Jahrbücher des Vereins von
Alterthumsfreunden im Rheinlande
Verein von Altertumsfreunden im Rheinlande
CLASSICAL SEMINARY
PRINCETON UNIVERSITY
■
I
1
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JAHRBÜCHER
DKS
VEREINS VON ALTERTHUMSFREUNDEN
IM
RHEINLANDE.
HEFT LXXXXII.
'»IT U TAFELN l-KB 22
BONN.
GEDRUCKT AUF KORTEN DES VEREINS.
80RX, BEI k. »UKIv
1892.
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Inhalts -Verzeichniss.
I. Geschichte und Denkmäler.
Seite
1. Merowtngische und karolingische Plastik. Von Paul C leinen.
Mit 22 Texttlguren 1
2. Aufdeckung einer vorgeschichtlichen Niederlassung und eines
fränkischen Gräberfeldes in Meckenheim. Von Constantin
Koenen. Hierzu Tafel I bin X 147
3. Zur mittelrheinischcn AlU-rthumskunde. Von C. M e h 1 i ». Hierzu
Tafel XI 219
II. Litteratur.
1. Paul Clemen, Die Kunstdeukmäler der Rheinprovinz. Erster
Band: I. Die Kuuatdenkmaler des Kreises Kempen. 11. Die
Kunstdenkmaler des Kreises Geldern. Besprochen von A. Wiede-
inann 233
2. Heinrich Strack, Baudenkmäler des alten Korn. Besprochen
von Kreuser 238
3. Georg Wolff, Das römische Lager zu Kesselstadt bei Hanau.
Mit drei lithogr. Tafeln. Nebst einem Anhang von Reinhard
Suchier: Fundstücke von KesselMadt. Mit einer lithogr. Tafel.
Besprochen von Coiistantin Koenen 240
4. Karl Tückin g, Geschichte, der Stadt Neuss. Besprochen von
Consta ntin Koenen 243
5. C. Gesterding und Th. Pyl, Beitrage zur Geschichte der
Stadt Grcifswald. Dritte Fortsetzung. Besprochen von Sonnen-
burg 248
6. Fritz Sarre, der Fürstenhof zu Wismar und die norddeutsche
Terrakotta- Architektur im Zeitalter der Renaissance. Mit 17 Tafeln.
Besprochen von Paul Clemen 249
DX Miscellen.
1. Die Viergbttcreteine. Von M. Ihm 252
2. Matres Ollototae. Von M. I h m 256
3. Zu den römischen Spiellafelu. Von M. Ihm 259
4. Römische luschrifteu aus Köln. Von M. Ihm 260
5. Münzfund nu Köln. Von Stedtfeld 262
»*,-,?,« 158303
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MAR 2 i <%2
IV Inhalte-Verzeichnis«.
6. Das fra-rliche Mcdiolaiuim bei Nenmatfen an der Mosel. Von
K. Christ 264
L Römisches Castell auf dem hohen Venn. Von Th. Müllenme ister 2G6
8. Karollngischer Fund in Wonnersdorf. Von Oskar Ra uteri . 269
9. Die Zeitbestimmung der Thongef&sse. Von H. Schaafhausen 270
10. Zu Jahrbuch LIII, S. 172 ff. Von A. W 272
11. Fund einer ägyptischen Statue in England. Von A. Wiedcmann 273
Herichtiffiuitf 273
Mi-visscn-Stiftung 274
IV. Berichte.
1. Generalversammlung des Vereins am 2ti. Juni 1891 275
2. Die ;>u j, -Iii n e Jubelfeier des VerelnH von Alterthumsl'reundeu
im Rheinlande 285
:t Di« Wliirkolimmn-Friftr um 9. Dpnember 1891 311
I. Geschichte und Denkmäler.
I. Merowingische und karolingische Plastik.
Von
I'aul deinen.
Dass die Geschichte der deutschen Kunst mit dem Zeitalter
der Karolinger zu heginnen habe, ist fUr die historische Behandlung
der künstlerischen Thätigkeit innerhalb der Grenzen der deutschen
Zunge zum Dogma geworden. Damit aber werden diese Grenzen
gleich zum Beginn der Darstellung überschritten. Das gliinzeude
Bild einer Renaissance wird aufgerollt, die nur zum geringstin
Theil Deutschland angehört und sich auf deutschem Boden abspielt,
die nur zum Theil in Deutschland ihre Fortsetzung und Weiter-
bildung findet. Der Schwerpunkt der karolingisehen Kunst liegt
durchaus auf romanischem Gebiet; von den Ccntrcn der karolingi-
sehen KuDJBttlbung gehören ausser Aachen, das hart auf der Grenz-
scheide liegt und wie alle Residenzen einen internationalen Charakter
trug, nur zwei Deutschland an : Kuhla und St. Gallen — und beide
nehmen eine gewisse Sonderstellung gegenüber den französischen
Schulen und Sehultraditionen ein. Das Bild der karolingisehen
Kunst ist ein so reiches, aus den verschiedensten Elemeuteu zu-
sammengeschweisstes, mannigfaltiges, complieirtes wie das Bild des
karolingisehen Weltreiches selbst. Es ist der Schluss einer Ent-
wicklung, mit der die Geschichte, der deutschen Kunst einsetzt,
nicht der Anfang. Die ältere Schwcstcrdisciplin, der die Kunst-
geschichte Methode der Forschung und Theorie der Darstellung
entlehnt hat, die Geschichte des politischen und rechtlichen Lebens,
geht um Jahrhunderte über diese Periode zurück. Erst in den
letzten Jahrzehnten ist die Kunstgeschichte in nähere Beziehungen
Jalirb d. Vvr. v. Alurthsfr. im lUuiul. XCI1. 1
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Paul Clemon:
zu eiucr Disciplin getreten, die ihre eigenen Wege ging und von
der entgegengesetzten Seite, von im ton herauf, sich der gleichen
Zeitgrenze näherte, der prähistorischen Forschung. Kür einzelne
abgegrenzte Entwicklungsprovinzen waren schon längst die Resul-
tate aus ihr gezogen und sie seihst bis zur historischen Zeit hinauf-
geführt worden, für Dänemark von Thonisen, für die slavischen
Länder von Wo cd. Kür Krankreich hat schon Augnstin Thicrrv
zögernd, vorsichtig den Ansehluss nach rückwärts gesucht, für die
germanischen .Stämme Kelix Dahn. Die Verwerthung der Gesammt-
ergebnisse der vorgeschichtlichen Untersuchungen unter den grossen
historischen Entwicklungsgesiehtspuiikten ist zuletzt durch Karl
Lamprecht im ersten Hände seiner Deutschen Geschichte ge-
schehen.
In der Kunstgeschichte ist die Kluft zwischen der kunst-
historisch-aicbäologisehen und der prähistorischen Korsehung noch
nicht überbrückt. Zwischen dem zeitlichen Anfang der einen, dem
Ende der anderen liegen Jahrhunderte. Und doch erscheint es
möglich, anch diese beiden divergirenden Disciplinen in eine Reihe
zu bringen, die Embryologie der karolingisehen Kunst fordert dies
sogar gebietend. Ansätze zur Behandlung des neutralen Grenzgebietes,
das etwa die Zeit vom 4. bis 8. Jahrhundert uiutnsst, tinden sich
in der That in einer Reihe von Kachlitferaturen vor. Es gilt nur
die allenthalben zerstreuten Publieationen zu sammeln, die Unter-
suchungen nebeneinander zu stellen, ihre Resultate zu eomhiniren
und für die historische Behandlung der ganzen Periode zu Grunde
zu legen. Man hat sich in der archäologischen Welt Deutschlands
gewöhnt, die französische und italienische Kachlitteratnr reichlich,
die englische wenig, die spanische weniger, die skandinavische und
ungarische so viel wie gar nicht heranzuziehen. In diesem Falle
liegen die Ausätze zur Lösung des Problems gerade in der relativ
unbeachteten skandinavischen und ungarischen Litteratnr. Die
dänisch-norwegische und die schwedische archäologische Litteratnr
mit den ausgezeichnet redigirten Kachzeitschriften können für die
Kunstgeschichte des Mittelalters nicht mehr entbehrt werden. Skan-
dinavien ist auch in seiner Kachlitteratnr in seine klassische Periode
eingetreten. Geringere Zerfahrenheit in den Zielen und Aufgaben,
grössere Einheitlichkeit in der Methode, grössere Straffheit in
der kritischen Disciplin. Montelius, Undset, Hazelius,
II ildebran d — das sind Namen, die in dem europäischen Goncert
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Merowingische und karolinfrischc Plastik.
gehört werden wollen. Neben ihnen sind es zwei Ungarn, Hampel
and Henszlman, die die grundlegenden Linien gezogen haben,
anf denen ein Weitcrban möglich ist. Eine blosse Vereinigung der
Resultate; die auf deu acht Sprachgebieten selbständig, zum grossen
Theil ohne die Parallelforechungeu im Nachbarlaude zu kennen,
erzielt worden, giebt schon das Gerippe der ganzen Entwicklung
an uud steckt die Grenzen ab.
Das künstlerische Material, das für diese Periode in Betracht
kommt, kann weder Architektur noch Malerei sein, sondern nur
Plastik, aber Plastik im weitesten Sinne, d. h. alle ornamentalen
lind figürlichen Darstellungen, die sieh nicht in einer Ebene be-
wegen, aber diese in allen Techniken und allen Materialien. Die
einzelnen Gruppen der Steinplastik, der Metallurgie, der Elfenbcin-
plastik ergänzen sich allenthalben und gestatten Rückschlüsse und
Parallelen. Und gerade das Uebcrwiegen der einen Technik ül>er
die andere giebt die wichtigsten Aufschlüsse über die spccielle
Begabung eines Stammes für eine specielle Technik und das Alter
derselben.
Die Untersuchung wird nach rückwärts im Krebsgang zu er-
folgen haben. Ans der genauen Kenntniss und der vollständigen
Beherrschung des Materials der karolingischen Knust heraus ist
vorsichtig zurück zu tasten; die im 9. Jahrhundert beobachteten, tixir-
ten, genau umrissenen Elemente, ans denen sich das Bild zusammen-
setzt, sind aufzulösen, auszuscheiden, einzeln iu ihrer Entwicklung
zu untersuchen und in ihren Keimblättern bloszulegen. Die karo-
lingigche Kunst ist ein grosses Conglomerat, das eine ganze Reihe
der verschiedensten Elemente in sich aufgenommen hat. Diese Zu-
sammensetzung geschieht aber nicht erst im 9. Jahrhundert; der
Boden war nicht nur gedüngt, der Stamm war schon aufgeschossen,
der ausschlagen sollte. Es leuchtet sofort ein: geliugt es, vom 9. Jahr-
hundert rUckwürtsscbrcitcnd, das allmähliche Zuströmen der Elemente,
ihren zeitlichen Ursprung, ihre Abkunft festzustellen, so ergiebt sich
sofort auch ein neuer Gesichtspunkt für die karolingische Kunst.
Der Fortsehritt, den diese bedeutet, ist ein relativer, die Grösse des
Fortschrittes ergiebt sich eist, wenn genau constatirt werden kann,
was vor ihr auf dem Platze stand. Es ist eine Aufnahme des künst-
lerischen Kassenbestandes der Merovinger/.eit nothwendig, um die
unter den Karolingern zugeströmten Summen — nicht nur neue,
sondern auch fremde Münzsorten, reeentes et novae - - abmessen zu
4
Paul Giemen:
können. Eine solche Inventarisation (Ick künstlerischen National-
vermögens versucht die nachfolgende .Studie zu gehen. Sie hietet
keine Geschichte der mitteleuropäischen Plastik durch die vier Jahr-
hunderte hindurch, auch keine Fundchronik, sie will nur das Material
für weitere Untersuchungen zusammentragen uud zugänglich machen
und in grossen Zügen den Versuch unternehmen, die Verhiudung
der Kunst des 9. Jahrhunderts mit der Kunstthätigkeit im Zeitalter
der Völkerwanderung herzustellen und diese Periode mit der gleichen
Methode der Stilkritik zu behandeln wie die folgende.
Die Stilkritik hat es hier in erster Linie mit Ornnmentkritik
zu thun. Für die Geschichte der Ornamentik ergeben sich durch
die Verbindung der beiden künstlich getrennten Disciplincn ganz
neue Grundsätze und Gesichtspunkte und durch die gleichmütige Her-
anziehung der fremden Fachliteraturen ein unausgenutztes, fast jung-
fräuliches Material. Die glänzenden Analysen, die die karolingi-
sche Ornamentik durch Hubert Janitschek, die angelsächsische
durch Romilly Allen gefunden, finden nur um Jahrhundertc zu-
rück ihre Parallelen in den Untersuchungen von Sophns Müller
uud Oscar Montelius — zwischen beiden Gruppen liegt Brach-
land. Im vorliegenden Falle ist die Geschichte der Ornamentik nur
Mittel zum Zweck, nicht Zweck selbst und kann damit nur acces-
sorisch behandelt werden.
Die Methode der rückwärts gewandten Untersuchung war die
Neuerung, die Lindensch mit in die prähistorische Untersuchung
einführte — von seineu ersten Specinluntcrsuchuugen bis zu der
letzten Zusammenfassung hat er sie mit gleichem Erfolg ftlr die
merowingischc Zeit gchandhnbt. Nur wird die Darstellung wieder
den umgekehrten Weg einschlagen, um von dem Primitiven zu dem
Vollkommeneren vorzuschreiten. Die nordische Schule unter Wor-
saae schied nach den Materialien, die deutsche unter L inde li-
sch in it nach den Gegenständen, die aus diesem Material gefertigt.
Für die kunsthistorischc Untersuchung müssen wir einen Schritt
weitergehen und nach den Ornamenten und Darstellungen auf den
Gegenständen scheiden. Der künstlerische Gesichtspunkt, der Ge-
danke, ästhetische, auf Stilvergleichung beruhende Wertkurtheile ein-
zuführen , ist in der archäologisch - prähistorischen Forschung noch
kaum geltend gemacht worden, im Grunde genommen nur von dem
Iren George Petrie.
Die zwischen der Zeit des römisch - germanischen Stiles niid
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Merowingisrhe und karolingisihe I'lnstik.
den creteu nationalen germanischen Knnstepocb.cn vermittelnde Kunst-
thätigkeit zeigt so vcrhältnissmässig gleiehmässige Züge, dass sie
den gemeinsamen Namen des Völkerwandernngsstils erhalten
hat. Sein Ursprung führt nach Ungarn, in das Land der archäolo-
gischen Wunder, wie es Ingvald Uudset ') genannt hat. In den
Bezeichnungen der nationalen Stile vom <*>.— 8. Jahrhundert herrscht
geringere Einigkeit, llildebraud s) verwirft den Ausdruck einer
merowingisehen Kunst, der von de Lastcyric und von Linden-
sehmit gemeinsam aufgestellt worden, weil eine Cultur naeji dem
Volke, nicht nach der Kegentendynastie zu heneunen sei. Aber
auch die karolingischc Kunst, au deren Bezeichnung nicht zu rütteln
ist, verdankt ihren Namen der Dynastie. Die Bezeichnung mero-
wingische Kunst hat ihre Berechtigung, wenn sie lediglich für die
Thätigkeit der Franken während der Herrschaft der Merowingcr
angewendet w ird, und neben ihr eine burgundische, eine westgothisclie,
eine allemannisclie, eine langobardische, eine avarische Kunst an-
genommen werden. Die Namen latino -barbarisch, den Raffaele
Cattaneo3) für langobardisch , latino - byzantinisch , den Jose
Amador de los Rios4) fllr westgothisch vorgeschlagen, er-
scheinen weniger treffend, eindeutig, genau abgegrenzt. Für die
britischen Inseln wird seit Westwood und Allen eine celtische
Kunst constatirt. Die Bezeichnungen irisch und angelsächsisch sind
auch hier eindeutiger. Der Name eeltisch steht in Deutschland in
schlimmem Geruch: es erseheint angebracht, jeden Anklang an die
kaum begrabene Celtomauie, die ein grausamer Dilettantismus in
Deutschland eingeführt, zu vermeiden.
1) Ingvald Undset, Stüdes sur l'Age de hronze de la lfonprie.
Christ iania 1880, p. 5.
2) Hildebrand, Das heidnische Zeitalter in Schweden S.23. Gegi-n
den gleichen Misnbrauch des Namens wendet sich Heus?. Im an, Kinde
sur l'art jrotlii<|iic i. d. Compte-rendu de la VITT, session du coiijjrre« in-
ternational d'nntliropologie et d'archeologio prehistoriques. Budapest
1876. I, p. 501.
3) Raffaele Cattaneo, L'architettura in Italia dal «ecolo VI al
millc circa. Veuezia 1889.
4) Don Jose Amador de los Rio«, Kl arte latinobi/antinn cn
E»pafta y las Coronas visigodas de Guarrazar. Madrid 1SKI.
<> Paul Cleinen:
Die Kunst der Gothen und der Völkerwanderungen.
Das Problem einer Vülkerwandcrungskunst nud eines Völker-
wanderungsstiles ist zuerst von DcLasteyric aufgeworfen worden,
der zum erstem Male die zerstreuten Denkmale des 4.-8. Jahr-
hundert* unter einheitlichen Gesichtspunkten zu betrachten versuchte5).
Er «stellte sofort die Kunst als eine eiuhcimisehc und als geistiges
Eigcuthum der Barbaren hin, die sie auf ihren Zügen von Osten
nach Westen allmählich auf ganz Europa ausgedehnt hätten. Ihm
steht Labarte gegenüber, der den Ursprung der bedeutsamsten
Werke dieser Gattung auf Byzanz zurückführt. Nach ihm sind
alle die grossen goldenen Schmuckstücke aus deu Gräbern der
Völkenvanderuugszeit Werke byzantinischer Goldschmiede, die als
die üblichen Ncujahrsgescbenke, strenae, die auch Jorda'nes er-
wähnt, zu den germanischen Fürsten der Barbarenländcr kamen «).
Der Hypothese fehlen vor allem die monumentalen Belege: wir
haben keine Vorstellung von den byzantinischen Goldschmiedearbeiten
des 3. — ö. Jahrhunderts — fast das einzige erhaltene oder bis jetzt
bekannte Matcriel besteht aus Münzen und Bullen. Zuletzt ist die
ganze Gruppe dieser Denkmäler von de Baye behandelt worden7).
Die frühesten Funde weisen auf einen anderen Auagangspunkt
dieser Kunst als Byzanz. Die ältesten Denkmäler in der skythischen
Sammlung der Eremitage in Petersburg, der grosse Fund vou Petreosa,
der Goldfund von Xagy-Szent-Miklös stehen da in der ersten Reihe.
Schon die älteste Arbeit, das grosse kostbare Diadem der Eremitage,
das in Novo-Tscherkask am Don gefunden wurde, zeigt die Dar-
stellungen des Elenthiercs und des kaukasischen Steinbockes, beides
Thierc, die in Griechenland unbekannt waren, während sie zu. den
5) .Ford, de Lasteyrie, Iiisloire de l orfevrerie. Paris 1877, p. 56.
L'orfevreriu barbare und in »einem spater erwähnten Werke über die
Kronen von Guarrazar.
0) J. Labarte, Histoire des arts industriell* nu moyen Äge. Paris
1864. I, p. 15; Ders., Kecherclie. sur la peinture en email dans l'antiquite
et au moyen age.
7) J. de Baye, Etüde» archöologique«. 1. Epoque des invasions
barbares. Industrie anglo-saxnnne. Paris 1889. II. Industrie Longobarde.
Paris 1888; Ders., L'archeologie prehistorique (Bibl. scientifique eontempo-
l-aiiie). Paris 1888. Dazu E. Ferrari o im Anbivio storico Italiano
5. herie I, p. 361; Le moyen-Agc I, p. 152.
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Merowingische und karolingi&chc I'lAstik.
7
typischen Bewohnern des alten Scythiens gehörten 8). Der Schatz
von Petreosa steht in unmittelbarer N'ühc der llauptstüeke der
Eremitage"). Die («efässe zeigen an den Henkeln aufsteigende
Löwen, dauel>en erscheint der Adler. Dann aher tritt zum ersten
Male hier jene Gattung des Zcllenglasemails voll ausgebildet auf, — auf
kaltem Wege in die Zellen zwischen anfgelöthete, auf der scharfen
Kante stehenden (Joldbändehen eingesetzte (»lasstttckchen - die
verroteric eloisonnee, die das Charakteristikum aller dieser Uold-
schmiedearbeiten bis zum 8. Jahrhundert bildet Iüi. Diese Almau-
8) Die Krone, ward 1864 in dem Tumulus von Khokhlach bei Novo-
Tcherkask im Gebiete der Donkosaken gefunden. Vgl. Odobeseu, Cunun'u
mare d'in thesaurulu de In Novo-Cercask. Bukarest 1877. Abb. bei Ch. de
Linas. Les origincs de l'orfevreric eloisonnee. II, pl. I); Gazette des
Beaux-arts 2. per. XXV, p. 37. Die Schatze der Eremitage sind zum
grossen Thcil publicirt in den Anti<(uites du Bospliorc Cimmerien eon-
servees au musee Inipcr. de ('Eremitage. St. Petersburg 1854 u. d. Peters-
burger Compte-Kendus von 1858—1880. Ueber die ganze Gruppe dieser
Denkmäler vgl. Mac Phcrson, AiitU|iiities ol' Kerteli. London 1857;
A. Odobeseu, Antieliitati Scythiee. Bukarest 1879. Ueber die Funde
von Kertch, aus d. 4. Jh., jetzt i. d. Sammlung John Evans vgl. J. de
Baye, Les bijoux gothi<|Ucs de Kerteh i. d. Revue arehcol. 3. si't. XT,
p. 347; G. Bnpst i. Bull, de la hoc. nat. des antiquaire* de France, scance
du 2. fevrivier 1887; F. Bayern, Contribution A l'areheologie du Caucase.
Lyon 1882.
9) Histoire du travail a l'exposition universelle de l'au 1867, p. 1G3;
Neu meist er in der Archäologischen Zeitung 1872 p. 135; Bock, Der
Schatz des Westgothenkbniga Athanarich i. d. Mittheil, der K. K. Cen-
tralconuuissiou 1868, S. 105; R. Virehow, Der Goldfund von Petreosa i.
Correspbl. f. Anthropologie XVI, S. 138.
10) Ueber d. Technik vgl. am ausführlichsten De Linas und De La-
steyrie, ausserdem die. ergänzenden Bemerkungen von Lindenschmit.
Die Substanz bestand in den meisten Fallen aua dünnen Glnsblättcheu.
Solche sind nachgewiesen an den — unten zu nennenden — Waffen-
stücken von Tournay und Pouau, an dem GefÄsse von Saint-Mauricc-
en-Valais, den Kronen von Guarrazar. Charakteristisch für die merowin-
gische Goldsehuiiedekunst sind dann die ausserordentlich dünnen Gold-
blattchen iTexi er, Essai hist. et descriptif sur les argentiers et emailleurs
de Limoges i. d. Mein, de In soc. des ant. de, l'Quest 1*12, p. 92). Nur
ausnahmsweise finden für die Glasstückchen Granaten Verwendung, so
an einigen Fundstücken von Pouan (Peigue-Dclacourt, Recberches
sur le Ifeu de la bataille d'Attila p. 3) und an den Beschlagen einer Art
Börse, die 1855 zu Enverineu gefunden ward (Codi et, Sepultures gau-
loises, romaines p. 185, 268). Vgl. Ch. de Linas i. d. Revue de l'art
Paul Clc.men:
dinveraerung mit Granaten oder Glaastüekcheu kehrt dann wieder
bei dem grossen Goldrund von Nagy-Szcnt-Mikl6s ») und bei einer
chretien VIII, p. 131. Auch in den mittelalterlichen Quellen erscheint
diese Art des Glasemails so sehr als das Charakteristikum der ganzen
Goldschmiedekunst, in der sie verwendet ward, dass sie geradezu der
Kunst den Namen leihen musste. Die Kunstfertigkeit des Bischofs Eli-
gius wird von dem Mönch von S. Denis bezeichnet als gemmarii et
inclusoris subtilitas, Sugcr nennt sie opus inclusorium. Der Ausdruck
wird in den Glossaren von Jean de Genes und Guillaume le Breton, in
dem nrabo-latcinischcn Glossar von Uguecione erläutert mit: gemmas
auro concludcre, d. h. in Goldlamellen Glasstückc und Granaten einzu-
setzen. Im J. 1063 wird das Glascinail bezeichnet als olovitreus (Yepes,
Cronica de la Orden de san Benito IX. Append. fol. 461b), nach De Los
Bios, El arte bizantino en Espatla p. 149 identisch mit vidrio taraceado.
Vgl. De Linas a. a. O. p. 250. Es scheint, dass die ersten Künstler, die
an den Oestaden der Donau sich in dieser Technik versuchten — die
ersten Anlange finden sich auf der Adlerfibula des Alhanarichschatzcs
von Pctreosa - auf byzantinischen und orientalischen Einflüssen fussten,
möglicherweise auf persischen. Die bekannte Ohosroesschale in Paris
mit ihrem ausgebildeten ömail clnisnnne1 translucide legt diese Vermuthung
sehr nahe. Vgl. Longpcrier, Kxplication d'uue eonpe sas*anide inedite
i. d. Annales de l'institut archeol. de Rome XV, 1843, p. 100; Dcrs., Notice
sur quelques monuments cmaillcs du moyen Age Paris 1842 p. 13. Nach
Millet, le tresor saerr de Saint-Denys. Paris 1640. p. 129 ward die Schale
von Karl dem Kahlen geschenkt. Ein entsprechendes GefHss aus der
Walachei befindet sieh im Autikenkabinct zu Wien, l'eber den Proc««
genau Er. Bock, Kleinodien des heil. röm. Reichs S. 78; Cellini, Trat-
tato dell' Oreliceria. Mailand 1811. III, p. 41 ; Arnold Ipolyi in dem im
Aultrage der Akademie herausgegebenen grossen Prachtwerke über die
ungarische Königskrone: A magyur szent korona es koronäzäsi jelvenyek
törtenete es müleirrtsa. Dazu Szazadok 1877, p. 548.
Eür den östlichen Ursprung des Emails -- aus Asien — hat sich
auch Tischler ausgesprochen und darauf fussend überhaupt all diese
Kunstwerke der Völkerwanderung dem weiteren Osten zugewiesen (O.
Tischler, Beitr. zur Geschichte des Sporns, sowie des vor- und nach-
römischen Emails: Mitteilungen d. Centralcoininission XIX, S. 162; Ders.,
Korrespondenzblatt d. deutschen Ges. f. Anthropologie XX, S. 194).
11) Josef Hampel, Der Goldfund von Nagy-Szent-Miklös i. d.
Ungarischen Revue V, S. 161, 598; VI. S. 433, 637; dazu Repertor. XI,
S. 173. Er ward 1799 am Ufer d. Aranykn gefunden. Vgl. Schönwisscr,
Notieia Hungaricac rei numinnriae. Budapest 1801, p. XLII: Hajdan es
Jelen 1847 IV/V, 4; Römer i. d. Archaeologiai Közlemenyek V, 1865, p. 131;
A magyar tözteneti ötvösinü-khillitas laystroma 1884. Die Inschrift bei
Dietrich, Runeninschriften eines gothischen Stammes a\if den Gold-
gelassen des Banater Fundes i. d. Germania XI, S. 177.
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Mcrowingische und karolingische Plastik.
ganzen Fülle von grösseren on<l kleineren ungarischen Fanden, vor
allem aus den Grabfeldern von Ordäs1*), Szeged-Octhalom ,J), Nagy-
falu u) und den von Wilhelm Lipp aufgedeckten Grabfeldcrn am
Plattensee, zu Keszthely, Dobogö, Pahök nnd Fenek x% zu Szilägy
Somlyo 16). Die bedeutendsten Stücke vereinigt jetzt das ungarische
National museum zu Budapest. Ausser der verroteric cloisonnce mit
(ilasschmuck und Damascirung finden sich eine Reihe von Thieren
als Ornamentniotive, eine Art Hund, Hirsche, Widder — und dann
als Entlehnung der hockende und kauernde Greif. Die ältesten
12) Tergina im Archaeologiai Ertesitö XIV, p. 336.
13) Varazseji im Archaeologiai Ertesitö XIV, p. 32.*).
14) J. Hampel ebenda N. F. I, p. 156.
15) Die ausgedehnten Orabfelder wurden nacheinander von dem
würdigen Pramonstratcnserniönch Willlelm Lipp geöffnet und in ausführ-
licher Beschreibung, leider mit ungenügendem Vergleichsinaterial, publi-
cirt. Vgl. W. Lipp, Die Gräberfelder von Keszthely i. d. Ungarischen
Revue I, 429; VI, S. 1; VII, S. 251, 314; Der», i. Correspondenzbl. des
Gcsammtver. d. deutsch. Gesehlchtevereine XXXIII, S. «1; über das Grab-
fcld von Dobogö ebenda II, S. 523; Ders., Die Metallarbeit in Pannonien
im Zeitalter der Völkerwanderung i. d. Ungarischen Revue IV, S. 259.
Vgl. auch den Bericht i. d. Archaeologiai Közlemenyek III, p. 37. Di«
kleineren Funde sind leider ziemlich zerstreut, im Besitz des Herrn
Ar päd Chak zu Keszthely, im Museum zu Steinamanger, im Eisen-
burger Comitatsmuscum und in der gräflichen Bibliothek zu Keszthely.
Ks befinden sich in der Umgegend noch weitere Grabfelder, die noch
nicht geöffnet worden, alle in der Nähe des Badeorte« Heviz. Vgl. auch
W. Lipp, A Keszthely i Sirmezök. Kiadja a Magyar tud. Akademia
archaeologiai bizottsäga. Budapest 18.H4. Nach den gefundenen Bronze-
münzen gehören die Schmuckstücke vom Plattensee der 2. Hälfte des
4. Jh. an und können weder viel jünger noch aller sein als die Regie-
rung Gratians und Valentinians III. Auf Grund der Ausgrabungen von
Keszthely verbindet Fligier (Ueber die Herkunft der Sarmaten i. Archiv
f. Anthropologie XVIII, S. 302) Mülleuhoffs Darstellung der Skythen als
Germanen mit der Neuina uns als Mongolen und sucht sie als germani-
sches Volk mit zahlreichen uraltaisehen Kiemeuten darzustellen. Gegen
die. ganz unwissenschaftliche Arbeit von .loh. Fressl, Die Skythcn-
Saken, die Urvater der Germanen. München 18«5 (Dazu Philolog. Wochen-
schrift VI, S. 1310; Ausland XLIX, S. 979) vgl. Fr. Soltau, Zur Erklä-
rung der Sprache des Volkes der Skythen. Berlin 1N86.
16) F. v. Pulzky, Studien über Denkmäler der Völkerwanderungs-
zeit: Ungarische Revue IX, S. 465, 721. Ders. i. d. histor. Abhandlung
der ungar. Akademie XIV', 1. Ueber den Fund von O-Szöny vgl. Br.
Bücher, Bromscschinuck aus der Völkerwanderongsperiode: Zcitschr. f.
christliche Kunst 1891, S. 227.
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in
Paul Clcmen:
dnreh Münzen ilatirbaren Funde von Osztröpataka ,7) gehören BCDOO
«lein Jahrhundert an, der Schatz von Nagy-Szent-Miklös befand
«ich bereits im 5. Jahrhundert im Besitz der Gepidenfüreten Bouela
Fig. 1. Schale von Nagy-Szent-Miklös.
und Boutuoul (Fig. I und 2 nach Ilnmpcli. Er hat den Namen
.Sehatz des Attila erhalten *■), wie der Fund von Petreosa mit dem
Namen des 381 gestorbenen (Jothenki'migs Athanarieh verbunden
17) Archaeolögiai Kbzlemenyek V, |». 11.
18) Schon Franz Pnlszky, Vorhistor. und andere Funde, Vortrag
•roh. am 16. Juni 1878 in d. öffentl. Gesaniiiitsit/ung d. Ungar. Akademie,
wies ihn zuerst den Hannen zu. Sa la man hat in einer Studie, über
die Residenz Attilas in Szäzadok (Jahrhunderte) 1881. p. 1— 3'J es wahr-
scheinlich gemacht, das« diese in der Nähe des heutigen Szeged gelegen
hat. Ungar. Revue VI, S. 480. In einem Aulsatze von Kol. Thaly über
alte ungar. Kunstgegeiistände im Besitz der Magnatenfamilien in Szäza-
dok XX, 1886, ji. 1 wird der Schild Attilas von Stahl erwähnt, zuletzt in
der Schatzkammer der liäköczy zu Säros-Petak, seitdem verschollen.
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Mcrowingisehc und karolingische Plastik.
II
worden ist. Dem Ungarn Josef Hampel gebührt das Verdienst,
die These De L a s t e y r i e's aufgegriffen und zu einem gewissen
Abschluss gebracht zu haben ,a). Der Urspungspuukt dieses eigeo-
thümlichen Stile« ist der Osten , aber nicht Byzanz , sondern .
die Landschaften nördlich dos Schwarzen Meereg. Von hier
gehen die beiden grossen Strömungen der Völkerwanderungs-
kunst aus, die nördliche, welche von den Gothenstämmen getragen
wird, die ans ihren Sitzen im nördlichen Skythien direkt nach Westen
wanderten, ausserdem von den Langobarden und Franken, und die
südliehe, die* eine zweimalige Einwirkung der antiken Traditionen
erfährt, erst an den Gestaden der Ostsee durch römische Haudels-
waaren, das zweite Mal an den Sitzen am Schwarzen Meer, wohin
die Gothen nach ihrer Wanderung nach Norden zurückgekehrt waren.
Die Entstehung des gemeinschaftlichen skythischen Stiles als eines
ornamentalen Stiles, in der Zone zwischen Dnjcpr und Prath würde
nach De Lasteyrie und Hampel übereinstimmend vor dem Eintritt
der Völkerwanderung anzusetzen sein. Als die eigentlichen Träger des
Stiles sind durch Heuszlmau die Gothen hingestellt worden
und seit die Figuren von Yeela in Spanien als gothisehe Arbeiten
anerkannt worden*1), ist die Ausdehnung ihrer Kunstthätigkcit bis
19) Zuerst in ' Mütörtcnetünk es az ötvösmütarlat' in Budapesti
Szemle 1885, Aug., worin er noch Ungarn als das Land der Stilvcrmcn-
gung hinstellte, dann in .Die hauptsächlichsten Kunstströmungen der
Völkerwauderuugszeit* i. d. Ungarischen Revue VI, S. G37.
20) Henszlman handelte zuerst Uber die Gothenkunst im Album
der Wiener Aniatcurnusstcllung 1873, dann in TamulniAnyok a göthok
tnüveszeteröl. Budapest 187 t; Zur Kunst der Gothen i. d. Mittheil. d.
K. K. Centralcommission XIX, S. 128. — Endlich Henszlman, l'Age du
t'er, etudo sur l'art gothique i. d. Congres international d'antbropologie
et darchäologie prehistoriques. Compte-rendu de In VIII. session. Buda-
pest 1876. I, p. Wl.
21) Die 15 Statuen — alle eil face, in reicher Tracht, mit hohen
Mützen und geflochtenen Zopten - die Arme, anliegend, in den Händen
aui Gürtel ein Getltss haltend — erschienen 1873 auf der Weltausstellung
von Paris. Vgl. Memoria sobre les notables esenvaciones heihas en el
Terro delos Santos pobblicada par los P. P. Escolapios de Yecla. Madrid
1871. Drei Ähnliche Figuren wurden bei Bamberg gefunden (Linden-
schmit, Die Altcrthümer unserer heidnischen Vorzelt II, II. II, Tat", 5).
Ein solches Gefass halt die sitzende Frauengestalt auf der grossen Schate
aus dem Schatze von Petreosa in Händen (Mittheil. d. Centralcomntission
XIII, S. 108, Fig. 2), endlich findet sich eine ganz gleiche Gestalt als Griff
12
Paul Giemen:
in die spanische Halbinsel nachgewiesen Die ganze Kunst ist
von Anfang an tlnrolisct/.t mit klassischen Keminiscenzen, die an-
tike Mythologie findet überall, nur völlig unverstanden, ihre Stelle
— am reichsten in den Werken der südlichen Gruppe. Die grossen
Praehtgefässe von Nagy-Szent-Miklos «) (Fig. 2) und die Goldplatten
von Fenek'1) mit den Darstellungen der Jahreszeiten: das sind Werke,
die sieh direkt an die griechischen Arbeiten des 4. Jahrhunderts
vom Pont us anschlicsscu. Ebenso stammen eine Reihe vod Thier-
figuren, vor allem Lowe und Greif, ans der Zeit des Aufenthalts
der Gothen am Dniester und Dnjcpr — sie sind dort ' noch an Ort
und Stelle in derselben barbarischen Ueberarbeitung im Dolgaia
Moguila, im Tolstaia Moguila und im Kurgan von Krasnokutsk be-
kannt geworden *ft). Eine Reihe anderer Objekte zeigt sodann bar-
barische Darstellungen, die den griechischen Vorbildern schon ferner
stehen, so vor allem die Helicfsilbersehale ans Kertseh in der Samm-
lung des Graten Stroganoff **) mit der Abbildung eines zechen-
den gothischen Hochzeitspaares, zweier Mälnner, die ein Schwein
abstechen — daneben aber als antike Tradition Zeus — und eine
Silberhydria und ein Silbereimer mit Hcliefdarstellungen in der
skythischen Sammlung der Eremitage -''). Die Kostüme der Krieger
.-in einem Mcrm t im Mn-cum zu Kopenhagen (Worsiiac, Nordiske oldsa-
gcr pl. XXXV, Fig. 1G6; Lubbnck. Prehistorik tiiues. London 1869. p. 34.
Dieser Brauch des Get'asses am Gürtel ist aber ein nachweisbar
gothischer und stammt aus dein südlichen Skythicn. So schon Herodot
IV, c. 8. Aber auch spater berichtet Kubriquis, der 1253 von Köllig
Ludwig v. Frank reich an den Hof des tartarischen Grosskhans geschickt
wird: Couiani faciunt magnum tuniulum et erigunt ei statuarn versa
t'aeie ad oricntein, tenentem eiphum ad nmbilicum (Recucil de voyages
et de memoire*. Pari« 1839. IV", p. 237). Achnlichc Figuren noch jetzt
dort vorhanden (I)ubois, Voyagc au Caucase. Neuehätel 1839. Serie
d'areheologie pl. 31).
22) Die Vermuthung war schon l'rüher, nur unbegründet ausge-
sprochen worden von Fr. Bork, Die Kleinodien d. Ii. röm. Reichs S. ITH;
De Lnsteyric, Description du tresor de Guarrazar p 3."1.
•23) Ungarische lievue VI, S. 473.
•24) Ungarische lievue IX, S. 172. 173.
•25) Kectieil d'antiquitcs de la Scythie. pl. III, IV, XXIV, XXV.
2li) Gerhard i. d. Archäologischen Zeitung 1843, Nr. 10.
27) Koehnc i. d. Memoire* de In socicte d'archeo). de St. Petcrs-
hourg I, p. 1 -C»i; Antiquitrts du Bosphore Cimmericn. Atlas pl. XXXIX,
XL-XLI1, Text I, p. 251, 2K6.
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Merowingische und karolingische Plastik. 13
auf den grossen Vasen und Gcfässen von Nagy-Szent-Miklos sind
zum Tbeil ausgesprochen gothiscfi. Alle diese grossen Prachtstücke
enthalten neben einander orientalische Reminiscenzen in einer Reihe
von Thierdarstcllnngen, klassisch-griechische Einflüsse in deu tigür-
Vig. 2. PrachtgefUss von Nagy-Szent-Miklös.
liehen Darstellungen und einheimisch gothischc» Erbtheil in den
Ornamentmotiven , die aber wiederum mit klassischen vermischt
werden *•).
2X> In einem JiJinliclirn Vei-hHitniss zur griechischen Kunst stehen
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u
Paul Giemen:
Als sicheres Resultat — zumeist die wissenschaftliche That
Josef Ha in p eis — kann angenommen werden eine Periode des
skythischen Stiles, der Urform und des Ausgangspunktes der ver-
schiedenen nationalen Völkcrwandcrnngsstile vom Ende des 2. bis
Anfang des 4. Jahrhunderts und eine Periode des gothischeu Stiles
im 4. und 5. Jahrhundert. An diese Bllltbezcit der Goldschmiede-
kunst im Osten Europas schlicsst sich auf dem gleichen ßoden eine
Zeit vom 6. bis 9. Jahrhundert, die nach dem Vorgange Franz
Pulszkys als avarische Periode bezeichnet wird»"), und diese
die durchweg weit älteren Broueegegenstünde der liallstattperiode, die. hier
eine interessante Parallele bieten. Diese grossgedachten Illustrationen
des Lebens der prähistorischen Zeit sind erst neuerdings als kultur-
historische Quelle ersten Ranges gewürdigt worden (Julius Naue, Die
figürlichen Darstellungen auf Gürtelblechen und Situlen aus der Hall-
stattperiode i. d. Jahrb. d. Ver. v. Alterthumsfr. i. Rheinlande LXXXII, 1).
Ueber die Situlae von Bologna und Watsch vgl. Zannoni, Gli seavi della
Certosa. Bologna 187ü; Graf Gun daker ■ Wurmbrand i. d. Mittheil. d.
Anthrop. Gesellseh. in Wien XIV, 1884, 2. u.8. Heft. Ueber ähnliche Funde:
A. B. Meyer, Gurina im Obergailthal (Karnthen). Dresden 1885. Ich
halte die griechische Entlehnung noch für bedeutender als dies Naue
thut. Auf dein Bronzeeimer von Bologna ist die 1. und 4. Reihe reine
Kopie, die Krieger sind fast überall den Vasenbildern entlehnt; eigene
ursprüngliche Schöpfungen sind dagegen die Darstellungen aus dem
bürgerlichen Leben, besonders die Manner mit den breitkrilnipigen Jesuiten-
hüten. Der Fund im .llunnengrabe" zu Merseburg (B. Dorow, Altes
Grab eines Heerführers unter Attila, entdeckt am 18. April 1750 bei Merse-
burg. Halle 1832) kann nicht zu den gothischeu oder avarischeu Denk-
malern gerechnet werden; die Zeichnungen auf den Seitenwänden der
Steinkiste sind wahrscheinlich slaviscben Ursprungs (v. Ledebur,
Allgeni. Archiv für d. Geschichtskunde des preussischen Staates XI, S. 88).
Auch die Figuren auf den Broncewagen von Peccatel (Jahrb. d.
Ver. f. mecklenburg. Gesch. XXV, S. 372), Frankfurt a. d. Oder (Mecklen-
burg. Aich. XVI, S. 261), Judenbnrg (John Mitchell Kemble, On some
remarkable sepulchral objects i. d. Archaeologia XXXVI, p. 349) in Mr.
Payne Knights Collection in London (ebenda pl. 27, 1) dürfen nicht in
den Kreis dieser prähistorischen Illustrationen gezogen werden, da die
Arbeiten durchweg etruskischen Urspruugs sind. Vgl. Lindenschmit,
Altcrthümer unserer heldn. Vorzeit II, Heft 3; Raffaele Garrucci, Re-
marks on a brouze object found at Lucerna i. d. Archaeologia XLI, p. 275;
Onofrio Bonghi i. Bull, de linst, de correspondauce archeologique
1830, p. 15.
29) Franz Pulszky, Von den ungarländisehen Funden der Avarcn-
zeit i. d. Abhandlungen der 2. Classe d. Ungar. Akademie 1874. Bd. III,
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Merowingische und knrolingische Plastik.
15
findet endlich ihre Fortsetzung nnd ihren Abschlug* in der 4. Periode,
dem Zeitalter der ungarischen Heidenzeit30), vom 9. bis 11. Jahr-
huudert, mit den Fanden aus Vereb, der Puszta Bene. Pilin. Cson-
gräd, Szolyva.
Der Begriff der gothischen Kunst ist selbstverständlich mit
Reserve aufzunehmen er ist zu einem geringen Theile auch
Sammelname für die Kunstthärigkeit einer Reihe anderer Stämme:
nur ist der gothische der weitaus dominirende.
Gleichzeitig lebten und arbeiteten aber in den Flussniederungen
des gothischen Gebietes die Jazygcn und Daken und im Norden
Gennauen, die, unberührt von Wimischer Kunst, noch zum Theil in
der la Teuc-Cultur lebten.
Neben den grossen goldenen und sillternen Praehtgcfässen, für
die griechische Bilder in Fülle vorlagen, enthalten die Grabfelder
des Zeitalters der gothischen Kunst aber auch eine Reihe von Gegen-
ständen für das häusliche und kriegerische Leben ihrer Besitzer,
Gebrauchs- und Schmuckgegenstände, für die keine griechischen
Vorbilder vorlagen und deren Form schon in der germanischen
Uebcrlieferung gegeben war. Es sind dies vor allem Fibeln, Schwcrt-
griffc, Schildbuckel. Hier konnte die Stammesornamentik zuerst
Platz greifen, hier gerieth sie in Kampf mit der griechischen Or-
namentik. Der Schildbuckel von Herpäly im Nationalmuseum zu
Budapest 31 ) — von einer Form, die für das erste Eisenalter typisch
ist, zeigt an dem unteren cylindrischen Theile Verzierungen durch
eine Reihe von Seepferdchen, die ganz der griechischen Kunst vom
Nr. VII; Der*., A magyarorHzagy avar leletekriil 1874. Eine Uebersicht
der Denkmäler von Hcnszlman in MagyarorszAgi Regeszeti Emlekek
II, 2. 1875 und in F. Römer'« Illustr. Führer i. d. Münz- und Alterthums-
abtheilung d. Ungar. Nationalmuseums. Budapest 1873. Vgl. auch Erdy
Janos, Regisegtani Közlemenyek. Budapest 1858.
30) Eh .sind zumal Funde von Kleider- und Riemenverzierungen.
Die Münzbcilagcn boten hier eine Handhabe zur genaueren Datirung.
Zusammenstellungen der für diese Periode in Betracht kommenden Funde
von VarAzseji im Archacologiai Ertesitö XIV, p. 331, ebenda N. F. III, p. lfiO.
Die im NationalmuRcum aufbewahrten Funde in Römer's Führer. Der
Fund von Pilin i. d. Archaeotogiai Közlemenyek IX, 1873. Zusammen-
fassende Darstellung: Franz Pulszky, Nehany magyarorszagi ösmagyar
leletrol i. d. Akademischen Jahrbüchern XVI, 1878. Vgl. auch Catalogue
de l'exposirton prebiHtoriquc. Budapest 1876. p. 148.
31) Ungarische Revue VI. S. tißö.
IG
Paul Clemftn:
Pontus angehören, daneben aber ani unteren flachen Rande ein
Zangenmotiv mit Perlenverzierung, das ganz speciell Eigenthnm
der gothischen Zeit ist und beispielsweise an dem Grabmal des
Theodnrich zu Ravenna wiederkehrt. Dann kommen vor allem zwei
Funde des 5. Jahrhunderts in Betracht, der Fund von Apahida »*)
und der Fund von Vettcrsfeldo S9). Der letztere , der von F n r t-
wängler noch als eine griechische Arbeit vom Norden des Schwarzen
Meeres angesehen worden, muss jetzt, zumal nach den Ausgrabungen
an den Cfcrn des Plattensees, gleichfalls der gothischen Kunst zu-
gewiesen werden. Es finden sich nun hier eine Reihe von Oraa-
mentmotiven, die auf den gemeinsamen Ornamentenschatz der ger-
manischen Völker zurückgehen, und die sich gleichzeitig in anderen
mitteleuropäischen Schöpfungen aus dem Gebiete der Metallurgie
vorfinden.
Es ist hier ein Ausblick auf die Geschichte der Ornamentik
und ein kurzer Ueberblick Ober die letzten wissenschaftlichen Unter-
suchungen noth wendig. Die Theorie Itnmpcls läuft darauf hinaus,
dass die eine Hälfte der am Sehwarzen Meer Hesshaften und dort tech-
nisch gebildeten Völkerschaften nach Norden gezogen und dort am
Gestade der Ostsee die römische Kunst, d. Ii. die römische Im-
portkunst kennen lernte, um mit diesem doppelten fremden Erb-
thcil dann den Weg nach Südwesten anzutreten.
Die ältere Theorie der Skandinavier, das durch Thomsen
eingeführte, durch Worsaae begründete Dreiperiodensystem —
Stein-, Bronze-, Eisenzeit — das durch die Einführung dreier ver-
schiedener Völker als Trager dieser Cnlturen gestützt wurde, ist
durch die deutschen Untersuchungen, zumal die Lindeusch mits,
bedeuklich erschüttert worden. Für Mitteleuropa seihst liUwt sieh
mit Genauigkeit nur von einer Steinzeit und einer Metallzcit reden
— für den skandinavischen Norden und die Ostseeländer hat die
Einführung zweier oder dreier verschiedener Eisenzeitaltcr eine ge-
wisse Richtigkeit. Für die kunstgcschichtlichc Behandlung des
32) Final y Henrik, Az Apahidai lelct im Archacologini F.rtcsitö
IX, 1889, p. 306; Dcrs., i. d. Ungarischen Revue X, 1890, I, S. 7ßl. Finaly
erklärt den Fund als Hort der Gepiden, die /.wischen 450—550 in Dacien
sassen, um das ,1. 480 u. d. Werk eines halb römischen Künstlers.
33) A. Furtwitnglcr, Der Goldfund von Vettersfelde. Winckcl-
mannsprogramm der archäologischen Gesellschaft zu Berlin 1883. Gegen
die zu frtlhe Datimng Vo«s i. d. Zs. für Ethnologie XV. S. 487.
Merowingische und karolingische Plastik.
17
1. Jahrtansend ist die ganze, scharf zugespitzte Streitfrage von ge-
ringer Bedeutung: das Massgebende ist für sie der Wandel der
Formen, das Material kommt nur in sofern in Betracht, als es durch
seine Zusammensetzung und sein Verhalten gegenüber den Werk-
zeugen die Technik beeiuflusste und damit eine Veränderung oder
Bereicherung der Formenwclt hervorrief. Es ist die jüngere Eisen-
zeit, die hier noch in die Ornamentik der Völkenvandernngszcit
hineinspiclt.
Nach den letzten Untersuchungen von Undset*4) nimmt die
1. Hälfte des jüngeren Eiseualters etwa die Zeit vom 4. bis 8. Jahr-
hundert ein.
34) Iugvald Undsct, Das erste Auftreten des Eisens in Nord-
europa; Der»., Mindre bidrng om de» yngre Jernaldor i Norgo i. d. Aar-
boger for nordisk Oldkyndighed oeli historie 1889. 2. raekke. IV, p. 291.
lieber die frühere Umgrenzung der Perioden vgl. J. J. A. Worsaae,
Nordens Forhistorie. Kopenhagen 1881. p. 112; Montelius i. d. Kongl.
Vitterhet* historie och antiquitets akadeuiiens Mftnadsblad 1880, N. 103,
104. Vgl. George Stephen* i. d. Aarboger for nordisk oldkyndighed
och historie 1883, p. 320; 1884, p. 1. Ders. i. d. (Kopenhagener) Memoire«
de la societe, royale des antiquaircs du Nord. nonv. »er 1882/3, p. 289 in
seiner ausserordentlich werthvollen Besprechung von Sophus Bugge,
Studier over de nordiske Gndeog Tleltesagns Oprindelse. Christiania 1881.
Eine vollständige Uebersicht über die verschiedenen Streitfragen in Betreff
der Datirung, interessant durch die Ansiltze zu einer vergleichenden
Ornanientkunde, bei J. J. A. Worsaae, Fra Stecn-og Bronzealderen i
den gamle og den nye Verden in denselben Aarboger 1879, p. 249; Ders.
i. d. Meiuoires de la soc. roy. des antiquairew du Nord 1880, p. 1, 31.
Am einfachsten und einleuchtendsten erscheint die Periodentheilung bei
0. Montelius, Die Kultur Schwedens in vorchristlicher Zeit. Berlin 1885.
S. 75. Darnach: Aeltcrc Eisenzeit, 1. Hälfte 5. Jh. n. Chr. — 1. 2. H.
1. — 5. Jh. n. Chr., Jüngere Eisenzeit 1. H. 5.-8. Jh., 2. H. 8.-11. Jh.
Ueber die Schwierigkeiten und Probleme der zeitlichen Abgrenzung der
vorhergehenden Bronzeperiode vgl. 0. Montelius, Om tidsbcstUmning
inom bronsftldern med sftrskildt anwende pft Skandinavien i. d. Vitterh.
Hist. och Antiqu. Akad. Handlingar X, Stockholm 1885. Die sechs Einzel-
perioden hier von 1500 — 400 v. Chr. gerechnet. Eine klare Uebersicht
über die Entwickhing der Ansichten über die Periodisirong geben zwei
methodologische Arbeiten, S. Müller, Nordens forhistoriske archaenlogi
1888/4 i. d. Nordisk tidsskrift VIII, p. 1Ö3, besonders über den Gegen-
satz von historischer und typologischer, speciell in Schweden betriebener
Methode, und eine auch stilistisch glänzende Rede E. Vedels, Tale ved
Oldskriltsselskabets Jubilaeunisfest 188.
Jnhrl». «1. Ver. v. Alt*rtli*fr. im Klmlnl. XCII. 2
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18
Paul Clemen:
Der Hanptschatz an omanicntalem Wissen war in der llaupt-
periode der Bronzeprodnktion im nördlichen Kuropa und zumal in
Brow.cwerken niedergelegt worden. Das ist der {•■rosse Fond, mit
dem in der Folgezeit bis zur Völkerwanderung weiter gewirthschaftet
wird. Nun ist von Montclius s5) vor allem ein Motiv als cliarak
teristisch für diese Kunstthsitigkcit nachgewiesen worden: die Spirale,
Fig. 3. Typische Können der Spirale in der Bronzezeit.
in der Form der echten »Spirale, der falschen Spirale und der
offenen, zur Hälfte abgebrochenen Spirale (Fig. '.)). Diese Spirale
findet ihre eigentliche Heimath im Norden Europas, in Skandinavien315)
35) Oscar Montclius, Oin den nnrdiskn bronsAldcm» Ornamentik
och des» bctvdelse tor frAgan oin periodens indelning i. Kongl. Vittor-
hets Historie och Antiquitets Akademien* MAnadshlad 1881, p. 17. In
104 Figuren wird die Kntwiekelnng der einzelnen Motive gegeben. Dazu
(». Tischler, lieber die Dekoration der alten Bronzegeritthc i. d. Mittheil,
d. anthropol. Gesellschaft in Wien. N. F. D, 188.5.
3«) Ich führe nur einige Beispiele an, die für die Verwendung des
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Merowingische und karolingischo Plastik.
I!»
und England vor allem auf einer Reihe von Prachtstücken des
ktfnigl. Musennis in Kopenhagen und auf den älteren englischen
Motivs in ganzen Gruppen charakteristisch sind. Die Spiralen in gerader
Fiucht aneinandergereiht: J. .1. A. Worsaae, Afbildninger da det Kon-
gelige Museum for nordisko oldsager. Kopenhagen 1854. pl. 43, (ig. 172;
O. Montelius, Die Kultur .Schwedens in vorchristlicher Zeit S. 44; Atlas
for norsk oldkvndighed t'remstillenrle priiver l'ra Bronzealderen og frn
Jernalderen. Kopenliagen 1857. pl. I, 5. Dann die Spiralen im Kreise in
sich selbst zurücklaufend (A. 1'. Madsen, Afbildninger af danske old-
sager og mindosmaorker Kopenhagen 1876. I, pl. III, Fig. 3>>; Svenska
Fornininnesföreningeus tidskrift IV, p. 283; AntiquitoLs Akademien* Ma-
nadsblad 1878, p. fi91). Mehrere Kreise von Spiralen eoncentrisoh inoin-
andergestellt Atlas for norsk oldkvndighed pl. VI, Fig. 5, <>; (Kopenha-
gener) Antiquarisk Tidskrift 18G1/63, p. 27. Ich möchte noch auf eine
Vorfonn der Spiralen aufmerksam machen, die an britischen Bronzocelton
sich findet, erst 4 concontrische Kreise auf einem Stab als Krönung,
dann diese mit jenem zu einer Spirale verbunden. Proben: Archaeol.
journal XV, p. 158; XVIII, p. 157; Journ. of the Brit. arch. assoc. XV,
pl. 24, p. 23C; Chantre, l'Agc du bron/.e II, p. 284, llg. 81; Memoire* des
anti«|uaires du Nord 1872—77, p. 115; Archaeologia XXX, p. 191; Proceo-
dings of the soc. of antiqu. of Scotland I, p. HM»; II, p. 101; Kern hie,
Hörne feraies, ]». 4, 5, (ig. 20, 24.
37) lieber das Verhilltniss der Motive in den beiden Ländern zu
einander vgl. J. J. A. Worsaae, The primaeval architecture of Donmark.
London 1849. p. 40 und J. B. Waring, Stoue inonuments, tuinuli and
ornament of remote ages. London 1870, pl. !M5. Die britischen Schilde
vor allem bei O. Bush Meyrick, Description of two ancient British
shields, prese.rved in the Armoury at Goodrich Court, Hertfordshire i. d.
Archaeologia XXTII, p. 92. Nur scheint die Datirung unrichtig — ich
möchte sie in das 4. Jh. n. Chr. setzen. Vgl. über den Schild aus dem
Flusse Witham auch John M. Kemble, Horao feralos or studies in the
archaeology of the northern nations. London 1863. pl. XIV, p. 190. F.in
ähnlicher in der Themse gefundener i. Archaeological journal VI, p. 407.
Sehr interessant ist dann das gleichzeitige Vorkommen des Motive* auf
Steinarbeiten. So auf einem merkwürdigen Steinball ans Towie, Abcr-
decnshirc bei John Evans. The ancient stone implements, wcapous and
Ornaments of Great Britain. London 1872. p. 376, flg. .'152 und Procee-
dings of the society of autiquaries of Scotland III, p. 439. J.Y. Simpson,
On ancient sculpturiugs of cups and conccntric rings on stoues and
rooks in various parts of Scotland i. dens. Proceedings. VI, ]>. 1, pl. 29
weist den Gebrauch der Spirale schon auf den tumulis von New Grange
und Dowth, Irland nach. In Deutschland findet sich das Motiv nur aus-
nahmsweise, so in einigen Brouzediadeinen (Schröteler, Fridorico-
Franciscaneum Tal. 10, 5; 32, 2; von Estorf, Heidnische Alterthümer
Taf. 11, Fig. 5).
L>0
Paul Clemen:
Sckildbnckeln — sie bildet da« Charakteristikum fltr den schmalen
Streifen im Osten des cultivirtcn Europa? von der Ostsee bis nach
Ungarn SR) — während sie in Frankreich und Deutschland nur ver-
hültuissnifissig selten gefunden wird. Ihre natürliche Weiterbildung
fand sie aber vor allem in Irland und Wales Ä9). Hier hielt sie sieh
zunächst länger, weil sie nicht wie in Skandinavien dnreh den
römisch - germanischen Stil abgelöst und verdrängt wurde — und
dann lebte sie im 7. und 8. Jahrhundert in der Gnldschmicdeknnst
und der Buchmalerei wieder auf. Die Spirale ist das eine natio-
nale Hauptmotiv der verwickelten irischen Ornamentik.
Der Schatz der germanisch - römischen Ornamentik an Thier-
motiven ist durch die Untersuchungen von Sophns M Aller klar-
gestellt worden *°). Der Uebergang von der Linienornamentik zur
Thicroruainentik fällt in diese germauisch-römisehe Zeit. Die Thier-
figuren sondern sich in zwei Gruppen, eine, die die Bekanntschaft
mit der römischen Kunst voraussetzt — so die missverstandenen
Hippokampen, Seeböckc, Schlangen und sogar Centauren u) — und
38) Als Beispiel mag der den nordischen Schildbuckeln ganz ent-
sprechende Schwertknopf im Nationalmnscum zu Budapest dienen (Compte
rendu du congres d'archeolngie et d'anthropologie prehistor. de Stock-
holm p. 901 f. Eine ganze Fülle von Beispielen bei Josef H a m p e 1 ,
Altert Immer der Bronzezeit in Ungarn. Budapest 1890. TU. 82, 84, 85;
Archaeologiai Közlemenyek XTTI, p. 40.
39) Es ist dies vor allem in der grundlegenden Studie von J. O.
Westwood, On the distinetivo character of the various styles of orna-
mentation employcd by the early British, Angln-Saxon and Trish artists
im Archaeological journal X, p. 275 nachgewiesen worden.
40) Sophus Müller, Dyreornamentiken t Norden, deus oprindelse.
udvikling og forhold til samtidige stilartei*. Kopenhagen 1880. Deutsche
Ausg. v. J. Mestorf.
41) J. C. Engelhardt, Thorsbjerg Mosefund. pl. 7, 7; lt, 47. Die.
Kieler Platte mit den Hippokampen publ. i. d. Mecklenburgischen Jahr-
büchern 1870, pl. I, 5. Sehr interessant sind in dieser Beziehung die Figuren
auf den Bechern von Vallöby und Himlingüic, und den Goldhömcrn ans
Gallchus (Südjütland), Abb. i. Atlas for norsk oldkyndighed fremstillende
pröver fra Bronzenideren og fra Jernaltleren. Kopenhagen 1857. pl. 18,
14, 15. Sie enthalten, das eine in 7, das audere in 5 Streifen in hohem
Relief eine ganze Reihe von Darstellungen von Männern auf der Jagd
und allerlei Fabelwesen, Menschen mit Thierköpfen, mit 3 Häuptern,
endlich auch Centauren. Die Runeninschrift Echlev og OBtir huntingor
hunio tuo \igilm. die Iluiitinguer I'.ohlcv und Astyr weihten diese Horner
Merowingischc und karolingtsche Plastik.
eiue, die durchaus aus Nensehöpfungen besteht, nur Thierköpfe von
zoologisch nicht bestimmbarem Charakter mit Augen und Schnabel **)
in drei verschiedenen Typen. Die Ornamentik der Völkerwande-
rungszeit bringt eine dritte Aufnahme von Thiermotiven — in der
Kunst der an das Schwarze Meer zurückgekehrten Gotheu — das
sind die bereits erwähnten Motive des Löwen und des Greifen.
Alle drei Gruppen sind aber fast streng geschieden. Die älteste,
die der römischen Arbeiten, wird verhältnissmassig rasch ausge-
stossen, sie wird zum Theil ersetzt durch die dritte. Diese aber
bleibt in der Verwendung wie der Behmidlungsweise durchaus ge-
schieden vou der zweiten — die den fremden Vorbildern entlehnten
Thicrc werden fast immer selbständig, als ganze Gestalten dar-
gestellt, fast nie aufgelöst, wahrend aus den Ausätzen der drei ger-
manischen Typen die ganze Üppige Thieroruameutik sich entwickelt,
deren Hauptcharakteristicuro Trennung der einzelnen Partien, Kopf,
Rumpf, Gliedmassen und zuletzt eine vollständige Auflösung der-
selben ist 4S). Die linearen Elemente sind zurückgedrängt, nur die
häutige Anwendung vorspringender Nagelknöpfe als Nachbildung
des Filigran oder Drahtwerkes ist geblieben 11 ). Das ornamentale
(Annaler for nordisk oldkyndighed og historie 1853, p. 141; 1855, p. 317),
gestattet eine genauere Festsetzung: das Idioiu ist Münsk tunga*, das
älteste Dänisch, nur der 1. Name ist im angelsächsischen Dialekt.
42) Soph. M Ulier, Dyreornnuientiken p. 31 und die Litt, in Anm. 1.
43) Die glänzendste Charakteristik des Stiles giebt Sophus Müller.
Dyreornanientiken p. 44, cap. III. Folkevandringhtidens Ornamentik. Da-
neben Josef Hampel i. d. Ungarischen Bevue VI, S. 677. Franz
Puls/.ky, Studien über Denkmäler der Völkerwanderungszeit i. d. Unga-
rischen Revue IX, S. H>5. Hierzu kommen die Untersuchungen über die
einzeluen Motive bei Furtwttnglo r, Goldfund von Vettersfelde. Der
Zurückfuhrung auf griechischen Ursprung kann ich nicht beistimmen.
44) Da« Motiv stammt aus der römisch-germanischen Periode und
ist durchaus unrömisch nach S. Müller, Dyreornamentiken p. 24; Ders.
i. d. Aarboger for nordisk oldkyndighed IH*0, p. 3*7. Ks scheint mir
indessen zweifelhaft, ob die Nagelverzierung als Umrahmung von ganzen
Gestalten oder Streifeu nicht schon früher vorkommt.
Im Torfmoor von LavindsgArd ward 18G2 ein bauschiges Bronze-
gcfäsB gefunden (Madsen, Afbildninger af danske oldsager og mindes-
waerker, Broncealderen III, pl. 25— 27t, ein zweites zu Hajdu-Bözönneuy
in Ungarn (Hampel, Antiquite« prehistoriques de la Hongrie pl. XII,
Fig. 1, 3; Ders. im Catalogue de l'exposition prehistorique de Budapest
1876, p. 103), ein drittes zu Bjersjöholin (Oscar Montelius, Ett bronskHrl
Faul deinen:
Blattwerk endlich fehlt der germanisch- römisehcn Stilperiode wie
der Kunst der Völkerwanderung vollständig ,5i.
Gerade hier aber findet eine .Scheidung statt. Von all den
einzelnen nationalen K unstet ilen, die wir gemeinsam unter dem
Namen des Völkerwanderungsstiles zusammenfassen, zeigt einer das
funnet vid Bjcrsjöholm i SkAne i. Antiquitvt.s Akademien» MAuadshlad
1889, p. 125), die sammtlich diese Verzierung aufweisen. Nun sind diene.
Bronzefunde aber nicht nordisch, sondern altitalicuisch, wie der Vergleich
mit einer Reihe in Italien gefundenen lehrt. Vgl. Stefano de' Stefani,
Sopra la scoperta di oggetti di alta antichitä seavati a Kivoli Voroncs«
i. Atti del H. Istituto Veneto di scienze, lettere ed arti, «er. VI, 3. 1885;
P. Orsi, Sui centuroni italici della 1. etä del ferro i. Atti e inemorie
della R. deputazionc di storia patria per le provineie di Romagna 3. scr.
IV, p. 30; Caimi, La situla di Trezzo i. Bollcttino della consulta archaeo-
logiea IV, p. 30; Rioudclli, Di una toinbu gallo-italica scoperta a Scsto
Calende sul Tieino i. Memorie del R. Istit. Lomhardo di Scienze, lettere
ed arti ser. III, 1; Castelfranco i. Rull, di Pnlctnol. italian. II. p. 92. Sie
gehören wahrscheinlich dem Ucbergang vom Bronzealter /.um FJsenalter
im nördlichen und mittleren Italien nn. MonteliuH (im MAnadsblad
1889, p. 1-10) weist darum aueli die Funde von Rjersjöholm und Lavinds-
gftrd dieser Periode zu. Nun (ludet sieh das Nugelmotiv aber weiter
auf unzweifelhaft nordischen BronzegcfHssen, so auf einem im Torfmoor
von Naekhälle, Halland gefundenen Bronzeschild (Mailands Fornmiime.s-
iörenings Ärsskrift 1888, p. 0) und in einer Reihe weiterer Fund.stücke
(Boye, Oplysende fortegnelse over de gjenslande i det kong. Mu.seuin
for nord. oldsager i. Kjöbenhavn p. 3<}; Kngelhardt i. Compte-rendu
du congres de C'openhague 18<;9, p. 403; S. Müller i. d. Aarhoger for
nord. oldkyndighed 188«, p. 235; J. Mcstorf, Vorgeschichtl. Altcrfhümer
aus Sehleswig-IIoLstein Fig. 352). Das Motiv muss daher bereits als ein
künstlerisches F.igenthum der Ornamentik der Bronzezeit angesehen und
auf Italien zurückgeführt werden. Vgl. O. Montelius i. MAnadsblad
1889, p. 145; 1881, p. 20. Für di« Charakteristik der spateren nordischen
Bronzegelils.se — italienische Beute- oder Handelsstücke —zu vgl. O. Tisch-
ler, Funde römischer Metallgefiisse in Nordeurop«: i. d. Sitzuugsber. der
phys.-i>kon. Oes. zu Königberg XXX, S. 11.
45) Die Fntwickelung des ßlattoniamentes durch die klassische Zeit
hindurch und auf seinem Wege bis zur Aufnahme in die romanische Plastik
entwickelt am klarsten die letzte grössere Arbeit auf diesem Gebiet:
Bernhard Salin, Studier i Ornamentik i. d. Anti<|Uarisk Tidskrift för
Sverige XI. 1890, p. 1. Im übrigen zu vergl. Janitscheks Analyse der
karoliugisehen Ornamentik in der Ausgabe der Trierer Adahandachrift
S. (i7; Karl Lampreeht, Initialornamentik ; Porthcim, Der dekorative
Stil in der altchristlichen Kunst.
Merowingische und karoliugiät-he Pla.stik.
23
Pflanzenornamcnt und zwar nicht gelegentlich, nebensächlich, als
zufällige Entlehnung, sondern als bevorzugtes Motiv: und das ist
der gothisehe Stil, der gothische Stil zunächst in Ungarn. Die
Gräberfelder am Platteusee sind dadurch von grünster Wichtigkeit,
weil sie diesen nationalen Stil auf seiner Höhe und in seiner Reinheit
zeigen. Die grossen goldenen Prachtgefässe in den ostungarischen
Funden stehen noch zu sehr unter dem Banne der griechischen Vor-
Fijr. i. 5. (i. Spanien aus den GrHbern von Kc.szthely.
bilder, als dass hier das Omameut. das eben ein neues Motiv auf-
genommen, dies hätte verarbeiten, mit dem eigenen Motivensehatz
verschmelzen können (Fig. 1. 2). In den Funden von Keszthely
ist dieser Process vollzogen, die offene Spirale ist der Ranke, die
Ranke der offenen Spirale genähert: daneben aber dominirt die
Ranke, die im Halbrund oder Oval aus- und einwärts gebogene
Rauke mit grossen herzförmigen oder halbmondförmigen Blättern
(Fig. 4. 5. 6). Die vorkommenden Thiere sind zum grossen Theil
noch die den griechischen Vorbildern entlehnten. Daneben aber
finden sieh sämmtliehe Motive der heimathliehen älteren Kunst:
Spirale, Stabwerk, Schachbrettmuster, Flechtwcrk mit Thierver-
kröpfuug.
24
Paul Giemen:
Die fränkische, westgothische und longobardtache Metallurgie
yom 5.-8. Jahrhundert.
Eh inuss festgestellt werden, dass die grossen ungarischen
Funde zum Theil um ein ganzes, zum Thcil um ein halbes Jahr-
huodert früher angesetzt werden mllssen als die Denkmale der
nächsten grossen Gruppe, der der inerowingischen Kunst. Die haupt-
sächlichsten charakteristischen Merkmale dcrselhen sind zwei: einmal
die reichliche Verwendung der verroterie cloisounee. dann das Vor-
kommen einer bestimmten Form von Fibel, die zuerst Linden-
ßchmit als die merowingisehe Fibel bezeichnet hat*8). Die ganze
Gruppe der auf Westdeutsehland und Frankreich beschränkten
Funde hat zuletzt durch L i n d e u s c h m i t eine umfassende zn-
flammenhängeude Darstellung und Bearbeitung gefunden47).
46) Lindens eh mit, Uebcr eine bes. Gattung von Gcwaiiduadcln
aus den Grilbcrn des 5. und «. Jh. i. d. Abbild, von Mainzer Alterthümern,
ed. v. Vor. zur Erforschung' d. rhein. Gesch. u. Alk'rlhüuier. III. Mainz
1851. Vgl. dazu Rigollot, Recherches historif|ues sur les peuples de la
race teutonique et nur le caractere des armes, des boucles et des orne-
meuts i. d. Mem. de la soc. des antiquaires de la Pieardie X, p. 121, der
einige abweichende Formen beibringt. Solche in Abb. in d. grossen
Publication von Fröd. Moreau, Nöcropoles aux euvirons de Fere,
en Tardenois'. Vgl. F.. Hucher, De Part celtique a l'epoque merovin-
gienne A Tot-casion des agrafes merovingieuncs du Muse« archeol. du
Maus i. d. Revue Iiistor. et archeol. du Maine VIII, 1881; Sencklor,
Merowingisehe Fibeln i. d. Jahrbüchern des Vereins von Alterthums-
freunden i. Rhcinlde. XII, S. 191; John Yonge Akerman, An archaeo-
logical index to remains of antiquity of the celtic, romano-britisb and
anglo-saxon periods. London 1887; A. 11 u ine, Aneicnt Meols. London
1863. p. 78. Die Aufzählung der wichtigsten Abb. von inerowingischen
Fibeln bei J. de Dave, Etudes archeol. Industrie Longobardc. Paris
1888. p. ;U. Zu den Hchönsten Exemplaren gehören die normannischen
(C och et, La Normandie souterrairc p. 317).
47) L. Lindenschmit, Handbuch der deutschen Altorthumsknndc I.
Die Alterthüiner der inerowingischen Zeit. Braunschweig 1880—1889. Die
Hauptresultate schon 1860 niedergelegt iu „Die vaterUtud. Alterthüiner
der Wirst I. llohenzollern'schen Sammlungen zu Signiaringen". Eine knappe,
aber vortreffliche Charakteristik d. inerowingischen Kunst v. Salonion
Hein ach, Catalogue du musce des antiquites uatiou. de S. Germain-cn-
Laye. Paris 1887, p. 182.
Merowingische und karolingische Plastik.
Die beiden genannten Charakteristika finden ihr Vorbild und
ihre Parallele in der gothischen Kunst. Dass das Zellen glasemail
den Weg von Osten nach Westen genommen, bedarf keines Beweises.
Mit den wandernden Germancnschaaren zog die Technik von den
Ufern der Donau nach dem Honten des Occidents. Aber auch die mero-
wingische Fibel findet ihre Vorbilder schon in dein Kund von Osztropa-
taka **), dem Knud aus der Pussta Hak od **) ; in einer anderen
Fassung auch im Sehatz von Apahida M), die berühmte Fibel von
Nordendorf im Museum zu Augsburg findet ihr direktes Vorbild in
der grossen merowingischeu Spange von Keszthely (Abb. s. u.). Bald
treten noch als Charakteristika auf die kleine runde fränkische
Fibel und die runden Gurtelblcchverzieruiigcn, die vom 5. — 7. Jahr-
hundert zwischen Slldfrankreich und den Rheinlauden erscheinen,
symmetrisch mit Steinen en cabochon oder mit Glasemail verziert51).
48) Archacologiai Közlemenyek V, 1865. p. 11.
49) Comptc-rendu du congr6s internat. d'antliropol. et d'archcol.
pich. Budapest 1876. I, p. 526.
60) Archaeologiai Krtesilö IX, 18*5», p. 305, 313. Die eingehendste
Untersuchung über die verschiedenen Formen der Spangen hat Oscar
Moutelius in einer seiner typologischen Studien geliefert: SpHnneu frftn
bronsaldern och ur dem niinnast utveeklade former i. d. Anticjuarisk
Tidskrift für Sverige VI, p. 1—15)4. Daneben Hans Hildebrand, Stu-
dier i jftinforande fornforskuing i. d. Antiijuarisk Tidskrift IV, p. 15—250.
Mit 242 Abb. Der Verfasser behandelt p. H>1 auch die gerniaulschc
Spange. Für den Völkerwanderungsstil kommt noch in Betracht die
Armbrust- oder Sprossenfibel, die bis zum 4. und 5. Jh. vor allein in den
Inländischen Gegenden heimisch ist, vgl. Sit/.ungsber. d. gelehrt, estnischen
Gesellschaft zu Dorpat 1875), S. 123. Ueber den grossen Elbinger Fund
Altpreussische Monatsschrift XVI, S. 163.
Am deutlichsten zeigt die Gleichheit der Formen die Zusammen-
stellung der verschiedensten Fibeln bei J. de Baye, Ind. Long. pl. IV
u. V, wo gothische, mcrowingisclie und longobardische Kxcmplare ver-
einigt sind. Auffällig arm au diesen Fibeln erscheint merkwürdigerweise
die Schweiz (Gosse, Notice sur d'ancieus eimeticres trouves en Savoie
et dans le canton de Gencve, Genf 1857; F. Troyon, Deseription des
tombeaux de Bel-Air, pres Cheseaux-sur-Lausaune, Lausanne 1841).
51) Die fränkischen Gürtelverzierungen, besonders die aus Bronze
mit durchbrochenen Ornamenten sind verhaltnissmitssig sehr häufig.
Vgl. die Zusammenstellung von Zierscheiheu mit den Darstellungen von
sich durcheinander windenden Schlangen ans fränkischen Gräbern bei
Schaafhausen, lieber germanische Grabstätten am Kheiu i. d. Jahr-
büchern d. Ver. v. Alterthuinsfreunden i. Rheinide. XL1V, S. 152; Richard
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•26
Paul Clenien:
Die Hanptstlleke der mcrowingischen Kunst des ö. Jahr-
hunderts stammen aus zwei Gräbern, von denen das eine sieher,
das andere mit grosser Wahrscheinlichkeit wie die ungarischen
Funde mit einem Herrsehernamen in Verbindung gebracht werden:
in erster Reihe das schon 1653 aufgedeckte Grab des 481 ver-
storbenen Köngis (.'hilderieh zu Tonrnay M), in zweiter Linie
Arnoldi, Die Funde von Cobern-Gondorl ;i. d. Mosel, ebenda LXXXV1I,
S. 17. Dass diese Zierscheiben wirklich einen Gürtelschmuek bildeten, ist
durch den Vergleich mit skandinavischen Arbeiten, deren Gebrauchte*
besliminung feststellt, siehergestellt (AI. Em. Holmberg, Norbon under
Hcdnatidcn. .Stockholm 1852. p. 2*1; X. G. ßruzelius, Svenka Fornem-
ligar. Lund 1*60'. II, pl. «»>. Vgl. Grivaud de la Vincelle, Arte et
nieticrs des anciens. Paris 1819. pl. XXXVI, 4, f», 0; Ed. Lambert, Nu-
miMtiatique gauloise du nnrd-ouest de la France 1844, p. 16; Coutte Hip-
polyte de Widranges, Des anueaux et des rouelles, antii|Ue monnaie
de« Gaulois. Bar-Ic Duc 1861 ; Revue uumismati(|ue, uouv. Serie VII,
p. 157; Henri de Longpe'rier, Des ronelles et des anneaux antiques
i. d. R£vue arehcol. XVI, p. 343; Sehaycs, Xotice Kur plusieurs decou-
vertes d'antiquites a Le.de. n Montroeul-sur-Haine i. Bull, d'aead. royale
de Belgique 1847, II, p. 260. Ueber die tnerowingisehen Gürtelschnallen
vgl. De Surigny, Agrafes nicrovingiennes, i. d. Mein, de la soc. d'hist.
et d'sircheol. de Chalon-sur-Saöne III. p. 385. Eine umfassende Zusammen-
stellung der wichtigsten Stücke und Versuch einer Klassifieimng bei
J. de llayc, Etudes archeol. Industrie Liingobardc p. 56. Zu den be-
deutendsten Stücken gehören die Schnalle von Servigny im Musee zu
ßesanvon, die von Vatson in St. Germain-en-Layc (Jnv. 1:5437), die aus
Engers in Wiesbaden, die aus Bessingen in Dannstadt, die aus Pfullingen
in der Sammlung des Prinzen Wilhelm von Württemberg. Vgl. Janssen,
Der meroving. Goldschinuek v. Wieuwerd i. d. Jahrb. d. Ver. v. Alter-
thumsfr. XLIII, S. 57, Tat". (!; Li ndenschmit, Allcrthümer unserer heidn.
Vorzeit IV, Tal'. 8; Wanner, Das alamanu. Todtenfcld bei Schieitheim.
Schaffhausen 18t!7. Tal'. H. 18. Auch bei diesen Schmuckstücken ist der
Staminbanm zurück zu vertilgen zu den gothiselien Scheiben und weiter
zu den Spangen der Hallstatt periode 'vgl. dit- Funde aus den Tuniulis
von Glasinac, Bezirk Rogatica, Bosnien im Xaturhistor- Hofmuseum zu
Wien S. XIII, Nr. :«).
Von besonderem Interesse sind hier die Gürtelschnallen mit Künstler-
namen, so die von Dietesheim mit 'Ingeldus ficit (sicV, eine aus Würt-
temberg mit 'Aldechis' (Correspoudenzbl. d. Gesamnit Vereins XXVII. S. 1).
TJeber zwei belgische Goldfibcln mit Inschriften II. Seh nenn ans.
Trouvailles faites en Belgiern» i. d. Westdeutsche Zeitschrift f. Geschichte
und Knust 1887, S. 31 (i.
'>■*) Zuerst, kurz nach der Entdeckung puhlicirt von .1 o. .1 ac. C Iii fle t,
Anastasis Childerici. Antwerpen 1655. Genau Tabbe Cochet, Le tom-
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Merowingisehe und karolingischc Plastik.
27
da» 1842 in Ponan bei Arcis-sur-Aube eröffnete Grab, das auf den
4f>l in der Schlacht auf den ca-
talaunischcn Feldern gefallenen Go-
thenkönig Theodorich zurückgeführt
wird M). Die Besehläge der Scheide
und die Griffe der beiden IlauptstUcke
der Grüber, der Schwerter, zeigen die
verroterie in einer Zusammenstellung
von Gold und Roth64), die sich ganz
genau wiederfindet in dem Schwert
im Mnsee de la villc zu Bcan-
vais r'5), in den beiden halbrunden
Panzcrschniuckstücken im Museum
zu Kavenna, die als die Panzerplatten
des Odoaker bezeichnet werden *•).
Die Horscnbeschläge von Ernennen,
der symbolische Fisch von Oharnay,
die Schmuckgegenstände von Pouan,
von Jouy-le-Comte ■''), von Courbil-
lac58), die Fibeln von Bourg-sur-
Alane bei Soiseons, um nur die
hervorragendsten und bekanntesten
Werke dieser Klasse von Kunst-
schöpfungen zu nennen, zeigen in
Adlerschmuek des Musi e Cluny. SA wie Technik dieselben ange-
führten Merkmale.
beau de, Childeric I. Pari* 1859; L in den sc Ii in i t , Alteitlmmskundc. I,
S. 08; F. Dahn, Deutsch« Geschichte I, S. 150; Oers., Urgeschichte der
german. und roinaii. Völker III, S. 18. Vgl. auch J. Labarte, Histoire
des arts industriell, Albuin |>l. XXX; Text I, |>. 453.
53) Peigne-Dclacourt, Recherches sur le champ de hataille d'At-
tila, armes, bijoux et ornements du Theodoric roi des Visigoths. Paris 1800.
51) Linden sc h mit a. a. ü. I, S. 80, 229, 230.
55) Danjou, Notes sur quelques anthiuitcs merovingiennes COH-
Berves au musee de Reauvais p. 9, ]>I. II, III.
50) Ferd. de Lasteyrie, On two gold Ornaments ol" the time of
Theodoric, preserved in the Museum at Kavenna i. d. Archaeologia XLVI.
p. 237, pl. VII; Rann, Ein Besuch in Ravenna i. d. Jahrbüchern für
Kunstwissenschaft 1K68, S. 295.
57) Vgl. hierüber die ausgezeichnete Studie von A. IScrtrand,
Les bijoux de .louv-le-Comte (Seine-et-Oise) et les ciinetiere«. merovin-
giens de la Gaule. Paris 1K79.
58) A. Bcrtraud, Les bijoux uieroviugieus de Courbillac pr*s
Fig. 7.
28
Paul CIcmcn:
In dem Grab zu Pouan ist ein Hing gefunden worden mit
dem gothischen Xamcn Heva. Aber selbst wenn der Schatz von
einem westgothischen Könige stammt, ko enthält er doch keine
Arbeiten aus der Goldschtniedeschnle von der Donau: es ist die-
selbe Gattung der fränkischen Arbeit wie bei den übrigen auf
französischem Boden gemachten Funden60), vor allem auch dem
grossen Adlersehmuck des Musee Cluny (Fig. 7).
Den engen Zusammenhang der oberitalischen Kunst mit der
merowingischen zeigt noch einmal der Schatz zu Monza. Diesmal
sind es die Langobarden, die als die ausübenden Werkmeister er-
scheinen. Die Krone der Theodelinde ist noch erhalten, die Krone
des Agilulf, aus getriebenem Goldblech mit Steinen en cabochou —
leider 1799 in Paris gestohlen — zeigte die grösste Verwandt-
Jarnac (Charentc): Compte-rendu de l'acad. des inscr. et belles-lettres
4. s^ric XV, p. 62. Die hierher gehörenden Sckmuckstücke der Gräber-
funde sind meist in den zahlreichen Finzelpubllkationen über diese Grab-
funde aufgezählt; hier seien nur erwähnt die Untersuchungen Baudot«
über die Gräber von Charnny (Cote-d'Or), von de Baye über die von
Joches (Marne), Oyes, von d'Estaintot über die von R<>uen, von Pilloy
über die von Jardin-Dieu de Ougny (Aisnc), von besonderem Werthe
sind die nn grösseren Gesichtspunkten reichen Zusammenfassungen bei
Hucher, De l'art reltique A l'cpoqtie merovingienne i. d. Revue historique
et archcologique du Maine 1880; H. Baudot, Memoire sur les sepulturcs
barbares de l'cpoquc merovingienne et principalcmrnt celles de Charnny
und in den grundlegenden Arbeiten des Abbe C och et über die nor-
mannischen Funde.
00) Der King mit dem Bilde Childerichs, der im Grabe von Tour-
nay gefunden ward, gab bekanntlich die Handhabe zur genauen Datirung
des Fundes (Codi et, le tombeau de Childeric p. 351). Kinen Ring bez.
mit S und K, möglicherweise aus dem Besitze König Sigeberts, besitzt
die Bibl. nat. zu Paris (Lindenschmit a.a.O. 1, S. Ausserdem
finden sich noch auf einem Silberringe des Brüsseler Museums der Name
Wabuetusus, auf einem Ringe aus Allones der Name Launobergn, auf
einem von Blois der Name Hn^iK traiiuuis. Abb. mcrowiug. Ringe bei
Lindenschmit 1, Tat. 14. Vgl. ausserdem tlie umfangreiche Abhandlung
von P. L. De loche, Ktudcs sur quelques enchets et annoaux de l'epoque
merovingienne i. d. Revue archcol. ;j. ser. VII, p. '20, 21t>, 5H1; VIII, p. 10,
i;i7, Ml.'t etc.; Comtc de Mnrsy, Note sur uu anncau nierovingien cn or
trouve pres de C'ompiegne i. Bull, de In soc. hist. de Compiegne V, 1H8J.
Kiner mit d. Inschr. Leubacius 1887 auf der Aussteilung in Tours (Bull,
de la soc. archcol. de Toxiraine 1H85, Nr. 4*-l; Leon Palustre, Mclanges
d'art et d'aichcologie. Ohjct-s exposes ü Tours en 1XH7. VIII); Edmond
le Blant, Observation» sur la bague attribuce A saiute Radcgonde i. d.
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Merowingische und karolingische Plastik.
29
schaft mit den gleichzeitigen fränkischen Arbeiten, vor allem den
gleich aufzuführenden Reliqnienküstchen, wahrend die Decke des
Evangeliars des Theodorich zn Monza die auf allen mermvingischen
Arbeiten wiederkehrenden Motive der Rauten, Dreiecke und Kreise
aufweist 6l). Die Kronen von Monza leiten eine ganze grosse Gruppe
von Goldsehmiedcarbciten des 6.-9. Jahrhunderts ein, die Votiy-
kronen"). Die glänzendsten Repräsentanten sind die bekannten Kro-
Revue de Part chretien VIII, p. 252. lieber die Ringe von Clotahar II
und Bertilde, der Gemahlin Dagobert« vgl. auch Jules Quicherat, Sur
nn anneau sigillaire de lYpoquc merovingienne i. d. Melange« d'archeo-
logie et d'histoire, ed. Robert de Lastoyrie, Paris 18*5. II.
61) Die Krone ist zum Glück in Abbildung erhalten beiMuratori,
SS. rer. Halicar. I, p. 460 und Anton. Franc. Frisi, Memorie storiche
di Monza e sua corta. Mailand 1794. III, p. 93: darnach bei D'Agincourt,
Sculpture. pl. XXVI, Nr. 7. Sie ist durch die Inschrift, die sie trug, satt-
sam bezeugt: f Agilulf gTat. di. vir glor. rex totius Ital. offeret sco.
Johanni Baptistc in ecla. Modicia (Garrucci, VI, p. 42). Eine genaue
Beschreibung giebt schon das Inventar von 1363: Corona una magna
auri, larga et ampla, omata zafiliis et aliis lapidibus pretiosls, cum
cadenellis auri pendentibus et cum lapidibus tredeeim intus, qui vi-
dentur esse zafllil, et uno loco cArentc zafilio et alio lapide, et ornato
perlis qninquaginta quinque grossis ad modum ciceris et uno cri-
stallo grosso et multis aliis perlis et lapidibus pretiosis. Das mittlere
Band enthielt in getriebener Arbeit eine Reihe von Arkaden, darunter
Christus, 2 Engel und die 12 Apostel. Die Krone ward nachtrHglich zur
Votivkrone bestimmt. Barbier de Montault, Inventaires de la bas.
royale de Monza im Bull. mon. XLVI, p. 18, 60. Die Krone der Theode-
linde abgeb. Fr. Bock, Die Kleinodien des h. Rom. Reich deutscher
Nation S. 166, Taf. 34, Fig. 61.
62) Frisi, Memorie storiche di Monza III, pl. 14. Geber die Be-
stimmung der Votivkronen Rohault de Fleury, La messe V, p. 101,
pl. 387; Barbier de Montault, Les couronnes pendantes im Bull,
monum. XLVI, p. 76; Fr. Bock, Geschichte der liturgischen GcwUndcr
II. 153; Gonzales Villa r, Tratado de la Sagrada Luminaria. Madrid
1798; Fanceulli, De Lucernis pensilibus. Maecratae 1802. Kine ganze
Fülle von Notizen über die Bestimmung dieser Kronen im Liber pontihealis.
Die älteste Hftngekronc ist die von Novo-Tcherkask (s. o.) in St. Peters-
burg (Odobescu, Cunun'a mare d'in thesauruln de la Novo-Cercask.
Bukarest 1879). Kaiser Constantin hing seine Krone in der Sophien-
kirche zu Constantinopel auf, wo sie noch Anton von Novgorod sah
(Riant, "Kxuviae Constantin. II, p. 219). Ursprünglich waren regmim nnd
crux pensilis verbunden (Bianchini, Comtnent. Anastas. II, p. 318). —
Der liber pontiflcalis erwHhnt 714 eine corona aurea cum cruce pendens
30
Paul Clemen:
nen aus dem Schatz von Guarrazar im Clnnymuscnm zu Paria und
in der Armeria Real in Madrid, die durch die in hängenden (Jold-
gemmis ornata super altare (Rnhault de Flcury, a. a. O. V, p. 109).
Die Sitte findet sich ebenso in den koptischen Kirchen (Butler, Aiici«*nt
eoptic churoh II, p. t>9). Diese Ilangckronen bilden datin wichtige und
bedeutsame Srhinuekstücke der Kirchen in der spJlteren inerowing. und
karolhig. Zeit. Im Oratorium von St. Hilaire zu Poitiers 572 erwähnt
eine Krone mit einem Kreit'/, aus vergoldetem Silber, mit Edelsteinen be-
setzt, daran hängend 8 Goldblatter {Arbeliot, Testam. de S. Yrieix i.
Bull, de la .societc archcol. du Limousin XXIII, p. 187). Dan Inventar der
Kirche zu Staft'elsce berichtet, nnno 812: l'ciidct super nltare Corona argen-
tea, per loea deaurata una, et in incdio illius pendet crux parva cuprina
deaurata una, et pomum crystallinum, et in cadein Corona per girum
pendent online* margaritarum diversis eoloribus (Montinienta Boica VII,
p. 83). Das älteste Prümer Inventar (Auguste Digot im Bull, monum.
XV, p. 283, 292) berichtet von 7 .silbernen Kronen, die in der Kapelle
aufgehängt waren, eben solche befanden sich Iii Centnla (Chron. Centul.
in Migne Patrologia CLXXVII, p, 1218). Vgl. auch Knuodü Epig. 77.
Op. ed. Sinnond p. 622; Vita S. Sainsonis ab auetore anonymo bei Mb-
billon, Acta SS. ord. S. Bened. I, p. IGT». Die Araber landen in Toledo
nicht weniger als 25 solcher goldener Votivkronen vor: Gayangos, Mo-
hammedan dynasties in Spain. I. Appendix, p. XLVIII; De los Rios, El
arte latino-hizantina en Espafla 18<>1, p. KT) -91. Weitere Beispiele in Le
tresnr de l'eglise collcgiale de Saint-Auhin A Namur in Le Beffroi III,
p. 131, 125; Analectes pour servir a l'hist. e,cclcsiasti«|ue de la Belgit|tie.
Löwen 18ß4. I, p. H4. Noch König Kunds VI. Gemahlin Gertrud schenkt
der Kirche St. Laurentius in Lund eine solche Votivkrone (SS. rer.
Dan. HI, p. 530: C. Nyrop, Meddclelser om dansk Guldschraedekunst.
Kopenhagen 1885. p. 5), erhalten ist noch die des h. Erich in der Dom-
kirche zu Upsala (Johan Peringskiöld, Ullerilker» Iliiradz Minnings-
Merketi med Nya Upsala. Stockholm 1719, p. 52). Abbildungen solcher Votiv-
kronen bei John David Chambers, Divine worship in England in the
thirteenth and fotirteenth centuries. London 1877, p. 4; Cahier et Martin,
Me.langes d'archeologie III, p. 27. Als die ältesten Kronen, die die zuerst
im germanischen Europa herrschende Forin zeigen, dürften die bronzenen
Zackenkronen im Museum zu Schwerin (Mecklenburgische Jahrbücher
XIV. S. 315), im Kgl. Museum zu Kopenhagen, in der Altcrthümcrsamm-
lung zu Aarhuus und im Museum zu Hannover (Mecklenb. Jahrb. XXVI,
S. 169>, zu denen der Ring von Söhren kommt (Handel mann, Bericht
d. Kgl. Ges. f. Sammlung vatcrlttnd. Alterthümer zu Kiel 18&J, Juli S. 65),
angesehen werden. Vgl. Lisch im Correspondenzblatt d. Gesammtver. d.
deutsch. Gesch. u. Alterthumsver. VI, S. 4G; XII, S. <J0. Abbildungen der
Votivkronen auf gleichzeitigen Denkmälern schon auf der Mosaik der
Galla Placidia (Rohault de Fleury, La messe I, pl. 31) und auf einer
Elfenbeinpyxis d. 7. Jh. (Fr. Hahn, 5 Elfenbeingef. d. früh. Mittelalters.
Mcrowingische und karolingische Plastik. 31
bnchstaben angebrachten Xanten der gothisehen Könige Reece*-
vinthus f 072 und Svintbila f 031 genau datirt sind ,iS), ihnen
reihen sich die Funde von Uuadamur an. Ihre Parallele linden
diese Kunstwerke auf laugobardigclietu Boden in der goldenen Krone
im Schatze des Cavaliere Rossi01). Auch hier die gleiche Stein-
l'assung und die gleiche Technik des Treibens: das dünne Gold-
Hannover 1862. S. 2). Die besten Illustrationen bieten aber, auch für
die Form der Befestigung, die gleichzeitigen Handschriften, ich nenne im
Brit. Mus. Cod. Hart. 2908 auf fol. 8a, Cod. Harl. 603 fol. 18», 25», Cod.
Addit. 1181!) in den Canonet-bögcn, Cod. 9428 der Bibl. roy. zu Brüssel
fol. 7b, 17». Cod. lat. 324 der Bibl. nat. zu Paris fol. 5'», l'trechtpsalter
fol. 51», 75>>, Cod. 1598 zu St. Omer fol. 25'", Cod. 606 zu Vulenciennes
fol. 30h. — Die. Kronen wechseln hier zumeist mit Lampen in Anrpelform,
gleichfalls aus Edelmetall, die mit den Kronen in Iteih und Glied aufge-
hängt waren. Grössere Abb. von ihnen Cod. 698 zu St. Omer fol. 15a,
Cod. 184 zu Tours fol. 2» Cod. 15 zu Lille fol. 13», Cod. 257 zu Douai
fol. Ib.
63) Vgl. Ferd. de Lasteyrie, Description du tresor de Guarrazar.
Paris 1860; Don Jose Amador de los Itios, Kl arte latino-bizantino
en Espana y bis Coronas visigodas de Guarrazar. Madrid 1861; Kada,
Coronas de Guarrazar quo se eonserva en la Armeria Real de Madrid im
Museo espafiol de antiguedades III, VI, p. 137; A. Darcel, Description du
tresor de Guarrazar i. d. Gazelte des Bcaux-arts I, p. 312, VI, p. 119. Die.
Fundbericht« im Bull, de la societc des antifjuaires de Franca 2. Febr.
1859; genau Hübner i. d. Besprechung der beiden zuerst genannten
Werke, in Fleckeisens Jahrbüchern für klassische Philologie 1862. VIII
(Bd. 85 d. Serie), S. 54i7. Vgl. auch Lisch im Correspondcnzhlatt des
Gcsamuitveroins XII, S. 60. Farbig« Tafeln i. d. Monumentes arquitec-
tonicos de Rspaaa, provincia di Toledo. Madrid 1859. I. Grosse Abb. i.
d. Monde illustre, 19. Febr. 1859, Illustration vom selben Datum. Rohault
do Fleury, La mes.se V, pl. 387, p. 101; Juan F. Iliario, The industrial
arts in Spain. London IH79. p. 7. Technische, Beschreibung im Catalog
des Clunymuseums Nr. 4979. Die Kronen haben zu einer heftigen De-
batte zwischen De Lasteyrie. und De los Kios Anlass gegeben. Der letz-
tere (a. a, O. p. 25) versucht mit einer lebhaften Phantasie, die durch sein
spanisches Nationalgefühl geweckt, aus den Kronen eine latino-byzanrinische
Kunst zu construiren, wilhrend De Lasteyrie (a. a, (). p. 27, 33) die
Ornamente als nordisch und germanisch anspricht. Ihm stimmt bei
E. Martin in Le siecle. 2. Juli 1860. Ich halte, sowohl die Technik wie
die Ornamentik für germanisch und zwar aus der allerniichsten Ver-
wandtschaft mit der frilnkiseh-merowingischen Goldschmiedekunst heraus-
geboren.
64) De Waal i. d. Hörn. Quartalschrift f. christl. Alterthumskunde
III, S. 66.
Paul Clemen:
blech ist Uber einer hölzernen Matrice geschlagen. Noch durch
drei Jahrhunderte hindurch erhielt sich die Knnst des Glasetnails
in Asturicn fli).
Eine grossse höfische Goldschraiedckunst lässt »ich somit vom
5.— 7. Jahrhundert constatiren, die bei den Franken, Langobarden
und Westgothen im Wesentlichen in Technik und Ornament die
gleichen Züge zeigt, sie lässt sieh weiter verfolgen bei dem Volke,
das zum ersten Träger der mitteleuropäischen Cultur wurde, bei
den Frauken.
Die gleiche Art der verroterie cloisonnce wie in den vergra-
benen Schätzen der Könige Theodorich und Childebert findet sich
um ein Jahrhundert später in den Werken des bedeutendsten aller
merowingisehen Edelmetallktlnstler, dem Patron der französischen
Goldschmiede, in S. Eligius, dem Bischof von Noyon (588 — 659).
Die Legcndo schreibt ihm die Erfindung dieser Technik und des
Emails zu : wahrscheinlich aber hat er nur die verroterie im Limousin
heimisch gemacht 86). Seiu berühmtestes Werk in dieser Technik
65) In der eamera santa der Kathedrale zu Oviedo wird noch jetzt
da» cruz de la victoria bewahrt, das 908 durch Alfons III. den Grossen
von Asturicn geschenkt ward. Bin Theil seines Schmuckes besteht ans
rothem und grünem Glasemail. Die Inschrift schlicsst mit den Worten:
Operatum est in castello Ganson anno nostri regni XL1I discurrente era
DCCCCLVI (908). Vgl. DonJoscAmadordelosRios, El arte bizan-
tino cn Espalia p. 3ö. Aehnlich wohl dns Kreuz, das Fruela III. und
Nnnilo Jimena 910 der Kirche von San Salvador zum Geschenke machen.
Unter den Gaben, mit denen 1063 Ferdiuand I. der Grosse von Castilien
die Kirche Johannis baptistae schmückt, sind eine ganze Reihe von
Schmuckstücken cum olovitreo mit Glasemail (Yepes, Cronica de la
Orden de san Benito VI, append. fol. 4611').
65) Saint-Eloi a-t-il pratique l emaillerie? i. d. Mem. de la soeiete des
antiquaire^ de France 3. Her. VII, p. 207. Die sorgfältigen Untersuchungen
der französischen Archäologen haben im Limousin keine Spur von Einail-
nrbeiten vor der Periode des Eligius nachweisen können. Vgl. TabW
Texier im Bull, monum. XXV, p. 575; von demselben Essai snr les email-
leurs et argentiers de Limoges. Poitiers 1843, p. 42; Memoires de la soc.
des antiquaires de l'ouest IX, p. 115. Louis Dussieux, Recherche«
archeologiqnes sur l'histoire de l'orfevrerie au moyen Age i. d. Annal.
archeol. III, p. 211 sucht den Nachweis zu führen, dass Limoges schon
vor Eligius der Mittelpunkt einer Metallarbeiterschule gewesen, — aber
ohne Beweisgründe. Der Goldschmied Mabuinus, der erste französische
Künstler, dessen Namen wir erfahren, der zwischen 464 und 494 für
Merowingische und karolingische Plastik.
4.1
war der Kelch von Chelles ,iTi, den die Königin Bathilde im J. 622
dem Kloster Chelles hei Paris schenkte:
er ist 1702 eingeschmolzen worden, aber
in einer Abbildung von du SauSBaj
vom .1. lf»(>l erhalten. Hier liegt nur
ein ganz leises Nachklingen antiker Blatt-
fonuen vor, danebcu aber stehen die
fränkischen Motive des Kreises, des
Dreiecks, der Rauten und des netzarti-
gen Filigrans, das in Schachbrettmnsternng mit Z^llcnglas gefüllt
ist. Die Becher von Oourdon «") und Nancy und »las Bronze-
Fig. 9. Schmuckstück ans
dein Museum zu Sl. Omer.
Bisehof Perpetuus arbeitete, kann nicht ohne Weiteres in eine Reihe mit
den Limotisiner Goldarbeitcrn gestellt werden. Aus jener Periode einer
Schule von Poitiers, die möglicherweise ein Gegenstück zu der spateren
von Limoges bildete, stammt nur der Hing' der Radegunde von Poitiers
(um 550), dont le cercle, affectant la forme de deux chrysalides, aboutit
i\ un ehaton orne du monogrammc de l'auguste epouse de Clotaire (vgl.
l'abbe Auber i. d. Revue de Part chretien VIII, p. 252, 120).
67 1 Charles de Linas, Les oeuvres de St. Kloi et la verroterie
cloisonnce. Paris 1864; Maurice Ardant, Saint-Eloi orfevre-einaillenr
i. Bull, de la soc. archeol. et hist. de Limousin XIII, p. 229; Eugene
Grcsy, Le caliee de Chelles, oeuvre de Saint-Eloi. Paris 1863 und i. d. Mem.
de la socicte des antiquaires de France XXVII, p. 12; Die merowingisehe
Goldschmiedekunst im Organ für christliche Kunst XV, S. »51. Vgl. l'abbe
Texicr, Dictionnaire d'orfevrerie. p. 300. lieber die Quellen der mero-
wingischen (loldschiniedekunst giebt eine IVhersicht l'abbe Auber,
Histoire et theorie du symbolisme religieux. Paris 1884. IV, p. 283. Am
eingehendsten die glanzende Abhandlung von Ch. de Linas, Le calice
de Saint-Eloi ä l'abbaye de Chelles i. d. Revue de l'art chretien VIII,
p. IUI. Andre du Saussay besuchte im J. 1651 Chelles und beschrieb
den Kelch (Panoplia sacerdotalis I, I. 5; De stola sacra c. VIII, p. 87, 199),
Darnach P. Lecointe, Annales eccles. Franc. III, p. 491; Oerard du
Bois, Hist. eccles. Paris I, 1.4, e. 6, 198; Martene et Durand, Voyage
litteraire II, p. 4; Lcbeuf, Hist. du dioec. de Paris VI, p. 42.
68) Die Gelasse von Gourdon wurden 1845 zu Gourdon bei CInny
zusammen mit 103 Goldmünzen der burgundisehen Könige Gondebaud
tmd Sigismund gefunden: es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie 523 beim
Einfall der Söhne Chlodwigs vergraben wurden. Vgl. Bull, de la soe.
des ant. de France 1HT>;», p. 59; Ch. de Irinas i. d. Revue de l'art chre-
tien VTII, p. 325. Abb. bei Lacroix, Les arts au moyen age. Paris 1869.
p. 33; J. Labarte, Hist. d. arts industriels, Album I, pl. 30; ausführ-
lich im Text I, p. 492. Dazu A. Jlg bei Br. Brut- her, Gesch. d. tech-
nischen Künste II, S. 186.
Jalirü. d. Vur. v. Altertlufr. im Kheiul. XOU 3
31
Paul Clemen:
gefäss von Bartlow . Essex r,s) sind entfernte Verwandte des
Kelches von Chelles. Auch die kleinen merowingisehen Schmuck-
stücke des Museums zu St. Omer gehören hierher (Fig. U). Noch
im 8. Jahrhundert erseheinen die gleichen Formen auf den fränki-
schen Fibeln und Gürtelschnallen mit eingesetzten rothen Granaten
ans den Gräbern der Pieardie, vor allem von Marchclcpot 7U).
In den vier Jahrhunderten, die diese Periode der merowingi-
sehen Metallurgie darstellen, eutstandeu nun aber auch eine Fülle
grosserer Arbeiten: die Kirehe war es, die als die erste Staatsmacht
hier wahrhaft monumentale Aufgaben stellte. Demgcmäss wurden
auch zur Ausführung dieser ofticicllen Staatsnnfträgc Künstler heran-
gezogen, die an den merowingisehen Königshofen eine halbamtliche
Stellung besassen. Die Hauptschöpfungen gruppiren sich um die
Gestalt des llofgoldschmicdes Eligius, der am schärfsten heraus-
gearbeiteten Kunstlerpersönlichkeit im ersten Jahrtausend des germa-
nischen Kunst lebens, dessen verschiedene Seiten in den folgenden
Jahrhunderten etwa in Bernward von Hildesheim und Benvenuto
Cellini ihre Parallelen finden. Schon im Aensserlichcu zeigt sich
hier — zum ersten Mal — das Kflnstlcrthum: eine distinguirte
Persönlichkeit von reich differenzirtcr Fcinnervigkeit, mit der Vor-
liebe für reiche (Jewänder und peinliche Körperpflege: sorgfältig
gekämmten Bart, weisse, zarte Hände rühmt sein Biograph au ihm71).
ß9) Abb. Archaeologia XXVJ, p. 307; Jules Labarte, Recherche«
sur la peinture en email. Pari» 185G. p, f>0. pl. B, 6. Das Gefass des
h. Martin in Saint-Maurice-en-Vallais dagegen (Blavignac, Hist. de
l'architccturc saerce daus les ancicus eveehes de Geneve, Lausanne et
Sion, Atlas pl. XXVI, 15) ist eine sichere byzantinische Arbeit (Ilg bei
Bücher a. a. O. II, S. 204).
70) Alfred Dnnicourt, Ktudo sur quelques antiquites trouvecs
en Pieardie: Revue archrol. 3. seric. VII, p. 97. Die Fundstücke von Mar-
chelepot sind von besonderein Interesse, weil Hie muthmaasslich genau
zu datiren sind — auf die Zeit Chlodwigs III. oder seines Nachfolgers
Childebert III. (695^711). Die picardischen Grabfelder — Nauroy, Miannay,
Doiuars, Clery, Kay, Barlenx, Argoeuves. Fluy, Marquaix, Templeux-la-
Fosse, Buire-Courcelles — sind besonders reich an späteren fränkischen
Schmuckstücken. Vgl. Duhamel-Decezun, Description nrcheol. du can-
ton de Nesle, Paris 1884.
71) Vita S. Eligii von Audoen von Rouen: d'Achery, Spicilegium.
Paris 1723. II, p. 79. Vgl. Sarvaans, Disquisitio de vita et scriptis
Eligii episc. Novioinensis, Amsterdam 1859; Reich, Heber Audoens Le-
bensbeschreibung ilcs h. Eligius, Hnlle 1872: Vallone, Couno della vita
Mcrowingische und karolingische Plastik. 36
Das älteste umfangreiche Kunstwerk dieser Art war die Tumba
des h. Martin in Tours, die Bischof Perpctmis (461 — 491) her-
stellen Hess: der Leib des Heiligen ward in einen Sarg von im
Feuer vergoldeten Silber gelegt, dieser wieder in einen Mctallsarg.
Tours besass in seiner Basilika eine Reihe weiterer kostbarer, reich
verzierter Schöpfungen des Perpetuns "). Wir kennen einen der
Künstler, die für ihn arbeiteten, mit Namen: den Meister Mabuinus,
der ein goldenes Kreuz, zwei Becher und ein Rcliquiar für den
Bischof anfertigte 7S). Um da« Jahr 500 wurde da* Grab des h. Dio-
nys in St. Denis mit Goldschmiedearbciten verziert, Gregor von
Tours nennt es tnrritus — wahrscheinlich entstand hier ein baldachin-
artiger Aufbau Uber dem Grabe7*-. Dem Bischof Marius von
di sant' Klipio, vescovo «Ii Noyon e. di Tonrnay. Leeee 187G. Die Einzel-
litteratur i. d. Verzeichnis merowingischcr Heiligenleben von Br. Kr Usch
bei Watte nbach, (Jeschichtsqucllon I, S. 421. lieber des h. Eligius
KünstlerthÄtigkeit etc. Ch. Barthelemy, Etüde« bist., litteraires et
arttstiques snr le VII. siede, Paris 1847; da* schon wiederholt aufgeführte
Werk von Charles de Linas, Orfevrerie merovingienne, les oeuvres
de S. Eloi et la verrnterie cloisonnee. Paris 18G4; A. de la Porte, Un
artiste du VII. siAcle. Paris 1865; A. Ilg, Die Bedeutung der St. Eligius-
legende für die Kunstgeschichte i. d. Mittheilungen d. K. K. Central-
commission 1874, S. 179; Labarte, Hist. de* arts indnstriels I, p. 429;
GcrmainBapst, Vie de S. Eloi: Revue archeol. 3. ser. VII, p. 208 und die
in den folgenden Anmerkungen zu nennenden AufsHtze über die einzelnen
Werke des Bischofs. Zuletzt J. v. Schlosser, Beitr. zur Kunstgeschichte
a. d. Schriftquellen des frühen MA.: Sitzungsber. d. Wiener Akademie
CXXIII, II, S. 176.
72) Miracula b. Martini auet. Haebemo: Ball uze, Miscell. TT, p. 300:
Absida . . . fnsilis erat ex auro et argento, quod dicitnr electrnm, spis-
situdine duoram digitorum , auctoreinqite operis beatutn Perpetuum
inscnlptor designarat suffragio litteramm et versuum . . . Fecit etiam
altare quadratum et coneavum ex lapidibus tabulatis qnod magna tabula
cooperuit et cum aliis coementavit. Fecit etiam intus aliam absidam ex
aurichalco cupro et stanno, fusilem, habentem palmain in spissitudinem
ostio fusili quod gumphiis et virtevellis et quatnor clavibus. firmabitur,
ubi et han«: absidam eleetrinam posuit secnndainque desuper; fecit deni-
que fredam desuper auro optimo et lapidibus pretiosis tanto sacerdote
condignam. Dies. ErzHhlung i. d. Chroniques des comtes d'Anjou. Paris
1856, p. 62 (Ausg. d. Societe d hist. de France) und in dem Bericht über
die Uebertragung d. Reliquien v. 1323 (Grandmaison, Notice snr le*
anciennes chasses de S Marlin. Paris 186!». p.
73) Testam. s. Perpetui Turon. ep.: Acta SS. April. I, p. 7f>0.
74) Die h. Gcnevieve war die Erbauerin der Basilika und damit
Paul deinen:
Avranelie* (f>74— 59H) wird nachgerühmt , (lau* er eigenhändig die
(?otte«lie»8tliclien GefäRsc für seine Kirche angefertigt lialx* '• '■').
Unter den Werken des Kligius stehen drei in erster Linie;
das Grabmal des Ii. Martin in Tours 7B), das der Saintc-Genevievc
wahrscheinlich zugleich die Erbauerin des ältesten Grabmales (Dom Fc-
libien, Hist. de l'ahbayc royale de Saiut-Denis. Paris 170(j. p. 1; Dom
Doublet, Hist. de labbaye de Kaint-Dcnis. Paris 1625. p. Utf; Dom
Millet, T.e tresor sacre ou iuventaire des saintes relhpies de Saint-Denis.
Parin 1638. p. W). St. Gouevicve starb aber einige Zeit vor Chlodwig1 (511).
Heber den Ausdruck turritus bei Gregor v. Tours, de gloria martyruiii
e. 72 vgl. G. Bapst i. d. Revue archeol. 3. ser. VIII, p. 306.
75) W. Arndt, Bischof Marius von Avenches, sein Leben und seine
Chronik. Leipzig 1K75. Vgl. Jul. v. Schlosser :i. a. O. S. 3-1.
Im 5. und 6. Jh. findet sieh eine, grössere Ileihe von Notizen über
Herstellung grösserer Croldschmiedearbeiten, zumal an den fränkischen
Königshofen und an den Bischofssitzen. Der h. Remigius if 525) nennt
in seinem Testament (Aub. Miraeus, Opera diplom. et hist. Brüssel 1723.
I, p. 1) ein zehn Pfund schweres GoldgcfMss, ein Geschenk des Königs
Chlodwig und einen mit Figuren verzierten Kelch (iniaginatum). Der-
selbe Chlodwig schenkte der Basilika von St. Peter in Rom eine goldene
mit Edelsteinen besetzte Votivkrone (Flodoard, Hist. I. I, c. 15). Bei der
Einnahme von Narbonne durch Childebert i. J. 531 wurden GO Kelche,
15 Patenen und 20 Küsten für Evangelicnhandsehrifteu erbeutet, alles
von Gold und mit Edelsteinen verziert (Gregor. Tur. Hist. Franc. 1. III,
c. 10). Chilperieh (f 584) Hess als Geschenke für den byzantinischen Kaiser
grosse massive Goldschmiedewerke herstellen (Gregor. Tur. Hist. Franc.
I. VI, c. 2), ähnlich der Sohn Chlothars I., Guntram (f 593) für das Kloster
Saint-Bcnigne bei Dijon (Chronica ahb. Bonigni Divionensis mon.: d'Ach er y,
Spicileginm I, p. 370). Die interessantesten Nachrichten mit ausserordent-
lich wichtigen ausführlichen Beschreibungen über GoldRchiniedcwerkc des
7. Jh. mit Bezeichnung der Formen, des Materinles und genauer Angabe
der Verzierung mit menschlichen und thierischen Figuren, enthält die
allerdings erst um 860 von Heinrich von uAxerre begonnene Historia
episcop. Autissiodorensium (Neue Ausgabe bei Duru, Bibl. hist. de
TVonne I. Auxerre 1*50. Auszüge Mon. Germ. SS. XIII, p. 393). Vgl.
über die ganze Periode Labarte a. a. O. 1, p. 415 429.
76) Der Bericht i. d. Vita S. Eligii 1. II, c. »57, bei d'Achery II, p. 120.
Ausführlich G. Bapst, Le tombeau de S. Martin: Revue archeol. 3. ser.
VII, 321. Vorher J. (^uiehcrat, Restitution de la basilique de S. Martin
• a Tours: Revue archeol. 2. ser. XIX, p. 13; E. Mabille, Invasions Nor-
mande8 dans la Loire et les peregrinations du tombeau de S. Martin.
Paris 1869; De Grandmarson, Notice sur les anciennes ehassca de
S. Martin. Paris 1869; Chevalier, Lc Tombeau de S. Martin de Tours:
Bulletin de la societe archeol. Tourangelle V, 1881. G. Bapst hat aus-
führlich nachgewiesen, dass es sich hier um einen Baldachin oder ein
Merowingische und kamlingische Plastik.
in Paris7') und das des Ii. Dionys in Saint-Dcnis ™). In allen drei
Fallen aber handelte es sich nui die Erbauung eines Ciboriums,
nirgends um die eines Reli(|uiensehreincs - durchweg Werke, die
durch die Masse der kostbaren Steine und das Edelmetall, da»
überall den Holz- oder Steinkern verkleidete, einen hohen Werth
darstellten: die Ueberschwemmung des nördlichen Frankreichs dnreh
die Normannen weihte sie sämmtlich dem Untergange. Eine ganze
Reihe weiterer Grabniäler von Heiligen, .St. Germain, St. Colombe,
St. Severin, St. Quentin, St. Piatnn, St. Chryseuil, St. Lueien, St.
Maxien, St. Julien, St. Crepin und Crepinien werden gleichfalls auf
Eligius zurückgeführt Kleinere Arbeiten, die bei Einfällen und
Raubzügen geflüchtet werden konnten, erhielten sich über die nor-
mannische Zeit hinaus, so das grosse mit edlen Steinen besetzte
Cihorium handelt«, nicht um «inen Schrein. Dieses ging wohl schon H53
hei dein Normauncneinfall zu Grunde und wurde im Anfang des 11. Jh,
durch Herve wiederhergestellt. I'eber die Bedeutung des Wortes eibo-
riuin (propitiatorinm, uinbraculuin, tegirnen altaris) vgl. A. Lenoir, Arehi-
tecture monastiqu« I, p. ti*8. Vgl. auch I,e Blant, Inscriptions chretieu-
nes de la Gaule, anterienres an VIII* siede. Paris 185«. I, p. 225.
77) G. Bapst, La rhAsse de S. Genevieve: Kevue archeol. 3. ser.
VIII, p. 174. Eligius hat mit der tumha nichts zu thun (so wohl zuerst
Baillet, Kecucil des vics des saints. Paris 173!». II, p. 48) — er schuf
auch hier nur ein Ciborium über dem Grab. Die gross« Prachttumba
ward erst nach 1230 durch den Goldschmied Bonnard hergestellt (D u Breul,
Antiquitcs d« Paris. Paris 1712. p. 2Ö2. Der Text des Chartnlars von
S. Genevieve publ. von T. Bonn in i. d. Archives de l'nrt francais IX,
p. 55). Vgl. Heuquevilie et Solly, Antiquites et remarques de. la
chasse de madame Saint« Genevieve. Paris U>2f>; Oarpentier, Histoiro
de ce qui est arrive au tomhc.au de s. Genevieve. Paris 1»'»!I7.
78) Vit« s. Kligti 1. I, c. 32 bei il Achery Tl, p. 8H: Kligius fabri-
cavit et mausoleum s. niartyris Dyonisii Parisius civitat«, et tugurium
super ipsnm marniorcum miro opere de aurn etgemmis: cristain quoqu«
et species de fronte magnifice composuit, neciion et axes in cirenitu
throni altaris auro operuit, et posuit in eis poma aurea rotnndilia atque
gemmata: operuit quoque et lectorium et nstia diligouter de mctallo
nrgenti; sed et tectuin throni altaris axibus operuit argentois: feeit quo-
que et repam in loco anterioris tumuli, et altare extrinsecus ad pedes s.
martyris tabrienvil; tantumque illic, suppetlitante rege, *ua exereuit in-
dustria, atque ita suum diffudit speeimen, ut pen« singulare sit in Galliis
ornamentuin, et in magna oinnium admiratione usque in hodiernum diem.
VgL G. Bapst, Le tombeau de Saint-Denys: Hevue archeol. 3. ser. VIII,
p. 306.
79) G. Bapst i. d. Revue archeol. 3. ser. IX, p. 144, 155, 157.
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Paul Cl eine n:
Krön/, in 8t. Denis feu) — erst die französische Revolution hat sie
im Jahre 171»3 sämmtlicli dem Schmelzofen überantwortet'"). Das
einzige erhaltene Werk , das auf Eligius zurückgeführt wird,
der Thronscssel Dagoberts im Cabiuet des» antique* der Pariser
Xationalhibliotliek ist schlecht bezeugt: die untere Hälfte ist mög-
licherweise merowingisehe Arbeit, während die Kflcklchuc erst durch
Abt 8uger von 8t. Denis eingesetzt wurde 8J).
80) Vgl. Gesta Dagobert! e. 19: Bouquet, Recueil II, p. 385. Die
Chroniques de Saint-Denis I. V, e. 9: Bouquet, Recueil III, p. 2H*>, deren
Autor dus Werk offenbar noch vor Augen hatte, berichten darüber: Li
rois Dagouberz forjast une graut croix d'or pour nietre derriore le mestre
iiutel il'Kglisc, la plus riclie et la plu* soutille <|ue il pooist pourpenser
.... de pur or et de pierrcs precieuses. Car Ii meillours et Ii plus
engingneux orte vre» qui ore soient, tesmoignent que a paines porroit-
l'en trouver uul, taut tust bons maistres, qui autel oeuvre l'eust faire;
pour cc mci&inciuent que Ii us et la manicre «le celc oeuvre est mise en
oubli. Dies Zeugin-- ist ausserordentlich interessant: ein Gutachteu von
Fachleuten des 13. Jh., die ausdrücklich die SuperioritJlt der Technik
der iiierowingischen Goldschmiedearbeiter anerkennen. Vgl. über das
Kreuz l'abbc C'orhlet i. d. Revue de l'art chretien IV, p. 587; Doublet,
Hist. de l'abbaye de Saint-Denis p. 333; Germain Millet, Le tresor
saere de l'abbaye royale de Saiut-Denys. Paris 1G40. p. il ; Ch. de
Linas i. d. Revue de l'art chretien VIII, p. 225; Labarte, Recherches
sur la pe inline en email p. 138. Ausser diesem Kreuz wurden auf
St. Eloi zurückgeführt ein Kreuz in St. Viktor zu Paris (Du Breul,
Antiquiles de Paris p. 433), in Notre-Dame zu Paris ein grosses Kreuz
aus Gold mit Filigran (Gilbert, Description de Notre-Dame de Paris
p. 323), ein Krcuzreliquiar in der Abtei von Saint - Martin - lex - Limoges
(Zeichnung im Sammelband des Abbe Legros, bez. Recueil d'nntiquitcs
Bd. II der Bibl. de.*. Seminars zu Linioges. Schon im 13. Jh. vom Abt
C'oral erwähnt: Chronique de Coral bei Nadaud, Hist. d'abbayc de Saint-
Martin-le/.-Linioges p. WA). Ueber eine merowiiigische Arbeit in Albi
vgl. Barbier de Montaul, La croix lnerovingienne de la cathedralc
cl Albi. Toulouse 1888.
81) Ueber die bis 1793 erhaltenen Werke Ch.de Linas, L'orfevrerie
lnerovingienne p. 45.
82) Ch. Lenormant, Sur le fautcuil de Dagobert bei Cahier et
Martin, Melange* d'archeologie I, p. 157; Aubcr, a. a. O. IV, p. 294;
Viollet-le-Duc. Dict. rai». du mobilier francais I, p. 108. Die Vita S.
Eligii I. I, c. 5 berichtet nur: volebat rex sellam Urbane auro geminisque
fabricare. Die Chroniques de Saint-Denis I. V, c. 8 f.: Bouquet, Kecueil
III, p. 285 haben: uue sele d'or. Aymoin de Fleury, De gestis Frau-
coruin I. IV, c. 30: Bouquet III, p. 132 berichtet über Dagobert
zum J. fi35: solio rex resideiis aureo. Vgl. Abbe Leben f, Dissertation
sur l'histoire eedesiastique et civile de Paris. Paris 1739. III, p. 67.
Merowingisclie und karolingische Plastik.
Eiuen ungefähren Hcj^iiff von den untergegangenen Schätzen
vermögen nnn aber die merowingischen Reliqnicnkästcu zu geben, von
denen eine ganze Reihe erhalten ist, mit Goldblech oder vergoldetem
Rothknpferblech , znm Theil mit getriebener Arbeit überzogen und
neben dem Glaseinail eine ganz eigeuthflmliche Fassung der Steine
zeigend. Auf den Grund wird ein dünnes runde« oder ovales Silber-
plättehon aufgclttthet oder aufgestiftet, das dann um den darauf-
gelegten Stein an den Seiten aufgeklappt und nmgekniffen wird.
Zuweilen wird noch ein dünner Golddraht als eine Art Schnur um
den obereu Rand gelegt. Diese Fassung, dann der ungeschliffene
Zustand der Steine sind die beiden deutlichsten charakteristischen
Merkmale, die die merowingische und karoliugische Goldschmiede-
kunst bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts unterscheiden von den im-
portirten byzantinischen Arbeiten, die fast immer geschliffene Steine
in kunstvolle Casettenfassung einbetten. Eines der ill testen dieser
Kästehen befiudet sieh in der Kirche von St. Maurice-en-Valais : es
trägt die deutschen Namen Undiho und Ello. Das Zellenglas,
welches den Raum zwischen den grossen Steinen ausfällt , ist iu
ganz unregebnässige Felder eingelegt , die durch ziemlich starkes
und rohes Drahtemail gebildet werden83}. Eine gleich alte Arbeit
ist das Reliquienkästchen im Schatz von Sainte-Croix zu Poitiere,
das nur mit mächtigen ungeschliffenen Steinen besetzt ist und der
Ornamente völlig entbehrt M). Ein winziges fr II lies Reliqnienkäst-
ehen, mit rothen Granaten in Goldlamellen besetzt — gefunden im
Rhein bei Nymwegen — besitzt seit einigen Jahren das erzbischöf-
liehe Museum in Utrecht. Im Schatz von St. Etienne zu Sens
(Inv. 226) befindet sieh der Sehrein des Ii. Colnmba, der aber, seit
die Silbcrplattcn gestohlen, nur noch aus dem Holzkasten besteht.
Eine durch die figürlichen Darstellungen hochinteressante Arbeit, die
etwa dem 7. Jahrhundert zugehört, befindet sich dann im Schatz
der Kirche St. Bcnott-sur-Loirc *J). Der Sehrein besteht ans einem
8!l) Abb. bei Edouard Aubcrt, Tm>or de l'abbaye d<* .Saint-
Maui-ice-d'Agaune. Paris 187<> und Louis Courajod im Bull, monum.
XL1I, p. 97.
84) Barbier de Montault, Le tresor de l'abbaye de Sainte-Croix
de Poitiers i. d. Memoire* de la socieU; des nnthjuaireH de l'Ouest. 2. ser.
IV, p. 315. pl. III.
86) Saiut-Benolt-stur-Loire im Bull, monum. XLVI, p. 864 giebt Hello-
•10
Paul 0 leinen:
Holzkasten, der mit getriebenen und vergoldeten Kupferplattcn be-
kleidet ist. Die Vorderseite enthält eine Reihe von sternartig in
einander geflochtenen Ringen, das Dach auf der Vorder- wie Rück-
seite je fünf getriebene Halbfignrcn von Engeln mit gesenkten
Flügeln in Vorderansicht. An der Gicbelscite zeigt sich unter Flecht-
wcrknrnamcntcu die Gestalt eines Geistlichen in einer Tunika, die
Hände betend erhoben, wahrscheinlich die Darstellung des Stifters,
der in einer Capitalinschrift im Rahmen der Rückwand genannt ist:
Mumma Mumuiolus abba-s ?) ticri itissit in aniore sce Mariac et sei
Petri. Für die Flcehtwerkvcrkleidung in Verbindung mit geringem
Olasemail ist bezeichnend das Reliquienküstehen aus der Kirche von
St. Kennet Avalousc (Correze), das 1H89 auf der Pariser Weltaus-
stellung erschien *'•). Endlich gehören hierher die beiden Reliqnien-
tafcln aus dem Sehatze zu Conques (Aveyron), beide mit Filigran
und Glascmail verziert ST). Der Schatz zu Com|nes bewahrt aus der
Mitte des 8. Jahrhunderts ein Reliquienkästehcii , das durch die
fortgeschrittene Hehandlung der getriebenen Figuren den Höhe-
punkt, den die merowingische Goldschmiedekunst an ihrem Ende
erreicht hatte, bezeichnet. Es ist das Reliquiar Pippins von Aqui-
tanien. Die Vorderseite zeigt Christus am Kreuz zwischen Maina
und Johannes, an der einen Schmalseite erseheint ein unbestimmter
Heiliger, an der anderen Johannes mit dem Lamm im Sehoss. Zier-
liches Golddrahttiligran in Fäehermustern verziert die Flächen88).
gravuren der h«-idcn Langweilen. Vgl. l'abhc Kocher, llist. de l'abbayu
loyale dt* St. Bcnoit-sur-Loire. OrU'Hins HMi5. p. 511; Eduiond Michel,
Mon. rel. eiv. milit. du Gütimti.s. Paris 1880.
Wi) Publicirt i. d. Gazette den Beaux-Arts 2. per. XXXVI, p. 15<>
u. i. Bull. nrcheologiqne de la Correze IX, p. 4^2. Besc-lirirbcn im Cata-
logue d«; lexpOMtion retrospcclive de l'art lraneuis «u Trocadero. Lille
1MJ. p. G. Nr. f»s.
87) Genaue LJochreibung im «dien genannten Catnlogm: p. 7. Nr. 59
und GG. Abbildung bei Alfred Darcel, Le iresor de <_'<>u<|Ues. Ganz
anderer Art sind die Kittchen mit Metall|ilatten, die in Deutschland in
den Gräbern von YVallhladt uiul Alzey gefunden worden sind. Sie zeigen
vor allem die KoHCtU'iiveraerung von der gleieben Form wie tlie spater
zu nennenden («ypssarkophage von St. Germain-detv-Pres, aber in einer
solchen Gleichartigkeit, wie sie nur der Gebrauch von Stempeln erklären
kann. Vgl. Liudenschmit, Altertliumskunde I, S. 471.
SM) Ch. de Linas, Le rt-luruinirc de Pcpin d Aquitaine au tresor
de l'abbaye de Conques i. d. Gazette nrcheologique VIII, p. 37, pl. 6, 37, 3«
mit instruktiven Detailabbildungen.
Merowingische und karolingisohe Plastik.
41
Der letzten Kpnehe der mcrnwingischcn Goldsehtniedekinist gehört
dann die Willibrordiarche im Schatz der Münsterkirehe zu Emme-
rich, auf der Vorderseite mit den getriebenen Darstellungen der
Kvangelistensymbole, im 12. und 10. Jahrhundert verändert .81'), und
der Reliqnienschrein in Taschenform aus Herford im Berliner Kunst-
gewerbemuseum au . der auf der Vorderseite mit Glasemail , das
von sternförmig aufeinanderstossenden Ei ligranstä beben eingerahmt
wird, und mit grossen Edelsteinen verziert ist. während die Rückseite
in getriebener Arbeit in der oberen Hälfte Christus zwischen zwei
Engeln, in der unteren Maria zwischen Petrus und Paulus zeigt.
Der Dachfirst ist mit einem durchbrochenen Ornament verziert, am
Rande zwei liegende Löwen zeigend, das seine directen Vorbilder
in Form wie Ausführung in den fränkischen Fibeln mit Thierdar-
stellungen, vor allem im Museum zu Besancon, zu Rouen und in den
Sammlungen Opperinann und der Madame Febore de Macon finden 9°).
Diese Verwendung von figürlichen Darstellungen findet sich bereits
im f>. und fi. Jahrhundert auf Gürtelschnallen und Gtlrtelbesehlag-
plattcn: die Gräber von Lavigny haben eine Platte mit der Dar-
stellung Daniels in der Löwengrube ans Tageslicht gefördert <J1), der
Sehatz der Kirche Notre-Dame le Major in Arles bewahrt eine
Gürtelschnalle, die (fem h. Osanns, f 512, zugewiesen wird: die
Darstellung, zwei Krieger mit aufgestütztem Arm vor dem tempel-
89) Au hiii YVeerth, Kunstdeukiiiälcr der christl. MA. i. <1. Khcin-
laiulen Tat'. III, 1. 2. Text I, S. 7. Technische Analyse mi«l Ahl», werde
ich in den ' KuiistdeukniMlern der Hheinprovinz, Kreit* Rees' Wringen.
90) Kino Keihe von Nachbildungen in den Museen von St. (lerinnin-
en-Laye (19372, 19364, 852«, 8524, 10928, 14335). Interessant eine Fibel
aus Compiegne, die eine ganze Hasenjagd zeigt mit deutlicher Charakte-
ristik der einzelnen Thiere (AM», in St. fierinaiu-en-Lnye, Bibl. Bildeis.
Nr. 3625). Kine Collektion von zumeist deutschen Arbeiten im Central-
uiuseum zu Mainz. Vgl. auch The archacological journal XII, j>. 279 und
die Funde zu Frögg- Vehlen i. d. Mittheilimgen der Ceutruleoiiiniission. N.
F. X, S. LXIII; XI, S. XXXV. Nordische bei Montelius, Spannen t'rÄn
BronsAldern i. d. Anti<|uarisk Tidskrift t'ör Sverige VI, p. 129.
91) Die Seen© gleicht ikoiingraphisch der gleichen Darstellung im
Museum zu Bourges und auf der einen l'lnttc der Sammlung von Mu,°
Febore de MAeon (s. u.). Die Umschrift: .Nasualdus. nan.-a. vivat. deo.
utere. felix. Daninil.' Abb. Fred. Troy on , Bracelels et agraffes anti<|Ues
III, p. 29; Liiidenscliiuit, Alterthuiiiskuiide I, Fig. .129. S. 361.
Paul Clemcn:
artigen heiligen Grabe schlafend, gehört ikonographiseh Byzanz zu:
hier wanl ntfeubar eine byzantinische Elfcnheinplatte copirt a*).
Erst im letzten Jahrzehnt sind die langobardischen Fnndc der
Untersuchung zugänglich geworden. Hier waren es vor allem die
Gräberfelder von Testona 93) und Civezzano*4), die eine Fülle von
werthvollen Waffen und Schmuckstücken zu Tage förderten. Die
ganze Gruppe ist zuletzt zusammenfassend von De Bayc behandelt
worden B5). Die Fibeln, Gürtelschnallen, Agraffen stimmen in den
Hauptformeu mit den gleichzeitig frankisch -merowingischeii fiberein
und finden wie diese ihre Vorbilder in den gothisehen Schmuck-
stücken Ungarns; charakteristisch für diese Grabfunde und zugleich
für den in Norditalicn lokalisirten ornamentalen Stil sind die häufig
gefundenen Kreuze von dünnem Goldblech, mit einem Mittelmedaillon
und einem ziemlich regelmässig wiederkehrenden, mit Stempeln ein-
geschlagenen, durcheinandergefloehtenen Bandwerk auf den Kreuz-
armeu. Sie bildeten offenbar einen langobardischen Brustschnmck
für Fürsten und Edle — dnreh Oesen an den Ecken wurden sie
auf das Gewand befestigt. InTrient, Testona"8), Bolsena, Piaeenza,
02) Vgl. de Lau ri vre, de Saint Ctaaire, cVeque d' Arien im BuJt.
iiiooum. XL1II, |>. 240; Der», hu Congrc* archeol. de Frame XLHI, Ses-
sion A Arles 187«, p. 867. Abb. Kdinond le Blnnt, Etüde sur les sarco-
phajres clmtlens autii{iies de In ville d'Arles. Paris 1878. p. 40; Viollet-
le-Duc, Dictionnahe rais. du mobilicr francais III, p. 62. Die dazu ge-
hörige kupferne Sehnalle uud die Inschrift i. d. Revue des societes sa-
vantes 1857, p. 195. Eine ahnliche merowingische Schnalle gefunden in
Sahit-Etienne-de-Coldres, publicirt bei Desire Monnier, Annuaire du
dcpartcinent du Jura 1841, pl. III.
93) Claudio ed Edoardo Calandra, Di una necropoli barbnrlca
öcoperta a Testona i. d. Atti della Soeicta d'archeologia e Belli arti
per la provimia di Torino IV. Vgl auch Conite Cipolla, Notizie degli
seavi, 1880.
04) L. Campi, Le tombe barbaricho di Civezzano a aleuni rin-
venimenti mediaevali nel Trentino im Archivio Trentino V, 1888; Franz
Wieser, Das langobnrdische Fürstengrab und KeihengrMbcrfcld von
Civezzano. Innsbruck 1887; Ders. i. d. Zeitschrift d. Ferdinandeums f.
Tirol, 3. Folge XXX, S. 270. Dazu Sal. Reiiiach i. d. Revue eritiquo
1H87, 2.
05) J. de Baye, Ktudes arch^ologiques. Epoque des invasions
barbares. Industrio Longnbarde. Pari« 1888. Dazu E. Ferrero i. Archivio
storico Italiauo 5. scr. I, p. 361; Le Moyen Age I, p. 152.
96) Calandra a. a. O. p. 23.
Mcrowingische und karolingische Plastik.
Cellore dlllasi, Chinri«), Monza^t. Lavis!,!»i, Oivezzano ««' . C'ivi-
dale lul), sind solche Kreuze Li grösserer Anzahl gefunden worden,
das Museum zu Mailand besitzt nicht weniger als vierzehn Stück l0i).
Die bemerkenswerthesten Exemplare sind das in den unterirdischen
Grahkammcrn der Kirche St. Maria in Valle zu Cividale gefundene,
mit Edelsteinen besetzte Brustkreuz des Gisulfus 103), das unter den
mit Stempelu eingeschlagenen Ornamenten achtmal einen Kopf mit
langen Locken aufweist — im Museum zu Cividale — , da» diesem
nahestehende Kreuz von Lavis I(M), mit dem eingeschlagenen Namen
Iffo — im Museum von Trient — und das grosse Kreuz von Civez-
zanoloi) — im Museum zu Innsbruck. Da« kreisrunde Mittel-
97) P. Orsi, Monumenti cristiani nel Trentino anterlori all Mille
i. Anhivio storico per Triestc, I Istria e il Trentino II, p. 1 18. Drei Exem-
plare ans Chinsi i. d. Sammlung Ancona in Mailand, vgl. Amilcare An-
co Ii m, Le arnii, Ic tihulc e <|iialchc nitro eimelio della sua collezione
archeologlca. Mailand 188«. p. 20. Vgl. T. Baxter, On soinc Lomhardie
gold oruauicnts found ut Chiusi i. The nrchaeological jonmal 1876, p. 183.
98) Mittheilungen a. d. German. Museum 1886, XIV, S. 110.
99) Vgl. C. Mehlis, Lango bardische GrHber in Südtirol i. d. Ber-
liner philolog. Wochenschritt 1887, p. 34.
100) Fr. Wie s er a. a. O. S. 300.
101) Mittheilungen d. K. K. Centralcomniission IV, S. 326.
102) Vgl. P. Orsi, Sopra due auree croeetto nel musco di Bologna
ed altre siraili dell' ItaUa superiore e centrale. Bologna 1887 i. d. Atti e
Mcmorie della R. Dcputazione di storia putria per le provincic di Ro-
map«, 3. scr. V; J. d. Baye, Cioix Lombards trouves en Italie. Paris
1889; Ders., Etüde« archeol. Ind. Longob. p. 80 ausführlich mit roichen
Abbildungen auf Taf. XHI-OiV. Zum Vergleich auch heranzuziehen
Barbier de Montault, Les croix de plomb placees dnns les tombeaux
en matiere de pitacium. Lhnoges 1888; E. Delorme, Emde sur deux
croix de plomb i. d. Bull, de la soc. archeol. du midi de la France 1887.
103) Angclo Arboit, La tomba di Gisolfo. Undine 1874. p. 13;
De Bizzarro, I Longobardi e la tomba di Gisolfo. Undine 1874. p. 20.
Der Fundbericht in der Illustrazione nniversale v. 1. Nov. 1874. Abb.
de Baye pl. XV, Fig. 8.
104) L. Campi n. a. O. p. 2G; Abb. de Baye pl. XTV, Fig. 5.
106) Abb. de Baye pl. XIV, Fig. 3: Wieser Tal. III, 1. Ein ganz
ähnliches Kreuz im Musee Cluny zu Paris (Barbier de Montault i. d.
Mein, de la societe des antiquaire« de l Ouest 2. scr. IV, p. 315; Abb. bei
Du Sommer ard, Les arts au moyen Age, Album 10. serie pl. 15). Eines aus
Wittislingen im Nationalmuscum zu München (Ohlenschlager, Die In-
schrift des Wittislinger Funde», 1884; Abb. de Baye p. 93).
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Paul deinen:
mcdaillon enthalt hier, von einem Perlkranz umgehen, einen nach
recht» schauenden Adler mit ausgebreiteten Flügeln, die Balken
schmückt ein vierfach verschlungenes, mit Perlen besetztes Band-
ornament, zu beiden Seiteu von einer quergerippten Randleiste be-
grenzt. Alle diene Werke sind aber nur vereinzelte, fast rudimen-
täre Koste und Ue1>erbleibsel; eine glänzende Vorstellung von dem
Umfang und der Leistungsfähigkeit der langobardischen (lold-
sehmiedekunst erhalten wir durch den schon oben genannten Sehatz
von Monza und den grossen im Jahre 1880 aufgefundenen Gold-
schatz , der jetzt im Besitz des Cavaliere Carlo Kossi ist l0°).
tOTi) Carlo Rossi, Alcuni eenni sopra ignnte scppellettili sacre di
argento cd orn appurtcneiiti ai primissimi seeoli dclla chiesa. Rom 1887.
Mit 21 Tttn , nur in 50 V.x. gedruckt < Festschr. z. Priesterjubilftum Leo» XIII. 1.
Du Wnal, Der Silber- und Goldschatz des Cav. Ro^i i. d. Römischen
yimrtalsehrift f. christl. Altcrthumskunde I, S. 272; II, S.86, 148, Taf. II- IV,
VII, VIII; Der»., Die goldene Krone im .Schatz des Cav. Rossi ebenda
III, S. «i«. Mit Doppelt«. Abb. de* einen Buchdeckels auch Rohault de
Flcury, La messe VIII, p. 114, pl. G58 bis.
Der Schatz von Monza und der Schatz von Rom schliefen die
Reihe der kirchlichen Gohlschmiedewerke der langobardischen Kunst, die
im Ornament und in der Technik der einheimischen Kunst angehören
«der unter germanischem Einflüsse stehen. Die Übrigen Werke der Me-
tallurgie, die neben jenen hergehen, scheinen .starker unter byzantinischem
Einflüsse gestanden zu haben, insbesondere ist dies für Ravenna anzu-
nehmen, seit hier ein byzantinisches Kxarcbat durch Kurses errichtet
wurde. Noch zur Zeit des Narses hören wir von grösseren Goldschmiede-
arbeiten in Ravenna (La harte, Hist. d. arts ind. I, p. 405). Kr/bisehof
Viktor (">42— 54U) errichtet über dem Altar in der Kirche des h. Trsinus
ein silbernes Ciborium (Spicilegium Rnvcmiatis hlstoriae: Muralori, SS. I,
p. 57G), sein Vorgänger Kcclesius, seine Nachfolger Maximiautis und Ag-
nellus stiften werthvolle Werke, darunter goldene mit Edelsteinen be-
setzte GefllHse (Fabri, Le sagre memorie di Ravenna antica. Venedig
16B4. p. 20). Vom Beginn des 7. Jh. an folgt für Italien eine, Periode
grenzenloser Dccadcnce: der Uber pontificalis, die Hauptquelle für die
künstlerischen Leistungen dieser Zeit, noch durchaus nicht genügend aus-
genutzt, berichtet nur von wenigen Arbeiten. Krst im S. Jh. nimmt hier
die Kunst der Metallurgie einen neuen Aufschwung. Die byzantinischen
Künstler, die die bildei feindliche Stimmung der oströmischen Kaiser au*
der Heimath vertrieben, fanden in Italien gute Aufnahme (Liber pontif.
II, p. 12!». 31 7,1. l'nter Gregor III. (7:11 — 741) beginnt der Aufschwung.
Die silbernen getriebenen Platten, die dieser Papst in den Basiliken des
h. Peter, der Kirche St. Maria ad Fraesepe anbringen lies« (Liber ponti-
licalis II, p. 4.">), waren Ikonostascu, deren Gebrauch direkt auf Byzaiu
Mcrowingischc und karolingisrhe Plastik.
i-
Es sind durchweg kirchliche Oebrnnehsgegonstände, mehrere Btieher-
deekcl aus getriebenem Oold- und Silbcrhleeh, eine bischöfliche
Mitra, ein Bischofsstab ans Silber, mehrere silberne Kreuze mit
(Soldverziernng, silberne Oefässc, darunter ein eueharistisches Oc-
fäss in Form eines Lammes, alles in reichster und mauuigfachster
Ciselirang von symbolischen Seenen und Ornamenten. Die höchst
merkwürdige goldene Krone, nach ihren saeralen Ornamenten eine
Bischofskrone, giebt einen Anhalt zur näheren Datirung des Fundes:
de Waal hat es als wahrscheinlich hingestellt, dass sie für den
Bischof Sergius von Bavenna (752 — 770) gearbeitet wurde und sich
auf die Taufe von Kindern des Langobardenkönigs Desiderius be-
zieht. Die ganze wcrthvolle Serie steht im engsten Zusammenhang
mit den oben aufgeführten profanen Schmuckstücken: das Haupt-
ornameutmotiv ist das weitmaschige Flechtwerk, bestehend aus zwei
wellenartigen, durcheinander geschlungenen Bändern, der Körper
quer geriefelt zwischen schmalen Säumen: wir werden dasselbe
Bandwerk als charakteristisches Hauptmotiv der Ornamentation in der
Iangobardisehen Steinplastik wiederfinden.
Die fränkische Metallplastik im Zeitalter der Karolinger.
Beim Eintritt in das Zeitalter der Karolinger sind die Franken
noch und auf der anderen Seite schon im Besitz einer ausgebildeten
Metallurgie, die sowohl das (Jiessen, wie vor allem die Kunst des
Treibens technisch getlbt nnd ausgebildet hat. Das ist eine That-
saehe, die festgehalten zu werden verdient: die karolingischc Re-
naissance hätte auf dem Oebietc des Kunstgewerbes und der Klein-
kunst gar nicht mit dieser Schnelligkeit ihren Einzug halten können,
wenn hier nicht der Boden durch Jahrhunderte vorbereitet gewesen
wäre. Im 8. Jahrhundert findet sich eine ganze Fülle von Naeh-
znrückrührt (Holtzingcr, die altehristliehe Architektur , S. 154;
v. Schlosser, Beitrag1 zur Kunstgeschichte, S. Gf>). Unter Adrian I. {772—
795) und Leo III. (795-816) erreicht diese Kunst ihren Höhepunkt (L a-
barte II, p. 10). Das grosse, auf vierSJiulcn ruhende, mit Basreliefs be-
deckte silberne. Ciboriuni in St. Peter, das Leo III. errichten Hess, mit
vier massiven Chcnibimgestalteu und goldenen Leuchtern und Votiv-
kronen (Liber pontif. IT, p. 270) war das Hauptwerk dieser Zeit. Ueber
die weitereu Arbeiten der Pitpste des 9. Jh. vgl. Lnbarte 11, p. 128 IT.
4<;
Phalli dornen:
richten über Werke der Goldschmiedeknnst. Es sind nicht mehr
Schmuckstücke, sondern in erster Linie kirchliche Geräthc, ähnlich
wie in den angelsächsischen Reichen, die die Reihe der sich um
Tours und die Person des Eligius gruppirenden Schöpfungen fort-
setzen. Schon im 7. Jahrhundert besass die Kirche von St. Hilairc
in Poitiers ein ausgedehntes Gusswerk, das als eine ganz hervor-
ragende Arbeit betrachtet werden muss : einen Adler aus vergoldeter
ltronze, auf einem Piedestal, an dessen Fuss die vier Evangelisten
und andere Figuren angebracht waren 10T), offenbar ein Lesepult
in Gestalt eines Adlers, wie diese vom 10. Jahrhundert an wieder
erscheinen ,0Ri. Das H. Jahrhundert scheint zum ersteu Male kunst-
voll gegossene Aquamanilien hervorgebracht zu haben: schon um
die Mitte dieses Jahrhunderts werden solche Gcfässe mirabili opere
iu St. Wandrille erwähnt. Erhalten ist eine derartige liturgische
Kanne mit einem Löwenmaul als Ausflussrohr, die dem 8. oder 9.
Jahrhundert zuzuweisen ist. in S. Lorenzo vor den Mauern zn
Rom luy). Einen ungefähren Begriff von der grossen Menge von
107) Doublet, Autiquitcz de l'abbaye de Sainct Denys en France.
Paris 162i>. I, p. 286. Auch massiv silberne Bischofsstäbe, werden im
G. Jh. schon erwilht. Ein«; argentea cambuta im Testament d. h. Kemi
(l'abbe Pascal, Origines et raison de la liturgie catholique p. 144).
Cambuttii baculus (L. J. Gucnebault, Recherche* historiques sur les
erosses i. d. Revue archcol. XIII, p. 704).
108) - Den nächsten bekannten lässt um 980 Folcuinus von Lobbes
herstellen (Folcuinus, De gestis abbatum Lobicnsium bei D'Achery,
Spicilegium II, p. 740), einen gleichen Gauzlinus von Fleury um 1010
(Du Chesne, SS. historiae Francorum IV, p. 96), Richard Abt von Saint
Vannc.s in Verdun 1020 (Hugoiiis Flaviniaceusis abbatis chronicon: Labbe,
Nova bibliotheca I, p. 165). Vgl. Mobilier ecele^mastique in Lc Beffroi.
Brügge 1866. ITI, p. 65. Der Adler aus Poitiers war 635 nach St. Denis
geschenkt worden. Vielleicht bezieht sich auf ihn die Notiz bei Sugerus,
De rebus in administratione sua gestis c. 32 (Du Chesne, SS. IV, p. 348):
Aquilam vero in medio chori aminirantium tactu frequenti dedcauratam,
reauravi feeimus. Kin grösseres Werk erwähnt wieder das Inventar von
Prüm (Aug. Digol im Bull, monum. XV, p. 292): Ainboquod nos dieimus
analogium argenteus cum nreubus praepaiatus et desuper aquila deau-
rata stans super tabrica in moduni pomi argen tei.
10!>) Abb. Victor Gay, Glossaire archeologiqne. I, p. 14. Dies Löwen-
maul ist der erste Ansatz, aus dem heraus später die ganze Kanne in
einen Löwen oder Vogel verwandelt ward. Die karolingische Zeit scheint
die Thieraquamiuilien noch nicht gekannt zu haben. Eine genaue Be-
schreibung, die lexikographisch interessant ist, linden sie in dem Inventar
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Merowingische und karolingisehe Plastik.
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metallenen Gcfässcn im Schatze der Fflreten und Edlen giebt das
Testament des Markgrafen Kverhanl von Friaul vom Jahre 837 no).
Üic Technik de« Treiben» scheint im Anfang des 9. Jahrhunderte
unter Karl ihren Höhepunkt zu erreichen. Abt Sturmi hatte in
Fulda einen Bogen Uber dein Grabe des lionifacitiK mit Gold- und
Silberplatten belegen lassen111). Eines der merkwürdigsten Werke
von St Martin in Mainz von 1252: Krant urcci diversarum formarnm
<|U08 inanilia vocant, eo quod aqua sacerdotum manibns funderetur ex
eis, nrgentei, quaedam habentes forinani Iconum, quaedam draconum,
avium et griphonum vel aliorum aniuialiutn qtioruiiK'umquc*. Die Nach-
richten über St. Wandrille i. d. Gestn abbat. Fontanell. SS. II, p. 290,
292, 295. Unter Abt Oervold wird schon ein ganzer Sehatz goldener und
silberner Gelasse, Becher, ReliquicnbehHlter erwähnt. Einen Begriff von
der Ausführung dieser Oefässe giebt die sog. Taufschale des VVittekind
im Kunstgewerbemuseum zu Berlin, eine Jaspisschalc in niellirter Gold-
bronzefassung (1880 auf der Ausstellung kunstgewerhl. Alterthütner in
Düsseldorf, 8. Catalog S. 239, ans'm Wecrth i. d. Jahrbüchern d. Alter-
thumsfreunde i. Rheinide LXVII, S. 157». Auffällig ist der Gegensatz zn
nordischen Arbeiten in Form und Ornamentik, so dem Kelch aus der
Grabkammer der Königin Thyra (J. Korncrup, Kongehöiene i Jellinge.
Pnblikation der Kongelige Nordiske Oldskriftselskab. Kopenhagen 1K75.
pl. XIIT, Fig. 1» lb).
110) Miraens, Cod. don. piar. I, p. 19; Binterim und Mooren,
Rheinisch-Westfälisch diplomatischer Codex, Mainz 1830, I, S. 9: Ciboreum
cum cruce aurea et capsa aurea et calicem aureum cum patene, coro-
nain auream cum ligno doniini, crucem auream cum cristallo super
ciboreum, planctas duas, unam auro paratam, alterain de cendalo
urceum cum aqua, manile argenteum unum, thuribulum argenteum titiinn,
pipam auream unam, tabula« eburnea« auro paratas, pecten auro para-
tum unum, flavellum argenteum unum, cupsellam ebumeam unam, ean-
delabra argentea duo. Weiterhin erwähnt er in der Kapelle altare argen to
paratuin utuun, calicem eburneum cum patena auro paratum unum, cap-
nuii eburneam auro paratam unam, phylacteriuin de cristallo cum auro
paratum unum, evangelium eburneum unum .... thuribulum argenteum
unum, . . . tabula« ad canendum auro et argento paratas . . . Altare de
cristallo et argento paratum unum, capsam cristallo et auro paratam
unam, calicem vitroum auro paratum unum, calicem argenteum cum
patena, evangelium argento paratum unum, . . . phylacterium unum.
Busteam cristallinam cum rcliquiis, phylacterium de almandinis ot cristallo
paratum unum, phylacterium argenteum unum, calicem de nuce et ar-
gento et auro parafUin unum, calicem argenteum cum patena. Ausserdem
eine grosse Anzahl von weltlichen Schmuck- und Waffengegenstandon.
111) Vita S. Sturmi c. 20, SS. II, p. 375. Heber frühere Arbeiten in
Fulda vgl. epist. Bonifac. 1(5, 68.
Paul Cleinen:
dieser Gattung war das Grabdenkmal des Ii. C'orhinian im Dome
zu Freisinn, das naeh Keinem Tode um UV) mit getriebenen Silber-
pliitteii verziert wurde: zwei lcgendarisrhe Seenen waren dargestellt:
sehoii in der Auswahl verrieth sieh eine naive Rohheit der An-
sehauuug lls).
Zwei grosse Gruppen von kirehliehen Gegenständen waren es.
in denen die Technik der getriebenen Arbeit angewandt ward, An
tependien und Relupiieiischreinc. Einen Marienaltar mit getriebenen
Bilden» ans Silberplatten über einem hölzernen Kern schuf sehoii
Abt Ansegis von 8t. Wandrille113 ', Rado zu Tours 114 1, zwei weitere
für Köln und St. Medard zu Soissoii» Hess auf Karl s Geheiss Rischof
Hildebald von Köln anfertigen "''j. Karl der Kable stiftete ein An-
tependium fllr den Hauptaltar von St. Denis Diese findeu dann
ihre Weiterbildung in den Werken des Tuotilo von St. Gallo» ll7k
In St. Hallen befand sieh in der Mitte des 9. Jahrhunderts ein
Altar mit getriebenen Darstellungen in der Othmarskirehe, fflr den
112j Vita S. Corbiniani c. 13. Nnglcr, Deutsche Kunstwerk«* ans
dein 10. Jahrli.: Anz. f. Kunde «t. deutschen Vorzeit XXIII. 1*76, S. 232;
v. Schlosser, Beitr. zur Kunstgesell. S. 1)1.
113) Gcsta abbat. Fontanell. SS. II, |>. 295: Altare in honore perpe-
tuae virgiiiis Murine decoravit tabula lignea, (|Uam imaginibus «rgenteis
diversis cooperuit.
114) Pni'tae latini aevi Cainlini I, p. 30«, LXXXV11I.
115) l'oi-t. lat. T, p. 333. Vgl. v. Kumolir, Italien. Forsch. I, S. '222.
\M'i) Sugerus, De rebus in adniinistratione sua ge*t. e. 32: Du-
eliesne, SS. IV. p 315. In Abbildung erhalten in einem flandrischen
Gemälde v. 15. Jb. < V ioll e t lc • Du c, Dictinunaire rnis. de I nchitei tiire
Iraneaise II, p. 2T.,. Das Inventar des Schatzes von St. Denis giebt eine
leclmiM li hochinteressante ausführliebe Beschreibung der Tafel (abgedruckt
Labarte. II, p. UY2). Dorn. Kccherches sur la peinture eil email p. 143,
171. Beinelinus und Bernuinil-s zwei Kanoniker von Scns, fertigten ein
goldenes Antepeiidiuin mit Basreliefs, das erst im J. 17(i0 eingeschmolzen
wnrd. Die Zeichnung, die der Maler Bambinet damals anfertigte, ist
puhlicirt bei Du Sommerard, Les arts au moyen äge. Album, 9. serie,
pl. XIII. Fmcric David, Jlist. de la m-ulpture fram.aise. Paris 1853.
p. 29, sieht darin das Filde v. 9. Jh. vom Frzbischof Scvinus gestiftete
Antependiuni. Dieses aber wurde nach Chronik voy Saint-I'ierrede-Vif
schon Jahrhunderte früher eingeschmolzen (Clnrius, Chron. S. Pctri
Vivi Senoucnsis bei D'Achery, Spicilegiuiu II. p. 73t».'.
1 1 7> Katpcrti Casus S. Galli, SS. 11. p. SM. Vgl. v. Schlosser, Beitr.
/.. Kunstgescli. S. ISO. Die Künstlerlegeude d. Tuotilo von S. Gallen.
Merowingische und karolingische. Plastik.
19
Walafrid Strabo wahrscheinlich die Tituli dichtete »"). Rcliquien-
schreine mit getriebenen oder ganz herausgearbeiteten Verzierungen
fertigte schon Rhabanus zu Fulda u!\i, ein gleicher entstand in St.
Gallen1*0) und Tours1*1). Lothar II. schenkte an St. Gennaiii
d'Anxerrc einen prächtigen Schrein von Gold und Edelsteinen1«),
und in Fulda und in St. Gallen li3) werden gegossene Stand-
und Kronleuchter genannt. Unter Karl dem Grossen, der zu Aachen
eine Gieswbttttc errichtete, lebte der Bronze- und Erzguss wieder auf:
an der Spitze der Werke , die aus jener hervorgegangen , stehen
die bekannten Gitter im Aachener Münster. Eine letzte Gruppe
vertreten dann die Tragaltäre, die gleichzeitig auch als Reliquieu-
schrcine dienen. Unter Abt Austrnlf von St. Wandrille (747 — 753)
wird der erste Rcliquienbcbftlter ad instar parvi fari erwähnt
Ludwig der Fromme besass einen solchen 1SÄ), Karl der Kahle schenkte
einen nach St. Denis1'6).
118) Wahrscheinlich gemacht von v. Seh losser, Rehr. S. 97.
119) Catalogus abbatutn Fuldcnsium, SS. XIII, p. 27.'$: Rhabanus
fecit arcam areae Mosaicae instar cum circulis et voctibus ex omni parte
auratani, propitiatorium, Cherubim glnriae. t'cbcr die Bedeutung vgl.
Du Cange. Glossarium V, p. 479; Paul C lernen, Portraitdarstcllungen
Karls des Grossen S. 59 Aiim. 4.
1-20) Ratperti casus S. Galli, SS. II, p. 71.
121) Poeta lal. I. p. 308, v. f>.
122) Lebeuf, Mein, concernaiit l'histoire civ. et eccles. d'Anxerre
et de son ancien dioeese. Paris 1848. I. p. 72.
123) Catalogus abbat. Fuldens. SS. XIII, p. 273: Caudelnhrum duc-
tile ex toto auratuin. Casus S. Galli. SS. II, p. 70: Praetorea eorona ar-
{•enteis aliisque diversis luminaribus pariter tum niultiinodis variorum
ornainentnrum splendoribus ipsam niagnopcre studuit insignire basilicam.
124) Gesta abbat. Foutanell. c. 14.
125) Acta SS. ord. S., Benedicti IV, p. 2l>0; vgl. A. Darcel u. A.
Varin, Autels portatifs i. d. Anna), areheol. XVI, p. 78. Solche thurm-
artige GoldHchmiedewerko (Tabernakel?) werden schon von Gregor von
Tours erwähnt. Gregor. Turon. de gloria martyrum c. LXXII; Vita
S. Aridii abbat™ : Op. Gregor. ed.Mignc I, p. 1143; Miraoula 1. 1, c. LXXXV1.
Vgl. Auber, Histoire et theorie du svinbolisme IV, p. 290.
126) Acta SS. ord. S. Benedicti III, 1, p. 78; Doublet, Ilist. de
l'abbaye de St.-Dcnis p. 335. lieber die erste Schenkung Arnulfs vgl.
Fkkehardi IV casus S. Galli SS. II, p. 82: Erat innnus illud capsa solide
aurea, gemmis regaliter inclita, reliquiis summis rel'erta, in rormain capel-
lae creala, cui simiie <|iiidcin nihil uiu|iuun vidimus. l'eber die Kunst-
th.'Uigkeit des Allgilbert in St. RiMuic.r vgl. Labarte II, p. 149. Im J. 81)4
verfertigte Odulfus. der Münch von St. Ri«|iiicr, einen goldenen Schrein
für das Haupt des h. Richarius (Hariulli Chron. Ontul. 1. III, c).
Jahrb. (1. Vor. v. Altcrthsfr. iui Klifiul. XfH. ±
Pmil Climen:
König Arnulf, der tun 8^7 dem Abt Salomen von Consta»/
einen thurmartigeu Traualtar schenkte, stiftete einen zweiten nach
8t. Enunerani in Regensburg, der noch in der reichen Kapelle zu
München erhalten ist — das hervorragendste Werk der karo-
lingischen Goldschmiedekunst, dass auf unsere Zeit gekommen ist,
ebenso eigenartig in dein eonstruetiven Aufbau wie vollendet in der
technischen Ausführung der getriebenen Arbeit. Es vermag einen
Begriff zu geben von der Leistungsfähigkeit de* 9. Jahrhunderts
im Treiben figürlicher Darstellungen: es ist uur ein kleiner Sehritt
uoch zu den grossen an der Wende des Jahrtausends stehenden
Antepeudicn von Aachen und Hasel und den untergegangenen An-
tependieu von Xanten und Essen Der grosse Silberaltar von
S. Ambrogio in Mailand, den Er/.bischof Angilbert II. vor H.*l:"> durch
Wolvinius magister phaber anfertigen Hess, auf dessen Vorderseite
das Leben Christi von der Verkündigung bis zur Himmelfahrt in
zwölf Scenen dargestellt war, und dessen Rückseite zwölf Bilder ans
dem Leben des h. Ambrosius trägt, kann noch jetzt in Anordnung
und Ausführung die Pracht der zu Grunde gegangenen Antepen-
dien vergegenwärtigen ,*9). Die baldaehinartigen Ciborien Uber den
127) lieber der Platte erhebt sich noch ein Ciboriuniuufbau mit
goldenen Säulen, über den sieh noch ein zweites niedrigeres Geschoss,
ein nur vier kurzen Säulen ruhendes Giebeldach erhebt. Farbige Abb.
bei Zettler, Kitzler und Stockhaucr, Ausgew. Kunstwerke aus dein
Schatze der reichen Kapelle zu München. München lS7fi. Taf. 107; Rohault
H . de Eleury, La messe V, p. 12. pl. 3/1. Vgl. Laib und Schwarz, Stu-
dien über die Geschichte des christlichen Altar*. 1H57. S. «0; Fiorillo,
Geschichte d. zeichn. Künste i. Deutschland 1, S. 182; Labarte II, p. 173.
Schon in einem Bericht von 1181 wird er als turrita aedicula bezeichnet.
Hcnrie. Canisius, Lectiones antk|uac. Antwerpen 1726. III, p. 109: Ci-
borium quadratuin, enius nuro tectum tabulatum fastigio serto gennnarunt
redituitum. Corpus vero sustentatur octo aureis-columncllis. Acta SS. ord. S.
Bened. VII, p. 27G: Erat hoc altarium circuniductum argento, quod opere
ductili apostolorum capita repre.sentabat. Vgl. die Berichte der alteren
Reisenden: Mabillon, her Genn. Anal. p. 10; Geerken, Beinen II, S. 91.
128) Alte Zeichnungen publicirt bei Giemen, Kunstdenkmaler der
Bheinprovinz. Kreis Rees und Kreis Essen.
12i»j D'Agüicourt, Sculpture, pl. 2t>: Ferrario, Mon. sacri e pro-
fani di S. Ambrogio. Mailand 1825; v. Schlosser, Beitr. S. 95. Eine
grosse farbige Ansicht bei Du Sommerard, Les arts au moyen Age,
Album, 9. serie pl. XVIII. Vgl. Labarte, Hist. d. arts ind. II, p. 137.
Ueber die Gruppe der in Italien unter byzantinischem Einlluss ausge-
führten Goldschmiedewerke, in die die Tafel von S. Ambrogio gehört,
vgl. oben Ann». 10t>.
Mcrowingische und karolingische Plastik.
Gräbern der Heiligen, die unter den merowingischen Königeu zu-
erst erschienen und mit Vorliebe von Eligius als Vorwürfe gewählt
werden, Huden jetzt ihre weitere Ausbildung. Sie werden aber jetzt
mit Reliquicnschrcinen in Verbindung genetzt. Nach wie vor ruhen
sie auf vier Säulen und sind ttber einem hölzernen oder steinernen
Kern mit kostbaren getriebenen Gold- und Silberplatten belegt.
Eiuen solchen Aufbau errichtete Rabnnus in Fulda Uber dem Grabe
des h. Bonifatius130), das grosse Goldschmiedewerk, das Lothar I.
der Abtei Prüm schenkte, scheint auf der Grenze zwischen eiborium-
förmigem Tragaltar und Grabeiborium gestanden zu haben ,31). Die
glänzende Durchbildung finden diese Werke wieder unter Karl dem
Kahlen, dessen Regicruugszeit den Höhepunkt der karolingischen
Goldschmiedekunst überhaupt darstellt, wie unter ihm die voll-
kommensten Schöpfungen der karolingischen ßuchmalcrei entstan-
den. In der Kirche St. Benigne zu Dijon wurde über dem
Grabe des b. Benignus ein Ciborinm errichtet, von vier Marmor-
säuleu getragen, die Bogen mit Holz verkleidet und mit getriebenem
Gold- und Silberblech überzogen, die Geschichte Christi darstellend13*).
Ein noch kostbareres Werk stiftete unter Karl der Bischof Hinemar
130) Vitn b. Hrabani arehiep.: Mabillon, Acta SS. nid. S. Bene-
dict! VI, p. 17: Turrcm lapidenin . . . super quam culmcn ligneum eolnm-
nis quattuor sustentatum erigens, auro ornavit et argento: intra quod
nrcain oblongam quadrangulo schemate t'aeere posuit, quam etiam auro
et argento «tque lapidibus ornnns, singulorum sanetorum imaginibUN
decenter expressis docoravit, versusquu quasi ex persona eiusdeiu arcae
prolatos in cireuitu.
131) Inventar bei Digot i. Bull, moiiuui. XV, p. 283: Capsula aurea
cum altari superposito, hiniteutein quatuor columnis argenteis et alia
capsuln inodica altari superposita et corouula aurea. Ausführlich über die
Hlteren Tragalt»re A. Darcel i. d. Annal. arclie.nl. XVI, p. 77; Barbier
de. Montault im Bull, monum. XL VI, p. 328; Kock, The church of our
t'athers I, p. 254; W. A. Neu mann, Der Ueliquienschatz des Hauses
Braunschweig-Lüneburg S. 110.
132) Chron. S. Benigni Divion.: D'Achcry, Spicilegium II, p. 384:
Sepulcrum vero saneti et gloriosi martyris ita est construetum. Est
tumba ex quadris aedificata lapidibus, . . cuius cacumen lapideum qua-
tuor suatinetnr suffragio columnarum: desuper autem quatuor coluinnae
inarmoreae locatac crant antiquitus. Olim super lapideos arcus, qui con-
tinebant absidnm, lerebant ligneum *ex lubitorum longitudinis et tres
latitudiuis, septemque et semis altitudinis, qune uiidiqiic auro et ar-
gento vestita, historiam dominicae nativitatis et passionis prueinonstru-
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Paul ('leinen:
(844—863, in dem thurmarligen Altaratitbau fllr <!*-»» Schrein des
Saiut-Rcmi: die Vorderseite, mit einem mit Edelsteinen und (Jenimen
besetzten Rahmen, enthielt in getriebener Arbeit Sccnen au« dem
Leben de» Saint-Nieaise, der .Madonna und des Saint-Kemi 1:,S). .Schon
dem 10. Jahrhundert gehören dann zwei kleinere Arbeiten im Sehatze
zu Cou<|UC8 an, die in der Technik noch ganz unter dem Banne
der karolingischen Tradition stehen und auch in der Wahl des Ob-
jekts keinen Fortschritt zeigen — die Statuette der Sainte-Foy l'M)
und das sogenannte A Karls des Grossen "•'»).
bunt anaglypho }>roiiiineiit«- opere pictura satis o|itima. l'ehcr dein Haupt
altar «1er Stepliansi-atlifdraN- in Auxcrre errichtete Bischof Aaron nach
800 ein Cihorium von Gold und Silber, nach «lein VorbiUio des von ihm
in Kom gesehenen (Hist. episenp. Autissiodorensium ed. Dum, Hibl. hist.
de l'Yonne 1, e. 34).
133) Prosper 'Farbe, Tresor des eglises de Keims. Heinis 1843.
p. 44, 189. Vgl. Flodoardi hist. Keinen», lib. III, c\ G, !»; Labarte II,
p. 16h. Die Thür zu dem Schreine war mit (ioldplattcn bedeckt, in
ihrer Milte öffnete sich ein Fensterchen, das einen Blick in das Innere,
das mit kostbaren Steinen und Medaillen incrustirt war, gestattete. Auf
einer Bordüre von blauein Fmail stand die Inschrift:
Hoc tibi, Kemigi, fabrieavi, magne, sepulchrnin,
Hincmarus praesul duetus amorc tui,
Ut requiem Dominus tribuat mihi, sanetc, preentu,
Kt diguis meritis, mi venerande, tnis.
Die vonlere Tafel mit den drei Scencn beschreibt das Inventar des
Schatzes von KU?!): Ati devant du grandautel il y n trois hystories,
dont la premiere est de saint Nicaise, In seconde de Notrc-Dame, et la
troisi^me de saint Heniy, gnrnicsde cornalines, d'csmeraudes, de topazes,
de saphyrs et de deux onix; au mllieu de la diete table est un cristal
de röche en ovalle, sur Icqucl est grave un crucilix. Hincinar, archeveque
de Keims, a faict faire cette table, qui est d'or, sur laquelle sc lisent ces
vers: Hunc proprio proprium fecit de inartuore vultum
Praesul Hincmarus, cuius inisereris Jesus,
Hic regis Caroli retinens oblata benigni.
134) A. Darrel, Tresor de Conques i. d. Aunal. archeol. XXI, p. 39
(XVI, p. 77, 277; XX, p. 21n, 204, 327). Die Höhe betrügt 85 cm. Abb.
Kohault de Fleury, La messe, II, pl. IUI, V, pl. 344. Die erste Erwah-
nuug der Statuette füllt in das Jahr 1010: Bernard von Angers bemerkt,
er habe bei einer Procession eine Figur der Heiligen von Oold gesehen
(Mabillon, Annal. ord. S. Bened. IV, p. 40): sanetae Fidis aurea nia-
iestas id est statua, spilter wird crwHhnt imago sanetae Fidis et capsa
aurea quam fertur donavisse Carolas Magnus. Nun kann die Figur nicht
gut über 888 zurückgehen: erst in diesem Jahre kommt der Name auf,
bis dahin hie.ss die Abtei K. Salvator (Mi'-i inicc im Bull. mon. IV. p. 23G).
Meiowiugische »mrl karolingischc Plastik.
Der Monge der aufgeführten karolingisehcn Motallarbcitcn de«
9. Jahrhunderts ist auch die kleine Reiterstatuette des Museum«
Carnavalet in Paris* anzureihen, die von aus'm Weerth13") und
mir als eine Arbeit ans der ersten Hälfte des !>. Jahrhunderts
bestimmt worden war. Xenerdings hat Georg Wolfram gegen
diese Datirnng Einspruch erhoben 199 >. Aber schon der Hauptcin-
Pic Autoren d. Gallia christiana I, p. 244? bemerken von Abt Bcgon III
( 1 0M7 — 1106) : Chiustrum ronstruxit et reliqnias in auro posuit. Das scheint
mir aber sieher auf dns noch erhaltene Begonrcliquiur zu gelten. F. do
I.asteyric, Observation* critique.s sur le tresor de Conqucs i. d. Memoire*
de la hoc. den antiquaircs de France 3. ser. VIII, p. 55 will die Figur
später ansetzen, aber ohne gewichtige Gründe. Ich bin der Ansicht, dass
sie zwischen 888 und 1010 entstanden und noch unter dem Einflüsse der
karol. Technik steht (die beiden Medaillons an den Stuhlwnngen sind
natürlich spater eingesetzt). Farbige Abb. von Form ige i. d. Samm-
lung d. Commissiou des mon. histor. zu Paris i.Inv. 7842).
135) P. C leinen, Portraitdarstellungen Karls des Grossen S. 199,
Abb. A. Darcel, Le tresor de Conques p. 14; F. Dumas, Revue de
l'exposition universelle de 1889, p. 309. Schon erwilhnt im Liber mira-
hilis von f'onqnes (Paris, Bibl. nat., Cod. recueil de Doat 143). Edmond,
Bnnnaffce i. d. Gazette des Beaux-Arts 188!), II, p. J-f. Uebrigens wohl"
erst unter Begon II. angefertigt. Vgl. Müntz, F.tude* iconographiques
et archeologiques p. 99; Victor Gay, Glossaire arehcol. du inoyen Age
et de la rcnaisnanco I, p. 2. Ein für die. Geschichte, des privaten Lebens
interessantes Stück ist das von Deloche publicirte karoliugische Gewicht,
eil» Kupferdiscu» mit der Inschrift: Kodulfus negotiens (M. Deloche,
Description d un poids de l'epoqne carolingieune. Scs rapports avec
l'ancienne livre romaine. Brüssel 1885. Dazu Bibl. de lceole des chartes
XLVI, p. 354).
VMn) F. aus'm Weerth. Die lieiterstatnette Karls des Grossen aus
dem Dom zu Metz i. d. Jahrbüchern des Ver. v. Alterthumsficundcn i.
Kheinlde. LXXVIII, S. 139.
137) P. Giemen, Die PortrHtdarstcllungen Karls des Grossen S. 45;
Zeitschrift des Aachener Oescltiehtsvereins XI, S. IHT>.
138) Georg Wolfram, Die Keiterstatuette Kails des Grossen aus
der Cathedrale zu Metz. Strassburg 185)0. Ich habe die Wolfram'sche
Hypothese bereits an anderen Orten (l'ortraitdarstellungcn Karls des
Grossen S. 230, Nachtrage; Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins XII,
S. 144; Repcrtorinm f. Kunstwissenschaft XIII, S. 4X1) zurückgewiesen
— eine eingehende Begründung musste ich für eine zusammenhangende
Betrachtung der karolingisehcn Plastik aufschieben , da gerade aus ihr
die Zugehörigkeit der Statuette zu den übrigen angeführten Werken
am klarsten hervorgeht. Gegen die Wolfram'sche Hypothese wendet
sich auch A. Springer und H. Janitschek i. Literarischen Centralblatt
1891, S. 549.
1
Paul deinen:
wand gegen die karolingische Provenienz — die Behauptung, die
Frauken in der 1. Hälfte des Jahrhunderts hätten den Reichs-
apfel uicht geführt, eine Figur, die mit ihm dargestellt sei, könne
alno nicht das gleichzeitige Porträt einer Persönlichkeit ans dieser
Periode sein — beruht auf unrichtiger Voraussetzung Die ein-
zige Periode, die stilistisch und technisch noch in Betracht kommen
130) Wohra in führt drei BeweiMiiomcnte an, die au sin Wecrth
und ich für die Nichtigkeit unserer Ansicht vorgebracht: 1) Uebcrein-
stiuunung der Statuetie mit den zeitgenössischen Sehilderungen von
Kails Person, 2) Tracht und Beigaben sind karolingisch, 3) die Kunst-
fertigkeit der kurolingisehen Zeit war bedeutend genug, um eiu solche«
Werk hervorzubringen. Dass die Ueiterstatuette einzig dastehe, wie
Wolfram S. 5 anführt, habe ich allerdings behauptet, aber ausdrücklich
im Vergleich mit erhaltenen Werken der karol. Kunst. Nach meinen
letzten eingehenderen Untersuchungen würde die Höhe der Kunstfertig-
keit den Guss der Statuette auch in der 2. Hälfte des 0. Jh. gestatten,
wenn dagegen nicht das Kostüm spräche. Von dem vierten Beweis-
moinent aus'm Weerth's, der Heranziehung einer romanischen Altar-
uicusa, habe ich bei seiner stilistischen Haltlosigkeit absichtlich keinen Ge-
brauch gemacht. Wolfram macht zwei Zusätze zur Geschichte der Tracht,
S. 7: .Das Diadem ist in der vorliegenden Forin nicht wie Ci erneu
meint, auf die frühkarolingische beschränkt". Ich rede aber an der an-
geführten Stelle (S. ü6.i n u r von dem Gegensatz zwischen frühkarol. und
spätkarol. Zeil: und da ist das Diadem allerdings auf die ersten; be-
schränkt, denn die „altkarolingischen Diademe' der Vi\ ianusbibel, die
W. anführt, sind eben, wie oben gezeigt, nur Voli\ krönen. Gauz irrig
ist dann der Satz S. 7: .Der lange Mantel hält sich gleichfalls bis in späte
Jahrhunderte als Uestandtheil der Krünuiigstincht*. Ganz richtig — aber
ich habe ja eben (S. 51—53) nachgewiesen, dass der Mantel der Statuette
nicht der längere, sondern der kürzere, nur bis Karl d. Kahlen getragene
ist. Auf das Missveiständniss von aus'm Werth, der das Fredegarsclu;
.reges criniti ' auch auf die Karolinger bezogen, die gerade im Gegen-
satz zu den Merowingern die Haare nicht mehr bis auf die Schultern
fallend trugen, bin ich mit Absicht nicht eingegangen.
Wolframs wichtigster Einwand, .sein eigentliches Leitmotiv: Die
erste Hälfte des 0. Jahrb. kannte den Reichsapfel nicht. Grund: Die
Schrift quellen reden nicht davon. Gleich die erste Schriftquelle, die er
anführt, ist der schlechte Witz des Grafen von Lomello im Chrouicou
Novalicicnse, der durch die historische Kritik längst iu das Gebiet des
Märchenhaften verwiesen worden (Th. Linduer i. d. Prcussischen Jahr-
büchern XXXI, S. 431 und i. d. Forschungen zur deutschen Geschichte
XIX, S. 1H1). Die gleichzeitigen Historiographen wie die gleichzeitigen
Krönungsformeln berichten nichts von einem Jicichsapfcl. Aber die letzten
Mcrowingischc und knrolingiMhe Plastik.
konnte, wäre die Zeit der saeuaiselien llot'kunst um die Wende de«
Karolinger von Karl dem Kahlen an und die Sachsenkaiser von Otto I. an
führten ganz 6icher das pomum : aber auch da wird es nicht erwtthut. Der
Grund ist der, dass das pomum erst vom Beginn des 12. Jh. ab zu den insignia
regalia oder iinperialia gehört, wahrend es früher nur Beigabe, Attribut
war. Die vou W. citirten Stellen, «Uc sammtlich von den Reichsinsignien
redeti, konnten darum den Apfel auch nicht unter ihnen erwähnen. Vgl.
G. Waitz, Die Formeln der deutschen Königs- und der röm. Kaiscr-
krönuug vom 10.-12. Jh. i. d. Abhandl. d. Kgl. Ges. d. Wissenschaften
zu Güttingen XVIII, 1873; Schreiber, De ceremoniis condicionibusque
i|uibuH in imperatoribns coronandis pontifex maximus populusque Roma-
nns inde a Carolo Magno usqne ad Friderirum III. usi sunt. Diss. Halle
1H70; Paul Mein hold, Forschungen stur lonibard. Krönung der deutschen
Kaiuer im 12. und 13. Jh. Diss. Halle. Das Formular des Ratold t 986
nennt nur Schwert, Spangen, Mantel, King, Scepter, Stab, Krone, die
älteste Formel des 8. Jh. nur Scepter, Stab und Helm »Martcnc, De anti-
i|Uis ecclesiae ritibus II, p. 596). Der gewöhnliche ordo ad regem bene-
dicendum (Waitz a. a. O. S. 41) nennt cusem, armillas, pallium, anuluin,
seeptrum, baculum, coronam. Di« römische Formel der Königskrönuug
erwähnt dieselhen Insignicn, die Formel im Cod. 141 der Dombibl. zu
Köln gleichfalls nur ensein, coronam, seeptrum, virgam. So nennt noch
das Pontificalc von Chart res sec. XIII. in. im Cod. 144 d. ßibl. zu Char-
tas fol. 1*51 b die einzeluen Abschnitte der Krönung: Hic unguatur olco.
Hie detur anulu.s. Hic cingatur ei gladius. Ilic cornetnr. Hie detur
seeptrum. Hic detur ei virga. Und ein Gedicht Hildeberts über die In-
signien im Cod. 115 der BibJ. zu St. Omer auf fol. 101'» nennt:
Annulus et baculua sunt spiritualia dona ;
His diversa mauent gladius regisque Corona,
Convcniuutque tarnen propria si sede locentur,
Scilicet ut pape regi quoque propria dentur.
Vgl. Anz. f. Kunde d. deutschen Vorzeit. N. F. XXIII, S. 33«; XXIV, S. 14.
Das gleiche Resultat geben die Geschichtsschreiber. Aimal. Bertiniani ad
an». 879, SS. I, p. 511 uennen: corouam et spatam et reliquum regium
apparatum. Der sterbende Konrad I. sendet an Heinrich die Reichs-
insignien: Widukind, Rex gestae Saxonicae I. I, c. 25, SS. III, p. 429:
Sumptis his insigniis, lancea sacra, annillis aureis cum clamide et veterum
gladio regio ac diademate; Otto I. erhalt bei seiner Krönung die rcgalia
insignia, gladius cum balteo, clamis cum annillis, baculus cum seeptro,
diadema (Widukind 1. II, c. 1. SS. III, p. 137). Erst die Chronik des
Ekkehard von Aura nennt 1 10t» den Reichsapfel unter den Insignien bei
der Thronbesteigung Heinrichs V.: rcgalia vel iinperialia insignia, crucein
scilicet et lanceam, seeptrum, globum atque coronam. Vgl. W u i t z, Deutsche
Vcrfassungsgeschichtc III, S. 252; Rieh. Schröder, lyehrbuch der deut-
schen Rechtsgeschichte. S. 109. Dann nennt Cod. lat. 1895 A fol. H2h Paris,
Bibl. nat. in einem Eiutrag aum Pantheon des Gottfried von Viterbo, be-
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56 Paul Cletncn:
1 . .Isihrtanscnds. Dagegen sprechen das ( 'osttini nnd die individuellen
titelt 'de regalibus insigniis', die saneta crux, gladius, lancea snueta,
corona, eristu und endlich pninuin aureum. In die Krönungsfonncln
findet das immun» endlich erst ganz am Ausgange den Mittelalters Auf-
nahme, zuerst findet es sich in dem Pontificnle im Tod. lat. 10073 zu
München, das im Jahr 1409 geschrieben worden ist. So erscheinen denn
auch die Königsbildnisse der ersten Jahrhunderte in durchaus wechseln-
der Gestalt, bah! mit diesem, bald mit jenem der Insignion. ho etwa in Cod.
Claudius C. 7 rlcs Brit. Mus. abwechselnd mit Apfel, Scepter, Speer, Stab.
Die spatern Berichte des 15. Jh. erst erwithnen einen Pkeyser Karells
Aepfel" der mit der Karolingcrzeit natürlich nichts zu tliun hat (»o 1480
i. d. Annalen d. hist. Ver. f. d. Niederrheiu XV, S. 8). Der Ursprung des
Reichsapfels ist im 17. Jh. mehrfach untersucht worden. Job. Christoph
H . . . . enbcrgi i l'rogr. de Globi crucigeri Imperialis origine et fatis
piaecipuis 1721; A. 1". de Zanthicr, Delinealio historica de Globi cruci-
geri imperialis origine et latis. Wittenberg 172-1 ; (1 ottlieb Sam. Treveri
Historia Globi crucigeri, syniboli maiestatis et disquisirio Globi duplicati.
Brunsvigae 17:>H. Vera delineatio atque descriptio Globi imperialis, *jui
inter cetera sacri Roinani Iinperii insignia asservatur. Frankfurt 1730.
Vgl. Joannes ab Judagine, Beschreibung der Stadt Nürnberg. Erfurt
1750. S. 57«; J. G. v. Murr. Journal zur Kunstgeschichte 1787, XV, S. 13«.
Damit ist der Beweis, woraus W. die Niclilexistenz des Reichs-
apfels in der 1. H. des !>. Jh. folgert, zurückgewiesen. Aber die Behauptung
der Niehtcxistenz niuss auch an sich abgewiesen werden. Hier treten,
da die Schriftquellen nicht ausreichen, die monumentalen Quellen ein.
Schon im 7. Jh. zeigt sich der Reichsapfel auf einer wahrscheinlich niero-
wingischen FJfcnheinpy xis (Fr. Hahn, Fünf Elfenbeingcfasse des frühen
Ma^. Hannover S. 14. Tafel 1.) Dann im H. Jh. im L'trechtpsaller
fol. 11» und im Cod. Harl. (»03 auf fol. 10'*. Noch viel genauer aber Ist
das poinum auf Karls Regierungszeit und Reich zu lixiren. Cod. 3(14 der
Bihl. comm. zu Cambrai ist in den letzten Jahren des S. oder den ersten
des !>. Jh. in Tours, mitten im Herzen des Karolingerreiches geschrieben.
Die Ausprägung der runden Halbunciale stellt die Hs. in eine Linie mit
Cod. lat. f>38ß zu l'aris und Cod. 31 zu Trier (die pnlHographbuhc Be-
gründung wird die 3. meiner karnl. Studien über ilie Schule von Tours
bringen). J. v. Sc blosser bemerkt Miltlieil. d. Inst. f. Österreich. Geschichts-
forschung XII., S. 344, dass die Hs. v. J a n i t schek in die ± H. des!». Jh.,
von Durieux i. d. 10. Jh. versetzt sei. Nun aber hat Janitschck die
Hs. überhaupt nie goehen. und Durieux' Bestimmung — die lange vor
Delisles grundlegenden Studien erfolgte — beruht auf einer Verwechs-
lung der Uncialfonrn n. Auf fol. 23» und 43» finden sich Königsgestalten
abgebildet mit Reichsäpfeln iu den Händen, die sie mit der unter dem
Mantel verborgenen Hand halten, ein Motiv, wie es sich ganz entsprechend
auf der Mosaik der Kanzel von San Vitale in Ravcnua, auf der karotin-
gischen Mosaik der Kapelle des h. Zeno iu San Frassedc zu Rom und auf
Merowingische und karolingische Plastik.
r.7
Pnrtrfttznge der Statue uwi. Der Versuch, eine Notiz im Met/er
Capitel«archiv auf die vorliegende Ueitersiatuette beziehen zu wollen,
ist gänzlich hinfällig m). Eine retrospektive Kecoimtruktion und
eine archaistische Arbeit — beides würde durch die Wolf ramsche
der alten Kuppelmosaik im Aachener Münster lindet. Auf toi. 4H« zeigt
der Reichsapfel eine ornamentale Verzierung in der Gestalt von zwei zu-
sammengestellten Halbbogen. Dieses durchaus eigenartige Motiv findet
sieh ganz entsprechend auf dein Bild Karls den Kahlen in Keinem Psalter,
Cod. Int. 1152 der Bibl. uat. zu Paris nuf toi. 3»>. Das erbringt den Be-
weis, dass das pomum und zwar in der gleichen Form wie unter Karl
dem Kahlen, schon unter Karl dem Grossen existirt hat. Der Kinwand,
den W. noch gegen die Haltung de« Apfels hervorbringt, beruht auf einem
Verkeimen, des Unterschiedes zwischen freier plastischer und Flachen-
darstcllung im frühen Mittelalter (ich habe das schon PortrHtdarstellung
S. 231 ausgeführt). Als Illustration dienen die beiden karol. Elfcnbcin-
tafeln Westwood 267 um! 24« und Cod. theol. lat. fol. 358 see X. toi. 1»»
der Kgl. Bibl. zu Berlin.
140) Wolfram selbst giebt zu S. 11, dass Tunieella und Beinbinden
gebieterisch auf die frühknroliugische Periode weisen. Die individuellen
Porträtzüge — vor allem die kolossale Länge des Reiters im Verhältnis«
zu seinem Rons: Ponys sind im ersten Jahrtausend nicht bekannt — ver-
bieten eine Zuweisung an einen der Ottonen. Ks könnten von diesen nur
Otto I. - Heinrieh II. in Betracht kommen. Von diesen trugen Otto I.
und Heinrich II. Vollbart«*, nur Otto III. trug einen Schnurrbart — er
war aber von schmächtiger jugendlicher Gestalt : der stämmige Reiters-
inann mit starken) Unterkinn ist aber mindestens ein Vierziger.
141) Wolfram schliesat »eine negative Kritik folgendcrmasssn
S. 21: „Aus der Zeit Karls des Grossen stammt die Statuette sicher nicht
(wegen des Reichsapfels — das ist oben widerlegt); dass sie dem !). Jahr-
hundert angehört, ist höchst unwahrscheinlich (weil die „Verfallsperiode"
nicht gut das höchste Werk hätte erzeugen können — die Vcrfallsperiode
ist durch die, geschichtliche Betrachtung der karol. Goldschiniedekunst
widerlegt). Ebensowenig dürfte sie im Ottouischen Zeitalter entstanden
sein. (Das ist gerade die einzige Zeit, die stilistisch und technisch allen-
falls noch in Betracht kommen könnte.) Die Kunst des 14. Jahrhunderts
Hvhliesst die Ausnahme aus, dass damals die Statuette gefertigt Wirde.
Höchstens im Zeitalter der Renaissance kann sie entstanden sein." Mit dem
ersten Satz giebt W. die Berechtigung der stilkritischen Analyse zu: im
zweiten weist er auf Grund seiner Kenntniss der Plastik des 14. bis
16. Jh. nur der Renaissance die Fähigkeit zu, die Statutte zu produciren.
Diese Behauptung ist nothwendig, um die folgende zu stützen. Eine
Notiz im Metzer Kapitelsarehiv vom Jahre 1507 IHsst W. die Frage zu
einer „ungeahnt sicheren"1 Lösung bringen. Diese Notiz lautet : Item Iou
a ordonne a ceux qui par eydevaut out eu commission de faire faire
Pnul C leine 11:
Hypothese bedingt win — kenul die deutsche Kunst des lä. und
16. Jahrhunderts nicht. Die Arbeit steht, wie oben gezeigt
worden, durchaus nicht isolirt da — sie ist weder nach Material
und Technik noch nach Vorwurf das hoehstc Werk der karolingi-
schen Metallurgie — nur unter den erhaltenen Werken nimmt sie ihren
hohen Kang ein. Hronzelegirnng und technische Behandlung weisen
Charlcuiagnc »piilz eoncordent avee Francoy lorfevre pour 1h l'aeon et
soy paye. Zunächst ist schon da» Datum (für die zweite Notiz) falsch:
die Marti« scptiina deeima ipsius incusis Novembris int für das Jahr lß07
unmöglich (Zs. d. Aachener OcsehichtHv. XII, S. Die „Kommission*,
von der Wolfrain spricht, verdankt einer ziemlich freien Uebersetzung
da« Leben. Kine sehr oberflächliche Kritik der Wo Ifram'scheu Broschüre
i. d. Köln. Zeitung 10. April WM u. i. d. Jahrbüchern d. Ver. f. Alter-
thumsfreunden i. Rheinlde. LXXXIX, S. 243 erzählt, Wolfram habe eine
Notiz gefunden, wonach das Kapitel ein Reiterbild de« Kaisers habe
fertigen lassen. Ks ist aber nackt und nüchtern nur von einem Charlemagne
die Rede, weder von Material (Bronze, Gold, Sibcr, Elfenbein), noch der
Ausführung (Relief, getriebene Figur, Guss), noch endlich der Darstellung
(Sitzhild, Standbild. Reiterbild und Attribute). K-s liegt hier einer der be-
liebten Trugschlüsse vor, mit denen unsere archäologische Schwestcr-
diMciplin genugsam zu kämpfen gehabt hat. AI« Wolfram die Broschüre
schrieb, lagen ihm die Resultate de« 2. Theiles meiner Arbeit noch nicht
vor, er würde sonst vielleicht seine Folgerung nicht gezogen haben. Ich
habe an anderem Orte nachgewiesen, dass das Bild, welches sich das 15.
und H>. Jh. von Karl dem Grossen machte, ein total anderes war, als das
historisch überlieferte. Bei dem Auftrage des Kapitels handelt es sich
aber um ein Bild des heiligen Karl, ein Heiligenbild des Kaisers, wie es
unzählige gab. Ich habe gleichfalls gezeigt, welche Verbreitung die Vor-
stellung von dem heiligen Karl erhalten halte: ein Goldschinied hatte
sicher nicht uöthig, erst nach den Vorbildern für die künstlerische Ge-
staltung zu Stichen. Und ein Heiliger zu Pferd ! — es sind nur ganz be-
stimmte Heilige, denen ein Rohs zukommt. Die vorliegende Statuette ist
aber entschieden keine Darstellung des heiligen Karl. Die Unter-
suchung W. über die Tradition von dem Kult Karls in Metz und die älte-
sten Inventare ist darum zwecklos: sicher ist nur, dass die Statuette 1H34
sich im Dom befand — wo früher, das ist nicht festzustellen: da sie nicht
als Cultusbild gefertigt ward, ist die Annahme durchaus nicht uöthig, dass
sie für die Metzer Kirche oder überhaupt für Metz gegossen ward. Auch
J.V.Schlosser i. d. Mitthcil. d. Instituts f. Österreich. Gechichtsforschung
XII, S. macht denselben Trugschluss. W. macht S. 23 auf die Nach-
richten über die 2. Statuette aufmerksam. Durch diese Nachricht wird
die Wahrscheinlichkeit einer Richtigkeit der W. Hypothese nach der Wahr-
scheinlichkeitsrechnung an sich schon halbirt. Liegt einem Archivar
Merowingische und karolingisehe Plastik. 50
der Figur lls) gleichfalls ihren Platz neben den übrigeu .Schöpfungen
der karolingiseben Kunst an.
eine Notiz vor, dass im 16. Jli. eine ganz beliebige Vita Karoli geschrieben
sei tmd er (ludet min eine Handschrift dieses Inhaltes, so ist es doch da«
Nächstliegende, den Codex Uber wein Alter seihst zu befragen. Die will-
kürliche Anwendung einer völlig unbestimmten Notiz, die nur eine Gat-
tung: angiebt, auf ein zufällig erhaltenes Kunstwerk derselben Gattung
ist methodisch durchaus unhaltbar. Die Keiterstatuette des Museum Car-
navalet ist nach wie vor als ein Werk des 9. Jh. anzusehen. Gegenüber
den urkundl. Notizen, die nichts besagen, haben wir uns an die stilkriti-
schc Analyse zu halten. Und die kann mir aus der Beherrschung des künst-
lerischen Materinles erfolgen. Der ausgezeichnete kaiserliche Archivdirektor
zu Metz würde sich wahrscheinlich höchlichst verwundern, wollte einer seiner
Hülfsarheiter behaupten, dass man eine karolingische lluciale nicht von
einer lothringischen Cursivschrift d. 16. Jh. unterscheiden könne. Die
Kunstgeschichte darf in aller Bescheidenheit auch eine gewisse Kenut-
niss der künstlerischen Handschrift in Anspruch nehmen — und ist die
erste Vorbedingung zur Datirung einer Urkunde Paliiographie und Diplo-
matik, so für die Datirung eines Kunstwerkes die Stilkritik.
142) Ein völlig genaues Urtheil Hesse sich aus der Untersuchung
der technischen Behandlung füllen, wenn die Oberfläche, deren Bearbei-
tung massgebend sein würde, nicht eben hei dein Brand des Pariser
Stadthauses zerstört worden witve. Indessen zeigt der Guss seihst noch
auffällige technische Merkmale genug. Zunächst besteht die Statuette
aus zwei Thcilcn, die aufeinandergelöthet sind. Gerade dies ist aber be-
zeichnend für das frühe Ma. im Gegensatz zur Renaissance, die alle
kleineren Arbeiten in einer Form gegossen hat (G. G. Adams, On bronzes,
their casting and colouring: Journal of the British archaeological asso-
ciation XXV, p. 14ö). Dann zeigten sich am Pferdebauch und deu Beinen
noch Nahte — also gleichfalls Zeichen der alten Formung. Bekanntlich
siud auch bei deu karolingischen Gittern im Aachener MUuster die Nähte
uieht verputzt.
Eine genaue chemische Aualyse der Bronzelegirungen würde für
eine ganze Keihe unserer mittelalterlichen Kunstwerke interessante Re-
sultate ergeben. Es ist noch nicht einmal der Anfang zu solchen Unter-
suchungen gemacht worden. Ich möchte trotzdem eine Reihe von Finger-
zeigen und Notizen hier zusammenstellen — vielleicht , dass einer der
Fachgenosseti das Problem einmal aufgreift. Ueber die alteren Bronze-
funde und die griechischen, etrurischen und römischen Bronzen liegen
die verliftltnissinässig genauesten Notizen vor. Vgl. Fr. Göhcl, Ueber
den EinHuss der Chemie auf die Ermittelung der Völker der Vorzeit, Er-
langen 1842; S. de Cessac, Le bronze dans l'ouest de l'Europe aux
temps pr^historiques im Bull, inonum. XXXIX, p. 464; Berthelot i. d.
Revue archeol. 3, seric XII, p. 2U4; Daniel Wilson, Prehistoric unnals
Paul Giemen:
Die irische und angelsächsische Metallurgie.
Neben der geschilderten Entwicklung der Metallurgie auf dem
Festbinde läuft nun eine /.weite j)arallele Reilie her, die den gleichen
Ausgangspunkt wie die Kunst des inerowingisehcn Reiches besitzt,
ot" Seotland. London 184vJ. I, j». 365; John Kvans, The ancient bronze
implcmeus, weapons and Ornaments ot" Grcat Britain and Ireland. London
1881. p. 415; J. A. Philips i. d. Mcmnirs ot' the Chemical sneiety IV,
p. 288. Ueber die Bron/.cn Mittel- und Xordcuropas bis zum 3. u. 4. Jh.
vei-ffl. Pen rs nn i. d. Philologien! Transaitions 1706. LXXXVI, p. 395;
Ohantre, L'ajfe du bronze I, p. 62. Das gewöhnliche ist 90 pCt. Kupfer,
10 Zinn, im Norden etwas Blei, nur selten, in irischen Kunden, Silber.
Verjcl. John Lubbock, Prehistoric times, p. 59; De Rokgemont, L'age
du bronze 1866; Mariot, Lcs metaux daus l'ägc du bronze i. d. Mein, de In
soc. des anti<|tiaires du Nord 1866—71, p. 23; v. C'ohausen i. Archiv für
Anthropologie I, S.320; III, S.37; Mortillet, Lorij-ine du bronze i. d. Re-
vue d'anlhropol. IV, p. 650. Bei den Hörnern stieg das Zinn bis zu 20 pCt.
Vgl. J. A. Phillips, Quart. Journ. Chem. Soc. IV, p. 28(5; Woeel, Chem.
Analysen u. Bronzclegirungcn in d. SB. d. Wiener Akad. phil. bist,
('lasse XVI, S. 169; K. v. Bibra, die Bronze- und Kupferlegirungcn.
Krlangen 1869. Ueber das Gussvermhrcn in der primitiveren Penode.
vgl. Sicginund Feldman». Die histor. Bronzenusstellung im Österreich.
Museum i. Westdeutschen (iewcrbchlatt I, S. 96. Ueber die Bronzen des
mernwingischen Zeitalters W. K. Süll i van i. d. Kinleit nnjr zu O'Curry,
Manners and custoin* of the uncient Irish p. CCCCV1I; Annales de
chimic XXIII. p. 150; II. H. Howorth, Archaeology of Bronze i. d. Trans.
Kthnol. soc. VI. p. 72; Keltemess. Uermanerners og Slavenies Bronzer
i. d. Anti<|unrt&k Tidskrift 1852, p. 206; A. Bertrand, Aicheologie celti-
«liic et gauloise 1M76; Annales tbr Oldkyndighed 1852, p. 249; Perrin,
Kt. prehist. sur la Savoie 1870 p. 19; J. W. Mallet i. d. Transact. Royal
Irish Acad. XXII. p. 324; T. H. Henry i. d. Pub. Camb. Ant. Soc. XIV,
p. 13. J. (tirardin. Analyse de plusicurs produits d'art d'une haute
anti<|uite im Bull, monum. XII. p. 173. constatirt einen reicheren Zusatz
von Zinn (bis J5 pf't.) als bei der spateren Statuenbronze: Zink und Blei
sind nur zufällig; durch die Unreinheit der Bronze vorhanden. Ueber
die Renaissance- und neueren Bronzen 0. Drnry K. Fortnum, Bronzes.
London 18NK; Alex. Pinchart, Histoire de la Dinanterie et de la sculp-
ture de metal en Bclgi<|ue i. Bull, des commissions royales d'arl et d'ar-
cheol. XIII, p. 308; XIV. p. 79; A. Benoit, Recherches sur les inonu-
ments en bronze ä partir du XIV. siede. Nancy 1888; Didron, Manuel
des oeilvres de bronze et d'oi fevrerie du moyen age. Paris 1859; C. De-
lon, Le cuivre et le bronze. Paris 1881; Ch. Laureut Daragon, Lo
Mcrowingischc und karolingische Plastik. CA
zum Theil von dieser selbst ausging und zu eng beeinflussend und
bccinflnsst mit der continentalcn Knust verwachsen und verkettet
ist. als dass sie ausgeschieden werden könnte. Es ist die Kunst
des britischen Inselreiches. Die irische Kunst, die Dank der glück-
lichen Abgeschiedenheit des Landes, für die frühen Jahrhunderte
des Mittelalters, einen Keichthuni von Monumenten bewahrt hat wie
keine andere Kunstprovinz, muss hier zur Ergänzung und Ver-
vollständigung des Gcsammtbildcs herangezogen werden. Die mero-
wingischc Kunst gab im 6. Jahrhuudert die Lehrmeister an Irland,
im 9. und 10. empfing sie sie zurück. Es besteht kein Zweifel,
dass die irische Metallurgie des 1. christlichen Jahrhunderts im
Norden, d. h. des sechsten, unter fränkischem Einflüsse steht. Die
merowiugischc Gnldschmiedckunst schloss sich direet an die Tradi-
tionen der Volkerwandcrnngskunst oder deren Parallelerscheinnug
in Irland an, diese in Technik und Ornamentik weiterbildend. Die
Künstler, welche mit St. Patrick nach Irland gingen, fanden aber
dort gleichfalls eine auf den Traditionen der Völkerwandernngskunst
beruhende Technik vor, die der eingeführten zum Theil sogar über-
legen war. Es war schon oben bemerkt worden, dass sich das
Motiv der Spirale in Irland länger als auf dein Festlande gehalten.
Es bildet das Hanptcharakteristicum der irischen Kunst in jener
Epoche, die mit der Zeit der Völkerwanderung zusammenfällt. Es
kam noch ei» weiteres Element hinzu: das Flcchtwcrk, das erst in
hronzc d*ait, ctude liist. et pratique. Paris 1881. Ueber die modernen
Recepte Martinenu u. Smit li's Hardware Trade jotirna) ln7!>, 'M. April ;
Tresen i. d. Comptes Itendus de l'acad. des scieiiccs LXXYI, 1873. |>. 1232.
Das Zint» bceintlusst die Farbe des Kupfers nur ganz wenig, so dass
nach der Farbe die Legirung nicht zu bestinnnen ist (Percy, Metnllurgy
IT, p. 474).
Die Metzer Statuette zeigt nun zwei Merkmale des alteren Bronze-
gusses im Gegensätze zu der vervollkommneten Technik der Renaissance.
Einmal einen ziemlich hohen Zinnzusatz, aber kein Zink oder Blei. Das
ist ein Kennzeichen der Bronzen bis 1100. F.rst Theo phi Ins, Schedula
diversamm artium 1. III. c. 65 ed. Ilg p. 271 berichtet von einer neuen
Legirung mit Hülfe des Galineis. Was aber noch genauer für «las Alter
spricht: die Unreinheit des Gusses und die Unregelmässigkeit der Mi>chuiig,
die bei den primitiven Tiegelgüssen nicht zu vermeiden waren. (Chierici
i. Bull, di Paletnologia Italiana 187!>. p. I.W). Das Zinn ist so uuregel-
!iias«ig vertheilt, dass es einmal 12, einmal 20 pCt. betragt. Der ähnliche
Kall liegt bei den Aachener Gittern vur.
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Ii-
Paul Cletnen:
dem Völkerwauderungsstil seine Verbreitung findet, ward von den
Iren als Lieblingsinotiv aufgegriffen. Ks sind noch eine Reihe von
Metallarbeiten vorhanden ans der Zeit vor der christlichen Invasion.
Im Petrieiunseuni zwei Fragmente einer Art Krone 14S), der Bronze-
disens von Monastereven und einige kleinere Stücke '"). Sic zeigen
alle eine erstaunliche Herrschaft in der Technik der getriebenen
Arbeit, der Punzirung. der Ciravirung und eine auserlesene Sorg-
falt in der Ausführung. Die Kunst des Treibens fand denn auch
in der Folgezeit hier und in dem nachbarlichen angelsächsischen
Reich die eigentliche Heimstätte.
Im Gegensatz zu dem angelsächsischen Reich hat Irland eine
Fülle von Werken der Metallurgie bewahrt, unter ihnen eine
ganze Reihe genau datirbarer Stücke , die die Eingliederung der
verwandten Erscheinungen gestatten. Die Werke der Goldschiniede-
kunst, Kelche, Schreine nud Schreinhüllen waren hier ebenso wie
die Handschriften, nationale Schätze, ihre Schöpfung ein historisches
Ereignis», das die Chronisten mit dem gleichen Ernst uud der gleichen
Gewissenhaftigkeit wie die Kricgsthaten der Könige und Häupt-
linge berichten. Die irische Kunstthätigkcit tritt hier in Gegen-
satz zu dem künstlerischen Leben an den Karolingerhöfen: dort nur
ein mehr äusserliches Aufpfropfen einer gereiften und abgeklärten
Kuustanscbauung auf eine unbeholfen emporstrebende heimische
Thätigkcit, der nur eine ausgebildete technische Schulung zur Ver-
fügung stand, der Dccadencc auf die Jugend — in Irland eine durch
den Volksboden durchgesickerte, festgewurzelte, alle Handwerke
und Handfertigkeiten gleiclunäSBig ergreifende und durchsetzende
Kunst.
Die ersten christlichen Pioniere, die nach Irland übersetzten,
fanden bereits eine ausgebildete Technik und ein ganz bestimmtes
Ornament vor — die oben definirte speeiell irische Form des Völkcr-
wandcrungsstiles. St. Patrick kam nicht allein, er brachte ans dem
Merowingcrrciche seine Künstler mit: unter seinen Begleitern waren
drei Metallarbeiter, Mac Cecht, Lacbhan und Fortchern; und noch
drei weitere Künstler, Aesbucte, Tairill und Tassach werden in
seiner Umgebung genannt. Die ältesten erhaltenen Metallwerkc der
14:1) Margaret Stokos, Karlv climtimi art in Irdaml. I, p. M.
144) Albert Way h» Arcliaeologicnl jmmml XXVI, p. f»2; Areliaeol.
Ouiibri'iisis 4. sor. I, p. !!>!>.
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Merowingische und karolingischc Plastik.
r,:l
christliehen Zeit siud Glocken, eiserne Glocken von roher röhreu-
oder kastenartigcr Form, unförmig wie die fintier Kuhglocken. .St.
I'atricks-Glocke im Museum der Royal Irish Academy ist die
älteste ,45), die nächsten die Armagh-, ßirsay-, Fortingallglocke.
Nicht weniger als f>3 solcher alter Handglocken hewahrt Irland
noeh, denen sich sechs in Wales, vier in Schottland, eine in Stival
in der Bretagne, eine iu Xoyon ansehliessen M,:>. Erst im 10. Jahr-
145) Die vier gcnannte.ii Glocken ahgeh. Journal of tlie Brit. ar-
chaeol. assoc. XXXVII, p. 106. Der kostbare Schrein, in dem sieh St.
Patrickn Glocke befindet, ward inschriftlieh für König Donnell O'Loch-
liihm 1091 — 1104 gefertigt (Henry O'Ncill, The fine art» and civilization
of nneient Irelnnd, London 1863. p. 46). Vgl. W. Keeves, St. Patricks
bell. Reifast 1850 (mit fünf Chromolithographien). Die sehr zerstreute
Litteratur über die Ältesten irischen und englischen Olocken bietet eine
Fülle des interessantesten Materiales. Vgl. T. L. Cooke, Aucient Irish
Beils i. d. Kilkenny archaeological society II, 1855; A. W. Franks, Irish
bells belonging to the. Archbishop of Armagh i. d. Proceedings of the
society of antiquaries of Scotland 2. »er. III, 1864; K. Laugshire, Irish
church bells i. d. Kilkenny archaeol. society 4. »er. V, 1881; A. Way.
Ancient portable band bells of the British and Irish churches i. Archaeo-
logia Cambrensis 1. »er. III, 1848; IV, 1849; K. L. Barn well, Ancient
welsh bells i. Archaeologia Cambren»iR 4. »er. II, 1871 ; Primitive band-
bells i. d. Proceedings of the society of antiquaries of Scotland I, p. 54;
A. W. Brown, History and antiejuities of bells i. Associated arebitectural
sncieties IV, 1857; A. P. Forbcs, St. Fillans bell i. d. Proceedings of
the society of auti(|uaries VIII, 1871; W. C. Lukis, An aeconnt of church
bells, witli HOine notices of Wiltsbire bell» and Bellfoundcrs. London 1857;
R. Perrott, Notes on portable band bell» in Britanny i. Arcbaeologia
Canibrensis 3. ser. II, 1856; W. Reeves, F.cclesia»tieal bell» i. d. Procee-
dings of the Royal Irish Academy VIII, 1861; J. Mac Clelland, St.Muras
bell i. Ulster archaeological journal I, 1853. L'eber die Glocke der Sainte-
Godeberthe in Noyon vgl. I'abbe Barraud, Lcs cloehes i. d. Annal. ar-
cheol. XIX, p. 307; I'abbe Cochet, la Normandie »outerraine. Paris 1855.
p. 80, 86. In Deulschlaud werden die Glocken erst weit spater erwähnt,
saierst im 9. Jh. und zwar in Klöstern, die zu Irland Beziehungen unter-
hielten. Rhaban von Fulda schenkt dem schwedischen Bischof Gauzbert
unam gloggam et unum tintinabulutn (Centuriae Magdeburg, cent. TX, c 6,
p. 232); im J. 909 findet sich in St. Gallen eine campana mirae magni-
tudini» (Ne.ugart, Cod. dipl. Alleinau. I, p. 549). Vgl. G fröre r, Gregor
der Siebente, VII, S. 149; Dümmler, Geschichte de» ostfrKnkischen Reiche»
II, S. 661.
146) Wie die kostbaren Handschriften und Schreine, so erhielten
auch die Glocken ihre besondere Hülle, zum grossen Theil überreich mit
Ornamenten überzogen, so die Culanu* • Glocke, St. Muras - Glocke, St.
Mogues-Glocke, St. Scnan's-Gloekc, Conall Caol's-Glocke.
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1'nul Clemon:
hundert werden sie dnrcli Bronzegloeken abgelöst, die Glocke St.
Columbans von Ros Glandan in Roscommon im Petric-Museun), die
Glocke von Gartan in Donegal und die von Kilshanny im Museum
der Royal Irish Academy, die (»locke von Cashel in der Sammlung
des Earl of Dmiraveu. An ihrer Spitze steht die Glocke von
Cumascach Mac Ailcllo, die die genauere Fixirnng dieser Gruppe
Fip. 10. Dais Tarajuwel.
gestattet: Cumascacb wird in den Anuals of Ulster im Jahre 908
erwähnt u"). Zugleich weist diese Notiz auf einen der Hauptsitze
irischer Knnstthatigkeit, das Kloster von Armagh — dort war Cu-
mascach Vogt.
147) Mnrgrart't Stokcs, Karly Christian art in Irelaml II, p. tlß.
Merowingische und kamlingischc Plastik.
Die Annals of fonr mastcrs berichte» im 8. und <J. Jahr-
hundert von bedeutenden (ioldschiiiiodenrbeito.n. die aber sammtHch
zu Grande gegangen sind; im Jahrhundert wurden der K renk-
st ab St. Patricks, und die Schreine von Kechra, Doclmnna und St.
Ronan erwähnt, im 0. .Jahrhundert die Kreuze von Fedhliuiidh und
Ciaran und die Schreine von St. Patrick, Comgall, Oolumba, Adam-
nan. Aus dem Jahrhundert sind aber zwei Hauptwerke erhalten,
das erste ein Meisterstück der Hof kirnst, da« zweite eine Provinzial-
arbeit, da* berühmte Tarajuwel und der Thassilokeleh. Das Tara-
juwel ,4*j, aus gediegenem (iolde, ist auf dein kreisrunden Kähmen
und dem halbmondförmigen Felde mit dem feinsten Flechtwerk von
einer Zartheit der Linienführung und einer Delikatesse der Aus-
führung tlbersponnen, die die irische Goldschmiedekunst nie wieder
erreicht hat. (Fig. KU
Der Thassilokelch im Stift Kreinsmünster "''), der zwischen
777 und 7HS gefertigt ward, gehört mehr der irischen Kaust au als
der alemannischen. Technik und Ornament sind die der Iren. Kr
148) M. Stokes, a. a. O. II, p. 7«, Fig. 25 und 2*5. Vgl. lllustrated
record of Dublin - Inhibition 18G5. London ]». 2*3. Fine Naeh-
bilduug in Gold im Soutli Kensingtou Museum. Uehcr die ähnlichen
Schmuckstücke von Ardagh vgl. Trausaetions ol* tlie. Royal Irish aeaUeiny
XXIV, p. 453. Eine umfangreiche Zusammenstellung der alteren irischen
und schottischen Schmuckstücke, zum grössten Tlioil mit prachtvoller
Flecht werk Verzierung bei J. B. Waring, Stonc monumuntt, tuiuuli and
ornemciit ot' remote ages. London 1870. pl. 02 ff. Abb. auch in W.Wilde
Catalogue of the, Royal Irish academy museum. Vgl. ferner Über die
altirischen Schmuckstücke Job u Tu i n h am, <)n ancient British barrows i.
d. Arehaeologia XLIII, p. 285. lieber die Kilkenny - brooch vgl. R. IL
Brash i. Kilkenny arcliael. society new ser. II.
145)) Vgl. M. Stokes, Irish art in Bavaria im Journal of tlie histo-
rical and archaeological association of Ircland. 3. ser. II, p. 352; W.
Huven, The Irish monasteries ofGermany im l "Ister Journal of archaeo-
logy VII, p. 243. Vgl. Fr. Bock i. d. Mitthcilungcn d. K. K. Central-
eotnmission 1857, p.247; Beda Piringer ebenda 185!», ].. «, 16'.»; AI. Pri-
mi s s e r , das Benediktinerstift Kreinsmünster in Jlormayrs Archiv XIII,
(1822) p. 222; J. H. v. Hefner- A Iteneck. Trachten, Kunstwerke und
Oerathschaften I. Tafel H; Zeitschrift d. Münchener Alterthumsvereins N.
F. II, p. 39; Barbier de Montault im Bull. mon. XIIVI, p. 327; Dar-
rel i. d. Memoiren Iiis a la Sorbonne IHol . Archcolngie, p, 222. J. von
Falke, Geschichte des deutschen Kunstgewerbes S. 22; A. 1 1 g bei B r.
Bucher, Gesch. d. techn. Künste II, S 203.
J»l»rt>. d. Vcr. v. Alterllisrr. Im ftliöinl. XCU. 5
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Paul Cl einen:
ist von Iren, die die alemannischen Arbeiten kannten, in Deutsch-
land und auf Hofeld eines Deutschen gefertigt worden, aber steht
doch noch ebensosehr unter dein Banne der heimischen Formen-
Sprache wie die unter gleichen Verhältnissen entstandenen irischen
Manuscripte in St. (»allen und Trier.
Dem folgenden Jahrhundert endlich gehört der Kelch von
Ardagh an, neben dem Tarajuwel die vornehmste .Schöpfung der
irischen Goldschmiede, der die ganze technische Virtuosität der ein-
heimischen Meister in einer Art von Conecntration zeigt, der aus
fn*t sämmtüchen Metallen zusammengesetzt ist, die in der irischen
Metallurgie Verwendung fanden: Gold, Silber, Bronze, Messing,
Kupfer. Blei, und fast alle Techniken aufweist, die von ihr geübt
wurden: den Gnss, die getriebene Arbeit, die Graviriiug, Filigran-
arbeit und drei verschiedene Arten von Email, (ilasemail, email eu
taillc d'epergne und email translueide mit unterlegter Gravi-
riiug UM).
Erst aus dein Anfang des 1 1 . Jahrhunderts sind einige der
vielgenannten Sehreiuc erhalten. Der älteste ist der Schrein des
Buchs von Durrow, der fltr den König Flami Siuna von Irland
— 914» gefertigt ward, denselben, dem das Hochkreuz zu Clon-
maenois errichtet ward VA). Der Schrein des Codex von Molaise
besteht aus Bronze mit Silberplatten, auf denen die Ornamente ver-
goldet sind. In vier symmetrisch um ein rundes Mittclmedaillon
gruppirten Feldern befinden sich die Symbole der vier Evangelisten,
die (Ihrigen Felder enthalten dünnes aber weitmaschiges Flechtwcrk.
Der Ktlustlcr nennt sich in der Inschrift: Gillabaithin, die Zeit der
Ausführung tällt zwischen KJ01 und 102ö '").
Dieser Prachtkasten charakteriairt neben dem Schrein für das
150) Genaue Illustrationen bei Edwin Earl of Duuraven i. d.Trans-
actions of the Hoya! Irish acadeiny XXIV, p. 433. Technische Analyse
von S Ulli van bei M. Stokes, a. a. O. II, p. 82.
151) Der Schrein ist jetzt, wie die früheren, verloren. Er war aber
noch 1(577 erhalten. Koderic OTIaherty sehrieb in diesem Jahre auf
das Schmutzblatt des Codex in der Bibl. de* Trinity College zu Dublin
eine Beschreibung des Schreins und copirte. auch die Inschrift: Droit
actis Bcndncht choluimb chille do Hamid niacc Maclsechnaill do rig lle-
ri'im lasandcniad acumdachso \Colunib CiUe's Bitte und Segen für Fland,
den Sohn des Malachy, von dem dieser Schrein gefertigt ward).
l.Vij M. Stokes, The Soiscc.l Molaise i. d. Archaeologia XLIII, p. 151.
Iii.-cbriftlich für Cemifailadh gemacht, den Sohn des Flaithbheartach.
Mcrowingische und karolingische Plastik.
Stowe Missal den Höhepunkt der zweiten HUltlic der irischen Metall-
arbeit, die »ich bis in das 12. Jahrhundert erhielt ,r,si.
Die beiden grossen Inseln des britischen Reiches müssen in
der historischen Betrachtung der Goldscbiuicdekunst und Metall-
arbeit schärfer getrennt werden, als in der Behandlung der Stein-
153) Die hervorragendsten Werke dieser Zeit wind der Sehrein St.
Moe.does, der sieh lange Zeit in St. Moedoc's Kirelie in Druiniane befand
ivgl. Archaeologia XLIII, 131). Ihn uinliüllt eine lederne Tauche, mit
Kiemen- und Knotenwerkornaincntik, wie sie ähnlich noch das Buch von
Armagh im Trinity College zu Dublin und das Irisehe Missale im Corpus
Christi College zu Cambridge umhüllt (Abb. Gilbert, Facsimiles of the
National Ms. of In land II, app. II, Fig. i'.. Vgl. Petrie. Ecclesiastical ar-
chitecture of Ireland. p. 329.
Wie. der Schrein St. Moedocs, so zeigt auch der Schrein St. M:\n-
chans aufgeheftete Vollliguren in ähnlicher Ausführung wie die rheini-
schen Goldschmicdearbeiten des 12. Jh. M. Stokes, Christian Inscriplion*
in the Irish language I, p. 8. versetzt ihn mit Unrecht ins 7. Jh. Es g;ib
allerdings im 7. Jh. zwei Heilige dieses Namens, die 6t>4 und <"»94 starben
von denen der eine in I.enianaghan. dem Ort Tuniiu-ii-Krc verehrt ward.
Aber die Annais of four niasters berichten, dass der Schrein im Jahre
lltiü von Ituaidhri Ua Couchobhair errichtet ward: lias ist der irische
Kiinig Uorv ü'Connor. Vgl. James Graves, The church and shrine of
St. Mauchan i. Journal of the Royal hist. and arch. nssoc. of Ireland
4. .scr. III, p. 134; Llewellyn Jewitt, The shrine of St. Manchan i.
The Art jouranl 1870, p. 133, 177. l'eber die älteren Schreine vgl. John
Loveday of Caversham, Observation* upon shrines i. d. Archaeologia
1, p. 23. Der Schrein bei Thon. Bus sc II, A short description of a por-
table shrine commemoratiug the assassination of Ethelbcrt. London
1830, Abb. bei. Duticnmb, History of Herefordshire T, p. 548, ist eben-
sowenig eine Arbeit des 8. Jh., sondern des 12. und scheint mir weit eher
als die Ermordung König Ethelberts 7(»0 (nach Wilm. Malmesbur., De
gestis regum Anglorum I, c. 4) den Tod Thomas Beckets darzustellen.
Die signacula mit den Bildern der angelsächsischen Heiligen F.dwin tmd
Eggwin (Henry Ecroyd Smith i. d. Transactions of the historic society
of Laneashire and Cheshire 25. Febr. 18b9 p. 1G5) sind endlich gleichfalls
mittelalterliche Arbeiten: das Bild des Königs Edwyn von Northumber-
land, der von 617 an regierte, kommt in der gleichen Form auf den
Siegeln der Abtei Evcaham vor (Tundale, History and antiquities oi
the abbey and borough of Eve.sham 1794; Dugdale, Monasticon II, p. 13),
deren Gründer eben Egwyn, einer der Bischöfe von Worcester war
(Thomas Wright in Biogr. Brit. Literaria I, p. 223). Auch gehören alle
ähnlichen signacula in der Gestalt von Pilgerzeichen erst dem 13.— 15. Jh.
au (vgl. Thomas Hugo, Notes on a coilection of pilgrim signs. fotiud
in the Thames i. d. Archaeologia XXX VI II, p. 128).
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Paul Climen:
plastik. Irland «robUhrt auf beiden Gebieten die Führung. Die
Iren waren ein Volk mit einer eminenten ornamentalen und tech-
nischen Begabung: die Kace besass dazu eine grosse Expansions-
kraft, die der Ueberführung ibrer Kunst auf das Festland entgegen-
kam und zunächst das nahe angelsächsische Reich ganz über-
schwemmen ntusste. Die Angelsachsen auf der anderen Seite be-
sassen eine gleich starke malerische Begabung auf Kosten aller
anderen Kunstzweige. Unzweifelhaft stellen sie die weitaus grösste
.Masse an malerischen Talenten dar: aber weil ihr Stil der des
leichten Entwcrfens, der spielend und flüchtig hingestürmteu Skizzen
war, konnte er nicht in die Plastik übergehen. In der ornamen-
talen Plastik stehen die Angelsachsen völlig unter dem irischen Ein-
flüsse, in der Malerei bewahren sie die Selbständigkeit. Nur die
grössere Vorliebe für figürliche Darstellungen übertragen sie auf die
Plastik. Die Wogen der normannischen Einwanderimg haben die
Reste der künstlerischen Thätigkeit hinweggeschwenimt. In weit
höherem M nasse als bei der Hetraclitung der irischen Kunst müssen
daher die Schriftquellen für die Iiistorische Reeonstrnktion herange-
zogen werden.
Um die Mitte des 7. Jahrhunderts setzen die Nachrichten ein.
König Oswald von Xoi tliumberland ist der erste, der eine ausge-
dehnte Fabrikation goldener und silberner liturgischer (4efässe in 's
Leben gerufen zu haben scheint 154 ); er ward in einem silbernen
Schrein zu Bamborough beigesetzt, den König Offa später noch
154) Beda, Histnria eerlesin>tiea III, e. •>. Von Köni-r OswhM lieisst
es «34:
Kxstruit ecclesias donisque exornat opimis,
Vasa ininisteriis praestans pretiosa sacratis
Argvuto, geiniuis aras vestivit et auro.
(Aliuin, De pont iri» iImis et. sanetis ciu-lesiae Kboracensis ap. O a 1 e, RS.
Iiisl. Hritann. I. |>. 703. v. 275). Wenig spater werden viele .Juwelen im
He.vit*/ des Krzliiseliofs Will'red von York genannt: Ouilelnius Maline.s-
huriensis, De -restis potitilieuui Anglorum ap. (iale, SS. rer. Hritann. I,
p. 2\'>-2 quod anreiset arfrenteis vasis sibi ministrari faceret. lieber Wilt'rid vgl.
KddiusStephanus, Vita S. Wilt'ridi episcopi Kboracensis ap. Ga le, SS. I, p. (JO:
Natu <|Hainnr cvanjrelia de auro purissimo in meiithranis depurpuratis
colnratis. pro aniinae suae remedio werthere iussit; nernon et bibliotlie-
inin lilnoriun eoruni ninnem de auro ]>urissimo, et gemniis preliosissiinis
i'alin •lat-taiii. eniiipa^inare incliisoivs ireiniiianiin praeeepit.
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Merowingiselic und karoliiijriselir Pla»lik.
weit reicher ausschmückte ,5S). Im Jahre 676 bringt Bischof Benedikt
Werkleute mi<l Glasarbeiter na» Frankreich herüber 1 '■"'•}. Im 8. Jalu-
hmiilert ist es vor allem die Kirche von York, die mit den präch-
tigsten Kunstwerken verziert wird, zuerst durch Wilfried II. von
York 7 IM, durch Kgbert 731, endlich 767 durch Albert von York,
den Lehrer Alcnins '-'m. Gleichzeitig last Bischof Wastold von Here-
ford ein grosses Kreuz ans plnttirtcm Gold und .Silber anfertigen
ähnliche entstanden in Glastonbury lä"). König Ina von Wesse x,
t 727. errichtete ein Oratorium in der Kirche, zu dessen Ausklei-
dung er 2640 Pfund Silber und 264 Pfund Gold verwandte: er
Hess aber auch silberne Bilder — die ersten Nachrichten von grossen
Volltiguren in Edelmetall — von Christus, Maria und den zwölf
Aposteln fertigen tm>. Auch Bischof Aeea von llexham stiftete um
VA2 almliehe Goldarbeiten ™) und König Offa von Mercia, f 7M.
155) AIcuin n. a. <). v. 30t», 389:
Posten lex felix ornavernt Offa sepulchrum
Arjjento, gcnimis, auro multoque decore,
l't decus et speeimen tuinbne per .sccln maueret.
1S4») Heda. Mint. Abbntum Wireiiiutbcnsiuin p. 205.
157) AIcuin a. «. 0. v. 122*2, 13G6, 1490:
Nani«|ue in bellipntens nunixit baptismntiN undam
Kdwin rex, praesul grandem construxerat aram,
Texit et nrgento, gemmis siinul undii|Ue et auro ....
Hoc altarc f'aniin (Leuchter) Mipra suspendernt altuni,
Qui tenet ordinibus tria grnndia vasa novenis:
Kt sublime enteis vexilluin erexit ad aram,
Kt totum texit pretiosis valde metallis.
Ormnia majfna Matis, pulchro molimine struetn,
Ai}renti<jne ineri couipensant poudera multa.
Ast altnre aliud fecit, vostivit et illud
Arjrcnto puro. pretiosis ntque lapillis,
Martyribusque crucique siinul dedienverat ipsuin.
lussit ut ohri/.o uon parvi ponderis auro
Ampulla maior fleret, (|ua vina sacerdos
Funderet in caliecm, Holcmnia sacra celebrans.
l5Ht tiul. Maline.sbur.. De pestis pontifleiim Anjrlorum p. 285.
159» Gill. Mahncsbnr., De anti<|uitatibus Olastouieusis ceelesiae ap.
Gale, SS. Iiint. Britann. ]>. 304, 310: erux auro et arjfento conpnrta . . .
crux ab anti«|iio auro nrgentoque vestita.
160) candelabra ex XII libris et IX inancis auri • . . imago Domiiii
<-t beatae Marine et duodexiin apostolorum ex eetitum et I.XXV libris
argenti et XXXV11I libris auri.
IM) Kddius Stcphnmts a. a. O. p. <\>.
7n
Paul Giemen:
Hess das Grab St. Albans mit getriebenen (»old- und Silberplatten
reieb verzieren Uii>. Im 5». Jahrhundert hält «ich diese Kunstthätig-
keit in den Hauptstädten und den ersten Hofhaltungen de» Neichen.
König Wiglaf von Mereia schenkt der Abtei von Oroyland neben
anderen Kostbarkeiten ein mittioldplntten überzogenes Antepcndimn,,ia).
König Ethclwnlt' ff 8Ö7). der Nachfolger Egberts, erriehtet in Mal-
niesbnry einen Schrein fltr St. Aldhelm, an dem sich in gegossenem
und getriebenem Silber Darstellungen aus dem Leben des h. Ald-
helm befanden ,C4), endlich eoneentrirt König Alfred (871 — 900)
noch einmal die ganze Summe von technischer und ornamentaler
Erfahrung an seinem Hofe und sucht die MetallkUnstler selbst zu
belehren und weiter zu bilden Es scheint hier eine Anstrengung
vorzuliegen, das eben schon im Niedergang begriffene ftoldschmiede-
gewerbe zu halten und zu heben. — Die Geschichte des folgenden
.Jahrhunderts lehrt, dass dies dem königliehen Mäeen nicht gelungen.
Aus dieser Zeit stammen die ältesten datirbaren (Joldschmicde-
arbeiten. Die erste ist der Hing des Kischofs Alhstan von Sher-
bnrne (*71— 867) ,8,i>. der zu Llys faen in Caniarvonshire gefunden
162) MaUh.'icus Paris. Vitae duoruin < Warum Mircioinm regutn e<l.
Wats. London H!.'t!>. p. 2-H; laminis aiireis argenteis gcinmist|nc pretiosis
de the&iuro suo magnifice sumpti.s det enter adornari iussit.
Ingulphus, Historia .seil descriptio ahhatiac Croylandcnsis ap.
Fell, SS. rer. Anglie. p. H (vgl. Fr. Palgrave i. d. Quarte.rly Review
XXXIV, p. 281*): Tabulani capcllae propriae. laminis aureis deauratan».
164) Hill. Mahnesbur., De pontif., ji. 3öi>: In anteriori parte ex
solido argento iactis imaginibns; in posteriore vern levato mctallo mira-
eula figuravit <|iiae iain Menno depromsit, unde putatum est nunc Husse
lihrum vitae in quo istn legerit, sed postea tempore Danoruin Omission:
fastigiuni eryHtallimuii rex Kthclwnlfus apposuit scrinio, in quo nomen
eiiLs literis aurei« est leger.-.
165) Asscrius Menevcnsis, Annale* rertim gestarum Aelfrcdi ed. Fr.
Wise. Oxford. 1722. p. I*: Rex inter hella et praesentis vitae frequentia
impedimenta auritiees et iirtilices suon omnes . . . deeoro et solur nssidue
pro viribus studiositsime nnii dcsinelmt. Dieselbe. Sorge wandte er freilich
auch seinen faleonarii, aeeipitrarii, eanieulnrii zu. Vgl. Spei in an, Life
of Aulfred p. 154!.
Ittfi) Pegge, Illustration of a gold ename.lled ring i. d. Archaeologia
JV, p. 47. Die Inschrift auf dem mit rhombischen Gliedern wechselnden
runden Pasten lautet: Alhstan. Den gleichen Namen führten auch drei
Londoner Bischöfe — Pegge macht die Zuweisung an den siebenten Bischof
von Shcrburne glaubhaft.
Merowingische und karolingische Plastik.
71
worden, die zweite der King König Ethelwnlfs von Wcssex ""),
die dritte das bekannte Juwel König Alfreds im Ashmolean Museum
zu Oxford mit (Jen Bildern Christi. St. Xeots und St. Cuthberls in
Filigranarbeit 188).
Diese letzteu, zeitlicli genau zu fixirenden Arbeiten bilden
aber nur den Abschlnss einer langen Reibe von metallenen Schmuck-
stücken, die vom 5. bis znm 8. Jahrhundert hinläuft. Sie hat dieselben
Objekte aufzuweisen wie die fränkisch-merowingisehe und lango-
bardischc Kunst im gleicheu Zeitraum. Die Hanptstftcke sind schon
durch die Väter der englischen Archäologie. Bryan Faussett.
Kemble, Rnach Smith, Thomas Wright, Yonge Akerman.
bekannt gemacht worden. Seitdem sind die einzelnen Fnndpnbli-
kationen masslos angewachsen: erst vor einem Jahre ist durch den
Baron de Bayc eine zusammenfassende Darstellung versucht wor-
den Für die Entwickelungsgeschiehte der künstlerischen Fonncn
und der Ornamente kommeu hier die Fibeln in erster Linie in Be-
tracht, unter denen das angelsächsische Reich eine ausserordentlich
grosse Mannigfaltigkeit aufzuweisen hat. Die strahlenförmige, die
S-förmigen und die mit Vogeldarstellungen verzierten Fibeln sind
Festlandtypen — daueben aber lassen sich fünf einheimische Insel-
typen aufstellen: die kreuzförmigen Fibeln, die Fibeln mit vier-
eckigem Kopfstück oder doppelte Fibelu170), die schalenförmigen Filieln,
die Ringfibeln, die Rimdfibcln. Die Gruppirnng ist von um so
167) Albert Way i. Archacological Journal II, p. 163; vgl. La-
barte, Recherches sur la peinture en email p. 50.
168) Die Inschrift lautet t Aclfrcd mec hcht gevvr can (Alfred Hess
mich arbeiten). Vgl. Hickes, TlieHaur. ling. vet. soptentr. p. 142; Wise,
Nnmin. Hodl. Catalog. p. 232; Henri Shaw, Dresses and docorations of
the iniddle ages. London 1843. I, pl. 2. Hierher gehört auch ein in London
entdecktes Juwel (Archaeologia XXIX, p). 10). Vgl. Catalogue of the Museum
of London antiquitios p. 104, Nr. 553 mit Abb. Vgl. J. Hungerford
Pollen, Gold and Silber Smiths work p. 74. Eine Hhnliehe kleinere
Arbeit findet sich in der Bodleiana zu Oxford. Vgl. Plot, Natural history
of Oxfordshire. p. 352; Dissertation on an ancient Jewel of the Anglo-Saxon
i. d. Archaeologia I, p. 161. Da-s Alfredschmuckstück und das Schmuck-
stück des Museum of London antiquities sind die ersten, auf denen wirk-
liches Zellenemail nachgewiesen ist. Vgl. J. Labarte, Recherches sur la
peinture en email p. 38.
169) J. de Bnye, Emdes arehcologiques. Epo.jue des invasions
barbares. Industrie anglo-saxonne. Paris 1889.
170) Wylie, Fairford Graves. Oxford 1HÖ2. p. 23.
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Paul deinen:
grösserer Wichtigkeit, weil hier die Möglichkeit gegeben ist, inner-
halb vcrhältnissmässig enger Grenzen die einzelnen Gruppen geo-
graphisch zu trennen und zn lokalisiren. Die kreuzförmigen Fibeln
zeigen eine auffallende Aehnlich'keit mit den skandinavischen Typen,
nur haben wahrscheinlich die englischen jene, nicht unigekehrt jene
die cngliscbcn beinflnsst m). Am deutlichsten offenbaren die Fibeln
mit viereckigem Kopfstück und die schalenförmigen die eigentüm-
liche angelsächsische Ornamentik, wie im Kerhschnitt ausgestochen,
die pflanzlichen wie die thicrisehen Motive eng aneinander ge-
drängt, der Grund fast ganz verschwindend — derselbe Stil wie
hei den gleichzeitigen frühen Steinarbeiten. Die Hauptstückc der
ci>teren Gattung sind die in vergoldeter Bronze aufgeführten Fibeln
von Kaglcy-Park. Warwickshirc ,7,i; Norton, Xorthamptonshirc
Saint-Xieoias in Warwiek ,74 i und die Funde von Little-Wibraham •'■'•).
Die schalenförmigen Typen sind auf Glouccstershire , Oxfordshire
und Hnekinghamsbire beschränkt , die ringförmigen endlich fast
ausschliesslich auf Kenti;Bj. Sie führen wieder zu den merowingisch-
fränkisehen Arbeiten zurück: es sind einheimische Schöpfungen,
aber entstanden unter fränkischem Einflnssc. Die verroterie eloi-
171) Mnnteltus, Anti.|<iitcs Sucdoi>cs, \>. K.T: II. Hildebrand, The
industrial arts ot' Skaudinavia in the I'agan time. London 1S8.-J. p.
Abb. hei .1. de Bayc, pl, VI; Neville, Saxon ohsequies. London 18f>?.
pl. I, II, IV— X; Von?« Akerntan, Kcmains of Pagan Saxondom. London
IH.'iö. pl. XXXIX; K. Font er, Account of tlie excavation of an anglo-
saxon eemetcry at Rarrington . Cainbridgcshire 1HM0; (L W. Thomas,
(In excavations in an anglo-saxon cemetery at Slcaford i. d. Archaeolngia I,
pl. XXIII, XXIV. Xach Montelius, la Suede prehistorique p. K'J, kommen
die kreuzförmigen Fibeln und die mit viereckigem Kopfstück in Skandi-
navien nicht gleichzeitig vor, sondern hintereinander: die ersten sind
charakteristisch für das erste jüngere Kisenzeitalter (1-150 n. Chr.), die
letzteren für die /.weite Kiscnzuit (450—700 n. Chr.). Für Kngland ist ein
gleiches Verhältnis« nicht nachgewiesen.
172) Oii an anglo-saxon brooch found in Uaglcy-Park i. d. Archaeo-
logia XLIV, p. 4X2.
17.'!) Archaeolngia XLI. pl. 22.
174) Archaeolngioil Journal IX, p. 171*.
175) Xeville, Saxon Ohsequies pl. II. V, VI, X.
176) .1. de Bayc, a. a. O. p. G5. pl. X; Hers., Les bijoux francs et
la libule. anglo • saxonne de Marilles iBrabant) i. Bull, nionuin. LV, p. «9.
Die wichtigsten Kxemplnre sind die von Kingston Down bei Faussett,
liiveiitorium Sepulchrale, ed. llnach Smith. London lKf>r>, pl. II, von
Merowingische und karolinpische Plastik.
73
sonnce findet hier eine geschickte Ausbildung: die meisten Exemplare,
von den fränkischen durch geringeren Rcichthnm, aber grössere »Sym-
metrie und eine last mathematische Regeltnassigkeit unterschieden,
zeigen auf Goldblättchen in Silberfiligran rothe Granaten.
Die Technik der getriebenen Arbeit findet sieh bei den ersten
Anfängen der kirchlichen Kunst im Mcrowingerreiche , zunächst
freilich uur in der rohesten Form mit Znhflifenahmc von Stempeln
und Holzmatrieen. Während dies die führende Technik bei den
Ostgothen und Langobarden blieb — noch die Kronen von Guarrazar
und die Krone von Ravcnna sind auf diese Weise hergestellt —
wird diese Kunst im Herzen Frankreichs durch Eligius und seine
Schule vervollkonunt. Daun verstummen die Nachrichten für lange
Zeit. Im 8. Jahrhundert hat das angelsächsische Reich die von
Irland überkommene Technik zur höchsten Rinthe entfaltet, vor
allem ist es die Biscbofsstadt York, die sich durch eine Fülle der
glänzendsten Leistungen und eine offenbar lokale Tradition aus-
zeichnet. Die grossen getriebenen Goldsehmiedearbeiten im Franken-
reiche gehören dem 8. oder 9. Jahrhundert an: im Jahre 8<X) nimmt
die Kunst hier einen neuen Aufschwung. Diese Werke treten so
überraschend und in so grosser Anzahl auf, dass man versucht ist,
nebeu der beimischen technischen Tradition noch einen weiteren
fremden Einfluss anzunehmen. Es scheint mir sehr wahrscheinlich,
dass hier die angelsächsische Kunst das Vorbild und die äussere
Anregung abgegeben bat, wie sie dies ebenso für Scandiuavien ge-
thau und wie sie mit dem ihr eigentümlich zeichnerischen Stil
die nördlichen karolingischen Schreibschulen, vor allem Reims, Arras
Abingdon bei Akcrmun, Kemnins of pagan Saxondom pl. III; Arch.
journal IV, p. 253, diu von Sittingbourne bei Aken» an pl. XXV, 5,
die von Chartatn Down bei Douglas, Nenin liritannica pl. XXI, 9,
die von Wingliaui bei Akermnii pl. XI. 1. Die einfachste Form ist am
meisten vertreten in den Funden von Gilton, vom Kingstieid bei Faver-
sham, der Sammlung Oibbs im South Kensington Museum (J. X, J. XII,
J. XV, Nr. 1028—70, 1030— 70, 1043—70, 1033- 70, 1035- 70, 1042-70,
1046 -70, 1041—70, 1056— 70). Vgl. die entsprechenden merowingisch-fran-
kischen Stücke bei H. Baudot, Memoire nur les sepultures des barbares
de l'epoque mcrovinjrienne decouvertes en Bourprogne. Dijon 1860. pl. VI,
1 ; VIT, 3-5.
177) Aus der ältesten Periode von 600— «00 ist ausserordentlich
wenig erhalten. Die «ranze Periode vom 8. Jh. An bis in dns 12. Jh. steht
unter angelsächsischem Eintiuss. C. Nvrop, Mcddclelser om Dansk Guld-
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-ii
Paul Clemeu:
und Fulda beeinflusste. Des grossen Karl erster künstlerischer Rath-
geber kam au» der Hauptstadt der angelsächsischen Goldschmiede,
ans York. Und die Stätte, wo im karolingischen Zeitalter zuerst
grössere Goldschmiedearbeiten erwähnt werden, ist das den briti-
schen Inseln geographisch am nächsten liegende Kloster »St. Wandrille.
Die irische und angelsächsische Steinplastik.
Hie Ornamentik des Völkerwanderungsstiles hatte dem über-
kommenen Ornamentcnseliat/. des I'nnktes, der geraden und ge-
brochenen Linie, des geometrischen Ornamentes, der Spirale, eiu
neues Element hinzugefügt , das in der vorhergehenden Zeit nur
ganz ausnahmsweise und zwar in erster Linie in der Keramik Ver-
wendung gefunden hatte, das Band- und Klcchtwerk. Gerade der
Umstand, das» es zuerst in der Keramik auftritt, lässt die Annahme,
sinedekunst. Kopenhagen 1885. p. 4; Brunius, SkAncns Konsthistorie
p. 550. Die Schriftqnellen berichten von bedeutenden Schlitzen an Gold-
schmiedearbeiten. Harald Haarderaade hinterlasst eine solche Mcngo
Kostbarkeiten, dass 20 junge Kerle sie nicht zu tragen vermögen (Saxo
Gramm, ed. P. E. Müller I, p. 598, 612). Knud der Heilige, wird in
einem kostbaren Schrein mit vergoldetem Metnllbeseblag beigesetzt (SS.
rcr. Dan. III, p. 214, 325; Nordisk Tidskrift für oldkyndighcd II, p. 1%),
Der englische EinflusH setzt dann ein 2. Mal im 12. Jh. ein: vor allem
durch den Mönch Anketil von St. Albans, f UM unter König Niels, der
die königlichen Goldschmiede lehrte (Matthaei Paris, bist, maior ed. W.
Wats. London 1686. p. 110). Erst in der 2. Haltte des 12. Jh. setzt in
Koeskilde der deutsche Einflnss ein mit Meister Gerhard (J. Steenstrup,
Studier over Kong Valdeinars Jordebog p. 228; A. D. Jörgensen, Den
nord. Kirke I, p. 247, 407; Aarhngcr for nord. oldk.vndighed 1875, p. 117).
Ueber den weiteren Ausfluss und Einfluss der deutschen Kunst von Roes-
kilde aus vgl. Annaler for nord. oldkyndighod 1842, Aarsbcretn. p. 18;
Antiquarisk Tidskrift 1849 51, p. 40. Ueber die Malerei und Holzschnitzerei
der Periode v. 8—11. Jh. vgl. V. Boye i. d. Tidskrilt for KunBtindustri
1887, Nr. 4 u. 5. Der irische Einfluss ist -in der genauesten Abgrenzung
auf Boruholm nachgewiesen. Hier stellen sich die Perioden folgender-
inassen neben einander: Vorrömische Zeit 1—100, Römische Zeit 100— 350,
Germanisch-RötniHche Zeit 350 — 450, Germanische Zeit 450— 700, Irische
Zeit 700—850, Karolingische Zeit 850— 900. Vgl. E. Vedel, Bornholmske
Undersegelser med saerligt hensyn til den seuere Jernalder i. d. Aarbeger
for nordisk oldk.vndighed og histoire 1890, 2. raekke V, p. 41; Ders.,
Bornholms oldtidsminder og oldsnger.
Merowingische und karolingische Plastik.
75
dass es durch geflochtene Korhformcn. in die der Thon eingepresst
wurde, entstanden »ei, glaubhaft erscheinen m).
Das Bandwcrk findet indessen in den osteuropäischen Denk-
malen der Völkccwandcrungszeit nnr eine spärliche Verwendung.
Auf der grossen Spange von Kcszthcly '™) (Fig. 16) zeigt es sieh
in einer Auflösung in Einzelmotive, die für die frühen Jahrhunderte
charakteristisch ist. Die Form ist die der doppelten offenen Schleife,
die zu je zwei durcheinandcrgcHochtcn sind. Dieses Bandwerk ist
durchaus weitmaschig, locker geflochten, mit grossen viereckigen
Fenstern. Erst in der merowingischen und irischen Kunst wird
das Fleehtwerk engmaschig, wie hei einem dichten Bastteppich zu
sanunengezogen. Auf einem der Krüge von Xagy-Szcnt-Miklos finden
sich die offenen Schleifen kettenartig ineinander gepasst, in Kesz-
thcly 180) erscheint es als Zickzackmuster, aber an den Ecken nicht
ungebogen, sondern mit einer Schleife wie eine biegsame Weiden-
gerte. Diese weitmaschigen Schleifen finden sich dann auch zu-
nächst auf den Fibeln und Gürtelschmuckringen der merowingischen
Zeit m) und später wieder vereinzelt auf den ältesten Denkmälern
der irischen und angelsächsischen Steinplastik IM). Auf den mero-
wingischen Arbeiten der Zeit vom 5.-8. Jahrhundert wird dann
das Flechtwerk häufiger, aber immer noch in der Form des weit-
maschigen Bandes und zwar fast regelmässig rechtwinklig durch-
flochten I83). Das engmaschige Flechtwerk mit drei oder vier
178) So zuletzt wieder La in p recht, Deutsche Geschichte I, S. 179.
179) Ungarische Rcvnc V, S. 173.
180) Ungarische Revue VII, S. 316.
181) Im Museum zu St. Gcrmain-en-Laye Nr. 18707, Fibel aus Lizy
(Aistie) mit einem im Quadrat gezogenen Band mit vier F.cksehleifen.
Aehnlich Nr. 15-138, 18705, 2319. Vgl. die Abb. der gleichzeitigen alten
brit. Spangen in William Camden, Britnnnia cd. Gnugh. I, p. 231, 244;
Charles Roach Smith, Account of som« antiquides found in tho. neigh-
bourhood of Sandwich i. d. Archaeologia XXX, p. 132.
182) J. O. Westwood, Lapidarium Walline. The early inscrihed
and sculptured stones of Wales. Oxford 1878. pl. I, III, p. 9, 15. Be-
sonders auffällig an den Steinen im Kirchhof von Llaniltud, Glamorgan-
shire und Im Dorfe Cynwyd, Merionetshire. Vgl. Camden, Britannia II,
p. 500, pl. 17, 1, p. 546, pl. 19, 10; John Strange, Remarks on the
Roman Antiquities in Monmoutbshire and Glainorganshire i. d. Archaeo-
logia VI, p. 23.
18») Museum zu Beauvais st'r. A, Nr. 51, 55, hier die Bander schon
■
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7»;
Paul Clemen:
Mnderrichtnngcn bildet erst die irische Kunst aus - von Iiier
findet es auf dein Wege Uber das angelsächsische Keich den Weg
nach dein Continent iKig. 11 nach Allen . Der Ausbildung dieses
Fig. 11. Typische Formen des Flecht- und Knotenwerks
bei den Iren und Angelsachsen.
Motive* kam die heimische Technik des Korb- und Hllrdengeflechts
mit Nagelköpfen besetzt. Im Museum /.u St. Germaiu-en-Laye Nr. 23G08,
2f*611, 2175K, 237f», überhaupt zum grössten Theil Funde aus den den briti-
schen Inseln zunächst gelegenen Landstrichen, zumal der l'icardie.
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Merowingische und karolingische Plastik.
77
entgegen iM). Die reichste und glänzendste Entfaltung findet dieses
Motiv in der irischen nud angelsächsischen Steinplastik und um so
reicher, freier und ungebundener, je weniger
römische Vorhilder vorlagen. In Gallien . wo
diese in übergrosser Zahl vorhanden waren und
wo die altchristliche Tradition nie ahriss, ist
genau das (iegeutlieil der Fall, nur ganz schüch-
tern und sporadisch zeigt sieh hier das Flecht-
werk in der Verbindung mit der. Architektur
und zwar, was für die merowingische und karo-
lingisehe Plastik charakteristisch ist. immer weit-
maschig und mit Kiefelungen versehen , so
184) Die Theorien über den Ursprung und die Ausbildung des
Motives schwanken vollständig. Der Versuch, das Ornament aus einem
Provinzialstilc, von einem bestimmten Punkte abzuleiten, zerfallt in Nichts.
Alle diese primitiven Ornamente konnten überall da entstehen und völlig
nutoehthou entstehen, wo die Teelinik, die «las Vorbild lieferte, in an-
nähernd ähnlicher Fassung vorlag. Ganz spcciell in Irland und der Isle
of Man Iftsst sieh der Ursprung aus dem Korbgetleeht nachweisen. Das
ist zum ersten Male geschehen durch Gilbert J. Kreuch, An attempt
to explain the origin and meauing of the interlaced ornamentation.
Manchester 1H5H; Oers., On the aucient seulptnred stones of Scotland,
Ircland aml the isle of Man im Journal of the Brit. archaeol. nssoc. W,
p. 63, pl. 3 - 10. lieber diese Korbindustrie handelt ausführlich J, G.
Cumming, The runic and oiher monumental remains of the isle of Man,
auch Archaeological and prehistoric annals of Scotland p. 76. Thomas
Dinley, Journal of a tour in Ireland i. d. Proceeding of the Kilkenny
urehaoological society, new «er. I, p. 1*0. Auf einem Fragment einer Platte
von Fortevirt, Schottland (abgeb. in The sculplured »tone* of Scotland,
nicht im Handel, Privatpublikation des Spalding Club) sind selbst die
Figuren so ausgeführt, dass man eine lteproduction von Korl)llechterei
vermuthet. Noch im 6. Jh. entstehen in Irland Gebäude ganz aus Hürden-
geflecht: Annals ofClonmaenoise 1, p.181. Sie linden ihre Analogie in den
Weissdornhürden Deutschlands (Lindenschmit, Handbuch der deutschen
Alterthumskunde I, S. 96). Seit dem Vorgange der Anthropologie er-
scheint es methodisch zulilssig, Parallelen aus der Geschichte, von Natur-
völkern zu suchen, die sich wirtschaftlich und geistig auf der gleichen
Höhe mit der in Frage stehenden Nation befinden, l'nd hier ergiebt sich,
dass noch heute aus den gleichen Techniken der Hürde, der Matte, des
Hastkorbes, des Weidenkorbes die gleiche Ornamentik des Flechtwerkes
entstehen kann, mit Schleife, Umbiegung und allen übrigen Anzeichen.
So bei den Arbeiten der Brit. Honduras, der Zufii-Indiuner in Neu-Mexiko
leine ganze Fülle von Proben im United State* National Museum, gute
78
Paul Clemen:
in den Resten von St. Julien in Tours M') (Fig. 12), an den Trüm-
mern atiR St. Samson -sur- Kille "" i im Departements- Museum zu
Evreux, an der Catliedrale von Vay, im Mitsee lapidaire zu Lyon187).
In der IMastik findet das Baudwerk zur gleichen Zeit wie in
Irland seine Heimstätte aueh in der langohardisehen Kunst. Dass
es hier nie aus dem Ornamentensc.hatz versehwunden war , zeigen
die goldenen Grabkreuze, die oben bei («elegeuheit der langobar-
disehon (loldsehiuiedekunst erwähnt worden sind, zeigt die Um-
Fig. 13. Plutco dos RAtchis in Civldaie.
rahmnng «1er getriebenen Gold- und Silherplatten im Sebatze des
Cavaliere Rossi in Rom. Im 8. Jahrhundert lebt hier das Motiv
Charakter. Stück in den Museen für Völkerkunde zu Berlin und Leipzig'
Vgl. Otis T. Mason, Barket-work of the North American AborigineH i. d.
(Washingtoner) Annual report of the Board of Hegcnts of the Sraitbnuian
institution 1884, II, p. 291. PI. 1-44; Ders., The human beast of Bnrdeu
ebenda 1M90, II, p. 237.
186) Grandinaison, Tours sous le.s Mcrovingiens et les Carlo* in-
gien« i. Bull, monnm. XXXIX, p. 361, 3<!3.
186) De Caumont, Abeeedalre. p. 27; Bull, monum. XXIII, p. 201.
Heber die ganz entgegengesetzte Verwendung in der Architektur Irland»
vgl. George Petrie, The ecclesia.slieal architecturc of Ireland anterior
to the anglo-norinan in vasion. Dublin lM.'i. p. 816.
187) Bull. luouum. XXV, p. 20«>.
Merowingische und karolingische. Plastik.
79
rasch wieder anf. Die Kreuze mit dem durehflochtenen Band-
werk , meint au» einem einzigen unendlichen Hand bestehend,
werden direkt in die Steinplastik übernetzt ,wt). Im 9. Jahr-
hundert werden mit dem Bandwerk ganze Flächen übersponnen.
aber mit den gleichen sondernden Abzeichen, die den franzö-
sischen Arbeiten eignen: Kietelung und weitmaschiges Durehflechteu.
An Stelle der Webertechnik tritt die Klintentechnik ein. Diese
Arbeiten bleiben dann bis in das 12. Jahrhundert hinein. Kür
die (irnppirung bilden eine Reihe genau datirter Arbeiten des
Fi}--. 14. Vom Ciborium i» Sun Giorgio «Ii Vnlpolicella.
8. Jahrhundert« den Ausgangspunkt, die Plutei des Signaldo
( 702-776) und Katchis (744-749) in Oividale »•») (Fig. 13). Eine
188) Kaffaelc Cattaneo, L'architettura in Italia dal secolo VI al
mibe circa. Venedig 1889. p. 161 ein Kreuz aus Koni sec. IX, I'lutco
von Santa Maria degli Angeli in Assisi sec. IX, p. 108, von San PletfO dl
Villanuova sec. VIII. p. 177, Altar von Sant' Ahondio in Como p. 189.
189) Cattaneo a. a. O. p. 87—91. Vgl. Schnaase, Geschichte der
bild. Künste III, S. 57H; Eite.lberger im Jahrbuch der K. K. Central-
comtnission IV, S. 245, Mittheilungen IV, S. 1522. Vgl. auch die. beiden
Berliner Sarkophage (Bode u. Tschudi, Beschreibung der Bildwerke der
christlichen Epoche. Berlin Ihkh. S. :}i und die venetiauüchen Monumente
im South Kensingtoii Museum.
so
Paul deinen:
Reihe von vertieften FlächeufUllnngen, meint in Eierstabrahmeu,
weisen das Motiv des Baudtleehtwerkcs ohne alle Abwechselung
auf, wobei die Richtung der Künder regelmässig eine Diagonale ist,
so zuerst schon an dem IMuteo von San demente in Korn um .r>20.
Das Ciborium in Sau Giorgio di Valpolieella, dessen Reste sich im
Musen lapidario zu Verona Minden und das laut Inschrift im Jahre
712 vom Magister L'rsus errichtet wurde, zeigt in den Arkaden
das Handwerk in der Form des zweimal geriefelten, unendlichen
schlaff ineinandergetlochtencn Bandes als Verzierung der Bogeuein-
Fig. 15. Typische irische Spiralfonnen.
fassungen, Pilaster und Lisenen (Fig. 14 nach Oattaneo): die Form
wird typisch für die italienische Ornamentik des ganzen achten und
neunten Jahrhunderts
190) Cattaneo p. HO. Die Sftulen trafen die Inschriften: DN1
JK8V CHRISTI DF. DOMS SANCTI JVHANNEfi BAPTESTE ED1FIOA-
TUS EST HANC C1VOK1VS SVB TEMPORE DOMNO NOSTRO U<>-
PRANDt» REUE ET YB <venernbile> PATER N«) (Rater itostrni ÜOMNKX)
EPESCOPO ET COSTODES EIVS VV «venerabile«) VTDALIANO ET
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Mcrowingischc und karolingische Plastik.
Es gilt flir die Forschung ein lokal begrenztes Gebiet zu
finden, auf dem die vorhandenen Keime sieh ohne äussere Einflüsse
gewissermassen in einer Rcin-
cultur entwickeln oder wo diese
äusseren Einflüsse sieh leicht
aussondern lassen. Dieses De-
iiionstrationsobjekt bildet für
den Abschnitt in der Geschichte
der Ornamentik, der vom <S.—
0. Jahrhundert reicht , wiede-
rum Irland. Die dort gefun-
denen Resultate lassen sich
unter Berücksichtigung der ver-
änderten lokaleu Ausgangs-
punkte auf das Merowingerrcich
anwenden. Hier im Norden
findet ein fast direkter Ueber-
gang von der Bronze zur jün-
geren Eisenzeit, von der Eisen-
zeit zur christlichen Periode
des spccicll irischeu Stiles statt.
Die ältesten Monumente zeigen
kein Ornament, nur Inschriften
in römischen Kapitalen oder
Ogham - Charakteren '"). Ihr
hohes Alter wird beglaubigt
durch die linguistische und paläographische Form der Inschriften
und die bnlbheidnischen Uebcrreste , mit denen sie zusammenge-
funden werden. Gleich nach ihnen, im f>. und 6. Jahrhundert, tritt
aber schon das eigentliche irische Ornament auf. Das älteste über-
TANCOL PRESWTER1S KT REFOL GASTALDIO GONDELME TNDIG-
NVS DIACONV8 SCRIPSI. Die andere: VRSVS MAGESTER CVM DIS-
CEPOLIS RVIS FVVINTINO ET JVVIANü EDIFICA VET HA NC CIVORIVM
VKRGONDVS TEODAL FOSCARI. Der gleicht' Ursus magestcr nennt
sich auch auf einem Altar in der Abteikirche von Fcrcntillo bei Rpolefo.
191) Die christlichen Römer hinterließen kein christlichen Zeichen
oder Emblem auf den irischen Grabsteinen. Das christliehe Constantini-
xehe Monogramm kommt nur vor auf einem riMiimcheii Mosaikboden zu
Fratnpton bei Dorehester, einigen MetnllgefrcnsUindon und Terracotta-
lainpehen: Hübner, Christian inscriptions, p, 18. HO.
Jahrb. «I. Ver. v. Alturthsfr. tm Khrliil. XUII. ü
Fig. 1H. Fibel von Kexzthely.
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Faul Climen!
kommene Motiv , die geschlossene und offene Spirale , die in eil»
tronipctenartiges Ende auslief m), findet Iiier ihre Weiterbildung.
Daneben zeigen sieh zwei andere Motive , ein geometrischen , die
key-patterns, und endlich das schon genannte Band- and Flceht-
werk , intcrlaeed work (Fig. 11). Das Flechtwerk scheidet sich
jetzt durch die wiederholte Verknüpfung und Durchschlingung von der
frühen Form der einfachen oder doppelten Schleife, wie sie die go-
thisch-fränkiseheu Funde des f>. und fi. Jahrhunderts, zuerst die
schon wiederholt geuanuten grossen Spangen von Keszthely auf-
weisen (Fig. 16). Aus diesen drei Elementen setzt sieh die iri-
sche Oramcntik zusammen : erst verhältnissmüssig spät treten
hier die Thierbestandtheile, Köpfe, Schwänze, Extremitäten ein —
erst in dem Zeitalter, in dem der Export irischer Kunstwerke
nach Deutschland , Frankreich und Skandinavien seinen Höhe-
punkt erreicht hatte. Die einzelnen Elemente dieses Stiles sind
durch die Arbeiten des ausgezeichneten englischen Archäologen
John Romiii y Allen auf das Eingehendste analysirt und in ihrer
allmählichen Entwicklung, Durchbildung, Vorbildung klar gelegt m).
Die irischen Steinsculpturen zeigen bei der peinlichen Gewissen-
haftigkeit und Sorgfalt der Durchführung doch noch ein grosseres
192) So auf der Emailplatte aus Middleton Moor, Derbyshire (Bate-
ni a n, Vestiges of Derbyshire p. 2») und der aus Chesterton, Warwickshire
(Journ. ot' the Brit. archaeol. a.ssoc. II, p. 162) und auf den Bronzeapiegeln
von Bedford und Staniford Hill (Anderson, Stotland in early pagan
times I, p. 100).
193) Von den vorhergehenden Arbeiten kommen nur wenige in Be-
tracht. Die Spirale und einige der geonietr. Kleinente untersuchte J. 0.
Westwood, On the distinetive Charakter of the various styles of orna-
nientation employed l»y the early British, Anglo - Saxon and Irish artists
im Archaeological journal X. p. 275. Dcrs. in Owen Joiich Grammatik
der Ornamente. Dann H. Syer Cuning, Ancient Ornaments i. Journ.
of the Brit. »rchaeol. assoc. XVI, p. 269. Die erste Entwicklungsgeschichte
gab J. K. Allen im Anhang zu The erosses at Ilkley im Journal of the
Brit. archaeol. assoc XLI, p. 351. Seine beiden grundlegenden Arbeiten
sind dann die Untersuchungen über die einzelnen Klcmente: The analysis
and elassiticatioii ot" cellic interlaced ornametit i. d. I'roceedings of the
soeiety ot antiiiuaries of Stotland, tu-w ser. VI, p. 225; Notes on Celtic
Ornament. The key and spiral patterns ebenda, new ser. VII, p. 253. Die
F.ntwioklung des interlaced Ornament stimmt in grossen Zügen überein
mit der von Anderson, Scntland in early Christian times II, p. 152, ge-
gebenen Analyse. Kine instruktive Nehcticmaiidcrstelliing der einzelneu
Merowingische und karolingische Plastik. 83
Feingefühl in der Anwendung des Ornamentes; die einzelnen Felder
werden getrennt, vertieft, die Rahmen stark hetont, während in
geometrischen Motiv« bei J. B. War i n g, Stone monuments, tumuli und
ornament of remote ages. London 1870. pl. 76. A. O. Langd on, Ccltic
ornanient on tlie crosses of Cornwnll im Journ. of the Brit. arch. nss.
XLV, |>. 318, 337 unterscheidet 1. regulär plaits mit 4, 6 oder 8 Bändern,
2. angular plaits, 3. broken plaitwork, 4. knotwork, r>. ring - patterns,
6. knots. Eine interessante Notiz über da» Vorkommen des Handwerke«
mit Thiorköpfcn und eingefügten menschlichen Gestalten — ein Motiv,
da* in Skandinavien seine Ausbildung fand — in der Beschreibung eine«
Bechers, den 833 Konig Wiglaf von Merina der Abtei Croyland schenkt:
Tngulphus, historia seu descriptio abbntiac Croylandensis ap. Fell, SS.
rcr. Anglic. p. 8: Öftere etiam refectorio dirti monasterii, ad usum prae-
sidentis quotidic in refectorio, scyphum meum dcauratum et per totani
partem exteriorem barbaris vinitorihns ad draconc« pugnantibus caelatum,
quem crueibolum meum solitus sum vocare, quia signum crueis per trans-
versum scyphi inipriinitur interius, cum quatnor angulis simili impressiouc
protuberantibus. Das Thiermotiv in der nordisch-irischen Ornamentik
ist von S. Müller, Dyreornamentiken i Norden p. 81 — 140 so ausführlich
behandelt, dass hier einfach darauf verwiesen werden kann.
Eine bisher nicht In die Betrachtung hineingezogene Parallele
bildet die. südrussische und slavische Ornamentik, die das Flechtwerk
gleichfalls im 6. und 7. Jh. übernimmt, es selbständig wie die irische
Kunst weiterbildet und zu den annähernd gleichen Resultaten wie jene
— nur vier Jh. spater — kommt. Es ist das ein ganz analoger Fall wie
bei der gothlschen und karolingisohen Pflanzenornamentik (s. u.). Typisch
erscheinen für die.se russische Flechtwerk- und Tliierornamentik Cod. 1003
der Synodalbibl. zu Moskau, Cod. 1164 des öffcntl. Mus. zu Moskau;
ebenda Cod. 230, 10*. 103. und Cod. 6 im Auferstehungsconvent zu Vos-
kresensk (Oe Boutovrski, Histoirc de l'ornement Russe du X. au XVI.
siede. Paris 1877. pl. 20, 26,40). Vgl. auch A.Racinet, Ornenieut polychrome
Russe. II. Orneni. des manuscrits slavo-russcs. Diese Ornamentinotivc haben
sich zumTheil bis in unser Jahrhundert erhalten: F. Lay, Ornamente süd-
slavischer und nationaler Hausindustrie. Wien 1877; F.Lay undF.Fisch-
hach, Stid-slavische Ornamente. Hanau 187!). Eine übersichtliche Darstellung
der Vertheilung, nicht aber der Entwicklung des Flechtwerk« und der Linien-
verschlingung bei J. Reimers, Peter Flötner nach seinen Handzeich-
nungen utid Holzschnitten. München 1890. S. 78. Ich kann an diesem
Orte hierauf ebenso wenig eingehen, wie auf die Theorien von Portheini
(Der decorative Stil in der altchristlichen Kunst. Stuttgart 1886) und
Müntz (Etndes iconographiques et archeologiques. La miniature Irlau-
daise et Auglo-Snxonne. Paris 1K8~>. die für die klassische Herkunft der
Hauptmotive dieser Ornamentik eintreten. Für die Ableitung aus dem
Ornamentenschntz der indogermanisch-keltischen Kunst vgl. Unger, La
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Paul Clemeu:
den schottischen und angelsächsischen das Ornament die ganze
Fläche zu tiberspinnen beginnt. Kür die historische Behandlung
steht Irland gleichfalls weitaus voran: es enthält 244 Grabmonu-
niente aus dem 1. Jahrtausend mit Inschriften, während .Schottland
nur sieben, darunter fünf von irischem Typus besitzt. Ebenso
finden sich in Irland 154 Oghaminschriften, Schottland enthält auf
dem Festland nur vier, auf den Orkney- und Shotlandinscln sieben.
Die erste und älteste Klasse der Steinmonumente besteht aus
den (Trabsteinen, flachen entweder aufrecht gestellten oder liegenden
Platten mit Verzierungen im flachsten Relief. Sie lassen sich zeit-
lich in drei grosse Klassen zerlegen. Die erste Gruppe wird durch
die nur ganz flüchtig und roh ornamentirten megalithischen Denk-
mäler des 3. und 4. Jahrhunderts bezeichnet die zweite um-
miniature Irlandaise, son online et son developpemont i. »1. Hevue CeUique
187Ü und Coiui1, Zur Geschichte der Anfüllte griechischer Kunst in den
Sitznngsber. der Wiener Akademie LX1V, 1870, S. 505; LXXIII, 187.% S.221.
DiiK Floehtwcrk lindi-t in Südcnglaud seine Zerstörung durclt die.
X onnnniien, die eine eigene Ornamentik mitbrachten. Die Gegensatze
prallen hier so .scharf aufeinander, die Wandlung vollzieht sieh so rasch,
in wenigen Jahrzehnten, wie nirgends in der Geschichte, der Ornamentik.
Die neue intolerante Ornamentik war geometrischer Natur, die Zickzack-
nrnninentik, die vor allem in Verbindung mit der Architektur, besonders
au Portal- und FensU*rcinrahmungcn Verwendung fand. Ihr Charktvristi-
kiun ist da» häutige Brechen und die Vermeidung des Bogens. Die ver-
schiedenen ornamentalen Elemente sind zusammengestellt bei L. Bat i ssier,
Histoire de l*art monumental dans l'antiquite et an moyen age. Paris
1860. p. 486, 492; Försters Allgem. Bauzeituug XXV, 1860, Tat'. 359,
360, 368; Francis Grose, The antiquitics of England and Wales. London
1773. Tal'. 76; John Carter, Speciiiions ot' ancient scnlpture and pain-
ting. London 1780. pl. zu p. 39; J. Boinilly Allen, Notes on early
christinn symbolisin i. d. Proceediogs of the soeiety of nnti<|UAriCH ot"
Scotland, new ser. VI, p. 35)8, 403, 40ö, 412. In der officielleu Instruction
du coinite bist, des arts et mon. von Merimee, Lonoir, Leprcvost,
Leiionnaut 1857. p. 155, werden die einzelnen Motive geschieden als
cannclc verticalement ou en Spirale, losange. strie, gaufre, chevrounc,
contrechevronne, tordu, rubannc, imbrique, contreimbrique, nattc, go-
dronne, freite. Eine Entwicklung der Motive bei Th. Dudley Fosbroke,
Encyclopacdia of antiquitics. London 1840. p. 117; Kichard Brown,
Raered architecture. London 1845. p. 227, pl. 24. Französische Beispiele
bei De Caumont, Statisiique monumentale de Calvados I, 144, 154, 197,
247, 282; Memoire* de la soc. des antiquaires de l'Ouest XIII, p. 5, pl. 3.
194) H a v in n ii ii Nooke, An accouut of some druidical remaius on
Stanton and Hnrtlc Moor in the Peak, Derbyshire i. d. Archaeologia VI,
Merowingische und karolingischc Plastik. S5
fa*st <lie Grabplatten, «leren llauptverzicrung in einem Krik-kcn-
p. 110: Frederick Montngu, Druidical remains in Derbyshire i. d.
Archacologia Xlf, p. 41; Jules Marion, Les monuments ccltiques et
senndinaves des environs d'Invcrness i. d. Memoire«« de In societc de« an-
tiquaires de France, XXXIII, p. J. Vor allem kommen hier noch in Be-
tracht die Monumente am Göll" von Moray und die Steinzirkel auf der
Kheiie von Dnunmossie. 1'cber die Hügel von Crnig-Phadrick und Örd-
hill-tit'-Kessock siehe .Revue des soeieles savantes 1. scric IV, p. 318; Hal-
lier, Niemoire sur les fori* de verre de IKeosse i. d. Memoire« de l'aca-
demie Celtique III, p. 39!». ("eher die -ranze Gruppe, die Parallelen in
den Departements de la Mavenne, de l'Orne. Cötes du Nord findet, vgl.
Gesliti de Bourgogne, Rapport snr le camp de Peru in i. d. Memoire*
Ins A la Sorbonne dans les sennecs du comitc des travnux historique*
1 8«i*>. p. IG!»; Le comte de, Cessac in denselben Memoire* 1*«>7. p. 101»;
M. Gra ndg agnage, Note .sur quelques vestige* de monuments druidi-
ques dan* la province de Liege, i. d. Bull, de l'aead. loyale de Bolgiquc
1852, p. öOT>; Geubel, Note sur l'existence de monuments de* anciens cul-
tc* dans la fnret des Ardennes i. d. Annale* de la societc ponr la conser-
vation de* monuments hi.storiques et des oeuvres d'art dans la province de
Luxemhourg 18f»l, p. 8ö. Hier sind auch die t »ghamsteine anzureihen.
Die Oghnmzeichcn, die «ich nur auf megalithischen Monumenten vor-
finden und zwar fast ausschliesslich in den Grafschaften Kerry, Cork,
Wnterford und zu Kilkenny und Limmcriek, geben die Buchstaben durch
Zahlstriche wieder, und zwar meist a— e durch 1—5 Striche unter der
Linie, die folgenden fünf durch Striche unter der Linie, dann durch
Querstriche etc. Vgl. zuerst Charles O'Conor, Pissertnt. Hist. Ireland
ed. 17*»6, p. 3(5; K. Rolt Brash, On the ogham monuments of the Gaed-
hal i. d. Transactions of the international congress of prehistoric arehaeo-
logy, 3. *e*sion. London 18ti9. 1, p. 291; G. Mouncey Atkinson, Soine
aecount of ancient Irish treatises on Ogham writing im Joumal of the
royal hist. and archaeol. asHociatiou of Ireland 1. ser. III, p. 202. Die
alteren Oghamsteine, die lediglich reine Oghaminschriften tragen, weisen
grammatische Formen auf, die mit denen der ältesten linguistischen Denk-
mäler in Gallien übereinstimmen — ein weiterer Beweis für die Verbin-
dung beider Länder vor dem 5. Jahrhundert (John Rhys, Leiture on
Welsh Philologe p. 272). Nach dein ». Jh. erst erscheinen die hilin-
guen und biliteralen Inschriften, d. h. Oghamzeichen neben Kölnischer
Minuskel, so auf dem Steine von Finten, Juvene Druide*, Colman. Die
meisten Steine des Kirchhofes von Clonmacnois gehören hierher. Keich
verzierte Oghamsteine, die der 3. Gmppe vom K 10. Jh. anzureihen sind,
linden sich nur ausnahmsweise , so der w,,s Breswiy . Shetland stam-
mende Stein im Museum of the autiquaries zu Kdinhurg. Der Stein
zeigt Darstellungen von löwenartigeu Thieren, Reiter, Bischöfe, auf der
Rückseite aber auch ein Medaillon mit Bandtlechtwerk. Die Inschriften
in Oghamcharakteren lauten: Benres meceudroi nun (Benrhe, der Sohn
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Paul C leine n:
kn iiz besteht '"•') — sie beschränken sich auf das 7. und H. Jahr-
hundert in England und reichen nur in Irland bis an den Schluss
des Druiden, liegt liier) und Crosc uahdfdad* datr ann (das Kreuz von
Nbrdreds Toeliter steht liier). Vgl. Sculptnred »tone iound at Bressay
i. d. Proeeedings ot* tlie amiqtiarics of Seotland V, p. "239. Ahl), aueh
Stuart, Seulptured stoiies ol' Seotland pl. XC1V, XCV.
lf)5) Diese ältesten der christlichen Steintnonuinente auf irisch-eng-
lischem Boden Aufstanden, ehe sieh noch der spcciell irische Stil bilden
konnte. In direkter Tradition halten sie sieh nur nn einzelnen Punkten
Irlands bis zur Blüthczeit des eigentlich irischen Stiles. Die ältesten
steinernen Sareophage entbehren völlig der Verzierung (Beisp. aus York-
s'nire i. Archaeol. Journal VI, p. 43). Die bekannten Grabsteine zeigen
ineist ein Krückenkreuz mit vertieften Feldern und auf die Kreuzung
aufgelegtem Quadrat. In Hexham und Hartlepool sind diese Kreuze nur
eingeritzt (Archaeologia XXVI, p. 479). Die Kreuze stammen aus dem
7. Jh., wie aus den Runeninschriften hervorgeht (Daniel H. Haigli im
Journ. of the Brit. arch. assoc. I, p. 185), Hilda, Hildithryth, Kdilviui sind
alle i. d. 2. H. d. 7. Jh. nachzuweisen. Spater noch sind die Steine zu Clon-
maeuois. Hier und hier fast allein halt sich der Brauch, den Achten
einen Grabstein zu setzen, der in der alten Weise mit dem Kreuz ver-
ziert ward. Ks ist nicht unmöglich, dass dieser ganz uniribche Brauch
durch eine engere Verbindung von Cloinnacnois mit Tours sich erhielt
(Colcu l'a Duincachda , der Verfasser des Buches Scuaip Chrabhaidh
steht in engster Beziehung zu Alcuiu. vgl. Ussher, Kpistolae Hibemicae.
e.p. XVIII. IV, ji. 466). So ist der Grabstein des Abtes Tuathgal t 806
(O'Conor, Anuals of Ulster p. 107) verziert. Diese Platten nähern sieh
in der Anordnung durchaus denen im Museum zu Narbonue und Arles:
sie gehen beide auf die gleichen altchristlichen Vorbilder zurück. Am
nächsten stehen jenen die Steine von Ualton (J. Romilly Allen, Pre-
normaa crosses at Haiton and Hayshain in Lancashire i. Journ. of the
Brit. arch. assoe. XLII, p. 328). Dieses Motiv findet sich aus demselben
Ursprung auch in den schwedischen christlichen Runensteinen. Vgl.
ilnhau Peringskiöl d, Ulleräkers Haradz Minnings ■ Merken med Nya
Upsala. Stockholm 1715». p. 326, 336, 337. Auch die merowingischen
Sculpturen von Garin finden eine Analogie auf britischem Boden in den
Steinen von Dearham, Derbyshire, wo gleichfalls alle Motive nur unver
bunden neben die figürlichen Darstellungen gesetzt sind (J. B. Waritig,
Stone mouuments, tuinuli and oniament of remote ages pl. 56, fig. 15).
Der irische Stil zeigt sich aber auf den Stcinsculpturen schon ehe die
oben genannte Kreuzverzierung ihre Entwicklung vollendet, so zuerst
auf den Steinen von Killeen Cormae. Vgl. John Francis Sheannan,
Essays on the inscrihed stoncs of Killeen Cormac i. Irish Eccles. Record
1868, June; Journ. of the Royal Hist. and Archaeol. assoc. of Ireland ser.
4, II; S. F ergusson, Essay on aucient cemeteries in Ireland i. d. Pro-
eeedings of thu Royal Irish Academy 2. ser. I, p. 124,
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Merowingische unrl karolingische Plastik.
H7
de» 9. Jahrhunderts. Am Ende dieser Entwiekelungsreihe stehen
die Platten von Clonmacnois, unter ihnen die Denksteine zweier
litterariseher Grössen: hier liegen St. Findan begraben und Snihine,
doctor Scotorum peritissimus ,M) (Fig. 17). Eine auf die Insel-
reiche beschränkte Ausgestaltung erhielten diese Grabplatten erst
von dem Zeitpunkte an, wo der künstlerische Strom von dem
Frankenreich aus abgeschnitten ward, d. h. vom Beginn des 9, Jahr-
hunderts ab. Die Grabplatten dieser 3. Gruppe zeigen in ver-
tieften Feldern Ftlllnngen von regelmässigem Flechtwerk, bei den
späteren Werken abwechselnd mit historischen oder biblischen
Scenen in Basrelief. Das Ueberwicgen des Einen oder des Anderen,
das allmähliche Durchdringen der figürlichen Darstellungen - das
ist ein Vorgang, der sich ganz in den gleichen Formen wie bei
den gleich zu erwähnenden Hochkreuzen abspielt. Den Schlnss
bildet auch hier der Sieg der Wiedergabe von menschlichen oder
thicrischen Gestalten, die aber dem verdrängten Ornament insofern
einen Tribut errichten müssen, als sie dieses in ihre eigenen Körper
196) St. Findan erscheint im Necrologium von Reichenau und im Mar-
tyrologium von Donegal. Ueber Suibinc (Swifneh) vgl. FJorentii Wigor-
niensis Chronicon ed. Thorpe I, p. 109. Die Inschrift auf dein Steine
(Fig. 17) lautet: (Droit dn] Suibine Mac Mailae huriiai. Suibine starb 890.
Vgl. George Pe tri e, Christian inscriptions in the Irish language. Dublin
1872. 1, pl, 16, 81,
Fig. 17. Grabstein Snibiues in Clonmacnois.
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98
Paul demen:
aufnehmen 11,7 1. Eine* der eisten Stücke ist der Grabstein König;
Eadulfs, der 7<)ö nach tiein Tode Aldfrieds den Thron einnahm, zu
Alnmouth, Xorthninbcrland 1!,8i. Das ganze 9. Jahrhundert weist
eine unausgesetzte Productimi dieser Platten auf, alle mit Füllungen
von regelmässigem Fleehtwerk in mehr oder minder hreitem Rahmen.
Zu den schönsten Platten, die zugleieh fast sämmtliche vorkommenden
Motive enthalten, gehören die in Roeklantl (Norfolk), Oolsterworth
< Lincolnshire) und Uexhill (Snwex) mit denen die Platten im
Fitzwilliannnuseuin zu Cambridge wiederum verwandt sind
Die figürlichen Darstellungen kommen im Anfang ganz ver-
einzelt vor und in der rohesten Ausprägung, die vor allem Kopf
und Extremitäten im Verhältnis« zum Körper viel zu sehr betont,
so in den Platten im Kirchhof von Arasaig, Invernessshire 20,)f
15>7) Kinc werthvolle Zusainmeu>tellung — werthvoll vor «Hein, weil
sie die geographische Verbreitung zifferiniissig nachzuweisen gestattet —
Ihm J. R. Allen and G. F. Brow ne, List of stonc* with interlaced Orna-
ment in England im Journnl of the Brit. arcliaeol. assoc. XLI, p. 351.
1!IH) George Stephens, The old-nothorn runic inonuineiits of Scan-
riinuvia and Kugland. London I.HI16. I, p. 461. Die Krgilnzung der In-
schrift durch Haigh i. d. Archacologin Aelinna 1S5(5, p. 18*>.
19?t) J. R, Allen, On recent riiseoveries of prenormau sculptured
stones im Journal of the Brit. arcliaeol. assoc. XLI, p. 2(57. Vgl. auch
Blomfield, History of Norfolk 1, p. 47.'!.
'200) In Cambridge Castle entdeckt. Fünf dnvon abgebildet Archaeo-
logia XXVII, p. 228, die sechste im Journal of the Brit. avchaeol. assoc.
XII, p. 201. Achnliche Platten in Alvaston, Derbyshire (Cox, Churches
of Derby shiic IX, p. 140). Nur ganz vereinzelt linden sieh neben diesen
Arbeiten Platten, die mit einer Art von verschiedenformigen Rosetten
besetzt, also die Ornaincntmotivc unverbunden nur gleichsam nebenein-
andergestellt enthalten, so die Platte zu Slrathmartinc bei Dunrica (A. H.
Miliar, Notice of a sculptured stone at Stratlnuartinc i. d. Proceedings
of the soeiety of antiquaries of Scotland, new ser. VI, p. 201) ; abgebildet
bei Sluart, Sculptured stones of Scotland. 1ST»K, pl. LXXVII) und eine
ganz ähnliche in St. Vigeans (abgeb. Proceedings. new »er. IV, p. 41).
Kurze, derbe, dickköpfige Menschengestalten, fast ohne l\Ntremitatcn, auf
den Skulpturen zu Ilkley : vgl. J. Roinilly Allen, The crosses at Ilkley
i. Journal of the Brit. arcliaeol. assoc. XL, p. 158; XLI. p. .'$33; Camrien,
Britannia III, p. 231*; J. Phillips, Rivers, mouiitains and sea - coast of
Yorkshire 1855, pl. 17. Die ganz entsprechenden Steina zu Leek, Draycot,
Chebsey bei P I o t, Natural history of Staflbrdshire 168(5. p. 432.
201) II. W. Lumsrien, Notice on sotne fragnients of sculptured
monumental slabs in the churchvard of Arasaig i. d. Proceedings of the
society of antiquarics of Scotland new ser. VI, p. 211. Auf einer Platte,
in der zerstörten Kirche des St. Maelrubha eine rohe Darstellung der
Kreuzigung neben einer Jagdsceue.
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Merowingische und karolingische Plastik.
später im 10. Jahrhundert zumal in den schottischen Skulpturen
mit einer überreichen und phantastischen Gestaltungskraft, die neben
biblischen Darstellungen natürliche, übernatürliche und unnatürliche
Wesen eng aneinander drangt, so vor allein in den Monumenten von
Forfarshire soi), den merkwürdigsten von ganz Sehottland.
Die Hochkreuze auf englischem Hoden beginnen schon mit
«lern f>. Jahrhundert; die Form ist die gewöhnliche keltische mit
ausgerundeten Armen und einem mittleren Kranze. Allmählich
fallen die Fenster zwischen Kreuzung und Kranz aus und der
Fuss wächst, das ganze Kreuz ist erst im 9. und 10. Jahrhundert
zu seiner schlanken Gestalt ausgewachsen. Das älteste hier in
Betracht kommende datirbare Werk mit Flechtwerkornament ist
das um 6»1 errichtete Kreuz zu Collingham (Yorkshire), das bereits
rohe Evangelistendarstellnngen zeigt*03). Der gleichen Zeit gehören
an in England dio Kreuze zu Beckerniet, Bewkastle, Yarm, Hawsk-
well , in Schottland das Huthwellkreuz, dem 8. Jahrhundert die
Kreuze zu Alumouth, Ilackness, Thomhill in England *01 ). Die ein-
fachste Form mit „Fenstern" und Kranz, ohne figürliche Darstel-
202) Andrew Jervise, Xotices ol* the localities ot' certain sculp-
tured stone monuments in Forfarshire i. d. Procccdiugs II, 242; vgl.
Stuart, Sculpturcd stones of Scolland. pl. LXXIII. Ausserordentlich
interessant sind sodann wieder historische Darstellungen, so der Stein des
Swcno bei der Stadt Forres mit grosser Darstellung einer Schlacht auf der
Vorderseite, mit Heitern, Fusskftmpfcrn, zu unterst ein Bcgrilbniss, während
die Rüekseitc mit feinem Flechtwerk bedeckt ist (Jules Marion in den
Memoire» de la soe. de» unti<|Uaires de France XXXII 1, pl. 1. 2). Kiit
ähnlicher Stein mit einer ganz entsprechenden Darstellung in Dunkeid
am Ufer des Tay — leider zertrümmert. -Auch die spateren irischen
Steine zeigen die Verbindung von historischen Darstellungen mit inter-
laced Ornament: ein charakteristisches Beispiel bietet die Platte in der
katholischen Kirche von Killyhegs (county Donegal), vgl. Journal of the
Kilkcnny Archacological »oeiety 4. >cr. II, p. I2M.
Angereiht mögen hier noch werden die angelsiichsischen Sonnen-
uhren mit Inschriften und Flechtwerkornamentik zu Bishopstone, Sussex
(Sussex Archaeol. Coli. VIII, p. 322) und Ohl Byland, Yorkshire (Yorkshire
Archaeol. Journ. V) — hHufiger sind dieselben Monumente nur mit In-
schriften vorsehen: vgl. J. K. Allen i. d. Journal ot" the Brit. arch. assoc.
XLI, p. 35g.
203) Stephens, Runic monuments I, p. 391.
204) J. Uomilly Allen. The crosses of Ilkley im Journal of the
Brit. archaeol. assoc. XLI, 351.
#
N
Paul Clemen:
hingen, nur durchweg mit dorn Flocht«» rkornament ilhersponnen,
zeigt da* Winwickkreuz während die Kreuze aus Halton und
Fig. IN. Stein von Si. Madoes am Tay.
Hcysham (Laneashire) im Kritischen Museum rohe menschliche Ge-
stalten mit Kuncninschriften enthalten*06). Das 9. und die erste
205) J. R. Allen, Description of Winwick Gross im Journal of the
Brit. archaeol. assoc. XXXVII, p. 91. m
206) J. R. Allen, Prenorman eroeses at Halton and Heysharn im
Journal of the Brit. archaeol. assoc. XL11, p. 326. Auf dem einen wird
in Runen Cunibalth, der Sohn des Cuthbert genannt. Vgl. Stephens,
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Merowingische und karolingisihc Flastik.
IM
Hälfte de» 10. Jahrhunderts weisen ein«« ganze Fülle von künstle-
risch durchgeführten Hochkreuzen auf, auf denen neben dem immer
noch »ehr regelmässigen Flechtwerkornameiit ganze Scenen mit
biblischen Darstellungen — freilich den Reichthum der irischen
Kreuze nicht erreichend — vorkommen. Ganz roh durchgeführte
Basreliefs mit dickköpfigen plumpe)» Embryonen finden sieh auf
einem Kreuz in der alten Kapelle zu Auldbar *"7) — die Kreuze
zu Checkley und llam (StafTordshirc) und zu llklcy (Yorkshire) ,os)
zeigen die menschlichen Gestalten, deren Umrisse scharf ausge-
stochen sind, gleichfalls überzogen mit Flechtwerk, analog den iri-
schen Handschriften. Eine cigcnthümliche Zwiseheustellung zwischen
Grabplatten und Hochkreuzen nimmt der Stein von St. Madoes am
Nordufer des Tay ein, dessen Vorderseite ein vollständiges Kreuz
enthält mit Flechtwcrk, geometrischen und Spiralmotiven mit Mittel-
ring und Fenstern, bei dem aber der Grund der Steinplatte nicht
abgestochen, sondern mit Thierdarstellnngen bedeckt ist — die
Rückseite zeigt drei Reiter in Kriegsmänteln mit Spitzhauben m)
(Fig. 18 naeh Allen). Diese zwei Gruppen bezeichnen den Aus-
Handbook ol* Kuuic monutnents p. 124. Kinige aus dieser Gruppe zeigen
bereit« eine Arkadenstellung, gehören demnach schon dein 10. Jh. an
(vgl. über diese Form Anderson, Scotl.md in early Christian times II,
p. 73). Drei den in Lancashire entsprechende Kreuze uoch aufrecht in
Whaliey (Whitaker, History of Whalley. 1876. II, p. 15).
207) Patrick Chalmers, The ancient seulptured stones of the
county of Augus pl. 2.
208) O. F. Browne, On basket - work figures of inen represented
on seulptured stones i. d. Archneologia L, p. 287, pl. 22. lieber die, im
Kirchhof zu Checkley bei Uttoxetcr befindlichen vgl. Camdon, Britannin
ed. Goughll, p. 49; Archaeologia II, p. 48. Eine Reihe, von Abbildungen
bei C. Lyuam, The ancient chxirchyard-crosses of Staffordshire im Journal
of theBrit. archaeol. assoc. XXXIII, p. 432. Vgl. auch schon PI ot, Natural
History of Staffordshire p. Ii3, 432, wo sie aber unrichtig als Danish
pyramidal stones bezeichnet sind, lieber die Kreuze von llklcy vgl.
ausführlich J. K. Allen, The crosses at Ilkley im Journal of the
Brit archaeol. a#soc. XL, p. 158. Die Umrisse sind hier mit äusserst er
Schärfe gezogen, die Figuren not aufgehobenem Ornament bedeckt. Vgl.
noch Ca m den, Britannia ed. Gough III, p. 239; Lelands Itinurnry, ed.
Thomas Hcarnc I, p. 144; F. J. Pettigrew, The monumental crosses
at Ilkley and Colüngham im Journal of the Brit. archaeol. assoc. XX,
p. 310. Abbildungen bei J. Phillips, Rivers, Mountains and Sea-Coast
of Yorkshire. 1856. pl. 17.
209) J. Roinilly Alleu, On the discovery of a aculptured stouo at
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f.?
Paul Cl einen:
gang und den Endpunkt der rapiden Entwicklung, die die Kreiir.-
sculptur im 0. und 10. Jahrhundert durchmacht — denn auch die
Arbeiten von Staffordshire fallen noch vor die normannische Er-
oberung. Eines der vollendetsten Kreuze ist das Cnrewkrenz (Pem-
brokeshire i s,üi, «her 14 Fuss hoch, mit hoher Basis und ausser-
ordentlich sorgfaltig durchgeführter Ornamentik, in dessen nüchste
Nähe die sehr verwandten Kreuze zu Nevern il'embrokeshire) und
da» Llantwit kreuz (Glamorganslnrei gehören811). Die Kreuze von
Cornwall S1S) und Wales*13) bilden die Vcrbindnngsbrflckc nach Ir-
St. Mndnes i. «I. Proccedingx of the society of antiquarics ol' Scolland, new
serie« V, p. 211. Line ähnliche Verzierung der Rückseite mit Heiter-
gestalten auf den Steinen von Mortlach und Eilanmore (Stuart I. e. I,
jil. ll\ ausserdem zu Klgin, Cadholl. Shandwick, Kirrienuir, Dunfallandy
u. s. w.
210> Die Datirung dieses merkwürdigen Kreuzes, dessen Schaft
nicht aus einem Monolith besteht, Knuden» aus zwei Stücken zusammen
gesetzt ist, unterliegt einigen Schwierigkeiten. Die Inschrift ist nicht
ohne weiteres zu entziffern. Westwood, Lapidarium Wulliae Nr. LVII,
p. 120 las: Maygit eittre cette; J. Graves. Archaeologia Cambrensis 4. sei-., _
XXXIX, p. 226: Magy gitentrecette (d. h. der Sohn von (iitentrecette);
Hühner, Inseribed stoncs of Wales p. 7 mit Westwood in Gentlemeu'«
Magazine 1861 p. 44: Margcteud fi(lius) Fcettey. Ich lese mit Walter
de Gray Kirch, Notes on the iuscription of the Carew crom» im Journal
of the Brit. archacol. assoc. XLI, p. 405 die mit einem stumpfen Messel
ausgepickte Inschrift :
Mn<|y glt
ent i y e
cettey
Matjy erscheint auf dem Stein St. Dogmaeis als die, irische Oghatnform
für tilii; g(i)lteut ist die alte Forin für Iltud oder Htm. Darnach heisst
die Inschrift: (Das Kreuz von) dein Sohn von lltut, (dem Sohn) von Kcett.
Diese Torrn Feettey lindet sich ähnlich auf dem Grabstein des Mechell
in Penrhos Llugwy (Hic iacet Maceuq ecceti — Hees, Kssay on the Welsh
Saints p. 308). Mechell war aber der Sohn von Kchwydd ab Gevyn
Gohoyw, somit lasst sich auch auf dem Carewkrcuz die letzte Form er-
setzen durch Kchwydd iG r a y Bin- h a. a. O). Vgl. die Abb. im Ar-
chaeological jnurnal III, y. 71; X, p. 285.
211) Archaeological journal X, p. 285.
212) A. G. Langdon and J. K. Allen, The early Christian moiiu-
ments of (Umwall iin Journal of the Brit. archaeol. assoc. XLIV, p. 301,
geben eine sorgfältige geographische Aufztthlung mit vielen Abbildungen.
Andere Abb. in The Builder 1889, 30. MJtrz. Ucber das Ornament A. G.
Laugdon im Journal XLV, p. 318.
213) J. O. West wood, Lapidarium Walliae. London 187«. pl. 15. p. 28
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Merowingische nnd karolingischc Plastik. 93
Und hinüber und geben zugleich wieder Anhaltspunkte für eine
feste Datirung: das Llantwitkreuz ward von Samson im Anfang
des 9. Jahrhunderts genetzt , das letzte zu Margam von Einion
um (KW.
Von den 45 in Irland erhaltenen IToehkreuzeii tragen nicht
weniger als acht Inschriften, die eine genaue zeitliche Fixirung zu-
lassen. In erster Linie stehen die beiden Kirchhofe von Monastcr-
boice und Clonmacnois. Auch hier bildet das 10. Jahrhundert deu
Höhepunkt der künstlerischen Bewegung in der Lösung der grössten
Aufgaben. Die beiden ftlr die Geschichte der Plastik werthvollsten
Stocke sind diis Kreuz des Königs Fland zn Clonmacnois SM) und
bildet das grosse Radkreuz von Margam ab, das auf einem Mensaartigen
Unterbau steht, und auf dein kurzen Fuss in grobem Basrelief je zwei
dickköpfige Gestalten zeigt. Vgl. Strange i. d. Archaeologin VI, pl. III,
Fig. 7; Douovftii, Tours in Wales II, p. 24. Die Inschrift auf dein dritten
Kreuze zu Llautwit Major (Glnuiorgaushire) besagt, dass es von Samson
für seine Seele und die von Juthahel und Arthmael errichtet ward. Arth-
utael war der Grossvater von Howell ap Rhys, der 884 erwRhnt wird
(Asser, Life of King Alfred. Oxford 1772. p. 4!». Der erste Stein zu
Margam (West w oo d p. 29) ward laut Inschrift von Euniaun für die Seele
von Guorgoret gefertigt: Einion, Sohn von Owain wird aber im Gwvntiau
chrouiele (The Gwentian chronicle, publishcd by the Cambrian arcliaeo-
logical nssociation 18153, p. 31) unter dem Jahre f>fiß erwähnt. Die Reihe
dieser skulptirleu Kreuze lässt sich in England wie in Wales noch weit
über das 10. Jahrhundert hinaus fortsetzen. Das Kreuz behielt im eigent-
lichen England eine hervorragend«! Stellung: die normannische Plastik
nahm es im Anfang des 11. Jh. in die Tympana ihrer Kirchen auf, in
einer Form, die durchaus den Kreuzen de« !). Jh. gleicht, so zu Findern
(Derbyshire), Wold Newton (Yorkshire). Vgl. C. E. Key »er, Archaeologin
XLV1I, p. 16»; Hhnlich an deu Taufbecken in Lianfair y Cymwd, Llan
Jestyn, Kea (Archaeological jourual I, p. 126). Auch die Kreuze zu Kirby
Stephen, Westmoreland (Stephens, Studieson Northern Mythology p. 379),
das Farnellkreuz im Montrosemuscum (Anderson, Scotland in early
Christian times II, p. 161 1, die rohen Sculpturen zu Stoke sub-Hamdon,
Somerset, zu Beckford chureh, Gloucestcrshire; Parwich, Derbyshire,
tragen noch den Stempel der angelsächsischen Plastik des 9. und 10. Jh.,
sind aber sicher Arbeiten des 11. Jh. Ausführlich hierüber die vortreff-
liche Arbeit von J. R. Allen, Notes on early Christian »ymbolism i. d.
Proceedings of the society of antin,uarles of Scotland, new. sor. VI, p. 380.
214) Das Kreuz tragt die Inschrift: Or do Flaiud Mac Maelsechlnind
Colman Dorroini in Croissa ar in ri Flaud (Bete für Fland, Sohn des
Maelsechlaind; Colman machte dies Kreuz für König Fland). Dieser Fland ist
der Sohn des «63 1 Königs Malachy und folgte Aed Finnliath in der höchsten
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Paul Clemcn:
und das dos Muiredach zu Monasterboice das erstere 914, daB
zweite '.»24 geschaffen. Der Meister des ersten, t'ohnan, ist die
künstlerische Persönlichkeit , nnter deren Einflnss die späteren iri-
schen Plastiker des Jahrhunderts stehen. Sein Kreuz zeigt nicht
nur in dem oberen Medaillon die Kreuzigung in starkem Basrelief,
sondern auf dem Fussc zum ersten Mal auch drei historische Scenen,
in denen zweimal König Eland, immer mit einem breiten und langen
Barte, und einmal Abt Colman Conaillech vorkommt ,lG), die älteste
Gewalt in Irland, er starb 914 (O'Donnavan, Annais of the four masters II,
p. 564), Colman selbst 924: Damit ist das Kreuz auf 10 Jahre genau datirt. Vgl.
George Petrie, Christian inscriptions in the Irish language. Dublin
1872. I, pl. XXXIII, Fig. 86, p. 42; Petrie, Kcclcsiasticnl architecture of
Ircland p. 269; Ledewich, Ant. Ireland p. 5. Ausführliche Abbildungen
bei Du Noycr, Sketches for Ordnance Snrvey in der Bibl. der Royal
Irish Academy zu Dublin (VII, Nr. 16-25).
215) Die Inschrift: Or do Muiredach lasandeniad in Chrossa (Bete
für Muiredach, der dieses Kreuz machte) ist zweideutig. Ks gab zwei
Achte diese« Namens, der 1. f 844, der 2. t 924. Der Vergleich mit dem
Kreuz von Cloninacnois giebt den Beweis, dass das Kreuz von Monastcr-
boiee dem 2. Murdoch zuzuschreil)en ist, nach den Annais of Ulster dem
Sohne Domhalls, dem Nachfolger Buites, Sohn Bronachs: es schliesst sich
in der Anordnung des Basreliefs völlig jenem an: der Künstler stand hier
offenbar unter dem Einflüsse einer stärkeren Persönlichkeit. Vgl. George
Petrie, Christian inscriptions in the Irish language. I, p. 66, pl. XXVI;
Petrie, Ecclesiastical architecture of Ireland p. 406; Henry ONeill,
Illustration« of the most interestiiig of the sculptured crosses of ancient
Ireland. London 1857. Die den Dimensionen nach bedeutendsten Kreuze
sind noch späteren Ursprungs. Das höchste, dns Tuainkrciiz, 14 Fuss hoch,
das nächste, das 18 Fuss hohe Kreuz zu Kilkieran (county Kilkenny).
Das Kreuz zu Tuam (county Galway) erscheint nach den» tief einge-
schnittenen Flechtwerkomament als ein Werk des 10. Jahrhunderts An
der Basis finden sich indessen unter den Inschriften zwei, die eine feste
Datirnng gestatten. Die eine lautet: Or dn Thoirdelbuch U'Choncubuir,
don Dabbaid Jarlath las in dernad insae Chrossa (Bete, für Turloch O'Conor,
Abt von Jarlath, von dem dies Kreuz gemacht ward); die andere: Or do
U'Ossin, don Dabbaid las in dernad (Bitte für O Ossin, den Abt, von dem
dies Kreuz gemacht ward). O'Conor war König von Irland von 1121 — 1156
und als solcher Abt von St. Jarlath, der Abt Aed O'Ossin lebte I12H— 1158:
demnach stammt das Kreuz bereits aus der 1. Ualfle des 12. Jh.
216) An dem Kreuze de« Murdoch ist der Schaft ganz von Darstel-
lungen zur Geschichte Christi erfüllt in streifenartigen Basreliefs, wahrend
ilie Rückseiten bei beiden durch ein jüngstes Gericht eingenommen sind.
Abweichend ist das Drumclifl* cross, das etwa 800 Fuss von der Pfarr-
kirche zu Drumclifl* ausserhalb des Kirchhofes steht. Ks zeigt in der
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Merowingisehe and karolingische Plastik.
96
erhaltene Portraitdarstellung in der Qrosssculptur MT), Auf den
letzten dieser Schöpfungen geht das Fleehtwerk tarcits dnreh die
Verbindung mit der Thicrornamentik seiner Vcrbildnng entgegen;
im 11. Jahrhundert gelangt diese neue Verknüpfung von Thier-
Icibern mit durehflochtenen engmaschigen Bändern, die schon 100
Jahre früher in der Buchmalerei aufgetreten war, auch in der
.Steinplastik zur Herrschaft; ein typisches Beispiel für diese Aus-
läufer der irischen Bandornameutik bietet das Grab von Cormac
Milte eine Kreuzigung, und die. begleitenden Seenen auf der Westseite,
auf der Ostseite zu Unterst Adam und Eva, dann David und Goliath, zu
oberst Christus als Weltrichter. Die gleiche Darstellung an den Kreuzen
ztt Tenninfeekin (Louth) und Arboe (Tyrone). Vgl. Henry O'Neill, The
fine arts and civilization of ancient Ireland. London 1H68. p. 29. Das
Kreuz zu Killamery zeigt die Kreuzigung und den Wagen des Elias (das
Symbol der Himmelfahrt), das zu Uliard die Kreuzigung mit einer typo-
'logischen Darstellung, dem Opfer Isaaks, das Kreuz zu Moone Abbey
nicht weniger als 20 Seenen aus dem alten und neuen Testament, höchst
interessant durch das frühe Vorkommen der. typologischen Gegenüber-
stellung (O'Neill, Illustration« of the sculptured stones of ancient Ireland
pl. 17). Eine Zusammenstellung des ikonographischen Inhaltes der Kreuze
bei Margaret Stokcs, Early Christian art in Ireland II, p. 18.
217) Die irischen und waelischen Kreuze sind sitmmtlich kirchliche
und zwar zunächst Sacralalterthümer ; anders scheint mir die Sache bei
einigen schottischen und den vereinzelt im 9. und 10. Jh. in der Nor-
mandie errichteten Kreuzen zu liegen. Sie sind weit eher als Wegkreuze
und als Grenzmarken zu fassen, vielleicht überhaupt als Symbol einer
weltlich-geistlichen Macht an Stelle der römischen Säulen. So scheint mir
auch das Kreuz zu Trier zu erklären zu sein, so auch vor allem dns zu
Grisy (Calvados). Als Zeichen des Marktbannes kommt das Kreuz in
Aquitanien schon um die Mitte des «>. Jh. vor in der Translatio S. Filiberti
Fig. 19. Grab von Cormac Mac Carthy.
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Paul Clemcn;
Mac Cartbv (Fig. 19) in der Cormacskapelle auf dem Felsen von
Cashel *'»).
Die inerowingisehe und karolingische Steinplastik.
Zu der merowingischen Plastik bilden die Vorstufe und das
Ucbergangsglied die gallo-römischen Seulpturen, unter der Aufsicht
oder naeb der Anleitung und den Vorbildern der Römer von nn-
gesehulteii gallischen Steinmetzen geschaffene Arbeiten. Die Sym-
ptome sind dieselben wie in Italien: je spater, desto unverständlicher,
gröber, geistloser die Wiedergabe und Ausführung. Die Plastik
der ersten vier Jahrhunderte, zumal in der Gallia Narbonncnsis ist
systematisch durchforscht: das ist noch Domaine der klassischen
und christlichen Archäologie. Vom 5. Jahrhundert bis in das 9.
aber ein grosses Pausü en , hier und da gelegentlich erwähnte
Hroeken , in den Provinzialmuscen verstreute Bruchstücke. Aber
die künstlerische Thätigkeit setzt nie aus. Au den Hauptpunkten
des römischen Kulturlebens erlosch die Erinnerung an Rom und die
römische Kunst niemals: wenn auch die Technik verloren ging, die
Haudwcrkstradition entschwand, die Vorbilder der grossen unzer-
störbaren Arbeiten, der Tempelreliefs, der Triumphbogenreliefs blieben
doch bestehen. Nur mit den Randfiguren ward eifriger aufgeräumt:
es ist bezeichnend, dass die ganze inerowingisehc Kunst sehr viel
römische Reliefs, aber nie ein römisches Rundbild nachgeahmt. Der
Gruud hierfür liegt nicht allein in dem Mangel der Technik, sondern
auch in dem Mangel der Vorbilder.
Aus der letzten Zeit der Römcrherrsehaft stammen noch einige
rohe Riindfigaren. Da ist einmal im Mnsee Calvct in Avignou s,;')
die bei Montdragou (Vauclusei gefundene Statue eines gallischen
1. I, c. 72: Mabillon, Act« SS. ord. S. Bened. IV, 1, p. 551, als Frohnung*-
symbol erscheint es spater howoIiI in Frankreich als auch in Deutschland
(Rieh. Schräder, Das Weichbild S. 320) und int auch dem altnorwegi-
Hchcn Recht bekannt gewesen (Krit. Vierteljahrsschrift XVIII, S. 41, 59).
Vgl. lt. Schröder, Deutsche. Rechtageschichte. Leipzig 1HK9. S. 110.
218) Breuer, BeautieK of Ireland I, p. 113.
219) Le guerrier gaulois i. d. Revue archeolngi«|ite XVI, p. 69. Die
Figur ist ohne Kopf noch 1,90 m hoch. Der ITiubo (Schildlmckel) ent-
spricht vollständig denen von dem gallischen (Irableld zu Saint Etiemio-
uu -Tempi« und einem im Museum zu St. Oerinain - en - Laye (Sani 7,
vitrine 10).
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Merowingische und karolingische Plastik. 97
Krieger», im Kostüm des 4. »der f>. Jahrhunderts, mit langem Schild
mit Metallbuckel und Ringen um die nackten Arme. Dann eine rohe
Dcmeterstele in Nolay (Cöte d'Or) **% die Statue einer Caritas mit
zwei Kindern im Arm in Compiegne >, jetzt ohne Kopf, von barbari-
scher Rohheit und ohne jede» Verständnis« des Faltenwurfes, eher
den Statuen vom heiligen Wege des Didvmäischen Apollon bei
Milet gleichend als den Arbeiten der spätrömischen Kunst. Ihnen
reiht sieh im Stadtinnseuiu zu Diuau <Cötea-dn-nord) ein grosses
Relief (luv. liV.fi an mit der rohen Darstellung eines Tritons, der
einen Hippokampen am Zügel führt '-i: es zeigt bereits das .Model-
liren in zwei Flüchen, ein blosses Ausstechen der Umrisse und Aus-
heben des firmnies.
Neben der langsam untergehendem römischen Tradition machen
sich nun aber zwei Elemente in der grossen Plastik - im Gegen-
satz zu der Kleinplastik der Elfenbeinarbeiten, die besonderen Ge-
setzen folgt und am .Seliluss abgesondert behandelt werden soll —
geltend, einmal gewisse Ornamente des Völkerwanderungsstilcs. aber
in sehr einseitiger Auslese, und dann neue Dekorationsmotive, die
durch eine Vermischung und Zusaiiimenziehnng von spät römischen
und altehristlichen Erinnerungen mit einheimischen fränkischen
Kuuxttraditioncu entstehen. Der Süden Frankreichs, auf dem die
romische Cultur gleichsam incrustirt war. entwickelte auch eine
Plastik, die noch am stärksten den römischen Anschauungen folgt.
•Sic zeigt sich am deutlichsten und reinsten an den neuen plasti-
schen Aufgaben, die die christliche Kirche gebracht hatte. Da sind
zunächst die Altine in der Form der steinernen mensae mit vier Eck-
säulen. Der iiiteste dieser (i nippe aus C'liarnics •'Ardechci im
Museum zu St. (»ermain - en - Laye (luv. gehört noch dem
;*). Jahrhundert an. Die H»8X1MI ( i» grosse Mannorplattc zeigt an
der vorderen Seite in der Mitte das Kreuz mit A und (0. zur
•220) Ed. Flouest, Deux steles de Laraire. Paris 1885. V; Bull,
monum. «. ser. I, p. 559.
221) Abgiiss im Museum zu St. Gerinain-en-Layc Nr. 3(525.
222) Anatole de Barthclciny, L'nrt jran'ois d. Revue archeol.
nonv. ser. X, p. 1. pl. 15. Kutdeekt in Brondineuf. Ab-russ in St. Germain-
en-Layc Nr. 20338. Eine Reihe ähnlicher Arbeiten hei Eugene II u eh er,
L'Art Gaulois. Paris 1870 und im Bulletin mmiuincntnl XXI, p. 73; Der».,
Do l'art eeltique A l'epoque merovin<jieiinc du musee archcologiqnc du
Maus i. d. Revue historique et archeologique du Maine Vllt, 1881.
Juhrli d. Vor v. Altortlnfr. im Rheiiil. XCII. 7
9«
Paul Cleinon:
Seite je sechs Lämmer, auf der Rückseite je sechs Vögel, an den
Seitenflächen in der Mitte einen Lorbeerkranz und zur Seite je drei
Vögel. Das ist ein durchaus altchristlichcs Motiv, das sich direkt
au die Dekoration der bekannten sudfranzösischen Sarkophage an-
schlicsst mh Der Altar in der Cathedrale zu Kodez, der inschrift-
)k-h ans dem 6. Jahrhundert stammt, zeigt als Einrahmung der vier-
eckigen Platte einen ltnndbogenfries , dessen Nasen mit leicht be-
handelten Rauken, eigentlich nur je zwei Stielen mit einem Blatt,
verziert sindmi. Die gleiche Ausschmückung zeigt die Altarplatte
von Sauvian 'Hcranltj, die dadurch in die Nähe gerückt wird,
ebenso der Altar aus der Cathedrale von Roussillou in Eine und
der Marmoraltar aus dem Kloster von Peilhau i Herault), jetzt in der
Domaiuc de Saint-Louis bei Beziers. Alle diese Altäre gehören last
ausschliesslich der Provence an — die Reihe Hesse sich noch ver-
vollständigen — und zeigen einen ganz ausgesprochenen Schul-
charakter. Wir linden so bereits im 6. und 7. Jahrhundert eine
christliche Steinmetzschnle in der Provence, deren Hauptwerke durch
Altäre repräsentirt werden. Ein Gegenstück dazu wird die nord-
tranzösische Schule der Sarkophagarbeiten bieten. Dem 7. Jahr-
hundert gehört alsdann an der Altar aus der Kapelle von Saint-
Viktor-de-Cnutel im Stadtmuseum zu Bagnols ***) ffJardi, bei dem
die Säulen nur als Dreiviertelssäulen den massiven monolithen
Unterbau tlankireu — die eine Schmalseite zeigt unter einem Rund-
bogen das Christuskreuz mit der Taube. Eiu ganz ähnlicher in
Tarascon "•*•>. Neben ihm steht der Altar aus St. Pierre in Hain
in der Bibliothek zn Valognes *"), der genauer zu tixiren ist : die
223) Vgl. zuletzt Aug. Prost, Loh nnoiens sarcophnges chieticns
de la Gaule i. d. Revue archeol. 3. scr. IX, p. 329; X, p. öl, 195, mit voll-
ständiger Angabe der reichen Litteratur.
224) L. Noguier, Auteln Roman» dans le midi de la France im
Bull, monum. XXXVII, p. 185: C. B o u e t im Bull, monnm. XXXVII,
p. 390, 401.
225) Lpon Alögrc, Antel roman depose au musöe de ßngnols
im Bull, monum. XXXVII. p. 896; Rcvoil, L'architecture du midi de la
France III, p. 19. Abb. bei Rohault de Fleury, La messe 1, pl. 4>.
226) De. Caumont, Abecpdaire p. 37.
227) Bull, monum. IV, p. 97; VI, p. 101; XXVI, p. 725; XXV1J,
p. 130; De Onumont, Abecedaire p. 36. Ausführlicher Lecliandc
il'Anisy. Dtscription de l'ancien autcl du Harn i. d. Memoire* de la societe
den iintio^nnires de Normnndio 2. ser. VII, p. 213. Frodomnndus, der
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Merowingische, und karolingischc Plastik.
Inschrift in barbarischem Latein, die er trägt, berichtet von der
Stiftung des Altares im Jahre 076 durch Frodomundus. Die Lias-
platte, aus der die mensa besteht, enthält in der Mitte ein ge-
riefeltes Ankerkreuz mit aufgelegtem quadratischen Kähmen.
Die provencalische üeberlieferung setzt sieh noch durch das
8. und 9. Jahrhundert hindurch fort. Ich möchte ihr eine Reihe
von Altären zuweisen, deren Datirung bei der grossen Einfachheit
im Ornament schwierig ist, die aber einmal unter sieh und dann
mit den beglaubigten Stücken der provenealisehen Schule eine
solche üebcreinstimmnng aufweisen, das» ihre Zutheilnng zu dieser
Gruppe gerechtfertigt erscheint. Nur einer der spätesten ist datirt,
der Altar aus Capestang im Musee lapidaire zu Beziers, der zwischen
898 und 923 ausgeführt ward ***). Ein früherer befindet sich noch
in der Nähe von Bczicre**9), ihnen sehliesst sich der Altar in der
Kirche zu Vancluse*30) und zu Vienne (Isere) an"1). Die Altäre
in der Cathedrale zu Magnelone (drei) und Notre-Dame-de-Quarante
(zwei) halte ich dagegen für spätere Arbeiten des 10. und 11. Jahr-
hunderts, schon ihrer bedeutenden Dimensionen wegen: die Platte
des einen Altars in Notre-Dame-de-Quarante misst 1,24 X 2,12 m.
Den Altären gegenüber steht eine andere Klasse von kirch-
lichen Gegenständen, sämmtlich Grabalterthfimer, Grabplatten, auf-
rechte Denksteine und endlich Sarkophage. Hier steht am Anfang
eine ganze, deutlich abzugrenzende Gruppe, die direct von den spät-
Bischof von Coutanccs weihte im gleichen Jahre die Kirche zu Ehren
der h. Jungfrau. Vgl. Pere Longneval, Historia Gallicana IV, p. 80
not. 1; Charles Trignan, Histoire ecelesia.stique de la Normandie. Caen
17ÜJ). Die Inschrift bei Mahillon, Annales Benedict. I, 538, 667. Sie lautet
genau in Majuskeln ohne jede Trennung der Worte : + Coiistantininsis urhis
reetur domnua Frodomundus pontifex in honore ahne Maria genetricis
doniini hoc templnin hoequae altare construxsit mliliter adque digne de-
dieavit mense augiigto me.dio et hic festus celebratus die« sit per annus
singolus. Abb. Kohault de Flexi ry, La messe I, pl. 45.
228) Bulletin de la societe archeologique de Beziexs 1875, p. 175;
1K76, p.39I. Abb. Rohault de Fleury. La messe I, p. 73. Die Inschrift
lautet: t Ccsarius presbit(erl e(t) rector presh(itci) qui in (h)onore saneti
IVnctnosi marti(ri)s ChriMti inssit facere nrnm princ(ipalcm) regnnnte Carulo
post hobitum Oddoni regis.
229) Bull, de la aoc. nreh. de Ber.ier* 1W<\, p. 162.
230) J. F. Andre, Antel-table de l eglise de Vaueluse i. d. Revue
de l art chretien II, p. 110.
1>3I Holet tili de Fleury, La messe I, pl. 52.
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100
Pnul Clemen:
römischen Grabfigaren ausgeht, die aber auf der einen Seite alt-
christlichc Symbolik, mit' der anderen Motive <lcr Ornamentik des
Völkerwanderungsstilcs, freilich unverarbeitet und uiivcrhunden, eben
nur die Motive nebeneiiiandergesetzt enthält. Zu den interessante-
sten gehören vier Basreliefs in Garin (Haute - Garonne), die in der
oberen Hälfte je zwei menschliche Halbfiguren zeigen in Vorder-
ansicht nach Art der römischen Grabsteine, während die untere
Hälfte mit Flechtornamenten bedeckt ist. Die Figuren halten
allerlei Gegenstände in den Händen, auf dem 2. und .'5. der Platten
erscheinen sie speisend, auf der 2. hält die erste Figur einen
Krug, die zweite eine Art Glas1"), auf der 4. hält die eine eine
Art Rolle, die zweite Speer und Axt. Die Flachornamente zeigen
durchaus frUhnicrowingische Motive, auf der ersten Platte zwei-
mal die vierfache Schleife, die Ansätze des Flcchtwerkea, auf den
drei Übrigen eine wechselnde Zusammenstellung von Ring and Halb-
ring"3). Nah verwandt mit diesen Basreliefs sind zwei Platten
im Museum zu Arles und zwei im Museum zu Narbonne. Die weit-
aus bedeutenderen sind die zu Narbonne. Die grössere Platte,
deren Verzierungen einen liturgischen Charakter tragen, 103 X ö6 cm
gross, zeigt in der Mitte ein Kreuz, an dessen Kren/armen das
Alpha und Omega aufgehängt sind, unten eine sitzende , eine
stehende männliche Fignr, oIkmi zwei symmetrisch gezeichnete Tauben,
die aus einem Napfe trinken. Die zweite Platte stellt eine Jagd
dar und zu unterst zwei Tauben, die an einer Traube pieken*54).
Das kleine Departementsmuseiim zu Kpinal liewahrt sodann ein
ausserordentlich interessantes Stack, eine merowingische Grabplatte
mit der Darstellung eines Kriegers in Hasrelief. Es ist kein Sarkophag-
deckel, nur ein Denkstein, wie er Uber dem Grabe errichtet wurde
232) Möglich auch, dass dies GcIüsk den c.vathus vorteilt — das
entspräche alsdann nocli ganz der sptttrömischen Sitte: so auf den Grab-
platten i. d. Thermen zu Luxueil (Kramt Desjardins im Rull. nion.
XL VI, p. 1).
233) Die. Masse der Platten sind: die erste 37x50 cm, die zweite
44 X 55 cm, die. dritte 50 x 55 cm, die vierte 61 X 36 cm.
234) Aua den Trümmern der Kirche des Peleriu» de In Major in
Narbonne. Vgl. den Catalog des Museums von Tournal p. 100, Nr. 539.
Abb. De Caumont, Documenta sur l'etat de l'art aux epoques merovin
gienne et cnrlovingienne i. Bull, monnm. XXXIV, p. 117, 123; Rohault
de Fleury, Ln messe V, p. 126, pl. 402.
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Merowingische und karolingisehe Plastik.
101
— seine Masse betragen nur 16X^1 cm. Der Rahmen ist etwas
erhöht, die breitschultrige Gestalt mit dem grossen Kopf fflllt den
Kaum völlig ans. Der Krieger trägt ein bis auf die Knöchel fallen-
des Gewand und einen auf der rechten Schulter zusammengehaltenen
dicken Mantel, der den linken Arm ganz verkleidet. Die Hechte
halt die fränkische Natioualwaffc, die Breitaxf. hache ouverte, wie sie
sieh in sämmtlicheu fränkischen Gräbern der Normandie gefunden hat.
Das Haar fällt zur Seite des bartlosen schwammigen Kund köpfe«
mit roher dicker Nase in langen Locken bis fast auf die Schulter,
ist am Ende aufgerollt, in die Stirn ist es in vier Lockenbüscheln
gestrichen. Die Haartracht deutet auf ein Mitglied des königlichen
Hauses.
Von den Arbeiten, die muthmasslich dem 7. Jahrhundert noch
angehören, sei endlich eine Gruppe von Darstellungen Daniels in
der Löwengrube genannt — eine beliebte Scene der altehristliehcn
Kunst. Zwei Platten ans Jurakalk in der Saiummlting der Madame
Faborc de Mäcon fähren die Scene vor. in zwei durchaus ver-
schiedenen Techniken, auf der ersten die Umrisse nur eingeritzt, ein-
gegraben, auf der zweiten eine Basreliefdarstellung mit ausgehobenem
Grunde Die gleiche Scene findet sich wieder auf einem Sarko-
phag ans Charcnton (Oben im Museum zu Bourges: nur ist hier
fftr die 218X60 cm messende Platte die symmetrische Darstellung ge-
wählt: Daniel steht mit erhobenen Händen en face in der Mitte,
zur Seite je ein anspringender und sich duckender Löwe mit er-
hobenem Hintertheil — die schwierige Bewegung des Thieres er-
scheint nicht Übel gelungen.
Dann zeigt eine kleinere Gruppe, zumal um Paris, die Ver-
bindung von Stabwerk mit Rosetten und ganz rohen, mir eben an-
gedeuteten, dürftigen Figuren, Menschen oder Vögeln - so die
Sarkophage auf dem alten Kirchhofe von St. Marcel und einzelne
aus dem Kirchhof von St. Vincent, jetzt im Museum Garnavalet zu
Paris. Daneben findet sieh nun aller die ausgedehnte dritte Gruppe,
die nicht den ganzen Sarkophag, sondern nur die Schmalseiten oder
nur ein einzelnes Fehl der Längssciteu verziert und hierzu Motive
benutzt , die lediglich und ausschliesslich dem heimischen Formen-
schatz augehöreu und Erbtheil de« Völkerwanderungsstiles sind. Es sind
23T0 Al>ga>*c im Museum zu St. Genuaiii «nJ.aye Nr. 1477« und
1770-.'.
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loa
Paul 0 lernen:
vor allem Rosetten oder Medaillons mit Sterne», die äussere Peripherie
mit Halbkreisen besetzt . als Füllung die vierfache Schleife wie in
Garin oder das Kreuz mit dem Mittelmedaillon. Das christliche
Symbol des Kreuzes ward aufgenommen und sofort ornamental ver-
wertet. Diese Verzierungen tindeu sieh vor allem auf den nur
Nord- und Mittelfraukreieli cigeuthfimliehen Sarkophagen von Gyps"6),
so vor allem in den Gräbern von St. Germain-des-Pres, St. Vincent
and vom Montmartre zu Paris, deren beste Stücke jetzt im Museum
Caruavalct sieh befinden. Sie kommen aber auch auf den steinernen
Sarkophagen in Mittelfrankreich vor, so auf dem aus Charcnton
stammenden im Museum zu Hmirges. auf dem Kopfende eines Sar-
kophagos in der Kirche St. Jean zu Poitiers *a7), endlieh nur ein-
geritzt auf einer merowingischen Stele, die sich gleichfalls im Museum
zu Bourge* befindet "*).
230) Lindenschmit, Deutsche Alterthumskunde 1, S. 113. Diese
S&rcophage wurden an Ort und Stelle aus zwei längeren und zwei
kürzeren Gypstafeln zusammengesetzt. Vgl. über die Pariser Sarcophage
Robert de Lasteyric, Note sur un eimetiere merovingien, dtVouvert ä
Paris, Place Gozlin i. d. Revue archcnlogique XXXf, 187(».
237) De Caumont, Sur nne excursion archeol. en Poitou im Bull.
Tiiitnutn. XXIV, p. I.
238) Bull, monum. XXV, p. «1. Vgl. noch über die übrigen raerovin-
gischen GrabHtUtten Hippolyte Mar Int, Dicouverte d'un eimetiere mero-
vingien ä Courcelles-sous-Chatenois im Journal de la societc d'archeolngie
Lorraine janv. 1882; Auguste Montic, Notice sur im eimetiere presume
merovingien, decouvert ä Auffargais (.Seinc-et-Oiset. Paris 1847; Moreaut
Le Fizelier, Essai sur les sepultures merovingiennes et les objets de la
meine epoque. dans le depart. de la Mayenne. Laval 1885. Proces-verbaux
et docutnents de la coiutn. archeol. de la Mayenne III, 1882. Comtc
d'F.staintot, Fouillcs et sepultures merovingiennes de l'cglisc Saint-
Ouen de Rouen. Paris 18*6; Alex. Bertrand, Le tumulus gaulois de
la commune de Magny - Lambert i. d. Mem. de la societe des antiquaires
de Krame 4. ser. IV, p. 287: Abbe C och et, Ktude de sepultures ehre-
tiennes dans Ic« eimetiercs de Roux-Messol et d'Etran pr('8 Dieppe i. d.
Mem. de la soc. des antiquaires de Normandie XXV, p. 199; AI. Bertrand.
Archcologie celtique et gauloise 1. Paris 1889, endlich die beiden grund-
legenden Werke des AhbeCocIiet, La Normandie souterrainc. Paris
18Jift und Sepultures ganloiscs, romnines, franques et normandes. Paris
1867. Kine ganz eigenthümliche Zusammensetzung zeigen die Sarcophage
von Allones, die aus Trümmern römischer Hypokausten zusammengesetzt
sind. Vgl. Drouet i. Bull, de la societv des sciences et des arts de la
Sarthe 1844, p. 24: L. et R. Charles, Sepultures merovingiennes de Con-
nerre (Sarthe) im Bull, monum. XL!, p. 40. Aehnliche Verwendung der
Ziegel in Fnglnnd, vgl, 1 witteu, Oravc-mounds aud their coutents. London
1870. p. 148.
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Merowingische und karolinjrieche Plastik.
10.1
Unter den Sarkophagen erscheint eine (trappe im nördlichen
Frankreich und in deu Kbeinlanden ganz besonders atisgezeichnet,
die sich bis in das 10. Jahrhundert erhält. Sic zeigt eine Deko-
ration der Sarkophage lediglich durch gconictriKchc Muster, durch
einfache Längs- nnd Qncrliscnen, zwischen denen der Grund um
etwa ein bis zwei Centimeter ausgehoben ist. Die ältesten mir
bekannten Exemplare enthält das Museum zu Xiort,Ä9i. Der eine
Sarkophagdeckel enthält lediglich ein Längs- und Qncrhand . die
zusammen ein Kreuz darstellen, der zweite noch einen ovalen und
zwei halbrunde aufgesetzte Kähmen. Am nächsten stehen ihnen
zwei Sarkophagdeckel im Museum zu Poitiers. deren obere Hälfte
mit sternförmig aufeinander tretenden Liaenen verziert ist5"0;. Ihnen
schliessen sieh einige Platten in St. Denys an mit einfachen Kreuzen >.
reichere aus dem Gebiete des alten Burgundiens. aus Molesmes,
St. Sabiue, Collonges"*) und aus den fränkischen Urabfeldcm zu
Andernach. Der ihnen nahverwandte Sarkophag des Saint-Lubin
zu Chartres, der auf dem Dekel die einfache Kreuzver/iernng mit
Längsstab zeigt, gestattet eine genauere Fixirung der Gruppe, der
Bischof starb 556 MS i. Endlich findet diese Gruppe ihre Fort-
setzung und Weiterfahrung in den dem !>. und 10. Jahrhundert an-
gehörenden Platten am Niederrhein*"); in Wiesbaden, im Kölner
Museum, in St. Maria im Kapitol zu Köln gute frUhkarolingische
239) Bulletin monumental XXII, p. 602. Beide Platten enthalten
Inschriften in Uucialen; die erste: Lopecena et Dedimia hic requiescunt
in pace, die zweite: . . Du» Gummare.
240) Abb. Bull, monum. XXIII, p. 267. Vgl. Camillc de La Croix.
Cimetieree et sarcopaghes eimetieres merovingiens du Poitou im Bull,
archcol. du comitc des travauz historiques et scientiAques 1887.
241) Vlollet-le Duc, Dict. rais. de l'architectnre francaise IX,
p. 23. Vgl. auch P I a n c h e t, Hist. de Bouryogne II, p. 620.
242) Henri Baudot, Memoire sur les sepulturcs des barbares de
l'epoque merovingienne deconvertes en Bourgogne. Pari« 1860. p. 122,
150, 161; Koenen, die Gräber in Andernach i. d. Jahrb. d. Ver. v. Alter-
thumsfreunden i. Rheinide. LXXXVI, 8. 205, Taf. XII.
243) Doublet de Boisthib anlt . Le tombeau de Saint-Lubin
i. d. Revue archeologique XV, p. 36.
244) v. Quast, Mittelrheinische Sarcophagc und deren Ausbreitung
am Niederrhein i. d. Jahrbüchern d. Ver. v. Alterthumsfrcundcn i. Rhein-
lande L, S. 108; E. Wörncr, Alte Steinsarge im Odenwald i. Corrcupon-
denzbl. d. Gesammtvereins XXIII, 8. 65. Die Stabvcreierung wurde
auch spater noch als einfaches und wirkungsvolles Motiv angewandt, die
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104
Paul Giemen:
Arbeiten,, wiederum lediglich mit Stab Verzierung — nach Schleswig
hinauf spatere Schöpfungen. Da« Fabrikationscentrum der rheini-
schen 0 nippe von Steinsärgen war wahrscheinlich die Umgegend
von Miltenberg m).
Für die allmähliche Verbildung und Degeneration der römi-
schen Oniameutformen ist die Entwicklung des spätrömischen Com-
positkapitüls das geeignetste Studieuobjckt. Hier liegen eine ge-
nügende Reihe von erhaltenen Beispielen vor , alle Jahrhunderte
und die drei grossen geographischen Oentren, Südfiankreich, Nord-
fraukreich , der Xiederrhein siml gleichmäßig vertreten. Erst die
karolingische Kunst brachte hier die gänzlich missverstandenen Mo-
tive der Volute und des uingcklappteu Akanthusblattes wieder zu
Ehren »««).
Datirung einzelner Stücke ist daher ausserordentlich schwierig. So haben
sich auf den Cimetieres von Pranzac, Vilhonneur, Claix, Mouthicrs in der
Charente (trabsteine gefunden, die ganz den uierowingisehen gleichen,
aber Arbeiten des 12. und 13. Jh. sind. Vgl. P. Kaserne de. Forge im
Bull. mon. lH4.r>, p. 59; T reine au de Kochebriine, Sur quelques pierres
tombales existant dam difl'erents cimetieres de la Charente i. d. Bull, de
In soc. areheol. et bist, de la Charente 4. werie VI, p. 713. Kine ganz
ithnlieh verzierte Platte auf dem Kirchhof von Great-Bookham (Archneo-
logia XXV, p. f>90) stammt sogar erst aus dem Jahre 134'i.
•245} Conradi i. Katalog d. Ausstellung prHhistor. u. anthropolog.
Funde Deutschlands. Berlin 1SH0. S. 4:$. — Pick, Materialien zur rheini-
schen ProvinzialgeHchichte I, 1, S. 2il.
240.» Den Ausgangspunkt mögen einige »pat • römische Kapitale
bilden, von denen sich Abgüsse im Museum zu St. Germain-en-Layc be-
finden iXr. 2184b\2lH47, 1117«. J 1055. 20372) aus St. Hemy, Jublain» iMayeime)
und Vaisou (Vauclusc). denen eine* im Iiistor. Mus. zu Wien (Sl. 280>
angereiht werden kann, regelmässig mit zwei oder drei Beiden tlaeher
einrippigt r Blatter, über denen zweithcilige Stengel emporwuchsen. Die
merowingi>cheu Kapitale in Saint Laurent zu Grenoble (De Caumont
im Bull, monum. XXIV, p. 305V lassen diese Stengel völlig freischweben.
Vgl. auch Congre.s areheol. de France, seances generale* tenues en 1H57.
p. .'179. Dann wird das Akanthushlatt in eine Papierrolle verwandelt, so
an den Kapitalen von Saint Gervais zu Koueu (Abgeb. Thierry, Hist.
de l'egli.se et de la parois.se de Saint Gervais de Rouen. 1859; Voyages
pittoresipii s et rnmnntiuucs de. lancienne France II, p. 148), bei denen
im Mus. zu Nantes wird es in eine Art von Fächer oder Farrenwedel
verwandelt (Bull, monum. XXII, p. 4^1; Guerard et Parcnteau, Cata-
logue du musee areheol. de Nantes p. 18). Nach Lenoir, Architecture
nimmst njuc 1. p. 2^H; Abb. Statistiipie monumentnle de Paris pl. S und 9
Mcrowingische and k&rolingische Plastik. 105
Karolingische Werke mit Rcliefdarstellungcn, die sieh an die
noerowingiRchen Scnlpturen von Narbonnc, Ginan anreihen, finden
sich fast ausschliesslich in den Khcinlanden und den Niederlanden
— von französischen Arbeiten wilsste ich nur das Hochkreuz zu
Grisy (Calvados) anzuführen, das aber in der Anlage mit' deni
Medaillonrahmen wie im Ornament nach England gravitirt. Noch
dem 8. Jahrhundert mochte ich das Relief im Dom zu Mainz zu-
weisen, das im Garten des dortigen Oapuzinerklosters gefunden ward
nnd das unter dem einen Bogen der Breitseite die Gestalt eine«
Geistlichen in Alba und Tuniea, in der Linken ein Buch, in der
Rechten ein Kreuz zeigt, während der andere Bogen eine ernx
stammen die im Musee Cluny befindlichen merowingisehen Kapitale von
der alteren unter Childcbert errichteten Cathedrale. Aehnliehe dann in
der Krypta von Saint-Bricc in Chartres. im Museum zu Arles, in der
Krypta zu Jouarre (Seine - et - Marne'. Vgl. Annunire de l'institut des
provinecs et des oongres sci< ntin^n-s X, p. 170: De Cauinont im Bull,
monuin. XXIII, p. 2*51. Das Musee de la soHcte. de antiquaires de Nor-
tnaudie besitzt ciniji-«* Fragmente an« der alten Kirche von Saint-Sanison-
sur-Uisle (Eure), andere befinden sich im Dcparteiiienlsmuscum zu Kvrcux
<A. Lcprcvost et F.d. Lambert. Mein. de. la societe des aiili(|Uaircs de
Voruiaudie. 1H2H, p. 472; Dawson. Turner and Cotinan, Arehitectural
anti<|ilities ol' Noriuundy II, p. 99>. Einige Beste finden sich eingemauert
in der Mauer der Cathedrale zu I'nv. Vgl. auch Ed. Fleury, Les chapi-
teaux merovingiens de leglise de f'hivy. Laon 1b<>9. Karolingische
Kapitale finden sieh dann — aber noch in der degenerirten Form — in der
Krypta von Saint Aignau zu Orleans (A lt'red Raine, Dissertation sur
■ iuelf|ues edifices d'Orleans presmnes earlnvingiens im Bull, monuin.
XXVI. p. 37, HO), in St. Germigny-dcs-Frcs (Bull, monuin. XXXIV, p. 578\
in St. Etienne d'Auxerre (V i ollet- le Duc, Dictionnaire <le l'arch. franc. II,
p. 484). im Musec d'antiquites zu Snissons (Bull, nionum. XXXIV, p. 480,
441»), in St. Menoux Viollet - le- Duc, a. a. O. II, p. 480;. In Deutschland
vor allem die Kapitale der karolingischen Bauten zu Aachen, Lorsch,
Ingelheim. Vgl. Faul Plenien, der knrnlingisehe, Kaiserpalast zu Ingel-
heim i. d. Westdeutsehen Zeitschrift für t.csch. u. Kunst 1890, S. 54, H->;
Adamy. Der Karolingerbau zu Lorsch. Darmstadt 1891; Fr. Schneider,
Karolingische Beste in Mainz im Corrcspondenzblatt des Gesamintvereins
der Deutschen Geschieht*- und Alterthnmsvcreine XXIII, S. «. Die.
übrigen auf deutschem Boden gefundenen karolingischen ('apitalc
habe ich ebenda zusammengestellt. Zum Vergleich heranzuziehen ein
gleichzeitiges Oapitiil aus San l'ietro di Toscanella im Archivio storlco
de.ll' arte II, p. 'Ml und eines am Ccnobio Armilatense in Cordova i.
Holetin ile la Beal Academia de Hellas Artes de San Fernando 1888. p. 136.
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106 Paul Clemen:
triumphalis enthält V,T). Die zungcufttrmigen Pflanzeumotive in den
Zwickeln und die bereits mit Eckknospen versehene Ranke ver-
bietet eine frühere Datirung. Dann finden sich an den Stirnseiten
der beiden steinerneu Pilastcr, die die grosse Arkade am Eingang
in den Chor der Kapelle zu Hubinnc bei Cincy tragen, sechs grosse.
Basreliefs aus weichem Stein, 156X415 cm gross. Das eine ent-
hält gleichfalls eine crux stationalis, ähnlich wie die grossere Nar-
bonuer Scnlptur, darüber in Kapitalen : ALELVIA, darunter das Alpha
nnd Omega, unten zwei schlanke einförmige Blumenstengel. Eine
•zweite Platte enthält einen Raum, offenbar den Paradicscsbaum, mit
grossen palmeuartigcn Lanzettenblüttern und hängenden Trauben —
eine Schlange ringelt 'sieh um den Stamm. Die 'übrigen Platten
enthalten das bekannte Rankenmuster mit Herzblatt tmd Traube
nud die beiden durcheinander geflochtenen Ranken Dem An-
fang des 9. Jahrhunderts gehören dann an das grosse Relief zu
Ingelheim , das durch seine sehr wahrscheinliche Zugehörigkeit zu
dem Bau Ludwigs des Frommen genau datirt ist, mit der Darstel-
lung eines wilden Thieres. gefolgt vmi einem springenden Fltlgel-
pferd Ihm reihen sich noch an ein jetzt als Sturz des Portal
an der katholischen Kirche bei Sauer-Schwabenheim in Rheinhessen
eingemauert«'« Relief — mit der Darstellung zweier symmetrisch zu
einander gestellter Wasservögel, die Fische in ihren langen Schnäbeln
halten und das Portal der Kirche zu Hierstatt bei Wiesbaden**'.
247) Friedrich Schneider, Zur Kreuzeskundc im (.'oircspondenz-
Matt d. GesammtvereiiiK 1875, S. 45 mit Abb.
248) Abgüsse in der Sammlung der Societö arcluologique zu Namur
und im Muse« des autiquites zu Brüssel.
249) Paul C leinen i. d. Westdeutschen Zeitschrift 1890, S. 88. Abb.
Tal". IV, Fig. 5; Fr. Schneider, Fränkische Sculptnrcn in der Mainzer
Gegend im Conrespondcnzbl. d. Gcsammtvereins 1876, S. 97 1 Ders., Rhein-
hessens kirchliche Baudcnkmalc i. d. Jahrbüchem d. Yer. v. Alterthums-
freunden im Ithcinide, LXI, S. 80, Tat*. 6; Anzeiger f. Kunde d. deutschen
Vorzeit 1876, N. F. XXIII, S. 349.
250) Lötz und Schneider, Baudenkmäler des Regierungsbezirks
Wiesbaden S. 32. Herr SaniUttiratli Lötz in Frankfurt macht mich auf
einige in dem alten Karolingerhof Rohrlach /.wischen Lorch und Wtjrt-
heiin am Main eingemauerte Sculpturcn mit Basreliefs aufmerksam, die
gleichfalls Vögel uud ein«? Art Schlangen enthalten — eine persönliche
Berichtigung .steht noch aus».
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Mernwingische und karnlingischc Plastik.
107
Das ( 'haraktcristisehe dieser Arbeiten ist «lic durchaus flache Be-
handlung, die jeder Modellinmg entbehrt und nur zwei Ebenen
kennt und die kantige Ucrausarbcitung des Grundes*51). Die
Figuren selbst erscheinen wie mit dem scharfen Holzniesser umrissen,
selbst iu der ornamentalen Wiedergabc der Ranken, der Blatter, der
Flügel zeigt sieh der scharte Schnitt »*).
251) P. C lernen i. u. Westdeutschen Zeilschrift 1890, S. 91.
252) Eine Keihe anderer plastischer Arbeiten, die wiederholt »1b
karolingisch angesprochen worden sind, muss dafür abgewiesen werden.
Da ist einmal die Metzer Madonna, jetzt im Hofe des Hauses Nr. 28 der
Rue St. Gengoulf (von Kraus i. d. Zeitschrift f. christliche Kunst I, S. 77
und Kunst u. Alterthuin in Lothringen S. 683) der karolingisch - ottoui-
nischeu Zeit zugewiesen. Ich habe schon in der Westdeutschen Zeitschrift
1890, S. 90, Anm. 166 mich gegen diese Annahme erklärt und inuss diese
Behauptung nach nochmaliger Prüfung und Vergleich mit den übrigen
erhaltenen karolingischen Sculpturen aufrecht erhalten. Die Figuren aus
dem Krcuzlingcr Münster im Kosgartenmuseum zu Conslanz halte ich
wie den Sarcophag des Adaloch in St. Thomas zu Strassburg für eine
spatere Arbeit (Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1861, S. 353;
Caliier et Martin, Melange* darcheologie III, p. 269; Oh. Schmidt,
Hist. du chapitre de Saint - Thomas de Strassbourg peudant le moyen
ige. 1860. p. 202, pl. 2). Das Crucifix zu Obernkirchen, das G. Schöner-
mark (Ein Crucifix aus knrolingischer Zeit i. d. Zeitschrift f. christl.
Kunst I, S. 31.*J) dem 9. Jh. zuweist, gehört ganz sicher dem 11. oder 12.
an. Aber ebensowenig ist das jetzt in Gerolomini befindliche Crucitix aus
der zerstörteil Kirche S. Cosimo und Damiano eine karolingische Arbeit
wie Demetrio Salazaro, Studi i»ui mnnumenti della Italia meridionale
dal IV al XIII. secolo I, pl. 6, meint. Der wunderliche Einfall von Aug.
Schierenberg (Der Ariadnefaden tür das Labyrinth der Edda od. d.
Edda eine Tochter des Teutoburger Waldes. Frankfurt 1889. S. XVHj,
das Relief an den Externsteinen als eine Schöpfung Karls des Grossen
hinzustellen, bedarf keiner Widerlegung. Die grosse Kompilation von
Irrthüinern, die Franz von Löher vor kurzem (Deutsche Grundformen
der bildenden Künste zur Karolingerzeit i. d. Kunst für Alle 1891. VII,
Heft 5. S. 67) veröffentlicht und in der er nicht nur die Externstem«,
sondern auch die Säule in der Krypta des Freisinger Domes und die
Portalfiguren von S. Jakob in Regensburg als karolingisch hinstellt, ent-
spricht etwa den Anschauungen vom Jahre 1780. lieber das Relief aus
der Kirche St. Rcstitut, das Henry Revoil im Rull, inonum. XXXVIII,
S. 106 dem 9. oder 10. Jh. zuweist, vermag ich, da mir dio Autopsie
mangelt, nach der dürftigen Abbildung nicht zur urtheilen. Ganz sicher
aber ist das Taufbecken zu Or^ibcrt fAriegel erst eine Arbeit des 12.
oder 13. Jh,
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Paul deinen:
Die Elfenbcinplastik.
Die merowingisehe Ornamentik hatte sich in der Hauptsache
aus drei .Motiven zusammengesetzt, den kleiuen uuregelmässig über-
eiimndergelegten Händchen mit Thierköpfen, den .Scheiben und Ro-
settenverzieriingen, dem weitmaschigen Fleehtwerk SS3). Das zweite
Motiv ist charakteristisch lllr die geographische Abgrenzung gegen-
über den britischen Inseln: es findet sich ausschliesslich auf dem
Fcstlao.de; wo es jenseits des Kanals auftritt, ist es Importwaare.
Die Tbierornameiitik tritt nur nebensächlich, die Köpfe accessorisch
angeflickt, ähnlich wie in der römisch-germanischen Periode auf.
Das bildet das /.weite trennende Element gegenüber der irisch-angel-
sächsischen Ornamentik. Endlich kommt ein drittes hinzu: im 6.
und 7. Jahrhundert ganz vereinzelt, im 8. häufiger, bewusst wieder
aufgenommen, ausgebildet, neugestaltet: das Pflanzenmotiv. Durch-
weg in dem ersten Jahrtausend, wo irgend es vorkommt, ist es
unter klassischer Heeiuflussung entstanden. Der Völkcrwandcruugs-
stil enthielt kein pflanzliches Element — nur die gothische Gruppe
in lugam zeigt es. Der nationalen .Stilperiode der langobardischen,
fränkischen, westgothisehen. irischen Kunst fehlt das pflanzliche
Element gleichfalls -■- nur im merowingischen Zeitalter findet es
sich. Aber hier wie in der got bischen Kunst ist es ein fremdes
Element: man sucht es in der gleichen Weise zu vereinfachen,
dem heimischen Oniameiitensehalz anzupassen: und so ergiebt sich
• Ins auf den eisten Klick auffallende Resultat , das* die Pflanzen
• iri-roiM utik des Jahrhunderts am Rhein dieselben Zfige aufweist
wie die dt-s ">. an der Donau: in beiden Fällen war die Wanke
etwa glcichlang geistiges Eigciilhum eines Stiles gewesen 2 ,1 .
253 j Eine Analyse diener I'lenicMe bei L i nden seb in i t i. d. Abbil-
dungen v. Mainzer Alterlhülm i n . cd. tl. Vor. zur Erforschung <1. rhein.
r.csch. u. Altertlniiner.
254} Lamprechr. InitinSrirn.imrnrik S. 17. kissi die Pflanzetionia-
meutik erst unter den Karolingern entstehen: dagegen schon Janitschck,
Gesch. il. Malerei S. H, Aimi. I'ine freiere Ausbildung des conservativ
durch 3 Jh. Iiindurcb bewahrten Ivankcnornnmcntes bis zu der künst-
lerisch vollendeten Form nuf den Gittern im Aachener Münster rindet in
der Tbat erst im 0. Jh. statt. Dir lir>:r Analyse der in Betracht kommen-
den pflanzücheu Elemente bei Lau» p recht a. a. O.
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Merowingische und karolingisehc Plartik.
100
Im merowingischen Zeitalter findet «ich das Pflanzenmotiv
ausschliesslich in zwei Formen. Die eine ist der Kähmen aus neben-
einandergestellten Akaiithusblttttcru als Abschlags eines vertieften
Feldes, die andere die einfache im Halbkreis nach beiden Seiten
ausgebogene Ranke, im Anfang mit gefaltetem Blatt, spater auch
mit Herzblatt oder Traube ,ss). (Fig. 20.) Die letztere Form findet
ihre Ausgestaltung im H. und 9. Jahrhundert und erhält sieh bis in
das 11. Da« ganze hohe Mittelalter zehrt in der Pflanzeuornamentik
von dem klassischen Erbtheil; es ist immer das unverstandene Akan-
thusblatt. das mit Virtuosität verballhornt wird: erst in der Frtlh-
gothik finden sich die Ausätze eines neuen Motivs, zunächst in der
naturalistischen Nachbildung und Ahforaiung des Vorbildes.
Die einzelnen Entwicklungsstufen des einrahmenden Akanthus-
krunzes bilden ein erwünschtes Hlllfsmittcl für die Dntirung der
265) Die einfachste Forin der Ranke nul* der Altarplattc aus Beaux-
Charmes (Ardcchci im Mus. zu St. Gcrmain-on-Eayo (Nr. '2O5H0) halt «ich
bis in das 10. Jh. (Grabplatte d. Markgrafen Gero in Gernrode i. Anzeiger
f. Kunde d. deutsch. Vorzeit N. F. IV, S. 13). Eine fränkische Fibel, die
in Camhridgeshirc entdeckt ward, zeigt dasselbe Motiv (C. Neville, Saxnn
obsequies, illustrated by Ornaments and wcapons dlscovered in a eeme-
tery near Little Wilbralnun. Eondon 1K;"»2. ]>l. II, Fig. 3;Y. Im 9. Jh. zeigt
das Gebiet der langobardisclicn Arcliitcktur ein«' neue Ausgestaltung.
Die Kankc wird fast im vollen Kreis herumgeführt, an den Ansalzen der
Blatter werden Knötchen in der Form von tjuerriegeln angesetzt. So
auf der grossen Marmortalel im Mus. zu Orvielo bei Kohault de Fleury,
La messe, pl. EXIL p. 1*2 {die Inschrift erst 1051 darauf gesetzt: De
Rossi im Bull, d'arch. ehret. IHN», p. 12*. Dann auf dem Thürstnrz
aus St. Eorenzok in Zara im Museum S. Donato in Zara (Mittheil. d. K. K.
Ccntraleommission N. F. XII, p. CEXXVI, Fig. 22, 23) und auf dem Thür-
stürz der Kirche zu Nona (Eitelbcrge r im Jahrbuch der K. K. Central-
commission V, p. 73). Für die Ausgestaltung der Rauke vom 9. bis ins
10. .Ib. verweise ich auf die Abbildungen aus St. Samson-sin-Rillc JJe
Caumont, Abecedaire p. 2.">), aus der Kirche in Jouarre iFörsters All-
gemeine Bauzeitung XXV, 18n"ü, Atlas Taf. 353, Fig. 11. und aus dem
Sehatze von foinjues (Gazette des Beaux-Arts 1H8!), II, p. 11 .
Fig. 20. Ornanientstreifen von einem Roliquiar
in Conques.
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110
Paul dornen:
plastischen Gegenstände , an denen sie atn häufigsten , fast regel-
mässig vorkommen, der Elfenbeintafeln. Die figürlichen Darstel-
lungen in der grossen Plastik der Mcrowingcr und Karolinger sind
zum grossen Theil zu Grunde gegangen; die parallelen Erschei-
nungen auf den irischen und angelsächsischen Steinmonumenten
konnten nur in beschränktein Masse zur Erklärung herangezogen
werden. 80 bilden die Elfenbeinschnitzereien das wichtigste und
bei der Fälle der hier erhaltenen Denkmäler «las glänzendste Objekt
fllr die historische Behandlung der figürlichen Darstellungen. Es
soll hier weder eine Geschichte der frühmittelalterlichen Elfenbein-
schnitzerei, noch ein raisonn irender Catalng gegeben, sondern nur
«ler Versuch gemacht werden, das erhaltene Material in seinen künst-
lerisch bedeutendsten Erscheinungen örtlich zu gruppiren und zu
fixiren und aus dem Vergleich mit den übrigen Werken der gleich-
zeitigen Plastik gewisse Handhaben für die Datirnng zu gewinnen,
zumal um eine Verwendung und Vcrwertlmng der Elfenbeinsehätzc
fllr ikonographischc und typnlogische Arbeiten zu ermöglichen —
die Untersuchungen über den Bilderkreis einer bestimmten Epoche
müssen ohne die Heranziehung der plastischen Arbeiten nothwendig
unvollständig sein *M\
256* Das einzige Handbuch für die Benutzung ilor Elfenbein-
arbeiten bildet J. O. West wood, A doseriptive catalogue of the äetile,
ivories in tbe South Konsington Museum. London 1870, das sieb aber
zu eng an die Auswahl von Abgüssen in der genannten Sammlung an-
schliesst. Dazu al« einzige Zusammenfassung J. Lab arte. Hist. d. arts
industriels I, p. 183; W.Bode, Geschichte der deutschen Plastik. S. 1-21;
William Mas kell, Ivorios aucient and niediaeval. London 1875.
O. Schaefer, Die Denkmäler der Klfenbeinplastik des (u-ossherzog-
liehen Museums zu Darmstadt, Dannstadt 1872 scbliesst sich zunächst
au die Darmstildtor Elfenbeine au und behandelt nur daneben auch
die Übrigen wichtigsten Stücke. Ich verzichte in den folgenden
Bemerkungen auf die genaue Beschreibung, wo diese von Wostwood
und anderen gegeben um! begnüge mich mit Verweisung auf die Literatur.
Die Originalskulpturon des South Konsington Museums beschrieben bei
William Maskell, Description of the ivorios ancienl and niediaeval in
tho South Kensignton museuin, London 1872. Ein die wichtigsten Publi-
kationen umfassendes Literaturverzeichnis« bei Job. v. Antoniewicz,
Ikonographisches zu Chrestien de Troyes i. d. Itoniauiscben Forschungen,
herausgegeben von K. V o 1 1 m ö 1 1 e r . Bd. V. Der alte Thesaurus
veterum diptyehorum von Gori ist nur für altchristliche Arbeiten
noch brauchbar. Ks erscheint dringend nnthwmdig , dass <i;i neuer
Merowingische und karolingische Plastik.
111
Die Elfenbeinschnitzerei erreicht schon gegen Ende des 9. und
am Anfang des 10. Jahrhunderts ihren ersten Höhepunkt — gleich-
zeitig mit der karolingischen Goldschmiedeknnst. Die Feinheit und
Delikatesse der Durchbildung, die Grazie und das rhythmische Maas*
in «ler Linienführung, da» wohlbedachte Einhalten der Gesetze von
der Raumfüllung nähern die Meisterwerke dieser letzten Epoche den
.Schöpfungen der italienischen Krührenaissance. Die ausserordent-
liche Geschmeidigkeit des Materials erleichterte die Freiheit der Be-
handlung: die Arbeit des Treibens in Goldblech war ebenso lang
oder länger geübt, doch die Technik war hier noch die alterthüm-
lieh - schwerfällige: noch Theophilns berichtet Uber die Mühe der
doppelten gegenseitigen Bearbeitung. Alier die karolingische Elfen-
bcinplastik tritt ebensowenig unvermittelt auf wie die gleichzeitige
.Metallurgie. Die Fäden führen einmal auf das merowingischc Reich
zurück, in zweiter Linie auf Italien. Ich schlage den italienischen
Eiufluss höher an als dies bisher geschehen. Die Nachrichten über
die wirtschaftliche Zerrüttung und ü)>er das grosse culturcllc
Sterben , das wie der schwarze Tod Italien durchzog , dürfen uns
uicht blind dagegen machen, das» in einer ganzen Reihe von städti-
schen und klösterlichen Anlagen sich bei der fllwnnfichtigen Fülle
guter Vorbilder eine Kunstthätigkeit erhielt, an die die. Tradition
im 11. Jahrhundert wieder neu anknüpfte. Dieser italiilnischc Ein-
fluss reicht indessen nur bis au den Beginn des 9. Jahrhunderts,
und die Leistungsfähigkeit scheint sich auf das nördliche Italien,
Thesaurus zusammengestellt werde. , der zum mindesten die Arbeiten
Imb zum Schluss des 12. Jh. vollzählig aufzunehmen hat. Die von
Krnst aus' in Weerth seiner Zeit angekündigte Publikation, für die
die Tafeln seit Jahren schon fertig gestellt sind, ist uicht zum Absehlus.i
gekommen. Für einen neuen Thesaurus würden sich die Heliogravüren
oder Lichtdrucke nach photographischen Aufnahmen mit zerstreutem
Licht, bei scharf beleuchteten Objekten, die keine Unterarbeitung zeigen,
auch Autotypien, nur für kleinere, lediglieh ikonographisch interessante
Stücke phototypisch zu vervielfältigende Zeichnungen empfehlen. Viel-
leicht könnte ein Cousortium von jüngeren Kunsthistorikern die Arbeit
gemeinsam übernehmen. Nur steht die selbstlose ForscherthHtigkeit im
Dienste umfangreicher Quelienpublikationen, bei denen der Name des
Kinzelnen im ganzen Werke untergeht, Arbeiten, bei denen zwei Oene-
rationen von Historikern und klassischen Archäologen in mehr als einem
Sinne gross geworden sind, bei dem heranwachsenden (ieschleeht der
Kunsigelehrteu «heu in schlechtem Ansehen.
112 Paul Clciiien:
die Lombardei zu beschränken , während erst Rnvenna uud dann
Rom vorübergehend Enklaven der byzantinischen Kunstübung dar-
stellten.
Unzweifelhaft bestand bereits im 7. Jahrhundert in Frankreich
eiue Elfenbeinschnitzcrschulc , die nach altchristlichcn italiänischcn
Vorbildern arbeitete und diese verhältnissmiUsig treu, mit einem
ziemlich hohen Verständnis» für Körperformen, einem geringeren für
Gewandung und Faltenwurf eopirte. Es int eine Reihe von cylin-
driachen Pyxides, die ich dieser Schule zuweisen mochte. Einmal
die älteste mit einer Löwenjagd im Schatz der Cathedrale zu
Sens ss") (luv. 52). und dann fünf Gefässe mit biblischen Sceneu in
Rouen Paris Hannover ifiW), Lavoute-rhillae s,il ),'*\Vien s,:* >.
die untereinander die grögstc Aehnlichkeit zeigen. Die Pyxis im
Musee de* antiquites zu Rouen zeigt die Geburt Christi und die
Anbetung der Hirten, die im Clunyinusenm zu Paris die .Samariterin.
die Ehebrecherin , die Hlindgeborenc , den Paralytiker , die Anf-
erweckung des Ijnzarus. Die Pyxis der Kirche Lavonte - Chillae
(Hautc-Loire i zeigt die Heilung des Lahmen, die Samariteriii, die
Anferweekung des Lazarus, die Verkeilung der Brode. Eine andere
in Frankreich bewahrte Pyxis im Museum zu Nevers -6r\ dagegen
wie die zweite aus der Sammlung Hahn in Berlin gehört zn der
grossen. Uber das ganze mittlere und südliche Europa verstreuten
Gruppe der altehristliehen Pyxiden Das Charakteristische der
257) Abb. ltnhault de Fleury, La messe V, p. 68.
258) Abb. Memoire« de la soeiöte dos autiquaires de Normandie XI
p. 131, 139.
259) Abb. Roliault de Fleury, La messe V, p. 67, pl. 373; (Jar-
rueoi, Storia dell' arte cristiana VI, pl. 438, no. 4.
260) Abb. Fr. Hahn, Fünf Elfeiibeiiigef'Hsfw den frühen Mittelalter«.
Hannover 1862. Tafel III.
261) Malegue et Avnard, Albuin d'ureliöologio rcligiouse. I'uy
1857. pl. 16, p. 53.
262) Mittheilungen der K. K. Contraleo in missinn N. F. II '1876..
8. 44; Max S c h m i d, die. Darstellung der <Jeburt Christi i. d. bildenden
Knust S. 39.
263) 188*» auf der Weltausstellung in Paris 'iTrnendero Nr. 20). Bo-
schreibung im Catalog.
264) Vgl. Gairucci a. a. O. VI. pl. 437 ff. Ein Verzeichnis» der
vomiglichsloii Pyxides bei West wo od p. 272. Feher die Gefltsse vgl.
l'abbö Cnrhlot, Kssai histori«|ne et liturgi<|iio sur les eil>oires et In reservo
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Merowingische und karnlingische Plastik.
11"
merowingischcn Arbeiten liept in der flachen Behandlung der Ex-
tremitäten, den scharfen, eckigen, kantigen Einschnitten, welche die
Kalten darstellen. <lanehcn den ilbergrossen kurzgeschorenen Rund-
köpfen.
Die Klfenbeinkäturae bilden eine liesondere Gruppe fllr sich,
die nicht gut zerrissen werden kann: mehr als bei den anderen
Gruppen sind hier die eigenthllniliche Form der Ornamente, die
Umrisse und die Motive der Füllungen bedingt durch den Charakter
des Objektes selbst • - die überlieferten Formen bewahren hier eine
grössere Zähigkeit : schon dadurch stehen diese Kamme unter einer
Art von Ausnahmegesetz. Eine kleine Anzahl ist annähernd sicher
zu datiren und bildet so die Ausgangspunkte, an die die Unter-
suchung die weiteren verwandten Stücke anzureihen hat.
An der Spitze stehen eine Anzahl einfacher Kämme aus
Knochen, die säinmtlich dem 5.-7. Jahrhundert angehören, vor
allem im Museum zu St. Gennain - en - Laye (Nr. 26300, 14760,
13669, 15283), denen sich die einfachen Arbeiten aus den deutschen
Gräbern zu Xonlendorf, Pfullingen, Oberolm in den Museen zn Mainz
und München anschlichen *8S). Das Museum zu Perigneux lfl'5) be-
sitzt einen elfenbeinernen , das zn Besancon iß7) einen bronzenen
Kamm ans dieser ersten Periode, Unter den zweizeiligen Elfcnbcin-
käramen halte ich für den ältesten den in der Sammlung der
de l'cucharistie. Pari« 1858; Alexander Nesbitt, On a box of carved
ivory of the sixth Century i. d. Archaeologia XLIV, p. 321. Drei altchristl.
auch bei Fr. Halm a. a. O., eines davon jetzt in Berlin (Bode und
Tsehudi, Beschreibung der Bildwerke der christlichen Epoche, Tafel 63).
2<>.'i> Lindensch mit. Alterthumskunde I, S. 313; L. Linden-
schniit Sohn, Das römisch-germanische Centralmnscum Taf. VII, 17 — 24.
Aus skandinavischen Funden bei Henry Petersen, Gravpladsen fra den
aeldrc Jcroaldcr paa Nordrup Mark ved Ringsted i. Nordiske Fortids-
minder udgivne af det Kgl. Nordiske Oldflkriftselskab I, pl. III, Fig. 8, 10.
266) Gefunden in TocaneSaint-Apres. Vgl. Galy, Catalogue du
musce archi'ol. du depart. de la Dordogne. Perigneux 1862. Nr. 359, 360.
Ein anderer zu Tourly (Oise) gefunden (Memoiren de la soci/'ttV de* anti-
quaires du Centre VIII, p. 74). üeber weitere Kxeinplarc vgl. De Baye
in seinen beiden Ktudes archeologiques (s. o.).
267) Bulletin monumental 1H61, p. T>90. Diese Brouzckainme kommen
verhältnissiiiHssig selten vor, die schönsten Kxemplare (einzeilig mit durch-
brochener Halbrund! ullung) im Museum in Kopenhagen (J. J. A. Worsaae,
Afbildniuger fra det Kongcligc Museum for nordiske oldsugcr i Kjöben-
hnvn. Kopenhagen 1Hf>4. pl. 45, Fig. 1«0. 181 t.
J.hrh. <1. Vor v. Alter»h«fr. im Rheli.l Xf'lt S
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114
P.iul Clcmcn:
Sociitö archeologique zu Tours befindlichen (aus der Sammlung
Albert Reynaud) , der ai|f dem rechtwinkligen Mittelstück eine
einfache geometrische Wurfclomaracntik mit ansgehobenem Grunde
und aufgesetzten Koset ton zeigt. Die gleiche Form der Kamme
findet sich auch auf englischem Boden, eine ganze Keihe zu Dun-
robin, Kirricmuir, Dariot, Garioch in Schottland 2fi8), zu Dovc Point
iCheshirei iii9), ein Knoohcnkainm mit einer verwandten Rosetten-
verzierung wie das Stück in Tonre zu Little Wilbrabam (Cambridge-
shire) 310 '). Unter den reicher verzierten liturgischen Prachtkammen "M
steht in erster Linie der Kamm des h. Cripus im Sehatz der Cathe-
drale zu Scns (luv. 24-t) Da* Mittelfeld zeigt zwei Löwen,
die gegen einen Haumstamm anspringen, auf dem ein Widdcrhanpt
erhöht ist. Auf dem oberen Kähmen ist ein Goldstreifen aufge-
nietet mit der Inschrift Pccten S. Lupi, in Majuskeln im Charakter
des 13. Jahrhunderts, den unteren verkleidet noch ein alter Streifen
mit sechs rechteckigen ungeschliffenen Steiuen, jeder von einem
26«) Stuart, Soulptured stnnes of Scotland. Aberdeen 1856. pl. 33,
43. 112.
269) A. Haine, Ancient Meols, some necount of the antiquities found
uear Dove l'oiut. London 1*63. p. 323.
270) C. Neville, Saxon obsequios, illustrated by Ornaments and
wcapons. London 1852. pl. 23. Tenor eine besondere form der auf eng-
lischem Boden gefundenen Kümme — tasehenmesserartig zuzuklappende
Schalen, die über die Zahne hinweggriffen — siehe Roach Smith, Inven-
torium sepulerale. 17"»7. pl. XXXI. Diese Schalen, nllerdings nur ein-
seitig, finden sich auch auf dem Continent in den Hheinlanden. ao bei
den vorzüglich erhaltenen Kummen im Museum zu Natnur (Annales de
la soeiöte archeol. de Namur XIV, livr. 4). Ein etwa dein 8. Jahrhundert
(so Fleury, la messe VIII, p. 673) angehöriger aus Barhain Downs bei
Akerman, Romains of Saxon pagandoin pl. XXXI, Fig. 1; Archaeolo-
gical journat XIV, p. 14.
271) Ueber den Gebrauch vgl. Bretagne, Recherche* sur les peignes
liturgiques im Bulletin monumental, 3. sorie XXVII, Nr. 4; Du Gange,
Glossarium V, p. 165, art. Pecten.
272) Vgl. Anatole de Montaiglon, Antiquitös et ctirinsites de la
ville de Sens i. d. Gazette des Boaux-Arts 2. per. XXI, p. 10; A. Gaussen,
Portefeuille archeol. de la Champagne. Bar-sur-Anbe 1861. pl. 2; Miliin,
Voyage dans les departeinents du midi de la France I, p. 97, Atlas pl. I,
Fig. 3; Bulletin monumental 1861, p. 276; 1872, p. 404; Viollet - le -Duc,
Dictionnaire raisonn6 du mobilier francais IV. p. 172. Der zum Vergleich
heranzuziehende King des Saint-Loup bei V io I le t- le -Duc, a. a. O. in,
p. 21.
Mcrnwingfache und karolingi.whe Plastik.
iir»
auf den Seiten aufgeklappten MetallblUttehen gehalten , dazwischen
anfgelöthetes einfachstes Filigran mit einem Fragezeichenornament
— alle« Anzeichen, die Charakteristika der merowingisehen Technik
sind. Wenn daher auch nicht mit Sicherheit anzunehmen, dam
der Kamm seihst von dem Bischof Lupus, der <»2.*5 starb, gebraucht
worden, so ist es doch sicher eine Arheit des 7. oder 8. Jahr-
hnnderts und in der weichen Behandlung eine der vollendetsten Arbeiten
dieser Zeit ('Fig. 21 1. Als der ihm am nächsten stehende erscheint
der Kamm des Bisehof Hubertus von Tougrc* und Liege (708 -727),
der noch im Schatz der Abtei zu Saint-Hubert aufbewahrt wird
Kine etwa gleichzeitige Arbeit ist der Kamm des h. Rcmaelus, <les
Bisehofs von Maastricht - i>48- -K7"» . der sieh früher im Sehatz der
Abteikirche zu Stnvelot befand*74' und 1871 für das Alterthflntcr-
nmsenm in Brüssel erworben ward *T:,i. Er hat eine ziemliehe Grosse,
inisst 2<J,.r> XI«» ein und enthält in dem mittleren vertieften halb-
kreisförmigen Felde zwei von den Ecken ausgehende geschw ungene,
geriefelte Ranken von etwas primitiverer Form als auf den Platten
desTuotilo. Etwas später, dem 0. Jahrhundert angehörig, erscheinen
ein zweiter Kamm ansStavelot in Brüssel ?7,!i (Fig. 22j und der Kamm des
Ii. Berthnin ans der alten Abtei Malonne im Museum zu Lüttich ,77i.
An diesen reiht sich der jetzt im germanischen Museum zu Nürn-
berg befindliehe Kamm, ein gute und sichere Arbeit des 9. Jahr-
hunderts, die in dem Mittelstflek auf «1er einen Seite zwei stark
stilisirte Pfauen . welche aus einer Vase trinken , auf der anderen
zwei sich zugewendete, schreitende Greife enthalt, welche mit je einein
273) Der Kamm des Ii. Lambert, ehemals im Schatz der Cathedrale
zu Lütticli, ist jetzt mit den Itcli.|iiien in dem Schrein verschtosBen und
seitdem unsichtbar.
274) Hier sahen ihn noch die Benediktiner: Marlene et Durand,
Voyage litterairc de deux religieux beiiedictin*. Paris 1721. p. 153; vgl.
De Nouc, Ktudes historif|Ues sur landen pay* de Stnvelot et de Maimedy.
Lüttich 1*4*.
275) K Chalon, Note sur deux peignes lititrginues provenant de,
Stavelot im Bull, monuiii. XXXVIII, p. 404; Ders., Deux peignes liturgi-
ques im Bulletin deH commissions Itoyales d'nrt et d'areheologie. 1869,
VIII, p. 36. Abbildung bei Kohault de Kleury, ia messe VIII. pl. 675.
276) Dieses zweite Stück ist nur einzeilig, enthalt ein halbrundes
Feld mit grosser Kose und die Inschriti: l^uisquis ex ine suuiu plana-
verit quoque caput, ipso vivat feliciter Semper annis. Fiat.
277) Revue ,le lart ehretien lfW7. p. 102.
11«
Hanl Clemen:
erhobenen Yorderfusse sieh in der Mitte berühren !7R). Den Hübe- 1/
punkt erreicht die Kunst erst nach dem Ausgang; der karolingisehen
Periode in dem Kamm des 'h. Gauzelin (922 — 0<)2) in der Cathe-
drale zu Nancy, der aber noch unter dem vollen Einflüsse der karo-
lingischen Ornamentik steht. Das Mittelfeld enthält drei Arkaden;
Fig. 21. 22. ElfenbeinkHmme zu Sens un<t zu Brüssel.
Weinranken, die aus einem Kelch aufsteigen und auf denen Tauben
sitzen, beleben die Fällungen "9).
278) Vgl. Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1K82, S. 381;
MiUhcihmgen aus d. german. Nationalmuseum II, S. 1f>.'{; H. Hü so Ii.
Catalog der im german. Museum befindlichen Originalskulpturen. Nürn-
berg 1890. S. 10. Abb. S. 11, Nr. 2.
279) Abbildung. bei Itohault de Fleury, La messe VIII, pl. 673.
Er befand sich früher in der Abtei von Bouxiere (Dom Calmet, Histoire
de Lorraine I, p. 8941. Diese Reihe IMsst sich auch über die karolingische
Zeit hinaus fortsetzen. Dem 11. Jahrhundert gehören an der Kamm
Bischof Bennos von Osnabrück in der Abteikirche von Iburg, der Kamm
Erzbischof Annos von Köln in Siegburg, die Kämme in Osnabrück.
Quedlinburg, Bamberg, Köln. Nur der Kamm der h. Hildegard kommt
hier noch in Betracht. Er ist weit Hlter als die Heilige vom Rupperts-
berg, deren Namen er trügt, diente entschieden auch liturgischen Zwecken,
zeigt aber in den beiden Feldern durchweg Kopien römischer Vorbilder,
auf der einen Seite drei Krieger? auf der anderen zwei Quadrigen. (Abb.
v. Hefner- Alton eck, Trachten und GeriUhsehaften I, Taf. 38. Vgl.
Lindei.schmit, Aiterthumskundfl 1, S. 315).
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Merowingische und karolingische Plastik.
117
Als die hervorragendsten Stücke der italischen Elfenbein-
schnitzerei im 7. und 8. Jahrhundert nenne ich die folgenden: Im ^
South Kensington Museum die grosse Platte mit fünf Feldern mit
der Darstellung der Maria zwischen Je$aias und Melehisedek *80),
die ihr Gegenstück in der gleichgroßen Platte auf dem Cod. Palat.
50 der Vaticana findet *■'). Die letztere schlicsst die Evangelien
Lneae und Johannis ein, die erstere barg wahrscheinlich die Matthaei
und Marci. Die Falteu sind bei dem flachen Relief tief eingearbeitet,
auf Schatten Wirkung bei starker greller Beleuchtung berechnet; die
Gewänder mit den vielen, kleinlichen Faltcnmotivcn um die Schenkel
stark angeschnürt , bei Maria ist sogar der aus anderem Stoff als
die Tunica bestehende Mantel durch eine abweichende Behandlung
wiedergegeben. Die Haare sind sorgfaltig gestrichelt, zum Theil in
Knoten aufgerollt. Die hohe technische Vollkommenheit weist diesen
beiden Werken den Platz im 6. oder 7. Jahrhundert vor der Periode
des Verfalls an. Eine genaue Kopie des einen Engels von der
Platte der Vaticana fiudet sich im Museum zu Darmstadt *"). Auf
das engste verwandt mit den beiden genannten Buchdeckeln ist
eine Einhandplatte im öffentlichen Museum zu Ravcnua, die aus
acht Fehlem besteht, in der Mitte Christus zwischen vier Aposteln383).
Dem 7. Jahrhundert gehört eine zweite Gruppe an, die wieder so
viel gleiche und ähnliche Züge aufweist, dass man au eine Aus-
führung durch ein und dieselbe Hand zu glauben geneigt ist. Es
sind dies eine Reihe kleiner Platten, die ehemals mehrere Reliquien
kästelten verzierten. Vier befinden sieh im Britischen Museum, vier
in «W Sammlung Michcli»»'). Das Relief ist hier weit höher, die
Figuren sind zu Dreivierteln herausgearbeitet, die Glieder gerundet,
280) Abh. bei William Maskoll, Dcst-ription r.i the Kurie* awieiit
and mediaeval in the South KeuMiigion Museum. London 1872. p. R3.
Westwood Nr. 11!».
281) Gori, Thesaurus veteruin dipt vclioruin III. \>. 2f»; Förste r,
Denkmale deutscher Kunst, Taf. 9; La») arte I, p. -209; Westwood
Nr. 117; G. S ebnerer, Die Denkmäler der Kirenboinplastik zu Dann-
stadt. S. 30.
282) We h t w o «. d , Nr. 11*; H o d e . Geschichte der deutschen
Plastik S. 9.
283) Abb. Gori, Thesaurus veterum diptychormn III, p. 41. West-
woiid Nr. HU.
284) West wood Nr. 100-103, UM- 107. Phot. Simelli. Abb. bei
Westwood pj. zu p. 44.
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UM
I'aul Cleiueu:
die Gewänder in grossen Zügen angedeutet : unvergessene klassische
und altchristliche Traditionen sind hier noch lebendig. In dcrAus-
fühning steht zwischen den beiden, zeitlich wohl um ein Jahrhundert
später, eine dritte Gruppe, die eine im Cabinet de» mcdailles der
Pariser Nationalbibliothek i Schrank XIX) befindliche Platte erüffuet.
Unter vier säuleugetragcnen Rundbogen sitzen die vier Evangelisten
en face mit einem Buche, der erste eintauchend, der zweite die
Reehte auf sein Buch legend, der dritte die Rechte erhoben, der
vierte sie auf die Brust legend: auf ihren Nimben sitzen direkt die
Symbole auf. Es schliessen sich an die beiden grossen Einband-
decken im Schatz der Cathedralc von Mailand itb) und endlich" die
eine Hälfte eines Diptychons in der Cathcdrale zu Tongrcs *86), die
eine freie Kopie eines der Apostel von der Cathedra des h. Maximin
zu Ravcnna giebt. Zwei Buchdeckel in der Xationalbibliothek zu
Paris 187 j, zwei im Berliner Museum m) und eine Platte in der Uui-
versitäts-Bibliothek zu Bologna mit der Geburt in der oberen, den
Hirten in der unteren Hälfte *89), gehören gleichfall« hierher. Für
die Technik ist das letztgenannte Pariser Stück die charakteristischste
Arbeit. Wie bei der zuerst genannten Gruppe ist das Relief sehr
flach gehalten, die Falten sind in scharfen, harten Zügen einge-
schnitten, die (»estalt rundet sich nicht, senkt sich nicht nach dem
Grunde zu, die Umrisse sind dadurch kautig, oft ganz senkrecht,
als ob der Grund ausgestochen wäre. Es ist genau die Technik,
die im 7. und 8. Jahrhundert auch in der lombardischeu und mero-
wingischeu Steinsculptur vorherrscht.
Dem Anfang des *.». Jahrhundert* schreibe ich zu die beiden
2Kö) Abb. B Ufr Uli, Mcinorie Moriche üitortio le, reli<|Ue di S. Oelso
append. sopra un «Ii tlittk-o «l. ChiesH Metropolitana «Ii Milano 1782; Ohl
ficld, NoticcH of Seulpture in Ivorv, Titelbild; Lab arte, ilist. <U>
Artn induntrii-ls, Albuin, »culpture. pl. *>; Westwood Nr.* 95 u. W>.
2X6) Camille de Roddaz. L'Art ancieti A IVxposition national«-
Btdgt*. lirus.se! 1882. p. 34, ¥ig. 50.
287) Abb. Leu nrmant, Tresor de yryptitiue II, pl. 12; \V« k(
wood Nr. 108, 10».
28K) Abb. Didrot), Annale art-heoloffiqufs . XVIII, p. 301 pl. ;
Westwood Nro. 110, 111.
280) Abb. Kohault de Kleurv, l-a sainte vierge I, pl. 19; « o r i,
Thesaurus III, pl. .'tä, p. 272; Sernux d'Agincourt, Monuments, Sculp-
ture II. pl. 12: \V>«twnod p. :!H1: M:»x Sehnlid, Darstellung- der Geburt
rhrifti in d< r bildende Kunst S. :ss.
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Merowingische und knrolingische Plastik.
119
im Schatz, des Aachener Münsters befindlichen Tafeln die ganz
anzweifelhaft italiänische Arbeiten sind und ihre Gegenstücke in
den beiden Tafeln itn Schatze von S. Ambrogio *:") zu Mailaud
and einer Tafel Mcdiacval Room de» Britischen Museums finden.
Dieselbe ist gleichfalls dreigetheilt : das oberste Feld zeigt die Ver-
kündigung, das zweite die Geburt, das dritte die Anbetung der
Könige — bemerkenswerth sind au ihnen die Reste der altcu Be-
malung mit Blau uud Purpur für die Gewänder. In der Bodlciana
in Oxford ,M) und im Stadtnmseuui zn Orleans *-'*) finden sich dann
zwei Blatten, deren Lokalisirung schwierig erscheint, die ich jedoch
gleichfalls für norditaliänische Arbeiten halten möchte. Die Oxforder
Platte zeigt in dem von 12 kleineu Scenen umgebenen Mittelfelde
die Gestalt des bartlosen, kreuzt ragen den Christus, der mit einem
Fusse auf eine Schlange, mit dem anderen auf einen Löwen tritt.
Die Sccncn sind alle in Hachem Relief ausgeführt, die Figuren
sind mit virtuoser Beherrschung des Falteuwurfes gezeichnet. Der
Rahmen zeigt ein Pcrlstabornament mit Rosetten, daneben aber auch
ein seltenes Ornament, bestehend aus Querklötzchen mit dazwischen-
liegenden Rhomben, das für Italien charakteristisch ist — es findet
sich genau wieder an der oben genannten Pitriser Tafel W. 108.
Der Buchdeckel von Orleans ist in ganz anderer Technik ausgeführt
und 'zeigt nnr in Faltcuwurf und Ornamentik soviel relative Aehn-
lichkeit mit deu norditaliilnischen Arbeiten, dabei so viel Unähn-
lichkeit mit allen anderen gleichzeitigen Arbeiten, das» er hier an-
zureihen ist. Um die in der Mitte thronende Gestalt dos bartlosen
Christus ist der Grund tief ausgehoben: »-ine reiche Architektur
bildet die Krönung des Bogens. Zur Seite Petrus und Jcsaias.
l|Erst «lein letzten Jahrzehnt des !>. Jahrhunderts gebort das durch
die Inschrift genau datirte Diptychon von Rambona im christlichen
•290) Abb. Aus'ni Weerth, Denkmale der KuuM iL Ma. i. d. Khein-
Unden. Bildnerci Taf. 36, Fig. «, Text II. S. 10H. Westwood Nr. '272.
273. Vgl. Bode, Deutsche Plastik S. 1<>.
2iH) Abb.Gori, TheMiunin III, |>. 2o7, pl. 33, 3»; Seroux d'Agin-
court, Seulptnre pl. 12, Fig. 1H; Didron, Annale* nrclicol. XXII, p. 18,
193; Labart c, I, p. 220; Album, wulpture pl. 13.
292} Abb. Didron, Annnl. archcol. XX, p. 118; Westwood, Catt-
lojrue pl. zu p. 65. Nr. 126.
293) Abb. Didron, Aunal. nrcheol. XX, p. J*8. West wo od Nr.
247. Vgl. Digby Wyatt. NoticeB of «eulpture in ivory. London 18r>0.
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120
Paul ClfUfu:
Museum des Vatikan au, das in seiner barbarischeu Roheit für deu
niederen Stand der Kunst in Mittelitalien am Ende dieser Periode,
aber nicht, wie die« gewöhnlich {reschiebt, als charakteristisch für
die ganze italiänisehe Kunst des ganzen Jahrhunderts angesehen
werden darf *y ').
Unter den iui Bereieh des heutigen Frankreichs entstandenen
Elfcubciiiskulpturen lassen Hieb drei grosse Gruppen trennen und
mit einiger Sicherheit lokal tixiren, von deneu die erste den Uebcr-
gaug von der uierowingisehen zur karolmgisckcn Plastik vermittelt,
während die l>eiden letzten erst im 9. Jahrhundert einsetzen. Die
erste Schule seheint auf das Centre beschränkt zu sein, aus dem
fast alle zu nenuenden Stucke stammen: die Kunstthätigkeit von
Tours, Poitiers, Sens auf anderen Gebieten lässt aueh auf dem der
Elfenbeinschnitzerei eine gewisse Hebung voraussetzen. Ueber den
Ursprung, den Mittelpunkt, die Ausdehnung lassen sich nur Ver-
muthungen aussprechen: siehcr ist, dass diese Schule sich an die
oben genannte Gruppe vou Hundgefässen anschloss. Sie ist aber
von den altchristlichen Vorbildern durch eine weitere Strecke Weg*
getrennt: der Gestaltenkanon ist noch derselbe, für die Gewandung
hat sieh ein fast manirirter Stil herausgebildet. Das älteste Werk
ist der Einband eines Evangeliars in der Kirche von Seaulieu
(C«te d Gr) aas dem 7. Jahrhundert. Auf der vorderen Platte er-
scheint Christus schon langbärtig auf einem Kissenthron, in der
Linken ein Buch haltend, die Rcehte mit zwei Fingern segnend
erhoben, zur Rechten und Linken die Halhhguren von Petrus und
Paulus. Auf der Rückseite Maria, die Rechte flach vor der Brust,
im linken Arm das ganz bekleidete Kind, das in der Linken eine
Rolle hält, während es die Rechte segnend erhebt. Znr Seite
zwei Engel, die Köpfe sind alle viel zu gross und in Flächen be-
arbeitet, uieht rund modellirt, die Falten scharf eingeschnitten. Dem
7. Jahrhundert gehört wohl aueh noch die früher in der Sammlung
Soltykofl*. darauf in der Sammlung Webb in London befindliche
Tafel an , mit den barbarischen Darstellungen der Predigt des
294) Abb. Uori, Thu&aurus III, pl. 22; D'Agincourt, Seulpture,
pl. 12, Fig. lt>; Wesiwood, pl. zu p. 57, Nr. 128. Weutwood, Early
chriMian art, illustrated by ivory earvings pl. zu p. 7. Vgl. der*, i. «1.
Proeoodings of Ihr arehneol. soc. of Oxford 3. Dec. 1862. Barbier de
Montnult im liull. uiouuin. XLV1, p. 33JI; Maraugnni, Delle eose. gen-
tllesvlie e profane trasportate ad im» ed ornnmenlo deJIu chiesa. Roui 174-1.
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Merowiugisch« uiul karoliiigisdic Plastik. 121
Johannes uud der Taufe Christi, die Figuren mit groben, plumpen
Köpfen und kurzen Extremitäten , die Falten wie eingekerbt , der
Grund wie ausgebt« »eben m>. Werthvoll für die Zeitbestimmung ist
hier das Motiv der beiden durchhochtencn Händer in der Einfassung.
In der Cathedrale zu Nancy befindet sich eine längliche Tafel, die
Hälfte eines Diptychons, mit der Darstellung der Kreuzigung —
Christus, Maria, Johannes, Longinus, Stepitaton, Sonne, Mond — in
der oberen Hälfte, in der unteren die beiden Marien am Grabe, vor
dem ein Engel sitzt, darunter drei schlummernde Kriegsknechtc. Die
Falten sind hier gleichfalls mit spitzem Messer tief und kantig ein-
geschnitten, wobei die Oberfläche meist in einer Ebene bleibt, die
Gewänder sind nur um Obersehenkel und Oberarm stark angezogen.
Dem 9. Jahrhundert gehören dann an eine Tafel aus der Sammlung
E. Foule in Paris mit dem thronenden Christus in der Mandorla,
das buch in der Linken, die Rechte segnend erhoben, in den Ecken
die vier Evaugelistensymbole. zur Seite Christi je ein Seraphim,
darunter Sonne und Mond. Der längliche Kopf Christi ist bartlos
und von langen Locken umgeben: die Falten sind gleichmässig tief
eingeschnitten, ohne grosse Motive. Dann das grosse Elfenbein-
kästchen im Lonvre (Xr. m\ eine der ausgedehntesten unter den
erhaltenen Arbeiten, mit acht Darstellungen : Herode* die Magier
empfangend, Geburt und Darstellung im Tempel, Anbetnug der
Könige, Flucht nach Aegypten, der Engel den Königen erscheinend,
der Engel dem Joseph erscheinend, Vcrküudigung, Besnch Marias
bei Elisabeth. Charakteristisch ist hier wieder die zeichnende Be-
handlung der Falten und das feste Anschnüren der Gewänder um
Schulter und Oberschenkel Weiter vier Tafeln im Lonvre, die
je zwei und zwei von derselben Hand herrühren, die ersteu beiden
den Höhepunkt der Technik in «lieser Gruppe bezeichnend un«l da-
bei doch noch eine gewisse Würde uud Grandezza wahrend, ganz
im Gegensatz zu der zweiten Schule i!">. Die beiden ersten Tafeln
21*5) Labart ■'. Album, Mt-ulptiiri> pl. XII; Text I, p. 127.
2%) Abb. von drei Tafeln b«;i Lahartc. Albuin, sculptnre p). 10.
Dazu H. Otte i. .1. Jahrbüchern I. Kunstwissenschaft III, S. 291. West-
wooil, Catalogue. pl. zu p. 2.12. Nr. «25-632, Vgl. De Labordc,
Notice des ivoir«>s l&i:l. Nr. M2; Sa u z ay, Notice des ivoircs 1863, Nr. 69.
297) Mnsterpültijr publicirt von Km. Mol inier, Quatrc ivoircs de.
r^poque carolinpienw an imisee du Lonvre i. d. Gawttc archeolng-ique
VIII, p. 105».
122
I'aul deinen:
stelle d dar das Gericht Salomons und David aeiu« Psalmen dictirend, *
die beiden letzten die Kranen am Grabe Christi nnd eine Scenc ans»
2. Könige c. 2. Die Tafel der Sammlung Webb in I>ondon mit der Dar-
stellung des EinzugsChristi in Jerusalem und Christ i in Bethanien im Hause
de» Lazarus, ist stilistisch nahe verwandt *'■'*). Ks gehören dann hierher
eine Reihe von Krcnziguugsdarstellungeii . «lie iknnographiseh eine
einzige Gruppe bilden. Zunächst eine Tafel im Mediaeval lioom
des Britischen Museums i Schrank 2ih. Zur Seite des Kreuzes,
dessen Balken durchgebt. Maria und Johannes in der oberen Keihe,
Longinus nnd Stephaton in der unteren die beiden ersten Figuren
auffallend heftig bewegt und den Mantelzipfel gegen die Augen
drtlckend. Eine einfachere Gruppe in der Sammlung Spitzer in
J Paris»99). Dann zwei Tafeln im South Keiisington Museum (2»i )— 67,
251 — 67) 3W), beide auf das engste verwandt und wahrscheinlich
von einer und derselben Hand. Die erste Platte zeigt in der Mitte
den bärtigen Christus am Kreuz, über dein Kreuzbalkcn die Halb-
tiguren zweier Engel, die sieh herabhengen. Zur Seite des Cruci-
fixes die Ecclesia nimbirt, mit Kelch, die Synagoge mit S|>eerfahne,
sich abwendend, am Rande Johannes und Maria. Tiefer Stephaton
und Longinus , unter diesen rechts und links Auferstehende. Am
unteren Rande Oceanus und Terra. Die /.weite Platte zeigt die
gleiche Anordnung, die die Elfcnbcindcckcl des 10. Jahrhunderts
auf die mannigfaltigste Weis*- variireii, nur dass über dem Kreuzes-
stamm noch Sonne nnd Mond erscheinen und dass die Auferstandenen
nicht durch ganze Figuren, sondern nur durch zwei Reihen Köpfe
bezeichnet werden. Diese letztere Platte ist die fortgeschrittenere :
die Figuren sind ein wenig natürlicher, vor allem in den Gestalten
des Oceanus und der Terra. Das Blattwerk ist hier am Rande be-
reits ziemlich durchgebildet nnd unterarbeitet. Endlieh gehören
hierher die beiden Kreuzigungsplatteu aus der Nationalbibliothek
298) Die Darstellung befindet sieh auf der Rückseite der oben Anin.
21)5 erwähnten luerowiiijfischen Tafel, von der für dienen Zweck oben
15 ein abgetrennt sind. Abb. Labnrte, Album, pl. XII.
299) Gazette des Beaux-Arts 1*90, I, p. 211.
300) Westwood p. 112. Ausführlich über diese ikonographiücli*'
Gruppe, die meisterhaft« Ausführung von W. Voege in seiner Unter-
suchung über den Deckel von Ciniel. Monat- . 57. (Kine deutsche Maler-
schule um die Wende d. 1. Jahrtausends: Erganzuuguheft z. Westdeutschen
Zeitschrift VII. S. H8. A. l.i
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Merowingische und karoliugische Plastik. 12.1
in Paris*"'; und iui South Kensington Museum (67 - Iii) ws>, beide
ikonograpbisch von höchstem Interesse durch die doppelte Dar-
stellung der Ecelesia oder der Ecelesia und der Stadt Jerusalem,
uud die beiden Einbanddeckel der Yivianusbibel au3i.
Eiue zweite Gruppe der auf französischem Hoden entstandenen
Elfenbeinschnitzereien steht in der Zeichnung unter angelsächsischem
Einflüsse, der vor allem in der unruhigen Gewandung, iu den frei-
schwebenden, gleichsam aufgerefl'ten Mantel/ipfcl, in den vorgebeugten
halbgesenkteu Köpfen uud den breiten flachen Häuden mit abge-
spreiztem Daumen sich zn erkennen giebt. Die Gruppe ist mit der
grössten Wahrscheinlichkeit auf Xordfrankreich, die Nonnaudie und
Picardie zu lokalisircn, wo sie in der völlig unter angelsächsischem
Einflüsse steheudeu Sehreibaehule von Arras 304 ) ihre Parallele h'udet.
Die Sehriftquelleu berichten von einer grossen Reihe von Elfenbein-
arbeiten im nördlichen Frankreich, zumal in den Klöstern von Saint-
Ricqnier und Saint-Wandrillc unter der Leitung von Angilbert uud
Ansegis S0Ä). An der Spitze steht die bekannte Elfenbeinplatte im
Museum zu Amiens (luv. <51j, mit der Darstellung des Saint Renn
in drei Streifen, zu unterst der Heilige, den König Chlodwig taufend.
. Die Tafel ist nicht früher als am Ende des s. Jahrhunderts oder
iu den ersten Jahrzehnten des 9. entstanden "0<; \ Die gleichen
301) Al»b. 1). Wyatt, Notices of sculptures in Iv«ry, pl. zu p. ».
WcMwnofl Nr. 241». Vgl. über die ikouograph. Deutung, p. 110 Anm.
und Bastard int Bulletin du toinite de la langue etc. de la France IV,
p. «60, «51.
302) Maskell, (atalogue \>. 107. Westwood Xr. 25ö.
308) Abb. Lenorin.int, Tresor de Glypti»|Un I, pl. 20; Bastard i. d.
Bull, du coiuite de la Inngnc Kto. de In France IV, p. 660, ti!)f». Westwood
Nr. 237, 23».
304) .1 nnitst l.t s, Die Trierer Adahaudschrifl. Vgl. ausführlich
die dritte meiner kuroiingiseheu Studien im Kepertoriuin für Kunstwissen-
schaft 1892.
;Wf>) l eber Kllenbeinarbeiten iu Saint- ltic<|uicr Ilariulti Chronieoti
Ccntul. I. II, c. 10; lib. III. c. 3; in Saint-Wandrille Chronicon Fnntanel-
lensc c. 16; in Arras fiesta poutif. Camcrac. I. 1. c. 311.
306) Vgl. Abb. u. Beschreibung bei Rigollot, Notice snr unc feuillo
de, diptyc(u<! d'ivoire repregentant In baptc.me de Clovis. Amiens 1832;
Ders., Ivoire seulpte represeutnnt les miracles de Saint - Romi i. d. Mein,
de la hoc. des nntiquaires de Picardie III, p. 2iK>, Atlas pl. 2; )'abb£ Cb.
('er f. Feuillc de dipfy«|ue an musee d'Aiuieiis, <.ü soiit reprcsentc-8 troU
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134
Paul Cleinen:
stilistischen Merkmale zeigen deutlich zwei weitere Platten, die eine
iui Mediacval Rooni des Kritischen Museums, die andere bislang tu
der Sammlung Spitzer. Die erstere stellt die Hochzeit zu Cana
dar. In der oberen Reihe die Gäste an der Tafel, unter ihnen
Christus mit seiner Mutter redend , in der zweiten Reihe Christus
dem Kellermeister befehlend, zwei Diener Wasser in die Krllge
füllend . die in sechs Exemplaren nebeneinander den Vordergrund
füllen. Das Pariser Stück 30T; stellt die Verkündigung dar: Maria
sitzt vor einem tempelartigcn Gebäude und empfängt die Botschaft
des Engels, der den linken Arm gegen sie erliebt. Die Gestalten
sind von grosser Schlankheit und Feinheit , die Köpfe leicht nach
vorn geneigt, der Mantel des Engels zeigt einen völlig freiflattern-
den Zipfel. Das bedeutendste Werk dieser Schule sind die beiden
Elfenbeindcckel vom Gebetbuch Karls des Kahlen, Cod. lat. 1152
in der Nationalbibliothek zu Paris, das ziemlich genau datirt ist.
Der vordere stellt dar die Geschichte vom König David und dem
Propheten Nathan (2. Könige 7, 4: 12, 1/, die hintere enthält eine
Febersetzung des Psalm 5*5 in die Plastik, die tomographisch von
hohem Interesse ist und in derselben Fassung im Utrechtpsalter
fol. (55" und im Cod. Hart. 603 fol. IM 11 des Kritischen Museums »
wiederkehrt Alle diese Werke aber entstanden auf französischein
Hoden. Es erscheint charakteristisch ftlr die angelsächsische Kunst
im eigenen Laude, das* nie die Elfenbeinplastik nicht aufnahm
ebensowenig wie die irische Kunst. Zu all den kostbaren Ein
banddeckeln der irischen Mannscripte ist das Elfenbein nie hinzu-
liiiraclcr* opere* pur Saint Hemi de Kehn* i. il. Travaux de l'acad* mie de
KeiniH LXX1II, tW; Laernix, Les arts au moyeu age p. 344; Rohault
de Fleury, La messe VII, pl. 56*. Westwood Nr. 325 mit uurirhtiger
Dntirung. William Maskell, Ivorien ancient und mediaeval p. A'J.
307) H n Ii a u 1 1 d e F I e u r y, La *amtc vierte I, pl. 10, p. 81. F.
308^ AM», bei Hastard, Ornements des manuscrits francais VII,
pl. 217; Cahier et Martin, Melange d'archeologie I, pl. 27, 45; Lnbnrte,
Album pl. 38, 39. Westwood Nr. 236. lieber die Erklärung der zweiten
Platte »iehe Paul Durand. Nouvclle interpretation d'un bas-relief en ivoire
decorant I« Ii vre de prieres de Charles le Chauve i. d. Hevue archcoln-
giqn« V, p. 733; Charles Cahier, De la signifuntion d'un bas-relief en
ivoire qui orne In couverture du Ihre de priere.s de Charles le Chauve
ebenda VI, p. 48 (die hier ausgesprochene Meinung später in deu Melange*
zurückgenommen). Vgl. Springer, die Psnlterillustrationeu im frühen
Mittelalter Taf. VI; Krau.s, Kun«t und Alterthum in Lothringen S. 571.
Merowingischc und karolingischo Plastik.
I2f»
gezogen worden. Eine einzige Arbeit, eine grosse Platte im Muaee
des antiquite* zu Krüssel mit der Darstellung des Über die
Schlange triumphireuden Christus, Verkündigung und Besuch Marias
bei Elisabeth — erscheint als englische Arbeit, zeigt dabei aber
auch die tastende Unbeholfenheit der gänzlich ungeübten Hand MSV
Die (»estalten zeigen hier durchweg den angelsächsischen Formen-
kanon, die vorgebeugten Kopfe, die auflallend langen Unterschenkel.
Die dritte Schule endlich, die da* !». und 10. Jahrhundert
hindurch wirksam bleibt, hat ihren Sita in Metz und nähert «ich
sowohl stilistisch wie ikonographisch mehr der ersten Schule de*
Centre. Die ihr angehörenden Arbeiten weisen alle eine grosse
Gleichmütigkeit anf, sie befinden sich fast alle noch auf den Hand-
schriften der Metzer Schnlc, für die sie bestimmt waren. Für das
älteste Stflek halte ich den Deckel von Cod. lat. 0384 der National-
H09) Brüssel, Mus. d. A. Nr. 48c. Die Inschriften lauten: Ubi dominus
atnhulabit super n.spidcm et bnsiliscum et conculenbit leonem et draconem,
und: Ubi Gahrihel venit ad Mariam. Ubi Mnriam snlutavit Elizabeth.
Vgl. James Weale et J. Macs, Albuin de1* objets d'art rcligieux du
moyen Ägc et de la rcnalssancc exposes A Malines en 1864. Brüssel 1864.
pl. 1; Westjwood, Fncsimiles of the miniatures of anglosaxon and irish
manuscripts p. 150, pl. 52; Uohnult de Fleury, La messe pl. 4«5; West-
wood, Cntnlogue p. 180. Möglicherweise gehört hierher noeh eine zweite
Platte aus der Sammlung Stein mir der Inschrift: Ob amorein crucis
Radegid tieri IrogavinLouis Gonsc, L'art nncien h l'exposition de 1878.
Paris 1879. p. 102). Es sei hier kurz erwähnt. dw*s auch aus Spanien
aus der Zeit vom 8. -10. Jh. einige Elfeiibcinskulpturen erhalten sind, die
alteren reine mauriseh-arabische Arbeiten, die spateren jene Verbindung
von arabischer und westgothiseher Ornamentik aufweisend, wie sie am
deutlichsten die illumiiiirten llsn. d. 10. Jh., besonders die der Schreib-
schule von Silos nngehörigen zeigen iL. Delisle, Manuserits de l'abbaye
de Silos i. d. Melangen de paleographie et de bibliographie. Paris 1880.
p. öM; 1). Jesus MnBos y Hivero, Paleogratia visignda. Madrid 1881).
Die altere Gruppe vertritt das Klfeuheinkttstcheu im Schatz der Cathcdrale
zu Bayeux (Mem. pour l'histoire des scienees et des beaux - arts, 1714,
p. 1771; Andre, N'otiee snr une cassette d'ivoire de la cnthedrale de
Bayeux i. Bull, inonum. XXXVII, p. 1): die jüngere die Büchse im South
Kensington Museum (217-tif>t, inschriftlich für AI linkem al Monstnnser
Billah gefertigt, der JHil — 9TG Kalif von Cordovn war (Abb. bei Juan F.
Kiano, The industrial arts in Spnin. London 1H79l Im Schatz iler Cathe-
•Irnle von Braga in Portugal findet sich eiue Büchse der gleichen Zeit,
gefertigt für Hadjeh Abd el Melik, einen Minister \ nn Mischern II <Arte*
e Lettras 3. si't. N'r. «, p. iV». LKsabou 1S7I
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126 Paul (Meinen:
^ * r^*~ bibliothek zu Paris, noch hart in den Umrissen, kantig, am Kopf
in Flüchen gearbeitet, mit dicken plnmpen Gliedmaßen 1,0j. Am
nächsten steht der Deckel von Cod. lat. SI390 mit vier Darstellnugen
nntercinander 5n): oben das heilige Grab zwischen zwei schlafenden
Wächtern, dann die Kranen am Grabe . Christus mit den beiden
Jtlngern anf dem Wege nach Kmmaus, Christus seinen Jüngern er-
scheinend. Die Formen sind hier schon bedeutend freier und reicher
behandelt , da* Relief tritt aus dem glatten Grunde ziemlich hoch
heraus. Die Gc*ten der erstaunten Frauen sind gut beobachtet und
ohne Uebcrtrcibung wiedergegeben. Cod. lat. «ClH.i s,*i enthält
dann die grosse Krcnzigungsgruppe mit Christus, Maria, Johannes,
oben die vier Evangelisten, nuten eine Darstellung, die wir ähnlich
schon in der ersten fränkischen Schule gefunden, die Synagoge,
die sich zur Stadt Jerusalem wendet, ausgezeichnet durch Fahne
nnd Messer der Bcschneidnng, und die Ecclcsia mit Fahne und
Weltscheibe zwischen Terra und Oceanus thronend. Die technisch
vorzügliche Arbeit gehört etwa dem Schills» des 0. Jahrhunderts an.
Zwei nahverwandte Werke sind dann bereits dorn folgenden Jahr-
hundert zuznschreilMMi, der Deekel von Cod. lat. 94."nl *is) und die
Elfenbeinplatte im städtischen Museum zu Metz ""i, beides gleich-
falls Krenzigungadarstcllungen , die letztere durch das Bildniss des
Adalbero, das in einer Nische am Sockel der Mittelsäulc angebracht
ist, genauer datirt: der Dargestellte ist Adalbero I. (*J42). In der
Durchführung Ist diese Arbeit die feinste — sie zeigt bereite ein
gewisses Raffinement in der Gewandbchandlung.
.110) Hohault de Fleury, L'evangile I, pl. 9, 50, 52, II, pl. 71.
811) Abb. Kraus, Kunst u. Alterthnm in Lothringen, S. 575, Fig. 118;
Kohault de Fleury, L'evangile II, pl. t>2, »5.
312) Vgl. Charles Abel. Recherche» sur d'nncicns ivoires scnlplös
de la cathedrale de Metz i- d. Memoire* de In soeiete d'nreheol. et d'hist.
de la MoHulle X, p. 230; Abb. Kran* a. n. O. S. 571 und Rohault de
Fleury, La ines.se VI, pl. 4K3. L'eber die Schwierigkeit der ikonographi-
schen Bestimmung Piper, Mythologie und Symbolik der christlichen Kunst
I, S. 628. Labane, Hist. des Art« industriels I. p. 122. Die Verse bei
Delisie, Cabinet des manuscrits III, p. IM.
313) Westwood Nr. 251.
314) Abb. Kraus a. a. O. S. 581, Fig. 119. Vgl. Abel i. d. Memoire»
VIII, p. 22; X, p. :U!>; v. Quast im Correspondeiizblatt des Gesammt-
vereins XVIII. p. S3; Kastard im Bull, du eomite de l'hist. d. France IV,
p. 662, 862.
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Merowingische und karolingisehe Plastik.
127
Der Metzer. Sehnlc gehfirt noch eine zweite Gruppe von Ar-
l>eiten an, die sich untereinander wieder ausserordentlich ähnlich
sind. Den Anlas», die Gruppe gleichfalls für Metz in Anspruch zn
nehmen, giebt der Umstand, dass das Hauptwerk auf Metz zurück-
geht und die Deckel hier nicht willkürlich angeheftet sind, sondern
ikonographisch in engem Zusammenhang mit dem Text stehen, so-
dann der Anklang an die ausgesprochene Manier der Arbeiten, den
Absatz des Haarkranzes, der sich schon in einem der genannten
Werke, dem Deckel von Cod. lat. 9383 findet. Das Charakteristi-
sche dieser Arbeiten liegt in der Schärfe der Umrisse. Diese sind
tief mit kantigen Ansätzen in den Grund eingeschnitten, zum Theil
nicht einmal abgeschrägt, sondern völlig senkrecht. Die Haare, der
Rand der Tonsnr sind scharf abgesetzt , der harte Abschluss des
Haarkrauzes und der eckige Abschluss der Nase findet sich gleich-
tnässig Uberall wieder. Das Hauptwerk dieser Sehnlc sind die beiden
Deckel vom Sacramcntar des Drogo, Cod. 9428 der National-
bibliothek, mit neun Darstellungen auf jeder der Platten 8I5). Ihnen
schliesst sich an ein Diptychon, ans derselben Zeit, gleichfalls mit
liturgischen Darstellungen, das jetzt auseinandergerissen ist: die eine
Hälfte befindet sich in der Stadtbibliothek zu Frankfurt a. M. 818),
die andere in der Sammlung Spitzer zu Paris817).
Die deutschen Elfenbeinschnitzereien des 9. Jahrhunderts bieten
weit weniger Handhaben zur Grnppirung und genaueren Datirnng.
Ein Schulcharakler lässt sich wohl in den allgemeinen Z Ilgen gegen-
über Frankreich statuiren, doch scheint es his jetzt nicht möglich,
315) Krau's. it. a. 0. S. 577, pl. 14, 15 {Lichtdrnckc). Abb. Lenor-
mant, ."Tresor de glyptique. Basreliefs pl. 18, 19, p. 13; Hohault d e
F I e u r 3% La mpjwc I, pl. 4, 5; Labart e, Los art.s industriell I, p. 221 ; Vgl
Curmer, Imitation de Jesus-Christ p. 17*; Ca Iii er, Notivenux mclangcs,
Ivoires p. 115, 125. Abel i. d. Memoire« de la soc. d'arch. et d'hist, de
la Moselle X, p. 22«; Annal. archeol. XIX. p. 136. Die ikonographische
Würdigung bei Rnhanlt de Fleury a. a. O. p. 60; Westwood, Cata-
logue p. 133. Nr. 295, 29«.
31»») Passavunt i. Archiv tiir Frankfurts Geschichte und Kunst 1839.
I. 1858"; Ca hier, Nouveaux Melange». Ivoires p. IV; West wo od im
Archacological journal XIX p. 228; Rolmult de Fleury, La messe I,
pl. 9. Knackfuss. Deutsche Kunstgeschichte T, S. 56. W c s t w o o d,
Patalogne p. 448.
317) Montfancon, Monument* de In ninnnrehie frniii.nise III, p. 45;
(iazette des Bcnnx-Arts 2. per. XXV. p. 105; Rohault de Flenry, La
ipe^se VI, pl. 478, p. 106.
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128
Paul deinen:
innerhalb des grossen in Betracht kommenden Gebietes Trennungen
vorzunehmen und einzelne Orte als Mittelpunkte der Schultraditionen
hinzustellen. In Frankreich erscheinen die beiden ersten Schulen
als von langer Hand vorbereitet, sie stützen sieh auf die merowin-
gische Tradition: in Deutsehland setzt offenbar erst im 9. .Jahr-
hundert die Kunstübung ein. dann aber sofort mit einer gewissen
Gleichmäßigkeit an einer ganzen Keihe von Orten. Die Schule
von Metz, die stilistisch auf dem Grenzgebiete steht, entsteht wie
die deutschen Schulen erst im f>. Jahrhundert. Zwei gros.««» Gruppen
lassen sich indessen auseinanderhalten — eine Reihe von Werken
gehört ihnen unzweifelhaft au, die übrigen sind lediglieh ihrer
stilistischen Verwandtschaft wegen anzugliedern. Die erste Gruppe
möchte ich als die niederrheinische, die zweite als die süddeutsche
bezeichnen. Auf eine rege Produktion in den niederrheinischen
Städten, von Köln, Aachen. Xanten. Werden nach den Klöstern der
Ardennen und der Maas zu weisen eine ganze Reihe von Merkmalen.
Zunächst ist da eine Gruppe zu nennen, die den Uehergang
nach Frankreich zu vermittelt, Schnitzarbeiten, die sich in der Haupt-
sache noch heute auf belgischem Boden befinden. Das Hauptstück
unter denselben ist das grosse Diptychon im Sehatze der Oathedrale
von Tonmay 8'8). Die eine Hälfte enthält in dem runden Mittelfelde
von zwei Engeln gehalten das Lamm, darüber die Gestalt des
thronenden Christus zwischen den vier Evangelistensymbolen, dar-
unter die Kreuzigung mit Sonne und Mond, Eeclesia und Synagoge.
Die Rückseite enthält in dem mittleren Medaillon die Gestalt des
St. Xicasius zwischen zwei Diakonen. Dem Diptychon von Tournay
sind nahe, verwandt zwei andere, das eine im Britischen Museum 51 *),
in der Anordnung, der Behandlung des ziemlich flachen Reliefs,
dem Ornamente ganz mit jenem übereinstimmend, das andere im
818) Abb. .1. Maos et Wenlo, Album des objecto «l"art relijrieux
exposes ik Malilies. 18B-1. pl. :t, 4. Die bohlen Hälften Mammen übrigens
nicht aus verschiedener Zeit, wie Wenk wejron der jrri'.ssercn Kfnfachhcit
der hinteren IMattc annimmt. Camille de Kodein/, L'Art nneien ä
1'expoRition nationale Beige. BrüsKcl 1X82. p. :t7. Fig. f>4. Heusens,
FJcments d'areliöologic I, p. 4G8; Revue de l'nrt ohretien 1«75, p. 341»;
Rohault de Flcury, La messe VI, pl. 487, p. 121; Viosin, Notiee sur
un oA-angeliaire du Tournai. Tournai 18W5; Westwood Nr. 324; De-
haisnes, Histoire de l'art dans la Flandre, l'Artois et le Hainaut, Lille
18»'., I, p. 4:>, pl. I.
31f>' Abb. Wtusta MnuiiniLMitii V. pl. MI. Wettwnod Nr. 270.
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Merowingische und knrolingiache Plastik.
120
Schatz der Cathcdralc von Bourgcs"0). Das /.weite mul das dritte
Hanptstück befinden sich in der Not re- Dame zu Tongres"*1) und in
Saint-Panl zn Lflttich SM). Das entere enthält eine der interessan-
testen Kreuzigungsdantellnngen mit Ecclesia , Synagoge, Oceanus
und Terra, da» letztere die drei Todtenanfcrweeknngcn Christi.
Der engere Kreis dieser uiederrheinischen Schule wird ver-
treten durch eine Reihe von Schnitzereien, die sieh jetzt zum grossen
Theil in England befinden. Besonders reich ist die unprünglichc
Fejervary -Sammlung im Museum Mayer in Liverpool, die in das
dortige Mnseuin übergegangen ist. Die Arbeiten gehören sämmtlich
dem <J. Jahrhundert und zum grossen Theil wohl der 2. Hälfte
desselben an. Wohl das früheste Werk dürfte ein Diptychon sein
mit der Himmelfahrt Christi auf der einen Tafel, den drei Frauen
am Grabe auf der anderen — die entere in Liverpool s*3), die
zweite im South Kensington Museum »"). Es ist hier eine grosse
Lebhaftigkeit und Mannigfaltigkeit in der Charakteristik, selbst iu
der Wiedergabe eines und desselben Affektes, iu diesem Falle des
Entaunens 7.u bemerken. Die Darstellung des heiligen Grabes geht
ikonographisch auf byzantinische Vorbilder zurück — nichtsdesto-
weniger ist die Platte eine gutdeutsche Arbeit. Eine ikonographisch
interressantc Dantellung giebt eine Platte der Sammlung Michcli
in Paris, die gleichfalls ikonographisch auf Byzanz zurückführt —
mit der Taufe Christi. Christus, von den aufsteigenden Wellen bis
zum Nabel umgeben, wird von dem zur Rechten stehenden Johannes
getauft, zur Liukcn sitzt der Jordan als antiker Flussgott mit dem
320) Bull, de In societe d'emulation du departement d'Allier 1858,
p. 313; Memoire« de In Sorbonne 1863, p. 234. Darstellend die vier Evange-
listen mit ihren Symbolen unter Bogenstellungen.
321) Mae« et Wealc a. a. O. pl. 2; Camille de Rodduz a. a. O.
p. 36, Fig. 52; Cahier et Martin, Melange* d'archeologie. II, pl. 6;
Revue de l'art chretien 1862, p. 449; Reusens, Klements d'archeologie I,
p. 469; Schaepkins, Tresor de lart nncien cn Belgique pl. 8; Jameson,
History of Our Lord II, p. 144; Didron i. d. Annal. arclu-ol. XXVI, p.363.
Westwood p. 481.
322) Mae« et Wenle a. a. O. pl. 2, 3; Westwood p. 483.
323) Francis l'ulszky, Catalogue of the Fejervary Ivorics in the
Museum of Joseph Mayer, preceded by au cssny on antique ivories.
Liverpool 1856. p. 46. Nr. 37. Abb. in dem Catalog von Oldficld, Class
IV. Westwood Nr. 244.
324) Maskcll, Catalogue p. 139. Westwood Nr. 245.
Juhrb. U. Ver. v. Alterth*Cr. im Kl.elnl. XCil. 9
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130
Paul Clfnicn:
Qnellgcfäss. Für die bedeutendsten Werke , die ilicse Rich-
tung hervorgebracht , halte ich eine Tafel der Hodleiana zu Ox-
ford "5) und eine des Mayermnseums in Liverpool ""). Auf der
ersten erscheint Christus in der Mitte in der Mandorla thronend,
umgehen von den vier Evangelistensymbolen. Zur Linken die Terra,
eine halbnackte langhaarige weibliche Gestalt, in der Rechten einen
Lanbzweig. in der Linken eine Schlange, zur Rechten Oceanus einen
Fisch in der Linken. Die Liverpooler Tafel zeigt in der oberen
Hälfte Christus am Kreuz, in der unteren die drei Frauen vor dem
heiligen Grabe. Die Weichheit der Behandlung, die feine Charakte-
ristik der drei Franengestalten, die Schönheit der Linienführung
stempeln dies letztere Stück, vor allem in der unteren Gruppe, zu
einer der vorzüglichsten deutschkarolingischen Arbeiten. Ihnen
schlieascn sich die beidcu vielgenannten Diptychen des Darmstädter
Museums an, aus der Sammlung Hondiez -HOpsch stammend, die
zum grössten Theil aus Kunstwerken der Maasgegend besteht. Das
eine Diptychon zeigt Christus und Petrus in monumentaler Haltung
in feierlicher Gewandung, «las andere ist das verschieden gedeutete
Adventsdiptychon. Eine einzelne Tafel in Darmstadt, mit dem
thronenden Christus in der Mandorla, umgeben von den vier Evange-
listen gehört gleichfalls hierher3*7). Eine grössere Platte in Liverpool,
die Vorderseite eines Diptychons, zeigt zum ersten Male in der
karolingischcn Kunst typologischc Darstellungen: znr Darstellung
Christi im Tempel treten vier vorbildliche Sccncn des alten Testa-
mentes: Moses die Gesetzestafeln empfangend , Isaaks Opferung,
der Hohepriester im Tempel , Mclchiscdcch und Abraham. Der
gleichen Richtung gehören dann noch an die Tafel mit dem
jugendlichen Christus zwischen den vier Evangelisten im Museum
325) Westwood Nr. 246. Die Figur des Oceanus zur Hüllte aus-
gebrochen.
32G) Francis Pulszky, Catalogue p. 44. Nr. 36, Abb. Catnlog von
Oldfield, Class IV. c. Abb. bei Bode, Gesell, d. deutschen Plastik S. 19.
327) (». Schaefer, Denkmaler der F.lfenbcinplastik in Darmsladl,
S. 50. Ueber das zweite Diptychon sehr ausführlich Fr. Schneider,
f. d. Revue de l'art chrctäeii IV, p. 1888; Ders., Das Adventsdiptychon aus
der Sammlung Hondlez-HUpsch. Mainz 1889; Lübke, Gesch. d. deutschen
Kunst S. 52. Eine abweichende Deutnn-r von Gerh. Kicker in seiner
Leipziger Dissertation 181>0. Westwood p. 12(!. Di<- Kinzelplatte bei
West wo od N\ 359 mit falscher Datirung.
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Mcrowingischo und karolingische Plastik.
131
zu Dariastadt ***) und das Diptychon mit der Geburt und der Kreu-
zigung — bei der letzten wiederum Oceanus und Terra — im Berliner
Museum **»), beide iu der Ausführung handwerksmassiger und
weniger vollendet als die Liverpooler Tafeln. Eine schwer mit
anderen Stücken in Verbindung zu setzende Arbeit ist die dem Ende
des 9. Jahrhunderts angehörende Tafel mit dem h. Petrus in der
Sammlung Eugen Boch in Mettlach, interessant durch den auf-
fallend derben und harten Schnitt iS0). An das Ende dieser Reihe
möchte ich das etwa dein Anfang des 10. Jahrhunderts angehörende
Diptychon der Sammlung Figdor in Wien stellen, mit den Gestalten
von Moses und Christus mit dem ungläubigen Thomas"1). Es zeigt
in der Behandlung der weiten an den Körper angepressten Gewan-
dung eine gewisse Verwandtschaft mit der gleichzeitigen Tafel
mit dem bekleideten jugendlichen Kruci6xus in der Sammlung Sei-
lieres »").
Die süddeutsche Schule bildet die letzte Gruppe — sie tritt
am spätesten auf; die Werke, die auf sie zurückfuhren, gehören
sämmtlich der Wende des Jahrhunderts an. Ihren Sitz möchte ich
in den Klöstern am Nordabhangc der Alpen, in der Schweiz und
in Oesterreich erblicken. In der Schweiz ist Ort und Zeit genauer
bestimmt. St. Gallen war es hier, das wie für die Malerei so für
die Elfenbeinschnitzerei ein Centrum darstellte. Die Platten des
Tuotilo5»3), die meistgenannten Elfcnbeinarbeitcn der karolingischen
328) Francis Pulszky, Catxloguc Nr. 42. Paul deinen i. d.
Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst 1890, S. 141, Anm. 861.
Westwood Nr. 266.
329) Abb. Bode und Tschudi, Beschreibung der Bildwerke der
christl. Epoche Taf. LV1II, S. 124, Nr. 456, 457. Westwood Nr. 329. 336.
330) Mustergültig publicirt mit eingehender feinsinniger Analyse
bei Fr. Schneider, Deutsche Elfcnbeinskulpturen des frühen Mittelalters.
Leipzig 1887. Tafel.
331) Ausführlich Fr. Schneider, Ein Diptychon des 10. Jahrhundort«
i. d. Zeitschrift f. christliche Kunst I, S. 15, mit Tafeln; A. Springer,
Die deutsche Kunst im 10. Jh. i. der Westdeutschen Zeitschrift 1884, S.208;
Ders. i. d. Bildern aus der neueren Kunstgeschichte I, S. 126; Katalog d.
kunsthist. Ausstellung zu Köln, 187<i, Nr. 1377. S. 143.
332) Daneben die. Darstellungen Christi in der Mandorla, Christi am
Oelberge, die drei Frauen am Grabe. Bis 1801 in der Sammlung Solty-
koff. Abb. Labarte, Album pl. XIV; Text I, p. 222.
333) E. II. Gaullieur, Memoire sur tjueh|ne.s livres Carolins 1. d.
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Paul deinen:
Zeit bilden liier die Hanprstücke. Es gehören aber in die nächste
Nähe dieser Stücke noch zwei «andere Arbeiten, einmal der Einband-
deckel vom Cod. 60 der Stiftsbibliothek zu St. Gallen 3a4), der das
ornamentale Vorbild für die eine Txiotilotafel abgab, sodann die
Tafel K. I\ 2153 des germanischen Museums zu Nürnberg"5) nnd
endlich eine Platte des Britischen Museums »*«), die gleichfalls durch
das ganz eigentümliche Rankenornament, das hier als das Be-
stimmende erscheint , dieser Gruppe zugewiesen wird : mit ftlnf
Scenen übereinander von der Geburt Christi bis zur Taufe mit
breitem ornamentalen Rahmen. Die figürlichen Darstellungen auf
den Tuotiloplattcn stehen indessen gänzlich fttr sich und zeigen in
den Gewandzipfeln und den Händen, besondere in der ascensio
Mariae weit eher angelsächsischen Einfluss als Verwandtschaft mit
der rheinischen Richtung und den übrigen Werken der süddeutschen
Schule. Der St. Gallener Gruppe tritt nämlich eine zweite zur
Seite, die ihrcu Sitz in den österreichischen Klöstern, vielleicht in
Salzburg oder Kremsmünster gehabt zu haben seheint und deren
Werke noch zum grossen Theil sieh in der Gegend der Entstehung
befinden. Für die Hauptwerke dieser Gruppe halte ich zwei grössere
Platten, die eine aus KremsmUnster im Museum Franzisco-Carolinum
zu Linz, die andere im Stift Heiligenkrenz a"). Die letztgenannte
Memoire* de l'iusütut ■Genevois I, 1851, p. 170; Alterthümer lind geschicht-
liche Merkwürdigkeiten in der Schweiz. Bern I Hi»4. II. pl. 1, 2; Das Kloster
St. Gallen. Herausgegeben v. Iiistor. Verein in St. Gallen. 1W3. T. Taf.
1.2; Förster, Denkmale deutscher Kunst 1, Abt. II. S. 8; Alwin
Schultz, Tuotilo von S. Gallen bei Dohtnc, Kunst und Künstler I. S.29;
G. Schaefer, Denkmale der Kll'cubciupluslik i. Dannstadt S. 17; .loh.
Val. Klein, Die Kirche zu Grossen Linden. Glessen 1*57. Tai'. III, Fig. 7;
Roliault de Fleury, La suhlte vierge I, pl. Xl.lll: Westwood, Nr. 2<>7,
2G8, pl. zu p. 120; Bode, Gesch. d. deutschen Plastik S. 8; LUbke, Gesch.
d. deutschen Kunst S. 53. Vgl. übrigens: Die Kunstlegende des Tuotilo
von St. Gallen bei J. v. Schlosser, Beiträge zur Kunstgeschichte aus
den Schrift quellen des frühen Ma. i. d. Sitzungber. d. Wiener Akademie,
phil. hist. Cl. CXXIII, S. 180.
334) Westwood Nr. 269. Abb. Bucher u. Gnauth, das Kunstliand-
werk I, Taf. 21. Von W. Lübke, Geschichte der Plastik I, S. 307 fälsch-
lich für das antike Vorbild erklärt.
335) Fr. Fr. Leitschuh, Eine karoliugische Kllenbeintafel i. d.
Mittheil, d.german. Museums 1890, S. 43; Katalog der Originalskulpturcn S.9.
33ß) West wo od Nr. 270. Abb. vetusta Monuiiunta V. pl. 31.
3'!7> Karl Lind, Die Österreich, kunsthistor. Abtheilung der
Wiener Weltausstellung i. d. Milthcil. der K. K. Centialcommission XVIII.
S. 10b. Tai-,
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Merowingische und karolingische Plastik.
133
zeigt deu heiligen Gregor, den eine auf seiner Schulter sitzende
Taube inspirirt, bei der Arbeit, unter ihm drei schreibende Mouche.
Den Abwli Im* bildet ein von Säulen getragener Bogen mit Vor-
hängen und sehr reicher Architektur. Der Kähmen zeigt da» Akanthus-
motiv bereit« entartet, Uberreich gegliederte, üppige, dichtstehende
Blätter. Die Arbeit gehört schon dem tiefen 10. Jahrhundert an,
steht aber noch unter dem Einflüsse der karolingischen Kunst, wie
die Krcmsmünsterer Tafel. Diese Tafel enthält drei Sceueu uuter
einander, die durch zwei Querbänder geschieden werden, das erste
mit der Inschrift : Asceusio domini , Maiestas domini, das zweite
mit der Inschrift: S. Maria cum omnibus apostolis intcrccdcns pro
Salomone episcopo. Die obere Reihe zeigt die Himmelfahrt , die
mittelste Christus in der Mandorla thronend zwischen deu Evangc-
listensymbolcn und Sonne uud Mond, die untere Marin, die Hand
gewährend gegen den vor ihr auf den Knien liegenden und ihre
Küsse küssenden Salomo ausgestreckt. Die Figuren sind lang und
schlank, die Glieder durch die Gewänder ziemlich gut hindurch-
modellirt, die Hälse sind auffällig lang, die Hände von bemerkens-
werther Zierlichkeit. Die Gewandung zeigt in den tiefergeschnitteuen
Kalten grosse, gut erfaßte Motive. Beide Stücke, das Heiligenkreuzer
wie «las Krcmsmünsterer offenbaren schon einen bedeutenden Fort-
schritt gegenüber den rheinischen Arbeiten — sie finden .ihre Fort-
setzung in der bis ins 12. Jahrhundert hinein andauernden öster-
reichischen Elfcnbciuschuitzcrschulc, deren Schöpfungeu sich noch
heute in Agram, Klosterueuburg, Salzburg, Seitenstetten, Pest, vor
allem aber in Melk beHuden.
* *
Die Sehatzfunde von Troja - Hissarlik uud Mykcnä haben,
/.um Theil durch ihren Entdecker seihst , längst ihre Verwerthung
für die Geschichte uud Illustration des wirtschaftlichen und künst-
lerischen Lebens der Ureinwohner Griechenlands und der Küsten-
länder des ägäischcu Meeres gefunden. Und doch sind diese Schatz-
fuude relativ dürftig, sie bieten nur für wenige Seiten des privaten
Lebens Handhaben zur Erklärung. Die grossen germanischen Staats-
schätze sind reicher und mannigfaltiger und enthalten vor allem
für die Erläuterung des kriegerischen Lebens weit schätzbareres
Material. Für die Geschichtsschreiber der germanischen Völker
sind sie noch kaum in Betracht gekommen; nur die ersten schlich-
184
Paul Clemen :
ternen Ansätze sind durch Felix Dahn gemacht worden. Die der
deutschen Kulturgeschichtsforschung eigentümliche Ueherecbatzung
der schriftlichen Zeugnisse auf Kosten der monumentalen Quellen
oder die mangelnde Fähigkeit, in den letzteren zu lesen, hat dem
bis jetzt im Wege gestanden. Die Schätze des Äthanarich, Attila,
Theodorich, Cbilderich, in ihrer Zugehörigkeit an eine bestimmte
Persönlichkeit besser bezeugt, als die der troischen und mykenisehen
Dynasten, geben, abgesehen von der Ausbeute für dio Geschichte
des privaten Luxus, vor allem ein Bild von dem staatlichen Luxus
der Germanen. Es waren in der That Staatsschätze, die einen Thcil
der königlichen Gewalt , vielleicht ihren am meisten in die Augen
stechenden und greifbarsten Theil darstellten. Die christlichen
Quellen geben einen nur annähernden Begriff von seiner Bedeutung,
wenn sie berichten, wie Thorismund von der Hunnenschlacht nach
Toulouse eilt, um ,Hort und Thron' zu sichern, wenn sie erzählen,
wie Agila bei Cordoba ,Heer, Sohn und Hort" verlor.
Die langgedehnte Reihe von bedeutenden Werken germanischen
Knnstfleisses vom 4. bis {>. Jahrhundert liefert die sichtbaren Nach-
weise zu den kargen Notizen in den Volksrechten und bei den
Histociographen über Künstler und künstlerische Thätigkcit. Der
Goldschmied hat in fast allen Volksrechten da« höchste Wergeid:
das spricht für die hohe Schätzung seiner Arbeitsleistung. Die vir-
tuose Behandlung einer ganzen Reihe der Stücke, die fast rattinirte
Ausbeutung einer bestimmten Technik deutet auf eine starke, durch
Generationen sich fortpflanzende ununterbrochene Tradition, die zu-
letzt zu einer durch Vererbung von Geschlecht zu Geschlecht über-
tragenen zwar einseitigen, aber eben in der Einseitigkeit intensiven
Begabung für Handfertigkeitsgcschiekliehkeit wird. Aus der Be-
stätigung dieser Kunst auf ornamentalem Gebiet, auf dem sie zu-
nächst ausschliesslich fruchtbar ward, schält sich allmählich, unter
fremdem Einfluss mehr und mehr erstarkend, der Trieb der Nach-
ahmung gegenüber den Lebewesen heraus: er versucht sich zuerst
an den heimischen Thiertignreu und geht dann rasch genug zum
Mensehen Uber.
Die grossere oder geringere Betonnng der menschlichen Fi-
guren in den Knnstsehöpfungen steht nicht zum geringsten Theilc
unter dem Einflüsse der Antike. Mitteleuropa wird hier durch eine
Linie, die von der Donau über den Main nach der Loire läuft, in
zwei Hälften zerschnitten; in der südlichen ist die klassische spät-
römische Tradition noch wirksam, in der nördlichen verschwindet
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lle.rowingischn und karolingiKche Plastik. 135
diese fast ganz, dafür tritt an den Küsten der Ostsee der römische
Exporthandel in Wirksamkeit, der, zumal in Erzengnissen der Klein-
kunst, die heimische, eben im Entstehen begriffene Industrie beein-
flusse In dem Umfange des jetzigen Frankreichs schliesst sich die
Fignrcnplastik durchweg an die klassische Tradition an; auf den
britischen Inseln entwickelt sich gleichzeitig eine ganz autochtbone
Darstellung menschlicher Gestalten. Die ganze mitteleuropäische
Kunst bis zum 10. Jahrhundert lebt von dem Erbtheil der Römer.
Die Kunst der festländischen Völker bestand fast ausschliesslich in
der Kombination antiker Formen und Techniken mit den einheimi-
schen und in der Anpassung der ersteren an die eigenen individu-
ellen Verhältnisse; die Iren und Angelsachsen sind* von Anfang an
weit schöpferischer: sie sind zur Originalität gleichsam gezwungen,
weil ihnen ein geringerer Vorrath von Vorbildern zu Gebote stand.
Dass es aber nicht allein der Zwang der Verhältnisse, die ge-
bietende Notwendigkeit war, die eine einheimische Kunstfertigkeit
ins Lebeu rief und den Mangel der Technik ülwrwand , beweist
der grosse Unterschied zwischen Iren und Angelsachsen. Heide
stehen unter im Wesentlichen gleichen äusseren Bedingungen. Trotz-
dem ist das Ergebnis* nach drei Jahrhunderten künstlerischer
'Hurtigkeit hier und dort ein durchaus verschiedenes: in Irland eine
BlUthe der Plastik und der äusserste Höhepunkt der omamentalen
Virtuosität, dabei ein auffälliger Mangel figürlicher Darstellungen,
in England ein Ueberwnchcrn der figürlichen Darstellungen und ein
überströmender Reichthum an Erfindung. Es ist hier der Faktor
der künstlerischen Begabung eines Volksstammes in die Rechnung
einzusetzen. Die Iren waren ein eminent plastisch, die Angelsachsen
ein eminent zeichnerisch begabtes Volk. Ich sage ausdrücklich
nicht: malerisch, denn der Farbensinn in der eigentlichen Bedeutung
des Wortes ging den Angelsachsen ab, während den Iren das Ver-
ständnis» für das Zusammenpassen von Complementärfarbeu in hohem
(irade eigen war. Dieser Faktor der künstlerischen Begabung wird
leise modificirt durch das Mass der Aufnahmefähigkeit Itir fremde
künstlerische Einflüsse. Dieses Mass war bei den Iren von An-
fang an sehr gering, bei den Angelsachsen sehr stark auf den Ge-
bieten, in denen sie sich künstlerisch schwach fühlten — so steht
ihre Ornamentik nnd ihre Mouumentalplastik unter irischem Ein-
flüsse — auf dem Gebiete ihrer eigentlichen Begabung, der Malerei,
war es auf Null reducirt.
Beide Faktoren — der der künstlerischen Begabung und ä*cr der
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136 I'aul Giemen: *
Aufnahmefähigkeit für fremde Können und Herstellungsweisen —
sind am stärksten ausgeprägt bei den Gothen, die dadurch zu Trägern
und Vermittlern sowohl der germaniseheu Stammeskunst wie der
von den Völkern der alten Welt überkommenen Kunstzweige im
ersten Drittel der behandelten Periode werden. Der mit den ge-
nialsten AnIngen ausgestattete Stamm musstc auch am ersten auf
künstlerischem Gebiete hervortreten. Mit der gleichen .Selbstverleug-
nung und Liberalität, mit der die Gothen später die rechtlichen und
staatliehen Einrichtungen der Römer aufnahmen, griffen sie auch
nach ihren künstlerischen Ueberlieferungen. Mit «lern vierten Jahr-
hundert beginnt die Periode der Reception der römischen Kunst
durch die Germanen, die Iiis zum achten Jahrhundert währt; das
achte, neunte und zehnte Jahrhundert verarbeitet diese Errungen-
schaften; erst im zehnten Jahrhundert treten dann die Keime einer
auf Grund der Verarbeitung der überlebten Formen neu erstehenden
Kunst hervor.
Für das südöstliche Europa ist eine ganz bestimmte Aufein-
anderfolge von Periodeu festgestellt, dem skythisehen Stil folgt der
gothisehc, diesem der avarischc, diesem der Stil der ungarischen
Heidenzeit. Die Gothen tragen den aus vierfacher Mischung —
heimische Tradition , oströmische , orientalische Tradition , Be-
einflussung durch die römische Exportkunst — entstandenen gothi-
schen Stil nach der Rückkehr an ihre Sitze am Schwarzen Meer
durch ganz Mitteleuropa und machen ihn so zum bevorzugten
Stil des ganzen Jahrhunderts, zum eigentlichen Völkcrwande-
rungsstil. Sein Einfluss wird auf drei Gebieten vor allem wirk-
sam, auf dem der merowingisehen, «1er laugobardischen, der west-
gothischeu Kunst. Die beiden ersten verquicken ihn mit der west-
römischen Tradition. Die merowingisehe Kunst wird die führende,
so wie es zwei Jahrhunderte früher die gothische gewescu, sie l>c-
einflusst. die ostfränkisch-rheinische Kunst und die irische Knust,
diese wieder die angelsächsische Kunst. Die beiden letzteren ver-
einen sich aufs neue mit deu heimischen Ueberlieferungen, schöpfen
aus ihnen neue Kraft, und die angelsächsische überträgt nun ihren
Einfluss wiederum auf die Nachfolgerin der merowingisehen Kunst,
die karolingische Kunst. Diese übernimmt nunmehr die Fuhrer-
rolle und zwingt ihrerseits wieder die angelsächsische und lango-
hardische in ihren Haimkreis. So lässt sich für die ersten sechs
Jahrhunderte der germaniseheu Kunst thätigkeit ein vollständiger
philogenctischer Stammbaum aufstellen.
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I3H
Paul Oleinpii:
Der antike Einfluss bleibt, /.war tiiaiinig-faiti^ tliftVrenz.il*!, doch
stetig wirksam. Das Vorbild verwandelt sieb in einzelnen Fällen
unter den Händen der germanischen Künstler in etwas völlig
andere«: aus dem Email wird das Zcllenglas, das zum Charakteristi-
kum einer ganzen Epoche wird. In der Forschung, zumal unter
den französischen Archäologen, stehen sieh noch heute Gegensätze
gegenüber in der Auffassung von der grösseren oder geringeren
Rasehheit der Aufsaugung der römischen Tradition durch die Ger-
manenvölkcr, ähnliche Gegensätze, wie sie sich im vorigen Jahr-
hundert auf anderem Gebiete in den diametralen Standpunkten der
beiden klassischen Werke des Abbe Dubos und des Comtc de Bou-
lainvillers verkörperten. Aber die Kunstgeschichte bedarf keiner
Ausnahmegesetzgebung. Der Uebergang vollzog sich hier ebenso
langsam, zögernd, allmählich, wie auf dem Gebiete der schönen
Literatur; der Untergang der römischen Kunst Uberlieferung erfolgte
weit weniger rasch als der des römischen Rechtes und der römi-
schen Wirtschaft: und nur die Knnstzweige, die mit dem wirt-
schaftlichen Leben aufs engste zusammenhingen und mit den Inter-
essen des Handwerkers! Hudes am innigsten verquickt waren, folgten
auch im Tempo der Weiterbildung der Wirthschaft; die reine Luxus-
k unst. die Künstlcrkunst hielt Schritt mit der Literatur. Je enger
sich die künstlerischen Aufgaben an die römischen Aufgaben an-
schlössen, um so strenger wurden auch die antiken Vorbilder l>c-
lölgt: nur die neuen Aufgaben schufen nene Formen, reizten zu
eigeueui, selbständigen Denken. Es war naturnothwendig, dass das
Volk, das in seinen äusseren Lebensbedingungen und damit aiieb
in den Bedürfnissen der Ausschmückung von Wohnraum und Klei-
dung die grössten Unterschiede gegenüber den Körnern aufwies,
auch in der künstlerischen Entwicklung am freiesten und selbstän-
digsten vorgehen mnsstc, eben weil es für seine Bedürfnisse keine
Vorbilder fand. Je mehr sich das wirtschaftliche Leben von der
römischen Tradition emaneipirt, um so mehr befreit sich auch die
Kunst von der antiken Beeinflussung. Das ist das vornehmste Ent-
wicklungsgesetz für das erste halbe Jahrtausend germanischen Kunst-
schaffens.
Es sind vier Faktoren, die bei diesen Untersuchungen in Be-
rechnung zu ziehen sind: die augeborene künstlerische Begabung,
die Aufnahmetäbigkcit für fremde Kunstrichtungen, die Menge der
innerhalb der Grenzen des Landes erhaltenen oder zur Verfügung
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I
MerowintfiM'lu' iiikI kitrolingi.si-he Plastik. IM
stehenden Vorbilder, das Bedürfnis nach neuen Kuustformcn. Die
Begabung konnte nach den verschiedensten Riehtungen hin wirk-
sam sein, sie konnte unter dem Einflüsse einer mit tesouderer Vor-
liebe gepflegten Technik mehr nach der malerischen oder mehr nach
der plastischen Seite hin neigen und dann auch in der Malerei
plastisch, in der Plastik malerisch auftreten.
Die langsam erstarkende Anschauung, die wachsende Fähig-
keit, die Ansscmvelt, insbesondere die belebte Ansscnwclt, Mensch
und Thier, in Linien nnd in runden Formen zu sehen, schafft sich
nur ganz allmählich ein Alisdrucksmittel für das Geschaute in einer
verfeinerten Technik. Die Anschauung ist überall das primäre, die
Technik das sekundäre. Nur wo die wciterschrcitendc Ausbildung
der erstcren ins Stocken geräth oder wo das Anschauinigsvermögen
selbst eine Klickbildung erführt, ersetzt Virtuosität der Technik den
Mangel au Anschauung.
Die Grundlinien des künstlerischen Schaffens und Werdens
innerhalb ganzer Klassen nnd ganzer Richtungen lassen sich am
besten aufzeigen in möglichst einfachen Verhältnissen, gleichwie die
Botanik ihre Gesetze an möglichst primitiven Organismen gefunden
hat. Die Entwicklung einer Kunst.strömnng oder einer geistigen
Richtung ist am einfachsten klarzulegen, wo möglichst viel gleich-
artige Erzeuger versammelt sind, und wo das aus ihnen gezogene
geometrische Mittel möglichst wenig durch grosse über die Menge
hervorragende Individuen irritirt wird oder die Gebundenheit des
wirtschaftlichen und geistigen LebeiiB das Erheben von Persönlich-
keiten überhaupt erschwert. Umgekehrt lässt sich das Werden
einer Persönlichkeit am klarsten darstellen, wo die Beeinflussung
durch das äussere und innere Milieu eine möglichst geringe ist und
die Tradition selbst das Aufkommen und Auswachsen grosser und
machtvoller Individualitäten begünstigt. Wie für die Untersuchungen
der letzten Art das itabänische Cinquecento das ideale Forschungs-
gebiet ist, so für Untersuchungen der ersten Art das hohe Mittel-
alter. Und das beste Beobachtungspräparat bilden hier die primi-
tiven Kunstleistungen junger Völker, die sich dicht neben die Er-
zeugnisse einer Überreifen oder vereisten Kultur stellen.
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Uebersichtstafel über die Entwicklung
vom 3. — 10.
3. Jh
Kothlschc Kunst.
Funde, von Oströpataka.
Fränkische Kunst.
Metallplastik. Steinplastik.
i. Jh.
Diadem v. Novo- Tscherkask.
Funde in der Krün.
Funde vom Plattensee.
381 Schatz von Petreosa.
Gallo -römische Skriptu-
ren in Arignon, Com-
piegne.
». Jh
Goldfund von Xagg- Stent- Fränkische Fibeln und Gär-
Miklös.
Fund von Apahida.
Fund von Vettersfelde.
Lau ^»bardische und
Mctallplatstik.
telbe.schläge.
|451 Grab des Theodorich in
I'ouan.
181 Grab des Childerich in
Tönning.
Tuinba d. h. Martin in Tours.
BasreFiefs in Di tut n, Ga-
rin, Arles, Xarbonne.
Altar von Charmes.
Denkmäler des ararischen
Stiles.
r, jj,.
Grabmal des h. Dionysius
in St. 1K-iiL<.
Panzer des Odoukcr
in Itarenna.
7. Jh.
Werke des h. Klitfiu».
K22 Derber ron ( hellen.
Becher ron Gourdou und
Xancg.
Thronsessel Dagoberts.
Hrliguiare ron Saint- Mau-
rice, Sens etc.
Heliipiientafeln ron Contpo-s.
Kbnigsbild zu Kpinal.
Sarkophage mit geome-
trischen Ornamenten.
.r>5*> Sarkophag des St. Ln- Ravennatisehe (,n|i|-
bin zu Charlies. Schmiedearbeiten.
Altäre der provencali-
sehen Schule von Ko-\
dez, Sauvinn, Koussil
Ion. Peilhan.
♦!20 Schatz zu Monza.
hrunen von Guurra-
Sarkophage im Mus. Car- zur u. Guadamur.
mtralet, in Bonrges,üM Krone Suinthitas.
cmi St. Gerntain -des G72 Krone Jtecces-
Pres, St. Vincf-nt. irinths.
ii7Ü Altar aus IIa in in
Yalognes.
8. Jh
Ite.liauiare in Herlin, in Con-
ques etc.
Metnllarheiten in Fulda, St.
Wandrille, Tours.
I
Goldene Grabkreuze
zu Ciridale und Ci-
■ I ■
Sarkophage rinn Moni-
tuartre.
Itelief in Mainz.
Basreliefs in Uubinne.
WO Goldschatz der
Sammlung Itussi.
«i. Jh
Gnssarbeiteii mit Aachen.
Denkmäler der ungarischen1 Heiterfigur Karls d. Grossen.
Heidenzeit. Traualtäre Ludwigs des
Frommen. Karls d. Kahlen.
Arnulfs {in München)
Römische Goldschinie-
dcarbeifen unter
Leo III.
Skulpturen in Ingelheim,
Sauer - Sch traben he im,
Antepcndion und Reliquien- Bierstadt.
sehreine zu St. Gallen, St. K!I8 Altar in Beziers.
Denis, Fulda, Keims, Tours. Altäre i. Vaucluse, Viennt;
10. Jh.
Statuette der Sainte Fug in
Comp
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der Plastik in Mitteleuropa
Jahrhundert.
westgothtsche Kunst.
Steinplastik.
Irische Kunst.
Metallplastik. Steinplastik.
Meffalithischf! Denk-
mäler.
Angelsächsische Kunst.
Metallplastik. Steinplastik.
Fragmente im Petrie-
museum.
Hronzediskus n»t \fo-
nastereem.
Denkmäler vi. Ogham-
inschriften.
40G .S7. I'atrick-Glocke.
Aelteste ( trabsteint! mit
Schleifen fleehtiterk.
Fibeln der Schule n,n
Keut.
r
.".2U I'hth'n in San Ue Armagh-, Ifirsay-, Für-
»tritte in Horn. tinyallylockvn.
Schmucksachen der
angelsllchs. ■ fränki-
schen Kunst.
♦;öl Kreuz zu Collin-
yham.
Kreuze zu llcckermit,
lieickasfle.
\Kreuzstab St. Patricks.
[Schreine von Roelirn,
"12 Ciborium von Val-, Doclioniia. St. Ronan.
policelta. \Tarajuire1.
"i0 Plutrotte* Itatchis. lHQ Thassilokehh.
770 /'lutea des Sxgual-
da zu C'ividale.
727 Oratorium Könijf
Inas von Wenses.
7.'52 (irnbarbeiten Bi-
schof Accas von
Henhain. Kreuze tu Alnmouth,
79(5 Grab St. Alban«. Hackness, ThornhilL
<;ral)stein Königs Ka-
il ulfs zu Alnmouth.
Schieine St. Patricks, NOfi Cral, Thuatyalls. 820 Ring AI «tan*
Comgalls.C'olujiibas, Sherburne.
Adamnans. KW AiitepeiidiuniWig-
lal's von Mcrcia
Grabsteine von ('ton- in Ooyland. Grabplatten von For-
maenois. Goldarbeiten unterKö- farshirt, llockUmd,
892 Grab Suibines. nig Alfred. Bejchill.
Juicel Alfreds in Ox- Kreuze zu Checkley
ford.
und llkUy.
908 Glocke conCumas-
cach. 914 AVeuz König
Kelch tan Ardagh. Flands zu L'lon-
maenois.
923 Kreuz des Muire-
dach zu Mona***?
boice.
Llantwitkreuz.
9G»j Kreuz zu Mary am.
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142
Paul C leinen:
Nachträge.
Zu S. 7. Dor Schatz von Pctreosa liegt in der Publikation der
Amadol - Society : The treasurc of Petrossa, Lotulon 18G9, vor. Vgl.
ferner Am etil, Monumente d. k. k. Münz- und Anlikenkabincta zu Wien
S. 13, 85; Ch. de Linas, Histoire du travail A l'exposition universelle
1867, p. 103; Br. Keil, die griechischen Inschriften im sog. Schatz des
Attila i. Hcpertorium f. Kunstwiss. XI, S. 25G. Zur Charakteristik der
ganzen Periode,: J. N a u e, die Ornamentik der Völkerwanderungszeit i.
Antiqua 188«, Nr. 1-4.
Zu S. 11. Die Alterthümer von Yekla sind publicirt von Juan de
Di os de la Rada y Delgado, Antiguedades del Cerro de los Santos
en termino de Montealegre, conocidas vulgarinente bajo la denominacion
de .Antiguedades de Vecla' i. Musco cspnBol de antiguedades VI, p. 249,
pl. 12—17. Zu vergleichen auch Don Florencio Jan er, De las Alhajas
visigodas del Museo Arqueolögico Nacional y de otros adornos antiguos
ebenda VI, p. 137, pl. 8. Verwandte Figuren wie im Kaukasus auch bei
E. de Ujfalvy de Mczo-Kovcsd, Atlas archeologiqne des antiquitt's
finno-ongriennes et altaYques de la Russie, de la Siberie et du Turkestan
(Expedition scientifique francaise en Russie, en Siberie et dans le Tur-
kestan vol. VI).
Zu S. 53. Die vorliegende Arbeit war fast fertig gedruckt, als der
3. Band des Jahrbuches für Lothringische Geschichte und Alterthums-
knndo erschien, der auf S. 321—344 Neue Untersuchungen über das Alter
der Reiterstatuette Karls des Grossen von G. Wolfram bringt. Die An-
gelegenheit ist in allen wesentlichen Punkten in der oben S. 53—59 ge-
gebenen ausführlichen Widerlegung, die der Verfasser abzuwarten gut
gethan hatte, erledigt. Einige Ausführungen Wolfram 's, in denen er
sich gegen meine Beurtheilung seiner Untersuchung wendet und ineine
im Repertorium für Kunstwissenschaft und in der Zeitschrift des Aachener
Geschichtsvereins gegebenen Gründe nicht völlig richtig anführt, ver-
langen indessen eine erneute Zurückweisung. Der Verfasser kommt zu-
nächst auf seinen Hauptgrund, den Reichsapfel zurück und führt an
(S. 324), in sechs Fällen glaube ich einen Reichsapfel vor der Zeit Karls
des Kahlen nachweisen zu können. Das ist eine Verdrehung meiner
Worte. Ich habe für die Existenz des Pomums drei Werke heraus-
gegriffen und drei Fälle für das Motiv der Haltung auf dem letzten.
Hätte sich Wolfram die Mühe genommen, auch nur ein einziges der
letzterwähnten Werke anzusehen, so würde er gefunden haben, dass es
sich hier gar nicht um Reichsäpfel handelt, sondern um Kronen oder
Rcgna, die aber in der gleichen Form — die Hände unter einem Tuche
verborgen — getragen werden. Die angegebenen Fälle sind durchaus
nicht die einzigen: ich nenne beispielswei.se. noch in lluvenna S. Apollinare
miovo, das llattisterio Ursiano, in Koni S. Temloro, S. Cosma und Da-
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Merowingische und karolingische Plastik. 143
miano, S. Cecilia, S. Stefano rotondo, S. Lorenzo in Campo Vcrano, die
Kathedrale von Paren/.o mit ihren Mosaiken. Die von mir hierfür gleich-
falls angeführte Knppelmosaik in Aachen beanstandet Wolfram. Die.se
Kuppclmosaik aber mit den spateren Einfügungen durch Otto III., auf
denen Leo und Karl dargestellt waren, in Verbindung zu setzen,
geht nicht au, denn eben diese Kuppel enthielt eine ganz andere Dar-
stellung, Gottvater mit den 24 Aeltesten. Auch die.se Darstellung findet
nicht Gnade vor Wolfram: er citirt Doli nie, „dessen Kritik «ich durch keine
Begeisterung bestechen lasst", der die Abbildungen für Fälschungen des
Italieners Ciampiui erklärt hat. Leider liegt aber hier ein Irrthnm von
üohme zu Grunde, der Hingst von Fr. Fr. Leitschuh (Der Bilderkreis
der karolingischen Malerei S. fi5) nachgewiesen worden ist. Und endlich
bildet der nach einer Zeichnung des Propstes Van der linden angefer-
tigte Stich Ciampinis schon langst nicht mehr die einzige Quelle für die
Aachener Mosaik, seit 1871 bei Entfernung des Kalkputzes die braunen
Vorzeichnuugen für die Mosaik zum Vorschein gekommen sind, die ge-
rade im Gegensatz /u Ci am pini die sakrale Haltung der Kronen zeigten.
Es dürfte doch nicht ganz unbekannt sein, dass über die Aachener Mosaik
einer der ersten französischen Archäologen, Barbier de Montault, ein
eigenes Buch geschrieben hat, das bereits 1872 ins Deutsche übersetzt
worden ist. Und will man ein noch naher auf Karls Regierungszeit zu
fixirendes Werk: der Codex aureus von S. Emmeram, der die gleiche
Darstellung wie die Aachener Mosaik enthalt (publicirt von Cahier und
Martin und neuerdings bei L. v. K ob eil) ist vor Kurzem durch J. v.
Schlosser als die genaue Kopie eines verlorenen Alkuincvangeliars
erwiesen worden (Sitzungsber. der Wiener Akademie der Wissenschaften
CXXIII, II, S. 107).
Was dann die drei von mir gewählten Beispiele für die Existenz
des Pomums angeht, so ist die au erster Stelle genannte Elfenbelnpyxis
oben S. 112 von mir naher als eine merowingische Arbeit des 7. Jh. ge-
kennzeichnet worden. Wolfram würde seine Hypothese, „dass sie recht
wohl ans Byzanz selbst importirt oder von byzantinischen Händen gefertigt
sein kann", nach einem einzigen Blick auch nur auf den Abguss oder
die Abbildung wohl selbst nicht aufgestellt haben. Auf der Abbildung
des Utrechtpsalters sieht Wolfram indem Pomum „wahrscheinlich einen
perspektivisch verzeichneten Hoekanuel". Das ist etwas, was sich nicht
beweisen lilsst, wenn man nicht richtig sehen will. Der Schreiber des
Cod. Harl. 603 sah jedenfalls besser: er zeichnete in der Kopie einen
Reichsapfel. Als drittes Beispiel habe ich den Cod. 38« (864) der Bibl.
comm. zu Cambrai angeführt. Wolfram will Ihn nicht gelten lassen,
weil Janitschek, rder die Handschrift untersucht hat* ihn in die 2. H.
d. 3. Jh. weise. Das ist wiederum falsch. Janitschek hat die Hand-
schrift nie gesehen und urtheilt, wie er ausdrücklich sagt, nur nach
Dnrieux. Und endlich ist die Handschrift von Cambrai das genaue
Gegenstück der Apokalypse der Trierer Stadtbibliothek (Cod. C. 31), die
übereinstimmend von Lamprecht (Initialornamentik S. 26), Frimmel
(Die Apokalypse i. d. Bildcrhaiidsehriftcn d. Ma. S. 16) und zuletzt
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144
Paul deinen:
Janitschek (Geschichte der deutschen Malerei S. 45) selbst an das Ende
de» 8. Jahrhunderts gesetzt worden i.st. Genügt aber Wolfram diese
Handschrift noch immer nicht, ho kann ich noch auf das karolingische Evan-
geliur, Cod. 327 (309) zu Canibrai verweisen, für dessen Datirung ich
mich auf die AutoritHt von Delisle (Levangeliaire de Saint -Vaast
d'Arras p. 13) stützen kann. Das grosse Widniungsbild auf fol. 16»> zeigt
hier in der Mitte eine Figur, von Mo linier im Cat. gen. des man.
de« bibl. publ. de France XVII, p. 122 richtig als empereur angesprochen,
die in der Hechten ein langes Stabsccptcr, in der Linken aber einen
goldenen Reichsapfel halt.
Der Beweis mit dem Reichsapfel ist Wolfram missglückt. Da
geht er nun in seiner neuesten Arbeit von der linken Hand zur rechten
über, vom Reichsapfel zum Schwert, und sucht nachzuweisen, dass vor
dein 14. Jh. keine Darstellung bekannt sei, die den König mit Schwert
und Apfel zeichne <S. 333) - eine Rehauptung, die übrigens unrichtig
ist — dass die Darstellung eines Königs mit aufgerichtetem Schwert in
der Hand für die karolingische Zeit ein Anachronismus sei (S. 335). Hier
begegnet nun aber Wolfram das Unglück, das« er für alt hält, was
überhaupt nicht alt ist und einen Kampf gegen Windmühlenflügel führt:
denn was aus'm Wccrth und ich bereits früher geäussert und woran
Wolfram nicht glauben will, dies Schwert, worauf Wolfram seinen
Beweis gründet, ist eine moderne Ergänzung von Alexander
Lenoir. Die Oeffhnng in der geballten Hand weist vielmehr auf ein
langes Scepter. Dass die silberne Statuette in Metz, die Meu risse de
meine Hgnrc nennt, im Jahre 1682 einen Degen in der Hand geführt, be-
weist doch gar nichts, denn über deren Alter wissen wir nichts, und Wolf-
ram selbst hat es wahrscheinlich gemacht, dass sie erst nach 1567 ent-
standen sei.
Die Metzer Statuette im Musee Carnavalet trägt aber überhaupt
seit Jahren schon kein Schwert mehr — die ungeschickte Ergänzung
ist entfernt worden. Ich kann nicht umhin, einige Bedenken zu hegen,
ob der Verfasser zweier Arbeiten über dies Bild es Uberhaupt für nötig
gehalten, das Original in Paris selbst zu diesem Zwecke anzusehen. Auf
S. 8 der ersten Brochüre giebt er selbst den Mangel an Autopsie zu,
die Wiederholung des dort ausgesprochenen Urtheils auf S. 330 der
zweiten Arbeit schliesst ein Studium des Originals aus. Zur urkundlichen
Bestätigung füge ich aus einem an meine Adresse gerichteten Briefe vom
25. März 1892 vom Conservator des Musee Carnavalet, Herrn Jules
Cousin, der — im Gegensatz zu Wolfram — das Original zwei Jahr-
zehnte lang fast täglich vor Augen gehabt, das folgende Gutachten bei:
L'epec tres-grossicrement martelee et trop large a ete ajoutee du
tempsd'Alexandrc. Lenoir, vers 1810— 1820. Elle est d'un bronze beau-
conp plus rouge que la Statuette. Elle s'est trouvee detachee dans
l'inccndie de 1871, dont la Statuette a beaueoup souffert, et nous ne
l'avons pas remise. Je crois qu'on a eu tort de la reproduire dans le
inoulage eu bronze. Cette main devait porter im seeptre et non un
glaive.
Merowingische und karolinglsche Plastik. 145
Je viens de repondre pour la composition du bronze de lepee tout
different de celui de la Statuette. J'ajouterai que le bronze du cavalier
et celui du cheval sont identiques. Le cavalier est fixe sur le cheval
par une broehettc interieure non apparente, tnais dont on peut constater
la presence, la Statuette ayant ete presque desarconnee par le fcu.
Die weiteren falschen Anschauungen von der karolingischen Kunst,
auf denen Wolfram aufbaut, glaube ich übergehen zu können. Der
Verfasser operirt mit einer völlig unrichtigen Vorstellung von der Con-
tinnität der künstlerischen Ueberlieferung. So kommt er S. 336 sogar
dazu, deu Umstand, dasH der Biograph Karls, Einhard, die Statuette
nicht erwähnt, als Grund gegen eine karolingische Provenienz anzu-
führen. „Und der Mann (Einhard) sollte kein Wort übrig haben für
die höchste Leistuug seiner Zeit auf dem Gebiete der Metallteclmik !"
Hatte Einhard Uberhaupt Kunstwerke nennen wollen, so hätte er unter
den oben S. 45 ff. angeführten Monumentalschöpfungen der frankischen
Metallurgie nur zu wählen gehabt, die in ihrer überreichen Ausschmückung
mit getriebenen und gegossenen Figuren ganz andere Leistungen repra-
sentirten als die fusshohe Statuette. Sie steht unter den erhaltenen
Werken in der frühkarolingischen Kunst einzig da, wie ich schon früher
(Portraitdarstellungen Karls d. Gr. S. 61) gesagt — das berechtigt aber
nicht zu solch übertrieben aufgebauschten Vorstellungen. Die oben
gegebene knappe Zusammenstellung von Werken der Metallplastik führt
ja nichts weniger als ihre Gesammtheit auf — wie gross die Masse an
kleineren Gusswerken von der Grösse unserer Statuette, Aquamanilen,
eueharistischen Gefitssen etc. auf einem eng begrenzten Gebiet in der
karoliugischen Aera war, das zeigt ein Blick auf die Zusammenstellung
von Nachrichten, die der Abbe Dehaisnes im zweiten Bande seiner
Ilistoire de l'art dans la Flandre, TArtois et le Hainaut avant le XVe
sii'cle gegeben hat. Wenn Wolfram dann dies Argumentum ex silentio
dein positiven Beweis als gleichwerthig zur Seite stellt, so kann ich dem
uur beistimmen — mit seinem „positiven Beweise" steht dies Argument
allerdings auf der gleichen Stufe.
Auf S. 343 verwahrt »ich Wolfram noch gegen mein Urtheil über
seine Interpretation der Stelle in den Metzer Protokollbeschlüssen. Ich
meine, wenn man aus deu magistris fabricae, „ceux qui par eydevant out
eu coinmission de faire faire1" eine moderne „Kommission" macht, die,
wie der Verfasser drei Zeilen tiefer sagt, aus „feiugebildeten Domherren"
bestehe, so ist der von mir gebrauchte Ausdruck „einer ziemlich freien
Uebersetzung" ein sehr milder.
Wolfram fiihrt unter seinen Eideshelfern auch den hochverdienten
Metzer Dombaumeister Tornow an. Tornow verwahrt sich nun aber
in einem offenen Schreiben an Wolfram in geharnischten Ausdrücken
gegen die. Art und Weise, wie er in die Polemik hineingezogen worden.
Ich glaube, Wolfram wird mir Dank wissen, wenn ich auf die Wieder-
gahe dieses mir ausdrücklich zur Benutzung übersandten Dokumentes
verzichte. Es schliesst mit den Worten: „Bin ich auch gern geneigt, den
Ausdruck der in Ihrer (Wolframs) obigen Behauptung liegenden Un-
JahrO. tl. Vcr. v. AJtcrllnfr. im Rheliil. XCll. \Q
14«
Paul Cletnen: Mcrowingischc und knrolingischc Plastik.
riehtigkeit für einen unbewußten zu halten, so kann ich doch anderer
Heils nicht umhin, au« dein mehr aln geringen Masse der Gründlichkeit,
mit welchem Sie hiernach von der Befassung meinerseits mit dieser Frage
Kenntnis* genoniinen haben, einen Schluss zu ziehen auf den Werth
der von Ihnen Ihrerseits hergeleiteten Schlussfolgerungen in dieser An-
gelegenheit.*
Es ist kaum uöthig, noch weitere Autoritäten in« Feld zu führen —
über ich möchte Wolfram noch einige Namen nennen: Marignau, der
Redakteur des Moyen Age, nennt die Figur „de IVpoque sans nul doute
carolingienne". Jules Cousin schreibt mir: „Nous tenons ici cette imagc
de Cbarlemagne hien carolingienne. L'hypothesc dune oeuvre de la
rennissance ne me parait pas soutenable vu la raideur et la naYvete du
groupe chevnl et cavalicr. La recherche malhabile de 1'imitntion de
l'antiquc est evidente, le style barbare saute aux yeux; et tous Ich temoig-
nages matcricls viennent a l'appui de rattribution". Alfred Darcel,
der Direktor des Clunymuseums in Paris , schreibt mir unter dem
7. Marz d. J. — gleichfalls nach der zweiten Wolf ram'schen Arbeit—:
„Je nc crois pas soutenable l'opinion, qui veut, que la statue equestre
du Cbarlemagne de Metz soit des commencements de la renaissance.' Und
Tornow schreibt unter dem 10. Februar d. J.: „Es gereicht mir zur be-
sonderen Befriedigung, Ihnen die Mittheilung machen zu können, dasB
ich gegenwärtig mehr als zuvor davon tiberzeugt bin, das« wir es in
unserer Statuette» mit einem Erzeugnisse karolingischer Kunstthiltigkeit
zu thun haben". Damit glaube ich die Akten über den Fall Wolfram
schliefen zu können.
Zu S. 101. Der Sarkophag von Charentou (Cher) ist publicirt i. d.
Mi-langes d'archcologie. et d'histoire III, pl. 7 und bei Le Blant, Lea
sarcophages chretiens de la Gaule, pl. XV, p. &T> mit Litt.-Angabe.
Zu S. 125. Dem Ellenbein in BrÜHsel lasst sich als gleichfalls angel-
sächsische Arbeit noch anreihen das Kästchen aus Wallrosszahn im Briti-
schen Museum, das aus Au/.on, Haute-Loire stammt (I). H. Haigh, The
conquest of Britein by the Saxons , London 1861, p. 42; George
S t e p Ii e n s, Üld-Northern Kuuic Monuments, London 18Gö, I, p. 470 mit
Abb.; Palaeographical society II, pl. 22H, 229). Das einzig dastehende reiche
Werk gehört dem 8.-9. Jh. an und cnthftlt in niedrigem, ausgestochenen
Relief, das stilistisch der Brüsseler Tafel nahesteht, die Auffinduug von
Romulus und Rcuius, die Eroberung Jerusalems durch Titus, die Ge-
schichte Johannis des Taufers, die Anbetung der drei Könige, endlich
die Erstürmung einer von einem Helden Namens Aegili erstürmten Burg
— ein Compendinm der Geschichte. Die Runeninschrifteu lauten: obla-un
neg romwalus and reumwalus twa>gcn gibrob«er a ftedda> Ida* wütif in
romajcrcstri. — Her fegtab titus end giupeasu hie fugiant hienisnlim afl-
tatorcs. — Hronres ban fisc flodu ahof on ferg en berig warb gasric
groni h:er he on greut giswom. Von der letzten Seite nur die Inschrift:
drygyb swi[c] erhalten.
II. Aufdeckung einer vorgeschichtlichen Niederlassung und
eines fränkischen Gräberfeldes in Meckenheim.
Von
Constantln Koenen.
(Mit Tafel T bis X.)
Als eich unter dem Sceptcr unseres HeldenkaiRers Wilhelm
die deutschen Stämme zu einem grossen Reiche vereinigt hatteu,
galt e» dessen innere Kraft zu stärken und zu veredeln. In dein
Gedauken, durch die Heimatbskunde die Vaterlandsliebe zu fördern,
wurden durch Mittel der Provinz und des Staates die beiden Rheinischen
Provinzialmusecn in Bonn und Trier gegründet. Der erste Dircetor
des neuen Proviuzial - Museums zu Bonn , Herr Professor Dr. E.
aus'm Weerth, glaubte der gestellten Aufgabe am besten nahe zu
treten durch eine planmässigc Aufdeckung der alten Gräberfelder und
zwar zuerst derjenigen, die unserer vaterländischen Geschieht« und
nationalen Entwicklung zunächst liegen, nämlich der des Merowinger-
reiches. Zur Verwirklichung dieses Gedankens konnte die ftlr die
rheinische Gräbererforschung grundlegende Abhandlung unseres Ver-
einspräsidenten , Herrn Geheimer Rath Professor Dr. Schaaff-
h au sen „Ueber germanische Grabstätten am Rhein" im Hefte
XLIV und XLV dieser Jahrbücher (.1. 1868) Anhaltspunkte bieten.
Unter Hinweis auf die in der genannten Arbeit S. 13ö bis 153 be-
sprocheneu fränkischen Gräber in Meckenheim, beauftragte mich
die Dircction des Bonner Provinzialinuscnins, das augenscheinlich
noch vorhandene fränkische Gräberfeld in Meckenheim seiner ganzen
Ausdehnung nach aufzudecken und zu untersuchen. Nachdem mir
Schaafhausen seine reichen Beobachtungen auf diesem Gebiete
und auB'm Weerth seine Information als Musenmsdirector mit-
getheilt hatte, begann ich die Grabungen im October 1878 und
beendete dieselben auf Wunsch der Dircction des Provinzialmusemns
nach zeitwoiser Unterbrechung im April 1870.
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148
Constantin Kncncii:
Dunk einer /.n vorkommenden Fürsorge iler Ortsbehörde und
der Bereit Willigkeit der Grundbesitzer Herren Gott seh alk und
Mirgel, sowie der Wittwe Dahlhausen konnten die Grabungen
ungestört vorgenommen werden. Der Erfolg hat die Erwartungen
des Pioviiiziahnuseunis weit ühertroflen. Es wurde nämlich zunächst
das bereits von S e h a a i'fh a u s e n festgestellte fränkische Gräberfeld
nach Möglichkeit aufgedeekt, dann, wie ich glaube, der Nachweis
erbracht, das« diese Frankengräber sieh in solche der früheren und
der späteren Merowiugcr- und solche der Karolinger/eit eintlieilcn
lassen, das« man ausserdem noch eine Anzahl Gefässe der karolingi-
schen Zeit in mindestens zwei zeitlieh zu trennende Hauptgruppen,
nämlich in solche der früheren und in solche der späteren karolingi-
sehen Zeit eintlieilcn kann. Ausser dieser, für die rheinische Alter-
tliumsforschnug bedeutsamen Feststellung wurden grössere Theile
einer vorgeschichtlichen Ansiedelung, sogenannte Mardellen der
älteren neolithischen Zeit planmässig aufgedeckt, wie ähnliehe wohl
am Oberrhein und anderwärt« gefunden, aber noch nicht am Nieder-
rhein festgestellt und systematisch untersucht worden sind. Nicht
unwichtig ist auch die von mir vorgefundene Ruine einer karolingi-
schen Töpferei sowie deren Seherbcnbergc oder Aiisschnsswaarc.
Mancherlei Aufschluss gab besonder* auch noch die sorgfältige ßlns-
legung der Bestatteten insofern , als eine grössere Anzahl von Bei-
gaben ihrer Bedeutung und Zusammengehörigkeit nach benrtheilt
werdcu konnte. Ein derartiger Erfolg war nur möglich durch die
zur Verfügung gestellten hinreichenden Mittel des Rheinischen
Provinzialmnseums. Schon allein der Nachweis von vier verschie-
denen Arten fränkischer Cultnrreste, von denen jede einzelne einer
bestimmten Periode, also einer frühinerowingischen und einer spät-
merowingischen, einer frühkarolingischen und einer spätkarolingischen,
eigentümlich ist, bietet der historischen Forschung die Hand zur
Lösung einer ganzen Reihe für die Laudesgesehichte hoch wich-
tiger Fragen.
Wir wuseten früher wohl Fränkisches von Römischem und
Germanischem, allein nicht Karolingisches von Merowingischem. noch
weniger in diesen beiden zeitlich unterschiedlichen Gruppen Unter-
abtheilungen von einander zu trennen. Ebenso fremd war vor den
Audernac.ber Ausgrabungen des Proviuzialmuseums die nun ermög-
lichte Eintheilimg der römischen Culturreste in zwei Abteilungen
der frühen und in zwei Abtheihmgeii der spfltcrcn römischen Kaiser-
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Aufdeckung- einer vorgcseha-liU. Xiedt;rln*»ung clc. in Meckenheim. 149
zeit. Mit Recht hat das jetzt uuter der Dircction von Professor
Klein stehende Provinzialmuseum sich nun zur Aufgabe gestellt,
auch das Bild einer rheinisch - römischen Grenzfestung durch Auf-
deckung des Xeusser Römerlagers vorzuführen. Wählt sich diese
Anstalt zu ihrein Arbeitsfehl anch die reichen Hügelgräbergebiete
auf den den Rhein begleitenden Höhenzügen und hält sie, nachdem
sich die Forschung in die römische und fränkische Epoche vertieft
hat, auch die Aufdeckung der vorgeschichtlichen Hinterlassenschaften
der rheinischen Provinz für ihre Aufgabe, dann werden wir Rhein-
länder in der umfassenden Kenntnis* unserer Alterthümer anderen
Landest heilen vorangehen und den uns gemachten Vorwurf, wir
schwärmten nur für kleinliche philologische Liebhabereien, die den
Horizont des Römischen nicht verliesaen, vernachlässigten aber das
national- wie völkergeschichtlich Wichtigste, von uns abweisen; denn
es ist kaum ein anderer Hoden Europas so reich an Denkmälern
aller Zeiten, wie eben unser Rheinland und nirgendwo lässt sich
die Aufeinanderfolge verschiedener Cnltnrreste auf einem bestimmten,
scharf begrenzten Gebiete so gut und so sicher nachweisen, wie
eben hier. Was uns nur fehlt, das ist ein Gesetz, welches die
Denkmale der Vergangenheit unseres Volkes in ihrem Werthe an-
erkennt und aus diesem Grunde schützt vor eigennütziger Gewinn-
sucht des Einzelnen, dem sie preisgegeben sind.
Zur Lage und Bodeubeschaffenheit Meckenheims.
Der Boden, welcher den Ort Meckenheim und dessen vor-
geschichtliche und fränkische Culturreste trägt, erhebt sich, wie
Herr Dr. Ran ff zu Bonn in hingehendster Bereitwilligkeit mir
mitthcilte, bis zu 166,64 m gegen 58,23 m der Schienenoberkante
des Bahnhof Bonn, während der Nullpunkt des Bonner Pegels
43,616 m über N. X. aufweist. Das Hochwasser 1882 erreichte
U,2 in; das Tiefwasser des Jahres 1884 zeigte 1,05 m über 0 des
Bonner Pegels. Die Oertliehkcit wird berührt von dem Fltlsschen
Schwist. In dem Thal dieses Wassers finden wir ein alluviales Ge-
bilde, in dessen höherer Umgebung hingegen trifft man diluvialen
Lehm und Gesehotter an. Unterhalb dieser Erdmassen sehen wir
tertiäre Thonc (sog. Braunkohlcnthonci, die dem Ober-Oligoeän zu-
gerechnet werden. Im Ganzen stellt sich uns die dortige Land-
schaft als ein Kessel einer Hochebene dar, in welchem die Diluvial-
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150
CoiiMaiitin Kocncn:
wasser des Rheinthales ihre leichtesten Sedimente, den Löss, zurüek-
liesseu.
Auf der dieser Arbeit beigefügten Tafel I ist die Flur II
der Gemeinde Meckenheim im Katasterauszug wiedergegeben und
Taf. II, Fig. 9 zeigt den heutigen Bodendurchscbnitt derselben.
Hei a sehen wir dunkclgefärbtc Ackerkrume; bei b — c gebt dieselbe
allmählich zu dem bei d völlig ungestörten hellgelben , unter dem
Namen ,.Mergela bekannten Urboden über, <ler sehr häutig jene
als „Mergelmännchen" bekannten Steingebilde vorführt. Die auf
meine Bitte hin durch Rauf f veranlassten Airalysen dieses Urboden»
ergaben :
Kalk (CO„Ca) ln.0 %
Kieselsäure (grösstenthcils sehr feiner
.Sand) 6ö.5%
Thonerdc (AI/),) ;">.:}%
(Der Gehalt an Eisen war nicht unbeträchtliche
Die Analyse der „ Mergelmännchen u führte auf:
Kalk iCOaCa) 75.71 %
Kieselsäure 10.1*1 %
Thonerde (AL03) .... 1.64%
(E)er Eisengehalt war hier nicht so bedeutend. Beide Mineralien
enthielten CÜaMg.) Wir haben in diesen Ablagerungen also echten
Löss zu sehen.
Art und Weise der Ausgrabungen.
Vielfach wegen der Art und Weise der Aufdeckungen von
Gräbern befragt, glaube ich nicht nutzlos mitxuthcilen, dass ich
nach Aufnahme der Parzellengrenzen den Mutterboden abdecken
liess. In einer Tiefe von etwa % m zeichneten sieh dann die mit
Mutterboden vermischten Gruben gegenüber ihrer helleren und
reineren Umgebung des Urbodens ab. Ks folgte nuu eine geome-
trische Aufnahme und Xummcrimng der einzelnen Todtcngruben
und anderen Erdeinschnitte. Darauf liess ich ausserhalb, in der Regel
vor den zugefttllten Gruben, im Urboden eine neue (hübe anlegen,
von der dann vorsichtig das Füllwcrk des Grabes bis zu den Skelet-
oder C'ulturresten ausgeworfen werden konnte und ein Zerdrücken
der Gegenstände (durch Betreten des Füllgrundes , welcher diese
deckte) unmöglich erschien. Dann sehritt ich vermittelst kleiner
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Aufdeckung cinur vorgfscliichtl. Niederlassung etc. in Meckenheim. 151
Instrumente zur Freilegung des Skeletfes. Ein kleiner Blasebalg
diente schliesslich zur völligen Klarlegung der Einzelheiten. Jetzt
konnte jetler Gegenstand seiner Beschaffenheit und Lage gemäss unter-
sucht und unbewegt in seiner Lage von mir gezeichnet und gemessen
werden. Ich versah dann die einzelnen Sachen mit einer Nummer. Nur
so war es möglich, Uber manche Dinge, wie Uber Gurtelbeschläge,
Sehwertscheiden und Anderes Anfschluss zu gewinnen, welche*, dem
Grabe enthoben, unverständlich erschien, oder weil es ans Holz-,
Leder-, oder unbestimmbaren anderen Moderresten bestand, sich gar
nicht auders, als eben nur in der Grube selbst, in ungestörter Lage
erkennen Hess. Bedeutungsvoll wurde eine solche systematische
Untersuchung auch fUr das Erkennen einer Zeitfolge der einzelnen
Cnlturrcste.
1. Die vorgeschichtliche Ansiedelung in Meckenheim.
(Vgl. Taf. II.)
In dem Bereich der Ausgrabungen des Provinzial - Museums
Flur II, ^g9, 1 jß-, 15 und zu beiden Seiten des Gemeinde-
weges, sudwestlich der Gebäude von Mirgel und Dahlhausen und
der „ Unteren Strasse" (vgl. Taf. I den Katasterauszng Flur II der
Gemeinde Meckenheim) fand sich der hellgelbe Löss an vieleu
Punkten unterbrochen von kcsselförraigen, Vi, bis 4 in weiten und
bis zn 2 m Tiefe reichenden dunkelcn Flecken. Dieselben hatten
eine bedeutendere Festigkeit und Zähigkeit, als die sie umgeben-
den, ungestörten Sedimente der Dilnvialzcit. Wir hatten es hier
mit in Kesselform angelegten Feuerungsgruben, sogenannten Mar-
dellen, zu thnn, die in den hellgelben Löss eingeschnitten wurden.
Die dunkle Schicht ist das sehr fetthaltige, zähe, durch Brand ge-
schwärzte FUllwerk der Gruben.
Solche Kesselgrubcn sah ich auch nordöstlich der Unteren
Sirasse, wo damals eine senkrecht abgeschnittene Lösswand frei
lag. Dann kamen solche nordwestlich von Meckenheim, bei den
Grundarbeiten zum nenen Eiscnhahngcbäudc zum Vorschein. Dass
auch die nicht anfgedeekten Zwischenräume solche Xiederlassungs-
regte aufzuweisen haben, ist sehr wahrscheinlich.
Ich habe auf dem Taf. I wiedergegebenen Situationsplaii die
verschiedenen im engeren Bereich der Ausgrabungen des Provinzinl-
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Constantiii Können:
museums vorgefundenen Brandgruben durch dunkel schraffirte Stellen
wiedergegeben. Auf Taf. II, 9 sehen wir auch eine der Gruben
im Durchschnitt dargestellt, bedeckt von den bereits beschriebenen
Erdmassen, die den Lös» zum Liegenden haben.
Bei näherer Untersuchung nah man den F Uligrund hier und
da vermischt mit kleinen, zicgelroth angebrannten Lehnistückchen,
unter denen sich jedoch keine fanden, die mit ciuiger Sicherheit
auf Lchmbewurf von , etwa ehemals die Brandkcsael umschliessen-
den oder bei denselben emehteten Hutten bezogen werden können.
Das Füllwerk der Brandkessel sowohl, als auch die Oberfläche
de» Lös» barg in näherer Umgebung der Gruben ausserdem hin
und wieder Fenersteinspähue wie die Taf. II, in vorderer und
hinterer Ansicht und Fig. 7 abgebildeten. Lässt sich auch von
diesen nicht mit Sicherheit sagen, ob sie als wirkliches Oerath Ver-
wendung fanden oder aber nur als Abfällst Ucke betrachtet werden
müssen, so zeigt Taf. II, 8 doch den abgerundeten Kopf einer der
bekannten wcidcnblattförmigen Schaber, wie solche aus paläolithi-
scheu und neolithischeu Funden bekannt sind. Unvergleichlich
mehr, als grössere SteinstUcke, fanden sich kleine Fcuerstcinsplitter
bis zur Nadclkopf-Grösse. Auch wurden einige Fcuersteinknollen,
augenscheinlich Kerne des ursprünglichen Materials, vorgefunden,
von denen man die Werkzeuge abgeschält hatte; einen derselben
habe ich Taf. II, 1 abgebildet.
In einem der Brandkessel lagen auf der Sohle grüssere Stücke
des Taf. II, 5 abgebildeten, mit Sehnurösen versehenen Topfes und
das in der Mitte durchgebrochene kleine Röbrtöpfchcu Taf. II, f>.
Unter der grösseren Menge der gesammelten Bruchstücke
lassen sich drei Arten von Gcfässen erkennen, die jedoch, weil
deren Reste durcheinander oft in ein und derselben Grube lagerten,
ihrer Zeitfolge nach nicht von einander getrennt werden dürfen:
1) Gedrungene cylindrische Töpfe wie Taf. II, 2. Wenigstens
fand ich grössere, völlig horizontale Bodenstückc mit unvermittelt
senkrecht aufsteigenden Wandtheilcn und oben glatte Wandstücke
derselben Technik. Diese Arbeiten sehen so roh aus, wie erste
Versuche der Gcfässbildung. Dafür sprechen ausser der Form die
mindestens 1 l/s cm dicken Wände der verhältnismässig nicht hohen
Cylindcrtöpfc, dann auch die überaus unzusammenhängend erschei-
nende Gefässmasse. Man glaubt ein nur vermittelst der Sonncngluth
gehärtetes Erzengniss vor sich zu haben. Das täuscht allerdings;
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AumVikunfr «mimt \ m <ro&cliuli<l. Nit'«liM-la.«suiig ftt-. in Mi-ikrnlieim.
denn so hergestellte GefUssc würden offenbar im Laufe der Jahr-
hunderte völlig durchnässt und heute von dem Hoden der Umgehung
kaum zu trenne» sein. Die Farhe der Bruchstücke int freilieh die
des getrockneten Lehme*. Nach der Außenseite hin geht dieselbe
jedoch etwas in das Gelbrnthe ttber und dieses ist ein Zeichen von
leichtem Brande. Auch spricht für ein Verständnis« der tech-
nischen Behandlung des Thones die Mischung der Erde mit härteren
Zusätzen. Die Bruchfläehc zeigt nämlich zahlreiche .Stückchen zer-
stobenen Gesteines, von denen einige die Stärke von > mm er-
reichen; viele sind sogar 4 mm dick. Solehe Zusätze bewirken
bekanntlieh eine bedeutendere Widerstandsfähigkeit der Gefasswändc
gegenüber der Hitze des Feuers. Man findet diese Beimischungen
liei allen vonomischen und römischen Kochgeschirren uud noch
heute unterscheidet sich die zum Kochen dienende irdene Waare
durch solche Zusätze von dem Porzelhui-Gefäss, das, zum Kochen
gebraucht, zerspringt.
2) Zur VcranHchanliehnng der zweiten Art kaun der Topf
Taf. II, 5 dienen; wenigstens stimmt eine grosse Anzahl von Seherben
mit der Technik uud mit der einen oder anderen Einzelheit dieser
Form ttbercin. Der Boden dieser Gefässart ist schmal , dann er-
weitert sieh die Seitenwand und engt sich oben etwas ein. Der
obere Rand ist fast senkrecht. An den Seiten sind vier durch
broehene rundliche Ansätze angebracht. Diesellien stehen zn je
zweien übereinander und zwar senkrecht, sodass durch jene Gosen
eine Schnur gezogen uud vermittelst dieser das Gefass getragen
werden konnte. Eigentliche Henkel wurden nicht vorgefunden. Da-
gegen haben sehr viele Gefässe dieser — - und auch solche der ersten
Art — warzenförmige Ansätze von 31/, cm Durchmesser und l\:s ein
Dicke. Henkelformigc oder jene nach oben sieh biegenden An-
sätze — die Anfänge der eigentlichen bei den Gelassen der soge-
nannten Bronzezeit auftretenden Henkel — wurden nicht vorge-
funden. Die Bruchfläche dieser Gefasse ist durchschnittlieb ß — 9 mm
breit; sie hat eine grauschwarze Farbe, welche jedoch unterbrochen
wird durch vereinzelte, bis zu 21/!l mm dicke Stückchen zerschlage-
nen Quarzes und anderen Gesteines, sowie auch durch Thcilehcn,
welche der Holzkohle gleichen. Die Farbe des Acusacrcn ist schwarz,
jedoch nicht etwa durch künstlichen Anstrich, sondern durch ein-
faches Dämpfen erzielt, ähnlich wie die Farbe unserer Dachpfannen.
Der Brand ist nur bis zu geringem Grade bewirkt worden, sodass
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154
Consta in in K neuen:
ein Anschlag gegen die Wand des Oefüsses dnmpf tönt, wie der
gegen Holz gerichtete-, ungeachtet dessen hat man Mühe, die Ober-
fläche mit dem Dantnennagel zu ritzen.
3) Die dritte Art von Gefässseherben ist dünner und läast
mit blossem Auge keinerlei Zusätze erkennen. Die 6 bis 7 mm
breit« Bruchfläche sieht gleichmäßiger aus. In der Mitte ist sie
röthlichgran, an den Rändern, in einer Breite von 1 bis 2 mm braun.
Der Brand dieser Arbeiten scheint ein schwächerer zu sein; denn
so wenig haltbar erwiesen sich die Bruchstücke, dass sie trotz
grösster Vorsicht kaum uuzerhrochen an das Licht geschafft werden
konnten. Aus diesem Grunde habe ich keine sichere Vorstellung
von der Konn gewinnen können, welche diese Oefässart in ihrer
ursprünglichen Beschaffenheit aufzuweisen hatte. Aber nach Ver-
gleichen, welche ich kürzlich in den Museen in Mainz, Wiesbaden
und Worms anstellte, können wir es recht wohl mit jenen dünn-
wandigen Kugeltopfen zu thun haben, wie solche auf den Gräber-
feldern von Monsheim, Xierstein, Oberolm, Albstein a. d. Eis, Nieder-
walluf, im Fundament des Archivgebäudes in Wiesbaden und in
den Höhlen von Steeten neln-n Gefässcn der ersten und zweiten
Art vorgefunden worden sind. Das Taf. H, fi abgebildete Töpf-
ehen von X cm Höhe bildet mehr eine Ausnahme von Oefässen
dieser dritten Art. Es fand sich mit dem Topfe Taf. II, 5 zu-
sammen auf der Sohle einer Grube vor und zwar fest von der Brand-
erde umschlossen. Jede Möglichkeit, hier etwa ein späteres Er-
zeugnis* gefunden zu haben, ist ausgeschlossen. Der Thon sieht
wie unvermischt aus und hat eine durchgehend reine, graugelbe
Brnchfläche. Die Wand ist am Boden des Gefässehens am stärksten:
sie verdünnt sich nach oben hin in einer gleichmäßigen Weise, so
dass ein Meckenheimer Töpfer, der täglich eine grosse Zahl von
Gefässcn dreht, es fllr „schwerlich möglich" erklärte, ein solches
Gefass ohne Hülfe der Drehscheibe herzustellen. An dem oberen
Theilc des Gefässchens ist ein durchbohrtes eylindrisches Röhrchen
angebracht ; es erinnert die ganze Arbeit an ein Saugtöpfchen, ähn-
lich der römischen mamilla (vgl. über solche röm. Gcfässe v. Co-
hansen, Annal. f. Nass. Alterthuinsknnde u. Geschichte B. 15).
2. Der geschweifte Becher vorgeschichtlicher Zeit.
(Taf. II, 10...
In keinem Zusammenhange mit der Meckenheimer vorgeschicht-
lichen Ansiedelung steht der Taf. II, 10 abgebildete geschweifte
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Aufdeckung- einer voifreM-hiclitl. N'iederlabsung etc. in Meckenheim. 153
Becher. Er ist als Meckenheimer Fundstttck in einer Versteige-
rung für das Bonner Provinzialmusenm erworben worden. Nach
einer »lein Herrn Professor Klein gemachten Mittheilung stammt
er aus Andernach.
Derselbe ist 1(5 cm hoch und hat einen oberen Durchmesser
von 13 cm. Er ist in der Farbe röthlichhrauu, stellenweise braun-
roth oder in das Grauschwarze übergehend. Die Wand ist nicht
sehr dick und ein Anschlag klingt wie der gegen Holz gerichtete.
Auf der Oberfläche der Bauchung sieht man in sinnvoller Verkei-
lung Band- und Zackenmuster, welche aus kleinen Quadratpunktcn
zusammengesetzt sind. Es sind die einzelnen Punkte scharf einge-
druckte rechtwinklichc Grübchen, deren Abstände und Verlauf deut-
lich erkennen lassen, das» man sich zur Herstellung eines Zacken-
rädchens, also keiner eigentlichen Schnur bedient hat.
3. Die fränkischen Gräber in Meckenheim.
Die von Schaafhausen im Hefte XLIV und XLV dieser
Jahrbücher besprochenen und auf zwei Kupfertafeln dargestellten
Meckenheimer fränkischen Gräberfunde wurden Klur II, 12 bei dem
Abtragen der oberen Bodenlagen des Dahlhausen 'sehen Gartens, bei
den Erdarbeiten zu den Mirgel'schen Bauten Flur II. 1 j^9 nnd1^'
und bei dem Abdecken des nordöstlichen oberen Theiles der beiden
letztgenannten Parzellen gemacht. Südwestlich dieser beiden Fund-
stellen begann das rrovinzialmnseum seine Aufdeckung, dehnte die
selbe südwestlieh auf Flur II, 15, und südöstlich auf Flur II.
aus, bis zu dem Uiufassujigsgrabcn in .Meckenheim, oder vielmehr
bis zu dem schon früher nordwestlich desselben abgetragenen Boden.
Dieser „Bereich der Ausgrabungen des P r o v i n z i a 1-
Mu seums" ist Taf. I in dem Kataster-Auszug punktirt; die von
Nordwest nach Südost gerichtete Länge beträgt 30 in, die Breite
12 bis 16 m. Da nun auch bei dem Bau einer Scheune, 50 in
südwestlich der Südwestgrenze der unteren Strasse, wo die Schmitzer-
191 '>
Strasse einmündet, auf Flur II, l " • f?'0"'" »"»Hich des Umfassungs-
grabens die Taf. 1, unter „Grab 84u bezeichnete Todtenwohnung
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Constatitin Koencii:
angetroffen wurde, so hat das ganze Gräberfeld nach Süden hin
eine weitere Ausdehnung gehabt. Nach Norden hin kann die Aus-
dehnung gleichfalls eine bedeutendere gewesen »ein. Festgestellt
wurde der Todtenacker auf eine Länge von 50 und eine Breite von
40 m. Auf dieser Strecke öffnete das Provinzial-Muscum 250 drüber;
da uaeh der Schaaff hausen'schen Angabe frfliier 40 Gräber
vorgefunden wurden, sind bis jetzt ca. 300 Gräber zu Tage ge-
fordert worden.
Die Todtengrubcn lagen in unregelmässigen Reihen von Stiden
nach Norden; die Langseiteu waren von Westen nach Osten ge-
richtet. Die einzelnen Gruben sind rechtwinklig, haben 1 bis 2,75 ni
Länge, \l!t bis 1,75 m Breite und bis zu 3 in Tiefe. Es sind
dieselben vielfach von einer zweiten, später angelegten Grube durch-
schnitten und diese beiden Gruben werden sehr häufig noch von
einer dritten Grube durchfurcht, so dass also das Todtenfeld einer
dreimaligen Beisetzung hat dienen niflssen. Gehen wir zu einer
Besprechung des Inhaltes der einzelnen Gräber über:
Grab 1.
Grube: 2,80 1., 1,70 br., 2,10 t. Inhalt: lj Speereisen-
spitze wie VIII, 18: 1.: 0,35. Lage: Fussende, rechts. — -2, Irdener
Topf, abgeb. X, 10: blauschwarz; Randprotil: X, d; Bodenplatte:
X, I; Ornament: ähnl. X, 23; h.: 0,17, 5. Lage: rechts vom rechten
Oberschenkel. — 3) Eiserner Sehnallenbügel ähnl. IX. 2. jedoch
nicht tauschirt. Lage: Lenden. — 4) Fcuersohlagstciu. Lage:
Lenden. — Bemerkung: Skelet verwittert und gestört. Vgl. Anin. la.
Grah la.
Grube: 2,80 1., 1,00 br., 2,10 t. Inhalt: Ii Eisernes Kurz-
schwert ähnl. VIII, 14, jedoch ohne Scheidenrest : I.: Schneide
0,40: br. 0,05. Lage: linke Seite. — 2) Reich tanschirte. mit drei
Messingbuckeln besetzt gewesene Besch lagplatte, abgeb. IX, I
in nat. Gr. Lage: Lenden. — 3) Tauschirtcr eiserner Beschlag,
abgeb. IX, 3 in nat. Gr. Lage: Lenden. — 4) Theile einer Eiscn-
schnallc. durch Rost zersetzt, so dass weitere Bestimmung un-
möglich. — 5) Eisenspeerklinge ähnl. VIII, 18; I.: 0,45; Lage:
Fussende, rechts, wie im (trabe VII, 15. — ßi Eisenmesser, wie
IX. 15, offenbar Sax; Schncidcl.: 0,11. Lage: auf Xr. 1. —
7j Ei sen res t mit Tausch irarbeit; abgeb. IX, 4. Lage: Lenden. —
8) Gemme mit männlichem Profilkopfc** Karneol) in nat. Gr. abgeb.
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Aufdockung einer vorgradüchtl. XiedcrlHssuiig etc. in Meckenheim. 157
VIII, H. Lage: Lenden. — 0) Beinernes Gcwichtatcinchcn;
Dm.: 0,01, dick: 0,0015. Lage: Lenden. — 10; Bearbeiteter
Stein, Thonsehicfer , vielleicht Wetzstein, abgelt. VIII, 25;
I.: 0,005. Lage: Lenden. — Bemerkung: Da dieses Grab unter-
lialb de» Grabes 1 lag, so gehört dasselbe zu der ersten Todtenlagc,
wahrend Grab 1 der zweiten zuzufügen ist.
Grab 2.
Grube: 2,40 I., 1.70 br., 2,10 t. Inhalt: gestorte Skelct-
reste in der Grube zerstreut. Bemerkung: Durch Aulage des
Grabe« 2a ist Vorgefundenes vielleicht erklärlieh.
Grab 2a.
Inhalt: 1) Eisenspeerklinge wie VIII, 18; 1. 0,17 Tülle,
0. 035 Spitze. Lage: ähnl. Tat'. VII, 15, rechts neben rechtem
Fuss. — 2) Eisernes einsehn. Knrzsehwert, iihnl. VIII, 14, je-
doch ohne Scheidereste; I. Schneide: 0,28, br. 0,04; Griffl.: 0,13.
Lage: linke Seite. — 3) Eisernes Messer, ähnl. Nr. 2 dieses
Grabes, nur iu der hinteren Hälfte, wie absichtlich zerbrochen vor-
gefunden, vielleicht als dolehartige Stosswaffe und für den Wurf
benutzt „kleinere Art des Saxa (Lindcnschmit); I. erhaltener
Theil der Klinge 0,085, br. 0,03; Griffl.: 0,08; Lage: neben Nr. 2
des Grabes. — 4/ Scheibenförmiger Eiscnhcschlag mit zwei Mes-
singbuckeln, ähnl. VII, c; Dm. 0,00. Lage: Lenden. — 5)Achnl.
Nr. 4. Lage: ebendas. — 0) Eiserne Breitaxt mit Axthelm, welcher
der Schueidemitte gegenüber liegt; ähnl. VII. 13; 1.: 0,10; Schneide-
breite: 0,14. Lage: ähnl. Grab Taf. VII, 15. — 7) Eisenschlussel,
abgeb. VIII, 22; 1. c. 0,10. Lage: Lendeugegend. — 8) Eisen-
stab, oben umgebogen, fast mit Nr. 7 übereinstimmend, kann
vielleicht Schlüsselest sein. — 9) Eiseniustrument ähnl. VIII, 23.
An dem oberen Ende haften Holzreste von dem Griffe; 1. e. 0,09.
Lage: Lendengegend. — 10) Feuerschlagstahl wie VIII, 11;
1. 0,11. Lage: Lendengegend. — 11) Zwei Feuerschlagsteine
von 0,04 u. 0,015 L. Lage: Lendengegend. — 12) Irdener
Topf wie X, 11; blauschwarz; ltanddurchschnitt: X, m; Bodeu-
durchschnitt : X, 1; Ornament X, 25; h.: 0,12; Bauchdnrchiuesser:
0,13. Lage: Fussende. — 13) Fünf Kleinerz - Münzen, von denen
eine Constans, eine zweite Gratian, die dritte nach v. V 1 e u t c u
(Bonn) zweifelhaft, vielleicht Atalaricus rex ist, entstanden aus der
Münze Constautinopolis; Gepräge der lieiden letzten Münzen ist nn-
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158 Constantin Kocnen:
bestimmbar. Lage: Lendengegend, wo Gflrtcltaschc gesucht werden
durfte. Anmerkung: Das Grab fand ich in der Grube 2; es Hess sich
jedoch nicht feststellen, ob dieses oder jenes Grab das altere war.
Grab 3.
Grube: 2,70 1., 1,80 br., 2.20 t. Inhalt: 1) Eiscnbcschlag,
wie VI II. 14b, mit vier Mcssingbuckeln; 1. 0.09Ö. Lage: rechte
Lendenseite, mit Schmalseite gegen den Hüftcrand. — 2) Eise n-
bcschlag, wie VIII, 14d, mit vier Messingbuckeln; h. 0,06. Lage:
Mitte der Lende. — .*V> Eisenspeer, ähnl. VIII. 20. jedoch kleiner
und mit scharf gezogener, stark hervortretender Rippe; 1.: 0,10;
br.: 0,020. Lage: an der rechten Seite des Kopfes, mit der
Spitze nach oben gerichtet. — 4) Eiscniuslrument ähnlich Grab
2a, Nr. 8. Lage: Lendengegend. — • 5) Beinkamm wie VIII, 21.
Lage rechts vom rechten Unterschenkel. — 6) Irdene Schüssel,
gelblieh, hart gebacken; Soitcndurehschnitt ähnl. X 0, jedoch ist
die Seitenwand wie unterer Theil dos Topfes X, 7 ausgebaucht;
b. 0,06, Dm. 0,21. Lage: neben Nr. h des Grabes. Bemerkung:
Die Lage des Skelets und der Füllgrund machen es wahrschein-
lich, dass in der Grube eine zweimalige Beisetzung erfolgt ist.
Grab 4.
Grube: 2,70 1., 2,10 br., 2,20 t. Inhalt: 1) Eiserner Schild-
buel.el ähnl. VII, 6. — 2) Unbestimmbare G Ort elbeschläge-
Reste. Bemerkung: Nr. 1 lag nebst Menschenknochen zerstreut in
dem Ftlllgrund der Grube, während Nr. 2 sieh in der Lendengegend
eines Skelets vorfand, bei dessen Beisetzung augenscheinlich ein
älteres Männergrab durchschnitten oder aber beseitigt wurde.
Grab h.
Grube: 2,70 1., 2,10 br., 2,20 t. Inhalt: 1) Eisernes ein-
schneidiges Knrzsehwert wie VIII, 12, jedoch ohne Scheiden-
beschlagreste; Schneidclänge: < »..'18 , G riff länge : 0,21, Schneide-
breite: 0.0;"». Lage: links an den linken Unterarm anschliessend.
Griff nach oben gerichtet. — 2) Einschneidiges Eisenmesser
wie VIII, 14a, stark verrostet, daher Verhältnisse unsicher. Lage:
auf Nr. 1 so dass Grifflage wie bei dem Messer VIII, 12 vorge-
funden wurde. — Ü) Eisenbeschlag wie VIII, 14b; I. 0,095.
Lage: rechte Lendenseite. — 4» Eisen r est e einer Schnalle
nebst Heschlagplatte, ähnl. IX. 2. Lage: der Hing war nach
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Aufdeckung einer vorgeschiclül. Niederlassung' etc. in Meckenheim. 159
dein breiteren Ende von Nr. 3 gerichtet, während der schmalere
Theil des Beschlags den oberen Theil der Schneide~vou Nr. 2 be-
rührte, so dass das Ganze (Nr. 3 und 4) sieh als Gurtclverschluss
ähnl. IX, 10, vorstellte, von dem jedoch die einzelnen Theile von ein-
ander geschoben waren. — 5) Eiserne Speerspitze mit durch-
brochener Tül 1p Verlängerung und oberhalb derselben ange-
brachten zwei vorspringenden, etwas nach oben gerichteten Quer-
stacheln, abgeb. VIII, 13; L. der Spitze nebst Tülle 0,38; Tulle-
verlängernng 0,23. Lage: wie Lanze VII, 15. rechte Seite des
Unterschenkels.- 6) Eiserne Schcere wie VIII, 21; 1.: 0,18. —
Ii Beinkamin wie VIII, 21. Lage: lag mit Nr. 0 zusammen-
gerostet rechts neben der rechten Hand des Skelets. — H) Irdener,
blauer, schwarz gedämpfter Topf, ähnl. X, 8; Wanddurchschnitt
X, n; Bodeuplatte-Durchschnitt X, K; Verzierung ähnl. X, 14. - -
9) Feuerschlagstein I.: 0,3. Lage: rechts neben Gelenk des
rechten Armes. Bemerkung: Kuochenreste eine« älteren Skelettes
fanden sich zerstreut im Füllgrund der Grube, so dass der vor-
besprochene Grabinhalt dem Skclet einer zweiten Lage gehört.
Grab ß.
Grube: 2,80 1., 1,70 br., 2,20 t. Inhalt: 1) Eisenspeer,
wie VIII, 18; Tüllclänge: 0,22; Spitze 0,18; Breite (»,035. Lage:
Fusseude, rechts, Spitze nach unten. — 2i Eiserne blattförmige
Tüllcnpfeilspitze wie VII, 10; 1.: 0,09. Lage: rechts der rechten
Schulter. — 3) Desgl. stark verrostet. Lage: neben Nr. 2. —
4) Eisenbeschlag mit vier Mcssingbuckclu wie VII, e; 1.: 0,06.
Lage: Lendengegend. — 5) Irdener Topf ähnl. X, 10; blau,
schwarz gedämpft; Wanddurchschnitt : X, d, jedoch es wiederholt
sich 0,02 m unterhalb der oberen Leiste diese letztere; Bodenplatte:
X, 1; Ornament: ähnl. X, 18. jedoch zusammenhängender; h. 0,10.
Lage: Fnssendc rechts. — 6) Rest eines ßeinkammes wie VIII,
21. Lage: in der Nähe Nr. 5. — 7) Irdener Topf wie X, 11;
blauschwar/. ; oberer Wand-Durchschnitt: X, m; Bodenplatte-Durch-
schnitt: X, i; Ornament: X, 25. Bemerkung: Es zeigte sich deut-
lich innerhalb der beschriebeneu Grube eine zweite Grubenanlage
und auf der Sohle dieser ruhte der mit den beschriebenen Bei-
gaben versehene Todte, dieser gehört somit zu der zweiten Todteulage.
Grab 7.
Grube: 2,60 I., 1,50 br., 2,10 t. Inhalt: 1) gelbliche, ziem-
lich hart gebackene Schale: abgob. X, 10; Durchschnitt des oberen
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1«0
Oonstantin Kooncn:
Thciles der Wand: X, p; Bodcndnrebschnitt: X, i; h. 0,045;
Dm.: 0,12. Lage: auf der Sohle am Küssende. Bemerkung: Das
Grab durchschnitt eine der vorgeschichtlichen kesseiförmigen Brand-
gruben von l'/g m Dm.
Grab 8.
Grube: 2,40 I., 1,70 br., 2,20 t. 1) Blauer, schwarzgedämpfter
irdener Henkeltopf; abgeb. X, 0; b.: 0,18; Bauchdurchmesser:
0,21; Rauddurcbschnitt: X, d; Bodenplatte: X, i : Ornament: X, 15.
— 2) Reste einer Venusmuschel wie IV, 5a. — 3) Eiuige Perlen
des Typus IV, 3. — 4) Beiuspnren einer Zierschcibcn-Einfassung.
Bemerkung: Die Gegenstünde lagen, wie die Knochen des Todten,
zerstreut in der Grube; die Grube an und für sich zeigte ein zwei-
maliges Oeffnen.
Grab 9.
Grube: Tiefe 1,80; Grenzen unbestimmbar. Inhalt: 1) Eisernes
Kurzschwert nebst Lederresten der .Scheide und auf denselben
in ursprünglicher Lage angetroffenen Zicrscheibcheu und Zierstift-
ehen aus Erz; abgeb. VIII, 5; Sehneidelünge: 0,46; Sehneide-
breite: 0,00; Grifflange: 0,14. Lage: der Griff des Sehwertes lag
auf der Brustbeinmitte; von hier aus erstreckte sich die Waffe ab-
wärts bis Uber den Kopf des linken Oberschenkels hinaus; die Schneide
nebst Ziersttlcken lagen nach der linken Seite hin gerichtet. Wir
sehen VIII, 0 einen der Zierknöpfe in vorderer und Seitenansicht in
natürlicher Grösse abgebildet. Die obere Fläche des Knopfes
ist dreimal durchbrochen. VIII, .r>a zeigt in naturlicher Grösse
eiues der Zierst i flehen. Die Scheidenreste sind keine Recou-
strnetion, sondern sie sind genau nach der Natur in der Grube
von mir gezeichnet worden. — 2) Eisenbesch lagplatte, wie
VII, c, jedoch wurden Messingknöpfc nicht vorgefunden; I.: 0,06.
Lage: an der linken Seite ausserhalb des oberen Schwertklingcn-
theiles und der Stiftchen von dessen Scheide. — 3) E i s e n b c s c h 1 a g-
platte ähnl. VIII, 14, b, jedoch nur in Resten vorgefunden.
Lage: gegenüber dem Schwertgriffe auf dem oberen Thcile des
rechten Oberarmes. Nr. 2 und 4 scheinen somit wieder auf eine
Gürtelschnalle nebst Beschlüge ähnl. IX, 10 zu deuten. Bemerkung:
Unsichere Spuren machen es möglieh, das» an derselben Stelle sich
ein älterer Lage angehörendes Frankcngrab befunden hat, so dass
in diesem Falle vorliegende Ausstattung zur zweiten Lage gerechnet
werden dürfte.
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Aufdeckung einer vorgcschichtl. Niederlasaung etc. in Meckenheim. 161
Grab 1U.
Grube: Tiefe 1 ,:t0, Grenzen unbestimmbar in «lieser Höbe.
Inhalt: 1) Gefässbruchstücke der Meekcnheimer KariH
lingcrtöpferei, unglasirtes Steingut mit ersten »Spuren der Wellen-
platte, ilhnl. Westd. Zeitschrift VI, Taf. XI. 2 und 'S, jedoch ohne
Verzierungen. Lage: zerstreut im Grabe. — 2) Nägel von Eisen.
Lage : entlang den Seiten des Skelette« und verbunden mit Holz-
modcrreBtcn, welche von einem Holzsarge herrührten. Bemerkung:
Das 1,72 m lange Skelet hatte die Hände wie getalten nebenein-
ander liegen; es wich auch von der Gesammtlage der sümmtlichen
Meekenbciiner Todtenskelete insofern ab, als es mit den Füssen fast
genau nach Norden zeigte. — Nach den Scherben konnte diese
Beisetzung in den Normanenzügen vom J. 881 erfolgt sein und
vielleicht als eine zufallige betrachtet werden, weil in den drei
Todtenlagen, ungeachtet der überaus grossen Menge von Steiugut-
seherben der Meckenheimer Topferei, welche auf der ehemaligen
Oberflache des Gräberfeldes in bestimmter Höhenlage vorhanden,
nirgendwo ein Steingutcrzengiiiss beschriebener Art vorgefunden
wurde.
Grab 11 (Taf. V).
Grube: Grenze nicht bezeichnet. Inhalt: Sogenanntes metalle-
nes B a r t z it ii g e 1 c h e n ühnl. VIII, 4 ; 1. : 8,05, br. : 0,01 75. Lage :
linke Seite des Skeletes. Bemerkung: Nr. 1 ist der einzige Gegen-
stand, welcher bei einem Skelet in dem oberen Theile der Grube
angetroffen wurde. Vergl. folgendes Grab.
Grab IIa.
Inhalt: Ii Perlen abgeb. V, 4; die oberste ist gelb und
braun, die folgende grüngelb, rotb und weiss, die untere roth, weiss
und grün. Lage: unterhalb der Brust, etwas oberhalb der Lenden,
wo derartige dickere Perleu in der Kegel gefunden wurden. Die-
selben sind deshalb nicht als Halsperlenkette zu betrachten, sondern
sie dienten einem anderen Zwecke. Auf frühmittelalterlichen Grab-
steinplatten sieht mau dort iu der Hand der Verstorbenen dicke
Perlen zum Bet- resp. Rosenkranz vereint. — 2) Perlen kleinerer
Art, abgeb. V, 3 in nat. Gr., grttnl. Farbe. Lage: Halsgegend: es
sind offenbar Peilen einer Halskette. — 3) Metallring, abgeb.
V, 3a, Dm. U.025. Lage: Neben dem Olierscheukelkopf des linken
Beines. — 4> Kisenreste einer Sc beere, abgeb. V, 2a.
Jfthrl». il. Vor. v. Altertli^lr. Im Hlivhil. XCII. ] {
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162
Constantin Knenmi:
Lage: links neben dein linken Unterschenkel Uber der Kniescheibe.
■ — f>) B c i n k a in in, ehemals zweizeilig, abgeb. V, 2c. Lage : neben
Nr. 4. — 6) Znugenförmigcr B. Metallstrcifeu, an einem Kndc
weidenhlattförmig verlaufend, an dem entgegengesetzten gespalten
und vermittelst Nietnägclchcn den Lederstreifeu haltend, abgeb. V, 2.
Lage: auf dem Beinkamm Nr. 5, wie abgebildet. — 7) Zwei, durch
einen Bein knöpf von l/* cm Durchmesser zusammen geheftete
schmale Lederstreifen, abgeb. V, 2b. Lage: wie abgebildet
neben Kamm und Scheerc. — 8) Durchbrochene Erzblech-
scheibc mit einer Beineinfassung, welche durch Metallbänder be-
festigt ist; das obere Band hält einen Lederstreifen, an diesem
hängt die Scheibe; abgeb. in nat. Gr. V, 3. Lage: links neben
dem untersten Theile des linken Unterschenkels, so dass der untere
Theil der Scheibeneinfassung mit dem Fnssgclcnk in gleicher Lage
sich vorfand, also nur ein wenig höher als die Zierscheibe bei dem
linken Beine V, 1. — 9) Metallener zungen förmiger
Streifen, oben, wo er gespalten ist, hält er vermittelst eines Niet-
nagels einen Lederstreifen. Lage: wie abgebildet auf dem Bein-
rahmen der Scheibe. — Desgl. abgeb. 3 c. Lage : unterhalb der
Scheibe. Bemerkung: Das Fehlen einer grösseren Zahl von Hals-
perlen, sowie auch das augenscheinlich Gestörte des FullgrundeB
der Grube, schien auf einen vorgenommenen Grabraub schliessen zu
lassen, der vielleicht bei der Beisetzung des in dem oberen Theile
der Grube angetroffenen, bei Grab 11 besprochenen Skelets erfolgt
sein kann. Die Gegenstände Nr. 3 bis Nr. 10 scheinen in einem
gewissen Zusammenhang zu stehen ähnl. den mit der Zierscheibc
zusammen getroffenen Sachen Taf. V, 1.
Grab 12.
Grube: Verhältnisse unbestimmbar. Inhalt: Saudstein-
plattensarg, abgeb. IX, 5; 1.: 2,38 obere Breite: 0,67; untere Breite:
0,55; Höhe: 0,67; Dicke der Steinplatten : c. 0,20. Der Sarg ist am
Kopfende breiter als am Fussendc; hier wurde er durch besondere
Platten verlängert. Eine kleine Platte diente als besonderer Deck-
stein dieses unteren Theiles. Zum Verschluss sind die Fugen durch
Thon verkittet und von Aussen gegen die Steinplatten Bruchstein-
Bttlckc gelegt worden. Die Hanptdeckplatte fand sich zertrümmert
im Innern des Todtenhanses. — 2) Ausgusstopf von blauer
Farbe der Grnndmassc und schwar/em. durch Dämpfen erreichtem
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Aufdeckung einer vorgeschichtl. Niederlassung etc. in Meckenheim, 168
Ucberzuge, abgeb. X, 3; oberer Randdurchscbnitt X, d; Bodenplatten-
Durchschnitt X, i; Ornament X, 14; h.: ca. 0,17. Lage: in Bruch-
stücken zum Tlieil an dem Kopfende ausserhalb des Sarges, zum
Theil anf dein Deckel vorgefunden. — 3) Oberes RaudstUck
eines wcissgelbcn Thonkruges, augenscheinlich von römi-
schem Henkelkruge späterer Zeit herrührend, wie der Jahrb. LXXXVI,
Taf. X, Fig. öl von mir dargestellte. Auf dem ganzen Gräber-
felde wurde ausser dieser Scherbe nur das Bruchstück eines Tenasigil-
lata-Gcfusscs vorgefunden und zwar in einem der vornehmsten Gräber.
Ks kann das irgend eine uns bis jetzt noch nicht bekannte Bedeu-
tung haben. — 4; Eisenbeschlagplatte ähnl. VII, e, stark
verrostet. Lage: im Fallgrand des Sarges. — 5) Eiserner
Messerrest ähnl. IX, 15. Lage: zerstreut im Grabe. Bemer-
kung: Der Sarg war zweifellos beraubt worden; die Schädel- und
übrigen Knucbeiircste fanden sich zerstreut in der Grube, theilweise
lagen sie. wie Abbildung zeigt, am Fnssendc ausserhalb des Sarges.
Ein gelbliches, hart gebackenes Gcfässstüek, welches
im Sargftillgrund angetroffen wurde, rührt von einem Kruge wie
X, 1 her und ist wahrscheinlich frühkaroliugisch ; es kann daher
vielleicht die Zeit des Grabbraubes andeuten.
Grab 13 (Taf. VII).
Grube: 1. 2,10, br. 1,70, t. 2,70. Inhalt: 1) Eisernes ein-
schneidiges Kurzschwert mit Lederresten und Erzsehmuck
der Scheide, abgeb. VII, 1; L. der Schneide: 0,39, Schneidebreite:
0,055, Griffl.: 0,14. Genau wie vorgefunden, liegt, die Mitte des
Griffes umschlicsficnd, das erzene Mundstück der Seheide. Dasselbe
ist nach dem Rücken der Klinge hin weiter geöffnet, als nach der
Schncidescite zu. Taf. VII, 7 zeigt einen der Besch lagplatten-
Knöpfe der Schneide in nat. Gr. und Fig. 8 führt eines der in
nat. Gr. abgebildeten Erzstiftchen vor. Lage: aus VII, 15 ersicht-
lich. — 2) Eiserner Gürtelschnallen-Bügel nebst mit 3
Messingbuckeln besetzter Beachlagplattc, abgeb. VII, 2; 1. 0,09.
Lage: wie abgebildet neben dem Schwertgriff. — 3) Beschlag-
platte aus Eisen, abgeb. VII, e, mit vier Mcssingbuckelu be-
schlagen; I. 0,09. Lage: etwas oberhalb der Schnalle, wie VII, 15
zeigt. — 4) Vier durchbrochene Erzbeseliläge , abgeb. VII, a — d,
in der vorgefundenen, im Grabe VII, 15 de« Weiteren ereichtlichen
Lage angetroffen, dürften sie vielleicht als Gürtelselmiuckstdokc be-
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1G4
Cnnstantin Körnen:
trachtet werden; VII, 3 zeigt eines der Stücke in Natnrgrösgc. Das
dünne Metallblcch ist mit vier Nietstiften besetzt, durch welche
das Halten des Lederstreifens ermöglicht wurde; deutlicher veran-
schaulicht diese Vorrichtung VIII. 10. — 5) Eiserner Schild-
buckcl mit kegelförmiger Platte; Dm. 0.1 75. Lage: neben dein
rechten Oberarm wie Grab VII. 15 zeigt. — 5 t Eiserne mit
Widerhakcnvc röche n ePfeilspitz«. abgeb. VII, 9; 1. 0,00.
Lage: rechts neben dem Kopfe des Oberarmes, wie Grab VII, 15
zeigt. — 7) Eiserne, sich der Holzenform nähernde Pfeilspitze, abgeb.
VII, 10; 1. 0,11. Lage: neben Nr. 6. — 8) Eiserne, rautenförmige
Pfeilspitze, abgeb. VII, 11; 1.: 0,12. Lage: neben Nr. 7, wie Grab-
bild VII, 1") zeigt. Wo diese Pfeilspitzen lagen, dürfte sieh viel-
leicht der Köcher befunden haben. — 0) Eiserne Breitaxt
mit Axtheliu, welcher der Schneidemitte gegenüber liegt, abgeb.
VII, 13; 1.: 0,20; Schneidel. 0,15«/,. Lage: auf dem oberen Thcile
des rechten Unterschenkels, so, das» der Stil nach oben hin gerichtet
war, wie Grabbild VII, 15 deutlich zeigt. — 10) Speereigen,
abgeb. VII, 5; 1.: 0,32, Eisenbeschlag: 0,14. Lage: neben rechtem
Unterschenkel mit der Spitze nach unten, wie Grabbild VII, 15
zeigt. — 11) Irdener schwarz blau er Topf, abgeb. VII, 4;
Kauddurchgclmitt X, c; Bodenplatte X, k; Verzierung ahnt. X, 18,
jedoch regelmässigere Reihen. Lage: Rechts vom rechten Ober-
schenkel, in der Nühe der Stelle, welche die rechte Hand des
Liegenden berühren kann. — 12) Desgl. Lage : neben Nr. 1 1 .
Die Höhe des vorderen Topfes ist 0,145, die des hinteren 0,155,
Durchm. 0,17. — 13) Einzeiliger Bein kämm, abgeb. VII,
14; 1.: 0,20; br. : 0,03. Lage: neben den Thongefassen, wie Grab-
bild VII, 15 zeigt. — 14) Bearbeiteter Stein abgeb. VII, 12,
vielleicht als Schleifstein zu betrachten, da ähnliche zahlreich im
Lcgionslager von Novaesium angetroffen werden und hier das Ab-
geschliffene erkennen lassen. Lage: Lendengegcnd. Bemerkung:
Taf. VII gibt unter Fig. 15 den ganzen Grabinhalt nebst genauer
Lage des Skelettes wieder.
Grab 14.
Grube: Grenzen unbestimmbar. Inhalt: Eisernes Messer-
chen wie IX, 15. stark verrostet. Lage: Hüftgegend. Bemerkung:
Es lag als einzigster Gegenstand bei einem Skelet von 1 .(in ni
L.Mnge. Unterhalb desselben lag das folgende Grab.
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Aufdeckung einer vorgehi-hicLtl. Niederlajj&uiifr cic. iu Meckenheim, lfiö
Grab 14a.
Grube: I. 2,10, br. 1,80, t, 2,40. luhalt: 1) Kleine Silber-
münze, abgeb. VIII, 2. — 2) Boden eines rothgelblichen
fast fleischfarbigen, glatten Gefasses, vielleicht ähnl.
X, I; Bodeudurchschnitt X, i. Lage: auf "der »Sohle der Grube.
Bemerkung: Das Grab scheint bei der Anlage des Grabes 14 ge-
stört und beraubt worden zn sein, bei welcher Gelegenheit auch
wohl die Münze in den Fttllgrnnd gelangt sein kann. Allerdings
bleibt dabei zu berücksichtigen, dass der Gefässbodeu den Typus
einer Technik zeigt, welche iu der Karoliugerzcit zum Ausdruck
gelangte.
Grab 15.
Grube: 2,50 ]._. 1,80 br., 2.80 t. Inhalt: Beinkamm wie
VIII, 21. Lage: Sohle der Grube neben folgender Nummer. —
2) Irdener Topf wie X, 11, blausehwarz; Randdurchschnitt X, m;
Bodcndnrehsehnitt X, i; Ornament X, 25; Verhaltnisse fthnl. X, 11.
Lage: zerbrochen anf dein Boden der Grube. — 3) Gelbliche, hart
gebrannte Gcfiissscherbe von karolingiseheiu Typus. Bemerkung: Die
Grube schien in der Zeit zum Grabraube geöffnet worden zu sein,
in welche die gelbliche Scherbe gehört ; die Knoehenrestc lagen
durcheinander.
Grab 16.
Grube: 2,60 1., 1,70 br... 3 in t. Iifhalt: 1) E i sc np feil-
spitze wie VII, 10; I. 0,10. Lage: auf der Sohle der Grube. —
2» Eisen pl eilspitze wie VII, 1 1 ; I. 0,00. Lage: neben Nr. 1.
— 3j Kleiner Feuerse h lagst ein. Lage: Sohle der Grube.
— 4) Irdener Topf, hell oder oraugerotb, wie schlechte terra
sigillata der Römer; Gesammtform und Henkel sowie Ausguss X, 9;
Bauchung jedoch abgerundet wie X, 0; Randdurchschnitt X, 0;
Bodenplatte X, i; Ornament X, 22: ca. 0,185 h., 0,145 ob. Durch-
messer. Lage: Sohle der Grube; Fundstelle: in der Grube zer-
streut, zumeist auf der Bodennache. Bemerkung: Das Grab war
durch Grabraub zerstört worden, vielleicht bei der Beisetzung des
oberhalb der Grube angetroffenen, ohne alle Beigaben befindlichen
Skelettes. Dieses lag auf der rechten Seite, mit etwas gebogenen
Knicen, also so. wie man etwa einen ertrunkenen oder erstarrten
Menschen in eine Grube legen würde. Irgend einen Anhaltspunkt
zur Feststellung dieses Grabes habe ich nicht gefunden.
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■
16ß C'oiiMnntin Kocnon:
Grab 17.
Grube: Grenzen, da mehrere Male gcfSffnet, uubestimmt. In-
halt: 1) Eisernes zweischneidiges Lan^Hchwert der
gewöhnlichen Form (vgl. L i n d e n s c h m i t , Handbach der Deut-
schen Altcrtlmmskunde. Braunschweig 1880. 1. Tb. S. 226, Fig. 127,
jedoch ist der Griff etwas breiter und die Griffahschlussplatte wurde
nicht vorgefunden) mit eisernem, in der Form des Viertelkreises ge-
bogenem Schwcrtkiiopf (vgl. a. a. 0. S. 227, Fig. 137); Schneide-
läuge 0,81; Griff!. 0,12; Schneidchr. 0,05. Lage: an der rechten
Seite mit Griff nach dem Kopte hin, so das» Scheitelhöhe Ende
des Griffes bezeichnete. — 2) Ei seubesch lagplatte, stark
verrostet, daher Gestalt nicht festzustellen, vielleicht ähnl. IX, 1.
Lage: auf der Spatha, 0,22 unterhalb des Griffes. — 3) Achnl.,
nur in geringen Resten erhalten. Lage: auf der Spatha unterhalb
Nr. 2.-4) Eisernes einschneidiges K u r /. s c h w e r t wie
VIII. 12, jedoch ohne Schcidcnbesehlagreste; Scbneidenl. 0,45;
Griff!. 0,29. Lage: an der linken Seite des Todten, so, dass die
Spitze des Griffes der Beschlagplatte Xr. 2 gegenüber lag. 5) Eiserne
Beschlagplatte, nur in Resten erhalten. Lage: gleich unter-
halb des Griffes von Nr. 4. auf der Schneide. — (!) Eisen messer
ähnl. VIII, 14a. Lage: in stark verrostetem Zustande auf der
Schneide von Xr. 4, so dass Anfang des Griffes dem Anfange des
Griffes von Xr. 4 gegenüber lag. — 7 i Eis e n s p e e r s p i t /. e wie
VIII. 18, jedoch mit Verhältnissmässig längerer Sehaftröhre oder
kürzerer Schneide: Sclmeidcl. 0,13; Schaftrührl. 0,19: Schneidebr.
0,04. Lage: am Fussende rechts neben dem rechten Fuss, mit
Spitze nach unten. — 8 Eiserner Sc Ii i Id hu e k e I wie VII, <>.
nebst Xägeln der Schildwand aus Eisen: Dm. 0,18, h. 0,07; Lage:
rechts neben dem rechten Obersehenkel. - 9i Feucrschlag-
stahl wie VIII, 11: 1. 0,11. Lage: Lendengegend. — 10) Feuer-
seh lagst ein wie VIII. 10; I. 0,03. Lage: neben Xr. 9. —
11) Eisen sc beere wie VIII, 21: I. 0,1(5. Lage: rechte Seite
neben rechter Hand. — 12) Beinkamm mit doppelter Zahnreihe wie
VIII, 21. Lage: mit Scheere zusammengerostet wie VIII, 21. —
13) Irdener Topf, blausehwarz gedampft, ähnl. X. 11; Rand-
durchschnitt X. m: Bodendnrchsebnitt X, i; Verzierung X. 2ö. Lage: in
der Nähe von Xr. 11 in Bruchstücken. — 14 • G elblicher Scherben,
abgeb. X, 30, stark mit Sand vermischter Thon, ziemlieb hart, je-
doch keineswegs Steingut. Oberfläche durch die Sandhcimischuug
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Aufdeckung einer vorges>o.hiclitl. Nioderlan.suiig ete. in Meckenheim. 167
etwa« gekörnt, Dicke 8 mm, Verzierungen flach, aber scharf ein-
gedrückt nach karolingischer Art. Lage: im oberen Thcilc der
zweimal geöffneten Grube. — 15) Unterer Theil eines unten
abgerundeten Glasbecher» wie Jahrb. LXXXV1, Taf. XII,
Fig. 18. Lage: in der Nähe Nr. 13. Bemerkung: Die Grube war
zweimal geöffnet worden; der Scherben Nr. 14 rührt von dem
letzten Füllgrund der Grube her, dahingegen schien beschriebener
Grabinhalt der älteren Lage anzugehören. Ob da» zweimalige
Oeffuen der Grube von» Grabraube herrührt oder von späterer Bei-
setzung, welche letztere in der oberen Lage des Füllgrundcs bald
vermodern konnte, habe ich nicht feststellen können.
Grab 18.
Grube: 1. 2,00, br. 1,70, t. 3 m. Inhalt: Thon perle wie
V, 3. Lage: vereinzelt auf der »Sohle. Bemerkung: Die Knochen
lagen zerstreut in der Grube; der Grabraub ist dadurch festgestellt.
Grab 11).
Grube: t. 1,30, übrige Grenzen in dieser Höhe unbestimmbar.
Inhalt: 1) Eiserne G UrtclschnallenUberrcste. Lage:
Lendengegend. --2) F euer seh lagstahl wie VIII, 11. Lage:
Lendengegend. — 3j Fe u er sc h 1 a gs t c i n. Lage: bei Nr. 2. —
4) Eiserne Pfeilspitze wie V II, 11 , stark verrostet. Lage :
am Kopfende der Grube. — öi Desgl., Lage: ebendas. — 6) Reste
eines Bein kämm es mit doppelter Zahnreihe wie VIII, 21. —
7i Irden er Topf, ähnlich X, 10, blauschwarz; Randdurchsehnitt
ähnlich X, d: Bodenplatte X, i: Verzierung ähnlich X, 14, jedoch
bedeutend kleiner. Fundstelle: Fussende, in der Nähe von Nr. 6.
Bemerkung: Diese» Grab lag auf dem folgenden.
Grab 19a.
Grube: 1. 2,«iU, br. l,t>8, t. 2,40. Inhalt: 1) E i sc ns c h cere
ähnlich VIII, 21. Lage: im FUllgrnndc der Grube. — 2) Unbe-
stimmbare Eisen res te. Lage: wie Nr. 1. Bemerkung: Es
konnte der Grabraub festgestellt werden; oberhalb lag Grab 19.
Grab 20.
Grube: 1. 2,40, br. 1,80, t. 2,70. Inhalt: 1) Eisernes
einschneidiges K u r /. r c h w c r t nebst Lederresten der Scheide
und auf dieser vcrthcilten Zicrkuö'pfen und Zierstiftchen, abgebildet
VIII, 14. Diese Abbildung wurde von mir in der Grobe angefertigt
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IM ConsUnCin Koencn;
und entspricht der ungestörten Lage jedes einzelnen Gegenstandes.
In der Mitte des Griffes sehen wir das Mundstück der Scheide, ein
Metallbleehbcschlag, der sich nach dem Rtlcken des Schwerte« hin
erweitert. Der Rand der Seheide, welcher der Sehneide zunächst
liegt, ist eingefasst von kleinen Erzstiftcn mit gewölbten Köpfen,
wie VIII, 5 a einen solchen darstellt. Zwischen diesen vcrtheilt
sind halbmondförmige Zierknöpfe, wie einen solchen VIII, 19 in nat.
Gr. in vorderer und 19a in der Seitenansicht 7-eigt; Schueidelängc
0,31; Schneidebreite 0,07 ; Grifflänge 0,125; Ueberragen des Leders
der Scheide 0,02; Schwertscheidenbreite 0,09. Lage: an der linken
Seite des Skelettes. — 2) Kleinere Art des S a x, abgeb. VIII,
14a, Schueidelängc 0,16; Grifflänge 0,05; Schneidebreite 0,02.
Lage: wie die Abbildung zeigt. — 3:- Eisen bese h läge des
Gürtels, abgeb. 14b— 14d, von denen 14b offenbar die Beschlag-
platte des fehlenden Gürtclriiige* zeigt; dieses Eisonstflck ist mit
fünf Messingbnckeln beschlagen, 1. 0.09, br. 00,4. Lage: wie ab-
gebildet; Fig. 14d zeigt ein Stück des Gegenbcschlages, auch dieses
scheint ursprünglich zwei Messingknöpfehen gehabt zu haben; 14c
flihrt das Mittelstück des Gürtels vor: 1. 0,05, br. 0,55 cm. Lage:
wie die Abbildung zeigt, wobei jedoch bemerkt wird, dass I4d der
Raumgewinnnng wegen mit dem Kurzsehwert Xr. 12 zusammen-
gebracht ist. Neben diesem abgebildeteten Eisenstück fand sich
noch ein Eisenlwschlagrcst , welcher mit Mcwingbuckcln verziert
war, derselbe schien mit 14d zusammen die Form 14b zu ergeben.
— 4) Er zb esc Ii läge des Gürtels, wie einer VIII, 16 in
vorderer und Seitenansicht in nat. Grosso abgebildet ist. Wir sehen
auf der Mitte des Kurzschwertes einen mit Oese versehenen Erzbeschlag
und in gewissen Abständen von diesem finden sich unter e— g, in
rechtwinkliger Lage zum Kurzsehwerte, drei weitere; ein vierter
wurde in 0,065 Abstand von dem zuletzt beschriebenen und zwar
in derselben Linie angetroffen. Diese Er/.besehläge erstrecken sich
in der beschriebenen Lage über einen Kaum von 0,33 in. ebenso
die Eisenbeschlagplatteu. Unsere Erzbeschläge zeigen drei Heft-
nägel, welche beweisen, dass die sclinppcntormigen l'Iättchen an
dem unteren Theile einer lorica befestigt waren, wie wir solche bei
dem von L i n d e n s e h in i t (Handbuch der Deutschen Alterthums-
kunde, Rraunsehweig 18H0, S. 263, Fig. 199) dargestellten Hilde
finden. Andererseits wird man auch an den zweiten Lederriemen
erinnert, welchen der römische Legionär neben einem breitereu, der
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Aufdeckung (jiner voij*«-silm-htl. NicdciiHSMiug etc. in Meckenheim. H>t>
zum Halten «Ick Kur/schwertes diente, als Dolehriemen benutzte
(a. a. 0. S. 373, Fig. 384 ist eine Abbildung dieser Art). Eine
dritte Möglichkeit, diese Metallplatten als Beschläge von Ledcr-
riemen zu betrachten, die von dem Gürtel ausgingen oder herali-
hingen, welchem die schweren Eisenplatten angehören, erscheint
weniger bemerkenswert!!. (Ausführlicheres Ober diesen Gegenstand
vgl. a. a. 0. 8. 349 f.) Es bleibt allerdings zu berücksich-
tigen, das» der fränkische Gürtel auch dem Bciukleide diente,
während der römische für die Waffen allein bestimmt war. Die
wiedergegebone Lage ist jedenfalls sehr zu beachten, weil die
Eisenplatten 14b — 14d wohl zweifellos eine Gürtelschnallen- Vor-
kehrung wie IX, 10 voraussetzen, da auf 14c thatsächlich Reste
gefunden wurden, welche auf eiuen schweren Schnallenring nebst
Zunge zu sehliessen gestatten und 14d. wie schon gesagt, der Form
von 14b ähnlich oder gleich war. Die Metallbleche lagen also da,
wo die Gürtelschnalle ihre Stelle hatte und 14f fand sieh unterhalb
des Schnallenringes auf der Platte 14e, durch welche Lage sich
14c wiederum als Beschlag ergibt, der ehemals auf dem Rücken
des Todten die Mitte des Gürtels zierte, ähnlich dem Mittelstück
des von Lindensehmit a. a. O. S. 355, wiedergegebenen
Tyroler Gürtels. — 5, Eiserner Schildbuckel mit kegel-
förmiger Platte, abgeb. VIII. 15, Durchmesser 0,1«, h. 0,08. Lage:
an der linken Seite des Todten. — «) Eiserne Breitaxt wie
VII, 13; Axtbelm liegt der Schneidenlitte gegenüber; 1. 0,17;
Schneiden!. 0,13; Schaftrüekenbr. 0,04. Lage: rechts neben dem
Skelette nach oben. — 7) F c u er sc Ii I ags t a h I ähnl. VIII, 11.
Lage: Lenden.-—*) Fe ucrschlagstein. Lage: bei Xr. 7. 9)
Ei seninst mm ent ähnl. VIII, 23 und IX, 0. - lOi Bein-
kamm mit doppelter Zahnreihe wie VIII, 21. Bemerkung: Auf
und nnter dem Schwerte fanden sieh Ilolzreste und Lederspuren,
welche zeigten, dass die Scheide aus Holz und mit Leder be-
sehlagen war.
Gral, 21.
Grube: I. 2.50. br. 1,«0, t. 2,50. Inhalt: 1; Eisenspecr-
klinge ähnl. VIII, 1 H, stark verrostet. — 2) G ü r t c 1 b e s c h 1 a g-
platte aus Eisen, auch nur in Resten vorgefunden. — 3) Hals
eines gelblichen Kruges ähnl. X, 5, ziemlich hart gebrannt. Lage:
in der Grube zerstreut. Bemerkung: Xr. 1 und Xr. 2 lagen regel-
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170
Con s t ;i Ii I i ti K neuen:
massig bei einem iu ungestörter Lage befind liehen Gerippe, dahin-
gegen schien Nr. .'I eher zu dem unterhalb dieses regelmässig ge-
legenen Skelettes angetroffenen beraubten und gestörten Gerippe zu
gehören. Es bleibt zu berücksichtigen , das» dieses untere Grab
ein Frauengrab, während vorbesprochencs ein Mäuncrgrab ist.
Grab 21a.
Grube des Grabes 21. Inhalt: 1) He in kämm mit viel-
leicht doppelter Zahn reihe und zwei Met all beschlag-
streifen, abgeb. VI, 1 in natürl. Grösse. Wir scheinen es hier .
mit einem jener nach Lindensehmit (a. a. 0. 8. 317) nur in
einem Stücke aus den Gräbern von Pfullingen bekannten Kämmen
mit seitlich fest angesetztem Griff zu thun zu haben, denn an dem
einen Ende sehen wir oben auf und in gleicher Kichtung unter dem
Kamme liegend, den dargestellten Mctallstrcifen in zwei Exemplaren,
ursprünglich vielleicht mit denselben Nietstillten befestigt (sie wurden
lose zusammen angetroffen , zwischen sich den Kamm , wie abge-
bildet, haltend), während der freie Raum zwischen Zahnreihen und
halbmondförmigem Scitenstllek des Kammes Spuren zeigte, welche
ebenfalls von einer Knoeheiiplatte herrührten. Es würde sieh so ein
Griff ähnl. dem von Lindensehmit ta. a. O. S. .'Jlö, Fig. 254)
dargestellten Griffkaumi ergeben, der allerdings nur einzeilig ist
und dem die Metallstreifen fehlen. Es kann aber auch sein, dass
die Mctallstreifen auf eine Art Seheide deuten, die zum Einsehlagen
bestimmt war. An dem, das andere Ende des Kammes begrenzen-
den kürzeren Beschläge haften Lederreste. Ob an letzteren der
Kamm befestigt war. lässt sieh so nicht entscheiden: es kann so-
gar wahrscheinlicher der Kamm ein einzeiliger gewesen sein, so
dass die etwas zu zahnartig wiedergegebenen, oberen Stacheln einen
anderen Zweck hatten, als als Zähne zum Kämmen zu dienen. Wo
sich an dem den Lederstreifen zeigenden Ende jene Kreisverzie-
rung befindet, hat ein Nietknopf gesessen, wie an dem anderen
Ende, die Befestigung des Kammes an einem Kiemen wird dadurch
noch wahrscheinlicher. Lage: neben dem linken Unterschenkel,
etwas oberhalb des Fiissgelenkes nnd zwar lag das kürzere, mit
Leder versehene Metallstüek nach oben, der Hand zu gerichtet, ge-
nau in dem gezeichneten Verhältnisse zu den übrigen Theilen des
Kammes. — 2; M e t a 1 1 s e h n a 1 1 e mit dem Beschläge aus
einem Stück gearbeitet, abgeb. VI, 4 in natürl. Grösse.
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AuMcekunjr einer vor^CM-liMitl. N'inlcrlnssunjf etc. in Meckenheim. 171
Lage: anf dem linken Fusse des Skelette« mit dem Ring nach
aussen gerichtet. Sie zeigt in dieser Lage deutlich, dass sie nicht
zum Gürtel gehören kann, wie L i n d e n 8 c h m i t (a. a. 0. S. 362)
bereits mit Recht vermnthet hat, sondern sie ist zu dem Scbuh-
oder Riemenwerk des Fusses gehörig anzusehen und kann vielleicht
in Verbindung mit folgender Figur gestanden haben. — 3) Metal-
lener znngenf'öriniger Hcschlagühnl. dem V, 3 auf der Zierscheibe
liegenden, jedoch schlichter, oben gespalteu und Lederreste haltend,
1. 0,05, br. 0,12. Lage: dicht an die rechte Seite des linken
Fusses anschliessend und muss deshalb wohl in Heziehung zu Nr. 2
als Sehnhriemenzunge betrachtet werden, „da", wie schon Linden-
sch mit (a. a. 0. S. 349) wahrgenommen hat, „kleine Zierbe-
schläge der Schuhbänder, namentlich in Frauengräberu, oftmals bis
zum Knöchel herab liegend gefunden wurden", obgleich Nr. 2 und
Xr. 3 in der vorgefundenen Lage auch recht gut geradezu als Schnalle
mit Zunge betrachtet werden könnten, die das obere Hand eines
Schuhe«, wie des von L i n d e n s c h m i t (a. a. 0. S. 348, Fig. 291)
abgebildeten, geschlossen hat. — 4) Mit M e t a 1 1 k n ö p f e n be-
setzter Lederstreifen, in nat. Grösse abgehildet VI, 2, einen der mit
Dorn versehenen Knöpfe oder Metallbuckeln zeigt VI, 2 ebenfalls
in nat. Grösse. Wir sehen hier zum ersten Male die Muster, welche
jene vielfach in der Nähe des Gürtels angetroffenen Knopfstifte
(Lindcnsc hmi t a. a. O. S. 3ööi gebildet haben. — b> Reich
ornamentirter M c t a 1 1 h 1 e c Ii s t r c i f e n VI, 16 in nat (Irl.
Grösse abgebildet. Die Verzierungen sind von der Rückseite aus
geprägt, das Metall ist papierdunn. Vielleicht haben wir es hier
mit dem ßalkeu eines Kreuzes ähnlich dem von L i n d e n s c h m i t
a. a. 0. Taf. XXX i abgebildeten zu thun. ■ - 6j Irdener
Spindclstein mit eingefurchten Gnrtlinien, abgeb. VI, 12 in
nat. Grösse in Ober- und Seiteuansicht. Lage: linker Unterarm
des Todten. — 7] Löffel eben aus Erz, abgebildet in natürl.
Grösse VI, 8; an dem Stil befindet sich eine Oese und an dieser
ein Ringelchen; die Schale ist mehrfach regelmässig durchbohrt
( vgl. Uber derartige^Vorkommnisse L i)n d e n s c h m i t a. a. 0. S. 460,
Taf. XXV). — 8) Stil eines M e t a 1 1 i n 8 1 r u m e n t e s, derselbe,
ähnlieh dem Stil des Ivöffelchcns Nr. 7, zeigt mehrere Gruppen
concentrischer Gurtlinien, I. 0,036. In Verbindung mit Nr. 7 an-
getroffen , könnte es recht wohl ein Ohrlöffelchenstiel sein. — 9)
Römische, abgeschliffene, oben durchbohrte Mittel-
172
C'oti an tin Kfu iii n:
crzmUnze der früheren Kaiserzeil. Bemerkung: Dieses ursprüng-
lich jedenfalls rcieh augestattete Frauengrab ist bei der Anlage des
oberhalb desselben errichteten Männergrabes Xr. 21 zweifellos be-
raubt, die, ihrer Lage nach nicht näher bezeichneten Sachen sind
gestört worden.
Grab 22.
Grube: 1. 2,70, br. 1,50, t. 2,00. Inhalt: He wegliche
Schnalle, die mit einem Beschläge verbunden ist und am Schnallcn-
ringe den durch eine Oese befestigten Dorn zeigt, abgeb. in nat.
Grosse IV, 6. Lage: Lenden, mit dem Ringe nach der rechten Seite
hin gerichtet. — 2) G e »"> f f n e t e r Armring aus Erz, vor dem
geöffneten , an jeder Seite des hier sich erweiternden Riuges drei
Gruppen concentrischer (Jurtlinien angebracht, abgeb. in nat. Gr.
IV, 8. Lage: bei dem vermoderten linken I'nterarmknochen. —
3} Metallener Öhrring mit kegelförmigem Ziergehänge aus
Bein, abgeb. in natllrl. Grösse IV, 1 und 2. Lage: Kopfseite des
Skelettes. — 4) S e Ii in u c k p e r 1 e n k e 1 1 e. abgeb. IV, 3, herge-
stellt aus Thon, Porzellan, farbiger F ritte; grüne und rothe Farbe
herrschen vor. Lage: in der Brustgegend. — 5, Geöffneter
Erzhlechring, vielleicht als Fingerschmuck benutzt, abgebildet
IV, 12. Lage: vereinzelt im Füllgrund. — 6t Flacher Erz-
ring, abgeb. in uat Gr. IV, 0. Lage: wie Xr. 5. — 7> Rest
einer Eisense beere wie VIII, 21. Lage: unterhalb Xr. 2 an
der linken Seite. K) Doppel leiste eines Beinkammes
mit Punkt kreisen und Bändern verziert, abgeb. in uat. Gr. IV, 5.
Lage: neben Xr. 7. - 0i V c n u s m u s e Ii e 1 r e s t. abgeb. in ver-
kleinertem Maassstabe IV, 5a. Lage: etwas unterhalb Xr. 7. —
10) Zier Scheibe ans Erz mit Einfassungsring aus Bein und
Lederrest, abgeb. in natllrl. Grösse IV, 0. Lage: neben dem Pnss-
gelenk des linken Beines, älml. V, 1 und III, 0. Die Gegenstände
Xr. 7 bis Xr. 10 scheinen an einem gemeinsamen Lederstreifen oder
Baude befestigt gewesen zu sein, das von den Lenden bis zum
linken Fussgelenk reichte. — Mi Irdener Topf, blauschwarz
gedämpft mit dünnen Wänden, die nicht sehr fest sind, ähnlich dem
Gelasse IV, 10. Randprotil X, o: Bodenplatte X, i: Ornament X, 25;
Dm. <}'/'.,. Ii. 12 cm. Lage: rechts neben dem oberen Theile des
rechten Unterschenkels. — 1 2 1 Irdene S e h a 1 e von hartem Back-
werk, gelblicher Farbe, dünnen Wänden, abgeb. IV, 7; b. 55 cui ;
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Aufdeckung «-hin- vorgeschirlitl. Niederlassung- etc. in Meckenheim. 173
Diu. 0,15. Lage: nebe» dem rechten Unterschenkel, etwas ober-
linll) dein Fnssgelenk; Randprofil älml. X, p: Bodenplatte X, i.
G rab 23.
(!rube : 1. 2,40, br. 1 ,80, t. 2,60. Inhalt : Irden e r S p i n d c I-
stein, abgeb. IX, 16 in vorderer und Seitenansicht resp. Qucr-
durehsehuitt ; Dm. 0,045; h. 0,0 IT). Lage: gestört. — 2) Kette
aus zwölf Perlen von Thon und Glas unter Anwendung farbiger
Fritte de« Typus IV, 3; rothe Farbe herrscht vor. Lage: Hals-
gegend, jedoch gestört. 3'l B e i n k n in ni mit doppelter Zahn-
reihe wie Vm, 21; I. 0,00-, br. 0,045; Kuoehenleiste 0,015 breit.
Lage : gestört. — 4) E n d b c s c h 1 a g s t (I c k eines Leder-
riemens, ähnl. V, 3 (auf Zierseheibe), jedoch fehlen die Halt-
stifte. Lage: I. 0,38 mm; gestört. — 5; Kleines irdenes
Top f eben, in der Gestalt X, 6 ähnlich, jedoch Randprotil wie
das von X, e, Rodenplatte X, i, Farbe schwarz, gedämpft, h. 0,06.
obere Ocffhung 0,03. - Lage: gestört. — 6) Ohr ring re st ans
Metall, glatt, an einer Seite zu einem Haken gewunden, au der
anderen durchbohrte Oese zeigend, ähnl. dem von Lindeuschmit
*a. a. O. X, 13), Dm. 31 mm. Bemerkung: das Grab war beraubt
worden. In dem Räume der älteren Grube zeigte sieh deutlich die
Grenze des bei der Beraubung gestörten Hodens. Die Ecken der
alten Grube waren stehen geblieben.
Grab 24.
Grube: 2,60 I., 1,50 br., 2,80 t. Inhalt: 1) Speer eisen
wie VIII, 18; 1. 0,32. Lage: rechts neben rechtem Fuss mit Spitze
nach unten. — 2) Einschneidiges K u r z s c h w e r t , nur in
ganz unbedeutenden Eisentheilen und den Resten der Lederscheidc
sowie deren Zierscheibeu und Zierstiftchen vorgefunden. Diese
Zierplatten gleichen den VIII, 19 dargestellten: sie sind glatt und
völlig kreisförmig , lagen auch so wie jene in Verbindung mit den
Stiftchen vertheilt. Lage: neben linker Hüftseite. — 3) Rest
einer eisernen Pfeilspitze ähnl. VII, 10. Lage: an der
rechten Seite des rechten Oberarmes. — 4) Reste eines Bein-
kainmcs mit doppelter Zahnreihc wie VIII, 21. Lage: unterer
Theil der Grube. — f>) Irdener Topf, ähnl. X, 10; Raudprofil
X, in; Bodenplatte X, i; Ornament X, 24, jedoch quadratische
Grübchen der Grösse wie X, 23 zeigend; Ii. o,l(». Lage: zwischen
den beiden Unterschenkeln. - - 6 1 R e s t einer k 1 e i n e n R i e m e n-
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174
Coustunt in Koenen:
/. u n g o. Lage: neben Nr. 5. — 7) E i 8 e r n e G tl r t c 1 s e b n allen-
rcste. Lage: Lenden. — 8) Irdener Spindclstcin ähnlich
III, 8. Lage: im Füllgrimd der Grabe. — 9) Krachst ticke
eines hart gcbackciien gelbliehen Topfes, dessen
Kodenplatte X, 1 gleicht, Randprofil ähnl. X, i, jedoch in weiterem
Kogen sich wendend und dann scharfkantig ausladend und oben
ein feiucs Stäbchen zeigend. (Es gehört mit zu den uaclunerowin-
gisehen Typen, wie X, h und die Ornamente X, 30, .'$1 und 27.)
Kemerkang: Die Grube Hess ein zweimaliges Ocffncn deutlich er-
kennen. Kei diesem sind augenscheinlich der Spindelstciu Xr. 8
uud die Kruchstüeke Nr. 9 in da« Grab gelangt. Der Scherben
Nr. 9 hat den ältesten karolingisehen Typus wie die von mir in
der „Westdeutschen Zeitschrift" VI, 355, 2 genannten Gefässc von
Duisburg, welche Konner Jahrbücher LH, S. 33 bis 44 besprochen
und Taf. VI und VII zwischen Gelassen älteren Typus abgebildet
sind. Diese mit den unsrigen übereinstimmenden Thouarbeiten
konnte ich (a. a. 0. S. 301 und 3Ü2) in die Zeit von «90 bis 785
setzen, sodass also damals, in der früheren Zeit der Karolingen, die
Keraubung der Grabstätten erfolgt wäre.
Grab 25.
Grube: 2,3t) 1., 2 br., 2,50 t. Inhalt: 1) Eiscureste einer
Gürtelschnalle kleinerer Art. — 2) Irdener Topf, abgeb. X, 6, Rand-
profil ähul. X, m; Kodenplatte X, 1; Ornament X, 21; h. 0,13. Der
Thon zeigt gebrannt eine zicgclrothe, der orangerothen Siegelerde
durchaus ähnliche Farbe, mittelmässige Härte. Bemerkung: Die
Gegenstände waren gestört, der Kopf des Skelettes fehlte. Wir
haben es hier mit einem durch Grabraub gestörten Todteuhause
zu thun.
Grab 26.
Grube: 2,50 1., 1,50 br., 2,30 t. Die ersten Sparen der Grube
kamen in einer Tiefe von 1,40 m zum Vorschein. Inhalt: 1) Me-
tallener Sehnallenring von der Form des grossen eisernen
VII, 2, jedoch ohne Keschlagplatte; an der Stelle, wo die nicht
vorhandene Zunge angesetzt hat, befinden sich Eisenreste, vielleicht
von dem Dorn herrührend; Dm. 0,04, br. 0,02. Lage: Lenden. —
2) Kette ans acht Perlen, zumeist eylindrischcr Form des
Typus IV, 3. Lage: neben Nr. 1. — 3i Perlenkette ans 29
Eiuzelperlen bestellend, hergestellt ans gelbgefärbtem Thon, farbiger
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Aufdeckung einer vorgeschiclill. Niederlassung etc. in Meckenheim. 175
Fritte, Glas, Porzcllanmassc ; gelbe uucl rothe herrschen vor. Lage:
Halsgegend. — 4,i Rein kämm mit doppelter Zahnreihe wie
VIII, 21. — 5) Irdener Topf von schwarzblau gedämpfter
Farbe, abgeb. X, 11; Raudprotil X, b; Bodenplatte X, i; Ornament
X,,25. Lage: neben rechtem Fuss des Todten, zusammen mit dem
Kamm Nr. 4. — ß) Zwei völlig in Rost Übergegangene
Ei sent heile. Lage: rechts vom linken Kniegelenk und unter-
halb des rechten Fusses. Bemerkung: Nach den Knochenresten
halMMi wir es hier allem Anscheine nach mit einem Kindergrabe zu
thun. Am Kopfende durchschnitt das Grab eine der vorgeschicht-
lichen Brandgruben.
Grab 27.
Grube: Grenzen ähnl. wie Grab 2ß. Inhalt: 1) Fast völlig in Rost
übergegangene eiserne Gtlrtelh esc h läge. Lage: Lenden. —
2) VierMetallknöpfe nebst Resten einer Schwert-
scheide. Lage: uebeu linkem Unterarm. — 3) Reste einer
Ei seil speerklinge ähnl VIII, 18. Lage: neben rechtem Fuss-
gelenk mit Spitze nach unten. Bemerkung: Der Inhalt hatte sehr
durch Rost gelitten, vom Schwert nur noch geringe Reste erkennbar.
Grab 28.
Grube: 1. 2,20, br. 1,50, t. 2,50. Inhalt: 1) Irdener,
ziemlich hart gebräunter Krug, abgeb. X, 5; oberes Aus-
gussprofil X, a; Bodenplatte X, i; gelbliche graue Farbe, etwas in
das Röthliche übergehend. Lage: Fussgegend des Todten. —
2) Irdener kleiner Topf, abgeb. X, 17, dünne harte Wände
von Aussen mehr gelbliche, im Innern mehr röthliche Farbe
zeigend. Lage: neben Nr. 1, h. ß3 mm. — 3) Bruchstücke
von zwei weiteren Ge fassen. Lage: zerstreut in der Grube.
— 4) Beinkammrest mit doppelter Zahureihe, ähnl. VIII, 21.
— 5) Durchlöcherte unkenntliche römische Bronze-
münze. Bemerkung: Die beschriebenen Sachen schienen Resto
eines Grabes zu sein und zwar schienen die leiden zuerst beschrie-
benen Gefaasc von einem später in die Grube gesetzten Leichname
herzurühren, während die übrigen Sachen älteren Todten ange-
hörten.
Grab 29 (Taf. IV).
Grube: 2,70 1., 1,50 br., 2,40 t. Inhalt: 1) Zwei Ohrring-
reif enr est e aus Metall mit kugeligem, durch Filigranring
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17t;
CoiistJintiit Koencn:
verzierten Anhängsel, abgeb. iu natürl. Grösse IV, 15. Lage:
Ohrgegend, wie Grab 1 7 -zeigt. — 2) S e h m u c k k c 1 1 c aus
Perlen von buntfarbigem Schmclzglas mit Mosaikeinlagc , aus
Thon uud aus Bernstein, abgeb. in natltrl. Grösse IVr, 13. Lage:
Halsgegeud. — 3) Scbeibcnfibcl aus Erz mit sehr dünner,
aus Silberblech geprägter reich omamentirter Vonlerplatte. Der
Zwischenraum der beiden Platten ist durch Kittmasse ausgefüllt.
Eine ähnliche ist abgebildet Jahrb. XXXVI, Taf. XIII, 17. Grösse
der Fibel 3 cm. Dieselbe ist nur in geringen Resten erhalten.
Lage: Mitte der Brust. — 4) G 1 a 1 1 e r g c ö f f n e f c r A r m r i n g aus
Erz, in nat. Grösse abgeb. IV, 10. Lage: linker Unterann, Hand-
gelenk, wie IV, 17 zeigt. — - 5) Metallener Fingerring mit
eingravirtem Schmuck abgeb. IV, 14 in nat. Grösse. Lage: Mittel-
finger der linken Hand. — f>) Vier dicke P e r I e u , die erste
ist rother Thon mit weiss eingegossener Porzellan-Masse, die zweite
Perle ist rother Thon mit weissen Tupfen, in deren Mitte Glas-
flüsse eingelassen sind. Achnlich sind die beiden übrigen Perlen.
Lage: einzelne Perlen fanden sich von der Halsperlenkette abwärts
bis unter das Becken vor, hier erschienen die vier dicken Perlen
in Verbindung mit Nr. 7. — 7) Zwei platte Metallringc,
Durchmesser ca. 1'/, cm. Lage: im Anschluss an die vier dickeren
Perleu unterhalb des Beckens. — 8) Stark verrosteter E i s c n t h e i I,
vielleicht Schlüsselrest ähnlich VIII, 18. Lage: links von Nr. 7
neben dem oberen Theilc des linken Oberschenkels. — 9) Bein-
kamm mit doppelter Zahnreihe wie VIII, 21. Lage: neben dem
oberen Theile de« rechten Oberschenkels. — 10) Eisen beschlag-
reste des Todtenschutz-Holzwerkes abgeb. IV, 17.
Wir sehen zunächst am Kopf und am Fussende je vier eiserne Eck-
beschläge, dann, auf der Mitte des Unterschenkels und auf den
Köpfen de* Oberarmes liegend, dicke eiserne Bänder, welche
zu einem Knie gebogeu sind und dann in zwei horizontal gerichtete
Arme auslaufen. Das obere Eisenhand hat 0,01 ni Länge, das
untere O,of> m; beide sind durchschnittlich 2 cm breit; die Ent-
fernung von dem oberen Rande bis 'zu den Querannen beträgt
0,11 ein. Die oberen Eckbeschläge liegen von dem oberen
Quereisen 0,28, die unteren Eekbeschläge von dem unteren
Quereisen 0.39 m entfernt. Der ganze von den Eckbeschlägen ein-
genommene Raum beträgt somit 1,61 in. Es kann sein, dass wir
hur nulit Reste eines eigentlichen Holzsarges vor uns haben,
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Aufdeckung einer vorgeschichtl. Niederlassung etc. in Meckenheim. 177
sonderu mehr die Beschläge und Trageisen de» lignum iusuper
p o h i t n tu, welches nach bayerischem Volksgesetz den todten Körper
vor dem Füllgmud der Grube schützen sollte ( vgl. L i n d e nxch mit
a. a. 0. S. 98), indem dasselbe den Todten kastenförmig bedeckte.
An den Eiscntheilen hafteten noch grössere Stücke von Holzdiclcn,
dahingegen fand ich nirgendwo eine Spur von Nägeln. Jedenfalls
war auch dieser Holzkasten, wie die Maasse angeben, am Kopfende
breiter als an den Füssen.
Grab 30.
Grabe: 1. 2,40, br. 1,72, t. 2,70. Inhalt: Eisernes Kurz-
schwert ähnl. VIII, 5, Klinge stark verrostet, bei der Schneide
vier glatte Knöpfe der Scheide; Schneidet. : 0,26. Lage: neben linker
IIüft8eite. — ■ 2) Metallene Schnalle nebst G c gen be-
seht ag, eigentlicher Schnallenring fehlt. Beschläge in der Form
eines nn regelmässigen gleichschenkeligen Dreiecks sind mit halb-
kugeligen Hcftnägcln verseilen , zwei sind an der vorderen Seite
der Beschläge gegenüber dem Schnallenring angebracht, der dritte
an der Spitze. Die Beschläge sind ähnl. den Jahrb. LXXXVI,
Taf. XIII, Fig. 11 und 12 abgebildeten; verwandte Typen, vgl.
Lindensch mit, Handbuch, Taf. V, Fig. 348, nebst Gegen-
beschlägen, jedoch nur in der Gesammtform ähnl. Taf. V, 346.
Lage: Lenden. — 3) Irdener Topf von blausehwarz gedämpfter
Farbe ähnl. X, 11; Randprofil X, in; Bodenplatte X, i; Ornament
X, 25. Lage: in Bruchstücken neben Nr. 3. — 5) Unbestimm-
bare Eisenreste, vielleicht von einer Lanze herrührend. Be-
merkung: Auf der Grube lag ein Skclet ohne Beigaben.
Grab 31.
Grabe: 2,56 1., 1,75 br., 2 t. Inhalt: Eiserne Speerklinge
nebst durchbrochenem cylindrischem Beschlag, ähnlich VII, 5. Lage:
vereinzelt auf der Sohle mit Spitze nach unten gerichtet. Bemer-
kung: Es fanden sieh die Knochenreste zwar durcheinander, jedoch
so, das» es aussah, als habe man Iiier einen Todten in ein älteres
Grab gelegt, als sei bei dieser Gelegenheit jenes beraubt und ge-
stört worden und habe später ein Grabraub auch den zweiten
Todten gestört. Ein Thierknoehen sowie eine dicke gelbliche
Scherbe, welche sich fanden, gehören wohl nicht mit Sicherheit zu
dem Grabinhnlte, sondem sie können bei einer der Beisetzungen
zufällig in die Grube gelangt sein.
Jahrb. d. Vor. v. AlU-rtlisfr. im Klitiul. XC1I. J«J
178
Constautiu Koenen:
Grab 32.
Grabe: 2,55 1., 1,75 br., 1,90 t. Inhalt: 1) Bein kämm
mit einer Zabnreihe, abgeb. V, la. Lage: Mitte des Oberschenkel*.
— 2) Irdener Becher, abgeb. V, lh, blauschwarz gedämpft,
Verzierung äbnl. X, 19. Lage: wie Abbildung zeigt, neben dem Gelenk
des linken Beines. Die Höhe des Gefässes beträgt 0,17 m. —
3) K 1 e i u e r M c t a 1 1 r i n g, aus Draht gewunden, daran befestigt ist
ein stärkeres Mctallgewinde, abgeb. V, 1. Lage : neben linkem
Kniegelenk. — 1) Eisenschhlssel, abgeb. V, 1; 1.: 0,11. Lage:
au dem unteren Ende von Nr. 3, anscheinend au diesem 0,08 m
langen Gewinde befestigt. — 5) Metallener B c s c h 1 a g s t r e i f e 11
ähnlich der Riemenzunge, oben mit zwei Heftknöpfchcn versehen,
1. 55 em, abgeb. V, 1. Lage: unterhalb Nr. 4. — 6) Metallenes
B c s c h 1 a g p 1 ä 1 1 e h e n mit vier Hcftknöpfchcn versehen, 25 mm 1.
— 7) Zwei Metall blech streifen wie Xr. 5. Lage: wie
abgebildet auf den Schmalseiten ruhend , so dass die Breitseiten
mit den .Seitenwänden des Grabes gleich gerichtet waren. —
8) Durchbrochene Zierscheibe aus Metallblech von einem
Beinrahmen ciugefasst, 0,10 m Dm. Auf der Scheibe und uuter
derselben liegt wieder ein Metallblcchstreifen wie Xr. 5, abgebildet
V, 1. Bemerkung: Die unter X bis 8 angeführten Sachen lagen
in einer Weise neben dem linken Beine des Skelettes, dass es so
aussah, als gehörten sie zu einem gemeinsamen Gehänge, welches
unten in die Scheibe mündete, aHein es lassen sieh die Metallblcch-
streifen vielleicht auch als Endstücke einer Art von Zierbändern
erklären, welche dort herabhingen, während die Scheibe ebenfalls
au einem solchen Bande besonders befestigt war. wie auch der
Schlüssel. Die übrigen Thcile des Skelettes waren gestört , viel-
leicht durch das in höherer Lage angetroffene Grab ohne Beigaben.
Grab 33.
Grube: 2,63 1., 1,74 br., 2 t. Inhalt: Eiserne Speerklingc
ähnl. VIII, 18, jedoch stark verrostet. Lage: rechte Seite am
Fussende mit Spitze nach unten gerichtet. Bemerkung: Ol» auch
hier der Grabraub erfolgte, konnte nicht ermittelt werden.
Grab 34.
Grube: 2,54 1., 1,76 br., 2,10 t. Inhalt: Gestörte Skeletrcste,
einige Scherben der Karolingerzeit lagen in 1,50 m Tiefe, während
2,10 tief Seherben eines Merowingertopfes ruhten. In höherer Lage
fand sieh ein Skelet ohne Beigaben.
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Aufdeckung einer vorgcschichtl. NicdcrlÄSsunjr cto. in Meckenheim. 179
Grab 35.
Grube : Verbaltnisse wie Grab 34. Inhalt : 1 ) E i s e n nie s s e r-
chen ahnt. IX, 15. Lage: Brost eines Skelett in 1.40 n» Tiefe,
welches auf Grab 35a lag.
Grab 35a.
Grabe : vgl. Gral) 35. Inhalt : 1 ) S c h m u e k p e r 1 e n k e 1 1 e,
26 Perlen wie IV, 13, darunter rinden sieh drei Bcrnstcinperlcii; bei
dein Bunten der im Allgemeinen kleinen Perlen herrscht rothe Farbe
vor. Lage: Hals einen unter dem Skelette des Grabes 35 angetroffenen
Todten. — 2) Metallring, daran befestigt seehs kleinere bunte
Perlen. Lage: Lenden. — 3) Eisernes Messer eben wie IX,
15, 1. 0,<K). Lage: linke Seite des Beckens. — 4i Glatter
metallener Fingern n g. Lage : Fingerglied der linken Hand.
— 5) En d bese h la gs t reifen ans Metall oder Riemenzunge,
wie auf Zierseheibe V, 3 liegt, jedoch glatt und etwas gesehweift;
1. 75 mm. Lage: auf dem Fussgelenk des rechten Beines mit
Schmalseite nach unten. — 6/ Stark verrosteter Gegen-
stand aus Eisen. Lage: neben Nr. 5. — 7) Desgl. Lage:
neben dem Fussgelenk des linken Beines. — 8) Gelblicher
irdener Krug von hartem Materiale; h. 0,20, Umfang 0,43,
ähnlich X, 5, oberes Ilandprofil X, a, Boden X, i. Lage: neben
rechtem Unterschenkel.
Grab 36.
Grube: 1. 2,70, br. 1.60. Inhalt: 1) E i s c n s p e e rs p i t z e
ähnl. VIII, 18, stark verrostet. Lage: gestört in der linken Ecke
der Grube mit Spitze nach unten. — 2) Irdener Krug, gelblich,
ziemlich fest, ähnl. X, 5. Bemerkung: Die Knoehenreste fanden
sich zerstreut in der Grube, Grabranb ist dadnreh festgestellt.
Grab 36a.
Oberhalb 36 gelegen. Inhalt : 1) Beine eines Skelettes.
Bemerkung: Die Beine lagen auf einer der vorgeschichtlichen
Kcsselgruben und hatten die Krümmung des Bodens durch den
Druck der oberen Massen auf die hart unterlegten Knochen ange-
nommen. Der obere Theil des Skelettes war verwittert.
Grab 37.
Grube: 2,38 1., 1,20 br., 2 m t. Inhalt: 1) Beine eines
Skelettes auf der Grenze der Gruben 37 und 36 gelegen, bei
180 Constantin Knencn:
diesen d o p p e 1 z e i 1 i g e r B e i 11 k a in in in geringen Resten. —
2) Einige M e rn w i nge r sc b e r b e n. Bemerkung: Dieses Grab
ist also jünger als Gral» 37 und 30.
f.rab 37 a.
Grube de» Grabes 37. Inhalt: 1) Eisenreste einer
Sc beere. — 2) B c i u k n m m r e s t e. Lage: Nr. 1 und 2 ge-
stört in der Grube. Bemerkung: Das Grab wurde bei Anlage von
Grab 37 gestört.
Grab 38.
Grube: 2,84 1., 2,10 br., 1,90 t. Inhalt: Gestörte Skeletreste
und zerstreute Beigaben eines Kranengrabes, wie eine Glasperle,
eine kleine Eisens cbnalle, Gcfässsc herben. Bemerkung:
Vgl. Grab 38 a.
Grab 38a.
Grube 38: 1,50 tief. Das Grab hatte keinerlei Beigaben uud
das Skelet lag auf Grab 38.
Grab 39.
Grube: 2,83 1., 2,17 br. Inhalt: 1) Stein plattenkiste
aus rothem Sandstein, abgeb. IX, 6 in oberer und IX, 7 in der
Seitenansicht. Die Kiste ist aus sieben Steinplatten zusammen-
gesetzt, nämlich aus den sechs Wandplatten und einer Platte, welche
dachförmig am Küssende angebracht ist. Die Länge der beiden
Seiteuplatten beträgt 0,98 l>ei 0,51 Höhe und 0.14 m Dicke. Die
Platte am Kopfende ist 0,71 m breit und 0.50 m hoch. Die Platte
am Fussende 0,57 hoch und 0,45 m breit. Die Deckplatte bat
1 m Länge und 0,14 m Dicke. Der Sarg ist also am Kopfende
breiter als am Küssende und muss seiner geringen Lauge wegen
der Sarg eines etwa 3 bis 5 Jahre alten Kindes gewesen sein.
Die vorstehende Platte von 0,48 m Länge und 0,41 Breite lan der
schmäleren Seite) ist schwer mit Sicherheit zu erklären. Im Innern
fanden sich gestörte Knoehenreste eines Kindes und im KUllgruud
liegend: 2) Ein Stück eben Mörtel und 3) der Rest eines
Gold plättchens, vielleicht von dem Balken eines Kreuzchens,
wie VI, 14 herrührend. Bemerkung: Die Deckplatte des Sarges
lag 0.67 in unter der Oberfläche. Neben dem Sarge fand sieh auch
4 ) der Scherben eines R e 1 i c f b a n d s c Ii m u c k g e f ä s s c s,
den ich X, 31 allgebildet habe. Derselbe ist, wie ich in der Westd.
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Aufdeckung einer vorg«!»chiclill. NR'awln*KUU£ ele. in Mei-kunhciui. 181
Zeitschrift für Geschichte und Kniist, VI, Taf. XI gezeigt habe,
von einem eiförmigen aber grossen Hcnkeltopfe herrührend und nach
meinen Ausführungen S. 3(52, iu die erste Hälfte des 9. Jahrh. zu
setzen. — 5) E i s e u r e s t e einer S c h c c r c , ähnlich VIII, 21 .
Lage: neben dem Sargdeckel von Nr. 1 bei Nr. 4.
Grab 39a.
Grube : wie Grab 39. Inhalt : 1) Goldene Na delschcihc,
abgebildet VI, 5 in natürlicher Grösse. Dieselbe zeigt eine Ver-
bindung von Grad- und Schrägkreuz mit starkem Hervortreten des
Gradkreuzes mit sieh nach Aussen erweiternden Balken. In der
Mitte des Gradkreuzes ist ein halbkugeliger Stein von grüner
Farbe angebracht. Jeder der Balken zeigt einen keilförmigen rothen
Stein in der Form eines dünnen Plättchens. Vor dem breiteren
Ende des Balkens sehen wir wieder vier flache Kugeln von grüner
Farbe angebracht. Zwischen den einzelnen Balken sind vier flache
viereckige Steine von grüner Farbe zu sehen. Goldfiligranfädeu,
bald herzförmig gelegt und schneckenförmig endend, bald zu kleinen
Kränzchen gewunden, füllen die Zwischenräume dieses hochkost-
baren Zierstückes aus, dessen dünnes Goldblech der vorderen Seite
durch mit abgerundeten Köpfen versehene Heftstiftchen mit dem
Erzhlech der Rückseite in Zusammenhang gebracht und durch eine
Masse verbunden ist. Lage: zwischen den beiden Oberschenkel-
köpfen eines nur in den letzten Knochenresten erhaltenen, augen-
scheinlich durch Grabraub gestörten Skelettes neben Nr. 2. —
2) Dreizehn Perlen kleinerer Art des Typus IV, 13. Lage: neben
Nr. 1 und zwar unterhalb. — 3) Einundzwanzig Perlen des Typus
wie Nr. 2. Lage: Bauchgegend. — 4) Vierzig Perlen, darunter
zwei aus Bernstein. Lage: auf Kniegelenk des linken Beines. —
5) Venusmnschel. Lage: gleich oberhalb Nr. 4. — 6) Drei
Gruppen unbestimmbarer vom Rost conglomcrat-
artig verbundener E i s e n s t ü c k c . fast wie Pferdetrensc
aussehend. Lage: rechts von Nr. 4, dann gleich oberhalb Nr. 5
und in dem oberen Theile der unteren Hälfte (auf dem Hoden) der
rechten Grubenseite. — 7) R o s t s t ü c k e einer grösseren mit
M cssingbuekcln besetzten eisern cnGilrtclschnalle.
Lage : linke Hüftseite. — tf) Kleiner m e r o w i n g i s c h e r G o 1 d-
T r i e n s aus dem H. J a h r h u n d e r t, „wie ähnliche in den Jahr-
büchern des Vereins XV, 1850 vonSencklcr auf Taf. V, Fig. 10
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182 CoiihtMiitin KoontMi:
und 14 aus Combrousc, Monetaires des rois Merow. Paris 1873,
mit der Aufschrift der M Unzsorte Autonnaeo uud Stradiburg ab-
gebildet sind. Auf unserer Münze ist die Inschrift nicht zu ent-
ziffern uud die Zeichnung des Kopfes barbarisch, auf dem Revers
befindet sich ein kleines Kreuz" (so wird die jetzt im Original
nicht mehr vorhandene Goldmünze von S c h a a f f h a u s c n be-
schrieben. Vgl. Oorrcspond.-Blatt für Anthropologie, Jahrg. 1879,
S. 128). — 8) Metallstift, augenscheinlich .Schrei bgriffcl, falls
wir es nicht, was nach L i n d e n s c Ii in i t ' s Ueberzeuguug zutreffen-
der ist, mit einem einfachen Nadelstift zu thun haben; 1. 0,10; oben
sind vier Gruppen einfacher Gurtfurchen angebracht. Lage: bei der
dritten der bei Nro. (5 beschriebenen Gruppen von Eisenstucken,
wo auch Nr. 9 lag. — 9) B e i u k a m m mit doppelter Zahn-
reihe wie VIII, 21. — 10) Zusammengedrücktes, stark von dem
Grünspan angegriffenes Eizbecken. Lage: rechte untere Ecke
der Grube. — 11) Vier eiserne Eckbegeh läge wie die Grab
29 besprochenen und Taf. IV, 17 abgebildeten. Lage: in den
Ecken der Grube, theilweise augenscheinlich in gestörter Lage. —
1 2) Eine Anzahl b u n t f a r b i g e r P e r I e n des Typus IV, 3.
Lage: rechts vou Nr. 3. Bemerkung: Die Grube durchschnitt eine
der vorgeschichtlichen Brandgruben, sie war bedeckt bis zu 0,42 m
von Humus, in 0,76 m erschien die Brandschicht der vorgesehichtl.
Niederlassung. Alles, wa-s ich beobachtete: die eigentümliche Lage
von gestörten und wieder beigesetzten Todten , die Lage mancher
der Beigaben, das Verhältnis*, in dem der .Steinsarg zu den auf
der Sohle befindlichen Sachen lag, die bei demselben vorgefundene
karolingischc Gcfässscherbe, alles dies erinnert an ein Familiengrab,
das wiederholt geöffnet und zu neuer Beisetzung benutzt wurde.
Als letzte Beisetzung stellt sich augenscheinlich der Kindersarg des
Grabes 39 vor. Die Karolingerseherbe 39, 4 kann damals, vielleicht
aber auch bei einer Beraubung in die Grube gelaugt sein.
Grab 40.
Inhalt: 1) Kurzseh wert wie VIII, 5, jedoch ohne Seheide-
reste. Lage: linke Seite eines Skelettes, das auf der Grenze einer
älteren Grube ruhte.
Grab 41.
Inhalt : I i Eis e n m esse r e h e n ähnlich IX, 15. Lage :
Lenden. Bemerkung: Die Verhältnisse der Grube sind nicht be-
stimmt wordeu.
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Aufdeckung einer voigeschichtl. Niederlassung etc. in Meckenheim. 183
Grab -12.
Grube: 2,82 1., 1,71 br., 2,40 t. Inhalt: 1) Eck besch lüge
aus Eiseu und eiserne Quereisen, angeordnet im Grabe, wie IV,
17 zeigt. — 2) Halskette ans 44 Perlen des Typus wie
IV, 3. Lage: Hals. — 3) Zwei metallene Ohrringe mit
kleinem würfelförmigen Anhängsel aus Metall, ähnl. L i n d e n s e h m i t
(Handbuch Taf. X, 10). Lage: bei Nr. 2.-4) Goldene Nadel-
scheibe, abgeb. VI, 6 in mit (Irl. Grösse. Die aus dünnem Gold-
blech hergestellte kreisförmige Sehmnekplatte ist vermittelst glänzen-
der, mit abgerundeten Knöpfen versehenen Silberstiftchen mit der
Rückseite einer dünnen Erzscheibe, die dem Nadeldorn als Haft-
stclle dient, verbunden. Der Zwischenraum ist mit einer Masse
ausgefüllt. Auf der Sehmnckplatte ist ein achtarmiger Stern oder
«aber — was wohl richtiger sein kami — ein Grad- und ein Schräg- .
kreuz angebracht, als halte mau heidnischer und christlicher Vor-
stellung dienen wollen. Die einzelnen Kreuzbalken sind keulen-
förmig erhöht nnd es tragen die Balken des einen Kreuzes
keilförmige grüne Glasstüekc , während sich auf den anderen
S-förmige und brillcnförmige, dnreh einen Horizontalfaden getrennte
Filigran-Ornamcnte vorfinden. Zwischen den Kreuzanuen sind wieder
eingefasste Steine von blauer Farbe vertheilt und zwar wechselt je
ein halbkugeliger mit }r, einem quadratisch eingefassten und oben
glatt geschliffenen Steine. Unterhalb der kugeligen Steine findet
man wieder S-förmige, unterhalb der quadratischen Steine hin-
gegen mehr angnr- oder hirtenstabförmig gestaltete Doppelfiligran-
Fadenornamente. Die Mitte des Ganzen zeigt einen halbkugeli-
gen grünen Stein, umgeben von einem ringförmigen Bande, das aus
zwei Filigranfäden besteht, zwischen welchen kleine, kranzförmig
gewundene Filigranfäden vertheilt sind. Derartige Filigrankränz-
chen füllen auch die Zwischenräume der beschriebenen Erhöhungen.
Das Ganze ist wieder von einem Filigranfäden umgeben, dann folgt
die Umrandung des Erzblcchcs. Es scheint die Ycrthcilung der
Steine und der Kreuze eine symbolische zu sein, auf welche ich
später einmal näher einzugehen hoffe. Lage: in der Brustgegend,
fast am Halse. — 5) Runde Nadel Scheibe aus Metallblech,
welche einen schwarzbraunen Glasfluss in der Form einer abge-
platteten Kugel auf der Vorderseite zeigt. Dieselbe hat 25 mm
Durchmesser. Lage: drei Centimctcr von der goldenen Xadelscheibe
entfernt auf der ßrust des Todten. Üb wir es hier mit der eigent-
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1H1
ConMa ii tili KociM'ii:
liehen , /.u tu Verbinden des Gewandes benutzten Nadel zu thun
haben, während die grosse Goldscheibe mehr ein ZierstUck ist, wie
die rosetteuförmige Umsehe auf dem Denksteine einer reichen
Schifferfaniilic im Main/er Museum erkennen lässt (vgl. Linden-
se h m i t a. a. 0. 8. 4o9, Fig. 428), ist schwer zu entscheiden,
aber möglich oder nicht unwahrscheinlich. — 6) Gewandnadel-
b (l g e 1 a u s K r z mit eisernem Nadeldorne , unterhalb der Nadel
kugelige Keliquienkaiwel, von deren unterem Ende ausgehend das
Gehänge VI, 11 zu sehen ist. Dasselbe besteht aus drei Reihen
von Stangcnkettchen, letztere werden durch Hache Kr/scheibcn in
ihren einzelnen Gliedern unterbrochen; sie enden unten in umge-
kehrt gerichtete Kreuze, an diesen hängen wieder drei der Stangen.
Sowohl auf der Nadel als auf der Reliquicnkapscl und auf den
Metallscheren und Kreuzen sind eingravirte Punktkreise vertheilt.
Die Nadel ist 51,'., ein gross, die Kapsel misst 2 cm, so das« das
ganze Gehänge '2.1 ein Länge hat. Lage: die Nadel lag 56 cm
unterhalb der goldenen Nadelscheibe Nr. 4 , also unterhalb des
Heekens — das selbst völlig verwittert war, von da ab reichte das
Gehänge abwärts. Es muss dieser Schmuck — falls die vorge-
fundene Lage auch die ursprüngliche war — an dem (Jtlrtel be-
festigt gewesen sein und von da abwärts gereicht haben, ähnlich
dem Zierseheibe-Gehänge vou «lern bei dem Staudbilde der Königin
Clotildc (vgl. Lindensehntit a. a. O. S. 408, Fig. 427) vorne
angebrachten bandförmigen Sehmuckgehänge. — 1, Schnur aus
14 der dicken Ferien des Typus V, 4, unten eine durch-
bohrte Kupfermünze der römischen Kaiserzeit zeigend. Lage: rechts
neben Nr. ü. - i<) H e i u w ii r f e 1 , der, von dünnen Kr/streifen
eingefasst, oben einen rechtwinkeligen Stil aus Bein zeigt, durch
dessen oberen Ansatz ein Erzring gezogen ist. An diesem befindet
sieh ein umgebogener Messingstreifen, vermittelst dessen der Würfel
vielleicht au der Perlenschnur Nr. 7 befestigt war; abgeb. in mit.
(irösse VI, 1». Lage: an dem unteren Ende von Xr. 7. — Ü) Sehr
durch ( Irünspan zerstörter M e t a 1 1 r i n g, vielleicht Fiugcrring. Lage :
links neben dem Skelet. - 10 1 Wirtelstein, in der Form des
Kegclsegmentes, aus opakem Glasflüsse mit eingeschmolzenem Orna-
mente. Lage: auf der Oberfläche der Auswurfsmassen, augenschein-
lich aus diesem Grabe stammend. — 1 1 j E i s e r n e S p e e r k 1 i n g e,
»ehr dünn und kurz, vielleicht wohl Jagdspeer. Lage: in der
linken unteren Ecke der Grube, wo auch in Mäunergräbern solche,
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Aufdeckung einer vorgcHtliklill. Niederlassung etc. iu Meckenheim. 1S5
weuu auch in der Regel grössere Eisenspeerklingen vorkommen.
Schwerlich kann diese Eisenspitze zufällig hei dem Grabbauc dort-
hin gelangt sein oder etwa von einem alteren Grabe dort zurück-
geblieben sein. — 12) Bruchstücke eines r Tun i sehen
Sigillata-GcfässcH ohne Verzierungen. Bemerkung: Leider
griff der Grundbesitzer Mirgel die von mir mit grosser Mflhc zum
Zeichnen blosgelegte Goldseheibe weg, um vom Proviiizialmuseum
eine Entschädigung dafür zu erhalten. Durch dieses schimpf-
würdige Benehmen einer wissenschaftlichen Untersuchung gegen-
über, wurde ich leitler verhindert, den so hoch interessanten Grab-
fund in seinen Einzelheiten ähnlieh den Gräbern III, 1) und V, 5
zu zeichnen. Hervorheben muss ich noch, das» die Goldscheibc
Xr. 4 mit den Steinen nach unten lag, während die Erzschcibe,
also der Rücken des Gegenstandes, sich oben befand.
Grab 43.
Grube: die gewöhnlichen Verhältnisse zeigend. Inhalt:
1 j F c u c r s c h 1 a g s t e i n. Lagt? : vereinzelt auf der Grubensohle.
— 2) Scherben eines merowingisehen Gefiisses. Bemerkung:
Die Gegenstände lagen bei einem Skelet, das nur in Spuren zu er-
kennen war.
Grab 44.
Grube: 2,70 I., 2,62 br., 2 t. Inhalt: I) Zwei goldene
Ziergehänge von Ohrringen, in nat. Grösse, abgeb. VI. 10
in vorderer und Seitenansicht. In der Mitte sehen wir dunkelblauen
Stein eingefasst von einem ovalen Stabe aus kleinen Goldperlen :
diese letzteren sind durch einen Filigranfaden begrenzt. Ein Filigran-
faden bildet auch den äusseren Band des ganzen Ovals. Lage: in
der Ohrgegend des Tod Jen. Es fanden sieh neben denselben silberne
Ringelehen in kleineren Bruchstücken. 2) Buntfarbige
Perlen des Typus IV, J». Bemerkung: Das Grab lag am öst-
lichen Ende der im Plane mit Xr. 44 versehenen Grube und schien
in dieses Grab hineingereicht zu haben. An der linken Seite fand
sich wieder eine jener vorgeschichtlichen Brandgrubeu.
Grab 44a.
Grube: 2,72 1., 2,6.'$ br., L07 m t. Inhalt: 1) Reste einer
rot hen Sandsteinplatten-K ist e. Es fanden sich zwei
Scitcnwände von 1,60 m Länge, 0,07 m Höhe, oben 0,07 in aus-
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186
Cotibtuntiii Körnen:
einander, unten 0,57 ui. Am Kopfende leimte «ich gegen diese
eine dritte Steinplatte, welche etwa« Uber die Seitenwäude hinaus-
ragte. Am Fusseude war der Sarg durch zwei 0,78 in lange Stein-
platten, welche an ihrem äussersten Punkte 0,55 m an einander
lageu, verlängert. Diese Steine bildeten die Unterlage der eigent-
lichen verlängerten Seitenwände wie wir sie auch bei dem Stein-
sarge IX, 5 sehen, diese letzteren selbst fehlten. Der Boden war
wieder aus* Steinplatten zusammengelegt. Thcile des Deckels lagen
zerschlagen im Grabe. Der beraubte Sarg hatte so etwa 2,38 m
Länge, oben 0,67 m und unten 0,55 m im Lichten. Die Fugen
waren durch blauen Thon verkittet. Im Innern lagen nur gestörte
Mcnschenknochenrcste.
Grab 45.
Grube: gestört. Inhalt: Gestörte Skelctrestc.
Grab 46.
Grube: 2,60 1., 1,50 ln\, 2,60t. Inhalt: 1) Merowingiseh es
Thongcfäss. Lage: rechte Seite des Skelettes. — 2) Pfeilspitze
ans Eisen, ähnl. VII, 11. Lage: rechte Seite am Fussende. Bemer-
kung : Da sieh in dein vorderen Thcile der Grube nn regelmässig
liegende Knochen fanden , in zwei Meter Tiefe die Reste eines
ganzen Skelettes zum Vorscheine kamen, so musste dieses an die
Stelle gelegt worden sein, wo vorher ein Todter bereits beigesetzt
worden war. Eigentümlicher Weise lag der Kopf neben dem Todten,
ob bereits ursprünglich so gelegt oder aber bei einer späteren
Beraubung des Grabes war nicht zu bestimmen. Auf der West-
grenze der Grube lag das Skelet Gral) 46 a.
Grab 46a.
Grube: Grenzen nicht wahrnehmbar, da das Grab auf der
West grenze von der Grube des Grabes 46 lag. Inhalt: Skelet ohne alle
Beigaben. Dasselbe war von auffallender Länge und Stärke. Es maass
vom Scheitel bis zur Fusssohle 1,*5, Obersehenkel 0,51. Der Schädel
schien bei Lebzeiten des Todten an der Stirn durchlöchert worden zu
sein, durch wuchtigen Schlag. Von der linken Hand fand ich keine
Spur und die rechte Hand lag auf dem oberen Thcile des Ober-
sehenkels, als halte man sie hier hin gelegt, getrennt von dem rechten
Unterarm«1. Ebenso fand sieh das linke Schlüsselbein, neben der
Mitte des linken Oberarmes. Ob diese Erseheiuuugcu etwa als
Aufdeckung einer vorgeschichtl. Nicdcrlnssui)}* etc. in Meckenheim. 1*7
Wirkungen der Bauuiwnrzeln zu betrachten sind, oder ob derTodtc
in Folge der fränkischen Gesetzübertretung so verstümmelt wurde,
kann nicht entschieden werden.
Grab 47.
Grube: Grenze unbestimmbar. Inhalt: K eiste eines Skelette«
ohne Beigaben.
Grab 48.
Grube: 2,ti0 1., 1,48 br., 1,80 t. 1) Flache braune G lasperle
von 0,31 Dm. — 2) Sogenanntes Bartzängelehen aus Metall wie
VIII, 4; 1. 60 umi. — 3) Metallener glatter Schnallenbügel von
ovaler Form, ähnl. «lern von IX, 11, br. 32 mm. — 4) Ovaler
Schnallenbügel, br. 60min, 1. 32 mm. Bemerkung: Die genannten
Gegenstände lagen zerstreut in einem Grabe mit gestörtem Skelct.
Grab 40.
Grube: 1. 2,90, br. 2,10, t. 2. Inhalt: Feuerstei nspa hn,
I. 70 mm. Bruchstücke einer gelblichen Schale ähnl. X, lß, Profil
X, p, Bodenplatte X, i. — 2) Bruchstücke eines Bein kämm es.
Lage: neben dem Schädel, als habe er im Haar des Todten ge-
steckt. Bemerkung: Das Grab war gestört. Vgl. 49a und 49b.
Grab 49a.
Grube: in Grube 49 gelegen. Inhalt: 1) Eisenmesser
ähnl. VIII. 14 a; Klingenl. 0,12: Grifl'l. W nun. Lage: Lenden.—
2) Eiserne Sc beere ähnl. der frühröm. , Jahrb. LXXXVI,
Taf. VIII, 17; 1. 0.15, stark verrostet. Lage: in der Xähc Xr. 1.
— 3) Feuerschlagstahl, ähnl. VIII, 11; 1.: 0,13, br. 30 mm.
— 4) Zwei F e u er sc h 1 a gs t e i u e von 35 mm und 30 mm
Länge. Lage: mit Nr. 3 bei Xr. 2. — 5) Metallstift, oben zu
einer Oese umgebogen wie VIII, 22: 1. HO mm. Lage: bei Xr. 3. —
6) Kleine Eisenspeerklinge: 1.0,24. — 7 ) Knopfförmiges Metall-
scheibehen, wie die der Schwertscheide VII, 7; Dm. IN mm. —
8) Mehrere Metall knöpfe, wie die der eisernen Beschläge VIII, 14bk
— 9) Eiserner Knopf ähnlich Xr. H. — 10, Besch lagplättchen
ans Metall, ähnlich V II, 3, jedoch in der Mitte die Durchbrechung
zeigend. — Ii i Gewundener Eiscnstift, Rest eines Geräthcs, mög-
licherweise ähnlieh VIII, 23. — 12; Bruchstücke eines im Innern
brannrothen, von Aussen graubraunen Tb ongefässes mit Verzierun-
gen ähnlich X, 22. — Bemerkung: Die meisten dieser Beigaben
waren augenscheinlich gestört worden, vielleicht als man das Grab
49 b anlegte.
Consta»! in Kocnt'ii:
Grab 41) b.
Grube: auf Orab 41) und 41) a ^legcn. Inlialt: l) Reste eines
eisernen Kurzschwertes nebst vier Metallknöpfen und kleinen Zier-
stiftchen der Lederseheide älinl. VII, 1. Lage: Lenden, linke Seite.
— 2) Bruchstücke eines Oefässcs der Art wie Grab 49a, 12 be-
schrieben wurde. — Da dieses Grab auf der Südgrenze der beiden
Gruben 41) lag, so haben wir hier wieder ein sicheres Heispiel drei-
maliger Beisetzung, von denen jede zeitlich unterschieden werden muss.
Grab öl.
Grube: keine solche wahrnehmbar; in 1,50 Tiefe fanden sich:
1) Rand stück eines röthlich gelben, aus stark mit Qnarzsand
vermischtem Thon hergestellten Gefasses, vielleicht hohe Schale,
ähnlich der Andernacher, Jahrb. LXXXVI, Taf. XII, 16, Rand-
profil unserer Schale ist abgeb. X, i. — 2) Gelbliches, hart
g e b a c k e n c s irdenes T ö p f c h e n ähnl . X . 17, Randprofil
ähnl. X, e, jedoch hat man sieb die untere Ausladung weg zu
denken, Bodenplatte X. i. Der obere Rand hat etwas scharf-
kantiges; h. 85 mm; Dm. 0.345. — 3} Blaubrauner irdener Topf,
ähnlich X, 4, Randprofil mehr X, in ähnlich; Bodenplatte X, i;
Verzierung ähnlich X, 22. Der Thon ist hart gebacken, h. 0,12,
Dm. 0,465. Bemerkung: Ks ist möglich, dass beide Gefässe zu
einein später verwitterten Skelette oline Inhalt gehört haben.
Grab 51 a.
Grube: 2,3u 1., 1.25 br., 1.1)5 t. Inhalt: 1/ Beinkamm
m i t doppelter Z a h n r e i h e wie VIII, 21 , neben Nr. 3 gelegen.
— 2) Reste einer eisernen Gürtelschnalle, 65 mm 1.,
ähnl. IX, 11. Lage: neben Nr. 1. — 3j Zwei zusammen-
hängende blaue Glasperl eu kleiner Art und mehrere gelbe
Thonperlcn der Grösse und des Typus wie IV, 13, sechste und
siebente Perle links. Lage: Ilalsgcgcnd. — 4) Gelblicher
irdener Krug mit vier W e 1 1 c n g u r 1 1 i n i e n. abgeb. X, 1 ,
Halsprofil X, a, Bodenplatte X. i, Ornament X, 20. Das Wellen-
ornament hat eine Breite von 1 1 mm und ist aus drei je 3 mm
breiten Furchen zusammengesetzt. Jede der Furchen zeigt vier
feine Zahneinschnitte. Der Thon ist ziemlich hart gebacken. Lage :
neben dem Kamme Xr. 1. Bemerkung: Der Krug ist in die letzte
Zeit der Merowingcr oder schon in die erste Zeit der Karolinger
zu setzen: ob die Perlen Reste eines älteren Grabes sind, dessen
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Aufdeckung einer vorgeschichtl. Niederlassung etc. in Meckenheim. 189
Inhalt hei Anlage des Grabes 51 beseitigt wurde, Labe ich nicht
festgestellt. Das Skelet unseres Grabes war nur noch in stark ycr-
tnoderten Resten erhalten.
Grab 52.
Grabe: 2,75 1., 2 m br., 2 m t. Inhalt: 1) Ei Bernes
Messer wie IX, 15. Lage: gegen die linke Seite des Reckens
gelehnt. — 2) Kleiner eiserner Schnallen ring nebst Zunge,
ähnlich IX, 11, jedoch nicht völlig oval, sondern an dem Ansatz-
theile der Zunge horizontal. Reinerkung: Der Hinterkopf des
Skelettes zeigte ein weites Loch, wie bei Lebzeiten des Verstorbenen
mit wuchtigem Axtracken geschlagen. Zwei Wirbel lageu um-
gekehrt neben der Wirbelsaule , Schien- und Wadenbein schienen
ebenfalls bereits bei Lebzeiten des Verstorbenen von dem Ober-
schenkel des rechten Reines getrennt gewesen zu sein. Der Todte
gehört zu der dritten, oder letzten Todtenlagc (vgl. Grab 52 a
und 52 b).
Grab 52a.
Grube: in Grab 52 gelegeu, 1. 1,95, br. 1,50. Inhalt: 1) Unterer
T h c i 1 eines r ö t h 1 i e h gelben irdenen Topfes der Form
X, 1. Lage: in der Xordostecke der Grube. — 2) Reinkamm
mit doppelter Zahureihe 0,135 I., 50 mm br. Lage: rechts vom
rechten Fusse. — 3) Eiserne R r e i t a x t mit Axthehn, welcher
der Mitte der Schneide gegenüberliegt, 1. 0,18; Schneidet. 0,17;
Rücken 40 mm br. Lage : Schärfe nach unten , an der rechten
vScitc. — 4) Zwei eiserne Pfeilspitzen wie VII, 10, etwas
gedrungener, I. 80 mm. Lage: rechts neben dem Skelet. — 5) Feil er-
schlagstahl wie VIII, 11. Lage: Lendengegend. — 6) Feuer-
schlagstein. Lage : bei Nr. 5. — 6) E i n s c h n c i d i g e s eisernes
K u r z s c h w c r t mit den vier Mctallknöpfcheu und kleinen, mit
gewölbten Köpfen versehenen Metallstiftchcn , genau so vcrtheilt
wie VIII, 14, jedoch lag der oberste Thcil der Scheide etwas ober-
halb des oberen Endes der Schwertschneide und ebenso lag der
untere Ahschluss der Schwertscheide etwas oberhalb der Spitze,
als habe man bei der Reisetzung das Sehwert in die Scheide
gesteckt. Die Scheide selbst zeigte vier übereinander liegende Ledcr-
stücke. Sehwcrtschneide 1. 0,39, br. 35 mm, Griff 1. ursprünglich
0,24 m. Lage: linke Seite der Hüfte. — 7) G ü r t e 1 sc h na 1 Ic
aus Eisen, abgeb. IX, 12; llesehlagl. 70 min, Schnallenringl.
190
Co n slan tili K neuen:
30 mm, l>r. 40 mm. Bemerkung: Diese Grube ist vor Anlage des
Grabes 52 errichtet worden, gehört also zur zweiten Todtenlage
(vgl. f>2 und 52 b).
Grab 52 b.
Grube: reiehte bis zu 2,30 m Tiefe. Inhalt: 1) Eisen-
seheere wie VIII, 21; Btlgellänge 0,11, Schneidenl. 00 nun. —
2) Bein kam tu mit doppelter Zahnreihe wie VIII, 21; I. HO mm.
Derselbe ist also ölis ein kleiner als der Kamm de« Männergrabes
52 a (vgl. Nr. 2). Derselbe lag wie VIII, 21 ebenfalls veranschau-
licht mit Scheere Xr. 1, zusammengerostet bei einem in sitzender
Stellung beigesetzten Kinde. — 3) Zwei Endbeschlagstilcke eines
Lcderriemciis ; dieselben sind aus Metall und mit zwei hrillcn-
förmigen Ornamenten versehen, sie sind oben gespalten und zeigen
hier einen mit abgerundetem Kopfe versehenen Heftstift; 1. 42 mm.
Bemerkung: Wir haben es hier mit einem Kinde von etwa drei
bis vier Jahren zu thim. Bereits in 1 und 1,50 m Tiefe wurden
Schädelreste oberhalb der drei Gruben f>2 angetroffen. In einer
Tiefe von 1,70 kamen die Grenzen der drei Graben zum Vorsehein.
Die älteste dieser drei Gruben lag 2,38 ni tief. In dieser Tiefe
fanden sieh noch (als Xr. 4) zwei Pfeilspitzen nebeneinander
liegend, in der Mitte der rechten Grubenseite. Ausserdem fand
sieh bereits 8 ein hoher ein Feuerstcinstuek. Da nun das erst-
beschriebene Grab (Grab 52) vollständig war und 2 in tief das
Skelet zeigte, und sieh unterhalb dieses Grabes ein zweites, eben-
falls gnt erhaltenes Grab zeigte, so sind die in verschiedener Höhe
vereinzelt vorgefundenen Knochen von einem Todten herrührend,
welcher ursprünglich auf der Sohle gelegen hat und dem wohl die
Pfeilspitzen und der Feuerstein angeboren. Es kanu daher die
Kinderleichc gleichzeitig mit dem Krieger des Grabes 52 a oder
etwas früher beigesetzt worden sein. Grab 52 a gebort also zur
zweiten Todtcnlage, Grab 52 zur letzten, jüngsten Beisetzung.
Grab 53.
Grube: nicht zu erkennen. Es lagen hier unbestimmbare ver-
moderte Kuoehenrcstc.
Grab 54.
Grube: 2,90 1., 1,70 br.. 2 m t. Inhalt: 1) Eisernes
Messer wie IX, 15; Schneidenl. 0.14. br. 3o mm. Lage: an der
buken Hüftseite Helten Gelenk von Ober- und L'nteiarm. — 2» Fcner-
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Aufdeckung: einer vorpeschiehtl. Niederlassung; etc. in Meckenheim. 191
schlag st ein. Lage: in derselben Tiefe wie Nr. 1. Bemerkung:
Das Wühler haltene Skelct, bei dem diese Gegenstande lagen, fand
sich 2 m tief, während die eigentliche Sohle 2,22 m tief lag. Das
Skelet gehört zu der letzten, jüngsten Todtculage. In 1,20 m
Tiefe erschienen die Grenzen der (trübe, 10 cm tiefer fand sich
das Bruchstück eines hart gebrannten gelblichen Gcfasses vou frühkaro-
lingisehem Typus und 20 cm tiefer die eines zweiten Karoliugcr-
topfes. Ks ist möglieh , dass beide Scherben noch in die letzte
Zeit der Merowinger reichen (vgl. (trab f>4a und h).
Grab 54a.
Grube: im Grabe 54 resp. unterhalb desselben gelegen. In-
halt: 1) Eise Ii s peerklinge sehr schlanker Art, ähnl. VIII, 18.
Tllllenlängc 0,21, Schneide 0,15, Schneidenbr. 40 iura. Breite der
Tülle an der schmälsten Stelle, da wo sich Schneide ansetzt 10 mm.
Lage: neben rechtem Fuss mit Spitze nach unten. — 2) Eiserne
Gürtelschnalle nebst Beschläge und Gegenbeschläge, sowie
der viereckigen Platte des Rückcnbcschlages vom Lendengürtel.
Die einzelnen Stücke lagen wie IX, 10 zeigt. Die viereckige PI. mit
einem Messingbuckel (ursprünglich vier solcher zeigend) versehen,
lag unter dem Schnallenring. Lage: in der Mitte der Lenden. —
3.1 Metallene Gürtelschnalle, abgeb. IX, 11; 1. 60 mm,
br. 20 mm. Lage: an der linken Seite etwas unterhalb der Schnalle
Xr. 2. — 4) M c t a 1 1 b 1 c c Ii s t r c i f c n, Endbeschlag eines Leder-
riemens, oben zwei Hcftnägel mit abgerundeten Köpfen zeigend,
sowie als Verzierung Kreispunkte und Zickzacklinien, 1. 60 mm,
br. 15 mm. Lage: rechts neben dem linken Kniegelenk. Bemer-
kung: Auf der in 2,25 m Tiefe vorgefundeneu Grubensohlc lag
eine '/s ein dicke Brandlage durch das ganze Grab. Das Grab
gehört zur zweiten Todtenlage. Das Skelet war 1,71 m gross.
Grab 54b.
Grube: in Grube 54 gelegen, unter dein Skelette 54a. Inhalt:
1) Beinkamm mit doppelter Zahnreihe. Lage: rechts neben
dem Unterschenkel. — 2) Thon perle, wie viertletzte der Kette
IV, 3 (links). Lage: vereinzelt auf der Sohle. — 3) Eisen, an
beiden Euden zu einem Knie rechtwinkelig umgebogen, 1. 0,29,
vielleicht Gehänge. Bemerkung: Die Sohle lag 2745 tief. Wir
haben es mit einem gestörten Franengrabe der älteren Todtenlage
zu tbun.
192
Constantin Koeiien:
G r a b 55.
Grube: I. 2,50, br. 1,25, t. 2,10. Inhalt: Ein Skclet von
1,59 m Länge ohne Beigaben in älterem beraubten Grabe. Nach
der Schädelforni war es ein Frauengrab.
Grab 56 (Taf. V).
Grube: 2,20 1., 1,30 br., 2,40 t. Inhalt: 1) Zwei Quercisen
und acht E c k b e s c h 1 a g w i n k e 1 e i s e n eines Holzbehälters,
wie bei Grab 29 besprochen winde, ahgeb. V, 5. Die oberen
Eckbeschläge liegen 0,50 m auseinander, die unteren 0,52 in. Der
Abstand von den oberen bis zu den unteren beträgt 1,25 in,
so gross war also der Kasten. Die beiden Qnereisen sind 0,44 m
lang. — 2) Halft perle Ii kette, 30 Stück des Typus IV, 3.
Lage: Hals. — 3) Verzierter Schnallen ring nebst Be-
schlägen aus Metall, ähnl. bei Lind cur eh mit, Tafel V, 346.
Lage: Lenden. — 4) Kleines Metall sc hnäl leben, ähnl.
IV, 6, jedoch BUgcl und .Schnallenring aus einem Stück gearbeitet,
1. 0,04, br. 0,2. Lage: oberhalb rechtem Fussgeleuk. — 5) Zwei
Endbcschlagstreifcn aus Metall ähnl. den auf Zierscheibe
V, 3 liegenden, jedoch lang 0,04 m. Lage: auf rechtem und bei
linkem Fussgeleuk. - 6) ß c i n k a m m mit doppelter Zahnreihe
ähnl. VIII, 21. Lage: rechts neben Kopfende des Behälters. —
7) Irdener rötb liehgelber Krug wie X, 1, Hals ist ab-
gebrochen, jetzige Höhe 0,22, Umfang 0,505, Bodenplatte X, i.
Lage: rechts neben dem Behälter. Bemerkung: Wir haben es hier
mit einem Kindergrabc zu thun. Der Schädel war, wie Abbildung
zeigt, zusammen gedruckt und die Knochen stark verwittert. Das
Qnercisenknie ist 0,11 m und das von diesem ausgehende Quer-
eisen 0,10 m.
Grab 57.
Grube: 2,50 1., 2,20 br., 2,30 t. Inhalt: 1} Kette ans
sie benund vierzig Perlen aus Thon, Porzellan, Amethyst,
gelbe und grüne Farbe vorherrschend. Lage: Halsgegend. Die
Perlen haben den Typus wie IV, 3. — 2) Spangenfibel aus
Metall. Es sind zwei runde Plättchen, welche durch einen viertel-
kreisförmig gebogenen Bügel verbunden werden. Auf der Rück-
seite ist die "eiserne, in eine metallene Halte eingreifende Nadel
angebracht. An dem Hügel lietindet sieh ein Haken aus Metall,
welcher ein Kettehen hält, das eine Berlocke aus Metall trägt, in
Aufdeckung einer vorgeschichtl. NicflerlÄRsuiifr etc. in Meckenheim. 193
nat. Grösse abgeb. VI, 13 (in der Seiten- und der oberen Ansicht).
Lage: Brnstgegend, falls an ursprünglicher Stelle befindlich, was
ich nicht mit Sicherheit entscheiden konnte. Bemerkung: Unter
diesem Grabe lag da» folgende.
Grab 57a.
Grube: in vorbesehriebener Grube gelegen. Inhalt: 1) Zacke
eine« Geweihe*», zwei Mal geästet, 0,085 m 1. Lage: Küss-
ende. — 2> E i seng cg eitstand, stark verrostet, vielleicht
Messerchen. - 3.i Eiserne S c Inn a I a x t , 1. 0.225, br. 80 nun,
ähnlich VIII, 17. — 4) Drei Pfeilspitzen aus Eisen, von
denen eine die Form VII, 0 hat, 1. 85 mm ; die beiden übrigen
sind wie VII, 10 und 11 geformt und haben etwa 0,11 in Länge.
Lage: rechts neben dem Gelenk des rechten Ober- und Unter-
armes. — 5) Feuerschlagstahl wie VIII, 11; 12'/» cm I. —
6) Feuers eh lagst ein. Lage: neben Nr. 5. 7) Versil-
berter M c t a 1 1 s c h n a 1 1 e n r i n g, vorne halbmondförmig, hinten
gradlinig, auf der oberen Fläche Kingornamente zeigend, (»rund-
form wie die spätrömische von Andernach, Jahrb. LXXXVI, Tal".
XI, Fig. 15, jedoch ohne Besehlag. 8) Bruchstücke eines
Tbougcfässes von schwarzblauer, durch Dämpfen gewonnener
Farbe, der Form wie X, 4, Bodenplatte X. I, Ornament X, 14.
Bemerkung: Das Grab war — vielleicht bei Anlage des darüber
vorgefundenen Grabes 57 — gestört worden.
Grab 58.
Grube: ohne bestimmbaren Inhalt, so dass Grahrauh vorzu-
liegen schien.
Grab 59.
Grabe: 2,49 1., 1,76 br., 1,80 t. Inhalt ein Skelct ohne Bei-
gaben.
Grab 59a.
Grube: wie Grab 59. Inhalt: 1) Einschneidiges Kurz-
sch wert wie VIII, 14, jedoch ohne Sehcidenbcsehlagreste; Schcidc-
länge 33l/s cm. Lage: linke Seite mit Griff nach der Bauchuiittc
hin gerichtet. — 2) Eiserne Gürtelschnalle nebst mit
Messingbuekcln besetztem viereckigem Beschläge, abgeb. IX, 13,
Breite 50 nun, Beschläge 80 mm 1. Lage: Lendengegend. —
3) Eise n rest vom G e g e n b e s c Ii 1 a g e, ebenfalls mit .Messing-
Jfthrb. «1. Vor. v. Altm tlisfr. im Itlieiiil. XCII. 13
194
Constftntin Koenen:
buckeln verziert. — 4) Eisenrcst vom Rückenbeschinge,
gleichfalls mit Messinghnckcln verziert. — 5) Eisernes Messer
abgeb. IX. 1;V, Schneidel. ö(> min, Grifft. 65 nun. Lage: bei Nr. 1.
— G) Eiserne Speerklinge, abgeb. IX, 8 ; I. 22 cm, davon
lallen 10 cm auf die Ttlllc und 12 cm auf die Scheide; die Breite
beträgt 40 mm. Lage: rechte Filmseite mit Spitze nach unten. —
7) Eiserne B r e i t a x t, abgeb. VII. 1 3. Lage : rechte Seite des
Oberscbeukelkopfes am rechten Beine, I. 17'/s cm. Sehneidcnbreite
1 4' \t cm. — 8) E i s c n i n s t r n m c n t , abgeb. IX, 9 ; der Stachel
ist 70 mm l. und mit Holz bekleidet, das sich erweiternde obere
Eude aus Eisen ist P,'ä ein 1. — 9) Bartzäugelchen ans
Metall, abgeb. VIII, 4: 1. H\s cm, untere Breite cm, Ringel-
chendm. 2 cm. Lage: neben linker Hüfte in der Nähe des Griffes
von Nr. 1. — 10) Bein kam iure st mit doppelter Zahnreihe.
Lage: an der rechten Seite des rechten Kniegelenke«. — U) Gelb-
liches irdenes Thongcfäss ähnl. X, 17, jedoch geht Hals-
rand direet zu dein oberen Theil des Bauches, Bodenplatte X, 1;
Verzierung Uhnl. X, 22; h. 90 mm, oberer Dm. 90 mm. — 12)
Boden theil eines (Jcfässes wie Nr. 11; Dm. 14 cm. Lage:
rechte Seite des Skelettes wie auch Nr. 11. — 13) Eisen theil e
eines hölzerneu Eimers, abgebildet VIII, 7, oberer Dnrchm.
41 '/j cm, unterer Dm. 14 cm. Bemerkung: Dieses Grab ist jünger
als Grab 59.
Grab 60.
Grube: 2,50 I., Breite 1,74, t. 1,80. Inhalt: 1) Einschnei-
diges Kurzschwert wie VIII, 14, jedoch schmäler, Sehneide-
länge 0,36, Schneidebreite 50 min, Griffhinge 14'/s cm. Lage:
neben linker Htlftseite. — 2) Kleine eiserne Schnalle, wie
VIII, 3 geformt, ohne Bcschlagplattc, 1. 30 mm, br. 40 mm. Lage:
Lenden. Bemerkung: Das Grab lag auf dem Grabe 60a, ist jünger
als dieses.
Grab 60a.
Auf Sohle Grube 60 gelegen. Inhalt: gestörte Skeletreste.
Grab 61.
Grube : äünlich Grab 60. Inhalt : 1) Bruchstücke eines
blausch warzen Gefässcs mit Verzierungen X, 25. — 2)
Gelblicher irdener Gefässbodeu wie X, 1. — Bemerkung:
Neben dem Grabe lagen die Anfänge von zwei der vorgeschicht-
lichen kesseiförmigen Brandgrubcu.
Aufdeckung einer vorgeschiehtl. NiednrlfiBsttn«- etc. in Meckenheim. 195
Grab 62.
Grube: 1. 2,60, br. 1.85. Inhalt: 1) Kette aus 39 Perlen
von Thon, Glas, Bernstein, Amethyst des Typus IV, 3. Lage:
Halsgegend. Bemerkung: Das Grab durchschnitt zwei der vor-
geschichtlichen Brandgruben, es war gestört, vielleicht bei der dieses
Grab durchschneidenden Skeletgrube 63.
Grab 63.
Grube: unbestimmbare Grenzen. Inhalt: in 1,90 Tiefe:
1) Einschneidiges Kurzschwert, Schneidet. 0,29, Griff 1.
9*/s cm, Schncidcbr. 50 mm. Lage: linke Seite des Todten. —
2) Eisernes Messer wie auf Kurzschwert VIII, 1 liegt, Griff 1.
4'/, cm. Schneidet. 0.12 m. Lage: bei Nr. 1. — 3) Fe u er-
schlagstahl wie VIII, 11; 1.0,12, br. 3\'t cm. Lage: bei Nr. 2.
— 4) Feuerschlagstein, I. 50 mm. Lage: bei Nr. 3. —
5) Eisenreste vom G ü r t e 1 b c 8 e b 1 a g, eines zeigt Messingbuckeln.
Lage: Lenden. — 6) Eiserne Schmalaxt wie VIII, 17;
1. 19'/2 cm, Breite der Schneide 71/» cm, RUckcnstärke 30 mm.
Lage: am Fassende, Griffseite nach oben gerichtet. — 7) Eisen-
ring von 30 mm Durchmesser. Lage : in der Verlängerung des
Axtstielloches Nr. 0. Bemerkung: diese Grube ist jünger als Grube 62,
denn diese ward von Grab 62 durchschnitten.
Grab 64.
Grube: 1. 2, Breite 1,40, t. 1,90. Inhalt: 1) Kette ans
35 Perlen wie Grab 62, 1. Lage: Halsgcgcud. Bemerkung:
Es durchschneidet diese Grabe Grab 64 a, daher Grab 64 spätere
Anlage ist.
Grab 64a.
Grube: wie 64. Auf der Sohle uud im Füllgrund der Grube
zerstreut fanden sich vereinzelte Knochenreste eines durch Anlage
der Grube 64 gestörten Grabes (vgl. Anm. 64 b).
Grab 64b.
Auf der Grnbengrenzc ein Skelet ohne alle Beigaben. Es ge-
hört dieses Grab der letzten jüngsten Todtenlagc an. Grab 64 der
Zweitältesten, 64 a der jüngsten, falls kein Familiengrab vorliegt.
Grab 65.
Grnbc: deren Grenze war nicht zu erkennen, in 1,50 Tiefe
bei einem 1,M0 m langen Skelet das Nachfolgende: 1) Eisernes
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19«
Consl hu tili Kocncn:
M esse r wie VIII, 14a, Schneidet. 18 ein, Grifl'l. 80 mm, Sehneide-
breite 30 mm. Lage: linke Hüftseite. — 2) Gürtelschnallen-
ring au» Eisen, wie IX, 13, jedoch ohne Beschläge, 1. 25 mm,
Breite 40 mm. Lage: Lenden. — 3) Feucrsch lagstahl in
Muschclform wie der Andernacher, Jahrb. LXXXV1, Tat'. XIII, 32,
I. 70 mm. Lage : rechts neben Kr. 2. — 4) Zwei F e u e rs c Ii l a g-
steine. Lage : auf Xr. 3. — 5) Gelblicher G c f ä s s s c herben,
karolingischem Typus verwandt. Da diese« Grab auf dem Grabe
75 lag, ist es jünger als jenes.
Grab 66.
Grube: I. 2,50, br. 1,70, t. 2,20. lulialt: 1) Kette aus
26 Perlen des Typus IV, 3, darunter drei dickere Bernsteinstücke;
roth herrscht in der Farbe vor. Lage: Hals. — 2) Kette aus
sechs Perlen nebst Mctallring, Typus wie Xr. 1. Lage: Lenden.
— 3) Eisernes Messer wie IX, 1;"), Schneidel. 60 mm. Lage:
Hüfte. — 4/ Zwei unbestimmbare kleine E i s e n s t U c k e,
stark verrostet. — f>) Endbesch lagst tick aus Metall, oben
zwei lleftnägel für Riemenbefcstignng zeigend, ähnl. dem auf Zier-
seheibe III, 6 liegenden, 1. 7'/s cm. — 6) Glatter Fingerring.
Lage : die diesbezügliche Notiz zu machen ist vergessen worden. —
7) Krug, gelblich, Form wie X, 1, jedoch ohne Verzierung, Hals-
profil X, a, Bodenplatte X, i, h. 0,20, Umfang 0,43. Lage: rechte
Seite des Skelettes (vgl. Anm. 66a).
Grab 66a.
Grube: nicht zu erkennen. Es fand sich in 1,50 Tiefe auf
der Südgrenze der Grube 66 ein 1,75 in langes Skelet mit dolicho-
cephalem Schädel und folgenden Beigaben: 1) Verrostetes eisernes
Schnäl Ich en. Lage: rechte Lcndcnscite. — 2) Eisernes
Messer ch en des Typus IX, 15. Lage: linke Seite. — 3) Gelb-
graue Gefässschcrbc, zeigt auf der Oberfläche die Finger-
porenliuien abgedrückt , ist ziemlich hart gebrannt und hat den
Typus frühkarolingischcr Gefässe; die Scherbe lag an der rechten
Seite des Skelettes, wohin sie schwerlieh zufällig gelangt sein kann.
Bemerkung: Alles scheint anzudeuten, dass die obere Todtenlage
bis in die frflhkaroliugische Zeit hineinreicht.
Grab 67.
Grube: Verhältnisse nicht zu bestimmen. Inhalt: 1) Blatt-
form i g e E i s e n s p c e r k I i n g e ähnlich IX , 8 , jedoch ohne
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Aufdeckung einor vor<resi-hie»itl. XioderlaftMing etc. in Mi-ikcnlu'iui. 197
MiHelrippc und etwas gedrungener; 1. 0,24 m, br. 50 mm. Lage:
Fn&sendc.
Grab 68.
Grube: 1. 2,65, br. 1,70, t. 2 m. Inhalt: 1) Perlen von
einer Hals kette des Typus IV, 3. Lage: Hals. — 2) Ecki-
ges gelbliches Thongefftss mit gerade aufsteigendem Ilals-
profilc wie X, p. Die Banelmng hat im oberen Theile eine Art
von Hachen Gnrtfurchcn. Lage: rechte Seite der Ornbe. — 3) Dop-
pclzeiligcr Bcinkammrcst. Lage: neben Nr. 2. Hemerknng:
Diese Sachen scheinen zn einem älteren Skelet zu geboren, 'las
bei der Beisetzung eines Kindes, dessen Knochenreste ebenfalls in
stark vermodertem Zustande angetroffen wurden, gestört worden
ist. Jedenfalls zeigten schon die Grubengrenzen an, dass hier zwei-
mal beigesetzt wurde.
Grab 69.
Grube: da hier drei ineinander reichende Gruben lagen, waren
Grabenverhältnisse nicht sieher zn bestimmen. Inhalt: in 1,90 Tiefe
bei 1,55 m langem Skelet: 1) Eisenmesscr wie IX, 15. Lage:
neben Kniescheibe de« linken Beines. — 2) Kleiner Eisen-
schnallenring, wie der VIII, 3. Lage: Lenden. — 3) Recht-
winkeliger Messingstreifen, verziert durch in Zickzackform
nebeneinander gestellte Qnerlinien in je zwei Einfurehungen. Lage:
schwertförmiger Brustbeinfortsatz. — 4) Gefässsch erben eines
gelblichen Krughalses, wie X, 13, Halsprofil X, e. Derselbe zeigt
wieder den karolingisehen Typus, wenn auch nicht mit Sicherheit
als karolingisch zu bezeichnen. Bemerkung: Das Grab lag anf
zwei anderen Gruben (69 a und 69 b), gehört also wieder zu der
jüngsten Todtenlage.
Grab 69a.
Ornbe: zunächst nnter 69 gelegen. Inhalt: in 1,80 in Tiefe:
ein Kinderskelet ohne Beigatten. Hemerknng: Das (trab ist älter
als das Grab 69, gehört nach Anm. 69 b zur mittleren Lage.
Grab 69b.
Grube: zunächst unter 69a gelegen. Inhalt: in 2 m Tiefe:
1) Eiserne Speerklinge ähnl. VIII, 1H. Lage: rechte Seite des
Skelettes. — 2) Eiserne Breitaxt ähnl. VII, 13. Lage: rechte
Seite mit AxthelmrUcken nach «dien gerichtet. — 3i Einschneidiges
Kurzschwert. Lage: die Mitte des Schwertes reichte bis zur
m
Coastantin Koenen:
Mittr des linken Ohcrsr-ln-nkck neben welchem dasselbe lag. —
4) Eiserne G II r t e 1 s c Ii n a 1 1 e n r es t c , nebst Uebcrbleibsel der
mit Messingbuckcln besetzten Beschläge. Lage: Lendengegend. —
5) Eiserne» Messer, wie IX, 15. Lage: Mitte der Lenden. —
6) Sechs römische K I e i n e r z m ü n z e n späterer Kaiser/eit deren
Umschriften nicht zu bestimmen sind. Lage: Lenden, bei Xr. 4. —
7) Feuerschlagstahlreste. Lage: bei Nr. 6. — 8) Feuer-
seh lagst ein. Luge: bei Nr. 7. — 9) Zwei Eisenwerk-
zeuge, oben zu einer Oese gebogen, vielleicht .Schlösselreste, wie
VIII, 22. 9) Merowingisehes Thonget'äss in Bruchstücken.
Lage: Mitte der rechten Seite. Bemerkung: Da dieses Grab vou
den Gruben 60 und 69b bedeckt war, gehört es zu der ältesten
Lage.
Grab 70.
Grube: Verhältnisse unbestimmt. Inhalt: Ein Skelet vou
1,84 m L.Inge, ohne Beigaben. Bemerkung: Dasselbe gehört zu
der jüngeren Lage, denn unterhalb desselben kam die Grube 70 a
zum Vorschein.
Grab 70a.
Grube: lag mit der Sohle 1,60 tief. Auf der Sohle lagen
Brandreste; die Grube war also ausgebrannt worden, bevor man
die Leiche hineinlegte. Inhalt: 1) Flacher Teller wie X, 16,
falls man sich den oberen Theil wegdenkt.
Grab 71.
Grube : unbestimmt. Inhalt : 1 ) Eisernes Kurz schwer t,
Schneide!. 0,21, Schneidebr. 3','j cm, Griffl. 90 mm. Bemerkung:
Vielleicht gestörtes Grab.
Grab 72.
Grube: unbestimmt. Inhalt: ein Skelet ohne Beigaben.
Grab 72a.
Grabe: unbestimmt. Inhalt: Skelet ohne Beigaben, links vom
vorigen gelegen.
Grab 72b.
Grube: unbestimmt. Inhalt: Skelet ohne Beigaben, links von
72 a gelegen.
Grab 73.
Grube: 2,50 1., 1,76 br., 2,30 t. Inhalt: 1) Einschneidiges
Kurzseh wert wie VIII, 12, jedoch ohne Scheidebesehlagrestc,
Aufdeckung einer vorgeschk-htl. Niederlassung etc. in Meckenheim. 199
Sehneidel. 0,44, Griff DO nun erhalten. Lage: liuke Weite der
Hüfte. — 2) Ei sen messe r, wie das auf Knrzschwert VII, 1
liegende, Sehneidel. 0,12, Schneidebr. 25 mm, Griffl. 40 mm.
Lage: neben Nr. 1. — 3) Eisenspeerklinge ähnl. VII, 18,
Tttllenl. 0,14, Spitze Ü,16ö. Lnge: rechte Seite, etwas schräg
von Osten nach Westen, rechts von dem rechten Kniegelenk mit
Spitze nach unten gelegen. — 4) S c h i 1 d b u c k e 1 aus Eisen wie
IX, 14, unterer Durchmesser 15*/» ein, Kandbreite des Buckels 25 mm,
ganze Höhe 73 mm. Lage: neben dem rechten Oberarm. — 5)
Fenerschlagstahl ähnl. VIII, 11; I. 55 mm, br. 30 mm. —
6) Feu erschlag st ein, 1. 35 mm. — 7) Schwarzer eiförmiger
Thon schieferstein mit sehr glatter Oberfläche, sogenannter
Probierstein der Goldarbeiter, 1. 40 mm, br. 31 mm, dick 3 mm.
Lage: auf rechtem Unterarm. — 8) Nicht naher bestimmbare
Eisen t heile einer Gürtelschnalle. Lage: Lenden. — 9) Theile
einer gelblichen S c h 0 s s e 1 wie X, 16; h. 35 mm, Randprofil X, p.
Lage: neben Nr. 3. — 10) Reste eines Tellers der schlichten
Form wie unsere Blnmcnteller aus Ziegelerde. Bemerkung: auf der
Grube lag das Skelet 73 a.
Grab 73a.
Grube: auf 73 gelegen. Inhalt: 1) Zwei Ohrringe ans
gewundenem Metalldraht, an dem Ende Oese und Haken zeigend,
Dm. 35 mm. Lage: an dem Schädel eines 1,75 m langen weib-
lichen Skelettes, 1,60 m tief.
Grab 74.
Grube: t. 2,30, auf Übrigen Verhältnisse ahnl. Grab 73. Inhalt:
1) Einschneidiges Kurzschwert, Sehneidel. 0,42, Grifft. 0,16.
Lage: linke Seite. — 2j Eisen messe r, Sehneidel. 13'/,, Schneide-
breite 51/, cm, Griff 1. 40 mm. Lage: unterer Thcil von Nr. 2. —
4) Gürtclschnal lenreste (?) ans Eisen. Lage: Lenden. —
5) Kleines Sehn all eben, ähnl. IX, 12, I. 30 mm. Lage: ver-
einzelt auf der Grubensohle. — 6) F euer sc h lagstahl ähnl.
VIII, H; I. 0,80, 5, br. 30 mm. Lage: neben Griff von Nr. 2. —
7) Feuerschlagstein, 1. 30 mm. Lage: auf Nr. 6.
Grab 75.
Grube: Verhältnisse ähnlich dem Grab 73. Inhalt gestört, viel-
leicht von Grab 65. Die Nordostecke durchschnitt eine kesselfürmige
vorgeschichtliche Brandgrube.
•200
C o u st a Ii t i n Koeucn:
Grab Tti.
Unterer Tlicil eines Skelettes. Ucbcr demselben ruht in gc-
wfdbter Form eine Brandlage, vielleicht von einem durch Brand aus-
gehöhlten Baumstämme herrührend , der das Skelet bedeckte. An
der linken Hüftweite fand sich ein kleines Eisenmesscr des Typus
IX, lö. Der übrige Theil des .Skelettes war von dein nachfränki-
seheu Wassergraben dnrehsehnitten.
Oral. 77.
Grube: 1. 2,f»o, lir. 1.77. t. 2,3«». Inhalt: 1) Eisens p e e r-
spitze, VIII, 20, Spitze mit scharfem Grad versehen; 1. 0,18,
br. 45 min. Schaftl. 0,12. — 2) Desgl., Spitzenl. (».2:5, 5, Schaftl.
0,1 1 . — '.Vi Eiscnrcste vom G ü r t c 1 b e s e Ii I n g e, mehrere Mcssing-
biukeln zehrend. - - 4.i Rest eines doppelzeiligen Beinkammes.
— :")) Irdener blauschwarzer Topf, abgeb. X, 4, Kaudprofil X, o,
Bodenplatte X, i, Verzierung X. 2») ; Ii. nicht zu bestimmen. Es
bleibt zu bemerken, dass die Wände eine Härte aufzuweisen haben,
welche über die der älteren Meekcnheiiner Frankcugcschirrc hinaus-
geht. Auch sind die Grübehen sehr scharf eingedruckt. — Hi Irdener
blauschwarzer Topf. ähnl. X, 4, Randprofil ähnl. X, m, Bodeupi.
X, i: h. 12' /j, cm, Verzierung ähnl. X, 15. — 7 t Boden eines zer-
brochenen gläsernen Bechers. Derselbe ist kugelig abgerundet,
hatte die Form des Awlernachcr, Jahrb. LXXXVI, XII. 18. — 8) Zwei
Fenerse Ii lagst eine. — 9) Feuer schlagstahl. Bemer-
kung: Sämmtlichc Gegenstände lagcu in der südöstlichen Ecke der
Grube, ausgenommen Nr. 3 und 8 sowie 0, welche in der Lenden-
gegend augetroffen wurden. Auf der Grube lagen die Beine eines
Skelette» von Grab 81.
Grab 78.
Grube: Verhältnisse ähnl. den vorigen. Inhalt: Ein 1,44 m
grosses Skelet, das neben der rechten Hand und zu den Füssen
je ein Hunde skelet liegen hatte. Das Skelet des Mensehen
lag 1,68 m tief. Unter diesem Grabe das folgende.
Grab 78a.
Skelet ohne Beigaben.
Grab 70.
Grube: Verhältnisse ähnl. Grab 77, t. 2,so. Inhalt: 1/Eisen-
spe erklinge, I. 0,24. — 2; Rest eines Beinkammes mit
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Aufdeckung einer vorgeschichtl. Niederlassung etc. in Meckenheim. 201
doppelter Znhnrcihc. — 3. Irdenes Gcfässchcn, gelblich, stark
mit Quarz vermischt, abgeb. VIII, 24, h. 75 mm, Dm. 43 mm.
Bemerkung: Da« Grab war gestört. Eiuzcluc Knochen könnten
vielleicht von einem Kinde herrühren.
Grab 80.
Grube: 1. 2,50, br. 1,50, t. 2 m. Inhalt: 1) Einschneidiges
Kurzschwert, abgeb. VIII, 12, Schneide). 0,40, Griff I. 0,21.
An dem oberen Räude der Sehwertsclmcidc liegt ein Messingbleeh-
bcschlag der Scheide, welcher an der Seite mit eingestanzten
Punkten versehen ist. An der Spitze zeigt sich ein Beschlag der
Spitze der Scheide, ebenfalls kreisförmige Löcher als Verzierung
und drei kleine Mctallstiftchen vorführend. Lage: an der linken
Seite, so dass die Mitte des Schwertes das Gelenk des linken Armes
berührte. — 2) G tl r t e 1 s c h n ä 1 1 c h e u, wie abgebildet vorgefunden
bei Nr. 1. — 3) Eisenreste eines kleinen 51 e 8 s c r s, abgeb. VIII, 12
auf dem Kurzschwert liegend.
Grab 81.
Grube: 1. 3 m, br. l,r>0, t. 1,(50. Inhalt: 1) Ohrring aus
dickem Metalldraht, Dm. 55, derselbe zeigt oben eine Oese und an
der entgegengesetzten Seite einen Haken, welche beide Theile mit
dem Ring selbst zusammen hiiugeu. Bemerkung: Das Skclct lag auf
dem folgenden Grabe.
Grab 81a.
Grube: vgl. Grab 81. Inhalt: durcheinander liegende Skelet-
reste ohne Beigaben.
Grab 82.
Grube: 1. 2,70, br. 1,50, t. 2 n». Inhalt: Skelet ohne Bei-
gaben. Unterhalb diesem das Grab 82a.
Grab 82a.
Inhalt: 1) Eisenspeerkliuge ähnl. VIII, 1H, Sehncidel.
0,14, Sehaftl. 0,16. Lage: Fronende. — 2) Reste eines Bein-
kammes mit doppelter Zahnreihe. — 3) Eisenmesser ähnl.
VIII, 14a, 1. 0,15. Lage: Lenden. — 4) Eisense beere ähnl.
VIII, 21, 1.0,22, davon fallen 90 mm auf die Schneide. — 5) Reste
dreier Pfeilspitze n, von diesen lassen sich eine blattförmige und
zwei rautenförmige erkennen, von denen eine 40 nun Spitzen- und
40 mm Tüllenlängc zeigt. — G) Eiseninstrument, sehr wahr
202
CnnHtantin Koenen:
Mclioiiilich oberer Thcil eine« .ScIiIQiwcIm wie VIII, 22. — 7> Irdener
Topf wie X, 4, Ronriproftl fthnl. X, o, jedoch ohne Stäbeben,
Bodenplatte X, i, Verzierung X, 26. Die Farbe ist blauschwarz,
Thon fest gebacken. Bemerkung: Die genannten Sachen schienen
gestört zu sein, wie auch das ganze Skelct, welches nach seiner
Lage (unter 82) älter ist als voriges Grab.
Grab 83.
Grube: l. 2,69, br. 1,60, t. 2,10. Inhalt gänzlich gestört.
Grab 84 (Taf. III).
Grube: unbestimmbar. Als das Bonner Provinzialmnscum die
Ausgrabungen der Frankengräber vornahm, wurde ich von einem
Manne herangerufen, welcher südlich der Ausgrabestelle , auf der
Südseite des Umfassungagrabcns, Parzelle mit dem Fundament-
auswerfen einer Scheune beschäftigt war. Daselbst habe ich die
Fundstelle („Grab 84") bezeichnet. Es fand sich hier bei einem
von Westen nach Osten gerichteten Skelct, das ich persönlich blos-
legtc und Taf. ITI, 9 nebst Beigaben abgebildet habe, folgendes:
1) Kette aus Sehmuckperlen von buntem Glasschmelz, von mit
Schmelzmasse überzogenem Thon und von Bernstein, abgeb. III, 2.
Lage : Hals. — 2) Eiserne, reich in Silber tauschirte S c h e i b e n-
fibel mit Mctalleinfassnng und fünf Mctallknöpfen, die mit kleinen
Kreislinien verziert sind, in nat. Grösse, abgeb. III, 3. Lage: Brust.
— 3) Mit Oese versehene metallene Heftspange, in natürl. Grösse
abgeb. III, 7. Lage: neben Nr. 2. — 4) K c 1 1 e aus dickeren
Schmnckperlen , darunter die III, 4 abgebildete Bernstcinperle.
Lage: Lenden. — 5) Wirtel aus Bein, abgebildet III, 8 in der
Seitenansicht, 8a Vorderansicht, 8b Rückenansieht. Lage: auf der
Mitte des linken Unterarmes. — 0) Metallene Zierscheibe nebst
Bcineinfassung und anfliegendem Beschlagstreifen aus Metall, beide
durch kleine Kreispnnkte verziert; eingefasst ist die Scheibe durch
ciuen Beinrand, der mit Linien verziert ist. Lage: neben linkem Fuss-
gelenk. — 6) Irdenes blaues Thongefäss, abgeb. III, 1, Profil
des oberen Theiles abgebildet X, c, Bodenplatte X, k, Verzierung
III, la; h. 0,13, 5. Lage: neben rechtem Fuss. — 7) Scheibenför-
miger Gegenstand aus Eisen, stark verrostet, augenscheinlich je-
doch von jeher mehrfach durchbrochen, abgeb. III, 5. Lage: un-
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Aufdeckung einer vorgeaehiehtl. Niederlassung etc. In Meckenheim. 203
hcHtimmbar, da vor meiner Anwesenheit ans Licht geschafft. He
merknng: das Skelet war 1,56 1.
Grab 85 (slldöstl. Grab 31 neben Geuieindeweg gefunden).
Grube: Grenzen unbestimmbar. Inhalt: 1) Einschneidige«
Knrzschwert nebst Lederresten der Seheide und Zicrkuöpfeu,
sowie kleinen Zicrsriftchen, ähnlieh VIII, 14, jedoch ungewöhnlich
langen Griff zeigend, Schneide!. 0,33, Schneidehr. 60 mm, Griffl.
(mit Holzresten desselben im Boden gemessen) 0,51. Lage: mit
dem mittleren Theile auf dem Kopfe des linken Oberschenkels
und von dort aus mit dem Griff nach der Mitte oder rechten Seite der
Brust hin zielend, wo die Griffspitze dem rechten Armgelenk gegen-
über lag. — 2) Haarpincette, ähnl. VIII, 4, auch oben kleine
Ringelchon zeigend, Metall, 1. 12'/, cm. Lage: die Kneife berührte das
änsserste Ende des Griffes, während das obere Ende nach dem
Brustbein hin gerichtet war, so dass das Ringelchen etwa den
schwertförmigen Fortsatz des Brustbeins berühren mochte. — 3)
Breitaxt aus Eisen, ähnl. VII, 13, Breite vom Axthelm bis zur
Schneide 0,18, Schneidet. 0,16. Lage: neben dein unteren Theile
des rechten Unterschenkels, so, dass der Griff nach oben gerichtet war.
— 4) Irdenes gelbliches Gefässchcn in Form einer kleinen
Schale mit weit ansgebogenem Bande. Lage: oberhalb des unteren
Endes der Breitaxt Xr. 3. — 5) Conglomerat von zusammenge-
rosteten Eiscnsachcu nebst einigen merowingischen Gefässscherben.
Lage: neben dem Kopfe des rechten Oberschenkels. Es könnte
wohl Pferdegeschirr, Schildbuckelrest und Anderes gewesen sein;
mit annähernder Wahrscheinlichkeit konnte jedoch nichts erkannt
werden. — 6) Bein kämm mit doppelter Zahnreihe, 1. 0,12,
br. 50 mm. Lage: auf dem unteren Theile des Conglomcrates. —
7) Zerbrochener Merow ingertopf, hlauschwarz, fast glänzend
schwarz gedämpft, Form wie X, 4, Bandproh'l ähnl. X, m, Boden-
platte X, i, Verzierung X, 14. Lage: auf dem Conglomerat. Be-
merkung: Das Skelet hatte zwischen der Speiche und Elle des
rechten Armes ein Stück Eisen; die ganze Länge betrug 1,73 m.
Grab 86 — 95.
Ein von Grube 76 in west - östlicher Richtung gezogener
Graben, der den Querdnrchschnitt des nachfränkischen Wasser-
grabens zeigte, bot folgende Vorkommnisse: Der Graben durch-
204 Constanfin Körnen:
schnitt mehrere fränkische Gräber, die al* Beleihen Eisenmesser-
ehen aufwiesen, also wohl der jungten Todtcnlagc angehört haben
können. Zwei Skelette lagen 1 ,70 m tief. Ein drittes
lag 1,80 tief. Ein vierte» Skclet lag ebenfalls 1,80 tief, je-
doeh hier auf einem älteren Grabe. Ein fünftes Skelet in
1,80 m Tiefe, das mit Brandlage hedeekt war, halte Eisen-
messcrehen wie IX, 15 bei der linken Hllftseite liegen. Ein
sechstes Skelet, ebenfalls in 1,80 m Tiefe vorgefunden, hatte
ein Kurzschwert neben sich liegen von 0,34 Schneide und 0,15 Griff,
dann ein Etscnmesscrcheii. Ein siebentes Skelet lag 2 m
tief; ebenso tief stiessen wir auf ein achte* Grab. In 2,40 m
Tiefe fanden sieh noch Schädelreste. Ein neuntes Skelet
hatte als Beigaben einen doppclzeiligcn Beinkamm, wie VIII, 21
und ein Eisenmcsserchen wie IX, 15.
Nachträge
zb den Fuudberk hten Aber die Aufdeckung der vorgeschichtlichen
Niederlassung and des fränkischen Gräberfeldes in Meckenheim.
Meckenheim wird, wie mir Herr E. von Ciaer, clor Sachkundige
unserer Laiidesgeschichte, inittheilte, zuerst aufgeführt in einer Schenkung
des Priesters Heriger an das Bonner Kassiusslift vom Jahre 8T>4: dono
seu et trado in pngo Tustenso, in villa vel uiarca cjnae dicitur Meckeden-
heim, curtilcni salaritiain etc. Die Schenkung erfolgte unter Erzbischof
Gunthar von Köln (850 bis 873), und an demselben Tage (1. Juli) verlieh
der Erzbischof, der zugleich Propst des Kassiusstiftos war, in einer
zweiten Urkunde das Geschenk als Prlloarei oder zum Niessbrauch zu-
rück. Er sagt fast mit denselben Worten: „hoc est in pngo Tustonse in
villa aut marca Melikedenlicitn. Dieser l'rkundc gemäss lagen in dem
letztgenannten Gau auch die villa Everesdorp (Ersdorf) und die villa
Tutehoven (Harle. ss, Die Grafen von Bonn und die Vogtei des Cassius-
stiftes. Bonner Festschrift vom Jahre 1868). Der Gau war also in der
Frankenzeit nach dein Flüsschcn SchwLst benannt, an welchem Mecken-
heim liegt. Er umfasste den östlichen Theil des Kreises Rheinbach; nn
der Westgrenze gegen den Eifclgau grenzend, gehörte dazu noch die
Waldinark Hoenspalde, an welche die Hospelterliüfe in der Bürgermeisterei
Münstereifel erinnern. Er war ein Uutergau des Bonn- oder Ahrgaue*
Aufdeckung einer vorgeschichtl. Niederlassung etc. in Meckenheim. 205
(1067 pagus ßunnensis et Arensis). Derselbe bestand, seinem Doppel-
namen gemäss, aus zwei Tlieilen unter einem Comitat ; er erstreckte »ich
von Breisig über Franken, Blasweiler, Kesseling, Lind, Kuperatb, Müd
scheid, an Effelsberg vorbei auf Kirchsaar, Houverath und durch die.
Sürsch auf Rhcinbach, Miel, Heimcrzhcim, Neukirchen in der Swist,
Metternich, Weilerswist, Roesberg, Walberberg und Schwadorf bis Wesse-
ling. Die Sehwist war die Grenze zwischen dem Zülch-, Bonner- und
Kölngan (Annalen IX, S. 287, XXI, S. 1*5). Der Bonnergau bildete mit
Eitel-, Zülpich-, Köln- oder Gilgau und dem Nievenheimergau das Land
der Ripuarfrankcn der linken Rheinseite (Harles« a. a. O., [Annalen des
histor. Vereins für den Niederrhein] I, S. 32). Berücksichtigen wir die
Schreibart Meckenheims, so begegnen wir in einem Oiiterverzeichniss der
Abtei Prüm von 893 dem Ort unter dem Namen „Mekcinhcim" und
„Mehcinheym". Dieselbe Abtei besass auch Güter zu Meckenheim bei
Speyer in Rheinbayein (in pago spirense in villa scu marca quac dicitur
mekkimheim), welche sie im Jahre 831 vertauscht. 1128 wird ein Ort
Meckenbach (Mekkinbach) bei Achtvisbach im Birkenfeldischen genannt
(BHyer, Mittelrhein. Urkundenbuch I, S. 893, 831). Das Grundwort „heim"
liisst mit Sicherheit auf fränkische Anwesenheit schliessen; es ist gleich
mit unserem Wohnung, Haus, Dorf, kurz: Aufcnthaltsstelle, Heimath, Heim.
In der Nähe von Münster, so sagte mir Gymnasialdirektor Dr. Tücking,
befinden sich zwei Bäche, von denen der kleinere als Lütgenbäck von
dem grösseren, der Meckedenbttck heisst, unterschieden wird. Das Be-
stimmungswort könnte somit ebenfalls wohl fränkisch sein und mit dem
deutscheu „gross"* ideutifleirt werden, so dass der Name Meckenheim
„grosses Heim" bedeuten würde, von Ciaer sagt in seinem Briefe
(25. Juni 1890) mit Recht, Meckenheim war, als es 1636 Stadtrechte, Mauern
und Gräben erhielt, nach dem Weisthum von 1421 damals bereits befestigt,
denn die Lage des Dinghauses des Maricngrabenstiftes werde „supra
fossatum ville" angegeben (vgl. Annalen a. a. O. XL1V, S. 177, 185), da-
raus lasse sich eine gewisse Bedeutung de* Ortes im 15. Jahrhundert
und früher nicht verkennen. Bestätigend treten hier die Ergebnisse der
Ausgrabungen hinzu und die Grabfunde führten uns nicht nur den
Hausrath der frllnkischen Meckenheimer, sondern auch-deren Tracht vor
Augen; sie machen uns auch bekannt mit deren religiösen und aber-
gläubischen Vorstellungen, geben überhaupt einem Einblick in das Denken
und Fühlen derselben. Wir sehen, dass die zuerst angelegten Gruben
sich von den späteren durch Grösse und Sorgfalt ihrer Anlage auszeichnen;
sie reichen im Allgemeinen bis zu bedeutenderer Tiefe. Sehr häufig hat
man bei der neuen Beisetzung die alte Grube wieder benutzt, wenn auch
in der Regel nicht ganz bis zu den alten Wänden hin ausgegraben.
Vielfach wurden bei solchem Auswerfen der alten Gruben die vorge-
fundenen Kuochenreste sorgfältig bei Seite gelegt und neben die neuen
Todten auf die alte Grubensohle gelegt Aber es wurden vielfach auch
die älteren Gebeine in der neuen Grube zerstreut vorgefunden. Häutig
blieben, je nach Anlage der neuen Grube einzelne Theile der älteren
Todten in ihrer nrspünglichen Lage zurück. Einige der Todtengruben,
206
Constantin Können:
die anscheinend zu den sich der karolingischeu Zeit nlthernden gehörten,
waren ausgebrannt, bevor man den Todten hineingelegt hatte. Die vor-
gefundenen Skelette zeigten eine verhältnismässig gute Erhaltung; sie
lagen — soweit sie zu dein alteren Bestandenes Gräberfeldes gehörten —
auf dem Kücken, mit den Füssen oder vielmehr dem Antlitze nach Osten,
lang hingestreckt, die Küsse neben einander, die Anne in der Kegel an
den Seiten ausgestreckt, nicht Uber Kreuz, manchmal jedoch augenschein-
lich den Griff des beigefügten Schwertes berührend. Bei den Skeletten auf
der Grubensohle, nicht in den höheren Lagen des Füllgrundes einer Grube
wurden die von Menschenhand angefertigten Dinge, oder von Menschen
benutzten Naturprodukte angetroffen. Alle solche Funde entsprachen
dem Geschlecht des Verstorbenen; Sachen, welche auf irgend einen Be-
ruf schliesscn Hessen, etwa auf einen Zimmermann oder Schmied, wurden
indessen nicht vorgefunden. Alles Mitgegebene lag so, wie es der Ver-
storbene bei Lebzeiten getragen hatte oder wie er es. falls schlafend in
der Grube, liegend, beim Erwachen am schnellsten und bequemsteu ge-
brauchen konnte. Das erinnerte an die nationale Denkungsart, wie die
Manner da lagen in vollem Waffenschmucke, die Frauen in festlichem
Gewände, so, als ruhten sie in der Walhalla, wo sie. bekanntlich nach
nordisch- germanischer Vorstellung jeden Morgen, wenn sie von dem
Hahne mit dem goldenen Kamme geweckt worden, hinaus auf den Plan
zogen und kämpfend einer deu Anderen zu Boden streckten, während
als Wnlkyren sich die Frauen erhoben und das himmlische Glück ihrer
kriegerischen Helden theilten. Je mehr sich die Graber der karolingischeu
Zeit näherten, desto mehr Hessen die Beigaben nach, so dnss fast sämmt-
liche in der obersten Lage gefundenen, in dem Situationsplanc durch die
Skelette angedeuteten Todteu, keine Beigaben oder nur ein kleines Eisen-
messerchen aufzuweisen hatten.
Männer, Frauen und Kinder lagen nebeneinander, Reiche und
Arme in denselben Reihen. Die durchschnittliche Länge von 20 Ske-
letten betrug 1,63, ein ausnahmsweise grosses Gerippe hatte 1,85 in Länge.
Ueber die Schädel urtheilt Schaaf fhausen (Correspondenz- Blatt der
Anthropol. Gesellsch. Jahrg. 1879, S. 129) wie folgt: „Ks wurden etwa
30 ziemlich vollständige Schädel gewonnen. Es sind darunter solche von
Greisen, Weibern und Kindern. Unter 30 von mir näher untersuchten
Schädeln sind fünf weiblich, fünf sind Stirnnahtschädel, vier ächte Brachy-
cephalen, eiuer ist chamaecephal, einer ein Makroeephalns, die übrigen sind
mesocephal oder dolichocephal, sehr rohe Formen sind selten darunter" . . .
»Recht merkwürdig ist es für den Ethnologen und Kraniologen, dass
unter den Germanen, die hier bestattet liegen, ein ächter Makrocephalus
sich findet von jener ausserordentlichen Form, die durch künstlichen
Druck hervorgebracht ist, mit allen Eigentümlichkeiten , die wir an
diesen Schädeln kennen, die nach dem Berichte des Hippocrates schon
von den scythischen Anwohnern des Schwarzen Meeres künstlich hervor-
gebracht wurden und die in Gräbern der Krim auch gefunden worden
sind. Dieser Schädel zeigt deutlich den Eindruck zweier Touren der
Binde, er ist ungemein leicht und dünn und da sich dies häufig findet,
Aufdeckung einer vorgeschichtl. Niederlassung etc. in Meckenheim. 207
ist zu vermuthcn, dass die Zusamnienpressung des Schädels auf die Ver-
kleinerung der ernährenden Gefässc einen Einfluns übt. Hier mochte die Ver-
dünnung der Knochen auch durch das Lebensalter des Schädels zum Theil
hervorgebracht sein, denn an verschiedenen Stellen ist die Schädelwaud
durchscheinend oder gar durchbrochen." Schaafhausen Iwilt diesen
Schiide) für einen Hunm-nschilde), weil derselbe übereinstimme mit den
Makrocephalen der Krim, nicht nur in der ganz übereinstimmenden Ent-
stellung des Schädels, sondern auch in andern anatomischen Merkmalen;
andererseits hätten gerade in der Zeit der Anlage unseres Gruberfeldes
die Hunnen ihre Einfalle in Deutschland und die Schweiz bis über den
Rhein hin gemacht
Die Todtenskelette ruhten zumeist auf der Grabensohle ohne jed-
wede Spur einer künstlichen Umhüllung, fanden sich jedoch auch zwischen
aus Felsen gespaltenen Tafeln, in sogennnnten Plattcnkanuneru aus Sand-
stein vor; eine dritte Art der Beisetzung zeigte den Verstorbenen von
einem eisenbeschlagenen Brette schützend bedeckt; Eisenbesehbigstücke
oder Nägel, welche auf eigentliche Holzsärge schliessen lassen, wurden
nicht beobachtet. Dahingegen waren mehrere Gruben ausgebrannt, jedoch
fanden sich weder in diesen, noch in einer der anderen Gruben Scherben,
welche an absichtlich zur Sühne zerschlagene Gelasse «rinnem. Todten-
opfer wurden überhaupt nirgendwo, ebensowenig wie sichere Zeicheu
einer Mitgabe von Speise und Trank beobachtet. Jedoch fanden wir in
einem Grabe zwei mitbegrabene Hunde und in einem Männergrabe sind
zusammengerostete Eisentheile gefunden worden, die möglicherweise von
Pferdegeschirr hergerührt haben können. Dann fehlten kaum in einem
der Gräber der Beinkamm und fast alle die Älteren Gräber hatten ein
Thongefäss aufzuweisen, welche letzteren Gegenstände jedoch, nach der
heutigen Ortsitte zu schliessen, wohl eher auf Geschirre, deuten, die, bei
der l^eichenreinigung benutzt, aus Pietät mitgegeben wurden. Ver-
schiedene der Todten zeigten Münzen und andere Sachen in der Gegend
de« GUrteltäschchens: einmal begegneten wir in der Mundgegend des
Todten einer Goldmünze des 6. Jahrhunderts; ob dieselbe auf Fortbestand
der römischen Sitte, dem Todten eine Münze für den Fährmann der
Unterwelt mitzugeben, deutet, oder aber ob sie zum Schliessen des
Mundes oder der Augen Verwendung gefunden, litsst sich nicht ent-
scheiden, das Eine wie das Andere ist möglich.
Wo sich viele Sachen in einem Grabe fanden, war die Ausführung
der einzelnen Gegenstände eine bessere; bei Gräbern mit wenigen Bei-
gaben war auch die Ausführung der letzteren in der Regel von geringerem
künstlerischen Werthe. Auch in einem Falle, wo ein Verstorbener, der
an und für sich den späteren Beisetzungen zuzuschreiben war, eine
reiche Ausstattung aufwies, war diese schlicht in der Ausführung ihrer
Einzelheiten.
Leider sind durch Grabräuber viele Todtengruben geöffnet und
ihres Inhaltes beraubt worden; es waren jedoch gerade die Gräber mit
Steinsärgen, welche augenscheinlich den vornehmsten Todten angehörten,
beraubt und auch einige in freier Erde errichtete, zweifellos ehemals
208
Constantin Roenen:
reich ausgestattet«1 Grabe r. Es müssen diese durch irgend ein Äusseres
Zeiehen bekannt gewesen «ein, denn die Nachhargrilber geringeren In-
haltes waren unversehrt geblieben. Nur in der Nahe des Stadtgrabens
waren auch Gräber gewöhnlichen Inhaltes gestört worden; allein dies
geschah offenbar im lß. Jahrhundert bei Anlage des Stadtgrabens. Die
Arbeiter mussten das Gräberfeld durchschneiden und mögen Werthvolles
gefunden haben.
2. Karolingische (Jcfässreste aas «Jen Meckenhoioior Gräberu
and Töpfereien.
In dem Füllgrunde des auf dem Sitnationsplan Taf. I gezeichneten
Grabens wurden zahlreiche Gefttssscherben vorgefunden, nnd zwar bis
zu der in 3,00 m angetroffenen Sohle. Unter den Scherben befinden sich
solche der karolingischon Relief baiidschniuckainphoren , wie X, 31,
welche ich (Westdeutsche Zeitschrift VI, Taf. XI) in ganzer Gestalt
wiedergegeben und (a. a. O. S. 302) als in der ersten Hälfte «les !). Jahr-
hunderts beigesetzt, erklären konnte. Ausserdem fanden sich mehrere
kleine blaugraue kugelige Gcfilssc und zahlreiche Bruchstücke von
Topfen, welche die ersten Spuren von Gurtfurchen und die Wellenplatte d«-s
Bodens, kurz jene späteren Eigenthümlichkeiten von Scherben alter Mecken-
heimer Topfenden zeigen, die ich (u. a. O.) als in den Normannenzügen
vom Jahre HK1 zerstört und aufgegeben bezeichnet habe. Ks wäre nicht
unwahrscheinlich, dass eine Verfolgung des Grabens auf eine Anlage aus
der Zeit der Norinanncnzügc führen könnte. Vielleicht haben wir es mit
einem damals errichteten Zulluasgrabeu zur alteren Ortsbefestigung zu
tlmn. Natürlich musste damals das Toiltenfeld als Begrabnissstiltte auf-
gegeben worden sein. Auch in einer Tiefe von 0,30 bis 0,80 m unter der
Oberfläche der übrigen Theile des Todtenfeldes fanden sich zahlreiche
Gefltssscherben, die mit den Grabern selbst nichts zu schaffen hatten.
Es rührten dieselben zumeist von den Meckenheimer fränkischen Töpfe-
reien her, die nordöstlich des Graberfeldes in der näheren Umgebung
des Ortes bestanden haben. Mehrere Scherbenberge sind noch jetzt dort
vorhanden. Scherben daher lassen sich auch in weiter Verbreitung ent-
lang der Strassen und des Schwistbaches verfolgen». Dieae Gefasse von blau-
grauer, gelber, blauschwarzer, schwarzer und auch wohl mehr oder weniger
brauner Farbe sind so hart gebacken wie unser Steingut ; sie zeigen zu-
meist die ersten Spuren von scharfkantigen Gurtfurchen und die wellen-
förmig ausgebogene Bodenplatte in ihren ursprünglichen, ebenfalls mehr
scharfkantigen Biegungen. Die Halm-ander sind entweder wie X, in, falls
man sich das Stabchen wegdenkt, oder wie X, a, oder aber, sie führen
mehr oder weniger jene scharfkantige Modellirung vor, wie X, h. Viele
der Töpfe haben eine cylindrische Form, sind von oben bis unten mit
scharfkantigen Gurtfurchen bedeckt, sehliessen unten mit einer rohen
Wellenplatte ab und oben mit einem scharfkantigen Randprofil. Im All-
gemeinen hat diese Waare mit ihren vielfachen Unebenheiten und schlichten
Formen, besonders die mehr oder woniger sich der C\ linder- oder Kugel-
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Aufdeckung einer vorgeschichtl. Niederlassung etc. in Meckenheim. 209
form nähernde, etwas sehr Rohes und erinnert an den gänzlichen Ver-
fall der alten Keramik. Von Farbengebung ist keine Rede, da« heisst,
wenn man von dem durch Dämpfen bewirkten Anschwärzen vieler dieser
Erzeugnisse absieht. Glasur fehlt ebenfalls hei diesen Arbeiten, kurz,
es ist eine besondere Gruppe von Gelassen, welche ich bereits in der
Westdeutschen Zeitschrift VI, S. 362 und 363 in das Ende des neunten
Jahrhunderts setzen konnte. Diese Gcfässformen fehlen unter den in
dem Füllgrunde der Mcekenheiiner Fraukengrilber angetroffenen zahl-
reichen Gefassscherbcn gänzlich. Es wurden solche nur in dein Füll-
gruude des Grabe* 10 angetroffen. Dieses Grab gehört aber schon seiner
Lage nach in eine Zeit nach Aufgabe de« Gräberfeldes. Das Gräber-
feld wurde also zu Ende des 9. Jahrhunderts nicht mehr als
solches benutzt, denn wäre es benutzt worden, so würden
jene zahlreich auf der Oberfläche vorhandenen Scherben in
den Füllgrund der Gruben gelangt sein.
In einer Tiefe von 0,90 bis zu 1,30 fanden sich wieder andere und
zwar etwas ältere Gefässreste. Dieselben sind ebenfalls zumeist steingut-
artig hart gebrannt, allein sie haben eine mehr glatte Oberfläche; ihre
Farbe ist zumeist gelblich, auch wohl röthlich grau, graugelb, es kommt
auch das Graublaue, seltener das Schwarzfarbene bei diesen Arbeiten
vor. Die Kandprofilc nähern sich mehr den Formen Taf. X, f— X, i.
Die Henkel haben etwas breit Gedrungenes, sind etwas gerippt, wenigstens
selten *glatt und gehen zumeist von dem oberen Raudprofil aus, um steh
dann unterhalb wieder breit gedrückt anzusetzen. Glatte eiförmige und
kugelige Töpfe finden sieh auch, aber die letzteren zeigen wohl stets
eine horizontale Abplattung, als habe man das Gefäss zuerst kuglig ab-
gedreht und dann das Kuglige etwas geglättet. Die meisten der Boden-
platten sind wie X, i, jedoch steigt die Wand noch mehr liegend, sich
dem Kugligen nähernd, aufwärts. Als charakteristisches Ornament finden
sich X, 30 mit den flachen scharfkantigen Grübchen in mehr länglich
viereckiger Form, dann Reliefgnrtband Verzierungen wie X, 31, ferner
die Wellenlinie wie X, 20. Bei der vorletzten Art ist es sehr bezeich-
nend, dass diese Grübchen sich über die Hohlkehle des Halses, ja bis auf
den oberen Rand hin vertheilt finden und oft eine mehr pyramidale Form
annehmen. Vielfach fallen die dünnen steinharten Wände dieser Arbeiten
auf und eigenartig ist oft ein leichter üeberzug, der die manchmal ge-
körnte Oberfläche bedeckt und in den sich die Poren der Finger leicht
abgedrückt haben. Die letzteren Arbeiten , wie auch die Reliefband-
gefässe sind in der Regel nicht steinfest gebrannt, sondern mehr wie die
römischen irdenen Geschirre. Es sind diese Getässe also solche, neben
denen auch die mit netzförmig oder rautenartig gelegten leichten Einglät-
tungen versehenen vorkommen und zwar unter Umständen, welche
ich in der Westdeutschen Zeitschrift a. a. O. in die frühkaro-
lingische Zeit setzen konnte. Da nun, wie im Verfolge dieser
Arbeit zu erkennen ist, einzelne dieser Art von Gefässscherben in der
obersten Todtenlage und in dein durch Grabraub gestörten Füllgrund
der Gruben angetroffen wurden, haben wir allen Grund zu der Annahme,
Jiitirb. d. Vor, v. AU. i UHfr. Im K1u i.il. XCIt. H
Constantin Koenen;
dass die oberste der drei Todteulagen und mit ihr der Grab-
raub bis in die frü hkarolingischc Zeit hinein reicht. Dazu
paust auch die karnlingischc Münze V11T, 9, welche in Verbindung mit
jenen Scherben in dem Füllgrund einer der jüngsten Gruben angetroffen
wurde.
Es scheint mir so, als habe das von Carl dem (»rossen im J. 786
auf der jilhrlichen grossen Kciehsversaminlung in Paderborn den Sachsen
gegebene Gesetz, bei Todesstrafe das Festhalten heidnischer Anschau-
ungen und Gebrauche zu unterlassen und die Todten nicht mehr auf den
heidnischen BcgrkbiiissplHtzcn, sondern auf den christlichen Kirchhöfen
zu begraben, als hätten ferner die bereits im Jahre 771 auf der Synode
in Neueking von Carl dem Grossen erlassenen zahlreichen Verordnungen
gegen den Diebstahl, dein Begraben auf dem Meckenheimer Graberfelde
und der Mitgabe von Waffen und Schmuck, sowie endlich auch dem
Grabraub ein Ende bereitet. Es bleibt ferner zu berücksichtigen, dass
auch gegenüber der Beisetzung von mehreren Todten in ein und der-
selben Grubo, wie dieses in vielen Meckenheimer Grabern vorliegt, die
lex salica: „si quis hominem mortuuin super alterinn in petra aut in
naufo miserit'' nicht wirkungslos gewesen sein kann; denn es bezieht
sich diese Straf bestimmung offenbar nicht allein auf die Beisetzung eines
zweiten Todten in einen bereits belegten Holz oder Steinsarg, sondern
sie wird auf die GrUber überhaupt bezogen worden sein.
Bezüglich der Zeitteilung der älteren, unteren Todtonlage" bleibt
hervorzuheben, dass hier siimmtliche Eigenthümlichkeiten fehlen, welche
die ältesten Frankengräber des Kirchberges von Andernach gegenüber
denjenigen vom Burgthor zu Andernach als frühmerowiugisch kenn-
zeichneten: Spatrümischc Perlentypcn, wie die von mir, Jahrbuch Heft
LXXXVI, Taf. XI, Fig. 6 und Fig. 7, dargestellten, fehlen in den Mecken-
heimer Frankengriibern ; es fehlen ferner Ketten von mit hraunrother, mit
weisser und schwarzer Welleneinlage und gelbem Farbbande versehenen
Perlen, wie, solche, anlehnend an die spätröinischcn, für das Kirchberger
Gräberfeld charakteristisch sind (vgl. Jahrb. a. a. O., Taf. XII, Fig. 50).
Es fehlen ferner die auf dorn Martinsberg vorgefundenen Kurzschwerter
mit Parirstange (a. a. O. Fig. 6), der breite, sich dem römischen Dolche
nähernde Dolch (a. a. O. Fig. 7), es fehlt die eigenartige, an «las Römische
erinnernde Lanzenform (a. a. O. Fig. 10), dann das mit orientalischen
(.rannten versehene Schmuckstück in Vogelgestalt, die für die Frühzeit
so bezeichnende, mit Granatphittchen besetzte Scheibe (a. a. O. Fig. 26)
und Gürtelschnalle (a. a. ü. Fig. 24 und 25), wohingegen alle Typen der
Waffen- und Schmuekgeriithe sow ie die' Thongefässe vorgekommen sind,
welche auf dem Gräberfeld vom Burgthor in Andernach angetroffen
wurden. Die in unserem Gräberf'clde in den unteren Todtenlagcn ge-
fundenen irdenen Geschirre haben die grösste Aehulichke.it mit denjenigen
des Beckumer Gräberleides. Die Gefässe Taf. X, Fig. 4, 6, 10, 29 sind mit
den in der Zeitschrift f. vaterl. Gesch. und Alterthumsk. 3. Folge. B. 5,
S. 381— 38« besprochenen und Taf. II, 5, 35, 25, 65 abgebildeten nahezu
identisch. Da nun die Beckumer Gräber aus guten Gründen von Bnrggrcv«
Aufdeckung einer vorgeschicht). Niederlassung1 etc. in Meckenheim. 211
in die Zeit um 6ä0 bis <?J*0 genetzt werden, so greifen wir schwer-
lich fehl, wenn wir weniger die altere, als vielmelir die
mittlere und spHtere Merowingerzeit , als die der Anlage
nnserer beiden alteren Todtenlagen betrachten und die An-
fange- der Beisetzung nicht über das 6. Jahrhundert, also
die Zeit hinaus rücken, in welche die, in einem Grabe der
untersten Lage a nget-roflVnc Goldmünze gehört. Der Ort
Meckenheim hat gleich den Gräbern also schon vor der ersten urkund-
lichen Nachricht des Jahres 854, nachweislich bereits in der Merowinger-
zeit bestanden.
«. Die ZeitHtallnng der Mcrkenheinier vorgeschichtlichen Ansiedelung.
Sehen wir uns nach vorgeschichtlichen Funden um, welche mit denen
der Meckenheimer Ansiedelung verglichen werden können, so werden
wir zunächst zn den Höhlcnfnnden von Stecten an der Lahn geführt.
Hier fanden sich sowohl Scherben der unverzierten, mit warzenförmigen
Au8iitzen versehenen Gefilsse, als auch solche mit Schnurnesen. Neben
den unverzierten wurden jedoch auch verzierte angetroffen. Ein Topf
zeigt bis zu 2 mm Tiefe eingeritzte Striche. Auch sind einige der
Steetener Topfornamente mit weissem Thon ausgefüllt (vgl. v. Co hausen
und Schaafhausen Annal. d. Nas.s. V. f. Gesch. und Alterthumsk. XV,
304. XVII, 73). Denselben Gefrtsstvpus fand v. Cohausen in den Brand-
gruben alter Wohnpliitze ain Ithein bei Schierstinn, am Landgraben bei
Mosbach, an der Stelle des neuen Archivgebaudes und der Villa Bertuch
bei Wiesbaden; auch hier zeigten sie sich in Verbindung mit kessei-
förmigen Brandgruben neben Feuersteinspahucn und Stücken Lehm,
von denen einige mit Flechtwerk - Abdrücken versehen sind (a. a. O.
S. 337 und S. 380). Wir finden sie in ihren verzierten Arten wieder in
einem Grabe bei Nieder-Ingelheini (vgl. Schaafhausen, Bonner Jahrb.
H. XLIV und XLV S. 113) und in einem solchen von Ober-Ingelheim,
Archiv f. Anthrop. III, S. 131. Im Wormsor Museum sind solche aus dem
Grabfeld bei Albsheim a. d. Eis. Es besitzt das Komisch-Germanische Centrai-
museum in Mainz solche Gefasse aus Oberolm, Nierstein und ein reich ver-
ziertes au» Rheinhessen. Die grösste Ausbeute brachte diesem Museum das
Grabfeld vom llinkelstein bei Monsheim (vgl. Linde nschmit, Archiv f.
Anthropologie B. 3, S. 112). An diesen Fund schliesst sich noch «'in Einzctgrab
von Kirchheim (Mehlis, Grabfund aus der Steinzeit von Kirchheim, Dürkheim
1881) an. Das Wiesbadener Museum besitzt endlich noch solche von Nieder-
walluf, die dort 18H3 gegenüber der Station gefunden wurden, zusammen mit
Feuersteinmessern und „Knochcnsteehcrn", sowie der „Schale einer bei uns
ausgestorbenen Flussmuschel, Unlo sinuatus". Merkwürdig ist eine in
demselben Museum ausgestellte Schnuroese des Meckenheimer Typus, in
welcher ein kleines Eiscnmesscr festgerostet haftet! Dieselbe wurde in
dem xur Steetener Höhlengruppe gehörenden Wildkeller gefunden. Gegen-
über diesen Funden bleibt die Thatsache zu beachten, dass keine der
212
Constantin Koenen:
Mcckeuheimer vorgeschichtlichen Scherben irgend welche Spur von Ver-
zierungen aufzuweisen hat und dass auch in der Form und Henkclver-
theilung unseres Topfes Tat*. II. f> sieh eine Abweichung kund giebt. Ks
stimmt nämlich der Topf Taf. II, 5 mit dem von Dupont als ältestes
l'ehcrbleibsol der Töpferkuust aus der Rennt hierzcit betrachteten schwarzen
Schnurvasentopfe aus dein Trou du Frontal überein, nur ist dieser unten
abgerundet und hat nur zwei Oesen, Mein, de l'acad. de Belg. 1SG7, Fl.
IX. f>, m) dass es den Anschein hat, als sei der mit phantastischer Orna-
mentik ausgestatteten Töpfcrwaare von Monsheim u. a. » I. eine schmuck-
lose vorausgegangen, welche hier am Rhein neben den einfachsten neoli-
thischcn Steingerilthen vorkomme. In diesem Falle wäre jene Ornamentik
nur ein lokales Vorkommen. Da weder bei den Monsheimer noch bei
den gleichartigen übrigen rheinischen Funden irgend eine Spur von
Metallgeriithen, sondern nur ungeschliffene und die einfachere- Art der
geschliffenen Slcingeräthc vorgekommen sind, so muss man dem Volke die
allgemeine Benutzung von .Metallgeriithen absprechen. Ks lässt sich
allerdings trotzdem nicht in Abrede stellen, dass zu dieser Zeit andere
Völker die Metalle kannten und allgemein benutzten, ebenso dass selbst
diesem Volke Melallsachen nicht gänzlich fremd waren. Ist doch, wie
mir noch kürzlich Herr Professor Dr. \Yi ed ema n n mittheilte, das Kisen,
wie überhaupt der Gebrauch der Metalle in Aegypten so alt, wie die
«gyptische Geschieht«* selbst. Unmöglich ist es daher nicht, dass auch
das Kisenmesser der Wiesbadener Schnurvase.so alt ist, wie die letztere
selbst. Die Wissenschaft hat eben mit jeder Möglichkeit zu rechnen.
Es findet sich dieselbe Keramik auch in Trichtergruben und alten
Hcerdstätteu bei Schinditz, Allstedt (S. Weimar), Taubnch (vgl. K 1 o p-
fleisch in den Vorgeschichtlichen Alterthümern der Provinz Sachsen,
Heft I, Halle 18K6). Wie im Trou du Frontal, so wurden solche auch in
einer Höhle von Rochefort (Ervethal) vorgefunden (im Geolog. Prähist.
Museum zu Dresden). Sie finden sich überhaupt in ganz Westeuropa.
Bezeichnend für diese Culhirgruppe sind in demselben Verbreitungskreise
die Trichter- oder Kesselgruben, sowie die hockend beigesetzten, zumeist
dolichocephalen Todten mit den roheren polirten , den eigenartigen
„schuhleistcnförmigen Steinkeilon", den „länglichen viereckigen Stein-
gerathen aus rothem Sandstein mit einer Langsrinne, welche' wahrschein-
lich zum Glatten von Pfeilschaften gedient haben* (Voss, vorgeschichtl.
Altert Ii. d. Mark Brandenburg, Berlin 1890, S. 6), und den schlanke-
sten, sorgfältigst bearbeiteten geschlagenen Steingerathen, den Thon-
gefässen in Cylindcr- und Kugelgestalt mit Schnurüsen und Warzen ; zu
diesen gesellen sich Halsketten aus Meermuschel - Gehäusen und aus
Thierzahnen (vgl. Linden s c Ii mit, Zeitschrift zur Erforschung der
Rheinischen Geschichte und Alterthümer zu Mainz, Band H, Heft 1, Mainz
186*, S. 1 u. flgd., Taf. II) und rohe Gctreide-Reibsteinc (a. a. O. Fig. 16).
Bezüglich der Schädel, welche als eigentliche Trager dieser Cultur in
den verschiedenen sicher bestimmten rheinischen Gräbern vorgefunden
wurden, erfahren wir das Folgende : „Die schmale hohe Form mit stark
vorspringenden Scheitelhöckern '.des Kirehheimer Schädels; weicht von
Aufdeckung einer vorgeschichtl. Niederlassung etc. in Meckenheim. 21.1
der gewöhnliehen Form des Gcrmancnschitdcls ah, die wir au* den
Reihengrabern kennen und nlthert »ich mehr dein Typus einiger heutigen
rohen Rassen.- (Schaa ffhausen, Corrcsp.-Bl. d. Anthrop. G. XII. Jahrg.,
Nr. 8, S. 57). „Her Nieder - Ingelhcimer Schädeltypus hat damit grosse
Achnlichkeit* (S c h a a f f h a u s e n a. a. O.). „Der Monsheiiner Schädel-
typus zeigt nach Kcker dieselbe schmale lange Form wie der Nicder-
lngelheimer". „Die schmalen Schitdel von Höchst-Stccten dürfen mit den
vorliegenden verglichen werden" (S c. h a a f f h a u s e n) . ., „mit der vor-
germanischeu mongoloiden oder finnisch - lappischen Kasse haben die
Ingelheimer und Kirchheimer Schitdel keine Verwandtschaft" (Schaaff-
hausen). Bezüglich der Steetener Schitdel hebt Sc Ii a a f fh a u sc n noch
hervor, dass sie eine auffallende Aehulichkeit mit den von Broca be-
schriebenen Schadein aus iler Rennthierzeit /.eigen. Auch manche Eigen-
thümlichkeitcu der Skelettheile stellten die Leute von Steeten an die
Seite der Bewohner des Thaies du Vczerc. Das grosse Schädel voluinen
sei vereinigt mit Zügen der Hoheit der Sehfldclhildung in beiden Fallen,
eine auffallende Erscheinung. Die tief eingesetzte Nasenwurzel, die
starken Brauenwülste, die vorspringende. Nase, die niedrige Form der
Augenhöhlen, die schief von aussen nach innen oben abgeschliffenen
Zahne eines prognatheu Oberkiefers, das vorstehende Kinn, seien die
übereinstimmenden Züge einer von dein Lahngebiet bis nach Frankreich
vertretenen Rasse der Vorzeit; die Schädel seien dolichocephal oder
mesocephal. Die Brachycephalie eines dieser Schade! billige möglicher
Weise- damit zusammen, dass er hu Grabe verdrückt sei, Annalen des
V. f. nam Alterthumsk. XVII, 1882, S. 25. »
4. Die Zeltstelinng und archaeologlsche Bedeutung eines angeblich in
Meckenheim gefundenen geschweiften Bechers.
(Taf. I, Fig. 10.) >)
Wie die Meckenheimer vorgeschichtliche Ansiedelung so tritt auch
diese Vase in ein ganz anderes Licht bei einem Vergleiche derselben
mit Ähnlichen Funden. Rheinaufwiirts stellt sich uns zunächst die Gegend
von Andernach als Fundstelle eines geschweiften Bechers vor. Derselbe
wurde etwa 200 Schritte, vom Bahnhof Neuwied -Weissenthurm unter der
grauen vulkanischen Sandscbicht einer Bhnssteingmbe gefunden (vgl.
Schaafhausen, Verh. des naturhist. V., Bonn 1HK1, S. .19; B. d. An-
thropol. Vor. in Trier, 188.1, S. 121; Jahrb. d. V. v. Alterthumsfr. LXXXV1,
Bonn 1H88, S. 1). Das Gefiiss von Weissenthurm hat dieselbe Form, ist
1) A nni erkling der Redaclion: Der bechertörmige Topf Nr.
1505 des Provinzial - Museums in Bonn ist von Herrn Professor aus'm
Weerth bei Herrn Antiuunr Haustein in Bonn gekauft worden und
sollt« angeblich aus Meckenheim stammen. Nach einer «lein Herrn
Muscums-Director Klein bei Uebernahme der Saminlung gemachten
Mittheilung ist derselbe in Andernach gefunden worden. F.inige neuere
mit ihm nahe Übereinstimmend«; Funde in Urmitz machen dies sehr wahr-
scheinlich.
*
214
Constantin Koonen:
it' K f nur durch drei nicht einmal parftlle-1 laufende Kehlungen oder
Striche in der roheren Weise verziert. In der Grösse stimmt es nahe
mit dem Meckenheimer Becher üborcin, in der Höhe ist nur ein Unter-
schied von 5 mm und im oberen Durchmesser von lVj cm. Das von
Weissenthurm ist lt>Ti> hoch und inisst im oberen Durchmesser 11,5. Kin
cyiindriseher Becher dieses Typus von der Grösse und Form unserer
irdenen Blumentöpfe wurde mir von dem Uhrmacher Hein aus Andernach
als Fundstück von Eich bei Andernach überleben. Derselbe, jetzt im
Historischen Museum der Stadt Düsseldorf, ist von Aussen völlig bedeckt
mit den bereits beschriebenen Quadratpunkt-Gurtlinien. Das RönÜBch-Ger-
■nanische Centraltnuscum in Mainz besitzt eine grössere Anzahl von Gofilsscn
eines gleichartigen Typus, von denen einige zwar dieselbe Ornamentver-
thcilung zeigen, jedoch an Stelle der Quadratpunkto Schniitverzierungeu
und ein fischgrateartiges Ornament aus schräg gestellten kurzen Parallel-
strichen tragen; wieder andere haben Strichverzierungen; achte Schnur-
Verzierungen fehlen. Als Fundstellen sind die < >rte Dienheim, Herrnsheim
und Obcrnlm verzeichnet. Ein charakteristisches Hügelgral), welchesGefHs.se
dieses Typus bnrg, ist das von Dorow, Opferstätten und Grabhügel,
1. Abtb., Wiesbaden 182*>, S. 1 — 5) beschriebene vom Hebenkies bei Wies-
baden. Dieser Knud zeigt, dass nicht nur der Typus der Thongcfiisse,
sondern mich die Beisetzungsweise der Todtcu eine andere ist, als die
der Monsheiiner und anderer gleichartig ausgestatteter Grttber. Das
Wiesbadener Grab war ein Brandgrab; an Stelle der Erdgruben erscheint
ein künstlich aufgeworfener Hügel mit Steinkern und der Todte selbst
ist reicher mit Beigaben ausgestattet, ja man hat ihm sogar sein Leib-
ross mitgegeben, wenn die beiliegenden Pferdeknochen darauT schliessen
lassen. Ausserdem fand sich bei ihm eine sehr schöne geschliffene durch-
bohrte Serpentinaxt, die geschmackvoll facettirt ist. Wie weit schlichter
sind dagegen die Monsheimer Steingenithe; auch hat man sich zti keinem
derselben jener gewählteren Steinart bedient. Dann ist zu berücksich-
tigen, dass sich in dem Wiesbadener Grabhügel schon einige grün oxy-
dirte Kupfer- oder Bronzeringe fanden. Professor Schaafhausen thcilt
mir mit, „dass mehrere Gcfiisse dieser Form auf der Gewerbe-Ausstellung
zu Coblenz im Sommer 1K91 zu sehen waren. Zwei beiluden sich im Be-
sitze des Herrn Dr. Pick in Coblenz. Eines ist von gleicher Grösse, und
Form wie das von Weissenthurm. Eines ist mit fünf Bethen eingedrückter
Punkte verziert, die oberste bildet kleine Bauten, das zweite ist viel
niedriger und hat um den Bauch neun durch Punkte hervorgebrachte
Linien, neben dem oberen Bande sechs". Sc h a a ff ha use n bemerkt ferner,
.so weitverbreitet die Form auch ist, so zeigen Technik und Ornamentik
doch grosse Verschiedenheiten, die auf verschiedene Zeiten bezogen
werden dürfen. Der aus der Hand geformte Topf von Weissenthurm ist
die rohest»' Forin dieser Art, die sieh aus den Bewegungen der Hand de«
Töpfers erklären liisst, vgl. Rh. Jahrb. LXXXVI, S. 3<i. Die mit einem
Hölzchen scharf eingeritzten Streifen sind durchaus keine Schnurver-
zierung; sie verlaufen ganz unregelmässig in ungleichen Abständen,
ihr Anfang und Endo gehen aneinander vorbei. Es sind dreimal vier
Aufdeckung einer vorgeschichtl. Niederlassung etc. in Meckenheim. 215
Streifen, die um da» GefHss lauten. Der becherförmige Topf im Bonner
Provinzial-MuHeum ist viel reicher verziert. Der Hand int umgeben von
einer Reihe kleiner durch Punkte dargestellter Dreiecke. Auch um die
Mitte de« Gefasses läuft eine Reihe von Dreiecken. Am Fusse sind sie
in einer Doppelreihe angebracht, unten kleiner, oben grösser. Ausserdem
laufen oben, in der Mitte und unten vertiefte Streifen ebenso unregel-
mäßig um das Gcfäss, wie am Topfe von Weissenthurm. Die beiden
Gefiisso vom Hebekies, die D o r o w a. a. 0., Taf. 1, 1 und 2 abbildet,
sind von Ähnlicher Form, aber ganz verschieden verziert. Der Becher 1
erinnert au die Schönheit klassischer Ornamente, der mit Punkten und
Strichen dicht bedeckte Becher 2 erinnert an die spateren Verzierungen
der Gefässe aus fränkischen Reihengräbern. Um dieselben laufen acht
Reihen schief gerichteter Striche, in jeder Reihe sind diese entgegen-
gesetzt gerichtet ; dazwischen laufen fünf Ringe, die aus 1, 2, 3 oder 4
Reihen eingedrückter eckiger Punkte bestehen. Ausser diesen Bechern
standen aber in demselben Grabe zwei stark ausgebauchte Gefässe mit
wohlgehildeteu Henkeln, zum Beweise, dass Gefässe der verschiedensten
Kenn in derselben Zeit in Gebrauch waren. Diese bauchigen Urnen und
der durchbohrte Serpentinhammer stellen das Grab in die jüngste nooli-
thischc Zeit. Nicht ohne Werth ist auch, was Dorow Über diese Gefässe
sagt: „Besonders auffallend erschien mir bei den Urnen 1 und 2 die
sehr schone Form und einlache geschmackvolle Verzierung bei so grober
Masse und Arbeit. Könnte dieses nicht vielleicht auch Beweis sein, dass
asiatische Colonisten von hoher Ausbildung in diese Gegenden einge-
wandert sind, bei denen sich die schöne Form zwar erhalten hatte, Ar-
beit und Masse aber roh und barbarisch wurden?'"' Noch mehr au Be-
deutung gewinnen alle diese rheinischen Funde, wenn man das interessan-
teste Denkmal dieser Art heranzieht, nämlich das berühmte, zuletzt von
Prof. Klopfleisch (a. a. O. Heft 1 und Heft 2) abgebildete und be-
schriebene „Merseburger Grabdenkmal*. Ks ist wieder ein Hügel, der
als Kern eine aus schweren Steinplatten zusammengesetzte Kammer
barg. Auf den inneren Wänden des Todteuhauses sieht man zwischen
teppiehartigen Ornamentmustern Rüstungstheile eines Kriegers: Köcher,
Pfeilbündel (nach Prof. Wiedemanu ist der Köcher nicht gestreift, das
vermeintlich Gestreifte ist nach Wiedemnnn's massgebendem Urtheil
ein Bündel Pfeile), Bogen, Gürtel, Harpune <das von Klopfleisch a. a.
<). p. 51 aus Leps. II, Ii» n. 0 f. besprochene Instrument ist, wie mir H.
Wiedemanu ebenfalls mittheiltc, kein Bogenspanner, sondern das Bild
stellt eine Harpune, der Haken vorne den Widerhaken dar), Schild und
eine haiomerförmig ausladende Streitaxt abgebildet, welche völlig mit
der des Wiesbadener Hügelgrabes übereinstimmt. Eine solche Steinaxt
wurde auch in dem Grabe selbst vorgefunden. — Die Verbreitung jener
Art von geschweiften becherförmigen Töpfen erstreckt sich über einen
grossen Theil von Kuropa. Sie sind in Baden {Wagner, Hügelgräber
und Urnenfriedhöfe in Baden, Karlsruhe 1885, Taf. III, 31), in der Schwei*
(Keller, Pfahlbauten,« Ber., Zürich IHM, Taf. III, I), in Osiprcusscn,
(Dr. Tischler, Steinzeit in üstpreussen, Königsberg 1883) uud dem ganzen
21»;
C o n s t a n t i n K n e n e n :
i stlmltischc» Gebiete üii Ta;'i' gefördert worden (Virehow, Vcrhaiidl. d.'
Huri. Anthrnp. Gesellschaft 1HKI, S. 4.«» und IM84, S. :«H» u. \.<, sie trett-n
dahingegen nicht in den nach Tischler (Westd. Zeitschr. J. V. H. II)
Jedenfalls älteren* westbaltisehen skandinavischen mcgalithisehcn Gräbern,
die sich bin Holland verbreiten, auf. In letzterem Lande .sind sie einzeln •ge-
funden worden. In Kurland kommen hie mich Lüh hock mit den aller-
frühesten Bronzen vor. in Frankreich sind Jllinliche mit imitirter Schnur-
verzierung, in Dolmen ebenfalls mit den frühesten Metallobjekten zu
Tage gefördert worden, nach Broeca in der Niederbretagnc in den Dolmen
von Morbihnn; sie gehen ferner durch Portugal, Sicilien, im Osten üher
Pole», Böhmen und Nord-Ungarn, landen sich , sogar im Gouvernement
Perm in KusslandJ (Voss und Stimm in g, Vorgeschichtliche Alterthümcr
aus der Mark Brandenburg. Berlin 18t>0, S. i>3\ Durch Mitteldeutschland
steigen sie hinab und sind in Steingrähcrn Thüringens häutig. Hier
kommen sie vor in Gritbern zu Bratinshain bei Hartha und bei Heuke-
walde, welche einfache Frdhügel mit Loichenbrandspuren zeigen, sowie
in Uhulich coustruirten Krdhiigeln in einem Walde bei Kasekirchen (S.
Meiningen). Ausserdem treten sie dort, wie schon gesagt wurde, in aus
mächtigen Steinplatten gebildeten Kammern auf. deren Boden gepflastert
ist und an deren Innenwänden die Tndten hockend beigesetzt sind; selten
ist das schnurverzierte Ornament in der Mark (Voss und Stiinming
a. a. O. S. 5; vgl. über echtes Schnurornameut auch O. Tischler,
Schriften der physik.-ükou. Gescllsch. zu Königsberg i. Pr. XXIX, Jahrg.
1.S8H). Im Museum des S.'ichs. Alterthumsvereins zu Dresden ist unter
Nr. ein geschweifter Becher mit Schuiirornamcnt, zusammen mit
zwei Gefasscn ithulicheu Typus ausgestellt, Nr. und 07J, die in Bor-
nitz gefunden worden sind. Andere dieser Gcfässc zeigen einen tinver-
kennbaren l'ebergang zu den mit Leisten- und Tupfenschmuck ver-
sehenen Gefilssen des Lausitzer Typus. Ganz derselben Krscheinung be-
gegnete ich bei einer grösseren Anzahl yon Gefassschcrbeii, die mir
Herr O.Tischler aus ostprcusHischen Grabhügeln der neolithischcn
Zeit zusandte. Ich habe auf der Heidenschanze bei Alikoschütz uuweit
Dresden zum Zwecke eines Vergleiches der rheinischen vorgeschicht-
lichen Funde mit denen der Lausitz, mehrere Monat«- die dort sehr machtigen
f'ulturschichten durchgrahen und eine grosse Anzahl von Seherben des
sogenannten Lausitzer Typus aus ungestörten Schichten hervorgezogen.
Deutlich zeigt solche Uebeigange auch die von Kl op fleisch (a. a. <>.
1. Th. IT., S. H*>, Fig. 72) abgebildete, mit Schnurverziernng und Leisten-
schmuck versehene Amphorenform. Wie Tischler, so setzt auch
K I o p f I e i s c h diese Art von Tupfenverzierungen mit vollem Rechte an
das Fnde der sogenannten neolithischen Periode Mitteldeutschlands. Die
ältesten Formen des Lausitzer Typus, jene mit Tupfen- und Fingernagel-
Fitidruckeu, sowie die mit aufgelegten Leisten versehenen Gefiisse, wie
sie auch W. Osborne bei Bohuic unterhalb Prag gefunden und im
Jahre 1X7K im Sitzuugsber. d. uaturw. Oes. Isis zu Dresden, Heft 1 u. 2,
besprochen und Tal. IV, V und VI abgebildet hat, wurden zusammen mit
einem rohen metallenen Plnchkclt aus der älteste» Periode der Bronze-
zeit gefunden, welche letztere von Tischler und Moutcliu« in das
Aufdeckung einer vorgeschichtl. Niederlassung etc. in Meckenheim. 217
2. Jahrtausend vor Chr. gewetzt und als jünger betrachtet wird, «ls die
neolithisehen Gelasse nach Art des angeblichen Meckenhcimcr Bechers.
Es fanden sich mit jenen Bohnieer C.cfässen des alteren Lausitzer Typus
zusammen auch jene «von H e 1 h i g und anderen Forschern den Kelten
zugeschriebenen) den Terrainaren Italiens eigenen Gefiisse mit Mond-
henkeln (Oshorne a. a. O. Tat". VI. 6) Ausser den Sabclnadehi sind
der sogenannten Bronzezeit des Nordens Formen von Schwertern eigen,
die mit den italischen der Bronzezeit identisch sind, daher man den Be-
ginn der Bronzezeit des Nordens mit der Bronzezeit Italiens zusammen
fallen lasst. Wilhrend nach den Untersuchungen Klopfleisch's der
durch das abgebildete Gefliss vorgeführte Stil .sich in seiner Kntwieke-
lung nicht auf deutschem Boden nachweisen lasst, sondern mit allen Kigeu-
arten eines ausgeprägten Stils plötzlich und unvermittelt auftritt-, können
wir denselben in seiner Weiterentwickelung verfolgen und zwar im Herzen
Deutschlands zunächst, wie schon gesagt, durch den sogenannten Lau-
sitzer Typus (vgl. die bezeichnenden Typen bei Dr. H. B. G e i n i t z,
Die l'rnenfeider von Strehlen und Grossenhain, Cassel 187fi), dann in
weiterer Ausbildung durch die überaus lehrreichen im Dresdener Geolo-
gisch-I'rilhisl. Museum ausgestellten Funde von Heidenau bei l'ira. Wu-
schen hier die Uebergangslormen von der sogenannten Bronze- in die
Eisenzeit. Als jüngste Gefüsstypen wurden hier zusammen mit Gewandnadeln
der alteren und mittleren La Tene-Zeit (100—100 vor Chr.) jene, soge-
nannten Kclehurnen und andere Gcfassc der La Tene-Zeit angetroffen,
kurz Erscheinungen, denen wir hier am Rhein in Verbindung mit kelti-
schen Münzen begegnen und die sich bis in jene Zeit hinein verfolgen
lassen, in der in den betreffenden Landschaften die Kelten des Caesar
und Taeitus wohnten. Was Dr. A. Voss, der Director des Berliner
Museums für Völkerkunde bezüglich der Lausitz sagt, .dass nUinlich hier
.und in dem östlichen Theil der Mark der Stil der Thongefits.sc des Lau-
„sitcr Typus, wenn auch etwas vcrHndcrt, bis in die römische Kaiserzeit
.hinein sich erhielt, so dass wir hier eine Coutinuitat der Bevölkerung
„mit grösster Sicherheit nachweisen und auf dem Weg des Rückschlusses
„behaupten können, dass, wenn die in der Lausitz und der östlichen
.Mark zur Römerzeit ansässigen Volksstitmme Germanen waren, auch
.ihre bis in den Nordwesten der Mark vorgedrungenen Vorfahren germa-
„nischen Stammes gewesen sein müssen (Voss und St immiug, Vor-
geschichtliche Alterthümer aus der Mark Brandenburg, Berlin, 1890,
S. 23)", das kann ich aus persönlichen Studien dortiger Culturschichten
und Sammlungen zwar bestiitigen, inuss aber bemerken, dass das Gesagte
auch für die rheiuischen Funde der jüngeren Stein-, der Bronze- und der
Eisenzeit da zutrifft , wo nachweisbar Kelten wohnten, -wohingegen
die rein germanischen Gebiete am Niederrhein die bekannten schlichten
Graburuen mit Leichenbrand und spärlichen Beigaben beigen. Ich
erinnere an die im Düsseldorfer Museum ausgestellten Gefassseherben vom
guten Mann bei Urmitz unterhalb Coblenz. nn die gleichartigen Scherben,
welche Mehlis aus dem Riugwall von Rheindürkheim veröffentlicht hat,
an die gleichartigen vom IlcrrcnplaU bei Sleeten; alle sehen den von
mir bei Dresden gesammelten und den mir von Tischler aus Ost-
218
Const antin Koenen: Aufdeckung etc.
preusseti zugesandten so iihnlich, dass sie durcheinander geworfen, schwer
lieh wieder von einander geschieden werden können. Ich verweise auf
die im Bonner Provinzial - Museuni befindliche Napfurne von Emmerich,
die ununterscheidhar ist von gleichartigen, welche der Dresdener Forscher
Dr. Dcichmüllerals Eigenart des Lausitzer Typus bezeichnete. B o y d
Da wk i na schrieb mir, dass wahrend die neolithischen Schädel in Groß-
britannien ohne Ausnahme dolichocephal seien, im Bronzealter die Brachy-
cephalen erschienen ; sie seien identisch mit den keltischen Stämmen des
Festlande« und mit denselben fänden sich die Vasen mit Schnur- und
Sparrcnverzicrnng vor! Lubbock (Vorgesch. Zeit, Deutsche Ausgabe
B. I, S. 164) schreibt die in Hügelgräbern Englands vorkommenden ge-
schweiften Becher der neolithischen Zeit zu, hinzufügend, dass allerdings
in dem einen oder anderen Grabe ein Bronzewerkzeug angetroffen worden
sei und sagt dann auch, dass die Schädel dieser jüngeren Steinzeit so
auffallend brachycephal seien, dass unter 70 Exemplaren aus den runden
Grabhügeln sich nicht ein einziger zeigte, der dolichocephal ist! Wenn
Virchow (Corresp.-ßl. d. Deutseh. authrop. Gesellseh. XVI, 1885, S. 124)
sagt, Ecker habe für Süddentsehland nachgewiesen, dass zwei ver-
schiedene prähistorische Bevölkerungen hier aufeinander gefolgt seien,
dass die Bevölkerung der Hügelgrither absolut verschieden sei von dem
germanischen Typus, dass in den Hügelgräbern brachycephale Leute
stecken, dollchocephale in den Reihengräbern, so wird dies von S eh a a f f-
hausen bestritten, weil der Index der Hügelgrilberschädel nach Ecker
78, 87, der der Reihengräberschädcl 74, 97 sei, die Brachycephalie erst mit 80
anfange. In Italien finden sich bekanntlich ebenfalls die eleganten
Stcingeräthe bei den braehycephalen Todten. wahrend nach Cuno (Vor-
gesch. Roms, 1. Theil 1878) Italien seine Bevölkerung thatsächlicli aus
dem Keltenlande erhalten hat. Die Sage berichtet, dass 300 Jahre vor
der Gründung griechischer Colonien auf Sicilien (im 8. Jahrh.), im 11. Jahr-
hundert vor unserer Zeitrechnung eine arische Völkcrwcllc von Osten
nach Westen sich über Italien ergossen habe. In dieser Zeit können
thatsächlich die mit den Lausitzer Gefässcn übereinstimmenden Terramara-
Fundo Italiens recht wohl entstanden sein. Etwas älter sind die ge-
schweiften Becher mit .Schnurverzierung. K 1 o p f 1 e i s e h hat nachzu-
weisen gesucht, dass das Mersehurger Grabdenkmal, wie überhaupt die
geschweiften Becher mit Sehnurverzierungen merkwürdige Anklänge
zeigen an die Ornamentik und Symholik des alten Reiches in Aegypten.
Auf meine Bitte hin hat Herr Professor Dr. Wiedeinann auch diese
Angaben K I o p f I e i s c h 's geprüft und sich dahin ausgesprochen, „dass
für die 12. Dynastie, welche Klopfleisch heranzieht, sich die Zeit von
3450 bezüglich 2.'KK) v. Chr. ergehe, dass mau Anklänge deshalb nicht im
alten Reiche suchen müsste, sondern im neuen". Die Gcrmanenaus-
hreitung wird aber auch nach den überzeugenden Müllen hof'schen
Forschungen in eine weit spätere Zeit gesetzt. Es bleibt somit nur die
Annahme übrig, dass die Germanen die vorgefundene höhen' keltische
Kunstweise nicht zerstört, sondern übernommen haben, wie die Dorcr,
als sie Griechenland eroberten, die höhere Cultnr der Besiegten annahmen.
Zur mittelrheinischen Alterthumskunde.
Von
Dr. C. Mehlis.
(Mit Taf. XI.)
1. Der Klosterfriedhof von Heitbrack In der Rheinpfalz.
Aus der Pfalz, Ende April. Zu Fussen der mittelalterlichen
Burgen Rietburg und Krobsburg, sowie kaum eine halbe Stunde
vom Sitze des hochscligen Bayernkönigs Ludwig I., der Villa Lud-
wigshöhe, liegt am westlichen Ende der Stadt Edenkoben die
Ruine des alten Cisterzienaer Frauen - Klosters Heilsbruck. Das
urspünglich beim Dorfe Hardhausen gelegene Kloster ward um 1262
nach Vazzenhoven, einem Dörfehen westlich von Edenkoben, ver-
legt und bestand hier, bis es 1560 von Kurfürst Friedrich HI.
von der Pfalz aufgelöst ward.
Noch sind die alten Ringmauern erhalten, noch sieht man
den pentagonalen Chor der alten Konventskirehe , noch öffnet sich
der weite Keller, Aber dessen Kreuzgewölbe sich die Klosterkirche
erhob. Die Ruine des früheren Glockenturmes ward von dem
späteren Besitzer Albert Maier zu einem modernen Bclvcderc um-
gebaut. Der ganze, jetzt Dr. med. Hartz von Landau gehörige
Landsitz trägt noch den Namen Heilsbruck.
Im März und April d. Jahres 1891 Iiess nun letzterer Besitzer süd-
lich vom alten Kirchenehore das Terrain zu landwirtschaftlichen
Zwecken — die Klostergründc bilden jetzt ein ergiebiges Weingut
— um ca. 2 m abheben. Dabei stietw man zwischen Chor und
einem nach Süden ziehenden Wirtschaftsgebäude, das wohl einem
früheren Kreuzgange entsprach, auf eine Reihe von alten Gräbern.
Dicht neben dem Chor fand sich ein steinerner Sarkophag ohne
Deckplatte, nämlich von West nach Ost, wie alle übrigen Gräber.
In demselben lagen zwei Skelette. Zu vertuuthen ist, dass diese
220
0. Mehlis:
Grahsetzung mit den meisten mittelalterlichen Resten uiehts
zu ihun hat, son«lcrn anf fränkischen Ursprung zurückgeht.
Edimkoben erscheint ja schon im 8. Jahrhundert als „Z«>tingowcnu,
nZotingcnu (vgl. V ö r s t c in a nnj „altdeutsche* NTamcnbuchtf, 2. Hand)
und /.war wiederholt, so das« anzunehmen ist, dass schon vorher,
nach christlichem Ritus, hier und in «lein urkundlich erst spater
erseheincmlcn Vazzcnhoven fränkische Bestattungen vorgenommen
wurden.
Etwas weiter nach Süden wurde nun der ganze Klostcrfried-
hof allmählich livigelegt. Die tneistcu Gräber lagen in 1 bis 2 m
Tiefe nnd entbehrten einer steinernen Deckplatte. Die Särge waren
vermorscht, ebenso die Knochen; an Beigaben fanden sieh nur et-
liche Beinringlein von 1 cm Durchmesser, «lie wolrl zu Rosenkränzen
geborten.
An Grabplatten wurden acht Stück dem Boden enthoben.
Im Durchschnitt messen dieselben 1,80 — 1,90 m Länge, 0,70— 0,80 m
Breite, 0,20-0,30 m Dicke; sie bestehen alle aus rothem Bund-
sandstein, wie solchen die Abhänge der nahen Hartberge liefern.
Leider wurden von den sechs (Trabsteinen, welche Inschriften auf-
weisen, zwei beim Herausschaffen ans «lein Erdreich zerstückt; zwei
Grabplatten entbehren jeder Schrift, eine ist nur noch zur Hälfte
erhalten: drei sind völlig unversehrt.
Was «lie Form der Buchstaben betrifft, so haben wir hier
die ausgebildete Majuskelschrift des 13. Jahrhumlerts mit ihren
ahgcrnmlcten Ecken , ihren gebogenen Strichen (nur T bleibt
gerade), ihren vielfach undeutlichen Buchstaben. Die einzelnen
Zeichen sind bei den älteren Grabsteinen tiefer eingehauen,
bei «len jüngeren flüchtiger. Die Zahlzeichen sind der römi-
schen Bezeichnungsweise entnommen; die im 12. .Jahrhundert im
Rheinlande und Italien auftretenden arabischen Ziffern sind hier
bereits verschwunden ivgl. Wattenbach: , Anleitung zur lateini-
schen Palaeographie-, 4. Aufl., S. 99—100).
Mit Bezug auf «lie Lagerung der Inschriften ist zu bemerken,
dass sie nach Art «ler a 1 1 r ö in i s c h e n S e p n 1 c r a 1 i n s c h r i f t e n
den Stein in seinem oberen Theile v«m links nach rechts bedecken.
Die Methode, nur den Rand der Platte zu beschreiben, gehört im
Mittelrheinlande erst dem 14. Jahrhundert an (vgl. Grabstein zu
Seebaeh bei Dürkheim , im alten südlichen Kirchenschiff gelegen i.
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Zur mittelrheinischen Alterthumsknnde.
221
Was zuerst die fr a g m c n t i r t e n Steine bctriflY, so ist folgen-
des noeli zu erkennen:
1. Fragment: MILES, bekannter Titel des 13. Jahrhunderts
für das spätere „Ritter".
2. Fragment: SG. 3. Fragment: C 'odcrSilMO. Dieses selieint
den Eigennamen .Simon" zu enthalten. Ein Simon, der Jüngere,
Graf von Eberstein und Zwejbrneken, gehört im Jahre 1273 zu den
Donatoren des Klosters tvgl. Reinting: r Geschichte des Klosters
Hcilsbruck" Mannheim 1832, S. 26). Möglicher Weise ward dieser
Graf nach der Sitte jener Zeit hier bestattet. —
Der älteste datirbare Grabstein enthält folgende Inschrift:
SEPVLCRV 1.
ELISABETH 2.
P A R V L E 3.
Die Interpretation von Z. 1 und 2 macht keine Schwierigkeit.
Z. 3 dagegen enthält im 4. Zeichen eine Ligatur, die nicht leicht
zu deuten ist. Es ist ein doppelt gestrichenes V, dessen zweitem
Schenkel jedoch die Hälfte fehlt ; dafür ist es kombinirt mit einem
dritten halben, nach Rechts gehenden Schenkel. Wattenbach
erwähnt eine solche Ligatur nicht. Man ist versucht, dasselbe als
VV = VC zu drucken, so dass die Inschrift lauten würde:
„Sepulcrum Elisabeth parvulae."
Elisabeth war die zweite Aebtissiu. die von 1208—1274 ur-
kundlich nachweisbar ist (vgl. Rcmling a. 0. S. 24—25).
Ein zweiter Grabstein enthält die folgenden vier Zeilen, da-
runter innerhalb eines Kreises einen schiefen Wappenschild, der
nach uuten stark spitz von einem horizontalen lialkcn gctheilt wird.
A N 0 • D N I • M • (II • IX 1.
XIIII • R V_- I V N I I i» 2.
C VN RA T - DE' AL 3.
DORF 4.
Wappen.
Schwierigkeiten bietet in Zeile 1 das Zahlzeichen, welches
dem M folgt. Aus epigraphischen und historischen Gründen muss
es als eine Abkürzung für CCC gehalten werden. Ans epigra-
phischen: das sonst unbekannte Zahlzeichen enthält wirk-
lich drei, mit Querstrichen versehene C; ans historischen: nach
Reinting <a. 0. S. 27) beschenkte „Junker Konrad von Alfdorf
222
C. Mehlis:
mit seiner Gattin Adelhcit anno 1279 des Klosters mit dcm4.Tlie.il
tles Zehnten von Burrweiler". Konrad von Altdorf ( Altdorf liegt
ca. eine Stunde unterhalb von Edenkoben) gehört demnach Ende
den 13. Jahrhunderts zu den Donatoren des Klosters Heilsbruck und
suchte hier Keine Ruhestätte. Wir lesen denn auch die Grab-
schrift also:
Anno domini MCCq IX.
XIV. (RV oder RVL VV) Junii obiit
Cunrat de Aldorf.
Des edlen Scheukcrs, Conrad von Altdorf, Grab und Wappen-
steiu wären somit aufgefunden worden und damit EpigTaphik und
Heraldik bereichert.
Ein weiterer Grabstein trägt nur den Namen am oberen Ende
des Steines:
MARGARETHA.
Nach der Schriftforni und den Angaben Reintings (a. 0.
S. 30—31, 72) haben wir hier den Grabstein der Aebtissin Marga-
retha, welche in den Wirren der strittigen Kaiserwahl 1326 und
1326 die Güter des Klosters vermehrte.
Der letzte Grabstein ist leider nur noch zur Hälfte (Länge
= 0,83 m, Breite = 0,42 m, Dicke - 0,15 m> erhalten. Er zeigt
in zum Thcil undeutlichen Strichen folgeude Zeichen (wobei wir
zweifelhafte einklammern) :
M C C C- 1.
(S?) R (Q F r) 2.
M I L E S 3.
S S 0 N ' - 4.
halbe Lilie,
als Wappenzeichen. 1
Zeile 1 enthält ohne Zweifel das Todesjahr dieses „Milc*u =
1300. Zeile 2 wird seinen Vornamen euthalten, doch sind sämmt-
liche Zeichen ausser R ziemlich unsicher. Zeile 3 Miles ist zweifel-
los. Zeile 4 uiuss den Sitz des Miles enthalten; von diesem ist je-
doch nur die Endsilbe und ein vorausgehendes 8. im Ganzen SSON
erhalten. Einen passenden Ortsnamen können wir bis jetzt dafür
nicht namhaft macheu. — Das Ende des Grabsteines enthält Mittel-
theil und linken Lappen einer stilisirten Lilie. Sollte diese, sowie
die Ortsendung — son auf einen französischen p Ritter" deuten? —
Zur mittelrheinfschen Alterthumskunde.
223
Siinimtlichc Grabsteine machte der Besitzer, Dr. Hartz, dem Kreis-
ui u s e u in zu Speyer zum Geschenke. Die Grabplatten, die ehcuHo
wohl für die Lokalgesehichte archaeologisehe Belege, wie für die
Eutwickelung der niittelrheinischeu Epigraphik und Heraldik —
weil genau datirbar! — nicht zu unterschätzendes Material dar-
bieten, dürften nach unserer Ansicht in einem Kreis muse um
allen Fachmännern mehr nützen, als in loco als unbequemes An-
hängsel einer Kirche oder eines Friedhofes. — R c m 1 i n g , dem
Historiograph von Heilsbruck, würde die Entdeckung dieser seiue
Forschungen ergänzenden Inschriften am meisten Freude bereiten!
2. Altdeutsche Geriehtsstätten In der Pfalz.
(Mit einer Zeichnung.)
Jedermann hat Kenntnis* von alten Gerichtsstätten, wo die
freien Bauern vor Jahrhunderten zu Gericht sassen, aber in Wirk-
lichkeit sind wenige solcher Malstätteu bekannt.
Eine sichere kann der Verfasser nachweisen. Dieselbe be-
findet sich in der Rheinpfalz am Südufer des von Kloster Hüningen
nach Altleiningen messenden Leiningerbaches. Eine Wiese ist dort
von alten Buchen und Eichen malerisch umgeben. Das Thälchen.
an dessen Ausgang die Stelle sich beiludet, hat den Namen Langen-
thal. Mitten im Haag erhebt sich ein kubnsformiger, nach oben
etwas spitz zulaufender, wohlbehauener, 70 cm hoher, 40 cm breiter,
50 cm dicker Stein, der auf der Südseite iu lateinischen Majuskeln
folgeude Inschrift trägt:
Das erste Wort ist nicht ganz zu enträthscln, wahrscheinlich
soll es OHTS oder OHTE heisseu und bildet der dritte und vierte
Buchstabe eiue ungeschickte Ligatur.
0 HTV. SCHVC H • A L //
WO- DIE- DR EX- ORTH-
DER- GAN ERB//
1.
■2.
:\.
4.
r>.
•;.
7.
H.
SCHAFT- Wv D, B .
MIR- ZV-SAMMEN//
KVNFFT-VN D- RECHT-
Z V - SPRECHE N • HA//
B E N- ANNO-17 4 4.
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224
C. Mehlis:
.Schnell ist das mittelhochdeutsche Sehuoch, Schuck, in der
Pfalz noch Schuck, d. Ii. soviel wie Schuh.
Ohts oder Ohte fassen wir auf in der Bedeutung von eht —
echt i;haft - gesetzlich (z. B. ehaft perihte Judicium Icgitiinnni,
vgl. Lex er: mittelhochdeutsches Handwörterbuch unter ehaft).
Ohts oder Ohte — Sehuck ist demnach der „gesetzliche Schuh".
Drcy drei. Orth = Orte.
Ganerbsehaft ist der pfälzische Name für eine gemein-
same Waldgenossenschaft.
Wv D, B heide Abkllrzuug für die Ortschaften, deren Wälder
hier im Winkel „am Zwingcrstein* zusanunenstossen : Weisscnheim
a. Berg, Dackenheim, Bobenheim.
Die ersten zwei dieser Orte, welche alle drei am Ostrande des
Gebirges zwischen Dürkheim und Grünstadt liegen, erscheinen schon
in karolingisehen Urkunden.
Nach Zeile 5 — 7 halten die Bürger dieser drei Orte hier „am
echten Schnell-, Zusammenkunft und Rechtsprechen. Der Stein
wurde gesetzt nach Zeile 7 im Jahre 1744.
Genannte drei Gemeinden bildeten bis 181H die „kleine1* Gan-
erbsehaft, während die «grosse" aus den fünf Gemeinden: Freins-
heim, Ungstein, Kallstadt, Weissenheim am Sand, Herxheim bis
ebendahin sich zusammensetzte.
Vcnnuthlieh bildeten die beiden je eine aUgermanische Mark-
genossenschaft.
Und hier am Zwingerstein war demnach ursprünglich das
Markgericht für die drei im engsten Verbände stehenden Gemeinden :
Weissenheim, Dackenheim, Bobenheim.
Unklar ist hierbei nur das Wort „Schuch*. Soll es die Fuss-
bekleidung oder das Maass oder gar auf den Bundschuh, das Sym-
bol der aufständischen Bauern im Elsass und in der Pfalz, seit 1502
bedeuten ?
Auf letzteres weisen zwei weitere Ortsbenennungen „Schlich"
uud „Schuh" hin.
Westlich von Wachenheim, zwei Stunden südlich von Dürk-
heim erhebt sich der 530 m hohe Eckkopf. Unmittelbar an seinem
Nordfussc (100m entfernt) liegen einige Hache Felsen. Auf zweien
derselben sind rohe Reliefs dargestellt. Das eine stellt einen kleinen
und einen grösseren Fuss im Grnndriss, das andere zwei Bauern-
schuhe, d. h. Bundschuhe im Profil dar. Beide Abbildungen er-
Zur mittelrheiniHchcn Alterthumskunde.
22*
gänzcn weh gegenseitig (vgl. Abbildung). Diese Oertliehkeit trägt
den Xamen „am Schuck" und hier sollen nach einer Sage die auf-
ständischen Baneni im Bauernkriege ihre Zusammenkünfte gehabt
haben (vgl. auch August Becker: „Die Pfalz und die Pfälzer"
S. 274). Der zweite Ort „am Schuh" liegt in den Vogesen, hart
an der Pfalzgrenze. Oberhalb Lembach an der Sauer erhebt sich
eine Fclsenmasse am linken, nördlichen Ufer des Baches als Aus-
läufer der von West nach Ost ziehenden Bergkette. Der Hang hat
den Xamen „am Gries11. Den südlichen Ausläufer umzieht ein alters-
grauer, prähistorischer Ringwall von etwa 500 m Länge. Den Süd-
fuss desselben bildet eine steil nach Süd, West und Ost abstürzende
Felsmasac, genannt „der Schub".
Auf seiner Fläche sind in natürlicher Grosse, wie am Wachcn-
heimer „Schuck" zahlreiche grössere und kleinere Grundrisse von
Füssen oder Schuhen eingehauen. Nach meiner und Revierförster
Meerina uns Ansicht (mit diesem Herrn besuchte der Verfasser
im August 1890 Ringwall und „Schuh") entstammen diese Felsen-
reliefs älterer und neuerer Zeit. Das Volk zu Lembach weiss je-
doch vom Zwecke der Abformungcn des „Schuh" nichts zu sagen.
Xach dem Wachenheinier „Schuck'1 dürfte jedoch die Sache
an Klarheit gewonnen haben. Im 16. Jahrhundert hielten die von
Frcihcitsgcdaukcn angewehten, von Frohndienst und Steuern ge-
drückten, früher freien Bauern am Hartgebirge und am Rande
der Vogcsen au solchen abgelegenen Waldstättcn wie Zwingereteiii,
„Schuck", „Schuh", welche bis dahin ihre öffentlichen Mal- und
Gerichtsstätten waren, ihre heimlichen Zusammenkünfte ab. Um
sie zu kennzeichnen, nannten sie dieselben „Schiich", „Schuck",
„Schuh" und ritzten in die Felsen das Bild ihres Kunde«, den Bund-
schuh ein •).
Sonst führen die alten Malstätten in der Pfalz den Namen
,.S t u h 1". Eine solche Malstätte , genannt „auf dein Mole" oder
„auf dem Stampe" lag im Stumpfwald bei Eisenberg. Noch stehen
dort im Waldcsdunkel der Richterstein und rings im Kreise mehrere
Steinsitze für die Schöffen. Auch der Brunholdisstuhl oberhalb
Dürkheim (urkundlich l.%0 ßriuholdcsstuhl; vgl. Mehlis: „Führer
für Dürkheim und Umgebungen" S. 100), der ebenfalls eine Fels-
J) Bei Kirkel in der Westpfalz kommt vor pHutscl)iu-kko])tu utxl
ii.stlich davon »SchuciillHTfr" Schnclibur??. Am ersteren Pliitze bclniul
sich ein römNolo's Dnikmal.
Juhrb. d. Ver. v. Alturttutr. Im Ktiuhil. XC1I.
15
C. Mehlis:
massc am Rande der „Heidciiuiancr'' hihlct. dürfte die alte Malslätle
von Dürkheim gebildet haben. Ein gewaltiger Fclsses*cl ist an
dem Südfuss der Felswände herausgearbeitet. Dartiber stellt:
< I Z 0 4 anno
d. b. im Jahre 1204. Wie hier die Maikälte mit der Gott-
heit Brunbold oder Brynhild — Froya in Verbindung gebracht
wurde, so zu Landstuhl im Westrieh mit der (»Ott in Xanna. Land-
stuhl heisst nrkundlieh Xaimstuhl, woraus mundartlich später Xann-
stall oder Xannenstall ward (vgl. W. Frey: „Beschreibung des
Rhcinkreises" IV. Tb., S. 172). —
Xanna1; „die Blüthc" und Brunehild die „in der Brünne Ver-
borgene" sind nichts als Variationen der Erdgöttin Freya = Xerthus,
und in ihrem Schutze versammelten sieh am Mittelrhein an götter-
geweihter Malstätte die freien Franken. Später verschwanden die
Götter, und aus dem Götterstuhle ward der Bundscbuhsteiu.
3. Der Drachcnfels im Hartgebirge.
(Mit Kärtchen.)
Der Berg, an den in erster Linie die Sage vom Sigfrid,
dem nicdcrrhcinischen Dracheutödter sieh anknüpft, im Kampfe mit
diesem UngethUiu um die schöne t'hrimhildc aus Worms, liegt
drei Meilen westlich von der alten Burgunderhauptstadt Worms im
hinteren Jsenachthale. Der enge Thalweg führt an Dürkheim a. d.
Hart längs der Iscnaeh bis znm Forstbaus „Jägerthal''; dann links
im Seitenthälchen hin zum Saupferch; von hier führt ein einsamer Fuss-
pfad in einer Stunde zur aussichtsreichen Höbe. Ein anderer Zu-
gang geht von Dürkheim längs der alten Römerstrasse (vgl. west-
deutsches Correspondenzblatt 1WU, X. Jahrgang Xr. 0) am Ebers-
berg vorüber, dann zum Mnrrmirnichtviel, ferner zum Lambertskrenz
und den „sieben Wegen''. Von hier, dem einzigen Joche, das den
Drachenfels in südlieber Richtung mit den umliegenden Bergketten
in Verbindung setzt, führt eine Schneuse und ein Pfad in einer
halben Stunde zur Höhe. Auch nach Fraukeiislein und Weidenthal
1) (Jeher Knunn. Bnldurs Gemahlin, vjrl. Grimm und Slmrock. über
Brnnhild's Bedeutung: Mohlis „im Niln'luiigtmhimU"- Stuttgart 1877.
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Zur mittvlrliduiM-luMi Alteitlunnskundu.
führen Zugänge (Iber die „gebrannte Buche", der Fortsetzung des
obigen Kömerweges in der Richtung nach Johamicskicuz. Am
Stoppelkopf vorUber gelangt man nach Süden nach Lambrecht.
Der Dracheufcls selbst liegt in 571 m Scehöhe und bildet die
höchste Erhebung der Hart /.wischen Dürkheim, Krankenstein, Neu-
stadt. Umflossen wird er von zwei Tlinlungen, dem Fricdrichsthal
im Süden und Westen , dem Drei - Bnumenthal im Osten und
Norden. Am Joche /wischen beiden Tlinlungen beginnt der oben
erwähnte Zufuhrweg. Der Drnehenfels besteht aus einer gewaltigen
Buudsandtftciuschnlle, welche sieh im (.tanzen von S. nach N. er-
streckt (vgl. Kärtchen*. Der südliche Tbeil bildet ein unregel-
mä&sigcs Khotnhoid, der nördliche einen nach NW. laufenden Fels-
kamm von iJOO in Länge. Die drei »ach S., W., O. liegeudeu
Seiten des Khomboides haben 1(>0 — 170 m Länge, die vierte, welche
an den im Wcsterfels endenden Felsgrat stösst, nur 40 in.
An der stcilabstttrzenden Ostseite betinden sich mitten in den
Sandsteinschichtcn zwei natürliche Felskainmern. Die südliche durch-
setzt in einem ca. ü m hohen und 12 m breiten Bogen den ganzen
Fels von 0. nach W. und bietet nach W. dem überraschten Blick eine
reizende Einsicht in die tiefen Forste des inneren Hartgebirges.
Diese Höhlung, die wohl dem Einflüsse des Wassers zu danken ist,
führt den Namen „Drachcnhöhlc". Etwas nördlich davon erstreckt
sich von S. nach N. eine zweite Felskaminer, die etwa 20 m Länge,
3 m Höhe und 10 m Tiefe hat. Sie durchsetzt jedoch nicht, wie
die erste, den ganzen Fels, sondern bildet nur eine Scitcnhöhlung.
Sie führt den Namen: „Drachcnkaiumcr". In beide Höhlungen ver-
legt die Ortssage den Aufenthalt des sagenhaften Drachen und den
Kampf Sigfrids mit ihm um die Wormscr Königstochter. Jeden-
falls könnte diese mittelrheinische Sage für die Lokalisiruug dieses
Mythus keinen passenderen Platz finden, als den hochragenden, zu
solchen Anschauungen prädcstiiiirteu Dracheufels , dessen ganzes
Plateau auch „Hohberg" von den Umwohnern genannt wird. Der
ganze Hang des „Hohbcrges" ebenso wie das Plateau ist von hoch-
stämmigen Buchen bedeckt. Im Süden eutspringt ein frischer Quell,
früher vom (trafen Friedrich Magnus von Leitungen- Hartcnhurg
„Friedrichsbrunnen" genannt, seit etwa 20 Jahren umgetauft in
,,Sigfridshrunueu".
Nördlich von diesem frischen Bronn erstreckt sich dem Fels
zu die Teufelsdelle bis zur Draebenhöhle. Ueber dem nächsten,
228
C. Sieh litt:
nach W. ausbeutenden Grate liegt nach \V. ausgebogen da»
Drachenthal. Zwischen Westerfels und dein Eingang zum Drachen-
fei« (vgl. Kärtchen * liegt ein weiteres Thälchen, das wie die vorigen
/Jim Friedrichsthal fuhrt, die Trockendelle. Aueli hier liegt zu
Beginn der Thailing, wie im Dravhenthal, eine kleine Quelle. Wasser
war also genug vorhanden. —
Bisher hatte der Dracheufels in erster Linie als touristi-
scher Aussichtspunkt, sowie als Oertlichkeit der Sigfridssage Be-
deutung. Das letztere hat auch der Dichter und Forscher Prof.
U bland anerkannt, der vor einem Menschenalter den Drachcnfcls
mit mehreren Walzern besucht und diesen Berg als mitspielend iu
der mittelrheinischen Nibelungensage bezeichnet hat (vgl. auch
Mehlis: „Im Ntbclungculandc", Cotta 1877). Die Nähe von Worms,
Draeheuhöhle. Dracheukammer sprechen hierfür, Punkte, welche im
Volkslied ja auch erwähnt werden, ferner die aulfallende Höhe und
Länge des Bergplateaus, was ja auch das Volkslied gebührend
hervorhebt, wenn es berichtet, das der Drachcnfels auf eine viertel
Meile Weges seinen .Schatten auf das Gebirge werfe. Auch Eisen-
schmieden und Eiseuschiuelzen befinden sich seit Alters in dem
Iscuachthale; ferner am Ostfusse des Drachenfels eine „Linden-
delle" — mit einer Linde hat ja Sigfrid nach der Sage den Drachen
erschlagen.
Es hat das deutsche Volkslied vom „hörnen Sigfrid'' (vgl.
H. von der Hagen und A. Pri misser, Berlin 1825: „der
Heldenbuch" „hörnen Siegfried") ohne Zweifel den Drachenfels im
Hartgebirge genau gekannt, wenn es von „eyner staynen Wand",
vom „holen stayn", «lern „Trachcnstain", von „einer hölen die do
was unter dem Trachenstayne" u. s. w. spricht. Auf keinen
anderen Berg in Deutschland passt diese Beschreibung
so genau, wie auf den Drachenfels im Hartgebirge. Es
lässt dies aber voraussetzen, dass es ohne Zweifel hier „weg
und Bteyge" seit Alters gab, die „gen Wurms an den Heyn" führten.
Und so ist es auch, wie wir eben schon bei Betrachtung des
alten Römerweges, der über Dürkheim zum Rhein führt, bewiesen
haben.
Aber noch andere Gründe hatte die Volkssage, gerade bei
diesem Felshaupt des Waskenwaldes zu verweilen. Ein Ringwall
ans grauer Vorzeit umzieht das südliche Plateau, und auch dieser
mag den Augen mittelalterlicher Besucher nicht entgangen sein.
Zur tniltdrlieinischcn Alterthuriihkuiidr.
Dass aber solche den Diachenfels besucht haben, beweist folgende
in der Draehenhöhle befindliche Inschrift:
I R R S A A* L • 1Z4-5V
Sie ist zu lesen „Irrsaal. 1240". (Ueber die Form der „4" vgl.
die einschlägige Schrift Watten bat- Ii'» 2. Aufl., S. IUI- -102.)
Ob daneben eine R u n c n i ns c h r i f t im Altarblock eingegraben steht,
ist noch nicht definitiv entschieden, jedoch sehr wahrscheinlich.
Der Wall besteht ans zusammengestürzten Sandsteinbrocken und ist
grösstenteils als Doppel w a 1 1 vorhanden. Wir verfolgen ihn
kurz von nordöstlichem Eingang her:
Hier hat er eine Höhe von 3 m bei einem Durchschnitte
an der Sohle von 10 m. Er ist hier nur einfach. Nach S. zn
verschwindet er am Eingang znr Drachenkammer, um westlich der
Drachenhöhlc wieder zn erscheinen. Die Felswand fallt hier senk-
recht ab, so dass hier oben ein Wall überflüssig war. Jedoch unter-
halb der Drachenkammer zieht von X. nach S. eine Fclsmasse, die
mit altem Mauerwerk bis zu einer Höhe von 3/4 m eingefnsst ist.
1» diesem Räume fanden sich Mlln/.en vom Kaiser Magncntius (35U
— 353 n. Chr.), die zahlreich auf der Heidenbnrg bei Kreimbach
a. d. Lauter vom Ref. ausgegraben wurden und ebenso auf dem Trifels
und anderen Befestigungen der Pfalz vorkommen.
Auf der SOd- und Westseite ist der D o p p c 1 w a 1 1 noch vor-
trefflich erhalten. Er hat hier noch eine Höhe von 2—3 m nnd
eine Kammbreitc von 6 — 7 m. Auf der Westseite machen die
Böschungen zwischen beiden Wallen den Eindruck, dass zwischen
ihnen ein Wallgang vormals herlief. Auf diesem Zuge befinden
sieh mehrere, durch eingesetzte Querriegel hergestellte Schan-
zen. Zwei liegen nebeneinander am Ende der Westfront. Die
grössere hat 14 m L., 8 m Br., l'/8 m H. Am tiefsten Punkte der
Westfront oberhalb des Drachen! halcs liegen zwei weitere Schanzen
nebeneinander, von denselben Dimensionen. Sie hatten offenbar den
Zweck, den hier befindlichen E i n g a n g zu decken, der zu einer
Quelle des Drachenthaies hinab führte. Iiier hat der Wall eine
Höhe von l1/* m und eine Sohlenbreite von 8 in.
Jenseits dieses llaupteinganges steigt das Terrain nach N. wieder-
um und wird beherrscht von einer dritten Doppelschnitte, welche zu-
gleich das Rhomboid vom Felsgrat des Westerfels absperrt. Diese
Schanze hat die stärksten Dimensionen, 4U m L., 8 m. Hr., und 3/4 m
230
r. M<>l.lis:
Hohe. Voii ihr nach NW. zu «iiul die Künder eines Grabens von ca.
10 in Breite zu erkennen, der mit dein Walle das Kaslcll auf dieser
Seite von dein Fclsvorspruug hinlänglich getrennt hat. Von dieser
wichtigen Stelle zieht sich der Wall im Mögen weiter, um bald am
höchsten Tunkte der Felsmasse anzugclangen an der XO.-Eekc. Ks
ist hier ein zum Theil mit altem Mauerwerk umzogenes Viereck zu
erkennen, an dessen XW.-Rande das Fundament eines Turmes mit
f) m Durchmesser festgestellt ist. Mit dem nahebei befindlichen,
trigonometrischen Signalsicin bat aber weder Turmfundamcnt noch
Mauerviereek etwas zu thun. Das höchste hier befindliche l'latcau
fällt zum Usk-inganp- in mehreren Felsterrasscn ab: in einer der-
selben scheiut eine Waclilhütte zwischen den Felsen angebracht ge-
wesen zu sein.
So wäre nur der Felsgrat des Westerleis nnvertlicidigt ge-
wesen, wenn diesen nicht ein vom Verfasser und Herrn kgl. Bczirks-
geometer Frank gefundenes und vermessenes Vorwerk im
weiten Halbkreis umziehen würde.
Es ist ein Vorwall, der in ca. 120 m Entfernung den Wester-
fcls umzieht. Derselbe beginnt ca. 100 in w. vom Wcstcrfcls und
zieht 390 in n. und ö. desselben im Bogen fm summa — 41)0 im.
Nördlich vom Westends ist ein Eingang. Der Wall hat eine Höhe
von '/4 — 1 m.
Auf dem Felsplatcau nach W. zu liegen von O. nach W.
mehrere kleine Hügel von länglicher Form. Sie sind V, m hoch,
2 m lang. Mehrere derselben Hess Verf. im Jahre 1884 unter-
suchen. Im eisten fand sich eine Art Lanzeneisen ( 70 cm lang)
mit einer |>anlstabähiiliehen Spitze, im zweiten eine von abgebroche-
nem Fleiseh(?)- Haken, im dritten ein Meissel — alles aus Eisen.
Dabei lagen schnrfgehraunte, grauschwarze Scherben, wie sie der
Spätrömerzeit eigen sind. Die drei obigen Werkzeuge resp. Waffen
sind wohl in die Spät-la-Tcne-Zeit resp. die Spätrömerzeit zu setzen.
Die Hügel dienten vielleicht als Heerde der hier oben hausenden
Besatzung. Die Funde befinden sich im Museum zu Dürkheim.
Zwischen dem Joch und dein Südfuss des Draehenfels liegt rechts
vom Wege ein zum Theil schon angebrochener Tumulus, der seiner
Form nach der Spätrömerzeit angehören wird. —
W7ir kommen zur Frage nach Zweck und Zeit dieser Be-
festigung auf dem Drnehcnfels. Nach manchen An-
deutungen, welche der Bau derselben gibt, ist dieselbe nicht das
Znr mittelrheinischcn Alterthnniskunde.
231
Produkt einer Zeitperiode. Es scheinen zwei Kpnchen, wie
auf der llcidenburg hei Kreinihaeh, der Heidemnnuer hei Dürk-
heiin und anderen , mittclrheinischcu Rcfugicn , daran gearbeitet
zu haben. Die Drachenhöhle mit ihrem Durchblick, der altarähn-
liehe Hlock in derselben (neben welchem obige Inschrift steht),
der ganze mythisch angelegte Felsberg mögen wohl dein Kultus
gallischer Druiden, dem gegenüber Verf. sonst sehr vorsichtig
ist, gedient haben. Auch der älteste .Sleinring mag damals ent-
standen sein. Allein die regelmässige, wohl (darlegte Ausbil-
dung des Plateaus zu einem förmlichen Kastell mit verschanzten
Kiugängen, dem Vorwall u. s. w. kann nur einer vorgeschrittenen
Kulturperiode angehören. Die vorbei, bez. hinaufführende Röiner-
strassc, die Münzen des Magncntius, endlich die Kisenfnnde
und Scherben weisen als spätere Renulzungszeit auf das 4. Jahr-
hundert n. Chr. hin, auf die Zeit des Kampfes zwischen Magnen-
tius, «lein Rheinländer und Constantius, dem Italiener Ofoo
Auch die Kastelle von Kreimbach, Oberstanfeiibneh, Dürkheim
n, a. standen damals in Rinthe. Wie Münzfunde von der Dürk-
heim - Wcident haler Kömerstrasse beweisen, nfag diese im Laufe
des 3. Jahrb. n. Chr., als das Decumatcnland. die Vormauer des
römischen, oberen Germaniens, eine Heute der Alamannen geworden
war, als Militärstrasse angelegt worden sein, nachdem die
Verbindung als solche vom Rhein zur Saar schon früher bestanden
hatte.
Damals zur Zeit der Tetricits, Calhorns, Probus entstand
das ausgiebige Vertheidignugssystein des linksseitigen Geländes am
M i 1 1 c I r Ii e i n •, damals schon hat man befestigte Militärslrnsscn
von der Rheinlinie nach Divodurum und Augusta Treverorum an-
gelegt. Damals zog man die alten oppida der Gallier in das Re-
festigungsnetz hineiu und baute die verlassenen Stätten des Drachcn-
fels, der Hcidenbnrgen Oberstaufenbach, Kreitubach n. a. nach
römischer Weise energisch um. So ward die verwunschene
Drnidcnstätte zum römischen Kastell, so die Draehenhöhle, die vor-
mals wohl Menschenopfer gesehen hatte, zum Reobachtungsposfen
eines gallischen Auxiliars, so der Wohnsitz, des Drnidcnpriestcrs an
höchster Stelle des Plateaus zum l'rätoriuni <les römischen Refehls-
habers. Mit dem Niedersinken der Kömerherrschaft 4«>r»/4G(», als
Rurgunden, Alanen, Vandalen die Römerkolonien am Mittelrhein ver-
nichteten (vgl. Hieronymus iL epist. ad Ageruchinm) Helen auch diese
23-2 C. Mehlis: Zur mittclrhcinischen Alterthumskundc.
Strassenkastellc in die Hände der Germanen. Und damals schon
wird der Grund zur Sage von Sigfrid, dem Draehentödtcr, gelegt
worden sein, der am Hole (Jundachars zu Worms geweilt und diese
Köinerburg gewonnen haben soll, die ja von Vertheidigern geschützt
war, die den Drachen im Banner führten. Der späteren Zeit Helden-
gesäuge woben diese »Sage noch fester um die Trümmer hier oben
um Draehenfels und Drachenhöhle, um Draehenkammer und Ricsen-
haus, um Sigfrid, den nordischen Keeken und Chrimhilde, die ge-
raubte Königstochter von Worms, bis dann wohl von einem
m ittelrheinischen Sänger , der zur Hohenstaufenzeit selbst den
„TrachensUin'* besucht hat. das Lied in Nibeltuigeiislrophen ge-
fügt wurde, das uns in zwei Nürnberger alten Drucken (um 1T>.*R) —
15-10) überliefert ist, als die (jcsaugsweise vom „hürnen Seyfrid".
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II. Literatur
1. Diu K u n s t (i c n k in Hier drr Rhcinprovin 55. Erster Band.
I. Die Kunstdenkmäler des Kreise* Kempen; II. Die Kunstdenkmäler
des Kreises Geldern. Im Auftrage des Provinzialverbandes der
Rheinprovinz herausgegeben von Paul C 1 e in e n. Düsseldorf.
L. Schwann, 1891. gr. 8. XIV und 137; II und 118 S. Preis 3 M.
50 Pfg. und 3 M.
Unter allen deutschen Gebieten ragt die Rheinproviuz durch die
Zahl und Grossartigkeit der in ihr erhalteneu Kunstdenkmäler hervor.
Von den prähistorischen Zeiten an, deren Reste sich tinter vulkanischen
Auswürflingen zu Andernnch gefunden haben, bis 211 der letzten streng
umgrenzten kunstgeschlehtlichcn Periode, dem Empire, hat jede Epoche
hier glänzende Vertreter zurückgelassen. In den Bauten von Trier er-
kennt man die gewaltigsten Ueberbleibsel römischer Thätigkeit auf ger-
manischem Boden, der Dom zu Aachen bezeichnet die Blüthe karolingi-
schcr Baukunst, zahlreich sind die Werke des romanischen und des
Uebergangsstyls bis im Dom zu Köln die vollendetste Schöpfung der
Gothlk uns entgegentritt. Können später die Bauten jüngerer Zeiten
auch nicht an Grösse mit denen des Barock, Rokoko und Empire in anderen
Ländern, insbesondere in Frankreich wetteifern, so geben sie doch gute,
und charakteristische Proben dieser Stylgattungen. Und gerade in diesen
Zeiten des verliMltnissmässigcn Niederganges der grossen Kunst an den
Ufern des Rheines, entfaltet an ihnen wieder die Kleinkunst ein reiches
Leben, entstehen zu Raeren, zu Frechen und vor allem zu Siegburg Knnst-
töpfereien, deren Erzeugnisse sich hohen Rufes weit Uber die Grenzen
Deutschlands hinaus zu erfreuen hatten. — Hand in Hand mit der Freude
am Schauen neuer Kunstwerke ging im Rheinlande das Interesse an
den Werken älterer Zeit. Frühe entstanden hier Sammlungen von Alter-
thümern aller Art, von Bildern, Inschriften, Urkunden und gab sich in
historischen Werken und Materialsammlungen die Liebe zur Heimath tind
ihrer Vorzeit kund. Als am Endo des vorigen und am Anfange diese«
Jahrhunderts die Kunstgeschichte im eigentlichen Sinne des Wortes ihren
Aufschwung nahm, da war es in Deutschland das Gebiet der Rhein-
2.14
A. Wie.lf in an n:
[irovinz, welches ihr das reichste Material zur Verfügung stellte, welches
zahlreiche der Kunstforscher zu ihren Studien und Schriften begeisterte.
I'ni nachzufühlen, wie gewaltig der Eindruck war, den das Rheinland
nuf das neu erwachende , historisch forschend» ästhetische Gefühl
inachte, genügt ein Blick in das klassische Werk Georg Försters und
die prachtigen Schilderungen Goethes.
Zweifach war die Aufgabe, welche sich der Forschung darbot.
Einmal handelte es sich darum . das vorhandene Denkmalcrnmtcrial
zu regtet ri ren , dann darum, die wichtigsten Stücke oder Gruppen
desselben im einzelnen zu bearbeiten. Letztere Seite der Arbeit wurde
zuerst in Angriff genommen. Eine lange Reihe von Schriften über
archäologische Gegenstaude ward veröffentlicht , Zeitschriften er-
schienen, Vereine bildeten sich, unter welch' letzteren sich besonders
der Verein von Alterthumsfreunden wahrend der nun mehr als fünf-
zig Jahre seines Bestehens um die Veröffentlichung von Denkmälern und
die Erweckung des historischen Interesses in weiten Kreisen der Bevölke-
rung Verdienste erwarb. Die Itiventarisirung, welche bereits 1M1B von
Schinkel angeregt worden war, machte nicht so schnelle Fortschritte.
Die erdrückende. Masse des Materiales schreckte anfangs von einer zu-
sammenfassenden Bearbeitung ab und so beschränkte man sich darauf,
zunächst einzelne, mehr oder minder umfangreiche Dcnkmalorklaasen
zusammenzustellen und zu ediren. Vor Allem waren es B o i s s e r e e,
Bock und aus'in Woerth, welche mit grossem Erfolg nach dieser
Richtung hin thatig waren. Erst als in anderen Landern und Provinzen
Aufnahmen des gesaunnteu Deukmhlcrhestaudes stattfanden, als die Bau-
denkmäler des Regierungsbezirke« Kassel, die von Elsass-Lotl» ringen und
der Anfang derer von Baden erschienen, trat auch die Rheinprovinz
dieser Aufgabe wieder naher. Nach langem Vorbereitungen veröffent-
lichte Lehfeldt die Bau- und KunstdenkmKler des Regierungs-
bezirkes Koblenz. Dann geriet!» das Unternehmen in» Stocken, bis es
durch den Lundesdireklor der Provinz, Geh.-Kath Klein, wieder in Fluss
gebracht ward. Auf seine Anregung hin ernannte die Gesellschaft für
Rheinische Oeschichtskuude eiue Commission, um die Statistik durchzu-
führen. Diese cooptirte ihrerseits eine Reihe von Mitgliedern und er-
wählte den um die Geschichte der Rheinlande, insbesondere deren Rechts-
alterthümer hochverdienten Geh. -Rath Prof. Dr. Lo er sc Ii zum Vor-
sitzenden >). Nach mehrjährigen, den notwendigen technischen Einrich-
tungen nnd der Feststellung de» Planes des gesammten Werkes gewidmeten
1) Die Commission bestand ursprünglich aus den Bonner Professoren
A. Do vc (jetzt in München), K. La in p recht (jetzt in, Leipzig),
H. Loersch und H. Nissen. Cooptirt wurden Professor K. Justi
und Dr. H. Thode (jetzt in Florenz) in Bonn; Appcllationsgerichta-
rath a. D. Dr. A. R e i c Ii e n s p e r g e r, Dnmkapituhir A. Schnütgen
und Baumeister H. Wiethase in Köln.
Paul Clemen, Die Kunsidcnkmltler der RbeinpYovinz. 285
Votarbeiten wurde im Frühjahr 1*90 mit der Sammlung de» Materials
tmd der Abfassung des Inventars Dr. Paul C 1 e m e n betrau», welcher
«ieh in seinen „Portratdarstcllungen Karin des Grossen" (erschienen in
Bd. XI. und XII. der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvcrcins) als ein
gründlicher Kenner der Literatur und für eine derartige Aufgabe be-
sonders befilhigt erwiesen hatte. Dass die Wnhl eine höchst glückliche
war, beweinen die beiden vorliegenden Hefte.
Zu Grunde gelegt ist dein ganzen Werke die bestehende Einthei-
lung der Provinz in Kreise, jedem Kreise wird ein Heft gewidmet sein.
Jeweils wird das Heft eröffnet mit einer topographisch-historischen Ein-
leitung über den ganzen Kreit« und beschlossen durch eine Karte des-
selben unter Augabc der Verkehrsstrassen. Die einzelnen Orte, Burgen
u. s, f. in jedem Kreise werden alphabetisch geordnet. Bei jedem Orte
steht voran die Speciallitteratur, dann folgen germanische und römische
Funde und Anlagen, kirchliche Bauten und deren Denkmäler, weltliche
Bauten und deren Denkmaler. Die erste Abtheilung soll mit Recht ver-
hXltnissmässig kurz gefasst werden, da über die ersten Jnhrhundertc der
rheinischen Geschichte die Litteratur, besonders auch in unseren Jahr-
büchern, eine sehr reiche ist uud Verweisungen auf diese genügend er-
scheinen konnten. Für die Inschriften der Röiocrzeit lag bereits in dem
mit Unterstützung des Vereins herausgegebenen Werke von Brambach
eine Zusammenstellung vor und ist eine neue vollständige Edition der-
selben binnen Kurzem von Z a n g e m c i s t e r zu erhoffen. Schwieriger
war die Arbeit für das Mittelalter und die Neuzeit bis zum Empire herab,
mit welch An die Statistik abschliesst. Hier lag nur für die altchristlichen
Texte eine Sammlung vor, die Kraus verdankt wird (vgl. Jahrb. 90,
S. 184 ff.), für die jüngeren Texte war man auf zerstreute Einzeln rbeiten
oder die Originale angewiesen. Dieselben erscheinen in dem Werke, so-
weit sie dem Mittelalter entstammen, im Allgemeinen wörtlich, wahrend
jüngere Inschriften, besonders Grabtexte, nur auszüglich aufgenommen
worden sind. Die Anordnung, um dies noch zu erwähnen, ist bei der
mittelalterlichen und neuzeitlichen Abtheilung die, dass der älteste kirch-
liche Bau, also in der Regel die Pfarrkirche, voransteht und sich die
übrigen Denkmaler an diesen, alphabetisch geordnet, anschliessen. Special-
litteratur Uber einzelne Bauten oder Denkmäler ist, mag sie gedruckt
oder handschriftlich vorhanden sein, jeweils mit grösster Sorgfalt der Be-
arbeitung beigefügt worden. Zu Heft I S. 91 können wir bei dieser Ge-
legenheit nachtragen, da«s die aus dem Kempener Wochenblatt citirtc
Arbeit von Pohl über die bronzene Gedenktafel dcB Burgbaues zu
Kempen seither auch in den Bonner Jahrbüchern LXXXX, S. 208 ff.
mit einigen Nachtritgen des Verfassers abgedruckt worden ist.
Ein besonderer Vorzug des Werkes ist seine Ulustrirung, die grössten-
teils vermittelst Zinkclichcs, daneben aber auch durch Phototypien erfolgte.
236
A. Wiedcmann:
Dieselbe vermittelt die Anschauung der aufgeführten Werke in ganz
andere klarer Weise alt» cb durch die Beschreibung allein hätte geschehen
können. Dabei kam es der Sache »ehr zu statten, dass der Verf. selbst
photographische Aufnahmen und Originalzeichnungen herzustellen ver-
mochte. Dass Druck und Ausstattung vortrefflich sind, braucht bei einem
von der Provinz in'« Leben gerufenen Unternehmen nicht erst besonders
hervorgehoben r.u werden. Die Kosten des Werkes hat die Provinz
übernommen, für die Drucklegung der beiden bisher erschienenen Hefte
hat jeweils die in Betracht kommende Kreisvertretung, also die von
Kempen und die von Goldern Beiträge bewilligt. Es ist in hohem
Grade zu hoffen und zu wünschen, dass die Vertretungen der später
zu behandelnden Kreise dem rühmlichen Vorbilde ihrer Vorgänger
folgen werden. Liegt eine solche Unterstützung des Unternehmens
doch auch im Interesse jedes einzelnen Kreises, denn dasselbe hat
nicht nur eine wissenschaftliche Bedeutung und ist die Schilderung
jeden Kreises ein Khrendenkmal für diesen an und für sich, sondern es
hat auch für alle Kreiseingesessenen einen unmittelbaren praktischen
Werth. Durch die Registrirung und Veröffentlichung des im Bezirke des
Kreises vorfindliehen kunsthistorischen Materiales erhöht sich einmal der
ideale und thatsächliche Werth jedes einzelnen Baues und Gegenstandes,
andererseits wird hierdurch erst die allgemeine Aufmerksamkeit auf zahl-
reiche Werke und Anlagen hingelenkt und in Folge, dessen das Interesse
auch für die entlegeneren Theile der Kreise stetig wachsen. Aehnliche
Gründe müssen jedem Sammler, auch demjenigen, welcher nicht aus
sachlichen Interessen seinen Besitz bekannt werden zu lassen wünscht,
es werthvoll erscheinen lassen, seine bessern und für weitere Kreise be-
achtenswerten Stücke in dem Werke verzeichnet zu sehen. Schon die
vorliegenden beiden Hefte haben eine Reihe von Privatsammlungen ver-
werten können. Ausser II kleinern, einzelne werthvolle Stücke bergen-
den, sind es zunächst die in ihren omamentalen und figürlichen Holz-
skulpturen den ersten Rang unter den rheinischen Sammlungen ein-
nehmende des Hrn. C. Kramer in Kempen, dann die durch kunstgewerb
liehe Erzeugnisse der Römerzeit und des Mittelalters hervorragenden
Sammlungen der Reichsfreiherrn von Geyr auf Haus Caen und die Gemälde-
gallcrie des Grafen Loü auf Schloss Wissen. Von VercinsBainmluugeii
kam nur die des Kunst- und Alterthumsvercins in Kempen in Betracht.
Einzelne Punkte aus dem reichen Materiale, welches die beiden
Heile enthalten, hervorzuheben, kann hier nicht unsere Absicht sein ; wer
sich über solche unterrichten will, wird doch zu dem Werke selbst greifen
müssen. Wir begnügen uns mit dein Hinweis, dass für germanische
Funde besonders in Betracht kommen Brüggen, Kempen, Sankt Hubert,
Walbeck, und für Wallanlagen Nieukerk und Wankum. Römerfunde
sind bemerkenswert!! zu Aldekerk, Herongen, Leuth, Nieukerk, Pont,
Paul Giemen, Die Kutitridenkmäler der Rheinprovinz.
23?
Sevelen, Stralcn, Veert, Wachtendonk, Walbeck, Wankum, Weeze. In
den Kirchenbauten findet sich faxt ausschliesslich der gothische Styl ver-
treten; durch ihre. Altare, Bilder oder sonstigen Schütze zeichnen «ich
die zu Dülken, Kempen, Geldern, Kevelaer, Nieukerk, Straten uud Weeze
aus. Für Burganlagen ist zu verweisen auf Bocholt, Brüggen, Kempen,
Haus Ingenhoven, Oedt, Schloss Haag, Schiost» Krieckenbeck, Haus
Wissen; Stadtbefestigungen hatten besonders Kempen (vor allem beachtens-
werth das Kuhthor) und Geldern (meist zerstört), Im Kreise Geldern finden
«ich auch mittelalterliche Landwehren. Von sonstigen Anlagen sind von
besonderem Interesse die Bauernhöfe um Keylaer und um Nieukerk und
die leider 1873 abgebrochene Gerichtsstube an der S. Peterskirchc bei
Kempen.
Was die Durchführung der Arbeit als solche anbelangt, so ent-
spricht dieselbe durchweg dem vorgesetzten Programm. Wenn dieselbe
für die weitem Kreise — zunächst stehen in Aussicht Kleve, Mörs und
Hees — in gleicher Weise erfolgt, woran bei dem Interesse der bethei-
ligten Behörden, insbesondere des Provinzialverbandes, und den Persön-
lichkeiten des Bearbeiters und der die Commission bildenden Herren
nicht zu zweifeln ist, so wird die Hhcinprovinz eine Denkmäler-Statistik
erhalten, welche sich denen anderer Gebiete nicht nur würdig zur Seite
stellt, sondern dieselbe an Reichhaltigkeit noch erheblich Übertrifft. Das
Werk wird eine Grundlage bilden nicht nur für lokalhistorische Studien,
sondern für jeden, der sich mit den Theilen der politischen und Kulturge-
schichte im weitesten Sinne des Wortes beschäftigt, für welche das Rheinland
und seine Denkmäler nur irgendwie in Betracht kommen; es wird zu-
gleich den historischen Sinn und die Liebe zum vaterländischen Boden
und seine Kunstwerke in hohem Grude zu fördern geeignet sein.
Wie aber jeder erfüllte Wunsch einen neuen zeitigt, so ist dies
auch bei dein vorliegenden Unternehmen der Fall und wir möchten diese
Besprechung nicht abbrechen, ohne einem solchen Ausdruck zu geben.
In den „KunstdenkmaJem* werden die augenblicklich im Rheinlnnde
vorhandenen Werke vergangener Jahrhunderte aufgeführt und geschildert,
möge man nun auch Mittel und Wege finden, sie dem Vatcrlando zu er-
halten. Oftmals ist bereits durch Ministerialreseripte, insbesondere des
Herrn von Gosslcr, auf die Notwendigkeit der Conservirung vaterländi-
scher Alterthümer hingewiesen worden, bereits 1843 wurde ein Konser-
vator der Kunstdenkmaler für die preussische Monarchie ernannt, 1872
wurden Geh.-Rath Schaafhausen und der seither verstorbene Geh.-
Rath von Dechen berufen für die Erhaltung der Denkmäler thütig zu
sein (vgl. Jahrb. 77, S. 248). Allein es fehlt noch jetzt eine Organisation,
welche die thatsHchliche Durchführung der Conservirung in vollem Um-
fange und ein rechtzeitiges Einschreiten gegen eine unberechtigte Zer-
störung, Veränderung oder Verschleppung der Kunstdenkmaler erniög-
238 A. Wißdemanii: Paul deinen, die KunstdenkmHlcr ete.
lichte. Kinc solche war bisher schwer einzurichten, da man von den iu
Betracht koimiieiideii Kokiilbchörden eine Kennt uiss der verschiedene«
Kunstdeiikiniller und ihren Werlhcs nicht ohne Weiteres verlangen konnte;
jetzt, wo in den „Kunstdcnkmalcrn'* eine luventnrisiriuig derselben ge-
schaffen wird, ist clit* Aufgabe wesentlich erleichtert. Jetzt wird es ein
leichtes sein, an jedem Orte eine geeignete Persönlichkeit, den Land
rath, Bürgermeister oder Geistlichen zu regelmässiger Berichterstattung
über die in ihren Amtsbezirken vorhandenen Denkmäler anzuhalten und
zu veranlassen, vor jeder Veränderung derselben einem eigens zu dem
Zwecke für die l'rozinz eingesetzten C'onservator bez. einer Commission Mit-
theilung zu machen. Diese könnten dann über die Zulässigkcit oder Noth-
wendigkeit einer Umgestaltung der in öffentlichem Besitz befindlichen
Denkmäler unter Hinzuziehung der jeweils in Betracht kommenden staat-
lichen, communalen oder kirchlichen Behörden direkt entscheiden, auf
die Krhaltuug der in Privatbesitz befindlichen Werke wenigstens indirekt
einwirken, insbesondere den Ankauf von in den Handel kommenden
Stücken durch den Staat oder öffentliche Sammlungen befürworten und
veranlassen. Wie viel hier durch thatkraftiges Kingreifen geschehen
kann, hat schon unter den jetzigen ungünstigen Verhältnissen der seit einer
Reihe von Jahren thatige Konservator der Kuiistdcnkmalcr der Monarchie
Geh. Oberregicrungsrath Pcrsius bewiesen; eine straffere Organisation
würde nicht nur dessen Aufgabe erleichtern , sondern auch immer
mehr und mehr die Gewilhr bieten, das* das, was wir als Denkmaler-
schntz von unsern Vorfahren überkommen haben, auch möglichst voll-
standig unsern Nachkommen erhalten bleibt.
A. W i e d c m a n n.
2. Bauden km Hier des alten Rom. Nach pliotogrnphischcn
Originalaufnahmen herausgegeben von Heinrich Strack, Professor
an der Kgl. Technischen Hochschule und der Kgl. Kunstschule zu
Berlin. Berlin 1890, Ernst Wasmuth.
Daa Werk umfasst 20 Lichtdruckbilder in Folioforinat, auf denen
die künstlerisch und historisch bedeutendsten Bauwerke des alten Korn,
soweit sie uns noch erhalten sind, zur Anschauung gebracht werden.
Den Ansichten ist ein erklärender Text und ein Plan des Forum
Romannm beigegeben. Das Werk soll insbesondere Architekten und
Archäologen Studienmaterial liefern und ein Hülfsmittel für den Unter-
richt sein. Die Ansichten zeichnen sich, da sie auf photographischem
Wege hergestellt sind, durch besondere Deutlichkeit aus. Die Relief-
dnrstellnngen an dem Triumphbogen des Titus und Konstantin treten
klar hervor. Im Innern des Titusbogens sehen wir •/.. B.. wie der sieben-
armige Leuchter aus dem Tempel zu Jerusalem im Triumplizitge init-
geführt wird, und auf der entgegengesetzten Seite erblicken wir den sieg-
Kreuser: Heinrich Strack, Baudenkmäler de« alten Rom. 239
reichen Titus als Triumphator auf dem Viergespann. Die Arten der
Säulen an den einzelnen Tcinpelrcstcn sind gut zu unterscheiden. Selbst
die IiiKcliriltf ii auf di*n Triumphbogen sind leserlich.
Zur grösseren Anschaidichkeit trägt auch bei, dass wir die wich-
tigsten Denkmäler von verschiedenen Standpunkten au« Kelten. So ent-
liKlt da» Werk unter andern) 2 Ansichten vom Forum, 4 vom Pantheon,
2 vom Titusbogen, 3 vom Flavischcn Amphitheater. Gerade das letzt-
genannte Bauwerk wird gewöhnlich so abgebildet, das» nur der am
besten erhaltene Theil hervortritt. Von dein wirklichen Aussehen den
Gebäude» geben uns die verschiedenen Aufnahmen eine, klare Vorstellung.
Die beigegebene Erklärung theilt uns alles Wissenswerthe über die
einzelnen Denkmäler mit, sie beschränkt sieh übrigen« nicht auf die
zur Darstellung gekommenen Bauwerke, sondern enthalt auch eine Ucber-
sieht über 'die verschwundenen und nur in geringen Resten erhalteneu
Monumente.
Wenn das Werk des Beifalls eines jeden Gebildeten sicher sein
kann , so ist es besonders werthvoll für den Philologen und Historiker.
Denn, da es nicht jedem vergönnt ist, die denkwürdigen l'eberrcste des
alten Koni, deren Kenntniss für das Verstanduiss einer Anzahl römischer
Schriftsteller sehr wichtig ist, persönlich in Augenschein zu nehmen, so
muss ein Werk, welches für die Autopsie so viel als möglich Ersatz
bietet, mit Freuden begrüsst werden.
Auch für die Schule bilden die Ansichten ein nicht zu unter-
schätzendes Hülfsmittel, beim Lesen der Klassiker sowohl als im Ge-
schichtsunterricht. Die Abbildungen machen dem Schüler bald den
Unterschied klar, der zwischen dem Forum Romanum und dem Markt-
platz einer modernen Weltstadt herrscht. Leicht ist es, an der Hand
einiger Tcmpelreconstructionen oder noch erhaltener Bauwerke, wie des
Pantheon, das Forum mit seinen herrlichen Bauten vor dem geistigen
Ange des Schüler« wieder erstehen zu lassen. Die Beden eines Cicero
vor dem Volke werden ihm in ganz anderem Licht« erscheinen , wenn
er sich vorstellen kann, von welchem Platze aus und in welcher Um-
gebung der Redner gesprochen. Der Riesenbau des Flavischen Amphi-
theaters redet deutlich von den gewaltigen Mitteln seines Erbauers, sowie
von der Grösse der Stadt, für welche ein solches Gebäude angemessen
war. Eine ebenso beredte Sprache führt das Pantheon, das bei seiner
Grossartigkeit zunächst doch nur das Werk eines Privatmannes war.
Die prächtigen Bogen des Titus und Konstantinus, die Säulen des Trajan
und Mark Aurel verkünden noch heute die Sicgcsthatcn der Kaiser, zu
deren Preis sie gesetzt sind, und geben uns einen Begriff von dein gross-
artigen Gepränge, mit welchem ein Triumphator seinen Einzug in die
Hauptstadt der Welt hielt. Allerdings bieten sich die meisten Denk-
mäler dem Auge nur in trüinnierhafteiii Zustande dar. Allein gerade
240
Conatatttin Koenen:
die (Irossnrtigkeit der Trümmer zeugt am klaiston für den Glanz, der
einst die ewige Stadt umfloss. Schliesslich kann der reifere Schüler auch
noch darauf hingewiesen werden, dass gerade die eingehendere Be-
schäftigung mit den alten Band enkmtt lern, wie sie sich in Horn vor-
linden, eine neue Periode in der Kunstentwickclung erschlossen hat.
Benutzt man die Ansichten bei passender Gelegenheit in der Schule,
so tragen sie nicht nur zu grösserer Anschaulichkeit , sondern auch zur
Belebung des Unterrichtes bei. Auch sie wirken dazu mit, dem Schüler
an der Hand seiner Klassiker ein lebendiges Bild der alten Welt zu ver-
schaffen. Je klarer er diene, die als ein abgeschlossenes Ganzes vor ihm
liegt, erfasst, desto eher wird ihm das Verständnis» seiner Zeit, aus der
er sich nicht erheben kann, ermöglicht.
Prüm. Kreuser.
3. D a s r ö m i s c h e L a g e r z u K e s s e I s t a d t bei Hanau von
Georg Wolf f. Mit drei lithographirteu Tafeln. — Nebst einem
Anhang von Reinhard Suchier: Fundstücko von Kcsselstadt.
Mit einer lithographirteu Tafel. — Mittheilungeii des Hanauer Be-
zirksvereins für Hessische Geschichte und Landeskunde. Nr. 13.
Hanau 1890. Druck der J. J. Kittsteiner'schen Buchdruckerei.
In dieser, für den Limesforschcr sowie für den KrkIHror römischer
Lagerbefestigungen unentbehrlichen Arbeit schildert Wolf f in eingehender
Weise die Entdeckung und Aufdeckung des römischen Lagers zu Kessel
stadt, dann die Strassen, das Kcssclstadtcr Lager seiner architektonischen
Beschaffenheit nach, sowie das Verhältnis* dieser echt militärischen An-
Inge zu dortigen Villen, zu den römischen Alterthüinerfunden der Um-
gebung, sowie zur römischen Keiehsgreuze überhaupt. Wol ff kommt
schliesslich zu dem sich auf Möglichkeit stützenden Schlüsse : hier eine
altere, etwa für eine halbe Legion bestimmte Festung gefunden zu haben,
die mit der unter den flavischeii Kaisern erfolgten neuen Offensive in
Zusammenhang stehe und die Bestimmung gehabt habe, mit dem Brücken-
kopf von Castcll und den rückliegenden Castellen zu Heddernheim,
Wiesbaden und Friedberg der Sicherung einer Älteren Grenzlinie zur
Verbindung des oberen Donaubeckens mit dein Kheinthal zu dienen.
Sehen wir zu.
Das Kesselstlidter Lager muss als castra quadrata bezeichnet werden
von 375 m Seitenlange. Es kann also im Vergleich zu dem ungefähr
doppelt so grossen Bonner Legionslager recht wohl einer halben Legion
zum Standquartier gedient haben. Der deeimanus ist von Westen nach
Osten gerichtet und (heilt das Lager in zwei gleiche Theile. Der cardo
liegt mit dem deeimanus in rechtem Winkel und theilt das Lager so,
dass der nach dem Ausmarschthore (porta praetoria) zu gerichtete Lager-
th. il, die praetentura, kleiner ist als die nach dem dccimanischcii Thore
Georg Wolff, Das römische Lager zu Kcsselstadt bei Hhiuiu. 241
zu {gelegenen beiden Lagcrtheile, latcra praetoril und rententnra. Die
von Wölfl* angenommene Oricntirung nach Osten ist daher ebenfalls
zutreffend und sie stimmt so auch überein mit der der Lcgionslagcr
von Bonn, Neuss, Carnuntum und den bekannton Limescnstellen.
Zum Beweise, dass wir in dem Kesselstadter Lager eine ältere An-
lage zu .suchen haben, liebt Wo I t f namentlich den <|uadratischen,
durchaus regelmiissigen Gruudriss hervor, dann die überaus sorgfältige
Technik der Maucrconstruetioii, das festgestellte Fehlen von gestempelten
Ziegeln und jener grösseren Masse festgebrannter römischer Gefass-
scherben, ferner die bedeutenden, vor dem Ausmarschthore, also nach
dem feindlichen Gebiete hin gelegenen römischen Villen. Ich möchte
noch eine Wolff 'sehe Beobachtung für diese zweifellos gleichfalls zu-
treffende Begründung hinzufügen, nämlich das Vorkommen jener alteren
römisch-germanischen Scherben.
Dass wir es mit einem Klavier- Werke zu thun haben, wie Wolff
für am naheliegendsten halt, scheint mir etwas bedenklich. Das charakte-
ristischste militärische Denkmal dieser Epoche ist zweifellos das nachweis-
bar unter dem Flavier Vespasian im Jahre 70 von Cerealis erbaute, durch
das Bonner Provinzialmuseum in der Aufdeckung weit vorgeschrittene
Neusser Legionslager. Orientirung sowie Lage von deeimanus und cardo
stimmt zwar mit dem Kesselstadter Lager überein; allein nicht der Ge-
sammtgrundriss; denn dieser stellt das Neusser Legionslager zu den
castra tertiata des Ilygin. Auch ist das Verhältnis*, in dem die Thor-
und die Flankenthürme zur Lagerumfassung stehen, in dem Kessclstatter
Lager eine wesentlich andere als in dem Neusser Werke, in solern näm-
lich, als die Kesselstildter Thore sich als von zwei quadratischen Thürmen
Üankirte Doppeltbore vorstellen, deren Mitte auf dem Sehiieidepunktc
von cardo, bezüglich deeimanus und Umfassungsmauermitte liegen, so
dass ihre vordere Flucht weit über die der Umfassungsmauer hinaus-
ragt, wahrend sie bei dem Neusser Legionslager in der Linie der Um-
fassung errichtet ist. Bei den Thürmen der Umfassungsmauer ist gerade
das Gegentheil wahrnehmbar. Diese lehnen sich bei dem Kesselstildter
Lager sammtlich gegen die Innenseite der Mauer; sie. liegen also im
Lagcrwalle, wahrend sie bei dem Neusser Flavierlager, gegen die Aussen-
seite der Umfassung anlehnend, vor dem Wall in den Umfassungsgraben
hinein reichen. Nur einer der zwei an der retentura des Neusser Lagers
aufgedeckten Eckthürmc lehnt sich wie die Kesselstadter Eckthürme. in
Trapezform gegen die Innenseite der Umfassung. Auch hat die Neusser
Lagerummauerung keine so sorgfältige Technik aufzuweisen, wie das
bei dem Kessetstadtcr Lager der Fall ist. Dazu kommt noch, dass in
dem Neusser Flavierlager massenhaft jene schöne festgebrannte irdene
Waare der Flavierzeit angetroffen wird, wahrend jene leichtgebrannte
Jahrb. d. V<r. v. Alt. rtliHiV. im Itln-iiil. XCII. Hj
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Ü-12
Constantfn Kocn'cii:
Ältere einheimische Wanre fehlt. Ausserdem ( ragen die Flavierzicgel
zahlreich den Legioussteinpel.
Diese mehr auf eine ältere Epoche militärischer Anlagen weisen-
den Unterschiede der Kcsselstädter castra quadrata. zu einer flavisehen
casta lertiata mahnen, eine vorllavische Offensive nicht ausser Acht zu
lassen. Ks bleibt zu berücksichtigen, dass J. Caesar die Bataver am
Unterrliein für Horn gewonnen hatte. Im Jahre 38 vor Chr. folgten die
Ubier resp. die wohl an deren Stelle verpflanzten Mattiakcn de» Taunus.
Im Jahre lf> vor Christus ist Rhaeticn, im Jahre 35 resp. 14—13 vor Chr.
Pannonien gefolgt und bis zum Jahre i> nach Chr. gewann Horn sogar
das ganze Zwischenland bis zur Weser. Diesem römischen Reichslande
trat bis zum Jahre 6 nach Chr. die nördlich der römischen Provinzen
Khaetien und Pannonien, südöstlich de» römischen Taunuagebietes und
östlich des römischen Weserbereicbes sich erstreckende gewaltige Macht
der suebischen Vülkergruppe so gefahrdrohend gegenüber, dass Rom
dem suebischen Heere Marhods die doppelte römische Soldatenmasse
gegenüber stellte. Es nuiüs, soweit man die historischen Nachrichten
über diese Grenzfeinde Roms verfolgen kann, als eine militärische Not-
wendigkeit betrachtet werden, dass bis zum Jahre 6n. Chr., als der
pannonisehe Aufstand ausbrach und Rom mit Marbod Frieden schloss,
von Rom aus alle Vorkehrungen getroffen waren, in der römischen Art
der Kriegsführung, nämlich von festen Positionen aus vermittelst des
concenlrischen Angriffes das Reich Marhods zu erobern.
Ks dürfte deshalb empfehlenswert!! erscheinen, etwa in einem Nach-
trage zu der Arbeit Wolff's die Frage zu beantworten, ob das Kessel-
städter Lager nicht damals gegen die suebischen Verbindungen errichtet,
bei dem unerwarteten Friedensschluß durch die Pannouischeu Unruhen
aufgegeben und wegen anderweitiger Verwendung der römischen Trappen
geschleift worden sein kann? Festgebrannte römische Gefässe waren
damals noch selten; wir finden vielmehr jene leicht gebrannte La Tenc-
Waare des llorchheimer Gräberfeldes (vgl. Zeitschrift des Lahnsteiner
Alterthumsvereins, K o e n e n : HorchheimerGräberfeld) ; es fehlten damals
auch noch die gestempelten Legionsziege.l. Auch die Wölfi sche Be-
obachtung, dass das Lagerinnere unbebaut ist, scheint für diese Zeit
nicht fremdartig, wohl aber für die der Flavier, wenn man das völlig
mit festen .Steinbauten ausgestattete Neusser Flavierlager berücksichtigt,
das bereits unter Hadrian um 120 verlassen und geschleift wurde.
Der dem Wolff'schen Werke beigegebene Nachtrag zeigt eben-
falls eine durchaus sorgfältige Besprechung aller Kiuzelfundstücke aus
der Umgebung des Castells Kesselstadt; aber die Bchandlungswcise ist
mehr eine philologische, keine archäologische. Ich würde an der Stelle
der Tafel mit Töpfer- und Ziegelstcmpet eine solche mit Abbildungen
der (lefiissformen vorgezogen haben; denn durch diese letzteren, nicht
Georg Wolff, Das römische Lager zw Keaselstadt hei Hanau. 24.1
durch diu Namen, welche »ich zumeist von einer Familie zur anderen
erhalten haben, gewinnen wir Aulschluss für die Zeitteilung und für
den Zweck der einzelnen Gegenstände. So ist beispielsweise die Form
der terra slgillata-Tasscn mit etwas schriig gestellter gradflächiger Wand,
welche S n c h i e r (S. 101 und 102) bespricht, in ihrem Auftreten und
ihrer Verbreitung später wie die „weit offene zweimal gewölbte Tasse",
welche schon in der augusteischen Zeit vorkommt und im Zeitalter der
Antonine ausser Mode trat , wahrend dann gerade die erst genannte
Sorte, welcher wir in der Flavierzeit zuerst begegnen, Mode wurde und
sich erhalten hat bis in die letzte Zeit der Römerherrschaft. In der
Flavierzeit finden wir auch die Teller mit Blattverziernng und die Sigi-
lata-Reibschale mit Löwcnkopf-Ausguss, wie solche um die Zeit Neros
zuerst auftreten und in der Zeit der Antonine ausser Mode traten. Aber das
von S u c h i e r beobachtete schlechte Fabrikat der terra sigillata deutet
wohl in Verbindung mit den übrigen Erscheinungen auf die Zeit nach
Domitian. Noch dürfte zu beachten sein, dass die von Suchicr (S. 101)
beschriebenen, in einem mit Branderde und Schlacken verseheneu Räume
gefundenen kleinen, einfach gerundeten Töpfe, die aussen in der unteren
Hälfte dicht mit Steinchen besetzt waren, wohl Schinelztigelehen gewesen
«ein können, denen man wenigstens diese Form gab und deren Thon-
masse man der härteren Widerstandsfähigkeit oder Würmevcrtheilung
wegen härtere Körper beimischte.
Unter allen Umstünden haben beide Forscher und zwar in erster
Linie Wolff den Dank der Fachgenossen in hohem Maaue verdient,
dem wir auch an dieser Stelle Ausdruck geben.
Constantin Koenen.
4. Geschichte der Stadt Neuss von Gymnasialdiroctor Dr.
Karl Tüeking. Druck und Verlag von L. Schwann. Düssel-
dorf und Neuss 1891.
In dem Vorwort zu dieser, 24 Druckbogen umfassenden Arbeit,
nennt Tücking die Chronik eines Strevensdorff und Brandt dürf-
tig, die Beiträge des Reetors Aldendorff bruchstückartig, die Chrono-
graphie des Hofraths Vogel im ganzen recht schwach, das Schriftchen
Prisacks über das Neusser Leben und Treiben kritiklos, die Fr. L.
Löhrer'sche Geschichte der Stadt Neuss wird schliesslich als Versuch
bezeichnet, eine den Forderungen, welche man an ein solches Werk zu
stellen berechtigt ist, nach Inhalt und Form möglichst entsprechend!'
Geschichte der Stadt Neuss zu schreiben, dem jedoch auch nicht der
Vorwurf erspart werden könne, bei der Sammlung des Stoffes nicht ein-
mal die zugänglichen Quellen gehörig benutzt zu haben. Aber schon
ein flüchtiger Vergleich dieser neuen Tücking'schen Geschichte zeigt,
dass diese zweifellos auf den Schultern der Vorgiinger, vor Allem der
244
Cnnstantin Können:
L ö h r e r 'sehen Geschichte steht. Kine etwa« pietätvollere Bcitrtlieilung
der Vorgänger würde daher wohl einen besseren Kindruck hervorgerufen
haben. Dazu ko t nun noch der Ucbclstand, auch in dem Tück hin-
sehen Werke eine allseitige Benutzung der zugänglichen Quellen zu
vermissen und, wo solche verwerthet sind, das Fehlen der Ouellcn-
angabe zu beobachten. Das berührt um so betrübender, weil es nach
der Tück in«? 'sehen Schreibweise so aussieht, als seien die nicht durch
(Quellen beglaubigten Stellen persönliche Beobachtungen T ü c k i n g 's.
So die Umwandlung des Legions- in ein Alenlager (vgl. dazu meinen
Aufsatz in diesen Jahrb. Heft LXXX1X, S. 218 ff.}; die Aufgabe und
Verlegung der Castellhesatzung nach Neuss (vgl. a. a. <).); das Verhält-
uiss der Zwülftafelgestze zu den römischen L'minauerungen (vgl. in der
riek'scheu Monatsschrift meinen Bericht über die Gräberfunde bei
Anlag«' des Neusser Kriegerdenkmales); die Bestimmung der Neusser
Besatzungen und deren Zeitfolge (vgl. a. a. <>.). — Da, wo Tücking
versucht, selbständig zu folgern oder zu erklären, sind seiner Arbeit
bedauernswerther Weise fast regelmässig Irrthünier unterlaufen. So soll
von den unter Gor ma n i c u s nach Köln verlegten zwei Legionen —
es waren bekanntlich die I. und die XX. Legion — die IG. (!) in Neuss
ein Stundlager bezogen haben! Nach Bergk ist es ja wahrscheinlich,
dass die lß. Legion, als sie vom Oberrhein abberufen wurde, überhaupt
nicht Köln, sondern direkt die Neusser Gemarkung bei Grimlinghausen
zum Lagern angewiesen erhielt. — Tücking spricht dann etwas
ironisch über die in neuerer Zeit .mit grosser Vorliebe** aufgesuchten
Römerstrassen, unter denen sich manche befänden, welche gar nicht als
Hcerstrassen dienten. Indem er nun persönlich zur Beschreibung des
„eigentlichen Heerweges" übergeht, nennt er die in den Itiuerarien der
Reihe nach angeführten Orte: Dornomagus, Bttruncum (nach Tück iug
Bürgel!), Novaesium, Gelduba und Calone als an jener Staatsstrasse ge-
legene und daher deren Lauf bezeichnende Punkte, während wir ja
thatsächlich diese Orte an verschied e n e n Strassen vertheilt Huden,
da eben jene Itiuerarien keine Strassenlinien, sondern Reiserouten an-
geben, die von einer Strasse zur anderen laufen (vgl. Schneider,
Die alten Heer- und Handelswege. U. 8. Düsseldorf 1890. S. 8 ff.).
Bei Beachtung dieser Thatsache hätte Tücking auch eine Erklärung
dafür gefunden, warum die Peutinger'sche Tafel „nur die beiden Zwischen-
stationen Novaesium und Asciburgia" auf der Strecke Köln-Vetera nennt;
denn auch diese Karte bezeichnet nur Reiserouten (a. a. O.). Aber auch
in der Bestimmung der Neusser Reste dieser T ü c k i n g 'sehen Staats-
strasse irrt Tück ing; denn die von ihm dafür angesehene „südlich
von Neuss, unter und neben der Kunststras.se (Cölnerstrasse ist die
richtige Bezeichnung) gefundenen Strassenreste" der Römerzeit, welche
ich zuerst in dem t'oi iespoudenz Blatt zur Westdeutschen Zeitschrift ver-
Dr. Karl Tücking. Geschichte der Stadt Neuss.
24fi
offentlicht habe, rühren aul' die Linie de« eardo-maximus vom Legions-
laprcr bei Grimlinghausen und rühren somit von einem in da« Lager
einniündeiiden und diesen verlassenden Strassenarme und nicht von der
südlicher gelegenen Heerstrasse, her.
Nach jahrelangen Studien konnte ieh im Jahre 1H72 gegen die
herrschende Ansieht, naeh welcher das Legionslagcr an der Stelle des
heutigen Ortes Neuss gedacht wurde i vgl. u. a. Q u o s s e e k, Gymn.-Progr.,
Neuss 1X70), die Stelle zwischen linkem Krfrufer und Rhein als die des
Legion singe rs bezeichnen (vgl. u. a. diese Jahrb. und 1' iek's Zeilschr.
.F. 187^). Als dann auf meinen Antrag hin im Jahre 1887 das Rheinische
Provinzialinusciim zu Bonn seine systematische Aufdeckung des Legions-
lagcr« begann, bezeichnete man von wohlbekannter Seite das Aufge-
deckte zuerst als Privatgebaudc, dann als Castcll zum Krft übergange,
und als endlich das ganze Legionslager zum Vorschein kam, als das
zwischen Novaesium und Dornumngus gelegene Buruncuin! Wie gedenkt
nun Tücking dieser Bostiminuiig des Legionslageis? „ Bleiben wir
auf der StaatsstiassC, sagt Tüeking, „und suchen wir (also Tücking!)
die Lage des Castell« Novaesium festzustellen." . . . .Das Lager war
auf einer etwa 1 -> Stunde von der jetzigen Stadt Neuss nach Süden hin
entfernten Bodenanschwellung auf der linken Seit*- der unteren Krft er-
richtet." So entschuldigt man sich und schreibt, nachdem ein weiterer
Widerspruch der Wahrheit unterliegen musste! — Einen nicht minder
ungünstigen Kindruck macht auch der Tücking'sche Versuch, die
noch nicht abgeschlossenen Resultate der Ausgrabungen des Bonner
Provinziahnuseums für seine Geschichte der Stadt Neuss zu verwerthen;
denn abgesehen davon, dass ein solches Vorgreifen dem Verfasser wenig
Khre bereiten kann, beruht das Mitgetheilte vielfach auf Irrthüinern und
groben MissvcrstJtndnissen.
Die Aufgabe de« Neusser Alenlagers bei Grimlinghausen, welche ich
in diesen Jahrbüchern (a. a. O.) unter Zugrundelage bezeichnender histo-
rischer und antiquarischer Zeugnisse mit den Neuerungen Constantins
in Zusammenhang brachte, indem dieser die Garnisnnstadte (civitates
muratae1! durch Aufhebung der Sonderlager hervorrief, schreibt Tücking
„dem gegen Grimlinghausen vordringenden Rhein zu, durch den der alte
Platz bedroht erschien!'* Ganz abgesehen von der theoretischen Unwahr-
scheinlichkeit dieser Meinung, hatte Tücking doch die Lage des,
durch die Ausgrabungen des Provinzialinuseuins festgestellten Alenquarticrs
berücksichtigen müssen, nach der nämlich der WalTenplatz zu keiner
Zeit Gefahr vor der Rhcinfluth erkennen lassen konnte; da er, ca. IGOm
vom Rheinufer entfernt, auf einer Stelle liegt, die nie von der Hochfluth
des Rheines bespült wurde, wenigstens nachweislich nicht so lange, als
das Lager bestand und ebensowenig nach dessen Aufgabe. Auch spricht
der von T ü c k i n g und von seiuen Vorgängern herangezogene einzigste
216
Constantin Koenon:
1:« ;m ündungsversuch, nHmlich die Stelle !>ci Aiiiminn XVIII, 2, 4, mir
vom Wiederherstellung und Neu he t est igung Novacsiums, nicht
von einer Verlegung des Alenouartiers.
Kin innerhalb des heutigen Neuss errichtetes neues „Lager" kann
nach Tücking nicht über das Nordcnde des Büchels gereicht haben,
weil sich von dort ab viele Gräber gefunden hittten. welche nach den
Zwölf Tafel-Gesetzen ausserhalb der Thore sein uiussten. Sowohl der
Grund, den Tücking hier angiebt, als auch die Angabe über Lage
jener (trüber ist irrig. Ich habe allerdings bereits seit der Herausgabe
des Q u os e< k 'scheu Versuches, im heutigeu Neuss das LegionslAger zu
bestimmen, also seit dein Jahre 1H70, auf jenes Gesetz und auf die Römer-
graber innerhalb des gedachten Lagers verwiesen (vgl. obige Citatc),
also bevor noch von anderer Seite daran gedacht wurde, jene historische
Quelle für die rheinische Topographie zu verwertheil. Aber ich habe
auch darauf aufmerksam gemacht, dass nur in der Zeit, in welcher jene
Graber angelegt wurden, die betreffende BegrübnissstJUte außerhalb der
Mauern gelegen habe, allein vorher und nachher das betreifende Gebiet
bewohnt worden sein könne. Tch begründe dieses durch die frührömi-
schen Graber innerhalb der Colonia Trajana bei Xanten, dann durch
ein augusteisches Röniergrab, das vom Bonner Provinzialmuseum im
Bereiche des Neuswr Legionslagers bei Grimlinghausen gefunden wurde.
Da nun die von Tücking angefühlten Gräber in die Zelt der Antoninc
gehören, worauf ich in den verschiedenen Berichten über Neusser Gräber-
funde wiederholt hingewiesen habe, so konnte Constantin dort recht
wohl ein Castell errichtet haben. Allein das Wichtigste, was diesbezüg-
lich zu beobachten gewesen wHre, hat Tücking nicht berücksichtigt;
dass uHinlich südlich des Büchels, auf dem Münsterplatze und sogar noch
weiter südlich dieses, nämlich rtm Markte, RömergrHber gefunden worden
sind und dass sich unter denselben solche mit Münzen von Constantin I.
und auch charakteristische Gefäisse dieser Zeit fanden (vgl. Bonn. Jahrb.
LXIII, S. 181 ff.). Was man aus diesen Graberfunden für die Topogra-
phie von Novaesium folgern kann, ist von mir in diesen Jahrbüchern
ebenfalls wiederholt gesagt worden (vgl. Jahrb. LXXXIX, S. 218 ff.). —
T ü c k i n g versucht auch die Ausdehnung der canabae des Neusser
Legionslagers zu bestimmen, verfallt aber auch hier wieder in Fehler
und es ist auffallend, dass seine Muthmas&ungen wie von ihm festgestellte
Thatsachen aufgestellt sind. .Nordwestlich des Lagers", so lesen wir,
„zeigten sich Spuren der canabae, deren Nordseitc durch eine Sumpf-
niederung, das sogenannte Meerthal gedeckt worden zu sein scheint."
In Wirklichkeit sind hier nie Spuren der Lagerstadt festgestellt worden;
pie wurden vielmehr durch Untersuchungen des Provinzialmuseums un-
mittelbar südöstlich des Legionslageis gefunden, geschützt durch den
Rhein, die Krft und nordwestlich durch einen vor der porta deeimana
in der Linie des deeimanus maxinius gezogenen tiefen breiten Graben.
Dr. Karl Tücking, Geschichte der Stadt Neuss.
247
Wenn Tücking in einer Anmerkung tadelt, das« in den Fund-
berichten Klcin's Grimlinghausen und nicht Neuss als Fundstelle an-
gegeben wird, so ist doch zu bemerken, das» die Lagerstätte in unmittel-
barer Xühe des Dorfe» Grimlinghausen , aber '/2 Stunde, von Neuss
entfernt Hegt.
Zu welchen Absonderlichkeiten der au und für sich gewiss löbliche
Kirchthurmcifer T ü c k i n g's führt, beweist er selbst am besten. So
wechselt Tückinp in seinen Bezeichnungen der Legions- und der
Gnrnisonstudt stets mit den Ausdrücken Oasteil und Läget und sagt
beispielsweise: .in den GrHbcrn neben dem alten Römerlagcr haben sich
auch christliche Alterthümer gefunden, so namentlich auf einem Ziegel-
felde hinter dem Gütchen oder Josephkloster vor dem Oberthore." Jeder
Forscher wird beim Lesen solcher Zeilen offenbar an christliche Legions-
soldaten des Lagers b«i Grimlinghausen erinnert; allein in Wirklich-
keit hat die davon weit entfernte Fundstelle höchstens ciuen Zusammen-
hang mit der Garnisonstadt Neues.
Als Fundstelle eines weiteren Zeugen des Christenthums nennt
T ü c k i n g die „Nordseite des Friedhofes". Dort soll ein Glasbecher
gefunden worden sein, wie. man ihn in der ersten christlichen Zeit wohl
beim Spenden der Wegzehrung gebraucht und der Leiche mit in das
Grab gelegt habe. T ü c k i n g verweist dabei auf Jahrb. 64, S. 126, wo
jedoch weder der Beweis erbracht, dass wir es hier wirklich mit einem
christlichen Grabe zu thun haben, noch die Fundstelle n.ther bezeichnet
ist. Ob hier eine Verwechslung mit dem von Jäger Jahrb. VI, S. 407 ff.
besprochenen und von mir Jahrb. LXIII, S. I8fi--188 als merowingisch
nachgewiesenen GrÄborfunde an der Nordseite des Friedhofes vorliegt?
Jedenfalls finden sich kostbare. Glaser sowohl in den heidnisch-römischen
als auch tu den christlich-römischen Gräbern und sie kommen auch noch
in den inerowingisch-fränkischcn Todtenwohnungen vor, allein, hier wie
dort ohne nachweisbaren Bezug auf Kultusgebrauche ; denn man gab
den ganzen Hausrath mit in das Grab oder warf ihn in die Flamme des
Scheiterhaufens (vgl. Jahrb. LXXXVI, S. 148 IT.). An und für sich würden
allerdings au der von Tücking bezeichneten Stelle spiltrömische und
frHnkische GrHber vorkommen können.
Es thut mir leid, den einleitenden römischen Theil der T üc k i n g'schen
Geschichte der Stadt Neuss in solcher Weise beurthiilen zu müssen, um so
mehr, als der unvergleichlich umfangreichere, nuf archivalischcn Forschun-
gen beruhende, das Mittelalter und die Neuzeit beschreibende Hauptinhalt
des Werkes, welcher die Stadt Neuss unter den Krzbischöfeu von Köln und
die Stadt Neuss im 19. Jahrhundert behandelt , schon bei flüchtiger
Durchsicht erkennen IHsst, dass hier wohl mit einem wahren Bieneneifer
das lokalgeschichtliche Material zusammen getragen und zweifellos auch
trefflich bearbeitet, für das grosse Publikum freilich etwas zu trocken
vorgeführt worden ist. Constantin Koenen.
JM8
Sonnen bürg:
*>. Beitrage zur Geschichte d c r S t h il t Greil'swald,
begonnen von Dr. C. (icstcrilin?, fortges. von Dr. Th. l'yl.
Dritte Fortsetzung. Die niedcrrhcinische und westphälische Kin-
Wanderung in Rügisch-Ponimurn, sowie die Anlage und Benennung
der Stadt Greifswald. Greifswald lSf»2. Vcrcinschrift der Rügisch-
Pommerschcn Abtheilung der Gesellschaft für Pomniersche Geschichte
und AltcrthumBkunde.
Der auf dein Gebiete der pommerscheu Specialgeschiehtc vcr-
dienle Verfasser behandelt hier ein Thema, das nueh das besondere
Interesse des rheinischen Alterthumsforschcrs erregen dürfte, so das«
eine kurze Anzeige in diesen Jahrbüchern sich wohl rechtfertigt. Ks ist
der Versuch, Heu Ursprung der Stadt Greifswald auf Ansiedler aus be-
stimmten Gegenden des Xiedcrrheins zurückzuführen, gestützt vor allem
auf die Xanieii von Ortschaften, Flüssen, Familien, Strassen.
Nach Abweisung zweier alteren Deutungen des Namens Greifswald
wird für die folgende Beweisführung die Grundlage geschaffen durch
eine Darlegung über die niederdeutschen Ansiedelungen im Gebiete der
pommcrschen und mecklenburgischen Kloster, sowie in den pomtner-
schcn Städten. Allenthalben weisen clie vorkommenden Namen der Mehr-
zahl nach auf niederländischen, nicderrheinischen und niedcrsftc hsischeu
Ursprung und bestätigen so die In einem folgenden Abschnitt besproche-
nen Nachrichten der Geschichtschreiber, besonders die bekannte in
Heimo Ida Slavenehronik , wonach die Germauisirung dieser Land-
schaften durch Ansiedler aus den genannten Gegenden erfolgt ist. Unter
diesen Umstanden ist es kein Zufall, wenn die älteste Strasse Greifswalds,
der jetzt sog. Schuhhagen, durch seinen ursprünglichen Namen Rore-
mundshagen auf Roermond hinweist, um so mehr als auch Namen der
im 13. und 14. Jahrhundert dort ansässigen RUrger von niederrheini-
schen Ortschaften hergeleitet sind, so Mulard (Mulrad bei Düsseldorf),
Horn (hei Roermond), Ypendorf (bei Bonn), v. Hamme, Bonne. Der hier-
nach nothweudige Schluss auf die Herkunft der Ansiedler wird noch be-
stätigt durch den vom Verfasser ausführlich gegebenen Nachweis der
Uebertragung uiederrheinischer Ortsnamen auf die Gewisser und Ort-
schaften in der Umgebung von Greifswald. Wenn hier eine Ucberein-
stiminung in Kinzelheiten nicht viel besagen will und manchmal auf
freier Schöpfung der ja auch niederdeutsch redenden neuen Bewohner
der Gegenden beruhen könnte, so ist es eben wieder die grössere Zahl
solcher Anklänge, die sie als willkommenes Glied in die Kette der Be-
weisführung einfügt. Somit gewinnt diu Vermuthung des Verfassern
dass auch der Name Greifswald selbst vom Niederrhein stamme, grosse
Wahrscheinlichkeit. Ks ist der den rheinischen Antiquaren als Fundort
von Matronensteineu wohlbekannte Hof Gripswald westlich von Kaisers-
werth, welcher sich hier bietet uud auf den der Verfasser hinweist, Kr
C. Gesterding, BeitrMge zur Geschichte der Stadt Greifswald etc. 249
plebt im Anschlug hieran «ine Uebersicht der Geschichte dieses als
kurkölnisches Lehen im Besitze der Familien von Buderieh, von Holtorp
und zuletzt von Goltstcin gew esenen Gehöftes auf Grund von Urkunden
den Düsseldorfer Archivs und einer Urkunde des Archivs der Stadt
Greifswald und bietet damit einen schtttzenswerthen Beitrag zur rheinischen
Specialgeschichtc. Ebenfalls in diesem Sinne werthvoll ist der letzte
Theil des Buches, worin alle diejenigen Familien der poinmerschon Ritter-
tichaft und der Städte Stralsund und Greilswald mit kurzen Nachweisen
aufgeführt und besprochen werden, bei denen eine Herkunft aus dem
Westen Deutschlands mehr oder weniger sicher oder wahrscheinlich ist.
Des Beispiels halber mögen hier vou den etwa 200 Namen genannt werden
die Familien Datenberg (bei Linz a. Rh.), v. Apeldorn (bei Calcar) aus
der Ritterschaft, v. Alen (b. Münster in W.), von Bremen, v. Coesfeld,
v. Deventer, v. Dülmen, v. Lingen, v. d. Lippe, v. Meppen, v. Minden,
v. Neuss, v. Osnabrück, v. Ravensberg, v. Rekclinghusen, v. Soest,
v. Stralen, v. Unna, v. Wattenscheid, v. Wesel, v. Zutphen, v. Zwolle in
Stralsund, v. Aken (Aachen), v. Bocholt, v. Kevelaer, v. Dortmund, v. Dune,
v. Essen, v. Iserlohn, v. Ludenscheid. v. Mehlen, v. Münster, v. Rhein,
v. Teklenburg, v. Warendorp, v. Werden, v. Westerholt in Greifswald. —
Mit grossein Eifer ist der Verfasser hier auch entlegeneren Beziehungen
zu minder bekannten Ocrtlichkeiten nachgegangen, so dass seine Arbeit
auch dem rheinischen Geschichtsforscher mannigfache Anregung und
Belehrung bietet.
Bonn. Sonnenburg.
t>. Fritz Sarre, Der Fürstenhof zu Wismar und die nord-
deutsche Terrakotta-Architektur im Zeitalter der Re-
naissance. Mit 17 Tafeln. Berlin, Verlag von Trowitzsch und
Sohn, 1890.
Die Geschichte des norddeutschen Backsteinbnues, die seit den
ersten grundlegenden Arbeiten von Adler und Essen wein vor allem
durch Haupt und Lutsch weiter gefördert worden ist, erführt in der
vorliegenden Arbeit eine werthvolle Bereicherung durch eine eingehende,
auf umfassender Kenntnis» der historischen Litterittur wie des künstle-
rischen Materialea beruhende Darstellung des vornehmsten unter den
Renaissancebauten Mecklenburgs, des Fürstcnhofcs zu Wismar. Der durch
die Grossartigkeit der Verhältnisse wie den fein abgewogenen plastischen
und ornamentalen Schmuck gleich ausgezeichnete Bau war in der kunst-
historischen Litteratur nicht unbekannt. Lübke hat ihm in seiner Ge-
schichte der Deutschen Renaissance einige Seiten gewidmet, und Sch ef fe r s
hat ihn in der Renaissance in Mecklenburg auf einigen Tafeln publicirt.
Sarre setzt hier mit neuen Resultaten ein. Die bisher als Urheber ge-
nannten Gabriel van Aken und Valentin von Lira werden als einfache
2*0
Paul Climen:
Maurermeister nachgewiesen — nur die dritte an dem Bau betei-
ligte Persönlichkeit, Statius von Düren au» Lüheck, tritt als Künstler
dem Handwerksmeister gegenüber in den Vordergrund. Die Bauthtttig-
keit und die Baulust des Herzogs Johann Albrecht I. von Mecklenburg,
der als ein echter KeuaissaiiccfUrst sich steinerne Monumente in gross-
artigen Palastanlagen setzt, des Schöpfers der Schlösser zu Schwerin,
Dömitz und Güstrow wird durch einen interessanten Briefwechsel zwischen
dem Herzog und den Baumeistern, den Sarre im Anhang au« dem
Schweriner Archiv publieirt, in eine schärfere Beleuchtung gerückt. Der
Hauptwerth der Sarre'sche.n Abhandlung besteht in der ausserordentlich
sorgfaltigen Untersuchung des decorativen Schmuckes des Fürstenhofes,
jener Friese und Medaillons aus Terrakotta, die nach den Modellen von
Meister Statius von Düren geformt wurden. Ganz sicher ist hier der
italienische Einfluss abzuweisen. Die Publikationen von L. Gruner,
The Terra-Cotta Architecture of North Italy, London 1867; L. Ruuge,
Beiträge zur Kenntnis« der Backsteinarchitektur Italiens, Berlin 1847,
H. Strack, Ziegclbauwerke des Mittelalters und der Renaissance in
Italien, Berlin 1889 ermöglichen hier eine eingehende Vcrgleichung. Nur
das Dekorationssystem in Horizontalfriesen und Vertikallisenen darf als
italiänisch bezeichnet werden, aber auch das kam auf dem Umweg über
die Niederlande nach Deutschland. Die niederländische Beeinflussung,
die in den Einzelformen unzweifelhaft vorliegt, hatte vielleicht noch et-
was deutlicher durch Vergleich mit den friesischen und gelderländischen
Bauten zum Ausdruck gebracht werden können. In den Provinzen Lim-
burg und Gelderland finden sich schon im 15. Jahrhundert, zuerst für
die Schoorstecne, jene aus feinstem Thon gebrannten Zicrplatten mit
Köpfen und ganzen seenischen Darstellungen. Die Sammlungen im Rath-
haus zu Nymwegen, im Alterthumsmuseum zu Arnheim, im Rijksmuseum
zu Amsterdam, die Sammlungen Baron von Geyr-Schweppenburg zu
Haus Caen bei Straelen, Buyx zu Nieukerk enthalten eine ganze Reihe
von frühen Exemplaren. Der Abschnitt über die Verbreitung der Form-
steine bringt sehr bcachtcuswerthe Beitrage zur Geschichte der mecklen-
burgischen Profanarchitektur, vor allem werden wir mit den reizvollen
Schlossbautcn zu Ulrichshausen und Freyenstein zum ersten Male genau
und mit feinem Verständnis» für die Abwägung der Zierformen bekannt
gemacht. Als Anhang ist ein Verzeichnis« der Künstler und Werkmeister
in Mecklenburg in der zweiten Hälfte des IG. Jahrhunderte angefügt,
zum grossen Theil ans unpublicirten archivalischen Quellen geschöpft.
Unter den 69 Künstlern, über die Sarre alle vorhandenen Notizen bei-
gebracht, befinden sich eine Reihe von Ausländern, deren Anwesenheit
nicht nur auf die Freizügigkeit der Architekten der Renaissance, sondern
auch auf die hohe und dem Ausland mit offenem Blick gegenüber-
stehende Bildung des herzoglichen Mäcens schliessen lässt. Neben Fran-
Fritz Sarre, Der Fürstenhof zu Wismar etc.
251
cesco a Boruau, Chiamarclla, Meister Paul und amlcirn welschen Künst-
lern finden sich eine Reihe niederländischer Werkmeister, weiter wird die
enge Verbindung zwischen der brandenburgischen und mecklenburgischen
Architektur illustrirt, interessant sind auch die Ausführungen über Kr-
hard Altdorl'er, den Bruder des bekannten Regensburger Malers. Die
zum Theil nach eigenen Aufnahmen angefertigten vortrefflichen grossen
Lichtdrucktafeln bieten neben Ansichten und instruktiven Details vom
Fürstenhofe auch Abbildungen von sieben weiteren derselben Gruppe
Angehörigen Denkmälern.
Paul Clemcn.
III. Misi-i'llrn
1. Die Viergöttersteitie. Einer mühevollen aber dankens
werthen Aufgabe hat sich Prof. Hang iii Mannheim unterzogen, indem
er in der Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst X IHM
|». !) ff. 125 ff. 205 ff. die unter dein Namen „Viergöüersteine" den rhcin-
landischcn Altcithninsforschcrn gcuugsam bekannten Denkmäler zu-
sannnengestellt und besprochen hat. Kine Vorarbeit dazu war die Samm-
lung und Besprechung der „Wochengöttersteine" in derselben Zeitschrift
IX p. 1 ff. (mit Taf. 1). Wir müssen dem Verfasser darin beipiliehten,
dass, während die. Epigraphik den provinzialen Inschriften hingst ihre
Aufmerksamkeit mit gleicher »Sorgfalt zugewendet hat wie den italischen,
die Archäologie fast achtlos an den Produkten der provinzialen römischen
Kunstübung vorübergegangen ist. Vor Hang hat nur Einer den Ver-
such gemacht, die vorhandenen Viergütterstciue überhaupt zusammen-
zustellen: Karl Klein in der Zeitschrift des Mainzer Vereins I 1851
p. 1*1) ff. Wahrend dieser nur .11 Stücke, aufzahlen konnte, verzeichnet
Haug nicht weniger als 21N.
Da in diesen Jahrbüchern nur selten von dieser Denkmalerklasse
gesprochen worden ist, was damit zusammenhangt, dass dieselbe am
Niederrhein nur spärlich vertreten ist, so halten wir es für angebracht,
die Leser auf die HaugVhe Arbeit aufmerksam und mit den Resultaten
derselben bekannt zu machen.
Nach einigen Vorbemerkungen Über die Form der Steine, die Art
der Anbringung der Reliefs u. s. w. erhalten wir im ersten grünsten Ab-
schnitt d i e A u IzHh I u n g u n d He.se h rei bim g de r Vi e rgüt t erst e ine.
Beigefügt sind I Tafeln mit den Abbildungen einiger der beinerkens-
werthesten Stücke. Die Anordnung ist geographisch und es fallen da-
nach auf das Königreich Württemberg (mit Bayrisch-Sehwahen) IS. aul
das Grossherzogthum Baden £J (tt. 11) — II), auf die hessische Provinz
Starkenburg, Unterf ranken, Aschaffenburg, Nassau 22 (n. !2-M>, auf
Unterelsass K! (n. ÖI-71», auf die Rheiupfalz M (n. W-1K»), auf Rhein-
hesscn 1!) (n. 110-134), auf Rheinpreussen mit Birkenfeld und Deutsch-
Miscellcn,
253
lothringcn 31 (135-1I58, davon 135-141 aus Kreuznach; vom unteren
Khoiti stammen nur wenige : n. 163 Andernach, n. WA Ahrgebiet, n. 165
Bonn, n. 16G Köln, n. UJ7 bei Neuss), auf Luxemburg mit Belgien 25
Ol. 1G9-193), auf Frankreich 21 (n. 191-217; die bedeutendsten die viel
besprochenen Pariser AltHre n. 197— 199 und das merkwürdige mcgali-
thtsche Denkmal von Kernuz n. 203). Diu Abschluss bildet ein in Rom
gefundener Vicrgntteraltar u. 21H. Abgesehen von vereinzelten Kxem-
plaren also kommen diese Denkmäler zunächst im .sog. Dcc umatcnland
in grösserer Anzahl vor; die nörd liebsten gehören '/tun Gebiet der Mnt-
tiaker und gegen Süden reichen sie nur bis Kotten bürg. Die unterelstts-
sischen Steine gehören dein Gebiet der Triboker an, die rheiupfMI/.ischcn
dem der Nemeter; den Vanginnen werden n. 106—141 zuzuthcilen sein.
.Wo die Grenze zwischen den Vangionen und Nemetern einer- und den
Tieverein andererseits durchlief, ist unseres Wissens noch nicht festge-
stellt; wahrscheinlich gehörte al»er die Gegend von Birkenfeld und «Ut-
weiler schon zu dem wcitausgcdchntcu Gebiet der Treverer. das sich im
Westen noch Uber Luxemburg erstreckte.* Sporadisch treten die Denk-
miller auf in den Gebieten der Mediomatriker <14fc ff.) und Thier (lfi3 ff.);
ebenso in Frankreich. Also bei den Tribokem, Nemetern, Vangionen
und Treverern Huden wir dieses Gebiet religiöser Kunstübung hauptsäch-
lich vertreten.
Im 2. Kapitel giebt der Verfasser die archäologisch - mytho-
logische Besprechung der einzelnen Götterfiguren, d. h. er will
nicht die einzelnen Typen der AltHre in umfassender Weise kunstge-
schichtlich erörtern, sondern nur dns Thatsflchliche zusammenstellen.
Juppiter findet sich nur etwa 20 mal dargestellt, am hllullgsten
im Gebiet der Treverer, einmal sitzend (n. tf7), sonst immer stehend. Die
gew öhnlichen Attribute sind Scepter und Blitzstrahl ; einige Male hat er
einen Kranz auf dein Haupte. Auch der ihm heilige Vogel, der Adler,
fehlt auf einer Anzahl von Denkmälern nicht. Dreimal (n. Iii. 95. 145)
ist ohne Zweifel der keltische. Juppiter mit dem Rad dargestellt, für den
man den keltischen Namen noch nicht gefunden hat (vgl. Hettner,
Westdeutsche Zeitschritt III 27 ff.). Dass Juppiter vcrhaltnissmässig
selten abgebildet ist, hat darin seinen Grund, dass die ViergottcraltMre
meistens oder immer Postamente lür sitzende, reitende oder vielleicht
auch stehende Juppiterstatuen gewesen sind (siehe weiter unten).
Juno ist neben Hercules, Mercur, Minerva die am häufigsten, sehr
mannigfach dargestellte Gottheit. Mehrfach erscheint sie als opfernde Frau
mit Opforkästchen und Schale; gewöhnlich ist ihr der Pfau beigegeben,
der sie in n. 209 sogar allein vertritt, wie der Adler den Juppiter. Be-
uierkensworth ist n. 21 (Taf. 1), wo die durch den Pfau als Juno gekenn-
zeichnete Göttin einen Drachen füttert. Haug verweist hierbei auf
die Juno Lanuvina (Preller, Köm. Mythol. P p. 27« f.). Unsicher ist
Miscellen.
diu Juno mit dem Blitzstrahl <u. 94. 95. 100. 102). Den Gegenstand, den
die Göttin trägt, halt Hcttner für eine Schlang« und nennt die Göttin
Ceres. Ebenso erblickt Hettner in den Darstellungen, die uns die Göttin
mit der Fackel zeigen, nicht Juno, sondern Ceres.
Minerva ist ausser durch Helm, Schild und Lanze meistern» durch
die Eule charakterisirt, die noch häufiger vorkommt als der Pfau der Juno.
Hercules hat den hekannten Typus: die Rechte hält die auf
dem Boden ruhende Keule, die Linke dio Hcsperidenäpfel ; von der
linken Schulter fallt die Löwenhaut herab. Eine 2. Gattung von Her-
culcsbildern bilden verschiedene Kampfscenen (Hercules mit der Hydra,
Hindin, der Amazone, dem Löwen).
Mercurius ist stets jugendlich bartlos dargestellt, meist mit der
Chlamys bekleidet. Sehr häufig sind die Flügel am Kopf (ohne weitere
Kopfbedeckung), selten Flügel an den Sandalen. Die üblichen Attribute
sind Schlangenstab und Beutel, ausserdem eine Reihe Thierc: Hahn,
Bock, Widder, Schildkröte, Hund (?).
Apollo fludot sich etwa 35 mal; er ist jugendlich bartlos, sein
Haar fallt in Locken herab; scwcimal schmückt ihn ein Lorbeerkranz.
Die Lyra trügt er in mannigfachen Stellungen. Als Thiere sind ihm bei-
gegeben Greif (n. 21. 85), Rabe (n. «6. 199), einmal der Wolf (n. 11).
Mars erscheint etwa 20 mal, immer jugendlich und unbHrtig, oft ohne
Helm, selten mit Schwert, meist nur mit Panzer, Lanze und Schild. Ebenso
häufig etwa kommt der durch Hammer, Zange und Ambos als Schmiede-
gott charakterisirte Vulkan vor. Victoria (etwa 20 mal) erscheint in
3 verschiedenen Typen, die auch auf römischen Münzen vertreten sind ;
Fortuna nur 10 mal (mit Steuerruder und Füllhorn, einige Male mit
Kugel und Rad); selten die Göttin der Fülle (Felicitas, Abundantia, Copia).
Für die Darstellungen derVeuus lasst sich ein ausgeprägter Typus nicht
erkennen; allen Darstellungen gemeinsam ist der Mangel verhüllender
Kleidung. Diana (etwa 14 mal) wird immer als Jägerin charakterisirt,
öfter begleitet sie ein Hund. Neben ihr erscheint Sil van auf 2 Steinen
aus dem Schwarzwald (n. 11 und 12), ähnlich im Wasgau (n. 215) und in
Rom (n. 218). Ganz vereinzelt treten auf Sol, Luna, ein Genius, Castor
und Pollux, Neptun, Cybele, Maia, Ganymedes; zweifelhaft ein Bacchus;
ganz singuiar, aber sicher n. 29 Leda mit dem Schwan.
Aus dem dritten Abschnitt „über die Gruppirnng der Götter-
figuren" (p. 319 IT.) sei folgendes angeführt. Gewöhnlich finden sich
2 männliche und 2 weibliche Gottheiten dargestellt, öfter auch 3 männ-
liche und 1 weibliche, selten 3 weibliche und 1 männliche. Weitaus am
häufigsten wurden zusammengestellt Juno, Mercnr, Hercules,
Minerva und zwar meist in der Reihenfolge, dass (von links nach
rechts gezählt) die 2 weiblichen und die 2 männlichen Figuren je neben-
einander stehen. Selten treten an die Stelle der Juno andere Gottheiten
Mise eilen.
256
(Apollo, Venus, Fortuna, Juppiter, Cybele), noch seltener wird Hercules
durch ein« andere Götterßgur ersetzt (Vulcaii, Mars, Apollo), etwa» häu-
tiger Minerva (Victorin, Vnlcan, Venus, Apollo, Mar», Fortuna). Am meisten
ist die Figur de» Mercur Schwankungen unterworfen, an »eine Stelle treten
Apollo, Mars, Vulcan, Juppiter. Eine von der normalen vollständig' ab-
weichende Auswahl von Göttcrflguren bieten die Steine 11 I'. 29 f. 39. 48.
85. 108. 197. Eine bestimmte Gesetzmässigkeit in der Gruppirung lässt »ich
sonst kaum nachweisen. Keine Gottheit schliesst an sich die andere au«,
und man wird anzunehmen haben, dass persönliche Neigungen und Ver-
hältnisse, iu manchen Fällen vielleicht auch ortsübliche Sitte die Auswahl
der Gottheiten bestimmt hat.
Im 4. Abschnitt spricht Haug über die Viergötteraltäre als
Theile grösserer Denkmäler. Er vertritt die schon vou Früheren
ausgesprochene Ansicht, die aber unbeachtet geblieben ist, das» die
Viergötteraltäre nicht als selbständige Monumente , aoudern zum aller-
grössten Theile als Postamente zu gelten hätten. Wie die Denkmäler
von Merten und Heddernheim gelehrt haben, bildeten sie sicher zu
einem Theile die Sockel der sog. Giganten- oder J u p p itersä u I c n.
Andere werden als Basen für sitzende oder auch stehende Juppitcrfigurcu
gedient haben. Das ist zwar nur eiuo Vermuthung, aber eine wahr-
scheinliche. Die einzig sicher reeonstruirten Denkmäler siud bis jetzt
diejenigen, welche eine Säule xmd darauf die Gigantengruppc tragen.
Hang'» Deutung dieser sog. JuppitersHulen ist folgende (p. 334): „Unsere
Ansicht geht dahin, dass wir in dem Reiter zunächst Juppiter zu erkennen
haben, eben den Juppiter, dem diese Denkmäler wahrscheinlich alle ge-
weiht waren, dass aber dieser gigantenbezwingende Juppiter eine alle-
gorische Darstellung der Uber die Barbaren siegenden römischen Kaiser-
macht ist, und dass, um diese Allegorie deutlicher* zu machen, aber mit
Verkennung der Gesetze des Stils, Juppiter abgesehen von dem Kopfe
realistisch in der Tracht und Haltung eine« römischen Kaisers dargestellt
ist. In dem Gigauten aber erblicken wir eine Allegorie der von der
römischen Weltherrschaft besiegten Barbaren oder genauer, da im 3.
Jahrhundert n. Chr. Gallien längst unterworfen und romanisirt war, der
besiegten Germanen." Der Verfasser nimmt also einen vermittelnden
Standpunkt ein, er verknüpft allegorische und historische Deutung. Es
ist in dieser Frage sicherlich noch nicht das letzte Wort gesprochen
worden; hoffen wir, dass neue Funde weitere Aufklärung bringen
werden.
Was endlich die Zeit anlangt , aus welcher diese Denkmäler
stammen, so ergeben nur die Inschriften einige Anhaltspunkte; die da-
tirten fallen zwischen die Jahre 170—24« n. Chr. In Bezug auf Zweck
und Veranlassung der Monumente ergibt sich aus den Inschriften snzu-
Miscellen.
sagen nichts. Di»- Widmung lautet meint Ifovi) o(ptimoj m(ax-imo). Sonst
stehen auf den Inschriften dieselben Formeln und Wendungen, wie sie
auf allen Voth steinen vorzukommen pflegen. M. I.
2. Matres ollotoiae. In Biuchester, dem alten Vinovin,
wurde kürzlich ein Altar gefunden mit der folgenden Inschrift: lori
optima maxi wo et Matribus Ollototts sire trawmarini* l'omponiun
Donatus beneficiarius conitularist pro suhlte sua et xuorum Votum so/vit
libenti aitimo, mitgctheilt nach 'The Illustratcd London News' vol. i»8
(1891) p. 775 und besprochen von Th. v. Gricnberger im Korrespondenz-
blatt der Westdeutschen Zeitschrift X 1891, p. 204 ff. Den Beinanien
Ollotoiae <~ Ollotouiae) bat Gricnberger durch Annahm« eines kelti-
schen Volksstammes, der Ollotouti (OlMoti), wie ich glaube, befriedigend
erklärt. Ollotouti (oll + tut) würde danach 'Gcsammtleute', 'AllniHnner'
bedeuten, gerade wie Mediotouii (vgl. die Moires Mediotautehae, Jahrb.
d. Vereins LXXX1IT, p. 10, 14« n. 280) '.Mirtelvolk'. Durch die obige In-
schrift fallt einiges Licht auf eine ebenfalls aus Binchester stammende,
jetzt verschollene Inschrift, welche Hübner im CIL VII n. 424 in folgen-
der Fassung abgedruckt hat:
D E AB
M "R 8 & L Z
"fr C L Q VN
Tf N S ff CoS
V S L M
Die Ueberlieferung, die im Wesentlichen auf Camden zurückgeht
(Gruter 90,8 von Camden, 1017,1 vouCotton und Camden, hier mit
den Ligaturen), bietet« aber ziemlich Uboreiiistiuuueud in tler zweite»
Zeile
MATRIB Q LS (beziehungsweise AA"R8Q L5).
Nur an einer Stelle soll statt des Q ein Epheublatt als Interpunktionszeichen
stehen, unddaftir hat sich II üb ncr entschieden. AuchThomas Gate hat im
'Antonini Her Britanniantm' p. 11 Q-L5- loh glaube nunmehr, dass derselbe
Beiname der Matres herzustellen ist, den uns die oben mitgctheilte Inschrift
besser bewahrt hat, also 0LL5 oder vielmehr unter Annahme einer Li-
gatur von 0 und L, die zwar etwas ungewöhnlich ist, aber doch zu dem
Ligatureureichthmn in den übrigen Worten der Inschrift passt: CL.LÜ-
Wie leicht die Verwechselung mit y war, springt in die Augen. Also:
Deab{u*) Matrib(ws) Ollol(otis) Tib(erius) Cl{auüiu*) Quintiaaus b(ene)-
f(iciarius) co(n)n(uUtriii) v(olumj *(olcit) l(ibens) m(erito).
Ein drittes Beispiel desselben Namens scheint endlich in CIL VII
ii. 42f» zu stecken. Der Fundort ist gleichfalls Binchester. Ich habe der
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Miscelieu.
2fi?
Zweifelhaften Ucberlieferung wegen die Inschrift seiner Zeit zu der
grossen Gruppe der 'incertae' gerechnet, Matronenkultus p. 173 n. 467.
Sibbald, der älteste Gewährsmann, überliefert sie folgcnderuiassen:
JRIBOI...T
CA RT' * OVAL
MARTI VETTO
GENIO LOCI
LIT • IXT-
Cotton bietet rar die erste Zeile AIRIBOLIST; Camdens Lesart
TRlB-COHOR-l scheint atxf Interpolation zu beruhen. Ich meine, die
Vermuthung, dass auch hier Matres Ollototae, die vielleicht noch einen
zweiten Beinamen hatten, im Verein mit anderen Göttern angerufen
werden, ist nicht allzu gewagt. Dem Boden von Binchester würden wir
also bis jetzt fünf Matresinschriften zu verdanken haben, nttmlich ausser
den drei ebenbesprochenen, CIL VII 426 Mat{rüni#) sac(rum) Gemellus
v. 9. I. Mi., und, wofür trotz der unsicheren Lesung die Wahrscheinlich-
keit spricht, die in der Ephemeris epigraphica VII p. 312 n. 980 mit-
getheilte, mit der Widmung an die Matres tramarinae.
Nachtrag. Die obige Notiz war langst geschrieben, als mir Herr
It. Mowat in Paris Nr. 16 des Jahrganges 1891 (vol. V) der 'Proceedings
of the society of antiqnarics of Newcastlc-upon-Tyne' zukommen Uess,
worin er (S. 127 ff.) seine Beobachtungen über 'three altars consecrated
to the OUotot goddesses at Binchester* veröffentlicht, die sich im Wesent-
lichen mit den meinigeu decken. Ich gebe die Inschrift nach der auf
S. 128 befindlichen Abbildung hier wieder. Veröffentlicht ist sie ausser-
dem von H o o p p e 1 1 im Journal of the British Archaeological Associa-
tion 1891 Sept. p. 268 (vgl. Wochenschrift für klass. Philol. 1892 Nr. 4
p. 108) und von Haverfield in der Archaeologia Aeliana vol. XV 1891
p. 225 ff.
I 0 M
ETMATRIB
V S 0 L L OTO
TISSIVETRA
NSMARI N I S
POMPONI VS
DONATVS
BF COSPRO
S ALVTE SVA
ET SVORVM
V S L Nif
J»hrb. d. Vor. v. Alterllwfr. Im Bhelnl. XCil. 17
Miscellen.
Dir letzt« Buchstabe war, wie Mowat (S. 131) bemerkt, nicht A,
sondern M. Die Inschriften CIL VII 4'24 und 42» ergänzt Mn« «t, wie
ich gethan habe •— dasselbe haben übrigens auch II ooppcll und Haver-
fi'eld vorgeschlagen — : Matrib(ux) Ollof{otix). Die von Grienberger ge-
gebene Etymologie des Beinamens der Matres halt Mowat llir richtig und
verweist dafür, das« Ollololae soviel bedeute wie Matrex totius gentix oder
Matrex ad universam nationem pertinentex, auf die bekannte Inschrift
von Caiubeckfort CIL VII 887 (Abbildung bei Mowat S. 129) Matribus
omnium gentium u. s. w, Dass (Hlototae Uebersetzuug von omni um gentium
ist, glaube ich allerdings nicht, sondern ich nehme mit Grieu berger
an, dass Ollototi Name eines keltischen Stammes gewesen ist (vgl. die
Ambitoti oder Ambituti) und dass danach die transmarinen Mütter Ollo-
totae oder Ollutotiae benannt worden sind. Die Matrex omnium gentium
sind ihrerseits zu vergleichen mit den Matrex Italae Germanae Gallae
Britannae CIL VII 5 (Winchester) und den Matrex Afrae Italae Gallae
CIL VII 23« (York). Beiläufig bemerke, ich zu letzterer Inschrift, dass
ich Hühner'» Aullösung AFW* für richtig halte, dass es dem ganzen
Tenor der Inschrift widerstrebt, mit M o w a t an Matrex KJFliae Italae
Gallae zu denken. Demi diu Aftiae sind in und bei Köhl zu Hause (vgl.
meinen Matronenkultus S. 25) und werden Matronae genannt, nicht Matrex.
Dass in Afrika bis jetzt keine Matronensteine gefunden worden sind, ist
ja richtig, aber das spricht noch nicht gegen die Matrex Afrae (vgl.
Matronenkultus S. 71). Und wer will behaupten, das« in Afrika nicht
noch Matronensteine zu Tage kommen können? Soldaten können doch
überallhin verschlagen werden, nicht nur nach Britannien und Spanien,
sondern auch nach Afrika. Zudem sind uns zwei Inschriften der Com-
pextrex aus Afrika bekannt.
Dass in der Inschrift CIL VII 424 (s. o.) die Herausgeber statt
OLLOT haben lesen können Q LOT, sucht Mowat durch Annahme
einer Ligatur LL, die die Gestalt eines umgedrehten T (J,) gehabt haben
würde, zu erklären. Undenkbar wäre das nicht; das 0 müsste dann sehr
nahe an dieser Ligatur gestanden haben. Einstweilen möchte ich aber
noch an dem von mir oben gegebenen Erklärungsversuch festhalten.
Schliesslich noch ein Wort gegen die Sprachvergleicher, die In-
schriftentexte zu einendiren versuchen, als wäre es handschriftliche Ueber-
lieferung. So lese ich u. a. in der Revue Celtique XII 1891, p. 410, dass
Whitlcy Stokes vorgeschlagen hat, ällototix zu lesen, statt oUototix,
bewogen durch kymr. alltüd (- was einem anderen Lande gehört, vgl.
Glück, keltische Namen bei Caesar p, 27). So lange ein solcher Emen-
dationsversuch nicht unbedingt nothwendig ist — und diese Notwendig-
keit liegt in unserm Falle nicht vor, auch wenn Haverfield im
Korrespondenzblatt der Westd. Zeitschrift X 1891, S. 255 für ollototae
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Mizellen.
„eine sich mit Iranxmarinae einigermassen deckend« Bedeutung- ver-
langt — , hat der Philologe bei der überlieferten Lesart stehen zu bleiben.
M. I h in.
3. Zu den Römischen S |> i e 1 t a f e 1 n. Für die Gattung Rö-
mischer Spieltafeln, welche ich in den .Bonner Studien' (p. 223— 239) und
danach in den , Mittheilungen des Römischen Instituts' 1891 p. 208—220
zusammengestellt habe, ist Rom der hauptsächlichste Fundort, nur wenige
stammen aus den Provinzen (Afrika, Gallien). In Trier sind bis jetzt
drei gefunden worden, von deneu die bekannteste lautet :
VIRTVS ~ IMPE R I
HÖSTES 0 VI NC Tl
LVD A N T " ROMA Nl
(vgl. Jahrb. des Vereins v. Alterthuinsfrcunden LXXXX p. 186). Mit
dieser zeigt eine gewisse Verwandtschaft die Aufschrift einer kürzlich
in Rom bei den Katakomben der heiligen Priscilla vor Porta Snlara
gefundenen Tafel, welche de R o s s i in den Conferenze di archeologin
cristiana (26. April 1891) und danach in der Sitzung der Ecole frani;ui.se
de Romc vom 1. Mai 1891 mitgcthcilt und besprochen hat Geffroy,
der Direktor des genannten Instituts, berichtet darüber an die Pariser
Akademie in den Coinptes rendns de TAcademie des inscriptions, 4. ser.
t. XIX 1891 p. 195. Vgl. Revue archeol. 3. serie XVI p. 39.'». Die Publi-
kation von deRossi ist erschienen im Bullctrino di arelieologia cristiana,
serie uuinta, anno secondo 1891 p. 33 ff. (vgl. p. 27). Auf der einen Seite
steht eine christliche Grabschrift, auf der andern
HÖSTES ~ VICTOS
I T A L I A O GAVDES
ludi T E ~ ROMAN I
So hat de Rossi unter Heranziehung der Trierer Inschrift richtig
ergänzt. Die Buchstabenformen sollen auf das Ende des 3. nachchristlichen
Jahrhunderts hinweisen, die. Aufschrift selbst soll eine deutliche Anspie-
lung auf ein historisches und militärisches Factum enthalten (etwa den
Sieg Aurelians im Jahre 271 ) — eine Ansicht, zu der man sich nur schwer
verstehen wird. Hinter Spieltafelinschriften soll man nicht zu viel suchen.
Man vergleiche ausser der oben angeführten Trierer Inschrift, die eben so
wenig eine historische Anspielung birgt, die Römische Tafel mit LAT1NA
— GAVDES (Mittheil, des Röm. Instituts 1891 p. 21G n. 71). Gerade das
Wort GAVDES oder GAVDEO kommt noch öfter vor (Bonner Studien
p. 235 n. 34. Mittheil, des Röm. Itistituts 1891 p. 215 n. «8 und 70).
Ein weiteres Spieltafelfragment ist in Orbetello ausgegraben und
MiBCCllcJl.
von Sordini in den Notizie degli seavi 1891 p. 219 veröffentlicht
worden. Eh enthalt nur die vier Buchstaben LVDE.
Schliesslich möchte ich eine merkwürdige Nachricht, die von Eng-
land aus ihren Weg in verschiedene deutsche Tageszeitungen gefunden
hat, hier beiläufig erwähnen. Die. Londoner Zeitschrift Athenneuin vom
13. Februar 1892 Nr. 3355 p. 222 (daraus die Berliner Wochenschrift für
klassische Philologie 1892 Sp. 301) brachte die Notiz, dass dem British
Museum von Lord Savilc eine im alten Lanuvium gefundene Steinplatte
geschenkt worden sei mit der Inschrift: „Der Circus ist ausverkauft!
Ungeheurer Applaus! Die Thüren sind geschlossen!" (Circus füll! Im-
mense npplause! Doors shut!) Die I'latte wird als eine interessante
Keliquie aus der Zeit der Gladiatorenkiimpfe und öffentlichen Spiele be-
zeichnet und soll nichts anderes sein als ein Circusplakal. Der lateini-
sche Text der Inschrift wird zwar nicht angegeben, aber es ist kein Zweifel,
dass wir e.s mit der im Bullettiuo della coinniis.sione nrch. 1887 p. 190
(Notizie degli seavi 1887 |>. 118) veröffentlichten Spieltafel (CIUCVS
PLENVS, CLAMOR INGENS, 1ANVAK TK ) zu thun haben (vgl.
Bonner Studien S. 237 n. 43). Hoffentlich stillet die Athen.'iumnoti/. mit
der Circusaffiche kein weiteres Unheil.
Halle. M. Ihm.
4. Römische Inschriften a u s K ö I n. Die folgenden drei
Inschriftsteiue wurden in Köln gefunden und in da« Museum Wallraf-
Richartz abgeliefert, wo ich sie im Januar dieses Jahres copirte.
I. Grosse Platte aus Kalkstein, 2'/j m breit, etwa 34m hoch, 14 cm
dick, gefunden im Oktober 1891 in der Riehard- Wagnerstrasse auf dem
Grundstück des Architekten Vöhl, von diesem dem Museum geschenkt.
D' BONE • MEMORIAE- M
PERPETVE SECVRITA T I /
ANTON I E G ALENET I- ALBA
/S LEON TIVS-ETEVBSYCHI
Fl L I • PIENTISSIMI /
Die Buchstaben sind von guter Gestalt und sorgfältig eingcmcisBelt;
ihre Höhe beträgt etwa 7 cm, die der Buchstaben D M in der ersten
Zeile etwa 97g cm. Das P ist offen, die Punkte sind dreieckig; bemerkens-
werth die beiden grösseren Interpunktionszeichen am Ende der zweiten
und der letzten Zeile. Recht« und links von der Inschrift je eine weib-
liche Figur (Victorien oder Eroten), die spater ausgemeisselt worden sind.
Die Platte ist nämlich als Deckel eines Grabes benutzt worden. Die In-
schrift hat inzwischen veröffentlicht und ausführlich besprochen K e u n e
im Korrespondenzblatt der Westdeutschen Zeitschrift X 1891, p. 262 ff; vorher
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Miscellen.
261
war Uber den Fund in der Kölnischen Zeitung vom 1. Nov. 1891 berichtot
worden. Der Berichterstatter der Kölnischen Zeitung bemerkte, die In
schritt gehöre der „besseren Kaiserzeif an, und nach den Buchstaben-
formen zu urtheilen, hat er sicherlich ein Rocht dazu; Kenne setzt nie
in das vierte nachchristliche Jahrhundert ohne zwingende Gründe. Die
Namen der Söhne der Antonia Galene (Albaniua Ltontiua und Eubaychiua)
sind von Kenne richtig ergänzt; datw dagegen noch eine sechste Zeile an-
zunehmen sei (titulum poauertint), hübe ich allen Grund zu bezweifeln.
Hinxichtliclt der Interpunktion bemerke ich noch, da«» Nomina und Cog-
nouiina nicht durch Punkte getrennt sind.
II. Kleiner Altar au» Jurakalk, ca. 69 cm hoch, 38 cm breit, ge-
funden am 4. August 1891 in der Moltkcstrasse.
DMPELIO
G3RMANIONI
A DIVTORI NIA
MARCELLA
COll VGI OBiTO
FECIT-
Auf der rechten und linken Seitenfläche Zweige (oder Baume) in Relief.
Di« nicht schlecht gestalteten Buchstaben sind 3Vj cm hoch. Da* Cog-
nomen Gtrmanio ist inschriftlich noch öfter nachweisbar, z. B. auf der
christlichen Inschrift OILV 1064 (Aquileja). Eine Adiutorina erscheint
z. B. CIL III 5063, ein Adiutorinu» III 6515 (in der Inschrift von Nieder-
emmel, Brambach CIRh 862, wohl \A)diuto[riua Ur]aulux). Auch diese
Inschrift ist inzwischen in der Museographie der Westdeutschen Zeitschrift
X 1891 p. 406 von Aldenhoven mitgctheilt worden.
III. Platte aus schwarzem, wcissgeHdertem Marmor, 82 cm breit,
104 cm hoch, 9 cm dick. Fundort S. Pantaleon.
A P 0 L L I N I
C-AVR EL I VS C L
VE R VS • NEGOTI ATOfl
BRITANNICIA N VS
MORITEXDD
L • D • D- D
Die Buchstaben sind nicht tief eingemeisselt , von eleganter Form
und können etwa dem zweiten Jahrhundert angehören. Zeile 2 zwischen
CL kein Punkt, also die Tribusangabe Cl(audia); der Name de« Vaters
fehlt, ebenso bei Bramb. ClUh 1492 (M. Aurel. II. I'otnpeianus), CIL V
5o86. 6822 und öfter. Für das Wort vor D\onum) D(edit) in der fünften
Zeile habe ich noch keine befriedigende Erklärung. Man vergleiche den
2*2
Miscellen.
Stein von Doomburg (Brambach CIKh 4.1 = Orelli 2029, Wilmnuns Kxcinpla
2570), den ein negotiator cretariun Britarinicianuit der dea Xehalennia
geweiht hat ob merces recte conservatas. Von einer besonderen Art
britannischer creta spricht l'linius Nat. bist. XVII S 15. Vielleicht ist in
Mo rite, x ein keltisches F.thnicum zu suchen. Vgl. Morini, Are-
m o r i c a. D'Arbois de Jubainville (Comptes reudus de Tacad. des inscr.
4. ser. XIII p. l«2l führt als Beispiele der Kudung rex an die Namen
Dubnorex und Muri -rex („rol de In mci'"|. Aber die Lesung des
letzteren auf der verschollenen Inschrift CIL VII 409 (MOKI RKGIS) er-
scheint keineswegs zweifellos. Britanniciani nennt die Notitia dignita-
tum Oce. V 57. 206 {invicti iuniores Britanniciani), 209 (exculcatores
iuniores Britanniciani), VII 154 {Victoren iuniores Britanniciani).
M. I h in.
5. Köln. Münzfund. Im April 1&89 wurden in der Stephaiistrasse
unweit der Hochpforte beim Kanalbau 2V3 Meter tief eine grössere An-
zahl römischer Bronze - Münzen gefunden. Dieselben befanden sieh in
einem gewöhnlichen Topfe aus Thon, welcher beim Herausnehmen Ver-
brach, und wurden in einem versiegelten Sacke, der mit seinem Inhalte
11 k wog, ins Museum gebracht, wo ich den Fund kürzlich untersuchte.
Ks waren im Ganzen 2764 Stück. Leider befand sich keine einzige
Seltenheit darunter. Auffallend ist die grosse Zahl von Münzen des
Kaisers Miignentins mit dem christlichen Monogramm und ist meines
Wissens noch nie eine solche Menge von Münzen dieses Kaisers zu-,
sammengcfuiulen worden. Ich gebe im Folgenden ein Verzeichniss
der Münzen, wobei bemerkt wird, dass die Ausgabe des Cohen'schen
Werkes von 1H62 dabei benutzt wurde. Die Grössen sind nach dem
Cohen Mi onnet'schen Münzmesser angegeben und zwar hauptsäch-
lich da, wo die bedeutende Verschiedenheit des Durchmessers derselben
Münzsorte dies nöthig erscheinen liess.
Faustina juu., Nr. 207 1 St.
Gordianus III., Nr. 106 1 St., 318 1 St.
Gallienus, kl. Br., ahnlich wie 54. Annona Auy, Göttin mit Füllhorn
(letzteres fehlt bei Cohen). 1 St., Nr. 495 1 St., Nr. 664 1 St.
zus. 3 St.
Victorinus, Nr. 51 1 St.
Claudius Gothicus, Nr. 168 1 St.
Aurcllanus, Nr. 100 und Nr. 199, je 1 St.
Tetrirus sei)., Nr. 68, Nr. 106, je 1 St.
Diocletianus, Nr. 259 2 St., Nr. 306 1 St., Nr. 339 1 St., zus. 4 St.
Maximianus Herc, Nr. 233, Nr. 260 und Nr. 378, je 1 St,
Constantius Cldorus, Nr. 187 1 St.
Helena, Nr. 7 1 St.
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Miscellen.
26:1
Maxeutius, Nr. 14 (?) 1 St.
Licinius seil., Nr. 66 17 St., dann 2 in. B. mit derselben Umschrift, 2 St.,
Nr. 82 2 St., Nr. 89 2 St., Nr. 133 4 St, zus. 27 St.
Licinius jun., Nr. 25 6 St.
Constautinus 1, Nr. 241 1 St, Nr. 246 1 St, 281 2 St. M. Br. Gr. 7 und
2 St. Kl. Br. i), Nr. 298 1 St, Gr. 7'/* Nr. 317 1. St, Nr. 337 1 St,
338 3 St, Nr. 362 2 St, Gr. 6, Nr. 372 2 St, eines davon Gr. 6,
also M. Br, Nr. 433 4 St, Nr. 451 1 St, Nr. 460 75 St, 5 davon
Gr. 5-6, also M. Br, Nr. 463 1 St.. Nr. 465 1 St, Nr. 466 43 St,
Nr. 174 23 St, Nr. 488 1 St, zus. 165 St.
Constantinopolis, Nr. 15 1 St.
Urbs Koma, Nr. 13 1 St.
Crispus, Nr. 32 2 St, Nr. 63 1 St, Nr. 65 1 St, Nr. 70 8 St, Nr. 88 4 St,
Nr. 96 1 St, zus. 17 St.
CoiiHtantinus II, eine, Kl. Br. wie Nr. 99, aber mit VOT. XX, 1 St, Nr. 110
1 St, Nr. 116 6 St, Nr. 136 6 St, Nr. 146 8 St.
Constans I, Nr. 112, Gr. 6, 2 St, Nr. 114, Gr. 4'/,,, 2 St, Nr. 120, Gr. 5 -
, 5 St, Nr. 121, Gr. 4</j, 57 St, zuh. 66 St
Constantius II, Nr. 213 20 St, davon 10 St. M. Br. Gr. 5«/9-7 und 10 St.
Kl. Br, Gr. 4-5, Nr. 223 7 St, Gr. 6, Nr. 224 66 St , eines hat
im Av. D. N. CONSTANTIYS NOB. CAF.S. (nicht bei C o h e n)
Nr. 230 2 St, Nr. 236 3 St., Nr. 253 1 St, Nr. 260 27 St, Gr. 6-
6'/4. — Ferner:
A.: D.N. Constantius P. F. Aug. — R.: Stehende Figur mit der Toga be-
kleidet, durch welche die Tunika und die Beine durchscheinen,
in jeder Hand ein labarum haltend, dessen Schaft mit Ringen
verziert ist 9 Umschrift unleserlich, Kl. Br., Gr. 4'/j — 1 St.
A.: Kopf Constantius' II. nnrP. F. Aug lesbar. — R. : Felicitas oder Secu-
ritas republicae. Der stehende Kaiser halt in der Linken das
labnrum, in der Rechten eine Kugel, links von ihm: F, unten:
AR. M. Br. - Gr. 5"/a - 1 St.
A.: Kopf Constantius' II, Umschrift unleserlich. — R.: Figur wie bei Nr. 8
gekleidet, in der Rechten einen Schlüssel, in der Linken das
1) Die. beiden Kl. Br. würden mit der Nr. Suppl. Nr. 26 bezeichnet
werden müsscu, im Uebrigen scheint der Verfasser nicht immer mit
Cohen in Bezug auf die Grösse der Münze übereinzustimmen, nach
unserem Erachten ist es bei den vielfachen Verschiedenheiten der Grösse,
welche gerade die Bronze-Münzen von Constantin I. zeigen, ein schwie-
rige« Unternehmen, alle unter die bekannten Benennungen: Gross-, Mittel-
und Klein-Bronzen unterzubringen, liier sind Unterabteilungen kaum
zu vermeiden, dabei müsste aber neben der Grösse auch das Gewicht in
Betracht gezogen werden , denn die. Grösse ist im Hinblick auf die.
Münztechnik jener Zeit immerhin etwas mehr ZufÄÜiges. D. R,
264 Miscellen.
lahnrum haltend, rechts von ihm A Umschrift: CTAY . . .
CTOATCO unten: LNP, M. Br. - Gr. 5«/i- - 1 St., zus. 129.
Magnentius. A.: D.N. Magnentius P. F. Aug. — R.: Salus D.D.N.N. Aug.
et Caes. im Felde; A^CO, unten: LSLC oder TRP oder TRS.
Gr. Br. — Gr. 7—«. — Cohen Nr. 42. - 400 St. — M. Br.
- Gr. 6-7. — Cohen Nr. 43. - 1017 St. - Gr. 5-6. - Cohen
Nr. 43. - 191 St. - KL Br. - Gr. 4-4',, '). - Cohen Nr. 44.
- 19 St.
A.: D.N. Magnentius P.F. Aug. — K.: Vict. D.D.N.N. Aug. et Caes. zwei
geflügelte Viktorien halten einen Schild mit der Inschrift: Vot.
V mult. X unter TRP oder TRPLC — M. Br. — Gr. 5—6. — Cohen
Nr. 50. - 366 St. - Kl. Br. - Gr. 4-4' - Cohen Nr. 58. -
165 St. - Gr. 31 a-4. — Cohen Nr. 58. — 50 St.
A.: D.N. Magnentius P.E. Aug. — R.: Felicitas reipublicac. Der Kaiser
nach links stehend das labarum und eine Kugel haltend, unten:
TRS. M. Br. Gr. 6-6. — Cohen Nr. 29. - 32 St. - Kl. Br. Gr.
4. — Cohen Nr. 29. - 2 St.
A.: Im. Cae. Magnentiu» Aug. — R-: Fei. Umuj». reparatio. Der Kaiser zu
Schiff eine Viktorie und da« labarum haltend , eine «weite
Viktorie am Steuerruder, unten: TRS. M. Br. Gr. 5—6. — Coben
Nr. 36. — 2 St.
A. : D.N. Magnentiu» P.F. Aug. — R. : Gloria Romanorum. Der Kaiser zu
Pferde im Galopp, unten: TRS. TRP oder TRPLS. M. Br. Gr.
5- 6. ~ Cohen Nr. 37. — 43 St. — Kl. Br. Gr. 4'/,. - Cohen
Nr. 38. — 1 St.
Dcccntius. D.N. Deccntius Caesar. — R.: Salus D.D.N.N. Aug. et Cae«.
im Felde: $ M. Br. Gr. 5. — Cohen Nr. 21. 1 St.
A.: D.N. Dcccntius nob. Cae«. Victoriae D.D.N.N. Aug et Cae«. 2 Viktorien
halten einen Kranz mit der Inschrift: Vot. V. mult. X. M. Br.
Gr. 5—6. — Cohen Nr. 33. — 18 St. — Kl. Br. Gr. 4. — Cohen
Nr. 34.-2 St. - Im Ganzen 2764 Stück.
Stedtfeld.
6. Das fragliche Mediolanum bei Ncuiuagen an der Mosel,
von K. C h r i s t. In einem Gedicht des Venantius Fortunatu» vom Jahre
566 — Carm. lib. III no. XII, in der neuen Ausgabe von Leo p. 64 —
hefsst es, das« der Bischof Nicctius von Trier (527—666) in der Nahe
seiner Stadt auf einem fast uuersteiglichen Felsenkamm eine von 30
Thürmen flankirte Burg am Einfluas eines kleinen Flusses in die Mosel
errichtet habe. Dieses Schloss lag bei Mediolanum, am Flui» Rodanus,
1) Man vergleiche, was Cohen I. Ausg. VI, S. 832 über die Grösse
der Krzmünzcu dieser Zeit sagt. D. R.
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Miscellen. 2Kf>
zwei Namen, die der aus Venetien stammende Dichter vielleicht nur
zur Verherrlichung des von ihm in übertriebener Weise besungenen Bau-
werkes auf diese* aus dem allbekannten Namen der Stadt Mailand und
des Rhoneflusses übertragen hat.
Beim Rodanus hatte er nämlich einen Anhalt im ähnlich klingen-
den Namen des hier in der That mündenden Drohanus, d. h. der Drohn
oder Trohn, welche bei Trohneeken im Hundsrücken entspringend, bei
Neumagen in die Mosel fliegst. In Urkunden des 8.— 11. Jahrhunderts
heisst dieselbe Drogana, Drona, Trognnns, und Ftf rsteman n , Alt-
deutsches Nauieubuch 11*477 stellt sie zum alten Flussiiamenstamm Drav,
also mit Älterem a in der Wurzel. Solches enthalt denn auch noch die
von Ausonius, Moseila, Vers 865 überlieferte Namenst'orm, welche je nach
den verschiedenen Handschritten Drahonus, Draconus, Trachonus, Dra-
bonus lautet. Denselben Namen hat auch der oberhalb Coblenz gelegene
alte Trachgau, der aber topographisch natürlich nicht hierher zu ziehen ist.
Somit ist denn das Schloss des Nicetius nur eine Wiederherstellung
des Castells Constantins zu Noviomagus, welches in der Nahe Ausonius,
Mosella, Vera 11 erwähnt.
Ganz abzuweisen ist aber der Bezug von Mediolanum auf den
Maiengau oder das Maienfeld zwischen Mosel und Ahr, welches seit dein
7. Jahrhundert als Meginfeld bekannt ist und seinen Namen hat von dem
alten Ort Megina, jetzt Maien. Für den Zusammenhang der spätrömi-
schen Bauweise der Castelle, welche höhere Mauern bekamen, mit den
mittelalterlichen hohen Burganlagen ist die Befestigung bei Neumagen,
wie sie der christliche Dichter des 6. Jahrhunderts, Fortunatus schildert,
von hervorragender Bedeutung und wäre es an der Zeit, dessen Be-
schreibung der Trohnburg an Ort und Stelle durch Ausgrabungen näher
zu prüfen.
Attch von Trier erwähnt derselbe hohe Mauern, Vers 20—21 seiner
Moselreise, bei Leo p. 242:
Ad Saram pronis labimur amnis aquis;
Perducor Trevirum qua moenin celsa patescunt.
Bei dieser Gelegenheit verweise ich auf meine Ausführungen über
das spätrömische Castell Alta Ripa in der zweiten, sowie S. 42 (f. der
dritten Serie der Vorträge des Mannheimer Alterthnmsvereius, Mannheim
1888 und 1891, Verlag von Tobias Löffler.
Die sicher übertriebene Veuantius'sche Beschreibung des Felsen-
vorsprunges, worauf die Nicetiusburg lag, an deren Fuss das von der
Mosel und dem hier eiuflicssenden „Rodau- umspülte Mediolanum sich
ausbreitete, passt allerdings weniger auf das »/« Stunde oberhalb der
Mündung der Trohn gelegene Neumagen. Allein nach Eltester in
seiner geschichtlichen Uebersicht zu Beyers Mitteirheinischem Urkunden-
buch, II, p. CXII, hätte dicht beim Ausfluss der Trohn im Mittelalter
Miscellen.
ein Ort Medelingen gestanden, wo diu an der Saar gelegen« AbU'i Mett-
lach begütert gewesen wäre (vgl. ebenda S. 344 uud die Druckverbesse-
rung, welch« zum Register S. 527 gehört).
Auch G ö r ss, Mittelrheinische Regenten I, S. 11, no 81 verlogt Medio-
lanuni in die Gegend von Neumagen, ohne aber jene« Medelingen zu
erwähnen. Ks wäre daher von grosser Wichtigkeit, wenn eich etwa im
Nuuinagener Gemeindearchiv nähere Angaben darüber landen. Auch
müssten ja Ausgrabungen, die sich bisher immer nur auf Neumagen
selbst beschrankt haben, an der bezeichneten Stelle, sowie an den
umliegenden Bergabhangen vorgenommen werden.
Wahncheiiilich wurden Trümmer von der Feste Constantins von
Nicetius IXir «eine neue Burg verwandt, deren Form auch jene zum
Muster genommen haben wird. So bestand ja überhaupt die christliche
Kunttt des 4—7. Jahrhunderts au.s Nachahmungen von profanen, wie be-
sonders Kirchenbauten Constaiitimt zu Rom und Byzanz.
Auffallend bleibt, dass der Kosinograph von Kavenna IV, 2(5 im
7. Jahrhundert an der Mosel zwar „Nobia" (gekürzt au« Noviouiagus)
und Princastellum (Bernkastel) erwähnt, nicht aber das vermuthlich schon
antike Mediolanum mit seiner damals seit einem Jahrhundert bestehen-
den neuen Burg, allein die Notizen, woraus jener schöpfte, zum Theil
aus einem alteren gothisehen Schriftsteller Athanarid, entstammen viel-
leicht schon der Zeit vor Gründung der Nicetiusburg.
Dem Zusammenhang des Venantius gemäss kann diese aber, als
eine der frühsten weltlichen Besitzungen der Trierer Bischöfe nur au der
Obermosel gesucht werden, was denn auch schon Valois in der Notitia
Galliarum (Paris 1675) bemerkt. Hinsiclitlich der genaueren Lage niuss
man aher auch heute noch mit B ö c k i n g ausrufen: Amplius deli-
berandum!
Heidelberg. K. Christ,
7. Römisches Ca» teil auf dem hohen Venu. Etwa ein und
dreiviertel Stunde südwestlich von Montjote, dort wo die Ruhr (Roer) aus
den (lachen Mulden des Sourbroder Venns heraustritt, befindet «ich in
dem Dreieck, welche* durch den in die Ruhr mündenden Wingenbach
gebildet wird, eine fortincatorische Anlage au.s römischer Zeit, welche in
unserer nähern Umgehung als einzige, bis jetzt bekaunte, derartige Be-
festigung das grösste Interesse verdient. — Das Werk besteht aus einem
Erdwall mit vorliegendem Graben, welcher von der Ruhr bis zum Wingen-
bach von Ufer zu L'ler 420 Schritte Lange hat. — Die Ecken des Walle«
erscheinen der bessern Verteidigung wegen abgerundet. — Wall und
(traben sind au der Westseite, wenn auch dicht mit Haide bewachsen,
gut erhalten und hat der Graben trotz der Abschweiumungen von mehr
wie anderthalb Jahrtausenden noch G— 7 Fuss Tiefe (vou der Sohle des
Misecllen.
207
Grabens bis zur Krone des Walles J>— 10 Fuss); au der Südseite tritt der-
selbe infolge der im Laufe der Zeit stattgefuudencn Au- resp. Abschwem
mung nicht mehr so stark hervor, doch hat der Graben stellenweise
noch eine beträchtliche Tiefe; an der Ostaeite hat er sich durch land-
wirtschaftliche Arbeiten fast ganz verloren.
Das Praetorium des Castell* lag der Litngenachse nach fast genau
in dor Mitte de« durch die beiden Bache und den Wall gebildeten
Terrain-Abschnittes. Ausserdem befinden sich östlich, westlich und an
der Ruhrseit« von den Ruinen de» Praetorium« die untern Theilc von
drei runden machtigen Thürmcn, welche von Aussenscite zu Aussenseite
ca. lO1/« m Durchmesser gehabt haben. Der Wall ist nur in soweit
ganz unberührt geblieben, als das höher liegende Terrain Communal-Kigcn-
thum ist, der untere Theil des Gehänges dagegen, wo solche« an beiden
Bächen in Wiesen übergeht, ist Privat - Eigenthum und wurde, dort
im Laute der Jahrhunderte Wall und Graben eingeebnet oder vielleicht
durch Eisgänge und Ueberschwemmungen weggerissen. Analogien zu
unserm Castell findet man im mittleren Württemberg, wo solche in be-
stimmten Entfernungen neben dem römischen Grenzwall (zwischen Donau
und Rhein), aber meistens in kleineren Dimensionen, angelegt sind. Es
bleibt zu bedauern, dass hier, wie es so gut wie überall geschehen,
die römischen Ruinen Jahrhunderte hindurch von den umliegenden Ort-
schaften als Steinbruch benutzt wurden und dadurch leider mancher
weitere Anhaltspunkt für immer verloren gegangen ist.
Die Hccrstrassen und Posteinrichtungen benutzten die Römer be-
kanntlich vorzugsweise zu militärischen Zwecken, insbesondere ausser zu
TruppenniMrschcn für die Reisen der Militär- und Verwaltungsbeamten
und zur Beförderung von schriftlichen Dienstsachen. Zu diesem Zwecke
waren die Stationen in Mutationen „ Pferde Wechsel- und Mansiones „Nacht-
quartiere" eingetheilt; in letztem waren für den Gebrauch der Statt-
halter und für den Kaiser selbst Absteigequartiere eingerichtet, welche,
wir im Villoustyl erbaut nicht im, sondern siel» neben dein Castell
finden. Sollte nicht zu einem solchen Absteigequartier ein neben dem
betreffenden Castell gelegenes , sehr interessantes , wenn jetzt auch
nur noch als Rudera vorhandenes Ranwerk (in hiesiger Gegend im
Volksmunde unter dem Namen „grünes Kloster" bekannt) gedient
haben? Die Ruine befindet sich auf dem gegenüberliegenden linken
Ufer der Ruhr ungefähr 45 Schritte vom Castell entfernt, aber merk-
würdiger Weise genau in der Richtung des vorstehend besprochenen
Erdwalles und zwar dort, wo derselbe von der Anhöhe herunterkommt
und am rechten Ufer der Ruhr, wo wohl jedenfalls die porta praetoria
gestanden haben dürfte, endet. Das betreffende Gebäude hat innerhalb der
Umfassungsmauern, welche eben noch über der Erde hervorstehen und
zum Theil aus verworren liegenden schwereu Quadern bestehen, 84
2ns
Misccllen.
Schritt Lange und 17 Schritt Breite; gegen Westen kann man im Boden
noch deutlich sehen, das« sich ein grössere»» Gebäude von 50 Schritt
Länge und 40 Schritt Breite daran angeschlossen. Um die Fundamente
und den Mörtel zu untersuchen, nahm ich einen in der Nähe arbeitenden
Bauersmann in Anspruch, dem leider bei den ersten Versuchen, die
schweren Steine zu heben, der Stiel von seiner Schaufel abbrach.
Das Wasser der Kühr hat liier, weil direct aus den Torfmooren
kommend, noch eine ganz röthlichc Farbe, dagegen bringt der Wingen-
bach, welcher unterhalb Elsenborn entspringt, kristallhelles Quellwasse-r.
Ks wird dies die Körner, welche bekanntlich sehr viel auf gutes Trink-
wasser hielten, auch wohl zur Wnhl dieses Ortes bestimmt haben: zudem
kreuzten hier nach der Professor S c h n e i d e r 'sehen Karte der links-
rheinischen RömeMrnsscn mehrere alte Strassen , nämlich die von
Wertbuisson, Baronheid und Kapelle Fischbach über das Venn nach
Sourbrod, Elsenborn, Neuhof, Schmidtheim und von da zum Rheine
führende Strasse mit der von Köln über Düren, Simmerath, Montjoie
sich auf dem linken Ufer der Ruhr haltenden Strasse, welche alsdann
mit der von Aachen über Reinartzhof, Eschweid, Vennhof, Reichenstein,
Plattcnhäuschen kommenden Route auf der dem Castell gegenüber liegen-
den Kuhrseite zusammentraf, den Fluss vor der Westseite des Castells
überschritt und dann über den sogenannten Rhenberg nach Elsenborn
u. s. w. führte. Es ist begreiflich, dass zur Sicherung dieser zum Theil
schon seit Caesars Zeit wichtigen Routen eine grösser«! feste Position
wegen dem Passiven der ausgedehnten Moore und tiefen Thalschlnchteu
unbedingt nothwendig erschien,
Oleich nachdem die Ruhr das Castell verlassen, bildet sie einen tiefen
Gehirgseinschnitt und tritt hier wieder die charakteristische Erscheinung
zu Tage, dass die Römer fast nie oder doch sehr selten günstige Terrain-
verhältnisse für ihre Befestigungen benutzt haben. In dem jetzt ganz
eng werdenden Ruhrthalc schiebt sich nämlich auf dem rechten Ufer
ein Felsgrat vor, welcher als Thalsperrc sehr gut hätte verwerthet werden
können, doch sieht man an demselben keine Spur von darauf hin-
weisenden Arbeiten. — Einige hundert Schritte weiter Ruhrabwart» sind
dagegen an zwei Stellen Erdw&lle mit Gräben quer angelegt, wodurch
das Thal ganz gesperrt wurde und welche wohl zum Schutze des Castells
von der untern Seite gedient haben.
Nach der Berechnung des Oberstlieutenant v o n Coliatisen
bezüglich der Besatzung der römischen Castelle in Süddeutschland hatte
ein Castell von H00 Schritt Länge und 200 Schritt Breite eine Besatzung
von 10Ü0 bis 1100 Mann. — Unser Castell würde demnach bei 430 Schritt
Länge und ca. 200 Schritt Breit« eine Besatzung von 11 bis loOO Mann
gehabt haben. Caesar kam im Jahre öü vor Chr. vom Rhein aus der
Gegend bei Neuwied, durch einen beispiellosen Marsch, quer durch den
Ardennenwald, welcher damals die ganze Eifel mit umfasste, über Mayen,
Miscellen.
Hillesheim, Sourbrod und das hohe Venn ttm Adnaruea wieder zu
nehmen und von hier aus die Eburouen zu vernichten.
Sehr interessant ist die Uebcrcinstimniung der Schilderungen
Caesar« vor beinahe 2000 Jahren mit der noch heute fast unveränderten
Beschaffenheit unserer Genend. Damals wie heute, lagen in den Dörfern
die Häuser durch Höfe und wenige Gürten getrennt, rings von hohen
Hecken umgeben. — Diese Hecken umsehliessen zahlreiche Wiesenstttcke,
auf denen das Vieh Iiis zum Winter auf die Weide geht. — Die Landes-
hewohner sind darauf bedacht, durch Verflechtung der Zweige die
Hecken möglichst dicht und undurchdringlich zu machen, wie dies auch
Caesar von ihnen erzählt. — Zwischen diesen Hecken führten wenige
tiefe Hohlwege ins Dorf hinab, deren Rander oben mit Hecken besetzt sind,
welche sich zu hohen Lauben über den, nur für die Vichheerden benutzten
grundlosen Hohlweg wölbten. Dass solche Terrain - Verhältnisse die
Flucht des Kburoncnfürstcn erleichtern und den Eingeborenen eine solche
Zilhigkeit gegen die VertilgungskJimpfe der Körner geben konnten, ist be-
greiflich , wenn man diese Eigentliümliclikeit unserer Gegend heute
noch betrachtet und sich slinuntlichc Kunststrasscu als nicht vorhanden
denkt.
Zum Schiusa möchte hier ein Wunsch, den auch Herr v. Co hau seil
bei ähnlichen Gelegenheiten ausgesprochen, am Platze sein, dass nämlich
mit femern Untersuchungen und Nachgrabungen nicht ein Verheerttngs-
krieg gegen jene Ueberreste begonnen werde, welcher, durch steingierige
und zerstörutigslustige Menschen fortgesetzt diese, interessanten Ueber-
bleibsel einer fernen Vorzeit für alle Zeit vernichtet würde.
Aachen. T h. M ü 1 1 e 11 m e i s t e r.
8. Wormersdorf, Karolingi. scher Fund. Tu dem ca. drei-
viertel Stunde von Meckenheim gelegenen Dorfe Wormersdorf stiess
man vor einiger Zeit, wie mir Herr Gastwirth Gabrielz mittheilte, beim
Ausschachten behufs Neubaues auf verschiedene nltc Mauern. Auch fand
sich ein alter Brunnen , welcher zum grossen Theile mit GefWssen und
GefHssscherben, sowie mit Eisengerathen angefüllt war. Die Gefasso
sind roh, von festem Brande, von blau-schwarzer und blau-grauer Farbe,
zeigen ein scharfkantiges Kandprofll und haben die Wellenplatto. Sie
gehören den Erzeugnissen der durch die Normanen 881 n. Chr. zer-
störten Meckenheimer Töpferei und somit der zweiten Haltte des neunten
Jahrhunderts n. Chr. au.
Unter diesen Geflisson fand man ausser Anderem einen eisernen
Pferdestricgel. Derselbe hat die Gestalt einer der Lttnge nach durch-
schnittenen Röhre; an den beiden Kanten der offenen Seite befinden
sich ziemlich grosse dreieckige Auszaekungen. Mit den so gebildeten
Zacken wurde das Striegeln vorgenommen. An der Rundseite sind in der
270
MUcellen.
Mitte ein gerader Eisenstab und seitlich von diesem je zwei im Halb-
kreis gekrümmte, .nur «Ins Knde des mittleren zulaufende Kisenstitbc ver-
mittelst Nateln angebracht, welche, wahrscheinlich an einen Holzgrift"
befestigt, zur Handhabe des Striekels dienten. Dort, wo der mittlere
Kisenstab an der Rundseitc haftet, ist ein Haken eingerostet, der wohl
zun» Aufhängen des Gerathes diente. Die Lange der Röhre betrügt
0,18 in, der Durchmesser derselben 0,0:J in. Aehuliche Striekel, jedoch viel
breiter, sind noch heute auf dem Lande üblich.
Wahrscheinlich sind die Gcrath«' und Gefasse zur Zeit des ver-
heerenden Norniannensturmes [HM) in dem Brunnen geborgen worden,
zuuiaf mir Herr Gerhard/ sagte, die meisten Gefasse seien ganz gewesen.
Das Alter der Mauern ') und des Brunnen« konnte nicht bestimmt werden,
da die Fundstelle schon bebaut war. Auch gelang' es mir, ausser dem
Pferdestriegel von den meist durch Arbeiter zerschlagenen und überall
hin zerstreuten Gelassen weiter nichts als einige Scherben zu retten.
9. Die Zeitbestimmung der ThongefHsse. Das Thon-
gefilss ist das zerbrechlichste und durum vergilnglichste Gerathe von
Menschenhand. Aber seine Formen erhalten sich durch Jahrtausende. Sein
Ornament ist wandelbarer, doch haben sich einige aus dem Alterthum
bis heute erhalten. Die Technik seiner Herstellung und die Art und Weis«'
d««r Verzierung müssen uns leiten, wenn wir den Ursprung eines Gc-
filsscs bestimmen wollen. Aus der gleichen Form kann man nminals mit"
Sicherheit auf Gleichzeitigkeit der Herstellung schliesscn. Die Deckel
der germanischen Urnen am Niederrhein gleichen der noch am Rheine
verbreiteten irdenen Schüssel, nur dass an dieser die Oen'nung ein hori-
zontal gerichtetes Profil hat. Nach Waukel ist das heutige Koch-
geschirr der kleinrussischen Bauern in Kiew vollkommen ähnlich einigen
slavischen Aschenurnen der Vorzeit. Auch Virchow machte bei der
letzten Anthropologen-Versammlung in Danzig daraur aufmerksam, dass
die Muster von Thongefassen sich Jahrhunderte lang erhalten haben
können. Das vor Jahrtausenden übliche Wellenornament wird noch
heute im Orieut gemacht.
Rinen wesentlichen Fortschritt zeigt die Töpferkunst iu der An-
wendung der Drehscheibe, in der Ausbildung des Henkels, in «lern featercu
Brande und der Glasur der mittelalterlichen Gefasse gegenüber der mehr
mürben Thonwand griechischer, römischer und merowingischer Gefasse. Als
vor vielen Jahren in Bonn in 15' Tiefe eine alte. Töpferei gefunden wurde,
mit glasirten Gefässen aus hartem Steingut mit wellenförmig gebogenen»
1) Koenen sah vor mehreren Jahreu in einem anderen Garten,
dem des Herrn Töpfermeisters Gerhardz, römisch«- Mauern.
Oskar Rautert.
Miscellen.
271
Fussrande, habe ich sie nur als mittelalterliche bezeichnet, vgl. Rhein.
Jahrb. LH, S. 18ö. Im Jahre wurde unter dein Generalcommando
in Ooblonz eine ausgedehnte Grabstatte ohne alle Beigaben entdeckt,
die mit Rücksicht auf die Erbauung der Castorkirche dein 12. Jahrhundert
angehört haben konnte. Nur drei Thonscherben fanden sich, die der
erfahrene D e tu m i n in Wiesbaden wohl als mittelalterliche anerkannte,
aber einein bestimmten Jahrhundert nubt zuschreiben konnte. Sie
waren hartes Steingut, aussen mit vorspringenden parallelen Streifen
versiert, vgl. Rh. Jahrb. LXXXI, S. 198. Ks ist dankbar anzuerkennen,
wenn Koenen in Meckenheim altere luid jüngere Gräber und altere
und jüngere Merowinger-Töpfe hat unterscheiden können. Der Nach-
weis von Gelassen der Karolinger-Zeit ist aber nicht mit Sicherheit er-
bracht. Ich habe gezeigt, wie viel Heidnisches bei den früheren Gra-
bungen in Meckenheim sich fand und wie, die Spuren des Christenthnms
fraglich waren. Einzelne römische Terra Sigillntascherbcn sprechen
doch für frühe Merowiuger Zeit. Auch Koenen fand mehrere solche,
aber nur eine Scherbe, die fast wie Steingut aussah. Eine Münze kann
immer nur beweisen, dass das entsprechende Grab nicht lllter war als
die Münze. Dieselben Grabfelder blieben Jahrhunderte lang in Gebrauch.
Wenn auch der Ban der St. (juirinskirche in Neuss, unter deren
Plattenbelag die Nensser Amphoren gefunden wurden, urkundlich im
Jahre 82f> beglaubigt ist, so können jene Gefasse doch viel alter sein.
Sie haben mitMerowingergefHssen gar keine Verwandtschaft. Wohl aber hat
Schliem ann solche bauchige Geflisse mit Henkeln, die von derOeffnung
ausgehen, gefunden (Mycenae p. 64). Die mit denselben verglichenen
GcfHssformen des Duisburger Graberfeldes haben doch mit denselben
auch keine Aehnlichkeit. Nach Wilma gehören jene in die römisch-
germanische Perlode. Auch die Grabfunde von Beckum lassen noch römi-
schen Einfluss erkennen. Borggreve setzt sie zwar iu die Mitte des
7. Jahrhunderts. Manche derselben können einige Jahrhunderte alter sein.
Die itlteste Münze ist von Nerva, die jüngste von Justinian (572). Die
Funde von Meckenheim sind, was Waffen. Sehmuekgerathe und Thongcfasse
betrifft, so gleichartig und mit den Funden in anderen frankischen und ale-
mannischen Grabern der Rheinlande so übereinstimmend, dass gar kein
Grund vorliegt, davon einige der Karolingerzeit zuzuweisen. Auch Linden-
sch mitfand in 6einen zahlreichen Untersuchungen fränkischer ReihengrÄbcr
keine Gelasse, welche die Merkmale einer neuen karolingischen Töpferkunat
an sich tragen. Wenn die Bestattungen übereinander in Meckenheim
auf altere und jüngere Graber deuten, so ist es doch schwer zu entscheiden,
ob die untern Graber in Folge der Anlage neuer geatört worden sind
oder ob Grabraub die Ursache war. Koenen sagt gewöhnlich auch
nur, das untere Grab schiene gestört oder beraubt worden zu sein. Wenn
aber bei einer solchen Gelegenheit Scherben von der Obertlilchc in die
272
Miscellen.
Tiefe fielen, warum sollen dies nur Karolingerscherben gewesen »ein, es
können dieselben auch spateren Jnhrhunderlen angehört haben. In der Karo-
lingerzeit hatten die Begräbnisse auf den heidnischen Grabfeldern auf-
gehört und die Tndten wurden bei den Kirchen und ohne Beigaben be-
erdigt. Im Rheinland*- gab es schon im 4. Jahrhundert christliche Ge-
meinden, vgl. Rhein. Jahrb XLIV, S. 112. Im 6. und 7. Jahrhundert
wird hier die christliche Beisetzung allgemein gewesen sein. Die Karolingi-
schen Capitularicn beweisen durchaus nicht, dass die heidnische Bestattung
unter den Franken noch allgemein war. Dass die frankischen Töpfereien in
Meckenheim im Jahre 881 durch die Normannen zerstört worden seien,
ist doch auch nur eine Vermuthung, auf die sich eine chronologische
Berechnung der Scherben nicht gründen lässt1).
10. Zu Jahrbuch LIII, S. 172 ff. Die an der angeführten Stelle
von Frendenberg publizirtc, zu Kohr bei Blankenheim gefundene,
jetzt im Besitz des Alterthumsvereins befindliche Inschrift ist kürzlich
von Rudolf Much (Zcitschr. für Deutsches Alterthum XXXV, S. 207 f.;
Anzeiger S. 184, 1891) behandelt worden. Freudenberg lass dieselbe
MERCVRI|CHANNINE .... und bezog sie auf die Cauninefaten; Mercuri
sei eines der seltenen Beispiele, in denen der Gottesname in der Wid-
mung im Genitiv erscheine. Much will dagegen lesen MERCVKI
OHANN1NI , was nach Freudenberg's Schilderung der Zeichen
möglich sei, und sieht in Hannini einen Beinamen des Merkur, den er
zusammenbringt mit altn. h a u n a r r .geschickt, kunstfertig", griech.
kovvmv »kennen'', ir. c o im, c o n „sensus, sententia, ratio, intcllectus", con-
uaidhe „sollers, calüdus". Ein Beiname Wodans mit der Bedeutung rder
verständige" oder „der geschickte" entspräche ganz den Vorstellungen
von dieser Gottheit ebenso wie denen von Mercurius und Hermes; auch
vom gallischen Mercur berichte Caesar Bell. gall. VI. 17: hunc oinnium
inventorem artium ferunt. So ansprechend diese Deutung auch au und
für sich sein mag, der Irmchriftatein widerspricht der von M u c h vor-
geschlagenen Lesung. Zwar ist das letzte Zeichen der zweiten Zeile wohl
sicher ein I gewesen, von dem jedoch nur der obere Theil erhalten blieb;
allein das erste Zeichen kann kein O gewesen sein. Eine genaue Be-
sichtigung ergab dasselbe als ein C, dessen beide Enden verdickt und
damit als abgeschlossen angedeutet sind. Mitten zwischen ihnen befindet
sich ein kurzer vertikaler Strich, der wohl von dem ursprünglichen
Steinmetz herrührt, der sich hier verhauen hat; vielleicht, das« er für das
folgende H zu nahe bei dem C ansetzte. Jedenfalls ergäbe eine Verbin-
dung dieses Striches mit den Enden des C, welche aber auf dem Originale
1) Vgl. die Entwicklung des Ornamentes In der alten Kunst. Jahrb.
H. Schaafhausen.
LXXXVIII 1889 S. 258.
MiHcellen.
273
in keinerlei Weise angedeutet ist, nicht die für das 0 nöthige liuudung,
sondern eine vertikale gerade Linie, so das* für diese Zeile die Lesung
C1IANNINI festgehalten werden muss. A. W.
11. Fund einer Ägyptischen Statue in England.
Durch römische Inschriften, die in York (Eburacum) und zn Kirhv Thon*
bei Brougham-Castle (Brovonacae ?) entdeckt worden sind (C. I. L. VII,
240, 29«) wird der Kult des Serapis für Britannien bezeugt, wohin er
durch römische Legionäre gebracht worden sein wird, ebenso wie der
Kult des Ty Tische» Herakles und der Astarte (Inschriften von Corbridge
in Northumberland, C. I. Gr. «80«— 7). Mit diesen inschriftlichen Zeug-,
»issen gehen Funde von Anticaglien Hand in Hand.. Einiger solcher
mehr oder weniger authentischer ist bereits Jahrbuch 8!), S. 227 gedacht
worden, ein weiterer kann hier erwähnt werden. In der Nahe von Nor-
wood in der Gratschaft Surrey wurde der Untertheil der Statue einer
auf einem Schemel sitzenden Ägyptischen männlichen Figur entdeckt,
welcher sich jetzt im Besitze des Herrn C. Davies Sherboru befindet.
Das Fragment ist mit Inschriften (publ. Pro«, of the Soc. of Bibl. Arch.
XIV, p. 163 ff.) bedeckt, welchen zufolge die Statue einen Würdenträger
ans der Zeit Itamses II., Namens UA-hotep darstellte. Dieser wird be-
zeichnet als Oberrichter, Nomarch, Festordner und königlicher Gesandter
nach dem Chetalande, hatte also eine hohe Stellung am Hofe inne. Neben
ihm erscheinen mehrere seiner Verwandten, darunter ein Bruder, der
Oberpriester des Ptah Pa-neter-hen, woraus hervorgeht, dass der Mann
einer bereits durch eine Stele im British Museum i.nr. 7%, vgl. Lieblein,
Dict. des noiiis nr. 997) bekannten Familie angehörte. Seine Statue, die
ursprünglich in seinem, allem Anscheine »ach bei Memphis gelegenen,
Grabe Aufstellung gefunden hatte, wie dies der Zusatz „der gerecht-
fertigte* hinter seinem Namen andeutet, wurde offenbar in der Römer-
zeit ans demselben geraubt, und zu Zwecken des Isiskultim nach Britan-
nien gebracht. Hier wird sie zerbrochen worden sein und erscheint da-
her die Hoffnung auf eine Entdeckung auch ihres Obertheiles auf eng-
lischem Boden nicht unbegründet. A. W i e d e m a n n.
Berichtigung.
In der Festschrift zum f>0 jahrigen Jubilatun des Vereins lese man
auf Seite 79, Zeile 23 des Aufsatzes über die Kelten statt Holtzmann :
Bertrand.
Jahrb. d. Vor. v. AllerlLafr. im Uhelul. XC11.
lt>
274 Miscellen.
*
Merissen - Stiftung.
Die Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde setzt ans der
ihrer Verwaltung unterstellten Mevissen-Stiftung, für die Lösung folgen-
der Aufgaben die unten angegebenen Preise aus:
1. Nachweis der im Anfang des 16. Jahrhunderts in Köln vorhandenen
Strassen und Platze, sowie aller Befestigungen, öffentlichen Ge-
bäude, Kirchen, Kapellen, Klöster und Wohnhäuser, nubst Entwurf
eines möglichst genauen Stadtplanes, auf Grundlage der gleich-
zeitigen Pläne und Ansichten, der Schreinsbücher und der Urkunden
Es wird der Wunsch ausgesprochen, die für das 1»>. Jahrhundert
festgestellten Strassen, Gebäude u. s. w. nach Möglichkeit zeitlich
zurück zu verfolgen.
Die Arbeit ist einzusenden bis zum 31. Januar 1897 einschliess-
lich. Preis 4000 Mark.
2. Entwickelung der kommunalen Verfassung und Verwaltung Kölns
von den Anfängen bis zum Jahre 18%.
Die Arbeit ist einzusenden bis zum 31. Januar 1894 einschliess-
lich. Preis 2000 Mark.
3. Ursprung und Entwickelung der Verwaltungsbezirke (Aemter) in
einem oder mehreren grösseren Territorien der Kheinprovinz bis
zum 17. Jahrhundert.
Die Arbeit ist einzusenden bis zum 81. Januar 189& einschliess-
lich. Preis 2000 Mark.
Die Bearbeitungen können unter dem Namen der Bewerber oder
anonym mit einem Sinnspruch eingereicht werden. In letzterem Fall
ist ein mit demselben Sinnspruch beschriebener versiegelter Zettel bei-
zulegen, welcher Namen, Stand und Wohnort des Verfassers enthält. Die
Entscheidung über die Verleihung der Preise erfolgt durch den Vorstand
der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde; es ist hierbei nach der
Vorschrift der Stiftungsurkunde neben der Beherrschung des bearbeite-
ten Stoffes der Styl und die künstlerische Form der Arbeiten wesentlich
mit in Betracht zu ziehen. Erscheint keine der über eine Frage einge-
reichten Arbeiten preiswürdig, so kann doch ein Ilonorar bis zur halben
Höhe des Preises zugebilligt werden. Die preisgekrönten Arbeiten
werden Eigenthum der Gesellschaft, die nicht preisgekrönten können
binnen einem Jahre nach Veröffentlichung der Entscheidung zurückge-
fordert werden; geschieht dies nicht, so werden sie ebenfalls Eigenthum
der Gesellschaft*
Die Arbeiten sind einzusenden an den Vorsitzenden der Gesellschaft
für Rheinische Geschichtskunde, Herrn Landgericht* - Director Ratjeu
in Köln.
Köln, den 14. November 1891.
Der Vorstand der Gesellschaft für Rheinische
G eschichtskunde.
Digitized by Google
IV. Berichte.
I. Generalversammlung des Vereins am 26. Juni 1891.
Der Vorsitzende, Prof. Dr. Schaafhausen erstattet den
Jahresbericht flu* das Jahr 1890:
„Die Zahl der Mitglieder des Vereins betrug mit Einschluss
der Ehrenmitglieder, der Schulanstalten und des Vorstandes nach
dem letzten Jahresbericht am 11. Juli 1890 : 658.
Gestorben sind seit der letzten Generalversammlung am 11. Juli
vorigeu Jahres folgende 16 Mitglieder:
Herr Professor Dr. Heydcmann in Halle a. d. S.,
„ Gutsbesitzer Carl Cetto in St. Wendel,
., Gymnasialdirektor Dr. B o s s 1 e r in Darmstadt,
„ Rittergutsbesitzer von Rath in Lauersfort,
„ Consul Franz Leiden in Köln,
Se. Exc. der Wirkl. Geheimrath Camphausen in Köln,
Herr Oberbaurath und Professor Schmidt in Wien,
„ J. J. Merlo in Köln,
„ Fabrikbesitzer Keller in Bonn,
„ Landgerichtsdirektor Mitscher in Köln,
„ Baurath Dieckhoffin Bonn,
„ Professor Dr. Springer in Leipzig,
„ Geheimer Commercicurath AI. von Heimendahl,
in Crefeld,
„ Professor Lewis am Corpus Christi Colleg in Cam-
bridge,
„ Doinkapitular Heuser in Köln,
Geuerallieutenaut z. D. Elte n in Bonn.
Generalversammlung de« Vereins am 26. Juni 1*91.
Ausgetreten sind filr 1891: 10 Mitglieder, so das* der Verein
mit den 16 Gestorbenen einen GeKainmt Verlust von .'$2 Mitgliedern
erfahren hat. Diesem Verluste steht der Gewinn von ,'J5 neuen
Mitgliedern gegenüber. Die Mitgliederzabi hat sieh also um .1 Mit-
glieder vermehrt und beträgt heute ü(il.
Die neu eingetretenen Mitglieder sind die folgenden:
Das Muscnin Wallraf-Richarz in Köln,
Der Kreisausschuss von Mayen,
» tt » Wittlich,
„ „ „ Sehleideu,
» Mer/ig,
„ Lennep,
„ Wetzlar,
„ „ Saarlouis,
„ „ des Landkreises Orefeld,
Coblenz,
Die Königl. Realschule in Saarbrücken,
Dji* Sehnllehrcr-Seminar in Odenkirchen,
Herr Geb. Ober-Regierungsratb Curator Gaudtner in Bonn,
Reg. und Balirath Cuno in Coblenz,
„ Bolzer in Köln,
„ Reg.-Baumeister Isp bor ding in Bonn,
.. Professor Dr. G o t h e i n in Bonn,
Dr. juris Stader in Boun,
., Dr. Paul C leinen iu Bonn,
Das Gyiuuasiuui in Düsseldorf,
Das Realgymnasium in Bannen,
Die Ober-Realschule in Kolu,
Das Lehrer-Seminar von Corneli-Mtlnster,
Herr Gcncral-Consul G. R o h I f s in Godesberg,
„ Professor Dr. Gräfe in Bonn,
„ Geheinirath Prof. Sämiseh iu Bonn,
.. Professor E 1 1 e r in Bonn,
Theodor Deiebmann in Köln,
„ Consul Hans Leiden iu Köln,
Dil- Lese- und Erholungs-Gesellschaft in Bouu,
Das Königl. Oberbergamt in Bonn,
Horr Dr. Oi dt mann iu Linnich,
Freiherr Magnus von Mirbach, Hauptmann z. D. in Bonn,
Digitized by Google
GeneralverHammlunp de« Verein*, am 2«. Juni 1«91.
277
Herr Gutsbesitzer Straeter in Niederdollendorf,
,, Historienmaler M a r t i n in Bonn.
Hie Zahl der Mitglieder des Vereines ist in den letzten 20
Jahren, kleine Schwankungen abgerechnet, »ich ziemlich gleich ge-
blieben, was bei der jährlieh zunehmenden Mitbcwerhiing anderer
Vereine immer ein erfreuliches Zeichen ist. Ich habe durch Herrn
Friekc die Summen der Beitrage der zahlenden ordentlichen Mit
glieder aus den Rechnungen der letzten 20 Jahre, von 1H70 bis
1890, ausziehen lassen, sie betragen: M. 4878, 4571, 5170. 5040,
4873, 5040, 5773, 5814, 5800, 5827, 5710, 5638, 6108, 5054, 5730,
5770, 5600, 5460, 5370, 5470, 5567. Der höchste Beitrag im Jahre
1882 von M. 6108.50 trifft mit der Erhöhung des Beitrogs von 0
auf 10 M. zusammen, die Zahl der Beitragenden war 1881 und 1882
genau dieselbe 628, sie fiel im Jahre 188i{ auf 608.
Seit der letzten Versammlung ist Heft LXXXIX mit 2 Tafeln
und 10 Holzschnitten, sowie Heft XC mit 4 Tafeln und 21 Abbil-
dungen ausgegeben worden. Das Register II ftlr die Hefte LXI bis
XC ist von Herrn Dr. Bone fertig gestellt, der Dmck desselben
hat begonnen nnd wird dasselbe in einem der nächsten Monate als
Heft XCI erscheinen. Wie sehr der Inhalt unserer Jahrbücher sich
vermehrt hat, ergibt sich daraus, das« das im Jahre 1870 erschie-
nene Register I, welches die Hefte 1 bis 60 umfasst, 13»/, Druck-
bogen stark war, während Register II Aber die Hefte 61 bis 00,
von demselben Verfasser und nach denselben Grundsätzen zusammen-
gestellt, nach der vorläufigen Schätzung über 17 Bogen stark sein
wird. Ausserdem ist die Festschrift zu unserem äojähr. Jubiläum
im October dieses Jahres vorbereitet.
Ich lege mit nnserm Sitaungs-Protokoll die Jahresrechnung für
1800 mit den Belegen zur Einsicht vor und theile einige Hnupt-
posten aus derselben mit :
Die Gesammt-Einnahmc betrug 1800: Mark 6505.50 gegen
6074.38 im Vorjahre. Die Ausgaben beliefen sich auf Mark 5846.02
gegen 5456.88 im Jahre 1880, so dass am 31. Dezeinher 1800 ein
Kassenbestand von Mark 658.58 gegen 617.50 verblieb. Der Be-
stand unserer Kasse ist heute Mark 1616.58 gegen Mark 2001.12
am 8. Juli 1880.
2TH
Generalvcrfwminluiifr des Verein» am 2i». Juni 1891.
Es betrogen die Ausgaben: im Jahre 1890 im Jahre 1889
für Drucksachen Mark 2460.78 gegen 1398.28
für Zeichnungen und Herstel-
lung der Tafeln .... „ 424.30 „ 1382.21
für Buchbinderarbeit. ... „ 578.46 „ 272.30
für die Bibliothek , 455.75 „ 754.75
für Honorare „ 1356.00 „ 1108.25
für Kassenführung, Porto und
verschiedene Ausgaben . . „ 553.59 „ 528.14.
Die Revisoren unserer Rechnung, Herr Rechnungsrath und
Hauptmann a. 1>. Würst sowie Herr Dr. Hauptmann haben die-
selbe richtig befunden, so dass ich für unsern Herrn Rendanten
F r i c k e die Entlastung beantrage." Dieselbe wird ertbeilt.
..Indem ich den genanuten Herren für ihre Mühe den Dank des
Vereine» abstatte, bitte ich die beiden Herren Revisoren für das
Jahr 1891 wieder zu wählen. Ich hoffe, dass sie die Wahl anneh-
men." Dieses geschieht und die Wahl wird angenommen.
Der Vorsitzende fordert sodann zur Neuwahl des Vorstandes
auf. Derselbe wird auf Antrag des Herrn Rectors Geh. Rath Httffer
durch Zuruf wiedergewählt. Der Vorsitzende fährt fort:
„Was unsere Vercins-Sammlung betrifft, so wird auch in die-
sem Jahre das Provinzialmuscum, ßaumsehuler Allee 34, wie im
vorigen, Donnerstags von 11 bis 1 vom 15. Mai an bis zum 15. Oc-
tober dem Publikum gegen eine zu losende Eintrittekarte, den Mit-
gliedern des Vereins gegen Vorzeigung der ihnen zugestellten Karte
geöffnet sein.
Den Neubau des schon weit vorgeschrittenen Provinzialmnseuma
hofft man bis zum Herbst 1892 fertig zu stellen.
Die Bibliothek ist bis auf weiteres zum Ausleihen von Büchern
an Vereinsmitglieder Donnerstags von II1/« bis 1 Uhr geöffnet.
Aendcrungen werden durch die Zeitung bekannt gegeben. Die Bi-
bliothek hat Geschenke erhalten von den Herren Dr. Hauptmann,
Prof. Schneider, Dr. Wicdemann, Prof. Schaaffhauscn,
dem Magistrat der Stadt Budapest, der Societe des Antiquaires du
Cestre. Neuer Schriftenaustausch ist angeknüpft oder der unter-
brochene wieder hergestellt worden mit folgenden 12 Vereinen und
Zeitschriften: mit dem Altcrthunisverein in Kempten, dem histori-
schen Verein in Neuburg, der Gesellschaft für lothringische Ge-
schichte und Alterthumskunde in Metz, der deutschen Gesellschaft
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Generalversammlung des Vorein» am 2fi. Juni 1*91.
279
zur Erforschung vaterländischer Sprache und Alterthümer in Leipzig,
der philosophisch-historischen Gesellschaft in Hcidclhcrg, dem Nor-
dischen Museum in Kopenhagen, der Zeitschrift für Numismatik von
A. von Sallet, den Commissions royales d'art et d'archdologie in
Brüssel, der Societa di areheologia e belle arti in Turin, den Ecoles
d'enseignemcnt superieur zu Algier, dem Bergisclien Geschichtsverein,
der Societd d'archdologie de Bruxelles. Die Bibliothek hat sich um
etwa 175 Bände vermehrt.
Am 9. Dezember wurde in hergebrachter Weise der Geburts-
tagWinckclmanns gefeiert, worüber das Heft LXXXX der Jahr-
bücher berichtet hat.
Ich muss noch eines, fttr uns Alle bedeutsamen Ereignisses
gedenken. Am 1. October sind es 50 Jahre, dass unser Verein ge-
gründet worden ist. Der Vorstand war der Ansicht, worin ihm ein
grosser Theil der Bonner Mitglieder zustimmte, dass der 1 . October
kein geeigneter Tag zu einer Jubiläumsfeier sein würde, weil er in
die Mitte der Üniyersitätsferien lallt. Er hofft Ihre Zustimmung
dafür zu finden, dass er diese Feier, wie ein dem letzten Heft bei-
gelegtes Blatt schon bekannt gibt, auf den 26. October verlegt hat.
Es wird eine Festschrift erscheinen, zu der die Herren Dr. Düntzer,
Prof. Löschcke, Prof. Furtwänglcr in Berlin, General von Vcith,
Prof. Klein und ich selbst Abhandlungen in Aussicht gestellt haben.
Ein Theil dieser Beiträge int schon in unsern Händen. Diese Fest-
schrift wird an alle Mitglieder des Vereins vertheilt werden. Das
Programm der Jubiläumsfeier wird erst später festgestellt.
Mit Dank gegen die Provinzialverwaltung theilt der Vorstand
mit, dass dieselbe zur Herstellung des mit grossen Kosten verknüpf-
ten Registers einen Beitrag von 400 Mark auf unser Ersuchen be-
willigt hat, wofür wir derselben bereits unsern Dank ausgesprochen
haben. Ein an das K. Cultus-Ministeriura gerichtetes Gesuch um
Bewilligung eines Beitrags für denselben Zweck, ist unter dem
5. Februar 1890 abschlägig beschieden worden.
An den Vereins-Vorstand sind in letzter Zeit von verschie-
denen Seiten Anträge gestellt worden, er möge seinen Einfluss gel-
tend machen zur Erhaltung bedrohter Kunst- und Altcrthumsdenk-
maler des Landes. Dieser Hülferuf betraf den alten romanischen
Zehnthof in Cardcn an der Mosel, eine Kapelle aus dem 10. oder
11. Jahrhundert bei Burgbrohl, zur ehemaligen Probstei Buchholz
gehörig, femer die in der Severikirche zu Boppard entdeckten
2*0 Generalversammlung des Vereins am 26. Juni 1891.
Wandmalereien aus «lern 13. Ihr 16. Jahrhundert nnd endlich den
durch einen Steinhruchhetrieb an einer Stelle bereits zerstörten ger-
maniNchcn Ringwall auf dem Petersberge, im Siebengebirge.
Der Vorstand des Vereines, der auch den Schutz alter Denk-
male des Rheinlandc* als seine Aufgabe und Pflicht betrachtet, hat
in allen diesen Fällen durch Schreiben an das Königl. Olierpräsi-
dinm wie an den Conscrvator der Kunstdenkmäler, Herrn Geh. Rath
I* e r 8 i u s die Mitwirkung der Behörden in Anspruch genommen.
Zum Schlüsse bringe ich noch einen wichtigen Gegenstand zur
Kenntnis» und Beschlussfassung der Generalversammlung. Es han-
delt sich um die Bedingungen, unter welchen der Verein seine
Sammlung dem Provinzialmnscum ül>ergchcn wird.
Unter dem 5. Februar 1891 richtete der Landesdirektor der
Rheinprovinz, Herr Geh. Obcr-Reg.-Rath Klein, folgendes Schrei-
ben an den Vorstand:
Für die Wahl der Stadt Bonn zur Errichtung eines Provinzial-
Museums ist seiner Zeit mit ausschlaggebend gewesen, dass der
Verein sich bereit erklärt hatte, später seine Sammlung von Kunst-
sachen und Altcrthümcm dem Provinzial-Museum zu Bonn zu Über-
weisen. Da das neue Museuiusgchäude an der Cohnantstrasse dort-
selbst der Vollendung entgegengeht und demnächst mit der inneren
Einrichtung desselben begonnen werden wird, so beehre ich mich
Euer Hochwohlgeboren um eine gefällige Mittheilnng darüber er-
gebenst zu bitten, unter welchen Bedingungen die Ueberweisung
der Vereins-Sammlung an das Provinzial-Museum erfolgen soll.
Die unter dem 6. Mär/. 1891 abgesandte Antwort des Vorstan-
des an den Herrn Laudesdirektor lautet:
„Auf die geehrte Zuschrift vom 5. Februar d. giebt der Vor-
stand des Vereins von Altcrthumsfrcunden im Rheinlandc die fol-
gende Erklärung ab:
Die Generalversammlung des Vereins von Alterthumsfrenndcn
im Rheinlandc fasste in Erwiderung auf ein Sehreiben des Kgl.
Obcrpräsidiums der Rheinprovinz vom 9. Juni 1875 bezüglich der
Ueberweisung der Vereins-Sammlung an das Bonner Provinzial-Mu-
seum am 27. Juni 1875 mit allen gegen zwei Stimmen folgenden
Besch luas:
„Die Generalversammlung des Vereins von Alterthumsfreunden
im Rheinlande vom 27. Juni 1875 beßchliesst, unter Vorbehalt des
Eigenthumsrechtes des Vereins und unter den gleichen Bedingungen,
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Generalversammlung des Vereins am 26. Juni 1891.
wie sie von der Universität zu Bonn bezüglich der von dieser zum
gleichen Zwecke abzugebenden Alterthümcr gestellt werden, die
Sammlung von Knnstsachcn und AlterlhUmern, welche sich im Be-
sitze de» Vereins befindet, dem Provinzial-Musenm zu Bonn zu über-
geben. Dem Verein von Altcrthiimsfrcnnden im Rlieinbiiidc hat das
Provinzial-Musenm bei Ucherweisung der Sammlungen künftig aus-
reichende Räume zur Unterbringung und Benutzung der Vercins-
Bibliothek zur Verfügung zu stellen" i vgl. Jahrb. LVII 1870 8.235).
Unter dem 12. Ocloher 1H75 tlieilte das Kgl. Obernräsidium
dem Vereinsvorstande mit, dass der Herr Minister der geistlichen,
Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten die von der Universität
gestellten Bedingungen, welche der Verein sieh zugestanden zu sehen
wünscht, soweit solche auf denselben in Anwendung kommen kön-
nen, angenommen hat.
Des Näheren bezeichnet heute der Vorstand als Bedingungen
und Wünsche bei der Uebergabe seiner AlterthUnicr-Sammlung an
das Provinzial-Museum:
1. Die Vereins-Sammlnng bleibt Eigenthum des Vereins und
die ihr zugehörigen Gegenstände sind, wie es auch schon jetzt der
Fall ist, durch besondere Etiquetten zu bezeichnen.
2. Die freie Benutzung des gesammten Provinzial-Mnseums
zu wissenschaftlichen Zwecken wird dem Vereine gewährleistet,
ebenso der ungehinderte Gebrauch der von dem Vereinsvorstande
verwalteten Vereins-Bibliothek, die in einem besonderen Räume eine
geeignete Aufstellung und Einrichtung finden wird.
3. Der Vereinsvorstand erwartet einen passenden Raum für
seine Sitzungen und die Generalversammlungen des Verein«.
4. Die Sammlungen des Provinzlal-Museums müssen den Ver-
einsmitgliedern an noch zu bestimmenden Tagen und Stunden un-
entgeldlich zugänglich sein.
5. Der Vereinsvorstand wünscht bei der Aufstellung seiner
Sammlung in den Räumen des Provinzial-Musenms zur Mitwirkung
in geeigneter Weise hinzugezogen zu werden.
6. Der Vereinsvorstand setzt voraus, das« das Provinzial-
Museum wie bisher die Kosten der Feuerversicherung der Vereins-
Sammlung und der Bibliothek tragen wird.
Der Vorstand wird bei der nächsten Generalversammlung im
Juni dieses Jahres die Genehmigung der Vereinsmitglieder für diese
seine Erklärung beantragen."
282 Generalversammlung des Vereins am 26. Jnni 1891.
Am 5. Jnni 1891 erhielt der Museum-Direktor Prof. Klein
ein Schreiben des Herrn Landcsdircktors, worin es heisst:
Bezüglich der von der Universität gestellten Bedingungen be-
merke ich ergehenst, das» meines Erachteiis durch das staatlich
genehmigte Reglement über die Verwaltung der Provinzial-Museen,
durch die Zusammensetzung der Museums-Kommission, in welcher
mehrere Uiüversitäts-Professoren als Mitglieder vertreten sind, durch
die demnächst zu erlassende Hesuchs-Ordnung, welche in der Weise
wie diejenige für Trier aufzustellen sein wird, femer durch die
Thatsache, dass in dem demnächst zu eröffnenden Museum dort-
seihst, dessen Ausführung nach Massgabe des Beiner Zeit von dem
Herrn Minister genehmigten Projektes zu erfolgen hat, die nöthigen
Räume zur Aufnahme der in Rede stellenden Sammlungs-Gegenstände
vorgesehen sind, die Interessen der Universität nach allen Richtungen
hin genfigend gewahrt sein dürften. Die Forderung der König].
Universität, ihr auch noch die zu erlassende Besuchs-Ordnung (Re-
glement über die Benutzung des Museums) vor deren Feststellung
zur Prüfung vorzulegen und sonnt diese Besuchs-Ordnung von der
Zustimmung der Universitäts-Verwaltung abhängig zu machen, er-
scheint mir jedoch zu weit zu gehen.
Dasselbe gilt bezüglich der von dem Vorstande des Vereins
von Alterthumsfreunden gestellten Bedingungen, die sich im Wesent-
lichen mit deu Bedingungen der Universität decken.
Indem ich noch eine Abschrift der zur Zeit für Trier gelten-
den Besuchs-Ordnnng hier anschliessc, ersuche ich Eure Hochwohl-
geboren ergebenst, dem Vorsitzenden des Vereins von Alterthums-
freunden, Herrn Prof. Dr. Schaaff hausen die diesseitigen An-
sichten gefälligst kundgeben und mit demselben die Angelegenheit
gefälligst erörtern, resp. darüber verhandeln zu wollen, ob der Ver-
ein geneigt sei, sich den diesseitigen Ansichten anzuschliessen. Von
dem Ergebniss der Besprechung wollen Sie mir gefälligst Mitthei-
lung machen.
Der Landesdirektor der Rheinprovinz:
Klein.
Ich theile auch das Schreiben mit, welches von dem K. Cu-
ratorium der Rhein. Fried rieh- Wilhelms-Uni vereität an den Herrn
Landesdirektor gerichtet worden ist:
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General Versammlung de« Vereins am 26. Juni 1891.
Bonn, 10. Mai 1891.
An
den Landesdirektor der Rheinprovinz,
Herrn Geh. Ober-Regierungsrath Klein.
Euer Hochwohlgeboren beehre ich mich auf das gefällige
Sehreihen vom 5. Februar d. ergebenst Folgendes zu erwidern:
Bereit» unter dem 5. Octoher 1875 ist zwischen der Provin-
zial-Verwaltung und der Universität mit Genehmigung deB Herrn
Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten
ein Abkommen dahin getroffen, das akademische Museum rheinischer
Alterthttiner mit dem Provinzial-Museum zu vereinigen und zwar
unter folgenden Bedingungen:
1. dass die Universität sich das Eigentumsrecht an der zu
Überliefernden Sammlung wahrt;
2. dass die Universität für sieh uud insbesondere für den aka-
demischen Unterricht die freie Benutzung des gesammten
Provinzial-Museums, d. h. nicht blos der seitens der Universität
zugebrachten Sammlung, sondern auch der sonst hinzutreten-
den Sammlungen ohne andere als die bei öffentlichen Insti-
tuten durch die allgemeine Ordnung und das Interesse des
Dienstes unumgänglich gebotenen Beschränkungen beansprucht,
so dass gewisse Ucbungen und Unterrichtsstunden, die bisher
in dem Local der gegenwärtigen akademischen Sammlung
stattfanden, künftig ebenso angesichts der Monumente in
den betreffenden Räumen des Provinzial-Museums stattfinden
können ;
3. dass die Reglements, durch welche zukünftig die Verwaltung
und Benutzung des Provinzial-Museums im einzelnen geordnet
werden soll, vor ihrer Feststellung dem akademischen Senat
vorgelegt werden, damit er prüfen könne, ob die Interessen
der akademischen Studien in genügender Weise gewahrt sind.
Nachdem ich aus Anlass von Euer Hochwohlgeboren gefälligem
Schreiben dem Herrn Minister über den gegenwärtigen Stand der
Angelegenheit Vortrag gehalten, hat derselbe mich beauftragt, Euerer
Hochwohlgeboren die Bereitwilligkeit zur Ueberweisung der akade-
mischen Sammlung auszusprechen und Euere Hochwohlgeboren zu-
gleich zu ersuchen, vor Ausführung der Ueberweisung zunächst das
Einverständnis der Provinzial- Verwaltung mit der Uebernahme der
Sammlung unter den obigen Bedingungen herbeizufuhren.
Generalversammlung des Vereins am 26. Juni 1891.
Hiernach darf ich Euer Hochwohlgchorcn ergebenst ersuchen,
in dieser Beziehung das Erforderliche gefälligst veranlagen und mir
von dem Ergebniss der Verhandlung weitere Mittheilung machen zu
wollen. gez. G a n d t n e r.
Der Vorsitzende ersucht die Generalversammlung, die vom
Voratandc für die demnächstige Ucherweisung der Vcreins-Samm-
lnng an das Provinzial-Mnsenm zu Bonn unter dem 6. Mar/, aufge-
stellten Bedingungen zu genehmigen und den Vorstand zu bevoll-
mächtigen, die endgültige Feststellung des Wortlautes dieser Bedin-
gungen, einschliesslich unwesentlicher Acnderungen oder Znsätze zu
denselben im Interesse des Vereines mit der Provinzial-Vcrwaltung
zu vereinbaren.
Die vom Vorstande aufgestellten Bedingungen werden einstim-
mig genehmigt und die von demselben erbetene Vollmacht einstimmig
bewilligt.
Der Vorstand.
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Die fiOjrthrige Jubelfeier des Vereins von Altcrthnmsfrennden etc. 28ft
Die 50jährige Jubelfeier des Vereins von Alterthumsfreunden
im Rheinlande zu Bonn.
Dieselbe fand am 25. October, Vormittags 10' /, Uhr, in der
Anla der Universität statt. Am Abend vorher war eiue Bewill-
kowmuuug der von auswärts eingetroffenen Festtheilnehmer im Saale
der Lcsegcscllscbaft vorausgegangen. Znr Fcstversammlung hatte
sich eine grosse Zahl von Theilnehineru, daruuter der Cnrator, der
Rector und der Prorector der Universität und viele Mitglieder des
Lehrkörpers, der Bürgermeister Spiritns, seine beiden Amtsvor-
gäuger, viele Mitglieder des Vereins, auch eine stattliche Anzahl
von Dameu eingefunden. Der Vorabende des Vereins, Geheinirath
Sc haaff hausen, eröffnete die Versammlung, indem er die An-
wesenden willkommen hiess und daran erinnerte, dass schon die
jahrliche Wiederkehr des Geburtstages uns anffordere, zurückzu-
blicken, wieviel mehr ein Zeitraum von 60 Jahren, den von 100
Geborenen nur etwa 30 vollenden! Wie Vieles drängt sieb zu-
sammen in dem Leben eines Vereines, in dem Viele zusammen-
wirken für einen etilen Zweck. Da dürfen wir fragen, ob wir der
Gesinnung, die am Tage der Gründung Alle begeisterte, treu geblieben
sind und ob wir mit Befriedigung auf die Ergebnisse mühevoller
Arbeit hinweisen können. Ich sage, wir dürfen fragen, aber wie
Weuige leben noch von denen, die dem Vereine vor 50 Jahren an-
gehörten. Einer der Gründer, Herr Heinrich D ü n t z e r in Köln,
kann sich noch seines Lebens freuen, ist aber durch sein hohes
Alter verhindert, in unserer Mitte zu sein. Wie der Mensch in
seiner Gattung fortlebt, so stirbt auch ein Verein nicht, wenn er
Lebensfähigkeit besitzt und sich stets vergüngt, trotz der Lücken,
die der Tod reisst. Wenn 50 Jahre für jede menschliche Thätig-
keit eine lange Zeit sind, was sind sie aber gegen die Zeit, womit
unsere Forschung, die Altertumswissenschaft sich beschäftigt? Sie
bat die Grenzsteine unseres Wissens bis an den Anfang aller mensch-
lichen Cultur hinausgerückt und giebt uns Rechenschaft über das
Schaffen nnd Denken vergangener Völker, deren Erbschaft das
286 Die. WjÄhrige Jubelfeier des Verein» von Alterthumsfreunden etc.
lebende Geschlecht in Religion, Sitte, Kunst und Wissenschaft an-
getreten hat. Die grossen Fortschritte dieser Wissenschaft sind das
Ergebniss de» Wetteifers aller gesitteten Völker auf diesem Gebiete
der Forschung. Auch unser Verein darf einen Theil dieses Ver-
dienstes für sich in Anspruch nehmen. Seine Hanptthätigkeit hat
der Verein in der Erklärung des klassischen Alterthums gefunden
und ihr erst später das Mittelalter und zuletzt auch die Urgeschichte
hinzugesellt. Es wurde kein wichtiger Fund im rheinischen Boden
gemacht, der in den Jahrbflcheru nicht besprochen worden wäre.
Wohl kann sich das Rheinland nicht mit Italien oder Griechenland
vergleichen, aber die Zahl der für die Cultur- und Kunstgeschichte
wichtigen Denkmale ist eine sehr grosse und Manches darf dem
Besten beigezählt werden, was das Alterthum uns überliefert bat.
Unsere Berge sind gekrönt mit den Steinringen der Vorzeit. Noch
älter sind die Ansiedelungen aus der Renuthierzeit, noch älter die
aus der Zeit des Mammutb und des Moschusochsen. Die Spuren der
Kelten finden sich im ganzen Rheiulaude. Die zahlreichen römischen In-
schriften hat Brambach in seinem Werke Corpus Inscriptionum Rhcna-
uarum 1867 gesammelt. Was Funde und Denkmale betrifft, so erinnere
ich an die Bronzestatue des Amor von Calcar, die das Berliner Museum
ziert, an die kunstvollen Gläser der rheinischen Sammlungen, an
die Lauersforter Phalcrae, an den Goldfund von Waldalgesbeim, an
so viele kleine Bronzen unserer Museen, an die grossartigen Ruinen
der Porta nigra und der römischen Bäder in Trier, an die Skulp-
turen von Neumagen und so vieles Andere. Nicht als Ruinen,
sondern in bester Erhaltung oder Wiederherstellung stehen vor uns die
Dome und Kirchen und wie reich sind die Schatzkammern der-
selben. Haben wir auch diesem Jnbeltage mit einer gewissen Be-
wegung entgegen gesehen, so wollen wir doch auch vertrauensvoll
der zweiten Hälfte des Jahrhunderts entgegen gehen, mit rüstiger
Arbeit zur Ehre des Rheinlandes und zum Nutzen der Wissensehaft.
Hierauf beglückwünschte der Rcctor der Universität, Geheim-
rath Strasburg er den Verein namens des Universität mit
folgenden Worten:
Es fällt mir als zeitigem Rector die Ehre zu, Sie im Auftrage
unserer Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universät zu begrüssen. Es
geschieht dies in demselben Räume, in welchem die Universität
ihre eigenen Feste feiert. So zeigt schon die Wahl des Ortes die
uabeu Beziehungen an, welche zwischen unserer Universität und dem
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Die 60jährige Jubelfeier des Verein» von Alterthumsfreunden etc. 287
Vereine der Rheinischen Alterthumflfreunde bestehen. Davon geben
auch Zeugniss die Namen zahlreicher hervorragender Lehrer unserer
Hochschule, welche zugleich Vorsitzende des Rheinischen Alterthuins-
vereins waren. Ich darf, um nur der Todten zu gedenken, an Namen
wie Welcker und Ritsehl erinnern, mit die klangvollsten Namen, deren
sich unsere Uuiversität zu rühmen hat, Namen, die auch mit golde-
nen Lettern in die Annalen Ihres Vereins eingetragen sind. Docenteu
unserer Hochschule waren es, die vor 50 Jahren den Verein gründe-
ten und in hervorragender Weise haben sich auch Docenten unserer
Hochschule stets an den Arbeiten des Vereins durch Veröffent-
lichungen in den Jahrbüchern desselben und durch Vorträge bei
der Winckelmannfeier betheiligt. Fast alle grundlegenden Arbeiten
für die älteste Vergangenheit der Rheinlande sind den Bemühungen
des Vereins der Rheinischen Alterthumsfreunde zu danken, so dass
derselbe mit Befriedigung auf das vergangene halbe Jahrhundert
seiner Thätigkeit zurückblicken kann. So möge ihm ein erspriess-
licbes Gedeihen auch für alle künftigen Zeiten beschieden sein!
Der Vorsitzende sagte in seinem Danke, dass die Verbindung
des Vereins mit der Universität eiue uothwendige und für beide
vorteilhafte sei, er hoffe, dass sie stets fester geknüpft werde. Es
sei ein wesentlicher Vortheil gewesen, der dem Vereine schon an
seiner Wiege zu statten kam, dass seine drei Gründer, Düntzer,
Lersch und Urlichs junge Docenten dieser Universität waren. Die
Vorsitzenden des Vereins seien mit einer Ausnahme alle Lehrer der
Hochschule gewesen, an der die klassische Philologie und Arehaeo-
logie seit ihrem Ursprung, wie heute noch, in ausgezeichneter Weise
vertreten war. Welcker und Jahn schufen in dem Kunstmuseum
eine Sammlung der besten Kuustwerke des Alterthums in Abgüssen,
wie sie keine andere deutsche Universität als Lehrmittel aufweisen kann.
Herr Bürgermeister Spiritus überbrachte die Glückwünsche
der Stadt Bonn. Die Ziele und Bestrehungen der modernen Städte
seien sehr verschieden von den Zwecken, die der Verein verfolge.
Das heutige Städteleben stehe uuter dem Zeichen des Dampfes und
der Electricität. Wir graben nnter der Erde zur Herstellung von
Kanälen, zur Leitung von Gas, Wasser und Telegraph, wir sucheu
Uber der Erde Luft und Licht zu schaffen, enge und ungesunde
Verhältnisse zn beseitigen im Interesse des Verkehrs und der Ge-
sundheitspflege. Da schwindet manches Alte und Ehrwürdige als
ein Opfer der neuen Richtung der Zeit. Hier, meine Herren, greifen
2H8 Di«' 50jilhrige Jubelfeier des Vereins von Atterthumsfreunden etc.
Sie erhaltend und rettend ein. In Wort, Schrift und Sammlung er-
halten Sie die Verbindung der Vergangenheit mit der rasch leben-
den Gegenwart und bewahren, was uns Grosse* von den Altvordern
überkommen ist vor Untergang und Vergessenheit. Erhebt sieh doch
in der Neustadt Bonn'» der Prachtbau des Provinzinlmuscums, dessen
reiche Sammlung vorwiegend den Bemühungen de« Vereins zu danken
ist. Die Bürgerschaft Bonu s nimmt innigen Antheil an dem heuti-
gen Jubel tage und hält sich für berechtigt, den Ehrentag des
Vereins mitzufeiern , der öO Jahre lang seinen Sit/, und den
Mittelpunkt seiner Wirksamkeit in Bonn gehabt hat und seine
Mitglieder alljährlich hier versammelt. Ich lade die auswärtigen
Gäste zur häutigen Wiederkehr au den alten Wohnsitz der Wissen-
schaft ein, wo die ewig junge Mutter Natur ihre Gaben so ver-
schwenderisch ausgebreitet hat und mit jedem neuen Lenze die alte
Frühlingspracht der Rheinlandschaft wiederkehrt. — Der Vorsitzende
dankt dem Vertreter der Stadt für seine freundliche Begrttssnng.
Dass der Verein in Bonn seinen Sitz genommen, sei nicht allein
durch die Universität veranlasst, sondern auch durch die Oertlich-
keit. Wenn hier am Rheiu sich schon früh die Liebe zur Alter-
thumsforschung entwickelte und der Sinn für Sammlung von Alter-
thüinern geweckt wurde, so lag das unzweifelhaft in dem Umstände,
dass das Rheinland eiueu Reiehtbum geschichtlicher Deukinale be-
sitzt, wie kein anderer deutscher (iau. Wo der Spaten in die Erde
gräbt, stossen wir auf altes Gemäuer und der Ackercr auf dem Felde
hebt hinter dem Pfluge die römischen Münzen auf, auf denen, wenn
auch die Legende nicht mehr lesbar ist, unser Gymnasiast schon
an dem Gesichte den römischen Kaiser erkennt. Ich habe es
selbst erlebt, dass man hier in Bonn vor 50 Jahren, weun man dem
Rheine entlang am Castrum vorbei ging, mit dem Spazierstocke
aus dem ansteigenden Ufer Sigillatascherbeu , römische Gläser,
Münzen und Anderes herausgrub. Diese ganze Gegend ist ein römi-
scher Schutthaufeu und alle Heerstrassen Bonn s sind römische
Gräberstrassen. Darum gab es hier auch frühe schon berühmte
Sammlungen, wie die des Canonicns Pick, die von Göthe erwähnt
wird und später die berühmtere der Frau Sibylla Mertens-SchaatT-
hansen, die leider iu alle Welt zerstreut wurde. Wieseler sagt
allein von der Gemmensanuulung, dass sie die Ijedeutendstc war,
die iu Deutschland je bestanden hat. Möge Bonn immer ein er-
giebiger Boden für unsere Forschung sein, möge aber auch die
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Die 50 jährige. Jubelfeier des Vereins von Altcrthunisfreuiiden etc. 289
Stadt uud ihre Behörde uns immer gewogen bleiben. Ich niuss
dankend erwähnen, da«» die .Stadt dem Vereine Jahre lang städti-
sche Räume zur Aufstellung seiner Sammlungen ül>erlasscu hat.
Der Verein ist keine staatliche Schöpfung, er ist keine gelehrte
Gesellschaft, er ist dem rheinischeu Boden entsprossen und hat
sich, um seine volkstümliche Richtung zu bezeichnen, einen Verein
von Altcrthumsfreunden genannt, auf deren Hülfe er angewiesen ist.
Geheimrath Hüffer beglUck wünschte den Verein als Vor-
sitzender des historischeu Vereins für den Niederrhein. Er sagte:
Als Pro-Rector der Universität bin ich vom akademischen Senat
beauftragt, in Gemeinschaft mit Sr. Magnificenz dem Vereine von
Alturthumsfreunden im Rheinlaude den Festgruss und die Wünsche
der Universität zu Uberbringen. Der Herr Rector hat alles, was
dabei zu sagen wäre, so vollkommen zum Ausdruck gebracht, ilass
ich nichts hinzuzufügen habe. Aber als Vorsitzender des histori-
schen Vereins für den Niederrhein bitte ich mir noch einige Worte
zu gestatten. Wenn man, wie es in unserer Zeit so häulig geschieht,
den 70. oder sogar den (50. Geburtstag eines Mannes feiert, so haben
daran die Zeit und das Wohlwollen der Befreundeten zuweilen
grösseren Antheil als das Verdienst des Gefeierten. Aber wenn
ein Verein, der nur durch seinen wissenschaftlichen Zweck zu
sammengehalten wird, ein halbes Jahrhundert überdauert, so wird
dadurch ein Doppeltes erwiesen : zuerst, dass der Zweck des Ver-
eins in der That ein bedeutender und würdiger ist , sodann dass
die Leiter des Vereins diesen Zweck wirksam und geschickt zu
fördern verstehen. In doppelter Weise dürfen wir also dem Verein
von Alterthuinsfrenudeu Glück wünschen. Wer die Fortschritte der
Alterthumswissenschaft in den Rbeiulauden während der letzten
ÖO Jahre sich vergegenwärtigt, findet den Verein in eifriger und
besonnener Thütigkcit dabei betheiligt. Der Verein bat , wie es
recht eigentlich die Aufgabe solcher Genossenschaften ist, Neigung
uud Interesse für das Alterthum und dadurch die Kemitniss des-
selben iu immer weiteren Kreisen verbreitet; dafür zeugen die i>»)
stattlichen Bände seiner Zeitschrift, die reich ausgestatteten Fest-
schriften, dafür zeugt die wachsende Zahl seiner Mitglieder, die
Theilnahme, welche an jedem Wiuckclmannsfeste, welche am heutigen
Tage sich kundgiebt. Er hat aber auch unmittelbar um die Alter-
tbüuier sich verdient gemacht, indem er werthvolle Hauten vor Ver-
nachlässigung und Zerstörung bewahrte und schou iu früher Zeit
Jahrb. il. Vcr. v. AlurOi-IV. im Kheinl. XCII. ]«J
290 Dir SOjlllirige Jubelfeier de.« Vereins von Altcrthumsfrouuclon efr.
eine Sammlung anlegte, die, wie sie den Gedanken des Provinzial-
Musemiis angeregt hat, jetzt auch den wesentlichsten Theil seiner
Schütze hildet. Er arbeitete dabei freilich durchaus für seine eigensten
Interessen. Denn seine wissenschaftliche Aufgabe besteht ja dann,
durch die Kenntniss und das richtige Verständnis* der Denkmäler
zu einer sichern Grundlage des Studiums und einer deutlichen An-
schauung des antiken Lebens zu gelangen , hauptsächlich , aber
nicht ausschliesslich , des antiken Lebens. Der vielseitigen Be-
gabung des Präsidenten und hervorragender Vorstandsmitglieder
verdanken wir, dass der Vorein seine Untersuchungen auch auf die
Denkmäler einer vorgeschichtlichen Zeit und des Mittelalters, also
zugleich nach vorwärts und rückwärts ausdehnt mit glücklichem
Erfolg und gewiss dem lebhaften Wunsch vieler Vereinsmitglieder
entsprechend. Ucherhlicken wir nun diese emsige , fruchtbare
Thätigkcit, so werden wir mit freudiger Anerkennung uns bewusst,
dass der Verein rheinischer Alterthumsfrounde, der im Alter allen
wissenschaftlichen Vereinen dieses rheinischen Landes voransteht,
auch durch glückliche Erfolge und zielbewußte Leitung allen ein
leuchtendes Vorbild geworden ist. So gereicht es mir zur besondere^
Freude, als Vertreter des im Alter ihm nächststeheuden Vereins hier
zuerst aussprechen zu dürfen, was gewiss alle ebenso lebhaft fühlen:
den Wunsch, dass der Verein von Alterthumsfrcundeii fort und fort,
wie er an Jahren zunimmt, auch zunehmen möge an Wissenschaft,
Weisheit und Wirksamkeit und an Gnade, (Jnnst und Ehre vor den
Bewohnen) unserer rheinischen Heimath und unseres deutschen
Vaterlandes. Möge er, dessen Art es nicht ist, die Dinge halb zu
thuii, das halbe Jahrhundert seiner Existenz durch andere frt) glück-
liche Jahre vervollständigen. Mögen dann nach Ablauf eines vollen
Säkulums die Wünsche, die wir heute aussprechen, um so freudiger
in diesem Saale erneuten Ansdnick finden!
Für den Düsseldorfer Geschichtsverein sprach hierauf Herr
Dr. Bone: Gestatten Sie auch einem der jüngsten Naehbarvereine,
welcher dem ;">o jährigen Bestehen erst ein 10jährige» entgegen-
stellen kann, dem erfahrenen älteren Genossen an seinem Ehrentage
mit glückwünschender Begrüssung zu nahen. Mit besonderer Freude
habe ich deu ehrenden Auftrag übernommen, diesen Glückwünschen
hier Ausdruck zu geben, indem ich so zugleich meine persönliche
Antheilnahme an «lern heutigen Feste um so nachdrucks voller zeigen
kann. Glaube ich doch ganz besonders eingehend und umfassend
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Dir nOjährige Jubelfeier des Voreins von Altcrthumsfreunden etc. 201
(Üb Wirken des .Jubelvereins in seinem Vereinsorgane würdigen ge-
lernt zu haben, indem ich es bereits zum /weiten Male unternahm,
den Vereinsinitgliedcrn gleichsam einen Schlüssel zu den Schützen
der Jahrbücher zn überreichen. Da wurde mir vielfach Gelegen-
heit, die starke nnd lebensvolle Fortentwiekclung wahrzunehmen,
sowohl in sachlicher Beziehung, als namentlich auch hinsichtlich
der Bchandlungswcise. In erfreulichem Maassc schwinden subjective
Erwägungen und das Hereinziehen der entlegensten Dinge in
wuchernden Anmerkuugeii ; in vertrauenerweckender Klarheit zeigt
»ich mehr und mehr, dass die Feder des Schreibenden aus dem
Spaten des Suchenden und Beobachtenden geschmiedet ist, und dass
die Genialität der Coinbination durch den Zügel gewissenhafter
und unbefangener Beobachtung nicht geknechtet wird. Ks hat sich
ferner in wachsendem Maassc gezeigt, dass der Verein bei aller
Energie, die er dem Xäehstgclegencn zuwendet, seine Augen auch
für das Ferne und Fernste offen hält, wohl wissend, welch' leben-
dige und feste Fäden auch für ihn Raum und Zeit durchziehen.
Mag auch verschiedentlich die Meinung hervortreten, es dürften die
engen Grenzen der Provinz nicht überschritten, es dürften nur
wenige nnd sehr bestimmte Arten von Gegenständen zur Darstellung
gebracht werden, so gereicht es dem Vereine und seinem Vorstande
zur doppelten Ehre, dass er den erkannten Weg* nicht vcrlässt und
in den Abhandlungen, in der Bücherschau, in den Sitzungsberichten
— ich nenne namentlich die unschätzbaren Berichte über die An-
thropohigeu - Versammlungen — seine Mitglieder über möglichst
Vieles belehrt , was der Erforschung und dein Verständniss des
Nähcrgelegcnen so oder so dienlich werden kann. Dieser Blick
ins Weite hat den Blick für die Nähe nicht geschwächt, hat
namentlich eine Conccntratiou auf gewisse Hauptpunkte niclrt ge-
hindert. Schauen Sie in dem neuen Registerhunde, der in wenigen
Wochen in Ihrer Aller Hände sein wird, auf das Inschriftlichc und
auf die Römerstrassen. so werden Sie beim Vergleiche den Unter-
schied gegen den Inhalt der ersten l>0 Hefte mit leiblichem Auge
sehen. Eine wiche zusammenfassende Aufmerksamkeit ist bei der
Unerachöpflichkcit so zahlloser Eiuzclforschungcn eine wahre Forde-
rung unserer Zeit und es ist etwas Vortreffliches, dass die Vercins-
leitnng dieser Forderung in so geschickter Weise gerecht wird.
Unbeirrt, mit offenem Auge für das Ferne wie für das Nahe, ziel-
bewusst so schreitet der gereifte Manu durch seinen Wirknngs-
292 Die 50jährige Jubelfeier de» Vereins von Altertliumsfrennden etc.
kreis, gleicht er Homer'» erfahrenen Berathern, die vorwärts und
rückwärt* schauen, nein Selbstgefühl Iiiudert ihn nicht, nuch der
Andern Thun zu würdigen und verleitet ihn nicht zu glauben, wer
Vieles vermöge, müsse Alles allein thini und der Verdienstvolle
müsse Alles Fremde für nichts lichten.
< Sieht es doch auch räumliche Bezirke — und der Kreis Düssel-
dorf mit seiner östlichen Nachbarschaft gehört wenigstens vor der
Hand in hohem Maasse dazu — Bezirke, welche das Auge des
Forschers weniger verlockend auf sich ziehen, wo der Historiker
im eugern Sinne des Wortes mehr Stoff und Anregung findet, als
der Archäologe mit Spaten und Zollstab. Auch diese Gebiete
werden mit geringen Ausnahmen von kleineren und grösseren Lokal-
vereinen bearbeitet, die freilich nur zum geringsten Theile in der
Lage sind, ein besonderes Vereinsorgan zu besitzen. Der Ausbau
einer lebendigen, sich nicht auf Austausch der Vereinsschriften be-
schränkenden, noch weniger die Selbstständigkeit der einzelneu
gefährdenden Verbindung mit diesen und unter diesen könnte eine
aussichtsvolle Aufgalre aller Bcthoiligten bilden und würde ganz
gewiss fördernd wirken. Der (.5 esainmt verein der deutschen Alter-
tbumsvercine, dessen Schwerpunkt doch immer stark nach Osten
fällt, kauu für uns hier nicht genügen. Die Grenzen müssten weit
enger gezogen sein, ohne sich jedoch an jetzt bestehende politische
Grenzen zu binden. Jedenfalls müssten diese Grenzen das ganze
Gebiet umschlicssen, in welchem die Uebcrzahl der Mitglieder des
Vereins von Alterthumsfreunden im Kheiulaude wohnt; das Gebiet,
aus welchem heute vorzugsweise die Festgeuossen uud Glück-
wünsche zusammenströmen und zn welchem sich gerne rechnend
auch unser Düsseldorfer Verein heute hier nicht fehlt, sondern seine
freundschaftlichen und aufrichtigen Glückwünsche bringt, Glück-
wünsche für die Vergangenheit, auf welche der Verein als eiue
bedeutsame zurückblicken darf, mag er der überwundenen Schwierig-
keiten oder der errungenen Erfolge gedenken, Glückwünsche für
die Zukunft, dass sie der Vergangenheit entsprechend sich gestalten
und neidlose Anerkennung nicht nur bei den Alterthumsfreunden
im K heinlande, sondern allerwärts finden möge. Dieser Zukunft
möge der Jubel-Verein in freundschaftlichem Gesammtwirken mit
den grössten wie den kleinsten Brudervcreineu um so vertrauens-
voller entgegen gehen, je unerschöpflicher seine Aufgaben im
Grossen wie im Kleinen sind, wo immer der Spaten angesetzt uud
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Die öOjÄhriRC Jubelfpier dos Vereins von Alterthumsfreundon etr. 2S»3
da« Licht der unbefangenen wissenschaftlichen Betrachtung an-
gezündet wird.
Hierauf redeten noch Herr Dr. Wecke Hin für den Verein in
Worms nnd Dr. Knickcnberg für den in Hohenzollcrn. Beide
sprachen mit höchster Anerkennung von den Verdiensten der Jahr-
bücher um die rheinische Alterthuuisforschung.
Der Vorsitzende theilt hieranf mit, dasa durch verbindliehe
Schreiben verschiedene Ehrengäste nnd Ehrenmitglieder ihr Be-
dauern ausgesprochen hätten, der Feier nicht beiwohnen zu können,
so der Oultnsminister Graf Zedlitz-Trützschler, der Fürst zu Wied,
der Prinz zu Sehaumburg-Lippe, der Minister von Berlepsch, der Erz-
hischof Krementz, Oberpräsident Nasse, der commandirende General
von Loe\ Freiherr von Solemacher-Antweiler, Landesdireetor Klein,
die Geh. Räthe Seitöne, Greift", Althoff, die Herren Asbach, Haug,
Mehlis n. A. Se. Exe. Herr Oberpräsident Nasse schreibt, da«» er
lebhaft bedauere, verhindert zu sein, an der Feier eineB Vereins
Theil zu nehmen, der sich dnreh Erweckung des Interesses uud
Verständnisses für die Geschichte des Rheinlandes und die Erhal-
tung seiner Kunst- und geschichtlichen Denkmäler in weiten Kreisen
nm Wissenschaft und Heimathslicbc gleich verdieut gemacht hat nnd
dessen Mitglieder-Vcrzeichniss seit vielen Jahren so viele berühmte
Namen zieren. Wegen hohen Alters oder Unwohlsein haben ihre Theil-
nahme versagen müssen: der noch lebende Gründer des Vereins,
Heinrieh Düntzer in Köln, Lindensehmit in Mainz, von Cohausen in
Wiesbaden, Leenjans in Leiden, Wieseler in Göttingen, der dem
Vereine von seinem Anfang au angehört, von Veith in Bonn. Die
Herren Düntzer, Lindensehmit und Leemans haben in ausführlichen
Schreiben dem Vereine ihre Anerkennung ausgesprochen. Der Fcst-
gruss des Herrn Düntzer lautet wie folgt:
Zum goldenen Ehrentage
des Vereins von Alterthumsfrenden im Rheinlande
zn Bonn.
Hochverehrter Herr Präsident!
Sie wissen, wie schmerzlich es mich rührt, dass ich Ihren nnd
des verehrten Vorstandes so ehrenvollen wie dringend herzlichen
Einladungen ans Gesundheitsgründen nicht folgen darf, nur im
Geiste am Jubelfeste des mit meinem Leben verwachsenen Vereine«
anwesend zn sein vermag. Lassen Sie mich wenigstens eigenhän-
dig meinem aufrichtigen Herzenswünsche für seine, unter der Gunst
2fll Di«- ;V\jtthris»' JuWllHor fies Vereins von Ahn thiiiiiHln uii'im etc.
der Verhältnisse gedeihende Fortentwicklung Worte geben und
iiiolit als ein würdiges Pfand meiner Verehrung, sondern als ge-
ringes Zeichen treuer Anhänglichkeit mein eben ausgegebenes Bueh :
„Zur Götheforsehnng" bescheiden darbringen. Einen guten Theil
meines Lebens hat mich neben dem altklassischen Lelien und der
römischen Vor/eit des Rhcinlamlcs die Förderung der Erkenntnis«*
des unsterblichen deutsehen Dichters, des edlen Mannes und grossen
Geistes beschäftigt, den das Rheinland als den Seiingen in Anspruch
nehmen darf. Zwar streift unter den mannigfaltigen Aufsätzen
meines Buches nur der zweite das Gebiet unseres Vereines, da er
den reisenden Mann als leidenschaftlichen Verehrer und Sammler
der Antiken zeigt; aber den Zwecken der Alterthimisvereine hat
Frankfurts grösster Sohn nicht fern gestanden. Schon in den ge-
spanntesten Zeiten, als er dem unseligen Fehlzuge in die Cham-
pagne folgen musste, hat er dem Igeler Denkmale und den Alter-
thnmeru Triers lebhafte Thcilnahme zugewandt. Als endlich der
Rhein von den Deutschland verheerenden Armeen des Weiteroberere
befreit war. galt es ihm im Verein mit dem grossen Stein in den
so lange verwahrlosten Rheinlandcn Kunst- und Wissenschalt vor-
sorgend zu heben und besonders für die Wahrung der vorhandenen
Schätze in Sammlungen zu sorgen. leider drang seine Stimme
liei den hohem Behörden, die sie in Anspruch genommen, nicht
durch, aber seine vor zwei Mcnsehcnaltcrn erschienene Beschreibung
der Rheinreise war der begeisterte Vorläufer aller Kunst- und
Alterthumsvereinc in Westdeutschland. Er sah damals die Alter-
thtimssammlungen in Köln, Bonn, Neuwied, Coblenz und Mainz und
suchte mit Heist und Wärme für sie zu wirken, besonders für die
römischen Alterthümer, für die der Fcstungsban in Köln, die Auf-
grabungen in Neuwied, Mainz und sonst eine reiche Ernte ver-
sprachen. Er selbst suchte manches von römischen Funden durch
Freunde, Freundinnen und Händler zu gewinnen und das Göthe-
haus in Weimar zeigt manche (beflisse. Schalen, Lampen und Ziegel,
die von Köln. Mainz, Castell und Heddernheim stammen. Aber
auch germanischen Altcrthtlmern schenkte er seine Aufmerksamkeit,
er seihst schrieb über die Köstritzer Funde, gab eine stattliche
Ausgabe der Hcilsberger Inschrift und suchte «las Rätheel der
Externsteine zu lösen. Wie er .ein wahres Sammlertalent war,
brachte er eine Sammlung von Münzen aller Zeiten und Länder
zusammen und wirkte mit seinem Freunde Meyer erfolgreich für
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Die 50 jährige .lulielteier <le,s Vereins von AltcithutiislYeundeu ete. L»Of>
die Münzkunde. Ein Plan einer fie»cll>*ehjift für deutsche Geschichte
und Sprache wurde reiflich von ihm erwogen und wenn er auch
der daraus hervorgegangenen Gesellschaft für ältere deutsehe Ge-
schichte, welche Gründerin der Monunienta Gcnnaniae wurde, nicht als
Mitarbeiter angehören konnte, 1*0 ernannte ihn diese doch auf
Steins Antrag an seinem siebzigsten Geburtstage zu ihrem Ehren-
mitgliede.
Darf mau an Weihetagen gute Geister anrufen, so gehört der
ewig junge Alte von Weimar zu den besten, da sein Geist und
Herz für jedes der Menschheit würdige, nicht auf Eitelkeit hinaus-
laufende, sondern ernsttbätige Unternehmen war, und so kann auch
unser Verein seiner, wie eine» Schutzheiligen gedenken. Xoch an
seinem Jubeltage hat der Greis an den damals begonnenen Fresco-
malereien der Aula, in welcher der Verein seine Festsitzung hält,
mit Jünglingswänne Antheil genommen und so darf in ihr auch
seiner mit verdienten Ehren gedacht werden. Er ist einer unserer
hohen Ahnen, die Uber jedem mit deutschem Ernste begonnenen
und durchgeführten Werke vereinter Kraft und Liebe segnend
schweben. Wie er besonders rheinisches Feuer und rheinische
Treuherzigkeit ehrte, das hat er vor Allem an einem der begabte-
sten Sühne Kölns, dessen letzter Jahre sich Bonn erfreute, an Snl-
piz lioisseree bewiesen. Heute möge es mir vergönnt sein, als
anspruchloses Zeichen meiner Festfreude eine seiner Erkenntnis»
gewidmete Schrift darzubringen mit dem Wunsche, dass der Verein,
seiner Vergangenheit würdig, blühe und gedeihe und unsern Nach-
kommen es beschieden sein möge, dasselbe Fest noch oft in gleich
frohem Bewusstsein gedeihlichen Zusammenwirkens zu einem mensch-
lich scliönen, echt vaterländischen Zwecke zu feiern. Aus vollem
Herzen Ihr und des Vorstandes dankbar verbundener
Heinrich Düntzer.
Von 2f> Vereinen und Gesellschaften sind Adressen und Tele-
gramme eingelaufen , darunter sind Glückwünsche aus Holland,
Belgien, Schweden, Russland, Böhmen.
Es sind die folgenden :
Die Gesellschaft für Rheinische Gcsehichtskundc in Köln.
Der Aachener Gcschiehts-Vereiu.
Die Gesellschaft für nützliche Forschungen in Trier.
Der Verein für nassanische Alterthumskunde und Geschichts-
forschung in Wiesbaden.
20fi Die AO jährige Jubelfeier <te.s Vereins von AUerthumsfreunden etc.
Der Hanauer Geschichtsverein.
Die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und
Urgeschichte.
Der Verein für die Geschichte Berlins.
Der Mannheimer Alterthumsverein.
Der historische Verein von Utiterfrankcn und AsrhafTcnhurg.
Das Germanische National-Museum in Nürnberg.
Der Geschieht*- und Alterthumsverein zu Leipzig.
Der Verein für thüringische Geschichte und Alterthumskunde.
Der königl. sächsische Altert humsverein in Dresden.
Der historische Verein für Xicdersachsen.
Der Verein für Rttgisch-Pommersehc Geschichte.
Die historische Gesellschaft für die Provinz Posen.
Die Württenibergischc anthropologische Gesellschaft.
Die Oesellschaft für Salzhnrger Landeskunde.
Der Wiener Alterthumsverein.
Der Münchener Alterthumsverein.
Der historische Verein von Oberhaycrn.
Der Verein für Geschichte der Deutschen in Böhmen.
Die Societe d'Areheologic in Brüssel.
Das nordische Museum in Stockholm.
Die gelehrte esthnische Gesellschaft.
Der Verein für sichenbürgischc Landeskunde.
Frau Geheimrfithin von Urlichs sandte als Geschenk die
Photographie ihres veretorhenen Mannes. Dr. Urlichs, Dünt/.er,
Wiesner, Deppe schenkten neu erschienene Schriften, Breitner das
wie ein römisches Buch in Rollen gebundene Gedicht : Vindobona's Rose.
Der Vorsitzende stattete Allen für die dem Vereine heute in so
ehrender und mannigfaltiger Weise ausgesprochenen Glückwünsche
den wärmsten und lebhaftesten Dank ab und sagte, ho viel Lob
und Anerkennung erscheine dem Vorstande als ein ercpiiekender
Lohn für manche Mühe, die ihm nicht erspart bleibe, sie würden
ihm und rlem ganzen Vereine ein Sporn sein , sich der ihm dar-
gebrachten Hochachtung stets würdiger zu zeigen. Wenn wir bei
der heutigen Feier zuerst der Gründer des Vereins ehrend ge-
dächten, so nidssten wir uns auch an alle Die dankbar erinnern,
die sich seit seinem Beginne an seiner wissenschaftlichen Arbeit
betheiligt haben. Er könne die lange Reihe der Namen nicht
aufzählen, die Jahrbücher und die Winckelmannshefte gäben Aus-
Die. 50 j«hrige Jubelfeier des Vereins von Alterthumsfreunden etc. 297
knnft darüber; viele dieser Mitarbeiter waren oder seien noch
Zierden der deutschen Alterthnmsforechung. Der Vorstand habe
in der Festschrift, die er seinen Mitgliedern zu dieser Feier Uber-
reicht, die verschiedenen Richtungen der arehaeologischen Forschung,
mit Ausschluss des Mittelalters, zum Ausdruck bringen wollen. Er
bittet, diese Gabe freundlich entgegenzunehmen. Der Vorsitzende
macht dann folgende Mittheilung: Ich habe noch eine angenehme
Pflicht zu erfüllen. Es ist der Dank gegen die Königliche Staats-
regiernng und die Provinzial-Venvaltung. Heide haben unsem Be-
strebungen stets wohlwollend zur Seite gestanden und haben den-
selben mehrfach ihre Hülfe zu Theil werden lassen, wenn wir sie in
Ansprach nahmen. Der glänzendste Beweis dafür ist die Grttndnng der
Provinzial-Muscen in Bonn und Trier. Der Vorschlag dazu ist von
unserem Vereine ausgegangen, dem ein Raum fehlte zur würdigen
Aufstellung seiner Sammlungen. Schon im Jahre 1870 fanden Be-
rathungen des Vorstandes mit den Behörden statt. In der Vor-
stands-Sitzung vom 1. Juni 1870 theilte der I. Secretär des Ver-
eins, Dr. aus 'in Weerth, mit, dass er auf Veranlassung des Herrn
Ministerg von Mtthler eine Denkschrift abgefasst habe Über die
Oonservimng der Denkmale im Rheinland und die Anlage eines
Provinzialmuseums; Freiherr von Diergardt habe 1000 Thaler zu
Ankäufen von Altcrthttmern fttr dasselbe geschenkt. Am 24. October
1872 wird beschlossen, den Herrn Stadtbanmcistcr vonNocl zur Aus-
arbeitung eines Planes für den Museumsbau aufzufordern. Die
eifrigen und erfolgreichen Bemühnngen meines Vorgängers im Prä-
sidium des Vereins, des Herrn Professor aus'm Weerth, um das Zu-
standekommen der Provinzial- Museen verdienen rühmliche Erwäh-
nung. Erst nach der Gründung der Rheinischen Museen im Jahre
1874 erhielten anch andere Provinzen vom Staate unterstützte
Provinzial-Museen. In letzter Zeit haben die Herren Minister von
Gossler und von Puttkamer auch dadurch dem Vereine eine wirk-
same Hülfe geleistet, dass sie ihren Einflnss fttr die Verbreitung
unserer Jahrbücher bei den höheren Lehranstalten und den land-
räthlichen Kreisen geltend gemacht haben.
Unser Verein hat schon frühe Theil genommen an den Be-
strebungen, dem gewinnsüchtigen Handel mit Alterthumern des
Landes und dem unbefugten Gräberraub ein Ende zu machen. Auf
fiskalischem Boden und auf Gemeinde-Eigenthnm stehende Denkmale
sind in Folge dessen durch neue Verordnungen der Staatsregierung
•208 Die 50 jftliri<re Jubelfeier «li-.s Vcreiui» von Altert tiumsf'reuiirien etc.
geschützt. Es fehlen aber noch zwei Gesetze, die das Privatcigcn-
thnm im Interesse der Altcrthumsforsehung beschränken. Nur ein
kühner Griff wird nie in's Leben einführen können. Es muss ein
Verbot erlassen werden freien die Ausfuhr der im Hoden des Lande»
gefundenen Altcrthflmcr und es muss eine Anzahl solcher Denkmale
bezeichnet werden, die als National-Eigenthum zu betrachten sind
und nicht zerstört werden dürfen. Mit dem wärmsten Danke, für
Alles, was die Königliche Staatsregicrung und die Provin/ial-Vcr-
waltung bisher zur Förderung unserer Arbeiten gethau haben, ver-
binden wir den lebhaften Wunsch, dass sie dem Vereine auch ferner
ihren Schutz und ihre Hülfe mögeu angedeihen lassen.
Hierauf erstattete der I. Soeretär des Vereins. Herr van
Vleuten, einen Berieht über die Thätigkeit des Vereins von dessen
Gründung an. Bei der zahlreich besuchten Versammlung von Philologen
nnd Schulmännern, die im Herbste 1841 in Bonn stattfand, ent-
schlossen sieh die drei Docenteu Heinrich Düntzer, Laurenz Lerseh
und Carl Ludwig Urlichs einen Verein zu gründen, der es sieh zur
Aufgabe stellte, für die Erhaltung, Bekanntmachung und Erklärung
antiker Monumente aller Art in dem Stromgebiete des Rheines und
seiner Nebenflüsse von den Alpen bis zum Meere Sorge zu
tragen, ein lebhaftes Interesse dafür zu verbreiten und, so viel als
möglieh, diese Monumente aus ihrer Vereinzelung in öffentliche
Sammlungen zu versetzen. Nachdem Dr. Urlichs in einer der Ver-
sammlungen diese Anregung ausgesprochen, vereinigten sich am
1. October 1841 24 Theilnehmer des Cougresses im kleinen Saale
der Lese- und Erholungs-Gesellschaft, um einen solchen Verein unter
dem Namen: Verein von Alterthnmsfreundcu im Rheinlandc zu
gründen, die Statuten zu entwerfen und den ersten Vorstand zu
wählen. Diese Gründer waren die folgenden:
Professor Dr. Ritsehl in Bonn.
Professor Dr. Böcking in Bonn.
Professor Dr. Schopen in Bonn.
Professor Dr. Roulez in Gent.
Oherlehrer Pütz in Düren.
Dr. Urlichs in Bonn.
Oberlehrer Remaely in Bonn.
Oberlehrer Klein in Mainz.
Lehrer Ditges in Neuss.
Dr. Krosch in Bonn.
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Die 50 jährige Jubelfeier des Vereins von Alterthunisfreunricn etc. 299
Director Klein in Cohleuz.
Professor Dr. Halm in Speier.
Dr. Dttntzcr in Bonn.
Professor Dr. Fiedler in Wesel.
Oberetudieurath Dilkey in Dannstadt.
Dr. Hilgers in Bonn.
Oberlehrer Dillcnbnrgcr in Aachen.
Oberlehrer Pieler in Arnsberg.
Dr. Meyer in Zürich.
Professor Dr. Vischer in Basel.
Dr. Israeli in Bonn.
Baron d' Estorf in Paris.
Rector Dr. Rein in Crefeld.
♦
Dr. Menn in Düsseldorf.
In dieser ersten Versammlung wnrde /.um Präsidenten Prof.
Dr. Ritsehl, zum I. redig. Seeretär Dr. (Irlichs, /.um II. Dr. Lcrsch,
zum Archivar Prof. Dr. Schonen, zum Rechnungsführer Dr. Düntzer
gewählt. Im Jnni 1842 bei Ausgabe de* ersten Heftes seiner
Jahrbücher hatte der Verein bereit« 116 Mitglieder. Schon in dieser
ersten Pnblication sehen wir zwei Gesichtspunkte beobachtet, welche
für die Folge die leitenden Motive für die litterarische Thätigkeit
des Vereins abgeben sollten. Man wollte erstens dem Forscher
durchaus zuverlässiges Material zum weiteren Studium bieten, dann
aber wollte man durch mehr anregende Beiträge die Liebe zur
Archäologie und zu den nns erhaltenen Zcugeu einer grossen Ver-
gangenheit in weiteren Kreisen verbreiten. Iu der ersten Zeit der
Vereinsthätigkeit luusstcn manche Ansichten und Kenntnisse, welche
heute Gemeingut aller Gebildeten geworden sind, mit mühevoller
Arbeit erst grossgezogen nnd festgestellt werden. Dieser Wirksam-
keit des Vereins ist zum Theil das rasche Wachsen mehrerer grosser
Privatsammlungen in unserer nächsten Umgebung zuzuschreiben,
von denen einzelne einen europäischen Ruf erlangten. Wenn auch
der ideale Zustand der ist, datw jedes wichtige Fnndstück in eine
Öffentliche Sammlung verpflanzt werde, wo es Allen zugänglich ist,
so hat doch die Privatsammtung vor dem Kunsthandel den grossen
Vorzug, dass der gewissenhafte Sammler dem Fundbericht weit
grössere Beachtung schenkt als der Händler, der denselben zu oft
verdunkelt, um grösseren Vortheil aus der Erwerbung zu ziehen
oder um die Bezugsquellen den Concurrenten zu verheimlichen. Der
300 Dil« 50 jährige Jubelfeier dos Verein« von Altertluunsfreunden etc.
Fnndhericht muss an geeigneter Stelle niedergeschrieben werden.
Darauf gründet sich die Sicherheit unserer Altertumskunde.
Bis zum Jahre 1878 war die Mitgliedorzahl des Vereins bis auf
697 gestiegen, in den letzten 10 Jahren schwankte sie zwischen
600 und 1)80. Zu Vorsitzenden wurden gewühlt: 1842 Böcking,
1844 Welcker, 1849 Braun, 1863 Ritsehl zun» zweiten Male, 18«5
N'öggcrath, 1875 aus'm Weerth, 1883 Schaafhausen. Die Jahr-
bücher des Vereins sind bisher in 90 Heften erschienen, Heft 65
rnthält das Register der Hefte 1 bis 60, das im Druck befindliche
Heft 91 umfasst das Register der Hefte 61 bis 90. Ausserdem
sind 27 Winckclmanns- Programme, worunter Wilmowskys Mosaik
zu Xcnnig 1865, aus'm Weerth's Siegeskreuz Constantius des VII. und
aus'm Weerth's Mosaikboden von S. Gereon wegen der prachtvollen
Illustrationen hervorzuheben sind, und mehrere Gelegcnheitsschriften
herausgegeben worden, 1859 zu Welekere Jubiläum, 1868 zum
Universitäts-Jubiläum und zum internationalen Congress für Alter-
thnmskunde und Geschichte in Bonn, 1888 zur Versammlung der
deutschen Anthropologischen Gesellschaft in Bonn, so zum heuti-
gen Jubiläum wieder eine Festschrift. Seit dem Jahre 1846 wurde
auch das Mittelalter in den Kreis unserer Forschung gezogen,
in neuerer Zeit auch die Urgeschichte. Mit dem 41. Hefte
wurde mit Rücksicht auf die Illustrationen das grössere Format
für die Jahrbücher gewählt. Seit 1842 war die kleine Vereins-
sammlung in gemietheten Räumen untergebracht , später in der
Mttnsterschule, dann seit 1870 im Amdthanse, seit 1883 im Nasse-
hausc, jetzt steht sie bis zur Vollendung des Provinzial - Mnsenms
im nächsten Jahre in dem von der Provinzial- Verwaltung uns zur
Verfügung gestellten Hanse. Seit Gründung des letzteren im
Jahre 1874 wurden die Mittel des Vereins nicht mehr zu Gra-
bungen oder Ankänfen, sondern nur zur Heransgabe der Jahr-
bücher verwendet. In der General - Versammlung vom 27. Jnni
1875 wurde beschlossen, die Vereinssammlung mit Wahrung des
Eigentumsrechtes dem Provinzial - Mnseum zu übergeben. Dies
veranlasste den Verein, die Rechte einer juristischen Person nach-
zusuchen, die ihm durch allerhöchste Ordre vom 2. Dezember 1881
crtheilt wurden. Der Verein steht mit 128 anderen Vereinen im
Tauschverkehr, seine Bibliothek enthält 5500 Bände. Mögen Sie,
verehrte Anwesende, dem altbewährten Vereine auch für die Folge
Ihre Mitwirkung nicht entziehen, mögen Sie mit uns für seine Aus-
Die 50jährige Jubelfeier de« VereänH von Alterthuinsfreunden etc. 301
breit nug Sorge tragen, damit er auch in den nächsten 50 Jahren
seinem bei der Gründung ausgesprochenen Zwecke voll und ganz
genügen kann.
Zuletzt hielt der Vorwitzende den liier folgenden Vortrag Uber
die Aufgaben der Altertumsforschung nud ihr Ergebnis.
Die neuere Alterthumsforechung gründet Kieli auf die von den
Griechen und Römern uns binterlassenen Denkmale und ist aus den
philologischen Studien hervorgegangen, denn nur die Schriften
der Alten konnten zum Verständnis» jener führen. Deshalb waren
auch die Gründer unseres Verein« Philologen. Je alter die Denk-
male waren, um so hoher wurde ihr Werth geschätzt, um so an-
ziehender erschienen sie. Den tturgen und Kirchen des Mittelalters
wendete sich erst später die kunstgeschichtliche Forschung zu;
merkwürdiger waren die Reste der Römer aus einer Zeit, in der
Caesar zweimal den Rhein Ubersehritt, Drusns hier seine Castelle
baute und Trier eine der vier Hauptstädte des römischen Reiches war.
Die Alterthumskuude ist älter, als man gewöhnlich glaubt.
War auch den Griechen und Römern das Gegenwart, was wir
Alterthmu nennen, so sprechen doch die klassischen Schriftsteiler
schon mit Verehrung von den Altcrthümern ihrer Zeit, wie es
Herodot, Pausauias und Plinius tliuti. Schon Homer besehreibt
den Grabhügel, der dem Helden zum Gedächtnis» errichtet wird, er
erzählt uns auch von dem mensehenfressenden Polyphcm, der iu
einer Höhle wohnt. Pausauias stellt die cyklopischen Mauern
von Tiryns als Wunderwerke den ägyptischen Pyramiden gleich
und schätzt ihr Alter auf il'UX) Jahre. Mauehe Thatsache der
Urgeschichte, die von den Alten wohl geahnt aber nicht ent-
deckt wurde, ist iu das Gewand der Mythe gekleidet. Prometheus
raubt das Feuer vom Himmel in einer Dolde, das ist eine Erinne-
rung au da» älteste Reibfeuerzeug, in dein das trockene Mark einer
PHauze sich entzündete. Deukalion Hess aus Steinen Menschen
entstehen, weil man durch Ancinanderschlagcn der Steine ihnen
den Fenerf unken entlocken konnte.
Unsere Kenutniss des klassischen Alterthuuis der Griechen
und Römer erreichte mit W i n e k e 1 m a u u eiueu Höhepunkt , deu
sie im Wesentlichen nicht überschritten hat, vor ihm und nach
ihm ist Keiner so tief iu das Wesen der Kunst eingedrungen
und hat ihre Gesetze mit solcher Begeisterung für das Schöne
dargelegt. GOthe sagt iu seinen Betrachtungen über Winekcl-
302 Die JSOjHhrijfe Jubelfeier des Verein« von Alterthnmsfreunden etc.
mann: Da« letzte Prnduet der »ich immer steigernden Natur
ist der schöne Mensch. Sie kann ihn nnr selten hervorbringen,
weil ihrer Idee gar viele Bedingungen widerstreben und ihrer
Allmacht ist es unmöglich, dem hervorgebrachten Schönen eine
Dauer zu geben. Da tritt die Kunst ein , ihr Werk bringt eine
dauernde Wirkung hervor, es nimmt alles Herrliche in sich aul
und erhebt den Menschen über sich selbst. In «lern Olympisehen
Jupiter war der Gott zum Menschen geworden, um den Menschen
zum Gotte zu erheben. Wir dürfen hinzusetzen , das« , wenn
auch die Kunst der Schönheit Dauer verleiht, doch auch das Knust-
werk der Vergänglichkeit anheimfallt, bis die Alterthumsforschung
das Verlorene wieder an 's Lieht zieht.
Nach Winckelmanns Tode 1 7(58 wurde das Gebiet der Alter-
tumsforschung nach allen Seiten erweitert. Die Ueberflthrung der
Elgin - Marbles ans Athen nach England 181<>, wo durch Paria
mcntsheschluss die ganze Sammlung herrlicher griechischer Bild-
werke für H;")(HM( Pfd. St. für das britische Museum angekauft
wurde, war ein Ereigniss. indem die Meisterwerke ans den Zeiten
des Phidias und Praxiteles, die Trümmer von 14 Statuen und mehr
als f>i> Basreliefs vom Parthenon der europäischen Forschung
nahe gerückt waren. Das der Sage nach um 2<HM> vor Chr. ge-
gründete Babylon, dessen Wunderbanten Herodot beschreibt, wurde,
wie Strabo sagt, durch die Perser, die Zeit und die Sorglosigkeit
der Maccdonier zerstört. Niebuhr entdeckte 17l»l die Ruinen, Rieh,
Renneil, Loftus. Oppert beschrielHn sie. Th. Young, Rawlinson,
Grotefend u. A. entzifferten lKKi— 1840 die persische Keilschrift.
Botta und Layard haben uns 1842—1841» mit den Altcrthümerii
Assyriens bekannt gemacht.
In Folge des Zuges Napoleons nach Aegypten wurde dieses
I*and in den Kreis der Alterthumsforschung gezogen. J. F. Chain-
pollion gelang es durch gleichlautende ägyptische und griechische
Texte nach den Vorarbeiten Anderer durch seine Arbeiten von
1822 bis 1820 die Hieroglyphen zu lesen.
Und blicken wir zurück in die jüngsten Jahrzehnte, wie hat
unser Verständniss des griechischen Alterthums gewonnen durch
die Entdeckungen Schliemann's in Troja, Mykene und Tiryns.
aus denen wir den Eiuflns* der Cultur Kleinasicns, Aegyptens und
Assyriens auf die griechischen Kunst erfahren halten, sie haben
uns die homerische Welt näher gerückt, aus der die ganze griecüi-
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Die »Ojfthrige Jubelfeier des Vereins von Altertliunisfreiiiulen etc. 303
sehe Kunst nnd Diehtnng ihren Stoff entlehnt hatte. Welche Schätze
haben die Grabungen in Olympia und Pergamon an s Licht ge-
braelit ! Auch die Erklärung der Bildwerke aus der Blüthezcit
der griechischen Kunst hat sich verfeinert , seit wir die Eigen-
thündichkeiten der einzelnen Schulen feststellen und den Ehi-
fluss, welchen die grössten Meister wie ein Praxiteles auf eine
ganze Reihe bildlicher Darstellungen ausübten, nachweisen können.
Wenn man sieht, wie unerreicht die griechischen Meisterwerke der
bildenden Kunst da stehen, so könnte mau au dem menschlichen
Fortsehritt zweifeln. Al>er der Schönheitssinn ist heute bei allen ge-
sitteten Völkern verbreitet und wie klein war damals Griechenland!
Die ganze Welt freut sich jetzt an seinen Schöpfungen, die überall neue
Kunst wecken und fördern. Oer grosse Fortschritt liegt darin, dass
jetzt weit mehr Menschen durch die Knust veredelt werden, wie jemals.
In Vorderasien haben wir eine Cultur kennen gelernt, die an
20OO Jahre vor Chr. hinaufreicht. Es ist die der Hethiter in Syrien,
die in befestigten Städten wohnten und die Metalle kannten. Die
vielleicht kuschitischen Herrscher in Bahylouien lassen sich bis
weit über 2000 Jahre vor Chr. verfolgen. Die Entzifferung der
Inschriften auf assyrischen Backsteinen und Steinplatten hat uns
eine mehr als 1000 Jahn* gleichlaufende babylonische und assyri-
sche Geschichte aufgehellt. Es sind bereits K>0 Herrscher dieser
Reiche durch Inschriften bekannt. Auch bewundern wir nicht mehr blos
in unseren Museen die so kunstvoll geincisscltcn Götterbilder der
Aegypter und die Malereien ihrer Grabkammeni , sondern die
Mumien der ägyptischen Könige selbst sind im Museum von Gizeh auf-
gestellt. In den farbigen Bildnissen der Gräber des Fayuin haben
wir die treuen Portraits einer Reihe von Personen aus der Blüthe-
zeit römischer Cultnr in Nieder- Aegypten. In den Skythengräbem der
Krim halieu wir die Mnkrocephalen des Hippocrates aufgefunden und
es fehlt nur noch, dass wir auch die von Herodot beschriebenen Pfahl-
bauten der Paeonier am See Prasias im heutigen Rumelien entdecken.
Die klassischen Studien führten hinab zum Mittelalter, das
nach den Stürmen der Völkerwanderung zuerst bei den Franken
in kunstreichen Waffen und Schmuckgerätlien ein Wiederaufleben
der Cultnr uns zeigt und dann in der romanischen Baukunst mit
ihren Wandmalereien uns glänzende Denkmale hinterliess. Aus der
römischen Basilika, aber auch ans dein Mithrastempel entstand die
christliche Kirche. Dem Hachen Dache der Basilika folgte der
304 Di«- nOjAlirige Jubelfeier des Vereins von Alterthuinsfreunden etc.
Rundbogen und diesem der gothische Spitzbogen, aus dem »ich die
Prachtbauten der deutschen Baukunst entwickelten. Die christliche
Kunst bat in ihren Bauwerken neue Formen geschaffen, in der
•Skulptur und Malerei bat sie das Vollkommenste nur durch Wieder-
aufnahme und Fortbildung der Antike geleistet. Da« bezeugen
Raphael und Michelangelo. Man darf aber behaupten, das« die
neuere Kunst iu dem geistigen Ausdruck des menschlichen Antlitzes
die alte übertreffen hat.
Alier nicht nur durch ihren Uebergang auf die jüngere Zeit
hat die Alterthumsforschung ihr Gebiet erweitert, sie hat mit ihrem
Liebte auch das Dunkel der ältesten Vorzeit erhellt. Nur mit
Rücksicht auf die heutigen Wilden sagte Schiller schon 1789 iu
»einer Antrittsrede zu Jena: ^Eine weise Hand scheint uns die rohen
Völkerstämiue Iiis auf den Zeitpunkt aufgespart zu haben, wo wir
in unserer eigenen Cultur weit genug würden fortgeschritten sein,
um von «lieser Entdeckung eine nutzbare Anwendung auf uns selbst
zu machen und den verlorenen Anfang unseres Geschlechtes aus
dienern Spiegel wieder herzustellen. Wie beschämend und traurig
aber ist das Bild, das uns diese Volker von unserer Kindheit geben?
Und doch ist es nicht einmal die erste Stufe mehr, auf der wir sie
erblicken. Der Mensch fing noch verächtlicher an." Die Urgeschichte
wurde nur desshalb eine Errungenschaft der Neuzeit, weil diese,
von dem fruchtbaren Gedanken der Entwicklung erfasst, in den
unscheinbaren Stein- und Knochenwerkzeugen der Vorzeit den An-
fang der menschlichen Cultur erkannte. Es sind nicht schöne
Statuen und Bauwerke, es ist nicht goldener Schmuck und mit
Edelsteinen besetztes Kunstgerüth, das sie uns vorführt, es siud nih
zugehauene Steine, aus Knochen gefertigte Werkzeuge und grobe
Thonscherben, die uns zu «len bedeutsamsten Schlüssen geführt
Italien. Wie bei der Betrachtung einer Landschaft die Aussicht sich
erweitert, je höher man steigt, so cnt«leckt die Wissenschaft neue
Wahrheit, je weiter das Fehl ihrer Forschung reicht. Nun wissen wir,
dass alle tmhe Knust und Bildung einen kleineu Anfang gehabt hat und
dass die herrlichsten Werke «1er Menschenhand aus rohen Versuchen
erst nach und nach entstanden sind. Durch die Auffindung der zier-
lichen Statuetten von Tanagra liegt die Entwicklung der kerami-
schen Kunst von «len rohen Idolen von Troja bis zu jenen hoch-
künstlerischen Darstellungen vollstämlig vor unsern Augen. Die
bemalten Sc halen und Vasen , auf denen die ganze griechische
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Die 50 jährige Jubelfeier de* Vereins von AHcrtimmsfreunden etc. 306
Mythologie dargestellt ist, hissen sich zurück verfolgen bis zu den
ans der Hand geformten groben Bechern und Töpfen, die mit Ein-
drücken der Fingernägel geziert sind. Das thönerne Gcfass ist
aber aus dem Korbe entstanden, de») man, um ihn zu dichten, mit
Thon bestrich, der über dem Feuer erhärtete. Aber wer lehrte
den Menschen das Flechten des Korbes? Wie so Viele», was der
Mensch erfunden zu habeu glaubt, ein Vorbild in der Natur hat,
so wird er das Flechten der Spinne abgesehen haben, dereu ans
gespanntes Netz dem Boden eines geflochtenen Korbes gleicht.
Die Archäologie würde den hohen Stand nicht erreicht habeu,
wenn mit der Zahl der Alterthümer nicht auch die Untersuchungs-
methnden sich vervollkommnet haften. Welche Dienste haben uns
das Mikroskop und die chemische Analyse geleistet? Aus den
Pflauzenrcsten in den nur au der Sonne- getrockneten Back-
steinen der Mauern von Babylon hat Unger die Flora wieder her-
stellen können, die damals jene (fegenden geschmückt hat. Durch
das Mikroskop erfuhren wir, dass die Mumienbinden der Aegvpter
aus Leinwand bestehen, wir vermögen genau diese von der Wolle,
der Baumwolle, dem Hanf, der Seide zu unterscheiden, noch nach
Jahrtausenden, so unterscheiden wir auch den Knochen von dem
Elfenbein. Die Untersuchung den mikroskopischen Schliffs der
Nephrite und Jadeite lassen sichere Schlüsse zu Uber deren Herkunft
nnd über alte Wanderungen der Völker. Wir habeu gelernt, durch
die Strahlenbrechung den Rubin der Schmnckgeräthc vom rothen
Glase zu unterscheiden. So giebt uns die chemische Analyse der
Bronzen, ihr Gehalt an Zinn, Blei, Antimon, Zink und anderen
Metallen Aufschluss Uber ihr Alter und ihr Herkommen. Aus dem
Natron- oder Salzgehalte der Glaser schliesseu wir, ob sie in der
Nähe der Meeresküste oder im Binnenlande gefertigt sind. Auch
aus dem verminderten Kuorpclgehalt der Knochen kann mau in ge-
wissen Fällen ihr Alter bestimmen. Der Anthropologe weiss von
einem mehrtausendjährigen Meuschenschädel sich einen Ansguss
zu verschaffen, der die Gehirnform wiedergiebt, welche auf die
Geistesentwicklnng des betreffenden Menschen Schlüsse gestattet.
Nur die Culturgeschichte ist die wahre Geschichte der Menschheit.
In der politischen Geschichte entscheiden die Zerstörungswalfen, in der
Culturgeschichte ist es die stille friedliche Arbeit des Denkers, welche
unserm Geiste neue Welten eröffnet und zu Entdeckungen führt,
die das ganze Leben «ler Menschen umgestalten. Die grossen Welt-
Juhrb. (1. Ver. v. Altet-UnlY. im Klieii.l. XCII. 20
30»; Die 50 jährige Jubelfeier des Vereins von Alterthuinsfreunden etc.
reiche, welche die Ruhmsucht der Eroberer gegründet, sind zu-
sa in inen gestürzt, die Errungenschaften der G'ultur aber gingen nie-
mals verloren, die neuen Völker traten die Erbsehaft der alten an
und wau unter dein Schutte der Ruinen begraben liegt, das bringt
unsere Wissenschaft wieder an den Tag.
Die Freunde der MciiHchheit haben es oft ausgesprochen, das*
die friedliche Entwicklung der Völker ihr wahrer Beruf sei, der
allein zu Glück und Wohlfahrt führe, Andere aber halten das für
eine Schwärmerei und sehen im Kriege jenen wohlthatigen Kampf
um s Dasein, der als ein notwendiges Xaturgeset/. erkannt sei,
„Der Krieg-, sagt Emil Zola, „ist das Leben selbst. Nichts in der
Natur besteht, nichts wird geboren, wächst und vermehrt sich anders
als durch den Kampf. Essen und gegessen werden, heisst die Lo-
sung, wenn das Leben in der Welt bestehen soll, her Krieg ist
die Schule der Manuszucht, der Aufopferung, des Muthcs, er stärkt
Leib und Seele, erzeugt die Kameradschaft in der (Mahr, giebt
Gesundheit und Kraft." So kann nur der reden, welcher die
Entwicklung der Menschheit nicht kennt. Diese zeigt uns viel-
mehr, wie nur allmählich das Thier im Menschen gebändigt wurde
durch die Cultur. So gewiss diese den Cannibalismus, das Menschen-
opfer und die Vielweiberei unter den gesitteten Völkern beseitigt hat,
so sicher wird sie auch dem Zweikampf und dem Kriege ein Ende
machen, wenn auch erst nach Jahrhunderten. Der Zweikampf ist
in seinem Ursprünge nichts anderes als ein Aberglaube, der in seiner
ältesten Form noch mit dem Cannibalismus verbunden war, denn
der Sieger verzehrte den niedergeschlagenen Feind , nm seine
Tapferkeit sich anzueignen. Was Schiller von der Geschichte
der Menschheit vor 100 Jahren gesagt hat, sie begleite ihn durch
alle Zustände, die er erlebte, durch alle abwechselnden Gestalten
der Meinung, durch seine Thorheit und seine Weisheit, seine Ver-
schlimmerung und seine Veredlung, das gilt noch mehr von der
Altertumsforschung, die nicht wie jene nur aus den Überlieferten
schriftlichen Berichten schöpft, sondern, diese ergänzend, uns die
Hinterlassenschaften aller Zeiten und Völker in Bauwerken, Gerätben,
Wallen, Münzen und Kunstwerken vorführt und damit uns das voll-
ständigste liild von der Entwicklung der Menschheit aufrollt, wie
sie nach dem Plaue des Weltenschöpfera sich vollzieht. Wir sehen
den Bildungsgang des Menschengeschlechtes von seinem Anfang bis
zu der Höhe, die es heute erreicht hat. Das bewahrt uns vor der
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Die 30jHhriK<* Jubelfeier fies Vereins von Altertlnnnslreunden etc. 307
übertriebt neu Bewunderung des Altcrthuuis und vor der kindischen
Sehnsucht nach vergangenen Zeiten! Wir danken es über der
Altertumsforschung, dnss sie uns das Schönste und Hoste, wns
edle Völker fllr die Oultur einmal geleistet haben, immer wieder
vor Augen stellt, damit es uns nicht verloren gehe. Das goldno
Zeitalter, welches die Dichtung an den Anfang der Geschichte ge-
setzt hat, ist fllr die Wissenschaft da« ferne Ziel, dem die Mensch-
heit ailmfthlig entgegen reift!
Hiermit war die Feier beendet. Die Fest genossen begaben
sich um 2 Uhr mit Extrazug nach Godesberg, wo im Hotel Winzler,
unter zahlreicher Theilnahnie von Herren und Damen das Festessen
stattfand. Der erste vom Vorsitzenden ausgebrachte Toast galt
dem Kaiser. Der Redner wies darauf hin , dass die Altert hnms-
forsohung sich auch mit den verschiedenen Formen der menschlichen
Gesellschaft beschäftige, die sieh aus ihrem Vorbilde in der Natur,
aus der Familie entwickelt haben. Manche Ereignis«? in der so-
cialen Welt, die ganz neu zu sein scheinen, seien uralt. Wie es
einen Kampf um 's Dnsein in der Natur gebe, so hätten auch die
verschiedenen Gesellschaftsklassen immer um Besitz und Vorrecht
gehadert. Cultur und Rohheit , Gesetz und Willkür haben stets
mit einander gestritten und ebenso die Völker unter einander um
den Vorrang. Das seien glückliche Zeiten, in denen die Nationen
im edlen Wettstreit nur nach Wohlstand und Bildung strebten.
Der Lauf der Welt bringe es mit sieh, das« auf den Lärm der
Schlachten Ruhe und Frieden folge. Wir lebten im Genüsse einer
solchen Zeit, die auch den Wissenschaften zu Gute komme. Wir
Deutsche könnten heute mit Stolz auf den Besitz von Gütern
blicken, die wir nach langem Ringen uns erst erobert hätten. Macht,
Wohlstand, Bildung seien solche Güter. Das grösste aber sei das
geeinigte Vaterland. Das Band aber, welches uns am festesten
verknüpfe und zusammenhalte, das sei der geliebte Herrscher, der
wie kein Anderer von den Pflichten seines Berufes erfüllt sei. Er
kenne die drohenden Gefahren der Zeit. Mit Recht nennten wir
ihn den Friedensfürsten, aber er sei auch der mächtige und wach-
same Schirmherr des Reiches, der den äussern wie den innern Feind
de* Vaterlandes niederzuhalten wisse. Er sei allem Guten ein
908 Die 50jähri^e Jubelfeier des Vereins von AlterthumsfreundeD etc.
Förderer, den Annen und Bedrängten ein hülfreieher Freund, der
Kunst uud Wissenschaft ein einsichtsvoller Beschützer! Mit lautem
Jubel erseholl der Ruf : Hoeli dem Kaiser !
Der Reetor Magnificus, Herr Geheimrath Strasburger
hielt folgende Ansprache:
Wenn ich nunmehr auch bei fröhlichem Festmahle «las Wort
ergreife, so geschieht es, um als zeitiger Rcetor unserer Rheinischen
Friedrich Wilhelms-Univcrsität den Verein von Rheinischen Alter-
thumsfreunden zu ehren. Als Botaniker von Fach bin ich nicht in der
Lage, die Verdienste, die sich der Verein erwarb, nach der wissen-
schaftlichen Seite hin zu wtlrdigen. Wohl aber weiss ich als Ge-
lehrter seine Aufgaben und Bestrebungen in vollem Maassc zu
schätzen. Sind doch die Deutschen die wahren Erben der helle-
nisch-römischen Cultur , die sie , ohne ihre Eigenart aufzugeben,
zur wissenschaftlichen und künstlerischen Grundlage ihrer ganzen
Bildung erhoben haben. So greift denn ein Verein, der die Ver-
bindung der Vergangenheit mit der Gegenwart herzustellen sucht,
in die tiefsten Interessen unseres Geisteslebens. Ein jeder Ge-
bildete, der in Rom auf der via sacra wandert, wird von heiligem
Schauer ergriffen in Erinnerung all des menschlich Grossen, das sich
dort zugetragen. Und wie hoch schlägt nicht das Herz des Deutsehen,
wenn er dem Rheinstrom folgt , dieser via sacra des Deutschen
Reiches und von beiden Ufern her Denkmäler zweitausendjähriger
Vergangenheit auf ihn hcrabschauen. Wie soll er nicht diejenigen
ehren, derjenigen dankbar gedenken, deren Bestreben es ist, ihm
diese Denkmäler zu deuten, sie vor Untergang zu bewahren. Und
rechts und links, so weit sein Auge reicht, sieht er nur deutsche
Lande und wo einst die Wachtposten der römischen Lager standen,
da erheben sich die mächtigen Bollwerke des Deutschen Reiches.
Doch mit diesen ernsten Worten möchte ich nicht sehlieasen.
Gedenke ich all des frischen Lehens, welches dem Stadium des
Altcrthums entsprosst, so fällt mir auch immer wieder da» alte
Wortspiel in Webers Democrit ein : „Die Alten sind die einzigen
Alten, die nie alt werden." Diesen Ausspruch hätte ich hier aber
die Neigung, auch auf den Vorsitzenden Ihres Vereins anzuwenden,
wenn ich sehe, mit welcher Jngendfrisehe und Begeisterung er noch
immer alle menschlichen Ideale pflegt, welche Arbeitskraft und
Ausdauer ihm immer noch zur Vertilgung steht. Er wird älter,
ohne zu altem, ja man sollte meinen, dasg er nur älter wird, weil
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Die 50 jährige Jubelfeier dt* Vereins von Alterthiunsfreiinden etc. 309
die* das einzige Mittel ist, nm Iuhrc zn lohen. So fasse ich denn
meine Wünsche für das fernere Gedeihen dos Vereins der Rheini-
schen Alterthmiisfrcumle in ein Hoch auf den Vorsitzenden desselben
zusammen. Dadurch ermögliche ich es auch den Mitgliedern des
Vereins in dieses Hoch mit mir einzustimmen: der Herr Geheim-
rath Professor Dr. Schaafhausen, er lebe hoch!
Als dritter Redner erhob sich Herr Laudtagsahgcordnetcr
van V 1 e u t c n und führte aus, dass von allem Lobe, welches dem
Vereine heute zu Theil geworden sei, keines ihn so befriedigt habe,
wie der Hinweis auf das wissenschaftliche Streben des Vereins.
Dies lege ihm nahe, zu forschen, wo denn der Mittelpunkt des
wissenschaftlichen Lebens am Rheine zu suchen sei. Da falle uns
alsbald die Bonner Hochschule in die Augen , die als ein Mittel-
punkt des wissenschaftlichen Lebens weit Uber die Grenzen unserer
Provinz ihr Licht verbreite. Man könne violleicht sagen, der Ver-
ein habe die von dein leuchtenden Centraipunkte ausgehenden
Strahlen durch Reflex in entferntere Gebiete hinübergeführt, und
es sei ihm vielleicht auch gelungen, durch das Sammeln lokaler
Forschungen der Centralstellc neues Material zn liefern. Der Herr
Rcctor habe am Morgen schon es ausgesprochen, dass die Be-
ziehungen des Vereins znr Hochschule immer vorzügliche gewesen
seien und habe daran den Wunsch geknüpft, dass dies immer so bleiben
möge. Die Fest Versammlung könne überzeugt sein, dass dieser Wunsch
vom Vorstande und dem Vereine voll und ganz getheilt werde.
Redner schlagt vor, den Dank des Vereins für so manche wissen-
schaftliche Förderung und den Wunsch bezüglich der Fortdauer
und des Wachsens der guten Beziehungen der beiden Corporationen
ansklingeu zu lassen in den Ruf: Die Universität Bonn, sie lebe hoch!
Nach einer Pause gedachte der Vorsitzende des 82 Jahre
alten Dr. Heinrich Düntzcr in Köln, dem es versagt war, dem Feste
beizuwohnen. Er schilderte die Thätigkeit desselben für den Ver-
ein und sagte am Schlüsse: „Möge es dem hochverdienten Manne,"
der mit seinen Freunden vor 50 Jahren einen Bau errichtet hat,
dem, wie wir heute hoffen dürfen, auch für die Zukunft eine sichere
Dauer verliehen ist, beschieden sein, sich am Abend seines thaten-
reichen Lebens noch manches Jahr am Genüsse des Schönen in der
alten wie in der neuen Kunst erfreuen zu können, dessen Erforschung
die edle Aufgabe seines ganzen Lebens war." Er schlug der Ver-
sammlung vor, ihn durch ein Telegramm zu begrüssen, was mit
310 Die 50j»hrige Jubelfeier des Vereins von Alterthumsfreunden etc.
grossem Heifall aufgenommen wurde. Dasselbe lautete: „Herrn
Heinrich Düntzer, dem Grüntier des Vereins von Altertbumsfreunden,
senden die in Godesberg versammelten Festgenossen als Zeichen
ihrer Verehrung herzlichsten Grass!"
•Später brachte der Vorsitzende noch ein Hoch aus auf die
noch lebenden, um die Altertumswissenschaft hochverdienten Vete-
ranen des Vereins, die Herren von Cohausen, Leemans, Linden-
sehmit, Schneider, von Veith und Wieseler, worauf der allein beim
Feste anwesende Professor Schneider antwortete.
Mit einem launigen Trinkspmche des Herrn Franz MerkcnR
aus Köln auf die Damen schloss die Reihe der Toaste. Ein schöner
Herbsttag hatte die Feier begünstigt. Möge die Wiederkehr des
Tages in derselben frohen Feslstimmung die Mitglieder de» Vereins
wieder zusammen führen, mit der diesesnial die Jubelfeier be-
gangen wurde.
H. Sc haaff hausen.
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Die Winckelniann-Feier am II. Deeeuiber 1891.
311
Die Winckelmann-Feier am 9. December 1891
Die vom Verein von Alterthumsfrcunden im Rheiulande am Ge-
burtstage Wiuckclmanns veranstaltete und im .Saale des Kley 'sehen
Gasthofes abgehaltene Gedäebtuissfeier wurde vom Vorsitzenden
des Vereins, Geheimrath Schaafhausen, um 7 Uhr abends er-
öffnet. Er begrüsstc die zahlreich erschienenen Tbeibiebmer an der
Versammlung, die das dankbare Andenken au den grossen Meister
der Altertumsforschung in jedem Jahre erneuem soll. Drei sehr
schöne uud grosse Steinbeile der germanischen Vorzeit, die Bonn
besitzt, waren ausgestellt, ferner ein Schwurring der Bronzezeit
ans einem Grabe an der Ostsee, die Gipsabgüsse der gallischen
Münzen des Centralmuseum* in Mainz, der Plan des aufgedeckten
römischen Castrums bei Grimmlinghaiiscn nebst einigen dort ge-
fundenen Bronzen, die Zeichnung eines zu Köln im October ge-
fundenen römischen Mosaikbodens aus bester Zeit, sieben Bronze-
Statuetten aus der Sammlung des Herrn Stedtfeld in Köln, eiue
Sammluug von Bildern merowingiseher und karolingiseher Ornamente,
eudlicb das eben im Druck vollendete Register über die Jahrbücher
LXI bis LXXXX und ein Album der Zuschriften und Adressen, mit
denen der Verein bei seinem am 2i). October gefeierten öo jährigen
Jubiläum geehrt und erfreut worden ist. Der Vorsitzende gab eine
kurze Erläuterung aller ausgestellten Gegenstände. Das 3f> cm
lauge Jadeitbeil von Griiumliughauscn ist das grösste in Deutsch-
land. Herr G u u tr u m, der frühere Besitzer, hat es kurz vor seinem
Tode dem hiesigen Proviiizial-Mnscum geschenkt. Es ist 13 cm
breit und 22 min dick. Es wurde 1H(>2 in der Nähe des Castrum
Novesium 9; tief im Geröllc des alten liheinbcttes gefunden.
Sein spec. Gewicht ist .3,347. Mikroskopisch ist es nicht untersucht.
Als der Vorsitzende dasselbe in der Anthropologen- Versammlung zu
Cnnstauz 1877 zeigte, wollte mau au den rheinischen Ursprung
desselben nicht glauben. Grössere Beile dieser Art sind iu Dolmen
der Bretagne gefuudeu worden. Vgl. Verb. d. V. 1S77 Stzb. S. 1Ü9,
312
Die Wiuckelm.nin-Feier am 9. December 1891.
Authrop.-Vcrs. in Constanz S. 140. Bonn besitzt noch zwei sehr schöne
Beile dieser Art, das Chloromelanitbcil von Wesseling und das Nephrit-
beil von Marthas Hot'. Das Beil von Wesseling ist 20 cm lang
und hat ein spezifisches Gewicht von 3,373, vgl. Rh. Jahrb. L
1871 S. 290. Auch bei diesem fehlt die mikroskopische Unter-
suchung. Das Beil von Marthas Hof ist 26,8 lang, sein spee. Ge-
wicht ist 3,0;"):*), es ist von Prof. v. Las sau Ix mikroskopisch
untersucht und als Nephrit erkannt worden, vgl. Rh. Jahrb. LXXVII
1H84 S. 210. Vielleicht sind diese Beile der Lapis silex oder Saxum
silex, bei dein die Römer schwuren und den die Fetiales mit sieh
führten, weun sie mit andern Völkern Bündnisse schlössen. Galen
sagt, dass man diese Steine in Aegypten gegen Magenleiden ge-
brauche. Plinius nennt sie grünen Jaspis. Die Namen Jade,
lapis isehiaticus und Nephrit, lapis nephritictis, die ihre Wirkung
gegen Ischias und Nierenleiden bezeichnen sollen, sind nach Fischer,
Nephrit und Jadeit, Stuttgart 187ö, erst neueren Ursprungs. Härte
und Zähigkeit sind die Eigenschaften, in denen dieses Mineral von
keinem andern dbertroffeu wird. Früher unterschied man den
Nephrit, Jadeit und Chloromelanit nur nach dem speeifischen Ge-
wichte, das zwischen 2.03 und 3,41 liegt. Das des Nephrit ist
2,93 bis 3,18, des Jadeit 3,32 bis 3,3f>, des Chloromelanit 3,41
und mehr. Jetzt ist eine genaue Bestimmung nur möglich durch
mikroskopische Untersuchung eines Dünnschliffs, die auch auf die
Herkunft dieses Gesteins sehliesen lässt. Nach Arzruni sind die
Nephrite ans den Schweizer Pfahlbauten, die von Turkistau und
Neu-Seeland durchaus verschieden. Auch der in Schlesien entdeckte
ist von dem der germanischen Beile verschieden. In den Schweizer
Alpen ist Jadeitgerölle gefunden, nicht aber das Anstehende des
Gesteins. Auch heute noch nuiss man das speeilisehe Gewicht be-
rücksichtigen, für Nephrit ist 3 ein Maximum, für Jadeit und Chloro-
melanit, der eine eisenreiche Varietät des Jadeit ist, ein Minimum.
Nephrit ist nach Arzruni ein Amphibolmineral, Jadeit ein Pyroxen-
mineral, ersteres ist magnesia- und kalkhaltig und von Thouerde
frei, das zweite ist eine Thouerde- Verbindung, das erste ist schwer,
das letzte leicht schmelzbar. Auch die alten Mexicancr fertigten
Idole und Amulette ans Nephrit, dessen natürliches Vorkommen in
Amerika auch nicht bekannt ist, daraus schloss man auf ihre Einwände
rung aus Ostasien, während die Indogermanen die Nephrite aus
Persien nach Europa gebracht haben sollten. Aber die mexicanischen
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Die Winckelinaim-Fcicr am 9. Decembcr 18JH.
313
Nephrite sind von den persischen verschieden und in den prähistorischen
verarbeiteten Gegenständen au« Europa findet sich nach Arzruni kein
Splitter turkistanischen Materials. Das Anstehende für die europäi-
schen verarbeiteten Nephrite und Jadeite ist noch nicht entdeckt.
In einem der „Natare" entlehnten Aufsätze Uber Nephrit in Burma
werden im Scott. Gcogr. Magaz. 1889 Vol. V, Nr. 10 die Fundorte
des anstehenden Gesteins, sowie die mühevolle Gewinnung desselben
geschildert. Es scheint, dass dio Romer in nnsern Gegenden die-
selben als Alterthtlmer verehrten und einen symbolischen Gebrauch
davon maehten; schou in drei Fällen sind sie in der Nähe von
römischen Lagern gefunden worden. Dass das Beil von Grimm-
inghausen neun Fuss tief im alten Rheingerölle gelegen hat, spricht
nicht dagegen, denn das Rheinbett hat sich seit der Röraerzeit an
verschiedenen Stellen um 2—3 m erhobt. Man pflegt die grossen
Hohlringe, die am häufigsten in Gräbern des östlichen Deutschlands
gefunden werden, Schwurringe zu nennen. Lindenschmit will
diese Bezeichnung nur für einige gelten lassen, Globus XIV, S. 176.
Für diese Deutung spricht der Umstand, dass nach Grimm, Reehts-
Alterth. 892, urkundlich feststeht, dass man im germanischen Norden
bei einem Ringe geschworen hat. Die Sitte stammt aus Asien.
Auf Bildwerken von Pcrsepolis ist dargestellt, wie zwei Reiter
einen grossen Ring mit der Hand anfassen, der eine hält ihu, der
andere berührt ihn nur. Auch Könige schwören darauf. Ueber
diesen ist zuweilen eine menschliche Gestalt mit Flügeln dargestellt,
die in der Hand einen Ring hält, das ist nach Brugsch eine alt-
persische Gottheit. Das Münzcahinet der Bibliothek in Münster be-
sitzt eine solche Münze. In der Zeitschrift Globus XIII, S. 329 ist die-
selbe als eine gallische abgebildet. Die vielen gallischen Münzen, die
sich neben denen der ersten römischen Kaiser und aus früherer Zeit in
den Rheinlanden finden, verdienen einmal zusammengestellt zu werden.
Sie haben meist ein barbarisches Gepräge, einige sind Nachahmungen
griechischer Münzen. Davon sind die zierlichen Regenbogenschüssel-
chen zu trennen, die älter sind und von Keltenstäminen herrühren,
die sich in Süddeutschland und Oberitalien niederliesscn und gar
nicht nach Frankreich kamen. Das römische Lager zu Grimmling-
hausen schilderte der Vorsitzende nach den Mittheilungen von Prof.
Klein und Constautin Koenen. Schon 1877 erklärte Professor
Schneider, Rh. Jahrb. LX S. 4, dass hier ein römisches Lager
gestanden haben müsse. Tacitus führt das Castrum Novesium als
314
Die WimkelinaiinFder am 0. Dewiuber 1891.
Standquartier der 1H. Leginn an. Auch die 6. stand hier, wie die
zahlreichen Legionenstempel beweisen; die 16. verliess da» Lager
etwa 70 n. Chr., die 6. ging 120 nach Britannien. Früher
glaubte man, dass das römische Castrum an der Stelle de» heutigen
Neuss gestanden habe. Kocncn bewies ans den zahlreichen
Römergrühcrn aus der Zeit /.wischen Vespasian und Constantin
innerhalb der Stadt Neuss, das» hier in dieser Zeit kein Lager ge-
wesen sein kann. So war es auch in Xanten und Bonn, wo die
späteren Städte neben dem Lager aus der Ansiedelung der Kanf-
Iente und der Handwerker, den sogenannten Cannahae ihren Ur-
sprung nahmen. Wohl war aber ein solches in der Zeit nach
Constantin vorhanden nnd vielleicht von Jnlian errichtet. Es ist
mehr als die Hälfte des Lagers bei Griminlinghanscn aufgedeckt,
sein Iimennium ist 24 Hectar gross, der des Bonner Lagers ist zu
25 Hectar berechnet. Taeitus nennt Bonna und Novcsinm als
Winterlager für je eine Legion. Dttntzer vermuthet, das« die
Verlegung der beiden Legionen aus dem Oppidnm Uhiornm mit der
Erhebnng dieses zur Colouia Agrippinensis zusammenhänge. Im
Herbst 1887 wurde mit den Grabungen begonnen. Welchen Werth
man auf die Bloslegung des ganzen Lagers legt, geht daraus her-
vor , dass bereits 20,000 Mark aus dem Fond de« Provinzial-
Mnscnms und einige 1000 durch besondere Bewilligung der Proviuzial-
Verwaltuug verausgabt worden sind. Besondere Schwierigkeiten
verlangsamen die Untersuchung, weil das ganze Gebiet des Castrums
bebautes Feld ist, welches von den Eigentümern erst nach der
Ernte zur Verfügung gestellt wird. Sobald die Mauern aufgedeckt
nnd aufgenommen sind , müssen die Gräben wieder zugeworfen
werden. Aus dem Mangel aller werth vollen Funde kann man
sehliessen, dass eine ganzliehe Zerstörung nnd Ausplünderung des
Lagers wohl schon in den Stürmen der Völkerwanderung statt-
gefunden hat. Im Schutte liegen nur Scherben von Gelassen,
Ziegel, Bronzen aller Art, Münzen, Architektnrstücke, die auf gross-
artige Bauten sehlicssen lassen. Es sind Thcilc der Einfassungs-
mauer aufgedeckt worden, auch die Porta decumana und die Via
praetoria; die Via principalis liegt unter der Kölner Chaussee, die
das Lager durchschneidet. Die Länge des Lagers verhält sich zur
Breite wie 3:2, es hat also eine Forma tertiata. Colossale Bauten
im Innern, deren Grundmauern bis zu 3 m Breite haben, sind für
Die Wiucketmann-Feier am 9. Dccember 1891.
315
das Prätorinm zu halten. Zu den Fundamenten sind zumeist Tuff,
aber auch Basalt und zu Unterst Rheingerülle verwandt.
Der kürzlieh in der Händcl-Strasse zu Köln gefundene Mosaik-
hodeu kam in so zertrümmertem Zustande au» der Erde, dass er
nicht mehr zusammengesetzt werden kann. Von den erhaltenen
Theilen hat Dr. K i 8 a die vorliegende farbige Skizze gefertigt.
Das Jahrbuch XCIII wird diesen Fund veröffentlichen. Die Zeich-
nungen merowingiseher und karolingischcr Ornamente sind einer
Arbeit des Herrn Dr. P. 0 lernen entnommen, die im Jahrbuch
XCI1 erscheint und den Ursprung dieser neuen Kunstwcise nach
dem Niedergang des antiken Lebens in den verschiedeneu euro-
päischen Ländern zum Inhalte hat.
Hierauf hielt Herr Professor Dr. J u s t i einen Vortrag Uber
eine aus Köln stammende Architekten Familie, die im 15. und 16.
Jahrhundert in Burgos auftritt und der dortigen Cathcdralc erst die
abschliessende Form gegeben hat; der Vortrag wird im Jahrbuch
XCIII abgedruckt.
Den Abschluss der Winekelmannfeier bildete ein Festinahl, an
dem sich auch Damen beteiligten.
S ch aa ff hausen.
UiiiveraUsts-Bachdruckerei von C»rl Gcoi-rI Iii lionn.
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Jahrb. desVereins von Aherttromsfr. imBheml. HeftXCII
QMrtSaa. fee Vorgescliichtliche Funde in Meckenheim. Hilp^iWMM Airttaf
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Jahrb. des Vereins von Alterthumsfr. im liberal . Heft XCII .
Con*tK»*aaL f"
Fränkisches Fraaengrab in Meckenheim .
Taf.I,Grab84
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Jahrb. des Voreins von Alterthumsfc im r\heinl . HeftXCil. 7h£IF.
conatKo«MP fer Zwei fränkische Fnwengräber in Meckenheim. »ssa^uDnuuiw
Taf.I.Grab24«.29.
Jahrb des Vereins von Altcrthmnsfr. im Rheml . Heft XCI1 TkfY
c<m«tKNo«i t~ hiytzvveierfränldTaaengräberuTrä^
Taf.LGrab11u.56.
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Jahrb. des Vereins von AlterÖromsfr iraBbeinl. HeftXCQ . ThfW
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Jahrb. des Vereins von Alterthnmsfr. imRheml. HeftXClJ
ThfW
Jahrb. des Vereins von Alterthumsfr. im r^hein!. Heft
coi«iK».n->- fr. Tauschierarbeiten. Steinsärge. Schnallen, Waffen .Wirtel. rwlmiMlwH* rtiridfal
aus fi*änk. Gräbern in Meckenheim.
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Jahrb. desVereins von Alterttiuinsfr.imRheinl. HeftXCIl.
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constKo«ien f« Thongeföfse aus fränkischen Gräbern in Meckenheim
mit lYofilenund ürnamenlen.
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Jahrb. des Vereins von Mterthumsfrim Rheinl Heft fCf/, TafelX/
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Jn7ischriftin derDrachenhöklc.
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xu Wachenhe im. bei Lern bach xu Wächenheim.
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aus fiänk.Gräbern in Meckenheim .
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Jahrb. desVereins von AHwrihnmsfr
imRheinl. EeftXCII.
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Jahrä des Vereins von^lterfkums/rtin Rheinl Heft Wf/. TafeUTf
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Jnnschrtftin derDm.che7ihohle.
tFels , Schuh " ZFels
'Vaohenheim. bei Lembach %u Wochenheim
JAHRBUCHER
DES
VEREINS VON ALTERTHUMSFREUNDEN
IM
RHEINLANDE.
HEFT LXXXXIII.
HIT I« TAKEI.X USft 26 TKXTFM.l KE>.
BONN.
GEDRUCKT AUF KOSTEN DES VEREINS.
BORK, BEI i. «ABCCS.
1892.
Inhalts -Verzeichniss.
I. Geschichte und Denkmäler.
Seite
1. Die Kölnischen Meistor an der Kathedrale von Burlos. Vor-
trag gehalten am Winckelmannstag 1891 von Karl Justi.
(Hierzu Tafel I— IV.) 1
2. Funde in Köln. Von A. Kisa. (Hierzu Tafel V.) 31
3. Die antiken Thonlampen im Museum Wallraf-Richartz zu Köln.
Von A. Kisa 35
4. Zwei Bronzen im Museum zu Speyer. Von A. Furt wängler.
1. Kcntaurenkopf (Tafel VI) 54
2. Portrtttbüstc (Tafol VII) fil
5. Flucht des Aeneas. Von Max Ihm. (Hierzu Tafel VIII und
IX und 2 Textfigureu.) «6
6. Westgothischor Goldfund aus einem Felseugrabe bei Mykentt.
Von Dr. Julius Naue. (Mit 7 Abbildungen.) 76
7. Die ältesten Bautheile des Münsters zu Essen. Von G. Hu mann.
(Mit 6 Abbildungen.) 89
8. Krypta und Stiftskirche zu Meschede. Von J. B. Nord hoff.
(Mit 5 Abbildungen.) 108
9. Die Baugenealogie der Abdinghofschcn Krypta zu Paderborn.
Von J. B. Nordhoff. (Mit 1 Abbildung.) 116
10. Studien zur Geschichte der Kölner Mieterinnen. Von Joseph
Klinkenberg 130
11. Kleincro Mittheilungen aus dem Provinzial-Museum zu Bonn.
Von Josef Kloin 180
12. Der byzantinische Purpurstoff im Gewerbe-Museum zu Düssel-
dorf. Von Heinrich Frauberger. (Hierzu Talel X.) *) . . 224
II. Litteratur.
1. Wilhelm Voege, Eine deutsche Malerschule um die Wende
des ersten Jahrtausends. Besprochen von PaulClemen . . 233
2. Soest, seine Alterthümer und Sehenswürdigkeiten. Besprochen
von N 240
3. G. Pauli, Die Renaissancebauten Bremens. Besprochen von N. 240
4. Cornelius Gurlitt, Geschichte dos Barockstiles. Besprochen
von N 247
*) Im Text steht irrthüinlkh Tafel XI.
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IV
Inhalts- Verzeichnis«.
Seite
III. Miscellen.
1. Köln. Matronensteine. Von A. KU» 250
2. Das römische Nordthor zu Köln 253
3. Römischer Grabstein aus Bonn. Von (). Rnutert. (Mit 1 Ab-
bildung1.) 256
4. Karolingisehe Brandschicht ht'i Meckenheim. Von O. Kaut er t 261
5. Merkenich. Römische Inschrift. Von F. Knickenbcrg. (Mit
1 Abbildung.) 269
6. Aufdeckung- eines römischen Castells bei Werthausen am Nieder-
rhein. Von C. Koenen. (Mit 1 Abbildung.) 270
7. Ein vorgeschichtliches Menschenbild aus Mainmuthzahn. Von
H. Sehaafthauseu. (Mit 1 Abbildung.) 274
8. Erklärung des Vorsitzenden 276
9. Zu Jahrbuch XCII S. 145 f. 283
IV. Berichte.
1. Generalversammlung des Vereins am 29. Juli 1892 286
2. Die XXII. allgemeine Versammlung der deutschen Anthropo-
logischen Gesellschaft zu Danzig vom 3. bis 5. August 1891 . 292
V. Verzeichnis» der Mitglieder 307
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I. GcHchiclit« und Deiikmailcr.
I. Die Kölnischen Meister an der Kathedrale von Burgos.
Vortrag gehalten am Winckelmaniistag 1S91
von
Karl Jnstl.
(Hierzu Tutel I-IV.)
An wenigen (i reu/marken Kuropas dürfte sich — wenigstens war
es so bis vor Kurzem - die Verschiedenheit zweier verwandter Nationen
dein Reisenden so selirolV aufdrängen, wie da, wo am Nordwest-
ende der Pyrenäen der geschichtlich berühmte Bidasoatfuss, zwi-
schen Frankreich und Spanien, in den <»olf von Biseaya mUndet.
Der hier angeschlagene Ton wird indess nicht immer festgehalten.
Beim Vordringen ins Innere bieten sich zunächst uichts weniger als
afrikanische Eindrucke. Der Weg führt, fortwährend im Stei-
gen begriffen, buld ans den baskischen Provinzen hinauf in das
Tafelland Alt-Castilieus, und auf einer Höhe von dreitausend Fuss,
in einem der unbestrittenen Herrschaft der Nordwinde untergebenen
liebtet, zu dem kältesten Punkt Spaniens. In einer weiten, baum-
losen Thalfläche, zwischen unabsehbaren Weizen- und Flachsfeldern,
die den Reisenden ort schneebedeckt (denn der Winter währt acht
Monate), oder geröstet vom Sonnenbrand, nur in (ilücksfallen grün
bewillkommnen, erscheint, unvorbereitet, hinter dem von langen,
melancholischen Alleen begleiteten Flusschen Alarzou, am Saum
eines kahlen Hügels mit formlosen Trümmern der einst stolz thro-
nenden Königsburg, das ehrwürdige Caput Ciu>tr,lhte, das jedem
Knaben aus den Romanzen vom Ciil bekannte Burgos, einst Königs-
hof, Sitz eines streitbaren Adels und reicher Kaufherren; nun schon
dreihundert Jahre als verarmte Provinzialstadt seine matten Lebeus-
reste hinschleppend. Und aus seinen hohen Häuserreihen taucht auf
die graue Kathedrale. — im Schweigen dieser Oede wie eine aus
den Lüften tönende Musik, von Menschen- nnd Kngelznngen ' ), ein
1) Philipp II. sagt«- von der Latein»', sk- *ei ein Gebilde drr Engel,
kein Meiischenwerk.
Jahrb. d. Vir. v. Altirtlixfr. im liht-inl. XCIII. 1
Karl Jnsti:
Hymnus von Geschlechtern, Thatcn und Gedanken, die längst im
Strom der Zeiten versunken sind.
Eh ist die Südseite der Kirche, die sieh da vor uns dehnt —
noch länger erscheinend durch die Versenkung des unteren Ge-
schosse« hinter dem anstoßenden erzbischöflichen Palast und dem
Kreuzgang; denn man sieht von ihrem Körper nur die Fenster und
Schwibbogen des Lichtgadens. Um so mächtiger wirken die am
West- und Ostcnde und in der Mitte, ohne Einschiebung steiler
Dachflächen, frei in die Lüfte aufsteigenden Hochtheile, den
Segeln eines Dreimasters vergleichbar. Hier grüssen den Nord-
länder vertraut zwei Thürme mit durchbrochenen Helmen — ein
Anblick, der ihm dort nicht zum zweiten Male werden wird — ,
fremdartiger ein ungewöhnlich breiter und hoher Vicruiigsthurni,
endlich im Osten eine Kapelle von ähnlicher Form. Dnrch diese
Theile wird der erste Eindruck des Haue« bestimmt, und die von
jeher ausgesprochene Meinung, dass in malerischem Reiz kein Kir-
chenbau jenes Landes, wenige überhaupt, ihm gleichkommen ').
Und die freie Grnppirung und Mannichfaltigkeit der Formen
dieser drei Gebilde, welche die Gliederimg des Unterbaues, dem
sie entsteigen, ahnen lassen; die hohen Kronen jener Spitxthttrmchcn,
die in ihren wechselnden Verschiebungen, Cyprcssengmppen ver-
gleichbar, die starren Formen beleben und ihre Massen verklingen
lassen; die Achtflüehigkeit, eine Form von der Beweglichkeit der
Kreislinie, aber mit den klannarkirten Wechseln von Licht und
Schatten, die gekrümmten Flächen fehlen ; endlich eine Zierlust, die
keine ungeformte Stelle Übrig lässt: das ist wie ausgedacht für
malerische Wirkung, und doch ist es nicht ausgedacht worden.
Keinen Augenblick wird man sich besinnen, dies alles der
Spätzeit der Gothik, dem XV. Jahrhundert zuzuweisen, derjenigen
Abwandlung, die man dort, von der Erinnerung an Pflanzengebilde,
den blühenden (fiorido) Stil nennt.
Aber man würde sich täuschen, wollte man hieraus auf Alter
und Charakter der Kirchenanlage schliessen *). Tritt man vor die
Fassade, blickt man hinauf zu den Pfeilern und Gewölben der drei
1) lTiiie.ii en In hermosnra <lo im vista exterior, y grandeza del
crueero. Florez, Kspafia sagrada, XXVI, 308. Madrid 1771.
2) Wie man früher tliat, und auch jetzt noch zu lesen ist, z. B. in
dem Bnrhe von Kdmmido de Amitis, Spagnn. 1873, p. 8«: La chiesa
appartione all' online gotico, delf epoca del ltinascimento.
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Die. Kölnischen Meister an der Kathedrale von Burlos. 3
Schiffe, verirrt mau sich iu den Winkel der halb iu den Berg ver-
grabenen Nordostseite, so entdeckt man eine streng einfache, ernste
Construction, in den schlichten Formen der ersten Hälfte des drei-
zehnten Jahrhunderts. Was uns ans der Ferne von dem Bau eut-
gegouragte, das ist mehr als zweihundert Jahre, zum Theil viertc-
halbhuudert Jahre jünger als der Plan des ersten Architekten.
Es rührt zumeist her von Künstlern anderen Stammes, deren erster
ans weiter Ferne kam, von einer Familie deutscher, rheinischer
Herkunft, den Meistern de Colonia, die in mehreren Geschlechtern,
iu ununterbrochener Folge, an der fabrica der Kathedrale den
obersten Baupostcn besessen haben. Doch bevor man sich in ihr
Werk vertieft (es ist fast das einzige was man von ihnen weiss),
möchte man von der Geschichte dos Baues etwas hören, dem sie
ihre Lebensarbeit gewidmet haben.
Die Gründung der neuen Kathedrale.
Burgos besass im Anfang des XIII. Jahrhunderts eine kleine
romanische Kathedrale; Alfons VI. hatte sie (10%) au der «Stelle
seines Palastes, bald nach Verlegung des uralteu Biscbofstnhles
von Oca nach dieser Stadt (1070; errichtet. Bei Umbauten, im
Jahre 1862, hat mau noch Reste von ihr, im Stil des XI. Jahr-
hunderts gefunden, an der Stelle zwischen der Kapelle dol Santo
Christo und «lein er/bischöflichen Palast: ein romanisches Portal; in
eiuer Urkunde von 1285 wird dieser Platz el clauntro viejo genannt.
Der Bau entsprach längst nicht mehr den Begriffen des Kapitels
und des Bischofs vom Rang der Kirche von Burlos, „Mutter und
Haupt der Kirchen Castiliens". Nun trug damals ein junger Fürst
die Krone, dem auch in diesen Dingen grosse Entschließungen abzu-
gewinnen wareu. Nach Heinrich I. Tode (1207) hatte dessen Tochter
und Erbin D*. Bcrcngaria (oder Berengucla), Gemahlin des Königs
Alfons von Leon, die ihr zugefallene Krone Castilieus ihrem acht-
zehnjährigen Sohne Ferdinand übergeben. Nach vorläufiger Nieder-
werfung starker Widersacher, unter ihnen der eigene Vater des
jungeu Monarchen, war die staatskluge und sehr thatkräftige Dame
darauf bedacht, ihrem Sohn eine Königin zu sucheu. Um die häu-
figen Wirren in Folge spaterer Auflösungen von Verwandtenohen
abzuschneiden, nach anderen iu Erinnerung eigener Jugendneigung
zu dem früh verstorbenen Konrad vou Rotenburg, beschloss sie, die
künftige Beherrscherin beider Reiche im Ausland zu holen. Die
4
Karl Justi:
auserwähltc Braut war eine Prinzessin deutschen Stammes, Beatrix,
Tochter des ermordeten Königs Philipp von Schwaben und der grie-
chischen Irene, also die Muhme Kaiser Friedrich II. Es war der
Bischof von Bürgern (seit 1213), Mauricio, von einem Nachfolger
zwei Jahrhunderte später famoxu* genannt, der als Brautwerber,
mit einem Gefolge von drei hohen Geistlichen, -an den Hof des
Kaisers in Speier abgeordnet ward (1211)). Die Reise dauerte lange,
von Mai bis /um November, weil Friedrich vier Monate mit der
Autwort zögerte'). Auf dem Rückweg, in Paris, veranstaltete König
Philipp August seiner Verwandten glänzende Feste, und gab ihr ein
ansehnliches Geleit bis zur Grenze mit. Am 30. November 1219
fand die Trauung in der alten Kirche vou Bnrgos statt. Am 20.
Juli 1221 legten der 23jährige Ferdinand und Bischof Moriz den
Grundstein zu der nueva obra, auf dem Platz der alten Kathedrale.
Wie diese wurde sie der heiligen Maria geweiht, unter dem Titel
ihrer Himmelfahrt. Schon nach nenn Jah ren (1230) konnte das Ka-
pitel den Chordienst in den neuen Chor verlegen. Mit dem Chor, als
dem notwendigsten Theil, pflegte man den Anfang zu machen. Der
König war eifrig, sagt die Chronik, mit Gold, Silber, Juwelen und
seidenen Geweben Christi Kirche zu schmücken. Noch sieht man
im Kreuzgang zwei köstliche, einst bemalte Statuen von Stein,
Ferdiuand der Beatrix den Riug reichend. Sie stammen wabr-
1) Mauricio wurde zur Belohnung für die Reisemühen von Ferdi-
nand III. zu Vulladolid am 22 Juni 1221 mit drei Ortschaften beschenkt,
für sich und seine Nachfolger. Volens remunerare labores multiplices
venerabilis patris praedicti Maurieii nunc Burgensis Episcopi quo» susti-
nnit in eundo in Alemaniam, et redeundo, de inaudato meo, et dnlcissi-
inne niatris meae, pro karissinia uxore, mea Regina Dofla Beatrice {Florez
a. a. O. 305). Hiernach ist kaum denkbar, dass Mauricio von der Ge-
sandtschaft ausgeschlossen werden müsse, wie Schirrmeister anf Grund
von Schwierigkeiten in der Datining der Heise fordert (Geschiebe von
Spanien IV, MiVi. Die Schwierigkeiten bestehen darin, dass die Speiersehe
Chronik zum Jahr«' 12U) die Anwesenheit König Friedrich II. in Speier
in der zweiten Hallte des Februar bezeugt, und zu demselben Jahre der
spanischen Gesandtschaft gedenkt. Wogegen Mauricio'* Unterschrift in
königlichen Urkunden von» 20. Februar (Burgos) und 15. Mai (Toledo)
vorkommt. Da aber auf die Ankunft der Beatrix in Spanien ihre Ver-
mahlung unmittelbar gefolgt sein miiss, so ergiebt sich für die Heise des
Mauricio jrnnz natürlich die Zeit zwischen Mai und November, wo für Hiu-
und Rückweg und den viermonatlichen Aufenthalt in Deutschland Platz ist.
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Die Kölnischen Meister an der Kathedrale von Burgon.
scheinlich aus der Zeit ihre» Sohne», Alfons de» Weisen. Grosse
Dinge waren damals im Werden, die Anfänge der Kirche von Bur-
gos sind mit ihrer Erinnerung verweht. Während sonst schon der
Niedergang der Kreuzzugbewegnng begonnen hatte (die mit der Ent-
stehungsgeschichte der Gothik ziemlich parallel läuft)1), lebte hier
der Glaubenskampf mächtig auf. Im Jahre 1224 eröffnete Ferdi-
nand III. den andalusischen Krieg, der seine ganze Regierung, d. h.
alljährlich die gute Jahreszeit ausfüllte. Und während seine Mutter
in Castilicn die Regentschaft führte, fielen die blühenden Mauren-
städte mit ihren trotzigen Alcazars Schlag auf Schlag in die Hände
der vordringenden Race. Die Grenzmarken, die Ferdinand der Hei-
lige (f 1252) erstritten, sollten mehr als zwei Jahrhunderte ziemlich
unverändert bleiben.
Die Kirche des Hischufs Mauricio ist die erste auf spanischem
Boden in dem mittclfranzosischen Kathcdralcnstil des XIII. Jahr
hundert»; das Signal gleichsam, das» dieser gothische Laienstil die
Pyrenäen Uberschritten hat und im Begriff ist sich eine neue Pro-
vinz zu erobern. Ihr folgte rasch Toledo (1227), dessen Grundstein
ebenfalls Ferdinand legte, und Leon. Die neue Form tritt hier auf
ohne die Ucbcrgangsbildnngen, die man im Mutterland Schritt für
Schritt verfolgen kann; auch so rein von Beimischungen an be-
stehendes Spanisches oder Maurisches, dass man, wie George
Street bemerkt*), sich hier nach Frankreich versetzt glauben kann.
Nichts liegt also näher als die Vermuthnng, dass jene Reise des
Bischofs durch Frankreich im Jahre 1219 die Veranlassung des
Entschlusses wo nicht zum Umbau, doch zum Neubau der Kirche
in dieser Gestalt gegeben hat. Jedermann erinnert sich hier der
Reise des Conrad von Hochstaden zum Lyoner Concil (124ö). Früher
hat man den neuen Stil mit der angeblichen fremden Herkunft des
Prälaten, englischer oder französischer, in Verbindung gebracht; sie
wird schon von seinem Nachfolger Alonso de Oartagcna im XV. Jahr-
hundert als Ueberlieferung erwähnt (qxiem ferunt Anglum fuuse).
Allein nach den von Florez mitgetheiltcn Daten aus seinem Vor-
leben rauss man diese Annahme aufgeben. Wohl aber darf man
1) Loniit Oonxe, L'ait pothiqu«'. Parit., 1891. p. 4ß.
2) G. E. Street, Somc acoount of Gothic Architeclure in Spain.
London 1869, p. 16.
Knr) Jusli:
sagen, ihm könne auf jener Reise unmöglich die ausserordentliche
Bewegung im Kirchenbanwesen entgangen sein, die damalH die Städte
den französischen Kronlands ergriffen hatte, und deren Ergebnis* jene
erstaunliche Zahl von Bauwerken war, die selbst noch lies modernen
Frankreichs Stolz sind. Diese Bewegung knüpfte sich ja gerade an die
Errichtung bischöflicher Kirchen. Die Entzündung des Feuers ging
von den Bischöfen ans, aber es fand in der vorangegangenen Pflege
der Baukunst bei den grossen Orden, in der religiösen Begeisterung
des Jahrhunderts, in dem städtischen Ehrgeiz reichlichen Nahrungs-
stoff. Kühnheit und Eleganz der Construction und dadurch befreiter'
Erfindungsgeist, Neuheit und Frische der decorativen Motive, Auf-
schwung des ausschmückenden Kunstgewerbes verband sich mit einem
Unternehmungsgeist, der auf die Daner gleichen Eifers bei künfti-
gen Geschlechtern rechnete.
Die damals im Bau begriffenen Kathedralen befanden sich in
den versch iedensten Stadien der Ausführung, einige der ersten Ver-
suche, mit uoeb tastendem Stilgefühl konnten als abgeschlossen
gelten: Noyon, Laon, Senlis, Soissons. Kühne (ilockenthflrme mit
steinernen Nadeln besassen St. Denis, Chartres, Kouen. Vor vier
Jahren war der Chor von Rheims (begonnen 1212) eingeweiht wor-
den. Andere hatten sich noch kaum über die Grundmauern erhoben,
wie Bourgcs; von Amiens, dem Vorbild des Kölner Domes, ist erst
im Jahr darauf (1220) der Grundstein gelegt worden.
Wir kennen die Reiseroute der Beatrix von Schwaben nicht,
aber in Paris hat der Zug verweilt. Von Notrc Dame, 1163 von
Maurice de Sully begonnen, waren nach dem ersten Plan Chor und
Langhaus fast beendigt (1220), und 1218 die Fassade in Angriff ge-
nommen worden. Mauricio konnte bereits die drei Portale aufge-
mauert sehen, denn 1223 stand die Front bis zur grossen durch-
brochenen Galleric, welche die Thürme verbindet. Er mag hier an
die Enge und Kleinheit seiner eigenen Kathedrale gedacht haben
und die Vorstellung ihn ergriffen, dass sein Name einst im Munde
nachfolgender Geschlechter mit einem so erhabenen Gotteshaus ver-
bunden sein sollo.
Die Kathedrale von Burgos war also das erste Beispiel dort
des französischen Kathedralenstils, — nicht des Spitzbogenstils.
Dessen Einführung war bereits erfolgt: selbst in Burgos. Vor den
Thoren von Burgos hatte Alfons VIDI. 41 Jahre vor der Grundstein-
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Die Kölnischen Meister an der Kathedrale von Burgos.
7
legung der Kathedrale ein Cistercicnserkloster1) gegründet, seiner
Gemahlin Leonnr, Tochter Heinrich II. von England zu Liebe. Das
königliche Nonnenkloster Las Iluclgas wurde schon 1181 bewohnt,
die Kirche 1199 eingeweiht; ihr Stil ist streng und schmucklos.
Wenn es der übermächtige Einiluss der Abteien gewesen bt,
dem die französischen Bischöfe eine gleich starke Anziehungskraft
in ihren Kirchen entgegenstellen wollten, so ist es ein merkwürdiges
Zusammentreffen, hier bei dem ersten Schritt in Spanien eine Ana-
logie dieses Verhältnisses zu finden.
Ob der Bischof die Bildung einer Kolonie der pariser Bauhütte
dort angeregt, ob er selbst einen Werkmeister mitgenommen hat, wird
wohl nie ausgemacht werden. Wäre es jener Maestre Enrique,
dessen Tod im Jahre 1277 verzeichnet wird*), so müsste der Schöpfer
des Bauplans ein sehr junger Mann gewesen sein. Antheil an der
Ausführung aber hat Enrique gewiss gehabt. Er ist bekannt als
Architekt der viel schlanker und luftiger gebauten Kathedrale
von Leon.
Die Formen von Burgos sind natürlich altertümlicher als die
der ungefähr gleichzeitig gegründeten Kirchen von Amiens, Rheims,
und entwickelter als Notre Dame, dessen Verglcichnng am nächsten
liegt. Notre Dame stand damals im Vordergrund französischer Kir-
chenbauten, alles bisherige in Schatten stellend. Unser Plan ist frei-
lich viel einfacher. Das noch kriegerisch harte Wesen des Spa-
niers verleugnet sich hier nicht: Fortiter et pulchre construxit Ec-
äenüim Burgemem, rühmt das Chronicon Tudense von Mauricio.
Der Chor, fünfseitig aus dem Zehneck, hat nur einen Umgang
und hatte einen Krauz von fünf strahlenden Kapellen; das Langhaus
drei Schiffe, das Transept eines. Aber an der Westseite erscheint
doch die Signatur des Zeitpunktes der Notre Dame- Fassade nnver-
1) Das Kloster von Viruela, gegründet 1146, ist die alte.ste Cister-
cicuserstirtung in Spanien. Die Kirche hat bereit« den Spitzbogen.
2) Historia del Templo Catedral de Burgos, escrita con arreglo a
documentos de hu archivo por Kl Dr. D. Manuel Martina y Sam, dig-
nidad de chantre de la misma santa iglcsia mctropolitana. Burgos 1866.
Diesem goldenen Büchleiu verdankt man die Mehrzahl der auf die Bau-
geschichte und das Personal bezüglichen genauen Angaben. Vgl. p. 16,
182 f. Eine Beschreibung des Baue« im Einzelnen liegt nicht im Plan
dieses Aufsatzes. Vgl. E. Guhl, Architektonische Studien iu Spanien in
O. Erbkams Zeit«chr. f. Bauwesen, VIII. C. v. Lützow, Meisterwerke der
Kirchenbaukunst. Leipzig 1862. Street a. a. U.
H
Karl J u k I i:
kcnnhar. Die beiden Thimngcschossc mit den mächtigen, langen
Fensterpaaren und dem Kngclwcrk der Hohlkehlen, scheinen Notre
Dame nachgebildet. Die Fortsetzung der viereckigen Form bis zu
den beabsichtigten achtflächigen Pyramiden, also ohne das schon
im romanischen Stil eingeführte vermittelnde Oetogon ist den Kir-
chen von Isle de France eigen. Die ThUrme bekamen hier freilieh
zwei ganz ähnliche Geschosse; eine Wiederholung, welche der Ge-
schmack des Erfinders von Notre Dame nicht geduldet hätte.
Am meisten hat der plastische Schmuck des pariser Portals den
bild frohen Spanier angesprochen. Die steitucnaufnchmende Gliede-
rung der Thorgewände setzte sich fort in den Fronten der vier
grossen Strebepfeiler mit ihren beiden Reihen Statuen. Leider hatte
das Eis um die Mitte des vorigen Jahrhunderts diesen Portalen arg
zugesetzt, von vielen waren nur noch Trümmer vorhanden, doch Rah
Ponz1) noch bedeutende Köpfe (caheza* gramlioitax). Um 1700
(die Jahreszahl sagt genug) wurde dann von Madrid aus eine noch
jetzt die Fassade entstellende Restauration vorgenommen. Nur vier
alte Statuen haben den Platz behauptet: Ferdinand und Mauricio,
Alfons II. und Asterins von Oen. Dieses Statuenheer verbreitet sich
hinauf über die Thünne. Der italienische Tourist vergleicht sie
einer himmlischen Legion, die über dem Monument Wache halte.
Sogar die Fialen über der Verbindung der Sehwihhogen mit dem
Kranzgesims sind durch Engel ersetzt.
Auch Kleinigkeiten erinnern an Notre Dame, z. B. die Blcnd-
rosetten mit Dreipass in den Zwickeln der Rose und der Fenster
unter den Thürinen.
Anderes ist vereinfacht, oder verrüth eine jüngere Zeit. Von
den durchgehenden Galerien, die bei Notre Dame die Horizontale
so stark betonen, ist nur die Statuengalcrie des Mittelbaus geblieben.
Sie stimmt mit denen iti den Qncrschiff-Fronten. In die zu Paris
ganz einfachen Steinringe der Fenster ist ein Vierpass gesetzt. Die
Fenster des hohen Chors haben eine Form, ähnlieh der an der
Galerie der Fassade von Amiens (1230 — 40).
Alonso ron Cartagena.
Im XV. Jahrhundert wurde in Burgos angenommen, die Ka-
thedrale, deren Chor das Kapitel 1230 bezogen hatte, sei noch von
1) A. Ponz, Viage de EgpaAa XII, 23. Madrid 1783.
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Die Kölnischen Meister an der Kathedrale von Burgos. 9
dem Risckof Manrieio (f 1238) bin auf die Thttrmc vollendet wor-
den, was freilich eine Ran/eit von nur siebzehn Jahren ergchen würde.
Diese Mciuung beweist jedenfalls, (hm die letzten Arbeiten damals
weit genug zurücklagen, um dem Gedäehtniss entschwunden zu sein.
Honorius III. ertheilte 1224 einen Ahlass für den „vornehmen und
kostspieligen Rau4"}. Möglich aher ist, dass Kölker und Fassade
schon im Lauf de« XIII. Jahrhunderts bis auf die Plattform der
Thllrme gefördert worden sind. Der herrliche Kren/gang nämlich
(zu dem man doch kaum vor Vollendung des Inneren geschritten
sein wird), mit seinen hochhedeutenden Statuen, gehört dem XIV.
Jahrhundert an, man sagt dort der Zeit Heinrich II. (1379—90);
aher Street setzt ihn richtig viel früher. 1280— 13f>0; das ihm an-
geschlossene Kapitelhaus wurde schon 1316 gegründet. Sein reicherer
Stil beweist aher, dass im XIV. Jahrhundert auch dort jene schlich-
ten Formen nicht mehr im GebPanchc waren.
Kine neue Bewegung kam in die Baulust der Prälaten nm die
Mitte des XV. Jahrhunderts, und jetzt wandte man sich der Aus-
gestaltung des Domes in verticaler Richtung zu. Hier war für
wirklich organische Zusätze noch Platz. Verdricsslich war, dass
eine Kathedrale, die ihre Stadt überragend beherrschen sollte, kaum
aus der Umgebung hervorsah. Dem konnte zunächst abgeholfen
werden durch den Ausbau der Thürme.
Der Mann, auf den die nun beginnende, durch Berufung frem-
der Architekten eröffnete Bauperiode zurückgeht, war der Rischof
Alonso de Cartagena (1384 f 1458), eine der merkwürdigsten Er-
scheinungen spanischer Prälatur.
Er entstammte einem alten, in Rnrgos ansässigen jüdischen Ge-
schlecht. Sein gelehrter Vater, der sich zum Stamme Levi rechnete,
hatte, im Forschen über Jcrcmiä 31, die Göttlichkeit des Neuen
Rundes mit dem ins Herz geschriebenen Gesetz erkannt und im
vierzigsten Lebensjahre mit den Seinigen die Taufe empfangen (1390).
Hierbei nahm er den Familiennamen de Santa Maria an, und als
Wappen die (in der Folge an des Baues höchsten Theilen prangende)
silberne Lilie im grünen Feld; als Taufname aber Paulus, denn
Paulus, sagte er, hat mich zum Glauben bekehrt. Ein hinreissender
1) Cum igitur burgensis ecclesia struetura nobili et adeo suuiptuosa
consurgat, ut ad eius consummationem ipsius non suppetant facultate» etc.,
bei Martine* 16.
10
Karl J n n t i :
Prediger (vor dem Pabste zn Avignon), durch »ein tscrtitinium *cri-
pturarum ein noch in «Jen Tagen des Tridentiuer Concils hervor-
gezogener, hochgeschätzter Polemiker, lenkte er die Aufmerksam-
keit Heinrich III. auf »ich und erhielt daR Bisthuni Cartagcnn (1402);
seitdem nahm die Familie den Namen de Cartagena an. Sterbend
bestimmte ihn der Monarch zum Arcliicanecllarius des Reichs, damit
er die Erziehung de» unmündigen Johann IL leite; er gewann Ein-
fluss auf die Staatsgeaehäfte, und bahnte »ich so den Weg zum Stuhl
von Burgos (1415).
Sein zweiter Sohn Alonso war bei der Taufe zwei Jahre alt.
Er erhielt eine humanistische Bildung (er veifasste später eine glos-
»irtc Ucbersetzung von Schriften SenccaV); als Jüngling fertigte er
bereit» Rechtsconsulten aus. Der 82jährige Deehant von Scgovia
und Santiago sa&s im Küthe de» König» und wurde mit staatsmän-
nischen Sendungen betraut, z. B. df?u Frieden mit Portugal zu unter-
handeln (1422 — 24). Der Hof Juan II. war eine Akademie von
Scheingeistern, dort fanden die mächtigsten Grossen de» Reichs Müsse,
eine neue Kunstdichtnng zu pflegen, die bei aller Ucberepanntbcit
und Spitzfindigkeit doch »panisch war in Sprache und Veranlass.
Wir finden da neben einem Marques von Sautillana, Juan de Mena,
und seinem Verehrer und Freund Fernan Perez de Guzman uusern
Alonso in der ersten Reihe der Poeten des Caneioncro general. Er
hat auch staatsrechtliehe nud historische Arbeiten verfertigt: eine
Vindication der Ansprüche Castilien» auf die Canarien und Marokko
gegen Portugal ; dem Kapitel aber widmete er kurz vor »einem Tode
einen Abriss der Geschichte Spaniens, vom ersten Gothenkönige an.
Sie sollte die Mitte halten zwischen Genealogie und Geschichte, mit
synchronistischen Angaben der Pabste, Kaiser und Konige von Frank-
reich; bei jedem spanischen Monarchen wurde dessen bildliche Dar-
stellung angegeben und die Berühmtheiten der Zeit als Köpfe bei-
gesetzt l). Kurz, Don Alonso war einer jener universellen Menschen,
welche dem XV. Jahrhundert, nicht bloss in Italien, eigen sind.
1) Da« eigentlich „Genealogie« Rcgum Castellae et Leonis arbor"
betitelte, gewöhnlich Anacephalaeoms genannte Werk »tobt in A. Schott'«
Hispania illustrata. Frankfurt 1B03. I. p. 247. At «|Uia imagiuee rerum
tnrtius memoriam coadiuvant, <|Uatn nuda Mcriptura, Hege» ipsos congruo
arboris loco depingi feci in rei-ta linea Bcgibus solis depicti»: in mar-
ginibuH voro aliquibu« alii.s quorum .strenuitas non ab re iuxta Reges
collocari petebat, per aola capita figuratis.
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Die Kölnischen Meister an der Kathedrale von Burgos.
11
Bald erbielt er Gelegenheit, sein Licht auf der grüßten Bühne
leuchten zu lassen. 1434 wurde er, nach dem Tode de« Cardinais
Carrillo, der Gesandtschaft /um Coueil von Basel beigesellt, und zu-
■ gleich mit einem Auftrag an Kaiser Albrecht III. (in Prag) ab-
geordnet. In Basel stritt er mit Erfolg für den Vortritt des spani-
schen Gesandten gegen den englischen. Acucas Sylvins nennt ihn
„die Wonne Spaniens" und „die Zierde der Prülatur", vor allen
ragend in Klugheit und Wohlredcnheit. Als der Orator des Königs
von Spanien, erzählt er, das Wort nahm für die Oberhoheit des
Concihj über den Pabst (wobei auch Aristoteles ins Feld geführt
ward), da hingen alle an seinem Munde und statt nach Schluss der
Rede begehrten sie deren lange Fortsetzung. Eugcu IV. gewann
in der Folge eine hohe Meinung von ihm, ja wenn man der Chronik
Johann II. glauben dürfte, sollteu dem Pabst, als er vom Kommen
Don Alonso's hörte, die Worte entfallen sein: „er würde sich schämen,
auf dem Stuhl Petri nieder/usitzen, wenn der Bisehof von Burgos
daneben stünde" '). Florez (S. 301) glaubt, der Abschnitt, wo dieses
steht, rühre von Juan de Meua her. Sein Biograph Hernando de
Pulgar sagt von ihm: er sprach wenig und gewählt und war sehr
reinlich. Seiue Erscheinung war ehrfurchterweekend, kein unziem-
liches Wort wagte sieh in seiner Gegenwart hervor*).
Meister Hans von Köln.
Als der Doctor und Dechant von Santiago schon nach dem
Concil unterwegs war (1435), cntschloss sich sein 83 jähriger Herr
Vater, auf den Krnmmstah zu verzichten ; der König bestimmte den
Sohn zum Nachfolger. Als Bischof also sollte er die Vaterstadt
wiedersehen. Und da man ihn später als eifrigen Bauherrn kennen
lernt, so darf man glauben, dass er auch auf seiner Reise in
Deutsehland den Kirchengebäuden besondere Aufmerksamkeit ge-
schenkt hat, und bei den schönen durchbrochenen Helmen von Frei-
burg und Basel (der nördliche war schon vorhanden) an seine Kirche
gedacht hat, deren Antlitz nun mehr als zwei Jahrhunderte baarhaupt
zum Himmel schrie. Dass er kunstfertige Meister, und darunter
1) Por cicrlo quo «i ol obispo de Alonso de Burgos eu nuestra
Corte viene, con gran vergüenza nos asentaretuos en la silln de 8. Pedro.
2) Hernando de Ptdgar, D« los claros varoues de Espana. In deuten
Epistolae, Amsterdam 1670. „Todos se honeatoban" p. 271.
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12
Karl Justi:
den Kölner, von der Concilfahrt mitgebracht, ist allerdings nur
üehcrlicfcrung. Im alten Kapitclsanl «teilt es indes« nntcr Keinem
Bildnis» '). Solche Notizen wurden hei der Erneuerung dieser bischöf-
lichen Portraitgalleric ( 171 1 — 12) von Kanonicis und Archivigten auf-'
gestellt. Ueber den Ausbau der Thürnie enthält das Kapitelarehiv
keine Akten, da der Bischof selbst die Kosten bestritten hat. In
jenem „Stammbaum" giebt er als Anfangsjahr 1442 an, zwei Jahre
nach seiner Rückkehr*). 1447 gewährte Nicolai» V. eine Ablass-
bnllc. Juan de Colonia wird im siebten Jahre des Raucs (1449)
/um ersten male (als Zeuge) genannt und im zwölften als maetfro
de /<w obra* der Kathedrale. Dass er die Thurmhelme nicht bloss
beendigt, sondern auch entworfen und begonnen hat, darauf führt
schon der Stil, der nach Deutschland weist. Die Verbreitung der
Angehörigen der Kölner Domhanhütte nach Norden und Süden ist
bekannt; Rnrgos aber ist wohl die letzte Mark Köluischer Macon-
nerie, der äusserste Punkt im Westen, bis zu dem der Dom des hei-
ligen Köln seinen Kiescnschattcn erstreckt hat.
Es versteht sich von selbst, dass Helme von Anfang an be-
absichtigt waren; das starke Strebe werk der Thnrmgcschossc kündigt
sie deutlich genug au 8). Man wird sieh aber diese geplanten Helme
des XIII. Jahrhunderts natürlich anders vorzustellen haben als die
jetzigen, etwa nach dem Muster des alten Thunues von Chartres,
oder des abgebrochenen der Stiftskirche von S. Denis. Durch-
brochene Helme sind erst gegen Sehluss des XIII. Jahrhunderts auf-
gekommen, im gross ten Maassstab aber und mit völliger Beseitigung
der Flächen in Deutschland ausgeführt worden. Sic waren das Er-
gebnis des sich nie genügenden Dranges nach Leichtigkeit und
des Grundsatzes, solche gegen das Leere absetzenden Thcilc mit
Baugliedern zu bekrönen, die einen Uebergang aus dem Vollen ins
1) Truxo sigo maestros, qne acabaron In« pirämides de esta iglesia.
2) Turres duae principales quae sunt in porta quam vocant regia,
tion fucrunt tunc ex toto Hnitae, sed post anno Domini 1442°, 220°. post-
quam ineeptn l'uerat aedifienri ecclesia. In cadetn lere die coepit conti-
nuare aedifieium illarum turrium Alphonsiin Kpiscopus Imius nominis II.,
qui hodie per divinam misericordiam sedet, et cum divino auxilio opu«
hoc facit continuari (1466). Schott a. a. 0. cap. 83, 282.
8) Man hat dem Johann auch die Untergeschosse zugeschrieben,
aber Einzelheiten späteren Gepräges können von einer damals vorge-
nommenen Restauration herrühren.
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Die Kölnischen Meister an der Kathedrale von Burgos.
13
Leere vorstellen. Ueber einem offenen Glockenhaus wäre die ge-
schlossene Pyramide ein Rückgang gewesen. In diesen höchsten
Spitzen, aus weiter Ferne auf dem Grund des offenen Himmels lili-
granartig .sich abzeichnend, sollte, wie Florez sagt, der Bau sich
in die Lnft aufzulösen scheinen. Eine Ballade preist die ThOrmc
von Bnrgos, durch welche die Sterne flimmern.
Der Kölner hatte gewiss gern ein vermittelndes Octogon ge-
gegeben, aber dazu war es zn spät, er begnügte sich mit einem
von unten kaum bemerklichcn, achteckigen, 2,80 cm hohen Tambour.
Indes» hat diese kunstlose Verbindung der aehtseitigen Pyramide
mit dem Dreieck den Gesaiumteindruck nicht beeinträchtigt. Das
Viereck giebt den Eindruck der Festigkeit, die dem Octogon weniger
eignet, und die Kckthflrmchen kommen in ihrer tlaukireuden Funk-
tion besser zur Geltung.
Der Anfang wurde gemacht mit dem südlichen Helm, am
1«. September 1442. Don Alonso hat die Vollendung des nördlichen
(4. September 1458) nicht mehr erlebt, die aber nur zwei Jahre
seines Nachfolgers in Anspruch nahm. Ihre Höhe beträgt dreihundert
Fuss, — ungefähr das Längeumass der Kirche. Man kann sie als
verkleinerte Nachbildungen der Kölner betrachten, deren Aufrisse
dem Meister gewiss bekannt waren; au dem kölner Südthurm hat
er ja wohl mitgeholfen. Die durchbrochenen Füllungen der Fassetten
(55 cm dick) ebenso wie die Krabben der Kanten, sind derb genug;
letztere z. B. zwei Fuss laug, aber zur Entlastung oben ausgehöhlt
und mit Cauälchen für das Regenwasser versehen. Dadurch ge-
wann mau eine klare Feimvirkuug der Silhouette und trug den
zerstörenden Einwirkungen von Eis und Sturmwind Rechnung. Und
so haben diese luftigen Steingebilde fast fünftehalb Jahrhunderte
Stand gehalten, während tiefer gelegene, massivere Theile vom Un-
wetter herabgerissen wurden. Erst H592 und 1749 (und jetzt) sind
Ausbesserungen nöthig geworden; aus dieser Zeit stammen die
eisernen Klammern.
Der rheinische Meister berücksichtigte den dortigen Geschmack.
Ein eigentümlicher Zug der gothischeu Ornamentik dieser Zeit ist
die den Arabern entlehnte Verwcrthnng von Inschriften als Orna-
mentmotiv. Die schöne eckige Mönchsschrift eignete sich hierzu eben
so gut wie die arabischen oder kutischen Charaktere. An dem Mittel-
bau, wo ein Bild der Mutter Gottes steht, ist die Brüstung aus den
SchriftzUgcn ftoUra es et frecora gebildet. An der Westfläche der
KatI Justi:
beiden Plattformen dienen als Balustraden die ebenfalls auf Sta-
tuen bezüglichen Worte GBtcc Agnus JDci und ]flar uobiscum. Iu
den letzten Galerien unter den Thurmspitzen (arandelax, Halskrauaeu)
stehen die Monogramme von Santa Maria und Jefus.
Jedennann fallen die stilwidrigen Spitzen auf. Der englische
Architekt, der gegen deutsche Gothiker immer etwa*» hart ist, ver-
fehlt nicht, sie dem Hans von Köln anzukreiden. Dreihundert Jahre
lang ragten hier (wie seit Sixtus V. auf den Imperatoreusäuleii Korns)
Statuen der Apostel Peter und Paul. 1749 wurde die entere ent-
fernt; ein Narciso Corte* vollführte den halsbrechendcn Auftrag. Da-
mals wurden die jetzigen (7H Pfund schweren) Bleihüte aufgesetzt.
Während jener sechszelm Jahre ist der Domwerkmeister natür-
lich noch durch andere Unternehmungen in Anspruch genommen
worden. Don Alonso bat manche Kirchen und Klöster seiner Diöeesc
neu gebaut. Oben an steht die von seinem Vater als Grabstätte
für sich und die Seinen begonnene prächtige Kirche des S. Paul-
Klosten, die neuerdings zerstört worden ist '). Wer eine gründliche
ecclesiologisehc Tour durch die Diöeesc unternähme, würde wahr-
scheinlich mehr als einmal den Spuren des Hans von Köln begegnen.
Die Errichtung seiner eigenen letzten Ruhestätte war es, worauf
der Bischof vor allem Anderen bedacht gewesen war. Gleich naeb
seiner Rückkehr von Basel, im Jahre 1440, überredete er das Ka-
pitel, ihm eine Kapelle der hl. Marina am Südtranscpt als Baustelle
zu überlassen. Der Capitelbeschluss betont die Verschönerung und
Würde, welche die Kirche durch Erweiterung des, wie es scheint,
hier verbauten Quersehiffs, durch freien Blick und Helle gewinnen
werde s). Hier erbaute er in zwei Jahren die Kapelle der Heim-
suchung Maria. Schon 1447 und 49 heisst es, „hier sei das Grab
des Bischofs gebant, wenn es Gott gefallen werde, seine Seele zu
sich zu nehmen"'). In ihr wurden noch im vorigen Jahrhundert
1) Ausserdem S. Juan de Ortega, ebenfalls von seinem Vater be-
gonnen. Kr gründete auch das Kloster S. Ildefonso, von Augustineriimen-
Canonissen. Florez p. 35)2.
2) Los dichoH «eBores Dean it Cabildo . . . dijieron «pie en «e l'acer
In diclia capilla . . . la diclia e/rlenia seria man clara <* mos honrrada, ca
pnr ello «e ensanchaba (Acta capit. 17. Febr. 1440). La cual (capilla) daba
et da t/mn vhta et grtmd claridad A la dicha e^lesia (a. a. ü. t>. Abril
1442) Martiiiejs p. 94 ff.
3) 24. Nov. 1447. l"bi iam ae.diticatns est loculns, sen scpnlcruiii.
In der Fundation.sakte der Kapelle vom 7. Nov. 1441) sa^t er: Ubi iam
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Die Kölnwehen Meister an der Kathedrale von Bnrgos. 15
seine hinterlassenen Schriften aufbewahrt. In der Mitte steht die
hohe Marmortnmba, mit Heiligenbildern in Nischen, und der edlen
Schlummerstatuc des Bischofs de buetui memoria, wie ihn das Volk
nannte, in reich mit Perlen, Edelsteinen und Bildstickercicn ge-
Hchmttcktcm Poutificale. Das edle, etwas längliche und volle Oval,
die schmalen feinen Formen der Augen und des Mundes lassen die
Ast der damaligen Bildhauerschule von Bnrgos erkennen.
Auch ein königlicher Auftrag wurde Johann von Köln, freilieh
ist ihm die Ausführung nicht beschieden gewesen. König Heinrich III.
besaas in der Nähe der Stadt ein Jagdschloss, von den färben- ,
glühenden Beeten de* Gartens und Parkes, der es umgab, Blumen-
schau (Mirafloren) genannt. Jetzt sieht man hier nur Stcingcrölle
und Felder. Sein Sohn Johann II. schenkte den Palast den Kar-
thäusem und gründete die Kirche fflr sein und seiner Gattin Isabel
de Barcelös Grabmal. Am 13. September 1454 legte Hans vou Köln
den Plan der Kirche vor. Er erhielt dafür 33;">U Maravedis (zehn
Dukaten). Jedoch die Arbeit kam während der Wirren Heinrich IV.
ins Stocken und wurde erst von Johann II. Tochter Isabella der
Katholischen (1477) wieder aufgenommen. Nachdem der Spanier
Garcia Fernande/, de Matienzo ein Jahr dabei beschäftigt gewesen
war, hat sie Johanns Sohn übernommen uud vollendet (1488). Die
einschiffige Kirche mit siebenseitigem Abschlnss und dreizehn nasen-
verzierten Gewölbrippen des Chors wird heute hauptsächlich besucht
wegen des königliehen Doppelgrabmals von der Hand des Gil de Siloe
und des Altarwerkes. Diese überreich mit Statuetten und Zieraten
ausgestatteten Denkmäler von sehr eigenthümlieher Erfindung waren
das letzte Wort gothischer Bildnerei in Bnrgos.
Der Yiernngftthnrm (emeero).
Zwei Jahre nach Grundsteinlegung der Karthauae starb Don
Alonso auf dem Heimwege vou einer Pilgerreise nach S. lago de
Compostela. Ihm folgte D. Luis Osorio de Acufia. Den Namen
Acufia hat er von seinen mütterlichen Vorfahren angenommen, ohne
Zweifel wegen des besseren Klangs, denn die Acufia führten ihren
.Stammbaum zurück auf Juan Manuel, Sohn Ferdinand des Heiligen.
Ehe er in den geistlichen Stand trat, war er verheiratbet gewesen,
monnmentum lapideum aiih quo corpus nontram recondatur qiiandn om-
nipotensDeus höh roenre digitahihir sculptuin et l'abricatum est. Ebenda 98.
Iß
Karl Justl:
sein Sohn ist jener Bischof von Zamora, Antonio de Acufta, der im
Aufstaud der Geniciiien eine verhängnissvolle Rolle spielte nnd we-
gen Mords des Castellaus von Simancas am 23. Mär/. 1Ö26 auf
Befehl des Kaisers erdrosselt wurde. — Der vornehme, freigebige
Herr wollte hinter seiucm Vorgänger vom Stamme Levi im Aufwand
für seine Kirche nicht zurückbleiben, und er hatte Zeit, denn er
regierte fast vierzig Jahre.
Das grossartige Unternehmen, welches die gauze Regierungs-
zeit AcnQa's ausgefüllt hat, ein Werk, das an Kühnheit und Reich-
thum jene Thnrmhelme noch hinter sich zurtlckliess, war die Er-
richtung des grossen Vierungsthurms {('imborio oder Crucero). Bis-
her fehlte es über die Zeit seiner Errichtung au bestimmten
Nachrichten. Der bestunterrichtete Mann in der Geschichte der
Kirche hatte mir festgestellt, dass die Kathedrale bis auf diese Zeit
keinen Ciuiborio besessen hatte und das» dieser am Ende des Jahr-
hunderts-von D. Luis erbaut worden war. Zu derselben Zeit also
wie der herrliche normannisch -gothisehe Thurm von S. Oueu in
Ronen. Es ist aber eine Notiz vorhanden, nach «1er der Bcginu
früher anzusetzen ist, wahrscheinlich in sofortigem Anschluss an
die Vollendung des nördlichen Fassadcnthurms. Diese Notiz findet
sich in dem Reisebericht des böhmischen Edlen Leo von Rozuiital,
der im Jahre 14(56 nach Burgos kam: hier heisst es: Diesem Heilig-
thum sind zwei zierlich aus Quadersteinen aufgeführte Thümie an-
gefügt, der dritte wurde, damals, ah wir dort waren, erbaut1).
Hieraus ergiebt sich aber weiterbin, dass es Haus von Köln
uud nicht sein Sohn und Nachfolger gewesen ist, der den alten
Crncero entworfen hat uud ziemlich weit gefördert haben muss, denn
er stand dem Bauwesen der Kathedrale zur Zeit Acunas noch vier-
undzwanzig Jahre vor.
Der Gedanke des Bisehofs war ohne Zweifel ein glücklicher.
In den Augen der Kenner des nationalen Kirchenbaus fehlte, ohne den
Crucero, dem Stolz von Burgos noch ciu wesentlicher Theil. Dem
Erbauer liel also der Ruhm zu, der nunmehr dritthalhlumdcrtjälirigcn
Baugeschichte erst ihren bekrönenden Abschluss gegeben zu haben.
\) Jluie (fano) adinnetae sunt dna« turres eleganter ex lapide o,ua-
drato extruetae, teriia mm, cum il»i esseuitis, aedilicaliatur. Des böhmi-
schen Herrn Leo von Konnatal Hilter-, Hof- und Pilgerreise durch die
Abendlande, 14G5— 14<TT. Stuttgart 1844, S. 1<»4
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Die Kölnischen Meister an der Kathedrale von Burgos.
17
Die Castilicr hatten von jeher auf ihren Cimborio ganz be-
sondere Stocke gehalten. Sie empfanden in diesem Punkt wie die
Normannen. Nach aussen als domiuirenden, mehrstöckigen Thurm-
bau, nach innen als lichtspendende Laterne. Die Kathedrale von
Zamora, die alte von Salamnnca, die Colegiata von Toro besitzen
Cimborien, die zu den originellsten tuid gelungensten Erzeugnissen
ihrer romanischen Zeit gehören. Aussen herrseht die acht- oder
seehszelmeckigc Form, von vier Thürmclien flankirt; nur in Zamora
dringt auch hier die Kuppel durch. Im Innern erhebt sich Uber
Pendentifs, auf kreisförmiger (Grundlinie eine hohe Trommel mit
zwei Feusterreihen und gerippter Wölbung.
Nun ist bekannt, dass sich die Gothik, in ihrem Mutterlande
wie in Deutschland, zunehmend kühl zu diesem romanischen Vcr-
mächtuiss verhalten hat. Die Kathedralen von Isle de France legten
viel mehr Gewicht auf die Fassadenthünne, der Mittclthurm begann
zu einem mageren Dachreiter zusammenzuschrumpfen. Der erste Bau-
meister von Burgos hatte, im Anschluss an Notre Dame, keinen
Vicrungsthnrm in seinen Plan aufgenommen. Auch bei den Burgos
auf dein Fuss folgenden Kirchen von Toledo und Leon fehlt die
Laterne, nicht zum Vortheil ihres nationalen Gepräges. Aber so-
bald die neue Weise Wurzel gefasst hatte, das eigene Gefühl
wieder zum Wort kam, kehrten auch ihre Gothiker zu dem lieb-
gewonnenen Zug zurück. In den Anfang des XV. Jahrhunderts
(1404) fällt das „Lichtbad" der Kathedrale von Valencia, wo die
gothische Auflösung der Wandflächen in Fenster kühu auf den Cru-
cero Übertragen ist. Alabasterplattcn schliesscn die Üeftuungeu der
zwei Ringe von sechzehn Fenstern.
Es war nicht blos Anhänglichkeit an das Hergebrachte. In-
dem der romanische Vierungsthurm die schlanken Thannpaare an
den Chören oder am Querhaus wie Vasallen um sich schaart, giebt er
dein reiebeu Ganzen einen wirksamen Mittel- und Gipfelpunkt. Und wo
er im Innern als Laterne den unschätzbaren Eintritt eines höchsten
Oberlichts vermittelt, setzt er auch hier dem Uebergewieht der
Längenachsc einen centralen Zug ausgleichend entgegen, oder besser,
betont diesen schon durch die Kreuzform in die Basilika eingeführ-
ten Zug.
In der That, was wäre die Kathedrale von Burgos ohne ihren
Crncero. Grade nach der Aufführung des mächtigen, den Körper
der Kirche erdrückenden Westthunupaares, machte sich das Fehlen
Jahrb. d. Ver. v. Altorlhafr. Im Khcinl. XCIll. 2
18
Karl Just'i:
eines ausgleichenden dritten Thurnies an dieser Stelle empfindlich
bemerkbar. Wie die normannisch-englischen Kathedralen verdankt
sie ihm die imposante Harmonie ihres Aufbaues.
Und so erklärt sich, dass mau noch in späten Zeiten —
gleichsam vor Thorschluss — zu einem so eingreifenden Neubau
sich entschloss. Der verantwortliche Meister fand sich freilich in
einer schwierigen Lage. Sein Vorgänger hatte die vier Pfeiler,
welche jetzt die Last des Crucero tragen sollten, schwerlich viel
stärker gemacht, als die übrigen. Sollte er sie nun von Gruud auf
erneuern? Welche zeitrauhende, umständliche Arbeit that sieh da
auf. Wahrscheinlich rietb er dazu; aber der Bischof hatte Eile. Die
Zeitgenossen staunten Uber die Kühnheit, „auf so hohe und schlanke
Säulen eine Bolche Masse zu stellen" l).
Leider zeigte sich schon nach einem Meusehenalter, dass er
den Pfeilern doch zuviel zngemnthet hatte. Schon 1535 erschienen
bedrohliche Anzeichen; die Meister nahmen eine Verstärkung (aforrv)
vor, aber der Archidiaconus von Brivicsca, Juan de Leuna, erklärte
sie für unzureichend. Damals stellte der Bildhauer Juan Villareal
noch au den Pfeilern Statuen der Evangelisten und Kirchenlehrer
auf. Ein Unglücksfall war noch im Gedächtnis» aller. Der Cim-
borio der Kathedrale von Sevilla war sogleich nach der Vollendung,
im Jahre 1511 zusammengebrochen. Der von Saragossa, eiue Grün-
dung des Pedro de Luna aus dem Anfang «les XV. Jahrhunderts, war
schon 1500 so baufällig, dass er abgebrochen werden musste. Der
Prior von S. Augustin zu ßurgos, Thomas von Villanueva, soll die
Katastrophe prophezeit haben. In der Frühe des 4. März 1539
stürtzte die Kuppel ein.
Wie sie ausgesehen hat, davon geben uoch einige alte Schilde-
rungen eineu Begriff. Sie war sehr hoch (in aurus evexif), von
sehr eleganter Oonstruction (affabre comtruetum), mit vielen Bild-
säulen verziert und mit acht Phialen bekrönt. Der Bischof Kray
Pascual de Ftiensauta (1497—1512) nennt sie „eine der sehöusten
Sachen der Welt". Im Protokoll der Kapitelsitzung am Tage des
Einsturzes heisst sie ein Bau vou höchster Pracht (el mmptuoxirimu
nli'fivio del crucero). Karl V. meinte, sie sollte eigentlich wie eiu
Juwel in einem Etui aufbewahrt werden und nur selten, auf Ver-
1) Marlin nrtifinnn liilncia, «jiii ausi . sunt tnntani molem medio
tompli «|iiadrivio imputiere, praesertim altissiiiu.s et gracilibus fiilciendam
coluuinis. Martinez p. 248.
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Die Kölnischen Meister an der Kathedrale von Burgos.
1»
langen, gezeigt; wie er ähnliche« bei dem Glockenturm Giotto's
äusserte.
Man uiüsste iu der That die Kirche von Burgos am Ende des
ersten Drittels des XV. Jahrhunderts gesehen haben, tun den Ein-
druck ihrer vollen Glorie zu empfangen. Damals stand das Innere
noch im DämmerJieht der Glasmalereien1), von denen wenig mebr übrig
geblieben ist, als die Namen der damals herilhmten Meister, wie
Juan Valdivielso, Diego von Santillana, beide besser aus der Ka-
thedrale von Avila bekannt; vor allen des Niederländers Arnao de
Flandes (1512—2(3) mit seinem Sohne Nicolas de Vergara, die sich
iu den prachtvollen Fenstereompositionen im Transept des Doms von
Sevilla ein Denkmal gesetzt haben. Im Altarhaus, dessen gothische
Pfeiler noch nicht moderuisirt waren, stand ein alte« Chorgestühl, das
im XVI. Jahrhundert ins Schiff verlegt und im Renaissancestil er-
neuert wurde, wobei der freie Durchblick in der Längenachsc verloren
giug. Wo jetzt der kalte italianisirende Riesenretablo des Bild-
haners Rodrigo de la Haya (15452—80) bis zum Gewölbe ragt,
stand, deu Capellenkranz offen lassend, ein gemaltes und geschnitztes
Altarwerk, das den böhmischen Reisenden alle die sie je gesehen
weit zu übertreffen schien*). Alonso de Cartageua hatte es 1446
an der Stelle eines älteren errichtet.
Vergleicht man aber die Schilderungen des alten Crncero mit
dem neuen, jetzigen, so scheint doch, dass jener im Wesentlichen
als Muster festgehalten wurde. Das Meisterwerk des XV. Jahr-
hunderts wiederhergestellt zu sehen, war vou Anfang an der
Wuusch des Kapitels. Dennoch scheint man zwischen Beibehaltung
des alten Plans und Aufstellung eine» ueueu geschwaukt zu haben.
Die Präcedeuzfälle gingen auseinander. In Saragossa hatte man den
Crucero als zweistöckige Laterne wieder aufgerichtet (1520); in
Sevilla dagegen wurde auf Kuppel und hohen Thurm verzichtet.
Beidemal nach Anhörung der angesehensten Kirchenbaumeister des
Landes. Die decorativen Einzelheiten «1er jetzigeu Laterne schliessen
sich freilich dem inzwischen zur Herrschaft gekommenen platereskeu
Geschmack an, aber Plan, Verhältnisse und Construction zeigen
1) Navagero fand sie osctira « fredda.
2) In quo [templo] tabula aliari praotensa, pulcherrinie depicta, et
artiflclosiswimo opere caelata visitur, ita ut onmes a nie couspectas, ea in
re, longo post se intervallo relinquat. a. a. O. Vgl. Martiuez, 247.
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20
Karl Justi:
doch nichts von italienischem Knppelstil, hier wurde das Vermächt-
niss der scheidenden Oothik tren festgehalten.
Aus der Mischung heider Elemente nun entstand dieser märchen-
haft prächtige Bau von 180 Fuss Scheitelhöhe, der von dem Werk-
meister Juan de Vallejo während der Regierung des Cardinais Juan
Alvarez de Toledo aus dem Hause Alba (1539—50) in Angriff ge-
nommen und im Jahre 1568 vollendet wurde1). Auch die vier
anstossendeu Oewölbjoche mussten erneuert werden; man erkennt es
an den geschweiften Formen der Rippendecoration. Viele Hanmeister
uud Bildhauer wurden aufgeboten; den Riss soll nach einer freilich
nicht verbürgten üeberüeferung der alte Philipp Vigarni aus Burguud
geliefert haben. Im Jahre 1540 erhält der entallador Juan de
Langues (Langres in Burgund) für ein Modell 12000 Maravedis.
Der Betrieb zeugt von einer Begeisterung, die der goldenen Zeit
de« XIII. Jahrhunderts nicht nachsteht. Zufällig war gerade vor
dem Unglücksfall Ebbe in der Kasse, also da*» die Mittel kaum für
die laufenden Arbeiten ausreichten. Aber Domherren und Dcchant,
der Bischof und der Condestabile, vor allen die Stadt wetteiferten
in Opferfreudigkeit. Die Ucsammtkosten beliefen sich auf 20 Mil-
lionen 708,500 Maravedis, was 55,531 Ducaten von elf Silberrealen
oder 152,710 Francs gleichkommt.
Den Eindruck des rein gothischen Sterngewölbes mit doppeltem
Strahlenkran/., dessen Rippen statt der Kappen offene Steinnuister
ausfüllen, vergleicht Amicis mit dem plötzlichen Aufstrahlen eines
Feuerwerks2). Die Wirkung des Aeusscren gewinnt noch durch den
Schluss der Anne des Transepts, der ans drei Spitzbogenöffunugcn
gebildet uud horizontal abschliessend, mit den» zweistöckigen, von
1) Die bisherige allgemeine Annahme des Jahres 1567 ist von De-
metrio de los ttios in dem Werke E«paBa, sns monuuientos etc. Barce-
lona IHK«, p. 4K« berichtigt worden.
2) En levant la tete, on apereoit une espece de dorne forme par
1'iiiterieur de la tonr . Ost un gouffre. de seulptures, d'arabenques,
de statnes, de cnlonnettoa, de nervurcs, de lancettes, d« pendentif'H a vous
doiinor le vertige. On regarderait deux ans qu'on n'aurait pas tont vn.
CVst touffn oomtne un chou, teilest re comine une Iruelle a poisson; r'est
gigaute»<|iio comine une. pyramide et delicat comme une bowle d'oreille
de femme, et l'on ne peut eomprendie qu'un semblable filigrane pnisse
se soutenir en fair dcpuit> de« sieeles. Theophile Gautier, Voyage eu
Espagne.
Die Kölnischen Meister an der Kathedrale von Burlos.
21
vier ThUrmchcn flankirten und von acht Phialen bekrönten Thann
für das Auge zu einem Ganzen verschmilzt.
Der Bischof Acufta hatte Uber dem Bau des Crucero nicht «eines
eigenen Namens Gedächtnis« vergessen. Da wo die Kapelle der heil.
Anna und des heil. Antolin stand, an der Nordseite de» Langhauses,
erbaute er sich die Kapelle der Concepcion fttr seine Gruft. Sie
übertraf an Umfang und Pracht weit die gegenüberliegende Kapelle
seine« Vorgängers. Hier wurde geraume Zeit nach seinem Tode, in
Ausführung der let7.t willigen Bestimmung, das Grabmal im Stil der
italienischen Renaissance von Diego de Siloc ausgeführt (1519).
Simon von Köln und die Conde8tabilc-('apelle.
Die Grundlegung der Kapelle des Bischofs Aeuna (1477) mag
die letzte Arbeit des Meister Hans gewesen sein. 1481 ist er nicht
mehr am Leben. Aus der Ehe mit einer Spanierin, Maria Fernande*,
hintcrliess er sechs Kinder, Simon, Diego (beide Architekten), Fer-
nando, Leonor und zwei Minderjährige. Simon wurde sofort vom Ka-
pitel zum ohrero mayor der Kathedrale ernannt. Er hat sein Amt
dreissig Jahre lang bekleidet. Ihm fiel die Vollendung des Crucero,
der Capelle der Concepcion und der Kirche der Karthauuc zu. Dann
aber wurde ihm, sofort nach der Bestallung, ein Bau Ubertragen,
der, als sein eigenstes Werk, seinen Anspruch auf einen Ehrenplatz
in der Bangeschichtc von Bnrgos uud seinen Ruhm bei der Nach-
welt begründete.
Damals lebte dort der alte D. Pedro Fernande/, de Velasco,
Graf von Haro, erblicher Condeatabile von Castilien, vermählt mit
Dona Meneia de Mendoza, Tochter des Marques von Santillana.
Diese hochgesinnte Frau war die Erbauerin des noch vorhandenen
Familieiipalastea, der Casa del Cordon, wo Philipp der Schöne starh,
und der Caaa de la Vega; ihr Gedanke war es auch, im Bezirk der
Kathedrale eine Familicnkapclle zu gründen, die dem Glanz der
Namen Velasco, Mendoza und Figueroa (ihrer Mutter) entsprechen
sollte. Wahrend der Abwesenheit des Gemahls erlangte sie, am
1. Juli 1482, vom Kapitel die Licenz. Keinen geringereu Platz
hatte sich die Schwester des „Grossen Cardinais von Spanien",
D. Pedro de Mendoza, auserschen, als den Ostpunkt des Chorum-
gangs. Hier stand die ehrwürdige Capelle des heil. Petrus (1382
una de solempnioribu« ipsius eccleniae capelli* genannt), in die
22
Kh rl JuMi:
man noch in jenem Jahrhundert den Chor hatte verlegen wollen;
hier war da» Grahmal des Bischofs Domingo. Sie wurde nieder-
gelegt, ebenso zwei Häuser, und im Laufe von zwölf Jahren von
Simon die ueue Capelle und spater auch die Sacristei errichtet. Ihr
Titel, der Reinigung Maria, erinnert daran, dass dies auch die Stelle
der Lady-chapel in englischen Kathedralen ist. Don Pedro hat
ihre Vollenduug nicht erlebt, er starb, 79jährig, in Granada, kurz
nach dessen Ucbergabe. Seine Söhne D. Bcrnardino und D. Iftigo
setzten das Werk fort, sein Enkel D. Pedro vollendete es und Hess
die Marmorbilder für das Grabmal in der Mitte aus carrarischem
Marmor in Genua herstellen.
Der Bau erhebt sich, in einer Abweichung von der Längenaxc
der Kirche nach links, weit über das Kranzgesims des Chors hinaus,
mit seiner Krone von acht statuenbesetzteu Fialen, die das Zeltdach
umschliesscn und uberragen. — in unverkennbarem Anschluss an
den Crucero. Er hat sechzig Fuss Durchmesser im Liebten, das
reichste Beispiel jener grossen Centraibauten des Spitzbogcnstils, die
seit dem XIV. Jahrhundert in Spanien aufgekommen waren, immer
als Auhängsel einer vornehmeu Kirche, ihres Kreuzgangs oder Altar-
hauses. Sie sind eine architectonisehc Besonderheit der spanischen •
Gothik ')• Die Centralform liegt nicht im Geist dieses Stils, wo sie
bei selbständigen Bauten auftritt, sind es Anpassungen an Werke
der Vergangenheit, deren Grundform man pietätvoll bewahren wollte.
Die Kreisform musste dann ins Polygon — man nannte den Stil ja
früher den polygonalen — Ubertragen werden. In den ältesten Bei-
spielen pflegte man durch Ceberwölbung der Ecken des quadratischen
Unterbaues eine regelmässige aebtseitige Trommel oder Sohle für
das Gewölbe herzustellen; in späterer Zeit bediente man sich der
Pendentifs mit fächerartigen Kanälen.
Das erste Beispiel in Burgos und Vorbild der späteren war
der am 13. September 1316 gegründete Kapitclsaal (cabildo ntteto),
später die Kapelle der heil. Catharina genannt, im Kreuzgang.
Heinrich II. wurde in der Folge hier beigesetzt. Die Form war
wie vorausbestimmt für Grab- und Familienkapellen. Dann erhob
1) Sie stehen vielleicht nicht ausser Zusammenhang mit deu orien-
talischen Kuppeln, die man dort von dem arabischen Mihrab der Moschee
von Cordoba bis zu dem „Salon der Medtanaranja* im Alcazar zu Sevilla
verfolgen kann.
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Die KölniHchcn Meister an der Kathedrale vod Burgos.
2A
sieh in der Mitte die Tuniba der Stifter, geräumige Nischen ringsum
waren vorgesehen für die Dcscendonz. Auch die sclteucn Rund-
kirclicu der Templer (in Segovia; die grösste bei Thoniar in Portu-
gal) gingen ja auf das Vorbild der heil. Grabeskirehe zurück. Der
enge Kaum, dessen der König wie der Bettler für den letzten Ruhe-
platz bedürfen, sollte diesen Raum-Nimbus ausstrahlen, in dem das
Selbstgefühl mächtiger Adelsgesehleehter sich spiegelte. Dass der
Kirchenhau plannlässig abgeschlossen war, galt als kein Hindernis«.
Wir sahen wie in Burgos alte Kapellen niedergelegt wurden, der
Kapellenkranz des Chors gesprengt; die Kirche de« XIII. Jahrhun-
derts wurde der Kern, dein ohne Rücksieht auf die Verhältnisse
prachtvolle Auswüchse entquollen. Man rühmte es dort den Frem-
den, dass fünf Messen gleichzeitig ohne gegenseitige Störung gesun-
gen werden könnten ').
Die Cathedralc von Toledo besitzt zwei solche Octogonc, S.
Ildefonse und S. Iago. Das eine ist die Ruhestätte des streitbaren
Cardinais Gil de Allwrnoz, dessen Leiche auf Gcheiss Urban V.,
zum Dank für die Wiederherstellung seines Staates, auf Schultern
von Viterbo bis Toledo getragen wurde (1364). Das andere birgt
die schauerliche Gruft des einst allmächtigen Ministers Johann II.,
D. Alvar de Luna, 1453 auf dein grossen Platz zu Valladolid ent-
hauptet. Welch ein Zufall, der hier die Erinnerungen an einen
päbstlichen und einen königlichen Dank zusammengerückt hatte!
Zu den letzten Beispielen mittelalterlichen Stils gehört die Capelle
der Velez, errichtet von dem Adelantado Juan de Chaeon in der
Kathedrale von Murcia, und die Capeila imperfeita König Emanucls
von Portugal in der Kirche von Batalha.
Bankflnstlerisch betrachtet, kann man diese Octogonc als Weiter-
bildung des gothischen Systems in Richtung auf Grossräumigkcit
und Ranmvereinfachung betrachten. Also eine Parallele im Sinne
des Centraibaues zu der Veränderung der Basilikaform in den eata-
lonischen Kirchen, wo ein einziges Schiff die Abseiten aufsaugt.
Wir hörten ja, wie grossen Werth die Domherrn anf enpaewaidat,
gran vusta, yran rturidad legten. Auch die Spanien und Portugal
eigenthümlichen grossen Hospitäler, die um die Wende des Jahr-
1) L'ou y chante la Messe eu cinq Chapelle* dinY-reme«, »ans ß'iuter-
rompre les uns le» antrat. Mad. d'Ätänoy, Relation du Voyage d'Eapagne.
A la Hoye 1692, I, 121. (Sie war dort 167U.)
Karl Junti:
hundert* gegründet wurden — in Granada. Toledo, Santiago, haben
einen hohen Kuppelbau als Mittelpunkt, um den vier Arme oder
Säle, Säulcnhöfc einschließend, in Form eines griechischen Kreuze*
angeordnet siud.
Ausserhalb der Halbinsel haben diese Capellen eine Parallele
in den Kapitelhäusern englischer Kathedralen, deren Gewölbe je-
doch auf einem Centralpteiler ruhen. Das schönste Beispiel, am
Mtlnster von York, macht hiervon eine Ausnahme. Schon im vorigen
Jahrhundert sind englische Reisende in der Condestabüc-Capcllc an
dies Chapterhouse erinnert worden1). Freilich hat es hölzerne
Kappen und nicht viel mehr als die Hälfte des Umfangs.
In Feinheit und Fülle decorativer Bekleidung dürfte die Ca-
pelle Simons von Köln von allen ihrer Art die erste Stelle ein-
nehmen. Sie fiel in die Zeit der ornamentlustigen Abwandlung des
Stils. Der Italiener Andrea Navagcro, Venedigs Gesandter beim
Kaiser, nennt sie molto ornata. Die colossalen Wappen jener an-
geschenen Geschlechter im unteren Theil der Wandflächen, diesel-
ben von wilden Männern und Pagen gehalten vor den Brüstungen
der grossen Mauerblendeu darüber, sind Prachtstücke heraldischer Sti-
lisirung. Hier hat Simon den Rundbogen angewandt. Alle die
zahlreichen Hohlkehlen der Dienste, Fenster, Gesimse sind mit nntcr-
höhltem Blattwerk gefüllt; die Laihnngen der mittleren Xischen-
bogen mit breiten durchbrochenen Fransen besetzt, zusammengesetzt
ans Wappen haltenden Figürchen. Auch die Gewölbrippen sind
mit Nasenwerk gesäumt. Die breiten Doppelfenster im Flamboyantstil
mit den diesmal noch erhaltenen, späten Glasmalereien ergiessen eine
Fülle von Licht über den Raum, und das Sterngewölbe kann sich
in Eleganz der Steinstickerei dem des Cracero an die Seite stellen.
Street wollte in der „endlosen Vcrschlingung und Zartheit" des De-
tails einen deutsehen Zug finden*).
*
So hatte also der in der goldenen Zeit des gothischen Baustils
gegründete Tempel noch spät durch Meister deutscher Herkunft einen
1) An octagon building, with eight pyramids, which correwpond
cxactly to the Chapter-house at York. Suinbunie, Travels through Spain.
IT, 261. London 1787.
2) His work is essentially gennan in its endless intricaey and de-
licacy of detail, a. a. 0. 21. Er schreibt die. Capelle dem Johann von
Köln zu.
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Die Kölnischen Meister an der Kathedrale von Burgos.
vom ersten Erbauer nicht geahnten Ahgchluss erhalten; nahe ihrem
Ende hatte die Kunst der mazoneria noch ein volles Strnhlcnmccr
Uber ihn ausgegossen. Die Steine haben jetzt in der feuchten Luft
einen grauen Ton angenommen; in der ersten Zeit muss der Kalk-
stein von Ontorin, der fast die Weisse des Marmors hat, diesen
graziösen Gebilden des Meisseis einen blendenden Clan/, verliehen
haben1). In beiden, durch lange Zeiträume geschiedenen Epochen
ging die Initiative aus von gereisten Prälaten, — von der Trieb-
kraft autochthoner Entwicklung kann hier keine Rede sein. Mau
hat gesagt, die Geschichte dieses populärsten Bauwerks des spani-
schen Mittelalters sei nicht gerade schmeichelhaft für die Spanier.
Wohl kann nur das ungelehrte Auge hier eine Xationalschöpfung
von Einheit der Erfindung und des Gusses anstaunen. Aber Plan
und Zufall, fremde Form und alteingewurzelte einheimische Neigun-
gen sind doch zu einem gewissen Einklang gebracht, denn am Ende
ist ja alles vom Bauherrn einer Kirche so entschiedenen Charakters
wie die spanische ausgegangen. Auch nach scharfer Auseinander-
Icgnng heterogener Theilc inuss man gestehen, dass dieses Ganze
weder in Frankreich, noch in Deutschland oder England möglieh
gewesen wäre. Davon ganz abgesehen, dass die Bethciligung ver-
schiedener Zeiten und Hände den malerischen Reiz des Baues nur
erhöhen konnte. Einen südlichen (oder englischen V) Zug erhält der
Anfriss auch durch das Fehlen der hohen Dächer tiher Kapelle,
Kuppel und Lichtgaden. Sind diese niedrigen Dächer ein Ergebnis»
späterer Wiederherstellungen? (Bei dem Sturm des 16. August 1642
wurden sämmtlichc Fialen des Crocero herabgerissen.) Schwerlich.
Eine französische Vorliebe für die Horizontale ist schon in den
wagerechten Abschlüssen der Fronten des Querschiffs und des Mittel-
baus der Fassade bemerklich. Dnd nachdem in den Thurmhauben
die steile Form zum Wort gekommen war, entsprachen diese ilachen
Zeltdächer der beiden Octogone dem Grundsatz der Mannichfaltig
keit. Die Wirkung ihrer steinernen Krone würde verloren gehen,
wenn sie dem Riesen eines Hclmdachs die Schleppe hielte.
Francisco de Colonia.
Die Geschichte unserer Künstlerfamilie ist indess noch nicht
zu Ende.
1) Bosarte meint, das Auge vermöge hei Neubauten nicht ohne Scha-
den auf diesem Stein zu verweilen. Viage artistico. Madrid 1804. 268.
Karl Jnsti:
Schon in Meister Simons Tage fiel bereits der Niedergang der
Bauweise, deren Meislerschaft »ein Vater die Berufung hierher zu
verdanken hatte. Mitten in die Bewunderung der zuletzt geschil-
derten Steingediehtc fiel beunruhigend und erkältend der Ruf, daas
im Osten, in Rom andere Ordnungen auferstanden, ja längst herr-
schend seien, dass mau in Castilien eigentlich zurückgeblieben sei.
Man wünschte nun auch solche moderne Werke zu besitzen, man
achtete es zeitgemäß» und dem Rang der Kirche de* Caput Castellac
geziemend, dass auch hier d lo romano gebaut werde1).
Als im Jahre 1498 Simon die künstlerische Ausschmückung der
Rückwand des Chors zu leiten hatte, wurden die grossen Passions-
reliefs einem burgundischen Bildhauer übertragen, Philipp Vigarni
aus Langres, — dem ersten mutmasslich, der die Gepflogenheiten
der italienischen Renaissance in Burgos einführte. Auch Simon
selbst konnte sich dem Zug der Zeit nicht ganz versehliesseu. Die
spätere Ausstattung der Condestabile - Capelle, Altarwerk, Gitter,
SacristeithUre gehören zu den ersten Versuchen in der neuen Art.
Burgos wurde bald Hauptpflegestätte und Ausgangspunkt des pla-
teresken Stils.
In die Jahrzehnte der Aufnahme und des Siegs der Renais-
sance fällt nun die Amtstätigkeit des dritten und letzten der Co-
lonia, Francisco, der nach de* Vaters Tode zu dessen Nachfolger
von Bischof und Kapitel ernannt wurde (am 28. November 1511),
zunächst als maentro de obrax de canteria de la catedral. Er hat
die Stelle dreissig Jahre lang besessen. Als seine Geschwister wer-
den genannt der Doctor Geronimo und Isabel de Colonia.
Wenn er nun auch neben so phantasievollen und fruchtbaren
Männern, wie jenem Vigarni, einem Diego de Siloe, dem Eisen-
künster Cristobal de Andino zurücktritt, so darf man sich doch nicht
vorstellen, dass in Burgos für einen Meister der Maconnerie, was er
doch wohl in erster Linie gewesen ist, nichts mehr zu thun gewesen
sei. In der Construction von Kirchen und Kapellen behauptete sich
die alte Weise noch bis in die Mitte des Jahrhunderts. Wenn auch
bei der Ausführung klassische Glieder und Ziermotive immer un-
vermeidlicher wurden, anfangs gemischt und frei, dann auBsehliess-
1) Toda est» obra ha d«>. sor del romano (Contract für das Grabmal
AcuBa, vom 2. Juli 1619). Toda osta obra ha de ner lahrada e omada
de obra de romano (Contract für den S. Annenaltar vom 12. Juli 1522).
Hier kann der Sinn dos Wortes opua — Stil uicht angefochten werden.
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Die Kölnischen Meister an der Kathedrale von Burgos. 27
lieh and systematisch. Ein Zeugniss dieses Fortlebcns der Gothik
neben ihrer siegreichen Erbin sind noch einige grosse Kapellen mit
Sterngewölben.
Man wird bei ihnen die Hand des Domwerkmeistcrs voraus-
setzen dürfen. Mit ihm eng verbunden, überhaupt der Familie
nahestehend, war sein späterer Nachfolger, der Erbauer des neuen
Vierungsthurms, Juan de Vallejo (bis 1 f>69), der seit 1518 unter
ihm als Steinhauer (cantero) erscheint1). Im Jahre 1520 stiftete
der Domherr und Protonotar D. Gonzalo de Lcriua die Kapelle der
Con8olacion, am südlichen Seitenschiff; sein Denkmal meisselte Vi-
garni. Die noch grössere Santiagokapelle, au der Südseite des
Chorumgangs halte der Regidor von Burgos, D. Antonio Melgoso,
wetteifernd mit dem Condcstabilc, als Familienkapclle geplant (1520),
dann aber erbaute sie das Kapitel als Pfarrkirche (1524 — 34).
Francisco* Name war auch ausserhalb der Diöccsc bekannt. Im
Jahre 1540 lief ein Brief des Bischofs und Kapitels von Astorga in
Leon ein, des Inhalts: Wenn eiu Meister dieser heiligen Kirche und
ihres Baus, Namens Colonia, noch am Leben sei, so bäten sie, ihn
herzuschicken, damit er ihre Kirche untersuche, wie er sie schon
vordem untersucht (Martinez p. 187 f.).
Merkwürdig aber ist — obwohl gar nicht ungewöhnlich in
dieser bewegten Zeit — dass dem Francisco auch ein Platz neben
jenen Protagonisten des platercskcn »Stils zugebilligt werden kann.
Zeugniss dafür gibt das Thor an der Ostseite des nördlichen Quer-
arms, La puerta del corralejo (Hof), oder de In peUejeria (Kürsch-
nerei).
Im Jahre 1516 hatte der prachtliebendc Bischof Juan Rodri-
guez de Fonseca (seit 1514 in Burgos) eine Aendcrung im nörd-
lichen Eingang der Kathedrale unternommen. Die alte Treppe, welche,
den Zugang aus der oberen Stadt vermittelnd, vom hohen Thor der
Nordwand des Querschiffs an der Futtermauer des Innern herunter-
führte, hatte er zu einem decorativen Prachtstück umgebaut, jedoch
dem gewöhnlichen Kirchenverkehr entzogen. Für diesen bestimmte
er die neu gebrochene Thür an der Ostwand desselben Querarms
im Niveau des Bodens der Kirche. Da seine Reste nicht in Burgos,
1) Im Jahre 1541 verausserte er einige von dein Dr. Gerönimo
hinterlassenen Hauser in der Vorstadt S. Coötue, als dessen Testaments-
vollstrecker.
-
28 Karl Justi:
sondern in der Kirche seines Familicnsitzes Cocn ruhen sollten, so
erkor er den weitläufigen Portalbau zu seinem Gcdächtnissmal
allliier.
Dies Portal hat im Jahre 1516 Francisco entworfen. Es fuhrt
uns die früheste Phase des platoresken Stils vor, die Fonn in der
sich die Spanier den Renaissancestil zuerst angepnsst haben. Es
besteht ans zwei Geschossen: der Thürc, Hankirt von zwei grossen
Sänlcn und rundgegiebclten Scitentheilen mit Statuen in Nischen, und
einem Aufsatz mit Bildwerken. Hier stehen zwischen drei kurzen
Dockensäulen die Relicftafcln des Martyriums der beiden Johannes,
der Namcnspatrone Fonscca's, darüber im Giebel sieht man die
wohlbeleibte Gestalt des Prälaten und Hofdiploniatcn, kniend vor
der thronenden Mutter Gottes.
Dieser flachgchaltcne Autban. vergleichbar einem italienischen
Altaraufsatz jener Zeit1), ist nun, in all seinen Flächen und Gliedern,
Pilastera und Fries, Säulcnschaft und Sockel, übersponnen mit
manniehfaltigcm, gleichmassig dclicatcni Ornament. Die italienischen,
lombardischen Vorbilder sind aber in sehr freier Weise, mehr als
Anregung der eignen Phantasie benutzt worden. Die Verwendung
der klassischen Motive ist ganz im Geist jener letzten gothischen
Spitzenweberei in Stein.
Man sieht wohl, der Urheber dieses sclumcn Werks hat sieh
bemüht, die gothische Muttersprache gründlich zu verlernen. Das
breite Gebälk der beiden Geschosse mit Fries ist bestimmt aufs
nachdrücklichste die Ilori/.ontallinie geltend zu machen. Gesimse wer-
den aus Eierstab, Ricfcnlcistc, Welle u. dgl. umständlich zusammen-
bnchstabirt; die Säulenkapitälc sind frei korinthisch und die Statuen
stehen vor flachen Muschelnischen. Aber class seine Wiege unter
dem Spitzbogen stand, kann er nicht verleugnen. Es ist wie eine
Interlinearversion gothischer Gedanken in italischem Idiom. Man
betrachte nur diese tiefeingeschrägten Thürgewände mit den Figür-
chen unter Baldachinen in den Hohlkehlen. Der Palmcttenhalhkreis
auf dem Bogenrtlcken ist eine Metamorphose der Kriechblumen, die
Wellenvcrzierung mit den Chcrubin des Intrados ist ein Ersatz für
die Nasensäume.
1) A pritnera viftta, parrce e«ts fachada un retablo suntuosisimo
pegado ültimamente A la pared. Madot, Dictionario geograf. Art. Bur-
gos 546.
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Die Kölnischen Meister an der Kathedrale von Burgos.
29
Kurz der ncae Stil scheint zuuächst als Wechsel der Zier-
sprache Anklang gefunden zu halten, eine Wandlung mehr des
Costüms als der Figur. Aber in dieser von den Pedanten des Ciu-
quecento gcringeachteten Mischung des Alten und Neuen, Ange-
wöhnten und Anstudirten liegt eher ein Reiz dieser ersten „Renais-
sance", auf deu das folgende correete, aber in den Einzclbildungcn
gleichgültige, oft vulgäre Verfahren gründlich verzichtet hat.
Das Fortal hatte übrigens ciue lange Geschichte. Noch lö.'J2
werden Zahlungen an den hmujinano Bartolome de la Hayn für
Bildwerke und Wappen registrirt. Ks ist das letzte Lebenszeichen
der Colonia in deutlicher Sprache. Francisco's Ende wurde ver-
düstert durch den Einsturz des CVueero, des Werkes seines Gross-
vaters und Vaters. Er hat diesen Schreck nur drei Jahre überlebt.
Bei den Berathuugen Uber die Wiederherstellung inuss er uoch amt-
lich bethciligt gewesen sein. Der Gnuidstein der vier mächtigen
neuen Pfeiler, die RuudthUrnieu gleichen, ist noch zu seinen Leb-
zeiten gelegt worden (C. Mai 1;*>41). Er starb im Jahre 1Ö42, ge-
rade hundert Jahre nach «lern Beginn der beiden Thurmhauben
durch den Grossvatcr.
Während dieses Jahrhunderts eifriger Bauthätigkeit und rasch
folgender Wandelungen der Knnstformen haben also die drei Meister
den ersten Posten au einer der vornehmsten Kirchen des Reiches
behauptet, das Bauwesen der Stadt, der Diöecsc und Provinz bc-
einrlusst. — Sie sind nicht das einzige Beispiel dort von solcher
Stetigkeit der Vererbung einer Kunst in eingewanderten Familien.
Man findet in derselben Zeit an der Kathedrale von Toledo die
Brüsseler Architektcnfamilic der Egas, und im XVI. Jahrhundert zu
Lcou die Goldschmicdfamilie der drei Arphc, die Deutschland ent-
stammten. — Baulustige Prälaten, Fürsten und Granden fanden in
ihnen gewandte Hände für ihre hochHiegcndcri Plane; die von Hause
mitgebrachte Schulung hinderte sie nicht, auf die nationalen Ideen
und auf neu emporkommende Geschmacksrichtungen einzugehen.
Auch die Betheilignng germanischer Nordländer an der Einführung
der italienischen Renaissance steht nicht vereinzelt: solche Einwan-
derer, die schon in der dort Niemanden erlassenen Anpassung au
fremde Sprache und Sitte eine Probe geistiger Beweglichkeit ab-
legen inussten, waren zu Vermittlerrollen oft geschickter als die
30
Karl Jnsti: Die Kölnischen Meister u. 8. w.
Eingeborenen. — Der erste, geschult in dem grössteu Unternehmen
des deutschen Mittelalters, hat die vom Rhein mitgebrachten Formen
deutscher Oothik auf deu seit langer Zeit abgebrochenen Bau des
XIII. Jahrhunderts übertragen. Sein Sohn war ein Virtuose des
reichen und blühenden Stils, der uns Uberall verkündigt, dass wir
uns in der ritterlich-romantischen Zeit Isabella der Katholischen be-
finden. Wäbrcud Jobann und Simon diese mittelalterliche Kunst
klangreich ausläuten, steht Franz unter den Ersten, welche Spanien
mit den Formen beglückten, die der Nachahmung des Altcrtbnms
entlehnt, die Sprache der folgenden Jahrhunderte werden sollten.
Unbekannt in ihrem Vaterland, in Castilien gewiss sehr bald
völlig hispaoisirt, auch dort bald vergessen, sind ihre Namen erst
aus den Akten eines Kireheuarehivs wieder zum Vorschein gekom-
men, ihre Persönlichkeit kann für uns keine Gestalt mehr gewinnen.
Aber ihre Handschrift ist deutlich, —
Mein Ruf sind Felsenhieroglyplien —
Möchten diese Urkunden ihres Daseins noch lange, mit dem
erhabenen Bauwerk dein sie ihr Leben geweiht dauern, trotz der
unerbittlichen Zeit, der Gleichgültigkeit der Menschen und deu zer-
störenden Springfluten von Aufruhr und Krieg.
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2. Funde in Köln.
Von
A. MI na.
(Hierzu Taf«>l V.)
Bei Herstellung der Gasleitung in der neu angelegten Häudel-
strasse (einer südlichen Sdtcnstrasse der Aacheucrstrassc) sticsscu
die Arbeiter zu Ende Oktober v. J. auf sehr ansehnliche Reste eines
römischen Mosaik-Fussbodcns, welcher zu den bedeutenderen Kunden
dieser Art auf kölnischem Boden gehört. Leider war mau beim
Graben des Gaskanalcs so unvorsichtig vorgegangen, dass wichtige
Theile des Mosaiks zerstört wnrden und eine Reconstrnction des
Gesammtmusters nicht mehr möglich ist. Doch blieb das Haupt
stück, eine grosse achteckige Rosette von ungefähr l1/» m Durch-
messer, von einzelnen Sprüngen und Beschädigungen an den Kanten
abgesehen, unversehrt. Die Mitte derselben bildet ein achteckiger
schwarz konturirter Stern, gelullt mit konzentrischen Kreisen aus
rotheu, gelben und weissen Tbonwflrfeln, sowie blauen und grünen
Glaspasten. Ringsum zieht sich ein breites, doppelt verschlungenes
Wellenband, aus schwarzen, rothen und gelben Würfeln zusammen-
gesetzt. Die rothe Aussenborde zeigt zierliche blaue Blumen, welche
durch einen braunen Streifen verbunden sind. Die Füllung zwischen
den einzelnen Ornamentbändern ist gelblich weiss. An vier Kanten
dieser Mittelrosctte setzten grau in grau gearbeitete Brustbilder au,
von welchen das eine, in dem ich einen Hercules zu erkennen glaube,
vollkommen erhalten ist, während einem anderen der Kopf fehlt.
Die vortreffliche Zeichnung des erstcreu lässt den Verlust der übrigen
doppelt bedauerlich erscheinen. Wahrscheinlich waren die vier
Götter Juno, Mercur, Minerva und Hercules dargestellt. Au die
übrigen Kanten, also zwischen die Brustbilder gelagert, schlössen
sich vier kleinere kreisrunde Rosetten vou ungefähr 80 cm Durch-
32
A. Kisa:
messer an, mit einem schönen, reich eomponirtcn Stern mit schwar-
zen einrissen und buntfarbiger Füllung. Die Einfassung bestellt ans
breiten schwarzen und rotlien Kreisbändern. Von diesen Seiten-
rosetten ist eine nahezu vollständig, von einer anderen «las Segment
der rotlien Einfassung erhalten. Ueber die Küsten spannte sich eine
nischenartige Umrahmung, die jedoch aus den vorhandenen Resten
nicht mehr zu reconstruireu ist; wahrscheinlich umgab sie auch
die vier Seitenrosetten. Sie besteht ans rotheu, weissen und schwar-
zen Bändern mit Zahnfriesen und Blattornamcnt. Alle diese Orna-
mentstücke sind in blauschwarzem Mosaikgrunde eingebettet, wel-
chen ein vierfaches Band in Weiss, Roth, Weiss und Schwarz um-
fasste. Blauschwarz ist auch der Grund des nach Westen zu
angeschlossenen Teppiehmusters mit weisser, schachbrettartiger Wür-
felung, das wahrscheinlich den Flur des Hauses bedeckte. Seine
Verbindung mit der llaiiptpartic ist durch den eingebrochenen
Kanal zerstört. Mau besitzt davon nur noch ein von breitem rothem
Band cingefasstes Eckstück, bestehend ans einem langgestreckten
rechtwinkligen Dreieck, das auf braunem Grunde eine reichst ilisirte
buntfarbige Blume mit langer, oben leicht gebogener Spitze zeigt,
ein Muster, das au persische Motive erinnert. An dieses Dreieck
schliesst sich ein weiss und schwarz eingefasstes Quadrat mit einem
bunten Vicrpass auf weissem Grunde.
Das ganze lag auf einer dicken Schichte von Ziegelbetou,
unter welcher sich ein etwa 2 m tiefes, mit Sand gefülltes Loch
Öffnete. Weitere Nachgrabungen förderten Knochen von mensch-
lichen Leichen, Trümmer von Thongeschirr und Dachziegel zu Tage,
so dass man an eine gewaltsame Zerstörung der Anlage in sehr
früher Zeit denken muss. Von Fundamenten fand sich bisher keine
Spur, wohl aber eine Fortsetzung der Betonschichte nach Norden hin.
Unweit von dieser Fundstätte, in der gleichfalls neu angelegten
Kichard-Wagnerstrassc kam bei einem Bau des Architekten Vöhl
unter Anderem ein Tuffstciusarkophag zu Tage, desscu Inhalt schon
früheren Schatzgräbern in die Hände gefallen war. Bei dieser Ge-
legenheit mochte auch die schwere 2,27 m lange und U,70 m breite
iuschriftplatte als Verschluss des Sarges ihre Stelle gefunden haben.
Sie besteht aus hartem feinkörnigem Kalkstein und ist an der uu-
teren linken Ecke und am unteren Rande abgebrochen. Bei der
Abhebung brach sie auch noch mitten durch. Die sorgfältig aus-
geführte, noch der guten Zeit angehörige Inschrift lautet:
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Funde in Köln.
SA
D- BONE MEMO Rl AE-M
PERPETVESECVRITATI (
ANTONIE GALENETI- ALBA
VS • LEONTI VS ET • EVBSYCHI
FILI PIENTISSIMI f
Die Lücken in den Eigennamen Kind als Albaums nnd Eupsy-
chins leicht zu ergänzen. Die Dedieationsfmmel ist abgebrochen.
Merkwürdig sind die langen bogenförmigen Füllungen am Schlüsse
der 2. und 5. Zeile. Zu beiden Seiten der Inschrift befanden sich
vorn auf der Platte rechteckige Basreliefs mit zwei geflügelten Ge-
nien, welche die cartonchenartige Umrahmung der Inschrift hielten
und jetzt bis auf geringe Spuren abgemeisselt erscheinen.
Das Mosaik, sowie der Iiischriftstein sind dem Museum Wallraf-
Richartz übergeben worden. Von den sonstigen an dieser Stelle ge-
fundenen Alterthüniern wurde noch ein grosser, wohl erhaltener
Trinkbecher ans Terra eigillata mit Barbotine-Rankcn und der weiss
aufgemalten Inschrift BIBITE abgeliefert.
Von Erfolg gekrönt waren die Nachgrabungen, welche das
städtische Tiefbauamt für das Museum auf einem üruudstüek ver-
anstaltet, das schon bei früheren Gelegenheiten sich als eine er-
giebige Fuudgrube römischer Alterthümer erwiesen hat, au der Fort-
setzung der Moltkestrasse gegen den Brüsseler Platz, also nördlich
von der Aacheuerstrasse gelegen. In einer Tiefe von ungefähr 2 m
kamen f> Gagatnadeln von etwa 7 cm Länge mit rundeu uud fas-
settirten Köpfen zu Tage, welche eine willkommene Bereicherung
der hflbscheu Gagntsammliing des Museums bilden werden. Daneben
fand sich eine kleine, einer Kuchenform ähnliche Schüssel aus feinem
Silber mit Kanellureu, ein kleiner silberner Spiegel mit flachem,
henkelartigem Bügel auf der Rückseite, ein bronzener SchlüsselgritT
mit schöner Patina, eine kleine Kugelflaschi* aus Glas und eine An-
zahl von Bronzen, welche zur Moutiruug eines Kästchens dienten,
u. A. ein kleiner Schlüssel, der noch im Schloss steckt, ein ans zwei
Delphinen geformter Henkel und einige l'latteu mit durchbrochenen
Rändern. Einige Schritte davon stiess mau auf ein schönes halbrundes,
luuschelartiges Becken aus Bronze von 0,2 in Dm. mit drei Kanel-
lureu und auf einen Kugelbecher von seltener Grösse (Ü,14ö m Dm.),
aus grünlichem Glane mit zwei Reihen spitzer, divergirender Kuifle.
Alle die genannten Gegenstände lagen mit Kuocheu vermischt neben
den vermoderten Resten eiues Holzsarges. 2 in tiefer kam ein Blei-
Jahrb. d. Ver. v. Altertbnfr. im Hbtini. XC1II. 8
34
A. Kifla: Funde in Köln.
sarg zum Vorschein und neben demselben drei grosse Kngelflaschen
mit langen, doppelhcnkligen Hälsen und eiugesclitifTeuen Bändern,
zwei davon von tadelloser Erhaltung, ein grösserer Spiegel ans
Wcissmetall, eine Kugelflasche aus rothcm, schwarz, geliruisstem
Thon mit zierlichen weissen Ranken und der Inschrift AMO TE und
zwei Trinkbecher aus demselben Material mit weissen ßarliotine-
Ornainenten und den Devisen I MPLE ME bez. TENE ME, die drei
letztgenannten durch sorgfältige, elegante Arbeit ausgezeichnet.
Ebenso glücklich war das Tiefhauamt bei seinen Nachgrabungen
in der Weixerhofstrasse bei St. Severin, wo eine prächtig irisireude
Phiole in der ungewöhnlichen Länge von 0,02 m und eine hervor-
ragend schöne Schüssel aus farblosem Glase, mit reichen geschlifleuen
Verzierungen bedeckt, zu Tage gefördert wurden. Beide Stücke sind
vorzüglich erhalten.
Das Museum Wallraf-Richartz verdankt dem städt. Tiefbau-
amte schon manchen wcrthvollen Fund. In letzter Zeit ist durch
das Zusammenwirken beider Theilc das Interesse an der Sache
kräftig geweckt worden und so die Erwartung nicht unberechtigt, dass
auch andere städtische Aemter, deren Aufgabe es ist die Tiefeu der
alteu Colonin zu Nutz und Frommen der gegenwärtigen Geschlechter
zu durchwühlen, sich dem guten Beispiele des Ticfbanamtes an-
schliesseu werden.
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3. Die antiken Thonlampen im Museum Wallraf-Richartz zu Köln.
Von
Die Abtbciluug der römischen AI terth linier, bisher das Stiefkind
der Mnseumsverwaltung , wird gegenwärtig einer durchgreifenden
Neuordnung uud Katalogisirung unterzogen, nach dereu Heeudignng
die bedeutenderen Stücke zur öffentlichen Ausstellung gelangen wer-
den. Bisher waren nur die Inschriftsteine, Architekturstucke und grös-
seren plastischen Arbeiten dem Publikum zugänglich und von Düntzer
in seinem Katalog der römischen AlterthUmer vorwiegend berücksich-
tigt worden. Diese Abtheilung hat inzwischen mancherlei Bereicherung
erfahren, auch hat die Forschung manches Neue bezüglich der Lesart
der Inschriften und der Deutung einzelner Bilderwerke ergeben, so
dass auch diese einer neuen Katalogisirung bedürfen. Gegenwärtig
werden die kleineren Arbeiten in Thon, Metall, Glas, Bein und an-
deren Materialien für die Ausstellung vorbereitet und katalogisirt.
Ein Theil derselben füllte bisher in ungeordneter Weise aufgestellt
einige Schränke und Vitriuen des oberen Kreuzgaugcs, die meisten
mnssten erst aus den Depots, aus vergessenen Schiebladen, aus dem
Schutte der grossen Grabnrnen, ja selbst aus dem Keller hervor-
gezogen werden. Da ein Zuwachs-Inventar erst seit wenigen Jahren
geführt wird, war es nur selten möglich, über Fundort und Erwerb
der Gegenstände sichere Anhaltspunkte zu gewinnen. Verlässliche
Notizen finden sich vom Jahre 1888 ab für die vom st&dt. Tief-
banauite ausgegrabenen und dem Museum überwiesenen Fundsttleke;
die übrigen tragen kein Inventarisationsvermcrk und sind deshalb
trotz des Verzeichnisses nicht mit Sicherheit bezüglich der Herkunft
zu bestimmen. Erst der neue Director. llofrath Aldenhoven hat
hierin Wandel geschaffen. Es ist ihm gelungen, gerade die Ab-
theilung des antiken Kunstgewerbes mit sehr glücklichen Erwer
bungen zu bereichern und das Museum von dem Vorwurfe zu be-
freien, der demselben früher mit Recht gemacht wurde, dass es für
einen so wichtigen Abschnitt der Kölner Kunstgeschichte, wie es
3fi
A. Ki«a:
die römische Periode ist, kein Verständnis« zeige. Leider ist die
Zeit, in welcher «1er Hoden Kölns Denkmäler der antiken Cultur
in einer diesseits der Alpen unerreichten Fülle spendete, unwider-
ruflich dahin — - das Beste ist wohl für iiuuicr in s Ausland ge-
wandert. Nun gilt es, wenigstens den Rest vor einein glcicheii
Schicksal zu bewahren und es nicht privaten Händen allein zu über-
lassen, der Heimath zu erhalten was die Hcimath hervorgebracht hat.
Die zahlreichste Klasse unter den Arbeiten des antiken Kunst-
gewerbes bildet natürlich die Keramik. Sie zählt mit Inbegriff der
Ziegelplatten, Wasscrleitungsröhren und anderer Baubestandtheile aus
Thon über 1600 Nummern. Manche Gruppe mag in Kölner I'iivat-
sammlungcu besser und vollständiger vertreten sein als im Museum;
es ist dies leicht erklärlich, da von einem planmässigen Sammeln
unter den früheren Verhältnissen nicht die Rede sein konnte. Trotz-
dem ist das zufällig Erworbene beachtenswert!!, da es in seiner
Fülle von Typen und Dekorationsweisen die Form-Entwicklung der
einfacheren antiken Hanswaare deutlich zum Ausdrucke bringt, ab-
gesehen von einzelnen hervorragenden Luxusstücken. Es sei mir
gestattet, aus dieser Klasse für diesmal eiue in sich abgeschlossene
Gruppe herauszugreifen und in ihren bedeutenderen Objekten vor-
zuführen, die der Thonlampen.
Das Museum nennt ca. 220 Thonlampen sein eigen, von welchen
jedoch nur 70 Stück von grösserem archäologischem oder künstle-
rischem Interesse sind. Bei dieser kleineu Zahl will ich von einer
Grnppirung des Stoffes nach dem Gegenstände der Reliefdarstellungcu
absehen und nur die einzeluen Fonneutypeu zusammenfassen.
1. Lampen mit kreisrunden» Oelbchälter, rundem in der Längs-
axe rückwärts befestigtem Henkel und kurzer Schnauze, welche vorn
sich verbreiternd in einem stumpfen Winkel al>sehliesst und sich iu
zwei Voluten an die Rundung anlegt.
1. Gelbbraun, mit der Figur des Harpokrates. Der Gott des
Schweigens erscheint in Gestalt eines nackten Knaben, der den
Zeigefinger der Rechten an die Lippen legt, in der Linken das
Füllhorn, auf dem Haupte eine kleine ägyptische Königskronc trägt.
Im Gegensinne ist dieser Typus in einem kleinen Broncefigürchen
wiedergegeben, das vor Kurzem für das Museum erworben wurde.
Bei V asser i, Lncernae I. tab. 1, tindet man eine Lampe mit der
Halbfigur des Harpokrates.
2. Weiss mit gelbem Firuiss. Im Rund eine Mercurbüste, im
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Die antiken Thonlampen im Museum Wallraf-Richartz zu Köln. 37
Profil nach rechte gewandt, mit Caduccus nnd Petasns. Da« Relief
ist sehr abgestumpft. Aehnlich Passe ri III. tab. 97.
3. Weiss mit rothgelbem Firnis*. Ein anf das rechte Knie
gesunkener Gladiator (nach rechts gewandt) stützt den Ellenbogen
des linken Armes anf das linke erhobene Knie nnd scheint gesenkten
Hauptes den Todesstreich seines siegreichen Gogners zu erwarten,
- der anf dem Relief fortgefallen ist. Die Tracht ist bei der Flau-
heit des Abdruckes unkenntlich, doch ist die Darstellung offenbar
mit jener bei Dütschke (B. Jahrb. LX1, Nr. 115, Lampe der
Sammlung Herstatt) identisch. Dieselbe Figur finden wir auf Nr. 1 1 ,
wo sie durch das Ricmcnwcrk der Unterarme deutlich als Faust-
kämpfer gekennzeichnet wird. — P. J. Meyer erwähnt in der
Westd. Z. f. G. u. K. I (1882) p. 173 gleiche Exemplare in Trier.
4. Weiss, mit schönem rothgelbem Firnis». Ein nach links
galoppirender Pegasus mit erhobenen Flügeln. Unterseite nnd .Schnauze
beschädigt. Gefunden in der grossen Sandkaul zu Köln bei den
Kanalarbeiten des städt. Tiefbauamtes im Sommer 1890. Die gnt
bewegte Darstellung findet sich im Gegensinne bei Reger, Lncernae
II, 16. Dasselbe Motiv bei Passe ri I, 80. Kenner, d. antiken
Thonlampen 136, 0. Jahn, Alterthümer ans Vindonissa, tab. 4,
Ant. di Ercolano VIII, 22, 4, Dütschke, B. Jahrb. 61. Nr. 49.
5. Weiss, mit glänzendem, gelbbraunem Firniss. Zu beiden
Seiten des Eingnssloches zwei gegen einander gekehrte Delphine
mit hochgeschwungenen Schwänzen. Vgl. Kenner 174, Dütschke,
B. Jahrb. 61, Nr. 45, Düntzer, ibd. 35, 44 u. A. Bei Passe ri
III, tab. 86 dieselbe Darstellung, doch mit einem Dreizack in der Mitte.
6. Weiss mit gelbem Firniss. Ein Kranich, stehend und sich
mit dem Schnabel das Gefieder putzend. Gut erhaltenes Exemplar
mit scharfer Prägung. Die Darstellung gehört zu den selteneren.
7. Weiss mit gelbem Firniss. Ein nach links gewandtes Schiff
— anscheinend zehnrudrig — mit aufreehtstehendem Mast, au, wel-
chem das Segel wagcrecht anfgerefft ist. Dieselbe Darstcllnng bei
Dütschke, B. Jahrb. 61. Nr. 84, auf einer Lampe der Sammlung
Herstatt in Köln (früher bei Mcrlo) nnd Nr. 123 bei Wolff.
Auf Nr. 151 derselben Sammlung trägt das Schill" eine männliche
Gestalt Aehnliches bei O. Jahn, Vindonissa, tab. 3. Das Schiff
gilt anf Sepulkrallampen als Symbol des Einlaufens in den Hafen
der Ruhe.
8. Weiss mit rothem Firniss. Das schlecht ausgeprägte Relief
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A. Kisa:
zeigt ciucn einfachen prismatischen Altar, der oben und unten ge-
gliedert ist. Aul* demselben befinden sich runde Früchte, seitwärt»
vielleicht ein Festem. Opferaltäre und Opferscenen gehören auf
Lampen zu den beliebtesten Darstellungen. Vgl. Kenner 195
bis 197, 0. Jahn a. a. 0. tab. 2 und 3, Passe ri III, 54, 58,
60, Begerl, 13, 14, 15. Häutig sind zu beiden Seiten des Altarcs
Cyprcsscn angebracht, wie bei Dütschke a. a. 0. Nr. 86. Bei
Darstellungen der Inferiae finden sich zumeist Flammen auf dem
Altare.
9, 10. Weiss, mit rothem bezw. rothgelbem Firniss. Zu beiden
Seiten des Eingussloches zwei Cypressen. Dieselben sind bis unten
belaubt, so dass vom Stamme nicht« sichtbar wird und nähern sich
so der Keulenform. Dass wir jedoch nicht an Keulen, sondern an
die mit dem Todtenkult in Verbindung stehenden Cypressen zu
denken haben, lehrt der Vergleich mit den bei Nr. 8. citirten Dar-
stellungen.
11. Weiss mit rothem Firnis«. Im Rund Aber dem Einguss-
loch die Halbfignr des Bacchus in Vorderansicht, das Haupt mit
dem Blätterkranze geschmückt, in der Rechten den Thyrsus. Links
springt hinter der Schulter de« Gottes ein kleiner Panther hervor.
Gefunden zu Köln 1889.
11. Lampen von gleichem Typus, jedoch ohne Henkel. Solehe
wurden nicht in der Hand getragen, sondern auf Ständern oder in
Laternen aufgestellt.
12. Grosse Lampe aus weissem ungefirnisstem Thon mit zwei
Faustkämpfern in scharfem Relief. Beide sind nackt bis auf den
Lendenschurz und die Riemen um Faust und Unterarm, die Hy-
mantes. Der eine zur Rechten ist bereits überwunden. Er kniet in
derselben Stellung wie die Figur auf Nr. 3 und erwartet den trau-
lichen Schlag des Siegers, der hinter ihm stehend mit der Linken
seinen Nacken fasst und mit der Rechten nach dem Kopfe des
Ueberwundenen ausholt. Eine ähnliche Darstellung findet sich auf
dem grossen Relief vom sog. Grabmal des Seaurus in Pompeii. Vgl.
Guhl und Koner, Leben d. Gr. u. R. 696. Die Lampe wurde in
Köln gefunden und im September 1890 für das Museum erworben.
13. Weiss mit schwarzem Firniss. Ein nach links ausfallender
Gladiator mit Beinschienen und der Siea, dem kurzen, sichelförmig
gekrümmten Messer in der Linken, also ein Thrax. Hinter dem
Messer hält er den kleinen viereckigen Schild, die Rechte ist vor-
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Die antiken Thonlampen im Museum Wallral-Richartst zu Köln. 39
gestreckt. Die Bewegung ist lebendig, die Einzelheiten jedoch wenig
ausgeprägt. P. J. Meier beschreibt das Exemplar in der Westd.
Zcitsehr. I (1882), p. 70 zugleich mit identischen Lampen des Ber-
liner und Trierer Museums. Die Vertauschung von Rechts und
Links ist auf Lampen nicht selten. Da römische Schriftsteller wieder-
holt von linksfechtenden Gladiatoren berichten (vgl. die bez. Stellen bei
J. P. Meier a. a. 0. p. 168), mag jene Vertauschuug in vielen Fällen
eine beabsichtigte sein. Andererseits können wir bei Darstellungen
wie auf dem Triiuyxos bei Urlichs, B. Jahrb. IV. 189 — dessen
Echtheit freilich von Wiesel er und Janssen geleugnet wird
— wo der Bildhauer den Hammer mit der Linken führt, anf der
Heretatt'schcn Lampe (Dütschke 128) mit dem Wagenlenker, wel-
cher die Peitsche in der Linken schwingt, anf der Lampe bei
Passe ri tab. 37, wo die Braut dem Bräutigam die Linke reicht,
doch nur ein Versehen des Modelleurs annehmen.
14. Weiss mit gelbbraunem Firniss. Hercules in ganzer Figur,
etwas nach rechts gewandt, über dem linken Arm die Löwenhaut,
in der Hand den Bogen haltend, die Rechte auf die Keule gestützt.
Aehnlich Passeri II, 2. — Die Lampe wurde am 23. Dez. 1826
im bischöflichen Garten zu Köln gefunden.
15. Weiss mit rothem FirniRS. Im stark vertieften Discus
Amor als Todesgott in Hochrelief, ganze Figur in Vorderansicht.
Der Kopf leicht nach links gesenkt, der linke Arm auf einen Baum-
strunk gestützt, in der Hand einen Bogen. Mit der gesenkten Rechten
verlöscht er die Fackel. Das Relief ist gut ausgeprägt bis auf den
Kopf. Gefunden zu Köln, erworben Mai 1892.
III. Lampen mit kreisrundem Oelbehälter, rundem, ruckwärt*
in der Längenaxe aufsitzenden Henkel und schmaler, vorne abge-
rundeter Schnauze, welche in leichtem Bogen in den Lampenkörper
Ubergeht. Am Ansätze derselben zwei kleine Voluten.
16. Weiss mit hellrothem Firniss. Ein nach links springender
Löwe mit erhobenen Vorderfüssen und S-förmig emporgeringeltem
Schweife. Dieselbe Darstellung bei Dütschke a. a. 0. 1 14 (Samm-
lung Herstatt) und bei J a h n, Vindonissa, tab. 4, 8. Im Gegensinne
bei Dütschke Nr. 93, Kenner Nr. 140, 141. Auf der Unter-
seite der erhabene Stempel V (oder A. Vgl. Kenner, p. 22, not. 3).
Die zierliche und gut erhaltene Lampe wurde im Sommer 1889 in
der Mohrenstrasse zu Köln gefunden.
17. Weiss mit rothgelbem Firniss. Ein nach rechts schreiten-
■10
A. Kina:
der Widder, wie hei Passe ri III, 97, Kenner 168. Aebulich
ibd. 167. Dil t senke 76 fuhrt eine Lampe mit einem naeh recht«
sehreitenden .Schafe ans der Sammlung Herstatt an, welche er l'Ur
christlich halt, ebenso wie das auf der Rückseite dieser Lampe be-
findliche Fabrikzeichen I. Dasselbe kommt jedoch anch auf ent-
schieden heidnischen Lampen, wie z. B. der Athenalampe derselben
Sammlung Nr. 68 vor. Wahrscheinlich ist auch auf jener von
D ü t sc h k c beschriebenen Lampe ein Widder, das Merkur geweihte
Thier, dargestellt. Die Rückseite unserer Lampe trägt das erhabene
Fabrikzeichen M, das sich auch auf einer Lampe mit Rlüthenkranz
im Bonner Provinzialmusenm 'Klein, B. Jahrb. 88, Nr. 57) und
auf einer Lampe mit Gladiator bei Herstatt (DUtschkc Nr. 118)
findet.
18. Gelb mit Orange-Firniss. Darstellung eines Kinder-Coitus.
Die spätere Kunst liebte es, Eroten in den verschiedensten Hand-
lungen und Situationen Erwachsener auftreten zu lassen. So sehen
wir bei Passeri III, 10 Eroten auf der Tigerjagd, III, 32 auf
einer Biga, III, 52 das Opferfeuer hütend. Noch häufiger traten
sie als Genien der Götter mit deren Attributen auf. Auf I, 46 der-
selben Sammlung finden wir einen Eroten als Neptun. 87 als Apollo,
67 mit den Attributen der Minerva, 82 der Entcrpe, II, 10 und 11
als Hercules, 4 als Bacchanten. Andere derartige Beispiele bei
Kenner 37 — 57. Ebenso beliebt sind sie als Jäger, Kämpfer,
Bacchanten, Gärtner etc. auf poiiipejanischen Wandbildern, auf Sar-
kophagen und SchUsseln von Terra sigillata. Am nächsten lag es
wohl, sie auf den Mythus von Amor und Psyche anzuwenden. Vgl.
O. Jahn, Archäol. Beiträge 93 ff. Auch in unserem Fnlle sind
die beiden Kindergest alten so zu deuten, obwohl sich an ihnen hei
der Flauheit des Reliefs keine Flügel erkennen lassen, die übrigens
in der späteren Kunst kein unumgänglich not h wendiges Attribut sind.
Dieselbe Darstellung findet sieh auf einer Lampe des Bonner Pro-
vinzialmuseums uud bei Herstatt in Kölu, Dötschke Nr. 158.
19. Weiss mit rothgclbem Firniss. Um das Eingussloch legt
sich ein Kranz von Früchten (Aepfel, Mohn und Aehren) mit flat-
terndem Rändern, den Rand schmückt ein vertieftes Herzornament
mit nach aussen gekehrten Spitzen. Die wohl erhaltene Lampe
wurde in Köln gefunden und im April 1890 für das Museum er-
worben.
IV. Dem vorigen gleicher Typus, doch ohne Henkel.
Die antiken Thonlampen im Museum Wallraf-Richartz zu Köln. 41
20. Weif» mit gelbbrauner Glasur. Ein Fuchs im Cucullus
(dem Kapuzenmantel) streckt die Leimrnthc nach einem leiben au«,
der auf einem Baume hinter einem Geheure sitzt. Unten ist da»
Erdreich angedeutet. Dieselbe Darstellung veröffentlicht 0. Jahn,
Vindonissa, tab. 4, 9. — Gefunden in Köln, erworben April 1890.
V. Kreisrunde Lampen mit kurzer, vom abgerundeter Schnauze
ohne Verzierung und rundem, rückwärts in der Längsaxc aufsitzen-
dem Henkel. Ohne figürlichen Schmuck.
21. Weisslieh gelb mit Resten von rothem Firnis«. Die Ab-
schrägung nach der Milte zu ist mit einem Bande von feinen ra-
diären Strichen, der Rand mit einem vertieften Eierstabornamente
v erziert. Auf der Unterseite liest man den erhabenen Stempel SAECVL.
Fröhncr 1858, Schucrmans 4886, Kenner 301, Steiner
III, 162. Derselbe ist hisher nnr auf Lampen gallischen Fundortes
nachgewiesen (bei der Wiener Lampe ist die Herkunft unbekannt).
Die Ansieht von Birch (history of aneient pottery p. 522, wo der
Stempel auch abgebildet ist), dass SAECVL gleich SAECVLARES sei,
also keinen Fabrikstempel darstelle, sondern auf die Saccularspicle
Bezug habe, bedarf noch eines Beweises. Auf Kaisermünzen, welche
zu Ehren von Saecularfesten geschlagen wurden, findet sich das
Wort ausgeschrieben, meist mit Beifügung des Namens des Veran-
stalters oder die Form Saeculum novum.
22. Röthlichweiss mit Resten von rothem Firniss. Am Rande
schönes Weinrankehwerk in Relief; die Lampe gleicht vollständig
der hei Passer i III, 103 abgebildeten mit Hinweglassnng der von
2 Panthern nmgebenen Vase am Ansätze der Schnauze. Anf der
Unterseite der vertiefte Stempel CANAI • tf durch eiu eingebrochene«
Loch verstümmelt. Zu lesen ist CANAI • M. Schucrmans 1 032,
1033, Fröhner 530, B. Jahrb. IX 28. Der Stempel dürfte nach
dem Fundorte der bisher bekannten Stücke zu urtheilen einer galli-
schen Werkstätte angehören.
23. Gelblichweiss mit Resten von rothem Firniss. Die Ver-
tiefung mit radiärer gewundener Kanellirnng, am Rande schlecht
ausgeprägter Eierstab. Stempel INGEFEC (?), vertieft. Ein Stempel
OFINGE ans Tongern stammend bei So hu er mann 2648. Wahr-
scheinlich ist I n g c m i n u s zu lesen.
24. Gelblich mit Resten von rothem Firniss. Die Absehrägung
nach dem Eingusslochc zu ist radiär gestrichelt. Auf der Unterseite
der vertiefte Stempel IMAN, am Schlüsse ein undeutlicher Buchstabe.
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42
A. Kisa:
Vgl. Frühner 1187 „IMANIU und Schncrmans 2628—2631.
Gallischen Ursprunges.
25. Gelhlichwciss mit Kesten von rothem Firniss. Zu beiden
Seiten der Eingussöffuung zwei Palmzweige in Relief. Am Boden
der vertiefte, bisher nnedirtc Stempel CIVLINICEN, darunter ein senk-
rechter Strich, wie bei Nr. 15. DUtschkc a. a. 0., 67 not. ist
geneigt, den Strich der bekannten Werkstätte des Fortis zuzuweisen,
weil er sich häutig gerade unter diesem Namen gefunden hat. Seine
Vernmthung erweist sich nun als hinfällig. Der senkrechte Strich
ist nicht das Zeichen einer einzelnen Fabrik — dazu ist er auch
zu wenig charakteristisch — , sondern wohl eine Arbeitsmarke oder
ein Qualitätszeichen von allgemeiner Geltung. S c h u e r m a n s 2785
führt nach Hirch 406 einen Lampenstcmpel C IVLI NICI an, wel-
cher mit unserem wohl identisch ist.
26. Gelblichweiss mit Resten von rothem Firniss. Das Ein-
gnssloch erscheint von den leicht gekrümmten Armen einer Zange
eingefasst. Wahrscheinlich ist hier eine Zange zum Ausziehen des
Dochtes wiedergegeben.
VI. Verwandt dem vorigen Typus sind:
27. Grosse Lampe aus weissem, gelblichbraun gefirnisstem Thon
mit ganz kurzer abgerundeter Schnauze. Von dem kreisförmigen
Körper ist rückwärts ein Segment nahezu gradlinig abgeschnitten.
Ohne Henkel.
-
28. Rothgclb mit schwarzem Firniss. Der kreisförmige Oel-
behälter hat einen rund nach innen gebogenen Rand und ist oben
offen. Vom Boden ragt ein kurzes, oben und unten offenes Röhrchen
empor, welches wahrscheinlich zum Aufstecken der Lampe auf den
Stab eines Lampcngestclles diente. Die Dochtöffnung der Schnauze
ist sehr breit. Ohne Henkel. Derartige Lampen finden sich auch
mit oben geschlossenem Röhrchen, so bei S t e t f e 1 d in Köln.
VII. Lampen mit rundem Oelbehalter, langer vorn abgerun-
deter Schnauze und rundem rückwärts in der Längsaxe aufsitzendem
Henkel. Der Raum um die Fttllöffnung ist mit einem kreisrunden
Stege umgeben, an welchem sich beiderseits bis an den Rand kleine
öhrartige Zapfen anlegen. Ursprünglich zum Aufhängen der Lampen
bestimmt, sind sie hier zu einem bedeutungslosen Ornament verflacht.
Die Schnauze zeigt eine bis gegen die Dochtöffnung reichende Rinne
und fällt dachartig ab. Vgl. Kenner, Fig. 16.
29. 30. Weiss mit gelbem bez. rothem Firniss. In der Mitte eine
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Die antiken Thonlampen im Mtuenm Wallraf-Richartz zu Köln. 43
komische Maske. Solche Masken hatten gleich den MednBen-, Pans-
und Lmvcnmasken eine amuletartige Bedeutung und schützten durch
da» ötottov vor bösem Zauber, was ihre hantige Verwendung erklärt.
Vgl. 0. Jahn, Vindonissa p- 107. — Die beiden Lampen tragen den
bekannten erhobenen Stempel FORTIS F röhner 1 1 16 ff., Schucr-
mauB 2275, Klein, B. Jahrb. 88 Nr. 39 ff. Lampen diese« Ty-
pus scheinen in der genannten — gleichfalls gallischen — Werkst ättc
besonders beliebt gewesen zu sein. Sie sind entweder mit Masken
verschiedener Art dekorirt oder glatt. Mit den unseren identisch
Kenner 219, 0. Jahn a. a. 0. tab. III, 7.
31. Weiss mit rothem Firniss. Den obigen gleich. Auch
diese Lampe ist mit einem am Rhein sehr häufig vorkommenden
Stempel gezeichnet: EVCARPI. Ein Töpfer Eucarpus arbeitete zu
Xanten. Vgl. Kamp, p. 8, Fröhncr 1057, Schuermans
2119, Klein, B. Jahrb. 88, 35. Im Wiener Autikenkabinet ist
der Name nur einmal vertreten, Kenner 350. Identische Exem-
plare bei Dütsehke 104, 149.
32. Weiss mit Oraugefirniss. Oben eine komische Maske, unten
der unbekannte Stempel PP S F.
33. 34. Ebenso. Die eine mit unleserlichem, die andere ohne
Stempel.
35. Weiss mit rothem Firniss. Die ganze Fläche innerhalb
des Kreises nimmt eine tragische Maske von stark abgestumpften
Formen ein, mit grosser vorstehender Nase und offenem rundem
Munde, welcher als Eingussloch dient. Auf ähnliche Weise ist eine
Lampe bei Dfitschke 124 und eine andere bei Kenner 221
— mit dem Stempel FORTIS — dekorirt.
36, 37. Weiss mit rothem, bez. schwarzem Firniss. Beide ohne
Dekoration und mit dem Stempel FORTIS versehen.
38 — 40. Roth, die eine schwarz gefirnisst, ohne Dekoration.
Stempel EVCARPI bez. EVCARP. Auf Nr. 38 befindet sich unter
dem Namen des Töpfers ein I, wohl gleichfalls wie der unter Nr.
15 und 23 angeführte senkrechte Strich eine Qualitätsmarke.
41, 42. Kleine Lampen aus rothgelbem Thon, ohne Dekora-
tion, mit dem erhabenen Stempel ATIMETI, einmal mit einem Punkte
oberhalb und einem S unterhalb. Derselbe scheint nach seiner wei-
ten Verbreitung zu schliessen einer italischen Werkstätte anzuge-
hören. Vgl. Fröhner 190-194, Schnermans 582. In den
Annali 1850, p. 132 findet sich die Bemerkung, dass Lampen dieser
44 A. Kisa:
Fabrik feiner Sorte und mit schonen Bildern verziert seien. Klein
a. a. 0. Nr. 4 kennt den »Stempel mit einem S darunter. Diener
Buchstabe, wie der Punkt oberhalb dürften gleichfalls Arbeitsmar-
ken sein.
43. Kleine Lampe aus gelblichweissem Thon mit gelbbraunem
CAHTO
Firnis», ohne Dekoration, mit dem erhabenen Stempel p
Kamp hat denselben in seinen epigr. Antik, p. 4, Nr. 21 richtig
gelesen im Gegensätze zu Klein a. a. O. Nr. 14, welcher CARTO
annimmt. Die Schrift ist vollkommen klar aasgeprägt. Vcrgl. auch
Merlo, B. Jahrb. 72, Nr. 8. Den gleichen Töpferimmen geben
Fröhncr 541 und Sehnermans 964 aus Neuwied.
44. Kleine Lampe aus gelblichem Thon mit gelbem Firnis«.
Unten der erhabene Stempel ATTILLVS. Der wagerechte Strich des
zweiten L ist viel kürzer als der des ersten. Vgl. Schncrmans
612, Fröhner 205—6, Klein 7.
4ö. Lampe aus weissem Thon mit Resten von gelbem Firnis*.
Im Boden der vertiefte Stempel NNAELVCI für ANNAELVCI. Vgl.
Kenner Nr. 14, Birch p. 605.
46. Lampe aus rothem Thon. Dieselbe unterscheidet sieh im
Typus von den vorhergehenden dadurch, dass der kreisrunde Steg,
welcher die FUllöffnung umgibt, sieh gegen die Schnauze zu öffnet
nnd Aber letztere in paralleler Richtung hinübergehend das Docht-
loch einschliesst. Vgl. Rasse ri, proleg. Fig. 3. Am Boden in der
svn VS
Längeuacbse der linksläufige nnedirte Stempel _ . Die Buch-
staben sind erhaben, während der sie durchschneidende Bogen in
den noch weichen Thon eingekratzt wurde.
VIII. Lampen von gleichem Typus, doch ohne Handhabe.
47. Grosse Lampe, hellroth, am Boden der erhabene Stempel
STROBILI. Derselbe ist einer der weitest verbreiteten, v. Cohanscn
sucht den Sitz dieser Fabrik in der unteren Maingegend, wo noch
jetzt eine alle Töpferfamilie den Namen Strobel trage. Vgl. Schaaff-
hausen, B. Jahrb. 88, p. 140, Kenner 37», 376, Klein 75, 76,
SchnermaiiB 5304, Frohncr 2026. Die Lampe wurde August
1883 in Köln am Severinsthor gefunden.
48. Brannroth, mit drei öhrartigen Ansätzen an dem Stege.
Am Boden der Stempel ALBINVS. Vgl. Schuermans 194, Fröh-
ner 60, B. Jahrb. 35, 46.
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Di« antiken Thonlampen im Muneuiii Wallrnf-Richartz zu Köln. 45
IX. Kreisrunde Lampen mit zwei .Schnauzen und einem rück-
wärts in der Längsachse ansitzendem Henkel, dem obeu als Handhabe
ein dreieckiges Blatt aufgelegt ist. Die Schnauzen schiiesaen sieh hei
Nr. 49, 50 mittel» zweier Voluten an den Lampenkörper an, hei
Nr. 51 sind dieselben wie bei den Lampen vom Typus VII behandelt.
49. Grosse zweischnauzige Lampe aus hellrothem Thon, mit
zwei Ringen um das üochtloch.
50. Rother Thon mit fleckigem braunem Firniss. Das auf-
gelegte Blatt am Henkel ist mit vertieften Rippen versehen.
51. Rother Thon, am Boden von drei Kreisen eingeschlossen
der Stempel S011VS F, lies Sollns feoit. In den Rheingegenden und
im östlichen Frankreich vorkommend. Sc hu er maus 5289, Früh
ner 2017.
X. Lampen, deren Oelbehaltcr ohne Trennung allmählich in
die Schnauze Obergeht, sog. Schiflehenform (navicellae), meist der
christliehen Spätzeit angehörig und von minder guter Ausführung.
Den unter VII angeführten steht am nächsten
52. Grosse Lampe aus röthlichgclhem Thon mit Resten von
rothem Firniss. Die obere Seite ist flach und durch eiuen dem
Rande parallel laufenden Steg mit zwei (den Schnauzenansatz mar
kirenden) Zapfen verziert. Vor dem Henkel ragt senkrecht eine
Handhabe empor, welche deu Stiel eines jetzt abgebrochenen Blattes
darstellt. Unten ein Fussring, darin der vertiefte Stempel C. Klein 8,
Schuermans 91(5.
53. Grosse Lampe ans gelbem Thon mit rothein Firniss. Die
Mitte mit zwei Kingusslftchern muldenförmig vertieft uud von Ringen
umgeben. Zwischen den Eingusslöcheru befindet sieh in der Längs-
axe aufsitzend der Henkel. An dem der Schnauze entgegengesetzten
Ende ein modernes bärtiges Maskaron.
54. Christliche Lampe ans grobem rothem Thon; in der Mitte
ein Lamm, nach recht» schreitend, ringsum ein Band mit derber
Stricheluug. Anstatt des Henkels ist eine zapfenartige Handhabe
rückwärts in der Längsaxe angebracht. Unten ein Fussring, der mit
der Handhabe durch einen Steg verbunden ist. Darin der Stempel r.
55. Aehnliehe Lampe ans feinerem rothem Thon. Das Lamm
sehreitet hier nach links. Die Handhabe gelocht. Der Stempel A
ist wohl identisch mit dem vorigen; auch die Arbeit weist auf die-
selbe Fabrik hin. Vgl. Kenner, p. 22 not. 3.
56. Grosse Lampe ans gelbem Thou, mit abgerundeten Kanten.
A. Kisa:
Da» iu einer runden Vertiefung angebrachte Eingussloch igt radiär
kanellirt, ringsum ein vertiefter Kreis und eiu in zwei Hälften zer-
legte», eingefasstes Strichelband. Zapfenartige Handhabe. Auf der
Unterseite umgiebt eine vertiefte kreisförmige Linie den Fuss, welche
sieh in zwei Parallelen gegen die Handhabe fortsetzt, ohne dieselbe
jedoch zu berühren. Zwischen die Parallelen schiebt »ich eine dritte,
kfli-zere eiu. Vgl. Krau», Realencyel. d. christl. AlterthUmer II,
Fig. 115.
57. Oelb mit Resten von rothem Firnis», oben abgeflacht. In
der Mitte eine gut gebildete komische Maske, am Rande ein ver
tiefte» eierstabartige» Ornament. Der beschädigte Henkel scheint
zapfeufönnig und ungelocht geweseu zu »ein. Die Unterseite wie
bei Nr. 50. — Ueber die Maske vgl. Nr. 29, 30.
58. Grosse Lampe au» weissem Thon mit Resten von gelbem
Firnis». Da» Eiugussloch befindet sich in einer muldenförmigen,
vou Kreislinien eingefassten Vertiefung, an welche rückwärts quer
die halbrunde gelochte Handhabe ansetzt. Vgl. d. Abb. bei Pas-
sen, prolcg. Fig. 1. — Auf der Unterseite in blattförmiger Um-
rahmung der bisher unedirte Stempel AGAVSVS, oben und unten von
eiuem kleinen Kreise begleitet.
59. Grosse christliche Lampe aus rothem Thon, oben flach,
mit zapfenartiger Handhabe und breiter (abgebrochener) Schnauze.
Im vertieften Mittelfelde steht Christus, umgeben vou einer kreis-
förmigen Mandorla, unbärtig, in langem Gewände, das Haupt mit
dein Nimbus versehen, in der Linken das Stabkrcnz, die Rechte
zum Segnen erhoben. Deu unteren Rand der Maudorla halten zwei
fliegende Engel; rechts und links befinden »ich zwei Eingusslöchcr,
darüber im Bogen die Symbole der vier Evangelisten. Zwischeu
den Symbolen Johannis und Matthäi ragt iu die Mandorla die
segnende Hand Gott Vaters hinein, die erhobene Rechte Christi be-
rührend. Unterhalb der Engel stehen zwei männliche Gestalten in
kurzer Tuuica , vou denen die eine mit erhobener Rechten auf
Christus hinweist. Den äusseren Rand belebt ein Ornameut aus
aneinandergereihten Kreisen und Quadraten, welche theils mit dem
Monogramm Christi, theils mit Rosetten gefüllt sind. Die Uuterseite
der Lampe ist mit einem Fussringe verschen, welcher mit dem Kamme
der Handhabe durch einen Steg verbunden ist. Innerhalb des Fuss-
ringes ist ein vertierter Doppelkreis angebracht.
Der rohe und hässliche Typus der Gestalten, besonders der
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Die antiken Thonlampen im Museum Wallraf-Richartz zu Köln.
47
des unbärtigen Christus, sowie die Art des Reliefs weisen auf die
Zeit des tiefsten Verfalles der antiken Kunst hin. Die Köpfe, Anne
uud Kusse erscheinen flach erhaben, Augen, Nase und Mund durch
rohe vertiefte Linien angedeutet, die Gewänder in senkrechte pa
rallele Stege aufgelöst — eiu Reliefstil, wie er z. B. auf den Münzen
Valeutiuians III. ausgeprägt ist. Bei der Deutung der Darstellung
könnte man zwischen der Auferstehung und der Himmelfahrt schwan-
ken. Das Kreuz in der Hand Christi verleitet an erstcre zu deu-
keu, doeh fehlt jede Andeutung des Grabes, abgesehen davon, dass
die beideu Männer unterhalb des triniuphirenden Erlösers durchaus
uieht als Wächter, als Seddaten gekennzeichnet sind. Wir müssen
uns daher für die Himmelfahrt entscheiden, welche hier — wie auch
die Auferstehung uud Verklärung in der altchristlicbeu Kunst Uber
haupt — durch Idealisirung des biblischen Vorganges zu einer
Triuinphdarstelluug Christi und seiner Lehre verallgemeinert wird.
Daher die Anwesenheit der vier Evangelisten in ihreu Symbolen
und das Kreuz in der Linken des Erlösers. Auf die Himmelfahrt
direkt deutet die Hand Gott Vaters, der den Sobu wieder in den
Himmel aufnimmt und die Gestalten der beiden Jünger. Dieser Typus
der Himmelfahrt erscheint noch in der Kunst des frühen Mittel-
alters, so /.. B. im Wysschrader Evaugelienbuche des 11. Jahrhs.
Vgl. Beissel, Des heil. Beruward Evangelienbuch p. 20. Aebnliche,
wenn auch einfachere Darstellungen sind auf Lampeu altchristlicher
Zeit mehrfach aufgefunden worden. So zeigt eine auf dem Paktiii
entdeckte Laui|>e des ö. oder 6. Jahrhunderts Christus mit derAu-
reola, ein Stabkreuz in der Hand, von Engeln angebetet; zu seinen
Füssen liegen Löwe, Schlange, Basilisk uud Drache. Vgl. Kraus
a. a. 0. II, 271. Verwandt ist auch die daselbst Fig. 118 abge-
bildete Lampe mit Christus in kurzer Tunika, von zwei Engeln be-
gleitet, zu seinen Füssen zwei Löwen. Das aus Kreisen und Qua-
draten zusammengesetzte Randornament findet sich bei letzterer so-
wohl, wie bei einigen von Kenner 447 ff. xind DUtschke a. a. ü.
78 erwähnten Lampen. Wenn Dtttschke diese Verzierungsart
jedoch auf fränkische Metallotechnik zurückführt, so möchte ich
dem nur bedingt beipflichten und auf die kreisförmigen und qua-
dratischen Verzierungen hinweisen, welche sich ganz allgemein auf
den Gewändern spätrömischer und byzantinischer Zeit, vor Allem
aber auf deu Textilfundeu von Achmiui, den koptischeu Geweben
vorfinden. Allerdings sehen die auf Lampen aufgelegten kleineu
48
A. Kina:
Quadrate, Dreiecke und Rnndscheiben mit ihren geometrischen
linearen Füllungen wie eine Nachbildung von Metallblättchen mit
Filigranschmuck ans, ursprünglich gehört diese Verzierungsart jedoch
der Textilkuust an, vrm welcher sie dann auf das Mosaik, in die
Gnldschmiedekunst und selbst in die Keramik übernommen wurde.
Der Fundort der Lampe ist unbekannt. Jedenfalls stammt sie aus Italien
und gehört dem ä. — -ti. Jahrb. an. Sie wurde im Mai lH'Jl erworben.
XI. Lampen mit sog. Warzenschmuck, von verschiedenen Formen.
00—04. Lampen aus weissem Thon, rundlich, allmählich in
die kurze Schnauze übergehend, die eine sehr grosse Dochtöffnnng
hat. Um die kreisrund vertiefte Eingussstelle ist ein 3 — 4factier
Kranz von kleinen Perlen oder Warzen gelagert. Die Handhabe
ist znpfenförinig und an beiden Seiten mit runden Vertiefungen für
die Fiuger versehen, ohne durchbrochen zu sein. Zwei dieser Laiu-
pen haben am Boden den Stempel AS, eine eiuen kleinen eingeritzten
Palmzweig. Vgl. K e u n e r 4f>2, D ü t s c h k e 1 22. Der Zweig ist
hier Fabrikmarke und nicht Verzierung, wie dies anderwärts der
Fall sein mag, wo er die ganze Fläche innerhalb des Fussringes
ausfüllt und sorgfältig ausgeführt ist. Hei unserer Lampe ist er
klein und nichts weniger als ornamental durchgebildet. So findet
er sich auch auf einer Ziegelplatte des Museums flüchtig eingeritzt.
6;'). Hellroth, von länglich runder Form. Die grossen, auf der
Über- und Unterseite dicht aneiuaudergereihten beereuartigen Warzen
geben der Lampe die Gestalt einer Weintraube. Die Schnauze ist
ziemlich laug, vorn abgerundet und mit zwei Dochtlöeheru versehen,
welche mit einem kantigen, rechtwinklig gebrochenen Stege wie bei
Nr. 40 eingefasst werden. Der ringförmige Henkel sitzt in der
Längsachse mitten auf dem übertheile auf. Die Ausseukante des-
selben ist mit einem eingeritzten Lorbeerzweige verziert. Hinter
ihm das Eiugussloch. Rückwärts geht die Lampe in einen kleinen
spitzen Zapfen aus. Das vorzüglich erhaltene Exemplar wurde im
Frühjahr 1890 in Köln gefunden.
00. Grosse Lampe aus gelbem Thon mit glänzendem roth-
braunem Firnis«. Der runde Oeibehälter geht in eine lange, nach
vorn sich verbreiternde und geradlinig abschliessende Schnauze aus,
der Henke) ist vierfach gerieft. Um das muldenförmig vertiefte Ein-
gussloeh legen sich zwei Hache Ringe uud ein aus einer dreifachen
Warzenreihe gebildeter Kranz, dessen Schleife über die Schnauze
bis zur Dochtöffnuug hiuabbäugt. Die Uuterseite ist ausserhalb des
Die antiken Thonlnmpen im Museum Wallrnf-Kiclmrtz zu Köln. 49
Fussringes mit dicht aneinandergerei Ilten Wanten bedeckt. An der
linken Seite befindet sich ein flossenartiger Ansatz. Das Ganze
ähnelt einer Scholle, wobei das Eingussloch das Auge, die scharf'
abgeschnittene Schnauze die Schwanzflosse darstellt. Die Fisehfonn
ist altchristüchcn Lampen eigcnthlimlich, mit Beziehung auf die
symbolische Bedeutung den Namens ixöu<;. Noch deutlicher findet
sieh dieselbe bei Nr. 73 ausgeprägt.
XII. Lampen in Schiffchenform, der Obertheil nach dem Ein-
gussdoche zu schräg ansteigend, dieses, Schnauze und Doehtöffnung
mit einem Stege umgeben, mit ringförmigem Henkel.
67—71. Vier dieser Lampen sind aus schwarzgrauem Thon
geformt und zeigen Spuren einer modernen Vergoldung durch Blatt-
gold. Eine besteht aus weissem, rothgclb gefimisstem Thon und
trägt auf dem Boden den vertieften Stempel M in doppclkreisför-
miger Umrahmung. Vgl. D (l t s e h k e Nr. 1 18, Klein, B. Jahrb.
88 Nr. 57, Passeri III, tab. 100.
XIII. Lampen von ähnlichem Typus. Der Obertheil hoch ge-
wölbt, mit radiär gegen den Einguss zulaufenden Rippen. Alt-
christlich. Hervorzuheben ist
72. ein zierliches Lämpchen von 0,045 m Länge, aus weissem,
hellroth gefimisstem Thon, wahrscheinlich ein Kinderspielzcug.
XIV. Lampen in Phnntasieformeu.
73. Lampe aus gelblichweissem Thon in Gestalt eines Fisches,
ähnlich Nr. 06. Der runde, oben leicht eingebuchtete Kopf bildet
den Oelbehältcr und ist rückwärts spitz aufgebogen und gelocht.
Die breite Schwanzflosse dient als Schnauze und ist am Ansätze
mit einem Ornamente verziert, das zwei von einander abgekehrten
Schwanenköpfen gleicht. Auf dem Boden der vertiefte Stempel
C-0PPI-RES. Eine Broneelampe, bei der umgekehrt die erhobene
Schwanzflosse als Einguss dient, während das Kopfende die Docht-
öffnnng enthält, beschreibt Dutschkc unter Nr. 108. Der Stempel
kommt häufig vor und scheint einer italischen Fabrik anzugehören.
Kenner fuhrt ihn unter den Varianten C-OPPIRES, COPPIRES,
COPPIRES 10 mal an. Daneben erscheint bei Passeri, Birch
u. A. COPREST, C OPPIRE, C-OPREST, C OPPI REST- und un-
sere Lesart. Sc h nenn ans kennt die letztere und COPPIRES.
Vgl. auch Steiner IV, 695 und Lersch, B. Jahrb. VIII, 162.
Auch der blosse Name OPPI kommt vor (Schuermans 4021,
Fröhncr 1740, Birch p. 605, Kenner 136, 230, Passeri
Jahrb. d. V«r. v. Altertlmfr. im Klieiul. XCIII. 4
A. Kisa:
II, 9, III, 4, 39, 83). Wahrscheinlich ist dann auch der Stempel
COPRESI bei Klein Xr. 28 (Sammlung WolfT-Köln) COPREST /.n
lesen. Die Beifügung; RES findet sich auch hei anderen Tüpfernamen,
wie MVNIRES (MVNTRES) L M-RES u. A., bei denselben Xamen
jedoch auch die Variante REST, auch RESTI (Kenner 84, Samm-
lung,' Xiesscn tiO). Alle drei Varianten sind Abkürzungen des Wortes
Kostituta (sc. fabrica), wie schon P a s s c r i angenommen hat. Der
Versuch Chaudrue de Crnzaunes, Revue archeol. VIII, 247,
in dem Stempel C-OPPIRES das letzte Wort als ein vollständiges
und res für gleichbedeutend mit opus zu erklären, ist schon ans
sprachlichen Gründen sehr bedenklich und darf seit dem bekannt-
werden der vollständigeren Stempel derselben Fabrik und ähnlieh
lautender als gegenstandslos angesehen werden.
Den gleichen Stempel trägt
74. eine Lampe aus gelblichem Thon mit Resten von rothem
Firniss, in der Form quadratisch, mit einfach gebildeter Schnauze,
wie die Lampe hei Passe ri 1, prolog. Fig. 5 und III, tab. NU,
der die Form auf einen ägyptischen Typus zurückführt.
7ö. Polymyxos aus weissem, schwarz, gefirnisstem Thon mit
12 radiär an den kreisrunden Oelbehältcr angesetzten Schnauzen.
Davon sind je 3 auf jeder Seite mit einander vereinigt, während
die anderen vollständig getrennt behandelt sind. Ohne Handhabe.
76. Siebendochtiger Polymyxos aus weissem Thon in Form
eines gedrückten Halbkreises. Die Dochtöffnungen sind au der
Vorderkante geradlinig aneinandergereiht, während rückwärts die
Handhabe ansetzt. Die äussere Kante umgibt ein Steg, welcher
sieh auch um die Dochtöffnungen legt und zwischen denselben
ovale Schlingen bildet, in denen runde Knöpfchen sitzen. Pa-
rallel mit dem äusseren Stege umgibt ein anderer in leichter
Wellenlinie die Eingussöflnung. Die Lampe ruhte auf drei kurzen
zapfenartigen Füssen, von welchen noch zwei theil weise erhalten
sind. Sie ist offenbar einem Original aus Metall nachgeahmt. Ganz
ähnlieh ist die B. Jahrb. 22, p. 74, Tafel I veröffentlichte Lampe,
ehemals bei Fran Sybilla Mertens-Schaaffhausen in Bonn, welche im
Frühjahr 1848 am Kölner Thore daselbst gefunden wurde. Doch
ist dieselbe von rothem Thone, die Rundung schwungvoller, der sich
zwischen den Dochtlöchern durchdrängende Steg quadratisch ge-
brochen. Die Siebenzahl der Dochtöffnungen veranlasste die Be-
sitzerin die Lampe dem jüdischen Kulte zuzuweisen. Sic beruft sich
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Die antiken Thonlampen im Museum Wallraf-Kichartz zu Köln. 51
dabei auf die Mitthcilung eines „gelehrten Juden", das» die Sabbath-
lnmpe siebenzackig Bei. Derselbe hatte wohl jene metallenen Hänge-
lampen im Auge, welche in Deutschland und Holland sehr häutig
zu finden sind, Lampen mit 7 .Schnauzen und einem runden Ocl-
behälter, die zumeist aus dem 15. — 17. Jahrhundert stammen und
mit den antiken nichts gemein haben als die Zahl der Lichtöffnungen.
Auch bei antik-heidnischen Kulten kamen siebentheilige Lampen zur
Verwendung. So hat die das „Schiff der Isis" darstellende Lampe
(Passeri III, 79) 7 Dochtöffnungen, welche um den rechteckigen
Lampenkörper angeordnet sind. Bei Bireh, Fig. 188 findet sich
eine kreisrunde siebensehnauzige Lampe, welche am Griff eine Se-
rapisbüste trägt, bei Linde lisch mit Sohn, Mainzer Museum
tab. 26 eine gleichartige Brouzclampe mit dem Symbol Limas, dem
Halbmond als Handhabe. Auch Dütschke erwähnt unter Nr. 27
eine runde 7 dochtige Lampe der Sammlung Herstatt. Auf jüdischen
Kult weist nur die bei Reger 33 publi/.irte Lumpe der früheren
Sammlung Bellori durch ihren Kundort, den altjüdischen Begräb-
nissplatz an der Porta Portuense zu Rom hin. Die Siebcnzahl
der Docbtöffnungeu beweist demnach gar nichts. Früher (im Mus.
Kirchcr, p. 15) hat man deD Versuch gemacht, dieselbe mit dem
Kultus der 7 Planeten in Verbindung zu bringeu und zwölfdochtige
Lampen als ein Symbol des Thierkreises erklärt. In diesem phan-
tasiereichen Spiele mit mythischen und mystischen Beziehungen mag
immerhin ein Körnchen Wahrheit ruhen. Es ist veranlasst durch
die inannichfachen Beobachtungen über das Eindringen von orienta-
lischen und christlichen Elementen in die römischen Mysterienkulte
und die damit zusammenhängende Nachahmung fremder Kultusgcräth-
sehaften. Es entstand dadurch im antiken Kunstgewerbe eine Mi-
sehung fremder und heimischer Formen, bei welcher jedoch die an-
gestammte symbolische Bedeutung — falls eine solche überhaupt
vorhanden war — sieh allmählich verwischt und die Absicht, etwas
Originelles, etwas Modernes zu schaffen, in erster Linie maaBsgebend
erscheint. Die Siebcnzahl der Liehtöffnungcn hat in Aegypten und
bei den Juden eine symbolische Bedeutung. Das berühmteste Beispiel
dieser Art, der Leuchter Salomonis, findet sich oft in Relief auf
spätrömischen Lampen dargestellt. Birch Fig. l'.U, Kraus Fig. 130,
BegcrIII, 32. Man hat diese Lampen gleichfalls für jüdische an-
gesehen, bis man in den Katakomben den 7 armigen Leuchter auf
unzweifelhaft christlichen (ieräthen nachgebildet fand. Wenn es
f.2
A. Kisa:
demnach unmöglich ist, Lampen mit einein so speeifisch jüdischen
Symbole ausschliesslich dem mosaischen Kultus zuzuweisen, so ist
dies noch weniger statthaft l>ei Lnmpcnfoimen vom Typus der ob-
genannten, deren Dekoration eine völlig neutrale ist.
Das Exemplar des Kölner Museunis wurde im Sommer 1*89
heim Kanalhau auf dem Hunucnrtickcn iu Köln aufgefunden.
77. Grosse Lampe aus weissem Thon mit Resten von rotli-
gelbein Firniss. Der Obertheil bildet in Hochrelief den Kopf des
Attis; das feiste jugendliche Antlitz ist von üppigen Locken um-
rahmt, welche unter dem Rande der kleinen phrygischen Mütze her-
vorquellen. Auf dem Henkel eine Pilgermnsehel als Handgriff. Die
schöne, wohl erhaltene Lampe, welche seit Mai 1890 eine Zierde der
Aiitikcnsammlung des Kölner Museums bildet, wurde zu Roden-
kirchen l>ei Köln gefunden und befand sich früher im Besitze von
E. Herstatt, welcher sie im B. Jahrb. 88, p. 136, tab. 1, Fig. 2 ver-
öffentlichte. Der frühere Besitzer hielt den Kopf für den eines
Bacchus, während die phrygischc Mütze und die aufgedunsenen
Wangen, hinter welchen die kleinen Augen fast versehwinden, für
den Geliebten der Kybclc sprechen. Attis ist in spatrömischer Zeit
seit dem Ueberhnndnehmen der Kybclemystericn ein sehr beliebtes
Motiv auf Lampcndarstcllnngen. Kenner 77, Passcri 1,18, 19.
78. Kleine Lampe aus weissem Thon iu Form eines (rechten)
Fusses, gelb gefiruisst, mit einzelnen zerstreuten braunrothen Flecken.
Die Sandale ist mit einem einfachen Iiiemen über den Zehen
und einem über den Spann befestigt. Die Eingussöffnung befindet
sich an dem Abschnitte oberhalb der Knöchel, die Dochtöffnung in
der grosseu Zehe. Rückwärts die Reste des abgebrochenen Henkels.
Auf der Sohle ist durch kleine Knöpfehen, eine Nachbildung von
Nägeln, in doppelter Umrahmung der Stempel VITALIS dargestellt.
Vor demselben befindet sich eiu Blatt, hinter demselben ein kleiner
Kreis mit einem Mittelpunkt. Die Lampe, zuerst von Kamp, epigr.
Antic. p. 7 Nr. 124 edirt, erscheint in einem Exemplar des Bonner
Museums, Klein, B. Jahrb. 88, Xr. 81 wiederholt. Die Fussform
wurde bei Lampen häufig angewandt. S. die folgende Nummer,
ferner D U t a c h k e 77 , 144, L i u d e u s c h m i t tab. 2i\, Fig. 1 4
und 2h. Nachbildungen von Füssen wurden den Göttern nach glück-
lich zurückgelegter Reise geweiht. Vgl. die Abbildungen von solchen
bei Passe ri II. tab. 72 und 73. Scpulkrallainpeu in Fussform
erhielten ähnliche Bedeutung, als Zeicheu der vollbrachten Erden-
1 >ie antiken Ttioiilniiipcu im Museum Wallraf-Ricliartz zu Köln. ft.'J
pilgcrschnft, namentlich beim altchristlichen Totcukult (U. Jahrb. 49
p. 1 "Mi). Der Stempel Vitalis ist einer der verbreiterten und ge-
hört einer italischen Fabrik an. Fr ö h n er 2174 ff., S c Ii n Gr-
inau k 58:">1. Ausser Lampen seheinen feine Gelasse in Terra sigil-
lata eine Spezialitnt der Fabrik gewesen zu sein.
IM Lampe ans weissem Thon mit rothgelbem Firnis«, gleich-
falls in Form eines rechten Fnsscs. Die Sandale ist mit Nägeln
dicht beschlagen und durch ein reiches Riemengeflecht befestigt,
das sich iu einem runden Knopf oberhalb des Spannes vereint. Die
Ausführung ist eleganter und sorgfältiger als bei dem früheren
Exemplare, doch fehlt der Fabriksteinpcl.
54
A. F u r t w & u g 1 e r:
4. Zwei Bronzen im Museum zu Speier.
Von
A. i'urtwängler.
1. Keiitaurenkopf (Tal. VF).
Als ich zu Anfang: dieses Jahres das Museum in Speier be-
suchte, war ich überrascht, dort ein Bronzewerk allerersten Kaufes
zu finden. Ks ist der lierrlielie bärtige Kopf, den Tal*. VI in zwei
Ansichten wiedergiebt.
Derselbe ist in einer Vorderausielit zwar schon in dem „Katalog
der historischen Abtheilnng des Museums in Speier 18W von l'rof.
Dr. Ha ist er veröffentlicht und von ihm als eine der „Perlen
nicht bloss der Speierer, sondern niler Altcrthitmssammlungen" be-
zeichnet worden. Um dies einzige Werk aber zugleich vollständi-
ger und in weiteren Kreisen bekannt zu machen, geben wir mit
der freundlichen Erlaubnis* und Beihülfe von Prof. IIa ist er1)
diese neuen in der Grösse des Originales hergestellten Abbildungen.
Als Fundort des Kopfes wird Schwarzenacker im Bliesthale
angegeben. Kr ist hohl gegossen, «las Innere ist mit Blei voll-
gegossen, üben ist eine derbe Oese eingelassen, in der sieh ein
beweglicher King befindet. Der Kopf hat demnach einmal als Ge-
wicht einer Waage gedient.
Allein «lies kann unmöglich seine ursprüngliche Bestimmung
gewesen sein. Nicht nur durch seine G Wisse, sondern auch durch
seine Form weicht er vollständig ab von dem Typus der als Ge-
wichte dienenden Köpfe; denn diese sind immer als Büsten gestaltet.
Unser Kopf aber hat nicht einmal einen Hals und war, seit er als
Gewicht diente, offenbar niemals vollständiger. Doch kann der
t) Der die Güte hatte, die photogrsiphisehcu Aufnahmen zu dieser
sowohl wie zu der folgenden Tutel unter seiner Aulsieht machen zu lassen.
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Zwei Bronzen im Museum zu Speier. 55
jetzig untere Rand unmöglich der ursprüngliche Abschluss des
Werken sein. Dieser Rand zeigt. d:iss der Kopf zwar besonders
gegossen ist, aber zum Aufsetzen auf eine Figur bestimmt war;
das (Iberfallende Haar und der Hart deckten die Fuge. Ferner
bemerkt man, dass das Loch für die Oese oben erst eingebohrt
ist, nachdem ein« Locke schon etwas beschädigt war. Damit ist
erwiesen, dass die Verwendung des Kopfes als Gewicht später als
die Verfertigung desselben ist.
Der Ring mit der Oese oben ist nichts als eine barbarische
Verletzung des Kopfes, der auch an jener Stelle aufs Vollendetste
ausgeführt und cisellirt war. Der Stil desselben lehrt uns nun. dass
er wahrscheinlich schon Jahrhnuderte bevor er zum Gewicht ver-
wendet wnrde und weit entfernt von dein Barbarenlandc in einer
griechischen Kunstlerwerkstatt entstanden ist.
Der Kopf ist ein griechisches Original, und zwar eines von
solcher Vollendung und solcher künstlerischen Kraft, dass ich ihm
unter allen Bronzen, die ich kenne, auch die Schätze des Musco
Borbonico und des Itritish Museum nicht ausgenommen, nur ein
einziges Werk als ebenbürtig an die Seite zu stellen weiss: das ist
der Pankratiastenkopf von Olympia, in dem ich ans äusseren wie
inneren Gründen ein Original des Lysipp vermuthet habe '). Unser
Kopf zeigt zweifellos etwas jüngeren Stil wie jener; Haar und Bart
sind aufgelöster und auf stärkere Schatten wirkung berechnet; die
Brauen sind naturalistisch und plastisch gegeben, die dort konven-
tionell und nur gravirt sind. Allein die Virtuosität in der Bildung
der Haare und die feine Modcllirung aller Details ist hier wie dort
so einzig und sich so ähnlich, dass der Speierer Kopf als unmittelbare
Fortsetzung derselben künstlerischen Tradition erscheint, die in dem
olympischen Faustkämpfer vorliegt.
Auch das Aeusserlichc lässt schon das griechische Original
erkennen. Die Patina ist jene dunkle tiefgrüne, wie sie den griechi-
schen Bronzen der besten Zeit eigen zu sein pflegt und wie sie ähnlich
jenen olympischen Kopf auszeichnet. Auch dass der Kopf gelrennt
gegossen ist und aufgesetzt war, entspricht griechischer, nicht römi-
scher Weise. Die Augen sowohl wie die Zähne sind von Silber
eingesetzt. Die Lippen sind von einem Rändchen umgeben und
1) Olympia, Bd. IV, die Bronzen, Taf. II, Text S. 10 f.
r,n
A. Furtw Hngler:
Bind vielleicht, obwohl aus Bronze bestehend, auch eingesetzt wie
atu olympischen Kopfe
Die Deutung de« Kopfes ergiebt sich durch die grosse Ver-
wandtschaft desselben mit einem in mehreren Repliken erhaltenen
bärtigen Kentaur, dem ein kleiner Eros die Hände auf den Kucken
gebunden hat l). Ks kann nicht zweifelhaft sein, das« auch unser
Kopf von der Figur eines Kentauren stammt 8).
Die Aehnlichkeit mit jenem ist so in die Augen fallend, das«
sie keiner weiteren Auseinandersetzung bedarf. Interessant aber ist
es, die Unterschiede der beiden Köpfe zu verfolgen. Obwohl die
wirren Haare, die thierischen Ohren und das wilde aufgeregte
Wesen beiden gemeinsam sind, ist der Ausdruck doch ein sehr ver-
schiedener: dort in der Marmorstatue macht der wilde Geselle ein
gar klägliches und jämmerliches Gesicht; die Mundwinkel sind stark
herabgezogen und der Kopf dreht sich ganz nach seiner Rechten
herum nach dem Rücken, wo der kleine Dämon sitzt, der ihm die
Hände gefesselt. Auch der Bronzekentaur wandte den Kopf nach
seiner Rechten, aber nur mässig: seinem Ausdrucke fehlt das Kläg-
liche völlig. Er ist aufgeregt, aber seine Leidenschaft ist von un-
gebrochener Kraft; sie dringt stürmisch vorwärts; sie ist von mäch-
tiger packender Gewalt.
Das ist kein von einem Eros gebändigter verliebter Kentaur;
jene tändelnde Vorstellung ist diesem Werke völlig fremd*). Was
der Künstler hier ausdrücken wollte und mit einziger Meisterschaft
ausgedrückt hat, das ist nur jener alte mythische Begriff von
dem Wesen der Kentauren, der wilden stürmischen Dämonen, die
in Wald und Bergen hausen.
Wir dürfen danach annehmen, dass die einstige Bronzestatuc
den Kentaur weniger in einer bestimmten Situation, als nur seinem
Wesen nach darstellte. Den nächsten Vergleich würden Statuen
1 > Vgl. (Iii- Litteratur bei V r i e d e r i c h s - W o 1 1 e r s, Gipsabgüsse
Nr. 1121. Kine vorzügliche Koplik des Kopfes, ungleich besser als die.
Kxemplare im Louvre und Capito), besitzt die Berliner Sculpnireusainm-
lung Nr. 205.
2) Prof. Hardter hatte au einen Triton gedacht; die richtige
Henning hatte, wie derselbe mir mittheilt, vor mir auch schon v o n
D u h n bei einem Besuche der Sammlung ausgesprochen.
3) Sie war auch dem Motiv des gefesselten Kentauren ursprünglich
fremd: vgl. Phigaliafries West 3 und die Vase Monum. grecs 1876, pl. 3.
Zwei Bronzen im Museum zu Speier.
andcrer Dämonen wie der Satyrn und der Tritone bieten, die seit
dem vierten Jahrhundert auch ohne bestimmte Situation häufig in
starker Erregung gebildet worden sind; jene, die Satyrn, nm die
laehende Frechheit, die schäumende Lustigkeit ihres Wesen« zu
zeigen; diese, die Tritone, um ihr ungestilltes ruhloses Streiten und
Sehnen zum Ausdruck zu bringen. Ein ganz verschiedenes, aber
nicht minder leidenschaftliches Wesen ist das des Kentauren, wie
es unser Bronzekopf schildert.
Der Blick scheint fest auf ein Ziel gerichtet, nicht in unbe-
grenzte Ferne seb weifend, wie dies nach Brunns bekannter Ana-
lyse beim Triton der Fall zu sein pflegt. Der Mund ist geöffnet
wie in wildem Schrei; die beiden Zahnrcihcn werden sichtbar. Die
halbtliicriscbcn Ohren sind beide nach vorn gespitzt, wie um auf-
merksam jeden Schall aufzufangen. Auch diese Ohren zeugen
übrigens von der Meisterschaft unseres Künstlers; ich erinnere mich
keines anderen Werkes, wo sie, wenn man bei einer phantastischen
Bildung so sagen darf, so uaturwahr dargestellt wären. Die Haare
erheben sieh wirr und struppig und bilden einen prachtvollen
Rahmen um das (Jesieht; und auch der Bart umrahmt mehr als
dass er bedeckte; er lässt das Kinn ganz und die Oberlippe fast
ganz frei. Im Haare lag, wie ein in der Protilansiekt deutlicher
Einschnitt wahrscheinlich macht, ein besonders gearbeiteter Zweig,
vennuthlich mit Ephcublättern, die für den Kentauren passten ').
Doch wir fahren fort, die Unterschiede von jenem Mannor-
kentauren hervorzuheben, die uns den Charakter unserer Bronze
am besten zu bestimmen helfen. Dort wachsen die Haare in der
Mitte in die Stirnc herab, was hier gar nicht der Fall ist, und die
Augenbrauen sind ungleich buschiger als hier. Beidos macht den
Typus niedriger, thierischer. Der Hauptuntcrschied aber besteht
in der völlig verschiedenen Behandlung der weichen Theile des
Gesichtes. Vor allem spielt die Haut in ihren Zusammenschiebungcn
und Faltungen dort eine ganz andere Rolle als an der Bronze. An
letzterer hat die Haut keine selbständige Geltung; der Künstler
strebt — man vergleiche namentlich die Stirae — zunächst die
charakteristischen Formen von Knochen und Muskeln auszudrücken;
dort aber werden diese gleichsam Uberspouuen und fast verdeckt
1) Auch der obeu genannte Berliner Kopf 205 hat einen Epheu-
zweig im Haar.
A. Furtwftnfflcr:
von den tiefen Falten der Haut, in deren Wiedergabe der Künstler
schwelgt. So ist besonders die Stirne völlig vcrHchiedcn von der
Rronzc, so aneh die Umgebung der Augen nnd die Wangen mit
ihren tiefen Furchen.
Gerade dies ist aber ein wichtiges kunstgeschiehtliches Merk-
mal nnd es kann kein Zweifel sein, das« der Bronzekopf eine
stilistisch ältere Stufe vertritt als der Marmorkentanr. Wir bemerken
nun, das« er auch in der ßildung der Haare noch etwas älterer
Tradition folgt als jener; besonders der Hart ist noch kompakter,
dem Stile des olympischen Bronzekopfes näher als dort.
Jener Marmorkentaur gehört aber einer geschlossenen Reihe
von Denkmälern an nnd kann mit Hülfe dieser annähernd genau
bestimmt werden. Die nahe Verwandtschaft desselben mit dem
Laokoon ist längst bemerkt worden. Aber der Laokoon ist selbst
ein umstrittener schwankender Tunkt und wir sehen uns nach einem
anderen festeren nm.
Dies sind die Figuren des attaliseben Weihgesehcnkes zu
Athen, von denen uns Wiederholungen erhalten sind. Es ist, wie
mir scheint, eine nicht genug hervorgehobene, aber offenbare That-
sache, dass, wenn wir die uns überhaupt erhaltenen Denkmäler
stilistisch gruppiren, der Laokoon nicht zn trennen ist von jenen
attalischen Figuren. Namentlich mit dem einen bärtigen Gallier l)
ist er nahe verwandt. Da« attalisehe Weihgeschenk wird gewöhn-
lieh Attalos 1. zugeschriehen, obwohl dies nicht ohne weiteres zu
beweisen ist. Aber die stilistische Uebereinstimmung mit den er-
haltenen grossen Galliei-stattien, die gewiss auf Werke aus Attalos I.
Zeit zurückgehen, macht jene Annahme sehr wahrscheinlich. Zn
diesen grossen Statuen gesellt sich ein vortrefflicher bärtiger Kopf*),
der wahrscheinlich einst zu demselben Gruppenwerk gehörte und
mit jenem bärtigen Gallier, mit dem Laokoon und jenem Kentauren
nahe verwandt ist; nnd von anderen Werken ist namentlich noch
der Sehleifer zu Florenz zu nennen.
Der Laokoon nimmt innerhalb dieser Gruppe von Denkmälern
nur dadurch eine etwas getrennte Stellung ein, dass er die Augen-
brauen nicht mit plastischen Haaren versehen, sondern nach der
älteren Art glatt bildet. Allein in den wesentlichen Kennzeichen,
1> Overbeck, Plastik II8, Taf. y.u S. 205, IV, 7.
2) Anc. niarbles Brit. Mus. II, 23. Vgl. Arch. Anz. 1891, S. 141.
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Zwei Bronzen im Museum zu Speier.
in der Behandlung der Haut und ihrer Falten im Gerichte, sowie
auch der Haare steht er durchaus auf einer Stute mit jenen I>enk-
uiHlcrn, denen gegenüber unser Hron/.ekopf ein ältere« Stadium vertritt.
Eine dritte Stufe dieser Entwickclnng bieten uns die sog.
Pergamencr, die in Eumenes II. Zeit ausgeführten Altarseulpturcn
von Pergamon. Sic sind die reife, ja überleite Frucht der voran-
gegangeneu Epoche. Was jene sieh mühsam erarbeitet hat. wird
hier gleichsam verschwendet. Die Formen, die dort wirklieh nach
der Natur beobachtet und studirt sind, werden hier durch ein un-
mässiges Ucbertrcibcn schon zu hohlen Phrasen gemacht. So vor allem
die Formen des Gesichten in Erregung, das Zusammen- und Empor-
zicheu der Brauen, die Falten der Stiruhaut und der Umgebung
der Augen; was dort, an den attalischen Werken sowie dem Lao-
koon. zwar hoehgesteigert. aber durchaus innerhalb der Grenzen
des Wirklichen liegt, wird hier durch die starke Febertreibnng zur
Unnatur. Eine solche Kunst, nach aussen glänzend, innen angefault,
kann, wie es bei den Pcrgamenern geschah, anfangs imponiren,
blenden, ja berauschen; aber darauf folgt um so stärkere Ernüchte-
rung. Nur wo reine gesunde Naturanschauung zu Grunde liegt,
kann die Kunst auf die Dauer befriedigen und ohne je Uebcrdrnss
zu erregen, immer von Neuem Bewunderung hervorrufen.
Wir haben drei Stufen in der Entwickclnng der hellenistischen
Kunst unterschieden. Die erste , die durch unseren Bronzekopf
reprnsentirt wird, folgt unmittelbar auf Lysipp und ist in die erste
Hälfte des dritten Jahrhunderts zu datiren. Die andere, durch
jene attalischen Denkmäler gebildet, gehört in die zweite Hälfte
dieses und den Anfang des folgenden Jahrhunderts, wo sich un-
mittelbar jene Ausartung in Eumenes II. Zeit anschliesst, welche in
den decorativeu Skulpturen des Altars vorliegt. Es ist aber natürlich
nicht anzunehmen, dass alle Künstler dieser Zeit jene Ucbertrcibun-
gen mitgemacht haben. Da diese dritte Periode eigentlich nichts
Neues hinzubringt, sondern nur Vorhandenes schlecht anwendet, so
wird sie von der vorigen nicht immer scharf zu scheiden sein.
Wir haben den Laokoon in die Periode der attalischen Bild-
werke gesetzt. Dass er unabhängig ist von der pergamenischen
Gigantomachie und einer älteren Kunsttradition folgt als diese, hat
Brun u in, wie uns scheint, unwiderleglicher Weise bewiesen ').
1) Brunn, Die kunstjresch. Stellung der pergam. Gignntomaehic,
im Jahrb. d. kgl. pr. Kunsrsaininl. Bd. V.
CO
A. Furtwilnjflcr:
Er ist noch vollständig frei von den gewohnheitsmüssigen Uebcr-
treibnngen der Pergauicner und vidi von aufrichtigem wahrem
Studium der Natur; er sucht nicht, gleich jenen, durch äusserliehe
sog. realistische Details, wie gewisse Hautfaltchen am Kör) »er, zu
bestechen, sondern geht noeli auf das Wesentliche. Und ihm ist
noch eniKt und vollwichtig, was dort schon zur Manier geworden
ist. Dennoch, und obwohl er in der Bildung von Auge und Krauen
sogar älterer Weise folgt als die attalischcn Werke, kann er zeit-
lich mit den Pergaineucrn ungefähr zusammenfallen, da, wie wir
oben bemerkten, die ältere Richtung sehr wohl noch neben den
Uebertrcibungen der .lung-Perganicner hergegangen sein kann. Die
Inschriften mit dem Künstlernamen des Apollodoros, die den neueren
Untersuchungen nach bis auf eine als acht und original anzuerkennen
sind l), lassen eine Datirung in das 2. Jahrhundert v. Chr. zu. Das
Werk, das der Vater dieses Mannes mit seinen beiden Söhnen ausführte,
kann demnach unbedenklich in den Anfang dieses Jahrhunderts datirt
werden. Gewiss zeigt der Laokoon uns im Wesentlichen den Stil
des Vaters, des Agesander, dein seine Söhne bei der Ausführung
halfen. Der Vater aber hatte sieh seinen Stil in der grossen atta-
lischen Periode gegen Ende des dritten Jahrhunderts gebildet. Der
Sohn Athanodoros scheint später, den erhaltenen Inschriften nach,
Rhodos verhissen und auswärts kleinere Kabinettstücke, wahrschein-
lich zum Theil von farbigem Marmor gearbeitet zuhaben. Seine Kunstart
dürfte uns etwa durch eine treffliche kleine Herme des l'an veran-
schaulicht werden, die, in liosso antico gearbeitet und aus Pergamon
stammend, sieh im berliner Museum befindet; es ist ein prächtiges
feines Werk gewiss des 2. Jahrhunderts, dessen Stil sich noch
durchaus an den der attalischen Periode anschlicsst *).
Unseren Bronzekopf dürfen wir, wie bemerkt, noch an den
Anfang des dritten Jahrhunderts setzen. Es ist wohl unstreitig das
schönste Bronze-Original dieser Epoche, das wir besitzen; wenigstens
wfisste ich ihm nichts au die Seite zu stellen.
Der Vorwurf, ein aufgeregter Kentaur, ist von der hellenisti-
schen Plastik, wie es scheint, öfter behandelt worden. Ausser der
schon oben verglichenen Schöpfung besitzen wir noch in zwei
1) Förster in den Vcrh. <1. 40. Philol.-Versaminl, S. 91 ff. 430.
Jahrb. d. lnstit. 1891, S. 191 «T.
2) Kine genaue Replik, doch in weissem Marmor befindet sich im
Louvrc (Saal der kleinen Marmore).
Zwei Bronzen im Museuni zu Speier.
Iii
Kopieen ') einen Kopf von wildem Ausdrucke mit spitzen Ohren,
der auch nur einen Kentanren darstellen kann. Sein Typus ist
kraftvoller, aber gröber als der unsrige. Das seelische Leben des
letzteren fehlt ihm ganz. Welch inneres Pathos, welch geistig ver-
tieftes Wesen ans diesem spricht, tritt durch den Vergleich mit
jenem erst recht deutlich hervor. Stilistisch ist jener jünger als der
unsrige.
Noch ein Kopf ist hier zu erwähnen, den man als Kentanren
erklärt hat, der vom Esquilin im Konservatoren-Palast die Kopie
nach einem Werke vom Ende der Eutwickelung der attalisehcn Reihe.
Die Deutung kann ich indes» nicht für sicher halten; es war viel-
leicht ein Satyr, und wenn es ein Kentaur war, so war dieser eben
satyrhaft aufgefasst. Es ist eine sehr niedere, fast thicrisehc Wild-
heit in dem Kopfe, die von dem vornehmen Wesen unserer Bronze
stark absticht.
Die Aufgabe, die an die pergamenischen Künstler des Altars
herantrat, eine Fülle verschiedener Gigantcngestalten zu schaffen,
führte dazu, dass dieser Altar gleichsam das Sammelbecken wurdo
für die verschiedenen von der vorangegangeneu Kunst geschaffenen
Typen dämonischer Wesen wie der Kentauren, Satyrn und Tritonc,
die sich hier passend verwenden Hessen. So finden sich am Altar
noch manche Anklänge an die von uns oben besprochenen Typen.
Eine der reinsten schönsten Quellen, aus denen der spätere per-
gamenisehe Stil sieh bildete, haben wir durch den Bronzekopf zu
Speier kenneu gelernt.
2. Porträt bfiste (Taf. VII).
Das Musetun zu Speier besitzt noch ein zweites vortreffliches
Werk von Bronze, die Büste, die wir auf Taf. VII veröffentlichen.
Sie befand sich früher zu Ludwigshafen a. Rh. in Privatbesitz und
soll daselbst bei Hafenbauten gefunden worden »ein; in das Museum
zu Speier ist sie erst seit Kurzem gelangt.
Die Büste ist 0,1 Hf> hoch und sehr wohl erhalten; die Patini-
rung ist eine gleichmässige und ist durch keine Reinigung beschä-
1) Eine in Berlin, SeulpL Nr. 206; die andere im Kapitolinischen
Museum, in der Gallerie Nr. 14.
2) H einig, Führer I, f>67. Mon. d. Inst. XII. 1.
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r,-2
A. F u r t w 14 n »1 c r:
digt. Von der zweifellosen Aechtheit des Werkes konnte ich mieli
Hin Originale überzeugen.
Dass ein Römer aus der ersten Kaiserzeit dargestellt ist, sieht
man auf den ersten Blick, ebenso dass es ein Originalwerk eben
dieser Zeit und niebt etwa eine spätere Wiederholung ist. Auch
die Forin der Büste ist die dieser Periode ebaraktcristisehe. Sie
giebt nur einen Aussebuitt ans dem vorderen Tboile der Brust, der
nach unten schräg zuläuft, wo er gerade abgeschnitten ist. Die
.Schlüsselbeine sind leicht angedeutet, doch nach deu Enden zu
verlaufen sie sich; die Schultern sind von der Büste ausgeschlossen.
Die Brust unterhalb der Halsgrube ist nicht der Natur entsprechend
modellirt, sondern ganz flach gehalten; selbst die Trennung der
Brust hüllten in der Mitte fehlt. Wie taktvoll und richtig dies ist,
versteht man sofort, wenn man sich die Brust voll ausgeführt deukt.
Diese einfache Büstenfonn ist nun die der republikanischen und
älteren Kaiserzeit eigentümliche während man späterhin die
Büste bis auf die Schultern und die Arinansütze ausdehnte, wodurch
ihre ganze Form und Behandlung eine andere wurde. Die Zeit-
grenze zwischeu beiden Büstenarten wird sich schwer genau fixiren
lassen; sie seheiuen eine Zeit lang auch neben einander im Gebrauch
gewesen zu sein. Das früheste sichere Beispiel der jüngeren Form
das ich kenne ist eine Büste des Trajan 2).
Der Kopf ist ein sehr individuell gebildetes Bortrüt von feiner
lebendiger Modellirung. Er überragt dadurch die gewöhnlichen
Marmorköpfc der Zeit bedeutend. Die charakteristischen Züge
namentlich die breite Stirn, die abstehenden Ohren, das Haar im
Nacken, der fein geschwungene Mund mit den dünneu Lippen —
macheu es sehr wahrscheinlich, dass der Dargestellte der julisch-
klaudiscben Kaiserfamilie angehörte. Sowohl mit Augnstns wie
mit Tiberina ist eine gewisse Familien - Aelmlichkcit vorhanden.
Ii Vgl. /.. B. die Bronzebüsten des Ailgustus und der l.ivi.i im
1-nuvre, F r i> Ii 11 e r, musees de France pl. I, II; »Ire* Bronzebüsten eben
ila 658, (Wl und die Mannorhüsteu des Lonne 2422 (A-rrippa), 24f»r> (Diusus
jun.l, 2424 (Antonia Drusi); Berlin 342 (Caesar) u. A.
2) Louvre 24.57. — Die „Klytia", die «Her ist, hat mit di r Kntwicke-
lung der Büste nichts zu tluni; sie ist hintenlieruin rund ausgearbeitet, also
überhaupt keine Büste. ~ Die spate Kaiserzeit dehnte die Büste zuweilen
auf den ganzen Oberkörper bis in die Naheliegend aus (z. B. Louvre
22<;n Gordiaiius Pius; Berlin J4;!i.
Zwei Bronzen im Museum stu Speier.
«3
Auch spricht der Fundort, fern von der Grenze des Reiches, wohl
dafllr, da«» die Büste keinen beliebigen Römer der Zeit, sondern
ein Glied der kaiserlichen Familie darstellt.
Aber wer mag es sein? — Der Kopf gehört in eine der
dunkelsten Parthicn der römischen Ikonographie, die der „unbe-
kannten Claudier", in welcher die Namen der beiden Drusus sowie
des Gcrmanicus und seiner drei »Söhne sieh umhertreiben, ohne dass es
bis jetzt gelungen wäre, auch nur einen derselben bestimmt zu iden-
titiciren ').
Unserem Kopfe ist charakteristisch die schrägansteigendc und
hinten runde Schädelform. Die Haare seheinen am Oberkopfe etwas
dünn und spärlich; sie sind deshalb nach der Mitte in einen Wisch
zusammengekämmt, der in die Stirne fällt; zu beiden Seiten des-
selben entstehen dadurch kahle Stellen. Die Stirne geht nicht all-
mälig in den Oberkopf über, sondern setzt in scharfem Winkel von
demselben ab. Die Brauen sind nach der Nase zu etwas zusammen-
gezogen; nach aussen sind sie in charakteristischer Weise bogen-
förmig hoehgeschwnngen. Die Augen sind nicht gross, sondern
schmal und liegen tief. Die Nase hat einen schmalen, aber nicht
so stark wie etwa bei Tibcrius gebogenen Rücken; die Nasen-
wurzel liegt ziemlieh tief. Die kuorpeligen Theilc am Ende der
Nase und ihre Flügel sind besonders entwickelt. Die dünnen Lippen
und der feine Schwung des Mundes wurden schon hervorgehoben.
Die Unterlippe tritt ein wenig zurück; ziemlich stark weicht das
Kinn zurück, das sieh nach unten in ein sogenanntes Doppelkinn fort-
setzt. Der ganze Kopf wendet sich leicht nach seiner Linken und
hat einen völlig ruhigen Ausdruck, der durch die tiefliegenden
Augen und zusammengezogenen Brauen etwas Düsteres erhält.
Gcrmanicus, an den man zuerst denken möchte, wird durch
die ganz verschiedene viereckige Schädelform, welche ihm die Müuzen
durchweg geben, ausgeschlossen; auch hatte derselbe, den Münzen
zufolge, ein auderes, mehr energisches Untergesicht, grosse Augen
und sehr dichten Haarwuchs.
1) Den netten Versuch Milani's, den alteren Prunns in einem zu
Verona gefundenen Kopfe nachzuweisen (Rom. Mitth. 1H!H, S. 307 lt.,
Taf. IX) kann ich nicht für gelungen halten. Das Prolil weicht so wesent
lieh von dem der Münzen — auch der von M i I a n i publizirten — ab,
dass mir jeder Anhalt zu jener Deutung zu fehlen scheint.
64
A. F u r t w ft u g 1 c r:
Aber auch sein Vater, Nero Drusns, an den man schon wegen
seiner grossen Feldzüge am Rhein ebenfalls zu denken genfigt ist,
kann in unserer Büste nicht dargestellt sein. Nach dem Zeugnis»
der Mllnzen waren seine Zllge im Wesentlichen in denselben Punkten
wie die des Germanicus von denen der Büste verschieden.
Dagegen hat der Kopf des Drnsns Caesar, des Sohnes des
Tiberius, mehr Aehnliehkeit mit dem imsrigen. Ich darf hier er-
wähnen, das» von S a 1 1 e t, als ich ihm im Münzkabinet zu Berlin
die Photographie des Kopfes zeigte, auf den ersten Blick glaubte,
den jüngeren Drnsns zn erkennen. Vor Allem ist die Schädelform sehr
ähnlich nnd auch das Unteigcsicht mit dem angehenden Doppelkinn
gleicht unserer Büste im Wesentlichen. Da auch der Haarwuchs
zn ihr passt und auf einigen der Münzen ') selbst die am äussern
Ende hoehgezogene Braue vorkommt, so hat die Identifikation eine
gewisse Wahrscheinlichkeit. Allein es bestehen doch Unterschiede
zwischen den Münzen und der Büste, welche uns wieder bedenklich
machen. Die zurückliegende Stirnc und der Uebergang von dieser
zum Oberkopfe sowie nach unten zur Xase ist so verschieden von
unserer Bronze, dass wir jene Identifikation als eine sehr unsichere
bezeichnen müssen.
Endlich könnte noch der eine Sohn des Germanien», dessen
Kopf wir durch die Münzen hinlänglich kennen, Caligula, in Be-
tracht kommen. Hier passt die Linie vom Oberkopfe zur Xase recht
gut zu unserer Bronze; ebenso' das kleine tiefliegende Auge und
das wenigstens auf einigen Münzen etwas zurückweichende Unter-
gesicht. Allein es fehlt das Emporsteigen des Oberkopfes, dessen
Linie ganz anders verläuft als an der Büste. Dagegen würde die
Andeutung des dünnen Haarwuchses am Oberkopfe der Bronze,
und die sehr breite Stirne, die hohlen Angen nnd der düstere
Blick recht wohl zu Caligula passen, wie er von Sueton geschildert
wird. Die Münzen lassen erkennen, dass die ofticicllen Porträts
dieses Herrschers nichts von dem Wilden und Schreckhaften hatten,
das Sueton an ihm hervorhebt; denn der Ausdruck ist auf den
Münzen ein durchaus ruhiger, so dass von dieser Seite wenigstens
nichts im Wege stände, ihn in unserer Büste zu erkennen.
1) Exemplare, hei B c r n o n 1 1 i, r«m. Ikonogr. FI, I, T. 33, 2. 3.
I m Ii oo f ■ B I u in c* r, Portr. ftiif n>m. Münzen T. I, 12. Die Mehrzahl der
Münzen scheint diem« Kigenthünilit likeit allerdings nicht /.« halten.
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Zwei Bronzen im Museum zu Speier.
Die erhaltenen Marmorkflpfc helfen uns leider nicht weiter;
denn sie sind selbst alle zweifelhaft nnd die Richtigkeit ihrer Be-
nennungen kann nur an ihrer Ucbcreiustiiumung mit den Münzen
geprüft werden. Zu untersuchen wäre aber, ob dasselbe Porträt,
das unsere Bronze bietet, mit allen seinen charakteristischen Zügen
auch in Marmorköpfen erhalten ist. Diese Frage lässt sieh aber
erst beantworten, wenn das Material einmal vollständig in Photo-
graphien vorliegt; der kleine Theil desselben, den ich bis jetzt über-
sehen kann, enthält keine directe Replik.
Wenn wir nun auch den Namen des Kopfes im Zweifel lassen
müssen, so freuen wir uns doch seiner höchst individuellen und
lebendigen Auffassung und rechnen ihn zu den besten Porträts der
ersten Kaiscrzcit, die wir ljesity.cn.
Juhrb. <1. Ver. v. Altortliafr. im Khoinl. XCII1.
Max T h m :
5. Flucht des Aeneas.
Von
Max Ihn.
(Hierzu Taf. VIII und IX.)
Unter den im untern Kreuzhang des Wallraf-Richartz-Museums in
Köln aufgestellten römischen Bildwerken lenkt eines besonder» die
Augen des Beobachters auf sieh, die auf Tafel VIII und IX in
Lichtdruck wiedergegebene C! nippe, welche sich durch eine für die
römischen Rhcinlandc ungewöhnliche Vortrefflichkeit der Arbeit aus-
zeichnet. Wir sehen einen im eiligen Gang begriffenen jugend-
lichen Krieger, auf dessen linker Schulter eine in Chiton und Mantel
gekleidete kleinere Figur sitzt, kraftvoll umfasst von des Kriegers
linkem Arm. Dass der letztere keine geringe Kraft aufwendet und
dass es trotzdem den Anschein bat, als trtlgc er seine Bttrde mit
leichter Mühe, bringt die Skulptur auf das trefflichste zur Anschau-
ung, ist aber aus der Abbildung weniger deutlich zu erkennen.
Das Ganze macht, obwohl die Verhältnisse der sitzenden Person
auf den ersten Blick etwas zu klein gerat hen scheinen, einen durch-
aus harmonischen Eindruck. Der Krieger ist mit Tunika, Panzer
und Mantel bekleidet; letzterer, auf der rechten Schulter durch
eine Spange zusammengehalten, fliegt in Folge der raschen Be-
wegung des Vorwärtscilendcn in weitem Bausch nach hinten. Der
mit dem Helm bedeckte Kopf war abgebrochen, ist aber richtig
aufgesetzt. Unter dem Helm quillt leicht gewelltes tippiges Haar
hervor. Ein in der Scheide steckendes kurzes Schwert hängt an
einem von der rechten Schulter tlbcr die Brust laufenden Bande an
der linken Seite herab. Das kraftvoll vorgesetzte rechte Bein ist
am Knie abgebrochen; ebenso fehlt der untere Theil des linken
Beins und von dem herabhängenden rechten Arm die Hand mit
eiuem Stück des Unteramts. Die sitzende Figur hält mit beiden
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Flucht des Aeneas.
Händen im Schoos» einen flachen viereckigen Gegenstand; der
Kopf wurde leider nicht mit aufgefunden »). Das Material ist Jura-
kalk, und in Anbetracht dieses spröden, jetzt schon an vielen
Stellen verwitterten Steins verdient die tüchtige Arbeit um so
mehr Anerkennung. Sie weist auf ziemlich frühe Zeit hin uud ge-
hört, wenn nicht in das erste nachchristliche Jahrhundert, so doch
wohl spätestens in die Trojanische Zeit.
Der erste Fundhericbt stand in der Kölnischen Zeitung und
stammt, wie ich vennuthe, ans der Feder Heinrich Düntzcrs1).
Bald darauf bat Düntzer das Relief in seinem „Verzeichnis« der
römischen Alterthümcr des Museums Wallraf-Richartz in Köln" kurz
beschrieben3). Nach diesem Fundhericbt wurde Mitte Juli 1884
neben dem Chlodwigplatz auf der nordwestlichen Seite des Bau-
platzes Nr. 41 eine Anzahl römischer und mittelalterlicher Bau-
reste aufgedeckt. Ausser unserer Gruppe, dem bedeutendsten Fuud-
stück, haben sich mehrere Reste von grösseren Grabmälern gefunden,
zu denen u. a. der untere Theil eines an allen vier Seiten mit
Schuppen verzierten Pfeilers und Stücke einer offenbar damit in
Verbindung stehenden, ebenso verzierten Wand gehörten. Wenn die
Notiz über das Vorhandensein ausgedehnterer Grabanlagen in jener
Gegend ihre Richtigkeit hat, können wir schliessen, dass unser
Relief als Verzierung einem dieser Grabdenkmäler angehört hat 4).
Dass es nicht frei für sich allein stand, sondern an irgend einem
Denkmal angebracht war, darauf scheint auch die massige Ver-
dickung unten an dein in weitem Bogen rückwärts fliegenden Mantel
hinzuweisen. Durch diese allein erhielt die Gruppe einen festen
Stützpunkt. Jedoch nöthigt Nicbts zu der im Fundbericht in der
Kölnischen Zeitung ausgesprochenen Annahme, dass der Krieger an
1) Die Hohe der Gestalt des Kriegers betrügt etwa 0,89 m (vom
Kopf bis zur Bruchstelle, des rechten Beines etwa 0,60 m). Die Beine der
sitzenden Figur sind 0,17 m hoch; vom Schooss bis zum abgebrochenen
Kopf betrugt die Höhe 0,1« m, die Breite 0,2-> m.
2) Daraus abgedruckt im Korrcspondcnzblatt der Westdeutschen
Zeitschrift IV, 188;% S. 78.
3) Dritte Auflage, Köln 1886, S. ft.S, Nr. 112. Dazu der Nachtrag
S. 122.
4) Die am Chlodwigplatz gemachten römischen Funde, verzeichnet
v. Veith, Das römische Köln (Bonner YVInckelnianiisnrogramm 188T»),
S. 58 f.
C.8
Max Ihm:
der rechten Eeke eines grösseren Grabmals angebracht gewesen sei
nnd ihm auf der linken Seite ein gleicher entsprochen habe.
So wenig die Deutung der Skulptur einem Zweifel unterliegt,
ist sie gleichwohl anfangs falsch aufgefasst worden. Zwar erkannte
Hettner bald'), das* es sich nicht um die Gestalt eines schweben-
den Kriegers handele, wie in dem ersten Fundberieht vermuthet
worden war; aber in der Deutung der auf der Schulter sitzenden
Figur kam er zu keinem sichern Resultat. Er glaubte, da« Figllr-
chen stelle zweifellos eine Frau in vorgerücktem Lebensalter vor
nnd halte eine Tafel auf dem Schoos«, und da diese Figur im Ver-
hältnis* zum Krieger auffallend klein dargestellt sei, werde sie ein
Bild vorstellen sollen; der Krieger habe frei gestanden. Und so
kam es, das» man sogar an eine Matrona dachte, indem man weiter
schloss, der Gegenstand könne ein Körbchen mit Früchten gewesen
sein. Die richtige Deutung gab Düntzer im Nachtrag zu seinem
Verzeichnis« S. 122. Dargestellt ist der Auszug des Aeneas ans
Troia. Aeneas trägt auf der linken Schulter seinen greisen Vater
Anchises, welcher das Kästchen mit den troischen Hausgöttern auf
dem Schoosse hält; und weiter ergiebt sich die Unvollständigkeit
unserer Gruppe: es fehlt der vom Vater an der Rechten geführte
Ascanius.
Wir habcu also die seit der Zeit des Angustus sehr beliebte
römische Darstellung der Sage vor uns, die, wie Düntzer mit Recht
hervorhebt, so allgemein l>eknnnt war, das» sie sogar in Herculanuni
parodirt wurde. Statt der Hehlen sehen wir nämlich auf einem
Herculanischen Wandgemälde*) Hunde oder Affen die Flucht des
Aeneas darstellen, Anchises hat die Oista mit den Penaten auf dem
Schooss, in der Hand des mühsam folgenden Ascanins erblicken
wir das Lagobolon. Hiermit deckt sich so ziemlich die Darstellung
auf einem in Turin befindlichen Marmorrelief3). Auch hier führt
1) Korrespondenzblatt der Westdeutschen Zeilschrift IV, 188f>, R. 78,
in der Fussnote zu dem aus der Kölnischen Zeitung abgedruckten Bericht.
2) Overbeck, Die Bildwerke zum Thebischcn und Troischen
Heldenkreis R. fifil. Abgebildet in den Pitture d'F.rcolnno IV, .%K und
danach Gal. myth. 173, H07. Vgl. H e I b i g, Wandgemälde Canipnniens
Nr. 13H0 und R. 310; derselbe, Untersuchungen über die eampanische
Wandmalerei R. 28 und 316.
3) Itaonl Rocliotlp, Mmnnn. ined. 1, pl. 7<i, 8. O v e r b e c k
a. a. O. R. G01, Tafel XXVII IC (vgl. Ilevdemann. Archliol. Zeitung,
XXIX, R. 120).
Flacht des Aeneas.
00
Aeneas an der Rechten den das Lagoholon tragenden Aseanius;
auf Heiner linken Schulter sitzt Anchises mit der Cista im Schoo»«,
auf seinen» Hinterkopf liegt das Ohergewand auf. Die zahlreichen
Darstellungen auf Mltn/.cn und geschnittenen Steinen bieten im
Wesentlichen die gleiche Compositum '). Desgleichen eine mehr-
fach besprochene Terrakottagruppe ans Pompeji , deren Abbildung
ich hier beifüge, weil sie trotz einiger Abweichungen die Kölner
Skulptur anf das Beste illustrirt (Fig. 1)»). Aeneas ist gerüstet,
aber ohne Kopfbedeckung;
mit dem linken Arm uni-
fasst er den am Hinter-
kopf verschleierten Anchi-
ses, welcher die Rechte um
den Hals auf die rechte
Schulter des Aeneas legt
und in der linken Hand
die Pcnatencista hält.
Heide sind bärtig. An
der rechten Hand führt
Aeneas seinen Sohn, der
phrvgisch gekleidet ist und
in der Hand einen Stab
(pedumj hat.
Mehr mit dieser
Gruppe als mit der Köl-
ner ist verwandt ein jetzt
in Wien befindliches Mar-
morrclicf. Die neben-
stehende, nach einer Pho-
tographie hergestellte Ab-
bildung (Fig. 2j verdanke
ich «lein freundlichen Entgegenkommen der Herren Professoren
Henndorf und Bormann in Wien.
1) Vgl. die Zusammenstellung bei Overbeck a. a. O., S. K50 ff.,
die, sich durch weitere Beispiele vermehren liisst; auch H« ydemann,
Architol. Zeitung XXIX, S. 120, Anmerkung :t5.
2) Abgebildet bei K e k u I e, Die antiken Terrakotten I, Tat'. 37,
S. 18; daraus Würner in dem Lexikon der grieeh. und röm. Mythologie
von W. IL Koscher I, Sp. IM. Vgl. Hey de mann, ArchloL Zeitung
XXIX. S. 120.
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70
M & x Ihm:
Der von Karl l'atsoh im Archäologischen Anzeiger | Heiblatt
zum Jahrbuch de» Deutschen Archäologischen Institut« VI, 1891,
S. 181) gegebenen Beschreibung der archäologischen Sammlung der
Fig. 2.
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Flucht des Aencas.
71
Wiener Universität ') entnehme ich, dass das Fragiiicut wahrschein-
lich von einein Sarkophag stammt, in Rom von Herrn Karl
Hollitz er erworben und der Wiener Universitätssammlung ge-
schenkt worden ist *). Der Unterschied dieser und der Kölner
Skulptur besteht im Wesentlichen darin, dass Anchises sich auf jener
mit der rechten Hand auf die rechte Schulter des Acneas stützt,
mit der linken ein cylindrisches (Jofass im Schoosse hält, wahrem!
die Kölner den Anchiscs frei sitzen und ihn in beiden Händen das
viereckig gestaltete Kästchen halten lässt. Leider ist die Wiener
Figur noch mehr zerstört; von der Figur des Acneas fehlen Kopf,
rechter Unterarm und die beiden Beine bis auf den llüftenansntz,
von der des Anchiscs der obere Theil des Kopfes und die Ftisse. In
der Bekleidung zeigt sieh grosse Ucbcicinstimmnng; hier wie dort
trägt Aencas Tunika. Panzer und Chlamys, hat «las Schwert an der
linken Seite, ist Anchiscs mit langem Chiton und einem auf dem
Kopf autiiegemlen Ohcrgewaud bekleidet. Denn das letztere werden
wir nach Analogie der anderen Darstellungen wohl auch für die
Kölner Skulptur voraussetzen können.
Die Übrigen bisher bekannt gewordenen Darstellungen des
Anszugs des Aencas aus Troia hier ausführlich zu beschreiben,
würde zu weit führen. Ich begnüge mich mit einigen kurzen Be-
merkungen und verweise im Uebrigen auf die Behandlung des
Gegenstandes durch Overbeck3), II e y d c m a n n 4), W ü r n e r 5)
und Andere.
■
Die älteste Darstellung ist unstreitig die auf einer Münze des
makedonischen Aineia Aencas trägt seinen kahlköpfigen Vater
auf der linken Schulter und hat den linken Arm um die Knicc des-
1) Die Sammlung: besteht meist aus Gypsubgüsscn und steht unter
der Leitung- Prof. Benndorfs. Die Originale verzeichnet P a t s e h
h. a. ()., S. 178 fT.
2) Die Höhe hetrHgt 0,27 m, die Breite 0,205 in, die Dieke 0,12 m.
3) Die Bildwerke /.um Theb. und Troischen Heldenkreis, S. 655 ff.
4) Arehaeologischc Zeitung XXIX (1872) .S. 118 ff. (dazu Taf. 54, 1),
5) In W.U. Rosche r's Lexikon der Mythol. I Sp. 184 f.; hier ist
weitere LitUratur verzeichnet.
6) Abgebildet und besprochen von J. F r i « d 1 a n d e r in den
Monatsberichten der Berliner Akademie 1878, S. 759; wiederholt bei
Wörncr a. a. (). I Sp. 167. Die Münze gehört nach Fried lftn der
etwa in» Jahr 550 v. Chr. Vgl. auch die 'Beschreibung der antiken
Münzen' (Königl. Museum in Berlin) II, 1889, S. 83, Taf. in, 21.
■
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72
Max Ihm:
selben gelegt; in der Rechten trägt er ein kurze« Sehwert; Anchises
hat seine rechte Hand auf den Kessel des Helm "des Aeneas ge-
legt. Aseanius ist nicht dargestellt, falls es nieht da« Kind »ein
soll, das eine vor Aeneas in hantiger Flucht sehreitende Frau auf
der linken Schulter trägt. Auf die Kontroverse, die sich an diese
Münzgruppe geknüpft hat , will ich hier nicht weiter eingehen.
11 o h e r t hat es wahrscheinlich gemacht, dass wir es auf dieser
Münze mit der künstlerischen Darstellung einer vereinzelten lokalen
Sage zu thuu haben Für die Darstellung auf Vasen ist typisch,
dass Aeneas seinen Vater nicht auf der Schulter, sondern auf dem
Rücken trägt und ihn, der die Arme um den Hals des Sohnes ge-
schlungen hat, entweder nnler den Knicen oder unter den Schenkeln
fasst; ferner dass Ascanius meistens fehlt*). Eine Ausnahme ohne
weitertragende Bedeutung bildet die Darstellung anf einer Nolaui-
schen rothfigurigen Amphora: hier sitzt Anchises auf der Schulter
des Aeneas *). Dasselbe ist der Fall auf der Iliupersis eines Poin-
pejanischen Gladiatnrcnhehns: Aeneas ist bärtig dargestellt, Anchises
hält die schmale Cista auf dem Schooss; mit der Rechten will
Aeneas den auf einen Altar geflüchteten, von Krensa festgehaltenen
Knaben fortführen4!. Und ähnlich auf der Tabula Iliaca, wo wir
eine dreifache Darstellung unterscheiden können: erstlich wie Aeneas
dein Anchises die Cista mit den icpd zur Rettung überreicht, während
rings um sie der Kampf wflthct; zweitens Aeneas vor dem Thore,
den Sohn an der Rechten führend, den Vater auf der Schulter
tragend, gefolgt von Krensa; drittens wie die Flüchtigen im He-
griffe sind, in das zur Abfahrt bereit liegende Schiff zn steigen
(Aivnas ffüv toi? ibiois äiraipwv ei<; Tnv "Eautpiav). In der zweiten
1) Archäol. Zeitung XXXVII, 1*70, S. 23 ff. Hubert halt das
Kind, das mit dem Chiton bekleidet sei, für ein Mildehen, da in der alteren
griechischen Kunst Knaben nie ander» als entweder nackt oder mit dein
Mantel bekleidet dargestellt seien. An seiner früheren Deutung hält
F r i e d I ä n d e r fest, Sali e t's Zeitschrift für Numismatik VII 1880 S. 221.
2) Overbeek a. a. (). S. 618, G55 ff. Taf. XXV 24, XXVII 8. 11.
II e yric in a n n, Iliupersis 31 f. A r thur Schnei d e r, Der Troisehe
Sagenkreis in der ältesten griechischen Kunst (Leipzig 188(1) S. 174.
3) Gerhard, Auserlesene Vasenbilder III, 217; Overbeck a. a. O.
S. <lf»!>, Taf. XXVII, 12.
4) Abgeh. bei X i e e o I i n i, Oase di Pompci. Casenna de' glad.
118; wiederholt bei H e y d e m a u n, Iliupersis III 1, vgl. S. 32 (auch
Arehäol. Zeitung XXIX S..120); Overbeck a. a. O., S. «19 ff.
Flucht des Aeneas.
73
Scenc hält Anchises die Cista in den vorgestreckten Händen, in
der dritten, wo er im Begriff ist auf deui Brett in das Schiff zn
steigen, in der ausgestreckten Rechten CAyxIotis Kai tcl \epct) '). Die
häufig wiederkehrenden Darstellungen auf Gemmen, Lampen, M (luxen
decken sieh, wie schon bemerkt wurde, mit dem oben beschriebenen,
bei den Römern beliebten Typus, der vielleicht nicht älter ist als
die Augustisehe Epoche, jedenfalls erst dann gestaltet wurde, als
der troischc Ursprung Roms officiell anerkannt war*).
Da sich so viele Repliken derselben Gruppe finden, entsteht die
Frage: auf welches Original gehen sie zurück? Das» dasselbe eine
gewisse Berühmtheit gehabt haben nmss, ferner, dass es nicht in
Griechenland, sondern in Rom zu suchen sein dürfte, seheint kaum
einem gewichtigen Zweifel zu unterliegen. Aber leider legt sieh
unsere litterärische Ueberlicferung zu grosse Schweigsamkeit auf, als
dass eines der wenigen litterärisch bezeugten Aeneasbilder 8) mit
Sicherheit als das Vorbild bezeichnet werden könnte. Xnr Einer
hat sich meine« Wissens diese Frage vorgelegt, Heinrich H ey de-
in an n, und in einer beiläufigen Anmerkung4) die Vermuthung aus-
gesprochen, dass dieses berühmte Original auf dem Forum des
Augustus in Rom gestanden habe. Der Kaiser Angnstus hatte be-
kanntlich in der Schlacht bei Philippi dem Mars Ultor einen Tempel
gelobt; die Erfüllung des Gelübdes verzögerte sich bis zum Jahre
2 v. Chr. ■'), die Ausführung geschah dann aber in der grossartigsten
Weise, indem der Kaiser nicht mir den Tempel dedieirte, sondern
denselben zum Mittelpunkte einer nenen Forumanlage machte, des
Forum Angustum. Vor dem mit den Bildern des Mars und der
Venus geschmückten Tempel ") dehnte sich die ziemlich engbegrenzte
Fläche des Forums ans mit zwei Säulengängen, in denen Angnstus
die Statuen berühmter Vorfahren und Feldherrn der Römer auf-
stellte, darunter sämmtliche Ahnherrn des Julischen Geschlechts.
1) II«! yd ein .in n, Arehflol. Zeitung XXIX, S. 1U>. 0. Jahn,
Griechisch« Bildeielironikcn, R. 35, 3tf, 37, Tal". I.
2) Vgl. Ho I h i g, Untersuchungen über die. eampanisihe Wand
raalerei S. 28.
3} Vgl. Würner in Roschers Lexikon I Sp. 1X3 f.
4) ArchHol. Zeitung XXIX, S. 120, Anmerkung 32.
5) Mo in in 6 un, Monum. Ancyr. p. 12*>.
6) Ovid. Trist. II, 2% f.
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71
Max Ihm;
Dem Tempel zunächst stand in dem einen Säulengang die Statue
des Kumulus, in dem andern die des Aeneas:
Hinc videt Acncan oneratuin pondere earo
Et tot Iulcac nobilitatis avos;
Hine videt Iliaden umeris ducis arma fereiitem
Claraqne dispositis acta Bubessc viris l).
Diene Statue des Aeneas, der, wie aus den Worten 'oneratuin
(Mindere earo' hervorgeht, sicherlich den Anehises mit den troischen
Hausgöttern trug, kann sehr wohl das hertlhmte Vorbild jener Gruppe
von Darstellungen gewesen sein. Andere Städte siud, wie es scheint,
dem von Augustus gegebenen Beispiele gefolgt; so die Poinpejaner:
denn am Kingaug eine« öffentlichen Gebäude* »m Forum in J'oin|»eji *>
wurden die Inschriften zu zwei Statuen gefunden, deren eine den
Koinulus»), die andere den Aeneas darstellte. Der Wortlaut der
letzteren lässt sieh auch jetzt, nachdem in den letzten Jahren ein
neues Fragment hinzugekommen ist, nur theilwcise feststellen4).
Die Schlnsszcilen des Elogium — in den beiden ersten Zeilen sind
die Namen des Aeneas, der Venus und des Anehises erhalten —
lauten nach der Ergänzung Mommscns:
... in
[bcl]hi Lauren[ti gcsjto mm con- .
[pajrtüt appel[latus](|{ue) est iudigens
(pa]ter et in dco[rum njnmero relatus.
Was die l'eiiateiicista anlangt, so hat bereits Otto Jahn be-
merkt •''), dass sie in der litterärischeu Tradition nicht erscheint,
sondern nur auf Bildwerken. Ihre Gestalt ist verschieden. Auf
der Kölner Skulptur hat sie die Form eines Hachen viereckigen
Kästchens; sonst (Iberwiegt die cylindrwehc Gestalt, so auf der
Tabula lliaca. der Hcrculaiiischen Carricatur, «lern Turiner und dem
Wiener Relief, Münzen des Pius0). Auf einem Neapler Mannor-
1) Ovid. Fast. V, 5G3-506; vgl. M o m in s c n, Corp. inxeript. Latin.
I, p. 281 f.
2) Overbeck, l'oinpeji. 4. Aull., S. 117, 132.
3) Corp. instr. Lat. vol. I, p. 283 n. XXII und vol. X n. 809.
4) Corp. inscr. Latiu. X, n. 808, Auctar. n. 8318; dazu Ephcnieri« epi-
graphica Bd. VIII p. 86 u. 311 und p. 212 n. 864.
5) Hermes III, S. 333.
6) Vgl. u. a. die Abbildung im Dictionary of Roman coius von
S. W. Stevenson (London 1889) S. 16.
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Flucht de* Aeneas.
75
rclicf, da« Hey de mann ndt Recht auf die Aeneassagc bezogen liat,
trägt Anehises im linken Arm ein eylinderförmig geflochtenes Ge-
fäss, offenbar die Penntencista '), und eine runde geflochtene Cista
mit flachem Deckel erblicken wir auch auf der oben erwähnten
Iliupersisdarstellnng des Pompejanisehcn Gladiatorenhelius. Jeden-
falls haben wir uns die. Hansgftttcr, die troischen Penaten (jd \epd
tö TtaTpüja Dion. Habe. I 46), als ganz kleine Figürchen von Holz
oder anderem Material, als geheime Symbole vorzustellen; aufbewahrt
wurden sie in kleinen cylindrisehcn Gelassen (doliola), wie sie sieh
mehrfach in Rom mit kleineu bronzenen Idolen gelullt gefuudcn
haben *).
1) ArohHol. Zeitutip XXIX, Taf. 54, 1.
2) H o 1 b i k, Bullettino den" Institute 187!», S. 77. P r e 1 1 e r- J o rd a n,
Köm. Mythologie II, S. 160, lfi'J f., 322 f. O. J a h n, Griechische Bildcr-
chroniken S. 35.
■
Julius Naue:
6. Westgothischer Goldfund aus einem Felsengrabe bei
Mykenä.
Der Goldfnnd, von welchem wir nachfolgend berichten, wurde
im Frühjahre 1S5MJ von einem griechischen Landmanne in einem
Fclscngrabe bei .Mykenä gemacht und fast unmittelbar darauf von
einem meiner Freunde vom Finder erworben und mir sofort zuge-
sandt. Ueber die näheren Umstände, die ja, wie wir wissen, bei
griechischen und italienischen Funden äusserst schwer oder auch
gar nicht zn erniren sind, konnte mein Gewährsmann nur so viel
erfahren, dass der betreffende Landiminn zufällig auf das Felsengrab
gestossen war und in demselben neben Skeletüberresten die Gold-
sachen gefunden hatte. Von weiteren Gegenständen, ausser einem
kleinen Reste eines ßronzeplättchens und eines kleinen hellgrünen
Glasfragmentes, konnte trotz wiederholten Fragens und Forschen«
nichts ermittelt werden. Wir müssen uns also mit den thatsächliehen
Fundverhaltnissen zufrieden geben. Vielleicht fugt es ein glück-
licher Zufall später Näheres zu erfahren.
Der Fund besteht aus einein von nenn kleinen dünnen Gold-
platten verschiedener Grösse gebildeten Diadem und ans zwei aus
Golddraht breit gehämmerten Schlangenarnibändern. Die Farbe des
Goldes ist ziemlich hell, aber als Wcissgold — Elektron — kann
es doch nicht bezeichnet werden.
Wir beginnen mit der Heschrcibung der Armbänder und gehen
dann zu dem Diademe Uber.
Der Durchmesser eines jeden Armbandes beträgt 6,3 cm, die
mittlere Höhe 12 mm. Was sofort auffällt ist, dass der Kopf der
Schlange mit den oberen Windungen, ungeachtet dieselben nur als
Silhouetten gegeben sind, sehr lebenswahr und im gewissen Sinne
naturalistisch erscheinen 'Figur 1). Nach den oheren Windungen
verbreitert sich der Schlaugeukörper, verjüngt sich an dem Ende,
Von
Dr. Julius Nanc.
Westgothiseher Goldfund ans einem Felsengrab« bei MykenH. 77
welches über die oberen Windungen zu liegen kommt und biegt so-
dann in den spitz zulaufenden, einmal nach oben und einmal nach
unten gerollten Schwanz nnt. Sftmnitlichc freiliegende Windungen,
sowie die Schwanzenden sind an die unstossenden Körpertheile der
Schlange von rückwärts angeschmolzen, nicht angelothet. Der
für die Armbänder verwendete Golddraht war allein Anscheine nach
viereckig.
Während der brei-
tere, mittlere Theil der
Armbänder flach ist,
sind die vorderen, nach
oben gerichteten Win-
dungen mit den empor-
stehenden Köpfen, so-
wie die Schwanzwin-
dungen schwach con-
eav-convex getrieben,
auch fehlen au diesen
Theilcn die wellcnarti-
Fü?. i. gen Ränder, welche wir
als eine Folge des Aus-
hämmeras an den eigentlichen Schlangenkörpern — den breiteren
und mittleren Theileu — bemerken. Die Arbeit der Armbänder
bekundet eine, wenn auch flüchtige, doch immerhin tüchtige Technik,
und die Darstellung der Sehlangen eine scharfe Naturhcohachtung.
Ob diese Schmuckstücke nur für den Grabgehrauch angefertigt
worden sind, möchte ich deshalb bezweifeln, weil mau dann wohl
nicht nöthig gehabt hätte, die einzelnen Windungen an dem Schlan-
genkörper anzuschmelzen, was doch eine ziemlich schwere Arbeit war.
Das Diadem, welches, wie bereits erwähnt, aus neun dünnen
Goldplattcn von verschiedener Grösse besteht, die theihveise mit.
cingesteinpelten Figuren und Ornamenten, theilweise mit grösseren
in Goldhülsen gefassten farbigen Steinen oder Gläsern verziert sind,
ist folgendermasBcn zusammengesetzt :
1 . eine kleine, 3,4 cm breite und 2,8 cm hohe Platte (Fig. 2),
verziert mit einem erhaben cingcstempeltcn runden Schild, der in
der Mitte einen kleinen Doppelkreis mit Mittelpunkt hat, von wel-
chem hakenartig gebogene Linien ausgehen. Der zwischen diesem
Doppelkreise und dem äusseren Rande liegende Schildthcil ist mit
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78
Julius Naue:
sechs durch doppelte Linien gebildeten Halbkreisen verziert, deren
Mitte durch kleine Punkte ausgefüllt wird, den schmalen Kaum
zwischen je zwei Halbkreisen füllen drei Punkte von oben nach
unten aus. Die Ränder der Platte sind mit kleinen Punktreihen
vereiert, und die Ecken mit kleinen niederen runden Goldhülseu be-
setzt, in welchen ehemals kleine grüne Gläser, von denen sich
noch eines erhalten hat, eingelassen waren. Auf der Rückseite be-
finden sich an den vier Ecken kleine Goldttseu, die ebenso wie die
Cioldbülsen bei diesen und den anderen Platten nicht angcliithct,
sondern angeschmolzen sind. Genau wie die erste Platte ist die
neunte vereiert.
Der auf diesen beiden Platten (Fig. 2) dargestellte Schild ent-
spricht jenem auf makedonischen kleinen Silber- (Tetrobolen) und
Hronzemünzen ; wir werden deshalb nicht fehlgehen, wenn wir den
Schild als „makedonischen" bezeichnen1).
Die zweite Platte (Fig. 3), welcher die achte entspricht, hat
eine Breite von 3,3 cm bei einer Höhe von 3,1 cm. Die Mitte der-
selben wird durch eine verhältnissmässig hohe und grosse aufge-
schmolzene Goldhülsc von mandelähnlicher Form verziert, in welcher
je ein grüner, oben runder Glasfluss eingelassen ist. Ränder und
Ecken sind wie bei den vorerwähnten Platten mit Punktreihen und
aufgeschmolzenen kleinen niederen GoldhUlsen, die ehemals rot he
Steine oder Gläser enthielten ■ — einer derselben ist noch vorhanden ■ — ,
versehen, ebenso tragen auch die Rückseiten die vier kleinen Gold-
1) Vgl. Head, Barclay V. „Historia Numorum". S. 20!) und
Mionnet, T. E., Description de m^d. antiques grecques et roni.,
Suppl. III, S. 2. Auch auf späteren makedonischen Tetradraehmen treffen
wir den Schild wieder, doch befindet sich bei diesen in dein grossen
Mittelfeld entweder der Kopf des Perseus oder des Paus oder der Artemis.
Flg. ».
Fi*. S.
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Westgothischcr Goldfand aus einem Felsengrabe bei MykenH. 79
ösen, welche dura dienten, die einzelnen Platten mit einer Schnur
unter sieh und wohl auch auf einem Bande zu befestigen.
Die dritte und siebente Platte (Fig. 4) zeigen die Darstellung
je einer eiiigeBtempcltcu Sirenenfigur von gutem Stil. Goldhtllsen und
Puuktreihcn schliessen die Platten nach aussen ebenfalls ab, aber die
auf der Rückseite befindlichen Goldösen sind so angeschmolzen, dass
das Bild der Sirene nicht in richtiger Stellung — den Kopf nach
oben — , sondern liegend — den Kopf nach rechts resp. nach links
gekehrt — erscheint. Die Goldhülsen dieser Platten hatten grüne
Glasflüsse. Breite 3,4 cm, Höhe 2,8 cm.
Fig. 4. Fi*. 5.
Die vierte und sechste Platte (Fig. 6), von 3,5 cm Breite und
2,8 cm Höhe, correspondiren mit der zweiten und achten, aber die
in der Mitte aufgeschmolzenen Goldhülsen sind nicht mandelförmig,
sondern oval uud hatten dunkel rothe, oben runde Glasflüsse
oder Steine als Einlagen, während kleine rothe Gläser die Eck-
hülseu schmückten.
Die fünfte — Mittel — Platte (Fig. 6),
hat eine Höhe von 4,1 cm bei einer Breite
von 3,1 cm. Hier sehen wir, abweichend
von den acht übrigen kleineren Platten, die
um die Ausseoründer laufenden Punkt- oder
Perlrcihen nicht von rückwärts, sondern
von vorn eingeschlagen, in Folge dessen
sie vertieft erscheinen. An den vier Ecken
befinden sich ebenfalls vier kleine Gold-
hülsen, die ehemals aller Wahrscheinlich-
keit nach mit kleineu grünen Gläsern ans-
fi*. «. gefüllt waren (eine der Hülsen fehlt, da
80
J u 1 i u h N a u e :
das betreffende Eck der Platte abgebrochen ist). In der Mitte zwi-
schen den oberen beiden Hülsen befindet sieh noch eine etwas klei-
nere und niedere, die jedoch etwas Uber dem oberen Fiatteurand
hinwegragt. Die sehr flüchtig und mit einem wenig erhabenen
.Stempel eingeschlagene Darstellung zeigt eine unter einem Tempcl-
ehen auf einem niederen Stuhle nach vorn gekehrt sitzende beklei-
dete weibliche Figur. Das unter der Brust gegürtete Gewand scheint
beide Anne nicht zu bedecken. Ueber dem Schoosse liegt ein
Mantel, welcher nach unten theils bis über die Hälfte des einen
Unterschenkels, theils bis unter das Knie herabgeht. In der rechten
Hand hält die Gestalt einen dünnen langen Stab, der oben drei
knospen- oder blunienartige Ansätze hat, während die nach oben
gekehrte linke Hand einen grossen herzförmigen Gegenstand, die
Spitze nach unten gekehrt, einporhält. Auf diesem herzförmigen
Sehilde sind von rückwärts mit einem spitzen Instrumente mehrere
Zeichen eingeritzt, auf die wir später noch ausführlich zu sprechen
kommen. Neben dem Stuhle der sitzenden weiblichen Figur seheint
eine kleine von rechts nach links schreitende nackte menschliche
Gestalt zu sein; bei der sehr verschwommenen Wiedergabc derselben
ist es jedoch schwer Bestimmte* zu sagen; am sichersten könnten
noch die Beine erkannt werden. Ebenso schwer hält es, zu unter-
scheiden, ob die sitzende weibliche Figur eine Stadtgöttin oder eine
Roma darstellen soll; eher vielleicht die letztere.
Zur besseren Uehersieht wiederholen wir kurz die Reihen-
folge der einzelnen Platten des Diademes, wie sie zusammengehören:
1. Makedonischer Schild mit kleinen g r U n e n Eckgläsern. 2. Herz-
förmige Mittelhülse mit grünem Glasflusse und kleinen rotben
Eckgläsern. 3. Sirene mit kleinen g r ü n e n Eckgläsern. 4. Ovale
Mittelhülse mit r o t Ii e m Glasflüsse und kleinen rotben Eckgläsern.
f). Sitzende weibliche Figur unter einem Tcmpelchen mit wahrschein-
lich grünen Eckgläsern. <>. Ovale Mittelhülse mit rot h ein Glas-
flüsse nnd kleinen rotben Eckgläsern. 7. Sirene mit kleinen grü-
nen Eckgläsern. f<. Herzförmige Mittelhülse mit grünem Glas-
flüsse und kleinen rotben Eckgläsern und !>. makedonischer Schild
mit kleinen grünen Eckgläsern1).
1) Achnlichc kleine Platten, von länglich viereckiger, rautonartijjcr
und ovaler Form, aber mit •frös.seren Funkt- oder Perlreiho.n versiert, die
«ach aussen und innen von erhaheu<>n Linien eingefaßt sind, also wie
eine Art Band erscheinen, wurden von reichen palinyrcnischen Krauen
Westgothischcr Goldfund au« einem Felsengrabe bei Myken«. 81
Wenn wir nnn die sämmtlicheu Platten in dieser Reihenfolge
betrachten, so fallt vor Allem das merkwürdige Stilgemisch in die
Augen: wir haben in den Darstellungen nnd Ornamenten Motive
aus griechischer und römischer Zeit, und in der Ausschmückung
der Platten mit Punktreihen und mit aufgesetzten Goldliülsen. welche
kleine und grosse Glasflüsse enthielten. Motive aus barbarischer Zeit
vor uns. Griechischen Einfluss zeigen die Sirenen und die makedo-
nischen Schilde; erstere dürften wegen ihrer immerhin guten stil-
vollen Darstellung in das IV. Jahrh. v. Chr. verlegt werden können,
letztere gehören jedoch bereits einer späteren Zeit an. Sicher römisch,
und zwar dein IV. Jahrb. n. Chr. angehörend, ist die sitzende weib-
liche Figur der Mittelplatte, uud entschieden barbarisch die Hinzn-
ftlgung der Punktreihen und die der klassischen Zeit unbekannten
aufgesetzten Gold Ii (Ilsen mit ihren farbigen Glasflüssen. Auch die
eigentümliche Zusammenstellung der verschiedenen Goldplatten wirkt
barbarisch; denn in welchem Zusammenhang stehen die makedoni-
schen Schilde zu den Sirenen und diese wieder zu der — sagen
wir einstweilen — Roma?
Einen weiteren Beleg für das eben Ausgesprochene, haben wir
dadurch, dass die Platten mit den Sirenen nicht richtig gestellt
sind, was durch die rückwärts angeschmolzenen Ooldösen bewiesen
wird. Um die Figur «1er Sirenen zur richtigen Anschauung zu
bringen, hätten die Platten so angeordnet werden müssen, dass ihre
Schmalseiten nicht seitwärts, wie jetzt, sondern nach oben gerichtet
wären. Höchst wahrscheinlich wusste man aber die dargestellten
Figuren mit den Flügeln und dem ornamental gehaltenen Untertheile
nicht '/u deuten, nahm sie vielmehr als eine rein ornamentale Ver-
zierung und verwendete sie als solche.
als Kopf- oder Uaarschmuck derart getragen, dass sie von den hoch-
frisirten Haaren, über welche als Bekrünung ein Zopf gelegt war, nach
vorn bis zur Stirn herahhingen. An den !lusseren Seiten der ovalen und
rautenförmigen Platten sind zur weiteren Verzierung Perlen angebracht
und au die untere Platte drei konische Rmunicln mit kugelförmigen En-
den, die auf die Stirn herabfallen, eingehängt. Diesen Kopf- oder Haar-
schmuck zeigt u. a. eine 20 cm hohe Frauenmaske aus weissem Marmor
von »pHtrömischer Arbeit, welche in Palmyra gefunden xmd in der Auction
H. Hnffiuaun in Paris (15.— IG. Juni 1891) versteigert worden ist. Vergl.
den betr. Catalog: „Auti<(uitcs egyptiennes, phenieicniies, greiu|iie.s et ro-
maines. Verrerie, marbres, bronze.s et poteric. Paris, 18!)1, R. 20, Nr. 110,
und PI. V.
J«ür».. d. Vcr. v. AU«rihum»n\ im Rhcl»l. XCIII. 6
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82
Julius Naue:
Aber einen noch entschiedeneren Beweis flir die barbarische
Geschmacksrichtung haben wir durch die mit farbigen Gläsern ver-
sehenen Goldhülsen, welche auf jeder Platte angebracht sind, wozu
aber auch noch die Platten mit den grossen Mittelhülsen gehören.
Vergegenwärtigen wir uns darnach den Eindruck, welchen das Dia-
dem in dieser Zusammenstellung auf den Beschauer machte, so ist
es klar, dass daa farbige Elcmeut vorwaltete, was in ganz be-
sonderer Weise für den barbarischen Geschmack der ehemaligen
Trägerin dieses Schmuckstückes spricht.
Diese Ansicht wird von hervorragenden Altertumsforschern, wie
Altmeister Prof. Dr. L. Lindcnschinit in Mainz, Generalintendant
Dr. Frz. von Pulsky in Budapest und Dr. Arthur J. Evans,
Conservator am Asbmolean-Musenm in Oxford, gcthcilt. Herr Prof.
Dr. L. Lindenschmit in Mainz schrieb mir darüber: „Was
meine Ansicht Uber den Fund betrifft, so kann ich mich bezüglich
des Stiruschmuckes nnr Ihrer Meinung anschließen. Es ist eine
verhältnissmässig späte und in verschiedener Hinsicht von barbari-
schem Geschmackc zeugende Arbeit. Nicht allein die in Zellen
eingesetzten Glascinlagcn sprechen dafür, sondern auch vor Allem die
Darstellnngsweise der sitzenden Figur auf der Mittclplatte. Sie ähnelt
in Manchem, wie Sie richtig bemerkten, den Gebilden auf, Übrigens
seltenen Scheibenfibelu der merowingischen Zeit, welche Copien rö-
mischer Kunstarbeit sind. Ob diese sitzende Figur, welche uns vor-
liegt, ebenfalls eine Koma darstellen soll, wage ich nicht zu ent-
scheiden. Auf den barbarischen Nachbildungen auf Scheibenßbeln
hält die ausgestreckte rechte'lland der Roma eine Victoria, während
die linke das Scepter hält. Auf der fraglichen Platte scheint die
weibliche Figur in der Rechten ein blumenartiges Gebilde zu halten.
Die feinen Zeichen oberhalb der linken Hand vermag auch ich mir
noch nicht zu erklären. Sind es ohne Verständnis» nachgeahmte
Schriftzeichen V Von ganz abweichender Art, weil ein klassisches
Motiv und verständnissvolle Darstellung desselben zeigend, sind
namentlich die beiden Platten mit den Sirenen. Es ist deshalb in
der That wahrscheinlich, dass der halbbarbarisebc Goldschmied ältere
gute Stempel besass oder Theile eines älteren Geschmeides ver-
wendete, unter welchen seine Zuthaten sofort erkennbnr sind. Cha-
rakteristisch für die abweichende mangelhafte Arbeit der Mittclplatte
ist auch der Umstand, dass die ringsmnlaufcndcu kleinen Perlen
oder Buckel nach der verkehrten Seite hin eingeschlagen sind. Das
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WestgothiKcher Goldfand aus einem Felsengrab« bei MykenÄ. 83
ungemein geringe Gewicht der Platten wie der Armbänder lässt
vermuthen, dass die Sachen als Grahschmuck hergestellt wurden.
Interessant ist die geschickte Herstellung der Armbänder aus einem
Draht von der Dicke des Schwänzendes der Schlaugen; aus ihm
ist der ganze Körper mit dem Hammer getrieben. Ebenso interes-
sant ist die Verbindung der Ubeieinaiidcrgreil'enden Theile des Schlan-
genkörpers, dieselben sind nicht aufeinander gehithet, sondern das
Gold ist zum Zweck der Verbindung au den betreffenden Stellen
zum Schmelzen gebracht. Auf gleiche Art sind die Zellen für die
Glaseinlagen auf den Platten befestigt. Die Sehlangen siud übrigeus
selir naturalistisch, mit feiner Beobachtung ausgeführt und gleichen
sehr spatgricchischcu oder römischen Arbeiten dieser Art, so dass
wir annehmen dürfen, sie seien von einem griechischen Sklaven
gemacht."
Herr Generalintendant Dr. Franz von Pulszky in Buda-
pest schrieb mir seiner Zeit Folgendes Uber den Fund: „Sic sind
auf der rechten Fährte mit dem Goldschumeke aus Mykenä. Natttr-
lich sind die Kuppelgräber und die Pelopidenzeit ausgeschlossen.
Es wird wohl das Grab eines Gothenhäuptlings sein, der auf einem
seiner Raubzüge starb. Die an den Grund gelötheten Goldbülsen,
als Fassung von rothen und grünen Steinen, erinnern ja an die
Orfeverie doisonnce, von der wir aus Schriftstellern erst zur rOmi
scheu Kaiserzeit und aus Denkmälern zur Völkerwanderungsepoche
eine Idee erhalten. Die Mittcltigur sieht einer Minerva ähnlich.
Die sehlangenförmigen Armbänder, aus dickem Golddraht gehämmert,
kommen bei uns in dieser Zeit (der Völkerwanderungsepoche) in
einem Exemplar ebenfalls vor."
Alle siud darin mit mir einig, dass der Goldfund barbarischen
Ursprunges ist und nicht vor das IV. nachchristliche Jahrhundert
verlegt werden kann.
Die Verwendung spätgricchischcr und römischer Stempel lässt
sieh vielleicht so erklären, dass der Goldarbeiter (mag er nun Freier
oder Sklave gewesen sein), welcher das Diadem anzufertigen hatte,
entweder derartige figürliche oder ornamentale Goldplatten vorräthig
hatte oder die betreffenden Stempel besass. Wie noch heute alte
Münz- und Siegclstempel vorhanden sind, so kann es auch in jeuer
Zeit gewesen sein.
Auf jeden Fall aber muss wiederholt betont werden, dass der
ganze Goldfund weder griechisch noch römisch, sondern barbarisch ist.
84
J u I i n s N«uc:
Da wir min wissen, dass in den Jahren 390 — 397 die West-
gothen unter Führung ihres König» Alarich deu ganzen Pelopnnncs
durchzogen, so liegt es nahe anzunehmen, dass der Fund den West-
gothen zngetheilt werden kann und darf. Bei dem Inngen Aufent-
halte diese* Volkes in (Irieehenland ist es mehr als wahrscheinlich,
dass eine Fürstin oder Anverwandte eines Fürsten auf einem der
westgothischen Wanderzüge starb und dass man die Leiche, nach-
dem man ein altes Felsengrah entdeckt hatte, in diesem beisetzte;
denn nur so lässt sich die Bestattung in «lein Felsengrahe hei Mykenä
erklären.
Wie hei der Beschreibung der Mittclplatte des Diadenis be-
reits erwähnt wurde, finden sich auf dem herzförmigen .Schilde, wel-
chen die sitzende weihliche Figur mit der linken Hand nach ohen
hält, kleine erhaltene Zeichen, die von rückwärts mit einem spitzen
Instrumente eingeritzt sind und zwar derart, dass man deutlich sieht,
wo das Instrument stärker eingesetzt oder eingedrückt wurde.
Auf die Bedeutung dieser Zeichen, welche ich wohl gesehen
hatte, wurde ich erst durch den hochverehrten Direktor des römisch-
germanischen Centrai-Museums, Herrn Prof. Dr. Ludwig Linden
sc h mit in Mainz, welchem ich den ganzen Fund, wie vorerwähnt,
zur Kenntnis* und Begutachtung zugesandt hatte, im Juli 1890 auf-
merksam gemacht. Kr thcilte mir nämlich mit, dass Dr. Kempff
ans flcfle in Schweden, der sich einige Zeit in Mainz aufgehalten
hatte, um die Inschriften zweier dort hefindlichcr Rnncnfiheln zu
studiren, gelegentlich der Vorlage von (Jynsahgfissen des Cnlddia-
demes auf der Mittelplatte die sonderbaren Zeichen ehenfall» ge-
sehen und sie nach Prüfung für Runen glaubt annehmen zu dürfen.
Nach dem Abgüsse las damals Dr. Kempff Xhl ~ fu£t0
aber hinzu, dass eine weitere Bestätigung erst von einem eingehen-
den .Studium des Originales abzuwarten sei.
Durch dicae Mittheilung des hochverehrten Altmeister» ange-
regt, sandle ich gegen Ende 1890 meinem verehrten Freunde, dem
Privatdozenten an der Universität Lnnd, Herrn Dr. Sven Söder-
berg, zwei (lypsabgüsse der Mittelplatte und fügte eine sehr ge-
naue Zeichnung der eingeritzten Zeichen bei. die derselbe alsbald
Herrn Professor Dr. Ocorg Stephens in Kopenhagen mit der
Bitte übergab, die Zeichen eingehend studiren und prüfen zu wollen.
Eine längere Krankheit de« hochverehrten r.elehrten trug die .Schuld,
dass ich von ihm erst im August vorigen Jahres Näheres über die
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Westgotliiadier GokUuml aus einem Felsengrab bei MykenH. «5
Ergebnisse seiner Studien erhielt; er schriet) mir, nachdem er die
Zeichen unzweifelhaft ftlr Runen erklärt, folgendes: „This also secins
not to be a difticult inscriptmu. lt is here very slightly magni-
tied, for distinetness, as it is the chief rnnic inscriptiou. I begin
with the tirst stave X «hose left side forms the right si<lc
of h (U), followed by h (X) in the middle of the seript. Xcxt
eomes Z, the softened sonnd of D, whose ncarest type in the al-
phabets is the mark y, which is here sweeng low er down, as it
otherwisc would have clasht with the immediately foregoiug f> (X).
This Z as softened 1) creeps i)i early. Forstcniann has OUXZO etc.
7«" Century and 8«»', GUXZA etc. (tVm.) 7lh, GUXZ1L1 11'", GUX-
ZILA etc. (fem.) 8"' Century, GUXCELIX etc. 7l". The o at the
top is a short way of writing c< (X> D). *'ast comes f, a bind
with |, making |f (IL). The wholc gives:
OUXZOIL (Fig. 7, wo die Zei-
chen nach dein Originale, vergl.
Fig. 0, vergrtfssert wiederge-
geben sind), a slurred and fa-
miliär pronunciatioii of the wo-
mnnsname GUNHILD. This is
not found before in the old-
nortlicrn runes, Init occurs se-
veral times in the later (or scan-
dinaviau) staves as GUNHILD,
GUX1IILTR, GUXILR (the R
only the nominative-mark), GÜNILT and GUXXILA."
Unterdessen hatte auch Herr Dr. K. Hj. Kcmpff aus Gefle,
der sich im Sommer vergangenen Jahres längere Zeit in München
aufhielt, bei mir das Original der Goldplatte wiederholt gesehen
und die eingeritzten Zeichen sorgfältigst und eingehendst geprüft
und studirt. Dass die Zeichen Runen seien, liestätigte Herr Dr.
Kempff wiederholt. Auf meine Bitten t heilte er mir dann kürzlich
Folgendes schriftlich über die Ergebnisse seiner Studien mit:
„Ich habe schon im vorigen Jahre, Juli 1890, als ich einen
Abguss der Platte in .Mainz sah, dieselbe Ansicht ausgesprochen,
die ich noch jetzt hege, nachdem ich im Juli (181H) bei Ihnen das
Original wiederholt gesehen habe, nämlich dass die Inschrift mit
Fi*. 7.
Julius Naue:
der älteren germanischen Schritt, den sog. älteren Runen, nb-
gefasst sei.
Die Inschrift besteht nur ans 5 Runenbuchstabcn, ;\ stehend
XhJ\ die ich mit Guiu umsehreibe, 2 oberhalb liegend <|, die ich
mit KI wiedergebe; alle ganz deutlich und unverkennbar. Die drei
unteren doch weniger, indem alle drei sieh entweder berühren oder
schneiden. Die beiden Stäbe von kreuzen sich oben, der rechte
Stab seheint halb wie doppelt, was gewiss durch eine Verbesserung
entstanden ist. Der Querstab (der rechte Stab) wurde, erst zu
schwach geritzt und dem Hauptstabe zu niedrig angefügt ; ein stärker
geritzter Querstab, vom Kusse des ungenügend befundenen und an-
fangs mit ihm zusammenlaufend, wurde dann zum Hauptstabe höher
hinaufgezogen, dabei aber auch ein wenig zu weit geführt, so dass
er den Hauptstab kreuzt. Das hat seinen unteren Querstab gleich-
sam verloren und findet ihn erst im Inneren der vorhergehenden |*|
beim Fusse des rechten Stahes wieder, woher es kam. dass ich
ihn nicht sogleich erkannte und Anfangs Gui für Oniu las. Dies
um nur anzudeuten wie ich die Runenzeiclnuuigen aufgefasst habe.
Ich gehe nun zur Deutung der beiden Runen/eilen, zuerst zu der
dreimnigen über (vergl. Fig. 6 u. 7).
In den drei Runen: Xh4*> GuiTi, habe ich von Anfang her
ein altschwedisches Nameuelement, Gy, erkannt; es ist dasselbe,
welches uns in dem altschwedisehcn Frauennamen, Gyri|>, in
Runenschrift Gyrib, KuriJ>r, Knrib, KiriJ), Kufribr, Kufrib,
sowie auch in den schwedischen Runennameii Kilaug, Kilauk,
Kilifz und im nennorwegischen Owe ig begegnet. Auch ein ein-
faches Ky findet sich auf dem Runenstein zu Skestad in Upland,
Schweden (Dybcek, Sverikes Kunurkunder, II, M4 1 . Dieses Gy ent-
spricht vollkommen dem Guiu der Goldplatte von Mykcna.
Aber auch in der älteren Runenschrift haben wir eine volle
Korrespondenz zu unserem inykenäisehen Xhl (Guiu). Auf einem
der Goldkrllgc des grossen Goldfuudes von N agy - S z e n d - M i -
k 1 ö s in Ungarn findet sich am Hoden desselben eine monogramm-
ähnliche Figur eingeritzt (v. Sacken und Kenner. Die Samm-
lungen des K. K. Münz- und Antiken-Cabincts. Wien, 1860, Tafel,
Fig. 14. — Hampel, ,1., der Goldfund von Nagy-Szent-Miklös.
Budapest, 1886. Tafel p. 69, Fig. 16. In beiden Werken die klei-
nere der beiden Mouogrammfiguren t, die ich schon lange nach der
Zeichnung bei v. Sacken und Kenner als ein XhT> Guiu, nach
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Wcatgothischer Goldfund aus einem Felsengrabe bei Mykenft. 87
der H a m p c I schen als ein XhlJN Gmin, deutete. Die letzte
Schreibweise XhKT> stimmt ganz mit jener des Runensteines
von Tu nc in Norwegen flberein, wo arbija fttr arbja, puijoz
für pujoz steht. Eine Muthmassung, dass Guiu der Dativ eines
fein. Guus sei, finde ich nach dem Gesagten nicht zutreffend. Der
Form nach entspricht dieser Name, wie einerseits dem schwedischen
Gy, Gy- der jüngeren Runen, so andererseits in der älteren Runen-
schrift dem MI h N "II J4» L e n b v i n i i u , auf der grösseren Spange
von X o r d e u d o r f in Augsburg (vgl. H c n n i n g , Runendenkmäler.
Tat". III, Fig. 7. S. 105 liest Henning, der dem X den Laute
ertheilt, L e u b v i n i e , welches dadurch zum Dativ wird ; beides
ist wahrscheinlich unrichtig) und noch näher dem S(eg)uhuiu,
Nli/v/INfli» Dänemark (Stephens, bract. 17, Oldn. Run.
Mon. II, 52N). Uebrigens haben wir in Guiu gewiss nur die eine
Hälfte des Namens, der vollständig wahrscheinlich Gulnfripn lau-
tete, ein Gegenstück zum späteren schwedischen Gyfrip, Gyrip,
wozu gleichfalls als Abkürzung vielleicht das schon genannte Gy
kommt.
Was die Redeutung des Namens betrifft, so möchte ich darin,
indem ich ihn zu dersellien Wurzel wie im gr. x ^ u* » f u n d o ,
fons, führe, etwas wie Quellnyniphe, Najade erblicken, was auch
den -ny, -elf in skandinavischen Frauennamen, wie Siguy, Ha-
gnelf, einigermassen entspräche, wenn diese, wie ich glaube, mit
Strom, F I u s s wiederzugeben sind.
Ich wende mich nun zu den beiden oben liegenden Runen,
die ich als <|, K I, gelesen habe, die aber auch als |>, I K, gelesen
werden möchten, jedoch dann in entgegengesetzter Richtung zu der
Lesung XhJN Guiu. Sollen nun die beiden Zeilen als eine zusam-
men gelesen werden ? Ein <|Xh'T» Ki-Guin gibt nichts, wenigstens
nichts Bekanntes. Ein |<Xh<T> Ik-Guin, wäre möglich, aber wenig
glaublich. Ein XhJ"<l' ^ni«Ki, wenig glanblich, ein XhJ1<
Gnin-lk, sogar unmöglich. Ein |>XhT> Ik-Guiu : Ich-Guiu, aber
wäre nicht so unwahrscheinlich. Jedoch : 1 . warum wären die
beiden Wörter nicht in einer Linie geschrieben, zumal es an
Raum dazu nicht fehlte; 2. warum schrieb man die beiden Wörter
nicht in ein und derselben Richtung, sondern Hess dier eine nach
links, die andere nach rechts gehen? Ich glaube deshalb nicht,
dnss die beiden Rnnenzeichen zusammen zu lesen sind, sondern dass
sie mit Absieht so geschrieben wurden wie sie sind, um zu bezeich-
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Julius Nauc: Westgothischer Goldlund etc.
neu, dass jede Zeile für sieh 'gelesen werden »olle und zwar in der-
selben Richtung, wie Xh-T> Cill>u> s° auch <|, K I.
Aber was bedeutet dann diesea <|, K I? Nach meiner Mei-
nung Kind es zwei Anfangsbuchstaben : K I, von denen K den Na-
men de« Gebers oder der Geberin de« Golddiademcs bezeichnet,
ganz wie Gniu der Name der Empfängerin ist: I aber ist der An-
fangsbuchstabe eine» Wortes mit der Bedeutung: gibt, verehrt.
K kann hier irgend einen beliebigen altgermanischen Namen auf K
bezeichnen, z. Ii. Kindila, K u n i m n n d u z. In I aber sehe
ich die Abkürzung eines 3> praes. iniz oder hiip: isl. innir, per-
ficit, prnestat, pendit (Lex. l'oet.j: performs, pay«, diseharges (Vigf.).
Unverkürzt l>egegnct uns dies iniz auf dem Stein von Möjebro
(Schweden) mit der bekanutcu Inschrift : Aua h a h a i s 1 a X iniz
fravaradaz. Nach Huggc deutet hier Norcen, Altisl. Gramm.
S. 1Ü1 die beiden letzten Wörter als zwei Eigennamen : isl. „X Dir,
F r ä r ä d r". Ich sehe eher ein iniz F r a v a r a d a z : isl. innir
Fräradr darin, wo iniz entweder als Verb oder als Nomen
agentis steht. Um diese Anschauung zu bestätigen, ist es mir wohl
erlaubt, hier eine bisher nicht hinlänglich beobachtete Inschrift an-
zuführeu, die sich auf dem Goldbrakteat von 0 v c r n h o r n b e c k,
Dänemark, befindet i vergl. Stephens, bract. 28, Oldu. Run. Mon.
II, 0401. Meines Wissens ist die«? höchst interessante Inschrift bis-
her nur von Stepheus (Mon. II, Ö41) gelesen. Ich lese sie so:
E u |> a V i t s i h u i n a n d I) a i u Niu u o b a v e. Hier begegnet uns
unzweifelhaft in 3 P,ur- praes. das Verbum in nnn, isl. inna,
dessen Bedeutung kaum eine andere als persolvere debitum,
eine von Sitte und Pietät geforderte Schuldigkeit zu vollziehen, sein
kann. Diese Bedeutung passt nun auch auf die Inschrift des Steine»
von Möjebro: Fravaradus persolvit debitum sc. mortuo. Dieses
„hinan" war gewiss etwas fortdauerndes: daher in praes. inand,
iniz (iniz für in in, wie barutz für barintib).
Auch hier, auf der Mykenäinschrift, würde dieses Wort mit
der von mir vermutheten Bedeutung passen, sei es dass K der Gniu
gegenüber eine wirkliche Schuldigkeit erfüllte oder dass das Wort
ohne diese strenge Bedeutung nur für „verehren" angewendet wurde.
Die ganze Inschrift der My kenä-Goldplatte des Dia-
demes wäre also zu lesen:
Guiü KI: Guiu — K v(erehrte).
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0. Humatin: Die ältesten Bnuthcilc des Münsters zu Kssen. 89
7. Die ältesten Baiitheile des Munsters zu Essen.
Von
6. Human n.
(Mit f'i Abbildungen.)
Die L'ebcrrcstc der Essener Banilika, welche hfichst wahr-
scheinlich von dem in der 2. Hälfte dem 9. Jahrhunderts errichteten
Stiftungsbnu herrühren, sind in den Jahrbüchern Heft LXXXII,
S. 107 ff., sowie in der Schrift „Der Westbau des Münsters zu
Essen" 1890 (in Komm, bei J. Ücitcr in Essen)1) besprochen.
Da dieser Hau, eines der merkwürdigsten alteren Kunstdenkruäler
Deutschlands, hinsichtlich seiner reichen Nischcnhildungcn in den
Seitcnschiffswäiidcn und des dreiseitigen Abschlusses seiner Quer-
schiffsfltlgel vor allen diesseits der Alpen aus knrolingiseber Zeit
noch erhaltenen Hasiiiken hervorragt, so mag es gestattet sein, hier
nochmals auf dies Werk zurückzukommen, und zwar einerseits, um
seine Entstehungszeit mit eingehenderen Gründen, als dies bisher
geschehen ist, festzustellen, andererseits, um noch gewisse, nicht
unwichtige bauliche Einzelheiten an der Hand einiger Zeichnungen
zu erläutern.
Figur 1 stellt den Grondriss des südlichen Seitenschiffes dar.
Die ältesten Theile sind schwarz, die romanischen in doppelter, die
gothischen ("einschliesslich zweier hei der letzten Restauration wieder
zugemauerter Nischen) in einfacher Schraffirung gezeichnet. Von
den Langwänden des Seitenschiffes sind hier ausser den drei Nischen
einer ehemaligen zweigeschossigen westlichen Vorhalle (Fig. 1 bei a)
nur noch vier, cWiifalls halbkreisrunde Nischen (Fig. 1 bei b) er-
halten (abgesehen von den unter den folgenden gothischen Pfeilern
wohl noch vorhandenen geringen Kesten). Der westliche Theil dieser
Nischen ist in Fig. 2 mit Fortlassung der gothischen Pfeiler (in
1) Vgl. Jabrbuch LXXXX, S. 182 f. Die Redaktion.
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G. H u ni ann:
i
doppelt so grossem Mnassstab als der 4 Jmmlriss) abgebildet '). Das
nördliche Sehiff einschliesslich der ehemaligen westlichen Vorhalle
besitzt noch (wenn auch theilweise vennanert) \'J derartige Nischen
in iinniiterbrocheiier Reihe, so dass hier mir
vier ergänzt zu werden brauchen, um den An-
sehluss an das östliche Querschiff zn erreichen.
Von letzterem ist hier (mit Ausnahme eines
vermauerten Restes des oberen Geschosses;
s. w. unten i nur der unterste Theil der Nord-
wand erhalten derselbe ist bei der letzten
Restauration ergänzt). Die noch vollstän-
digere Südseite des SUdflttgels ist in Fig.
1 und in Fig. 3 (in doppelt so grossem
Maassstab i dargestellt. Die beiden in den
Schrägseiten befindlichen Nistdien \o, o in
Fig. 1 und 3)*) hat man spater, al>cr noch
in romanischer Zeit, enger und niedriger
gestaltet und durch grosse Bögen verbunden,
welche einen Laufgang (ii in Fig. 1 und 3)
zu tragen bestimmt sind. Des letzteren wegen
sind im oberen (iesehoss die beiden schrägen ,
1) Als vor fast 10 Jahren bei der letzten Kc-
stauratinn diese Nischen vom Putz befreit waren,
vermochte ich leider keine Zeichnung des Mauer-
verbandes anzufertigen. Neben gewöhnlichem
Bruchstciiimatcrial ist bei den Pfeilerfüssen und
Kampfern Kalkstein, bei den Liseiien. Blendbogen
und Nisclienkuppeln Tuff verwendet Der letztere
begeht wohl aus Abbruchmalerial und konnte
vermuthlieh von ehemaligen Kömerbauten, d. h.
etwa von Köln oder dem nahe gelegenen Neuss,
leicht bezogen werden. - Die Richtigkeit der in
Fig. 2 angegebenen Höhenverhaltnissc des kleinen
Fensters vermag ich nicht zu verbürgen, da ich
sie zur Zeit nicht genau ausgemessen habe.
2) Die Nischen, bedeutend weiter als die-
jenigen der Langschifle, reichen bis zum Fuss-
boden. Dass dieser ursprünglich tiefer gelegen
habe, ist wohl anzunehmen. Ob die Karniesge-
Minse in der Kampferhöhe der Thüre ursprüng-
lich sind, konnte z. Z. nicht festgestellt werden.
>
'X\
Flg. L
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Die ältesten Bauthcile des Münsters zu Kssen.
91
Wandseiten nachträglich gerade gemacht, während sie oberhalb des
später eingefügten Gewölbes wieder in ursprünglicher Form hervor-
treten (bei dem Mancrabsatz nn Fig. 3). In den Schrägseiten waren
im olieren Geschoss (der mittlere Theil, wenigstens oberhalb der in die
Schatzkammer führenden Thltrc (mmm in Fig. 3), ist erneuert und
seine ehemalige Form nicht mehr genau festzustellen) ebenfalls zwei
grosse Nischen, deren Spuren (unter dem Putz) (hei W5 in Fig. 3)
noch erhalten sind. Dieselben hat man bei Anlage des Gewölbes
niedriger abgeschlossen und mit je einem Fenster (rr in Fig. 3)
versehen (wie solche auch wohl ursprünglich, doch entsprechend höher
vorhanden waren). Die Qnersehiffstlügel besassen al>er auch an ihren
westlichen Seiten oberhalb der Dächer der Seitenschiffe je ein Fen-
ster. Ueberrestc der letzteren sind noch über den zwischen Quer- und
Seitenschiffen befindlichen gothischen Gurtbögen erhalten (oberhalb
c in Fig. 1. Vgl. die Aufrisse Fig. 4 und 3 bei u). (Man hat
hier bei der gothischen Um-
gestaltung die oberen Maner-
theile des älteren Baues be-
stehen lassen, d. h. vor Ab-
bruch der unteren Theile ab-
gestutzt und mit gothischen
Bögen unterfangen.) Im
Nordfltlgel ist ebenfalls an
entsprechender Stelle der
obere Theil eines derartigen Fensters erhalten1). Hier an der nord-
westlichen Ecke des Querschiffes, dort, wo die westliche Mauer eines
gothischen Erweiterungsbaues (ehemaliger sog. Grätinnenehor) an-
setzt, ist noch ein Rundstabkämpfer *) mit Rogenansatz im Mauerwerk
erhalten, ans welchem erhellt, dass das Aeussere des oberen Geschosses
der Giebelwände des Querschiffs mit Blendbögen geziert war. Die
Höhe der ursprünglichen flachen Decke des Querschiffs ist auf der
1) Dass diese Fenster höher abschlössen als die Nischen bez. deren
ursprüngliche. Fenster in den Schrägseiten (vgl. vv u. m in Fig. Ii) ist
auffallend. Auch dürfte dieser Umstand unsere Verniuthung rechtfertigen,
dass spater (wohl um das Jahr 1000, vgl. „Westbau- S. 27) die Seiten-
schiffe mit Kmporen versehen, und infolge dessen jene Fenster in der
Westwand der ljuerschifle entsprechend höher gelegt worden sind.
2) Derselbe liegt ungefähr in der Scheitelhöhe des westlichen Fen-
sters des GrXttnnenchoros.
O. Human n:
Südseite noch oberhalb de« Gewölbes (bei zz in Fig. 3) deutlieh
erkennbar.
Die seitlichen Räume der ehemaligen westliehen Vorhalle
hatten zwei Geschosse bezw. waren von gleicher Höhe als ihr mitt-
lerer Theil. Es geht dies aus der Lage zweier Kapitale hervor,
welche in den westlichen, dem Mittelraum anschliessenden Ecken
jener Scitenräume sich befinden (Fig. 1 oberhalb e). Aus dem um-
gebenden Mauerwerk und ver-
schiedenen Umständen darf
mau sehliesscn, dass sieh jene
seitlichen Räume wahrschein-
lich ehemals zum mittleren
Theil in je zwei Uber einander
befindlichen Bögen geöffnet
haben, während die höher
liegenden Kapitale in den
Ecken befindliche Wandpfei-
ler bekrönt haben, welche
mit jenen Kapitalen wohl bis
zur flachen Decke reichten.
Eh ist auch dies ein ganz
ansscrgewöhnlicher Schmuck,
welcher die künstlerische Be-
deutung der alten Essener Ba-
silika noch mehr hervortreten
lässt. Das südliche, bis auf
seinen unteren Bundstal» et-
was verwitterte, dennoch am
besten erhaltene der Itciden
aus Kalkstein gebildeten Kapitäle ist in Fig. 5 skizzirt. Das ein-
fache korinthische Kapital zeigt eine Volute und darunter ein kleines
Blatt, dessen mittlerer Theil unter dem Blattüberfall ausgehöhlt ist.
Wie weit das Kapital (mit seinein Rundstab) ehemals seitwärts in
die Wund eingriff, ist aus Fig. 5 bezw. dem rauh gearbeiteten
Theil desselben zu ersehen. Ueber dem Kapitäl liegen zwei Platten
von rechteckigem Profil. Ein unter demselben ansetzender Wand-
pfeiler ist der Feberinauerung des hier befindlichen gothischen Ge-
wölbes wegen nicht erkennbar. Am nördlichen Kapitäl ist noch
ein über demselben befindlicher Bundstab erhalten. Einen Architrav
Fl«. B.
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Die Ältesten Bautheile de« Münsters zu Essen.
seheinen diese Kapitale nicht getragen zu haben, es sei denn, dass
derselbe aus Stuck (einem in damaliger Zeit nicht aussergewtthn-
liehen Material) vorgcblendct war.
Tin das Alter der beschriebenen Baut heile zu beurlheilen, ge-
nügt ein Blick auf den rekonstrnirten Grundriss ( „ Westbau" Fig. 1),
um nicht allein eine gewisse Uebereinstininiuiig der Raumanlagc
mit anderen karolingischcn Basiliken (namentlich der Einhardskirehc
z.u Steinbach-Michelstadt) als auch einen sclbststündigcn, in sieh ab-
geschlossenen Bau zu erkennen. Sein westlicher Theil (vgl. Fig. 1, a)
ist umso mehr als ursprünglicher Absehlnss d. h. als Vorhalle, nicht
als eiu westliches Quersehifl', zu dein der gegenwärtige Westchor mit
seinen seitlichen Eingangshallen als gleichzeitig errichteter Bau ge-
kürt habe, zu betrachten, als diese letztgenannten Theile in Bezug
auf Formcharakter, Reichthum und Komposition sich als Ilinznfügung
ergeben. Anderenfalls wttrdc auch der hier als ursprüngliche west-
liche Vorhalle angenommene Theil nicht allein in der Lüngeu-, son-
dern auch in der Querachse der Kirche ausgedehnter, d. h. ebenso
wie das östliche QuersehifT auch nach aussen mit einem
Vorsprunge vor den Seitenschiffen angelegt worden
sein, wflhrcnd in Wirklichkeit der jetzige West bau vor-
springt, und zwar, was ebenso beachtenswerth ist, nicht
auf jeder Seite in ganz gleichem Maasse („Wcstban"
Fig. •». Tafel II). Auch bei einer gleichzeitigen Anlage der
genannten Bantheile dürfte die Lage der ganzen Kirche
wohl etwas anders bestimmt worden sein, so dass der westliche
Abschluss nicht so tief, d. h. mit acht Stufen in das (nach Westen
ansteigende) Erdreich eingeschnitten hältte. Ferner würde man den
(•lockenthurm wohl über dem westlichen Querschiff, nicht über dem
Chor angelegt haben l). Von Wichtigkeit zur Beurtheiluug dieser
1) Dil*, erste. Essener Basilika .scheint noch keinen Thurm (oder nur
«■inen Dachreiter, oder einen neben der Kirche befindlichen Thun») ge-
habt zu haben. In Gandersheim wird von der Weihe eine« Thumies erat
ca. T>0 Jahre nach dem Tode Altfrids berichtet. Die Steinkirche v.n Hcr/teld
au der Lippe aus der ersten Hallte des !». Jahrhs. war indes* schon mit
einem Thurm versehen (Nordhoff, Holz- und Sleinban Westfalens 2. A.,
S. 341). In Frankreich kamen Thürme, ja Vierungsthüruie schon ver-
einzelt mehrere Jahrhunderte früher vor (siehe Qu ich erat, Restitution
de la basiliqne de S. Martin de Tours in Revue nrchcolofjique 18(59,
S. 405, 40fi).
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94
G. Ilumaiin:
Frage sind endlich jene oben beschriebenen Kapitale (Fig. 5), weniger
hinsichtlich ihrer Form, welche in ähnlicher Weise nicht am West hau
vorkommt, als in Rücksicht auf ihre Lage. Sie befinden sich näm-
lich ungefähr 1,40 in unterhalb der Schwelle der vom Westbau
auf den Kirchenhoden führenden Thflre, liegen
also zu tief für eine mit dem Westbau gleich-
zeitige Balkenlage, zu hoch für (selbst ziemlich . J '§y~~%
stark gedrückte) Rundbögen. Auch würden solche ] i -t*$^J
jedenfalls um etwa 3,6t) m tiefer, il. h. in glei- ^ fjS^'
eher Kämpferhöhe angelegt worden sein, wie -/
der den Westchor vom Mittelschiff trennende
Bogen. Der Westchor mit seinen seitlichen Ein-
gangshallen ist also ohne jeden Zweifel nicht gleichzeitig mit den
nischeugezierten Langwieden und dem östlichen Querschiff (s. Ornnd-
riss Fig. lj. Da« letztere sehloss ehemals in derselben Höhe ab
wie das ursprüngliche Mittelschiff und die älteste westliehe Vorhalle
mit den oben besprochenen Pfcilcrkapitälcn.
Es fragt sich nun, ob diese Thcile, wenn man die Entstehung
des Westchores um das Jahr 1000 annimmt („Westbau" S. 30 ff.),
nach dem Brande von 944 bez. 946 („Westbau" S. 30) entstanden
seien, oder ob sie vom Stiftungsbau d. h. aus der zweiten Hälfte
des 9. Jahrhunderts herrühren. Wenn wir uns für das Letztere ent-
schieden haben, so geschah dies unter Erwägungen, welche hier ein-
gehender auseinander gesetzt werden sollen, als dies bisher geschehen
ist, um dann ihre Berechtigung dein Urtheile der Leser zu überlassen.
Das Frauenkloster und die erste Kirche zu Essen wurde naeh
der Stiftungsurkunde1) vom Bisehof Altfrid*) von Hildesheim erbaut.
Dieser Bischof wird nicht allein seiner Tugenden wegen als Hei-
1) Veröffentlicht von Uacomhlct, Urkundenbuch I, 69 und Funke,
Gesch. der Stadt. Kssen, 1K48, S. 24.1. Das Original wurde (wie Lacom-
blct a.a.O. vermuthet) wahrscheinlich, ebenso wie andere Urkunden dcR
Stifts (doch nicht alle) bei dem Brande (von 944 oder 46) vernichtet oder
beschädigt, so dass eine neue Urkunde angefertigt worden ist, der man
das echte Bleisiegel Altfrids beigelegt hat. Nach Dumm ler (Gesch. des
ostt'rHnkiHche.n Reichs 1,807) ist diu Stiftungsurkunde eine echte aber stark
überarbeitete Vorlage, da die Stiftung durch Altfrid nach Urkunden vom
Jahre 917 (Lac om biet 1, 51) feststeht.
2) Sein Name wird in den ältesten Urkunden meistens Altfridus ge-
schrieben. So in den Urkunden des 10. Jahrhunderts bei Lac n in biet
a. a. O. Nr. 69, 97, 99, bei Kcgino, iiinemar, Annalista Saxo, in dun Ann.
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Die Hltesten Bautheile des Münsters zu Essen.
95
liger verehrt, sondern ist auch als ein sehr einflussrcieher, unter-
nehmender und kunstliebender Mann zu bezeichnen.
Wie es scheint, in Essen geboren1), erhielt der h. Altfrid seine
Bildung wahrscheinlich in dem seiner Wissenschaft und Kirnst pflege
wegen herühmten Kloster Corvey und vielleicht auch in Fulda unter
Hrabanns Maurus8). Seine hervorragenden Geistesgaben werden von
Hinkmar von Rheims, einem der bedeutendsten und gelehrtesten
Bisehöfe seiner Zeit (Kraus, Kirchengesch. 3 A. § 80, 2) und
Regino vou Prüm an mehreren Stellen ausdrücklich hervorgehoben 3).
Fuld. und der vita S. Bernwardi. In den Ann. Hild. steht Alfridus. Kr
seihst hat indess eine (noch erhaltene, die Besitzung der Mönche von S. Ger-
inain betr.) Urkunde Altfredus unterzeichnet (Facs. bei Mabillon, de ro
dipl. 459), wahrend das soeben erwähnte Bleisiegel die Schreibweise Ald-
fridus (Abb. bei Lacomblet a. a. f). Taf. 4) und ein anderes Siegel
(Abb. bei Harenberg Hist. Gandersh. ecelesiae Taf. 16, Fig. I) Altfridus,
also die gewöhnliche Schreibweise zeigt. Das letztere könnte den Cha-
rakteren der Aufschrift zufolge wohl aus Alttrids Zeit stammen. Doch
beweist die Form der Mitra des den h. Altfrid darstellenden Brustbildes,
dnss das Siegel in einem späteren Jahrhundert angefertigt worden ist.
1) Denn er gründete das Kloster auf seinem Gute zu Essen und
liegt dort, nicht iu seinem Bischofssitz Hildesheim begraben. Die erste
Aebtissin Gerswida soll nach den Essener Aebtissinnen-Catalogen (Seemann,
Die Aebtissinuen von Essen 83, S. 1 und 25) seine Schwester gewesen sein.
Dies ist um so wahrscheinlicher, als in einer im Anfang dieses Jahrhunderts
in der Qnintinskapelle zu Essen (s. w. unten) noch vorhandenen Grab-
schrift eine „Gerswina" als Gründerin des Klosters genannt ist („Prima
luoiiasterium fundaus erexerat istud." Lüntzel, Gesch. der Diöz. Hildes-
heim 1858). Gerswinda ist also, wenn nicht als alleinige Gründerin (da
die Gründung durch Altfrid urkundlich hinlänglich bezeugt ist, z. B. bei
Lacomblet a. a. O. 97, 99), so doch als Mitbegründeriii zu betrachten.
Sie würde aber wohl nicht diese Rolle gespielt haben, wenn sie nicht in
einem näheren venvandtachaftlichen Verhältnisse zu Altfrid gestanden hiitte.
(Nach der Hild. Chronik, u. a. bei Leibuiz, Scr. rcrutn brunsvieensium
I, p. 743 gründete Altfrid das Kloster auf seinem eigenen Besitzthunie.
S. w. unten.)
2) Der Aufenthalt Altfrids in der Klosterschulc zu Corvey wird meines
Wissens direkt nur von jüngeren Chronisten bezeugt, das» er in Fulda
gewesen sei, nur von T r i t e n h e i in angenommen.
3) Der Letztere nennt ihn prudentissimum viruni, der Erstere be-
richtet von ihm: „ut saxo genere ac per hoc naturalis prudentinc sunt im
ine paratior in sennone- und an einer anderen Stelle: <|uadam die accer-
sito Altfrido vcueraudo episc. apud exiguitatem meaiu — de quibusdam
sacrae scripturae — difficilioribus sententii* subtiliter investigare coepistis —
(D ü in m 1 e r a. a. 0. I, 207, 554, 865).
O. Hamann:
Seine bischöfliche Wirksamkeit in Hildesheim Iteginnt iin Jahre 847
oder wahrscheinlicher erst im Jahre 851. Aber nicht allein auf
seinen Sprengel beschränkte sich seine Thätigkeit, er griff auch
vielfach in «las damalige politische Leben ein. Ja er erseheint so-
gar als der ständige und vertraute Ratligeber Ludwig des Deut-
schen, von dem er sehr häufig zu den schwierigsten politischen
Missionen verwendet worden ist. Auf solchen Reisen sehen wir
Altfrid u. a. im Gau von Toni, zu Pistres, Mainz, Maestrieht, Kob-
lenz und Aachen1). Seine Künstliche und seinen ausseigewöhnlichen
Unternehmungsgeist zeigte er au einer ganzen Reihe bedeutender
Rauten, welche von ihm begonnen und grösstenteils auch vollendet
worden sind. In seiner Bischofsstadt legte er im Jahre 852 in der
Nähe eines älteren, wahrscheinlich aus Holz erbauten Domes den
Grund zu einer Kirche, indem er die von Ludwig d. Fr. herrührende
Kapelle für seinen Hau verwendete, d. h. zur sog. Krypta um-
gestaltete *) und, wie es scheint, noch eine zweite westliche Krypta
hinzufugte. Dieser von Altfrid mit aller Zier5) ausgestattete, im
Jahre 872 geweihte1) Bau war nicht aus Holz, sondern aus Stein
hergestellt. Denn der sächsische Annalist bemerkt wörtlich : ecelesiam
tarn honesti, quam firmi sed arti edificii constrnxit 5) und zum
Jahre 1044, dass das Hauptiuünstcr Altfrids und eine zweite auf
dessen Südseite gelegene Kirche mit den Klostergcbäuden abgebrannt
»ei, bemerkt aber gleichzeitig, dass, um eine ueue grössere Kirche
aufzuführen, vorher die Mauern des Altfridischen Domes vom
Rischof Azelin niedergerissen seien B). Auch diese Bemerkung
lässt auf eine feste Steinkirehc schlicssen.
Ks wurde jedoch jener Neubau, weil er, allzu gross ungelegt,
nicht zur Vollendung gebracht werden konnte, wieder abgebrochen
und vom Nachfolger Azclins, dem Bischöfe Hezilo, auf den Funda-
menten des Altfridischen Dotues weiter gebaut7). Da in späterer
Zeit, wie es scheint, keine wesentliche Umgestaltung der Kirche
1) I) ii in in 1 c r, ficsch. «I. nstfriinkihclicn Hcii-hs 1, 435, 4N.'l, 552,
554, 730. 7:j-_> 770.
2) Clirnn. Wild, bei L c i b n i z a. a. O.
3) Vita R. Hernwurdi M. O. SR. IV f. 12.
4) Annalos Hild. M. G. RS. IH ad nnn. 872.
5) Annalista Saxrt M. G. SS. VI, )>. 57«.
6> Ann. Saxo a. a. O.
7) Mitliofr, Kunstd. nnd Altcrtliümer im Hannoverschen Bd. III,
8. 9« f. Ot t «, Gesch. d. d. Hauk. R. 101.
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Die ältesten Bautheilc de« Münsters zu Essen. 97
(von den seitlichen Kapellen abgesehen) stattgefunden hat, so dürfte
der Gnmdriss des jetzigen Bauen ') wohl noeli einen (ohne nähere
Untersuchung natürlich keinen zuverlässigen) Anhalt zur Bcurtheilmig
des Altfridischen Domes bieten. Demnach wäre, selbst wenn später
das Langsehiff nach Westen, das Querschiff nach Süden und Norden
wesentlich erweitert sein sollte, der Altfridische Hau durchaus nicht
so „eng" gewesen, als man nach der oben angeführten Bemerkung
des Sächsischen Annalisten annehmen möchte. (Sollte die Hildes-
heimer Basilika eine etwas andere Grundform gehabt haben als
die Essener, so dürfte daraus noch nicht gerade auf verschiedene
Bauherrn bez. Krlinuuugs/.citcii geschlossen werden. Vgl. „Westbau"
S. 33, Anm. 8.)
Unter Altfrid ist auch das Kloster Lammspringe erbaut wor-
den *). Hervorragenden Anthc.il nahm er aber an der Gründung
des berühmten Frauenklosters Gandersheim. Nachdem der Sachsen-
herzog Liudolf und seine Gemahlin Oda auf seinen Rath nach Rom
gereist waren, um vom Papste Reliquien für das zunächst in Bruns-
hausen errichtete Kloster zu erbitten3), erbaute Altfried vier Jahre
darauf an dein geeigneteren Orte Gandersheim eine neue grössere
Klosterkirche, welche von Hrotsuitha an mehreren Stellen ausdrück-
lich als ein hervorragender Bau aus Stein geschildert, wird *). Die
Kirche wurde vom Nachfolger Altfrids bis zum Dachstuhle gefördert
und vom Bischof Wigbert im Jahre 881 geweiht ''). Die ausgedehnte
Westempore der in Gandersheim noch erhaltenen Kirche nebst den
Thürmen stammt offenbar nicht ans Altfrids Zeit ,!). Ob aber der
Grundriss der drei Langschiffe und des östlichen Querschiffs (ohne.
Chor) auf jene Zeit zurückgeführt werden dürfte, ist schwer fest-
zustellen. Das Mittelschiff ist von annähernd gleichen Verhältnissen,
die von diesem durch wechselnde Säulen und Pfeiler getrennten
Seitenschiffe sind indess schmaler, die Querschiffsflügel etwas weiter
1) Ahl», hei Mithoff a. a. <). Taf. I. Dehio und v. Bezold,
Die kirchl. Bank. d. Abendlandes, Tnf. 17.
2» Chrnn. Hild. n. n. O. Ks sind in Lnnnnspringe meines Winsens
keine ans frühester Zeit staiiitiiemle Oebiinde mehr vorhanden.
3) Vita Bemwardi a. a. O. c. 12. Vita S. Godehard! c. 19.
4) De priniordiis coen. Oand. SS. IV, 30»> ff.
5) Vita Be.row. a. a. (). Vgl. Harenberg, Hist. ecel. «and. 1734 S. 39.
Ii) Abbildungen in Mittelalterlichen Baudenkmälern Niedersacliaens.
Heft 16.
Jahrb. d. Vor. v. AUcrtliutmfr. im Rheiiil. XCIH. 7
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0. llumann:
ausladend als jene Ihtutheilc in Essen. Auch fehlt dort heim Quer-
schift' der dreiseitige Schluss an den Oiebclwänden sowie jede Art
Xischenhildung '). Endlich gründete Altfrid auf seinen Besitz-
thflmcrn*) die Klöster Seligenstadt für Mönche und Essen für Jung-
frauen. Während Uber da* Kloster Seligenstadt nichts weiter be-
kannt ist s), gelangte die Essener Stiftung bald zu hohem Ansehen.
In der oben erwähnten Stiftimgsurkunde heisst es, dass Altfrid auf
seinem (tute */.u Essen ans Dank gegen Gott, dass er Um unter die
Kiivhcnfflrsten gesetzt, ein Kloster und eine Kirche erbaut habe,
und das* diese Urkunde vom Stifter auf dem bei der Weibe des
Kölner Domes im Jahre 87:$ unter dem Vorsitze des Erzbischofs
Willibert stattgehabten Concil in Gegenwart der Bischöfe von Mainz,
Trier, Minden, Münster, Paderborn, Osnabrück, Verden, Halherstndt
und Utrecht feierlichst verlesen sei. Währemi somit die Gebäude
wohl erst kurze Zeit vor 873 vollendet zu sein scheinen, bestand
die Stiftung, wie aus anderen Urkunden hervorgeht, schon längere
Zeit, mindestens innerhalb der Jahre 8f>8 — 68 4). Schon vor dem
Jahre 863 waren dein Kloster, und zwar vom Erzhischof Günther von
Köln, die Zehnten der sehr ausgedehnten Ländereien von der Ruhr
bis zur Emseher, von der Leithe bis Lippern und Lierich mit Aus-
nahme von Kellinghausen verliehen worden r'}. Die Karolinger Lud-
wig der Deutsche (f 87«), Karl der Kahle (f 877) und Lothar II,
(t 869) sowie der Liudoltinger Otto der Erlauchte. <f 912) hatten
mehrere Höfe (im ganzen 7) geschenkt*). Da die erstgenannte
Schenkung und jedenfalls auch zum Theil die der Höfe vor Vollendung
der Essener Kirche gemacht worden sind, so scheint es an reichen
1) Nach Ku >rler soll indess der Chorbau alter sein nls Quer- und
Langscliiff. S. O 1 1 e, Gesch. d. d. Bauk S. 167.
2) „CurtcM suae proprietatis.* Chron. Ilild. bei l.eibniz a. a. O.
8) Nicht einmal int bis jetzt meines Wissens mit Sicherheit fest-
gestellt worden, wo dies Seligenstadt gelegen war. |< >b es mit jenem
Seligenstadt identisch ist, wo schon von Kar! dein Gr. im Jahre 7H1 ein
Kloster errichtet worden war? Der h. llildegrim, dort zum Bisehof er-
nannt, verlegte schon in demselben Jahre den Bischofssitz nach Halber-
stadt.) Ann. Saxo SS. VI ad ann. 781.
4) Mülle n ho ff u. Sc her er, Denkni. deutsch. Poesien. Prosa. S. M:J.
f>) Lacomblet a. a. (). Nr. !»7. Funke a. a. 0. S. '247. Jenes Ge-
biet entspricht ungefähr dein jetzigen Kreise Kssen, mit Ausschluss der
ehemaligen Stifter Kellinghausen und Werden.
Gl Lacomblet a. a. <>. Nr. «J7 und 'M. Funke S. 217 und 249.
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Die ältesten Rautheilc dos Münsters zu Essen.
98
Mitteln zur Errichtung eines bedeutenden Baue« nicht gefehlt zu
haben. Die lange Bauzeit und die grosse Bedeutung, welche Alt-
frid, wie au« mehreren der angegebenen Umstände hervorgeht, dieser
seiner Klosterstiftung beigelegt hat, lässt denn wohl ilarauf schlicssen,
da«* die Kirche ebenso . wie der Hildesheimer Dom und die Basilika
von Gandersheim aus Stein hergestellt worden ist. Auch der Um-
stand, dass, wie es scheint, erst eine kleinere provisorische Kirche
in Essen bestanden hat, lässt auf einen nachfolgenden bedeutenderen
Bau schlicssen. Die im Jahre 1817 abgebrochene kleine Quintius-
kirche, in welcher die oben genannte Inschrift der Aebtissin fiers-
wida sieh befand, wird nämlich nach der l'eberlieferung als die
erste, von Altfrid erbaute Kirche bezeichnet. Dass diese Kapelle
nicht (wie Funke a. a. O. S. 2f> und HH anzunehmen scheint)
derjenige Bau gewesen sei, auf welchen sich die erwähnte Stif-
tungsurkunde bezieht, lehrt ein Blick auf den Grnndriss dieses
nach Grösse und Gestaltung sehr unbedeutenden
Ü Baues, welcher in nebenstehender Fig. 0 nach einer
im Essener Stiftsarchiv erhaltenen, vom verstorbe-
nen Baumeister Freise im Jahre 1H17 angefertigten
Aufnahme gezeichnet ist. Dieser Bau mit seinem
in die Breite gestreckten Schiff, seinem verbältniss-
mässig langen und sehr schmalen Chor zeigt (vor-
Fig 6 ausgesetzt, dass die Aufnahme eine zuverlässige ge-
wesen ist) eine ganz anssergewöhnliche Form! Sollte,
diese Kapelle ohne spätere Umgestaltung in der That von Altfrid
herrühren, so könnte dieselbe doch wohl nur provisorisch von ein-
heimischen, im Steinbau noch ungeübten Bauleuten hergestellt worden
sein, welche die damals, wenigstens für Steinkirchen üblichen Formen
noch nicht kannten bezw. beherrschten. Den Chor würde man, auch
hier jene Erbaunngszeit vorausgesetzt, wohl nur deshalb von aussen
und innen dreiseitig gestaltet haben, weil ein solcher viel einfacher
und bequemer auszuführen ist als eine runde, namentlich mit einem
Gewölbe versehene Apsis. Vielleicht stammt aber nur ein Theil
des Schiffes von Altfrid, obwohl die Form der Laibung des west-
lichen Fensters (die Richtigkeit der Aufnahme vorausgesetzt) mit
derjenigen der Laibungen der Chorfenster übereinstimmt. Die im
Grundriss eingezeichnete Treppe deutet auf eine Holzempore.
Auf seinen häufigen und ausgedehnten Reisen wird es Altfrid
in künstlerischer Hinsicht an Anregung und Vorbildern nicht gefehlt
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100
G. II um min:
haben ') und hei »einen vielfachen Beziehungen, insbesondere wahr-
scheinlich auch zu Corvey, wo die Kunst eine liesondcrc Pflege
fand*), »«wie seineu Verbindungen mit den karolingischen Herr-
schern wird es ihm leicht gewesen nein, sich einen hervorragenden
Baumeister zu verschaffen.
Tu künstlerischer Hinsieht braucht man wohl kaum Bedenken zu
hegen, jener Zeit ein Werk wie die Essener Basilika zuzuschreiben.
Hatte doch die karolingische Kunst in der 2. Hälfte des 9. Jahrhun-
derts in vieler Hinsicht ihren Höhepunkt erreicht. Die Handschriften,
welche fflr Ludwig den Deutschen und besonders für Karl den
Kahlen und Karl den Dicken angefertigt worden sind, zeichnen
sich durch ihre figürlichen Darstellungen und die Pracht ihrer Or-
namente aus. Auf welch lumer Stufe die Plastik stand, beweisen
die Klfenbeindeckel des Psalter» Karls d. K. in der Xational-Biblio-
thek zu Pari» und die herrlichen Ornamente auf dem von Timtilo
(vielleicht erst im Anfange des 10. Jahrhunderts) angefertigten
Deckel des „langen'' Evaiigelieiibuchcs zu St. Gallen. Ks ist nun
wohl nicht anzunehmen, dass damals alle Leistungen auf dem Ge-
biete der Baukunst viel geringer gewesen seien, wenn auch die
damaligen Zeitverhaltuis.se grösseren Banschöpfungen nicht geraile
günstig waren. Was die alteren in Frankreich erhaltenen Bauwerke
betrifft, so stammt der Centraibau zu Germigny inschriftlich aus
1) Als man im Jahre 8(»0 in dem Stroit zwischen Ludwig d. D., Karl
d. I)., Karl d. K. und Lothar Tl. eine Einigung- erzielte, wurde, der betr.
Vertrag in der Castor-Kirche zu Koblenz beschworen (Dum ml er a.a.O.
I, S. 4Xt). Nach Dehio nud v. üczold (a. a. (>. S. li>5| stammen die
Langmauern und da* (JuerschifT der Oasterkirohc wahrscheinlich von dem
83(5 geweihten Stiftungsbau. Kbcnsn wie in Koblenz sind in Essen die
Scitenwünde mit Nischen versehen. Sollte Altfrid, welcher bei jenem Ver-
tragsabschluss zugegen war (nach Eckhardt, Commentarii de rebus •
Franciae Orientalis 17*>, II, S. 47t5i, vielleicht dort Anregung gefunden
haben, die I^angwllnde seiner Kasilika ebenfalls mit dein an dieser Stelle
ausscrgewülmlichen Schmuck zu versehen? Die Hache Form der Kob-
lenzer Nischen führen Dehio-Bezold auf den Eintluss von Aachen zu-
rück. In Essen ist die gewöhnliche halbkreisrunde Form gewühlt, welche,
aus der römischen Baukunst entlehnt, bei manchem jüngeren Bau eben-
falls in ausgedehnterem Maasse verwendet worden ist (Werden, Helmstedt,
Itegensburg). Zwischen diesen Werken und der römischen Kunst würde
somit die Essener Basilika ein Verbindungsglied bilden.
2) S. B. Nord ho ff, Die westfälisch-sächsische Früharcl.itektur in
Corvey. Repertorium f. Ii. W. XI, S. 14'J ff.
Die ftltcsten Bautheile des Münsters zu Essen.
101
dein Anfange des 9. Jahrhundert* ')- Andere Rauten au» karolingi-
scher Zeit sind freilich dort bis jetzt nicht mit .Sicherheit nach-
gewiesen *). Die Kirche Basse - Oeuvre zu Beauvais soll nach
Giemen8) in die fr ü h karolingische Zeit, nach Rame4) in die
2. Hälfte de» 10. Jahrhunderts*, die Kirche S. Martin zn Angers
ebenfalls nach Raine5) in den Anfang des 11. Jahrhunderts ge-
hören. In Deutschland wurde indess (von den oben genannten
Werken zu llildejdicini und Gandersheim abgesehen) in fraglicher
Zeit d. h. in der 2. Hälfte de« 9. Jahrhundert», zn Köln der groß-
artige Hildeboldsche Dom vollendet und 873 geweiht s). In Corvey
legte Abt Adelgar 883—885 den Grund zu den neuen Thürmen,
welche nach 12 Jahren geweiht wurden7). Ludwig der Jüngere
vollendete zwischen 876 und 882 zu Lorsch eine Kirche, welche
durch ihre Benennung „eeelesia varia" als ein außergewöhnliches,
auffallendes Werk bezeichnet wird"). Im Jahre 875 wird die in
unmittelbarer Nähe Essens gelegene Abteikirehc zu Werden vom
Kölner Erzbischof in Gegenwart des Bisehofs von Halberstadt ge-
weiht und *S7T dort von demselben Erzbischof zum Bau eines Thnrmes
aufgefordert8). Bei diesem Stande der Kunst dürfte man daher
wohl annehmen, dnss Altfrid als sehr unternehmender und knnst-
1) Parker, Remnrks on xome early churehes in France and Switzer-
land (Arehacologia XXXVIII).
2^ Kr ine-, Bulletin du eomite des travaux bist, et seientif. 1882,
No. 2, S. 185 ff.
3) Der karolingische Kaiscrpalast zu Ingelheim in der Westdeutschen
Zcitschr. für Gesch. und Kunst XI, Hell I, S. 74.
4 t Ha nie a. a. (). S. IM.
5) Rainö a. a. O. R. 188.
«) Essen wein, Handbuch der Architektur, heraus};, von Dürrn etc.
II. AbV, III. Bd. 134.
7) Nord hoff, Holz- und Steinbau S. 348.
8) Nach Kssenwein a. a. (). und den eingehenden Untersuchungen
von Adamy (.Die 1'rHnkisclic Thorhalle zu Lorsch"'. Mit Farbendr.,
5 Tafeln und (i4 Abb. im Text. Dariastadt 1891) soll die in Lorsch noch
vorhandene, bisher ineist in die oben angegebene Zeit versetzte, in zwei-
farbigen Steinen erbaute prachtvolle Thorhalle zu den dort zwischen
766—74 errichteten Bauten gehört haben. Alsdann wHre aber wohl der
Ausdruck „inannichfaltig* (ecclesia varia) nicht in Bezug auf die Farbe
(„bunte Kirche4-!, als auf die Form des von Ludwig errichteten Gebäudes
oder, wie Essen wein (a.a.O.) wohl richtiger ineint, nur auf eine innere
farbige Ausschmückung der Kirche zu bezichen.
9) Nordhoff, Holz- und Steinbau S. 349.
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102
Ct. II u in a n n:
liebender Bisehof, welcher sowohl mit den damaligen karnlingischcn
Herrschern als auch wohl mit hervorragenden klösterlichen Kunst-
stätten, wahrscheinlich besonders mit Corvey, einer der bedeutendsten
Ptlegestätten der Kunst 1 1, in Verbindung stand, <He auf seiner Be-
sitzung aus Dank freien ( Jott errichtete Kirche als einen monumentalen
Hau und mit den Mitteln damaliger Zeit möglichst schön gestaltet habe.
Die Essener Basilika scheint Uber ein halbes Jahrhundert unver-
sehrt bestanden zu haben. Dass die Normannen, welche in jener Zeit
so häutig die Kulturstätten der fränkischen Reiche verwüsteten, auch
Essen berührt haben, ist nicht bekannt. Sollten sie aber auch
hierher vorgedrungen sein, so würde eine vollständige Vernichtung
der Altfridisehen Basilika, vorausgesetzt, das* es ein Steinbau ge-
wesen sei, noch gerade nicht mit Sicherheit anzunehmen sein. Ist
ja auch die Pfalzkirche zu Aachen (welche von den Nonnannen als
Pferdestall benutzt worden war) bei ihrem Fortzuge höchst wahr-
scheinlich nicht vernichtet worden, während die übrigen (iebände
der Pfalz, wie es scheint, gänzlich zerstört worden sind"). Von den
906 u. a. nach Her/fehl an der Lippe vorgedrungenen Ungarn wird
ausdrücklich berichtet, dass sie die dortige Steinkirche trotz aller
Bemühungen nicht zu zerstören vermocht haben s). In Essen wird
von einem Brand erst um das Jahr 944 oder 4(i berichtet ') und im
Jahre 947 bestätigt Otto d. (ir. und Papst Agapitus die früheren
Schenkungen mit der Angabe, dass die betr. älteren Urkunden
wahrscheinlich einschliesslich der Stiftnngsurkunde:') bei dem ge-
nannten Brande vom Feuer vernichtet worden seien"). Da man
damals derartige Dokumente in (oder in nächster Nähe) der Kirchen
aufzubewahren pflegte, so scheint auch ans dem letztgenannten Um-
stände hervorzugehen, dass die Basilika bis zn dem genannten Jahre
von keinem grösseren Brande betroffen worden ist.
11 Vgl. Nord hoff, Kcpert. f. KuiiKt- und Wissenst-h. a. a. O.
•2) Annale* Fuld. a. SSI. Ks iM freilich schon, aber wohl mit Unrecht,
angenommen worden, dass der ^ranze Aachener Bau nicht bis au! Karl d. Gr.
zurückzuführen d. Ii. des letzteren I'falzkapt-Ile von den Normannen tfMnz-
lich zerstört sei. Vjrl. über diese Annahme: Käme a. a. (>. S. 197 und
Plath, Die Könifrspfalzen der Merowinger und Karolinger" S. 18. Inaug.-
Diss. Berlin 1*92.
3) Nord hoff, Holz- und Sieinbau S. 341.
4) „Astuidc lastrude) crematur.* Ann. Colon. M. Ct. SS. I, 98, XVI, 73t.
b) Lac oinblet a. a. (>. S. 34, Anmerkung.
G) Lacomblet a. a. 0. S. 97, 99. Funke S. 247, 249.
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Die Ältesten Bautheilc de« Münsters zu Ksscu.
103
Es wäre also wohl mir zu erwägen, oh der Bau, dessen Ueher-
reste hier besprochen werden, der Stiftungszeit oder der Zeit nach
jenem Brande angehöre V Obwohl wir das letztere für möglich halten,
so erscheint es uns aus den verschiedenen oben angeführten Grün-
den berechtigter, jene Bautbeile dem Stiftungsbau zuzuschreiben
und nach dem Brande nur eine Wiederherstellung der beschädigten
Thcilc anzunehmen. Namentlich mnss man voraussetzen, dass von
Altfiids Bau, wenn er, wie höchst wahrscheinlich, ein Steinban ge-
wesen ist, doch nur das Dach mit der flachen Decke abgebrannt,
das Ucbrige nur melir oder weniger beschädigt worden sei.
Auch aus der Essener Geschichte spricht kein Unistand gegen
unsere Annahme. Ausser den S. 98 genannten, grösstenteils vor Vollen-
dung der Kirche dem Stift gemachten Schenkungen wird vom Jahre 898
berichtet, dass König Zwentihold von Lothringen mehrere Höfe ge-
schenkt halie"). Im Frühling 927 weilte König Heinrich I. in
Westfalen (wo die Liudolfinger begütert waren). „In Essen crtheilte
er am 18. Mär/, auf Verwenden der Königin Mathilde, die ihn be-
gleitet zu hatau scheint, und des Bischofs Unwan von Paderborn
dem Kloster Herford, dessen Privilegien bei dem Einfall der Heiden,
d. b. ohne Zweifel der Ungarn, zerstört waren, eine Urkunde zur
Sicherung seines ganzen Besitzes. Auch Essen erhielt wahrscheinlich
damals die Bestätigung einer Schenkung Herzog Ottos" *). Zur Zeit
des genannten Brandes regierte in Essen eine Aebtissin Hathuwig*).
Otto I. bestätigte ihr im Jahre 947 auf ihren Wunsch die „von
seinen Vorgängern'' dem Stift verliehene Immunität sowie alle
früheren Schenkungen1). Ausserdem verlieh er ihr in derselben Ur-
kunde die dem Stift vorher nicht zustehende freie Wahl des Vogtes.
In «lern gleichen Jahre bestätigte auch Papst Agapitus der Aebtissin
die älteren Hechte sowie die ausschliessliche Abhängigkeit von der
päpstlichen Jurisdiktion5). Dass Kaiser und Papst die Rechte und
Besitzungen des Klöstern, von denen die betr. Urkunden zu Grunde
gegangen waren, bestätigten, war wohl selbstverständlich und wenn
1) Lacoinblet a. n. (). 81. Funke a. a. O. S. 37 und 246.
2) Waitz, Jahrb. d. deutschen Reichs unter Heinrieh I., 3. Auti.,
8T>, S. 116. (Es ist hier die bereits oben, S. 98, erwähnte Schenkung
Ottos de« Erlauchten gemeint).
3) Vgl. Seemann, Die Aebtiwsinnen von Essen S. 28.
4t Lacomblet a. a. O. 97. Funke a. a. O. S. 247.
5) Lacomblet a. a. O. 99. Funke a. a. 0. S. 249.
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104
G. Hu mann:
Otto dem Stift damals die Vogteiwahl verleiht und, aber erst ca.
20 Jahre später d. h. im Jahre 966 ') dem Kloster den in der Nähe
Essens gelegenen Hof Ehreiizell schenkt, so kann diesen Umständen
im Vergleich mit den oben angegebenen reichen »Schenkungen nnd
Verleihungen aus der Zeit der Stiftung nicht allzugrosse Bedeutung
beigelegt werden. Sic deuten noch nicht auf eine ausscrgcwöhnliche
Fürsorge Ottos und einen besonderen Aufschwung des Stiftes, wel-
cher etwa mit grösseren Neubauten verbunden gewesen wäre. Wur-
den ja bekanntlich von Seiten der sächsischen Kaiser und den da-
maligen Grossen des Reiches auch viele andere geistliche Stiftungen
begünstigt, ja die Freigebigkeit gegen die Kirche war niemals in
ausgedehnterem Masse geübt worden als von Otto I. und seinen
Nachfolgern bis zu Heinrieh II. (einschliesslich).
Als die Basilika später nach Westen erweitert wurde, scheint
man, wie ans dem Bestand der oben besprochenen Kapitale nnd
deren Lage erhellt, die ehemalige Vorhalle nicht abgebrochen, son-
dern zum westlichen Quersehiff umgestaltet zu haben. Hätte ja
eine Entfernung dieses Theils keinen Zweck gehabt, insliesonderc
die malerische Gesaimnt wirkung des Aeusseren beeinträchtigt.
Wie die besprochene Basilika zu den merkwürdigsten Bauten
ihrer Zeit gehört, so kann ein Gleiches auch vom Essener West bau
behauptet werden. Die Gründe, welche dies Werk als durchaus
eigenartig und unabhängig von der Aachener l'falzkirchc erscheinen
lassen, mögen hier nochmals kurz zusanmiengefasst werden.
Kein umfangreiches Bauwerk ist bekanntlich in allen Theilen
eigenartig, sondern im Wesentlichen eine Komposition schon vorher
bekannter Elemente, sei es in Bezug auf Kaunianlage, Konstruktion
oder Einzelgliedcrnngen nnd Ornanientsehmuck. Eine nähere Ver-
wandtschaft ist doch wohl nur dann vorhanden, wenn derartige
Uchcreinstimmungen entweder in außergewöhnlichem Maasse, oder
dort auftreten, wo andere abweichende Bildungen viel zweckmässiger
gewesen wären. Keines von beiden kann aber wohl bei näherem
Vergleich zwischen dem Essener und Aachener Bauwerk behauptet
werden. Es ergeben sich (wie „Westbau*4 S. 36 ff. ausführlich aus-
einandergesetzt ist) sehr viele durchschlagende Unterschiede nnd
das, was beim Essener Bau mit dem Aachener übereinstimmt, vor Allem
auch die vielseitige Form des Chores mit seinen doppelten Säulen-
1) Lacomblet a. n. 0. 109. Funke a. a. 0. 250.
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Die Hltesten Bautheile des Münsters zu Käsen.
100
Stellungen '), ist in Essen (wie ebenfalls „Wcstbau" S. 38 flf. naher
dargelegt ist) wohl ans der besonderen Aufgabe, welche hier dem
Baumeister gestellt worden war, hervorgegangen *). In direkter
Weise, und so das« nicht der geringste Zweifel mehr obwalten
konnte, lasst sieh diese Annahme freilieh nicht beweisen. Doch
dürfte dieselbe wohl die glücklichste Lösung für alle Rüthsei liefern,
welche uns im Essener Hauwerk entgegentreten. Will man */.. B.
beim ('hör mit seinen Doppclsftnlcnpaarcn eine vom Baumeister ohne
zwingenden Grund gewollte Nachahmung Aachener Motive voraus-
setzen, so würde sieh am Essener Werke ein grosser schwer zu er-
klärender Widersprach ergeben. So dürfte die (durchaus unorga-
nische) Einfügung3) des polygonen Chors in den unteren Theil des
Westthurmes derart gesucht erscheinen, dass es ohne die obige An-
nahme nicht leicht zu begreifen sein würde, weshalb ein Meister,
welcher im Uebrigen so ülwraus selbststündig geschaffen und nament-
lich in den Treppenanlagcn eine der geistreichsten und eigenartigsten
1) Auch die äusseren Wandpleiler des oberen Geschosses dos Haupt-
thurms sind („Wcstbau* S. 37, Anni. 2» als in jener Zeit sehr gewöhn-
liche Zierglicder hinbestellt und mehrere Beispiele dieser Art aus dama-
liger Zeit genannt. Dieselben sind in der Schrift .Heiligkreuz und Pfalzel,
Beitrüge zur Baugeschichte Triers" von W. Kffmaun (in Iudex lectionutn
der Universität Kreiburg, Schweiz 18!K), S. 33) um ein weiteres sehr in-
teressantes Beispiel vermehrt, indem der Verlasser die bisher kaum beach-
tete bez. falsch datirte Centralkirche zu Heiligkreuz ins II. Jahrh. setzt.
2) Den „Westbau" S. 10, Anni. 2 angegebenen Beispielen der den
h. Kugeln geweihten Chöre bezw. Thunnemporeu sei noch hinzugefügt, dass
im Jahre ifJ2 in Halberstadt das oberste Oratorium („supremum Orato-
rium'') zu Khren des h. Michael, Gabriel, Raphael und allen Himnielsbewoh-
nern geweiht wurde (Ann. Saxn M. G. S. S. VI, p. 6;t7l. Im Dom zu Braun-
schweig wurden im II. Jahrh. zwei unter dem damaligen Thurmbau ge-
legene Oratorien, das ein«- zu Khren des h. Michael und anderer Heiligen,
das andere vorzugsweise zu Khren des h. Gabriel geweiht (Ncumann,
Der Reliquienschatz des Hauses Braunschweig-Lünehurg \»'M, S. 24.-1). Zu-
gleich /.eigen auch diese Beispiele, dass, wie „Westban* S. 32, Anni. 2
bemerkt worden ist, man kein Bedenken hegen darf, den Ausdruck „Ora-
torium" in der urkundlichen Notiz „dodicatio oratorii in porticu S. iohauuis
baptistae" auf eine mit einem Altäre versehene Knipore, zu beziehen.
3) Infolge ungleicher Belastung zeigen sich am Westhau vielfache
Verschiebungen. So liegt z. B. in der nur ca. einen Meter weiten säulen-
getheilten östlichen OefTnung der kleineu südlichen Kmporkatnmcr infolge
jene* Umstandes das nördliche KampfergesiiuHe ca. 14 cm höher als das
südliche.
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106
O. II u in a Ii ii :
Lösungen gefunden hat, in jener Hinsicht ohne besondere zwingende
Gründe ein älteres, wenigstens in konstruktiver Reziehung hier sehr
nnzweckmässiges Motiv nachgeahmt habe. Dass der Essener Meister den
Aachener Hau gekannt und dort jenes Motiv der Dnppclsäiilcnstclluug
entlehnt Italic, mag iuinierhin möglich sein, doch würde dies in Hinsicht
auf obige Gesichtspunkte noch keine Verwandtschaft beider Werke bc
deuten. Die Einzelheiten der Aachener Gliederungen können aber viel-
leicht nicht einmal zu näherem Vergleiche herangezogen werden, da
sie nicht ursprünglich sind. Als man ca. f»0 Jahre nach Zerstörung
der Sänlenstelhingen durch die Franzosen die von Paris zurück-
gebrachten Säulen wieder einfügen wollte, wusstc man nicht, wie
die verbindenden Gliederungen ursprünglich beschaffen waren, d. h.
ob die Säulen durch drei Rundbögen oder, einer alten Zeichnung
entsprechend, nur unter sich mittels eines Rogens, mit den Wand-
theilen aber mittelst Architravstllcken verbunden waren. Nach ein-
gehenderen Untersuchungen sollen sich indess sichere Anhaltspunkte
für die erstgenannte Konstruktion (aber wohl nicht für a 1 1 e Einzel-
gliederungen als Kämpferaufsützc, Gesimsprofile V) ergeben haben').
Auch ist es nicht unmöglich, dass die im vorigen Jahrhundert vor-
handenen Sftulengliederungen nur auf eine Restauration zurückzu-
führen seien, welche nach einer durch die Normannen "im Jahre HS1
crtolgtcu theil weisen Zerstörung des Münsters stattgefunden haben
könnte (vgl. oben S. U»2, Anm. 2s. Wenn diese Horden die starken
Mauern des Hauptbancs wohl nur mit grosser Mühe hätten zerstören
können, so dürfte doch vielleicht vermutbet werden, dass sie jene sehr
leicht zerstörbaren Süiilenstellungcn nicht unbesebädigt gelassen haben.
Wie nun der Aachener Hau wenigstens in konstruktiver Hinsicht nnf
die Lombardei i.S. Feilclc zu Como) hinweist 8i, so dürfte es nicht
unwahrscheinlich sein, dass man auch bei jenen Ziersäulen des
Essener Chores direkt auf etwa in der Lombardei oder in anderen
Gegenden Italiens damals höchst wahrscheinlich noch mehrfach vor-
handene derartige Gebilde zurückgegriffen habe3). Denn dass
Ii Kunstblatt, herausg. von Förster uml Kuglcr 1844, S. 29<>.
2) Vgl. Dehio und v. Bezold a. a. O. S. 154. Ueber den F.influss
lombardischcr Kunst vergl. anch J. B. \ordhnff, „Die. lombardisdien
Bau- und Kauttcnte in Norddcutschlnnrt". Beilage Nr. 300 z. All;?. Ztg.
München 1H<)I.
••t) Es ist dies ein iu der altchrist liehen Baukunst bekanntes Motiv.
Dasselbe kommt an mehreren der noch erhaltenen Bauwerke vor, wenn
auch mit zwischeugelegtem Architrav ohne Rundbögen; so zwei Saulcu-
Die Ältesten Dautlioile des Münsters zu Ksscn.
107
derselbe Baumeister, wenn er wirklich ein Deutscher gewesen sein
sollte, seine Kenntnisse nielit in seinem Ileiimitlilande, sondern jen-
seits der Alpen erworben habe, dürfte nicht unwahrscheinlich sein.
Wenn er nur Aachen und die deutsehen Basiliken damaliger Zeit
gesehen hätte, so würde cr*schwerlieh ein in vieler Hinsicht so geist-
reiches mannicbfnltigcs Werk geschaffen haben ').
Da die Essener Aebtisginnen nui die Zeit der Entstehung des
Wcstbaucs unzweifelhaft mit dem damaligen Kaiserhause Westbau''
S. 3'J f.), die sächsischen Herrscher aber in vielfachster Beziehung
zu Italien gestanden haben, so dürfte auch dieser Umstand die An-
nahme eines direkten italischen Einflusses um so berechtigter er-
scheinen lassen.
paare übereinander an den Fenstern der Sophienkirche in Konstantiiinpel,
der Cleiiiensk. zu Aneyrn in Klcinasicn: ein l'feilcrpaar zur unmittelbaren
Tlicilnng eines rundbogigen Fensters in der Kirche S. Fosca auf der Insel
Torcello, S. Giiicomo dt Itialto zu Venedig und S. Michaele zu l'avia.
1) Ks sei denn, das« in Deutschland damals noch Werke .ähnlicher
Art (etwa im West hau zu Fulda, vgl. .Westhau* S. 3(>, Anm. 1) bestanden
hAtteu. — Kinen lediglich in seinem Heimathlande gebildeten deutschen
Meister dürfte man indess bei dem ungetithr gleichzeitigen Westbau zu
Mittelzell auf Reichenau vennutlien. Doch wie tief stellt jenes fast die-
selben Uaunielemento wie der Essener Bau enthaltende Werk in künstle-
rischer Hinsicht unter diesem!
108
J. B. Nordhoff:
• 8. Krypta und Stiftskirche .zu Meschede.
Von
J. B. Nordhoff.
iMit 5 Abbildungen.)
Zu Meschede, an dorn fruchtbaren und zentralen Verkehrspunkte
«los westfälischen Süderlandes. wurde nach der Saehsenbekehrung,
sicher noch im 0. Jahrhunderte, ein reiche* Canoncssenklostcr ge-
stiftet und die Stiftung begründet oder «loch wesentlich gefördert
von Emhildis, einer vornehmen Frauensperson ans Westfalen oder
Franken. Der Beziehungen zwischen Südwcstfalen nnd den frän-
kischen Kirehcnstätten bestanden ursprünglich viele, und jene von
Meschede zu den Angehörigen des hl. Bonifatius ergehen sich1) aus
dem Kirehenpatronate der hl. Walburga und zu Fulda insbesondere
aus der baulichen Beschaffenheit der Krypta.
Diese macht sich in der jetzigen Pfarr- und früheren Stifts-
kirche noch augenfällig mit dem gehobenen Bodcnniveau der ganzen
Ostpartie und besteht grösstenteils als Nachbild der nach *)
vollendeten Krypta des Petersberges bei Fulda aus drei hufeisen-
förmig ancinandergeschlosscnen Gängen — nur tritt an Stelle des
mittleren Ganges, welcher auf dem Petersberge die Lücke zwischen
beiden Schenkeln ausfüllt, hier der Roden des Hanptchorcs in dessen
voller Breite. Dieser umscliliesst in der Tiefe eine diagonal gezo-
gene Mauer, deren Zweck nicht aufgeklärt ist, kurzum keine Spnren
oder Mauerthcile, welche von einein Mitfelbauc herrühren möchten
(Fig. 1). War ein solcher einstmals vorgesehen, so erforderte der
weite Abstand der Schenkel, falls das Höhcnniveau ihrer Wölbung
maassgebend bleiben sollte, eine ballenförmige Anlage oder vielmehr
zwei Gänge oder mindestens ein kleines, dem östlichen Verbindungs-
flügel vorgelegtes Gelass; in der That weisen zwei jetzt allerdings
1) Vgl. überhaupt J. S. Scibcrt/. in der West DU. Zeitschrift Bd. 23,
M.'IO IT., Bd. 21, J!»7 und Tieler in Wigands Archiv 7, I, 1 ff.
•2) A. Ilauck, Kirchengeschichte Deutschlands II, 733.
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KryptA und Stiftskirche zu Meschede.
109
halbverschlossene Ocffhnngen in der Westmancr des Vcrbindungs-
flügels auf ein solches Gelass oder einen Hohlraum des Chores und
dieser hat dann wahrscheinlich als Grabstätte der Stiftcrm gedient '),
trotzdem auch der Hufeisenbau, welcher ihn nach aussen umgab,
unstreitig für sich einen Kultraum ausmachte; ihm liegt doch ein
einheitlicher und seiner Ostpartie ein beinahe reicher Plan zu Grande,
indem die Osteudeu der Schenkel wie besondere Flankenthcilc <les
Verbindungsflügels und dieser, gerade
gegenüber «lern vermutheten Unterraumc
des Kirchenchores, durch eine eoncha-
artige Ausladung als Stätte eines etwa
der hl. Maria *) geweihten Altars kräftig
hervorsticht. Den verschiedenen Abthei-
KiK. I.
hingen des Ostbaues sind eigene Lichter
(Fig. 2) bescheert, den Schenkeln, sofern
Bich erkennen lässt, nur eins und zwar
dem südlichen.
Passt die Ganganinge zum altnor-
dischen Krypten -System und zugleich
zu dem gleichartigen Baudcukmale des
Petersberges, so ähnelt die Grandform des
Hufeisens noch einigermaassen dein altitalie-
nischen Typus und das centrale Grab jenem
der Ludgerikrypta zu Werden s). Für das
hohe Alterthnin unseres Werkes fallen feracr
ins Gewicht : die kleinen schmalen Hausteine,
die dem Petersberger und anderen Altbauten
eigentlillniliche Schmucklosigkeit des Ganzen und in struktiver Hin-
sieht die wie ans Vorsieht oder Furcht vor dem Einstürze diktirte
Stärke der Gurten, der schildgurtigen Gewölbe-Unterlagen au den
Oxtwänden der Parallelgänge, der Pilaster sowie der halbrunden
Wandsäulc des Ostflügels. Hier gehen auch Stiehkappcn und Tonnen-
1) Zn Rrixcn hütete der Krypta-Geistliche anch das Grab des dor-
tigen RiKchofs Altwin (1049—1091)." 0. Tüikhauser, Mittheil. d. k. k. C. C.
VI, 72, vgl. Otte'i Kuimt-Archaeolojrie A" I, 54.
2) Sie wird neben Walburga als Patronin angeführt von A. Hauck
a. a. 0. IF, 738.
3) Vgl. Dehio und v. Rezold, Kirchliche Rankun.st des Abendlan-
de» 1884, S. 182 ff.
110
J. B. Nord hoff:
gewfilbe ineinander, während die letzteren die Olingen Flügel aus-
schliesslich bedecken.
Da die Ostkrypta zu Gernrode ( vor 963) nnd die Westkrypten
zu KöIih 8t. Cacilia e. %0) und Corvei't sich schon vor dem Jabre
KHK» wie liebte Hallenbanten binstreeken, so reiebt da» Gcbäu /.n
Meschede unzweifelhaft in eine trübere Zeit, verinutblicb in die Re-
gierung der letzten Karolinger zurück. Dann liedetitet es zugleich
den ältesten erbaltencn (Cultur- 1 Hau Westfalens — ganz angemessen
den Keiebtbümem und Pfarrgerechtsamcn *), worüber da« Stift bei
der unablässigen Dünnt der Drossen verfügte. Später gestaltet sieb
in complicirteren Krypten z.B. zu Constauz (gegen 1000», zu Hildes-
heim ( Moritzberg) nnd Werden ( ?) der Hauptrauin sebon balleuförmig
und bilden die Flügel nur Treppenlager oder Corridore mehr.
Sonstige Aeudcriiugcn oder Zuthatcn sind die Quermaucr fast
am Wertende der Paralleltlügel, die Tbürc in der Ostmnuer des
Nordllügcls und der Verschluss der alten Eingänge am Westeude
der Seitenflügel; am Nordflügel erhielt sieb unter allen Kauum-
wälxuugcn, die der Hocbbau erlitten, bis auf unsere Zeit nur eine
auf eine Treppe führende Luke im Boden des Ilochchores.
Ausser Gebrauch kam die Krypta schon im Mittelalter und
höchst wahrscheinlich im Einklänge mit dem damaligen Umschlage
des Geschmackes im Anfange des 13. Jahrhunderts; nun wurde
nämlich an der Südseite der Kirche ein Kapell eben3) aufgeführt,
das ohne Frage eine Hauptaufgabe der unterirdischen Räume über-
1) Vgl. Repcrtorium f. Kunstwissenschaft XI, 159, 1<?2, XII,
2) Vgl. H. Kampschulte in den Blattern f. kirchl. Wissenschaft
und Praxis. Paderborn 18t!7, I, 37.
3) Auf einem benachbarten Berg« steht noch ein Kapelleheu des 12.
Jahrhundert», neheu welchem 1420 eine Cluse entstand, ahnlich jener,
welche der Geistliche der Johanniskapcllc vor Warhurg l.'WB bewohnte
(Hölscher in der westfiil. Zeitschrift 11. II, 171). Das Schiff ist mit Bal-
ken gedeckt, jederseits von zwei Rundbogeiilenstern beleuchtet, der durch
einen runden Qucrgurt getrennte Clior gerade geschlossen, mit einem
rundbogigen Fensterclicii und einem ungelenken Kreuzgewölbe versehen,
dessen Oralen über Kckkonsolen entspringen. Auf die schlichten Kampfer
der letzteren und des (.Juergurts beschrankt sich die Stcinmetzarhcit. Die
zierlose, im Westen angeschlossene Wohnung stammt vielleicht noch vom
Jahre 1 14H. Vgl. Beitrüge zur Geschichte Westfalens von F. O. I* i e I e r
u. Oiel'ers 1874, S. 1, 2. f>, der indess den Chor noch dein Knde des II.
Jahrhunderts zuschreibt.
Krypta und Stiftskirche zu Meschede.
111
nehmen musstc, nämlich die Geheinc der Stifterin mit einem fi rah-
lichte zu bergen, und zwar unter einer (erhöhten} Tumba, welche
1630 erneuert, 1811 oder 1812 zertrümmert ißt, so dass von dem
Dccksteinc und dessen Inschrift nur Bruchstücke auf uns gelang-
ten. Das Knpcllchen, auf dessen Nordseite eine ThUrc zu einem
Eingänge der Kirche führte, ktsitzt vom ursprünglichen Bestände
noch eine mit Mauerecken heginnende Altarnischc, zwei Krcnzgräten-
Gcwölbc, deren Quergurt aus den Mauern entspringt, und aussen
in der Westmauer zwei kleine Nischen. Diese verharren noch heim
Rundbogen, ebenso die vermauerten Fenster der Altarnische und
die westlichen Schildgnrte, dagegen folgen bereits dem Spitzbogen
die Mauerecken der Altarnischc und die Wölbungen. So entspricht
der Stilcharakter der Zeit von 1200 (1221), als das Stift bemüht
war, dem (verlegten) Emhildis-Grahc durch Vermächtnisse für die
Zukunft ein Licht zu sichern, welches also der früheren Grab-
Btütte gefehlt haben mag.
Von der zur Krypta gehörigen Oberkirche »ei hier nur
bemerkt, dass sie allen Umständen nach eine kreuzlose Basilika und
mit den Abseiten (über den Kryptaflügeln) neben dem Chore ver-
längert war; doch schied sieh dieser, sicher seit dem entwickelten
Rouianismus. von ihnen durch hohe Mauern, die erst später weg-
geräumt sind. An den Laugwänden wurden unten bei der neuesten
Restauration noch die später und jetzt wieder ausgefüllten Innen-
nischen offengelegt, wie solche auch an den Altresten der Altfridschen
Stiftsbasilika zu Essen (vor 873) ') nachgewiesen sind. Als seltsames
Rccognitionszeichen ligurirt noch heute in einer Meseheder Urkunde
vom Jahre 9Ö8 eine ttbereckgestclltc (Fig. 3) Basilika ohne Thurm
und bei dem Unvermögen des Zeichners oder vielmehr des Schrei-
bers bloss mit einem Seitenschiffe — dies ist noch sehr niedrig,
hält indess auch die ganze Länge der Kirche ohne Unterbrechung
durch einen Kreuzbau. Da die Zeichnung auch weiteren Kreisen
willkommen und lehrreich sein wird, habe ich sie nach erneuter s)
1) Vjfl. über den Essener Bau G. Human» in den Jahrbüchern
des Verein** von Altert humsfreunden im Khcinlande H. 82, 76 u. 78 und die
Mauernischen im Grundrisse Tat'. V.
2| Näheres und die erste Abbildung in meinem Holz- und Kleinhirn
Westfalens 1873, S. 352, Taf. VIIT, 2; noch einmal erscheint eine solche Bau-
steichnunp als Recognitionszeichen : ein einschiffiges Kirchengebaude mit
Dachgalleric, ohne Thurm in einer um 1060 gefälschten Urkunde,
112
J. B. Nordhoff:
und in allen Thcilen verschärfter Aufnahme originalgross hier ein-
geschaltet. — Ueber den heutigen Gewölben am Chor- und Wi»t-
ende bestehen vom einst flach gedeckten Mittelschiffe noch lloeh-
tuaucru mit altem Verputze und einigen halbrunden Fensteröffnungen
— doch vielleicht schon wie ein verworfene» Wllrfclkapitäl (Fig. 4).
als Reste eine« Umbaues aus der .Spätzeit des 11. Jahrhunderts.
In spätgothiseher Zeit hat man die Basilika mittelst Erhöhung
der Seitenschiffe in eine Hallenkirche mit Fischhlascnfcnstcrii
verwandelt, 1 titi.'t/Oi» die
drei Paare von Polygon-
pfeilern , welchen sieh
am Chore zwei romani-
sche Pfeiler mit rundem
Triumphbogen auschlies-
sen, die »tumpf-spitzbo-
gigen Kreuzgewölbe und
Lilngflgurtc (ohne Qucr-
gnrtc) hergestellt , dem
„wicdcrcrbautcnTcmpel"
ein zierliehe« Baroekpor-
tal mit historischer In-
schrift (vielleicht auch
die Streben) angesetzt
und 1880 eine, durch-
greifende Restauration
des Innern vorgenommen, wobei verschiedene Eigen-
thOmlichkeitcn der romanischen Baureste ans Licht
kamen, die bei unserer Beschreibung verwerthet sind
oder noch verwerthet werden.
Der Krypta und den basilikalen Ueberresten folgt
im Alter der viereckige We s 1 1 h u r m — tlüehtig und
dürftig fundamentirt und oben erhellt mit dreifach getheilten Schall-
fenstern. Diese sind von einem Mauerbogen Ülierfangcu und ihren
Theilungssaulehen eigneten , sofern sie keine Aenderuug erfahren,
schlanke und verjüngte Schafte, schlichte WllrfelknpitiUc (ohne
Platte) und attische Basen ohne Eckblatt
Fiir. 3.
Vllt. i.
Die Erbauung fallt
datirt mit 974 bei St um |.l - Bren t nn n, Würzburger ImmuoitatH-Urkuuden
1874/76, S. :r2, Tafel I.
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Krypta und Stiftskirche zu Meschede.
113
hiernach etwa bald nach 1070, ebenso wie jene Bantheile des Land-
hauses, wozu einst das erwähnte Wflrfelkapitäl gehört hat ').
Vom Stlden her zieht sieh an den Westbau der Kirche ein
alter (der westliche) K 1 o s t e r f 1 ii g e 1 , nach innen mit grossen
Rundbögen zu ebener Knie durchbrochen und oben jedenfalls auch,
ähnlich wie zu Corvey, als Gang zur X o n n e n e m p o r e benutzt. Ihr
Hans steht auf der Hreite und Höhe des Mittelschiffes, diesem einst
oben und unten durch runde Bögen aufgethan, jetzt noch westlich vom
Thurme, auf den Flanken von den Abseiten begrenzt, als ein vier-
eckiger Einbau da; tief im Untergeschosse befand sich bis 18X0
roh gearbeitet und ungelenk gegen die rundbogigen Seiteneingänge
coustruirt auf Eckpilastern ein Kreuzgewölbe und darüber, etwas
erhöht, ein Holzboden — eine Durclischecning, welche nachträglich
und, zumal da darin ganze Nester von Hafer zum Vorschein kamen,
wohl weit später veranstaltet sein muss," als die Empore der Nonnen,
welche 1.110 das Stift Canonikern geräumt haben, ihre alte Be-
stimmung verlor; dass einst hier die Nonnenempore und zwar
in einer ungefähren Höhe, wie jetzt die Orgelbühne lag, beweisen
die bauliche Umgebung, die Einrichtung gleichartiger Stiftskirchen,
jedenfalls auch in der Höhe alte Farbenzieraten, nach deren Spuren
dieselbe vormals auch bloss mit einer Holzdeckc absehloss, sowie
ganz seltsame Funde, welche 1880 im oberen Gemäuer gemacht
worden sind.
Es zeigten sich nämlich in den alten Mauern massenhaft
Höhlen, ursprünglich nach dem Innern der Bühne verjüngt oder
verengt bis anf einen schmalen Schlitz, der mit Ziegelsteinen, also
später, verschlossen war — , und zwar in der Nord- und Südwand
in zwei, in der Westwand in mehreren Reihen und anscheinend in
jeder Höhle die Trümmer eine.1» einzigen irdenen Gefässes ; die Ge-
schirre, etwa 50 an der Zahl, waren sämtntlich auf der Drehscheibe
gemacht und höchstens am Fasse mit der Hand nachgeformt, nn
der oberen Rundung, am Halse und Mundraude horizontal in eine
oder zwei Reihen mit vier- oder dreieckigen Vertiefungen verziert
1) Bei Lühke (lK53i werden oberflächlich erwähnt {rewis.se Bau-
details und (unter der Apsisi „noch ein mit Tonnengewölben und Stich-
kappen gewölbter Kest einer Krypta", so dnss <>Uc a. a. O. IT, 2:20 vom
{ranzen Mescheder ßaunaclilnss lediglich „Kin/elthcilc und mehr oder min-
der beträchtliche. Reste" anrühren konnte.
Jfthrl». «1. Vcr. v. Alturthuuisfr. im llhfinl. XC1U. 8
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111
J. B. Nord hoff:
(Fig. 5), und diese wie auf altfränkische Art mit Holzstäbchen ein-
gedrückt. Allem Muthmnnsseu nach liatteu die Gelasse keinen Fuss-
rand, eine ovale Gestalt, umgebogene Lippen, eingezogenen Hals und
bieran eine so enge Oese, dass sie kaum einen Finger, wohl eine dflunc
Schnur durchlassen konnte, ihr gegenüber eine etwas weitere, kurze
Ausgussrölire, endlich eine weisse in s Gelbliche spielende Farbe.
Sonst unterschieden sie sich in dickwandige mit röthliehein < Ziegel»
Bruche und in dünnwandige mit weisslichem, steingutartigem Mate-
rialc und röthlichcn Zierstrichen am Hauche, welche indess ein-
fach mit den Fingern der Hand aufgetragen sein mochten. Aus
den Seherben war nur ein Stück halb, ein zweites, und zwar von
der dünnwandigen Sorte, fast vollständig wieder zusammenzusetzen
und letzteres maass vom Fuss bis zum Mundrnnde 22, nach einer
anderen Mittheilung 24 Cm., in der äussersten Bauchweite 21 Cm.
Wie die Funde gemacht wurden, lagen die
Gefässe ohne irgend welche Beigabe je in ihren
Höhlen mit der Gossröhre am Boden und zugleich
der engen Maueröftuung d. h. dein Innern der
Bühne zugekehrt.
Was hatten Mauer höhlen und (Je lasse
zu bedeuten ? Jene und zumal ihre engen Oeflnungs- r\K. y
schlitze waren — das bedarf wohl keiner Erörte-
rung — hier ebenso wenig Wandzieraten als Rüstlöeher, wie die
Töpfe construetive Hülfsmittcl; auch lassen sich diese wohl schwer-
lich mehr für die Erbauungszeit des Emporenhauses als eine. Collce-
tion heidnischer Todtcnumen ansehen, die man aus Pietät gehoben
und der Kirche überantwortet habe, welche etwa ihren Bestattungs-
platz eingenommen.
Man wird auf gleichartige Vorkommnisse der Bauarchäologie
Umschau halten müssen. Solcher gibt es nur wenige, so in Krain,
in der Schweiz, nördlicher zu Banniburg und Köln (Severin) '). Mögen
sie auch unter sich oder gegen unsem Fall in einem oder andern
Punkte abweichen, durchschnittlich kommen die eingemauerten Ge-
fässe auf die Wände eines Chores und zeigen mit ihren Mündungen
1) Vgl. die Mtttheilunpcn, Erörterungen und Abbildungen der Gc-
biiude, Gelasse, und durchlöcherten Mauern von O. Fischer und v. Co-
hausen in den Jahrbüchern des Vereins von Altcrtluiinsfrcundcn im ,
Itheinlande II. 37, 61, Taf. VIII - II. 43, 20H - II. «0, Uli ; Schntttgen,
Zeitschr. f. ehr. Kunst I, 248, 211».
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Krypta und Stiftskirche zu Meschede.
115
dein Kircheuinnem zu; daher werden die Anlagen für Verstürkungs-
niittel des Gesanges, die Gefässe für S e h a 1 1 - (»der R e s o n a n z -
gefässe gehalten, ja stellenweise geradezu „stimanee", d. Ii. Stiuiin-
töpfe genannt. Das passt also für Meschede um so mehr, als die
zahlreichen Schallgefässc gleichsam eoncentriscl» den Standort der
Nonnen umsahen und die älteren .Stiftskirchen den eorrespondirenden
Gesang von der Westempore ans sorgfältig pflegten In ganz
Westfalen, vielleicht im ganzen Norden, sucht nehen der Baumburger
Einriehtung die hiesige ihres Gleichen. Sie ist zudem von den be-
treffenden Vorkommnissen des Mittelalters das reichhaltigste und
das frühste; sie theilt unstreitig bis auf den Ziegelverschlnss der
Höhlungen die Entstehung mit dem Emporenhause und dies rührt
vermöge der Flaehdeekung und dein Bogeiischltisse der beiden Ein-
gänge, wovon bereits die Rede war, wenn nicht aus der Hauzeit des
Thurmes, spätestens von einem um 1180 geweihten Bantheile.
Dann besitzen wir in den beschriebenen Gcfässen auch Muster
und Vergleichsmaterial in Betreff der hiesigen Töpferei des Hoch-
mittelalters und auch dieser Gewinn lässt sieh nicht unterschätzen,
solange die Keramik der historischen Zeit, was Können uud Be-
handlung betrifft, unklarer vorliegt, als jene der Urgeschichte.
1) Vgl. die von mir beigebrachten Belege in denselben Jahrbüchern
II. 88, 219. H. 8«), 177 und im Kcpertoriiuii f. Kunstwissenschaft XI, 401 ff.
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116
J. B. Nor dl. off:
9. Die Baugenealogie der Abdinghofschen Krypta zu Paderborn.
Von
J. B. NordholT.
(Mit 1 Abbildung)
Das ncnbekehrte Sachsen, welches der heidnischen Vorzeit
höchstens einige Kleinkünste, den Mol/bau und die Holzschnitzerei
entlehnen konnte '), sah sich von Anfang an, sobald es darauf an-
kam, grössere oder kunstvollere Stcinkirehcn zu schaffen, auf das
technische Vermögen und die errungenen Formen der fränkischen
und südlichen Länder hingewiesen. Die Angaben der Sehriftqttellen,
Jahrhunderte lang seien Franken, (Sallicr (Lombarden) oder (kriechen
(Amalfitaner) als Bauleute- mid Lehrer nach Deutschland gerufen und
gewandert, bestätigen noch heute mehr oder weniger zutreffend die
ältesten Baudenkmäler Westfalens, trotzdem davon nurmehr ein äus-
serst kleiner Rest besteht. Bestimmter noch als das Steinhaus
eines Grafen an der Weser (822) ging die Krypta zu Meschede, die
wir heute noch im Kerne vorfinden, auf fränkische Maurer und die
letztere auch im Plane auf ein Fuldaer Vorbild i Petersberg) zurück.
Die Klosterkirche zu Corvey zieren im alten Westbaue (gegen 1000)
nicht nur allerlei antikischc Glieder, sondern als Erbtheile der
ersten grossen Steinbasilika (844), wofür Corbie an der Somme das
allgemeine Vorbild gegeben hatte, korinthisirendc Capitäle und an-
tike Gebälkstücke — Alles augenscheinlich Erzeugnisse südlicher Bau-
künstler gerade wie die schwierigen Construetioncn und feinen
Glieder au den Alttheilen der Stiftskirche zu Essen (um 1000).
Die Nonnenkirche zu Schildesehe, wofür man '.WJ die Werkleute
aus Gallicu heranzog, ist gänzlich zu Grunde gegangen — erhalten
dagegen die Bartholomäikapcllc zu Paderborn (1017), das schöne
1) Cnrrespondetizbliitt der deutschen Gesellschaft für Anthropologie,
Ethnologie u. Urgeschichte 1890, S. 111.
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Du- Baugenealogie der Abdinghofschen Krypta au Paderborn. 117
Werk griechischer Meister1). Aus der Lombardei wanderten mit
den KfiiiHenten ganz erklärt allerhand Pinnmotive und Schmuck-
muster in die Mitte des Landes, bis der gothischc Haust il Halt
gebot *j.
Als liischof Meinwerk von Paderborn (1009—1036) in seiner
Residenz ein Hauleben anfachte8), wie es bis dahin kein Bischofs-
sitz des Landes gesehen, nutzte er die Errungenschaften in der Nähe
(Corvey) und Ferne (Aachen) aus, nahm von allen Seiten, sogar ans
Unteritalien, kundige Maurer und Zimmerleute in Dienst, begünstigte
die gewonnene Künstlerschaft durch Wohnungen und Ehren, und
fand wohl bald in der theoretischen Kunstleitung eifrige Stütze au
den wahrscheinlich aus Lothringen4), 1014, hergeführten Cluniacensern
auf dem Abdinghofe zu Paderborn.
Von den kirchlichen Hauten seiner Residenz überdauerten die
vielen Jahrhunderte die bereits genannte Rnrtholomäikapellc, der
J) Meine Verinuthung, das* diese zunächst für AmalÜtancr zu halten
seien, stützt sich auf das im Kepcrtomim f. Kunstwissenschaft XI, 119
beigebrachte Schriftzeugnis«, wonach 1066 Bauleute aus der Lombardei
und Ainalft nach Monte, Casino bestellt wurden; und sicher eher aus
Unteritalicn, als aus Griechenland sind schon zwischen 813 und 820 vom
Kaiser Leo die Baumeister wegeu eines Klosterbaues nach Venetieu ent-
boten (A. Fr. (3 frörer, Byzantinische Geschichten 1872, 1,147). Bis zum
11. Jahrhunderte nahmen im griechischen Untoritalien auch Malerei und
Architektur einen merkwürdigen Aufschwung (J. D. Fiorillo, Gesch.
d. zeichnenden Künste II, 739 fl'.) ; gerade Amnlfl wetteiferte seit dem
9. Jahrhunderte an Betriebsamkeit, Handel und Gemeinwesen mit Venedig
(G frörer n. a. O. I, 567 f.) und theilte mit Neapel und Gaeta griechische
Sitte und byzantinische Hoheit (v. Ftuinohr, Italienische Forschungen
1827, I, 3l«>. Byzantische F.intlüsse überhaupt lassen sich in den Klein-
künsten Westfalens und des Abendlandes bis ins Hochmittelalter ver-
spüren. K. Dobbert. Götting. gelehrte Anzeichen 1890, S. 877 f., 881.
'2) Vgl. über das Gesagte, sofern es nicht örtlich belegt ist, meine
Abhandlungen im Hepertoriuin f. Kunstwissenschaft 1888, XI, 147 ff. „Die
lombardischen Bau und Kaufleute in Altdeutschland", Allgemeine Zeitung
1891, Beilage Nr. 25.'}, meinen Holz-Steinbau 1873, S. 385 ff.
3) Vgl. Holz- und Steinbau S. 3(58 ff., Bonner Jahrbücher H. 89, 166 ff.,
II. 84, 191 f.
4) Nicht nach der Vita Meinwerci ed. Overhain 1681 aus Cluny.
Vgl. W. G i e s e b r e c h t im Westflll. rrk.-Buche, Supplement Nr. 639 und
üb<>r die CIuniacenser-Kegsamkeit in Belgien zum Jahre 1022 S. Hirsch
in den Jahrbüchern de* deutschen Reiches unter Heinrich II. Bd. III,
234 ff. W. Wattenbac h, Deutschlands Gcschichts-Qucllen A» II, 102 IT., 109.
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118
J. B. Nord hüll':
Dum mit dein Westthurme und beträchtlichem Plantheile, die Bus-
dorfkirehe1) mit einem kUlinen Hoehbauc, und die Klosterkirelic
Abdinghof mit wesentlichen Maucrtheilen und namentlich mit der
Krypta.
Im Einzelnen zierlich, im Gesammten stark und praktisch, wie
die Paderborner Arehitektur wich entwickelte, wart' sie ihre beleben-
den .Strahlen weithin (Iber Westfalen, sogar bis in die niederen
Laude. Vorab profitirten die Klöster und Stifte, welchen die alt-
fränkischen Patitypen nicht mehr genügten, von den neuen Hauvor-
bilderu und jedenfalls auch von der Leistungsfähigkeit der ge-
schulten Meister und Werkleute Paderborns.
Ob alle Meinwerksbauten bis zum Itisehofspalaste*) und bin
zur Hartholomäikapclle den Heifall der Baulustigeit fanden, lasst
sieb schwer sagen, da von iliuen sowie von ihren Nachbildungen
nichts «»der nur Tbeile mehr besteben oder bestehen mögen; zweifel-
los vernehmen wir in dem gegenwärtigen Ilaiibestandc noch häufig
das Echo des Domes und der Klosterkirche' Abdiughof; wie von
jenem der felsenfeste Westbau, widerstand von dieser die alte Krypta
siegreich den Unbilden der Zeiten.
Die Cluniacenser, unter deren Klostermauern die von Meinwerk
1) Das anschlich (Vita Meinwcrei c. 120, 122» nach Maasgabe der
Grabeskirchc zu Jerusalem ItKKJ .'M> aufgeführte Gebäude ist durch spätere
Bauten gänzlich bis auf diu Westpartie des (jetzigen) Chores verdrängt:
von zwei rumlen Ausicnthürmen werden (ahnlich wie dann seit 1042 am
Dom zu Merseburg, Fig. 112 in Bau- und Kunstdenkmälern der Prov.
Sachsen VIII, 94, 111) eingefasst eine Halbkreis-Apsiw, hoch über ihr ein
breiter Tonnengurt und das nach Corveler Art (Kepertor. f. K.-W. XII,
'Mi) darauf gestützte Thurtninitlcl, nämlich ein (östliches) Glockenhaus.
Wie sich einst dessen Westiiiauer durch Fenster, so öfTnct sicli noch jetzt
die Ostmauer durch eine Arcadcn-Gallerie, und an dieser kommen zum
Vorscheine einfache Mauerkilmpfer, über den drei verjüngten Schäften
gedrückte Würfcleapitäle ; an einer noch unveränderten Säule, ergeben
ein winziger uud ein schwerer I'fühl der Base, sowie, das Fehlen des Kck-
blatte.s ibis hohe, Alter. Die Säule besteht wie die gleichartigen Säulchen
an Meinwerks Domthurme aus Grünsandstein. Bonner Jahrb. II. 8i», 17JJ.
2» Die Aachener Vorbilder für die Laube der Hischofswohnung und
deren (hohen) Transitus zum Dome wurde bereits Kepertor. f. K.-W. XT,
3!H5, N. 1 betont; einen ähnlichen Transitus gab es lerner am karolingt-
hchen Paläste zu Gondreville (Bock, Niederihein. Jahrbuch IH44, 11,275)
und vielleicht auch zu Ingelheim (ef. Ermold. Nigellus, Carinina IV v.
184 ff. v. Humohr I, 211).
Die Baugenealogie der Abdinghofscheu Krypta zu Paderborn. 11!)
angesiedelten Künstler wohnten, leisteten, verinuttilich gefördert von
den Fertigkeiten und Erfahrungen ihrer heimatlichen Ordenskloster,
liald in Kunstdingen so Bedeutendes auf westfälischem Boden, das»
sie auch nach den» Tode Meinwerks noch die wundersame Fclsen-
sculptur der Externsteine (um 1115) schufen1). Die Paderborncr
Bauformen wehten gleichsam durch sie und die geschulten Bauleute
ringslier nach den kunstarmen und banlnstigcn Bauplätzen, gleich-
viel oh dicscllnm unter Meinwerk zuerst gehandhaht oder auderswo-
her übernommen und ausgestaltet waren.
Zur Klosterkirche Abdinghof ward 1016 der Grundstein ge-
legt, die feierliche Weihe auf das Ende des Jahres 1022 festgestellt,
jedoch durch den Stur/ des Chorgewölbes vereitelt und daher am
2. Januar 1023 vorläufig an der Krypta und zwar auf den Namen
des Hauptmärtyrers Stephanus vollzogen. Da eine geschichtliche
Würdigung des Langhauses hier zu weit fähren würde, fassen wir
lediglich die Unterkirchc ins Auge; sie steht noch vom Tage der
Weihe (1023) im Ganzen unverletzt vor unsern Augen; so wollen
es die allgemeine Annahme, die Stileharakterc und besonders der
erfreuliche Umstand, dass sie sich als das architektonische Muster
von einigen jüngeren Krypten erweist. Ihre Bauart versprach um
so mehr, als eine Krypta zu Paderborn wie den» neuen Dome Mein-
werks, so schon der alten von Karl d. Gr. errichteten Kirche eigen
war8); mit letzterer wie mit der Hauptkirche zu Corvey theilte
auch Abdinghof den heiligen Patron (Stephanus).
Jedenfalls steht die Anlage3) nächst dem Unterchore zu Corvey
und dem Alttheile der Krypta zu Essen in der Vorderreihe der
sächsischen und an der Spitze der westfälischen Krypten mit klar
ausgeprägter Halleuform, und sie imjwnirt dem ersten Blicke mit
dem einfachen Grundplane, mit den gebieterischen Maassen und dem
alterthümliehen Ausdrucke.
Sie springt etwas ins basilieale Langhaus vor und neben
1) Vgl. W. Gtefers, Drei merkwürdige Capellen 1854, S. 15 ff.,
Der». Westrai. Zeitschrift 27, 1 ff. C. D e w i t z, Die Externsteine 1886 mit
15 Tafeln. Bonner Jahrbücher 11. 84, li»l ff.
2) Vit« Meinwcrci c. 1, 17.
<J) Grundriss und Bündelsaulchen bei LUbke, Mittelalterl. Kunst
in Westfalen 1*53, S. HO f., Taf. II, 7, a, a, nnd bis auf den Grundriss co-
pirt bei W. Giefers, Drei merkw. Kapellen, Taf. I, 2, II, 4 (Fig. 5
stimmt nicht).
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120
J. B. Nord hoff:
dein Vorsprangt* liegt jederseits, also am Osteude der Seitenschiffe,
ein Podest und unter dem Südpodestc (jetzt) der Zugang zu ihrer
Thüröffming, diese also am Westcnde der stldlielien Langmnuer.
Die Podeste sind vielleicht, die massigen Mancrpfeiler im Inncni der
Krypta sicher Nachträge; die Mauerpfeiler verstärken den ChorhauM
ehenso wie die gleichartigen tler Domkrypta *), die erst im 17. Jahr-
hundert angesetzt sind. Die Podeste hahen keine oder der Ent-
stehung nach nur unsichere Gegenstücke, zumal da sie am Ostendc
der Ahseiten (»der der Kreuzanne den beliebtesten Standort von
Altären beeinträchtigt hätten, und wären sie zu Fisehheck an der
Weser, wo auch Mos« ein Seiteitzugang vorkommt, ursprünglich,
so hätten sie schwerlich harmonirt mit den Kreuzapsiden . wie
denn auch ihre Einwölbuiig wenigstens allgemein für eine spätere3)
Arbeit gilt. Abdinghof hatte einst auch offenbar statt des einen
zwei Zugänge sowohl vom Norden wie vom Süden - gerade wie
die Krypten zu Emmerich und zu Hersfeld. Zu Emmerich fehlt
die Handhabe, den Grad des Krypta- Vorsprangen ius Lanthans zu be-
stimmen, indem dies Iiis auf einen Kest längst verschwunden ist4);
zu Uersfeld ging die Krypta (1040 geweiht) im Grundplatte und
im Mauerwerk einer lebendigeren Einteilung entgegen; dabei rückte
sie gleichfalls etwas aber den Chorbereich hiuatis, so dass sieh an
der freien Westfronte eine Luke gegen «las Langhaus und an den
Krcuzarmen Seitenthüren anbringen Hessen b). Solche ergeben sich
ja dort, wo die Krypta die ganze Vierung bespannte, wie von selbst;
ja sie zwängten sieh im Dome zu Goslar, wo die Krypta mit dem
Chore abschnitt, sogar durchs Mauerwerk, unmittelbar neben der
1) Jedenfalls zu Gunsten der Einwölbun;;; kleinere Belastungen
kommen nielit in Anschlag, wovon /.. B. folgende mir durch Herrn Stolte.
1H!>0 2*. 7. mil^eiheilte Notiz der Thcndoiian. Inbliothck Ms. 24. J. XVI, &">
zum Jahre 111h vermeldet: . . . dominus liinricus abbus f Abdin^hofensis)
. . . mapiain et |)uk'1iram tabulam lammis ai'frenleis ae vmayinibus ele-
vatis altari suminö commensuratam edidit teciii|iie paritei armarium lapi-
deuin iuxta altarc ad securam corporis Christi eustodiain pulehre et sump-
tuose fabricari.
2) Bonner Jahrbücher H. 8!>, 180.
;}) L ii b k e a. a. 8. 70.
4) Vjrl. über die Schicksale des Langhauses A. Tibus, Zur Ge-
schichte der Stadt Emmerich 1SS2, S. 2»J, 25.
f») W. L <> t /. im CoiTcspondenzblattc des Gesammt verein* 1858,
S. 115, Fig. 1 u. 2.
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Die Daugencalogio der Abdinghofcchcn Krypta zu Paderborn. 121
Vierung l). Enthielt einst gar die Westmnncr der Abdinghofer
Krypta den Zugang V Mit anderen Worten, ist ihre Westpartie eine
nachträgliche, wenn auch noch gut romanische Verlängerung, wie
solche gleichfalls, allerdings in entgegengesetzter Richtung, den
Unterkirchen zu Essen, Vreden und Freckenhorst hescheert wor-
den ist?
Die beiden letzteren stehen — das sei schon zum leichteren
Verstandnisse des Folgenden beigefügt — gleich jener zu Emmerich
unter dem FormeneinHusse von Abdinghof*). «Sie sind sämmtlich
Hallcnbanten mit Wandpilasteru, wechselnden Freistutzen, geradem
Schlüsse oder halbrundem fiesammtehore. Keiner von ihnen eignen
solche Pfcilcrstämme — platte Prismen mit niedrigen Kämpfern —
wie die beiden am Wertende zu Abdinghof sind; diese stehen zudem
auf der Scheide von Chor und Mittelschiff, also gerade auf der Linie,
die sonst «las Westende der Krypta bezeichnet hatte. Nun, war
die Krypta einstens kürzer, so lagen ihre OelVnungen in der West-
mauer, doch wohl kaum schon in der Mitte, eher an den Seiten3)
gerade wie bei den nicht in die Vierung vorgeschobeneu Nach-
bildern und den altern Hauten überhaupt.
Unsere Krypta ist ein längliches Viereck, gen Osten also noch
mit einer geraden Mauer abgeschlossen und hierin ist eine apsidenartige
Nische vorgesehen, das Ganze von Tonnengewölben mit einschnei-
denden Stichkappen bedeckt. Die schon erwähnten Westpfeiler
abgerechnet, wechseln die drei östlichen Stdtzenpaaren mit gesuchter
Unregelmässigkeit, indem in dieser Reihe ein viereckiger Pfeiler
die Mitte /wischen zwei Händel-Säulen, in jener die östliche Front-
stellung von solchen einnimmt. Die Hasen der Pfeiler belebt eine
S c I) im i e g e , jene der Wandpilaster eine solche in Gestalt einer
matten Kehle; die Kämpfer und Kapitale stellen eine bunte
1) W. Mith oft', Kunstdenkm. u. Altorth, im Hannoverschen. Ill,4.'t.
2) Meinwerk wurde 10: Mi in der Krypta und verinuthlich in einem
Steinsarge, worüber bald ein Licht brannte, nach :t40 .Jahren jedoch aut
dein erhöhten Chore beigesetzt, bis 1K03 in Folge der Jvlcularisation die
Gebeine nach dein Dusdorf gebracht wurden (Dessen, Gesch. des
Disthums Paderborn ls-20, I, Vi7, 1:JH). Nach einer Darstellung (etwa von
15001 auf seinem Sarkophage hatte die Kirche drei Thürme, Figur: in AA.
SS. Juni V, 509.
:tj Dies ist angeblich frühere, jenes jüngere Weise (D e h i o und
von D e z o I d, Kirchliche Daukun.st des Abendlandes 1, 1K4) — doch nicht
im Kheiugebicte. A 1 d e n k i r c h e n, Bonner Jahrb. 71, H»i.
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122 J. B. Noril hoff:
Musterkarte ungleicher Formen dar; die Kämpfer der Wandpilaster
bestehen hauptsächlich aus Kehle oder Schräge und Platte, jene
der beiden Pfeiler aus steilem Karnies und Platte. Die Säulen
offenbaren in der Verjüngung und Basenbildting Anklänge au den
Altbau des Bilsdorfs, in dem gehäuften Gliederwerk der Profile an
den Unterchor zu Corvey, worin auch der StUtzcnweehsel, nur regel-
mässiger, waltet. Die Bündelsäulen haben eine (kahle) attische
Hase, ein halbmerklich geschwelltes Trichterkapitäl, darüber eine
entweder mit Palmetten oder Drachengebilden behauene Platte und
Kämpfers! (Icke von reichster Gliederung und kühnster Ausladung1):
eins davon steigt geradezu aus mehreren Gliedehen stufenförmig
9 cm hoch bis zur Oberplatte an und das mittelste davon ist als
Kundstab stellenweise mit Ringen umzogen. — Wie dasselbe an dem
antikischen Perlstab, der auch zu Corvey bis ins 11. Jahrhundert
fortgeht, und wie das Capital an die dorische Form *), so gemahnt
die Zierseulptur mit dem Kleingliederwerk zugleich an den Schnitt
der Holztechnik. Ein dorischer Keim steckt auch in dem Bündel
der Säulen oder vielmehr in ihrem Vierpassdurchschnitte — er sollte
sich bald klarer entfalten, nämlich auf auswärtigen Bauplätzen.
Gerade im Gegensätze zur gangbaren Auffassung :t) ist die
Krypta zu Emmerieh nicht das Vorbild, sondern das Nachbild
der Abdinghofcr Unterkirche und zwar ein sehr ausgeprägtes. Vcr-
räth selum das Vitus-Patronat zu Elten (96.'J) eine frtthzeitige Ver-
bindung des Niederrheins mit Corvey und Herford so besass dort
der Paderborner Knusteiferer Meinwerk seine Staiimigtttcr, die er
theils rheinischen Kirchen, theils dem Kloster Abdinghof vermachte.
1) Namentlich mittelst «lex Knrniesse«, also ganz anders wie in der
angegebenen Zeichnung bei L ii b k e und Giefcrss, das Capital sclbnt
besser bei G. H u in h ii ii, Bonner Jahrbücher SH, IKl, Fig. '25, wo S. I!H)
auch Mehrere« über den Gebrauch der Schmiegen.
2\ Nicht an die südlicheren Trapezkapitale bei \V. Schleuning,
Miehaels-B.isilika zu Heidelberg 1H87, S. .W, 4:2.
31 K. Aus*m Weerth. Kunstdcnknmle des ehr. Mittelalters in den
Kheinlnndeii 1, p. XV angt: .Der von Quast hervorgehobene. Dorismus
der westfälischen drei Saulcupaare . . . und der Vergleich der andern mit
den schon einfacher ausgeführten in der Krypta zu Abdinghof . . . setzen
die Emmericher Krypta unzweifelhaft ins erste Jahrtausend.'* Darnach
vermutlichen D e h i o und v. B c z o I d a. a. <>. S. 181 noch wohl eine Ent-
stehung im 10. Jahrhundert.
4) Kepertor. f. K.-W. XII, 374, 376.
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Die Bftiigciiealogie der Abdinghnfschen Krypta zu Paderborn. 123
Die Klostermänner hatten im diesen Bodenschenkungen stets feste
Hultepunktc des rheinischen Verkehrs ') und daher flössen auch in
ihre Roichsnnnaleu manche Nachrichten von Utrecht, Lüttich und
Flandern*). Meinwerks Schenkungen veranlassten zu Emmerich
auch die Verlegung und Erneuerung der bevorzugten Stiftskirche,
und zwar nach dem Jahre 1031 *).
Da sich Enuuerich so durch Meinwerk und die Abdiiighofsehen
Mönche nach Paderborn hingezogen sah, konnte die hiesige Abtei-
kirche und Künstlerschaft leicht belehrend und gestaltend auf den
Hau der rheinischen Stiftskirche einwirken. Schon wurden die drei
I lallenschiffe der Krypta ') geu Osten mit einem Halbrund geschlossen,
die Gesimse , in welchen Kehlleisten oder Kamics an den Hasen
beziehungsweise an den Kämpfern vorherrscht, plastischer behandelt,
die Stichkappcn ans der Krcuzgrätenwölbnng fortgelassen, die Frei-
setzen zwar einheitlicher in der Säulenfonu, jedoch Paar fltr Paar
wieder wechselvoll ausgeführt. Das westliche Paar umgeben an der
Oberfliiehe je seehszelm, das mittlere je acht, das östliche und
letzte je vier aufsteigende Rundstäbe ; das letztere kehrt also im
Durchschnitte den Vierpass 5) heraus, wie die Säulchen zu Abding-
hof. Aus ihm, als dem (Jrnndmotiv, sind also zn Emmerich fort-
schreitend vermehrt und geschwächt die Kundstäbeheu der übrigen
Stützen hervorgegangen, bis die acht- und vollends die seehszehn-
ll Vgl. Vita Mcinwerci e. I, 22. Gobclinu* Persona, Cosmodromium
ap. Meiltoni SS. rer. German. I, 260.
2) Vgl. S c Ii c f f e r ■ 1! o i e linr« t, Annale* Palherbriliinenses 1870,
S. 7H, HO, !).-), 101, iat, 11.'», 12«».
3) A. T i h u s. Alter der Kireheu zum h. Mnitinus und zur h. Alde-
gundis lM7f), S. 17, f>8 ff., 65, Ders., Zur Geschichte der Stadt Kmincrieli
1HH2, S. 13, 17.
Ii Kin schlichter Grundriss bei A. Springer, Baukunst de» christl.
Mittelalters IH.Vt, Tal'. VII], 8. leb benutze einteilende Aufnahmen des
Herrn C. Uiflurth aus M.-(iladbaeb; Beschreibung bei H. Otte, Gesell,
der rom. Baukunst in Deutschland 1874, S. 191) und darnaeh bei Tibus,
Gau Lcomcrike 1877, S. 121. Technisch-Formales bei Humatin a. a. ().
88, 181 ff.
5) In der Krypta des Münsters zu Neuss, wo auch die Schmiege der
Saulctibasc eine aimderbare Form gibt, laden die vier Siiulehen (1074) so weit
aus, dass sie eben durch den viereckigen Pfeilerkern noch Zusammen-
hang behalten. Uumann a. a. (>. 88, S. 190, Fig. 13, S. 182, Fig. 10.
Aldeukirchen da». 74, 87.
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124
.1. B. Nordhoff:
passigen sieb wie die Matrizen doriseher Canälc ausnaliiuen. Die
Sittlichen im Nechazehnpassc krönt bereits da« zu Essen und in
Mischform zu Paderborn' Fig. i vorgebildete Würfeleapitäl '), die übrigen
Sätilcnköpfe sind aus einem stumpfen
Viertelstabe gebildet und wie die Rasen
von den Kinnen des Schaftes durch-
furcht. Da« dorische Gefühl51), welches
die Capitäle und Sehaftsüulchen athmen,
durchdringt sich indes« wieder mit den
Ticfineissclungcn der .Schaftrinnen, nur
plastischer und stereotomischcr, als es
zu Paderborn geschieht.
Die Harmonie dorischer und holz-
technischer Laute steigert sich in der
Nähe, doch wiederum auf westfälischer
Erde, nämlich zu Vreden, wo das
erlauchte i pracclara i Francnkloster, wenn
nicht von Meinwerk, so doch von seinen
Ahnen vor 839 gestiftet ist, die dort
auch von alters her in der Krypta ihre
Grabesruhe fanden 3). Der Kau «) zerfällt
in eine spätere Erweiterung nach Osten
und einen westlichen Alttheil; dieser erhielt noch, sofern er bei
der Erweiterung nicht wesentlich verändert ist. einen geraden Ost-
I) Das Sätulcheii kam bei der Restauration (186*1 aus dein Kirchcn-
Kenianer zu Tajje; die attische Hase dient umgekehrt als Säulcnhals und
erinnert mit den Horizontal riefnn#en an die Rienicheu (Sehiiüret der dori-
schen tjnnischcn) SHlllc. Der freundlichen Zeichnung des Bauraths W.
Schultz wurde schon gedacht Bonner Jahrbücher H. «!>, 174. N. 5.
2i K. Adamy, Architektonik des Muhamedanischcu und Romani-
schen 1KH7, II, 274, ist ,von der Anwendung der dorischen Süule ein
Beispiel aus der romanischen Kunst nic ht bekannt."
.1) So Bertradis, wahrscheinlich die erste Aebtissin, Schwester des
Stifters Waltbert, dieser selbst und 101« der Graf Wichmnnn (R. Wil-
ma n », Kaiser-Urkunden der Pr. Westfalen 1*<;7, 1,419,421). Nach einer
freilich spiltmittelalterlichen Aufzeichnung • - • itur ad Kepulchruin eius
(sc. Bertradis) infra chorum (das. S. 420» — hätte hier aber, wie zu
Meschede, mit dem 9. Jahrhunderte eine Krypta (infra choruin) bestanden,
so witre die vorlindliche ein geräumiger, hallenartiger Umbau.
4) (Jrnndriss. LHngcndurehschnitt, Stützencapititle bei Lübke
Tat. II, 3, 4 b—e, XVI, 17, ls. Vgl. Corresp. BI. d. Gesammtvereins III, 25.
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Die Bangenealogie der Abdinghofischen Krypta zu Paderborn. 125
schluss, zwei westliche Eingänge, und gleichfalls inmitten zweier
Pfcilerpaare zwei Rundsäulehen. Hier laufen in den stämmigen
Säulen, den trichterartigen Capitälen mit phantastischen Ausmeissc-
lungcn von Abdinghof (und Emmerich), in den bereits mit Kreuz-
und Quergnrten durchzogenen Krenzgcwülhen von Essen (Krypta)
uud in den seltsamen Vertikalzierden der Pfeiler und Säulen von
Emmerieh und Essen die Fäden offenkundig zusammen. Ein Säul-
chen besitzt die llorizontalstäbchen von Emmerich gleichsam ein-
wärts gekehrt, d. h. förmliche Canäle, die Stege von Kerbrinnen
durchfurcht, eine Pfeilerfläche sogar eine erhabene Flachsäulc mit
jonisirendem Capitäl »). Sonst bestehen die Umrisse der Pfeiler
hier so, dort so: aus geraden oder coneaven Eiiimcisscluugen und
an deu Ecken aus einem, oder aus zwei Ruudgtähcn. In Stil und
Zier nähert sich also die Krypta mehr dem jüngeren Bau zu Emme-
rich, als dem Urbildc zu Abdinghof; dass sie dem ersteren in der
Entstehung nicht voranging, bezeugeu ihre gleichfalls nahen Ver-
bindungen mit der Unterkirche zu Essen und zwar weniger mit
deren schon durch Gcwölbegnrten ausgezeichneten Alttheile (um
1000), als mit dein jungem Ostbauc von 1051 *); in ihm schwindet
mit den dorischen Elementen der Wechsel der Frcisttttzen, oder viel-
mehr die alttraditionelle Säule a) ist zu (i misten des Pfeilers ver-
worfen, der allerdings die kräftigsten Rundglieder und Vertiefungen
behält — und dies Alles erlangt (seit 1042) die äusserste Ausgestaltung
in der Domkrypta zu Merseburg *). Daher erseheint die Vredener
Krypta eher eine Vorstufe, als eine Altersgenossin des Essener Ost-
banes, zumal da diesem ausser der Basenschniiegc nähere Anklänge an
Abdinghof fehlten. Aus der .Mitte des 1 1. Jahrhunderts ist kein Er-
cigniss bekannt5), «las den Anstoss zum Baue gab, es sei denn die
1) Kin almliches, architektonisch entwickeltes zu Ksscn; jonisirende
Capitata zu Osnabrück und anderswo. Bonner Jahrbücher H. HS, S. 1H.I,
2Qf>. lieber die zu Oernrode (10. Jalirh.) begonnene Kinkcrbuiig iler
Pfeilcrkauten und die vertieften Füllungen einer Uildc.sheimer Siiule der
St. Michaelskirchc vgl. Hninann a. a. 0. 88, S. 180, 183, Fig. 11.
2) «. H u m a n n a. a. O. H. 82, 76 ff.
3) Vgl. A. Springer in d. Westdeutschen Zeitschrift III, 204, 205.
4» Bau- und Kunstdenkiniiler der Pr. Sachsen VIII, SM, 111. Vgl.
die Abbildung bei Fr. Kugler, Gesch. der Baukunst II, 374.
n) Etwas zu früh 1024 der Besuch Conrads II. Vgl. II. Breslau,
Jahrb. des deutschen Reiches unter Conrad II. 1879, I, 33.
vx
J. B. Nordhoff:
segensreiche Regierung der Kaiscrtoehter Adelheid ; entweder sie, •
welche 1044 gestorben und aneh zu Quedlinburg als Haulierriu bekannt
ist oder ihre ungenannte Nachfolgerin, möglicherweise die Theo-
phauia von Esseii, welche hier die Weihe des Osttheiles veran-
staltete und zugleich Aufnahme ins Vredener Nekrolog gefunden
bat s), muss für die Urheberin des Westthcilcs der Vredener Krypta
gelten.
Das Ostwerk markirt sieh gegenüber dem Westtheile durch
seine Höhe, Hauart und Stileharaktere ganz bestimmt als ein selb-
ständiger uud nachträglicher Zusatz, und da er jeglicher Verwandt-
schaft mit Abdinghof entrüth , muss seine Datirung und seine
nusaergewöhnlicbc Stilweise einer besonderen Abhandlung vorbe-
halten werden.
Abdinghofer Fonngedaukcn zündeten auch im nördlichen Franken,
an dem grossen Hasilikabaue der Klosters Hersfeld (1040). Die
oben (S. 120) hervorgeh(»bene Uebereinstimmung mit der Westpartic
von Abdinghof kann nicht zufällig sein, denn an der erhaltenen
•Säule repetirt auch das schwach ausgebogene Trichterkapitäl, an
den Wandpilastern der steile Karnies, sogar die matte Bascnkchle 3) t
(vgl. S. 121) — zwischen den beiderseitigen Basiliken selbst stellen sieh
gleiche oder frapjMuitc Züge heraus, die auf einem nähern Verkehr
beider Klöster beruhen : ganz erklärlich, weil der in der Hersfelder
Bauzeit zu Paderlioni regierende Bischof Rothard (1030-1001)
vorher Abt zu Hcrsfeld war 4).
Der Domchor zu Merseburg, seit 1042 erbaut, knüpft, wie
mit dem Rundpaare der Thürme an Busdorf (S. 1 18), so mit dem Auf-
geben der Säule an Essen, mit der Umkleidnng des Pfeilerkernes
an alle bisher betrachteten Bauten, etwa mit Ausschluss des Hcrs-
fcldcr. Den Pfeilerkern verhüllen tiefe und erhabene Hori/.outal-
glieder, die ersten von solcher Einsen kling, als nns bislaug nicht
begegnet ist, die letzteren wieder abgewechselt, nur nicht in der
Multiplikation (Emmerich), sondern in der Coordiuation (Vreden).
Liegen auf den Ecken die Rnndstäbc, so kommen mit die Flächen
die Polygonstäbe oder umgekehrt und uehmen gar Rillen an, wie
1) A. Hartmann, MitloUltcrl. Baudenkmäler Nledersachscns 11,108.
2) Vgl. F. Ten ha gen in d. WestfHl. Zeitschrift 1«, I, 147, 1;">0.
G. II n in .1 n n im Corrcspondenzblutte des (iesniiiintvereins 1884, S. H«J. i
3) L o t z n. a. O. Ih&h, Fifr. f», «, 12, 8.
4) K. F. Meyer in iL WestfHl. Zeitschrift X, litf.
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Die Baugencalogie der Abdinghofsehcn Krypta zu Paderborn. 127
soust die Stege (Rnndstäbe); die vier Rundsäulchcn spiegeln auf
die Flächen gelegt noch verdeckt, auf den Ecken \) aber klar den
Bündelpfeiler von Abdinghof wieder, nur dass sie nicht mehr inein-
ander, sondern mit dem Pfeilcrkcrne verschmelzen. Aehnlich wie
zu Paderborn erbauen sich gewisse (Jcsimsc der Freistützen aus
gehäuften Kleingliedern und nehmen die Wandpilaster am Sockel-
simsc die einfache Schräge, die Kämpfer den schon von zwei Plätt-
cheu eingefassten Kanucs an. An den Alttheilen des Domes über-
haupt spielt mit der einfachen Schräge auch die matte Kehle -)
eine auffallende Rolle, gerade wie zu Abdinghof.
Allerlei Verbindungen tauchen auch zwischen den Basiliken
zu Abdinghof und zu Fischbeek3) an der Weser, also in Ostnähe
von Paderborn auf und zwar, was die Fischbecker Krypta betrifft,
noch gegen 1100. Sie zeugt in allen Theilen von einem inzwischen
fortgeschrittenen Romanismus , hat namentlich als Wandstützen
Säulen statt der Pilaster und über dem halbrunden Ostschlusse
Gewölbe von Quergurten begrenzt und von Längsgurten durchzogen,
doch in dem Walde von Freisänlen will die Unregelmässigkeit noch
nicht ganz weichen, indem die beiden östlichsten Stützen sich buch-
stäblich in vier gebündelte Säulchen auflösen 4), nicht anders wie
die Apsiseinfassung an einem Krenzarmc des Langhauses.
Noch ein schönes und vielleicht das frühste Beispiel Pader-
bomer Bauexpansion werde hier und zwar erst am Schlüsse ge-
lt Vgl. die Abbildungen bei L. P u 1 1 r i c Ii, Denkmale der Baukunst
des Mittelalter*« in Sachsen I, 22, HI. 9 x- y, n— v und bei Fr. K u g I e r,
Gesch. der Baukunst II, 374.
2) Vgl. in Bau und Kunstdenkmalern der Pr. SacliHen VIII, Fig. 113,
114, 91, 98.
3) Eine bald nach 1100 fallende Bauzeit des Langhauses bekunden
u. A. die fast totale Flachdeckung, das schlichte Gcprilge des Innern und
da« Würfeloruameiit — dagegen dürfen gewisse Formen und Zierden,
z. B. die Vielpassfenster, die aufgeblendeten Siiulcnstellungen und Arwiden,
welche sogar Geschosse bilden, um so weniger zu Gunsten eines jungem
Datums sprechen, als solche auch dem bis 1140 erbauten Kirchleiu zu
Idensen verliehen sind (vgl. Bonner Jahrbücher B. 90 S. 88, N. 2 und 3).
Da sie hier so früh, und »pllter bo selten vorkommen, werden sie auf süd-
liche (lombardische) Wandermeister zxirückzuführen sein. Weitere Be-
gründung in der Allgemeinen Zeitung 1891, Bcilago Nr. 253.
4) Lübke a. a. O. S. 70, Taf. III. Fig. 1, L>, 8 und P. Tornow,
in den mittelalt. Bandenkm. Niederswichsens III, 81 Taf. 137—139.
128
J. B. Nordhoff:
würdigt, weil ihm die ursprünglichen Eddalieder leiden, wodurch
sieh uns jene bisher so schlagend ankündigte. Es ist ein Theil der
Krypta zu Freckenhorst in der Mitte des Landes. Vor etwa
fünfzig: Jahren wurde sie gleichsam wieder entdeckt, ganz verschüttet,
das Gewölbe „anstatt der Saiden mit rohen Mauern unterfangen",
die vorfindlichcn .Säulen, sofern ich einen gleichzeitigen Bericht ')
zutreffend auffasse, aus Anröchter Grünstein (8. 118) gefertigt, aber
zertrümmert, die Capitäle in abgerundeter Würfelform, die Eck-
zierden der Basen als Nasen gebildet. Capitäle und Basen ent-
sprachen also der Bauzeit von 11 <>u und diese passt auch thatsäeh-
lieh zu dem Ost baue, zumal dem Gewölbe desselben Kreuzgräten
und nur zwei kurze Längsgnrten zukommen ; der Westbau aber ist,
was meine Vorarbeiter übersehen haben , viel älter. Er besitzt -)
noch Wandpilaster, zwei Eingänge von der Vierung her, und über
den sechs (spätem) Rundsäulen Tonnengewölbe mit Stichkappen.
Diese sind so alterthüinlich •H), dass man trotz aller construetiven Be-
rührung desselben mit Abtlinghof diesem den Altersvorrang streitig
machen könnte, wenn nicht die Thurmeinfassung und die ausgebildete
Hallenform zu Freckenhorst vorläge und das Frauenstift noch später
(1110 — 1129) für den Bau einer grossen Basilika ein ganz wesent-
liches Motiv von Paderborn entlehnt hätte. Es stimmt nämlich
der Westtburm mit seinen beiden Trabanten und der innern lloch-
1) Von B. Zehe in Sehultc'sMittheilungen Uber tlns Stift Frecken-
horst 1852. R. 3, 13.
2) Vgl. meine Kunstdcnkmüler rles Kreises Warendorf lSSti, S. 105.
Grundriss und Durchschnitt Fig. 1)2, ">3.
3) Vielleicht nattm das O 1 d e n b u r g i s c h e Kloster Hast e d t e,
welches sich in wichtigen Angelegenheiten in Westfalen Ruths zu er-
holen pflegte, gleich für die AnInge der Krypta nach 1053 Lehre von
hier an: mag die Krypta auch noch kleiner und der späteren F.ntstehungs/.eit
angemessen, in der Wölbung weiter entwickelt oder, was die Bildung der
attischen Busen betrifft, gar schon die Kckzehe darin zu finden sein. Vgl.
Wi I m nns K. U. II, 402. . . . fundata vero hacc ecclesia edifieiis pulcliris;
coines Huno (sc. fundator) specialiter sibi et uxori suae c a p e 1 1 u 1 a in
sub choro preeepit construi, in qua, semotis negotiis secularibus,
Deo preces funderent. . . . Qui (abbas Meinricus um 1130), postquain
sanetuarium, scilicet superiorem partem ecelesiae, de lapidibus lateruin
et (loruiitoi ium cdillcasset, We s t p h a 1 i a m p r o n e g o t i i s eedesiue
visitaverat, iiifirmitate raptus moritur, et in clauslro, «piod Vrceken-
horst dicitur, honorifice est sepultus. Chronicon Bastedense in Khren-
tr mit 's Friesischem Archive II, 21S, 272.
Die Baugenealogie der AbdinghofKihen Krypta zu Paderborn. 129
empöre bis auf die Itfaassc mit dem Thurmwerke des Dome» zu
Paderborn, dem später die Hochempore entrissen worden ist l).
Aus unsem Erörterungen geht deutlich hervor, das« im 11. Jahr-
hundert kunstreiche Kirchenbauteu noch langebin Helten und durch-
schnittlich nur den reichen Stiften möglich waren. Und erstand
einmal ein zweckmässiges und gefalliges Bauwerk, so gingen dessen
Planform, Edelglieder, zumal Gesimse zu stets weiterer Aus- und
Umbildung auf andere Hanplatze Uber, durchliefen dort, indem die
jflngstcu Werke lehrreiche Beisteuer lieferten, die versehiedensten
Wandlungen, doch so, das* den letzten immer noch Zflge von dem
Urbilde anhafteten. Als ein Schöpfungsbau rühmt sich die Krypta
zu Abdinghof einer Reihe von Abkömmlingen in der Nähe und
Ferne, und besonders in ihren Bündelsiiulcheu der umnuichfaltig-
st eu und schöusten Entwicklung.
I) Bonner Jahrbücher B. M, 17t!.
Jahrb. d. Ver. v. AlUrtl.uinsfr. Im lih.inl XCHI.
1.10
Joseph K I i ii k e ii b c r p:
10. Studien zur Geschichte der Kölner Wärterinnen').
Von
Joseph Klinkfiiberg.
ö. Die Zahl der Kölner M ärt crinnen.
Unter den vielen Frühen, welche in der Ceschiehte der Kölner
Müllerinnen der Beantwortung harren, hat keine so oft die gelehrte
Forschung beschäftigt, wie die Frage nach der Zahl derselben.
Kaum war mit dem Ausgange des Mittelalters der kindliehe Chili he
an die 1 M.KH) Jungfrauen, die in Köln den Martertod erlitten haben
sollten, erschüttert, als eine Theorie nach der andern auftauchte,
um die genannte Übermässig hohe Zahl zu redueiren und zugleich
ihre Entstehung zu erklären. So nahmen S i r m o n d n s, V a I e s i u s
u. a. au. es ha he in alten Handschriften geheissen: ,.S. Ursula et
Undeciinilla v. in.", und daraus sei durch den Unveretaud der Ab
schrei her „S. Ursula et undeeim milia v. in." geworden. Leibniz,
bei dein zweifelsohne der Xame Uudecimilla Bedenken erregte,
glaubte den obigen Ausdruck aus „S. Ursula et Ximilla" (= Deei-
milla, Decumilla) erklären zu müssen. Andere meinten, man habe
aus der Wendung: „Natalis undeeim illtrium ( illustriumj virgi-
uum'' in Folge des Missverständnisses der Abkürzung und falscher
Huehstabcnverbiiidiiiig herausgelesen: „Natalis undeeim uiillium vir-
ginuin". Wieder andere liesscn da* Wort miliiun des obigen Aus-
drucks aus M. = martyrum entstehen. Am wunderbarsten ist tlic
Ansicht Sprcngs: ursprünglich sei deutseh geschneiten geweseu
„8. Ursula ximartor" (er meint: chimartirot); durch Abkürzung dieses
Ausdruckes sei eutHtaiiden S. Ursula xim.. eine Form, in der man
I i Eine zusammenhangende Entgegnung auf die Kritik der ein-
zelnen Abschnitte dieser Abhandlung behalte ich mir bis zum Abschlüsse
derselben vor.
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Studien zur Gesehh-hte der Kölner Milrteriimen.
131
die 11CXK) Märtcrinnen bezeugt gefunden habe1). Alle diese An-
nahmen haben neben den Unzitträgliclikt-itcu. welche jeder ein/einen
von ihnen anhatten, den Fehler mit einander gemeinsam, dass sie nicht
auf dem Boden geschichtlicher Tliatsachcn stehen ; sie sind demnach
allesammt wcrthlos. Den ersten Versuch einer historischen Behand-
lung hat B i n t e r i m unserer Frage angedeihen lassen, indem er
die Herausgabe des von ihm entdeckten merkwürdigen Essener
Kalendariums mit einer Abhandlung Uber die Zahl der Kölner
Märtcrinnen begleitete*). Wie verdienstlich aber auch diese Arbeit
B i n t e r i m s ist, so hat sie doch nach meiner Ansicht die Frage
nicht endgültig gelöst, da sie den eingeschlagenen richtigen Weg
gegen Sehluss leider wieder verlässt. Es soll daher im vorliegen-
den Abschnitte das schwierige Problem noch einmal behandelt
werden und zwar lediglich auf Grund genauer Zusammenstellung
nnd scharfer Deutung der einschlägigen historischen Denkmäler.
Gleichzeitig sollen zwei andere mit der obigen aufs engste zusammen-
hängende, bisheran aber kaum berührte Fragen zur Besprechung
kommen, die Frage nach den Namen und nach der Rangordnung der
Kölner Märtcrinnen.
.Schon im zweiten Abschnitte dieser Studien ergab sich, dass
die älteste Urkunde Uber das Kölner .luugfraucnmartyrinm , die
Clematianischc Inschrift, durch die Bezeichnung der Basilika als
Marler- [und Begräbniss-jstätte auf eine beschränkte Anzahl von
Märterinnen hinweist, dass die Epoche des Diokletian und Maximiau,
in welche aller Wahrscheinlichkeit nach das Martyrium zu versetzen
ist, nur eine beschränkte Zahl zulägst und dass diese Ansicht durch
eine Stelle der vita s. Cuniberti gestützt wird. Leider fehlt es uns
bis zum 9. Jahrhundert überhaupt au weiteren Nachrichten über die
Kölner Märtcrinnen, und zu der Zeit, wo dieselben wieder anheben,
hat bereits im Volke eine andere Meinung über die Zahl derselben
festen Bodcu gefasst : es ist daher begreiflich, dass sich in dieser
Spätzeit nur noch wenige Nachrichten vorfinden, welche uns über
die Ansicht eines frühem Zeitalters aufklären.
1) l'eWr «Hf zur KrklUrunjf der 11000-ZahI aufgestellten Theorieeu
s. Acta Samt. Ott. IX p. 111 sq. Die daselbst aus B i n t e r i m angeführte
Conjektur des N n t n I i s Alexander wird hier nicht erwühnt, weil sie
für unseni Zweck ohne Bedeutung ist.
2) B i n t e r i in, Kalendarium ecelesiae Gernianieae Ooloniensis sae-
euli noni. Coloniae 1824.
Joseph K I i n k e n h e r g:
Das Martyrologium des Uns war d (Usttardus), eines Mönchs
von 8t. Gcrinain, welches um 860 abgetanst wurde, hat zum 20.
Oktober: Civitate Colouia passio sanctarum virginum Martha« et
Sanlue cum aliis pluribus. Die Bezeiehnung der Kölner Märterimien
als .sanctae virgincs' ist die älteste, der Clcmatiauisehen Inschrift
entlehnte. Für unsern Zweck ist besonders der Zusatz ,cuin aliis
pluribus' wichtig: ina^ man das Wort plures in dein Sinne einer
grössern Zahl als die vorher genannten oder als allgemeinen Zahl-
begriff fassen, unter beiden Voraussetzungen lüsst sich aus dieser
Angabe mir eine beschrankte Zahl berauslesen, und ,cunt aliis pluri-
bus' kann nimmermehr, wie Stein1) meint, gleichbedeutend mit
.cum multis aliis'' oder gar .cum aliis milibus' sciu.
Noch deutlicher spricht sich das Kalendarium B internus aus.
Dasselbe ist einem Missale des Stiftes Ksscn eingefügt, und seine
Abfassung füllt, wie der Herausgeber nachweist, zwischen 873(Gr(lu-
dungsjahr) und 891*). In diesem beisst es unterm 21. Oktober 3;:
Sancti Hilariouis et sauetarum XI virginum Ursulae, Seneiae, Gre-
goriae, J'innosac, Marthac, Saulae, Hritulae, Saturninne, Kabaeiae,
Saturiae, Palladiac *). Hier werden also ausdrücklich 11 Jungfrauen
genannt und aufgeführt, unter ihnen die von Usnardus erwähnten
Martha und Saida. Dieses Zeugniss eines liturgischen Buches für
die Elfzahl der Kölner Märterinnen lässt sich nicht durch den Hin-
weis darauf abschwächen, dass dasselbe jünger ist als der Sermo
in natali, der bereits von Tausenden von Märterinnen redet5): viel-
mehr beweist dasselbe ebenso wie das vorher angeführte aus dem
Martyrologium des Usuardus, dass man noch in der zweiten Hälfte
des 9. Jahrhunderts hier und dort in den liturgischen Büchern auf
Grund älterer Vorlagen an der in Köln bereits verlassenen Ansicht
von der geringen Zahl der Kölner Märterinnen festhielt. Noch
1) Dir h. Ursula S. 51.
2) Gegenwärtig befindet sich dieses Missale auf der Kgl. Landes-
bibliothek zu Düsseldorf unter nr. D2.
3) In Itczug auf den OcdllchtnisHtag der Küluer Märterinnen zeigt
sich ein Schwanken zwischen dem 20. und 21. Oft ober. Das erstere
Dutum findet sieh in wenigen illtercn oder fern von Köln abgetansten
Kniendarien und Martyrologien; später ist der 21. Oetober als GcdHcht-
nisHtag allgemein.
4) Die Orthographie der Handschrift ist hier wie bei den folgen-
den Anführungen beibehalten.
5) Atta Sanet. Ott. IX p. 147 nr. 2<>2.
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Studien zur Geschichte <ler Kölner Miirtcriumn.
I.l.'l
weniger lässt sich gegen die Beweiskraft dos Essener Kalcndarinms
die Thatsaehe ins Feld führen, dass die Kaiendarien häufig von
mehrern Heiligen, deren Fest an demselben Tage begangen wird,
nur einzelne namhaft machen und selbst «He Zahl der Gefährten ver-
schweigen: denn unser Kaleudarium spricht ausdrücklich von den
„heiligen e I f Jungfrauen" und fuhrt sie namentlich auf ).
Auch sonst erscheinen noch die obigen Namen. In dem Ka-
leudarium. welches einem andern Kssencr Missale aus dem Anfange
des 10. Jahrhundert vorgesetzt ist * i, heisst es unterm 21. Oktober
einfach: Sanlac et Martha« — dieselben Namen wie bei Usuardns.
Die Litaneien in den liturgischen Handschriften der Kölner Dom-
bibliothek enthalten bald einzelne von diesen Namen, bald sHntmt-
liche. So folgen im cod. 8H des 11. 12. Jahrhunderts fol. 10 auf
einander: Martha. Saida, Paula, Brittola, Ursula; im cod. 10t» des
0. Jahrhunderls fol. 74: Brittola, Martha, Saida, Sambatia, Saturnia,
Grcgoria, Pinnosa. Palladia: im cod. 4ö des 10. Jahrhunderts fol.
1H:i: Martha, Saula, Brictola, Gregoria, Saturnia, Sabatia, Pinnosa,
ürsnla, Sentia, Palladia, Satnria
Diesen Namen liegt ohne Zweifel eine gute, alte Ueberliefe-
rnng zu Grunde. Itis auf einen lassen sich dieselben in den letzten
Jahrhunderten des Rdmerreiehcs als vorhanden nachweisen, und
dieser eine ist so gebildet, das« er zu Bedenken keinen Anlas» giebt.
Martha und Saida sind biblische Namen, wie sie bei den Christen
der ersten Jahrhunderte besonders» im Orient, seltener im Occident
gebräuchlich waren *). Martha ist einer der häufigsten ; er findet
1) Von der Heranziehung _ eines Freilinger Kalcudariums des 10.
Jahrhunderts, in welchem ,SS. M. XI virginum' steht (vgl. Act. Samt.
Oct. IX j«. 117 nr. 261 > nehme ich Abstand, einerseits wegen der Unsicher-
heit dieses Zeugnisses an und für sich, andererseits weil ich nicht in der
Lage bin, dasselbe zu controliren.
2> Gegenwärtig auf der Kgl. Landesbibliothek zu Düsseldorf unter
nr. 1)3.
.'!) Vgl. Ecclesiae metropolitanae Col. Codices manuscripti. Descrip-
scrunt Phil. Jaffü et Guil. Wattenbach. — Für die bereitwilligst
erlheilte Erlaubnis« zur Benutzung der in diesem Abschnitt erwähnten
Handschriften der Kgl. Lnndesbibliothek zu Düsseldorf und der Dom-
bibliothek zu Köln erlaubt sich der Verfasser auch an dieser Stelle dem
Geheimen Archivrath Herrn Dr. Ha Hess und dem Dompropst Herrn
Dr. Her läge den verbindlichsten Dank auszusprechen.
4t Vgl. Le Ii laut, Inscriptions chretieune* de la Gaule I nr. «ti.
134
Joseph K Hilkenborg:
Bich z. B. C. I. L. XII (iallia Xarboncnste) 9f>l. U52 V). 4785.
n'.in'.i. Inscr. ehret. de la Gaule 012. 8an)a int eine ähnliche Bil-
dung wie Iaeoha 'i: ein »Saul kämpfte unter Stilicho {fegen die
Goten *\. Brittnla ist Deminntivum zu Brittas C. I. L. III 3271
und Britta C. 1. L. II 133f>. Die Namen Sentia, .Saturuina und
Ursula sind besonders in Gallien so häufig, das« Belege als über-
flüssig erscheinen: eine christliche Ursula findet sich C I. L. XII
967. Der Xame Samhatia ist zuweilen in Kabacia eorrumpirt, wie
.Sentia in Hccia. Ich finde diese Form bloss in der christliehen
griechischen Inschrift (!. I. G. IV K912 <Iaußcmo<;i und der latei-
nischen von Trier bei Kraus. Die ehrtet 1. Inschriften der Rhein-
landc 208 = [,c Blaut, Inseript. ehret, de la (iaule 27ä; sonst
lautet der Xame Sabatius ('. I. L. XIV .*»(>4D |. is, Sabbat ins eben-
da 3422 (christl.) und Sabbatis ebenda lf>61. Saturia, Gcntilnamc aus
Satnr gebildet, kommt in dallien, «»viel ich sehe, sonst nicht vor; es steht
V. I. L. II 17.:>9. 3;">*9 I. III f>2Xf>; Saturius ebenda 1870. Von den grie-
chischen Xameu Gregoria und l'alladia scheint der erste fast nur
('bristen cigeiithümlich gewesen zu sein; so C. I. L. V 1624,
Inscr. ehret, de la Gaule 2. 186. 194. I9">. Eine Inschrift mit dem
Namen Gregorius ans dem Jahre 319 steht C. I. L. III 1968 b.
Ein Palladius erseheint C. I. L. XII 2630. ein Christ dieses Namens
ebenda 127;$. Der einzige nicht nachweisbare Xame ist Pinnosa;
allein er ist regelrecht gebildet aus dem (.^ognomen Pinna >('. I. L.
X 1944), von dem es auch einen (ientilnamen Pinuius gab (eben-
da 7301. H<i47,:.) ■'' i- Diese Xamcn, unter denen sich mehrere ganz
exquisite befinden, schliessen den Verdacht, dass sie eine Schöpfung
des Mittelalters, etwa des 8. oder 9. Jahrhunderts, seien, gänzlich
aus, zumal, wenn man die geringe Leistungsfähigkeit in Vergleich
zieht, welche das 12. Jahrhundert bei den Benennungen der 11000
Jungfrauen bewiesen hat 4).
Ii Vgl. da* Citat S. 13-1 Aiun. I. — Die im cod. HS der Kölner
Dotnbibliothek genannte Paula ist natürlich nur eine Doppelgängerin der
Sauin.
->» Paul. XII, 13.
• i) Motu in sen zeigt Kph. epigr. IV p. üi'l ff'., dass die Cognomina
auf omis oder -osa , und zwar sowohl diejenigen , welche ursprüng-
lich Adjective waren, als auch die Weiterbildungen von ('ngnomina,
Praenomina und Nomina gentilicia insboHondere dem westlichen Afrika
vom 3. — 6. Jahrhundert n. Chr. angehören.
4) Vgl. bes. das Register Ada Snnct. (»ct. IX p. 20i> sq.
Studien zur Geschichte der Kölner Miirlerhui«'ii.
185
Mit «lein 11. Jahrhundert verschwindet die Kenntnis« der
Namen der heiligen elf Jniigirancn mit Ausnahme von Ursula und
Pinnosa immer mehr. Nur noch zwei Mal finde ich dieselben ge-
nannt. Im vermehrten Mnrtvrologimn des A d o heisst es zum
21. Oktober1): In Galliis apud Coloniam Agrippinam sanctarum
virginmn undeeim millium. Unn dieitur Ursula. Seutia, Gregorin,
Pinnosa, Mardia, Sauin, Brictnla, Satnrnina, Saturnia, Kabatia, Pal-
ladia, dementia, (»rata: et aliaruni uomiun scripta sunt in libro
vitae. Wir haben hier, von einer kleinen Abweichung abgesehen,
die Reihenfolge der Namen wie im Kalendarium B i ti t e r i in s,
nur sind dieselben noch etwas mehr comiiupirt und zwei brichst
farblose hinzugefügt; welchem Umstände diese wahrscheinlich ihre
Entstellung verdanken, wird in einem andern Zusammenhange dar-
gelegt werden. Dieselben dreizehn Xanten fuhrt C r o m b a c h aus
einem alten Brevier von St. Aposteln in Köln an 2). Dort heisst
es von den Gefährtinnen der vorher genannten hl. Ursula: Quarum
nomina sunt haee: Pinnosa, Maximi dueis tilia, Sentia, Georgia,
Martha, Saula, Brittula, Rabastia (!), Satnrnina, Saturn, Palladia,
Clementia, Grata. Als mu die. Mitte des 12. Jahrhunderts unter
Leitung der Deutzer Aebte Gerlach und Hartberit die grosse Auf-
grabung des sog. Ursulaackers stattfand, waren die Namen so sehr
aus dem Bewusstsein der Kölner geschwunden, dass man auf den
gefälschten Grabinschriften andere elf Jungfrauen als die Anführe-
rinnen der 1 1 00(1 — dazu wurden nämlich später die Elfe — be-
zeichnen konnte. Einige der Namen derselben mögen der Curiositat
halber hier angeführt werden: Ortmaria, Albina, Essentin, Baragia,
Panafreta, Tisina »).
Doch kehren wir zu den Ansichten über die Zahl der Kölner
Märterinneu zurück. Der Verfasser des Sermo in natali veranschlagt
dieselben, wie wir schon im dritten Abschnitte zeigten, mit grösster
Bestimmtheit auf Tausende . ohne jedoch eine genau fixirte Zahl
auzugeben; da er aber bei seiner sonstigen Genauigkeit letztere ohne
Zweifel genannt haben würde, wenn sie existirt hätte, so müssen
wir aus seinem Schweigen schliefen, dass im Zeitalter Karls des
1) Giorgiuis, Martyrolojrium Adonis p. »144.
2) S. Ursula vindk-ata p. WS.
8) Vgl. Revelationcs titulorum vel noniiiiuiu ms. limrtyrum et «s.
virginuui auetore Theoderico aedituo Tuitiumti, abgedruckt Acta
Samt. Ott. IX p. 243 so,.
I.V.
Joseph K I i 11 k e n h e r g:
Grossen, in welches der Sermo fallt, zwar Taiisencle von Kölner
Marterinnen in Köln angenommen wurden, dass man sich aber auf
eine runde Zahl noch nicht geeinigt hatte. Noch ein anderes, nnr
wenig späteren Dokument vertritt aller Wahrscheinlichkeit nach die
gleiche Meinung. Wa n d a I b e r t , Münch und Diakon zn l'rttm,
gehören 81. '5, verfasste nach K\9, wo er sich in Köln aufhielt, auf
Veranlassung des Klerikers Otrich ein poetische* Martyrologinni,
welches er H4H zu Köln oder zu Prüm vollendete ' >. In diesem
heisst es v. 671 ft'. iS. :V.»7 der Ausgabe von D Ilm ml er):
Time nnmerosa simnl Rheni per litora fulgent
Christo virgincis ereeta trophea maniplis
Agrippinac nrbi, quartim furor impius olim
Milia mactavit duetrieibus inclita sanetis.
Wenn wir die Worte Wandal b e r ts genau nehmen — und
er befleissigt sich sonst trotz der poetischen Form grosser Sorgfalt
in seinen Angaben *'i — dann haben wir in denselben ein zweites
Zeugnis.« für die Ansicht von mehrern Tausenden Kölnischer Malie-
rinnen, und dieses Zeugniss ist um so wichtiger, weil es gleich
dem Sermo die in Köln herrschende Meinung wiedersieht 8). Aber
noch in anderer Ueziehung siml die Verse Wandalbert* wichtig,
wie schon Stein n. a. O. S. 47 erkannt hat. Die Worte ,1'uror
i m p i n s milia m actavi t' passen weit besser zu einem Gemetzel
der Art , wie es Gottfried von Monmouth erzählt , als zu einer
Hinrichtung der hl. Jungfrauen zur Zeit der Christenverfolgung, an
der noch der Sermo iu natali festhält: wir bemerken also hier einen
Fortschritt des Einflusses, den die wHliseh-bretnnisehe Sage auf die
Ii Vgl. I'oetac Im i ii i aevi Carolin! ed. Dümmlcr II j>. 5»>7.
2) Als ein Beispiel nnler vielen mögen einige Verse dienen, in
denen es sich uiii sehr cotnplicirte Zahlenangaben handelt. V. 655 sq.:
Septeno denoi|ue, Novcmbrein <|ui venientem
l'racsignnt, Gallus eolitur ennfessor et una
Bis cetitnin et deeies Septem iiieinorantur, iui<|UUH
(Juos furor ob Christum simili mactavit honore.
")i An dem Zeugnisse Wa n d n I h e r t s ist B i n t e r i m a. a. O. ge-
scheitert. Kr lasst denselben zunächst von 1000 Müllerinnen reden, was
milia nie heissen kann, und sucht dann die Angabe seines Kalendariunis
mit jener in der Weise zu vereinigen, dass er II Anführerinnen und
1000 (rcfahrtinucn annimmt. Allein eine Combinatinn der beiden Zeug-
nisse ist überhaupt ausgeschlossen, da das eine mit derselben Bestimmt-
heit von elf, wie das andere von Tausenden Jungfrauen spricht.
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Studien zur Geschichte, der Kölner Märtcriiuicii.
137
Geschichte der Kölner Märterinnen ausgeübt hat1). Auch der Um-
stand ist wichtig,- dass mehrere Jungfrauen, welche den Ehrentitel
.sanetae" tragen, als die Anführerinnen der übrigen hezeichnet werden,
während der .Sermo noch von einer einzigen Auftlhrerin, l'iunosa,
spricht. Es ist klar, das» jene ,ganetac virgines" nur die in Köln
von Altere her namentlich bekannten elf sein können, dass also hier
eine Verschmelzung der alten einheimischen Uebcrlieferung mit der
neuen fremden vorliegt. So bilden, um dies bereits vorwegzunehmen,
die wenigen Verse Wnndalberts eine treffliche Brflcke zwischen
dem Sermo in natali und der später zu behandelnden Kolner Le-
gende Regnante domino.
Aber wann und wie ist jene Aendemng in der Ansicht bezflg-
lich der Zahl der Kölner Marterinnen zu stände gekommen V Da-
rül>er können wir bei der Dürftigkeit unserer Quellen nur Ver-
ronthungen aussprechen. Zunächst steht es fest, dass die Anficht
von den nach Tausenden zahlenden Kölner Märterinnen älter sein
muss als die Aufnahme der wälischen Ursulasage: denn während
die aus der letzteren in den Sermo in natali aufgenommenen Züge
von dessen Verfasser nur als wahrscheinlich bezeichnet werden,
gilt ihm die Tausendzahl Ober allen Zweifel erhaben. Wir müssen
sogar sagen, dass der bereits festgewurzelte Glaube an Tansende
von Kölner Märterinnen die notwendige Voraussetzung fttr die
Aufnahme einer Sage war, die von Tausenden niedergemetzelter
Jungfrauen redete. Demnach fällt die Entstehung der genannten
Ansicht vor das 7. — 8. Jahrhundert, in jene Zeit, wo man lediglich
auf Grund der spärlichen Angaben der Clcmarianischcn Inschrift die
Kenntnis» von den Verhältnissen und Schicksalen jener Märterinnen
zu erweitern suchte *). Es liegt uahe, auch für die Lösimg der uns
beschäftigenden Frage auf dieselbe zurückzugreifen. Vielleicht mag
man in den ,d r o h e n d e n Jungfrauen', wie man das ,virgincs
imminentes' ausdeutete, einen Hinweis auf ihre grosse Zahl gefunden
haben; wahrscheinlicher ist es, dass man unsere Märterinnen,
wie man sie (durch falsche Deutung der Inschrift) ihrer Herkunft
nach mit den Thcbäcrn in Zusammenhang gebracht hatte, nun auch
1) Dagegen geht Stein wohl zu weit, wenn er in den Worten
»Rheni per littora' eine Anspielung auf die Ankunft der Jungfrauen-
Schaar auf dem Rheine findet.
■2) Vgl. den 4. Abschnitt dieser „Studien- B. J. LXXXIX S. 139 ff.
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13*
.J o f. |> h Klinkt' n h «• r g:
ihrer Zahl nach diesen anzugleichen suchte, d. h., das» man die-
selben anf etwa eine Lotion veranschlagte. Bedenkt man ferner,
dass die .Stärke der Thebäisehen Leginn auf 6H(M) Mann berechnet
wurde1 >, die Zahl der sie begleitenden Jungfrauen aber nur an-
näherungsweise jenen gleichgesetzt werden konnte, so erklärt
es sich, wie man von Tausenden Kölner Malierinnen sprach,
ohne ihre Zahl zu Hxiren. Aber die alte Ueberlieferung von den
Elfen? I>er Wunseh der einzelnen Städte, mögliehst viele Heilige
zu besitzen, welcher schon im frühen Mittelalter ausserordentlich
stark hervortritt, nahm, wie andere Heispiele lehren, auf überlieferte
Zahlen wenig Rücksicht *), und in nnserm Kalle war dieselbe um
so weniger nothwendig, als das maassgel>cudc Dokument, die Cle-
matianisehe Inschrift, der Zahlbestiiumung freien Spielraum Hess.
Die Richtigkeit unserer Hypothese vorausgesetzt, erklären sich
verschiedene Erscheinungen, deren Deutung sonst schwer fallen
dürfte. Keinem aufmerksamen Leser dos Sermo entgeht die immer
wiederkehrende Bezeichnung dieser Jiiugfrnuenschaar mit Ausdrücken,
welche auf ein Heer und Heeresordnnng hinweisen ivirginum ag-
mina, exercitus, turmac; spiritualis cuneus u. s. w.); und wenn mau
auch vielleicht diese Ausdrucksweise allgemein auf den Kampf der
Märterinnen für Christus beziehen kann , so bleibt doch die Zu-
sammenstellung mit den Amazonen <c. 'J.u ft'.t merkwürdig ge-
nug. Den angeführten Versen Wandalbcrts liegt abermals die obige
Anschauung zu Grunde, und im zweiten T heile «ler Kölner Legende
'Regnante domino e. 17) treten sogar die hl. Jungfrauen als eine
Hcersehaar im Kampfe gegen die Belagerer Kölns auf. Dies lässt
sieh nur erklären durch die althergebrachte Auffassung dieser Märte-
rinnen als eines Heeres, und diese hat wiederum ihren Grund in der
Verbindung, in welche man dieselbe mit den Thebäem brachte.
Auch das schon früher besprochene Euthvmem Sermo e.
gewinnt jetzt vollständige Klarheit. In demselben berechnet der
H So in der Mltereu I'assio Agauncnsium inartyrum des Bisehofs
Kueherius; in der jUnge.ni zahlt sie 6tifi«> Mann.
'_'» Dbs Hin nächsten liegende Beispiel bieten die Thebäisehen
Märtyrer in Köln, deren Zahl Gregor von Tours in glor. niartyrnin «1
auf 50 veranschlagt, wahrend die spatere Ueberliel'erung von 318 Ge-
fährten de« hl. Gereon redet. Hierher gehören auch die im Mittelalter
so hautig vorkommenden Rei«piele „zahlloser" Märtyrer; vgl. Friedrich,
Kirchengesehichte Deutschlands, 1 S. 1(>2, Anmerk. f>07.
Studiin aur Geschiente, der Kölner MMrteiinnen. 189
Verfasser die Iii. Jungfrauenschaar auf weniger als 12UOU. Ohne
Zweifel denkt er an eine Legion; denn er stellt die Jungfrauen
mit den „mehr als 12 Legionen Engel" der heiligen Schrift zu-
sammen; um aber, wie es das Enthvmem verlangt, eine scharfe
Antithese hervorzubringen, sagt er im Gegensätze nicht „ungefähr
eine Legion Jungfrauen", sondern „weniger als zwölftausend Jung-
frauen".
Wie die erste Entwicklungsstufe der Zahl der Kölner Märtc-
rinnen au einzelnen Orten ausserhalb Kölns ihre •Spuren noch zu
einer Zeit zeigt , wo in Köln längst eine neue .Meinung allgemein
angenommen war, so auch die zweite. In einem Trierer Kalcnda-
rium des 11. Jahrhunderts von St. Simeon stand nach Hontheim1)
unterm 21. Oktober: Sanctanun virginuin . . . milia mit einer Lücke,
in welche die Zahl der Tausende eingefügt werden sollte. H o u t-
h e i m schlichst daraus mit Recht, dass damals noch nicht allgemein
die Zahl der Kölner Märterinnen festgestanden habe, und der Um-
stand, dass ein älteres Trierer Kaleudarium, das sog. Oertrudianum,
die 110UU Jungfrauen enthält, vermag gegen seinen Schluss nichts
zu beweisen*).
Die Unbestimmtheit der Zahl der Kölnischen Märterinnen
konnte naturgcniäss nicht lange andauern. Schon bei Wandalbert
linden wir den Weg zu einer Fixirnng derselben angebahnt. Während
nämlich der Sermo in natali nur von e i n e r Führerin der Jimg-
fraueuschaar spricht und die übrigen zehn namentlich l>ekamiten
Jungfrauen nur als zufällig bekannt annimmt , setzen die Worte
Wandalbcrts mehrere, ohne Zweifel elf, Führerinnen voraus: man
glaubte eben das Bekanntem gerade dieser elf Namen auf die her-
vorragende Stellung ihrer Trägerinnen zurückführen zu müssen.
Zu diesem Moment kam als neue« die auf die Kölnische Tradition
je länger, desto mehr einwirkende wälisch-bretonische Ureulaaagc
hinzu, in welcher, wie wir bereits im vorigen Abschnitte sahen, die
Elfzahl ebenfalls eine bedeutende Rolle spielt: bei Gottfried befinden
sich unter der Jungfraucnschaar 110Ü0, in seiner muthniasslichcn
Quelle, dem Brut T ysvlio, 1 1 00 Töchter vornehmer Briten. Wenn
nun schon früher die ganze Schaar in Köln auf Tausende berechnet
wurde, wie nahe lag es da bei der nahen Berührung beider Tradi-
1) Prodromus liist. Trevirensis I p. 371.
•2) S. Acta Samt. Uct. IX p. 14«,
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uo
Joseph K 1 i n k e n be r g:
tionen, nie auf 11000 Zn iiormircii und jeder der Anführerinnen
1000 zn/.nt heilen! NieM ohne Bedeutung war dabei jedenfalls der
Umstand, das.«* die Zahl 11000 aueh den Antraben des Senno ent-
sprach, der, wie sich später zeigen wird, ebenfalls einen nicht un-
bedeutenden Einfluss auf die (icstaltung der Kölnischen Lebende
ausgeübt hat.
Die Zeit dieser letzten Wandlung lässt sieh, soweit dies bei
derartigen, allmählich sich entwickelnden Vorgängen möglich ist,
bestimmen. Das erste genau datirbare Dokument, in welchem die
1 1000 Jungfrauen vorkommen, ist die Urkunde des Erzbischofs
Hermann I. von Köln, durch welche er die von den Ungarn ver-
triebenen Nonnen von Gerresheim in das ,monasteriuin sanetamm
virginnm extra muros Coloniae ereetnm' aufnimmt, vom 11. August
1)22 1 1. Von dieser Zeit an wechseln in den Kölner Urkunden die
Ausdrucke ,sauetae virgincs' und .sanetamm virginnm undeeim niilia*
unterHchiedsIoK mit einander ab *:. Hemerkenswerth ist. dass in der
Urkunde Wichfrids vom 23. November 041 auch schon die Kirche
als ,X1 milium sauetanim virginnm ecclesia4 bezeichnet wird. Leider
fehlt es im Jahrhundert vorher an einer genügenden Zahl von Ur-
kunden, in welchen die Kölner Märtcrinnen genannt werden: die
einzige, welche existirt, die des Kölligs Lothar II. vom 15. Januar
867, erwähnt da* ,moiiasterium b e a t a r u m v i r g i n u in', ein sonst
wohl nicht mehr nachweisbarer Ausdruck. Ausschlaggebend aber
ist der Umstand, d a s s die K ö 1 n e r 1 i t u r g i s c h e n H tt c Ii e r
aus dem 0. und die in w e i t e r e r K n t f e r n u n g v o n K ö I n
entstandenen selbst im 10. Jahrhundert von der
11000-Zahl der* Kölner Mieterinnen noch nichts
wissen3*. Schon oben ('S. 1*52 ff.) war von einer Reihe Kölner und
Essener Litaneien und Kalendarien die Rede, die hier wieder an-
zuführen wären 4 1. Ein Missalc von St. Pantaleon, das spätestens
U Zuerst vollständig herausgegeben in den Ann. de» bist. Ver. f.
d. Niederrhein, Heft 2fr 27, S. 33i IT.
2) Vgl. La eo in biet, Urkundeiibueh 1 nr. K7, H8, 94, 1*2,
2.10 u. s. w.
3) Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass der cod. 83 II der
Kölner Dombibliothek, 780 geschrieben, im Kalendnrhun überhaupt keine
ErwHhnung der Kölner Mürteriiiiieii enthalt.
■\) Aui-li die T.itani'ieii sind in diesem Falle beweisend; denn in
einem unlängst von dem Doinpro|»ste Herrn Dr. Beringe in der Dom-
Studien zur Geschichte der Kölner Marterinnen.
141
aus der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts stammte, hatte im Kaien-
darinui unterin 20. Oktober 'j: Sanctarum virginum in Colouia *).
Besonder* charakteristisch ist das Kalendariuin im cod. 4f> der
Kölner Domhildiothek. Hier «teilt unterm 21. Oktober von einer
Hand etwa ans der Mitte des 10. Jahrhundert*: Sanetaruui virginum;
eiue s])ätere Hand, etwa aus dem Ende des 10. Jahrhunderts, hat
hinzugefügt: XI mil. in Colonia.
Von auswärtigen Handschriften des 9. und 10. Jahrhunderte,
die von den sanetae virgine« ohne HinzufUguug der Zahl 11000
reden, sei hier erwähnt der Würzburger Codex des vermehrten
Martyrojogium* Heda* au* dem 9. Jahrhundert 3), der Corveyer
Codex desselben Martyrologiunis, geschrieben vor 980 S, und der
cod. lat. Monacensis G421, geschrieben vor 994 u).
Mehrere Zeugnisse, auf welche man sich für ein höhere* Alter
der 11000-Zahl als da* angegebene berufen hat, erweisen sich hei
näherer Betrachtung als nicht stichhaltig. So führt Stein a.a.O.
S. 4H ein „Martyrologium aus dem achten oder neunten Jahrhundert"
an, dessen Original gegenwärtig verloren ist, von dem sich aber
ein Auszug unter Eccardi Seligenstadensia auf der Kgl. Bibliothek
zu Hannover befindet. Hier steht zum 21. Oktober: In Colonin
uatalis ss. undeeim millium virginum et XX militum. Inter qua*
erant noininatissimae Pinnosa, Ursa et Saida. Allein die letzten
Ausläufer dieses Martyrologiums gehen, wie der Herausgeber Falk
selbst angibt K), bis in das 12. Jahrhundert hinab; wie lUsst sich
nun feststellen, welcher Zeit unsere Eintragung angehört V Jeden-
falls kann der Theil derselben, welcher von zwanzig Soldaten
redet, nicht älter als das 12. Jahrhundert sein, da erst um diese
Zeit Krieger als Genossen de* Martyriums der Kölner Jungfrauen
erscheinen 7). — In dem .Martyrologium ex antiquissimo codice
bibliothek entdeckten liturgischen Codex von St. Gereon aus dem 11. bis
12. Jahrhundert folgen in einer Litanei die Anrufungen auf einander:
Sta Ursula, Sta Pinnosa, S t a undeiu in i I i a.
1) Schon dieses Datum ist ein Beweis für sein Alter.
2\ C r o in b a c h, S. Ursula vindicatu p. 99*.
3> E k h a r t, Francia orient. 1 |>. 829.
4) Martine, Thesaurus aneedot. III col. 1547 und 1102.
5) F r i e d r i c h, Kirchengesch. Deutschlands I S. 100.
6) I'iek's Monatsschrift für Rheinisch -Westfälische Geschichts-
schreibung III S. -269.
7) Vgl. Acta Sanct. Oct. IX. p. 244.
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142
.1 n s c p Ii Klinken!» e r g:
Rhcnaugiensi, suppletuni ex Sangnllensi saec. X eirciter'. heraus-
gegeben von (J e r h e r t 1 >, auf welches K e s sc 1 - > sich beruft, wird
die Eintragung ,XII Kai. Nov. Uudeciin uiilliuiii virginum' vom
Herausgeber nelbst als Zusatz von j fl n ge r e r Hand des Snngalleu-
sis bezeichnet *). — Besonders betont wird von dem Heransgeber
der Acta Sanetorum p. 14*1 und von Kessel (a. a. (>. S. 124,
«las Kaleudarium eines Missales von Hornbaeb. Diözese Metz, welches
sieh gegenwärtig im Kirchenschatze von St. Urgus in Solotbnrn
befindet. Nach G e r b e r 1 4y ist dasselbe im 9. Jahrhundert ge-
schrieben und enthält unterm 21. Oktober die Angabe: Nat. searum
Virginum XI mil. in Colonia eivitate. Der Bedeutung der Sache
wegen habe ich an Ort und Stelle Aber die fragliche Handsrhrift
Erkundigungen eingezogen und folgenden Beseheid erhalten: Das
sechs« Pergamentbliltter umfassende Kalendarinm, welches dem Solo-
thnrncr Missale vorausgeht, war ursprünglich selbständig und ist
offenbar von späterer Hand geschrieben, als das Missale, welches
aus der Regierungszeit des Abtes Adalbert von Hombach >970 -
973 oder 973 — 978) datirt. Naeh einer Untersuchung, welche der
verstorbene Bischof F i a I a über dasselbe anstellte und welche hand-
schriftlich in der Stadtbibliothek zu Solothurn niedergelegt ist,
stammt dasselbe ans dem 1 1 . Jahrhundert 5 i. — ■ So bleibt mir noch
das Kaleudarium eines Essener Missalcs (D I i übrig, welches zum
21. Oktober, wie ich mich selbst überzeugt habe, von erster Hand
folgeuden Eintrag enthält: Sancti Hilarionis snnctarmnquc virginum
XI milium. Der Codex soll dem letzten Viertel des 9. Jahrhunderts
angehören, kann aber auch, nach den Schriftzügen zn urtheileu —
einen andern Anhaltspunkt für die Benrtheilung seines Alters giebt
es, so viel mir bekannt, nicht — recht wohl ein halbes Jahrhundert
jünger sein. Jedenfalls bietet derselbe neben der Urkunde Her-
manns I. vom Jahre 922 das älteste Zcugniss für die 11000-Zahl
der Kölner M ä rtcrinnen Wir dürfen daher mit gutem <; runde
1) Monutneuta veteris liturgiac Alemannit-ae ji. 4M.
2) St. Ursula und ihre GesellHchaft S. 124 Anmerk.
3) a. a. O. S. 456 Anmerk. 4.
4) Moii. vet. lit. Alein. I p. 479.
5) Für die über das Solothumer Mirale mir bereitwilligst ertlieilte
Auskunft statte ich auch an dieser Steile dem Herrn Stadthiblinthekar
Wnlker zu Solothurn meinen herzlichsten Dank ah.
C») Bemerkenswert!» ist die Abweichung der divi last gleichzeitigen
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Studien zur Geschichte der Kölner Mieterinnen.
behaupten : d i e N o r in i r u n g d e r Anzahl der Kölner M ä r-
terinnen auf 11000 ist nm die Wende de» 9. und 10.
Jahrhunderts vor sich gegangen.
Mit den wechselnden Ansichten Uber die Zahl der Kölner
Märterinnen stehen im engsten Zusammenhange die wechselnden
Meinungen über die Fflhrerin derselben. Dass es sich in der Zeit,
welche nur elf Jungfrauen annahm, um einen ausgeprägten Rang-
unterschied zwischen denselben nicht handeln konnte, liegt auf der
Hand. Da aber auch die Elfzahl zu gross war, um eine stetige
Aufzählung der sttmmtlichen Namen zu erlauben, so nahm man
Martha und Saula als Repräsentantinnen der gauzen Schaar. So
finden wir dieselben im Martyrologium des Usuardus und in dem
Essener ' jetzt Düsseldorfer) Kalendaritim D3. Zu dieser Ehre er-
hob sie ohne Zweifel der Umstand, dass sie in den im kirchlichen
Gebrauche befindlichen Verzeichnissen an der Spitze zu stehen
pflegten, so im cod. 45 und SH der Kölner Dombibliothek Auch
zu der Zeit, als man bereits an Tausende von Jungfrauen als Be-
gleiterinnen der Thebäischen Legion glaubte, seheint man ihnen
noch keine Anführerin gegeben zu haben. Diese erscheint vielmehr
erst mit der Aufnahme der wälisch-bretonischen Sage und zwar in
der Person der Pinnosa. Indessen tritt auch jetzt noch die ge-
bietende Stellung einer einzelnen Jungfrau sehr in den Hinter-
grund, und Pinnosa wird nicht allgemein als die erste der Schaar
anerkannt. Das beweisen die Worte des Senno c. 11: Inter qnas
i n c I i t h et i n s i g n i s fuissc asseveratur regis Britannorum
filia, ab Ulis Winnosa, a nostris Pinnosa nnnenpata; haue omues
aliae in Christi enritate concatenatae sorore« pari
v o t o et studio se<)iiebantur. Zugleich enthalten die obigen
Worte auch den klarsten Aufsehluss über den Grund, weshalb man
Pinnosa die Ehre der Führung zuerkannte: es war die Aehnlichkeit
zwischen ihrem Namen und dein Namen einer hervorragenden Person
der englischen Sage, den man von den Ueberbringern der letztem
und daher neben einander gebrauchten Essener Kaiendarien (D 1—3» in
ihren Angaben über die Kölner Märterinnen, jedenfalls ein Beweis für
die geringe Verbreitung ihres Cultus im Anfange des 10. Jahrhunderts
selbst in der Nähe von Köln.
1) Dans die Voranstellung dieser Namen in dem Verzeichnisse der
Märterinnen auf ihren biblischen Charakter zurückzuführen sei, wage
ich nicht zu behaupten, undenkbar aber ist es nicht.
144
Joseph K I i n k e n b e r g:
gehört hatte. Wir sagen absichtlich nicht: tlcr hervorragendsten
unter den britischen Jung trauen. Demi diese heisst bei (iottfried
Ursula, und wir müssen auiietiiueu. das» sie im 8. Jahrhundert eben-
falls einen an Ursula, wenn auch entfernt, anklingenden celtischen
Xanten führte ' i.
Wo ist aber in der englischen Sage ein Name, den die Kölner
als „Winnosau vernehmen konnten V Ich vermag denselben nur in
dem Xameu des Königs Dionotus wiederzufinden. Dieser heisst in
der wälisehen Uearl»eitung des (iottfried, der sog. Chronik des
Gruffud ap Arthur*), ,I)miawt\ und denselben Xamen tührt ebendort
der Abt des Klosters Hangor, den Gottfried XI 12 nach Beda II 2
,Diuoot' oder ,Dinooth' nennt. Wie leicht aber der letztere Xame
als „Wimms* vernonnnen werden konnte, zeigen mehrere Beispiele
derselben Sprache. Den Dicalidones bei Amin. Marc. XVII 8 ent-
spricht ein lÜKeavo? AounKaXn,bövioq (sprich: Dwi-) bei Ptol. II 3;
der König der Deuren Dutigim bei Xeim. 02 wird von Dietzen-
bach, Celt. I S. 230 für identisch gehalten mit Withigem. dessen
um dieselbe Zeit E t h e 1 w e r d gedenkt. Der Uebergang des t
oder th in s am Ende des Wortes hat vollends nicht die geringste
.Schwierigkeit 5>. Die Richtigkeit unserer Darlegung vorausgesetzt,
würde daher der Erhebung Pinnosaa zur Anführerin der Kölner
Mürterinnen eine Verwechselung zwischen dem Namen der Tochter
und des Vaters zu Grunde liegeu. Wie wenig übrigens Pinnosa in
ihrer Würde Anerkennung fand, geht daraus hervor, dass es ausser
dem Sermo kein einziges Denkmal mehr giebt, in dem sie als
Führerin bezeichnet wird; nur nennt das Seligenstädter Martyro-
logium sie als eine der drei .nominatissimae virgincs'. die Kölner
Legende Regnantc domino sowie das Register in einem alten
1) Ganz ausgeschlossen ist der Gedanke, dass die etwa seit dem Ende
des y. Jahrhunderts in Köln sich festsetzende Anerkennung Ursulas als An-
führerin anf die britische Sage Kinfluss gehabt haben wollte; dafür war
die Keimt niss und Verehrung der kölnischen Mürterinnen in der genannten
Zeit noch eine viel zu lokale, ganz abgesehen davon, dass die britische
Sage eine in sich geschlossene war, die keiner fremden Entlehnung be-
durfte.
2) Abgedruckt in Mvvyrian Archaiology of Wales II.
8) Als weitere Stütze für unsere Veruiuthung möge noch dienen,
dass der König Dionotus bei Wae c, Roman de Brut v. 6124 Clionos, in
einem niederrlieinischen Lobgedicht auf St. Ursula aus dem 13. Jahr-
hundert Vionetus heisst (vgl. Altdeutsche BlAttor II S. 411.
Studien zur Geschichte der Kölner Mitrteriimen.
145
Brevier von St. Aposteln l) weisen ihr, eingedenk ihrer früheren
Stellung den /.weiten Rang an, und vou ihr nilein erscheint in den
Essener (jetzt Düsseldorfer) Knlendarieu D 2 und Ii aus dein Ende
de» 9. und dem Anlange des 10. Jahrhunderts das Fest der Trans-
latio am 2M. Februar. Schon hei Waudalhert inuxs daher Pinnosa
ihre Würde als Ftlhrerin der Jungfrauenschaar mit den zehn übrigen
namentlich bekannten Jungfrauen theilen. Allein einer Spitze konnte
die nach Tausenden zählende Schaar unmöglich entbehren. Da
führte jedenfalls die Kunde, das» in der englischen Sage eine Jung-
frau die hervorragendste Rolle spiele, die mit ihrem latinisirten Namen
Ursula hiess, ein Name, der mit einem Namen der Kölner Tradition
vollständig übereinstimmte, die Entscheidung herbei: von nun an
wurde und blieb Ursula die Anführerin der ganzen Schaar, während
die übrigen zehn bekannten Jungfrauen eine leitende Stellung unter
ihrer Oberhoheit behielten. Allem Anscheine nach vollzog sich diese
Umbildung gleichzeitig mit der Feststellung der Zahl 1100U, welche
ebenfalls englischen Einfluss verrftth*!. Zum ersten Male finden wir
Ursula an der Spitze iu dem ans dem letzten Viertel des 9. Jnhr-
huuderts stammenden Kalendarium B i n t e r i m s •,}, dann mit einem
Rathc von zehn adeligen Jungfrauen umgeben in der demnächst zu
behaudclndeu kölnischen Legende. So entsprechen die verschiede-
nen Jungfrauen, welche man au die Spitze der heiligen Sehaar ge-
stellt hat, im wesentlichen den verschiedenen Anschauungen, welche
uaeh einander bezüglich der Zahl dieser Schaar Geltung gehabt
haben: Martha und Saida den elf, Pinnosa den Tausenden, Ursula
den elftausend Jungfrauen.
<i. Die wälisch- bretonische Ursulasage.
Die Vollständigkeit unserer Darlegungen erfordert ein kurzes
Eingehen auf die Entwickeluug der wälisch -bretonischen Ursulagage,
welche, wie schon die vorhergehenden Abschnitte gezeigt habeu
und der folgende iu noch höherem Grade zeigen wird, für die
1) Vgl. S. 135.
2) Vgl. S. 13!>.
3) Freilich hier nur an der Spitze der Klfe. Der Verfasser des
Kalendariuma scheint von seiner Vorlage nur in der Stellung1 des Namens
Ursula abgewichen zu sein.
Jahrb. d. Ver. v. AUerttasfr. Im Rhelul. XCHl. 10
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146
J o so p Ii K I i n k c n b er g:
kölnische .Martergeschichte von so entscheidendem Kinflnsse geworden
ist. Freilich mache ich auf diesem weit abliegenden (lehiete am
wenigsten Anspruch auf eine erschöpfende Behandlung der Frage:
nichtsdestoweniger glaube ich, die verfügbaren Hausteine Hammeln
und zu einem wenn auch noch so lückenhaften Manzen vereinigen
zu inllsscu.
Wie schon frfdier gesagt wurde ist der Zeuge der hritisehen
Uisulasagc für uns (»ott fried von Mon itioiit li !) (wälisch
Onifludd ap Arthur), geb. zu Moninouth -Monovaga, .Mouuinethia,
wiUisch Mynvv . Adoptivsohn seines Oheims Uehtrvd, Bischofs von
Llandav, später Archidiaconus in Llandav, gestorben llöl «»der llf>2,
als er eben zum Bischof von Asaph in Xordwales erhöhen worden
war. Seine zwischen 11 '$2 und ll.'tä in hlflhender Sprache ahge-
fasste Historia regnm Britanniae bildet den Ausgangspunkt für eine
neue Periode der romantischen l'oesie des Mittelalters. Was an
geschichtlicher Uehcrliefcrung, Sage und Lehrende vereinzelt im bri-
tischen Volke lebte, das hat (Jottfried in diesem von der Unkennt-
nis* früherer Zeiten so oft als Lügengewebe verschrieenen, jetzt
aber zur vollen Anerkennung gelangten Wrerke in einem einzigen
lebensvollen Cesammtbilde der («csehiehte der Briten von Bruttig
bis Cadwalladr vereinigt. Bezüglich seiner Quelle sagt er selbst
in der Vorrede, er habe Jibruni Britannici sermonis vctustisshnuin,
«pieni Waltherus Oxinefordensis archidiaconus cx Britannia advexif,
ins Lateinische übersetzt. Dass der Ausdruck „übersetzen" nicht
wörtlich zu nehmen ist, geht schon aus dem Umstände hervor, dass
in Gottfrieds Werk Stellen aus (iildas, Beda und Nennius Aufnahme
gefunden haben. Der ^Britanniens scruio" ist von der wälischen
Sprache zu verstehen, da diese offenbar die vornehmlichste Quelle
Gottfrieds besitzt. Im rothen Buche von Hergest rindet sieh näm-
lich eine im J. Bande der Myvyrian archaiologv of Wales ab-
gedruckfc und von Roberts ins Englische Ubersetzte Chronik, der
sog. Brut Tysylif i. au deren Schlnss die Bemerkung steht: „Ich,
Walthcr. Archidiaconus von Oxford, übersetzte dieses Buch aus dem
Wälischen ins Lateinische, und in einem hohem Alter übersetzte ich
Ii H. J. LXXXIX S. 131.
2) l'eber ilm vgl. San M n i t e, (iottt'riols von Momiiouth historia
regnm lirit.'tnniae uml Brut Tysylin. ~ Zur Kritik «l«-r Jlisiorin regum
Hritniminc Oes (iottf'rieri von Moniiinulh : Neue Mittlicilnniroii au« dein
<;< liii-te lu'storisi-h aiilitjuarisi hcr Foisiliuiigen IX S. 49—75.
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Studien stur Geschieht« der Kölner Milrterinnen.
147
es zum zweiten Male au« dein Lateinischen ins Wälisehe." Die
nähere Deutung dieser Worte sowie die Lösung anderer Schwierig-
keiten, welche sich an den Brut Tysylio anknüpfen, liegt ausserhalb
unserer Aufgabe; hier «ei mir noch erwähnt, dass das vorliegende
Werk, dessen Inhalt genau dem Inhalte des < lottfried'sehen Werkes
parallel ist, nicht über da« Jahr Ii Kai hinaufreicht. Im Brut Tysylio
lautet nun die Ursulasage in deutscher Uebcrsetzting folgender-
massen '/:
„Zu der Zeit waren häufige Sehlachten /wischen den armori-
eanischen Briten und den Gauls; und als dies lange stattgefunden
hatte, wünschten diese Briten, auserlesene Krauen zu haben, und
sandten daher zum Fürsten von Cornwall, der Britannien zu ver-
teidigen zurückgelassen war, mit dem Gesuch, ihnen 1 KM) Töchter
vornehmer Briten und (50 3 1 Töchter von Fremden und Sklaven
zu schicken. Die Zahl der Jungfrauen wurde zusammengebracht
und eingeschifft und ging unter Segel. Aber bei widrigem Winde
scheiterten ihre Schiffe und einige gingen unter. Zwei der Schiffe,
an die gallische Küste verschlagen, wurden von Gwnvns und Melwas
ergriffen, die dort an der Küste mit Rotten aus Germanien zur
Unterstützung des Gratian waren. Als die Männer von den Jung-
frauen erfuhren, dass Britannien von Truppen enthlösst sei, wechsel-
ten sie ihren Lauf und fuhreu gegen Britannien. Dieser Gwnvas
war ein König der Hunnen und Melwas ein König der Piktavier;
und diese zwei , nach dem Norden Britanniens segelnd , landeten
und vertilgten die Kinwobner, wo sie sie fanden."
Man bemerke zunächst in diesem kürzern Bericht des Brut
Tysylio die von Gottfried abweichenden Zahlenangaben, insbesondere,
dass bei letzterm aus den Hunderten des Brut Tysylio Tausende
geworden sind. Viel wichtiger ist der Umstand, dass die Xieder-
nictzelung der verschlagenen Jungfrauen im Brut Tysylio ganz über-
gangen ist. Allein die Thatsache, dass dieselbe nach den Andeu-
tungen des Sermo iu natali bereits in karolingiseher Zeit in Köln
bekannt war und offenbar den llauptanstoss zur Vermischung der
wülischen Sage mit der kölnischen IleiligengeschicJite geboten hat,
beweist, dass Gottfried seine Darstellung aus der lebendigen Febcr-
licferung geschöpft hat.
1) Sun Marte, Gottfried S. r>2f> ff.
2) Die Sache selbst und ein Vergleich mit (rnttlricd m-Immiumi /.u
fordern, das« G0 II u n d e r t e gemeint sind.
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14S
.1 o s <• |> h K I i n k e n h e r jr :
Auwer dem Zeugnisse des Brut Tysylio und Gottfrieds ver-
mag ich kein anderes für die grosse Wanderung britischer Krauen
naeh Armorica und für ihren Untergang beizubringen. Dagegen
berühren auch ältere Denkmäler diejenigen Punkte, an «eiche
(•ottfrieds und Walthcrs Erzählung direkt ansetzt, dass nämlich
Mnximus britische Krieger, die er mit sich geführt, in Armorica
angesiedelt halie und dass die durch seine Krobernngsgelüste ver-
anlasste Entblössung Britanniens von Militär die Ursache der Ver-
wüstung des Landes durch die Pikten und Skoten geworden sei.
Die Erzählung von der Fraucnwanderung verfolgt offenbar unter
anderni auch den Zweck, die Besiedelung Armoricas durch Briten
und den Einfall der Pikten und Skoten in einen äussern Zusammen-
hang zu bringen. Hören wir zunächst Gildas de exeitlio Brit. 14:
Exin (nämlich nach dem Abzüge des Maximus) Britanuia omni nr-
niato milite militnrihusque eopiis |eduetis?j rectoiibus lim|uitur im-
inanibus, ingenti iuventnte spoliata, q u a e c o m i t a t a v e s t i g i i s
supradicti tyruuiii dorn um nnnquam ultra rediit, et
omnis belli usus ignara penitus duabus priimun gentibus trans-
uiarinis vehementer saevis, Scotnrmn a circione, Pictorum ab aqui-
lone, calcahilis multos stupet geinettpie per annos. Zu dieser Stelle
bietet eine willkommene Ergänzung der dritte Theil der 14. wäli-
schen Triade1, welcher in deutscher Ueberset/.ung lautet: „Das
dritte einfallende Heer wurde aus dieser lm*cl hinausgeführt von
Elen Lüyddawg und Ghynan, ihrem Bruder. Herrn von Meirion,
nach Llydaw i Letavia, d. h. Seeküste, gleichbedeutend mit Armo-
rica i, wo sie Land, Herrschaft und Königreich erhielten von dem
Kaiser Macscn Wlcdig*>, weil sie ihm Hülfe gegen die Römer ge-
bracht hatten, und keiner von ihnen kehrte zurück, son-
dern sie I i e s s e n sich nieder in Llydaw und Y s t r e
(J vfaclwg und bildeten dort ein Gemeinwesen." Man bemerke
hier insbesondere den Anführer der Ansiedler Chynan, ,arglwydd
Meiriadawe', welcher dem Cnnanus Meriadocus Gottfrieds entspricht.
Nach einer andern Richtung ergänzt unsere Kenntnis* der ge-
schichtlichen und sagenhaften Ueberlicferungen des britischen Volkes
ll Abgedruckt in Tin- Myvyrian Archaiolnjfy nl" Wales II; Da vi es,
Cellie licM arehes .»n tlie oriffin . . . of the ancient Brilons; Diefenbach.
Oltira II 2 S. 7!».
2l D. h. der Ituhiiireiehe, entsprerliend «lein Titel Atlgnstnä der
römischen Kaiser.
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Studien zur Geschichte der Kfilner Marteriii neu.
149
über die Periode des Maximus der Bericht des unter dem Namen
des Xennius bekannten (Geschichtsbuches $ 27: Soptimus imperator
reguavit in Britaunia Maximianus (er meint Maximus). Ipse perrexit
enm omnilms militibus Britonum a Britaunia et oeeidit (tratiannm,
regem Romanorum. et imperium tenuit totins Enropae, et n o I u i t
dimittere milites, qni perrexerant cum eo, ad Bri-
tann i am ad uxorcK «iiiik et ad f i I i o s s n o s e t a d pos-
sessio neu suas; sed dedit illis multas redimiert a stagno, qnod
est super vertieem moutis lovis usqne ad civitatem, quae vocatur
Cantgnie (Qanentnvie am Flusse Qucuta) et nsque ad cumnlum occi-
dentulem, i. e. Cruc Ochidicnt. (Britones namqiic Annoriei, qni
ultra niare sunt,, enm Maximo tyrnnuo liine in expeditionem exeuntes,
qnoninm redire nequiverant, oecidentales partes Ualliae solo tenus
vastavernnt nee mingentes ad parietem vivere reliqnernnt, aeeeplis-
qne enrnm uxorihus et tiliahus in coningiuui omnes eartim linguas
ampntaverunt, ne eorum successio niaternam linguam disceret. Unde
nos illos voeanms .Letewiceion'. i. e. semitacentes, quoniam confusc
loqunntur ' t.] Iii sunt Britones Annoriei et nunquam reversi sunt
hue usqne in hodierunm diem. Prnptcr lioe Britanuia oeeupata est
ab extraneis gentitfiis et cives expulsi sunt, usque dum dens anxili-
um dederit illis.
Auch liier erscheint wie bei Oildas und in der 14. Triade die
Ansiedelung britischer Krieger in Gallien, speeiell in Anuoriea, und
dieselbe ist in ursächlichen Zusammenhang gebracht mit der Be-
setzung Britanniens durch fremde Volksstämme. Besondere Beach-
tung verdient die Interpolation. Sie erzählt ähnlich der Ursulasagc
Gottfrieds die Versorgung der hretagnischen Ansiedler mit Frauen,
nur sind es hier Gnllierinnen. denen man die Zunge ausschneidet,
um einer Vermischung der Sprache vorzubeugen; die ganze Er-
zählung wird dann zu volksetymologisehcr Deutung des Namens
,Ijetewieeion'f offenbar — Letaviei, Bewohner von Letavia, verwerthet.
Mit (Gottfrieds Ursulasage stimmt unsere Darstellung auch im Zwecke
ttbercin: licide wollen die Brciziz C.Bewohner der Bretagne/ als echte
Briten erscheinen lassen, indem hier die Vermischung der Sprache,
1) Die eingeklammerte Stelle «steht am Rande de» cod. 139 den
Corpus-Chriisti-Collcge* zu Cambridge, im Texte zweier anderer Ncnnius-
handschriltcn.
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lfiO
Josuph K I i n k e n 1> c r ;r:
dort die Vermischung des Blutes mit den Galliern aiiKdrücklieh
zurückgewiesen wird '}•
Den historischen Kern aus diesem Knäuel von Wahrheit und
Dichtung herauszuschälen, ist sehr schwierig. Dass Magnus Clemens
Maxiinus dureh seinen Abzug nach Gallien im Jahre ;»N.i Hritannieu
zu einer Zeit, wo es fortwährend von den Pikten und Skoten be-
droht war-, wehrlos machte, steht fest. Aueh an der Anlage von
britischen Militärkolonicen iu Aniioriea unter jenem Kaiser kann bei
der rcbcreinstiniinung der Zeugnisse nicht gezweifelt werden 3t.
Nimmt man mm an. was sehr nahe liegt, dass iu den folgenden
bedrängten Zeiten, zumal seit 410, wo Britannien von Rom auf-
gegeben wurde, zahlreiche Auswanderer aus Wale» und Cornwales
sieh nach der Bretagne zu ihren Landsleuteu bejahen und dass
ein Trupp derselben, unter dem sieh besonders viele Frauen be-
fanden, dureh Sturm und Barbarenwuth einen traurigen Untergang
fand, so erklärt sieh die l.'rsulasage des Unit Tvsylio und Gott-
frieds. Vollständig unglaubwürdig al>cr sind die .Schlachten zwischen
Galliern und Briten und die Ausrottung der ursprünglichen Bewohner
des Landes, von denen der Interpolator des Xennius, der Brut
Tvsylio und Gottfried erzählen: hier haben wir es lediglich mit
einer Krtindung des wälischen Xationalstolzes zu thun. der auch die
lleldenthateu des Königs Arthur freien die Sachsen weit über das
gebührende Maass zu erheben und zn einem der gefeiertsten Gegen-
stände mittelalterlicher Ilcldcnpocsic zn machen wusste.
7. Die liegende ,Regnante domino*.
Die niannichfaltigeu Ansichten, welche sich im Laufe der Jahr-
hunderte auf Grund verschiedener Quellen Uber die Schicksale der
Kölner Malierinnen gebildet hatten, sind gleichsam erystallisirt iu
der .Passio sauctarum virginuiu XI ntiliunr oder der Legeiule
.Kegnantc domino\ wie sie kurz nach ihren Anfangsworten genannt
wird. Ausserordentlich ist das Ausehen, dessen sich dieselbe «las
ganze Mittelalter hindurch erfreut hat: das beweisen die unzähligen
lt J> i e l'l'e n »i a c Ii, Ccltira II 2 S. 172 und Ainnerk.
2> Niehl er*t s|>;lt«>r, wir l?rut Tysvlio und Gottfried behaupten.
3) Vtfl. Lappenher^, GeMdiiclite von Knglatid I S. ftt> ff. Walter,
Dhs alte Wales S. 77. San Marl«, Gottfried S. 2'.V.
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fltttdien stur ««schichte der Kölner MHrterinnen. IM
Handschriften, in denen sie allenthalben verbreitet ist, sowie der
Umstand, dass alle spätem Ursulale-enden. den Sermo in natali
gänzlich vergessend, nur ihr tollen. Selbst als die Kritik sieh
dienet» Gegenstandes zn bemächtigen anfing, hat ihr Kiulluss noch
fortgedauert, Und nicht bin« die Darstellung eines Crom bau Ii.
sondern selbst die netteren und in ganz entgegengesetztem Sinne
abgefaßten eines Kettberg, Sehnde, De Huck, Kessel und
Stein knüpfen an sie als mehr oder minder reine Geschichtsqiielle
an1). Und doch int uiiRcre Legende nicht* anderes, al» eine mit
poetischen und erbaulichen Zuthnten ausgeschmückte
Bearbeitung der w ä 1 i s c h - h r e t o n i s e Ii e n U r s u I a s a g e,
zu der die killnische Tradition und der Sermo in
natali einzelne Züge geliefert haben.
Unter den Handschriften haben bisheran die meiste Beachtung
gefunden der Codex 7084 der Kgl. Bibliothek zu Brüssel aus dem
XL Jahrhundert, die älteste bekannte Handschrift der Legende,
auf welche sich vornehmlich der Text bei den Bollandisteu gründet*),
nnd der Codex der Utrechter Carthausc. der durch verscluedene
Zusätze beweist, dass auch im Mittelalter der enge Zusammenhang
zwischen unserer Legende und der wälisch-bretonische» Sage „leht
unbekannt war. Uür die Kntstehungsgesehichte des Werkes ist
von grosstcr Bedentung der Codex lat. 1H807 der Kgl. Hot-
tn.d Staatsbibliothek zu München, welcher w,e schon
im dritten Abschnitte dieser Studien erwähnt wurde, die Legend«
hinter dem Sermo in natali auf p. enthält. Sie zc. all
hier in zwei Tbeile. Der ernte, p. 252-282 ist von ««« and
des XL-- XII. Jahrhunderts sehr sorgfältig geschrieben und schlusst
folgendermassen :
O M-h- »...■ AU* in «Ho taetu,,, es, tripudiu.n. M«»lj. occur*n> n
civlmn supernonun, qua, eli.m exsultatio apoMn.orun,, .«an, < k»o o -
gratulatio pntriarcharum, p, ophetarun, et von.es^oru.n, cm ,. um an.. ,u
Quorum partieipes effici meruere gaudiorum praestante .lo.mno noMro
lesu Christo, vivit et -
Offenbar folgte noch wie am Schlüsse des «weiten 1 heile«:
,regnat in Kaccnla saeculorum. Amen/ Von dem Worte ,cmn ab
U Man denke nur daran, dass alle ohne Ausnahme in den. Berieh«
unserer Legende, die Hunnen seien die Mörder der hl. Jungfrauen ge-
wesen, einen historisehen Kern suchen.
2) Act. Sanet. Oet. IX p. 157 *«!•
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152
Joseph Klinkenberg:
ist der Text bis zum Schlüte von einer spätem Hand durchstrichen.
Ebendort stehen am Knude zunächst zwei unleserliche Wörter; dann
folgt von einer Hand des XV. Jahrhunderts: ,ihi fnit etiani tinis in libro
Buronensi'. Auf p. beginnt der zweite Theil mit den Worten:
,Ut etiam Colonia illa hcata( in kleinerer Schrift und mit zahlreichen
Abkürzungen (XII.— XIII. Jahrhundert); die ersten Zeilen stehen
auf Rasur. Alle hishernti bekannten Handschriften, auch die Brüsse-
ler, {»eben unsere Legende mit Auslassung des im Mttnchencr Codex
ausgestrichenen Schlusses des ersten Theiles als ein Ganzes. Dass
sie letzteres aber nicht ist, dafür liefert unser Codex noch einen
zweiten Beweis. Cap. 21 heisst es nämlich in allen bekannten
Handschriften nach dem Worte Jiahitare':
Sed quid Iiis assertionibus opus est, cum famula dei, cui haec reve-
latio ostensa est, tarn eelcbria vitae tami|ue saiictae conveisationi« tuerit,
ul ipsa pro eerlissirno veritatis testimonin habenda sit. Est cniiii locus in
Saxonia Hersc ibique uxqtie hodie jrloriosa saiu-tinionialiuin con^iopatio,
ubi saiietn illa nata et nulrita peracto sanetissiinae vitae eursu mint' ror-
pmaliter in pacc quieseil. quamvis Ultimi tetnporis sui aliquantum in
montc, quo civitas Ihur^ sita est, in eadem sanetitate exefjerit. Haitis
vitae et sanetitatis tot sunt teates, quot vel hodie Heise sauclimoniales
sunt vel ab iude. luerunt, et verissimae utpoU> deo verbis liominuin ad-
stipulante. ITsque hodie eniui ad tuinulum eius t'requenter redditur Itiniru
raecis, gressus elaudis, infirmi ad usuni vilae reparantur et oh.sesxi ab
iininuudis spiritibus emundautur; ideoque eompetens eius testimonlum
l'uil, et netas est dubitare. quod de sancla »anelae, de sponsa sponsae, de
dileeta dilectae. auae dominus dignatus est revelare.
Diese ganze Stelle fehlt im Münchencr Codex; an eine frei-
willige oder unfreiwillige Auslassung ist nicht zu denken; sie
mnss daher als späterer Zusatz zu der Passio sanetae Cordula« be-
trachtet werden. Letztere scheidet sich aber selbst wieder inhalt-
lieh scharf von dem vorhergehenden Abschnitte, der die Beziehungen
der heiligen Mürtcrinncn zu Köln zum Gegenstaude hat und mit
einem Preis des Glückes der Stadt beginnt und sehlicsst; und da
dieselbe nach dem Zeugnisse Crombaehs in einzelnen Hand-
schriften fehlt, in andern, wie im Brüsseler Codex, durch die Rand-
bemerkung ,Hie ineipit passio s. Cordnlac' als neuer Abschnitt be-
zeichnet wird, so haben wir dieselbe als eine besondere Legende
zu betrachten. Dafür sprechen auch mehrere innere Gründe, welche
unten aufgeführt werden sollen.
Durch die Zerlegung der Passio in verschiedene, nach ein-
ander abgefasste Thcilc wird auch die von De Buck versuchte
Studien zur Geschichte der Kölner MHrterinnen.
153
Zeitbestimmung derselben berührt'). Letzterer nimmt an, die ganze
Passio sei 1111 vollendet gewesen, da in diesem Jahre Sigebert
von Gemblours einen Auszug derselben in seine Chronik aufgenommen
habe *). In Wirklichkeit aber gilt dieses Argument mir für den
ersten (vielleicht mich für den /.weiten) Theil der Legende, da von
der hl. Cordula bei Sigebert mit keinem Worte geredet wird.
Nichtsdestoweniger niuss das Ganze schon im XI. Jahrhundert
vollendet worden sein, da es mn diese Zeit im Brüsseler Codex er-
scheint. Dann dürfen wir wohl mit Fug und Kecht den ältesten,
dreimal erweiterten Abschnitt der Passio dem X. Jahrhundert zu-
weisen; weiter hinaufzugehen erlaubt die 1 1000-Zahl der Ursulani-
schen Märterinnen nicht, welche, wie früher gezeigt wurde, erst
gegen das Jahr ÜOO nachweisbar ist. Und in der That passt unsere v
Legende in «las an lateinischer Poesie der Geistlichen so reiche
Zeitalter der Ottonen recht wohl hinein. Dass auch sie einen
Geistlichen zum Verfasser hat, beweisen schlagend die zahlreichen
in den Text eingefügten Bibelstellen. Als ihren Entstehungsort
müssen wir schon um des Gegenstandes willen Köln annehmen;
jedenfalls uöthigt der Preis Kölns (e. 18 und 22) und die Anrede
an die Stiftsdamen von 8t. Ursula (c. 22} dazu, wenigstens die
spätem Theile hier entstanden zu denken.
Wir geben nunmehr den im Laufe der Zeit immer mehr ver-
derbten Text der Legende3) nach dem M unebener Codex (M)\
Fehler des letzteren — fast sämmtlich .Schreibfehler — sind nach
den frühem Ausgaben verbessert. Im Uebrigen weicht unser Text
von den bisheran bekannten nur in so untergeordneten Dingen ab,
dass eine Aufzählung der bezüglichen Stellen als überflüssig er-
scheint. Ausserdem führen wir noch in den kritischen Fussnoten
die wenigen Zusätze des Utrechter Codex (U) auf.
1) Act. Sanct. Oct. IX p. 79 sq.
2) Vgl. P e r t /., Moiiumcnta VI p. 310.
8) Dies lehrt ein Vergleich desselben bei Surius und De B u c k
sowie dessen Nachfolgern; fehlt doch, um anderes zu übergehen, bei De
Ruck, Kessel und Stein in c. 3 und 17 je ein ganzer Satz!
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154
Joseph Klink enber>r:
luclplt pMsio »anetarum rii^liinm ■ndcciam Billlan.
1 Kehllaute Dominn nostrn lesu ClnUtn rum po?.t passionem, restir- p. »ft»
reotionrm et aseeiisionem eius cnn verein ad deiiin cUnells tili Ilms terra»'
tiec Oreani ati'ruluH allquin ni» a calore fidei ein« abwanderet, in c-onve-
uiendo populns in unuiti et ■ retfes, ut servirent domino'j, fuit in Iirilanniai»
ftpartibus rex quidain Deouotus tarn vita quam nomine. <|ui relijriosus in
oimiihits caeremonii* enthobene prol'eNMonis *ii- priueipare novit supra
homines, ut non oblivisreretur, quntetn croatnrl suo Mil>iei*tioiK-m deheret.
sie a | Mihriitis trihutum ex1«rere, ut so semper meminerit re-ri sun caelesti p. ws
id, quod all 00 fnetus est, debere. Is erjro rex nun suh iu>ro Christi, sub
10 quo ij)M« irreprehensibiliter militaverat, aliis irrt'|>ri*lit*iisibilit«»r et iut»tiE*Kiiiit<
iinperaret, in beiiediotione seininis Alirahae*) tarn jfenerositate quam vir-
tutum >perie ruiiipi'tvnlriii sil>i aeeepit uxorem. Sed sieut in vasis irae
. duplici eoutritione feriendis ira iu.stitiae dei hie inrhoat, ut en in iudicio
irreparabiliter disperdat, ita miserU-orriia eins rlili<rentibus se plerumque
I5t<tiain in hör saeenlo divitias bnnitatis suae coneedit praiqjustare, Ut in-
enarrnbilem illam jfloriam, quam | nee oettlua vidit nec anris audivit nee p. m
in cor hominis aseendit *). cum patientia discant exspectare.
2 Itaquo cum Minium spe utriusqitc pareiitis sexus virilis exspectare-
tur, r|iii lerreni regni sui succcsHor cxislerct, provida dei misericordia,
qua«- etiam vota novit exccdcrc, di'dit eis prolcm feminenm, qitae plus
(|uam virili animo ad caclestis rejrni haereditatem cos praecederet eisque
succedentibus bona situ? tine niansura praepararet. Haec itaque quia
excmplo David immanent ursum, seilket diabolum, quandoqui1 suflbratura
erat, deo disponente, qui quo* praedestiunt, vocat •), a parentibus illi in
Imptismatc pracsa<rum nomen Ursula in ditum est. Sancta erjro virjjo p. *.v>
cum, ut rc«riam prolcm deeuit, re^ali amlritionc educata naturalihus in-
lOcremctiti.s profiecret, tenero.s aetatis annos morum ro«-pit maturitato prav-
(•cdon\ et cui iam tum mundus viluerat, ovaiifridifis imbuta praeeeptiw in
lejre domiui die ac not-te meditabatur \ et quia ad .spiritualcin ^ponsi
thalamuiii eorde et animo Mi>pira\il, omiiis i-ompositio eius et gloria non
de foris sed de intu^ fuit*), ut iam tum liquido cunetis daretur adverti-re,
ISquod ad ma^num ecele.siae oriiatum Miminiis ille artil'ex mar^raritutn hoi-
vellet expolire, ae si ei iam tum patenter dixisset: Audi tili«, et [ vide et p. ss«
iuelina aurem tunin, quia eoneupivit rex speciem tuam ").
3 Praeter has aliasque spiritualis ^ratiae dotes erat haee i+aneta virpo
incomparabilis formae «>t mirae puleritudinis, oinnium oculis jrratiosa;
sed sola vir^'o, quae doinini erant, i-ofritan.s "> minus hoe amabat in se,
1 .5 purtibna tem/ioribtts Gnifioni et \'<i(en(iani in Cornubia U.
nomine, i/ui frntri Karadvco in ret/num .-cnccr.sxertU V. lt quam
mrfnte, xpe poxt.eritaiix eorrumpiert und interpoliert M. 13 «am M.
1) IN. CI 23. 2) Genes XXII 18. 3> 1 Cor. 2, 9. 1) Rom. 8, 30.
f») P.s. I 2. f») Ps. XLIV 11. 7) Ps. XLIV 11. 12. H) I Cor. 7, 34.
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Studien zur Geschichte der Kölner MMrterinnen.
1!V5
quod spnnsi «ui oculis sciebat non inultum plaeere. Cumque de tanta
uobilissimae virginis indole. Iniige. latequo t'ama porcrebuissct, ad aurcs f>
gcntilis tyranni cutusdam pcrmanavit, <|ui pracpnlen.s viribus in rnhnn»,
iiiilitari gloriabatur et barbarica t'eritatc latius rcgnabat. Krat ei inagnae
l>. *;>7 indolis tilius, c|iicin paternn affcctu arlius ut regni | successorcni diligebat.
Cni cum »ummnpcrc ad regalem magniticcntiam profectnin vellet. repu-
tarc secum coepit rcgnum suum propagari, nomcn suum et pnstcritatis 10
glnriam nobilitari, si tilium suum tarn telebris pucllac niatrimonio conti-
gisset copulari. Itaquc tilius non minus pcrvicax, utpote qui iam puber-
tatis annos intrabat, patre annuente prosequentibusque, qui capita crant
populi, legatos ad patrem virginis destinavit multnque pretiosa trans-
Wittens et |ilura promittcns, urbes ogregias, situs terraram et tractus 15
marin, totum dcniquc patris regnum et quidquid mundus deliciaruui
p. *5t» habere potcst vel potuit in | dotis compuialionem dielavit. Minas etiam
pro niagnitudinc Hominis sui quasi summam mamim imposuit. ut saltein
terroribus , quod volebat , exigcrct, si blanditiis imincrihusquc minus
proliceret. 20
Lcgati aeceptis a rege maudatis prol'ecti sunt emcnsoque grandi 4
itinere ad patrem virginis pervenerunt, ilataque tandi c«pia, cpiae a
domino suo iussi sunt, diligenttssimc pcrcgerunt et po.st blanditias, quod
elfieacissimum arbitrati sunt, quasi scorpiones minas et terrores bellicos
subintulerunt. At senior providus et totus caritatis viscerihus diffusus 5
fluetuare coepit intra He, indignissimum rfputans filiani suam caelesti
ji. .spouso artiu.s iiiliacren tem al> acterni regis amplexibus renitentem avel-
lere et barbarao libidini polluemlam subiugare. At ex altera parte, etsi
proprii sanguinis prodigus esset pro eatholica icligionc et zelo iustitiae,
quippe cni vi vor e Christus «'rat et niori hierum tarnen quia sub illo erat 10
cura regni et tarn eu'erani harhari i Hin» violentiam suis viribus desperabat
posse sustinere, iam sibi videre visus est sub oculis suis caedes hominum
promiscuae actatis fieri, urbes dirui, matronas et virgines constuprari,
ecclesias cremari , saneta prot'anari et quidquid miseriarum aliquando
victis accidit, praesertim Christianis, vineentibus paganis. 15
In hoc ergo remm cardinc deprehensus rex plus, quod unicum 5
p. gKOtunc ! perfugium patebat, ad divinam miserienrdiam quasi ad turrim forti-
tudinis a facie inimici cueurrit totusque in lacrimas effusus auxiliuiu de
caelo indefessis preeibns postulavit. Inter liaec dum virgo doinini vultum
patris quamquam dissimulantis turbulcnluin deprehendisset, latere eain 5
non potuit, quod ipsa linius perttirbatiouis causa fuerit. Itaquc pro se
minus sollicita paternae sollicitudini condoluit; mox ad sua arma ennvo-
lans sicut saneta ludith et Kslher pro libcrationc patriae ieiuniis et oia-
tionibus pentox inciibuit 3), in auribus sponsi celerius obtentura, quod
petiit, cum quo ve.re. unus spiritus t'uit. Cum<|Ue noctem diei, immo noctes 10
•1 // filio xtio Conano U. 5 2 profugium M.
1) Philipp. 1, 21. 2) ludith IX 1. Ksther XIV _'.
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Joseph Klinkenher <r:
diehus in vijriliis et ieiunÜH | tontimiaret, ex iiifirniitate humani corporis p. i«i
tatiscentihus memhris, cum deo eor vijfilaret, ad mndicum ohdnrtnivit et
per visionem diviua revelatinne de Into vitae suae online, de. roajronista-
rutn suarnin numero, de Gloriosa maiiyrii pahna penloeeri ineruit, quod
h'ipostea reniin exilus coinprohavit.
t( I-^itur sub priuio sur<rentis aurorac dilueulo patris maestitiam reit*-
vatura eo qiiippe die tyranni letalis erat responsurus hilaris ad
euin venit hlatideque arridctiN, Xoli. iii<|iiit, tni pater, super hae re ali-
qUo ultcrius maerore contabesicre. sed iacta eo^itatum luuin in domitio,
nqiii noii dahit in aetemum fluetuatinnem iusto *). Ne tarnen ex pnellari-
huH | amiis, quae dieo, aestimes, netto, quin praeterita noetc per visum p. «ij
divinae cousolatiouis vox ad nie licet iudi-rnam fainiilaiii stiam facta est
inheiiH, ut iuvenein, qui ine in inatriiiioninni aflcctnt, a spe miptiarnni
noii repellerein, ij>sa taineu eonservato virpnilali.s sifruaculo ad itinubas
. lOtransirem. Condicio autem enniu^ü et conscriptio uuptialis haec erit, ut
tu, |>ater, et iuveuis, qui me in suum ainorein illieit, deeein priinaevae
actatis virjrines et forma et {»euere lcctissiinas perquiratis et tain mihi
quam hinjrulis liarimi mille vir«nucs linnestissimas suhscribatis t-ompara-
tisque ad nuinerum nostrum tricribus uiidcnis | trleutiii nohis ad dedica- |t. ms
lätionem vir<»inilatis nostrae dentur indiitiae. i|iiihuM cxplctts, quod doniiuo
plaeuerit, fiet. Attainen im-ommutahilc divinae pictatis consilium, quod
disposuit super me, nemo est, qui possil infriiijrere.
7 Iiis tiliae voeibus cxhilnratus pater aecitis eoram lc{»atis quod pete-
haut aniiuit propositainquc <|iiasi couiU{rii coiidicimiem, quam virjfo po-
posecrat. exposuit , id cautissiinc quasi pro summa dotis conscriptione
statuens, ut iuveuis salutari renatus lavaero his trihus amiis per fidem
:'j cattiolicam institueretur in doniiuo. His auditis le^ati iam quasi compotes
voti sui per viain, qua | venerant. perpeti itinere alacres reversi sunt ad ji. tm
dominum «tum, utpote pro hona lejratioue honorem aeeepturi, ploriain
et praemium; expositisqiie mandatis per ordiiiein patri iam laetissimo
iuveuis prae amoris ma<ruitudine nioduin exeessit laetitiae. Audita itaque,
10 Ut fit, tanta exsultatione prineipum factum est totius rcjfni generale tripu-
dium. Condicione ijrilur iiuptiarum liheuter aeeepta iuveuis ro»'pit |>atri
ardeutius insistere, ut ad satisfadcmlum puellae desiderium per haptisimi
eonsecrationem hqribus statim initiaretur christianis. Indicto etiam ad
uovani mililiam novo delectu uhique per duo re^na qiiaesitae sunt in-
15 {»euuae et speciosae virprines adduetaeque ! ad palatium pro maffiiiticentia ,,, tm
repali muliehrein aecepenint ornatum. Nee minori suuiptu et utriusque
repi.s pari diligentia uavium stellt fabricatura; alii eniin li-rna in silvis
caedunt, alii ad litus conveliunt, alii carinas. alii tränst ra fabricant, alii
tahulata «rraeili iunetura, alii hune, alii illum ornatum auro arpento
20 acre coaptant, singulisque pro sua arte et officio satajrentibus eertatim
uhique fervehat opus*).
8 12 Minima* M.
1) Ps. LIV 23. 2) Ver{». Aeu. I 436.
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Stmlien zur Geschichte der Kölner Marterinnen.
157
Concordi itaque duoruui r«'{ruin studio iuxta renalem inagnificen- 8
tiam mi ritte»- perfecta classc coinpleioquc lectissimarum virginum et dis-
y s<w posito diviuitus uumero inter iimuiiiera.s nobilissimac pro sapiac pue llas
Pinnosa, Maximi euiusdam duris tilia, tain genere quam virtutuni indole
emieuit; qitae secunda p<ist saiu-tam Ursulam <|iiasi magistra militiac vir- fS
ffinalis fuit; <|uain pater eins ut nobile par Hliae speciali dileclionis
foedere sociavit. Unmihus iffitur magnitice perlcctis condicta die vhffi-
ueae enhortes ad saiictam reginam ('rsulaiii ciuiveuerunt et quasi a<l
navalciii pnlaeslram succinetae iuhemis imperiuni prai-.stnlatae sunt. Tunc
beata virjfo, quem diu «lesiderabat, vir^ineo vallata exercitu. hilari vultu 10
et animn priiiium debitas deo gratiarum actione* exsolvit, deinde quasi
l» siiT lidissimis comniititonibus «uis eonsilii sut arcauum in notuit easqtie in
divini timoriK, inimo, «|tiin perfecta caritas foras mittit timorem, in divini
amoris observantiam piiM exliortationibus erudivit et eorroboravit. Puel
lare.s autem cunei saluberrima retinae suae uinnita arreetis aitribus 15
avidissiine andiente* eordaque ad eaelum eum manihus lcvante* quasi
iam militari sacraiiicuto coiiiuratac in Christum ad omnia divinae relijfin-
nis iiiiliiia devotioneni suam spopondemnt iiuitua«|ue alacritate se ipsas
in hoc Studium cohortatae sunt, utpote quibu* iam tum cor unum et
anima unn erat supernaque duleedine praegustata in »nentibu* na nun 20
jj «68 mundus et gloria eius | viluerat.
Post liaee dato sijrno, quia inan-^^li^mnii erat, raptim ad naves 0
convolatit , armamenta explicant aligqq^fftH^rieiitcs modo concursibtis
modo diseursibu* interdum fugam iujMäAaurbcJ! simulant, omnique ludn-
ruin genere cxereitaUie nihil, 'l"nijWMiy urrisset, iutemptatiim relin-
quuut. Sie per «lies siii^ulow [ m^iuiMpi^alaestrizaiitex aliquando eirea f>
meridiem, aliquando eirea ti'iMWj. ||HRi!idn die toto in ludia assumpto
ad vesperam reversae suiu.mA^, hj£|£modi igkur hpeetaeulum pius rex
i'gui prhiintihus fn-quenler aderat !
mpe*S0(r novarum rerum eupidum est, post-
wpplaudcbat. Sed pnstquatn eottidianis 10
audaeiam, longius a litlore reinigantes,
-uihtrahcrcnl, qiiaedain etiam naves tlabris
Flein minime redirent, diutina exnpeetatio et
jus fastidium (reuuit, shifrulisque ad sna ope.ra
n detiuxit. 15
l-uiii multa iueunditate per trienniuiii hoc martyrii 10
nitis sponsalibus eondieta die. nuptiaruin iuvenis in
biiiiuin perur^eret, beata Ursula, quam vis divinae pro-
non incredula, pro liumana tarnen sollicita inlirmitate
i'om iqpBR$£P<'<s quas iam in domino tarn verbis quam exemplis erudie- 5
rat, tk&tliMjp rerum artieulo divinae miserieordiae ianuam instantius pul-
sareul^niWbaitiuit, ne eastitatis prociuetum perderent, sub quo regi suo
eael^H^pjj^prelietisibiliter inilitassent. His dictis eum iam quasi currenti-
rsupiae M. 4 mttx.ima M. 0 W xm-is M. 12 fiafin M.
cum {frandaevis patribu
vul^us etiam pro liiiseuu
positis seriis suis virgii
exercitationibus assi
cum spectandi jri'
ventorum disieel
satietas ludorui
discedentibt
Celeb
praeludio
l». *7o amorem |
missioni.s
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IftH Joseph Klinken hör fy:
bns stiinnluin addidissot, devotae den virjrines ex totn enrde in hurimas
10 efTusae tnni pro suii äiogulae i|Uam pro reginae vlrginltate eonsecranda
snpern um caeporuul aiixilinm ardentittduui tipiritux | cootritionc Invocare. p. **i
11 Pius autein dominus, qiii sein per prope est omnihus invoranlilxis
s»> in verftata, tum pia rot» dom distulit, seil ventnni de thesauris suis
produxil ') Impulftanique Hussein uniiis diei nnetisque spatio secundo rursn
in portimi, qui Tiele dieitur, integro tani naviuni quam puellaruin numero
;"i perttült I taq ue nrropto litoro, quod coneiipierant. tanti diix feinina facti3),
quasi Maria propheteH Phantoms oxoreituin per innre ruhrnin ova-isset,
spouso raelesti dehitne laudis cpithalamium prnecinuit s). (juod »■um puel-
laris exerdttm non clanioM utrepltu, wd pari cordta eonemtu rwonaret,
canticum | hoc laetitiae nnque ad nur«1« dnmhil Sabaoth cum odore sua-p. s:*
10 vitatis pervenit. Cum illa ergo ßOCte hoc in loco pausassent, sequenti
die cnmpnrnlis iilensilihus — Oain merentus ihi erat — ad naves reversae
sunt adduetisque aneoris adverso (luniine suhrcniigantcs ad insignein
illaui (iernianiae mctropolim Colouiaiii. uhi nunc eorpora earuui in paee
requiescunl, tandein pervenerunt.
12 KjrreKHis itnqiic ein post vespertinain refoetinncin soinnus diuruo
lahore ohri'perel, saiietissiina virgn Ursula, qiiae iam <leo in angelicae
castitntis professione cninplncuit, vidit in Hominis angclu-ae claritatis et
nuetoritatis virum, <|iii assistens | primo, an vigilarot. impiisivit. Quem p> »s
5 cum illa ut virgo suhilo visu pRellaritcr exhorresecret. ille timoreni eins
blande coinpescens, Seil", .niquit. tili c, i'ii i. quod multuni i-oncupierns,
in proteetione dei eaeli im dukthatfcji" hoe sororum t im nin i t ontuhernio
Romain pervenies per.i-n-qufv T»*bi4 im i-^i i> COinjtUni tuarnin numero
itoruin Inn- roverteri* i pf#»vobis a ileo reijiiies in saeeuluin
10 saeculi praedestinata esi : hie i^H|m''s' ''' quin honnm certamen
t-ertastis, oursuin consiimmastK litlpi' lernten-, de eetero superesl vohis
eorona iustitiae 4), quam in hiMflM|^Hflk'mim aeeipiatis, pro bona p. tu
nnmiuis eins cont'essionc eerviees \ <'-f^Mr*fMlMMUi<>ri dahilis, deposltiiqilfl
hie eorruptibilihus enrpotnm -areini«. ;id< tiMtMuaAtn ilialammn cum ffloria
1f> inartyrit pervenietis. Hi.s dietis vir, qui ÜMfRebaM*» dispnruit.
i:i San et« igitur virgn Ursula nihil de «•»■jMHMaioritaiis oraculo »in-
higens mox, ut dies terris redditn est, • mi\ ■ »«■»jft'l'irgitti i n i eonlione quae
audierat et \ iderat in oinniuin auribnfl ' \;>'"<iiHnlfl)VaMUliM >"iniiiunis ex-
sultatio facta est, quin dignae habitac emenl |>VbMMMiMiaai lesu eontunip-
5 lias pati &», bniaolatisqne landmn hostiis i unan • >i'i«yriMNi<' statuerunt p i;r»
iter hoe iVstiliatltillS pcrairere. ellpientes videlieet iaii*aJ|ajM|t'i n-i .-sse elllll
Christo0). Et M <|Uain diTinac praedestinationi moram ,Ä*»JBiri. sceundo
vento veliliiantes Hasileam applieuerunt, ieligatis(|iie ii)i*arirrn>u> pedestri
ilinere Komam pervenerunt. l?bi cum per dies aliquot \*ttiM»9Hti~ uhi-
lOqitc diversis sanetorum liminihns pervigiles in oratione <h-itUakillft4> suas
cmiimoudarpiit et lacrimis intoriorem hahitum quasi iam . i n<it*rn)< ■ •'
. 1) Pi, CXXXIV 7. 2> Vtsrg, Ae». I WA. 3) Kx. X\ )l Tim.
4, 7. s. r.i Act Apost. V 41. «) Philipp. 1, 23.
.Studien zur Geschichte der Kölner Marterinnen. 159
triclininm processnrae studiosius cnmponercnt , peractis tandem votis
Ii. «« itinere, quo vencrant, B.-imIcuiii reversae sunt, | aseensisque navihus per
decursuni Rheni prono alvco detiucntcs et nrinis spiritalihu.s tum contra
spiritales ncquitia» quam contra omnes persecutionum pressuras sc prac- 15
munientcs landein Cnlnniam applicuerunt.
Aderat tum ibi barbara Hunnnnnn gen», quae peecatis hnininum 14
exi«*entibus tnin Galliarum i|U«ni Ormaniae et Italiae terms caedibus
iain vnstavernt et incendiis, ita ut cver*is urbibus et ecelesiis creinatis
religionis divinae vix aliquac tenues rcinanerent reliquiae. Kadern ita-
(|Ue barharies cum per idem tempus ingenita feritate etiam urhem Cnlo- 5
l> m ninm ar cta nhsidinne vallarct, imndum hoc udveuieutihus prodente fama
virgincs iain pridein engnitn hnmanitate incnlaruin sine omni huiusinodi
suspicione in terram c»re*sae sunt. Kt ecec barbari innre nun per velo-
cissiinos discursnres exploratn re subito cum clamore super eas irruerunt
et quasi lupi in ovilia agnorum irruptionc facta infiuitam illnm multitu 10
dinem inhninana crudelitate, peremerunt.
Cumque beluitia illa rabies ad snnetam Ursulam iugulando perve- 15
nisset, satellites mortis ndmirabili pulcritudinc eins ennspecta manuin ani-
p. *;smumque repressernnt, ipseque prineeps sceleruin lihj dinis t'ervnre quasi
lulminc percussus deposito paululum rigore coepit ad blanditias et ama-
toria vrrba descondere, Wrc, inquiens, forma tua ma<;num dat speeimen, 5
quod de ingenuis magnisque untalihus puclla orta es, iuravitque ci diecns,
quin, si pridein ad intercodendum ascendisses, nullam in comilatu luo
iacturam pertulisses. Scd eonsolare, et gaude, dilecta, sorte tun et noli
dolere de morte tuarum virginuni, qiiia habita digna es, quae me, totius
Europae victorem , quem etiam Hoinanum tremit iiiqierium , merearis 10
habere maritum. Virgo autem saneta cogitans, quae domini sunt cum
p. *7» huius niodi sponsum vocis liberrima et iiabitus indignatinne quasi princi-
pem tenebrarum ex hu fti aaset, harhara mens et effera bile tumens belualiler
iut'remuit et repulsam suam non l'erens in heatissimam vi reinem, quae
iain cupiebal dissolvi et cum Christo esse 3>. sentcntiain mortis dictavit. ].*>
Sic ergo candidissimi exercitits regina saneta l'rsula ictu sagittae trans-
verberata super nobilem comituui acervum velut caeleste margarituin
corruit purpureoque sanguinc quasi secundo baptismate dealbata cum
tot victrieibns turmis ad caeleste palatium laureata migravit, suppletis
p. »so lideliter, quae deerant in corpore | suo, passionibus Christi Perfectus 20
est igitur admirabilis ille. domini calatlius, qui, ne liliis tantum virginita-
tis albesccret, tntidem martyrii rosis distinetus est, quibus ante superiii
inspectoris oculos decentius ruberet.
Fallant nunc et fallantur, qui saeculari gloria stnpidi triumjihos 16
regum sunrnm intinitis laudibus quasi ad caelum extollunt, scribentes
iila et illa bellorum insignia, utpote vietos rege« currum praecedere, in-
14 II perrenerunt M. Iß 6 genuin M. 22 martyrttm M.
1) I Cor. 7, 34. 2) Philipp. 1. 2.t. :5i Coloss. 1, 24.
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Joseph K I i n k e n b e r j; :
finitos eaplix oritiii (freies miuari , victorcs autem milites discoloribus
.">arinis ful#e,iites siia sinjrulos militariii sijcna osteutare, duces autem ipsos
in anreis quadritfis all«- residentes au ratis vcstihus radiär«'. Addant i». **i
praetcrca, si placet, diem urbi fcstum, lactitiam patrmii, vulgi clamorem
et commune tripudium. Sed hacc si cum hoc triumpho sapienter fucrint
collata, miscria potius diccnda sunt <|iiani «floria, i-inu Uli purpurati et
lUauraii descenderint ad tenebras et actcrua supplicia, illae autein sacrae
virgiiies stola immortalitatis indutac visione doiniiii pi>rfruautur et socie-
tate aii»flica. Kcce iuxta vocem doniini bona terra fructum soxagesiinum
pariter et ccntcsimum in paticulia altuiit et i|iine ad linrain eunles
ibaut et Helmut mitteilte* seinina sna, modo | vcnicutc* et lnanipnlos suos i». ***
15 portautes in exsultatione \ enciunt '2>, iiimio depositis corporum paleis
mundum et bene eribratum trilieuin in liorrea doiniiii abundanter intu-
lerunt.
17 O quäle, liae die in eaelo factum est Iripudiilin, qualis occursus
civium siiperiiorum, quae etiam exsullatio apoHtolorum, quam communis
gloria martyrum et sanctarum vir^inum de aii^incnto sui ordiiiis jflorian-
tium, quam devnta congralulalio patriareliariim, prophelarum et eonfeüso-
5rum, cum tum animae suorum participes eltici meruere ^audiorum prae-
staute doinino nostro Iesu Christo, qui vivil et : [regnat in saecula saecu- 1». na
loruui. Amen.J
IU etiain Colonia illa beata et incomparabili hoc thesauro beatior
sciret, quantum sacratissimis virgrtnuni eincribus honoris et reverentiae
10 semper deberet, in sua liberatione experta est, quam prcliosa in conspectu
doniini mors carinii s) fuisset et quam ma^nitice in concilio snnctorum
viverent, quarum nuda l'orsitan corpora tantum potuissent. Nain perncta
illa tarn beluina rabie, quasi tortoribus illis manifeste dens calicem irae,
verti^inis et insaniac lniscuisset, dati sunt in reprobum sensum*) vide-
15 runtque armatoriim acies, quotas virginum trucidaverant, persequentes
sc, ad quarum impetum eftera illa barbaries et post triuniphos iam fUgere
nescia non änderet subsistere. Fugatis ijritur pacis hostibus conclusi«
civibus insperata pax mlditn est, lonjjoque luctu soluti Colonienses porti»
enipernnt. Ktecce, passim super nudam humum inhumata virginum cadavera
20 invenermit. Nec inultum eos res rcfellit. quippe qui iam pridem transenn-
tium ibidem sanctarum puellarum vestes, habitus et naves noverunt.
Sed quia facile animadverterant devotas deo virgiiies pro conservaudae
pudicitiae si^naciilo in ajrone martyrii oceubuisse seque earuni patroci-
nantibiis meritis non modo mortem , sed etiain crnciatus barbarorum
25 omni morte jrraviores evasisse. unanimi consensu non quasi homines sed
quasi deum in humanis corporibus venerantes non privatis, non publkis
1« V captirnrum fehlt in M. 9 praepurpuritti M.
1) Matth. XI II 8. Marc IV 8. Luc. VIII 8.
;l) Ps. CXV 15. 4) Rom. 1, 28.
Ii) I»s. CXXV 6.
Studien zur (Jeschirhte der Kölner Müllerinnen.
ir.i
siimptihus pepercerunt, dum non modo httmanitati* otTKeio, verum humilli-
iniie venerationis studio pro se <|iiisi|Ue sntngeules ulii (iiliiniatn disiecta-
que martyrum metnbra congerunt, alii voMibus eooperiunl, alii terram
1>. J84 effodiunt, alii sarcophagis | iinpomiiit; hreviqtte tempore, sieut hodie illic ;W
est fernen», Minctis-simae virginuni reliquiac ad aetornain Coloniensium
gloriam |iau.saverunt in paee.
Kx eo nutem tempore iam crescente «liviua religinnc non modo 1H
eonsuetudo, sed pro consuetudine civibiis sacranientum inolevit, nt intra
ambitum virginalis se pul turne nemo usque liodie euiusquam mortui sepe-
liret corpus. Aliqiianto autem tempore evoluto divinitu* freijuenter ad-
monitu» et quasi legatione sanetarum virginum aiiitu* vir quidam reli- 5
giosus nomine Clematius ex orientis partihus advenit, qui pro vnto suo
ecclesiam super sam-tisaimos eitleres a fundamentis i-onstnictam in lionorem
saiietarum virginum eomplevit. Lauda ergo, ("olonia, dominum, qunniam
eonfortavit seras portarum tuarum et poMiit fines tuos paeem et tanto
proniiKso pignore benedixit ti litis, tuis in le 10
Krat autem de endem sanetlssimo virginum e outiil>ernio qunedam 19
nomine Cordula, quae celeris virginibus in agoue Christi occumbentibus
sola in unius navis nlveo sub eadem noete delituit et in erastiuum ultro
se morti. quam fugerat, viril! animo öfteren* eaterva.s eum pari gloria
martyrii subsecuta est. Sed nemo in lioe seandalizetur. quasi beata ilta 5
virgo eoronae »uae parva hnc tormidine aliquid derogaverit, eum nee
Petrus negans') nee Thomas dubitans*) ab apostnlntus honore eiecti Mint.
Divino enim nutu ad magnum ecelexiae t'ruetum Petrus de se quasi de
nomine praesumens et magixtro eommoriturum se asserens ancillae ostiariae
voeem utiliter pertimuit; <)Ui tarnen postea usque ad erueem perveniens 10 •
p. Sur. n«' Ro mac urbis prineipem expavit. Fondtnn et beata illa virgo de
auteaotae vitae puritate et tidei coiistantia praesumens ad tolerandam
paftsionem aliquid in se tiducine habuit ideoque humilianda erat, ut non
in He, sed In domino gloriari disceret et sie humiliata ad caelestem thalamum
gloriosius transiret. Sic et fidelis David, cum domino dieeret : luravi et II»
statui eustodireiudieia iustitiae tuae, mox quasi in se revolutus suhiei it dicens:
Ilumlliatus sum usqueqitnquee *). Ne autem intirina membra de salute
de^perarent, si <|uando in passionis articulo pro humatia iiiKrtnitate paulu-
Inm hebescerent, ipse uiediator dei et dominum perxonam intirmiintium
asHUinens dixit: Tristis »-st anima inen usque ad mortem. Pater, si fleri 20
potest, transeat a me calix istes). Kece, qui potestatem poueudi animam
sunm et stimeudi eam habuit, transire a se cnlieem jiassionis expetivit,
nec filius a patre uon exaiuliri aliquando potuit; sed caput pro intirmau-
17 29 in restibu« coojterierunt M. 30 sartophayos M.
1) Ps. CXLVII 2. 2) Matth. XXVI (19 sq.
4l Ps. CXVI1! 107. .V, Matth. XXVI 3K. 34.
3) Ioami. XX 24 sq.
Jahrb. d. Ver. v. Alterthuuun-. Im Rlieinl. XL111.
11
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1*12
Jose |. Ii KM 11 k c n b e r g:
lihus mcmbris loqnebntur, quoruin sihi timt- pcrsoiiam ussumpsit. Forsitiui
■>"y supernus ille airricola fructilicnntcm palmitcm, ut Irmlmn plus t'crret,
pitrjrnre voluit l), quemadinodum cum sigillum nliqiiod sculptoris studio
sublilissime expressum artifex videt et limat, ut qiiod oculis aliorum placuit,
etiam suis in ali<pio displicero non possit. Sed quiscopnovit sensiim domini?-)
:U) Ideoqtie supcrvacuuin est occulla dei iudicia discutere, saiva hde sine
periciilo licet nescirc, cum liquido eonstet semperque oonstitcrit, quod
athlcla dei ad probationem, non ad reprobntionem dilala sit.
20 Longa igitur temporum scrie evoluta saneta, quam pracdixiinns,
Cordula iuclusae cuidam inromparabilis ttinc | vitao et specialis meriti, p. r*u
Klyiidrudae, per visum apparuit eamque quasi coutuhernalem suam, an
se agnoscoret, requisivit. lila nut cm <|iiamvis saneta et mente deo iain
f> proxiina tarnen adlmc i-orrupt ihilis et quasi corruptio incorruptelam non
sunVreus divinae venustatis et gravitalis personam exhorruit. Krat enim
virgo dei ultra omne artificium hominis vestita mirittec coronamque liliis
rosisque alternautibns intertextam gestans in capite. Famula dei ex
pavore rospirans indignnm so tantae maiestntis agnitione respondit esse,
10 cum ego, inquiens, carnalis peccati sini legibus obnoxia, lu autem iain
in ordinem caclioolarum assumpta sis totius corruptioni» aliena. Tum
illa, Noveris, inquit, ine uiiam ex sacro Colouiensiuin virginum numero
Iltisse, qune Ulis triumphantibus una nocte supervixi sequenlique. die.
mortis cupida nitro me, carnifieibus obtuli sieque in Christo moriens nec
IT) sorores mens deserui nec socialem martyrii eoronnm amisi. Jtaque cum
illarum gloriosissimi transitus diem debita ium devotione tota Colonia
veneretur, mei Hominis nec brevis nliqua adhuc recordatio ngitur. Proinde
nunc veniens id tibi iniungo oboedientiae, quo sanetimouinlibus ad Cor-
pora nostra devote cxcubaiilibus denuuti es ex mo, ut, cum sororum p, siq
20mcarum triumphalem gloriam celebrant, proxima sequenti die et mihi
aliquid venerationis impendant, quin minime eis expedit, ut inter minien,
quae illic pausaiit, mei tanlum Hominis reverentia nulla sit. Cumquc illa
de nouiine. eins reqtüreret, inssa est a virgine frontem eius intueri, ut hoc
sibi nomen indubitanter sciret, quod illic exaralum inveniret. Paruit
25 illa, vidit et legit discretisque syllabis .Cordula" desiincte scriptum invenit.
21 Famula igitur dei ad sanetimoniales divinum oracnlum rettulit,
creditumquu est ac deineeps statutum, et cum pridie beataruni virginum
eelebritas agitur, soqueus dies sanetae Cordula» laudibus impendatur.
Sc.d ne cui visio haec quasi minus auetoritatis ludim-unl« soinuo dubia
;') habere videatur, revoeet ad memoriam, quin et Petrus donniens in disco
vocationein gentium vidit 3) et Paulus viruin Macedom'in in IHyrieum se
vocantem non dubius nudivit*) et patriarchao nostri, Abraham scilicet •'•),
19 31 semper M. 30 3 contubernialem M.
1) loann. XV 2. 2) liom. 11, 34. 3) Act. apost. X 9 sq. 4) Act.
apost. XVI 9 sq. 5> Genes. XV 17 sq.
Studien zur Geschichte der Kölner Milrterinneu.
Isauc '/ et Iucobs\ losepli quoque s), (rcdcnn *\ atque Daniel 6) mulla et
magna caelcstium mysteriorum sacramentn viderunt. tnagi etiain de iihi-
tnndo reditu dormientes edocti sunt tpse quoque imtiicius domini, 10
loseph, ab angelo est adninnitus in soinnis in Aegyptum fugerc exstinelis-
que perseeutoribus Christi propter metum Arehelai Nazarcth secedere
ibique habitare ").
Glorietur igttur su]ierna Hicrusalem et caclcstis illa curia tot in- 22
genuis eivibus atnpliata, tibi nnn est servus aut über, niasculus aut t'eiuinn.
Glorietur Britannia quamvis in Adam gencrans virgiueac tarnen indolis
fecund». Glorietur Germania tot lectissimos Occani llores excipiens.
Glorietur Itoma uumeruiii virginum, quem aeeeperat, reddeus. Glorie- 5
tur Colonia taloiti apud se thesanrum retinens. Glorietur beata illa
p. »fwsaiH-timonialium congregatin toi sauetarum virginum, quibus | devote fa-
mulatur, patrociniis de perpetua salutc praesumens. Benedicta igitur
glnria domini de loco saneto 8). Vos auteiu sanctimonialcs, tot caelestium
Kt'iiiimiruiii servatrices, fideli obsequio specialiter Hat agile, ut, si ad cen- 10
tesinnun vel sexagesimuin fruetmu nnn peiiingitis, saltem post vestigia
earum divinae misericordiae spicas legatis. Oumes etiam in communi
sanctissiina earum patrocinia bumillime tlagitemus, ut quin ad socialem
cum ipsis gloriam adspirare nnn audemus nec possumus, tarnen, quia in
domo patris matisiones multae. sunt *), e.arum mcrilis patrncinantibus in 15
caelesti Hierusnlom vel novissimae sortis inunicipatum capiamus prac-
stante domino nostro Iesu Christo, qui cum patre est spiritu sanetn vivit
et regnat in saecula saeculorum. Amen.
Osanna interpretatur salvittca, id est snlvum fac. Kxplicit pnssio
.sanetarum virginnm XI milium. 20
22 7 famulatur fehlt in M. 12 commune M.
Die Legende licht au mit der Geburt der Führcrin der
Jnngfraiiensebaar, der Iii. Ursula, welche in den Mittelpunkt der-
selben gertlckt ist. Aus ihrem Vater, dem Könige Dinoot von
Cornwales, wird volksetymologiseh ein ,rcx üconotus tarn vita
quam noniiiK'' , und um die Identität heider sicher zu stellen,
fügt tler Utreehter Codex hei , tlass er der Nachfolger seines
Bruders Caradoetis auf dem Throne gewesen sei ,ü). Nachdem Ur-
sula zu einer ebenso schönen wie frommen Jungfrau herangewachsen
ist, begehrt sie ein heidnischer Prinz, den der Utrechter Codex
I) Genes. XXVI 2 sq. 2) Genes. XXVIII 12 sq. 3) Genes. XL
8 sq. XLI 16 sq. 4) ludic. VI 11 sq. 5) Dan. II 28 sq. C) Matth.
III 12. 7) Matth. II 13 sq. 8) Ezech. III 12. !)> Ioann. XIV 2.
10) Vgl. Gottfried V 15, io.
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Joseph Klinke nherg:
ausdrücklich Conanus nennt '\ zur Gemahlin. Di»- Art der Braut-
werbung erinnert lebhaft an .Sigfrids gewaltsame Werbung um Kriemhilt
im Nibelungenliede. Der Verlegenheit des Vaters kommt die Tochter /.u
Hülfe. Obwohl sie ihre Jungfratisehaft zu bewahren gewillt ist. will sie
doch, wie ihr sonderbar genug ein Engel in göttlichem Auftrage ge-
rathen hat, dem Prinzen die Ehe unter der Bedingung zusagen, dass die
Hochzeit drei Jahre hinausgeschoben, ihr Bräutigam inzwisehen im
ehristliehen (Hauben unterrichtet und getauft und ihr eine Schaar
von llufH» Jungfrauen beigesellt werde; unter den letzteren sollen
zehn durch Schönheit und Gchiirtsadcl hervorragen, und jede von
diesen sowie sie selbst soll 1« NU » Begleiterinnen erhalten; für die
ganze Schaar sollen überdies 1 1 Dreiruderer beschafft werden. Eine
Motivirung der letzten, höchst auffälligen Bedingungen fehlt in unserer
Legende durchaus; ganz anders in der (Quelle, der wälischcii Ur-
snlasage, wo die Jungfrauen den Seddaten des Conanus vermählt
und über das Meer beiordert werden sollen. Die zehn adeligen
Gefährtinnen Ursulas entstammen natürlich der Kölner Tradition:
sie bilden mit Ursula selbst die von Alters her in Köln namentlich
bekannten 11 hl. Jungfrauen. Unter ihnen ist die hervorragendste
Uinnosa, die- Tochter des Herzogs Maximus — wiederum ein An-
klang theils an die britische Sage, in der Kaiser Maximus eine
Rolle spielt, theils au die Stellung Uinnosas im Seruto in natali.
Nachdem die Jungfrauen aufgeboten und die Schiffe hergestellt
sind, beginnen dieselben nach einer kurzen Ermahnung ihrer Königin
Ursula nautische Uchungcn. die sie drei Jahre lang fortsetzen.
Diese irgendwie zu mofiviren, ist dem Legendenschreiber ebenso
wenig gelungen, wie er einen genügenden Grund für diu« Jungfrauen-
aufgebot anzuführen vermochte: aber er musste. wenn auch noch
so gewaltsam, die Jungfrauen zu Schiffe bringen und sie mit den
nöthigen Kenntnissen in der Scbifffnhrt ausstatten . um sie spater
ohne männliche Begleitung — denn eine solche gestattete die Kölner
Tradition nicht — die Heise bis nach BjiscI zu Wasser zurücklegen
lassen zu können. Endlich naht der festgesetzte Zeitpunkt der
Hochzeit heran. Ursula ermahnt ihre Gefährtinnen zu eifrigerem
Hebet, doch merkwürdiger Weise nicht blos um die Erhaltung ihrer
eigenen Jungfräulichkeit , sondern um die der ganzen Schaar,
welcher in keiner Weise Gefahr droht: natürlich sehwebte dem
Verfasser die beabsichtigte Vermählung der Jungfrauen mit den
1) Vgl- Gottfriert V 1T>, ir..
Studien zur Geschichte, der Kölner MHrterinnen.
1C5
Soldaten des Conanus vor. Durch pittliehe Fügung wird plötzlich
die ganze Flotte ohne jeden Verlust in den Hafen von Tile an der
Khcinmündung geführt, wohin auch Gottfried die Verschlagenen
gelangen lüsst. Wie im Sernio l),n verhleihen die Jungfrauen hier
einige Zeit, versehen sieh mit Lebensmitteln und fahren nun rliciu-
aufwärts nach Köln, wo Käst gemacht wird. !>a fordert ein Engel
Ursula im Schlaf»' auf, mit ihren Gefährtinnen eine Pilgerfahrt nach
Kom zu unternehmen und belehrt sie zugleich, duss sie nach ihrer
Küekkehr von dort in Köln den Martertod erleiden würden. Die
Pilgerfahrt wird ausgeführt, bis Kasel zu Schifte, von dort zu Fuss,
und auf demselben Wege geht der Zug zurück. Diese Partie der
Legende, welche natürlich mit der britischen Sage nichts zu thun
hat, geht lediglich auf missverstandeiie Andeutungen des Sermo zu-
rück. Die ,i>eregrinatio pro testamenti domini veritate assnmpta'
(c. 3/) nahm man als Pilgerfahrt, e. 7.« ff. schien auf die Kiehtung
derselben nach Koni zu deuten, und ans den Worten c. IL
,haiie Agrippiuae Coloniac terram non ut hospitam solum modo
praeterundo salutaverunt, sed hie nmrtyrii vietoria coronatae
eam ut propriam effusionc saneti sni sanguinis man endo deeora-
verunt' sehloss man auf eine doppelte Anwesenheit der hl. Jung-
frauen in Köln, eine vorübergehende vor der Pilgerreise und eine
dauernde nach derselben.
Als die Jungfrauen zum zweiten Male in Köln anlegen, treffen
sie daselbst die Hunnen, welche bereits Gallien, Germanien und
Italien'!) verwüstet haben (e. 14,i ff.). Diese Angabc der Legende ge-
nügt, um die auch heutzutage noch hier und da behauptete Belagerung
Kölns durch die Hunnen Attilas an welche man noch über die An-
gaben der Legende hinausgehend die Einnahme und Zerstörung
der Stadt angeknüpft hat, als durchaus unhistorisch erscheinen zu
lassen. Die Hunnen fallen über die Jungfrauen, die von ihrer An-
wesenheit keine Ahnung haben, her und machen sie allesammt nieder.
Natürlich ist es wieder die britische Sage, welche den Hunnen
die Ermordung der Jnngfrauenschaar aufgebürdet hat; im Sermo
fallen sie noch Jictorum immanitate', und selbst die Legende scheint
e. 12, i;i durch die Worte ,cerviees vestras perseeutori dabitis'
auf die ältere Ansieht von der Enthauptung der Müllerinnen zur Zeit
der Christenvcrfolgnngen hinzuweisen. Eine bedeutende Schwierig-
1) Attilas Namen nennt die Lebende nicht ausdrücklich: aher unter
dem .vicinr totius Kuro|.ac (c. 1">, n.) kann nur er \ erstanden «erden.
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1*5
J o h «' p Ii K I i h k r Ii )> c r <r:
kcit machte dem Legendensehrciber die Veranlassung zu jenem
schrecklichen Blufbadc. Nach der kölnischen Ueherlieferung war
es das standhalte Hekenntniss des christlichen (Hauben*, welche«
die Jungfrauen zur Zeit der Christcnverfolgung abgelegt hatten;
nach der britischen -Sage die Weigerung derselben, sich von den
Barbaren mißbrauchen zu lassen. Obgleich das letztere Motiv sehr
wohl zu dein Charakter der linnneu gepasst hätte, hat der Ver-
fasser der Legende sieh doch gescheut, es anzuwenden, offenbar
aus Rücksieht auf die damals noch in Köln geltende Ansicht, und
hat wie an andern kritischen Punkten auf die Angabe des Motivs
einfach verzichtet. Damit aber hat er, ohne es zu wollen und zu
merken, das Martyrium der Jungfrauensehaar aufgehoben und an
die Stelle desselben ein (ieinetzel gesetzt. Nur Ursula fällt durch
einen l'feilschuss, weil sie sich weigert, dem Hunnenfllrsten ihre
Hand zu reichen.
Die erste Fortsetzung der älteren I'assio schildert die wunder-
bare Vertreibung der Hunnen von Köln, offenbar in der Absicht
erfunden, um der (ieschiclite. gerecht zu werden, die von einer Hin-
nahme der Stadt durch dieselben nichts wusste, sowie das Begräb-
niss der Müllerinnen durch die Kölner Bürger. Letzteres enthält
eine weitere Coueession der heimischen Tradition an die britische
Sage, insofern gesagt wird, die Jungfrauen hätten den Tod erlitten
.pro conservandae pudicitiac siguacnlo' <c. 17,«).
Die nachfolgende I'assio s. Cordulae oder besser gesagt die
Selbsloffenbarung der hl. Cordula an die Nonne Elyndrud trägt,
wie schon C r o m b a c Ii gesehen hat , deutlich den Stempel der
Nachahmung an sieh. Der auf einige Zeilen beschränkten I,cidens-
gesehichte der Heiligen stehen zwei lange, geschmacklose Apolo-
gieen des Martyriums und der Offenbarung desselben gegenüber.
Kine direete Nachahmung ist der Kranz von abwechselnden Kosen
und Lilien, den die hl. Cordula auf ihrem Haupte trägt (e. 20, ?).
Kr ist entnommen der Stelle der älteren I'assio c. 15, ff.: l'crfectus
est igitur admirabiiis ille domini ealalhus, qui, ne liliis tantum vir-
ginitatis albeseerct, totidein martyrii rosis distinetus est. Während
der Verfasser der altern I'assio sieh jeder Motivirung enthält, wo
er eine passende nicht zu finden weiss, schreckt der Schreiber der
jungem selbst vor einer unzutreffenden Begründung nicht zurück. Er
lässt die hl. Cordula erscheinen, ,quia minime eis (i. e. sanetimo-
nialibus ad eorpora nostra devote exeubantibus'i expedit. ut niei
tantum Hominis reverentia nulla sif. Allein da Cordula, wie sie
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Studien zur Gexehiclite der Kölner MarUriimeii. H>7
selbst sagt, zum saeer Colnniensiuni virginuni numerus gehört, so genoss
sie auch schon hishcrnn mit diesem gemeinsame Verehrung, nur
war ihr Name und Schicksal unliekannt , ein Loos , das sie mit
Tausenden ihrer (iefährtinneu (heilte. Ks lag also für sie keine
Veranlassung vor, eine besondere, namentliche Vcrehning zu forden).
Als Litteraturwerk betrachtet, ist, wie wir gesehen haben,
die Lebende Jtcguaute domino' eine ausserordentlich schwache
Leistung, wenn auch die Schwierigkeit nicht verkannt werden soll,
so widersprechende Ansichten, wie sie dem Verfasser über die
Kölner Malierinnen vorläget!, mit einander zu vereinigen. Aber
grade die SehwHchc des Werkes ist für den Forscher günstig, in-
sofern sie es demselben ermöglicht, die einzelnen Kaden aufzuzeigen,
aus denen «ich das Gewebe der Legende zusammensetzt.
8. Bearbeitungen der Ursulalcgendc.
Von der Legende ,Regnante domino' sind mir zwei Bearbei-
tungen bekannt geworden, welche beide den Text paraphrasiren, ohne
inhaltlich irgend etwas Neues zu bieten. Die eine, welche ich nur
ans den Bollandisten kenne, ist in einer Handschrift des Cisterzienser-
klosters Liehtenthal in Baden erhalten ',>. Von der andern geben
die Bollandisten den Anfang aus einem (Hadbaeher Codex*); ich
selbst habe sie im cod. lat. f>42 der Mllnchener Hof- und Staats-
bibliothek wiedergefunden. Sie ist jünger als der jüngste Theil
von Kegnante domino (Zeugniss für die Heiligkeit Klvndrnds), da
auch dieser in derselben verarbeitet ist.
Viel wichtiger ist die Bearbeitung der britischen Ursulasage
im Roman de Brut des Robert Waee. Der Dichter, geboren
im Anfang des 12. Jahrhunderts auf der damals zur Nonnandic ge-
hörigen Insel Jersey, gestorben als Canonicus in Bayeux kurz nach
1174, setzte in dem genannten, llöu vollendeten Werke die Historia
regum Britannine (iottfrieds in nordfranzösis<,he Poesie nin, ver-
wertete aber auch andere Quellen, wie schon der uns hier inter-
cssirendc Abschnitt bekundet. Derselbe lautet folgendermaassen
iMaximiani France <-on<|uist et Loheraigne <>llf>
Kt apres con<|uist Aleinaigne;
Ne Ii pol pas encor sostire,
n Acta Kam t. "< t. IX p. !>.T s<|.
•2) Vgl. Amnerk. 1.
3) Benutzt ist die Ausgabe von Leroux de Lilie y.
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\m Joseph Klinkenberg:
Se ') de Korne n eust l'i'inpire;
6120 l>ont al prist A Home son icinin
Sor t'raticn et Valentin.
Lotiihardie et Hnmc coin|ui»t.
l.'un en <-a«;a ") et l'nltre oeist;
A Olinnos, un sien vassnl,
*)12ä Un gentil ronte4) et un loial,
Avoit KnglcteiTc livree
Kt la justice i-oininandee;
Fri-re Caradoc l'u puis lies.
Mais Caradoc ert jA Kues
ül.'k) Kt ses-'i fils tu cl fl> mcjssagc,
1*1 Clionos tint l'iretagu 7».
Um- HU«; avoit eil*), inult hilf,
* J ni estoit appelce Urside,
F.t puis lu par liier cnvoVc
«11 'i;"> Kt inainte autre doseonseillie wi,
i}\ü durt'nt etre mariees
Kn Hretaignc outre iner nienees.
Francois <jui t'urciit resbaldi "M,
H'ont Conan! de guerre. acuilli iy),
H 1 10 Mais Conan s'a bien dest'endu,
Oinpies14) par als11» n'i lu venqu.
I'or sa terrr mix gaagnier,
Por popler et por herbergier,
Kt por m\ gent asseurcr
«JI4"> ValtM) as homes feines doncr.
Ne lor valt pas doner FrnticoiM.'t»
Ne por foree ne por rieoise*
Ne lor linage |fl) entreineller ,7)
Ne lor teres aioniinuuer.
filuö Ains a t'ait Clionos requerre '*),
i}ui en garde avoit Kngleterre,
Qw il sa lille Ii donast,
Urside, si Ii envoiast
Kt des tilles as >") vaasors
Kir>5 (^ui n'avoient eneore signors,
Kt des tilles as paYsaus
Kt as povres et as inanaus =")
Li envoiast, quanqu'il-t poroit,
I) si. ■*;. done. H) ehassa. 1; eomte. M *on. fit en le.
7t hi-ritage. *'i celui-ci. f>> übel berathen. IOi ciieouragi-s.
11) accueilli. 12) jainais. aux — eux. 14) voulut. li>> rieliesses.
1«) Itgnage. 17) entremeler. I*) requerir. l!)l aux. 20» invaso-
ribus. 21i iiianants. 22\ taut qu'il.
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Studien zur Geschichte der Kölner Marterinuen.
169
Et il Meli les marieroit;
(5160 Caseune auroit hoii tnaria^e
Solonv l'ordre de son parage ').
Cil Ii a sa tili« envort
Et a graut rii|uece 2) otroie 3i.
Ecs mesehines4) tlst demander
6165 Qui estoient A marier;
Onze mil en a asamblees,
Totes de gentix *) homes nees.
Des paYsans prist anscinent *)
Quarnnte mil commuiiement,
6170 (Jue. petites, tjue parcreues7).
Bien eouraees et veatucs;
Et lies8) a Eondres inises furent,
A cels <|ui conduire les duront.
Aval 9) Tamise sout conies
61 Tö Et de si a la iner^-enues;
Par cele iiier parfont sigloient ,0>,
Eiece ") et bien trover «|iiidoient u).
Es'*) vous tenipeste mervillose
Et uuo nue vint pluose,
6180 Qui fist le vent desor u) torner,
Eair noircir, le eiel oscurer.
Omjues n'oi ,&) taut »»dement "•)
Venir tempeste. ne tonnent "):
Li oiel» torbla, Ii airs noirti
6185 Et la mers enlia et fermi "*):
Ondes eotmiiencent A enhVr
Et sor l'une laltre monter.
En niult po d nre ,9) nes traversent,
Maintenant alondrent*') et verseilt.
6190 Entnimmt ") ni pueent*4) aidier,
Ne nus altr«5*) consillicr.
(.Jui dont oYst*M frier mesehines
Et essauchier vois femenines,
l'aumcs batre, cavex *) tlrer,
6195 Peres et nieres reelatner
Et jeter grands cris et grands plains
1) £palite de naissance. 2) riehesse. 3) concede. 4) jeunes
Alles. 5) gcntils. 6) aisement. 7) ausgewachsen. H) navires.
9) a val. 10» deutsches Wort: segeln. 11) Freude. 12) gedenken.
13) en les. 14) = des or von der Stunde an. 15) jninais on n'a ouV.
16) Wohl gleich sodiement. engl, suddenly „rapidement". 17) Seesturm.
18) gahren machen. 19) en fort peu de temps. 20) untersinken.
21) instruinents. 22) pnuvaienl. 23) nul A 1'autre. 24) lmparf. du
stibj. von ouir. 25) clieveux.
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170
J o s e p h K 1 i n k o n b o r g:
Kt rcrlanier I >cn ei ses sain.s,
t^ui veit com elcs moroient
Kt com eles s'entretenoient,
t>200 ,Jä ii ruM taut le cuer2i fclnn,
II n'en eust compassion.
(tu. nies n'oV si graut pcril
De frinojJ, ne si grant cscil Jj.
Mult par i ot*) in'"« pcrillies
«-'05 Kt ineseines ä dol •'•) noiös;
Ahpiantcs qui en escaperent
Kt nitre paieus arrivörent,
< >ois«-H füren t et vendues
Kt en servage retenues.
6210 tlnze mil en furent monoes
Kt en Colognc dccolöes.
l'rscle fu o ft> celes pri.se
Kt si fu o cölcs ooffr ;
Martyre furent, saintcs *ont,
r,i>ir> Cil del paYs1) grant fest« fönt.
Maintc en ont la iner trovöo,
Ivains et Melga esjraröe.
Ivains cstoit rots de Hongrie,
Pnr nier aloit ä graut navi« "I;
6220 Melga estoit d'Kseoce sire.
Des iiic.schincs tirent nein;
IMuisors <)iiis> vaurent por jesir '"i,
f'ar nel n) voloient consantir:
Ncs »-') oeioient pas por el >*),
6*2*25 Paien estoient mult eruel.
In der Hauptsache sehüesst »ich Waee, wie man sieht , an
Oottfried an; nur setzt er statt der IRKMX) Jungfrauen niedern
.Standes 40 000 ein 14 ). Die bedeutsamste Abweichung steht gegen
1) Irapart'. du Mibj. von vedeir — videre. 2) eoeur. .'{) Schaar.
•Ii il y eilt. f») douleur. ti) avec. 7) ceux du pays = los hahitants.
H) avec beauennp de navircs. 0) voiilurent. 10) gösir coucher.
II) ne le. 1*2) ne les. Li) aliud.
14) Unbegreiflich ist das Urthcil San Marte's über die Dar-
stellung der Ursulalegeiide bei Gottfried und Ware: „Die mit der Aus-
wanderung nach der Bretagne verknüpfte Geschichte der hl. Ursula und
ihrer 11000 Jungfrauen gehört, wie es scheint, mehr der frankischen
Legende an und ist wohl erst später nach Britannien übergegangen, wie
denn auch Wacc im Koman de Brut entschieden den Legenden des Con-
Cinents folgt" (Nene Mitth. aus dein Gebiet histor.-anti'inar. Forschungen
IX S. «4).
Studien zur Geschichte der Külm-r Märterinnen.
171
Schill«?: von den «ms dein Schiffbruche geretteten Jungfrauen
werden 11 (MM), unter ihnen Ursula, nach Köln gefuhrt und daselbst
enthauptet-, sie fallen, wenigstens /.um Thcil, als Märteriuiicn ihrer
jungfräulichen Ehre, sind Heilige und erfreuen sich eine» grosseu
Festes. Zum ersten Male beobachten wir hier eine Rückwirkung
der kölnischen Legende auf die bretonisehe, von welcher jene bis
dahin mehrere Jahrhunderte hindurch bccinflusst worden war. Natür-
lich war es eine Folge der im 12. Jahrhundert immer weiter sich
ausbreitenden Verehrung der Mürterinncu, dass die bretonisehe Sage
Köln die genannte Coneessiou bezüglich der Marterstätte derselben
angedeihen Hess.
Die Unzugängliehkeit der Flore« historiarmn des Matthacus
v o n W e s t m i n s t e r ( um 1377), in welchen ebenfalls unsere
Sage berührt wird, erlaubt mir kein Urtheil ülier die Art der Dar-
stellung derselben bei diesem Schriftsteller; hier sei nur noch kurz
erwähnt, dass Johanues Maior (geb. 1409, gest. lf>47) in seinen
Gcsta Seotorum 1 14 noch mehr sich der Kölner Uebcrlieferung
anschliesst, indem er mit Weglassuug des Schiffbruches und Unter-
ganges zahlreicher Jungfrauen die ganze Schaar, 1 1 000 au der
Zahl, welche nach Armorika bestimmt war, durch einen heftigen
Wind uuiuittelbar nach Köln gelangen und daselbst durch Gouanus
und Elga umkommen lässt »».
0. Die Kcgräbnissstätte der Kölner Märterinnen;
der ager Ursnlanus.
Unsere Untersuchung ist an der Sehwelle der letzten Epoche
der Umgestaltung unserer Legende angelangt. Dieselbe ist bedingt durch
die umfassenden Nachgrabungen, welche im Laufe des 12. Jahrhunderts
nach den Gebeinen der Kölner Märterinnen angestellt wurden. Es
dürfte daher hier der geeignete Ort sein, die wechselnden Ansichten
über die Grabstätte derselben zusammenzustellen und zu er-
läutern.
Wenn auch die Clcmatianisehe Inschrift die basilica saneta-
rum virginnm ganz ausdrücklich nur als Mart erstatte der Jung-
1) Die bezügliche Stelle ist abgedruckt bei Va h e r i u s, Britnnnica-
ruin ecclcHiarum antii|iiilnte.> |>. Gl 7.
172
Joseph Klinke 11 Ii i» r g:
franen bezeichnet, so muss <loc-h, wie wir früher gesehen haben 1 1,
aus der Wendung ,cxeeptis virginibus' zusammengehalten mit der
Sitte der Zeit, in welcher die Inschrift entstanden ist, mit Not-
wendigkeit geschlossen werden, dass sie von vornherein — und
zwar nur sie - auch die (irabstättc derselben war. In dienern
.Sinne sprechen sieh die Zeugnisse der folgenden Jahrhundertc ein-
stimmig ans. Schon erwähnt wurde die Stelle der vita s. Ctmi-
berti, welche von tutnuli in der Kirche redet *). Eine Antiphon
des Officium« der hl. Jungfrauen, welche durch ihren engen An-
schlug» an die Clcmatianische Inschrift den Stempel Indien Alters
an sich trägt, preist die ,beata virginnm corporn, cpuie pro Christi
eonfessione prost rata solo iacent hiefd. h. in der Kirche) sepnlta' Der
Sermo in natali bezeichnet die itasilika als ,sauctorum cor|H»rnm custo-
dem ecclesiam' 4). Selbst zu der Zeit, als schon die Zahl der Mülle-
rinnen auf 11 (MJO geschätzt wurde, hielt mau noch an der Ansieht fest,
dass die Basilika ihre Oebeine sämmtlich umschliesse. Durch Ur-
kunde vom 29. Juli 027 schenkt Erzbischof Wichfrid dem Ursula-
stifte die nahegelegene Marienkirche ,propter reverentiam XI milium
sanetarum virginum i n i b i (d. h. in der unmittelbar vorher ge-
genannten ecclesia sanetarum virginum) requiescentium' 5). Wenn
daher in dieser frühen Zeit von Erhebungen und Uebcrt ragungen
von Reliquien der hl. Jungfrauen die Rede ist, so müssen wir an-
nehmen, dass man sieh durch Eröffnung der in der Kirche befind-
lichen flrülKT in den Hesitz derselben gesetzt hat. So enthält
schon das Calcndarimu H i n t e r i in s und das des Düsseldorfer
Codex D }\ unterm 28. Februar die translatio sanetae l'innosae,
ein Fest, welches mit der Verdrängung l'innosas ans ihrer führen-
den Stellung wieder verschwindet und einer translatio s. Ursulac
am 28. Januar Platz macht *).
Die Legende Regtiante domino deutet zuerst — freilich nicht
in ihrem ältesten Theile — auf eine Wandlung der Ansicht be-
1) Bonner Jahrbücher l.XXXVIII S. 91.
2i Bonner Jahrbücher LXXXIX S. 108 ff
3> Kesncl n. a. O. S. 156.
4) c. 5, 17.
5) Lato >n b I c t, Crkuudcnbut-h 1 nr. 88.
G) Diese rührte man ohne allen (»rund auf die Bonner Jahrbücher
LXXXIX S. 10H (T. erwähnte Begebenheit ans dem Leben des hl. C'nnibcrt
y.illüek. Vgl. den Inhalt der Inschrift Act« Sanct. Oct. IX p. 2.M;.
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Studien zur (Jesehiclite der Kölner Marterinnen.
I
17:;
•/(Irlich der Begräbiiissstättc der Jungfrauen. Die Anordnung des
Clematius, dass man innerhalb der Basilika keinen Leichnam be-
statten dürfe, wird e. 1H, s als gültig für den ganzen ,anibitus va-
ginalis sepulturae' bezeichnet. Offenbar war man sieli bewusst ge-
worden, dass 1 1 000 Personen unmöglich in der kleinen Basilika
ihre Grabstätte haben konnten, und dehnte daher dieselbe über die
nächste Umgebung wahrscheinlich den Bezirk des .Stiftes —
aus 1 \ Eine noch tiefer greifende Aendcrnng aber trat im Jahre
1105 ein. Wir kennen dieselbe durch die Schilderung eines Zeit-
genossen, des Mönches R i e h e r u s aus der Abtei Waulsort in der
Diöcese Xamur. Obwohl das Aktenstück bei den ßollaudisten ab-
gedruckt steht *), ist es doch seiner Bedeutung entsj)recheud bis-
heran nicht gewürdigt worden.
Als in dem genannten Jahre Kaiser Heinrich IV. auf der
Flucht vor seinein Sohne , dein spätem Kaiser Heiurich V., am
Niederrhein freundliche Aufnahme fand und unter andern auch in
Köln verweilte, nahmen die Kölner ans Furcht vor einer Belagerung
auf die Befestigung ihrer Stadt Bedacht: man erhöhte die Mauern,
besserte die Thore aus und umgab die Stadt mit einer zweiten Um-
wallung. Zh diesen Arbeiten hatte man Bauern gedungen. Als
dieselben nun den Boden um die Stadt herum aufwühlten, erschienen
ihnen plötzlich zwei Frauen von unglaublicher Schönheit um! forder-
ten sie mit sauften Worten auf. die Erdschollen etwas ehrfurchts-
voller zu entfernen. Auf die Frage der Bauern, wer sie seien, er-
widerten sie, sie gehörten der Gesellschaft der 1100«) Jungfrauen
an, die hier herum begraben lägen; mitten zwischen ihnen ruhe
ihr Bisehof. den man bald auffinden werde. Hierauf verschwanden
sie. Schnell verbreitete sich das Gerücht von der Erscheinung,
und die Bürger Kölns vernahmen mit Staunen, dass die 1 1 000 Jung-
frauen an einer Stelle ruhten, wo man es nicht vermuthete
iiu quihus nou sperabatur loci«), und durch eine Erscheinung selbst
ihre Grabstätte geoffenbaret hätten. Alles eilte hinaus, um das
1) Letzteres darf mnn aus der Thatsache achlivssen, da** die Ab-
tissinnen und Nonnen de« UrKulaMtifte* auf dem Kirchhof der Maria-
Ablass-Pfarrkiivhe begraben wurden, ,cum penes erclesiani XI inille vir-
ginutn nulli sepultura comedatur'. (Gelen nix, De admir. ningn. Col.
p. 411».) Hierher gehört auch die Bezeichnung der Nonnen des Ursula
Stiftes uIh ,tot eaele.Htiuni geiiiniarum servatrices' iRcgnante doinino i-.22,i»).
2) Acta Sanct. Oct. IX p. 239 so,. ITeber den Verfasser vgl. p. 238.
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174
.1 o s o |i Ii K I i ii k <• 11 1> v r g:
Wunder zu schauen. Kin Priestor der Ounibcitskirehe. welche
i Ii d e r N^i Ii o d er Stelle 1 a g. w o d i e E r d a r h e i t e n a n s-
go führt wurden <quae operi contigua erat, stalil Abends ein
wenig von den ausgegrabenen Oeboineu. hraehte diosell>en in die
Kirelio und sah sie leticliten. Diese und andere als wunderbar an-
gesehene Erscheinungen, welche an den aufgefundenen Oebcinen
beobachtet wurden, hoben jeden Zweifel an der Eehtheit derselben.
Der weitere Inhalt des Aktenstückes ist für unsere Unter-
suchung nicht von Belang. Zum ersten Male bemerken wir in
demselben eine Abweichung Von der bis dahin streng festgehaltenen
Ansieht, die Märtyrersehaar habe lediglieh ans Jungfrauen bestanden:
ein Bisehof befindet sieh unter ihr. Die beiden Jungfrauen, welche
den Arbeitern erseheinen und dadurch nach den von Alters her
bekannten elf und der ebenfalls durch eine Erscheinung bekannt
gewordenen Cordula zuerst persönlich auftreten, finde ich in jener
dementia und (»rata wieder, welche zweimal den Namen der Elf
angereiht sind •), und dies um so mehr, weil in der Erzählung
Richers gerade die Milde und Lieblichkeit ihrer Erscheinung hervor-
gehoben wird *'». Von grösster Wichtigkeit aber ist die Bemerkung, dass
der Ort, welchen die Erscheinung als Grabstätte der 11 <KX> Jung-
frauen bezeichnete, liümlich die Gegend nordöstlich von der Ursulain-
sehen Basilika in der Nähe der Cunibertskirche, bis dahin von niemand
als solche betrachtet wurde. Wir besitzen darin ein klares Zeng-
niss für die Zeit der Entstehung des sog. ager Ursnhums, welcher
von nnn an mehrere Jahrhunderte hindurch der Schauplatz fieber-
haft betriebener fSrabnugen nach den Reliquien der 110(M) Jung-
frauen, zugleich aber auch die Veranlassung zu einem heftigen
Streite wurde.
Kaum war nämlich in Folge der angeführten Erscheinung
der Anfang zu den Ausgrabungen gemacht worden, als die Mönche
des Deutzer Heribertsklosters» sich derselben mit besonderem Eifer
annahmen. Schon 1113 übertrugen sie den Leib einer hl. Palmatia
in das Kloster Weissenbnrg. Ein Fund folgte dem andern, und
nie vorher vernommene Namen von Kölner Märterinncn tauchten
auf. Auf (irund abermaliger Erscheinungen begann dann im Jahre
1) Vgl. S. 135.
2) .vetmsti ornntus increilibiliscpte speciei clniie tnitlieres . . dukiqite
iiFatu . . dixere'.
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Studien zur Geschichte der Kölner Milrterinnen.
17f»
11;V» unter Leitung der Deut/er Achte Merlach und Hartbcru eine
neunjährige, allgemeine Erhebung der Gebeine den Ursulaackers,
von denen ein grosser Theil als Reliquien in alle Welt verhreitet
wurde. Im 1.1. Jahrhundert dauerten die Erscheinungen, Funde
und Verschenkungen fort, bis l'ajwt Bonifaz IX. letztere auf den
Wunsch der Kölner Bürger verbot. Xoeh 1640, als man im Herzen
den Ursulaackers ein Massengrab, und 1642, als mau in »1er Nahe
der Ursulakirche eine im Sande begrabene Leiehe entdeckte, glaubte
man, (lebeine der 11000 Jungfrauen aufgefunden zu haben1).
Für uns ist es unbegreiflich, wie die Erscheinung des Jahres
1105 und die Aussage derselben nicht dem schärfsten Zweifel und
lebhaftesten Widerspruche begegnete. Allein weder jetzt noch
spater boren wir etwas davon. Selbst die Klosterfrauen des Ursnla-
stiftes, bei denen dies am meisten zu verwundern ist, erkannten so-
gleich die aufgefundenen (lebeine als Kcliqnieu der hl. Jungfrauen
dadurch an, das» sie den Besitz derselben, wie Rieherus erzählt,
den Canonici von St. Cuuibert gegenüber, auf deren («rund und
Hoden sie gefunden worden waren, für ihre Kirche als die alt-
bekannte Grabstätte der hl. Jungfrauen beanspruchten und sogar
zu einer heimlichen Entführung von (Sebeinen übergingen. Als
aber bald der sog. Greesberg, wo die Ausgrabungen stattfanden,
den Xamen ,Ursnlaacker' erhielt *) und die auf demselben schon zu
Erzbischof Annos II. Zeiten (loött— lÜ7f») erbaute Kirche der
hl. Machabüer3) immer mehr, wie es scheint, an Ansehen gewann,
fühlte sich Gcpa, die Äbtissin des Ursnlastiftes, schwer verletzt,
weil sie in diesen Vorgängen eine Schmälerung des Ansehens der
Ursulanischeu Basilika erblickte Ohne Zweifel auf ihre Veran-
lassung Hess ihr Bruder, der damalige Erzbischof Reinald von
1) C r » ui 1) & c Ii, S. Ursula vindicala p. 171.
2) Vgl. die S. 176 Aninerk. 1 angezogene Urkunde.
.'{) In der Urkunde liei La com biet, Urkundonbueh I nr. 318
vom Jahre 11.14 erneuert Graf Adolf von Saffenberg die Schenkung eines
Gutes in Mondort*, welches sein Grossvater durch Krzbischof Anno der
Macliabuerkirche als ,dos' überwiesen hatte.
4) Die Nachrichten über diese Ereignisse siehe bei C r o m b a e h,
S. Ursula vindieata p. 790 sq., der sie einem mit Hülfe des Archivs
des Machabätorklosters verfassten Manuscript entlehnte. Ganz unhistorisch
wird hier der Streit bis auf da« 5. Jahrhundert zurückgeführt, wo Ole-
inatius die Ursulanische Basilika und gleichzeitig der Kr/.bischof Solinus
die Kirche auf dein Greesberg erbaut haben soll.
J n a c |i Ii K I i Ii k c n he r n:
Dassel, die Gebeine der Id. Machabäer. welche er mit denen der
Id. drei Könige nach der Eroberung Mailands von Friedrieh Bar-
barossa /um Geseheuke erhalten hatte. 1H>.*> durch die Canonici
des Domstit'tcs in die genannte Kirche Ubertragen; dafür aber sollte
von nun au der Name ,.1'rsnlaaekcr4' nur dem Bezirk des Ursula-
stiftes /.ukoininen. Allein Kcinnhls Nachfolger, Philipp von Heins-
berg, weihte trotz mancher entgegengesetzten Bestrebungen die
Kirche auf dem (»reesberge feierlich zu Ehren der Gottesmutter,
der 1 1 (HM) Jungfrauen und aller hl. Märtyrer und übergab sie 117H
Nonnen vom Orden des hl. Benediktas 1 1. Den bis in das folgende
Jahrhundert sich fortspinueudeu Streit suchte der hl. Engelbert
l Erzhisehof von Köln 121t)— 122;*); endgültig zu schlichten. Er Hess
au der Kirche der Beuediktinerinuen einen neuen Chor erbauen und
trug sich mit dem Gedanken, in diesen die Ctcbeine der hl. Macha-
bäer zu üliertragen und den Altar desselben zu ihrer Ehre zu weihen,
damit so das Kloster und die anliegende «Strasse von diesen den
Namen erhalte. Indessen fand er vor der Ausführung des Planes
durch die Hand eines Meuchelmörders einen allzufrühen Tod. Den
Gedanken Engelberts verwirklichte sein Nachfolger Heinrich von
Molenark. Er beauftragte 122* den päpstlichen Legaten Johannes,
Bischof von Mitylcne, die rebertragung der Reliquien und die Weihe
des Altars vorzunehmen. Damit endigte freilich der Streit der
beiden Klöster, allein der Name -Ursulaacker" erhielt sich für die
bezeichnete Gegend vor wie nach, und noch Gelen ins weiss als
die äussersteu Puukte des ager CrsuhuiUB Sl. Ursida im Westen,
St. Johannes und Cordula im Osten. St. Maximin im Süden und
St. Machabäer im Norden zu bezeichnen *>.
10. Die Auflösung der Legende.
Die Grabungen, welche seit lläö auf dem ITrsulaaeker statt-
fanden, förderten neben den Gebeinen auch eine Reihe von In-
schriften zu Tage. Da dieselben dein Abte Gerlach höchst ver-
1) In der bezüglichen Urkunde {rebraucht Philipp nclbst den Aus-
druck ,». Ursulae ager': capellam iu iiiemoriam sanetarnui virginuin in
loco, qui dicitur h. l'rsulae Jifrer, in Colonia conslrucliuii . . . saucliuiouiali-
bus ordiuis s. Benedict i . . . concessimus possidemlnui.
2) De admir. uiagti. Col. p. 92.
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Studien zur Geschichte der Kölner Milrterinncn.
177
dächtig vorkamen. **.»► schickte er die wichtigsten an eine visionäre
Nonne mit Namen Elisabeth im Kloster Schönau in der Trierer
Diöeese. Die Texte der Inschriften sind erhalten in einem von
dein Deutzer Mönche Theuderich abgefassten Verzeichnisse »), zum
Theil auch in den Revclationen der Elisabeth von Schönau. Sie
erweisen sich auf den ersten Blick insgcsamnit als plumpe Fäl-
schungen, mit Ausnahme der Grabinschrift des Aetherius, welche
alle Kennzeichen einer altchristliehen Grabinschrift an sich träfet
und noch obendrein durch die merkwürdige, Beschreibung des von
Elisabeth und ihren Berathcm nicht erkannten Christus-Monogramms
als echt erwiesen wird -).
Elisabeth bestätigte indessen nicht nur die Echtheit der sihnmt-
lichen ihr vorgelegten Inschriften, sondern behauptete auch durch
visionäre Mittheilungeu einer hl. Verena, deren Leib nach Schönau
gebracht worden war, neue Aufschlüsse über die Schicksale der
IKK Hl Jungfrauen zu erhalten, welche von ihrem Bruder, dem
Abte Egbert von Schönau, aufgezeichnet wurden 3 ). Hier erscheint
zum ersten Male die Jungfrauenschaar begleitet von einer Menge
von erdichteten Bisehöfen und andern männlichen Personen, welche
zu den Jungfrauen in einem verwandtschaftlichen Verhältnisse stehen.
Unter den erstem ist am berühmtesten der Papst Cyriacus, der
bei der Ankunft der Jungfrauen in Born abgedankt und mit
ihnen nach Köln gezogen sein soll, diesen Schritt aber mit der
Streichung seines Namens ans dem Papstkatalog gebüsst habe 4 ).
Den oben genannten Aetherius, auf dessen Grabstein die Standes-
bezeichnung fehlte, glaubte Elisabeth mit Rücksicht auf das von
ihr als „rcxu gedeutete Christusmonogramm für den Bräutigam der
hl. Ursida ausgeben zu müssen, den die kölnische Legende namen-
1) Vgl. Acta Snnct. Oct. IX |>. 243 ff.
*2) Vgl. Klinke n berg, Die römisch-chriatliehcti Grabinschriften
Kölns (Prngr. des Marzellengymnasiums 1891) S. In.
:i) Abgedruckt in den Acta San«. Oct. IX p. 103 sq.
4) Vgl. Döllinger, I'apstfabeln des Mittelalters S. 45 ff. Mit
Hecht hebt Döllinger hervor, dnss die Auffindung von Grabsteinen
männlicher Personen auf dem Ursulaacker zunächst veranlasst scheint,
um das Vorkommen so vieler männlicher Gebeine auf dein Felde zu
rechtfertigen, wo man nur die Gebeine von Jungfrauen zu finden ge-
dachte. Elisabeth von Schönau hat also nicht alle jene Namen erdichtet,
auch nicht den des Cyriacus; sie ist vielmehr die Urheberin der Geschichte
derselben.
Jalirl». (I. Vit. v. Altcrtliunn.fr. im Klu-inl. XCIII,
178
Joseph Klinken borg1:
los gelassen hatte. Auch vorlegte sie im Gegensätze zu der bis
dahin geltenden, auf der Legende beruhenden Anschauung, dass
Attila der Anstifter des Jungfraiieumnrtyriums sei, letzteres in das
Jahr und sehrieh es einem Hunnenfürsten .lulius zu, der die
Jungfrauen auf Befehl von zwei angesehenen Kömern, Maxiinns
und Afrieanus, habe niedermetzeln lassen. Die letztgenannte
hat innig fand - - wie Uberhaupt die Visionen Elisabeths — so all-
gemeinen (Mauben, das* man sie sogar als Zusatz den meisten Hand-
schriften von Regnante domino anhängte ').
Noch überboten «erden die Visionen Elisabeths von denen
des Steinfelder l'rümonstrateuserinönches Hermann Joseph, welche
er in den Jahren und 11*7 niedergeschrieben hnt-i. Hatte
schon Elisabeth die Märtyrerschaar bedeutend vennehrt, so gesellt
Hermann ihr noch eine weitere Anzahl von Bischöfen, Fürsten,
Prinzen, Matronen und Kindern hei, deren Genealogie und Be
Ziehungen zu den Jungfrauen er in weitschweifigster Weise aus-
führt. Auch umgibt er den Zug mit einer fortlaufenden Reihe von
Wundern, unter denen manche ans Triviale und Komische streifen.
Diese wenigen Züge genügen zur Charakterisirung der ge-
nannten Werke. Die auf altehrwürdigcn L'eberlieferungen beruhende
Legende wird in ihnen durch das denkbar subjektivste Moment,
die Vision, zersetzt und ihrer Auflösung entgegengefahrt ; damit ist
sie in ein Stadium gelangt, in welchem das wissenschaftliche Inter-
esse an ihr erlischt.
Wir sind am Schlüsse unserer Studien zur Geschichte der
Kölner Märteriunen angekommen. An der Hand der Denkmäler
hat der Verfasser die vielfach verschlungeneu Fäden der Ueber-
licferung zu entwirren, ihren Ausgangspunkt festzustellen und ihre
Entwicklung klarzulegen versucht. Dass ihm dies allenthalben ge-
lungen sei, ist er weit entfernt zu behaupten; für manche Frage
musste er die Lösung, für manche Thatsache die Begründung
schuldig bleiben. Indessen scheint ihm der hannonischc Zusammen-
1) Mit Unrecht glauben die Bnlluudisteu, dass dieser Zusatz schon
zu Elisabeths Zeiten bestanden habe (a. a. O. p. 99).
2) Abgedruckt in den Acta Sand. Ott. IX p. 173 sq. Ucber Her-
mann Joseph al» Autor ebenda p. 90 sq.
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Studien sciir Geschichte der Kölner MHrterinnon.
170
schluss der gefundenen Einzclrcsnltatc eine gewisse Kcstätignng flir
die Kichtigkcit des von ihm eingeschlagenen Weges zu enthalten.
Schliesslich möchte er einem doppelten Wunsche Ausdruck geben:
dass durch die vorliegenden Untersuchungen die Aufmerksamkeit
der Forscher dieser interessantesten Heiligcngeschiehte des Abend-
landes von neuem zugewandt, und dass im Interesse der Aufhellung
derselben ein bisheran noch unbenutzt gebliebenes Mittel verwerthet
werde: die Ausgrabung der Ursulakirche. Eine solche würde Form,
(} rosse, Lage und Alter der ursprünglichen Basilika wie auch der spätem
Hauten festzustellen und den etwaigen Spuren von Gräbern in der-
selben nachzugehen haben. Dass dabei auch noch mancher inter-
essante Ueberrest römischer Kultur aus Tageslicht kommen würde,
darf nach den in alter und neuer Zeit hier gemachten Erfahrun-
gen als sicher vorausgesetzt werden.
180 Jos,« f Kl «-in: .
II. Kleinere Mittheilungen aus dem Provinzial-Museum in Bonn.
Von
J08*r KIHll.
34.
(i rä her! und aus Bonn.
AI» im August vergangenen Jahres «He Fundnmcntirungs-
arbeiten für den Neuliau eines Hintergebäudes des Gasthofes „Zum
Sehwanenu /u Bonn auf <ler Sternstrasse ausgeführt wurden. »Hessen
die Arbeiter in einer Tiefe von 2 Meter, in unmittelbarer Nähe der
Cren/.maner des Hauses Xr. 5t) auf zwei römisehc Steinsärge aus
sehlecbtem Tuffstein des Brohlthalcs. Der eine derselben, der
in stark besebiidigtem Zustande aus der Erde gehoben wurde, ist
<>4 ein lang, 30 ein im Lichten breit und '2V> em hoch. Die
Wandstärke beträgt 0 em. Der Sarg ist naeb dem Innern hin
schön glatt gearbeitet, während die Aussenseite eine geringere Sorg-
falt in der Behandlung zeigt. Im Innern befindet sieh an «lern einen
Kopfende eine bankartige Erhöhung von 10 cm Höhe und 8 cm
Tiefe. Der Sarg war geschlossen durch einen in zwei ungleiche
Theile gebrochenen Deckel ans Tuffstein von 11 — 13 ein Höhe und
37—38 em Breite. In dem Sarge lagen verbrannte Knochen so-
wie einige Seherben von Krügen und Töpfen aus weissem Thon.
Besser erhalfen ist der zweite an derselben Baustelle gefundene
Sarg aus Tuffstein, welcher eine Länge von TG cm und eine Höhe
von 33 cm hat. Seine Breite beträgt oben im Lichten 31 cm,
unten 2'>V« ein. Die Stärke der Wände an den Längsseiten beträgt
0 cm, an den beiden Schmalseiten 8 em. Auch dieser Sarg ent-
hielt zunächst eine Menge verbrannter Knochen, dann ein kleines
völlig auseinander gefallenes Kästeben aus dlluuem Bronzeblech von
14 em Länge. 8 em Breite und 3 cm Höbe, welches in »einem
innern Räume durch eingesetzte Metallwände in Fächer eingetheilt
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Kleinere Mirtlicilmigen aus dem l'rovinztul-Museum in Bonn. 181
gewesen war. Kleine Klappdeckel, welche mit zierlichen in Hingen
liegenden Griffen zum Aufheben verschen sind und deren Ober-
fläche eine Bcranduug eingravirtcr Linien verziert , versehliesscn
die einzelnen Abtheilungeii, während ein Deekel in der Grösse des
Kästchens als Schieber funetionirt. In demselben lagen zwei kleine
Würfel aus Hein. Dabei wurde ein chirurgisches Oerath aus Bronze
mit flacher viereckiger Seliniit'el gefunden, dessen Griff zur Hälfte
abgebrochen ist und das seiner Grösse halber nieht in dem Käst-
chen selbst aufbewahrt gewesen sein kann. Um den Sarg herum
standen mehrere bauchige Krüge mit kurzem Halse und kleinen
Henkeln. Als Deckel für den Sarg diente eine 01 cm lange, 34 cm
breite und 14 cm dicke Platte aus Kalkstein. Dieselbe ist in
späterer Zeit, wie sich bei genauerer Besichtigung ergab, oben ab-
gesägt und glatt behauen worden, um als Deckplatte verwandt zu
werden, w ährend sie früher offenbar einem anderen Zwecke gedient
hatte. Denn als dieselbe herumgedreht wurde, zeigte sie auf der
dem Sarginnern zugekehrten Seite die untere Hälfte einer fünf-
zciligcn Inschrift, welche dem Andenken eines Verstorbenen ge-
widmet war. Die Buchstaben derselben, welche in allen Zeilen
die gleiche Höhe von 5 cm haben, weisen noch auf eine verhältniss-
mässig gute Zeit, etwa das 3. Jahrhundert n. Chr. hin, wodurch
w ir zugleich einen Maassstab für die Zeit der Gräber gewinnen. Die
Inschrift lautet:
IVNIA* MATERNAA COlVX
COllVGl a K A R ISSI M 0 a ET
S I B I VIVA
HEREDE Sa F v Ca
Von den Buchstaben der ersten Zeile sind Mos die Basen er-
halten, welche jedoch eine Ergänzung dessen , was einst da ge-
standen hat. noch sehr wohl ermöglichen. Ohne Schwierigkeit ergiebt
sieb als erstes Wort arnutfura, dessen auch sonst auf rheinischen
Inschriften ') vorkommenden Gebrauch und Bedeutung bereits Bor-
ghesi* erwiesen hat. — Das nun folgende Zeichen sieht aus wie
1) Vgl. C. I. Klien. UTK.
•2\ Oeuvre* t. IV |>. 17S. Vgl. mi^si-nU'in K. Iliic liner, Donner
Jahrb. LXVII S. m f.
182
Josef Klein:
die Fussenden eines mit einem rückläufigen L lehrten E; das un-
mittelbar daran sieb anschließende Zeichen kann nur G gewesen
sein, dessen Rundung etwas flüchtig eingehalten war. Dann folgt
der Fuss einer senkrechten Hasta entweder I oder T. Endlich der
vierte Buchstabe war sicher ein M. Ks wird also LEG-T-M zu
lesen sein. - - Den Sellins* der Zeih; bilden fünf Zeichen, von denen
ich das zweite eher für B denn für D ansprechen möchte. Das
letzte Zeichen, in welchem ich den Rest eines 0 sehe, ist nur sehr
sehwach erkennbar, da hier der Stein eine starke Abschürfung er-
litten hat. Es liegt nahe, an OBITO zu denken. Wie viel der
Stein oben eingebüsst hat. lässt sieh schwerlieh mit Gewissheit ent-
scheiden, zumal kein Anhaltspunkt dafür vorbanden ist, ob ausser
dem Namen des Verstorbenen noch seine Heimath mit der Tribus
angegeben war. Z. 2 am Schlüsse und Z. H am Anfauge ist heide
Male n im Worte eoniux, wie häutig, ausgelassen. Auffallend ist
dabei die verschiedene Sehreibung eines und desselben Wortes in
unmittelbarer Aufeinanderfolge, das erste Mal mit einem einfachen,
das zweite Mal mit verdoppeltem I, wobei der erste Buchstabe, wie
nicht selten, länger als die übrigen gebildet ist. Seltener ist das
zweite I des Wortes länger. Vgl. Düntzer, Verzeichnis» der
röm. Alterthümcr des Museums Wallraf-Riehartz in Köln, Köln 1885.
S. % n. 108 a.
Der Wortlaut der Grabscbrift ist detugemüss folgender Maassen
zu deuten:
armatura legdoni«) primae M(inertiae) obito Iunia
Materna co'n iux ca(ri)iugi kari**imo et sibi rim. Ilerede« ffacUn-
dum) c(umrerunt).
In einiger Entfernung von dem oben erwähnten Aschensarg
wurde beim Fortschreiten der Erdarbeiten das Bruchstück einer
zweiten Platte aus Kalkstein zu Tage gelordert, welches an der
linken Seite vom Beschauer abgebrochen, jetzt 2H cm hoch, 7 cm
dick und oben 48 cm, unten 44 cm breit ist. Auch die Vorder-
seite dieser Platte trägt den Rest einer Grabschrift , deren Buch-
stabenzüge hinsichtlich ihres Charakters ebenfalls noch einer ziem-
lich guten Zeit angehören. Die Buchstaben haben in allen erhalte-
nen Zeilen die gleiche Höhe von 3 cm. Meine Abschrift hat folgende
Lesung ergeben:
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Kleinere Mitteilungen aus dein Provinzial-Museuni in Bonn. 1H3
ODEFV NT 0
OSXXXVIII k ECI T
\R I A KR V E N D A
'GIFT Sl B I
V N T A R | A
Da nach Ausweis der letzten Zeile bloss drei bis vier Buch-
staben im Anfange der einzelnen Zeilen fehlen, so erhellt daraus,
das* der Anfang der Inschrift mit der Platte entweder oben ab-
gesägt worden ist oder auf einer anderen Platte gestanden hat.
Die Lesung ist im Einzelnen völlig sicher. — Z. 3 ist noch
zu Anfang der hintere Schenkel eines A theilweise erhalten, eben-
so Z. 4 im Anfange noch der llorizontalstrich des zweiten Schenkels
eines V.
In paläographischer Beziehung bietet die Inschrift einiges
Bemerkenswerthe. Während Z. 1 im Worte DEFVNTO der Buch-
stahe F eine ganz regelmässige Form hat, ist er Z. 2 im Worte
FECIT und Z. 3 im Namen FRVENDA beide Male so gebildet, dass
der obere llorizontalstrich von der Mitte der Hasta des Buchstabens
ausgehend, in schräger Richtung nach oben geht, während der
zweite nach unten sieh zieht, so dass der Buchstabe ganz das Aus-
sehen eines K mit verkürzten Schenkeln erhalten hat, ähnlich wie
auf dem im Mannheimer Museum aufbewahrten Sepuleralsteinc f C. I.
Üben. 1 71H) aus Neckargemünd. Ferner verlängern säinmtliehe A
der Inschrift den rechten Schenkel etwas am Kopfe. Endlich bei
E im Worte ET Z. 4 fehlt der untere Querstrich, so dass es wie
F aussieht.
Grammatikalisch ist zu beachten die Schreibung drfnnta statt
def'uncto, welche auch anderweitig vorkommt iz. B. ('. I. L. VIII,
2402. XII, 141r>), sowie der Akkusativ \<mn}o* fllr den Genitiv
\nnu\nrum. Denn da zu Anfang der Zeile nicht mehr als höchstens
vier Buchstaben verloren gegangen sein können, wie wir oben
wahi-seheinlich gemacht haben, so lässt sich kein qni rijit, von
welchem der Akkusativ anno* abhängig zu denken wäre, als aus-
gefallen annehmen, sondern man wird sich für die Struktur defuncito
anno* XXXVIII entscheiden müssen.
Demgemäss wird die Tnschrift mit beispielsweiser Ergänzung
des Gentilnamens der Denkmalserrichterin folgender Maasscn z«
lesen sein:
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J n s c f K I c i ti :
o ihftin r tu .... \aiin]n.« dtiodequad ragint a fecit
\fauii'?\(iria Fnunda \coni\ugi et sihi rnluntaria.
Endlich ist mau einige Monate später an derselben Baustelle
in «1er ganz entgegengesetzten Ecke, wo die oben beschriebenen
Steinsärge und Inschriften /um Vorschein gekommen sind, als man
die Kanalisation des Gebäudes anlegte, abermals auf einen rOmiseliett
Steinsarg aus Tuffstein gestossen, welcher ebenfalls dem hiesigen
Proviuzial-Musciim ein verleibt worden ist. Derselbe, ziemlich roh
behauen, hat eine Länge von f>:»1 s cm. eine Breite von 51 ein und eine
Höhe von 41 ein. Auch er hat in seinem Innern, welches 2.5 cm
tief ausgehöhlt ist, an der einen Seite eine Art von Hank, gerade
so wie bei dem an erster Stelle erwähnten Sarge. Sein Inhalt be-
stand in verbrannten Knocheniesten.
3ii.
Grabdenkmäler römischer Soldaten aus Bonn.
Schon im Jahrbuch LXXXVIII, S. \'2\\ ist die Vermuthnng
ausgesprochen worden, dass wir in der heutigen von Bonn nach
Köln führenden Provinzialstrassc die eigentliche Grüberstrasse der
Bonner Lagcrhcsatziing zu sehen haben. Diese hat aufs Neue eine
glänzende Bestätigung durch die Kunde empfangen, welche in den
Monaten Deeember 1 801 und Februar 18le_> andern der Stadt Bonn zu-
nächst liegenden Theile der Strasse, am sog. Johanniskreuz, ge-
macht worden sind. Dort sind nämlich bei Aushebung der Funda-
mente für die von einem hiesigen Bauconsortium errichteten Häuser
mehrere Gräber nebst den zugehörendeu Gedenksteinen gefunden
worden, welche durch die Kichtung, in welcher sie dem Zuge der
heutigeu, die alte Kömerstrasse, wie es sich an einigen Stellen
deutlieh gezeigt hat, bedeckenden Provinzialstrassc folgen, zeigen,
dass dieselben in eontinuirlieher Folge jene Strasse auf der nach dem
Lager hin gelegenen Seite begleiteten.
Zunächst wurde an der Ecke, wo die Kölner Chaussee und
das Koscnthal zusammen stosseu, eine Brnndgrube mit Kesten ver-
brannter Knochen und zertrümmerten Gelassen, einer kleinen Bronze-
nadel und einer fragmentirten Sehnalle, welche beiden letzteren
Gegenstände in Privatbesitz Übergegangen sind, nngetahr > Meter
unter dem Strassenniveau blosgelegt. Wenige Schritte davon ent-
fernt fand sieh, offenbar zu jener Brandgruhe gehörig, die untere
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Kleinen' Mittheilungen aus dem PrnvinzialMuseum in Bonn. 185
Hälfte eines Grabnionumentes au» Kalkstein, welches Wegen des
ungleichen Bruches des Steine!« linkt* voin Beschauer Hl) ein, rechts
jedoch Mos 70 em hoch, (K) cm hreit und ein dick ist. Die
Vorderseite trügt ein von einem Leistenrande eingeschlossenes etwas
vertieftes 4') cm breites Kehl, in welchem die nachstehenden Reste
einer auf den Verstorbenen bezüglichen Inschrift eingegraben sind:
VOLa LVo w
LEG-vTVIXIT
ANNOSaXXXX
MI LITA/ITa ANN(-)
X V a H I C a S a E
Leider ist durch den Bruch des Steines der Name des ver-
storbenen Soldaten, dein der Grabstein errichtet worden ist, verloren
gegangen, was um so mehr zu beklagen ist, als die Denkmäler von
Soldaten der Legio I Germanica — - denn um diese unter Vcspa-
sian eingegangene Legion handelt es sich auf nnserni Monumente
— nicht eben zahlreich ■) sind. Gewöhnlich entbehrt sie eines Bei-
namens und nur in der Inschrift des Sex. Sannums Severus zu
Grcnoble <C. I. L. XII, heisst sie Oenntnika. Der Ver-
storbene stammte ans dein Orte Lucas oder, wie er auch vollstän-
diger genannt wird, Luchs Aufjustn* *i, einem Nauptorte der Vo-
eontii in Gallia Xarbonensis (vgl. G. I. L. XII p. 161), der von der
gleichnamigen Stadt in Gallaecia wohl zu unterscheiden ist. Denn
die lleimath unseres Soldaten war in der Tribns Voltinia einge-
schrieben, während die gallaecische Stadt zur Tribun Aniensis ge-
hörte. Vgl. Knbitschek, Korn, imperium tributim deseriptnm
p. 2M. Ob hier die volle Bezeichnung des Ortes gestanden hat,
1) Vgl. Bonn. Jahrb. XXV, S. 7!» IT., Rhein. Museum, N. F., XXIX,
S. 173 ff.
2) Freu de nb «-rg <Br.im. Jahrb. Uli UV, S. ist und LV'LVI
S. 1X0 Anni. 3> hat meines Dafürhaltens mit Hceht der obigen Form tles
Xantens statt der herkömmlichen f.ucus Anf/nsti, welche auch itoehKubit-
M-hek a. a. O. S. 201» beibehalten hat, den Vorzug gegeben, weil die
letztere keine hischriflliche Auktoritiit tür sieh hat. Ih-nii die Bonner Grab-
inschrift des C. Murin* L. f., welche K u b i t > c Ii c k aus Versehen zu
Bohr bei Bl-iukcnhcim in der F.itVl gefunden sein liisst. i>t die einzige,
auf welelicr der Name der Stadt vollständig nnsgesehrieben ist, wiihrend
auf den übrigen Inschriften entweder blos Luco oder Luco Auf), ab-
gekürzt sich findet.
1HK
Josef Klein:
darüber kann man zweifelhaft sein, weil der am Ende der erhaltenen
ersten Zeile noch schwach sichtbare Buchstaben rest ebenso gut für
den Fuss des .Schenkels eines A als auch eines M in Anspruch ge-
nommen werden kann. Welche Annahme den Vorzug verdient,
will ich nicht entscheiden. Sollte in dem Buchstabenrest ein M zu
erblicken sein, so würde es alsdann zu dem verstümmelten Worte
MIL gehört haben.
Die Zeit des Denkmals ersieht sieh schon aus dem Schick-
sale der 1. Legion, welche nach Vespasian nicht weiter genannt
wird; es wird also in s 1. Jahrhundert n. Chr. zu setzen sein. Da-
mit stimmt auch die schöne schlanke Form der Buchstaben über-
ein, welche in der ersten Zeile eine Höhe von 4 ein, in den übrigen
eine solche von 4,.2 cm haben.
Das Erhaltene wird also zu lesen sein:
Yol(tinia) Luco Aug'nsto) oder oiil(ex) leyfionix)
primae, t ixit anno* yuadrayhita, mUitarit anno« quindeeim ; hic
xiitux) e\*t \.
Etwa zehn Schritt davon entfernt wurde in gleichem Abstände
wie «1er eben besprochene von der Kölner Chaussee, der Grabstein
des Reiters der ala Longiniana, Vonatorix Duconis l'ilins) aus-
gegraben, den Herr Ü. Rautcrt in diesem Jahrbuch eingehend
beschrieben hat, weshalb ich mich begnüge, denselben hier blos
zu erwähnen.
Als dann im Februar dieses Jahres die Canalisation für das
von dem Eingang« erwähnten Bauconsortium gebaute Haus Nr. VI
angelegt wurde, sah man sich genöthigt, im Keller noch tiefer zu
graben und entdeckte abermals«, ungefähr 2' „ Meter unter der
Terrainobcrfläehe einen 2,54 Meter hohen, 74 cm breiten und 34 cm
dicken gewaltigen Block aus Kalkstein, welcher sich, nachdem er
von den anhaftenden Schmutz- und Erdmassen gehörig gereinigt
worden war, als das Grabdenkmal eines römischen Auxiliarsoldatcn
auswies.
Dasselbe zeigt zunächst in seinem oberen Theile ein mit Leisten
nmrändertes und mit einer Füllung von Blättcromnmenten und einer
Koset te geziertes Giebelfeld, welches zu beiden Seiten auf einem
Kankenwerk je drei blattartige Bekrönungen trägt. Darunter be-
findet sich eine viereckige 74 cm im Lichten hohe und (>6 cm
breite Nische, welche unten 6*,'s cm tief ist und, sieh oberhalb des
Pferderückens allmählich verllachend, an ihrem oberen Abschluss
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Kleinen« Mittheilungen au» dem Provinziftl-Museiun in Bonn. 187
blos noch eine Tiefe von 5 ein aufweist. In derselben crbliekt man
das Relief bild eines hoeh zu Koss sitzenden Kriegers, welcher, den
Kopf etwas nach rechts dem Beschauenden zugewandt, in vollem
Laufe daher sprengt.
Auf dein Kopfe, dessen linke Hälfte zerstört ist, hat er einen
Helm mit Stirnschild. Hals, Arme und Heine sind unbedeckt. Am
Halse zeigt sich durch seinen Ausschnitt das Lederkoller, welches
an seinem unteren Rande geschlitzt ist und dadurch in einem Bogen
über die Überbeine füllt. Au seiner rechten Seite hängt an einem
einfachen Gürtelbande das Schwert, dessen Griff mit seinein ge-
wölbten Bügel und kugelförmigen Knauf, sowie die einfache Seheide
mit ihrem unteren Qucrbandc und dein Schlussknopfc deutlich her-
vortreten.
Mit der durch den Pfcrdchals den Blicken entzogenen Linken
hält der Reiter den länglichen, wie es scheint sechseckigen Schild,
von dem ein Theil hinter dem Hals und unter dem Kopfe des
Pferdes sichtbar wird. In der Hand des im Ellenbogen gekrümmten
rechten Armes trägt er, was die Bedeutung des Penkmales nicht
wenig erhöht, ein Signum, welches mit seinem oberen Theile Uber
die Nische hinaus bis auf das Giebelfeld reicht. Dasselbe zeigt
folgende Bestandteile. Die Fahnenstange bildet eine Lanze; an
deren Schaft ist oben das Bild eines Stieres mit zum Springen er-
hobenen Vorderbeinen so befestigt, da«* die Lanzenspitze über dem
Thierkopf sichtbar wird. Das Thierhild wird eingeschlossen von
einem erhabenen viereckigen Randleisten, in welchem nicht sowohl
eine einfache, von Seiten des Bildhauers beliebte Einfassung, als
vielmehr das bei den Feldzeichen vorkommende Querholz mit den
auf den beiden Seiten herabhängenden Bändern , freilich in etwas
mangelhafter Ausführung zu sehen sein dürfte. Wir haben wahr-
scheinlich nach den Untersuchungen, welche A. von Domaszcwski1)
Uber diesen Gegenstand angestellt hat, in dem Feldzeichen, welches
der verstorbene Auxilinrsoldat in seiner Rechten hält, das Signum
der Tnrma seiner Ala, welcher er angehört hat, zu erkennen, zumal
wir aus den Inschriften wie bereits Cancr8) nachgewiesen hat,
11 Die Kulmen im röm. Heere. Wien 188T>, S. <»f> ft".
2) C. I. Lut. VIII, 209t: ('. Julius D<xter etJ(eranm\ milfitavit)
in ata cfj(ues}, cur(ator) furmac, armorfum) cttuto.*, signifer tunmae),
milita(rit) anni» XXVI, dimisfau*') einen itux) honesta mixxione. Vgl.
C. I. Lat. III 437«.
3) Ephem. epigr. t. IV, p. 363.
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Josef Klein;
wissen, dass jede Turma einer Ab ihren eigenen Si^nifer gehabt
ha(. Bcarhteuswertli ist dabei, dass in der dem Relief beigegebenen
(Srnhschrift der Träger des Signum blos als etjucs und nicht als
signifer bezeichnet wird.
Unmittelbar unter dem Kelielbilde steht, umrahmt von einem
Leistenrande auf einer leicht vertieften 4H cm liohcn und 6») cm
breitet! Fläche die nachstehende zehn/eilige Inschrift:
VELLAVN V S a N ONNl
F vßlTVRIX a E Q V E S a
ALA v LONGIN IA N A a
TVRMAaLIVLIREGVLI
ANa XXXVIII a STIPENDIO
R V V\ XVIII v H a $ a E a
E X /STAMENTOa FACTV
CVRAR 7NT La IVLIVSaREG
VLVSDECVRIOETa /WACERa aspadi
10 Fa eIvsde a tvrma
Also: VeUaunu«, Xoniii fiUinx,, Bit u rix, equex ala Longi-
niana, turma Lineiii Juii{i) Keguli, an<norum\ duodeguadraginta,
xtipendiornm duoderigiuti, h ic > x\itux\ t> xt\. Kr \te\xtamento fac-
fu(tn) curarunt Liuciux) Julius liegulux decurio et Macer AxpadiJ)
f\iUun) eiusde(ni) turma.
Die Lesung der Inschrift ist vollends sicher und wird durch
die Beschädigungen, welche der Stein an einzelnen Stellen erlitten
hat, keineswegs beeinträchtigt. Z. I ist hinsichtlich der Schreibung
des Wortes NONNI zu bemerken, dass der vordere Schenkel der
beiden in einander verschlungenen N unmittelbar vor die hintere
Rundung des 0 gesetzt ist. Ferner ist I wegen der Knappheit des
Raumes so nahe an den die Inschriftfläche umgebenden Leisten-
rand gerückt, dass es fast mit dessen Vertiefung zusammenfällt:
ausserdem überragt es unbedeutend die anderen Buchstaben. —
Z. 2 ist die untere Rundung des B ausgebrochen, ebenso haben
Z. 4 L und I hinter dem Worte TVRMA die obere Hälfte ihrer
Vcrtikalstriche und Z. b' M den ersten Schenkel durch unglückliche
Schlägt» der Arbeiter beim Aufdecken eingebüsst. — Z. 7 ist von
dem dritten und vierten Ruchstaben nur noch der oberste Quer-
strich mit einiger Bestimmtheit erkennbar, ferner Z. H der Yorder-
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Kleinen- Mittlieihingeu aus «lein Provinzial Museum in Bonn. 1H9
.Schenkel dos sechsten Buchstabens V fast ganz durch Bruch un-
kenntlich gemacht. — Z. 10 hat I im Worte EIVSDE Ueberlänge.
Die Buchstabenzflgc sind schön und ziemlich gleichmäßig, so
das», nach ihnen zu nrtheilen, das Denkmal noch der hesten Zeit
zuzuschreiben ist, womit im Ganzen auch die Arbeit des Reliefs
stimmt.
Die Höhe der Buchstaben ist in den einzelnen Zeilen ver-
schieden; sie beträgt in Z. 1 «5 cm, danu alhnählig abnehmend in
Z. 2 und 3 :') cm, Z. 4 4\s cm, Z. f>— 8 4 cm, Z. 9 21/, cm,
Z. 10 2 cm.
Was den Namen des Soldaten anlangt, so kommt derselbe
hier nicht zum ersten Male vor. Vgl. Plin. nat. bist. III. 20, 137.
Ptolemnus II, 7, 20. Ebenso ist er schon längst aus den zu-
sammengesetzten celtischeu Bildungen C(ut«ivellaunus (Caes. b. g. V,
Iii, DumnnheUaumtH (Res gestae divi Aug. c. 32), Seyarellauni
(l'lin. nat. bist. III, 4, 34) und YtUaunodunum (Caes. I. c. VII, 11)
bekannt.
Mit der peregrinon Abstammung des Verstorbenen im Einklang
steht die Bezeichnung seines Namens und die Beifügung seiner
Heimath. Er nennt sich Iliturir und ist als solcher nicht der ein-
zige seines Stammes, der in der ala Longiniana als Auxiliarsoldat
gedient hat. Demi ausser ihm keimen wir noch einen anderen aus
seiner Heimatli. welcher dem genannten Truppentheil angehört hat,
und zwar ebenfalls durch eine Bonner Inschrift (C. I. Rhen. 4!>S>.
Es ist um so mehr zu bedanern, dass diese heutzutage verschollen
ist, als Gründe zur Vcrmntlmug berechtigen, dass sie nicht ganz
genau abgeschrieben worden ist. Denn die ala, welche dort Lomji-
uin heisst. führt sonst ') den Beinamen Longiniaua, wie auf unserem
und dem von Herrn Rantcrt veröffentlichten Bonner Grabstein
des Vouatorix. Ueber die Truppe selbst hat Herr Rauter t die
einschlägigen Zeugnisse bereits vollständig zusammengestellt, so dass
ich den Leser auf seine Bemerkungen verweisen kann.
EigcnthÜmlich ist die Wendung Z. 7 t.c textamenta factuhn)
curantnt statt fac'wndutti, wofür ich augenblicklich kein analoges
Beispiel habe ausfindig machen können.
EIkmiso seltenen Vorkommens ist der Name, welchen der Vater
des zweiten der testamentarisch mit der Errichtung des Denkmales
betrauten beiden Männer führt. Er begegnet uns in der epigraphi-
1) Vgl. Mo in ms en, Kpheni. epigr. t. V, p. "247.
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190
Josef Klein:
sehen Litteratur, soweit ieh dieselbe übersehe, nnr noch einmal auf
einem Xantener. jetzt im Museum 7.11 Lernen aufbewahrten Weihe-
stein i.C I. Rhen. 220 j, aus dem Jahre 210 n. Chr.. wo ein M.
Ulpyiutt) Axpadiu» genannt wird.
Endlich wurde bei den Erdarbeiten für einen Neubau an der-
selben Strasse auf dem Werkplatz der Steinhauermeistcr Weber und
Kooth ebenfalls in einer Tiefe von 2'lS Meter ausser mehreren von
den Arbeitern aus Unachtsamkeit zerschlagenen Geschirren aus Thon
ein 1,80 Meter hoher, 64 ein breiter und lf> cm dicker Grabstein
eines Freigelassenen aus Kalkstein ausgegraben. Derselbe war ur-
sprünglich in einen Sockel eingelassen, wie «lies aus dein Umstände
erhellt, das er unten zu einem 21 cm hohen Zapfen verarbeitet ist,
welcher sieh von einer Breite von ;">8 cm und einer Stärke von
lü'/jf cm allmählich bis zu i>6 cm Breite und 14 cm Dicke ver-
jüngt. Ausserdem zeigen die oben vorhandenen Stücke in den
Stein eingelassener eiserner Zapfen, dass derselbe ursprünglich mit
einer Bekrönung verziert war, welche iudessen trotz eifrigen Nach-
suchen* nicht mehr aufgefunden worden ist.
Auch die Vorderflächc dieses Denkmales ist in mehrere Felder
eingethcilt. Der obere 24 cm hohe Thcil trägt in der Mitte des
Giebeldaches ein Pahucttenornament, welches von zwei ähnlichen
flunkirt wird. Auf beiden Seiten desselben ist in Flachrelief ein
Beil mit doppelter Schneide au einem Stiel ausgehauen, wie wir
sie vielfach iu den Händen der Amazonen auf antiken Kunstwerken
dargestellt finden. Die beiden Ecken des Obcrtheils füllt die eben-
falls in Flachrelief ausgeführte Darstellung zweier Attisfigureu aus,
von denen jedoch die rechts vom Beschauer befindliche durch Ab-
scheuerung und Bruch des Steines ziemlich unkenntlich geworden
ist. Beide stehen in Vorderansicht da, in jener ruhig nachdenklichen
Haltung, wie sie uns auch sonst auf Scpulcraldenkmälern ') begegnen;
beide sind bekleidet mit der phrygischen Mütze, ferner mit einem
die Anne eng umschlicsscudcn, faltigen, bis auf die Kniee hcrab-
reichendeu Gewände, einem langen, über die Schulter zurückgeworfe-
nen und bis auf die Waden im Halbkreis herabhängenden Mantel,
1) Vgl. Hot tu er, Katalog dos kgl. rliein. Museums valerl. Alter-
Ummer S. 33 n. 84. L i 11 <1 e 11 s c h 111 i t, Die Alterthümcr unserer lieidn.
Vorzeil I, 10 Taf. V, 2. 3 und besonders Bonner Jahrb. LXXVII, S. 31.
Taf. I, 2. 3.
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Klemers Mittheilungen aus dem Provinzial-Musouni in Bonn. Iftl
sowie faltigen mit Bändern umwickelten Hosen tun! Sehuhen. Das ziem-
lich ausdruckslose Antlitz mit weit geöffneten Augen ist bei beiden
leicht zur Seite geneigt. Die Stellung ist bei beiden Figuren so-
zusagen die gleiche. Die vom Beschauer linksseitige Figur steht
auf dem linken Heine, das rechte Bein Übergeschlagen, den rechten
Ann horizontal Uber den Leib gelegt, welcher dem linken Ellen-
bogen und der das Gesieht stutzenden Hand zur Unterlage dient.
Die rechts vom Beschauer stehende Figur, welche wegen der Be-
schaffenheit des Steines sehr verwischt ist, steht auf dem rechten
Bein mit Ubergeschlagenein linken Bein; sie scheint sich auf den
rechten von der linken Hand gehaltenen Arm mit dem Kinn zu
stutzen, was jedoch wegen der Beschädigung der Figur gerade an
dieser Stelle nicht mit Sicherheit zu entscheiden ist. Im Uebrigen
ist ihre ganze Bekleidung und Haltung die gleiche wie bei der gegen-
über stehenden Attistigur. Es liegt also hier dieselbe Darstellung des
Attis vor, welche aus den Grabdenkmälern des Annaius Pravai
fiilius) aus Bingerbrück ') und des Firmus Ecconis (Tilius) aus Ander-
nach *) bereits bekannt ist.
Ob der Wahl der Attisbildcr, zu denen hier die Donpelbeile
statt der sonst Üblichen Amazonensehilde hinzugetreten sind, eine
bestimmte Beziehung zum Denkmale selbst zu Grunde liegt, oder
ob sie blos einen dekorativen Charakter haben, ist fraglich.
Unter diesen den oberen Theil zierenden Bildwerken, getrennt
durch zwei breite Bandleisten, zwischen denen sich Ranken mit
Früchten und einem Palmettenornament in der Mitte hinziehen, ist
auf einem etwas vertieften, viereckigen, von Leisten umrandeten
Felde, welches 5ti cm hoch und 45'/» ein breit ist, die auf zwei
Verstorbene bezügliche Grabsehrift in sechs Zeilen eingehauen, von
denen die letzte, weil für sie der Platz nicht mehr ausreichte, zum
Theil auf dem darunter lH-findlicheu freien Kaum des Steines unter-
gebracht ist. Dieselbe lautet:
1) Jetzt in Kreuznach. Vgl. Kohl, Die rüni. Tnschr. n. Steinsculp-
turen der Stadt Kreuznach S. 16.
2) Auf bewahrt im Provin/.inl-MiiKenni ssn Bonn. Vgl. Klei n, Bonn.
Jahrb. LXXVI1, S. 29 ff., Taf. 1, Fig. 2 u. 3.
Jose!' Klein:
D E N S
VOLWVN I
JvLlBERT
H v S v Ev
ETwcTvs
LIB
Also: Puden* Yolumniij) c\enturhnix>1) Jihertyux) hie) xijtitx)
eist); et Auetux lih(ertnx).
Die Höht; der Buchstaben , ihren schöne und schlanke Ge-
stalt auf die beste Zeit liin weist, wechseln nach den verschiedenen
Zeilen. In der ersten Zeile beträft sie O1,^ cm, in der zweiten
7 cm, in der dritten 7 '/* cm, in der vierten und fünften 8 ein und
endlich in der letzten Zeile 6'/, cm.
Auffallend ist die ftlr den geringen Unit'an^ der Inschrift ver-
hältnissmüssig grosse Zahl von Buchstabenvcrschlingungcn. Ferner
ist zu bemerken, dass I am Schlüsse der zweiten Zeile sowie die
beiden T in den Worten der fünften Zeile Ucberlüngc hnl>cii.
Der (Vntnrio Volumnius. dessen Freigelassener der verstorbene
Pudens war, ist uns aus den Inschriften der Besatzung des Bonner
Lagers noch nicht bekannt gewesen. Pudens ist übrigens bereits
der zweite Freigelassene, dessen Begräbnis* au der Gräbcrstrassc
des Castrums gefunden worden ist. Vor ihm war schon das von
mir in diesen Jahrbüchern LXXX, S. 157) beschriebene Grab-
denkmal des P. Homanius P(ublii) 1 ibertns) Modestus im Jahre
18«5 zum Vorschein gekommen.
Neben Pudens nennen die beiden letzten Zeilen der Inschrift
noch einen zweiten Freigelassenen, wahrscheinlich desselben Herrn,
welcher in dem nämlichen Grabe seine letzte Ruhestätte gefunden
hatte, nämlich einen gewissen Auctus. Dass dieser Todte jedoch
nicht zu gleicher Zeit mit dem erstgenannten bestattet worden ist,
zeigt die Art, wie sein Name in der Inschrift beigefügt ist, sowie
die Verschiedenheit der Schriftzuge der beiden letzten Zeilen. Da
dieselben aber nur sehr wenig abweichen, andererseits jedoch auch
1) Im Cnrrcspnndcnzblatt der Wcstd. Zoitselir. f. Gesell, u. Kunst,
Julirjr. XI, 185(2, Sp. 1»> findet sirh die nachstehende wunderliche F.r-
klMniitj; unserer Inschrift von einem Herrn K. a. \Y. ge<;eben: l'uilens
Votumni f(Uiuxj, (mulierim libert(us), hi'ic) mit um eist > rt Auctus fih'rfus).
Snpienti snt!
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Kleiner*' Mitthcilungcn uns dt'iu Pi-nvinzinl-Muscutn in Bonn. IM
eiiu' unverkennbare Achnlichkcit mit denen der vorangehenden vier
Zeilen zur Seliati trafen, so scheint dieser zweite Freigelassene nur
kurze Zeit nach dem ersten gestorben und die Heine Beisetzung in
demselben Gralic vermerkenden Worte et Auctu* lih(ertus) von
der Hand desselben Steinmetzen herzurühren wie jene. Die Un-
gleichheit in den Sehriftzügen mag wohl auf Rechnung der Flüch-
tigkeit, mit der sie offenbar eingcmeisselt sind, zu setzen sein.
Kaum waren die vorstehenden Zeilen geschrieben, als bei der
Aussei) ach tu ng der Fundamentgruben für drei weitere Neubauten
auf demselben Grundstücke abermals römische Grabmoiiumente zu
Tage gefordert wurden.
Zunächst wurde das Grabdenkmal eines Reiters aus derselben
ala Longiniaua, welcher auch die beiden vorhergefundenen ange-
hören, blosgelegt. Ks besteht aus Jurakalk und llat au der best-
erhaltenen linken Seite vom Besehauer gemessen eine Höhe von
1,27 in, eine Breite von 78,i> cm und eine Tiefe von 28 cm.
Ueber der Inschriftfläche sind durch einen schrägen von der
Linken zur Rechten hinabgehenden Brach etwa zwei Drittheil der
nischciiartigen Vertiefung mit der Reliefdarstellung des Verstorbenen
jetzt abgeschlagen. Derselbe war dargestellt, wie er zu Pferde
daher sprengte. Erhalten sind jetzt blos die beiden Unterschenkel
nebst dem Sehwert an der Rechtcu , sowie der Unterleib des
Pferdes mit den Hinterbeinen. Xischentiefe ;$ cm. Breite im Liehteu
Gti cm.
Unter dem Relief steht in eingetiefter quadratischer Fläche
von 70 cm Breite und 27 ein Höhe die dreizeiligc Inschrift, deren
Buchstaben in den beiden ersten Zeilen 4 cm, in der letzten IV lg cm
hoch sind:
RECTV GNVSMAGILONIS-F-
SEGONTI L I ES ES- EQVES- ALA
L 0 N G I N I AN A///IAN • L- AER-XXH|
liectuylenun, Maytfonix f(iliu*\ Segonti\ n}e(n /*[']*• eques ala
Lonyuihtmt ann(prum) quinquayinta, at-rittm) duorvnt et viylnti.
Die Form des Namens lieefugnu*, wie in Wirklichkeit auf
dein Steine steht, beruht wahrscheinlich auf einem lrrthum des Stein-
metzen, welcher Reetttgenux hat schreiben wollen, wie der Name
auf anderen spanischen Inschriften ') sich findet.
1) Vgl. C. I. L. II, 2403. 2907. 621»4.
J.brb. U. Ver. v. AU«rih*fr. Im Rheiul. XC1H. 13
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1*4
Josef Klein:
Auch der Name des Vater» unseres Heitels Mmjilo erscheint
liier nicht Wim ersten Male. Kr ist schon aus mehreren spanischen
Inschriften ') hekannt geworden.
Einige Schwierigkeit bereitet der Name de» Ortes, woher der
Verstorbene stammt. Auf der Inschrift heisst er .Srgontilieses. eine
Nainensform, welche aus melir als einem Grunde Bedenken erregen
muss. Ist schon die Endung es statt is offenbar durch ein Ver-
sehen des Steinmetzen entstanden, so zeigt die Auslassung des n
vor ses, dass derselbe entweder seine Vorlage sehr nachlässig wieder-
gegeben oder nicht recht verstanden hat, wie er denn auch schon
e im Namen des Verstorbenen ausgelassen hat. Angesichts dieser
Kehler sind wir wohl auch berechtigt. Zweifel gegen die sonstige
Richtigkeit der Namensform y.u erheben, zumal dieselbe sich nicht
anderweitig nachweisen lässt. Höchst wahrscheinlich war Segontin
seine Heimath und demgemäss zu schreiben Segontinemi*. Welche
von den Städten dieses Namens jedoch gemeint ist (Hin. n. h. III,
3, 27). lässt sieh nicht entscheiden. Pltr die im Gebiete der Are-
vaker gelegene Stadt Segontia spricht die Thatsaehe. dass gerade
dort der Name J'ectugenus . welchen der Verstorbene geführt hat,
inschriftlich bezeugt ist.
Mit welcher Ungesehicktlieit der Steinmetz Uberhaupt sein
Handwerk ausgeübt hat. beweist der Umstand, dass auch die An-
gabe des Alters und der Dienstzeit des Verstorbenen ursprünglich
falsch eingehalten war. Demi dieselbe ist jetzt auf einer vertieften
Fläche eingetragen, welche dadurch entstanden ist, dass die ur-
sprünglichen Sehrift/.Uge gänzlich getilgt sind. Hemerkenswerth ist
in der Angabe der seltene Ausdruck aerfH»)) für utipendiorum,
wofür ich auf das in dienen Jahrbüchern Bd. LXXXVIII. S. 129
Gesagte verweise, und der späte erst mit 2M Jahren erfolgte Ein-
tritt des Provinzialen ins römische Heer, welcher freilich nicht ge-
rade vereinzelt da steht.
Ausser diesem Grabstein fand sich ein 3ß cm langes und
2H cm tiefes Gurtstück eines Gesims, sowie das Bruchstück eines
grösseren Denkmals aus Kalkstein, jetzt U> cm hoch, 27 cm breit
und 32 cm tief. Au der rechten Seite und unten glatt behauen,
stellt es die linke Hälfte des Oberkörpers einer weiblichen (?) Figur
dar. Dieselbe ist bekleidet mit einem faltigen Gewände, dessen um
Ii Varl. C. 1. L. II, HÖH. 805. mm. 8051.
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Kleinere Mitthcilungen ans dem Provinzinl-Mnseuin in Bonn. 1!>5
den Uuterann geschlungenen Zipfel sie in der mit einem Ringe am
vierten Finger geschmückten Hand hält. Der Kopf der Figur
fehlt. Auf der Brust erblickt man eine rosettenförmige Brosche,
welche mit zwei eoncentrisehen Ringen kleiner Bnekelu und einem
grossen Buckel in der Mitte geschmückt ist, und noch eine zweite
kleinere Fihula; am Halse sind noch die Spuren einer Halskette
sichtbar. Das Bruchstück ist , wie der Augenschein lehrt . eiu
Theil einer grösseren Gruppe.
M.
Ein Jupiter- Tempel ans Köln.
Im verflossenen Jahre wurden in der Nahe des Griechenmarktes
zu Köln hei Umhauten in einer Tiefe von 2V4 — 3 Meter Fundamente
eines römischen Gebäudes blosgelegt. Leider wurde denselben keine
besondere Aufmerksamkeit geschenkt, und als ich von ihrer Auf-
findung erfuhr, war es bereits zu spät, um ein genügendes Bild
ihres Grundrisses zu erlangen. Nach den Aussageu der bei dem
Neubau beschäftigten Arbeiter, auf deren Erinnerung ich somit allein
angewiesen war, bildeten die aufgedeckten Mauerreste ein Quadrat
von ungefähr 10 Meter Länge und etwas grösserer Breite, in dessen
Inncrem in einem Abstände von etwa 2 bis 21/. Meter von den um-
fassenden Mauern parallel mit denselben eine ebenfalls ein Viereck
bildende Mauer lief, deren Länge und Breite etwa */3 der äussern
Mauer betragen hätte. Weitere Aufschlüsse über Beschaffenheit
des Mailerwerks, sowie sonstige Einrichtung der bauliehen Anlage
im Detail waren trotz mannigfacher Hin- und Herfragen nicht mehr
zu erlangen. Legen diese Augaben es schon ziemlich nahe, in den
aufgefundenen Gcbäudctrümmern einen kleinen römischen Tempel,
freilich von sehr einfacher architektonischer Gestaltung, zu sehen,
so erhält diese Annahme vollends ihre Bestätigung durch die inner-
halb der Mauerreste gemachten Funde. Als nämlich die das Innere
füllenden Eid- und Schnttmasscn weggeräumt wurden, kamen zu-
nächst mehrere grössere und kleinere Stücke bearbeiteten Kalksteins
zu Tage, darunter eine»* mit Buchstaben, deren bald darauf aus-
geführte Zusammensetzung zeigte, da«? mau ein römisches Denkmal
vor sich hatte. Es ist eine vierseitige Votivara ans Jurakalk von
Hti cm Höhe, 40 cm Breite und 23 ein Dicke, welche aus einem
an drei Seiteu — die Rückseite ist beschädigt — um 8 cm hervor-
1%
.Josef Klein:
tretenden in melirtaelion Stillen a lotset /.teil Sockel von 1 7 cm Höhe
emporsteigt. Oben ist dieselbe mit einem Gesims verseilen, welches
sieb in ähnlicher Weise wie der Sockel abgestuft erweitert bis zu
einer Breite von 5.'5 ein. Ueber dem Gesims zieht »ich eine stark
zerstörte Bekrönung mit Sebneekenrollcn an beiden Seiten hin. von
denen die linksseitige vom Besehauer allein erhalten ist.
Auf dein oberen Theil der Vorderfläche der Ära steht in
7 cm hohen eleganten Buchstaben die Inschrift:
I 0 M
eingehalten, also J i o( pthuo) iniu.rimu).
Auf dem unterhalb der Inschrift frei gebliebenen Raum befindet
sieh ein Kad mit acht Speichen von 14 cm Durchmesser in Hoch-
relief dargestellt, was unserem Altar ein besonderes Iutercsse ver-
leiht. Denn Denkmäler, auf denen ein solches Rad mit wechseln-
der Zahl der Speichen bald allein bald neben einem Blitze oder
wie hier neben einer Juppiterinschrift dargestellt ist, sind meines
Wissens am Rhein bislang sehr selten, häufiger dagegen in Frank-
reich und England, wo ihrer Hcron de Villefosse1) eine
ganze Anzahl nachgewiesen hat. Wir haben es also hier mit einem
Denkmal des keltischen „Gottes mit dem Rade" zu thun, welchen
man in römischer Zeit mit dem Juppitcr identiticirt hat. Mit diesem
Attribute versehen findet sich derselbe nicht blos allein, sondern
auch im Vereine mit anderen römischen Gottheiten -) auf Denk-
mälern dargestellt. Leider ist sein eigentlicher Name bis jetzt noch
nicht bekannt geworden.
In der Nähe dieses Altares lag die Figur eines sitzenden
Juppiter. Dieselbe ist aus Kalkstein gearbeitet und hat jetzt, wo
der Kopf fehlt, eine Höhe von 91 '/s cm einschliesslich der Basis,
welche 9 cm hoch ist; sie war daher höchst wahrscheinlich für eine
erhöhte Aufstellung bestimmt. Wie bei der grossen Mehrzahl der
rheinischen Jiippiterstatucu sitzt der (Sott, dessen Kopf, wie schon
bemerkt, und beide Anne abgebrochen sind, auf einein hinten 49 cm
breiten Sessel, welcher bis zur Lehne 41» cm hoch und 2"i cm tief
ist. Der Sessel, dessen glatte Rückwand zeigt, dass die Statue
1) Revue arclu-ol., Nouv. Serie, t. XL1 p. 1 IT.
2) Vgl. Hettner, \>Vsl«l. Zeitschr. f. Gesch. u. Kunst III S. 27 ff.
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Kleinen" Mitteilungen aus dein FroviiizinlMuseuui in Bonn. 197
nicht frei stand, sondern blos von vorne sich dem Beschauenden
prüsentiren sollte, itst sehr einfach gehalten und nur au den beiden
Seiten weist er eine Drapirung mit Tüchern auf, ähnlieh wie die
Trierer Statuette'). Der ("Sott, welcher in Vorderansicht dargestellt
ist, ist bekleidet mit einem Himation, welches mit einem Zipfel über
die linke Schulter vorne geworfen, den Kücken bedeckt und in
künstlichem Faltenwurf den Unterkörper bis auf die Küsse, so ein-
hüllt, dass die Heine aus ihnen sehr deutlich hervortreten. Von
diesen ist das linke etwas vorgestreckt, während das rechte zurück-
gezogen ist, gerade wie bei der Kölner Statuette*) und abweichend
von den durch Du ticke r beschriebenen Igstadter und Trierer3)
Jnppiterfiguren, bei denen die Heine des Gottes in einer Linie stehen.
Der Körper mit seiner breitgeformten kräftigen Brust und seiner
starken Muskulatur verleiht der ganzen Figur «las Aussehen eines
in der Blüthe der Jahre stehenden Mannes. Damit stimmt es sehr
wohl überein, dass seine Breite au den Hüften 24 cm und an den
Schultern 42 cm beträgt. Wenngleich beide Arme jetzt unmittel-
bar unterhalb der Schultern abgebrochen sind, so lässt sieh dennoch
aus den Ueberresten cinigermasseu ihre Haltung feststellen. Der
linke Arm war erhoben und etwas seitlich ausgestreckt; er hatte
wahrscheinlich den nebenstehenden Scepter erfasst, für den sich
jedoch nicht, wie dies l>ei der Trierer, der Kölner und einer bis
jetzt noch nicht bekannt gemachten Bonner Figur der Fall ist, in
der Basis neben dem Fuss ein Einsatzloch angebracht findet. Nach
der Richtung des vorhandenen Armstumpfes zu schliessen, scheint
der rechte Oberann geseukt gewesen zu sein und ziemlich nahe am
Körper angelegen zu haben. Dagegen ist es schwer, über die Hal-
tung der rechten Hand eine Entscheidung zu treffen; auf dein Schenkel
wenigstens hat sie nicht geruht, wie dies bei den vielen rheinischen
Juppiterbildcrn der Fall ist, weil sonst Spuren von ihr an jener
Stelle noch vorhanden sein müssten. Als Attribut mag sie den
Blitz getragen haben, der ja selten fehlt, wiewohl andere Beigaben
nicht ausgeschlossen sind.
Beim Fortgänge der Arbeiten kam endlich einige Zeit nach-
1) Annale!) des Vereins 1*. Nassnutsche Altert humskundc und Gesch.
XV S. 2 ff. Tat'. I Fij?. 2.
2) D ü n t z er, Verzeichniss des Museums Wallrat-Kkliartz n. 119.
Ii) Nasa. Ann. a. a. U. Tal. I Fig. 1 u. 2.
19*
J os«f Klciu:
her anf derselben Baustelle ein zweiter Altar de« Juppiter zum Vor-
schein. Derselbe besteht ebenfalls aus Kalkstein und ist 54 eni
hoch, am Fnsse und Sims .'Wem breit und 17 cm tief, in der Mitte
HO cm breit und 14 ein tief, Gesims und Sockel sind sehr einfach
gehalten, lieber dem Gesims erhebt sich eine Bedachung mit einer
theilweise abgestossenen Gicbelspitze, welche auf lieidcn .Seiten in
Sehneckenrollen auslauft. In der Mitte der Bedachung liegt ein
Kranz. Auf den beiden Seitenflächen ist ein Lorbeerbaum in Flach-
relief dargestellt. Auf der 40 eni Indien Vorderseite ist die folgende
Inschrift mit ziemlich tiefen Buchstabenztlgen eingehalten:
I v 0 -\ M
TIBaCLAV
I V S TVS
./'ort' n'ptiino, tnULvimo) Tib<eriun/ Clou* diu*) Justus.
Die Schriftzüge, welche in der ersten Zeile Ii. in den beiden
anderen 5 cm hoch sind, sind keineswegs schön und stechen sehr
von der Eleganz der Buchstaben des ersten Jnppiteraltars ab. Ueber-
banpt seheint diese Inschrift einer spateren Zeit anzugehören, wahr-
scheinlich dem 3. Jahrhundert u. Chr., während der Schriftcharakter
des ersten Altars auf die Mitte des zweiten Jahrhunderts hinweist.
Im Einzelnen ist noch zu bemerken, dass L in der zweiten
Zeile etwas Ueberlänge hat und dass «ler Vordcrschenkel des folgen-
den A mit Rücksieht auf die Knappheit des Raumes in L hinein-
gerüekt ist. Aus demselben Grunde wird auch die starke Abkür-
zung des Geschlechtsnamens zu erklären sein.
M.
Ein Kölner Grabstein eines Veteranen der
zwanzigsten Legion.
An der Aachener Strasse zu Köln ist in der Nähe des Grund-
stückes, anf welchem die vier von M. I h in ') kürzlich veröffent-
lichten Grabdenkmäler des Kölner Museums Wallraf- Richartz bei
Erdarbeiten ansgegrabeu worden sind, neuerdings ein Sepulcralstein
eines Veteranen zum Vorschein gekommen. Der Stein, dessen
Material wie bei den meisten Monumenten aus römischer Zeit am
1) Com-spomleiizblatt der Wem«!. Zeitschrift Jahr;r. X, 1891, S. 109 ff.
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Kleim-n- Milthfilungon au* nVm Provinzial-Museuin in Bonn. 1W>
Rheine, aus Kalkstein besteht, ist 2,42 in hoch, 00 cm breit und
;J4 cm dick. Oben befindet »ich ein mit Leistenräudern umgebene»
und mit eiuer einfachen Rosette versierte* (iicbclfeld, dessen beide
Seiten durch je drei schncckeuförniig gewundene Stirnziogcl bekrönt
werden. Darunter ist in dem leicht vertierten von 5 cm breiten
Leisten umränderten Insckriftfeldc, welches 55 cm Höhe und 49 cm
Breite aufweist, die nachstehende Inschrift eingehalten:
L v M E T I L I O
PvFvFAB VETER
L E GvXXv S EX v
M A RCIANVS
5 TvFv L E Mv H ERES
FACI ENDVM
rvpAViT
Die Hohe der Buchstaben, welche sehr schön und schlank
sind, nimmt allmählich ab. In Z. 1 und 2 sind sie 7 cm hoch
mit Ansnahme der beiden letzten Buchstaben ER der zweiten Zeile,
welche kleiner gebildet und blos 5 cm hoch sind; in Z. !t- 5 sind
sie fi ein und Z. r» 5' * cm hoch. Für die letzte Zeile lässt sieh
keine bestimmte Höhenangabc machen, weil die Basen siimmtlicher
Buchstaben in ihr zerstört sind. Am breitesten sind die Buchstaben
der beiden ersten Zeilen.
Die Lesung bietet keine Schwierigkeiten, da der Stein mit
Ausnahme des Anfanges der vierten Zeile gut erhalten ist. Denn
dort ist die zweite Hälfte des M sowie R zum Theil jetzt verstüm-
melt, aber doch noch so deutlich erkennbar, dass über den Namen,
der dort gestanden hat, kein Zweifel entstehen kann.
Die Inschrift ist also zu lesen und zu erklären:
Uucfo) \htiUo, J\ublii) fWio), Fabija tribtn reteriaaa) legd-
oni*) TtceMmne, Sex[tu*\ Marcianu«. Vitt) f(iliu*), LemUmui tribu),
heres fnciendum curatit.
L. Metilins, dem der (Jrabstein von seinem Erben Sex. Marci-
anus gesetzt worden ist, war Veteran der zwanzigsten Legion. Diese
Legion ist nach der Varianischen Niederlage ans lllyrien an den
Niederrhein gekommen, wo sie mehrfache Spuren ihrer Anwesenheit
auf Inschriften ') hinterlassen hat. In Köln selbst, dem Fundorte unseres
1) Vgl. C. 1. Rhen. 88. 128g. 268. 2028.
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200
J o s e t' Klein:
Grabsteines, sin<l ausser diesem noch drei Denkmäler von ihr,
sämmtlich sepulcralen Charakters, gefunden worden, von denen je-
doeh zwei1) verloren gegangen sind, da»» dritte im hiesigen Pro-
vinzialmuseum aufbewahrt wird. Im Jahre <i2 n. Chr. wird nie
uns zuerst gelegentlich der Expedition de» Snetonius raulliuus gegen
Mona3] als ein Bestandteil de» britannischen Heere* genannt,
welchem sie ununterbrochen bis in die späteren Zeiten der Kömer-
herrschaft angehört hat. Sie wird demgemäss unter der Regierung
de» Claudius nach Britannien versetzt worden sein. Da es nicht
wohl glanblich ist. dass Mctilins mit der Legion dorthin gezogen
und von da erst als Veteran nach Köln zurückgekehrt sei, so wird
seine Entlassung kurz vor die Zeit fallen, wo die Legion das nieder-
rheinische Germanien verlassen hat. Unsere Inschrift wird daher
in die zweite Hälfte des ersten Jahrhunderts n. Chr. zu setzen sein;
eine genauere Zeitbestimmung derselben lässt sieh freilich nicht ge-
winnen.
Die Legion entbehrt hier, wie auf den übrigen in Köln zu
Tage geförderten insehrift liehen Denkmälern *) von ihr der beiden
Beinamen Valeria Yktrix. Es ist dies coustantc Fehlen derselben
auf den Kölner Monumenten um so beachtenswerter, als es durch
andere Inschriften 5 1 feststeht, dass die Legion diese Namen, welche
ihr wegen der illyrischen Siege unter Valerius Messalinus ") verliehen
worden zu sein scheinen, bereits bei ihrem Aufenthalt in Niedcr-
Germanien geführt hat.
38.
Ein römisches Denkmal aus Andernach.
Zu Andernach wurde auf dem Martinsbcrg vor einigen Jahren
ein fränkisches Grab aufgedeckt. Dasselbe bestand aus einem Sarg
aus TufTstein, in welchem ein Skelett sich befand. Ob und mit
welchen Beigaben der Todte der Erde übergeben war, ist nicht
1) 0. I. Rhen. 377. .17*.
2) Düntzer, Bonn. Jahrb. LXII, S. ÖD ff.
3) Vgl. Tae. min. XIV, 34. 37. Unebner, Hermes XVI, S. T>37.
4) Vgl. S. 199 Anin. I.
oi C. I. Wien. 128 g. 2028.
»>> Vgl. G ro tele ad in Pauly* Kealenevtlopaedie VI, S. 807.
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Kleinere Mittheilun-ren ans dem Provinzial -Museum in Bonn. 201
mehr zu ermitteln gewesen. Auf der .Steinkiste lag ein Deckel,
welcher in zwei Hälften gebrochen und in da« Innere derselben
gestürzt war. AI» die Stücke au» der Grube herausgehoben waren,
zeigte es »ich, das» sie einem römischen Monumente angehörten.
Zusammengesetzt hat dasselbe eine Hohe von 2 m, eine Breite von
i\'2 cm und eine Tiefe von 2« cm. Auf dem oberen Theile der
Vorderfläche, in einer breiten und flachen, oben rund abgeschlossenen
Nische, die sehr roh gearbeitete cm hohe Hclieftignr einer in Vorder-
ansicht stehenden Frau, die mit einem bis (Iber die Knice herabfallenden
Gewände bekleidet i»t, an dessen Halsausschnitt ein Wulst noch
schwach zu erkennen ist, und dessen Faltenwurf durch einfache senk-
rechte Linien im Steine in äusserst primitiver Weise bezeichnet ist.
Das Gesicht sowie überhaupt der ganze Kopf ist stark verwittert.
In den Händen, welche sie vor sich hinhält, trägt sie einen Vogel,
der »ich jedoch nicht näher bestimmen lässt.
Unter dem Bilde steht durch eine oben 9 cm, auf den Seiten
7 cm breite einfache Leisteiinmrahmung eingcschlosssen in einem
39 cm hoben und 47 cm breiten leicht vertieften Felde die Inschrift,
welche wegen der starken Verwitterung des Steines ganz zu ent-
ziffern mir bis jetzt nicht gelungen ist. Sie lautet nach meiner
Abschrift »):
DIR.... \A f C
T» VS VALENTI
N V S
C A F . . . V/IA
VALENTINA
Vorab ist noch zu bemerken, das» die Schriftzüge, deren Höhe
in allen Zeilen H cm beträgt, nicht tiberall gleichmässig tief ein-
gehauen sind. Daran mag der Umstand schuld sein, dass die allent-
halben den Tuff durchsetzenden kleinen Steinsttteke dem Stein-
metzen grosse Schwierigkeiten bereitet haben, so da»s manche Buch-
staben von vornherein nur schwach und undeutlich zum Vorschein
gekommen sind.
Z. 1. Von dieser Zeile sind nur die beiden ersten und die
I) Meine mehrmaligen Versuche, einen Papierahdnuk zu machen,
sind bei der Beschaffenheit der In*chriftflache sitinititlicli resultatlos ge-
blieben.
202
Josef Klein:
drei letzten Zeichen sicher erkenubar, da in der Mitte des Steine«
jede Spur von Schrift getilgt ist. Ob der dritte Buchstabe B oder
R ist, lässt sieh mit Bestimmtheit nicht entscheiden, so gerne man
auch gerade Iiier eine Sicherheit der Lesung wünschen mflsste, indem
dadurch näher testgestellt werden könnte, oh dem Monuuicute ein
religiöser oder sepnlcraler Charakter innewohnt. Nach mehrmaliger
Betrachtung der Stelle neige ich freilich z« der Annahme eines R
hin. Trifft sie das Richtige, so Hesse sich mit Berücksichtigung
des freien Kauines von etwa vier Buchstaben an die Ergänzung
DIRonae denken. Alsdann erhält das Monument eine erhöhte Be-
deutung, weil unter der nicht sehr grossen Zahl von Votivdenk-
mälern dieser Gottheit das einzige mit einer vollständig erhaltenen
bildlichen Darstellung bei der Belagerung von Strassburg im Jahre
1870 zerstört worden ist. — Bei den beiden letzten Buchstaben
«lieser Zeile ist der Horizontalst rieh des L sowie der mittlere Quer-
strich des E nicht mehr zu sehen.
Z. 2 ist von dem ersten Zeichen blos ein Vertikalstrich nebst
dem Ansatz eines Horizontalstriches am Kopfe vorhanden; es kann
wohl nur R sein. Da» zweite Zeichen war I. so das» das ganze
Wort Volenti* gelautet hat. Die drei auf das zweite V folgenden
Buchstaben ALE schimmern nur noch schwach durch. Ueber die
Lesung des ganzen Wortes Valentinas kann jedoch kein Zweifel
obwalten.
Z. 3 ist der Rest der Zeile vollends unleserlich geworden.
Z. 4 sind die Anfangsbuchstaben sicher CA, dann folgte ein
Zeichen, welches mit einem Vertikalstriche beginnt und ebensowohl
E als F gewesen sein kann. Ob und wie die Bnehstaben zu-
sammen gehören, vermag ich nicht zu entscheiden. Die Mitte der
Zeile ist völlig erloschen. Von den den Schluss der Zeile bilden-
den vier Zeichen sind nur die beiden letzten mit Gewissheit
als IA zu erkennen, die beiden vorhergehenden scheinen VS zu sein.
Z. ä bildet ein einziges Wort Valentina, iu welchem jedoch
das zweite N fast ganz verwischt ist.
Demnach dürfte vielleicht folgende Deutung der Iiischritt vor-
zuschlagen sein:
l)ir[onae] Vale[ri\nx Valentina* ca [ug?\ia
Valentina.
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Kleinere Mittheilungeu aus dem Provinzial-Museum in Bonn. 203
30.
Römisch - Christliche Inschrift ans Keniaten.
Hei dem Bau eines Kellers, welchen der Weinhändler Orth
zu Remagen an der Fürstenbergstrasse anlegen lässt, sticss man im
Mai d. .1. in einer Tiefe von circa .'i Meter auf einen Begräbniss-
platz aus christlicher Zeit. Es wurde eine ganze Reihe von Stein-
särgen mit Skeletten gefunden, welche jedoch säinmtlich der sonst
üblichen Beigaben entbehrten. Alle Särge sind aus Tuffstein her-
gestellt; die meisten waren wegeu der schlechten Beschaffenheit
des Materials durch den Druck der auf ihnen ruhenden Erdmassen
in mehrere Stücke gebrochen. Deekel fanden sich nur selten auf
ihnen und die vorhandenen bestanden ebenfalls durchweg ans Tuff-
stein. Einzelne der drüber waren aus römischen Ziegelsteinen ge-
mauert, aber auch diese mit grossen Platten aus Tuffstein bedeckt.
Eine Deckplatte jedoch, welche 1,6."5 m lang, (5H cm hoch und
21 cm dick war, bestand aus Trachyt, wie ihn der Stenzelbcrg des
iMmachbarten Siebengebirges liefert. Sic war durch die Gewalt der
von dem nahen Bergabhange herabgeschwämmten Erdmassen von
dem Sarge herabgedrückt und auf die Seite gelegt. Durch die
Umsicht und das lebhafte Interesse des leitenden Baumeisters Herrn
P. Vosen wurde dieselbe mit Sorgfalt aus der Baugrube gehoben
und gelangte durch die freundliche Vermittclnng des Herrn H.
Renleaux in Remagen in das hiesige Proviny.ialmuscum. Nachdem
diescllMJ einer gründlichen Reinigung unterzogen worden war, ergab
sich das Vorhandensein einer ucunzeiligcn Inschrift, deren Buch-
staben ziemlich flach eingehauen sind. Sie lautet nach meiner
Abschrift :
HIC IACET METE RIOLAMI HID VL
CISSIMA CONIVX QVI MECVM
LABORABIT MVLTIS ET P L R IBVS A
NNlSQVEMlhl f*VIT ANNVS XXIII
5 CONIVX ET ANNVS VW ET MESES
SEPTE ET DIES XVIII SORORINDOMIN
ODO NOSRO h-SV XPO QVI Mihi TAN //
TIA BEAToSTENDERE VIAS S V A S QAS
EGO S EQERE POSSEM
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304
Josef K 1 o i n :
Da die Platte, abgesehen von einigen Abschürfungen, wodurch
einzelne Buchstaben etwa» verwischt sind, im Allgemeinen ziemlich
gut erhalten ist, 8« können über die Lesung keine Zweifel sieh erheben.
Nur der Schluss der siebenten Zeile macht einige Schwierigkeiten,
weil der Stein an dieser Stelle heschftdigt ist und die Buchstaben
unkenntlich geworden sind. Die ersten Zeichen des letzten Wortes
sind TA, dann folgt ein Buchstabe, welcher nicht mit Sicherheit
bestimmt werden kann. Ks seheint jedoch eher N als R zu sein.
Dann hat es den Ansehein, als ob noch ein paar Buchstaben da
gestanden hätten. In Wirklichkeit fehlt jedoch nichts und das
Wort in Verbindung mit der Silbe Tl der folgenden Zeile lautet
TANTI.
Demnach lesen wir die ganze Inschrift folgendermassen:
Hie iacet Meteriola mihi dulcisxima coniux, qui mecum
lahorakit multix et pl\u]ribux annix, quUi)e mihi fuit onnux ii-
ginti trex coniu.r, et anmtx orto et mr>n)xex xepte'm) et diex de-
cem et octo xoror in domino nox\t]rn Jesu Christo qui mihi tonti
th)abeat nxtendere rias xuax, qiuiux ego xeq(u)cre poxxem.
Die Inschrift verdient ans mehr als einem Grunde eine Be-
achtung. Obgleich die Härte des Materials und die vielen in dem-
selben befindlichen Krystalle dem Meissel des Steinmetzen nicht
selten grossen Widerstand entgegengesetzt haben, zeigen die Buch-
staben doch noch im Ganzen den antiken Charakter und mir Ein-
zelnes mahnt an den Verfall wie das flache C und G, F mit empor-
gerichtetem oberen Querstrich und die unciale Form des H mit ab-
gerundeter zweiter Hasta in Z. 4 und 6, neben der übrigens auch
noch die antike in Z. 1 sieh findet.
In sprachlicher Beziehung ist sie namentlich interessant, weil
sie manche der späteren Zeit angehörende vulgäre Sprach- und
Schreibformen aufweist. Von Vulgärfnrmen erscheinen in ihr neben
annux — onnox die Formen niexex und xepte statt menxex und
xeptem, wofür die Belege im Vulgärlatein nicht fehlen. Die Ortho-
graphie qax statt qua* Z. 8 und xeqere Z. 0 ohne u ist ja schon aus
älteren Zeiten l) bekannt. Zu beachten ist ferner labontbit Z. :i —
labaravit und das öfter vorkommende 7«/ Z. 2 statt quae. Dagegen
sind plribus 7j. 3 statt pluribux und nosro Z. 7 statt nostro jeden-
1) VfTl. Velins L o n g 11 h bei Keil, Gramm, lat. t. VII, p. 53, 20.
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Kleinere Mittlicihuigcn aus dem Provinzial Mmwum in Bonn. 20f>
fall« als Irrthumer zu betrachten, welche durch Unachtsamkeit «Ich
Steinmetzen entstanden sind.
Der Name MeterioUt kommt, so viel ich das einschlägige
Material überschaue, hier zum ernten Male vor, er lehnt sich mit
aeiner Bildung au Meterhts au . wie ein Mann bei Ammianus
(XXVIII, 6, 26) genannt wird.
Der Sinn des Ganzen ist klar und bedarf keiner näheren Er-
klärung.
Für die Zeitbestimmung uuserer Grabschrift bietet ausser dem
oben Uber den Charakter der Schrift Bemerkten nur die Eingangs-
formcl hic iaeei*) ciiiigennassen einen Anhalt. Mit Rücksicht da-
rauf und auf den noch echt römischen Namen der Verstorbenen
scheint unsere Inschrift etwa der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts
n. Chr. anzugehören, wofllr auch die iu den meisten der Gräber
beobachtete Bestattungsweise spricht.
40.
Fränkische Gräber von Gondort' a. d. Mosel.
In den Jahren 1882 und 188H hat der Antiquitätenhändler
Joseph Graef zu Andernach in der Nähe des Bahnhofes von Cobern
auf den dort an der von Gondorf nach Cobern führenden Strasse
gelegcuen Feldern Ausgrabungen veranstaltet und dabei eine be-
trächtliche Anzahl von Gräbern geöffnet. Von zwei der werthvoll-
sten Grabstätten ist es dem hiesigen Provinzial-Museiuii gelungen,
deu Inhalt zu erwerben. Derselbe setzte sieh nach den Altssagen
des Graef, auf dessen Übrigens glaubwürdigen Bericht wir allein
augewiesen sind, aus folgenden Beigaben zusammen.
Das erste Grab war ein Plattengrab, gebildet aus römischen
Dachziegelplatten mit hohem Rande auf den beiden Langseiten,
welche senkrecht neben einander gestellt waren. Ihre durchschnitt-
liche Länge beträgt 44 cm uud ihre Breite 34 cm; eine jedoch ist
bh« 41 cm lang; eine" andere fragmentirte jetzt blos 29 cm lang.
Ob sie in diesem fragmentirten Zustande zur Herstellung der Grab-
stätte verwendet oder ob sie bei der Eröffnung derselben erst zer-
stört worden ist, war nicht mehr zu ermitteln. Interessant ist da-
bei die Thatsache, dass fünf der Platten mit Stempeln versehen
1) Vgl. L« Blant, Inscrfptions ehret, de la (laufet. I pref. p. XII.
-
20« Josef Klein:
sind, welche uns sämmtlieh meine« Wissens Iiis dahin unbekannte
Namen von Ziegelfabrikanten ') liefern. Zwei trafen den verfielt
eingedruckten Namen AMANTIOLVS. die dritte den Namen CON-
CORDIVS in rückwärts laufender .Schrift, die vierte, die blos die
Buchstaben CON aufweist, scheint unvollständig ausgeprägt zu sein
und von demselben Fabrikanten wie die dritte herzustammen.
Endlich auf der fünften Platte liest man den Namen MAVRICI.
In dem so gebildeten Grabe, welches von Westen nach Osten
gerichtet war, war ein Leichnam bestattet. Da derselbe nicht mehr
ganz in seiner ursprünglichen Lage Rieh befand, so scheint das
(!rab in älterer Zeit schon einmal durchwühlt worden zu sein, wo-
bei e« wohl nur dein Zufall verdankt wird, dass nicht alle Beigaben
des Todten dem Berauber in die Hände gefallen sind. Von dem
»Skelette*) selbst, dessen einzelne Körperthcilc sich in sehr morschem
Zustande l>efauden und bei dem Versuche sie zu heben, ausein-
ander fielen, konnte nur der Kopf gehoben werden. Dieser lag
halb auf dem Bruchstück einer römischen jetzt ll> cm langen Ziegel
platte, in deren Mitte ein einfaches Kreuz eingeritzt ist. Schädel
und Stirn waren allenthalben mit Resten feiner Goldfäden bedeckt,
wahrscheinlich den Ceberresteu jener kostbaren mit Goldfäden durch-
wirkten Stirnbindens), welche das Haar der Frauen schmückten.
Weist «lies unverkennbar auf ein Frauengrab hin, so wird dies
durch den übrigen Inhalt vollauf bestätigt. Denn unterhalb des
Kopfes etwas seitwärts fand sich eine Kette von H>0 Perlen aus
Thon und Bernstein in verschiedener Gestaltung , Färbung und
Grösse, welche jedenfalls als Halsschmuck gedient haben.
In der Nähe der Perlen wurde dann, ohne dass jedoch die
ursprüngliche Lage im Grabe festgestellt werden konnte, ein evlin
drischer Behälter aus dünnem Bronzeblech in der Gestalt, wie das
bei Linden sc Ii mi t a. a. G. I, S. 472, Fig. 4ö(ia abgebildete
Büchschcn4) von Erz aus einem Grabe bei Dietersheim in Rheinhessen,
1) Die Inschriften sind von mir bereits in anderem Zusammenhange
in diesen Jahrbüchern Bd. LXXXVIIJ, S. 112 veröffentlicht wmden.
2) Eine Messung der Körpergrösse ist bei diesem ebenso wie bei
dem im zweiten Grabe bestatteten leider unterlassen worden.
3) Vgl. LindciiRchmit, Handb. der deutschen Alterthumskuiide
I, S. tm ff.
41 Kin anderes Exemplar aus Andernach ist abgebildet von Koeneu,
Bonn. Jahrb. LXXXVI. Tat. XIII, Fi*. 21.
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Kleinen- Mittheilungen aus dem Provinzml-Musenm in Bonn. 207
jedoch mit dem Unterschiede , das» der uuserige einer Vorrichtung
zum Anhängreil entbehrt. Seine Länge lieträgt 2 ein. Boden und
Deckel fehlen, aber von dem letzteren ist noch der Rest des Randes
an der Wandung angerostet. Ucber die Bestimmung dieser ßüchs-
ehen ist es schwer, ein Urtheil zu fallen, weil nur bei »ehr wenigen
bis jetzt der Inhalt einer Beachtung gewürdigt worden ist. Das
unserige war mit Erde gefüllt, deren Untersuchung nichts hinsicht-
lich des früheren Inhaltes ergab. Jedenfalls ist ihr Gebrauch zur
Aufbewahrung von Wohlgertlchen l) wahrscheinlicher als zur Bergung
von Nahutensilien, wie Roach Smith vermuthet hat.
Die interessanteste Beigabe der Leiche, welche das Grab ent-
hielt, war eine scheibenförmige Gewandnadel, welche auf der Mitte der
Brust lag, in quadratischer Form mit vier angesetzten Halbkreisen.
Sie besteht aus einer Unterlagsplatte aus etwa 1 mm starkem Brouze-
blech, anf das ringsum ein jetzt fehlender 8 inm hoher Rand aus
Bronzchlech anfgestellt war. Der so entstehende Behälter, welcher
von der Grundlage aus sieh leicht konisch verjüugt. ist mit einer
wachsartigen Masse ausgefüllt und darauf die sehr dünne Schmuck-
platte aus Gold gelegt, welche mit siel>en Nagelchen auf die Bronze-
platte befestigt ist. Die Köpfchen der Nägel, welche noch sämint-
lich erhalten sind, sind halbkugelig. Die Goldplatte, welche einen
Durchmesser von 7,2 cm gegenüber der Unterlagsplatte von 7,f> cm
Durchmesser hat, ist reich omamentirt und von einem gewundenen
starken Golddraht umzogen. In der Mitte befindet sich in breiter
Goldfassung eine erhöhte kreisrunde Goldscheibe von 3l/s cm Durch-
messer, deren oberer und unterer Rand mit gewundenen Goldfaden
umzogen sind. Die Mitte dieses Mittelstückes nimmt ein erhaben
gefasster Stein ein mit der vertieft geschnittenen Figur eines stehen-
den nackten nur mit dem Helm bekleideten Kriegers, von dessen
linkem Arm das Gewand herab hängt, während die rechte Hand
das Seil wert trägt; ihn umsäumten ehemals sechs rund geschliffene
Steine, wie die jetzt nur noch vorhandenen runden theilweise zer-
drückten Küpselchen beweisen. Um das Ganze zieht sich dann ein
Kranz von ring- und bogenförmigen Filigraufäden, zwischen denen
abwechselnd in runden, drei- und viereckigen Goldfassuugen blaue
I) Solche sind wenigstens in einem goldenen Biichschcn, welches
einem Grabe des alemannischen Friedhofe« von Horburg im Klsass ent-
stammt, nachgewiesen. Vgl. Herrenschneider, Argentovaria Hor-
burg. Heft I S. 25 ff.
208
Josef Klein:
und weisse Glasflüsse, ersterc rund geschliffen, letzter»« flach stehen.
Die vier Ecken des Quadrats sind mit i|uadratischcn Smaragden
besetzt, während in den Halbkreisen runde Kapseln mit blauen
halbkugelig geschliffenen Glasflüssen sich befinden, von denen je-
doch hlos zwei erhalten geblieben sind. Vor jeder derselben eine
dreieckige Kapsel mit flachen weissen Glasflüssen. Der frei ge-
bliebene Zwischenraum des Goldgrundes ist mit anfgelötbetem reichen
Filigrangesehlinge in überaus wirksamer Weise ausgefüllt, so dass
das Ganze noch jetzt trotz einzelner fehlender Steine und der Bc-
Schädigungen, welche es an den einzelnen Stellen hat. einen über-
aus prächtigen Kindruck auf den Beschauer macht.
Es erübrigt noch zu bemerken, dass die auf der Rückseite
der Bronzeunterlage angebrachte Nadel sich in einem einfachen
Scharniere bewegt und durch einen vorspringenden Steg fest-
gehalten wird. Sie ist von Eigen, Steg uud Scharnier von Bronze.
Ausserdem aber war die Rückseite noch mit einem am Scharnier
befestigten Bron/ckettchen versehen, welches wohl zur grosseren
Sicherheit beim Tragen hat dienen sollen.
Endlich trug die Leiche noch einen Fingerring aus Gold.
Derselbe besteht ans einem glatten runden Stabe von 1 nun Dicke
und hat einen Durchmesser von 22 mm. Derselbe trägt oben eine
Platte, auf welcher in stark heraustretender Einfassung ein ovaler
Amethyst ruht uud an deren beiden Seiten je drei kleine Kugeln
oder Ferien aus Gold angebracht sind. Der Umstand, dass der
Amethyst der Länge nach durchbohrt ist, legt die Vennuthung nahe,
dass der Stein ursprünglich in einer Kette seine Verwendung ge-
funden hatte und erst nachträglich zu dem Schmuck des Ringes
benutzt worden ist.
Bei dem Reichthnm des G rabin ventarcs au Schmuckgegen-
ständeu muss es uns geradezu Wunder nehmen, dass sich in dem-
selben weder Ohrringe noch Armbänder noch sonstige in besser
ausgestatteten fränkischen Gräl>ern vorkommende Gegenstände ge-
funden haben. Diese Thataachc in Verbindung mit demjenigen,
was oben über die Lage des Skelettes bemerkt worden ist, gibt
unserer dort ausgesprochenen Vennuthung, dass das Grab schon
in früherer Zeit einer Durchsuchung unterzogen worden ist. eine
neue Stütze.
Neben dem Grabe unmittelbar, so dass die Zugehörigkeit zu
demselben höchst wahrscheinlich ist. lag das Bruchstück einer 9 cm
Kleinere Mittheilungen aus dem Provinzial-MuHcun» in Bonn. 209
dicken Platte aus Kalkstein, welche auf beiden Seiten und unten
unvollständig jetzt 23 cm hoch und 11 bis II1/» ein breit ist; sie
scheint als Deckplatte für das Plattengrah mit einem ebenfalls in
ihrer Nahe zu Tage geförderten Bruchstück einer grünlichen
Marmorplattc von .38 ein Breite und 20 cm Höhe und l1/, cm Dicke
verwendet worden zu sein. Auf der Vorderseite der ersteren sind
die Beste einer Inschrift erhalten, welche nach dem Charakter der
►Schriftzüge, welche durchweg 21/* ein hoch sind, keineswegs auf
die in diesem Grabe Beigesetzte Bezug gehabt haben kann, sondern
einer älteren Zeit zugewiesen werden nmss. Sic lautet nach meiner
Abschrift :
"ISAB
/ICIRA
\ A R I
0 R I N
0 C S
Zu bemerken ist noch, dass die einzelnen Zeilen oben und
unten von Linien eingefasst sind. Auf eine Deutung des Wortlautes
müssen wir leider bei der Geriugfügigkeit des Erhaltenen Verzicht
leisten. leb bemerke nur noch, dass der erste Buchstabe Z. 1 eher
F als S ist. Z. ist der erste Buchstabe M gewesen.
Nicht minder reich an Beigaben war das zweite Grab. Auch
dieses Grab war thcils aus grossen Sandstcinplatten, theils aus römi-
schen Lcistenziegeln von verschiedener Grösse gebildet, von denen
eine den Stempel TVINCINTIVS ') trägt. Am Kopfende des
Grabes stand eine 221li ein lange und breite, 4 cm dicke Ziegel-
platte, in deren Mitte der Stempel IXPI quer eingedrückt ist, dessen
Anfangsbuchstaben stark verwischt sind.
Die Inhaberin dieses Grabes war ebenfalls eine Frau, wie
sich die« aus ihren Beigaben ergibt. Ohrringe sind zwar nach der
Aussage des Graef, an der zu zweifeln kein Grund vorliegt, auch
bei diesem Skelette keine gefunden worden. Dafür hatte es eben-
falls auf der Brust eine prachtvolle goldene scheibenförmige Ge-
wandnadel, welche eine ähnliche Grundform wie die beim ersten
Grab beschriebene aufweist. Sie ist jedoch etwas kleiner; denn
ihr Durchmesser beträgt bloss 6 cm. Die Fibula hat die Form eines
1) Vgl. Bonn. Jahrb. LXXXVIII S. 112 n. 10.
Jahrb. d. Vor. v. Alt.rtlmfr. im Rliclnl. XCIII.
14
•210
.loset Kli'in:
Viereckes, aus dessen Kähmen acht theils runde, theils ovale kapscl-
artige Fassungen mit Steinen vorspringen, welche so geordnet sind,
dass die ovalen Fassungen ein Kreuz, mal die runden ein über
Diagonale gestelltes Kreuz /.wischen jenen bilden. In den länglichen
Kapseln sind jedes Mal sieh gegenüber stehend je zwei bräunliche und
je zwei opalfarhige mandelförmige t.laslllisse angebracht, in den
runden eine opake, weisse, zum Theil stark beschädigte Emailfüllung.
Den Kern des Ganzen bildet die quadratische Hohlfläche mit einem
runden. Ilaelirund geschliffenen, in breiter (loldfassung ruhenden
braunen (llaslluss in der Mitte, welchen acht zu je zwei gepaarte
kleine kreisrunde Kapseln umgeben, in denen kleine Steine oder
Hiuailttilluiiir sich befanden. Die vier Keken des Quadrats sind mit
viereckigen grünen Glasflüssen besetzt. Zwischen ihnen stehen auf
jeder Seite zwei halbkugelig geschliffene blaue Steine, während
dreieckig gefasslc kleine Almandiucn , ein Kreuz bildend . da-
zwischen treten. Die ganze Fläche des (i rundes, soweit sie nicht
mit Steinen besetzt ist. ist in iinrcgehi lässiger Anordnung mit kleinen
Kreisen aus eingekerbtem Golddrahtc (Ibersäet. Im Ganzen und
Grossen zeigen die Verzierungen dieser und der im ersten Gralic
gefundenen Fibula eine typische Aehnliehkeit mit anderen Schmuck-
stücken dieser Art, so dass man sieht, dass sie der fränkischen
Kunst 1 1 überhaupt eigen waren.
Auch bei dieser Fibula bildet eine starke Bronzeplatte von
1 mm Stärke die Unterlage, auf der sieh der 8 mm hohe Korper
des Schmuckstücks erhebt. Die Kaiidiimfassiing. welche oben und
unten von einem kräftigen eordirteii Goldfaden umzogen wird, ist
nicht, wie bei der vorhin beschriebenen Gewandspange, von Bronze
Mindern von Goldblech, was die Wirkung des Stückes besonders
erhöht.
An der Rückseite «1er Bronzeplatte ist die in einem Scharnier
sieh bewegende Hcftnadcl aus Fisen noch wohl erhalten. Znr Seite
derselben hängt iu einer auf der Platte angebrachten Oese ein King
aus dünnem Bronzedraht von 1 1 2 cm Durchmesser. Vielleicht hatte
er die Bestimmung, das Tragen des Zierstiickes an einem Bande zu
ermöglichen.
Ferner ermangelte unsere Verstorbene anch nicht des Finger-
Ii Vgl. K. ,iu>im Werth, IV Jahrb. XXVI S. W i > c h n a ff
!. a n-r i. ... u. XI. IV XI.V S. 141 f.
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Kleinere Mitilieilmi;rcii au> dem Proviny.ial-Mu.sewn in Bonn. 211
ringe». Derselbe besteht au** einem massiven 1 mm dickem Rund-
stab aus Gold, welcher an beiden Luden platt geschlagen in zwei
Schnörkel ausläuft. Auf denselben ist ais Platte ein Sulidus des
byzantinischen Kaisers Focas nngclothct, an dosen beiden .Seiten
drei kleine Kugeln angebracht sind. Auf dem Avers '} steht die
bärtige Büste des Fuchs mit dem l Hadem, auf dessen Mitte ein
Kreuz sieh befindet, in der Hechten das Kren/, tragend, mid die
Umschrift: D. N. FOCAS PERP. AVG. II Victoria stehend in Vorder-
ansicht in der Hechten einen in das Monogramm Christi endigen-
den Speer, in der Linken eine Kugel mit einem Kren/ darauf
tragend. Die ehemals vorhandene Umschrift VICTORIA AVGG
ist l)is auf schwache Spui en einzelner Buchstaben gänzlich abgerieben.
Im Abschnitt: CUNOB.
liier füge ich gleich ein zweites Ftuidstiick. eine Goldmünze
des Justinianus 1.. bei, welche zur Seite des Skelettes aufgelesen
wunlc. Da dieselbe ehemals mit einem Henkel aus F.rzblech ver-
sehen war. so scheint sie als Hangevcrzierung eines Ilalsselmmckcs
gedient zu haben, von welchem jedoch keine Spur mehr zu ent-
decken war. Auf dein Avers-) steht die Büste des Kaisers mit
Diadem, in der Rechten die Kugel mit dem Kreuz darauf, mit der
Umschrift: D.N.IVSTINIANVS P.P. AVG. — Auf dem Revers Vieturia
in Vorderansicht, in der Linken die kreuztragende Kugel, in der
Rechten ein Kreuz mit dem Monogramm Christi, darum VICTORIA
AVGGG. F.. im Felde ein Stern. — Im Abschnitt CONOB.
Andererseits fehlte auch in diesem Grabe nicht jener in fräu
kischen Fraucngräheru so häutig begegnende cvlindrische Behälter
von 2 cm Länge aus Bronze. Abweichend von dem im ersten
Grabe gefundenen, besteht dieser aus einem doppelten auf einander
gelegten Bronzeblech und ist mit zwei verbundenen Ringen versehen,
in denen ein kleiner Haken hängt.
Dabei lag ein 20 ein langes Stück eines Kettehens, dessen
Glieder aus runden Erzstäbchen verschiedener Grosse gebildet sind.
Ks stammt wahrscheinlich von einem Gürtelgehünge '■'') her. Leber
die Lage im Grabe vermochte der Finder keine genaueren Angaben
mehr zu machen.
Ii V(fl. Sabatier, Doscriptinii des iiionnnies bvz.iiitines pl.
XXVI, 27.
2) Vgl. Sabatier it. ». O. t. I. ,». 177.
3) Vgl. Li Ii de n sc Ii in i t , AlK-rtli. uns. liebln. Vorzeit I, I Tat". 7,
Fig. 1, .". u. •;. K neuen, 15. Jahrli. LXXXXI! Tat'. VI, 11.
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l>12
Josi'l' Klein:
Zwischen den Beinen des .Skelettes dagegen fand sich eine
kleine Zierselieibc ans Bronze von :V2 nun Durchmesser , durch-
brochen und Haeli, bestehend aus einem inneren und einem äusseren
Kreisbande, welche beide dureh sechs Querstreifen mit einander ver-
bunden sind. Aul' beiden Seiten der Platte sind in regelmässiger
Verkeilung O O eingegraben.
An letzter Stelle sind aus dem Grabhivcntar noch zu erwähnen
ein 4'A em langes Lött'elehen aus Metall mit fünf kleinen, in Form
eines Kreuzes um die Mitte seiner Schale gruppirteu Oetfnungen
und eine Bronzcnadel, welche in ihrer unteren Hälfte abgeplattet
und spitz zulautend, in dein oberen Theile gewunden und durch-
bohrt ist.
Neben dem Grabe lag umgestürzt, so das» sie allem Anscheine
nach durch den Druck der Erdmasscn vom (trabe, dem sie wahr-
scheinlich als Deckplatte zugleich gedient hatte, hernbgedrückt
worden ist. eine fragmentirte 4' ; cm dicke Platte aus weissem
Marmor, dereu Höhe jetzt 20' - em und deren grösste Breite L'fi'/f
em beträgt, mit den Resten einer Inschrift:
EGOFÄ/STIC
VIVO TIT V I
An n o r v m -:
dimisi/v . . .
f» Äl?FI/ ...
R V F
sA
Der Stein ist an der linken Seite vom Beschauer allein intakt,
indem dort vor den einzelnen Zeilen ein freier Kaum von f> em
Breite gelassen ist. Die Buchstaben sind durchgängig .'1 ein hoch,
und von der vierten Zeile ab etwas näher zusammengerückt, wess-
halb sie dort kleiner erscheinen. Sie haben noch ganz die antike
Form, wie auch ihre Ausführung eine sorgfältige zu nennen ist.
Z. 1 am Schlüsse kann sowohl der Rest eines 0 als auch eines C
sein. Da die Grahschrift wegen des folgenden riro von einer Frau
ihrem Manne gesetzt zu sein scheint, so möchte Letzteres vorzu-
ziehen und Faust i c\oniux\ zu ergänzen sein. Sic kann demnach
nicht der im Grabe beerdigten Leiehe gegolten haben, weil damit
der Inhalt des Grabes nicht übereinstimmt. — Z. 3 am Sehluas
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Kleinere Mitteilungen hu» dem Provinzial Museum in Bonn. 213
int hinter /VN noch der Rest eines 0 oder S «ichtliar. Z. h »teilt
in der That Ale/in auf dein Stein, indem vom letzten A bloss der
erste Schenkel noch vorhanden ist. Ich bemerke zugleich, dass
der Horizontnlstrich des L seitwärts herabgezogen und dass F so-
wohl hier als auch Z. 1 im Worte Fausti mit emporgerichteter
uberer Qucrhasta gebildet ist. Der zweite Schenkel des A ist tiber-
all etwas Uber den ersten hinausgezogen. Die Xameusform Ale/ia
vermag ich sonst nicht nachzuweisen. — Z. 7 ist S vor die Zeile
gerückt. Das nach S schwach durchschimmernde Zeichen scheint
A zu sein.
Ausser diesen beiden (iriibern gelangte das Museum auch in
den Besitz verschiedener Gegenstände, welche mit Rücksicht auf
die Lage, in der sie von Graef aufgefunden worden sind, als Be-
staudtheilc eines und desselben fJrabcs höchst wahrscheinlich in An-
spruch genommen werden dürfen. In geringer Kutfcrnung.nämlich von
den eben beschriebenen beiden Gräbern sticss (Jraef in der gleichen
Tiefe und Hichtung mit diesen auf eine Anzahl zusammengestürzter
und wild durcheinander geworfener grosserer und kleinerer Stein-
platten. Da dieselben wegen ihrer Schwere und Grösse schwerlich
ohne Absieht so an einen Ort zusammengebracht sein werdeu, so
liegt die Vermuthnng sehr nahe, dass sie zur Herstellung einer
Grabkammer gedient haben, wofür auch der Umstand spricht, dass drei
der Platten eine annähernd gleiche Grösse haben. Ihr wüstes Durchein-
ander beweist nur, dass die Grabstätte in späterer Zeit eine gewaltsame
Zerstörung erfahren hat, ein Geschick, welches sie mit vielen Begräb-
nissen des fränkischen Kirchhofes in Cobern und Gondorf 1 1 theilt. Ge-
hören diese Platten aber zu einem und demselben Grabe, so liefern sie
uns eine interessante Illustration zu der Art und Weise, aus welchem
Material die Franken die Wände ihrer Grabbanten hergestellt haben.
Zunächst sind hier zu nennen zwei Platten aus gelblichem
Sandstein.
Die eine derselben, welche eine Höhe von !>."> ein, eine Breite
von öä cm und jetzt eine Dicke von II cm hat, ist der Best eines
durchgeschnittenen römischen Votivaltars. Auf der Vorderflachc
desselben befand sich ehemals in einer äl cm hohen und 39 cm
1) Vgl. K. aus' in YVeertli, Bonn. Jahrb. LXIX S. 5!t. KbciiMi hat
Kocn en die Beobachtung gemacht, dass in den lijiiikisclien Gröbern
des grosMen Gräberfeldes am Kirchhcrg bei Andernach der Grabraub
in grünstem Umfange geübt worden ist. Vgl. Bonn, .la'n-li. I. XXXVI, S. 200 f.
211
.Insel Klein:
breiten iiisrlu'ti;»rtjp'ii Vi Hiffnnir in llochreliel «Ii«' Figur des Hercules,
welche jetzt s«» abgeschlagen ist. dass nur ihre Ftnrissc noch eben
sichtbar sind. Der <!ott. welcher unbekleidet in Vorderansicht
stand, stützte sich mit der rechten llaml auf' die gerade am Hoden
neben ilmi stillende Keule und hielt um den linken ("nterarm (Ins
Löwenfell geschlungen, dessen Pranken tief herabhängen.
Die zweite, '»j?1., cm hohe, f>n cm breite lind jetzt '.»cm dicke
Platte mit zu beiden Seiten vorspringendem abgestuftem Soekel ge-
hört ebenfalls einem verstümmelten römischen Altar an. Auf den
jetzigen beiden Schmalseiten der Platte lassen sieh freilich nur
schwach die Fcberrcste von zwei männlichen Figuren erkennen,
welche in Nischen stehen. Von der einen der beiden Figuren,
welch«? einen starken tleischigen < Miederhau aufweist, ist etwas mehr
als die rechte Hälfte, von der anderen bloss der linke Ann erhallen.
Wahrscheinlich stammen sie von einem Viergötteraltare her, den
man in mehrere Platten zersägt hat um Material für den Hau der
Gräber zu gewinnen.
Ausserdem fanden sieh Fragmente römischer Ziegel mit ein-
gerissenen Wellenlinien, ein Stück einer '5 cm dicken Platte von
rothem Sandstein, mit geschmackvollen Platlormunenten und eine
40 cm lange, 2«» cm breite und 1 1 \. cm dicke Tu fei von Porphyr,
deren Vorderseite innerhalb einer einfachen Kinfassung ebenfalls ein
Rlattornainent ziert, nebst einigen kleineren Stücken.
Kndlich eine 75 cm breite und .°>7 cm hohe Tafel aus gelb-
lieh weissem Marmor , auf welcher die nachstehende sechs/eilige
Inschrift eingemcisselt ist:
Ijv.xAQVIDEMFRANGITP \RVOR VM MORTE PARENTES
CONDICI 0 R A PI Dm PnVAECIPlTATAGR ADV
SP ES AETE RN ATA ME-WTREBVET S 0 L ACI AL VCTVS
A E T ATESTEN E R A S Q V D P AR AD ISVSA BE T NJIW!
:> SEXSVPERADIECTIS AD N 0 N W\ \\ ENSEBVS A'
CONDITVSHoCTVAA 0 L 0 D ESS I DE RATE IACES
P .Hille
Ii. r.
Taill.e
Ii. I.
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Kleinere Mittlieilungcii mit« *1«-ni Vru\ inziiil Must um in Komi. _>ir>
Die Tafel hat mehrfache Beschädigungen erlitten, besonders
die obere Scitenknntc ist stark abg stosscu. in Eulgc dessen dos
erste Wort der ersten Zeile zum Theil ausgebrochen ist. Der rechte
Hand vtmi Beschauer ist stellenweise abgeblättert, wodurch einzelne
Endbuchstaben der dritten bis fünften Zeile abgeschürft sind. Die«
betrifft namentlich das letzte Wort der fünften Zeile, welche» der
.Steinmetz, weil er es wegen der grösseren Länge der Zeile nicht
mehr hat ganz unterbringen können, so gethcill hat. dass er die Silbe
AN noch in die Zeile setzte und die zweite Silbe NVM, von der
jedoch der letzte Huchstabe, wofern er überhaupt dagewesen ist,
jetzt verschwunden ist. darüber einmeisselte. — Durch die Zerstörung
des linken Randes der Tafel hat die eine Taube einen Theil ihres
Schwanzes eingebüsst.
Die Buchstaben der Inschrift haben im Canzeii noch die antike
Eorin, wenngleich Einzelnes wie das gequetschte 0, F mit empor-
gerichtetem oberen Querstrich, die Können des L und G an den
Verfall erinnern. Bemerkenswerth ist ferner die verschiedene Bil-
dung einzelner Buchstaben in einer und derselben Inschrift, wie A
mit theils gebrochenem theils von der Linken zur Rechten herab-
gehendem llorizontalstrich, M sowohl mit bald senkrechten bald
convergirenden Vertikalstrichen, als auch theils mit bis unten auf
die Zeile reichenden theils mit kurzen Mittelstrichen, sowie L mit
geradem und schräg angesetztem llorizontalstrich.
An Vulgarismen fehlt es auch nicht, so mensebus für menxi-
bux Z. 5, t reimet für tribuet Z. '.\. Wie weit dexxiderate Z. <> und
abet Z. 4 hier/u gehört, will ich nicht entscheiden. Anderes kommt
jedoch entschieden auf Rechnung des Steinmetzen, wie tamem'A.Ü,
qud für <piod Z. 4 und pruaeeipitata Z. L>. Das kleiner gebildete
R, welches zwischen P und V wie es scheint nachträglich einge-
schoben worden ist, zeigt, dass V einem Versehen des Steinmetzen
seinen Ursprung verdankt, welches zu tilgen er nach Einfügung des
R vergessen hat.
Der Wortlaut der (Irabschrift ist also folgender:
Dura quidem frangit jutreorum morte parentex
Condicio rapid» praeäpitata gradu.
Spex aeterua tarnen trebuet xohteia hictu*.
Aetatex tenerax r/u\m\d paradixux <h iahet .
Sex super adieefix ad nonum meuxebnx annu\m]
CondituH hoc tumoLo dexxiderate iaeex.
216 Josef Kl «-in:
Uctii Vcrständniss bietet die Inschrift keine Schwierigkeiten.
Sie ist einem kleinen K nahen, welcher im Alter von 9 Jahren und
<) Monaten gestorben ist, gesetzt von den Eltern, welche Bich in
ihrem Schmerze »her den Verlust mit der Hoffnung trösten, dass
seine Seele in Anbetracht seiner Jugend im Paradiese weile. Leider
verschweigt uns die Grabschrift den Namen des Kindes, der, viel-
leicht weil er nicht in die metrische Form sieh hineinbringen Hess,
ausgelassen ist. Denn dem Leser wird nicht entgangen sein, das»
wir es mit einer in Distichen abgefaßten Grabschrift zu thnn
haben, welche zeigt, dass in jener Zeit noch eine gewisse formale
Gewandtheit bei den Gelegenbeitsdichtern vorhanden war.
Was die Zeit unserer Inschrift anlangt, so bestimmt sich diese
annähernd durch die Gestalt des Christus-Monogramms. Denn da die
hier vorkommende Form desselben auf datirten christliehen In-
schriften Galliens ') nicht nach dem Jahr 499 n. Ohr. nachweisbar
ist, so kann die Inschrift nicht über die zweite Hälfte des f>. Jahr-
hunderts hinahgertickt werden. Wahrscheinlich ist sie jedoch mit
Rücksicht anf den Charakter der Schrift und die Beobachtung der
antiken Verstechnik in das Ende des 4. bezw. den Anfang des 5. Jahr-
hunderts zu setzen.
41.
Neue Funde aus Remagen.
Bei der Fortsetzung der Fundanientirnugs-Arbeiteu für den
Weinkeller des Herrn Orth in Remagen, welchen wir die Auffindung
der auf Seite dieses Jahrbuches beschriebenen römisch christ-
lichen Grabschrift einer Frau verdanken, sind neuerdings mehrere
interessante Funde gemacht worden, deren Erhaltung den eifrigen
Beniiihungen des Herrn Architekten Voscn von hier gelungen ist.
Zunächst stiess man abermals auf mehrere Särge aus Tuffstein,
vor deren einem ein 4M cm hoher und 15 cm dicker, an allen
Seiten glatt behaltener Inschriftstein aus Kalkstein umgestürzt lag.
Da derselbe an der rechten Kante vom Beschauer beschädigt ist,
so beträgt seine Breite oben 2.5 cm, unten 25 em. Die Inschrift.
1) Vgl Li- Blaut, Inscr. ehret, de la Gaule nrcM'. n. XXIII und
p. XII.
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Kleinere Mittheilungen aus dem Provinzial-Museuin in Bonn. 217
deren erste Zeile am Ende durch Abschleifen des Gesteins verloren
gegangen ist, lautet:
D E 0 Sil//
VAS VP ER \t>
FELIX
Pp B F C 0 S
5 SACRM-PRL
TEXTATOCO
+ INHVNCTVM0L0
Die Buchstaben, welche ziemlich flach eingehalten sind, haben
in den einzelnen Zeilen verschiedene fi Wisse; Z. 1 sind sie 2};, cm,
Z. 2 ;\ cm, Z. '$ cm. Z. 4 und f> ein und Z. f> stark 2l!s cm
hoch.
Z. 1 auf S folgen zwei vertikale Hasten. Der vom Kopf der
ersten Hasta schräg hinabgehende Strich ist nur zufällig, so dass
aus diesem nicht auf einen Buchstaben wie N geschlossen werden
darf. Was weiter da gestanden hat, ist nicht zu ermitteln, weil
der Stein an dieser Stelle vollständig abgeschliffen ist. Es liegt
jedoch auf der Hand, dass die Inschrift dorn Mithras gewidmet
war, dessen C'ultus am Rhein seit dem zweiten Jahrhundert seine
Verbreitung ') gefunden hat. Denn die vorhandenen Zeichen sind
zu leseu: Deo Sinti) i(nrivto). Ob noch das Wort Miithrae) bei-
gefügt war oder inricto statt dessen voll ausgeschrieben war, inuss
dahin gestellt bleiben.
Z. 2 sind die beiden Kauten des Steines bestossen, weshalb
M im- Anfange der Zeile seinen Vordersehenkel und N am Schlüsse
derselben seinen Hinterseheukel cingebüsst haben. — R ist miss-
luugeu, indem der Steinmetz ursprünglich N statt R, wie es scheint,
hat einbauen wollen.
Z. 5 ist das letzte Zeichen E, dessen oberer und mittlerer
llorizontalstrich fehlen. — Z. fi hat S, welches man nach 0 am
Schlüsse der Zeile erwarten sollte, nie da gestanden. Es ist aus-
gelassen worden, weil es an dem nöthigen Kamne auf dem Steine
gebrach. Die Worte enthalten die Datirttng der Inschrift. Der
I) Vgl. L. Urlichs, Bonn. Jahrb. I.XJV, 1H7H, fi. 13. Fahr i. De
Mithrae dei hoüh invicti cultu |>. Hl, wonach die Zahl der im Kliehihndc
gclundcncn inschrifllR-hen Mithrasdcnkuittlcr etwa .-In beträgt.
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21*
.1 o s e f K I <• i n :
hier genannte l'ractextatus, dessen College nicht miterwähiit ist.
Iiicss mit vollem Namen C. Asinius l'raetextatns und bekleidete im
.fahr 242 n. Chr. 'i das Consulat. Mit dieser Zeit stimmt auch der
Charakter der Buchstaben der Inschrift überein.
Die in kleinerer .Schrift mit vorgesetztem Kivuzzeichcn unter
der letzten Zeile eingemeissclten Worte In hitnc tumolo gehören
nicht zu der vorhergehenden Widmung an den Mithras, sondern
sind der Anfang einer (Jrabschrift ans späterer christlicher Zeit,
deren Fortsetzung wahrscheinlich auf einem anderen, heute aller-
dings verlorenen Steine eingetragen war.
Die Inschrift wird demgemäss folgcndennasseu zu lesen sein:
Deo Sioli) i nrhto* \M{ifhrae>\ Muircu». Superin itis) Felti-
bleue) fMcitt rhi x) ro{n)*{u Iuris) sacruin Priivete.rtuto co< n ..rfxi ule )|.
Haben wir durch diese Inschrift einen neuen Beleg für die
Verehrung des Mithras am Rheine um die Mitte de» dritten Jahr-
hunderts n. Chr. gewonnen, so geben uns zwei andere auf derselben
Maustelle ausgegrabenen insehrift liehen Denkmäler einen intcr
essanten Beitrag für unsere Kenntnis« der militärischen Besatzung
des Itheiulandcs.
Vor den Fnsscnden einer ans Blatten gebildeten Steinkammer
nämlich lagen zwei viereckige säulcnartige Kragmente aus Kalk
stein, deren Obertheil anscheinend unversehrt erhalten, der untere
aber abgebrochen ist. Beide haben bei einer Breite von IH\!S cm
bezw. li)1^ ein und einer gleichen Dicke von 14 cm eine ungleiche
Länge, indem das eine .% cm. das andere 4;$ cm lang ist. Beide
sind oben mit einem l'inienzapfen v\ dessen Spitze beim ersten je-
doch abgebrochen ist, gekrönt und seheinen wegen ihrer Gestalt
als Eckpfeiler zur äusseren Ausschmückung der Grabkammer, vor
der sie lagen, gedient zu haben, wie dies mehrfach bei Grabstätten
aus der christlichen Zeit in der Khcinprovinz beobachtet worden ist.
Die ursprüngliche Bestimmung der Säulenfragmcnte war dies ;tber
nicht, denn die l'inienzapfen, welche sie jetzt tragen, sind offenbar
erst in späterer Zeit am» dem oberen Theile derselben heraus
1) V-rl. im-iiif Fasti cnnsulares /.. d. .1. 212, wo die Helene zusammen
^•stellt sind.
2) [Jeher »Iii- Verwendung der l'inieiuapten auf (irnhdenkiiialern
hat Uran ii in «Uesen Jahrbüchern Bd. XVI, S. 47 ff. «Milchender
hamlelt.
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Kleinere Mitthrilungen ans rlein l'roviii/j.-it-Musciini in Bonn. 219
gearbeitet worden. Dies beweist der Umstand, dass durch »Hose
Umänderung die oberen Zeilen der auf ihnen cingemcisseltcn In-
schriften zerstört worden sind, wie aus den in der Mitte durch-
schnittenen Buchstaben der augenblicklich ersten Zeile beider Steine
klar hervorgeht. Bei einer genaueren Betrachtung der auf den beiden
Steinen vorhandenen Schriftrestc hat sich ferner ergeben, dass die-
selben nicht verschiedenen Inschriften angehören, sondern Theile
einer und derselben Inschrift sind, welche aus der besten Zeit der
Röiuerherrschaft am Rheine stammt. Und zwar müssen sie in
solcher Weise zusammengefügt werden, dass die erste Zeile de»
ersten Steins mit der zweiten Zeile des zweiten Steines correspon
dirt, indem der erste Stein um eine Zeile mehr als der andere ver-
kürzt worden ist.
1.
II.
PI 7/ AvG
uHl. 1
H 1 S PE
)VIT P- h
! V S S V
3SI vs
P 0
V 1 T
TERTVLL
0 E T C L E
M ENTE
Co S
Wenngleich die Schriftzüge namentlich auf dem zweiten Steine
so stark abgeschliffen sind, dass sie stellenweise nur noch schwach
durchschimmern, so lassen sieh dieselben dennoch mit wenigen Aus-
nahmen aus den auf der Oberfläche des Steines zurückgebliebenen
('ontouren mit ziemlicher Sicherheit von einem scharfen Auge unter
richtiger Beleuchtung erkennen.
Bei der Ilcrrichtung für die spätere Bestimmung als Pfeiler
hat der erste Stein etwas von seiner ursprünglichen Breite eingebüsst.
In Folge dessen sind in vier Zeilen die Anfangsbuchstaben weg-
gemeisselt worden.
Z. 1 ist das dritte Zeichen vollends verwischt. Je nach der
Beleuchtung, welcher die abgeschliffene Stelle ausgesetzt ist, hat
es den Ansehein, als wenn die Umrisse eines 0 noch eben zu er-
kennen wären, welches kleiner als die übrigen Buchstaben der Zeile
gebildet war. Ks kann dies jedoch ebensogut auf einer Täuschung
beruhen. Ks ist freilieh sehr zu beklagen, dass gerade hier keine
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220
Josef Klein:
Sicherheit in der Lesung zu erlangen int, weil davon die Ergänzung
der vorhergellenden Zeilen in gewisser Beziehung abhängt. Das in
liede stehende Wort kann nur entweder Pin oder Pii lauten. Hat Pii
auf dem Steine gestanden, dann halten wir es mit einer Widmung
an eine (iottheit zu thun und zwar für das Wohl des Antoiiinns
Pius. Denn dieser Kaiser ist. wie sieh im Verlauf der Hctraehlung
ergeben wird, an unserer Stelle gemeint. Alsdann ist der Ausfall
von mindestens einer Zeile im Anfange der Inschrift anzunehmen
und das Fehlende etwa beispielsweise! Ii ort) oyptimo\ iiitajiino)
pro xahtte impierotori») Ctiexi arix) Antonini Pii Aug\Hxti) zu er-
gänzen, wobei ich noch bemerke, dass der Fundort Remagen es
nahe legt, die Widmung mit dem Jupiter Dolichenns und seiner
Verehrung ' > daselbst in Verbindung zu bringen. Trifft jedoch die
Lesung J'io das Richtige, was mir jedoch weniger der Fall zu sein
scheint, dann haben wir das Fehlende einfach durch Intp. (Y/ex.
Antonino Pia zu ergänzen, wofern nicht die ganze Xomenelatur
des Kaisers gesetzt war. — Am Schlüsse der Zeile ist von dem
Worte AVG der Buchstabe A fast vollständig, von V die untere
Hälfte und von G nur noch eine flüchtige Spur vorhanden.
Z. '2 sind die drei ersten erkennbaren Zeichen die unteren
Hälften von OHO, von denen das zweite 0 durch einen Bruch im
Steine zum Thcil zerstört ist. Dann folgt eine vertikale Ilasta,
welche, wenn die vorhergehenden Zeichen richtig cohor* ergänzt
werden, nur der Rest eines R sein kann. Der Schlussbuchstabe
des Wortes ist mit der abgebrochenen rechten Keke des Steines
verloren gegangen. Das auf HISP folgende Zeichen ist ein deut-
liches E. Da an der rechten Kaute des Steines keine Buchstaben
fehlen, so inuss E zur folgenden dritten Zeile gezogen werden.
Dies ergiebt die Lesung EQVIT: denn der im Anfange der Zeile
vorhandene Rest eines Buchstabens ist der hintere Tlieil der Run-
dung eines Q, dessen Schleife jedoch, da auf dem Steine von ihr
keine Spur mehr zu sehen ist, senkrecht hinabgegangen zu sein
scheint. — Am Sehluss derselben Zeile steht deutlich ein Buchstabe
mit vertikaler Ilasta und einein Horizontalstrieh in der Mitte, also
F. Daraus ergiebt sich für diese beiden Zeilen die nachstehende
Lesung: [ejoftor* llisp. e{tj\uit. p. f. Ob der hier genannten eohors
1) Vgl. C. I. KIhmi. «45. Braun, Jupiter I>oli«hcnus. liniin IH52,
S. H tt'. H «• 1 1 n v r, Du ,Jovc DnlW-lienn p. II.
Kleinere Mittheihimren aus dem Prnvinzinl-Mnsctun in Bonn. 221
Hispanornm eine Nummer beigefügt war, ist nnsiclicr. Die grössere
Wahrscheinlichkeit spricht dafür, das* sie keine Nummer auf dem
Steine tlihrte. Sollte dies aber dennoch der Fall gewesen sein, so
kaun diese mich Maassgabe des vorhandenen Raumes nur die Zahl
1 gewesen sein.
Z. 3. Vor VSSV ist ein Bruch im Steine, aus welchem oben
und nuten die Enden der Hanta eines I herausragen: also
Ob davor noch die Pracposition EX gestanden hat, wage ich nicht
zu entscheiden. Der Kaum steht wenigstens «1er Annahme nicht
im Wege. Die auf Widmungen so ungemein häutige Formel e.r
itiHitu ipmiH. welche anzeigt, dass die Gottheit ihren Willen dem
Widmenden offenhart hat, scheint mir für die Annahme zu sprechen,
dass die Inschrift in ihrer Integrität zu Ehren einer Gottheit für
das Wohl des Kaisers Antoninus Pius gesetzt war, also in der
ersten Zeile eher Pii als Pio zu lesen sei.
Z. 7 sind die beulen vor S ehedem vorhandenen Zeichen C
nebst einein darauf folgenden kleiner gebildeten 0 so abgerieben,
dass sie kaum noch r.u erkennen sind. Der Schluss der Inschrift
enthält also die Datirung derselben: Tertulh et demente cos. Sie
fällt daher in das Jahr läH n. Chr., wo Ser. Sulpieius Tertullus
und Q. Tineius Saeerdos Clemens ' i Consuln waren. Dadurch er-
hält zugleich die oben vorgeschlagene Ergänzung des Kuiscrnamcns
ihre Bestätigung.
Die ganze Inschrift wird demgemäß mit beispielsweiser Er-
gänzung des Felllenden in folgender Weise y.u restituiren sein:
[Kovij oiptimo) in\tt.rhno , pro xolute iinpt entforix) (\te\Mari.*>
Antonini] I'i\i] Aut/insti) \v\uhor\x\ lli*p<anorum) equitutta) p\ia\
fijdel'iM) iuxsu [i]pxius po[s\nit Tertullo et demente co\n}«(iifihttx>.
Endlieh wurden anf derselben Baustelle hart au der Grenze
des Naehbargrundstückes die Reste eines grossen in mehrere Stücke
zertrümmerten Votiv-Altares aus Tuffstein zu Tage gefördert. Der-
selbe war oberhalb an den Seiten mit Sehneekenrollen versehen,
deren Vorderseiten mit Rosetten verziert waren. Die vom Beschauer
linke Seite des Steines fehlt jetzt, in Folge dessen auf der linken
Seite der Inschrift ein Drittheil der Zeilen verloren gegangen ist.
Die Höhe des Steines an der rechten Seite gemessen beträgt 1,0 in.
I) Vgl die Bele»e in meinen Fasti ciras. z. d. .1 S. 74.
Josef Klein:
die Ticff .54 ein und die jetzige Breite 4f> ein. Die vorhandenen
Inschrift reste lauten:
= A E
/ X A L I
V A L E P
SS VSOP I o
T M I F
- b S Vlb
S L M
Trutz der starken Beschädigungen, welche der .Stein erfahren
hat, ist die Lesung der Inschrift nicht Mos« sicher, sondern auch
ohne Schwierigkeiten. Der Charakter der Schrift weist, auf das
dritte Jahrhundert n. Chr. hin. Die Buchstaben der einzelnen
Zeilen haben verschiedene Crosse, welche Z. 1 und (» G cm, Z. :\,
4 und 7 cm, Z. 2 und f> h ein betrügt.
Z. 1 zu Anfang der Rest eiues E, was auf [I>\eae fllhrt.
Z. '2 ist das erste Zeichen der rechte Schenkel eines V und das
Wort zu ergänzen [Snii\uxnli. Der Name der (lüttiu ist bereits
aus anderen rheinischen, von mir in einem frühem Hefte dieser
Jahrbücher ') zusammengestellten Weihiiischriften bekannt, zu denen
uoclr die der Errichtung eines ihr im Jahre 'JlVJ n. Chr. geweihten
Heiligt liumes gedenkende Inschrift -i aus der Kirche von Hoven bei
Zülpich jetzt hinzugefügt werden mtiss. Sunuxalis wird jetzt all-
gemein als die Stamniesgöttin •s) der belgischen Snnuci angesehen,
welche zwischen den Ubiern und Tungrern \i wohnten.
Z. 3. Da durchgängig die einzelnen Zeilen im Anfange einen
Ausfall von drei Buchstaben erlitten haben, so ist vor VALEP -
YaleriiuH) wahrscheinlich ein Pracnoinen wie $er.y Sei*, oder '/'/'/>.
ausgefallen.
Z. 4 steht im Anfang das Cogiiomen des Widmenden, das
sich unschwer als [lUt\ssux zu erkennen giebt. Alsdann folgt deut-
lich auf dein Steine OPIO mit grösser gebildetem I. nämlich opfio.
1) Hd. LXXXIV, 18S7, S. Ol» f.
2) lleivmsjrt.^flM'ii von K 1 i n k c u b e r g, Mona. Jahrb. LXXXVIf,
IS«), S. 194 f.
."!| Vgl. K. Klein. Zeiiselir. für die Altert Itumswis*. Ist«. S. 101."..
4) Koi gk, Kon... .I.ilirl» 1-VII. 1n7<;, S. ±; f. *
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Klehioi-p Mittlicilnngcn nns dorn Provinzial-Musenni in Bonn. 223
es sei denn, (läse, da I auf einer Bruchstelle des* Steines stellt, ursprüng-
lich i" ~ ti eingehalten war. was nicht mehr zu entscheiden ist.
Z. f) enthält den Namen des Truppentheiles, in welchem der
Dedikant die Stelle eines optio bekleidet hat, nämlich der legio
prima Minervia mit ihren Reiuaiucn pia fidelis, von deren erstem
auf dem Steine noch die Hasta des Anfangsbuchstabens P deutlich
erhalten ist.
Z. (i im Anfang der untere wagerechte Strich eines L oder E,
dann E, dessen oberer jetzt ausgebrochener Querstrich wahrschein-
lich nach links hinausgezogen war. um die Ligatur von ET anzu-
deuten, also pro xe et *ni*.
Der Wortlaut der Inschrift ist demnach folgenderinaassen
wieder herzustellen:
\I)\fiif [$tt)i]u.cali \ 'Ith. /\ Yuh'ry 'iHx) \Jitt\ssux optio | /<'</( io nii)\
primae J/i inerriae) p\ 'me> /'[hle/isi [pro x]e r\t\ xitix \r<otniu}\
tf olvit) iMheiixi miri'ifo).
_>21
Heinrich FraubiTgcr:
12. Der byzantinische Purpurstoff im Gewerbe-Museum
zu Düsseldorf.
Von
Heinrich Fruuberirer.
iHicrzu Tutel XI.)
<»egen Kndc des letzten Jahre* gelang es, für das Gewerbe-
Museum in Düsseldorf, das eine der grössten Textilsammluiigen be-
sitzt, einen mit einer griechischen Inschrift versehenen bvzantiuischcn
SeidenstoflF zu erwerben, welcher für die Datirung mittelalterlicher
Gewehe von grüsstcr Wichtigkeit ist. Der Stoff, welcher aus einem
Dome am Xicderrhein herrührt, besteht aus einzelnen, mehr oder
minder defecteu Thcilen. die nach und nach angekauft wurden
und endlich hinreichten, dass eine Zeichnung danach angefertigt
werden konnte. Die Zeichnung, welche auf Tafel XI abgebildet
ist, bat der Zeichner des tJewcrbe-Muscums, Herr Richard Ilalenz,
nach den fünf Gewcbefragmenten angefertigt; die Inschrift, welche
dein Texte beigegeben' ist, hat Herr Geheimrath Prof. Usener
in Bonn gelesen. Bevor ich mich mit diesem Stoffe eingehend
beschäftige, schicke ich voraus, dass mir noch zwei andere Purpur-
gewebe bekannt sind, die aller Wahrscheinlichkeit nach auch im
Gynaeccion in Byzanz angefertigt worden sind und eine zur Be-
stimmung der Ilerstellungs/.eit dienende Inschrift haben; allein der
eine von beiden befindet sich im Schreine Karl des Grossen zu
Aachen verschlossen, der andere im Sarge de« heil. Anno in Sieg-
bürg verborgen; dieser Stoff dagegen, dem letzteren in der Zeich-
nung sehr verwandt, ist im Gewerbe-Museum in Düsseldorf für Ge-
lehrte zum Studium jederzeit zugänglich.
Der Düsseldorfer Stoff ist durchweg aus Seide; der Kond
ist purpurviolctt. das Muster zeigt gegenüber und überciuander-
gestellte, grosse, vorzüglich stilisirte Löwen, die sieh mit nach
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Der byzantinische l'urpurstoff im Gewerbe-Museum zu Düsseldorf. 2£*
vonic gewandtem Kopie entgegensehreiten. Jeder dieser Löwen
hat eine Länge von 72 ein, eine Hohe von 40 ein; sie waren aus
ungefärbter, gelblichweisser Rohseide gewebt. Der en face dar-
gestellte Kopf ist von stilisirtcm Bart- und Kopfhaar sannmrtig ein-
gerahmt. Alicen und (wahrscheinlich auch) die Zunge wurden
durch ein tiefes Blau hervorgehoben. Der Mund ist nach unten
zu leicht {rewölbt und zeigl im Oberkiefer sechs Zähne. Die etwas
kegelförmige , von Querfurchen durchzogene Nase steht zu den
gradlinigen Augenbrauen nahezu im reeliten Winkel. Die Thränen
sacke, welche unter den Augen halbkreisförmig angedeutet sind,
sind in der Rundung durch drei als Blutadern gedachte kurze
Linien mit kugeligem Abschlüsse gefüllt. Die Mähne wie die
knospcnforniige Endigung des schwungvoll dargestellten Schweifes
wird in gewissen horizontalen Abständen durch vertikale und schräge
Linienführung dargestellt, welche verschieden gefärbt sind und zwar
erst Naturfarbe, dann Purpur, dann blau, dann Purpur und darauf
erscheint wieder Naturfarbe u. s. w. Sehr originell stilisirt sind
auch der Abschluss der Mähne und die Banehhaare. Auf dem
Rücken des Löwen, gleichsam aus ihm herauswachsend, ist der
Lebensbaum in gelber Seide eingewebt und verkleinert und zer-
theill den sonst verhältnismässig grossen Raum des Pnrpurgcwandcs.
Denselben Zweck hat auch der dreiblättrige gelbe Lorbeerzweig
an jedem der Löwcnfüsse, sowie «Ii** zwischen den zwei einander
gegenüberstehenden Löwen befindliche Inschrift in gelber Seide.
Die Verzierung durch Reihen übereinander befindlicher Thierc
findet sieh im Alterthum sehr häufig auf Marmorgegenständen, wie
auf griechischen und römischen Thonwaarcn, vertieft, aufgemalt
und erhaben '). Die Auwendung einander gegenüberstehender, vor-
nehm stilisirtcr Thiergestal teil ist von den Assyrcrn auf die Meder,
Perser, Sassaniden und von da auf Byzanz übergegangen. Die
1) Thiermustcr waren es auch, die das klassische Altcrthuin an
(lern Geweben aus Babylnnicn schützte. Phantastische Gebilde aus l'fenl
und Hahn, Bock und Hirsch hebt Arislophnncs (Frösche !W7i an den
•Modischen Vorhängen* hervor 'Babylonische Dicken' (Bahylonica pe-
ristroma) l'ührt Kpignomu* bei Plauius Stich. "37H suis Asien in Athen
ein. Audi die, Alexandrinische Kunstweberei hielt trotz aller Vervoll-
kommnung der Technik (s. I'linius n. h. S. VM\) an den alten Thierninstern
fest, s. Plaut Iis INcnd. 117 'Al. xandrina beluatn (mit Thieiinustemi
tnnsilia (von KubherstofO taprtia'.
Jahrb. d. V«r. v. Altcrthtntiitfr. im «heiul. XC1II. 15
H c i 11 r i c Ii Frnn Ii crtrer:
Löwenjagden n**) 'rischcr Könige erscheinen fast copirt auf den
frühesten, in Acchmim in Oherägyptcn gefundenen Stoffen1), von
denen niaii nicht weiss, oh sie in Aegypten ( Alexandrin i oder
Vorderasien angefertigt worden sind, wo im dritten .lahrhnndert in
Syrien <lio*ra>*> berühmte Purpurfarbereien bestanden halten. Bis
in das zweite Jahrtausend hinein finden wir an Stoffen in Ovale.
Kreise, Polygone eingerahmt je zwei einander gegenüberstehende
Thiere Löwen, Klcphanteu, Adler, Pfauen u. dgl. angewendet und
halten diese Stoffe als sassanidisch iH'/.eichnet wegen der Verwandt-
schaft der Darstellungen mit Haut heilen und Ornamenten auf sassa-
nidisehen Denkmälern a*t.
Ii Die Ausgrabungen von Acchmim haben eine grosse Zahl von
(Jewand Verzierungen ergeben, die mittelst Wolltildcn in (johcliumauier
hergestellt sind. Das Düsseldorfer ( iew erbemuseum besitzt »Hein davon
mehr als ."»00 Muster. Dagegen sind Stickereien (im Stielstieh) sehr selten
und ebenso selten gewebte Seidenstoffe als Verzierung auf die («ewauder
aus Leinwand aufgeniilit. Die Seidenst offc zeigen entweder einfache
Streuiimsfer, wie Steine, Mlattcr u. dgl. oder orientalische Schriftzeichen
oder innerhalb von Kreisen aus stilisirtem PHanzenornnnient Cireusdar-
stellungeu oiler Jagdsccnen. Biblische Darstellungen, wie, die (Jeschiehte
Josephs in Aegypten, Daniels in der Löwengrube u. dgl., welche auf
(lobelinwirkereicii nicht seilen vnrkoininen, habe ich in Seide noch nicht
gesehen.
:») Ich habe mich im Juni vergeblich bemüht, in Bosra Kr-
inueningcn daran /.u Huden, dass diese uralte St-adt, die schon zu Moses
Zeit die Hauptstadt des mächtigen Königreiches Hasan und Residenz
des Königs Og gewesen, einstmals eine berühmte Färberstadt war. Vor
dem Einbruch der Araber im 7. Jahrhundert, durch den ganz Syrien,
namentlich das fruchtbare und hochentwickelte Innere des Landes so
verwüstet worden war, dass es sich bis heute nicht mehr erholt hat, gab
es viele gute fahrbare Strassen und war es möglich, in drei Tagereisen
nach TyriLs zu gelangen. Durch Kanüle, die die Römer und Ghassauidcn
angelegt hatten, kam in Fülle Wasser von dein jetzt ziemlich kahlen
Drusengebirge herab, lieber Kalas Kzra hinaus ging eine KömerHtrasse
und machte Bosra gleich Damascus, Palmyra und Alcppo zum Stapel-
platz für indische und chinesische Seidenstoffe Und Seidengarn. Die
Schafzucht war berühmt und man mag es auch dort, wie in Aegypten,
is. Semper, Der Stil I S. :>0f>) verstanden haben, die lebendige Wolle mit
Purpur zu färben.
:i) Die in den weichen Stein aus den Steinbrüchen von Amman ge-
meisselteu zierlichen Ornamente, welche ich in dem vom Sassanideu-
König Chosroe's II. erbauten Palaste zu el Mschatta (zu deutsch .Winter-
quartier-) östlich von der Mekkupilgerstrasse fand, euthalteu nicht mehr
Der byzantinische Purpurstoff im Gewerbe-Museum zu Düsseldorf. 227
So spärlich die Mittheilimgcn über die .Seidenweberei in
Alexandrien, Bosra, Bagdad, Damaskus, ebenso spärlich sind sie
auch Uber diese Industrie in Byzanz. Wir wissen, dass ;V>2 Kaiser
Justiniau die Seidenweberei in Europa entwickelt und eine eigene
Fabrik durch strenge Ausfuhrverbote fördert. Wir wissen, dass
diese kaiserliche Fabrik bis in das 1-t. Jahrhundert am goldenen
Horn bestand; es wird mitgctheilt, dass der doppelt gefärbte Purpur,
der sog. kaiserliche Purpur, nicht ausgeführt werden durfte; das ist
aber fast alles im Vergleich mit den eingehenden Nachrichten,
welche Hugo Falcandus über das Hotel Tiraz in Palermo giebt
in einer Zeit, in welcher die Fabrik zu By/.anz ganz hervorragen-
des geleistet haben muss. Das macht diesen Stoff so wichtig, dass,
wenn Geschichtsforscher, Arehäolog, Chemiker, Weber und Färber
zusammenhelfen, sich aus den wenigen Fragmenten sehr beachtens-
werthe Aufschlüsse Uber die Hofweberei zu Byzanz entwickeln
lassen, weil die Inschrift die Entstehungszeit ziemlich genau fest-
stellen lässt.
Die Inschrift ist auf zwei Fragmenten des Stoffes enthalten;
der eine Theil war gut erhalten und die Buchstaben waren deut-
lich, einfach und fest. Der andere Theil war sehr stark verletzt;
CrTliSWNCTANÖKAlBACIAeiOy
T6)N<NA 0XPJCT0)HAecn0T6)M
dazwischen fehlte ein Buchstabe, beziehungsweise zwei oder Theile
derselben. Die genaue Lesung ergiebt, dass dieser Stoff unter der
Regierung Konstantinus VIII. und Basilius II. und, weil beide Könige
erwähnt werden, zwischen 9711—1 Ü2ö angefertigt worden ist1). Aus
Thiergestalten in HpHrlicher Verbindung mit pflanzlichem Beiwerk, wie es
im byzantinischen Stil nicht bloss an dem besprochenen Purpurgewebe,
sondern auch sonst (vergl. die Mosaiken in San Apollinare nuovo zu
Ravenua) vorkommt, sondern die Thier« sind, wie es auf den sarrazenischen
Stoffmustern von Almeria und Palermo zu sehen ist, zwischen Laubwerk
verstreut. Näheres darüber wird mit passenden Abbildungen die Be-
schreibung meiner Reis« durch Syrien enthalten.
1) Ks ist eine äusserst schwierige Arbeit, aus defekten und an-
geriebenen Stofftheiien deu ganzen Rapport zuverlässig darzustellen. Der
sicherste Weg, die Umrisslinien solcher textiler Uoberreste zu flxiren, be-
steht darin, dass man eine guuimirtc Glasplatte darüber legt und die
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H i' i n ri c Ii F r a u ■> «■ r g «• r:
der Feinheit des Stoffe.«*, der Grösse der Zeichnung und dein Vor-
sichtharen Formen der ZcMchimiijf mit Tinte nachzieht, worauf dies Chaos
auf Papier übertragen und unter Beachtung der oft unscheinbarsten
Anhaltspunkte mit Zuhülfenahme der auf dtir Rückseite dea Gewebes
erkenntlichen Linienführung aufgezeichnet wird. Von diesem dureli den
■geübten Zeichner Halen/ erlangten Krgcbniss Hess ich die Schrift Und
die beiden Vorder l'iisse des Löwen mehrmals copiren und sandte die
Copie an inehrere Gelehrte mit folgendem Begleitschreiben: „Der »reib
angelegte Tlieil der Schrift dürfte mit Ausnahme von Nebensächlichkeiten,
die sieh auf dem Original nicht feststellen lassen, genau gegeben sein.
Der auf einem anderen Stoffrest befindliche erste Theil der Schrift ist
so defect, das» sich nur Unit Bleistift! einige fragmentare Andeutungen
machen Hessen. Bezüglich des dazwischen liegenden freien Baumes lllsst
sich ebenfalls nicht mit Bestimmtheit ansehe», ob die Grösse desselben
ganz genau ist, wahrscheinlich werden ein oder zwei Buchstaben fehlen."
Schon wenige Tage nachher erhielt ich durch Vcrniittelung des Herrn
Geheimrath Prof. S c h a a I f h a u s e n nacltlolgciidcs Schreiben iles Herrn
Gchciinrath Prof. H. Uscner in Bonn: .Die byzantinische Gewebe
inschrift lüsst sich trotz einiger rngcnauigkciteti der Abschrift ohne F.in
sieht des Originals mit vollster Sicherheit lesen und ergranzen. Ich Setze
dieselbe her. wie sie gelautet haben muss, indem ich auf Nachbildung
der byzantinischen Schnörkel verzichte und die bis jetzt nicht gelesenen
Buchstaben durch Punkte .imleute <s. Textillustrationi. Kine genauere
Nachprüfung der Schrift spuren am Original wird die buchstäbliche Be-
stätigung geben. In der Nachbildung ist offenbar in der zweiten Zeile
der leere Kaum zu gross gelassen und die Anfangsbuchstaben etwas zu
weit nach links geschoben. Die Textschrift besagt: 'Eni Ku>vöt<iv(t{v)ou
Kai BaatAtiou tüiv tpiAoxpioTiuv oföwoTüiv d. h. ,,1'nter der Kegierung des
Konstantinos und Basileios, unserer allerchristlichsten Herren." Ks ist
ein wohl ganz einziger Glücksfall, dass sich ein alterthüinlicher Gewebe
rest mit Datirung vorgefunden hat und deswegen wird dieser Fund
vermuihlich für die Chronologie der mittelalterlichen Gewebekunst
grosse Wichtigkeit gewinnen. Hofft man, weil nach einer Doppelregierung
datirt wird, die Zeit des Gewehes in enge Grenzen geschlossen zu er
halten, so erfüllt sich freilich in diesem Falle die Hoffnung nicht. Die
gemeinsame Kegierung von Basileios II. und Konstantinos VIII. hat die
unerlaubte Dauer von etwa einem halben Jahrhundert: sie erstreckt sich
vom 11. Januar Ü7i; bis 15. Deceiubcr 1025. Zu besonderen Bemerkungen
linde ich keinen Anlass. Die Formel ist deutlich und gut. Auffallend
ist nur die Voranstcllung des um drei Jahre jüngeren Konstantin; «las
kann persönliche Gründe gehabt haben. Ks ist jetzt an den Forschern
der Gewcbegeschiclite, die hier festgestellte Thatsnehe zu verwerthen".
An dieser Stelle sei dem Herrn Geheimrath Prof. l'sener und den an-
deren Gelehrten, die spater ihre Lesungen mittheilien. der Dank für ihre
Mühe ausgesprochen!
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Der byzantinische Purpurstoff im Gewerbe Museum zu Düsseldorf. 229
handenscin der Inschrift darf wohl als bestimmt angenommen
werden, dass diese» Seidengewehe in der kaiserlielien Fahrik an-
gefertigt worden ist und es darf aueli angenommen werden, dass
der dargestellte Purpur der sog. kaiserliehe Purpur, der doppel-
gefärbte sei '). Ein anderer byzantinischer Stoff mit Reihen ein-
andergegenUber gestellter Pferde, den ich als Hülle von Gebeinen
des heil. Gregor in einer holländischen Kirche fand, hat in seinem
Purpur einen viel schwächeren Glau/, und eine viel geringere Tiefe.
Der Stoff giebt ein Heispiel für die Art. wie gegen Ausgang des
zebuten bezw. Anfang des elften Jahrhnnderts Thiergestalten fllr
Webereizwecke compouirt worden sind.
Während der Düsseldorfer Stoff zwischen 11. Januar (J76 and
15. December 1U25 gewebt wordi'ii sein muss, ist der Stoff im
Schreine der heil. Anno zu Siegburg zwischen April und August
931 gewebt worden*). Auch dieser Stoff hat auf purpurviolettem
Grunde (6) grosse Löwen in gelber Farbe paarweise stehend cin-
1) Trotz der vielen Abhandlungen über den Purpur <ler Alten
(s. Semper, Der Stil I S. 207) sind wir bi» jetzt noch nieht genügend
aufgeklärt, weil die Verfasser blos die lateinischen und griechischen
Cilnte als Untergrund für ihre Untersuchungen hatten. Dagegen sind
heute in der Te.xtilsammlung de« Gewerbeinuseums in Düsseldorf eine
grosse Anzahl von pnrpurgcfnrhtcn Stoffen in den verschiedensten Farb-
tönen im Original vorhanden, altagyptisehc Stoffe bis zur 19. Dynastie
hinaufreichend, viele spatrömischc und frühchristliche (siehe Katalog früh-
christlicher Textilfundo des Jahres 18W von Dr. F. B n c k, Verlag Central-
Ciewerbeverein Düsseldorf, Preis l Mark) und einige byzantinische Gewehe,
welche einem in den Sprachen der Alten bewanderten Chemiker eine
vorzügliche Unterlage zu einer Abhandlung „über den Purpur der Alten"
abgeben würden.
2) Nach den Mittheilungen des Herrn Sau vage, jetzt Pfarrer
zu Kelz bei Vettweiss, wurde auf Veranlassung des Herrn Prof. aus'm
Weerth der Schrein des hl. Anno am 2. Juni 1W12 geöffnet. Die Reli-
quien fanden sich in einem grossen Stück Seidenstoff von violetter Farbe
eingehüllt, auf welchem sechs grosse Löwen in gelber Farbe, paarweise
stehend, in kunstvoller Zeichnung eingewebt sind. Ebenfalls gewebt ist
die Inschrift: 'Eni 'PiupavoO teal Xp«rro<pifipot>, tü»v tpiXoxpioTujv btöirorüjv.
Nach vorgenommener Zeichnung (s. K. aus'm Weerth, Kunstdenkmnler
des christl. MA. in den Kheinlanden P>. III p. 23 N. HD wurde der kostbare
Stoff auf eine Rolle gewickelt und wieder in den Schrein deponirt. Herr
Geheimrath Prof. Usener um «las Alter befragt, schreibt: „Ihre Frage
über Kaiser Romanos und Christophoros kann ich dahin beantworten,
dass bald nachdem Romanos zum Kaiser gekrönt war il". Dec. 920) sein
Heinrich F r » 11 b c r g c r :
gewebt. Wie au* kleineu Fragmenten von Pausen im kgl. Kunst-
gewerbemuseum in Herlin hervorgeht , ist die Komposition der
Mähne eine wesentlich andere ' i. Der Unterschied in der Kompo-
sition würde durch einen Vergleich der beiden Originalien manche*
interessante Ergebniss zu Tage fördern; aller Wahrscheinlichkeit
nach durfte der Purpur derselbe sein und sieh ein zweites Beispiel
fUr die purpura dibapha (imperialis) ergeben. In eine gleiche
Zeit dürfte der Löwenstoff zu Autun falleu, sofern derselbe Uber-
Sohn Ohristophoros zum Kaiser ernannt (April 92h uimI gekrönt wurde
(20. Mai '.»21). Ohristophoros starb im August 031. Der Vater Romanos
überlebte den Sohn; er wurde abgesetzt und verbannt um Mille Dc-
ceiaber 911."
1) An zwei Löwenköpfen des Düsseldorfer Stoffes ist der Beginn
der Umrisslinien des Kammes auf eine allerdings nur kurze Kntlcrnung
vorhanden und zeigt vom Ohr ausgehend zwei kurz»' Rogen und im
weitereu Verlauf die durch die Form des Kammes bedingte schlanke
Kriimniung. Die erwähnten Thcilc sind allerdings zu kurz und defeet,
um sichere Anhaltspunkte zu bieten. In unserer Annahme von der über-
wiegenden Wahrscheinlichkeit einer glatten Aussciikante wurden wir
vielmehr bestärkt durch die Form des annähernd der gleichen Zeit an-
gehörigen Maust lichter Löwen, welcher dem in Rede stehenden sehr ähn-
lich ist. Die bogenförmige Ausscnkantc, welche die uns übermittelte
Pause de* Siegburger Löwen zeigt, ist dort mit Notwendigkeit durch
das Flechtwerk der Mahne bedingt und dürfte in diesem Falle, kaum am
Platze sein, wenigstens bietet hierzu die Stilisirung der Mähne keinen Vor-
wand. Zugleich mag auch bemerkt sein, dass die auf dorn Original hiervon
vorhandenen Reste leider nicht mit Deutlichkeit erkennen lassen, ob die durch
den vertical und schräg aufsteigenden Streifen gebildeten yuerkolonnen in
genau horizontaler Richtung gedacht waren oder ob eine Neigung der-
selben nach einer Seite hin beabsichtigt war. Wir nehmen an, dass hei
der gewohnheitsmässigeu möglichst streng symmetrischen Durchführung
aller Formen in dieser Zeitperiode die quer laufenden Abstünde ge-
nau wagerecht gedacht waren, wie diese auch auf der Zeichnung durch-
geführt sind und die auf dem Original wahrnehmbaren Senktingen als
die Folge der UngleichmHssigkeit der Weberei zu betrachten sind. Die
auf gleiche Weise ausgefüllte büschelartige Kndigung des Schweifes ist
jedoch auf dem Original gut erhalten und zeigt nach der Mitte zu eine
bogenförmige Senkung, welche, hier anscheinend auch beabsichtigt war
und eine Kiubus.se im ästhetischen Sinne hierdurch nicht erzeugt. Be-
dauerlicherweise ist auch die untere Gesichtspartie auf dem Original
total unkenntlich und erfolgte die Reconstruction derselben tmter Zu-
hülfenahme der Photographie des Maastrichter Löwen.
Der byzantinische Purpurstoff im Ge» erhe-Museum zu Düsseldorf. 2:11
hanpt noch vorhanden ist1»; und rhu.' verwandte Komposition, wenn
aneh technisch verschieden und ohne Inschrift, zeigt der Löwen-
stnff aus dem Sehreine de« heil. Servatius in Maastricht *>. Der
Aachener Stoff hat Elcphanten dargestellt und eine verschnörkelte
Inschrift unten am Rande, etwa- aus der Zeit von 12503).
Nach der Bilderschritt stellt der Löwe den Heiland, den
Löwen am Stamme Judas vor, woraus hervorgeht, dass Stoffe mit
Löwendarstellungen auch für kirchliche Zwecke sehr helieht waren.
Sie Huden sich darum oft in den Reliquienbehültem unserer Dome
und Klosterkirchen als Reste einer längstvcrgnngenen Zeit, in der
auch die rheinischen Bisehöfe, wenn sie nach Rom reisten, dort
kostbare Stoffe erwarben und nach Deutschland brachten. Dass
man ein Verlangen hatte, den kaiserliehen Purpur zu besitzen, ist
ebenso begreiflich, als es wahrscheinlich ist, dass man ihn von
Byzanz Aber« Meer nach Amalfi und Rom zn schmuggeln verstand,
oder aber im 10. Jahrhundert bereits wieder ausfuhren durfte.
1) In der Geschichte der Krzbisehöfe von Autu» wird im Kapitel 4-1
„de Gualdrice A. C. 918—93.1" gesagt : „i|Uoniam auteiii in eade.in aula
Dei erat pretiosissiinum pallium cum leonum iuiagitiihu», in quo erat
scriptum inter leone* graecis literis XP»J™<; oealcoTns n<>n dostitit priu.s
quam aliud etusdem similitudinis |iallium in venit etc. (s. Dr. Bock, Ge-
schichte der liturgischen Gewänder I S. H>). Oh die Slcphatiskirchc in
Autun den Stoff noch besitzt, ist sehr fraglieh. Ks wäre aber, falls er
noch vorhanden ist, der Untersuchung werth, nl> die griechische Inschrift
wirklich so gelautet hat, oder nur das letzte Fragment einer Inschrift
wie auf dein .Siegburger Stoff war und willkührlich umgeändert wurde.
2) An diesem sind die Thiere wesentlich kleiner, aber in der Form
sehr verwandt den Düsseldorfer Löwen.
3) Die Inschrift ist in Melanges d' Archäologie par N. Cahier e(
A. Martin II, pl. 11 abgebildet und besagt, das» der Piu-pui-stoff, welcher
Elephanteu darstellt, auf Befehl des Oberstet) und Bewacher des kaiserl.
Schlafgemaches Michael, zur Zeit als l'etrus die Fabrik leitete, angefertigt
worden sei. Aus der Form der Inschrif't glauben Palangl aphen, wie Prof.
Vi et or G a rd t h a u se n in Leipzig und Prof. Ilsen er in Bonn annehmen zu
»ollen, dass der Stoff im dreizehnten Jahrhundert gewebt worden sein
dürfte. Ks ist kaum zu hoffen, dass sich jemals feststellen liisst, in
welchen Jahren Michael Oberstkäinnierer und Petrus Dircclor der itrari-
sehen Gewandfabrik in ßyzanz, um die es sich auch bei diesem kost-
baren Seidenstoff handelt, gewesen ist. Xahcrcs hierüber samint Abbil-
dung in Farbendruck dürfte ein Artikel des Herrn Dr. Franz Bock
im lieft 12 de» Jahrganges 1S!>.'1 der Zeitschrift des Kunstgewerbe- Vereins
in München bringen.
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'2:l'2 Hein rieh l'raubi'rgcr: Der byzantinische Purpunitoff etc.
Heaehtenswerth ist auch, das« bisher solche Inschriften, welche
auf die regierenden Kaiser hinweisen, nur ätinscrut selten und immer
nur hei Stoffen mit grossen Mustern vorkommen. Diese pross-
^eniustertcn Stoffe scheinen im Auftrage der Kaiser als Geschenke
zu HcliUn^cn lllr Kirchen geweht • wordeu zu sein. Uuil dass sie
sieh zur Herstellung solcher Wcthpwchcnke der ärarisehen Gewand
fahrik bedienten, ist mehr als wahrscheinlich, durch die Inschrift
am Elcphantenstoff in Aachen sichergestellt.
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II. Litterat ur.
1 . Wilhelm V o <• g e , Kino d c u t s r h r M a I c r s c h u I »• um d i e
W e Ii (1 e (I e s «ts t e H .1 a h r t a iisciuls. K r i t i s c h e .Studien
zur Geschieht e <l er Malerei i n F> e u tsrlil« n d i in 10.
und 11. Jahrhundert. <M> S.. mit 4« Ahl». Trier, Liutzsehe
Buchhandlung 1801 I Hrgäuzungshett VII zur Westdeutschen Zeit
schritt für Geschichte und Kunst f.
Von den grossen Puhlikationen von Bildcrhaudschrit'ten, die im
Laufe der letzten beiden Jahrzehnte auf deutschem Hoden entstanden
sind, bezeichnet «'ine jede einen merklichen Fortschritt sowohl in der Aus-
bildung der Methode wie in Bezug auf den Umfang des bewältigten
Materiales.
Die erste dieser Untersuchungen, die für ihre Zeit klassische Be-
arbeitung des Psaltereum aurcum von 8t. Gullen durch .1. Ii. lt a h u setzte
zu einer Zeit ein, als die Kngliinder und Franzosen schon seit einer Ge-
neration mit umfassenden und glänzenden Puhlikationen hervorgetreten
waren, die meist eine «ranze Gruppe gleichartiger Handschriften durch
ausgewählte, mit allen Mitteln der vervollkommneten Technik wieder-
gegebene Proben illustrirten. Den technischen Höhepunkt dieser Art
der Veröffentlichung erreichten hier die Bastard schen, dort die West-
wood'schen Blatter. Wahrend in den folgenden Jahren von den dem
Ausgange des Mittelalters Angehörigen Handschriften in Deutschland eiue
ganze Reihe durch würdige Publikationen bekannt gemacht wurden —
ich nenne nur die Sachsenspiegel, die Knmfahrt Kaiser Heinrichs VII.,
die Chronik Ulrich von Bichentais, das Wappenhuch Konrads von Grüncn-
berg — dauerte, es geraume Zeit, bis die Periode des frühen Mittelalters
wieder mit weiteren Veröffentlichungen bedacht wurde. Die einzelnen
Etappen auf diesem Wege bezeichnen vier grössere Arbeiten, die in
Thema und Methode die Typen für vier Gruppen darstellen. Zuerst die
Publikation des Kgbertcodex durch Fr. X. Kraus, die für eine einzelne
Handschrift in mustergültiger Form die Zusammenstellung der gesammten
Litterarur und eine eingehende Analyse und Beschreibung der einzelnen
234
Paul Clemen:
Scenen hol Sodann A. von ( > c c Ii c I Ii ä n s e r s K'lilion der Heidel-
berger Bildcrhaudschriftcn, die ••ine Addition sorgfältiger, aber nalur-
gcmäss unter einander nicht zusammenhangender Kinzcluutcrsuchungcu
nach der von Kraus gewühlten Methode darstellte.
An dritter Stelle cli»* in wahrhaft monumentalem (icwandc von der
Gesellschaft für rheinische Gcschichtskuudc unternommene Publikation
der Trierer Adahaudschrift, durch das Zusammenarbeiten einer ganzen
Heihe von Gelehrten entstanden, in der H. J a u i t s e Ii e k mit glänzen-
dem Scharfsinn aus den Trümmern des weithin versprengten Material*
die Rekonstruktion der grossen Hof- und Klostcrschreibschulen de« karo-
lingischen Reiches unteniahin und damit, von einem einzigen Codex aus-
gehend, ein Gesainmtbild der ganzen gleichzeitigen Produktion aufrollte.
Heu A hsch lu ss uiifl Gipfelpunkt dieser Kntwicklung bezeichnet vorläufig
die uns vorliegende umfangreiche Arbeit Wilhelm Voege's, der nur
eine einzige Malerschule der ottonischen Kunstaera hehamlelt, diese
aber mit ausserordentlicher Matcrialkcnutniss und mit völliger Kr-
Schöpfung aller Fragen, die innerhalb des begrenzten Stoflkreiscs über-
haupt gestellt werden konnten.
Zunächst einige Worte über das herangezogene, und behandelte
Materini. Im Vordergrunde stehen die grossen viclhewundcrten Pracht-
handschriften der sächsischen Kaiser, die zum Theil noch in Hamberg,
zum Theil in München aufbewahrt werden, das Kvangcliar Ottos III..
Cod. Cimet. 5« zu München, das Kvangelistariuin Heinrichs II., Cod.
Cimet. 57 zu München, das Kvangcliar Cod. Cimel. 59 und das Kvangeli-
star Cod. lat. 2:J.W zu München, Cod. A. I. 47 (hohes Lied und Daniel),
A. II. 42 (Apokalypse» zu Bamberg, der Hillinuscodex (Cod. XII) und der
Limburger Codex (Cod. CCXVIII. der Kolner Dombibliothek, Cod. K4. 5.
Aug. zu Wolfeiibüttel i Kvangelistari, Cod. mbr. I*. 1. 1!» der Beverinschen
Bild, zu Büdesheim lOrationale), Cod. lat. lWK)ö der Bihl. nat. zu Paris
(Sakramentar), Cod. Centur. IV. ». der Stadtbild, zu Nürnberg (Kvangc-
liar), Cod. M. p. th. 1° ft der Uni vei sitätsbibl. zu Würzburg (Lektiona-
rium), Cod. sect. XXI» :17 der Kgl. Sammlungi'ii zu Hannover (Kvangcliar),
Cod. -I. 2. zu Maihingen (Benediktionalc), Cod. XIV. H4 der Barbeiina
( Kvangcliar J, Cod. 8 des Berliner Kupferstichkabinets ( Kvangcliar), ausser-
dem der Ottonencodex zu Aachen und die Iis. der Bibliotheca Queriniana
zu Brescia , beide bereits ganz puhlicirt , der erste durch Step Ii a n
B e i s s e I, die zweite durch A u d r e a V a I e n t i u i. •
Zu bedauern ist nur, dass das Ansfriedevangeliar des erzbischöf-
lichen Museums zu Utrecht, «las. zumal in seinen merkwürdigen Kvange-
listeubildei-n, die engste Verwandtschalt mit Cod. Cimel. fiH zu München
zeigt, nicht berücksichtigt werden konnte: es ist neuerdings - ebenso
wie die von Vo e ge S. 151 nur kurz erwähnte Hs. des Kupfei stichcabinets
zu Berlin - ausführlich beschrieben worden in St. Betssels letzter Ver
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Wilhelm Voege, Eine deutsche Malerschulc etc.
236
öfTentlichung über «las Evangelienbuch des hl. Beinward zu Hildcshcim;
Photographien nach der 11«. hat schon vor Jahren der hochverdiente
Kenner und Sammler Mynheer van Henkel um zu Julfnas hei Utrecht
anfertigen lassen.
Die «ranze Schulproduktion au einem Orte, womöglich in der Schreib-
stube eines Klosters zu lnkalisircn, war bei dem Charakter de« vorliegen-
den Material«« unmöglich. Eine Reihe von Anzeichen weisen auf Köln,
wo die eine der behandelten Handschriften, eben der llillinuscodex, ent-
stand. Doch zeigt der Name des einen Schreibers (Purchardus) eine
entschieden oberdeutsche Form. Eh ist nicht ausgeschlossen, das« die
meisten dieser für die Sachseukaiser gefertigten Handschriften auch auf
altem «achsischen Kulturboden, in den Klöstern in und um Hildesheitn
und Magdeburg, für die eine reiche Produktion bezeugt ist, entstanden.
Auf eine nahe Verbindung des ersten Kunstcentrum« mit dem Rhciulandc
weist beispielsweise- der Umstand, das« das ottonische Evangeliar des
Domschatzes zu Eissen eine enge stilististische Verwandtschaft mit Cod.
33 de« Domschatzes zu Hildesheim aufzeigt; eine Magdeburger Ottoncn-
handschrift enthalt noch jetzt die Bibliothek des dortigen Domgvmnasiums
(Cod. 275). Auf der anderen Seite zeigen die Bilderhandschriften, die
neben dem llillinuscodex als in Köln entstanden bezeugt sind, in der
Kölner Stadtbibliothek, in Stuttgart, vor allem auch das Sakramentar von
St. Gereon in Paris (Cod. lat. H17 der Bibl. nat.) von der von Voege
behandelten Gruppe durchaus abweichende Züge.
Was der vorliegenden Arbeit ihre für die geschichtliche Behand-
lung der Bilderhandschriften und der frühmittelalterlichen Malerei Uber-
haupt epochemachende Stellung einräumt, liegt in der Verfeinerung und
Zuspitzung der Methode, in der Uebertragung der langst für die aus-
gebildete Zeit und die Perioden der entwickelteren Kunst geltenden Ge-
sichtspunkte auf die primitiven Kunstzweige und in der Ausbildung einer
eigenen Kennerschaft auch für diese Frühkunst als des wichtigsten Rüst-
zeuges für die Forschung. Der Verfasser giebt in der Tliat in seiner
Arbeit zugleich ein Hand- und Lehrbuch zum Erwerb dieser Kennerschaft.
Eine ganz neue Art zu sehen, neu eben für diese frühe Periode, die all-
zulange lediglich von ikonographischen Gesichtspunkten aus betrachtet
wurde, bildet sich hier heraus, zum ersten Male werden im vollen Um-
fange an diese frühen Schöpfungen die Fragen einer künstlerischen
Kritik gestellt, die Fragen nach der künstlerischen Konecptinn und Kom-
position, nach dem Maasse der Ueberlegung hei der Verwendung alter,
Umwerthung anderswo gebrauchter und Einführung neuer Motive, dem
Grade der Lebendigkeit in Charakteristik und Ausdruck. Am deut-
lichsten treten diese Vorzüge der Arbeit zu Tage in der ersten Vor-
studie, wo der Verfasser, scharfäugig und feinsinnig zugleich, die Hand-
schriften Ottos III. zu Aachen und München mit den Kunstwerken der
236
Paul C I c m e n :
Reichenau vergleicht und in einer glänzenden Analyse (Inn Verhältnis*
der Aachener Handschrift /.um Fghertcodex auseinandersetzt, und dann i)i
der Gesairiintchnrakterislik, «litt nach der genauen Durehverglcichung der
rinzrlncu biblischen Scenrn dir umfassendste Darstellung des Gemein-
schaftlichen in der Produktion und die eingehendste Antwort auf die
Fragen nach der Bedeutung der ludividm-ii und da« Nrheuciuandcr
disparater Vorbilder bietet, dir überhaupt lür diese Gattung von Kunst
werkt' n gegeben wrrdrn kann.
Dirsr Charaktvriotik bildet das eigentliche Thcnia. in ibr liegt zu
gleich der Schwerpunkt der ganzen Arbeit. Dir Herrschaft der ikono-
graphischcn Typen, ihre Provenienz, Ut'herlieferung und Abwandlung
werden genau untersucht, die textlichen Quellen sichergestellt, das Ver-
hältnis* zum Texte auseinandergesetzt. Die byzantinische Frage, die
durch Springer — viel zu früh — zu den Todten geworfen wurde,
wird hier für die Malerei aufs Neue formulirt. Da« Missale Heinrichs II. zeigt
in der That unleugbar byzantinischen Einfluss — dir Handschrift zeigt
dazu eine so ausgebildete, fast raflinirte Technik, dass sie unmöglich als
Einzelerscheinung, sondern nur als Glied einer langgeübten Tradition be-
griffen werden kann, lieber den Weg, den die byzantinischen Vorbilder
eingeschlagen, werden wahrscheinlich die Untersuchungen Strzygowskis
weiteres Licht verbreiten. Die letzten beiden Publikationen über die
byzantinische Kunst, S t r z y g o w s k i s verdienstvolle Bearbeitung des
Etschmiadzinevangcliars, dir eine ganze Serie, byzantinischer Denkmaler-
publikationen einleiten «oll, und Heinrich Brockhau s ausgezeich-
netes Buch über die Kunst in den Athosklüstern, die von Voege nicht
mehr benutzt werden konnten, bieten weiteres Material, irritiren aber in
keinem wesentlichen Punkte die Vorgesehen Resultate. Wie in der
Malerei, so muss die Krage auch für dir Goldschmiedekunst und dir da-
mit zusammenhängenden Techniken, namentlich «las Email, aufs Neue
erhoben werden. Charles de Linas hat für die verroterie cloisonnee
in seinem dreibändigen Hauptwerk den Orient als Ursprungsland nach-
zuweisen sich bemüht, die Untersuchungen von S c h u I z über den by-
zantinischen Ze.llenschme.lz, die Publikation der Sammlung Swrnigorods-
k o i haben neues und reiches Material für die Beantwortung der Frage
nach der Entstehung des deutschen Emails geliefert. Dir durch Georg
Hiimmn vorbereitete grosse Publikation des Essener Münsterschatzes
würde die beste Gelegenheit zur Weiterführung dieser Fragen bieten.
Allem Anschein nach werden wir auf dir seinerzeit von aus'm Weerth
im .Siegeskreuz des Kaisers Konstantin VII.- autgestellten Thesen zurück
kommen. Und auch für die Architektur ist dir Frage durchaus nicht
abgeschlossen. Wenn auch der syrische Kinfluss, den Viollet-Ie-
Duc von de Vogui1 entlehnte und mit Begeisterung in den spittern
Bünden seines Dictionnaire vortrug, endgültig abgelehnt ist, so ist doch
Wilhelm Voege. Eine deutsche Malerschule etc.
2.17
der byzantinische Ursprung der a»|Uitnnischcn Kuppelkirchen, der von
du Verneilh behauptet worden und durch Jahrzehnte als Dogma
galt, trotz der Hinwendungen Kame's, Sa int -Pauls und vor allein der
klaren und durchsichtigen, von den Franzosen nnr noch nieht genügend
beachteten Ausführungen Dchios durchaus nieht völlig widerlegt: Die
These wird neuerdings von der jüngeren Archiinlogcuschule Frankreichs
mit Vorsieht wieder aufgestellt.
Der Charakteristik der ikonographisehen Richtung schliesst Voege
eine Charakteristik des Mntivensehatz.es der Sehule an, die die GchJinlcn
und Bewegungen, die Kopttypen, die Gewandung, die landschaftlichen
Motive, die Architektur, die Ornamentik und Bild und Ornamentik in
ihrem Zusammenhange zum Thema haben. In der Analyse der Geberden
und Geberdensprache zeigt sich die glitnzende Beobachtungsgabe des
Verfassers auf ihrem Höhepunkte. Die Untersuchung wiiehst hier aus
zur Materialiensammluug für eine Psychologie des 10. Jahrhunderts auf
physiologischer Grundlage. Gerade hier wird das geringe persönliche
Verhältnis* der Kunst des 10. Jahrhunderts zur Natur in die schärfste
Beleuchtung gerückt, in der Variirung der einfachen Grundmotive. ihrer
Uebertragung auf eine Ueihe verwandter seelischer Vorgänge, ihrer Ver-
bindung, zuletzt ihrer weitereu Verbreitung, nachdem sie ans dem alten
Zusammenhang«' ausgelöst, des alten Sinnes entkleidet sind, und als rein
künstlerische Motive hier und dort verwandt werden.
Ks braucht kaum hervorgehoben zu werden . welche Fülle an
Material und Beobachtung in den Abschnitten über Gewandung, Land-
schaft und Architektur für die Geschichte der frühmittelalterlichen Privat-
alterlhumur, der Kulturbotanik, niedergelegt ist. Nur auf die exenrsartig
den einzelnen Handschriltenhcsehreibungcn angehängten Dctuilunicr-
suchnngen möchte ich aufmerksam machen, die mit erstaunlicher Littcralur-
keuutniss und dem Aufwand eines fast nervösen kritischen Scharfsinnes
eine ganze Reihe von nicht unwichtigen Fragen ganz en passant beant-
worten, vor allem die nach den Dedikatinnshildorn der Ottonischen Hand-
schriften und nach den Klfenbeintafeln der Einbände.
In der Einleitung und im Scblussrcsume sind von Voege selbst
die leitenden Gesichtspunkte und die Hauptresnltate zusamincugcfassi
worden. Als ihr wichtigstes, das von entscheidender Bedeutung für die
Behandlung frühmittelalterlicher Bilderhandschriftenfolgen, wie für die
Auffassung des klösterlichen Kunstlebens ist, tritt das eine hervor, dass
innerhalb der Schule ein unmittelbares Verhältnis* zwischen Handschrift
und Handschrift überhaupt nicht besteht, dass — wozu das Vorbild philo-
logischer Handsc hriftentintersuchungcu leicht verleiten könnte — eine
Genealogie der Codices mit Nichten aulgestellt werden kann, dass ein
der Fortpflanzung der ITcherlicferuug dienendes Vorbilder und Skizzen-
material zu Grunde lag, mit einem Worte: dass es Miilcrhttchcr gab.
238
P n u I C 1 e in e n :
Dieser Salz darf selbstverständlich nicht \ erallgemcinert und glcichuiassig
auf alle frühmittelalterlichen Hamlschrilteugruppcn angewandt wenlcn.
Kur die grossen profanen lllustratioiiscyklcn, mit denen eine Reihe der
bekanntesten frühen rntcrhaltungs- und Belehrungsbücher ausgestattet
wurden, liKst sich das Gegentheil nachweisen, hier sind in der That,
wenn auch nicht ein einziger, so «loch mehrere HandschriftenstammbJtuinc
innerhalh einer Gruppe zu koiistatircn, hier können Genealogien auf-
gestcllt werden, hier wurde eine Handschrift von der anderen mit ihren
Bildern kopirt. Das gilt zumal von den drei Gruppen der Handschriften
lies Terentius, des Aralus, des l'rmlcutius. Die letztere durch die An-
zahl der Handschriften wie durch die ikonographischeu Resultate für die
Kunstgeschichte werthvollste Gruppe ist durch Richard Stettiner ein-
gehend untersucht worden: die versprochene Publikation haben wir seit
drei Jahren vergeblich erwartet. Für diese profanen Handschriften lilsst
sich auch für die Folgezeit eine ähnliche Herstellungsart, eine direkte
Ableitung von einander behaupten: für den walschcn Gast ist dies mit
Krfolg durch v. O e c h e I h ii u s e r geschehen. Auch für einige mit
Federzeichnungen illttstrirtc biblische Handschriften des frühen Mittel-
alters lassen sich thatsilrhlich direkte Ableitungen nachweisen, so für die
ähnlich wie die drei genannten Gruppen hamlwcrksmassig illustrirteu
Handschriften »1er Apokalypse: die der Frühzeit der karolingischen
Kunstaera Angehörigen Cod. C. 31 zu Trier und Cod. 3HB zu Cainbrai
decken sich in einzelnen Bildern vollständig — hier zeigt schon die sichere
und kraftige braune Linienführung, die weit verschieden ist von den
feinen skiz/.irenden, suchenden und tast«mden rotheu Entwürfen, die den
ottouischeu Praehthandschriften zu Grunde liegen, dass dem Kunstler
sein Vorbild vollständig vorlag. Wenn man zum Schlüsse etwas aus-
setzen darf, so ist es das Fehlen genügender Sach- und Orksrt'gister (für
die Handschriften etc.), die bei der Fülle nebensächlicher Bemerkungen
und Beobachtungen unbedingt nöthig waren — nur über die neu-
testanientlichen Sceneubilder ist ein solches gegeben und — auf die
Gefahr hin, als kleinlicher Merker zu erscheinen — der zuweilen allzu
barock verrenkte, von Pointen starrende schwere Stil: denn die Lektüre
ist nicht leicht, meiner Treu.
Die Drucklegung und Illustrirung der Voe gesehen Arbeit durch
eine grössere Zahl nach eigenen photographischen Aufnahmen des Ver-
fassers gefertigt«' Cliches wurde durch die bewlihrte Muniticenz des ersteu
unter den rheinischen Maeenen, des Herrn Geheiinraths Dr. von Mevissen
ermöglicht. In einem Kxcnrs findet sich das Material zur Geschichte
<lei* Kchternacher Malerschule zusammengestellt, deren intensive Bearbei-
tung der Verfasser zunächst ins Auge gefasst hat. Der Schule gehören
ausser «lein Kchternaeher Codex, von dem grössere Proben zuerst durch
Lamprecht in dieser Zeitschrift mitgetheilt wurden (Heft LXXt. eine
Wilhelm Voegc, Eine deutsche Malerschule etc.
239
ganze Reihe dor bedeutendsten und, merkwürdigsten Bilderhandsehriften
des 10. und II. Jh. au, die sämintlich mit Ausnahme des Codex aureus
im Eseurial leieht erreichbar sind. Ks ist dringend zu wünschen, dass
dein Bearbeiter die Mittel zur Verfügung gestellt werden zur Herstellung
einer würdigen Publikation, deren vorueliine Ausstattung dem Indien
künstlerischen und wissenschaftlichen Wert he der behandelten Ob jekte
entsprechen würde. Die Bearbeitung dieser Gruppe durch Voege
würde den grossen Vorzug1 haben, dass hier die palaographischen und
textliehen Untersuchungen, die. dein Charakter des Materiales angemessen,
hier von weit geringerer Bedeutting sind, von dem gleichen Gelehrten
wie die eigentlich kunsthistorischen Forschungen unternommen werden
könnten, was gegenüber der Bearbeitung der Adnhandsehrift ein ein-
dringlicheres lncinanderai boiten und Verweben der einzelnen Forschuugs-
residtate ermöglichen würde. Die ganze Publikation würde sich der
Herausgabe der Adahandschrit't in der würdigsten Weise anschliessen
und wie jene den einstimmigen und lautesten Dank aller Fachgenossen
herausfordern.
Aus dem ungeheuren in den Bildcrhnndschriften aufgespeicherten
Materiale treten, nachdem die Untersuchungen über karolingische Hand
schrirten im Wesentlichen abgeschlossen sind, zwei Gattungen von Gruppen
hervor, deren Bearbeitung allmählich für unsere Discipliu zu einem
dringenden Bedürfnis» wenlen wird. Auf der einen Seite die aus ikono-
graphischen Gesichtspunkten gebildeten, unter ihnen vor allem vier: zu-
erst die aus dem klassischen Alterthum stammenden schon oben er-
wähnten profanen lüustrationscyklen, dann die Apokalpyscn, die Hechts-
liaiidschriften und die Illustrationen der deutschen Epen und Lieder-
sammlungen. Auf der anderen Seite die ihrem eigentlichen geschicht-
lichen Zusammenhange nach sich ergehenden, unter denen wieder vier
im Vordergrunde des Interesses stehen. Zuerst die der altchristlichen
Tradition am nächsten stehenden frühesten biblischen Handschriften zu
Wien, Florenz, Berlin, Paris, Cambridge, von denen nur der Ashburn-
hampentateuch eine ausreichende Publikation erfahren hat, wahrend die
G ar rucc i'schen Wiedergaben für Stilvergleichung durchaus ungenügend
sind. Sodann die den Echtcmacher Codex umschliesscndc Gruppe, die
nach Erledigung der Bainberg-Münchcner Gruppe weitaus die bedeutendste
der Zeit ist. An dritter Stelle die Federzeichnungen des 12. und PI. Jh.,
von denen nur zwei Hauptgruppen, die Zwiefaltener und die Scheyerner,
bisher herangezogen worden, während die dritte. Hirsauer mit ihren
ikonographisch höchst merkwürdigen Handschriften zu Troycs, London,
Köln, München, Arras, bisher überhaupt keine Beachtung gefunden hat.
Endlich die grosse und für die Kultur- wie die Kunstgeschichte gleich
wichtige Gruppe der süddeutschen Bilderchroniken, mit den beiden Haupt-
240 Nord Ii oft: Soest, seine AltcrthUmcr und Sehenswürdigkeiten.
sitzen Cnnstnnz und Zürich-Bern-Luzcrn. Hoffen wir, dass die Publi-
kation der Kchternncher Codices Iiier den Anfang mache.
l'aul C I c in e n.
2. Soest, Heine Alterthümcr und Sehenswürdigkeiten. Mit Abbildungen
und Stadtplan. Soest, Druck und Verlag der Nasse'schen Buch-
druckerci (1H!)0). 121 S.
Dies Buch gilt, wie allbekannt, einem sehr ergiebigen und noch
heute mit Denkmälern des Alterthums und aller Kunst reich gesegneten
Boden. Ks bereitet in einer verhältnissmilssig (bis S. iii>: weilen l'cber-
sicht der Stadtgescliichte auf den im Titel angezeigten Haupttheil vor.
Dort kommen schon die städtischen und profanen Gegenstände, hier «He
Kirchen und Kapellen (auch die Synagoge, und das Archiv) sowie ihre
Bild und Kleinwerke zur Besprechung und mit Auswahl zur Abbildung.
Man verweilt bei den Illustrationen um so lieber, als mehrere von Denk-
uililem beigebracht sind, von denen man bildliche Darstellungen noch
entbehrte oder von denen mau heute leider Xichts mehr sieht. Welche
Bcwandniss es dagegen mit dem Texte hat, l.'lsst sich daraus entnehmen,
dass dafür von der vcrhJlltiiissmassig sehr umfassenden Litterntur, w orin
sich die Forschung langst des gross artigen Kunstlebeiis von Altsoest an-
nahm, ein nur zu beschrankter Gebrauch gemacht ist. Soll das I nter-
nehmeii „das Interesse für mittelalterliche Kunst heben und die vielen
Soester Kunstdenkmliler und Kunstschatzc dem allgemeinen Verständ-
nisse naher bringen", so werden vorab die Ergebnisse, zu verwerthen
sein, welche bis jetzt, abgesehen von der allgemeinen Litteratur, über
Soester Kunstwerke, Kunstübung und Künstler in Zeitschriften vorliegen.
Schon eine Ausbeute der im (Kcgislci-illett SM dieser Jahrbücher S. 2.JG s. v.
Soest gegebenen Verweise verspricht manche Beitrüge und führt leicht
auf Weiteres, was benutzt werdet« kann und soll. X.
.'{. (t. I' a Uli, Di e 1t e n a i s s a n c e b a u t e u B r e m e n s. Im Zu-
samimnlinngc mit der Kenaissauce in Xordwestdeutschland. Leip-
zig. Verlag von K. A. Seemann ISttO t.Bciträge zur Kunstgeschichte
Xeue Folge XI).
Xachdem in letzter Zeit die romanischen und gnthischen Baudenk-
miller der altbcrülimlen Hansestadt Bremen mehrfach das Augenmerk
der örtlichen oder landschaftlichen Forschung erregt hatten, unterzog
neusthin (1. Pauli auch ihre vielen und schönen lleiiaissancebauten einer
eingehenden Untersuchung und brachte mit denselben noch in Formen
und Stilwnudlnngen gleichartige Kuiisterscheinungeu Xnrddcntsc hlauds
und der Niederlande (Friesbindi in Vergleich. Dabei wurden decorative
und kleinere liclclmngsniiltel < 'artouclien, Bandwerk) nicht minder, wie
Nordhoff: G. Pauli, Die Renaissancebauton Bremens. 241
Structurglieder und nebenher auch etwaige. Musterbücher und Vorlagen,
welche ja zuerst nachhaltig in die Formcnwelt der Renaissance eingriffen,
berücksichtigt, stellenweise auch kulturgeschichtliche Umstünde und die
Meister angegeben. Kurzum, es geht vor uns ein an monumentalen
und decorativen DenkmUlcrn reiches Kunstleben innerhalb und ausser-
halb Bremens auf, im Einzelnen verwandtschaftlich oder örtlich gruppirt,
dann und wann durch eine Illustration erlltutert, dies Werk ausführlich
behandelt, jenes blos eingereiht. Niemand wird der Arbeit Verdienste
absprechen, zumal da manche Denktnttler noch der Oeffentlichkeit vor-
enthalten, andere der historischen Einreihung noch entgangen waren.
Der Titel konnte die Beziehungen zur auswJtrtigen Kunstthiltigkeit
„im Zusammenhange mit der Renaissance Nordwestdeutschlands'' allerdings
treffender geben, als geschehen ist. Das Rheinland spielt gar nicht hinein
und wenn auch dafür der Ausblick nach den Niederlanden und nach
Niedersachsen einen gewissen Ersatz bietet, so hat Westfalen fast ledig-
lich mit der NordhHlftc und auch diese nur mit ausgewählten Monumenten
an der Untersuchung Antheil. So ist der Ausdruck das eine Mal zu eng,
das andere Mal zu breit bemessen, nichts aber führt Laien und Forscher,
welchen eine Schrift nicht vorliegt, so sicher über deren Inhalt irre, als
wenn der Titel mehr, oder, was seltener zu bemerken, weniger verspricht,
als die Schritt leistet.
Jedenfalls war eine Aeusserung sowohl über die Grundsätze, wo-
nach sich die Umschau auf auswärtige Bau- und KuiistplUtzc vollzog,
wie über das Maass, worin diese beachtet sind, angebracht, vielleicht un-
erlilsslich.
Die stufenweise Entwickelung des Stiles, sein Fort- und (spiltes)
Ableben, die Gruppirung der Schlossbauteu nach den verschiedenen
Grundrissen, die bezüglich der Zeitkultur so beredte Baudichtigkeit
und Anderes lllsst sich am Ersten übersehen und am Besten beurtheilen,
je vollständiger die einschlilgigen — auch die minderwerthigen — Denk-
mäler vorgeführt und beschrieben werden. Leider sind von Pauli viele
Werk« übersehen, hier prachtvolle (Schlüssel), dort solche, welche noch
mit einem Fnsse in der SpUtgothik stehen, anderwärts mehrere, welche erst
nach dein westfälischen Frieden erstanden : z. B.') die Rathhliuser zu Lingen,
Burgsteinfurt, Werne, Schwerte und dos stattliche Bürgerhaus zu Bochold,
das Amtshaus zu Lüdinghausen, die „Häuser- Eckroth zu Billerbeck,
die Häuser und Schlösser Diepholz, Schelenhurg bei Osnabrück, Altena
bei Schüttorf, Anholt, Burgsteinfurt (ein Giebel und mächtiger Winkel-
1) Unsere kurzen Angaben beziehen sich stellenweise bloss auf
Theile eines Baues oder auf Nebenbauten, die Klammem ( ) auf entstellte
oder ihrer Stilzierden mehr oder weniger entkleidet« Uebiludc.
Jahrb. 0. Vor. v. Altcrtliirmifr. Im Rhelnl. XCIII.
242
Nordhoff:
thurm), Gemen (und Velen), Westerholt, Herten und Bladenhorst hei
Kecklinghausen, (Heeren), Bodelschwing und Westhuscu bei Dortmund,
Schnellcuberg bei Attendorn, Berleburg (ein Flügel mit den Jahreszahlen
1555, 1550, 1577, 1585); Alst, Darfcld, Vögeding, Hülshof, (Wilkinghege),
Bisping, Westerhaus (bei Rinekerode), Borg, Byinck, Homberg, Senden,
Vischering, Drensteinfurt (Thorhaus mit musivischem Bucksteinwechscl)
in der Umgegend von Münster, Vorhelm bei Beckum, Geist (und Cruasen-
stein) bei Oelde, Assen und Overhagen (1C19) um Soest, Erwitte, Kringerfeld
und Störmede bei Gcsecke, Kggeringhausscn, (Kietberg), und (in dessen
Nähe) Holte , Hheda , Tatenhausen und Holtfeld bei Havensberg und
Nehlen bei Soest, Aldenburg bei Löhne, (Hünnefeld und) Haddenhausen
bei Lübbecke, die Jesuitengebäude zu Paderborn, in der Nähe die
Wevolsburg und llinneuburg, Schlotts Dringenberg, die »Häuser4 Greven-
burg und Eichholz bei Nieheim, Thienhausen, Börlinghausen, Schweck-
hausen bei Peckelsheim, Niessen (Altbau) bei Warburg '), Kohden bei
Arolsen; im Lippischen Schlösser und Gebäude zu Wendlinghausen,
Varenholz (nur angemerkt von Pa u I i S. 115), Horn, Blomberg, Schwalen-
berg (Sternberg) *).
Sogar aus Münster , welchem Pauli mancherlei Beiträge ent-
nommen hat, lässt sich noch Verschiedenes nachtragen: drei Giebelhäuser
von 1093, 1GG8, KJGfi, das Portal der gothisirenden Clarisscnkirchc, das Ar-
uemanu'sche Haus (sechseitiger Grundriss, die vier zusammenhängenden
Aussenseiten als Fronten entwickelt, die Giebel an den Bändern und in
Kuiidnischen mit den seltsamsten Figuren belebt), ein Haus der Bäcker-
gasse (1587) mit polygonem Ticppenthurme, das Eckhaus der Rothenburg
(Nr. 2.1) und dessen bniitbeschnitztcn KopfbHnder unter dem einseitig über-
gekragt^! Hauptgeschosse, der jetzt durch einen Neubau verdrängte Giebel
(Ohm) Hoggenmarkt Nr. 12 vielfach für die Perle des Stils gehalten "),
weil ausgestattet mit griechischer Inschrift und allerhand Ornamenten
1) Laut solcher culturgeschichtlichen Bauzeugnissen umgaben also
seit Mitte, des H>. Jahrhunderts die Fürstenhofe besonders die Adelssitze,
die noch in gothischer Zeit meistens einfach waren, äusserst behag-
liche, durch die spanisch-niederländischen Einfälle, oder gm- durch den
dreißigjährigen Krieg kaum ernstlich gestörte, wohl durch auswärtigen
Kriegsdienst erworbene Verhältnisse. Indess bei dem Bauleben der Bauer
unter Fronfuhren litt (vgl. das mitleidige Eingreifen des Müustcr'schcu
Bischofs Willi, v. Ketteier 1557 in Minister. G.-Q. III, 4), prolitirten wieder
die städtischen und ländlichen Gewerbsleute.
2) Der näheren Zeit- und Stilbestimmung harren noch die Schlösser
Raesfeld b. Borken, Liittinghof und Lembeck b. Dorsten, Westerwinkel,
Sandforth u. Illingen b. Lüdinghausen, Werries, Heesen (Vorhaus), Küclien
h. Hamm, Laer (und Melschede) an der Ruhr, Erperuburg b. Paderborn,
Sut hausen b. Osnabrück, die Comthurei Müblheim a. d. Mölme u. a.
:t) Oder sollte Pauli S. 4.1 denselben Hau unter Haus-Nr. 10
(Hoggenmarkt) behandeln ?
G. Pauli, Die Renaissancebauten Bremens.
243
(auf rauh e m Grunde), mit Erker, Karyatiden und Zwickclfigurcn, die
jenen des Kölner KathhauseH nachgebildet sein mochten, die Jesuiten-
kirche, oder doch ihr Hanptporta), ein Theil des Jcsuiten-Collegs (bis
1<J57) das vor etwa zwanzig Jahren niedergerissene Thor des Gym-
nasialhofcs (jetzt angeblich Schmuck des äooI. Gartens zu Düsseldorf)
und auf seinen beiden Reiten der zum Hofe mit Arcaden geöffnete Gang,
dessen vierseitigen mit allerhand Goldschmiede-Mustern behauenen SäuI-
chen nun in private Hausoinfassunge.n zerstreut sind, der einlache Giebel
des Fürstcnbcrger Hofes (Steinweg), auf dem First und den beiden Fuss-
ecken mit der Muschel im Kugelkranzc besetzt und an den Fussecken
noch besäumt mit Zinnen (ahnlich das Haus Franenstrasse Nr. 18) sowie
das äusserst merkwürdige Gildenhaus (schochncs, thcatrnm •).
Da Pauli mit Recht auf die Münsterische Frührenaissance Ge-
wicht legt, hatten ihn noch andere oder gar Ältere Proben derselben an-
ziehen sollen, als das Sehloss Wolbeck von 154ß. Es sind am Vicarien-
Kirchhofo (Dom) das Schmiesinger-Denkmal von 1548: eine viereckige
Bronzeplatte umrahmt von feinem GerHnk mit eingereihten Büsten, das
Hörde-Denkmal aus Stein von 1546: als Mittelstück realistisch die Auf-
erstehung, Soitenpilaster unter reichem Rundbogen, an beiden Stellen
und streckenweise auf blauem Grunde allerhand Renaissance-Muster,
als Schriftpredella eine von zwei Burschen gehaltene Cartouche. mit
rundlichen, doch noch schlichten Umfassungen und vormals am hohen
Chor die mit den schüchternsten Stilkeimen an der Predella verzierte
Stcinbnllnstrade des Engelganges und andere decorative Architektur-
mnnnmente; es sind ferner in dem gothisc.hen Trcppcngicbel des Löwen-
Clubs die Steinkugeln, Eisenanker, die umkrHnzten Büsten und zwei
Wappen-Tafeln *) mit schmucken SeitensHnlchen und breitem Rundbogen»
Schlüsse, mit Muscheln im Tympanum: die eine Tafel (oben) mit dem
Datum 1510, die andere (unten) mit römischer Inschrift '); sodann der
wahrscheinlich schon von den Wiedertäufern vorgefundene Erker an einem
Hanse im Norden der Lainbertikirche, noch gothisch construirt und verziert,
nur figuriren bereits iu den Füllungen die (Zier-)Büsten und an Consolen
vorn die mit jonlsirenden Voluten bedeckten Maskenköpfe und an den Seiten
flaches Gerilnk mit Blattern, endlich die frühste Blüthc des Stiles, das
einem Pfeiler des Domes angeheftete Epitaph des Domherrn von Schade, als
Retable anfgefasst: während das Figürliche, der Verblichene selbst in knien-
1) Vgl. über dessen gleichartiges Vorkommen auf dem Lande
Nord ho ff, Haus, Hof, Mark und Gemeinde in Nord Westfalen 188!» S. 27.
2) Darin hHlt oben ein Manns unten ein Weibsbild den Schild,
dessen Zeichen hier abgebröckelt, oben ein offener Flug ist.
3) HerGot alle dinge | Staen in diner macht, | Vil dit huis behoden |
Vor allem nngeluke. | Dach nnde nacht.
244
Nord l.off:
der Stellung zwischen einem Ritter und dem hl. Johannes dem Evange-
listen, auf dessen Wink er zur Taufe des Herrn Aufblickt, und Gottvater
oben noch die realistische Gesichts- und knitterige Gewandbüdung so-
•rar die Unterlage des Rahmens gothische Prolilirung zeigen, folgt das
Rahmenwerk mit dem (geraden) Giebel der neuen Stilweise. Auf den
(Rahuien-)Pilastcru windet sich ein einfaches Blattgewinde empor, die
Unterschrift hat römische Züge, darin das Todesdatum 1 :»21 und um die
Wappen runde, stellenweise umbundene Kranze ; in den Wappenschilden
zittert eine neue Formenwelt, ja das Hauptwappen mitten im Hauptbilde
rollt seine obern Spitzen einwärts und leitet dadurch die Cartoucheform ein.
Das Ganze ') schimmert noch in einer freundlichen Polychromie.
Die, decorativen Architekturen in Anschlag zu bringen, bewegt
uns sowohl das Vorgehen Pauli 's, der dabei von den Kleinkünsten
und der Formenwelt eines E i s e n h u t h leider giinzlich abgesehen hat,
als das einst in seineu vielen Zweigen so eng verwachsene Kuustleben,
und gerade zu Münster umschlang Steinmetzen, Bildhauer und Maurer,
die sich zudem von jeher vielfach über die Grenzen arbeiteten, das Band
ein- und derselben Gilde.
In der That sind die decorativen Herrlichkeiten des Capitelsaales
und des Friedensrates s) nur die. edelsten Spitzen einer Reihe von fein
ausgeführten Grabmomimcntcn, Chorstühlen, Taufsteinen, Camincu und
anderen Gegenständen aus Holz und Stein. Hervorgehoben sei bloss die
Orgelbrüstung von St. Maria zu Dortmund, die Ausstattung der Kapellen
auf dem Schnellen- und Davensberg, der Altarrahincu zu Quernheim
lc. 1555) und der Camin zu Goldschmieding bei Castrop (1597).
Nicht gerade wenige von den gesammten bisher genannten Denk-
mälern der westfälischen Renaissance waren bereits in Druckschriften
beschrieben, erwähnt oder datirt — allein die Umschau nach Litteratur
ist, offen gesagt, die schwächste Seite der P a u 1 i 'sehen Untersuchung;
und doch soll, so wenig wie der Richter einen Zeugen, der Forscher,
wenn er seine Aufgabe löst, irgend einen litterarischen Beitrag über-
gehen. HHtte Pauli dies Gesetz der Geschichtschreibung befolgt, hatte
er, statt einige Compendieu und Aufnahmen vor sich auf den Schreib-
tisch zu legen, die auf westfälische Stilwerke bezüglichen Ergebnisse,
Hinweise oder Daten der .historischen Litteratur bedachtig benutzt, so
wäre er schon auf eine Reihe von StildenkmilJcrn gestossen, die wir vor-
hin nachgetragen haben und einige seiner Ausführungen hätten im Um
stündlichen unzweifelhaft gewonnen.
Ii Wohl z. J. 15-23 angeführt vom Bischöfe Dr. Müller: Corresp.-
Rl. d. G. V. 1«55. S. 28.
2) Dieser ist mehrere Male datirt mit 1577. Vgl. Correspondenz-
blatt für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte IhHO S. 71.
G. Pauli, Die Renaissancebauten Bremens.
245
Schlicsst man die entlegenere Littcralur aus, so erfuhren diese
oder jene Beachtung: oder «rar eine Abbildung Thienhauscn und Dringen-
berg bei I,. Schücking »" malerischen und romantischen Westfalen
1872 S. 100, 9«, 08, die Grevenburg und Eichholz bei v. Oeynhausen,
Geschichte der v. Oeynhausen 1889 III, 73, 75, 328, 338 (NYuhaus und)
Wevelshurg in Monumcnta Pnderbornensia. Kd. Elzev. )•. 255, 218, 230,
das Kathhaus zu Paderborn (mit allen Bauleuten) bei G r e v e, in den
Blattern zur nähern Kunde Westtalens 1871 S. 113, die Jesuitenbauten
ebendort bei B essen, Geschichte des Bisthums Paderborn II, 95, 126.
Schweckhausen (1584) und der Schnellenberg mit Schlosskapelle bei
P i e 1 e r, Tagebücher Caspars v. Fürstenberg 1873 S. 378, 179 ff. und bei
Brunabend, Attendorn 1878 S. 182 ff., das Backsteinschloss Assen,
seine überreichen Steinliauerzierden und seine Verwandtschaft mit jenem
zu Hovestadt bei v. D r o s t e - II ü 1 s h o f im Correspondcnzblattc der
G. V. 1855 S. 29, Hovestadt und die vielen Werkleute mit den Lohn-
angaben bei Herold, Gemeindewesen Herzfeld 188C S. 25 f., das Wein-
baus und Sentenzbogen zu Münster bei T o p p b o f in der Wiener Bau-
zeitung 1872, ebendort das Krameramtshaus mit dem richtigen (weit spateren
als bei Pauli S. 22) Datum 1589, Kggcringhausen, Holte (und Kietberg
mit Ansicht) in der Zeitschrift für Gesch. und Alterthumskunde B. 35
I 85 N. 3 u. B. 14, 170), die Clarissenkirche zu Münster bei T i b u s,
Stadt Münster 1882 S. 306, die Jesuitenbauten beiSökeland, Geschichte
des Münster. Gymnasiums 1826 S. 77, 70, die grosse Turris sowie der
Apostelgang des Domes und ferner zu Dortmund die Orgelbrüstuug
der Marienkirche bei L ü b k e, Kunst in Westfalen 1853 S. 305, 308, 401,
das Rathhaus zu Bocholt (um 1618) bei Carvachi im Correspondcnzbl.
1855 S. 29 und bei L ü b k e, Renaissance in Deutschland 1882 S. 448,
Diepholz, Lingen, Altena die Sehelenburg und ein Taufstein der Marien-
kirche zu Osnabrück bei Mit hoff, Kunstdenkm. und Alterthümer im
Hannoverschen V, 152, VI, 85, 153, 158, 125, die Anfange der westfäli-
schen Renaissance und das Sehade-Epitaph (1521) zu Münster in Prüfers
Archiv f. kirchl. Kunst, Berlin 1885 IX, 82 das Ohm'sche Haus, ein
Epitaph Buck daselbst und der Paderborner Künstler II. Omni ng er
(löhlicher als bei Pauli S. 8G) in den Bonner Jahrbüchern H. 53, 98,
H. 87, 119, N. 4, H. 67, 144, das Schloss Wolbeck, das Ainthaus zu Lüding-
hausen, Haxthausen, Bladenhorst, Wevelsburg bei Nord hoff, Holz-
und Steinbau Westfalens S. 230- 336, 247, Störmede und Niesscn bei
Fahne, Grafen v. Bocholts 1 I, 131 die Lippischeu Werke bei Preuss, Bau-
liche Alterthümer des Lippischeu Landes A' 1878, mehrere Hammer Epi-
1) Wo S. 74 der Sehnitzktinstlcr des Friedenssaales richtig mit
Kuper angegeben war. P a u 1 i hat S. 19 noch Kumper und als Datum
1544-1 552 statt 1544 (Inschrift) -1558. Vgl. Krabbe, Westf. Zeitschr. 24, 368.
246
N o r d h o ff:
taphim und «'in stattlicher Altar (1593) zu Hemmerde in den Kunst- und
Geschiehtsdenkinäler d. Prov. Westfalen 1, 63, 70 f., 120, Hünnefcld und
Haddenhausen bei G. v. d. Busse he, Geschichte der v. d. Busschc (1887)
I zu S. 164, 170.
Die Kunde folgender haugcschichtlichen Thatisachen war vom Ver-
fasser nicht zu verlangen : der S. 27 bloss erwähnte „speciose"' Erker
uin Schlosse zu Burgsteinfurt zeigt in einem Saale des Obergeschosses
an einer Säule, welche zwei schmucke Kundbogen autnimmt, das Stein-
metzzeichen und Datum 1558 — das Rathhaus zu Meppen von Pauli
S. 77 nach einer Inschrift des Thurmes, der an niederländische Bauweise
erinnern soll, anscheinend mit 1604 datirt, ist nach dortigen Acten 1600
von dem Steinmetzen Johan K e 1 1 i g e r aus Münster und dem Zimmer-
meister Bernard thon Hülzc erbaut ').
Unterlassen wir nun zu fragen, ob und wie der Verfasser die
Stilentwickelung mit dem damaligen Culturlcben und Baugewerbe in Ver-
bindung setzt, warum er die Holzarchitektur vollständig preisgab und
sehliessen wir mit ein paar Bemerkungen allgemeiner Natur.
1) Die niederländischen Baueinfliisse lassen sich gewiss weiter
(gegen Pauli S. 37) als auf einzelne Werke ausdehnen; denn thatsäch-
lich bestand gerade wlihrend der Renaissance ein ausserordentlicher
Wechselverkehr wie in Handel und Gewerbe, so auch in den hohen und
kleinen Künsten zwischen den Niederlanden und Westdeutschland5).
2) Was das mehrfach betonte Rollwerk und die Cartouche anlangt,
so kann es keinem Zweifel unterliegen , dass ersteres sich aus den
Spruchbändern der ältern Bildwerke entwickelt hat; folgende Belege der
westfälischen Kunstgeschichte erscheinen als llcbcrgaiigsfornien: das
Notarialszeichen einer Urkunde des Klosters Abdinghol" von 1517 (im
westfälischen Staats-Archive) ist ein horizontales, S-förmig geschweiftes
Band, welches das übliche Motto enthält, und wie die Enden sich hier
rechts schräg auf , links schräg abwärts, rollen sich die oben» Spitzen
bereits beide einwärts an dem oben S. 237 erwähnten Wappenschildc
von 1521, so dass letzteres fast auf eine Cartoucheforin hinauskommt *),
die später A. E i s e n h u t h im Portriit des Paderborner Bischofs Theodor
von Fürstenberg (Kupfer von 1502) geradezu zwei symbolischen Wappen-
1) Bladenhorst seit 1575 (Westfäl. Zeitschrift 49 II, 77, 70), das Thor-
haus vielleicht schon 156!> (nach dem Datum seiner Glocke). — Als Bau-
meister des Schlosse* Horst (vgl. Pauli S. 43) werden mir von glaub-
hafter Seite nach Rechnungen zum Jahre genannt 1557 Arndt von
C a 1 c a r und De I a Cour aus Paris.
2) Vgl. z. B. Bonner Jahrbücher H- 68, 122 ff., H. 77, 158.
3) Im Bücherholzschnitte wird das Band allmählich schwächer, das
Aufrollen der Enden stärker, so in HJeron. Savonarola's Meditatio pia.
Wittenbergae 1523, 4 °.
G. Pauli, Die Renaissancebauten Bremens.
247
schildern gab. An der Holztäfelung de« Capitclsaalcs zu Münster von
1541—1558 erscheiut neben dem Bandwerke auch herein die Cartouche,
die letztere ebenso an einem Grabmale des Vicaricnkirchhofes von 1545
(oben S. 236); ihre schlichteste Gestalt besitzt bereits an einem Pfeiler
der Nicolaikirche zu Corbach eine kleine viereckige Tafel lediglich be-
schrieben mit dem Baudamm 1454 und an den beiden Seiten aufgerollt ').
N.
4. Geschichte des Barockstiles ... in Italien . . . Frankreich, England . . .
Deutsehland. Von Cornelius G u r I i 1 1. . . . Stuttgart. Verlag
von Ebner & Seubert (Paul Neff). 1887-89. 3 Bde in gr. 8°.
Gur litt's Geschichte des Barockstiles in Italien 1887 und der
Geschichte des Barockstiles, des Rococo und des Klasicisums in Belgien,
Holland, Frankreich und England 1888 folgte schnell (1889) die Geschichte
des Barockstiles und des Rococo in Deutschland. Das grosse Gesummt-
werk betrifft also in weitem, geographischen Umkreise die Architektur
und ihre Wandlungen vom Ausgange der Hochrenaissance bis zur „modern-
empirischen s) Kunstrichtung", also einen Abschnitt der abendländischen
Baugeschichte, der lange nur in sachlichen oder örtlichen (landschaft-
lichen) Einzel-Partien und, wenn in weiterem Begriffe*), nur ungenügend
dargestellt war; daher machte er auch bisher im Allgemeinen auf ein
historisches, geschweige künstlerisches Verständnis*, zumal bei den Laien
keinen oder nur geringen Anspruch. So gewaltig der geographi-
sche Umkreis von einschlägigen Gebäuden, so schwierig war selbst-
redend eine treffende kunsthistorische Werthsehiitzung. Schon ein ge-
lungener Versuch muss für eine erspriessliche und verdienstvolle Arbeit
gelten. Verfasser bezeichnet als seine Aufgabe nicht so sehr „die For-
schung in Archiven und entlegenen Litternturwcrken, nicht die Schilde-
rung von Lebcnsgeschiehten (d. h. der Künstler), sondern die Feststellung
der kunstgeschichtlichen Entwicklung in ihren im 17. und 18. Jahrhundert
so vielfach verschlungenen Wegen"4 — oder „einmal das im Buche be-
handelte Gebiet der Kunstgeschichte i in G a n z e n darzustellen, um den
Einzeirorschungen eine breitere Grundlage zu geben, als sie bisher zu
ihrem Schaden hatte". Wesentlich war ihm für die Bcurtheilung und
Scheidung der vielen und vielgestaltigen Bauerscheinungen eine örtliche
Untersuchung von Land zu Land; dabei blieben im Norden das Gebiet der
Ostseeländer, im Süden Spanien und Sizilien ausgeschlossen. Die nicht
1) Vgl. Kunstchron. 1892 S. .172; dagegen Pauli S. 19, 31, NN. 44, 45.
2) Das „empirisch" bezieht sich wohl mehr auf den Baustoff, als
auf den Stil.
3) Ungefähr für den uUmlichen Läudcrbczirk und Zeitabschnitt
erfolgte eine. Zusammenstellung aller Künste schon 188<> von G. E b e,
Spatrenaissance. 2 Bde. Berlin.
248
Nord hoff:
völlig beendete Ort.sforM-hung entschuldigt er damit, dass die Durch-
führung der Arbeit nicht langer verzögert werden könnt«-, wenn die zu-
erst empfangenen Hciscciudrückc noch frisch zur Schilderung kommen
sollten. (Vgl. das Vorwort des Bandes I.)
Nach dienen Acussei ungen lassen sieh die Vorzüge und Milngel
des Werkes schon von vornherein bemessen; zu deu ersteren gehören
noeli die massenhaft eingestreuten Illustrationen, Zierleisten u. s. w., zu
den Mündeln — und fortab fassen wir lediglich den deutschen Thcil in's
Auge — eine ausgedehntere Enthüllung der culturgeschichtlicheii Trieb-
federn, wodurch besonders die Haukunst der alten, volkstümlichen Ue-
bung entrissen und den „Künstlern'' und „Architekten" überantwortet
wurde, indes* z. B. die Seulptur noch stellenweise bis zur Mitte des
18. Jahrhunderts an der mittelalterlichen Polychromie festhielt. Wir
lassen dahingestellt, wie sich die zusammenfassende Gruppciisehilderung
zur Kinzclbeschreibuug verhalt, ebenso, nachdem man die bezügliche Er-
klärung des Verfassers gehört hat , in welchem Mansse die örtliche»
Quellen und die vorhandene Spceiallittcratur herangezogen sind. Was
die sachliche Vollständigkeit betrifft, so genüge eine Angabe jener Punkte
des llhein- und Westfalenlande», wo Schlösser, Klöster, Kirchen u. s. w.
berücksichtigt sind: Engers, Trier Keidelheim, Kärlich, Coblenz, Ehren-
breitstein, Bonn (bloss Jesuitenkirche], Brühl, Köln, Benrath; Münster [ein-
gehender], Ahaus, Coesfeld [Jesuiten-Colleg], Nordkirchen, Cappenberg,
Marienfeld, Iburg und Osnabrück [Schloss). Da bleiben allerdings noch
manche Denkmäler der „Einzelforsehung* überlassen und zwar in West-
falen solche mit erklärten Structur- und Sehmuckfornie» des Stiles wie
solche (.namentlich kirchliche) worin noch — gewiss beachtenswerth —
gothi.Mrcnde Constructiouen nachwirken: so die RalhhHuscr zu Soest und
Hamm, die Schlösser (Bergheim), Arolsen, Pyrmont, Schötmar, (Schieder),
Ovelgütme, Hüffe, Hünnefeld, Niessen (Neubau), Rheder, Vinsebeck, Godel-
heim, Merlsheim, Wehrden, Hinnenburg, (Fürstenberg im Sentfelde), Sud-
heitn, Körtlinghausen, Dclwig, Ilocholtz, Dalhausen, Matfeld, Schwarzen-
raben, Herringhausen, Rheda, Vornholz, Drensteinfurt, Borg, Lütgen-
beck , (Wilkinghege) , Rüschhaus , Münster (gr. Schmiesingcr Hof )
C 1 e m e n s w e r t h (mit der Kirche), Anholt, die Komthurei zu Lage
a. d. Hase, die Klöster Corvei, Büren (mit prachvoller Kirche), Grafschaft,
Liesborn, Vinnenberg, Iburg u. s. w. und unter den vielen Kirch- und
Kloster-Stiftungen2) noch die Gotteshäuser zu (Münster Observantenkirehe)
1) 1737/38 verziert von Joseph Stau da eh er, „Quadratur-Meister"
aus Tegernsee in Baiern.
2) Z. B. der Fürstenberger im 17. Jahrhunderte (vgl. F. J. M i c u s,
Denkmale des Landes Paderborn 1844 S. 518 ff.) — dann jene des Kölni-
schen Churfürsten Clemens August v. Baiern (f 17C1), der zugleich bei-
nahe 40 Jahre allen westfälischen Bisthüniern vorstand.
Cornelius Gurlitt, Geschichte des Barockstiles.
210
Sas-senberg , Herbem , Süd- und Nordkirchen , Rinkerodc , Handorf,
Belecke, Altenrüthen, Berge, Rhynern (evangelisches) - zumal die Wallfahrts-
kapelle zu Telgte, die Ursulinerkirchc zu Dorsten mit Stuckdecke, mehrere
Douiknpellcn zu Paderborn und die Galenschen Kapellen zu Münster'). Von
der Auskleidung der Baume, mit Gobelins, Möbeln, Schnitzereien, Farbcn-
inarmor, Spiegeln, Stuckaturon 8>, Malereien und Skulpturen ») <z. B. der
Clemenskircho zu Münster und von der frühem Muschelgrotte (Grab-
kapelle) des südlichen Domthunuea, ist gar nicht, von den die Schloss-
architektur begleitenden Garten- uud Parkanlagen kaum die Rede.
N.
1) Angeführt sind hier durchschnittlich nur die ansehnlicheren Werke
oder B a u t Ii e i 1 e — ausgeschlossen dagegen die unbedeutenderen Denk-
mäler und von den Schlössern (Hflusern) fast alle flügellosen, schwer
bedachten, einförmig in Mauerfluehten und Feimterreihen geplanten —
wenngleich das Eiuförmige und Schwere ja auch den Stil charakterisirt.
Die hiesigen Denkmäler des empire (oder der NeuRenaissauce z. B. der
Romberger Hof zu Münster) kommen bei G u r Ii 1 1 überhaupt nicht vor.
Bezüglich der audereu Stilbauten erklärt er jodoeh selbst S. 864 N. 1:
„Leider kenne ich das Land uur zu kleinen Theilen."
2) In einem Hause zu Dorsten sehr bildreich von He(nricus) Hansche
(feeit) 1706, in der Jesuitenkirche zu Meppen von Drexler (?) aus Tyrol,
zu Büren (1770) und zu Münster (bis 1799) von Johan Nepomuk Metz.
Krg. Preuss, Bauliche Alterthümer des Lippischen Lande« 1873 und
Bonner Jahrbücher II. 88, 214 N. 7.
')) Als „prächtiges und solides Muster decorativer Steinarchitektur"
war ein Werk wie das Tönishauschen zu Füchtorf vom Jahre 1662 sicher
der Erwilhuung werth.
III. Miscellen.
1. Köln. Matronensteinc In den ersten Junitagen des I. J.
wurden bei Canalarbciton vor <\em Mause Nr. 8 clor Strasse Unter Fetten-
hcnncn, gegenüber dem Ausgange des Margarcthciiklosters, drei merk-
würdige Inschriftsteine gefunden und vom Stadt. Tiefbauamte dem Museum
Wallraf • Richnrtz übergeben. Sie lagerten V 't m unter der jetzigen
Strasseuhöhe, 2 in seitwärts der alten Rümerstrasso und etwa »0 m von
der sog. Porta Papilla entfernt, deren Grundmauern eben jetzt, bei Ab-
bruch der Dornenden zu Tage treten. Die Lage der Inschriftsteine —
zwei standen senkrecht empor, wahrend der dritte früher tpicr Über
ihnen gelagert hatte, bei der Ausgrabung jedoch hinabgeglitten war —
deutet darauf hin, dass die Steine in nachrömischer Zeit zur Herstellung
einer Kanalmündung hatten dienen müssen. Ihr Material ist Jurakalk.
Der erste ist mit einem (lachen, von Rlattornament in Relief gefüllten
Giebel bekrönt, unten und nn der linken Seite abgebrochen, F>7 cm hoch,
1) Die von mir in diesem Jahrbuche S. .'13 veröffentlicht« Inschrift
ist, wflhrend meine Arbeit sich bereits im Drucke befand, auch von
K e u n e im Corrcspondcnzhl. der Westd. Zeitsehr. X S. 2<>2 ff. und von
Ihm, Jahrb. XC1I S. 258 edirt worden. Die Reschreibung, welche der
Letztere von dem Steine macht, bedarf der Richtigstellung. Seine Re-
merkung, dass die Platte als Deckel eines Grabes benutzt worden sei,
könnte dahin inissverstanden werden , dass sie bereits ursprünglich
diesen Zweck gehabt, wahrend sie erst in fränkischer Zeit auf einen
zu ihr gar nicht passenden , in kleineren Verhältnissen angelegten
Tuffsteinsarg gelegt wurde. Ursprünglich bildete, sie die Vorderseite,
eines Snrkophages, von welchem sich sonst keine Spuren mehr vorfanden.
Die Figuren rechts und links von der Inschrift sind keine weiblichen,
sondern FlUgelknahen, Amoretten, wie sie sich auf zahlreichen Sarko-
phagen wiederfinden, so z. H. allein im Museum Wallraf-Richartz in theil-
weisc recht guter Erhaltung auf vieren (Düntzer, Katalog. II, 189,
•204, 22H, 243 at und zwar entweder in derselben völligen Profilstellung
nach der Mitte zu i Düntzer Xr. 189. 201) oder mit angewandtem Kopfe
(Nr. 243 a i oder in Vorderansicht (228). Auch die seitliche { 'mrahiiiung
der von den beiden Genien gehaltenen luschrilttalcl (je zwei ein wärt«
gehende Bogen) kehrt auf Xr. 18'J und 204 wieder.
Miscellen.
251
32 breit und 18 dick. — Die vollkommen klare, scharf eingemeissclto
Inschrill lautet:
MATROr///
BOVDVNN" ///
M-NICRIN/;,7
SERENV ///
V-S-L'7/
„Matronis Boudunucis M. Nicrinius Serenutf votuin solvit libciis.*
Das Schluss N der zweiten Zeile zeigt deutlich oben den K-Ansatz.
Der auf Inschriften nicht seltene Cteutilnainc Nicrinius findet sich auch
auf einem bei Vettwcis gefundenen Steine, welchen ein C. (?) Nicrinius
den Matronis Vcsuniahenis weiht. Vgl. B r u m b a c h, C. I. Rh. 580, B. J.
20, p. 85. Der Beiname der Matronen, der „Boudunneischen", tritt meines
Wissens hier zum ersten Male auf. Hingegen lesen wir auf den beideu
anderen Steinen einen Beinamen, welcher in etwa» abweichender Form
schon durch den bei B r a in b a c h, C. I. Kh. 333, 1) ü n t z e r, Verz. der
röm. Alterth. des Museums W. K., 3. Aufl. Xr. 44 und bei A. beschriebe-
nen Matroneustein bekannt geworden ist. Während Brambach die
erste Zeile dieses Steines, welche nur in ihren unteren Theilen erhalten
ist, als VALLAMNEI rekonslruirt, glaubt D ii n t z e r an dem M eine
Ligatur von A und K zu erblicken und schwankt zwischen den Lesungen
VALLAMAKNILI und VALLAMAKNKI. (Auch 1 h m spricht B. J. LXXXUI
p. 25 und 34 von Matronae rVallamaeneiliiaeu.) Nach wiederholter ge-
nauer Untersuchung fand ich, dass die angeblich mit M ligirten Buch-
staben thatsilchlich nicht vorhanden sind und Mos zulttlligc Rauheiten
des Steines Düntzer veranlassten, die richtige Lesart Brambachs ab-
zuändern. Durch Ausfüllung jener Zufälligkeiten mit Bleistiftstricheu
wurde danu freilich eine Ligatur MC hergestellt, welche die obengenannten
phantastischen Namen ergab und spätere Beobachter (Huschen musste,
wenn sie nicht iu der Lage waren, den Stein einer Reinigung zu unter-
ziehen.
Die- Illach ritt auf demselben lautet vollständig:
VALLAMNEI
HIABVS
I VLI AGENEfl
FLELLIA
EXIMPERIO
„(Matronis) Vallamneihiabus Julia, Geneti lilia, Leiha ex imperio."
Als Fundort wird die Strasse Unter Fettenhennen und zwar das ehem.
Krakampsche Haus angegeben, also dasselbe Terrain, auf welchem die
drei neuesten Matronensteine ausgegraben wurden. Nach Mittheilung
Mtscellen.
de« Herrn W. Sclmbc u ist nämlich das gegenwärtige Haus Nr. 8
Unter Fetteuheiinen auf dein (»runde des elieui. Krakamp'schcn Hause»
erbaut. Hier befand sieh demnach die Kultusstätte der sonst unbe-
kannten Vallabniiischcn Matronen.
Der zweite Stein ist ein hoch, 3!) breit und 15 diek, oben dureh
ein wagerechtes Gesims abgeschlossen und gut erlialten bis auf einige
Bcscha digungen an der rechten Seite. Wir lesen nuf ihm:
MA"R 0 fl S
A L A B NE I
ABVS Q-PR
MIRVSAPP
VSV-SLM
„Matronis Valahneiabus Q. Priniinius Appius votuin solvit libens
merito."
Ks erscheint hier also derselbe Beiname der Matronen, nur mit der
Vertauschung des M durch B und Fortfall der Spirata und eines L. —
Fin C. Priminius weiht den Matronis Veteranehis einen Stein des Bonner
Museums, gefunden zu Embken. — Brambach, C. T. Rh. 572, B. J. 12,
p. 47. Die Schritt ist deutlich und regelmässig, jedoch ist das Sehluss-S
der ersten Zeile schwacher eingehauen, der Anfangsbuchstabe der zweiten
Zeile (V) fortgeschlagen, der untere Theil von B und V der dritten Zeile
durch ein Locli zerstört, aber mit Sicherheit zu ergänzen. In der vierten
Zeile ist der Bogen dex letzten mit I legirten I* schwächer eingehauen.
Auch der dritte Stein besteht aus Jurakalk und misst 67 cm Höhe,
31 Breite, und 18'/s Dicke. Das wagerechte Gesims an der Oberkante
ist fast ganz abgestossen und an der unteren linken Keke ein Stück der
Oberfläche mit einigen Buchstaben abgemcissclt, die jedoch leicht zu er-
ganzen sind. Die scharf eingehaueue Inschrift lautet {mit den Ergän-
zungen in Klammern):
AATRO RS
\A LLABNE
HIABVS
L-ACCORVS
CANDIDVS
PROSE-ET
SVlSEXIMP)
•PP SV-SU.)
„Matronis Vallabneihiabus L. Acconius Candidus pro se et suis ex
imperio posuit peeunia sua votuin solvens libens."
Misiellen.
Bis mit* die Vertauschung von M durch B ist der Bciunmc der
Matronen dem auf dorn Votivstein der Julia Leiha gleich. Dp» Namen
Accnnius lesen wir als Dcdicanten auf einem Votivsteine Mcrcurs in
Speyer. Brambach C. I. Uli. 1797. Von dein M der ersten Zeile fehlt
die Hanta, das V der letzten Zeile ist fast ganz abgerieben.
An den Seitenflächen der Steine hat sich zum Thell Keliefverzierung
erhalten. Der Stein des Nicrinius Serenus hat rechts ein aufsteigendes
Ornament, dessen Kinzelheiten zwar abgestossen sind, aber doch voluten-
und doldenförmige Abzweigungen von einem senkrechten Stengel er-
kennen lausen. Die beiden anderen sind mit Oclzweigcn in Flachrelief
verziert. K i s a.
2. Das römische Nordthor zu Köln. Durch die Auffindung
\ind (Erforschung der unter den eliemaligen Domcnrien noch erhaltenen
Beste lies römischen Nordthors hat sowohl unsere Wissenschaft von den
Baudenkmälern Kölns zur ltömcrzeit wie unsere Kenntnis* der antiken
Verteidigungsanlagen eine dankenswerthe Bereicherung erfahren.
Die. gesummte Bauanlage dieses Thores, von welchem die östliche
Hlilfte aufgedeckt wnrde, stellt sich in vollständiger Ergänzung als ein
an firossartigkeit und Bedeutung der Porta nigra in Trier zur Seite zu
stellendes Werk dar, der es an Frontlange mit 30,5 m (gegenüber dort
35 m) mir wenig nachsteht, die es jedoch dadurch übertrifft, dass unser
Thor alles das vollendet und ausgearbeitet zeigt, was in Trier nur roh,
unfertig und angedeutet erscheint.
Der Orundriss, ans dem eigentlichen mit drei Durchgängen ver-
seheneu Thorbau und den flankirendon Thürmen bestehend, lllsst eine
Aehnlichkeit mit einem uns bekannten, aus Augusteischer Zeit stammen-
den Stadtthor zu Aosta nicht verkennen. Der Thorbau, der mit seiner
Vorderfront in gleicher Flucht mit der römischen Stadtmauer steht, hat
eine Frontlänge von 15,3 m bei einer Tiefe von 11,5 in; die Seitendnreh-
gänge besitzen 2,4 m, die Mitteldurchfahrt U.3 m Breite, wilhrend die in
den Frontmauern befindlichen Thore nur 1,9 m bezw. 5 m Breite haben.
Die Hauptdnrchfahrt war von den SeitengHngen durch etwa 1 m starke
Scheidewände getheilt, die Hussern Seitenwände des Thores hinter den
Thürmen waren nur 0,92 tu stark. Ks ist aus diesen Mauerstärken zu
schlicssen, dass die Mitteldurchfahrt nicht überwölbt war, sondern einen
offenen Hof, das sog. propugnaculum, bildete, welcher von Gallerien,
din über den Seitendnrchgängen belegen waren, leicht beherrscht werden
konnte. Die Thürme, quadratisch gestaltet mit 7,6 m Äusserer Seiten-
lange, springen 2,6 m vor die Front des Thores und der Stadtmauer
vor und sind bei 1,18 m 4 röm. Fuss Wandstärke so angeordnet, dass
die LKngcnaxe der Stadtmauer mit der Mittelaxe des Thurms zusam-
menfallt.
254
Miscellcn.
Nach der Feldseite wie nach der Stadtseite sind die Vorderansichten
de« Thon* durchweg mit hellen, gelblichen Kalksteinen hergestellt und
durch je vier 0,81 m breite canellirte Pilaster gegliedert, welche auf
breit vortretenden Sockelgliedern ruhen. Aus der grossen Zahl der vor-
gefundenen, sorgfältig bearbeiteten Architcktnrstücke sei ein korinthi-
sche« Capitell mit zwei übercinanderHtehondcn Reihen von Akanthus-
blättern und darüber befindlicher Schilfblattreihe erwähnt. Auch der
vorhandene Thurm zeigt ein profllirtes Sockelgesims aus Kalkstein und
an der Seite, mit welcher er gegen die Thorfront anstösst, die Reste der
einbindenden Quaderbekleidung. Im übrigen int das Mauerwerk de«
Thurms, der seitlichen Aussen wlinde und der Zwischenwände des Thores
als Ousstnauerwerk mit Grauwnckcverblendung und eingelegten Ziegcl-
»chichten, jedoch in den Thordurchgllngen mit einem untern Sockel aus
Kalksteinquaderu hergestellt. Stempel haben sich auf den zum Thorban
verwendeten Ziegeln nicht vorgefunden. Von Interesse dürfte noch sein,
dass der östliche Thurmsockel 1 in tief in die nnstossende Stadtmauer
einbindet und dass dem Augenschein nach die Stadtmauer iinchtrHglich
gegen den Thurm angebaut ist.
Die ursprüngliche Verwendung aller gefundenen Architekturreste
in den beschriebenen Bauten dürfte erst auf Grund sorgfältiger Rccon-
struetionsversuche. angegeben werden können.
Die Bauart und Austattung unseres Thores lilsst darüber keinen
Zweifel, dass es nicht einen eiligen Nothbau, errichtet in der augenblick-
lichen Furcht vor andrängenden Barbarenhorden, darstellt. Schon die
Verwendung de« weissen Kalksteins, welcher fern her von der Maas, ans
Lothringen bezogen ist und einen schwierigen Transport erforderte,
während andere Bausteine, wie der Trachyt vom Siebengebirge, un-
zweifelhaft näher und bequemer zu gewinnen waren, zeigt an, dass ein
gewisser Aufwand in der äussern Erscheinung beabsichtigt war, der dem
Charakter des glänzenden Triumphthores entspricht. Auch hierin bildet
somit unser Thor ein Gegenstück zu dem düstern Wehrbau der Porta
nigra. Man kann daher kein Bedenken haben, die Entstehung unseres
Thorbaues dem 3. Jahrhundert christlicher Zeitrechnung und wenigstens
seine Vollendung demjenigen Herrscher zuzuschreiben, dessen Namen
der durch einen nicht genug zu preisenden Glückszufall erhaltene mittlere
Thorbogen, wenn auch absichtlich zerstört, dennoch wohl erkennen lässt,
dem Kaiser Galiienus. Ebenso einleuchtend ist es jedoch, dass gerade
der Charakter des Bauwerks als Triumphthor ein Orund der Zerstörung
jener Inschrift für den abtrünnigen Feldherrn des Galiienus, seinen Gegen-
kaiser und Nachfolger Postumus, gewesen ist, der, indem er Köln zur
Hauptstadt eines selbständigen gallisch -germanischen Kaiserreichs zu
machen versuchte, das Wahrzeichen seiner Residenz, die Buchstaben
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Miscellen.
255
C. C. A. A. nicht mir auf sein«' Münzen prügle, sondern auch über das
Thor »einer Hauptstadt setzte.
Aus den bei den Aufgrahungen de« Thorea und der Entfernung
eines Theiles der hinderlichen Fundamente der Doincurieu gemachten
Beobachtungen scheint mit Sicherheit hervorzugehen, dass die alte Pfaflen-
pforte durch das ganze Mittelalter sich in wesentlich unveränderter Bau-
substanz erhalten hat. Erst der Neubau der Doincurieu im 17. Jahr-
hundert hat ihren Untergang herbeigeführt, denn die Quadersteine dos
Römerthores bilden vielfach das Material der Grundmauern jenes Baues.
Dies ist für die weitere Frage der Erhaltung der Thorreste insofern
wichtig, als es möglich erscheint, erhebliche Theile dieses Denkmals aus
den noch vorhandenen, den Fundamenten der Doincurieu zu entnehmen-
den Bansteinen wiederherzustellen.
Obgleich die Lage unseres Thoros an seiner jetzigen Stelle für die
Möglichkeit einer Erhaltung dieser ehrwürdigen Trümmer im ersten
Augenblick nicht günstig erscheint, so sollte doch, sofern eine solche
Möglichkeit überhaupt in Frage kommen kann, alles aufgewandt werden,
das Kömcrthor für die Nachwelt zu erhalten, indem es freigelegt und
mit einer den Uebergang in das tiefere Niveau vermittelnden Garten-
anlage derart umgeben wird, dass das Ganze einen schönen und würdi-
gen Anblick gewährt. Die jetzt noch über dem alten Fussboden 3,5—
4 m hohen Reste würden sicherlich unsere Stadt um eine von vielen
Besuchern geschätzte und bewunderte Sehenswürdigkeit bereichem,
wahrend hei einem Verpflanzen der Anlage, au einen andern Ort, die
für die Gussmaucrn wohl ziemlich ausgeschlossen, höchstens für einen
Theil der Quaderreste in Frage kommen könnte, das historische Interesse,
das an den Ort geknüpft ist, bedeutend abgeschwächt werden würde.
Kaum irgend einen andern Best eines aufrechtstehenden Römerbau-
werks besitzt unsere Stadt noch ausser diesem Thor; die rücksichtslose
Gegenwart hat den grossartigen Schöpfungen der Vergangenheit gegen-
über jedesmal ihr Recht der Zerstörung in dem Umfange geltend ge-
macht, dass heute die Ortskunde der Stadt Köln zur Römerzeit zu einem
der umstrittensten Gebiete der Wissenschaft gehört. Erst in neuerer
Zeit hat die sorgfältige Beachtung und Aufzeichnung aller bei den städti-
schen Canalbauten und an andern Orten gefundenen römischen Hausmauern
und Strassenzüge ein Material ergeben, dessen Ausbeute in manchen
Beziehungen endlich vom Boden der Verumthungeu auf den der Tbat-
sachen führen wird.
Möge daher die Hochachtung vor den geschichtlichen Erinnerungen
der Stadt Köln aus classischer Zeit in unsern Tagen den aufgefundenen
Thorresten ein weiteres Bestehen und eine liebevolle, fernere Erhaltung
sichern. Kölnische Zeitung f.. Juli II.
256
Misccllen.
3. Römischer Grabstein aus Bonn. Dir von Trier nach
Bonn führende. Römerstrasse füllt in ihrer letzten, kurzen Strecke mit
der heutigen Heerstrasse und zum grössten Theile mit dem „Hosenthaie*
zusammen und geht an der Südseite der „castra Bonnensia" entlang bis
zum Rheine ')• Zahlreiche Gräber, melirere Grabinschriften, ein Estrich s)
ein Augensalbenstempel1') etc. wurden unter Anderem in der Heerstrasse
zu Tage gefordert. Der
mittlere Arm der Rhein-
römerstrasse deckt sich in
seinem Laufe von Hersel
bis Bonn etwa mit der
Kölner Chausse4). Die rö-
mische Strassendecke kam
noch kürzlich bei einer
Ausschachtung vor dem
Hanse Kölner Chaussee
Nr. 1 zwei in unter der heuti-
gen Strassenkrone zum
Vorscheine. Oestlich der
1) Vgl. v. Ve.ith, Bonn. Jahrb. LXXII S. 46.
2) v. Veith, Das röm. Lager i. Bonn, Winckelm.-Progr. 1888 S. 6.
3) Bonn. Jahrb. LXXXX S. 211.
4) J. Schneider, a. n. O. LXIII 2.
f») v. Veith, a. a. O. LXXXII S. 54.
Ii) a. a. O. LXXXX S. 1!H5.
7) J. Klein, a. a. O. LXXXVIII S. 125.
Kölner Chaussee wurden
ausser zahlreichen Grab-
steinen, einem Altare für
die matres domesticae,
zwischen Chaussee, dem
Rheindorfer Bache und der
Provinzial-Trrenanstalt ein
Gräberfeld, sowie Gräber
gegenüber dem Josephs-
hofe *), ferner westlich der
Chaussee auf der Ziegelei
des Herrn Oekonomen
Schmitz ein Gräberfeld
entdeckt"), auf welchem
man vor ca. 21/« Jahren den
interessante Grabstein des
Nemeters Niger von der
ala Pomponiani fand 7).
Dort wo beide Strassen
Miscellen.
257
Rieh kreuzen, nicht weit von der südwestlichen Ecke der caatra (heute
Koke der Kölner Chaussee und des Rosenthaies) stiess man bei einer
Fundamentausschachtung wieder auf einen römischen Grabstein, welcher,
von einigen Kleinigkeiten abgesehen, gut erhalten und in beigefügter
Abbildung veranschaulicht ist.
Das Materini ist Jurakalk. Die LHnge de* Steines betrügt 2,15 ui,
die Breite 0,91 in und die Dicke 0,265 m. Das Denkmal stand mit seinem
unteren Theile, wie an der weniger sorgfältigen Bearbeitung und der
helleren Färbung dieses Theiles deutlich ersichtlich ist, 0,54 m in der
Krde. Ungeführ in der Mitte des Steines befindet sich auf einer ca. 0,02 m
vertieften, mit Profilstreifen umrahmten Platte von 0,75 m Breite und
0,42 m Höhe folgende, sorgfältig emgemeissclte Inschrift:
VONATORIXDV
CONIS F EQVES ALA
LONGI Nl AN A-AN
NORVMXLVSTIPEN
DIORVMXVIIHSE
Die Buchstaben sind in den einzelnen Zeilen von verschiedener
Grösse; dieselbe betrügt in der ersten Zeile: 0,08 m, in der zweiten:
0,06-i in, in der dritten: 0,059 m, in der vierten: 0,054 m und in der
fünften: 0,053 m, An der rechten Seite ganz unten nuf dem Theile, der
in der Erde stand, als du* Denkmal aufgestellt war, stehen die Buch-
staben AI gross eingehauen, welche wahrscheinlich als Steinmetzzeichen
aufzufassen sind. Die Buchstaben der Inschrift sind sauber scharfkantig
eingehalten und deuten ihrem Charakter nach auf die frühere Kuiserzeit,
womit auch die Formel H S E (hic situs est) übereinstimmt.
Vouatorix ist poregriner Abkunft, denn er führt weder ein
nomon gentilicium, noch einen Tribiumameu, was allein dem c i v i a
Ii o m a n u s zukommt l>. Nach seinem Namen zu schlicssen, ist er G a 1-
lier5). Kr trat mit 28 Jahren, also verhHltnissmUssig sehr spJlt, in das
Auxiliar-Beiterregiment ein. — Die ala Longiniana ist erwähnt auf
dein Grabsteine des Bituriger's ") Faedns, der bei Bonn gefunden, je-
1) Sueton., Claudius 25.
2) Herr Dr. A. Holder in Karlsruhe bestätigte auf meine Anfrage,
dass die Namen Vouatorix und Ducti (gen. Duconis) celtisch sind.
Ueber den Namen Vouatorix habe, ihm Herr Whitly Stokes in London,
der hervorragendste lebende Kenner des Celtisehen geschrieben: „The
vonato in Vonatorix, I should be inclined to connect with the skr.
Vvaii, the. as. wantim (from » vonomos) the Ir. finc (from veniA) and
other words collceted by Eick * 547 s. v. 1. ven." — Holder deutet
ferner an, dass vielleicht der Stamm dueon mit dem gallischen Pttnnzen-
namen ooukujvI zusammenzustellen sei.
3) Völkerschaft im aquitanischen Gallien.
Jahrb. af Vcr. v. Altcrtbafr. im Rhcinl. XCIlt.
17
2.V*
MiHCClICI).
doch nicht mehr erhalten ist In ChAlon sur SAonc förderte man den
Grabstein de« Reiner"»*) Samorix, Reiters der ala Longiniana. zu
Tage *). Wir begegnen ihr ferner auf einem marmornen Grabstein, der sich
im August 101-1 in Toulon fand4); auf dieser Tafel wird einen Praefeeten
(der Name ist nicht erhalten) unserer ala gedacht, der in das Priester-
colleg des Aiigustus(?)-Tempels zu Narbo aufgenommen wurde [(sacerdoti)
TKMPLIDIVl (aug. quod est Nar)BONE], In Niincs entdeckte man den
Grabstein eines anderen Praefeeten dieser ala, des Fulvius Lupus
S e. r v i I i a n u s aus der Voltinisehen tribus, der vom Kaiser Vespnsian
i n t e r p r a e t o r 1 o s, d. h. in den Senatorenstand aufgenommen wurde
und der die Aemter eines Quatuorvir ad aerarium, eines Pontifex und
eines Praefectns vigilum bekleidete R). Die Voltinische tribus wird vor
Allem in Oallia Narbonensis angetroffen.
Was die Rekrutlrung der Anxtliartruppen anbelangt, so wurden
die Leute aus den kaiserlichen und senatorischen Provinzen aus-
gehoben und in andere Provinzen versetzt, wo sie jedoch häufig nicht
lange blieben. Daher konnte spater die Nationalität der Abtheilung nicht
unverinischt erhalten bleiben, namentlich findet man Leute aus dem
Garnisonsorte der Truppen vor Ä). Der Umstand aber, dass alle bis jetzt
bekannten equites unserer ala Gallier sind *), dass zwei ihrer Praefeeten
in Oallia Narbonensis ansässig waren, dass feiner die tribus Voltinia,
welcher der eine Praefect angehört, zumeist in Gallia Narbonensis vor-
kommt, könnte es als wahrscheinlich hinstellen, dass die ala Longiniana
aus Gallien rckrutirt hat. Unsere ala war wohl, was wahrscheinlich
ist, in Bonn stntionirt (vgl. auch Anm. 7). — Die Beinamen der alac be-
zeichnen die Nation, das Land in welchem sie standen oder sich besonders
ausgezeichnet hatten, zuweilen auch den Stifter der Trupp«-; sie führen
auch seit Caracalla den Namen des regierenden Kaisers8). Der Beiname
.Longiniana' rührt bei unserer ala von dem ersten Organisator bezw.
Stifter derselben, einem L o u g i n i u s her, von welchem jedoch meines
Wissens nichts NUheres bekannt ist.
l'eber der Inschrift, durch eine ca. 0,057 m breite Leiste getrennt,
befindet sich das Reiterrelief des Verstorbenen, welches 0,75m hoch
und 0,829 in breit ist. Am unteren Rande ist es 0,13 m, am oberen nur
1) C. I. R. 498; .Bonnae ad Rhetmin frag.' Campius, periit.
2) Belgische Völkerschaften zwischen Marne und Aisne.
3) Ephem. epigr. V, i?3«.
4) C. I. L., vol. XII, 392.
5) C. I. L., vol. XII, 31«ß.
6) J. Marquardt, Römische Staatsverwaltung, Leipzig 1H7<>, S. 458.
7) Vor wenigen Tagen wurde in Bonn nicht weit von der Fund-
stelle ein dritter Grabstein eines Reiters unserer ala, des Bituriger'a
Voll a u n u s gefunden.
8) M a r f| u a i d t, a. a. O. S. 457.
Miscellen.
0,065 m vertieft. Vonatorix sprengt im Gallnpp mit zum Stossc erhobener
Lanze von link« nach rechts. Das rechte Bein, dessen Stützpunkt in dein
vom Boden sich erhebenden dreieckigen Rockel noch vorhanden ist,
sowie der untere Tlieil des Schwertes sind abgebrochen und das Gesicht
zum Theile zerstört; sonst aber ist das Relief sehr gilt erhalten, sodass
man die Einzelheiten der Rüstung deutlich erkennen kann. Der Reiter
ist bartlos und ohne Helm dargestellt, er tragt die lorica squamata,
welche von Prot*. Li n d e n s c h m i t noch nicht auf Grabdenkmalen der
Rheinprovinz beobachtet worden ist '). An den Achseldecken kommen
unter der lorica die befransten Lederstreifen der tunica zum Vorscheine.
Das um den Hals befestigte Brustschild tragt eine armilla. Der Fuss
scheint mit dorn glatt anliegenden calceus bekleidet zu sein. An Waffen
tragt Vonatorix in der Rechten die zum Stosse geschwungene hasta und
am einfachen cingulum den gladius, auf dessen vagina zwei Wellenlinien
als Ornament angebracht sind. In der Linken halt er den ellipsenförmi-
gen, an den Kurzseiten gerade abgeschnittenen Langschild, wie er auch
auf dem Reiterrelief des C. Romanius -) dargestellt ist.
Das Pferd tragt den Vonatorix aut einer viereckigen, am unteren
Theile mit Fransen besetzten Satteldecke (ephippium) *}, welche vorne
buchtig ausgeschnitten ist. Sic erhebt sich kaum über den Rücken des
Pferdes, kann also kein Sattelgestell, wie. unsere Sattel als Unterlage
gehabt haben. Die Satteldecke ist gepolstert nach Art unserer Sattel-
kissen und vorne und hinten mit Bauschen versehen *). Dieses weist
unter anderen auch deutlich die untere Abbildung auf dem Grabsteine
des Treverers C. Julius Primus5) auf. Dass hier auf der Fransendecke
kein anderes Sattolkissen aufliegen kann, die Bauschen also mit der
Decke zusammenhangen müssen, zeigt uns deutlich der Umstand, dass
der Bauc.hgurt, der mit der vordersten Kante der über ihm liegenden
Satteldecke abschneidet, an dieser befestigt ist und in seiner Verlänge-
rung nach oben den Hnls des Pferdes v o r der Vorderbausche trifft, also
ein aufliegendes Sattelkissen nicht halten kann. Dasselbe zeigt uns der
Grabstein des Nemeters Niger6), doch sieht man hier unter der Satteldecke
noch mehrere Enden einer Decke, etwa wie des bei unserer Artillerie,
und Cavallerie gebräuchlichen, mehrmals zusammengelegten Woilachs.
1) L i n d e. n s c h m i t, Die Tracht und Bewaffnung des römischen
Heeres, S. 7 und Taf. XII, 10
2) L i n d e n s c h m i t, Die Alterthümct- unserer Vorzeit, Band III
II. VIII, T. IV.
3) Caesar, bell. Gall. IV, 2.
4) Der schwarze Halbkreis auf der Abbildung über der hinteren
Bausche hat mit der Skulptur nichts zu thun, sondern liegt in der Struk-
tur des Steiiie*i.
:'>) Fiedler, Römisches Anti<|Unrium des Königlich Pretissischen
Notairs Houbeu in Xanten, Tab. XLIV.
ß) Im Provinzial-Muscuin zu Bonn.
2G0
Miscellcn.
Sattel mit Gestellen, wie die des Reliefs de« Silius l), des C. Romanius*)
und dos Ande«8) zeigen, treten nach Major Sch lieben*) im zweiten
Jahrhundert n. Chr. neben den ephippia auf. — An dem BruMricmcn,
welcher an der Vorderbauschc befestigt ist, befinden sich auf der Braut
eine und an den Seiten je eine grosxe Zierscheibe (phalerae), von welch'
letzteren je ein Sehinuckriemeu herabhängt. Ebenso zeigt der Kiemen,
welcher nach Art des Umganges bei Zugpferden von der Hinterbausch«
über der Kruppe unter dem Schwänze hergeht, auch auf beiden Seiten
je eine grosse Zierscheibe, von welcher wieder je ein Schmuckriemen
herabhängt. Der Brustriemen sowohl, als der Umgang dienten hier, wie
bei vielen Reiterdarstellungen*), eher zum Zierrath, zur Aufnahme der
phalerae, als zur Kegulirung des Sitzes der Satteldecke, zu welchem
Zwecke die Kiemen straff angezogen sein müssten. Wir finden auch Dar-
stellungen «), auf welchen ein zweiter straff angezogener Brustriemen
über dem mit phalerae uud lunulae geschmückten Kiemen angebracht
und mit dem Vorderzwiesel verbunden ist, also zur Kegulirung der
Sattellage diente. — Der hintere Riemen mussto durch einen Schwanz-
riemen, welcher an ihm auf beiden Seiten befestigt ist und dicht am
Schwänze Uber die Hüften geht (wie auf dem Grabstein des Andes) vor
dem Herabrutschen bewahrt werden. Brust- und Hinterriemen sind straft*
angezogen bei dem Relief des C. Marius7). Bei den zwei Reiterreliefen,
die L i n d e n s c h m 1 1 , „Die Alterthümer unserer heidnischen Vorzeit"
Band I, Heft III, Taf. VII, Nr. 1 und 2 abbildet, sind solche Schwanz
riemen nicht augebracht, weshalb hier die Umgange tiefer herabhängen.
— Das Kopfgestell des Zaumzeuges hat in der Mitte des Stirnriemen«
eine und an beiden Seiten, wo Stirn- uud Kehlriemen zusammenstoßen,
je eine kleinere Zierscheibe. Das Backeustück besteht aus einem ge-
spaltenen Riemen; wo dasselbe mit dem Nasenriemen zusammentrifft, be-
findet sich wieder eine kleine Zierscheibe. Das Pferd ist auf Trense
gezäumt.
Auf der 0,905 m breiten und ca. 0,00 m hohen Leist« über dem
Relief gehen von einer in der Mitte aufrecht stehenden Blume Ranken
mit Blüthen aus, die von oben gesehen dargestellt sind. — Die Bearbei-
tung des Steiues ist eine saubere, doch ist es nach den fehlerhaften Pro
1) Lindenschmit, Tracht und Bewaffnung etc. Taf. VIII, 2.
2) a. a. O. T. VII, 3.
3) Lindenschmit, Die Altert*, uns. Vorzeit, Bd. I, H. XI,
Taf. VI, 2.
4) Annahm des Vereins für Nassanisehe Alterthumskunde, B. 21, S. 27.
f>) Vgl. die Reliefs des Niger (Anm. fi), des C Romanius (Anm. 2)
und in Lindensch mit, n. a. O. Bd. I, Heft III, Taf. VIT, 1 u. 2.
6) Vgl. die Grabsteine den C. Julius Primus (Anm. 5) und des
A n d e. s (Anm. 3).
7) Vgl. Lindensch mit, Tracht und Bewaffnung etc. Taf. VII, I.
Miscellen.
2G1
portioncu und der etwas steifen Bearbeitung des Hebels nicht zu ver-
kennen, dass das Denkmal, wie die meisten römischen Grabsteine, sich
nicht Uber das Niveau der Arbeiten eines Kunsthandwerkern erhebt.
Leider war es trotz der Bemühungen des Herrn Prof. Klein un-
möglich, dieses interessante Stück für das I'rnvinzial-Museum zu erwerben,
da Herr Kaplan Bodewig zu Bonn, welcher Antiquitäten sammelt, um
dieselben zum Zwecke der Stiftung eines indischen Missionshauses mög-
lichst theuer zu verkaufen, den Stein für eine dem Kenner viel zu hoch
erscheinende Summe angekauft hat.
Oskar Kautcrt.
4. Karolingische Brandschicht bei Meckenheim. Im
Sommer 18!K> unternahm ich mit Herrn Constantin Kooneu einen
archäologischen Ausflug nach Meckenheim. In der Sandgrube des
Herrn J o h a n n Fey nördlich von der Stadt und westlich von der Strasse
nach Lüftelberg waren vier Skelette in einer ungefähren Tiefe, von
ca. 1 m bis 1,20 m gefunden worden, bei welchen karolingische Gefäss-
scherhen lagen, darunter zwei Gefiissbödcn mit Wellenplatte. Etwa drei
Meter westlich von dem zunächst nach Westen gelegenen Skelette und
ca. 0,45 in höher liegend, kam eine Brandschicht zum Vorscheine, welcher
wir einige karolingische Gefässscherben entnahmen. Unser Fundort liegt
östlich vom Schwistbache, welcher die Grenze zwischen dem Bonner
Gau und dein Schwistgau bildete (vgl. Koenen, „Aufdeckung einer
vorgeschichtlichen Niederlassung und eines fränkischen Gräberfeldes in
Meckenheim", Bonner Jahrbücher Heft XCII, Seite 201), gehörte also
dem Bonner Gau an. Das Gelände steigt von Süden, Westen und Norden
zu unserer Fundstelle, hin an, während es «ich von derselben nach Osten
hin allmählich erhöht.
Im Marz 1891 Hess ich die Brandschicht, soweit sie auf dem Ge-
biete, des Herrn Fey lag1), welcher mit grosser Bereitwilligkeit seine
Sandgrube und Zeit zur Verfügung stellte, systematisch abtragen und
untersuchte sie auf ihren Inhalt. In ihrer Ausdehnung von Osten nach
Westen, die wohl nicht mehr wie ca. Ö— 7 m betragt *), lag sie ca. 0,30 m
unter der Oberfläche und war ca. 0,12 m dick; auf der von Süden nach
Norden gerichteten Strecke, die ca. 10 m lang ist, bleibt die Lage unter
1) Unter einem Nachbaracker ist die Fortsetzung der Brandschicht
nach Westen hin zu suchen; »loch reicht sie nicht weiter in denselhen
hinein, als bis auf höchstens 1,70 m, da sie in einer aufgeworfenen Grube
von ca. 1,75 m Entfernung von der Grenze des Ackers nicht mehr an-
getroffen wurde. Leider konnte ich das betreffende Grundstück aus
verschiedenen Gründen nicht abtragen lassen.
2) Die Ausdehnung von Osten nach Westen war nicht mehr genau
festzustellen, da die Brandschicht an der Ostseite schon zum Theile ab-
gebrochen war.
Miscellen.
der Oberfläche und die Dicke der Braudschiehl nach Norden Iii it auf 8 in
dieselbe, wie oben angegeben; von du ah wird im Verlaufe der letzten
zwei Meter nach Süden hin der Abstand des oberen Rande* der Brand-
sehicht von der Oberfläche grosser und sie selbst dünner, so dass sie
am südlichsten Ende ca. 0,60 m unter der Krdc liegt und ca. 0,16 in
dick ist.
Als Inhalt der Brandschicht sind aiinacr Thierknochen, darunter
ein Wildschweinzfilm. einige Pferde- und Ochsenzahne, verschiedenen
Klumpen geschmolzenen Kiseus, wenigen eisernen Nilgelii, Stücken von
Dachziegeln und einigen Mürtelklumpen, folgende Fundstucko hervorzu-
heben :
1. Ein Gewand-Schmuck von Bronze In Oestalt eines Kreuzes, ahn-
lich dem sogenannten eisernen Kreuze von Leipzig, von einer Lange
und Breite von 0,033 m. Die Lange, der Kreuzbalken betragt 0,011 in,
deren Breite am Äusscrstcn F.nde 0,010 in. In der Mitte des Kreuzes ist
ein rundes Stück blauen Glases von 0,008 m Durchmesser in einen»
Bronzerand gefasst, wahrend die Kreuzbalken grüne Glnsstückcheu in
Dinglicher Trapczfonn auf dieselbe Weise gefasst zeigen, von denen je-
doch nur zwei erhalten sind. Die Reste der eisernen Nadel sind an der
Rückseite angerostet, wo auch der noch unversehrte Nadelhaft von Bronze
»itet.
2. Eine bronzene F i b u I a von 0,063 m Lange mit schwach ge-
schweiftem Bügel, der oben zwei Bündel Querrippen zeigt, wahrend er
unten auf dem grösseren Theile der Lange nach gerippt ist. Es ist
zweifelhaft, ob sie i n der Brandschicht lag, da sie vor der Aufdeckung
derselben vom Besitzer der Sandgrube gefunden wurde.
3. Eine Anzahl Oefasssch erben, welche mehr oder weniger feat
gebrannt sind und sich nach Randprofilen und Ornamenten in folgende
Arten theilen lassen:
a) Drei Scherben von blau-schwarzer Farbe, von denen zwei mit
gitterartiger, flach eingeglattcter Strichverzierung versehen sind; »ic
rühren von Gefilssen, welche wahrscheinlich die Form des in Duisburg
gefundenen, in diesen Jahrbüchern zum Aufsatze: „Alterthümer der
Umgegend von Duisburg von M. Wilms', Heft LH, Tafel VI und
VII unter Nr. 2 abgebildeten Topfes hatten. Identische , unverzierto
Scherben fand Koenen in dem karo Ii ngi.se hen St ein bau (Wartet
zu Gohr1), welcher durch den Normannenzug vom Jahre 881 n.Chr.
zerstört wurde (efr. Bonner Jahrb. Heft LXIII. S. 170).
b) Drei Scherben von grau gelbem Thone, die unter zwei breiten,
scharf eingegliUtcten Linien drei Wellenlinien zeigen, wie sie zum Auf-
satze Koenen's Bonn. Jahrb. Heft XCII, Tafel X Nr. 1 und Nr. 20 ab-
1) In der Scherbensammlung von C. Koenen und der des Verfasser».
Miscelleu.
gebildet sind uutl genau, wie sie diu Duisburger Gcfilsso zeigen. Gefass-
form, wie Bonn. Jahrb. Heft LH, Tafel VI und VII, Nr. 4.
c) Zwei dickwandige Scherben von grauem Thone, der im Innern
röthlich ist, und von etwas gekörnter Oberfläche. Das GefHas hat nach
der grössten »Scherbe eine eckige Bauchung, ähnlich wie das Protll in
den Bonn. Jahrb. Heft XC1I, Tal'. X, p., jedoch oben und unten ge-
wölbter; es erinnert in der Forin au Merowingertöpfe, wie dies Koenen
in der „Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst*
in seiner Abhandlung: „Zur karoliugischen Keramik*" Jahrg. VI,
S. 355 unter Nr. 2 von den Duisburger Gcfasscn sagt.
d) Fünf ziemlich dickw andige Scherben von rüthlich gelbem, rauhein
Thone, die nach dem scharfen Randprofile und den zwei Bodenstücken
wohl auf die Form des in den Bonn. Jahrbüchern Heft LH, Tal. VI und
VII, Nr. 7 abgebildeten Duisburger Gefasses weisen. Ferner ein Haches,
breites Henkel- und ein Bodenstück von gelblicher Farbe, sowie ein
röthliches Bodenstück von derselben Gefassform. — In der Technik sind
sie identisch mit den in beraubten MerowingergrHbeni in Meckenheim
gefundenen Scherben (cfr. Koenen, a. a. (). Heft XC1I, S. 206).
e) Ein Kandstück mit gedrungenem, flachem, breitein Henkelausatze
mit flach eingedrückten, viereckigen Grübchen auf dem wulstigen Hände
und verschiedene dünnwandige, hartgebrannte, gelbliche Scherben mit
ganz flachen, scharf geraudeten Verzierungen, wie sie in beraubten
Todtengrubcu des Meckenheimer Fraukcugraberfeldes vorkommen und
a. a. O. Heft XCII, Tafel X, Nr. 30 abgebildet sind. Gefassform, wie
a. a. (>. Heft LH, Tafel VI und VII, Nr. #.
f) Ein Randstück von weisslich gelbem Thone mit fünf Reihen
Grübchen, von denen die zwei obersten sich je auf und an dem Rande
befinden und wie die vierte und fünfte Hache, längliche Vierecke auf-
weisen (vgl. a. a. O. Heft XCII, Taf. X, Nr. 30), wahrend die dritte Reihe
Dreiecke zeigt (vgl. a. a. O., Taf. X, Nr. 2H). Die Gefassform ist wohl
ahnlich dem in diesen Jahrbüchern Heft LH, Taf. VI und VII, Nr. 2 ab-
gebildeten Diüsburger Gelasse. Der Brand ist ein fester. Ferner dünn-
wandige, weisse Scherben mit theils sehr Hach eingedrückten Grübchen,
wie a. a. O. Heft XCII, Taf. X, Nr. 30, theils mit tieferen, die so gestellt
sind, wie a. a. O. Nr. 27 zeigt. — Dieselben Gcfassrestc fand Koenen
in der karoliugischen Warte zu G o b r.
g) Ein Bodenstück, sowie mehrere Scherben von gelbem, glattem
Thone, welche auf eiue Kugelform der Töpfe schliessen liisst , die
Koenen in der „Westdeutschen Zeitschrift- a.a.O. S. 355 unter
3 b bespricht und wie er einen solchen a. a. O. Taf. XI, Fig. 4 abgebildet
hat. Doch fehlt jede Spur von Bemalung, auch ist der Boden unten
etwas abgeplattet, wahrend die a. a. O. S. 355 unter 3 b angegebenen
Kugeltöpfe unten völlig rund sind. Auch ist die Wandung dicker und
Misccllon.
nicht ganz s« hart gebrannt, sie nähert steh mehr der Wandung der
"gelben, lncrowingischcn Gefässe.
h) Zwei Scherben von gelblichem und eine von röthliehem Thono
mit Relicfbandschmuck, wie K o e n e n eine solche in den Bonn. Jahrb.
Heft XCII, Tat". X, Nr. 31 und ein ganzes Gefäss in der „Westdeutschen
Zeitschrift" etc. a. a. 0. Tat'. XI, Fig. 1 abgebildet hat. Es sind dies
Scherben von drei verschiedenen Reliefbandschmuck - Amphoren. Die
röthlichc Scherbe zeigt auf dem Baude keine (»rübchen, die möglicher
Weise dein ganzen Gefilsse gefehlt haben können. Identische Gefäss-
reste wurden auf dem Meckenheimer Frnnkcngväberfclde (wie bei d ange-
geben) und in dem Steinbau zu G o h r (cfr. hei a) angetroffen.
i) Ein wulstig abgerundetes Handstück aus rüthlich braunem stein-
gutartig hart gebranntem Thone mit oberem Profile de« Charakters, wie
in den Bonner Jahrbüchern Heft XCII, Taf. X, n; feruer ziemlich grosse
Scherben von demselben Thone.
k) Ein ziemlich dünnwandiges Handstück mit einem Randprofilo
ähnlich wie a. n. O. Taf. X, e, doch muss mau sich bei letzterem den
unteren Wulst wegdenken. Aehnliche Profile kommen bei späteren,
fester gebrannten Erzeugnissen der Mcckeuhciiner Töpferei vor.
1) Ein Randstück von grau-blauem Thone mit scharfkantigem, aus-
ladendem, oberem Profile des Charakters, wie a. a. ü. Taf. X, h. Da»
Gefäss scheint sich den Erzeugnissen der , wie ich mit Kocncn an-
nehme, durch den Normannenzug im Jahre 881 zerstörten, fränkischen
Töpferei zu Meckenheim (cfr. Westdeutsche Zeitschrift a. a. 0. S. 363)
zu nähern, die Koenen a. a. O. S. 356 unter 4 bespricht; auch könnte
es, was mit Sicherheit nicht angegeben werden kann, eine Wellen-
platte gehabt haben. Nicht klar ersichtlich war es, ob das Rand-
stück in der Brandschicht oder oberhalb derselben gelegen hat.
m) Verschiedene oben profilirte Randstücke, ähnlich wie in den
Bonner Jahrbüchern Heft XCII, Taf. X, a, g, h, i angegeben, sowie eine
Anzahl Gefässscherben von blau-grauem, hellgelhein, grauem, röthlk-horn
und bräunlichem Thone, der thells glatt, theils rauhwandig ist. Von
letzterer Beschaffenheit ist der Thon einiger grauen Scherben, die den
Eindruck machen, als seien sie mit einem Sandbe.wurfe versehen, und
die steinhart gebrannt sind.
Diese Fragmente haben sämmtlich den Typus der von a bis k be-
schriebenen.
Alle diese Scherben, vielleicht mit Ausnahme von i, lagen in
der vollständig unberührten Brandschicht eingeschlossen,
sind also zu ein und derselben Zeit in dieselbe gerathen.
Die Gefässe, von welchen diese Scherben stammen, waren daher wohl
zugleich als Hausrath in Gebrauch.
Welcher Zeit nun gehören unsere Gefässe an?
Miscellen.
265
AI« die Reliefbandschinuck- Amphoren in der romanischen
Stiftskirche St. Quirin zu Neuss zu Tage gefördert waren, wandten »ich
die Neusser an Herrn Reetor Aldenkirchcn in Viersen mit der Bitte,
doch die Zeit auaugebcn, in welche die Fundstückc zu setzen seien.
Dieser befragte darum verschiedene Museumsdirektoreu. Prof. L. Linden-
sc h mit kannte weder unter den römischen Gefässen des Mittelrheincs
noch unter denen der merowingischen Zeit analoge, (cfr. Westd. Zeitschr.
etc. a. a. O. S. 354), Prof. Dr. Hettner meinte, man würde sich wegen
der Technik dieser Gefässe wohl für den römischen Ursprung aussprechen,
aber der Eindruck, den die rundbogige. Umspinnung auf den Beschauer
hinterlasse, sei der, sie gehörten ins zehnte oder elfte Jahrhundert (Bonn.
Jahrbücher Heft LXXIV, S. 15M und Westdeutsche Zeitschrift a. a. O.
S. 354), während Prof. Dr. E. aus'm Weerth diese Gelasse ent-
schieden für sptttrömisch hielt (Bonn. Jahrb. Heft LXXVI, S. 153 IT.). —
K o e n e u nimmt jedoch an, dass die Kol ierbandschmuck- Amphoren
(cfr. oben h) „zuerst in der frühkarolingischen Zeit auftreten"
und dass die Neusser Gefftsse in Folge „eines abergläubischen Ge-
brauches im Jahre 825 der Erde übergeben worden sind*
(cfr. Westd. Zeitschr. a. a. 0. S. 354 und 362). — Mehrere unserer be-
schriebenen Gefässreste sind identisch mit den Duisburger Gelassen
(cfr. a, b, d), welche Koenen in die Zeit von 690--785 n. Chr. setzt
(cfr. a. a. ü. S. 361, 862), andere wieder mit den Altesten Gofnss-
resten, welche bei der ka ro Ii ngi sehen Warte zu Gohr, die 881
zerstört wurde, zusammen mit einem Stachelsporn aus der
Zeit Karls des Grossen zum Vorscheine kamen (cfr. a, f, h und
Bonn. Jahrb. H. LXIII, 8. 170). - Ferner wurden bei der vom Bonner
Provinzini -Museum vorgenommenen archäologischen Aufdeckung
des merowingisehen Gräberfeldes zu Meckenheim in beraubten Todten-
gruben Scherben gefunden, die theils in der Technik (cfr. d), theils in
der Verzierungsweise (cfr. e) oder auch völlig (cfr. h) mit einigen unserer
Gefltssarten übereinstimmen, wahrend die Gefässreste, welche in einer
alten Culturschicht oberhalb der Graber lagen, gänzlich in dem auf-
gewühlten Boden der beraubten Todtengruben des Gräberfeldes, w i «
auch in unserer Brandschicht fehlten (cfr. Westd. Zeitschr. a. a. 0.
S. 358 unter 13). Diese letzteren Scherben aber gehören in das Ende
des neunten Jahrhunderts n. Chr. (cfr. a. a. 0. S. 356 unter 4 und
S. 362). — Die bei g erwähnten Kugel top fe. sind im Charakter älter,
als die am „Landsegnungswege- zu Andornach gefundenen. Ferner
fehlen bei unserem Funde „die kannenartigen Becher, welche das
erste Auftreten wellenförmig ansgebogener Standplatte zeigen (a. a. 0.
S. 856 unter 3b). Daher ist unser Fund etwas älter, als der Ander-
nacher, für welchen die Zeit um 800, oder sagen wir das Ende
266
Miscellcn.
de» achten oder der Anhing de« neunten Jah rhunderts n. Clir.
angesetzt ist <a. a. ü. S. 362>.
Danach würden unsere Gefttssc und die Entstehung
unserer Bra ndsch ic h t dein Ende des achten .Jahrhunderts
n. Chr., also der Kogierungszeit Karls des Grossen auge-
hören.
Demnach lilsst sich zum Aufsätze Koeneu's: „Zur karolingi-
sehen Keramik* (a. a. O.) ergänzend hinzufügen, dass die llolief-
handschm u c k • Am pho r cn, welche Koenen in der Zeit von 690—785
u. Chr. .sich entwickeln und in der lthciuproviuz zuerst in frühkarolingi-
schcr Zeit nurtreten litsst (vgl. a. a. U. S. 855 unter 2, S. 354 und S. 362)
und t in Jahre H25 erst als th atsiieh I i c h vorkommend nachweist
(a. a. O. S. 362), wirklich schon zu Ende des ac h ten Ja hrhu n dcrtH
n. Chr. in Gebrauch sind, vielleicht zuerst auftreten.
Was aber war die Veranlassung zu der Brandseilicht?
Auf der Braudschicht war höchst wahrscheinlich ein Karolingerbau
errichtet, dessen Fundamente vielleicht au* Mauerwerk und dcs.seu Ober-
bau möglicher Weise aus einer Holzconstruction bestand, da ausser der
günstigen, topographischen Lage auch noch die in der oberen Lage der
Brand-schicht gelegenen Ziegel- und Mörtelreste, sowie die fünf seitwlirts
beigesetzten Tod teil darauf hinweisen.
An eine Zerstörung dieses Baue« als Ursache zu unserer Brand-
schicht ist wohl schon deshalb nicht zu denken, weil 1) die Brandschicht
von ziemlich glcichmassiger Starke ist und 2) der Boden, auf welchem
sie ruhte, glatt abgestochen war. Dies und die meisten Übrigen Funde:
die grosse Anzahl Scherben, kein einziges, halbwegs ganzes GetHss, die
Thierknochen, lassen eine grosse Aehnlichkeit mit den Fuudumstanden,
wie sie am „Landscgnungsweg in Andernach" beobachtet wurden,
keineswegs verkennen. Dort traf man .zwischen Bausteinen auf Stücke
ausgeglühter Holzkohlen, vermischt mit einer grossen Anzahl von Ge-
fassscherben, oder wenigstens, mit seltenen Ausnahmen, nicht vollständig
erhaltenen Gel'ätssen Ausserdem fanden sich hier und da Ei-
schalen und GeHügclknochen. Der Boden, auf welchem das Gemäuer
ruhte, war völlig geebnet und wiederum mit einer dünnen, schwarzen
Uraudlagc, die mit Scherben vermischt war, bedeckt" (a.a.O. S. 363, 364).
Koenen hat nun (n. a. O. S. 364 ff.) auf den Gebrauch jener Zeiten,
die Erde durch allerlei Opfer zum Tragen des Baues willfährig zu machen,
hingewiesen und die. darauf bezüglichen Stellen angegeben. Da opferte
mau vor Errichtung eines Baues allerlei Thiere, wie Lilmmcr, Hahnen,
Pferde, ja sogar Menschen, warf Scherben in die auflohende Gluth und
setzte von Brand rauchende, meist zerbrochen«« Gefiisse in oder unter
das Fundament des zukünftigen Baues. War doch »las Feuer eine liiu-
Miscelleu.
JW7
turude Macht schon nach ulthcidnischcr Vorstellung und „Scherben be-
deuten Glück!", wie der Volksglaube lehrt.
Demnach verdankt unsere B randsehicht ihr Entstehen
vielleicht dem abergläubischen Gebrauche des „Ua usoge ns" !
Oestlich von der Brandschicht waren vor Untersuchung derselben
in einer Entfernung1 von ca. 3 in bis zu ca. 12 m vier Skelette in einer
Tiefe von ca. 1 in bis ca. 1,30 m gefunden, welche alle durch den Be-
sitzer aufgedeckt worden sind. Leider war von keinem der Schädel er-
halten. Die Uebcrretttc des von den vieren zuletzt entdeckten Skelettes
sah ich kurz nach ihrer Herausnahme. Herr Key hatte die Knochen in
dieselbe Lage wieder gebracht, wie er sie in der Erde gefunden hatte.
Danach lug der Totlte mit dem Gesichte nach Osten; auch die übrigen
Skelette, so versicherte der Finder, bluten in derselben Richtung gelegen.
Bei zwei Skeletten, wobei auclf das letztere, fanden »ich karolingische
Scherben, darunter als spatestes Stück je ein üefttssboden mit Wellen-
platte. Letztere Gefassrcste gehören den Erzeugnissen der im Jahre Hfcl
durch die Normannen zerstörten Meckenheimer Töpferei an. Diese Go-
Otsse sind in die zweite Hälfte des neunten Jahrhunderts zu
setzen (vgl. Koenen, Westdeutsche Zeitschr. a. a. O. S. Ht>2). Dem-
nach sind die beiden Todten in dieser Zeit beigesetzt
worden.
Vor ungefilhr fünf und einem halben Monate wurde ca. 17 m öst-
lich von der Brandschicht und 1,17 m tief ein fünftes Skelett entdeckt,
welches ich persönlich bloslegen Hess. Das Gesicht war genau nach
Osten gerichtet; das ganze Skelett ist ca. 1,7» in lang. Der kleine wuhl-
gebildete mesoccphale Schädel, der an den Augen abgebrochen, dessen
Decke aber noch erhalten ist, gehörte nach Gch.-Rath Schaaff hausen
einer Greisin an. Dicht bei dein linken, oberen Baude des Beckens hob
ich zwei Scherben auf, von denen die eine ein Handstück von gelb-
rother Farbe und festgebrauntem, dickwandigem Thone ist. Das Profil
desselben ist an der Innenseite scharfkantig und nach Aussen hin ladet
es etwas wulstig aus; unter dem Rande befinden sich scharf eingedrückte
Viereckchen, wie die auf den Reliefbaudschniuck-Amphoren (vgl. Bonn.
Jahrb. Heft XCII, T. X, 31); das Randstück scheint einem grossen Topfe
mit weiter Oeffnung angehört zu haben. Das andere Stück ist dünn-
wandig und von derselben Farbe, doch von fester gebranntem Thone.
Ein anderes Randstück von gelblicher Farbe und dünnwandigem, fest-
gebranntem Thone mit einfachem, wenig gebogenem Profile lag am lin-
ken Unterschenkel. Ferner kamen noch sechs weitere Scherben von
blauem, blau-schwarzem, grauem und gelblich-grauem Thone zu Tage,
welche theils zwischen den Schenkeln, theils an den Füssen lagen. Alle
diese Seherben, sowie neun in der Skelettgrube ca. 0,90—0,80 in über dein
Boden derselben gefundenen Scherben von grauem und gelbem Thoue,
268
MisccHen.
darunter eine solche von einer gelben, dickwandigen Kclicrhaudschmnck-
Amphora, stimmen vollkommen mit den in der Brnndschicht
angetroffen« n Uhurein, so dass es klar ist, dass dieser Karolin-
ger in der Zeit um die Entstehung1 der Brandschicht, resp.
kurz nachher, also gegen das Ende des achten Jahrhunderts,
bestattet worden ist.
Nördlich von dem letzten Skelett wurden in einer ca. 7 m breiten,
bis zu 2,20 in tiefen Grube, die von dein Grabe durch eine schmale ca.
0,77 in Uber dem Boden desselben sich erhebende, unberührte Saiidsliulc
getrennt ist, ein Knndstück von röthlichem Thone, dessen Profil dem in
den Bonn. Jahrb. Heft XCII Tal. X, q abgebildeten ähnlich, jedoch we-
niger wulstig ist, und eine Scherbe von dünnwandigem, grauen Thone
mit gekörnter ObcrllHchc, letzteres Stück in einer Tiefe von ea, 1,70 in,
ferner verschiedene Scherben in einer südlich des Grabe«, von diesem
durch eine ca. 0,52 in über dessen Boden sich erhebende, schmale Sand-
bank getrennten Grube ca. 0,50— 0,(10 in tief angetroffen. Alle diese
Scherben gehören ebenfalls demKnde des achten Jahrhunderts an.
Wir werden nicht fehl gehen in der Annahme, dass die hier
Beigesetzten Bewohner des HauseB waren, dessen Grund-
lage die Brandscbicht bildete.
Da in den Gräbern und deren Umgebung keine spateren GefJtss-
reste vorkommen, als die Erzeugnisse der Meckenheimer Töpferei aus der
zweiten Hillfte des neunten Jahrhunderts, so ist es höchst wahrscheinlich,
dass der Knrolingerbau um diese Zeit aufgegeben wurde, vielleicht
das Schicksal der durch die Normannen zerstörten Meckenheimer Tüpfe-
rei theilte. Demnach hfttte das Karolingerhaus von dem Ende
des achten bis in die zweite Hftlftu des neunten Jahr-
hunderts bestanden.
Auch der Umstand, dass sich bei einem friedlich Bestatteten
frühkaroliiigisciie, den i u der Brandschicht vorkommenden identische
Scherben, ferner in zwei unberührten Grälbern, welche ebenfalls friedlich
Bestattete bargen, Erzeugnisse aus der zweiten Hälfte des neunten Jahr-
hunderts (Gefilnsboden mit Wcllenplatte) fanden, wahrend die Brandschicht
nur solche aus dein Ende des achten Jahrhunderts aufweist, be-
stätigt die oben ausgesprochene Ansicht, dass die Brandschicht
nicht dasProdukt einer Zerstörung, sondern als „ Bausegen-
aufzufassen ist.
Die Erschliessung unserer Brandscbicht ist für die Chronologie
der karolingischcn Keramik von grosser Bedeutung, indem wir spe-
ciell die Gcfa.ssc kennen lernen, welche zu Ende de» achten
Jahrhunderts n. Chr., also unter Karl dem Grossen den Haus-
rath des rheinischen Franken bildeten. Auch bestätigt unser
Fund die von Koencn auf Grund historischer Nachrichten uud durch
Miscellen. 2«9
Vergleiche gefolgerten, chronologischen Schlüsse in seinein Aufsätze:
„Zur karolingischen Keramik" (a. a. 0.).
Vor nicht langer Zeit waren die karolingischen GefHsse als solche
unhekaunt, ja vor kurzer Zeit beliebte man dieselben in der Hegel sogar
für altgermauisch zu halten. Auch heute noch kennen sie Wenige.
Ebenso sind die Gefttsse der auf die Karoliugerzcit folgenden, mittelalter-
lichen Perioden in den wenigsten Fallen erkannt. Um aber weitere
Beseitigung und Klarheit zu gewinnen auf dem Gebiete, das
man eben erst zu sondiren begonnen hat, ist es uncrlHss-
lieh, dass alle Funde aus der Zeit des Mittelalters, ja jedes
Scherbchen, nach den FundumstKnden genau untersucht
und so immer mehr Bausteine zum festen Aufbau der Chro-
nologie der so sehr vernachlässigten, mittelalterlichen Ke-
ramik beigebracht werden. Oskar Kaute rt.
5. Merken ich. Römische Inschrift. Bei Gelegenheit der vorig-
jlthrigen Manöver fand ich im Pfarrhanse zu Rohr bei Blankenheim an
der Ahr ein römisches Bildwerk, «las im Besitze des dortigen Pfarrers
Herrn L. Beck ist. Nach Angabe dieses Herrn befand sich der hierbei
abgebildete Stein in zwei Theile getheilt in die Fundamente der alten
Kirche zu Merkenich am Rhein eingemauert und kam beim Neubau
derselben im Jahre 1K85
ans Licht und in die
Hilnde des Herrn Beck.
An der oberen HHltte
ist der breite Rand
ringsum abgehauen, je-
doch glücklicher Weise
so, dass wir voraussicht-
lich keinen Verlust an
der Schrift zu beklagen
haben. Die Darstellung
selbst ist durch sich klar:
ein bilrtigcr römischer
Kriegsmann, nach links
ausschreitend, ist im Be-
griffe, einen zu Boden
liegenden mit einer Keule
bewaffneten Feind , in
dem wir ohne Zweifel
einen Germanen zu er-
kennen haben , zu er-
schlagen. Der Centnrio
270
Miscellen.
ist mit dem Panzer und dem darüberhlingenden Kriegsmantel bekleidet
und schwingt in der hoehcrhobenen Hechten da« kurze Schwert «um
tödtliehen Streich; die Linke greift in die Hnnro Keines Feinde«. Den
Kopf bedeckt kein Hehn, ho dass das Prnfll des Hauptes noch deutlich
zu erkennen ist. Irren wir nicht, so schmückt die Brust eine phalera.
Die Ausführung zeugt von wenig künstlerischer Fertigkeit, auch hat sie
im Laufe der Zeit sehr gelitten. Dns Material ist der am Rhein gewöhn-
liche Haustein; die jetzige Höhe ist 40, die Breite der unteren HHlfte 28 cm.
— Geweiht ist das Werk an den Jupiter und zwar, wie die Darstellung
ohne Zweifel erkennen Msst, nach glücklicher Rückkehr des Maternus
aus einem germanischen Feldzuge. Die Schrift ist schart (schilrfer als
auf umstehender Abbildung) und schön gezeichnet, so das« wir den
Stein zeitlich werden ziemlich hoch hinaufrücken müssen. — Der Fund-
ort Merkenich liegt an der römischen Strasse Köln-Neuss, die am Rhein
entlang führt1), und hat uns schon einige Funde geliefert (vgl. Jahrb.
»3 S. 203, 89 S. 56).
Andernach. Dr. F. Knickenberg.
0i. Aufdeckung eines r iim isc he n Cas tel Is be i Wert h ausen
am Niedcrrhei n s). Im Regierungsbezirk Düsseldorf, Kreis Mörs, Oc-
meinde Homberg, befindet sich gleich nördlich von Hochemmerich und
westlich von Werthausen, in der Ecke nördlich des Weges nach Aster-
lagen und westlich des heute vom Rheindamme begrenzten, alten linken
Rheinufers, und zwar etwa '/s Meile südwestlich des klassischen Bodens
von Asberg eine Ebene, welche durch spftrlichen Wuchs der Halmfrüchte
eine grössere bauliche Anlage verrieth, deren Fundamente nur von
einer geringen Humusdecke eingeschlossen sein konnten. Der Volksmund
sagt, hier habe „Schlotts Steinbrink- gestanden. Das Grundstück, welches
zu Werthausen gehört, ist zum grünsten Theile im Besitze des Herrn
Verwnltungssecretilrs H. Manssen in Rheinberg.
Im verflossenen Winter licss Herr Landrath Haniel von Moers
unter der Autsicht des Herrn Obersteigers Wiedelmann aus Homberg
die Fundamente aufdecken, untersuchen, aufzeichnen und zuwerfen. In
dem Fundberichte ist von einer altrömischen Mauerung die Rede, deren
Breitseiteu von Westen nach Osten liegend, zwei Thore zeigen sollen.
Man habe, innerhalb der Mauerung eine Leichenstütte offen gelegt mit
drei Lagen übelriechender Leichenasche, gekrönt von einem sieben
Striche zeigenden dreieckigen Leiche.nsteine.
1) Siehe Jahrb. Bd. «0 S. 4; S. 2.
2) Die Mittheilung, welche Herr Dr. phil. Siebnurg Im Korrespon-
denzblatt der Westdeutschen Zeitschrift, Jahrg. XI, Xr. I, S. 1H -20 über den-
selben Gegenstand gebracht hat, dürfte hierdurch eine Berichtigung und
Ergitnzung Huden. Das* der Rhein dort den von mir im Helte «W. d.
Miscellcn. 271
Aus einer von mir an Ort und Stelle vorgenommenen sachlichen
Untersuchung' und genauen Aufnahme ersah ich bald, dass Wi edel ma nn
das von ihm genommene Lllngenmaas der Mauerung mit dem der Breite
verwechselt und so die von ihm in der Himmelsrichtung richtig angegebe-
nen Thore an die Breitseiten gelegt hatte. Die LeichensUittc ist wohl nur
eine mit verschiedenen Brandschuttlagen gefüllte Cisterne.
Auf dem untenstehenden Blaue habe ich die Aufnahme wieder-
gegeben, welche ich unter freundlichem Beisein des Herrn Oscar Rautort,
anfertigte. Wir haben es danach mit einem kleinen römischen Casrelle.
Jahrb. hesehriebenen Lauf in vorgeschichtlicher Zeit gehabt haben inuss,
beweise ich durch die, des besagten Khcinbettes Alluvionen durchschnei-
dende, Aid>erger UiimerstraKse und deren frührömische Gräberfunde.
272
Mi sc eilen.
zu thun, das allen theoretischen Voraussetzungen, welch« man an ein
solches stellt, Rechnung tragt.
Die Mauerung bildet ein längliches Viereck mit abgerundeten
Kcken. In jeder Ecke ist ein trapezförmiger Thurm zu sehen und die
beiden Schmalseiten der Befestigungen zeigen je ein Thor.
Der Inneuraum des Castells hat eine Lange von 44,4!» bis 43,91
und eine Breite von 87,50 bis 37,88 m. Die Eckthünne zeigen an der
Castellninuer eine Uchte Breite von 2,90 in und eine Tiefe von 2,20 m;
die nach dein Castellinnern befindliche Oeffnung ist 1,70 m weit. Die
beiden Thorwege sind 2,00 m breit; sie werden von zwei Flügeltuauern
begrenzt, deren Tiefe derjenigen der Thürme entspricht, also wieder
2,20 in betragt. Die Fundamente sind Im bis 1,20 m, an den Thoren
und Kckthünnen 1,50 m bis l,ß0 m tief, bei durchschnittlicher Starke von
1,30 m. Sie bestehen aus faustgrossen Itheinkieseln, aus Bruchstein,
Lehm und Thon. In dem Fundamente der Thürme und TliorcinjfHnge
fanden sich auch einige Saudstcinplnttcn, welche wie auch die grösseren
der übrigen Bausteine auf die Schmalseite gestellt sind. Von dein eigent-
lichen Aufhatte liegen nur hier und da Stücke von Tuffstein und Mörtel-
reste.
Die Schmalseiten des Castells liegen nach Ost und West, sodass
nach dem feindlichen Germanenlande die Front hin gerichtet ist, der
deciinnnus die Linie von Westen nach Osten verfolgt und durch die
Mitte der beiden Thore reichend, das Castcll seiner Lange nach in
zwei gleich breite Hüllten theilt. In dem vorderen, der Front zu-
nächst gelegenen Theile, der im Legionslager praetentura genannt
wird, sehen wir, 12 m von dein inneren Bande der Vordermaner und
1<> in von der inneren Seite der Südnmuer entfernt, die genannte, im
Grund riss achteckige Cisteme. Dieselbe ist bei einer Lange von 3,70 m
in der Mitte 2,50 in und an der vorderen und hinteren Seite 2,10 in breit;
sie zeigt eine Tiefe von 5 m. Die Wunde sind aus gestampftem gelb-
lichem Thon hergestellt und haben eine Breite von 0,50 in.
Hat die Cistcrne an der Querstrasse des Castells gelegen, was
an und für sich nicht unwahrscheinlich ist, dann würde der cardo
naher der vorderen Lagerfront gelegen haben als der hinteren, eine Er-
scheinung, der wir in der That nicht nur bei dem Hygin "sehen Etappen-
lager, sondern auch bei sltmmtlichen Legions- und Cohortenlagern be-
gegnen, welche im Grnndrlss ein Inngliche* Viereck zeigen.
Innerhalb des Castells lagen zahlreiche römische. Dachziegelstücke
und Scherben von römischen irdenen Ess- nnd Trinkgeschirren, dann
die, offenbar von deu Speiseresten herrührenden Thierknochen, ferner
einige Schmuckstücke, Nadeln, Waffenstücke und Münzen, wahrem!
ausserhalb des Castells, vor dem Westthore mehrere römische Leichen-
Mtocellen.
27:5
brandgriiber angetroffen worden sind. Die meisten keramischen Reste
deuten auf die Zeit der Flavier und Aiitnninc.
Was die Besatzung selbst betrifft, so würde diese nach der von
Cohausen'sehen Berechnung (Grenzwall S. 336— 341) der der Limes-
castclln Hunnciikirchhof und Eulenbach ( - 160 und 162 m Umfang) gleich
zn stellen sein; für diese nimmt v. Co hausen zwei Mauipeln an; allein
im Legionslager von Novaesium ergeben die thatsachlich festgestellten
Lagcrungsverhaltnisse eine andere Auffassung. Hier braucht ein ein-
ziger Manipel inclusive seinen beiden Centurionen einen Lagerraum von
2080 Quadratmeter. Da nun zweifellos auch Kaum für Wege und Vcr-
pflcgungsanstaltcn im Castell erforderlich war, so würde da* Werthauscr
Castell, nach Abzug des vom Lagerwalle eingenommenen Raumes, bei
1200 Quadratmeter Flacheninhalt als Besatzung eine Centurie oder zwei
Türmen gehabt haben, falls nicht andere Gesichtspunkte entschieden.
Ein besonderes Interesse gewinnt das Castell Werthausen durch
sein Verhältnis* zum Aleulager Asbergs. Verlängert man nämlich die
Linie des deeimanus vom Werthauser Castell, dann erreicht man in
westlicher Richtung über Asterlagen hinaus, in einer Entfernung von
3240 m die Römerstrasse, welche «las durch sein« römischen Funde be-
kannte Asberger Burgfeld theilt und zwar an der Stelle, an der dieselbe ein
Knie, bildet. Es ist auffallend, dass der deeimanus zu dem südlichen,
über Trompett und Kaldenhausen führenden Theile der Röineratrnsse
im rechten Winkel liegt Die Linie des cardo unseres Castells führt
südlich über Emmerich nach Friemersheim. Nach letztgenanntem Orte
zielt auch eine südliche Verlängerung des nördlichen Theiles der be-
schriebenen Asberger Römerstrasse. Sowohl diese Strassen-, als auch die
cardo-Llnie wird heute noch durch sehr alte Wege bezeichnet.
Es kann schwerlich Zufall sein, dass der Abstand vom Castell Wert-
hausen bis zum Burgfeld Asbergs, wo das Aleulager gesucht wird, gleich ist
der Entfernung vom Castell Werthausen bis zu der Stelle bei Friemersheim,
wo sich beide alten Wege begegnen und die Oertlichkeit den Namen
„aufm Caess* führt. Die doppelte Entfernung führt nach Uerdingen,
dessen Ursprung der Sage nach auf ein Castell zurückgeführt wird.
Von Uerdingen begleitet uns die weitere Uebertragung nach dem Orte
Gellep, dem römischen Gelduba. In ferneren Uebertragungcn gelangen
wir zu den Orten Nierst, Langst, Strümp, Brühl, Ober-Lörik, dann nach
Nieder- resp. Obercassel, wo dem Namen und den Alterthüiner-Fundon
nach auch ein Castell nicht unwahrscheinlich erscheint. Weiter werden
wir nach einer Stelle bei Heerdt geführt, wo römische Baufundamente
in Begleitung einer Strasse zu Tage treten, dann nach dem „Kaiser"
unterhalb Neuss; von hier nach dem Orte Neuss selbst, wo Spuren eines
Castells von mir nie recht erklärt werden konnten, und von dieser Stelle
nach dem Römerlager bei Grimlinghausen. Man braucht nur die General
Jahrb. d. Vcr. v. AltertliKfr. Im Rhelnl. X01I1. 1*
Miscellen.
275
einem nicht ganz angewachsenen Mammuth der Bonner Sammlung 30 cm
tief ist und sich nach unten wie ein Hohlkegel zuspitzt; der übrige
Tholl des Stosszahnos ist in der Mitte dicht und hat keine Spur einer
Höhlung. Die Figur ist nackt, wie die auf dem Hennthierknochen von
la Madclaiuc, an ihr sind als vorspringende Knüpfe die, Brustwarzen,
der Nabel und das Membnun virile mit der Glans penis zu sehen. Der
Kopf derselben lasst im Profil merkwürdiger Weise dieselbe rohe Stirn-
bildung mit der Kinsenkung über der Glabella erkennen, wie sie der
Schtidel besitzt, welcher Umstand beweist, dass es sich um eine typische
Bildung des Menschen der damaligen Zeit handelt. Auch die breite
Nasenwurzel ist dargestellt. Der untere Theil des Gesichtes ist über-
massig gross. Der allgemeinen Kopfform hat der Künstler wohl keine
Beachtung geschenkt. Sie ist in hohem Maasse brachycephal. Auf dorn
Scheitel sind drei Kreise sichtbar, es sind die getrennten Lamellen des
Zahnbeins. Auch ein abgebrochener und wohl modellirter Arm der
Figur ist erhalten. Mit den sehr rohen,
plastischen Darstellungen der Menschen-
gestalt, wie sie in Frankreich und Belgien
aus quaternilrer Zeit gefunden worden sind,
hat das Idol von Brünn keine Aehnlichkeit.
K. F o r r e r hat in grosser Vollständigkeit
die primitiven menschlichen Statuetten der
Stein- und Bronzezeit Kuropas in der Anti-
qua, 1887 S. 75, 1888 S. 2, 20 und 48, 188{»
S. 51, 1890 S. «!2 zusammengestellt und ab-
gebildet. Die ältesten Bilder des Menschen
sind nackt und die Schaamtheile sind meist
besonders hervorgehoben; so ist es auch noch
bei den phönizischen Bronzestatuetten von
Fllora in Portugal. Wir dürfen glauben,
dass sie aus einer Zeit stammen, wo er
unbekleidet war. Bei denen der nordischen
Bronzezeit sind sie, wie F orrer bemerkt,
aber schon bedeckt. Die thönernen Idole
von Troja und Tirvns, aus Siebenbürgen, _ . , , . , _ . ,
J - ' " ' Das Mol nach einer Zeichnung
vom Mondsee und aus dem Laibacher Moor "Ol llakowakl In Gros»«,
sind viel unvollkommener gestaltet, sie verrathen aber ihr jüngeres
Alter wie die von Troja und Laibach durch die Bekleidung und deren
Omameute. Nur die vou Ii. K 1 e b s, der Bernsteinschmuck der Stein-
zeit u. s. w. Königsh. 1882, beschriebenen Bernstein-Amulette von Schwarz-
ort auf der kurischen Nehrung können damit verglichen werden, wenn
sie auch in der künstlerischen Darstellung gegen die. Figur von Brünn
zurück bleiben. Die Idole von Schwarzort sind mit Steinwerkzeugen
Miscelleu.
277
n'y insisterons pas*. Von dem eigentlichen Inhalte meiner Arbeit spricht
er mit keinem Worte. Wenn alle die Fehler, von denen er iu einer Note
U anführt, wirklieh vorhanden wären, so betrafen sie doch nur Neben-
sächliches und würden an dem wesentlichen Inhalt meiner Untersuchung
gar nichts lindern. Wir wollen aber sehen, wie es sich mit den angeb-
lichen Irrthümern verhalt.
Auf Seite 67 meiner Abhandlung steht: der Name Galator kann
von gala, Milch kommen. Diene Meinung hat von Becker a. a. O.
S. 12 geäussert. Dieselbe ist nicht so werthlos, wie es scheint. Becker
sagt: Der erste Schriftsteller über die Donaugallier im dritten Jahr-
hundert, Timaeus, lässt dieselben von einem Cyelopcn und von der
Galatea abstammen, vielleicht um durch den Cyclopcn die Gottlosig-
keit der delphischen Tempelräuber lind durch die Galatea die milch-
weisse Hautfarbe des Volkes zu bezeichnen, denn gala heissc Milch und
auch die Römer redeten von milch weissen Halsen der Gallier, Virgil
Aeneis VITI 6G1: lactea colla auro iunectuntur. Man kann gegen diese
Ableitung einwenden, dnss das Wort dann Galactea heissen müsste, wie
ToXöktivo«; und viele andere. Aber in Pape 's Wörterbuch der griech.
Eigennamen I 237 wird faAaGeia oder Y<»Xa8€(r| zuerst mit Weissling, Milch-
weiss übersetzt, er sagt S. 231. die Grammatiker führten auch einen
Genitiv yäXatcx; an. Im griechischen Wörterbuch von P a p o kommt
faXaKTÖxpUK unn "faXciTÖxpuK > y^oktoÖP^MVWv nnd YaXaTo6p£uuuiv vor.
Wenn H e i n a c h a. a. O p. 76 die lactea colla des Virgil aur das Elfen-
bein griechischer Sculpturen beziehen will, so ist das ganz unstatthaft.
Virgil beschreibt den Schild, welchen Vulkan, durch die Venus bewogen,
dem Aeneas gefertigt hatte, auf dem Schicksale und Thaten des künfti-
gen Korns dargestellt waren. Zu einem Schilde wird Vulkan kein Elfen-
bein verwendet haben. Wie Virgil an dieser Stelle von gelben Haaren
und gestreiften Mänteln spricht, weil die Gallier solche trugen, so schildert
er auch die Halse als milchweiss, weil sie solche, hatten und nicht weil ihm
griechische Sculpturen der Gallier in Elfenbein vorschwebten. Diodor,
Tacitus, Ammianus M. u. A. schildern die weisse Haut der Gallier. — Unter
dem biblischen Sesostris S. <>H ist nur der in den Mosaischen Büchern
mehrfach angeführt« Acgyptcrkonig zu verstehen, der hier immer nur
Pharao, aber seit Herodot im ganzen griechischen Alterthum Sesostris
genannt wird. Man leitet diesen Namen von einem auf ägyptischen
Monumenten vorkommenden Beinamen des Ramses: Sestesu her. Da die
Bibel keine Namen der Könige nennt, ist mit Sicherheit nicht zu sagen,
unter welchem Joseph nach Aegypten kam, unter welchem Moses geboren
wurde und die Juden Frohndicnste leisten musston. Man glaubt, dass
Joseph unter Apepi I. nach Aegypten kam, Lepsi us setzt ihn später, in
die Zeit des Seti I., er hält Ramses II. für den Bedrücker der Juden und lässt
unter seinem Sohne Mercnptah ihren Auszug geschehen. Während Bimsen
278
Miscellen.
in Sesostris eine Coinbiuation zweier Herrscher des alten Meiches sehen wollt«1,
wies L c |> s i u s muh, dass Sesostris dem Hamses II. gleichzusetzen sei. Wie
die heutige ägyptische Forschung diese Frage beantwortet, fasst Wi e d e-
mann, Geschichte von Altägyptcn 1 si> 1 S. 123 in folgenden Worten zu-
sammen: Kamscs II. ist es vor allem, an den die Sage von Sesostris an-
knüpft. Sesostris ist freilich nicht einfach Kamscs II., er ist überhaupt keine
historische, Persönlichkeit im strengen Sinne, des Wortes. Man hat die
wirklich vorhanden gewesene Person eines Herrschen» benutzt, um ihr
alle Thatcn und Erfolge zuzuschreiben, welche ägyptische Füllten über-
haupt je errangen. Hösel Ii Iii hatte in der Erklärung «eines a. a. ().
Vol. I T. 70 erwähnten Bildes Kamscs III. als den Sesostris bezeichnet.
Die grichiseheu Kxcgeton nennen Sesostris nicht und haben sich mit der
geschichtlichen Individualität der betreffenden riiaraonen gar nicht be-
fasst. — Dass die blonden Bewohner des Atlas Nachkommen der Van-
dalcn seien, hillt Keinach für einen Irrthum. Schon I'riehard führt
die Meinung an, dass die blonden Berbern des Gebirges Aureus die Ifeber-
reste der von Belisar besiegten Vandalen seien a. a. 0. II S. 30. Au
einer anderen Stelle, III 120 sagt er, Vandalen drangen im Anfang des
fünften Jahrhunderts mit Sueven und Alanen in dallien ein, vcrliessen
Spanien und zogen nach Afrika. Auch neuere Weisende haben über
diese blonden und blnuäiugigen Kabylen berichtet. Moritz Wagner fand
einen solchen, welcher sagte: deine und meine VJiter waren Brüder. Die
Bewohner von Algier nannten die Deutschen in der Fremdenlegion
französische Kabylen. Köhlis sah in Marokko einen blonden Berber
und horte eine ähnliche Bemerkung wie Wagner. Fr leitet die in Alge-
rien und Tunesien vorkommenden Blonden von den in Nordafrika sitzen
gebliebenen nordischen Völkern, den Vandalen, Gothen u. a. ab. Es
giebt auch Zeugnisse für einen viel illteren Frsprung derselben. F a i ti-
li e r b e berichtete zuerst auf der Anthropologen-Versammlung in Brüssel
C. r. 1*72 p. 40r. über die zahlreichen Dolmen Nordatrika's. die sieh von
denen des westlichen und nördlichen Europas nicht unterschieden, er
maass die Skelette aus 11 Gräbern und fand eine grosse, dolichoecphale,
llns.se, er sieht sie abgebildet in der blonden blauäugigen Kasse der
ägyptischen Grabgemäldo, die in das 15. Jahrhundert vor Chr. gesetzt
werden. Die Tuaregs schienen ihm der reinste Stamm dieser Kasse und
ihrer Sprache zu sein, diese nennen ihre Sprache: tamahoug. Faid-
herbe berichtet 1H74 in der Bull, de la Soe. d Anthrop. p. 141, das»
Maspero ihm mittheilte, die Tainahu würden i. J. 3000 vor Chr. zuerst
genannt, aber erst in einer späteren Schreibart als Männer des Nordens
bezeichnet. Vriain schildert ebendaseihst p. 125 die blonden Kabylen
in Algerien, zumal in der Provinz Oran und sagt, dass Mac Carthy diese
Hasse, die sich in allen Stämmen der Kabylen linde, geradezu als ger-
manisch bezeichne. Brintun beobachtete sie unter den Kabylen von
Miscellcn.
279
Algier, Walter B. Harris unter den Gebirgsbewohnern von Marokko,
Quedlintcldt, Zcitschr. f. Ktbnol. 1888 S. 115 bemerkt, das« sie voll-
kommen dem nordgermauisehen Typus gleiche. In den Bull. 1889
p. 458 werden die Tamahu, deren Re~stc unter den Berbern leben, als
die nordeuropiiisehen Eroberer Libyens bezeichnet. Die Ansichten F a i ri-
ll e r b e's sind in Frankreich nicht widerlegt worden, wie aus dem Necrolog
des verdienten Forschers vonLaborde hervorgeht, vgl. Bull. 1889 p. 462.
Daniel G. Brill ton fasst, Raccs and peoples, New York 1890 p. 118,
die blonden Berbern des Atlas, die Rifians in Marokko, die Kabylen
in Algerien unter dem Namen des libysch-teutonischen Typus zusammen.
— Wenn Keinach es in Abrede stellt, dass die Regeubogenschüsscl-
chen, wie ich S. 09 sage, den asiatischen Ursprung der Cultur der Kelten
bezeugen, so muss er wiederlegen, was Streber, Abb. der K. Bayr.
Akad. d. W. B. IX und ich Rh. Jahrb. LXXXVI, S. 1 darüber gesagt
haben und die IJebcreinstiinmuiig des Triquetrutn auf jenen Münzen und
auf denen Lycieus auf andere Weise erklären, vgl. Sir Charles Fei low. s,
Coins of ancient Lycia London 1855. — Rein ac h bezweifelt, dass die
Bronzeaxt, S. 70, Kolt genannt worden sei, weil man sie deu Kelten zu-
schrieb. Die Mittheilung des Herrn von Becker über die Geschichte des
Wortes Celt im Archiv f. Anthrop. X ist vom December 1876. Er führt
an, dass Schreiber 1H39 den Celt die Nationalwaffe der Kelten genannt,
es aber unbestimmt gelassen habe, ob das Volk von der Waffe oder diese
von jenem den Namen führe. Kr sagt nicht, woher er die Angabe hat,
dass das lateinische Wort celtis aus einem Schreibfehler des Wortes celte
statt certe in der lateinischen Uebersetzung der Stelle Hiob c. 19 v. 23
entstanden sei. Am ausführlichsten hat J. Evans, The ancient Bronce-
Implements of Greal Britain and Ireland, London 1H81 p. 27 Uber den
Ursprung des Wortes celt geschrieben. Er führt an, dass Beyer vor
200 Jahren schon angegeben habe, dass einige Handschriften der Vulgata
an der betreffenden Stelle certe statt celte schrieben und dass diese
wahrscheinlich die iiitesten und besten seien. Beyer bildet in seinem
Thesaurus Brandenburgensis 16% einen celt nb unter der Benennung
Ccltes. Er glaubt, dnss derselbe ein Werkzeug des Bildhauers sei. SpUter
hielt man die Celte für römischen, britischen oder gallischen Ursprungs.
Pogge leitete 17*7 den Namen Celt nicht von celtis, sondern vom ccltischen
Volke her. Evans glaubt, dass man diese Instrumente möglicher Weise
Celte genannt habe, weil es nahe lag. sie mit den Gelten in Verbindung
zu bringen. Aus dieser Ursache hatten französische Forscher einen neuen
Plural des Wortes, Celtac gebildet. Ebenso habe man sie in England
allgemein den alten Celtae zugeschrieben. — Auf Seite. 73 sage ich, die
Alten kannten in vorrömischer Zeit das Ziegelbrennen nicht. Dieser Satz
ist freilich nur für Europa richtig. Es ist bekannt, dass die Mauern von
Babylon im Innern aus Luttziegeln gebaut waren, nach M e n a n t, Baby-
280
Miseellen.
Ion«- et In Chaldec |>. IM waren sie aber nach aussen mit gebrannten
Ziegeln Iteileckt. Schon H e r odot berichtet I 179, das* die 50 Wien
breite, und 200 Wien liolie Umfassungsmauer Babylons aus in Oefen ge-
brannten Ziegeln und aus heissem Krdpeeli gebaut sei. In Theben ist
eine kleine Mauer aus der 21. Dynastie in ihren Trümmern erhalten, die
aus gebrannten und gestempelten Ziegeln errichtet ist. Die Umfassungs-
mauern der Tempel in Aegypten bestanden aus ungebrannten Ziegeln
oder waren nur Krdwälle. Auch fertigten die Aegyptcr aus ge-
branntem Thon glasirtc Platten zum Verstieren der Wände an. Kniest
de Sar7.ee, Dccouv. en Chaldce Paris 18*7 berichtet, dass sich in den
Hauten von Goudea rohe und gebrannte Ziegel finden, die letztern tragen
den Namen eines Gottes. Doch giebt es auch in Asien kein grösseres
Gehilude aus dem Alterthum, welches ganz, aus gebrannten Ziegeln er-
richtet wäre. Man ging mit denselben, wie K a u 1 e n glaubt, sparsam
um, weil es im Lande an Brennmaterial fehlte. In der Bibelstelle, Moses
11, kann das hebräische Wort für Brennen nach ihm nur auf künstliche
Glüht bezogen werden. Schliem nun sagt, Troja p. 60 und 76, dass
Tempel- und Festungsmauern daselbst aus Ziegeln gebaut sind, die erst
nach Krrichtung der Mauern gebrannt worden seien. Das zu beiden Seiten
der Mauer angezündete Feuer konnte um so stitrker wirken, als dieselbe
der Lange, und Quere, nach von Kanülen durchzogen war, die mit Holz
gefüllt waren, das im gebrannten Thon Kindrücke hinterlassen hat. Die
Thonschichten zwischen den Ziegeln sind ebenso stark gebrannt wie diese
selbst. Je naher die Ziegel bei den Kanälen waren, um so starker sind
sie gebacken. Bilder veranschaulic hen den Bau der Mauer. Diese Bau-
weise war sieher das Vorbild unserer Ziegelüfen. Nach Sayce a. a. O.
p, ISO war der von Nebuchadnezzar gebaute Tempel Birs-i-Niinrud
ebenso gebaut. Im Globus B. Xlll S. &>:i ist über Le.jeans Heise nach
Bahylonien im Jahre IHM berichtet. Dieser spricht von verglasten Blöcken
auf dem Gipfel des Hügels, auf dem der Birs Nimrud steht. Auch er
glaubt, dass sie die Bekleidung des Denkmals bildeten und verspottet
die Meinung, dass ein Blitzstrahl den Thurm getroffen habe. Die ver-
glasten Burgen Schottlands sind ein weiteres Beispiel dieser Bauweise.
Butler hat ihr Vorkommen in Amerika, Daubree in Frankreich be-
schrieben, sie sind im Wsass und in Böhmen bekannt. Virchow hat
verschlackte Mauern in Sachsen und Schlesien, ich selbst eine solche
bei Kirn-Sulzbach im Rheinland beschrieben, Anthropologen-Versammlung
in Kegensburg 18H1 S. 113 u. Verh. d. Xaturh. V. iW> Stab. S. 7. Die
Beweisstücke der von mir selbst ausgegrabenen Mauerrest«- sind in meiner
Sammlung. Dörpfeld, Der antike Ziegelbau u. s. w. Festschr. f.
Curtius Berlin 1S8-1, bestätigt, dass die sitmmtlichen Mauern von Ilion,
auch die von Mykene, Tiryns, Klcusis, wie die der Städte in Mesopotamien
aus Luftziegeln gebaut sind. Kr scheint aber abweichend von Sehlie-
Miscellcn.
281
mann zufälligen Brand als Ursache der Verschickung anzunehmen und
bemerkt, «hiss die Zievel und die Lchmschichtcn dazwischen zu hartem
Stein gebrannt «den. Noch heute würden in Griechenland die Luft-
ziegel gebraucht und heute würden stur Verstärkung der Mauern Längen-
und Querhölzer horizontal in dieselben eingelegt. Es int wenig wahr-
scheinlich, dass bei oberirdischem Brande die Fundamente in der Tiefe
der Krde sollten vollständig verschlacken können. — Ich hatte auf S. 7t>
gesagt, dass der Gallier der Gruppe Ludovisi einen Halsring trage, weil
de Baye a. a. 0. S. 12 so berichtet hat. In einer neueren Zuschrift
hält derselbe es für möglich, dass man Falten des Gewandes für «'inen
Torques gehalten habe. — Wenn Bei nach sagt, es giebt keinen Gallier-
kopf in Marmor zu Bologna, so wird jeder Leser glauben, dass eine
solche Büste dort nicht vorhanden sei. Ich habe aber nur das Versehen
begangen, «inen Mannorkopf daselbst anzuführen, wahrend die Büste
aus Kalkstein, calcaire, gefertigt ist. Bei nach selbst führt sie S. <> als
Porträt eines keltischen Häuptlings an. — Gegen meine Behauptung S. 77,
dass der Torques für einen Schmuck der Männer, nicht der Weiher zu
halten sei, macht er den Einwurf, dass die Abwesenheit des Torqu«>s in
den männlichen Gräbern der Champagne eine ausgemachte Sache sei,
als wenn dieser Umstand, gegen die Zeugnisse der Schriftsteller, die
bildlichen Darstellungen und andern Gräberfund«* irgeml Beachtung
verdiente. Baron de Bnye stellt, sur l'usage du tori|ues cliez les Gallois,
in den Bull. d. trav. bist. 1885 Xr. 2 zahlreiche Grabfunde zusammen,
«lio beweisen, dass «1er Torques ein Schmuck der Männer war. — Ich
sage in meiner Abhandlung, man glaubt, dass «ler Sarkophag von Aminen-
dola «lie, Schlacht bei Telamon vorstelle, was Bei nach iu der bestimm-
testen Weise verneint. Ich bezog mich auf die Ansicht Nibby's, die von
Braun getbeilt war. In d«>in Worte: man glaubt, war von mir «las l'u-
stchert! der Deutung bezeichn«*t. Beinach hat iu dem angeführten
Aufsatze Bevue nrchcol. 188!) diesem Alterthum eine sehr ausführliche
Betrachtung gewidmet, welche die Unmöglichkeit von N i b b y 's Ansicht
begründen soll. Ich stelle iu Abrede, dass Bein ach einen vollgültigen
Beweis für seine Ansicht beigebracht hat. Wie er selbst erzählt, haben
schon 1830 Baoul-Bochette un«l Attiati in diun genannten Belief andere
Darstellungen gesehen, jener die Schlacht bei Delphi, dieser eine Nieder-
lage der Galatcr in Kleln«si«>n. Nibby vcrinuthvto 1810, tlass ein Nach-
komme «les Consuls Atilius Kegulus in dem Sarge bestattet gewesen sei,
und «lnss sich die Darstellung auf den Tod «les letzteren in «ler Schlacht
bei Telamon beziehe. Auch der Gallierkönig Aneroestus, der sich selbst
tödtete, sei «largestellt, wie «ler zweite Keltenkönig Concolitanus, der ge-
fangengenommen wurde. Dh>s« Beziehungen kann mau für sehr fraglich
halten und doch annehmen, das iu Born gefundene Belief sei eine Dar-
stellung der in Ktruricn gelieferten, von Polyhiu«, H 27—31 so lebhaft be-
Miscellen.
sehriebeiicn Schlacht bei Tetamun. Dass Aucrocstus mich Polybius sich erst
nach der Niederlage der Gallier tödtete, liier wahrend der Schlacht, ist
nicht cntM-hcidcnd für das Gegcntheil. Die neuere Forschung hat fest-
gestellt, dass der Styl des Reliefs dem zweiten Jahrhundert n. Chr. an-
gehört und dass die einzelnen Gruppen in Kunstwerken der Pergameui-
schen Schule wiedergefunden werden. Dass der Künstler, der die Schlacht
hei Tetamun darstellen wollte, griechische Vorbilder benutzt hat, ist sehr
natürlich und zeigt sich schon in dein einer phrygischen Mütze gleichen-
den Helme eines Kriegers; auch berichtet Plinius, dass mehrere Künstler
die Kampfe desAttalus und Kutnenes gegen die Gallier dargestellt hatten.
Dieser Umstand beweist für den Gegenstand unserer Darstellung gar nichts.
Auch Brun n hat. was Ii e i n a c h nicht anführt, J doui di Attalo, Ann.
del Instit. 1S70 p. 301 auf den Kintluss der Kunstwerke von Pcrgamon
auf die Darstellung von Galliern aufmerksam gemacht und Gruppen
des Sarcophags von Animeudola mit solchen Bildern verglichen. Dass
iiihii Sarcophage mit Gallicrsehlachten, wie die mit mythologischen Dar-
stellungen, im Voraus für den Verkauf gearbeitet haben soll, ist viel
weniger wahrscheinlich, als dass ein Künstler zur Zeit der Antouino noch
für die Schlacht bei Tetamun sich begeistern konnte. Auf römischen
Sarcophagen sollen niemals Scenen aus der römischen Geschichte dar-
gestellt sein, aber solche sind auf dem Triumphbogen des Titus und dem
von Orange, wie auf der Trajansaule in Rom dargestellt! Dass man
auf den beiden letzteren Kunstwerken auch Beziehungen zu den Skulp-
turen von Pergamon findet, zeigte Leu or ma n t. Warum sollen Nero und
Sueton sich geirrt haben, wenn sie auf einem Grabmal der Via Appia
einen römischen Krieger sahen, der einen Gallier an den Haaren schleift?
Ks kommen ähnliche Darstellungen auf römischen Münzen vor. Auf einer
Münze der Familie Sergia ist ein Heiter mit dem abgeschnittenen Kopfe
eines Galliers zu sehen. Alle Gründe, mit denen Reinach seine Mei-
nung vertheidigt, können bestritten werden. — Ich führe S. 101 an, dass
die. Chnhern, wie auch Pr i c Ii a r d annimmt, Gallier waren. AuchLivius
bezeichnet sie als solche und Tacitus nennt sie Germauen. Warum
laugncl dies R e i n a c h ? Wie kann R e i n a c h sich in solchen Fragen
ein Urtheil beimessen, die so weit ah vom Gebiete, seiner Studien liegen?
Ks ist um so auffallender, dass R e i n a c h die Cimbern nicht für Gelten
halten will, weil gerade die französischen Forscher nach dem Vorgange
von Thier ry diese Ansicht verbreiteten. - Meine von Roinach an-
gegriffene Behauptung auf S. 104, dass im Gebiete derGaronne im fünften
Jahrhundert noch keltisch gesprochen worden sei, habe ich von Becker
a. a. O. S. 59 entlehnt. Dieselbe, ist wohl begründet. Ammianus Marcel-
linus sagt um 400, von Lugdunum an nördlich werden die Strassen nicht
mehr nach römischen Million, sondern nach gallischen Lengen gemessen.
Auch Prien ard sagt III S. 56, wir haben allen Grund zu glauben,
Mitwelten.
2X3
dass die keltische Sprache iu einigen Theilen Cullit-ns faxt bis zum Knde
der römischen Herrschaft fortgesproehen wurde. De Ii a n s e erwähnt
Bull, du la Soe. d'Antbrop. 1H416 p. 4*7, da«« nach Sidonius Apollinaris,
der im fünften Jahrhundert lebte, die Gebildeten in den Städten damals latei-
nisch schrieben, wahrend das Volk noch das Keltische beibehalten hatte.
— Ich bedauere, dem Herrn K e i n a c Ii nicht einmal das Verdienst zuer-
kennen zu können, zwei Druckfehler meines Textes entdeckt zu haben.
Auf Seite 7<> steht Vincetorix statt Vercingetorix und Arminium statt
Ariminum. Ks ist ihm viel angenehmer, mir diese Druckfehler als Irr-
thttmer anrechnen zu können. Er sehreibt: ich kenne keinen Vincetorix
und Arminium ist nicht das alte Kimini!
Dan Urtheil des Herrn Hein a c h Uber meine Schreibweise schlage
ich sehr gering an. Hat doch der verdiente B. P o in e r o I in würdigerer
Weise meine Schriften seinen Landsleutcn empfohlen. Ich scheue mich
nicht, den Verunglimpfungen Keinach's gegenüber seine Worte aus
den Matcriatix pour Hilst, prim. et natur. de l'homme 2. Ser. XI 1HH0
p. 4* hier mitzutheilen : „Les travaux du Dr. Schaaff hausen, que nous
venons d'analyser, montrent a chaque instant le vaste savoir de rauteur,
sa methode vraiment scientitique, la rectitudo <le son jugement et I on ne
saurait trop eu recommander la lecture a ceux, qui veulcnt eviter les
ecueils, dont est seine, de uns jours eueore, le chainp de rauthropologie."
Iu fast allen vorgeschichtlichen Fragen ist Herr Reinach mein Gegner.
Wie unzuverlässig und unvollständig die Angaben des Herrn Kein ach
iu solchen Untersuchungen sind, möge mau daraus entnehmen, dass er,
Antiquites nation. I p. 30*) den Neanderthaler SchHdel in Würtemberg ge-
funden sein laust. Meine Abhandlung über den Neanderthaler Fund
vom .fahre lfM verlegt er p. 133 iu das Jahr 1H7S. Ich soll p. 17G die
L a rt c t 'sehe I'laitc mit dem Mammuthbilde mit einer andern verwechselt
haben. Neben dein von mir restaurirten Kopfe des Neanderthalers, den
er p. 133 nur der Curiosititt wegen wieder giebt, bildet er einen SchHdel
ab, der damit gar keine Gemeinschaft hat. Auf p. 131 führt er den An-
griff Hölders auf meine Forschungen im Ausland 1885 Nr. lö an, ver-
schweigt aber meine Antwort iu demselben Jahrgang dieser Zeitschrift
Nr. 30. Das sind einige der Fehler des Herrn Keinach, die ich berich-
tigen will. Fr hat aber, anstatt die von ihm gerügten zahlreichen Irr-
thümer in meinem Aufsatze nachgewiesen zu haben, nur ein wahres
Probestück einer leichtfertigen Berichterstattung geliefert.
Schaafhausen.
9. Zu Jahrbuch XCII S. 145 f. Auf Wunsch des Herrn Archiv-
Directors Dr. Wolfram, der sich eine eingehende lleplik gegen die
Ausführungen des Herrn Dr. Cl einen vorbehält, und im Hin Verständ-
nis» mit Herrn Dr. C lernen bringen wir hiermit das im Jahrbuch 92
S84
Miscellen.
S. 115 f. erwähnte, von Metz, den 10. Februar 1HD2 dalirtc, an Horm
Dr. Wolfram gerichtete Schreiben des Herrn Baurath Tornow,
un(or Fortl.is.sung einiger unwesentlicher, die in Frage Htchende An-
gelegenheit nicht weiter berührender Stellen, im Wortlaut« zum Abdruck :
„Sehr wider meinen Willen sehe ich mich durch Hineinziehen meiner
Person von Ihrer Seite aus in die Polemik über da» Alter der Reiter-
statuette Karl s d. Gr. (Jahrbuch der Gesellschaft für lothr. Geschichte
und Alterthuniskuudc, Jahrgang III Seite 336 ff.) zu nachstellender Ent-
gegnung gezwungen ....
Zunächst will ich gern annehmen, dass die in der von Hillen ge-
wählten Form der Begründung des Wertlies meines Gutachtens gelegene
Zweideutigkeit eine unbeabsichtigte ist. Mag die gewilhlte Fassung, be-
sonders wegen Benutzung von Gansclüssehen bei zwei Worten, wozu,
im Interesse textlicher Deutlichkeit allein, eine begründete oder zwingende
Veranlassung jedenfalls nicht vorlag, auf den unbefangenen Leser auch
im ersten Augenblick den Kindruck machen, als ob in derselben implicit-o
eine Herabsetzung des Werthes meiner eigenen Meinung ausgedrückt sei,
so liegt andererseits eine zwingende Notwendigkeit zu einer solchen
Schlussfolgerung deswegen nicht vor, weil eine andere Deutung immer-
hin möglich ist ... .
Zur Sache selbst bemerke ich, dass aus der Fassung meines, übri-
gens keineswegs für die Öffentlichkeit bestimmt gewesenen Berichtes
deutlich hervorgeht, dass es sich um eine nur v o r III u f i ge Mittheilung
handelt, auch beweist das Datum desselben, dass dieser Bericht erstattet
wurde vor Abgabe des Gutachtens des Professors aus'in Weerth,
zu welch' letzterem derselbe auf meinen Antrag hin im Auftrage Sr.
Excellenz des Herrn Staatssecretars durch mich eingeladen war, und dass
in dieser Mittheilung meinerseits nichts weiter enthalten ist als eine, vor-
lautige, vor Absclduss seiner Arbeit enthaltene Vormuthung aus'm
Weerths, die sich ferner nicht auf seine oder meine Wahrnehmungen,
sondern auf diejenigen dein letzten bekannter französischer Aichilologen
stützt. Diese, in dieser Gestalt ausgedrückte Vermuthung hatte natur-
geinHss nicht den geringsten bindenden Zwang auf den thatsKchlichen
Ausgang de* endgültigen Ergebnisses der von aus'm Weerth ange-
stellten Untersuchungen, und wie Ihrerseits geschehen, Schlüsse so sehr
weit tragender Bedeutung gerade hieraus zu ziehen, scheint wahrlich
mehr als gesucht und gewagt. Vollends unverständlich aber ist es, wie
Sie hieraus und bei dieser offenkundigen Lage der Sache einen Wider-
spruch herzuleiten vermögen zwischen einer vermeintlich nachträglich
geänderten Meinung meinerseits gegenüber einem von mir abgegebe-
nen ersten Gutachten.
Am meisten jedoch bedauere ich, dass Ihre Behauptung, ich zuerst
in Deutschland hatte auf die karolingische Herkunft der Figur aufmerk-
Miscellen.
285
sam gemacht, eine Unrichtigkeit enthält. Schriftstellerischem Gebrauche
gemäss lässt die von Ihnen gewühlte Ausdnuksform die Deutung zu,
als oh ich jene Mittheilung öffentlich gemacht hatte, was thatsHch-
lieh nicht der Fall ist, da ich gleich von vornherein das Beschreiten
diese» Weges in dieser Frage als einer solchen, die keineswegs auf
meinem Spedalgebiete liegt, als nicht für angemessen erachtet habe. Da
aber der herrschende Gebrauch allein nicht die Notwendigkeit des
Schlusses einer dementsprecheuden Deutung des Wortlautes Ihrer Be-
hauptung bedingt, so nehme ich Abstand, die Begründung für meine
am Eingange dieses Absatzes ausgesprochene Bemerkung hieraus herzu-
leiten, vielmehr geschieht dies in zwingender Weise an derlland dei That-
sache, dass auch nicht einmal als der Verfasser meines ersten, wie bemerkt
nicht für die Oeffentlichkeit bestimmten Berichtes an die mir vorgesetzte
Behörde, in welchem also meine erste schriftliche Aeusserung in dieser
Sache vorliegt, ich desswegen nicht als, wie Sie behaupten, der erste in
Deutschland gelten kann, der auf die Statuette aufmerksam gemacht hat,
weil gerade in diesem Berichte ich meine erste Kenntniss vom Vorhanden-
sein derselben auf eine Notiz in Stacke's deutscher Geschichte zurück-
führe. Bin ich auch gern geneigt, den Ausdruck der somit in Ihrer
obigen Behauptung liegenden Unrichtigkeit für einen uubewussten zu
halten, so kann ich doch andererseits nicht umhin, aus dem mehr als
geringen Maas» der Gründlichkeit, mit welchem Sie hiernach von der
Befassung meinerseits mit dieser Frage Kenntniss genommen haben,
einen Schhiss zu ziehen auf den Werth der von Ihnen Ihrerseits her-
geleiteten Schlußfolgerungen in dieser Angelegenheit.-
IV. Berichte.
1. Generalversammlung des Vereins am 29. Juli 1892.
Der Vorsitzende, Geh. -Rath Schaafhausen begrtisst die
anwesenden Mitglieder und verliest folgenden Jahresbericht:
„Die Zahl der Mitglieder des Vereins betrug mit Einsehluss
der Ehrenmitglieder, der Schulanstalten und des Vorstandes nach
dem Jahresbericht vom 26. Juni 1891: ßtil.
Oestorben sind seit der Generalversainndung des vorigen Jahres
folgende 11 Mitglieder:
Herr Professor Dr. Mösl er in Trier,
„ Oberpfarrer N a g c 1 s c h m i d t in Zülpich,
n General von Veith in Bonn,
„ General FrciheiT von Rosen in Wiesbaden,
„ Freiherr von L i e b i e g zu Reichenberg in Böhmen,
„ ßanquicr Trinkaus in Düsseldorf,
„ Canonicum Straub in Strassburg,
„ Gymnasialdirector Dr. Binsfeld in Coblenz,
„ Professor J. de Wal in Leyden,
n Gutsbesitzer Willi. Mendel söhn in Bonn,
„ Banqnicr Joseph Goldsehmidt in Bonn. u
Die Mitglieder erheben sich zum ehrenden Andenken an die
Verstorbenen von ihren Sitzen. Der Vorsitzende bemerkt :
„Unter den Hingeschiedenen betrauern wir ein um den Verein
hochverdientes Mitglied, das eine lange Reihe von Jahren uns ein
treuer Mitarbeiter, vielen von uns ein lieber Freund gewesen ist
und in unsern Jahrbüchern zahlreiche Arbeiten niedergelegt hat, die
von seinem sorgfältigen Fleisse und seiner Begeisterung für die
archäologische Forschung ein rühmliches Zeugnis» ablegen. Er war
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Generalversammlung: des Voreins am 29. Juli 1892.
2*7
durch seine militärische Laufbahn insbesondere dazu befähigt, Uber
Wege, Befestigungen und Kriegszüge der Römer uns neue Auf-
schlüsse zu geben und seine Arbeiten durch von ihm selbst gezeich-
nete vortreffliche Karten zu illustrircn. Ihm verdanken wir die
Beschreibung des Bonner Castrums. Es ist General vnnVcith.
Wir werden ihm ein treues Andenken bewahren.
Ausgetreten sind für das Jahr 1892 9 Mitglieder, so dass der
Verein mit den 1 1 Gestorbenen einen Gesammtverlust von 20 Mit-
gliedern erfahren hat. Diesem Verlust steht ein Gewinn von 20
neuen Mitgliedern gegenüber. Die Mitglicderzahl ist sich also gleich
geblieben.
Die neu eingetretenen Mitglieder sind die Folgenden:
Herr Rechtsanwalt Dr. Land w e h r in Königswinter,
„ Dr. Götz Marti Iis in Bonn,
„ Sebastian Mcrtz, Rentner in Köln,
„ Schunk, Kaufmann in Bonn,
Das Bischöfliche Priesterseminar in Trier,
Herr Professor Dr. Z i t c 1 m a n n in Bonn,
„ Professor Dr. Bender in Bonn,
Frau Wittwe Wilde in Bonn,
Herr Landgerichtsrath Hubert Schaafhausen in Köln,
Die Bibliothek des akademischen Kunstmuseums in Bonn,
Frau Wittwe Firmen ich -Rieh arz in Bonn,
Herr M 0 1 1 e n m e i s t e r, Kaufmann in Aachen,
„ Professor Reinhold Koscr in Bonn,
„ Director Beger in Ehrcnfeld liei Köln,
„ Pfarrer Dr. Norrenberg in Süchteln,
Freifrau Angel ica Licbicg zu Rcichcnbcrg in Böhmen,
Herr H. Seyffardt in Crefeld,
Sc. Excellenz, Geheimrath Dr. Huyssen in Bonn,
Herr Bürgermeister Friedrich Kreitz in Königswinter.
Seit der letzten Versammlung ist das von Herrn Dr. Rone
verfasste Register II für die Hefte LX1 bis XO als Heft XCI er-
schienen, ferner die Festschrift zum 50 jährigen Jubiläum, die einen
Aufwand von Mk. 1678.94 verursacht hat, ferner wnrde Heft XOII
mit 11 Tafeln und 22 Testbildern ausgegeben. Das Heft XCIII wird
in einigen Wochen fertig gestellt sein.
Ich lege mit unseren Sitznngs-Protokollen die Jahresrcehnung
288
Generalversammlung: dos Vereins am 29. Juli 1892.
ltlr 1891 mit den zugehörigen Belegen vor und tlicilc wie gewöhn-
lich einige Hauptpost en aus denselben mit:
Die Gesammtciunahmc betrug 1S91: Mark 0501.58 gegen
(1505.50 im Jahre 1*90, die Ausgabe betrug Mark 0245.22 gegen
5846.92, sodass am 31. Dezember 1891 ein Kasscnhcstnnd vou
Mark 316.30 verblieb gegen Mark 058.58 im Vorjahre.
Der Bestand unserer Kasse ist beute Mark 1703.02 gegen
Ml ($.58 am 20. Juni 1891.
Es betrugen die Ausgaben: im J. 1890:
für Drueksaehen, einschliess-
lich der Festsebrift . . Mark 3005.52 gegen 2410.78
lllr Zeichnungen und die Her-
stellung von Tafeln . . „ 3X2.83 „ 421.30
für Honorare 599.25 „ 1350.—
für die Bibliothek .... „ 088.35 „ 455.75
fllr Buchbinderarbcit ... „ 395.20 .. 578.40
für KasscnfUhrung, Porto und
verschiedene Ausgaben . „ 554.92 „ 553.59
Von den im vorigen Jahre gewühlten Herren Revisoren Dr.
Hauptmann und Hauptmann Würst ist der erstcre auf Reisen
abwesend, der andere von Bonn weggezogen und hat der Vorstand,
um sie zu ersetzen, Herrn Major von Clacr und Herrn Wilhelm
G c o r g i gebeten, für sie die Prüfung der Rechnung zu Übernehmen.
Der Vorstand bittet, die Wahl der beiden Herren nachträglich zu
genehmigen." Dies geschieht. „Die Revisoren haben die Rech-
nung richtig befunden und der Vorstand bittet dein Herrn Rendantcn,
Reclinungsrath Fr icke die Entlastung zu erthcilen." Sie wird
crtheilt.
Der Vorsitzende dankt den genannten Herren für ihre Mühe-
waltung und schlägt vor, die Herrn Dr. Hauptmann und Herrn
Obcrstlieutcnant Heyn als Revisoren für das nächste Jahr zu
wählen. Beide Herren werden gewählt und nehmen die Wahl an.
»Sodann wird zur Neuwahl des Vorstandes geschritten. Der
bisherige Vorstand wird durch allgemeinen Zuruf wieder gewühlt.
Der Vorsitzende dankt für das dem Vonstand bewiesene Vertrauen
und fährt fort :
„Ich erlaube mir noch folgende Mittheilungen zu machen: Der
Bau des neuen Provinzial-Museums ist in erfreulicher Weise vollendet
worden, die innere Ausstattung wird in diesem Herbste fertig, so
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(ienernlvcrsMiuiiluiijr dos Verein* am 2t>. Juli 1HD2.
dass dann mit der l'eherflihrnng der Alterthüiner begonnen werden
kann. Zur Einweihung des Museums ist der uüeliste Mai in Aus-
sieht genommen. Die letzte (Jeneralversainmlung hat den Vorstand
ermächtigt, die Bedingungen endgültig mit der l'rovinzialvcnvaltung
festzustellen, unter denen der Verein seine Sammlungen dem Museum
übergiebt. Mit diesen Bedingungen hat sieh der l'rovinzial-Aus-
sehuss laut Schreiben vom 2. Mai 1802 einverstanden erkürt. Das
Sehreiben lautet :
Düsseldorf, den 2. Mai 1K!>2.
Euerer Hoehwohlgelxnen beehre ieh mich mit Bezug auf das
gefällige Schreiben vom 2. Juli ISiH ergebenst mitzutheilcii, das.«
ieh dem lYovinzialaussehuss in seiner Sitzung vom 20., 21. Ajiril er.
von den seitherigen Verhandlungen, betrettend die Ueberweisinig
der dem AltcrthmuR-Vercin angehörigen Sammlung von Kunstsachen
und Alterthllmeru an das I'rovinzial-Muscuiii in Bonn, Mittheilung
gemacht habe, und dass derselbe sieh mit den gestellten Bedin-
gungen, unter welchen die Ucberweisung der Sniiimlung erfolgen
soll, einverstanden erklärt hat.
Diese Bedingungen lassen sieh ans den geführten Verhand-
lungen zusainmenfassen, wie folgt:
1. Die Vcreinssammlung bleibt Eigenthnm des Vereins und die
ihr zugehörigen (legenständc sind thunlichst durch besondere
Eti<inettcn zu bezeichnen;
2. die freie Benutzung de* gesammten Brovinzial-Museums zu
wissenschaftlichen Zwecken wird dein Vereine gewährleistet,
ebenso der ungehinderte (iebraueb der von dem Vcrcinsvoi-
stande verwalteten Vereins-Bibliothek, die in einem besonderen
Räume eine geeignete Aufstellung und Einrichtung finden wird;
',). dein Vereinsvorstaud wird ein passender Raum für seine
Sitzungen und die Generalversammlungen des Vereins zur
Verfügung gestellt;
4. die Sammlungen des Provinzial-Museums sind den Vereins-
mitgliedern an noch zu bestimmenden Tagen uud Stunden un-
entgeltlich zugänglich.
Anlangend den in dem gefälligen Schreiben vom ß. März ISiM
ausgesprochenen Wunsch, bei der Aufstellung der Vereinssainmlung
in den Räumen des Museums mitzuwirken, resp. hinzugezogen zu
werden, so stelle ich Euer Hoehwohlgeborcn ergebenst anheini, sich
in dieser Beziehung mit dem Museumsdircetor Herrn Professor Dr.
Jahrb. it. Vor. v. AUorthtfr. im Hhclnl. XC1II. \>J
2flO rtencrnlvprsaminlntifr des Vereins am 20. Juli
Klein in Verbindung zu setzen, welelier diesseits ersuelil ist, jenein
Wunsche thunlichst zu entspreehen.
Der Landesdirector der Rlieinprovinz.
In Vertretung:
Ad« in s.
Die Sammlung de» Vereins war wie im vorigen Jahre in den
Sommermonaten in ihrer provisorischen Aufstellung Donnerstags
von 11 bis 1 Uhr dem Publikum geöffnet.
Unsere Hibliothek ist für die Mitglieder bis auf Weiteres
jeden Montag von 2 bis 4 Uhr geöffnet. Dieselbe hat sieh im
vorigen Jahre um etwa 250 Bände vermehrt. Geschenke hat sie
erhalten von den Herren B r c i t n e r, 1) tt n t z e r, H e ger, von Mir-
bach, Schaafhausen, Urlichs, Wiedcmann und Wicseler.
Neuer Tauschverkehr ist mit dem Kaiserl. deutschen archacologi-
schen Institut in Athen angeknüpft worden.
Am 25. Octobcr 1891 wurde das 50jährige Jubiläum in einer
alle Theilnehmcr befriedigenden Weise gefeiert. Das Heft 02 unserer
Jahrbücher hat darüber berichtet wie auch über die am 0. Deeem-
ber abgehaltene Winckelmannsfcicr.
Für die Herstellung der Festschrift zu unserem Jubiläum hat
uns der Provinziallandtag auf unsere Bitte einen Zuschnss von
500 Mark bewilligt, wofür ich unserii verbindlichsten Dank hiermit
öffentlich wiederhole.
Auch im verflossenen Jahre wurden die Verhandhuigen wegen
eines staatlichen Schutzes der geschichtlichen Denkmäler des Landes
fortgesetzt. Am 18. März d. J. fand in Coblenz eine Versammlung
von Sachverständigen statt, die Herr Oberpräsident Nasse auf Ver-
anlagung des Kgl. Ministeriums berufen hatte, um ein Gutachten
darüber abzugeben, auf welche Weise für die Erhaltung der Denk-
mäler des Landes die geeigneten Maassregeln zu treffen wären.
Die Ansicht ging dahin, der Provinzial-Verwaltung diese Aufgabe
unter Zuziehung von Sachkundigen zu übertragen, schon aus dem
Grunde, weil ihr die Bewilligung der Geldmittel obliegen würde.
Unter dem 10. Juli 1802 versandte der Verwaltnngsausschuss des
Gcsammt verein« der deutschen Geschieht»- und Alterthumsvcrcinc
einen Fragebogen, in welchem er, bezugnehmend auf die Beschlüsse
dieses Vereins zu Schwerin im Jahre 1800 die einzelnen Vereine
auffordert, der Absicht der König]. Regierung entsprechend, mitzu-
wirken, ein Verzeichnis« der erhaltimgswcrthen Denkmale zu Stande
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Generalversammlung; de* Vereins am 29. Juli 1802. 291
zu bringen und gewisse Fragen zu beantworten, um eine Uebendcht
über den Stand der Frage in ganz Deutschland zu erhalten. Der
Vorsitzende hat dieser Aufforderung entsprochen. Seine Execllenz
der Herr Fiuanzministcr hat in der Sitzung des Abgeordnetenhauses
vom 1"). März 1802 seine Hcreitwilligkcit erklärt, der Frage wegen
Erhaltung der alten Denkmale in der ganzen Monarchie näher zu
treten und rechnet zu diesem Zweeke auf eine festorganisirte Mit-
wirkung der Verbände der historischen Vereine. Wenn diese her-
gestellt sei, werde der Staat die ihm dabei zufallende Mitwirkung
nicht versagen."
Der Vorstand.
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292
H. Schaafhausen:
2. Di« XXII. allgemeine Versammlung der deutschen Anthropologischen
Gesellschaft zu Danzig vom 3. bis 5. August 1891.
Dieselbe wurde Montag, den 3. August, im Sitzungssaale des Lnndcs-
hauscs um lüir vom Vorsitzenden, Gchcimrath Vi n-liow eröffnet.
Kr bcgrüssle zuerst den anwesenden <>bei|>rasidcnten Staatsminister
v. Gossler, als den Manu, dein die anthropologische Wissenschaft seil der
Begründung de« Deutschen Reiches nm mcislen zu verdanken habe, der
als Zeugnis» seiner Theilnahme das Museum für Völkerkunde in Berlin hinter-
lassen habe. Kr hnhe alle Kreise mit in die Arbeiten für unsere Wissen-
sehalt gezogen, wozu die feste Gliederung unserer Provinzialverwaltungen
ein forderndes Mittel war. In alter Zeit knüpft die Geschichte unserer
Wissensehaft überall an die kleinen Höfe unserer Fürsten an. Das Museum
von Danzig- ist ein wahrer Stolz der Provinz, wozu Herr v. Winter die
Grundlage geschaffen hat. Rcklagenswcrth ist bei alteren Funden der
leidende Nachweis von der Herkunft der Alterthümer. So anerkenuens-
werth die filtere historische Methode für die Altert huinsforschung war,
so hat diese doch eine andere Form angenommen, seit die naturwissen-
schaftliche Art der Untersuchung; Platz gegriffen hat. Hier im Lande
haben der Landes - Geolog Bercndt und die Herren Lissauer und
Tischler, zwei Männer der naturwissenschaftlichen Richtung, die Arbeit
in die Hand genommen. Kr schildert den grossen Verlust^ den die
Wissenschaft durch den Tod Tischlers erlitten. Die Technik und die
methodische Herstellung des Gerikthes und Schmuckes, der Metalle und
Thonsachen war seine Meisterschaft. Kr stellte die Chronologie der
l«roussisehen Gruberfelder seit dem 4. bis 5. Jahrhundert vor Christus bis
zur Völkerwanderung fest. Virc how gedenkt der jüngst verstorbenen
Provinzialdircctoren Pinder in Kassel und Handelmann in Kiel, dessen
Nachfolgerin in der Direction des Kieler Museums Fräulein Mestorf, die
beste Keunerin Skandinaviens, geworden ist. Als er das Hinscheiden
des einzigen Khrenmitgliedes Heinrich Sc hlicmann erwähnte, erzählt er,
wie er Dank der Gesichtsurnen mit ihm in Berührung gekommen sei,
die in keiner deutschen Gegend so hantig vorkommen, wie im Weichsel-
gebiet, sie sind freilich ein Jahrtausend oder mehr jünger, wie die von
Troja. Auf denselben beiludet sich der Bronzeschmuck der Hallstattzeit.
Die XXII. allgcm. Vcrsamml. tl. deutschen Anthrop. Gesellschaft etc. 293
Kr spricht «laiin Uber die richtige Wiedergabe organischer Formen von
Menschen und Thicrcn in der Vorzrit im Gegensatz zu der Ungeschick-
lichkeit unwior Hftnde, die durch ein plantiirtsslgcs systematisches Zeich-
nen ausgebildet worden. Die Keuiithicro zeichneten die alten Künstler
so gut, weil .nie nicht in Zeicheiischulen gegangen waren. An den Gc-
sichtsurneu geben ein paar Striche eine klare Darstellung. Schliemann
verdanken wir die Thatsache, dnss die griechische Cultur auf orientali-
scher Grundlage rtitit. Wir halten den inneren Zusammenhang aller
menschlichen Cultur erkannt; dans «-in Volk die Arbeiten des anderen
aufnimmt, das wird die Grundlage für alle Richtungen der Forschung
sein. Die trojanischen Gesichtsumen bezogen sich auf Athene und
die Eule.
VI r eli n w liisst eine Betrachtung über die prähistorische Periode
folgen. Von Alters her betrachtete man Ti-ojn als die Stelle, von der
alle europäische Culrur hergekommen sei. Die Auswanderung der Tro-
janer brachte sie zuerst nach Italien und von dort in ferne Länder.
Diese Vorstellung hat sieh bis in's Mittelalter erhalten. Noch sitzen in
Mitteleuropa die Nachkommen von drei grossen Völkern lieben einander:
Kelten, Germanen und Slaveu. Die Funde im gallischen Alesia und in
La Tene am Neuenburgor See sind identisch. La Tene war eine galli-
sche Niederlassung. Jetzt sind auch La Tene-Funde in Noricum bekannt,
wo v. Hochstetter sie leugnete. Sie sind auch im Weichselgebiet bei
Graudenz und Kuhn gefunden. Wunderbar ist, wie mit der Tene-Zeit
auf einmal die volle Eisenzeit da ist. Wo sind die Gothen hergekommen,
deren erstes Erscheinen noch mit der Töne-Zeit zusammenhangt ? Hall-
statt gehört noch mehr der Bronzezeit an, als La Tene. Waren die
Ilallstiltter und die Leute der Bronzezeit Germanen? Virehow warnt
vor voreiligen Schlüssen. Ein Hinderniss der l'ntersnchiing der Bronze-
zeit ist der Leichonbrand. Thier- und FHanzennamen sollen beweisen,
dass die Arier nicht ans Asien gekommen, sondern in Mitteleuropa ent-
standen seien. Aber welche Thatsaehen besitzen wir aus dieser Urzeit? Sind
die Wohiiplätze der Steinzeit zu Tolkemit gleichzeitig mit den dänischen
Kjökkenmöddinger? Virehow bezweifelt es. Nach Fraas und v. Holder
soll der Schildel von Cannstadt kein hohes Alter in Anspruch nehmen
können. Der Neauderthaler soll unter Umstunden gefunden sein, welche
die genaue geologische Bestimmung seiner Lage ausschlicsson. Kr meint'
weil das Gesicht fehle, sei der Phantasie ein ungeinessener Spielraum
gelassen. Im Museum von Danzig soll ein Schädeldach aus Gros«-Morin
aus einem Grabe der Steinzeit vorhanden sein, welches sich dein Neander-
thaler an die Seite stellt, wegen seiner grossen Stirnhöhlen, seines lang-
gestreckten Hinterhauptes, und welches gleichfalls den Vorzug hat, dass
kein Gesicht da ist und keine Basis cranii. Franzosen und Engliinder
hatten den Neauderthaler mit den Australiern zusammengestellt und ge-
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II. St ha anhauen:
schlössen, dass zu der Zeit dieses Schädels Europa von Australiern be-
wohnt gewesen sei. Der Berichterstatter bemerkt hierzu, dass die Herren
Fraas und v. Heilder Beweise für ein jüngeres Alter des Cannstadter
Schildels durchaus nicht erbracht haben und dass der Neanderthaler in
seiner geologischen Lagerung auf das Genaueste bestimmt i>t. Huxley
hat diesen Sehildel zwar den Australiern verglichen, hat aber nicht be-
hauptet, dass Europa von Australiern bewohnt gewesen sei. Der Bericht-
erstatter verweist auf seine Schrift : Der Neanderthaler Fund, Bonn 188«.
Aus der neolithischen Zeit sind wenig menschliche Ueberrcste vorhanden.
Die Schädel von Lengvel in Südungarn sind arisch, nicht mongolisch.
Ob es Germanen oder Kelten waren, will er nicht entscheiden. Er meint,
dass das Wissen nVs Menschen von seiner Herkunft für die ganze Auf-
fassung der menschlichen Entwiekelung von grünster Bedeutung sei,
auch für das Staatsleben und das gesellschaftliche Leben der Gegenwart.
OberprHsident v G o s s I e r vergleicht das Jahr 1880, in dem der
Congress in Berlin tagte, mit 1891 und bezeugt die mächtigen Fort-
schritte der Gesellschaft. Neue Museen sind entstanden und neue Me-
thoden, die Funde zu eonserviren, auch sind prähistorische Karten ent-
standen. Durch die Ausdehnung anthropologischer Studien sehen sich
andere Disciplinen in ihrem Besitzstande bedroht. In der letzten Zeit
ist es ausgesprochen worden, dass die Wissenschaft in ihren Schlüssen
die grösste Vorsicht üben soll, die menschlich»« Forschungskraft reicht
nur bis zu einem gewissen Funkt, die letzte Wahrheit kann auf dem
Wege der sogenannten exaeten Forschung nicht erreicht werden ; es ist
die Einbildungskraft, welche die Kluft überspringt. Die grösste aller
Fragen, welche die Anthropologie beschäftigt, ist die, wo und wie der
Mensch in die äussere Erscheinung getreten ist. Wir können nicht
leugnen, dass auf diesem Gebiete, nicht ohne Verschulden der Wissen-
schaft selbst, MissverstHndnisse eingetreten sind, ITeberspannungen und
Uebertreibungen. Zwei Thatsachen aber sind gewonnen: Die Wissen-
schaft besitzt in sich selbst die Kraft, ihre Wege zu erkennen, und keine
religiöse l'ebcrzeugung braucht sich vor dem Streben nach Wahrheit
zu fürchten. Diese zwei Satze sind unbestritten, sie berechtigen aber
nicht zu den voranfgehenden Worten, in denen der Mann, dem die An-
gelegenheiten der Wissenschaft so lange in Freussen anvertraut waren,
sein Missfallen den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung gegenüber
zu erkennen giebt, die er masslose ITeberspannungen nennt, weil sie zu
seinciT vorgefassten Meinungen nicht passen. Wie konnte Gossler der
Vertheldiger Darwins im preussischen Abgeordnetenhause sein? Auf
den Ort der Versammlung eingehend, sagte er: Sie betreten die fabel-
reiche Bemsteinküste und es ist ein wunderbares Schauspiel, das» dieses
unscheinbare Baumharz ein Mittel geworden ist, um die Fackel der
Cultur durch die ganze damals bekannte Welt zu tragen. Auch kommen
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Die XXII. allgcm. Versaniml. d. deutschen Authrop. Gesellschaft etc. 2f>5
Sie in Berührung mit dem deutschen Orden, der die Aufgabe hatte, die
Ungläubigen für das Christenthum zu gewinnen. Er hat die PrAhistorie
hier im Lande vernichtet, die tausend Jahre weiter in die Gegenwart
herabreichte, als in den Gebieten Deutschlands, die unter römische Herr-
schaft gekommen waren. Hier sassen die alten Preussen, Litthauer,
Letten und Kuren, und spater die Slavcn. Manche Probleme sind hier
noch durch die Archilologie und Sprachforschung zu lösen.
Der Landcsdirector der Provinz Westpreussen, Herr J A c k c 1, ver-
sichert, dass der Provinzialausschuss die Bestrebungen der Gesellschaft
zu fördern bemüht sei, und weist auf die durch Herrn Dr. Lissauer ver-
fasste Festschrift hin, welche von Seiten der Provinz der Versammlung
zur Begrüssung dargeboten werde.
Herr Oberbürgermeister Bau m buch sagt, dass in der Handels-
stadt Dauzig auch für Kunst und Wissenschaft Verstftndniss vorhanden
sei und erinnert an die berühmten Worte des Sophokles, die er dem
Chor in der Antigene V. 832 in den Mund legt. Er hofft, dass die An-
thropologen nicht nur an den prAhistorischcu Gc.MclitHunmD, sondern
auch an den jetzigen Menschenkindern Gefallen finden mögen.
Der Director der seit 148 Jahren bestehenden naturforschendeu
Gesellschaft Prof. Bail hebt hervor, dass in Danzig auch ohne Univer-
sität oder ein Ähnliches Institut alle Zweige der Naturforschung gefördert
worden seien. Die genannte Gesellschaft hat ihre umfangreichen Samm-
lungen dem Provinzial-Museum übergeben, dessen Interesse von dem frühe-
reu Oberbürgermeister v. Winter krHftigst gefördert wurde.
Für den westpreussischen Geschieht»- Verein sprach Geheimrath
Dr. Kruse; er bezeichnet als Aufgabe der Anthropologie, die Entwicke-
lung des Menschengeschlechtes durch alle Zonen und Zeiten zu erforschen.
Jenes alte Lied des Sophokles: „Viele« Gewaltige giebt es, «loch nichts
ist gewaltiger als der Mensch- sei ein rechtes Bundeslied der Anthro-
pologen, e« sei ein Umriss von dem weiten Forschungsgebiet dieser
Wissenschaft. Die Geschichte dieses Landes, das der deutsche Orden
cultivirt hat, spiegele die Entwicklung der Menschheit in einem ganz
eigenartigen Bilde. Wenn man aber den Blick aus der Vergangenheit
zurücklenkc zur Gegenwart, so habe das Kaiserthum der Hohenzolleru
den Vergleich mit jenen Zeiten nreht zu scheuen.
Der Geschäftsführer Dr. Lissauer beklagt den Tod des unver-
gesslichen Freundes Tischler, für den er eingetreten sei, nachdem Danzig
für Königsberg gewählt worden sei. Der Keichthum des Bodens an
UeberrcMteti vorgeschichtlicher Cuitur habe frühe schon das Interesse
geweckt. Die Ältesten Funde sind kufische Münzen, die schon 1592 von
K. Schütz beschrieben worden sind. Sie waren bei Danzig gefunden.
1722 wurde ein grösserer Fund bei Steegen gemacht. Bayer sehrieb in
demselben Jahre über römische Mümsfunde in Preussen und deutete
H. S c h a a f f h a u s e n :
«lie Münzfundc schon als Zi'itjrnis^t» des allen Bcrnsteinhandels. Tu
Königsberg sammelte Lilicnthal. Keusch schrieb 17:24 über preussische
Grabhügel und Urnen. Die naturforschcndc Gesellschaft gründete auch
eine ethnologische Sammlung, indem <Iie Begleiter Cooks, Bank und
Solander, ilir Waffen und GciHthe von den Südseeinseln zum Geschenke
inaeliti'ii. Erst 1X50 beginnt ein neuer Aufschwung in der Erforschung
des Landes dureli Förstcmanii. der das erste Museum für vaterländische
Alterthi'nner hierselbst begründete. Die Bestrebungen gewannen erst
einen gemeinsamen Mittelpunkt, als IS72 sieh im Sehoosse der natur-
forschcndcn Gesellschaft ein anthropologischer Localvcrcin gebildet hatte.
Ks fehlte an den Hölingen Mitteln, bis die neue Provinzialverw allung,
zumal ihr Vorsitzender, Herr v. Winter, dieselben bereitstellte. Die Samm-
lungen kamen nun unter die Leitung des Mnseumsdirectors Professor
Conwcntz. Die iiltesten Zeichen des Mensehen reichen hier Iiis in die
jüngere Steinzeit, das ist bis tief in das zweite Jahrtausend vor Christus.
Hierher gehören die Küehenabfillle bei Tolkcinit am frischen Haff; sie
enthalten Steingei iltlie und Gefassscherhen mit S< hniirornainent. Hltulig
sind die Funde von Beriistciiischinucksachcn, welche mit Feuerstein be-
arbeitet sind. Gegen Ende der Steinzeit tritt schon der Leichenbrand
auf. Gegen Ende des zweiten Jahrhunderts vor Christus dehnte sich
der Bernsteinhandel, der sieh von der Nordsee aus schon früher ent-
wickelt hatte, immer mehr nach Osten aus und zog auch unseren Strand
in sein Gebiet. Da linden wir auch die Werkzeuge der Bronzezeit,
welche, in der Festschrift beschrieben sind. Ks zeigen sich Anfällige einer
selbständigen Metallindustrie. Ks gab drei alte Handelswege, einen
durch Pommern und Mecklenburg bis zur Elbe und weiter, einen
durch Posen, die Lausitz und Sachsen zum Ithein, endlich einen die
Weichsel entlang nach dein Donaugebiet und Ungarn. Der letztere
wurde spiiter der wichtigste. Tin jüngsten Abschnitt der Bronzezeit
werden Steinkistcngrabcr ohne Aufschüttung allgemeine Sitte. Ihre
grosse Zahl erweckt die Vorstellung, das*, das Land dicht bevölkert war.
Die Keramik dieser Zeit hat sieh in den Gesichtsurnen ein Denkmal ge-
setzt, die nirgends in solcher Fülle gefunden werden, zumal in den
Kreisen Putzig, Neustedt und Danzig, deren Strand am ergiebigsten fin-
den Bernstein fluid sein mochte. Erst* in der nun folgenden La Tene-
Periode wird das Eisen in grosser Menge eingeführt, wie die Graber-
felder von Oliva um) Rondscn zeigen. Das Provinzial Museum enthalt
auch glänzende Ucherrcst^aus der Zeit des Handels mit den römischen
Provinzen, das ist vom I. bis 4. Jahrhundert nach Christus. Mit dem
Kude des I. Jahrhunderts versiegen die Funde. Zur Zeil der Völker-
wanderung scheint die ganze alle Bevölkerung ausgewandert zu sein.
Verein/eile oströmische Münzen reichen bis zum Jahre (»II. Im f>. Jahr-
hundert entwickelt sieh ein Verkehr mit den Arabern, welche ihren Handel
vom Kaspischen Meere die Wolga hinauf bis in die Gegend des heutigen
Die XXII. allgem. Versainml. d. deutschen Anthrop. Gesellschaft ete 297
Kasan ausdehnten, um dort mit den Warägern oder den Nonnanncii ihre
Waaren gegen die Produkte des Nordens auszutauschen. Diese Zeit ist
durch schöne Funde in unserer Provinz vertreten. Der Handel mit dem
Orient wird dann am Ende de« 10. Jahrhunderts ulhn.'ihlit-ti von dem iuit
den deutsehen Reichsstädten, mit England und Diineinark abgelöst, wie
man ans Münzfundon schliessen kann. Dieser Zeit gehören die sla vi-
schen ReihcngrHber mit den Schlafenringen und die vielen Burgwallc
an. Mit dein Anfange unsere« Jahrtausends beginnt die historische For-
schung mit ihren geschriebenen Quellen.
Herr Professor Ranke beginnt seinen wissenschaftlichen Jahres-
bericht mit dem Ausdruck des tiefen Schmerzes über das Hinscheiden
von Schliemann und Tischler. Er {riebt sodann eine Uebcrsicht über die
wissenschaftlichen Arbeiten des letzten Jahres, die er eintheilt in Bei-
trüge zur prllhistorischen Arehllologie, zur Keuntniss der alteren Metall-
perioden, der römischen Periode Deutschlands, der Periode der Völker-
wanderung, zur Volks- und Landeskunde, zur Ethnologie, Krnniologie,
Entwicklungsgeschichte , Zoologie und prähistorischen Botanik. Auf
allen Gebieten herrscht eine kaum übersehbare Thiltigkeit.
Herr Weissmann erstattet den Rechenschaftsbericht. Die Zahl
der Mitglieder betrug 1739, die Einnahmen In 294.4t*. Mk., die Ausgaben
14 529.8«, Bestand der Kasse ist 7154.58 Mk.
In der zweiten Sitzung am 4. August macht Dr. Eissauer Mit-
theilung eines Briefes des Herrn Förstemann, worin dieser zu Grabun-
gen auf der vor der Weichselmündung liegenden Halbinsel Heia auf-
fordert, deren Name ihm mit der heidnisch - germanischen Bestattung
der Todten auf Inseln zusammenzuhängen scheint. V i r c .Ii o w ladet zu
dem am 1.— 6. Oetoher 1892 in Spanien tagenden internationalen Amerika-
nisten-Congresse ein, welches Land wegen der 400 j übrigen Jubelfeier
der Entdeckung Amerikas gewühlt worden sei, auch legt er Einladungen
zur Naturforscher- Versammlung in Halle, sowie zu dem vom 13. -20.
August 1892 in Moskau stattfindenden internationalen pi Hhistorisehcn
Congressc vor. Nachdem Professor J e n t z s c h einen Ueberhlick über
die Geologie Westpreussens gegeben, spricht M o n t e 1 i u s über die
Chronologie der jüngeren Steinzeit in Skandinavien. Schon 1874 erklärte
er die freistehenden Dolmen ohne Gang für die rtltesten Grabdenkmale
der Steinzeit , jünger seien die Ganggraber , noch jünger die Stein-
kisten, die noch in den Hügeln der ältesten Bronzezeit vorkommen. Da
die Dolmen schon Alterthümer von speciell skandinavischem Typus ent-
halten, können sie nicht in den Anfang der Steinzeit gesetzt werden.
Ihnen entsprechen die Fcuersteinaxtc mit spitz ovalem Querschnitt; die
Acxte mit Schmalseiten sind jünger. Auch liegen in den iiitesten Dolmen
Bcrnstcinperlen von jüngeren Formen. Erst spiiter werden die Kisten
mit Erde bedeckt. Gleichzeitig sind unterirdische Grilber ohne Kisten.
II. S c Ii h a f f Ii ii n 8 c li :
Die skandinavischen Graberformeii kommen auch im westlichen Kuropa
vor. Skandinavische Thongc-fAH.se mit Zickzacklinien vorziert und Rhomben,
die «ich mit den Spitzen berühren und abwechselnd glatt und mit Strichen
geziert sind, kommen auch in Südeuropa, ja auf Cypcm vor. Es muss
ein Verkehr stattgefunden haben. Auch die becherförmigen mit horizon-
talen Ornamentstreifcn versehenen Thongefiisse sind in allen europäi-
schen Llludern von Sicilien bis England und Ungarn zu finden. In
Skandinavien und Norddeutschland kommen sie in Gräbern der letzten
Periode der Steinzeit vor. Schwedische und dänische Kupferllxtc von
91» 0 o Kupfer stimmen mit den ungarischen ganz überoin. Montelius
glaubt, das« die hohe Cultur der Steinzeit in Skandinavien wie der Bronze-
zeit nur durch den Einfluss der Culturlttndcr des Mittelmeers zu erklären
sei. Montelius glaubt, dass der Beinsteinschmuck sich in späteren
Gräbern deshalb vermindert, weil man früher den Werth desselben nicht
erkannt habe. K 1 e i n s c h m i d t meint, dass man den Todten früher
deshalb mehr Beigaben ins Grab gelegt habe, weil das Erbrecht noch
nicht entwickelt war und der Begriff1 des FamilieneigenthuniH sich erst
sprtter ausgebildet habe. Virchow macht auf andere Beobachtungen
aufmerksam, die auf einen Verkehr in der Steinzeit deuteten. In einem
megalithischcu Grabe auf dem linken Weichselufer wurde ein ornamen-
tirtes Falzbein aus Knochen gefunden, das mit denen zweier Schweizer
Höhlen genau übereinstimmt. Virchow macht in Bezug auf die Thon-
gefaxsc die Bemerkung, dass es Ort« gebe, wo sich gewisse Muster der
Verzierung durch Jahrhunderte bis in unsere Zeit erhalten haben; die
ueolithischen Gefnsse mit erhabenen Leisten, die mit Eingereindrücken
besetzt sind, komnieu schon in einer älteren Periode vor. Im Orient hat
sich das Wellenornament in allen Perioden bis jetzt erhalten. Im Kauka-
sus und in Aegypten sind noch gegenwärtig Dinge im Gebrauch, die an
Fundstücke unserer alten Graber erinnern. Aus der gleichen Form kann
man nicht mit Sicherheit die Gleichzeitigkeit der Herstellung folgern. Flui-
der« Petrie hat gezeigt, dass die gemuschelteu Feuersteingeräthc unserer
ueolithischen Zeit der ganzen ägyptischen Cultur angehören und noch in
Grilbern der 20. Dynastie gefunden werden. Vielleicht sind sie in spÄt-
historischer Zeit hier noch gefertigt worden. Herr Helm berichtet
über die Analyse westpreussischer Bronzen und ihren Antimongehalt.
Diesen sieht er nicht als eine zufällige Beimischung an. Er fand darin
0.82 bis 3,87% Antimon. Einige der von ihm untersuchten Bronzen
waren ein Gemisch von ti— 8 Metallen. Er glaubt, dass man bei Beginn
der Bronzezeit mit allen möglichen Zusätzen zu Kupfererzen experimen-
tirte, um die leichter schmelzbare und goldig glänzende Bronze zu er-
halten. Virchow bemerkt dazu, dass Antimon und Kupfer in der
Xatur nicht in der Mischung vorkommen, die in einigen Bronzen der
alten Zeit nachgewiesen sei. Der Berichterstatter erinnert daran, dass
Die XXII. allgcm. Versatninl. d. deutschen Authrop. Gesellschaft etc. 299
die nach der Zusammensetzung alter Bronzen gefertigte Stahlbronze den
Freiherrn v. Uchatius aus 89,5% K., 5,9 Z., 2,6 Antimon und 2,1 Nickel
besteht (Anthrop. V. in Constanz 1877, S. lft.')j.
Hierauf .spricht Virchow über transkaukasische Bronzegürtel.
Die Thiere darauf sind phantastisch dargestellt, z. B. Pferde mit Vogol-
kralicn, Einhufer mit Hornern, Thiere mit Doppelköpfen. Der assyrische
Löwe und die Sphinx fehlen. Andere Gürtel sind mit Linien und Punkten
verziert, in der sorgfältigsten Zeichnung. Der Ursprung dieser Kuust
möchte in Persien oder Turke^tan zu suchen sein. Ks ist altarnicnische
Cultur, die mit der assyrischen und kaukasischen violleicht eine gemein-
same Quelle hat. In den Gräbern dieser Gegend sind viele Schmuck-
sachen aus Antimon, zumal die Ueberzüge von Spiegeln, die nicht rosteten.
W. Waldeyer giebt eine Darstellung der Insel des Gehirns der An-
thropoiden, die vom Hylobates angefangen durch den Orang zum Chitn-
pansen und Gorilla sieh weiter entwickelt und beim Menschen ihre
höchste Ausbildung findet. In Bezug auf diesen Hirntheil ist die Kluft
zwischen Mensch und Gorilla grösser als die, welche die einzelnen An-
thropoiden von einander scheidet. L i s s a u c r stellt danach eine Zwergen-
familie vor. Der Mann ist 124 cm gross und 42 Jahre alt, das älteste
Kind Ida, 9 Jahre alt und 73,6 cm gross, hat allein die Zwerggestalt des
Vaters geerbt, während die späteren vier Kinder von acht Jahren bis vier
Wochen sich bisher normal entwickeln. S z o m b a t h y will zwei Arten
des Zwergwuchses von einander unterschieden wissen, der, wobei der
Körper in den Proportionen des Kindes bleibt, und der, wo innerhalb
der geringen Körperhöhe doch die Proportionen des Erwachsenen er-
reicht werden.
In der dritten Sitzung am 5. August demonstrirt Professor Rabl
den Schädel eines Ricuen und einen Thurmkopf. Dann spricht Ranke
über Beziehungen des Gehirns zum Schädelbau. Virchow hat vor 34
Jahren in seiner Arbeit Uber den SchHdelgrund gezeigt, dass eine ge-
wisse Bewegung des Keilbeins und der gesammten Schädelbasis die
Form des Schildeis und des Gesichts beherrscht. Die Basis, auf der
Virchow die Winkel maass, war der Gaumen, der mit der Frankfurter
Horizontale nahe übereinstimmt. Seit 1&82 berechnen wir alle Winkel des
Schädels als Neigungswinkel zur Horizontale. Ranke bezieht sich auf
seine 1883 und 1887 demonstrirten Apparate zur Winkelmessnng. Durch
eine Vergrösscrung des Hirnschädels können wir uns den Affenschädel
in den menschlichen umgewandelt denken. Je jünger der Affe ist, um
so menschlicher ist die Schädelforni, weil das Gehirn auch relativ mensch-
licher ist. Bei gewissen Hunderassen, z. B. dem Spitz, bleibt der Schädel
auf der kindlichen Stufe , die Nähte bleiben länger offen und das
Hirn kann sich deshalb mehr entwickeln. Warum zieht Rank e aus
seiueti Untersuchungen uicht deu naheliegenden Schluss, dass der mensch-
300
H. S c h a a ll'hattsen:
liehe Schädel durch das Wachsthum des Gehirns aus dem thierisehcn «ich
entwickelt hat, was er bisher stets best reitet? Es ist erfreulich, dass seine
Messungen langst bekannte Verliiiltnis.se bestätigen, seine Erklärung der
menschlichen Schadclforiii ist aber ungenügend, weil er eine wichtige Ur-
sache derselben, den aufrechten Gang, gar nicht beachtet. Schon Daubenton
erkannte ihn (Mein, de l'Acad. des Sc. Paris 17(i4i als die Ursache den
mehr nach vorn geschobenen Hinterhauptloches beim Menschen. Auch
sagt er schon, dass die Kbene ilesselben bei ihm mehr horizontal, lud
den Thieren mehr vertikal stehe. Sümineriug sagte 178-1. dass das
Hinterhauptloch bei den Thieren und beim Neger mehr nach hinten liege.
Virey war derselben Ansicht. K. Owen und Prichard bestritten letztere,
wie sie gegen jede im Bau des Menschen behauptete Aft'cnahnlichkeit
auftraten, (»wen sagte, der vordere Knud des Hinterhauptloches liegt
beim Weissen und beim Neger in der Mitte der Basis erauii, der vor
und hinter dieser Stelle liegende Abschnitt der Schädelbasis sind gleich,
Prichard, Naturg. d. M. Leipzig. I. 1840. S. 311. Broca zeigte aber
(Bullet, de la Soc. d'Aiithrop. lSt>2. p. 5251, dass die von Prichard ge-
gebenen Bilder gerade das Gegentheil erwiesen und bestätigte die That-
sache durch genaue Messung an fiO Europäern und eben so viel Neger-
schadeln, dass bei diesen der hintere Abschnitt kleiner ist. Von der
steileren, nach vorn aufgerichteten Kbene des Hinterhauptloches beim
Europäer gab dann Ecker eine genaue Darstellung in seiner Schrift :
Ueber die Krümmung des Schadelrohrs, Braunschweig 1H71. Auch Lucne
schilderte den Unterschied der Ebene des Hinterhauptloches bei Mensch
und Alle ( Anthrnp.-Vers. in Stuttgart 1872). Beim erstcren findet eiue
stärkere Knickung der Schädelbasis statt, die er auf den Druck des
grösseren menschlichen Gehirns bezieht. Auch Huxlcy führt an, die Ebene,
des Hinterhauptloches mache mit der Achse der Schädelbasis bei pro-
giiathen Schädeln einen kleineren Winkel. Dass der kindliche Schädel
der Anthropoiden menschenähnlicher sei, haben Owen, Osteel, of the Chimp.
and < irang, London 1835, und Prichard a. a. O. S. 3.'W, hervorgehoben.
Lucae zeigte, dass Mensch- und Afl'enschadcl nach entgegengesetzter
Richtung sich entwickeln. Nach dem Vortrage Ranke's erinnert L i s-
sailer daran, dnss er in seiner Schrift: Ueber die sagittale Krümmung
de* Schädels, dessen Kntwickelung*ge.->ctz nach strenger geometrischer
Methode mittelst des Sei tors für das Grosshirn dargestellt habe. Er be-
klagt die geringen Ergebnisse unserer Messungen nach der deutschen
Horizontale. Auch der Berichterstatter hat sich in diesem Sinne aus-
gesprochen und seine Bedenken gegen das vereinbarte Messverfahren
schon IxT.'i bei der Anthropologen-Versammlung in München, B. S. 58, in
die Worte gel'asst: „Warten wir es ab, welche neue Erkenntniss uns die
neuen Messmethoden des Schädels bringen werden." Die Gleichartig-
keit der Messungen wurde freilich für eine Reihe von Arbeiten erreicht,
Die XXII. allgem. Vorsamml. d. deutschen Antlirop. Gesellschaft etc. 301
was hoch anzuschlagen ist, aber die Kilo und Hast, womit die Verein-
barung zu Stande kam, zeigte sich daran, dass an dem ursprünglichen
Piano hald Veränderungen nöthig wurden. Die Reform der Craniometrie
begann mit Iherings Vorschlag (Ges. f. Ethnol. V. 1873, S. IM), als Hori-
zontale die Linie von der Mitte der äusseren Ohröffnung zum unteren
Rande der Orbitn anzunehmen. Damit wurde die viel richtigere, in
Güttingen empfohlene Horizontale, die dem oberen Knude des Jochbogens
entsprach, aufgegeben. Kine kleine Verbesserung erhielt die IherlngVhe
Linie dadurch, dass mati den Anfang der Linie in den oberen Rand des
Ohrloches verlegte, wodurch das nach unten gerichtete Profil des SchHdels
etwas gehoben wurde. Diese Horizontale wurde von der Conferenz in
München 1877 angenommen (vergl. Corrcspondenzhl. d. Anthrop. Ges.
1S78, S. 59), wo mein Name irrthiimlich unter den Beitretenden steht.
Auch in Berlin wurde sie (Anthrop.-Vers. 1880, S. 104) festgehalten, eben-
so in Frankfurt 0882, S, 102 und Correspondenzbl. d. Anthrop. Ges. 1883,
Nr. 1). Ich habe mich wiederholt gegen diese Horizontale, auf der die
meisten europäischen SehUdel nach vorn geneigt sind, ausgesprochen,
aber auch gegen die Annahm«' einer Horizontale für alle SchHdcl (A.-V.
in München 187r>, S. 50, in Kiel 1878, S. III; Archiv für Anthrop. XI.
1879. S. 178. und XII. S. 108; Anthrop.-Vers. in Frankfurt 1882. S. 124,
in Wien 1889, S. IBA). Die niederen Schädel haben eine andere Hori-
zontale, wie die der Culturrassen. Für jeden Schädel ist die Horizontale
ein seine F.ntwickelung bezeichnendes Merkmal, auf das die Craniometrie
nicht verzichten soll. Garson hat (Journal of the Anthr. Inst. 1884, p. 04)
von den Maassen der Frankfurter Vereinbarung fünfzehn verworfen,
auch, wie der Berichterstatter, die Beziehung der SchädelWlnge auf die
Horizontale. Topinard und Flower haben mit allgemeinem Beifall die
Grenzen der Doliehocephalio und Brachycepllalie auf »'ine oinfacbere
Welse festgestellt, die Mesocephalie beginnt mit 75, die Brachycephalie
mit 80. Die Frankfurter Verständigung ist mancher Verbesserung fähig.
Von der Ebene des Hinterhauptloches spricht sie nicht, Auch Szom-
bathy spricht über Milngol des Frankfurter Mos-sverfahrons. Virchow
will die Untersuchung eines individuellen SchHdels getrennt wissen von
einer mehr generellen Betrachtung der Schädel und Köpfe. Pathologi-
sche Schädel müssten genauer gemessen werden, als in der Ethnologie
nüthig sei. Es empfehle sich z. B. für unsere Keichscolonien für die
Schildelmessung ein Schema anzuwenden, das auch auf Lebende jwisst.
Wenn aber Virchow sagt, die Stellung in der der Mensch den Kopf
halte, sei nur eine Sache der Gewohnheit, eine NHherin habe eine andere
Haltung des Kopfes, als eine Frau, welche ihre Last auf dem Kopfe
trilgt, so ist er im Irthum. Der Mensch kann allerdings dem Kopfe die
verschiedenste Stellung geben, aber alle Menschen können dem Kopfe
ein und dieselbe Stellung geben, wenn sie bei aufrechter Körperhaltung
H. Scliaafrhansp.il:
geradeaus scheu. I bering glaubte, dass seine Horizontale, von der die
Frankfurter »ich wenig unterscheidet, dicscui Blick entspreclic, was aber
nicht der Fall ist. Die Iheringschc Horizontale ist die der Idioten. Herr
Mies zeigt einen Apparat von Schellnng zur Messung des Profilwinkel»
und spricht dann über Bcrtillon's Verfahren zur gehauen Bestimmung
und sicheren Wicdererkeunung von Personen. Er hat in der Straf-
anstalt von Moabit an einer grösseren Zahl von Personen entsprechende
Messungen gemacht. Die wichtigsten Maasse, die von Seiten der zu
Untersuchenden keine Täuschung zulassen, sind fünf: die Lange
und Breite des Kopfes, die Länge des linken Fusses, des Mittel- und
kleinen Fingers der linken Hand. Spater hat Bertillon statt der Lange
des kleinen Fingers, die Lauge des Vorderarms mit der Hand gewählt.
Veränderlicher sind die übrigen sechs Maa.sse: Höhe des ganzen Körpers
und des Oberkörpers, Armspannweitc, Höhe und Breite des linken Ohres
und Lange des linken Vorderarms nebst Hand. Die elf Maasse in je
drei Gruppen nach ihrer Grösse getheilt, lassen 177.147 Zusammenstel-
lungen zu, und nimmt man noch 7 verschiedene Farben der Iris hinzu,
so steigt diese Zahl auf 1 '240.029. Bertillon glaubt, dass besondere
Kennzeichen, wie Muttcrmaler, Narben und dergleichen noch sicherer
als das anthropometrische Signalement seien. Mies macht darauf auf-
merksam, dass der Verbrecher solche Kennzeichen künstlich verändern
könne. Da die Körpergrösse wahrend des Tages wechseln kann, empfiehlt
er, die Leute Morgens, Mittag« und Abends zu messen und das Mittel
zu berechnen.
Es wird nun als nächster Versammlungsort Ulm und als Gesehäftst-
rührer Herr Dr. Leube daselbst gewählt. Die Zeit des Congresses wird mit
Rücksicht auf den im August stattfindenden internationalen Congress in Mos-
kau und den Amerikanisten-Oongress in Huelva im October vom Vorstande
noch naher bestimmt werden. Als erster Vorsitzender wird Ober-Medieinal-
rath Dr. v. Holder gewählt, als seine Stellvertreter Waldeyer und
Vi r c h o w.
Es folgt ein Vortrag von Herrn Szombathy über die Gott-
weiger Situla und figural verzierte Urnen von Oedenburg. Derselbe
ist im Corrospondenzblatt 1802, Nr. 2 und 3, gedruckt. Der folgende
Vortrag von M o n t e I i u s über die Bronzezeit im Orient und Südeuropa
Ist im Archiv für Anthrop. XXI. 1892. Heft 1 und 2, erschienen.
. Vi r c Ii n w spricht über Schädel, die Ohnci'alsch-Kichter aus Gräbern
der ältesten Periode in Cypern gesammelt hat. Wie im Kaukasus und
dem armenischen Hochlande es keine Brandgräber giebt, so findet sich
in Deutschland und Polen während der ncolithisclicn Zeit nur Be-
stattung; für die Einführung des Leichcnbrnndes iHsst sich keine sichere
Zeit bestimmen. Er erwähnt eine kupferne Doppelaxt aus der Mark
Brandenburg, wie deren in der Schweiz und Ungarn gefunden sind.
Die XXII. allgem. Versamml. tl. deutschen Anthrop. Gesellschaft etc. 303
Bei den ungarischen stehen die Schneiden Uber Kreuz zu einander, bei
der brandenburgischen stehen nie nher symmetrisch, und zwar horizon-
tal. Auf mykenischeu Bildern kommt diene Axt vor. Eiserne mit über
Kreuz stehenden Schneiden kommen im Kaukasus vor. Wahrend die
Bogcnfibel im Werten in Verbindung mit dem Bronzekelt auftritt, ist in
den Gräbern von Koban nicht ein einziger Kelt gefunden. Die Fibel
kann also nicht von Westen her eingeführt sein. Spiralornamente sind
im Kaukasus zu einer Zeit entwickelt, wo es weder in Griechenland noch
inHissarlik Parallelen giebt. Die alte kaukasische Cultnr ist von der europäi-
schen scharf getrennt, die menschliche Gestalt kommt in der Kunst des Kau-
kasus kaum vor. Hier kann die Bronze nicht ihren Ursprung haben, weil
das Zinn fehlt. Montelius bemerkt, dass der Leichenbrand im Norden
viel alter sei, als die Uallstattzeit. G r e m p 1 e r macht znr Geschichte
der Fibeln und über die Beziehungen der Krim zum Merowingerstyl
folgende Mittheilung. Er fand in Wien und Pest Fibeln mit zwei und mit
drei Hollen, die durch Münzen der Kaiserin Herennia, das Claudius Gothi-
cns und des Prohns (259—282) bestimmt waren. In der Eremitage zu
St. Petersburg fand er zwei Zweirollenflbeln und in Odessa eine Menge
derselben, genau im Typus von Sakrau. In Kertsch fand er nicht nur
diese, sondern auch soehe mit fünf Knöpfen, die als Merowingerfibel be-
schrieben sind, und Schmuckstücke mit Glaseinsatz, die wir fränkische
nennen. Die fünf Knöpfe sind ein Schmuck der Rollenden. Spater bleibt
mir eine Kolle, aber fünf Knöpfe als Ornament. In Speier ist eine Fibel
mit sieben Knöpfen. In Kertsch, dem alten Panticapaeum, kamen die
Gothen mit der antiken Kunstiudustrie in Berührung. Eine Weiterent-
wickelung hat dieser Styl in der Krim und in Südrussland nicht genom-
men, wohl aber im Westen, wahrend sich in Russland im 9. Jahrhundert
byzantinischer Einliuss erkennen iHsst. Germanische Völker brachten
diese Stylform in das Donaugebiet, nach Norditalien, an den Rhein, nach
Frankreich, Spanien, Nordafrika, England und Skandinavien. Der Styl,
den die Gothen (493—555) vor den Longobardcn (568—774) nach Italien
brachton, stammt also aus der Krim und Südrussland. Schon Hampel
hat bei Beschreibung der ungarischen Goldfundc den südrussischen Kin-
fluss nachgewiesen. Die Cycadenfibel im Grabe Childerichs kommt be-
reits in griechischen Grabern SUdrusslands vor. Den Ursprung dieses
Styis sah Undsct in Italien, die Franzosen nannten ihn skytho-byzanti-
nlsch. Die Ein-, Zwei- und Drei-Kollenttbel entstand aus der römischen.
Im 2. bis 4 Jahrhundert wohnen in Südrussland Gothen; die byzantini-
sche Kunst entwickelt sich erst unter Justinian (527 —565). Wir haben es
mit germanischer, von der antiken beeinflussten Cultur zu thun, wie
auch H. Hildehrand und Pulsky annehmen. Montelius stimmt dieser
Ansicht bei und sagt, dass sie schon vor zwanzig Jahren in Schweden
ausgesprochen sei. Buchau demonstrirt seine Sammlung prähistorischer
304
H. Srhaalfhausen:
CuiturpHanzen. Hierauf schildert Professor Dorr die Steinkistcngräbcr
bci Klbing. Kr entdeckte hier .Mellen Stciiikistcngritberfelder in den
Jahren 1.SH0 bis P***. Die Steinkisten ent Iiielten Aschcuurncn vom ost-
preussibchen Typus, sie «gehören ilem Knile der Hallstattzcit an. In Klbing
wurde nuel» eine Münze von Hiero II. von Syracu.s gefunden. Auch in
der Umgebung von Klbing landen sieh solche Graber, hier war wohl
eine Uaststolle an der alten HiUidekstniK.se nach dem Bcrnstcinlandc
Die Stelle des Pliniils, wo er den Pytheas erzählen lässt, die C.olhen
seien Anwohner de.s Acstnarium occani, von wo man die Hcrnsteiiiinscl
Abalus zu Schiffe, in einem Tage erreiche, könne sich nur auf Samland
beziehen. Lissaner schildert den Forinenkreis der slavischcn Schläfcn-
ringc. Sie sind bezeichnend für die Gebiete, in welchen Slaven wohnten.
Ocstlich der Weichsel und nördlich dcrOssa, im Laude der alten Proussen
werden keine gefunden. Hei der gcw öhnlich*>u Forin ist das ein«' Ende
des runden Drahtes gerade abgeschnitten, das andere in eine S-förmige
Schlinge zurückgebogen. Ks giebt auch solche aus kantigem und aus
gedrehtem Drahte. Zuweilen ist ein Ende zugespitzt, selten ist ein Knde
ö.senfürinig umgebogen. Die Hinge der Merier zeigen keine S-förmige
Krümmung. Andere sind an beiden Knden S-förmig umgebogen. Zu-
weilen windet sich ein Knde S-förmig und dann noch einmal spiralig um.
Sie gehören dem F>. bis G. Jahrhundert an. Oesterreich-Engarn erscheint
als die Wiege dieser Hingform, deren ergiebigste Fund<|uelle die Reihen-
giiiber sind. Die meisten sind von Bronze, man hat sie auch von Hlei,
Zinn und Kupier, auch von Silber und Gold gefunden. In vielen Keihen-
gr.Ubern hat man auch dolichocephale Skelette gefunden. B a i e r he-
merkt. dass auf Hügen mehr hohle als massive StlilJtfenringe gefunden
würden; in einem fand sich ein Jlolzstiibchen als Kern. Dr. Jakob
schildert die Waaren beim nordisch-baltischen Handelsverkehr der Araber.
Die zahlreichen Funde kuhschcr Münzen aus dem K. bis 10. Jahrhundert
in Russland und an den Tlern der Ostsee veranlassten ihn, die gleich-
zeitigen arabischen und polnischen Quellen zu untersuchen, um Näheres
Über den alten Handelsverkehr in diesen Gegenden zu erfahren. In
Schweden sind 200 Fundstellen bekannt, in Gntland wurden 13,000 Münzen
gefunden, ein russischer Fund zählte 11.077 Stück. Am häutigsten sind
die der Samaniden, welche in Bukhara residirten Arabische Schriftsteller
bezeugen zunächst eine grosse Sklavenausfuhr aus den Ländern der
Slaven, die theil« die Wolga herunter und daun nach Khiwa, theils durch
das Land der Franken nach Spanien gebracht wurden. Mehrfach werden
ihr rüthlich blondes Haar und ihre blauen Augen erwähnt. Ibrahim ihn
Jaqub, Gesandter am Hofe Ottos des Grossen, sagt von Prag: Waräger
und Slaven kommen dahin von Krakau und aus türkischem Gebiet, Mus-
lims, Juden und Türken mit Waaren und Münzgew ichten und nehmen ila-
für Sklaven. Zinn und Bleiarteu. In der Vita des heiligen Adalbert, der 097
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Die XXII. allgem. Versamml. d. deutschen Anthrop. Gesellschaft etc. 305
erschlagen wurde, wird erzählt, dass er christliche Sklaven den Jndcn
anzukaufen pflegte. Der hebräische Geograph Benjamin von Tudela
erzählt, das« die Bewohner Böhmens ihre Söhne und Töchter allen Völkern
verkauften. Dasselbe thaten die Bewohner von Uussland. Ibn Rosteh,
ein Gengraph des 10. Jahrhundert«, sagt von den Waräger Russen: Sie
unternehmen Razjas gegen die Slaven, indem sie auf Schiffen fahren und
dann landen, Gefangene machen und diese nach Khaznran und zu den
Bulgaren zum Verkauf bringen. Istakhri berichtet von den Bewohnern
Khiwas: ihr gauzer Keichthum stamme von dem Handel mit den Türk
und dem Viehbesitz. Man importirt zu ihnen den grössten Theil der
slavischen und türkischen Sklaven und Pelze von Korsak, Zobel, Füchsen,
Biber und andere Pelzarten. Ausdrücklich werden noch kastrirte slavi-
sehe Sklaven erwähnt. Das Kastriren besorgten die Juden. Auch Skla-
vinnen bezogen die Araber aus den nördlichen Gegenden. Sie wurden
in Bulgar zu Markte gebracht. Der persische Dichter Nasir-i-Khusro
preist ihre Schönheit; für eine Sklavin zahlte man 1000 Goldstücke und
mehr. Nach Abu Hamid bezog man im 12. Jahrhundert auch MammuthzHhnc
die in Khiwa theuer bezahlt wurden. Die wichtigste Ausfuhr aus dem
Norden waren Pelze, mit denen die reichen Araber damals ihre Kleider
verbrämten. Sie kamen bis ins Land der Frauken und nach Spanien.
Am werthvollsten war der Schwarzfuchs. Es soll sogar das Fell des Eis-
fuchses nach Süden gelangt sein. Ibn Batuta sagt, das« Vene und Her-
melin durch stummen Handel aus dem Lande der Finsternis* gekommen
seien. Die westliche Strasse dieses Verkehrs ist nicht durch Münzfunde
belegt, weil der Westen bereits eigenes geprägtes Geld besass. Bei den
Burlas dienten Marderfelle als Geld. Im Wogulischcn he.isst der Rubel
schet-lin = 100 Eichhörnchen. Auch das Bibergeil der Araber stammte
aus den slavischen Ländern. Auch Fischleim und Wallrosszahn, Honig,
Wachs und hartes Khalengholz kamen aus dem Norden. Der Bernstein
kam aus den Ländern der Ruh und Bulgar. Auch Blei, Zinn und eiserne
Waffen lieferte der Markt von Bulgar. Nach dem Norden brachten
die Araber Baumwolle und Seide, Glasperlen und Kaurimuscheln, die
man mit kufischen Münzen zusammen findet, aber nicht mehr westlich
der Oder, lieber die Harpnnen zum Walfischfang berichtet Abu Hamid:
Die Kaufleute gehen von Bulgar nach dem Land der Ungläubigen Isn
und bringen Schwerter dahin und kaufen dafür Biber. Die von Isu
verkaufen diese Schwerter am Schwarzen Meer für Zobelfelle. Hier
werfen die Bewohner die Klingen ins Meer, dann litsst Allah für sie einen
Fisch herauskommen. Kleinschmidt spricht über den Krummstab,
Krivule, der in Litauen noch von Haus zu Haus geschickt wird, um die
Gemeindeversammlung zu berufen. Jeder macht einen Kerb hinein.
Club hiess ursprünglich der Vitenstock, der im Stab der Constabler
noch fortbesteht. Der Herrscherstab der Pharaonen, der griechische
JfthrU. d. Vor. v. Alterthsfr. Im Hhoinl. XC1II. 20
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30ß H. SehaafihiiUKcn: Die XXII. allgem. Versammlung etc.
Hirtenstab, da« lateinische Pcdum, der Vitcnstab im Altnordischen sind
mit dem Stab dos Ki-ive identisch.
Waldeycr schliesst hierauf die letzte Sitzung mit dem Dank nn
Alle, die dazu beigetragen haben, die Versammlung so erfolgreich zu
gestalten, an die F.xcellenz v. (Joswler, den Lnndosdireetor JJickel, den
Rürgermeistcr Baumbach, die LoealgeschJlftsfnhrung. Jentzsch spricht
den Dank für die Herren Vorsitzenden ans.
II. Schaaff hausen.
V. Verzeichniss der Mitglieder ')
im Jahre 1892,
aufgestellt nm 29. Juli 1892.
Vorstand des Vereins von Pfingsten 1891 bis 1892
Geh. Rath Prof. H. Sc hnnlf hausen, Präsident,
Prof. .1. Klein, Viccpnisident,
F. van VI eu ton, 1 c, tM
I'rof. A. Wi e d i» in n im , )
Ür. 1». F.. Sonnouburg, Bibliothekar.
Rendant: Rochuuiigsrath Fr icke in Bonn.
Düntzer, Dr., Professor und Bibliothekar in Cöln.
Falk, Dr., Kxcellcnz, Slaatsministcr n. I). und Obcrlandosgerichts-Prasident
in llauun.
Gr ei ff, Dr., Excellenz, Wirkl. Geh. Ob.-Rcg.-Rath und Ministorial-Director
in Berlin.
Helbig, Dr., Professor in Koni.
Philipp Kreinentz, Dr., Erzbischof von Cöln.
LindeiiHchnüt, L.( Professor und Direetor des Rom. -Germ. Centrnl-
museums in Mainz.
Schöne, Dr., Och. Ober-Rog.-Rath und Gen -Di rector der Königl. Museen
in Herlin.
Ordentliche Mitglieder.
Die Namen der auswärtigen SeeretJire sind mit fester Schrift •redruckt.
A bei, Chr., Dr. iur., Präsident d. Ges. Andreae, Dr. Hau«, in Burgbrohl.
f. Archaol.u. Gesch. d. Mosel iuMetz. Andreae, Otto, Fabrikbesitzer in
Achenbacli, Dr. von, Exe, Staats- Mülheim n. Rhein.
min. a.D. u. OberprHsid.inPotsdam. Andreae, Professor und Historien-
Achenbach, Berghauptinanu in maier in Sinzig.
Clausthal. Antiquarisch-historischer Vor-
Adler, Geh. Ober-Baurath, Prof. ein in Kreuznach.
in Berlin. Archiv der Stadt Aachen.
Aegidi, Dr., Geh. Rath u. Professor Archiv, Kgl. Staats-, in Düsseldorf.
in Berlin. Arndts, Max in Cöln.
Aldenkirchen, Domcapitular in Trier. Arnoldi, Dr., pract. Arzt in Win-
Altorthuuis-Vereiu in Mannheim. ningen a. d. Mosel.
Altert hu ms-Ver ein in Worms. Asbach, Dr., Direetor in Prüm.
Altcrthuuis-Verein in Xanten. Bade vor waltung in Bertrich.
Altinann, Bankdirector in Cöln. Baedeker, Carl, Buehh. in Leipzig.
1) Der Vorstand ersucht, Unrichtigkeiten in den nachstehenden Ver-
zeichnissen, Veränderungen in den Standesbeaeichniingen und den Wohn-
orten gefälligst dem Rcndantcn, Herrn Rcchuungsrath Fricke, schriftlich
mitzutheilen. Die seit der letzten General-Versammlung verstorbenen Mit-
glieder sind mit einem * bezeichnet.
Verzeichnis« der Mitglieder.
Balzer, Regier.- u. Baurath in Colli.
Ha ron, Dr., Professor in Bonn.
Heek, Dr., Seminardireet. in Hriilil.
Reck er, Dr., Archivratli u. Staat»-
arehivar in Coblenz.
Reger, Otto, Direetor in Khrenfeld.
Bcissel von Gymnich, (Jrnt" aui
Sellins» Kchinidthcim, Kifel.
Remberg, von, Rittergutsbesitzer
in Flamersheim.
Rendel-, Dr., Prof. in Bonn.
Herl e p s c I», Frhr. v., Staatsiiiiuister
in Berlin.
Bettingen, Just ixi ath in Trier.
Bibliothek der Stadt Bannen.
Bibliothek der Universität Basel.
Bibliothek des akadein. Kunst»
uiuscuins in Bonn.
Bibliothek des Lyceuins llosiana
in Braunsberg.
Bibliothek, St Und. Landes i.Cassel.
Bibliothek der Stadt Cleve.
Bibliothek der Stadt Cöln.
Bibliothek der Stadt Creteld.
Bibliothek, Fürstl. in Donan-
esehingeii.
Bibliothek der Stadt Düren.
Bibliothek der Stadt Düsseldorf.
Bibliothek der Stadt Duisburg.
Bibliothek der Stadt F.iiinierieh.
Bibliothek der Stadtgemcindc
Kssen.
Bibliothek derStadtFrankfnrt a.M.
Bibliothek der Universität Frei-
burg i. B.
Bibliothek der Stadt M. -Gladbach.
Bibliothek der Uni Vers. Güttingen.
Bibliothek der L'iiiversitiit Halle
h. d. S.
Bibliothek der Stadt Hainburg.
Bibliothek der Universität Heidel-
berg.
Bibliothek der Uni versitat Königs-
berg i. IV.
Bibliothek der Uni versitat Löwen.
Bibliothek der Universität Lattich.
Bibliothek der Stndt M« in/..
Bibliothek, Grilfi. v. Mirbach'sche
zu Harff.
Bibliothek der Akademie in
Münster.
Bibliothek, Stifts- in Oehringen.
Bibliothek der Universität I'anna.
Bibliothek der Universität Prag.
Bibliothek der Stirnim-n aus Maria
Laach, Kxaeten bei Rae \ ein, Hol-
land. Limburg.
Bibliothek der Stadt Stralsund.
Bibliothek der Stadt Trier.
Bibliothek der Univ. Tübingen.
Bibliothek, Königl. in Wiesbaden.
*Ri ns fehl, Dr.G x um. -Dir. i. Coblenz.
Binz, Dr., Geh. Rath und Professor
in Bonn.
Blauchard Surlel, Baron de,
Schloss Lexhy b. Texhe.
Blank, Finil. Kaufmann in Bannen.
B I a n k, Gust., Fabrikant in Klberfeld.
Blank, Willy, Rentner in Fiberfeld.
Blüinner, Dr.. Professor in Zürich.
Boch, von, ruhw. Seeret., Geb. Com-
merzieiirath u. Fabrikbesitzer in
Mettlach.
Bock, Adain, Dr. jur. in Aachen.
Bo e ckin g, G. A., Hüttenbesitzer zu
Abeiiteuerbütte b. Birkcnfcld.
Boec k ing. K.Fd., Hüttenbesitzer zu
Gräfenbacherhütte b. Kreuznach.
B oedd i n ghnu s, Win. sr., Fabrik-
besitzer in Klberfeld.
Boetzkes, Dr. in Düsseldorf.
B o n e, Dr.,Gynui.-< »berl.i. Düsseldorf
Borret. Dr. in Vogelensang.
Bracht, Fugen, l'rof. der Kunst-
akademie in Berlin.
Brambach, Dr., Prof. und Ober-
bibliothekar in Karlsruhe.
B r Ü Ii I, (traf v., Landrath in Coblenz.
Brunn, von, Dr., Prof. in München.
Bücheler, Dr., Geh. Rcg.-Rath,
Professor in Bonn.
Bürgers, V., Knullti. in Plittersdorf.
Bürgerschule, Höhere in Düssel-
dorf.
Bürgerschule, Höh. in Hecbingen.
Burkhardt, Dr., Pastor in Blösjen.
Caesar, Aug., Dr., Landger-Pra-
sident a. D. in Bonn.
Ca h n, Carl. Bankier in Bonn.
C a p p e 1 1, Landger.-Dir. i. Wiesbaden.
Ca map. von, Beniner in Klberfeld.
C a r o n. Alb. Heinrich, Gut sbesit z. auf
Haus Heisterberg beiKönigswinter.
C a r s t a n j e n, Adolf v., in Godesberg.
C Ii r z e s c in s k i , Pastor in Cleve.
Civil -Casum in Coblenz.
Ci v i I -Cnsi no in Cöln.
Ciaer, Alex, von, Lieutenant n. D.
und Reiitmeister in Bonn.
Ciaer. Kberhard, von, Gutsbesitzer.
Haushof in Vilich bei Bonn.
Clner, Frnst von, Major a. D. inBonn.
deinen, Dr. Paul in Bonn.
Conrady, Kreisrichter a. D. in
Miltenberg.
C o n s e r v a t o r i u ni d. Alterthüiuer,
Grossherzogl.Bndisch.iiiCarlsrnhp.
Con/.e. Gottfried, Provinzial-Land-
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Verzeichnis*
tags-Abgconlnctcr in Langenberg
(RhcinlA
Cornt'lius, Dr., Prof. in M iiiulii-ii.
Cou r t Ii, Assessor n. D. in Düsseldorf.
C üppers, Conr., Dr., Kcal-Gymna-
siallelirer in Cöln.
Ctiii", Regicrungs- und Baurath in
Cohlenz.
Cuny , Dr. v., Geh.Justizr. in Herlin.
(' u n i u s, Dr., (ieh.-It., I'rof. in Berlin.
D a Ii m, Dr.GeorgCarl.Rentn. i. Bonn.
De ich manu. Theodor. Couiiner-
zienralh in Cöln.
Deiters, Dr., Geh. Regierungsrath
in Cohlenz.
Deppe, August, Dr. in Heidelberg.
Diergardt. Frlir. von, Morsluoich.
Dillhey, Dr., I'rof. in Güttingen.
Dubliert, Dr., Prof. in Derlin.
Doe t se h, Oberhürgcrineisi.in Bonn.
Do nshaeh, cand. pliil. in Hoppard.
Du 11 gern, Frhr. von, Präsid. d. herz.
nass. Finauzkaiinner in Wiesbaden.
Pulrcux, T., Uentii. in Luxemburg.
Kichhot'!', Otto, in Savn.
Kiek, Garl Alfred, Rechnungsführer
in Mechernich.
KU er, A., Professor in Bonn.
Kitester, von, in Cohlenz.
Kitz, Graf, Excellenz in Eltville.
Kit z b n c Ii e r, Moritz, Reutn. in Bonn.
Kiidert, Dr. van, Pastorin Zülpich.
Kngclskirchcn, Architect in Bonn.
Erlenineycr, Dr. AH»r., in Bendorf
am Rhein.
Kskens, Frl. Jos., Rentnerin in Bonn.
Ksser, Dr., Krcisschulinspector in
Malmedy.
Evans, John zu Nash-Mills in Engl.
Eyne.ru, Emst von, Kaufmann in
Bannen.
Finkelnburg, Prof., Dr., Geh.
Rath in Godesberg.
Finne ii ich- Rio hartz, Frau, in
Bonn.
Flandern, Kgl. Hoheit Grit flu von,
in Brüssel.
F I e c k e i s e n . Dr., Prof. in Dresden.
Fl in seh, Major a. D. in Imincii-
burg b. Bonn.
Folien ins, Geh. Bergrath in Bonn.
Fonk, Landrath in Büdesheim.
Forst, W.. Baumeister in Cöln.
Franks, Aug., Conservator am
British-Muscnm in London.
Fr icke, Rechnungsrath und Ober-
bergaintsrcndant in Bonn.
Friederiehs, Carl, Commcrzien-
rath in Remscheid,
•r Mitglieder. '10f>
F r i e d I ü n il e r, Dr., Professor, Geh.
Reg.-Rath in Königsberg i. Pr.
F r i n gs, Frau, ( 'ommerzienr. Eduard,
auf Marienfels h. Remagen.
Frowin ii, Aug., Kaulm.in Elberfeld.
Frowein, Landrath in Wesel.
Fröhlich, Stephan, Notar in Cöln.
Fuchs, Pet., Professor und Dom-
bildhauer in Pöln.
Fürst enberg, Graf von, Krbtruch-
scss auf Schloss Herdringen.
F ü r s t e n b e r g - S t a in in h e i in, Graf
von, Suiinniheiin b. Mülheim a. Rh.
Fuss, Dr., Gymn.-Dir. zu Strasburg
im Klsass.
Gaedechens, Hofrath, Dr., Pro-
fessor in Jena.
G a n d t n e r, 1 >r., Curator, Geh. Obcr-
Rcg.-Rath in Bonn.
Georgi W., Univ.-Buchdruckerci-
besitzer in Bonn.
Gewerbeschule (Realschule) in
Saarbrücken.
G o e b b e 1 s , Stiftsherr am Collegiat-
stift in Aachen.
Goebel, Dr., Gymn.-Dir. in Fulda.
Gothel n, Dr., Professor in Bonn.
*G o 1 d s c Ii m i d t, Jos., Bankier i. Bonn.
G o I d s e Ii m i d f , Hob., Bankier i.Bonn.
Goldschmid», Walter, Bankier in
Bonn.
Gräfe, Dr., Professor in Bonn.
Grand- R y , von, Rittergutsbesitzer
in Bonn.
G r e e f,F.W.,Coinmercienr.m Viersen.
Grüneherg, Dr.. Commerzienrath
in Cöln.
Guilleaume, Frz., Fabrikbesitzer
in Bonn.
Gurlt, Dr. Adolf, in Bonn.
G y in nasin in Kaiser Karl in Aachen.
Gymnasium zu Birkenfeld.
Gymnasium in Bochum.
G y m n a s i u m in Bonn.
G y in n a s i u m in Bruchsal.
G y m n a s i n in in Cnrlsruhe in Baden.
Gymnasium in Cassel.
Gymnasium in Cleve.
Gymnasium in Cohlenz.
G y m n a s i u in an St. Aposteln inCöln.
Gv tu na Hin in, Kaiser Wilhelm- in
Cöln.
G y in n a s i u in an Mur/.ellcn in Cöln.
Gymnasium in Düren.
Gymnasium zu Düsseldorf.
Gymnasium in Duisburg.
Gymnasium in Klberfeld.
Gymnasium in Emmerich.
Gymnasium iu Essen,
,'ilO Verzeichnis*
G y in Ii a ni 11 in in Freihurg in Kaden.
Oy in nnsinm in M. Glatlbach.
Oy in im si uin in Höxter.
Gymnasium in Kempen iKIicin).
(! y in n a s i u m in Mannheim.
G y in nn si uin in Montabaur.
Gymnasium tu Münstereifel.
G y uin nsi um in Neuss.
Gymnasium in Neuwird.
G y in n M s i u in in Rheine.
Gy in na sin in in Hinteln.
G y in n a s i u in in Saarbrücken,
(iy innnsium in Siegburg.
Gymnasium in Taubcrbisehofs-
lieim.
Gymnasium in Trier.
G y in n a s i u in in Wesel.
Oy muasiuui in Wetzlar.
II na ss, Kberh., Apotheker iu Viersen.
II abe t s, Jos., Keiehsarehivar, Mitgl.
d. Königl. Akntl. d. Wissensch. in
Mastricht.
Haustein, Peter, BnchhUiullcr in
Bonn.
Hardt, A. W., Kaufmann u. Fabrik-
besitzer in Lennep.
Haug, Ferd., Professor u. Oyiniiasial-
Dircctor, ausw. Secr., in Mannheim.
Hauptmann, Kendler iu Bonn.
Hauptmann, Carl, Malerin Bonn.
Hauptmann, Felix, Dr. in Bonn.
Heckinaiiu, Fabrikant in Viersen.
Heere man, Frhr. von, Kegierungs-
rath a. I). in Münster, We.stf.
H e i n s b e rg, von, Geh. Rcgierungs-
ratli iu Wevelinghoven.
Hei inen tag, Hnuptmanu u. Comp.-
Chcf in Düsseldorf.
Henry, Blieb- und Kunsthändler in.
Bonn.
H «rder, August, Kaufmann in Kus-
kirehen.
Herder, F.rnst, in F.uskirchen.
II er Feld, Frau Josephine, geb.
Bourette in Anderuaeli.
Herst alt, Kduard, Kentner in Oöln.
Hettner, Professor, Dr., Direetor
des Proviii/..-Muscunis iu Trier.
Heuser, Koben, Stadtrath in Cöln.
Hey dinier, Planer in Schleid-
weiler bei Auw, Kcg.-Bez. Trier.
Heydt, von der, Freiherr August,
Bankier in Elberfeld.
Hevdt, von der, Carl, Hentner in
Berlin.
Heyl, C. W., Freiherr von, Geh.
Coinmerzieiiratb in Herrnsheim b.
Worms.
Heyn, Oberstl. in Bonn.
ur Mitglieder.
Hilders, Freih. von, General der
Infanterie /. D. in Darmstadt.
Hillcgom, Six van, in Amsterdam.
H i st o riseh er Verein für Dortmund
und die Grafschaft Mark in Dort-
mund.
Historischer Verein für die Saar-
jrcjrend in Saarbrüeken.
Höste nun im, Dr., Arzt in Ander-
nach.
Hoc tili«-, Bernhard, Dr., Bischof
von Osnabrück.
Höpfner, Dr. Geh. Kegicrungsrath
im Cultusininisterium iu Berlin.
Hompesch, Graf AI fr. von, zu
Schloss Uui ich.
Hühner, Dr., Professor in Berlin.
Hueck, Gustav, Bankier in Elber-
feld.
H Üffer, Dr., Professor u. Geh. Rath
iu Bonn.
II üffer, Alexander in Bonn.
II ü t w o Ii I, J., in Steeg b. Bacharach.
Hultscb, Dr., Oberschulruth in
Dresden.
Hu mbroich, Justizrath u. Rechts-
auwalt in Bonn.
Hupertz, Gcner.-Direct. in Mecher-
nich.
Huyssen, Dr., Wirkl. Geh. Rath,
Kxcellenz in Bonn.
Huyssen, Ingenieur in Nieder-
breisig'.
Ihm, Max, Dr. phil. Privatdoreut
iu Halle a. Saale,
lsphordiiig, Reg.-Baumeistcr in
Bonn.
J a e h n s , Max, Major im Gr. General-
stab in Berlin.
Jenny, Dr. Sani., in Hard b. Bre-
gen/..
J o e r r e s , Dr., Kcctor, in Ahrweiler.
J «'»rissen, Pastor in Alfter.
Joest, Frau August, in Cöln.
Joest, Kduard, Kaufmann in Cöln.
Isenbeck , Julius. Kentner in Wies-
baden.
Kahl, W., Dr., Professor in Bonn.
Karsch, Paul, Königl. Eisenbahn-
Bau- u. Bctricbs-Iii.Npect., in Essen
(Kühr).
Kaufmann, ( )bcrbürgerm. a. D.
in Bonn.
Kau hui, Dr., Professor in Bonn.
Klein, Dr. Jos., Professor in Bonn.
Kle rings, Gastwirth in Bertrich.
Kliuglu>lz, Kentner in Bonn.
K n a b v. ii - p e n s i o n a t, kath., Kem-
perhof bei Coblenz.
Verseiehniss
R nc bei, Laiiilrnth a. D., Geb. Re-
gierungsrath in Colli.
Koch, Hcinr. Hub., Militar-Ober-
pfarrcr. Divisionspfarrer in Frank-
furt a. M.
Kocnen, Constant., Archäologe in
Neuss.
Körnig, Fritz, Rentner in Dresden.
Koerte, Dr., Professor in Rostock.
Kohl, Dr., I'rofessor u. Gymnasial-
Obcrlehrer zu Kreuznach.
Koht z, Hauptmann, Bezirks-Oftizior
in Lennep.
Kosbab, Jos., Rgs.-Bnuinspcctor in
Cöln.
Koser, Rcinhold, Professor in Bonn.
K rafft, Dr., Geh. Cotisistorialrath
und Prof. in Bonn.
Krämer, Franz, Rentner in Cöln.
Kraus, Dr., Professor in Freiburg:
i. B.
Kreis-Ausschuss, Landkreis in
Bonn.
Kreis- Ausscbu. ss, Landkreis in
Coblenz.
Kreis-Ausschuss, Landkreis in
Cülu.
K reis- Aussei» uss. Landkreis in
Crefeld.
K reis- Aus sc Ii uss in Daun.
Kreis-Ausschuss, Landkreis in
Düsseldorf.
Kreis-Ausschuss, Landkreis in
Essen a. d. Ruhr.
Kreis-Ausschuss in Euskirchen.
Kreis-Ausschuss in Gummers-
bach.
Kreis-Ausschuss in Lennep.
Kreis-Ausschuss in Malmedy.
Kreis-Ausschuss in Meisenhelin.
Kreis-Ausschuss in Merzig;.
Kreis-Ausschuss in Mülheim
a. Rhein.
Kreis-Ausschuss in Mülheim
a. d. Ruhr.
Kreis-Ausschuss in Neuss.
Kreis- Ausschuss in Ruhrort.
Kreis-Ausschuss in Saarburg;,
R.-B. Trier.
Kreis-Ausschuss in Saarlouis.
Kreis-Ausschuss in Schleiden.
Kreis-Ausschuss in Siegburg.
Kreis-Ausschnss Mettinann in
Vohwinkel.
Kreis-Ausschuss in Wetzlar.
Kreis-Ausschuss in Wittlich.
Kreitz, Friedrich, Bürgermeister
in Königswintcr.
lt Mitglieder. 311
Krupp, Geh. Commerzicnratli in
Essen.
Kühlen, B., Inhaber einerartistisch.
Anstalt in M.-Gladbach.
Kur-Coniniission in Bad-Ems.
Landau, H., Cominerzicnrath in
Coblenz.
L a u d r a t Iis a m t , Königl. in Aachen.
L a n d r a t h s a m t, Königl. in Adenau.
Land rat Ii samt, Königl. Ahrweiler.
Laudrathsamt, Königl. in Alten-
kirchen.
Laudrathsamt, Königl. in Er-
kelenz.
L a n d r a t Ii s a in t , Königl. in Geilen-
kirchen.
Laudrathsamt, König], in M.-
Gladbach.
Landrathsamt, Kön. in Greven-
broich.
L a n d r a t h s a in t , Königl. in Heins-
berg.
Landrathsamt, Kön. in Kempeu.
Landrathsamt, Königl. in Rhein-
bach.
Laudrathsamt, Kön. in Simuiern.
Land rat h samt, Königl. in So-
lingen.
Landrathsamt, König), iu Wesel.
Landsberg, Dr. Ernst, Professor
iu Bonn.
Landsberg - Steinfurt, Freih.
von, Engelbert, Gutsbes. in Dren-
steinfurt.
Landwehr, Dr., Rechtsanwalt in
Königswinter.
Langen, Eugen, Coininerzieur. iu
Cöln.
Langenberg, Franz, Baumeister
in Bonn.
Lasaulx, von, Bürgermeister in
Remagen.
Lau t z, Geheimer Justizrath in Bonn.
Laufst, Justizrath und Notar in El-
berfeld.
Leber, Gymnasiallehrer in Bonn.
Le em ans', Dr., Dir. d. Reiehsmu-
seums d. Alterthüiner in Leiden.
Leiden, Haus, Consul in Cöln.
Le in m e, Dr., Professorin Heidelberg.
L e in p e r t z , H. Söhne, Buchhdlg. iu
Cöln.
Lennep, van, in Zeist.
Levern us - Leverkusen, Rent-
ner zu Bonn.
Lese- und Erholungs-Gesell-
sebaft in Bonn.
Lcydel, J., Rentner in Bonn,
312 Verzeichnis«
Leven von der, Kinil in Bonn
L i c Im- n o w, Professor, Geh. Rccliu.
Math in Berlin.
Lieber, Rcgier.-Baurath in Düssel-
dorf.
Liebieg, Angehen, Kran Baronin
von, zu Reichenherg in Böhmen.
Lind cn. Anton, in Dürrn.
Linden.se luni dt, Carl, Reiht san-
walt in Klberfcld.
L i n t •/. , .Inc., Verlagsbuchh. in Trier.
Loi', Frh. von, Generali. Kxcellenz
in Coblenz.
L o e s c Ii k c , Dr., Professor in Bonn.
Locrsch, Dr., Geh. Justizrath und
Professor in Bonn.
Lohaus, Ober - Ycrwaltungsge-
richts-Rath in Berlin.
Lübke, von, I>r.. ausw. Secr., Pro-
fessor in Carlsruhe.
Martin, Historienmaler in Bonn.
M ;i r Ichs, Baurai Ii in Bonn.
Marius, Vcrlagsbuehhandlcr in
Bonn.
Martins, Goetz, Dr., Privatdocent
in Bonn.
M a r x , Aug., Civil-Ingeniour inBoiin.
Mehlis, Dr. C, l'rot'., ausw. Secr.,
Studienlehrer in Dürkheim.
*Men del s. soll n , Willi., Beutner in
Bonn.
Menzel, Professor Dr. in Bonn.
Merke iiä, Franz, Kaufmann in
Ciiln.
Mertz, Sebastian, Rentner in Cöln.
M e v i s s c n , von. Dr., Geh. Coninier-
zieurath in Cöln.
Meyer. Dr.. Rejrirrungsrath in Cöln.
Michaelis, Dr., Professor in Strass-
burg.
Michels, F., in Andernach.
Michels, G., Kauhnr.uu in Cöln.
Mirbach, Freiherr Magnus von,
Hau|>tmauu z. D. in Bonn.
Monier v. Moria u de, Graf, in
Koisdorf.
Mo nun sen, Dr., Professor in Char-
lottenburg.
Mooren, Dr. Albert, Geheimer Me-
dicinalrntli in Düsseldorf.
Mosler, Dr., Professor a. Seminar
in Trier.
Müllen ine ister, Tli., Kaufmann
in Aachen.
Müller, Dr. med., Sanitittsrath in
Niedermendig1.
Müller, Dr. Albert, Gvinnasial-Di-
rector zu Flensburg in Schleswig.
lt Mitglieder.
Münz- und A n l i k en - C a b i n e t ,
Kais. Königl. in Wien.
M u see royal d'Antii|uites, d'Amiu-
res et d'Artillerie in Brüssel.
Museen, die Königl. in Berlin.
Museuni Wallraf-Richartz in Cöln.
Museum, Fürstlich Hoheuzollerii
sches in Sigmaringen.
Museum in Nyinwcgen.
Musiel, Laurent von, Gutsbesitzer
zu Schloss Thorn bei Saarburg.
Neil, von, .loh. Pet., Gutsbesitzer
in Trier.
Neil e * sen, Theodor, in Aachen.
N e u f v i 1 1 e , W. von, Bentn. in Bonn.
N eu h äuser , Dr., Geh. Reg.-Rath
und Professor in Bonn.
Neu ho ff, Dr. Hobert, Chemikerin
Klberfeld.
Ni essen, C. A., Bankier in Cöln.
Nissen, Dr. H., Prof. u. Geh. Math
in Bonn.
Nitzseh, Dr., Gyinn.-Dir. in Biele-
feld.
Nordhoff, Dr., ausw. Secr., Professor
inMünster i. W.
Norrenberg, Dr., Pfarrer in
Süchteln,
oberbergam t, Königl. in Bonn.
( ) b e r s c Ii u I r a t h . Grossherzoglich
Badischer, in Carlsruhe.
O e c Ii e I Ii it u se r, von, Dr., Prof.
in Heidelberg.
Oidtmann, Heinrich, Dr., Inhaber
einer Glasmalerei in Linnich.
< ) p p e n h e i m , Albert, Freiherr von,
k. Silchs. Gencral-Consul in Cöln.
O ppen heim, Kduard, Freiherr von,
k. k. General-Consul in Cöln.
Ort, J. A., Rittmeister in Leiden.
Overbeck, Dr., ausw. Secr., Prof. in
Leipzig.
Pap en, von, Prem.-Lieilt. im ~x
Ulanen Regiment in Werl.
Pauls, F.., Apotheker in Bedburg.
Paulus, Prof. Dr., Conservator d. k.
Württ. Kunst- u. Altcrthumsdcnk-
male, ausw. Secr. in Stuttgart.
P a n I y , Dr., Oberpfarrer in Montjoie
Pflaume. Baurath in Cöln.
Pi c k , Rieh., Stadtarchivar in Aachen.
Plassmaun, Land(>srath a. D. zu
Münster i. W.
Plejrte, Dr. W., auswart. Reer., Direc-
tor des Reichs Museum der Al-
terth. in Leiden.
Po I y 1 4- e Ii n i e u in in Aachen.
Pricger, Dr., Rentner in Bonn.
Verzeichnis«
P r i e s t er • S c m i n a r , Bischöflichen
in Trier.
Proff-Irnich, Freiherr Dr. von,
Landgerichts- Rath a. 1). in Bonn.
Progy mnnHiuin in Andernach.
I'rnjrymnnsiura in Dorsten.
Pro«? ym n imiuin in Kschweiler.
Pro Gymnasium in Euskirchen.
Progy mnasium in Mahnecly.
I'ro/y mnasium in Rheinbach.
Progy mnasium in Sobernheim.
Progy mnasium in Trarbach.
Progy mnasium in St. Wendel.
Progymnasium in Wipperfürth.
Prnvinzial - Verwaltung in
Düsseldorf.
Prüfer, Theod., Arcbitect in Berlin.
Quark, Rechtsanwalt U. Bankdirec-
tor in M. -Gladbach.
Randow, von, Kaufiii. in Orefeld.
Rath, Emil vom, Comin.-Rath in
Cöln.
Rath, vom, Frau Eu^en, in Cöln.
R a u t e n « t r a u c h , Kugcn, in Cöln.
Rauter, Oskar, Director der rhei-
nischen (ilashütte in Ehrenfeld.
R a xi t e r t , Oskar, in Düsseldorf.
Real-Gymnasium in Barmen.
R e a I - G y m n a s i u m in Düsseldorf.
Real -Oy mnasium in Elberfeld.
Real -Oy mnasium in Mülheim
a. d. R.
Real -Oy mnasium in Ruhrort.
Real-Gymnnsium in Trier.
Real-Prngy mnasium in Bonn.
R e a I - P r o g y in n a s i u m in Küpen.
Real Progy mnasium in Saar-
louis.
R e a 1-P r o g y m n a s i u in inSolingen.
Ren 1-Prog'y mnasium in Viersen.
Realschule in Aachen.
Realschule, Obere, in Cöln.
Realschule in Essen.
Reck Unshausen, von, Willi., in
Cöln.
Remy, Jnl., in Neuwied.
Ren esse, OrafTlieod. von, Schloss
Schoonbeeck b. Bilsen, Relg.-Lhn-
burg.
Rennen, Geh. Rath, Eisenbahn-Di-
rections-Prftsident in Cöln.
R e u I e n u x , Heinrich, Techniker in
Remagen.
Reulea ux, F., Gch.-R. u. Prof., in
Berlin.
Reusch, Gutsbesitzer, Out ldvlle
bei Kruft.
Rieth, Dr., Rechts-Anwalt in Cöln.
;r Mitglieder. 313
Rieu, Dr. du, Seeret Hr d. Soc. f.
Niederl. Littcrntur in Leiden.
Rigal-G runin nd, Frhr. von, in
Bonn.
Ritt er- Akademie in Bedburg.
Roeber, Friedrich, Bankier in El-
berfeld.
Roettgcn, Carl, Rentner in Bonn.
Rolffs. Commerzienrath in Bonn.
Röhl f s, Geiieralcnn.sul.inGodesberg.
Rosbacb, Gyiim. -Lehrer in Trier.
Saemisch, Dr., Geh. Rath und Pro-
fessor in Bonn.
S a I m - S a I m , Durchlaucht Fürst zu,
in Anholt.
Sandt, von, Dr. juris, Landrath iu
Bonn.
Sauppe, Dr., Geh. Reg.-Rath u.
Prof. in Göttinnen.
Schaaffhauseu, Dr. H., Geh. Me-
dicinal-Rath u. Professor in Bonn.
Schaafhausen, Hubert, Land-
gerichtsrath in Cöln.
Seh ad y, Dr., Bibliothekar in Ba-
den-Baden.
Schallenherg, Pet. Jos., Bier-
brauereibesitzer in Cöln.
Schenk, Justizrath in Cöln.
Seh eppe, Oberst a. D. in Boppard.
S c h i c k I e r , Ferd., in Berlin.
S c h i e r c n h c r g , G. A. B., Rentner
in Luxem.
Schlunibergcr, Jean, Fabrikbes.
u. Prasid. d. Lnndesausschusses
f. Elsass-Lothringen in Gcbweiler.
Schmithals, Rentner in Bonn.
Schneider, Dr., ausw. Secr., Professor
in Cleve.
Schneider, Dr. R., (iymnas. -Di-
rector in Duisburg.
Schneider, Friedr. Dr., Domcapi-
tular iu Mainz.
Schneider, Landper.-Director in
Bonn.
Schnock, Heinrich, Pfarrer in
Aachen.
Schnütgen, Dr., Domherr in Cöln.
Schorn. Kammerpras. a. D. in Bonn.
Schneller, Guido, Kaufmann in
Düren.
Schneller, Edgar in Düren.
Schneller, Julius, Frau, in Düren.
Schönaich - Carolath, Prinz,
Bcrghauptmnnn a. D. in Potsdam.
S c h o e n i n g Ii , Verlagsbnehhandlrr
in Münster i. West f.
Schmers J. H., Dr., Prof. in Bonn.
Schultz, Franz, Director in Deutz.
314
Verzeichnis» der Mitglieder.
Schunck, Josef, Bergwerk*- und
Weinguts-Besitzer in Ilonu.
Seil » an, städt. Bibliothekar in
Aachen.
Schwann, Dr., Sanitiitsrnih inGo-
desberg.
S c 1 i g in a ti n. Moritz, Bankier i. Ciiln.
Sels, Dr., Fabrikbesitzer in Neuss.
Seminar in Boppard.
Seminar in Corneliniüiister.
Seminar in Elten.
S e m i 11 a r in Neuwied.
Seminar in Odenkirchen.
S e in i im r in Siegburg.
Seminar in Soest.
S e y f f a r d t, Heinr., Kaufin. i. Crefeld.
Sev Harth, Geh. Regier. - Rath in
Si in rock, Dr., Francis in Bonn.
S I o e t van de B e e 1 c , Baron. Dr.,
L. A. J. W., Mitglied der k.Akad.
der Wissensch, zu Amsterdam in
Arnheim.
S o I in s , Durchlaucht, Prinz Albrecht
zu, in Braunfels.
Sonnenburg, Dr., Gymnasialleh-
rer in Bonn.
S p i e s - B ü J I e s Ii e i in , Freih. Ed.von,
k. Kanunerherr und Bürgermeister
auf Haus Hall.
Spitz, von. Generallieuteuant, Di-
rector im Kriegs Ministerium in
Berlin.
Sp rin gor um, Willi., Director der
Vatcrl. Feuer- Vers.-Aktienges. in
Elberfeld.
Stadtkreis Elberfeld.
S t a d t {< »berbürgermeistcramt) Cob-
lenz.
Stadt (Bürgermeisteramt) Ober-
hausen.
Stadt fObeihüigcrmeisteraint) Rem-
scheid.
Stader, Dr. juris, in Bonn.
S t a r t z , Aug., Kaufmann in Aachen.
St atz, ßaurath u. Diöc.Aichii. in
Cöln.
Stedtfeld, Carl, Kaufmann in Cöln.
Stier, Hauptmann a. D. in Fürsten-
walde a. d. Spree.
Stiushnff, Pfarrer in Sargenroth
bei Gcmünden, Reg.-Bcz. Coblcnz.
St oll. General z. D. in Bonn.
St r a rt er, Gnttfr.,senr., Gutsbesitzer,
Haus Pcterstlial bei Niederdollen-
dorf.
Strauss, Verlags- Buchhändler in
Bonn.
St rem ine, Heinrich, Kaufmann in
Crefeld.
Strubberg, von, General der In-
fanterie, Gcn. Inspect. des Militar-
Erzichungs- u. Bildungswesens in
Berlin.
Studien- Anst alt in Speier.
S f u in in , Carl, Baron von, Geh. Com-
merzienrath, zu Schloss H'illlterg
b. Saarbrücken.
Tiirök, Dr. Aurel von, Prof. in
Budapest.
Tornow, Kaiserl. Baurath in Metz.
*T r i ii k a us, Chr., Bankier in Düssel-
dorf.
lieber fei dt, Dr., Rendant in
Essen.
Urlichs, Dr., H. L., iu Müncheu.
Ilsener, Dr., Geh. Reg.Rath, Pro-
fessor in Bonn.
Vahle n, Dr., Geheimerath und Pro-
fessor in Berlin.
Va I e 1 1 e , de 1 a , S t. G e o r g e , Frei-
herr Dr., Professor in Bonn.
Veit, Dr., Geh. Ober-Medicinal-Rath
u. Professor in Bonn.
Ve re i n für Alterthuinskunde iinFür-
stenthum Birkenfeld zu Birkenfeld.
Verein für Erdkunde in Metz.
Verein für Urgeschichte in Siegen.
VI eitten, van, Rentner in Bonn.
Vo i g t e 1 , Geheimer Regierungsrath
und Donihnumcistcr in Ciiln.
Vo s s , Theod., Geheimer Bergrath in
Düren.
•Wal, Dr., de, Professor in Leiden.
Waldeyer, Carl, Realprogymna-
siallehrer zu Bonn.
Waiideslcbeii, Friedr., Hütten-
besitzer zu Bad Kreuznach.
Weber, Pastor in Wernigerode.
Weckbekker, Friiul., in Düssel-
dorf.
Wegehaupt, Gytnn.-Dir. in Kiel.
Weiss, Professor, Geh. Regierungs-
rath, Director d. kgl. ZeughauseH
in Berlin.
W e ii «I einlädt, Frau, Comnicrzien-
räthin in Godesberg.
Werner, II., Hauptmann u. Komp.-
Chef im 1. Grossh. Hess. Int.- (Leib-
garde) Rgt. 115 in Darmstadt.
Wied, zu, Durchlaucht, Fürst, in
Neuwied.
Wiedeinann, Dr., Prof. in Bonn.
Wieseler, Dr., ausw. Secr., Geh. Rath
und Professor in Göttingen.
Wiethase, k. Baumeister in Cöln«
Verzeichniss
Wilde, Frau Wittwo, in Bonn.
Wi n c k 1 o r , von, erster Staatsanwalt
in Köln.
Wings, Dr., Renfner in Aachen.
Wirt/., Hauptmann a. D. in HartT.
Wi.sk ott, Friodr., Bankier in Dort-
mund.
Witt e n h a u s, Dr., Direct. in Rheydt.
Wittgenstein, F. von, in Cöln.
Wol f, General-Major /.. D. in Deutz.
Wolfen», .Jos., Rentner in Bonn.
Wol ff, F. H., Kaufinann in Cöln.
•r Mitglieder. 315
Wülfing. Krau, Gutsbesitzerin auf
Burg Kriogshovon.
WiU'i'tit, II., Hauptmann a.D. und
Rechnuiigsrath in Bonn.
Wulff, Oboist a. D., Oborkassel b.
Bonn.
Zangenioister, Hofrath, Prof. Dr.,ausw.
Seor., Oberbibliothekar in Heidel-
berg.
Zart mann, Dr., Sanitatsrath in
Bonn.
Zitelinanii, Dr., Prof. in Bonn.
Ausserordentliche Mitglieder.
Arendt, Dr. in Dittlingen.
Fiorelli, Ct., Senator del Regno.
Direttore generale dei Mitsei e degli
Seavi in Rom.
Gamurriiii, Francesco, iu Florenz.
H e i d e r , k. k. Sectionsrnth in Wien.
Hermes, Dr. med. in Rciuich.
Lancia Iii, lt., Professor in Rom.
Lucas, Charles, Architcct, Sous-Insp.
des travaux de la villo in Paris.
M i c h e 1 a n t , Bihliothccaire au dopt,
des Manuscrits de la Bibl. Iinper.
in Paris.
Noüe, Dr. de, Arsene, Rentner in
Malmedy.
Rossi, J. B. de, Archiiolog in Rom.
Schlad, Willi., Buehbindermeister
in Boppard.
L. Tosti, D.f Abt in Monte Casino.
Vcrzeidiniss
sämmtlichcr Ehren-, ordentlichen und ausserordentlichen Mitglieder
nach den Wohnorten.
Aachen: Bock. Goebbels. Gymna-
sium. Laiidrnthsamt.Miillciimeister.
Nellessen. Piek. Polvtcchuicum.
Realschule. Schnock. Stadtarchiv.
Staitz. Win^s.
A b e n t e u e r Ii ii 1 1 e : Boccking.
A d e n a u : Lnndrathsaiiit.
A h r w e i I e r: Landrathsamt. Joerres.
Alfter: Jörissen.
A 1 1 e n k i r c Ii e n : Laiidrathsamt.
Amsterdam: van Hillcgoni.
Andernach: Frau Herfeld. Höster-
mann. Michels. Progymnasium.
An holt: Fürst zu Salm.
Ar n heim: Baron Sloet.
R a d e n - B a d e n : Schady.
Barmen: Blank. K. von Kynern.
Heal-Gyinnasiiim. Stadt bibl iothek.
Basel: Uni vorsitHts-Bibliothck.
Bedburg1: Pauls. Ritter-Akademie.
Bendorf am Rhein: Krlcnnieyer.
Berlin: Adler. Aegidi. v. Berlepsch.
Bracht, v. Cuny. Curtius. Dobbeit.
Gen. -Verwalt. der k. Museen. GreifT.
von der Heydt. Höpfner. llübner.
.laehns. Liebenow. Lohaus. Prüfer.
Reuleaux. Schiekler. Schoene. v.
Spitz, von Strubberg. Vahlen. Weiss.
Bertrich: Badevorwaltung. K Ir-
rings.
Bielefeld: Nitzseh.
Birken f e 1 d : Gymnasium. Verein
für Alterthumskunde.
Blösjon b. Merseburg: Burkhardt.
B o c Ii u in : < ty mnasium.
Bonn: Baron. Bender. Bibliothek
des Kunstmuseums. Binz. Bücheler.
Caesar. Cahn. Alexander von
('hier. Krnst von Ciaer. Cloinen.
Dahin. Doetseh. Kiter. Kltzhachrr.
Kngelskirchcn. Fräulein Kükens.
Frau Firnionich -Richartz. Fricke,
31G
Verzeichnis* der Mitglieder.
Follenius. (iandtucr. Georyi. *.).
(bddschniidt. I{. Cnldschmidt. W.
Goldschmidt. C.othein. von C.rand-
Ry. Crafc Guillcaunic. (Jurll.
( lymnaMum. Hanstein. P. Haupt-
mann. Carl Hauptmann. F. Haupt-
mann. Heyn. Henry. Alexander
Hüfter. Herrn. Hüffer. Humbroicli.
Huvsscn. Isphordiny. Kalil. Knuf-
maun. Kanlen. Klein. Klinyholz.
Koser. Knifft. Kreis- Ausschuss.
Landsbery. Lanycnbery. Lautz.
Leiter. Lese- und F.rholunys-Gc-
.sellselinlt. Lcverkus-Lcvork Usen.
von d. Leven. Leydel. Loerseli.
Locschkc. Märiens. Marcus. Mar-
tius. Marx. Martin. Menzel. *Mcn-
dclsohn. von Mirbach, von Ncuf-
ville. Neuhiiuser. Nissen. Ober-
bcryaint. Priedel- . v. Profi' Irnich.
Reaiproyymnasiuui. von Riyal.
Hoettycn. Rolffs. Saeniisch. Dr.
von Sandt. H. SchautThuusen.
Sehinithals. Schneider. Schorn.
Schmers. Schunck. Shniock. Sou-
neubury. Stader. Stoll. Strauss.
l'sener. de la Valette St. George.
Veit. van Vleuten. Waldcycr.
Wiedemann. Wilde. Zartiuänn.
Zilelmnun.
Boppard: Donsbach. Seminar.
Seheppe. Schlad.
Braun fei s: Prinz Solms.
Brauusbcry (Ostpr.i: Bibliothek
des Lycciniis Honiana.
B r u e Ii s a 1 : Gvinnasium.
Brühl: Beck.'
Brüssel: Gräfin von Flandern.
Muse« Royal.
Budapest: von Tümk.
Burgbrohl: Andren«.
Carlsruhe: Brambach. Conscrva-
torium d. Alterth. Gymnasium.
von Lübke. Ohcrschulrath.
Cassel: Stand. Lnndoshibliothek,
C h a r 1 o 1 1 e n b u r y : Moiiiiusen.
Cl n u s t h a I : Achenbach.
Cleve: Chrzescinski. C vtimasium.
Schneider. Stadtbibliothek.
Co b I e n z : Becker. ^Binsfeld. Grat" v.
Brühl. Civil-Casino. Cum... Deiters.
v. Kitester. Gymnasium. Kreis-Aus-
schuss vom Landkreis. Landau.
von Loe. Stadt Cohlenz.
Cöln: Altniann. Apnsteln-Gymnas.
Arndts. Balzcr. Civil-Casino. Cüp-
pers. Deicliinann. Düntzer. Forst.
Fröhlich. Fuchs. Grüuehery.
Kd. Herstatt. Robert Heuser.
Frau August Jocst. IM. .loest.
Kaiser -Williclni-Cyiniias. Knebel.
Kosbab. Kramer. Kreis -Aus-
sehuss. Krementz. Landen. Leiden.
Lemj.ertz. Marzcllcii-Gymnnsiuiu.
Merkens. Mertz. von Mcvissen.
Meyer. Michels. Muscinii Wallrnt-
Bicbnrt/.. Niessen. Albert, Frhr. v.
( ippcnhciiu. Kduard, Frhr.von <>p-
penheini. Pflaume. Kiuil voinRnth.
Frau F.uyen vom Rath. F.uyen Rau-
teiistrauch. f >ber-Realschule. von
Recklinyhauscn. Hennen. Rieth.
Schaafhausen. Schallcnbery.
Schenk. Schnütycn. Seliyniann.
Stadtbibliothek. Statz. Stedtfeld.
Voigtei. Wiethase. von Winckler.
von Wittyenstein. Wölfl".
C orne I i in ii n s t er: Seminar.
Crefeld: Cymnasiuiii. Kreis- Aus-
schuss vom Landkreis, von Ran-
dow. Seyffarth. Stadtbibliothek.
Strenune.
■> a r in Stadt: von Hilders. Werner.
D a u u : Kreis-Ausschuss.
Deutz: Schultz. Wolf.
Diel in {reu: Arendt.
Donaueschiniren: Fürstl. Biblio-
thek.
D o r s l e n : Proyyiiinnsiiim.
Dortmund: Bist. Verein. Wiskott.
D re n st ein furt : Frhr.v. Landsbery.
Dresden: Fleckiiscn. Hübsch.
Kncnijr.
Düren: Städt. Bibliothek. Gymna-
sium. Linden. G. Schüller. F.
Schneller. Frau J. Schneller. Voss.
Dürkheim: Mehlis.
Düsseldorf: Staats-Archiv. Roctz-
kes. Bone. Bürycrscliulc. Courlh
Gymnasium. KrcisAu.sscbuss für
den Landkreis. Lieber. Mooren.
Provinzial - Verwaltung. Rautert.
Heal-Crymnasiuin. Stadtbibliothek.
♦Trinkims. Frl. Weckbekker.
Duisburg: Gy mnasium. Sehneider.
Stndtbibliothek.
Ehren fehl b.Colu: Beyer. Rauter.
Elberfeld: Blatik Gustav. Blank
Willy. Rocddinyhnns. von Carnap.
Frowein. Gymnasium, von der
Heydt. Freiherr Auyust. Hueek.
Lautz. Lindeiisehuiidt. NeuhofT.
Realyv mnasiuin. Roeber. Sprinyo-
nun. Stadtkreis.
Kl ten Reyb. Düsseldorf: Seminar.
KU ville: Graf Kitz.
Kui Illerich: Gvinnasinin. Stadt-
bibliothek.
Digitized by Google
Verzeichnis«
Ems (Und): Kur-Commission.
K r k e I f. n z : Landrathsumt.
Esc Ii w eil e r : I'rogymnasium.
Esse n : Bibliothek d. Stadlgemeinde.
Gyinnas. Karsch. Kreis-Ausschus*
vom Landkreis. Krupp. Realschule.
Ucbcrfcld.
E u p c n : Keal-Progy mnasium.
Kusk i rc Ii cn : A. Herder. E. Herder.
Kreis-Ausschuss. Prog\ mnasium.
Kxaeton bei Bnexem : Bibliothek
der Stimmen aus Marin Laach.
Flamersheim im Rheinland: von
Hemberg.
Flensburg in Schleswig: Müller.
Florenz: Gamurrini.
Frankfurt a. M. : Koch. Stadt-
bibliothek.
Frei bürg in Baden: ruiverMtHts-
Bihlinthek. Gymnasium. Kraus.
F ü r s t e n w a I d e a. d. Spree : St ier.
Fulda: Gocbel.
tt e b w e i 1 e r : Sclilumberger.
G e i I o n k i r c Ii e n : Landralhsaint,
M.-G ladb ach : Gymnasium. Kühleu.
Landrathsamt. Quack. Stadtbib-
liothek.
Godesberg: von Carstanjeu. Fin-
kelnburg, ltohlfs. Schwann. Wen-
delsiadt.
Güttingen: Dilthey. Sauppe. Uni-
versität s-Bibliollick. Wieseler.
GrHfen bacher Hütte: Boecking.
Grevenbroich: Landrathsanit.
G u in m c r s b a c Ii : Kreis- Aussehuss.
Hall (Haus) b. Erkelenz: von Spios.
II a 1 1 b e r g (Schloss) b. Saarbrücken :
von Stumm.
Halle: Ihm. Uni versitäts Bibliothek.
H a m b u rg : Stadtbibliothek.
Hamm: Falk.
Hard b. Bregeuz: Jenny.
Harff, Schloss, Kr. Bergheim: Bi-
bliothek von Mirbach. Wirtz.
II e. c h i n g e n : Höhere Bürgerschule.
Heid el borg: Deppe. Lcinmc. von
Occhelhauscr. Uiiiversitäts-Biblio-
thek. Zangeiiieist er.
Heinsberg: Landrathsanit.
Haus Heisterberg bei Königs-
winter: Caron.
Herdringen (Kreis Arnsberg):
Graf Fürstenberg.
H e r r n s Ii e i in bei Worms : Freiherr
von Heyl.
Höxter: Gymnasiuni.
Idylle, Gut bei Kruft: Keusch.
1 111 Ulenburg: Flinseh.
J e n a : Gacdeclicns.
i-r Mitglieder. «17
Kempen (Kheinl.): Gymnasium.
Laudrathsamt.
Kemperhof b. Coblenz: Knaben-
Pensionat.
Kiel: Wegehaupt.
Königsberg i. Fr.: Friedender.
Universitäts-Bibliothek.
Königs w i n t e r : Kreitz, Landwehr.
K r e u 7. Ii a c Ii : Antiquarisch-histori-
scherVerein.Dr.Kohl. Wandesieben.
Kriegshoven bei Weilerswist:
Wülfing.
Langenberg (Rheinland) : Conze.
Leiden: Leemaus. Ort. Plcyte. de
Kieu. *de Wal.
Leipzig: Baedeker. Overbeck.
Lennep: Hardt. Kohtz. Kreis-Aus-
schuss.
Lex h y (Schloss): deBlaiichard Surlet.
Linnich K.-B. Aachen: Oidtinaiiii.
L ö w e u : Universitäts- Bibliothek.
London: Franks.
L ü 1 1 i c h : Universitäts-Bibliothek.
L u x e in bürg: I >ulreux.
I. u z e r u : Schierenberg.
IIa i uz: Stttdt. Bibliothek. Linden-
schmit. Schneider.
Malmedy: Esser. Kreis-Ausschuss.
de Noüe. Progymnasium.
M a n n Ii c i m : Alterthums - Verein.
Gymnasium. Hang.
Marien l'e I s b. Ketnag. : Frau Frings.
Mast rieh t: Habets.
Mechernich: Eick. Hupertz.
M a y e n : Kreis-Ausschuss.
M e i s e n h e i in : Kreis-Ausschuss.
Merz ig: Kreis-Ausschuss.
Mettlach: von Hoch.
Metz: Abel. Tornow. Verein für
Erdkunde.
Miltenberg: Conrady.
Montabaur: Gymnasium.
Monto-Casino: Tosti.
Montjoie: l'auly.
M o r s b r o i c h , Poststation Schle-
busch: Frhr. von Üiergardt.
M ü 1 h ei in a. Khein : Andreae. Kreis-
Ausschuss.
Mülheim a. d. It.: Kreis-Ausschuss.
Realgymnasium.
München: von Brunn. Coruelius.
Urlichs.
Münster: Bibliothek der Akademie,
von Ueereman. Nordhoft'. Plass-
manii. Schoeiiingh.
M ü u s t e r e i f e I : Gymnasium.
Nash -Müs: Evans.
Neuss: Gymnasium. Koenen. Kreis-
Ausschuss. Sels.
318 Verzeichnis*
Neuwied: Fürst zu Wied. Gym-
nasiuni. Reiny. Seminar.
Niederbreisig: Huvsson.
Nieder inend ig: Müller.
Ny in wegen: .Museum.
Ober hausen: Stadt (Bürgermei-
steramt).
Oberkassel bei Bonn: Wulf!'.
O d en k i r c Ii e. n : Seminar.
() e h ring e n : Stiftsbiblinthek.
Osnabrück: Hocting.
I'aris: Lucas. Micbelant.
Parma: Universitatx-Bibliothck.
Haus Peter st ha! bei Niederdol-
lendorf: Straeten
Plittersdorf: Bürgers.
Potsdam: von Achenbach. Prinz
Schoenaich.
Prag: UnivcrsitatR-Bibliot hek.
Prüm: Asbach.
Reichenberg in Böhmen: Frau
von Liebieg, Baronin.
Remagen: von Lasaulx. Beuleanx.
R e m i c h : Hermes.
Remscheid; Friederichs. Stadt.
Rhein buch: Landrathsamt. Pro-
gymnasium.
Rheine: Gymnasium.
Reydt, Reg.-Bezirk Düsseldorf:
Wittenhaus.
Rinteln: Gymnasium.
R o i s d o r f: Graf Moerncr.
Rom: Fiorelli. Heibig. Lanciani.
de Rossi.
Rostock in Mecklenburg: Koerte.
Rüdesheim: Fonk.
Ruhr ort: Kreis-Auxschuss. Real-
gymnasium.
Rurich (Schloss) bei Erkelenz: von
Hompesch.
Haarburg R.-B. Trier: Kreis-Aus-
HChUNH.
Saarbrücken: Gewerbeschule.
Gymnasium. Historischer Verein.
Saarlouis: Kreis-Ausschuss. Real-
Progyinnasium.
Sargenroth b. Gemüuden: Stins-
hoff.
Sayn: Eichhoff.
Schleiden: Kreis- Ausschuss.
Schleidweiler: Hevdinger.
Schmidt heim (Schloss): Graf
Beissel.
Schoonbeeck (Schloss): Graf
Rcnessc.
er Mitglieder.
S i e g b u r g : Gymnasium. Kreis-Aus-
schuss. Seminar.
Siegen: Verein für Urgeschichte.
S i g m a ring e n : Museum.
S i m m e r n : Landrathsamt.
Sinzig: Andreae.
S o b e r u h e i m : Progy nmasiuni.
Soest: Seminar.
Solingen: Laudrathsamt. Real-
Progy mnasium.
S |> e i e r : Studien- Anstalt.
S t a m m Ii e i m b. Mülheim a. Rhein :
Graf von Fürstenberg.
Steeg bei Bacharach: HUtwohl.
S t r a 1 s u n d : Stadtbibliothek .
Strassburg: Fuss. Michaeli».
Stuttgart: Paulus.
S ü c h t e l n : Norrenberg.
T a u b e r b i s c h o f k h e i m : Gymna-
sium.
Thorn (Schloss): von Musiel.
Trar b a c Ii : Progymnasium.
Trier: Aldenkirchen. Bettingen
Gymnasium. Hettner. Liutz. von
Neil. Priester-Seminar. Real-Gym-
nasium. Rosbach. Seyfarth. Städt-
bibliothek.
Tübingen: Uni versit.-Bibliothek.
Viersen: Real - Progymnasium.
Oreef. Haas. Heckmann.
Vilich bei Bonn: von Ciaer.
Vogelensang: Borret.
Vohwinkel: Kreis-Aussrhuss Mett-
mann.
St. Wendel: Progymnasium.
Werl: von Papen.
Wernigerode: Weber.
Wesel: Frowein. Gymnas. Land-
rathsamt.
Wetzlar: Gymnasium. Kreis-Aus-
schuss.
Wevelinghoven: von Heinsberg.
Wien: Heider. K. k. Münz- und
Antik.-Cabinct.
Wiesbaden: Bibliothek. Cappell.
Frhr. v. Düngern. Isenbeck.
Winningen a. d. Mosel: Arnoldi.
W i p p c r für t h : Progy nmasiuni.
W i 1 1 1 i c h : Kreis- Ausschuss.
Worms: Altcrthumsverein.
Xanten: Niederrhein. Altcrthums-
verein.
Zeist: van Lennep.
Zülpich: van Endert.
Zürich: Blümuer.
LnlvorsItStvBuchdruckcroI von Carl Goortf in Uonn.
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Jahrh d. Pemn* v Mterihm&tr im Rheinland. ließ XCH1.
Tutel II
rJahh d Petrin* 0. lltcrthumsir im Rheinland Heil XCIII
Tafel IU
fljololupi« B. KUhlcn O). «fl:odbnirIi.
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Jahrb. (L Vereins v. Alterth.- fr. im Rheinland«. lieft XCIII. Tat". VI.
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Jahrb. d. Vereins v. Alterth.-Fr. im Rheinlande. Heft XCI1I.
Taf. VII.
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Jahrb. des Vereins von Alterthumsfr.
im Rheinland. Heft XCIII.
Taf. VI 11.
Gruppe des Aeneas im Wallrafschen Museum zu Köln.
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Jahrb. des Vereins von Alterthumsfr.
im Rheinland. Heft XCIII.
Taf. IX.
Lichtdruck von Anaelm Schmitz, Köln.
Gruppe des Aeneas im Wallrafschen Museum zu Köln.
Digitized by Google
I
Digitized by Google
JAHRBÜCHER
DES
VEREINS VON ALTERTH UNISFREUND EN
IM
RHEINLANDE.
HEFT LXXXX1V.
■ IT « TAFELN UND IS TKXTKH.I KEN.
BONN.
GEDRUCKT AUF KOSTEN DES VEREINS.
BON5, BEI A. MARCVS.
1893.
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l'nlverafUM-BuclidruckuroI von Carl Uauffri in Bonn.
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Inhalts-Verzeichniss.
Seite
Professor Dr. Hermann Schaaffhan sen, Geheimer Medicinalrath
in Bonn. Von J. Ranke, 1
Verzeichnis*» kleiner Mitteilungen und grösserer Aufsätze und Ab-
handlungen zur Physiologie, Anthropologie. Urgeschichte und
Archätologie von Professor Dr. 11. Schaafhausen 28
I. Geschichte und Denkmiller.
1. Beitrüge zur mittelrheinischen Alterthumskuude. Von Dr. C. Mehlis.
(Hierzu Tafel I und II).
1. Eine Felsenzeichnung au* der la-Teiie-Zeit 43
2. Archäologisches vom Donnersberg.
A. Der Schlackenwall 52
B. Der Südwall und der Königsstuhl 54
C. Kölnische Funde f»5
D. Gallische Münzen. 5«
3. Eine römische Militarstrnsse in der Westpfalz 61
4. Burgruine Schlosseck in der Pfalz 63
2. Neue Funde aus Asberg (Asciburgium). Von Dr. Siebourg.
(Hierzu Tafel III.) 67
3. Die Externsteine. Von Anton Kisa. (Hierzu Tafel rV— VI und
17 Abbildungen.) 73
4. Ein „lavacrum" des XII. Jahrhundert«. Von J. A. Feith. (Mit
einem Holzschnitt.) 143
5. Die Funde von Gleuel. Von J. Klinken be rg 151
II. Litteratur.
1. Paul Clemcn, Die KunBtdenkmäler der Rheinprovinz. Bespro-
chen von A. Wicdcmann 156
2. Alexander Riese, Das rheinische Germanien. Besprochen von
M. Ihm 160
3. F. Haverfield, The uiother goddesses. Besprochen von M. Ihm. 164
4. P. Waltzing, Dicouverte archeologique faite a Foy. Besprochen
von M. Ihm 165
5. Prof. Dr. Otto Kohl: Ueber die Verwendung römischer Münzen
beim Unterricht. Besprochen von vanVleuten 165
6. Florenz Tourtual, Bischof Hermann von Verden. Besprochen
von A. W 166
7. Moderne Geschichtsforscher: I. J. Lulves, Die gegenwärtigen
Geschieh tsbestrcbungeu in Aachen 167
TV
Inhalts- Verzeichnis».
Seit«
H. P. Florian Wimm er, O.S.B.: Anleitung zur Erforschung und
Beschreibung; der kirchliehen Kunsidenkiuliler. Besprochen von
F. van Vleuten 167
9. Dr. Carl F.uling, Hildesheimer Land und Leute de« 16. Jahr-
hundert«. Besprochen von S 16«
10. Prof. Dr. (i. Heitmann, Meteorologische Jahrbücher. Bespro-
chen von S 168
III. Miscellen.
I. Weihinschrift an die Göttinnen der Kreuzwege in Köln. Von
M. Ihm 169
2. Zur Numismatik von Köln. Von F. van V leute n 170
3. Rheinische Terracotta-Büsten. Von A. Wied e manu 170
4. In eigener Sache. Von C lernen 173
f>. Morsbach. Komische Funde. Von Tornow 173
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Professor Dr. Hermann Schaafhausen
Geheimer Medu-inalratli in Bonn
ist den 2:"). Januar 1893 ganz unerwartet in Folge einer Hcrzläh-
tnung im 77. Lebensjahre sanft verschieden.
Am 30. Januar hat man den Edlen zu Grabe getragen mit
einem Leiehenbegängniss, wie Bonn nur wenige gesehen hat. An
der Spitze des fast endlos erscheinenden Trauerzuges sehritten die
studentischen (Jorporatinnen mit ihren Chargirten und Fahnen mit
einem Musikcorps. Hinter dem offenen Leichenwagen trug ein Mitglied
des Corps Borussia den vom Kaiser, welcher im Hause des Verewigten
während seiner Bonner Studienzeit viel persönlich verkehrt hat, ge-
sendeten, aus Lorbeer, Orchideen und mächtigen Palmzweigen zu-
sammengesetzten prachtvollen Trauerkran/.. Oberstlientenant von
Winterfeld, Coinmaudcnr des Bonner Königs-Husaren Regiments, war
vom Kaiser beauftragt worden, den Kranz persönlich am Sarge nieder-
zulegen. Diesem folgten im Leichenzuge die Spitzen der Stadt, Curator,
Rektor und Senat und fast sämmtlichc Professoren der Universität,
viele Offiziere, darunter auch solche vom Deutzer Kürassier-Regiment,
ein Abgeordneter des Cardinal-Krzbischofs von Köln u. v. a. Die Bür-
gerschaft bildete auf dem Wege vom Traiierhaiise bis zum Fried-
hofe Spalier. Am Grabe Hielt der Professor der katholischen Theo-
logie Dr. Schrocrs die Leichenrede. Die .Studentenschaft vereinigte
sich nach Sehluss der Leichenfeier zu einer Traucrversainndnng in
der Becthovenhalle, wo Herr stud. med. Di eck erhoff eine Ge-
dächtnissredc auf den geliebten Lehrer sprach. Aus allen Kreisen
kamen die Beweise der trauernden Theilnahuie. Die Kaiserin, die
Kaiserin Friedrieh und die Königin von Schweden sendeten herzliche
Beileidsbriefe und Depeschen, ebenso Herzog Johann Albrecht vonMeck-
leuburg-Schweriu und die Fürstin-Mutter zu Wied, der Kultusminister
Dr. Bosse , der Oberpräsidcut und der Landesdirektor der Rhein-
provinz. Unter den überaus zahlreichen kostbaren Blumenspenden be-
Jfthrb. <1. Vor. v. AltorUisfr. im Klicinl. XCIV. 1
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J. llankc:
fanden sich Kränze vom Prinzen Friedrich Leopold von Preussen,
vom Verein von Altertbumsfremiden im Rheinland., vom rheiniseh-
westphälischen Naturhistorischen Verein, vom Verschönerungsverein
fllr das Siebengebirge, von dem Altert hnmsverein in Nassau, von
der Deutsehen und der Herliner anthropologischen Gesellschaft, vom
Alterthuinsverein in Osnabrück, vom Kirchen vorstand der Rcmigins-
Oemeinde in Bonn, von den Corps und den Burschenschaften der Uni-
versität, «lern Oftizierkorps des Peutzer Kürassier-Regiments u. v. a.
Mit soviel Ehren ist noch selten die Leiche eines deutschen
Gelehrten zu Grabe geleitet worden. Was ihren Werth noch erhöht,
diese grossartige Leichenfeier galt nicht einer besonders hervorra-
genden äusseren Lebensstellung, sie war ein rein spontaner, freier
Ansfluss hoher allgemeiner Verehrung und Liebe zu der Person des
Verstorbenen. Und der Mann, dem diese erwiesen wurden, hat sie
wahrhaftig, wenn irgend ein Anderer, verdient. Vornehme und Ge-
ringe, Arme und Reiche. Gelehrte und Ungelehrtc sahen in dem
Geschiedenen einen treuen Freund und Berather. Herr Professor
Schroers hat das in warmen Worten her/lieh und zu Herzen ge-
hend an dem Grabe ausgesprochen: „Hermann Sc Ii na ff ha Il-
se n war einer von jenen Menschen, deren stillen Zauber sich Nie-
mand entziehen kann, der das Glück hat, sich ihnen nähern zu
dürfen. Andere mögen fesseln durch die geniale Grösse ihres Gei-
stes oder durch den blendenden Glanz ihrer Phantasie oder durch
die gewaltig schaffende Thatkraft. Dieser war eine einheitlich ge-
schlossene und harmonisch durchgebildete Persönlichkeit, beherrscht
von einem tiefen Gemüthe und nmwoben von einer Atmosphäre des
Friedens und des Wohlwollens."
Sein offenes Her/, war es, was Ihm alle Herzen öffnete, und
was jetzt so viele an seinem Grabe mit denen trauern läset, die in
ihm den Vater verloren haben.
In Coblcnz am Ii). Juli 1816 geboren, hat Hermann Schaaff-
hausen, mit Ausnahme zweier in Berlin verlebter Studienjahre
ununterbrochen »einer rheinischen Heimat angehört, für welche sein
Herz so tief und warm schlug. Wie leuchteten aeine Augen, wenn
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Professor Dr. Hennann Scliaaff liattsen, Geh. Modicinalrath in Bonn. 3
er von ihrer rnhmvnllen Vergangenheit., von ihrer mchrtauscmljah-
rigen Kultur sprach. Mit freudigem Stolze pflegte er es auszuspre-
chen, dass sein ganzes Lehen dem Rheinlande und seiner Hochschule
gewidmet blieb, dessen Bestes zu fördern sein beständiges Best re-
ifen war.
Die ersten Unterweisungen erhielt er im elterlichen Hause
durch Privat Unterricht; dann besuchte er, neun Jahre lang, das
Gymnasium seiner Vaterstadt. Seine Tagebücher gestatten uns Belum
in diese frühe Zeit seiner geistigen Entwickeluug manche Einblicke.
Von dem 7jährigen Knaben ist ein Gedicht erhalten auf „Gelehr-
samkeit und Reichthmu," das zu dem Schlttss kommt: ..ich wünscht
ich war gelehrt." Zehn Jahre später beginnen die regelmässigen
Aufzeichnungen mit den ersten Erinnerungen, an die glücklichen
Jahr*' der Kindheit, an die ersten Jugendfreundschaften, kleinen Rei-
sen u. a. mit eingestreuten, mit grosser Fertigkeit ausgeführten Fe-
derzeichnungen, und zwar letztere auch schon von Altertlilltncrn und
alteu Inschriften. Auch zahlreiche geist- und getnftthvolle Gedichte
finden sich darunter, die zum Theil noch auf das 11. und 14. Le-
bens) ah r zu r üc kgeh eu .
Er war 18 Jahre alt, als er seinen Geburtsort und seine Fa-
milie verlies», um als Studiosus medicinae die Bonner Hochschule
zu beziehen. Es war ein trlllier, regnerischer Oktobertag 1834 an
welchen» wir ihn zu diesem Zweck auf dein Dampfer den Rhein
hinabfahreud finden. Wchmitthige Erinnerungen au das ungetrübte
Glück der Kindheit im stillen Frieden des Vaterhauses durchklangen
die Seele des Jünglings, aber er fühlt daneben schon die in ihm
sich regende Kraft, welche einen Wirkungskreis sucht: Das Unbe-
kannte, das Fremde, das Entfernte zieht ihn an, schaukelnde Wellen
tragen ihn, sind das Anzeichen eines Sturmes. „Aber ein fester
Charakter gebietet auch dem Sturm und steuert vorbei an den Stellen
der Gefahr."
Er stndirte drei Jahre in Bonn und hörte bei v. Oalker Logik,
Dialeetik und Psychologie, bei Münchow Physik, bei N f>g ge-
rn th Mineralogie, bei Bischof Chemie, bei Treviranus und
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4
J. Ii an ki*:
N e e s von Einbeck Botanik, bei G o 1 d f n s 8 Zoologie, bei
Mayer und Weber Anatomie, bei X au mann Encyelopaedie
der Mcdicin, bei H n r 1 e 8 s Materia lnediea, bei W n t z e r Chirurgie
und chirurgische Anatomie, bei Kilian Geburtshülfc und bei Nasse
Geisteskrankheiten und Anthropologie, welch letztere Wissenschaft
ihm in der Folge so viel verdanken sollte.
Es waren anregende, »lauernd fruchtbringende. Jahre, welche
Schaaf Ihausen in Bonn verlebte, das damals wie heute eines der
wichtigsten Centren geistiger Bewegung Deutschlands war. Seine
Jugend liel in die Jugendzeit der neuerwachten Nation, die alle
jene Blüthcn trieb, welche unsere Tage reiten sehen; in jene Zeit
frischer poetischer Begeisterung für klassisches und vaterländisches Al-
terthmu, durchweht von dem Geiste der Romantik, welcher doch jene
Blüthcn hervorgezaubert hat. Eine Vereinigung von Philosophie und
empirischer Forschung, von Kunst und Wissenschaft strebt der feu-
rige Geist des Jünglings an, der sich aber auch der hohen Pflich-
ten bewusst ist, welche das gewählte Studium, der Beruf des Arz-
tes, seinen Jüngern auferlegt. „So sind, schreibt er am 28. Au-
gust 1837 in sein Tagebuch, drei Jahre verlebt in Bonn am Rhein
und sie sind hinabgesehwonimen mit dem alten Strome, der die
Tage alle sah und ihre Morgensonne in seinen Flutheu spiegelte
und ihr Abendroth. Wie verwebt sich mit uns die Umgebung, in
der wir leben, wie wird uns Alles werth und theuer, ob Wahl (»der
Zufall es uns nahe gestellt hat. Wie die Eiche den Boden, in dem
sie wurzelt, mit Recht fftr den ihrigen hält, weil sie ohne ihn nicht
leben kann, so sind auch wir innig verwachsen mit der kleinen
Welt, die sich um uns dreht und alle Lagen und Verhältnisse, in
denen unser Leben erscheint, sind uns unentbehrlich geworden, ohne
unser Wissen. Wenn aber nicht nur Zeit und Gewohnheit das Alles
geheiligt hat, was das Unsere war für eine Zeitlang, wenn auch
Neigung und Liebe uns an die Stelle schloss, die wir erfüllten, dann
wird die Trennung schwer und wir scheiden arm und verlassen vou
dort, wo wir so reich uns fühlten." — —
„Es ist eiue zuversichtliche Gewährleistung unserer geistigen
Digitized by Google
Profcxsor Dr. Hermann Srli.iaffhau.seii, Geh. Medicinalrath in Bonn. 5
Würde, dass wir in der Fülle der Begeisterung für Wissenschaft
und Kunst es geloben können, ihrem hohen Dienste uns ganz zu
widmen, und in ihrer Nähe die Welt zu vergessen und zu entbehren.
Die stille Grosse der Wissenschaft und der versehwisterten Kunst
erfüllt mit hoher Verehrung die ahnende Seele und der Genius prüft
die goldenen Schwingen und sie tragen ihn höher, näher den ewi-
gen Sonnen, die am Himmel kreisen und ihr reineres Licht nieder-
strahlen durch die Nacbt der Erde."
„Ich habe mich dem Studium der Mediein gewidmet. Es ist
diejenige Wissensehaft, welche in den vielseitigsten Beziehungen
und im innigsten Zusammenhange mit der Philosophie steht und
als Xaturforschung mit dem Leben stets befreundet bleibt, dessen
wunderbare Gestaltungen sie zu cnträthseln hat nach ewigen Ge-
setzen, zugleich ist ihr Hcraf eine Tugend," — nud so hat er ihn
bis an seinen Tod geübt.
Mit freudiger Begeisterung sehen wir ihn im November 1837
die Universität Berlin bezieben und dort in die neuen grösseren
Verhältnisse mit ihren neuen und starken wissenschaftlichen Anre-
gungen eintreten. -Kühn und freudig will ich der Zukunft entge-
gengehen, wenn es sich bewährt, dass Wünsche und Hoffnungen
die Vorgefühle dessen sind, was wir einst zu leisten im Stande,
sein werden: Der Wille reicht weit, — ob er gedeiht, — beweise
die Zeit."
In den ersteu Studienjahren in Bonn hatten, neben den medi-
cinischen Fachstudien, welche mit grossem Eifer gepflegt wurden,
namentlich Philosophie und Anthropologie tiefere Anregungen gege-
l>en, welch letztere der damalige Haupt-Vertreter dieses Faches in
Bonn, der berühmte Naturphilosoph Nasse, auch zum Theil im
Sinne einer philosophischen Diseiplin vortrug. In Berlin trat
S c h a a f f h a u s e n in die geistige Atmosphäre seines Coblcnzer
Landsmannes Johannes Müller ein, des berühmtesten deutsehen
Physiologen, der, obwohl selbst fast noch ein Jüngling, doch wie Wenige
neben und mit ihm der Berliner iuedieinischen Schule den Geist exak-
tester Forschung aufzuprägen verstanden hatte. Bei J o b a n ue s M U 1 1er
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J. Ranke:
hörte S c Ii na tili au sni nicht nur Physiologie, sondern auch ver-
gleichende Anatomie und Pathologie. Dieser Genius war es, wel-
cher zunächst auch die Richtung Schaafhausens bestimmte: er
entsehloss sich, selbst Physiologe zu werden. Er studirte in Berlin
zwei Jahre und hörte ausser Johannes Müller, hei Froriep
Akiurgie, hei Wagner Forensische Mcdieiu und Mediciuisehc Poli-
zei, hei Schultz l'athologie und fmpicntirtc die Kliniken von
Wolff, Rust, Busch, Wagner, Jiingken, Barez und Tr He-
stedt.
Am 31. August 18.'}'.) doctorirte er in Berlin mit einer Disser-
tation, welche den für seine wissenschaftliche Richtung charakteri-
stischen Titel trägt: De vitae virilms, Ucher Lebenskraft, — ein
Grenzgebiet zwischen Philosophie und Physiologie. Im .Fahre 1840
bestand er, auch in Berlin, die medicinisehe Staatsprüfung mit der
Note „sehr gut^ und dem Titel „Operateur."
Nun war auch die Zeit in Berlin abgeschlossen und er doch,
trotz all der neuen Eindrucke und geistigen Errungenschaften, im
Wesentlichen derselbe geblieben.
„Wir leben in einem neuen Boden, suchen aber stets dieselbe
Nahrung. Unter anderen Einflüssen glauben wir uns zu verändern
und bleiben, wie wir waren. Wir sind ja nicht Steine, die in je-
dem Feuer glühen, in jedem Frost erkalten, wir sind Blumen, die
ihre Sonne suchen und sich nach ihr wenden und in dem Schatten
und in der Nacht ihre Kelche sehliessen. Nur wachsen, blühen
können wir — oder welken und verdorren, und ob die Farben
wechseln und die Blätter — die Rose blüht als Rose unter jedem
Himmel — und wo das Korn den Boden findet, treibt es Aehrcn."
Uebcrblickcn wir zunächst seinen äusseren Lebensgang.
Im Spätherbst 1840 machte er eine Reise nach Dresden, Prag,
Wien und München, absolvirte dann in seiner Vaterstadt Coblenz
den Militärdienst als Compagnie-Arzt im 2"). Inf.-Regiment. Im März
1842 ging er f> Monate zu Studienzwecken nach Paris, im Frühling
1843 auf drei Monate nach London.
Am 28. September 1843 verheirathete er sieh in Coblenz mit
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Professor Dr. Hermann Schaaff Kausen, Geh. Medietnalratli in Bonn. 7
Anna, Tochter des Kriegsraths Loren/, und verlebte den darauf fol-
genden Winter und Frühling in Italien — eine sonnige glückliche
Zeit, voll reichen gemeinsamen Genüsse« der herrlichen Natur und
der Kunstsehätze.
Am 2'<>. Oktober 1844 habilitirte er sich an der Bonner Uni-
versität für Physiologie. Im Hcginne seiner akademischen Lauf-
hahn las er über spccielle Physiologie, allgemeine Pathologie und
Therapie und mikroscopischc Anatomie. Eine lange Reihe von Jah-
ren las er dann über Encyelopaedie der Medicin, gerichtliche Medicin,
allgemeine und vergleichende Physiologie. Dazu kommen schon
seit dem Jahre 1845 Collcgien über das Gesammtgebiet der Anthro-
pologie und Urgeschichte des Menschen. Im Jahre 1855 wurde er
Professor extraordinarius, 1868 Geheimer Medicinalrath und 1889
ordentlicher Honorarprofessor in der mcdicinischcn Fakultät. Iu
dem gleichen Jahre feierte er unter lebhafter Bethcilignng der wei-
testen Kreise sein 50 jähriges Doetor-Jubilämu. In dem erneuerten
Diplom der Berliner Universität heisst es:
„Viro quam de anatomia et de physiologia tum de antiquissima
notitia gentium tantopere incrito ut optimo jure inter primos nomi-
natur, qui indefesso et sagacissimo studio atque laborc anthropolo-
giac excoleiulae et promovendae viam aperucrunt.u
In diesen Worten reicher Anerkennung ist auch die Vielseitig-
keit .Schaaffhausen's als Forscher und der weiteren Fundirimg Aus-
druck gegeben, auf welcher seine akademische und schriftstellerische
Thätigkeit sich gründete.
Die letztere umfasst 356 Einzelpublikationen '). Der Hanptzahl
nach gehören letztere der Anthropologie und Urgeschichte an, ein-
schliesslich Ethnologie und Zoologie des Diluviums und der Anthro-
poiden sowie Entwickelungslehre, nämlich 273; 32 sind physiologi-
schen und vergleichend biologischen Inhalts, 7 behandeln Fragen
der Philosophie und Psychologie, 27 beschäftigen sich mit römischer
und griechischer Archäologie, erstere namentlich bezüglich rheini-
1) s. unten die vollständige Liste.
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8 J. Ranke:
«
scher FuikIo. Ks bleiben noch 17 Abhandlungen übrig, über Ge-
genstiiiuhf allgemein-archäologischer Fragen, darunter f>, welche
speziell sieh mit ki rehliehen Alterthümern beschäftigen.
Diese Aulsätze und Mittheilungen sind ursprünglich in ver-
schiedenen Zeitschriften erschienen: im Archiv für Anthropologie,
den Verhandlungen des naturhistorischen Vereins in llonn, den
Sitzungsberichten der niederrheinischen (iesellschaft, in der Cotta -
sehen deutsehen Viertel jahrsschril't HH4S, :'><). :>;)), in den Berichten
der Xaturforschervcrsammhiugcn und <ler Congresse der deutschen
anthropologischen (iesellschaft. sowie in deren Correspondenzblatt,
in den Comptes rendns der internationalen Kongresse in Paris, Ko-
penhagen, Brüssel, Stockholm. Pest, Lissahon. in den Jahrbüchern
des Vereins von Alterthnnisfrcundeu im Khcinlande, in den Akten
der Leopoldina 11. s. w. Im Jahre 18K.Ö erschien in Bonn bei Mar-
ens ein stattlicher Oktavband, in welchem unter dem Titel: „An-
thropologische Studien" eine Sammlung von besonders wichtigen
jener Ein/elpublikationcn zusammengefasst ist.
Neben diesen grossartigen schriftstellerischen Teistungen, wel-
che den Xanten Hermann Schaafhausen in alle Welt hinaus-
trugen, geht jene oben erwähnte intensive Lehrthätigkeit einher.
Sehaaffhausen war ein geborener Lehrer, sein ausgezeichnetes
Redncrtalent, durch unablässige Uebung geschult, seine eigene warme
Begeisterung für den Gegenstand, welche die Hörer zu ähnlicher
Begeisterung hinreissen mnsste, der hohe sittliche Emst fester
Ueherzeugung, der aus allen seinen Worten sprach, der reiche Hinter-
grund philosophischen, historischen und ästhetischen Wissens und
Könnens, der auch seinen naturkundlichen Darstellungen eine speei-
tisehe Färbung lieh, die philosophische Einheitlichkeit seiner Natur-
aurtassung. der liebenswert he Charakter, welcher seine ganze Er-
scheinung und jedes seiner Worte adelte — Alles das mnsste die
Schüler anziehen und fesseln. Eine grosse Menge Zuhörer aller
Fakultäten sammelte sich tun seinen Katheder und seine Vorlesun-
gen über Anthropologie und namentlich jene über Urgeschichte ge-
hörten zu den besuchtesten der Bonner Universität.
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Professor Dr. Hermann Si-haalThausen, Och. Mcrlicinalratli in Bonn. 9
Obwohl Physiologe, so ging doch sein vorwiegendes Interesse
auf die specielle Anwendung dieser seiner Grunddisciplin auf das
gesammte Leben des Mensehen, darauf gründete sieh im Wesent-
lichen sein wissenschaftlicher Erfolg in der Anthropologie.
Der letzte Brief, welchen ich von seiner Hand besitze, vom
4. Januar d. also wenige Tage vor seinem Tode, mit der glei-
chen festen und flüssigen Handschrift wie sonst gesehrieben, handelt,
als Antwort auf von mir gestellte Frageu, von seiner Lebrthätig-
keit in der Anthropologie an der Bonner Universität:
-Ich lese in Bonn (Iber Anthropologie unausgesetzt seit dem
Jahre lX4.r>. Vor mir hat in Bonn Ennemoser Uber Anthropologie
gelesen, der Hauptvertreter des Faches war aber der klinische
Lehrer für innere Mcdicin hierselbst, Nasse, einer der letzten An-
hänger der naturphilosophisehen Schule, der bald nach meinem Auf-
treten in Bonn (1X43) starb."
„Ich illnstrire meine Vorträge fast in jeder Stunde durch Ge-
genstände meiner Privatsammlung, selten durch solche der üniver-
sitätssammlungen und durch Bildwerke der Universitätsbibliothek.
Die von mir schon vor vielen Jahren beantragte Gründung eines
anthropologischen Museums wurde abgelebut. Den Neanderthaler
Fund mnsste ich ankaufen für das Provinzialmuseum, weil er sonst
für Deutschland verloren war, da Huxlcy ein hohes Gebot für
das Kensington-Museum gemacht hatte."
„Neben den Vorlesungen werden keine Kurse gehalten, eine
Einrichtung dafür ist nicht vorhanden. Wohl las ich oft über
mikroscopischc Uebungen znr allgemeinen Physiologie, wobei auch
anthropologisch Wichtiges zur Beobachtung kam. Privatissime wur-
den auch einzelne Studircnde von mir in der Sehädclmcssung gra-
tis nnterrichtet."
„Die Vorlesungen werden in den Hörsälen der Universität ab-
gehalten. Demonstrationen habe ich in früheren Jahren auch zu-
weilen im Amphitheater der Anatomie hierselbst und in meiner
Privatwohnnng abgehalten."
„Die durchschnittliche Zahl meiner Zuhörer in der Anthropo-
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10
J. Hanke:
logie in den letzten 10 Jahren ist 70— «i im Semester. Ich lose
seit 1870. nach Semestern abwechselnd mit der Anthropologie auch
Urgeschichte des Menschen, die Zahl meiner Zuhörer in den letz-
ten Jahren ist HO bis 120 per Semester."
Aus jedem Worte klingt die berechtigte Freude an diesem
großartigen Lehrerfolg heraus. S e h a a f f Ii a n s e n hatte es ver-
standen, das Interesse an der Anthropologie, welche so mächtig in
ganz Deutschland unter Blumcnhach's Anregung und Leitung
erwacht war, auch durch jene für die Anthropologie wüste Zeit
an der Limmer Hochschule aufrecht zu erhalten, welche, von dem
Todestage Blumcnhach's (1H4Ü) beginnend und fast bis gegen
das Ende der 60 er Jahre herein andauernd, an allen deutschen
Universitäten (mit Ausnahme von Bonn und München) die wissen-
schaftliche Anthropologie als eigentliches Lehrfach verschwinden
machte.
Nässe's anthropologische Vorlesungen hatten in hohem Masse
anregend gewirkt, sie gehörten zu den gesuchtesten philosophischen
Kollegien allgemein bildenden Charakters und es war Sitte der
Honner Studirenden alier Fakultäten, sie zu besuchen. Daran hat
Schaafhausen angeknüpft, das hat er erhalten und damit den
unanfechtbaren Beweis geliefert, dass auch heute noch die wissen-
schaftliche Anthropologie, welche unter Li 1 n m e n h a e h unbestritten
als die erste aller naturgcsehichtlichen Dbu-iplinen erschienen war,
ein wichtiges Glied in der Kette der akademischen Studien und
Üildungsmittel sein kann. Das ist das hohe Verdienst, welches sich
Sehaaffh ausen um die Anthropologie als akademisches Lehr-
fach erworben hat.
\"on vorn herein mit einer Neigung zu philosophisch-ästheti-
scher Betrachtung des St olles, — war er ja selbst noch Zeuge der
Wirksamkeit der älteren Naturphilosophie durch Nasse u. A. ge-
wesen,— hat Schaafhausen den Beginn der neuen naturphiloso-
phischen Epoche unter dem überwältigenden Eindruck der ersten
Da r w i u'schen Publikationen mit voller Begeisterung begrilsst. Er
stellte sich auch für die Anthropologie voll und gauz auf den Bo-
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Professor Dr. Hermann Scha.-iffhnusi-n, Och. Merlicinalrnth in Bonn. 11
den der neuerstaudeneu Eutwickelungslehre und ist diesem .Stand-
punkt ohne Wanken treu geblieben. Die grosse Zahl seiner anthro-
pologischen Schriften und Keden athmeten alle diesen Geist, und
wir sehen ihn auch dann noch an der allgemeinen Giltigkcit dieser
Lehren für den Menschen festhalten, als so manche in der ersten
freudigen Begeisterung für »las neue Forschungsgebiet zum Theil
ohne genügende Kritik gesammelte Ein/elangaben sich nach und
nach in manchen Richtungen als hinfallig erwiesen hatten. Ihm
war und blieb seine wissenschaftliche Anschauung: von der Entwick-
lung der Menschengeschlechter zu immer höheren Stufen der Ge-
sittung eine Herzensangelegenheit, für welche er mit seiner ganzen
Person, mit der ganzen Fülle seiner Ueberzetignug eintrat. Wie
oft haben wir diesen seinen begeisterten und hinreissenden Ausfüh-
rungen «lie Beifallsrufe grosser Versammlungen folgen hören.
Die Alterthumswissensehaft", so sagte er in seiner Abschieds-
rede am 2ö. Oktober des vorletzten Jahres, in welcher er noch einmal
sein wissenschaftliches Programm vor den Mitgliedern der Festvcr-
sammlung des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlandc so
jugendfrendig entwickelte, „hat mit ihrem Lichte auch das Dunkel
der ältesten Vorzeit erhellt. Nur mit Rücksicht auf die heutigen
Wilden sagte S c h i 1 1 e r schon 1781) in seiner Antrittsrede zu Jena:
Eine weise Hand scheint uns die rohen Völkerstämme bis auf den
Zeitpunkt aufgespart zu haben, wo wir in unserer eigenen Kultur
weit genug würden fortgeschritten sein, um von dieser Entdeckung
eine nutzbare Anwendung auf uns selbst zu machen und den ver-
lorenen Anfang unseres Geschlechts ans diesem Spiegel wieder her-
zustellen. Wie beschämend und traurig ist aber das Bild, das uns
diese Völker von unserer Kindheit geben? und doch ist es nicht
einmal die erste Stufe mehr, auf der wir sie erblicken. Der Mensch
ring noch verächtlicher an. Die L'rgeschichtc wurde nur deshalb
eine Errungenschaft der Neuzeit, weil diese von dem fruchtbaren
Gedanken der Entwickeluug erfasst, in den unscheinbaren Steiu-
und Knochcnwerk/.eugcn der Vorzeit den Anfang der menschlichen
Kultur erkannte. Es sind nicht schöne Statuen und Bauwerke, es
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12 J. Ranke:
ist nicht goldener Schmuck und mit Edelsteinen besetztes Kunst-
geräth, das sie uns verfuhrt, es sind roh zngehanene Steine, aus
Knochen gefertigte Werkzeuge und grobe Thonschcrhen, die uns zu
den bedeutsamsten Schlüssen geführt haben. Wie bei der Betrach-
tung einer Landschaft die Aussicht sich erweitert, je hoher man
steigt, so entdeckt die Wissenschaft neue Wahrheit, je weiter das
Feld ihrer Forschung reicht. Nun wissen wir, dass alle Kunst und
Bildung einen kleinen Anfang gehabt hat und dass die herrlichsten
Werke der Menschenhand aus rohen Versuchen erst nach und nach
entstanden sind. Durch die Anfliudung der zierlichen Statuetten
von Tanagra liegt die Entwicklung der keramischen Kunst von
den rohen Idolen von Troja bis zn jenen hochkünstlcrisehcn Dar-
stellungen vollständig vor unseren Augen. Die bemalten Schalen
und Vasen, auf denen die ganze griechische Mythologie dargestellt
ist, lassen sich zurückverfolgen bis zu den aus der Hand geformten
Bechern und Töpfen, die mit Eindrücken der Fingernägel geziert
sind. Da* thönerne Gefäss ist aber ans dem Korbe entstanden,
den man, um ihn zu dichten, mit Thon bestrich, der über dem
Feuer erhärtete. Aber wer lehrte dem Mensehen das Flechten des
Korbes? Wie so Vieles, was der Mensch erfunden zuhaben glaubt,
ein Vorbild in der Natur hat, so wird er auch das Flechten von
der Spinne abgesehen haben, deren ausgespanntes Netz dem Boden
eines geflochtenen Korbes gleicht/
„Nur die Kulturgeschichte ist die wahre Geschichte der Mensch-
heit. In der politischen Geschichte entscheiden die Zerstönuigs-
waffen, in der Culturgesehichte ist es die stille friedliche Arbeit des
Denkers, welche unserem Geiste neue Welten öffnet und zu Ent-
deckungen führt, die das ganze Leben des Menschen umgestalten.
Die grossen Weltreiche, welche die Ruhmsucht der Eroberer ge-
gründet, sind zusammengestürzt, die Errungenschaften der Kultur
aber gingen niemals verloren, die neuen Völker treten die Erbschaft
der alten an und was unter dem Schutt der Ruinen begraben liegt,
das bringt unsere Wissenschaft wieder an den Tag."*
„Die Freunde der Menschheit haben es oft ausgesprochen,
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Professor Dr. Hermnnn Selwafflmuscn, Geh. Medicinalrnth in Bonn. 13
dass die friedlic he Entwickclung der Völker ihr wahrer Beruf sei,
der allein zu Glück und Wohlfahrt führe, Andere halten das für
eine Schwärmerei und sehen im Kriege jenen wohltätigen Kampf
ums Dasein, der als ein notwendiges Naturgesetz, erkannt sei.
,Der Krieg, sagt Emil Zola, ist das Lehen seihst. Nichts in der
Natur besteht, nichts wird gehören, wächst und vermehrt sich an-
ders als durch den Kampf. Essen und gegessen werden, heisst die
Losung, wenn das Lehen in der Welt bestehen soll. Der Krieg ist
die Schule der Mannszucht, der Aufopferung, des Mutheg, er stärkt
Leih und Seele, er/engt die Kameradschaft in der Gefahr, giebt
Gesundheit und Kraft.' So kann nur der reden, welcher die Ent-
wiekelung der Menschheit nicht kennt. Diese zeigt uns vielmehr,
wie nur allmählig das Thier im Menschen gehändigt wurde durch die
Kultur. So gewiss diese den Cauihalisinus, das Menschenopfer und
die Vielweiberei unter den gesitteten Völkern beseitigt hat, so sicher
wird sie auch dem Zweikampf und dem Kriege ein Ende macheu,
wenn auch erst nach Jahrhunderten. Der Zweikampf ist in seinem
Ursprung nichts anderes als ein Aberglaube, der in seiner ältesten
Form noch mit «lern Canibalismns verbunden war, denn der Sieger
verzehrte den niedergeschlagenen Feind, um seine Tapferkeit sich anzu-
eignen. Was Schiller von der Geschichte der Menschheit vor 100
Jahren gesagt hat, sie hegleite ihu durch alle Zustände, die er er-
lebte, durch alle abwechselnden Gestalten der Meinung, durch seine
Thorhcit und seine Weisheit, seine Verschlimmerung und seine Ver-
edelung, das gilt noch mehr von der Altcrthumsforschnng, die nicht
wie jene nur aus den Uberlieferten schriftlichen Berichten schöpft,
sondern, diese ergänzend, uns die Hinterlassenschaften aller Zeiten
und Völker in Bauwerken, Geräthen, Waffen, Münzen, Kunstwerken
vorführt und damit uns das vollständige Bild von tler Entwicklung
der Menschheit aufrollt, wie sie nach dem Plaue des Weltschöpfers
sich vollzieht. Wir sehen den Bildungsgang des Menschenge-
schlechts von seinem Anfang bis zu der Höhe, die er heute erreicht
hat. Das bewahrt uns vor der übertriebenen Bewunderung des
Alterthums und vor der kindischen Sehnsucht nach vergangenen
J. Ranke:
Zeiten! Wir danken es aber der Alterthumsforsehung, «lau» sie uns
das Schönste und Hoste, was alle Völker für die Kultur einmal
geleistet haben, immer wieder vor Augen stellt, damit es uns nicht
verloren gehe. Das goldene Zeitalter, welches die Dichtung an den
Anfang der Geschichte gesetzt hat, ist für die Wissenschaft das
ferne Ziel, dem die Menschheit allmühlig entgegen reift."
So vereinigten sieh ihm Wissensehaft, Philosophie und Itcligion
in einheitlicher Weltanschauung.
In Schaafhausens Reden hei Congressen und in Gescll-
sehaftssitzungen ist ein wesentlicher Theil seiner wissenschaftlichen
Leistungen enthalten, hier hat er nicht weniger anregend gewirkt,
wie als akademischer Lehrer, wesentlich unterstützt durch seine Re-
herrschung der europäischen Kultursprachen, welche er schon durch
den Studien-Aufenthalt in Italien, in Paris und London weiter aus-
gebildet hatte.
Wenn wir im Einzelnen einen Rück anf die wissenschaftlichen
litterarischen Leistungen Schaafhausen s werfen, so steht seine lle-
theiliguug an den Jahrbüchern des Vereins von Altcrthutnsfrcunden im
Rheinlandc und an dem Archiv für Anthropologie oben an. Er ge-
hörte mit zu den Gründern des Archivs. Im Frühjahr lXon crlicsscn
Alexander Ecker und Heinrich Wclcker eine Einladung an
hervorragende deutsehe Anthropologen zum Zweck der Gründimg
eines eigenen Orgaus für die damals so rasch sich wieder auf-
schwingende Wissenschaft der Anthropologie. Schon bei der An-
thropologen-Zusammenkunft in Güttingen, wohin an das Grab Rlu-
menbach's C. E. von Raer im August 18(U eine Anzahl von
Vertretern der anthropologischen Forschung eingeladen hatte, war
im Princip die Gründung einer solchen Zeitschrift beschlossen wor-
den, aber erst vier Jahre später kam die Idee zur Kealisirnng.
Auf die Einladung der beiden Obengenannnten waren im Juni lHGf>
in Frankfurt a. M. Dcsor, Iiis, Lindcnschmit, Lucae, Schaaff-
hausen und Carl Vogt sowie der verdiente Vcrlagsbuchhändler
Ed. Vieweg erschienen, das Archiv für Anthropologie wurde ge-
gründet und die Redaktion den Herren Ecker und Lindcnschmit
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Professor Dr. Hermann Schaafhausen, Geh. Medicinalrath in Bonn. Iß
übergeben, die Namen der übrigen Mitgrttnder erschienen, mit einer
Anzahl anderer, auf dem Titel als Mitarbeiter. Sc haaff hangen
hat auch <lk«!*o übernommene Pflicht mit ununterbrochenem lutercssc
und gleichbleibender Treue bis an sein Lebensende gepflegt. Vom
II. Bande an finden wir Seh aaff hausen regelmässig mit Bei-
trügen betheiligt, zuerst : „Ueber die anthropologischen Fragen, der
Gegenwart" eine Programmrede (bei der 41. Naturforschervcrsamm-
lung 1867 in Frankfurt a. M. gehalten), welche in dem Wesent-
lichen der Anschauungen vollkommen jener letzten Programmrede
vom 25. Oktober 1891 entspricht, aus der wir oben einige beson-
ders charakteristische Stellen ausgehoben haben. Dann folgt im Bd.
III: „Ueber das Zweckmässige in der Natur", in Bd. IV: rDic Men-
schenfresserei und das Menschenopfer." Vom Jahre 1878 an er-
schienen dann im Archiv f. A. unter Schaafhausens spezieller
Redaktion die von der dentscheu anthropologischen Gesellsehft ver-
anlassten Kataloge der „anthropologischen Sammlnngcu Deutsch-
lands, ein Verzeichnis» des in Deutschland vorhandenen anthropolo-
gischen Materials." Schaafhausen hat sich ein bleibendes Ver-
dienst mit diesen Veröffentlichungen des Studienmaterials um die
wissenschaftliche Anthropologie erworben und alle, welche dieseu
Reichthum von Mcssimgsergebnisscn iu den geschickt und über-
sichtlich angelegten Tabellen noch nach langen Jahreu vergleichen
und durcharbeiten werden, müssen dem unermüdlichen Manne dan-
ken, diese Schätze anthropologisch wichtiger Daten zusammenge-
bracht und zugänglich gemacht zu haben. Bereits ist die zehnte
Sammlung iuveutarisirt : Bonn, Fraukfurt a. M. (Senekcnbergischc
Gesellschaft), Darmstadt (Naturalienkabinctt und Museum) alle drei
von Schaafhausen selbst bearbeitet; Göttingen von .1. W. Spcn-
gcl, Freiburg i. B. von A. Ecker, Königsberg i. Pr. von Kupffcr
und BesscI-Hagcn mit Anhang von Otto Tischler und Dr. Bu-
jack, Berlin I. Thcil von Brösike, II. von Rabl-KUckhardt, Bres-
lau von Wilger, Leipzig von E. Schmidt, München von R Udin-
gen Die letzte Arbeit Schaafhausen 's au seinem Todestag galt
diesen Katalogen. Auf seine Veranlassung hat sieh Herr Dr. med.
Iß
J. Ranke:
Mi es, einer seiner eifrigsten Schüler an die Arbeit gemacht, die
anthropologischen Sammlungen in Ueidelberg für diesen Zweck
durchzumessen und aufzunehmen. Eben waren die ersten Mitthei-
lungen von dort an ihn gelangt und wie ein Blatt auf seinem Ar-
beitstisch bewies, hatte er noch am Abend des Tages, in dessen
Nacht er ganz unerwartet verschied, an Heidelberger Schädeln
katalogisirt !
Die Zusammenstellung der Einzclpuhlikationcn Schaaffhau-
Ben's in verschiedene Gruppen je nach ihrem Thema hat uns einen
Anhalt dafür gegeben, wie vielseitig seine wissenschaftlichen Stre-
bnngen waren. Besonders bedeutsam sind für die Anthropologie
die zahlreichen Untersuchungen über Funde diluvialer Thier- und
Mensehenrcste in den Rheinländern Sehr wichtig für die Entwick-
lung der Lehre vom Diluvial-Mcnschcn und immer von neuem be-
sprochen ist der Ncandert haier Fund, der ganz besonders dazu bei-
trug, Schaafhausen 's Namen in der ganzen Welt populär zu
machen, und nicht zum wenigsten gerade im Kampfe der Meinungen
über diesen Fund haben sich die anfänglichen Urtheilc über die
Verwert hung angeblich diluvialer Mcnschcnknochcii für die Ent-
wicklungslehre im Hinblick auf die hypothetische Abstammung des
Mensehen geklärt. Auch hier gebührt sonach Schaafhausen ein
Dank der Wissenschaft.
Schaafhausen selbst hat zweifellos den grüssten Werth ge-
legt nicht auf seine Emzeluntorsuchungen, sondern auf seine Abhand-
lungen über allgemeine Fragen, in welchen er den Gcdaukcnrcich-
thum und die erstaunliche Vielseitigkeit des Wissens, die ihn aus-
zeichnete, voll zur Geltung bringen konnte. In jeuer oben erwähn-
ten Sammlung von 28 Vorträgen und Abhandlungen unter dem Titel:
Anthropologische Studien von Hermann Sehn Uffhausen, Bonn,
bei Adolph Marcus 1885 gross 8° GTT S. — ein Werk, welches
nach der Lektüre kein Anthropologe und kein Liebhaber der von
dieser Wissenschaft gestellten Fragen ohne reiche Anregung und
Belehrung und ohne inniges Interesse an der Person des Autors
aus der Hand legen wird sind nur solche umfassende Publikn-
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Professor Dr. Hermann Schaaffhausen, (ich. Modicinnlrath in Ron«. 17
tionen von ihm ausgewählt uud wieder publizirt worden. Die Titel
sind: 1. üeber die Lebenskraft, Ucbersetznng der Doctor-Disser-
tiition aus dem Jahre 1839. 2. Ucber die Fortschritte der Natur-
wissenschaften insbesondere der Physiologie. Habilitutionsrede 1844.
3. Die Fortschritte der menschlichen Bildung, 1848. 4. Die Natur
und Gesittung der Völker, 1X50. 5. Die Verbreitung des organi-
schen Lebens auf der Erde, 1853. 6. Ucber Beständigkeit und Um-
wandlung der Arten, 1853. 7. Die Hautfarbe des Negers und die
Annäherung der menschlichen Gestalt an die Thierform, 1860.
8. Ueber Schlaf und Traum, 1855. 9. Die Beziehung der Natur
zur bildenden Kunst, 1855. 10. Die Entwicklung des Menschen-
geschlechts und die Bildnngstahigkeit seiner Rassen, 1858. 11. Ueber
den Zusammenhang der Natur- und Lebenserscheinungen, 1865.
12. Ueber den Tod, 1859. 13. Ueber die Kunst gesund zu leben,
1 86t). 14. Die Gesetze der organischen Bildung, 1860. 15. Der
Kampf der Menschen mit der Natur, 1865. 16. Ucber den Zustand
wilder Völker, 1866. 17. Ucber die. Krafterzeugnng im thicrischen
Körper, 1867. 18. Ueber die anthropologischen Fragen der Gegen-
wart, 1867. 19. Ucber das Zweckmässige in der Natur, 1868.
20. Die Lehre Dar win's uud die Anthropologie, 1867. 21. Ueber
das geistige Wesen des Menschen, 1869. 22. Der Aberglauben uud
die Naturwissenschaft, 1870. 23. Ueber die. Menschenfresserei und
das Menschenopfer, 1870. 24. Ueber Mcnschenbildung, 1872.
25. Die menschliche Sprache, 1872. 26. Die Einheit des Menschen-
geschlechts, 1873. 27. Ueber den Zusammenhang der Anthropologie
mit der Ethnologie und Urgeschichte, 1873. 28. Die beiden mensch-
lichen Geschlechter, 1881.
In der Vorrede hebt Schaaf Ihausen hervor; „Alle wich-
tigeren Fragen der Anthro|>ologie, auch solche, die heute noch die
Forscher beschäftigen, haben nach dem gegenwärtigen Stande un-
seres Wissens ihre Besprechung und Beantwortung gefunden."
„Zwei in neuerer Zeit erst gewonnene Anschauungen sind in
allen diesen Arbeiten niedergelegt und, so verschieden ihr Inhalt
sein mag, sie haben sich alle die Aufgabe gestellt, die Wahrheit
Jahrb. d. Ver. v. AUertlnfr. Im Rhein). XCiV. 2
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1*
.1. Hanke:
derselben zu erweisen. Die eine fasst die ganz« Natur als ein zu-
sammenhängendes Ganze auf. nicht nur in dem Sinne, das* in der
bestellenden Weh Pflanze und Thier auf einander angewiesen sind
und beide das Unorganische zur Voraussetzung haben, sondern mit
der Annahme, dass in der Geschichte der Schöpfung alle organi-
schen Bildungen wirklich aus einander hervorgegangen sind. Die
andere sieht im Thier wie im Mensehen die Seelenthätigkeiten in
der innigsten Verknüpfung mit materiellen Vorgängen, so dass die
Entwicklung »las Seelen vermögen bis zum menschlichen Geiste immer
mit der Stufe der Organisation in nothwendiger Uebereinstimmung
steht. Im Menschen hat- die Schöpfung nach beiden Richtungen
hin ihre höchsten Ziele erreicht; die fortschreitende Entwicklung
ist aber ein so allgemein herrschemies Naturgesetz, dass auch er
noch nach höherer Vervollkommnung strebt. * 18. Juli 1885.
Wer die grosse Zeit des Nenanfsehwungs der Anthropologie
in der Mitte unseres Jahrhunderts kennen und würdigen lernen
will, wird immer auch auf S c h a a f f h a u s e n zurückgehen müs-
sen und noch nach Generationen wird sein Name unter den Be-
gründern der anthropologischen Disciplin mit Ehren genannt werden.
Wir vermissen ungern in den gesammelten Abhandlungen jene,
welche sieh speciell mit philosophischen Gegenständen oder mit
solchen der Alterthnmsktindc späterer Epochen befassen. Sie wären
wohl werth in ähnlicher Weise von einer pietätvollen Hand gesammelt
zu werden wie die mehr oder weuiger speciell anthropologischen,
deren Sammhing wir seiner eigenen Hand verdanken. Ich erinnere
hier speziell an: Ueher Baustoffe, ihre Herkunft und Dauer, 1859.
Ueber Steinmetzzeichen, 1886. Ueher Wissen und Glauben, 1862.
Ueber die Blutampnllen der römischen Katakomben, 1871. Ueher
die Todtenmaske Shakespeare 's, 1875. Die Thiere des römi-
schen Oircns in Trier, 188(1. Ueber anthropologische AlterthÜmer
in Kirchen, 1870. Die Kölner Thorburgen, 1882. Der Sarg des
heiligen Paulinus in Trier, 1884. Sollen wir unsere Statuen bema-
len? 1884. Ueber den Onyx von St. Castor in Coblenz, 1885. Das
Ideal der griechichen Kunst, 1**5. Ueber die Entwicklung des
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Professor Dr. Hermann Schaaffhauscn, Geh. Medicinalrath in Bonn. 19
Ornaments in der alten Kunst, 1880. Hülfsmittcl der neueren Altcr-
thumsforschung u. a.
Die ununterbrochene Einheitliehkeit der Weltanschauungen tritt
in all diesen Publikationen hervor: er hatte Iiis zum Tode recht:
„Unter anderen Einflüssen glauben wir uns zu verändern und blei-
ben, wie wir waren."
Aber in dieser gelehrten Thatigkcit, so gross ihre Ausdehnung
erscheinen mag, beschliesst Bich nicht die Wirksamkeit des Ver-
ewigten. Es drängte ihn, seine Kraft auch, so viel an ihm lag,
in den Dienst gemeinnütziger Bestrebungen zu stellen. Und so
sehen wir ihn als Mitglied und vielfach an der Spitze nicht nur zahl-
reicher wissenschaftlicher, sondern auch gemeinnützlicher Gesell-
schaften und Vereine sowie, gemeindlicher ('nrporationen, tiberall be-
strebt, an den Zielen auf das theilnehmcndste mitzuwirken, vielfach
die Seele jener Vereinigungen: S c h a a f f h a ti s c n war seit 1883
Präsident des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinlande, des
natnrhistorischeu Vereins der Preussischen Rheinlande und Wcst-
phulens, mehrere Male erster Vorsitzender der deutsehen anthropo-
logischen Gesellschaft, 1884 Interimistischer Vorsitzender der Com-
mission für die Provinziahnnsecn; er war Präsident des Vereins der
Rettung zur See, des akademischen Dombauvercius und 30 Jahre
lang des Kirehenvorstaudes seiner Pfarrgemeinde St. Remigius in
Bonn.
Er war ausserdem Ehrenmitglied von folgenden Gesellschaf-
ten: Der anthropologischen Gesellschaft von Berlin, München, Wien,
London, Paris, Florenz, Brüssel und Washington, des nassanischen
Vereins für Altcrthumskunde und Geschichtsforschung, des histori-
schen Vereins für den Niederrhein; ausserdem wirkliches oder korre-
spondirendes Mitglied: Der Xicdcrrhcinisch.cn Gesellschaft für Na-
tur- und Heilkunde, der Wctterau'schen Gesellschaft für Xatnrkunde,
der Senckenbcrg'schcn Naturforscheiideu Gesellschaft, der Gesell-
schaft nordischer Alterthumsforsclicr in Kopenhagen, der Kaiserl.
Leopold. Carol. deutschen Akademie der Naturforscher, der kaiserl.
Gesellschaft der Naturforscher in Moskau, des naturhistnrischen Ver-
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20 J. Hanke:
eins ftir Anhalt, der k. Gesellschaft der Architekten und Archäo-
logen Portugals, der Gesellschaft für Krdkunde in Met/, der Gesell-
schaft der Journalisten und Schriftsteller Portugals, des Vereins
für Mecklenburgische tieschichte und Alterlbuiusktimle, des Alter-
thums-Vcieiiis in Worms, der Soeicte d'Arehcologie \mi Brüssel,
und endlich Vorstandsmitglied des Römisch-Germanischen Museums
in Mainz.
Und wie gesagt, das sind nicht nur Titel, soweit es ihm mög-
lich war, hat er überall nicht nur mitgearbeitet, sondern die Arbei-
ten der bet rettenden Vereinigungen angeregt und geleitet. Wie rege
war sein Interesse, wie lebhaft und energisch sein Wunsch und
Bemühen, die Gcscllschaftszwecke zu fördern. Dawar es, als hätte
der so viel beschäftigte Mann sonst gar nichts weiter zu thun. Die
Gesellschaften, welche an ihm den Führer und das Haupt verlieren,
das die Hauptarbeit freudig übernahm und exakt und pünktlich lei-
stete, werden ihn schwer vermissen. Wie viel verdanken sie ihm,
voran der Verein von Altcrthumsfreiindcn im Rheinlande. Hei der
Jubelfeier des öojährigen Bestehens dieses Vereins im letzt vergan-
genen Jahre war S e h a a ff h a u sc n schon seit H> Jahren resi-
dent desselben und aus den Worten der Festredner klingt eine
Fülle wohlverdienter ächter Verehrimg und Anerkennung für den
Führer, in dessen Person sieh so lange Jahre das Streben der Ver-
einigung verkörperte. Wer hätte am 25. Oktober lH'.M — als der
Verewigte mit alter, scheinbar nicht zu bewältigender Frische das
Präsidium jener Feier führte und in begeisternder Weise in seiner
Festrede, die oben seine Abschiedsrede genannt wurde, ein Pro-
gramm der Vergangenheit und der Zukunft des Vereins ent-
wickelte - denken können, dass dieser beredte Mund so bald
für immer verstummen sollte. Der Rektor der Universität Geheim-
rath S t ra s b n r g c r . welcher das Wort ergriff, um im Namen
der Universität „den Verein von Rheinischen Alterthumsfreuudcu zu
ehren*4, gestaltete seine Rede ganz naturgemäss zu einer Ehrung des
Präsidenten. Auf das frische Leben, welches dem Studium der
Alterthuuisknnde cutsprosst, hatte Herr Strasburger das alte
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Professor Dr. Hermann Sdiaaffhaihscn, Gell. Mcdidnnlrath in Bonn. 21
Wortspiel in Webers Demoerit angewendet: „Die Alten sind die
einzigen Alten, die nie alt werden." „Diesen Ausspruch, so fuhr
der Redner fort, hätte ieh hier aber die Neigung, auch auf den
Vorsitzenden des Vereins, Herrn Seh an ff hau seil anzuwenden,
wenn ieh sehe, mit welcher Jugendfrischc und Begeisterung er noch
immer alle menschlichen Ideale pflegt, welche Arbeitskraft und Aus-
dauer ihm immer noch zur Verfügung steht. Er wird älter, ohne
zu altern, ja man sollte meinen, dass er nur älter wird, weil die»
das einzige Mittel ist, um lange zu leben. u
Der Verein der Altcrthntnsfrcunde hatte in Folge innerer
Gegensätze eine schwere Krise durchzumachen, als im Juli 1877
Schaaff hausen die Wahl zum Mitglied der Vorstandschaft an-
nahm; sein Eintritt in die Vorstandsehaft gerade in diesem Augen-
blicke war von hohem Werthe und half, den Verein Uber die be-
stehenden Schwierigkeiten hinwegznfuhrcn. Noch wichtiger für das
Vereiiisintercsse war es, dass er Anfang 1883 das Vereinspräsidium
übernahm, als sich der frühere Vorsitzende veranlasst sab, unter
dem 20. März 1883 aus diesem Amte zu scheiden. Schaafhausen
hat in diesen beiden Krisen den Verein gerettet und es verstanden,
die Mitgliederzahl auf ihrer Höhe zu erhalten. Während seiner
ganzen Vorstandszeit ist er unermüdlich im Vereiiwintercuae thätig
gewesen, Arbeiten, Referate, kurze Notizen zu liefern, neue Mit-
glieder anzuwerben, die alten zu erhalten, Heiträge zu beschaffen,
die Proviuzialverwaltnng für den Verein zu intcressiren, durch Ein-
gaben an die Staatsregierung und sonstige Behörden auf die Not-
wendigkeit der Erhaltung bestimmter antiker und mittelalterlicher
Bauwerke hinzuweisen, deren Erhaltung im Allgemeinen zu befür-
worten. War er doch schon 1*72 vom Ministerium berufen worden,
lllr die Erhaltung der Kunstdenkmälcr thätig zu sein. Wo er nur
immer nach dieser Richtung hin etwas thun konnte, war er immer
zur Hand und hat auch nie sich davor gescheut, sich dadurch event.
persönlichen Unannehmlichkeiten zu unterziehen. Wo er etwas für
wichtig erkannte, hat er es immer eifrig verfochten ohne Ansehen
der Person. Der Alterthumsverein hat an Sehnaffhausen viel
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2J
J. Ranke:
verlöre», gerade seine Vielseitigkeit war für die Vereinst hätigkeit
von besonderem Wertlie wie seine grosse persönliche LielHmswürdig-
keit, die er auch im Vereinslebeu niemals verleugnet hat und auek
hei allen ärgerliehen Anlässen, die auelt ihm uieht erspart gehliehcn
sind, zu hewahren wusstc.
Aueh die deutsehe anthropologische Gesellsehalt hat in ihrer
XIX. allgemeinen Versammlung im August lSHtf in Bonn unter
seinem hewälirten Präsidium einen Congress gefeiert, welcher an
wissenschaftlichem Erfolge keinem früheren oder späteren nachsteht
und der in seinem äusseren liebenswürdigen Verlauf, eingefügt in
die herrlichen Landschaften des Rheinlands, jedem Theilnelnuer un-
vcrgesslieh lieh bleibt. Auch der anthropologischen Gesellschaft
kam es da zu Gute, womit S c h a a f f h a u s c n für die von ihm
geleiteten Vereine Nonns und «1er Rheinlande so erfolgreich gewirkt
hat: sein eigenes lebhaftes Interesse für die Sache, seine grosse
Geschicklichkeit hei der Verwaltung, seine ausgedehnten Verbin-
dungen mit den ersten Kreisen der Rheinlande. Der Congress fand
sieh überall getragen durch das persönliche Wohlwollen der Hevölkerung
gegen den Präsidenten, dem zu Liebe so manches freiwillig und freu-
dig gethan wurde, was Niemand hätte befehlen können. Als, nur auf
die leichte Anregung Schaaffhauseirs hin, die leiden Ufer des
Rheins bei der Dampferfahrt zwischen Rolandseck und Bouu in
bengalischen Klammen weithin leuchteten, war das im Wesent-
lichen eine freie Opfergabe herzlicher Verehrung und Liebe gegen
den Manu, in welchem sich so viele ideale Bestrebungen der Rhein-
lande verkörperten.
Aber diese idealen Ziele verdunkelten ihm niemals den prak-
tisch tüchtigen Üliek. Sein Verwaltungstalcnt, welches in seinen Ver-
einsleitungen Überall zur Geltung kam, hat wohl nirgends wohlthütigcr
und erfolgreicher eingegriffen als in seiner Stellnng als Präsident
des Kirchenvorstandes St. Remigius in ltonn, seiner Pfarrgemeindc.
Dreissig Jahre hindurch hat er unter Opfern und Mühen die äusse-
ren Angelegenheiten der Gemeinde geleitet. Als vor einigen Jah-
ren die furchtbare Katastrophe über die Kirche hereinbrach, in der
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Professor Dr. Hermann Si-li.-uifTliaiü-en, Geh. Mcdicinalratli in ßonu. 23
die 8ännutlk'lien Pl'arrgcbäude durch Brand zerstört und die Kirche
seihst ihres Daches beraubt und im Innern verwüstet wurde,
da war es seiner Umsieht und seiner Thatkraft zu danken, dass in
verhältnismässig kurzer Zeit sieh aus den Trümmern ein neuer
Bau erhob, schöner und würdiger noch als die alten Kloster-
gebäude. Noch in der letzten Woche seines Lebens ist er thätig
gewesen, seit dem Autaug des Jahrhunderts streitige und verworrene
rechtliche Verhältnisse der Gemeinde in friedlicher Weise zu
ordnen.
Aber wo soll mau anfangen, wo aufhören über seine umfas-
sende Thätigkeit zu berichten. Und doch haben wir auch in diesen
reichen Combinationen noch nicht den Maua ganz kennen gelernt.
Mit einer seltenen jugendlichen Geistesfrische hat er nicht nur für
die Wissenschaft, sondern für Alles Gute und Edle geschafft und
gearbeitet, immer nur an das allgemeine Wohl, an das Beste An-
derer denkend, nie Anerkennung und Dank für die eigene Person
begehrend. Er fand reichen Lcbcnsgenuss in der trenesten Pflicht-
erfüllung und unermüdlichen Arbeit. Ein Ausruhen kannte er ja
selbst au dem letzten Tage seines Lebens nicht. Fast jede seiner
zahlreichen Reisen hatte einen wissenschaftlichen Zweck und wie
er die vorgeschichtlichen Fundstätten seiner geliebten rheinischen
Heimat aufdeckte, so finden wir ihn in fast allen Ländern- Europas
mit dem Grabspaten oder dein Schädelniesscr in der Hand.
In dem letzten Sommer noch kletterte der 76jührigc über
den Steinring auf der Spitze des Rheinischen Petersberges, um ihn
genauer auszuinessen und freute sich der herrlichen Aussicht von
der Steinpyramide auf der Kuppe der Löwenburg, die er im Inte-
resse der Besucher des Siebengebirges hatte errichten lassen. Ge-
wiss war diese einzige Frische des Geistes umj diese Jugendlich-
keit des Empfindens in der Vielseitigkeit seines Charakters und sei-
ner Interessen uiitbegründet.
In Bonn, während des Semesters, gab es bei so vielerlei Ar-
beit und Verantwortung ja kaum eine Mussestundc. Aber mit dem
Semester schloss seine Arbeit keineswegs. In die Ferien fallen
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J. Ranke:
Heine Studienreisen und auch der Aufenthalt auf seinem schönen
Landgut bei Honnef am Khciu, wo so Viele, theilnehmcnd an der
edlen Gastfreiheit des Hause*, frohe und glückliche Stnudeu ver-
leben durften, war nicht nur der Ruhe gewidmet. Fand mau ihn
aber auch auf seinem Landgute nicht an seinem Arbeitstische, so hatte
die rastlos fleissige Hand die Feder mit dem Pinsel vertauscht und eine
grosse Anzahl ansprechender Aquarellmalereien beweist, wie geschickt
er auch diesen zu führen vermochte, wie weit er die frühe Jugendlicb-
haberei und Geschicklichkeit auszubilden verstanden hatte. Und zahl-
reiche Gedichte, vollendet in der Form, voll tiefen Empfindens und hohen
Gehaltes, erzählen, wie er die Dümmerstunde des Herbstabends
benutzt hat. Und wenn dann die Seinen ihu ans trauliche Knmin-
feuer riefen, dann war es seine grösstc Freude mit einer der Töch-
ter zu inusieiren und sein Violon Cello war ihm immer ein lieber
treuer Freund geblieben. Musik war ihm überhaupt eine der rein-
sten und schönsten Genüsse und manches Bonner Musikfest, zuletzt
noch das Sehumannfcst 1880, verdankte seiner vorzüglichen Leitung
das glanzende Gelingen.
So glücklieh dieses Lehen war, so ist ihm doch der tiefste
Schmer/, nicht erspart geblieben. In) Sommer 1871 verlor er ganz
plötzlich am Herzschlag die heissgeliebte Gattin, und zwei Söhne
sind ihm im Tode vorangegangen. Nach dem frühen Tode der
Gattin, der er bis zuletzt mit stillem Weh nachtrauerte, wusste er
den Kindern neben der ernsten Fürsorge des Vaters auch die milde
Liebe der Mutter zu ersetzen; dieser Vater und die voll zärtlicher
Liebe an ihm hängenden Kinder — es war ein Bild echt deutschen
innigen Familienlebens, dessen Zauber kein Herz sieh entziehen
konnte, dem es vergönnt war, in diesen genillthvollen Kreis hinein-
zublicken.
Wie vielen hat er Freundschaft erwiesen; wenn Uneigeimützig-
keit und Selbstlosigkeit die Freundschaft ausmachen, dann besass
Schaafhausen sie im vollendeten Sinne des Wortes. Bei ihm
fand der Freund nicht nur liebenswürdige Theilnahme, sondern
auch opfervolle Unterstützung. Und Allen, jeden Standes, war
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Professor Dr. Hermann Schaafhausen, Gel). Mcdicinnlrath in Bonn. 25
dieses Herz offen. Wenn er zur Erholung die ländliche Ruhe auf-
gesucht hatte, dann lenkte er seine Schritte in die Hutten de»
Elends, nm als Arzt und als Woliltliäter den Schmerz zu lindern
und der Noth zu steuern, mit den Almosen brachte er Trost und
schon durch sein eigenes! freudiges, liebevolles Wesen Vertrauen und
Hoffnung. Im Jahre 1870 vertraute ihm ciu in Bonn gebildeter
Verein die Gründung und ärztliche Leitung eines Vcrcinslazarethes
mit (»8 Kranken an, dem er bis zu dessen Aufhebung im November
mit selfeu glücklichem Erfolge vorstand. Es war rührend zu sehen,
mit welcher Liebe und Verehrung die verwundeten Soldaten an ihm
hingen und mit welcher Hingebung und Aufopferung er für sie
»Sorge trag.
Dieses reiche, ideale, poetische Emptindungslchcn basirtc auf
tiefer, herzlicher Religiosität. Nur wenn man auch diese Seite sei-
nes Wesens berücksichtigt, kann mau den Mann ganz verstehen.
So ernst es ihm um seine Wissenschaft war, in der er seine An-
schauungen und Resultate unverhohlen nnd scharf zum Ausdruck
brachte, — er hat sich doch weder äusserlich noch innerlich jemals
von seiner Kirche getrennt. Er war bis an sein Lebensende ein
frommer römisch-katholischer Christ — und hat nie Hedenken ge-
tragen, mit dem vollen Muthc der Ucberzeugnng sich offen und
unumwunden als solchen zu bekennen. Schon im Jahre 1830 sagt
er am Schlüsse seiner Doetordissertation: „Dass wir nach dem
Dasein Gottes suchen und forschen, dass dieser Hegriff, wo wir
immer das Wesen der Dinge ergründen, beständig unserer Vernunft
begegnet und unvermeidlich ist und um so fester gehalten wird,
je edler von Gcmüth wir selber sind, das ist ein Beweis, der für
uns hinreicht. Was unserer innersten Natur angemessen ist, was
sie verlangt, das muss wahr sein. Wie soll der Geist, welcher den
Tod verachtet, ihm unterliegen können! Wohin er entflieht, von
welcher Gestalt er sein mag, wenn der Leib von ihm gefahren ist,
wie er fortan leben wird, dass wissen wir nicht und es wird uns
stets versagt sein, dies zu wissen. Alles was uns Xoth thut, hat
uns die Natur gegeben, wir sollen es erkennen, gemessen und weise
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26
J. Ranke:
nützen. Das aber ist die Tugend, die Alles Ströhens Ziel sein soll,
das« der (»eist des Leibes Kräfte stets vollkommener gebrauchen
lerne und ihnen gebiete, das» er in allem Thun und Denken der
Natur heilige Spur verfolge und auf dieser Dahn die Weisheit
suche."
Und als Siebziger, bei der Feier des äOjährigen Pricsterjubi-
läums des Pfarrer» seiner Kirchengemeindc hat er in begeisterter
Rede die erhabene Aufgabe des Priesterthums entwickelt und es
laut und offen ausgesprochen, das» „die Religion das höchste Gut
der Menschheit" sei.
Aber Schaa f fhansen war trotzdem, das» ihm der Gedanke
der Einheit des Menschengeschlechts als Ausdruck fortschreitender
Gesittung so warm am Herzen lag, wodurch er keine Grenzen zwi-
schen den Völkern anerkannte, und trotz, oder besser in seiner lie-
benden Anhänglichkeit an seine rheinische Heimat h ein begeisterter
deutscher Patriot, er war es in guten und schlimmen Tagen, stet»
hielt er den grossen Gedanken des Vaterlandes hoch. „Oeffentlieh
ist er. so hie»» c» in seiner Grabrede, wenig hervorgetreten, aber
Sinn und Herz folgten mit reger Theiluabine den Geschicken de»
Vaterlandes, und seine feurige Liebe galt dem erhabenen Herrecher-
hause, unter dessen Seeptcr er mit inniger Freude Deutschland
gros» werden »ah und dessen Häuptern er persönlich so nahe treten
durfte. Stets aber wnsstc er seine Vaterlandsliebe mit der Unab-
hängigkeit der Gesinnung und der Würde des freien Mannes zu
paaren. Nie hat er »ich vor den wandelbaren Götzen der Zeit
gebeugt."
Wir kehren schliesslich zum Ausgang unserer Betrachtungen
zurück.
Wer kann sieh auch nach dieser, der Natur der Verhältnisse
nach nur sehr ungenügenden Schilderung dieses Charakter» nun
darüber noch verwundern, dass die Theilnahme an dem Hinscheiden
Schaafhausen'» eine so allgemeine, so wahre gewesen ist.
Nicht nur die deutsche Anthropologie und Altert humswissenschaft
haben einen ihrer berühmtesten Vorkämpfer, Deutschland einen »ei-
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Professor Dr. Hermann Sdiaaffhau.sen, Geh. Medirinnlrnth in Bonn. 27
ncr allwRrU» genannten Gelehrten verloren, der Verlust trifft in
gleich hohem Masse das bürgerliche, wie das gelehrte Lehen nicht
nur Bonn s, sondern des gesummten Kheinlandes, vor allem jene
zahlreichen gelehrten und gemeinnützigen Gesellschaften, deren ver-
ständnissvoller und allseitig verehrter Leiter er so viele Jahre lang
gewesen. Dass die geistig so rege Rhcinproviuz auch in der Pflege
der Anthropologie und der Altcrthumskundc nach wie vor eiueu so
vornehmen Rang behaupten konnte, ist, wie bei seinem Hinscheiden
allseitig und einstimmig zum Ausdruck kam, zum grossen Theilc
seiner anregenden, fordernden und nicht am wenigsten auch seiner
vermittelnden Thätigkeit zu verdanken. An seinem Grabe wurde
freudig hervorgehoben, dass er bei allem Scharfsinn auch als Gelehrter
niemals das warme rheinische Gcmüth verleugnet habe, dass er
nicht nur Naturforscher, sondern vor allem auch Naturfreund war.
Wie er sein Streben Uberall den» Wohl der ihn umgebenden Kreise
widmete, so hat er es auch verstanden, seiner Xaturfrcndc eine
praktische hilfreiche Bcthatigung zu geben, in reger Theilnahme nn
jener stillen Arbeit, welche, der Erhaltung und Verschönerung der
rheinischen Landschaft, seiner geliebten lleimath, gewidmet ist.
Hermann Schaaff hau sen war im wahren Sinne des Wortes
ein Lebcnsküustler.
nJa, sie haben einen guten Mann begraben — und uns war
er mehr."
J. Ranke.
2*
J. Ranke:
Verzeichniss
kleiner Müllieilungen und grosserer Aulsiit/.c uml Abhandlungen zur
Physiologie, Anthropologie, Urgeseliiehte und Archäologie
von
Professor Dr. H. Schaaffhanaen.
Vtrh. «I. n. V. Wrlmmll. rtV» nntiirliM, V, r«li«i für Hhi inl. uml WeMf. - S.H ^- Sitznncnb.
«I. nMerrti. «CM-llschaft fllr Nnnir- und IMIknmlv. Jntirk tl. V. v. A. - J.ihrl>l>chor «Iis
Vit«' In» von Altcriliuiiü'fr. Im Klioinlniiü.
1) De vitae viribus. Disscrtalio inaugunilis. Berolini MDCCCXXXIX.
2) lieber Xcrvcnthoilung in den Muskeln und über das Verhältnis* der
KlektrizitUt /.nr Nervenkraft. A. Bericht über d. Naturf.-Vcrs. zu Aaelien
1847. S. 1«3.
3) Der Fortschritt der menschlichen HiUlunj;-. Deutsche Viertcljahrsschr.
Stuttg. u. Tüh. 1818. I. S. 1.
4) Die Natur und die Gesittung der Völker. Kbendas. 1850. 1. S. 170.
5) 1'eber die Phrenologie. S. R. 21». Juli 1*52, Köln. Zeit. 2. Aug. 1852.
»») Ueber das Tisehriieken. Köln. Zeit. 17. April 1*53.
7) reber Beständigkeit und Umwandlung der Arten. Verh. d. n. V. 1853.
S. 420.
8) Die Verbreitung des organischen Lebens auf der Krde. Deutsehe
VierteljulirsHchrilt 1851. I. S. 188.
!>> lieber Hirn und Seele. Verh. d. n. V. 1854, S. B. II.
10) Die Hautfarbe des Negers und die Annäherungen der menschlichen
Gestalt an die Thierform. Naturforscher-Versammlung zu Güttingen
1851. A. Bericht 1800. S. 10.1.
11) Ueber die Grenzen des Thier- und Pflanzenreichs. Verb. d. n. V. 1856,
S. B. XXIV.
12) l'eber das» Vorkommen fossiler Mensehenknochen. Verlud. u.V. 18S5. S.:t0.'J.
13) l'eber Schlaf und Traum. Morgenblatt 1N55. Nr. 35 n. 30.
I I) Die Beziehungen der Natur zur bildenden Kunst. Kbendas., Nr. 52
und Kölner Domblatt 1*55. Nr. 120
15) l'eber künstliche Kntwieklung der Froschlarven und über einen rotheu
Pilz auf Kleister. Verh. d. n. V. IST»«, S. B. S. XLLX.
Ifi) Aultindung des Monas Okenii bei Bonn. Kbendas., S.B. S. LXVII.
17) l'eber Algenpapier. A. Ber. üb. d. Naturf. -Vers, in Wien 185G. S. 13.
18) Lieber die in einer Kalkhöhle des Neanderthals gefundenen mensch-
lichen Gebeine. Verb. d. n. V. 1857, Correspdzbl. S. 50.
üb Ueber den Schädel dieses Skelels und über primitive und künstlich
entstellte Schildel. Kbendas., S. B. S. XXX VI II.
20) l'eber den Bau des Rückenmarkes. Kbendas., S. B. S. X.
21) Die Kntwieklung des Menschengeschlechts und die Bildungstahigkeit
seiner Rassen. A. Bericht über die Naturf.-Vers. in Bonn 1857. S. 73.
22j Die Nervenendigungen auf den Muskeln. Kbendas. S. li«3.
Digitized by Google
Professor Dr. Hermann fichaaffhausen, Och. Medicinalrath in Bonn. 29
23) Udicr den Bau der Muskelfaser. Vcrli. d. n. V. 1858, S. B. S. CXUIl.
24) Uebcr don Zusammenhang der Natur- und Lebenserscheinungen. A. Be-
richt über die Naturforscher-Versammlung zu Carlsruhe 1858. S. 31.
25) Johannes Müller, ein Nekrolog. Köln. Zeit. 2. Juni 1858.
215) Ueber alte Schiidel Norddeutschlands und über geschwänzte Menschen.
Verb. d. n. V. 1858, S. B. S. XLl.
27) Zur Kenntnis* der Iiitesten Kassensehäidel. Müller s Archiv 1858, ab-
gedruckt in den Jahrb. d. V. für mecklenh. Gesch. u. Altcrthumsk.
1850, übers, in der Nat. Bist. Hev. London 18U1.
28) Ueber einen fossilen MeuM-henschädel von Bamberg und eine eigen-
tümliche Metamorphose von Menschenkuoe.hen. Verb. d. n. V. 1855),
S. B. S. 68 u. 69.
29) Ueber Monas Okenii. A. Bericht d. Naturf.-Versamml. in Karlsruhe
1869. S. 210.
30) Uebcr Baustoffe, ihre Herkunft und Dauer. Kölner Domblntt l.Sept. 1H69.
31) Kuocheu aus dem Lös« von Maastricht und über die Urzeugung. Verb,
d. n. V. 1859, Corrcspdzbl. S. 50.
32) Ueber einen Schiidel au» einem Hünengrabe bei Uelde. Ebenda». S. 103.
33) Ueber einen Rönicrschadel au« Köln, über Menschenreste aus dem Löss
von Mastricht und alte Funde bei Bamberg. Verb. d. n. V. 1860,
S. B. S. 32.
34) Die mikroskopische Struktur fossiler Knochen und die Kiesclgerllthe
von Abbeville. Ebendas. S. 34.
35) Ueber die Knochen von Mastricht und über v. Baer's Schriften über
die Papuas und die Maerocephalen der Krim und über Hirnwindungen.
Ebendas. S. 122.
36) Ueber Arndt's Todtenmaskc. Verb. d. n. V. 1860, S. B. S. 69.
37) Ueber Darwin'* Schrift: über den Ursprung der Arten und über Ver-
wandlung einer Alge in ein Moos. Verb. d. n. V. 1801, S. Ii. S. 3.
38) Ein fossiler Affcukuochcn aus dem Hheinthal in Dannstadt. Ebendas.
S. 6.
39) Ueber Urzeugung. Ebendas. S. 106.
40) Ueber Wissen und Glauben. Kölner Dotnblatt 4. Mai 1862.
41) Ueber die. Pulsfrequenz und einen kranken Rönicrschadel. Verb. d.
n. V. 1862, S. B. S. 24.
42) Ueber Crctinismp.s und die Anstalt des Dr. Guggenbülil. Ebendas. S. 75.
43) Die Anthropologen-Versammlung in Güttingen. S. B. Köln. Zeitung
28. Marz 1862, II.
44) Sur l'origine et sur les metamorphoses des monades. Comptes rendus
de facad. d. sc. Paris \*2. Mai 1862.
45) Ueber den Gorillaschadei. Verb. d. n. V. 1862, S. B. S. 160.
46) Uebcr alte Steinbilder von Boggendorf bei Comniern. Ebendas. S. B.
S. 201.
47) Ueber den Affen des Rheinthals, einen Zahn von Bbinoceros tieborrh.
und Knochen des röm. Castrum bei Enger«. Verb. d. n. V. 1803, S. B. S. 29.
48) Resumc des recherches sur la gencratinn spontaner. Cosmos, revue
encyclop. Paris 1H«3 XII 22. p. 629.
J. R linke:
49» Zur Generatio ae<p;tivoca. Verh. d. n. V. 1X63, S. B. R. 113.
50) Heber den Nennderthnler SchÄdcl, Lyell'« und Huxlcy's Ansieht darüber.
Ebendas. S. 130; uiilgcth. in d. Bull, de 1h Soe. d'Anihrop. 1863. p. 314-17.
51) Fossile Knoehen von Wülferath. Ebendas. S. 147.
52) Funde römischer Schädel in Köln und Erhaltung der Blntscheiben in
fossilen Knoehen. S. B. Köln. Zeit. 2. Sept. 1863. II.
53) Ueber fossile Knochen von Grevenbrück. Verh. d. n. V. 1804, R. B. S. liO.
54) Die Eingeborenen von van Diemenslnnd. Ebenda«. S. 56.
55) Mannnuthknochcii aus der Lippe. Ebenda». S. 91.
50») Ueber Urzeugung: und über die. Nenndcrthaler Knochen. A. Bericht
Uber die Naturf.-Vcrsnmml. in Glessen 1864. S. 1X3 u. 194.
57) Teber den Gorilla. Verh. d. n. V. 1864, Correspdzbl. R. 95.
58) Ueber einen Germaucnsehadcl von Ingelheim. Ebenda«., R.B. S. 113.
59) Ueber verwitterte Feuersteine, ein seltene« Fischgehiss und einen bei
Olinütz gefundenen RchHdel aus der Bronzezeit. Ebenda«. 18155, S.B. R.62.
«50) Fossile Schädel aus heldischen Höhlen und Fuhlrott'« Rehrift: Der
fossile Mensch an« dein Neanderthale. Ebenda«., R. B. S. 75.
61) Der Kampf des Menschen mit der Natur. Bonn 1865, übersetzt im
Anthropological Review V. 1H67. p. 276.
62) Das Wachsthumsgesetz de« menschlichen RchHdel«. A. Bericht d.
Naturr.-Versamml. in Hannover 1865. R. 242.
63) Ueber den Zustand der wilden Völker. Arch. f. Anthropol. 1. 1K6*i. R. 161.
64) Fossile Knochen au« der Tcufelsknniiiier und ein Fall von Trichinen-
Erkrankung. Verh. d. n. V. IKttß, R. B. fi. 11.
65) Ueber R.lugethierreste aus den westfälischen Höhlen. Ebenda«., Cor-
respd/.bl. S. 46.
66) Ueber da« Alter des Menschengeschlechtes, über makrocepbale RchHdel
und die SchHdel vom Uelde. Ebenda«., S. B. S. 76.
67) Sur la forme primitive du crAne humain. Congres de Pari« 1S67.
p. 409; übers, im Anthropol. Review VI. 1868. p. 412.
68) Die neuesten Arbeiten auf dein Gebiet« der Anthropologie. Verh. d.
n. V. 1867, S. B. R. 58.
69) Ueber die Darstellung von Thierbildern. Ebendas. R. 84.
70) lieber die Krafterzeugnng im thierischen Körper. Ebenda«., Cor-
re«pdzbl. S. 74.
71) Ueber die Organisation der Infusorien. Ebenda«. 18IW, Correspdzbl. R. 52.
72) Ueber die Bildung des Eiters. Tageblatt der Naturforscher Versamml.
in Frankfurt a. M. 1867. R. 56.
73) Ueber germanische Grabstätten am Rheni. Jahrb. d. V. v. A. 1S68.
XLIV u. XLV. R. 85.
74) Ueber einen Zwerg von 61 Jahren. Verh. d. n. V. 1868, S. B. R. 26.
75) Ueber die Urform des menschlichen fichlldels. Festschrift tler niederrh.
Ges. zur 50 j Mir. Jubelfeier der Universität Bonn 1X68. S. 59, im Aus-
züge Archiv f. A. III. 1X68. S. 321.
76) Ueber die anthropologischen Fragen der Gegenwart. Naturforseher-
Versamml. in Frankfurt n. M. 1X67. Archiv für Anthropologie II. 1868.
S. 327 und Revue d. cours scientif. lx«X. Nr. 18.
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Professor Dr. Hermann Schaaffhausen, Geh. Mcdicinalrath in Bon». 31
77) Uelior das Zweckmässige in der Natur. Kbendas. III. 1868. S. 87.
78) Die Lehre Darwin's und die Anthropologie. Journal ol* the Anthrop.
Roc VI. London 1868. p. CVIII und Archiv für Anthrop. III. 1868. S. 259.
79) Bericht über die Schritten von Bleck: Ursprung der Sprache, Weeh-
niakoff: Die geistige Produktion, und von Maack: Urgeschichte
Schlcswig-Holsteins. Archiv f. Anthrop. III. 18»». S. 308 -314.
80) Die Verhandlungen der anthrop. Sektion auf der Naturf.-Versaminl.
in Dresden. Kbendas. S. 327.
81) Bericht über den internationalen Congrcss in Bonn. Kbendas. S. 332.
82) Bericht über den Pariser Congress für vorg. Anthropologie voji 1K67.
Kbendas. S. 339.
83) Das Archiv für Anthropologie. Allg. Zeit. 17. Mai 1868, Beil.
84) lieber die Krforschung der Höhlen und über Funde bei Grevenbrück.
Verb. d. n. V. 1869, Correspdzbl. S. 133.
85) Ueber Aschenumen von Saarow, über GerHthe aus einem Pfahlbau
im Warnitzsee, eine vorgeschichtliche Ansiedlung im Laacher See
und römische Funde hei Kretz. Verl), d. u.V. 1869, S.B. S. 114—118.
86) lieber anthropouiorphe Missbildungen. Verb. d. n. V. 1870. S. Ii. S. 18.
87) Ueber Htfhlenfunde im Hönnetlinl. Kbendas. S. 111.
88) lieber die Menschenfresserei und da« Menschenopfer. Archiv für
Anthropologie IV. 1870. S. 215.
89) Bericht über den internationalen Congress in Kopenhagen von 1869.
Archiv f. Anthropol. IV. 1871. S. 341.
90) lieber Fr. X. Kraus: Die Blntampullen der riim. Katakomben, Grab-
funde in Andernach, Ober-Ingelheim und Honnef. Jahrb. d. V. v. A. L.
1871. S. 275 n. 287.
91) Ueber die Methode der vorgeschichtlichen Forschung. Archiv für
Anthropol. V. 1871. S. 113.
92) Ueber Steindenkmalcr in Hannover und Westfalen. Ber. über die
Anthrop.-Vers. in Schwerin 1871. Correspdzbl. d. Deutsch, anthropol.
Gesellschaft Nr. 6-10. S. 55.
93) Vergleich des Menschen mit den Anthropoiden. Kbendas. S. 66.
94) lieber den Werth der Crnniologie und über den Schädel des Witte-
kind. Verb. d. n. V. 1871, Correspdzbl. S. 76.
95) Ueber das Chloromelanitbeil von Wesseling. Jahrb. d. V. v. A. L.
1871. S. 290.
96) Die Anthropologen- Versammlung in Schwerin. Köln. Zeit. 4. Oet. 1871.
97) Ueber Menschenbildung. A. Bericht über die Naturforscher- Versaminl.
in Leipzig. 1872. S. 96 u. Revue scientif. Paris 1873. Nr. 30.
98) Ueber Messung von Blntscheibcheu. A. Bericht der Naturforsch er-
Versamml. in Leipzig 1872. S. 153.
99) Zwei ältere Funde aus der Balver Höhle, der Schädel einer Austra-
lierin und der von Camburg. Verb. d. n. V. 1872, S. B. S. 1H.
100) Ueber die Urzeugung des Kozoon ennadensc und den Weinhefepilz.
Verb. d. n. V. 1872, Correspdzbl. S. 89.
101) Ueber die Baiverhöhle und über den Ursprung der Fermente. Kben-
das., S. B, S. 96.
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32
J. Ranke:
102) Ueber das Skclct von Mcmone und über Funde bei Themar und
Vlotho. Ebenda*. S. 11">.
103) Ueber prähistorische Anthropologie. Congres intemat. d'Anthrop.
etc. de Bruxelles 1872. p. ">3ö.
101) lieber den Fund in Mentono, über rnh gebildete Schädel, Bronzccelte
und Steinbeile, sowie über Microeephalie. Herielit über die Anthrop.-
Vers, in Stuttgart 1872. S. 42.
10f>) l'eber Hügelgräber am Niederrhein. Ebendas. S. 62.
106) Keihengräber bei Obcrholtdorf, Hügelgräber bei Siegburg, Altcnrnth
und Dünnwald, der Hollstein bei Troisdorf. Jahrb. d. V. v. A. LH.
1S72. S. 176.
107) Ueber Quetelet's Anthropotnetrie und über Weisbach's Messungen.
Archiv f. Anthropol. V. 1872. S. 4f>7 u. 4*58.
108) lTel»er Grewingk's Schritt: Heidnische Gräber in Lithauen. Ebetidas.
S. 227.
109) l'eber den Zusammenhang der Anthropologie mit der Ethnologie
und Urgeschichte. A. Bericht über die Anthropologen Vcrsamml. in
Wiesbaden 1873. S. 1 und Kevuc scientif. 1873. Nr. l.">.
110) Bericht über die Anthropologen-Versammlung in Wiesbaden. Köln.
Zeit. 8. October 1873.
111) l'eber Bilder des Mammuth, rohe Schädel, den Fund von Coblcnz.
A. Ber. d. Vers. d. Nnturf. u. Aerzte in Wiesbaden 1874. S. 192.
112) Ein römischer Fund in Bandorf. Jahrb. d. V. v. A. Llll. 1873. S. 100.
1 13) Die BrunncngrHhcr der Nordseewatten. Arch. f. Anthrop. VI. 1873. S. 308.
114) Ueber vorgesch. Funde in Westfalen, frühere Verbreitung der Lappen
und die Schädclmessung. Ber. über die Anthrop.- Vers, in Dresden
1874. S. 44, 58 u. 64.
Iii») l'eber Ausgrabungen in Wörby.ig. Verhandl. d. naturhist. Vereins
für Anhalt in Dessau 1874. S. 33.
116) Verwandlung der Hiriisubstatiz in Adipocire. Verl», d. n. V. 1874,
S. B. S. 80.
117) Ein Kinbauni aus dem Laacher See, ein Lappcnschäde) aus dem alten
Bett der Lippe, ein Eisen in einem Krotzenstcin von Plaidt und die
Zeit der letzten vulkanischen Ausbrüche am Ithein. Verl», d. n. V.
1874, Corrcspdzbl. S. 72.
118) Zusätze zu SpengelV Katalog der ßluinenbnch sehen Schädelsamm-
lung in Göttingen. Braunschweig 1874.
119) Bericht über den internationalen Congress in Stockholm. Archiv f.
Anthropol. VII. 1874. S. 274.
120) Fossile Knochen aus dem Ncaudcrthal, die Triukschale von München-
Gladbach und über peruanische Alterthümer. Verb. d. n. V. 1S7">,
S. B. S. 136.
121) Die Untersuchung westfälischer Höhlen. Ebendas. S. 273.
122) Fränkische Gräber in Obercassel und über Kepholona. Ebendas. S. 169.
123) l'eber die Martinshöhle. Ebendas., Corrcspdzbl. S. 109.
124) Ueber die Todtetnnaske Shakespeare s. Jahrb. der deutschen Shake-
speare-Gesellschaft X. 1875.
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Professor Dr. Hennann Schaaifhausen, Och. Medicinalrath iu Bonn. 33
125) Die Literatur der Urgeschichte vom Oct. 1874-75. Arcliiv für An-
throp. VIII. 1875.
12«) üeber Schädeltnessung, westfälische Höhlenfunde und den germani-
schen Typus, Ursprung der Franken. Bit. über die Antbrop.-Vers.
in München, 1875. S. 56, <>3 und 80.
127) Ueber das llothwerden alter Haare. Ebenda*. S. 198.
128) Uebcr Lubboc.k's Werk: Die vorgeschichtliche Zeit. Arcliiv für An-
thropol. VITI. 1875. S. 249 und von Sybel, Inst. Ztscbr. 1«7Ü. 1. L.
129) Ein frttnkischer Goldring mit Ituiien, die Mongolen im Alterthum,
rohe Schiidelfonnen und der Thorhammcr. C. r. du Congres de
Stockholm. 1876. p. 646, 81Ü, 84 1 u. 8-15.
130) Ueber Häckel's Anthrnpogcnie und über Schriften von de Meester de
Kavestcin und Ouvaroff. Arcliiv f. Anthropol. IX. IHTfi. S. KM).
131) F. Zuckerkaiidl*s Bericht über die Novara-Schädcl. Ebenda*. S. 11»?.
132) Der internationale Congrcss für vorg. Anthropologie iu Pesth. Ur-
sprung des Menschen, F.nt wickhing der Cultur, Bild des Neander-
talers. Ebendas. S. 277.
133) Bronzeccltc von der Weser, Gewicht der Bronzen und ein Götzen-
bild von Nymwegen. Verh. d. n. V. 1876, S. B. S. 28.
134) Ein röm. Pinienzupfen, bei Dormagen gefunden und der pliocene
Mensch in Toscana. Ebeudas. S. 46.
135) Ueber II. Fischers Werk: Nephrit und Jadeit. Ebendas. S. 246.
136) Ueber den Stillstand des Lebens und über einen Battaschadel. Eben-
das., Correspdzbl. S. 62.
137) Uebcr die dunkln Farbe der Augen, den Rchildel von Camburg,
Schädelmessung und Nephritbeile. Bericht, d. Anthrop.-Vers. iu Jena
1876, S. 114.
138) Die anthropologische Sammlung des anatomischen Instituts zu Bonn.
Braunschweig 1877.
139) Funde am Oberwerth bei Coblenz. Verh. d. n. V. 1877, S. B. S. 32.
140) Uebcr prKhistorischc Schädel in Wcstphalcn und das Fehlen der
Crista naso-faeialis. Ebendas., Correspdzbl. S. 60 und Archiv f. An-
throp. XII. 18,80. S. 109.
141) Uebcr Funde in der Höhle von Warstein, ein Steinbeil von Dorsheim
und Gräber in Hersel. Verh. d. n. V. 1X77, S. B. S. 115.
142) Die Schäftnng der Steinbeile und die Grabhügel von Langel. Eben-
das. S. 149 u. 150.
143) Ueber die Gräber, Schädel und die Herkunft der Peruaner und über
hockende Bestattung. Ebenda». S. 151.
144) Uober ein Jaduitbeil von Griminlinghauscn, über Microcephalie, die
niikrocephale Helene Becker und den Microcephalen von München-
Gladbach, sowie über die Azteken. Ebendas. S. 169.
145) Bericht über die Anthropol.-Versamml. in Constauz, Gesehlechtsuntcr-
schiede des Schädels, Funde von Steeten, die Martinshöhle, von Ober-
wörth, Beil von Grimmlinghausen. Jahrb. d. V. v. A.'LXI. 1877. S. 159.
146) Die Ausstellung friesischer Alterthümer in Leeuwarden. Köln. Zeit,
v. 10. Sept 1877, II. Archiv f. Anthropol. X. 1878. S. 420.
J»hrl>. d. Vor. v. Alurtlimmfr. im Kbclnl. XCIV. 3
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.?. Hauke:
147) Die Anatomie niederer Rassen und rohe Schädel von F.rhenlieini.
A. Her. <'. Versannnl. d. Aerzte n. Xaturf. in Cassel 1K7«. S. IM n. L2HL
14*) Carl Kulilrott, ein Nekrolog. Corrcspdzhl. «1. deutsch, anthrop. Ges.
April 1878.
149) Ueber den Aulschw un«r der anthropologischen Forschung, die Hori
/.ontale des Schädels, Ausstellung lebender Hassen, den Ncander-
thaler Fund, den Steinring von Ot>enlumsen n. A. Bericht üb« r die
Anthropol.-Vcrs in Kiel 1S78. S. K4, M], Uli u. Iii
150) Beriekt über die Anthropol. Versammlung in Kiel. Köln. Zeit. 1878.
Nr. 211 und Archiv f. Anthrop. XI. 1*79. S. SHfi.
151) Erhaltung von Meusehenhaar in Gräbern. Jahrb. d. V. v. A. LV1I.
187«. S. liÜL
152) lieber Schalcnsteino. Jahrb. d. V. v. A. EXIL 1878. S. L7J und Archiv
I. Anthrop. XII. 1880. S. 105.
15.'}) Die Thier«' des rt'*.mischen Cirens in Trier. Verb. d. n. V. 1878, S. B.
S. i>Q und Arehiv 1. Anthrop. XII. 1880. S. 107.
154) Ueb«»r die Farbe der Menschenrassen. Verb, d. n V 1878, Correspdzhl.
S. ML
155) Ein Steinbeil aus Diabas von Oberlahnstein und der Steinring auf
dem Hohenseelbaehkopfc. Ebcndas.. S. B. S. .'17.
150) Ueber die Hori/outale des Sehiidels. Kbendas. S. 109. u. Arehiv f.
Anthrop. XII. 1*80. S. UHL
HV7J t'eber prilhistorisehe Kunst. Jalirb. d. V. v. A. EXIL 1878. S. L4£L
158) lieber alte Kirchhöfe in Bonn. Jahrb. d. V. v. A. EXIII. 1878. S.
159) lieber die Ausgrabung der Martiushöhle und über Hügelgräber im
Sj)onheimer Wahle. F.bendas. S. 20'2.
100) Die anthropol. Sammlungen in Darmstadt. Hraunschwcig 187!*.
101) Unser Wissen von der Pflanze, sonst und jetzt Monatssehr. d. Garten-
bau-Ver. in Bonn 187!>. 3. IL
Hi.'i Ueber den Sehltdel einer Xubierin, die Beckenneigung und die Ent-
wicklung der menschlichen Sprache. Tageblatt der Vers. d. Aerzte
u. Naturf. in Baden-Baden 187!). S. 201 u. 2üL
103) Ueber die Mensehenrassen. Verh. d. il V. 1870, Correspdzhl. S. 87.
104) Kine alte Erdwohnung bei Hcddcsdorf. F.bendas. S. üü.
105) Ueber die Lappländer in Düsseldorf. Kbendas., S. B. S. 133 u. Archiv
" f. Anthrop. XII. 187!». S. 7JL
100) Ueber den Ovibos nioscIiatUH von Moselwciss. Verh. d. n. V. 1879,
S. B. S. IIA
167) Ueber ägyptische Mumien. Kbendas. S. 900.
108) Zur Messung und Horizontalstellung- des Schädels. Archiv f. Anthrop.
XI. 1879. S. 12iL
109) Die prähistorische Forschung. F.bendas. S. 154.
170) Scheinbare Spuren de« Menschen. Kbendas. S. '->85.
17P Ueber Desor's Schrift: Essay sur le nez, Locle 1878. Arehiv für
Anthropol. XII. 1879. S. äL
172) Die Höhl«;nfunde bei Steeten an der Lahn. Annalen des Ver. für
nassauische Altcrlhuinsk. n. Gesch. XV. 1879. S. 'Ml
Professor Dr. Hermann Schaaffhausen, Geh. Medicinalrath in Bonn. 3,r>
173) l'eber die Schildclhorizontalc Broca's, Entwurf zu Erhebungen über
diu körperlich» Beschaffenheit der deutschen Bevölkerung', der Mo-
Bchusoch« von Moselweins, das mcgalith. Denkmal von Trarbach, die
Grüber von Meckenheim. Bericht über die Anthrop.-Ycrs. in Strass-
burg 1879. S. !>8, 101, LLL
174) Bericht über die Anthropologen-Versammlung in Strassburg 1H79.
" Jahrb. d. V. v. A. LXVIII. 1*80. S. HL
17.r>) Der internationale nnthrop. Congrcss in Paris 187«. Archiv für An-
" throp. XII. 1880. R. LLL
1 7*i) Die anthropologische Sektion der Assoeiat. frauc. pour ravanc. d. sc.
~ Ebenda«. S. im
177) Die Anthropologie auf der Pariser Weltausstellung im Jahre 1878.
" Kbendas. S. 12L
17*) Cebcr die Bevölkerung des alten Aegyptens, die Höhleiifunde von
Gerolstein und über die Erhaltung organischer Structur. Ycrh. d.
iL. V. 1880, Correspdzbl. 107.
1 T - * .: Der Sehiidel von Seligenstadt und ein Kund grosser Saurier bei
Berni.sati. Ebenda«., S. B. S. 25.
180) Der Schiidcl aus dem Neckargeröll bei Mannheim. Kbendas. S. iÜ
181) Mammuthreste bei Wittlich, gebrannter Thon in der Lava bei Mayen
und ein altgermanisches Grab bei Schmerleke. Kbendas. S. 111
182) Die Räuberhöhle von Letmathe und die Cacushöhle bei Eiserfey .
Ebenda«. S. 15L
183) Funde in der Shipkahöhle in Mahren. Kbendas. S. 2Si£L
1*4) Die Anthropologen-Versammlung in Berlin. Köln. Zeit. I>. Sept. 1KS0.
1H5) lieber den anthropologischen Katalog, die Horizontale des Schildeis,
die Geschlechtsunterschiede desselben, die Oberkieferlange, den Nnsen-
index, die Crista nasofacialis, die Beckeiuieignng und Messung des
Schildclvolums; über den Steinwall der Loreley, über Steinringe auf
dein Hümmelsberg bei Linz, dem Asberg, dem Petersberg, der Löwen-
burg und über Höhlen am Rhein, das Grab von Schmerleke, die
Schädel von Seligenstadt und Mannheim, den Stcinmeissel von Ander-
nach. Bericht über d. Authrop.-Vers. in Berlin 1880. S. 38^ LH n. 12£L
18(i) Die Anthropologie auf der British Association in Swansea 1880.
Archiv f. Antliropol. XIII. 1881. iL .r)12.
187) L liomme prehistorique et Ich indices d'Anthropophagie dans quelques
grottes du Portugal. Congrcs internat. de Lisbotme 1880. C. r. 1884.
p. liü et 213,
188) lieber die Ebene des Hinterhauptloches, den Schlackenwall von Kirn-
Sulzbach und über einen Schiidel von Spandau. Ber. d. Anthropol.-
Vcrsamml. in Kegensburg 1881. S lül u. 11 3.
189) Die Anthropologen- Versammlungen in Hegensbnrg und Salzburg liüL
Jahrb. d. V. v. A. LXXII. 1882. S. 122.
190) Ein pithekoider Unterkiefer aus der Shipka-Höhle. Correspdzbl. d.
Anthrop. Gesellschaft 1881. Nr. L
191) Ueber den Schlackenwall von Kiru-Sulzbach und ein verziertes alt-
christliches Bronzeblech aus Graubündten. Correspdzbl. d. Gesiimmt-
Vereins deutscher Geschieht.«- u. Altcrthums-Vcrcinc, 1881.
,T. Ranke:
192) Das naturhist. Museum in New-Vork, Httmergriibcr in Metz. Verl»,
d. u, V. 1881, S. B. S.
193) Die Funde in der Shipkahöhle «nd Schriften von fhapiiiaii über den
Orangutan und die Geburt eines Elcphanten in New-Vork. Khcnrias.
S. IOTi.
194) Der Schädel von Kirehhciin. Ebenda*. S. IM und CorrcspdzW. d.
anthrop. Ct. IHM. Nr. &
195) Kf|iius fossilis von Höbr, t|iiaternJ;re Funde von Bedburg, die Ver-
breitung des Rennthiers und der tertiäre Mensch in Calilnrnien.
Verb, d il V. 1881, S. B. S. ir,7 -70
19<>) Ueber Zawisza's neue Funde in der Mammuthhühlc bei Krakau und
über den Canuibalism. der Höhlenbewohner von Portugal. Ebcndas.
197) Diluviale Thierreste im Khciiithal, zu Königswinter und Honnef, die
Funde bei Sayn und Mosclweiss. Ebcndas. S. 230.
198) Drei Schädel von Metz. III. Jahresbcr. d. Ver. f. Kid künde zu Metz 1881.
199) Der Shipkakiefer und die Mammuthzcit. Mit) Ii. d. anthropol. des. in
Wien. XII. 1*82. Her. S. u. liL
200) Ueber Hingwillle auf dem Ilochthünuen, dem Asberg und Petersberg,
die Hügelgräber von Ludwigsburg und die Trojane rsage am Nieder-
rbein. Jahrb. d. V. v. A. LXXII. 1882. S. 2ÜÜ u. 2HL
20 1 > Ueber anthropol. Allerthümer in den Kirchen, ein Vortrag v. 28. Ort.
1879. Annal. d. bist. V. f. d. Niederrhein XXXVIII. 1X82. S. LÜl
202) Der Sehlackcnwall von Kirn-Sulzbaeh. Verb. d. il V. 18x2, S. B. S. L
20.">) Das Skelet des Zwerges Leimen. Ebenda*. S. HL
204) Funde in der Balver Höhle und neuer ' Höhlcufnnd von Steden.
Ebenda». S. ÜQ.
205) Ausführliche Mittheilung über den Fund von Sterten. Annalen f.
nass. Alterthumsk. XVII. 1882. S. äü.
200) Der internationale Congress in Lissabon von 1880. Archiv f. An-
throp. XIII. Suppl. 1882. S. 10JL
20T i Die Bildung der Nasenöffnung, eine Berichtigung. Correspdzbl. der
anthropol. Gesellschaft 1882. Nr. 3.
208) Die Cölner Thorburgen. Jahrb. d. V. v. A. LXXII. 1882. S. 132.
209) Bericht über die Salzburger Anthropologen Versamml. Correspdzbl.
d. anthrop. Gesellsch. 1882. Nr. IL
210) Ueber die Charruas-Indianer, Funde im Lüss bei Meltemich und
einen Durchschnitt der Rheiuanschwcmmung zu Cölu. Verb. d. il
V. 1882, S. B. S. 140,
211) Charles Darwin, ein Nachruf. Archiv f. Anthrop. XIV. 1882. S. 2ÜL
212) Die Anthropologen- Versammlung in Frankfurt a. M. Köln. Z. 2iL u.
2iL Sept. 1882 und Jahrb. d. V. v. A. LXXIII. 1882. S. L7JL
2 LS) Ueber die prähistorische Forschung in Italien. Verb. d. a. V. 1882,
Correspdzbl. S. LH) u. Correspdzbl. d. d. anthrop. Gesellsch. 1888. Nr. 2,
214) Die anthropol. Sammlung des Sonckenbergischen Instituts in Frank-
furt a. Main. Braunschweig 1883.
S. lüü.
Professor Dr. Hermann Schaaffhauscn, Geh. Medicinalrath in Bonn. 37
215) lieber den Schädelkatalog, das Schädelvoluni, den Schädel Raphaels
und über anthropologische Zeichnungren von Leonardo da Vinci ;
über germanische Steinwalle am Rhein, die Plntyknemie und den Fund
im Löss zu Metternich. Bericht über die Anthropol.- Versammlung in
Frankfurt n. M. 1882. S. 127 u. 1«7.
21«) lieber einen Schädel von Metternich, über prähistorische Anhängsel,
über Virchow's Abhandlung über den Shipknkiefer. Verh. d. n. V.
1883. S. B. S. 10.
217) l"eber einen angeblich versteinerten Affenkopf, über Funde in Urmitz,
Weissenthurm und Andernach. F.bendas. S. 37, 39, «3.
2181 Kleine Mnmmuthzähne aus der Shipknhöhle und Bericht über weitere
Ausgrabungen in Andernach. Ebendas. S. 60.
2 HM Heber den römischen Isisdienst am Rhein. Jahrb. d, V. v. A. LXXVI.
1883. S. 31.
220) Ueber einen geschnitzten Rennthicrknochen von Andernach, eine
römische Statuette von Eisen, kyprische Alterthümer U.A. Ebendas.
S. 248.
221) Der Schädel Raphaels. Festschrift. Bonn 1883.
222) Der Kiefer aus der Shipknhöhle. Verh. d. n. V. 1883. S. 279.
223) Heber die Schrift von Gross: Protohelvetes. Jahrb. d. V. v. A. LXXVI.
1883. S. 201.
224) Die prähistorische Ansiedelung in Andernach. Eine Berichtigung.
Kölnische Zeitung 17. Juni 1883.
225) Bericht über diu Anthropologen- Versammlung in Trier. Köln. Zeit.
15. Sept. 1883 und Jahrb. d. V. v. A. LXXVII. 1884. S. 173.
220) Ueber das menschliche Gebiss, die Grösse der Schneidezähne und
über eine vorgeschichtliche Ansiedelung in Andernach unter dem
Bimsstein. A. Ber. über die Anthrop.-Vers. in Trier 1883. S. 112 u. 121.
227) Ueber de Mortillet's Schrift: Lc prehistorique. Archiv f. Anthropol.
XV. 1*84. S. 184.
228) Ueber H. Welcker's Schrift: Schillers Schädel und Todtentnaske.
Verh. d. n. V. 1884. S. 34,
229) Ein fossiler Schädel des Moschusochsen von Vallendar und über
durchbohrte Feuersteingesehiebe. Ebendas., S. B. S. 79.
230) Ueber Furtwiüiglerw: Goldfund von Vettersfulde. Jahrb. d. V. v. A.
LXXVII. 1884. S. l«ti.
231) Ueber Bcrgbau-Alterthümer. Ebendas. S. 210.
232) Römische Funde in Bonn und römisches Maass. Ebendas. S. 214.
233) Das Flachbeil aus Jadeit von Marthas Hof in Bonn. Ebendas. S. 216
und Verh. d. n. V. 1884. S. 87.
231) Römische Funde in Remagen. Ebendas. LXXVII. S. 232.
235) Der Sarg des h. Paulinus in Trier. Ebendns. S. 238.
23«) lieber den Schädel von Podbaba in Böhmen und die Singhaleseu in
Düsseldorf. Verh. d. n. V. 1884, S. B. S. 88 und Correspdzbl. S. 77.
237) Ueber Nord- Australier in Cöln und ein Steinbeil von Röttgen. Eben-
da«., S. B. S. 135.
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J. Ranke:
238) lieber die Kntwicklung des menschlichen Schädels, über diu Merk-
male niederer Kassen, die Stellung des Ohrs, die Spannweite der
Anne, die breiteren Schiieidc/.iihne itn weiblichen Überkiefer; über
die Kiszeit, das terliiire Aller des Menschen, über Schlaguiarkcii auf
Hippaiionknochcn, un<l über den Schitdel von Podbaba. Bericht d.
Antlirnp. -Vers, in Breslau 1884. S. !>3 «. S. 11.}.
230) Die Anthropologen-Versammlung in Breslau. Leopoldiua XX. Halle
1NK4. S. 1<12 u. Jabrb. d. V. v. A. LXXVIII. 18H4. S. 215.
2101 l'eber den Seliüdel von Winarie. Verb. d. n. V. 1H84, Correspdzbl. S. !»2.
241) Der Höhlenfund am Boekslein bei Ulm. Kbendas., S. B. S. 221.
2121 l'eber v. Tröltsch's Kund Statistik der vorrömischen Mctall/.eit. Jahrb.
d. V. v. A. I.XXVIII. 1**4. S. 201.
24:4) l'eber Treu's Aufsatz: Sollen wir unsere Statuen bemalen? Kbendas.
S. 212.
244) lieber Kumt- und Wctzmarken. Kbendas. S. 243.
21:*») Die Seliüdel von l'odbaba und Winarie in Bobinen. Verh. d. n. V.
1884. S. .KM.
21t!) Der Seliüdel Seliiller's, eine Besprechung der Schrift Weleker's. Archiv
f. Anthropol. XV. Suppl. IWä. S. 170.
247) l'eber den Onyx von St. Castor in Coblenz. Jabrb. d. V. v. A. LXXIX.
1*85. S. lf»7.
2IH) l'eber l'enek's Abhandlung: Mensch und Kiszeit. Kbendas. S. 273.
24!>) Das Jadeitbeil von Martha s Hof in Bonn. Kbendas. S. 2*0.
250) l'eber das Hufeisen in einem Kavabruch von Ochtendung. Köln.
Zeit. 1**5. Nr. 172.
2Ö1) Ueber römischen Bergbau bei Kruft und ein Hufeisen in der Lava
von Ochtendung. Kbendas. S. 281.
252) Das Ideal der griechischen Kunst. Kbendas. S. 28!).
253) l'eber Steingcrathu und ein Sleiubeil von Keuvcr. Verh. d. n. V.
1885, Correspdzbl. S. »51.
2;. 1) Die Zulu-Knftcrn in Köln. Köln. Zeit. 31. Juli 18*5, I.
255) Zur Abwehr. Das Ausland 18X5. Nr 35».
250) Anthropologische Studien, eine Sammlung von Vortrügen und Ab-
handlungen. Bonn 1*85.
257) Die Anthropologen -Versammlung in Karlsruhe. Leopoldina XXI.
Nr. 15) -22. Halle 1885. S. 175.
25s i Die Aufgaben und die Krfolge der Anthropologie, ein Vorschlag zur
Beckenmessung, über die mikroeephale M. Becker, den Schädel
Beethoven s, das (iehirn und Gehörorgan K. Schumann'*. Bericht d.
Anthropol.- Vers, in Karlsruhe 1885, Correspdzbl. d. deutseh. anthrop.
Gesellsch. S. «4, 127, 137 u. 147.
251») Die Knt Wicklung des menschlichen Werkzeugs und der KinHuss des
Stoffes auf die Kunstform. Ktudes archeol. dcd. a C. Leeinans.
Leyden 1**5. |i. 30t).
200) Lieber die Messung der menschlichen Becken. Verb. d. n. V. Bonn
1885. Correspdzbl. S. 74.
201) Köm. Funde in Bassenheim. Jahrb. d. V. v. A. LXXX, 1885, S. 232.
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Professor Dr. Hermann SchiiafThausen, (ich. Mcdicinalrath iu Bonn. 39
2(12) Eiue römische Statuette von Eisen. Jahrb. d. V. v. A. LXXXI, 188«,
S. 128.
263) Römische Funde iu Bonn. Ebenda*. S. 196.
261) Eine alte Grabstatte iu Coblenz. Ebenda*. S. 198.
265) Zur Geschichte von Plittersdorf. Ebenda*. S. 228.
266) Ueber A. B. Movers Gnrina. Ebenda*. S. 1(59.
267) Ueber J. Nnue's Prähistorische Schwerter. Ebenda*. S. 172.
268) lieber 0. Richter s Antike Stcinmct/.zciehen. Ebenda«. S. 176
2C9) lieber E. Sommcrbrodt, Afrika auf der Ebstorfer Weltkarte. Eben-
da«. S. 182.
270) Der Vogetarinnismus. Verb. d. n. V. Bonn 1886 S. 67.
271) Ueber das menschliche Gebiss. Ebeudas. S. 75.
272) Heber den Schädel aus der Eiidiornhöhle und den von Tilbury, über
Topfschurben au» der Höhle von Nabrigas, den Elcphant Mound iu
Wisconsin und das neolithische Grabfcld von Merseburg. Ebeudas.
S. B. S. 11.
273) Ueber die in Köln abgestellten Bclla-Coola-lndianer aus Britisch-
L'olumbien. Ebeudas. S. 211.
271) Ueber eine in Bonn {rezeigte Busehmannfnmilic und eine Hnttcntottiu.
Ebeudas. S. 271.
275) Ueber ein Steinbeil vom Korretsbcrg bei Kruft und ein Serpentin-
stück von einer Moräne im Canton Wallis. Ebendns. S. B. S. 289.
276) Ueber Rhinocerosrestc hei Ramersdorf und menschliche Unterkiefer
von Hespeke und von Predmost in Mahren. Ebeudas. S. 291.
277* Ueber die Eintheilung der Schadel-lndiccs, über Aufnahme der Be-
völkerung Bengalen*, über die grosse Zehe des Menschen. Atntl.
Bericht der Anthropologen-Vers, in Stettin. 1886. S. 116.
278) Ueber die AuiHndung agypt. Königsmumieu, fossile Meuscheiireste
von Petition bei Mexico, den Schädel von Brünn und den Unter-
kiefer von Predmost. Ebeudas. S. IM.
279) lieber Lindenschmit'a Handbuch der Deutschen Alterthumskundc 1, 2.
Jahrb. d. V. v. A. LXXXII. 1886. S. 157.
280) Ueber röm. Gräber in Bonn, Biwer und Coblcnz, eine römische Villa
bei Brold, den Fund bei Hamm, eine eiserne Aniorstatuellc in Karls-
ruhe, römische Funde bei Plittersdorf, die Entdeckungen in Susa,
einen Isisteinpel in der Schweiz, die Mosaik perlen frilnkischer Graber.
Ebeudas. S. 185 u. ff.
281) Ueber die Herstellung römischer Terra sigillata und den Fund römi-
scher Hufeisen in Bonn. Ebeudas. S. 227.
282) Bericht über die Anthropologen-Versammlung in Stettin. Leopoldina
XXIII. 1887. No. 4, 5 ii. 6.
283) Lieber A. B. Meyer's Alte Strusscnzüge im Ohergailthale und von
CohftUHcn: Wchrbauten in Rüdesheini. Jahrb. d. V. v. A. LXXX1II.
1887. S. 217 u. 219.
284) Ueber den Beethovenschttdel. Mittheil, der Anthropol. Gesellschaft
in Wien. 1887. S. B. S. 35.
•Kl
J. Ranke:
285) lieber Baumsitrge, e in fossile» Rhinozeroshorn, die Erhaltung von
Haaren an Leichen, den Fund vnn Spy und über Stcingerüthe von
Hann. Verh. d. n. V. 1HH7, Correspdzbl. S. 70 u. ff.
286) l"eber Steinhammer von Euskirchen und Lützeriniel, den Heilbrunn
und die TttnniHsteiner Quelle im Brohlthal, über zwei Wallllschwlrbel
aus dein Rhein hei Rees. Verb, d. n. V. 1887. S. 269.
287» Hatten die Römer Hufeisen für ihre Pferde und Maulthiere? Jahrb.
d. V. v. A. LXXXIV. 1887. S. 28.
288) Römische und fränkische Funde in Oondorf. Khendas. S. 238.
28!» Waren die Brou/.ekeltc Geld? l'cber den Cntersehicd des niHnnlichen
und weiblichen Reekens, über Anthropometric der Alten, daK Rhino-
ceroshorn von Glogau, die Schädel von Spy. den Schilde! Becthoven's
und die Shakespeare-Maske. Amtl. Bericht der Anthropologen-Ver-
sammlung in Nürnberg 1887, S. 113, 117 und 160.
290) Heber ein Steinbeil vom Suistbach, Reste des Cervus Megaceros bei
Bonn und ein hockendes Skelet im Trass von Burgbrohl. Verb. d.
n. V. 1888, Correspdzbl. S. 86 und S. B. S. 4.
29!) Die Anthropologen- Versammlung in Nürnberg. Köln. Zeit. 30. Aug.
18X7 und Leop.ddina XXIV. 1888. Nr. 3 u. 4.
202) Die Physiognomik. Archiv f. Anthrop. XVII. 1888. S. 309.
293) Kine in Cöln gefundene Tenacotta-Büste. Jahrb. d. V. v. A. LXXXV.
1888. S. 55.
20-1) lieber die Schrill von W. Joest: Tttttowiren. Kbendas. S. 116.
295) lieber J. Naue's Hügelgräber zwischen Ammer- und Staffelsee. Kben-
das. S. 130.
296) Der Neanderthaler Fund. Festschrift. Bonn 1888.
297) Die. vorgeschichtliche Ansiedelung in Andernach. Jahrb. d. V. v. A.
LXXXVI. Bonn 1888. S. 1.
298) lieber Rcgcnhogenschüsselcbcn am Rhein. Kbendas. S. 64.
299) Die hockende Bestattung und das Grab im Tuff zu Burgbrohl.
Kbendas. S. 278.
300) Die F.rhaltung organischer Gewebe. Ebenda«. S. 281.
301) Die eiserne Statuette von Plittersdorf. Kbendas. S. 285.
302) Die Entwicklung der menschlichen Kultur, die Urgeschichte des
Rheinlandes und über die Zahl der organischen Elemente.. Bericht
der Anthropologen Versamml. in Bonn. Correspdzbl. d. d. anthrop.
Ges. 1888. S. 71 u. 114.
303) Die Anthropologen-Versammlung in Bonn vom 6. bis 9. August 1888.
Leopoldina XXV. 1889. Xr. 3- 10 und Jahrb. d. V. v. A. 1889. LXXXVII.
S. 160.
304) Das römische Lager in Bonn. Vorwort der Festschrift zu Winckel-
mann's Geburtstage. Bonn 1888.
305 1 Mcnsihenreste aus der Höhle am Wildpütz und vom Hasenbackofen
bei Steden. Anualen d. Vcr. für nassauische Alterthumskunde und
Geschichtsforschung. 20. B. Wiesbaden 1888. S. :«>9.
306) Heber einen angesägten Braunkohlcnstnmm aus der Grube bei Ziesels-
nmar. Verb. d. n. V. S. B. v. 10. Dez. 1888. S. 70.
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Professor Dr. Hermann Schaafhausen, Geh. MedicinalrntK in Bonn. 41
907) Ueber den Fund griechischer Bronzeeimer bei Mehrum, über die
Bildnisse der Grabtafeln von Fayum. Winckelmannsfest 1888. Jahrb.
d. V. v. A. LXXXVII. 1889. S. 216.
308) Die alten Völker Europa 's. Zeitschritt Oaea. 1885». 1. Heft. S. ß5.
309) Die älteste Kasse am Niederrhein. Generalvers. d. bist. Vereins für
den Niederrhein in Düsseldorf 1888, Annalen d. Ver. 1889. S. 219.
310) Ucber da« Merkbuch, Alterthümer aufzugraben und aufzubewahren.
Jahrb. d. V. v. A. LXXXVII. 1889. S. 144.
311) Ueber Lindenschinit'a Handbuch der deutschen Alterthuinskunde 1.3.
Ebenda». S. 150.
312) lieber alte Schmuckstücke aus Gagatkohle. Ebendas. S. 202.
313) Aus der Vorzeit Westfalens. Verb. d. n. V. 1889. S. 36.
314) Ueber einen Schädel der bairischen Reihcngrllher. Ebendas. S. B. S. 21.
315) Funde verkohlter Baumstämme im Tuff bei Kruft. Hirschgeweih im
Weinberg Himstein. Alte Wasserleitung' unter dem Boden bei Nlckc-
nich.
316) Ueber Messung rheinischer Hecrutcn. Wiener Anthrop. Bericht 1889.
S. 229.
317) Ueber die heutige Craniologie. Ebendas. S. 165.
318) Ueber alte und neue Mammuthfunde. Verh. d. n. V. 1889. S. 61.
319) Ueber den Schädel des Paracelsus in C. Aberlo Grabdenkmal, SchK-
del und Abbildungen des Th. Paracelsus. Mitth. d. G. für Salzb.
Landeskunde. XXXI. 1890-91. S. 515.
320) Die Entwicklung des Ornamente!? in der alten Kunst. Jahrb. d. V.
v. A. LXXXVIII. 1889 W. S. 258.
321) lieber westfälische Todtenbilumc von Landois und Vormann. Eben-
dns. S. 231.
822) Ueber zwei römische Lampen ausCöln. Jahrb. d. V. v. A. LXXXVIII.
1889. S. 136.
323) Anthropologen-Versamml. in Wien 1889. Jahrb. d. V. v. A. LXXXIX.
1890. S. 270.
324) Ueber Harroy's Schrift: Die Eburonen. Kh. Jahrb. LXXXIX. 18!K).
S. 205.
325) Ucber den Khein in vorgeschichtlicher und römischer Zeit. Verh. d.
n. V. 1890. Correspdzbl. S. 37.
326) Ueber Luppen und Samoaner. Ebendas. S. 62.
327) Ueber zwei römische Bronzen. Jahrb. d. V. v. A. LXXXIX. 1890. S. 60.
328) Eine römische Aedicula aus Garden a. Mosel. Ebenda« S. 135.
329) Gallische Streitwagen am Khein. Ebendas. S. 241.
330) Ueber die Dahotney -Neger in Cöln. Verh. d. n. V. S.B. 1890. S. 100.
331) Ueber das Alter der Menschenrassen. Anthropol. Vers. Münster I8!X)
und Naturwissenschaft!. Wochenschrift 1891. Nr. 7.
332) Bericht über die Anthropologen-Versammlung in Münster 1890. Leo-
poldina 181*1. XXVII. Nr. 3-8. Jahrb. d. V. v. A. XC. 1891. S. 233-217.
333) Anthropometrischc Untersuchungen in Cambridge.
834) Hülfsmittel der neueren Alterthumsforschuiig und neue Funde im
Rheinland. Jahrb. d. V. v. A. XC. 1891. S. 222.
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42 J. Kanke: Prof. Dr. Ueriiiaun Schaan" hausen, Geh. Med. Rath in Bonn.
33») Heinrich Schliemaiiu, ein Nachruf. Ebenda*. S. 228.
33*j) Uebor die Schrill (i. de Mortillet: Chassc, Peche, Domcstication.
Paris 1*00. Archiv für Anthrop. XX. 1801. S. 204.
3.37) Uebcr römische Schucekenzucht, steinerne Kanonenkugeln in Sieg-
burg, bemalte Skelette, römische Funde an der Coblenzcr Strasse in
Bonn. Jahrb. d. V. v. A. XC. 18!» . S. 1!», 208.
338) Ueber die Azteken. Verh. d. n. V. 1801, S. B. S. IM u. 07.
330) l'eber von Pulsky's Denkmäler der Völkerwanderung. Jahrb. d. V.
v. A. XC. 1801. S. 1Ö8.
340» l'eber Heeger'« Trojaner-Sagen. Ebenda«. S. UV).
341) L'eber Steiuhänimer, Feucrsteingcbilde, fossile Anthropoiden. Pader-
born. Verh. d. n. V. |H!H, Corrcspdzbl. S. 35, 30\ Ii'.).
342) l'eber die Erhaltung der alten Denkmäler de* Landes. Annaleu des
bist. Ver. für den Niederrhein. Köln 1801. S. 241.
343) Die Kelten, Festschrift des Vereins vou Altei thumsfreiinden im Khein-
lande, zur 50jähr. Jubelfeier des Vereins. Bonn 185». S. (52.
344) Die »0jährige Jubelfeier des Vereins von Alterthumsfreunden im
Itheiulaiidc. Jahrbuch des Vereins. XCII. 1802. S. 28«.
31») l'eber die Aufgaben der Alterthumsforschung und ihr Ergebniss.
F.hendas. S. 301.
34(1) lieber Nephritbeile, Sdnvurringc und das römische Castrum bei Grimin-
linghauseii. Winckelmannsfcicr in Bonn. F.bcudas. S. 311.
347) l'eber die Zeitbestimmung von Thongefässcn. Jahrb. d. V. v. A. XCII.
1892. S. 270.
318) Anthropologen-Versammlung in Danzig. Ueopoldiua 1802. Nr. 7— 10,
Jahrb. d. V. v. A. XC111. 1802. S. 202.
34!)) l'eber einen durch eine Silcx-Waffc verwundeten Harenschädel in
Mühren. Verh. d. n. V. 18M2. S. 2C.
350) Prähistorische und römische Funde bei Dorsten und Calcar. Jahrb.
d. n. V. 1802. Corrcspdzbl. S. »0.
:JT»I > l'eber Urzeugung. Jahrb. d. n. V. is:i2, Correspdzbl. S. 32.
352> l'eber den Schädel vou Brünn mit Mol aus Mammut Insulin, gefunden
von Makowsky. Jahrb. d. V. v. A. XClII. 1802. S. 271 u. Verh. d. n. V.
18112. S. 20.
353) Erklärung gegen Heinach. K.lieiidas. S. 27l>.
354) Ciutachlen Über den h. Kock in Trier und den Schädel der h. Helena.
35») Uebcr Felscnlulder in Dürkheim, Porlraitköpfe vou Wasser billig.
Bericht der Winckclmann Feier zu Bonn 1802. Köln. Zeit. 23. Dez. 1802.
Nr. 1023.
350} Anthropologen- Versammlung in Ulm 1802. Leopoldiua 1803.
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I. Geschichte und Denkmäler
I. Neue Beiträge zur mittelrheinischen Alterthumskunde.
Von
Dr. C. Mohlis.
Hierzu Tutel I und II.
1. Eine Felsenzeichnung aus der la-Tene-Zeit.
I.
Nördlich und oberhalb von Dürkheim a. d. Hart liegt der von
einem Slcinualle. der Ileideinnaucr, timzogenc Kastanienberg. Auf
seiner Ostscitc fallen die konlisscnartig {restalteten, regelmässig be-
haueuen Wände des Hnmholdisstiihlcs steil ab zur .Stadt. Schon
]'M'tU erseheinen diese Felswände nrkundlieh als „Kriuholdcsstnhl"
Auf den drei l'ürtieen desselben nach rechts, links und in der
Mitte befinden sieh sonderbare Zeichen in den Fels gehauen. Ks
sind meist seehsspeichige Räder mit Zacken nach oben, mit einem
Stabe nach unten, der zweigartige Ausläufer entsendet-'). Anfallen
drei Seiten sind Kusse dargestellt. Zur Rechten ein nach rechts
ansprengendes; zur Linken ein nach links gewendeter Fferdekopf.
Das meiste Interesse nehmen die Darstellungen in der Mitte dicht
an dem Stiegeiiaufgang in Anspruch.
Die hier befindliche Wand hat 2.70 m Breite, 4.20 in Höhe,
.'5.40 in Dicke. Im unteren Drittel der Höhe sind folgende Bilder
in einer von links nach rechts gehenden Reihe dargestellt:
1) Ein kühn von links nach rechts ansprengeudes Kos«, ohne
jedes Emblem, ohne Reiter. Die Vorderbeine sind gestreckt. Die
Maasse betragen: 50 cm Länge, 40 cm Höhe.
2) Ein Adler mit nach links gewendetem Kopfe, hängenden
Flügeln. Maasse: Länge ?50 cm, Höhe — 25 cm. Links vom
Schnabel ist ein Kreuz tief eingehalten. Der Adler erinnert in (te-
stalt und Haltung an den anf gallischen Münzen erscheinenden Kaub-
vogel. Vgl. Fr. Streber: „Ueber die RegenbogeiischüsseIchenu?
1) Dürklu-imcr und Ainorbacher Archiv.
2) Virchow bezeichnet sie nls Kadnadeln.
-14
C. Mehlis:
Manchen im. 2. Ahth. Taf. 2, Fig. 10, 17, 18. Sic stammen vom
pagus Vindiolensis in der Diözese Beauvais.
3) Kine Biga mit dein Auriga (vgl. Zeichnung). Auch dies
Pferd — vielmehr dies tiespann, wie die doppelten Pfcrdcfüsse an-
deuten — sprengt von links nach rechts. Maasse: Länge = 40 cm,
Höhe — .'57 cm. Am Hals trägt dasselbe einen (iegenstnnd mit kreis-
förmigem Durchschnitt. Durch ihn laufen die zwei Züge! zur deut-
lich gezeichneten Trense.
Hinter dem lang herahhsingenden Schweife wird das vier-
speichigo Rad der Biga und das abwärts geneigte («estell der-
selben deutlieh sichtbar. Auf demselben steht der Auriga. Auf
dem Haupte trägt derselbe eine nach vom spitz zulaufende Kappe
oder einen Ledcrhelm. Das eng anschliessende Ocwand schlägt
über der Brust Falten. Mit den beiden Händen liält er, stark nach
vorwärts geneigt, die Ztlgel. Hinter seinem Rücken wird eine breite
Kornähre sichtbar. Ueber dem Pferdehaupt ist ein Halbmond
siebtbar; links davon bemerkt man mehrere Kugeln, eine grosse,
zwei kleine; sie stellen wohl Sonne und Sterne vor.
Sämmtliehe Figuren sind mit einem eisernen Werkzeuge (Pickel)
nicht kunstlos, sondern mit Verständnis» für Thier- und Menschen-
formen eingespitzt. Im Manzen sind diese 3 Figuren wohl erhalten,
da der Verfasser erst vor mehreren Jahren die Waud von Schutt
und Erde frei räumen Hess.
Und nach welchen Mustern arbeiteten diese Künstler? Wohl
kaum nach der Natur, da Pferde in den FelsenkUlftcn auch vor
zwei Jahrtausenden nicht frei herumlaufen konnten und auch vor
und hinter einer wirklichen Biga: Aebre, Sonne, Mond und Steine
nicht sichtbar waren.
Kine überraschende Analogie dagegen bieten die in der
Nähe gefundenen gallischen Münzen dar.
Von Ungstein Stunde Entfernung nach Osten1' stammt eine
mit dem Pferde geschmückte gallische Silbermünzc (vgl. Mehlis:
„Studien« III. Abtheilung, 2. Tafel, Nr. 12).
Von Weissenheim a. S. 1 1 ' \, Stunden Entfernung nach Osteu)
rührt gleichfalls eine gallische Silbermünzc her mit dem Doppel-
pfeile. Unterhalb desselben ist ein Rad, vor demselben ein Halb-
mond angebracht.
Am Fussc der Rietburg endlieh bei Edenkoben (ca. 4 Stunden
Entfernung nach Süden ) wurde vor einem Menschcnalter ein Kollektiv-
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Neue Beitritte zur mittelrheinischen Auerthumskunde.
fund gallischer Goldmünzen gemacht. Eine derselben liegt dem Ver-
fasser im Original vor (Eigenthümerin: Frau Rath Keller in Landau).
Auf dem Avers: Apollokopf mit Lockenhaupt.
Auf dem Revers: Biga mit Auriga. Das Gespaun sprengt
genau wie auf dem Brunholdi&stuhl von links nach rechts. Der Au-
riga hat dieselbe Kappe, die nämliche Haltung, die Biga dieselbe
Zeichnung. Vor dem Haupte des Pferdes steht eine konische
Aehre; es kann auch ein Spinnrocken sein. Unterhalb des Pferdes
ist ein Donnerkeil angebracht ; darunter eine Verstümmelung griechi-
scher Buchstaben: TTTTTT (Verstümmelung von OIAITTTTOZ). Diese
Goldmünze ist eine Nachahmung der im 4.-3. Jahrh. weit ver-
breiteten Goldstatcren des Königs Philipp von Macedonien, der 330
ermordet wurde. Den Donnerkeil auf dieser Münze erklärt der Nu-
mismatiker. Chr. Lenormont als Monogramm der Münzen der
Arverncr l).
Die Aehre dagegen (gallisch edh) ist nach de Ganley*) das
Symbol der Eduer, Acdncr, Hacducr3).
Eine analog gestaltete gallische Goldmüuzc mit der Aehre
bildet Dr. H. Meyer: „Beschreibung der in der Schweiz aufge-
fundenen gallischen Münzen", Zürich 1863, II. Tafel, Xr. 99 ab.
Dort sind noch mehr Pendants dieser Art dargestellt; vgl. Nr. 94
bis 100, 103 bis 107.
Auch zu Sanscnhcim (2 Stunden Eutfernung nach Norden)
wurde ein gallischer Goldstater mit Auriga und Biga aufgefunden;
vgl. Mehlis: „Studien«, III. Abth. Tafel 2, Fig. 18.
Nach diesen Nachweisungen, wonach gallische Münzen im N., 0.
und S. des Brunhold isstuhles vorkommen, kann es keinem Zweifel unter-
liegen: der Küustler arbeitete am Brunholdisstuhl seine Darstellung
des Wagenlenkers, des Wagens und des Gespannes, der Aehre und
des Mondes nach einem auf gallischem Boden gut imitirten Gold-
stater Königs Philipp. Dieser Goldstater gehörte wahrscheinlich
einer Münzstätte der Acducr an, die spater nach Caesar de hello
1) Vgl. Revue numismntiquo 1868. p. 115.
2) Vgl. Revne mmusinatique 18G1. p. 80. .Sollten beide Symbole
vereint vor ihre Gegnerschaft zeitlich fallen?
3) K. Korrer „Antigua" 1891. S. 12 bestreitet dies. Nach seinen
Quellen erseheinen „Donnerkeil* und .Aehre" nnf I'hilipper-Stiiteren. —
Dr. Riggauer sehreibt diese Münzen den Acdnern oder den Aivernern
zu. Schriftliehe Mitteilung an den Verfasser.
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C. Mohlis:
gallieo I, 31 mit den Arvernern um die Hegemonie stritten. Ihre
HandelsniNnzen und ihre politischen Verbindungen reichten lange
Zeit vor Caesar schon bis an den Mittclrheiii, his zu den Medio-
matricern und Trevcrern. Das gallische Original des (Joldstaters,
nach welchem der Künstler den Fels bearbeitete, war zudem ein
altes und gutes. Korrer schliefst daraus (vgl. „Aiitiquuu 1891,
S. 13), dass diese guten Kopien kurze Zeit nach dem Original ent-
standen und in ihren besten Exemplaren bis ins 4. Jahrb. zurückreichen.
Demnach muss wohl auch die Felszeichnung entstanden sein,
als noch gute, alte Kopieen der philippischen Ooldstateren am Mittcl-
rheiii kursirteu, d. Ii. spätestens im 3. Jahrb. vor Christus in
der mittleren la-Tenc-Zcit.
Dass durch diesen numismatischen Nachweis auch Licht Uber
die Bcnütznngszeit der mit dem Rmnholdisstuhl in direkter Verbin-
dung stehenden „Hcidemnauer" lallt, ist selbstverständlich.
Ans technischen Orüiiden bewies der Verfasser („Studien".
X.Abth. S. 23-27). dass ihre Haiiptbenlttznng in die la-Tene-
Zeit fallen musste.
Heide Beweise ergänzen sich. Unsere neueste Darlegung aber
bringt noch Judicien dafür, dass gallische (iauvölkcr, Vasallen
der Aeduer, diese Kingwälle am Mittelrhein errichtet und vertheidigt
haben. Caesar nennt sie oppida; ihre Mauertechnik beschreibt
dieser Feldherr in seinen Kommentaren de hello gallico VII, 23.
II.
Sorgfältige Ausgrabungen am Brunholdissttihl oberhalb
Dnrkheim veranstaltete der dortige Alterthnmsverein Ende Novem-
ber, um die früher gefundenen Felsenbilder weiter zu verfolgen.
Rechts vom rZweige8pannu stiess mau hierbei auf ein weiteres,
etwas tiefer eingegrabenes Pferd, welches jedoch die gleichen Di-
mensionen wie die Rosse am Wagen (30 cm Länge auf 23 cm
Höhe) aufweist ; diesem Ross folgt nach rechts die Zeichnung einer
75 cm langen, 17 cm hohen Schildkröte. Der kleine Kopf mit dem
halb oflfenenen Maule ist lebensvoll nach einem, in südlichen Regio-
nen gediehenem Originale oder einer guten Vorlage aus den Rippen
des harten Runtsandsteinfclscns herausgearbeitet. Eine etwas grössere
Kopie dieser Chersiue sitzt 1 m tiefer unten; doch ist die Erhal-
tung letzterer eine weniger gute. Dicht neben der ersten Schildkröte
i
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Nene Beitrüge /.nr tnittelrhemi.sthen Alterthumskumlc.
17
wird in dieser, von parallelen Furchen durchzogenen Zone eine vier-
eckige Vertiefung sichtbar, welche — 2" cm hing, 1 c-m breit, 4 und
S cm tief — für einen Sperrbalkcn bestimmt war, dessen Ein- und
Ausführung oberhalb und unterhalb des Balkenloehes deutlieh sicht-
bar ist. Diese Vertiefung, sowie ein 70 ein unterhalb derselben
vorstehender Rand nebst einem, weitere f>n ein unterhalb des letz-
teren, vorstehender Absatz von 2;"> em Breite deuten daraufhin, dass
die ganze, auf eine Länge von 3,4(» in mit Thierbildern verzierte
Wand die Rückseite eines Wohnraumes oder einer Halle vor
Zeiten gebildet hat. welche in der Höhe des Balkenloehes mit einer
Barriere geschlossen war. Gleich modernen Tapetenbildern wirk-
ten in diesem Falle die alten Felsbilder auf den Bewohner.
Vou dem oben erwähnten Absätze an wurde noch auf weitere
2 in in die Tiefe gearbeitet, so dass die Gcsainmthöhe der Felswand
jetzt (),:">() m Höhe besitzt. Auf dieser letzteren Zone ward nun ein
mit Scitcnzacken versehenes Kreuz entdeckt, ein Steininetzzeieheu
des späteren Mittelalters, das in derselben (iestalt auf der Limburg
vorkommt. Bohrversuehe beweisen, dass diese Wand noch mindestens
l1;. m weiter in die Tiefe geht.
In späterer Zeit beutete man darnach, nachdem Jahrhunderte
lang die Felsenbilder vom naehrntsehenden Schutt bedeckt waren,
die Wand zu baulichen Zwecken weiter aus. Einen rechten
Winkel zu dieser Wand bildet eine zweite, nach Norden sieh er-
streckende Wand. Sie hat .'5,28 m Länge. Eine dritte, wiederum wie
die erste 3,40 in lange Wand bildet mit der zweiten einen rechten
Winkel, so dass ein vorspringendes und ein einspringendes Eck
entsteht. Auch diese zwei Wände sind sauber mit Furchen von
Seiteu geschickter Steinmetzen bearbeitet. An der '/weiten Wand
Bind in gleicher Höhe, wie Ross und Biga an der ersten, die Kon-
turen eines Cerviden (20: läeni) eingehauen. Nach den Schaufeln
beabsichtigte der Künstler den Kopf eines Elennthieres wieder-
zugeben. An der dritten Wand ist unter einem grossen R von alt-
römischer Form die Gestalt eines Delphin* eingehalten i.M em
Länge). Capride und Delphin blicken nach rechts, wie alle Thier-
gestalten ausser zweien, dem Adler und der Eule.
Inschrift am Brunhold isstnhl.
An der dritten Wand, auf welcher Delphin und ein Mohnstengel
eingehauen sind, steht zwischen beiden die auf Tat". I dargestellte In-
4«
C Mehlis:
schrift. Sie ist 2 m unterhalb der Oberkante der Wand deutlich einge-
hauen und zwar von links nach rechts, wie die Doppelpunkte am Ende
u. A. beweisen. Dieselbe besteht bis jetzt ans drei Zeilen, die je-
doeh nach des Referenten Ansicht verschiedenen Schritttypus auf-
weisen. Die erste Zeile hat den Charakter einer Cursivschrift mit
stark ausgeprägten Apices, die zweite und dritte den der gewöhn-
lichen römischen Capitalsehrift. Die Technik ist bei den drei Zeilen
die nämliche: Die Züge wurden durch Pickelhiebe eingespitzt, nur
das M der zweiten Zeile ist mit dem Mcissel eingehauen. Die erste
Zeile hat ferner am Ende der Buchstaben, so bei den beiden N,
bei U gewisse, als Ornamente aufzufassende Fortsätze und Ver-
schlingungcn, die an den Typus der irischen Schrift erinnern.
Die Länge der ersten Zeile = 1,34 m; die Höhe der Buchstaben
in erster Zeile beträgt 10— 17 cm, in zweiter Zeile 10 cm, in dritter
Zeile 8—10 cm.
Zur Lesung ist folgendes zu bemerken:
I. Zeile:
Buchstahe 1 ein nach rechts in eine Art Blume endendes N.
Buchstabe 2 ein A mit starken Grundstrichen, der Querstrich
ist nur angedeutet.
Nach diesem A folgeu drei Zeichen, die wie ZOV aussehen,
doch halte ich sie nach öfterer Untersuchung Tür omainentativc
Zuthaten.
Buchstabe 3 und 4 ein im Querstrich etwas undeutliches N
(= 1. Buchstabe); zwischen die beiden Hasten ist ein kleines T
eingeschrieben; also = NT.
Buchstabe 5 ein U. Am rechten Apex eine nach oben lau-
fende Vcrschlingung.
Buchstabe G ein kleines A mit schwach angedeutetem Quer-
strich.
Buchstabe 7 ein S oder G; der obere Theil ist stark ausge-
führt; die untere Halbschleife schwächer angedeutet.
Nach Buchstabe 7 folgt ein unklare* Zeichen: ein umgekehr-
tes V, daneben zwei Punkte, darunter zwei kleine Halbbögen. Die-
sem Trennungszeichen (?) folgt der 1 m lange Mohnstcngel mit
Samenkapsel und angedeuteten Blättern «ler Blüthe.
Buchstabe 8 ein nach oben sich verstärkendes J.
Bachstabe 9 ein ü = Buchstalw f>. Au Stelle der Verschlin-
gung hier ein Halbbogen.
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Neue Beitrüge zur mitt vlrheiiiisclicn Altertumskunde. 49
Das letzte Zeichen, vor dein Doppelpunkte stehend, gleicht
der Samenkapsel de» Mohnstengels.
Je nachdem man die heiden, rechts vom Mohnstengel ste-
henden Buchstaben zum Worte links desselben hinzuzieht oder nicht,
durfte diese Zeile zu lesen sein:
1. Nantuas.
2. NantuasIgMoi u = o).
II. Zeile:
Diese cuthält die bekannte Widmuugsl'ormel
I O-M-
Buchstabe 1. I stark liegend eingehauen.
Buchstabe 2. 0 kreisrund und kleiner als I und M.
Nach 0 steht ein Punkt, ebenso nach M, vor I eiu gezogener
Halbbogen.
Buchstabe 3. M mit stark divergirenden Hasten.
Der 2 Querstrich ist doppelt gesetzt; der .Steinmetz hat sich
das erste Mal verhauen. Nach dem Schrifttvpus gehört Zeile 2 dem
3. oder 4. Jahrhundert n. Chr., der Constantinischeu Zeit an,
wohin auch die Inschriften auf der Nordostwand am Bruuholdisstuhl
gehören (vgl. «Berliner philolog. Wochensehr." 18811, Nr. 13, 14, Iii,
1892, Nr. i»),
III. Zeile.
Dieselbe fand Referent erst einige Wochen, nachdem Zeile I
und II von ihm festgestellt waren. Der Duktus zeigte sich noch
llüchtiger als bei Zeile II; auch zehrte die Zeit au diesen Zeichen.
Der 1. Buchstabe ist ein F, dem, wie häutig, der mittlere Quer-
strich fehlt.
Im 2. Buchstaben ist ein L mit kleinem Querstrich zn erkennen.
Nach ihm folgt zur Rechten ein Punkt. AVI als 3., 4., :">. Buch-
stabe sind ohne grosse Mühe festzustellen. 1 ist schief nach rechts
gestellt; A und V sperrig gestaltet. Vom (>. Buchstaben ist oberer
Apex, sowie einzelne Theile des 2. Striches ausgeführt, der Rest
nur angedeutet.
Im 7. Buchstaben ist ein deutliches S erhalten. Der untere
Halbkreis erscheint am Ende gespalten.
Dem S folgen zwei flüchtige Punkte; diesen schlicsst sieh der
von oben her ziehende Mohnsteugel an.
Länge dieser Zeile — 85 cm.
Hohe der Buchstaben = 8— 10 ein.
JiOirb. d. Yer. v. Altcrlh*fr. Im Kh.liil. XCIV. 4
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f,0
C. M.-hlis:
Jenseits des Mobnstengels folget ein noch einsames 0. Oh
dies der Anfangsbuchstabe des noch fehlenden Cognomens ist, kann
Referent bis jetzt niebt entscheiden.
Was die Lesung der Zeile III betrifft, so sind zwei Mög-
lichkeiten vorbanden. Entweder ist KL. als Pränoineu und Avins
als nouien gentile zu erklaren, wobei zu beachten ist, «lass nach
Prof. Klcin's Mittheilung die gens Avia insehriftlicb selten vor-
kommt (vgl. Wilma uns, Ex. inseript. Latin. N. 2021, ein Avius
von Capua aus dem Jahre 11.'} vor Christus). Oder man liest die,
7 Buchstaben zusammen als
Flavia s. —
Nach genauer Prtlfung der l\ Zeilen (leider ist es unmöglich,
ein Photogramm aufzunehmen i gehören Zeile II und III als Name
des Gottes und des Dedicators zusammen. Zeile 1 hingegen ist von
diesen folgenden Zeilen durch den Schrifttypu* völlig geschieden.
Auch die Technik ist bei Zeile 1 different; die einzelnen Ztige
sind sorgsam und genau, Punkt fllr Punkt cingehauen, während
Zeile II und III die Flüchtigkeit der Decadcnce auf der Stiruc
tragen.
Referent ist geneigt, Zeile I mit Delphin und 3fohnstcngel
chronologisch zusammenzustellen.
Vielleicht hat, wie Prof. Klein vermuthet, ein gallischer Be-
sucher, heisst er nun Nantuas oder Xantuawglio, hierin seinen Na-
men verewigt.
Rechts von dieser Inschrift wird der schon erwähnte Mohu-
stengcl in Originalgrösse sichtbar. Er besteht aus der Wurzel, dem
Stengel und dein Blüthenknopf. — Delphin, Elcnnthier, Mohnstengel
sind so gut getroffen, daw selbst gewöhnliche Leute diese Bilder
als das, was sie vorstellen sollen, erkannt haben.- Was die Technik
betrifft, so ist sie bei allen diesen Felsbildern die gleiche: die Um-
risse wurden auf Grund einer Vorlage (Kreideskizze!) mit einem
Pickel eingespitzt, nicht, wie später, mit dem Mcissel cingehauen. —
Jeder Hieb ist noch deutlich sichtbar! —
Zwischen den Felsbildcrn und der Inschrift (Zeile II und III)
waltet in der Technik und der Gestalttingskunst ein grosser Unter-
schied ob. Nach unserer Ansicht sind ihre Entstehungszeiten durch
einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten getrennt. Dass die
römische Vntivinschrit't nach Delphin und Mohnblumen entstand,
das beweist die Rücksicht, welche der Meissler dieser Votivzeilen
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Neue Bciträtfre zur mittelrhcinisi-hen Altcrthimiskundp. 51
auf den Raum /wischen beiden Bildern nahm. Kr traf sie sicher-
lich schon an.
Wahrscheinlich ist es, das« zweite und dritte Wand die
Seitenflächen eines weiteren Wohnraumes gebildet haben, dessen
Eingang am Ende der ersten Wand lag. — Auf die chronolo-
gische Stellung dieser Felsbilder weist vor Allem die schon
besprochene Biga hin, die ohne Zweifel nach einem gallischen
Ooldstater getreu gearbeitet ist. — Schildkröte und Delphin
kommen als Münzbilder auf griechischen Münzen vor; jene auf
den Drachmen von Acgina. dieser auf dem Prägegeld von Argos und
Tarent. Ob jedoch analog obigem Schluss auch für diese beiden
Thiergestaltcn als Original ein scharfes MOnzbild anzunehmen ist,
oder ob dem Künstler nicht vielmehr ein Naturbild vorlag — diese
für unsere Felsbilder wichtige Frage mnss noch in Schwebe blei-
ben.— Auch auf der Süd Westseite des Brunholdisstuhles') wurde eine
ca. 12 cm lange, mit Blumenstengel, Rad, Pferdekopf gezierte und
mit Streifen durchfurchte, aus weissem Sandstein bestehende Felswand
ans etwa 1V$ m Tiefe freigelegt. Im Eck fand sich in V* n» Tiefe ein
Dutzend Leistenziegeln mit Oefässtrümmcrn aus dem 14. Jahrb. An
der Felswand selbst wurden die Konturen von mehreren Blumen
mit langen Stengeln sowie die Inschrift: MA sichtbar. Der Schutt
bestand aus Hausteinen von rother Farbe, die sicherlich zu bau-
lichen Zwecken hierher in alter Zeit geschafft worden sind uud
erst in einer Viertelstunde Entfernung lagerhaft vorkommen. Das
oben befindliche Rad und die darunter stehenden Buchstaben MA
erinnern auffallend an die massiliotischen Münzen (Obolen) und deren
gallische Nachahmungen. Heide tragen als Revers Rad und MA
Massalia). Vgl. Näheres bei Forrer: „Antiqua" 1891 S. 27
bis 28. — Die Ausgrabungen sollen im nächsten Frühjahre fort-
gesetzt werden. — Eine Photographie der Felsbilder hat der
Verein von Alterthumsfreundcn im Rheinhuide für die „Bonner Jahr-
bücher1' herstellen lassen. Dieselbe lag für Tafel I vor.
1) Urkundlich 1860 Biinl.oMeRtuhl.
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C. Mehlis:
2. Archäologisches vom Donnersberg.
Gelegentlich eines liinprerrn Aufenthaltes auf dem Donnersberg
im September 1892 machte der Verfasser eine Reihe von archäolo-
gischen Beobachtungen, die wohl weitere Kreis«' interessiren dürften.
A. Der Sehlacken wall.
Seit den Untersuchungen von Virehow, Co hausen, Schaaff-
hauscn. Schneider, Bchla u.a., welche diese Forscher den sog.
verschlackten Wällen gewidmet haben, ist die Aufmerksamkeit der
Fachmänner darauf hingelenkt. Während solche Verschanzungeii
der Vorzeit mit künstlich verschlackter Oberfläche in der Lausitz
und in Rohmen zahlreich vorkamen, sind sie im Rhcinlande sehr
selten. Bisher war meines Wissens nur der Wall auf dem Montreal
oberhalb Meisenheim am Glan'i und bei Kirnsulzbach a. d. Nahe
bekannt. Am Donnersberg wurde ein solcher bisher vermuthet,
jedoch nicht erwiesen.
Die Nordseite des gewaltig: aus der Rheinebene emporragen-
den „nions Jovis" umzieht ein Oooü m langer, aus Stein und Erde
errichteter Ringwall, dessen Lauf C. E. Gross und A. Schilling
von Cannstadt (1 878) besehrieben haben. Doch kannten sie den
Sehlaekenwall noch nicht in ihrer Beschreibung. Das NO. gelegene
Vorwerk umzieht die Ostseite der nach N. eingerissenen Eschdell
und bietet auf ihrem höchsten Punkte eine hübsche Aussicht nach
Ruppertsecken, Bastenhaus, Kriegsfeld u. s. w. Fast am nördlich-
sten Punkte desselben beginnt in sanfter Neigung der Schlacken-
wall und umzieht in einer Ellipse auf ca. 300 m das Plateau nach
Osten und Süden, während nach Norden an steilen Felshängen der
Sehlaekenwall nur an einzelnen Stellen sichtbar wird. Die Gcsammt-
länge (a — b— e — d — e) betrug demnach ursprünglich ca. 400 m. Der
Sehlaekenwall steigt nach Süden allmählich bis zu 1,50 m Höhe
und verflacht sich nach Nordwesten bis zu V» »»• Seine Sohlen-
breite beträgt 8 in, seine Kronenbreitc 1 in. Im Südosten ist er
von einem 3 m breiten Graben umzogen. Die Verschlaeknng findet
sich auf dem ganzen Wallrückeu-i und reicht nach von dem Ver-
1) Diesen „ftihliukenwall" besuchte der Verfasser vor mehreren
Jahren und besichtigte ihn genau.
2) Am hü eil ich en Wegtlurchgaiig sind die Schlacken in den Gra-
ben geworfen worden, als mau den Weg anlegte.
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Neue Beitrage zur iiiiuelrlMüniKchcn Altcrtliuuiskundc.
53
fasser gemachten zahlreichen Stichprohen his in '/3 ni Tiefe. Als
Material diente der hier Jägerhafte Feldsteinporphyr. Derselbe rindet
sieh anf dem Walle in allen Graden der Versehlaekung, vom Ueber-
znge mit glänzender Fritte bis zum leichten Bimsstein. An vielen
Exemplaren ist die Einlagerung, ja die Struktur der Holzkohle,
welche den Brandprocess verursacht hat, deutlich und mehrfach er-
kennbar. Es sind Stücke von 2 — 3 cm Lauge und 1 — l' 'g cm Breite.
Die Ränder der Abdrücke sind scharf, ebenso die einzelnen Hippen.
Mit S c Ii a a f f h a u s e n vemuithct der Verfasser Eichenholzkoh-
len als Brennmaterial. Es muss ein hoher Hitzegrad gewesen sein,
welchem die Oberfläche des Walles ausgesetzt war. Holzfeuer ge-
wöhnlicher Art schwarzen zwar den Porphyr, bringen aber keine
Spur von Schmelze hervor. Auch ausserhalb dieses Schlackcnwalles
von ca. 200 m Längen- und HO m Breitendnrchmcs.«cr finden sich
einzelne, wohl hierher später verschleppte Schlacken.
Einem metallurgischen Zwecke, wie man beim Donners-
berg, der Kobalt, Kupfer, Silber lieferte, vermuthen könnte, diente
der Schlackenwall nicht; dazu hätte man diesen regelmässig an-
gelegten Wall nicht nöthig gehabt. Von F e u e rsi gn a I e n rühren
diese Schlacken auch nicht her; dazu hätte eine Stelle genügt.
Es ist nach der Sachlage an ein umwalltes Tcmplum oder an ein
fortifikatorisches Aiinäherungshindcrnis zu denken, welches durch
diesen glatten Wall verstärkt werden sollte. Man könnte sich wohl
an die „Glasburg" des deutschen Märchens erinnern. Einen zufälli-
gen Brand von Gebälk anzunehmen, das nach Art der gallischen,
von Caesar beschriebenen Stadtmauern im ursprünglichen Steinwall
vorhanden gewesen wäre, verbietet wohl die gleichmässige Dicke
der Schlackenschicht und das Fehlen derselben im Inneren des
Walles.
Ob rohe Steinwerkzeuge aus Porphyr, welche sich innerhalb
des HauptwallcH vorfinden — eines derselben, im Besitze des Ver-
fassers, hat die Gestalt eines Beiles von 12 cm Länge, 0.5 cm Schnei-
denbreite, 1,7 cm Dicke — der Periode des S c h I a c k e n w a 1 1 e s
angehören, bleibt im Zweifel. Jedenfalls aber entstammt der
S c h 1 a c k e n w a 1 1 der ältesten Epoche, in welcher man den „mons
Jovis" zu umwallen bemüht war.
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C. Mehliu:
B. Der Süilwall und der Köuigsstuhl.
Lehne, .Die röin. Alterthümer der (innen der Donnersberger",
l.Tli. S. 02 gibt die Länge der prähistorischen Frnwallung anf
4108m an, Gross und Sehilling v. Cannstadt, „ Donnersberg-
Kiibrer-, S. .'»'?, auf (iooo m. In Wahrheit stellt sieh die Lange der
prähistorischen Uinwalhuigen auf ca. 7000 m.
Ausser dem Schlackcnwall fand der Verfasser im Süden des
Hochplateaus einen zweiten, bisher unbekannten Wall auf.
Derselbe beginnt an der Felsgruppc „ Langfels - oberhalb dem
„Gehauen Stein1* und zieht in der Richtung nach Nordwest in einer
Länge von 4.r>0 in, bis er au einem Fiehtenwäldchcn verschwindet.
Nach SD. ist er deutlich erhalten, erreicht eine Höhe von 2 m bei
7 10m Breite an der Sohle. Kr besteht aus Porph) rbrocken.
Nach NW. zu wird er Hacher und breiter, da ihn die Foret Ver-
waltung vor etwa 40 Jahren auseinanderwerfen lies« und ihn „riefen"
wollte (!!).
Im letzten, nach dem „Langfels" zu gelegenen Drittel wird er
von einem alten Fahrweg durchschnitten, dem ».Kutschwcg1*. Hier
hat er 12 ni Breite. Dieser Kutschweg fuhrt steil hinab zum „Ge-
hauen Stein" nach SWS., biegt vor demselben oben im Buchen-
schlage nach SO. ab, bleibt ca. 20 m unterhalb des jetzigen, am
„Gehauen Stein* vorbeifahrenden Fuhrweges und führt als 3 m
breite, nach SO. tiefer werdende Höhle durch die Lind ende He in
der Richtung auf Jakobsweiler w eiter. Dieser alte Strasse nzug steht
in Verbindung mit dem bei Jakobsweiler angenommenen Römerkastell
(vgl. (iross a. O. S. 4M Anm.). Jakobsweiler ist auch Fnndplntz
römischer Sarkophage etc. Dieser Strassenzug zog dann weiter
nach Osten über Weitersweiler einerseits nach Alzey, andrerseits
längst der P tri mm nach Worms. Diesen von Südosten kommenden
Strassenzug deekte der vom Ref. aufgefundene Wall, der in seinem
Aussehen dem Hauptwallc völlig gleicht. Am „Langsfels" übersieht
man denselben bis zu den hohen ThUnnen des Wormser Domes.
Der Königsstnhl bildet den höehstgelcgencn Punkt des
„mous Jovis". Seine (5 in hohe Porphyrkuppe dient im Südwesten
der L'mwallung den hier von NO. und OSO. zusammentreffenden
W absträngen zum Vereinigungspunkle. Unmittelbar südöstlich von
dieser alten Speenla, links des vom Ludwigsthurme hierher ziehen-
den Ftisspfades liegt, an den Südzug des Hauptwalles angegliedert,
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Neue Beitrüge zur iniltelrheinisclK'U Altcrtliumskundc.
eine bisher unbekannte, vierseitige Schanze. Ihre dem Königsstuhle
zuziehenden zwei Längsseiten siml je 24 in, ihre zwei Schmalseiten
10 m lang. Die Höhe betrügt noeli ';',«!, Der Wall besteht au«
Stein und Knie und trug wahrscheinlich früher Pallisaden. Wenige
Meter von der Südosteeke dieser Schanze entfernt (15 m) liegt der
zweite, alte Eingang in den Hauptwall. Er ist Ihn breit. Die
einwärts gelegenen Wallenden sind auf 10 in Länge nach Innen
zurückgezogen, so das» der stürmende Feind von drei Seiten be-
schossen werden konnte, von links, rechts und von vorn. Nach unserer
Verinnthnng war dieser (Sang früher gedeckt und zwar mit Balken,
ferner befanden sieb wohl vorn und hinten starke Boblcntborc,
so das* es dem Feinde möglichst schwer ward, den doppelt und
drei fmdi vertbeidigten Eingang zu nehmen. In der Schanze lag
eine Abtheilung von Bewaffneten — die Thorwachc, etwa 30— 40 Mann
stark. Die gleiehcu Vertheidigtingsinaassregeln waren am Xord-
cin gange, wie au diesem Südeingange getroffen. In der
Schatzgrube, wo ein 3 m breiter, von Nordosten — Kirchhcinibolandcu-
Alzey — her zur Höhe führender alter Weg in die Versehnnzuiig eintritt,
sind gleichfalls die Wallenden zurückgezogen und zwar auf je ÜO m
Länge. So entstanden hier zur Linken, nach Westen zu und zur Rech-
ten, nach Osten zu, zwei bastionartigo, auf drei Seiten im Westen
und auf zwei im Osten geschlossene Keduits, welche den Angreifer
aufhielten. Am Ende der östlichen Einziehung sind zudem noch
Fundamente eines Thurmes sichtbar. Dieselben bilden .einen er-
höhten Kreis von 18 m Umfang; in der Mitte befindet sich eine
Höhlung. — Dass Schanze und diese zwei l'oternen römische An-
lagen sind, steht für den Verfasser fest, ebenso wohl für Herrn Oberst
nnd Konservator von ('ohausen, der vor mehreren Jahren mit
Sr. Exeellenz Oeneral von Seid Ii tz den Wall auf dem Donners-
berge besucht, jedoch den Eingang am Köuigsstuhl unseres Wissens
nicht bemerkt hat.
Ueber Römertunde auf dem Donnersberg wird ein dritter
Artikel kurzen Berieht erstatten.
C. Römische Funde.
Sicher beglaubigte Funde aus der Röiucrzeit vom Innern des
Ringwalles sind es wenige; ausgiebigere (Irabungen fehlen bisher;
Versuche hat der Verfasser mehrfach gemacht.
fVfi
C. Mehlis:
Lehne: _Die röm. Allorth, der Gauen des Donnershergesu I. Th.
S. '.»2 ttcrichtot von Münzen, Urnen und einem römischen Mahl-
stein, den er selbst sah. Auf einem Felsen des Donnersherges fand
er die Inschrift:
I O-M-
Der Rest derselben war /erstört.
Zu Imsbach bei Falkenstein südwestlich vom Donnersberg
fand man 1820 ca. 30 Bronzemünzen der konstantinischen Zeit
(„Intelligcnzhlättcr des Khcinkreiscs" 1820, S. 412). Anno 184(> fand
sich ebendaselbst eine Urne mit über looo Stück römischer Kupfer-
münzen. Nach .1. (1. L c h m a n n (Bararia, Rheinpfalz, S. ;V.M>)
reichen sie von Dioeletittnus bis Constantinns II.
In demselben Jahre fand ein Taglöhner auf dem Donnersberge
folgende Bömeraltsaehon : 1. einen nnmns reeusus. Der herzförmige
Stempel tragt folgende Buchstaben |r>PN CN. Ich lese Imperator
Coii8tanti(n)ns. Die ursprüngliche Münze scheint dem (iegenkaiser
von Constantius II. dem Magnentins angehört zu haben und zwar nach
den Hltcrcn Buchstaben MEFAVG, von denen Nr. 2 und 3 offenbar
falsch gelesen sind.
Die übrigen Funde bestanden in mehreren Fibeln und einer
Bulla. Auch diese letztere weist auf r ö m i s c h e S p ft t z e i t hin.
(vgl. 2. Jahresbericht des bist. Vereins der Pfalz. S. 20 u. S. 23,
sowie Tafel VII, X. 3).
Dieser Fund ist der w i c h t i g s t e, weil genau bestimmbar. —
Als im Jahre 1852/Ö3 das Innere des Walles aufgeforstet
wurde, grab man in der -Tränke" nördlich des Paulinerklosters
zahlreiche römische Mahlsteine, Ciefässc, Münzen n. s. w. ans. Nach
dem Bericht eines alten Waldarbeiters, Brannfels, den der Verfasser
darüber sprach, machten diese Befnnde nicht den Eindruck eines
Grabfeldes, sondern den einer römischen Niederlassung. Mehrere
«lieser römischen Mahlsteine befinden sieh im Museum zu Speyer,
einen derselben erwarb der Verfasser im September 1802. Derselbe
bildet ein Oval von 37 und 31 cm Durchmesser und 8 cm Flöhe,
ist in der Mitte gelocht und auf der unteren Flache rauh gearbeitet.
Er besteht aus verschlacktem Xiedennendiger Basalt. Er gehört
wohl nach seiner nachlässigen Bearbeitung der Spätrömerzeit an.
In dieselbe Zeit fallt nach dem früher vom Verfasser geführten Be-
weis (vgl. .Berl. philolog. Woehenschr.tf 1800 „ Funde von der Lim-
burg") eine von ihm in der Schlangendelle vorgefundene halbe Rcib-
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Neue BeifrH^c zur miltclrhcmisrhen Altcrthuinskunde. &7
Steinplatte. Dieselbe hat 17 em Länge (Rest abgebrochen}, 20 ein
Breite, ;"> cm Höhe und besteht aus Porphyr.
Die auf iler Limburg n. d. Hart gefundene Rcihplatte ist
vollständig und hat dieselbe Breite und Höhe.
Auch diese letzteren Kunde gehören demnach der Spatrömcr-
zeit an.
Der Verfasser stimmt nach diesen Iiidicieu vollständig der An-
sieht von K. <\ Ilrnbs: „Wegweiser auf den Dnnncrsbcrgu S. 4H
zu, wonach der dauernde Aufenthalt der Kömer innerhalb des Walles
in das sturmbewegte 4. Jahrhundert n. Chr. fiel. Die Ansiedlung halten
wir fflr eine aus den Bewohnern der Umgegend bestehende; die
Bewachung der Umwallnng bildete die Lokalmiliz der romanisir-
ten Van ginnen (vgl. darüber Julius Jung in Sybel's bist.
Zeitschrift n. F. 31. Bd., S. 2i» Anmerk. 7). —
Die von Lehne oben angegebene römische Inschrift
IOM
offenbar von einer Ära herrührend, hat der Verfasser lange Zeit
vergebens gesucht. AnchOross a. 0. S. K führt sie an. Der
Verfasser zweifelte zuletzt an ihrer Existenz, bis er ihre Reste im
September 1W>2 unter Domen und Disteln entdeckte. Am Ostfnsse des
Königsstuhlcs erstrecken sich drei Felsengrate nach Osten. Zwischen
dem 2. u. 3. steht im Ostrüpp zur Linken eine künstlich ans dem
Fels herausgearbeitete Ära mit ovalem Abseblnss. Höhe — 1,30 m,
Breite — 1 m, Dicke ~ 0,40 m; Ocstcin Porphyr.
Mitten auf ihrer Vorderseite sind 4,20—20 cm hohe Hohl-
räume sichtbar. Man bemerkt an ihren Randern deutlieh die Spu-
ren von Hieben, mit denen hier früher gestandene Buchstaben ent
fcriit wurden. Die 1. Höhlung bildete früher ein I; die 2. und 3.
ein breites 0, die vierte ein weitspuriges M. Die verschollene
Widmung
IOM
ist endlich, wenigstens in Trümmern gefunden. Ob eine rechts unten
in der Ära befindliche Lücke den Namen des Dcdicators enthielt,
ist möglich. Doch veimulhen wir, dass die Ära gleich der vom
Seidammberge nahe an Dürkheim herrührenden, nur die Weihein-
schrift an
„Jupiter optimus maximusu
enthielt. Die Inschrift zerstörten wahrscheinlich die Paulinermönchc
als heidnisches Teufclswerk.
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;,.s
C. Mehlis:
Nach ihrer Form, dem ovale» Ahschluss, mag dieser Altar,
iler nach Nordosten blickte, am Ende des .*{. oder Beginn de» 4.
Jahrb. entstanden Kein. Er erhob sich dicht zwischen der Spccn In
auf dem G in hohen Kiinigsstuhl und der Schanze, wo die Bc-
deckuug des Hauptcinganges lag. Letzterer offeubar verdankt die
Ära ihre Entstehung und ihre Verehrung:.
Ob von dieser Arainschrift der Name des Beiges „mons
J o v i sli herstammt, der Übrigens erst i. ,1. 828 in einem Schreiben
Frothars' von Totil erscheint „a iiionte Jovis nsque ralatium Aqnis"
(vgl. Lehne a. O. 1. Tb. 8. 1)1 Anmerk.), oder, wie .1. Grimm
vcrniuthet, von der Fcbersetzung seines altgennanisehcn Namens:
„Thonersbergu (so anno H(W\ = «Berg des Thonar", bleibt vor-
läufig dahingestellt. Sicher jedoch ist, das» in einem klassischen
Schriftsteller der Name „mons Jovisu für unseren Donnersberg, wie
vielfach noch geglaubt und geschrieben wird, nicht erscheint,
wenn es auch nach unserem Befunde nicht unmöglich ist, dass
schon zur Spätromerzeit obige Gleichung mous Jovis — „Berg
des Thonar* im Munde des romanisirten Vangionen vorhanden war.
D. Gallische Münzen.
Bezeichnend für die Zeit der Entstehung und der ersten Benützung
des Ringwalles auf dem Donnersberg ist der Fund gallischer Münzen,
sowohl innerhall) der Vcrschanzung als auch in «lein an seinem
Südostfuss gelegenen Oertehen .1 nkobs weil er.
Innerhalb der Fmwallung wurden fünf Stück gallischer Münzen
aufgefunden vgl. Mehlis: „Studien zur ältesten Geschichte der
Rheinlnnde- III. Abth. S. 21 und Tat'. II. Fig. 16). Drei derselben
sind bekannt. Die 1. ist eine sogenannte scutcllu Iridis oder Regen-
hogcnschüssclchcn aus Gold. Sie hat nur einseitige Prägung. In
der Mitte eines Kranzes von kleinen Kreisen ist nach rechts blickend
eine in den Konturen vogelähnliche Figur mit langen Stelzbeinen,
ein Reiher oder Kranich dargestellt. R. Forrer in seiner Arbeit
über „Die keltischen Münzen" ( Antiqua Jahrgang IX, 1891) rechnet
diese Münzen zu denen des ^nationalen Typusw und glaubt, dass
sie neben den Nachbildungen der macedouisehen Goldstatere zeitlieh
und räumlich herliefen (4— 3. Jahrhundert vor Christus). Regenbogen-
schüsselclieii mit ähnlichen Münzzeichen werden oberhalb Jakobs-
weiler, welches an der Südseite der oben erwähnten, zum Plateau
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Neue Beitrüge zur mittelrheiiii^chen AlU'rtliuiuskunrie. 59
hinaufziehenden Römerstrassc liegt, nach Regengüssen von Zeit zu
Zeit gefunden.
Einem anderen Typus gehören die Übrigen zwei gallischen
Münzen an. Beide sind von Silber und in der Grösse eines sil-
bernen Zwniizig-Pfennigstückes. Heide sind doppelseitig geprägt
und tragen auf dein Avers das Bild der Pallas-Minerva oder der
Koma, auf dem Revers das bekannte gallische Pferd. Sämmtlichc
Figuren blicken nach links. Die eine dieser Münzen jedoch ist sehr
stark erhaben, die andere sehr flach geprägt. Anf letzterer sind
über dem Rücken des Pferdes 4 Buchstaben eingeprägt. Ich lese
dieselben VYLr d. h. Vau, Ypsilon, Lambda, Gamma oder C'e, also
— Vulc. Ob diese Signatur auf die etnirische Stadt Vttlei zu be-
ziehen ist, welche im Handel mit Gallien eine grosse Kollc spielte —
bekanntlich stammt das vornehmste Fundstück Etruricns auf deut-
schem Boden, der Üürkheimer Dreifuss, aus den Fabriken dieser
Stadt; vgl. Gent he: „über den ctruskischen Tausehhandel nach
dein Norden* S. 155» — IttO u. S. Iß — , oder ob diese Inschrift in
sehlechter Wiedergahe auf den gallischen Stamm der Voleae sieh
beziehen soll, dessen Münzen sich zahlreich am Mittelrhcin vorfinden
(vgl. K. Forrer a. 0. S. 28). ist schwer zu entscheiden. So ver-
lockend die obige Münzschrift sein mag, so wollen wir uns doch
nicht bei der Unzuverlässigkeit der gallischen Münzmeister auf ihre
Deutung stützen. - Eine eigentümliche Illustration erhält durch diese
Mischung griechischer und italischer Buchstaben die Nachricht Cae-
sar** (de bell. gall. I, 20; V, 48; VI, 14). das« sich die Gallier „graeeis
litteris" bedienen. Prof. Harstcr in Speyer, dessen Güte der Verf.
genaue Abdrücke dieser zwei Münzen verdankt, hält sie für Imi-
tationen römischer Silhcrdenare aus der republikanischen Zeit. Eine
sehr ähnliche Silbermttnze bildet Forrer a. O. unter Fig. 112 n.
113 ab. — Halt man an der Ansicht dieses bewährten Münzkenners
fest, so wären diese zwei gallischen Silbermünzen als sehlechte
Nachahmungen römischer Denare aus der letzten Zeit der Republik
anzusehen. Nach Gcntlie's Nach Weisungen ist vor Caesars Zeit
von römischem Courant in der Schweiz nicht die Rede, noch weniger
also am Mittelrhein (vgl. Genthe a. 0. S. 87).
Dagegen blühte der römische Handel nach den Kämpfen mit
den Cimbern und Teutonen im Nnrbonensisehen Gallien (vgl. Cicero
pro Fontcio c. 1 § 11,. In diese Zeit, also zwischen 100— 00 v.Chr.,
d. h. in die jüngste Periode der la-Tene-Zeit, ist wohl die Eutstehung
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C. Mehlis:
des obigen Münztypus zu setzen. Damit stimmen auch die Resultate
von R. Forrer «beiein (vgl. a. 0. S. 2W— 31).
Ein Lieht fallt damit aueh anf die Bcnützungs/.cit der Ring-
mauer auf dem Donnersberg. Vor den in derselben Zeit über den
Mittelrhein drängenden Germanen, den Yangionen, Nemetcrn, Tri-
boeebern zogen sieh die gallischen Ansiedler in deu Schutz ihrer
Oppidn, wie sie Caesar nennt, zurück. Hin solches Oppidum war
die Centralfeste auf dem Donnersberg, die wohl ein (iaastamm der
Mediomatriccr zu Schutz und Trutz für sich und seine Angehörigen
errichtet hatte. Während der Besctzungszeit gingen obige Münzen
verloren.
Ks stimmt dieser archäologische Reweis in Betreff der Be-
nützungszeit dieser mittclrheinischcn Oppidn mit den vom Verfasser
in seinen „Studien" (I. Abth. S. 39 ff., VI. Abtb. S. 71 ff., X. Abth.
a. m. St.) gelieferten historischen ül>ercin, woraaeh sie im Kampfe
zwischen (ialliern (Medinmatriccra) und »viehischen Ganvölkern in
der Zeit von 10— 4h v. Chr. eine Rolle gespielt haben. So geben uns
diese Münzen einen terminus ad quem an, während die sculellac
Iridis, deren Rrägezeit ins 4. bis 3. Saeculnm vor Christus fällt, die
Benützungszeit durch einen bestimmten terminus a quo limitirt.
Bestimmter und gesicherter ist dieser Anfangspunkt durch
diese altgallische Münze, als durch die oben erwähnten Steiu-
werk zeuge. Letztere gehen in die Zeit der eisten arischen Ein-
wanderung in die Rheinlandc zurück, als Stämme sieh hier nieder-
liessen, deren Name — Vasconcti V wir kaum v c r w e r t h e n können.
Die (iallicr dagegen gehören den geschichtlichen Völkern an,
deren erste Anfänge am Mittelrhein durch Müllen hoff '» und anderer
Germanisten Forschungen erbellt, deren letzte Entwieklungsatadien
durch Caesars Tagebücher und Strabo's statistische Nachrichten
festgestellt sind.
Einen Fingerzeig aber für manche noch halbdunkle Par-
tien der Geschichte der mittelrheinischen Gallier im 3.-4. Jahr-
hundert und im 1. Jahrb. vor Christus, oder archäologisch ausgedrückt,
zu Anfang und zu Ende der la-Tene Zeil, gewähren uns die oben
kurz besprochenen drei gallischen Münzen vom
„mons Jovis".
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Nene Beitrüge zur inittelrhciiiisehcn AHcrthrnnskuiule.
3. Eine römische Militärstrasse in der Westpfalz.
Die Verbindung zwischen Augusta Treveronun und Argento-
ratum zur Römerzeit, d. Ii. zwischen dein Sitze der Oentralgewalt
und der Hauptfestung am Oberrhein zur Zeit der sinkenden Herr-
schaft der Körner ist ein Postulat der Vernunft.
In Wirklichkeit haben die Forschungen von Oberatlieutnant
Schmidt (Bonner Jahrbücher Heft 31, S. 210—215) und Director
Dr. Sch röder („Uebcr die röinischen Niederlassungen und die Römcr-
strassen in den Saargegenden" III. Abth S. 10 — 14) einen Tbeil dieser
Militärstrasse, soweit sie durch prenssisches (iebiet zieht, festgestellt.
Allein die Fortsetzung dieser Strasse durch die Pfalz ist bisher
nicht einmal vermuthungsweise festgestellt worden. Der Verfasser
ist nun in der glücklichen Lage, die obige Linie für die Pfalz so
zu erweitern, dass der Wcitcrffthrnng derselben durch das Elsas»
bis Strasshnrg keine besonderen Schwierigkeiten mehr im Wege
stehen. Von Trier geht es nach Schmidt s Forschungen «her Nie-
derzerf, Weisskirchen, Wadern nach dem Sehanernberg bei Tholey.
Von hier durch den Varnswald als Rennstrasse nach Stennweiler bis
Nennkirchen. Nach den weiteren Untersuchungen von Schröder
und dem Verfasser zieht sie von Nennkirchen nach Neuhäuscl oder
der uralten Veste Kirkel, wo nach gemachten Römerfuuden ohne
Zweifel ein Strassencastcll sich befand. Von Kirkel zieht sie gen
Süden am Hutsehuck vorüber (hier römisches Steinrelief) nach Lauts-
kirehen und Blieskastel!. Letztere* war nach den hier gefundenen
römischen Inschriften zu sehliessen (vgl. Brambach corpus inserip-
tornin Rhenanaruin Nr. 17X2 und 1783) gleichfalls eine römische
Niederlassung. Schon im Jahre 900 wird es als Castrum Blesiacum
erwfthnt. Von hier gingen zwei Strasscnzüge ans; der eine süd-
westlich über Biesingen an die Saar, der andere zog — bisher un-
bekannt — in südöstlicher Richtung an den Rhein nach Strasshnrg.
Jenseits der Blies liegt Webenheim, wo ein römisches Denkmal sieh
fand (vgl. Mehlis „Studien" H. Abth. Seite f>7). Zwischen beiden
Orten stellte wohl eine Furth die Verbindung her. Von Wehenheim
aus steigt die Strasse direct nach Südosten und gelangt über den
„ Rothen Bühl" bis zu einer Meercshöhe von circa 380 m. Sie zieht hier
über eine Hochfläche von 4 km Breite, um schnurgerade in Mittel-
bach an die Biekenalbe zu gelangen. Auf dieser Höhe ist die Strasse
C. Mehlis:
auf filier Länge von .'} Kilometer Wohle rlialten; nie hat eine Breite
von (liirclise linittlicli 7 Meter '«las von Ohcrstlicutnant Schmidt auf-
gestellte Xormulmanss = 2<» rheinische Fnss't und ist mit auf der
Kante gestellten testen, meist viereckigen Knlkstciuhrocken gestückt.
In der Mitte zeigt sie eine sanfte Anschwellung.
Gegen Webenheini zu wird sie als Feldweg gebraucht und ist
hier deshalb ausgefahren und holperig. In der Mitte jedoch und
nach .Südosten zu ist sie ausgezeichnet erhalten; hier bildet sie die
Grenze zwischen den Gemeinden Hengsbach und Mittclhach, fuhrt
durch Wald und wird wenig oder gar nicht befahren. Der ganze
Strassenzug von Webenheiin bis Mittelbach heissl jetzt noch „die
Römerstrasse". In der Mitte wird sie von einem zweiten alten
Strassenzug geschnitten, der von Altheim her über den Welsehberg
gegen Norden direkt nach Zwcibrilcken zieht. Voraussichtlich ist
dieselbe mit der frühmittelalterlichen Köuigsstrasse ideutisch. Dort,
wo sich beide Strassenzüge schneiden, liegt nördlich vom erstge-
nannten, in der Wolfsacht eine Grabhügelgruppe von 7 Tumulis.
Ein Tumulus erhebt sieh unmittelbar im Osten des Schnittpunktes der
beiden Strassen. Von diesen Tumulis, die im Hochwald liegen, sind
Ii durchschnitten. Fs fanden sieh in ihnen Armringe aus Bronze.
Von Mittelbaeh zog die Strasse über den Scheiderücken
zwischen Bickenalbe und Hornbach nach dem alten Orte Hornbach
und zog sich oberhalb dieser alten Burgstelle, über den Tcufelsbcrg
und den Scheidwald auf die Höhe zwischen der Schwalbach und
den Zuflüssen der Trualb. Stets auf der wasserseheidendeu Höhe
bleibend, gelangte die Strasse von hier aus nach Süden direkt über
Schornbach nach Bitsch. Dies war im Mittelalter der gewöhnliehe
Weg von Zweibrtleken nach Bitsch. Von Bitsch aus konnte diese
wichtige Militärstiasse verschiedene Linien in der Richtung nach
Strasburg einschlagen. Dem Verfasser scheint die richtige Trace
durch die Orte Kgelshard, Niederbronn, Pfaffenhofen, Braiiiath be-
zeichnet werden zu müsseu. Die letzteren 3 Stätten sind bekannt
als Fundorte römischer Alterthttmer (vgl. Brambach: eorp. inseript.
Rhenaii. N. 1840—1844, N. 187«, N. 1897—1901 und Fr. Xaver
Kraus: „Kunst und Alterthum in Elsass-Lothriugcn'4 I. Bd. 1. u.
2. Abth.). Von Brocomagns nach Argentoratum führte die grosse
Rheinstrasse : Mainz- Windisch.
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Nette RoitrJlpre zur mittetrheinischcn Altertlnitnskundo. 63
4. Burgruine Schlosseck in der Pfalz.
Die Burgruine Schlösset* k liegt am linken Ufer der Iseuach,
wo in dasselbe von Norden her das Pf'aflenthal eimnlindet. ea. :"> km
westlich von Dürkheim.
Vom Ranfels, Peterskopf, Harteiibnrg und Limburg aus sind
die Zinnen des Portales, sowie die drei alten Lindcnhuume. welche
südöstlich desselben stehen, sichtbar. Die Ruine liegt 107 R —
ea. 320 m hoch über dem Meeresspiegel.
Dass an dieser Stelle ein „Schloss" gestanden habe, vermeldete
bis 1879 nur die Sage. Jedoch selbst den Namen dieses Schlosses
wnsste Niemand mehr. Nach der Mittheilung eines alten, hingst
verstorbenen Försters soll die Rurg „Ewaldsburg" geheisseu haben1).
Da glückte es dem Verfasser vom Jahre 1879—1885 Bering,
Sehildmaucr, die Trümmer des Portales n. s. w. blosszulegen und
zwar mit Unterstützung des historischen Vereines der Pfalz, des
Alterthumsvcrcins und de« Verschöncmugsvercins zu Dürkheim.
Vom Portal wurde bei den Ausgrabungeu der Sockel bis etwa
in Meterhöhe noch vorgefunden; die dazu gehörigen Hausteine fanden
sich wenige Meter davon entfernt auf ei nein Platze, im Graben.
Ans ihnen wurde auf Grund eines von Sachverständigen auf-
genommenen Aufrisses im Jahre 1883 das jetzt stehende Portal in
einer Höhe von 6 m reeonstruirt.
Ks wird dies hier ausdrücklich vermerkt, da Essen wein be-
zweifelt, dass das jetzt stehende Portal hier überhaupt gestanden
hat (vgl. Essenwein: ..Die Kriegsbaukuust", Dannstadt 1889, S. 68).
Von grösseren nicht im Bau untergebrachten FnudstUckcii ist
die eine zum Portal gehörige Kämpferplatte zu erwähnen, deren Mittel-
theil von einer gnomeiiartigen Figur getragen wird, sowie ein mit
Palmcttenverzicrung geschmücktes Rnndbogenstück. Rcidc fanden
sich nach dem Aufbau des Portales unter ciuer Buche. Erwähnens-
werth ist ferner eine grosse Anzahl von Stcinkugcln von 30 — 40 cm
Durchmesser. Eine Anzahl kleinerer Funde, wie Mahlstein von
Quarzit, Sporen, Speerspitze. Schüssel u. s. w. aus Eisen, sowie
mehrere geriefte Thonbecher, welche dem 12.- 13. Jahrhundert an-
gehören, befinden sich im Museum zu Dürkheim.
Der von einem fortlaufenden aus ßnckelquadern bestehende
Bering umschliesst eine bügeleisenfönuige Felsuase, deren Fläche
1) Vgl. Ottmar Scliönlmtli: „Bargen, Kloster u. s. w. Badens und
der Pfalz" 2. \M. S. 358.
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C. Mehlis:
sich HiOm über der Soole des Iscnachthales erhebt. Hie Hänge
dachen sich nach drei Seiten, nach Süden, Osten und Westen »teil
ab. Die vierte, nördliche Seite, die Angriffseite ist dreifach geschützt:
1. Durch einen äusseren, 12' s.ni breiten. 1 «• tiefen Graben,
der auf der Ostscite durch einen 1> in breiten Landstrcifcn die Brücke
zwischen Aussen- und Innenseite herstellt. Vor diesem Aussengrahen
liegt eine Cisterne, deren vier Seiten je 4 in Länge haben.
2. Durch den inneren Graben, der wie der erste aus dein Felsen
geschrotet ist und bei 10 m Breite 2 in Tiefe hat.
3. Durch die Schildmauer von 3f> in Länge und wohl ursprüng-
lich Gm Höhe.
Die an den Ecken abgerundete Schildmauer besteht wie der
ganze Bering aus zwei Lagen Quadern, von denen die äussere Reihe
gehosst, die innere glatt behauen ist.
Dicht ueben dem Portal erhebt sich der noch 4 m hohe, mit
der Spitze in die Schildmauer hineinragende fünfscitige Berg
tri ed. Auch dieser besteht aus Bossenquadern.
Wie die verschiedenen Maasse der drei rechtwinkligen Seiten
sowie die des viereckigen Innenraiimes beweisen, hatte der Bau-
meister in der genauen Konstruction solcher Bergfriede noch keine
rechte Ucbung. Die schützende Stellung des Bergfriedes neben dein
Portal gleicht, wie Näher ganz richtig bemerkt, der Situation auf
Landeck und Wachtenburg. Dem Verfasser scheint dieser Umstand
darauf hinzudeuten, dass die Erbauung dieser drei Bergfriede in
dieselbe Zeit, Mitte bis Ende des zwölften Jahrhundert« fällt.
Der hochgelegene Eingang zur Burg befand sich, wie ein dort
vorhandener Podest aufweist, auf der Ostscite des Berges. Südwest-
lich des Thurmea liegen hart an der Beringmaucr die 1 — I1, , m
hohen Fundamente eines viereckigen Gebäudes. Dieselben sind aus
Hausteinen kleineren Formates erbaut. Der Inucurauui misst Kim
Länge auf 7,f) m Breite.
Südöstlich vom Thurm liefindcii sich die Reste eines Zieh-
brunnens oder einer Cisterne und noch weiter nach Süden vor den
drei Linden, die den Burghof beschatten, fanden sich Spuren von
einem weiteren, aus Fachwerk bestehenden kleinen Gebäude. Auf
dieser Ostscite des Bcringcs, 3 — 4 in von der Innenseite desselben
entfernt, wurde ein aus gewaltigen Steinblöcken bestehender Maucr-
zng aufgedeckt. Er gehört einer älteren Periode, wahrscheinlich
dem Ende der Röincrzcit an, ans der auch «las Bruchstück ciues
Terra sigillata Gelasses von gelbrot her Farbe herrührt.
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Neue Beitrügt* zur mittelrhe.inischen Alterthuniskunde. 65
Dass die Ringmauer ursprünglich ho ziemlich die gleiche Höhe
wie das Portal hatte, ist nicht zu bezweifeln, wenn man der Tradi-
tion Beachtung schenkt, wonach die unten stcheude Papierfabrik
aus den Quadern der Ruine Schlosseck erbaut wurde. An inschrift-
lichen Funden sind folgende vier zu verzeichnen:
1) Auf einem Quader der Nordostecke des Thurmes steht der
Name Hirgari eingehalten.
2) Auf der Innenseite des westlichen Kampfers am Portal steht
die Jahreszahl 1203.
3) Auf der Aussenseite desselben Kampfers stehen drei Kreuze
in gleicher Linie und der Name Padhuo mit nachfolgendem Kreuze.
4) Auf einem Eckquader der Ostseitc des Thurmes ist ein S cm
hohes und breites, mit Sehlusslinien versehenes Kren z angebracht.
Den Namen Hirgari stellte Prof. Harry-Breslau fest, die
Jahreszahl 1202 entdeckte Karl Kmich Graf zu Lciningcn-
Westcrbnrg, das Uebrige der Verfasser.
Besondere Beachtung verdienen die zwei fast freigearbeiteten
Adler am Kämpferportal, der aus Palmetten und Lotosblumen be-
stehende Rnndhogcnfrics, der Schlussstcin des Thorbogens, anf dem
ein bebarteter Kopf dargestellt ist, der von Bandverschlingungen
umgeben wird, sowie der unter der Zinne laufende, von acht kleinen
Halbbögen getragene Palmettenfries. Alle diese Verzierungsmotive
deuten auf die Berührung kirchlicher und weltlicher Bauthätigkeit
zu Eude des 12. Jahrhunderts. Auch das Südportal des Domes zu
Worms wird von Adlern getragen.
Ueber die Geschichte dieser Borg vermelden weder Urkunden
noch sonstige Schriftstücke eine Nachricht. Auch die Lciningcn sehen
Theilungen, weder die vom Jahre 1237, noch die vom Jahre 1K48,
bringen den Namen einer Burg, der sich auf Ruine Schlosseck
deuten Hesse. Dass die Burg durch Brand zu Grunde ging, geht
aus den zahlreichen verbrannten Holztheilcn hervor, die sich sowohl
im Portal, als im Thurme vorfanden. Da sich jedoch kein Fund-
stuck vorfand, das über das In. Jahrhundert hinausging, so ist es
nicht unmöglich, dass Ruine Schlosseck im Leiningen'schen Erbfolgc-
krieg 1471 zu Grunde ging. Bezüglich der Erbaungsgeschichtc der
Burg sind wir demnach nur auf archäologische Schlüsse angewiesen.
Die Namen Hirgari und Padhuo oder besser Hergari und
Paticho sind als die Eigennamen der Steinmetzen oder Baumeister
anzusehen, welche Thurm und Portal errichteten. Beide Namens-
formen gehören dem Altfränkischen an, und waren darnach diese
Jahrb. d. Ver. v. Altorttufr. im Rheiul. XCIV. {>
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66 C. Mehlis: Neue Beiträge zur mittelrheinischeu Alterthumskunde.
Architekten Eingeborene. Seiion der Umstand, diu» wir zwei Bau-
meister haben, weiter aber auch der, dass Beringmaucr und Thurm
einerseits, das Portal andererseits nicht verkennbarc Unterschiede
in der Technik aufweisen, fuhren zum Schlüsse, Beringinaucr und
Thurm um circa ein halbes Jahrhundert höher anzusetzen, als das
Portal, dessen Herstellung dem Jahre 1202 mit Sicherheit angehört.
Eine weitere Thatsaebe der Geschichte ist die. dass der Grund und
Hoden, auf welchem Sehlosseck steht, schon im 12. Jahrh. dein
Hanse Leiningen angehört hat. Von Schlosseek führt ferner ein
alter Fahrweg nach Norden ins Wallenthal, der in einem tiefen
Hohlwege den (lebirgskainin zwischen Heidenfel» und Hanfels er-
reicht, von dem ans durch die „rot he HohP die directe Verbindung
nach Höningen und Ableitungen besteht. Auch dieser Umstand
deutet auf alte Verbindung von der Rnine Schlosseck mit dem
Lehmiger Thalc, wo der Stammsitz der Grafen von Leiuingen, Alt-
leiui ngen, gelegen ist. Es ist ferner zu beachten, dass Ruine
Schlosseek seiner ganzen Lage nach nur den Zweck haben konnte,
die Abtei Limburg und die nach Fraukenstein führende Strasse zu
beobachten und zu sichern. Mit Erbauung der Feste Harteuburg
verlor Schlosseek seine militärische Bedeutung.
Aus diesem Grunde geht die fast nothwendige Folgeruug her-
vor, dass Schlosseck als Schutzcastell für die Abtei Limburg Mitte
des 12. Jahrh. von dem damaligen Sehinnvogt des Klosters Lim-
burg, Emich III. Graf von Leitungen erbaut wurde 'i.
Sein kunstsinniger Sohn, der Landvogt im Speyergau, Graf
Friedrich l. Hess das Portal 1202 erbauen. Mit der Erbauung von
Harteuburg, die ein Jahrzehnt später stattfand, sank Sehlosseck zu
einer Nebenburg herab und ward spätestens im lä. Jahrh. durch
Brand zerstört.
Lltteratnr.
Mehlis, in »Irr Monat.sclirilt für «lic Geschichte Westdeutschlands, V., VT.
und VII. Band und in dein dazu <rehörijren Corrcspondcnzlilatt 1882. Nr. G,
Mohlis, Studien zur ältesten Cieschiihte der Uheinlande, 10. Alitheilung,
Seite 81-90.
Harry Breslau, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Konrad II.
2. Band, Seite 385.
Näher, Die Burgen der rheinischen Pfalz, Seite 23-24 und Blatt 7.
Essenwein, Die Kricgsbaukunst, Seite 6M.
1) Verjrl. Mfinchot, Kloster Limburg, Seite 17-18.
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2. Neue Funde aus Asberg (Asciburgium).
Von
Dr. Kiebourg.
Hierzu Tafel III.
Im Folgenden soll über mehrere Asberger Funde berichtet
werden, die im Lauft; den vorigen Jahres 7.11 meiner Kenntnis* be-
kommen sind; ich gedenke dabei gerne der fordernden Antheilnahine
meiner Freunde Dr. Oxe in Crefeld und Dr. Nordmeyer in
Mors.
I. Am 29. Juli rief mich die Meldung des Grundnrbeiters
Jansen ans Crcfeld nach Asciburgium. Er war beim Auswerfen
eines Kellers für das zu erbauende (jetzt fertige) Haus des Zimmer
mann aus Asberg, westlich von der Römerstrasse, anf römische
Reste gestossen. Leider war bei meiner Ankunft die Fundstätte
wieder zugeworfen. Seine Beschreibung war unklar. Er sprach
von einer runden, ll/8 Fuss grossen Kuppel, rings im Viereck mit
Ziegeln umsetzt, von einem Graben parallel der Strasse, in dem
solche Ziegel an einander standen. Später sei er hart an der Strasse
auf Brandcrdc und ein stehendes Skelett gestossen. (V) Ausser einem
beschädigten Lämpchcn, 2 verschmolzenen Eisenstücken, die au
der Kuppel gesessen hätten, dem abgebrochenen spitzen Fuss eines
grossen, grauweissen Thonkruge», einer SilbcrniünzC, die mir leider
abhanden gekommeu ist, und einem Daeh/.iegclstück erhielt ich vor
allem 3 Stücke eines reich verzierten Gelasses aus terra sigillata.
Diese Gegenstände sind ausser dem Lämpchcn Eigeuthum des Crc-
fclder Museums geworden. Die 31) zuletzt erwähnten Stücke
sind, wie eine schöne Rekonstruktion von «1er kunstgeflbten Hand
des Herrn Oberlehrers Ferdinand Müller in Crefeld zeigt (Taf. III)
Fragmente einer Vase (Trinkbecher ? kleiner MischkrugV), die eine
Höhe von 18 cm. besass, deren oberer Rand einen Durchmesser von
15,0 cm. aufwies. Erhalten sind:
1) Eigentlich sind es vier, zwei passen aber genau an einander.
fiR Dr. Siebnurg:
a) Der Fuss mit Kesten der Gefässwand, Durchmesser unten 5,3 cm.
Auf dem Hoden des Gelasses stellt in einem Kreis der Töpferstem-
pel OF M CES = of(ficina) Mode$(ti). Die Finna ist oft im Khein-
land vertreten, so in Gellep (Stellwerk, die ccltiibisehrömischc Nie-
derlassung Gelduba p. i)n, 23). Bonn uml Neuss. (B. J. HO, 2H n.
224, 225).
I») und c) Stucke der reich in Relief verzierten Gefässwand,
oberer Rand unverletzt, an den Seiten und unten abgebrochen.
Doch ist das Muster des Ornaments völlig erhalten. Die Verzierung
lauft in zwei Streifen um das Getass herum, die von leicht gewell-
ten Linien eingerahmt uud von einander geschieden werden. Der
obere Streifen ist 4,:*), der untere 2,5 ein breit. Den oberen Saum
des erstem bildet ein Eierstab, an dem herabhängende Sterne die
Stelle der sonst üblichen Pfeilspitzen vertreten. Den Streifen durch-
läuft eine Wellenlinie; die Wellenberge sind ganz mit Sehuppen-
pyramiden ausgefüllt. Jeden Wellenberg umzieht eine zweite Wel-
lenlinie, die in geringem Abstand parallel zu der ersten läuft. Auf
der Spitze des Berges zeigt sie jedesmal drei Punkte und endigt
im Thal in einen Palm-(Farren-)\vedel, der parallel dem zweiten
Berg ansteigt. So kreuzen sieh in jedem Wellenthal zwei Wedel;
zwischen ihnen steht mit zum Fressen vorgestrecktem Hals ein Vo-
gel (Gans), je zwei sind einander zugewandt. Auf der Scherbe c
zeigt das Muster eine abweichende Form. Da der Raum zu einem
vollen Wellenberge nicht ausreichte, so erhebt derselbe sich nur
zu halber Höhe und endet spitz; den Abschluss bildet darauf ste-
hend ein Blumenkelchornament. Die den Berg umziehende Wellen-
linie mit den 3 Punkten an der Spitze senkt sich bis zur halben
Höhe, steigt dann zu beiden Seiten gerade auf und endet, das
Kelehornament flankirend, in 2 schmale lanzettförmige Blätter. So
mnssten die Wellenlinien der 2 benachbarten Berge im Thüle um-
kehren und die Wedel dem zugehörigen, nicht dem benachbarten
Berge parallel laufen; die Vögel stehen au der üblichen Stelle. —
Der untere schmalere Streifen ist durch Guirlandcn in halbkreisför-
mige Felder get heilt, deren Durchmesser etwas grösser als die halbe
Basis eines Wellenberges ist. Getrennt sind sie durch eine herab-
hängende Ranke, die in ein Blätterbtischel endet. 3 Felder bilden
das Muster. In dem ersten steht ein Wappenadler mit halb aus-
gebreiteten Flügeln, den Kopf nach rechts gewandt. Das zweite
Feld füllt eine Gans aus, die Hals und Kopf mit geöffnetem Schna-
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Neue Funde, aus Asberg (Asciburgium).
bei bis zur Guirlande vorstreckt; der rcebte FlUgel ist nach oben
ausgebreitet. Die Haltung ist nicht die eine« fressenden, sondern
eines gereizten, den Feind ansehnatternden Thieres. In dem freien
Raum Aber »einem Hals stebt eine kleine fressende Gans, genau
entsprechend denen des oberen Strcifeus. Das dritte Feld zeigt
einen stehenden möven- oder entenartigen Vogel, mit rückwärts ge-
wandtem Kopf nach dem Adler hinschauend. Ueher dem Schwanz
steht ein Stern, ähnlich den Rosetten, welche auf Erzeugnissen Ko-
rinthischer Fabrikeu aus dem 7. und 6. Jahrb. v. Ohr. die Zwischen-
räume zwischen den Thicrgcstalten ausfüllen. — Es ist sehr zu be-
dauern, dass die Vase, die der Fabrik des provinzialen Meisters
Modestus alle Ehre macht, nicht ganz erhalten ist. Die Zeichnung
z. B. der Vögel ist von realistischer Kraft, die abwechslungsreiche
Coni|K>sition des Mustere verräth schönen Forniensinn und ein an vielen
Vorlagen geübtes Auge. Ob in Rheinischen Sammlungen ähnliehe
Stücke vorhanden sind, vermag ich nicht anzugeben; jedenfalls
ist die Art der Verzierung durchaus nicht ungewöhnlich. Wellen-
linien mit Weiuranken, auf denen Vögel sitzen, zeigt der («lasbecher
B. J. 90 S. Iß, 3. Fressende Vögel sah ich jüngst auf einem frag-
mentirten terra-sigillata Becher der Sammlung Buyx in Nieukerk1).
1) Bei dieser Gelegenheit möchte ich eine kleine „Rettung" vor-
nehmen. In der Vorbemerkung zu dem II. Theil des ersten Bandes der
Kunstdcnkmiilcr der Kheinprovinz, welcher den Kreis Geldern behandelt,
bemerkt der hochverdiente Bearbeiter Paul Giemen, eine Beschrei-
bung der Sammlung den verstorbenen Herrn Geometers Buyx in Nieu-
kerk habe leider auf den Wunsch seiner Witwe unterbleiben müssen.
Hier waltet ein Mißverständnis* ob, dessen Folge jene bedauerliche Lücke
in dem betreffendem Bande ist. Als ich jüngst unter der liebenswürdigen
Führung des Herrn Planer Strücken in Nieukerk einen flüchtigen Be-
such der Sammlung Buyx abstatten konnte, erklärten sowohl die jetzige
Besitzerin Frau Wwe. Buyx, wie auch der Schwiegersohn sich gern bereit,
eine Veröffentlichung der Sammlung zu gestatten und zu fördern. Die-
selbe ist sehr erleichtert durch den zu bewundernder Hochachtung zwin
genden Fleins des verstorbenen Sammlers Buyx. Kr hat in seinen Musse-
stundeu in mehreren Foliobttndeu einen mit farbigen Abbildungen aller
Fundstücke versehenen Katalog seiner Sammlung angefertigt, der allen
Forderungen wissenschaftlicher Genauigkeit zu entsprechen scheint. -
Hoffentlich ist das Interesse für die Cleincn'sclicn Bücher am Niederrhein
ihrem Wcrthe entsprechend so gross, dass bald eine zweite Auflage nöthig
wird und darin dann auch die Sammlung Buyx ihre verdiente Stelle
findet.
70
Dr. Slehourg:
Im März diesen Jahre« lernte ieh eine Menge Scherben von ähnlich
verzierten sigillata-Gefässcn aus Asberg kennen, Uber die noeh ge-
nauer zu berichten sein wird. Im Berliner Autiquarium endlieh »ah
ieh jüngst im Schrank IX des .Saales B roththonige Gelasse aus den
romischen Rheinlanden, deren Ornamentik, in Wellenlinien, Blättern
u. a. bestehend, der Asberger verwandt ist.
II. Am 25. Sept. 1892 erwarb ieh für das CVefelder Museum
folgende 5 Gegenstände, die alle im Garten des Hauses 00h in As-
berg, westl. von der Romcrstrnssc, von dem Bewohner, Schneider
Bongers, gefunden worden sind; sie befanden sieh 3 Spatenstiehe
tief unter dem Boden in schwarzer Erde.
1» Rother Teller, Durchmesser 1(1,8 cm.
2) Einhenkliges Thonkrflgelchen, gelbweiss, kugelbaitehig,
— :1S cm. hoch. Hals 5,1 cm hoch in stumpfem Winkel ansetzend.
3) Weisses Lämpeheu, 7 cm. lang, 3,;") breit, Schiffchenform.
Auf «lern Fuss, von einer dem ümriss des Lämpehens folgenden
Linie umgeben, der Stempel RVI'VS = Rufus. Bemerke die Form
des F. Derselbe Topfername in Xanten (Giemen, Kunstdcnkm. III
Kreis Mors p. 102) Grimlinghausen (B. J. 8!>, », <H), ,7) Bonn (B. J.
t>0, «).
4) Rothes Näpfchen, 3,0 cm hoch. Eine Wulste j*ctzt einen
1,5 cm breiten gerielteu Rand ab. Stempel im Innern von einem
Kreis umgehen: COCI. Den Töpfer „Koch" nenneii auch Gefässe
ans Xanten (C lernen 1. c. p. 102) Bonn, Heddesdorf bei Neuwied
' B. J. HS), 10, r>-, '.)0, in; auf einem Amphorenhenkel ans Gellep (Stoll-
werek. Gelduba p. 102) steht Q. Coc. Der hierzu von Stollwerck
zitirtc Stempel B. J. IX, »i OCCO wird SOCCO zu ergänzen sein.
öi Tasse aus weis gell>cm Thon, sehr dünn und leicht, Durch-
messer 8,3, Hohe etwa 4,5 cm.
III. An demselben Tage sahen wir bei dem Herrn Ürtsvor-
steher Eicks mehrere Gegenstände, die nicht lange vorher in dessen
Grundstiiek auf dem Burgfeld westlich der Rtimerstrasse gefunden
waren. Ich nenne zuerst einen rothen Teller mit dem Stempel
CINTVGNATV =_ Cintngnatu(s), bekannt z. B. aus Gellep nnd Bonn,
B. J. 8!», io, !W, ii, sodann einen rothen Teller ohne Stempel, 2 schwarze,
1 rothes Näpfchen, 2 weisse Krügelchen, 1 weisses Lämpcbcn,
1 Urne, 4 Münzen, 1 Ring mit Buckeln.
IV. Bei der Fundamentirung des Hauses von Gerhanl Dri-
sen in Asberg, östlich von der Römerstrasse, gegenüber der Nummer
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Neue Funde aus Asberg < Ascihurgium).
71
76 waren mehrere Fnndc gemacht worden, die wir am selben Tage
im Hause de* Bruders Joh. Drisen. Oestrum, Seet. II 38 besichtig-
ten. Ausser einer roththonigen Scherbe mit Thicrfignr nnd einem un-
besl immbaren Mitteler/, sind zunächst 2 Fussseherben von terra si-
gillatn-Gcfftssen mit Steinpein hervorzuheben. Die eine ist GAIVSF
— (Tains f(eeit) gezeichnet. Derselbe Töpfcmame in Xanten (de-
inen III p. 162) Asberg (Stollwerck p. 108, ä) Gellep ^Stollwerck
p. Ol, ii Bonn (B. J. 89, e, 7) 11. s. w. Die zweite hat die Aufschrift
BASS' — Bassi sc. offieina oder manu. Die Firma ist im Rheinland
sehr häufig vertreten; so in Xanten (C leinen p. 162) Grimlinghau-
sen (B. J. 89, .vs) Bonn (B. .1. 90, «).
Ausserdem wurden auf demselben Grundstück bei derselben
Gelegenheit 7 oblonge Steinplatten und die Fragmente einer achten
zu Tage gefordert, von denen 6 anf dem schon erwähnten Hof
des Bruders Job. Driseu lagen, während die 7. und 8. noch am
Fundort sich befanden. Die Maasse der sätiuutlieh 31 cm. dicken
Steine sind I) 110,60. 2) 105,7/62,8. 3) 94/65. 4) 80/50,5.
5) 81.3/51. 6) 74,66. 7) 78/55 cm. Von diesen sind 1, 2, 6 an
zwei anstossenden Seiten, 3, 4, 5, 7 nur an einer langern Seite ab-
gerundet, der Beginn der Rundung ist durch eine Rinne abgesetzt.
Sie gleichen etwa den Steinsockeln mancher modernen Häuser.
Alle Steine sind mit 2 trapezförmigen Fiigenvertiefungcn (zi) ver-
sehen, die bei 1, 2, 6 naturgemäss in zwei anstossenden, bei den
übrigen in den kürzeren Seiten liegen. Bei 2 und 7 ist die Rück-
seite, bei 4 und 5 die der abgerundeten Seite gegenüberliegende
Seitenfläche geglättet; diese geglätteten Seiten tragen ein relicfartig
erhabenes Zeichen in Gestalt eines Sehwertes, besser Schwertlilien-
blattcs. 1, 4, 5, 6 weisen auf der Oberfläche vierkantige Löcher
auf. Die Steine lagen nach Aussage der Finder in derselben Ebene
in 3 Reihen neben und au einander. Es hat keinen Werth sich
in Veriiiutliungen über den Zweck dieses merkwürdigen Steiiifundes
zu ergehen, so lange nicht eine Grabung an Ort nnd Sti lle weitere
Aufklärung ergeben bat. Dann kann sieh erst zeigen, ob wir e8 mit
der Einfassung eines puteaP), mit den Besten eines Tcmperchcne,
oder mit etwas anderm zu tbuu haben.
\) Ks soll nicht verschwiegen werden, da.«s unter Ilinzunahmc des
in Fragmenten vorhandenen 8. und eines nicht gefundenen 9. Steines die
Blöcke sich so aneinander legen lassen, daas sie die Umrahmung einer
rechteckigen Ocffnung von 110 162 cm bilden.
Dr. Kiebonrg: Neue Fumle nu> Ashcrfr (Ascihurffium).
V. Emlc des Jahres 1892 schenkte Herr Camphausen in Crefcld
dem Museum seiner Heimat hstadt folgende ö mit vorzüglich klaren
Tüpferstcnipeln versehene Fussseherben von terra sigillata Gelassen,
von denen Xr. 1—4 aus Asberg, 5 aus Gellep stammt.
1) Fussseherbe eines grossen Tellers. Stempel CELSINVSI =
Celsinus f\eeit), umgeben von 3 eoneentrischen Kreislinien. Der-
selbe Xame B. J. 89, » aus Bonn u. Asberg, 90, u aus Grimling-
hausen.
2) Fusssehcrbe eines Gelasses. Stempel SM3INVS = Sabinus.
Derselbe Xame bei C leinen, Kreis Miirs p. 1<>2 aus Xanten,
B. J. 89, 3- aus Bonn und Grimlinghausen.
3) Fusssehcrbe eines Tellers, Stempel genau wie bei 2.
4) Fusssehcrbe eines Gcfässes. Stempel r'EBBICFF — Meddie(ns)
fe(cit). Derselbe Xame aus Xanten bei Giemen p. 102, Gellep bei
Stolhverck p. 9f>, »i, Bonn, Grimlinghausen, B. J. 89, :b u. a.
;») Fusssehcrbe eines Xapfchens aus Gellep. Stempel /ITALIS
= Vitalis von vertiertem Kreis umgeben. Die Firma ist sehr häufig
im Rheinland vertreten, so in Xanten bei Giemen p. 102, Asberg
bei Stolhverck p. 109, n, (iellep bei Stolhverck p. 99, s7. Grim-
linghausen, Bonn, Billig, Remagen in B. J. 89, i<s.
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7.T
3. Die Externsteine.
Von
Anton Kistu
(Hierzu Tafel IV-VI und 17 Abbildungen).
Die mächtigen Sandsteinfelscn, welche unweit de» Städtchens
Horn aus dein Dunkel des lippischen Waldes emporragen, sind mit
ihren merkwürdigen Gebilden von Menschenhand von den Tagen
Goethes an bis heute nach den verschiedensten Seiten hin der Ge-
genstand eifriger Studien gewesen, ohne das» es noch gehingen
wäre, alle Räthscl derselben zu lösen '). Schon die Deutung des
Namens bereitet Schwierigkeiten. Die einen erklären ihn als Egge-
sternstein, anschliessend an den Gebirgsnamen Egge, die anderen
leiten ihn unter Berufung auf die früheste, 1093 auftauchende Form
Agistcrstein, sprachlich richtiger von dem niederdeutschen äkstcr —
Elster ab. Dieser Erklärung schlieret sich neuerdings auch Fr.
Holthausen an, indem er auf die altsäehsischc Form agastria fflr
Elster hinweist. Der Name Exter findet sich in der Nachbarschaft
noch einmal, als Bezeichnung eines Baches, der oberhalb Alverdissen
entspringt und neben Silixen ins Schaninbnrgisehc flicsst*).
Von den 13, durch ungleiche Zwischenräume von einander ge-
trennten Felsen zeigt der änsserste gegen NW. und zugleich breiteste
1) Aus der reichhaltigen knnstgeschichtlichcn Litteratur sind bes.
die Monographien von Massmaiiii (Weimar 18-Ifi), Giefers (Paderborn
u. Münster 18f>7, 2. Aufl.), J. W. J. Braun (Bonn 1XÖ8) und Dewitz (Bres-
lau 1886) hervorzuheben. In kleineren Aufsätzen haben u. A. Goethe,
Schnaase, Piper, Lühke, Fr. von Heber, 0. Preuss und G. B. A.
Schierenberg dieselben behandelt. Eine Zusammenstellung der ge-
flammten Litteratur bis 1882 bei Thorbecke, Die Extcrnsteine im Tür-
stenthum Lippe, Detmold, 1882.
2) v. Donop, hist.-gcogr. Bcschr. d. fürstl. Lippe 'sehen Lande.
2. Aufl. Lemgo 17'JO. p. G7.
7»
Anton Kisa:
von allen ausser (Ion (trotten «las berühmte Relief der Kreuz-
abnahme3.» i Taf. IV). Von einer eingehenden Beschreibung desselben
Umgang nehmend, will ich nur bei einigen Lücken verweilen, welehe
die ikonngraphische Erklärung bisher orten gelassen hat.
Das Relief zerfällt in zwei durch einen breiten wagerechteu Steg
getrennte Gruppen. In der oberen bereitet nanientlieh die Halb-
figur mit der Kreuzesfahne den Krklämn grosse Schwierigkeiten.
Frühere Betrachter glaubten einen Unterschied im Typus dieser
Gestalt und jener des Gekreuzigton zu rinden. Lübkc sieht in
ihr -Gott Vater als ehrwürdigen Greis"4), ebenso Förster''). Auch
Schnaase") hat zuerst, ehe er das Relief selbst gesehen, auf Grund
der Band el'8ehen Zeichnung eine Verschiedenheit beider Typen fest-
stellen zu müssen geglaubt. Dieselbe ist jedoch nicht vorhanden,
beide Kopfe sind vollkommen gleich; sie haben beide langes, welli-
ges, in der Mitte gescheiteltes Haar, niedere Stirn und kurzen Bart,
den sog. Mosaikentypus Christi, der im Gegensatz zum unbärtigen
Katakombentypus — einzelne bis ins V\. Jahrb. reichende Ausnah-
men abgerechnet — im ganzen Mittelalter festgehalten wird. Braun
und Miehclis, welchen diese Gleichheit nicht entgangen war, er-
klärten deshalb die Halbfigur mit «lern Kinde auf dem Arme, dem
Krctizuimbus und der Siegesfahne für den auferstandenen Christus
und das Kind für die erlöste Menschheit. Diese Ansieht hat Giefers
eingehend widerlegt, dabei jedoch an dem Irrthum festgehalten, das»
oben ein von dem Gekreuzigten verschiedener Typus festgehalten sei.
In Wirklichkeit haben wir Gott Vater und Gott Sohn in
gleicher Gestalt auf einem Bilde vor uns, wie so häufig im frü-
hen Mittelalter. Das christliche Alterthum hatte Gott Vater mit-
unter in Gestalt eines bärtigen Mannes oder Kopfes, im Gegensatze
zu dein unbärtigen Erlöser dargestellt; so findet er sich noch aut
dem Mosaik von Capua (Ciampini II. tab. ö4) aus dem tf. Jahrb.
als Brustbild in der Höhe schwebend, darunter der h. Geist in Ge-
il) Abbildung1 bei Dewitz, Die Kxternsteinc im Teutoburger Walde,
Atlas, Tafel VII. Die Tatein IV, V, VF dieses Aufsatzes sind mit einigen
Veränderungen nach Aufnahmen von Dewitz hergestollt. Die Zeichnung
E. v. Bande IV bei Massinann u. Giefers, auch in Hodc's Gesch. d.
deutschen Plastik übergegangen, ist ungenau.
4) Lübkc, Die niittelaltorl. Kunst in Westfalen.
f>) Förster, (.losch, d. deutschen Kunst.
Gi Schuaase, (Jeseh. d. bild. Künste. I. Autl,
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Die Externsteine.
75
stalt einer Taube üIkt Christus im Schoossc Maria*1). Die Leliren
der Gnostikcr jedoch und das Eifern der Kirchenväter ver-
drängten diese Darstellungen allmählich und /u Beginn des Mittel-
alters sind sie fast völlig erloschen, man begnügt sich zumeist
damit, die Gottheit durch die ans Wolken heranreichende Hand
zu 8ymbolisiren *}. Wenn die Handlung jedoeh eine Personitiea-
tion in voller Menschengestalt erheischte, trat Christus an die Stelle
des Vaters, s<> besonders in den Sccncn der Schöpfungsge-
schichte. Man stützte sich dabei auf die Worte der Schrift: „Der
Sohn ist mit dem Vater eins" (Joli. X. 30). „Wer mich sieht, sieht
den, der mich gesandt hatu (Joh. XII. 4h). „Der Vater ist in mir
und ich in ihm" (Joh. X. 38). Dass man mit vollem Bewusstsein
Christus und nicht etwa den Vater in der Gestalt Christi in alt-
testamentarischen Scenen auftreten lies«, beweist in vielen Fällen
der beigeschriehene Name. Didron giebt in der Icnnographie
ehret. i». 178 die Abbildung eines Frescos des 9. Jahrh. mit der
Erschaffung Adams, bei welcher der Schöpfer in Halhtigur und
Kreisaureolc erscheint"); er hat den Mosaikenty|ius Christi mit
Kreuznimbus, in welchen die Buchstaben IC XS eingeschrieben sind.
Auf einem Elfenbein- Diptychon der ehem. Sammlung Baraffaldi in
Florenz (von d'Agincourt als griechische Arbeit des 4. Jahrh. be-
zeichnet), das neben einander die Erschaffung Adams, den Tod Abels
und die Erschaffung der Eva darstellt, erscheint in der ersten Sccne
der Schöpfer gleichfalls in Kreisaureole und mit derselben Bezeich-
nung wie oben10). In den Mosaiken von S. Marco (1 1.— 12. Jahrh.)
7) Vgl. Kraus, Kealencyclopadie d. christl. Alterthumes I. p. fi28,
mit mehreren anderen Beispielen.
8) Maskenartige bitrtige Köpfe in der Weise der altchrlstliehen Kunst
finden sich vielleicht auch vereinzelt im Mittelalter; wenigstens versucht
man jene aal' dem Taufbecken des Lambert Patras, am Grabmal Suidgers
von Bamberg und am Tympanon des Strassburger Münsters so zu deuten.
Vielleicht ist es aber richtiger, sie als Personlflcationen des Himmels oder
einer Oertlichkeit aufzufassen. Vgl. Vöge, Eine deutsche Malerschule
um die Wende des 1. Jahrtausends. Trier 1N1U. p. 130, not. 2.
9) Die Bemerkung Pidrons, iconogr. ehret, p. 7 „c'est Dieu le pere,
mais le per« cache, pour ainsi dir«, sous les traits de son fils, car le
pere n'a pas encore de tigurca passt demnach nicht auf alle Falle in der
Kunst des frühen Mittelalters, in denen Christus in den Funktionen Gott
Vaters auftritt.
10) Abb. b. d'Agincourt -Quast, scult. tav. XII. 1 und bei Gori,
the«s. vet. dipt. II 161.
7<;
Anton Kisa:
ist Gott in den Scencn «1er Schöpfungsgeschichte, ein bartloser Jüng-
liug mit Kreuznhnbus und Stnbkreuz «nd gleichfalls wie oben be-
zeichnet. Dieselbe Charakteristik kehrt in den Miniaturen der Cotto-
uiana im Britischen Museum wieder, welche Tikkanen mit den
genannten Mosaiken in Verbindung bringt"). Zumeist fehlt die aus-
drückliche Rczcichnung als Christus, jedoch ist dessen Typus, sei
es der bartlose der Katakombcnkunst oder der bärtige Mosaikcnty-
pus unverkennbar festgehalten18).
Dies gilt für die Fälle, in welchen man nur eine göttliche
Person darzustellen hatte. Traten zwei oder alle auf, so verlieb man
ihnen die Gestalt Christi. Man ging von dem Gedanken aus, das«
weder der Vater, noch der Geist jemals einen Korper gehabt hatten
und es war ganz folgerichtig gehandelt, wenn die Künstler des Mittel-
alters — einzelne Heispiele reichen bis ins 17. Jahrb. — sich bei
der Vcnnenschlichung der göttlichen Personen an den Typus Christi,
jener göttlichen Person hielten, die als Mensch auf Knien gewandelt
hatte. Selbst der Geist, fUr dessen Darstellung man ja sonst die
11) Vgl. Archivio storico clell" arte I. und d'Agineourt, scult. r.
XVIII. 4.
12» Vgl. die altehristiiche Elfenbeintafel im Berliner .Museum, abgeb.
bi-i Tikkanen im Archivio storico dell' arte I. p. 21 7- Christus erscheint
hier als Schöpfer in Gestalt eines bartlosen Jünglings mit Kreuznimbus.
Mit krcu/.losem Ximbus in der Bibel Karls des Kahlen. Didrou a. a. O.
j>. 182. Jugendlich, bartlos mit Kreuznimbus bei der Erschaffung Eva's
auf der Augsburger üomthüre (11. Jahrb.) und noch um 1300 in den Feder-
zeichnungen der Armenbibel in der Lyceumsbibliothek zu Konstanz,
herau.sgeg. von Laib u. Sc hwa rz, Würz bürg 1892; hier ist er nicht nur
Schöpfer Adam's und Eva's, sondern erscheint auch Moses im brennenden
Dornbusche. — Auf einem altkölnischen GcmUldc v. A. d. In. Jh. im Mu-
seum Wallraf-Richartz mit Maria Verkündigung bat Gott, von welchem
der Strahl auf Maria ausgeht, den bürtigen Typus Christi mit Kreuznimbus,
den gleichen hat er in der Schöpfungsgeschichte auf den Domthürcn zu
Hildesheim dl. Jahrb.), ferner nicht weniger als drcizehnmal auf den den
gleichen Stoff behandelnden Keliefs au der Kathedrale von Chartres
(13. Jahrh.), deucn der Kathedrale von Orvieto, auf einem Kapitell im Dom
zu Basel, abgeb. bei Ca hier, nouveux mclanges d'archeol. p. I6ö, auf
einem der Kirche von Ureel bei Laon, ibid. p. 207, in der Schöpfungs-
geschichte im Cainpo Santo zu Pisa 1 14. Jahrh.). Benozzo Gozzoli je-
doch Mellt ebendaselbst den Schöpfer, wie Gbiberti au den Thüren des
Baptistciiums als Greis mit langem Barte dar; anstatt der einfachen
antiken Tracht bekommt er eine reichere mit Kaisermantel, wozu später
noch Kaiserkrone und Tiara kommen.
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Die Extcrnstcinc.
77
hibliseli beglaubigte Gestalt der Taube uiebt mir als Symbol, sondern
als Erscheinungsform zur Verfügung balte, nimmt menseblicbe Gestalt,
speziell die Christi au, so dass es beim Mangel unterscheidenden
Beiwerkes ort unmöglich ist, die einzelnen Personen zu bestimmen 13).
Durch diese Gleichheit der Gestalt, die dem Dogina entspricht, dass
die drei göttlichen Personen nicht nur ähnlich, sondern unter einander
gleich seien, erhielt die Einheit in der Dreihcit offenkundigen Aus-
druck und die Worte im Symholum des Athanasius: „Fides catho-
lica haee est: ut uuum Demii in trinitate et trinitatem in unitate
veneremur" die beste Versinnlichung. Fälle, in denen alle gött-
lichen Personen in völlig gleicher Menschengestalt dargestellt wer-
den, linden sich vom 7.— 14. Jahrb. Manchmal begnügt man sieh
damit, die Wesensgleichheit von Vater und Sohn durch identische
Personification auszudrücken und stellt den Geist, falls man
ihm Menschengestalt gibt, als den vom Vater und vom Sohne
ausgegangenen, „qui ex patre (ilioque procedit", jünger dar, als
Jüngling von 20 — 2f> Jahren, vom 14. Jahrb. ab auch als
Kind1*). Unter den Darstellungen, auf welchen Vater und Sohn
13) Vgl. Barbier de Montaull, traite d'iconographie II. 25 und
Didron a. a. 0. p. 563.
14) Vollkommen gleich sind die 3 göttlichen Personen nebeneinander-
sitzend im Hortus deliciarnm (12. Jahrh.) dargestellt. (Abb. b. Didron
p. 565.) Vielleicht auch schon auf einem Sarkophage aus S. Paolo (jetzt
im Lateran, 2. Hälfte d. 4. Jahrh.) bei der Erschaffung von Adam und Eva.
Nach de Rossi's Ansicht ist die auf dem Throne sitzende Gestalt der
Vater, die neben ihm stehende und die Hand auf Adams Haupt legende
der Sohn, die hinter dem Throne der h. Geist. Garucci hingegen halt
die thronende Gestalt für Christus, die zweite für den h. Geist und tlie
dritte für Gott Vater. Alle drei sind gleich und ohne Attribute gebildet,
so dass eine bestimmte Unterscheidung derselben kaum möglich ist. Vgl.
d. Abb. bei de Kossi, Pull. I8G5, 69. Auf einer bei Barbier a.a.O. II.
tab. 21, Fig. 225 wiedergegebenen französischen Miniatur des 14. Jahrh.
sind sie gleich, aber durch die Attribute unterschieden. Der Vater hat
die Weltkugel, der Sohn das Kreuz, der Geist die Gesetzestafeln. Hin
Beispiel vollkommener Gleichheit bei Didron p. 156, Abb. eines Holz-
reliefs auf den Chorstühlen der Kathedrale von Amiens, wohl schon dem
16. Jahrh. angehörig: Krönung Marias durch die 3 göttlichen Personen,
die. alle den Typus Christi tragen. In der Miniatur einer Bibel des
13. Jahrh. der Pariser Nationalbibliothek, abgeb. bei Didron p. 35, treten
alle drei Personen als Schöpfer Adams auf, wie auf dem Sarkophage des
Laterans; Vater und Sohn sind vollkommen gleich gebildet, mit kurzem
Barte, langem Haar und Kreuznimbus, zwischen ihnen erscheint der Geist
als Taube, gleichfalls mit dem Kreuznimbus geschmückt, auf dein Boden
Anton Kisa:
typisch gleich sind, scheint mir eine Miniatur eines italienischen
Speeulum humanne salvationis des 14. Jahrh. in der P:iriscr Na-
tionalbibliothek besonders interessant, Christus ist von seiner Er-
denpilgerschaft zum Vater in den Himmel zurückgekehrt; er steht
vor ihm, als hätte er eben das Kreuz verlassen, mit dem Lendeu-
sehur/.e bekleidet und hebt die Hände empor, um die Wundmale
zu zeigen, von welchen das Blut herabfliesst. Der Vater empfängt
ihn segnend; er sitzt in langem Gewände da, von einer Mandorla
umgeben, sein Kopf ist von gleichem Typus wie der des Sohnes
und wie dieser mit dem Kreuzuimbus geschmückt; in der Linken
hält er ein Buch, wie sonst Christus als Lehrer1''). Wir haben
hier denselben Gedanken ausgedrückt, wie auf dem Kelief der Ex-
ternsteine. Auch dort segnet der Vater den Sohn nach Vollbringtuig
des Erlösungswerkes und auch dort trägt er ein Attribut, die Sie-
gesfahne, die sonst dem Sohne zukommt, nur ist der Vorgang auf
der Miniatur in ein späteres Stadium und in den Himmel gerückt
liegt Adam, den Vater und Sohn Aufrichten. Aehnlich eine Dreifaltigkeit
nach einer französischen Miniatur des 13. Jahrh. hei Barbier II, tab. 21-,
Fig. 227. In einer Miniatur v. E. d. 1». oder A. d. 14. Jahrh. in einem
livre d'heures des Herzogs von Anjou, ahgeb. b. Di droit p. 42, halten
Vater und Sohn in gleicher Gestalt die Weltkugel, auf welcher der
Geist in Gestalt einer Taube mit Kreiizniiubns sitzt. Zwar menschlich,
jedoch jünger als die beiden anderen göttlichen Personen, ist der Geist
nach Didron in der Handschrift des h. Duustan, Krzbischofes von Canter-
bury (f 5)08} dargestellt; Vater und Sohn sind einander gleich, als Könige
von etwa 35 Jahren aufgefasst, der Geist als Jüngling von 18-25 Jahren.
Bis zum Kinde verjüngt sieht man den Geist am Arme Gottes in einem
französischen Gebetbnche des 16. Jahrh. (ahgeb. bei Didron, |>. 48:$),
daneben Christus, von gleichem Typus wie der Vater, jedoch kleiner,
beide in Halbliguren auf der Mondsichel und von einem gemeinsamen
Mantel bedeckt. In einem französischen Manuskripte des 14. Jahrb., die
Erschaffung von Himmel und Erde darstellend, ist das Wort der Genesis:
„Spiritus Dei ferebatur super aquas" wörtlich illustrirt, indem der Geist
in Gestalt eines neugeborenen Kindes mit Kreuznimbus auf den Wassern
schwebt. „Spiritus" wird hier gleich genommen mit „auinia" und dem
Geiste die Gestalt gegeben, welche zur Pcrsoitincation der Seele üblich
war. (Abb. bei Didron p. 4H2. Vgl. auch Barbier 11. p. 34). Bei Be-
sprechung der Kindesgestalt, die auf dem Kelief der Kxternsteine darge-
stellt ist, wird auf diesen Punkt noch zurückzukommen sein.
15) Abb. bei Didron p. 310.
KV) Der Beginn der Pilgerschaft Christi wird in dem, Romant des trois
pelerinages" des Guillaume de Guilleville v. J. 1358 folgende rmasscit
Die Extornsteine.
79
Früher dagegen, im Augenblicke de»» Kreuzestodes erscheint der
segnende Vater auf der Kreuzigungsgruppe von Wechselburg,
am oberen Ende des Lüngsbalkcus, gleichfalls in Halhfigur und
dem Sohne vollkonmicn gleich gebildet, anstatt <lcr Kindesgestalt
sitzt jedoch auf seiner linken Hand eine Taube.
Die Kindcsgestalt wird seit Gicfers allgemein als die Seele
des dahingeschiedenen Erlösers gedeutet, die Gott Vater empfängt,
um sie dem Himmel zuzuführen, nach den Worten des Evangeliums
„Vater, in Deine Hände empfehle ich meinen Geist." So allgemein
die l'ersonineation der Seelen Verstorbener durch eine Kindesgcstalt
in der ganzen christlichen Kunst bis in die Renaissance hinein auch
ist. so vereinzelt steht der Fall, dass ein Künstler sie auf die Seele
Christi bei der Darstellung des Kreuzestodes anwandte 17). S eh n a ase
«Ai-gestellt: Gott Vater, mit Krone um) Kreuznimbus geschminkt, über-
reicht dem „Verbum", welches abgesandt wird, um als Mensch für die
Menschheit zu leben und zu sterben, die Symbole der Pilgerschaft, Wander-
stab und Tasche. Christus erscheint als nacktes, mit dein Kreuznimbus
verziertes Knablein. (Abb. bei Didron p. 302.) In der byzantinischen
Kunst hat das Verbum bei dieser Gelegenheit als Bote Gottes Eugels-
gestall.
17) Die Personifikation der Seele eines Verstorbenen durch eine
Kindesgestalt ist aus der Antike in die christliche Kunst übergegangen.
Kiu Vasengemälde mit der Schleifung Hectors (Baumeister, Denkm. s.
«Psyche" p. 736) zeigt das Viergespann in vollem Laufe; Automedon
lenkt den Wagen, hinter dem Hectors Leichnam nachschleift, neben dem
Wagen läuft Achill; hinten schwebt der Schatten des Patroclos, das etdoiior,
eine kleine Figur, jedoch in voller ltUstung, mit eingelegter Lanze, ge-
flügelt, wie. im Sturmschritte in der Luit über den Grabhügel laufend.
Darunter die den Ort bewohnende Schlange als Grabe«- und Erdsymbol.
Die Darstellung des Todtenschattens als beflügelte Psyche findet sich ent-
sprechend den Worten Homers (X 222) ebenso bei den wasserschbpfenden
Danaiden auf einem archaischen Vasenbildc und auf attischen Grabvaseu
(ibid. s. „Unterwelt"). Seelen in Kindesgestalt finden sich bei der Psycho-
stasi s (Scelcnwägung), welche Aeschylos in einer Tragödie behandelt
Memnon kämpft mit Achilles. Die Mütter der Beiden, Thetis und Eos,
flehen Zeus uin Sieg an, welcher die Loose auf der Wage wagt. Mehrere
Vasenbüder zeigen diese Wagung, welche jedoch von Henne* vorgenom-
men wird. Vgl. die Abb. eines unteritalischen Vasenbildes ibd. s. ^Memnon".
Die Wage hangt au einem Baume, in den Schalen derselben stehen die
Seelen der beiden Helden als kleine geflügelte nackte Kinder. Die Schale
Memnons sinkt, während die des Peliden steigt. Die Seelenwägung ent-
spricht der homerischen Vorstellung X 222 v*7») • • <Lvma/irr>) .rcroi'qrai.
Auch in elruskischeu Bildwerken finden sich ähnliche Persouiflcationen,
HO
Anton Kisa:
wollte anfangs an die Existenz derselben auf dein llelief dir Kxtent-
steinc gar nicht glauben, sie ist jedoch ganz deutlich erhalten,
so z. B. auf einem Scarabiius in St. Petersburg, wo Ajax mit dem Leich-
nam des Achilles dargestellt ist; der Geist des Abgeschiedenen ist durch
eine kleine dancbcnstehcndc lnHnnliclie Figur angedeutet (Rollet, Glyptik,
p. 304). Die Symbolisirung der Seele geht also nicht durchwegs auf die
Psyche zurück, sie ist nicht ausschliesslich weiblich, sondern nimmt schon
in der Antike oft das Geschlecht des Verstorbenen an, übereinstimmend
mit den Lehren der Platonikcr, dass die Seele die Form des menschlichen
Korners beibehalte. In altchristlicher Zeit wird das antike Motiv der ge-
flügelten Psyche selten zur Symbolisirung der Seele verwendet. Garueci
storia dell' arte Christ: I. p. 304 ff. erwähnt nur eine Darstellung einer
geflügelten, gekrönten Seele in betender Stellung auf einem Grabstein
aus Alexandrien. Dafür wird diu Symbolisirung durch eine Orans, eine
Figur in betender Stellung, Hegel. Auf der Grabplatte des römischen
Mädchens Adeodata ist die Seele der Verstorbenen in die Lüfte erhoben,
hinter dem Kopfe ein gespanntes Segel; letzteres verrichtet hier die
Functionen der Flügel. Meist wird die Seele von Kugeln gen Himmel
getragen nach Luc. XVI. 22, wo der Tod des Lazarus geschildert wird.
Bei der Darstellung des Martertodes der Ii. Menna auf einer Pyxis steigt
ein Kngel vom Himmel herab, um die Seele derselben in einem Tuche
aufzunehmen. Oranten linden sich auf dem Grabsteine des Priscus im
Museum Kircherianum, auf 2 Grabsteinen in Aquileja und nach Perret
V. 78, 2, 10 auf denen des ChrysogomiH und Titus. Garueci (Storia dell'
arte ital. sub „Aninie") erklärt manche kleine Gestalten auf altchristlichen
Sarkophagen, Wandgemälden etc. nicht sowohl für Personiticationen der
Seelen, sondern für die Personen der Todten selbst, da sie nicht verjüngt
wÄren. Das Geschlecht derselben erscheint ihm in vielen Fallen zweifel-
haft, er glaubt weibliche Seelen auf Grabsteinen von Männern gefunden
zu haben, was auf eine Killwirkung des klassischen Psychemotivcs zurück-
zuführen wäre. So halt er auch die Orans auf der Medaille mit dein
Martertode des h. Lorenz (abgeb. b. Kraus, Kealencycl. II. 286) für weib-
lich. Dieselbe ist in Wirklichkeit geschlechtslos, wie die Kngel; die schlanke
Körperbildung und das lange Gewand haben allerdings etwas weibisches. —
In den ersten Jahrhunderten des Mittelalters sind die Seelen als kleine
Menschen oder Kinder dargestellt und zwar stets geschlechtslos, wie die
Seligen im Himmel. Nur in Haar und Bart, mitunter auch in den Ver-
hältnissen der Körperformen werden Geschlcchtsunterschiede angedeutet;
die Seele des Mönchen erhalt eine Tonsur, die des Bischofes eine Mitra,
die des Königs eine Krone, auch wenn sie sonst nackt dargestellt ist.
Vgl. Auber, histoire et theorie du symbolisine rcligicux, Paris 1884, p. 194.
Kino Erinnerung an die antike Psyche findet sich noch in den Mosaiken
von S. Marco zu Venedig aus dem 11./13. Jahrh. Die Worte: „..et in-
spiravit in faciem eius spiraeulum vitac* sind bei der Krsehaffung Adams
damit illustrirt, dass gegen dessen Mund eine kleine nackte Gestalt mit
Die Extemsteinc.
mir der Kopf und der linke Arm fehlen; sie ist vom linken Arme
CSotte» umschlungen, mit einem langen Gewände bekleidet und faltete
Libclleuüügcln an dun Schultern zufliegt. Das Geschlecht derselben ist
nicht gekennzeichnet. Die gleiche Darstellung in der Cottonbibel. Vgl.
Tikknncn a. a. 0. I. p. 261. Die gewöhnliche Darstellung der Seelen
ist im Mittelalter die als nackter geschlechtsloser Kinder, die beim Tode
des Menschen von Kugeln oder Teufeln empfangen werden. An Bei-
spielen, die sich leicht ergänzen lassen, führe ich an :
Elfcnhcindcckel zum Psalter Karls des Kahlen in Paris, abgeb. b.
Cahier & Martin, nielanges darchcol. I tab. X u. XI, Labarte, bist,
des arts ind.: I. tab. 30 u. 31. Auf der oberen Platte Illustration zu Psalm 5G:
„Et cripuit animam meain de medio catulorum leonum, dortuivi contur-
batus." Ein Engel sitzt mit der Seele in Gestalt eines kleinen Menschen
auf einem Bette, wahrend von jeder Seite ein Löwe herankommt.
Altarbekleidung von S. Ambrogio zu Mailand, 9. Jahrh. Tod des
h. Ambrosius. Ein Engel nimmt seine Seele in Empfang und trägt sie in
einem Tuche, aus welchem nur der Kopf hervorsieht, gen Himmel. Abb. b.
d'Agincourt I. tab. 26. c.
Ehem. Fresken im Portictis der Kirche alle tre Fontane bei Rom,
13. Jahrb., nach Zeichnungen in der Bibl. Barberiui bei d'Agincourt
I. tab. 98. Tod des h. Anastasius. Der Heilige liegt auf der Bahre. Hinter
ihm in Wolken die Halbtigur eines Engels, der die Seele in Gestalt eines
nackten Kindes mit Nimbus empfangt.
Grabmal des Presbyters Bruno zu Hildesheim, 12. Jahrh. ltelief in
3 Abteilungen über einander. Unten die Bestattung, oben Christus in
Halbfigur segnend, in der Mitte die Seele des Verstorbenen als Kind von
Engeln in einem Tuche emporgetragen.
Tod Ludwigs d. Heiligen von Frankreich, GlasgeinJilde in der Abtei
St. Denis, Mitte des 14. Jahrb. lieber dem Leichnam die nackte Halbfigur
eines betenden Kindes, von 2 Engeln in einem Tuche emporgetragen.
HHufig ist die Darstellung von Seelen beim Tode der Schacher;
die des Bnssl'ertigen wird von einem Engel, die des Unbussfertigen von
einem Teufel aus dem Munde gezogen. Vgl. d'Agincourt I. tab. 133
(Kreuzigung des Barnabas von Mutina v. J. 1374) und Barbier a. a. O.
II. tab. 27. Derselbe, Gegensatz ist bei Darstellung des Todes des reichen
Prassers und des armen Lazarus ausgedrückt. Vgl. d'Agincourt t. 108.
Engel und Teufel kämpfen um die Seeje des Verstorbenen z. B. auf einem
Kapitell zu S Miehele in Pavia, 11. Jahrh., den Tod des Gerechten dar-
stellend. Derselbe liegt auf den» Sterbebette, zu seinen Haupten steht
der Engel, in der Hechten die Seele als nacktes Kind haltend, zu Füssen
der Teufel, der das Kind zu erhaschen sucht, während ihm der Engel die
Lanze in den Bachen stÖsst. Vgl. Dartein, archit. Lombarde. — Als
nacktes Kind, jedoch mit Bischofsmütze, Nimbus und elliptischer Aureole
erscheint die Seele des h. Martin in einem Glasgemiilde des 13. Jahrh. in
der Kathedrale von Chart res. Vgl. Didron, p. 128. Uekleidet, doch gleich-
J«lirl>. «1. Vor. v. AlU i tWr. (m Hin XCIV. (j
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Anton Kis«:
offenbar botoud die 1 laude. So erscheint häutig die Seele Marias am
Arme Christi bei Darstellungen i Ines Todes. Eine Personification der
falls in Kindesgestalt, ist die Seele des Ii. Kenntnis in e inem Glasgcmäldo
derselben Kirehe dargestellt. Im Leben der Ii. Frnneisea Itomana liest
man, dass die Seele des b. Ambrosius von Siena in prirsterliclicn Gc-
wandern zum Himmel sticy. Auf einem hy/.:Miliniseheii Tafelgemälde
des 10./11. Jabrh. im Mus. christ. des Vaticans wird die Seele des Ii. Ephraim
als Wickelkind von einem Engel in den geöffneten Himmel getragen. Vgl.
d'Agineourt M. t. K2. Bekleidet ist sie auch beim Tode des Superiors
Piildus in der Biklerchronik des Klosters S. Viiiccnzn .-im Volturno, 12. Jaltrh.
ibd. M. tab. (>!>. Giotto stellte die Seele des Ii. Francisens in Sta. Croee
zu Florenz in den Gcw andern des Heiligen, unlieben von einer Aureole dar.
Nicht nur bei der Todessrene, auch bei der Belebung des Körpers,
erscheint die Seele personiticirt. Abgesehen von der erwähnten Darstellung
der Erschaffung Adams in den Mosaiken von S. Marco zu Venedig findet
si«; sich z. B. bei der Aufcrwockung des Lazarus in einem byzantinischen
Psalter des britischen Museums und einem der Barboriniana; hier ent-
steigt die Seele dem Bachen des Hades. — Ein Betender bietet Gott bei
Lebzeiten seine Seele an, die als kleines Kind auf seinen Händen schwebt.
Vgl. Menzel, ehristl. Symbolik I. p. 475 f. — Seelen im Fegefeuer in Ge-
stalt nackter Kinder finden sich n. A. am Portal von St. Trophiine in Arles.
Im Himmel vereint sie Abrahams Schoos*. Sogar die antike Psychostasis
lindet ihr Seitenstürk in der christlichen Kunst. Ein Glasgemälde in
Bourges, 13. .Jahrh., abgeb. b. Barbier tab. 20, 214 zeigt den Erzengel
Michael als Scclenwäger. Er und der Teufel halten die Wage, in deren
Schalen 2 Kinderköpfe sichtbar werden. Satan sucht die emporsteigende
Schale, herabzuziehen, wobei ihm ein kleines, am Boden liegendes Teufel-
chen hilft. Zu beiden Seiten stehen noch zwei Seelen in Gestalt kleiner
nackter Kinder mit gefalteten lliindei). St. Michael ist der Einfuhrer ins
Paradies und hat als solcher die Seelen, bez. ihre Werke zu wagen. Vgl.
die folgende Schilderung vom Tode Marine nach der Legenda aurea.
Ausser Engeln (bez. Teuteln) geleiten in seltenen Füllen Heilige die
Seele zum Himmel; so heben z. B. auf dem Grabmale des Königs Dago-
bert in St. Denis, 13. Jahrb., Bischöfe in einem Tuche die Seele empor.
d'Agineourt, t. 2f). Nr. 31. Gott selbst als Empfänger der Seele kommt
meines Wissens nur einmal vor. und zwar in der Bihlorhnndschrift zur
Vita Liutgeri aus dem Kloster Werden, jetzt in der kgl. Bibliothek zu
Berlin, entstanden um 1100, beschrieben von Diekamp, Wesffill. Zeitscbr.,
Bd. 3H. p. lti-> u. 173. Die Seele fliegt in Gestalt eines kleinen Menschen,
aber mit grossem, tonsurirtem Kopfe, zum Himmel auf und wird von Gott
in goldener Mandorla empfangen. Hingegen ist Gott regelm/issig vom
11. Jahrh. ab Empfänger der Seele Märiens. Das Malerbuch vom Berge
Athos schreibt für die Darstellung des „Todes der Goltcsgebiircrin" vor:
und ober ihr ist Christus und hält in seinen Annen ihre heilige
Seele, welche weiss p-kleidet ist und um ihn ist viel Liebt und eine
Di«' Exlernstcinc.
Seele Christi ist ausser dein Kolief der Kxternsteinc bisher noch nirgend.?
festgestellt worden; wenn Menzel auf Uildern von Marias Verkün-
Schaar Engel." Schafer, «las Malcrhuch vom Berge Athos, p. 278. —
Für die Darstellung des Gem-hten ist hingegen vorgeschrieben : „Ober
ihm sieht ein Eng«'l freiulig auf ilui und empfangt seine Seele mit Ehr-
furcht und Aufmerksamkeit." ibd. ]i. .'$81. Christus wird ausdrücklich als
Empfänger der Seele Märiens bezeichnet. Naher begründet ist dies dureh
foljrend«'. Erzählung aus der Lugend a anrca: Nachdem die Jungfrau todt
war, trugen sie ihren Leichnam in ein Grab und harrten dabei, wie es
ihnen vom Herrn befohlen war. Am dritten Tage kam Jesus mit einer Menge
von Kugeln und grüsste die Apostel mit «lein wohlbekannten Gritssc : Der
Friede sei mit Euch ! Die Apostel aber antworteten: Dir sei der Preis,
o Herr, «1er Du so grosse Wunder thusl. Welche Gunst und welehc Ehre
soll ich in diesem Augenblicke, meiner Mutter erw«>isen? trug Christus.
Sie crwiedcrten : Deinen Dienern erseheint es billig, dass Du, der Du «len
Tod besiegt hast und herrschest in Ewigkeit, auch wiedererweckest den
Leib Deiner Mutter und sie für immer au Deine Hechte setzest. Christus
stimmte bei und sogleich erschien der Erzengel Micha«1! und brachte
ihm die Seele Marias. Darauf sprach der Herr: Erbebe Dich, meine Mutler,
meine Taube, Tabernakel d«\s Kuhmes, Gcläss des Lebens, Tempel des
Himmels, damit Dein Leib, den nie ein Mann berührt bat, nicht im Grabe
zerstört werde. Sogleich kehrt«- die S«-cle Marias in den Leib zurück,
der siegreich das Grab verliess. So wurde die Jungfrau, b. gleiiet von
einer Engelsscbaar, gen Himmel entführt.' Am besten veranschaulicht
diese Scene, wo Christus die Seele seiiu-r Mutter empfangt, nicht sowohl
um sie gegen Himmel zu bringen, sondern um sie dem Körper zurück-
zugehen, eine Elfcnbeintafcl im Darnist;idter Museum (rheinisch, II. 12. Jh.,
aus der Samiidung des Frciherrn von Hübsch. — In Darmstadt selbst und
im Kölner Kunstgewerbemuseum je eine Hcplik davon). Maria liegt auf
dem Todtenbette, zu Enden desselben stehen je 7 Manner, hinter «lern
Bette Christus, der in seinen erhobenen Annen di«' Seele Marias, ein
in Leichentücher wie eine Puppe eingewickeltes Kind mit Kopftuch und
Nimbus halt. In der rechten oberen Ecke (liegt ein Engel mit derselben
Seele gen Himmel, in der linken Ecke ist er mit dein leeren Tuche dar-
gestellt, auf welchem <-r die Seele wieder aus dein Himmel zurückgebracht
hat. Aehnlich ist «lie Scene auf einem Elfenbeini vlief des Kl Jahrb. in
Klosterneuburg aufgehst. Vgl. Mittb. d. C. C. VII. IL». Oft fehlen <\U>
Engel, wie auf dem Elfcnbeindiptychoii des 14. Jahrb. bei Mcrkcns in Köln
(ehem. Sammlung Essingh), wo die Seele Marias in Kindesgcstalt, mit
langem Gewände bekleidet, auf dem I. Arme Christi sitzt. Als nacktes
Kind sieht man sie auf einem rutheuischen TaiVIgemälde, abgeb. b. d'Agin-
court M. tab. H'J. Maria liegt hier, von Aposteln und Frauen umgeben,
auf d«'iii TodU-nbette, hinter ihr erscheint Christus in d«-r Mandnria, auf
dem I. Arme das Kind haltend, dessen Heine halb von seinem Acrmei
\erdcckt werden. Variationen «!erselb< n Seen«- timleu sich u. A. auf einem
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Anton Kisa:
digung «las Kind, welches in oiiiom Stinhlenbündel von dein Munde
Gottes aus nach Marias Ohr zufliegt, für «Ii«* Seele Christi hält, so
steht er mit dieser Erklärung wohl allein Ks ist sicher nicht die
Seele, sondern die Leibesfrucht gemeint, wie auch aus der rothen
Fiirbunj? des Kindes auf verschiedenen Darstellungen hervorgeht'0).
Der Vergleich unseres Reliefs mit der Krciizi^unp^ruppc in Wechsel
Unrg könnte die Vermuthtnifr nahe lege», dass hier ilie Kindcsgestalt
und dort die Taube in der Hand Gottes SymMe für ein und die-
sclbe Vorstellung seien. In der That tinilet sich der h. Heist auch
in Gestalt eines Kindes dargestellt, und zwar zur Illustration der
Worte der Genesis X. 2: „Spiritus Dei ferebatur super a<|ttasu, in
einer Miniatur des 14. Jahrb., wo man „Spiritus"1 für gleichbedeu-
tend mit raniina" nahm und den (»eist Gottes in Gestalt eines nack-
ten Kindes mit Kreuznimbus auf den Wassern schwimmen liess*0).
rheinischen F.lt'ciibeinrclicf des 11. Jahrb. im Kunstgewerbemuseum zu Köln,
in Oer Bildcrhandsehrift des 11. Jahrb. im Dome zu Hildcsheim (vg\.
F. C. Heimann in d. Zeitsehr. f. christl. K. III. sp. 137\ auf «1er musivi-
selien Tafel der opera del duoino zu Florenz (v^l. Kraus in der Zeitsehr.
f. christl. K. IV. 201 IT.), in den Bronzethüren des Domes zu Pisa, am
Willibrord-Traualtar zu Trier, einer Arbeit des 12. Jahrb. (vjrl. aus'in
Wert Ii, Kunstdenkm. d. Rlieinlande tab. CO, .'ta), im Fmail des Oihoriunis
von Klostcrueubur;r, 13. Jahrb. (v;rl. Mitth. d. C. 0. TX. 1. 1), auf einem
fHasgcmalde der Patrocluskirehc zu Soest. Anfjr. d. 13. Jahrb. (vgl. Al-
d en k i rch en, Mittelalterl. K. in Soest, Bonner Winckelmanusprogramm 1X75*,
in einer Federzeichnung der Biblia pauperum zu St. Florian, um 1300,
in einem Relief des Museums Wallraf-ltichartz, 13. Jahrb., auf Orcngnas
Tabernakel in Or San Miebele in Florenz u. s. w. Beispiele bis ins 1<>. Jh.
hinein bei A. Schultz, die Lebenden vom Leben der Jungfrau Maria,
Leipzig 1S7H. — In der altchristlichon Kunst ist die Darstellung des Todes
Mariae vermieden, vor dem J. 1000 ist sie selten.
18) Menzel, christl. Symbolik I. p 175 0".
19) Beispiele der „roueeptio per au rem" u. A. bei Heider, Beitrüge
zur christl. Typologie, j>. 31, tab. 5, Otte, Handb. d. christl. Kuiistarchiio).
p. 001; anfeinem Aitartncbe der Wiescnkirclic zu Soest, An fg. d. 11. Jh.
(vgl. Aldenkirchen a.a.O.), dem Hochaltar der Marienkirche zu Lübeck
0415—1425; vgl. Goldsehmidf, Lübecker Malerei und Plastik, IXflCn,
einem Olasgemalde von 142-1 in St. Jakob in Rothenburg a, d. T., einem
niederrhein. Gemälde, tun 1500, in der Dannstädter tlallerie, einem Flügel-
altar in der Martinskirchc zu Oberwesel, ders. Z. u. s. w. In der ^seijuenlia
Slae. Mariae", 12. Jahrb., heisst es: .Dir cham ein chinf, frowe, dnr diu
öre. (Lac hin an n, rheiu. Mus. f. Philologie 1X31. p. 42X.)
20; Vgl. Note 14, am Schlüsse.
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Diu KxternMeine.
sr,
In einem Ii vre d'hcures des lö. Jalirli. in »kr Pariser Xational-Bil>-
liothek tritt in derselben Seene an Stelle des Rinden die Taube41).
Seele und Geist werden also mit einander verwechselt. Es würde
dem Dogma nicht widersprechen, wenn man die Seele, welche aus
Christi Leib hervorgeht, mit dem Geiste Gottes idcutilieirt, also in
der Seele Christi zugleich den h. Geist dargestellt hätte, so dass
damit alle drei göttlichen Personen auf dem Relief vertreten gewesen
waren; wir hätten dann Vater und Sohn in identischen Typen
und den tieist, welcher von beiden ausgeht, als Seele Christi, wo-
mit die Einheit in der Drciheit ausgeprägt wäre. Andererseits wird
die Taube in altchristlicher Zeit, namentlich in Ratakombcngemäl-
den und auf Grabmälern häutig als Symbol der Seele angewandt").
Nach der Legende schwebte die Seele des h. Polycarp, der h. Scho-
lastika, Adrian, Potitus, Wilhelm, Medard«» u. s. w. als Taube gen
Himmel. In deutschen Sagen nnd Märchen, wie in den Dramen
des Mittelalters finden sich die Seelen Verstorbener durch Vögel
svmbolisirt Darnach könnte mau auch auf der Kreuzigungsgmppc
zu Wechselburg eine Idcntifieirung von Geist und Seele annehmen,
indem mau die Taube nicht bloss als Symbol des göttlichen Gei-
stes, sondern zugleich auch als das der Seele Christi autTasst ; wir
halten dann auch in ihr, wie im Relief der Externsteine die Ein-
heit in der Drciheit ausgedrückt. Aber diese Erklärungen scheitern
au der Thatsaehe, dass eine lVrsonification des h. Geistes in Rin-
desgestalt vor dem 1-1. Jahrh. nicht nachzuweisen ist; erst von da
ab beginnt man das Dogma, dass der h. Geist vom Vater und vom
Sohne ausgeht dadurch zu illiistriren. dass mau den Geist als den
jüngsten von beiden, selbst als Kind bildet. Hingegen ist die Dar-
stellung der Seele in Kindesgestalt im frühen Mittelalter, namentlich
bei Todesscenen feststehend. Die Figur am Arme Gott Vaters auf
unserem Relief ist offenbar den Personitieationcn der Seele Ma-
riae am Arme Christi nachgebildet, der Künstler verwandte, indem
er sieh dabei über die Tradition hinwegsetzte, die allgemein Übliche
Gestalt zur Personitiealion der Seele des sterbenden Erlösers.
Demnach erkennen wir in der oberen Halbtigur Gott Vater,
in der Gestalt Christi, der mit ihm eines ist — die Wesenseinheit
20 Di -hon, ji. ii. <>. p. 452.
22i Menzel a. a. < >. II. p. 44.1. Krüns, a. n. O.
231 Au ber, a. a. O. IV. p. 1!H.
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Aul (.11 Risa:
durch die Gleichheit des Typus ausgedrückt — in seinen Annen
die Seele des sterbenden Erlösers empfangend; als wesensgleich mit
dem Sohne gebührt ihm ebenso wie diesem der Krcuznimbus und
die Kreuzcsfabnc. Kreilich, wenn man in dem oberen segnen-
den Gotte und in dem gekreuzigten Gotte zwei ungleiche I'er-
sonen erblickt, bereitet die Erklärung der Kreuzesfahne Schwie-
rigkeiten. Eine solche Trennung lag aber nicht im Geiste der Zeit,
die unbedenklich Gott bei «1er Erschaffung Evas mit dem Kreuze
in der Hand auftreten und das Tuennia bei Marine Verkündigung
von Christus ausgehen liess, der ja erst geboren werden sollte.
Christus als sterbender Erlöser am Kreuze, Christus als Gott Vater
segnend darüber und Christus als St ele in seinen Armen — in drei
Gestalten doch ein Gott.
Der Kitas des Segnens nähert sich der sog. byzantinischen
Weise, indem der Damnen den vierten Finger berührt, doch verlangt
das strenge Schema auch, dass der dritte Finger leicht gebogen wer-
den soll, während er hier nach lateinischem Kitas, ebenso wie der
zweiten gerade gestreckt ist. Die byzantinischen Künstler selbst hal-
ten das strenge Schema nicht immer ein, das Malerbuch vom Merge
Athos, — welches freilieh nicht eine Art Gesetzbuch für den byzan-
tinischen Künstler war, wie man bisher annahm, sondern die l'rivat-
arbeit eines Mönches im lti. Jahrb., der darin alte Kezcpte zu-
saiiimenfasste — gibt für die Fingerhaltung keine genaue Vor-
schrift i4' : dieselbe Geberde des Segnens. wie sie auf unserem
l'clicf vorkommt, lindet sich auch auf byzantinischen Arbeiten. Aus
»liesein Umstände allein kann man jedoch noch nicht auf eine Ab-
hängigkeit von byzantinischen Vorbildern sehliesscn, denn der mor-
genläiidische Ritus des Segnens bürgerte sieh auch im Abendlande
ein, er findet sieh in der altehristlichen Kunst, /.. \\. in den Mosa-
iken von Korn und Kaveuna neben der lateinischen angewandt und
211 Vgl. Kraus, a.a.O. suh. „Segnen-. Auf »lein Kllcnheiukruzilix
«I. ehem. Saimnlg. Kssingh /.u Köln erseheint »heu die göttliche Ha ml mit
Her Inschrift aus l'salin 117 i. US) |f,: Dcxtä Dni. feeit virtutem. Vollstän-
dig lautet die Stelle: Dextera Doinini feeit virtutem, dextera Doinini ex-
alt» vi! nie. dextera Dni. feeit virtutem: nnn moriar, sed vivain et nariaho
<i|>ent Dni. Die segnende Hand deutet also zugleich die l'nstei hliehkeit
des Krlösers an. Vgl. 15. J, 1 1 *>. (Ute u. aus'm Werth, Zur Ikonogr. d.
Kru/ilixe>. Hey., des Malerhuches: Vgl. H. Hroekhaus, Die Kunst in den
Atho-klöstern. Leipzig lsm.
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Dil- KxleniMcine.
kehrt in der Kunst des Mittelalters auch nach der Trennung der
beiden Kirchen tiiitiH^ wieder, wenn auch dieses Ereignis*, wie
Kraus vermnthet, zu einer bewussten strengen Scheidung der bei-
den Arten des Selliens geführt hat. Dagegen ist der Eiutluss by-
zantinischer Kunst in den Gestalten von Maria und Johannes unver-
kennbar — langgestreckte Typen mit dünnem, parallelem Faltenwurf,
im Gegensätze zu den gedrungenen Formen von Josef von Arima-
thia and Nicodemus — dann in der Auffassung des Johannes als bär-
tigen, gereiften Mannes im Gegensatze, zur abendländischen, welche
den Eichlingsapostcl Jesu als bartlosen Jüngling sieht"). Die Ge-
berde des Aufhebens der rechten Hand ist bei ihm ein Zeichen der
Trauer, sie nähert sieh dem ans der Antike in die altchristliche
Kunst übergegangenen Gestus des Stutzens des Kopfes auf die Hand
»»der des Anlegens der Hand an die Wange Die Tracht des Jo-
hannes ist die antike, während bei Maria das Uebcrgewand, der
im Kücken hcrabwallenile Schleier, das den Hals in dünnen Falten
umschnürende Tuch der deutschen Frauentracht des 1 1.— 12. Jahrb.
angehören. Aehulich sind die Frauengestalten auf den llronzereliefs
Bemwards von Hildesheini gekleidet; sie haben lange Tuniken mit
langen, engansehliessenden Acrmeln, darüber ein weitärmliges ( Iber-
gewand, Kopf und Hals dicht vom Schleier umhüllt, welcher rück-
wärts mantelartig herabfällt. Lttbkc-7» erkennt den germanischen
Charakter in der Tracht Marias an, erklärt jedoch die der Krie-
ger soll heissen des Josef v. A. und des Nicodemus) für römisch,
ebenso Piper*8;. Ein Wiek auf die Kopfbedeckungen der Heiden
lässt den Irrt hm» Lübkes erkennen. Sie sind, um einen schon
bei Jornandes ittber d. Gothen) vorkommenden Ausdrnek zu ge-
brauchen rpileati" d. h. sie tragen die für die germanischen Stämme
im Gegensätze zu den Kölnern charakteristischen spitzen Kopfbe-
deckungen. Die des Josef v. A. geht in einen Knopf aus, ist also
eine hclmartigc Kappe von Stahl oder Leder mit Metallhcschlag;
25) Vgl. St <> v k ha ue r, KuiistgcNcliii-hte des Kreii/.es. SchnlThau-
seii 1870.
2*0 Vgl. Kraus a. n. O. s. „Hand". Das Malet 'buch vom Berge Atlios
schreibt für die Darstellung lies Johannes hei der Kreuzigung vor: „N'ehen
Chrisius steht der Theolog Johannes mit Traurigkeit und hält seine Hand
an seine Wange-.
•J7> Lübke, n. a. <>.
■2S) Evang. Kalender, 1*5»;, ,,. 03 f.
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MS
Anton Ki sii:
die des Nicodcinus liat wnlstartige Längssticifcn und einen gefloch-
tenen Hand, sie ist ein kegelförmiger Strohhut ohne. Krempe, ein
pileus ex culmis eontextus, ein pileus phncninus, wie er zuerst im
10. Jahrh. erwähnt wird, da aber bereits als weit verbreitete Volks-
tracht, namentlich unter den Sachsen erscheint. Widukiud be-
richtet, das» die ganze Heersehaar von 32.000 Mann, welche König
Otto gegen den Oralen Hugo nach Krankreich führte, mit einziger
Ausnahme des Abtes von Corvey und seiner drei Begleiter mit solchen
Strohhüten ausgestattet war-1'). Dazu kommt noch da« enganlie-
gende Lederwamms der Beiden mit den langen knapj)cn Aermeln,
das bei Josef gegürtet ist und die bis unter <lie Kniee reichende
Tunica, unter welcher der faltige Saum eines dünnen Untergcwan-
des zum Vorschein kommt. Die Art der Bcinbcklcidung ist bei
dem jetzigen Zustande des Reliefs nicht mehr erkennbar; wir haben
wohl an eng anschliessende Beinkleider und strumpfartige Schuhe
zu denken, ähnlich wie sie Longinus auf der Miniatur der Kreuzi-
gung in der Aachener Bilderhandschrift Kaiser Ottos I. trägt30).
Die Krage, welcher von den beiden Männern, die den Leich-
nam Christi vom Kreuzt" abnehmen, Josef von A. und welcher Nico-
demus sei, lüsst sieh nicht, wie Braun versucht, aus dem Berichte
im Kv. Job. 19, 38, 39 entscheiden, denn dort heisst es nur,
das* Josef den Leichnam mit Erlaubniss des Pilatus abnahm und
Nicodcuuis dazu kam und Myrrhen und Aloen zur Rinbalsamirung
mitbrachte. Auf unserem Belief sind beide mit der Abnahme be-
schäftigt und zwar beide in gleich hervorragender Weise, während
sonst dem Nicodcinus mehr die Rolle einer Nebenperson, eines Hel-
fers zugedacht ist, indem man ihn die Nägel aus den Händen oder
Küssen Christi herausziehen lässt, oft in kuieender oder hockender
Stellung. Durch den Vergleich mit einem romanischen Wandge-
29) Abbildungen dieser Kopfbedeckung sind selten. Kine ähnliche
wie die des N. (ludet sieli noeli in d. Heidelberger llnndschr. d. Sachsen-
spiegels. Vgl. Li iidensehmit, Handl». d. d. Allerthutnsk. 1. |>. 32ö.
'M) l>i« Tunicn desselben ist an den Hüften etwas gebauscht und
reicht bis an die Kniee. Die beiden anderen Soldaten haben gleiche
Tuniea, der eine mit kurzen, der andere mit langen, bis an die Knöchel
reichenden Aermeln. Dazu trägt L. Hosen, kurze, strumpfartige Schuhe
und einen Mantel. Vgl. He is.se I, a. a. O., tat». ,\\; für Hüte und Helm-
formen: Hefner. Trachten etc. 1. tab. 24; im Uebrigen f.d. Tracht: Die
Stickereien auf der Kaiserdalmaticn in St. l'eter in Horn, nbgeb. bei Rock,
Kleinodien d. Ii. Köm. Reiches tab. IS u. 19.
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Die Externsteine.
89
mälde der Kreuzabnahme in der Kirche zu Neuenbeken bei Pader-
born, welchem die Namen der handelnden Personen beigeschrieben
sind, gelang es Dewitz festzustellen, dass die untere, den Leich-
nam Christi in ihren Armen aufnehmende («estalt Josef sei. Er
steht dort gleichfalls links, neben Maria und schlingt die Arme um
den Gekreuzigten, dessen Körper jedoch noch nicht herabgesunken
ist11). Noch besser und dem Relief der Externsteine ähnlicher ist
das Motiv des Aufl'angens an dem Relief der Kanzel in S. Lionardo in
Arcetri bei Florenz (Mitte des 12. Jahrb.) ausgedrückt, wo die Na-
men der handelnden Personen unten auf dem Sockel angebracht
sind"), nur steht Iiier Josef auf einer Leiter, die an den Quer-
balken des Kreuzes angelehnt ist, während Nicodemus auf der rech-
ten Seite neben Johannes, das Myrrhcngefüss vor sich, in hocken-
der Stellung «dt einer Zange die Füsse Christi von den Nägeln
befreit. Die Funktion Josefs ist auf allen byzantinischen und roma-
nischen Darstellungen der Kreuzabnahme, — welche übrigens, nament-
lich vor dem 11. Jahrb. nicht häufig sind — die gleiche. Er längt
den Leichnam Christi in seinen Armen auf, ist also nicht sowohl
der Abnehmer, als der Empfänger des Leichnames. Seine Stellung
jedoch wechselt, er ist bald links, bald rechts, manchmal mit Nico-
demus auf derselben Seite angebracht und nur durch seine Funktion
als Empfänger der Leiche vor seinem Genossen gekennzeichnet ™).
Vgl. Dewitz a. a. O. Atlas tab. 14. Fig. 2.
32) Abgcb. bei K. Fürst er, Beitrage •/..neueren Kunstgesch. tab. I.
Fig. 2 u. Lübke, Gesch. d. Plastik, I. p. 43«.
:Mt Die Stellung von Josef und Nicodemus schwankt bei den in
friihromanischcr Zeit nicht allzuhUutigcn Darstellungen rler Kreuzabnahme.
Bald steht Jo.vf rechts, bald links, mitunter beide neben einander auf
derselben Seite. — Auf der Miniatur der Kreuzabnahme im Missale V. f<2
der Bibl. zu Bamberg (10. Jh.) steht J. rechts, bartlos, mit Nimbus, in
langem blauen (ie wände und fleischfarbigem Mantel. Fr umspannt mit
der Linken die Hüften Christi. Im Codex Fgberti (Abb. bei Kamhoux,
Beitrügt- zur Kunstg. tab. 18, Vöge a. a. O. p. 1*20 u. nnderwttrts) steht
J. I., N. r., durch Beischriften gekennzeichnet. J. fasst den Oberkörper
unter dm Armen, N. die rnlcrsehcnkcl. Im Keliternaeher Codex (abgeb.
B. J. 17, tab. I"0 ist J. I., N. r. ; ähnlich wie im Vorigen fangt der erstere
Christum auf, wahrend N. seine Knie«' fasst und hebt. Dasselbe Motiv im
Codex Heinrichs II. in d. Münchener Staatsbibl. Ciin. HS, Bl. 24*t>, vgl.
Vöge, a.a.O. p. Gl, bez. 71) und in dem Codex desselben Kaisers, ibd.
Cim. 57 (abgcb. I». Vöge p. 221). In den 4 zuletzt genannten Hand-
schriften, deren Bilder von den Kcielicnnucr Wandgemälden abhängig
sind, erscheinen J. und N. bartlos, in reicher antiker Tracht. F.ine mehr
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90
Anton Kisa:
Entweder stellt er auf dem Hoden, oder nach der byzantinischen
Vorschrift auf einer Leiter, manchmal auch auf einem niederen
iSchemel, wie auf dem Kclief vom ehem. Vineenzkloster zu Breslau
a. d. 12. Jahrh. (abgeb. hei Dewitz. Atlas tab. 14, 1) und auf der
Miniatur der Kreuzabnahme im Bamberger Missalc Ed. III. H. Auf
dem Elfenbeindcckcl eines Evangeliars der harhet mischen Bibliothek
in Korn (abgeb. b. d' Agincottrt, Plastik XII 24) steht er sogar
realistisch«' Auffassung, bei welcher die antike Tradition der Knrolinger-
zeit schon ganz zurücktritt, liildet sich im II. Jahrh. aus und erscheint,
soweit ich die Denkmäler Übersehen kann, gleichzeitig in der byzantini-
seilen, Mie in der ahcndltlndischcn Kunst. Jedenfalls war schon damals
für erstcre die Vorschrift mnnssgebend, welche das Malerbuch vom Berge
Athos für die Darstellung der Kreuzabnahme gibt: „Ein Berg, und das
Kreuz ist in die Erde befestigt und eine Leiter an's Kreux angelegt und
J. steht oben auf der Leiter und hiilt Christum in der Mitte des Leibes
umfangeu und reicht ihn hinunter. Und die Heiligste (Maria) steht unten,
umfangt ihn in ihren Armen und küsst ihn ins Angesicht, l'nd hinter
der Mutter Gottes sind die Salbölt rfigcriniicn, und Maria Magdalena hiilt
seine L. und küsst sie und hinter Josef steht Johannes der Theolog und
küsst seine II. Und N. nimmt, ein wenig kniccml, mit einer Zange die
Nagel aus seinen Küssen und neben ihm ist ein Korb. Und unter dem
Kreuze ist der Sehadel des Adam, wie bei der Kreuzigung-. So erscheint
auf dem byzantinischen Belbjuiar des II. — 12. Jahrh, im Pomschatze zu
Gran J. bei der <uoxudi)l«>at; dicht hinter Christus auf einer Leiter, als
barhäuptiger Alter mit Nimbus und kurzer, durch kreisförmige Stickereien
verzierter Tunica und umfang den herabsinkenden Oberkörper des
Heilandes; unten rechts zieht N. mit einer Zange die NHgel aus dessen
Füssen. (Abgeb. in der Gazette archeol. 1887 tab. 3i> mit Beschreibung
von Molinierl. Ganz ähnlich ist die Szene auf dem cmaillirten Buch-
deckel eines byzantinischen Kvangeliars in der Marcusbibliothek zu Ve-
nedig. Auf einem byzantinischen Klfenbeinrelief mit der Kreuzigung,
Abnahme und Grablegung in der Bibliothek zu München (Gypsabguss im
Germanischen Museum) finden wir J. zur L. auf der Leiter; sein Antlitz
ruht auf der Brust Christi, dessen Körper er mit den Armen umschliesst ;
auf derselben Seite kniet unten N., die Nitgel ausziehend, r. steht ein
dritter Mann auf einer Leiter und befreit die Hand Christi vom Nagel.
Auch Maria und Johannes stehen I., da die nebenan befindliche Dar-
stellung der Grablegung den Baum zur B. einengt. Auf dem Boden zur
B. steht J. auf einem byzantinischen Elfenbeinrelief zu Hannover (Gyps-
abguss im Genn. Museum) und fangt mit Maria den herabsinkenden Leich-
nam auf, während sich N. links niederbeugt, um die Nitgel auszuziehen.
In der abendbtndischen Kunst zeigt sich die realistische Auffassung bei
der Kreuzabnahme an der Erzthüre von S. Zeno in Verona. Christus
steht in leichter Schräge nach 1. auf dem Fussbrette, das biirtige, etwas
Die F.xteinsteine.
!H
auf dem Kopfe eines kleinen nackten Menschen, der am Kreuz-
ende mit betend gefalteten Händen sitzt, Adams, iil* Kepräsentan
ten der durch Christi Opfertod erlösten Menschheit. Aber auch
Xicodemus bedarf mitunter einer erhöhten Stellung, wenn er die
Nägel aus den Händen Christi zieht, wie auf dem Marmorrelief der
Kreuzabnahme von Hcnedetto Antelnmi im Dome zu Parma v. J.
1178, wo er anfeiner Leiter und auf dem Elfenbeindyptiehon v.
nach I. gesenkte Haupt mit einer Krone geschmückt, bis zu den Kniecn
mit dein I.endentuche Umkleidet. Die Art, wie J. zur L. seinen Leih um-
fasst, entspricht der Bewegung auf den Kxtemsteineu. Die Verwandt-
schaft beider Gestalten erstreckt sieh aueli auf die Stellung der Beine
und die Tracht: cngarmeligcs Ledcrwanims, vom Gürtel abwärts eine bis
unter die Kniee reichende Tunica, auf dem Kopfe eine spitze Kappe.
Auch N., welcher r. .steht, bereit mit der Zange die Nittel aus den Händen
Christi zu ziehen, welche noch an dem Querbalken haften, tragt die Tunica
und eine gleiche Kappe. Sie unterscheidet sich von den Judenhttten auf
dem nebenan befindlichen Itclief der Geisseluug wesentlich und nähert
sich vielmehr dem Pilcus der Externsteine, wenn auch die Andeutung:
von Flechtwerk fehlt. Diese Merkmale sprechen, wie, der Stilcharakter
und die Nachricht von der Stiftung der Thüreu durch einen Grafen von
Cleve für deutschen, speziell siiehsiseben Ursprung-. (Vgl. Bcissol in der
Zeitschr. f. christl. K. V. »12 ff.) Kine wohl derselben Zeit, dem 11. Jahrh.
angehörige Gruppe der Kreuzabnahme in runden Figuren schmückt den
Deekel eines Bronze-Heliquiars aus Mastricht im Germanischen Museum.
Hier umfangt .1. in gebückter Haltung zur L. den noch beinahe aufrecht
stehenden Leichnam, dessen L. noch am (Querbalken haftet und von N.
zur H. mit einer grossen Zange losgelöst wird. Auf einem Klfenbeinrclief
des 12. Jahrh. im Dome zu Hildesheim steht J. I. auf einer Treppenleiter,
r. unten ist X. gebückt, in der üblichen Function. In dein Missalc F.d. 111.8
der Bamberger Bibl. (wohl 12. Jahrh.) steht J. 1. auf einem niedrigen
Schemel und fangt Christus auf; auch er tragt den spitzen Hut, blaue,
roth gegürtete und verbrämte Tunica, rothe, über die Kniee reichende
Strümpfe und gleichfarbige Schuhe: N. fehlt ganz. Merkwürdigerweise
trögt J. auch auf dein Marmorrelief der Kreuzabnahme von Bcncdetto
Antelami v. .1. 1178 im Dome zu Parma (abgeb. b. Lübke, Gesch. d.
Plastik, 3. Aufl. I. 4.'W) eine Mütze mit verziertem Handwulst, welche aber
nicht spitz, sondern etwa« gerundet ist und wagerechte Streifung hat, die
wohl gleichfalls auf Flechtwerk hindeutet. Auch seine übrige Tracht —
faltige, über die Kniee reichende Tunica mit engen Aenneln, sockenartige,
Iiis an die Knöchel reichende Schuhe — entspricht den deutschen Dar-
stellungen. N. erklimmt 1. eine Leiter, um den Nagel aus Christi Hand
zu ziehen. -- Auf der Kreuzabnahme, die das Dach des Schreines der
vier grossen Kcliquien im Münster zu Aachen schmückt (l.-J. Jahrh.) steht
J., der Christum auffängt 1.; unten auf derselben Seite zieht ein Maun
Anton Kisa:
E. (1. l.'k Jalirli. aus dem Besitze <les Reiehsgrafcn von Würzbnrg
(abgeb. h. Hefner, Trachten, III. tah. 147), wo er auf einem Fel-
sen steht.
Auch auf unserem Relief hat Xieodemus einen erhöhten Stand,
die Stütze, auf der er sieh emporgeschwungen hat. gilt allgemein
für einen Sessel, Goethe, der sie nach einer ihm von Christian
Rauch eingesandten Zeichnung für einen umgebogenen Baumstamm
erklärt hatte, wird von Gicfers dafür mit den Worten ahgethan:
.Was Goethe betrifft, so gilt dessen Urtheil hier gar nichts, so
dass er den Sessel mit der schön verzierten Lehne für einen Baum
ansah, der sich durch die Schwere des Manne* umbog"54). Ein
Stuhl oder ein Schemel als Stütze für X. wäire nichts ungewöhn-
liche*. Die Verwendung solcher Möbel bei Darstellungen der Kreu-
zigung geht auf die byzantinische Sitte zurück, Personen von Rang
und Würde auf Fussbänken oder Tritten stehen zu lassen. Christus
selbst. Maria und Johannes erhalten Schemel unter die Füssc, um
dadurch ihre Erhabenheit auszudrücken '• ). Aus einem solchen Möbel
knicoiid die Nägel aus den Füssen Christi, wahrend r. ein anderer, bärtiger
die Hände loslöst. Ks sind liier also, wie in dein erwähnten byzantinischen
Klfenbeinrelief zu München, die Functionen des N. zwei verschiedenen
Personen zugewiesen. Nahe verwandt der Graner und venezianischen
Darstellung ist ein Klfenbeinrelief des I t. Jahrh. im Valican (ahgeh. b.
Harbi er a. a. O. IJ. tab. 21, 299), wo J. Christum von I. auffängt und N.
r. kniet.
.11) Giefers a. a. O. p. K*>.
35) Km nach Sclnincnnark um COO entstandenes, in Wirk-
lichkeit frühromanisches Kruzifix zeigt Christum auf einer Fussbank
stehend iVergl. Zeitschrift für christliche Kunst ts.t)0. Sp. Iii*). Auf einem
italienischen Klfenbeinrelief des 12. Jahrb.. das bei der Mailänder Aus-
stellung 187-1 zu sehen war, steht Maria auf einem würfelartigen Schemel.
Das schon erwähnte Klfenbeinrelief derselben Zeit im Domschatze zu
Büdesheim zeigt Maria auf einem Schemel, der aus 1 gedrehten, schräge
gestellten Füssen und darauf liegendem Kissen besteht, während Johannes
auf einem Felsstücke steht. Kin kleines Holzrelief, wahrscheinlich rhei-
nische Arheit derselben Zeit labgeh. Gazette areheol. IHK;*, tab. 17t, gibt
die Kreuzigungs.szene mit Maria, Johannes, Konginus und Stephaton (dem
Krieger mit dem Kssigschwammc>; die vier genannten Personen stehen
sämmtlich auf niederen, wiirfclartigen. auf der Vorderseite mit zwei
rechteckigen Ausschnitten versehenen Schemeln. Im 13. Jahrhundert ver-
wandeln sich diese Untersatze bei Maria und Johannes in die knieenden
Gestalten des überwundenen Heidcnthuines und Judenthumes. Andere
hervorragende Personen erhalten namentlich in der monumentalen Plastik
Die Hxternstcine.
'XI
entwickelte sich in frühromanischcr Zeit das Snppcdanenm, das
Fussbrctt. welches mit dem Kreuze fest verbunden wurde und vom
12. Jahrh. ah mitunter die (iestnlt einer Konsole annimmt. Rci <len
wirklichen HinrichtimgskreHzcn der Römer war dasselbe gar nicht
vorhanden, es fehlt auch hei vielen Darstellungen der Kreuzigung,
die bis ins 11. Jahrh. reichen3"). Selbst auf dem Relief der Ex-
ternsteine finden wir kein eigentliches Fussbrett, sondern eine leichte
Abschrägung und Verbreiterung des unteren Krenzbalkcns, welche
bis dicht an den Roden reicht und den beiden Endigungcn des
Querbalkens entspricht. Das Kreuz erhält dadurch eine ungewöhn-
liche Form und nähert sich dein sogenannten byzantinischen Kreuze
mit verbreiterten Enden; aber das obere Ende des Läiigslmlkens
hat als Absehluss eine Tafel oder besser gesagt, einen zweiten,
kleineren Querarm, wie er bei den Krückenkreuzen Üblich ist. Auf
demselben findet sich nur selten der Titulus aufgeschrieben, auch
auf den Externsteinen findet sich von demselben keine Spur, wohl
aber sind darin zwei wagcrechto Linien vertieft, welche vermutheu
lassen, dass man dies in späterer Zeit als einen Mangel empfand
und einen Titulus anbringen wollte ST).
Der naheliegenden Annahme, dass die Stutze, auf der Nieode-
ntus steht, ein Stuhl sei, widerspricht die Form derselben ganz und
gar. Rei Kreiizigungsscenen der frlihromanisehen Zeit finden wir
durchweg nur Schemel oder kleine, truhenartige Tritte angewandt,
nirgends wirkliche Sitzstühle oder gar Sessel mit Rückenlehnen,
denn als solche erscheinen im frühen Mittelalter nur die Thronsessel
und Excdren, deren Forin uns in zahlreichen Miniaturen erhalten
ist. Ihr Aufbau ist meist streng architektonisch: Vier senkrechte
Stützen, von denen die beiden rückwärtigen die Lehne bilden und
in Knäufe oder Thierköpfe auslaufen, die Seitenlehnen schräge ab-
laufend. Ein anderer Typus ist in den Faltstühlen repräsent irt, zu
Drachen und andere Thiere unter die Füssc. besonders häutig tritt dies
bei Grubniälern auf. wo bis in die Renaissance hinein Löwen und Hunde
als Untersätze beliebt sind, während sie bei I'fe-ilerfijruren in die (Jestalt
einer architektonischen Konsole übergehen.
!W) Vgl. Otte und aus 'in Werth, Zur Ikonographie de« Kruzifixes,
B. J. 44. ••15.
:}7) Das Krückcnkreux. erscheint durchweg- ohne Titulus in der
Aachener Handschrift Ötto's T., ferner in der Münchencr Mnndschrift
Cim. 5H, im Codex F.gberti, auf dein Deckel in S. Marco, auf dem «tra-
ner lleliijiiinr u. a.
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94
Au ton Kisa:
denen auch «1er Sc**ol Dagobert* zu zählen ist. Kin dritter Typus, flir
reiche Rronzescssel, wie z. I?. der Kaiserstuhl von fioslar, ange-
wendet, lehnt sieh in der Rundung von Rück- und Seitenlehne an
antike Formen an31*). Und nun vergleiche man mit diesen Typen
den angeblichen Stuhl auf unserem Relief. Kr zeigt im Profil ein
nach unten stark verbreitertes Vorderbein, dessen Rasis gleichsam
aus einer stärkeren Schichtung besteht, die ollenbar im Hoden wur-
zelt, während das angebliche voluteuförmige Hinterbein nur eben
den Roden berührt; eine zweite Volute schwingt sieh nach aufwärt*,
als Rückenlehne so unbequem wie möglich gestaltet. Die sockel-
artige Schichtung an dem angeblichen Vorderbein entspricht den
Verdickungen am unteren Theile von Pfiauzcndarstellungcn in der
Kunst des 10. und 11. Jahrb., so z. R. im Codex Vigilauu* des
Kscorial (vollendet 976, Kig. 1 und 2,j, in den Reliefs der Itemwards-
thür zu Ilildesheim (Fig. 3), an einem aus Narval geschnittenen
Spielsteine des 12. Jahrb. bei Hefner a.a.O. II. lab. TT i Fig. 4)
u. a. Knischieden plhuizenartig ist die obere, an einen Schachtel-
halm erinnernde tUicdcrung, welche auf der Zeichnung bei Dewitz
unrichtig wiedergegeben ist und die Form hat, wie sie Fig. :"> zeigt.
Vgl. die ßcRHcl formen in der Miniaturhaudschrifl aus Kloster
Altcnzell in der Universitats-Kibl. zu Leipzig (lüoO-1 101), abgeb. b.Hcfner
a.a.O. I. tal>. 5.M), im Stuttgarter Maityrologiuni von 1188 libd. II. tab. 75)
u. a. — Kino der modernen ähnliche Form, bei welcher die Rückenlehne
eine leichte Schweifung nach aussen und dns Sitzbrett am Ausätze des
vorderen Stuhlbeines eine Volute zeigt, findet sich bei der Darstellung
des Johannes auf dem Tassilokclche. Ks ist jedoch schwor zu sagen, was
hier phantastisches Zierwerk und was konstruktive Form ist, da das Niello
in bandartige Streifen aufgelöst erscheint, (ibil. I. tab. K. j
Qrbor
Nf. i.
Kig. *.
Ffe s.
Die ExternBteine.
96
Vor der Biegung und vor der Verästelung befinden sieh Wulste,
wie man sie namentlich in der Initialornamentik der Zeit, welche
Pflanzenmotive verwerthet, an solchen Punkten beobachtet, wo
Ranken abzweigen, auch bei Fig. 1, 2, 8 (Ranke vom Eltenbein
decke] eines Evangeliencodex des 10. Jahrhunderts in der Univer-
sitätsbibliothek zu VVürzbnrg, abgebildet bei Hefner, a. a. 0. I.
tah.33) und Fig. 7 (Ranke von der RernwardsthUr). Die Form der
beiden Verästelungen entspricht den Plattformen frühromanischer
Zeit. Dicht an der Einschnürung setzen zwei kleine Voluten ab,
Uber welche sich der Hauptast hinausschwingt, um sich am Ende
gleichfalls zusammenzurollen. Die Innenseite zeigt dicht aneinan-
der gereihte Einkerbungen, wie sie schon an den Plattformen der
karolingischen Zeit vorkommen, nur sind sie hier bereits schärfer
und zackiger geworden, mit konkaven Abschlüssen nach aussen und
mg. 5. Kl*. 4. Kl*. 7.
* Kl fr. «.
gegen den Stamm gekehrten Rippen. Die Abzweigung der kleinen
Voluten an der Einschnürung gleicht denen auf Fig. 4, 7 und S.
Da die Verwendung naturalistischer Motive, speziell von Pflanzen-
formen, zur (Jcstaltung eines Sessels für die frühromanische Zeit
eine Anomalie wäre, kann man nicht anders, als auf Goethes
Ansicht zurückkommen, dass die Stütze für Nicodemus kein Sessel
in Form eines Raumes, sondern ein Raum selbst ist; freilich hat
er etwas ungewöhnlich schweres und klotziges, dies erklärt sich
aber ans der Ungewohnhcit uud dem Unvennögeu des Künstlers, in
5)0
Anton Kisa:
grossen Verhältnissen zu arbeiten. VVa-s uns in einer Miniatur, in
einem Elfeubeinrelief nicht weiter aufgefallen wäre, tritt hier bei
der Ausführung in grossem .Maassstabe unangenehm hervor. Das»
der Raum nur zwei Verästelungen hat. ist nicht ungewöhnlich und
auch durch die Kaumverhältnisse bedingt, denn weitere paarweise Ver-
ästelungen hätten in die Gestalten Johannis und des Xicodemus
einschneiden müssen, auch hätte der Baum dadurch etwas zu Spie-
lendornamentales angenommen, was nicht im Charakter des Reliefs
liegt. Wohl aber ist der Mangel an Schwung, die schroffe recht-
winklige Biegung des Stammes auffallend, welche wohl in erster
Linie die Beobachter dazu verleitet hat, einen Sessel anzunehmen.
Den Bildhauer mag dazu nebenbei wohl das Bestreben veranlasst
haben, Nieodemus einen für das Auge möglichst sicheren Stand zu
verleihen, in erster Linie aber ist dieselbe auf die Vorliebe für
gewaltsame, schroffe Verschiebungen und Verdrehungen zurück-
zuführen, wie sie auch in den Bewegungen der Personen des Reliefs
hervortritt, so in der Kopthaltung Marias, in der Art wie Johannes
die Rechte erhebt und namentlich in der völlig rechtwinkligen Biegung
des herabsinkenden Leichnames. l>cr Künstler hat hier ein aus
Miniaturen der Ottoiienzeit überkommenes Motiv des Zusammen-
knicken* in seiner derben, ungefügen Weise bis an die äusserstc
Grenze getrieben39). Die byzantinische Kunst lässt den Überkörper
35)) Auf dem erwähnten I{elic|iiiar im Domschat/.e zu Gran sind die
Hände Christi vom Kreuzbalken losgelöst, der Oberkörper sinkt nach I.,
er und der Kopf sind jedoch in Vorderansicht gegeben; der r. Ann
hiingt kraftlos herunter und wird von Marin umfangen, der I. ist an
den Leib gedrückt; die. Kniet- sind nach r. gewandt, die Heine stehen
noch auf dem Fussbrette fest. Achnlich ist die Stellung auf dem Kllen-
bcinrelief zu München und dem Buchdeckel der Marcusbibliothek: der
Leib ist auf diesem jedoch in den Hüften etwas nach r. ausgebogen, der
r.'Obcrnrin platt an die Bru.st gelegt, der Unterarm wagerecht von Maria
gestützt. Im Bamberger Missale A. II. T>2, a. d. 10. Jahrh. sinkt Christus
nach r.; der bartlose Kopf ist mit dem N'inibus verschen, der Körper von
den Hüften bis zu den Knieeu mit einem dunkelvioletten Gewände be-
kleidet. Kr wird von Josef an den Hüften aufgefangen. In der Hand-
schrift Kaiser Otto*8 I. in Aachen sinkt Christus nach I. und wird von
Josef an der Brust und unter den Achseln aufgenommen ; die Beine sind
schräge gestellt, die Füssc bedeckt Nieodemus mit einem Tuche. Achnlich
im Codex Kpternacensis und im Codex Kgberti. Derber ist das Motiv des
Zusammenknicken* in den Miniaturen aus der Zeit Heinrich's II. wieder-
gegeben. In der Münchencr Handschrift Cim. W Bl. 2W> sinkt Christus,
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Die Kxternsteine.
H7
Christi regelmässig vom Querbalken losgelöst erscheinen und nach
links hinabsinken, jedoch so, dass Kopf und Oberkörper in Vorder-
ansicht bleiben, während Unterleib und Heine die entgegengesetzte
Wendung nach rechts erhalten, wobei oft die Kniee herausgedrückt
werden. Diesen Contrapost behält auch die italienische Kunst des frühen
Mittelalters bei, die abendländische hingegen vergröbert das Motiv,
indem sie — wie in der Aachener Handschrift, im Codex Egberti
uud Codex Epternaccnsis — den Leichnam nicht in der Hüfte seitwärts
biegt, sondern vorn überhängen lässt und damit auch den Contra-
post vermeidet. Die Hiegung ist jedoch nirgend so stark, wie an
den Externsteinen, selbst nicht in der Münchener Handschrift Cim.
Ö7 aus Heinrichs IV. Zeit, wo das Motiv in Folge der senkrechten
Ueinstellung an Gewaltsamkeit unserem Relief nahekommt. Die
ottonischc Kunst bildet den ganzen herabsinkenden Leichnam im
Drcivicrtel-Profil mit schräge gestellten Heincn, auf den Extern-
steinen sinkt der Oberleib völlig rechtwinklig nieder, während die
Heine eine leichte Drciviertelprotilstellung, die sich der Vorderan-
sicht nähert, behalten.
Die übrigen Einzelheiten des oberen Reliefs sind durch die
Forschung geuügend klar gestellt, so dass ich über dieselben hin-
weggehen darf. Nur eine kurze Bemerkung über die Personifica-
tionen von Sonne und Mond ober den Enden des Querbalkens will
bartlos und bekleidet, nncli 1., so dass sein Oberkörper mit dem Quer-
balken parallel ist, wahrend Unterleib und Beine eine schräge. Stellung;
nach r. haben und vom Krcuzbalkcn, der kein Fussbrett bat, losgelöst
sind. Die Arme sinken kraftlos herab. — In der Müneheuer Handschrift
Cim. 57 (abgeb. bei Yögc a.a.O. p. 22I) ist die Biegung fast rechtwinklig,
da die Beine senkrecht herabhängen. Bei den drei letztgenannten Dar-
stellungen stehen Kopf und Körper im Dreiviertelprofil. Auf dem Relief
der Kr/t Mir von St. Zeno und auf dem Hclkpuenschreine im Genn. Mu-
seum aus Mastricht, 11. Jahrli., ist Christus noch beinahe aufrecht und
neigt das Haupt leicht nach I. Dort sind noch beide Hände am Quer-
balken angenagelt, hier nur noch die L., die Rechte ist losgelöst und von
Maria aufgenommen; Josef umfasst den Körper oberhalb der Hüften.
Auf dem Elfenbeinrelief zu Hannover siukt der Oberkörper nach r., die
Beine, stehen senkrecht auf dein Fussbrette. Auf dem zu Büdesheim
(12. Jabrh.), sinkt er gleichfalls nach r. und wird von dem auf einer
Treppenleiter stehenden Josef aufgefangen. Im Bamberger Missale Ed. III. 8
{12. Jahrb. Ende) sinkt Christus nach 1., während die Kniee r. hinausge-
drückt sind — der byzantinische Contraposto. Den beiden erstgenannten
byzantinischen Arbeiten stehen zwei italienische am nächsten: Das Relief
Jalirl.. il. Ver. v. AU.Ttlnfr. im Kli. iiil. XCIV. 7
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Anton Kim»:
ich hier noch an tilgen. Diese seit dem (i. .lahrh. in der abendlän-
dischen Kunst gewöhnlichen Hegleiter der Kreuzigung bez. Kreuzalh
nahnie, haben Goethe an ähnliche Darstellungen auf Mithrns-Rc-
licfs erinnert und ihn durch seine harmlose Bemerkung darüber un-
bewußt zum Schöpfer jener Legende gemacht, die seit Braun die
Externsteine mit dem Mithraskult in Verbindung bringt und in neuerer
Zeit unter den Iiiinden eines phnntasievolUn Dilettanten geradezu
erschreckende Dimensionen angenommen hat. Man hat darüber ge-
stritten, ob Sonne und Mond durch Personen verschiedenen oder
des gleichen Geschlechtes dargestellt seien, Giefers nennt beide
Kinder, Piper erklärt sie einmal für /mnäxta, später die Sonne ftlr
weiblich, den Mond für männlich. Schnansc dagegen die Sonne als
Knaben. Pipers spätere Ansieht wird u. A. durch ein Elfenbein-
relief in Dresden unterstützt, auf welchem der Geschleehtsuntcrsehied
vou Sonne und Mond dem deutschen Sprachgebrauche folgt. Ge-
wöhnlich aber ist der lateinische massgebend, so auch auf unse-
rem Relief. Die Sonne, in Knahcngestalt, ist mit einein Blumen-
kranze und Strahlennimbus geschmückt, der Mond durch lang
wallendes Haar als weiblich bezeichnet10).
Die grösste Schwierigkeit bereitet den Erklärern «las untere
Relief, weshalb Manche, wie Giefcrs, es vorzogen, sich mit ihm
gar nicht zu befassen. Jahrhunderte hindurch den Unbilden des
Wetters und der Zerstörnngslust pietätloser Hände preisgegeben,
ist dieser, den Sockel des Ganzen bildende Theil erst in neuerer
Zeit von einem Gitter umgeben worden und sc» vor weiteren Zer-
störungen einigerinaassen geschützt. Die Darstellung ist eigenartig
und verräth selbständige Schöpferkraft. (Vgl. Fig. 10.) Mit ziem-
licher Deutlichkeit erkennt man trotz der starken Beschädigungen
zwei knieende Gestalten, die eine zur Rechten, männlich, bärtig und
in S. Lionnrdo in Areetri und die Kreuzabnahme von Benedetto Antelami.
Auf ersrerem ist der Oberkörper in Vorderansicht gefreiten, jedoch der
Kopf im Dreiviertelprofil geneigt, der Körper in den Knieen nach r. aus-
gebogeu, so dnss eine Verdrehung in den Hütten .stattfindet; den r. herab-
hängenden Ann las»! Maria, den )., der theilwoise am Oberkörper anliegt,
küsst .Johannes. Der Conlrnposto ist hier wieder klar ausgesprochen.
Auf dem Relief von Benedetto ist der Oberkörper nach r. geneigt, wah-
rend die Beine senkrecht auf «lein Fussbrette stehen.
•tOi Vgl. Piper, Mythologie der ehristl. Kunst. II. p. 11 Ii. - Ders.,
Die Abnahme Christi vom Kreuz am Kxlernstein im Kvang. Kalender 1ST»i'..
— Stock bauer a. a. O.
Die Externsteine.
nackt, die andere, zur Linken, weiblich, in ein langes («owand gc-
kleiilet, Haupthaar und Hai« mit einem enganliegenden 'fliehe, gleich"
dem der Maria auf dem oberen Relief bedeckt. Die Blicke beider
Gestalten sind dem oberen Vorgänge zugewandt, die Brust und die
Anne im Vordergrunde von Schlangen Windungen umgehen, die rück-
wärtigen Arme in senkrechter Rarallelstellnng flehend emporgehoben.
Vor und zwischen ihnen sind die Reste eines grossen vogelartigen
Thieres zu erkennen. Der Bildhauer Ernst v. Bändel, der
Schöpfer des Hermannsdenkiuales giebt ihm auf seiner bei Mass-
mann a. a. 0. und in Bodes Geschichte der deutseben Plastik
wiedergegelKMien Zeichnung Löwenftlssc und Löwenklaucn; die
fehlendcn Theile ergänzt er so, dass der Hals des vorderen Thieres
sieh mit den Windungen der Schlange zur Rechten verbindet und auf
diese Weise ergiebt sieh ihm eine Draehengcstalt mit dem Ober-
körper eines Löwen, welche mit ihrem langen, schlangenförmigen
Halse die männliche Gestalt, Adam, so umwindet, das» ihr Drachen-
kopf nach rechts hinausragt, während der Schwanz die weibliche
Gestalt, Eva, umschlingend, in Windungen nach links endigt. De-
witz hingegen sieht wohl ein, dass der Vorderleib des Thiercs
nichts Löweunrtiges habe, dass zumal die Beine und Füssc die
eines Vogels sind und macht zugleich darauf aufmerksam, dass der
100
Anton Kisa:
Hals «los vogelartigen Thiere* viel zu dünn gebildet sei, um mit
\len Windungen der Schlange zur Rechten in Verbindung gebracht
werden zu können ; er nimmt daher zwei verschiedene Thiere an, einen
Vogel und eine .Sehlange, welche Eva mehrere Male umwinde, wäh-
rend sie Adam zwar in ihrer Gewalt habe, ohne ihn jedoch wie
Eva zusammenzuschnüren. Rechts hätten wir dann nach 0. den
Kopf der Schlange (des Paradieses), links deren Hude zu erblicken.
In dem zufälligen Umstände, dass Eva von der Schlange stärker
umwunden wird als Adam, glaubt er die Absicht des Künstlers er-
kennen zu sollen, Eva als den Thcil, der die grössere Schuld am
Stlndenfalle trage, auch entsprechend ärger btissen zu lassen. An
dieser Tändelei mit einem zufälligen subjectiven Einfalle lässt er
sich aber nicht gentigen ; seine Rhantasic geht noch weiter, während
er sich bemüht, dem vogelartigen Thiere Namen und Existenzbcrechti
gung zuzuweisen. Er sieht in ihm einen — Pfau, dem die Schlange
den Kopf abgebissen haben und ihn nun in ihrem Rachen (rechts) da-
vontragen soll. Durch den toten Vogel hatte angeblich der Künst-
ler die Absieht anzudeuten, dass die Sünde tötet; er wollte den
leiblichen Tod in Folge der Sünde vcrsinnliehcn, zugleich aber auch
die Unsterblichkeit der Seele, denn der Pfau gelte in der altchrist-
liehen Kunst als Symbol des Todes und der Unsterblichkeit, da
sein Fleisch unverweslich wäre. Daraus leitet er nun eine Parallele
mit dein Vorgange auf dem oberen Relief ab, wo gleichfalls der
leibliche Tod und die Unsterblichkeit der Seele versinulieht werde.
Im Bemühen, Unterstützung für seine gewagte Annahme herbeizu-
holen, versteigt sich D. bis ins mohammedanische Paradies. Ich
will ihm dahin nicht nachfolgen, sondern zur Kennzeichnung seiner
Beweisführung nur folgende Stelle anführen. In einer Züricher
Handschrift des 12. Jahrb. liest er: „Voce satan, plnme seraphin,
cervicc draconem, grossu furtivo, designat pavo latronem.u Und
im Freydank: „Der pliftwe diebes «liehe hat, tiuwels stimme und
engels what." Das deutet doch wohl auf C'harakteranlagen lies
Pfaues, die mit denen der Paradiessehlange verzweifelte Aehnlich-
keit haben. Doch D. zieht aus den Sprüchen getrost die Lehre:
„Der lebende Pfau ist also ein Bild der Menschen anf Erden."
Wenn der Künstler einen Pfau hätte darstellen wollen, so wäre
es ihm, dem in der Katakombcukunst und auf altchristlichen Sar-
kophagen angewandten Typus folgend, ein Leichtes gewesen, ihn
als solchen zu kennzeichnen, zumal in der Vorderansicht. Von
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Die E.xtcrnsteine.
101
einem Pfnuenrade limlet sich auf dein Kelief keine Spur, ebenso
wenig vermag ich in dem Hachen der Sehlange rechts einen Pfaucn-
kopf zu erkennen, denn was D. flir den Schnabel und die herab-
hängenden Halslcderu des Pfaues hält, sind nichts als hörn- bez.
bartartige Auswüchse des Schlangen- oder Drachenkopfes41). Die
richtige Erklärung ergibt sieh durch die Ergänzung der durch ge-
waltsame Zerstörung entstandenen Lücke zwischen a und b, auf
welche Dewitz verzichtet, da er keine anzugeben weiss und nicht
in den oben angeführten Fehler Massinanns, bez. Bändels ver-
fallen will. Hier sass der Kopf des Vogels, welchen D. in den
Hachen der Schlange verlegt, an dem Halse fest und hiss in den
Körper Adams. Der Leib dieses Vogels, von welchem bei c und d
auch die Ansätze der zusammengefalteten Flügel noch deutlich sicht-
bar sind, setzt sich in zwei schlangenartigen Schweifen fort, welche
das Menschenpaar umwinden und an beiden Enden rechts und links
mit phantastisch missgestalteteu Köpfen verschen sind. An dem
Kopfe rechts sowohl, wie an dem kleineren zur Linken fallen die lang
cmporstchcndcn Obren auf; die Schlange zur Hechten hat ausser-
dem auf dem Rücken Auswüchse in der Art eines Drachcnkammes.
Die beiden Schlangen und der Vogel bilden ein einziges,
dreiköpfiges Ungeheuer, den jmxu/aioz lUtl^ßorÄ des Eusebius v.
Alexandrien. Dieser Kirehcnschriftsteller des t>. Jahrb. erzählt, der
Teufel hätte sich, entsetzt über die Wunder der Kreuzigung zu
41) Der Pfau Ist übrigen» nicht eine Entdeckung Dewitz', sondern
dem phantasicreichen 0. 11. A. Sehiercnbcrg zu verdanken, welcher ihn
auf den Sterncnkultus bezieh«, der nach »einer Behauptung auf den
„Kx-Sternsteineu"1 seinen Sitz hatte!
42> Piper a. a. O. I. p. 40.5. F.ine Mischung antiker Elemente mit
christlichen bietet der C'erberus in der Kiieis des Heinrich v. Veldekc
in der Berliner kgl. Bibl. Fr hat scharte Krallen an den Pfoten, einen
Schwanz, der in einen Schlangenkopf ausläuft, und 3 menschliche Köpfe.
Dreiköpfig ist auch Dante s (.'erberus und der im Triumphe des Todes
im Campo Santo zu Pisa. Zu den Köpfen, von denen der mittlere bei-
nahe menschlich aussieht, hat ihm der Künstler überdies Flügel gegeben.
Kr steht aufrecht auf den Hinterbeinen, verschlingt mit dem mittleren
Bachen einen Menschen und hat noch zwei andere gepackt. Vgl. Carl
Meyer, Der griechische Mythus in d. Kunstwerken d. Mittelalters, Kepert.
f. Kuustw. XII. p. lä!ift". - In Frankreich finden sich nach Didron (Note 2
zu pag. 105 von Schaler 's Ausg. d. Malerbuchcx v. B. Athos) Beispiele
dreiköpfiger Darstellungen a. d. frühen Mittelalter, so zu St. Bazilc von
Etampes, Skulptur d. 12. Jahrh.
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An ton Kis.-i:
Hades hinabgeflüchtet und diesen bewogen, seine Thore zu schliessen,
damit Christus nicht bei ilnn eindringe. Hades redet dabei den
Teufel mit obiger Bezeichnung an. Derselbe Ausdruck itrieeps
Beelzebub,! kehrt in zwei laleiniseben Handsebriften eines apokry-
phen Evangeliums wieder (Thilo, cod. apokr. N.T. 1 p. 729 not.)
Sonst finden sieh auch noch, gleichfalls an antike Vorstellungen
anknüpfend, die Bezeichnungen Cerberus und Hydra, beide mit dem
Begriffe, der Vielköprigkcit.
Die bildende Kunst des frühen Mittelalters fusst im Allge-
meinen bei den Darstellungen der Teufel auf der bekannten Stelle
Psalm 1H. .11 der Vulgata, wo von dem Schutze der Frommcu durch
den Herrn uud seine Engel gehandelt wird: »Super aspidem et
basiliseuni auibulabis et eoneuleabis Ieonem et Draeonem." Alle vier
hier genannten Thiere wurden als Porsonificationen des I lösen aufgc-
fasst und von der Kunst als vier verschiedene Typen behandelt. Den
Aspis bildete man nach Psalm f>7, ö: «, Furor illis (sc. peeeatoribus)
secundum similitudinem serpentis sicut aspides surdae et obturantis
anres suasü und gab ihm einen Sehlangcnschweif, hundeartigen Kopf
und lange Ohren ; das rechte Ohr legt er auf die Erde und steckt in
das linke das Ende seines Schweifes. Den Basilisk dachte man sich
entstanden aus dem Ei, das ein alter Hahn gelegt und gab ihm die
Gestalt eines solchen, jedoch mit einem Sehlangcnsehweif uud einer
Krone auf dem Haupte, denn er ist der König der Schlaugen und
tragt seinen Namen von /ftco</>r,- ,3'. Plinius bemerkt, dass ersieh
nicht, wie andere Schlangen fortringcle, sondern gerade und auf-
recht unter ihnen einherschreite. Solinns berichtet dasselbe und
Albertus Magnus sagt (de animalibns Hb. iTn, dass einige Autoren
gewissen Gattungen der Basilisken die Flugkraft zutheilcn. Vineenz
von Bcauvais schildert ihn als Halm mit dem Körper einer Natter.
Den Drachen bildete man als Schlange, mit plattem Kopfe, tief
gespaltenem Rachen, oft nach den Beschreibungen bei 1 s i d o r u s
von P e 1 u s i u m und Albertus M a g n u s mit Flügeln und Tatzen.
Diese drei Fabclthicre, die wir schon bei antiken Schriftstellern (ausser
Plinius und Solinus noch bei Gallienus und Aviccnnus) Huden
4.tl Kr wird auc h Rogulus genannt. Im cod. Vatic. l'alat. K53 heiast
es, die Worte des INalmisten variirend: Filius eei'e Dei ooneuleat colla
leonis, quem metuunt Itogulus, a^|»is- et ipae draco. Vgl. Dümmlcr, poe-
tae lat. au vi caiolini.
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Dil- Kxlonisteluc.
10.1
werden im Verein mit dem Löwen im Mittelalter zu Hauptvertrcteru
der hosen Gewalten, zum Tetramorphos de« Hösen und von der Kunst
in verschiedenen Variationen und Comhiuationcn angewandt. Alle ge
nannten Arten finden sieh vereint auf dem Sockel der Christnsstatne am
Portale der Kathedrale von Amieus, wo sie mit Anspielung auf die Worte
des Psalmistcn von dem Erlöser mit Fussen getreten werden. Der
Hasilisk erscheiut hier deutlich als Hahn, jedoch mit Schuppen an-
statt der Federn bekleidet. Die Vereinigung aller vier Arten auf
einem Hilde ist selten, die charakteristischen Merkmale sind nicht
immer scharf ausgeprägt und der Phantasie der Künstler, die in
solcheu Dingen unerschöpflich war, unterworfen41). So geben sie
I4i Vgl. A. Rciohensperger, Kölner Domblatt 11*45. Nr. 12. —
Hüllet, momuii. VII. p. 115 ff. — Diu Verbindung' von Halm und Schlange
ist eine Krfindung der Gnostikcr. Auf Abraxasgenuuen erscheint oft die
Gestalt des l'hancs, des urweltlichen Lichtwesens in der orphischon Göitcr-
Ichro des griechischen Mythos, des Vaters aller Götter. Kr hat den Ober-
leib eines Mannes mit llaimcnkopf und 2 Sohlangcufüsson, welehc oft in
Sohlangenköpfe auslaufen und halt in der einen Hand eine Geisse], in
der anderen einen Schild. Vgl. Bcllcrmanu, Versuch über die Gemmen
der Alten mit dem Abi uxasbildo, 1817. — Rollet, a. n. O. ]i. 322. — Die
berühmte Skulptur an der Kathedrale von Amiens hat ihr Vorbild schon
im christlichen Alterthume. Auf einer Lampe des 5. Jahrb. steht Christus,
mit der Kreuzeslanze einer Schlange den Kuchen durchbohrend — auf
der einen Seite erscheint der Basilisk — soweit bei der Kleinheit der Dar-
stellung kenntlich — mit emporgerichtetem, dickgeschwolleneni Oberleihe,
einem Kamm auf dein Scheitel und Schlungenschwcif; auf der anderen
windet sich ein viperartiges Thier, der Aspis; unten der Löwe. Abb. bei
Kraus a. a. O. II. p. 781. — Auf einein italienischen Kll'enbeinrelief des
10. .lahrh. {nhgc.h. hei Didron, p. .'102) tritt Christus auf deu Löwen und
den Drachen; dieser in Form einer langgeschwunzten Kidochsc, ihm zur
Seite der Aspis in Schlangenform und der Basilisk, natürlich gebildet.
Ausdrücklich durch die Aufschrift Basilisk bezeichnet findet sich die Com-
bination von Hahn und Schlange auf einem Bilde des 12. .lahrh. in der
Kirche zu St. Foi (abgeb. bei Caumont, hist.de larchit. rcligieuse, Paris
1841 p. XV. ftdd.). Den ganzen Tetramorphos des Bösen vereinigt die
Federzeichnung der Kreuzigung im Codex -De laudibus Crueis" ans dem
St. Kinmeranskloster in Rogensburg in der Münchener Bibl., 12. Jahrh.
Der 1 .Hngsbulk.cn des Kreuzes durchbohrt hier vier über einander ange-
ordnete Thicre, die durch Beischriftcn als Löwe, Drache, Baailisk und
Schlange bezeichnet sind. Vgl. .Stockbauer, a.a.O. Auf dem romani-
schen Portale zu Remagen erscheint der Basilisk als Hahn mit gekröntem
männlichen Kopfe und Sohlungenschweif. Vgl. Braun, Bonner Winkcl-
inannsprogramm 1855». Kin Basilisk mit Hahnenkörper, Schlangenschweif
104
Auto ii Kisa:
dem Basilisken z. B. mitunter einen Mensehenkopf mit Krone, nm
seine königliche Würde recht deutlich auszudrücken; oft nähert er
sich der Gestalt des Drachen, indem man die Beine stärker hildet
und seinen Hals verlängert, wohei jedoch der Kopf den vogclarti-
gen Charakter und den Ilahiienkainin behält, wenn auch letzterer meist
weit von Natnnvnhrheit entfernt ist. Am phantastischesten sind
die verschiedenen Comhinationen des Tetramorphos des Bösen am
Kusse der romanischen Ceroferarien verwendet, wo sie die licht-
scheuen Elemente, die Träger des negativen Principe» versinnlichen.
Aus der Antike herübergenommen, welche einander zugekehrte G reife,
in Schlangen endigende Drachen rein ornamental, ohne symbolische
Bedeutung auf Kandelaherfüssen verwendet hatte, wurden sie von
der romanischen Kunst mit menschliehen Gestalten iu Verbindung
gebracht und daraus entstanden Drachenreiter, Kämpfe zwischen
Unholden, zwischen Menschen und Fabelthiercn, die sie bedrohen,
umwinden, zu verschlingen oder zu heisscu suchen '-'i. Das Licht
und der aus diesen Kampfgruppen frei emporragende Leuehterschaft
wurden auf Christus als den Erleuchter der Welt, den Besieger der
Finsternis« gedeutet, deren Repräsentanten den Fuss umgebcu und
damit derselbe Gedanke zum Ausdruck gebracht , wie auf der
.Skulptur des Portales von Amiens, aber auch auf dem Relief der
und gekröntem Menschenkopfe findet sich auf einer Skulptur in St. Savin
(Vienne). Vgl. Aubcr, a. a. O. III. p. Höf. — Auf einem Glasgcmalde
der Kathedrale von Tours (13. Jh.), welches die Kreuzigung mit ihren
testamentarischen Vorbildern enthalt, tindet sich Moses mit der ehernen
Sehlange in Gestalt des Basilisken- dieser sitzt als Hahn auf einer Säule,
die er mit seinem Schlangenschweife umwindet. Abb. bei Piper im
Evang. Kalender IST»? p. 50. Dasselbe auf einem Glasgemilldc in LeMans,
abgeb. bei Ca liier, nouveaux melanges d'archeol. Paris 1H74, p. !>7.
Basilisken- oder drachenartig ist auch die Figur, die im Vereine mit einem
Löwen unter den Füssen des Pfal/.grafcn Heinrich auf dem Grabmale der
Abteikirche zu Laach ruht (Knde des 13. Jahrb.). Der Kopf derselben ist
verstümmelt, wohl aber kann man den Vogelleib mit Flügeln, Vogelbeine
mit 3 Krallen und den Schlangenschweif unterscheiden. Einen Basilisk
darf man wohl auch in der linken Kckfigur eines romanischen Reliefs im
Trierer Museum von der Burg zu Mürlenbach (nbgeb. im Corresp.BI. d.
Westd. Z. f. G. u. K. 1884, p. 187' erkennen. Er hat einen geschnabelten
Kopf, spitze, aufrechtstehende Ohren, Flügel, Vogeltüsse und Sehlangen-
schweif. In der r. Kcke ein ähnliches Fabelthier, mit Hundekopf, Flügeln,
Löwenfüssen und Schlangcnsehweif, also ein Drache.
45i Vgl. A. Springer, ikouogr. Studien. Mitth. d. C. C. 1860, p.309ff.
Die Externsteine.
106
Externsteinc. Oben triumphirt Christus durch seinen Opfertod über
die Erbsünde, die Stunde ist gekommen, in welcher er die Pforten
der Vorhülle uiit der Krenzesfahue aufstoßen wird, um der Mensch-
heit Erlösung /u bringen ; unten umschlingt der Dämon des Bäsch
in ohnmächtiger Wuth das erste Menschenpaar, das vertrauend und
dankend zu dem Erlöser emporblickt4*). Der rotxe 7 ako< BirXZrßoid
des Eusebius ist der Oestalt des Basilisken angepasst worden; sein
Vordcrleib ist der eines Hahnes, „er schreitet gerade und aufrecht
einher", seine Flügel sind an den Leib geschlossen, sein langer
schlangcnartigcr Mals biegt sich unter Adams Arm hindurch nach
abwärts, der jetzt abgestossene Kopf biss in dessen Körper und ragte,
wie viele andere Theilc des Reliefs ursprünglich stark über die
Fläche hinaus; vielleicht trug er auch eine Krone. An die anti-
ken Vorstellungen des Cerberus anknüpfend, gewann der Schöpfer
des Reliefs zugleich eine symmetrische Kunstform, indem er den
Basilisk in zwei, anstatt in eine Sehlange ausgehen Hess, die sich nach
beiden Seiten fort ringeln und so die Basis des oberen Reliefs konsol-
artig verstärken konnte. Die Schlangen enden in Köpfe mit den
langen Ohren des Aspis — eine Häufung diabolischer Motive, welche
wohl geeignet war, das Ungeheuer als den teuflischesten aller Teufel
erscheinen zu lassen.
Der ideelle Zusammenhang der oberen mit der unteren Gruppe
des Reliefs wird verstärkt durch die lokale Vermittlung derselben,
welche in zwei Legenden gegeben ist, in der schon bei Origencs
vorhandenen, der zufolge sieh Adams Grab auf Golgatha unter dem
Kreuze Christi befand, andererseits in der Sage, dass das Kreuz
aus dem paradiesischen Lebensbaume gefertigt worden sei. Erstere
ist in verschiedenen Varianten vorhanden n. A. in der legenda
aurea des Jacobns a Voiagine in der Fassung, dass nach der Sint-
fluth die Gebeine Adam« von Noe unter die drei Söhne vertheilt wur-
den; den Kopf habe Sem bekommen und ihn auf Golgatha begra-
ben. Daher die oft vorkommende Darstellung eines menschlichen
4C») Bei Kirchenschriftstellern de> I. u. 5. Jahrh. entwickelt Meli dns
Kreuz zu einem Sinnbildc fies Universums. Julius Firmicus Maternus
(de errore profan, rc.l. cap. &?) erklärt die (Jucrnriuc für Ost und West,
den Langfchalken für Himmel und Krde. Vgl. Zest ermann, das Kreuz
Christi, p. 31. — Oben im Himmel erblicken wir Gott. Sonne und Mond,
unten im Abgrunde die Vorhölle mit dem bösen, Adam und Kva um-
schlingenden I >ilmon.
10«
Anton Kisa:
Kopfes unter dem Kreuze, der »ich später in einen Totenkopf ver-
wandelt. Von Eva spricht die Sage nicht, welche besonders in
der Zeit der ersten Kreuzzuge blühte41). Man hatte damals, wie
de» Mönch Kpiphairius bezeugt, auf Golgatha eine Adamskapelle
errichtet, an derselben Stelle, wo er durch Christi Hlnt wieder er-
weckt worden sein soll48!. Eine Verbindung dieser Sage mit der
J7'i Gleichwohl erscheint sie. mit Adam oft unter «lein Kreuz«1; dann
sind es nicht sowohl die Leiber der ersten Kllern im Grabe, die darge-
stellt sind, sondern ihre Seelen in der Vorhölle, auch wenn sie ober der
Knie, am Kusse des Krcuzbalkcns erscheinen. Gamet- i bildet in der
Moria dell" arte ital. pitt. VI. tab. -I.'M — 43ö mehrere Haciirunde Kliischchen
zur Aufbewahrung des 1». Ocles aus Jerusalem ab. Auf sechs derselben
befinden sich Darstellungen der Kreuzigung mit den beiden Schnellem.
Das mittlere Kreuz hat lateinische Korm, darüber schwebt das Brustbild
Christi. Nur einmal ist der Ki leiser in ganzer Ge.-talt gegeben; er hat
den Krc u/.nimhiiH und steht auf dem Boden mit wagerecht ausgestreckten
Armen, jedoch olint! Krcuzbalken, so dnss seine Stellung selbst ein Kreuz
bildet. Auf allen Stücken sind jedoch die Schacher an Kreuzen befestigt.
Am F'uss des mittleren Krcuzhalkcns ktiieeu Adam und Kva mit betend
ausgestreckten Händen. Sie sind nur einmal nackt, sonst trägt A. einen
Leudenschurz, K. ein langes Gewand, oder beide Lendenschürze. Die
Krscheinung. einer in ein langes Gewand gekleideten Kva kommt also
nicht bei den Kxtcrnsicinen vereinzelt vor. - A und K. knieen vor einem
ganz aus Blumen gebildeten Kreuze in Monza (vgl. Miliin, Lombard. I.
<!(>.!); ebenso in den Miniaturen des ilerrad von Landsperg und auf einem
Klfenheinrelief im Dresdener Museum (abgeb. b. Dewitz a. a. O. tab. 12,
Kig. 4>. Der Kopf Adams kommt unter dem Kreuze vor auf einem Kru-
zifixe tles Xational-Musenms zu München, einer Klfenbeintafel des christ-
lichen Museums im Vatiean, einein Kruzifixe zu Inicheu in Tyrol u. a. (vgl.
Otto und ans 'in Werth a. a. O.). Als Büste erscheint Adam unter dem
Kreuze im Cod. Nr. 142 A. 124 des Trierer Domes (um 1200, wohl in Pader-
born geschrieben. Vgl. Beissel in d. Zeitschr. f. eliristl. K. I. sp. 1,'kt (T.
mit Abbildung). Gewöhnlich erscheint er in Jlalbh'gur aus dein Grabe auf-
erstehend : Auf einem Vnrtragckrcuz d. 12. Jh. und einer Limusiucr Kmail-
plattc ders. Zeit im Germanischen Museum, auf einem emaill. Buchdeckel
der Sammlung Wallerstein in Schloss Maichingen 1 1 1. Jh.\ einem Klfenhein-
relief, welches den Deckel eines Kvangeliencodex verziert (abgeb. bei Hei-
ner 1. tab. Im, rheinisch, 12. Jh., u. A.). Durch Christi Blut wird A. aufer-
weckt auf einem Ghisfenstcr der Kathedrale von Beauvais (Didron, maiuiel
p. 1!»7). In der Kreuzigungsgruppe von Wechselburg fängt er das Blut
in einem Kelche auf. Mitunter steht der Kelch zur Aufnahme von Christi
Blut allein unter dem Kreuze. — lu einer Abdinghofer Handschrift, jetzt
in der Kasseler Bild. Tb. In). t!0. gleichen Cr-sprungcs mit unserem Relief,
doch älter, noch vor Meinwerk's Tode f 10:101 entstanden, windet sich am
Längsbalken die Schlange empor, während die Terra, auf dem Boden
sitzend, einen kleinen nackten Sienscheu zum Kreuze emporhebt. Ks ist
Adam als Vertreter des erlösten Menschengeschlechtes, jedoch losgelöst
von der Legende. (Vgl. Jan Usch ek, G. d. D. Malerei p. 100.)
4Si Vgl. IMper im evang. Kalender IWÜ, p. 23.
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Die Kxternsteine.
107
vom Lebensbaum stellt die von Cornelius a lapidc in Genes.
II. 9 gegebene Version dar. naeli der Adam einen Kern des Apfels
aus dem Paradiese mitnahm und ihn im Munde behielt, als er starb.
Ans seinem Grabe erwuchs nun der Daum, der das Kol/, zum Kreuze
Christi lieferte, der neue Daum des Lebens, aus dem Daume der
Erkenntnis*. Üer ursprüngliche paradiesische Lebensbaum ist
von dein Daume der Erkenntnis» verschieden; Adam und Eva
wurden aus dein Paradies vertrieben, damit sie nicht auch noch
von ersterem, dessen Früehe uur für die Seeli^en uud Keinen rei-
fen, es«>n sollten. Erst mit dem S. .lahrh. suchten namentlich
die abendländischen Kirclienschriftsteller, beide mit einander zu ver-
schmelzen und einen genealogischen Zusammenhang zwischen dem
Kreuze und ihnen herzustellen41'); das Anbringen der Schlaufe
oder des Drachen am Ende des Längsbalkens beruht auf dieser
Curuuliriing vom Daume des Lebens und jenem der Erkcnntnissr>0).
4!») Vgl. Holmium, A|»okr. l-'tO. Menzel, Symbolik, I. p. 114. -
Nach der Legonda aurea nahm Adam einen Zweig vom Baum dos Loben«
aus dein Paradiese mit, Seth pflanzte denselben ein und es erwuchsen daraus
Stamme, die zu einem ver.selimolzen. Moses brach davon .seinen Stab,
Salomo Hess den Baum Hillen, um ihn als Säule zu seinem Palast zu be-
nutzen, aber er blieb entweder zu kurz, oder zu Ian>r, so viel man ihn
auch bearbeitete. Später zimmerte mau daraus das Kreuz Christi. (Men-
zel a. a. O. 1. f)ll.) Eine andere Sage liisst Seth .'5 Samenkörner aus dem
Paradiese erhalten und an verschiedenen Orten einpflanzen, aus denen
dann der dreifache Wunderbaum dos Kreuzes entsteht. \Vjrl. Zöckler,
das Kreuz Christi. Gütersloh, 1*75.) Eine dircete genealogische. Ableitung
«les Kreuzes vom Baume der Krke nutniss ist in dem oben angeführten
Versus de> Cornelius a lapidc ausgedrückt. — Diese Lcgendonbilduug
blühte am meisten im Zeitalter der Krouzzüge, in welchem «las Relief der
Kxternsteine entstand. Früher war das Kreuz mit dem Baume der Kr-
kenntniss, wenn auch nicht in genealogischen Zusammenhang', so doch in
Parallele gebracht worden. In Aleuins earmeu 101» z. B. heisst es:
Per tactuin ligni paradisum clauserat Adam,
l*er<|UC crucis liguum Christus reseravil Olympum.
Ein Versus super erucem aus karoling. Zeit, im Appendix ad earm. Petii
et Pauli \r. 1K lautet:
Adam per lignum mortem deduxit in orbem,
Per lignum pepulit Christus ab orbe necem.
(Vgl. J. v. Schlosser, Schritti|uellen z. G. d. Karol. Kunst, Wien 1*<I2,
p. .T>S.) Im Verfolge dieses Zusammenhanges gelangte man im 12. Jahrh.
zum vegetativen Kreuze.
;%0; Die Schlanze findet sich schon in karoling. Zeit häufig am
Kreuzosonde. Vgl. Vüge, a. a. O. p. 115 not. fl. Ausser den dort ange-
führten Beispielen noch im Enchiridion precatiouum Karls d. Kahlen zu
Paris, im Sacramentarium zu Metz; später auf dem Deckel eines Evau-
108
Anton Kinn:
Abgehen von seinem ikonographischen Gehalt fällt das Re-
lief tlurch seine ungewöhnliche Grösse auf. Diese hat freilich die
Teehnik nicht gerade günstig becinflusst, denn die Arbeit ist sorgfältig,
jedoch unisicher, man merkt, das« es dem Künstler an gleichartigen
Vorbildern fehlte. Zu grösseren Steinarbeiten gab die frUhromanisehe
Architektur noch wenig Gelegenheit, der IMastiker konnte seinen Stil
nur an Elfcnbeinarbeiten und (Joldsehmiedcwerkcn bilden, bei denen
es ja nicht an leicht einfllhrbaren Vorbildern fehlte. Die wenigen
grösseren plastischen Werke des 11. Jahrb. in Deutschland zeigen
denn auch mehr oder weniger ihre Abhängigkeit von der Klein-
plastik, wenn sie nicht etwa, wie z. lt. die .Skulpturen an der Stifts-
kirche von Andlan schlecht und recht in Kelicf übertragene Miniatur-
malereien sind ; solche waren es auch, die Hernward von Hildcs-
heim heim Gusse seiner HronzethUrcn und seiner Säule vorlagen ■'■■).
Kin direktes Vorbild aus dem Gebiete der Miniaturmalerei und der
Kleinplastik ist für unser Kelicf nicht nachzuweisen; im Allgemei-
nen folgt die Compositiou dem Schema, welches im 11. Jahrb. fest-
steht, ist aber in sehr wichtigen Einzelheiten (der segnende Gott,
Xicodemus, unteres Relief i selbständig. In der Hildtmg des herab-
sinkenden Leichnames folgt der Künstler in übertreibender Weise
einem Typus aus ottonischcr Zeit, welcher von der nachkarolingi-
schen Kunst iu Deutschland im Gegensätze zu dem byzantinischen
festgehalten wird. Aber es ist unwahrscheinlich, das« der Künstler
•reliars aus der Zeit Heinrichs IX. in München, Staatshihl., ab«reb. bei
Förster (grosser Drache mit offenem Kathen). Das Klfenheinrclief auf
(Uni Deckel eines Kvangeliencodex im Darmstädter Museum (Hiernach,
11. Jahrb., abgeb. bei Heiner a. a. O. I. lab. '•">) zeigt unter dem Fuss-
brette einen Kelch, darunter einen Drachen mit Hundeko|>f und Sclilaiifren-
schweif und Adam, aus dein (habe auferstehend. Eine andere, ebenda-
selbst befindliche Klfunbeintafel auf dein Deckel eines Kvangeliencodex
aus Trier (?, 1*2. Jahrb.) hat unter dein Fussbrett einen geflügelten Dra-
chen mit senkrecht emporjrestrecktcin, hundeartijrcm Kopfe, unigclegteu
Ohren und geringeltem Seldangensch weife. Aehnliches auf einem Klfen-
beinielief lies 11. Jahrb. im Kunstgewerbemuseum zu Köln. Das Motiv
ist auch in der byzantinischen Kunst heimisch, wie die so<r. Athoskreuze
beweisen. Vgl. Dobbert, Lützow'sche Zeitschr. 1*71, p. S7. — Auf Mün-
zen der consiantinisclieii Zeit erscheint der Drache vom Labaruin durch-
bohrt.
.Mi l'eber den Kinfluss der Miniaturmalerei auf die l'lastik vgl.:
Springer, Die deutsche Kunst im 10. Jahrb. Westdeutsche Zeitschr. f. G.
u. K. III. p. 201 ff.
Hie Kxternstcinr.
109
bei der Aufgabe, ein Bild in dem lebenden Stein zu schaffen, ganz
anl* sich allein angewiesen war ; ich möchte vielmehr glauben, das*
er am Rhein römische Mithräen gestehen hat, oder ähnliche Grotten-
heiligthümer mit Felsenreliefs, wobei ich freilich die Annahme, dass
er an den Externstcinen selbst etwas derartiges vorgefunden hat,
nicht theile. Die Technik de» Reliefs erinnert an römische Klein-
arbeiten. Die natürliche Gestaltung des Felsens, der nicht ganz
senkrecht abfällt, sondern nach unten vorspringt, ist bei der Bear-
beitung in Rechnung gezogen und der Grund, auf welchem sich die
Figuren erheben, ungleichmäßig vertieft. Die Vorliebe dafür, ein-
zelne Theile sehr stark, nutunter ganz frei hervortreten zn lassen,
hat der Künstler mit Hern ward von Hildesheini gemein, der seinerseits
ja die spUtrömische Rclicf-Tccknik in Rom selbst stndirt bat. Die
oberen Theile sind ziemlich flach gehalten, während die unteren,
namentlich die Sockelgruppe, bis zu 24 cm. vorspringen, was offen-
bar damit zusammenhängt, dass die Gestaltung des Felsens an den
unteren Thcilen dem Künstler eine vollere plastische Behandlung
nahelegte, um eine möglichst senkrechte Bildflächc zu erzielen.
Einzelne Theile, wie die Heine Josefs?, der linke Arm Adams, der
rechte Evas, der Kopf des Basilisken und einzelne Windungen der
Schinngenfortsätze ragten ganz aus der Fläche heraus, andere, wie
der Kopf der Seele auf dem Arme Gottes, der des Johannes, die
Beine des Nicodemus, sprangen in starkem Relief vor. Die Köpfe
zeigen, soweit sie vorhanden sind, geradlinige flache Formen, Glotz-
augen, die Haarpartliicn sind sorgfältig abgetheilt und leicht gewellt,
theilweise an den Enden geringelt. In den Proportionen der Gestal-
ten lassen sich deutlich zwei Typen unterscheiden; die h. Personen,
der Gekreuzigte. Maria und Johannes sind langgestreckt, Josef und
Nicodemus kürzer und gedrungener. Auch in der Tracht treten zwei
verschiedenartige Elemente auf; sie ist bei Gott Vater und Johannes
die antike, bei Maria, Josef, Nicodemus und Eva die heimische.
Lübkc sieht in dieser Mischung einen Beweis für das Erwachen
des germanischen Bewusstseins in der Kunst, wobei er, wie erwähnt,
Josef und Nicodemus römische Tracht beilegt. Wenn letzteres rich-
tig wäre, müsste es verwunderlich erscheinen, dass der Künstler
bei profanen Personen, denen die Tradition keinen bestimmten
Typus vorsclirieb, auf fremde Vorbilder zurllekgriff, während er
Maria, deren Tracht von der altchristlichen Zeit her feststand, zu
einer deutschen Frauengestalt machte. Der Neuerer wählt sich ja
110
Au toi» Kisa:
doch naturgcmäss in erster Linie die profanen Personen, welche
keinen durch Tradition geheiligten Typus besitzen, um denselben
seinen nationalen und individuellen Charakter aufzuprägen. Ich
möchte daher umgekehrt lieber auf das Kindringen fremder Elemente
in die heimische Kunstweise schliessen. Der Schöpfer des Bildwer-
kes steht noch mit einem Kusse in jener naiven Kunstweise der
ottonischen Zeit, welche ihren Hauptsitz in Sachsen, zumal in IUI-
desheim hatte : ihr sind die kurzen gedrungenen (lestalten eigen-
thümlieh, die grossen Köpfe und plumpen Küsse, die Ucbertreibuu-
gen in den Geberden und im Ausdrucke. Dieser Typus ist nicht
von Bernward erfunden worden; jede primitive Kunst, auch die ar-
chaische Kunst der Griecheu liebt übermässige Hervorhebung des
Kopfes und der Extremitäten bei kurzen und starken Proportionen des
Körpers und selbst die karolingischcn und die rheinischen Arbeiten des
10. und 11. Jahrh. zeigen, soferue sie nicht auf directer Nachbil-
dung antiker oder frühchristlicher Vorbilder beruhen, ähnliche Eigen-
thümlichkeiten02). Iu diesen naiven heimischen Stil werden fremdar-
tige Elemente hineingetragen, welche au t antiken Ursprung zurückgehen.
Die Vermittlung derselben wurde früher ganz allgemein der byzan-
tinischen Kleinkunst zugeschrieben, während man ihr gegenwärtig
nur eine verhältnissmässig geringe Einwirkung auf die abend-
ländische Kunst zuweist, welche deren naturgemässe Entwicklung
nicht unterbrach. Es ist hier nicht der Ort, auf die sog. byzan-
tinische Krage näher einzugchen, welche in Bezug auf die Plastik
leider noch nicht so gründlich untersucht ist, wie bei der Miniatur-
malerei. Einige Forscher, wie Beissel verfallen in das entgegen-
gesetzte Kxtrcm, indem sie allen und jeden byzantinischen Einfluss
auf die abendländische Kunst leugnen. Damit sind die zahlreichen
Fälle von directer Nachbilduug byzantinischer E I fe n bei nschnitz werke
durch deutsche Künstler, sowie die Nachahmung byzantinischer Mi-
niaturen, die Vöge in deutschen Handschriften des 10. Jahrh. nach-
weist, schwer zu vereinen ''*). Zur Verbesserung des iu naeh-karo-
lingischer Zeit etwas verwilderten heimischen Stiles, zum Wieder-
aufleben der antiken Elemente werden neben karolingischcn und
altchristliehcn auch byzantinische Muster mitgewirkt haben. Dabei
*>2> Vjrl. Bodo, Oosdi. <1. 1"). Plastik. No. li im 12. Jnlirh. tritt. «lirs««r
Stil in ilen HolzivliH's «Irr Thür von St. Muri» im C;»|iik>I zu Knln auf.
MI) BrisHcl, Afichcmr llaiulscliril'i p. 10i». \>l. hiozti Vöge a.a.O.
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Die Kxternsteine.
111
ist freilich nicht zu übersehen, dass die Aufgaben, welche die Por-
träthildnerei von der Zeit Heinrichs II. an der Plastik stellte, wesent-
lich dazu beigetragen haben, die Verhältnisse der Gestalten schlan-
ker, die Bewegungen gemessener, die Haltung würdevoller zu
machen; es bleiben aber als Erbe der alten naiven Weise die
Glotzaugen noch übrig, die starre Leere im Ausdrucke, die plumpen
Hände und Fllswc -""). Unser Relief fällt in jene Uebergnngszeit, in
fvl) In die nämliche Entwieklungsperiode wie unser Relief fnllen die
bronzene Grabplatte Rudolf» von Schwallen im Dome zu Merseburg
(wohl bald nach dem Tode desselben 1080 ausgeführt), die des Erzbischot's
Giseler im Dome zu Magdeburg, das sog. Grabmal Wittekinds in Engem,
zwei Holzfigurcn Mariae und Johannis von einem Triumphkreuze aus
Inichen in Tyrol, im Museum W.-R. in Köln u. A. Bei allen finden wir
denselben Typus: Leere schematische Köpfe mit Glotzaugen, langgestreck-
ten Körperbau, Häufung dünner paralleler Falten, grosse, auswärts ge-
stellte und nach unten herabhängende Küsse. Die Grabplatte Wittekind s
bildet Hefner a. a. O. II. t. 101 ab. jedoch in sehr freier Weise und mit
wiederhergestellter Hemalung, die jetzt Iiis auf einige kaum erkennbare
Spuren verschwunden ist. Es ist eine langgestreckte Gestalt mit bart-
losem, leerem Kopfe, die starren Glotzaugen mit Löchern verschen, in
welchen früher Augensterne aus Metall oder farbigem Stein eingefügt
waren. Die Krone ist rund und mit Spangen verziert, wie die Rudolfs
von Schwaben. In der I. Hand hält er ein Szepter, die R. segnet nach
dein sog. byzantinischen Ritus.. Der Krönungsmantel und das lange Unter-
gewand sind in dünne Vertikalfalten gelegt; am Saume, sowie auf der
Krone befinden sich Löcher zum Einsetzen von Glasllüssen oder Metall-
stücken, wie auch auf der Merseburger Grabplatte. Die mit dem Unter-
hau aus der Renaissancezcit stammend« Umschrift bezeichnet das Werk
als Grabmal Wittekinds. Daran ist freilich nicht zu denken. Hefner
liillt es für den Rest einer fortlautenden Reihe von alttestamentarisehen
Fürsteiibildern, die einst eine. Kmpore geschmückt haben könnte und ver-
setzt es in das Ende des 12. oder den Anfang des 13. Jahrb. Der Ver-
gleich mit den obenwithnten Bildwerken spricht jedoch für eine frühere
Eutstehungszeit, etwa die Mitte des 12. Jahrb. Wir linden somit in der
Nachbarschaft der Kxternsteine ein Werk derselben Kunstepoche, das
zwar grössere technische Sicherheit bei der Bewältigung des einfacheren
Vorwurfes, aber immer noch die unselbständige Verbindung fremder
Formen mit dem heimischen Typus zeigt. Beide Orte gehörten zur Pader-
borner Diözese, deren Hauptstadt seit Meinwerk's Tagen einer der wich-
tigsten Schauplätze der frühromanischen KunstthUtigkeit war. — Die bei-
den Holzllgurcn Mariae und Johannis im Museum W.-R. zeigen im Ge-
sichtsausilruck und in der Gewandung denselben Charakter, jedoch sind
die Köpfe grösser, die Körperformell gedrungener. Es überwiegt hier
also noch der einheimische Typus, der sich überhaupt in der Holz.skulplur
länger zu erhalten scheint als in der Steinplastik und im Krzgusse.
112
Anton Kisa:
welcher die deutsche Plastik die Derbheit des Bern ward 'sehen Sti-
les durch Wiederaufnahme antiker Elemente zu mildem suchte, je-
doch noch nicht fähig war, sie vollkommen in sich aufzunehmen
und neu zu gestaltet); daher das unvermittelte Nebeneinander ver-
schiedener Typen und die Sucht, die fremden EigenthUmliehkeiteu
zu (ibertreiben, zu vergröbern, wie sie sieh namentlich in der über-
scltlankeu Bildung des Christuskörpers äussert.
Auf das Urthcil der meisten Erklärer des Reliefs haben die
Romantik des Ortes, die ungewöhnlichen Verhältnisse der Arbeit int
lebendigen Steine und die Naivität des Bildners, der trotz unzuläng-
licher Mittel eine grosse Action in einfach klaren Zügen aufbaute,
Eittfluss geübt. Dem Enthusiasmus gegenüber, zu welchem sich
manche versteigen, wirkt das Urthcil Franz v. Rcber's, dem ich
mich in seinem ersten Theile anschh'essc, etwas ernüchternd. Er sagt:
„Das Ungeschick äusserte sich nur noch auffälliger, je mehr man
sich bemühte, für die Formgebrechcn durch Betonung des Geberden-
ausdruckes schadlos zu halten. So in dein Relief der Externsteinc.
. . . Die UnbehilHiehkeit der in Action gesetzten Figuren Josef von
Arimathia, Nicodemus und Christus erscheint hier trotz der empfin-
dungsvollen Geberden geradezu kläglich. Eigentliches Xaturstu-
dimn fehlt dabei gänzlich und nur von fem her klingen klassische
Reminiszenzen in den Gewändern nach, welche durch die Monotonie
der Faltenbildung etwas archaisches gewinnen'"!.
Als Urheber des Reliefs und der Grottenanlagen gelten die
Mönche des Benedict ineiklosters Abdinghof in Paderborn. Dasselbe
wurde 1014 von Meinwerk durch die Berufung von Cluniazenserit
aus Lothringen begründet und erwies sieh alsbald den Traditionen
des Ordens getreu als llauptträger der Kunst innerhalb der Diözese.
War .Mein werk auf Reisen, so führten für ihn die Mönche die
Aufsicht Uber seine Bauten; doch haben sie keinesfalls selbst Hand
augelegt, wie ja überhaupt die praktische Ausübung künstlerischer
Thätigkeit (mit Ausnahme der Miniaturmalereil durch Geistliche
selten ist. Für den Bau der Bartbolomäuskapelle in Paderborn ist
Tk») Fr. v. Kt'hcr, KiinHt ■r«-sfhichto <lcs Mittelalters. Leipzig, VWigrl
imi, p. .w i.
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Die Externsteine.
113
die Berufuug fremder, angeblich griechischer, in Wahrheit italischer
Werk len tc bezeugt'"'); für den Hau des Klosters Schildcsche in
Westfalen wurden im 10. Jahrli. Hanlcut« aus Gallien geholt. Ausser
solchen wandernden Künstlern und Werkleuten freien Standes,
die überall hinreisten, wo sie Arbeit fauden, gab es andere, die als
Laienbrüder in einem stund igen Arbeitsverhältnis» zu einem Kloster
standen. Solche werden es gewesen sein, welche nach der Erwer-
bung der Externsteiiie und des umliegenden Gebietes durch das
Kloster Abdinghof i. J. 1093 das Relief ausführten und die (hotten,
sowie die Kapelle auf dem Felsen zu einem christlichen Heiligthume
umgestalteten. Die von dem damaligen Bischof Heinrich II. Grafen
von Werl ausgestellte Urkunde erwähut nichts von etwa vorhandenen
Skulpturen"). In einer Urkunde von 1621 theilen die Abdinghöfer
mit, dnss das sacellum am Externstein 1120 ausgehanen worden
sei. Frühcrc auf die Arbeitet! daselbst bezügliche Dokumente be-
sitzen wir leider nicht: «loch erscheint das Datum annähernd rich-
tig, wenn wir es mit «1er im Jahre 1838 von E. v. Handel wieder
aufgefundenen Inschrift vergleichen, die sich im Innern der Grotte
an der Eingangswand dicht neben der Thüröffnung (B auf Taf. X)
hinzieht. Seit dieser Zeit haben sich zahlreiche Berufene und Un-
berufene um ihre Erklärung bemüht. Schon bei ihrer Verfertigung
mag die Stelle, wo sie Platz Anden sollte, nicht sehr sorgfältig
geglättet worden sein, jetzt ist sie besonders von der zweiten Zeile
ab ganz rauh, durch Risse und Löcher entstellt, so dass die Phan-
tasie einen grossen Spielraum in der Entzifferung von Buchstaben
aus zufälligen Vertiefungen hat. Sicher ist folgendes:
5f>) Vgl. Nordhof!' im Donner Jahrb. 189.1 und Uni. Bd. 84. p. V.U.
Heber den Anthcil des Klerus an der praktischen Knnstthätigkcit hu
frühen Mittelaller: A. Springer, Die Künstlermönchc im M.-A.
57t Abgedruckt bei Wilmans in den Addit. zum westf. Urkunde»-
burlic. Die übrigen auf die Externsteine bez. Urkunden bei O. Prelis,
Das Lehen am Externstein, in der Zeitschr. f. G. u. A. Westfalens, 30. Bd.
nud bei Giefers a.a.O. Anhang. Die Abdinghöfer theilten mit anderen
Klöstern und Besitzenden überhaupt zu Ende des 12. Jahrh. die Vorliebe,
für Urkundenfälschung zur Erhöhung ihrer Macht und ihres Einkommens.
Die grossere Zahl der bis 1162 im Abdinghöfer Archiv wie im diplomati-
schen Apparat der Universitats-Bib). zu Göttingen vorliegenden , Originale*
sind Nachbildungen aus d. K. d. 12. Jh. Die Urkunde von 10!t.t über die
Externsteine hingegen ist echt. Vgl. W ihn ans. Die Urkunden Fäl-
schungen im Kloster A., Zeitschr. f. G. u. A. Westfalens lM7i», p. 1 IV.
Jahrb. il. \\-r. v. Altt-rllihfr. Im Rliwiiil. XCIV. y
114
Anton Kis.i:
+ AnNO AB TnC DNI M C XV IIlI KL
DEDlr4* THC ARTAPRV
HEINRIC
Die Schrift/eichen sind den spät römischen Capitalbuchstnhen
nachgebildet, Abweichungen zeigen sich in der Bildung von A, M
und X; sie gehören spätestens der I. Häilftc des 12. Jahrb. an
und zeigen noeli nicht die Mischling mit neiigothisehen Formen für
D, E und M, die um die Mitte des Jahrh. beginnt. Die erste Zeile
ist scharf eingehalten, ebenso das dedi der zweiten; von da ah sind die
Buchstaben kleiner, nur flüchtig vorgeritzt und durch starke Ver-
witterungen unterbrochen. Die Linien sind durch leicht eingemeis-
selte Streifen vorgezogen. Der Monatsname am .Schlüsse der ersten
Zeile fehlt, da hier durch die auslose nde Thür ein Stück der Kante
im Laufe der Zeit abgestossen wurde. Keinesfalls stand er auf der
zweiten Zeile, wie Dewitz annimmt, denn eine solche Trennung
des Monatsnamens vom übrigen Dalum wäre ohne Beispiel; auch
schlichst die obere Zeile nicht mit einem Kreuze, K+, wie es am
Anfange steht, sondern mit einem quer durchstrichenen L. der ge-
wöhnlichen Abkürzung für Kalcndas. Unrichtig ist es ferner,
hinter dem grossen Kreuze in der zweiten Zeile eine Fortsetzung des
Wortes dedie . . anzunehmen, etwa — tum, denn durch da« Kreuz,
erscheint das Wort doch deutlich genug abgeschlossen, wenn auch
das Abkürzungszeichen fehlt. Hclwing und nach ihm 0. Prelis«
lesen die Inschrift, folgendermaassen Anno ab incarnatione Do-
mini MCXV. IV. Kalcndas . . . dedieavit sanetae eruci templum hoc
episcopus Partapruncnsis llciuricus. Zwischen dem grossen Kreuze
auf der zweiten Zeile und dem ARTAPRV finden sich noch ungefähr
in der Mitte Spuren von TU und 0, so das« die Lesung templum hoc
berechtigt ist. Das Kreuz jedoch als eine Art Bildschrift, als Hiero-
glyphe aufzufassen, geht nicht an; es kennzeichnet sich durch
Form und fJrüsse deutlich als ein Weihekreil/., es ist achtspitzig,
grösser, sorgfältiger und zierlicher ausgcmeisselt als das Aufangs-
kreuz und zugleich der deutliche Abschluss des ersten, scharf ge-
arbeiteten Theiles der Inschrift. Das Heiligthum war allerdings,
was auch das Relief vermuthen lässt, aber erst 1ö92 urkundlich
bestätigt wird, dem h. Kreuze geweiht. In einer Zeit entstanden,
in der man mit dem Schwerte den Ungläubigen die geweihten
:>S: In der L». Autlrijre v,.n C I n s i nne i er 's K-yi'sternsteiii, LS 18.
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Dii> Kxtornsteinc.
115
Stätten wieder abgenommen hatte und sich immer wieder aufs
Neue zur Verteidigung derselben und zu Bussfahrten nach Gol-
gatha rüstete, waren die Externsteine einer jener Orte, wohin die-
jenigen wallfahrtetcn, die sich nicht an einen Kreuzzuge bethciligcn
konnten. Sic waren ein Abbild des Grabes Christi und ihr Besuch
galt als Ersatz für einen Kreuzzug. Aber in der Inschrift steht nichts
davon; sie sagt nur, dass das Heiligthum Ulf) von Hischof Hein-
rich von Paderborn eingeweiht wurde, wobei es zweifelhaft bleibt,
ob der Name des Bisehofs im Nominativ dastand, oder ob nicht ab
. . Ileinrico zu lesen ist, denn der blosse Ablativ ohne Präpositiou, wie
Dewitz will, ist bei Weiheinschriften nicht üblich. Der auffallende
Unterschied in der Ausführung der Buchstaben vor und nach dem
Weihekreuze veranlasste einzelue Forscher zu der Annahme, dass
die gegenwärtige Form der Inschrift nicht die ursprüngliche sei,
dass sie vielmehr früher in einer Zeile über den Raum hinwegge-
gangen, den jetzt die Thür einnimmt und erst später die zweite und
dritte Zeile mit dem durch den Thüreinbruch fortgefallenen Texte er-
gänzt worden sei. Der Unterschied ist allerdings unleugbar, aber
er ist bloss ein technischer, kein im Charakter der Buchstaben be-
gründeter und lässt durchaus nicht auf weit nuseinnndcrliegende
Entstehungszeiten schliessen : er erklärt sich vielmehr dadurch, dass
die ganze Inschrift ursprünglich in drei Zeilen nur leicht und
flüchtig eingehalten und erst später, vielleicht erst nach dem Tode
des Bischofs Heinrich die erste Zeile und das erste Wort der
zweite Zeile sorgfältiger ausgeführt worden ist. Die ausgeführte In-
schrift gibt die Hauptsache, nämlich das Datum und die Weihe,
lässt aber den Nameu des Weihenden unberücksichtigt und schliesst
mit dem üblichen Weihekreuze, das in der ursprünglichen Inschrift
jedenfalls nicht vorhanden war, wenigstens nicht an dieser Stelle,
da es nur am Ende seinen Platz finden kann ; demnach uniss auch
das Wort vor demselben schon ursprünglich im Particip dagestan-
den haben und der Name des Bisehofs im Ablativ — ab Ileinrico — ge-
folgt sein. Dass die sorgfältigere Ausarbeitung bez. Abkürzung der
Inschrift noch in derselben Stilperiode, in der ersten Hälfte des
12. Jahrb. erfolgte, geht aus dem Charakter der Schrift hervor.
Der Name des Bisehofs seheint dabei mit Absicht übergangen wor-
den zu sein aus welchem Grunde, ist natürlich nicht zu bestim-
men. Die sorglose Art, mit der man die Inschrift bei der Anlage
sowohl, wie später bei der Ausführung behandelte ist nicht weiter
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nr.
Anton Kisa:
verwunderlich, da alle Arbeiten an den Externsteinen, mit Ausnahme
des grossen Keliefs und der oberen Kapelle den Stempel grosser
Flüchtigkeit, des Rohen und Unfertigen tragen und offenbar von
dem wechselnden Interesse und den Launen des jeweiligen Abtes von
Abdinghol*, dem das Heiligtlinm unterstand, abhängig waren. Im
Jahre 1140 scheint die Theilnahmc der Mönche an demselben zeitweise
ganz erkaltet zu sein, verschiedene noch zu erwähnende Arbeiten blieben
unvollendet stellen und nur die WeiheiiiBebrift wurde nothdürftig
fertig gestellt. In diesem Jahre tibertrugen die Henedictincr näm-
lich die Seelsorge an dein Heiligthumc einem Priester aus dein na-
hen Horn, während sie bis dahin seihst die gottesdienstlichen Ver-
richtungen besorgt und dabei an der weiteren Ausgestaltung der
(»rotten gearbeitet hatten. Erst ein späterer Abt scheint sich wie-
der lies einsamen Gotteshauses im Waldesdunkel angenommen und
einige Verbesserungen vorgenommen zu haben, ohne jedoch alles,
was seine Vorgänger geplant hatten, zu vollenden. Namentlich
dürfte diesem die Vollendung der oberen Kapelle zuzuschreiben sein,
welche nach den entwickelten Formen des späten romanischen Sti-
les, die sieh in ihr zeigen, frühestens der 2. Hälfte des Jahrb. an-
gehört.
Dass die Inschrift schon ursprünglich in drei Zeilen angelegt
war und sich nicht weiter nach rechts erstreckte, geht auch daraus
hervor, dass die Thüröffnung 15 gleichaltrig ist und nicht, wie Gic-
fers und Prenss annehmen, mit den Kefestigungsanlagen entstan-
den ist, welche der Graf Hermann Adolf zur Lippe 1660 an den
Externsteinen aidegte. Dewitz macht nämlich auf die Stein-
Rchwelle im Innern vor der Thüröffnung aufmerksam, eine recht-
winklige Platte von etwa 15 ein. H., welche direct aus dem Fels-
boden der Grotte herausgearbeitet ist und mit diesem zusammen-
hängt. Sie kann nur gleichzeitig mit der Nivcllirung des Hodens
hergestellt worden sein, als die Grotten von den Abdinghöfern als
Heiligtlinm eingerichtet wurden. Zur Zeit Hermann Adolfs, in wel-
cher die Grotten bereits profanirt waren, wird man schwerlich sich
die Mühe gegeben haben, in ihnen eine so durchgreifende Acnderung
vorzunehmen. Dabei ist es aber nicht ausgeschlossen, vielmehr sehr
wahrscheinlich, dass die ursprünglich rnndbogige Thtiröffnung der ro-
manischen Periode, welche ihrerseits die Ausgestaltung einer natür-
liche Oeffnung des Felsens gewesen sein dürfte, im 17. Jahrb. mit einem
wagerechten Sturze versehen wurde, um sie zugänglicher zu machen,
Dit*. Externsteine.
117
der Felsen anschlössen, bezieht sieb das Steinmetz/eichen (vg
^ Fi^. 11) rechts neben der Thür, welches seiner Form nac
v[ <ler Renaissance angehört und sieh ganz, ähnlich unter wesi
"v* fülisehen Hausmarken vom E. d. 17. Jahrb. findet Das
wobei auch «lie Seitenkanten, namentlich die inneren, abgearbeitet
wurden, um die Anlage eines neuen Thürverschlusscs zu ermög-
lichen. Dabei stiess man hart an das Ende der Inschrift im Inne-
ren und zerstörte den Monatsnamen. Auf fliese Umänderung der
Thür und die Befestigungsanlagen, welche sich an die Vorderseite
der Felsen anschlössen, bezieht sich das Steinmetz/eichen (vgl.
h
i'CSt-
Dass
die Thür schon in retmanischer Zeit einen Eingang zum
Heiligthumc bildete, beweist auch die halbrunde Vertiefung neben ihr
links an der Aussenseitc, mit einem kleineren Loche darüber, die offen-
bar zur Aufnahme eines metallenen Weihwasserbeekens bestimmt war
und die Vogelgestalt, welche Über derselben in den .Stein eingehalten
ist. i Vgl. Taf. IV.) Wenn bei B kein Eingang gewesen wäre, hätte
man dieses Symbol gewiss über die grosse rundbogige Thürötfnung
C gesetzt, um es nicht isolirt erscheinen zu lassen. Die Gestalt ist
roh und unregelmässig vertieft, am Bruststück und an den oberen
Theilen der Flügel stärker eingearbeitet, während jede Spur des
Kopfes fehlt. Bei seiner (tüchtigen Arbeit hat der Steinmetz nicht
einmal darauf geachtet, die Figur in der Längeuaxc der Thür an-
zubringen, sie erscheint etwas nach rechts verschoben; man ist
jedoch nicht berechtigt, deshalb den Zusammenhang zwischen der Thür
s>*> i Friedender bildet in der Westf. Zeitschr. 1*7:? die Hausmarken
XX
II. Köster s v. J. 10*0 und die B. Kolin<-k\ v. J. l'I!>4
><x
ah, die sieh beide nul' einer Schützenkette zu Münster befinden. Genau
dnsseihe Zeichen wie nu den Fxternsteineii erscheint, als Hausmarke des
Peter Sehnrf 17*1 im liemcindebuche von Franken im Kreise Ahrweiler.
Vgl. Filippi, „Rheinische Hausmarken" in der We>td. Zeitschr. f. G.
u. K. ISMO. Aehnlich ist die. Hausmarke auf Kirelienstühten /u Oher-
wcscl, ihd. Nr. 42 und das Zeichen .Jörg Syriins. Die rautenförmige Kreu-
zung am unteren Theile taucht schon in gut Iiischer Zeit auf. Vgl. die
Steinmetz/eichen am MUn-ter zu l'ltn (Moriz F.nsingcr), zu Baden-Baden,
an der Barbarakirehe zu Kutlcnbcrg etc. hei Kzika, Studien überSteiu-
metzzeiehen. Mitth. d. C. C. N. F. i». 1**3. Nur den unteren Theil hat unser
Steininctzzeiehen mit j<;tiem gemein, das sich mit der Jahreszahl 1G5!» auf
dein Portal der ehem. Burg zu Horn, in der Nähe der F.xternsteinc findet.
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1 1«. Anton Kisa:
und der Vogclgesfalt in Abrede zu «tollen. Dir Deutung derselben i**t
durch die Uohhcit der Ausführung ersehwert, die nicht» ist als eine
flüchtige .Skizze in .Stein. MasHinann, der das Heiligthum an den
Extcrnsteinon und das Kelief Karl dem Grossen zuschreibt, dachte an
einen Adler als Sinnbild der Ostmark des karolingischen Reiches und
veranlasste dadurch auch andere, welche Uber die Entstehung der
liildwcrke liesscr unterrichtet sind, zu der Annahme, dass hier ein
Wappenthier angebracht sciü,v). Die Zeit der Kreuzzttge bat aller-
dings das AVappenwcsen in Deutschland eingebürgert, lütter schmüek-
teu den Schild und Waffenrock mit farbigen Zeichen, um sich von
anderen zu unterscheiden, aber die Sitte, ein Bauwerk mit einem
Wappen zu schmücken, einem sog. Herrsehaftswappen, welches ein
Besit/thum anzeigt, ist vor Ende des VJ. Jahrb. nicht nachzuweisen.
Nur ein solches Wappen wäre hier möglich, dann aber milsste es
das des Klosters Abdinghot', des Eigcuthüiners der (»rotten sein,
welches schon in romanischer Zeit autkommt, aber keinen Adler,
sondern zwei gekreuzte Schlüssel zeigt"1). Eine Andeutung dieses
Wappens aus einer Zeit, in welcher es noch nicht die spätere, aus-
gebildete Form hatte, findet sieh in den zwei Schlüsseln, welche
auf dem Altar der oberen Kapelle eingehauen sind. Es kann sieh
also nur um ein religiöses Symbol handeln und ein solches finden
die fers und Dewitz in der Taube, dem Sinnbilde des I». Geiste«.
Die Taube für sich allein, ober der Thür eines Heiligthmncs nmss
aber nothwendig mit der Taufe in Verbindung gebracht werden,
die Grotte der Externsteine würde dadurch als Taufkapelle gekenn-
zeichnet werden. In dein einsamen Waldheiligthume wurden jedoch
niemals Tauf handlangen vorgenommen, hierzu war die Pfarrkirche zu
Horn bestimmt; das Hecht der Spendung der Taufe hätte der Kirche
der Externsteine vom Abte des Klosters Abdinghof ausdrücklich
und ausnahmsweise verliehen werden müssen, wovon nirgends die
m Noch |K!U hat Fr. v. höher in der .Kunst für Alle" die Bild-
werk«- in k;iro!iii<ri>ch(! Zeit versetzt!
61 1 An den Reichsadler ist hier nicht zu denken, da ihn die sächsi-
schen Kaiser nicht kannten. Freilich erscheint er bereits um die Mitte
des II. Jahrb. als Wappen der Marktraten von Oesterreich. Die Ottonen
rühren ein einlaches Schild mit einem Itund oder einer Kugel, mitunter
mit Strahlen oder mit Streifen. Die erste urkundliche Wappeiiverleihitng
in Deutschland wird a. d.J. ll!?8 berichtet; sie erfolgte durch Kaiser Lothar
an Ulrich von Hohenlohe. Vjrl. Bc r n d t, llauplstücke der Wappenwissen-
srl.aft, Bonn I.MI.
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Di»? Externslcine.
119
Rede ist'*;, Sie war vielmehr eine Wallfahrtskirche mit einer
Nachahmung des Grabes Christi, in welcher nach 1140 de«
Winters zweimal, des Sommers dreimal wöchentlich von dem reetor
reelusorii, einem Priester der Horner Pfarre, -Messe gelesen wurde
und sonst wohl ausserdem noch l>ei besonderen Anlässen, bei den
Pilgerfahrten. Ein Theil der Grotten diente Einsiedlern zur Woh-
nung, welche dafür zugleich die Wartung übernahmen. Aber
auch die < »rossen Verhältnisse der Vogelgestalt — sie misst etwa
1,20 m Breite — sind mit der Vorstellung einer Taube nicht zu
vereinigen. Als Sinnbild des h. Geistes wird sie im frühen Mittel-
alter freilieh meist nberlebciisgross dargestellt, nie setzt sich aber
die Kunst so sehr über die Gesetze der Symmetrie hinweg, dass
sie der Taube drei Viertel von Mannesgrösse — • in diesem Verhält-
nisse erscheint sie neben den Gestalten des grossen Reliefs — und
mehr als die Hälfte von der Höhe der darunter befindlichen Thür-
öfl'nung gegeben hätte. Unzweifelhaft ist hier ein Adler und keine
Taube dargestellt; aber nicht als Wappcnthier, sondern als das
Symbol der Auferstehung. Es lag ja nichts näher als mit der
Kreuzabnahme und der Grablegung, welche durch das grosse Relief
und die Felsenhöhle versinnliclit wurden, auch einen Hinweis auf
den künftigen Triumph, auf Auferstehung und Unsterblichkeit zu
verbinden™;. Freilich ist der Adler nicht vollständig, es fehlt ihm
■ ttt Vgl. Fr. A. Koi li in der WestfHI. Zeitsehr. Münster 1S.V.».
f'.3i Der Adler ist im thristliehen Altcrthum Sinnbild dir Aufer-
stehung des I lernt. .Hin wahrer und eigentlicher Adler ist Christus, unser
Herr, dessen Jugend erneut wurde, als er von den Toten auferstand"
( Ambro-ius, serm. de perfectione). , Wieder jung weiden, w ie ein Adler",
heisst es in IValni 1 (Kl, "». Die F.igenschalt sich zu verjüngen wird dein
Adier aueli in seiner Naturgeschichte bei Kpiphan. l'hysiol. zugeschrieben.
Auf einein altehristlicheu Sarkophage des Lateran-Museums sieht man
über einem Kreuze das Monogramm Christi in einem Lorbeerkränze, der
von einem fließenden Adler gehalten wird; an den Früeliteu des Kranzes
pieken 2 auf den (Juerarmen sitzende Tauben, unten halten •* Soldaten
sitzend Waehe. Wir lialien hie r also in einem Hilde, wie. bei den L'xleru-
steinen in einer Lokalitat, Tod, Grab und Auferstehung verbunden. Vgl.
Kraus, R. L\ s. , Adler". Piper, ev. Kalender 1>.">7 p. 4o\ Jin „Titurcl"
heisst es, auf jedem Kreuze des grossen Gralstempels habe ein goldener
Adler gesessen, als Sinnbild der Kraft Gottes in der Höhe. Auf einem
Bilde in der Kathedrale von Lyon fliegt ein junger Adler der Sonne ent-
gegen, in deren drei Ifaupistrahlen drei alte Adler sitzen. Wahrend die
Adler der Gralsburg ohne Zweifel dieselbe Bedeutung haben, wie der
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120
Auto 11 K i s a :
der Kopf, doch da eine scharfe Abgrenzung des Rumpfes nach ohen
fehlt, mnss mau annehmen, das» es nicht beabsichtigt war, ihn kopf-
los darzustellen. Der Steinmetz dürfte die Umrisse des Adlers in
Farbe auf den Felsengrund vorgezeichnet haben und dann daran-
gegangen sein, die Innenfläche zu vertiefen. Dabei bearbeitete er
zunächst jene Stellen, au welchen der .Stein am meisten vorragte uud
er demnach mit dem Meisscl am tiefsten gehen musste und sparte
den Kopf, der auf der zurückweichenden Felsparthie lag und nur
ganz llach gehalten zu werden brauchte, um in eine Fläche mit
dem Rumpfe zu kommen, zum Schlüsse auf. Kr kam jedoch nicht
mehr so weit, ja er nahm sich nicht einmal die Mühe, die Umrisse
sorgfältig auszuarbeiten und das Innere gleichmäßig zu vertiefen,
sondern liess das Ganze roh und unfertig stehen. Auffallend ist die
muldenförmige Kinbnuchung des Bruststückes, die den Gedanken
nahe legte, es könnte beabsichtigt gewesen sein, in den vertieften
Untergrund einen Adler aus Bronze einzulassen, dessen Kopf frei
aus der Flüche hervorragte. Doch fehlen alle Spuren von Ver-
zapfung,;|).
Für die ursprüngliche Anlage der Thür B spricht noch ein
Fund, den G. B. V. Sehierenberg 18*13 gemacht hat, jedoch
Adler jiuI' dem Sarkophage des Laterans, i>t die Erklärung, die Menzel
in seiner christlichen Symbolik, von letzteren) Falle gibt — der junge
Adler tiedeute die Auferstehung oder besser die Himmelfahrt, die drei
alten die Dreifaltigkeit — nicht ganz einwandfrei. Christus erschiene hier
doppelt; er fliegt gegen Himmel und empfängt sich selbst im Verein mit
den beiden anderen göttlichen Personen! — Im T\mpanon über der
linken Seitenthür an der Fassade von S. Pictro in Toscanella (10. Jahrb.)
erscheint ein Adler, während über der r. Seitenthür Schlange, Löwe und
Tiger mit einander kämpfen; hier Sünde, Tod und Verderben, dort Sieg,
Erlösung und Auferstehung. Vgl- Archivio storico doli arte I] p. 370. Abb.
04) Der .Vogel ohne Kopp von welchem Piper, Mythol. d. christl.
K. I. spricht, ist wohl nur ein Spiel der Phantasie. Der Vogel am
Portale von St. Lorenz in Nürnberg z. B. den er anführt, ist ein Adler
und hatte ursprünglich, wie sich deutlich erkennen lilsst, einen Kopf, der
später abgestossen wurde. — Eher könnte man noch, wenn man die rohe
Vertiefung nur als Untergrund für die Aufnahme eines Bron/.ewerkes an-
sieht, an einen Pelikan denken, der sich mit dem Schnabel die Brust auf-
reisst, um die Brut mit seinem Blute zu tränken, doch ist dieses, nament-
lich in der got löschen Kunst so beliebte Symbol des Opfertodes Christi,
das an dieser Stelle gut angebracht gewesen wäre, der frühronmnlschen
Kunst noch unbekannt.
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Die Externstcine.
121
Keinen Mithrasphantasiecu zu Liebe in gewaltsamster Weise miss-
deutet. Etwa 60 ein nnter der genannten Weiheinschrift an der
Killgangswand der Hauptgrotte sind nämlich die Umrisslinicn einer
Frat/o cingcmcissclt, mit abstehenden Ohren, fletschenden Zähnen
nnd heraushängender Zunge. .Sie hat dieselbe Bestimmung, wie die
Fratzen und Löwenköpfe an romanischen Kirehenthurcn und Por-
talen, an Burgen und Befestigungsanlagen, als Sehreekbild zur Ab-
wehr von Unholden und bösen Geistern zu dienen. Diese Köpfe
gehen im Wesen auf das antike Gorgoncion zurück, das gleichfalls als
HToxor benutzt wnrdc und namentlich in seiner archaischen Gestalt
mit den schreckhaften Augen, den vorragenden Hauern, dem grossen
verzerrten Munde und der ausgestreckten Zunge, die Phantasie des
frühen Mittelalters becinflnsste. Es bleibt in seinem menschlichen
Charaeter an Masken, an Kapitelleu, Arcbivoltcn, Stadt t härmen bis
ins 13. Jahrb. erhalten und bekommt nur durch gewisse Einzel-
heiten, wie lange Ohren, etwas phantastisch Thierisches; die
sehlangendurchflochtcnen Locken fehlen freilich ganz oder verwan-
deln sich in Ornainentranken. Dagegen sind die Masken an Bronze-
thtlren schon im 10. Jahrb. zu Thierköpfen geworden, indem man
die Locken zur Mahne des Löwen, die fletschenden Zähne, die lang
vorstehenden Haner der archaischen Oorgo zum Löwcngebiss umgestal-
tete. Als Wächter und BcscbUtzer des Gebäudes sind die Masken stets
am Eingange, sei es an der Thür selbst, oder im architektonischen
Schmucke des Portales, oder in nächster Xähe desselben augebracht.
So finden wir auch in der Grotte der Kxternsteine das uto.iov dicht
am Eingange, der auch ans diesem Grunde als ein ursprünglicher
angesehen werden muss, seltsamer Weise aber nicht an der Aussen-
seite, wie sonst überall, sondern im Innern. Dieses Abweichen von
der Regel hatte seinen besonderen Grund. Als die Mönche von
Abdinghof die Grotten zu einem christlichen Gotteshause einrichte-
ten, mochten sie weniger die Unholde und bösen Geister fürchten,
die aussen ihr Unwesen trieben, als die alten Götter, welchen früher
die heidnischen Sachsen an derselben Stätte Opfer dargebracht
hatten und die noch immer als böse Dämonen in dem unheimlichen
Fels stecken mochten"'). Die späte Entdeckung dieser Fratze ist
65) Das (lorgonenhaupt war als Abschreckungsmittel an den Stadt-
ninuern in Argos angebracht, die den Cyklopen zugeschrieben werden
(Pausanias II. 20, »). An der Siidmaucr der Akropolis von Athen war
ein grosses vergoldetes Medusenhaupt auf einer Aegis zu sehen. (Paus.
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123
Anton Kisa:
dein UiiKSf atnlc zuzuschreiben, dass die Felswand unter der Inschrift,
wie noch heute ein grosser Theil des Inneren, mit einem etwa 40 mm
(Ucken Mörtelverputz bedeckt war, der leicht abblättert und mit
einer blaugrüuen Leimfarbe überstrichen ist. Es ist unbegreiflich,
wie Dewitz ihn ISTti für eine „Ausseh witzung des Steines" er-
klären konnte. Vennuthlich rührt er aus dein 17. Jahrh. her, als
man die ('.rotte einem Förster als Behausung anwies und möglichst
wohnlich gestalten wollte.
Links von dem grossen Relief der Kreuzabnahme befindet sieh
in einer nischenartigen Aushöhlung des Felsens eine Art Hochrelief,
I. 21, 4). — Die vier Fratzen in Basrelief mit ausgestreckter Zunge, welche
sich am Thurmc der Stcl'aiiskirchc zu Ladenburg befinden und vielleicht
noch vor d. J. 1000 entstanden sind, haben den gleichen Zweck wie die
bartlosen grinsenden Masken an den Thorthürmen in Rothenburg ob d. T.
i inneres Spitals- und Würzbnrgerthori. Anklänge an die antike Gorgo,
namentlich in der Haarbehandlung und in der absichtlichen Betonung des
Schreckhaften, Abstosscnden, zeigte die ehem. an einem Thürflügcl von
St. Severin zu Köln angebrachte Maske. — Einfacher sind die Fratzen
an St. Kilian zu Lügde bei Pyrmont (über dem Tympanon) und an der
romanischen Pfarrkirche zu Boppard (in den Hohlkehlen der Portallaibung
und der Archivoitc). Hin Sehreckbild derselben Art bildet das schon
In Note 41 erwähnte Relief in rothem Sandstein im Museum zu Trier
(abgeb. Wcstd. Z. C u. K., Corres p. Bl. 1884, p. 187», das ursprünglich
über dem Thoreiugaug der Burg zu Mürlenbach (etwa 13. Jahrh.) einge-
mauert war. Ks stellt das Brustbild eines männlichen Scheusales dar, das
auf beide Arme gestützt, den Beschauer angrinst, neben ihm in den obe-
ren Ecken Cin Basilisk und ein Drache. — Vgl. A. Springer, lieber
die Quellen der Kunstdarstellungen iin Mittelalter. Berichte der kgl.
sitchs. Ges. d. Wissenschaften 1871».
eine männliche Gestalt von
1,45 m Höhe, durch deu
Schlüssel in der Hand als
st. Petrus gekennzeichnet
{Fig. 12). Neben dieser
j ^ Gestalt öffnet sich abermals
eine Thür (Taf. V, VI, A),
welche durch einen schma-
len nnregelmässigen Gang
von Osten her nach der
Fi r. Ii.
;V Hauptgrotte führt. Auch
über die Entstehungszeit
dieser Thür sind verschie-
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Die Externsteine.
123
dene Ansichten laut geworden. Während Dewitz sie für gleich-
zeitig mit dem Relief und allen anderen Arbeiten an den Extern-
steinen hält, schlicsst Giefers aus deren Absehluss in Form eines
ganz Hachen, der Wagcrechteu nahen Bogens auf eine spätere An-
lage, im 17. Jahrb., andere endlich auf römischen Ursprung. Höchst
wahrscheinlich war auch sie schon von der Natur vorgearbeitet,
wie dies von dem unregelmäßigen Gange gewiss ist, an dessen
oberen und östlichen Theilen man den gewachsenen, vom Meissel
unberührten Stein sieht; es war ein Felsspalt, der sich wohl nach
Osten ins Freie öffnete und Anlass zu theilweiser Erweiterung und
Anlage einer Seitenpforte gab. Dafür, dass letzteres schon in roma-
nischer Zeit erfolgte, spricht dien die Petrusgestalt daneben, dass es
erst nach Vollendung des Reliefs geschah, geht ans der Abarbeitung
der Felsenfläche links vom Relief hervor. Betrachtet man die linke
Kante derselben, so lallt es auf, dass der die obere und untere
Gruppe trennende Steg beträchtlich Uber sie frei vorragt, ebenso
ein Zipfel vom Gewände der Maria. Das Ende des Tuches, mit
welchem der Mond links vom Querbalken des Kreuzes die Thräncn
trocknet, ist durch die Abarbeitung der Felswand schräg abge-
schnitten ,u') ; dieselbe kann nicht gleichzeitig mit der Ausführung
des Reliefs vorgenommen worden sein, denn sonst hätte der Bild-
hauer mit ihr gerechnet und die Composition mehr nach rechts
gerückt, noch weniger aber kann sie — und mit ihr die anstoßende
Thür zn dem schmalen Gange im Osteu schon früher dagewesen
sein. Sie ist vielmehr offenbar erst nach Vollendung des Reliefs
entstanden, welches vemmthlich ursprünglich mit der natürlichen
unregelmäßigen Felskante abschloss, jedoch so, dass dieser Ab-
sehluss ungefähr in einer Senkrechten links von dem Zipfel des
Thränentuchcs erfolgte. Durch diese Abarbeitung gewann man erst
die Möglichkeit zu einer regelmässigen Thüranlage, bez. zur Aus-
gestaltung des Loches, mit welchem die Felsspalte ins Freie mün-
dete und indem man von dem Stein das Xöthige stehen ließ, zur
Anlage der Petrusgestalt. Giefers vermuthet, daß ursprünglich
für die andere Seite der Thür ein Hochrelief des Paulus geplant
war, so dass die beiden Patrone von Abdinghof beim Eingange
66) Die Abbildungen bei Dewitz, Giefers und Mass mann sind
in diesem Punkte ungenau. Hingegen ist diu Absehriigung und das da-
durch bewirkte Abschneiden de* Zipfels auf der Zeichnung von E. Zeis.s
bei Thorbecke a. a. 0. gut wiedergegeben.
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124
Anton Kisa:
Wache gestanden hatten und schliesst dies aus einer Abbildung der
Kxternstcine in Kupferstich von Klias von Lennep (17. Jahrb.).
Aber in dieser, übrigens sehr unzuverlässigen Wiedergabe (es findet
sich z. B. Uber di r Thür Ii anstatt des Adlers ein Kreuz) ist keine
Andeutung einer rechts von der Thür stellenden Kigur zu erkennen.
Die l'etrnsgestalt ist ganz undeutlieli wiedergegeben und untnittelbar
au sie austossend ein Thurm von der Befestigungsanlage des 17. Jh.,
an dessen unterem Tlieile sieh eine unkenntliche Reliefgeslalt befindet.
Vielleicht ist dies der (Ücfer'sehe Paulus, welcher dann aber gleich-
falls zur Linken von der Thür stehen nnd kein Seitenstück z» IVtrns
bilden würde. Wenn man eine zweite Figur in Hochrelief geplant
hätte, wäre gewiss von vornherein darauf Rücksicht genommen
worden, m;in hätte, anstatt den Fels glatt abzuarbeiten, rechts von
der Thür noch ein Stück stehen gelassen. Die sorglose Art, mit
der man bei Abarbeitung des Kelsens in die Fläche des grossen
Reliefs einschnitt, beweist, dass dies von einer fremden und späteren
Hand geschehen ist, die auf den Schöpfer desselben keine persön-
lichen Rücksichten mehr zu nehmen brauchte. Aber auch hier blieb
die Arbeit unvollendet. Die l'etrnsgestalt ist zwar durch .Schlüssel
und Spruchband hinlänglich bestimmt, jedoch im ersten rohen Ent-
würfe stehen geblieben und nicht einmal in voller Länge aus dem
Steine herausgearbeitet, denn die Küsse verlieren sieh mit dem in
beiläufigen Massen angedeutetem (Jewamlc im Kelshodcn. Von ge-
waltsamen Verletzungen und Verwitterungen ist nichts zu merken,
die klotzigen L'mrisse des Schlüssels, wie die Bohrlöcher im Kopfe
an den Stellen, wo die Augen angebracht werden sollten, sind viel-
mehr recht scharf. Alles deutet darauf hin, dass die be-
gonnene Arbeit zum Stillstand kam und nachher in Vergessenheit
gerieth, ebenso wie die Inschrift und der Adler über der Thür B,;T).
Der (Jang hinter dem grossen Relief iTaf. VI, I) liegt etwas
<wl A M enk i reite» widerlegt i» seinem Aufsätze \\hcr die Mittel-
alterliche Kunst in Soest, Bonner Winckcliiiaunspni^ramm 1 ST.r» die Ansieht
Kaonl Ko c Ii e 1 1 e s , dass das Kchlüssclattrihut Petri erst dein spaten
Mittelalter angehöre. Kr halt zwei Schlüssel auf dem Wandgemälde in der
Apsis der Patroclikirche zu Soest, Mitte des Ii. .Jalnh. Petrus mit nur
einem Schlüssel findet sich im Presen der Apsis der Kilianskirchc zu Lügde,
im T\ inpannurelief der Thür zwischen Dom und Liebfrauenkirche in
Trier, in Mether hei Dortmund, auf einer Wandmalerei der Domtniknner-
kirche zu Budwcis u. a. a. <>.
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Die F.xtornsteiiic.
hoher als «Irr Hauptranm (II), in [welchen er über einige roll be-
hauene Stuten hinabführt. Nach Osten senkt er sieh gegen die
Tbttr, in der Mitte erweitert er sieh in Höhe und Breite heträeht-
lieh und zeigt hier in den oberen Parthieen bis dicht an die Petrus-
thllr keine Spar von könstlieher Bearbeitung des Steines durch
Mcissel und Spitzhacke Die Verbindung mit dem Hauptraumc ist
schmaler, etwa« niedriger und offenbar künstlieh erweitert. die fers
Kit:. 13.
vermuthet, das» mau diesen Gang, bez. den geräumigsten Tbcil des-
selben zur Aufstellung des „heiligen (irabes" benutzt habe und fühlt sieh
durch diese Annahme veranlasst, demjenigen „heiligen Oabe", welches
sieh noch jetzt am Fusse des ersten Felsens eingehalten findet (vgl.
Fig. 18 u. Taf. VI) eine andere Bestimmung zuzuweisen. Es ist dies ein
regelrecht in den Felsen gearbeiteter Sarkophag ohne Deckel, mit
einem Ausschnitt für den Körper von der Form, wie sie in romani-
scher Zeit üfter vorkommt, z. B. auch am Sarkophage des h. Bern-
120
All ton K isa:
ward in der Krypta des Domes zu Hildeshcim. Darüber befindet
sieb eine halbkreisförmige Niselie mit drei Löchern, einem grösseren
und zwei kleineren, in der Mitte. Das ganze ist die Nachbildung; eines
altchristlichen Arcosolium*. Giefers behauptet, in diesen Sarko-
phag hätten sieb die Pilger zur Busse hineingelegt und beim Nie-
derlassen die drei Löcher zum Festhalten benutzt. Diese Erklärung
ist sehr gesucht. Als Stütze hätten die Pilger die Seitentheile des
Sarkophage« bequemer benutzen können, als die hoch angebrachten
Vertiefungen der Nische, die nichts anderes als Verzapfungslöchcr
zur Anbringung eines Kruzifixes oder einer anderen Skulptur sind.
Der Sarkophag aber wurde wold zu besonderen Zeiten, namentlich
in der Charwoche, als (Jrab Christi eingerichtet, indem man, wie
heute noch üblich, eine Holzfigur des göttlichen Leichnams in den-
selben bettete, was nicht ausschliesst, dass auch der Gang hinter
dem grossen Relief zu Zeiten eine gleiche Bestimmung gefunden
hat. Er war jedoch schwer zugänglich, die Pilger konnten hier
nur einzeln an dem h. Grabe vorbeikommen und das mag Veran-
lassung gegeben hal»en, als der Zndrang zu dem Heiligthuine stärker
wurde und die engen Räume der Grotte die Schaar der Pilger
nicht mehr fassen konnten, das h. Grab hinaus ins Freie zu ver-
legen, die Grotten selbst aber für die Priester und Büsser zu reser-
viren. — Von dem Boden des Ganges senkt sich ein Schacht durch
den Felsen und mündet in einer schmalen, schiessschartenförmigen
Oeft'nung in der unteren Gruppe des grossen Reliefs. (Vgl. Fig. 10 e
und Tai, VI a.) Da er hiemit einen Tb eil der Seblangenwindnng
zur Linken zerstört, kann er erst nach Vollendung des Reliefs an-
gelegt worden sein. Der Zweck desselben ist unklar; zum Ab-
flüsse von Wasser konnte er nicht dienen, da solches bei der Sen-
kung des Bodens ohnedies gegen die Petrnsthür geflossen wäre, für
die Zuführung von Luft und Lieht war anderweitig zur Genüge ge-
sorgt. Ich vermuthe. dass der Schacht in romanischer Zeit über-
haupt noch nicht vorhanden war, sondern erst nach der Profanirung
der Grotten entstand; dafür spricht die Form der Oeft'nung und
ihre Beschmutzung durch Unrat b.
Der Hauptraum II ist rechtwinklig angelegt und an den senk-
rechten Wänden, wie an der tonnenartigen Decke regelmässig behauen.
Nächst diesem ist auf den Seitenrauni III die ineiste Sorgfalt ver-
wandt worden, der ungefähr quadratisch, niedriger und um eine Stufe
tiefer ist. Während im Sommer, namentlich zur Zeit der Pilger-
Dir F.xtornstoino.
127
fabrtcn der Gottesdienst wegen des grossen Andranges jedenfalls im
Freien abgehalten und ein Tragaltar vor dem grossen Relief aufge-
stellt wurde, diente tür gewöhnlich der Kaum II, die llauptgrotte,
für den Gottesdienst und der Nebenraum III als Sakristei, welcher von
ersterein durch eine Holzwand getrennt war, wie die rechtwinkligen
Vertiefnngcn au den Wänden zur Aufnahme der Balken beweisen.
Die gleichen Vertiefungen Huden sich aber auch rechts von dem
grossen rnndbogigen Kingangc c und an der gegenüberliegenden
Wand, so das» demnach die Grotte II in zwei Räume abgethejlt
war. Diese hölzernen Zwischenwände dürften erst im 17. Jahrb.
angelegt worden sein, als man die Grotten zur Försterwohnung ein-
richtete und zugleich mit Mörtelbcwurf versah. Ursprünglich sind
jedoch die Löcher für Verzapfungen an der Längswand gegenüber
den» Kingange c, wo ein grösseres Bildwerk, etwa ein Kruzifix be-
festigt gewesen sein mnss. Rechts von dem genannten Eingange
befindet sich eine ähnliche Vertiefung für ein Weihwasserbecken, wie
aussen neben der Adlerthür.
An der westlichen Schmalseite der llauptgrotte (vgl. Taf. VI a)
ist eine flache nisehenförmige Vertiefung in den Fels gehauen, von
der G. B. A. Schicrenberg wohl mit Recht vermuthet, dass hier
ein Durchbrach nach der kleinen rechtwinkligen Höhle IV geplant
war, die mit den übrigen Räumen ohne Verbindung ist. Diese liegt
in gleicher Höhe, wie die andern, ist jedoch wegen der Senkung
des Erdbodens nach Westen hin nur auf Leitern zugänglich und
so niedrig, dass ein Erwachsener in ihr nicht aufrecht stehen kann
(vgl. Taf. VE). Sie hat daher auch wohl nur als Vorrathskammer oder
zur Aulbewahrung von kirchlichen Gerätschaften gedient, wobei ihre
hohe Lage, die. ans symmetrischen Gründen zu erklären ist, sie vor
gewalttätigem Einbrüche schützte; sie öffnet sich nach aussen durch
ein rundbogiges Fenster, welches kleiner ist als das gleichfalls rnnd-
bogjge der Sakristei. Diese Oeflnuugen, sowie die Adlcrthür sind
künstlich angelegt, während die beiden übrigen natürlichen Ursprun-
ges sein und erst in christlicher Zeit ihre jetzige Gestalt bekommen
haben dürften. Den Haupteingang bildete vor der Umwandlung
der Grotten in ein christliches Heiligthum die grosse rundbogige
Thür B, welche aussen an ihrer unteren Hälfte nur eine ganz rohe
Bearbeitung der natürlichen Felsüflfnung zeigt, die man noch der
vorchristlichen Zeit zuschreiben mnss, innen jedoch durch Archivoitc,
Würfelkapitebi und Eckpfeiler gegliedert ist. (Vgl. Fig. M und 15.)
12S
Anton Kisn:
Um mehr Luft und Licht zuzuführen. legte man gleichzeitig mit
der Romanisirung des Haupteiiiganges oder nicht viel später zu
beiden Seiten ziemlich symmetrisch die Adlerthür und das Sakristei-
fenster an, erstcre ursprünglich gleichfalls rnndbogig.
Dass die Anlage der Heiligthümer von den zufälligen Formen
einer Naturhohle anhängig
i^-rpsj^l war, geht aus dem verschie-
denen Terrain der einzelnen
Theile, der verschiedenen
Höhe derselhen und aus dem
V orhandensein einzelner un-
hearheiteter Stellen, wie Bie
sich nicht nur in dem ost-
lichen Seitengange, sondern
auch in der Sakristei finden,
hervor. Dort ist auch an der
Westseite, nahe dem Fen-
ster und etwas üher dem
lioden (vgl. Taf. VI ff), das
in Figur H> wiedergesehene
Zeichen eiugchauen. Fs ist
ungefähr 30 cm lang ;
und aus aneinander-
gereihten Hohrlö-
chern gebildet. Die
Rone, welche es vor- y'i V
stellt, führt im jün- ♦
geren nordischen ki* ib.
Runcnalphabet, dem jünge-
ren Futhark den Nameu ;/r.
I >iescs Alphabet unterschei-
det sich wesentlich von dem
deutschen Runcnalphabet, das
Rhabanus Maurus ver-
öffentlicht, doch gehen beide
auf eine gemeinsame Quelle,
die altgcmianische Runen-
schrift zurück, welche noch
kik i in den ersten christlichen Jahr
Fig. Ii.
♦
■
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Die Kxternstcinc.
120
limitierten in Deutschland in Gebrauch war und sieh am längten
bei den Sachsen erhielt, während <lic Gothen schon im 4. Jahrh. das
Wallila "sehe Alphabet hatten ßS). In den ältesten deutschen Sprach-
tiberresten des 8. und 9. Jahrh. ist schon ausschliesslich das latei-
nische Alphabet verwandt, doch bleibt die Kenntnis* der Runen bis
in romanische Zeit bestehen. Man darf daher nicht ohne Weiteres aus
dem Vorhandensein von Runen auf eine vorchristliche Entstchungs-
zeit sehliessen und in der yr-Rnnc der Externsteiuc einen Reweis
dafür erblicken, dass die Grotten in ihrem Ursprünge auf die heid-
nische Zeit zurückgehen. Was sollte auch eine vereinzelte Rune
besagen? Kreilich, so lange man noch an dem mystischen Charak-
ter derselben festhielt, hätte man für die Rune der Externsteine die
tiefsinnigsten Erklärungen finden können™). Das yr-Zeiehen oder
wie es ursprünglich hiess, die elgr-, die Elch-Rune, bedeutete Höhle,
Leere, Loch; mau brachte sie mit der Himmelsrichtung NNW zu-
sammen, mit der Mitternachtsstundc, dem Jahresende, dem Winter,
(*>8) Auch in anderen Thailen des Festlandes, wo Germanen wohn-
ten, hat man einzelne DenkmUler mit der Gattung von Runen gefunden,
die in den ältesten Inschriften von Skandinavien und Kndland vorkom-
men. (Vgl. Wimm er, Die Runenschrift. Aus dem Dänischen übersetzt
von Fr. Holthausen, Berlin 1887). Entstanden dürfte die Runenschrift
etwa im 2. Jahrh. nach Ohr. bei der nördlichen Gruppe der ostdeutschen
Stiinune sein, welche mit den Römern vielfache Handelsbeziehungen hatten.
Von da ging sie nach N. und \V. weiter, entwickelte sich vornehmlich
in DHiicinnrk und Skandinavien, wHhrend im westlichen Deutschland die
Völkerwanderung störend eingriff und erst im fi.— C. Jahrb. durch einen
unbekannten Anstoss eine neue, illüthe hervorgerufen wurde. (Vgl.
Henning, Die deutschen RunendenkniHler, Strassburg 1*8*.*).
♦»'.1) Am phaiitasiereichsteu, aber auch verworrensten sind die Er-
klärungen der Runen in Faulmanns Geschichte der Schrift, Wien IH.HO,
der die Arbeiten von Grimm und Laut h benutzt. Grimm („lieber
deutsche Sprachrunen* p. Mltf) führt eine Wiener Handschrift des 12. Jh.
an, in welcher die einzelnen Ruchstaben des Kuncualfahets eine mystische
Deutung erfahren. Dieser und andere Versuche treten aber erst zu einer
Zeit auf, in welcher die Runen als Schriftzeichen schon ausser Hebung
waren und den Leuten fremdartig, geheimnissvoll vorzukommen begannen.
Die Kennzeichen, welche auf Biichenstätbe geritzt wurden, brauchten nicht
eigentlich Runen zu sein. Der Name „Rune" ist wohl Hit er als die Schrift -
zeichen und hat mit diesen ursprünglich nichts zu Ihun. Seine iiiteste
Bedeutung ist „Mysterium, Geheimniss" ; man bezeichnete damit vielleicht
irgend welche geheimnisvoll« Zeichen von magischer Kraft. Vgl. Hen-
ning a. a. < >.
Jahrb. .1. Vcr. v. Alt. rthsfr. im Hl», iul. XC1V. «♦
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130
Anton Kis.-i:
und man fand in ihr Beziehungen zu dem Thierkreiszeichen der
Schlitzen und damit zu Tyr, dem Todesgotte. So hätte man, zu-
mal die Rune ^tatsächlich in der NW-Ecke der CS rotte ausbracht
ist. auf die schönste Art beweisen können, «law* die Externsteine
eine altgcrmauisehe Grabstätte wären. Aber die mystische Bedeu-
tung der Kunen ist von der neueren Forschung über Bord gewor-
fen, sie sind Lautzciehcn wie alle anderen, hervorgegangen aus
dem römischen und theilweise noch bis ins 12. Jahrb. hinein be-
kannt. So findet sieh z. IL in dem Münehener Cod. lat. 1vUM>7 eine
Kreuzabnahme mit der Bezeichnung Jesus Nazarcuus Rex Judaeo-
rum, in lateinischer Sprache durch I, bezeichnet, dann in griechi-
scher mit (! und in Runen mit B rBarbaricn). Den Mönchen von
St. ('Sailen waren die Runen noch lange ins Mittelalter hinein vertraut,
ebenso englischen Khistergeistlichcn. <lie davon einen spielenden (Se-
brauch machten. Ja selbst bis in die Renaissaneczeit hinein werden
einzelne Runen, sowie lateinische und griechische Buchstaben als
Personalzeichcn verwandt, darunter die yr Rune sowohl als Stein-
metzzeichen wie als Hausmarke, ohne dass diejenigen, welche sie
führten, sich noch ihres Charakters als Buchstabe bewusst waren T0).
Auch die Rune der Externsteine ist nichts anderes als die Urhebcr-
marke des ausführenden Steinmetzen ; sie stimmt in der Grösse und
Ausführung mit anderen romanischen Steinmetz/zeichen übereilt, für
70* Vgl. Losch, Kniicn unter den Slcininelzzeiehen, WUrlteinb.
Vierteljahrshel'tc, Vif I. l*Kf>, p. .'{7 ft., mit Xaehtrag von Klemm. — Die
yr-Hune ist als .Steinmetzzeichen verwandt: An «ler Kaiserpfalz zu Geln-
hausen (IHM IHM»), vgl. U.-pert. f. Kunst w. XII p. 41», Kziha, Studien
Ül»er SK'inmetzzeiLln'ii, Mitth. <l. ('. C. X. F. 1 8K3. p. .'}!>, der dieselbe j«--
doch seinem ]>hantastiselien Sc hlüssclsystcm ajipasst und gewaltsam ver-
ändert; au der Westfront des Tluirmes des Strassburger Münsters U-twa
l.WrVi, vgl. Xäher, die Entstehung und Entwicklung der deutschen Stein-
mct/.zeiehcn, B. J. S8 p. \H\ ff. In umgekehrter Form T als madr-Hune,
mehrfach bei Losch a. a. (»., als Hausmarke hei Klemm a. a. 0.. an
der Hoch-Künigsburg (um 1520). Die Lage und Richtung der Steinmetz-
zeichen ist selbst in gothischer Zeit verschm«lcn; oft stehen sie umgekehrt,
schritgo oder wagerecht. Ja selbst an antiken Ballten kommt neben
anderen Kunen mehrfach <lie umgekehrte yr-Ruue vor, so an der Mauer
Koma bei der porta Viminalis, in durchsclmittticher Crosse von 30 cm.
Die Mauer gehört frühestens dem 3. Jahrb. vor Chr. an. In wagerechter
Stellung -> — findet sie sich an gnthischen Hauten Spaniens. Vgl. O. Rich-
ter, Teber antike Sicininetzzeielien. lf>. Iterlincr Wiuktdmannsprogr. 18HA.
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Die« F.xtornsteine.
131
die eine Länge von 30 cm Regel ist. während die der Uchergangs-
zeit nieist auf 1U — 15 ein, die der Gothik auf 4 — 0 ein zusammen-
schrumpfen71 ). Besondere Sorgfalt wurde in früher Zelt auf ihre
Ausführung nielit gelegt. An der Kaiserpfalz zu Gelnhausen, die
Friedrieh Barbarossa erbaute, sind die Zeichen mehr (»der minder
ungeschickt mit dein Spitzhammer eingehalten und zwar theils im
Strich, theils wie das an den Externsteinen punktirt. Neben my-
stischen Zeichen, wie Dreieck, Zickzack, finden sich dort redende,
wie Bogen, Armbrust, Pfeile, lateinische Buchstaben und Runen,
darunter auch die yr-Rune in der Länge von HO cm. Am Hain-
bach er Schlosse und am Dome von Worms kommen nach R/.iha
Zeichen vor, die nur theilweise punktirt sind, äusserst selten auch
an gothisehen Bauten. Er neigt der Ansicht zu, dass die Nieht-
vollcudnng derselben als eine Art Strafe aufgefasst werden könne,
da die Zeichen als Ehrenzeichen galten, oder dass die Steinmetzen
Sektirer waren. Die Anwendung dieser phantasievollen Erklärung
auf das Zeichen der Kxternstcinc, — das Rziha nicht kennt, da er
angiebt, an der Kaiserpfalz zu Gelnhausen seien bisher die einzigen
vollständig punktirtcu Stciumetz/.cichen aufgefunden worden — würde
ergeben, dass man den Steinmetz zur Strafe für seine schlenderhafte
Arbeit und für seine Unart alles unfertig stehen und liegen zu lassen
nöthigte, sich mit der Punktirung zu begnügen; vielleicht betrieb er
nebenbei auch noch heimlichen Götzendienst! — Wozu dieses Hinein-
geheimnisseu in Dinge, die sich doch auf einfachere Weise erklären
lassen? Die Steinnietzzciehcn hatten in romanischer Zeit noch
nicht die Bedeutung wie in der gothisehen, sie waren nicht in ein
System gebracht, aus welchem man den Schulzusainnienhang er-
mitteln kann, sie waren auch keine Ehrenzeichen, sondern willkür-
lich gewählte Arbeitszeichen; an der Burg zu Gelnhausen z. B. sind
sie einfache Versetzungszeichen, ebenso wie au den römischen Bau-
ten, an den karolingiseheu und byzantinischen, wo sie sogar an
den vermauerten Seiten der Steine zum Vorschein kommen. Bei
den Externsteinen, wo Alles den Stempel des Flüchtigen, Rohen,
Unfertigen trägt — mit Ausnahme des Reliefs — würde man sich
höchlichst verwundern müssen, an einer nur ganz nothdflrftig bear-
beiteten Stelle etwas so Nebensächliches, wie das Zeichen des Stein-
metzen, sorgfältig im Strich ausgeführt zu finden. Sein Zeichen ist
keine Kttnstlersignatur, bestimmt der Mit- und Nachwelt von der
71) Vgl. Hzih.u ii. a. o.
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182
Anton Kisn:
Person des Schöpfen« Kunde KU gehen. sondern eine einfache Kon-
trollmarke, mit welcher er den Theil, welchen er hcarheitel hatte,
bezeichnete, mn ihn für die Zwecke der Abrechnung von anderen
zn unterscheiden :sti. Ks linden sich nämlich, wie Nenbourg mit-
theilt, ausser der vr-Huiie noch zwei andere an der linken Laibung <ler
Adlerthür eingcmcisselt. die gleichfalls nichts anderes als Steinmctz-
zeielien sein können und von den ("Schilfen oder ( iefährten des ersten
herrühren. Sie sind zugleich ein weiterer Beweis dafür, dass die
Thür bereits der romanischen Zeit angehört73'.
In der llaiiplgrotte befindet sieh hei y Taf. VI eine grosse rnndc
Vertiefung, die in den Felshoden und zum Theil noch in die senk-
72) Wenn die blosse I'unktirung des Zeichens durchaus nicht ver-
einzelt dasteht, so ist doch Malier die Anbringung von Wcrkzeichen in
lTrgestcin, in gewachsenem Felsen, meines Wissens bisher noch ohne
Heispiel. Die cigciithümlichcn Kinschnilte, welche Voulot an keltischen
Dohnen in den Vogescn fand, sind offenbar keine Wcrkzeichen, sondern
magische Zeichen, sagen wir Wunen im alten, ursprünglichen Sinne. Vgl.
Voulot, ABC dune science nouvelle, Mulhouse 1872. <>tte, der dn.s
Stcininetzzeichen an den Kxteinsteinen nicht kannte, erklärt in seinem
archänl. Wörterbuche p. 2.'lä die frühen Werkzeichen als Vcrsctzungs-
merken. Sie haben sich Allerdings beim Qnaderban entwickelt und dien-
ten hier dazu, die einzelnen zu einander gehörigen Hausteine zu be-
zeichnen; mit dem ^uaderbau sind sie aus Frankreich nach Deutschland
gekommen. Auf das Zeichen der F.xtcrnsteinc passt die Ottc'schc Be-
nennung natürlich nicht.
73) Mir sind diese Zeichen nicht aufgefallen. Nach Neubourg's
Bericht in der Lippc'schcn Lundcszcitung lxsl, Nr. 177, hüben sie die
Formen f B Frstere entspricht der fc-Wune, der ersten im jüngeren
Futliark, letztere dürfte eine l'inkehrung der reid-Itune sein, falls sie
richtig wiedergegeben ist, was bei rler Wauheit des Steines seine Schwie-
rigkeiten hat. l'eber (»rosse und Technik dieser Zeichen sagt N. nichts.
Er will auch eine längere Wunen-Inschrift an den Kxtemsteinen entdeckt
haben, w ie er a. a. < >. lss.\ Nr. 1 niittheilt. doch ist über diese nichts
Näheres bekannt geworden.
rechte Wand eingehanen ist
vgl. Fig. 10). Man erklärte
sie früher für ein Tauthceken,
bis (Sie fers die Ansieht aus-
sprach, dass in diesem Becken
Weihwasser aufbewahrt wurde,
mit welchem die Pilger sieh
wuschen, ehe sie den 8eit.cn-
gang mit dem h. (Srabc hetra-
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Die Externstem«.
133
tm. Die Sitte, vor dem Betreten des eigentlichen llciligrthumcs
Hände und Küsse zu waschen, ist eine uralte, sie ging vom Heiden-
t Imme, welche» Heiliglhüiner an Quellen anlegte uud diese auffing,
in den mosaischen und christlichen Cult über. In der altchristliehcu
Bafciliea befand sich ein grosses Weihwasserbecken zu diesem Zwecke
im Atrium. Mit diesen Hecken sind aber die putei sacri, die Cistcmen,
die mau häutig in den Krypten mittelalterlicher Kirchen findet, nicht
zu verwechseln. Nach Vi olle t le Due's Ansicht wurden sie von
den Werkleuten angelegt, um ihnen das nöthige Wasser während
des Haues zu liefern und später für Cultuszweckc aufbewahrt1.1),
doch scheinen einzelne, wie Otte bemerkt, schon vor der Erbau-
ung der Kirche vorhanden gewesen zu sein, also natürliche Quellen,
die dann in (.'isternen gefasst wurden, so z. H. in der Krypta des
Domes zu Hilflcshcim. Dies stimmt zu der Tliatsache, dass die
frühesten christlichen Gotteshäuser mit Vorliebe an alten heidni-
schen Cultusstätteu angelegt wurden und das Ilnuptorfordcrniss dieser
war ja der heilige Quell7"'). Das Becken in den Externsteinen ist
aber weder ein Behältniss für Weihwasser, wie es in der Basilika
angebracht war, noch ein heiliger Quell, denn die .Sitte, Hände
und Küsse vor dem Gottesdienste zu waschen, hört mit dem Be-
ginn des 11. Jahrb. auf. Etwa vom 5. Jahrb. ab war es »blich
gewesen, sich am Eingänge der Kirche durch den Priester mit ge-
weihtem Wasser besprengen zu lassen und dann in dem Becken des
Atriums Hände und Küsse zu waschen; im Anfange des 11. Jahrb.
tritt dafür der noch heute übliche Brauch des .Selbstbesprengeiis
beim Eintritte in die Kirche auf und zu diesem Zwecke werden
Wcihw.isscrbeekcn an der Thür angebracht'",!. Dass diese Sitte
auch schon beim Heiligtbuuie der Extenisteiue geübt wurde, lehren
die beiden Vertiefungen für Weihkessel aussen neben der Adlerthür
und innen neben dem Haupteingange. Auch ist es an und für sich
sehr unwahrscheinlich, dass den Pilgern der enge Kaum der Grotte
für ihre Waschungen eingeräumt worden sein sollte, denn zu diesem
Zwecke ist die Vertiefung möglichst ungünstig angebracht, da sie dicht
vor dem östlichen Seitengange und dessen Stufen liegt ; ihre Reinigungen
7i) Vgl. I'fnnnc.nschnii d, Das Weihwasser im heidn. und christl.
Cultus. Hannover INU'j.
75) Vgl. l*r. A. Koeli, „AoltcMo Kirchen im .Sprengel Paderborn*
in der westtVil. Zeitschrift. Münster l>v>S>.
7<ii Vgl. Planncnschiiiid a. a. (). p. IN»;.
Iii
Aii ton K i sa:
konnten sie bequemer in dein Bache, die Liehtheupte oder Wiembceke
genannt verriehten, der den Fuss dos westlielien Felsens umspülte und
jetzt zu einem Teiche erweitert ist. Aber auch ein heiliger Quell
war hier nicht vorhanden, wenigstens findet sieh gegenwärtig nicht*«,
was darauf hindeuten Wörde, kein Spalt, ans dem frflhcr hätte
Wasser geflossen sein können; seihst Regenwasser kann hier nicht
angesammelt worden sein, denn der Fels ist ziemlich dicht und
trocken. G. 15. A. Sehiorenborg kommt mit seiner Mithrnstheoric
der Wahrheit wenigstens bezüglich der Bestimmung des Hecken»
urtlie; er zählt verschiedene niuldenartige Vertiefungen, z.T. wie in
Heddernheim mit Kesten von Thicrkuochon auf, die er in Mithras-
grotten gefunden und erklärt sie und die Vertiefung in der Grotte der
Externsteine für Öpfcrhecken, bestimmt zum Auffangen des Hintes der
getödteten Thicrc">. Die Externsteine können nun zwar mit keinem
antiken Culte in Verbindung gebracht werden, sie waren aber vor
ihrer Christianisirung ein Heiligthum der alten Sachsen. Am Fasse
des Felsens floss der heilige Bach vorbei, neben dem Becken im
Boden stand einst der Opferaltar: in das Blut der getöteten
Thiere tauchten die Opferpriester Zweige und besprengten damit
die aussen versammelte Gemeinde, bestriehen «Iii* Opfergeräthe, den
Altar, die Götterbilder, die Tenipelräume von innen und aussen und
die heiligen Räume ringsum"). Die christlichen Missionare entfern-
ten den Altar und die Abdinghöler versehötteten das Opferbecken, das
für den christlichen Gottesdienst werthlos und bei grossem Andränge
von Pilgern hinderlich war. Es blieb jedenfalls so lauge verborgen,
als die (! rotte jenem Zwecke diente; nach der l'rofanirung im
17. Jahrh. war es vom Estrich der Försterwohnung bedeckt und
trat wohl erst im Laufe dieses Jahrhunderts wieder zu Tage.
Die Richtigkeit dieser Erklärung tritt bei einem Vergleiche
der Externsteine mit einer ähnlichen Grottenanlage, der Quirinuska-
pelle in Luxemburg hervor '!'). Dieselbe ist am Abhänge des sog.
rctrnsthales in den Fels gehauen und besteht aus zwei unregel-
mässig viereckigen Räumen, welche jetzt nach aussen durch eine
gothische Fassade v. J. Kttö abgeschlossen sind. Der grössere
77) H. .1. M, ii. 255. Vgl. auch desselben Verfassers „Die Kriege
der Uömer /wischen Rhein, Weser lind Kllie etc." Frankfurt 1KSK.
7«) Vgl. I'fanncnsehmid, German. Krntefcstc im heidn. n. christl.
Cultus. Hannover 1H7S. p. HO.
7!o K. Arendt, St. Quirin. Ln.veinhurg IHSS.
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Die Externsteine.
135
Kaum, «liircli ein modernes Tonnengewölbe aus Tuffstein gedeckt,
bildet das Sellin", der kleinere liegt um drei Stuten tiefer und ist mit
jenem dureb »wei Thören und ein Fenster verbunden, i Vgl. Fig. 17.)
Im Hoden des Hauptraumes befindet sieb bei a eine ruude Vertie-
fung, welche bis zur Restauration des Heiligtbumes ( 188(5) dureb
einen runden, pfropfartigeu Haustein ausgefüllt war; von ihr aus
führt eine schmale Kinne zur Ableitung des Opferblutes in ein
- kleines, hinter der Eingangsthür gelegenes Felsbeeken e. Weiter
abwärts von der Grotte liegt der Heilsbrunnen ((ireinsbour), eine
Cistcrne, welche von einem Felsenquell gespeist wird. Ueber ihr
breitete eine uralte Linde ihre Aeste aus, die zu Anfang des
Jahrhunderts gefällt wurde, deren Wurzeln jedoch 1 SStJ noch aufge-
funden wurden. Den ganzen Hergabhang bedeckte früher ein dich-
ter Hain. Uberhalb der (hotte springt der Fels vor und trägt eine
kleine gothische Kapelle, neben welcher der alte Römerweg, die via
bona vorbeiführt. In ihr beiludet sieh eine wahrscheinlich einem
älteren Vorbilde nachgeahmte Holzgruppc, drei Frauen darstellend,
die nach Mannesart auf einem Mault liiere reiten und jetzt als die
Töchter der b. .Sophia, Spes, Fides und Caritas gelten. Dieselbe
(! nippe ist auch in Auw (gleichfalls im Luxemburgischen,! zusehen.
Ob sie mit den .'! Matronen in Zusammenhang gebracht werden
kann, seheint mir zweifelhaft, denn drei auf einem Tbierc reitende
Matronen bat man nirgends gefunden ; immerhin kann man aber
mit Arendt annehmen, dass die Dreizahl auf keltischen Ursprung
zurückgeht und in germanischer Zeit mit dem Mythus der Frau
Holde und ihrer Fahrten verquiekt wurde 8uj. Auf letzteres deuten
«0) Ausser der via bona befinden sieh noeh zwei Itüinenvege in
der Niilie, der Weg aus der Oberstadt vom Fischinarkte aus und der Weg
Vit'. 17.
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Anton Kisa:
die in Luxemburg und Auw gleichlautenden Sagen von drei Jung-
frauen, die sich vor ihren Verfolgern auf einem Fsel durch einen
kühnen Sprung über die liefe Schlucht hinüberretteten. Der Volks-
niund weiss vun grnuenhalten Dingen über die Quirinnsgrotte zu
erzählen, die wohl an die ehemaligen blutigen Opfer in derselben
anknüpfen. Sicher ist, das« daselbst bis weit in christliche Zeit
hinein heimlicher Götzendienst getrieben wurde, denn die Trierer
Coneilicn von 12'50, 1310, und selbst noch von 1423 eifern gegen *
dort bestehende heidnische Missbrüuchc. Damit ist wohl die heid-
nische. Vergangenheit der Grotte hinliinglich bestimmt. Nähere An-
gaben über ihre Christianisirnng fehlen. Der Cultus des h. Quiri-
nns kam zn Ende des 10. Jahrh. nach Luxemburg, 1030 wurde die
weiter unten im Thale liegende Udalriehskirehe gegründet. Die
erste urkundliche Nachricht über die Quirinuskapcllc stammt v. J.
1&V>; da erhielt die Grotte ihre jetzige gothisc he Fassade, zugleich
wurde der Nehenraum, der als Chor diente, erweitert. In einer
Handschrift „Origines basilicarum* lfi. Jahrh. heisst es, dass unter
Kaiser Karl IV., dem Luxemburger, ein Ritter vom deutschen Hause
die Kirche hergerichtet hiitte. zum Andenken oder gewissennaassen
als Nachahmung des Grabes Christi, unseres Herrn, dessen Orden
«lern deutschen Orden im vorhergehenden Jahrh. einverleibt worden
war, da die deutschen Kitter ebenfalls Ritter des h. Grabes, des in
den Felsen gehauenen, genannt wurden. u Vermuthlich gründet sieh
diese Nachricht auf eine bereits früher übliche Rezeielmung und
Verwendung der Grotte als .Grab Christi." Auf einen älteren Zu-
iin Petrusthalc. Diese treffen sich an einen» Punkte in der Nähe der
tiuirinilskapelle, bilden also ein tri\ imii. Arendt schlichst daraus, dass
die Kölner das Heiligthum der dreiköpfigen Hekate geweiht hatten, aus
welcher sieh dann in Anknüpfung an örtliche celtische reberliefcrungen
der Matroneneult, gleichfalls in der Dreizahl entwickelte. Die den Kö-
lnern folgenden Franken hatten dann die Matronen in die drei Nomen
verwandelt. Kr sieht in den Matronen zugleich Mondgöttinnen, in den
grossen runden Scheiben, welche gewöhnlich die Köpfe der beiden Kck-
gestalten umrahmen, Mondscheiben, und demnach in allen dreien die Ver-
sinnlichung der drei Mondphasen. Aber die mittlere fiestalt trügt kein
Symbol, welche* man auf eine Mondphase deuten könnte, der Kopfschmuck
der beiden anderen ist kein flacher Kreis, sondern, wie an Thonfiguren
der Matronen deutlich zu sehen ist, eine kreisförmige Haube. Auch treffen
sich die Dreiwege nicht an der t^uirinuskapelle, sondern weiter abwärts,
an einem Funkte, wo jetzt die Udalrichkirche steht. Man müsste also
hier das römische Hekate Hciligthum suchen.
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Die F.xtcrnsteinc 137
sammenhang derselben mit den Kretizzügen und dem Kitterl Imme
deutet auch die Wahl der drei Schutzheiligen Quirin, Fercol und
Finnin, dreier ritterlicher Heiliger. Die Dreizahl ist auch hier bei-
hchalten.
Die Verwandtschaft dieser Grotte mit den Externsteinen ist
offenhar. Heiden ist ausser der allgemeinen Anlage, dem Quell, hex.
Hache, dem Recken, der Bestimmung zum heiligen Grahe auch noch
die ohere Kapelle gemeinsam. Auf den Kxtcrnsteincn liegt sie auf
dem zweiten Felsen, Östlich von demjenigen, der das Relief und die
Grotten enthält und ist gegenwärtig nur durch eine vom Ende des
lti.Jahrh. stammende Treppe vom dritten Felsen ans zugänglich, von
dessen Höhe eine Hrüeke auf den zweiten Felsen führt. Ursprüng-
lich befand sieh jedenfalls eine Treppe — vielleicht von Holz —
auf dem zweiten Felsen selbst, welche zuerst in der Hübe von
etwa 3 m auf eine natürliche Plattform, die sog. Kanzel führte ; von
da gehen noch Spuren von eingehauenen Stufen aufwärts. Die
Kapelle ist ein rechteckig aus dem Fels gehauener Kaum, nach
Osten und Süden offen, ohne Decke und wohl frühestens in der
2. Hälfte des 12. Jahrb. in ihrer jetzigen Gestalt entstanden. Die
Bestimmung der Plattform als Kanzel ist naheliegend und wurde
schon von Ciostenneier ausgesprochen*^; dagegen sind die bis-
her geäusserten Ycrmuthnngcn über die Entstehung der oberen Ka-
pelle und den Zweck derselben unzutreffend. Dewitz sucht sie
mit der Weingartner 'sehen Hypothese über die Entstehung des
Thunnbanes zusammenzubringen und stellt sie als eine Fortsetzung
der unteren Anlagen, als ein Ausklingen derselben nach oben dar,
wogegen Nordhoff Widerspruch erhebt, indem er darauf hinweist,
dass die Kapelle und die (irottc nicht einem einzigen, sondern zwei
neben einander stehenden Felsen angehören **}. Die richtige Er-
klärung der merkwürdigen Anlage ist darin zu suchen, dass die
Abdinghöfer auf «lern Gipfel des Felsens bereits eine alte Cnltusstättc
vorfanden und dem Prinzipc der Kirehenerbauer in den frühen
Jahrhunderten der Christianisirung getreu, au ihre Stelle ein christ-
liches Hciligthnm setzten. Hei Gelten und Germanen waren ja
Bergeshöhen und Felsgipfel die Hauptstätten der (iötterverehrung.
81) Clnstcmu-ier, Chr. (i ottlieb, Der E<rge«U'i\st«mi im Fttrsteu-
thuin Lippe. Lcin^o 1824.
82) Nordhof!' bei Besprechung der Di- wi tz'schcn Schrill, B. J.84,
p. 194.
1HH Antou KihH:
•
Den christlichen Missionaren war es unmöglich, gegen diese im
Herzen des Volke« wurzelnde Gewöhnung anzukämpfen; sie fügten
sieh ihr und erbauten im Sachsenlande mehrfach Kirchen auf
Hergen und Hügeln*3;. Wie in Luxemburg einst an der Stelle,
wo jetzt auf Bergeshohe die Drei -Jungfrauenkapelle steht, der
Druide und nach ihm der germanische Priester ihre Gebete au
die Götter der Luft emporgesandt hatten, so war auch au den Ex-
ternsteinen der Felsgipfel dem Dienste der oberirdischen Götter geweiht ;
in den (.{rotten dagegen wurden hier und dort den Erdgöttern blutige
Opfer dargebracht. — Von einem dritten heidnischen Grottentempel
findet sieh eine Nachricht bei WormiusH,>- Darnach stand im
Kirchspiele Hollen der norwegischen Landschaft Tclcmarkcn ein un-
geheuer grosser und sehr hoher Felsen, War gebeissen. Darin sei
in der Mitte ein Götzentempel ohne Säulen und rilareu cingehnueu:
zu demselben hätten zwei Wege geführt, einer ging über das Wasser,
mau sei mit Hooten zu ihm hinangefahren und dann auf hängenden
Leitern hinaufgestiegen, der andere; sei treppenförmig in den Fel-
sen hiueingehaucii. Hei Einführung der christlichen Religion habe
man den Tempel zu einer Kirche umgewandelt und dem Ii. Michael
geweiht. Auf dein obersten Platze des Felsens aber sei ein ( Mittes-
acker gewesen, wo man die Toten begraben habe. Wahrscheinlich
befand sich an derselben Stelle früher ein heidnischer Hegrübniss-
platz.
Nach diesen Analogien werden wir auch die Extcrnsteine als
eine altgermanischc (.'ultusstättc in Anspruch nehmen müssen. Die
gewaltigen, mitten aus dh'htcm Urwalde hervorbrechenden Felsen
mit ihren von der Natur geformten Höhlen ninsstcn auf die Phan-
tasie des Naturvolkes mächtig einwirken; an einer Stätte, an welcher
man sich noch jetzt, wo der Wahl gelichtet, der Quell zu einem
mit Ruderbooten und Schwänen belebten Teiche geworden ist und
die Heerstrasse zwischen den Felsen hiudurchfUhrt, nicht eines ro-
inautiscbcn Schauers erwehren kann, mnssten unsere Vorfahren sich
dem geheiiimissvollen Walten der Gottheit besonders nahe fühlen.
Die Urkunden des Klosters Abdinghof melden nichts davon, dass
vor der Christiaiiisirung hier Götzendienst getrieben worden sei,
H3) Vgl. Fr. A. Koch, Aeltcste Kirchen im Sprengel Paderborn.
West f. Zeitschr., Münster IHÖ'J.
S-lj I). Wo r mi us, lib. VF. mnnuui. nuni. l.'J. pag. 18!» bei Arn kiel,
eimbrische Heiüeim-Iigion, Hiunburg 1702, I. \>. 100.
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Die Externsleinc.
139
wohl mit Absicht. Tin Volksmunde hingegen lebte bis au!' Haiuel-
ni a ii ii und Wasser buch die Erinnerung an die heidnische Vorzeit
fort ; sie geht aber, was wohl zu beachten ist, nur bis auf die
Sachsen zurück, die gegen Ende des f>. Jahrh. n. Chr. die liegenden
zwischen Rhein und Elbe besetzten. Karl der Grosse soll dem
Götzendienste hier ein Ende gemacht haben. Auch wird von
„landgcrichtliehen* Zusammenkünften der Heiden an dieser Stelle be-
richtet*5), d. h. mit anderen Worten, die alten Sachsen hatten hier
eine Mahl- oder Dingstätte mit einem Tempel vereinigt, wohl auch
mit einem Leichenteile ringsum im Walde, wie dies im Sachsen-
lande fast immer der Fall ist. Solehe Orte, wo von Alteis her eine
J'requentia populi" bestand, wurden vor Allem von den Einführen!
des ('hristenthtiiiies zur Anlage von Kirchen auserseheu. An den
Begräbnissstätten feierten die Sachsen, wie die übrigen germanischen
Stamme Todtenfeste. Karl d. Gr. erliess zu Paderborn 78:*) den
Befehl, dass die Sachsen auf den Gräbern ihrer Vorfahren nicht
tanzen, singen und schmausen sollten "'m. Da jedoch diesen alther-
gebrachten Gewohnheiten durch Gesetze nicht hinzukommen war,
adoptirtc sie die Kirche und verwandelte die heidnischen Todten-
feste, welche in der Zeit vom 1. .'J.Oktober stattfanden, in christ-
liche Todtenfeste und Kirmessen um die Zeit von .Michaelis. Auch
die Wallfahrten knüpfen vielfach an die alten heidnischen Zusammen-
künfte und Opferfeste an. Wenn es einmal gelingen sollte, fest-
zustellen, in welchen Zeiten des Jahres zn den Kxternsteiiicn ge-
wallfahrtet wurde, so könnte sich daraus leicht ein neuer Beweis
für die Fortdauer der Tradition ergeben. Auf eine germanische
Grabstätte weist der Xame einer benachbarten Lokalität, des
Roscnthales; die germanischen Friedhöfe hciescii Rosengärten oder
Rosenhage, von ihrer Einfriedung mit dem Dornengcbüseh der
wilden Rose ; vielleicht spricht auch der Xame des nahen Ketteu-
thales dafür 'nach Veit mann vom ahd. Kctti Grnhc, Grab*.
Auf dem Wintfeld oder Winnefeld südöstlich von der Grotcnburg,
s5) Hamelinan», Dclineatio iirhimii et nppidorum Weslplialiae,
1546, edid. K. C. Wa s^erbiu li, Lemgo 171t. — Fr. Oh. Pusth kuehen,
Bcy trage. Lemgo 1769. v. Donop, hist.-geogr. Besehrcilning der lippi-
si hen LHtide. 2. An«. Lemgo 17!H).
86) \rg|. V fnnnensehtnid, Das Weiliwasser etc. Veit mann, Funde
von Köiiiermünzcu im freien Germanien und die Ocrtlichkcit der Varus-
.schlacht. Osnuhrüik IMi.
140
A 11 1 o 11 K i s a :
unweit der Exteriisteine sind nach Hainclnianirs und Wasser-
I» uc Ii 's Ansähe germanische Waflcn aufgefunden worden, wcl<'lic
dieser mit der unvenneidlielien Varusschlacht in Verbindung bringt *'').
Mit «lieser Nachricht an sieh ist freilich nicht viel anzufangen, «la
die fraglichen Warten nirgend mehr vorhanden sind; aber Funde
von germanischen, d. h. sächsischen Warten sind nicht unwahrschein-
lich, denn alles deutet darauf hin, <la*s die Gegen«! in der .Sachsen-
zeit von hervorragender Hetleuttmg war und in den Kämpfen gegeu
Karl d. Gr. eine grosse Rulle spielte. Hei Detmold fiel 78f) eine
Schlacht. Aus «lcrselbeu Zeit rühren »lie Refestignngcn der Groten-
burg her, jenes Hügels, auf welchem sich jetzt das Hermannsdenk-
mal erhebt: sie bestehen aus dem sog. grossen II ünenringe, «ler »lie
obere Platte umzieht, «nuer am Ostfnssc errichteten, o m dicken und
mannshohen Mauer, die den äusseren King bildete und dem kleinen
Hüncnringc zwischen lieidcn. Hierzu kommt das Lager auf dem
Tönsberge mit der angrenzenden .Stapelager Schlucht >s:. I>a*s «liese
Anlagen mit «len Cheruskern und der Varusschlacht nichts zu thun
haben, wird jetzt allgemein zugegeben: sie reichen nicht hinter die
Sachsenzeit zurück.
Man hat die (trotte mit dem Mithrasknlte in Verbindung ge-
bracht, welcher von den römischen Truppen daselbst eingeführt
wonlen sein soll H:') und noch heute halten einzelne Lokalfoi seher an
•S7) Haiiielinanii berichtet l.'iSi» in seiner Abhandlung über diu
westfälischen Dynasten, es hätten vor seinen Zeiten «lie Hauern, als eic
«las Wildland auf «lein Winttelde ztmrst unter den PlUig nahmen, beim
Brechen des Hodens Menschcnkiiochcti , Bruchstücke von Schwertern,
Speeren, Dolchen, von vielerlei Watten und Kiscn zur Wrtlieidiguiig. so-
gar römische Münzen gefunden, tlieils goldene, theils silberne, mit den
Bildnissen di>s Julius, Anguslus, Agrippa und anderer Crossen. Dio
Münzen und deren rmschriften liab ■ selbst vor 2<» Jahren in Lemgo
gesehen, wo sie nun g«-bliebeu wiireii, wissi- er nicht. Seine Nachricht
bestätigt 1«!27 Job. IMdcritius. Wasser buch schreibt in seiner 10Ö8
erschienenen Abhandlung „De statu« illustri Hanninii . . . vulgo llirinciisul",
nachdem «>r Hainolinann's Hericht wii««lergegeben : rExhiber adhuc hodie
Dorna gladios ens« s<|ue vetu-tns, «^uint. Varo <i«ii peperc in cein «juos et
jioeta Sabinus vidisse in Wcstphalia gloriatur." Dies« Angaben sind, wie
Mcnadier in den Verhandlungen «icr nuiuisiuat. «les. zu Herlin 188«J
nachwies, bezüglich der römischen Münzfumle «inzuvcrlastdg.
88) Vgl. L. Hölzer mann, Lokaluntersuchungen, die Kriege der
Römer und Franken, sowie die Hel'estigungsmaniereu der (ie.rnianen,
Sachsen uu«l <les späteren Mittelalters betroffend. Münster 1878.
89) J. VV. J.Braun stellt in seiner geistvollen Schritt „Die Extern-
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IMe Externstem«-.
Iii
der Ansicht fest, dass hier «ler Schauplatz der grossen Hermanns-
schlacht gewissen sei. Die Wissenschaft ist darüber längst hinweg-
gegangen und hat nachgewiesen, dass alle Spuren eines längeren
Aufenthaltes der Kömer in dieser <;<>gend fehlen. Was von römi-
schen Mün/.fnndeii in dieser Ogewl berichtet wird, ist theils nnver-
kisslich, theils doch noch kein Beweis dafür, dass diese Müir/cn einst
im Besitze von römischen Soldaten waren, welche hier durehmar-
schirten «»der sich hier niedergelassen hätten, denn Römermünze»
finden sich ja auch in Gegenden, welche nie der Fuss eines Legio-
närs betreten hat, wie im Inneren Deutschlands jenseits der Elbe tHl).
Sie sind durch den Handelsverkehr hereingebracht worden, kommen
oft in germanischen CJräbern als Beigaben vor uml behalten in den
Kheinlaiiden ihren Umlauf bis in fränkische Zeit hinein. Was den
grossen Kund von Hufeisen betrifft, welcher in der Stadt Horn f>m
unter dem Strassenpflnster gemacht wurde, so ist derselbe wissen-
schaftlich nicht zu verwertlien. da Beigaben, welche eine ciniger-
massen genaue Zeitbestimmung ermöglichen würden, fehlen. Ent-
Kcheidi'nd ist der Umstand, dass in der («rotte seihst und in ihrer
nnmittclharcn Umgebung niemals ein Römcrfund gemacht wurde und
nichts auf römische Arbeit und im Besonderen auf «lie Bestimmung
zum Mithrasknltns hinweist. Die Anlage der Käuine hat zwar eine
entfernte Aclmliclikcit mit einigen in den lebendigen Fels gehauenen
Mithrücn. wie «lern zu (ilam ck in Kärnthen, zu Schwarzerden im Elsass
u. A. alier dies liegt wohl daran, dass man an allen diesen Orten
Nalurböhlen und Felsspalten auf mögliehst einfache Weise in eine
ivgchnässige Form zu bringen gesucht hat. Allenfalls könnte das
grosse Becken im Boden «len Mithrastheoretikern eine Handhabe bieten,
wie sie denn auch nicht säumen, dasselbe als „Krater, als Symbol
steine-, Bonner Wiiukelinannsprograinni l.säh, «lie Mithrastlnotie nur ver-
umthungsweise und anscheinend ohne «las Relief an Mit uml Stelle ge-
sehen zu haben, auf. Veranlagung hierzu bot ihm «lie heilatiligo Be-
merkung Ooeilie's zu Kunst uml Alterthum V., dass Sonne und Mond
auf dem Üelicl an gleiehartige Darstellungen auf Mithrasbildcrn erinnerten.
Neuerer Zeit üb«'itragt nehen allerlei anderen phantastischen Kinlllllen
(!. A. B. Sc Merenberg auch seine MithrasschvärimTei auf die Grotte.
!>0) Vgl. Nordhoff, Ronner Jahrbuch 84, p. Uli. Veltmnnn, a.a. O.
— (I. Freus», l'eber die im hiesigen Lande gefundenen Koineiinün/en
Lippischc I.andcszcitung ls~s*>. Beilage zu Kr. 211 u. 2*«i.
Vgl. Miilh. d. C. f., X. F. VIII. p. XXII und Bonner Jahrbuch
IV. p. !>4 f.
112
Anton Kisa: Die Kxtrrnsteine.
des Heiligen Quells, wie er in den f! rotten Zorvasters geflossen",
weidlich tür ihre Lieblingsidee auszunützen. Aber es ist, wie er-
wähnt, durchaus keine ausschliessliche Eigentümlichkeit des Mithras-
kultcs, sondern ein Erfordernis» aller Xaturreligionen, die mit bluti-
gen Opfern verbunden waren und findet «ich auch in germanischen
nnd keltischen Tempeln. Dagegen fehlt bei den Mithriien durch-
wegs da« fllr diese bezeichnende Hciligthum auf der Anhöhe, welches
gerade an den Kxternsteinen in einer so auffallenden Weise ange-
bracht ist. Die Möglichkeit, dass die (trotten schon vor der Sachsen-
zeit Kultuszwceken gedient haben, bleibt dabei offen, wenn wir auch
keine Beweise dafür haben und nur im Allgemeinen aus dem Cha-
rakter der Lokalität und den gemeinsamen religiösen (lewohnheiteu
germanischer Stämme den Schbiss ziehen können, dass auch schon
die Cherusker, durch die Seltsamkeit der Xaturgebilde angezogen,
hier eine Opferstätte errichtet haben, welche von ihren stammver-
wandten Nachfolgern beibehalten und weitergepflegt wurde. Will
mau bei den Kxternsteinen noch hinter die beglaubigte sächsische
Vorzeit zurückgehen, so kann nur die einheimische Bevölkerung in
Betracht gezogen werden und nicht die Römer. Immerhin ist es
nicht ausgeschlossen, sogar wahrscheinlich, dass die Abdinghöfcr, als
sie daran gingen, den alten Sachsentempel in ein christliches Heilig-
thun! umzugestalten, antike Ci rottenanlagen im Auge hatten, die sie
am Rhein gesehen haben mochten uud dass durch die Erinnerimg
an die Reliefs des stiertödtenden M ithras in ihnen der (ledanke ent-
stand, das grosse Opfer, durch welches der Welt Heil wiederfuhr,
neben dem Eingange des Heiligthuincs darzustellen. Auf diesen
kleinen Kern schrumpfen die. Mithrasphantasien bei unbefangener
Betrachtung zusammen. Vielleicht haben die Abdinghöfcr aber auch
die Luxemburger Orottc gekannt; sie waren ja ans der Xähe. aus
Lothringen gekommen und unterhielten wohl noch Jahrhunderte
lang Verbindungen mit dem Mntterklostcr. Freilich wissen wir nicht
genau, wann die Luxemburger (trotte zur Quirinnskapelle umgestaltet
wurde, ob dies früher oder später erfolgte, als die Umwandlung
der Extemsteinc in eine christliche Kirche; die Weihe beider fällt
wohl in die gleiche Periode, in das Zeitalter der Kreu/.zllge und
das Vorbild der einen mag damals für die andere maassgebend ge-
worden sein.
14H
4. Ein „lavacrum" des XII. Jahrhunderts.
Von
Dr. J. A. Feltli.
Mit einem Holzschnitt.
Das lieft LXXV dieser Jahrbücher brachte inl elegante Mit-
teilungen über liturgische Schüsseln des Mittelalters. Herr J. Al-
denkirchen ans Viersen beschrieb daselbst drei derartige im Innern
aufs reichste mit eingravirten figürlichen Darstel binden geschmückte
Schüsseln, welche sieh damals (UWJ) in der Sammlung des Herrn
Dr. Win^s in Aachen, in der Sakristei des Domes zu Xanten
und im l'roviii/iabunseum zu Trier befanden. Versebiedene Gründe
gestatten, nach der Ansiebt des Verfassers, die Anfertigung dieser
Schüsseln mit Sicherheit in das elfte Jahrhundert zu setzen, wäh-
rend ihm die einzig mögliche Zweckbestimmung derselben die
Aufnahme des heiligen Oels bei verschiedenen kirchlichen Salbun-
gen zu sein scheint.
Zwei Jahre später wurden in der Stadt Gent auf dem Boden
eines Flusses in der Xähe einer alten Drücke zwei einander ähn-
liche Schüsseln gefunden, welche in Form und Grösse den von
AI denk ircheu beschriebenen entsprechen, jedoch ganz andere Ver-
zierungen zeigen. Baron J. Bethnne de Vi Hers hat in einer Ab-
handlung „Lcs bassins liturgi»juesu ') eine Beschreibung dieser Gen-
ter Schüsseln gegeben und dabei auch der Schüsseln von Aachen,
Xanten und Trier gedacht, ohne sich in Bezug auf die inuthinass-
liche Zweckbestimmung der Meinung des Herrn Aldcnkirehen
anzuschliesseu.
Eine vor einiger Zeit in Groningen, der nördlichsten Stadt
der Xiederlandc, entdeckte Schüssel, welche das dortige Stadt- und
Provinziabnusenm erwarb, bildet eine werthvolle Bereicherung unse-
res Besitzes an derartigen Stücken. Das Fundstüek wurde etwa
!,:")•) in unter dem Boden beim Auswerfen der Fundamente eines
1) Hcvne de l'nrt t-hrctieii, Tome IV livraison, 1K«8.
141
.1. A. Foitb:
Hauses, ausgegraben. IJei fast gleicher (Irösse zeigte die Schüssel
dieselbe massig vertiefte kreisrunde Form, wie die fünf oben er-
wiihnten Schalen, sie misst im Durchmesser ohne den Rand 27,f> cm
und in der Höhe f>,5 cm. Versehen ist sie mit einem schmalen um-
gebogenen flachen Rande von 2 cm. Das .Material, ans welchem
sie hergestellt ward, ist Kupfer, welches schwer vergoldet worden
ist. Nur an einzelnen kleinen Stellen ist das (Johl jetzt verschwunden,
die Innenseite und die Aussenseite zeigen noch immer eine boch-
gelbe (Johl färbe. In der eoneaven Wandung sind fünf und auf
der Rodcnflaehe eine sechste bildliche Darstellung angebracht, welche
von verschiedenen Kreisen und Halbkreisen umrahmt sind.
Ringsum zwischen diesen Halbkreisen sind grössere Halb-
kreise eingravirt. welche je drei Medaillous enthalten. Es sind
Digitiz
. t
Kill .lavamuu* des X. Jahrhunderts.
(Icimiacli fünfzehn kleine Medaillons vorhanden, welche jedes ein
lateinisches Wort umrahmen. Die Medaillons sind durch Verzie-
rungen, sehr einfach mndcllirtc Säulen und Lotushlumcn von ein-
ander getrennt. Aehnliche Verzierungen findet man auf den bei-
den Genter Schüsseln; die Kreise, Medaillons und Verzierungen
sind die gleichen, nur die bildlichen Darstellungen, ihre Anzahl
(die Genter Schusseln Italien deren sechs) und die Worte stimmen
nicht tlherein.
Das Mittelhild im Hoden zeigt eine sitzende menschliche Ge-
stalt, welche in jeder Hand ein Much trägt. Die Form des Buches
ist auf unserer Schüssel nicht sehr deutlich, auf einer der (Jenter
Schüsseln ist jedoch die gleiche Gestalt als Mittelhild darge-
stellt und sind dahei die II lieh er sauhcr und genau gezeichnet,
auch liesst man hier neben dem Bilde zu beiden Seiten die Buch-
staben A und CO; wahrscheinlich stellt demnach das Mittelbild Chri-
stus, das Alte und Neue Testament festhaltend, dar.
Die fünf Bilder ringsum sind Brustbilder von Menschen, welche
einen orientalischen, wo nicht ägyptischen Typus zeigen: eine Kopf-
binde, welche übrigens auch das Mittelbild trägt, schmückt ihre
Häupter. Bei den Center Schüsseln ist dies anders. Auf der
einen sind die Häupter des Mittelbildes und der sechs Bilder rings-
um mit Ximben versehen und sind die Wörter in den Medaillons
insgesamint Namen von Tugenden. Auf der anderen trägt das
Mittelhild eine Kopfbinde, dagegen sind die Brustbilder mit einer
vierspitzigen kroneunrtigen Kopfbedeckung ausgestattet, welche
offenbar in Beziehung steht zu dem Inhalte der Inschriften der Me-
daillons, durch welche wir auf die menschlichen Sünden hinge-
wiesen werden1). Kann man demnach die mit Nimben versehenen
Figuren für Bilder von Heiligen und die Kronenträger für solche
menschlicher Sünder erklären, so werden wir nicht fehlgreifen, wenn
wir in den menschlichen Figuren auf unserer Schüssel die Darstel-
lungen von Menschen, den Trägern von Tugenden und Sünden ver-
mutheu. Hierauf deuten auch die neben einander auftretenden rings-
herum aufgezeichneten Namen der Tugenden und Sünden hin. Diese
Wörter sind durch den des Lateinische!) offenbar nicht kundigen
Verfasser derartig entstellt worden, dnss es nur mit Hülfe einer
1) De Rciliunc 21 weist auf die Analogie '/.wischen diesen Bil-
dern und den HnrusliiMern auf den alten :i;r\ ^tischen iMniiumenleii hin.
Jahrb. il. V.T. v. Alterthuiiisfr. im Uh.inl. XflV. 10
14C
.7. A. Feil Ii:
Vergleichung mit den Center Schusseln möglich ist. ihren Sinn fest-
zustellen.
Auf der (lenter Schüssel der Tugenden lauten die In-
schriften :
IGN
BO (hcni,,nilti.H) MN
NIT SVE
[hon Ho s ) ( man su et mi o)
MD
EST
CA imoilesfio) RE
TIT LIG
mtstifos) (rclitjio)
PAX
PR «/»'«) OBE
DEN DIN
K)irmlnitio) (uhrdiciitia)
FOR
TIT
IM iforUhnio) |VS
EBV TIC
{imi>erturl>oiii>\ {justieia't
PR
VID
PE tymrttlmtia) RA
TA 10
{pii'hi«) . (ratio)
DS
ICP
SC (iHsti/ilina) CN
TA IEN
isrinrtitas ?) yronxrirntia)
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Ein „lavacrum" <les X. Jahrhunderts.
147
Auf der Schüssel der Sflnden lesen wir:
INM
MA
LIC
{malicia)
VNDI
(immundicia)
EBR
IET
(rbrittas)
CR
APV
(craputa)
FRA
VS
(frans)
EMV
LAT
(emidolio)
CON
TEN
(rontrnfio)
AM
BIT
{ambitiu)
SVS
PIC
(swtpiciu)
DOI
VM
(od htm)
PE
CCA
ipeccittitnt)
ODL
VS
(dolus)
PIG
RIC
(piyricia)
VAN
ACLO
(rana gluria)
DES
PERA
(desperat io)
TRI
STIC
(trist iria)
DIS
SEN
(disseti.tus)
FVR
OR
(fiiror)
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J. A. Fi-itli:
Di r Iusehriften-Ovklns der in Oroningen entdeckten .Sehlt*sel
lautet :
MA
LIE
(malii i<t\
INM
VND
<in»iiiiuiiciii\
EBR
IET
iehrirtas)
CAS
TIT
(castitas)
FRA
VS
{frans)
EAW
LAT
\emnfafio)
CUN
TEN
(CO/ltl'lttio)
RE
• CCA
{/tri rat um I
ODL
VS
Uluttis)
PRI
VM
(Olfilllll?)
PE
CCA
Iprrnitiinn
ODL
VS
(dolus)
TRI
SAI
(Iristiria)
DIS
CIP
idisriplinn)
CONT
NIE
(cuntinentia)
Man würde es ohne Kennfniss der Center Schüsseln nie-
mals wagen PRIVM als ODIVM, RECCA als PECCATVM und
TRISAI als TRISTICIA zu erklären; da hier jedoeh diese abge-
kür/.ten Wörter weniger fehlerhaft, und dahei in gleicher Ordnung
in demselben Wi.rtertim %ns:umiicntrenVii, so ist unsere Deutung er
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Ein „lavai-runi" des X. Jahrhunderts. 149
laubt. E* ist klar, wie wir bereits oben hervorhüben, dass dem
Künstler, welcher die Schüssel offenbar nach einer Vorlage schmückte,
die lateinische Sprache nicht geläufig war und dass er die Buch-
staben als Verzierung, des Sinnes der Wörter unbewusst, darstellte.
Ks erübrigt jetzt noch die Frage zu erörtern, welchem Zwecke
diese aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem XII. Jahrhundert her-
stammenden Schüsseln gedient haben. Herrn Aldenkirchen er-
scheint die Bestimmung zur Aufnahme des heiligen Ods hei ver-
schiedenen kirchlichen Salbungen als die einzig mögliche. „Somit",
so schreibt derselbe, „dürfen wir, da eine andere Zweckbestimmung
sich nicht ergibt, in den von uns veröffentlichten drei Patencn aus
Aachen, Xanten und Trier gewiss auch solche patenae chrismalcs
sehen, iu welche bei der Vornahme kircldieher Salbuugen uud na-
mentlich bei feierlicher Ausspendung der Sacramente der Taufe,
Firmung und Priesterweihe aus grösseren Ampullen das zur Ver-
wendung kommende h. Gel gegossen wurde. Die im luneru der
Schüsseln angebrachten bildlicheu Darstellungen der Parabel vom
barmherzigen Samariter, der nach Luc. X 31 Oel und Wein auf
die Wunden seines Mitbrnders goss, die so überaus sinnige, tief
symbolische Vcransehauliehung der sieben (laben des h. fJeistes uud
die Verse auf «lern äussersten Hachen Rande der Xantener Schüssel
enthalten einen direkten Hinweis auf die Benutzung der Schüsseln
bei Spendung der Sakramente als Pateneu für das h. Oel.u
Aber, so hat schon Baron de Bethiine gefragt, zwingt
nicht die Entdeckung der Genter Schüsseln, diese Hypothesen zu
moditieiren? Er vertheidigt die Ansieht, unsere Schüsseln seien
Waschbecken, sowohl zum kirchliehen Gebrauche bei der Messe,
als auch zum Gebrauch der Ritter in den Schlössern. Eine ähn-
liehe Schüssel in der Xational-Bibliothck zu Paris, welche mit Dar-
stellungen der Haupt-Episoden aus dem Leben des Achilles ge-
schmückt ist, mit Bildern unstreitig nicht geistlichen, sondern heid-
nischen Charakters, giebt ihm das Recht, eine derartige Meinung
auszusprechen und zu verfechten. Ich persönlich bin nicht abge-
neigt die Groiiinger Schüssel für ein Waschbecken zum kirchlichen
Gebrauch zu erklären. Eine bereits im Jahre :i47 bestehende Vor-
schrift der katholischen Kirche befiehlt den Priestern die Hände
zu reinigen, bevor sie die heilige Messe auftragen. Dabei ist für
die Beantwortung unserer Frage eine iu der Chronik der berühmten
Abtei von Adnard (in der Nähe von Groningen) sieh vorfindende
IFiO J. A. Fiith: Ein „Uvarrum» des X. Jahrhundert*.
Notiz von besonders grosser Bedeutung. Iiier enthält die Lebens-
beschreibung des Abte» Engerdas ( 12<i8~-12«7) folgende Stelle1):
rfecit praeterea fundi lavacrmn aeneum ante refeetorinm, in qno
trat res iiiaims abluercnt antcqnam altarc vel mensani aeeederent; in
qno lavacro Koniana litera hi versus sunt conscripti:
Sonics mentales magis ablue quam manualcs,
Intieiunt tales quia plus quam materiales;
Hoc non carnalc* sapiunt, sed spiritualcs."
Hieraus geht hervor, dass derartige kupferne, mit eingravirten
figürlichen Darstellungen oder Inschriften geschmückte Schüsseln,
lavaern, lavaria oder lavatoria in der Umgegend von (Ironingen in
Gebrauch waren. Dieselbe Thatsachc beweisen auch einige luven-
tare kirehlicher Gerftthe aus dem XV. und XVI. Jahrhundert, in
denen diese Schusseln in der Landessprache „rnesken lavoirs* ge-
nannt werden. Endlieh spricht es entschieden für die Verwendung
der («roninger Schüssel als ein kirchliches Waschbecken, dass
ihre Fundstelle die ehemalige grangia eines Jakobiner-Klosters war.
1) Yitne ae gesta abbatum AdwerdmiMUtn. Ed. V. Koppius, Gro-
ningac IfiäO, pag. 11.
151
5. Die Funde von Gleuel.
Von
J. K Wilkenberg.
Das alte Pfarrdorf Gleuel, etwa 2 Stunden sltilwestlicli von
Köln gelegen, welches bereits in einer Urkunde Zwentibold's vom
Jalirc 898 unter dem Namen Cloufo erwähnt wird, hatte bishcran
keine Ausbeute an Alterthümcrn geliefert, als es im März d. .1. den
genannten Mangel durch um so reichere Spenden wieder ausglich.
Man verdankt dieselben der dem 1 1 . Jahrhundert angehörenden ro-
manischen Pfarrkirche, welche, dem Bedürfnisse längst nicht mehr
genügend, einem Neubau hat weichen müssen. Die Funde gehören
den verschiedensten Epochen an. Darf schon das aus dünnem Leder
gefertigte und bemalte Messgewand eines in der Kirche begrabenen
Priesters, wohl eines Pfarrers aus dem 17. Jahrhundert, immerhin
als eine Merkwürdigkeit bezeichnet werden, so verdienen weit
grössere Beachtung die ans verschiedenen Zeiten stammenden Ge-
webe und Stickereien, welche den in den Altären geborgenen Reli-
quien als Umhüllungen dienten uud demnächst von sachkundiger
Seite geprüft und gewürdigt werden sollen. Dazu kommen Stein-
Überreste aus der romanischen und fränkischen Epoche, darunter
ein sehr gut erhaltener karolingiseher Grabstein in Trapezform mit
aufgezeichnetem Kreuz und Rosetten, sowie das Fragment eines an-
dern, welches zu einem romanischen Kämpfer verarbeitet ist.
Am merkwürdigsten sind die aufgefundenen römischen Altcr-
thttnfcr. Das gotbische Sakramentshäuschen enthielt einen Theil
eines römischen Grabdenkmals mit der bekannten Darstellung des
auf dem lectus trieliniaris ausgestreckten Verstorbenen. Von letzte-
rem sind noch Kopf, Hals und rechter Ann sowie die Nische, in
der das Relief angebracht ist, erhalten; die übrigen Theilc sind durch
Abbauen versehwunden. Zwei Ucberrestc eines anderen Grabmonu-
mentes aus Kalkstein fanden sicli in den Fundamenten vor, während
das ehemals zwischen beiden befindliche Stück fehlt. Das Denkmal
seheint einem römischen Reiter anzugehören. Das obere Stück
lässt noch zur Linken die sehr roh gearbeitete und stark verletzte
152
J. K lin kenbcrg:
Gestalt eines Waffenträgers erkennen; Keitcr und Pferd sind bis auf
Koste von den Füssen des letzteren, die man am oberen End« des
unteren Stückes zu scheu glaubt, verschwunden. Auf letzterem
stellt auch die Inschrift, deren Schluss fehlt. Die mehr eingeritzten
als eingehaltenen Buchstaben, welche noch die Spuren ehemaliger
rother Hemalung zeigen, erinnern in ihren Formen an die römische
Cursivschrift. Die Inschrift lautet:
AVRVIN
l V*KDrN
Zeile 1 lässt das zweite Wort die Ergänzungen ]'i>niciux),
l'ini mitts), Vin m/msi oder Vit*, im) zu'}. Zeile '2 sind an den
beiden E die Querstriche sehr klein und undeutlich; das zweite
könnte gradezu als I genoiniuen weiden. K dürfte trotz des .Scha-
dens, den hier der Stein gelitten hat, sicher sein. Als Ergänzung
des ersten Wortes dieser Zeile bietet sich das häutig auch in Köln
auf Töpt'erstcmpeln vorkommende Eiik[<irpu*)-;: mau könnte auch
an Ettk\jes) oder Euk \rotm') denken1". Für den Schluss der zwei-
ten Zeile schlage ich die Lesung de n n utero) vor4). Die rohe
Ausführung des Reliefs und tler Inschrift, die Buchstahcuformen, der
doppelte Gcutilnamc, vielleicht auch die Erwähnung der Numeri
und der Ausdruck de utimero ohne Beifügung von milex oder eqnes ')
weisen, alles zusammengenommen, auf eine späte Zeit, wohl auf
das 4. Jahrhundert hin.
Den schlecht erhaltenen Grabdenkmälern schlicssen sieh eine
lieihe besser, z. T. sehr gut erhaltener Wcihedciikmäler au. Dahin
gehört zunächst eine 1,47 tu hohe, Ü,7G tn breite und U,.">4 in dicke
Matronenädikula aus gelbem Sandstein, meines Wissens die statt-
lichste, welche in unsern (legenden zu Tage gefördert worden ist.
Dieselbe enthält zwei Nischen über einander. In der obern klei-
nern sitzen die drei Matronen, zwei mit Wulsthauben angetban,
die mittlere ohne dieselbe. Auf dem Sehoosse halten sie theilweisc
Ii C. I. L. XII 1023. 2032. 1W.1. Kpli. c|djrr. VII 121«.
2) V-l. U. J. LXI S. 103, 10H, 112; ausserdem C. J. L. XII 3507
u. s. w.
:i) V^l. C. I. L. XII ülHX) uinl 5()i>7t 8.
1) Durch N ali^fkürzt sc. 1!. in der von Moiniiiscn herausgegebenen
Soldatenlistt: U. J. 1AVII 8. 47 f.
Ti) Muratnri 1031», ,r>: Rinnne) mtfmorinv.) hic ineit Sey/itis die) scola
yentilhnn.
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Die Funde von Gleuel.
zerstörte Fruchtkörbe. Die auicre Nische zeigt eine Opfcrsccuc,
ähnlich der auf den Denkmälern der Matronae Cuchinehac 1 ) und
Kttrahenac et Gesahenae*) den Roimcr Museums; nur sind auf letz-
tem 4, auf dein unserigeu .'5 Personen bei dem Opfer bcthciligt,
wie es auf dem verlorenen Antweiler Steine der Fall war*). In der
Mitte steht in schräger Stellung der Altar, rechts von demselben
eine weibliehe Person mit einer Wulsthanbe (Matrone?*, hinter dem
Altar und links von demselben zwei Gestalten, von denen die er-
stere eine Kopfbedeckung mit auf den Rücken herabfallenden Rän-
dern trägt. Leider lässt sich die Thätigkeit der einzelnen Per-
sonen in Folge der Verstümmelung mancher vorspringenden Theilc,
besonders der Hände, nicht mehr erkennen. Auf der am meisten
sichtbaren Seite des Altars scheint ehemals die Weihinschrift ge-
standen zu haben. Auch die Seitenflächen des Denkmals sind mit
Reliefs geschmückt, unter denen links eine Vase zn erkennen ist;
die rechte Seitenfläche stand bei meiner Resichtignng zu ungünstig,
als dass sich etwas Näheres über dieselbe sagen Hesse.
Zwei der in den Fundamenten der Kirche gefundenen Weih-
inschriften sind Juppitcr Optimus Maximus gewidmet. Die eine
ist eine Kalksteinplatte von 0,ö6 m Höhe und 0,44 m Breite, unten
mit einem Rande versehen und auf den Seitenflächen mit je einer
Palmettc geschmückt. Die Inschrift lautet:
MVLPIVS
NOREllA
NVS
V S L M
Vor- und Geschlecbtsnamc des Weihenden legen die Verum-
thnng nahe, dass derselbe durch den Kaiser Trajan das römische
Bürgerrecht erhielt.
Das andere Denkmal ist ein mächtiger Kalksteinblock, ca.
D/iHiti breit, 0,H8 m hoch und 0,Cf> m dick; oben und unten ist er
mit einem ca. 0,10 m breiten, rings herumlaufenden Rande umge-
ben. Er trägt in grossen, zierlichen Lettern die Inschrift:
1) Ihm, Matrnueukultus Nr. 255.
■2) A. a. O. Xr. 305 n. S. 4(1.
3) A. n. O. Nr. 221. Da* Kelief auf demselben wird .so beschrieben:
viulier, rir litanles ad armn; stat intermeifhis ptier. Vgl. Sehn mint,
Eitlia illustrata I 1 Tai'. II S und* VI 21.
154
■I. Kliiikeuherg:
I • O h
SACRVAr
CIVNIVS
FRONTINIV*
VISSV-IVSSV*
Bomcrkenswerth ist <ler doppelte Gcntilname, welcher zusam-
mengehalten mit dem Charakter der Htichntaltca die luselirit't dem
2. .Jahrhuudcrt oder dem Anfang des 3. zuzuweisen scheint.
Am bedeutsamsten unter den Funden ist der 0.H8 m lndie,
0,705 m breite und 0,f),"5 in dicke Block von rothem Sandstein, wel-
cher den Kern des Hochaltäre» bildete. Während ihn unten rings
hemm (mit Ausnahme eines Thciles der Küekseitei ein liand um-
gibt, ist er oben ohne Abschluss und trug hier jedenfalls eine Aedi-
kula mit den Hildein der beiden Gottheiten, denen das Denkmal
nach der Inschrift geweiht ist. Diese lautet:
?\ HVECCANIS
AVEHAEET- KEL tVESAE
SEXTlVAL-PEREGRIN
ET VAL FlClO FRAF5ES
EX REDITV IPSARVM
L P
MVCIAHOT-FABIANOC.?
201 |>. Chr. ii.
Der Zeile 1 fehlende Buchstabe kann nach dem erhaltenen
Beste und der Beschaffenheit des Wortes nur A gewesen sein. Das
hier /.«erst auftretende Gmtinnenpaar der Ahuekkauen ist celtisch, wie
das ans den Beinamen der Matronen sattsam bekannte Suffix -<7w in
Ai'-i'hn beweist1). Vielleicht liegt auch i\\ Ahuwtmis das eeltische
cun — Burg, Niederlassung, mit welchem die Matronenbeinamen
OctocaitHfie i/h-twanae) und Xeccanm'luie gebildet sind*'. Ueber
den Charakter dieser Göttinnen lässt sich aus unserer Inschrift kein
Schluss ziehen; vermuthlich waren es scgcnbringeiide (Jottheiten,
ähnlich den Matronen. Ein Belief im Museum zu Poiticrs stellt
zwei müttcrliclie Gottheiten dar, die je drei Früchte im Schoosse
1) V|?l. Ihm, Matronenkultus S. .i±
2) Ihm, a. n. O. S. 2«.
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Die Funde von Gleuel.
155
tragen, während die eine zwischen beide ein Füllhorn hält '). Auch
der Frankfurter Stein mit der Widmung Duabux*) und der Al/.eier
mit DvNYMPHIS;\i können hier vergleichsweise herangezogen werden.
Zeile 3 ist SEXTl — tiextii, wie auf der Inschrift des Kölner Mu-
seums Düntzcr Nr. 2'2'J: Valerix Acitianu et Grat hüte. Neu ist
unseres Wissens die Wendung ex reditu ipxarum: die beiden Brü-
der, unter denen wir uns die Curatores der genannten Göttinnen
denken müssen, haben die Kosten des Monumentes aus der Kasse
des Hciligtliumcs bestritten. Letztere war gewöhnlieh auf Grund-
besitz fundirt; dazu kamen laufende Einnahmen, besonders aus den
Sportein bestehend, welche für die Darbringung der Opfer gezahlt
wurden'). Man vgl. mit unserer Inschrift C. I. L. XII ">370:
T. Valeria* C. f. Seuevio .... magixt ri pagi ex reditu fani Lnr-
raxoni cellax faciund(ax) curaceruut uud Uenzen Nr. älHKJ:
Fanniux M. /"..... fanonun curatores ex pecunia fanatica faci-
undum curarunt idemque probarunt.
1) Abgebildet bei Ihm, a. a. (). 8. 54.
2) Ihm, Nr. 4-13.
3) C I. Kh. 877. Nach Ihm zu lesen: du\abus\ Nymphix.
4 t Vgl. Mo in ins cn, Römische .Staatsverwaltung II S. 80 IT.
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II. Liüeratur.
1 . Dii> Kunst «I e n k in ä 1 «• r il e r R Ii «• i n p r o v i n z. Erster Üaml.
III. Die Kitnstdcukmalcr d«is Kreises Mörs. IV. 1 »if Kunstdcnkmaler
dos Kreises Kleve. Zweiter Band. I. Die KunstdenkmiiUr «los Kreises
Rees. Im Auftrag«! dos Provinzialv«-rbandos der Rheinprovinz heraus-
gegeben von Paul ('leinen. Düsseldorf, L. Schwann, \W± gr. 8.
VI und 170; VI und ISO; VI nnd lös S. Preis fi M.; ;V>0 M. und GM.
Das jrros.se. von dem Provinzialvorbande der Rheinprovinz unter-
nommene Werk, dessen beide ersten Lieferungen wir an dieser Stelle vor
etwa einem Jährt- besprachen t.Iahrb. S. 2;k'S ff.'i, nimmt seinen rüstigen
Fortgang. Dr«'i weitere Kreise haben sieh den dninnls behandelten beiden
angeschlossen und hierdurch ist nicht nur der erste Hand der Sammlung
zu Kurte geführt, sondern auch der zweite begonnen worden. Der nörd-
lichste. Theil der Provinz ist damit erledigt, es werden sich zunächst «Ii«
Stadt Duisburg, die Kreise Mülheim a. d. Ruin und Ruhrort, Stadt und
Kreis Essen, Stadt und Kreis Düsseldorf anschließen, deren Bearbeitungen
theils unter «ler Presse, theils in Vorlx-reitiiug sich befinden. Die Anord-
nung in den einzelnen Metten ist die gleiche wie in den ersten Lieferun-
gen, in denen sie sich als praktisch und übersichtlich bewahrt hatte. Auf
einige allgemeine Angaben über den gcsammten Kreis folgen die durch
ihre Denkmäler wichtigen Orte in Alphabetischer Folge, dann eine Karte
«los Kreises, endlich ein kurzes Register der orte, Sammlungen und Abbil-
dungen. Auch Ausstattung, Druck, Illustrationen sind gleich ansprechend
geblieben. Hervorheben können wir dabei mit grosser Befriedigung, <lass
letztere iu verhiilrnissmiissig grösserer Zahl sich vertreten finden als in den
ersten Heften. D«>r Idealzustand, dass jedes irgendwie nennens oder be-
aohtouswerthe Denkmal durch eine Abbildung vertreten ist, wie ihn die
neue .Beschreibung der antiken Skulpturen" des Berliner Museums erreicht
hat, wird ja selbstverständlich der Kosten halber bei einem so umfassen-
den Werke nie zu gewinnen sein. Je mehr man sich aber demselben
nähert und je. zahlreicher die Illustrationen werden, um so werthvoller
wird ein solches Inventar für die Wissenschaft sein. Die aufgenommenen
Bilder sin«l mit .Geschick ausgewählt, sie reproduciren die h<TVorragond-
sten Stück«; und siml bei Arcbitekturtheileii und Ansichten so gefer-
tigt, dastt sie thatsltchlich ein klares und anschauliches Bild des in Rede
stehenden Gegenstandes gewahren.
Der Absehluss <les ersten Bandes wird gebildet durch zwei Seiten
Nachträge mit Berichtigungen, welche besonders zu der aufgeführten
Litteratur Ergänzungen enthalten und dann ein umfassendes Gesammt-
register zu dem ganzen Bande. Dasselbe ist sachlich g«-ordnet und be-
ginnt mit den römischen Resten (Städte, Hager. Kastelle, Grenzwehreu,
Paul Giemen, Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz.
lf>7
Strassen, Grabfunde, Skulpturen, Münzenfuixlc). Dann folgen germanische
tind fränkische Reste (Befestigungen, Grcn/.wehren, Grabfunde), Kirchliche
Architektur (Romanisch mit l'ebergangsstil, Gothiseh, Kirchen des 1(>— 1K.
Jahrb. i, Profanarchitektur, also Hurten, .Schlosser, Befest igungen, Rath-
bHuser, Wohnhäuser, Landwehren, ßauernhiiuser. Hieran schlicssen sich
Kinzclarbeiten, so zunächst die Ausstattung der Kirchen (Altäre, Sakrn-
montshäuschen, Lettner, Dreisilze, Chorstühle. Taufstühle, Grabdenkmäler
u. s. f.), dann Werke der Malerei einschliesslich der Glasmalereien, Werke
der Skulptur bis zu den Kll'enbeiiiarbeiten herab, Goldschmiedearbeiten,
Glocken, l'Hramente, endlich die InscbritTten (römische, vom Jahre 300— 900,
romanische, gothische, spätere). Kin Künstlerverzeichnis« und eine Liste
der architektonisch bemerkenswerthen klösterlichen Niederlassungen bildet
den Schluss. Dieses übersichtlich zusammengestellte Register steuert der
Unbequemlichkeit, welche naturgeiuäss die durch die ganze Anlage der
Arbeit gebotene lokale. Disposition des Stoffes für den Behandler bestimm-
ter geschichtlicher oder kunsthistorischer lVrioden, deren Schauplatz nicht
nur innerhalb eines eng umgrenzten Gebietes zu suchen ist, mit sich brin-
gen musste; es erleichtert die Benutzung des regestenartigen Werkes
für die systematische Arbeit. Schon eine Durchsicht desselben wird man-
che Belehrung bringen, beispielsweise zeigen, wie gros«, auch abgesehen
von Xanten, die Zahl der Ueberbleibscl der römischen Zeit in den bespro-
chenen niederrheinischen Bezirken ist.
Bei der Behandlung des Kreises Mors füllt der Löwentheil der
Arbeit Xanten zu; von den 104 Seiten des Textes sind ihm allein 5»3
gewidmet, und mit Recht, denn hier vereint sich die geschichtliche Be-
deutung des Ortes mit der Fülle erhaltener Alterthümer, um das jetzt un-
bedeutende Städtchen zu einer der wichtigsten und interessantesten Stellen
am Niederrheine zu machen. Hier stand einer der Hauptstützpunkte
der Römerherrschaft in Germanien, die jedem Freunde des Alterthumes
geläufigen Castra vetcra des Tacitus und später die t'olonia Trajana,
deren Ucbcrreste sich in dem Werke in übersichtlicher, durch drei PIHne
erläuterter Form geschildert finden. Später erhoben sich hier zu Ehren
christlicher Märtyrer Kirchen und Kapellen, an ihrer Spitze die Kirche
des Ii. Viktor, und wenn diese auch dem verheerenden Einfalle der Nor-
mannen WU zum Opfer fiel, so entstand an ihrer Stätte ein neuer präch-
tiger Bau. den deutsche Könige und kölnische Erzbischöfe in gleicher
Weis«' fortdauernd begünstigten. Seit dem 12. Jahrb. tritt Xanten an die
Spitze eines der wichtigsten Archidinkonate des Erzstiftcs, seine Kirche wett-
eiferte trotz gelegentlicher schwerer Schädigung, wie durch den Brand
1'57'k an Pracht und Ausdehnung mit den Kölner Anlagen. Die in den
Kunstdenkmälern besprochenen und herausgegebenen, in der Kirche selbst
erhaltenen Stücke legen noch heute Zeugniss ab von dem Ansehen, das
der Dom bis in weite Ferne genoss und von dem Reichthum an Kunst-
werken aller Art, die in ihm zusammenströmten. Und nicht nur die Kirche,
auch die sie unischliessende Stadt blühte empor, ihr Ruhm drang durch die
deutschen Gauen, in ihr sucht der Dichter des Nibelungenliedes Siegfrieds
Hcitiinthsstättc. Als die Reformation in dem südlichen Theile de* Kreises
IM
A. Wied emmiu:
Mörs in der ersten Hälfte des 10. Jahrb. durchgeführt ward, blieb Xanten
mit dem Nordtheile des Gebietes dem katholischen Ginnben treu und
konnte ho den katholischen Schmuck seiner Kirche beibehalten uud weiter
ausgestalten. Seine Fülle hat öfters zur Behandlung gelockt, C lernen
gicbtaufS. 81 ein Verzeichnis» der einschlägigen reichen Litteratur, unter
welcher vor allem ein seinerzeit auch in diesen Jahrbüchern (70 S. 210 ff.)
besprochenes umfangreiches Werk von Stephan B e i s s e I hervorragt.
Diese iiltere Litteratur hat der Verf. durchgearbeitet, verwerthet, mit
eigenen Studienfrüchten vermehrt und auf dies« Weise ein Bild der
Victor-Kirche uud ihrer Schatze gegeben, aus dem mau die Schicksale des
Baues, seine Umgestaltungen, Bereicherungen uud Beschädigungen klar
xu verfolgen vermag. Trotz der Ueberfülle des in dein Bau aufgespei-
cherten künstlerischen Materiales ist der Schilderung die Uebersichtlich-
keit nicht verloren gegangen, der beste Beweis, wie richtig die Disposi-
tionsweise ist, welche bei der Festlegung «les Flaues des Denkinälerwer-
kes gewählt wurde. Dieselbe bewährt sich, wie dieses Beispiel zeigt, bei
einer reichen Kirche ebenso gut wie bei den ärmer oder auch geradezu
ärmlich ausgestatteten, welche in den bisher behandelten Theilen der
nördlichen Rheinprovinz bei weitem die Mehrzahl bilden.
Aehnlich wie Xanten und sein Dom, nur ihrem Worthe entsprechend
minder ausführlich sind die übrigen Orte de« Kreises behandelt. Ueberali
wird dem Programm der Kunsidenkinäler entsprechend das Hauptgewicht
auf kuusthistorisch wichtige Dinge gelegt, ohne dass darum der Zusammen-
hang der Werke und Orte mit der politischen Geschichte verloren ginge.
Verhältnissmässig am knappsten werden die römischen und germanischen
Funde besprochen, doch ermöglichen hier die Littcraturangaben es dem
Archäologen einen schnellen Ueberblick zu gewinnen; des grössteuTheilcs
der betreffenden Ueberbleibsel der Vorzeit des Khcinlandes ist auch ge-
legentlich in diesen Jahrbüchern gedacht worden. Daueben linden sich
jedoch eine Beihe bisher litterarisch nicht erwähnter Funde berücksichtigt,
wie solche zu Winnenthal lind vor allem ein kleines römisches Lager zu
Hoch-Emmerich, welches eine eingehendere Untersuchung und Ausgrabung
zu verdienen scheint.
Ausser den noch an Ort und Stelle befindlichen, bezw. in Kirchen
u. s. f. aufgestellten Denkmälern sind in dem Helte über den Kreis Mörs
auch die in drei Sammlungen vereinigten besprochen und kurz inveuta-
riBlrt. Am bedeutendsten unter denselben ist die Sammlung des Xauteuer
Alterthumsvcrcius, welche besonders reich an römischen Gegenständen,
darunter zahlreichen bei Xanten selbst gefundenen geschnittenen Steinen,
ist; die aufgenommene Uebersicht ward vom Vorsitzenden des nieder-
rheinischen Ahcrthutnsvcreins zu Xanten Dr. Steiner aufgestellt. Von
l'rivatsainuilungeu kamen die des eben geuauuteu Dr. Steiner mit ilaliä-
nischon und deutschen Gemälden und die des Laudraths Haniel zu
Mörs mit Holzschränken, besonders der zweiten Hälfte des 17. Jahrb. und
rheinischen Thouwaaren in Betracht.
In dem Kreise Kleve bilden Kleve und Kalkar die Mittelpunkte;
das Hauptinteresse gruppirt sieh um die Holzscbuitzwcrke der sog. Kalkarer
Paul Giemen, Die Kunstdcnkmüler der Rlicinprovinz. 155)
Schult1, deren Arbeiten freilich, wie der Verf. hervorhebt, in fast gleichem
Maassc in Kleve, Emmerich und Wesel entbunden sind. Als Auftraggeber
erscheinen vor allen Gilden und l'rouunc Bruderschatten, die mit den künst-
lerisch vollendeten, figurenreichen und daher oft etwas unruhigen Arbei-
ten die Kirchen auszustatten bestrebt waren. Zahlreiche charakteristische
Probeu dieser Kunstrichtung tindeu sich in dem Hefte durch Abbildungen
theils in ihrer Gesanimtbeit, theils in charakteristischen Kinzelstückcn ver-
anschaulicht. Für die Iteproduktiou de» Hauptwerkes, des grossen Schrei-
nes des Meisters Loedewich zu Kalkar von 141W— 1500 sind leider auf
Taf. I und S. 55 zu kleine Dimensionen gewählt worden, als dass diesel-
ben dem Eindrucke des Originales gerecht zu werden vermöchten. Weit
anschaulicher sind die andern Bilder; vor allem das des Kalkarer Johanncs-
altars von um 1540 ist sehr gut gerathen. Ausser in Kleve und Kalkar
linden sich auch in andern Orten des Kreises, wie in Zyfflich gute Ar-
beiten der Schule. — Die Zahl der Alterthümersaminlungen ist im Kreise
Kleve grösser als in den früher behandelten Bezirken, die interessante im
Rathhaus zu Kleve aufgestellt»' konnte progranimentsprechend, da ein ge-
druckter Katalog von Mcstwcrdt vorliegt, nur genannt werden. Ausführ-
licher gedacht wird der Gemäldesammlungen des Freiherrn von Uoevel
zu Gnadenthal und Baron von Steengracht zu Moyland, der hervorragen-
den Sammlung von Skulpturen, insbesondere der Kalkarcr Sehlde, des
Bildhauers Langenberg zu Goch, der Sammlung römischer Alterthümer
des Pachters Heyeis auf dem Monterberg und der verschleuderten Samm-
lung des Pfarrers Wahl zu Qualburg. Eine Reihe germanischer Urnen
besitzt Aloys Schlüpcrs zu Goch, dessen Hauplsammluug jedoch, ebenso
wie die des Dr. Schraven zu Goch aus Porzellanen besteht.
Im Kreise Hees ist der wichtigste Ort die Stadt Wesel. An ihrer
Geschichte lilsst sich die Entwicklung rheinischen Befestigungswesens vom
Ende des 14. bis zur Mitte dieses Jahrhunderts verfolgen und weiden be-
sonders die beachtenswertheil, Anfang des 17. Jalirli. aufgeführten, leider
zum Theil kürzlich abgebrochenen Thoranlagen der Citadellc durch Wort
und Bild erläutert. Auel» die schöne Facade des Rathhauses zeigt eine
Illustration ; auf dem in ihm aufgestellten, auf Tat. VI publicirteu Gerichts-
bilde von Heinrich Dünwegge ist die neben dem Teufel mit dem Ange-
klagten sprechende Figur in langem weissen Gewände, langen Locken-
haar u. s. f. als Engel, nicht als Dominikanermönch zu deuten. Neben
Wesel sind Emmerich, Hees und Hochclteu zu nennen, an welch letzterem
Orte das Fig. 10 abgebildete Krystallreliquiar beachtenswerth erscheint.
Auf Taf. II findet sich das in mehrfachen Wiederholungen vorkommende
(in Emmerich, Kleve, Hees), auf Grund alterer Porträts zusammengestellte
eigenartige Gruppenbild der 6 Klevischen Herzöge von Adolph bis zu
Johann Wilhelm, in guter Reproduktion vorgeführt. Die Zahl der in
diesem Kreise vorhandenen Sammlungen ist auffallend klein. Da« nieder-
rheinische Museum zu Wesel ist noch sehr in den Anlangen; die in Wesel
befindliche Sammlung von B. Küchel enthält wesentlich Porzellane und
Möbel, die des rühmlich bekannten Lokalhistorikeis Kaplan J. J. Slu\ ter
zu Rees eine Reihe wenig bedeutender Bilder.
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WO
M. Ihm:
Zu den Kosten der Drucklegung der vorliegenden Hefte haben die
Kreise Mörs und Hees und die Stadt Wesel in dnnkenswerthester Weise
Beitrage bewilligt. Hoffentlich folgen die Vertretungen der weiter zur
Behandlung kommenden Kreise diesem Beispiele und fördern so die Fort-
Führung dieses für die Geschichte des Rheinländer und seine Alterthümer
grundlegenden Werkes, für dessen Durchführung ausser dein Verfasser,
dein Provinzialverband und der Denkmillcrenmmission, in ihr vor allem
dem that kräftigsten Förderer des Citteinchinrns, Herrn Geheimrath
Loerseh, der besondere Dank der Wissenschaft und der Alterthums-
frennde gebührt. A. Wie dum nun.
2. Alexander Kiese, Das rheinische Germanien in der antiken Litte-
rutur. Leipzig, B G. Teubner. \W2. S°. VII und IM Seiten. Preis:
Das Buch des um die rheinische Altcrthumsforschung verdienten
Verfassers bietet eine Sammlung aller Stelleu der alten Schriftsteller,
welche zur Aufklärung der Geschichte, der Geographie, Topographie und
des Kulturzustandes der Hhcinlamlc im Alterthum beitragen können —
eine undankbare Aufgabe, wie der Verfasser mit Hecht in der Vorrede
betont, die aber doch auf den Dank der Historiker um! Antiquare, überhaupt
aller Freunde rheinischer Geschichte und Alterthumskunde zu rechnen hat.
Die Stellen der Autoreu sind, soviel Hef. übersehen kann, vollständig zu-
sammengetragen, den griechischen Texten ist eine möglichst praeise lateini-
sche (warum nicht deutsche?) l'cbersetzung beigefügt. Wir finden Stellen,
die allbekannt und bis zum Ueberdruss von Forschern jeglicher Gattung citirt,
interpretirt, emendirt, corrumpirt worden sind, daneben aber auch solche,
die mancher wohl zum ersten Male lesen wird. Benutzt sind die besten
neueren kritischen Ausgaben, oder, wenn solche nicht vorhanden, die zu-
gänglichsten, also Jordanes, Solin von Moniinsen, l'tolemaeus von Carl
Müller, Notitia dignitatum von Seeck, Gregor von Arndt und Krusch
n. s. w. Nur in der Orthographie hat sich Riese einige Freiheit ge-
wahrt; über sein Verhalten hinsichtlich der halbbarbarischen Orthographie
des Gregor von Tours u.a. spricht er Seite 1T>1 in der Anmerkung. Die
wesentlichsten handschriftlichen Varianten sind unter dem Text notirt;
bei eingehenderem Studium der einzelnen Stellen wird man natürlich die
kritischen Ausgaben selbst zu Käthe ziehen müssen. Dies gilt •/.. B. von
I'tolemneuK; Riese giebt (XIII Sß) den Text nach dem Vaticanus P.H und
weicht bisweilen von dem C. Müller'schen Texte ab. Müller setzt, um ein
Beispiel anzuführen, Ptol. II J>, 2 M/W;*a, Riese zieht 'Oßoiixov vor, ob mit
Recht, scheint mir zweifelhaft (vgl. die Ahrincahii; auch Zangemeister
Westdeutsche Zeitschrift III S. :>l20 f.). Auf ausführliche Anmerkungen
hat der Verfasser von vornherein verzichtet; sie treten sporadisch aut
und sind elementarer Art, dienen zum Theil als Hinweisungen auf den
Zusammenhang. Sachlich gleichgültige Worte und Satze sind wegge-
lassen, die Lücken durch Punkte gekennzeichnet. F.rgUnzungen im Text
sind kursiv gedruckt ; eckige Klammern deuten an, dass die Worte dem
Schrillsifller nicht angehören.
14 M.
Alexander Riese, Das rheinische Germanien in iler antiken Litteratur. 161
Die ganze Sammlung: ist in einzelne Abtheilungen zerlegt: erstens
eine geschichtliche, die wiederum in 12 Abschnitte zerfallt (I vorrömi-
Bcho Zeit, II Zeit Casars, III Zeit des Octavianus Augustus, IV Claudische
Dynastie, V Zeit der Aufstände 68-70 n. Chr., VI Zeit der Flavier, VII
Nerva bis Septiinius Severus, VIII Caracalla bis Carinus, IX Diocletian
bis Constantin II., X Zeit des Julian, XI Zeit des ersten Valentinian, XII
von 375 bis zum Ende der römischen Herrschaft, Ende des 5. Jahrhun-
derts). Zweitens eine geographische (XIII. Abschnitt) und drittens
eine kulturgeschichtliche Abtheilung. Abschnitt XIV behandelt die
Bauten unter folgenden Rubriken: 1) Städte, 2) Lager und Castelle, Heer-
wesen, 3) Grenzbefestigungen, 4) Brückenbau, 6) Gallische Befestigungs-
arbeiten, 6) über Strasscnbau und dergl. (aus den Gromatici latini), 7) Bau
der Häuser, Bäder, Villen, 8) Wasserleitungen, ü) Tempel und Götterbilder
in Gallien, 10) Häuser der Gallier und Germanen. Abschnitt XV enthält
„Verschiedenes" (darin allerlei Nachträge, besonders solche Stollen, die.
zur Erklärung von Bildwerken und anderen Einzelfanden des Rheinlands,
nicht von Bauten, verwendet werden können).
Innerhalb der einzelnen Abschnitte sind die Stellen nach Möglich-
keit chronologisch geordnet, d. h. der Chronologie der Ereignisse entspre-
chend. Ausgezogen sind die Stellen aus den Autoren bis zum Ende des
fi. Jahrhunderts; die aus der späteren Zeit, Kirchenschriftsteller u. a., zwar
nicht vollständig,, aber alles wesentliche hat seine Stelle gefunden. Aus
den wenigen Notizen über Franci, die Raetiae u. a. bei Ambrosius u. s. w.
ist nicht viel zu gewinnen; vielleicht hätten die equi Burgundionea bei
Vcget. inulomed. VI 6 und ähnliches erwähnt werden können.
Dass sich in diese Anordnung des Stoffes manche Inconsequenzcn
einschleichen mussten, ist dem Verfasser natürlich nicht entgangen;
einige Stellen hätten unter verschiedenen Rubriken Platz finden müssen,
kulturgeschichtliche Angaben sind schon in dem historischen Theil vor-
weggenommen und dergleichen mehr. Aber das Hess sich nicht ändern,
und Wiederholungen hätten zu viel Kaum erfordert. Diesen Cebelstän-
den hilft das Register ab, indem es solche Stellen nicht nur einmal, son-
dern unter sämmtlichen geeigneten Stichwörtern anführt.
Was die lokale Begrenzung anlangt, so hat sich der Verfasser
dankenswerther Weise nicht zu enge Grenzen gesteckt, vielmehr die
Rheinlande in ziemlich weitem Sinne berücksichtigt: Germania superior
und inferior, das Land der Treveri, Mediomatrici, Tungri, Rauraci, Hcl-
vetii. Auch a\is den entfernteren Gebieten Galliens, sowie aus Rätien
und dem inneren Germanien finden wir solche Stellen angeführt, die zum
Rheinlande irgend welche Beziehung haben, und in zweifelhaften Fällen
giebt der Verfasser „lieber zu viel als zu wenig." In der geographischen
Abtheilung (XII l) erwies sich dem Verfasser jode reale Anordnung als
nicht durchführbar; er hat sich daher darauf beschränkt, die Stellen nach
der Chronologie der Autoreu zu geben. „Die kulturgeschichtlichen Ab-
schnitte endlich sind zunächst für das praktische BedÜrfniss der Entdecker,
Ausgräber, Lokalforscher und der Museen bestimmt; sie geben, ohne
Rücksicht darauf zu nehmen, ob das Rheinland darin genannt ist oder
Jahrb. «1. V«r. v. AUcrthnfr. Im Ithelnl. XGTV. 11
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M. Ihm:
nicht, die für diese« wichtigen Slell«n, denen allerdings vielleicht noch
andere hätten hinzugefügt werden köniicii." . . . ,\Vas die Nachrichten
über Christenthum und Kirche in den Kheinlauden angeht, so bind die-
selben bin in das 5. Jahrh. einschliesslich vollständig gesammelt." Von
der Wiedergabe der frühmittelalterlichen Legenden hat der Verf. abgese-
hen ; nur über den „Apostel des Lahnthals" giebt er (XV 92) die erforder-
lichen Nachweise, „da noch in neuesten Schulbüchern die späte Tradi-
tion über ihn wie Geschichte gelehrt wird." Dagegen hat sich Kiese
nicht cntschliessen können, auch mythologische Nachrichten einzureihen,
mit der Begründung, einmal angefangen, hatten diese zahllos werden
müssen. Gewiss, aber doch nur dann, wenn alle in Betracht kommenden
Inschriften Aufnahme gefunden hatten. Die Inschriften aber hat Kiese
überhaupt ausgeschlossen, wie er selbst sagt, seiner ursprünglichen Ab-
sicht entgegen. Ich glaube, alle Freunde der rheinischen Geschichte und
. Alterthumskuude hätten ihm Beifall gezollt, wenn er sich nicht von die-
ser ursprünglichen Absicht hätte abbringen lassen. Der llauptbeweggrund
war wohl der, dass der sehnlich erwartet« Zangemeister'sche Inschriften-
band noch aussteht. Was die Inschriften für die rheinische Alterthums-
kunde bedeuten, braucht hier nicht auseinandergesetzt zu werden. Wenn
sie auch nicht für Alles unsere einzige Quelle sind, wie schön ergänzen
sie topographisch, historisch, mythologisch die Berichte der Schriftsteller!
Die wenigen Münzaufschriften, die der Verf. berücksichtigt hat, fallen
dem gegenüber nicht sehr ins Gewicht, so dankenswerth auch ihre Aufnahme
ist. Nur ganz vereinzelt finden wir in dem Buche auch inschriftliches
Material verwertet. Doch bescheiden wir uns. Der Verf. sagt am Schluss
der Vorrede, dass, falls sein Buch günstig aufgenommen werden sollte,
ein zweiter Band ihm folgen könnte, welcher umfassen würde, was aus
den Inschriften und aus mittelalterlichen Schriften und Urkunden für Ge-
schieht«, Geographie und Kulturgeschichte des römischen Rheinlands ver-
wendbar wäre. Hoffentlich geht dieser Plan in Erfüllung und versteht
sich der Verf. dazu, was meines Erachtens noch wünschenswerter wäre,
dann ein ganz neues. Werk zu liefern, inschriftliches und litterarisches
Material zusammen zu verarbeiten, dass eines das andere ergänze. Darü-
ber werden ja noch Jahre vergehen, denn ehe der Inschriftenband der
beiden Germaniae und tres Galliae vorliegt, ist daran kaum zu denken,
und bis dahin wird der vorliegende Band auch ohne die Inschriften
Nutzen stiften können. Dann erst, wenn das ganze Urkundenbuch vor-
liegt, wird eine allseitige Beschreibung der Kheinlande im Alterthum, die
der Verf. von seiner Arbeit erhofft, möglich sein und wohl auch nicht
lange auf sich warten lassen.
Dem Werk sind zwei Kegister beigegeben ; das erste verzeichnet
die Namen der benutzten Autoren, das zweite ist Sachregister. Letzteres
fasst „neben seiner im Allgemeinen alphabetischen Anordnung auch manche
Dinge in grösseren, mehr systematisch gehaltenen Artikeln zusammen,
von denen einige unter deutschen Stichwörtern stehen, wie: Bauten, Be-
rufsarten, Bildung, Christenthum, Geldspenden, Gerätschaften, Grenzen,
Inschriften, Klima, Kriegführung der Einheimischen, Kunstwerke, Militär-
Alexander Rie.se, Das rheinische Germanien in iler antiken Mttcratur. 163
wesen, Sprache, Steuern, Verfall, Wagen, Weissagungen, Wunder.- In
die« Register haben sich allerlei Ineongruenzen eingeschlichen. Seite
480 ist z. B. bei dem Wort 'marga' auf das Stichwort 'Ackerbau' verwie-
sen, das nicht vorhanden ist. Gemeint ist eine der 17 Stelleu unter dem
Stichwort 'agriculturu', XIII 60, aber die Pliniusstelle selbst ist nicht aus-
geschrieben. F.inigc Zahlenangaben sind fehlerhaft (S. 462 'Ambatiensis
vicus', lies 14, 65; S. 467 'calccus', lies 15, 28; S. 480 Mardellen', lies 11, 72
u. a. m.). Hinter den lateinischen Ortsnamen sind in Klammern die heuti-
gen Benennungen angeführt (wenig genau z. B. 'Bodensee.' sowohl hinter
'Acronus* wie hinter 'Vellerns' lacus); Fragezeichen wÄren hier öfter an-
gebracht gewesen, denn ob 'Nieder-Aewen* wirklich dem alten Andethanna
ric.u.t oder Andethannale (besser Andetannale, vgl. Glück, Keltische Namen
bei Caesar S. 25) entspricht, müsste doch erst bewiesen werden. Doch
sind diese Ausstellungen Nebendinge, welche die Brauchbarkeit des Re-
gisters nicht wesentlich beeinträchtigen.
Ausserdem hat der Verfasser das Register dazu benutzt, um an
geeigneten Stellen eigene Ansichten kurz anzudeuten. Wenigstens eine
derselben sei hier angeführt. S. 471 ^Deeumtde* ngri XIII 80: nicht
'Zehntland", sondern, wie Taurinatex agri von Taurinum, so von einem
Namen Decuma oder Ad decumttm (seil, lapidem), den der ursprüngliche
Hauptort des rechtsrheinischen Gebietes geführt haben muss, abzuleiten. -
Ob diese Erklärung den Beifall der Sachverständigen finden wird, sei da-
hingestellt; ich meinerseits möchte es bezweifeln. Ks wäre doch zu auf-
fallend, das« dieser Hauptort des rechtsrheinischen Gebietes so spurlos
in der Ueberlieferung verschwunden ist. Zudem ineint Tacirus sicher ein
ziemlich ausgedehntes Gebiet, nicht nur die ngri einer einzelnen Stadt
oder Wogestation. Neuerdings sind die agri decuinates wiederholt Ge-
genstand der Besprechung geworden. Zangemeister (Westdeutsche Zeit-
schrift III S. 244) fasst nach dem Vorgange Georg Friedr. Creu zer's (Alt-
röm. Cultur S. 81 tf.) decumates als Nominativ und bemerkt, die zum
Ackerbau verwendeten Theile dieses Gebiets seien zchntpflichtig (agri
decutnani) gewesen und daher würden die Ackerbauer selbst als decuma-
te.s bezeichnet. Auch diese Erklärung, die ja sprachlich nicht unmöglich
ist, dürfte schwerlich das Richtige treffen. Vgl. Asbach, Westdeutsche
Zeitschr. V S. 372, der Mommsen's Bedenken t.Röm. Geschichte V S. 138)
gegen die Bedeutung von decumates — Zehntland gerechtfertigt findet und
der Ansicht ist, dass das Wort decumates ein technischer Ausdruck der
Feldmesskunst sei, die bekanntlich zahlreiche archaische Formen in ihrem
Wortschatz bewahrt hat; ferner Hübner, Bonner Jahrb. LXXX S. 60, der
gegen Zangemeister an der alten Bezeichnung agri decumates als der
einzig bezeugten mit Recht festhlllt.
Den Abschlnss des Buches bilden Nachtrüge und Berichtigungen
zu den Autorenstellen (S. 404—496). Hier fiel mir die ansprechende Ver-
muthung zu 17 (l'lin. nat. bist. XXXVII .'!?>> auf, dass die Vulgata Gufo-
nibus fehlerhaft und das Guionibm der bebten Handschrift den Namen
der Inguaeones zu enthalten scheine.
Der Verfasser spricht in der Vorrede den Wunsch aus, dass sein
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KU
M. Ihm: F. Haverfield, Tin- Mothcr goddesses.
Buch für da* Studium der rheinischen Vorteil den erhofften Nutzen stiften
möge; wir zweifeln nicht, das« dieser Wunsch in Erfüllung gehen und
dass namentlich die grosse Zahl derer, die «ich mit der alten Geschichte
uud Alterthumskunde der Rheinland*- beschäftigen und von denen ein
beträchtlicher Theil über ein nicht gerade grossen Maass philologischer
Kenntnis» und Methode verfügt, diesen brauchbaren Wegweiser mit Freude
begrüssen wird. M. Ihm.
3. F. Haverfield, The Mothcr goddesses. With illustrations and a map.
Soliderabdruck aus der Zeitschrift 'Archacologia Aclian.V. Vol. XV.
1X02. p. 314 ff.
]>cr bereits durch andere epigraphische Arbeiten bekannte Ver-
fasser giebt in der obigen Abhandlung eine kurze, gemeinverständ-
liche Darstellung des Mütter- und Matroneukultuß, wesentlich im Anschluss
an meine im Jahre 1887 erschienene Arbeit über diesen Gegenstand. Seit
der Zeit hat sich das inschriftlichc Material um mehr als 30 Nummern
vermehrt, von deneu nur ein kleiner Theil dem englischen Gelehrten be-
kannt ist. Er hat auch weniger den Kult in seiner Gesainmtheit im Auge,
als vielmehr die in Britannien entdeckten Inschriften und Skulpturen.
Er will seinen Landsleutcn ein Bild von dem Mütterkult auf britannischem
Boden geben, uud insofern ist seine Abhandlung eine ganz nützliche,
zumal den Lesern fast alle noch vorhandenen Denkmäler in Abbildungen
vorgeführt werden. Benutzt scheinen meist ältere Cliches (aus dem Lapi-
darium septeutrionale u. s. w.). Auch ein Kärtchen ist beigefügt, aus dem
man ein ungefähres Bild von der geographischen Verbreitung dieses
Kults gewinnen kann, d. h. es sind dabei nur die Denkmäler in Betracht
gezogen worden, welche die Bezeichnungen Matronae oder Moires oder
Mairae aufweisen, lieber den Gang der Abhandlung möge das Kapitel-
verzeiehniss Aufklärung geben: I. Introduction, II. Distribution, III. Ori-
ginal scat of the worship, IV. Date and worshippers, V. Titulature,
VI. ScuJptures, VIT. Kindred deities, VIII. General character. Im Einzel-
nen ist dazu nur wenig zu bemerken. Der Verfasser beschränkt sich
auf das Notwendigste, einige Ungcnauigkeiten laufen mit unter, fallen
aber nicht sehr ins Gewicht. Dass der Beiname Ollototae .of another
landa bedeute, habe ich bereits an anderer Stelle zu bezweifeln gewagt.
Ebenso sind Matrcs commune* für mich bis jetzt nicht erwiesen.
Auf die Darstellung des Kultus im Allgemeinen folgt eine Liste der
in Britannien gefundenen Denkmäler der Matres und der verwandten
Göttinnen, im Ganzen 02 Nummern, darunter einige incerta. Die unter
Nr. 8, 21a, 43 angeführten Skulpturen fehlen in meiner Sammlung, andere
habe ich als unsicher absichtlich nicht aufgenommen. Neu gefunden sind
Nr. Matribm Sulevis etc. (Ephem. epigr. VII n. 844, vgl. Bonn. Jahrb.
LXXX1X S. 241) und Nr. 1!) J(nvi) o(plimo) m(aximo) et Matribus (Mo-
totis aire transmarinis (vgl. Bonn. Jahrb. LXXXXII S. 25ti ff.). Uebcr-
seheu hat Havcrficld merkwürdiger Weise eine Inschrift, die er selbst
vor kurzer Zeit in der Epheineris epigraphica VII n. i>27 veröffentlicht hat
M. Ihm: J. P. Waltzing, Dicouverte archeologk|ue faitc A Foy. 165
(Malribus domesticis), ebenso das Fragment mit Malribus (Nr. 354 meiner
Sammlung; Watkin, Archaeol. journal 42 S. 145).
Den Abschluss bilden einige Addenda, die nnr in dem Sonder-
abdruck, nicht in der Zeitschrift selbst stehen. Hier bemerkt Haverficld
u. a., dass er die Inschrift des im British Museum befindlichen Kings
CIL. VII 1299 genau geprüft habe, und das« nicht MATRIVIA, sondern
MATRIVM darauf stehe. Ebenso hatten die früheren Herausgeber ge-
lesen; erst Hühner im CIL. trat für die Lesart MATR VIA ein. Sonach
hat es den Anschein, dass die Matrea viales in Wegfall kommen.
M. Ihm.
4. .1. P. Waltzing, Dicouverte archeologique. faite a Foy, en mai 1892.
Une inscriplion latino inedite. Lonvain 1892. 26 S. (S.-A. aus den
'Bulletins de l'Academie royale de Bclgiquc* 3« serie, tome XXIV).
Als Waltzing kürzlich über die in Foy (in der belgischen Provinz
Luxemburg) gemachten römischen Funde berichtete (Korr.-Bl. der West-
deutschen Zeitschrift XI 1K92. S. 102 f.), erklärte er, er habe über diese
Funde eine längere Besprechung an die königliche Akademie in Brüssel
gerichtet. Ks ist das die vorliegende Abhandlung, auf welche hier kurz
hingewiesen sei. Der Verfasser erörtert das Hauptfundsttick, eine römi-
sche Inschrift, in sehr ausführlicher Weise, ohne aber viel Neues beizu-
bringen; die kürzere Publikation im Korr.-Bl. d. Westd. Zeitachr. enthalt
schon alles Wesentliche. Die Inschrift lautet : Deo Entarabo et Genio 7
(centuriae) OUodagii) porticum, quam Velugnius lngenuus protniserat,
post obitum et!« Sollavius Victor fil(ius) adoptivos fecit. Danach scheint
auch auf der jetzt verscholleneu Inschrift aus dem Gebiet der Treveri
(Brambach CIRh. 855) ENTARABO statt INTARABO zu lesen zu sein
(Deo Entarabo ex imperio Q. Solimarius Bitus aedem mm suis orna-
mentis conaacravit l. m.) Bemerkenswerth die keltischen Namen Sollavius,
Velugnius (vgl. Zangemoister, Korr.-Bl. d. Westd. Zcitschr. 1888. S.115),
OUodagus (vgl. die Moires OUototae. Jahrb. 92. S. 256 ff.). Die Deutung
des Entarabus ist unsicher; Waltzing theilt R. 16 einige Vermuthungen
des französischen Gelehrten D'Arbois de Jubainville mit. Die Inschrift
gehört den Buchstabcuformen nach, wie Waltzing und Zangemeister
annehmen, in da» erste nachchristliche Jahrhundert. M. Ihm.
5. Prof. Dr. Ott o Kohl: Ueber die Verwendung römischer Mün-
zen beim Unterricht. Programm des Gymnasiums in Kreuznach
Ostern 1892 (Nr. 446). Kreuznach, R. Voigtländer. 8°. 68 S.
Diese Schrift, deren Hauptzweck darin besteht, den Lehrern höherer
Schulen beachtenswerthe Winke zu crtheilen, wie sie die römischen
Münzen beim Unterrichte, nutzbar machen können, bietet eine solche
Menge ansprechender Erklärungen der Münzbilder, dass sie. sicher auch
von allen angehenden Miinzsammlern als willkommene Gabe begrüsst
wird. Viele Stellen der Klassiker und manche geschichtlichen Vorgänge
werden angeführt, welche durch bestimmte Münzen dem Vcrstäudniss der
Lernenden näher gerückt werden. Es unterliegt keinem Zweifel, dass
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166 F. van VI eilten: l'ebcr die Verwendung röm. Münzen.
durch rin Vorgehen, wie es der Verfasser empfiehlt, das Interesse für
die Alterthumswisscnschaften überhaupt in erfreulicher Weise geweckt
und gefördert wird. Im Hinblick auf die Münzfünde unserer Provinz
hatten wir es vielleicht zweckmassiger gefunden, wenn den Kaiser-
münzen etwas mehr Kaum zuerkannt worden wäre; die Familien-Denare
haben eine genügende Beachtung gefunden.
Auf S. 4 in der Note wird mitgetheilt, das« die im Buche ange-
gebenen Preise den Cohen'schen Münzwerken entnonimeu sind, auch wird
der Rath ertheilt, man möge sich bei beabsichtigten Anschaffungen nur
die in den Verkaufskatalogcn mit „gut" und „sehr gut" bezeichneten
Stücke schicken lassen. Was die Preise anlangt, so möchte ich davor
warneu, sich durch deren Höhe einschüchtern zu lassen; die Erfahrung
lehrt, dass für nicht besonders seltene Stücke von mittlerer Erhaltung die
Cohen'schen Preise fast nie erreicht werden, am wenigsten hei Auctionen.
Auch meine ich, Uiiterrichtsaustalten sollten bei der Auswahl der Exem-
plare nicht allzu wählerisch sein; vollständige Umschrift und Klarheit der
Münzbilder sollte da genügen, wenn letztere auch etwa« an Schärfe ver-
loren haben. Der höchste künstlerische Gcnuss beim Beschauen geht
dann allerdings in etwa verloren, aber hier ist doch der wissenschaftliche
Zweck die Hauptsache und während bei vollendeten Stücken der Preis
meistens hoch über die Cohen'schen Schätzungen hinausgeht, sind Exem-
plare mittlerer Erhaltung sehr billig zu erwerben.
6. Florenz Tourtual, Bischof Hermann von Verden, 1149—1167.
Zweite Auflage. Berlin, J. A. Stnrgardt. 8. VIII u. 82 S. Preis 2 Mk.
In dankens werther Weise hat sich Ulrich Graf Behr Negedank
der Aufgabe uuterzogen, die 1866 erschienene, längst vergriffene Schrift
Tourtual's über Hormann von Verden durch eine Neuherausgabe wieder
allgemein zugänglich zu machen. Er wurde hierzu vor allem durch die
Ausführungen des Freiherrn von Hammerstein-Loxten bewogen, denen
zufolge der Bischof dem Geschleclite der Behr angehörte. Die Wieder-
gabe der Arbeit ist eine durchaus getreue, hinzugefügt ist nur eine An-
merkung auf S. 1, welche auf die Hauimerstein'schen Forschungen hin-
weist, während zwei in der ersten Auflage als Anhang gegebene Schrift-
stücke hier fehlen, da sie in einem Nachtrage zu deu von Lisch heraus-
gegebenen Urkunden und Forschungen zur Geschichte des Geschlechts
Behr zum Abdrucke gelangen sollen. Das Werk selbst giebt zunächst
eine Zusammenstellung der über Hermann hekanuten Thatsachen, dann
einen Aufenthaltsnachweis und eine Kegeste für seiu Leben, endlich einen
Ex cur« über seine Sendung nach Spanien. Dasselbe zeichnet sich dabei
durch seine sorgsame Benutzung der bis 1866 erschienenen Litteratur
und durch einen wortgetreuen Abdruck der wichtigeren Quellenangaben
aus, so dass man es noch jetzt mit Vortheil wird zu Ruthe ziehen können.
van Vleuten.
A. W.
P. vanVleuten: Florian Wimmcr, Anleitung zur Erf. kirchl. Denkm. lf>7
7. Moderne Geschichtsforscher. I. J. Lulves, Die gegenwärtigen Ge-
schichtsbestrebungen in Aachen. Eiue kritische Studie. Aachen.
Otto Müller. 18Ö2. 8°. 104 S.
Das hohe Ausehen, in welchem der 1844 verstorbene Christian Quix
noch jetzt bei den Aachener Lokalhistorikern steht, hat dazu geführt,
dass einige seiner Schritten kürzlich in einem minutiös genauen Neu-
drucke herausgegeben worden sind. Wesentlich hierdurch ist der Ver-
fasser vorliegenden Schriftchens bewogen worden, die Leistungen von
Quix und anderen Aachener Lokalforscheru von einem rein kritischen
Standpunkte aus durchzuarbeiten und zu beurtheilen. Das Resultat, wel-
ches er dabei zu erweisen sucht, ist ein für die betreffenden Schriftsteller
ungünstiges, der Stand der Aachener Geschichtsbestrebungen soll nach
ihm ein trauriger, im Vergleich zu anderen Städten tiefer sein. Bei
dieser Grundanffassung ist sein Urtheil über die Einzelleistungen schroff
und absprechend, besonders da er selbst an in der Tagespresse erschie-
nene AufsHtze streng wissenschaftliche Anforderungen stellt und sie dem-
entsprechend kritisirt. Die Fehler der einzelnen Arbeiten werden beson-
ders betont, die Verdienste, die sich zahlreiche der behandelten Männer uin
die Erhaltung und Sammlung von Materialien erworben haben, treten da-
gegen völlig zurück. So ist denn das Ergebnis« ein wesentlich negati-
ves, wenn auch die Anführung einer reichen Fülle von Einzelarbeiten,
deren Inhalt vom Verfasser skizzirt wird, auch positiven Werth besitzen
wird. Zum Schlüsse des rein polemischen, oft sehr persönlichen, wenig
erfreulichen Schriftchens macht der Verfasser Vorschläge zur Besserung
der von ihm so herb verurtheilten Verhältnisse. Er erwartet eiue solche
vor allem von einem engem Anschlüsse der Lokalforschung an das
Aachener Stadtarchiv, an welchem er selbst thätig war, dieses „als Sam-
melstätte aller Dokumente der Vorzeit unserer alten Kaiser- und Krö-
nungsstadt muss demnach in den Mittelpunkt der lokalen Geschichts-
bestrebung treten; von hier aus haben sie auszugehen, wollen sie wirk-
lich wissenschaftlicher Wahrheit genügen".
8. P. Florian Wimmer. O. S. B.: Anleituug zur Erforschung und
Beschreibung der kirchlichen Kunstdenkinäler. In zweiter Auflage
mit Illustr. vennehrt und herausgegeben von Dr. Math. Hiptmair.
Linz 1892, bei Haslinger. 8°. XIV und 152 S.
Die erste Auflage dieser Schrift verdankt ihr Entstehen dem Bc-
dürfuiss, die kirchlichen Denkmäler der Linzer Diöcesc einer baldigen
gründlichen Erforschung und Beschreibung entgegen zu führen. Es wird
vorab Werth darauf gelegt, das Vorhandene zu registriren; die kritische
Beurtheiluug wird in den meisten Fällen einer späteren fachmännischen
Prüfung vorbehalten bleiben müssen. Um eine solche Beschreibung dem
Nichtfachmannc zu ermöglichen, sind (S. 1 bis 116) eine Menge prakti-
scher Fragen gestellt, welche sich auf die Geschichte, die Architektur,
das Mobilar, die einzelnen Kunstwerke u. s. w. beziehen; jeder Frage sind
nähere Erklärungen zugefügt, vielfach durch Abbildungen erläutert; so
auf Seite 18 bis 37, eine kurze Abhandlung über die kirchlichen Stilarten.
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1G8 F. van Vleuten: Florian Wimmer, Anleitung zur Erf. kirchl. Denkm.
(Hierbei vermisse ich die Berücksichtigung des sog. Uebergangsstiles).
Zum Schlüsse giebt dann der Verfasser ein alphabetischen Verzeichnis*
der auf den Heiligenbildern vorkommenden Attributen, mit der Angabe
derjenigen Heiligen, bei welchen dieselben vorkommen.
Es seheint mir unzweifelhaft, das* an der Hand dieser Anleitung
jeder Gebildete in der Lage ist, die Besehreibung einer Kirehe so zu
gestalten, dass der Forscher alsbald erkennen kann, wo es angezeigt und
lohnend ist, ein gründliches Studium des Hauwerkes folgen zu lassen ; uud dies
zu erreichen, ist ja der Zweck des Buches. F. van Vleuten.
9. Hildesheimer Land und Leute des IG. Jahrh. in der Chronik
des Dechauten Johan Oldccop. Bilder aus Hildesheitns Vergangen-
heit von Dr. Carl Kuliug. Hildesheim, F. Borgmeyer. 1X92.
Die Chronik des Hildesheimer Dechanten Johan Oldecop bringt ans
der Feder eines objectiven Beobachters und glücklichen Darstellers, der
in Beziehungen zum kaiserlichen Hofe und zu hohen Würdenträgern
stand, Schilderungen der Ereignisse und Zustände in Niedersachsen aus
der Zeit der Keformatlon. Ihr Herausgeber (Bibl. des Litt. Ver. Stuttgart
Bd. CXC) bietet in dem vorliegenden Schriftchen eine Auswahl daraus,
bestimmt, auch dem Nichthistoriker jene Zeiten naher zu bringen. In fünf
Abschnitten (Oeffentliche Sicherheit, (Hauben und Sitte, Ecclesia turbatur-
clerus errat, Ein Fürstbischof, Ans Zeiten schwerer Not) gibt er dem Leaer
in frischer und anschaulicher Schreibart ein Bild der vielfach verworrenen
und ungesunden Verhältnisse, die durch den Gegensatz auf religiösem
Gebiet nur noch unerquicklicher wurdeu. Wenn auch das Büchlein seine
Leser zunächst in Hildesheim und Umgegend suchen und finden soll, so
ist die Auswahl doch eine so glückliche und sind die behandelten Gegen-
stände vielfach so typisch für jene Zeiten, dass es auch das Interesse
eine* jeden erregen dürfte, der die Kulturzustande Norddeutschlands im
Anfange der Neuzeit kennen zu lernen wünscht. S.
10. Meteorologische Volksbücher. Ein Beitrag zur Geschichte der
Meteorologie und zur Kulturgeschichte. Von Prof. Dr. G. Hell mann.
(Sammlung popul. Schriften, hcransg. von der Gesellschaft Urania
zu Berlin. Nr. 8.) Berlin, H. Paetel. IHM.
Das Schriftchen gibt nach einer kurzen orientirenden Einleitung eine
Uebersicht über die für den gemeinen Mann bestimmte Literatur, die sich auf
die meteorologischen Erscheinungen bezieht, in folgenden sechs Abschnitten:
DasBuch der Natur von Konrad von Megcnberg (um 1350), der Elucidarius,
Wctterbüchlein, Baucrn-Practik, Practiken und Prognostiken, Hundertjäh-
riger Kalender. Die einzelnen Werke und Gattungen von Schriften werden
eingehend unter Anführung von bezeichnenden Proben charakterisirt, in
ihrem gegenseitigen Zusammenhang uud dem mit anderen Werken be-
leuchtet und so eine litterargeschiehtlichc Uebersicht dieses bisher vernach-
lässigten Zweiges der volkstümlichen Litleratur gegeben. Bei den letzt-
genannten Gattungen sind facsimilirte Wiedergaben der Titel besonders
merkwürdiger und seltener Schriften beigefügt. S.
III. Misccllcn.
1. Wcihin.sciirift an d ic G öt tinucn dcrKri'Uzvc»»' in Köln.
Bei meinem letzten Aufenthalt in Köln, September 1892 bemerkte ich im
untern Kreuzhang' des Museums Wallraf-Richartz eiu kleinem Altnrchcn mit
der sauber cingemcisseltcn Inschrift:
QVADRV
BISDOMI
TIALVPV
LA V S L M
also Quadrubis Domilia Lupula vfotum) »(olnit) Itubcnx) m(erilo).
Meines Witwern» ist dieselbe nicht veröffentlicht. Der Stein ist nicht
mmiincrirt, und in den luveutaren, die bis zum Jahre 1888 hinaufreichen,
findet sich, wie mir Herr Hofrath Aldenhoven mitthcileu laust, keine
Notiz darüber. Der Stein muss schon seit einigen Jahren im Museum
win; man kann annehmen, dass er zwischen 1885, in welchem Jahre die
dritte Auflage de» Düntzcr'schcn Katalog» erschien, und 1888 ins Museum
gekommen und dass er unbeachtet liegen geblieben ist. Der Fundort
dürfte Köln sein. Denselben Göttinnen geweiht ist der an der Aachener
Strasse gefundene, von mir im Rheinischen Museum Bd. XLII 1887 S. 487
veröffentlichte Stein:
Qtuidnibiis Ucletianiua Crcscens
(vgl. Korrespondenzblatt der Westdeutschen Zeitschrift VI 1887 S. 182,
Jahrbücher des Vereins von Alterthumsfreunden im Rheinland LXXX1II
S. 22(5, LXXXVIII S. 247).
Anhangsweise sei an dieser Stelle auf die jüngst iu Carnuntum
gemachten Funde hingewiesen. Bei den im Novcmhcr 1801 und im
Sommer 1892 vorgenommenen Grabungen wurde ein ansehnlicher Gc-
baudccomplex mit erheblichen Uebcrresten einer alten Strasse aufgedeckt.
U. a. fand man y.wei kleine Heiligthümcr, beide angefüllt mit kleinen
Volivaltaren; die des einen Raums tragen meist die Widmung an den
Flurgott Sih'ttnun domenticus (ein Altar mit der Aufschrift Diane sacurum),
«He des andern sind den Kreuzweggöttinnen (Quadriviae, Quadmbiae)
geweiht, einer den Silvana* und Quadmbiae gemeinsam (eine analogo
Widmung CIL. III 4441, Bonn. Jahrb. LXXXI1I. S. 121. Nr. 108; Fundort
ebenfalls Carnuntum). Eine vorläufige Notiz über die interessanten Funde
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170
Misecllen.
steht im Nachtrag zum .Führer durch Cai mintum" von Kubitschck
und Frankfurter (1892). Hin« eingehende Publikation wird wohl in
nächster Zeit von österreichischer Seite erfolgen. M. Ihm.
2. Zur Numismatik von Köln. In dem Annuaire de la Societe
rrancaise de nuinismatiquc v. J. 1892 kommt Herr Kay in. Serrure auf
zwei Münzen zurück, welche 18Sfi in Macstricht gefunden und in dem-
selben .lahn- von de Cnstnr in der Hevue beige de nuinism. bespro-
chen wurden. Heide Münzen zeigen den Namen de« Kölner Erzbischofes
Hiltolf, doch war von Anfang an kein Zweifel darüber, dass dieselben
im Hinblick auf Gepräge und Gewicht nicht in Köln, sondern in der Ge-
gend der Maas geschlagen seien. Dannenberg, Deutsche M. d. sachs.
und frank. Kaiserz., Nr. 273 und 274, vernetzte dieselben nach Malmedy.
Aus einer von Pin c hart 1860 in der Rev. beige de nuinism. S. .%1
veröffentlichten Urkunde ersieht Serrure, dass die Abtei St. Pantaleon
in Köln von Bruno I. ausser .Besitzungen in Wesseln (in hotl. Limburg
gelegen) auch das Münzrecht daselbst erhalten habe, und glaubt in den
oben angeführten Stücken, zwei von der Abtei Pantaleon in Köln, für
Wesseln geschlagene Münzen zu erkennen. Die Gründe, welche ihn
hierzu veranlassen, hier alle zu wiederholen, würde zu weit führen, ich
habe die rheinischen Numismatiker nur nuf diese höchst interessante Be-
stimmung hinweisen wollen.
F. van Vleuten.
3. Rheinische Terracotta-Büsten. Als vor einigen Jahren
zu Köln eine später in diesen Jahrbüchern 85 S. 55 ff., Taf. 3 publicirte,
lebensgrosse Tcrracotta-Büste des fälschlich sogenannten Seneca ent-
deckt ward, wurde die Frage des antiken Ursprunges de« Stücke« viel
besprochen. Eine moderne Fälschung erschien, durch den geringen Fin-
derlohn, der für dasselbe gezahlt worden war, ausgeschlossen, ebenso
wie durch don Fundbericht, welcher zeigte, dass es» in altem Schutt ge-
lagert hatte. Doch ward schon damals darauf hingewiesen, es könne
sich um eine die Antike nachahmende ältere, bereits vor Jahren zer-
brochene Büste handeln, welche seinerzeit in den Schutt geworfen, nun-
mehr wieder zum Vorschein gekommen sei. Dieser Gedanke ward je-
doch mit der Motivirung zurückgewiesen, von einer Herstellung der-
artiger Terracotten im Hheinlande sei aus alterer Zeit nichts bekannt. Die
beiden folgenden, dem Bönnisehen Intelligenzblatt entlehnten Geschäfts-
anzeigen zeigen dem gegenüber, dass gerade im Rheinlnnde Ende vori-
gen Jahrhunderts die Thonindustrie und insbesondere die Fertigung von
Imitationen antiker Büsten, darunter auch des *og. Seneca eifrig betrie-
ben ward. Die rührigere unter den beiden zu nennenden Firmen scheint
die von linhof gewesen zu sein, dessen Annonce sich z. B. Jahrgang 1791
S. 340 f., 1792 S. 438 und 5G8 findet, wahrend die von Zezzi 1790 S. 249 f.
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Miscellen. 171
steht. Sie werden im Folgenden vollständig wiedergegeben, da die be-
treffenden Jahrgänge des Bonner Blattes verhältnissmässig selten sind,
und ihr Gesamintinhalt für die Benrthcilung der Fabrikanten nicht ohne
Interesse ist. Diese Anzeigen beweisen, dass der Gedanke, derartige
BiUten könnten der für die Antike begeisterten Zeit des letzten Kur-
fürsten entstammen, nicht ohne Weiteres von der Hand gewiesen werden
darf. Von Interesse wHre es, und hierzu anzuregen ist mit der Zweck
dieser Zeilen, wenn es gelange, Erzeugnisse der beiden Fabrikanten nach-
zuweisen, um so Aufschlags über die Ergebnisse ihrer Thätigkeit und
deren Verhältnis* zu ihren antiken Vorbildern zu gewinnen.
„Künster- Anzeige.
Peter Imhof der jüngere Sohn, Bildhauer und Figurist in Erde
gebackener Bilder in der Spiolmannsgassc nächst Scverinstrasse in Köln
zeigt einem verehrungSMürdigcn Publikum hiermit an, dass er eine
-Kunstfahrik angefangen habe, in welcher man künftig alle Gattungen
von Kunstbildern in gebackener Erde haben kann und zwar: 1) Alle
Gattungen von antiken Bildern, als Herkules, Neptun, Merkur, Flora etc.
etc. 2) Köpfe und Brustbilder der alten und neuen gelehrten und berühm-
ten Männer, z. B. Piaton, Homer, Cicero, Seneka, Cartesius, Newton,
Leibuiz, Geliert, etc. etc. 8) Kleine Gruppen von spielenden Kindergcu,
von Wassernymphen, von Thieren, etc. für auf Tische, dergleichen grose
Gruppen für in Gärten und Vorhöfe. 4) Allerhand Vaßen und Urnen
mit Zierrathen in dem besten antiken, hetrurischen, griechischen und
römischen Geschmack. 5) Allerhand Bassrelieven für Süporten, Me-
daillonen für an Kamine und Zierrathen in Arabeske für in Zimmer und
Kirchen, ß) Marienbilder, und alle Gattungen von Bildern der Heiligen
von allerhand Grösse für in Kirchen, Klöster und lür an Häuser wie sie
nur verlangt werden. Alle diese Bilder, Urnen und übrige Kunstwerke
in dauerhaft gebackener Erde werden nicht allein gut aus freier Hand
nach einer guten Zeichnung sondern so fein auspoussirt, als jemals eiu
Bild auf einer Porzellanfabrik kann poussirt werden. Hierbei hat mau
noch den Herren Käufern den besondern Vortheil bemerken wollen, dass alle
diese mit dem grössten Fleiss und Kunst in gebackenem Thon poussirte
Figuren billiger und wohlfeiler, als jene in Formen abgedruckte, steife,
geschmacklose Bilder werden verkauft werden. Auf das Verlangen und
Befehl der Herren Käufer werden die Bilder, Büsten, Gruppen, Urnen,
etc. für in Zimmer mit einer Bronz- oder Goldfarbe oder mit einem neu-
erfundeneu weissen LackHrnis angestrichen, als wenn es der feinste Por-
zellan wHre. Briefe mit Geld werden postfrei ausgebeten. Um aber ein
zu verehrendes Publikum von der Wirklichkeit dieser mit so vielem
Fleisse in Erde gebackenen Bilder zu Uberzeugen; so kann jedermann
wirklich verschiedene Figuren bei ihm (Peter lmhof, in der Spielmanns-
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172
Miscellen.
passe) ganz uucutgcldlich sehen, welche er für eitlen vornehmen deut-
lichen fürstlichen Hof verfertigt hat.
Peter Itnhof, der jüngere Sohn, Bildhauer und Poussirer in Erde
gehnckenor Bilder, wohnhaft in der Spielmannsgasse nächst der St.
Soverinstrasse in Köln am Rhein."
„Kunst-Nachrich t.
Da gewisse Leute (welche seit 30 bis 40 Jnhrcn die Kirchen, Gur-
ten und Häuser mit allerhand in Erde gehackenen steifen Bildern, mit
krumbeinigten, dickbiiuehigten und buckelichten Figuren, mit geschmack-
losen Urnen [wie Buttertöpfe] ohne wahre Zeichnung und ohne antiken
Geschmack angefüllt haben) sich erfrecht, nicht nur Bilder und Köpfe
heimlich unter der Hand durch schlechte Bursche kaufen zu lassen, die-
selben abzuformen, in ihrem Haus aufzustellen und solche auf eine un-
verschämte prahlende Art NB. für ihre eigene. Erfindung falschlich an-
zugeben: sondern sich sogar bei ihrer Stümperei erkühnt haben, andere
wahre geschickte Künstler in öffentlichen Zeitungen auf die dummsie
Art anzugreifen, als wenn man ihre elende geschmacklose Bilderbackerei
nachäffen wolte;"*so rechne ich mir es zur Pflicht, einem Kunstliobendcn
und Ächten Geschmack besizzenden Publikum anzuzeigen, dass meine
Kunstarbeit von in Erde gebackenen Statuen, Brustbildern, Köpfen. Ur-
nen, etc. etc. den besten Fortgang habe, dass meine in Erde angefangene
Bilderbäckerci mit dem grössten Beifall und besonderen Vorzug bei
allen wahren Kennern in Aachen, Bonn, Mainz, Koblenz, Elberfeld und
in andern Städten im Reich, in Holland und benachbarten Ländern auf-
genommen worden, wo man weder in Garten noch in Häuser keine
Affen, Puppen, Marionetten, keine steife Soldaten und Fehlervolle. Bilder
aufstellt. Dem Himmel sei Dank ! dass man auch in unsem niederdeut-
schen Gegenden anfangt, achten Geschmack in den bildenden Künsten
zu kennen, zu lieben, dass man hingegen stümperhafte Bilder und dumme
Hanswurstereien mit Verachtung ansieht. Ich habe nicht allein die Er-
laubnis erhalten, aus einer fürstlichen Sammlung die schönsten Antiken,
Statuen, Köpfe etc. etc. zu meinem Werke zu gebrauchen; sondern aus
Rom die prächtigsten und meisterhaftesten Köpfe und Figuren mit vielem
Aufwand zu erhalten, so dass ich ohne Prahlerei anzeigeu kann, dass
bei mir alle Arten von Statuen, Brustbildern, Köpfen, Hermen, Gruppen,
Vasen, Urnen und alle möglichen Zierathen für an Häuser, für in Gär-
ten, und für in Kirchen, nach dem besten antiken Geschmack, nach einer
richtigen Zeichnung in dauerhaft gebackener Erde um die billigsten
und wohlfeilsten Preise zu haben sein. Da meine Fabrik und K\instwerk
aus verschiedenen geschickten Künstlern besieht, so zeige zugleich an,
dass ich auch ganze Kirchen, Zimmer, etc. mit in Stucatur erhabener
Arbeit und Zierathen verfertige, wovon man dahier in Düsseldorf schon
verfertigte Säle sehen kann. Auch wird auf meiner Fabrik aller natür-
Miscellen.
178
liehe Marmor in Tafeln für Tische, Fenster, Altäre, Predigtstühle, etc. von
solcher Harte uud Schwerheit verfertigt, als wenn es natürliche Marmor-
Artcn waren.
Anton Zezzi, Fabriquant und Figurtst in Erde gebackener Bilder,
wohnt in der Karlstadt in Düsseldorf."
A. Wie de mann.
4. In eigener Sache. Herr Dr. Georg Wolfram bringt im
vierten Bande des Jahrbuchs den Vereins für lothringische. Geschichte
und Altcrthumskunde eine Besprechung meiner in der vorliegenden Zeit-
schrift erschienenen Abhandlung über inerovingittche und karolingischo
Plastik, die er zu einer Weiterführuug der leidigen Polemik über den
Ursprung der Metzer Reiterstatuette, im Musee Carnavalet benutzt. Das
würde an und für sich keinen Grund für mich abgebeu, noch einmal
auf das Thema zurückzukommen, da ich alles Wesentliche hingst gesagt
und mich nur wiederholen könnte — nur einige unrichtige Angaben des
Kritikers verlangen eine kurze Berichtigung. W o t f r a m überrascht mich
mit seiner Mittheilung, dass er nach wie vor die genannte Statuette für
ein Werk der Renaissance hält. Das thut mir aufrichtig leid, denn ich
hatte allerdings gehofft, dass, nachdem alle in dieser Frage kompetenten
Fachgenossen auf meine letzten Ausführungen hin die Möglichkeit einer
Entstehung der Figur in dieser Zeit von der Hand gewiesen, nunmehr
auch Wolfram seinen Irrthum, zu dem ihn voreilige Entdcckerfreudc
verführt, eingestehen würde. Mein Kritiker glaubt, die ganze Arbeit
solle im Wesentlichen nur dazu dienen, meine Ansicht von dem karolin-
gischen Ursprung der Figur zu stützen. Darin liegt eine doppelte Ueber-
schäitzung: Wolfram überschätzt dabei sowohl den Werth der Statuette
wie den seiner Einwände. Meine ganze Auseinandersetzung sucht er
dadurch zu schwächen, dass er sie erst „lediglich einen Abdruck der
früheren Replik" und dann, zwei Seiteu spater: „im Wesentlichen einen
Abdruck" nennt. Damit ist Wolfram ein sehr bedauerlicher Rechen-
fehler begegnet. Die betreffende Replik zahlt genau 104 Zeilen, der Ab-
schnitt in den Bonner Jahrbüchern, der „Wiederabdruck-, deren XIO.
Zum Schluss sucht Wolfram mich unter die festes suspecti zu klassili-
ciren, indem er mir drei uugenaue Citate vorwirft. Er vergisst dabei
nur zu bemerken, dass die bemängelten Citate sich überhaupt gar nicht
in der kritisirten Arbeit befinden, sondern au einer ganz anderen Stelle,
bei Gelegenheit einer bibliographischen Zusammenstellung in einer vor
drei Jahren in der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins erschienenen
Abhandlung. Fincs kritischen Kpilogs aul die freundliche Schlussbcmerkung
Wolframs, mit der die in uunöthig gereiztem Tone abgefasste Apologie
schliesst, darf ich mich wohl füglich enthalten. dornen.
f>. Morsbach. Römische Funde. Einige Kilometer südwestlich
von Forbach in der Ebene, und am Fusse des Herapcl (das Verzeichnis»
174
Miscellen.
der Literatur über diesen findet sich bei Kraus, Kunst und Alterthum
in Elsass-Loth ringen. Band III S. 201 ff.) liegt der Ort Mörsbach. Bei
Anlage einer Kiesgrube auf freiem Felde landen Bauern diese» Dorfes
f» bis G ziemlich gut erhaltene Urnen, die sie dum Pfarrer Bour in Koss-
brücken, zu dessen Kirchspiel Morsbach gehört, übergaben. Bei einein
Besuche bei genanntem Herrn im April d. J. sah ich diese Urnen und
bewirkte, da eine systematische Ausgrabung an der dortigen Stelle gün-
stige Ergebnisse zu versprechen schien, die bereitwillige und unverzüg-
liche Zurverfügungstellung der uöthigeu Geldmittel von Seiten S. Excel-
lenz des Herrn Staatssekretär von Puttkamcr auf Kosten der Landes-
verwaltung. Fünf Leichenverhiennungsslätten, welche durch eine starke
Schicht von Kohlen und Aschenrosten als solche kenntlich waren, vier
kleinere und eine grössere, letztere etwa H Meter im Geviert, wurden
aufgedeckt und die Fundstätte dergestalt als Begräbuissstättc gekenn-
zeichnet. Zahlreiche Gegenstände lagen unregelmäßig vertheilt, jedoch
meist in nur geringer Kiitfernung von einander, 50—00 cm unter der
Oberfläche im Kiesboden. Ks waren vornehmlich Urnen von verschie-
dener Form und Grösse und mannigfachen Materials; silmmtliche jedoch
mit Kuochenkohlenresten gefüllt. Neben denselben befanden sich Krüge,
Näpfe, Schalen, Vasen, ebenfalls verschiedenster Art und verschiedenen
Materials, auch vielfach in terra sigillata, sowie mit Ornamenten und
Thiergestalten. Ferner in grosser Zahl Lanzenspitzcn und sonstige Waffen-
reste, Bronzegogenständc wie Armringe, Scheiben, Schlüssel, Kamme,
Seihgcfässe, Nadeln, Fibeln u. s. w., sowie Glasgeschirre und Münzen.
211 Nummern und 0 Münzen (darunter Agrippa, Vespasian, eine solche
von Nemausus) wurden bis jetzt in das Metzer Museum übergeführt;
doch wird die Ausgrabung noch fortgesetzt und täglich und stündlich
weiden neue Gegenstände zu Tage gebracht. Die Stücke, deren aus-
fuhrlichere, von Tafeln begleitete Schilderung das nächste Jahrbuch
bringen wird, sind fast durchweg vorzüglich erhalten, vor allem ein
bronzener Schlüssel. Ausserdem erscheint wegen der Seltenheit des Vor-
kommens hemerkenswe rth ein Kamm mit sehr feinen dichtgestellten
Zähnen, der anscheinend als Bartkamm gedient hat.
Aus den Münzen ergibt sich, dnss die Anlage aus dem 1. Jahr-
hundert n. Chr. stammt. Möglicher Weise bildete sie den Begrabnissplatz
der Besatzung des befestigten Lagers auf dem zur Seite gelegenen He-
rapel, womit die von F. W. Schmidt bei Kraus a. a. 0. P. 202, freilich
ohne Begründung, gegebene Notiz übereinstimmen würde. Da indessen
die Entfernung der Fundstätte vom Hcrnpel volle 2 Kilometer beträgt,
so dürfte es wahrscheinlicher sein, das» wir es hier mit der Begräbnis«-
Stätte einer in der Nähe belegenen Niederlassung zu tliun haben. Die
Fundstätte liegt, um dies noch zu erwähnen, neben der am Hcrapcl von
der Kömerstrasse Metz-Strnssbuig sich abzweigenden Strasse Metz-Mainz,
deren Profil ich bis jetzt an fünf verschiedenen Stellen habe freilegen lassen.
Metz, 30. Mai 1893.
Tornow.
Jahrb. d. Vereins v. AUerthumsfr. im Rheinland. Heß XCIV.
Ein Felsenbild aus der la-Tene-Zeit.
Tafel. 1.
Jahrb. d. Vereins v. AHerthumsfr. im Xheinland. Heß XC1V. Taf. U
Ruine Schhsseek in der Pfalz. (*• Portal
Jahrb. & Vernix nMtirthwiaft im Rheinland. Hrli XC I V.
Tafel UI.
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I
Jahih ,1 Vwim ü. llln\h\tm.4r. im Rheinland Hell A'i / 1'
Tufei U
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