bis  zu  den  Knieeu  mit  einem  dunkelvioletten  Gewände  be- 
kleidet. Kr  wird  von  Josef  an  den  Hüften  aufgefangen.  In  der  Hand- 
schrift Kaiser  Otto*8  I.  in  Aachen  sinkt  Christus  nach  I.  und  wird  von 
Josef  an  der  Brust  und  unter  den  Achseln  aufgenommen ;  die  Beine  sind 
schräge  gestellt,  die  Füssc  bedeckt  Nieodemus  mit  einem  Tuche.  Achnlich 
im  Codex  Kpternacensis  und  im  Codex  Kgberti.  Derber  ist  das  Motiv  des 
Zusammenknicken*  in  den  Miniaturen  aus  der  Zeit  Heinrich's  II.  wieder- 
gegeben.   In  der  Münchencr  Handschrift  Cim.  W  Bl.  2W>  sinkt  Christus, 


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Die  Kxternsteine. 


H7 


Christi  regelmässig  vom  Querbalken  losgelöst  erscheinen  und  nach 
links  hinabsinken,  jedoch  so,  dass  Kopf  und  Oberkörper  in  Vorder- 
ansicht bleiben,  während  Unterleib  und  Heine  die  entgegengesetzte 
Wendung  nach  rechts  erhalten,  wobei  oft  die  Kniee  herausgedrückt 
werden.  Diesen  Contrapost  behält  auch  die  italienische  Kunst  des  frühen 
Mittelalters  bei,  die  abendländische  hingegen  vergröbert  das  Motiv, 
indem  sie  —  wie  in  der  Aachener  Handschrift,  im  Codex  Egberti 
uud  Codex  Epternaccnsis  —  den  Leichnam  nicht  in  der  Hüfte  seitwärts 
biegt,  sondern  vorn  überhängen  lässt  und  damit  auch  den  Contra- 
post vermeidet.  Die  Hiegung  ist  jedoch  nirgend  so  stark,  wie  an 
den  Externsteinen,  selbst  nicht  in  der  Münchener  Handschrift  Cim. 
Ö7  aus  Heinrichs  IV.  Zeit,  wo  das  Motiv  in  Folge  der  senkrechten 
Ueinstellung  an  Gewaltsamkeit  unserem  Relief  nahekommt.  Die 
ottonischc  Kunst  bildet  den  ganzen  herabsinkenden  Leichnam  im 
Drcivicrtel-Profil  mit  schräge  gestellten  Heincn,  auf  den  Extern- 
steinen sinkt  der  Oberleib  völlig  rechtwinklig  nieder,  während  die 
Heine  eine  leichte  Drciviertelprotilstellung,  die  sich  der  Vorderan- 
sicht nähert,  behalten. 

Die  übrigen  Einzelheiten  des  oberen  Reliefs  sind  durch  die 
Forschung  geuügend  klar  gestellt,  so  dass  ich  über  dieselben  hin- 
weggehen darf.  Nur  eine  kurze  Bemerkung  über  die  Personifica- 
tionen  von  Sonne  und  Mond  ober  den  Enden  des  Querbalkens  will 


bartlos  und  bekleidet,  nncli  1.,  so  dass  sein  Oberkörper  mit  dem  Quer- 
balken parallel  ist,  wahrend  Unterleib  und  Beine  eine  schräge.  Stellung; 
nach  r.  haben  und  vom  Krcuzbalkcn,  der  kein  Fussbrett  bat,  losgelöst 
sind.  Die  Arme  sinken  kraftlos  herab.  —  In  der  Müneheuer  Handschrift 
Cim.  57  (abgeb.  bei  Yögc  a.a.O.  p.  22I)  ist  die  Biegung  fast  rechtwinklig, 
da  die  Beine  senkrecht  herabhängen.  Bei  den  drei  letztgenannten  Dar- 
stellungen stehen  Kopf  und  Körper  im  Dreiviertelprofil.  Auf  dem  Relief 
der  Kr/t  Mir  von  St.  Zeno  und  auf  dem  Hclkpuenschreine  im  Genn.  Mu- 
seum aus  Mastricht,  11.  Jahrli.,  ist  Christus  noch  beinahe  aufrecht  und 
neigt  das  Haupt  leicht  nach  I.  Dort  sind  noch  beide  Hände  am  Quer- 
balken angenagelt,  hier  nur  noch  die  L.,  die  Rechte  ist  losgelöst  und  von 
Maria  aufgenommen;  Josef  umfasst  den  Körper  oberhalb  der  Hüften. 
Auf  dem  Elfenbeinrelief  zu  Hannover  siukt  der  Oberkörper  nach  r.,  die 
Beine,  stehen  senkrecht  auf  dein  Fussbrette.  Auf  dem  zu  Büdesheim 
(12.  Jabrh.),  sinkt  er  gleichfalls  nach  r.  und  wird  von  dem  auf  einer 
Treppenleiter  stehenden  Josef  aufgefangen.  Im  Bamberger  Missale  Ed.  III.  8 
{12.  Jahrb.  Ende)  sinkt  Christus  nach  1.,  während  die  Kniee  r.  hinausge- 
drückt sind  —  der  byzantinische  Contraposto.  Den  beiden  erstgenannten 
byzantinischen  Arbeiten  stehen  zwei  italienische  am  nächsten:  Das  Relief 
Jalirl..  il.  Ver.  v.  AU.Ttlnfr.  im  Kli.  iiil.  XCIV.  7 


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Anton  Kim»: 


ich  hier  noch  an  tilgen.  Diese  seit  dem  (i.  .lahrh.  in  der  abendlän- 
dischen Kunst  gewöhnlichen  Hegleiter  der  Kreuzigung  bez.  Kreuzalh 
nahnie,  haben  Goethe  an  ähnliche  Darstellungen  auf  Mithrns-Rc- 
licfs  erinnert  und  ihn  durch  seine  harmlose  Bemerkung  darüber  un- 
bewußt zum  Schöpfer  jener  Legende  gemacht,  die  seit  Braun  die 
Externsteine  mit  dem  Mithraskult  in  Verbindung  bringt  und  in  neuerer 
Zeit  unter  den  Iiiinden  eines  phnntasievolUn  Dilettanten  geradezu 
erschreckende  Dimensionen  angenommen  hat.  Man  hat  darüber  ge- 
stritten, ob  Sonne  und  Mond  durch  Personen  verschiedenen  oder 
des  gleichen  Geschlechtes  dargestellt  seien,  Giefers  nennt  beide 
Kinder,  Piper  erklärt  sie  einmal  für  /mnäxta,  später  die  Sonne  ftlr 
weiblich,  den  Mond  für  männlich.  Schnansc  dagegen  die  Sonne  als 
Knaben.  Pipers  spätere  Ansieht  wird  u.  A.  durch  ein  Elfenbein- 
relief in  Dresden  unterstützt,  auf  welchem  der  Geschleehtsuntcrsehied 
vou  Sonne  und  Mond  dem  deutschen  Sprachgebrauche  folgt.  Ge- 
wöhnlich aber  ist  der  lateinische  massgebend,  so  auch  auf  unse- 
rem Relief.  Die  Sonne,  in  Knahcngestalt,  ist  mit  einein  Blumen- 
kranze und  Strahlennimbus  geschmückt,  der  Mond  durch  lang 
wallendes  Haar  als  weiblich  bezeichnet10). 

Die  grösste  Schwierigkeit  bereitet  den  Erklärern  «las  untere 
Relief,  weshalb  Manche,  wie  Giefcrs,  es  vorzogen,  sich  mit  ihm 
gar  nicht  zu  befassen.  Jahrhunderte  hindurch  den  Unbilden  des 
Wetters  und  der  Zerstörnngslust  pietätloser  Hände  preisgegeben, 
ist  dieser,  den  Sockel  des  Ganzen  bildende  Theil  erst  in  neuerer 
Zeit  von  einem  Gitter  umgeben  worden  und  sc»  vor  weiteren  Zer- 
störungen einigerinaassen  geschützt.  Die  Darstellung  ist  eigenartig 
und  verräth  selbständige  Schöpferkraft.  (Vgl.  Fig.  10.)  Mit  ziem- 
licher Deutlichkeit  erkennt  man  trotz  der  starken  Beschädigungen 
zwei  knieende  Gestalten,  die  eine  zur  Rechten,  männlich,  bärtig  und 

in  S.  Lionnrdo  in  Areetri  und  die  Kreuzabnahme  von  Benedetto  Antelami. 
Auf  ersrerem  ist  der  Oberkörper  in  Vorderansicht  gefreiten,  jedoch  der 
Kopf  im  Dreiviertelprofil  geneigt,  der  Körper  in  den  Knieen  nach  r.  aus- 
gebogeu,  so  dnss  eine  Verdrehung  in  den  Hütten  .stattfindet;  den  r.  herab- 
hängenden Ann  las»!  Maria,  den  ).,  der  theilwoise  am  Oberkörper  anliegt, 
küsst  .Johannes.  Der  Conlrnposto  ist  hier  wieder  klar  ausgesprochen. 
Auf  dem  Relief  von  Benedetto  ist  der  Oberkörper  nach  r.  geneigt,  wah- 
rend die  Beine  senkrecht  auf  «lein  Fussbrette  stehen. 

•tOi  Vgl.  Piper,  Mythologie  der  ehristl.  Kunst.  II.  p.  11  Ii.  -  Ders., 
Die  Abnahme  Christi  vom  Kreuz  am  Kxlernstein  im  Kvang.  Kalender  1ST»i'.. 
—  Stock  bauer  a.  a.  O. 


Die  Externsteine. 


nackt,  die  andere,  zur  Linken,  weiblich,  in  ein  langes  («owand  gc- 
kleiilet,  Haupthaar  und  Hai«  mit  einem  enganliegenden  'fliehe,  gleich" 
dem  der  Maria  auf  dem  oberen  Relief  bedeckt.  Die  Blicke  beider 
Gestalten  sind  dem  oberen  Vorgänge  zugewandt,  die  Brust  und  die 
Anne  im  Vordergrunde  von  Schlangen  Windungen  umgehen,  die  rück- 
wärtigen Arme  in  senkrechter  Rarallelstellnng  flehend  emporgehoben. 
Vor  und  zwischen  ihnen  sind  die  Reste  eines  grossen  vogelartigen 
Thieres  zu  erkennen.  Der  Bildhauer  Ernst  v.  Bändel,  der 
Schöpfer  des  Hermannsdenkiuales  giebt  ihm  auf  seiner  bei  Mass- 
mann a.  a.  0.  und  in  Bodes  Geschichte  der  deutseben  Plastik 
wiedergegelKMien  Zeichnung  Löwenftlssc  und   Löwenklaucn;  die 


fehlendcn  Theile  ergänzt  er  so,  dass  der  Hals  des  vorderen  Thieres 
sieh  mit  den  Windungen  der  Schlange  zur  Rechten  verbindet  und  auf 
diese  Weise  ergiebt  sieh  ihm  eine  Draehengcstalt  mit  dem  Ober- 
körper eines  Löwen,  welche  mit  ihrem  langen,  schlangenförmigen 
Halse  die  männliche  Gestalt,  Adam,  so  umwindet,  das»  ihr  Drachen- 
kopf nach  rechts  hinausragt,  während  der  Schwanz  die  weibliche 
Gestalt,  Eva,  umschlingend,  in  Windungen  nach  links  endigt.  De- 
witz hingegen  sieht  wohl  ein,  dass  der  Vorderleib  des  Thiercs 
nichts  Löweunrtiges  habe,  dass  zumal  die  Beine  und  Füssc  die 
eines  Vogels  sind  und  macht  zugleich  darauf  aufmerksam,  dass  der 


100 


Anton  Kisa: 


Hals  «los  vogelartigen  Thiere*  viel  zu  dünn  gebildet  sei,  um  mit 
\len  Windungen  der  Schlange  zur  Rechten  in  Verbindung  gebracht 
werden  zu  können ;  er  nimmt  daher  zwei  verschiedene  Thiere  an,  einen 
Vogel  und  eine  .Sehlange,  welche  Eva  mehrere  Male  umwinde,  wäh- 
rend sie  Adam  zwar  in  ihrer  Gewalt  habe,  ohne  ihn  jedoch  wie 
Eva  zusammenzuschnüren.  Rechts  hätten  wir  dann  nach  0.  den 
Kopf  der  Schlange  (des  Paradieses),  links  deren  Hude  zu  erblicken. 
In  dem  zufälligen  Umstände,  dass  Eva  von  der  Schlange  stärker 
umwunden  wird  als  Adam,  glaubt  er  die  Absicht  des  Künstlers  er- 
kennen zu  sollen,  Eva  als  den  Thcil,  der  die  grössere  Schuld  am 
Stlndenfalle  trage,  auch  entsprechend  ärger  btissen  zu  lassen.  An 
dieser  Tändelei  mit  einem  zufälligen  subjectiven  Einfalle  lässt  er 
sich  aber  nicht  gentigen ;  seine  Rhantasic  geht  noch  weiter,  während 
er  sich  bemüht,  dem  vogelartigen  Thiere  Namen  und  Existenzbcrechti 
gung  zuzuweisen.  Er  sieht  in  ihm  einen  —  Pfau,  dem  die  Schlange 
den  Kopf  abgebissen  haben  und  ihn  nun  in  ihrem  Rachen  (rechts)  da- 
vontragen soll.  Durch  den  toten  Vogel  hatte  angeblich  der  Künst- 
ler die  Absieht  anzudeuten,  dass  die  Sünde  tötet;  er  wollte  den 
leiblichen  Tod  in  Folge  der  Sünde  vcrsinnliehcn,  zugleich  aber  auch 
die  Unsterblichkeit  der  Seele,  denn  der  Pfau  gelte  in  der  altchrist- 
liehen  Kunst  als  Symbol  des  Todes  und  der  Unsterblichkeit,  da 
sein  Fleisch  unverweslich  wäre.  Daraus  leitet  er  nun  eine  Parallele 
mit  dein  Vorgange  auf  dem  oberen  Relief  ab,  wo  gleichfalls  der 
leibliche  Tod  und  die  Unsterblichkeit  der  Seele  versinulieht  werde. 
Im  Bemühen,  Unterstützung  für  seine  gewagte  Annahme  herbeizu- 
holen, versteigt  sich  D.  bis  ins  mohammedanische  Paradies.  Ich 
will  ihm  dahin  nicht  nachfolgen,  sondern  zur  Kennzeichnung  seiner 
Beweisführung  nur  folgende  Stelle  anführen.  In  einer  Züricher 
Handschrift  des  12.  Jahrb.  liest  er:  „Voce  satan,  plnme  seraphin, 
cervicc  draconem,  grossu  furtivo,  designat  pavo  latronem.u  Und 
im  Freydank:  „Der  pliftwe  diebes  «liehe  hat,  tiuwels  stimme  und 
engels  what."  Das  deutet  doch  wohl  auf  C'harakteranlagen  lies 
Pfaues,  die  mit  denen  der  Paradiessehlange  verzweifelte  Aehnlich- 
keit  haben.  Doch  D.  zieht  aus  den  Sprüchen  getrost  die  Lehre: 
„Der  lebende  Pfau  ist  also  ein  Bild  der  Menschen  anf  Erden." 

Wenn  der  Künstler  einen  Pfau  hätte  darstellen  wollen,  so  wäre 
es  ihm,  dem  in  der  Katakombcukunst  und  auf  altchristlichen  Sar- 
kophagen angewandten  Typus  folgend,  ein  Leichtes  gewesen,  ihn 
als  solchen  zu   kennzeichnen,  zumal  in  der  Vorderansicht.  Von 


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Die  E.xtcrnsteine. 


101 


einem  Pfnuenrade  limlet  sich  auf  dein  Kelief  keine  Spur,  ebenso 
wenig  vermag  ich  in  dem  Hachen  der  Sehlange  rechts  einen  Pfaucn- 
kopf  zu  erkennen,  denn  was  D.  flir  den  Schnabel  und  die  herab- 
hängenden Halslcderu  des  Pfaues  hält,  sind  nichts  als  hörn-  bez. 
bartartige  Auswüchse  des  Schlangen-  oder  Drachenkopfes41).  Die 
richtige  Erklärung  ergibt  sieh  durch  die  Ergänzung  der  durch  ge- 
waltsame Zerstörung  entstandenen  Lücke  zwischen  a  und  b,  auf 
welche  Dewitz  verzichtet,  da  er  keine  anzugeben  weiss  und  nicht 
in  den  oben  angeführten  Fehler  Massinanns,  bez.  Bändels  ver- 
fallen will.  Hier  sass  der  Kopf  des  Vogels,  welchen  D.  in  den 
Hachen  der  Schlange  verlegt,  an  dem  Halse  fest  und  hiss  in  den 
Körper  Adams.  Der  Leib  dieses  Vogels,  von  welchem  bei  c  und  d 
auch  die  Ansätze  der  zusammengefalteten  Flügel  noch  deutlich  sicht- 
bar sind,  setzt  sich  in  zwei  schlangenartigen  Schweifen  fort,  welche 
das  Menschenpaar  umwinden  und  an  beiden  Enden  rechts  und  links 
mit  phantastisch  missgestalteteu  Köpfen  verschen  sind.  An  dem 
Kopfe  rechts  sowohl,  wie  an  dem  kleineren  zur  Linken  fallen  die  lang 
cmporstchcndcn  Obren  auf;  die  Schlange  zur  Hechten  hat  ausser- 
dem auf  dem  Rücken  Auswüchse  in  der  Art  eines  Drachcnkammes. 

Die  beiden  Schlangen  und  der  Vogel  bilden  ein  einziges, 
dreiköpfiges  Ungeheuer,  den  jmxu/aioz  lUtl^ßorÄ  des  Eusebius  v. 
Alexandrien.  Dieser  Kirehcnschriftsteller  des  t>.  Jahrb.  erzählt,  der 
Teufel  hätte  sich,  entsetzt  über  die  Wunder  der  Kreuzigung  zu 

41)  Der  Pfau  Ist  übrigen»  nicht  eine  Entdeckung  Dewitz',  sondern 
dem  phantasicreichen  0. 11.  A.  Sehiercnbcrg  zu  verdanken,  welcher  ihn 
auf  den  Sterncnkultus  bezieh«,  der  nach  »einer  Behauptung  auf  den 
„Kx-Sternsteineu"1  seinen  Sitz  hatte! 

42>  Piper  a.  a.  O.  I.  p.  40.5.  F.ine  Mischung  antiker  Elemente  mit 
christlichen  bietet  der  C'erberus  in  der  Kiieis  des  Heinrich  v.  Veldekc 
in  der  Berliner  kgl.  Bibl.  Fr  hat  scharte  Krallen  an  den  Pfoten,  einen 
Schwanz,  der  in  einen  Schlangenkopf  ausläuft,  und  3  menschliche  Köpfe. 
Dreiköpfig  ist  auch  Dante  s  (.'erberus  und  der  im  Triumphe  des  Todes 
im  Campo  Santo  zu  Pisa.  Zu  den  Köpfen,  von  denen  der  mittlere  bei- 
nahe menschlich  aussieht,  hat  ihm  der  Künstler  überdies  Flügel  gegeben. 
Kr  steht  aufrecht  auf  den  Hinterbeinen,  verschlingt  mit  dem  mittleren 
Bachen  einen  Menschen  und  hat  noch  zwei  andere  gepackt.  Vgl.  Carl 
Meyer,  Der  griechische  Mythus  in  d.  Kunstwerken  d.  Mittelalters,  Kepert. 
f.  Kuustw.  XII.  p.  lä!ift".  -  In  Frankreich  finden  sich  nach  Didron  (Note  2 
zu  pag.  105  von  Schaler 's  Ausg.  d.  Malerbuchcx  v.  B.  Athos)  Beispiele 
dreiköpfiger  Darstellungen  a.  d.  frühen  Mittelalter,  so  zu  St.  Bazilc  von 
Etampes,  Skulptur  d.  12.  Jahrh. 


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An  ton  Kis.-i: 


Hades  hinabgeflüchtet  und  diesen  bewogen,  seine  Thore  zu  schliessen, 
damit  Christus  nicht  bei  ilnn  eindringe.  Hades  redet  dabei  den 
Teufel  mit  obiger  Bezeichnung  an.  Derselbe  Ausdruck  itrieeps 
Beelzebub,!  kehrt  in  zwei  laleiniseben  Handsebriften  eines  apokry- 
phen Evangeliums  wieder  (Thilo,  cod.  apokr.  N.T.  1  p.  729  not.) 
Sonst  finden  sieh  auch  noch,  gleichfalls  an  antike  Vorstellungen 
anknüpfend,  die  Bezeichnungen  Cerberus  und  Hydra,  beide  mit  dem 
Begriffe,  der  Vielköprigkcit. 

Die  bildende  Kunst  des  frühen  Mittelalters  fusst  im  Allge- 
meinen bei  den  Darstellungen  der  Teufel  auf  der  bekannten  Stelle 
Psalm  1H.  .11  der  Vulgata,  wo  von  dem  Schutze  der  Frommcu  durch 
den  Herrn  uud  seine  Engel  gehandelt  wird:  »Super  aspidem  et 
basiliseuni  auibulabis  et  eoneuleabis  Ieonem  et  Draeonem."  Alle  vier 
hier  genannten  Thiere  wurden  als  Porsonificationen  des  I lösen  aufgc- 
fasst  und  von  der  Kunst  als  vier  verschiedene  Typen  behandelt.  Den 
Aspis  bildete  man  nach  Psalm  f>7,  ö:  «, Furor  illis  (sc.  peeeatoribus) 
secundum  similitudinem  serpentis  sicut  aspides  surdae  et  obturantis 
anres  suasü  und  gab  ihm  einen  Sehlangcnschweif,  hundeartigen  Kopf 
und  lange  Ohren  ;  das  rechte  Ohr  legt  er  auf  die  Erde  und  steckt  in 
das  linke  das  Ende  seines  Schweifes.  Den  Basilisk  dachte  man  sich 
entstanden  aus  dem  Ei,  das  ein  alter  Hahn  gelegt  und  gab  ihm  die 
Gestalt  eines  solchen,  jedoch  mit  einem  Sehlangcnsehweif  uud  einer 
Krone  auf  dem  Haupte,  denn  er  ist  der  König  der  Schlaugen  und 
tragt  seinen  Namen  von  /ftco</>r,- ,3'.  Plinius  bemerkt,  dass  ersieh 
nicht,  wie  andere  Schlangen  fortringcle,  sondern  gerade  und  auf- 
recht unter  ihnen  einherschreite.  Solinns  berichtet  dasselbe  und 
Albertus  Magnus  sagt  (de  animalibns  Hb.  iTn,  dass  einige  Autoren 
gewissen  Gattungen  der  Basilisken  die  Flugkraft  zutheilcn.  Vineenz 
von  Bcauvais  schildert  ihn  als  Halm  mit  dem  Körper  einer  Natter. 
Den  Drachen  bildete  man  als  Schlange,  mit  plattem  Kopfe,  tief 
gespaltenem  Rachen,  oft  nach  den  Beschreibungen  bei  1  s  i  d  o  r  u  s 
von  P  e  1  u  s  i  u  m  und  Albertus  M  a  g  n  u  s  mit  Flügeln  und  Tatzen. 
Diese  drei  Fabclthicre,  die  wir  schon  bei  antiken  Schriftstellern  (ausser 
Plinius  und  Solinus  noch  bei  Gallienus  und  Aviccnnus)  Huden 


4.tl  Kr  wird  auc  h  Rogulus  genannt.  Im  cod.  Vatic.  l'alat.  K53  heiast 
es,  die  Worte  des  INalmisten  variirend:  Filius  eei'e  Dei  ooneuleat  colla 
leonis,  quem  metuunt  Itogulus,  a^|»is-  et  ipae  draco.  Vgl.  Dümmlcr,  poe- 
tae  lat.  au  vi  caiolini. 


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Dil-  Kxlonisteluc. 


10.1 


werden  im  Verein  mit  dem  Löwen  im  Mittelalter  zu  Hauptvertrcteru 
der  hosen  Gewalten,  zum  Tetramorphos  de«  Hösen  und  von  der  Kunst 
in  verschiedenen  Variationen  und  Comhiuationcn  angewandt.  Alle  ge 
nannten  Arten  finden  sieh  vereint  auf  dem  Sockel  der  Christnsstatne  am 
Portale  der  Kathedrale  von  Amieus,  wo  sie  mit  Anspielung  auf  die  Worte 
des  Psalmistcn  von  dem  Erlöser  mit  Fussen  getreten  werden.  Der 
Hasilisk  erscheiut  hier  deutlich  als  Hahn,  jedoch  mit  Schuppen  an- 
statt der  Federn  bekleidet.  Die  Vereinigung  aller  vier  Arten  auf 
einem  Hilde  ist  selten,  die  charakteristischen  Merkmale  sind  nicht 
immer  scharf  ausgeprägt  und  der  Phantasie  der  Künstler,  die  in 
solcheu  Dingen  unerschöpflich  war,  unterworfen41).    So  geben  sie 


I4i  Vgl.  A.  Rciohensperger,  Kölner  Domblatt  11*45.  Nr.  12.  — 
Hüllet,  momuii.  VII.  p.  115  ff.  —  Diu  Verbindung'  von  Halm  und  Schlange 
ist  eine  Krfindung  der  Gnostikcr.  Auf  Abraxasgenuuen  erscheint  oft  die 
Gestalt  des  l'hancs,  des  urweltlichen  Lichtwesens  in  der  orphischon  Göitcr- 
Ichro  des  griechischen  Mythos,  des  Vaters  aller  Götter.  Kr  hat  den  Ober- 
leib eines  Mannes  mit  llaimcnkopf  und  2  Sohlangcufüsson,  welehc  oft  in 
Sohlangenköpfe  auslaufen  und  halt  in  der  einen  Hand  eine  Geisse],  in 
der  anderen  einen  Schild.  Vgl.  Bcllcrmanu,  Versuch  über  die  Gemmen 
der  Alten  mit  dem  Abi uxasbildo,  1817.  —  Rollet,  a.  n.  O.  ]i.  322.  —  Die 
berühmte  Skulptur  an  der  Kathedrale  von  Amiens  hat  ihr  Vorbild  schon 
im  christlichen  Alterthume.  Auf  einer  Lampe  des  5.  Jahrb.  steht  Christus, 
mit  der  Kreuzeslanze  einer  Schlange  den  Kuchen  durchbohrend  —  auf 
der  einen  Seite  erscheint  der  Basilisk  —  soweit  bei  der  Kleinheit  der  Dar- 
stellung kenntlich  —  mit  emporgerichtetem,  dickgeschwolleneni  Oberleihe, 
einem  Kamm  auf  dein  Scheitel  und  Schlungenschwcif;  auf  der  anderen 
windet  sich  ein  viperartiges  Thier,  der  Aspis;  unten  der  Löwe.  Abb.  bei 
Kraus  a.  a.  O.  II.  p.  781.  —  Auf  einein  italienischen  Kll'enbeinrelief  des 
10.  .lahrh.  {nhgc.h.  hei  Didron,  p.  .'102)  tritt  Christus  auf  deu  Löwen  und 
den  Drachen;  dieser  in  Form  einer  langgeschwunzten  Kidochsc,  ihm  zur 
Seite  der  Aspis  in  Schlangenform  und  der  Basilisk,  natürlich  gebildet. 
Ausdrücklich  durch  die  Aufschrift  Basilisk  bezeichnet  findet  sich  die  Com- 
bination  von  Hahn  und  Schlange  auf  einem  Bilde  des  12.  .lahrh.  in  der 
Kirche  zu  St.  Foi  (abgeb.  bei  Caumont,  hist.de  larchit.  rcligieuse,  Paris 
1841  p.  XV.  ftdd.).  Den  ganzen  Tetramorphos  des  Bösen  vereinigt  die 
Federzeichnung  der  Kreuzigung  im  Codex  -De  laudibus  Crueis"  ans  dem 
St.  Kinmeranskloster  in  Rogensburg  in  der  Münchener  Bibl.,  12.  Jahrh. 
Der  1  .Hngsbulk.cn  des  Kreuzes  durchbohrt  hier  vier  über  einander  ange- 
ordnete Thicre,  die  durch  Beischriftcn  als  Löwe,  Drache,  Baailisk  und 
Schlange  bezeichnet  sind.  Vgl.  .Stockbauer,  a.a.O.  Auf  dem  romani- 
schen Portale  zu  Remagen  erscheint  der  Basilisk  als  Hahn  mit  gekröntem 
männlichen  Kopfe  und  Sohlungenschweif.  Vgl.  Braun,  Bonner  Winkcl- 
inannsprogramm  1855».    Kin  Basilisk  mit  Hahnenkörper,  Schlangenschweif 


104 


Auto ii  Kisa: 


dem  Basilisken  z.  B.  mitunter  einen  Mensehenkopf  mit  Krone,  nm 
seine  königliche  Würde  recht  deutlich  auszudrücken;  oft  nähert  er 
sich  der  Gestalt  des  Drachen,  indem  man  die  Beine  stärker  hildet 
und  seinen  Hals  verlängert,  wohei  jedoch  der  Kopf  den  vogclarti- 
gen  Charakter  und  den  Ilahiienkainin  behält,  wenn  auch  letzterer  meist 
weit  von  Natnnvnhrheit  entfernt  ist.  Am  phantastischesten  sind 
die  verschiedenen  Comhinationen  des  Tetramorphos  des  Bösen  am 
Kusse  der  romanischen  Ceroferarien  verwendet,  wo  sie  die  licht- 
scheuen Elemente,  die  Träger  des  negativen  Principe»  versinnlichen. 
Aus  der  Antike  herübergenommen,  welche  einander  zugekehrte  G reife, 
in  Schlangen  endigende  Drachen  rein  ornamental,  ohne  symbolische 
Bedeutung  auf  Kandelaherfüssen  verwendet  hatte,  wurden  sie  von 
der  romanischen  Kunst  mit  menschliehen  Gestalten  iu  Verbindung 
gebracht  und  daraus  entstanden  Drachenreiter,  Kämpfe  zwischen 
Unholden,  zwischen  Menschen  und  Fabelthiercn,  die  sie  bedrohen, 
umwinden,  zu  verschlingen  oder  zu  heisscu  suchen '-'i.  Das  Licht 
und  der  aus  diesen  Kampfgruppen  frei  emporragende  Leuehterschaft 
wurden  auf  Christus  als  den  Erleuchter  der  Welt,  den  Besieger  der 
Finsternis«  gedeutet,  deren  Repräsentanten  den  Fuss  umgebcu  und 
damit  derselbe  Gedanke  zum  Ausdruck  gebracht ,  wie  auf  der 
.Skulptur  des  Portales  von  Amiens,  aber  auch  auf  dem  Relief  der 


und  gekröntem  Menschenkopfe  findet  sich  auf  einer  Skulptur  in  St.  Savin 
(Vienne).  Vgl.  Aubcr,  a.  a.  O.  III.  p.  Höf.  —  Auf  einem  Glasgcmalde 
der  Kathedrale  von  Tours  (13.  Jh.),  welches  die  Kreuzigung  mit  ihren 
testamentarischen  Vorbildern  enthalt,  tindet  sich  Moses  mit  der  ehernen 
Sehlange  in  Gestalt  des  Basilisken-  dieser  sitzt  als  Hahn  auf  einer  Säule, 
die  er  mit  seinem  Schlangenschweife  umwindet.  Abb.  bei  Piper  im 
Evang.  Kalender  IST»?  p.  50.  Dasselbe  auf  einem  Glasgemilldc  in  LeMans, 
abgeb.  bei  Ca  liier,  nouveaux  melanges  d'archeol.  Paris  1H74,  p.  !>7. 
Basilisken-  oder  drachenartig  ist  auch  die  Figur,  die  im  Vereine  mit  einem 
Löwen  unter  den  Füssen  des  Pfal/.grafcn  Heinrich  auf  dem  Grabmale  der 
Abteikirche  zu  Laach  ruht  (Knde  des  13.  Jahrb.).  Der  Kopf  derselben  ist 
verstümmelt,  wohl  aber  kann  man  den  Vogelleib  mit  Flügeln,  Vogelbeine 
mit  3  Krallen  und  den  Schlangenschweif  unterscheiden.  Einen  Basilisk 
darf  man  wohl  auch  in  der  linken  Kckfigur  eines  romanischen  Reliefs  im 
Trierer  Museum  von  der  Burg  zu  Mürlenbach  (nbgeb.  im  Corresp.BI.  d. 
Westd.  Z.  f.  G.  u.  K.  1884,  p.  187'  erkennen.  Er  hat  einen  geschnabelten 
Kopf,  spitze,  aufrechtstehende  Ohren,  Flügel,  Vogeltüsse  und  Sehlangen- 
schweif.  In  der  r.  Kcke  ein  ähnliches  Fabelthier,  mit  Hundekopf,  Flügeln, 
Löwenfüssen  und  Schlangcnsehweif,  also  ein  Drache. 


45i  Vgl.  A.  Springer,  ikouogr.  Studien.  Mitth.  d.  C.  C.  1860,  p.309ff. 


Die  Externsteine. 


106 


Externsteinc.  Oben  triumphirt  Christus  durch  seinen  Opfertod  über 
die  Erbsünde,  die  Stunde  ist  gekommen,  in  welcher  er  die  Pforten 
der  Vorhülle  uiit  der  Krenzesfahue  aufstoßen  wird,  um  der  Mensch- 
heit Erlösung  /u  bringen ;  unten  umschlingt  der  Dämon  des  Bäsch 
in  ohnmächtiger  Wuth  das  erste  Menschenpaar,  das  vertrauend  und 
dankend  zu  dem  Erlöser  emporblickt4*).  Der  rotxe 7  ako<  BirXZrßoid 
des  Eusebius  ist  der  Oestalt  des  Basilisken  angepasst  worden;  sein 
Vordcrleib  ist  der  eines  Hahnes,  „er  schreitet  gerade  und  aufrecht 
einher",  seine  Flügel  sind  an  den  Leib  geschlossen,  sein  langer 
schlangcnartigcr  Mals  biegt  sich  unter  Adams  Arm  hindurch  nach 
abwärts,  der  jetzt  abgestossene  Kopf  biss  in  dessen  Körper  und  ragte, 
wie  viele  andere  Theilc  des  Reliefs  ursprünglich  stark  über  die 
Fläche  hinaus;  vielleicht  trug  er  auch  eine  Krone.  An  die  anti- 
ken Vorstellungen  des  Cerberus  anknüpfend,  gewann  der  Schöpfer 
des  Reliefs  zugleich  eine  symmetrische  Kunstform,  indem  er  den 
Basilisk  in  zwei,  anstatt  in  eine  Sehlange  ausgehen  Hess,  die  sich  nach 
beiden  Seiten  fort  ringeln  und  so  die  Basis  des  oberen  Reliefs  konsol- 
artig verstärken  konnte.  Die  Schlangen  enden  in  Köpfe  mit  den 
langen  Ohren  des  Aspis  —  eine  Häufung  diabolischer  Motive,  welche 
wohl  geeignet  war,  das  Ungeheuer  als  den  teuflischesten  aller  Teufel 
erscheinen  zu  lassen. 

Der  ideelle  Zusammenhang  der  oberen  mit  der  unteren  Gruppe 
des  Reliefs  wird  verstärkt  durch  die  lokale  Vermittlung  derselben, 
welche  in  zwei  Legenden  gegeben  ist,  in  der  schon  bei  Origencs 
vorhandenen,  der  zufolge  sieh  Adams  Grab  auf  Golgatha  unter  dem 
Kreuze  Christi  befand,  andererseits  in  der  Sage,  dass  das  Kreuz 
aus  dem  paradiesischen  Lebensbaume  gefertigt  worden  sei.  Erstere 
ist  in  verschiedenen  Varianten  vorhanden  n.  A.  in  der  legenda 
aurea  des  Jacobns  a  Voiagine  in  der  Fassung,  dass  nach  der  Sint- 
fluth  die  Gebeine  Adam«  von  Noe  unter  die  drei  Söhne  vertheilt  wur- 
den; den  Kopf  habe  Sem  bekommen  und  ihn  auf  Golgatha  begra- 
ben.   Daher  die  oft  vorkommende  Darstellung  eines  menschlichen 

4C»)  Bei  Kirchenschriftstellern  de>  I.  u.  5.  Jahrh.  entwickelt  Meli  dns 
Kreuz  zu  einem  Sinnbildc  fies  Universums.  Julius  Firmicus  Maternus 
(de  errore  profan,  rc.l.  cap.  &?)  erklärt  die  (Jucrnriuc  für  Ost  und  West, 
den  Langfchalken  für  Himmel  und  Krde.  Vgl.  Zest ermann,  das  Kreuz 
Christi,  p.  31.  —  Oben  im  Himmel  erblicken  wir  Gott.  Sonne  und  Mond, 
unten  im  Abgrunde  die  Vorhölle  mit  dem  bösen,  Adam  und  Kva  um- 
schlingenden I  >ilmon. 


10« 


Anton  Kisa: 


Kopfes  unter  dem  Kreuze,  der  »ich  später  in  einen  Totenkopf  ver- 
wandelt. Von  Eva  spricht  die  Sage  nicht,  welche  besonders  in 
der  Zeit  der  ersten  Kreuzzuge  blühte41).  Man  hatte  damals,  wie 
de»  Mönch  Kpiphairius  bezeugt,  auf  Golgatha  eine  Adamskapelle 
errichtet,  an  derselben  Stelle,  wo  er  durch  Christi  Hlnt  wieder  er- 
weckt worden  sein  soll48!.    Eine  Verbindung  dieser  Sage  mit  der 

J7'i  Gleichwohl  erscheint  sie.  mit  Adam  oft  unter  «lein  Kreuz«1;  dann 
sind  es  nicht  sowohl  die  Leiber  der  ersten  Kllern  im  Grabe,  die  darge- 
stellt sind,  sondern  ihre  Seelen  in  der  Vorhölle,  auch  wenn  sie  ober  der 
Knie,  am  Kusse  des  Krcuzbalkcns  erscheinen.  Gamet- i  bildet  in  der 
Moria  dell"  arte  ital.  pitt.  VI.  tab. -I.'M  — 43ö  mehrere  Haciirunde  Kliischchen 
zur  Aufbewahrung  des  1».  Ocles  aus  Jerusalem  ab.  Auf  sechs  derselben 
befinden  sich  Darstellungen  der  Kreuzigung  mit  den  beiden  Schnellem. 
Das  mittlere  Kreuz  hat  lateinische  Korm,  darüber  schwebt  das  Brustbild 
Christi.  Nur  einmal  ist  der  Ki leiser  in  ganzer  Ge.-talt  gegeben;  er  hat 
den  Krc u/.nimhiiH  und  steht  auf  dem  Boden  mit  wagerecht  ausgestreckten 
Armen,  jedoch  olint!  Krcuzbalken,  so  dnss  seine  Stellung  selbst  ein  Kreuz 
bildet.  Auf  allen  Stücken  sind  jedoch  die  Schacher  an  Kreuzen  befestigt. 
Am  F'uss  des  mittleren  Krcuzhalkcns  ktiieeu  Adam  und  Kva  mit  betend 
ausgestreckten  Händen.  Sie  sind  nur  einmal  nackt,  sonst  trägt  A.  einen 
Leudenschurz,  K.  ein  langes  Gewand,  oder  beide  Lendenschürze.  Die 
Krscheinung.  einer  in  ein  langes  Gewand  gekleideten  Kva  kommt  also 
nicht  bei  den  Kxtcrnsicinen  vereinzelt  vor.  -  A  und  K.  knieen  vor  einem 
ganz  aus  Blumen  gebildeten  Kreuze  in  Monza  (vgl.  Miliin,  Lombard.  I. 
<!(>.!);  ebenso  in  den  Miniaturen  des  ilerrad  von  Landsperg  und  auf  einem 
Klfenheinrelief  im  Dresdener  Museum  (abgeb.  b.  Dewitz  a.  a.  O.  tab.  12, 
Kig.  4>.  Der  Kopf  Adams  kommt  unter  dem  Kreuze  vor  auf  einem  Kru- 
zifixe tles  Xational-Musenms  zu  München,  einer  Klfenbeintafel  des  christ- 
lichen Museums  im  Vatiean,  einein  Kruzifixe  zu  Inicheu  in  Tyrol  u.  a.  (vgl. 
Otto  und  ans 'in  Werth  a.  a.  O.).  Als  Büste  erscheint  Adam  unter  dem 
Kreuze  im  Cod.  Nr.  142  A.  124  des  Trierer  Domes  (um  1200,  wohl  in  Pader- 
born geschrieben.  Vgl.  Beissel  in  d.  Zeitschr.  f.  eliristl.  K.  I.  sp.  1,'kt  (T. 
mit  Abbildung).  Gewöhnlich  erscheint  er  in  Jlalbh'gur  aus  dein  Grabe  auf- 
erstehend :  Auf  einem  Vnrtragckrcuz  d.  12.  Jh.  und  einer  Limusiucr  Kmail- 
plattc  ders.  Zeit  im  Germanischen  Museum,  auf  einem  emaill.  Buchdeckel 
der  Sammlung  Wallerstein  in  Schloss  Maichingen  1 1 1.  Jh.\  einem  Klfenhein- 
relief, welches  den  Deckel  eines  Kvangeliencodex  verziert  (abgeb.  bei  Hei- 
ner 1.  tab.  Im,  rheinisch,  12.  Jh.,  u.  A.).  Durch  Christi  Blut  wird  A.  aufer- 
weckt auf  einem  Ghisfenstcr  der  Kathedrale  von  Beauvais  (Didron,  maiuiel 
p.  1!»7).  In  der  Kreuzigungsgruppe  von  Wechselburg  fängt  er  das  Blut 
in  einem  Kelche  auf.  Mitunter  steht  der  Kelch  zur  Aufnahme  von  Christi 
Blut  allein  unter  dem  Kreuze.  —  lu  einer  Abdinghofer  Handschrift,  jetzt 
in  der  Kasseler  Bild.  Tb.  In).  t!0.  gleichen  Cr-sprungcs  mit  unserem  Relief, 
doch  älter,  noch  vor  Meinwerk's  Tode  f  10:101  entstanden,  windet  sich  am 
Längsbalken  die  Schlange  empor,  während  die  Terra,  auf  dem  Boden 
sitzend,  einen  kleinen  nackten  Sienscheu  zum  Kreuze  emporhebt.  Ks  ist 
Adam  als  Vertreter  des  erlösten  Menschengeschlechtes,  jedoch  losgelöst 
von  der  Legende.  (Vgl.  Jan  Usch ek,  G.  d.  D.  Malerei  p.  100.) 
4Si  Vgl.  IMper  im  evang.  Kalender  IWÜ,  p.  23. 


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Die  Kxternsteine. 


107 


vom  Lebensbaum  stellt  die  von  Cornelius  a  lapidc  in  Genes. 
II.  9  gegebene  Version  dar.  naeli  der  Adam  einen  Kern  des  Apfels 
aus  dem  Paradiese  mitnahm  und  ihn  im  Munde  behielt,  als  er  starb. 
Ans  seinem  Grabe  erwuchs  nun  der  Daum,  der  das  Kol/,  zum  Kreuze 
Christi  lieferte,  der  neue  Daum  des  Lebens,  aus  dem  Daume  der 
Erkenntnis*.  Üer  ursprüngliche  paradiesische  Lebensbaum  ist 
von  dein  Daume  der  Erkenntnis»  verschieden;  Adam  und  Eva 
wurden  aus  dein  Paradies  vertrieben,  damit  sie  nicht  auch  noch 
von  ersterem,  dessen  Früehe  uur  für  die  Seeli^en  uud  Keinen  rei- 
fen, es«>n  sollten.  Erst  mit  dem  S.  .lahrh.  suchten  namentlich 
die  abendländischen  Kirclienschriftsteller,  beide  mit  einander  zu  ver- 
schmelzen und  einen  genealogischen  Zusammenhang  zwischen  dem 
Kreuze  und  ihnen  herzustellen41');  das  Anbringen  der  Schlaufe 
oder  des  Drachen  am  Ende  des  Längsbalkens  beruht  auf  dieser 
Curuuliriing  vom  Daume  des  Lebens  und  jenem  der  Erkcnntnissr>0). 


4!»)  Vgl.  Holmium,  A|»okr.  l-'tO.  Menzel,  Symbolik,  I.  p.  114.  - 
Nach  der  Legonda  aurea  nahm  Adam  einen  Zweig  vom  Baum  dos  Loben« 
aus  dein  Paradiese  mit,  Seth  pflanzte  denselben  ein  und  es  erwuchsen  daraus 
Stamme,  die  zu  einem  ver.selimolzen.  Moses  brach  davon  .seinen  Stab, 
Salomo  Hess  den  Baum  Hillen,  um  ihn  als  Säule  zu  seinem  Palast  zu  be- 
nutzen, aber  er  blieb  entweder  zu  kurz,  oder  zu  Ian>r,  so  viel  man  ihn 
auch  bearbeitete.  Später  zimmerte  mau  daraus  das  Kreuz  Christi.  (Men- 
zel a.  a.  O.  1.  f)ll.)  Eine  andere  Sage  liisst  Seth  .'5  Samenkörner  aus  dem 
Paradiese  erhalten  und  an  verschiedenen  Orten  einpflanzen,  aus  denen 
dann  der  dreifache  Wunderbaum  dos  Kreuzes  entsteht.  \Vjrl.  Zöckler, 
das  Kreuz  Christi.  Gütersloh,  1*75.)  Eine  dircete  genealogische.  Ableitung 
«les  Kreuzes  vom  Baume  der  Krke nutniss  ist  in  dem  oben  angeführten 
Versus  de>  Cornelius  a  lapidc  ausgedrückt.  —  Diese  Lcgendonbilduug 
blühte  am  meisten  im  Zeitalter  der  Krouzzüge,  in  welchem  «las  Relief  der 
Kxternsteine  entstand.  Früher  war  das  Kreuz  mit  dem  Baume  der  Kr- 
kenntniss,  wenn  auch  nicht  in  genealogischen  Zusammenhang',  so  doch  in 
Parallele  gebracht  worden.  In  Aleuins  earmeu  101»  z.  B.  heisst  es: 
Per  tactuin  ligni  paradisum  clauserat  Adam, 
l*er<|UC  crucis  liguum  Christus  reseravil  Olympum. 
Ein  Versus  super  erucem  aus  karoling.  Zeit,  im  Appendix  ad  earm.  Petii 
et  Pauli  \r.  1K  lautet: 

Adam  per  lignum  mortem  deduxit  in  orbem, 
Per  lignum  pepulit  Christus  ab  orbe  necem. 
(Vgl.  J.  v.  Schlosser,  Schritti|uellen  z.  G.  d.  Karol.  Kunst,  Wien  1*<I2, 
p.  .T>S.)  Im  Verfolge  dieses  Zusammenhanges  gelangte  man  im  12.  Jahrh. 
zum  vegetativen  Kreuze. 

;%0;  Die  Schlanze  findet  sich  schon  in  karoling.  Zeit  häufig  am 
Kreuzosonde.  Vgl.  Vüge,  a.  a.  O.  p.  115  not.  fl.  Ausser  den  dort  ange- 
führten Beispielen  noch  im  Enchiridion  precatiouum  Karls  d.  Kahlen  zu 
Paris,  im  Sacramentarium  zu  Metz;  später  auf  dem  Deckel  eines  Evau- 


108 


Anton  Kinn: 


Abgehen  von  seinem  ikonographischen  Gehalt  fällt  das  Re- 
lief tlurch  seine  ungewöhnliche  Grösse  auf.  Diese  hat  freilich  die 
Teehnik  nicht  gerade  günstig  becinflusst,  denn  die  Arbeit  ist  sorgfältig, 
jedoch  unisicher,  man  merkt,  das«  es  dem  Künstler  an  gleichartigen 
Vorbildern  fehlte.  Zu  grösseren  Steinarbeiten  gab  die  frUhromanisehe 
Architektur  noch  wenig  Gelegenheit,  der  IMastiker  konnte  seinen  Stil 
nur  an  Elfcnbeinarbeiten  und  (Joldsehmiedcwerkcn  bilden,  bei  denen 
es  ja  nicht  an  leicht  einfllhrbaren  Vorbildern  fehlte.  Die  wenigen 
grösseren  plastischen  Werke  des  11.  Jahrb.  in  Deutschland  zeigen 
denn  auch  mehr  oder  weniger  ihre  Abhängigkeit  von  der  Klein- 
plastik, wenn  sie  nicht  etwa,  wie  z.  lt.  die  .Skulpturen  an  der  Stifts- 
kirche von  Andlan  schlecht  und  recht  in  Kelicf  übertragene  Miniatur- 
malereien sind ;  solche  waren  es  auch,  die  Hernward  von  Hildcs- 
heim  heim  Gusse  seiner  HronzethUrcn  und  seiner  Säule  vorlagen  ■'■■). 
Kin  direktes  Vorbild  aus  dem  Gebiete  der  Miniaturmalerei  und  der 
Kleinplastik  ist  für  unser  Kelicf  nicht  nachzuweisen;  im  Allgemei- 
nen folgt  die  Compositiou  dem  Schema,  welches  im  11.  Jahrb.  fest- 
steht, ist  aber  in  sehr  wichtigen  Einzelheiten  (der  segnende  Gott, 
Xicodemus,  unteres  Relief  i  selbständig.  In  der  Hildtmg  des  herab- 
sinkenden Leichnames  folgt  der  Künstler  in  übertreibender  Weise 
einem  Typus  aus  ottonischcr  Zeit,  welcher  von  der  nachkarolingi- 
schen  Kunst  iu  Deutschland  im  Gegensätze  zu  dem  byzantinischen 
festgehalten  wird.    Aber  es  ist  unwahrscheinlich,  das«  der  Künstler 

•reliars  aus  der  Zeit  Heinrichs  IX.  in  München,  Staatshihl.,  ab«reb.  bei 
Förster  (grosser  Drache  mit  offenem  Kathen).  Das  Klfenheinrclief  auf 
(Uni  Deckel  eines  Kvangeliencodex  im  Darmstädter  Museum  (Hiernach, 
11.  Jahrb.,  abgeb.  bei  Heiner  a.  a.  O.  I.  lab.  '•">)  zeigt  unter  dem  Fuss- 
brette  einen  Kelch,  darunter  einen  Drachen  mit  Hundeko|>f  und  Sclilaiifren- 
schweif  und  Adam,  aus  dein  (habe  auferstehend.  Eine  andere,  ebenda- 
selbst befindliche  Klfunbeintafel  auf  dein  Deckel  eines  Kvangeliencodex 
aus  Trier  (?,  1*2.  Jahrb.)  hat  unter  dein  Fussbrett  einen  geflügelten  Dra- 
chen mit  senkrecht  emporjrestrecktcin,  hundeartijrcm  Kopfe,  unigclegteu 
Ohren  und  geringeltem  Seldangensch weife.  Aehnliches  auf  einem  Klfen- 
beinielief lies  11.  Jahrb.  im  Kunstgewerbemuseum  zu  Köln.  Das  Motiv 
ist  auch  in  der  byzantinischen  Kunst  heimisch,  wie  die  so<r.  Athoskreuze 
beweisen.  Vgl.  Dobbert,  Lützow'sche  Zeitschr.  1*71,  p.  S7.  —  Auf  Mün- 
zen der  consiantinisclieii  Zeit  erscheint  der  Drache  vom  Labaruin  durch- 
bohrt. 

.Mi  l'eber  den  Kinfluss  der  Miniaturmalerei  auf  die  l'lastik  vgl.: 
Springer,  Die  deutsche  Kunst  im  10.  Jahrb.  Westdeutsche  Zeitschr.  f.  G. 
u.  K.  III.  p.  201  ff. 


Hie  Kxternstcinr. 


109 


bei  der  Aufgabe,  ein  Bild  in  dem  lebenden  Stein  zu  schaffen,  ganz 
anl*  sich  allein  angewiesen  war ;  ich  möchte  vielmehr  glauben,  das* 
er  am  Rhein  römische  Mithräen  gestehen  hat,  oder  ähnliche  Grotten- 
heiligthümer  mit  Felsenreliefs,  wobei  ich  freilich  die  Annahme,  dass 
er  an  den  Externstcinen  selbst  etwas  derartiges  vorgefunden  hat, 
nicht  theile.  Die  Technik  de»  Reliefs  erinnert  an  römische  Klein- 
arbeiten. Die  natürliche  Gestaltung  des  Felsens,  der  nicht  ganz 
senkrecht  abfällt,  sondern  nach  unten  vorspringt,  ist  bei  der  Bear- 
beitung in  Rechnung  gezogen  und  der  Grund,  auf  welchem  sich  die 
Figuren  erheben,  ungleichmäßig  vertieft.  Die  Vorliebe  dafür,  ein- 
zelne Theile  sehr  stark,  nutunter  ganz  frei  hervortreten  zn  lassen, 
hat  der  Künstler  mit  Hern  ward  von  Hildesheini  gemein,  der  seinerseits 
ja  die  spUtrömische  Rclicf-Tccknik  in  Rom  selbst  stndirt  bat.  Die 
oberen  Theile  sind  ziemlich  flach  gehalten,  während  die  unteren, 
namentlich  die  Sockelgruppe,  bis  zu  24  cm.  vorspringen,  was  offen- 
bar damit  zusammenhängt,  dass  die  Gestaltung  des  Felsens  an  den 
unteren  Thcilen  dem  Künstler  eine  vollere  plastische  Behandlung 
nahelegte,  um  eine  möglichst  senkrechte  Bildflächc  zu  erzielen. 
Einzelne  Theile,  wie  die  Heine  Josefs?,  der  linke  Arm  Adams,  der 
rechte  Evas,  der  Kopf  des  Basilisken  und  einzelne  Windungen  der 
Schinngenfortsätze  ragten  ganz  aus  der  Fläche  heraus,  andere,  wie 
der  Kopf  der  Seele  auf  dem  Arme  Gottes,  der  des  Johannes,  die 
Beine  des  Nicodemus,  sprangen  in  starkem  Relief  vor.  Die  Köpfe 
zeigen,  soweit  sie  vorhanden  sind,  geradlinige  flache  Formen,  Glotz- 
augen, die  Haarpartliicn  sind  sorgfältig  abgetheilt  und  leicht  gewellt, 
theilweise  an  den  Enden  geringelt.  In  den  Proportionen  der  Gestal- 
ten lassen  sich  deutlich  zwei  Typen  unterscheiden;  die  h.  Personen, 
der  Gekreuzigte.  Maria  und  Johannes  sind  langgestreckt,  Josef  und 
Nicodemus  kürzer  und  gedrungener.  Auch  in  der  Tracht  treten  zwei 
verschiedenartige  Elemente  auf;  sie  ist  bei  Gott  Vater  und  Johannes 
die  antike,  bei  Maria,  Josef,  Nicodemus  und  Eva  die  heimische. 
Lübkc  sieht  in  dieser  Mischung  einen  Beweis  für  das  Erwachen 
des  germanischen  Bewusstseins  in  der  Kunst,  wobei  er,  wie  erwähnt, 
Josef  und  Nicodemus  römische  Tracht  beilegt.  Wenn  letzteres  rich- 
tig wäre,  müsste  es  verwunderlich  erscheinen,  dass  der  Künstler 
bei  profanen  Personen,  denen  die  Tradition  keinen  bestimmten 
Typus  vorsclirieb,  auf  fremde  Vorbilder  zurllekgriff,  während  er 
Maria,  deren  Tracht  von  der  altchristlichen  Zeit  her  feststand,  zu 
einer  deutschen  Frauengestalt  machte.    Der  Neuerer  wählt  sich  ja 


110 


Au  toi»  Kisa: 


doch  naturgcmäss  in  erster  Linie  die  profanen  Personen,  welche 
keinen  durch  Tradition  geheiligten  Typus  besitzen,  um  denselben 
seinen  nationalen  und  individuellen  Charakter  aufzuprägen.  Ich 
möchte  daher  umgekehrt  lieber  auf  das  Kindringen  fremder  Elemente 
in  die  heimische  Kunstweise  schliessen.  Der  Schöpfer  des  Bildwer- 
kes steht  noch  mit  einem  Kusse  in  jener  naiven  Kunstweise  der 
ottonischen  Zeit,  welche  ihren  Hauptsitz  in  Sachsen,  zumal  in  IUI- 
desheim  hatte :  ihr  sind  die  kurzen  gedrungenen  (lestalten  eigen- 
thümlieh,  die  grossen  Köpfe  und  plumpen  Küsse,  die  Ucbertreibuu- 
gen  in  den  Geberden  und  im  Ausdrucke.  Dieser  Typus  ist  nicht 
von  Bernward  erfunden  worden;  jede  primitive  Kunst,  auch  die  ar- 
chaische Kunst  der  Griecheu  liebt  übermässige  Hervorhebung  des 
Kopfes  und  der  Extremitäten  bei  kurzen  und  starken  Proportionen  des 
Körpers  und  selbst  die  karolingischcn  und  die  rheinischen  Arbeiten  des 
10.  und  11.  Jahrh.  zeigen,  soferue  sie  nicht  auf  directer  Nachbil- 
dung antiker  oder  frühchristlicher  Vorbilder  beruhen,  ähnliche  Eigen- 
thümlichkeiten02).  Iu  diesen  naiven  heimischen  Stil  werden  fremdar- 
tige Elemente  hineingetragen,  welche  au  t  antiken  Ursprung  zurückgehen. 
Die  Vermittlung  derselben  wurde  früher  ganz  allgemein  der  byzan- 
tinischen Kleinkunst  zugeschrieben,  während  man  ihr  gegenwärtig 
nur  eine  verhältnissmässig  geringe  Einwirkung  auf  die  abend- 
ländische Kunst  zuweist,  welche  deren  naturgemässe  Entwicklung 
nicht  unterbrach.  Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  auf  die  sog.  byzan- 
tinische Krage  näher  einzugchen,  welche  in  Bezug  auf  die  Plastik 
leider  noch  nicht  so  gründlich  untersucht  ist,  wie  bei  der  Miniatur- 
malerei. Einige  Forscher,  wie  Beissel  verfallen  in  das  entgegen- 
gesetzte Kxtrcm,  indem  sie  allen  und  jeden  byzantinischen  Einfluss 
auf  die  abendländische  Kunst  leugnen.  Damit  sind  die  zahlreichen 
Fälle  von  directer  Nachbilduug  byzantinischer  E I fe n bei nschnitz werke 
durch  deutsche  Künstler,  sowie  die  Nachahmung  byzantinischer  Mi- 
niaturen, die  Vöge  in  deutschen  Handschriften  des  10.  Jahrh.  nach- 
weist, schwer  zu  vereinen  ''*).  Zur  Verbesserung  des  iu  naeh-karo- 
lingischer  Zeit  etwas  verwilderten  heimischen  Stiles,  zum  Wieder- 
aufleben der  antiken  Elemente  werden  neben  karolingischcn  und 
altchristliehcn  auch  byzantinische  Muster  mitgewirkt  haben.  Dabei 


*>2>  Vjrl.  Bodo,  Oosdi.  <1. 1").  Plastik.    No.  li  im  12.  Jnlirh.  tritt.  «lirs««r 
Stil  in  ilen  HolzivliH's  «Irr  Thür  von  St.  Muri»  im  C;»|iik>I  zu  Knln  auf. 

MI)  BrisHcl,  Afichcmr  llaiulscliril'i  p.  10i».  \>l.  hiozti  Vöge  a.a.O. 


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Die  Kxternsteine. 


111 


ist  freilich  nicht  zu  übersehen,  dass  die  Aufgaben,  welche  die  Por- 
träthildnerei  von  der  Zeit  Heinrichs  II.  an  der  Plastik  stellte,  wesent- 
lich dazu  beigetragen  haben,  die  Verhältnisse  der  Gestalten  schlan- 
ker, die  Bewegungen  gemessener,  die  Haltung  würdevoller  zu 
machen;  es  bleiben  aber  als  Erbe  der  alten  naiven  Weise  die 
Glotzaugen  noch  übrig,  die  starre  Leere  im  Ausdrucke,  die  plumpen 
Hände  und  Fllswc  -"").    Unser  Relief  fällt  in  jene  Uebergnngszeit,  in 

fvl)  In  die  nämliche  Entwieklungsperiode  wie  unser  Relief  fnllen  die 
bronzene  Grabplatte  Rudolf»  von  Schwallen  im  Dome  zu  Merseburg 
(wohl  bald  nach  dem  Tode  desselben  1080  ausgeführt),  die  des  Erzbischot's 
Giseler  im  Dome  zu  Magdeburg,  das  sog.  Grabmal  Wittekinds  in  Engem, 
zwei  Holzfigurcn  Mariae  und  Johannis  von  einem  Triumphkreuze  aus 
Inichen  in  Tyrol,  im  Museum  W.-R.  in  Köln  u.  A.  Bei  allen  finden  wir 
denselben  Typus:  Leere  schematische  Köpfe  mit  Glotzaugen,  langgestreck- 
ten Körperbau,  Häufung  dünner  paralleler  Falten,  grosse,  auswärts  ge- 
stellte und  nach  unten  herabhängende  Küsse.  Die  Grabplatte  Wittekind  s 
bildet  Hefner  a.  a.  O.  II.  t.  101  ab.  jedoch  in  sehr  freier  Weise  und  mit 
wiederhergestellter  Hemalung,  die  jetzt  Iiis  auf  einige  kaum  erkennbare 
Spuren  verschwunden  ist.  Es  ist  eine  langgestreckte  Gestalt  mit  bart- 
losem, leerem  Kopfe,  die  starren  Glotzaugen  mit  Löchern  verschen,  in 
welchen  früher  Augensterne  aus  Metall  oder  farbigem  Stein  eingefügt 
waren.  Die  Krone  ist  rund  und  mit  Spangen  verziert,  wie  die  Rudolfs 
von  Schwaben.  In  der  I.  Hand  hält  er  ein  Szepter,  die  R.  segnet  nach 
dein  sog.  byzantinischen  Ritus..  Der  Krönungsmantel  und  das  lange  Unter- 
gewand sind  in  dünne  Vertikalfalten  gelegt;  am  Saume,  sowie  auf  der 
Krone  befinden  sich  Löcher  zum  Einsetzen  von  Glasllüssen  oder  Metall- 
stücken, wie  auch  auf  der  Merseburger  Grabplatte.  Die  mit  dem  Unter- 
hau aus  der  Renaissancezcit  stammend«  Umschrift  bezeichnet  das  Werk 
als  Grabmal  Wittekinds.  Daran  ist  freilich  nicht  zu  denken.  Hefner 
liillt  es  für  den  Rest  einer  fortlautenden  Reihe  von  alttestamentarisehen 
Fürsteiibildern,  die  einst  eine.  Kmpore  geschmückt  haben  könnte  und  ver- 
setzt es  in  das  Ende  des  12.  oder  den  Anfang  des  13.  Jahrb.  Der  Ver- 
gleich mit  den  obenwithnten  Bildwerken  spricht  jedoch  für  eine  frühere 
Eutstehungszeit,  etwa  die  Mitte  des  12.  Jahrb.  Wir  linden  somit  in  der 
Nachbarschaft  der  Kxternsteine  ein  Werk  derselben  Kunstepoche,  das 
zwar  grössere  technische  Sicherheit  bei  der  Bewältigung  des  einfacheren 
Vorwurfes,  aber  immer  noch  die  unselbständige  Verbindung  fremder 
Formen  mit  dem  heimischen  Typus  zeigt.  Beide  Orte  gehörten  zur  Pader- 
borner Diözese,  deren  Hauptstadt  seit  Meinwerk's  Tagen  einer  der  wich- 
tigsten Schauplätze  der  frühromanischen  KunstthUtigkeit  war.  —  Die  bei- 
den Holzllgurcn  Mariae  und  Johannis  im  Museum  W.-R.  zeigen  im  Ge- 
sichtsausilruck  und  in  der  Gewandung  denselben  Charakter,  jedoch  sind 
die  Köpfe  grösser,  die  Körperformell  gedrungener.  Es  überwiegt  hier 
also  noch  der  einheimische  Typus,  der  sich  überhaupt  in  der  Holz.skulplur 
länger  zu  erhalten  scheint  als  in  der  Steinplastik  und  im  Krzgusse. 


112 


Anton  Kisa: 


welcher  die  deutsche  Plastik  die  Derbheit  des  Bern  ward 'sehen  Sti- 
les durch  Wiederaufnahme  antiker  Elemente  zu  mildem  suchte,  je- 
doch noch  nicht  fähig  war,  sie  vollkommen  in  sich  aufzunehmen 
und  neu  zu  gestaltet);  daher  das  unvermittelte  Nebeneinander  ver- 
schiedener Typen  und  die  Sucht,  die  fremden  EigenthUmliehkeiteu 
zu  (ibertreiben,  zu  vergröbern,  wie  sie  sieh  namentlich  in  der  über- 
scltlankeu  Bildung  des  Christuskörpers  äussert. 

Auf  das  Urthcil  der  meisten  Erklärer  des  Reliefs  haben  die 
Romantik  des  Ortes,  die  ungewöhnlichen  Verhältnisse  der  Arbeit  int 
lebendigen  Steine  und  die  Naivität  des  Bildners,  der  trotz  unzuläng- 
licher Mittel  eine  grosse  Action  in  einfach  klaren  Zügen  aufbaute, 
Eittfluss  geübt.  Dem  Enthusiasmus  gegenüber,  zu  welchem  sich 
manche  versteigen,  wirkt  das  Urthcil  Franz  v.  Rcber's,  dem  ich 
mich  in  seinem  ersten  Theile  anschh'essc,  etwas  ernüchternd.  Er  sagt: 
„Das  Ungeschick  äusserte  sich  nur  noch  auffälliger,  je  mehr  man 
sich  bemühte,  für  die  Formgebrechcn  durch  Betonung  des  Geberden- 
ausdruckes schadlos  zu  halten.  So  in  dein  Relief  der  Externsteinc. 
.  .  .  Die  UnbehilHiehkeit  der  in  Action  gesetzten  Figuren  Josef  von 
Arimathia,  Nicodemus  und  Christus  erscheint  hier  trotz  der  empfin- 
dungsvollen Geberden  geradezu  kläglich.  Eigentliches  Xaturstu- 
dimn  fehlt  dabei  gänzlich  und  nur  von  fem  her  klingen  klassische 
Reminiszenzen  in  den  Gewändern  nach,  welche  durch  die  Monotonie 
der  Faltenbildung  etwas  archaisches  gewinnen'"!. 


Als  Urheber  des  Reliefs  und  der  Grottenanlagen  gelten  die 
Mönche  des  Benedict ineiklosters  Abdinghof  in  Paderborn.  Dasselbe 
wurde  1014  von  Meinwerk  durch  die  Berufung  von  Cluniazenserit 
aus  Lothringen  begründet  und  erwies  sieh  alsbald  den  Traditionen 
des  Ordens  getreu  als  llauptträger  der  Kunst  innerhalb  der  Diözese. 
War  .Mein werk  auf  Reisen,  so  führten  für  ihn  die  Mönche  die 
Aufsicht  Uber  seine  Bauten;  doch  haben  sie  keinesfalls  selbst  Hand 
augelegt,  wie  ja  überhaupt  die  praktische  Ausübung  künstlerischer 
Thätigkeit  (mit  Ausnahme  der  Miniaturmalereil  durch  Geistliche 
selten  ist.    Für  den  Bau  der  Bartbolomäuskapelle  in  Paderborn  ist 

Tk»)  Fr.  v.  Kt'hcr,  KiinHt ■r«-sfhichto  <lcs  Mittelalters.  Leipzig,  VWigrl 

imi,  p.  .w  i. 


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Die  Externsteine. 


113 


die  Berufuug  fremder,  angeblich  griechischer,  in  Wahrheit  italischer 
Werk len tc  bezeugt'"');  für  den  Hau  des  Klosters  Schildcsche  in 
Westfalen  wurden  im  10.  Jahrli.  Hanlcut«  aus  Gallien  geholt.  Ausser 
solchen  wandernden  Künstlern  und  Werkleuten  freien  Standes, 
die  überall  hinreisten,  wo  sie  Arbeit  fauden,  gab  es  andere,  die  als 
Laienbrüder  in  einem  stund  igen  Arbeitsverhältnis»  zu  einem  Kloster 
standen.  Solche  werden  es  gewesen  sein,  welche  nach  der  Erwer- 
bung der  Externsteiiie  und  des  umliegenden  Gebietes  durch  das 
Kloster  Abdinghof  i.  J.  1093  das  Relief  ausführten  und  die  (hotten, 
sowie  die  Kapelle  auf  dem  Felsen  zu  einem  christlichen  Heiligthume 
umgestalteten.  Die  von  dem  damaligen  Bischof  Heinrich  II.  Grafen 
von  Werl  ausgestellte  Urkunde  erwähut  nichts  von  etwa  vorhandenen 
Skulpturen").  In  einer  Urkunde  von  1621  theilen  die  Abdinghöfer 
mit,  dnss  das  sacellum  am  Externstein  1120  ausgehanen  worden 
sei.  Frühcrc  auf  die  Arbeitet!  daselbst  bezügliche  Dokumente  be- 
sitzen wir  leider  nicht:  «loch  erscheint  das  Datum  annähernd  rich- 
tig, wenn  wir  es  mit  «1er  im  Jahre  1838  von  E.  v.  Handel  wieder 
aufgefundenen  Inschrift  vergleichen,  die  sich  im  Innern  der  Grotte 
an  der  Eingangswand  dicht  neben  der  Thüröffnung  (B  auf  Taf.  X) 
hinzieht.  Seit  dieser  Zeit  haben  sich  zahlreiche  Berufene  und  Un- 
berufene um  ihre  Erklärung  bemüht.  Schon  bei  ihrer  Verfertigung 
mag  die  Stelle,  wo  sie  Platz  Anden  sollte,  nicht  sehr  sorgfältig 
geglättet  worden  sein,  jetzt  ist  sie  besonders  von  der  zweiten  Zeile 
ab  ganz  rauh,  durch  Risse  und  Löcher  entstellt,  so  dass  die  Phan- 
tasie einen  grossen  Spielraum  in  der  Entzifferung  von  Buchstaben 
aus  zufälligen  Vertiefungen  hat.    Sicher  ist  folgendes: 


5f>)  Vgl.  Nordhof!'  im  Donner  Jahrb.  189.1  und  Uni.  Bd.  84.  p.  V.U. 
Heber  den  Anthcil  des  Klerus  an  der  praktischen  Knnstthätigkcit  hu 
frühen  Mittelaller:  A.  Springer,  Die  Künstlermönchc  im  M.-A. 

57t  Abgedruckt  bei  Wilmans  in  den  Addit.  zum  westf.  Urkunde»- 
burlic.  Die  übrigen  auf  die  Externsteine  bez.  Urkunden  bei  O.  Prelis, 
Das  Lehen  am  Externstein,  in  der  Zeitschr.  f.  G.  u.  A.  Westfalens,  30.  Bd. 
nud  bei  Giefers  a.a.O.  Anhang.  Die  Abdinghöfer  theilten  mit  anderen 
Klöstern  und  Besitzenden  überhaupt  zu  Ende  des  12.  Jahrh.  die  Vorliebe, 
für  Urkundenfälschung  zur  Erhöhung  ihrer  Macht  und  ihres  Einkommens. 
Die  grossere  Zahl  der  bis  1162  im  Abdinghöfer  Archiv  wie  im  diplomati- 
schen Apparat  der  Universitats-Bib).  zu  Göttingen  vorliegenden  , Originale* 
sind  Nachbildungen  aus  d.  K.  d.  12.  Jh.  Die  Urkunde  von  10!t.t  über  die 
Externsteine  hingegen  ist  echt.  Vgl.  W  ihn  ans.  Die  Urkunden  Fäl- 
schungen im  Kloster  A.,  Zeitschr.  f.  G.  u.  A.  Westfalens  lM7i»,  p.  1  IV. 

Jahrb.  il.  \\-r.  v.  Altt-rllihfr.  Im  Rliwiiil.  XCIV.  y 


114 


Anton  Kis.i: 


+  AnNO  AB  TnC  DNI  M  C  XV  IIlI  KL 
DEDlr4*       THC  ARTAPRV 
HEINRIC 

Die  Schrift/eichen  sind  den  spät  römischen  Capitalbuchstnhen 
nachgebildet,  Abweichungen  zeigen  sich  in  der  Bildung  von  A,  M 
und  X;  sie  gehören  spätestens  der  I.  Häilftc  des  12.  Jahrb.  an 
und  zeigen  noeli  nicht  die  Mischling  mit  neiigothisehen  Formen  für 
D,  E  und  M,  die  um  die  Mitte  des  Jahrh.  beginnt.  Die  erste  Zeile 
ist  scharf  eingehalten,  ebenso  das  dedi  der  zweiten;  von  da  ah  sind  die 
Buchstaben  kleiner,  nur  flüchtig  vorgeritzt  und  durch  starke  Ver- 
witterungen unterbrochen.  Die  Linien  sind  durch  leicht  eingemeis- 
selte  Streifen  vorgezogen.  Der  Monatsname  am  .Schlüsse  der  ersten 
Zeile  fehlt,  da  hier  durch  die  auslose  nde  Thür  ein  Stück  der  Kante 
im  Laufe  der  Zeit  abgestossen  wurde.  Keinesfalls  stand  er  auf  der 
zweiten  Zeile,  wie  Dewitz  annimmt,  denn  eine  solche  Trennung 
des  Monatsnamens  vom  übrigen  Dalum  wäre  ohne  Beispiel;  auch 
schlichst  die  obere  Zeile  nicht  mit  einem  Kreuze,  K+,  wie  es  am 
Anfange  steht,  sondern  mit  einem  quer  durchstrichenen  L.  der  ge- 
wöhnlichen Abkürzung  für  Kalcndas.  Unrichtig  ist  es  ferner, 
hinter  dem  grossen  Kreuze  in  der  zweiten  Zeile  eine  Fortsetzung  des 
Wortes  dedie  .  .  anzunehmen,  etwa  —  tum,  denn  durch  da«  Kreuz, 
erscheint  das  Wort  doch  deutlich  genug  abgeschlossen,  wenn  auch 
das  Abkürzungszeichen  fehlt.  Hclwing  und  nach  ihm  0.  Prelis« 
lesen  die  Inschrift,  folgendermaassen Anno  ab  incarnatione  Do- 
mini  MCXV.  IV.  Kalcndas  .  .  .  dedieavit  sanetae  eruci  templum  hoc 
episcopus  Partapruncnsis  llciuricus.  Zwischen  dem  grossen  Kreuze 
auf  der  zweiten  Zeile  und  dem  ARTAPRV  finden  sich  noch  ungefähr 
in  der  Mitte  Spuren  von  TU  und  0,  so  das«  die  Lesung  templum  hoc 
berechtigt  ist.  Das  Kreuz  jedoch  als  eine  Art  Bildschrift,  als  Hiero- 
glyphe aufzufassen,  geht  nicht  an;  es  kennzeichnet  sich  durch 
Form  und  fJrüsse  deutlich  als  ein  Weihekreil/.,  es  ist  achtspitzig, 
grösser,  sorgfältiger  und  zierlicher  ausgcmeisselt  als  das  Aufangs- 
kreuz  und  zugleich  der  deutliche  Abschluss  des  ersten,  scharf  ge- 
arbeiteten Theiles  der  Inschrift.  Das  Heiligthum  war  allerdings, 
was  auch  das  Relief  vermuthen  lässt,  aber  erst  1ö92  urkundlich 
bestätigt  wird,  dem  h.  Kreuze  geweiht.  In  einer  Zeit  entstanden, 
in  der  man  mit  dem  Schwerte  den  Ungläubigen  die  geweihten 

:>S:  In  der  L».  Autlrijre  v,.n  C I  n  s i    nne  i  er  's  K-yi'sternsteiii,  LS  18. 


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Dii>  Kxtornsteinc. 


115 


Stätten  wieder  abgenommen  hatte  und  sich  immer  wieder  aufs 
Neue  zur  Verteidigung  derselben  und  zu  Bussfahrten  nach  Gol- 
gatha rüstete,  waren  die  Externsteine  einer  jener  Orte,  wohin  die- 
jenigen wallfahrtetcn,  die  sich  nicht  an  einen  Kreuzzuge  bethciligcn 
konnten.  Sic  waren  ein  Abbild  des  Grabes  Christi  und  ihr  Besuch 
galt  als  Ersatz  für  einen  Kreuzzug.  Aber  in  der  Inschrift  steht  nichts 
davon;  sie  sagt  nur,  dass  das  Heiligthum  Ulf)  von  Hischof  Hein- 
rich von  Paderborn  eingeweiht  wurde,  wobei  es  zweifelhaft  bleibt, 
ob  der  Name  des  Bisehofs  im  Nominativ  dastand,  oder  ob  nicht  ab 
.  .  Ileinrico  zu  lesen  ist,  denn  der  blosse  Ablativ  ohne  Präpositiou,  wie 
Dewitz  will,  ist  bei  Weiheinschriften  nicht  üblich.  Der  auffallende 
Unterschied  in  der  Ausführung  der  Buchstaben  vor  und  nach  dem 
Weihekreuze  veranlasste  einzelue  Forscher  zu  der  Annahme,  dass 
die  gegenwärtige  Form  der  Inschrift  nicht  die  ursprüngliche  sei, 
dass  sie  vielmehr  früher  in  einer  Zeile  über  den  Raum  hinwegge- 
gangen, den  jetzt  die  Thür  einnimmt  und  erst  später  die  zweite  und 
dritte  Zeile  mit  dem  durch  den  Thüreinbruch  fortgefallenen  Texte  er- 
gänzt worden  sei.  Der  Unterschied  ist  allerdings  unleugbar,  aber 
er  ist  bloss  ein  technischer,  kein  im  Charakter  der  Buchstaben  be- 
gründeter und  lässt  durchaus  nicht  auf  weit  nuseinnndcrliegende 
Entstehungszeiten  schliessen :  er  erklärt  sich  vielmehr  dadurch,  dass 
die  ganze  Inschrift  ursprünglich  in  drei  Zeilen  nur  leicht  und 
flüchtig  eingehalten  und  erst  später,  vielleicht  erst  nach  dem  Tode 
des  Bischofs  Heinrich  die  erste  Zeile  und  das  erste  Wort  der 
zweite  Zeile  sorgfältiger  ausgeführt  worden  ist.  Die  ausgeführte  In- 
schrift gibt  die  Hauptsache,  nämlich  das  Datum  und  die  Weihe, 
lässt  aber  den  Nameu  des  Weihenden  unberücksichtigt  und  schliesst 
mit  dem  üblichen  Weihekreuze,  das  in  der  ursprünglichen  Inschrift 
jedenfalls  nicht  vorhanden  war,  wenigstens  nicht  an  dieser  Stelle, 
da  es  nur  am  Ende  seinen  Platz  finden  kann ;  demnach  uniss  auch 
das  Wort  vor  demselben  schon  ursprünglich  im  Particip  dagestan- 
den haben  und  der  Name  des  Bisehofs  im  Ablativ  —  ab  Ileinrico  —  ge- 
folgt sein.  Dass  die  sorgfältigere  Ausarbeitung  bez.  Abkürzung  der 
Inschrift  noch  in  derselben  Stilperiode,  in  der  ersten  Hälfte  des 
12.  Jahrb.  erfolgte,  geht  aus  dem  Charakter  der  Schrift  hervor. 
Der  Name  des  Bisehofs  seheint  dabei  mit  Absicht  übergangen  wor- 
den zu  sein  aus  welchem  Grunde,  ist  natürlich  nicht  zu  bestim- 
men. Die  sorglose  Art,  mit  der  man  die  Inschrift  bei  der  Anlage 
sowohl,  wie  später  bei  der  Ausführung  behandelte  ist  nicht  weiter 


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nr. 


Anton  Kisa: 


verwunderlich,  da  alle  Arbeiten  an  den  Externsteinen,  mit  Ausnahme 
des  grossen  Keliefs  und  der  oberen  Kapelle  den  Stempel  grosser 
Flüchtigkeit,  des  Rohen  und  Unfertigen  tragen  und  offenbar  von 
dem  wechselnden  Interesse  und  den  Launen  des  jeweiligen  Abtes  von 
Abdinghol*,  dem  das  Heiligtlinm  unterstand,  abhängig  waren.  Im 
Jahre  1140  scheint  die  Theilnahmc  der  Mönche  an  demselben  zeitweise 
ganz  erkaltet  zu  sein,  verschiedene  noch  zu  erwähnende  Arbeiten  blieben 
unvollendet  stellen  und  nur  die  WeiheiiiBebrift  wurde  nothdürftig 
fertig  gestellt.  In  diesem  Jahre  tibertrugen  die  Henedictincr  näm- 
lich die  Seelsorge  an  dein  Heiligthumc  einem  Priester  aus  dein  na- 
hen Horn,  während  sie  bis  dahin  seihst  die  gottesdienstlichen  Ver- 
richtungen besorgt  und  dabei  an  der  weiteren  Ausgestaltung  der 
(»rotten  gearbeitet  hatten.  Erst  ein  späterer  Abt  scheint  sich  wie- 
der lies  einsamen  Gotteshauses  im  Waldesdunkel  angenommen  und 
einige  Verbesserungen  vorgenommen  zu  haben,  ohne  jedoch  alles, 
was  seine  Vorgänger  geplant  hatten,  zu  vollenden.  Namentlich 
dürfte  diesem  die  Vollendung  der  oberen  Kapelle  zuzuschreiben  sein, 
welche  nach  den  entwickelten  Formen  des  späten  romanischen  Sti- 
les, die  sieh  in  ihr  zeigen,  frühestens  der  2.  Hälfte  des  Jahrb.  an- 
gehört. 

Dass  die  Inschrift  schon  ursprünglich  in  drei  Zeilen  angelegt 
war  und  sich  nicht  weiter  nach  rechts  erstreckte,  geht  auch  daraus 
hervor,  dass  die  Thüröffnung  15  gleichaltrig  ist  und  nicht,  wie  Gic- 
fers  und  Prenss  annehmen,  mit  den  Kefestigungsanlagen  entstan- 
den ist,  welche  der  Graf  Hermann  Adolf  zur  Lippe  1660  an  den 
Externsteinen  aidegte.  Dewitz  macht  nämlich  auf  die  Stein- 
Rchwelle  im  Innern  vor  der  Thüröffnung  aufmerksam,  eine  recht- 
winklige Platte  von  etwa  15  ein.  H.,  welche  direct  aus  dem  Fels- 
boden der  Grotte  herausgearbeitet  ist  und  mit  diesem  zusammen- 
hängt. Sie  kann  nur  gleichzeitig  mit  der  Nivcllirung  des  Hodens 
hergestellt  worden  sein,  als  die  Grotten  von  den  Abdinghöfern  als 
Heiligtlinm  eingerichtet  wurden.  Zur  Zeit  Hermann  Adolfs,  in  wel- 
cher die  Grotten  bereits  profanirt  waren,  wird  man  schwerlich  sich 
die  Mühe  gegeben  haben,  in  ihnen  eine  so  durchgreifende  Acnderung 
vorzunehmen.  Dabei  ist  es  aber  nicht  ausgeschlossen,  vielmehr  sehr 
wahrscheinlich,  dass  die  ursprünglich  rnndbogige  Thtiröffnung  der  ro- 
manischen Periode,  welche  ihrerseits  die  Ausgestaltung  einer  natür- 
liche Oeffnung  des  Felsens  gewesen  sein  dürfte,  im  17.  Jahrb.  mit  einem 
wagerechten  Sturze  versehen  wurde,  um  sie  zugänglicher  zu  machen, 


Dit*.  Externsteine. 


117 


der  Felsen  anschlössen,  bezieht  sieb  das  Steinmetz/eichen  (vg 
^     Fi^.  11)  rechts  neben  der  Thür,  welches  seiner  Form  nac 
v[       <ler  Renaissance  angehört  und  sieh  ganz,  ähnlich  unter  wesi 
"v*     fülisehen  Hausmarken  vom  E.  d.  17.  Jahrb.  findet  Das 


wobei  auch  «lie  Seitenkanten,  namentlich  die  inneren,  abgearbeitet 
wurden,  um  die  Anlage  eines  neuen  Thürverschlusscs  zu  ermög- 
lichen. Dabei  stiess  man  hart  an  das  Ende  der  Inschrift  im  Inne- 
ren und  zerstörte  den  Monatsnamen.  Auf  fliese  Umänderung  der 
Thür  und  die  Befestigungsanlagen,  welche  sich  an  die  Vorderseite 
der  Felsen  anschlössen,  bezieht  sich  das  Steinmetz/eichen  (vgl. 

h 

i'CSt- 

Dass 

die  Thür  schon  in  retmanischer  Zeit  einen  Eingang  zum 
Heiligthumc  bildete,  beweist  auch  die  halbrunde  Vertiefung  neben  ihr 
links  an  der  Aussenseitc,  mit  einem  kleineren  Loche  darüber,  die  offen- 
bar zur  Aufnahme  eines  metallenen  Weihwasserbeekens  bestimmt  war 
und  die  Vogelgestalt,  welche  Über  derselben  in  den  .Stein  eingehalten 
ist.  i  Vgl.  Taf.  IV.)  Wenn  bei  B  kein  Eingang  gewesen  wäre,  hätte 
man  dieses  Symbol  gewiss  über  die  grosse  rundbogige  Thürötfnung 
C  gesetzt,  um  es  nicht  isolirt  erscheinen  zu  lassen.  Die  Gestalt  ist 
roh  und  unregelmässig  vertieft,  am  Bruststück  und  an  den  oberen 
Theilen  der  Flügel  stärker  eingearbeitet,  während  jede  Spur  des 
Kopfes  fehlt.  Bei  seiner  (tüchtigen  Arbeit  hat  der  Steinmetz  nicht 
einmal  darauf  geachtet,  die  Figur  in  der  Längeuaxc  der  Thür  an- 
zubringen, sie  erscheint  etwas  nach  rechts  verschoben;  man  ist 
jedoch  nicht  berechtigt,  deshalb  den  Zusammenhang  zwischen  der  Thür 


s>*> i  Friedender  bildet  in  der  Westf.  Zeitschr.  1*7:?  die  Hausmarken 

XX 


II.  Köster  s  v.  J.  10*0  und  die  B.  Kolin<-k\  v.  J.  l'I!>4 

><x 


ah,  die  sieh  beide  nul'  einer  Schützenkette  zu  Münster  befinden.  Genau 
dnsseihe  Zeichen  wie  nu  den  Fxternsteineii  erscheint,  als  Hausmarke  des 
Peter  Sehnrf  17*1  im  liemcindebuche  von  Franken  im  Kreise  Ahrweiler. 
Vgl.  Filippi,  „Rheinische  Hausmarken"  in  der  We>td.  Zeitschr.  f.  G. 
u.  K.  ISMO.  Aehnlich  ist  die.  Hausmarke  auf  Kirelienstühten  /u  Oher- 
wcscl,  ihd.  Nr.  42  und  das  Zeichen  .Jörg  Syriins.  Die  rautenförmige  Kreu- 
zung am  unteren  Theile  taucht  schon  in  gut  Iiischer  Zeit  auf.  Vgl.  die 
Steinmetz/eichen  am  MUn-ter  zu  l'ltn  (Moriz  F.nsingcr),  zu  Baden-Baden, 
an  der  Barbarakirehe  zu  Kutlcnbcrg  etc.  hei  Kzika,  Studien  überSteiu- 
metzzeiehen.  Mitth.  d.  C.  C.  N.  F.  i».  1**3.  Nur  den  unteren  Theil  hat  unser 
Steininctzzeiehen  mit  j<;tiem  gemein,  das  sich  mit  der  Jahreszahl  1G5!»  auf 
dein  Portal  der  ehem.  Burg  zu  Horn,  in  der  Nähe  der  F.xternsteinc  findet. 


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1 1«.  Anton  Kisa: 

und  der  Vogclgesfalt  in  Abrede  zu  «tollen.  Dir  Deutung  derselben  i**t 
durch  die  Uohhcit  der  Ausführung  ersehwert,  die  nicht»  ist  als  eine 
flüchtige  .Skizze  in  .Stein.  MasHinann,  der  das  Heiligthum  an  den 
Extcrnsteinon  und  das  Kelief  Karl  dem  Grossen  zuschreibt,  dachte  an 
einen  Adler  als  Sinnbild  der  Ostmark  des  karolingischen  Reiches  und 
veranlasste  dadurch  auch  andere,  welche  Uber  die  Entstehung  der 
liildwcrke  liesscr  unterrichtet  sind,  zu  der  Annahme,  dass  hier  ein 
Wappenthier  angebracht  sciü,v).  Die  Zeit  der  Kreuzzttge  bat  aller- 
dings das  AVappenwcsen  in  Deutschland  eingebürgert,  lütter  schmüek- 
teu  den  Schild  und  Waffenrock  mit  farbigen  Zeichen,  um  sich  von 
anderen  zu  unterscheiden,  aber  die  Sitte,  ein  Bauwerk  mit  einem 
Wappen  zu  schmücken,  einem  sog.  Herrsehaftswappen,  welches  ein 
Besit/thum  anzeigt,  ist  vor  Ende  des  VJ.  Jahrb.  nicht  nachzuweisen. 
Nur  ein  solches  Wappen  wäre  hier  möglich,  dann  aber  milsste  es 
das  des  Klosters  Abdinghot',  des  Eigcuthüiners  der  (»rotten  sein, 
welches  schon  in  romanischer  Zeit  autkommt,  aber  keinen  Adler, 
sondern  zwei  gekreuzte  Schlüssel  zeigt"1).  Eine  Andeutung  dieses 
Wappens  aus  einer  Zeit,  in  welcher  es  noch  nicht  die  spätere,  aus- 
gebildete Form  hatte,  findet  sieh  in  den  zwei  Schlüsseln,  welche 
auf  dem  Altar  der  oberen  Kapelle  eingehauen  sind.  Es  kann  sieh 
also  nur  um  ein  religiöses  Symbol  handeln  und  ein  solches  finden 
die  fers  und  Dewitz  in  der  Taube,  dem  Sinnbilde  des  I».  Geiste«. 
Die  Taube  für  sich  allein,  ober  der  Thür  eines  Heiligthmncs  nmss 
aber  nothwendig  mit  der  Taufe  in  Verbindung  gebracht  werden, 
die  Grotte  der  Externsteine  würde  dadurch  als  Taufkapelle  gekenn- 
zeichnet werden.  In  dein  einsamen  Waldheiligthume  wurden  jedoch 
niemals  Tauf  handlangen  vorgenommen,  hierzu  war  die  Pfarrkirche  zu 
Horn  bestimmt;  das  Hecht  der  Spendung  der  Taufe  hätte  der  Kirche 
der  Externsteine  vom  Abte  des  Klosters  Abdinghof  ausdrücklich 
und  ausnahmsweise  verliehen  werden  müssen,  wovon  nirgends  die 

m  Noch  |K!U  hat  Fr.  v.  höher  in  der  .Kunst  für  Alle"  die  Bild- 
werk«- in  k;iro!iii<ri>ch(!  Zeit  versetzt! 

61 1  An  den  Reichsadler  ist  hier  nicht  zu  denken,  da  ihn  die  sächsi- 
schen Kaiser  nicht  kannten.  Freilich  erscheint  er  bereits  um  die  Mitte 
des  II.  Jahrb.  als  Wappen  der  Marktraten  von  Oesterreich.  Die  Ottonen 
rühren  ein  einlaches  Schild  mit  einem  Itund  oder  einer  Kugel,  mitunter 
mit  Strahlen  oder  mit  Streifen.  Die  erste  urkundliche  Wappeiiverleihitng 
in  Deutschland  wird  a.  d.J.  ll!?8  berichtet;  sie  erfolgte  durch  Kaiser  Lothar 
an  Ulrich  von  Hohenlohe.  Vjrl.  Bc  r  n  d  t,  llauplstücke  der  Wappenwissen- 
srl.aft,  Bonn  I.MI. 


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Di»?  Externslcine. 


119 


Rede  ist'*;,  Sie  war  vielmehr  eine  Wallfahrtskirche  mit  einer 
Nachahmung  des  Grabes  Christi,  in  welcher  nach  1140  de« 
Winters  zweimal,  des  Sommers  dreimal  wöchentlich  von  dem  reetor 
reelusorii,  einem  Priester  der  Horner  Pfarre,  -Messe  gelesen  wurde 
und  sonst  wohl  ausserdem  noch  l>ei  besonderen  Anlässen,  bei  den 
Pilgerfahrten.  Ein  Theil  der  Grotten  diente  Einsiedlern  zur  Woh- 
nung, welche  dafür  zugleich  die  Wartung  übernahmen.  Aber 
auch  die  < »rossen Verhältnisse  der  Vogelgestalt  —  sie  misst  etwa 
1,20  m  Breite  —  sind  mit  der  Vorstellung  einer  Taube  nicht  zu 
vereinigen.  Als  Sinnbild  des  h.  Geistes  wird  sie  im  frühen  Mittel- 
alter freilieh  meist  nberlebciisgross  dargestellt,  nie  setzt  sich  aber 
die  Kunst  so  sehr  über  die  Gesetze  der  Symmetrie  hinweg,  dass 
sie  der  Taube  drei  Viertel  von  Mannesgrösse  — •  in  diesem  Verhält- 
nisse erscheint  sie  neben  den  Gestalten  des  grossen  Reliefs  —  und 
mehr  als  die  Hälfte  von  der  Höhe  der  darunter  befindlichen  Thür- 
öfl'nung  gegeben  hätte.  Unzweifelhaft  ist  hier  ein  Adler  und  keine 
Taube  dargestellt;  aber  nicht  als  Wappcnthier,  sondern  als  das 
Symbol  der  Auferstehung.  Es  lag  ja  nichts  näher  als  mit  der 
Kreuzabnahme  und  der  Grablegung,  welche  durch  das  grosse  Relief 
und  die  Felsenhöhle  versinnliclit  wurden,  auch  einen  Hinweis  auf 
den  künftigen  Triumph,  auf  Auferstehung  und  Unsterblichkeit  zu 
verbinden™;.    Freilich  ist  der  Adler  nicht  vollständig,  es  fehlt  ihm 


■  ttt  Vgl.  Fr.  A.  Koi  li  in  der  WestfHI.  Zeitsehr.  Münster  1S.V.». 

f'.3i  Der  Adler  ist  im  thristliehen  Altcrthum  Sinnbild  dir  Aufer- 
stehung des  I lernt.  .Hin  wahrer  und  eigentlicher  Adler  ist  Christus,  unser 
Herr,  dessen  Jugend  erneut  wurde,  als  er  von  den  Toten  auferstand" 
( Ambro-ius,  serm.  de  perfectione).  , Wieder  jung  weiden,  w  ie  ein  Adler", 
heisst  es  in  IValni  1  (Kl,  "».  Die  F.igenschalt  sich  zu  verjüngen  wird  dein 
Adier  aueli  in  seiner  Naturgeschichte  bei  Kpiphan.  l'hysiol.  zugeschrieben. 
Auf  einein  altehristlicheu  Sarkophage  des  Lateran-Museums  sieht  man 
über  einem  Kreuze  das  Monogramm  Christi  in  einem  Lorbeerkränze,  der 
von  einem  fließenden  Adler  gehalten  wird;  an  den  Früeliteu  des  Kranzes 
pieken  2  auf  den  (Juerarmen  sitzende  Tauben,  unten  halten  •*  Soldaten 
sitzend  Waehe.  Wir  lialien  hie  r  also  in  einem  Hilde,  wie.  bei  den  L'xleru- 
steinen  in  einer  Lokalitat,  Tod,  Grab  und  Auferstehung  verbunden.  Vgl. 
Kraus,  R.  L\  s.  , Adler".  Piper,  ev.  Kalender  1>.">7  p.  4o\  Jin  „Titurcl" 
heisst  es,  auf  jedem  Kreuze  des  grossen  Gralstempels  habe  ein  goldener 
Adler  gesessen,  als  Sinnbild  der  Kraft  Gottes  in  der  Höhe.  Auf  einem 
Bilde  in  der  Kathedrale  von  Lyon  fliegt  ein  junger  Adler  der  Sonne  ent- 
gegen, in  deren  drei  Ifaupistrahlen  drei  alte  Adler  sitzen.  Wahrend  die 
Adler  der  Gralsburg  ohne  Zweifel  dieselbe  Bedeutung  haben,  wie  der 


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120 


Auto  11  K  i  s  a : 


der  Kopf,  doch  da  eine  scharfe  Abgrenzung  des  Rumpfes  nach  ohen 
fehlt,  mnss  mau  annehmen,  das»  es  nicht  beabsichtigt  war,  ihn  kopf- 
los darzustellen.  Der  Steinmetz  dürfte  die  Umrisse  des  Adlers  in 
Farbe  auf  den  Felsengrund  vorgezeichnet  haben  und  dann  daran- 
gegangen sein,  die  Innenfläche  zu  vertiefen.  Dabei  bearbeitete  er 
zunächst  jene  Stellen,  au  welchen  der  .Stein  am  meisten  vorragte  uud 
er  demnach  mit  dem  Meisscl  am  tiefsten  gehen  musste  und  sparte 
den  Kopf,  der  auf  der  zurückweichenden  Felsparthie  lag  und  nur 
ganz  llach  gehalten  zu  werden  brauchte,  um  in  eine  Fläche  mit 
dem  Rumpfe  zu  kommen,  zum  Schlüsse  auf.  Kr  kam  jedoch  nicht 
mehr  so  weit,  ja  er  nahm  sich  nicht  einmal  die  Mühe,  die  Umrisse 
sorgfältig  auszuarbeiten  und  das  Innere  gleichmäßig  zu  vertiefen, 
sondern  liess  das  Ganze  roh  und  unfertig  stehen.  Auffallend  ist  die 
muldenförmige  Kinbnuchung  des  Bruststückes,  die  den  Gedanken 
nahe  legte,  es  könnte  beabsichtigt  gewesen  sein,  in  den  vertieften 
Untergrund  einen  Adler  aus  Bronze  einzulassen,  dessen  Kopf  frei 
aus  der  Flüche  hervorragte.  Doch  fehlen  alle  Spuren  von  Ver- 
zapfung,;|). 

Für  die  ursprüngliche  Anlage  der  Thür  B  spricht  noch  ein 
Fund,  den  G.  B.   V.  Sehierenberg  18*13  gemacht  hat,  jedoch 


Adler  jiuI'  dem  Sarkophage  des  Laterans,  i>t  die  Erklärung,  die  Menzel 
in  seiner  christlichen  Symbolik,  von  letzteren)  Falle  gibt  —  der  junge 
Adler  tiedeute  die  Auferstehung  oder  besser  die  Himmelfahrt,  die  drei 
alten  die  Dreifaltigkeit  —  nicht  ganz  einwandfrei.  Christus  erschiene  hier 
doppelt;  er  fliegt  gegen  Himmel  und  empfängt  sich  selbst  im  Verein  mit 
den  beiden  anderen  göttlichen  Personen!  —  Im  T\mpanon  über  der 
linken  Seitenthür  an  der  Fassade  von  S.  Pictro  in  Toscanella  (10.  Jahrb.) 
erscheint  ein  Adler,  während  über  der  r.  Seitenthür  Schlange,  Löwe  und 
Tiger  mit  einander  kämpfen;  hier  Sünde,  Tod  und  Verderben,  dort  Sieg, 
Erlösung  und  Auferstehung.    Vgl-  Archivio  storico  doli  arte  I]  p.  370.  Abb. 

04)  Der  .Vogel  ohne  Kopp  von  welchem  Piper,  Mythol.  d.  christl. 
K.  I.  spricht,  ist  wohl  nur  ein  Spiel  der  Phantasie.  Der  Vogel  am 
Portale  von  St.  Lorenz  in  Nürnberg  z.  B.  den  er  anführt,  ist  ein  Adler 
und  hatte  ursprünglich,  wie  sich  deutlich  erkennen  lilsst,  einen  Kopf,  der 
später  abgestossen  wurde.  —  Eher  könnte  man  noch,  wenn  man  die  rohe 
Vertiefung  nur  als  Untergrund  für  die  Aufnahme  eines  Bron/.ewerkes  an- 
sieht, an  einen  Pelikan  denken,  der  sich  mit  dem  Schnabel  die  Brust  auf- 
reisst,  um  die  Brut  mit  seinem  Blute  zu  tränken,  doch  ist  dieses,  nament- 
lich in  der  got löschen  Kunst  so  beliebte  Symbol  des  Opfertodes  Christi, 
das  an  dieser  Stelle  gut  angebracht  gewesen  wäre,  der  frühronmnlschen 
Kunst  noch  unbekannt. 


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Die  Externstcine. 


121 


Keinen  Mithrasphantasiecu  zu  Liebe  in  gewaltsamster  Weise  miss- 
deutet.  Etwa  60  ein  nnter  der  genannten  Weiheinschrift  an  der 
Killgangswand  der  Hauptgrotte  sind  nämlich  die  Umrisslinicn  einer 
Frat/o  cingcmcissclt,  mit  abstehenden  Ohren,  fletschenden  Zähnen 
nnd  heraushängender  Zunge.  .Sie  hat  dieselbe  Bestimmung,  wie  die 
Fratzen  und  Löwenköpfe  an  romanischen  Kirehenthurcn  und  Por- 
talen, an  Burgen  und  Befestigungsanlagen,  als  Sehreekbild  zur  Ab- 
wehr von  Unholden  und  bösen  Geistern  zu  dienen.  Diese  Köpfe 
gehen  im  Wesen  auf  das  antike  Gorgoncion  zurück,  das  gleichfalls  als 
HToxor  benutzt  wnrdc  und  namentlich  in  seiner  archaischen  Gestalt 
mit  den  schreckhaften  Augen,  den  vorragenden  Hauern,  dem  grossen 
verzerrten  Munde  und  der  ausgestreckten  Zunge,  die  Phantasie  des 
frühen  Mittelalters  becinflnsste.  Es  bleibt  in  seinem  menschlichen 
Charaeter  an  Masken,  an  Kapitelleu,  Arcbivoltcn,  Stadt t  härmen  bis 
ins  13.  Jahrb.  erhalten  und  bekommt  nur  durch  gewisse  Einzel- 
heiten, wie  lange  Ohren,  etwas  phantastisch  Thierisches;  die 
sehlangendurchflochtcnen  Locken  fehlen  freilich  ganz  oder  verwan- 
deln sich  in  Ornainentranken.  Dagegen  sind  die  Masken  an  Bronze- 
thtlren  schon  im  10.  Jahrb.  zu  Thierköpfen  geworden,  indem  man 
die  Locken  zur  Mahne  des  Löwen,  die  fletschenden  Zähne,  die  lang 
vorstehenden  Haner  der  archaischen  Oorgo  zum  Löwcngebiss  umgestal- 
tete. Als  Wächter  und  BcscbUtzer  des  Gebäudes  sind  die  Masken  stets 
am  Eingange,  sei  es  an  der  Thür  selbst,  oder  im  architektonischen 
Schmucke  des  Portales,  oder  in  nächster  Xähe  desselben  augebracht. 
So  finden  wir  auch  in  der  Grotte  der  Kxternsteine  das  uto.iov  dicht 
am  Eingange,  der  auch  ans  diesem  Grunde  als  ein  ursprünglicher 
angesehen  werden  muss,  seltsamer  Weise  aber  nicht  an  der  Aussen- 
seite,  wie  sonst  überall,  sondern  im  Innern.  Dieses  Abweichen  von 
der  Regel  hatte  seinen  besonderen  Grund.  Als  die  Mönche  von 
Abdinghof  die  Grotten  zu  einem  christlichen  Gotteshause  einrichte- 
ten, mochten  sie  weniger  die  Unholde  und  bösen  Geister  fürchten, 
die  aussen  ihr  Unwesen  trieben,  als  die  alten  Götter,  welchen  früher 
die  heidnischen  Sachsen  an  derselben  Stätte  Opfer  dargebracht 
hatten  und  die  noch  immer  als  böse  Dämonen  in  dem  unheimlichen 
Fels  stecken  mochten"').    Die  späte  Entdeckung  dieser  Fratze  ist 

65)  Das  (lorgonenhaupt  war  als  Abschreckungsmittel  an  den  Stadt- 
ninuern  in  Argos  angebracht,  die  den  Cyklopen  zugeschrieben  werden 
(Pausanias  II.  20,  »).  An  der  Siidmaucr  der  Akropolis  von  Athen  war 
ein  grosses  vergoldetes  Medusenhaupt  auf  einer  Aegis  zu  sehen.  (Paus. 


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123 


Anton  Kisa: 


dein  UiiKSf atnlc  zuzuschreiben,  dass  die  Felswand  unter  der  Inschrift, 
wie  noch  heute  ein  grosser  Theil  des  Inneren,  mit  einem  etwa  40 mm 
(Ucken  Mörtelverputz  bedeckt  war,  der  leicht  abblättert  und  mit 
einer  blaugrüuen  Leimfarbe  überstrichen  ist.  Es  ist  unbegreiflich, 
wie  Dewitz  ihn  ISTti  für  eine  „Ausseh  witzung  des  Steines"  er- 
klären konnte.  Vennuthlich  rührt  er  aus  dein  17.  Jahrh.  her,  als 
man  die  ('.rotte  einem  Förster  als  Behausung  anwies  und  möglichst 
wohnlich  gestalten  wollte. 

Links  von  dem  grossen  Relief  der  Kreuzabnahme  befindet  sieh 
in  einer  nischenartigen  Aushöhlung  des  Felsens  eine  Art  Hochrelief, 


I.  21,  4).  —  Die  vier  Fratzen  in  Basrelief  mit  ausgestreckter  Zunge,  welche 
sich  am  Thurmc  der  Stcl'aiiskirchc  zu  Ladenburg  befinden  und  vielleicht 
noch  vor  d.  J.  1000  entstanden  sind,  haben  den  gleichen  Zweck  wie  die 
bartlosen  grinsenden  Masken  an  den  Thorthürmen  in  Rothenburg  ob  d.  T. 
i inneres  Spitals-  und  Würzbnrgerthori.  Anklänge  an  die  antike  Gorgo, 
namentlich  in  der  Haarbehandlung  und  in  der  absichtlichen  Betonung  des 
Schreckhaften,  Abstosscnden,  zeigte  die  ehem.  an  einem  Thürflügcl  von 
St.  Severin  zu  Köln  angebrachte  Maske.  —  Einfacher  sind  die  Fratzen 
an  St.  Kilian  zu  Lügde  bei  Pyrmont  (über  dem  Tympanon)  und  an  der 
romanischen  Pfarrkirche  zu  Boppard  (in  den  Hohlkehlen  der  Portallaibung 
und  der  Archivoitc).  Hin  Sehreckbild  derselben  Art  bildet  das  schon 
In  Note  41  erwähnte  Relief  in  rothem  Sandstein  im  Museum  zu  Trier 
(abgeb.  Wcstd.  Z.  C  u.  K.,  Corres p.  Bl.  1884,  p.  187»,  das  ursprünglich 
über  dem  Thoreiugaug  der  Burg  zu  Mürlenbach  (etwa  13.  Jahrh.)  einge- 
mauert war.  Ks  stellt  das  Brustbild  eines  männlichen  Scheusales  dar,  das 
auf  beide  Arme  gestützt,  den  Beschauer  angrinst,  neben  ihm  in  den  obe- 
ren Ecken  Cin  Basilisk  und  ein  Drache.  —  Vgl.  A.  Springer,  lieber 
die  Quellen  der  Kunstdarstellungen  iin  Mittelalter.  Berichte  der  kgl. 
sitchs.  Ges.  d.  Wissenschaften  1871». 


eine  männliche  Gestalt  von 
1,45  m  Höhe,  durch  deu 
Schlüssel  in  der  Hand  als 

st.  Petrus  gekennzeichnet 
{Fig.  12).    Neben  dieser 


j  ^  Gestalt  öffnet  sich  abermals 

eine  Thür  (Taf.  V,  VI,  A), 


welche  durch  einen  schma- 
len nnregelmässigen  Gang 
von  Osten    her  nach  der 


Fi  r.  Ii. 


;V  Hauptgrotte  führt.  Auch 
über  die  Entstehungszeit 
dieser  Thür  sind  verschie- 


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Die  Externsteine. 


123 


dene  Ansichten  laut  geworden.  Während  Dewitz  sie  für  gleich- 
zeitig mit  dem  Relief  und  allen  anderen  Arbeiten  an  den  Extern- 
steinen hält,  schlicsst  Giefers  aus  deren  Absehluss  in  Form  eines 
ganz  Hachen,  der  Wagcrechteu  nahen  Bogens  auf  eine  spätere  An- 
lage, im  17.  Jahrb.,  andere  endlich  auf  römischen  Ursprung.  Höchst 
wahrscheinlich  war  auch  sie  schon  von  der  Natur  vorgearbeitet, 
wie  dies  von  dem  unregelmäßigen  Gange  gewiss  ist,  an  dessen 
oberen  und  östlichen  Theilen  man  den  gewachsenen,  vom  Meissel 
unberührten  Stein  sieht;  es  war  ein  Felsspalt,  der  sich  wohl  nach 
Osten  ins  Freie  öffnete  und  Anlass  zu  theilweiser  Erweiterung  und 
Anlage  einer  Seitenpforte  gab.  Dafür,  dass  letzteres  schon  in  roma- 
nischer Zeit  erfolgte,  spricht  dien  die  Petrusgestalt  daneben,  dass  es 
erst  nach  Vollendung  des  Reliefs  geschah,  geht  ans  der  Abarbeitung 
der  Felsenfläche  links  vom  Relief  hervor.  Betrachtet  man  die  linke 
Kante  derselben,  so  lallt  es  auf,  dass  der  die  obere  und  untere 
Gruppe  trennende  Steg  beträchtlich  Uber  sie  frei  vorragt,  ebenso 
ein  Zipfel  vom  Gewände  der  Maria.  Das  Ende  des  Tuches,  mit 
welchem  der  Mond  links  vom  Querbalken  des  Kreuzes  die  Thräncn 
trocknet,  ist  durch  die  Abarbeitung  der  Felswand  schräg  abge- 
schnitten ,u') ;  dieselbe  kann  nicht  gleichzeitig  mit  der  Ausführung 
des  Reliefs  vorgenommen  worden  sein,  denn  sonst  hätte  der  Bild- 
hauer mit  ihr  gerechnet  und  die  Composition  mehr  nach  rechts 
gerückt,  noch  weniger  aber  kann  sie  —  und  mit  ihr  die  anstoßende 
Thür  zn  dem  schmalen  Gange  im  Osteu  schon  früher  dagewesen 
sein.  Sie  ist  vielmehr  offenbar  erst  nach  Vollendung  des  Reliefs 
entstanden,  welches  vemmthlich  ursprünglich  mit  der  natürlichen 
unregelmäßigen  Felskante  abschloss,  jedoch  so,  dass  dieser  Ab- 
sehluss ungefähr  in  einer  Senkrechten  links  von  dem  Zipfel  des 
Thränentuchcs  erfolgte.  Durch  diese  Abarbeitung  gewann  man  erst 
die  Möglichkeit  zu  einer  regelmässigen  Thüranlage,  bez.  zur  Aus- 
gestaltung des  Loches,  mit  welchem  die  Felsspalte  ins  Freie  mün- 
dete und  indem  man  von  dem  Stein  das  Xöthige  stehen  ließ,  zur 
Anlage  der  Petrusgestalt.  Giefers  vermuthet,  daß  ursprünglich 
für  die  andere  Seite  der  Thür  ein  Hochrelief  des  Paulus  geplant 
war,  so  dass  die  beiden  Patrone  von  Abdinghof  beim  Eingange 

66)  Die  Abbildungen  bei  Dewitz,  Giefers  und  Mass  mann  sind 
in  diesem  Punkte  ungenau.  Hingegen  ist  diu  Absehriigung  und  das  da- 
durch bewirkte  Abschneiden  de*  Zipfels  auf  der  Zeichnung  von  E.  Zeis.s 
bei  Thorbecke  a.  a.  0.  gut  wiedergegeben. 


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124 


Anton  Kisa: 


Wache  gestanden  hatten  und  schliesst  dies  aus  einer  Abbildung  der 
Kxternstcine  in  Kupferstich  von  Klias  von  Lennep  (17.  Jahrb.). 
Aber  in  dieser,  übrigens  sehr  unzuverlässigen  Wiedergabe  (es  findet 
sich  z.  B.  Uber  di  r  Thür  Ii  anstatt  des  Adlers  ein  Kreuz)  ist  keine 
Andeutung  einer  rechts  von  der  Thür  stellenden  Kigur  zu  erkennen. 
Die  l'etrnsgestalt  ist  ganz  undeutlieli  wiedergegeben  und  untnittelbar 
au  sie  austossend  ein  Thurm  von  der  Befestigungsanlage  des  17.  Jh., 
an  dessen  unterem  Tlieile  sieh  eine  unkenntliche  Reliefgeslalt  befindet. 
Vielleicht  ist  dies  der  (Ücfer'sehe  Paulus,  welcher  dann  aber  gleich- 
falls zur  Linken  von  der  Thür  stehen  nnd  kein  Seitenstück  z»  IVtrns 
bilden  würde.  Wenn  man  eine  zweite  Figur  in  Hochrelief  geplant 
hätte,  wäre  gewiss  von  vornherein  darauf  Rücksicht  genommen 
worden,  m;in  hätte,  anstatt  den  Fels  glatt  abzuarbeiten,  rechts  von 
der  Thür  noch  ein  Stück  stehen  gelassen.  Die  sorglose  Art,  mit 
der  man  bei  Abarbeitung  des  Kelsens  in  die  Fläche  des  grossen 
Reliefs  einschnitt,  beweist,  dass  dies  von  einer  fremden  und  späteren 
Hand  geschehen  ist,  die  auf  den  Schöpfer  desselben  keine  persön- 
lichen Rücksichten  mehr  zu  nehmen  brauchte.  Aber  auch  hier  blieb 
die  Arbeit  unvollendet.  Die  l'etrnsgestalt  ist  zwar  durch  .Schlüssel 
und  Spruchband  hinlänglich  bestimmt,  jedoch  im  ersten  rohen  Ent- 
würfe stehen  geblieben  und  nicht  einmal  in  voller  Länge  aus  dem 
Steine  herausgearbeitet,  denn  die  Küsse  verlieren  sieh  mit  dem  in 
beiläufigen  Massen  angedeutetem  (Jewamlc  im  Kelshodcn.  Von  ge- 
waltsamen Verletzungen  und  Verwitterungen  ist  nichts  zu  merken, 
die  klotzigen  L'mrisse  des  Schlüssels,  wie  die  Bohrlöcher  im  Kopfe 
an  den  Stellen,  wo  die  Augen  angebracht  werden  sollten,  sind  viel- 
mehr recht  scharf.  Alles  deutet  darauf  hin,  dass  die  be- 
gonnene Arbeit  zum  Stillstand  kam  und  nachher  in  Vergessenheit 
gerieth,  ebenso  wie  die  Inschrift  und  der  Adler  über  der  Thür  B,;T). 
Der  (Jang  hinter  dem  grossen  Relief  iTaf.  VI,  I)  liegt  etwas 

<wl  A  M  enk  i  reite»  widerlegt  i»  seinem  Aufsätze  \\hcr  die  Mittel- 
alterliche Kunst  in  Soest,  Bonner  Winckcliiiaunspni^ramm  1  ST.r»  die  Ansieht 
Kaonl  Ko  c  Ii  e  1 1  e  s ,  dass  das  Kchlüssclattrihut  Petri  erst  dein  spaten 
Mittelalter  angehöre.  Kr  halt  zwei  Schlüssel  auf  dem  Wandgemälde  in  der 
Apsis  der  Patroclikirche  zu  Soest,  Mitte  des  Ii.  .Jalnh.  Petrus  mit  nur 
einem  Schlüssel  findet  sich  im  Presen  der  Apsis  der  Kilianskirchc  zu  Lügde, 
im  T\  inpannurelief  der  Thür  zwischen  Dom  und  Liebfrauenkirche  in 
Trier,  in  Mether  hei  Dortmund,  auf  einer  Wandmalerei  der  Domtniknner- 
kirche  zu  Budwcis  u.  a.  a.  <>. 


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Die  F.xtornsteiiic. 


hoher  als  «Irr  Hauptranm  (II),  in  [welchen  er  über  einige  roll  be- 
hauene  Stuten  hinabführt.  Nach  Osten  senkt  er  sieh  gegen  die 
Tbttr,  in  der  Mitte  erweitert  er  sieh  in  Höhe  und  Breite  heträeht- 
lieh  und  zeigt  hier  in  den  oberen  Parthieen  bis  dicht  an  die  Petrus- 
thllr  keine  Spar  von  könstlieher  Bearbeitung  des  Steines  durch 
Mcissel  und  Spitzhacke  Die  Verbindung  mit  dem  Hauptraumc  ist 
schmaler,  etwa«  niedriger  und  offenbar  künstlieh  erweitert.  die  fers 


Kit:.  13. 

vermuthet,  das»  mau  diesen  Gang,  bez.  den  geräumigsten  Tbcil  des- 
selben zur  Aufstellung  des  „heiligen  (irabes"  benutzt  habe  und  fühlt  sieh 
durch  diese  Annahme  veranlasst,  demjenigen  „heiligen  Oabe",  welches 
sieh  noch  jetzt  am  Fusse  des  ersten  Felsens  eingehalten  findet  (vgl. 
Fig.  18  u.  Taf.  VI)  eine  andere  Bestimmung  zuzuweisen.  Es  ist  dies  ein 
regelrecht  in  den  Felsen  gearbeiteter  Sarkophag  ohne  Deckel,  mit 
einem  Ausschnitt  für  den  Körper  von  der  Form,  wie  sie  in  romani- 
scher Zeit  üfter  vorkommt,  z.  B.  auch  am  Sarkophage  des  h.  Bern- 


120 


All  ton  K  isa: 


ward  in  der  Krypta  des  Domes  zu  Hildeshcim.  Darüber  befindet 
sieb  eine  halbkreisförmige  Niselie  mit  drei  Löchern,  einem  grösseren 
und  zwei  kleineren,  in  der  Mitte.  Das  ganze  ist  die  Nachbildung;  eines 
altchristlichen  Arcosolium*.  Giefers  behauptet,  in  diesen  Sarko- 
phag hätten  sieb  die  Pilger  zur  Busse  hineingelegt  und  beim  Nie- 
derlassen die  drei  Löcher  zum  Festhalten  benutzt.  Diese  Erklärung 
ist  sehr  gesucht.  Als  Stütze  hätten  die  Pilger  die  Seitentheile  des 
Sarkophage«  bequemer  benutzen  können,  als  die  hoch  angebrachten 
Vertiefungen  der  Nische,  die  nichts  anderes  als  Verzapfungslöchcr 
zur  Anbringung  eines  Kruzifixes  oder  einer  anderen  Skulptur  sind. 
Der  Sarkophag  aber  wurde  wold  zu  besonderen  Zeiten,  namentlich 
in  der  Charwoche,  als  (Jrab  Christi  eingerichtet,  indem  man,  wie 
heute  noch  üblich,  eine  Holzfigur  des  göttlichen  Leichnams  in  den- 
selben bettete,  was  nicht  ausschliesst,  dass  auch  der  Gang  hinter 
dem  grossen  Relief  zu  Zeiten  eine  gleiche  Bestimmung  gefunden 
hat.  Er  war  jedoch  schwer  zugänglich,  die  Pilger  konnten  hier 
nur  einzeln  an  dem  h.  Grabe  vorbeikommen  und  das  mag  Veran- 
lassung gegeben  hal»en,  als  der  Zndrang  zu  dem  Heiligthuine  stärker 
wurde  und  die  engen  Räume  der  Grotte  die  Schaar  der  Pilger 
nicht  mehr  fassen  konnten,  das  h.  Grab  hinaus  ins  Freie  zu  ver- 
legen, die  Grotten  selbst  aber  für  die  Priester  und  Büsser  zu  reser- 
viren. — Von  dem  Boden  des  Ganges  senkt  sich  ein  Schacht  durch 
den  Felsen  und  mündet  in  einer  schmalen,  schiessschartenförmigen 
Oeft'nung  in  der  unteren  Gruppe  des  grossen  Reliefs.  (Vgl.  Fig.  10  e 
und  Tai,  VI  a.)  Da  er  hiemit  einen  Tb  eil  der  Seblangenwindnng 
zur  Linken  zerstört,  kann  er  erst  nach  Vollendung  des  Reliefs  an- 
gelegt worden  sein.  Der  Zweck  desselben  ist  unklar;  zum  Ab- 
flüsse von  Wasser  konnte  er  nicht  dienen,  da  solches  bei  der  Sen- 
kung des  Bodens  ohnedies  gegen  die  Petrnsthür  geflossen  wäre,  für 
die  Zuführung  von  Luft  und  Lieht  war  anderweitig  zur  Genüge  ge- 
sorgt. Ich  vermuthe.  dass  der  Schacht  in  romanischer  Zeit  über- 
haupt noch  nicht  vorhanden  war,  sondern  erst  nach  der  Profanirung 
der  Grotten  entstand;  dafür  spricht  die  Form  der  Oeft'nung  und 
ihre  Beschmutzung  durch  Unrat  b. 

Der  Hauptraum  II  ist  rechtwinklig  angelegt  und  an  den  senk- 
rechten Wänden,  wie  an  der  tonnenartigen  Decke  regelmässig  behauen. 
Nächst  diesem  ist  auf  den  Seitenrauni  III  die  ineiste  Sorgfalt  ver- 
wandt worden,  der  ungefähr  quadratisch,  niedriger  und  um  eine  Stufe 
tiefer  ist.    Während  im  Sommer,  namentlich  zur  Zeit  der  Pilger- 


Dir  F.xtornstoino. 


127 


fabrtcn  der  Gottesdienst  wegen  des  grossen  Andranges  jedenfalls  im 
Freien  abgehalten  und  ein  Tragaltar  vor  dem  grossen  Relief  aufge- 
stellt wurde,  diente  tür  gewöhnlich  der  Kaum  II,  die  llauptgrotte, 
für  den  Gottesdienst  und  der  Nebenraum  III  als  Sakristei,  welcher  von 
ersterein  durch  eine  Holzwand  getrennt  war,  wie  die  rechtwinkligen 
Vertiefnngcn  au  den  Wänden  zur  Aufnahme  der  Balken  beweisen. 
Die  gleichen  Vertiefungen  Huden  sich  aber  auch  rechts  von  dem 
grossen  rnndbogigen  Kingangc  c  und  an  der  gegenüberliegenden 
Wand,  so  das»  demnach  die  Grotte  II  in  zwei  Räume  abgethejlt 
war.  Diese  hölzernen  Zwischenwände  dürften  erst  im  17.  Jahrb. 
angelegt  worden  sein,  als  man  die  Grotten  zur  Försterwohnung  ein- 
richtete und  zugleich  mit  Mörtelbcwurf  versah.  Ursprünglich  sind 
jedoch  die  Löcher  für  Verzapfungen  an  der  Längswand  gegenüber 
den»  Kingange  c,  wo  ein  grösseres  Bildwerk,  etwa  ein  Kruzifix  be- 
festigt gewesen  sein  mnss.  Rechts  von  dem  genannten  Eingange 
befindet  sich  eine  ähnliche  Vertiefung  für  ein  Weihwasserbecken,  wie 
aussen  neben  der  Adlerthür. 

An  der  westlichen  Schmalseite  der  llauptgrotte  (vgl.  Taf.  VI  a) 
ist  eine  flache  nisehenförmige  Vertiefung  in  den  Fels  gehauen,  von 
der  G.  B.  A.  Schicrenberg  wohl  mit  Recht  vermuthet,  dass  hier 
ein  Durchbrach  nach  der  kleinen  rechtwinkligen  Höhle  IV  geplant 
war,  die  mit  den  übrigen  Räumen  ohne  Verbindung  ist.  Diese  liegt 
in  gleicher  Höhe,  wie  die  andern,  ist  jedoch  wegen  der  Senkung 
des  Erdbodens  nach  Westen  hin  nur  auf  Leitern  zugänglich  und 
so  niedrig,  dass  ein  Erwachsener  in  ihr  nicht  aufrecht  stehen  kann 
(vgl. Taf.  VE).  Sie  hat  daher  auch  wohl  nur  als  Vorrathskammer  oder 
zur  Aulbewahrung  von  kirchlichen  Gerätschaften  gedient,  wobei  ihre 
hohe  Lage,  die.  ans  symmetrischen  Gründen  zu  erklären  ist,  sie  vor 
gewalttätigem  Einbrüche  schützte;  sie  öffnet  sich  nach  aussen  durch 
ein  rundbogiges  Fenster,  welches  kleiner  ist  als  das  gleichfalls  rnnd- 
bogjge  der  Sakristei.  Diese  Oeflnuugen,  sowie  die  Adlcrthür  sind 
künstlich  angelegt,  während  die  beiden  übrigen  natürlichen  Ursprun- 
ges sein  und  erst  in  christlicher  Zeit  ihre  jetzige  Gestalt  bekommen 
haben  dürften.  Den  Haupteingang  bildete  vor  der  Umwandlung 
der  Grotten  in  ein  christliches  Heiligthum  die  grosse  rundbogige 
Thür  B,  welche  aussen  an  ihrer  unteren  Hälfte  nur  eine  ganz  rohe 
Bearbeitung  der  natürlichen  Felsüflfnung  zeigt,  die  man  noch  der 
vorchristlichen  Zeit  zuschreiben  mnss,  innen  jedoch  durch  Archivoitc, 
Würfelkapitebi  und  Eckpfeiler  gegliedert  ist.   (Vgl.  Fig.  M  und  15.) 


12S 


Anton  Kisn: 


Um  mehr  Luft  und  Licht  zuzuführen.  legte  man  gleichzeitig  mit 
der  Romanisirung  des  Haupteiiiganges  oder  nicht  viel  später  zu 
beiden  Seiten  ziemlich  symmetrisch  die  Adlerthür  und  das  Sakristei- 
fenster an,  erstcre  ursprünglich  gleichfalls  rnndbogig. 

Dass  die  Anlage  der  Heiligthümer  von  den  zufälligen  Formen 

einer  Naturhohle  anhängig 
i^-rpsj^l  war,  geht  aus  dem  verschie- 

denen Terrain  der  einzelnen 
Theile,  der  verschiedenen 
Höhe  derselhen  und  aus  dem 
V  orhandensein  einzelner  un- 
hearheiteter  Stellen,  wie  Bie 
sich  nicht  nur  in  dem  ost- 
lichen Seitengange,  sondern 
auch  in  der  Sakristei  finden, 
hervor.  Dort  ist  auch  an  der 
Westseite,  nahe  dem  Fen- 
ster und  etwas  üher  dem 
lioden  (vgl.  Taf.  VI  ff),  das 
in  Figur  H>  wiedergesehene 
Zeichen  eiugchauen.  Fs  ist 
ungefähr  30  cm  lang  ; 
und  aus  aneinander- 
gereihten Hohrlö- 
chern gebildet.  Die 
Rone,  welche  es  vor-  y'i  V 
stellt,  führt  im  jün-  ♦ 
geren  nordischen  ki*  ib. 
Runcnalphabet,  dem  jünge- 
ren Futhark  den  Nameu  ;/r. 
I  >iescs  Alphabet  unterschei- 
det sich  wesentlich  von  dem 
deutschen  Runcnalphabet,  das 
Rhabanus  Maurus  ver- 
öffentlicht, doch  gehen  beide 
auf  eine  gemeinsame  Quelle, 
die  altgcmianische  Runen- 
schrift zurück,  welche  noch 
kik  i  in  den  ersten  christlichen  Jahr 


Fig.  Ii. 


♦ 
■ 


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Die  Kxternstcinc. 


120 


limitierten  in  Deutschland  in  Gebrauch  war  und  sieh  am  längten 
bei  den  Sachsen  erhielt,  während  <lic  Gothen  schon  im  4.  Jahrh.  das 
Wallila  "sehe  Alphabet  hatten ßS).  In  den  ältesten  deutschen  Sprach- 
tiberresten des  8.  und  9.  Jahrh.  ist  schon  ausschliesslich  das  latei- 
nische Alphabet  verwandt,  doch  bleibt  die  Kenntnis*  der  Runen  bis 
in  romanische  Zeit  bestehen.  Man  darf  daher  nicht  ohne  Weiteres  aus 
dem  Vorhandensein  von  Runen  auf  eine  vorchristliche  Entstchungs- 
zeit  sehliessen  und  in  der  yr-Rnnc  der  Externsteiuc  einen  Reweis 
dafür  erblicken,  dass  die  Grotten  in  ihrem  Ursprünge  auf  die  heid- 
nische Zeit  zurückgehen.  Was  sollte  auch  eine  vereinzelte  Rune 
besagen?  Kreilich,  so  lange  man  noch  an  dem  mystischen  Charak- 
ter derselben  festhielt,  hätte  man  für  die  Rune  der  Externsteine  die 
tiefsinnigsten  Erklärungen  finden  können™).  Das  yr-Zeiehen  oder 
wie  es  ursprünglich  hiess,  die  elgr-,  die  Elch-Rune,  bedeutete  Höhle, 
Leere,  Loch;  mau  brachte  sie  mit  der  Himmelsrichtung  NNW  zu- 
sammen, mit  der  Mitternachtsstundc,  dem  Jahresende,  dem  Winter, 

(*>8)  Auch  in  anderen  Thailen  des  Festlandes,  wo  Germanen  wohn- 
ten, hat  man  einzelne  DenkmUler  mit  der  Gattung  von  Runen  gefunden, 
die  in  den  ältesten  Inschriften  von  Skandinavien  und  Kndland  vorkom- 
men. (Vgl.  Wimm  er,  Die  Runenschrift.  Aus  dem  Dänischen  übersetzt 
von  Fr.  Holthausen,  Berlin  1887).  Entstanden  dürfte  die  Runenschrift 
etwa  im  2.  Jahrh.  nach  Ohr.  bei  der  nördlichen  Gruppe  der  ostdeutschen 
Stiinune  sein,  welche  mit  den  Römern  vielfache  Handelsbeziehungen  hatten. 
Von  da  ging  sie  nach  N.  und  \V.  weiter,  entwickelte  sich  vornehmlich 
in  DHiicinnrk  und  Skandinavien,  wHhrend  im  westlichen  Deutschland  die 
Völkerwanderung  störend  eingriff  und  erst  im  fi.— C.  Jahrb.  durch  einen 
unbekannten  Anstoss  eine  neue,  illüthe  hervorgerufen  wurde.  (Vgl. 
Henning,  Die  deutschen  RunendenkniHler,  Strassburg  1*8*.*). 

♦»'.1)  Am  phaiitasiereichsteu,  aber  auch  verworrensten  sind  die  Er- 
klärungen der  Runen  in  Faulmanns  Geschichte  der  Schrift,  Wien  IH.HO, 
der  die  Arbeiten  von  Grimm  und  Laut  h  benutzt.  Grimm  („lieber 
deutsche  Sprachrunen*  p.  Mltf)  führt  eine  Wiener  Handschrift  des  12.  Jh. 
an,  in  welcher  die  einzelnen  Ruchstaben  des  Kuncualfahets  eine  mystische 
Deutung  erfahren.  Dieser  und  andere  Versuche  treten  aber  erst  zu  einer 
Zeit  auf,  in  welcher  die  Runen  als  Schriftzeichen  schon  ausser  Hebung 
waren  und  den  Leuten  fremdartig,  geheimnissvoll  vorzukommen  begannen. 
Die  Kennzeichen,  welche  auf  Biichenstätbe  geritzt  wurden,  brauchten  nicht 
eigentlich  Runen  zu  sein.  Der  Name  „Rune"  ist  wohl  Hit  er  als  die  Schrift - 
zeichen  und  hat  mit  diesen  ursprünglich  nichts  zu  Ihun.  Seine  iiiteste 
Bedeutung  ist  „Mysterium,  Geheimniss" ;  man  bezeichnete  damit  vielleicht 
irgend  welche  geheimnisvoll«  Zeichen  von  magischer  Kraft.  Vgl.  Hen- 
ning a.  a.  <  >. 

Jahrb.  .1.  Vcr.  v.  Alt.  rthsfr.  im  Hl»,  iul.  XC1V.  «♦ 


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130 


Anton  Kis.-i: 


und  man  fand  in  ihr  Beziehungen  zu  dem  Thierkreiszeichen  der 
Schlitzen  und  damit  zu  Tyr,  dem  Todesgotte.  So  hätte  man,  zu- 
mal die  Rune  ^tatsächlich  in  der  NW-Ecke  der  CS  rotte  ausbracht 
ist.  auf  die  schönste  Art  beweisen  können,  «law*  die  Externsteine 
eine  altgcrmauisehe  Grabstätte  wären.  Aber  die  mystische  Bedeu- 
tung der  Kunen  ist  von  der  neueren  Forschung  über  Bord  gewor- 
fen, sie  sind  Lautzciehcn  wie  alle  anderen,  hervorgegangen  aus 
dem  römischen  und  theilweise  noch  bis  ins  12.  Jahrb.  hinein  be- 
kannt. So  findet  sieh  z.  IL  in  dem  Münehener  Cod.  lat.  1vUM>7  eine 
Kreuzabnahme  mit  der  Bezeichnung  Jesus  Nazarcuus  Rex  Judaeo- 
rum,  in  lateinischer  Sprache  durch  I,  bezeichnet,  dann  in  griechi- 
scher mit  (!  und  in  Runen  mit  B  rBarbaricn).  Den  Mönchen  von 
St.  ('Sailen  waren  die  Runen  noch  lange  ins  Mittelalter  hinein  vertraut, 
ebenso  englischen  Khistergeistlichcn.  <lie  davon  einen  spielenden  (Se- 
brauch  machten.  Ja  selbst  bis  in  die  Renaissaneczeit  hinein  werden 
einzelne  Runen,  sowie  lateinische  und  griechische  Buchstaben  als 
Personalzeichcn  verwandt,  darunter  die  yr  Rune  sowohl  als  Stein- 
metzzeichen  wie  als  Hausmarke,  ohne  dass  diejenigen,  welche  sie 
führten,  sich  noch  ihres  Charakters  als  Buchstabe  bewusst  waren T0). 
Auch  die  Rune  der  Externsteine  ist  nichts  anderes  als  die  Urhebcr- 
marke  des  ausführenden  Steinmetzen ;  sie  stimmt  in  der  Grösse  und 
Ausführung  mit  anderen  romanischen  Steinmetz/zeichen  übereilt,  für 

70*  Vgl.  Losch,  Kniicn  unter  den  Slcininelzzeiehen,  WUrlteinb. 
Vierteljahrshel'tc,  Vif I.  l*Kf>,  p.  .'{7  ft.,  mit  Xaehtrag  von  Klemm.  —  Die 
yr-Hune  ist  als  .Steinmetzzeichen  verwandt:  An  «ler  Kaiserpfalz  zu  Geln- 
hausen (IHM  IHM»),  vgl.  U.-pert.  f.  Kunst  w.  XII  p.  41»,  Kziha,  Studien 
Ül»er  SK'inmetzzeiLln'ii,  Mitth.  <l.  ('.  C.  X.  F.  1 8K3.  p.  .'}!>,  der  dieselbe  j«-- 
doch  seinem  ]>hantastiselien  Sc  hlüssclsystcm  ajipasst  und  gewaltsam  ver- 
ändert; au  der  Westfront  des  Tluirmes  des  Strassburger  Münsters  U-twa 
l.WrVi,  vgl.  Xäher,  die  Entstehung  und  Entwicklung  der  deutschen  Stein- 


mct/.zeiehcn,  B.  J.  S8  p.  \H\  ff.    In  umgekehrter  Form  T  als  madr-Hune, 


mehrfach  bei  Losch  a.  a.  (».,  als  Hausmarke  hei  Klemm  a.  a.  0..  an 
der  Hoch-Künigsburg  (um  1520).  Die  Lage  und  Richtung  der  Steinmetz- 
zeichen  ist  selbst  in  gothischer  Zeit  verschm«lcn;  oft  stehen  sie  umgekehrt, 
schritgo  oder  wagerecht.  Ja  selbst  an  antiken  Ballten  kommt  neben 
anderen  Kunen  mehrfach  <lie  umgekehrte  yr-Ruue  vor,  so  an  der  Mauer 
Koma  bei  der  porta  Viminalis,  in  durchsclmittticher  Crosse  von  30  cm. 
Die  Mauer  gehört  frühestens  dem  3.  Jahrb.  vor  Chr.  an.  In  wagerechter 
Stellung  -> —  findet  sie  sich  an  gnthischen  Hauten  Spaniens.  Vgl.  O.  Rich- 
ter, Teber  antike  Sicininetzzeielien.  lf>.  Iterlincr  Wiuktdmannsprogr.  18HA. 


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Die«  F.xtornsteine. 


131 


die  eine  Länge  von  30  cm  Regel  ist.  während  die  der  Uchergangs- 
zeit  nieist  auf  1U — 15  ein,  die  der  Gothik  auf  4 — 0  ein  zusammen- 
schrumpfen71 ).  Besondere  Sorgfalt  wurde  in  früher  Zelt  auf  ihre 
Ausführung  nielit  gelegt.  An  der  Kaiserpfalz  zu  Gelnhausen,  die 
Friedrieh  Barbarossa  erbaute,  sind  die  Zeichen  mehr  (»der  minder 
ungeschickt  mit  dein  Spitzhammer  eingehalten  und  zwar  theils  im 
Strich,  theils  wie  das  an  den  Externsteinen  punktirt.  Neben  my- 
stischen Zeichen,  wie  Dreieck,  Zickzack,  finden  sich  dort  redende, 
wie  Bogen,  Armbrust,  Pfeile,  lateinische  Buchstaben  und  Runen, 
darunter  auch  die  yr-Rune  in  der  Länge  von  HO  cm.  Am  Hain- 
bach er  Schlosse  und  am  Dome  von  Worms  kommen  nach  R/.iha 
Zeichen  vor,  die  nur  theilweise  punktirt  sind,  äusserst  selten  auch 
an  gothisehen  Bauten.  Er  neigt  der  Ansicht  zu,  dass  die  Nieht- 
vollcudnng  derselben  als  eine  Art  Strafe  aufgefasst  werden  könne, 
da  die  Zeichen  als  Ehrenzeichen  galten,  oder  dass  die  Steinmetzen 
Sektirer  waren.  Die  Anwendung  dieser  phantasievollen  Erklärung 
auf  das  Zeichen  der  Kxternstcinc,  —  das  Rziha  nicht  kennt,  da  er 
angiebt,  an  der  Kaiserpfalz  zu  Gelnhausen  seien  bisher  die  einzigen 
vollständig  punktirtcu  Stciumetz/.cichen  aufgefunden  worden  —  würde 
ergeben,  dass  man  den  Steinmetz  zur  Strafe  für  seine  schlenderhafte 
Arbeit  und  für  seine  Unart  alles  unfertig  stehen  und  liegen  zu  lassen 
nöthigte,  sich  mit  der  Punktirung  zu  begnügen;  vielleicht  betrieb  er 
nebenbei  auch  noch  heimlichen  Götzendienst!  —  Wozu  dieses  Hinein- 
geheimnisseu  in  Dinge,  die  sich  doch  auf  einfachere  Weise  erklären 
lassen?  Die  Steinnietzzciehcn  hatten  in  romanischer  Zeit  noch 
nicht  die  Bedeutung  wie  in  der  gothisehen,  sie  waren  nicht  in  ein 
System  gebracht,  aus  welchem  man  den  Schulzusainnienhang  er- 
mitteln kann,  sie  waren  auch  keine  Ehrenzeichen,  sondern  willkür- 
lich gewählte  Arbeitszeichen;  an  der  Burg  zu  Gelnhausen  z.  B.  sind 
sie  einfache  Versetzungszeichen,  ebenso  wie  au  den  römischen  Bau- 
ten, an  den  karolingiseheu  und  byzantinischen,  wo  sie  sogar  an 
den  vermauerten  Seiten  der  Steine  zum  Vorschein  kommen.  Bei 
den  Externsteinen,  wo  Alles  den  Stempel  des  Flüchtigen,  Rohen, 
Unfertigen  trägt  —  mit  Ausnahme  des  Reliefs  —  würde  man  sich 
höchlichst  verwundern  müssen,  an  einer  nur  ganz  nothdflrftig  bear- 
beiteten Stelle  etwas  so  Nebensächliches,  wie  das  Zeichen  des  Stein- 
metzen, sorgfältig  im  Strich  ausgeführt  zu  finden.  Sein  Zeichen  ist 
keine  Kttnstlersignatur,  bestimmt  der  Mit-  und  Nachwelt  von  der 

71)  Vgl.  Hzih.u  ii.  a.  o. 


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182 


Anton  Kisn: 


Person  des  Schöpfen«  Kunde  KU  gehen.  sondern  eine  einfache  Kon- 
trollmarke, mit  welcher  er  den  Theil,  welchen  er  hcarheitel  hatte, 
bezeichnete,  mn  ihn  für  die  Zwecke  der  Abrechnung  von  anderen 
zn  unterscheiden :sti.  Ks  linden  sich  nämlich,  wie  Nenbourg  mit- 
theilt,  ausser  der  vr-Huiie  noch  zwei  andere  an  der  linken  Laibung  <ler 
Adlerthür  eingcmcisselt.  die  gleichfalls  nichts  anderes  als  Steinmctz- 
zeielien  sein  können  und  von  den  ("Schilfen  oder  ( iefährten  des  ersten 
herrühren.  Sie  sind  zugleich  ein  weiterer  Beweis  dafür,  dass  die 
Thür  bereits  der  romanischen  Zeit  angehört73'. 

In  der  llaiiplgrotte  befindet  sieh  hei  y  Taf.  VI  eine  grosse  rnndc 
Vertiefung,  die  in  den  Felshoden  und  zum  Theil  noch  in  die  senk- 


72)  Wenn  die  blosse  I'unktirung  des  Zeichens  durchaus  nicht  ver- 
einzelt dasteht,  so  ist  doch  Malier  die  Anbringung  von  Wcrkzeichen  in 
lTrgestcin,  in  gewachsenem  Felsen,  meines  Wissens  bisher  noch  ohne 
Heispiel.  Die  cigciithümlichcn  Kinschnilte,  welche  Voulot  an  keltischen 
Dohnen  in  den  Vogescn  fand,  sind  offenbar  keine  Wcrkzeichen,  sondern 
magische  Zeichen,  sagen  wir  Wunen  im  alten,  ursprünglichen  Sinne.  Vgl. 
Voulot,  ABC  dune  science  nouvelle,  Mulhouse  1872.  <>tte,  der  dn.s 
Stcininetzzeichen  an  den  Kxteinsteinen  nicht  kannte,  erklärt  in  seinem 
archänl.  Wörterbuche  p.  2.'lä  die  frühen  Werkzeichen  als  Vcrsctzungs- 
merken.  Sie  haben  sich  Allerdings  beim  Qnaderban  entwickelt  und  dien- 
ten hier  dazu,  die  einzelnen  zu  einander  gehörigen  Hausteine  zu  be- 
zeichnen; mit  dem  ^uaderbau  sind  sie  aus  Frankreich  nach  Deutschland 
gekommen.  Auf  das  Zeichen  der  F.xtcrnsteinc  passt  die  Ottc'schc  Be- 
nennung natürlich  nicht. 

73)  Mir  sind  diese  Zeichen  nicht  aufgefallen.  Nach  Neubourg's 
Bericht  in  der  Lippc'schcn  Lundcszcitung  lxsl,  Nr.  177,  hüben  sie  die 
Formen  f  B  Frstere  entspricht  der  fc-Wune,  der  ersten  im  jüngeren 
Futliark,  letztere  dürfte  eine  l'inkehrung  der  reid-Itune  sein,  falls  sie 
richtig  wiedergegeben  ist,  was  bei  rler  Wauheit  des  Steines  seine  Schwie- 
rigkeiten hat.  l'eber  (»rosse  und  Technik  dieser  Zeichen  sagt  N.  nichts. 
Er  will  auch  eine  längere  Wunen-Inschrift  an  den  Kxtemsteinen  entdeckt 
haben,  w  ie  er  a.  a.  <  >.  lss.\  Nr.  1  niittheilt.  doch  ist  über  diese  nichts 
Näheres  bekannt  geworden. 


rechte  Wand  eingehanen  ist 
vgl.  Fig.  10).  Man  erklärte 
sie  früher  für  ein  Tauthceken, 
bis  (Sie fers  die  Ansieht  aus- 
sprach, dass  in  diesem  Becken 


Weihwasser  aufbewahrt  wurde, 
mit  welchem  die  Pilger  sieh 


wuschen,  ehe  sie  den  8eit.cn- 
gang  mit  dem  h.  (Srabc  hetra- 


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Die  Externstem«. 


133 


tm.  Die  Sitte,  vor  dem  Betreten  des  eigentlichen  llciligrthumcs 
Hände  und  Küsse  zu  waschen,  ist  eine  uralte,  sie  ging  vom  Heiden- 
t Imme,  welche»  Heiliglhüiner  an  Quellen  anlegte  uud  diese  auffing, 
in  den  mosaischen  und  christlichen  Cult  über.  In  der  altchristliehcu 
Bafciliea  befand  sich  ein  grosses  Weihwasserbecken  zu  diesem  Zwecke 
im  Atrium.  Mit  diesen  Hecken  sind  aber  die  putei  sacri,  die  Cistcmen, 
die  mau  häutig  in  den  Krypten  mittelalterlicher  Kirchen  findet,  nicht 
zu  verwechseln.  Nach  Vi  olle  t  le  Due's  Ansicht  wurden  sie  von 
den  Werkleuten  angelegt,  um  ihnen  das  nöthige  Wasser  während 
des  Haues  zu  liefern  und  später  für  Cultuszweckc  aufbewahrt1.1), 
doch  scheinen  einzelne,  wie  Otte  bemerkt,  schon  vor  der  Erbau- 
ung der  Kirche  vorhanden  gewesen  zu  sein,  also  natürliche  Quellen, 
die  dann  in  (.'isternen  gefasst  wurden,  so  z.  H.  in  der  Krypta  des 
Domes  zu  Hilflcshcim.  Dies  stimmt  zu  der  Tliatsache,  dass  die 
frühesten  christlichen  Gotteshäuser  mit  Vorliebe  an  alten  heidni- 
schen Cultusstätteu  angelegt  wurden  und  das  Ilnuptorfordcrniss  dieser 
war  ja  der  heilige  Quell7"').  Das  Becken  in  den  Externsteinen  ist 
aber  weder  ein  Behältniss  für  Weihwasser,  wie  es  in  der  Basilika 
angebracht  war,  noch  ein  heiliger  Quell,  denn  die  .Sitte,  Hände 
und  Küsse  vor  dem  Gottesdienste  zu  waschen,  hört  mit  dem  Be- 
ginn des  11.  Jahrb.  auf.  Etwa  vom  5.  Jahrb.  ab  war  es  »blich 
gewesen,  sich  am  Eingänge  der  Kirche  durch  den  Priester  mit  ge- 
weihtem Wasser  besprengen  zu  lassen  und  dann  in  dem  Becken  des 
Atriums  Hände  und  Küsse  zu  waschen;  im  Anfange  des  11.  Jahrb. 
tritt  dafür  der  noch  heute  übliche  Brauch  des  .Selbstbesprengeiis 
beim  Eintritte  in  die  Kirche  auf  und  zu  diesem  Zwecke  werden 
Wcihw.isscrbeekcn  an  der  Thür  angebracht'",!.  Dass  diese  Sitte 
auch  schon  beim  Heiligtbuuie  der  Extenisteiue  geübt  wurde,  lehren 
die  beiden  Vertiefungen  für  Weihkessel  aussen  neben  der  Adlerthür 
und  innen  neben  dem  Haupteingange.  Auch  ist  es  an  und  für  sich 
sehr  unwahrscheinlich,  dass  den  Pilgern  der  enge  Kaum  der  Grotte 
für  ihre  Waschungen  eingeräumt  worden  sein  sollte,  denn  zu  diesem 
Zwecke  ist  die  Vertiefung  möglichst  ungünstig  angebracht,  da  sie  dicht 
vor  dem  östlichen  Seitengange  und  dessen  Stufen  liegt ;  ihre  Reinigungen 

7i)  Vgl.  I'fnnnc.nschnii  d,  Das  Weihwasser  im  heidn.  und  christl. 
Cultus.    Hannover  INU'j. 

75)  Vgl.  l*r.  A.  Koeli,  „AoltcMo  Kirchen  im  .Sprengel  Paderborn* 
in  der  westtVil.  Zeitschrift.    Münster  l>v>S>. 

7<ii  Vgl.  Planncnschiiiid  a.  a.  ().  p.  IN»;. 


Iii 


Aii ton  K  i  sa: 


konnten  sie  bequemer  in  dein  Bache,  die  Liehtheupte  oder  Wiembceke 
genannt  verriehten,  der  den  Fuss  dos  westlielien  Felsens  umspülte  und 
jetzt  zu  einem  Teiche  erweitert  ist.  Aber  auch  ein  heiliger  Quell 
war  hier  nicht  vorhanden,  wenigstens  findet  sieh  gegenwärtig  nicht*«, 
was  darauf  hindeuten  Wörde,  kein  Spalt,  ans  dem  frflhcr  hätte 
Wasser  geflossen  sein  können;  seihst  Regenwasser  kann  hier  nicht 
angesammelt  worden  sein,  denn  der  Fels  ist  ziemlich  dicht  und 
trocken.  G.  15.  A.  Sehiorenborg  kommt  mit  seiner  Mithrnstheoric 
der  Wahrheit  wenigstens  bezüglich  der  Bestimmung  des  Hecken» 
urtlie;  er  zählt  verschiedene  niuldenartige  Vertiefungen,  z.T.  wie  in 
Heddernheim  mit  Kesten  von  Thicrkuochon  auf,  die  er  in  Mithras- 
grotten  gefunden  und  erklärt  sie  und  die  Vertiefung  in  der  Grotte  der 
Externsteine  für  Öpfcrhecken,  bestimmt  zum  Auffangen  des  Hintes  der 
getödteten  Thicrc">.  Die  Externsteine  können  nun  zwar  mit  keinem 
antiken  Culte  in  Verbindung  gebracht  werden,  sie  waren  aber  vor 
ihrer  Christianisirung  ein  Heiligthum  der  alten  Sachsen.  Am  Fasse 
des  Felsens  floss  der  heilige  Bach  vorbei,  neben  dem  Becken  im 
Boden  stand  einst  der  Opferaltar:  in  das  Blut  der  getöteten 
Thiere  tauchten  die  Opferpriester  Zweige  und  besprengten  damit 
die  aussen  versammelte  Gemeinde,  bestriehen  «Iii*  Opfergeräthe,  den 
Altar,  die  Götterbilder,  die  Tenipelräume  von  innen  und  aussen  und 
die  heiligen  Räume  ringsum").  Die  christlichen  Missionare  entfern- 
ten den  Altar  und  die  Abdinghöler  versehötteten  das  Opferbecken,  das 
für  den  christlichen  Gottesdienst  werthlos  und  bei  grossem  Andränge 
von  Pilgern  hinderlich  war.  Es  blieb  jedenfalls  so  lauge  verborgen, 
als  die  (! rotte  jenem  Zwecke  diente;  nach  der  l'rofanirung  im 
17.  Jahrh.  war  es  vom  Estrich  der  Försterwohnung  bedeckt  und 
trat  wohl  erst  im  Laufe  dieses  Jahrhunderts  wieder  zu  Tage. 

Die  Richtigkeit  dieser  Erklärung  tritt  bei  einem  Vergleiche 
der  Externsteine  mit  einer  ähnlichen  Grottenanlage,  der  Quirinuska- 
pelle  in  Luxemburg  hervor '!').  Dieselbe  ist  am  Abhänge  des  sog. 
rctrnsthales  in  den  Fels  gehauen  und  besteht  aus  zwei  unregel- 
mässig  viereckigen  Räumen,  welche  jetzt  nach  aussen  durch  eine 
gothische  Fassade  v.  J.  Kttö  abgeschlossen  sind.    Der  grössere 

77)  H.  .1.  M,  ii.  255.  Vgl.  auch  desselben  Verfassers  „Die  Kriege 
der  Uömer  /wischen  Rhein,  Weser  lind  Kllie  etc."    Frankfurt  1KSK. 

7«)  Vgl.  I'fanncnsehmid,  German.  Krntefcstc  im  heidn.  n.  christl. 
Cultus.    Hannover  1H7S.  p.  HO. 

7!o  K.  Arendt,  St.  Quirin.    Ln.veinhurg  IHSS. 


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Die  Externsteine. 


135 


Kaum,  «liircli  ein  modernes  Tonnengewölbe  aus  Tuffstein  gedeckt, 
bildet  das  Sellin",  der  kleinere  liegt  um  drei  Stuten  tiefer  und  ist  mit 
jenem  dureb  »wei  Thören  und  ein  Fenster  verbunden,  i  Vgl.  Fig.  17.) 
Im  Hoden  des  Hauptraumes  befindet  sieb  bei  a  eine  ruude  Vertie- 
fung, welche  bis  zur  Restauration  des  Heiligtbumes  ( 188(5)  dureb 
einen  runden,  pfropfartigeu  Haustein  ausgefüllt  war;  von  ihr  aus 
führt  eine  schmale  Kinne  zur  Ableitung  des  Opferblutes  in  ein 
-  kleines,  hinter  der  Eingangsthür  gelegenes  Felsbeeken  e.  Weiter 
abwärts  von  der  Grotte  liegt  der  Heilsbrunnen  ((ireinsbour),  eine 
Cistcrne,  welche  von  einem  Felsenquell  gespeist  wird.  Ueber  ihr 
breitete  eine  uralte  Linde  ihre  Aeste  aus,  die  zu  Anfang  des 
Jahrhunderts  gefällt  wurde,  deren  Wurzeln  jedoch  1  SStJ  noch  aufge- 
funden wurden.  Den  ganzen  Hergabhang  bedeckte  früher  ein  dich- 
ter Hain.    Uberhalb  der  (hotte  springt  der  Fels  vor  und  trägt  eine 


kleine  gothische  Kapelle,  neben  welcher  der  alte  Römerweg,  die  via 
bona  vorbeiführt.  In  ihr  beiludet  sieh  eine  wahrscheinlich  einem 
älteren  Vorbilde  nachgeahmte  Holzgruppc,  drei  Frauen  darstellend, 
die  nach  Mannesart  auf  einem  Mault  liiere  reiten  und  jetzt  als  die 
Töchter  der  b.  .Sophia,  Spes,  Fides  und  Caritas  gelten.  Dieselbe 
(! nippe  ist  auch  in  Auw  (gleichfalls  im  Luxemburgischen,!  zusehen. 
Ob  sie  mit  den  .'!  Matronen  in  Zusammenhang  gebracht  werden 
kann,  seheint  mir  zweifelhaft,  denn  drei  auf  einem  Tbierc  reitende 
Matronen  bat  man  nirgends  gefunden ;  immerhin  kann  man  aber 
mit  Arendt  annehmen,  dass  die  Dreizahl  auf  keltischen  Ursprung 
zurückgeht  und  in  germanischer  Zeit  mit  dem  Mythus  der  Frau 
Holde  und  ihrer  Fahrten  verquiekt  wurde 8uj.    Auf  letzteres  deuten 

«0)  Ausser  der  via  bona  befinden  sieh  noeh  zwei  Itüinenvege  in 
der  Niilie,  der  Weg  aus  der  Oberstadt  vom  Fischinarkte  aus  und  der  Weg 


Vit'.  17. 


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Anton  Kisa: 


die  in  Luxemburg  und  Auw  gleichlautenden  Sagen  von  drei  Jung- 
frauen, die  sich  vor  ihren  Verfolgern  auf  einem  Fsel  durch  einen 
kühnen  Sprung  über  die  liefe  Schlucht  hinüberretteten.  Der  Volks- 
niund  weiss  vun  grnuenhalten  Dingen  über  die  Quirinnsgrotte  zu 
erzählen,  die  wohl  an  die  ehemaligen  blutigen  Opfer  in  derselben 
anknüpfen.  Sicher  ist,  das«  daselbst  bis  weit  in  christliche  Zeit 
hinein  heimlicher  Götzendienst  getrieben  wurde,  denn  die  Trierer 
Coneilicn  von  12'50,  1310,  und  selbst  noch  von  1423  eifern  gegen  * 
dort  bestehende  heidnische  Missbrüuchc.  Damit  ist  wohl  die  heid- 
nische. Vergangenheit  der  Grotte  hinliinglich  bestimmt.  Nähere  An- 
gaben über  ihre  Christianisirnng  fehlen.  Der  Cultus  des  h.  Quiri- 
nns  kam  zn  Ende  des  10.  Jahrh.  nach  Luxemburg,  1030  wurde  die 
weiter  unten  im  Thale  liegende  Udalriehskirehe  gegründet.  Die 
erste  urkundliche  Nachricht  über  die  Quirinuskapcllc  stammt  v.  J. 
1&V>;  da  erhielt  die  Grotte  ihre  jetzige  gothisc he  Fassade,  zugleich 
wurde  der  Nehenraum,  der  als  Chor  diente,  erweitert.  In  einer 
Handschrift  „Origines  basilicarum*  lfi.  Jahrh.  heisst  es,  dass  unter 
Kaiser  Karl  IV.,  dem  Luxemburger,  ein  Ritter  vom  deutschen  Hause 
die  Kirche  hergerichtet  hiitte.  zum  Andenken  oder  gewissennaassen 
als  Nachahmung  des  Grabes  Christi,  unseres  Herrn,  dessen  Orden 
«lern  deutschen  Orden  im  vorhergehenden  Jahrh.  einverleibt  worden 
war,  da  die  deutschen  Kitter  ebenfalls  Ritter  des  h.  Grabes,  des  in 
den  Felsen  gehauenen,  genannt  wurden. u  Vermuthlich  gründet  sieh 
diese  Nachricht  auf  eine  bereits  früher  übliche  Rezeielmung  und 
Verwendung  der  Grotte  als  .Grab  Christi."    Auf  einen  älteren  Zu- 

iin  Petrusthalc.  Diese  treffen  sich  an  einen»  Punkte  in  der  Nähe  der 
tiuirinilskapelle,  bilden  also  ein  tri\ imii.  Arendt  schlichst  daraus,  dass 
die  Kölner  das  Heiligthum  der  dreiköpfigen  Hekate  geweiht  hatten,  aus 
welcher  sieh  dann  in  Anknüpfung  an  örtliche  celtische  reberliefcrungen 
der  Matroneneult,  gleichfalls  in  der  Dreizahl  entwickelte.  Die  den  Kö- 
lnern folgenden  Franken  hatten  dann  die  Matronen  in  die  drei  Nomen 
verwandelt.  Kr  sieht  in  den  Matronen  zugleich  Mondgöttinnen,  in  den 
grossen  runden  Scheiben,  welche  gewöhnlich  die  Köpfe  der  beiden  Kck- 
gestalten  umrahmen,  Mondscheiben,  und  demnach  in  allen  dreien  die  Ver- 
sinnlichung  der  drei  Mondphasen.  Aber  die  mittlere  fiestalt  trügt  kein 
Symbol,  welche*  man  auf  eine  Mondphase  deuten  könnte,  der  Kopfschmuck 
der  beiden  anderen  ist  kein  flacher  Kreis,  sondern,  wie  an  Thonfiguren 
der  Matronen  deutlich  zu  sehen  ist,  eine  kreisförmige  Haube.  Auch  treffen 
sich  die  Dreiwege  nicht  an  der  t^uirinuskapelle,  sondern  weiter  abwärts, 
an  einem  Funkte,  wo  jetzt  die  Udalrichkirche  steht.  Man  müsste  also 
hier  das  römische  Hekate  Hciligthum  suchen. 


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Die  F.xtcrnsteinc  137 

sammenhang  derselben  mit  den  Kretizzügen  und  dem  Kitterl  Imme 
deutet  auch  die  Wahl  der  drei  Schutzheiligen  Quirin,  Fercol  und 
Finnin,  dreier  ritterlicher  Heiliger.  Die  Dreizahl  ist  auch  hier  bei- 
hchalten. 

Die  Verwandtschaft  dieser  Grotte  mit  den  Externsteinen  ist 
offenhar.  Heiden  ist  ausser  der  allgemeinen  Anlage,  dem  Quell,  hex. 
Hache,  dem  Recken,  der  Bestimmung  zum  heiligen  Grahe  auch  noch 
die  ohere  Kapelle  gemeinsam.  Auf  den  Kxtcrnsteincn  liegt  sie  auf 
dem  zweiten  Felsen,  Östlich  von  demjenigen,  der  das  Relief  und  die 
Grotten  enthält  und  ist  gegenwärtig  nur  durch  eine  vom  Ende  des 
lti.Jahrh.  stammende  Treppe  vom  dritten  Felsen  ans  zugänglich,  von 
dessen  Höhe  eine  Hrüeke  auf  den  zweiten  Felsen  führt.  Ursprüng- 
lich befand  sieh  jedenfalls  eine  Treppe  —  vielleicht  von  Holz  — 
auf  dem  zweiten  Felsen  selbst,  welche  zuerst  in  der  Hübe  von 
etwa  3  m  auf  eine  natürliche  Plattform,  die  sog.  Kanzel  führte ;  von 
da  gehen  noch  Spuren  von  eingehauenen  Stufen  aufwärts.  Die 
Kapelle  ist  ein  rechteckig  aus  dem  Fels  gehauener  Kaum,  nach 
Osten  und  Süden  offen,  ohne  Decke  und  wohl  frühestens  in  der 
2.  Hälfte  des  12.  Jahrb.  in  ihrer  jetzigen  Gestalt  entstanden.  Die 
Bestimmung  der  Plattform  als  Kanzel  ist  naheliegend  und  wurde 
schon  von  Ciostenneier  ausgesprochen*^;  dagegen  sind  die  bis- 
her geäusserten  Ycrmuthnngcn  über  die  Entstehung  der  oberen  Ka- 
pelle und  den  Zweck  derselben  unzutreffend.  Dewitz  sucht  sie 
mit  der  Weingartner 'sehen  Hypothese  über  die  Entstehung  des 
Thunnbanes  zusammenzubringen  und  stellt  sie  als  eine  Fortsetzung 
der  unteren  Anlagen,  als  ein  Ausklingen  derselben  nach  oben  dar, 
wogegen  Nordhoff  Widerspruch  erhebt,  indem  er  darauf  hinweist, 
dass  die  Kapelle  und  die  (irottc  nicht  einem  einzigen,  sondern  zwei 
neben  einander  stehenden  Felsen  angehören  **}.  Die  richtige  Er- 
klärung der  merkwürdigen  Anlage  ist  darin  zu  suchen,  dass  die 
Abdinghöfer  auf  «lern  Gipfel  des  Felsens  bereits  eine  alte  Cnltusstättc 
vorfanden  und  dem  Prinzipc  der  Kirehenerbauer  in  den  frühen 
Jahrhunderten  der  Christianisirung  getreu,  au  ihre  Stelle  ein  christ- 
liches Hciligthnm  setzten.  Hei  Gelten  und  Germanen  waren  ja 
Bergeshöhen  und  Felsgipfel  die  Hauptstätten  der  (iötterverehrung. 

81)  Clnstcmu-ier,  Chr.  (i  ottlieb,  Der  E<rge«U'i\st«mi  im  Fttrsteu- 
thuin  Lippe.    Lcin^o  1824. 

82)  Nordhof!'  bei  Besprechung  der  Di-  wi  tz'schcn  Schrill,  B.  J.84, 
p.  194. 


1HH  Antou  KihH: 

• 

Den  christlichen  Missionaren  war  es  unmöglich,  gegen  diese  im 
Herzen  des  Volke«  wurzelnde  Gewöhnung  anzukämpfen;  sie  fügten 
sieh  ihr  und  erbauten  im  Sachsenlande  mehrfach  Kirchen  auf 
Hergen  und  Hügeln*3;.  Wie  in  Luxemburg  einst  an  der  Stelle, 
wo  jetzt  auf  Bergeshohe  die  Drei -Jungfrauenkapelle  steht,  der 
Druide  und  nach  ihm  der  germanische  Priester  ihre  Gebete  au 
die  Götter  der  Luft  emporgesandt  hatten,  so  war  auch  au  den  Ex- 
ternsteinen  der  Felsgipfel  dem  Dienste  der  oberirdischen  Götter  geweiht ; 
in  den  (.{rotten  dagegen  wurden  hier  und  dort  den  Erdgöttern  blutige 
Opfer  dargebracht.  —  Von  einem  dritten  heidnischen  Grottentempel 
findet  sieh  eine  Nachricht  bei  WormiusH,>-  Darnach  stand  im 
Kirchspiele  Hollen  der  norwegischen  Landschaft  Tclcmarkcn  ein  un- 
geheuer grosser  und  sehr  hoher  Felsen,  War  gebeissen.  Darin  sei 
in  der  Mitte  ein  Götzentempel  ohne  Säulen  und  rilareu  cingehnueu: 
zu  demselben  hätten  zwei  Wege  geführt,  einer  ging  über  das  Wasser, 
mau  sei  mit  Hooten  zu  ihm  hinangefahren  und  dann  auf  hängenden 
Leitern  hinaufgestiegen,  der  andere;  sei  treppenförmig  in  den  Fel- 
sen hiueingehaucii.  Hei  Einführung  der  christlichen  Religion  habe 
man  den  Tempel  zu  einer  Kirche  umgewandelt  und  dem  Ii.  Michael 
geweiht.  Auf  dein  obersten  Platze  des  Felsens  aber  sei  ein  ( Mittes- 
acker gewesen,  wo  man  die  Toten  begraben  habe.  Wahrscheinlich 
befand  sich  an  derselben  Stelle  früher  ein  heidnischer  Hegrübniss- 
platz. 

Nach  diesen  Analogien  werden  wir  auch  die  Extcrnsteine  als 
eine  altgermanischc  (.'ultusstättc  in  Anspruch  nehmen  müssen.  Die 
gewaltigen,  mitten  aus  dh'htcm  Urwalde  hervorbrechenden  Felsen 
mit  ihren  von  der  Natur  geformten  Höhlen  ninsstcn  auf  die  Phan- 
tasie des  Naturvolkes  mächtig  einwirken;  an  einer  Stätte,  an  welcher 
man  sich  noch  jetzt,  wo  der  Wahl  gelichtet,  der  Quell  zu  einem 
mit  Ruderbooten  und  Schwänen  belebten  Teiche  geworden  ist  und 
die  Heerstrasse  zwischen  den  Felsen  hiudurchfUhrt,  nicht  eines  ro- 
inautiscbcn  Schauers  erwehren  kann,  mnssten  unsere  Vorfahren  sich 
dem  geheiiimissvollen  Walten  der  Gottheit  besonders  nahe  fühlen. 
Die  Urkunden  des  Klosters  Abdinghof  melden  nichts  davon,  dass 
vor  der  Christiaiiisirung  hier  Götzendienst  getrieben  worden  sei, 

H3)  Vgl.  Fr.  A.  Koch,  Aeltcste  Kirchen  im  Sprengel  Paderborn. 
West  f.  Zeitschr.,  Münster  IHÖ'J. 

S-lj  I).  Wo r mi us,  lib.  VF.  mnnuui.  nuni.  l.'J.  pag.  18!»  bei  Arn  kiel, 
eimbrische  Heiüeim-Iigion,  Hiunburg  1702,  I.  \>.  100. 


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Die  Externsleinc. 


139 


wohl  mit  Absicht.  Tin  Volksmunde  hingegen  lebte  bis  au!'  Haiuel- 
ni a ii ii  und  Wasser  buch  die  Erinnerung  an  die  heidnische  Vorzeit 
fort ;  sie  geht  aber,  was  wohl  zu  beachten  ist,  nur  bis  auf  die 
Sachsen  zurück,  die  gegen  Ende  des  f>.  Jahrh.  n.  Chr.  die  liegenden 
zwischen  Rhein  und  Elbe  besetzten.  Karl  der  Grosse  soll  dem 
Götzendienste  hier  ein  Ende  gemacht  haben.  Auch  wird  von 
„landgcrichtliehen*  Zusammenkünften  der  Heiden  an  dieser  Stelle  be- 
richtet*5), d.  h.  mit  anderen  Worten,  die  alten  Sachsen  hatten  hier 
eine  Mahl-  oder  Dingstätte  mit  einem  Tempel  vereinigt,  wohl  auch 
mit  einem  Leichenteile  ringsum  im  Walde,  wie  dies  im  Sachsen- 
lande  fast  immer  der  Fall  ist.  Solehe  Orte,  wo  von  Alteis  her  eine 
J'requentia  populi"  bestand,  wurden  vor  Allem  von  den  Einführen! 
des  ('hristenthtiiiies  zur  Anlage  von  Kirchen  auserseheu.  An  den 
Begräbnissstätten  feierten  die  Sachsen,  wie  die  übrigen  germanischen 
Stamme  Todtenfeste.  Karl  d.  Gr.  erliess  zu  Paderborn  78:*)  den 
Befehl,  dass  die  Sachsen  auf  den  Gräbern  ihrer  Vorfahren  nicht 
tanzen,  singen  und  schmausen  sollten  "'m.  Da  jedoch  diesen  alther- 
gebrachten Gewohnheiten  durch  Gesetze  nicht  hinzukommen  war, 
adoptirtc  sie  die  Kirche  und  verwandelte  die  heidnischen  Todten- 
feste, welche  in  der  Zeit  vom  1.  .'J.Oktober  stattfanden,  in  christ- 
liche Todtenfeste  und  Kirmessen  um  die  Zeit  von  .Michaelis.  Auch 
die  Wallfahrten  knüpfen  vielfach  an  die  alten  heidnischen  Zusammen- 
künfte und  Opferfeste  an.  Wenn  es  einmal  gelingen  sollte,  fest- 
zustellen, in  welchen  Zeiten  des  Jahres  zn  den  Kxternsteiiicn  ge- 
wallfahrtet wurde,  so  könnte  sich  daraus  leicht  ein  neuer  Beweis 
für  die  Fortdauer  der  Tradition  ergeben.  Auf  eine  germanische 
Grabstätte  weist  der  Xame  einer  benachbarten  Lokalität,  des 
Roscnthales;  die  germanischen  Friedhöfe  hciescii  Rosengärten  oder 
Rosenhage,  von  ihrer  Einfriedung  mit  dem  Dornengcbüseh  der 
wilden  Rose ;  vielleicht  spricht  auch  der  Xame  des  nahen  Ketteu- 
thales  dafür  'nach  Veit  mann  vom  ahd.  Kctti  Grnhc,  Grab*. 
Auf  dem  Wintfeld  oder  Winnefeld  südöstlich  von  der  Grotcnburg, 


s5)  Hamelinan»,  Dclineatio  iirhimii  et  nppidorum  Weslplialiae, 
1546,  edid.  K.  C.  Wa  s^erbiu  li,  Lemgo  171t.  —  Fr.  Oh.  Pusth  kuehen, 
Bcy  trage.  Lemgo  1769.  v.  Donop,  hist.-geogr.  Besehrcilning  der  lippi- 
si  hen  LHtide.    2.  An«.    Lemgo  17!H). 

86)  \rg|.  V  fnnnensehtnid,  Das  Weiliwasser  etc.  Veit  mann,  Funde 
von  Köiiiermünzcu  im  freien  Germanien  und  die  Ocrtlichkcit  der  Varus- 
.schlacht.    Osnuhrüik  IMi. 


140 


A 11 1  o  11  K  i  s  a : 


unweit  der  Exteriisteine  sind  nach  Hainclnianirs  und  Wasser- 
I»  uc  Ii 's  Ansähe  germanische  Waflcn  aufgefunden  worden,  wcl<'lic 
dieser  mit  der  unvenneidlielien  Varusschlacht  in  Verbindung  bringt *''). 
Mit  «lieser  Nachricht  an  sieh  ist  freilich  nicht  viel  anzufangen,  «la 
die  fraglichen  Warten  nirgend  mehr  vorhanden  sind;  aber  Funde 
von  germanischen,  d.  h.  sächsischen  Warten  sind  nicht  unwahrschein- 
lich, denn  alles  deutet  darauf  hin,  <la*s  die  Gegen«!  in  der  .Sachsen- 
zeit von  hervorragender  Hetleuttmg  war  und  in  den  Kämpfen  gegeu 
Karl  d.  Gr.  eine  grosse  Rulle  spielte.  Hei  Detmold  fiel  78f)  eine 
Schlacht.  Aus  «lcrselbeu  Zeit  rühren  »lie  Refestignngcn  der  Groten- 
burg  her,  jenes  Hügels,  auf  welchem  sich  jetzt  das  Hermannsdenk- 
mal erhebt:  sie  bestehen  aus  dem  sog.  grossen  II ünenringe,  «ler  »lie 
obere  Platte  umzieht,  «nuer  am  Ostfnssc  errichteten,  o  m  dicken  und 
mannshohen  Mauer,  die  den  äusseren  King  bildete  und  dem  kleinen 
Hüncnringc  zwischen  lieidcn.  Hierzu  kommt  das  Lager  auf  dem 
Tönsberge  mit  der  angrenzenden  .Stapelager  Schlucht  >s:.  I>a*s  «liese 
Anlagen  mit  «len  Cheruskern  und  der  Varusschlacht  nichts  zu  thun 
haben,  wird  jetzt  allgemein  zugegeben:  sie  reichen  nicht  hinter  die 
Sachsenzeit  zurück. 

Man  hat  die  (trotte  mit  dem  Mithrasknlte  in  Verbindung  ge- 
bracht, welcher  von  den  römischen  Truppen  daselbst  eingeführt 
wonlen  sein  soll H:')  und  noch  heute  halten  einzelne  Lokalfoi  seher  an 

•S7)  Haiiielinanii  berichtet  l.'iSi»  in  seiner  Abhandlung  über  diu 
westfälischen  Dynasten,  es  hätten  vor  seinen  Zeiten  «lie  Hauern,  als  eic 
«las  Wildland  auf  «lein  Winttelde  ztmrst  unter  den  PlUig  nahmen,  beim 
Brechen  des  Hodens  Menschcnkiiochcti ,  Bruchstücke  von  Schwertern, 
Speeren,  Dolchen,  von  vielerlei  Watten  und  Kiscn  zur  Wrtlieidiguiig.  so- 
gar  römische  Münzen  gefunden,  tlieils  goldene,  theils  silberne,  mit  den 
Bildnissen  di>s  Julius,  Anguslus,  Agrippa  und  anderer  Crossen.  Dio 

Münzen  und  deren  rmschriften  liab  ■  selbst  vor  2<»  Jahren  in  Lemgo 

gesehen,  wo  sie  nun  g«-bliebeu  wiireii,  wissi-  er  nicht.  Seine  Nachricht 
bestätigt  1«!27  Job.  IMdcritius.  Wasser  buch  schreibt  in  seiner  10Ö8 
erschienenen  Abhandlung  „De  statu«  illustri  Hanninii . . .  vulgo  llirinciisul", 
nachdem  «>r  Hainolinann's  Hericht  wii««lergegeben :  rExhiber  adhuc  hodie 
Dorna  gladios  ens«  s<|ue  vetu-tns,  «^uint.  Varo  <i«ii  peperc  in  cein  «juos  et 
jioeta  Sabinus  vidisse  in  Wcstphalia  gloriatur."  Dies«  Angaben  sind,  wie 
Mcnadier  in  den  Verhandlungen  «icr  nuiuisiuat.  «les.  zu  Herlin  188«J 
nachwies,  bezüglich  der  römischen  Münzfumle  «inzuvcrlastdg. 

88)  Vgl.  L.  Hölzer  mann,  Lokaluntersuchungen,  die  Kriege  der 
Römer  und  Franken,  sowie  die  Hel'estigungsmaniereu  der  (ie.rnianen, 
Sachsen  uu«l  <les  späteren  Mittelalters  betroffend.    Münster  1878. 

89)  J.  VV.  J.Braun  stellt  in  seiner  geistvollen  Schritt  „Die  Extern- 


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IMe  Externstem«-. 


Iii 


der  Ansicht  fest,  dass  hier  «ler  Schauplatz  der  grossen  Hermanns- 
schlacht gewissen  sei.  Die  Wissenschaft  ist  darüber  längst  hinweg- 
gegangen und  hat  nachgewiesen,  dass  alle  Spuren  eines  längeren 
Aufenthaltes  der  Kömer  in  dieser  <;<>gend  fehlen.  Was  von  römi- 
schen Mün/.fnndeii  in  dieser  Ogewl  berichtet  wird,  ist  theils  nnver- 
kisslich,  theils  doch  noch  kein  Beweis  dafür,  dass  diese  Müir/cn  einst 
im  Besitze  von  römischen  Soldaten  waren,  welche  hier  durehmar- 
schirten  «»der  sich  hier  niedergelassen  hätten,  denn  Römermünze» 
finden  sich  ja  auch  in  Gegenden,  welche  nie  der  Fuss  eines  Legio- 
närs betreten  hat,  wie  im  Inneren  Deutschlands  jenseits  der  Elbe tHl). 
Sie  sind  durch  den  Handelsverkehr  hereingebracht  worden,  kommen 
oft  in  germanischen  CJräbern  als  Beigaben  vor  uml  behalten  in  den 
Kheinlaiiden  ihren  Umlauf  bis  in  fränkische  Zeit  hinein.  Was  den 
grossen  Kund  von  Hufeisen  betrifft,  welcher  in  der  Stadt  Horn  f>m 
unter  dem  Strassenpflnster  gemacht  wurde,  so  ist  derselbe  wissen- 
schaftlich nicht  zu  verwertlien.  da  Beigaben,  welche  eine  ciniger- 
massen  genaue  Zeitbestimmung  ermöglichen  würden,  fehlen.  Ent- 
Kcheidi'nd  ist  der  Umstand,  dass  in  der  («rotte  seihst  und  in  ihrer 
nnmittclharcn  Umgebung  niemals  ein  Römcrfund  gemacht  wurde  und 
nichts  auf  römische  Arbeit  und  im  Besonderen  auf  «lie  Bestimmung 
zum  Mithrasknltns  hinweist.  Die  Anlage  der  Käuine  hat  zwar  eine 
entfernte  Aclmliclikcit  mit  einigen  in  den  lebendigen  Fels  gehauenen 
Mithrücn.  wie  «lern  zu  (ilam  ck  in  Kärnthen,  zu  Schwarzerden  im  Elsass 
u.  A.  alier  dies  liegt  wohl  daran,  dass  man  an  allen  diesen  Orten 
Nalurböhlen  und  Felsspalten  auf  mögliehst  einfache  Weise  in  eine 
ivgchnässige  Form  zu  bringen  gesucht  hat.  Allenfalls  könnte  das 
grosse  Becken  im  Boden  «len  Mithrastheoretikern  eine  Handhabe  bieten, 
wie  sie  denn  auch  nicht  säumen,  dasselbe  als  „Krater,  als  Symbol 

steine-,  Bonner  Wiiukelinannsprograinni  l.säh,  «lie  Mithrastlnotie  nur  ver- 
umthungsweise  und  anscheinend  ohne  «las  Relief  an  Mit  uml  Stelle  ge- 
sehen zu  haben,  auf.  Veranlagung  hierzu  bot  ihm  «lie  heilatiligo  Be- 
merkung Ooeilie's  zu  Kunst  uml  Alterthum  V.,  dass  Sonne  und  Mond 
auf  dem  Üelicl  an  gleiehartige  Darstellungen  auf  Mithrasbildcrn  erinnerten. 
Neuerer  Zeit  üb«'itragt  nehen  allerlei  anderen  phantastischen  Kinlllllen 
(!.  A.  B.  Sc  Merenberg  auch  seine  MithrasschvärimTei  auf  die  Grotte. 

!>0)  Vgl.  Nordhoff,  Ronner  Jahrbuch  84,  p.  Uli.  Veltmnnn,  a.a.  O. 
—  (I.  Freus»,  l'eber  die  im  hiesigen  Lande  gefundenen  Koineiinün/en 
Lippischc  I.andcszcitung  ls~s*>.  Beilage  zu  Kr.  211  u.  2*«i. 

Vgl.  Miilh.  d.  C.  f.,  X.  F.  VIII.  p.  XXII  und  Bonner  Jahrbuch 
IV.  p.  !>4  f. 


112 


Anton  Kisa:  Die  Kxtrrnsteine. 


des  Heiligen  Quells,  wie  er  in  den  f!  rotten  Zorvasters  geflossen", 
weidlich  tür  ihre  Lieblingsidee  auszunützen.  Aber  es  ist,  wie  er- 
wähnt, durchaus  keine  ausschliessliche  Eigentümlichkeit  des  Mithras- 
kultcs,  sondern  ein  Erfordernis»  aller  Xaturreligionen,  die  mit  bluti- 
gen Opfern  verbunden  waren  und  findet  «ich  auch  in  germanischen 
nnd  keltischen  Tempeln.  Dagegen  fehlt  bei  den  Mithriien  durch- 
wegs da«  fllr  diese  bezeichnende  Hciligthum  auf  der  Anhöhe,  welches 
gerade  an  den  Kxternsteinen  in  einer  so  auffallenden  Weise  ange- 
bracht ist.  Die  Möglichkeit,  dass  die  (trotten  schon  vor  der  Sachsen- 
zeit Kultuszwceken  gedient  haben,  bleibt  dabei  offen,  wenn  wir  auch 
keine  Beweise  dafür  haben  und  nur  im  Allgemeinen  aus  dem  Cha- 
rakter der  Lokalität  und  den  gemeinsamen  religiösen  (lewohnheiteu 
germanischer  Stämme  den  Schbiss  ziehen  können,  dass  auch  schon 
die  Cherusker,  durch  die  Seltsamkeit  der  Xaturgebilde  angezogen, 
hier  eine  Opferstätte  errichtet  haben,  welche  von  ihren  stammver- 
wandten Nachfolgern  beibehalten  und  weitergepflegt  wurde.  Will 
mau  bei  den  Kxternsteinen  noch  hinter  die  beglaubigte  sächsische 
Vorzeit  zurückgehen,  so  kann  nur  die  einheimische  Bevölkerung  in 
Betracht  gezogen  werden  und  nicht  die  Römer.  Immerhin  ist  es 
nicht  ausgeschlossen,  sogar  wahrscheinlich,  dass  die  Abdinghöfcr,  als 
sie  daran  gingen,  den  alten  Sachsentempel  in  ein  christliches  Heilig- 
thun! umzugestalten,  antike  Ci rottenanlagen  im  Auge  hatten,  die  sie 
am  Rhein  gesehen  haben  mochten  uud  dass  durch  die  Erinnerimg 
an  die  Reliefs  des  stiertödtenden  M ithras  in  ihnen  der  (ledanke  ent- 
stand, das  grosse  Opfer,  durch  welches  der  Welt  Heil  wiederfuhr, 
neben  dem  Eingange  des  Heiligthuincs  darzustellen.  Auf  diesen 
kleinen  Kern  schrumpfen  die.  Mithrasphantasien  bei  unbefangener 
Betrachtung  zusammen.  Vielleicht  haben  die  Abdinghöfcr  aber  auch 
die  Luxemburger  Orottc  gekannt;  sie  waren  ja  ans  der  Xähe.  aus 
Lothringen  gekommen  und  unterhielten  wohl  noch  Jahrhunderte 
lang  Verbindungen  mit  dem  Mntterklostcr.  Freilich  wissen  wir  nicht 
genau,  wann  die  Luxemburger  (trotte  zur  Quirinnskapelle  umgestaltet 
wurde,  ob  dies  früher  oder  später  erfolgte,  als  die  Umwandlung 
der  Extemsteinc  in  eine  christliche  Kirche;  die  Weihe  beider  fällt 
wohl  in  die  gleiche  Periode,  in  das  Zeitalter  der  Kreu/.zllge  und 
das  Vorbild  der  einen  mag  damals  für  die  andere  maassgebend  ge- 
worden sein. 


14H 


4.  Ein  „lavacrum"  des  XII.  Jahrhunderts. 

Von 

Dr.  J.  A.  Feltli. 

Mit  einem  Holzschnitt. 

Das  lieft  LXXV  dieser  Jahrbücher  brachte  inl elegante  Mit- 
teilungen über  liturgische  Schüsseln  des  Mittelalters.  Herr  J.  Al- 
denkirchen  ans  Viersen  beschrieb  daselbst  drei  derartige  im  Innern 
aufs  reichste  mit  eingravirten  figürlichen  Darstel binden  geschmückte 
Schüsseln,  welche  sieh  damals  (UWJ)  in  der  Sammlung  des  Herrn 
Dr.  Win^s  in  Aachen,  in  der  Sakristei  des  Domes  zu  Xanten 
und  im  l'roviii/iabunseum  zu  Trier  befanden.  Versebiedene  Gründe 
gestatten,  nach  der  Ansiebt  des  Verfassers,  die  Anfertigung  dieser 
Schüsseln  mit  Sicherheit  in  das  elfte  Jahrhundert  zu  setzen,  wäh- 
rend ihm  die  einzig  mögliche  Zweckbestimmung  derselben  die 
Aufnahme  des  heiligen  Oels  bei  verschiedenen  kirchlichen  Salbun- 
gen zu  sein  scheint. 

Zwei  Jahre  später  wurden  in  der  Stadt  Gent  auf  dem  Boden 
eines  Flusses  in  der  Xähe  einer  alten  Drücke  zwei  einander  ähn- 
liche Schüsseln  gefunden,  welche  in  Form  und  Grösse  den  von 
AI  denk  ircheu  beschriebenen  entsprechen,  jedoch  ganz  andere  Ver- 
zierungen zeigen.  Baron  J.  Bethnne  de  Vi  Hers  hat  in  einer  Ab- 
handlung „Lcs  bassins  liturgi»juesu  ')  eine  Beschreibung  dieser  Gen- 
ter Schüsseln  gegeben  und  dabei  auch  der  Schüsseln  von  Aachen, 
Xanten  und  Trier  gedacht,  ohne  sich  in  Bezug  auf  die  inuthinass- 
liche  Zweckbestimmung  der  Meinung  des  Herrn  Aldcnkirehen 
anzuschliesseu. 

Eine  vor  einiger  Zeit  in  Groningen,  der  nördlichsten  Stadt 
der  Xiederlandc,  entdeckte  Schüssel,  welche  das  dortige  Stadt-  und 
Provinziabnusenm  erwarb,  bildet  eine  werthvolle  Bereicherung  unse- 
res Besitzes  an  derartigen  Stücken.  Das  Fundstüek  wurde  etwa 
!,:")•)  in  unter  dem  Boden  beim  Auswerfen  der  Fundamente  eines 


1)  Hcvne  de  l'nrt  t-hrctieii,  Tome  IV         livraison,  1K«8. 


141 


.1.  A.  Foitb: 


Hauses,  ausgegraben.  IJei  fast  gleicher  (Irösse  zeigte  die  Schüssel 
dieselbe  massig  vertiefte  kreisrunde  Form,  wie  die  fünf  oben  er- 
wiihnten  Schalen,  sie  misst  im  Durchmesser  ohne  den  Rand  27,f>  cm 
und  in  der  Höhe  f>,5  cm.  Versehen  ist  sie  mit  einem  schmalen  um- 
gebogenen flachen  Rande  von  2  cm.  Das  .Material,  ans  welchem 
sie  hergestellt  ward,  ist  Kupfer,  welches  schwer  vergoldet  worden 
ist.  Nur  an  einzelnen  kleinen  Stellen  ist  das  (Johl  jetzt  verschwunden, 
die  Innenseite  und  die  Aussenseite  zeigen  noch  immer  eine  boch- 
gelbe  (Johl färbe.  In  der  eoneaven  Wandung  sind  fünf  und  auf 
der  Rodcnflaehe  eine  sechste  bildliche  Darstellung  angebracht,  welche 
von  verschiedenen  Kreisen  und  Halbkreisen  umrahmt  sind. 


Ringsum    zwischen  diesen   Halbkreisen  sind  grössere  Halb- 
kreise eingravirt.  welche  je  drei  Medaillous  enthalten.    Es  sind 


Digitiz 
.  t 


Kill  .lavamuu*  des  X.  Jahrhunderts. 


(Icimiacli  fünfzehn  kleine  Medaillons  vorhanden,  welche  jedes  ein 
lateinisches  Wort  umrahmen.  Die  Medaillons  sind  durch  Verzie- 
rungen, sehr  einfach  mndcllirtc  Säulen  und  Lotushlumcn  von  ein- 
ander getrennt.  Aehnliche  Verzierungen  findet  man  auf  den  bei- 
den  Genter  Schüsseln;  die  Kreise,  Medaillons  und  Verzierungen 
sind  die  gleichen,  nur  die  bildlichen  Darstellungen,  ihre  Anzahl 
(die  Genter  Schusseln  Italien  deren  sechs)  und  die  Worte  stimmen 
nicht  tlherein. 

Das  Mittelhild  im  Hoden  zeigt  eine  sitzende  menschliche  Ge- 
stalt, welche  in  jeder  Hand  ein  Much  trägt.  Die  Form  des  Buches 
ist  auf  unserer  Schüssel  nicht  sehr  deutlich,  auf  einer  der  (Jenter 
Schüsseln  ist  jedoch  die  gleiche  Gestalt  als  Mittelhild  darge- 
stellt und  sind  dahei  die  II  lieh  er  sauhcr  und  genau  gezeichnet, 
auch  liesst  man  hier  neben  dem  Bilde  zu  beiden  Seiten  die  Buch- 
staben A  und  CO;  wahrscheinlich  stellt  demnach  das  Mittelbild  Chri- 
stus, das  Alte  und  Neue  Testament  festhaltend,  dar. 

Die  fünf  Bilder  ringsum  sind  Brustbilder  von  Menschen,  welche 
einen  orientalischen,  wo  nicht  ägyptischen  Typus  zeigen:  eine  Kopf- 
binde, welche  übrigens  auch  das  Mittelbild  trägt,  schmückt  ihre 
Häupter.  Bei  den  Center  Schüsseln  ist  dies  anders.  Auf  der 
einen  sind  die  Häupter  des  Mittelbildes  und  der  sechs  Bilder  rings- 
um mit  Ximben  versehen  und  sind  die  Wörter  in  den  Medaillons 
insgesamint  Namen  von  Tugenden.  Auf  der  anderen  trägt  das 
Mittelhild  eine  Kopfbinde,  dagegen  sind  die  Brustbilder  mit  einer 
vierspitzigen  kroneunrtigen  Kopfbedeckung  ausgestattet,  welche 
offenbar  in  Beziehung  steht  zu  dem  Inhalte  der  Inschriften  der  Me- 
daillons, durch  welche  wir  auf  die  menschlichen  Sünden  hinge- 
wiesen werden1).  Kann  man  demnach  die  mit  Nimben  versehenen 
Figuren  für  Bilder  von  Heiligen  und  die  Kronenträger  für  solche 
menschlicher  Sünder  erklären,  so  werden  wir  nicht  fehlgreifen,  wenn 
wir  in  den  menschlichen  Figuren  auf  unserer  Schüssel  die  Darstel- 
lungen von  Menschen,  den  Trägern  von  Tugenden  und  Sünden  ver- 
mutheu. Hierauf  deuten  auch  die  neben  einander  auftretenden  rings- 
herum aufgezeichneten  Namen  der  Tugenden  und  Sünden  hin.  Diese 
Wörter  sind  durch  den  des  Lateinische!)  offenbar  nicht  kundigen 
Verfasser  derartig  entstellt  worden,  dnss  es  nur  mit  Hülfe  einer 


1)  De  Rciliunc  21   weist  auf  die  Analogie  '/.wischen  diesen  Bil- 
dern und  den  HnrusliiMern  auf  den  alten  :i;r\  ^tischen  iMniiumenleii  hin. 
Jahrb.  il.  V.T.  v.  Alterthuiiisfr.  im  Uh.inl.  XflV.  10 


14C 


.7.  A.  Feil  Ii: 


Vergleichung  mit  den  Center  Schusseln  möglich  ist.  ihren  Sinn  fest- 
zustellen. 

Auf  der  (lenter  Schüssel    der    Tugenden   lauten    die  In- 
schriften : 


IGN 

BO  (hcni,,nilti.H)  MN 

NIT  SVE 

[hon  Ho  s )  ( man  su  et  mi  o) 


MD 
EST 

CA  imoilesfio)  RE 

TIT  LIG 

mtstifos)  (rclitjio) 


PAX 

PR  «/»'«)  OBE 

DEN  DIN 

K)irmlnitio)  (uhrdiciitia) 


FOR 
TIT 

IM  iforUhnio)  |VS 

EBV  TIC 

{imi>erturl>oiii>\  {justieia't 


PR 
VID 

PE  tymrttlmtia)  RA 

TA  10 

{pii'hi«)  .  (ratio) 


DS 
ICP 

SC  (iHsti/ilina)  CN 

TA  IEN 

isrinrtitas  ?)  yronxrirntia) 


Digitized  by  Google 


Ein  „lavacrum"  <les  X.  Jahrhunderts. 


147 


Auf  der  Schüssel  der  Sflnden  lesen  wir: 

INM 


MA 
LIC 

{malicia) 


VNDI 

(immundicia) 


EBR 
IET 

(rbrittas) 


CR 
APV 

(craputa) 


FRA 

VS 

(frans) 


EMV 
LAT 

(emidolio) 


CON 
TEN 

(rontrnfio) 


AM 
BIT 

{ambitiu) 


SVS 
PIC 

(swtpiciu) 


DOI 
VM 

(od  htm) 


PE 

CCA 
ipeccittitnt) 


ODL 

VS 

(dolus) 


PIG 
RIC 

(piyricia) 


VAN 
ACLO 

(rana  gluria) 


DES 
PERA 

(desperat  io) 


TRI 
STIC 

(trist  iria) 


DIS 
SEN 

(disseti.tus) 


FVR 
OR 

(fiiror) 


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J.  A.  Fi-itli: 


Di  r  Iusehriften-Ovklns  der  in  Oroningen  entdeckten  .Sehlt*sel 


lautet : 


MA 
LIE 

(malii  i<t\ 


INM 
VND 

<in»iiiiuiiciii\ 


EBR 
IET 

iehrirtas) 


CAS 
TIT 

(castitas) 


FRA 

VS 

{frans) 


EAW 
LAT 

\emnfafio) 


CUN 

TEN 

(CO/ltl'lttio) 


RE 

•  CCA 

{/tri  rat  um  I 


ODL 
VS 

Uluttis) 


PRI 

VM 

(Olfilllll?) 


PE 

CCA 

Iprrnitiinn 


ODL 
VS 

(dolus) 


TRI 

SAI 

(Iristiria) 


DIS 
CIP 

idisriplinn) 


CONT 
NIE 

(cuntinentia) 


Man  würde  es  ohne  Kennfniss  der  Center  Schüsseln  nie- 
mals wagen  PRIVM  als  ODIVM,  RECCA  als  PECCATVM  und 
TRISAI  als  TRISTICIA  zu  erklären;  da  hier  jedoeh  diese  abge- 
kür/.ten  Wörter  weniger  fehlerhaft,  und  dahei  in  gleicher  Ordnung 
in  demselben  Wi.rtertim  %ns:umiicntrenVii,  so  ist  unsere  Deutung  er 


Digitized  by  Google 


Ein  „lavai-runi"  des  X.  Jahrhunderts.  149 

laubt.  E*  ist  klar,  wie  wir  bereits  oben  hervorhüben,  dass  dem 
Künstler,  welcher  die  Schüssel  offenbar  nach  einer  Vorlage  schmückte, 
die  lateinische  Sprache  nicht  geläufig  war  und  dass  er  die  Buch- 
staben als  Verzierung,  des  Sinnes  der  Wörter  unbewusst,  darstellte. 

Ks  erübrigt  jetzt  noch  die  Frage  zu  erörtern,  welchem  Zwecke 
diese  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aus  dem  XII.  Jahrhundert  her- 
stammenden Schüsseln  gedient  haben.  Herrn  Aldenkirchen  er- 
scheint die  Bestimmung  zur  Aufnahme  des  heiligen  Ods  hei  ver- 
schiedenen kirchlichen  Salbungen  als  die  einzig  mögliche.  „Somit", 
so  schreibt  derselbe,  „dürfen  wir,  da  eine  andere  Zweckbestimmung 
sich  nicht  ergibt,  in  den  von  uns  veröffentlichten  drei  Patencn  aus 
Aachen,  Xanten  und  Trier  gewiss  auch  solche  patenae  chrismalcs 
sehen,  iu  welche  bei  der  Vornahme  kircldieher  Salbuugen  uud  na- 
mentlich bei  feierlicher  Ausspendung  der  Sacramente  der  Taufe, 
Firmung  und  Priesterweihe  aus  grösseren  Ampullen  das  zur  Ver- 
wendung kommende  h.  Gel  gegossen  wurde.  Die  im  luneru  der 
Schüsseln  angebrachten  bildlicheu  Darstellungen  der  Parabel  vom 
barmherzigen  Samariter,  der  nach  Luc.  X  31  Oel  und  Wein  auf 
die  Wunden  seines  Mitbrnders  goss,  die  so  überaus  sinnige,  tief 
symbolische  Vcransehauliehung  der  sieben  (laben  des  h.  fJeistes  uud 
die  Verse  auf  «lern  äussersten  Hachen  Rande  der  Xantener  Schüssel 
enthalten  einen  direkten  Hinweis  auf  die  Benutzung  der  Schüsseln 
bei  Spendung  der  Sakramente  als  Pateneu  für  das  h.  Oel.u 

Aber,  so  hat  schon  Baron  de  Bethiine  gefragt,  zwingt 
nicht  die  Entdeckung  der  Genter  Schüsseln,  diese  Hypothesen  zu 
moditieiren?  Er  vertheidigt  die  Ansieht,  unsere  Schüsseln  seien 
Waschbecken,  sowohl  zum  kirchliehen  Gebrauche  bei  der  Messe, 
als  auch  zum  Gebrauch  der  Ritter  in  den  Schlössern.  Eine  ähn- 
liehe Schüssel  in  der  Xational-Bibliothck  zu  Paris,  welche  mit  Dar- 
stellungen der  Haupt-Episoden  aus  dem  Leben  des  Achilles  ge- 
schmückt ist,  mit  Bildern  unstreitig  nicht  geistlichen,  sondern  heid- 
nischen Charakters,  giebt  ihm  das  Recht,  eine  derartige  Meinung 
auszusprechen  und  zu  verfechten.  Ich  persönlich  bin  nicht  abge- 
neigt die  Groiiinger  Schüssel  für  ein  Waschbecken  zum  kirchlichen 
Gebrauch  zu  erklären.  Eine  bereits  im  Jahre  :i47  bestehende  Vor- 
schrift der  katholischen  Kirche  befiehlt  den  Priestern  die  Hände 
zu  reinigen,  bevor  sie  die  heilige  Messe  auftragen.  Dabei  ist  für 
die  Beantwortung  unserer  Frage  eine  iu  der  Chronik  der  berühmten 
Abtei  von  Adnard  (in  der  Nähe  von  Groningen)  sieh  vorfindende 


IFiO  J.  A.  Fiith:  Ein  „Uvarrum»  des  X.  Jahrhundert*. 


Notiz  von  besonders  grosser  Bedeutung.  Iiier  enthält  die  Lebens- 
beschreibung des  Abte»  Engerdas  ( 12<i8~-12«7)  folgende  Stelle1): 
rfecit  praeterea  fundi  lavacrmn  aeneum  ante  refeetorinm,  in  qno 
trat res  iiiaims  abluercnt  antcqnam  altarc  vel  mensani  aeeederent;  in 
qno  lavacro  Koniana  litera  hi  versus  sunt  conscripti: 

Sonics  mentales  magis  ablue  quam  manualcs, 
Intieiunt  tales  quia  plus  quam  materiales; 
Hoc  non  carnalc*  sapiunt,  sed  spiritualcs." 
Hieraus  geht  hervor,  dass  derartige  kupferne,  mit  eingravirten 
figürlichen  Darstellungen  oder  Inschriften  geschmückte  Schüsseln, 
lavaern,  lavaria  oder  lavatoria  in  der  Umgegend  von  (Ironingen  in 
Gebrauch  waren.    Dieselbe  Thatsachc  beweisen  auch  einige  luven- 
tare  kirehlicher  Gerftthe  aus  dem  XV.  und  XVI.  Jahrhundert,  in 
denen  diese  Schusseln  in  der  Landessprache  „rnesken  lavoirs*  ge- 
nannt werden.    Endlieh  spricht  es  entschieden  für  die  Verwendung 
der  («roninger  Schüssel  als  ein  kirchliches  Waschbecken,  dass 
ihre  Fundstelle  die  ehemalige  grangia  eines  Jakobiner-Klosters  war. 

1)  Yitne  ae  gesta  abbatum  AdwerdmiMUtn.    Ed.  V.  Koppius,  Gro- 
ningac  IfiäO,  pag.  11. 


151 


5.   Die  Funde  von  Gleuel. 

Von 

J.  K  Wilkenberg. 


Das  alte  Pfarrdorf  Gleuel,  etwa  2  Stunden  sltilwestlicli  von 
Köln  gelegen,  welches  bereits  in  einer  Urkunde  Zwentibold's  vom 
Jalirc  898  unter  dem  Namen  Cloufo  erwähnt  wird,  hatte  bishcran 
keine  Ausbeute  an  Alterthümcrn  geliefert,  als  es  im  März  d.  .1.  den 
genannten  Mangel  durch  um  so  reichere  Spenden  wieder  ausglich. 
Man  verdankt  dieselben  der  dem  1 1 .  Jahrhundert  angehörenden  ro- 
manischen Pfarrkirche,  welche,  dem  Bedürfnisse  längst  nicht  mehr 
genügend,  einem  Neubau  hat  weichen  müssen.  Die  Funde  gehören 
den  verschiedensten  Epochen  an.  Darf  schon  das  aus  dünnem  Leder 
gefertigte  und  bemalte  Messgewand  eines  in  der  Kirche  begrabenen 
Priesters,  wohl  eines  Pfarrers  aus  dem  17.  Jahrhundert,  immerhin 
als  eine  Merkwürdigkeit  bezeichnet  werden,  so  verdienen  weit 
grössere  Beachtung  die  ans  verschiedenen  Zeiten  stammenden  Ge- 
webe und  Stickereien,  welche  den  in  den  Altären  geborgenen  Reli- 
quien als  Umhüllungen  dienten  uud  demnächst  von  sachkundiger 
Seite  geprüft  und  gewürdigt  werden  sollen.  Dazu  kommen  Stein- 
Überreste  aus  der  romanischen  und  fränkischen  Epoche,  darunter 
ein  sehr  gut  erhaltener  karolingiseher  Grabstein  in  Trapezform  mit 
aufgezeichnetem  Kreuz  und  Rosetten,  sowie  das  Fragment  eines  an- 
dern, welches  zu  einem  romanischen  Kämpfer  verarbeitet  ist. 

Am  merkwürdigsten  sind  die  aufgefundenen  römischen  Altcr- 
thttnfcr.  Das  gotbische  Sakramentshäuschen  enthielt  einen  Theil 
eines  römischen  Grabdenkmals  mit  der  bekannten  Darstellung  des 
auf  dem  lectus  trieliniaris  ausgestreckten  Verstorbenen.  Von  letzte- 
rem sind  noch  Kopf,  Hals  und  rechter  Ann  sowie  die  Nische,  in 
der  das  Relief  angebracht  ist,  erhalten;  die  übrigen  Theilc  sind  durch 
Abbauen  versehwunden.  Zwei  Ucberrestc  eines  anderen  Grabmonu- 
mentes aus  Kalkstein  fanden  sicli  in  den  Fundamenten  vor,  während 
das  ehemals  zwischen  beiden  befindliche  Stück  fehlt.  Das  Denkmal 
seheint  einem  römischen  Reiter  anzugehören.  Das  obere  Stück 
lässt  noch  zur  Linken  die  sehr  roh  gearbeitete  und  stark  verletzte 


152 


J.  K  lin  kenbcrg: 


Gestalt  eines  Waffenträgers  erkennen;  Keitcr  und  Pferd  sind  bis  auf 
Koste  von  den  Füssen  des  letzteren,  die  man  am  oberen  End«  des 
unteren  Stückes  zu  scheu  glaubt,  verschwunden.  Auf  letzterem 
stellt  auch  die  Inschrift,  deren  Schluss  fehlt.  Die  mehr  eingeritzten 
als  eingehaltenen  Buchstaben,  welche  noch  die  Spuren  ehemaliger 
rother  Hemalung  zeigen,  erinnern  in  ihren  Formen  an  die  römische 
Cursivschrift.    Die  Inschrift  lautet: 

AVRVIN 

l  V*KDrN 

Zeile  1  lässt  das  zweite  Wort  die  Ergänzungen  ]'i>niciux), 
l'ini mitts),  Vin  m/msi  oder  Vit*, im)  zu'}.  Zeile  '2  sind  an  den 
beiden  E  die  Querstriche  sehr  klein  und  undeutlich;  das  zweite 
könnte  gradezu  als  I  genoiniuen  weiden.  K  dürfte  trotz  des  .Scha- 
dens, den  hier  der  Stein  gelitten  hat,  sicher  sein.  Als  Ergänzung 
des  ersten  Wortes  dieser  Zeile  bietet  sich  das  häutig  auch  in  Köln 
auf  Töpt'erstcmpeln  vorkommende  Eiik[<irpu*)-;:  mau  könnte  auch 
an  Ettk\jes)  oder  Euk \rotm')  denken1".  Für  den  Schluss  der  zwei- 
ten Zeile  schlage  ich  die  Lesung  de  n  n utero)  vor4).  Die  rohe 
Ausführung  des  Reliefs  und  tler  Inschrift,  die  Buchstahcuformen,  der 
doppelte  Gcutilnamc,  vielleicht  auch  die  Erwähnung  der  Numeri 
und  der  Ausdruck  de  utimero  ohne  Beifügung  von  milex  oder  eqnes  ') 
weisen,  alles  zusammengenommen,  auf  eine  späte  Zeit,  wohl  auf 
das  4.  Jahrhundert  hin. 

Den  schlecht  erhaltenen  Grabdenkmälern  schlicssen  sieh  eine 
lieihe  besser,  z.  T.  sehr  gut  erhaltener  Wcihedciikmäler  au.  Dahin 
gehört  zunächst  eine  1,47  tu  hohe,  Ü,7G  tn  breite  und  U,.">4  in  dicke 
Matronenädikula  aus  gelbem  Sandstein,  meines  Wissens  die  statt- 
lichste, welche  in  unsern  (legenden  zu  Tage  gefördert  worden  ist. 
Dieselbe  enthält  zwei  Nischen  über  einander.  In  der  obern  klei- 
nern sitzen  die  drei  Matronen,  zwei  mit  Wulsthauben  angetban, 
die  mittlere  ohne  dieselbe.    Auf  dem  Sehoosse  halten  sie  theilweisc 


Ii  C.  I.  L.  XII  1023.  2032.  1W.1.  Kpli.  c|djrr.  VII  121«. 

2)  V-l.  U.  J.  LXI  S.  103,  10H,  112;  ausserdem  C.  J.  L.  XII  3507 
u.  s.  w. 

:i)  V^l.  C.  I.  L.  XII  ülHX)  uinl  5()i>7t  8. 

1)  Durch  N  ali^fkürzt  sc.  1!.  in  der  von  Moiniiiscn  herausgegebenen 
Soldatenlistt:  U.  J.  1AVII  8.  47  f. 

Ti)  Muratnri  1031»,  ,r>:  Rinnne)  mtfmorinv.)  hic  ineit  Sey/itis  die)  scola 
yentilhnn. 


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Die  Funde  von  Gleuel. 


zerstörte  Fruchtkörbe.  Die  auicre  Nische  zeigt  eine  Opfcrsccuc, 
ähnlich  der  auf  den  Denkmälern  der  Matronae  Cuchinehac 1 )  und 
Kttrahenac  et  Gesahenae*)  den  Roimcr  Museums;  nur  sind  auf  letz- 
tem 4,  auf  dein  unserigeu  .'5  Personen  bei  dem  Opfer  bcthciligt, 
wie  es  auf  dem  verlorenen  Antweiler  Steine  der  Fall  war*).  In  der 
Mitte  steht  in  schräger  Stellung  der  Altar,  rechts  von  demselben 
eine  weibliehe  Person  mit  einer  Wulsthanbe  (Matrone?*,  hinter  dem 
Altar  und  links  von  demselben  zwei  Gestalten,  von  denen  die  er- 
stere  eine  Kopfbedeckung  mit  auf  den  Rücken  herabfallenden  Rän- 
dern trägt.  Leider  lässt  sich  die  Thätigkeit  der  einzelnen  Per- 
sonen in  Folge  der  Verstümmelung  mancher  vorspringenden  Theilc, 
besonders  der  Hände,  nicht  mehr  erkennen.  Auf  der  am  meisten 
sichtbaren  Seite  des  Altars  scheint  ehemals  die  Weihinschrift  ge- 
standen zu  haben.  Auch  die  Seitenflächen  des  Denkmals  sind  mit 
Reliefs  geschmückt,  unter  denen  links  eine  Vase  zn  erkennen  ist; 
die  rechte  Seitenfläche  stand  bei  meiner  Resichtignng  zu  ungünstig, 
als  dass  sich  etwas  Näheres  über  dieselbe  sagen  Hesse. 

Zwei  der  in  den  Fundamenten  der  Kirche  gefundenen  Weih- 
inschriften sind  Juppitcr  Optimus  Maximus  gewidmet.  Die  eine 
ist  eine  Kalksteinplatte  von  0,ö6  m  Höhe  und  0,44  m  Breite,  unten 
mit  einem  Rande  versehen  und  auf  den  Seitenflächen  mit  je  einer 
Palmettc  geschmückt.    Die  Inschrift  lautet: 

MVLPIVS 
NOREllA 

NVS 
V  S  L  M 

Vor-  und  Geschlecbtsnamc  des  Weihenden  legen  die  Verum- 
thnng  nahe,  dass  derselbe  durch  den  Kaiser  Trajan  das  römische 
Bürgerrecht  erhielt. 

Das  andere  Denkmal  ist  ein  mächtiger  Kalksteinblock,  ca. 
D/iHiti  breit,  0,H8  m  hoch  und  0,Cf>  m  dick;  oben  und  unten  ist  er 
mit  einem  ca.  0,10  m  breiten,  rings  herumlaufenden  Rande  umge- 
ben.   Er  trägt  in  grossen,  zierlichen  Lettern  die  Inschrift: 

1)  Ihm,  Matrnueukultus  Nr.  255. 
■2)  A.  a.  O.  Xr.  305  n.  S.  4(1. 

3)  A.  n.  O.  Nr.  221.  Da*  Kelief  auf  demselben  wird  .so  beschrieben: 
viulier,  rir  litanles  ad  armn;  stat  intermeifhis  ptier.  Vgl.  Sehn  mint, 
Eitlia  illustrata  I  1  Tai'.  II  S  und*  VI  21. 


154 


■I.  Kliiikeuherg: 


I   •   O  h 

SACRVAr 
CIVNIVS 
FRONTINIV* 
VISSV-IVSSV* 

Bomcrkenswerth  ist  <ler  doppelte  Gcntilname,  welcher  zusam- 
mengehalten mit  dem  Charakter  der  Htichntaltca  die  luselirit't  dem 
2.  .Jahrhuudcrt  oder  dem  Anfang  des  3.  zuzuweisen  scheint. 

Am  bedeutsamsten  unter  den  Funden  ist  der  0.H8  m  lndie, 
0,705  m  breite  und  0,f),"5  in  dicke  Block  von  rothem  Sandstein,  wel- 
cher den  Kern  des  Hochaltäre»  bildete.  Während  ihn  unten  rings 
hemm  (mit  Ausnahme  eines  Thciles  der  Küekseitei  ein  liand  um- 
gibt, ist  er  oben  ohne  Abschluss  und  trug  hier  jedenfalls  eine  Aedi- 
kula  mit  den  Hildein  der  beiden  Gottheiten,  denen  das  Denkmal 
nach  der  Inschrift  geweiht  ist.    Diese  lautet: 

?\  HVECCANIS 
AVEHAEET-  KEL  tVESAE 
SEXTlVAL-PEREGRIN 
ET  VAL  FlClO  FRAF5ES 
EX  REDITV  IPSARVM 

L  P 
MVCIAHOT-FABIANOC.? 

201  |>.  Chr.  ii. 

Der  Zeile  1  fehlende  Buchstabe  kann  nach  dem  erhaltenen 
Beste  und  der  Beschaffenheit  des  Wortes  nur  A  gewesen  sein.  Das 
hier  /.«erst  auftretende  Gmtinnenpaar  der  Ahuekkauen  ist  celtisch,  wie 
das  ans  den  Beinamen  der  Matronen  sattsam  bekannte  Suffix  -<7w  in 
Ai'-i'hn  beweist1).  Vielleicht  liegt  auch  i\\  Ahuwtmis  das  eeltische 
cun  —  Burg,  Niederlassung,  mit  welchem  die  Matronenbeinamen 
OctocaitHfie  i/h-twanae)  und  Xeccanm'luie  gebildet  sind*'.  Ueber 
den  Charakter  dieser  Göttinnen  lässt  sich  aus  unserer  Inschrift  kein 
Schluss  ziehen;  vermuthlich  waren  es  scgcnbringeiide  (Jottheiten, 
ähnlich  den  Matronen.  Ein  Belief  im  Museum  zu  Poiticrs  stellt 
zwei  müttcrliclie  Gottheiten  dar,  die  je  drei  Früchte  im  Schoosse 


1)  V|?l.  Ihm,  Matronenkultus  S.  .i± 

2)  Ihm,  a.  n.  O.  S.  2«. 


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Die  Funde  von  Gleuel. 


155 


tragen,  während  die  eine  zwischen  beide  ein  Füllhorn  hält ').  Auch 
der  Frankfurter  Stein  mit  der  Widmung  Duabux*)  und  der  Al/.eier 
mit  DvNYMPHIS;\i  können  hier  vergleichsweise  herangezogen  werden. 
Zeile  3  ist  SEXTl  —  tiextii,  wie  auf  der  Inschrift  des  Kölner  Mu- 
seums Düntzcr  Nr.  2'2'J:  Valerix  Acitianu  et  Grat  hüte.  Neu  ist 
unseres  Wissens  die  Wendung  ex  reditu  ipxarum:  die  beiden  Brü- 
der, unter  denen  wir  uns  die  Curatores  der  genannten  Göttinnen 
denken  müssen,  haben  die  Kosten  des  Monumentes  aus  der  Kasse 
des  Hciligtliumcs  bestritten.  Letztere  war  gewöhnlieh  auf  Grund- 
besitz fundirt;  dazu  kamen  laufende  Einnahmen,  besonders  aus  den 
Sportein  bestehend,  welche  für  die  Darbringung  der  Opfer  gezahlt 
wurden').  Man  vgl.  mit  unserer  Inschrift  C.  I.  L.  XII  ">370: 
T.  Valeria*  C.  f.  Seuevio  ....  magixt  ri  pagi  ex  reditu  fani  Lnr- 
raxoni  cellax  faciund(ax)  curaceruut  uud  Uenzen  Nr.  älHKJ: 
Fanniux  M.  /".....  fanonun  curatores  ex  pecunia  fanatica  faci- 
undum  curarunt  idemque  probarunt. 

1)  Abgebildet  bei  Ihm,  a.  a.  ().  8.  54. 

2)  Ihm,  Nr.  4-13. 

3)  C  I.  Kh.  877.    Nach  Ihm  zu  lesen:  du\abus\  Nymphix. 

4  t  Vgl.  Mo  in  ins  cn,  Römische  .Staatsverwaltung  II  S.  80  IT. 


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II.  Liüeratur. 


1 .  Dii>  Kunst  «I  e  n  k  in  ä  1 «•  r  il  e  r  R  Ii  «•  i  n  p  r  o  v  i  n  z.  Erster  Üaml. 
III.  Die  Kitnstdcukmalcr  d«is  Kreises  Mörs.  IV.  1  »if  Kunstdcnkmaler 
dos  Kreises Kleve.  Zweiter  Band.  I.  Die  KunstdenkmiiUr  «los  Kreises 
Rees.  Im  Auftrag«!  dos  Provinzialv«-rbandos  der  Rheinprovinz  heraus- 
gegeben von  Paul  ('leinen.  Düsseldorf,  L.  Schwann,  \W±  gr.  8. 
VI  und  170;  VI  und  ISO;  VI  nnd  lös  S.  Preis  fi  M.;  ;V>0  M.  und  GM. 
Das  jrros.se.  von  dem  Provinzialvorbande  der  Rheinprovinz  unter- 
nommene Werk,  dessen  beide  ersten  Lieferungen  wir  an  dieser  Stelle  vor 
etwa  einem  Jährt-  besprachen  t.Iahrb.  S.  2;k'S  ff.'i,  nimmt  seinen  rüstigen 
Fortgang.  Dr«'i  weitere  Kreise  haben  sieh  den  dninnls  behandelten  beiden 
angeschlossen  und  hierdurch  ist  nicht  nur  der  erste  Hand  der  Sammlung 
zu  Kurte  geführt,  sondern  auch  der  zweite  begonnen  worden.  Der  nörd- 
lichste. Theil  der  Provinz  ist  damit  erledigt,  es  werden  sich  zunächst  «Ii« 
Stadt  Duisburg,  die  Kreise  Mülheim  a.  d.  Ruin  und  Ruhrort,  Stadt  und 
Kreis  Essen,  Stadt  und  Kreis  Düsseldorf  anschließen,  deren  Bearbeitungen 
theils  unter  «ler  Presse,  theils  in  Vorlx-reitiiug  sich  befinden.  Die  Anord- 
nung in  den  einzelnen  Metten  ist  die  gleiche  wie  in  den  ersten  Lieferun- 
gen, in  denen  sie  sich  als  praktisch  und  übersichtlich  bewahrt  hatte.  Auf 
einige  allgemeine  Angaben  über  den  gcsammten  Kreis  folgen  die  durch 
ihre  Denkmäler  wichtigen  Orte  in  Alphabetischer  Folge,  dann  eine  Karte 
«los  Kreises,  endlich  ein  kurzes  Register  der  orte,  Sammlungen  und  Abbil- 
dungen. Auch  Ausstattung,  Druck,  Illustrationen  sind  gleich  ansprechend 
geblieben.  Hervorheben  können  wir  dabei  mit  grosser  Befriedigung,  <lass 
letztere  iu  verhiilrnissmiissig  grösserer  Zahl  sich  vertreten  finden  als  in  den 
ersten  Heften.  D«>r  Idealzustand,  dass  jedes  irgendwie  nennens  oder  be- 
aohtouswerthe  Denkmal  durch  eine  Abbildung  vertreten  ist,  wie  ihn  die 
neue  .Beschreibung  der  antiken  Skulpturen"  des  Berliner  Museums  erreicht 
hat,  wird  ja  selbstverständlich  der  Kosten  halber  bei  einem  so  umfassen- 
den Werke  nie  zu  gewinnen  sein.  Je  mehr  man  sich  aber  demselben 
nähert  und  je.  zahlreicher  die  Illustrationen  werden,  um  so  werthvoller 
wird  ein  solches  Inventar  für  die  Wissenschaft  sein.  Die  aufgenommenen 
Bilder  sin«l  mit  .Geschick  ausgewählt,  sie  reproduciren  die  h<TVorragond- 
sten  Stück«;  und  siml  bei  Arcbitekturtheileii  und  Ansichten  so  gefer- 
tigt, dastt  sie  thatsltchlich  ein  klares  und  anschauliches  Bild  des  in  Rede 
stehenden  Gegenstandes  gewahren. 

Der  Absehluss  <les  ersten  Bandes  wird  gebildet  durch  zwei  Seiten 
Nachträge  mit  Berichtigungen,  welche  besonders  zu  der  aufgeführten 
Litteratur  Ergänzungen  enthalten  und  dann  ein  umfassendes  Gesammt- 
register  zu  dem  ganzen  Bande.  Dasselbe  ist  sachlich  g«-ordnet  und  be- 
ginnt mit   den  römischen  Resten  (Städte,  Hager.  Kastelle,  Grenzwehreu, 


Paul  Giemen,  Die  Kunstdenkmäler  der  Rheinprovinz. 


lf>7 


Strassen,  Grabfunde,  Skulpturen,  Münzenfuixlc).  Dann  folgen  germanische 
tind  fränkische  Reste  (Befestigungen,  Grcn/.wehren,  Grabfunde),  Kirchliche 
Architektur  (Romanisch  mit  l'ebergangsstil,  Gothiseh,  Kirchen  des  1(>—  1K. 
Jahrb. i,  Profanarchitektur,  also  Hurten,  .Schlosser,  Befest igungen,  Rath- 
bHuser,  Wohnhäuser,  Landwehren,  ßauernhiiuser.  Hieran  schlicssen  sich 
Kinzclarbeiten,  so  zunächst  die  Ausstattung  der  Kirchen  (Altäre,  Sakrn- 
montshäuschen,  Lettner,  Dreisilze,  Chorstühle.  Taufstühle,  Grabdenkmäler 
u.  s.  f.),  dann  Werke  der  Malerei  einschliesslich  der  Glasmalereien,  Werke 
der  Skulptur  bis  zu  den  Kll'enbeiiiarbeiten  herab,  Goldschmiedearbeiten, 
Glocken,  l'Hramente,  endlich  die  InscbritTten  (römische,  vom  Jahre  300— 900, 
romanische,  gothische,  spätere).  Kin  Künstlerverzeichnis«  und  eine  Liste 
der  architektonisch  bemerkenswerthen  klösterlichen  Niederlassungen  bildet 
den  Schluss.  Dieses  übersichtlich  zusammengestellte  Register  steuert  der 
Unbequemlichkeit,  welche  naturgeiuäss  die  durch  die  ganze  Anlage  der 
Arbeit  gebotene  lokale.  Disposition  des  Stoffes  für  den  Behandler  bestimm- 
ter geschichtlicher  oder  kunsthistorischer  lVrioden,  deren  Schauplatz  nicht 
nur  innerhalb  eines  eng  umgrenzten  Gebietes  zu  suchen  ist,  mit  sich  brin- 
gen musste;  es  erleichtert  die  Benutzung  des  regestenartigen  Werkes 
für  die  systematische  Arbeit.  Schon  eine  Durchsicht  desselben  wird  man- 
che Belehrung  bringen,  beispielsweise  zeigen,  wie  gros«,  auch  abgesehen 
von  Xanten,  die  Zahl  der  Ueberbleibscl  der  römischen  Zeit  in  den  bespro- 
chenen niederrheinischen  Bezirken  ist. 

Bei  der  Behandlung  des  Kreises  Mors  füllt  der  Löwentheil  der 
Arbeit  Xanten  zu;  von  den  104  Seiten  des  Textes  sind  ihm  allein  5»3 
gewidmet,  und  mit  Recht,  denn  hier  vereint  sich  die  geschichtliche  Be- 
deutung des  Ortes  mit  der  Fülle  erhaltener  Alterthümer,  um  das  jetzt  un- 
bedeutende Städtchen  zu  einer  der  wichtigsten  und  interessantesten  Stellen 
am  Niederrheine  zu  machen.  Hier  stand  einer  der  Hauptstützpunkte 
der  Römerherrschaft  in  Germanien,  die  jedem  Freunde  des  Alterthumes 
geläufigen  Castra  vetcra  des  Tacitus  und  später  die  t'olonia  Trajana, 
deren  Ucbcrreste  sich  in  dem  Werke  in  übersichtlicher,  durch  drei  PIHne 
erläuterter  Form  geschildert  finden.  Später  erhoben  sich  hier  zu  Ehren 
christlicher  Märtyrer  Kirchen  und  Kapellen,  an  ihrer  Spitze  die  Kirche 
des  Ii.  Viktor,  und  wenn  diese  auch  dem  verheerenden  Einfalle  der  Nor- 
mannen WU  zum  Opfer  fiel,  so  entstand  an  ihrer  Stätte  ein  neuer  präch- 
tiger Bau.  den  deutsche  Könige  und  kölnische  Erzbischöfe  in  gleicher 
Weis«'  fortdauernd  begünstigten.  Seit  dem  12.  Jahrb.  tritt  Xanten  an  die 
Spitze  eines  der  wichtigsten  Archidinkonate  des  Erzstiftcs,  seine  Kirche  wett- 
eiferte trotz  gelegentlicher  schwerer  Schädigung,  wie  durch  den  Brand 
1'57'k  an  Pracht  und  Ausdehnung  mit  den  Kölner  Anlagen.  Die  in  den 
Kunstdenkmälern  besprochenen  und  herausgegebenen,  in  der  Kirche  selbst 
erhaltenen  Stücke  legen  noch  heute  Zeugniss  ab  von  dem  Ansehen,  das 
der  Dom  bis  in  weite  Ferne  genoss  und  von  dem  Reichthum  an  Kunst- 
werken aller  Art,  die  in  ihm  zusammenströmten.  Und  nicht  nur  die  Kirche, 
auch  die  sie  unischliessende  Stadt  blühte  empor,  ihr  Ruhm  drang  durch  die 
deutschen  Gauen,  in  ihr  sucht  der  Dichter  des  Nibelungenliedes  Siegfrieds 
Hcitiinthsstättc.    Als  die  Reformation  in  dem  südlichen  Theile  de*  Kreises 


IM 


A.  Wied emmiu: 


Mörs  in  der  ersten  Hälfte  des  10.  Jahrb.  durchgeführt  ward,  blieb  Xanten 
mit  dem  Nordtheile  des  Gebietes  dem  katholischen  Ginnben  treu  und 
konnte  ho  den  katholischen  Schmuck  seiner  Kirche  beibehalten  uud  weiter 
ausgestalten.  Seine  Fülle  hat  öfters  zur  Behandlung  gelockt,  C lernen 
gicbtaufS.  81  ein  Verzeichnis»  der  einschlägigen  reichen  Litteratur,  unter 
welcher  vor  allem  ein  seinerzeit  auch  in  diesen  Jahrbüchern  (70  S.  210 ff.) 
besprochenes  umfangreiches  Werk  von  Stephan  B  e  i  s  s  e  I  hervorragt. 
Diese  iiltere  Litteratur  hat  der  Verf.  durchgearbeitet,  verwerthet,  mit 
eigenen  Studienfrüchten  vermehrt  und  auf  dies«  Weise  ein  Bild  der 
Victor-Kirche  uud  ihrer  Schatze  gegeben,  aus  dem  mau  die  Schicksale  des 
Baues,  seine  Umgestaltungen,  Bereicherungen  uud  Beschädigungen  klar 
xu  verfolgen  vermag.  Trotz  der  Ueberfülle  des  in  dein  Bau  aufgespei- 
cherten künstlerischen  Materiales  ist  der  Schilderung  die  Uebersichtlich- 
keit  nicht  verloren  gegangen,  der  beste  Beweis,  wie  richtig  die  Disposi- 
tionsweise ist,  welche  bei  der  Festlegung  «les  Flaues  des  Denkinälerwer- 
kes  gewählt  wurde.  Dieselbe  bewährt  sich,  wie  dieses  Beispiel  zeigt,  bei 
einer  reichen  Kirche  ebenso  gut  wie  bei  den  ärmer  oder  auch  geradezu 
ärmlich  ausgestatteten,  welche  in  den  bisher  behandelten  Theilen  der 
nördlichen  Rheinprovinz  bei  weitem  die  Mehrzahl  bilden. 

Aehnlich  wie  Xanten  und  sein  Dom,  nur  ihrem  Worthe  entsprechend 
minder  ausführlich  sind  die  übrigen  Orte  de«  Kreises  behandelt.  Ueberali 
wird  dem  Programm  der  Kunsidenkinäler  entsprechend  das  Hauptgewicht 
auf  kuusthistorisch  wichtige  Dinge  gelegt,  ohne  dass  darum  der  Zusammen- 
hang der  Werke  und  Orte  mit  der  politischen  Geschichte  verloren  ginge. 
Verhältnissmässig  am  knappsten  werden  die  römischen  und  germanischen 
Funde  besprochen,  doch  ermöglichen  hier  die  Littcraturangaben  es  dem 
Archäologen  einen  schnellen  Ueberblick  zu  gewinnen;  des  grössteuTheilcs 
der  betreffenden  Ueberbleibsel  der  Vorzeit  des  Khcinlandes  ist  auch  ge- 
legentlich in  diesen  Jahrbüchern  gedacht  worden.  Daueben  linden  sich 
jedoch  eine  Beihe  bisher  litterarisch  nicht  erwähnter  Funde  berücksichtigt, 
wie  solche  zu  Winnenthal  lind  vor  allem  ein  kleines  römisches  Lager  zu 
Hoch-Emmerich,  welches  eine  eingehendere  Untersuchung  und  Ausgrabung 
zu  verdienen  scheint. 

Ausser  den  noch  an  Ort  und  Stelle  befindlichen,  bezw.  in  Kirchen 
u.  s.  f.  aufgestellten  Denkmälern  sind  in  dem  Helte  über  den  Kreis  Mörs 
auch  die  in  drei  Sammlungen  vereinigten  besprochen  und  kurz  inveuta- 
riBlrt.  Am  bedeutendsten  unter  denselben  ist  die  Sammlung  des  Xauteuer 
Alterthumsvcrcius,  welche  besonders  reich  an  römischen  Gegenständen, 
darunter  zahlreichen  bei  Xanten  selbst  gefundenen  geschnittenen  Steinen, 
ist;  die  aufgenommene  Uebersicht  ward  vom  Vorsitzenden  des  nieder- 
rheinischen Ahcrthutnsvcreins  zu  Xanten  Dr.  Steiner  aufgestellt.  Von 
l'rivatsainuilungeu  kamen  die  des  eben  geuauuteu  Dr.  Steiner  mit  ilaliä- 
nischon  und  deutschen  Gemälden  und  die  des  Laudraths  Haniel  zu 
Mörs  mit  Holzschränken,  besonders  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrb.  und 
rheinischen  Thouwaaren  in  Betracht. 

In  dem  Kreise  Kleve  bilden  Kleve  und  Kalkar  die  Mittelpunkte; 
das  Hauptinteresse  gruppirt  sieh  um  die  Holzscbuitzwcrke  der  sog.  Kalkarer 


Paul  Giemen,  Die  Kunstdcnkmüler  der  Rlicinprovinz.  155) 


Schult1,  deren  Arbeiten  freilich,  wie  der  Verf.  hervorhebt,  in  fast  gleichem 
Maassc  in  Kleve,  Emmerich  und  Wesel  entbunden  sind.  Als  Auftraggeber 
erscheinen  vor  allen  Gilden  und  l'rouunc  Bruderschatten,  die  mit  den  künst- 
lerisch vollendeten,  figurenreichen  und  daher  oft  etwas  unruhigen  Arbei- 
ten die  Kirchen  auszustatten  bestrebt  waren.  Zahlreiche  charakteristische 
Probeu  dieser  Kunstrichtung  tindeu  sich  in  dem  Hefte  durch  Abbildungen 
theils  in  ihrer  Gesanimtbeit,  theils  in  charakteristischen  Kinzelstückcn  ver- 
anschaulicht. Für  die  Iteproduktiou  de»  Hauptwerkes,  des  grossen  Schrei- 
nes des  Meisters  Loedewich  zu  Kalkar  von  141W— 1500  sind  leider  auf 
Taf.  I  und  S.  55  zu  kleine  Dimensionen  gewählt  worden,  als  dass  diesel- 
ben dem  Eindrucke  des  Originales  gerecht  zu  werden  vermöchten.  Weit 
anschaulicher  sind  die  andern  Bilder;  vor  allem  das  des  Kalkarer  Johanncs- 
altars  von  um  1540  ist  sehr  gut  gerathen.  Ausser  in  Kleve  und  Kalkar 
linden  sich  auch  in  andern  Orten  des  Kreises,  wie  in  Zyfflich  gute  Ar- 
beiten der  Schule.  —  Die  Zahl  der  Alterthümersaminlungen  ist  im  Kreise 
Kleve  grösser  als  in  den  früher  behandelten  Bezirken,  die  interessante  im 
Rathhaus  zu  Kleve  aufgestellt»'  konnte  progranimentsprechend,  da  ein  ge- 
druckter Katalog  von  Mcstwcrdt  vorliegt,  nur  genannt  werden.  Ausführ- 
licher gedacht  wird  der  Gemäldesammlungen  des  Freiherrn  von  Uoevel 
zu  Gnadenthal  und  Baron  von  Steengracht  zu  Moyland,  der  hervorragen- 
den Sammlung  von  Skulpturen,  insbesondere  der  Kalkarcr  Sehlde,  des 
Bildhauers  Langenberg  zu  Goch,  der  Sammlung  römischer  Alterthümer 
des  Pachters  Heyeis  auf  dem  Monterberg  und  der  verschleuderten  Samm- 
lung des  Pfarrers  Wahl  zu  Qualburg.  Eine  Reihe  germanischer  Urnen 
besitzt  Aloys  Schlüpcrs  zu  Goch,  dessen  Hauplsammluug  jedoch,  ebenso 
wie  die  des  Dr.  Schraven  zu  Goch  aus  Porzellanen  besteht. 

Im  Kreise  Hees  ist  der  wichtigste  Ort  die  Stadt  Wesel.  An  ihrer 
Geschichte  lilsst  sich  die  Entwicklung  rheinischen  Befestigungswesens  vom 
Ende  des  14.  bis  zur  Mitte  dieses  Jahrhunderts  verfolgen  und  weiden  be- 
sonders die  beachtenswertheil,  Anfang  des  17.  Jalirli.  aufgeführten,  leider 
zum  Theil  kürzlich  abgebrochenen  Thoranlagen  der  Citadellc  durch  Wort 
und  Bild  erläutert.  Auel»  die  schöne  Facade  des  Rathhauses  zeigt  eine 
Illustration ;  auf  dem  in  ihm  aufgestellten,  auf  Tat.  VI  publicirteu  Gerichts- 
bilde  von  Heinrich  Dünwegge  ist  die  neben  dem  Teufel  mit  dem  Ange- 
klagten sprechende  Figur  in  langem  weissen  Gewände,  langen  Locken- 
haar u.  s.  f.  als  Engel,  nicht  als  Dominikanermönch  zu  deuten.  Neben 
Wesel  sind  Emmerich,  Hees  und  Hochclteu  zu  nennen,  an  welch  letzterem 
Orte  das  Fig.  10  abgebildete  Krystallreliquiar  beachtenswerth  erscheint. 
Auf  Taf.  II  findet  sich  das  in  mehrfachen  Wiederholungen  vorkommende 
(in  Emmerich,  Kleve,  Hees),  auf  Grund  alterer  Porträts  zusammengestellte 
eigenartige  Gruppenbild  der  6  Klevischen  Herzöge  von  Adolph  bis  zu 
Johann  Wilhelm,  in  guter  Reproduktion  vorgeführt.  Die  Zahl  der  in 
diesem  Kreise  vorhandenen  Sammlungen  ist  auffallend  klein.  Da«  nieder- 
rheinische  Museum  zu  Wesel  ist  noch  sehr  in  den  Anlangen;  die  in  Wesel 
befindliche  Sammlung  von  B.  Küchel  enthält  wesentlich  Porzellane  und 
Möbel,  die  des  rühmlich  bekannten  Lokalhistorikeis  Kaplan  J.  J.  Slu\ ter 
zu  Rees  eine  Reihe  wenig  bedeutender  Bilder. 


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WO 


M.  Ihm: 


Zu  den  Kosten  der  Drucklegung  der  vorliegenden  Hefte  haben  die 
Kreise  Mörs  und  Hees  und  die  Stadt  Wesel  in  dnnkenswerthester  Weise 
Beitrage  bewilligt.  Hoffentlich  folgen  die  Vertretungen  der  weiter  zur 
Behandlung  kommenden  Kreise  diesem  Beispiele  und  fördern  so  die  Fort- 
Führung  dieses  für  die  Geschichte  des  Rheinländer  und  seine  Alterthümer 
grundlegenden  Werkes,  für  dessen  Durchführung  ausser  dein  Verfasser, 
dein  Provinzialverband  und  der  Denkmillcrenmmission,  in  ihr  vor  allem 
dem  that  kräftigsten  Förderer  des  Citteinchinrns,  Herrn  Geheimrath 
Loerseh,  der  besondere  Dank  der  Wissenschaft  und  der  Alterthums- 
frennde  gebührt.  A.  Wie  dum  nun. 

2.  Alexander  Kiese,  Das  rheinische  Germanien  in  der  antiken  Litte- 
rutur.    Leipzig,  B  G.  Teubner.  \W2.  S°.  VII  und  IM  Seiten.  Preis: 


Das  Buch  des  um  die  rheinische  Altcrthumsforschung  verdienten 
Verfassers  bietet  eine  Sammlung  aller  Stelleu  der  alten  Schriftsteller, 
welche  zur  Aufklärung  der  Geschichte,  der  Geographie,  Topographie  und 
des  Kulturzustandes  der  Hhcinlamlc  im  Alterthum  beitragen  können  — 
eine  undankbare  Aufgabe,  wie  der  Verfasser  mit  Hecht  in  der  Vorrede 
betont,  die  aber  doch  auf  den  Dank  der  Historiker  um!  Antiquare,  überhaupt 
aller  Freunde  rheinischer  Geschichte  und  Alterthumskunde  zu  rechnen  hat. 
Die  Stellen  der  Autoreu  sind,  soviel  Hef.  übersehen  kann,  vollständig  zu- 
sammengetragen, den  griechischen  Texten  ist  eine  möglichst  praeise  lateini- 
sche (warum  nicht  deutsche?)  l'cbersetzung  beigefügt.  Wir  finden  Stellen, 
die  allbekannt  und  bis  zum  Ueberdruss  von  Forschern  jeglicher  Gattung  citirt, 
interpretirt,  emendirt,  corrumpirt  worden  sind,  daneben  aber  auch  solche, 
die  mancher  wohl  zum  ersten  Male  lesen  wird.  Benutzt  sind  die  besten 
neueren  kritischen  Ausgaben,  oder,  wenn  solche  nicht  vorhanden,  die  zu- 
gänglichsten, also  Jordanes,  Solin  von  Moniinsen,  l'tolemaeus  von  Carl 
Müller,  Notitia  dignitatum  von  Seeck,  Gregor  von  Arndt  und  Krusch 
n.  s.  w.  Nur  in  der  Orthographie  hat  sich  Riese  einige  Freiheit  ge- 
wahrt; über  sein  Verhalten  hinsichtlich  der  halbbarbarischen  Orthographie 
des  Gregor  von  Tours  u.a.  spricht  er  Seite  1T>1  in  der  Anmerkung.  Die 
wesentlichsten  handschriftlichen  Varianten  sind  unter  dem  Text  notirt; 
bei  eingehenderem  Studium  der  einzelnen  Stellen  wird  man  natürlich  die 
kritischen  Ausgaben  selbst  zu  Käthe  ziehen  müssen.  Dies  gilt  •/..  B.  von 
I'tolemneuK;  Riese  giebt  (XIII  Sß)  den  Text  nach  dem  Vaticanus  P.H  und 
weicht  bisweilen  von  dem  C.  Müller'schen  Texte  ab.  Müller  setzt,  um  ein 
Beispiel  anzuführen,  Ptol.  II  J>,  2  M/W;*a,  Riese  zieht  'Oßoiixov  vor,  ob  mit 
Recht,  scheint  mir  zweifelhaft  (vgl.  die  Ahrincahii;  auch  Zangemeister 
Westdeutsche  Zeitschrift  III  S.  :>l20  f.).  Auf  ausführliche  Anmerkungen 
hat  der  Verfasser  von  vornherein  verzichtet;  sie  treten  sporadisch  aut 
und  sind  elementarer  Art,  dienen  zum  Theil  als  Hinweisungen  auf  den 
Zusammenhang.  Sachlich  gleichgültige  Worte  und  Satze  sind  wegge- 
lassen, die  Lücken  durch  Punkte  gekennzeichnet.  F.rgUnzungen  im  Text 
sind  kursiv  gedruckt ;  eckige  Klammern  deuten  an,  dass  die  Worte  dem 
Schrillsifller  nicht  angehören. 


14  M. 


Alexander  Riese,  Das  rheinische  Germanien  in  iler  antiken  Litteratur.  161 


Die  ganze  Sammlung:  ist  in  einzelne  Abtheilungen  zerlegt:  erstens 
eine  geschichtliche,  die  wiederum  in  12 Abschnitte  zerfallt  (I  vorrömi- 
Bcho  Zeit,  II  Zeit  Casars,  III  Zeit  des  Octavianus  Augustus,  IV  Claudische 
Dynastie,  V  Zeit  der  Aufstände  68-70  n.  Chr.,  VI  Zeit  der  Flavier,  VII 
Nerva  bis  Septiinius  Severus,  VIII  Caracalla  bis  Carinus,  IX  Diocletian 
bis  Constantin  II.,  X  Zeit  des  Julian,  XI  Zeit  des  ersten  Valentinian,  XII 
von  375  bis  zum  Ende  der  römischen  Herrschaft,  Ende  des  5.  Jahrhun- 
derts). Zweitens  eine  geographische  (XIII.  Abschnitt)  und  drittens 
eine  kulturgeschichtliche  Abtheilung.  Abschnitt  XIV  behandelt  die 
Bauten  unter  folgenden  Rubriken:  1)  Städte,  2)  Lager  und  Castelle,  Heer- 
wesen, 3)  Grenzbefestigungen,  4)  Brückenbau,  6)  Gallische  Befestigungs- 
arbeiten, 6)  über  Strasscnbau  und  dergl.  (aus  den  Gromatici  latini),  7)  Bau 
der  Häuser,  Bäder,  Villen,  8)  Wasserleitungen,  ü)  Tempel  und  Götterbilder 
in  Gallien,  10)  Häuser  der  Gallier  und  Germanen.  Abschnitt  XV  enthält 
„Verschiedenes"  (darin  allerlei  Nachträge,  besonders  solche  Stollen,  die. 
zur  Erklärung  von  Bildwerken  und  anderen  Einzelfanden  des  Rheinlands, 
nicht  von  Bauten,  verwendet  werden  können). 

Innerhalb  der  einzelnen  Abschnitte  sind  die  Stellen  nach  Möglich- 
keit chronologisch  geordnet,  d.  h.  der  Chronologie  der  Ereignisse  entspre- 
chend. Ausgezogen  sind  die  Stellen  aus  den  Autoren  bis  zum  Ende  des 
fi.  Jahrhunderts;  die  aus  der  späteren  Zeit,  Kirchenschriftsteller  u.  a.,  zwar 
nicht  vollständig,,  aber  alles  wesentliche  hat  seine  Stelle  gefunden.  Aus 
den  wenigen  Notizen  über  Franci,  die  Raetiae  u.  a.  bei  Ambrosius  u.  s.  w. 
ist  nicht  viel  zu  gewinnen;  vielleicht  hätten  die  equi  Burgundionea  bei 
Vcget.  inulomed.  VI  6  und  ähnliches  erwähnt  werden  können. 

Dass  sich  in  diese  Anordnung  des  Stoffes  manche  Inconsequenzcn 
einschleichen  mussten,  ist  dem  Verfasser  natürlich  nicht  entgangen; 
einige  Stellen  hätten  unter  verschiedenen  Rubriken  Platz  finden  müssen, 
kulturgeschichtliche  Angaben  sind  schon  in  dem  historischen  Theil  vor- 
weggenommen und  dergleichen  mehr.  Aber  das  Hess  sich  nicht  ändern, 
und  Wiederholungen  hätten  zu  viel  Kaum  erfordert.  Diesen  Cebelstän- 
den  hilft  das  Register  ab,  indem  es  solche  Stellen  nicht  nur  einmal,  son- 
dern unter  sämmtlichen  geeigneten  Stichwörtern  anführt. 

Was  die  lokale  Begrenzung  anlangt,  so  hat  sich  der  Verfasser 
dankenswerther  Weise  nicht  zu  enge  Grenzen  gesteckt,  vielmehr  die 
Rheinlande  in  ziemlich  weitem  Sinne  berücksichtigt:  Germania  superior 
und  inferior,  das  Land  der  Treveri,  Mediomatrici,  Tungri,  Rauraci,  Hcl- 
vetii.  Auch  a\is  den  entfernteren  Gebieten  Galliens,  sowie  aus  Rätien 
und  dem  inneren  Germanien  finden  wir  solche  Stellen  angeführt,  die  zum 
Rheinlande  irgend  welche  Beziehung  haben,  und  in  zweifelhaften  Fällen 
giebt  der  Verfasser  „lieber  zu  viel  als  zu  wenig."  In  der  geographischen 
Abtheilung  (XII l)  erwies  sich  dem  Verfasser  jode  reale  Anordnung  als 
nicht  durchführbar;  er  hat  sich  daher  darauf  beschränkt,  die  Stellen  nach 
der  Chronologie  der  Autoreu  zu  geben.  „Die  kulturgeschichtlichen  Ab- 
schnitte endlich  sind  zunächst  für  das  praktische  BedÜrfniss  der  Entdecker, 
Ausgräber,  Lokalforscher  und  der  Museen  bestimmt;  sie  geben,  ohne 
Rücksicht  darauf  zu  nehmen,  ob  das  Rheinland  darin  genannt  ist  oder 
Jahrb.  «1.  V«r.  v.  AUcrthnfr.  Im  Ithelnl.  XGTV.  11 


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M.  Ihm: 


nicht,  die  für  diese«  wichtigen  Slell«n,  denen  allerdings  vielleicht  noch 
andere  hätten  hinzugefügt  werden  köniicii."  .  .  .  ,\Vas  die  Nachrichten 
über  Christenthum  und  Kirche  in  den  Kheinlauden  angeht,  so  bind  die- 
selben bin  in  das  5.  Jahrh.  einschliesslich  vollständig  gesammelt."  Von 
der  Wiedergabe  der  frühmittelalterlichen  Legenden  hat  der  Verf.  abgese- 
hen ;  nur  über  den  „Apostel  des  Lahnthals"  giebt  er  (XV  92)  die  erforder- 
lichen Nachweise,  „da  noch  in  neuesten  Schulbüchern  die  späte  Tradi- 
tion über  ihn  wie  Geschichte  gelehrt  wird."  Dagegen  hat  sich  Kiese 
nicht  cntschliessen  können,  auch  mythologische  Nachrichten  einzureihen, 
mit  der  Begründung,  einmal  angefangen,  hatten  diese  zahllos  werden 
müssen.  Gewiss,  aber  doch  nur  dann,  wenn  alle  in  Betracht  kommenden 
Inschriften  Aufnahme  gefunden  hatten.  Die  Inschriften  aber  hat  Kiese 
überhaupt  ausgeschlossen,  wie  er  selbst  sagt,  seiner  ursprünglichen  Ab- 
sicht entgegen.  Ich  glaube,  alle  Freunde  der  rheinischen  Geschichte  und 
.  Alterthumskuude  hätten  ihm  Beifall  gezollt,  wenn  er  sich  nicht  von  die- 
ser ursprünglichen  Absicht  hätte  abbringen  lassen.  Der  llauptbeweggrund 
war  wohl  der,  dass  der  sehnlich  erwartet«  Zangemeister'sche  Inschriften- 
band  noch  aussteht.  Was  die  Inschriften  für  die  rheinische  Alterthums- 
kunde  bedeuten,  braucht  hier  nicht  auseinandergesetzt  zu  werden.  Wenn 
sie  auch  nicht  für  Alles  unsere  einzige  Quelle  sind,  wie  schön  ergänzen 
sie  topographisch,  historisch,  mythologisch  die  Berichte  der  Schriftsteller! 
Die  wenigen  Münzaufschriften,  die  der  Verf.  berücksichtigt  hat,  fallen 
dem  gegenüber  nicht  sehr  ins  Gewicht,  so  dankenswerth  auch  ihre  Aufnahme 
ist.  Nur  ganz  vereinzelt  finden  wir  in  dem  Buche  auch  inschriftliches 
Material  verwertet.  Doch  bescheiden  wir  uns.  Der  Verf.  sagt  am  Schluss 
der  Vorrede,  dass,  falls  sein  Buch  günstig  aufgenommen  werden  sollte, 
ein  zweiter  Band  ihm  folgen  könnte,  welcher  umfassen  würde,  was  aus 
den  Inschriften  und  aus  mittelalterlichen  Schriften  und  Urkunden  für  Ge- 
schieht«, Geographie  und  Kulturgeschichte  des  römischen  Rheinlands  ver- 
wendbar wäre.  Hoffentlich  geht  dieser  Plan  in  Erfüllung  und  versteht 
sich  der  Verf.  dazu,  was  meines  Erachtens  noch  wünschenswerter  wäre, 
dann  ein  ganz  neues. Werk  zu  liefern,  inschriftliches  und  litterarisches 
Material  zusammen  zu  verarbeiten,  dass  eines  das  andere  ergänze.  Darü- 
ber werden  ja  noch  Jahre  vergehen,  denn  ehe  der  Inschriftenband  der 
beiden  Germaniae  und  tres  Galliae  vorliegt,  ist  daran  kaum  zu  denken, 
und  bis  dahin  wird  der  vorliegende  Band  auch  ohne  die  Inschriften 
Nutzen  stiften  können.  Dann  erst,  wenn  das  ganze  Urkundenbuch  vor- 
liegt, wird  eine  allseitige  Beschreibung  der  Kheinlande  im  Alterthum,  die 
der  Verf.  von  seiner  Arbeit  erhofft,  möglich  sein  und  wohl  auch  nicht 
lange  auf  sich  warten  lassen. 

Dem  Werk  sind  zwei  Kegister  beigegeben ;  das  erste  verzeichnet 
die  Namen  der  benutzten  Autoren,  das  zweite  ist  Sachregister.  Letzteres 
fasst  „neben  seiner  im  Allgemeinen  alphabetischen  Anordnung  auch  manche 
Dinge  in  grösseren,  mehr  systematisch  gehaltenen  Artikeln  zusammen, 
von  denen  einige  unter  deutschen  Stichwörtern  stehen,  wie:  Bauten,  Be- 
rufsarten, Bildung,  Christenthum,  Geldspenden,  Gerätschaften,  Grenzen, 
Inschriften,  Klima,  Kriegführung  der  Einheimischen,  Kunstwerke,  Militär- 


Alexander  Rie.se,  Das  rheinische  Germanien  in  iler  antiken  Mttcratur.  163 


wesen,  Sprache,  Steuern,  Verfall,  Wagen,  Weissagungen,  Wunder.-  In 
die«  Register  haben  sich  allerlei  Ineongruenzen  eingeschlichen.  Seite 
480  ist  z.  B.  bei  dem  Wort  'marga'  auf  das  Stichwort  'Ackerbau'  verwie- 
sen, das  nicht  vorhanden  ist.  Gemeint  ist  eine  der  17  Stelleu  unter  dem 
Stichwort  'agriculturu',  XIII  60,  aber  die  Pliniusstelle  selbst  ist  nicht  aus- 
geschrieben. F.inigc  Zahlenangaben  sind  fehlerhaft  (S.  462  'Ambatiensis 
vicus',  lies  14,  65;  S.  467  'calccus',  lies  15,  28;  S.  480  Mardellen',  lies  11,  72 
u.  a.  m.).  Hinter  den  lateinischen  Ortsnamen  sind  in  Klammern  die  heuti- 
gen Benennungen  angeführt  (wenig  genau  z.  B.  'Bodensee.'  sowohl  hinter 
'Acronus*  wie  hinter  'Vellerns'  lacus);  Fragezeichen  wÄren  hier  öfter  an- 
gebracht gewesen,  denn  ob  'Nieder-Aewen*  wirklich  dem  alten  Andethanna 
ric.u.t  oder  Andethannale  (besser  Andetannale,  vgl.  Glück,  Keltische  Namen 
bei  Caesar  S.  25)  entspricht,  müsste  doch  erst  bewiesen  werden.  Doch 
sind  diese  Ausstellungen  Nebendinge,  welche  die  Brauchbarkeit  des  Re- 
gisters nicht  wesentlich  beeinträchtigen. 

Ausserdem  hat  der  Verfasser  das  Register  dazu  benutzt,  um  an 
geeigneten  Stellen  eigene  Ansichten  kurz  anzudeuten.  Wenigstens  eine 
derselben  sei  hier  angeführt.  S.  471  ^Deeumtde*  ngri  XIII  80:  nicht 
'Zehntland",  sondern,  wie  Taurinatex  agri  von  Taurinum,  so  von  einem 
Namen  Decuma  oder  Ad  decumttm  (seil,  lapidem),  den  der  ursprüngliche 
Hauptort  des  rechtsrheinischen  Gebietes  geführt  haben  muss,  abzuleiten. - 
Ob  diese  Erklärung  den  Beifall  der  Sachverständigen  finden  wird,  sei  da- 
hingestellt; ich  meinerseits  möchte  es  bezweifeln.  Ks  wäre  doch  zu  auf- 
fallend, das«  dieser  Hauptort  des  rechtsrheinischen  Gebietes  so  spurlos 
in  der  Ueberlieferung  verschwunden  ist.  Zudem  ineint  Tacirus  sicher  ein 
ziemlich  ausgedehntes  Gebiet,  nicht  nur  die  ngri  einer  einzelnen  Stadt 
oder  Wogestation.  Neuerdings  sind  die  agri  decuinates  wiederholt  Ge- 
genstand der  Besprechung  geworden.  Zangemeister  (Westdeutsche  Zeit- 
schrift III  S.  244)  fasst  nach  dem  Vorgange  Georg  Friedr.  Creu  zer's  (Alt- 
röm.  Cultur  S.  81  tf.)  decumates  als  Nominativ  und  bemerkt,  die  zum 
Ackerbau  verwendeten  Theile  dieses  Gebiets  seien  zchntpflichtig  (agri 
decutnani)  gewesen  und  daher  würden  die  Ackerbauer  selbst  als  decuma- 
te.s  bezeichnet.  Auch  diese  Erklärung,  die  ja  sprachlich  nicht  unmöglich 
ist,  dürfte  schwerlich  das  Richtige  treffen.  Vgl.  Asbach,  Westdeutsche 
Zeitschr.  V  S.  372,  der  Mommsen's  Bedenken  t.Röm.  Geschichte  V  S.  138) 
gegen  die  Bedeutung  von  decumates  —  Zehntland  gerechtfertigt  findet  und 
der  Ansicht  ist,  dass  das  Wort  decumates  ein  technischer  Ausdruck  der 
Feldmesskunst  sei,  die  bekanntlich  zahlreiche  archaische  Formen  in  ihrem 
Wortschatz  bewahrt  hat;  ferner  Hübner,  Bonner  Jahrb.  LXXX  S.  60,  der 
gegen  Zangemeister  an  der  alten  Bezeichnung  agri  decumates  als  der 
einzig  bezeugten  mit  Recht  festhlllt. 

Den  Abschlnss  des  Buches  bilden  Nachtrüge  und  Berichtigungen 
zu  den  Autorenstellen  (S.  404—496).  Hier  fiel  mir  die  ansprechende  Ver- 
muthung  zu  17  (l'lin.  nat.  bist.  XXXVII  .'!?>>  auf,  dass  die  Vulgata  Gufo- 
nibus  fehlerhaft  und  das  Guionibm  der  bebten  Handschrift  den  Namen 
der  Inguaeones  zu  enthalten  scheine. 

Der  Verfasser  spricht  in  der  Vorrede  den  Wunsch  aus,  dass  sein 


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KU 


M.  Ihm:  F.  Haverfield,  Tin-  Mothcr  goddesses. 


Buch  für  da*  Studium  der  rheinischen  Vorteil  den  erhofften  Nutzen  stiften 
möge;  wir  zweifeln  nicht,  das«  dieser  Wunsch  in  Erfüllung  gehen  und 
dass  namentlich  die  grosse  Zahl  derer,  die  «ich  mit  der  alten  Geschichte 
uud  Alterthumskunde  der  Rheinland*-  beschäftigen  und  von  denen  ein 
beträchtlicher  Theil  über  ein  nicht  gerade  grossen  Maass  philologischer 
Kenntnis»  und  Methode  verfügt,  diesen  brauchbaren  Wegweiser  mit  Freude 
begrüssen  wird.  M.  Ihm. 

3.  F.  Haverfield,  The  Mothcr  goddesses.  With  illustrations  and  a  map. 
Soliderabdruck  aus  der  Zeitschrift  'Archacologia  Aclian.V.  Vol.  XV. 
1X02.  p.  314  ff. 

]>cr  bereits  durch  andere  epigraphische  Arbeiten  bekannte  Ver- 
fasser giebt  in  der  obigen  Abhandlung  eine  kurze,  gemeinverständ- 
liche Darstellung  des  Mütter-  und  Matroneukultuß,  wesentlich  im  Anschluss 
an  meine  im  Jahre  1887  erschienene  Arbeit  über  diesen  Gegenstand.  Seit 
der  Zeit  hat  sich  das  inschriftlichc  Material  um  mehr  als  30  Nummern 
vermehrt,  von  deneu  nur  ein  kleiner  Theil  dem  englischen  Gelehrten  be- 
kannt ist.  Er  hat  auch  weniger  den  Kult  in  seiner  Gesainmtheit  im  Auge, 
als  vielmehr  die  in  Britannien  entdeckten  Inschriften  und  Skulpturen. 
Er  will  seinen  Landsleutcn  ein  Bild  von  dem  Mütterkult  auf  britannischem 
Boden  geben,  uud  insofern  ist  seine  Abhandlung  eine  ganz  nützliche, 
zumal  den  Lesern  fast  alle  noch  vorhandenen  Denkmäler  in  Abbildungen 
vorgeführt  werden.  Benutzt  scheinen  meist  ältere  Cliches  (aus  dem  Lapi- 
darium septeutrionale  u.  s.  w.).  Auch  ein  Kärtchen  ist  beigefügt,  aus  dem 
man  ein  ungefähres  Bild  von  der  geographischen  Verbreitung  dieses 
Kults  gewinnen  kann,  d.  h.  es  sind  dabei  nur  die  Denkmäler  in  Betracht 
gezogen  worden,  welche  die  Bezeichnungen  Matronae  oder  Moires  oder 
Mairae  aufweisen,  lieber  den  Gang  der  Abhandlung  möge  das  Kapitel- 
verzeiehniss  Aufklärung  geben:  I.  Introduction,  II.  Distribution,  III.  Ori- 
ginal scat  of  the  worship,  IV.  Date  and  worshippers,  V.  Titulature, 
VI.  ScuJptures,  VIT.  Kindred  deities,  VIII.  General  character.  Im  Einzel- 
nen ist  dazu  nur  wenig  zu  bemerken.  Der  Verfasser  beschränkt  sich 
auf  das  Notwendigste,  einige  Ungcnauigkeiten  laufen  mit  unter,  fallen 
aber  nicht  sehr  ins  Gewicht.  Dass  der  Beiname  Ollototae  .of  another 
landa  bedeute,  habe  ich  bereits  an  anderer  Stelle  zu  bezweifeln  gewagt. 
Ebenso  sind  Matrcs  commune*  für  mich  bis  jetzt  nicht  erwiesen. 

Auf  die  Darstellung  des  Kultus  im  Allgemeinen  folgt  eine  Liste  der 
in  Britannien  gefundenen  Denkmäler  der  Matres  und  der  verwandten 
Göttinnen,  im  Ganzen  02  Nummern,  darunter  einige  incerta.  Die  unter 
Nr.  8,  21a,  43  angeführten  Skulpturen  fehlen  in  meiner  Sammlung,  andere 
habe  ich  als  unsicher  absichtlich  nicht  aufgenommen.  Neu  gefunden  sind 
Nr.  Matribm  Sulevis  etc.  (Ephem.  epigr.  VII  n.  844,  vgl.  Bonn.  Jahrb. 
LXXX1X  S.  241)  und  Nr.  1!)  J(nvi)  o(plimo)  m(aximo)  et  Matribus  (Mo- 
totis  aire  transmarinis  (vgl.  Bonn.  Jahrb.  LXXXXII  S.  25ti  ff.).  Uebcr- 
seheu  hat  Havcrficld  merkwürdiger  Weise  eine  Inschrift,  die  er  selbst 
vor  kurzer  Zeit  in  der  Epheineris  epigraphica  VII  n.  i>27  veröffentlicht  hat 


M.  Ihm:  J.  P.  Waltzing,  Dicouverte  archeologk|ue  faitc  A  Foy.  165 


(Malribus  domesticis),  ebenso  das  Fragment  mit  Malribus  (Nr.  354  meiner 
Sammlung;  Watkin,  Archaeol.  journal  42  S.  145). 

Den  Abschluss  bilden  einige  Addenda,  die  nnr  in  dem  Sonder- 
abdruck,  nicht  in  der  Zeitschrift  selbst  stehen.  Hier  bemerkt  Haverficld 
u.  a.,  dass  er  die  Inschrift  des  im  British  Museum  befindlichen  Kings 
CIL.  VII  1299  genau  geprüft  habe,  und  das«  nicht  MATRIVIA,  sondern 
MATRIVM  darauf  stehe.  Ebenso  hatten  die  früheren  Herausgeber  ge- 
lesen; erst  Hühner  im  CIL.  trat  für  die  Lesart  MATR  VIA  ein.  Sonach 
hat  es  den  Anschein,  dass  die  Matrea  viales  in  Wegfall  kommen. 

M.  Ihm. 

4.  .1.  P.  Waltzing,  Dicouverte  archeologique.  faite  a  Foy,  en  mai  1892. 
Une  inscriplion  latino  inedite.  Lonvain  1892.  26  S.  (S.-A.  aus  den 
'Bulletins  de  l'Academie  royale  de  Bclgiquc*  3«  serie,  tome  XXIV). 

Als  Waltzing  kürzlich  über  die  in  Foy  (in  der  belgischen  Provinz 
Luxemburg)  gemachten  römischen  Funde  berichtete  (Korr.-Bl.  der  West- 
deutschen Zeitschrift  XI  1K92.  S.  102  f.),  erklärte  er,  er  habe  über  diese 
Funde  eine  längere  Besprechung  an  die  königliche  Akademie  in  Brüssel 
gerichtet.  Ks  ist  das  die  vorliegende  Abhandlung,  auf  welche  hier  kurz 
hingewiesen  sei.  Der  Verfasser  erörtert  das  Hauptfundsttick,  eine  römi- 
sche Inschrift,  in  sehr  ausführlicher  Weise,  ohne  aber  viel  Neues  beizu- 
bringen; die  kürzere  Publikation  im  Korr.-Bl.  d.  Westd.  Zeitachr.  enthalt 
schon  alles  Wesentliche.  Die  Inschrift  lautet :  Deo  Entarabo  et  Genio  7 
(centuriae)  OUodagii)  porticum,  quam  Velugnius  lngenuus  protniserat, 
post  obitum  et!«  Sollavius  Victor  fil(ius)  adoptivos  fecit.  Danach  scheint 
auch  auf  der  jetzt  verscholleneu  Inschrift  aus  dem  Gebiet  der  Treveri 
(Brambach  CIRh.  855)  ENTARABO  statt  INTARABO  zu  lesen  zu  sein 
(Deo  Entarabo  ex  imperio  Q.  Solimarius  Bitus  aedem  mm  suis  orna- 
mentis  conaacravit  l.  m.)  Bemerkenswerth  die  keltischen  Namen  Sollavius, 
Velugnius  (vgl.  Zangemoister,  Korr.-Bl.  d.  Westd.  Zcitschr.  1888.  S.115), 
OUodagus  (vgl.  die  Moires  OUototae.  Jahrb.  92.  S.  256  ff.).  Die  Deutung 
des  Entarabus  ist  unsicher;  Waltzing  theilt  R.  16  einige  Vermuthungen 
des  französischen  Gelehrten  D'Arbois  de  Jubainville  mit.  Die  Inschrift 
gehört  den  Buchstabcuformen  nach,  wie  Waltzing  und  Zangemeister 
annehmen,  in  da»  erste  nachchristliche  Jahrhundert.  M.  Ihm. 

5.  Prof.  Dr.  Ott  o  Kohl:  Ueber  die  Verwendung  römischer  Mün- 
zen beim  Unterricht.  Programm  des  Gymnasiums  in  Kreuznach 
Ostern  1892  (Nr.  446).  Kreuznach,  R.  Voigtländer.  8°.  68  S. 

Diese  Schrift,  deren  Hauptzweck  darin  besteht,  den  Lehrern  höherer 
Schulen  beachtenswerthe  Winke  zu  crtheilen,  wie  sie  die  römischen 
Münzen  beim  Unterrichte,  nutzbar  machen  können,  bietet  eine  solche 
Menge  ansprechender  Erklärungen  der  Münzbilder,  dass  sie.  sicher  auch 
von  allen  angehenden  Miinzsammlern  als  willkommene  Gabe  begrüsst 
wird.  Viele  Stellen  der  Klassiker  und  manche  geschichtlichen  Vorgänge 
werden  angeführt,  welche  durch  bestimmte  Münzen  dem  Vcrstäudniss  der 
Lernenden  näher  gerückt  werden.   Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass 


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166        F.  van  VI  eilten:  l'ebcr  die  Verwendung  röm.  Münzen. 


durch  rin  Vorgehen,  wie  es  der  Verfasser  empfiehlt,  das  Interesse  für 
die  Alterthumswisscnschaften  überhaupt  in  erfreulicher  Weise  geweckt 
und  gefördert  wird.  Im  Hinblick  auf  die  Münzfünde  unserer  Provinz 
hatten  wir  es  vielleicht  zweckmassiger  gefunden,  wenn  den  Kaiser- 
münzen etwas  mehr  Kaum  zuerkannt  worden  wäre;  die  Familien-Denare 
haben  eine  genügende  Beachtung  gefunden. 

Auf  S.  4  in  der  Note  wird  mitgetheilt,  das«  die  im  Buche  ange- 
gebenen Preise  den  Cohen'schen  Münzwerken  entnonimeu  sind,  auch  wird 
der  Rath  ertheilt,  man  möge  sich  bei  beabsichtigten  Anschaffungen  nur 
die  in  den  Verkaufskatalogcn  mit  „gut"  und  „sehr  gut"  bezeichneten 
Stücke  schicken  lassen.  Was  die  Preise  anlangt,  so  möchte  ich  davor 
warneu,  sich  durch  deren  Höhe  einschüchtern  zu  lassen;  die  Erfahrung 
lehrt,  dass  für  nicht  besonders  seltene  Stücke  von  mittlerer  Erhaltung  die 
Cohen'schen  Preise  fast  nie  erreicht  werden,  am  wenigsten  hei  Auctionen. 
Auch  meine  ich,  Uiiterrichtsaustalten  sollten  bei  der  Auswahl  der  Exem- 
plare nicht  allzu  wählerisch  sein;  vollständige  Umschrift  und  Klarheit  der 
Münzbilder  sollte  da  genügen,  wenn  letztere  auch  etwa«  an  Schärfe  ver- 
loren haben.  Der  höchste  künstlerische  Gcnuss  beim  Beschauen  geht 
dann  allerdings  in  etwa  verloren,  aber  hier  ist  doch  der  wissenschaftliche 
Zweck  die  Hauptsache  und  während  bei  vollendeten  Stücken  der  Preis 
meistens  hoch  über  die  Cohen'schen  Schätzungen  hinausgeht,  sind  Exem- 
plare mittlerer  Erhaltung  sehr  billig  zu  erwerben. 


6.  Florenz  Tourtual,  Bischof  Hermann  von  Verden,  1149—1167. 
Zweite  Auflage.  Berlin,  J.  A.  Stnrgardt.  8.  VIII  u.  82  S.  Preis  2  Mk. 
In  dankens werther  Weise  hat  sich  Ulrich  Graf  Behr  Negedank 
der  Aufgabe  uuterzogen,  die  1866  erschienene,  längst  vergriffene  Schrift 
Tourtual's  über  Hormann  von  Verden  durch  eine  Neuherausgabe  wieder 
allgemein  zugänglich  zu  machen.  Er  wurde  hierzu  vor  allem  durch  die 
Ausführungen  des  Freiherrn  von  Hammerstein-Loxten  bewogen,  denen 
zufolge  der  Bischof  dem  Geschleclite  der  Behr  angehörte.  Die  Wieder- 
gabe der  Arbeit  ist  eine  durchaus  getreue,  hinzugefügt  ist  nur  eine  An- 
merkung auf  S.  1,  welche  auf  die  Hauimerstein'schen  Forschungen  hin- 
weist, während  zwei  in  der  ersten  Auflage  als  Anhang  gegebene  Schrift- 
stücke hier  fehlen,  da  sie  in  einem  Nachtrage  zu  deu  von  Lisch  heraus- 
gegebenen Urkunden  und  Forschungen  zur  Geschichte  des  Geschlechts 
Behr  zum  Abdrucke  gelangen  sollen.  Das  Werk  selbst  giebt  zunächst 
eine  Zusammenstellung  der  über  Hermann  hekanuten  Thatsachen,  dann 
einen  Aufenthaltsnachweis  und  eine  Kegeste  für  seiu  Leben,  endlich  einen 
Ex  cur«  über  seine  Sendung  nach  Spanien.  Dasselbe  zeichnet  sich  dabei 
durch  seine  sorgsame  Benutzung  der  bis  1866  erschienenen  Litteratur 
und  durch  einen  wortgetreuen  Abdruck  der  wichtigeren  Quellenangaben 
aus,  so  dass  man  es  noch  jetzt  mit  Vortheil  wird  zu  Ruthe  ziehen  können. 


van  Vleuten. 


A.  W. 


P.  vanVleuten:  Florian  Wimmcr,  Anleitung  zur  Erf.  kirchl.  Denkm.  lf>7 


7.  Moderne  Geschichtsforscher.  I.  J.  Lulves,  Die  gegenwärtigen  Ge- 
schichtsbestrebungen  in  Aachen.  Eiue  kritische  Studie.  Aachen. 
Otto  Müller.  18Ö2.  8°.  104  S. 

Das  hohe  Ausehen,  in  welchem  der  1844  verstorbene  Christian  Quix 
noch  jetzt  bei  den  Aachener  Lokalhistorikern  steht,  hat  dazu  geführt, 
dass  einige  seiner  Schritten  kürzlich  in  einem  minutiös  genauen  Neu- 
drucke herausgegeben  worden  sind.  Wesentlich  hierdurch  ist  der  Ver- 
fasser vorliegenden  Schriftchens  bewogen  worden,  die  Leistungen  von 
Quix  und  anderen  Aachener  Lokalforscheru  von  einem  rein  kritischen 
Standpunkte  aus  durchzuarbeiten  und  zu  beurtheilen.  Das  Resultat,  wel- 
ches er  dabei  zu  erweisen  sucht,  ist  ein  für  die  betreffenden  Schriftsteller 
ungünstiges,  der  Stand  der  Aachener  Geschichtsbestrebungen  soll  nach 
ihm  ein  trauriger,  im  Vergleich  zu  anderen  Städten  tiefer  sein.  Bei 
dieser  Grundanffassung  ist  sein  Urtheil  über  die  Einzelleistungen  schroff 
und  absprechend,  besonders  da  er  selbst  an  in  der  Tagespresse  erschie- 
nene AufsHtze  streng  wissenschaftliche  Anforderungen  stellt  und  sie  dem- 
entsprechend kritisirt.  Die  Fehler  der  einzelnen  Arbeiten  werden  beson- 
ders betont,  die  Verdienste,  die  sich  zahlreiche  der  behandelten  Männer  uin 
die  Erhaltung  und  Sammlung  von  Materialien  erworben  haben,  treten  da- 
gegen völlig  zurück.  So  ist  denn  das  Ergebnis«  ein  wesentlich  negati- 
ves, wenn  auch  die  Anführung  einer  reichen  Fülle  von  Einzelarbeiten, 
deren  Inhalt  vom  Verfasser  skizzirt  wird,  auch  positiven  Werth  besitzen 
wird.  Zum  Schlüsse  des  rein  polemischen,  oft  sehr  persönlichen,  wenig 
erfreulichen  Schriftchens  macht  der  Verfasser  Vorschläge  zur  Besserung 
der  von  ihm  so  herb  verurtheilten  Verhältnisse.  Er  erwartet  eiue  solche 
vor  allem  von  einem  engem  Anschlüsse  der  Lokalforschung  an  das 
Aachener  Stadtarchiv,  an  welchem  er  selbst  thätig  war,  dieses  „als  Sam- 
melstätte  aller  Dokumente  der  Vorzeit  unserer  alten  Kaiser-  und  Krö- 
nungsstadt  muss  demnach  in  den  Mittelpunkt  der  lokalen  Geschichts- 
bestrebung treten;  von  hier  aus  haben  sie  auszugehen,  wollen  sie  wirk- 
lich wissenschaftlicher  Wahrheit  genügen". 

8.  P.  Florian  Wimmer.  O.  S.  B.:  Anleituug  zur  Erforschung  und 
Beschreibung  der  kirchlichen  Kunstdenkinäler.  In  zweiter  Auflage 
mit  Illustr.  vennehrt  und  herausgegeben  von  Dr.  Math.  Hiptmair. 
Linz  1892,  bei  Haslinger.  8°.  XIV  und  152  S. 

Die  erste  Auflage  dieser  Schrift  verdankt  ihr  Entstehen  dem  Bc- 
dürfuiss,  die  kirchlichen  Denkmäler  der  Linzer  Diöcesc  einer  baldigen 
gründlichen  Erforschung  und  Beschreibung  entgegen  zu  führen.  Es  wird 
vorab  Werth  darauf  gelegt,  das  Vorhandene  zu  registriren;  die  kritische 
Beurtheiluug  wird  in  den  meisten  Fällen  einer  späteren  fachmännischen 
Prüfung  vorbehalten  bleiben  müssen.  Um  eine  solche  Beschreibung  dem 
Nichtfachmannc  zu  ermöglichen,  sind  (S.  1  bis  116)  eine  Menge  prakti- 
scher Fragen  gestellt,  welche  sich  auf  die  Geschichte,  die  Architektur, 
das  Mobilar,  die  einzelnen  Kunstwerke  u.  s.  w.  beziehen;  jeder  Frage  sind 
nähere  Erklärungen  zugefügt,  vielfach  durch  Abbildungen  erläutert;  so 
auf  Seite  18  bis  37,  eine  kurze  Abhandlung  über  die  kirchlichen  Stilarten. 


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1G8  F.  van  Vleuten:  Florian  Wimmer,  Anleitung  zur  Erf.  kirchl.  Denkm. 


(Hierbei  vermisse  ich  die  Berücksichtigung  des  sog.  Uebergangsstiles). 
Zum  Schlüsse  giebt  dann  der  Verfasser  ein  alphabetischen  Verzeichnis* 
der  auf  den  Heiligenbildern  vorkommenden  Attributen,  mit  der  Angabe 
derjenigen  Heiligen,  bei  welchen  dieselben  vorkommen. 

Es  seheint  mir  unzweifelhaft,  das*  an  der  Hand  dieser  Anleitung 
jeder  Gebildete  in  der  Lage  ist,  die  Besehreibung  einer  Kirehe  so  zu 
gestalten,  dass  der  Forscher  alsbald  erkennen  kann,  wo  es  angezeigt  und 
lohnend  ist,  ein  gründliches  Studium  des  Hauwerkes  folgen  zu  lassen ;  uud  dies 
zu  erreichen,  ist  ja  der  Zweck  des  Buches.  F.  van  Vleuten. 

9.  Hildesheimer  Land  und  Leute  des  IG.  Jahrh.  in  der  Chronik 
des  Dechauten  Johan  Oldccop.  Bilder  aus  Hildesheitns  Vergangen- 
heit von  Dr.  Carl  Kuliug.  Hildesheim,  F.  Borgmeyer.  1X92. 
Die  Chronik  des  Hildesheimer  Dechanten  Johan  Oldecop  bringt  ans 
der  Feder  eines  objectiven  Beobachters  und  glücklichen  Darstellers,  der 
in  Beziehungen  zum  kaiserlichen  Hofe  und  zu  hohen  Würdenträgern 
stand,  Schilderungen  der  Ereignisse  und  Zustände  in  Niedersachsen  aus 
der  Zeit  der  Keformatlon.  Ihr  Herausgeber  (Bibl.  des  Litt.  Ver.  Stuttgart 
Bd.  CXC)  bietet  in  dem  vorliegenden  Schriftchen  eine  Auswahl  daraus, 
bestimmt,  auch  dem  Nichthistoriker  jene  Zeiten  naher  zu  bringen.  In  fünf 
Abschnitten  (Oeffentliche  Sicherheit,  (Hauben  und  Sitte,  Ecclesia  turbatur- 
clerus  errat,  Ein  Fürstbischof,  Ans  Zeiten  schwerer  Not)  gibt  er  dem  Leaer 
in  frischer  und  anschaulicher  Schreibart  ein  Bild  der  vielfach  verworrenen 
und  ungesunden  Verhältnisse,  die  durch  den  Gegensatz  auf  religiösem 
Gebiet  nur  noch  unerquicklicher  wurdeu.  Wenn  auch  das  Büchlein  seine 
Leser  zunächst  in  Hildesheim  und  Umgegend  suchen  und  finden  soll,  so 
ist  die  Auswahl  doch  eine  so  glückliche  und  sind  die  behandelten  Gegen- 
stände vielfach  so  typisch  für  jene  Zeiten,  dass  es  auch  das  Interesse 
eine*  jeden  erregen  dürfte,  der  die  Kulturzustande  Norddeutschlands  im 
Anfange  der  Neuzeit  kennen  zu  lernen  wünscht.  S. 

10.  Meteorologische  Volksbücher.    Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der 
Meteorologie  und  zur  Kulturgeschichte.  Von  Prof.  Dr.  G.  Hell  mann. 
(Sammlung  popul.  Schriften,  hcransg.  von  der  Gesellschaft  Urania 
zu  Berlin.  Nr.  8.)   Berlin,  H.  Paetel.  IHM. 
Das  Schriftchen  gibt  nach  einer  kurzen  orientirenden  Einleitung  eine 
Uebersicht  über  die  für  den  gemeinen  Mann  bestimmte  Literatur,  die  sich  auf 
die  meteorologischen  Erscheinungen  bezieht,  in  folgenden  sechs  Abschnitten: 
DasBuch  der  Natur  von  Konrad  von  Megcnberg  (um  1350),  der  Elucidarius, 
Wctterbüchlein,  Baucrn-Practik,  Practiken  und  Prognostiken,  Hundertjäh- 
riger Kalender.  Die  einzelnen  Werke  und  Gattungen  von  Schriften  werden 
eingehend  unter  Anführung  von  bezeichnenden  Proben  charakterisirt,  in 
ihrem  gegenseitigen  Zusammenhang  uud  dem  mit  anderen  Werken  be- 
leuchtet und  so  eine  litterargeschiehtlichc  Uebersicht  dieses  bisher  vernach- 
lässigten Zweiges  der  volkstümlichen  Litleratur  gegeben.  Bei  den  letzt- 
genannten Gattungen  sind  facsimilirte  Wiedergaben  der  Titel  besonders 
merkwürdiger  und  seltener  Schriften  beigefügt.  S. 


III.  Misccllcn. 


1.  Wcihin.sciirift  an  d  ic  G  öt  tinucn  dcrKri'Uzvc»»'  in  Köln. 
Bei  meinem  letzten  Aufenthalt  in  Köln,  September  1892  bemerkte  ich  im 
untern  Kreuzhang'  des  Museums  Wallraf-Richartz  eiu  kleinem  Altnrchcn  mit 
der  sauber  cingemcisseltcn  Inschrift: 

QVADRV 

BISDOMI 

TIALVPV 

LA  V  S  L  M 

also  Quadrubis  Domilia  Lupula  vfotum)  »(olnit)  Itubcnx)  m(erilo). 

Meines  Witwern»  ist  dieselbe  nicht  veröffentlicht.  Der  Stein  ist  nicht 
mmiincrirt,  und  in  den  luveutaren,  die  bis  zum  Jahre  1888  hinaufreichen, 
findet  sich,  wie  mir  Herr  Hofrath  Aldenhoven  mitthcileu  laust,  keine 
Notiz  darüber.  Der  Stein  muss  schon  seit  einigen  Jahren  im  Museum 
win;  man  kann  annehmen,  dass  er  zwischen  1885,  in  welchem  Jahre  die 
dritte  Auflage  de»  Düntzcr'schcn  Katalog»  erschien,  und  1888  ins  Museum 
gekommen  und  dass  er  unbeachtet  liegen  geblieben  ist.  Der  Fundort 
dürfte  Köln  sein.  Denselben  Göttinnen  geweiht  ist  der  an  der  Aachener 
Strasse  gefundene,  von  mir  im  Rheinischen  Museum  Bd.  XLII  1887  S.  487 
veröffentlichte  Stein: 

Qtuidnibiis  Ucletianiua  Crcscens 
(vgl.  Korrespondenzblatt  der  Westdeutschen  Zeitschrift  VI  1887  S.  182, 
Jahrbücher  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  im  Rheinland  LXXX1II 
S.  22(5,  LXXXVIII  S.  247). 

Anhangsweise  sei  an  dieser  Stelle  auf  die  jüngst  iu  Carnuntum 
gemachten  Funde  hingewiesen.  Bei  den  im  Novcmhcr  1801  und  im 
Sommer  1892  vorgenommenen  Grabungen  wurde  ein  ansehnlicher  Gc- 
baudccomplex  mit  erheblichen  Uebcrresten  einer  alten  Strasse  aufgedeckt. 
U.  a.  fand  man  y.wei  kleine  Heiligthümcr,  beide  angefüllt  mit  kleinen 
Volivaltaren;  die  des  einen  Raums  tragen  meist  die  Widmung  an  den 
Flurgott  Sih'ttnun  domenticus  (ein  Altar  mit  der  Aufschrift  Diane  sacurum), 
«He  des  andern  sind  den  Kreuzweggöttinnen  (Quadriviae,  Quadmbiae) 
geweiht,  einer  den  Silvana*  und  Quadmbiae  gemeinsam  (eine  analogo 
Widmung  CIL.  III  4441,  Bonn.  Jahrb.  LXXXI1I.  S.  121.  Nr.  108;  Fundort 
ebenfalls  Carnuntum).  Eine  vorläufige  Notiz  über  die  interessanten  Funde 


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170 


Misecllen. 


steht  im  Nachtrag  zum  .Führer  durch  Cai  mintum"  von  Kubitschck 
und  Frankfurter  (1892).  Hin«  eingehende  Publikation  wird  wohl  in 
nächster  Zeit  von  österreichischer  Seite  erfolgen.  M.  Ihm. 

2.  Zur  Numismatik  von  Köln.  In  dem  Annuaire  de  la  Societe 
rrancaise  de  nuinismatiquc  v.  J.  1892  kommt  Herr  Kay  in.  Serrure  auf 
zwei  Münzen  zurück,  welche  18Sfi  in  Macstricht  gefunden  und  in  dem- 
selben .lahn-  von  de  Cnstnr  in  der  Hevue  beige  de  nuinism.  bespro- 
chen wurden.  Heide  Münzen  zeigen  den  Namen  de«  Kölner  Erzbischofes 
Hiltolf,  doch  war  von  Anfang  an  kein  Zweifel  darüber,  dass  dieselben 
im  Hinblick  auf  Gepräge  und  Gewicht  nicht  in  Köln,  sondern  in  der  Ge- 
gend der  Maas  geschlagen  seien.  Dannenberg,  Deutsche  M.  d.  sachs. 
und  frank.  Kaiserz.,  Nr.  273  und  274,  vernetzte  dieselben  nach  Malmedy. 

Aus  einer  von  Pin  c  hart  1860  in  der  Rev.  beige  de  nuinism.  S.  .%1 
veröffentlichten  Urkunde  ersieht  Serrure,  dass  die  Abtei  St.  Pantaleon 
in  Köln  von  Bruno  I.  ausser  .Besitzungen  in  Wesseln  (in  hotl.  Limburg 
gelegen)  auch  das  Münzrecht  daselbst  erhalten  habe,  und  glaubt  in  den 
oben  angeführten  Stücken,  zwei  von  der  Abtei  Pantaleon  in  Köln,  für 
Wesseln  geschlagene  Münzen  zu  erkennen.  Die  Gründe,  welche  ihn 
hierzu  veranlassen,  hier  alle  zu  wiederholen,  würde  zu  weit  führen,  ich 
habe  die  rheinischen  Numismatiker  nur  nuf  diese  höchst  interessante  Be- 
stimmung hinweisen  wollen. 

F.  van  Vleuten. 

3.  Rheinische  Terracotta-Büsten.  Als  vor  einigen  Jahren 
zu  Köln  eine  später  in  diesen  Jahrbüchern  85  S.  55  ff.,  Taf.  3  publicirte, 
lebensgrosse  Tcrracotta-Büste  des  fälschlich  sogenannten  Seneca  ent- 
deckt ward,  wurde  die  Frage  des  antiken  Ursprunges  de«  Stücke«  viel 
besprochen.  Eine  moderne  Fälschung  erschien,  durch  den  geringen  Fin- 
derlohn,  der  für  dasselbe  gezahlt  worden  war,  ausgeschlossen,  ebenso 
wie  durch  don  Fundbericht,  welcher  zeigte,  dass  es»  in  altem  Schutt  ge- 
lagert hatte.  Doch  ward  schon  damals  darauf  hingewiesen,  es  könne 
sich  um  eine  die  Antike  nachahmende  ältere,  bereits  vor  Jahren  zer- 
brochene Büste  handeln,  welche  seinerzeit  in  den  Schutt  geworfen,  nun- 
mehr wieder  zum  Vorschein  gekommen  sei.  Dieser  Gedanke  ward  je- 
doch mit  der  Motivirung  zurückgewiesen,  von  einer  Herstellung  der- 
artiger Terracotten  im  Hheinlande  sei  aus  alterer  Zeit  nichts  bekannt.  Die 
beiden  folgenden,  dem  Bönnisehen  Intelligenzblatt  entlehnten  Geschäfts- 
anzeigen  zeigen  dem  gegenüber,  dass  gerade  im  Rheinlnnde  Ende  vori- 
gen Jahrhunderts  die  Thonindustrie  und  insbesondere  die  Fertigung  von 
Imitationen  antiker  Büsten,  darunter  auch  des  *og.  Seneca  eifrig  betrie- 
ben ward.  Die  rührigere  unter  den  beiden  zu  nennenden  Firmen  scheint 
die  von  linhof  gewesen  zu  sein,  dessen  Annonce  sich  z.  B.  Jahrgang  1791 
S.  340  f.,  1792  S.  438  und  5G8  findet,  wahrend  die  von  Zezzi  1790  S.  249  f. 


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Miscellen.  171 

steht.  Sie  werden  im  Folgenden  vollständig  wiedergegeben,  da  die  be- 
treffenden Jahrgänge  des  Bonner  Blattes  verhältnissmässig  selten  sind, 
und  ihr  Gesamintinhalt  für  die  Benrthcilung  der  Fabrikanten  nicht  ohne 
Interesse  ist.  Diese  Anzeigen  beweisen,  dass  der  Gedanke,  derartige 
BiUten  könnten  der  für  die  Antike  begeisterten  Zeit  des  letzten  Kur- 
fürsten entstammen,  nicht  ohne  Weiteres  von  der  Hand  gewiesen  werden 
darf.  Von  Interesse  wHre  es,  und  hierzu  anzuregen  ist  mit  der  Zweck 
dieser  Zeilen,  wenn  es  gelange,  Erzeugnisse  der  beiden  Fabrikanten  nach- 
zuweisen, um  so  Aufschlags  über  die  Ergebnisse  ihrer  Thätigkeit  und 
deren  Verhältnis*  zu  ihren  antiken  Vorbildern  zu  gewinnen. 

„Künster- Anzeige. 

Peter  Imhof  der  jüngere  Sohn,  Bildhauer  und  Figurist  in  Erde 
gebackener  Bilder  in  der  Spiolmannsgassc  nächst  Scverinstrasse  in  Köln 
zeigt  einem  verehrungSMürdigcn  Publikum  hiermit  an,  dass  er  eine 
-Kunstfahrik  angefangen  habe,  in  welcher  man  künftig  alle  Gattungen 
von  Kunstbildern  in  gebackener  Erde  haben  kann  und  zwar:  1)  Alle 
Gattungen  von  antiken  Bildern,  als  Herkules,  Neptun,  Merkur,  Flora  etc. 
etc.  2)  Köpfe  und  Brustbilder  der  alten  und  neuen  gelehrten  und  berühm- 
ten Männer,  z.  B.  Piaton,  Homer,  Cicero,  Seneka,  Cartesius,  Newton, 
Leibuiz,  Geliert,  etc.  etc.  8)  Kleine  Gruppen  von  spielenden  Kindergcu, 
von  Wassernymphen,  von  Thieren,  etc.  für  auf  Tische,  dergleichen  grose 
Gruppen  für  in  Gärten  und  Vorhöfe.  4)  Allerhand  Vaßen  und  Urnen 
mit  Zierrathen  in  dem  besten  antiken,  hetrurischen,  griechischen  und 
römischen  Geschmack.  5)  Allerhand  Bassrelieven  für  Süporten,  Me- 
daillonen  für  an  Kamine  und  Zierrathen  in  Arabeske  für  in  Zimmer  und 
Kirchen,  ß)  Marienbilder,  und  alle  Gattungen  von  Bildern  der  Heiligen 
von  allerhand  Grösse  für  in  Kirchen,  Klöster  und  lür  an  Häuser  wie  sie 
nur  verlangt  werden.  Alle  diese  Bilder,  Urnen  und  übrige  Kunstwerke 
in  dauerhaft  gebackener  Erde  werden  nicht  allein  gut  aus  freier  Hand 
nach  einer  guten  Zeichnung  sondern  so  fein  auspoussirt,  als  jemals  eiu 
Bild  auf  einer  Porzellanfabrik  kann  poussirt  werden.  Hierbei  hat  mau 
noch  den  Herren  Käufern  den  besondern  Vortheil  bemerken  wollen,  dass  alle 
diese  mit  dem  grössten  Fleiss  und  Kunst  in  gebackenem  Thon  poussirte 
Figuren  billiger  und  wohlfeiler,  als  jene  in  Formen  abgedruckte,  steife, 
geschmacklose  Bilder  werden  verkauft  werden.  Auf  das  Verlangen  und 
Befehl  der  Herren  Käufer  werden  die  Bilder,  Büsten,  Gruppen,  Urnen, 
etc.  für  in  Zimmer  mit  einer  Bronz-  oder  Goldfarbe  oder  mit  einem  neu- 
erfundeneu  weissen  LackHrnis  angestrichen,  als  wenn  es  der  feinste  Por- 
zellan wHre.  Briefe  mit  Geld  werden  postfrei  ausgebeten.  Um  aber  ein 
zu  verehrendes  Publikum  von  der  Wirklichkeit  dieser  mit  so  vielem 
Fleisse  in  Erde  gebackenen  Bilder  zu  Uberzeugen;  so  kann  jedermann 
wirklich  verschiedene  Figuren  bei  ihm  (Peter  lmhof,  in  der  Spielmanns- 


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172 


Miscellen. 


passe)  ganz  uucutgcldlich  sehen,  welche  er  für  eitlen  vornehmen  deut- 
lichen fürstlichen  Hof  verfertigt  hat. 

Peter  Itnhof,  der  jüngere  Sohn,  Bildhauer  und  Poussirer  in  Erde 
gehnckenor  Bilder,  wohnhaft  in  der  Spielmannsgasse  nächst  der  St. 
Soverinstrasse  in  Köln  am  Rhein." 

„Kunst-Nachrich  t. 
Da  gewisse  Leute  (welche  seit  30  bis  40  Jnhrcn  die  Kirchen,  Gur- 
ten und  Häuser  mit  allerhand  in  Erde  gehackenen  steifen  Bildern,  mit 
krumbeinigten,  dickbiiuehigten  und  buckelichten  Figuren,  mit  geschmack- 
losen Urnen  [wie  Buttertöpfe]  ohne  wahre  Zeichnung  und  ohne  antiken 
Geschmack  angefüllt  haben)  sich  erfrecht,  nicht  nur  Bilder  und  Köpfe 
heimlich  unter  der  Hand  durch  schlechte  Bursche  kaufen  zu  lassen,  die- 
selben abzuformen,  in  ihrem  Haus  aufzustellen  und  solche  auf  eine  un- 
verschämte prahlende  Art  NB.  für  ihre  eigene.  Erfindung  falschlich  an- 
zugeben: sondern  sich  sogar  bei  ihrer  Stümperei  erkühnt  haben,  andere 
wahre  geschickte  Künstler  in  öffentlichen  Zeitungen  auf  die  dummsie 
Art  anzugreifen,  als  wenn  man  ihre  elende  geschmacklose  Bilderbackerei 
nachäffen  wolte;"*so  rechne  ich  mir  es  zur  Pflicht,  einem  Kunstliobendcn 
und  Ächten  Geschmack  besizzenden  Publikum  anzuzeigen,  dass  meine 
Kunstarbeit  von  in  Erde  gebackenen  Statuen,  Brustbildern,  Köpfen.  Ur- 
nen, etc.  etc.  den  besten  Fortgang  habe,  dass  meine  in  Erde  angefangene 
Bilderbäckerci  mit  dem  grössten  Beifall  und  besonderen  Vorzug  bei 
allen  wahren  Kennern  in  Aachen,  Bonn,  Mainz,  Koblenz,  Elberfeld  und 
in  andern  Städten  im  Reich,  in  Holland  und  benachbarten  Ländern  auf- 
genommen worden,  wo  man  weder  in  Garten  noch  in  Häuser  keine 
Affen,  Puppen,  Marionetten,  keine  steife  Soldaten  und  Fehlervolle.  Bilder 
aufstellt.  Dem  Himmel  sei  Dank !  dass  man  auch  in  unsem  niederdeut- 
schen Gegenden  anfangt,  achten  Geschmack  in  den  bildenden  Künsten 
zu  kennen,  zu  lieben,  dass  man  hingegen  stümperhafte  Bilder  und  dumme 
Hanswurstereien  mit  Verachtung  ansieht.  Ich  habe  nicht  allein  die  Er- 
laubnis erhalten,  aus  einer  fürstlichen  Sammlung  die  schönsten  Antiken, 
Statuen,  Köpfe  etc.  etc.  zu  meinem  Werke  zu  gebrauchen;  sondern  aus 
Rom  die  prächtigsten  und  meisterhaftesten  Köpfe  und  Figuren  mit  vielem 
Aufwand  zu  erhalten,  so  dass  ich  ohne  Prahlerei  anzeigeu  kann,  dass 
bei  mir  alle  Arten  von  Statuen,  Brustbildern,  Köpfen,  Hermen,  Gruppen, 
Vasen,  Urnen  und  alle  möglichen  Zierathen  für  an  Häuser,  für  in  Gär- 
ten, und  für  in  Kirchen,  nach  dem  besten  antiken  Geschmack,  nach  einer 
richtigen  Zeichnung  in  dauerhaft  gebackener  Erde  um  die  billigsten 
und  wohlfeilsten  Preise  zu  haben  sein.  Da  meine  Fabrik  und  K\instwerk 
aus  verschiedenen  geschickten  Künstlern  besieht,  so  zeige  zugleich  an, 
dass  ich  auch  ganze  Kirchen,  Zimmer,  etc.  mit  in  Stucatur  erhabener 
Arbeit  und  Zierathen  verfertige,  wovon  man  dahier  in  Düsseldorf  schon 
verfertigte  Säle  sehen  kann.   Auch  wird  auf  meiner  Fabrik  aller  natür- 


Miscellen. 


178 


liehe  Marmor  in  Tafeln  für  Tische,  Fenster,  Altäre,  Predigtstühle,  etc.  von 
solcher  Harte  uud  Schwerheit  verfertigt,  als  wenn  es  natürliche  Marmor- 
Artcn  waren. 

Anton  Zezzi,  Fabriquant  und  Figurtst  in  Erde  gebackener  Bilder, 
wohnt  in  der  Karlstadt  in  Düsseldorf." 

A.  Wie  de  mann. 

4.  In  eigener  Sache.  Herr  Dr.  Georg  Wolfram  bringt  im 
vierten  Bande  des  Jahrbuchs  den  Vereins  für  lothringische.  Geschichte 
und  Altcrthumskunde  eine  Besprechung  meiner  in  der  vorliegenden  Zeit- 
schrift erschienenen  Abhandlung  über  inerovingittche  und  karolingischo 
Plastik,  die  er  zu  einer  Weiterführuug  der  leidigen  Polemik  über  den 
Ursprung  der  Metzer  Reiterstatuette,  im  Musee  Carnavalet  benutzt.  Das 
würde  an  und  für  sich  keinen  Grund  für  mich  abgebeu,  noch  einmal 
auf  das  Thema  zurückzukommen,  da  ich  alles  Wesentliche  hingst  gesagt 
und  mich  nur  wiederholen  könnte  —  nur  einige  unrichtige  Angaben  des 
Kritikers  verlangen  eine  kurze  Berichtigung.  W  o  t  f  r  a  m  überrascht  mich 
mit  seiner  Mittheilung,  dass  er  nach  wie  vor  die  genannte  Statuette  für 
ein  Werk  der  Renaissance  hält.  Das  thut  mir  aufrichtig  leid,  denn  ich 
hatte  allerdings  gehofft,  dass,  nachdem  alle  in  dieser  Frage  kompetenten 
Fachgenossen  auf  meine  letzten  Ausführungen  hin  die  Möglichkeit  einer 
Entstehung  der  Figur  in  dieser  Zeit  von  der  Hand  gewiesen,  nunmehr 
auch  Wolfram  seinen  Irrthum,  zu  dem  ihn  voreilige  Entdcckerfreudc 
verführt,  eingestehen  würde.  Mein  Kritiker  glaubt,  die  ganze  Arbeit 
solle  im  Wesentlichen  nur  dazu  dienen,  meine  Ansicht  von  dem  karolin- 
gischen  Ursprung  der  Figur  zu  stützen.  Darin  liegt  eine  doppelte  Ueber- 
schäitzung:  Wolfram  überschätzt  dabei  sowohl  den  Werth  der  Statuette 
wie  den  seiner  Einwände.  Meine  ganze  Auseinandersetzung  sucht  er 
dadurch  zu  schwächen,  dass  er  sie  erst  „lediglich  einen  Abdruck  der 
früheren  Replik"  und  dann,  zwei  Seiteu  spater:  „im  Wesentlichen  einen 
Abdruck"  nennt.  Damit  ist  Wolfram  ein  sehr  bedauerlicher  Rechen- 
fehler begegnet.  Die  betreffende  Replik  zahlt  genau  104  Zeilen,  der  Ab- 
schnitt in  den  Bonner  Jahrbüchern,  der  „Wiederabdruck-,  deren  XIO. 
Zum  Schluss  sucht  Wolfram  mich  unter  die  festes  suspecti  zu  klassili- 
ciren,  indem  er  mir  drei  uugenaue  Citate  vorwirft.  Er  vergisst  dabei 
nur  zu  bemerken,  dass  die  bemängelten  Citate  sich  überhaupt  gar  nicht 
in  der  kritisirten  Arbeit  befinden,  sondern  au  einer  ganz  anderen  Stelle, 
bei  Gelegenheit  einer  bibliographischen  Zusammenstellung  in  einer  vor 
drei  Jahren  in  der  Zeitschrift  des  Aachener  Geschichtsvereins  erschienenen 
Abhandlung.  Fincs  kritischen  Kpilogs  aul  die  freundliche  Schlussbcmerkung 
Wolframs,  mit  der  die  in  uunöthig  gereiztem  Tone  abgefasste  Apologie 
schliesst,  darf  ich  mich  wohl  füglich  enthalten.  dornen. 

f>.  Morsbach.  Römische  Funde.  Einige  Kilometer  südwestlich 
von  Forbach  in  der  Ebene,  und  am  Fusse  des  Herapcl  (das  Verzeichnis» 


174 


Miscellen. 


der  Literatur  über  diesen  findet  sich  bei  Kraus,  Kunst  und  Alterthum 
in  Elsass-Loth ringen.  Band  III  S.  201  ff.)  liegt  der  Ort  Mörsbach.  Bei 
Anlage  einer  Kiesgrube  auf  freiem  Felde  landen  Bauern  diese»  Dorfes 
f»  bis  G  ziemlich  gut  erhaltene  Urnen,  die  sie  dum  Pfarrer  Bour  in  Koss- 
brücken,  zu  dessen  Kirchspiel  Morsbach  gehört,  übergaben.  Bei  einein 
Besuche  bei  genanntem  Herrn  im  April  d.  J.  sah  ich  diese  Urnen  und 
bewirkte,  da  eine  systematische  Ausgrabung  an  der  dortigen  Stelle  gün- 
stige Ergebnisse  zu  versprechen  schien,  die  bereitwillige  und  unverzüg- 
liche Zurverfügungstellung  der  uöthigeu  Geldmittel  von  Seiten  S.  Excel- 
lenz  des  Herrn  Staatssekretär  von  Puttkamcr  auf  Kosten  der  Landes- 
verwaltung. Fünf  Leichenverhiennungsslätten,  welche  durch  eine  starke 
Schicht  von  Kohlen  und  Aschenrosten  als  solche  kenntlich  waren,  vier 
kleinere  und  eine  grössere,  letztere  etwa  H  Meter  im  Geviert,  wurden 
aufgedeckt  und  die  Fundstätte  dergestalt  als  Begräbuissstättc  gekenn- 
zeichnet. Zahlreiche  Gegenstände  lagen  unregelmäßig  vertheilt,  jedoch 
meist  in  nur  geringer  Kiitfernung  von  einander,  50—00  cm  unter  der 
Oberfläche  im  Kiesboden.  Ks  waren  vornehmlich  Urnen  von  verschie- 
dener Form  und  Grösse  und  mannigfachen  Materials;  silmmtliche  jedoch 
mit  Kuochenkohlenresten  gefüllt.  Neben  denselben  befanden  sich  Krüge, 
Näpfe,  Schalen,  Vasen,  ebenfalls  verschiedenster  Art  und  verschiedenen 
Materials,  auch  vielfach  in  terra  sigillata,  sowie  mit  Ornamenten  und 
Thiergestalten.  Ferner  in  grosser  Zahl  Lanzenspitzcn  und  sonstige  Waffen- 
reste, Bronzegogenständc  wie  Armringe,  Scheiben,  Schlüssel,  Kamme, 
Seihgcfässe,  Nadeln,  Fibeln  u.  s.  w.,  sowie  Glasgeschirre  und  Münzen. 
211  Nummern  und  0  Münzen  (darunter  Agrippa,  Vespasian,  eine  solche 
von  Nemausus)  wurden  bis  jetzt  in  das  Metzer  Museum  übergeführt; 
doch  wird  die  Ausgrabung  noch  fortgesetzt  und  täglich  und  stündlich 
weiden  neue  Gegenstände  zu  Tage  gebracht.  Die  Stücke,  deren  aus- 
fuhrlichere, von  Tafeln  begleitete  Schilderung  das  nächste  Jahrbuch 
bringen  wird,  sind  fast  durchweg  vorzüglich  erhalten,  vor  allem  ein 
bronzener  Schlüssel.  Ausserdem  erscheint  wegen  der  Seltenheit  des  Vor- 
kommens hemerkenswe rth  ein  Kamm  mit  sehr  feinen  dichtgestellten 
Zähnen,  der  anscheinend  als  Bartkamm  gedient  hat. 

Aus  den  Münzen  ergibt  sich,  dnss  die  Anlage  aus  dem  1.  Jahr- 
hundert n.  Chr.  stammt.  Möglicher  Weise  bildete  sie  den  Begrabnissplatz 
der  Besatzung  des  befestigten  Lagers  auf  dem  zur  Seite  gelegenen  He- 
rapel,  womit  die  von  F.  W.  Schmidt  bei  Kraus  a.  a.  0.  P.  202,  freilich 
ohne  Begründung,  gegebene  Notiz  übereinstimmen  würde.  Da  indessen 
die  Entfernung  der  Fundstätte  vom  Hcrnpel  volle  2  Kilometer  beträgt, 
so  dürfte  es  wahrscheinlicher  sein,  das»  wir  es  hier  mit  der  Begräbnis«- 
Stätte  einer  in  der  Nähe  belegenen  Niederlassung  zu  tliun  haben.  Die 
Fundstätte  liegt,  um  dies  noch  zu  erwähnen,  neben  der  am  Hcrapcl  von 
der  Kömerstrasse  Metz-Strnssbuig  sich  abzweigenden  Strasse  Metz-Mainz, 
deren  Profil  ich  bis  jetzt  an  fünf  verschiedenen  Stellen  habe  freilegen  lassen. 


Metz,  30.  Mai  1893. 


Tornow. 


Jahrb.  d.  Vereins  v.  AUerthumsfr.  im  Rheinland.  Heß  XCIV. 
Ein  Felsenbild  aus  der  la-Tene-Zeit. 


Tafel.  1. 


Jahrb.  d.  Vereins  v.  AHerthumsfr.  im  Xheinland.  Heß  XC1V.  Taf.  U 


Ruine  Schhsseek  in  der  Pfalz.  (*•  Portal 


Jahrb.  &  Vernix  nMtirthwiaft  im  Rheinland.  Hrli  XC I V. 


Tafel  UI. 


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I 


Jahih  ,1  Vwim  ü.  llln\h\tm.4r.  im  Rheinland  Hell  A'i  / 1' 


Tufei  U 


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